Jürgen Stoffregen Motorradtechnik
Kraftfahrzeugtechnik
Handbuch Verbrennungsmotor
herausgegeben von R. van Basshuysen und F. Schäfer Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik
herausgegeben von H.-H. Braess und U. Seiffert Automobildesign und Technik
herausgegeben von H.-H. Braess und U. Seiffert Bremsenhandbuch
herausgegeben von B. Breuer und K. H. Bill Handbuch Verkehrsunfallrekonstruktion
herausgegeben von H. Burg und A. Maser Fahrwerkhandbuch
herausgegeben von B. Heißing und M. Ersoy Passive Sicherheit von Kraftfahrzeugen
von F. Kramer Fahrzeugreifen und Fahrwerkentwicklung von G. Leister Grundlagen Verbrennungsmotoren herausgegeben von G. P. Merker und ehr. Schw arz Virtuelle Produktentstehung für Fahrzeug und Antrieb im Kfz herausgegeben von U. Seiffert und G. Rainer Rennwagentechnik von M. Trzesniowski Handbuch Kraftfahrzeugelektronik herausgegeben von H. Wallentowitz und K. Reif Handbuch Fahrerassistenzsysteme herausgegeben von H. Winner, S. Hakuli und G. Wolf
www.viewegteubner.de
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Iürgen Stoffrege n
Motorradtechni k Grundlagen und Ko nzepte von Motor, Ant rieb und Fahrwerk 7., übera rbe itete und erwe iterte Auflage Mit 391 Abbild ungen POPULÄR
11 VIE WEG + T EUBNER
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MTZ-Fachbuch
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothekverzeichnet diese Publikation in der Deutschen Naticnatbibliograüe; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
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1. Auflage 1995 2., verbesserte Auflage 1996 3., überarbeitete und erweiterte Auflage 1998 4., überarbeitete und erweiterte AUflage 2001 5., überarbeitete und erweiterte Auflage 2004 6., durchgesehene und erweiterte Auflage 2006 7., überarbeitete und erweiterte Auflage 2010
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© Vieweg- t eubner I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010 Lektorat: Ewald Schmitt I Elisabeth lange Vieweg+Teubner ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Seience-Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtfleh geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen. Handelsnamen. Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Künkellopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz: KlEMENTZ publishingservrces, Gundelfingen Druck und buchbindensehe Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany ISBN 978-3-8348-0698-7
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Vorwort zur 7. Auflage Auch im Zeitalt er virtueller Welten bleibt d ie Faszination des Motorrad fehrens. der Mechanik und der sichtbaren wie hautn ah zu spüre nde n Technik ungebrochen . Die Un mittelbarkeit und die Dynamik der Bewegu ngsabläu fe sow ie d ie enge Kopp elung zw ischen Mensch u nd Maschine machen da s Erlebn is auf ein em Motorrad ei nz igartig wie bei kei nem anderen Landfahrzeug. Dieses Buch möchte Einblicke in de n technischen Aufb au von Motorrädern geben und die Technik sow ie ihre Hintergr ünde in einem Gesamtzu sammenhang erläutern . Die erste Auflage des Buches Motorradtechn ik kam 1995 auf de n Markt. und dieses Buch hat sich mittlerweile als Sta ndardwerk etab liert. Zuschriften zeigen, dass sein Konzept die Leser bege istert und das Buch seine Zielsetzu ng erre icht hat: Die Tech nik moderner Motorräder w rstündlich und fesselnd darzu stellen u nd neben Fachleuten auch interessiert e Motorrad fa hrer anzusprechen. Dieses wa r und bleibt dem Autor ein besonderes Anliegen. In de n 14 Jahren seit seinem Erscheinen wurde da s Buch regelmäßig aktu alisiert u nd erwe itert. Län gst überfällig war die Aufnahme eines Kap itels über elektronische Systeme und moderne Bordnetze im Motorrad . Dieses wird mit der vorliege nden 7. Auflage nachgeholt. Die neuesten Entwicklungen bei Regelu ngssysteme n für den Ant rieb wie auch bei de n Brem sen (ASS) wurden in d ie bisherigen Ka pitel integriert. Die seit einiger Ze it verstärkt gefüh rte Disku ssion über die End lichkei t des Erdöls un d d ie resultiere nden Forderungen nach Senkung des Kraft stoffve rbrau chs für Kraftfahrzeuge hat die motori sierten Zweiräder erneut als Individualverkehrsmittel für Transportau fgaben ins Gesprä ch gebrac ht. Motorräder mit elektrischen Antrieben machen die ers ten Schritte in den Markt. Diese Entwick lungen werden im Kap itel Zukunftse ntw icklungen kurz anger issen . Dennoch wird d ie Ma rkt steIlung des Moto rrades als Freizeit fahrzeug auch in den nächste n 15 Jah ren erhalten bleiben und der Verbrennungsmotor wird auc h nach 2020 die dominierende Antriebsquelle fü r Motorräder sei n. Deshalb wird d ieses Fachbu ch weiterhin seiner bishe rigen Hauptausrichtung treu bleiben . Es bleibt also auch in de r Zukunft be i dem, was schon in der ersten Auflage 1995 gesagt wurde : Das Motorra d vereint auf engstem Bauraum modern ste Motoren-, Fahrwerks- und Werkstofftechnotogie. In vielen Bereichen de s Fah rzeu gbau s hat das Motorrad Schritt macherfunktionen für d ie Einfü hrung neuer Technologjen geleistet. Erinnert sei hier an die Mehr ventiltechnik. die, im Moto rrad seit rund 30 Jahren Standard, ers t viele Jahre nach dem Motorrad Einzug in die Großserienmotoren des Automobils gefunden hat. Ein weiteres Beispiel ist der Ra hmenba u. Ge schwei ßte Verbundkonstru ktionen aus Aluminium-Strangpress profilen und AluminiumGu sste ilen sind im Moto rradbau längst auf bre iter Basis eingeführt, wä hrend beim Automobil diese Technik nach wie vor nur in Einzelfallen angew andt wird. Auch die mod erne Forsch ung befasst sich seit Jah ren aufgru nd de r Initiative einig er Hochschulinstitut e intensiver mit der Tech nik des Motorrade s. Wicht ige Frage n der Fahrdynamik und der Fahr instabilitäten konnten dadu rch aufge klärt werden, was wesen tlich dazu beigetragen hat, die Hochgeschwi ndigkeitsstabilität mode rner Motorräder zu perfektion ieren. Die Erke nntnisse moderner Fo rschungs- und Entwicklungsa rbeiten dr ingen über de n Kreis der dam it befassten Fachleute immer noch nur we nig hinaus. Gleichwohl besteht be i vielen, die sich berufli ch oder auch nur pr ivat mit dem Motorrad be schäfti gen de r Wunsch, d ie technischen
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Vorwort z ur 7. Auflage
Zusammenhänge näher kennen zule rnen. Dieses Buch wurde geschrieben, um dem interessierten Leser das ak tuelle Wissen neuzeitlicher Motorradtech nik zugä nglich zu machen. Abgeleitet aus den theoretischen Gru ndlage n werden die Konstruktionsprinzipien von Motor, Antrieb und Fahrwerk ausführlich erläutert und die praktische Entw icklung mode rner Motorräder da rgestel lt. Aus dem Blickwinkel der indu striellen Praxis heraus, werden dabei auch die Zielkonflikte zwischen dem techni sch Möglic hen u nd wirtsc haftlich Sinnvollen nicht ausgeklammert. Das Buch ist entstanden aus de r g leichnamigen Leh rveranstaltung, d ie de r Autor an der Hochschule München seit nunm ehr 22 Jahren hält. Hauptberuflich warer viele Jah re bei BMW in der Motorradentwicklun g und später als Pressesprecher für den Geschäftsbereich Motorrad tätig. Heute leitet er das Produktmanagement für Fahrerau sstattung und Sonderzubehör im Hause BMW Motorrad. Das Buch wend et sich gleichermaßen an Stud ierende von Fach- und Hochschulen, wie an Zweiradmechan iker und Meister sowie an alle technik interessiert en Motorrad fah rer. Durch den Verz icht auf schwierige mathematische Herleitu ngen zug unsren anschaulicher Zusammenhänge und ausfü hrlicher Erläuterung bleibt es auch für den Motorradfahrer mit physika lischem Gr undverstä ndnis gut lesba r. Wichtige technisch-physikalische Gru ndlagen kö nnen auch im Glossar technisc her Grundbegriffe am Ende des Buches nachgeschlage n werden . Es ist dem Verfasser als begeistertem Motorradfahrer ein be sonde res Anliegen, da ss statt tro ckener Theorie anwendba res Praxiswissen im Vordergrund steht und dam it das Lesen auch Freude bere itet. Dass das gewä hlte Konzept eines lesbaren Fachbuchs be im Leser ankommt, zeigt sich dara n, dass die bisherigen Auflagenjeweils rasch vergriffen waren . Studierende u nd Fachleute der Fahrzeugtechnik u nd verwandter Fachrichtungen. d ie sich an manchen Stellen vielleicht eine strenger wissenschaftliche Darstellu ng wü nschen. seien aufdie za hlreichen Literatu rstellen verwiesen. Eine tiefere Einarbe itung in die Problemstellungen wird d amit leicht mög lich. Für die Überlassung von Bildm aterial und Unterlagen bedan ke ich mich wiede rum bei allen Institutionen u nd Unternehmen der Motor radindust rie. sowie bei befreundeten Motorrad-Fachze itschrifte n. Mein Dank gi lt ebenso allen Kollegen, Studenten und Motorradfahrern, die in Gesprächen und Diskussionen mit vielen Ideen u nd Gedanken fortla ufend zu r weiteren Gesta ltung dieses Buches beigetragen haben . Namentlich erwähnen möchte ich Herrn Dipt.-ln g. Themas Ringho lz, Herrn Dipl.-l ng. Claus Polap und Herrn Dipl.-Ing. Ger t Fischer, die bei der Kon zeption der ersten Auflage wichtige Beiträge zu einigen Kapitel n geleistet haben. Nicht vergessen möchte ich meine Frau, ohne deren Verstä ndnis für meinen Zeitaufwa nd d ieses Buch nie hätte entstehen und weiterentw ickelt werden können . Wie von Beginn an , hat Herr Dipl.-Ing. Ewald Schmitt auch die vorliegende 7. Auflage wieder mit große m pe rsönl ichen Engagement gefördert. Ihm und dem Verlag Vieweg+Teubner danke ich für d ie fachliche und freundschaftli che Unterstützung u nd Berat ung. Münch en und Olching, Oktober 2009
Jiirgen StojJregen
VII
Inhaltsverzeichnis G esa mtfa hrzeug
Ernrühru ng . 1.1 Verkehrsmittel Motorrad und wirtschaft liche Bedeutung 1.2 Cha rakter istische Eigenschaft en von Motorrädern .. .. . 1.3 Baug ruppen des Motorrad es und techn ische Trends 2
Fah r wld erst ände, Leist ungsb eda r f und Fahr leistungen 2.1 Stationäre Fahrwiderstände Rollwiderstand 2.1.1 2.1.2 Luft widerstand 2.1.3 Steigungswiderstand 2.2 Instat ionäre Fahrwiderständ e 2.2.1 Tra nslatorischer Beschleun igungswiderstan d 2.2.2 Rotatoriseher Beschleunigungswiderstand 2.3 Leistungsbedarf und Fahrleistungen
I I
6 7 10 10 10 12 14 15 15 15 16
xtotor und Ant r ieb 3 Arbeits weise, Baufor men und kon stru kti ve Ausfü hr ung von öt cr or r a dm otoren . 3.1 Motorischer Arbeitsprozess und seine wichtigsten Kenngröße n 3.1.1 Energiewandlung im Viert akt- und Zweitaktprozess 3.1.2 Reale Prozessg rößen und ihr Einfluss auf die Motorleistun g 3.2 Ladungswechsel und Ventilsteuerung beim Viertakt moto r . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Ventilöffnungsdauer und Ventilsteuerdiagramm 3.2.2 Ventilerhebung und Nockenform 3.2.3 Geometrie der Gaskanäle im Zylinderkopf 3.3 Ladungswechsel und Steuerung beim Zweitaktmotor 3.3.1 Gru ndlagen des Ladungswechsels bei der Schlitzsteuerung . . . . . . . .. . 3.3.2 Membransteuerung fü r den Einlass 3.3.3 Schiebersteuer ung für Ein- und Auslass 3.3A Exte rnes Spülgebtäse 3.3.5 Kombi nierte Steueru ngen und Direkteinspritzung 3A Zündung und Verbrennun g im Motor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3A.1 Reakt ionsmechan ismen und g rundsätzlicher Verbrennungsablauf 3A.2 Beeinflussung der Verbrennung durch den Zündzeitpunkt 3A.3 Irreg ulä re Verbrennungsabläufe 3A A Bildung der Abgasschadstoffe 3.5 Gas- und Massenkräfte im Motor 3.5.1 Gask raft 3.5.2 Bewegungsgesetz des Kurbeltr iebs und Massen kraft 3.5.3 Ausgleich der Massenk räfte und -momente
21 21 22 28 33 33 36 47 49 49 56 58 59 62 64 64 67 72 77 78 79 80 84
VIII
Inhaltsverzeichnis
3.6 3.7
Motorkonzeption und geometrische Grundauslegung Konstr uktive Gestaltung der Motorbauteile 3.7.1 Bauteile des Kurbeltriebs und deren Gestaltung 3.7.2 Gestaltung von Kurbelgehäuse und Zylinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3.7.3 Gestaltung von Zylinderkopf und Ventiltrieb 3.7.4 Beispiele ausgeführter Gesamtmotoren 3.8 Kühlung und Schmierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3.8.1 Kühlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3.8.2 Schmierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 3.9 Systeme zur Ge mischaufbe reitung und Sauganlagen 3.9.1 Vergaser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.9.2 Einspritzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.10 Abgasanlagen 3.10.1 Konventionelle Schalldämpferanlagen 3.10.2 Abgasa nlagen mit Kata lysatoren 3.11 Elektrische Systeme - Energieversorg ung. Elektron ik und Bordnetz 3.11.1 Elektrische Energieversorgung 3.11.2 Bordnetz
107 111 111 129 137 163 166 166 171 173 173 179 188 188 192 196 196 198
200 200 202 204 209
4 Motorl eistungsab stimmung im Vers uch 4.1 Grundlagen der Gasdynamik beim Ladungswechsel 4.2 Einfluss der Steuerzeit 4.3 Auslegung der Sauganlage 4.4 Auslegung der Abgasa nlage
. . . . .
5 Me te rent uni ng
. 211
6
Kupplung, Scha ltgetriebe un d Rad antri eb 6.1 Kupplung 6.2 Schaltgetriebe 6.3 Radantrieb
. . . .
223 223 228 233
7
Kra rtsto rr und Schmieröl 7.1 Erdöl als Basis für die Herstellung von Kraft- und Schmierstoffen 7.1.1 Kettenförrnige Kohlenwasserstoffe . 7.1.2 Ringförmige Kohlenwasserstoffe . 7.1.3 Weitere in der Petroc hemie gebräuchliche Bezeichnungen . . 7.2 Rohölverarbeitu ng 7.2.1 Destillation 7.2.2 Konversionsverfah ren 7.2.3 Entschwefeln im Hydrotreater 7.3 Ottokraft stoffe 7.3.1 Zusammensetzung von Ottokraftstoffen 7.3.2 Unerw ünschte Besta ndteile im Ottokraftstoff 7.3.3 Kraftstoffzusätze (Additive) 7.3.4 Wesent liche Eigenschaften von Ottokraftstoffen 7.3.5 Rennkr aft stoffe
. . . . . . . . . .
238 238 239 242 243 244 244 246 247 247 247 248 248 249 253
IX
In baltsverzeichms 7.4
7.5 7.6
Moto renöle 7.4.1 Gr undöle 7.4.2 Additive 7.4.3 Viskositätsindexverbesserer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 7.4.4 Klassifizierung von Motorenölen 7.4.5 Zweitaktöle 7,4.6 Rennöle Getr iebeöle Ölzusetze
253 256 257 259 261 265 266 268 270
Fahr werk 8
Kon stru ktive Auslegung von l\fotor ra dfa hrwerk en 8.1 Begriffe und geometrische Gru nddaten 8.2 Kräfte am Motorradfa hrwerk . 8.3 Rahmen und Radführu ngen . 8.3.1 Bauar ten und konstruktive Ausführung von Motorradrahmen 8.3.2 Bauarten und konstru ktive Ausführung der Vorderradführung 8.3.3 Bauar ten und konstruktive Ausführung der Hinterradführung 8.3.4 Federung und Dämpfung 8,4 Lenkung . 8.4.1 Steuerkopflenkung . . 8.4.2 Achsschenkellenkung 8.4.3 Radnabe nlenkung 8.5 Bremsen 8.6 Räder und Reifen
271 . 271 273 277 277
291 306 321 327
328 329 . 330 . 331 . 333
9 Festigkeits- und Sretügketrs unters uchunge n a n Motor r adfah r werk en 9.1 Betriebsfestigkeit von Fahrwerkskomponenten 9.2 Steifigkeitsuntersuchungen . 9.3 Dauererprobung des Gesamtfahrwerks . .
340 340 344 345
10 Fahrdyna mik und Fa hr versuch 10.1 Geradeausfah rt und Gera deausstab ilität . 1O.1.1 Kreiselwirkung und Grundlagen der dynami schen Stabilisierung 10.1.2 Fahrinstabilitäten Flattern, Pendeln und Lenkerschlagen . 10.2 Kurvenfahrt . 10.2.1 Einlenkvorgang und Grundlagen der idealisierten Kurvenfahrt 10.2.2 Reale Einflüsse bei Kurvenfahrt . . 10.2.3 Hand ling .
. 347
11 Regelu ngssysteme für Bremsen und Antriebsschlupf 11.1 Gr undlegende Gesetzmäßigkeiten bei der Bremsung 11 .2 Stabilitätsverlust beim Bremsen und Grundfunktion des ABS 11 .3 ABS-Komponenten und ausgeführte Seriensysteme
. . . .
347 347 353 362 362
364 367 369 369
374 378
x
Inhaltsverzeich nis 11 ,4 Ku rvenbremsurig 11.5 Antriebsschlupfregelung
395 39 7
Karosserie und Gesam tentwu rf 12 Design, Aerodynamik und Karosserieau slegun g 12.1 Desig n als integrale r Bestandtei l der Motorradentwickl ung 12.2 Aerodynamik u nd Verkleidungsauslegung 12.3 Fahrerplatzgestaltu ng u nd Komfort
401 401 411 4 18
Indivlduallsierung 419 13 Zubehör, S pezia lteile und technische vertetnerung 13.1 Verbesseru ngen und Spezialteile für Motor und Ant rieb 419 13.2 Ver besser u ngen und Spez ialteile für das Fahrwe rk 424 13.2.1 Rahmen , Radfüh rungen und Fed erbeine 424 13.2.2 Räder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 13.2.3 Brem san lage 430 13.2.4 Len ke r, Bed ienele me nte. Fuß rasten, Sitzbä nke 433 13.2.5 Verk leidun gen, Ka rosser iete ile u nd Tanks 435 13.3 Gepäcksysteme und sonstiges Zubehör 439 13.4 Komplett umb aute n 440 Zu ku n Its entwicklu ngen 14 Trends und zu k ü n ft ige Anforderungen im Motorradbau
443
Llteratu rve r zelchnis
455
.
457
Anh an g - Glossar techn ischer Grundbegriffe
Sac hwcr t verz etchnts
.
465
Gesamtfahrzeug 1 Einführung Motor räder und Motor radfahren üben aufv iele Men schen eine g roße Faszination aus. Sie beru ht im Wesentli chen au f der Unmittelbarkeit des Fahrerlebnisses. der Dynami k und der Intensität der Sinnenbeanspruchung. Motorradfa hren bed ingt ein sehr enges Zusamme nspiel aller Sinne und des Körpe rs und eine permanente Rückkoppelung und Interaktion zw ischen dem Fahrer und der Technik seiner Maschin e. Man ka nn es als sinnliches Techn ikerleben besch reiben und S em! Spiegel spricht in seinem sehr interessanten Buch [1.1]von hoch entw ickeltem Werkze uggebrauch. Diese Emotionalität und die Vielfalt des Erlebens sind wesentliche G ründe, da ss sich trotz einer Zeitströmung, d ie den Individualverkehr kr itischer als früher betrachtet, Motorräder zunehmende r Beliebtheit erfreuen. Obgleich sich d ieses Buch mit der Technik befasst, soll zu Beginn das Motorrad ku rz in seinem wirtschaftlichen und gesellschaftl ichen Umfeld sowie in seiner Rolle als Verkehrsmittel bet rachtet werden. Denn da s Umfeld wirkt zusammen mit den emotionalen Faktoren auf die techn ische Entwicklung unmittelbar ein. Von erheblicher Bedeutung für d ie Tech nik des Motorrade s sind auch seine ganz spez iellen Eigenschaft en, d ie sich z.T. erheblich von de nen andere r Straßenfahrzeuge unter scheiden. Auch diese muss man sich bewusst vor Augen führen. wenn man techn ische Entw icklungen im Motorradbau verstehen will.
1.1 Verkehrsmittel Motorrad und wlr tschaftllche Bedeutun g Die Bedeutung des Motorrades als Verkehrmittel ist einem stetigen Wandel unterlegen, und dies wird auch zukünftig der Fall sein. Von den Anfangsjahren bis etwa Ende der 20e r Jahre waren Motorräd er ex klusive Fahrzeuge, d ie von wohlhabenden Leuten vornehmlich für Sportund Freizeitzwecke eingesetzt wurde n, Bild 1.1 .
Bild 1.1 Renn-M otorrad der 20er Jahre (C urtiss V-8 von 1907)
I Einführung
2
In den 30er Jahren avancierten sie aber bereits zum lndividualverkehrsmittel, das einz ige. das sich eine größere Bevölkeru ngsschicht überhaupt leisten konnte. Ein Auto war für die meisten Men schen in Buropa gerade auch in der Nachkr iegszeit bis gegen Ende de r 50er Jahre une rschwinglich. Die verbreitetsten Motorräder jener Zeit waren zu meist einfach gebaute. leichte Maschinen mit häufig nicht mehr als 200 cm' Hubraum , Bild 1.2.
Bild 1.2
Motorrad als Individ ualverkehrsmitt el der 50CT Jahre, DKW RT 125
Die Bestand szahlen von Motorrädern (ab 125 cm3) und Pkw in de r Bunde srepublik Deutschland von den 50e r Jah ren bis in neuere Zeit spiegeln die ses eindru cksvoll wider, Bild 1.3. Die Gr afik zeigt im oberen Teil den Fahrzeugbestand u nd darunter die Aufte ilung de r Fah rzeuge auf d ie erwachsene Bevölkerung (älter als 18 Jah re) als Maß stab für die Motor isieru ng. Der Bestand wa r 1955 bei Motorrädern um 50 % höher als bei Autos. Das Motorrad war da s Individualfahrzeug breiter Schichten. da s die Massenmotor isierun g in Deutschland (West wie Ost) in der Zeit des Wiede raufbaus einleitete. Nac h Motorrädern be stand ein Bedarf, sie waren nützlich und hatte n ein pos itives soziales Prestige. Dies änderte sich bekannt erm aßen rapide mit dem An stieg des Woh lsta ndes in den 60er Jahre n, gegen deren Ende da s Motorrad in Westdeut schland ga nz vom Markt zu verschwinden drohte. Es spielte mit nicht einmal mehr 2 % des Pkw-Bestandes nur noch eine Außenseiterrolle. Von den ehemals siebe n große n und bedeutenden Herstellern von Motor rädern übe r 125 cm ' in Westd eutschla nd überlebten z unächst noch vier (BMW, Maico, Zü ndapp und die Sachs-G ru ppe). wobei BMW als Einziger noch großvolumige Motorräder fert igte. Durch die besond eren Verhältn isse in der damal igen DDR vollzog sich die Entwicklung dor t vollkommen anders. Das Motorrad beh ielt eine dom inierende Stellung bis zur Wiederverei nig ung bei. Der Herstell er MZ gehörte mit Produ ktionszahlen zw ischen 80.000- 100.000 Einheiten zu den große n Herstellern. Bild 1.4. Im übrigen Euro pa vollzog sich eine etwas weniger dramat ische. g rundsätzlich aber ähnliche Entwi cklung wie in Westdeutschland.
1.1 Verke hrsmittel Motorrad und wirtsch aftliche Bedeutung
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Bild 1.3 Bestand szahlen für Motorräd er (ab 125 cm' ) und Pk w relativ z ur Bevölkerung in der BRD
Bild 1.4 MZ ETS 250
4
1 Einfü hrung
Die bekannte, unerwartete Renaissance An fang der 70e r Jahre ging von de n USA aus, wo das Motorrad als Sport- und Freizeitge rät neu e ntdeckt wurde und auch z um Symbol der ind ividu ellen Freiheit wurde . Die Entwic klung ist beka nnt. es ka m zu einem Motorradb oo m ungeah nten Ausmaßes, der, mit den üblichen zy klischen Schwa nkunge n. bis heute anhält. Motorräd er sind zu eine m Konsuma rtikel einer kapitalkräftigen Freizeitgesellschaft geworden. mit dem man auch seinen Lebensstil ausdr ückt. Sie werde n gekauft von Leuten, die ihre Faszinat ion von der Technik mit dem unmittelbaren Fahrvergnügen verbinden, und zunehmend auch von Menschen. die keine besonde re " persönliche Ideologie" mit dem Motorrad verbindet. sondern einfach nur da s Fah ren genießen. Trotz die ser insgesamt erfreulic hen Entwic klung werden die Bestandszahlen der 50er Jahre erst in jü ngste r Zeit über sch ritten . Aufgrund der angestiegenen Gesamtbe völkerung bleibt d ie Motorisierungsquote in Bezug au f Motorräde r nied rig. Immerhin errei chen Motorräder inzwischen rund 7 % der Bestandszahle n von Pkw, so dass das Motorrad seine ehemalige Außenseiterrolle verloren hat. Auswirkungen hat d ieses auch auf d ie Gesetzgebung, die Motorräde r hinsichtlich Abga s- und Geräuschemissionen zunehmend ähn lichen Bedingu ngen unterwirft wie die Pkw. Auch dem Unfallge schehe n bei Motorrädern wird de r Gesetzgebe r zukünftig mehr Aufmerksamkeit schenken. Die Zahl der bei Verkehr sunfällen Getöteten sinkt beim Pkw kontinuierlich und lag in 2008 mit r und 4.50 0 Personen auf dem nied rigsten Stand. Da Moto rräder baua rtbedingt kau m Fortschr itte hinsichtlich ihre r passiven Sicherheit aufwe isen . ist hier nicht solch eine positive Entwick lung au fzeigba r. Die Relation zwischen Motorrädern und Pkw verschiebt sich dahe r bei den Unfallfolgen ungünstig in Richtun g Moto rräder. Die for tschreitende Verstopfu ng der Innenstädte bringt seit geraumer Ze it das Moto rrad als Lösung de s Verkehrproblems für de n indi vidue llen Kurzstreckenverkehr ins Gespräc h. Seine Vor teile werden in der g roßen Wendigkeit, im geringeren Verkehrsflächenbed arfbei niedrigen Geschwind igkeite n (und nur dort !) und insbesondere beim Parken gesehen, Bild 1.5. In einigen europäischen Großstädten wie London und Paris, oder tradit ionell in Italien spielen motorisierte Zweiräder inz wischen wieder eine Rolle ftir d ie Fah rt zur Arbeit. Dieses könnte Verkenrsfläche , ..,.".
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Verkehrsffächcnbcdarf von Auto und Motorrad im Vergleich fließender Verkehr (Stadtlahrt)
1.1 Verkehrsmittel Motorrad und wirtschaftliche Bedeutu ng
5
positive Impulse bei den aufkeimenden Diskussionen hinsichtlich der Umweltbelastun gen durch Motorräder geben. Ob zukünft ig neben dem Sport- und Freizeitmotorrad eine neue Motorradkategorie. möglicherweise auf Basis der bekannte n Roller entsteht, kann derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden. Fortschrittli che und richtungweisende Lösungen wie der C I von BMW mit seinem einzigartigen Sicherheitskonzept. Hild 1.6, wurden zw ar anfäng lich begeistert von Markt und Medien aufgenommen, konnten sich aber letztlich nicht wie erhofft durchsetzen. Auf weitere Aspekte und mögliche Zukunftsentw icklungen wird am Schluss des Buches im Kapitel 14 ausführlicher eingegangen.
Bild 1.6 BMW C I
Der wirtschaftlichen Bedeutung des Motorrades wird aus Unkenntnis häufig nur ein geringer Stellenwert zugemessen. Unmittelbar mit der Entw icklung und Herstellung von Motorrä dern haben zwa r in Deutschland nur wenige tausend Menschen zu tun, doch gehen die Beschäftigungszahlen in der gesamten Motorradbranc he in die Zehntausende. Dazu gehören die Beschäftigten der Bekleidungs- und Zubehörindustr ie, die Händler und Reparaturbetr iebe. die Reifenindustrie, Fahrschulen und die Hersteller von Kraftstoffen. Schmier- und Pflegemitteln. Hinzu kommen die Versicherungen und die Banken. Auch der Motorrad rennsport bietet Arbeitsplätze. von der Organisation bis über Werbemittel und Fernsehübert ragungen. Insgesamt erre icht der Umsatz dieses gesamte n Bereiches allein in Deutschland pro Jahr eine Größenordnung, die deutlich über 10 Milliarden € liegen dürfte; europaweit dürfte der Betrag ein Mehrfaches dieser Summe betragen. Die Wissenschaft nim mt sich ebenfalls des Motor rades an. Im deutschsprachigen Raum (Deutschland. Schweiz, Österreich) forschen und lehren mindestens 6 Hochschulen und Fachhochschulen direkt auf dem Gebiet der Motorradt echnlk: nimmt man Randgebiete (Unfallmedizin und Psychologie) hinzu, sind es noch einige mehr. Eine Vielza hl weiterer Institutionen (DEKRA. IfZ, TÜV Rheinland und Bayern-Sachsen, Versicherungen etc.) beschäftigen sich intensiv mit speziellen Problemstellungen rund um das Motorrad.
6
Einfü hrung
1.2 Charakteristische Eigensch aften von Motorrädern Motorräder sind mit Ausnah me von Beiwagengespannen. die hier nicht behandelt werden, Einspurfah rzeuge und damit nicht eigen stabil. Das Motorrad befindet sich immer im labilen Gleichgewicht und neigt, wie jeder weiß, z um Umfallen. Es wird rein dynam isch durch die Kreiselkr äfte de r dreh ende n Räder stabilisiert. Mit der dynamischen Stabilisieru ng hängt auch d ie Eigenart de r Lenk ung bei de r Kur venfahrl z usamme n. Motorräder werden, mit Ausnahme sehr niedr iger Geschwindigkeiten, nicht dur ch einen Lenkeinschlag im herkömmlichen Sinne gelenkt, sondern de r Lenkeinschlag dient led iglich zum Einleiten de r für d ie Kurvenfahrt notwendigen Schräglage. In der Kurve kompen siert d ie Schräglage die auftretenden Flieh kräfte, d.h. Fliehkraft und Schwerkraft halten sich da s Gleichgewicht. Diese besonderen Bed ingu ngen der Stabilisieru ng bringen es mit sich, dass de r Fah rer, anders als beim Automobil, in jegliche fahrdynamische Betra chtung mit einb ezogen werden muss. Immerhin trägt schon de r Fahre r allein mit über 20 % zu m Gesamtgewicht bei. Fah rer wie Beifah rer sind darüb er hinaus nicht bloß tote Masse. Sie beeinflussen durch ihr Gewicht, ihre Sitzposition. ihre Bewegu ngen und d ie Fede r-Dämpfer-Eigenschafte n des mensch lichen Körpers aktiv das Fahrverhalten. Auch bei de r rein konstruktiven Auslegu ng des Fahrwerks spielt der Fahrer eine wichtige Rolle. Denn durch die Belastun g mit Fah rer/Beifah rer ände rt sich die Fahrwe rksgeo metrie infolge der Einfederung merklich, und der Schwerpunkt wandert durch die Masse de r aufsitzenden Personen nach oben. Die dynami schen Rad lastveränd erungen sind beim Motorrad viel stärker ausgeprägt als beim Automobil, weil das Verhältnis von Schwer punkthöhe und Radstand ungü nstiger ist. Der Schwerpunkt liegt aufg rund der relativ hohen, aufrechten Sitzposi tion von Fahrer/ Beifahrer gewöhnlich höher als beim Auto, und de r Rad stand ist deutlich kleiner. Zude m ändern sich d ie aerody namischen Verhältnisse und d ie darau s resultierenden Kräfte am Motorrad g ravierend mit der Sitzhaltung und Kleidung von Fahrer und Beifahrer. Ein weite res beso nderes Merkma l von Motorrädern ist d ie freie Zugänglichkeit der Agg regate, die deshalb auch nach stilistischen Kriter ien entworfen werde n müssen. Darüber hinaus gelten für sie besondere Anforderungen hinsichtlich Verschmutzun gsunempfi nd lichkeit und Korrosionsschutz. Generell ist der Bauraum für alle Agg regate sehr eingeschränkt, weshalb oft Sonderkonstru ktio nen notwend ig werden. Leichtbau hat beim Motorrad einen hohen Stellenwert, weil das Fahrzeuggewicht viel mehr als beim Automobil Einfluss auf d ie Handlich keit und Agilität nimmt . Dafür spielen Kraftstoffverbrauch und Umweltverträglichkeit (noch) nicht eine so dom inierende Rolle wie beim Automobil; z um indest ist eine besonders gute Erfüllu ng von Umweltanforderungen fü r d ie Mehrza hl der Motorradfahrer kein entschei dendes Kaufkr iterium. Der Bewusstseinswandel vollzieht sich hier erst langsam, hohe Priorität haben nach wie vor überlegene Fahrl eistungen. Im Gegensatz zu m Automobil (auch dort gibt es allerdings Ausna hmen) richtet sich die konstru ktive Ausführung von Motorrädern nicht nur vorrangig nach tech nischen und wirtschaftlichen Krite rien. Die rein tech nische Unterscheidung zum Wettbewerb und die Tradition spielen bei der Gestaltung von Motorrädern eine außerordentlich wichtige Rolle. Beispiele dafü r sind die Boxermotoren von BMW, die V-Motoren von Moto Guzz i und Ducati, die Chopper von Harley-Davidso n, Bild 1,7, und sicher auch schon manche Reihen-Vierzylindermotoren japa nischer Hersteller.
1.3 Baugruppe n des Motorra des und technische Trends
7
Bild 1.7 Harlcy-Davidson V· Rod
Das Bauprinzip ist teilweise Selbstzwec k, gew ünscht von vielen Käufern mit Interesse und Begeisterung für die Technik. Dies e rklärt die Vielfalt. besonders auf dem Motorensekto r. die man in dieser Form bei kaum einer ande ren Fahrzeugkategorie findet und die rein technisch auch nicht immer begründbar ist. Die nachstehende Tabelle fasst die wichtigen, charakteristischen Eigenschaften von Motorrädern noch einmal kurz zusa mmen. Tab elle 1.1 Wichtige charakterist ische Eige nschaften von Motorrädern -
Fehlende Eigenstabilität, rein dynamische Stabilisierung Erheblicher FahrereinAuss auf d ie Fahrwerksauslcgung Erheblicher Fahrereinfluss auf d ie Aerodyna mik Fahrer stellt über 20 % des Gesamtgewichts Ungünstiges Verhältnis Schwerp unkthöhe zu Radstand Hoher Stellenwert des Leichtbaus Eingeschränkte Bauraumverhä ltnisse Fre ie Zugäng liehkeit der Aggregate Technik als Selbstzweck
1.3 Baugruppen des Motorrades und technische Tr ends Motorräder bestehen aus einer Vielzahl von Bauteilen . die üblicherweise funktional in Gruppen zusammengefasst werden. Bild 1,8.
Einfü hr ung
8
Ant ri eb
Mo tor
Kraft über tr agung
Grundmolor
Ku pplun g
Zylinderkopf
Getriebe
Kühlsystem Motorsch mierung
Hinte rradantrieb
Fah r werk Rah men
Radführungen Feder-Dämpfersysteme Lenkun g
Bremsen
Sauganlage
Räde r und Reifen
Gemischaufbereitung Abgasanlage
Karosseri e
Elekt r ik und Elekt ro nik
Verkle idun g
Kotflü gel
Energ ieversorgu ng
Tank
Sitzbank
Bordnetzsysteme
Blenden
Lenker
I nstru mente
Handhebel
Fußrasten
Gep äckhalterungen und Gepäcksysteme
Leuchten
Hardware- und Softwa re Regelsysteme
Bild 1.8 Funktionale Baugruppen am Motorrad
Elektrische Funktionen mit elektro nischen Kompon enten gew innen auch bei Moto rrädern a n Bedeutung. Elektronische Regelungen für Bremsen (ASS) und Motor (Einspritzung, Zündung, Leerlaufregelung] werd en mit den mechan ischen oder hydraulischen Betätigungen zu Gesamt systemen vernetzt. Elektrik und Elekt ronik bilden mittlerweile eine eige nstä ndige Funktionsg ruppe.
1.3 Baugruppe n des Motorra des und technische Trends
9
Im Gege nsatz zu früher sind die meisten Motorräder heute mit Teil- oder Vollverkleidungen ausgerüstet, die mehr und mehr integ raler Bestandte il des Fahrzeugs geworden und nicht mehr nachträglich adaptiert sind. Abdeckungen, Blenden und Stylingelemenete haben an Bedeutung gewonnen. so dass ma n heute zu Recht auch bei Motorräde rn von Karosserieumf ängen sprechen kann. Haupttrends. die den Motorr adbau dominieren. sind die Modellverschiebungen zu größeren Hubräumen, mehr Leistung und Leichtbau. Die Leistungen wie auch das Leistu ngsgewicht in den jewei ligen Hubraumklassen haben sich in 30 Jahren mehr als verdoppelt. Bild 1.9. Die Leistungsgewichtssteigerung ist umso beeindruckender, wenn man bedenkt, dass heutige Fahrzeuge sehr viel steifer dimensionierte Fahrwerke mit aufwändigeren Hinterradführungen. großd imensionierte Bremsen sowie sehr viel breitere Räder und Reifen aufweisen und in der Regel mit Verkleidunge n und erheblich mehr Ausstattung versehen sind.
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Jahr
Bild 1.9 Entwic kJung von Moto rleistu ng und Leistungsgewicht von 1974 bis 2003
Die Modellvielfalt nimmt weiterhin zu. Auf dem deutschen Markt werden von insgesamt 19 namhaften Herstellern aus Europa, Japan und USA heute rund 180 verschiedene Motorradmodelle im Hubraumsegment ab 125 cm' angeboten. Diese Zah len umfasse n nur die in Serie produzierten Maschinen mit Straßenzu lassung. Würde man die Hersteller und Angebote aus Russland , China, Korea und Brasilien hinzuzählen sowie die Motorräder von Kleinherstellern. Spezialumbauten und Maschinen für Sport- und Rennzwecke, wäre die Zahl der angebotenen Modelle noch erheblich größer.
10
2 Fahrwiderstände, Leistungsbedarf und Fahrleistungen Bei der Geradeausfahrt eines Motorrades treten wie bei jedem Fahrzeug Widerstä nde auf. die die Fortbewegung hemmen wollen und überw unden werden müssen. Die zusätzlichen Widerstände bei der Kurvenfahrt werden üblicherweise vernachlässigt, weil sie insbesondere beim Motorrad bet ragsmäß ig klein sind und ihre genaue Berück sichtigung unverhältnismäßig kompliziert wäre. Die Höhe der Fahr widerstände bestimmt die Motorleistung, die zur Erzielung einer bestimmten Fahrgeschwindigkeit erforderlic h ist. Man unter scheidet zw ischen den Widerständen . die bei stationärer Fahrt (Fahrt mit konstanter Geschwindigkeit) und instationärer Fahr t (Beschleunig ung) auftret en, Bild 2.1.
IFahrwiderstände I
I
Stat io när
H
Rollwiderstand
H
luftwiderstand
1
I
Instati on är
I
Transtatooscber Beschleuni gungs -
wc erstanc
I Rotatorischer
~
Steigungswiderstaod
I
Beschleunigungswiderst and
Bi ld 2.1 Fahr w iderstände
2.1 Stationä re Fahrw iderstä nde Die Fahrwiderstände für die stationäre Geradeausfahrt sind, mit Ausnahme des Steigungswiderstandes, gechwindigkeitsabhängig. Die Fahrwiderstände werden in de r Dimension einer Kraft (also in Newton ) angegeben . Rollwiderstand , Luftw iderstand und Steigungsw iderstand addieren sich zum gesamten stationären Fahrwiderstand.
2.1.1 Rollwiderstan d Der Rollwiderstand eines luftbe reiften Rades setzt sich aus mehre ren Anteilen z usammen. In de r Hauptsache entsteht Rollwiderstand , weil sich de r Luftreifen (und theoretisch auch die Fahrbahn) unte r dem Gewicht des Fahrzeugs in de r Aufstandsfläche elastisch verfor mt. Es bildet sich ein sogenannter Anlaufw ulst, der überwunden werden muss. Hinzu kommen Adhä-
11
2.1 Stat ionäre Fahrwiderstände
sionskräfte, die beim Ablauf des Reifens versuche n, das Abheben der Profilteilchen vo n der Fah rba hn zu verhindern (der Reifen klebt a n de r Fahrbahn). Die fortlaufende Verfo rm ung des Reifens in der Aufsta ndsfläche bei der Raddre hu ng stellt den größte n Anteil des Rollwid erstaudes dar ( watkwiderstands. Dami t ist de r Roll widerstand vor allem eine konstruk tive Kenng röBe des Reifens (Bauart, Karkassensteifigkeit . Gu mmih ärte, Profilform usw.). und er hängt in hohem Maße vom Reifenfü lldruc k ab. Zu m Rollwide rstand tragen in we it ger ingerem Maße auch noch die Reibung zwischen Reifen un d Fah rbahn, die Dämpfu ngsverluste be im Übe rfa hre n von Unebenhe iten und , bei nasser Fahrbah n, d ie Verluste aus der Verd räng ung des Wasser films bei. Der Anteil durch de n Reifensch räglauf ist beim Motorrad vernac hläss igbar. Die Fahrba hnverfo rmung spielt für den Rollwide rstand bei normalen , feste n Straßenbeläge n keine mess bare Rolle. Bei weichem Untergrund im Geländebetrieb allerdi ngs. nimmt der Widerstand beträchtl iche Größen an. Die Anst reng ung beim Schieben ei nes Motorrad s im Gelände gibt eine n spürba ren Eindruck von dieser Widerstandserhöhung. Bei weic hem Bod en, der sich plastisch verformt, tritt zusätzlich noch die seitlich an den Reifenflanken ang reifende Spu rrillen reibung auf. Auch d ie Ventilationsve rluste . die das d rehende Rad verursacht. kan n man dem Rollw iderstand zu rech nen, da sie von Reifen form. Profil usw. abhä ngen. Je nach Sichtwe ise könnte man sie aber auc h dem Lu ftwiderstand zurechne n (sie sind d ann allerdings messtechn isch im nor malen Windk anal nicht ohne Weiteres zu erm itteln!). Auch d iese Verluste sind vergleichswe ise klein gegenü ber dem Walkwiderstand.' Der Rollwiderstand F R wird nach folgender Gleichung berechne t:
FR = I Ro ' G ges Gges Fahrze ugges amtgewicht [N] I Ro
Rollwiderstandsbeiwert
(2 - 1)
t-i
Im Rollwide rstandsbei wert sind d ie Reifeneigenschaft en und alle weiteren Ein flussfaktoren für den Rollwiderstand zusammengefasst. Der Rollwiderstandsbeiwert kann näherungswe ise als konstant angesehen und auf de r St raße im Wer tebereich zw ischen 0,015- 0,02 angenomme n werden. Bei weichem Unte rgrund im Geländ e kan n de r Rollwiderstandsbeiwert bis über de n 20-fachen Wert anst eigen . Fü r ge nauere Betrachtungen muss der Rollwiderstandsbeiwert in aufwänd igen Versuchen am Reifen ode r am Komp lett fahrzeug ermitte lt werden. Der Rollwidersta nd steig t bei höheren Geschwindig keiten an. Dies hängt damit zu sammen, d ass die Verformungsarben im Reife n in Wär me u mgewandelt wird und d iese Eigenerwär mung naturgemä ß mit der Fahrgesc hwin digkeit zu nim mt. Dadu rch ä ndern sich einige tempera tura bhä ngige. physik alische Eige nschafte n der verwe ndet en Reifenmaterialien. Vereinfac ht, und unter Vernach läss igung der Geschwindigkeitsa bhäng igkeit. lässt sich der Rollw iders tand eines Fahrzeugs du rch Schleppversuche in der Ebe ne ermittel n. Es wird dabei I
In der Literatur wird manchmal noch eine Unterscheidung zwischen dem Radwide rstand und dem Rollwiderstand getroffen. Der Radwide rstand ist dann die Summe aller am Rad a ngreifenden Wide rstände. also alle obe n beschriebenen Anteile des Rollwid erstandes. die Ventilationsverlu ste u nd die Reibung in den Radlagern. Da wie oben beschrieben der Rollwiderstand und insbesondere der w alk widcrstand d ie dominiere nde Rolle spielt. wird hier in zulässiger Vereinfachung nur der Ro llwidersta nd betrachtet.
2 Fahrwiderstände. Leistungsbedar f und Fahrleistunge n
12
einfach bei niedr ige n, konstanten Gesc hwindigkeiten (zur Ausschaltung des Luftw iderstandes) die not wendige Schleppkraft gemessen. Bei g leichzeitiger Ken ntnis des Fahrzeuggewichts kann mittel s Gle ichung (2· 1) der Rollwiderstandsbeiwert leicht errechn et werden. [ Ru = F R /Ggcs
(2- la)
2.1.2 Luftwiderstand Der Luftwiderstand ist aus der Erfahrung jedermann geläufig und wird nach folgende r Gleichung berechnet (2·2) F L = C w • A . p l2 . v 2 p
Luftd ichte [ g/cm ~l
v
Anströmgeschwind igkeit der Luft [m/s]
A
Querspantfläche des Fahrzeug (Projektionsfläche) [m/s]
Cw Luftwiderstandsbeiwert [- ] Die Anströmgeschwi nd igkeit wird gebildet aus der Differenz von Fahrzeuggeschwind igkeit und Geschwindigkeit der Luft. Gegen- bzw. Rückenwind müssen also beachtet und entsprechend zur Fahrzeugges chwindig keit hinzu- bzw, abgerechnet werden. Wegen der quadratische n Abhängigkeit des Widerstand es von der Geschwind igkeit führ t die Vernachlässigung dieser Winde inflüsse zu besonde rs g roßen Fehlern. Das Produ kt aus ha lber Luftd ichte und quad rat ischer Anströmgeschwindigkeit wird auch als Staudruck bezeichnet.
8ild 2.2 Luftwiderstandsmessung im Wind kanal
13
2.1 Sta tionäre Fahrw iderstä nde
Die sog enannte Q uerspantfläche des Fahrzeugs ist d ie vom g rößten Fahrzeug um riss inkl . Fahrer geb ildete Frontfläche (vgL A nhang). Der di mension slose Luft widerstandsbeiwert ist nichts anderes als eine Form zahl. die die Strömungsg üte de s Fah rze ugs kennze ichnet. Der Luftwiderstandsbeiwer t hängt von der Fah rzeugg ru nd for m und der Feingestaltu ng der Fah rzengaußen haut ab. Wege n der Vielfa lt der Einflussfakto ren kann der cw·Wert nicht vorher bes tim mt werd en, sondern muss aus Messun gen ermitte lt werde n. Daz u wird im Wi ndka nal. Bild 2.2. die Luftw ide rstan dsk raft F L gemessen (m itt els einer Messeirrrichtung fü r Längskräft e in der Boden platt e. auf der das Fahr zeug ste ht. vgL Kap. 12) und der cw·Wert aus den Messg rößen nach GI. (2·2) wie folgt bestimmt: c'" =
fi . A ·p /2·v 2
(2· 2a)
Mitt el s des cw-Wertes wird es mög lich, versc hiede nartige und unterschiedlich g roße Fahrze uge hinsichtlich ihrer Form- bzw. Strömungsgüte zu vergleichen. Wegen der zerklüfte te n Auße nkontur haben Motor räd er meist sc hlec hte re cw-Werte als Automobile. Vollve rk leidu nge n br ingen eine deutl iche Verbesseru ng, doch bleibt als un ver meidbarer Nachte il der St röm ungsa briss hi nter Fahre r u nd Verkleidu ng bzw, an den Verkleidu ngs rä nde rn. Für den Luftwiderst and ist nach GI. (2·2) das Pro du kt aus Projektionsfläche und ce-wert maßgebend. Durc h ih re klein er e Proj ektionsfläche wird der Nac hteil der Moto rräde r im cw·Wert kom pensiert, so dass ein Luftwiders tand äh nlich ode r sog ar besser als bei m Auto erreic ht wird. Ta be lfe 2.1 zeigt beispiel haft Messwe rte fü r den Lu ftwiderstan dsbeiwert und den Luft widersta nd einiger Fah rzeuge. Weil die Fahrerhaltung beim Moto rra d sowo hl den cw·Wert als auc h die Fläche beeinflusst. sind in der Tabel le Werte fü r zw ei Fahre rpositione n angege be n. Neben der Verbesserung des Luft widerstand s und des Fah rkom forts kom mt d ie Verk leidung bei m Motorrad auch der Fahrsicherheit z ugute. Bei ents prec hender Gestalt ung kann der aerody namisc he Auft rieb am Vorderrad vermindert we rde n, wodurc h sich d ie Geradeaus-Fahrst abilität im Hochgeschwi ndigkeitsbereich erhe blich verbessert. Die Mög lichkeiten der aero dy namischen Beeinfluss ung werd en im Kapitel 12 beha ndelt. Tabe lle 1 .1 Messwerte für Luft w idersta ndsb eiwerte und Luft w iderstand
c,,·Wert
Lu ft widerst an d c,, · A Imzi
Fa hrze ug
Fah rer liegend
Fahrer au frec ht sitzend
Fahrer aufrecht sitze nd
BMW K 1 (Modelljahr 1998)
k.A.
k.A.
0,38
BMW K 1200 RS (Mo dellja hr 1998)
0,521
0.523
0,424
k.A.
k.A.
0,52
YAMA HA YZF 1000 (Mo dclljahr 1998) 0,506
0.545
0,4 14
BMW K 1200 S (Modelljahr 200 4) YAMA HA FZ 750 (Modellja hr 1992)
0,4
S UZUK I GSX-R 750 (Modcl ljahr 1998) 0,508
0,582
0,4 42
S UZUK I GSF 1200 (Modclljahr 1991\)
0,627
0,704
0,549
Ducau 916 (Mo dclljahr 19(8)
0,485
0,57 1
0,394
Moderner Mittelklasse Pkw
0,3 1 ... 0,28
k.A. = keine Angabe
0,683
14
2 Fahrwiderstande, Leistungsbedar f und Fahrleistunge n
Wegen de r aufwändige n Ermittlung der Que rsch nittsfläche w ird in vielen Veröffentlichungen oft nur der im Wind kana l d irekt gemesse ne Luftw ide rstand (c w • A ) angegeben. Die Querschnittsfläche bei verkleideten Motorräd ern mit Fahr er liegt etwa bei 0,6-0,8 m 2, Wegen unvermeidba rer Unterschied e in den Messbedin g ungen (u.a. Fahrerpos it ionierung) weichen verö ffentlichte Angaben übe r de n Luftw iderstand voneina nder ab. Aufgrund de s dom inanten Einflusses und der g roßen Unterschiede im Luftw iderstand sind die benötigten Motorleistungen zum Erreichen einer bestimmten Geschwindigkeit sehr unterschied lich. Legt man die Werte aus der vorstehenden Tabelle zugrunde, so liegt die rechnerisch notwendige Hinterradleistung für eine Geschwind ig keit von 200 km /h zw ischen 37 und 50 kW (50- 69 PS), vgl. auch Kapitel 2.5. Umgekehrt unterstüt zt natürlich der Luftw iderstand auch einen gewünschten Geschwindi g keitsabbau . Jenseits von 200 km/h bedeutet bereits .Gaswegnehmen" schon eine erhebliche Verzögerung und die se Verzögerung addiert sich z ur Radverzögerung beim Bremsen , was bei einer Vollbremsung aus diesen Geschwindigkeiten höch st willkom men ist.
2.1.3 Steigu ngsw idersta nd Der Steigungswiderstand ist eine Kompon ente der Schwerkraft, die beim Befah ren einer Steigung oder eines Gefälles zusätz lich auf das Fahrzeug einwirkt. Er nimmt im Gefa lle negati ve und in der Ste igung positive Werte an und errech net sich wie folgt: FST=mgcs ' g ' sin u sT = Ggcs 'sin a sl Ggcs
Fahrzeuggesamtgewicht [N]
I1Igcs
Fahrzeuggesamtmasse [kg]
g
Erdbeschleunig ung = 9,81 [m/s2 ]
a st
Steigungsw inkel [oJ
(2-3)
Der Steigungs widerstand steigt demnach unabhängig von der Fahrgeschwindigkeit mit dem Fahrzeugge wicht und dem Steigungswinkel an , Bild 2.3. Da fü r kleine Steigungsw inkel die Bez iehung sina sT"" tan a STg ilt, kann im Straßenbetrieb mit klein en Winkel n (bei 20 % Steigung ist a ST= 11°) vereinfacht mit folgende r Bez iehung gerechnet werden F ST= Ggcs . tan a sT = Ggcs . q
q
(2-3')
Steigung in Prozent (1 5 % Steigung _ q = 0,15)
Bild 2.3 Steig ungswiderstand
2.2 Instat ionäre Fahrw iderstä nde
15
2.2 Instationäre Fahrwid erstände Um ein Fahrzeug aus dem Stand oder einer gleichmäßigen Geschwindigkeit heraus zu beschleunigen, müssen ebenfalls Kräfte aufgewendet werden, weil das Fahrzeug aufgrund seiner Massenträgheit das Bestreben hat, in seinem ursprünglichen Fahrz ustand zu beharren. Diese Kräfte werden als instationäre Fahrwiderstände oder auch als Beschleunigungswiderstände bezeichnet. Es wird unterschieden zw ischen dem tran slatorischen Widerstand für die geradlinige Beschleunigu ng des gesamten Fahrzeugs und dem rotatorisehen Widerstand zur Beschleunigung aller drehenden Teile im Antrieb. Beide Widerstände überlagern sich und müssen addiert werde n.
2.2.1 Tr an sta tortscher Beschl eun iguugswlderstand Der tran slatorische Widerstand zur geradlinigen Fahrzeugbeschleunigung entla ng der Fahrbahn berec hnet sich wie folgt: F a.l ran =
/1/ gcs
'
a
(2-4)
a Beschleun igun g [m/s2]. (Mit dieser Gleichung kann auch die Verzögerungskraft bei der Bremsu ng berechnet werden, wenn man die Beschleunigung negativ ansetzt, was aber an dieser Stelle nicht weiter interessieren soll.)
2,2,2 Rota tor iseher Beschleunigun gswid erstand Wenn das Motorrad beschleunigt wird, müssen auch die Bewegungen aller Teile des Antr iebsstrangs, also Kurbelwelle. Kupplung. Getrieberäder. Kettenräder etc. sowie die Drehung der Räder beschleunigt werden. Dazu ist ein Drehmoment erforderlich, das allgemein folgendermaßen berechnet wird: Ma =
~Bj
. aj (Summe der Einzeldrehmassen bzw. -beschleunig ung)
(2-5)
Bj Massentr ägheitsmoment (Dre hmasse) [kgm-] aj
Winkelbeschleuni gung [1 /s2]
Da die drehenden Teile von Motor und Antriebsstrang unterschiedliche Massenträgheit smomente und wegen der Übersetzungen (Getriebe) unterschiedlic he Winkelgeschwindigkeiten aufweisen, muss die Drehmomentberechnung für jedes Bauteil einzeln vorgenommen werden, was durch den Index i in der Gleichung symbolisiert wird. Man kann jedoch Massenträg heitsmomente unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Winkelbe schleunigungen zu einem einzigen Ersatz-Trägheitsmoment (redu ziertes Trägheitsmoment 0 rcd ) aufeiner Ersatzdrehachse z usammenfasse n: M a,rcd = 0 rc d ' arcd
(2-5, )
Zweckmäßiger weise werden die Trägheitsmomente von Motor- und Antriebsstrang so zusammengefasst, dass deren Ersatz-Trägheitsmoment (0 rcd ,AS) um die Hinterradachse wirkt. Bezieht man dieses Ersatz-Massenträgheitsmoment aufden dynami schen Hinterradradius Rdyn,lI, ergibt sich aus dem Drehmoment eine Kraft im Berührpunkt zw ischen Reifen und Fahrbahn , Dies ist dann der rotatorisehe Beschleunigungswiderstand von Motor und Antr iebsstrang:
2 Fahrwiderstände. Leistungsbedarf und Fahrleistungen
16
FHA s =
e rcd.AS . a rcd
(2-6)
R.iyn.lIR
Damit errechnet sich der gesamte rotalori sehe Beschleunigungwiderstand des Motorrades zu Fa•rot =
0 rcd .AS . Ured
R.i YllJ IR
+
B II R ' uHR
R.:iyn.l [R
+
e YR· aVR
(2-7)
R.:i y1l. VI{
Da in die Berechnung des reduzierten Trägheitsmomentes die Übersetzung eingeht, ist der rotatorisehe Beschleunigungswiderstand abhängig von der gewählten Getriebestufe bzw. der wirk samen Gesamtübersetzung. Mit der allgemein gültigen Beziehung a = a . Rdyn (2-8) wird der Zusammenhang zwischen Winkelbeschleunigung und translatonsc her Beschleunigung für das rollende Rad beschrieben, so dass GI. (2-7) umgeschr ieben werden kann I:"
_
"aror -
e rcd.i\S·
2
a
Rd}TI.HR
+
B I IR '
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a
RdYIl. HR
+
e YR·
2
a
(2 -9)
RdYTI.VR
Nach dieser Umrec hnung lassen sich translatorischer und rotatorischer Beschleunigungswide rstand leicht addieren, und der gesamte Beschleunigungswidersta nd kann errechnet werden:
Fa sc s = Fatran + Far ot
(2·10)
bzw. als ausführliche Gleichung Faoes .,.
= a - [ n/ge<;
+
EJ~ed.AS + R~IIR
Rd}TI. HR
dyll.HR
+
~VR
]
(2 - lOa )
RtlYTI.VR
Die rotatorisehen Massen wirken beim Beschleunigen demnach so, als ob die Gesamt masse des Motorrades sich erhöhen würde. Dies bedeutet in der Praxis, dass eine Gewichtsreduzier ung der drehenden Teilen im Antr iebsstra ng sowie der Räde r sich bez üglich der Beschleunigung zweifach auswirkt. Es vermindert sich die Motorrad gesamtmasse als solche und z usätzlich der Beschleunigungswide rstand.
2.3 Leistungsbed arf und Fa hr leist ungen Aus der Kennt nis aller Fahrwiderstände des Motorrades lassen sich Fahrleistungen und der Bedarfa n Motorleistung ermittel n. Bei der unbeschleun igten Geradeausfahrt muss die Summe der stationären Fahrwiderstände überw unden und als Kraft vom Motor an das Hinterrad geliefert werden: Fges = F R + F L +Fst
(2-11)
Die Auftragung des gesamten Fahrwiderstandes über der Fahrgeschwindigkeit ergibt wegen der Geschwindigkeitsabhängigkeit (vgl. Kap. 2.1) eine n progressiv ansteigenden Verlauf, das sogenannte Fahrwiderstandsdiagramm , Bild 2.4. Die Ante ile der Einzelwiderstände am Gesamt widerstand sind mit unterschiedlich grau gefärbten Fläche n im Diagramm gekennzeichnet.
2.3 Leistu ngsbedarfu nd Fahrleistungen
17
2000
-I--j Motorrad 1500 '-r 1000 ccm
235 kg + Fahrergewldlt
Z
'&
1000
~
'" 0
N
500
o 1-- - - GeläUe( O%l
-500 ' -_ " -_ - ' -_ - ' -_ - '_ _1 - - 1 120 160 200 240 o 40 80
Bild 2.4 Fahr widerst ände in Abhängigkeit vo n der Fahrgeschwi ndig keit
Fahrgesc hw ind igkeit [kmJh)
Man erkennt, dass der Rollwiderstand nur bei geringen Geschwindigkeiten eine Rolle spielt, aber nat ürlich nie Null wird (die Verformung de r Aufstandsfläche ist auch im Stillstand vorhanden). Bei Geschwind igkeiten ab ca. 40 km /h wirkt sich der Luftw iderstand spürbar aus. Er übersteigt den Rollwiderstand ab ca. 60 km /h und wird zum dom inierende n Widerstand bei höheren Fahrgeschwindigkeiten. Der Steigungswiderstand schließlich add iert sich zu de n anderen Widerstände n als konstant e Größe. Er wird bei Gefa lle negat iv, d.h. er wirkt als antre ibende Kraft und ist anfäng lich deutlich g rößer als die anderen Fahrw iderstände (" Hangabtriebskraft" ). Die Antriebskra ft am Hinterr ad, die sogenannte Zugkraft zur Überwindung der Fahrwiderstände, kan n aus dem Drehmoment des Motors leicht errechnet werden : Z = Mm"l · igc~ / Rdyn .liR
(2- 12 )
i gcs Gesamtübersetzung [- ] Die Gesamt übersetzung errechnet sich aus dem jeweilige n Getriebegang und der Hinterradübersetzung. Das Motordrehmoment muss aus der Drehmomentkurve nach Umrechnung der Fahrgeschwind igkeit in Motordreh zahl entsprechend abgelesen werde n.
Die Zugkraft ist dam it gangabhängig. Trägt man die nach GI. (2-12) berechnete Zug kraft des Motors fü r jeden Get riebegang in das Fahrwiderstandsdiagramm ein, Bild 2.5, erhält man das Zugkraftd iagramm . Wegen der g rößeren Übersetzung steigt die Zugkra ft mit dem jeweils nächstk leineren Gang an, gleichzeitig nimmt de r nutzbare Geschwindigkeitsbereich wegen der Drehzahlgren zen des Motors ab. Der Fahrwiderstand ist nur für die Konstant fah rt in der Ebene (Steigung = 0) dargestellt.
2 Fahrwiderstande, Leistungsbedarf und Fahrleistungen
18 400 0
A
Motorrad
l000ccm
235 kg + Fahrergewicht
I--
3000
t.
'" ,,, , ,I
,
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Zug kraftangebot in de n Gangslufen
~
-,
--':., /--, - -,
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- 2.,
I
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1000
s.
s.
40
-
• - ..... 10..
RoII- ur.d
LUltwidersta. r
----
80
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V I
120
RoI~~ta~r'
160
200
/
-240
280
Bild 2.5 Fah rwidersta nd und Zugkra ft in Abhäng igkeit von Fahrgcschw indigkeit und Gangstu fe
Fahrgeschwindigkeit [kmlh]
Aus dem Zugkra ftd iagramm lässt sich leicht ablesen , dass in weiten Geschwind igkeitsbereichen und besonders in den niedrigen Gängen, die Zugkraft (nicht die Leistu ng j) erheblich größer ist als der Fahrwiderstand. Dieser Zugkraftüberschuss kann für die Bergfahrt und die Beschleunigung ausgenutzt werden. Diese ist, wie aus der Erfahrung geläufig, in den unteren Gängen besonders groß und nimmt in höheren Gängen und mit steigender Geschwindigkeit ab. Würde man in das Diagramm zusätz lich noch die Beschleunigungswiderstände in Abhängigkeit verschiedener Beschleunigungswerte eintragen, kön nte man am Schnittpunkt der Widerstandskurve mit den Zugkraftkurven die möglichen Beschleunigu ngen im jeweiligen Gang ablesen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit soll an dieser Stelle da rauf verzichtet werden und sich die weitere Betrachtung auf den stationä ren Fall beschränken.
Mit Zunahme der Fahrgeschwindigkeit nähern sich Zugkraftangebot und Fahrwiderstand einander an und schneiden sich bei einer bestimmten Geschwindigkeit. Dieser Schnittpunkt kennzeichnet die erreichbare Höchstgeschwindigkeit des Motorrades. Bei einer weiteren Geschwindigkeitssteigerung wird der Fahrwiderstand größer als die angebotene Zugkraft. Für eine exakte theoretische Ermittlung der Höchstgeschwindigkeit muss noch der Reifenschlupf berücksichtigt werde n (vgl. Anhang und Kap. 9.2). Dieser nimmt bei hohen Geschwindigkeiten Werte bis zu 20 % an, wodurch die erreichbare Höchstgeschwindigkeit etwas absinkt. Dies soll jedoch hier vernachläss igt werden.
2.3 Leistu ngsbedarfu nd Fahrleistungen
19
Anhand de s Zugkraftdiagramms lassen sich die Ausw irkunge n von Variat ionen an Motor, Getr iebe und Hinterradübersetz ung sowie am Fahrzeug vorhersagen. Die Übe rsetzungsabstim mung sowohl de r einzel nen Getriebegä nge als auch die Hinterrad- und dami t d ie Gesamt übersetzung wird mit Hilfe des Zugkraftd iag ramms vorgenommen. Die Schaltstufen im Getri ebe sollten beispielsweise so gelegt werden, da ss möglic hst keine Zug kraftsprünge nach dem Gangwechsel auftrete n, d.h. d ie Zugkra ftkurven de r einzelnen Gänge sollten sich idealerweise schneiden. Die Hinterradübersetzu ng sollte so mit dem letzten Getriebega ng und der Drehmomentcha rakteristik des Moto rs abgestimmt werden, da ss beim Absinken der Fahrgeschwindigkeit infolge einer leichten Steigung ein ge nügend großer Zugkra ftanstieg auft ritt, um d ie Steigung ohne Zurückschalten zu bewältigen. Bisher wurden nur d ie zu r Fahrzeugbewegu ng notwendigen Kräfte bet rachtet. In vielen Fällen ist eine Leistungsbetrachtung zweckmäßiger. Die Fahrw iderstands leistung (Beda rfsleistung) für die Stationä rfah rt erh ält man aus dem Fahrwiderstand du rch Multip likati on mit de r Fahrgeschwindig keit: PF W = Fgc~ ' V :(FR v
Fv. + FsI) ' v
(2
413
)
v Geschwindigkeit [m/s]
Sie muss vom Motor an das Hinterrad geliefert werden (Radleistung). Entsprechend errechnet sich d ie Leistung, die der Motor an de r Kupplung abgeben muss zu: (2· 13a)
Pm"l =(FR + Ft. + F~l) · v lt}A S
'l AS mecha nischer Wirku ngsg rad de s Antriebsstrangs
l- l
Der mechan ische Wirkun gsgrad berücksichtigt die gesamten Reibungsverl uste, die bei der Leistu ngsübertragung zum Hinterrad durch das Getriebe und den Ketten- bzw, Kardanantrieb verursacht werden. Er liegt übl icherweise zw ischen 90 und 96 %. Der Leistungsbedarf in Abhängigkeit von der Fahrgeschwind ig keit ist im Hild 2.6 da rgestellt . 70
,-
60
~_M
50
,~~
1 ~35 klI
I
/
20 10
o
t
.-/ 40
/
80
/ 1/ /
V Bild 2.6 120
160
200
240 280
Fahrgeschwindig keit [kmlh]
Leisnm gsbedarf am Hinterrad { Radlcis tung) in Abhä ngigkeit der Fahrgeschwindigkeit
20
2 Fahrwiderstande, Le istungsbedarf und Fahrleistunge n
Die darg este llten Werte wurden an eine m Supe rspor tmotor rad mit Verkleidung ermittelt. Der Leistungsbedarf bei Geschwind igke iten unter 100 krn/h ist überraschend gering, ste igt dan n aber zu hohen Fahrgeschwindigkeiten steil a n. Der Gr und ist sofort e rkennbar, wen n man in GI. (2-13) die komplette Berechnungsfo rmel (GI. 2·2 ) für den Luftw iderstand e insetzt. Dann ergibt sich, dass die Bed arfsleistung in de r 3. Potenz mit de r Fahrgeschwindigkeit anst eigt. Für eine Verdoppel ung der Geschwindi gkeit ist de mnach, wenn ma n nur den Luftwiderstand bet rachtet, d ie achtfac he Motorleistung erforderlich. Im realen Fall, d.h. bei Berücksichtig ung de r gesamten Fahrw iderst ände. bet rägt der Leistungsbedarfbei eine r Geschwindigkeitsverdoppelun g etwa das 5- bis ö-fache des Ausgangswe rtes (die Bedarfs leistung ist ja wegen des Rollwide rstan ds an fänglich g rößer).
Motor und Antrieb 3 Arbeitsweise, Bauformen und konstruktive Ausführung von Motorradmotoren Nachdem im vorigen Kapitel de r Leistungsbedarf ruf das Motorrad betrachtet wurde, soll nun auf den Motor als Leistungserzeuger eingegan gen werde n. Motor rad motoren zeich nen sich gege nübe r allen anderen Fahrzeugmoloren durch höchste Leistungsdichte. kompak teste Bauart und geringes Gewicht aus. Sie ze igen da rüber hinau s eine große Vielfalt und Variantenreichtum in de r konstruk tiven Bauausfüh rung. Zusatza nforderungen. die in der heutigen Zeit an Motorrad motoren gestellt werden müssen, sind Umweltverträglichkeit, d.h. Schadstoff- und Geräuscharmut. geringer Kraftstoffverbra uch. Zuverlässigkeit und Wartungsarmut. Dennoch ist beim Motorradmotor nach wie vor die maximale Hubra umleistung ein vorrangiges Entwicklungsziel. weil der Wunsch des Motorrad fahrers nach höchsten Fahrleistu ngen ungeb rochen ist. Alle Faktoren. d ie Einfluss au f die Leistun gsentwicklung eines Verbrennungsmotors haben, lassen sich aus einer theoretischen Betrachtung des motorischen Arbeitsprozesses ableiten. Diese wird daher allen weitere n Kapiteln zum Thema Motor vorangestellt und mündet in einer Formel. mit der d ie Motorleistun g gr undsätz lich vorausbe rechnet werde n kann. Eine solche Vorgehensweise hat sich als sehr nützlich erwiesen. weil sie z um Grundverständni s der komplexen Zusammenhänge und Wechselwirkungen beim Verbrennungs motor beiträgt. Es schließt sich eine Betrachtu ng de r Lad ungswechselvorgänge an. d ie fiir die Leistung des Motors von ausschlaggebender Bedeutu ng sind. Danach wird auf d ie g runds ätzlichen Vorgänge und Mechanismen bei der Verbrennung im Motor eingegangen. Gas- und Massenkräfte bestimmen wesentlich d ie Bauteilbelastu ng im Motor. Aufsie wird ausführ lich eingega ngen, bevor dann die konstru ktive Ges ta ltung der wichtigsten Motorba uteile ausfü hrlich und anhand ausgeführter Beispiele erläutert wird. Der zweite große Themenbereich. die versuchsseit ige Leistungsausleg ung des Motors, wi rd in einem separaten Kapitel abgehandelt. Dabei wird auf d ie Grundlagen, die im nach folgenden Abschnitt erarbeitet werden, zurückgegriffen.
3.1 Motorischer Arbeitsprozess und seine wichtigsten Kenngrößen Der Verbren nungs motor ist eine Wä rmek raftmaschine, in der durch Verbrennen eines Kraftstoff-Luft-Gem isches die im Kraftstoff chemisch gebundene Energie in mechanische Arbeit umwandelt und als Leistung an der d rehenden Kurbelwelle abgegeben wird. Die Umwandlung kan n pr inzipiell nach verschiede nen Verbrennungs - und Arbeitsverfahren (0 110- und Dieselverfahren im Zwei- und viertakrprozess) und thermodyn am ischen Kreisprozessen er folge n (3.1. 3.2). Mode rne Motorradm otoren sind, von ga nz wenigen Ausnahm en in Entwicklungs ländern abgese hen, ausschließlich Ottomo toren. Obwohl d ie Zweitaktmotoren eine erfolg reiche Historie aufweisen und seit Jah rzehnten im Rennspor t dom inieren , sind sie bei serienmäßige n Straßen moto rrädern über 125 cm" auf dem Rückzug. Heute werde n hier aus Abgas - und Verbrauchsg ründen übe rwiegend Viertakt motoren verwendet. Im Rahmen dieses Buches nimmt de r Viertaktmotor daher de n größeren Raum ein, doch auf d ie Gr undlagen
22
3 A rbeitswe ise, Bauformen und konst ru ktive Aus fü hrung von Moto rradm otoren
und Funktion sweise des Zweitakters wird ebenso eingeg angen wie auf besond ers interessante Kon st ru kt ionen.
3.1.1 Energ iewa ndlung im Viertakt - un d Zweita ktprozess Der Energiewa ndl ungs prozess im Motor soll zunäc hst rein schematisch betrachtet werde n. Rild 3.1. Dem Motor wird mit dem Ge misch Energie z ugeführt, und er gibt nach der Energ iewandlu ng Nutza rbe it ab. Aus natu rgeset zliehen G ründen kann die Umwandlung der chemischen Energie in ei ner realen Masch ine niemal s vollstä ndig erfolgen. Die unverm eidl ichen Verluste der Energ iewandlung kennzeichnet de r Pro zesswirku ngsgrad rt, der da s Verhältnis von abgegebener mechani scher A rbeit zu r zugeführten (chemischen) Energie angibt. Verl uste entstehen im Verbrennungsmotorbeispielswei se durch un voll ständige Verbre nnung, durch die Wärmeabgabe an d ie Umgebung (Kü hlung und Abgaswärme) , durch die A rt der Verbrennungs prozessfü hru ng und sc hließlich durch mechan ische Reibun g. Der Energiewa nd lungs prozess im Motor lässt sich auch formeimä ßig leicht be schreiben: W = (H Kr " mKr " I1) - Wreib
(3- 1)
A rbeit an der Kurbelwelle [J ode r WJ
W
H Kr Heizwert des Kraftstoffes [J/g] !/I Kr
zugeführte Kraft stoffma sse [g]
1]
Prozesswirkungsg rad [-J
Wreib Mechanische Reibarbeit im Motor [J]
Die zugefü hrt e chemische Energie ergibt sich aus de m Produkt von Heiz wert und Kraftstoffmasse, wobei de r Heizwert eine Stoffgrö ße ist, die von der chem isc hen Zusamme nsetz ung des Kraft stoffs abh ängt. Diese seh r allge me in gehaltene Energ iebilan z kann nun weiter an die realen Gegebe nheiten des Motorbetriebs angepasst werden. Dazu ist es zweckm äßig, zu nächst
Vertuste W YfK1usl
Energiezufuhr E~
Kraflstolf-t.ult-Gemlsch
W Nutz + =>
W Nutz
W Yer1ust W Vel1ust
Bild 3. 1 Schema der Energiewand lung im Motor
3.1 Motorischer Arbeitsprozess und seine wichtigsten Kenngrößen
A nsauge n ~
Ausschieben ~
23
Verdichten ~
2
Expandieren ,
3
Bild 3.2 Viertakt-Arbeitsprozessbeim Ottomotor
kurz den Viertak t-Arbeitprozess zu betrachten, Bild 3.2, auch wenn dieser weitgehend als bekannt vorausgesetzt werden kann. Beim Viertakt verf ahren werde n für die Arbeitserzeugung jeweils zwei Umdrehungen der Kurbelwelle benöt igt. Der Prozess beginnt mit dem Ansaugen eines Kraftstoff-Luftgem isches. sobald der Kolben sich aus seiner obersten Stellung (oberer Totpunkt, OT) nach unten bewegt. Das Gemisch strömt über ein Hubventil in den Motor, das über eine von der Kurbelwelle angetriebene Nockenwelle geöffnet wird .
24
3 Arbeitswe ise, Bauform en und konst ru ktive Aus führu ng von Motorradmotoren
Im Bereich de r untersten Kolbe nsteljung (unt ere r Totpunkt UT) , we nn die Sogwirkung des Kolbens nachlässt, schließt das Einlassvent il u nd der Kolben verdichtet das e ngesaugte Gasgemisch bei seinem Aufwä rtsgang. Kurz vor Erreichen des oberen Totpunk tes w ird durch einen Hochspan nun gsfun ken an der Zünd kerze die Entfla mmung des Ge misches eingeleitet. Der Kolben bewegt sich derweil weiter und überschreitet de n obe ren Totpun kt. Die Verbrennung breitet sich jetzt nahezu schlaga rtig im Brennraum aus, so dass be im Abwärtsga ng de s Kolben s der volle Explosionsd ruck auf den Kolben wirkt. Es wird d abei Arbeit geleistet, indem das Gas expa nd iert und de r Gas d ruck über den Kolben u nd das Pleuel auf d ie Kurbelwelle wirkt un d diese antreibt. Im Bereich des unteren Totpunktes öffnet da nn d as Auslassve ntil. und das verbrannte Abgas wird beim nachfolgenden Aufwä rtsga ng des Kolben s aus dem Zylinde r verdrä ngt. Damit ist der Arbeitszy klus vollendet, u nd der Proze ss kan n erne ut mit dem Ansaugen von Frischgas sta rten. Ge naueren Aufschluss über den Arbeitsprozess gew innt man. inde m man das sogenannte p-vDiagramm aufzeichnet. Bild 3.3. Dabei wird über de m Hubvolumen. das proportional zu r KurbeIweIlensteIlung ist. der je weils im Zylinder herrschende Druck aufgetragen . Beim Ansangvorga ng erzeugt der abwärtsge hende Kolben eine n geringen Unterd ruck im Zylinder, weil im Ansaug roh r u nd am Einlassvent il Strömungsw iders tände auftr eten, die den Frischgasstro m d rosseln. Für den Ansa ngvo rgang muss also Arbeit aufgewendet werden. Umgekehrt erfolgt da s Ausschieben des Abgases gege n einen Übe rd ruck, weil das Auslassve ntil ebe nfalls eine Drosselstel le darst ellt u nd sich im Abgasro hr und Auspuffsystem ein Gege nd ruck aufstaut. Auch da s Aussch ieben bedeutet also einen Arbeitsaufwand. Beide Arbeitsa ufwä nde zusa mmen werden a ls Ladungswec hsela rbeit beze ichnet u nd sind im Diagramm durch die schmale um schlossene Fläche de r Ladun gs wechselschleife gekennze ichnet. Ge mäß der Definition de r Arbeit als Kraft entlang eines Weges ents pr icht de r Flächeninhalt der Ladungswech selschleife de m Betrag der aufzuwendende n Arbeit. Je größer also die Ström ungsw iderstände beim
p
OT
eö• Einlass öffnet Aö - Auslass öffnet
Es - Einlass schließt As - Auslass schließt
UT
1. Takt Ansa ugen von Frischgas (OT-UT)
2. Takt: Kompression und
Zündung (UT-OT)
3. Takt: Verbrenn ung und Hochdruckschleife
Expansion (OT-UT)
4 . Takt: Ausschieben der Abga se (UT-OT)
Expansionsverlust Umgebungs
VH Volumen [cm 3 ] Blld 3.3 p- v-Diagramm des Viertakt-Arbeitsproze sses
3.1 Moto rischer Arbeitsp rozess und sei ne wichtigsten Kenngrößen
25
Ansaugen und Aussc hiebe n werde n, um so g rößer werde n Unterdruc k bzw. Übe rdruck , und dam it steigt de r Arbeitsaufwand fü r den Ladu ngsw echsel. Auch fü r d ie Kompression des Frischgases muss Arbeit ins Syste m hineingesteckt werde n, doch wir d d iese Arbeit be i der Expansion teilweise zurüc kgewo nnen (Gasfeder). Der eigent liche Arbeitsgewinn ergibt sich aus der Expansion des Gases im Motor nach de r Verbrennung. Der Flächen inhalt de r soge nann ten Hochdruc kschleife ist das Maß für die Arbeit, die aus der Verbrennu ng gewo nne n wird . Man erke nnt u nm ittelbar, dass de r Ar beitsgew inn um so g rößer wi rd, je höhe r der Verbrennungsd ruck ausfallt. Es wird darüber hinau s deutlic h, dass die Verbren nung im Motor nicht zu früh erfolgen darf, weil sonst der Kolben gege n den sich entw ickel nden Verbrennu ngsd ruck arbeiten muss. Sie darf aber auch nicht zu spät einsetzen, wei l bis zu r vollen Ausbildung des Gas druc ks eine gew isse Ze it verge ht, in de r der Kolben sichja weiter bewegt. Zu späte Verbrennung bedeutet, dass der Kolben scho n wiede r abwärts geht, bevor der Verbrennungsd ruck sein Maximum erreicht hat. Damit wird dan n Expa nsionsweg verschenkt. Die nutzbare Arbeit an der Ku rbelwelle ergib t sich durch Abz ug de r Ladungswechselarbeit vom Arbeitsgewinn des Hoc hdr uckprozesses. Auf eine Beson derheit im Arbeitsprozess soll be reits a n dieser Stelle hingewiesen werden, weil sie auch im Diagramm e rkennb ar ist, nämlich d ie Öff nungs- und Schließzeitpunkte de r Ventile. Sie liegen nicht gen au in den Totp unkten , sondern etwas davor bzw. dahinter. Der Gru nd dafiir sind Eigenscha fte n der Ventilste uerung u nd die Aus nutzu ng von gasdy namischen Effekten. In den Kapiteln 3.2 und 4.1 wir d darauf ausfü hrlich eingega nge n. Für de n Arbeitsprozess bedeutet die versc hobe ne Lage dieser Ze itpunkte, dass die Expa nsion m it Beg inn der Auslassve ntilöffnu ng, d.h . einige Ze it vor dem UT, beendet ist. Durch den Druckabfall. der sich bei Ventilöffnung sofort einste llt. ergibt sich ein Verlust an Arbeit (Expansionsverlust). Infolge posit iver Effekte aus de r Gasdynamik (Kap. 4.1) wird d ieser Nachte il je doch überkompensiert. Beim Zweitaktverfahren wird bei je der Kurbelwellenumdrehung Arbe it erzeugt. Ladungswec hsel und Verbre nnung finden also währe nd einer einz igen Umdre hung der Kurbelwel1e statt. Theoretisch könnte der Zweitaktmotor dami t bei gleichem Hubraum d ie doppelte Leistung wie der Viertaktmoto r entw ickeln. Da aber für Ladungswechsel un d Verbrennung eine k ürzere Ze it als beim Viertakte r verbleibt u nd aufg rund später noch z u erläuternder Gründe, fällt der realisierbare Leist ungsvorteil beim Zweitak tmotor deutlich geringer aus. Zunächst soll der gru ndsätz liche Arbeitsprozess des Zweita kters in de r g leichen Weise wie beim Viertak ter erk lärt werde n, Bild 3.4. Betrachtet wir d die einfachste Ausfü hru ng des Zweitak tmotors mit Schlitzs teueru ng und Kurbelkastenspülung. Die Steue ru ng des Ladungswechsels erfolgt d abei allein über Fenster am Zylind erumfang, die durch de n Kolben bei seiner Auf- und Abwärtsbeweg u ng wechse lweise verschlossen und wieder freigegeben werden . Die Kolbenunterseite saugt beim Aufwä rtsg ang des Kolbens Frisc hgas in das Kurhefgehüuse. Gleichzeit ig wird das obe rhalb des Kolbenbodens be findliche Kraft stoff-Luftgem isch verdichtet und kurz vor m Erreichen des obe ren Totpunk tes (OT) gezündet. Die Verbre n nung setzt ein und während der Expansionsphase beim Abwärtsgang des Kolbens (von OI nach UT) wird Arbeit geleistet. Bei der Abwärtsbewegung des Kolbens wird das zuvor angesaugte Frischgas im Kurbelgehäuse verd ichtet. Sobald der Kolbe n die Übe rst römsc hlitze am Zylinde ru mfang übe rfahren u nd freigegeben hat, ka nn das vorverdichte te Gas aus dem Kurbelgehäuse durch sogena nnte Überst röm kanä le, die das Kurbelgehäuse mit de m Brennraum verbi nden, in den Brennr aum strömen . Dabei verdrängt das
26
3 Arbeitswe ise, Bauform en und konstru ktive Aus führu ng von Motorrad motore n
einströme nde Frischga s das im Zylinder befindliche Abgas aus der vorherigen Verbrennung. Es strö mt aus dem vom Kolbe n freigegebenen Auslasssc hlitz in den AuspufT. Du rch entsprec hende Ges ta ltung de r Überströmka näle wi rd versucht, d ie Frischgasströmung so zu füh ren, dass das Abgas mög lichst vollständig verdrängt wird, ohne sich mit dem Frischgas z u vermischen. Beim anschließende n Aufwä rtsga ng versc hließt der Kolbe n den Aus lasssc hlitz und die Übers trömkanäle wiede r, so dass das Frischgas verd ichtet we rden kann . Gleichze itig w ird der Einlassschl itz f reigegeben, so d ass info lge des sich unterhalb des Ko lbens aufbauenden Unterdr ucks er neut Fr ischgas i ns Kurb elgehäuse ei nst rö men kann. Det ai lliert w i rd auf die Vo rgä nge be im La du ngswechsel des Zweitak ters i m Ka p itel 3.3 ei ngega ngen.
+ Auslass
Einlass"'llV''-I
t
I
I
Ansaugen von Frischgas ins Kurbelqehäuse, Verdich ten von Frischgas im Brennraum
Weitere Verdichtung und Fremdzündung
,
rI----1I',,
,
)-l,..--i\\ ",
,
, Ausströ men von Abgas und Überstr ömen von Frischgas mit weiterer Abgasverdrangung Bild 3.4 Zweitakt -Arbeitsprozess beim Ottomolor
I
Verbrennun9 und Expansion
3.1 Motorisc her Arbeitsprozess und seine wichtigsten Kenngröß en
27
Lage, Größe un d A nord nung der Steuerschlitze nehmen natu rgemäß großen Einfluss auf de n Ladungswechsel un d die Funktio nsg üte von Zweitaktmoto ren. Wegen der zw angsläufig kur zen Öffnungsdauern der Steu ersc hlitze müssen d iese große Quersc hn itte aufweisen, um t rot z der kurze n Ze it einen ausre ichenden Ga sdurchsat z zu ermög lichen. Da es strömungstechnisch nicht gel ingt, die zeitgleich am Zylinder ein- und aust retende n G asströ me vollständig zu tre nne n, kommt es zu einer teilweisen Vermischung von Frischgas u nd Abgas u nd zu m Übertr itt von Frischgas in den Auspu ff. Dies und ein ige weitere Effekte verschlechtern d ie Energ ieau sbeut e des Zwe itakt motors, so dass ei n Teil seines Leistungsvorteils gegenüber dem Vie rta kter verlore ngeht. Das p-v-Diag ramm des Zweitaktprozesses ze igt Hild 3.5 . Der grund legen de Unterschied zum Diagramm de s Viertaktmoto rs besteht im Fehlen der sogenan nten Ladungswec hselschleife. Sie feh lt. weil beim schlitzgesteuerten Zweitakter da s Frischgas zunächst ins Kurb elgehäuse gesaugt wird und erst nach der dort igen Vorkom pre ssion in de n Bren nraum überst römt. Diese r Teil de s ein lassse itige n Ladungswechsels wird vom kla ssischen p -v-Diag ramm nicht erfasst. we il die ses nur d ie Vorgänge im Bren nrau m darste llt. Dara us darf jedoch nicht geschlossen werden, da ss beim Zweitakter für den Ladungswe chsel keine A rbeit aufgewendet werden mu ss. Der Au fwär tsgang des Kolbens erzeugt im Kurbe1gehäu se Unterdruck. der aufdie Unte rseite de s Kolbens einw irkt, was bedeutet, dass Arbeit aufgewendet werden mu ss (An saugarbeit) . Der Auslass des Abgases erfordert zw ar keinen direkt erkennbaren A rbeitsaufwand. weil das Abgas an fänglic h aufgrund seines restlichen Überdrucks au s dem Zylinder strömt und gegen Ende de s Ladu ngswech sels vom einst römenden Frischgas verdrängt wird . Allerdings muss de r abwä rtsgehende Kolben de n notwendigen Ü berdruck im Ku rbe1gehäuse für das Überströmen de s Frischga ses er zeuge n. Damit erg ibt sich dann doch ein Ar beit saufwand (Übe rst römarbeit) . de r die Nutzarbeit des Kolbens bei de r Expansion verr ingert.
00 - Dbersnömschntz öünet
Ao - A uslass Offnet
P
Os - Uoerströrnschfnz schließt As - Auslass schließt
UT
OT
Takt: Oberströmen von Frischg as und Verd rangen von Abgas Komp ression von Frischgas (UT- OT)
Verbrennungsende
2. Takt: Verbrennung und Expansion ;
vorausla ss . Beginn Überstr ömen. (OT- UT)
Hochdruck· schleife Vorauslass
Po +--l-------=:::::==~~i;,;;:;,....+- umgebUn9sdrl>Ck As Os
v, i-- - - - v,- - - - - -j Volu men
[cm 3 )
Riltl .l 5 p -v-Diagramm des Zweitakt-Arbeitsprozesses
v
28
3 Arbeitsweise, Baufor men und konstruktive Ausführung von Motorradmotoren
Für den gesamte n Ladungswechsel de s Zweitakters, müsste also der Druckverlauf im Kurbel gehäuse zusät zlich erfasst werd en, wora uf an dieser Stelle aber verzichtet wird. Zylinderseitig herrscht, wie man bei geneuer Betrachtu ng des Diag ram ms feststellt. beim Zweitakter imme r geringer Überdruck (bezog en auf d ie Umgebung), Wir kehren nun zu der anfänglichen Energiebct rachtung z urück und arbeiten die neuen Erkenntnisse in die Berechnungsformel der Energiewand lung ein, wobei der Betracht ungsschwerp unkt au f den Viertaktprozess gelegt wird.
3.1.2 Reale Prozessgr ößen und ihr Einfl uss auf di e Motorleistung Da der Ottomotor pro Arbeitstakt ein Gem isch aus Luft und Kra ftstoff ansaugt (auch bei Saug rohreinspritz ung), ersetzen wir in der Gleichung (3- 1) den Kra ftstoffh eiz wert du rch den Heizwert des angesaugten Ge misches . Das engesaugte Gemi schvolumen entspricht dabei nä herungsweise dem Hubraum des Motor s (be i vollständiger Restgasauspülung kom mt noch da s Volumen des Kompressionsraumes hinzu). Dieser sogenannte voll/metrische Gemischheiz wert kann aus dem Kraft stoffheizwert unter Berücksichtig ung der Dichte leicht berechnet werden. Die allge meine Gleichung für den Gemischhe izwe rt lautet : H gcm = HKr ~ mL
(3-2)
IP
H gcm
Volumetrischer Gemischheiz wert [J/cm-']
fII K r
zuge füh rte Kraft stoffmasse [g]
mL
zugeführte Luftmasse [g]
p
Gemischdichte [g/cm'']
Die Gas ausdehnung und d ie Tatsache, dass da s Ge mischvolumen mit zu nehmende r Tempera tur weniger Luft- u nd Kraftstoffma sse enthält, ist damit berücksichtigt. Weil der Kraft stoff beim Ottomotor weitgehend dampf- bzw. gasfö rmig im Kraftstoff-Luftge misch enthalt en ist u nd dadurch ein nicht vernachlässigbares Volumen einnimmt, muss beim Ottomotor d ie Berechnungsgleic hung für den Gem ischheizwert erwe itert werden. Die korrekte Gleichung für den Gemi schhei zwert beim Ott omotor lautet da nn : Hgcm.OItIl = H Kr
fIIK
mKr I PoK
r
+ m J. I Pol.
(3-2,)
In d ieser Gleichung stehen d ie Ausd rücke PoL' PoK fü r d ie Dichte der Luft , bzw. de s gasförmigen Kraft stoffs bei Umgebu ngszustand. Der Gemischheiz wert nimmt mit z unehmender Temperatur ab und mit z uneh mendem Umge bungsdruck z u. In Tab ell e 3.1 sind für verschiedene Kraft stoffe die reinen Heizwerte un d die Gemischheizwer te der entsprechenden Kra ftstoff-Luft-Mischunge n angegeben. Interessant ist bei dem Verg leich von Gemisch- und Kraft stoffhei zwerten in der Tabelle. d ass Wasserstoff. obwohl er eine n fast d reifachen Heizwert gege nübe r Benzin aufweist, in Mischung mit Luft einen geringeren Gemi schheiz wert hat als da s entsprechende Benzin-Luft-Gemisch (ca . 86 %). Eine Umstellung auf Wasserstoftbetri eb würde also eine 14% ige Leistungsein-
29
3.1 Motorischer Arbeitsprozess u nd seine wichtigste n Kenngrößen Tabelle 3. 1 He izwerte von Kraft stoffen und stöch iomet risc hen Gem ischen mit Luft Kraftstoffbzw. Gemisch
Benzin
Methan (Erdgas)
Methanol
Wasserstoff
unterer Heizwert [J/g]
42700
50011
19510
119973
Gemischheizwert [J/em"] bei 15 °C und I,OB bar
ca. 3.5
3,22
3,30
3.03
0.73
0,717
O,XO
(bei 0 0c) 0.0899
Dichte [g/cmJI bei 15 °C und l .0 J3 bar
Anmerkung: Zwischen verbjenen und unvcrblcitc n Kraftstoffen besteht kein nennenswerter Unterschied im Heizwert . Ein Leistungseinn uss zwischen diesen Kraftstoffsorten ist nicht festzustellen.
buße des Motors bedeuten. Die Verwendu ng von Alternativkraftstoffen in Motorradmotoren ist allerdings in absehba rer Zeit nicht zu erwa rten, de nn sie ist auch beim Automobil nur seh r vereinze lt ode r in Forschungs- bzw. Prototype nfahrzeugen verwirklicht. Durch Einfü gen der Motordrehza hl, des Gemisch heiz wertes und der tatsächlic hen Reibung gewinnen wirje tzt aus der allgemeinen Energiegleichu ng (3- 1) d ie angest rebte Formel z ur Leistungsberechnung des Verbrennung smotors: (3-3)
Neue Größen sind: Pe
effektive Motorleistung [W]
Vh.k A1
Summe aus Motorhubvolumen und Kompressionsvolumen [cm']
n
Motordreh zahl (l /sJ
Luftliefergrad [- J Faktor für den Arbeitsprozess (Vie rtakt j = 2, Zweitakt i = I)
Mrcib Gesamtreibun gsmoment , an der Kurbelwelle gemess en Die dem Motor pro Arbeitshub z ugefüh rte Energ ie wird in obiger Gleichung dur ch da s Produkt aus Gemischheiz wert un d Hubraum angegeb en. Der Faktor j berücksicht igt mit dem Wert 2, dass beim Viertaktmotor nur bei jeder zweiten Umdrehung Arb eit geleistet wird. Der Luft liefergrad f (vgl. GI. 3-3) gibt an. welcher Gasvolumenanteil ausgehend vom theoretischen Opt imum (= Hubvolu men + Kompression svolumen) nach Abschluss des Lad ungswechsels tatsächlich für die Verbrennung im Zyli nder verbleibt. Er berücksichtigt da mit sämtliche Frischgasverluste. d ie beim Motorbetr ieb auft reten. Damit ist d ie Leist ungsformel komplett . und mit ihrer Hilfe können jetzt sämtliche Faktoren. die d ie Motorleistu ng beeinflussen, abgeleitet werden. Gru ndsätzlich g ilt. dass zur Erzielung hoher Motorleistung alle Größen mit Aus nahme der Reibung möglich st hohe Wer te anne hmen sollten. Die erste Größe in der Leistungsformel. de r Kraftstoffheiz wert. bietet bei Serienmotoren. d ie mit handelsühlichen Kraftstoff en betr iebe n werden. keinen pra ktisch nutzbaren Ansatzpunkt
30
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstru ktive Aus führu ng von Motorradmotore n
für eine merkliche Leistungsbeeinflussu ng. Die Heizwertstreuungen handelsüblicher Kraftstoffe sind dera rt geri ng, - auc h zw ischen Norma l- und Superbenz in ist de r Unterschied bedeutungslos - , dass sie keine u nm ittelba ren Auswi rkunge n auf d ie Leistungsa bgabe eines realen Motors haben. Aus nahme n bilden hier led iglich im Handel nicht erhä ltliche, spez iell hergestel lte Kraftstoffgemische für de n Einsatz in Renn- und Rekordfahr zeugen. Durch d ie höhere Klopffest igkeit von Superbenz in ist allerd ings in manchen Fällen über den Nebene ffekt einer g ünstigeren Zü ndeinstellu ng eine leichte Leistu ngsste igerung mög lich, darauf wird detailli ert im Kapitel 3.4 eingega ngen. Der Gemischheizwert hingegen nimmt in der Praxis un mittelbaren Einfluss auf die Motorleistung. wie ma n anhand der GI. (3-2a) leicht einsieht. Mit sinkender Ge mischtempe ratu r steigt die Ge mischdichte an und da mit auch de r Gemi schheiz wert. Letztlich wird dem Motor bei nied riger Temperatur eine größere Luft- und da mit auch Kraft stoffmasse zuge führt, d.h. der Energiegehalt der Frischladu ng vergrößert sich und damit auch die abgegebene Leistung. Beachtet werden muss auch, dass die sich rein formelmäßig ergebende Steiger ung des Heizwertes bei willkür licher Erhöhu ng nur der Kraft stoffmasse im Gemisch nicht genutzt werden kann. Es fehlt in d iesem Fall die zu r Verbrennung not wendige Luft. Die Anzahl de r in der Verbrenn ungsluft vorhande nen Sauerstoffmo lekü le leg t in Abhängigkeit der chem ischen Zusammensetzung des Kraft stoffs das Mengenverhä ltnis zw ischen Luft und Kr aftstoff gen au fest. Bei handelsüblichem Benzin beträgt das Massenverhält nis für die angestrebte vollständige Verbrennung rund 14,8 : I (stöchiome tr isches Ge misch). Zur vollständ igen Verbrenn ung von I kg Kraft stoff werden also ru nd 14,8 kg Luft benöt igt. Das entspr icht bei Rau mtem peratu r etwa 10000 Itr. Luft für I Itr. flüssigen Kraft stoff. Ein Mehr an Kraft stoff kann also wegen Sauerstoffmangels nicht verbrennen, damit auch keine Nutza rbeit erzeuge n und wird mit dem Abgas un ve rbrannt wiede r ausgestoße n. Allerdings bewirkt in de r Prax is ein geri nger Kraftstoffübersc huss eine Abkühlung des Ge m isches (Verdampfungskälte), d ie zu einer höheren Ge mischdrehte (siehe oben) und damit höherer Leistung führt. Dies wird bei den meisten Moto ren in de r Volllas t auch ausgenutzt (Volllas tanfettu ng). Dass d ie Leistung unmittelbar von der Motorgr öße. d. h. dem Hubvolumen abhäng t, bedarf keiner näheren Erläuterung. Aber bereits d ie Frage, auf wie viele Zyli nderei nheiten sich der Hubraum verte ilen soll, ist unter Leistungsaspekten von Bedeutung. Aus thermodynamischen Gründen (s. u.) ist de r Prozesswirku ngsg rad bei Hubräumen zw ische n etwa 200 und 400 cm' pro Zylinde r am güns tigsten . Daher (und aus Gründe n, auf die später noch eingegangen wird) können Z.B. bei 1000 cm" Hubraum mit Vierzy linder motore n prinzipiell höhere Leistungen erzielt werde n als mit entsprechenden Zweizy li ndermoto ren. Die g röße re Anza hl bewegter Teile mit entsprechend höherer Reibarbe it minde rn zwar in gew isse r Hinsicht den Leist ungsverteil. Dur ch entsprechende Gru nda uslegung (ku rzh ubig) und konstruk tiven Maßnahmen z ur Reibungsminimierung wi rd d ieser Effekt aber überkompen siert. Der Prozesswirku ngsg rad wird neben einigen anderen Faktoren maßgeblich vom Verdrehtungsve rhältms, dem Oberflächen-Volumenverhältn is des Brennraums bzw, Zylinders und de r Verbrennungsgesc hwindigkeit beeinflusst. Gü nstig ist hierbei ein schnelles Durchbren nen des Kraftstoff-Luftgemis ches. woz u eine kompak te Bren nraumform mit zentraler Zünd ke rzenposition und allseit ig kurzen Flammwegen z u den Bren nraumwänden notwend ig ist. Von de r Ko nstru ktion des Zylinde rkopfes lässt sich hier Einfluss nehmen. Heutige a -Ventilkon str uktionen mit flachen, dachförmi gen Brennräumen bieten in der Regel gute Voraussetzu ngen für einen g uten Prozesswirku ngsgra d u nd damit für hohe Leistu ng.
3.1 Mot orischer Arbeitsprozess u nd seine w ichti gste n Kenngr ößen
31
Der Luftl ieferg rad I , ist die wichtig ste Größe, mit de r di e Leistun g eine s Verbrennungsmotors bee influsst werd en kan n. Wie schon erwähnt, kennzeich net sie di e Güte des Ladungswechsels. man kö nnte auch sage n die Ausnutzung des Hubraums. Die Defi nit ion des Luft lieferg rades lautet : 1
11. 1= -
mFl. - -
(3- 4)
Po . VII
IIlFZ
ve rbliebe ne Frischgas mass e im Zylinder nach dem Ladungsw ec hsel
Po
Frischgasd ichte beim Norm zu stand (1,0 13 bar und 15 "C)
Im Zahlenwe rt des Lufttiefergrades sind also folgende Verluste beim Lad ungswechsel enthalten : - Drossel ung des Frisch gasstroms durc h Strömungs w iderstände u nd Reibung in der Saugleitung (z. B. am Ventil oder durch sc hroffe Q uerschn ittsänderu ngen). - Frisc hgas gelangt be im Ladungswechsels in den Auslass ( z .8. aufgrund ungün st iger Ventilsteuerzeite n] und steht n icht mehr fü r d ie Verbre nnung zur Verfügu ng. - Abgas reste bleiben im Kompression sra um und verringe rn da s Frischgasvol umen. Um also einen hohen Luftliefergrad und damit m axima le Moto rleistung zu erzielen, mü ssen d ie o.a. Verlus tquellen so klein w ie mög lich ge halte n werden. Konkret kann die s du rch folgende Maßn ahmen am Motor erreicht werde n: - wenig gek rüm mte Saugleitunge n m it g leichmäßigen. ausreichen de n Querschnitten - g rößtmög liche Ventildurchmesser - optim ierte Ventilsteuerzeiten. g roße r Ventilhub und füllige Öffnungsc harakte ristik - strö mungsg ünstige Abgas leitunge n m it w iderst andsarmem Schalldämpfer Der Luft liefer grad ist keine kon stante Gr öße . sondern er hän g t von der Motord reh za hl ab, Bild 3.6 . Diese D reh zahlab hän gigkeit ergibt sich aus der Ste uerze ite nauslegung und den gas dy narmsehe n Vorgängen während des Ladu ngswec hsels. In de n Kapiteln 3.2 und 4.1 werden diese Zusammenhänge ausführli ch behandelt.
Bild 3.6 Luftlicfcrgrad als Funktion der
Motordrehzahl
Drehza hl n lU/minI
32
3 Arbeitswe ise, Baufor men und konst ruk tive Ausfü hrung von Motorrad motoren
Es fehlen in der Betrac htu ng der Leistungs formel noch zwei G rö ßen, die Motordrehz ahl und d ie Reibar beit . Aus der physik alischen Definit ion von Leistung als Arbeit pro Ze it erg ibt sich rein rech nerisch immer ein Anstieg der Leistung mit Zuna hme der Drehzah l. dennoch ist eine d ifferenzierte Betrachtung notwe nd ig. Der Erfolg einer Leistun gssteigerung mittels der Erhöhung der Motordrehz ahl hängt davon ab. inwiewe it es gelingt. den auft retenden Lieferg rada bfall bei hohen Drehzah len in G renzen zu halten. Da sich mit der Drehza hl auch die Reibleistu ng erhöht, muss die Reibarbeit Wreih mög lichst k lein gehalten werden. Da raus erwäc hst ein klassischer Zielkonff ikt. Die mechanische Beherrschbarkeit sehr hoher Motord rehz ah len erfordert wegen de r Massenkräfte kleine u nd da mit leichte Bauteile im Ku rbel- u nd ventiltrieb. Das erzwi ngt eine mehrzylind rige Bauart, d ie aber durch d ie g rößere Anza hl bew egte r Bauteile eine höhere Reibu ng mit sich bringt. Die Kompensation muss über einen kleinen Hub, d .h. ei n kleines Hub- Boh rungsve rhältnis (niedr ige Kolbengeschwindigkeit und Sek undäreffekte), und eine Reibungsm in imier ung aller Baut eile erfolgen. Man erke nnt also, dass bereits die Wahl des Motorkonzept s. die gru ndlegen de Geometr ie (hier be sonde rs Bohr ung und Hub) sow ie die konst ruktive Grundauslegung eine entscheidende Rolle spielen. wenn höchste spezifische Motorleist ungen erzielt werden sollen. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass der Zweitaktmotor wege n der ge ringeren Anzahl bewegter Teile (fehlen de Ventilste uerung) prinz ipielle Vorteile in de r Reibar beit aufwe ist. In der Reibarb eit we rde n übrigens nicht nur d ie klassischen mechanischen Reibu ngsverluste a n allen Gleitstellen zusa mmengefasst, sondern auch sämtliche Strö mu ngsverluste. Dazu zählen die Pu mpa rbeit der Kolben unterseiten. d ie Venti latio nsarbeit der u mlau fenden Bauteile . die Ölp lanscbarbeit und auch die Lad ungswechselarbeit! (vgl. Bild 3.3, p-v- Diag ramm). Ta belle 3.2 fasst alle leistu ngsbestimmenden Faktoren nochmals ku rz zusamme n. T a bel le 3 .2
Übersicht der w icht ig sten leist ungsbestim menden Fakto ren
Faktor
Kraftstoffheizwert Gc m ischhc izw crt Hubrau m
Lci stu ng se infl uss
prakt isch umset zbar
(ja ) indirekt
nein
ja
J'
Beme rkung wäre nur mit Spc zia lkraftsto ffe n u mset zbar Ein fl uss übc r die Dichte
(Temperatu r des Frischgase s)
ja
ja
Zylin derzah l
ja
ja
Thermody na mik . Rc ibung
Boh run g/ Hub
ja
ja
Ladungswechsel. Reibarben. T hermod y na m ik
mä ßig
J'
Vcrbrcn nung. K ühlverluste
ja
ja
Prozc sswi rku ngsg rad
Motord rehzahl
In der Literatur wird d ie Verlustarbeit des Ladungswechsels häufig im soge nannten Güteg rad mit erfasst. Der Gütegrad setzt sich aus mehreren Einzelfa ktoren zusammen und berücksichtigt weite re reale Einflussgrüß en auf den Arbeits prozess (z.ß. den Expansionsverlust. unvollstä ndige Verbrennung, Brennverlauf ctc.j. Diese Faktoren sind in der vorliegende n Darstellu ng aus Vereinfachu ngsgründen im Proze sswirk ungsg rad I/Pr berücksichtigt. Eine ausfiihrliche Darstellung des Arbeitsprozesses findet sich in [U I und [3.21.
3.2 Lad ungswechsel und Ventilste uerung beim Vierta ktmoto r
33
3.2 Ladungswech sel und Ventil steuer ung beim Vier ta kt motor Im vorigen Kapitel wurde der Luftl iefergrad zusamm en mit de r Motordrehzahl als dominierend er Faktor fü r d ie Motorleist ung erkannt. Die Höhe des Luftl iefergrades u nd se ine Drehzahlabhängigkeit wer den im Wesentli chen von de n Ventilsteuerzeiten (Öffnu ngsdauer) und de n Ventilquerschnitt en z usammen m it der gas dyna mische n Gesamt au slegung bes tim mt. Letztere wird, wie bereits dargelegt, vorra ngig im Kap. 4 behandelt.
3.2.1 Ventilöffnungsdauer und Ventilsteuerdiagr amm Einleitend w u rde schon geze igt, dass der Ladungswechsel im Motor durch den A nsang- bzw, Aussc hubhub des Kolb ens in itiiert wird. Die Kol benbewegu ng bew irkt dabei zw eierlei, ein mal die reine Volu me nverdrä ngu ng des A rbe itsgases und zu m andere n ei ne Anfache ng dy narmsche r Effekte in der G asströmun g. Die G aswechse lsteuerung übe r nocken betätigte Ventile beim Viertaktmotor, Bild 3.7, er fordert große Öffnungsquerschnitte un d Öffnungszeiten fü r die Ventile, die an den A nsaug- und Ausschubvo rgang un d d ie Dreh zahl angepasst sind . Nur dann lässt sich ein hoher Luft liefer grad über einen weiten Drehzahlb ereich erz iele n. Den Verlauf der VentilöfTnung in Relat ion zu r Kur belwellenstellu ng fü r einen komplett en A rbeitszy klus von 720° Ku rbelwinkel zeigt das soge na nnte Ventilste uerdiag ra mm. lJild 3.8. Das Diag ramm beg in nt be i 0° KW mit dem Zünd- OT (O bere r Tot punkt der Kolb enbewegung. der kurz nach dem Einleiten der Zündung folgt). Aufgetr agen ist der Ventilquerschn itt , der sich aus den geo metrischen Verhältn isse n am Ventilsitz nach Bild 3.9 näheru ngsweise wie folgt errech nen lässt: A Vcnl il = 1't" ' d i'
(3-5)
h v ' sina
A Vcnl il
Venti lque rschni tt
hv
Ventilhub [mm]
d,
in nerer Venti ltel lerdu rchm esser [m rn]
sm a
Venti lsitzwin kel [0], (meist 45°)
[ m m -]
k~;lrf~~ar-- Nockenwellen Übertragungselemente (Tassenstößel)
Ventile
Bild 3.7 Ventilsteuerung beim Viertaktmotor
34
3 A rbeitswe ise, Bauformen und konstruktive Ausfü hrung von Motorradmotoren Expansion
s -g
Ausschieben
Ansaugen
(Kolbenverdrangung)
(Arbeitsabgabe)
" N OT
UT
~
OT Spre,zooQ ---0
Aö = Auslassöffnet
•E oS
As = Auslass SChließ!
Verdichten
(KOlbensaughub)
/
1\
~ s~1t\
\
/
UT
\
OT
Eö = Einlassöffnet Es = Einlass schließt
Einlass
Auslass
I
/ Überschneidung
Aö j 0
90
\. Es
Eöl \ As 180
270
I
360
I
450
540
630
72o
Kurbelwinkel [0 KW)
I.
·1
Bil d 3.K Stcucrdiagramm
Bild 3.9 Geometr ie am Ventilsitz und resultierender Ventilquerschnitt
3.2 Ladungswechsel und Ventilsteuerung beim Vierta ktmoto r
35
Diese Berec hnungsgleichung berücksichtigt nicht die ganz genauen geometrischen Verhältnisse am Vernilsitz. Streng genommen muss die Berechnungsformel in Abhängigkeit vom Ventilhub modifiziert werden [3.3]. Da der Unterschied zw ischen exa kter und näherungsweiser Berechnung nur wenige Prozent beträgt und die exakten Gleichungen sehr komplex sind. genügt an dieser Stelle die einfache Gleichung. Anhand des Steuerdiagramms sollen nun der genaue Ablaufd es Ladungswechsels und die Kriterien für eine optimale Ventilöffnungsdauer erläutert werden. Zunächst fällt auf, dass der maximale Einlassvent ilquerschnitt größer als der Querschnitt am Auslassventil ist. Dies ergibt sich, weil bei gleichem Ventilhub die Einlassvent ildurchmesser üblicherweise größer als die der Auslassventi le ausgeführt werden (siehe dazu Kap. 3.6). Die Ventilöffnung selbst steigt über dem Kurbelwin kel kontinuierlich an, denn natu rgemäß kann der maximale Ventilquerschnitt nicht schlagartig zu Beginn der Ventilöffnung zur Verfügung stehen. Das Öffnen und Schließen der Ventile muss stetig erfolgen, um die mechanischen Belastungen des Ventiltriebs in G renzen zu halten. Die Öffnungs- und Schließzeitpunkte der Ventile liegen nicht in, sondern vor bzw. nach den je weiligen Totpunkten, Durch diese Maßnahme wird erreicht, dass die Ventile schon weit geöffnet sind, wenn der Kolben in den Totpunkten seine Ausschub- bzw. Ansa ugbewegung beginnt. Während der gesamten Phase der Kolbenverdrängung zw ischen den Totpunkten sind dann die Ventilquerschnitte groß, Das gewährleistet geringste Strömungswiderstände und einen verlustarmen, vollstä ndigen Ladungswechsel. Der größte Öffnungsquerschnittder Ventile wird etwa in der Mitte des Kolbenwegs. also im Bereich maximaler Kolbengeschwindigkeit und damit beim größten Volumenstrom erreicht. Darüber hinaus verlänger t die Verlagerung der Öffnungs- und Schließzeitpunkte den effektiven Ausschub- und Ansaugvorgang durch Ausnutz ung dynam ischer Effekte. Für den Auslass bewirkt das vor dem UT geöffnete Auslassvent il, dass schon bei geringer Ventilöffnung erhebliche Mengen Abgas in den Auspuff strö men, entgegen der noch abwärts gehenden Kolbenbewegung (Überdruck im Zylinder). Nach dem OT kann aufgrund der kinetischen Energie der Strömung weiterhin Abgas z um geöffneten Auslassventil ausströmen. wiederum entgegen der Kolbenbewegung. Wenn, wie im Diagramm dargestellt, bei noch offenem Auslass bereits das Einlassve ntil geöffnet wird (Ventiliiherschneidung), übt die Strömung des Abgases eine Rückwirkung auf die Einlassseite aus. Es stellt sich eine Sogwi rkung ein, die eine Strömung zum Einlassve ntil anregt, so dass die Effektivität der Ansaugu ng durch den abwärts gehenden Kolben geste igert wird. Beide Effekte zusammen unterstützen auch die Ausspülung des Abgasrestes im Kompressionsraum, der von der reinen Volumenverdrängung des Kolbens beim Ausschieben nicht erfasst wird. Auch der Einlass wird erst beträchtlich nach dem UT geschlossen. Dadurch kann die in den Ansangleitungen angefachte Gasströmung, die bei hoher Motordrehzahl eine beachtliche kinetische Energie enthält. entgegen der beginnenden Aufwä rtsbeweg ung des Kolbens weiter in den Zylinder strömen. Dieser Vorgang hält so lange an, bis die kinetische Energie .,aufgezehrt" ist und nicht mehr ausreicht. der Verdrängungswirkung des Kolbens entgegenzuwirken. Genau dann muss idealerweise das Einlassventil geschlossen werden. Es wird also eine dynamische Nachladung erzielt, d.h. der Zylinder wird über sein nominel1es Volumen hinaus mit Frischgas gefüllt. Ohne diesen dynam ischen Effekt wären die hohen spezifischen Motorleistungen moderner Motor radmotoren überhaupt nicht möglich. Der Einlassschluss ist dam it der wichtigste Faktor für die Motorleistung.
36
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konst ru ktive Aus führu ng von Motorradmotore n
Da die k inetische Energ ie der Gasströme von der Kolbe nanregung (Ko lbengeschwindigkeit) u nd da mit von der Motordrehzah l abhängig ist. sind d ie optima len Öffnu ngs- und Schließzeitpunkte der Ventile ebenfalls dr ehzahlabhängig . Weil d iese Zeitpunkte nor malerweise du rch d ie Nockenwellen fest vorgege ben sind, ist die Güte des Ladungswechsels über der Motordreh zahl untersch iedl ich. Damit erklärt sich auch die Abhängigkeit des Luft tiefergrads (und dami t des Dreh moments) von der Motord reh zahl . Beispielsweise fü hrt ein auf hohe Drehzah len abgestimmter später Einlassschluss bei niedrigen Motordrehza hle n z u einem Ausschieben von bereit s angesa ugtem Frischgas. weil d ie geringe kinetische Energie des Frischgasstroms die einsetzende Verdrä ngungsbe weg ung des Kolbens nicht meh r überwinden kann. Da mit fällt de r Liefergrad dan n bei dieser Drehzah l ab. Beim Auslass ist zu beachten , dass eine zu frü he Öffnung de n Zylinderd ruck vorzeitig abbaut, wodurch Expansionsarbeit verlore n geht (Expa nsion sver tust }. Somit kann eine Nockenwellenauslegu ng optimal nur für eine Dreh zah l ausge führt werden u nd e rfordert in der Prax is Komp romisse bei de r Wah l der Öffnungs- und Schließzeitpu nkte der Ventile, vgL auch dazu Kap. 4.
Im Ventilsteuerdiagramm wird die Lage der Öffnungs- und Schließzeitpunkte eindeutig durch Angabe der beiden Größen Steuerz eit (geb räuchliche Bezeichnung, korre kter wäre Ventilöffnungsd auer) und Spreizung festgelegt. Die Steue rzeit wird in unsere m Fall ohn e Ventilspiel angegeben.? Die Spreizung der Nockenwelle(n) legt die Größe de r Ventilüberschneidungsfläche fest. Je g rößer die Spre izung , desto kleiner wird d ie Überschneidung , aber natürlich ände rn sich bei Veränderu ng de r Spreizung ebe nfalls d ie Öffnungs- und Schließzeitpunkte de r Ventile. Noch nicht betrachtet wurde d ie Öffnungscharakter;stik de r Ventile. also de r Verlauf der Ventilöffnung über dem Kurbel wink el. Ein optimaler Ladungswechsel erfordert nicht nu r eine große Maximalöffnung der Ventile, sondern g roße Ventilquerschnitte wäh rend der gesa mten Ladu ngswechseldau er. Man spricht in diesem Zusammenhang vom Zeitquersch nltt, dem Produk t aus Ventilque rsch nitt und Öff nungsz eit(= Kurbel winkel). Er ist gleichbede utend mit de r Fläche unter der Ventilerhebungskurve, Bild 3.8. Erreicht wird ein g roßer Zeitquerschn itt du rch große Ventildurc hmesser und Ventilhübe zu sammen mit einem steilen Anstieg des Ventilhubs ab Öff nungsbeg inn. Bei der konst ru ktiven Auslegung des Motors werden da her z unächst die Ventildurc hmesser so groß gewä hlt, wie es die Platz verhältnisse im Zylinderkopf zulassen. Gleiches g ilt grun dsätzlich für den Ventilhub und dessen Anstieg, doch unterli egen d iese beiden Größen gew issen Grenzen, auf die nachfolgend eingeg ange n wird.
3.2.2 Ve n tilerhebung und Nockenform Der Ve ntilhub u nd sein Anstieg über dem Kurbelwinkel wird von de r Nockenwelle, d.h . von de r Nockenform vorgegeben, Bild 3.10. Anforde ru ngen an den Ventilhub sind also Anforder unge n an die Nocken forrn, und das Steuerdiagramm ist ein Abbild dieser Nocken form. 2
In Repa rat urhandbüc hern werden oft Steuerzeiten bei ein em bestimmten V,'lllilllllb (1-3 mm) angegeb e n, die nicht mit realen Steuerzeiten ve rwechselt werde n dürfen! D iese .Einsrellsteuerzcn" dient lediglich dazu . die Noc kenwelle nein stellu ng in Be zug zur Kurbelwelle zu erleichtern . Im Hubhe reic h von einigen mm bewirken nämlich schon kleinste Verdrehu ngen der Nocken welle deutlich messbare Ventilhubänderungen. Wollte man d ie Noc kenwcl le( n) im Rep arat urbetr ieb bei realen Steuerzeiten ein stellen, wären l'e hlc r unvermeidlich. De nn zu A nfang de r Noc kenerh ebung ändert sich de r Ventilhub über ei nen Drehhere ic h von me hr als IOQnur wenig er als 111 0 mm. Die Einstellsteuerzehen sind deutlic h kürzer als d ie realen Steue rzeilen und ei ne Um rec hnung oder ein Rücks chluss auf die reale Steuerzeit ist ohne ergän zende Angabe nic ht möglich.
3.2 Ladungswechsel und Vent ilsteuer ung beim Viertaktmotor
37
Bild 3. 10 Nockenwellen bei e inem DOHC-Tasscnstö ßcI-Motor
Bild 3.11 Rechteck iger Ventilhubverlauf als theoretische Grenze
Kurbelwinkel
Die rechne rische Auslegung der Nockenform wird beeinflusst von vielfä ltigen mechani schen, kinematischen und mat hemat ischen Randb edin gu ngen. Ausga ngspunkt der Nockenberechnu ng ist immer d ie gewünschte Leistungscharakteristik des Motors. Sie wird, wie a nfangs schon erwähnt, wesentl ich von der Öffnun gsdau er der Ventile bestimmt . Daher sind die gew ünschten Steuerzeiten zu Beg inn der Nockenberechnung festzulegen. Innerhalb vorgegebene r Steuerzeiten wird die theo retische, obere Gren ze filr de n Zeitq uerschnitt durch einen rechteckigen Ventilh ubverlauf beschrieben, Bild 3.11. Dieser Rechteckverla uf würde einen konstanten , maxi ma len Ventilquerschnitt währe nd der gesamten Öffnungsdaue r ermöglichen.
38
3 A rbeitsw eise, Bauform en und konst ru ktive Aus fü hrung von Moto rradmotoren
Für den Maximalhub gibt es dabei eine natü rliche G renze, sie ist nähe rungswei se der Hubwert. be i dem der Ventilquersc hni tt gena uso g roß wie der freie Q uerschnitt des A nsang- bzw. Auslasskanals im Zylinderkopf wird. Eine weite re Öffnung des Ventil s übe r die se n Wert hi naus ist da nn sin nlos. weil de r Ga sstrom bereits im Kanal gedrosselt w ürde. Theo retisches Z iel der Nockenausleg ung ist es nu n, ei ne Nockenform zu finden, die den realen Ventilhubverlauf m ögliehst nahe an die Rechteckfor m an nähert. Es ist u nmittelbar einsichtig, da ss mit Hubventilen eine Rechteck for m nicht verw irklicht werd en kann , weil eine schlagartige Ventüö ffnung eine un endl iche Besc hleunig ung mit un endlichen Kräft e n zur Folge hätt e. Es mu ss also ei n möglichst steiler, aber dennoch kontinuierlic her Hubverlauf gefu nde n werden.
o .. /
Ventil· spiel
·
• ••
•
• • •
·• ·• ··• ·••
•••
Öffnungsphase
Grundkreis
•
Schließphase
o
• •••
•••
Grundkreis
Vornocken (Offnungsrampe)
I A
_
Nockenwinkel [0 NW] 180"
A'-
90 '
I
Grundkreis
O'
360'
Bild 3.12 Ö ffnungs- und Schließvorg ang des Ventils
3.2 Lad ungswechsel und Ventilsteuerung beim Vierta ktmoto r
39
Um die Zusammenhänge besser zu verstehen, soll zunächst am Beispiel der Tassenst ößetsreuerung eines realen Motors der Öff nungs - und Schließvorga ng des Ventils gemeinsa m mit dem dazugehörigen Nockenprofil betrachtet werden, Bild 3.12. Ausgangs punkt ist der Nockengr und kreis (A-A') . Solange sich dieser über de n Tassenstößel hinwegdreh t, bleibt das Ventil geschlossen. Zwischen Tasse und Nocken besteht ein Spiel von ca. 0,03-0,15 mm (Ventilspiel), das dafür sorgt, dass das Ventil auch bei Wärmeausdehnung geschlossen bleibt und imme r voll im Ventilsitz aufliegen kann. Im weiteren VerlaufderNockendrehung läuft zunächst der Vornocken (Öffnungsra mpe A-B) auf die Tasse auf und überbrückt mit einem sehr kleinen, langsam ansteigenden Hub das Ventilspiel, bis Kraftschluss zw ischen allen Ventiltriebsbauteilen herrscht. Bereits innerhalb der Rampe erfolgt die Einleitung der Öffnungsbeweg ung des Ventils, die da nn mit schnellem Anstieg der Öffnung durch den Hauptnocken (8- D) fortgesetzt wird. Ohne die sanfte Ventilspielüberbrückung durch den Vornocken würde die extrem schnelle Ventilanhebung im Hauptnockenbereich ein Aufeinanderschlagen von Nocken und Tasse bewirken. Nocke und Tassenstößel würden in kürzester Zeit beschädigt, und zudem ergäbe sich ein unakzeptables Geräusch. Nach der Nockenspitze setzt di e Schließbeweg ung des Ventils ein, deren Phasen umgekehr t, ansonsten aber ana log zur ÖfTnungsbewegung ablaufen. Die Rampe a m Ende der Schließbeweg ung dient dazu, das Vent il mit niedriger Geschwindigkeit in seinen Ventilsitz zurüc kzufü hre n und damit e in Nachspringen, d.h . e in kurzzeitiges Wiederöffnen des Ventils z u vermeiden. Nachspringer bewirken ei nen empfindlichen Verlust a n Frischgas und damit an Motorleistung und führen zu raschem Verschleiß am Ventilsitz. Eine richtig ausgebildete Schließrampe beugt nicht nur dem Verschleiß am Ventilsitz vor (Verlängerung der Nachstellinte rvalle für das Venti lspiel!), sie vermindert du rch das sa nfte Aufsetzen des Ventils auch die Geräuschemission. Wenn man die rechnerische Nockenauslegung in ihren Grundzügen verstehen will, muss die Ventilbeweg ung noch detaillierter bet rachtet werde n. Da die Zusamm enhänge sehr komplex sind und im Rahmen dieses Buches nicht ausführlich dar gestellt werden können. müssen einige Sachverhalte ohne nähere Beg ründu ng als gegeben hingenom men werden. Für eine n tieferen Einstieg in das Thema Nockenberechnung wird auf die Literatur [3.4 - 3.8] verwiesen. Zur Einleitung de r Öffnungsbewegung muss das Ventil zunächst einmal eine positive Beschleunigu ng e rfahren. Dies geschieht am Vornocken und in der Beschleun igu ngsphase des Hauptnockens (B-C im Bild 3.9). An schließend muss das Ventil wieder abgebremst werden (Verzögerungsphase C-D), weil sich seine Beweg ung genau an der Nockenspitze um kehren soll und ab dort die Schließbeweg ung beginnt. Zwingende Voraussetz ung für die Bewegungsumk ehr ist natü rlich eine vorherige Verzögeru ng des Ventils bis zum Stillstand. Aus diesen Zusam menhängen ergibt sich für das Ventil ein gru ndsätzlicher Beschleunig ungsverlauf nach Bild 3.13 (oberes Diagramm a) . Die Ö ffnungsphase des Ventils in diesem Diagra mm ist gekennzeichnet durch den Beschleunigungsverlaufvom Punkt B nach D. Die hohe, impulsartige positive Beschleunig ung (B-C) hat einen steilen Nulldurchgang und geht in eine rund doppelt so lang dauernde, abe r betragsmäßig nied rigere Verzöge rung über, die bis zur Nockenspitze (Punkt D) anda uert. Der Wechsel von der Beschleunigungs- in die Verzögerungsphase beim Öffnen ist in der Ventilh ubku rve (unteres Diag ramm c) an ihrem Wendepu nkt C zu erkennen (aus der Linkskurve wird eine Rechtskurve). Entsprechend de m Ventilbeschleunigungsverlauf wird die Ventilge-
40
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstruktive Ausführu ng vo n Motorrad motor en
schwindigkeit (mittleres Diagramm b) im Nulldurchgang der Beschleun igu ng maximal und a n der Nockenspitze. bei maximaler Verzöge rung, gertau Null. Die Schließbeweg ung de s Ventils nach de r Nocke nspitze wir d eingeleitet, indem die vorangega ngene Verzöger ung fortwirkt (mathematische Bedingung der Stetigkeit). Wegen der jetzt umgekehrten Bewegungsrichtung des Ventils bewirkt sie eine Beschleuni gu ng der Schließbewegung. An alog dazu erfo lgt dann das Abbremse n der Schließbeweg ung durch den positiven
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270
Bild .l l3 Ver nilhub. Ventilge schwind igkeit und Ventilbeschle unigung
3.2 Lad ungswechsel und Ventilsteuerung beim Vierta ktmoto r
41
Beschleunigungsimpuls. Die kur zen Beschleunigungsbuckel ga nz am Anfang und am Ende der Ventilbeweg ung stammen vom Vornocken und der Schließ rampe. Ausgeklammert wu rde bei d iesen Betrachtungen bisher die Ventilfeder. Sie liefert zu m einen in der Schließphase des Ventils die Antr iebse nergie für die Schließbeweg ung , d ie in ih r du rch das Zusamme ndrüc ken beim Öff nen gesp eichert wu rde. In der Öff nungsphase kommt der Ventilfeder die Aufgabe zu. das Ventil nach dem pos itiven Beschleunigungsimpuls abzubremsen und einen unun terbrochenen Kontak t aller Ventiltriebsbauteile zu gew äh rleisten. Oh ne Feder wü rde die Ventilöffnung unk ontrolliert bis zu irgendeinem mechan ischen Ansc hlag (quasi im Freiflug) erfolge n. Der vom Nocken vorgege bene Verzöge rungsverlauf (nega tiver Beschleu mgungsa nteil) ist ja zunächst nur ein wunschverla uf der sich nicht von selbst eins tellt, sondern sich aufg rund einer Kraft einwirku ng (der Ventilfede r) ergibt. Das Ventil wird ihm nur da nn folgen, wen n ihm d ie Beweg u ng durch d ie Nockenkontu r aufgezwungen wird. Dies macht den ständigen Kontakt zum Nocken unabdingbar und erfordert da mit eine Ventilfederkraft. d ie theoretisch mindestens so groß sein muss (in der Praxis g rößer, s.u.), als die notwen dige Verzögerungskraft für das Ventil (errec hn et aus negativer Ventilbeschleunigung multipliziert mit der Masse der beweg ten ventiltriebsbaureile) . Ma n erkennt, entsc heide nd für den gesa mten Ablauf de r Ventilbewegung ist der Beschleunigungsverlaufam Vent il. der da mit zum Ausg angspunkt einer jeden Nockenberechnu ng wird. Er wird festgelegt aufg rund spez ifischer Rand bed ingun gen u nd Erfa h rungen mit ähnlichen Motoren und Nockenpro filen. Nocken heutiger Motore n, die nach modernen mathematischen Verfa hren berechnet werden. weisen in der Regel stetige und d ifferenzierbare Beschleumgungsve rläufe auf (oh ne Sprünge bzw, Knicke). Dadurch e rreicht man in der Regellaufruhige Nockenprofile. d ie den Ventiltrieb nicht zu Schwingungen anregen. Seh r wichtig für die Güte des Nockens und des gesa mten ventittriebs sind der Kur venverlauf des pos itiven und negativen Beschleunigu ngsanteils und auch die Steilhe it des Nulldurchgangs. So hat es sich als gü nstig erwiese n. d ie positive Beschleun igung impul sartig ku rz zu gestalt en, weil sich da nn eine niedrige negative Beschleunigu ng ergibt. Dies folgt aus der Bedingu ng des Flächengleichgewichts. Es besagt. dass die Flächen, d ie der positive und de r negative Beschleunigun gsverlauf jeweils umsch ließen. gleich groß sein müssen (vgL auch Bild 3.11). Das Flächeng leichgewic ht ist eine rein geometrische Bedi ng ung, damit die Nocken kontur an der Spitze rund bleibt (ohne Flächengleichgewicht würde d ie Ventilgeschwindigkeit an der Nockenspitze keinen stetigen Nulldurchgang hab en. sondern spr unghaft ihr Vorzeic hen wechseln und der Nocken dam it spitz werde n). Je kü rzer die positive Beschleun igu ng dauert , um so kleiner wird die Fläche unter ihre r Kur ve und um so kleiner dann auch d ie negat ive Beschleun ig ung. Die groß e Bedeutung der negativen Ventilbeschleun igung ergibt sich daraus, dass sie die notwendige Ventilfederkraft festlegt. Diese soll aber. wie wir noch sehen werden, möglichst gering werden. Die tatsäc hliche Federkra ft muss aus Sicherheitsgründe n immer g rößer sein als d ie verz ögerungs kraü, dies ist im Bild 3.14 dargestellt. Der Abstand zwischen Verzöge rungsk raft und tatsäc hlicher Ventilfede rkraft wi rd als Federrestk raft bezeic hnet. Je größer diese ist. umso sichere r ist der Ventiltrieb gegen ein evtl. Überdrehen des Motors (vorausgesetz t de r Ventiltrieb ist stei f genugj) und gege nübe r Toleranzen in der Fertig ung der Ventilt riebsba uteile. Ein unterer, noch zuläss iger Gre nzwert filr die Federrestk raft kann aber nicht allgemeing ültig angegeben werden, weil d ieser von de r Gesamt stei figkeit des Ventiltriebs und seinem dy namischen Verhalten abhängt.
42
3 Arbeitswe ise, Bauform en und konst ru ktive Aus führu ng von Moto rradm otoren
z
"e
-
•" •
Massenkraft bei Maximaldrehzahl
~
-o u,
~ ~
•c
+
+
0
00 00
•
"
Bi ltl .l l4
Ventilbeschleunigung und Ventilfederkra ftver lauf
Federrestkraft
90
180
270
Nock enwinkel ["]
Es liegt nun nahe, aus Sicherheitsüberlegungen einfach die Federkraft durch entspreche n. de Wahl de r Fed ersteifigkeit un d der Fed ervo rspan nu ng g roßzüg ig zu bemessen. Abgesehen davon , dass da dur ch die Reibung im Ventiltr ieb erhöht wird, sind hohe Federkräfte äußerst unerwünscht, weil sie große Kräfte in de r Kontaktl1äche zw ischen Nocken und Übertragungs element hervorr ufen. Dies führt zu hohen Flächenpressungen (Hertz 'sehe Pressung), die an der Nockenspitze, wo die höchste Federkr aft (max . Venti lhub) mit dem klei nsten Krü mmungsrad ius zu samm entrifft , maxim al werden. Besonders krit isch sind die Pressungen im Leerlauf, weil wegen der seh r klein en Massenkräfte keine Entlastung eintritt. Ein Übersch reiten de r zu lässigen Flächenpressung kann in kurzer Zeit z u Werkstoffa usbr üche n an den Oberflächen von Nocke und Übertra g ungse!ementen (sog . Pittin gbildu ng) und Zerstörung d ieser Bauteile führen. Damit begren zt die Flächenpressung die z uläss ige Federkraft . Man erkennt, dass der negative Ventilbesc hleunigungsverlauf durch die Festlegung der Ventilfede rkraft ei ne sehr wichtige G röße für die Noc kenausleg ung darstellt. Übe r d as Flächengleichgew icht bestimm t er auch den po sitiven Ventilbesc hle unigungsa nteil mit . Eine n we iteren wichtigen Einfluss hat die Öffn ungsrampe, von deren Form der Übe rga ng in die Hauptbeschleunig ung u nd d am it der we itere Verlauf der positiven Ventilbesc hleu nigu ng wese ntlich abhängt. Der Maxim alwert der positiven Ventilbesc hleu nigung hat dagegen einen we it geringeren Stellenwert, als man vermuten könnte. Zwar bestimmt er die max im alen Kräfte im Ventiltrieb un d die Steilheit der Vernilöffnung. Um d ie anges trebte Motorle istu ng z u e rre ichen, ist jedoch da s dyna mische Verhalten des Ventilt riebs. das sich im realen Motorbet rieb schlussend lich einstellt, wichtiger (der nockengetreue Venrilbubverlauf). Dieses wird aber vom Verlauf der Ventilbeschleunigung und weniger von seinen Max ima lwerten be stimmt. Unabhäng ig davon tragen natürlich bei ideal steifen Ventiltrieben m it gut em dynam ischen Verhalten hohe positive Ventilbeschleu nigungswerte zu g rößeren Zeitquerschnitten am Ventil u nd da mit zu hohen Motorleist ungen bei und sind dan n selbstverständlich anzustrebe n.
3.2 Lad ungswechsel und Ventilsteuerung beim Vierta ktmoto r
43
Neben de r Flächenpressung un d der Federrest kraft g ibt es noch weitere Ra ndbedi ngunge n. d ie von dem Nockenprofil bzw, sei nem zug rundeliegenden Beschleu nig ungsverlauf ei nzu halten sind. Es sind dies d ie Schmie rza hl. d ie Auswa nderung de r Konta ktlinie zw ischen Nocken u nd Gegenläufer (Übe rtrag u ngsele mentj und d ie soge nannte Hohlgrenze des Nockens. Die Schmierza hl u nd ihr Verlauf erlauben Rückschlüsse au f d ie G üte des Sch mierfilmau fba us zw ischen Nocke un d Übertrag u ngseleme nten (Tasse nstößel oder Hebel). Aus der Erfah rung mit ähnlichen Nocken u nd geometrischen Verhältn issen lässt sich das Versch leißverha lten abschätze n. Die Schmierzahl ist letztl ich ein angenäherter Kennwert für d ie soge na nnte hydrody nam isch wirksame Geschwindigkeit. Durch intensive Forschungsar beiten auf die sem Ge biet [u.a. T U Clausthal, Prof. Holland , 3.16] ist es mög lich geworde n, die Vorgänge der Schm ierung am Nocken rechnerisch zu erfasse n. So lassen sich mittl er weile aus Berechnungen Aussagen über Reibungs- und Verschleiße rsche inungen zwischen Nocken und Übertragungselementen ableiten, u nd es sind mit Hilfe entsp rec hender Rechenp rogramme gez ielte O ptimieru ngen möglich . Damit können Nockentriebe schon im Konstruktionsstadium weitge hend betriebssicher ausg eleg t werde n. Die Auswa nde rung gibt die Wegstrec ke an, die der Kontaktpunkt des Nockens auf dem Tassenstößel bei einer Noc kenumdre hu ng zu rüc klegt, Bild 3,15 u nd mld 3,10. Wandert der Konta ktpu nkt über den Tassenrand hinaus, muss entweder der Tassendurchmesser vergrößert we rden, ode r es muss, we nn der Platz im Zylinde rkopf flir größere Tasse n nicht ausreicht, eine geänderte Noc kenkontu r berechnet we rde n. Die Hohlg renze hat nur bei Hebel steueru ngen (Ki pphebel oder Schlepphebel) mit nach außen gewölbterGege nfläche eine Bedeut ung. Für höchste Ventilbeschleun igungen we rden h ier hohle Noc kenflanken benötigt , die aus Grü nden der Fertigung best immte Kr ümmungsradi en nicht untersch reiten dür fen. Für alle anderen Venti lsteuer unge n (Flachstößel) muss die Noc kenflanke im me r nach außen gekr ümmt (" bauchig" ) sein, so dass dieser Pun kt ent fallt. Für d ie eige ntliche Nockenberec hnung g ibt es nu n versc hiede ne Vergehenswe isen un d Berechnungsverfahren. Eine gru ndsä tz liche Möglichkeit des Berechn ungsablaufs. bei der d ie o.a. Randbedingu ngen in d ie Berec hnung integ riert sind, ist schematisch im Bild 3,16 wiedergege ben. Neben den Eingangsgrößen (siehe Bild) ist fü r die Erstauslegung bereits auch ein
No ck e
I
I
---- ----~-----~-----~----
Ta s se nstöße l
,,
Biltl 3,IS Sehemansche Darstellung der Auswanderung
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3 Arbeitswe ise, Bauform en und konstruktive Ausführu ng von Motorradmotoren
j Eingangsgrößen Geometrie & Massen Rampe und Maximal- Ventil· Paramete r für oretuata öffnunqs- des Ventiltriebs dauer Beschleunigung
Ventill ederdate n
zur.
Pressung
Randbedingung en Fläc hen-
I ciecnoewrcnt Stetigkeit
Berechn ung
~
mathematische Bedingungen Auslegungsphilosophie
, !r( t '.
I Beschleunigungsverlauf I ~ i:'
' tst l _
J
~
"
Integration IGeschwind igk eil sverlauf
f-'F "
I r::= i = ~ ~ =~~
Integration
kf." .
Hubverlauf
Berechnung Fläc henpressung
I Fede rrestkraft I Schmierzahl Be urt eilung Noc ke LO.
?
nein
parameter- I vertauen
ja
Herstelldaten für die I Nockenferneuno I Bild 3.16 Schematischer Ablauf einer Nockenberechnung
Beschleunigungsverlauf vorzugeben. Dieser kan n z.8. durch eine Polynomfunkt ion höherer Ordnu ng mathematisch beschrieben sein, wobei d ie verschiedenen Koeffizienten de s Polynoms den Kur venverlau fu nd die Höhe de r Beschleunigu ngen beeinflussen. Diese Koeffiz ienten sind aufg ru nd der konstruktiven Ventiltriebsa uslegung und an hand der Erfahru ng sinnvoll vorz ugeben. Eine Rolle spielen dabei auch herstellerspezifische Auslegu ngsphilosophi en für den Ventürrieb.
3.2 Ladungswechsel und Ventilsteuerung beim Vierta ktmoto r
45
Das Programm er rechnet mit den eingegebenen Geometrie- und Werkstoffdaten aus dem Beschleunigun gsverlauf zugleich die Federrestk raft. Flächenpressung. Schmierzahl und Auswanderung (ggf. auch Hoh lgrenze) und gibt diese zusammen mit den Verläufen fü r Beschleunigu ng, Geschwindigkeit und Hub des Ventils aus. Es folgt eine Beurteilung des errechneten Nockens anhand der zulässigen oder erfahrungsmäßigen Grenzwert e. Durch Variation der Berechnungsparameter, d.h. der Koeffizienten des Polynoms und/oder der Eingabedaten, wird dann in einem iterativen Prozess mit mehreren Berechnungsdurchgängen der Beschleunigungsverlauf optimiert, bis ein geeignetes Nockenprofil gefun den ist. Die endgültige Bewert ung der Güte des Nockens ergibt sich danach im Motorversuch anhand der Leistungs- und Drehmomentwerte. die der Motor erz ielt und aufgrund von Standfes tigkeitsversuchen, die der Ventiltrie b absolvieren muss. Der Variation von Konstruktions- und Rechenpara metern sind in der Praxis oft Grenzen gestec kt, weil die Motorbauart und die Platzverhältnisse im Zylinderkopf die konstruktiven Freiheiten stark einenge n. So bleibt die wichtigste Konstruktionsanforderung bei der Ventiltriebsaus legung das Kleinha lten der bewegten Massen im ventilt rieb. Nur mit kleinen Massen können bei den angestrebten hohen Ventilbeschleunigungen die Kräfte minim iert und damit die Federkräfte begrenzt werden. Leider ermöglichen nicht alle Ventiltr iebskonstruktionen geringe Masse und darüb er hinaus bedingt Massenreduktion oftmals einen Steifigkeitsverlust. Hohe Steifigkeit ist fü r eine kontrollierte Ventilbetät igung aber unve rzichtbar, siehe dazu Kapitel 3A. Wenn die dargestellten Maßnahmen zu keiner befriedigenden Nockenkontur führen , bleiben noch die Möglichkeiten, die Vorgaben fü r die Berechnung, also Ventilbeschleunigung, Drehzahl und Steuerzeit zu verändern. Setzt man die maximale Ventilbeschleunigung herab, verringern sich die Belastungen im Ventiltrieb drastisch, und die Ventilfedern können deutlich schwächer ausgeführt werden. Zwar ergibt sich auch ein weniger fülliger Ventilquerschnittsverlauf, doch kann versucht werden, diesen Nachteil durch den Einsatz größerer Ventildurchmesser z u kompensieren. Die größere bewegte Ventilmasse ist dabei kein Nachteil, weil sie im Vergleich zum Querschnittsgewinn nur unterproportional ansteigt und durch die niedrigere Beschleunigung überkompensiert wird. In der Praxis hat sich diese Methode vielfach bewährt. Ein Herabsetzen der zulässigen Drehzahl ist lediglich das letzte Mittel, um einen Ventiltrieb standfest zu bekommen. Die Drehzahl bestimmt ja nicht nur die Moto rleistung und die Lage des Leistungsmaximums. von ihr hängt auch die Auslegung des Getriebes und der Hinterachsübersetzu ng ab. Sie bestimmt zusammen mit der Leistung die Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs (bei vorgegebener Übersetzu ng). Als Möglichkeit bleibt hier höchstens die Absenkung der Höchstdrehzahl, d.h. die Verkleinerung der Sicherheitsspanne gegen ein Überdrehen. Wurde diese {d.h. der Abstand zur Nennd rehzah l) anfangs bereits knapp gewählt, kann dieser Wert nicht mehr verändert werden. Vielfach ergeben sich auch im Leerlauf Probleme, die eine Überarbeitung der Nockenauslegung er forderlich machen. Bei ma nchen leistungsgünstigen Nockenprofilen werden im Leerlauf (keine Entlastung durch Massenk räfte) an der Nockenspitze die z ulässigen Flächenpressungen überschritten. Es kom mt dann zu Werkstoffermüdung (Pittingbildung) und vorzeitigem Verschleiß, der nicht toleriert werden kann. Wirkungsvoll ist bei vielen Auslegungsproblemen die Veränder ung der Ventilöffnungsdauer, wie schematisch im Bild 3.17 gezeigt wird. Ausgehend vom Nocken A wird bei gleichem
46
3 Arbeitswe ise, Bauform en und konstruktive Ausfü hrung vo n Motorradmotoren
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Kurbelwinkel
Bild 3. 17 Schemati scher Vergl eich versch iede ner Nockenauslegung en
Ventilhu b der Öffnungswinkel vergröße rt, Nocken B. Man erkennt sofort, dass nicht nur de r Zeitquersch nitt (= Fläche unter de r Hubkurve) sich vergrößert hat, gleichze itig hat auch die Steilheit des Ventilhub s (Tangentenwinkel a ) und damit letztlich d ie Ventilbesc hleunigung deut lich abgenommen. Damit wird die Verlängerung der Ventilöffnungsdauer (Steuerzeit) z u einem wirkungsvollen Mittel, trotz geringer Ventilbeschle unigungen große Zeitque rschnitte zu erzielen. Nachteilig an dieser Methode ist die Dreh momentschwäche der Motoren, die sich aufgrund der lange n Steuer zeiten zwangsläufig erg ibt, siehe dazu auch Kapitel 4. Die oft vertrete ne Ansicht. lange Steue rzeite n se ien gewis sermaße n ein Qu alitätskrit erium. das einen sportlichen Motor auszeichnet. ist als Pauscha lwertung falsch. Für die Güte des Ventiltriebs ist kennzeichnend. das s er hohe Vent ilbeschleunig ungen und eine füllige Öffnungscharakteristik zu lässt. Dan n werden ku rze Steuerze iten möglich und damit hohe Drehmomentwerte im unteren Drehzahlbereich bei g leichzeitig genügender Spitzen leistu ng bei hohen Drehzahlen. Dennoch sind für reine Rennmoto ren, d ie bei höch ste n Dreh zahlen in einem relativ schmalen Bereich ihre maximale Leistu ng entfalten, lange Steuerzeiten wegen des Gewi nns an Zeitque rschnitt natürli ch unverzichtbar. Um eine Vorstellung zu bekom men, welche Beschleuni gungen und Kräfte im Ventilt rieb moderner Motorradmotoren auftreten , sind in Tab elle 3.3 beispielhaft Werte für zwe i unte rschied lich ausgeleg te 1000 crn--Motoren aufgeführt. Wie man sieht , bet rägt die maximale Beschleunigung weit mehr als das IOOO-fache de r Erdbe schleunigung (I g == 9,81 m/s2). Die d rehzahlbezogene Angabe der Ventilbe schleunigung in mm/rad - ist sinnvoll, um verschiedene Auslegunge n vergleichen z u können. Sie errechnet sich wie folgt:
47
3.2 Ladungswechsel und Ventilsteue rung beim Viertaktmotor 2
2
2
uy [mrn/rad 2 ] = uy [rnrn/s ] = uy [rnrn/s ] = ay [rnrn/s ) w2 (2 n n NW )2 (1t /lKW) 2
(3-6)
Es bedeuten : a Venl;1 Ventilbesc hleun igung nNW
Nockenwellendrehza hl [I/s]
n KW
Kurbel wellendreh zahl [I/s]
Tabelle 3.3 Auslegun gsbeispiel zw eier Vent iltriebe max . Vemilbesehleu nigung
[ U/m in]
Redu zierte Masse (be zoge n aufs Ventil) [G ra mm]
[mm f radl ]
INI
9000
90
76 (= mO g)
1500
7500
230
35 (= 550 g)
1260
Grenzdre hzahl
Beispielmotor 1 (Spor t mo tc r)
Beispielm otor 2 (Tourc nrnotor)
max. Kraft im Ventiltrieb
3.2.3 Geometrie der Gaska nä le im Zylinder kopf In den vorangegangenen Kapitel n wu rde dargelegt, dass g ru ndsätzlich g rößtmögliche Quersch nitte für die Gasströmu ngen in de n Artsaug- u nd Auspu ffleitu ngen des Motors vorz usehen sind . Auch d ie Ventildurchmesser des Motors sollten dahe r so groß wie konstruk tiv darstellbar gewä hlt werde n. Diese G rund regel gilt allerd ings nicht uneingeschränkt, wie Erfa hrungen mit ausgefü hrten Motore n zeigen. sondern oft liegt der opt imale Q uersch nitt et was unterhalb des maximal Mög lichen. Eine Hilfsgröße zu r Best immung de r optimalen Q uerschnitte im Ansangkanal ist d ie so genannte mittlere Gasgeschwindigkeit w m(i as. Sie ist eine rei ne Recheng röße (äh nlich der mittleren Kolbengeschwi nd igkeit) und d ient als Verg leichsmaß für d ie Gesc hwind igkeit des in den Motor einströme nden Gas es. Bild 3.18. Sie entspricht nicht de r tatsächlich her rschenden Gas geschwind igkeit (diese ist instationär, vgl. Kap. 4). Für den Motor gilt d ie Konti nuitätsgleichung der Strömungsmechan ik, d ie besagt, dass der auf das Ventil zuströmende Volume nstrom genauso g roß sein muss wie der Volume nstrom im Zylinde r (Satz von der Erhalt ung der Ma sse). Sie lautet für den im Bild schematisch da rgestellten Fall :
=}
A Kanal ' wmGa, = A Kolhen ' c mK
VKallal, VZyl
Votumenströme Einlasskanal bzw, Zylinder [m.l/s]
A Kanal' A Kolbcn Q uerschn itt Ein lasskanal bz w, Kolben [mll mitt lere Gasgeschwind igkeit [m /s) \\·mGas
mitt lere Kol bengeschwindig keit [m/s] .
(3-7)
48
3 Arbeitsweise, Bauformen und konstruktive Ausführung von Motorradmotoren
•
V Kanal
AKanal
A v :::: A Kanal
o !
A Kolben
C mK
•
V Zylinder 8 ild ].I M Bestimmung der mittleren Gasgeschwindigkeit
Die mittlere Kolbengeschw indigkeit errechnet sich in de r angegebenen Dimension (m/s] z:
2 ·h ·n
h·n
CI1l t-::= ~ = 30
h
Kolbenhub [m]
n
Kurbelwellendrehzahl [I/min]
(3-8)
Durch Umformen erhält man aus beiden Gleichungen: (3 -9)
Die mittlere Gasgeschwindigkeit ist demnach im Verhältnis von Kanal- und Kolbenfläche abhängig von de r Kolbengeschwind igkeit bzw. der Motordrehzahl. Es hat sich geze igt, dass für sportliche Moloren 100 - 130 m/s (360 - 470 km/h ) ein optimaler Wert für die mittlere Gasgeschwindigkeit im Einlasstrakt darstellt. Die allermei sten Hochle istun gsmotore n weisen bei Nennd rehzahl Werte auf, die innerhalb des angegebenen Bereichs liegen. Wird die mittlere Gasgeschwindigkeit höher, kommt es zu verstärkter Wirbelbildung mit Strömungsablösung und Drosselung an Umlenkstellen im Kanal und am Ventil; bei niedrigere n Geschwindi gkeiten sind die gasdynamischen Effekte nur gering ausgeprägt. so dass die resultierenden Aufiadeeffekte (vgl. Kapitel 4.1) nicht voll ausge nutzt werden. Setzt man f ü r die erste Auslegung den entsprechenden Wert für wm( ja< in Gleichu ng (3-7) ein, so ergibt sich nach Umstellung der Gleichung der anzustrebende Querschnitt für den Einlasska-
3.3 Ladungswechsel und Steuerung be im Zweitaktmotor
49
nal. Der gleiche Q uerschn itt sollte auc h am Ein lassve ntil (AYcnlil) vorha nden sein. Setzt ma n der Einfachheit ha lber für den Ventilquersc hnitt einem Kreisquerschnitt an. kann der notwend ige Vent ildurch messer (d y ) auf einfache Weise berechnet werden: AKanal = Ay =
7t. d~ =.4
~ dv ~4' :~;nal
(3-10) (3- lOa)
Mit z wird d ie An zahl der Einlassventile gekennzeich net. Mit die ser G run dauslegung der Einlassventil größe können zunächst alle Berechnungen einsch ließlich der Nockenberechnungen durchgeführt werden. Die endgültige Ventilgrö ße wird da nn später an hand von Versuchen und Leistungsabstimmungen auf dem Motorenprüfstand festgelegt. vgL Kapitel 4. Es sei an die ser Stelle nochmals darau f hingewiesen, dass die mitt lere Ga sgesch windigkeit ledi glich eine theoretische Vergleichsgröße zur schnellen, rechner ischen Dim ensioni erung des Einla sskanal s ist. Die Strömungsgesc hwindigkeit ist in Wirklichkeit zeitlich veränderlich, damit ist d ie mittlere Ga sgeschwindigkeit z ur korrekten Beschreibu ng der Strömung ung eeignet und die Angabe dieser kon stanten Geschwindi gkeit streng physikalisch gese hen falsch. Die Dim en sionierung de r Auslassv entile bzw. des Aus lass kanals erfolgt noch einfacher. Beide werd en pau scha l etw a 15 % k lein er im Du rchm esser als der Einlass ausgeführt. Strömungs mäßig ist da s kein Nachteil, de nn das Abgas strömt aufgründ des g röße ren Druckgefälle s zwischen Zylind er und Abgasleitung auch bei den klein eren Ventilen problemlos aus. Eine Vergrößerung der Auslassventile bringt im Ladungswechsel keine Vorteile . Aufgru nd ihre r kleineren Fläche wi rd d ie Wärmeaufnahme der Auslassve ntile reduziert, wod urch sich ihre Temperaturbelastung verringe rt.
3.3 Ladungswechsel und Steuer ung beim Zweitaktmotor Beim Ladungswec hsel des Zweitaktmotors wirken grundsä tzlich die g leichen Mechani smen wie bei m Viertaktmot or. Nur spielen bei m Zweitakter d ie Druck- und Strömungsverhält nisse in den Saug- und Abga sleitungen und im Zylinder eine viel größe re Rolle. weil die Ansaug- und Aussc hubvorg änge nic ht strikt getren nt sind, sondern sich zeitl ich überlappen und im Wesent lichen durch die Verdräng ungsw irkung de r Ga se bewirkt werden. Durch zusätzliche Steuerorgane im Saug- und teilwe ise auch im Abgassystem wird versucht die sen generellen Nachteil des Zweitaktmotors zu minim ieren . Abwe ichend von der übrigen Systematik de s Buches werden Beispiele für d ie konstru ktive Ausfüh rung von Zweita ktmotoren zusammen mit den Gr und lage n bereits in d iesem Kapitel vorges tellt. Der G rund liegt darin, dass der Schwerpunkt de r Betrachtu ng von Zweita ktmotoren auf de m Ladungswechsel u nd der Gasdynamik liegt und d iese Funktionen wese ntlich von der konst ru kti ven Detailausführung geprägt sind.
3.3.1 G r und lagen des Ladungswechs els bei der Schlitzsteu erung Auch beim Zweitaktmot or wird de r Ladu ngswechsel durch die Kolbenbewe gun g initiiert. Der Kolben übernimmt hier neben der Volu menverdrängun g des Arbeitsg ases aber noch die Auf-
50
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstruktive Ausführu ng von Motorrad motore n
Überströmschlitze
Aus lasskanal
Bild 3. 19 Anordnung und Bezeichnung der Steuerschlitze beim Zweitaktmotor
gabe der Steuerung der Gasströme . Bild 3.19 ze igt beispielhaft d ie Lage und Anord nung der Steuerschlitze am Zylinderumfang für einen einfache n, schlitzgesteue rten Zweitakt motor. Wäh rend der Ein- und Auslass in der Regel dur ch jeweils einen Schlitz mit z ugehörigem Kanal gebildet wird, werden für die Spülung mindestens zwei ode r aber mehrere Überströmka näle verwe ndet. Unmittelba r erkennbar wird, dass durch die Höhe und die Position der Steuerschiitzc die Öffnungs- und Schließzeitp unkte und d ie Öffnungsdauer festgelegt sind. Der Ladungswechselvorgang lässt sich am ein fachsten verstehen. wenn man bei verschiedene n Kurbelwellenstellungen bet rachtet. wie der Kolben die Schlitze am Zylinde rumfang freigibt bzw. verschließt. Bild 3.20. Zu Beginn der Abwärtsbeweg ung des Kolbens ist wäh rend der Verbrennung und Expan sion der Auslassschlitz d urch den Kolben schaft vollständ ig verschlossen. währen d der Einlassschl itz zum Kurbelgehäuse offen ist. Der Bren nraum ist über die Kolbenr inge z um Kurbelraum abge d ichtet. Beim weiteren Abwär tsgang verschließt der Kolben z unehmend de n Einlassschlitz, der Auslassschlitz bleibt immer noch durch den Kolbenschaft verschlosse n. Im Bereich von etwa 90° Kurbelwellendrehung nach OT gibt d ie Kolbenoberkante den Auslasssc hlitz frei und das Abga s kan n in den Auspuff strömen. Dieser Ausströmvorgang ist z u Beginn impulsartig. weil das Abgas aufgrund der frühen Auslassöffnung noch nicht vollständig expand ieren kon nte und daher noch unter relativ hohem Druck steht. Der Druckabbau im Zylinde r erfolgt jedoch wegen der sich rasch vergröße rnde n Auslassö ffnung recht schnell. Wen n der Auslasssc hlitz scho n weit geöffnet ist. gibt die Kolbenoberkante die Ühersrrömkanäle frei und es setzt überlappend mit dem weit eren Ausströmen des Abgases das Einströmen
51
3.3 Lad ungswechsel und Steuerung beim Zweitaktmotor
OT
Einlass schließt
Auslass öffnet
+ A E
""l-I-- t',,
,, ,
,, '' ,, -,
--
t
Beginn Ausströ men Abgas
Verbrennung
und Expansio n
Auslass sc hließt
~
UT
Einlass öffnet
---
,,
_l.f{r,,,,~
Ansaugen und Einströmen von Frischgas ins Kurbelgehäuse
-- (-
,,
~sströmen von Abgas und Uberströmen von Frischgas
Bild 3.20 Ladungswechselphasen des schlitzgesteuerten Zweitaktmotors
von Frischgas in den Zylinder ein. Die Frisc hgase wurden beim vorherigen Aufwärt sgang des Kolbens über den Einlassschlitz in das Kurbelgehäuse gesa ugt und werden da nn durch den Kolben bei dessen Abwärtsgang verdichtet (bei noch geschlosse nen Kan älen). Aufgrund d ieser Vorverdichtung ergibt sich ein positives Druckgefälle zum Zylinder, wodurch das Frischgas beim Freigeben der Überströmkanäle in den Zylinder einströmen kann, obwohl d ieser teilweise noch mit Abgas gefü llt ist. Der Frischgasstrom verdrängt da nn das restliche Abgas aus dem Zylinder. Dieser gesa mte Vorgang wird natürlich bis zum UT durch d ie abwärts gerichtete Kolbenbe wegung unterstützt, d ie ih rerseits weiter Frischgas aus dem Kurbelgehäuse in die
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3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstruktive Ausführu ng von Motorrad motore n
Übers tro mkanä le d rückt. Aufg rund de r Träghe itswirkung der Gasströme hält das Überströmen auch nach de m UT noch an. Der Aufwä rtsga ng des Kolbens nach dem UT erzeugt, sobald die Überströmka näle durc h die Kolbenoberkante verschlossen werde n, im Kurbelgehäuse eine n Unterdr uck. Der Ein lasskanal bleibt dabei zunächst noch durch de n Kolbenschaft verschlosse n. Im weitere n Bewegungsverlauf verschließen Kolbenoberkante und Kolbenschaft zue rst den Auslasssc hlitz , bevor die Kolbenunterkante dann de n Einlasssch litz zu m Kurbe lgehäuse freigibt. Infolge des aufgebauten Unterd ruc ks strö mt schlagartig Frischgas in das Kurbelgehäuse ein. Oberhalb des Kolbens wird das zuvor übergeströmte Frischgas bei jetzt verschlosse nen Kanälen für d ie nachfolgende Verbre nnung verdichtet. Die beschleunigte Gassäule behält aufgrun d der Massenträg heit ihre Strömungsrichtung auch nach der Kolbenumk ehr im obere n Totpunkt bei, so dass eine gewisse Zelt noch weiteres Frischgas auc h gegen d ie Kolbenbewegun g ins Kurbelgehäuse ströme n ka nn. Das Steuer diagra mm zeigt d ie Abfolge de r Schlitzöffnunge n in Relation z ur Kurbe lwellenstellung, Bild 3.21. Es sind der Übersich tlichkeit halber nur Ein- und Auslass, nicht aber das Öffnen und Schließen der Überst römschlitze da rgeste llt. Im Gege nsatz zum Vierta ktmotor (vgJ. Bild 3.6) ist der Verlauf derjeweiligen Ö ffnungsquerschnitte nicht da rgestellt, sondern nur Öff. nungs- und Schließzeitpunkte sowie die jeweilige Öffnungsda uer. Die jeweiligen Querschnitte lassen sich wegen der einfachen, meist rechteckigen Schlitzgeometrien aus der Kotbenstellu ng und Schlitzbreite sehr leicht e rmitteln. Das Diag ramm beginnt bei 0° KW mit de m O'T. Die jeweilige n Öffnungsp hase n fü r Einlass und Aus lass sind durch die Graufärbu ng im Diag ramm gekennze ichnet. Durch d ie vorgegebene feste Position der Steuerschlitze und die Öffnungsteuerung über den Kolben ergibt sich zwangsläufig eine Symmetrie der Öffnungs- und Schließzeitp unkte zu den Totpunkten und zueinander. Da der Auslasssc hlitz imme r als erstes und relativ früh öffnen muss, wird er zwangsläufig auch erst spät, und damit eigentlich z u spät, gesc hlosse n. Der Auslasssc hlitz bleibt länger geö ffnet als der Überst römschlitz . was daz u füh rt. dass Frischgas aus dem Zyli nder in den Abgas kanal strömen kann. Dieses Frischgas geht für den Arbeitsprozess verloren und erhöht de n Schads toffa usstoß (Koh lenwasserstoffe) des Zweita ktmotors erheblich. Auch der relativ hohe Kra ftstoffverbrauch einfacher Zweitaktmotore n resultiert aus
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Eö I Aö = Einlass I Auslass öffnet Es I As = Einlass I Auslass schließt
Bild 3.21 Steuerdiagramm des Zweitaktmotors
3.3 Ladungswechsel und Steuerung beim Zweitaktmotor
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diesem Frischgasverlust. Ein analoger Effekt tritt beim Einlass auf. Auch hier ka nn es beim Abwärtsgang des Kolben nach dem OT wegen des noch geöffneten Einlassschlitzes z um unerwün schten Rückschieben von Frischgas aus dem Kurbelgehäuse ins Saugrohr komme n, was die Frischgasmasse und damit die Leistung verringert. Es wäre also vorteilhaft, wenn sich die Lage bzw. die Öffnu ngs- und Schließzeitpunkte der Steuerschlitze verändern ließen. Dies sind nicht die einzigen Nachteile im Ladungswechsel des Zweitaktmotors. Das Überströmen von Frischgas in den Zylinder kann nur bei positivem Druckgefä lle erfolgen, d.h. der Zylinderdruck muss möglichst rasch unter das Druckniveau des Kurbelgehäu ses abgesenkt werden. Um das zu erreichen. muss der Auslassschlitz möglichst groß dimensioniert werden. Die Möglichkeiten dazu sind aber begrenzt, aufgrund der am Zylinderumfang zur Verfügung stehenden Fläche. Einer Querschnittsvergrößeru ng über die Auslasss chlitzhöhe sind Gre nzen gesetzt. weil mit der Schlitzhöhe die Auslasssteuerzeit vergrößert wird. Außerdem steigt mit Vergrößerung des Auslassschlitzes die Gefahr von Frischgasverlusten gegen Ende des Überströmens. Nicht ganz zu verhindern ist auch eine Vermischung des einströmenden Frischgases mit dem Abgas beim Überströmen, wodurch die Füllung und damit die Leistungsausbeute des Motors beeinträchtigt werden. Durch eine ausgeklügelte Formgebung am Eintritt des Überströ mkanals in den Zylinder versucht man dem zu begegnen. Seit Jahrze hnten durchgesetzt hat sich die Umkehrspüiung, bei der der Frischgasstrom von schräg unten in den Zylinder einströmt. sich dann an der Zylinderwand gegenüber dem Auslass zum Zylinderkopf hin aufrichtet. um dann in Form eines langgezogenen Wirbels von oben zum Auslassschlitz zu strömen. Hild 3.22. Dabei wird das Abgas vor dem Frischgasstrom hergeschoben und so eine gründliche Ausspü lung des Zylinders bei minimaler Vermischung erre icht. Diese Strömungsform ist hinreichend stabil und bietet durch ihre Führung weitgehende Sicherheit gegen eine Kurzschlussströmung (vom Überströmkan al direkt zum Auslass). Durch eine detaillierte Untersuchung des Spülvorgangs konnten deutliche Verbesserungen erzielt werden. Dies führte Anfang der 70er Jahre bei YAMAHA zur Fünfkanalspülung (Mehrkanalspülungen gab es allerdings bei europäischen Herstellern in den 50er Jahren auch schon). die im Bild prinzipiell dargestellt ist. Die Zusatzkanäle bewirken eine Stabilisierung der Strömung und verhindern, dass sich in Zylindermitte ein Abgaskern festsetzt, der nicht ausgespült wird. Generell nachteilig beim Spülvorgang ist die Wärmeübertragung vom heißen Abgas an das Frischgas. wodurch dessen Dichte herabgesetzt wird. was sich leistu ngsmindernd auswirkt. Eine Aufheizung der Frischgase findet darüber hinaus auch im Kurbelgehäuse und infolge der Vorverdichtung statt. Aussagen z ur Wirkung der Steuerzeiten sind beim Zweitakt motor schwieriger zu treffen als beim Vierta kter. Durch die eingeschränkte Anordnungsmöglichkeiten von Schlitzen am Zylinderumfang und die Symmetr ie der Steuerzeiten bestehen immer unerwü nschte Abhängigkeiten. Eine lange Einlasssteuerzeit Z.B. ist nur durch eine große Schlitzhöhe z u erzielen. Diese führt zwa ngsläufig zu einer Verschiebung der Übe rström- und Auslassschlitze. wodurch der Auslass entsprechend früh öffnet. Dies aber ist ungünstig, weil dann der Expansionsweg für den Kolben kürzer wird (Arbeits- und damit Leistungsverlust) und der Auslass wegen der Symmetr ie ungünstig spät schließt. Wegen dieser Effekte kommt den Strömungsverhältnissen und der Gasdynam ik beim Zweita kter eine viel höhere Bedeutu ng zu als beim Viertakter. Moderne Hochleistungs-Zweitakter verdan-
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3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstruktive Ausführung von Motorradmotoren
Einlas
Hilfska nä.le (A)
..
Auslass
Hauptk anäle (8)
Überströmkanäle
Bild 3.22 Umkehrspü lung mit meh reren Kanälen ( YAMAHA-Fünfkanalspülung)
ken ihre überlegene Leistungsau sbeute überhaupt nur der konsequ enten Ausnutzung dynam ischer Strömungseffekte. Die komplizierten Sachverhalte sind hier des besseren Verständnisses wegen vereinfacht dar gestellt und auf d ie wesentlichen Gru ndlage n reduziert. Dem Leser wird empfohlen, bei offenen Fragen auch im Inhalt des Kapitels 4 die ses Buches nachzuschauen. wo die grundsätz lichen Mechan ismen der Gasdyna mik ausführlicher beschr ieben sind. Ziel de r gasdynamischen Abstimmung des Zweitaktmotors ist es, die schwankenden Druckverhältnisse in de n Saug- und Abga sleitungen für den Ladungswechsel zu nutzen. Durch d ie rasche Öffnung der relat iv große n Steuerschlit ze am Zylinder werden in die ange schlossenen
3.3 Ladungswechsel und Steuerung beim Zweitaktmotor
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Saug- und Abgasrohren impulsartig Unterdruck- bzw. Überdruckstöße eingeleitet. Diese breiten sich mit Schallgeschwindigkeit als Unte rdruck- bzw. Überdruckwellen in den Leitungen aus. Durch Reflexion an Verengungs- oder Erweiterungsstellen laufen diese Wellen in den Saug- bzw. Abgasrohren teilweise zum Zylinder zurück und rufen dadurch zeitliche Druckveränderungen an den Steuerschlitze n he rvor. Da die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Wellen praktisch konstant ist,.' hängt die Lauf=eit dieser Wellen nur von der Wegstrecke, d.h. von der Lä nge der Saug- und Abgasrohre ab und ka nn durch diese beeinflusst werden. Beim Öffnen des Auslassschlitzes pflanzt sich der erste Auslassstoß in der Auspuffanlage als Druckwelle fort. Durch eine geeignete konstruktive Auslegung wird diese Druckwelle im Inneren der Auspuffanlage so reflektiert, dass sie zum Auslassschlitz zurückläuft und gegen Ende des Auslassvorgangs bei noch offenem Auslassschlitz dort ankommt. In den Auspuff gelangtes Frischgas (s.o.) wird von dieser Druckwelle größtenteils in den Zylinder zurückgespült. Dies minimiert die Frischgasve rluste und erhöht die Zylinderfüllu ng bzw. die Leistung. Legt man den gesamten Ansaug- und Überströmvorgang bewusst auf einen übergroßen Volume nstrom aus, der bis in die Auspuffan\age einströmt. kann man mit Hilfe dieses Druckwelleneffekts eine Zylinderfüllung erreichen, die über dem nominellen Zylindervolumen liegt. Mit daraus resultieren die sehr großen Literleistungen moderner Zweitaktmotore n. Einen übergroße n Frischgasvolumenstrom erreicht man allerdi ngs nur bei hohen Drehzahlen, weil nur dann die kinet ische Energie der strömenden Gase hoch genug ist. Hierbei wir ken weitere Effekte mit. Bei richtiger Auslegung der Auspuffanlage liegt am Auslassschlitz zum Begin n des Auslassvorgangs ein möglichst niedriger Druck an, was zum schnellen Abströmen der Abgase beiträgt. Der e nergiereiche Abströmvorgang hat über die bereits geöffneten Überströmschlitze dann Rückwirku ngen auf das Frischgas. Es wird eine Sogwi rkung erzeugt, die das Überströmen unterstützt und letztlich gegen Ende des Überströmvorgangs zum Aufba u eines Unterdrucks im Kurbelgehäuse beim Schließen der Überströmkanäle führt. Dieser Effekt ist erw ünscht, weil dadurch der anschließende Ansaugvorgang unterstützt und eine Füllungssteigerung im Kurbelgehäuse erreicht wird. Gasdynam ische Effekte wirken direkt auch auf der Einlassseite. Mit Freigabe des Einlassschlitzes wird die Verbindung zwisc hen Kurbelgehäuse und Einlasskanal hergestellt. Der Unterdruck im Kurbelgehäuse wirkt schlagartig auf das Saugsystem. Die ausgelöste Unterdruckwelle breitet sich im Saugrohr in Richtung Luftfilterkasten aus. Durch die Reflexion am offenen Ende des Saugrohres läuft die Welle als Üherdruckwelle zum Einlasssc hlitz z urück. Wenn jetzt der Einlassschlitz und damit seine Öffnungsdauer so bemessen wird, dass er auch bei abwärts gehendem Kolben noch eine Zeitlang offen bleibt (lange Steuerzeit ), kann diese Überdr uckwelle zur Füllungssteiger ung ausgenutzt werden. Dazu muss mittels der Saugrohrlänge die Laufzeit der Welle so gesteuert werden, dass der Überdruck gegen Ende des Einlassvorgangs. d.h. so la nge wie der Einlassschlitz noch geöffnet ist, dort anliegt. Dann her rscht ein entsprechendes Druckgefalle zum Kurbelgehäuse und es kann weiterhin Frischgas einströmen, obwohl der Kolben beim Abwärtsga ng schon beginnt, die Strömungsrichtung umzukehren.
j
Die Schallgeschwindigkeit iST eine charakteristi sche Grö ße lind im jeweiligen Mediu m (Luft. Wasser erc.) konstarn. Sie ist allerding s abhängig von de r herrsch enden Temperatur. Durch die vergleichsweise ger ingen Temperaturunterschiede im Einlasssystem von Motoren kann d ie Schallgeschwindigkeit hier als konstant ange nommen werden. In der Auspuffanlage herrsch en allerd ings größe re Te mperaturunterschiede. so dass sic h die Schallgeschwindigkcir längs des Abgasweges in größerem Ma ße ändert.
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3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstru ktive Aus führu ng von Motorradmotore n
Alle gas dy namischen Effekte haben nu r in definierten, schmalen Dreh zahlbereichen eine positive Wirkung auf den Ladu ngswec hsel. Das rührt daher, dass d ie effektive zeitliche Öff nungsdauer der Steuersc hlitze d rehzahlabhängig. die Laufzeit der Wellen bei festen Rohrlängen aber konstant ist. Aufgru nd der g roßen zeitlichen Überlappu ng der Gaswechselvo rgänge und de r doppelten Arbeits- bzw. Gaswec hselfrequenz hat die Gasdynamik einen überragenden Stellenwert beim Zweitaktmoto r. Es ist daher durchau s gerechtfertigt, wenn moder ne HochleistungsZweita kte r manchmal als Strö mungsmasc hine n und nicht mehr als intermittierend a rbe itende, klassische Kolbenmasc hinen aufgefasst werden. Die Erkenntni s, dass aus dem sy mmetrischen Steuerd iagra mm be im schlitzgesteuerten Zweitakter seine größ ten Nachtei le resu ltieren, ist fast so alt wie der Zweitaktmotor selbst. In de r Entw icklungsgeschichte wu rde da her VOll Beg inn an vers ucht, mit zusätzlichen Steuerorganen eine asy mm etrische Steuerung un d eine drehzahlabhä ngige Variation der Öff nungs- un d Schließzeitpun kte darzustellen. Einige Entwicklungen auf diesem Sektor haben sich nach anfä nglichen Fehlschlägen in der Serie bewährt. Auf d iese Systeme soll nachfolgend eingegangen werden. All erdi ngs ist die Vielfa lt auf diesem Sektor so groß , dass eine ersc höpfende Behandlung in einem Grundlagenbuc h nicht möglich ist. Die Darstellung muss daher auf d ie wichtigsten Grun dprinz ipien der Zweitakt-Steuer ung und ausgewä hlte, ty pische Beispiele beschränkt bleiben.
3.3.2 Memb ransteuerun g für den Einlass Ein nahe liegender Geda nke zu r Steue ru ng des Gaswechsels sind selbsttät ig schließe nde Membranve ntile im Einlasskanal. nild 3.23 . Diese Ventile bestehen aus einem dach förmigen Grundkörper mit rechteckigen Dur chbrüchen auf beiden Seiten. Diese Durchbrüche sind mit elastischen Zungen, die im Ruhezustand aufde m Gru ndkörper aufliegen. verschlosse n. Wenn sich ein Unterd ruck im Kurbelgehäuse aufba ut. öffnen die Zungen selbsttä tig un d Frischgas ka nn wide rstandsarm in das Kurbelge häuse einströ men. Die Zunge n wirken als Blattfeder, deren Elastiz ität so gewä hlt wird. dass schon geri nge Druckdifferenzen zwischen Kurbelgehäuse und Saugro hr ausre ichen. um sie offen zu halten. Sobald de r Druck im Ku rbelgehäuse auf das Niveau des Saug rohrdruc ks ansteigt . schließen d ie Zunge n selbstt ätig und d ichten auch bei Übe rdr uck aus dem Kurbelgehäuse z uverlässig ab. Das ermöglicht lange Einlassöff nungsd auern und eine kompromisslose Ausnutz ung der zuvor besc hriebene n gasdyna mischen Effekte be i hohen Drehzahlen ohne d ie ty pische n Nachteile im unteren Drehzahlbereich. Das so nst bei nied rigen Dreh zahlen u nvermeidliche Rückströme n von Frischgas aus dem Ku rbelgehäuse in das Saug rohr wird jetzt durch d ie sich schließe nden Membranen verhinde rt. Da mit wird die Füllu ng auch be i niedri ge n Drehzahlen verbesse rt und insgesamt eine fülligere Leistu ngscharakteri stik des Motors erzielt mit einem breiten nutzbaren Drehzahlband." Unverzichtbar sind Membranventile für moderne Hochleistungs-Zweitakter mit Direkteml ass. bei denen der Einlasskanal unterhalb de s Kolbens d irekt ins Kurbelgehäuse gefüh rt ist. Da de r 4 Membranventile lassen sich prinzi piell auch am Viertaktm otor verwe nden. Bei langen Steuerzeiten verbessern sie dort ebenfalls die Füllung und das Drehmome nt bei niedrigen Drehzahlen. Versuche führten zu einer mehr als JO-prozemigen Drehmomentve rbesserung. Problemmisch iS1 aber der große Bauraumbeda rf der Ventile. die im Einlasskanal von Viertaktmotoren kaum unterzubringen sind. Die Verwendung entsprechen d kleiner Ventile scheite rt an deren hohen Durchflusswiderstand . Die Drosselung wird dann so groß. dass der notwendige Gasdurchsatz filr hohe Leistu ngen bei hohen Drehzahlen nicht mehr erreicht wird.
3.3 Ladungswechsel und Steuerung beim Zweitaktmotor Ansaugen
Zungen angehoben und geöffnet
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Überströmen
Zungen geschlossen
Bild 3. 23 Membranventil für Zweitakt motoren
Kolben hier keine Steuerungsfunktion mehr hat. würde ohne Membranventile das Frischgas ungehindert in den Einlasskanal zurückströmen. Der Vorteil dieser Bauweise liegt in der geringeren Umlenku ng des Gass troms und in seiner geringeren Aufheiz ung. Die ersten Versuche mit selbsttätigen Ventilen an Motoren reichen bis zum Beginn des Jahrhunde rts zurück. In den 20er und 30er Jahren gab es Zweitakt-Motorrad motore n u.a. von DKW mit Membransteuerungen im Einlasskanal. Große Verbreitung fanden die Membraneinlässe bei Motorrad-Zweitaktern dan n seit etwa Mitte der 70er Jahre. Anfangs waren die Membranzungen noch aus Federstah l und es gab besonders bei hohen Drehzahlen Haltbarkeitsprobleme. Schwingungsresonanzen führ ten zum Abbrechen der Zungen und z u teuren Motorschäden. Erst die Entwicklung von Membranzungen aus faserverstärkten Kunstoffen und eine Wegbegrenzung der Zungen durch speziell geformte Endan schläge brachten dauerhafte Abhilfe. Heute sind Membranvent ile ein problemloses Standardbauteil von Zweitaktmotoren, das in Großser ien vergleichsweise preiswert hergestellt wird. Eine Besonderheit findet sich beim sogenannten torqua induction system von YAMAHA. Hierbei wird die herkömm liche Kolbensteuerung mit einem Membraneinlass in besonderer Weise kombiniert. Der Einlassschlitz ist so angeordnet. dass ihn der Kolben solange verschließt. bis sich im Kurbelgehäuse ausreichender Unterdruck aufgebaut hat. Bei Freigabe des Schlitzes öffnen sich dann die Lamellen schlagartig auf einen großen Querschnitt. Dadurch sinkt die Drosselung und der Unterdruckstoß regt eine gew ünschte Gasschwingung im Ein lasssystem an. Beim Abwärtsgang des Kolbens bilden ein Fenster im Kolben und eine Anschrägung im Einlasskanal einen zusätzlichen Überströmkanal und verbessern so die Zylinderfü llung. Es gibt weitere konstruktive Varianten der Membransteuerung auf dem Mark t. So ordnet SUZUKI eine Membranzunge in einem Nebenkanal. der direkt zum Kurbelgehäuse führ t, an. Der Haupteinlass wird weiterhin vom Kolben gesteuert. Ziel dieser Anordnung ist eine Verbesserung des Drehmomentverlaufs im unteren Drehzahlbereich. da sich die Membra nöffnung drehzahl- und dam it druckabhängig verändert. Auf Einzelheiten soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden.
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3 Arbeitswe ise, Bauform en und konst ru ktive Aus führu ng von Moto rradmotoren
3.3.3 Schiebersteuer ung für Ein- und Auslass Eine weitere Möglic hkeit zur gezie he n Beein flussung und Steuerung des Ga swechsels sind Drehschi eber im Ein lass- bzw. Auslass kanal. Mit Dreh schiebersteueru ngen wurde schon sehr fr üh bei Renn-Zweitakt ern experi me ntiert (u.a. SCO TT ab 1912). G rundsätzlich könn en Einlassdrehschieber als Rohr- oder als Plattenschieber ausgebildet werde n, wobei Rohrdrehschiehe r mit ax ialer Durchströmung und rad ialer A usströ mung den Nachtei l ei ner Strömung sum lenku ng um 90° aufweisen un d gen erell im Öffnungsquerschn itt beg renzt sind . Dur chgesetzt haben sich fllr Hochleist ung s-Zweitakt er axial durchst römte Platrendrehschieber, Bild 3.24. Ihre großen Vorteile sind die verlustarme Dur chströmung. der einfache Aufb au mit d irektem Antrieb von der Kurbelwell e und die Darstellung na hezu beliebiger Steuerd iag ramme. Auch z ur Steuerung des Auslass es werden Schieber verwendet. Die bek ann teste Kon str uk tion ist da s YAMAHA Power-Valve-System (Y PVS), Bild 3.25. Im Gegen satz zu den Einlasssystem en wird bei dieser Auslasss teuerung der Kanal nicht vollständig vom Schiebe rsystem geöffnet und versc hlossen, sondern es wird led igli ch die wirksam e Auspuffschlitzhöhe durc h die rotiere nde Walze variiert. Das Öffnen u nd Schließen übernimmt nach wie vor der Kolben. Dadurch wird nicht nur der Schieber thermisch entlastet , es entfa llt auch die kon str uk tiv aufwänd ige und im Dauerb etrieb seh r a nfällige Abdic htung des therm isch stark bea nsprucht en Schiebers. Der Antrieb de r Steuerwalze erfolgt entwe der mechanisch ode r mittels eines Elektromotors. Letzte res hat den immen sen Vorteil einer völlig frei wä hlbaren Steuereb are kteri stik. Vom österreich ischen Motorhersteller RO TA X stammt die Entwick lung eines druckge steuerten Ausla ssschiebers. Das System zeichnet sich durch seine Einfachheit aus. Ein Flachschieber ist mit ei ner Fed er und ei nem Membra nsyst em verbunden, das vom Dr uck im Auslasskanal bea ufschlagt wird. Bei nied rigem Ga sdurch satz und ents prechend nied rigem Druck wird der Flachsch ieber von der Feder von oben in den Auslass kanal geschoben. wod urch sich d ie Steuer-
Kurbelwelle , \.
Drehschieberplatt e
BiId 3.24 Plattcndrchschicbcr zur Einlasssteuer ung
3.3 Ladungswechsel und Steuerung beim Zweitaktmotor
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I
a
!CJ O
Auslass - Steuerwal ze
Bild 3.25 Auslassstcucrung mittel Walzenurchschicbcr (YAMAIIA PowerValvc -Systcm}
zeit verkürzt. Bei Erhöhung von Last und Drehzah l steigt mit dem Gasdurchsatz der Druck im Auspuffsystem und zieht den Schieber mittels der Membrane aus dem Kanal zurü ck, wodurch sich die Steuerzeit zunehmend verlängert. Es wird ein Füllungsgewinn zwischen 20 und 40 % durch das System angegeben.
3.3.4 Exter nes Spülgebläse Neben den zuvor beschriebenen Steuerorganen lässt sich der Ladungswechsel auch steuern, indem man zur Spülung ein externes Pumpenaggregat bzw. einen Lader verwendet. Bis in die 50er Jahre bauten einige Firmen Zweizylindermotoren (überwiegend), bei denen ein Zylinder "zw eckentfremdet" und als Kolbenpump e zur Frischgasspülung des eigentlichen Arbeitszylinders eingesetzt wurde (Ladepum penmotoren). Nachteilig an diesen Konstruktionen waren neben der vielfachen Umlenkung des Frischgasstromes vor allem das Gewicht für einen Zweizylindermotor und der konstruktive Aufwand, denn letztlich leistete ja nur ein Zylinder Arbeit. Diese Konstruktionen konnten sich auch nicht durchsetzen und sind seit den 60er Jahren vollständig vom Markt verschwunden. Effiziente r ist der Einsatz eines externen Laders (c.Spülgebläse") . Für Zweita kt-Moto rradmotoren wird diese, grundsätzlich sinnvolle, Konstruktion
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3 Arbeitswe ise, Bauform en und konstruktive Ausführu ng von Motorradmotoren
jedoch auch in Zukunft wohl nicht eingesetzt werden, weil d ie Kosten zu hoch Sind und das Motorpackage recht ungünstig ist.> Es soll an dieser Stelle eine Konstruktion aus de r Historie vorgestellt und näher erläutert werden , de r modifizierte DKW Gegenk olbenmot or aus de r GS250 (1947). Dieser Motor ist in seiner Ausführung so interessant, dass hier ausna hmsweise von der Gru ndorientieru ng dieses Buches. sich nur mit zeitgem äßen Serienkonstruktionen zu beschäftigen. abgewichen wird.
Das Bild 3.26 zeigt einen Schnitt und Bild 3.27 Innensichten des Motors im teilzerlegten Zusta nd.6 Gemä ß seiner Auslegung als Gegenk olbenmotor besitzt der Motor zwei Zylindereinheiten (Zweizylinder motor) in de nen insgesamt vier Kolben laufen , die paarweise gege neinande r arb eiten. Die Verbrennungska mmer wird im Bereich des oberen Totpunktes vom Kolbenpa ar jedes Zylinders jeweils in der Mitte de s Zylinderrohres gebildet. Zur Kühlun g ist das Zylinder. rohr in d iesem Bereich stark verrippt. Der Motor benöt igt zwei Kurbelwellen , die über Zahnräder gekoppelt sind. Der konstruktionsbed ingt große Achsabstand de r Kurbelwellen wird von einem zw ischengeschalteten Zahnradpaar überbrückt. Der Motor wird wie jeder Einfach-Zweitakter aussc hließlich von seinen Kolben und den Schlitzen am Zylinde rum fang gesteuert. Die Besonderheit liegt im Spülverfahren. denn es kommt die Gleichstromspülung zu r Anwendung . Das Frischgas strömt dur ch d ie Steuerschlitze an einem Ende de s Zylinderrohres ein. und nach der Verbren nung und Expansion verlässt es den Zylinder dur ch d ie Steuerschlitze am gegenüberliegenden Ende. Mit diesem Spü lverfahre n wird eine nahezu pe rfek te Auss pülung de r Abgase und die geringste Durch mischung zw ischen Frisch und Abgas erreicht, weil da s Frischgas ohne Richtu ngsumkehr in den Zylinder einströmt und als quasi stabile Gassäule da s verbrannte Abgas vor sich her zum Auslass schiebt. Einlass und Auslass beider Zylinder liegen sich jeweils diagonal gege nüber. Jede Kurbel welle trägt eine n Kolben zur Frischgas- und einen Kolben zur Abgassteuerung. Das Frischga s durch strömt vor Eintritt in die Einlasskanäle die beiden Kurbelkam mern und schmiert dab ei d ie Kurbelwell en- und Pleuellager sowie die Kolben (Mischungsschmierung). Auch wird eine gewisse Kühlwirkung im Motor du rch das Frischgas erzielt. Der Spüld ruck wird allein vom mecha nischen Spülgebläse aufgebracht, in den Kurbelkam mern wird keine Kompressionsarbeit geleistet. Erreicht wird dies durch eine Verbindun g zw ischen den beiden Kurbelkam mern jeder Kurbelwelle, so da ss ein Volumenausgleich zwischen de m aufwärts- und abwärts gehenden Kolben stattfindet. 5 Zweitak tmotore n für Automobile. die vor einigen Ja hren von verschiedenen Firme n als möglicherweise erfolgverspreche nde Zu kunftsentwicklungen vorgestellt wurden, sind ausnahm slos mit externen Spülgeb läse n ausgenistet. Für Zweita kt- Dieselmotoren (Sc hiffsam ricbe). die mit höchstem Wirkungsg rad arbeit en (> 50 % ), ist der Einsatz von Spülgeblä se n ein etablierter STandard. 6 Diese Gegen kolbenmotoren wurd en Anfang der 40e r Jahre n bei DKW ent worfen und nach Kriegsende in einigen Exemplaren auch gebaut. Es entstan de n daraus Rennmotorrä de r. die DKW GS2501350. In den 50er Jahren wurde der Motor modifiziert, und zusammen mit Fahrgestellteilen einer DKW SS-350 entstand ein Rennmotorra d mit der Bezeichnung DKW KS1. Der abgebildete Motor STammt aus einer solchen Rennmaschine . die sich heute im Besitz von Hermann Herz befindet. lrn Ra hmen von Stud ien- und Diplo ma rbeiten an der T il Darr nsradt wurde am Lehrstuhl für Fahrzeugtech nik unter der Le itung von Prof. Dr.-Ing. B. Ilreuer die ser Motor völlig neu wieder aufgebaut. Die Restaurie rungsa rbeiren umfassten neben der Ncuanfe rüg ung des Motorblock s. der Zylinder, Ko lben und Kurbelwe lle n auch die Erneue rung des mechani schen Lad ers. Eine ausführliche Beschre ibung des Motors und der Restaura tionsa rbeite n findet sich in [3.17]. Federführend bei die sen Arbeiten wa r Herr Dr.-Ing. J. Präekel. der dem Verfasser auch das Bildmate ria l überlassen hat. Dafür sei ihm an dieser Stel le ganz herzlic h gedan kt.
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3.3 Ladungswechsel und Steuerung beim Zweitaktmotor Lader (Roots-G ebläse)
I
Bild 3. 26 DK WGegenk olbenmotor - Motorschnitt
Überströmkanale
uoerström-
kanäle
Eine Kurbelwelle mit Kolben und Zylinderrohren
Au slass
Bild 3.27 DKW Gegenkolbenmotor Moror-Innonanslehren
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3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstruktive Ausführu ng von Motorrad motore n
Die prinzip ielle Mög lichkeit, eine weitge hend beliebige Asy mmetrie der Steuerzeiten zueinander darzustellen, ist einer der Hauptvorteile des Gegenkolbenprinzips. Beim dargestellten Motor sind die Hubzapfen an den Kurbelwellen nicht, wie bei Zweizylinde rmotoren üblich, um genau 180 versetz t, sondern für die auslassseifigen Kolben jeweils um 15° KW verdreht, so dass der Auslass dem Einlass entsprechend voreilt. Damit kann der Auslass 15° KW vor dem Einlass schließen. obwohl er, wie bei allen Zwe itakte rn notwend ig, vor dem Einlass geöffnet wird. Damit wird das sonst unvermeid liche Überst römen von Frischgas in de n Auslasskanal weitestgehend verhindert, wodurch die Leistungsausbeute steigt und der Verbrauch absinkt. 0
3.3.5 Kom binierte Steuer ungen u nd Direktein spritzung Es liegt auf der Hand, dass die größten Vortei le hinsichtlich Leistungsentfaltung und Verbrauch mit einer Kombination von Auslass- und Einlasssteuerungssys teme n erzielt werden könnte n. Zusammen mit einem externe n Spülgebläse wäre n theoretisch alle Möglichkeiten z ur gez ielten Beeinflussung de r Gaswechselvorgänge gegebe n, allerdings bei erheblic hem Bauaufwand und Zusatzgewicht. Die einstige Grund idee des Zweitakters, einen leistungsfähigen und dennoc h einfachen und preiswerten Motor zu verwirklichen, hätte man damit verlassen. Um künftige Abgasgesetze zu erfüllen, werden Steue rungssysteme für Ein- und Auslass allein auch nicht ausreichen. Den n vollständ ig lassen sich die Frischgasverluste und damit die Emission von Koh lenwasserstoffe n selbst mit aufwändigen Steuerungssystemen nicht elimi nieren . Eine Lösung d ieses Problems lässt sich zufriede nstellend nur erre ichen, wenn man d ie herkömmliche äußere Gemischb ildun g mittel s Vergase r durc h eine Kraftstoffeinspr itzu ng di rekt in die Zylinde r ersetzt und den Motor mit reiner Luft spült. Die italieni sche Firma BIMOrA hat 1996 im Modell BIMOrA 500 Vdue einen völlig neu entwickelten Zweitaktmotor vorgestellt, der erstmals in de r Gesc hichte de s Motorrad-M otorenbaus mit einer solchen d irekten Benzineinspritzu ng arbeitet. Die Schnittda rstellung. Bild 3.28, lässt die wese ntlichen Konstruktionsmerkm ale erken nen. Der Zweizylinde r-V-Motor mit einem Zylinde rwinkel von 90° hat zwei Kurbelwellen, wodurch d ie fü r d ie Kurbelk astenspülung notwend ige Trennung des Kurbelraums erreicht wird. Durch d ie (im Bild nicht sichtbare) Koppelung beider Wellen über Zahnräder wird Gege nläufigkeit erreicht, d ies ermöglicht einen Massenausg leich 1. Ordnung. Die Einlassste uerung erfolgt über Memb ranventile. im Auslass sind Steuerz ungen zu r Querschnittsveränderung angeo rd net, die mechanisch über Seilzug und Hebel betätigt werden. Für d ie Kraftstoffein spritz ung werden pro Zylinder jeweils 2 Einspritzdüsen verwendet, die den Kraftstoff erst nach dem Schließe n der Auslassschlitze etwa in Höhe der Überstromkanäle dir ekt in d ie Zylinde r einsprit zen. Der genaue Einspritzzeitpunkt und Menge des eingespr itzten Kraftstoffs werden in Abhängigkeit von Drosselklappenstellung und Motordrehzahl von einer elektro nischen Steuereinheit vorgegeben. Es wird reiner Kraftstoff eingespritzt, die Schmierung des Motors erfolgt getre nnt über eine separate Ölversorg ung d irekt zu den Lagerstelle n. Bild 3.29 zeigt eine Motoransicht . aus der auch die Lage der Einspritzdüsen erkennbar wir d. Durch die Direkteinspritzu ng ist de m einströmenden Frischgas kein Kraftstoff mehr beigemischt, d ie Zyli nderspü lung erfolgt also mit reiner Luft. Gasverluste wäh rend der Spülphas e (Überschneidung) führen somit nicht mehr zu der zweitaktty pische n Anre icherung von Kohlenwasserstoffen im Abgas. Grunds ätzlich nachteilig bei der Direkteinspritzu ng ist allerdi ngs d ie stark verkürz te Zeitspanne, die für die Kraftstoffverdampfu ng und Gemischbildung nur
3.3 Ladungswechsel und Steuerung beim Zweitaktmotor
Auslass
Riltl .l2K Zweitaktmo tor der ßIM01"A SOll Vd uc im Schn itt
Bild 3. 29 Ansicht des Im ./OTA 500 vd uc Zweitaktmotors
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3 Arbeitswe ise, Bauform en und konstru ktive Aus führu ng von Motorrad motore n
noch z ur Verfüg ung steht (die gesamte Ze it vom Ansaugen bis zu r Durchströmung des Kurbelgehäuses fällt für die Ge mischbildu ng ja weg). Der Kra ftstoff muss daher mit vergleichswe ise hohem Druck eingespritzt werden, damit e r fein zerstäubt und ein homogenes, zü ndfä higes Kraft stoff-Luftgemisch erzielt wird . Allere rste Fahrtests. die von Fachzeitschrifte n mit Ve rse rienfahrzeugen durchgeführt wurden, lassen erke nne n, dass der Motor hinsichtlich der Fei nabstimm ung sensibel reag iert. Bezü glich der Leistungsdaten erfü llte der Motor bei Erscheinen zwar die Erw artungen und mit 144 kW/1(= 200 PS/l) in der Ausführ ung fü r Deutschland liegt seine spez ifische Leistu ng sehr hoch . Mittlerweile liegen aber d ie be sten Vierta kter der 600 er-Klasse au f g leichem spezifische n Niveau und erfü llen da bei sicher die EU-3-Abgasnorm. Beei nd ruckend ist allerdings immer noch der Vorteil im maximalen Drehmoment (w erksangabe), das hubraumb ezoge n höher ausfallt, als das de r besten Viertaktmotoren. Man erkennt aber, da ss de r theoretische Leistungsvortei l (rein rechnerisch doppelte Leistung wie hubraumgleiche Vierta kter, vgl. Kap. 3.1) unter Serienbedingungen auch bei mode rnster Konst ru ktion n icht gegeben ist.
3.4 Zündung und Verbrennun g im Motor Der d ie Arbeit bz w. Leist ung liefernde Verbren nungsvorgang wu rde in den bisher igen Betrachtungen ausgekl ammert und soll nun beha ndelt we rden. G rundsätzlich ist d ie Verbrennung im Motor, wie jede andere Verbrennung auch, eine Ox idation, d.h. eine chemische Reaktion des Kraft stoffs mit dem Sauerstoff der Luft. Die wese ntlichen Bestandteile des Kraftsto ffs - Wasserstoffu nd Koh lenstoff - werden dabe i durch Bindung an Saue rstoff zu Kohlendioxid (C0 2) und Wasser (H 20 ) umgewandelt. Bei diesem Vorgang wird Energ ie in Form von Wär me und Dr uck frei, d ie im Motor über Kolben und Kurbelwelle in mechan ische Arbeit umgewandelt wird. Der genaue Ablauf der motorischen Verbrennung ist jedoch ein höchst komp lexer Vorgang . der chemi sch bet rachtet über eine Vielza hl VOll Zwischenreaktionen abläuft. Zugu nsten eines leichteren Ges amtvers tänd nisses werden die im Detail kompliziert en Vorgänge vereinfacht da rgestellt und nur die elemen taren Zusammenhänge erläute rt. Für ein tiefergehe ndes Studium sei auf d ie entsprechende Literatur über Verbrenn u ngsmotore n verw iesen (z.B. Bücher aus der Reihe Die Verbrennungskraft maschine, herausgegeben von H. List, Springer Verlag, oder auc h [3.1]).
3.4.1 Reaktionsmechanismen und gr undsätzlicher Verbre nnungsablauf Die gesamte Verbrennung im O ttomotor läuft für ei nen Beobachter sehr sch nell ab. Sie dauert z.B. bei 600 0 U/min weniger als 2/ 1000 Sekunden. dennoch lassen sich zw ei unterschiedl iche Phasen u ntersc heiden. Die ers te Phase wird als Entjiammungsp hase bezeichnet. Sie leitet d ie eigentliche Verbrennung ein und beginnt mit der Auslösung der Zündung (Zündze itpu nkt) und dem Fun kenübersch lag an der Zü ndke rze. Dieser ist auch de r Startze itpu nkt für alle che mischen Reaktione n, d ie zu nächst nur im Lichtbogen des Zünd funkens un d in seiner unmittelbaren Umgebung ablaufen," Ein 7
Es wurd e nachg ewi esen . dass erste chemische Reaktionen im Kraftstoff-Luft-Ge misch auch schon während de r Verdichtung. also vor de m Fun kenüberschlag. stattfinden. Bei Ottomoto re n mit ihrem re lat iv niedrigen Verdichtungsverhältni s ist das Ausmaß dieser Vorrea ktionen jedoch klein und von eher untergeordnet er Bedeutu ng.
3.4 Zündung und Verbren nung im Motor
65
nennenswerter Energieumsatz im Brennraum findet aufgrund des kleinen Reaktionsvolumens nicht statt . Die anschließende Umsetzungsphase wird durch den ersten messbaren Anstieg des Verbrennungsd ruckes angezeigt , dieser markie rt den eigentlichen Brennbeginn. Während dieser Phase erfolgt die Verbrennung, die durch eine schnel1 e Flammenausbreitung im Brennraum geken nzeichnet ist. Die im Kraftstoff ent haltene Energie wird nahezu schlagartig umgesetzt und es entstehen Drücke bis zu 80 bar und Temperaturen im Gasgemisch von über 2000 "C. Die gesamte Umsetzung erfolgt im Bereich der obersten KolbensteIlung. Während der anschließe nden Expansionsphase wird die mechanische Arbeit geleistet. Auf die Reakt ionsmechanismen während der Bntftammungs- und Umsetzun gsphase soll nun noch etwas ausfü hrlicher eingegangen werden. Zur Einleitung der motor ischen Verbrennu ng müssen. wie allgemein bei chemischen Reaktionen, die beteiligten Moleküle (Luft und Kraftstoff) durch Energiezufuhr in einen reaktionsbereite n Zustand versetzt werden. Diese Anfangs- oder Akt ivier ungsenergie wird im Motor zunä chst als Druck und Wärme bei der Kompression zugeführt. Für die Entflammung des Kraftstoff-Luft-Gem isches im Motor reicht das allein aber nicht aus. Benzin für Otto motoren ist aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung - trotz der leichten Entflammbarkeit seiner Dämpfe an der Luft - ein relativ reaktionsträger Brennstoff. Es bedarf hier einer hohen Energiedichte, um die Kraftstoff- und Luftmoleküle so zu aktivieren. dass eine Verbrennung eingeleitet wird. Diese hohe Energiedichte wird beim Ottomotor beim Funkenüberschlag an der Zünd kerze bere itgestellt. In dem kurzzeitig zwischen den Kerzenelekt roden brennenden Lichtbogen (Temperatu r rund 5000 "C} werden chemische Bindungenf der Gasmolekü le aufgespalte n und es entstehen unter Beteiligung des Luftsauerstoffs z.T. instabile Zwischenprodukte (Peroxyde), die in weitere n Reaktionsschritten sofort wieder zerfallen. Bei diesem Zer fall und der Aufspaltung von Molekülen werden extrem reakt ionsfreudige Molekülbruchstücke gebildet, so genannte Radikale, Bild 3.30 . Kettenmolekül
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B ild 3. 30 Bildung vo n Radik alen im L ichtbogen
8 Die inne rmolekulare Bindung zwischen den Atomen wird normale rweise aus zwei Elektronen gebildet, die sieh paarweise .,zusamme nlager n" (Elcktr oncnpaarbindungj . Bei der Spaltun g dieser Bindung entstehen Molekülbruchsrücke mit freien. ungebundenen Elektronen. die als Radik ale bezeic hnet werden .
66
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstruk tive Aus führu ng von Motorradmotore n
Deren Molekülzus tand ist instabil, sie haben dahe r das starke Bestrebe n, du rch Reak tionen mit ande ren Molekülen selbst wiede r einen stabilen Zustand einzu nehmen. Sie sind so reak tiv, da ss sie soga r Bindungen intakter Moleküle aufspalten. Dadurch entstehen au s Molekülen fortlau fend neue Rad ikale und übe r eine Vielza hl von Zwischenrea kt ionen kommt die Ve rbrennung in Gang. Diese Reakt ionen beschränken sich anfangs weitgehe nd auf die unmittelbare Zündkerzenu mgebung . Die Vorreak tionen und da s Flammenvolumen müsse n zu nächst eine gewisse Größen ordnung erreicht haben, dam it ein sta biler weiterer Verbrennungsablauf sichergestel lt ist. So erstreckt sich die Entjfammungsphase je nach Betr iebsp unkt über mehr als 30 0 Ku rbe lwinkel. Dabei ist der Energieumsatz mit ca . 2 % so ger ing, dass noch keine merk liche Druckerhöhung im Brennraum registriert werden ka nn. Erst danach beg innt die eigentliche Energieumsetzu ng (Umsetzun gspha se ). Die Ums etz ungsphase beg innt damit, da ss durch die Wärmeentwicklung im Lichtbogen und d ie ersten Verbrennungsreaktione n d ie Gaswo lke an de r Zündkerze expandie rt. Die weitere Reakt ionsausbreitu ng erfolgt nach allen Richtu ngen und erfasst zunächst Gem ischbereiche in u nm ittelbarer Umgebung. Die Reaktionswär me nimmt stet ig zu, was d ie Bildu ng rea ktiver Teilchen förde rt. Es bildet sich eine heiße. bläu lich gefärbte Flam me aus, in deren Umfeld die Rea ktionsproz esse durc h Wär meleitun g und Wär mestrahlung weiter beschleunigt werden. Die Anza hl reakti ve r Teilchen wäc hst expone ntiell (Kette nreaktion) und d ie Verbrennu ng gre ift so auf die nächstliegende Reaktionszone über. Ausge hend vom Flammenkern bildet sich eine schaleu förmige Flam menfront aus. Unterstützt durc h Turbo lenzen, die aktive Teilchen ins Unverbrannte transportieren und zug leich unverbran ntes Ge misch an die Flammenfront heranführen. dehnt sich die Reaktionszone konti nuierlich aus. In einem sich durch Temperatur- und Druckerhöhu ng selbst besch leunigenden Prozess erfasst die Flamm enfront somit weitere Ge misch bereiche und schreitet als geo rd nete Verbrennung in kü rzester Ze it du rch den Brennraum. Diese Flammenausbreitun g ist schemat isch im Bild 3.31 d argestellt. Das gesam te Durchbrenne n der Zylinderladung (ohne Entflammungsphase) dauert be i 6000 Umd rehungen/min nur ru nd 0.5 Milliseku nden (! ) und ist ca. 200 - 300 KW nach dem oberen Totpunkt abgeschlossen. In dieser Ze it wird rund 97 % der im Kraft stoff enthaltenen Energie in Wärme und Druc k umgesetzt. Dieser rasche Energieumsatz spiegelt sich beim beispielhaft darZünd kerze
Bi It1 3.."
Schematisch dargestellter Flamme nfortschritt
3.4 Zünd ung und Verbren nung im Motor
67
gestellten Zylinderdruckverlaufa m steilen Anstieg des Drucks mit Beginn de r Umsetzungs phase wider." Die Brenngeschwindigkeit erreicht bei leichter Gemis cha nfenung (). "" 0,9) e in Max imum und verringert sich mit zune hmender Abmagerung, bis schließlich Enrftammungsaussetzer auftrete n und die Zylinderladung nicht mehr vollständig durchbrennt. Im Motorbet rieb wird dies durch ein ausgeprägtes Ruckeln im Motorlauf spürbar. Der Umsetzun gsphase schließt sich noch eine sogenannte Nachbren npha se an, in der kleine unverbrann te Gem ischreste endg ültig verbrennen. Diese Nachverbren nung er folgt schleppend , weil d iese Frischgasreste bereits stark mit Abgas durchm ischt sind. Der Energieumsatz der Nachbrennphase (ca . I %) ist bedeutung slos.
3.4.2 Beeinfl ussung der Verbre nnu ng durc h den Zündzeitp unkt Um eine maxi male Effizienz der Energ iewa nd lung im Motor zu erreichen, muss die Verbrennung in der Umsetz ungsphase mög lichst schnell ablaufen ; nur so wird ein hohes Dr uck niveau erreicht. Das Druckmaximum muss für einen opt imalen Wirkungsgrad kurz nach dem OT liegen, was auch de r Anschauu ng entsp richt, den n nur so kann de r volle Brennraumd ruck ab Beginn der Expa nsion voll auf den Kolben wirken , Bild 3,32 . Bei zu früh em Druckma ximu m (a lso vor dem OT) wü rde de r aufwärts gehende Kolben vom Zylinde rdruck abgebremst , be i zu spätem Max imum wü rde bereits wäh rend der Verbrennu ng wieder expandiert (ab dem OT) und da mit sowohl der Spitzendruck kleiner als auch der nutzbare Expansionsweg geringer. Beides versc hlechtert den Wirku ngsgrad. Maximaler Verb rennungsdruck u nd Kolbenstellu ng müssen also richtig koordiniert werde n. Da der Verbrennungsablauf weitgehend durch d ie chemischen Reaktio nsmec hanisme n vorbestimmt ist, kann nur die Verbrennung als Ga nzes an die Kolbenbewegung angepasst werden und zwar über den Ze itpu nkt der Zündu ng. Dieser legt den Sta rtzeitpunkt für alle chemischen Reaktione n fest und be i Kennt nis alle r übrigen Einflussfaktoren kan n sehr einfach über d ie Wahl des Zün dzeitpu nktes d ie Verbrennung für jeden Motorbetrieb spunkt in die gewü nschte Übe reinstimmung mit der Kolbenbeweg ung gebracht werde n. 50
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Verbrennung
80 120 160 200 240
Kurbelwinke l !"KWJ 9
De r Energieumsatz erfolgt fiir einen Beobachter praktisch schlagartig. aber trotz der hohen Verbrennungsgeschwindigkeit ist die Verbrennung im Motor keine Explosion im strengen Sinne. Der Energieumsatz bei der Explosio n von Sprengstoffen erfolgt u.a. aufgrund des im Sprengstoff gebundenen Sauerstoffs nochmals deutlich schneller, ein geordneter Flammenfortschrill wie im Motor kann dort nicht beobachtet werden.
68
3 Arbeitswe ise, Bauform en und konst ru ktive Aus führu ng von Moto rradmotoren
Gr undsätzlic h ist eine Anpass u ng des Zündzeitpunktes be i Last- und Dreh za hländerung notwendig. Eine lastahhängige Zündze itpunktverstellung mus s wegen der Beeinflussung der zeitlichen Dauer der Entjlammungsph ase vorgenommen werden. Je höher die Last. d.h. je weiter d ie Drosselk lappe geö ffnet ist, um so kürzer wird die Enrflamm ungsphase. Denn mit steigender Last wird mehr Gemisch a ngesa ugt, u nd somit wird d ie Gem ischdic hte im Berei ch der Zündkerze größe r. Grö ßere Gemischdic hte ist gleichbedeute nd mit höherer Mole k ülzahl. wodurch sich beim Funkenüberschlag meh r reak tive Teilchen bilde n und z udem d ie Häu figkeit von Molekülzu sammenst öß en zuni mm t. Dadurch werden d ie Reaktionen beg ünstigt, der erste Fla mme nkern wird größer, und d ie Entflammung in der erste n Phase wird insgesamt beschleun igt. Auch d ie Umsetzungsphase verläuft tendenziell schneller, doch ist hier die Verkü rzung weniger ausgeprägt. Al s Folge muss der Zü ndze itpunkt bei Lasterhöhung nach "spät", d.h . näher in Richtung auf den oberen Totpunk t, gelegt werden. Ande rn falls würde du rch die zeitlich deu tlich verkürzte Entflamm ungsphase da s Dru ckma ximu m aus der Verbrennung unerw ünscht frü h auft reten , d.h . im ode r sogar vor dem oberen Totpun kt. Bild 3.33 zeigt Druckverläufe für zw ei unterschied liche Lastzu stände. 5O ,---,----~_-,-~
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-160 -120 -80 -40 OT 40
Bild 3.33 Druck verläute bei nied riger und
hoher Last
80 120 160 200 240
Kurbelwinkel (0KW) Weil ein e Drehzahländerung die chemischen Reak tion smechan ismen und damit d ie zeitliche Daue r de r Entflammungsphase ka um bee influsst, d ie Kolbengeschwindigkeit aber d irekt von der Drehzahl abhängt, muss der Zü ndzeitp unk t zwa ngsläu fig auc h bei Drehzahl änderu ngen verstellt werd en. Im Bild 3.34 wird dieser Zusammenhang verdeutlicht. Ausgangspunkt sei eine Drehzahl von 30 00 V/min und eine opti male Zuord nung de s Verbrennungsdru cks z ur Kolben- bzw, Kurbelwelle nstellu ng. Der gesamte Ver bren nung sablauf ab dem Funkenüberschlag erstre ck t sich über knapp 60 0 Kurbel winkel und dauert bei dieser Drehzah l ru nd 3 ms. Davon beansprucht die Entflammungsphase ru nd 1,2 ms. Wird die Drehzahl auf den doppelte n Wert ges teigert (6000 Ulmin), verdoppelt sich die Kolbengeschwindigke it und de r Kolben legt d ie 600 Kurbel winkel (seine n Weg) in der halben Zeit, also in ca. 1,5 ms zu rück. Bei kon stanter Zeitd auer der Entftammuugsphase (also 1,2 ms) läge, wenn d ie Zündung nicht verstellt wü rde, der maximale Verbrennungsd ruc k bezogen a u/ die Kolbenstellung z u spät, d.h . zu weit nac h dem oberen Totpu nkt (gest richelter Druc kverlauf). Zwar verkürzt sich bei genau-
69
3.4 Zündung und Verbrennung im Moto r
50
vemrennlJngsd8lJerr
3000 Ul min
EntflammlJngsphase
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Schleppdruck (Kompress ion)
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3000 U/mir
4,4 3,3 2,2 1,1 0,0 1,1 2,2 3,3 4,4 5,6 6,7 1,2 ms
6000 U/mi r
2,2 1,7 1,1 0,6 0,0 0,6 1,1 1,7 2,2 2,8 3,3 Zeit für die Kurbeldrehung [ms) (bezogen auf den Kurbelwinkel) Beispiel zum Lesen der Zeitsk ala. 40" Kurbelwin kel werd en bei 3000 Ulmin in rund 2,2 ms durchlaufen. Bei 6000 Ulmin wird für den gleichen Win kel nur die halbe Ze it, also 1,1 ms benönqt. Dauert ein Vorgang aber unabhanglg von der Drehzahl eme Zell von 2,2 ms. so Wird bei 6000 Ulmm em Kurbelwin kel von 80' zurockgele!;ll, bei 3000 Ulmin aber nur der halbe weg . d.h. 40" Kurbelwmkel.
Bild 3.34 Änderung der Drucklage bei Drehzahländer ung ohne Zündverstellung
erer Betrachtu ng auch die Umsetzungsphase mit steigender Drehzahl, - die intensivere Turbolenz der Zylinderladung beschleunigt den Verbrennungsvorgang- , dies wirkt sich jedoch wegen der vergleichsweise kurzen Umsetzungsphase nur wenig aus. Daraus folgt, dass mit steigender Motordreh=ahl der Zündzeitpunkt nachfi"üh (weiter vor den oberen Totpunkt) verlegt werden muss. Dadurch steht wegen des jetzt größeren Weges (in o Kurbelwinkel). den der Kolben nach der Zündungsauslösung durchlaufen kann, die notwendige Zeit (in ms) für die EntAam mungsphase z ur Verfügung. Somit gelingt es, das Maximum des Verbrennungsdrucks wie gew ünscht kurz hinter den oberen Totpunkt z u legen. Zusammenfassend halten wir fest: - Mit steigender Drehzahl muss der Zündzeitpunkt nach früh verlegt werden. - Mit steigender Last muss der Zündzei tpun kt nach sp ät verlegt werden.
70
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstruktive Ausführu ng von Motorradmotoren
Zündwi nkel
r v. Ol]
__
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n ied rig ~
Lastzustand
5000 1000
Drehzahl [u/ minJ
6°
Bild 3.3:Kenn feld fü r den Zü ndzeitp unkt
Bei jedem Betr iebspunktwechsel muss daher ein neuer Zündze itpunkt für den Motoreingestellt werde n. Trägt man den jeweils optimalen Wert in Abhängigkeit von Last und Drehzah l auf, ergibt sich ein Kennfeld für den Zündzeitpunkt, wie es beispielhaft im Bild 3.35 dargestellt ist. Ein solches Kennfeld wird im Versuch auf dem Motore nprüfstand ermittelt , indem bei jedem Betriebspunkt des Motors der Zündze itpunkt schrittweise verändert wird. Der optimale Zündze itpunkt ist da nn erreicht, wen n der Motor im jeweiligen Betr iebspunkt seinen besten Drehmomentwert abgibt. Es genügt bei diese n Messunge n im Allgemeinen eine Schrittwe ite von 500 U/min bei der Drehzahl und 10 Nm bei de r Last. Immerhin ergebe n sich somit fü r einen g roßvolum igen Hochleistungsmotor ru nd 200 Messpunkte. Bei Bedarf wird in einigen kritischen Betriebsbereichen d ie Rasterun g der Stütz punkte enger gewählt . Rechne t man nur 5 Zündzeitp unktvar iationen pro Messpunk t, ergeben sich bereits ru nd 1000 Einzelmessu ngen und ein Zeitbedarf von über 40 Stunden. Dieser Aufwand ver vielfacht sich dann noch dur ch das Testen unterschiedlicher Motor var ianten und weite rer Absieherungeversuche. Aus Vereinfachungs- und Kosteng ründ en wurde beim Motorrad lange Zeit auf die Lasta npassung de s Zündze itpunktes verzichtet und ma n begn ügte sich mit eine r d rehza hlabhängigen Verstellung. Hierbei sind die Werte für den Zündze itpunkt als Funktion de r Dreh zahl in Form einer Kennlinie gespe ichert, Bild 3.3 6. Da entsprechend dem Fahrwidersta nd hohe Drehzah le n vorwiegend mit hohen Lasten und niedrige Dreh zahlen eher mit nied rigen Lasten verknüpft sind, ist de r Motor fü r den du rchschnittlichen Fahrbet rieb brauchbar abgestimmt. Die Verschlechterung des Motor wir kungsgrades. d.h . d ie Erhöhung des Kraftstoffverbrauchs in den übrigen Kenn feldbereichen, nahm man zugunste n de r einfacheren und billigeren Zünda nlage in Kauf. Eine Verbesserung stellen Zündanlagen dar, bei denen auf eine zweite (ggf. auch eine d ritte) Kennlinie umgeschalte t wird, soba ld eine vorbes timm te Lastschwelle über- bzw. unterschritten wird. Die Leste rkennung erfolgt dabei über die DrosselklappensteIlung oder de n Unterdruck. Ein Beispiel für eine kombinierte Last- und Drehzahlverstellung zeigt das Bild 3.37. Mit z unehmend schärfer werdenden Anforderungen bezü glich der Schadstoffemission und steigendem Kundeninteresse an einem niedr igeren Kraftstoffverb rauch wird bei Motorrädern eine Ken nfeldzündung mit Last- und Dreh zahlverstellung unumgänglich.
3.4 Zünd ung und Verb ren nung im Motor
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DrehZ31'l : erstel Ung
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Drehzah l. und Lastvers telung
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h
30
Bi ld 3.36
Zünd kcnnlinic mit drch zahlabh ängiger Verstellung des Zünd zeitpunktes
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15
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I
Vollast
Bild 3.37
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Kennlinien mit Last- und Drehzahlversrctlung für den Zündzeitpunkt
I I o
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4000
6000
8000
Motordrehza hl [U/minl
Absc hließe nd soll noch darauf hingewiesen werden, dass im rea len Motorbet rieb die Verbre nnung keineswegs so ideal und gleic hmäßig verläuft. wie vorstehend be schrieben. Es treten vielmehr zyklische Schwankungen im Verb rennu ngsablauf auf, da s heißt von Verbrennung z u Verbrennung gibt es z .T.erhebliche Unter schiede im Ma ximaldruck und in de r Drucklage. Beispielhaft ist d ies im Bild 3.38 a dargestellt. Die Ursachen für die Zyk lenschwa nku ngen liegen in der Entflammu ngs phas e, weil der- G asz usta nd (u.a. Me nge. Homogenit ät des Ge misches) und die Ausbildung des Lichtbogens in dem kurz en Moment des Fun kenübersch lags Zufälligkeifen unter worfen ist [3.15]. Bei Zwe izylinder motoren mit g roßen Einzel hubräumen kön nen die Zyklensc hwa nku nge n be i Ko nstantfahrt mit n iedriger Last und Drehzahl als leichte Laufu nr uhe spürbar werden und den Fahrkomfort mi nde rn ("K onsta ntfa hrruckel n" ). Bereits durch minimale Ä nderu ngen der Bet riebsbedingung en, also etwas mehr Last und Drehzahl, verschwindet diese Erscheinung. Aber Zyk lensc hwank ungen können sich auch ungünstig auf die Schadstoffe mission auswirken. Eine Doppel zündung mit zw ei Zünd kerze n erhöht die Entflammu ngssicherheit in diesen Bet riebsz uständen u nd trägt dazu be i, die Zyklensc hwa nk ungen zu minimieren, Bild 3.3 8b.
3 Arbeitsweise, Baufor men und konstruk tive Ausfü hr ung von Motorrad motoren
72
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Bild 3.38 a) Änderung des Druckverlaufs infolge zyklischer Schwan kungen
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der Verbrenn ung (oben)
b] Doppelzündung beim Viervcnnlboxcr von BMW (unten )
Bei Einzylindermotoren werden Zyklenschwankungen von der normalen Drehungleich för migkeir überdeckt, bei Mehr zylinder motoren treten sie aufgrund des kleineren Zündabstandes normalerweise nicht störe nd in Erscheinung.
3.4.3 Irreguläre Ver brennu ngsa blä ufe Unter best immten Betriebsbed ingungen t reten im Motorbetrieb Abweichungen vom geordneten Verbrennungsablauf auf. Bei diesen irregu lären Verbrennungen kommt es zu erheblichen Druck- und Temperaturü berhöhungen. die zu schweren Schädigu ngen von Bauteilen bis hin zu m Motorlotalschaden führen können. Typische Schäden sind z.B. verbrannte Auslassventile
3.4 Zündung und Verbrennung im Moto r
73
und Zylinderkopfdichtunge n. Kolbenfresser und/oder an- bzw, durchgeschmolzene Kolben. Bei weitgehend ähnlichen Schadensbildern muss jedoch bezüg lich der Mechanismen der irreg ulären Verbrennungen. der Ursachen und deren Verhütung so rgfa ltig unterschieden werden. Grund sätzlich gibt es zwei Arten von irregu lären Verbrennungen. das sogenan nte Klopfen (oft auch als "Klingeln" bezeichnet) und die Glühzündungen. Beim Klopfen verbrennt ein Teil des Gasgem isches praktisch schlagartig. nachdem zuvor eine normale Verbrennung durch den Zündfunken eingeleitet wurde. Die Entflammungs- und Umsetz ungsphasen verlaufen dabei zunächst vollkommen regulär und der Verbrennungsdr uck und die Gastemperatur en steigen ents prechend dem Flammenfortschritt kontinuierlich an. In dem noch nicht von der Flammenfront er fassten Gemischrest förder n der Temperatur- und Druckanstieg die chemische n Vorreaktionen und die Radikal bildung. Laufen diese Prozesse zu schnell ab oder steht bis zur Ankunft der Flammenfront übermäßig Zeit zur Verfügung, nehmen die Vorreaktionen ein solches Ausmaß an, dass es in diesem Gemischrest z u einer spontanen Selbste ntflammung kommt, bevor die Flammenfront dieses unverbrannte Gemisch erre icht hat. Der Gemischrest verbrennt dann nicht mehr geordnet, sondern explosionsartig mit einer vielfach höheren Verbrennungsgeschwindigkeit, Hild 3.39. Dies führt dazu. dass der Druck im Brennraum übermäßig ansteigt und sich hochfrequente Druckwellen ausbilden. Die Druckschwingungen, Bild 3.40, wirken über den Kolben auf das ganze Triebwerk und füh ren zu mechanischen Geräuschen. die dieser Verbrennungsfor m ihre n Namen (Klingeln, Klopfen) gegeben haben. Auch die Gastem peratur steigt wegen der sehr raschen und intensiven Energieu msetzung stark an und zudem bewirken die Druckwellen einen erhöhten Wärmeüberga ng vom Gas auf die umgebenden Bauteile. Ör tlich steigen dadurch die Temperaturen von Kolben und Zylinderkopf teilweise bis über den Schmelz punkt der verwe rt-
ZlI1dkerze
Zünd zeitp unkt ca. 20" v. O'F
normale Flammenausbreitung
Flamm enausbreitung bei klopfender Verbrennu ng
Bild 3.39 Sehemarische r Ablauf und Flammcnfo rtschritt bei regulärer und klopfender Verbrennung
74
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstruktive Ausführu ng von Motorrad motore n 120 110
J
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/-
40
30
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o -160-120 -80
Bild 3.4 0 Druck verlauf bei klopfender
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Verbrenn ung
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40
80
120 1€O 200 2 40
Kurbel'winke l P<Wj
deten Leichtmeta lle. so da ss es zu m Schaden und Ausfall dieser Bauteile kommt (" Loch im Kolben") . Die Ursachen für den besch leunigten Ablauf der Vorreaktionen im unverbran nten Ge mischrest können vielfält ig sei n. Haupteinflussgröße ist d ie An sauglufttemperatur, die die Temperatur des Gasge misches bei der Verdichtung mitbestimm t. Je höher die Temperatu r im Gas, umso rascher und intensiver laufen die Vorreaktionen ab (Erhöhung der kinetischen Ene rgie der Gasmolek üle, g rößere Anzahl von Molek ülzusammenstößen). In diesem Sinne wirkt auch eine An hebung des geo metr ische n Yerd ichtungsverhältnisses beg ünstigend für da s Klopfen. Dam it leuchtet auch un mittelbar ein, dass Klingeln nur bei hoher Last bz w, Volllast auft reten kann (von ganz wenigen Ausnah men unter spez ifischen Bedi ng ungen abges ehe n). Nur dan n sind die Yerdichtungs tempe ratur und die Drücke und Temperaturen während des ve rbren nungsablaufs hoch ge nug, dass in Gemi sch resten um fang reiche und inte nsive Yorreaktionen ablaufen können. Ein weiterer Faktor, der das Auft reten einer klopfend en Verbrennung beg ünstigt , sind heiße Stellen im Bren nrau m. z.B. her vorgerufen durch mangelhafte und ungleich mä ßige Kühlung (stark verschmutzte Kühlrippen , ungleichmä ßige Wasser führun g im Zylinderkopf zu nied riger Kühlwasserstand) oder eine überhitz te Zünd kerze mit z u ger ingem Wärmewert. Eine wichtige Rolle bezügl ich der klopfenden Verbren nung spielt natürlich der Kra ftstoff. Dieser muss eine ge nügende ..Klopffestig keit" aufwe isen. Ein Maß dafür ist d ie Oktan zahl (ROZ). Sie gibt als Vergleichswert an, wie g roß d ie Neigung des Kra ftstoffs zu Vorreaktionen und Radik albildung unter Druck- und Tempera tureinfluss ist. d ie dann z ur Selbstentzündung führt. Je größe r der ROZ-Wert ist, desto höher d ie Klopffestig keit. Motoren werden fü r eine bestimm te Oktanzahl abgestimmt, so dass klopfende Verbrennung im Normalfall nicht auftritt. Wenn aufgrund irgendwelcher äußerer Einflüsse der Motor dennoch z um Klopfen neigt , kann d ies dur ch die Verwend ung eines klopffesteren Kraftstoffs (Super bz w. Super Plus statt Normalbenzin) verhinde rt werde n. Auf d ie Kra ftstoffspez ifikationen und die Mechanismen der Klopfverhinderu ng durch den Kraftstoff wird im Kapitel ? eingega nge n. Auch d ie Zeit für den Flammenfortschr itt entsche idet über die Auslösung einer klopfenden Verbrennung. Je länger Druck und Temperatur auf d ie unverbran nten Gemischanteile im
3.4 Zündung und Verbren nung im Motor
75
Bre nnra um einwirken, desto umfangreichere Vorreaktionen können ablaufen. Daraus e rgibt sich, dass g roße Brennräume (große Bohru ng, g roßvolumige Ein- und Zweizyli ndermotoren) das Klopfen begünstigen, de nn hier verstreicht entsprechend längere Zeit, bis die Flamme ausgehend von der Zündkerze den Bren nraum rand erreicht. In gleichem Maße ungünstig ist eine unsymmetrische, dezentrale Zündkerzenposition im Brenn raum. wie sie bei Zwei- und Dreivent il-Brennräume n häufig unvermeidbar ist. Dam it erk lärt sich auch der Einfluss des Zündzeitpunktes auf die Klopfneigu ng des Motors. Ein früher Zündzeitpunkt und damit eine frühe Entflammung bewirkt eine potent iell längere Einwirkdauer von Druc k- und Temperatur auf das unverbrannte Gemi sch, da zusätzlich zur sich entwickelnden Verbrennung noch die Kompre ssion des aufwärts gehenden Kolbens wirk t. Dies ermöglicht aber zugleich eine Einflussnahme. Über eine Spätverstellung des Zündzeitpunktes lässt sich dem Klopfen entgegenwirken. Dennje weiter de r Verbrennungsschwerpunkt hinte r den oberen Totpunkt gelegt wird, umso stärker wirkt sich die beginnende Expansion aus und senkt Spitzend ruck und -tempe ratur im Ga s. Erkauft wird die s da nn natürlich mit Wirkungsg radverlusten . Somit ist die im vorangegangenen Kapitel beschr iebene Zündzeitpun ktOptimieru ng imme r ein Komprom iss aus bestmöglichem Wirkungsgrad und einem sicheren Abstand zur Klopfg renze des Motors. Dieser Sicherhe itsabstand wird so g roß gewählt (meist 30 bis 5 0 Kurbelwinkel), dass auch unter denkbar ungün stigen Betr iebsbedingungen niemals Klingeln auftreten kann. Nied rige Drehzahlen erhöhe n prinzipiell die Klopfgefahr. denn mit steigender Drehzahl nehmen auch die Ladungsbeweg ungen im Brennraum zu, so dass die Verbrennung schneller wird. Ein gegenläufiger, das Klopfen begünstige nder Effekt e rgibt sich aber dadurch, dass mit der Drehzahl auch die umgesetzte Leistung und damit die Brennraumtemperatu r steigen. Da niedrige Drehzahlen gepaart mit hoher Last meist nur kurz zeitig, z.B. beim Anfahren am Berg, auftreten, füh rt das Klopfen in diesem Bereich in de r Regel zu keinen Bauteilschäden . Ebenso wenig schadet das Klopfen beim Beschleunigen (hell klingendes Geräusch beim Gasgebe n, .Beschteunigungskhngeln") dem Motor, weil es nur kurz andauert und dam it keine Überhitzungsschäden z u befürchten sind. Gefährlic h ist im Wesentlichen nur das Hochgeschwindigkeitsklopfen. Das Geräu sch der klopfenden Verbrennung wird hier verdeckt von de n mechanischen Motorge räuschen und den Fahrge räuschen , so dass es vom Fahrer nicht wahrgenommen wird. Die ersten klopfenden Verbrennungszyklen beschleunigen infolge der resultie rende n Temperatur- und Druckerhöhungen weitere Vorreak tionen und setzen dam it einen sich selbst verstärkende n Ablauf in Gang , der schließlich unbemerkt z ur Überhitzung von Bauteilen und damit zum Motor totalschade n führt. BMW hat als erster Motorrad hersteller in allen Vierzylindermotoren der neuen Generati on sowie bei allen Boxern eine Klopfregelung eingefü hrt. Diese erken nt das Klopfen mittels KÖr· perschallsensoren, die nahe a m Zylinder kopf a ngebrac ht sind (Klopfen führ t zu einer Schwingungsanreg ung des Motorgehäuses). Sobald ein irregu lärer Verbrennungsablauf festgestellt wird, verstellt die Klopfregelu ng die Zündung in Richtu ng "s pät", bis das Klopfen aufh ört. Schrittweise wird dana ch der Zündze itpunkt wieder a n das Optimu m herangeführt. Mit der Klopfregel ung kann das Zündke nnfeld auch in kr itischen Betriebspunkten fü r höchsten Wirkungsg rad optimiert werden. Die Klopfschutzfunk tion erlaubt es, den Sicherheitsabstand der Zündzeitpunkte vo n der Klopfg renze kleiner zu wählen, da das System aufk ritische Betr iebszustände selbsttätig reagiert.
76
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstruktive Ausführung vo n Motorradmotoren
Fassen wir noch ei nma l die wichtigste n Faktoren z usammen ; k lopfende Verbre nnung tritt nur im oberen Lastbereic h auf und erst nac hdem eine no rmale Verbrennung eingeleitet wurde und diese anfangs auch normal abgelaufen ist. Klopfen wi rd begü nstigt du rch:
- niedrige Oktanzahl des Kraftstoffs - (zu) frü hen lü ndzeit punkt - große Brennr äume und nichtzentrale Zündkerzenlage - unzure ichende Kühlung und heiße Stellen im Brennr aum - hohe Verdichtung - hohe Ansauglufuemperat ur Im Umkehrschluss ergibt sich, dass durch Vermeid ung de r entgegengewirkt wird.
0 .3 .
Faktoren der Klopfneig ung
Die zweite Hauptform unregel mäßiger Verbren nungen ist die sogenannte Gliihziindung. Glühzündunge n werden von heißen Stellen im Brennraum ausgelöst , die eine so hohe Ak tivierungsenergie liefern, dass intens ive Vorreak tionen im umgebenden Ga sgemi sch statt finden kön nen. Es kommt da nn an d iesen heißen Oberflächen zur Entflammu ng und einem reg ulären Flammen fortschri tt wie bei einer normal ausgelösten Verbrennung. Dadu rch da ss d ie Entflammung abe r an mehreren Stellen im Brennraum ausgelöst wird, findet ein sehr rascher Energieum satz statt, der zu einem hohen Druckanstieg und zu überhöhten Verbrennungstem peraturen führt, Bild 3.4!. Auch dieser Vorgan g verstärkt sich selbst , wodurch d ie Temperatur der heißen Stellen so g roß wir d. dass es zum Anschmelzen und "Verbrennen" der entspreche nden Bauteile kommt. Durc h den erhöhten Verbrennungsd ruck kann es da rüber hinaus zu r Übe rlastung und längerfristig zur irreversiblen Schädigung der Gleitlage r im Motor kommen.
Zündkerze
Zün dzeitpun kt ca. 20 ° v. OT
normale Flammenausbreitung
heiße Stelle
Flammen ausbreitun g bei einer Glühzündung
Blld 3.41 Schemati scher Flammenfortschritt und Druek verlauf bei Glühz ünd ungen
77
3.4 Zündung und Verbren nung im Motor
Typische Auslöse r von Glühzündungen sind heiße Auslassventile. Bei zu gering eingestelltem Ventilspiel schließen diese nicht mehr vollständig und heißes Abgas strömt mit hoher Geschwindigkeit während der Verbrennung durch den engen Restspalt zwischen Ventil und Sitzring. Dadurch kann das Ventil soweit aufgeheizt werden bis es glüht und dann zum Auslöser einer Verbrennung, d.h. einer Glühz ünd ung. wird. Ebenso wie das Auslassvent il kann auch eine übe rhitzte Zündkerze zum Glühzündungsauslöse r werden. Zündkerzen werden generell sehr heiß bei der Verbrennung und bei zu geringem Wärmewe rt stellt sich schnell eine Überhitzu ng ein. Weitere Auslöser sind z.B. auch Ölkohleablager ungen im Brennraum. Durch ihre meist poröse Struktur fangen sie relativ leicht an zu glühen, was in Zusammenwirken mit katalytischen Effekten (besonders bei bleihaltigen Ablagerungen) die Verbrennungsreak tionen initiiert. Das charakteristische Merkmal von Glühzü ndungen ist, dass sie vollkommen unabhängig von der Zündungsauslösung an der Zündkerze sind. Sie können also vor, währe nd oder nach der Zündung an der Zündkerze entstehen, so dass die Verbrennung vollkommen un koord iniert zur KolbensteIlung abläuft. Somit ist es auch möglich, dass ein Motor selbst nach Abstellen der Zündung einfach weiterläuft ("nac hdieseln") und nur durch "Abwürgen" zum Stillstand gebracht werden kann. Die heißen Stellen als Zündquelle können die mehrfachen Entflammungen gleichzeitig oder auch nacheinander auslösen. Es sind auch Mischformen zwischen Glühzündungen und klopfender Verbrennung möglich. So kann eine Glühzündung zum Auslöser einer klopfenden Verbrennung werde n oder umgekehrt eine klopfende Verbrennung Brennraumstellen soweit aufbei zen. dass sie zum Ausgangspunkt einer Glühzündung werden. Anband des Motorschadensbildes lässt sich dann auch fü r den Fachmann nachträglich nur sehr schwer zwischen Ursache und Folgewirkung unterscheiden. Glühzündun gen sind nur sehr schwer zu beeinflussen, dürften allerdings bei sorgfaltig ausgelegt en Motoren (Kühlung/Wä rmehaushalt) und korrekter Motoreinstellung (Ventilspiel, Wärmewert der Zündkerze) gar nicht auftreten. Sind Ölkohleablagerungen der Auslöser, helfen letztlich nur dere n Entfernung und eine Analyse, woher der Ölkohleautbau kommt (z.B. hoher Ölverbrauch in folge von Bauteilverschleiß an Zylinder, Kolbenringen und Vent ilführungen). Der Kra ftstoff spielt in der Regel keine Rolle, es sei denn, es bilden sich aus dem Kraftstoff (bleihaItiger oder auch minder wertiger Kraftstoff) zusammen mit Bestandtei len des Motoröls Ablagerungen. Dies kann auft reten, wenn der Moto r über sehr lange Zeit unterkühlt betrieben wird, wie Z.B. andauernder extremer Kurzstreckenbetrieb oder dauernder Einsatz des Motorrades als Begleitfahrzeug.
3.4.4 Bildun g der Abga sscha dstoffe Theoretisch sollten bei der Verb rennung von Kohlenwasserstoffen mit Luft nur das gesundheitsu nschäd liche Kohlendioxid (C0 2) und Wasser (H20) entstehen. Aufgr und der hohen Verbrennungstemperaturen bilden sich aber aus dem in der Luft enthaltenen Stickstoff (N 2) und dem Sauerstoff in geringem Umfang gesundhe itsschädliche Stickoxide (NOx), Da die Verbrennung nicht vollkommen ist, komme n als weitere schädliche Bestandteile im Abgas unverbrannte Kohlenwasserstoffe (Cx Hy) und das giftige Kohlenmonoxid (CO) hinzu. Zwar ist die Konzentration dieser Schadstoffe im Abgas äußer st gering I %) und wird durch den Einsatz geregelter Katalysatoren weiter (teilweise bis zu 90 %) verr ingert. Dennoch muss aufgrund des stetig z unehmenden Fahrzeugbestandes alles getan werden, um die Schadstoffkonzentrationen weiter zu verr ingern.
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78
3 Arbeitsweise, Bauform en und konst ru ktive Aus führu ng von Moto rradmotoren
Gr undsätzli ch ist aber die Entstehung von Schadstoffen im Abgas trotz modernster Technik nicht vollkom men zu verhinde rn. Der G ru nd dafü r liegt in de n nat urgesetzlieh vorgegebenen Reaktionsmecha nismen und den spez ifischen Randbeding ungen bei der motorischen Verbrennung. Die Verbrennung de r Kohle nwasserstoffe des Kraftstoffs erfolgt übe r eine vielstu fige chemi sche Reaktion mit dem Luftsauerstoff unter teilweiser Beteiligu ng des Luftstickstoffs. Die Schadstoffe werd en in dieser Reak tio nskett e tei lweise zu nächst nur als Zwische nprodukte gebildet. Im weiteren Reaktionsverlauf ändern sich da nn aber d ie ursprüngliche n Reaktion sbedi ngungen, z .B. dadurch, da ss im Motor die Verbrennu ng periodisch verläuft und sich das Ga s wäh rend bzw. kurz nach de r Verbrennung dur ch die Expansion des Kolbens Im Zylinder abküh lt. Du rch die geä nderten Bedi ng ungen kö nnen dann diese Zwischenprodukte n icht me hr vollständig weiterre ag ieren u nd verbleiben a ls u nvollständig verbrannte Gas e im Abgas. Zudem brennt die Fla mmenfront im Motor auch nicht bis ganz an d ie Bren nraumwand heran . Dur ch die Küh lung de s Brennraums tritt ga nz na he de r Wand ein sogenanntes Flamme nerlösche n ein, wodurch in e iner seh r schmalen Ringzone teil- bzw. u nverbranntes Gemi sch verbleibt, das als u nverbrannte Kohlenwasserstoffe m it dem Abgas ausges toßen wird. Weitere Effekte, d ie zur Schadstoffb ildu ng beitragen , sind Inhomogenitäten im Gemi sch, d ie innerhalb de r Verbrennungszone zu unvollständiger Verbrennung führen . Der Forschung ist es unter Einsatz modernster Messverfahr en gelu ngen , d ie Vorgänge bei de r Verbrennung im Motor und d ie Mecha nismen de r Schadstoffentstehung in ihren Gru ndzügen zu verstehen. Den noch sind weiterhin viele Fragen offen und längst nicht alle Reakti on sstufen aufgek lärt. Eine det ailli erte Darstel lung der Reaktion smec hanisme n bei de r Verbrennung und der Schadstoffbi ldung würde weit übe r den Rahmen des Buches hinau sgehen und erweiterte Kenntnisse in der Chemie erfordern, so dass hier auf die Fachliteratur verw iese n werden muss.
3.5 Gas- und Massenkräfte im Motor Die bisher igen Betrachtun gen bezogen sich auf den Ar beit sproze ss des Motor s und d ie leistungsbestimmend en Fakto ren. Es wu rde gezeigt, da ss sich dara us An forderungen an die konstruktive Ausfü hrung de r versch iedenen Motorbauteile able iten lassen. Fü r die Motorkonstruktion ist abe r auch die Kenntni s der Kräfte u nd Momente, d ie im Betrieb auft reten , wichtig. Die bet ragsmäß ig g rößten Kräfte wirken dabei am Ku rbeltrieb, der be im konventionellen Verbrennungsmotor aus folgenden Bauteilen (vgl. auc h Bild 3,43 ) besteht: - Kurbel welle mit ihren Lagern - Pleueln mit Lagern - Kolben mit Kolbenbolzen und Kolbenringen Im Kurbeltrieb wird die gerad linige Auf- und Abbewegung, die der zwangsgeführte Kolben im Zylind er ausfü hrt, in eine Drehbeweg ung überfüh rt. Die Bewegun g des Kolbe ns ist dabei ungleichmäßig, un d zwar wegen der periodischen Umkeh r seiner Beweg ungsricht ung in den Endpunkten der Bahn (Totp unkte). Sie bed ingt jeweils ein Abbremsen und Beschleunigen des Kolben s und des Pleuels, so da ss Massenkräfte (Träg heitskräfte) auftret en. Diese können berec hnet we rde n, wenn man die
3.5 Gas- und Massen kräfte im Motor
79
Massen von Pleuel und Kolben und das Bewegu ngsgesetz des Kurbeltriebs kennt und daraus die auftretenden Beschleunigungen ermittelt. Bei hohen Drehzahlen sind diese Massenkräfte dominierend für die mechanischen Beanspruchungen der Kurbeltri ebsbauteile. Die zweite große Kraftwirkung am Kurbeltrieb ergibt sich aus dem verbrennungsdruck. der durch Umwandlung in ein Drehmoment a n der rotierenden Kurbelwelle die eigentliche Nutza rbeit erzeugt. Diese Kraft aus der Verbrennung wird allgemein als Gaskraft bezeichnet.
3.5.1 Gaskraft Durch die Gas kraft. die gleichermaßen auf den Kolbenboden und den Zylinderkopfwirkt, werden die Motorbauteile aufvielfa ltige Weise mechanisch beansprucht. Da die Kolbenfläche mit dem Bohrungsdurchmesser quadratisch ansteigt, ist die Gaskraft umso höher, je größer die Zylinderbohrung ist (bei jeweils gleichem Zylinderinnendr uck). Bei gleichem Zylindervolumen ist daher die Gaskraft bei kurzhubigen Motoren größer als bei langhubigen. Im Kapitel 3.4 wird auf die einzelnen Bautei lbeanspruchungen du rch die Gaskraft detailli erter eingegangen. Die Gas kraft tritt nach außen als Nutzdre hmoment an der Kurbelwelle in Erscheinung. Als Reaktionsmoment ergibt sich ein gleichgroßes. entgegengesetztes Moment, das sich in den Aufhängungspunkten des Motors abstützt (Momentengleichgewicht). Anso nsten wirkt die Gaskraft nur als inne re Kraft , wie Rild 3.42 schematisch zeigt. Die Gask raft wird über Kolben, Pleuel und Kurbelwelle in den Motorblock eingeleitet und von dort über die Zylinderkopfschraub en wieder zurückgeführt, so dass ein geschlossener Kraftfluss innerhalb des Motors ohne weitere Kraftwirkungen nach außen entsteht.'? Eine genaue Betrachtung des Kurbeltriebs zeigt allerdings, dass am Kolben durch die Schrägstellung des Pleuels mehrere Kraftkomponenten wirken, Bild 3.43. Die am Kolben angreifende Kraft, bei der momentanen Betrac htung also die Gaskraft. wirkt als Stangen kraft FSI über das Pleuel auf die Kurbelwelle. In ausgelenkter Lage des Pleuels tritt eine Seitenkraft N auf (Normalkraft aus Kraftzerlegung der Sta ngenkraft), die je nach Kurbelstellung den Kolben wechselseitig nach rechts oder links gegen die Zylinderwand dr ückt. Als periodisch veränderliche Kraft ruft sie Erschütterungen des ganzen Motors um die Kurbelwellenlängsachse hervor und stützt sich als Wechseldrehmoment (Stützmoment) in den Motoraufhängungspunkten ab. Letztlich entspricht dieses Stütz moment wiederum dem Motordrehmoment (Momentengleichgewicht). Beim Leerlaufvon Einzylindermotoren. die weich in Gummi gelagert sind, kann das Wechseldrehmoment und das resultierende Schütteln des Motors gut beobachtet werden. Zwar gibt der Motor im Leerlauf kein Nutzd rehmoment ab, es wird aber ein Moment erzeugt. um die innere Reibung des Motors zu überwin den. Bei Mehrzylindermotoren ist das Schütteln aufgrund von Kraftüb erlagerungen geringer und wegen der höheren Arbeitsfrequenz nicht so gut wahrnehmba r, ebensowenig bei höheren Drehzahlen. Spürbar wird die Seitenkraftwi rkung aber, wenn die Drosselklappensynchronisation der Einzelzy linder nicht korrekt eingestellt wurde. Durch dann ungleiche Zylinderfüllungen sind die Verbrennungskräfte und dam it auch die Seitenkräfte in den Zylindern unterschiedlich. Dies kann bei entsprechender Sensibilität des Fahrers als rauer Motorlauf und verstärkte 10 Als Hilfsvorstellun g für die Wirkung de r Ga skran als innerer Kran kann folge nde Überlegung diene n: Eine gesch lossene Blechdose . die un bewegt auf e ine m Tisch steht und durch Wä rmez ufuhr erh itzt wird . bewegt sich trotz des steigenden Ga sdrucks im Inne ren nicht und zeigt keinerlei Kran wirkung nach außen. Der Gasdruck bea nsprucht ledig lich d ie Blechw ände de r Dose.
80
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstruktive Ausführu ng von Motorradmotoren
St ützmoment ~ infolge jI' Ko lbenseitenkraft N
-- -~
Bild 3.42 Geschlossener Kraft n uss der Gaskraft
im M ot or
Bild 3.43 z erlegeng der Kolbenk raft und resultierendes Moment
Vibration wahrgenommen werden. Allerd ings sind diese Vibrationswirkungen bezüglich ihrer Ursache streng von denen aus den Massenk räften (siehe nächstes Kapitel) zu trenn en. Seile nkräfte arn Kolben resultieren natü rlich nicht nur aus de r Gaskra ft. so nde rn aus allen am Kolben angreifenden Kräften. Die Massenkräfte rufen also ebe nfalls Seitenkrä fte und da mit ein Wechseldre hmoment in der Motoraufhäng ung hervor. Dessen Vibrationsw irkung wird abe r bei hohen Drehzah len (nur dort sind d ie Massenkrä fte gro ß und übe rwiegen) nicht mehr wahrgenommen. weil da nn die Masse nkräfte ande re, ungleich g röße re Auswi rkungen haben. Auf diese soll im nachfolgenden Kapitel aus führlich eingega ngen werden.
3.5.2 Bewegungsgesetz des Kurbeltri ebs und Massenkraft Wie einleitend erwä hnt wurde, treten Massenk räfte als Folge der beschleun igten Kolbenbeweg ung auf. Für deren Ermittlung benötigt man d ie Kolbenbeschleunig ung. genauer gesagt die Beschleunigungen in Abhängigkeit von der Kurbelwellenstellung. Diese ergibt sich aus dem Beweg ungsgesetz. das den Zusammenhang zw ischen der geradlinigen Kolbenb ewegung und der Kurbelwellend rehung beschreibt. Leser. die sich für die mathematische Herleitung nicht interessieren. können den folgenden Abschnitt übergehen und auf S. 82 die prak tischen Folgewirkungen nachlesen. Wir ver nachlässigen den normalerweise üblichen Mit tenversat z de s Kolben s beim realen Motor (siehe auch Kap. 3.4) und betrachten den einfacheren Fall des ungeschränkt en Kurbeltr iebs. bei dem die Zylinderac hse d ie Drehachse de r Kurbelwelle schneidet, Bild 3,44 .
81
3.5 Gas- und Massenk räfte im Motor
o
o
A1-+Kolb en
I~
Pleuel
- - UT
Kurbelwelle
B
p
r M
Bild 3.44 Realer Kurbeltrieb mit geometrisch relevanten Größen
Dieser Kurbeltrieb stellt ein sogena nntes ebenes Schubk urbelgetriebe dar. Redu ziert auf die kinemati sch relevanten Elemente bildet der Kurbeltrieb in der gezeichneten Stellung da s ebene Dreieck Il MA B. Da rin bildet die Strecke A B die Pleuellänge I, die Strec ke MB den Kurbelradius r und die Strecke MA beschreibt diejeweilige Kolbene ntfernu ng von der Dreha chse der Kurbelwelle. Der Winkel a gibt den Drehwin kel der Kurb elwelle an und der WinkeIß kennzeichnet die Auslenkung des Pleuels. Die beiden Extremstellungen des Kolbens werden mit OT (oberer Tot punkt) und UT (unterer Totpunkt) gekennzeichnet. Der Kolbenweg sI; wird ausge hend vom OT gez ählt, und wir definieren den Ko lbenhub h und da s Pleuelstangenverhältnis I: (3- 11 ) (3- 12)
Mit d iesen Festlegungen ergib t sich der Kolbenweg s I; rein geome trisch z u
sl; "" r + I - MA
(3- 13)
Teilt ma n das Dreieck li MA B mittel s der Strecke PB in zwei rechtwinklige Teüd reiecke, ergeben sich als weitere geometrische Beziehungen MA = r · cosa + l · cos ß
(3-14)
PB = r · sina = 1 · sin ß
(3-15)
~ sinß = :" · sina = A - sin c I
(3-15' )
82
3 Arbeitswe ise, Baufor men und konstruktive Ausführung von Moto rrad motoren
Du rch Einsetzen in GI. (3·13) erhä lt ma n da nn den ges uchten Zusa mmen hang zwischen dem Kolbenweg s und dem Ku rbelwinkel a: ,Il = r+ I- (r ' cosa+ l , cos ß )
(3-16)
Da für den Kolbe nweg nur die Abhängigkeit vom Kurbel winkel ges ucht wird und der Win kel
ß nicht bekannt ist. muss dieser aus der Gleichung eliminiert werde n. Setzt ma n d ie allgem ein g ültigen Beziehu ng (vgl. mathematische Formelsammlung)
cos2 ß =I - sin1ß in (3-16) ein und formt um, so erhält man als Berechnungsgleichung .Il = r (l- cosa )+/(I- ·.1 I-A2s in 2 a )
(3·17)
ruf den Kolbenweg: (3- 18)
Dies ist die mat hemat isch exakte Bez iehung zwischen Kolbenweg und Ku rbelwinkel. Da d ieser Ausd ruc k unübersichtlich un d aufwänd ig in der Berech nung ist, wird üblicherwe ise der Wu rzelausd ruck durc h eine binomische Reihe ersetzt, die man nach der zwe iten O rdnun g abbricht. Man erhält dan n als ausreichend gena ue Näherungsgleichung fü r de n Kolbenweg sk "" r (l -cosa + ..i s in2 a )
2
(3-19)
Bildet man die Ableitung des Kolbe nwegs nach der Ze it, so erhält man die Kolbengeschwind igkeit v und bei nochmaliger Ableitu ng d ie Kolbenbeschleu nigung U '-\ "" r. w (sin a + ..i sin 2a ) 2
(3·2 0)
Uk "" r · (02 (cosa + Acos 2a )
(3-21)
.
da dl
rnn w = -
(3-22)
Wie man leicht einsieht, tritt d ie max imale Beschleu nigung für den Kolbe n be i 0° Kurbel winkel. also im OT au f: 2
uk .max = r ' w (1 + A)
(3-23)
Im Bild 3.4 5 ist der Zusam menhang zw ischen Ku rbelwinkel und Kolben weg. -geschwin dig keit und -besc hleu nigung für eine Ku rbelwellenumdrehung g rafisch darge stellt. Der Beweg ungsstillstand und die relat iv la ngsame Kolbenbewegung in Totpunkt nähe wirken sich thermodynamisch günstig au s. Innerhalb der kur zen Zeitspanne, die die Verb renn ung z ur Ausbreitu ng benötigt , legt de r Kolben relativ zu r Ku rbelwellendre hung nur seh r geringe Wege zu rück. Der Verb renn ungsd ruck ka nn sich dah er voll entfalten und wird nicht vorzeitig durch eine Ko lbenbeweg ung abgebaut. Zudem steht für die Expa nsion noch der volle Kolbenweg z ur Verfüg ung, wodurch maximale Ar beit erzielt wird. Bei der Kolbengeschwindi gke it werden d ie positiven und negat iven Maxima im ersten bz w. letzten Drittel de s Kolben wegs zw ischen de n Totpunkten erreicht. Die Phasen verschi ebung der Extremwerte gegenüber de r reinen Sinusfunktion resulti ert aus dem Pleuelstangenverhältn is A und dem additiven Glied in Gleichung (3-20 ). Die Extremwerte der Kolbenbeschleun igu ng müssen naturgemäß in de n beiden Totp unkten liegen. Da sich der Kurbeltrieb im OI in gestrec kter
3.5 Gas- und Massen kräfte im Motor
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Bild 3.45 Kolbenweg, -gcschwindigkcit und -bcschlcunigung in Abhängigkeit von der Kurbelwe llenste ilung
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Besch leunilgUng
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Kurbelwinkel I"]
Lage, im VT hingegen in gekn ickter Lage befindet, ergeben sich unterschiedliche kinematische Verhältnisse, so dass die Beschleunigu ng im 0 1 g rößer als im VI ist. Der Einfluss des Pleuelstangenverhält nis ..l soll nachfolgend noch etw as genauer beleuchtet werden. Im Grenzfall des unendlich langen Pleuels wird der Wer t von A zu Null (GI. 3- 12). In allen Bewegu ngsgleichungen für den Kolben fällt das add itive Glied da nn weg und man erhält d ie reinen Sinus- bzw. Cosinusfunktionen des Kurbelwinkels a . Umgekehrt wird, je kürzer das Pleuel und je größe r der Hub der Kurbelwelle ist, der Wert von A g rößer. Als Resultat nehmen die Verzerrunge n der Kurve nverläufe für Kolbenweg, -geschwindigkeit und -beschleunigu ng zu. Zudem steigen auch die jeweiligen Maximalwerte für die Kolbengeschwindigkeit und d ie Kolbenbesch leunigun g an , Rild 3.46. Es erhöht sich die ges amte Triebwerksbelastung (Massenkrafu ). und es ergeben sich ung ünstigere Verhältnisse z. B. für d ie Kolbenschmieru ng und bezüglich des Verschleißve rhaltens.
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Kurbe lwinke l I'l
Bild 3.46 Kolbenweg, -gcschwindig kcit und -beschleunigun g in Abhäng igkeit vom Pleuelstange nve rhä ltn is Ä.
84
3 Arbeitswe ise, Bauform en und konstru ktive Aus führu ng von Motorrad motore n
Obwohl also möglichst la nge Pleuel wü nschenswert wäre n, kann dies in der Praxis nicht immer u mgesetzt we rden, weil die Bauhöhe des Motors mit der Pleuellä nge anste igt und der entsprechende Platz im Moto rra d nicht zu r Verfüg ung steht. Auf diese Zusa mmenhänge wi rd später bei der konst ruk tiven Bauausfüh ru ng des Motors näher e ingega ngen.
3.5.3 Ausg leich der Masse nkr äfte un d -momente Wenn man zunächst nur den Kolben betrachtet, d an n erzeug t die Beschleunigung infolge seiner Ma sse an ih m eine Trägheitskraft. Sie wird, wei l sie als hin- un d hergehende Kraft in Zylinderachsrichtung verläuft, als oszillierende Mussenkraft bezeichnet: (3-24) mk Kolbenmasse [kg] Diese Masse nkra ft erreic ht bei hohen Drehzahlen Werte bis z u 10.00 0 N (Gewichtskra ft ei ner Masse von 1000 kg). Das füh rt z u erheblichen mechan ischen Beanspr uchungen des Kolbens un d des Kurbeltriebs. Darüber hinaus wirkt die Masse nk raft übe r die Kurbel wellenlager und da s Motorgehäuse auch als Kraft nac h außen. Sie erze ugt ei ne peri odische Schwingungsa nre g ung von Fahrzeugbauteilen. d ie als Vibrationen von Lenkerenden. Fuß rasten, Sitzbank und Tank auf den Fahrer/ Beifahrer einwirken und deren Fahrkom fort deutlich einschrä nken. Die Vibrationen kön nen auch zu Schäden am Fahrze ug, z. B. in Form eingerissener Bleche und Halter ungen. defekter Instrum ente, Glühlamp en usw. füh ren . Da raus ergibt sich die Notwe nd ig keit, d ie Masse n kraft zu elimin ieren bzw. auszugleiche n. Um d ie Wirkmechanismen der Krä fte am Kurbeltrieb genauer zu verstehen, betrac hten wir zunäc hst den Einzy lindermotor, Bild 3.47, und redu zieren den realen Kurbelt rieb aufein vereinfachtes mechanisches Ersa tzmodell. In diesem Modell besteht d ie Kurbelwelle aus einer gleichmä ßigen Kreisscheibe mit exze ntrischem Hubzapfen, der als Unw uchtmasse wi rkt. Das Pleuel sei seh r lang im Verhäl tnis z um Kurb elradius. so dass A '" 0 wird und wir den Term A cos2 a in Gleichung (3-24) vorlä ufig vern achlässigen können. Am Kolben g reift da nn d ie Massenkra ft FOS1 an, d ie nur in Zylinderachsrichtu ng wirkt. In der geze ich neten Aufwä rts bewegung des Kolbens wirkt d ie Massen kraft nach oben (Zug kraft) . Etwa 90 0 KW nach der Bewegu ngsumkehr im OT wir d aus der Zug kraft eine Druckk raft , entsprechend dem Beschleunig ungsverlauf (vgL Bild 3.20). Die aus der Verbrennung resultierende Gask raft braucht, da sie als innere Kraft im Motor ausgeglichen wird (Kap.3.3.1), bei un seren Betrach tungen nicht mehr berücksichtigt werden. An der Kurbelwelle ru ft der außermitt ige Hubzapfen eine radial nach außen ge richtete, umlaufende Fliehkraft Frol.l hervor. Die Kra ftwirku ngen am Pleuel sind z unächst nicht unmittelbar z u erken nen, den n das Pleuel füh rt ei ne komplexe Beweg ung aus. Während der untere Pleuelabsch nitt zusa mme n mit dem Hubzap fen lager und der Kurbel welle ein e Drehbewegun g ausfüh rt, vollführt da s obe re, klei ne Pleuelauge zusamme n m it dem Kolben eine rein oszi llie rende Beweg ung entlang der Zylin de rachse . Das Mittelteil des Pleuel führt Schwe nkbewegunge n aus, d ie sich aus ei ner Drehung un d Auf- u nd Abbewegungen zusamme nsetze n. Das Pleuel u nd seine Bewegungen werde n daher aufgeteilt in einen rotatori sehen un d einen osz illie rende n A nteil. Dazu wird ein gleichschwe res Ersatzpleuel bestim mt, dessen Masse an beiden Enden konzentriert ist, wobe i d ie Verbindu ng zwische n d iesen beiden Massepu n kten masselos ist, Bild 3.48.
3.5 Gas- und Massen kräfte im Motor
85 Fosz
,I
,,
FPleuel
I I
, I
---'---
,I
Kurbeltrie b
Ersatzmodell
Bild 3.47 Kräfte am Kurbeltrieb des Einzy lindermotors
Die größere, untere Masse bewegt sich dan n rein rotator isch zusammen mit dem Hubzapfen der Kurbelwelle auf einer Kreisbahn, und die obere Masse bewegt sich zusammen mit dem Kolben rein oszillierend. Die Aufteilung der Pleuelmassen erfolgt nach dem Schwerpunktsatz. Bezüglich der Kraftwirkung wird der rotatorisehe Anteil der Pleuelmasse zur Hubzapfenma sse hinzugerechnet und der oszillierende Anteil zur Kolbenmasse.
,
1
obere, oszillierende Pleuelmasse , --:-:----::-c---, masselose Verbindungs stang
uni ere, rot ierend e Pleuelmasse
Ersatzpleuel Riltl .l 4K Bestim mung des Ersatzpleuels
Massenaufteilung nach dem SChwerpunktsatz
vernättrcs rotierende zu oszillierende Masse meist zwisc hen 3;1 und 4:1
86
3 Arbeitsweise, Baufor men und konstrukti ve Ausführung von Motorrad motoren
Tab elle 3.4 Rotierende und oszi llierende Massenan teile beim Kurbcltrich Roue r end e Mas M' ß
O szüüe r cnd e I\lassl'n
Hubzapfen der Kurbelwel le
Kolben
Kurbclwcll c nk rö pfu ng
Kolbe nr inge
Hubzap fenlager
Kolbcnbolzcn
rotie render Pleuela nteil
Kolbenbolzen siche ru ng
ee- Rotie rende Masse nk raft Fm'
=> Oszillierende Massenhaft I'~"
osz il lierender Ple uelant eil
Die Bauteile des Kurbel triebs, an denen aufgrund ihrer Beschleunigung äußere Massenkräfte angreifen, sind in Tab elle 3.4 noch einmal zusammengefasst. Vereinigt ma n die rotierende n Massen zu einer Gesamtmasse mit Schwerpunkt im Hupzapfen. so kann die rotiere nde Masse nkraft leicht ausgeglichen werden, indem auf der Gegenseite des Hubzapfens ein Ausgleichsgewicht angeordnet wird. Dessen Masse und Schwerpunkt (wirksamer Radius) müssen so abgestimmt sein. dass die entstehende Fliehkraft die Massen kraft am Hubzapfen gerade ausgleicht. Bild 3.49. Diesen Unwuchtausglelcli bezeichnet man als den rotatorisehen Massena usgleich, Durch die gegenseitige Aufhe bung im System werden F rol.l und F ro l .2 zu inneren Kräften und brauchen zunächst nicht meh r betrachtet werden. Im Vorg riff sei an dieser Stelle bereits erwähnt, dass alle Mehrzylindermotoren . deren Kurbelwellen symmetrisch aufgebaut sind. hinsichtlich der rotierenden Massenkräfte immer ausgeglichen sind.
Fosz
Es sind nur Mass enkräfte dargestellt
Frot 1 = Kraft aller rotierenden Massen Frot 2 = Fliehkraft der Ausg!eichsmasse
Ausgleichsmasse (Gegengewicht) Frot ,2 Bild 3.49 Ausgle ich de r rotierenden Massenkraft durch ein Gegengewicht an der Kurbelwelle
3.5 Gas- und Massen kräfte im Motor
87
Als äußere Kraft greift jetzt nur noch die oszillierende Massenkraft a m Kolben an, wobei alle oszillierenden Massen aus Tabelle 3.4 in einer oszillierenden Gesamt masse nlK zusammengefasst werden. Da der oszillierenden Massenkraft keine Kraft entgegenwirkt, wird sie über den Kurbeltrieb und den Motorblock in den Rahmen des Motorrads eingeleitet. Dort regt sie Schwingungen an. die als Vibrationen spürbar werden. Man bezeichnet sie deshalb auch als freie Massenkraft. Zum Ausgleich der oszillierenden Massenk raft liegt der Gedanke nahe, diesen analog zum rotatorise hen Ausgleich mittels einer Ausgleichsmasse zu bewerkstelligen. Wie sich dies bei verschiedenen KurbelwellensteIlungen auswirkt, ist im Bild 3.50 dargestellt. In der OT-Stellung des Kolbens (I), also bei maximaler Masse nkraft. gelingt z unächst ein vollständiger Ausgleich. wenn man die Gege nmasse und ih re Anordnung auf der Kurbelwelle so wählt, dass die resultierende Fliehkraft genauso groß wird wie die maximale Massenk raft am Kolben. Bei einer a usgelenk ten Lage der Kurbelwelle (Kurbelstellung 11 ) hingegen, funktioniert dieser Ausgleich nicht mehr in der gew ünschten Weise. Die oszillierende Massenk raft nimmt jetzt analog zum Kurbelwinkel u (GI. 3-24) ab. Die Fliehkraft. die ja immer radial nach auße n gerichtet ist, ändert aber ih re Richtung. Zerlegt man sie in die beiden Hauptachseichtungen, so gleicht zwar ihre Y-Komponente gertau die oszillierende Massenkraft a m Kolben aus, es bleibt aber die X-Komponente der Fliehkraft als neu entstandene Kraftkomponente unausgeglichen übrig. Zylinder-
Fosz
y r"~
Es sind keine rot ierenden, sondern nur die oszillierenden Massen und deren Massenkräfte dargestellt
~uerachse X
,•
i Fosz = 0 i (Beseht. = 0)
.
Stellung 1
Stellung 11
lOl
Stellung 111
,
.,., Fx = FFli(lh · sin
,
,
FFlie~
.
Cl
Fy=FFlilltl *cos a
Biltl 3,50 Ausgleich der oszillierenden Massenkraft beim Einzylindermotor mit tels Gege ngewicht
88
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstru ktive Aus führu ng von Motorradmotore n
- - - -. >.-
11 OO%-Ausgl eich am Gegeng ewicht
X-Ko mpo nente der Fliehkraft an der Ausgleichsmasse
o
r . ..
,
,
,
-, -. ,
,•
<, ,
,
,
,
,
. .•• -
" -,
90
---,
1'", / <,
V-K omponente der Fliehkraft an der Ausqletcbsmasse
o
Pleuellärme _
/
<,
,
co , d .h. A - 0
.>
I/
", "
~ /
/
/
---
oszillierende Massenkraft (ohne Ausgleich)
180 Kurbelwinkel
rJ
270
360
Blld .\.51 Massenkraftverläufe beim Einzylindermotor mit IOO% -Ausgleich
In der 90 °-Stellung (111) der Kurbelwelle wird (Pleuellänge --+ (0) gemäß GI. (3-24) d ie osz illierende Massenk raft zu Null, dafür erreicht jetzt die X-Kompo nente der Fliehkraft ihre n Ma ximalwert. Rechnet man d ie oszillierende Masse nkra ft und d ie Fliehkraft am Gegengewicht fü r alle Kurbelstellungen eines Umlaufs du rch. so ergeben sich die im Bild 3.51 gezeichneten Verläufe für diej eweiligen Kraftkomponenten. Bei einer Überlage ru ng aller Kraft verläufe bleibt die X-Kompo nente der Ausgleichsmasse nkra ft übr ig. Sie ist dam it die resu ltierende, jYeie Massenkraf t des Einz ylindermo tor s mit Ausgleichsgew icht an der Kurbelwelle ( IOO% -Ausg leich). Ma n erkennt, dass der vollständ ige Massenausgleich beim Einzy li nder mittels eines einfachen Gegengewichts an de r Kurbel welle nicht nu"jg lich ist und z u keiner Verminderung der Kraft ampl itude fü hrt. Das Gegengew icht bewirkt led igl ich eine Phasenverschiebung der Massenk raft um 90 °. was in der Praxis (vgl. Bild 3.50 ) bedeutet. da ss sich d ie Wirk richtung der oszilli erenden Ma ssenkraft von der Zylinde rachse zur Querachse der Kurbelwelle verlagert hat. Diese Änderung der Kraft richt ung kann sich allerdings durchaus vortei lhaft ausw irken. Die Richt ungsänder ung einer Errege rkra ft fü r Bauteilschwingungen führt infolge des richtu ngsabhängigen Übertragungsverhaltens u.V. zu einer spür baren Verminderung der Schwingungs inte nsität. d.h . die spü rbaren Vibrationen könne n verringert werden. In der Pra xis wi rd bei Einzy linde rmotoren meist der 50%-Ausg leich angewandt. Das Gegengewicht wird nur so g roß gewä hlt. dass der halbe Maximalbetrag der im OT auftre tenden oszillierenden Massenkra ft ausgeg lichen wir d. Damit bleibt d ie Größe der Gegenmasse und d amit da s Gesamtgew icht der Kurbelwelle noch in akze ptablen Grenzen, u nd d ie Amplituden der Massenkraft in Zylinderrichtung u nd quer zur Kurbelwelle werde n immerhin halbiert. Bei ausgefüh rten Konst ru ktionen setzt sich dan n das Gegengewicht an der Kur belwelle aus de r Masse
89
3.5 Gas- und Massen kräfte im Motor
zum Ausg leich der rotatorisehen Massenkräfte und der Masse für de n Ausgleich der oszillierenden Massen kräfte zusammen. Viele Beispiele im Motorradbau beweisen, dass der einfache 50%-Ausgleich bezüglich Vibraticnsverhalren. Bauaufwand. Kosten und Gewicht einen günstigen Komprom iss da rstellt. Es sei hier aber nochmals betont, dass ein Ausgleich de r freien (oszillierende n) Massen kraft im eigentlichen Sinn nicht stattfindet. den n die Summen amplitude der Massen kraft bleibt bei dieser Art des Massenausgleichs unverändert. Bislang wurde der Einfluss des realen Pleuels ausgeklammert, weil das Pleuel als unendlich lang angenomm en wurde. Bevor wir aber z um echten Ausgleich der Massenkräfte beim Einzylinde rmotor kom men, muss dieser Einfluss noch betrachtet werde n. Wie schon erwähnt, ber ücksichtigt die Berech nungsgleichung für die osz illierende Masse nkra ft die reale Pleuellänge dur ch den Ausd ruck A cos 2a (GI.3-24). Bei üblichen Pleuellängen in ausgeführten Motoren erhöht sich die Massenkraft gegenüber dem unendlich langen Pleuel um ca. 25 % . Weiterhin geht der Kurbelwinkel a in die Masse nkraftberechnung mit dem Faktor 2 ein. Wir fü hren als Abkürz ung für die Krafta mplitude in GI. (3-24) de n Ausdruck A = m k ' r 'w 2
(3-25)
ein und for men GI. (3-24) um in Fosz =A cos c + A ' A ' cos zc I. Ordnun g II. Ordnung
(3-26)
Die oszillierende Massen kraft setzt sich beim realen Motor also aus zwei Komponenten zusammen. die wir oszillierende Massenkraft l. Ordnung und oszillierende Massenkraft I/. Ordnung nennen. Diese Bezeichnungen leiten sich aus der Reihenentwicklung der Bewegu ngsgleichung für den Kolben ab. Sie kennzeichnen, dass die Massenk raft bei der ersten Ordnung mit dem Kurbelwellend rehwinkel und bei der 11. Ordnung mit dem doppelten Drehwinkel (2a) bz w. mit doppelter Frequenz umläuft. Die zweite Ord nung hat Ko nsequenzen für den Masse nausgleich mittels Gege ngewicht, wie e r im lIild 3.5 0 da rgestellt ist. Da die Y-Komponente de r Fliehkraft am Ausgleichsgewicht eine Cosinusfu nkt ion des Kurbelwinkel a ist, die zweite O rdnung aber mit doppeltem Kurbelwin kel umläuft (2a). kann diese durch das Gegengew icht nicht beeinflusst oder ausgeglichen werden. Für den Massenausgleich II.Ordnung müsste ein Gegengewicht ebenfalls mit doppeltem Kurbelwinkel (= doppelter Drehzahl) umlaufen. Für den Einzylinde rmotor lautet daher das Gesamtergebnis unserer Betrachtungen: Der Einzylindermolor ist mittels eines einfachen Gegengewichts an de r Kurbelwelle bezüglich der Massenkräfte I. und 11. Ordnung nicht ausgleichbar. Bei der I. Ordnung gelingt ein teilweiser Ausgleich, der aber eine neue Kraftkomponente quer zu r Kurbelwelle hervor ruft . Einen echten Ausgleich fü r die Masse nkräfte I. Ordnung bietet ein Bauprinzip. wie es im Bild 3.52 dargestellt und bei modernen Einzylinderkonstruktionen we it verbreitet ist. Gegensinnig zur Kurbel welle rotiert im Moto r eine Ausgleichswelle mit einer Unwuchtmasse . Diese ist so ausgelegt. dass die entstehende. senkrechte Fliehkraftkomponente ge rade 50% de r osz illierenden Massenkraft ausgleicht. Die verbleibenden 50% werd en durch das Gege ngewicht an der Kurbelwelle ausgeglichen. Die waagerechten Komponenten der Fliehkräfte a n Kurbelwelle und Ausgleichswelle sind jeweils entgegengesetzt und heben sich da mit auf.
90
3 Arbeitsweise, Bauformen und konstruktive Ausführung von Motorradmotoren
Fosz
Es sind nur oszillierende Massenkräfte da rgestellt
Ausqretcnsweue (Kurbelwellendrehzahl)
,
//-r- -, I
,
,"
--~---
,
...II --
'-
, I
-
,/
,I
F'x
>"';C-~'F ' y
Ausgleichsmassen (Gegengewichte)
Bild 3.52 Massenkräfte und Ausgleich I.O rd nung be im Einzylindcrmolor mit Ausgleichswelle
Bild 3.53 zeigt d ie konstruk tive Verwirklichung dieses Massenausgleichs am Beispiel eines Einzyli ndermot ors. Ein Nachteil d ieser Lösung mittels einer Ausgleichswelle ist da s una usgeglic hene Ma ssenmoment , da s durch den Abstand zwischen Ausgleichswelle und Zylinderachse entsteht. Die Ausgleichswelle ist dah er so anzuordnen. da ss dieser Abstand und damit de r Hebelarm a fü r da s Moment möglic hst gering wird . Soll da s Entstehen eines Massenmomentes verm ieden werden, muss man die Ausgleichsmassen auf zwei Ausgleichswellen mit je 25 % Ma ssenau sgleich verteilen und diese symmetrisch zu r Zylinderachse anordnen, Bild 3.54. Der Platzbedarf für zwei Wellen und de r konstruktive Aufwand für den Antrieb sind jedoch erheblich. weil beide Wellen zueinander g leichsinnig, abe r gegensinnig zur Kurbelwelle rotieren müssen.
Unausgeglichen bleibt bei allen Systemen immer noch die Massenkraft 11. Ordn ung. Obwohl sie wege n de r höhe ren Frequenz der resultierenden Vibrati onen häu fig als sehr störend empfunden wird, verzichtet man beim Einzy lindermotor auf diesen Ausgleich. weil sie betragsmäß ig nu r etwa 1/4 der Massenk raft I. Ordnu ng au smacht. Wollte man d ie Massenkraft II. Ordnun g ebenfalls ausgleichen. brauchte man zwei weitere Ausgleichswellen im Motor, die mit doppe lter Kurbelwellendrehza hl rotieren müssten , um Fliehk räfte doppelte r Frequenz zu erzeugen. Der Aufwand für d iesen Vollausgleich mit dan n insge samt vier Ausgleichswellen wäre g rößer als der Bau eines Zweizylindermot ors, bei dem ein weitgehender Massenau sgleich allein durch die Bauart erreichbar ist. Es sei an die ser Stelle auch erwähnt, da ss die zusätzlichen Wellen nicht nur das Motorgesamtgew icht erhöhen. sondern aufgrund ihres Massenträ gheitsmoments auch da s dynamische Ansprechverhalten des Motors (trägeres Hochdre he n) verschlechtern und dam it da s Beschleu-
3.5 Gas- und Massenk räfte im Motor
91
AusgleichsweIle
Ausgleichswelle
Biltl .l:-3 Konstrukt ive Lösung zum Massenausgleich I, Ordnung beim Einzyli ndermotor
100% Fo~
0%
50%
100% Fo~
0% , Fosz
Ausgleichswellen (gegenläufi g zur Kurbelwe lle aber mit gleicher Drehzahl drehend)
50%
Bild 3.:-4 Massenausgleich L Ord nung mit zwei Ausgleichswellen bei m Einzylindermotor
92
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstruktive Ausführu ng von Motorrad motore n
nigungsverm öge n (Kap. 2.2.2). Zudem erzeuge n die mit hoher Drehza hl im Motor rotie renden Wellen einen erheblichen Ventilationswiderstand und verm inde rn da mit d ie effekt ive Motorleistung. Beim Zweizylindermotor bietet sich d ie Mög lichkeit, durc h einen Versatz der Hubzapfen die oszillierende n Massen zu kompen sieren. Die entsprechende n Kraft verhältnisse sind im Rild 3.55 dargestellt. Durch gege nüberliegende Kurbelwellenk röpfungen (Versalz von 180°) wird erreicht. da ss die Kolben entgegengesetzte Laufri chtungen haben. Dadurch bekommen die osz illierenden Massenkrä fte I. Ordnung gegensinnige Richtungen und heben sich auf. Da aber nach Bild 3.45 und GI. (3-24) d ie osz illierenden Massenk räfte zw ischen Aufwärts- und Abwärtsga ng des Kolbens unterschied lich sind, gelingt der Ausgleich nicht vollstä ndig, und es bleibt eine kleine, allerd ings unbedeutende, Restkraft übrig. Eine Massenwirkung nach au ßen ergibt sich aber dennoch, weil die osz illierenden Massenkräfte ( Kräfte paar) infolge des Zylinde rabstandes a (Hebelarm) ein Drehmoment erzeugen, das den gesamten Motor um eine senkrecht zur Kurbelwelle verlaufende Achse zu drehen versucht. Dieses Massenmoment l. Ordnung läuft mit Kurbelwellendrehza hl um und führt ebenso wie eine freie Masse nkra ft zu einer Schwingungs anregung am Motorrad. Dieses Moment ist mit Gege ngewichten nicht ausg leichba r, daher ist ein möglichst geringer Zylindera bstand anzustreMassenmoment
Gegengewich te
Gegengewichte
Die Gegengewichte dienen zum Ausgleich des Momentes, das auch die rotierenden Massen aulgrund des Hebelarmes erzeugen. Die rotierenden Massenkr äft e sind aulgrund der Symmetrie und der gegenüberliegenden Massen ausgeglic hen
Bild 3.55 Oszillierende Massenk räfte beim Zweizy lindermoto r mit 18()O-Kröpfung
3.5 Gas- und Massen kräfte im Motor
93
ben, um über einen kleinen Hebela rm das Moment zu minimieren. Die im Bild gezeichneten Gegengewichte an der Kurbelwelle werde n bei m Zweizy lindermotor benötigt, um das Moment, das sich aus den rotierenden Masse nkräften (nicht eingezeichnet) ergibt, ausz ugleichen. Die rotierenden Massenkräfte selbst sind ja durch den Hubzapfenve rsatz ausgeglichen, nicht aber deren Momente. Die Gege ngewichte verringern auch die Kräfte in den Kurbelwellenhauptlagern und die Biegebeanspruchung der Kurbelwelle. Denn ohne Gegengew ichte würden die Kräfte aus den rotierenden Massen über die Lagerstellen de r Kurbelwelle geleitet, während sie mit Gegengewichten am Entstehungsort kompensiert werde n. Am Beispiel des Zweizy lindermotors soll nun das sehr anschau liche Verfahren der Zeigerdarstellung zur Ermittlung der Massen kräfte bei Mehrzylinder motoren erläutert werden. Damit können auf einfache Weise auch die Massenkräfte IL Ordnung bet rachtet werden. Es kann angewendet werden bei allen gebräuchlichen Reihenmotoren mit einem Hubzapfen fü r jeden Zylinder. Dem Verfahren liegt zugru nde, dass man sich jeden Mehrzylindermotor auch zusa mmengesetzt aus separaten Einzylindertriebwerken vorstellen kann . Man trägt die Massenk räfte nacheinande r für jedes Einzeltr iebwerk in Zylinderachsrichtung auf, verdreht dabei aber die Kraftrichtungen des jeweils nächste n Zylinde rs um den Winkel, den seine Kurbelkröpfung gegenüber dem ers ten Zylinder versetzt ist. Bild 3.56 veranschaulicht diese Vorgehensweise, die oft auch ..Au fzeichnen des Kurbelsterns" genannt wird. Ma n zeichnet in einen Kreis die Kurbelwellenkröpfungen a ller Zylinde r mit ihren Winkelabständen bezogen auf den ersten Zylinder ein. Bego nne n wird bei 0 mit dem ersten Zytin0
-
,
,I
Zyl. 1
-
270 ·
-
1. - 90' , , I
180· Zyl. 2
360 0
0'
,I I
Zyl. 1
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Zyl. 2 .i~ Zyl. 1
90'
------
Zyl. 2
_____1i!, ,I ,I I
180'
180 0
Kurbelstern
Kurbelstern
I. Ordnung
11. Ord nung
Rilt1356 Kurbelstern des Zweizylindermotors mit nmo-KTÖpfung
_
90'
94
3 Arbeitswe ise, Bauform en und konstru ktive Aus führu ng von Motorrad motore n
der. Pfeile in Richtung der Kurbelwellenkröpfung symbolisieren die Massenkräfte I. O rdnung (Kraftve kroren).'! Die Übe rlagerung der Richtungspfeile ergibt dann die ges amte fre ie Massenkraft I. O rdnu ng, d ie nach auße n wirkt. Im gezeichneten Beispiel des Zwe izy linde rmotors m it 1800 Kurbel wellenkröpfung müssen also zwe i Richtu ngspfeile genau e ntgege ngese tzt eingetrage n werde n. Sie heben sich auf. d.h. der vorliege nde Zwe izy lindermotor hat keine freien Massen kräft e I. O rdnung. Analog zur I. O rdn ung we rden zu r Bestim mung der fre ien Massenk räfte 11. Ordnu ng wiederu m Richtu ngspfeile ruf die Kurbelwelle nkröpfungen eingetrage n. Weil abe r d ie Massenkräfte 11. Ordnu ng mit doppeltem Ku rbelwinkel um lau fen. müssen je tzt die Winkel zw ischen den Krö pfu ngen verdoppelt werden. Das heißt in u nserem Beispiel, dass der Richt ungspfeil fü r d ie ers te Kröpfung be i 0 0 bleibt (2 . 0° = 0°). de r der zw eiten Kröpfung aber bei 360° (2 . 180° = 360°) einge trage n werde n muss. Als Resultat aus de r Überlage ru ng erg ibt sich. dass dieser Zwe izy lindermotor ei ne doppelt so g roße freie Ma ssenk raft 11. O rdnung aufwe ist. wie das entsprec hende Einze ltriebwerk. Wegen der gleichen Richtung der Massenk räft e 11. O rdnu ng ist das resultierende Moment aus beiden Kräften Null. Die weitere Anwe ndung dieses Verfa hrens fü r die gebräuchlichste n Reih enmotoren beim Motorrad sow ie die Ergebnisse bezüglich der fre ien Massenk räft e ze igt Bild 3.57. Mit den u ntersc hiedliche n Richtungspfeillängen für d ie 1. und IL Ord nu ng wird in der Darstellu ng berücksicht igt, dass die Massenkrä fte 11. O rdnung entsp rec hend de m Faktor A nu r etwa 25 % der Massenkrä fte I. Ordn ung betragen . Wie ma n sieht. we ist de rbeim Moto rrad weit verbreitete Vierzylinde rre ihenmotor die vierfac he Massenkraft 11. O rdnung des Einzeltr iebwe rks auf. Dies res ultiert aus der gleichen Richtu ng der Einzel kräfte de r Zylinde r. Die Massenkraft 11. O rdnung wir d damit nach außen deutlich spürbar. Die aus d ieser Kraft anregung resultierenden Vibrationen in Lenker und Fußrasten des Motorrades werden als besonders unangenehm em pfunde n. weil sie im Vergleich zur I. O rdn ung ei ne höhere Frequen z aufweisen. Hinzu kommt, dass Vierzylindermotore n in der Regel hochd rehend ausgelegt werde n, was von Haus aus hohe Massen kräfte hervorruft . weil d ie Drehzahl in d ie Berech nung der Massenk räfte quadratisch eingeht, vgl. GI. (3-24). Für derartige Motore n ist es da her äußerst wichtig, d ie Kurbeltriebsbauteile leicht z u ges talten und das Pleuelslangenverhältnis klein zu halten durch kurzen Hub und g roße Pleuellän ge. Vielfach werden auc h Ausg leichswellen verwendet. Da diese unwucht igen Wellen mit doppelter Drehzah l rotieren müssen. begn ügen sich manc he Hersteller mit einem Teila usgleic h. um die Lagerk räfte für diese Wellen und dam it die Dimensionieru ng und de n Platzbedarf k lein halten zu können. Bild 3.58. Wegen des Abst ands zw ischen Ausg leichswelle un d Zylinde rachse wird wiede rum ein fre ies Massenmoment zwe iter O rdnung erzeugt. Das kan n nur elim iniert werden. we nn zwei Ausgleichswellen verwendet werde n. d ie be idse itig und sym metrisc h z ur Kurbelwelle angeor dnet we rde n. Bild 3.59. Mit zw ei Wellen heben sich auch d ie Hori zontalkomponenten der Fliehkra ft, d ie je de Ausg leichswelle erze ugt , au f.
11 Da in de r Regel die oszillierenden Massen bei allen Zylindern gleich groß sind. sind auch die Pfeillän gen gleich. so dass d ie Beträge de r Massenk raft nor malerwe ise keine Ro lle spielen. Der e rläute rte Unte rschied z wischen Auf- und Abwärtsbeweg ung des Ko lbens. de r beim vorliegenden Zweizylinderm otor für eine Restk ra ft sorgt. wird meist vernachlässigt.
3.5 Gas - und Massen kräfte im Motor
95 360·
O'
2- Zyl. Reihe
270.(D90.
360·
180 0 3- Zyl. Reihe O' I
270 ·
--~-, 90· ,,
1 O' 4-Zyl. Reihe
O'
,
270·
--.$.-90· ,, , I
'80'
4-ZyL Reihe 90"
O'
/1'.c:.-
360·
360·
180·
180·
Kurbelsterne I. Ordnung
Kurbelsterne 11. Ordnung
-l- '4J~
Bild J .s7 Kurbelsterne und freie Massenkräfte für Zwci-, Drei- und Vierzylindermotoren
Eine elegante Lösung für den Massenausgleich beim 4-Zyli nderreihenmotor bietet die nichtebene Kurbelwelle mit 90· -Kröpfung. Wie im Bild 3.57 gezeigt, ist dieser Motor bezüglich der Ma ssen kräft e I. und Ir. Ord nung vollstä nd ig ausgeglichen. Trotzdem wird d iese Bauart im allgemeinen nicht für Serienmotoren verwe ndet, weil sie beim Viertakt er einen u ng leichmäßigen Zünd abstand erzwingt. Dieser hat ein en ungleichmäßigen Drehk raftverlauf mit tendenziell ung ünstiger Drehschwing ungsanreg ung der Kurbelwelle zur Folge. Die Ausw irkungen auf de n Ladungswechsel hängen von der strömungsmec hanischen Gesamta uslegung ab und müssen nicht zwingend nachteilig sein. Es wird behau ptet, da ss der ungleichmäßige Drehk raft verlauf
96
3 Arbeitsweise, Baufor men und konstruktive Ausfü hrung von Motorrad motoren
Kawas aki GPZ 900 R 4- Zylinder-Reihenmotor
900 ccm
ebene Kurbelw elle (0' / 180'-Kröpfung)
Bi ld .t 5K
1 Ausgleichswelle
Te ilweiser Ausgleich der Massenkrä fte 11 . Ordnung beim Vierzy linde rreihenmotor durc h e ine Ausg leichs welle
Kurbelgehäuse Unte rteil
Ausgleichswellen Bi Id 3.59 Vollstä ndiger Ausgleich der Massenkräfte 11. Ord nung beim Vicrz ylindcrrci henmolor d urch zwei Ausgleic hswellen
3.5 Gas- und Massen kräfte im Motor
97
im Extremeinsatz (MotoGP) eine besse re Dosierbarkeif der Leistung er möglicht und den Hinterrad reifen weniger beansprucht. Jede nfalls hat YAMA HA dieses Motorprinzip ("big bang Motor") sehr er folgreich im Rennmotorr ad M I fü r die MotoGP eingesetzt und für das Mo delljahr 2009 auch in seinen Straßen-Supersportler YZF-R I) übernommen, siehe Kapitel 3.7. Der eingangs behandelte Zweizylinde rmotor mit 180°-Kröpfung hat übrigens ebenfalls einen ungleich mäßigen Zündabstand für die beiden Zylinder (180° und danach 540°). Deshalb werden Zweizylinderreihenmotoren (bei Viertaktern) manchmal auch als so genannte Parallelt wins mit gleichläufigen Kolben (Kröpfungs- und gleichmäßige r Zündabstand von 360°) gebaut, trotz der dam it verbundenen Nachteile für den Massenausgleich. Die klassischen englischen und italienischen Twins (z. B. NORTON, TRIUMPH, LA VERDA) bevorzugten diese Bauart bis in die 70er bzw. 80e r Jahre und auch YA MAHA verwendete dieses Prinzip in der XS 650. In j üngster Zeit g reift BM W bei der in 2006 vorgestellten F 800 wieder auf die Bauweise des Parallelt wins zurück. Für den Massenausgleich entwickelte das Unternehmen die im Serien-Motorradbau einzigartige Lösung mit einem Schwen kpleuel. Bild 3.68. Diese Bauart und die resultierenden Vorteile werden später in diesem Kapitel noch näher erläutert. Mit einem Kompromiss versucht YAMA HA im Modell TOM 850 de n Zielkonflikt zw ischen Massenausgle ich und Zündabsta nd beim Zweizylinder-Reihenmotor zu lösen. Die Hubzapfen Sind bei diesem Motor um 90° versetzt angeord net (bzw. um 270° im Uhrzeigersinn gezählt). Dadurch ergebe n sich gew issermaße n jeweils nur die " halben" Masse nkräfte erster Ordnung gegenüber dem Parallelt win (wenn ein Zylinder im OT steht, befindet sich der andere bei 90°, d.h. seine Masse nkraft ist dann Null). Die Massenkräfte zweiter Ordnung sind bei dieser Krö pfun gsa nord nung ausgeg lichen, Bild 3,60. Der Zündabsta nd bleibt zw ar ungleichmäßig, verringert sich aber jeweils um 90°, d.h. der Zündungsversetz beträgt 270° und 450°. Die Massen momente können mit dem Kurbelste rn allein nicht ermittelt werden, weil zusätzlich die räuml iche Lage der Kraftvek toren bekan nt sein muss. Dies ist nur bei ebe nen Kurbelwellen
360
0
360
0
0
0
0
0
I
Zyl.1
270
90
0
Zyl.2
0
270
0
Zyl.
- ----
~----
, I
90 0
Zyl.
' 2
180 0 Kurbelstem I. Ordnung
I
1800 Kur1:>elstem 11. Ordnung
Riltl .l 60 Ausgleich der Massenkräfte bei einem Kurbelversatz von 270° (YAlI1AIfA TDM 850)
98
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstruktive Ausführu ng von Motorradmotoren
einfach. Bei nichtebenen Kurbelwellen mit mehr als d rei Zylindern wi rd d ie Vekt oraddit ion im Raum und deren ze ichnerische Darstellung aufwändig. Daher entnimmt ma n d ie freien Massenmomeme, wie auch die freien Massenkräfte. üblicherweise aus entsprechende n Tabellen
[3.9. 3.101· Massenm omente lassen sich analog zu den Kräft en mittels Ausg leichswellen eliminieren . Ein Ausfü hrungsbeispiel für den Momentenausgleich bei einem Dreizylindermotor mit 1200 Kröpfungswinkel zeigt Bild 3.61. Das Massenmoment I. Ordnung wird du rch eine unterhalb der Kurbelwelle liegende Welle mit zwei versetzten Gegengewichten. die ein gege nsinniges Moment erzeuge n, vollständ ig ausgeglichen. Das (kleinere) Massenmoment 11. Ord nung bleibt unbeeinflusst. Das Gesamtgewicht des Motors wird durch d ie Ausg leichswelle bei dieser Konstruk tion übrigens nur unwesentlich erhöht, weil diese z ugleich als Abtri ebswelle dient, die das Drehmo ment von der Kurbelwelle an die Kupplung weiterleitet. Neben den bisher ausschließlich behandelten Reihe nmotoren sind im Moto rradbau auch Motoren mit ause inanderliegenden Zylindern, vorzugsweise in Boxer- und V-Anord nung, weit verbreitet. Für diese ist d ie unmittelbare Anga be von freien Massen kräft en und Masse nmome nten an hand der Kurbelsterne nicht mög lich, sondern es muss jeweils die Zylinde ranordnu ng be rücksichtigt werden. Für d ie Motorbauarten Zweizy linder-Boxermotor und Zweizylinder-VMotor sollen daher d ie Massen krä fte und Massenmomente näher betrachtet werden. Der Zweizylinder-Boxermotor, Bild 3.62, weist mit 1800 Kröpfungswinkel der Kurbelwelle gleiche Verhältnisse wie der Zweizylinderreihenmotor auf. Nur laufen durch d ie gegenübe rliegenden Zylinder beide Kolben gleichsinnig, - beide bewegen sich gleichzeitig zum OT hin oder vom OT weg - aber mit genau entgege ngesetzter Kraftrichtung. Den Zweizylinder-Boxermotor kann man sich daher auch zusammengesetzt aus zwei Einzylindermotoren denke n, die gegenüberliegend angeordn et wurden. Infolge dieser Anordnung sind alle auftretenden Kräfte am Einzeltriebwerk spiegelsymmetrisch zur Kurbelwellenachse und heben sich damit vollstä ndig auf.
Bild 3.6 1 Ausgleich des Masscnmomentes I. Ordnung beim DreizylinderReihenmotor
99
3.5 Gas- und Massen kräfte im Motor Masse nmoment
(aus den oszillier8'lden Massenkrä fttll )
,~.
0 52 . 1
Gegengewichte (ZI,I' Komp8'l sation dElr Mom8'lte
aus den rotiere nde n Massen)
Bild 3.62 Kräfte und Momente beim ZweizylinderBoxermotor
Der Zweizylinder-Boxermotor hat damit keine freien Massenkrä fte L und 11. Ordnung. Durch den Zylinderversatz erzeugen die Kräfte am Einzeltriebwerk jedoch Massenmomente I. und 11. Ordnung. Da die gegenüberliegende Anordnung der Zylinder aber nur einen Versatz um die Pleuelbreite und die Breite der Mittelwange der Kurbelwelle erfordert, sind die Massenmomente erheblich kleiner als beim Zweizylinderreihenmo tor. Ein drittes Lager (Mit tellager) ist daher für den Zweizylinder-Boxermo tor nicht nur wegen der größeren Baulänge ungü nstig, es vergrößert un nötig den Zylinderversatz und dam it die Massenmomente. Die gestiegenen Komfortansprüche der Kunden füh rten bei BA/W zu der Überlegung, auch beim Boxermotor eine Ausgleichswelle zur weitgehenden Tilgung der Massenmomente erster Ordnung einzuführen. Für die Boxer der neuen Generation (R 1200 OS) wurde eine einfallsreiche und besonders Platz sparende Lösung gefunden, Bild 3,63. Die Ausgleichswelle läuft innerhalb der Nebenwelle (zuständ ig für den Ölpumpen- und Nockenwellenantrieb) und die Ausgleichsgewichte sind nach außen versetzt. Das vordere Ausgleichsgewicht ist dabei als Unwuchtmasse im Antriebsza hnrad integriert. Der Antrieb (Übersetzung I : I) innen liegenden Ausgleichswelle erfolgt per Zahnrad von der Kurbelwelle (die Nebenwelle wird weiterhin über eine Kelle im Verhältnis I :2 angetrieben). Gegengewichte an der Kurbelwelle benöt igt der Zweizylinder-Boxermotor, analog z um Reihenmotor, nur zum Ausgleich der Momente, die die rotie renden Massen erzeugen. Es kann aber auch das aus den oszillierenden Massenkräfte n I. Ordnung resultierende Moment über die Gegengewichtsgröße beeinflusst werden. Dies ist im Bild 3.64 da rgestellt (Motor ohne Ausgleichswelle). Hier wurden drei verschiedene Gegengewichtsmasse n jeweils so groß gewählt, dass nicht nur die rotierenden Massen ausgeglichen werden, sondern zusätz liche Fliehkräfte in der Größe von 10%, 50% und 90% der maximal im OT auftrete nden oszillierenden Massenkräfte e ntstehen. Bei Auslenkung aus dem OT ergibt sich an diesen Gewichten eine Kraftkomponente quer zur Kurbelwellenachse. und sie erzeugen über einen Kurbelwellenumlauf sowohl Momente um die Motorhochachse (Z-Achse, Ebene X-V) als auch um die Motorquerachse (Y-Achse, Ebene X-Z). Das Diagramm stellt in einer Polarkoordinatendarstellung die Momentenverläufe um beide
100
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstruk tive AusfUhru ng von Motorrad motoren
Ausgleichsgewicht
Bild
J.6J
Ausgleichswelle Zweizylinde r-Boxermotor, BMW R 1200 GS. Das zweite Ausgle ichsgewicht ist im Antriebszahnrad (AZ) der Welle als Unwuchtmasse integriert.
Achsr ichtungen dar. Der geschlossene Kurvenzug entspricht dab ei einer Kurbelwellenu mdrehung, der radiale Abstand der Kurve vom Koordin atenn ullpunkt gibt den momentanen Wert des Momentes an. Beim 10% - und beim 90% -Ausgleich sind naturgemäß die Momente um die jeweiligen Achsen seh r ausgeprägt und erreichen hohe Spitze nwerte. Beim 50% -Ausg leich sind
101
3.5 Gas- und Massen kräfte im Motor
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Z
Resultierendes Massenmoment
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Resultierendes Massenmo ment
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Bild 3.64 Freie Massenmomente beim Zweizylinderboxermotor mit verschiedenen Gcgc ngcwichtsgröBen (ohneAusgleichswellet die Momente um beide Achsen gleich groß, dafiir sind aber die Momentenhöchstwerte um 20 bis 40% reduziert. Durch diese geringere A nregungsamplitude können je nach Rahmenbauar t. Übertragungsverhalten und Motoraufhängung die Vibrationen, die vom Motor verursacht werden. wirkungsvoll gemindert werden. Die Verhältnisse am Zweizylinder-V-Motor zeigt Bild 3.65. Im Gegensatz zu den bisher behandelten Motoren sitzen beim V-Motor zwei Pleuel auf einem Hubzapfen, wodurch die Kolben sieh gegensinnig bewegen. Bei einem Zylinderwinkel von 90° ist die Massenk raft I. Ordnu ng, wie im Bild dargestellt. vollständig mittels eines Gegengewichts an der Kurbelwelle ausgleichba r. Wegen des Versatzes der Zylinderachse um lediglich eine Pleuelbreite. sind die Masse nmomente bei diesem Motor unbedeutend klein, bzw, sie werden bei Moto ren mit Gabelpleueln zu Null. Bei kleineren Zylinderwinkeln als 90° ist die Massenkraft beim V-Motor durch ein Gege ngewicht an der Kurbelwelle nicht mehr ausgleichbar. Dennoch werden engere Zylinderwinkel (z.B. 45° bei Harley-Davidson und 60° bei Aprilia) bei längs eingebauten V-Motoren vorgesehen, weil nur dam it eine raumsparende Motorbauweise möglich wird. Zur Vibrationseindämmung und Massenkrafteliminie rung werden auch hier teilweise Ausgleichwellen eingesetzt. Aprilia verwendet zur Vermeidung eines neu Massenmomentes zwei Ausgleichswellen beim 60 0 -V-Motor der Aprilia Mille. Bild 3.66.
102
3 Arbeitsweise, Baufor men und konstruktive Ausführung von Motorrad motoren ~_-90 ' -~_
1.0 rdnun g
,,
Durch den OOo-Versatz ist die Resulbemde aus den OSli liierenden tvta ssenkräfl en immer ra dial n ach außen genctltet und ge lt durch die Drehachse der Kurbel welle . Sie wi rd da mit zu einer konstanten . um lauferden Kraft. die durd'l ein Gegengey.richt an da Kurbel we lle ausgeglichen verden kann
F,
Bild 3.65 Freie Massenkrä fte beim Zweizylinder-v-Motor mit 90· Zylinderwinkel
Bild 3.66 Massenau sgleich der Aprilia Mille, Zwe izylin der-V-Motor mit 60° Zylinde rwinke l
103
3.5 Gas - und Massen kräfte im Motor
,/,' FFlieh
Hubza pfen 1
I
'. \
1--...,i..# Y /~\ ,.
\
Resultierende aus den csaiherenden Masse nkrallen
DJrch den Hubzapfenvers
Riltl .l 67 Ausgleic h der freien Massenkräfte I. Ordn ung beim 1/0NlJA VTSOO Motor
Eine einfallsreiche Lösung, die einen Ausgleich der osz illierenden Mass en kraft I. Ordnung trotz eines kleinen Zylinderw inkels er möglicht, hat H ONDA ers tma ls im Modell VT 500 vorgestellt, Bild 3.67. Es handelt sich dab ei um einen unechten Zweizylinder-V-Motor, mit einem eige nen Hubzapfen für jeden Zylinder. Durch den Versatzw inkel ßzwische n beiden Hubzapfen kan n bei vorgege be nem Zyli nderwinkel a ein Gesamtmassenkraftverlau f für die erste Ordnung erze ug t werden. der einen Ausg leich durch Gegengewichte an der Kurbel welle ermöglicht. Anhand der Berechnungsg leichung für die Massenk raft. GI. (3-24), kann gezeigt werden, dass sich der notwend ige Versatzwi nkel ß bei vorgewä hltem Zylinde rwinkel a nach folgender, einfacher Bez iehung errech net:
ß~
1800
-
2a
(3-27)
Auf d ie Ableitung dieser Formel soll an dieser Stelle verzichtet werden. Der interessierte Leser kann dies anh and der angegebenen Gleichungen selbe r nachvollziehen. Als letztes Beispiel für einen u nkonventionellen Masse nausg leich bei einem Einzy lindermotor soll ein System vorgestellt werde n, das die Firma D UCATl fli re lnen Rennmotor verwi rklicht hat. Dieser Motor, de r aus der serienmäßigen DUCATI 851 mit Zweizy linder-v-Motor und 90 Zylinderwinkel entw ickelt wurde, ist mit zwe i Pleueln ausger üstet, von denen eines einen Schwing bebel mit Zusatzm asse betätigt, Bild 3,68. Diese Zusatzmasse bewegt sich auf einer Kreisbah n um den festen Lagerpunkt und erzeugt da mit eine (geringe) radiale Fliehkraft und, bedingt durch die Zwangsbeweg ung mittels des engelenkten Pleuels, eine tangentiale Masse nkraft. Q
104
3 Arbeitsweise, Bauformen und konstruktive AusfU hru ng vo n Motorrad motoren Das System entspricht einem 2-Zyl nder-V-MotO'" mit 90" Zylnderwin kel, bei dem der Kdben mit seiner Geradfü trun g durch den Sehwinghebel ersetz t ........eee . Oe Masse des SchwinghEbels erzeu g: eine rad iale Krall komp ooente OSld aufgrund der Zwan g!tlewegung du"eh das Nebenpleuel zusätzlid1 eine Massenlo"a11 in langen~ aler Rid1tUl!il. Sie gleicht damit die V-Kompon ente der Fliehkraft am Gegenge.Yicht aus. wobei itTe Größe v oo der Mom entanbeschl e lrli gung am Nebenpleuel bestimmt wird .
OT
Einige WInk elgrade nach OT
.
., - "
Bild 3.6H Massenausgleich mittels Schwinghcbel und Zusatzmassc bcim DUCATI Einzylindcrmotor Durch entsprechende Wahl von Anlenkpunkten, Hebellängen und Größe der Zusat zmasse kann das System so ausgelegt werden. dass zusammen mit dem Gegengewicht an der Kurbelwelle ein nahezu vollständiger Ausgleich der Massen kraft erzielt wird. Der Vorteil dieses Systems ergibt sich bei dem D UCA TI- M otor vor allem daraus. dass der Ausgleich nach dem Baukastenprinzip aus einem vorhandenen Motor abgeleitet werden konnte. Bauaufwand und Gewicht sind vergleichbar mit dem einer Ausgleichswelle. BMIY g riff dieses Konstruktionsprinzip für seine neuen F SOD-Modelle mit Zweizylinder-Reihen motor auf und entwickelte es für den Zweizylinder weiter, Bild 3.69.
Der Ausgleich der oszillierenden Massenkräfte erfolgt beim BMW F 800- Motor durch ein mittig auf der Kurbelwelle geführtes Gelen ksystem mit definiert angeord neten Gegengewichtsmassen : Ein um 1800 zu den Hubzapfen versetzte r Exzenter auf de r Kurbelwelle trägt ein sogenanntes Ausgleichspleuel. Dieses Pleuel ist an eine annähe rnd waagerecht angeordnete Ausgleichsschwinge angelenkt. Die Kinematik ist dabei so ausgelegt. dass sich das Ausgleichspleuel gegenläufig zu den beiden Motorpleueln auf und ab bewegt. Durch die Führung über die relativ lange Schwinge wird eine annä hernd geradlinige Schwenkbeweg ung des Pleuelkopfes erreicht (genau genommen besch reibt das kleine Pleuelauge eine leicht gekrümmte Bahn). Die Massenverteilung am Pleuel kopfund Schwinge ist so gewählt, dass die aus der Schwenkbeweg ung resultierenden Massenkräfte injeder Kurbelstellung denjeweiligen oszillierenden Massenkräften des Kurbeltriebs ( Kolben und Pleuelant eil) entgegen wirken. Dadurch wird eine nahezu
105
3.5 Gas - und Massen kräfte im Motor
Bild .\. 69 Massenausgleich mittels Gelenksystem m it Ausgleichspleuel beim BMW F lmO-Motor
vollständige Elimi nieru ng der Massenkr äft e erster und zwe iter Ordnung erzielt und ein vibrationsarmer Motorlauf erre icht. Der große Vor teil d ieser eleganten Konstruk tion liegt in ih rer Ger äuscharmut. weil ty pische Ant riebsgeräusche von Za hnrädern oder Kelt en entfallen. Es verringern sich zudem auch die Ventilat ionsverluste im Kurbelgeh äuse. weil de r Hebel statt der vollständige n Rotation einer Ausgleichsw elle nur Schwen kbewegungen ausführt. Zum Absc hluss der Betrachtu ngen zu m Masse nausgleich sind für d ie häufigsten Bauarten von Motor radmotoren die fre ien Massenkräfte- und Massenmomente in Ta belle 3. 5 noch ein mal
106
3 Arbeitswe ise, Baufor men und konstruk tive AusfUhru ng von Motorrad motoren
T a belle 3.5 Oszillierende (freie) Massenkräfte und Massenmomen te gebräuc hlicher Mo to rbau a rte n für Motorräder Zyl.Za hl
Baua rt Kröpfun gs win kcl
Massenkraft
Masse nk raft 11. O rd nung
Masse nmomen t I. Ord nung
Masse nmo ment
I. Ord nung ja
ja
nei n
nei n
11. O rdn ung
2
Reihe lSO°
nein
ja
ja
nei n
2
Reihe 360 0
ja
ja
ucm
nei n
2
Boxe r
nein
nein
ja
ja
2
V 90 0
ja , aber durc h Gege ngewicht a usgleichbar
ja
ne in, bzw. ve rnachlässigbar klein
ne in, bzw. ve rnac hlässigbar klein
2
V 450
ja
ja
nein
nein
3
0
Reihe 120
ncm
nein
ja
ja
4
Reihe ISO o
nein
ja
nein
nein
4
Reihe 90
nein
nein
ja
ja
4
Boxe r
nei n
nein
nein
ja
4
V 90
ja , abe r du rch Gege ngew icht a usg leichbar
ja
nein, bz w. ver nachlässigba r klein
nein, bzw. ver nachlässigbar klein
0
0
in übersichtlicher Form zusammengestellt. Ausfüh rliche Tabellen sind in [3.9 ] und [3.10] enthalten. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen. dass der Massenausgleich für Motorrad motoren insgesamt einen größeren Stellenwert als für Automobil motoren haI. Im Automobil kann die Einleitu ng der Massen kräfte und -momente in die Karosserie über speziell abgestimmte Motorlager wirku ngsvo ll beeinflusst werde n. Zude m sind die Massenkrä fte und -momente, die als Errege rkrä fte für Karosserieschwingu ngen wirken, klein im Verhältnis zur Karosseriemasse. Beim Motorrad ist nicht nur das Verhältnis von Erregerkr aft und Fahrzeug masse ung ünstiger. häufig ist auch de r Motor direkt und starr mit dem Rahmen verschraubt. weil de r Motor als tragendes Element bzw. zur Versteifung des Fahrwerks be nutzt wird. Damit herrschen ideale Bed ingungen für die Einleitung der Massenk räfte und Massenmomente in den Rahm en. Selbst Fahrwe rkskonzepte. d ie den Motor nicht in die tragende Struktur einbinden. bieten kau m ausreichend Baura um für eine effe ktive Motorlagerung. Die Entkoppelung zw ische n Motor und Fahrwe rk besc hrä nkt sich meist auf simple Gummilagerungen. Nebe n dem Kostengesichtspunkt (wirksame Motorlageru ngen sind teuer) spielt eine weitere Rolle. dass aufgrund der g rößere n Drehzah lspa nne eine gez ielte Abstimmung de r Motorlager sehr schwierig ist. Wie wirksam dagegen ein gu ter inn erer Massenausgleich allein aufgrund de r Bauart die Kräfte in de n Moto raufh dngungsp unkten reduziert. zeigt ein Vergleich zw ischen einem Zweizylinde r-Boxermotor und einem hubraumgleichen vierayhn derrei hen motor,jeweils
3.6 Motorkonzeption und geometrische Grundauslegung
107
Me/!.pU"1kl Molo" vom
ILOrdnung
Zylind1l'8chsrichlung
q-ZylmderReihenmotor
""
- --
Boxermotor ....... _ "'\. ' - \ '" ILOrdnung >. - LOrdnung
I ,..
\,
.Ordrung
Motordrehza hl [U/min]
Ri1t1 3.7U Kräfte in den Motorauthängungspunkten für zwei unterschiedliche Motorkonzepte
ohne Ausgleichswellen. Hild 3.70. Die Kräfte aus der 11. Ordnung und damit die Schwingungsanregung in der Motoraufh ängung steigen beim Reihenmotor steil an. Seine Kräfte L Ordnung sind aufgrund von Restunwuc hten im Kurbeltrieb bei höhere n Drehzahlen nicht völlig verschwunden (theoretisch wären sie Null). Beim Boxermotor erge ben sich die Kräfte als Folge der freien Massenmomente I. und 11. Ordnung (Pleuelversatz) sowie aus Restunwuchte n.
3.6 l\lotor konzeption und geomet r ische Grundauslegung Wenn mit der Entwicklung eines Motorradmotors begonne n wird, liegt seine Hubraumklasse in der Regel bereits fest. Sie wird wesentlich bestimmt von der angest rebten Marktposilion und vom Marktsegment , in der das Motorrad positioniert werden soll. Bei der Wahl der Bauar t spielen neben rein technischen Gesichtspunkten auch die Unternehmensphilosophie und Traditionen eine wesentliche Rolle. So wäre beispielsweise kaum denkbar. dass BMW auf seine Boxermotoren oder Harley-Davidson auf Zweizylinder-V-Motoren verzichtet. denn diese Motorenkonzepte sind fest in der jewei ligen Tradition der Firmen und Mar ken und damit auch im Bewusstsei n der Stammkunden veranke rt. Nachfolgend geht es um die technischen Kriterien und die Festlegu ng der geometr ischen Grundaus legung von Motorradmoto ren. Dabei erweist sich eine Betrachtung von Auslegungsdaten ausgeführte r Motoren als sehr nützlich. Bild 3.71 zeigt in einer Trendanalyse wie sich die spezifischen Motorleist ung ("Literleistu ng") von Motorradmotoren mit Hubräumen über 500 cm' in den letzten 30 Jahren entwickelt hat. Bei grundsä tzlich ähn licher Steigerung ist bei den Motoren der Supersportmotorräder im Hubraumbereich um 600 cm' der größte Fortschritt erzielt worden. Die prozentuale Darstellung der
108
3 Arbeitswe ise, Baufor men und konst ruk tive Ausfü hr ung von Motorradmotoren
160 ;;; 140 ~
;,.
,
120
•
100
•
80
8-
60
~ ~
~
•
~
~
~ .;;
•
40
Modellahr
1974
2004
Bild .\. 71 Entwic klung der Literleistung im Zen raum von 1974 bis 2004
Leistungs zu nahme bei den 600er-Motoren, Bild 3.72, zeigt. da ss de ren spezifische Leistu ng au f mehr als d as Doppelte erhöht wurde. M it Werten von run d 90 kW liegen die spo rtlichste n 600erdes Modelljahres 2004 aufdem Leistungsniveau. das käufliche 500e r Grand-Prix-Rennm aschinen (1) M itte der 80er Jah re aufwiesen. Und jene Motorräder waren teure Producti onracer (Stück preis 1987 > 60 .000 €) mit Zweitaktmotoren. Diese Entw icklung ist u mso erstaunlic her, weil die Grenzwe rte für Ge räusc h- und Abgasemissionen für Serie nmoto rräder von Mitte beziehungsweise Ende der 80er Jahre bis heute um mehr als d ie Hälfte gese nkt wu rde n. Der Übergang zu Vierventil-Zylinderköpfen mit ihre n größeren Strömungsquerschni tten (vgl. Kapitel 3.7.3) wa r eine notwendige Voraussetzu ng für diese Entw icklung. Bild 3.72 zeigt aber,
220%
'" 200%
-~,
I 500 - 600 cm' 2-Ventiler
<=
g' 180%
-•
s:
-' s:
•u • N • • ~
Co
4-Venti ler
=>
160% Hond a
140%
es eoo 35 kW
70.7 WVIl
120% 100%
/
/
I
-:
/
/: I
Ycmaha FZF-R6
90.5 kW 15 1 kWn
:/" 1974
Modelljah r
200'
Bi Id 3.72 Proze ntuale Steigerung der Literleistung bei 500/600 cm' Motoren von 1974 bis 2004
109
3.6 Motorko nzeptio n un d geom et rische G rundausleg u ng
dass zu Beg inn d ie Vierve ntiler kaum höhere spez ifische Leistunge n als die Zweiventilmoto ren aufw iesen. Die enormen Leistungen moderner Motorra d moto ren basieren auf der genauen Kennt nis des Ladungswechsels sow ie auf de n modernen Möglic hkeiten zu r co mputerges tütz ten Berech nung und Simu lation der Ström ungenvorgänge im Saug- und Abgastra kt (vgl. Kapitel 4). Eine wese ntliche Vora ussetzung ist jedoc h die kon sequente A uslegu ng der Motoren hi nsichtlich der Motormec ha nik u nd der geom etrischen G runddaten bei der Motorkonzept ion. De nn die Basisa uslegu ng des Motors, h ier im Wese ntli chen Hub u nd Bohrung bez iehungswei se da s Hub-/Boh rungsverhä ltnis, nehmen direkt und ind irekt erheblichen Einfluss au f da s späte re Leist ungspotenzial des Mo tors. In den Kapiteln 3.2 und und 3.5 w urde bereit s ku rz d ara u f verw iesen. Die Reib leistung u nd damit die inn eren Motorverl uste nehmen mit steigende m Kolb en hub zu, da d ie Kolbengeschw ind ig keit ansteigt. Ein kurze r Hub ermög licht bei g leicher Motorbauh öhe la nge Pleuel, die sich wiederu m gü nstig auf die Seite nk räfte am Kolben (ge ringe Reiba rbeit] und auf die Kolbenbeschleunig ung (ge ringe re inn ere Kräft e im Motor, damit leichtere Bauteile) auswirken. Eine g roße Boh rung scha fft Plat z für große Vent ile im Zylinde rkopf und sorgt für günstige Einströmve rhält nisse. Daher ist fü r moderne Hoc hlei stu ngsmotoren eine kurzhubige Bauwei se und ein k lein es Hub-Bohru ngsverhältnis anzu streben. Da aus the rmodynamischen G ründen de r Bohr ungsdurchme sse r wiederu m n icht zu g roß we rden darf, mü sse n Hochleistu ngsmotoren zw inge nd mehrzylindrig au sgefü hrt we rde n. Aus diesem G ru nde sind bereits alle 60 0 cmI -Motoren der Supersportler als Vier zylindermotoren kon zipiert. Eine von HONDA im Jahre 1991 veröffentlichte Studie [3.1 8J zeigt den prinzipiellen Einfluss der Bohrung und des Hubes auf die ges amthaften Motorverluste (Reibung, Pump- u nd weite re innere Verluste), Bild 3.73. Aus Bild 3,74 ist ersichtl ich, dass da s Hub-Boh rungsverhältnis in der 600 er-Klasse mit Steigeru ng der Liter leistung stetig abgesen kt wu rde. Deut lich wird aber auch, dass es offenbar ein Mi nimum für die Ku rz hubigke it g ibt. Modernste Motoren höchste r Lite rleistung zeigen berei ts wieder einen mode raten A nstieg. Unterhalb eines best immt en Absolutwertes (h ier 42 ,5 mm) wirkt sich offenbar der dann se hr kurze Expansionsweg thermodynam isch ungünstig aus.
_ _
-- -- --
---- ----
n = 9.000 U/min
n
=9.000 Ulmin
n
50
60
70
Zy linderbohrung [mm]
50
= 6_000 U/min
60
70
Hu b [m m]
Bild 3.73 Einf luss (schemat isch) von Bohrung und Hub auf d ie Motorve rluste (nach [3.18 ))
110
3 A rbe itswe ise , Baufor men und kon struktive Aus fU hru ng vo n Motorrad motoren 1,10
• ·S
1.1"
~
0,80
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070
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0.'" 0.40
80
71
105
87
120
120
147
151
spezifische Leistung [k wfi) Bild 3.74 Hub-Bohr ungsve rhält nis ausgefü hrter Motoren mit hoher Literleistung Au f den grunds ätz lichen Zu sammenhang z wische n hohen Motordrehza hlen und hoher Mot orleistung wurde schon im Kapitel 3.1 eingeg angen. Während d ie Dre hzahl eine rseits f ür die entsprechende Dyna m ik de s Ladungswechsels und hoh e Füll ung sorg t (Kapitel 3.2 und 4) , steigt natürlicher weisedie Reible istung an. Wie bereits vorstehend er wähnt, wirkt d ie kurzhubige Ba uweise dem entgegen . Die Steige rung de r Nenndreh zah l bei den 600cm 3· Motoren (Super sportier, Reih envie rzylinder) in Abhäng igkeit von der s pez ifischen Leistung wi rd aus Bi ld 3.75 deutlich.
14.0 00 13.000
..E
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2. 11.000
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6000 71
80
82 105 106 123 120 129 144 147 142 151
spezifische Le istung lkW/I]
1974
Modellja hr
2004
Bild 3.75 Steigerung der Nenndrehzahl in Abhängigkeit von der Literleistung
11 1
3.7 Konstr uk tive Gestalt ung de r Motorbauteile
3.7 Konstruktive Ge staltung der 1\1otor bauteile Der Kurbe ltrieb und damit de r gesamte Motor wird, wie im Kapitel 3.5 gezeigt wurde, du rch wechselnde Gas- und Massenkräfte hoch beansprucht. Neben der selbstverständ lichen Forderung , da ss die Bauteile d iesen mechanischen Belastungen stand halten müssen, gibt es weitere, allgeme ingült ige An forderu ngen an die konstruktive Gestaltun g, die grundsätzlich für alle Bauteile des Motors gelten: - ausreichende Steifigkeit zur Minimie rung elastischer Verformu ngen - geringstmöglic hes Gew icht - fertigun gs- und montagegerechte Kon strukt ion - kosten gü nstig - fehlertole rant - einfach abe r fu nktionsgerec ht Es soll im Rahmen dieses Buches das Schwergewicht auf diese Kriterien gelegt werden u nd auf die festigkeitsmäß ige Auslegung und Berec hnung der Bauteile höchstens fallweise am Rande eingegangen werden. Ausführliche Berechnungsgru nd lagen finden sich in Kon struktionshandbüchern für Verbrenn ungsmot oren, Z.B. in (3.11 ] und (3.1 2].
3.7.1 Baut eile des Ku rbeltriebs und deren Ges ta ltung Betrachten wir zunächst die Kurbelwelle, die prinzipiell aus dre i Teilen besteht, dem Hubzapfen, den Kurbelwangen und de n Hauptlag erzapfen. Bild 3,76.
Bruchge fMrdele OJers chnite\ .
Hauptlaperzapten
Betr iebs tast (ZUg und Druck)
","w:..r,
--[- Lage rkräfl:e '-
Hubzapfen Kurbelwangen
L.
+ /
Torsion smoment aus Tangentialkr afl:
r-tlr Gas- und Massenkrät e , Fliehkräfte am Gegengewicht zun äcnst nicht berocksichtigt .
Bild 3.76 Kraftei nwirkung und Beanspruchung der Kurbelwelle
112
3 Arbeitsweise, Bauformen und konstruktive Aus fU hru ng von Motorradmotoren
,,,, ._-----:-
---
--=---- -
,
--
unverformte Kurbelwelle
- - ~ -\ "-- , ---
---
verfo rmung sch e matisch IJ'Id übertrieben groß dargestellt Blld .\.77 Verformung einer Kurbelwelle unter Biegebeanspruchung bei maximaler Gas kraft
Am Hubzapfen g reift übe r das Pleuel die Stan genkraft an, die sich aus Gaskra ft und Massenkraft zusammensetzt und sich letztli ch in de n beiden Haupt lage rn abstützt. Es ergebe n sich für die Kurbelwelle zusammengesetzte Wechselbean spruchunge n auf Scherung. Bieg ung und Torsion. Die Tangentialkraft komponente der Stangen kraft bewirkt eine Verdrillun g de r Kurbelwelle über ihre gesamte Länge. Aus de r Radialkraft ergebe n sich die Biegebeanspruc hungen mit entspreche nder Verformungen de r Kurbelwelle, Rild 3.77. Bild 3.78 zeigt, wie die Gegengewich te (Ma ssenau sgleich) an den Kurbelwa nge n d ie Biegebeanspruchung de r Kurbelwelle reduziere n. Die Fliehkrä fte kompensieren im OT die Gesamtmassen kra ft (rotierend und oszilliere nd). Neben der Biegebean spruchung werden auch die resultierenden Kräfte in den Kurbelwell enlagern vermindert. Die Zusatzbelastung aus den Fliehkräften bei Kurbelstellungen. in denen die oszillie rende Massenk raftkomponente sehr klein bz w. Null wird, ist kein Nachteil. Denn die Beanspruchung de r Kurbel welle aus die sen Fliehkräfte ist bei richtiger Auslegun g der Gegen gewichtsmassen kleine r. als diejen ige, die sich im OT ganz ohne Gegengewichte ergäbe .
Die Entlastung bezüglich der Biegebean spruchung und Lagerkräfte durc h Gegengewichte ist besonde rs bei Mehrzylinderku rbelwellen wichtig. Aus dem Angr iff der Massen kräfte (oszillie-
(Gaskrälte sind nicht eingezeic hnet )
Massenkraft
Lagerkralt aus Wassenkrat
Lagerk"alt aus F~e hkraft Ge!ill!ll!iJewicht
La!ilerkralt aus Riehkraft Gegengewicht Fliehkrat der Gegengewic ttsmasse
Bild 3.78 Verringerung der Biegebeanspruchung der Kurbelwelle d urch Gegengewichte
3.7 Konstruk tive Gestalt ung der Motorbauteile
11 3
rend und rotierend) längs der Kurbelwelle (Zylinderabstand als Hebelar m) resultieren innere S iegernomente, d ie sich aufgrund der Lagers piele u nd infolge elastischer Verformungen auch über die Hauptlager hinaus fortsetze n können. Ohne die Entlastung durch d ie Gege ngew ichte gäbe es stä rkere Verformu ngen der Kurbel welle, die zu Unwuchten mit unruh igem Lauf (Schwe rpun ktsauswanderung) und höheren Spannu ngen in den bruchgefährdeten Querschnitten fü hren wü rden. Deshalb weisen alle Mehrzylinder-Ku rbelwellen. auch wenn sie sy mmetr isch aufgebaut sind u nd deshalb für den osz illierenden Masse nausgleich keinerlei Gegengewichte benötigen (Kap. 3.3). dennoch Gege ngewichtsmasse n auf. Sie sind so bemessen. d ass sie neben den rotierende n Mass enkräfte n auch einen Teil der osz illiere nden Masse nkräfte (ca. 30 bis max.50 %) kompensieren. Höhere Kompen sationsg rade sind nicht si nnvoll u nd scheiden aus Gewichtsgrün den aus. Kleinere Gege ngew ichte werde n bei Rennmotoren verwe ndet. u m Gewicht zu sparen, teilweise wird soga r fast ga nz aufs ie verzichtet. Es gibt zwe i Grun dbauarten von Motorradk urbelwellen, d ie einteilige Kurbelwelle und d ie meh rteilige Ku rbelwelle. auch als gebaute Kurbelwel le bezeichnet. Für Serien-Mehrzylindermotoren werden inzwischen ausschließlich einteilige Kurbelwellen verwe ndet. die aus einem Stück als Gesen ksch miedete il gefertigt werden. Allerdings sind die Werkzeugkosten für ein Schmiedegesenk nicht u nerheblich, so dass de rar tige Kurbellwellen erst bei entsprechenden Stückza hlen wirtscha ftlich zu fertigen si nd. Bei nichtebenen Kurbel wellen. wie sie Z.B. für Dreizylinderreihen motoren mit 120°-Kröpfung er forderlich sind, war d ie Schm iedefe rtigung fr üher sehr aufw änd ig und teuer, weil die Kurbelwelle aufgru nd ihrer räumlichen Struk tur meh rere Arbeitsgänge er forderlich machte. Das seit viele n Jah ren etablierte Verfahr en des Twtstens erlaubt heute die kostengü nstige Fertig ung in nur zwe i Ar beitssch ritten. Dazu wird die Kurbelwelle in einem einz igen Arbeitsgang im Gese nk in einer Ebene fertig geschmiede t, und unmittelbar danach werden im noch rotglühenden Zustan d d ie Kurbelkröpfunge n gegeneinand er bis zum gew ünschten Winkel verdreht. Gegossene Kurbelwellen, die in großer Stückza hl kosteng ünstiger herzustel len sind, kön nen derzeit aufg run d der hohen spez ifischen Beanspruchungen u nd der geforderte n Leichtba uweise bei Motorradmotoren nicht eingese tzt werden . Bild 3.79 zeigt eine einteilige Kurbelwelle für einen Vierzylinde rreihenmotor im fertig bearbeiteten Zustand. Zur Gewichtserleichterung sind d ie Kurbelwangen im Bereich der Hauptlager ausge nomme n. Oh ne d ie Gestalt festigkeit und die Steifigkeit nenn enswert zu beei nträchtigen , erreicht man dadurch eine Reduzierung des Kurbelwellengew ichts gegenübe r einer Welle mit vollen Wange n um mehr als 10% (über I kg). Aufdie Ausg leichsmasse n haben die Ausneh mungen aufgr und ihrer Anordnung in Ku rbelwellenmitte ebenfalls keinen Einfluss. Im Bild 3.79 unten ist eine Kurbelwelle abgeb ildet (YAMA HA YZF-R l). d ie mit 90° Kröpfungswin kel vom üblichen Stan dard (180°) abweicht. Diese 90 °-Kröpfung hat Vorteile bez üglich des Massenausgleichs (vgl. Kapitel 3.5.3). Sie bed ingt eine ung leichmäßige Zündfolge. d ie aber in Bez ug auf die Drehmomententfaltung bei entspreche nder Gesamtauslegung des Motors durchaus pos itive Aspekte haben kann (..big bang Motor" ). Bei nahe zu allen Motorrad kurbelwellen ist nach je de r Kröpfung ein Hauptlage r angeo rd net (Ausnahme Zweizy linder-Boxermotor), um die Durchbiegu ng der Welle bei hohen Kräften kleinzu halt en. Eine Durchbiegung der Kurbe lwel1e kann nicht nur. wie vorher schon erwähnt. zu Festigkeitsproblemen führen. sie überlastet auch durch starke Beanspruchung der Lagerrand fläche n (K antenträger) die Hauptlage r. Ein weiteres Problem liegt im Geräuschverhatten.
114
3 Arbeitsweise, Baufor men und konstruktive AusfU hru ng von Motorradmotoren
Bild 3.79 Oben: Kurbelwelle für einen Vierzylinderreihenmotor, unten: Kurbelwelle Vierzylinderreihenmotor mit I) ()O Hubzapfenversalz (YAMAHA YZF-Rl. 20(}1))
Denn eine per iodisch wechselnde Durchbiegung regt Luftschwing ungen im Kurbelgehäuse an und kann Ax ialschwingungen der gesamten Kurbelwelle auslösen . Die Kurb elwel1e läuft dan n rhytmisch gegen ihr Axiallager an , wodurch Schallimpulse erzeugt werd en. die g roßflächig über das Motorgehäuse abgest rahlt werden. Der Motor wird mechan isch laut. was bei den strengen gesetzlichen Gerä uschgrenzwert en nicht mehr vernac hlässigt werde n darf. Zur Minimierung der Durc hbiegung. d.h . für eine max imale Steifigkeit der Kurbel welle. ist die sogena nnte Überdeckung das entsche idende Kon st ruktionsma ß. Als Überdeckung bezeic hnet man d ie Überschne idungsflächen von Hauptlagerzapfen und Hubzapfen. Wie man unmittelbar einsieht. erhöhen g roße Lage rdurchmesser eben so wie ein klein er Ku rbel radius. d.h. kur zhubige Bauweise. die Überdeck ung. Da durc h große Lagerdurchme sser aber un mittelbar die Reibun gsverluste und da s Gewicht de r Ku rbelwe lle ansteigen (besonders beim Hubzapfen wege n der notwend igen g rößeren Gegengewichte zu m Ausgleich der rotierenden Massen). sind dieser Maßn ahme Grenzen gesetzt.
115
3.7 Konstruktive Gestaltung de r Motorb auteile
Bild 3.80 Gestaltungsbeispiele für den Übergang zwischen Hubzapfen und Wange
Bei Kurbelwelle n mit ger inger Überdeck ung. wie sie langhubige Motoren zwa ngsläufig aufwe rsen. muss du rch entsprechend dick dimen sion ierte Kurbelwangen für ausreichende Stei figkeit geso rgt werden . Dies ist ein Nachteil der Ianghubigen Bauweise. Durch das meist geringere Drehzahln iveau sind d ie Massenkräfte und durc h d ie kleinere Zylinderbo hr ung (geringe Kolben fläche) auch die Gas krä fte nicht so g roß, wie bei de n kurzhubigen Motoren. Die Steifigkeit der Kurbe lwelle bekommt für d iese Motoren daher einen etwas kleineren Stellenwert. Gewicht kann an de r Kurbelwelle auch gespart werde n, wenn die Übe rgänge zwischen Hubzapfen und Kurbelwange bea nspruchungsge recht konstruiert werde n. Mode rne Berechnungsverfahren mit Finiten Elementen er mögliche n es, d iesen besonders br uchgefäh rdeten Bereich ohne wese ntliche Einbuße n an Dauerhaltb arkeit und Steifigkeit dünnwandiger als früher zu gestalten, Bild 3.80. Die Gleitlagerung der Kur belwelle hat inzwischen auch bei Motorrad motoren , von Ausnahmen abgesehen, die früher gebräuch liche Wälzlagerung mit Rollen-, Kugel- und Nadellage rn abgelöst. Sie ist darübe r hinaus für einte ilige Kurbelwellen die einzig sinnvolle Lösung. Das Funktionsprinzip eines öldurchströmten Gleitlagers beru ht da rauf, dass sich in ihm bei Drehung zwischen Lagerschale und Lagerzapfen ein tragfähiger Schmierfilm ausbildet, Bild 3.81. Seine Dicke beträgt nur wenige tausendste! M illi meter. Er bildet sich, weil der Lagerzapfen unter Last (es reicht sein Eigengewicht) eine exzentrische Lage einnimmt und sich ein keilförmiger Schmierspalt einstellt. In d iesen strömt das Öl hinein. Die Drehbewegung des Zapfens fördert ständig neues , am Zapfen anhafte ndes Öl in d iesen Schmie rspalt. Unter Wirkung der Last baut sich im Schm ierspa lt ein Druck auf, de r den Zapfe n von der Lagerschale abhebt und der äußeren Last das Gleichgewicht hält. Es findet also keinerlei metall ische Berü hrung im Lager mehr statt, sondern der Lagerzapfen schwimmt auf einem Ölpolster. Damit herrsc ht im Lager reine Flüssigkei tsreibu ng. Vorausse tzung fü r eine ordentliche Lagerfunktion ist, dass dem Lage r von außen genügend Öl zugeführt wird, weil ständig Öl seitlich aus dem Lage r abfließt. Dabei wird aber der Öldr uck in den Leitu ngen led iglich zur Ölförderu ng und Überwindu ng der Leitungswiderstände benötigt , nicht aber daz u, das Ölpolster aufzubaue n. Der Druckaufb au im Ölpolster des Lage rs, der letztli ch die Tragfähigkeit bestimmt, geschieht allein durch die sogenan nten hydrody namischen Effekte, d ie sich aus de r Drehbewegu ng ableiten. Bei Motoren, deren Pleuellage r von den Hauptlagern d urch Bohrungen mit Öl versorgt werde n und das Öl zu den Hauptlagern von außen (gehäu seseitig) zuge führt bekom men, muss der Öldr uck in allen Betriebszuständen
116
3 Arbeitsweise, Bauform en und konstruktive AusfU hru ng von Motorradmotoren Lagerschale
Ölstrom
I
<.
Sc hmierspali
Oruckfeld
Ölstrom
.....
/
S:ahl sttlz schae 1 - 2,5 mm
<..-"- Lagersdlidll rereoorce ccerAlrnln lumj
mehrere 1110 mm
~"""'"'-
DYisdl(l'1schid1l
~~~
weiche U lJlsdlid'11 ce 0.02 mm (Bla-Z,on-Legiermg)
Bild 3.HI Funktionsprinzip des hydrodynamische n Gleitlagers und Aufbau eines modernen DreistoffGleitlagers
g roß genug sein, um gegen die Fliehkraft in die Lage rzapfen gelangen zu können. Der dazu notwendige Öldruck beträgt je nach Zapfendurchmesser und Drehzahl mehr als 3 bar. Bei Motoren, de ren Ölversorgu ng der Lager über eine zentrale Einspeisung am Kurbelwellenende erfolgt (viele Einzylinder, Rennmotoren. BMW K 1200 S), Bild 3.82, fördert die Fliehk raft das Öl selbststä ndig nach außen. so dass deutlich ge ringere Öldrücke ausreichen (theoretisch, ohne Reibung und Verluste würde knapp über I bar genügen). Bei Meh rzylindermotoren sind die not wendigen Bohr ungen in der Kurbelwelle nur bei einer ausge klügelten Gestaltung ferti g ungstechn isch machbar, im Bild sieht ma n die Anschräg ung der Kurbel wangen bei der K 1200 S, die zugl eich die Ventilationsverluste minimiert. Moderne Berech nungsverfahre n unterstützen die betriebssichere Auslegung von Gleitlagern. Bei geometrisch einwandfreiem Lagersitz. d.h. genügend steifer Kurbelgehäusekonstru ktion, sind Gleitlager auch unter höchsten Belastu ngen und Drehzahl en im Dauerbet rieb praktisch verschleißfrei. Der mehrschichtige Aufb au, bei de r das eigentliche Lagermaterial von einer relativ weichen Lauffläche mit Notlaufeigenschaften überzogen ist, sorgt auch bei Betriebszuständen mit unzureichende r Schmierölzufuhr (z.B. kurz nach dem Kaltstar t) fü r problemlosen Betrieb . In der weichen Laufschicht können sich kleine Fremd körper leicht einbetten, so dass auch bei kurzfristigem Schmutza nfall im Schmieröl kein Verschleiß oder eine Beschäd igun g der Lagerzapfen der Kurbelwelle eintritt. Weitere Vorteile von Gleitlage rn sind ihr geringes Gewicht, ihr minimaler Platzbedarf die gute Geräuschdämpfung durch das Ölpolsrer, ihre leichte, automatisierbare Montage sowie ihr geringer Preis.
3.7 Konstruktive Gestaltung der Motorbauteile
117
Biltl 3.82 Kurbelwelle mit zentraler Ötcinspcisung ( BMW K 1200 S)
Nachteilig ist der gegenüber Wälzlagern erheblich größere Schmierölbedarf, der eine entsprechend dimensionierte Ölpumpe, große Ölumlaufmengen sowie die individuelle Versorgung aller Lagerstellen mit Öl durch entsprechende Kanäle oder Ölleitungen erforderlich macht. Neben dem Konstruktions- und Fertigun gsaufwand dafü r, erhöhen sich auch die Motor verluste wegen der hohen Antr iebsleistung der Ölpumpe. Zudem erfordern Gleitlager sehr enge Fertigungstoleranzen (Maß- und Fonn roleranz) aller Bauteile. Die Lagerspiele müssen im Bereich weniger hundertstel Millimeter liegen und allein über die Paaru ng von Lagersitz. Durchmesse r des Lagerzapfens und Lagerschalendicke eingestellt werden. Für die Gleitlager selber bedeutet dies, dass die Lagerschalendicke nur im Bereich weniger tausendstel Millimeter (! ) schwanken darf. Wegen des dam it verbundenen, aufwä ndigen Herstellungs- und Prüfverfahr ens ist nur die Produktion großer Stüc kzahlen re ntabel. Aus diesen Gründen wird für manche Motorrad motoren immer noch die Wälzlagerung des Kurbeltriebs bevorzugt. Für preisgünstige Enduromoto rräder mit kleinvolumigen Einzy linderm otoren spielt die einfachere Ölversorgung der Wälzlager. die durch Spritzöl ausreichend versorgt werden können, eine wichtige Rolle. Man spart damit nicht nur eine teure Ausführung der Ölpumpe und deren Antriebsleistung, sondern kommt insgesamt mit einem geringeren Ölvolumen aus (Gewicht). Bei einer Unterbrechung der Ölversorgung nach einem Sturz, nicht ungewöhnlich bei einer Enduro, werden bei Wälzlager ung auch schwerwiegende Lagerschäden der Kurbelwelle vermieden. Wie hoch dieser Vorteil tatsächlich z u gewichten ist, sei dahingestellt, wenn andere Gleitstellen im Motor bei einem dera rtigen Ölmangel trotzdem beschädigt werden. Ein Argument fiir die Wälzlagerung sind auch die geringeren Anforderungen an die Fertigungsgenauigkeit (Oberflächengüte) und die Möglichkeit. standardisierte Lager ohne aufwändige
118
3 Arbeitswe ise, Bauform en und konstru ktive Aus fU hru ng von Motorradmotore n
Auslegung einsetze n zu können. Bei Einzylindermoto ren. die in geringen Stückza hlen gefertigt werden und insgesamt nur zwe i Kurbelwellenha uptlage r sow ie ein Pleuellager haben. ist eine Fertigu ng von spez iell ange passten Gleitlagerschalen nicht wirtsc haftlich zu realisieren. Aus Montagegründen muss bei einer Wälzlager ung die Kurbe lwelle immer mehrteilig ausgeführt sei n. Zwar gibt es als Sonderbauform auch gete ilte Wälzlager, doch scheiden d iese wegen ihr er ge ringe n Belastbarkeit und Lebe nsdaue r sowie ihrer Anfälligkeit als Kurbelwellenlager im Moto r aus. Zude m wäre n sie sehr teuer. Im Bild 3.83 ist eine gebaute Kurbelwelle dargestellt. Sie besteht aus de n beiden Kurbelwangen mit den Hauptlagerzapfen (geschmiedet ode r in Sonde rfällen aus de m Vollen gefer tigt) und dem Hubzap fen, de r mittel s Übermaßpassung in d ie Ku rbelwangen eingepresst wir d. Wegen der einfachen Form sind die Werkze ugkosten fü r das Gese nk auch bei geschmiedeten Kurbelwa nge n gering. Es g ibt aus fr üherer Zeit auch Beispiele für geb aute, wälzgelagerte Kurbelwel len für Vierzy linder motoren (SUZU KI GS IOOO). Der Montage- und Fertigungsa ufw and für solc he Kurbelwellen mit ents prechender Anzah l von Presspassungen ist beachtlich. Nac h dem Zusammenpressen der Einze lteile muss eine solche Welle genauestens ausgerichtet werden, da mit sie schlagfrei läuft. Bei hohe n Belastunge n ist die Verdre hsicherheit des Pressve rbandes nicht mit letzter Sicherheit gewä hrleistet. Theoret isch könnte allerdings eine gebaute Kurbe lwelle leichter sei n als ein eintei liges Sehrniedeteil. Wegen der Einzelteilfertig ung können alle Hauptlager- und Hubzapfen als dü nnwand ige Hoh lkörper ausgefüh rt werde n, was bei einer eintei ligen Welle mangels Zugä nglich keit nicht mög lich ist. Dafür müssen aber wegen der Presssi tze die Ku rbelwa ngen zumindest teilweise dicke r sein. Im Motorgesamtgewicht dürfte aber mit Wälzlageru ng kein Vorte il zu erzielen sein, weil die sehr schwe ren Wälzlage r das Mindergewicht der Welle überkompensieren. Bei Gleitlage rung wäre eine Gew ichtsei nsp arung z u realisiere n. doch insges amt steht dies in keinem Verhältnis z um Gesamtaufwand einer geb auten Kurbelwelle. Die Ansicht. wälzgelagerte Ku rbelwellen hätten im Vergleich zu r Gleitlage rung Reibleistungsve rteile, muss differe nziert bet rachtet werden. Sie leitet sich aus de r Erfahrung ab, dass sich
o
Hauptlag er
Hauptlace rzapfen
Kurbelwangen Hauptl ager
Bild ].lU Gebaute Einzylinderkurbelwelle
119
3.7 Konstruk tive Gestalt ung der Motorbauteile
wälzgela gerte Motoren von Hand viel leicht er dur chd rehen lassen. Bei hoher Belastu ng allerdings. werden sowo hl Wälzkörpe r als auch d ie Wälzbahn in den Lagerringen elastisch verfor mt. Dad urch steigt das Reibmoment an. und es ist nicht mehr vergleichba r mit dem leichte n Durchdrehen e ines leer lau fenden Wälzlagers. Den noch dürft e die Rollre ibu ng im Lager etwas geri nger ausfa llen als die Flüssigkeitsreibung im Gleitlager. Problematisch bei de r Wälzlagerung bleibt aber d ie geri ngere Tragfähigkeit der Lager, d ie Empfind lichkeit bei stoßartige r Belast ung und daraus resultierend die ge ringe Versc hlei ßsicherheit. Als Zusamme nfass ung der konst ruktiven Auslegun g von Ku rbelwellen sind in Ta be lle 3.6 beispielhaft d ie konstrukti ven Hauptdaten der Ku rbel welle eines Vierzylinderre ihenmotors mit 1000 cm' Hubraum aufge führ t. Tab elle 3.6 Konstruktionsdaten einer Vierzylinderkurbelwelle Bauart
ei nteilig, gesc hmiedet
35
Kurbelra d ius [m m]
15
w augendicke [nun]
Vergüt ungsstahl
Werk stoff
Obcrflächcubchandlu ng
nitriert
'.1
Masse (kg]
Hauptlagerzapfen
Bubzapfe n
Durchmesser
45
38
Lagerbreite
17
17
Das nächste hoch bela stete Bauteil de s Kurbeltriebs ist da s Pleuel . Es wird im Wesentlic hen wechseln d aufZug und Druck bean sprucht. In den meisten Fälle n überwiegt d ie Zugbelastung , denn wegen der hohen Drehzahl en de r Motorradmotoren sind d ie Masse nkräfte meist g röße r als d ie Gas kräfte. Nur bei g roßvo lumigen Ein- u nd Zwe izy lindermotoren mit ents prechend großer Zylinderboh rung kann d ie Gaskraft d ie Massenk raft übers teigen. so da ss bei d ieser Motorbauart d ie Druckkräfte aus der Verbrennung die maximale Pleuelb ean spr uchung darstellen. Entsp reche nd ihrer Haupt bea nspr uchungen sind die Pleuel konstruk tiv gestaltet. Bild 3.84. Da de r rotierende Pleuelanteil (unterer Pleuelabsch nitt ) entsprechen de Ausgleichsmassen an der Kurbel welle erfordert, also sein Gew icht qua si doppelt zählt, und die oszillierenden Pleuelm assen d ie Lagerbel ast ung des Kurbeltriebs und die Vibrationen des Motors erhöhen, ist eine möglichst leichtbauende Pleuel konstr uktion seh r wichtig. Die genaue Untersuchung des Kraftfl usses im Pleuel hat gezeigt, da ss der Schaft bereich relativ schlank gestaltet werde n kann, wenn die Zugk räfte überwiegen , wes halb alle modernen Leichtbaupleuel eine ähnliche Formgebung wie d as Pleuel unten im Bild aufwe isen. Bei hohen Dru ckkräften muss der Pleuelschaft u.a. aus G ründen der Kn ick sicherhei t kräft iger ausgeführt werde n (Pleuel obe n im Bild). Wichtig ist be im Pleuel noch die Gestaltung des Übe rgangs be reichs vom Schaft zu den beiden Pleuelaugen, weil diese Stellen hoch belastet und wege n der erfo rde rlichen Kraftumlenk ung bruchgefäh rdet sind. Ein a llmäh licher Übergang mit steifer Anbi ndung besonders des großen Auges und d ie Vermeidung abrupter Que rsch nittss prü nge sind hier zu berücksichtigen.
120
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konst ruk tive AusfUhru ng von Motorradmotoren
Bild 3.1'4 Konstruk t ive Ausführung verschiedene r Pleuel, rechts: Pleuel mit Kolben eines Hochleist ungsmotors (YAMA HA YZ F-R I. 2009j
Kritisch ist die Teilung des Pleuels bzw. seine Verschraubung, die hoch belastet ist. Die Pleuelverschraubung ist bei Tuningm aßnahmen a m Motor, die auf d as Erreichen höhere r Drehzah len abz ielen, oft eine wenig beachtete Schwac hstelle! Übe rhaupt wird d ie mec hanische Drehzahlg renze von Motoren nicht allein von der Drehzahlfestigkeit des Ventiltriebs bestimm t, sondern ga nz wese ntlich von de r Gestaltfestigkeit des Pleuels und der Pleuelverschraubung. Für die Fun ktio n des un tere n Pleuellagers ist auch d ie Formtreue der unteren Pleuelbohrung unter Last sehr wese ntlich. Versteifungsmaßnahmen du rch ein Rippen am Lagerdeckel sind hier hilfreich wie auc h breite Flächen im Bereich der Teilfuge . Alternativ wu rde auch schon versucht. den Pleuellagerdeckel eher weich zu gestalten, so d ass er sich unte r hoher Belastung an de n Lagerzapfen an legt und sich desse n runder For m anpasst. Bild 3.84 re ch ts zeigt, wie die obe n genannten Grun d regeln der Pleuelgestaltu ng in einer hochmoderne n Konstruktion eines Supers portmotors (YAMA HA YZF- RI) umgesetzt wurde n. Während fr üher eine Bronzebuchse im obe ren Pleuelauge zu r Lage ru ng des Kolbenbolzens als unverzich tbar angesehen wu rde, haben viele modern en Motorkonstrukti onen geze igt, d ass man darauf gänz lich verzichten kann. Die Laufpaa ru ng Sta hl auf Sta hl hat sich bewährt, Voraussetzung ist jedoch eine Feinstbearbeitung (Honen) der kleinen Pleuelboh run g mit hoher Oberflächeng üte. Dem Nachtei l. dass bei Verschleiß ode r Beschädigu ng de r Lauffläche das ganze Pleuel ausget auscht werden muss, ste hen als Vortei le geri ngere Fertigungsk osten und red uzier te oszillierende Massen gegenüber. Nicht nu r der Entfa ll der Buchse spa rt Gewicht, sondern es kann ja auch der Außend urch messer des Pleuelauges um d ie Buchsenwandstärke kleiner werde n. Pleuel für Motor radmotore n werde n fast aussc hließlich als Gesenkschmiedeteile aus Vergütungsstahl gefertigt. Gegossene Pleuel, im Automobilmotorenba u verbreitet, halten den Belastungen, wie sie in Hochleistu ngsmotorradmotore n auftreten. nicht stand . Bei BMW wu rde mit Einführung de r Vierventil-Boxergenerat ion im Jahre 1993 das Sintersc hmie depleuel erst mals im Motorrad motorenbau verwendet, Bild 3.85.
3.7 Konstruktive Gestaltung der Motorbauteile
Bruchflächen
121
Bild 3. 85 Sinterschmiedepleuel mit Sch aft- DeckelBruchtcchnik
Die Besonderheit dieses Pleuels war neben dem Sinterverfa hren die Schaft-Deckel-B ruchtechnik (gecrackte Pleuel). Dabei erfolgt die Abtre nnurig der unteren Pleuelaugenhälfte nicht mehr nach der Vorbearbeitung durch Sägen oder Schlagen, sonde rn durc h gezieltes Auseinanderbrechen des fertig bearbeiteten Teils genau in der Mittenebene der Bohrung. Mit diesem Verfa hren kann die mechanische Bearbeitung der Trennflächen entfallen, und es braucht keine separate Zentrierung der Teile durch Buchsen oder Passschrauben mehr vorgesehen zu werden. Die Zentr ierung erfolgt allein über die Struktur der Bruchflächen. Sie garantieren, dass Pleuelsta nge und Lagerdeckel nach Montage der Lager exakt und passgertau wieder zusam mengefügt werden können. Durch den Entfall von Zentrierung und Bearbeitu ngskosten ist das Pleuel sehr wirtschaftlich. Das Bruchverfahren wurde inzwischen so weit ver feinert, dass heute auch normale Stahl-Schmiedepleuel mit diesem Herstellverfahren gefertigt werden. Dazu wird in der Pleuelbohrung mittels eines Lasers eine Bruchlini e eingebracht, die als Kerbe wirkt. In einer Maschine wird das Pleuel dann in der Bohrung hydra ulisch auseinander gezogen und entlang der Bruchlinie "gesprengt", Bild 3.86 . Wegen des hohen Rohteilpreises des teuren Sinterwerkstoffs ist das Stahl-Schmiedepleuel wirtschaftlicher als das Sinterpleuel. Der Vorteil des Sinte rpleuels ist die endformnahe Rohteilkontur mit hoher Form- und Volumenkonstanz. die keinerlei Nachbearbeitung wie Entgraten erforderlich macht. Dadurch sind die Gewichtsunterschiede der einzelnen Pleuel sehr gering, was sich positiv auf die Laufruhe im Motor auswirkt. Das für hochdrehende Motoren besonders wichtige Streben nach Leichtbau und Verringerung der oszillierenden Massen verstärkt das Bemühen um leichtere Werkstoffe für das Pleuel. Für Rennmotoren wird Titan eingesetzt , das mit einem spezifischen Gew icht von rund 4,5 g/cmbei gleicher Festigkeit wie Stahl um mehr als 40 % leichter ist. Unter anderem wegen des sehr hohen Rohstoffpreises und der teueren, schwier igen Bearbeitung (Titan ist sehr zäh) scheidet Titan als Pleuelwerkstoff für Motorradmotoren. die in großer Serienstückzahl gebaut werden, aus. Hinzu kommt , dass Titan ähn lich wie Aluminium keine ausgeprägte Dauerfestigkeit aufweist, sondern nur zeitfest ist. Ein weitere s Problem ist die ungün stige Gleitpaarun g z u Stahl, die eine Beschichtung der axialen Anlaufflächen notwendig macht. In sehr exklusiven und teuren Motorräd ern, als Beispiele seien hier Superspor tmotorräder von MV AGUSTA. DUCATI oder APRILIA genannt, werden Titanpleuel in Kleinserie verbaut, Bild 3.87.
122
3 Arbeitsweise, Bauformen und konstr uktive AusfU hrung von Motorrad motoren
Bild 3.H6 Herstellver fahren Schaft-DeckelBruchtechnik für Schmie deple uel
Bild 3.H7 Tita npleuel
3.7 Konstruktive Gestaltung der Motorbauteile
123
Als Alternative zum Titanpleuel wird hin und wieder das Aluminiumpleuel genannt, das bereits in den 50er Jahren von verschiedenen englischen und deutschen Herstellern (BMW R26, Einzylinder, 250 cm-') eingesetzt wurde. Wie schon damals, werfen auch heute noch Leichtmetallpleuel aus Aluminiumlegierungen viele Probleme auf Die Festigkeit und Steifigkeit diese r Pleuel ist immer noch unzureichend, bzw, wenn sie dauerhaltbar dimensioniert sind, bieten sie kaum noch Gewichtsvorteile. Zudem wirkt sich die Wärmeausdehnung mit entsprechender Spielvergrößerung a m Pleuellager ungü nstig auf dessen Laufverhalten und Ge räuschemission aus. Faserverstärkte Alu miniumpleuel. wie sie vielfach propagiert werden, sind derzeit nicht wirtschaftlich herstellbar und werden technologisch noch nicht befriedigend beherrscht. Die Hauptschwierigkeit bereitet die Pleuelteilu ng. weil dadurch der Kraftfluss in den Fasern unterbrochen wird. Die Frage, ob der Aufwand und die Kosten für Leichtmetallpleuel im angemessenen Verhältnis zur erwa rteten Verringerung von Motorgesamtmasse und oszillierenden Triebwerksmassen und damit auch zum Gewinn an Laufruhe stehen, kann im derzeitigen Entwicklungsstadium noch nicht endgü ltig beantwortet werden. Wenn heute konventionelle Stahlpleuel in Motorradmotoren Drehzahlen bis weit über 13.000 U/min problemlos erreichen, die Laufruhe auch durch Verlängerung der Pleuel verbessert werden kann und aus Gründen der Gerä uschreduzierung sich das Drehzahl niveau von Motorenmoloren zuk ünftig eher hin zu niedrigen Drehzahlen entwickeln wird. ergibt sich eigentlich wenig Handlungsbedarf. Als letztes Bauteil des Kurbeltriebs soll der Kolben behandelt werden. Der Kolben besteht immer aus folgenden Einzelteilen: - Kolbengrundkörper - Kolbenbolzen mit Bolzensicherungen - Kolbenringen Im üblichen Sprachgebrauch wird unter Kolben meist der Zusammenbau dieser Einzelteile verstanden. Die Hauptmaße und die wichtigsten Bezeichnungen des Kolbens gehen aus Bild 3.88 hervor.
Kom~p:re:SS:io:n:S-~e~~~~~~F~~~
hÖhe,
8
Nenn-
durchmesser ~ Kolbenboden
Bodenstä rke , Bolzen-
*
J- Feuersteg
~,...
durchmesser-'- L~~~""I
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Ringzone
Kolbensc haft
' - Bolzenauge
Bild 3.!'!!'! Bezeichnun gen und Hauptma ße des Kolbens
124
3 Arbeitsweise, Bauformen und konstruktive AusfU hru ng von Motorradmotoren
Die Funktionen des Kolbens im Motor sind: - Geradfüh rung des Kurbeltriebs - Aufnahme des Verbrennungsdrucks und Weiterleitung der resultierenden Gaskräfte - Abdichtung des Brennraums - Regulier ung des Ölhaushalts an der Zylinderlaufbahn - Abführen der Verbrennungswärme Entsprechend komplex sind die Bea nspruchungen, denen der Kolben unterliegt: - Druckkräfte (Gaskraft) aus der Verbrennung - Zugkräfte infolge der Massenk raft - Druck- und Zugkräfte aus thermischen Dehnungen - Temperaturbelaslung - Reibk räfte an Kolbenschaft und Kolbenr ingen - Angriff korrosiver Gase aus der Verbrennung Im Motorbetrieb treten diese Belastu ngen kombiniert auf. Die betriebssichere Auslegung von Kolben fü r Hochleistungsmoloren kann nur in engster Zusammenarbeit zw ischen Motorhersteiler und Kolbenlieferant erfolgen, denn die Festigkeitseigenschafte n des Kolbens hängen in entscheidendem Maße von der Werkstoffwahl in Verbindung mit dem Herstellungsprozess ab. In der konstrukt iven Auslegung der Kolben steckt sehr viel herstellerspezifisches Know-how, so dass hier nur sehr allgemeine Gestaltungsregeln angegeben werden können. Wichtigstes Kriter ium fü r den Kolben ist neben der Haltbarkeit der Leichtbau. denn der Kolben hat mit über 7 % den größten Anteil an den oszillierenden Massen des Motors. Das Kolbengewicht bestimmt dah er maßgeblich die Größe der Massenk räfte, die auf das Pleuel, den Hubzapfen der Kurbelwelle und die Kurbelwellenlager einwirken und damit letzt lich auch die Dimensionierung und das Gewicht all dieser Bauteile. Der Minimierung der Kolbenmasse ist daher die zentrale Aufgabe der Kolbenent wicklung. Welche Portschritte dabei in den vergangenen 30 Jahren erzielt wurden, zeigt das Bild 3.89. Dargestellt sind zwei Kolben nahezu gleicher Bohrung (67 und 68 mm) für 250 cm' Zylinder. volumen. Der linke Kolben ist eine Vollschaff-Konstrukt ion, wie sie bis weit in die 60er Jahre hinein verwendet wurde, der Rechte ein Leichtbaukolben aus dem Jahre 1988. Aussagefä higer Durchmesse-68 mm Masse 320 9 11 kW (pro Kolben ) max. Drenzau 6 100 Wmin
Durchmesser 67 rrm Masse 270 9 18 WI! (pro Kolben) max. Drehzahl 8700 U/min
Bild 3.R9 Entwicklungsfort schri lt beim Kolb en
125
3.7 Kon struk tive Gestaltung de r Motorbauteile
als de r reine Ge wic htsfortschr ut, der ru nd 16 % betr ägt, wird der Vergleich, wen n man die auf die Kolb enfläche bezogene Motorleistu ng betr achtet. Diese hat sich um mehr als 70 % erhöht, d.h . d ie spezifische Belastung des Kolbe n ist ents prechend angewachse n! Vor d iese m Hint er grund ist die 16 %- ige Ge wic htsreduz ieru ng eine beeindruckende Entwicklungsleistu ng. Bez ieht ma n jetz t noch d ie Motor leistu ng auf die Kolbenflä che und das Kolben gewicht. so kan n man ein Kvlbenjfiichen -Leislungsgewichf defini eren : KFL =
Zylinderleistung Ko lbenfläche . Ko lbenmasse
(3-28)
Es kann als griffiger und sinnvo ller Vergleichsmaßsta b fü r die Ausnutz u ng des Kolb enwerkstoffs un d de n Fortschr itt in der Kolbenentwick lung her angezogen we rden. Bezogen auf das vora ngega nge ne Beispiel ist die spezifische Leistungsfähi gkeit des Kolbens in 30 Ja hren auf me hr als das Doppelte angestiegen . Eine wesentliche Gewicht sein sparung kann am Kolben an dem aus Sta hl gefer tigte n Kolb enbol zen , der allein 20 % des Kolbengesamtgewichts ausm acht, erz ielt werden. Da se in D urchmesser durch die Belastu ng bestimmt wird, kan n nur seine Länge und seine Gestaltung optimiert werden. Ein Bei spiel für eine beanspr uchungsgerecht e, gew ichtss paren de Konstruktion ist das kon ische Aus drehen de r Kolb enbol zenenden, Bild 3.90. Kratte im Bolzenauge
Kolbenbolzen
S:Otzkraft im Pleuel Bild 3.90 Beanspruchungsgerechte Kolbenbolzen-
konstruktion
Eine we itere Möglichk eit bietet die Verkü rzu ng des Kolbenbolze ns, die charakterist isch für alle modernen Leichtbaukolben ist, allerdings eine Abkehr vom Vollsc haft kolbe n er fordert, Der Kolb ensc haft ist bei dieser Kon struk tion im Bereich der Kolbenb olzenn abe we it nach innen gezogen (Kas te nkolben), so dass der Kolben nicht me hr über se ine ges amte Man tel fläche füh rt, so ndern nur noch über zw ei sc hma le Flächen, Bild 3.91. Die weiter inn enli egende Bolzenn abe diese r Kolbenbau art erforde rt eine se hr so rgfa lte A nbindung und Abstü tzung des Kolbenboden s, da d iese r an den beide n Sch ma lseiten des Kolbenschaft übersteht . wora us sich Biegebelastu nge n im Überga ngs bereich Kolb enboden-Schaft ergebe n. Die Verkürz ung des Kolbenhem ds (Kurzscha ft oder Slipperkolben) hat auf d ie Gewichtsredu zierung übrigens nur wen ig Einfluss, denn d ie Wandstä rke in diesem Bereich betr ägt nur ca . 2 mm und der Massenantei l som it nur wenige Gramm. Die g rößte n Ma te rialkonzentra tionen liegen beim Kolben zwisc hen Kolbenb od en und Bolzennabe . so dass hier das zw eite g roße Gewich tssparpotent ialliegt. Der Gewic htsvortei l von
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3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstruk tive Aus fU hru ng von Motorradmotoren
Leichtbaukolben
VoIlschaftkolben
Rild3.9 1
Durchmesser 99 mm Gewicht 580 9
DlJ'"chmesser 94 mm Ge.vichl 720 9
Vollschaftkolben und LeichtbauKastenkolben im Vergleich
20 %, den der modern e Kolben des Vierventil-Boxermotors von BM W (Bild 3,91) trotz seines g rößeren Durchmessers gegenübe r de m des Vorgänger modells hat, ist neben de r Verkürzu ng des Kolbenbolze ns auf die Materialeinspa rungen in die sem Bereich du rch Verr ingerung der Kompressio nshöhe und eine Reduz ierung de r Kolbenbode ndicke zur ückzu fü hren. Extreme Leichtbaukolben fü r Hochleistu ngsserienm otoren kommen heute mit Bodenstärken vo n knapp 5 mm au s, was in Anbetracht von Verbrennungsspitze ndr ücken von rund 80 bar und Kolbentemperaturen von übe r 300 "C erstaunlich wen ig ist. Es da rf ja nicht vergesse n werden, dass d iese Extrembeanspruchungen bis zu 70-mal pro Sekunde auftreten und pro Kolben eine Leistung bis über 80 kW (Leistung aufg rund der Verbre nnung, nicht Nutaleistungl ) umgesetzt wird. Die Kompressionshöhe bestim mt neben dem Gew icht auch unm ittelba r d ie Bauhöhe des Kolbe ns. und sie geht dami t auch in d ie Gesamtbau höhe de s Motors ein. Dami t bietet sich eine elegan te Möglichkeit über d ie Minimierung der Kompressionshöhe de s Kolbens, das Pleuel um einige Milli meter verlä ngern zu können, ohne die Bauhöhe de s Motors vergrößern zu müssen. Bestimmt wird die minimale Kompressionshöhe letztlich von der Anzahl der Kolbenringe, de ren Breite (Höhe), und den notwendigen Zwischenräumen in de r Rin gzone des Kolbens. Der Kolben trägt normalerweise d rei Ringe. zwei Kompressionsringe und einen Ölabstreifring. Ver suche zeigen, dass für Serienmotoren auf den zweiten Komp ressionsring meist nicht verzichtet werden kann, wenn Abdichteigenschaften und Ölverbrauch über die Motorlebensda uer nicht nachlassen so llen. Die Ringh öhen sollten für Kompressio nsringe Imm und für den Ölab streifrung 2,5 mm nicht unterschreiten , weil sonst ein Verdr illen der Ringe auftrete n kann und sie ihre Abdichtfunktion nicht meh r ausreichend erfü llen können. Zählt man die Maße zusammen und be rück sichtigt noch einen Minimalabstand zwischen Kolbenunterseite und Pleuel, so ergibt sich, da ss für Dreiringkolben mit Durchme ssern in der Größeno rdnung von 70mm (gängiges Boh ru ngsmaß für Vierzylindermotoren) eine Kompressionshöhe von 30 mm nicht wesentlich unterschritten werden kann . Aus all d iesen Grü nden dürften heutige Kolbenkonstru ktionen weitgehend ausge reizt sein, und es sind weitere deut liche Gewichtsreduzierungen ohne Einschränkung der Dauerhaltbarkeit wohl nicht machbar. Fortschritte könnten ggf. zukünftig mit neuen faserverstärkten Leichtmeta llwerkstoffen erzielt werde n. Neben die sen Haltbarkeits- und Gew ichtsk riterien muss der Kolben auch noch seine Führu ngsaufgaben im Zylinder optimal erfüllen kön nen. Betrachtet man d ie Kolbenbeweg ung gen euer.
127
3.7 Konstr uktive Gestalt ung de r Motorbauteile
Desachsi erung
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Kom pression
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Expansion
Bild 3.92 Kippbewegung ( Kolbcnsekundärbewegung) des Kolbens im Zylinder
so erkennt man , dass der Kolben im Zylinder hi n- und herk ippen kann (Kolbensekundärbewegung), denn innerhalb seines Laufspiels ist seine Lage unbe stimmt. Bild 3.92. Dieses Kippen wird umso größer. je g rößer da s Laufspiel und je kürzer die Kolbenschaft länge ist. Deshalb wird bei fast alle n Motoren der Kolben desachsiert. d.h. die Mitt elachse des Kolbenbolzens verläuft um wenige mm versetzt zur Zylinderachse. Damit soll eine definier te Anlage des Kolbens an d ie Zylinderwand erreicht werden . Genaue Untersuchungen ze ige n abe r, dass trotz Desachsierung während der Auf- und Abbwegung ein mehrfacher An lagewechsel des Kolben statt findet (3.13]. Jeder Anlagewechsel füh rt zu einem ha rten Anschlag de r Kolbenkanten an den Zylinder mit ent sprechende r Geräuscha nregung. Besonders bei luftgek ühlten Motoren mit Kühl rippen und g uter Schallabstrahlung wirkt sich dies deutlic h messbar auf d ie Geräuschemi ssion des Motors aus. Deshalb muss da s Laufspiel de r Kolben im Zylinder insbesondere bei Kurz schaftkolben so klein wie möglich gehalten werden. Gene rell benötigen luftgekühlte Molore n ein etwas g rößeres Kolbenlaufspiel als wassergekühlte (vgl. nächstes Kapitel). Beschichtete Aluminiumzylinder mit gleichem Dehnungsverhalte n wie die Kolben sind vorteilhafter als Grau gusszylinder bzw. Al uzylinder mit Graug usslaufbu chse. wobei allerdings Grau guss bez üglich der Scha llübertragung bessere Dämpfungseigenschaften hat. Durch genaue Anpassung der Kolbenkontur an seine Temperaturbelastung und sein Dehn ungsverhatten. Bild 3.93, kan n ein e weitgehende Laufspielmi nimieru ng und befriedigende s Kippverhalten auch bei Kurz schaft kolben erreicht werden. Übliche Kalt-Einbauspiele für de n Kolben betragen bei motorradüblichen Kolbendur chmessern (60- 80 mm) rund 0.05 mm am unteren Schaftende und 0,25- 0.35 mm im Bereich des Feuerstegs. Im Bild 3.94 sind dre i weitere Ausführungsbeispiele von Kolben. wie sie in Motorradmot oren eingesetzt werden. da rgestellt. Der Ovalkolben. von HONDA als einzigem Motoren hersteller zu r Serienreife entwickelt und im Modell NR750R eingesetzt, stellt eine Novität dar, die aber
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3 Arbeitsweise, Baufor men und konstruktive AusfUhrung von Motorrad motoren
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Schnitt B
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~ Kontur ballig
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wechselnd oval
Schnitt A Schnitt A
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Sctnitt B
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Der starke 6nzug der Kdbenko ntur in der Ringzone kompensiert die dort sehr großenWärmedehnlllgen , die aufgrund der hohen Temperaturbelastungen auftreten. Oie SchaftkCfllu r berücksichtigt das Dehnungsverhalten und rorgt für eine optimale Anpassunq an cie Zylinderverfo rmung. Oie Ovalform vergrößert in Richtung der Bolzennabe den Freiraum für die Dehnung .
Bild 3.93 Kolbenkontur
Bild 3.94 Ovalkolben und Standardkolben Oben links: Ovalkolb en (HON DA) Oben rechts: Leichtbaukolben (B MW K 1200 S ) Unten links: Leichtbaukolben (YAMA HA YFZRI.2009)
3.7 Konstruktive Gestaltung de r Motorb auteile
129
nicht zu letzt wege n der sehr aufwändigen Fertigu ng der Kolbenringe eine exotische Ausna hme gebliebe n ist. Die Kolben de r BMW K 1200 S und der YAMAHA YZ F· Rl sind typische Vertrete r mod erner Leichtbau -Kolbenkonstruktionen.
3.7.2 Ges ta ltung von Kurbelgehä use u nd Zylinde r Kurbelgehäuse und Zylinder gehöre n eng zusammen; zu nehme nd werden auch beide Baute ile konst ru ktiv im sogenannten Zylinderkurbelgehäuse zusammengefass t. Währen d der Zylinder zusamme n mit dem Kolben für die Ge radfü hrung des Kurbeltriebs sorg t, nimmt das Kurbelgehäuse als Fundament des Motors alle Bauteile des Kurbeltriebs sowie alle im und am Motor wirkende n in neren un d äuße ren Kräft e auf. Auf den geschlossenen Kra ftfluss de r Guskrüfte wurde schon frü her verw iesen, vgl. Bild 3.42 und Kap. 3.5.1. Diese in neren Kräft e beanspruchen selbstverständlich d as Kurbelgehäu se, indem sie versuc hen , dieses zw ischen Zylinde rkopf und Kurbelwellenebene auseinanderzuz iehen. Die Massenk rafte aus dem Ku rbeltrieb werden ebenfa lls aufgenomme n und, sowe it sie als freie Kräfte nach außen wi rksa m werde n, a n die Motoraufh äng ungspunk te weitergeleitet. Werden sie durch den Massen ausg leich zu inneren Kräft en , wi rken sie innerhalb des Kurbelge häuses über d ie Ku rbelwelle als Biegebeanspruchung. Ist der Motor tragendes Element im Fahrwerkskonaept, muss das Ku rbelgeh äuse auch noch Fahrwe rkskräfte aufnehmen u nd weiterleiten. Es wi rd deu tlich, dass das Ku rbelgeh äuse ein hoch belastetes Bauteil ist, d as komb inierten Zug-, Druck-, Biege- und Tors ionsbea nspruchu ngen unte rliegt. Als g rößtes Einzelteil des Motors be stim mt seine Konstru ktion wesen tlich das Motorgesamtgewicht ; Leichtbau hat da her auch beim Kurbelgehäuse hohe Priori tät. Ku rbelge häuse fü r Motorradmotoren werde n daher schon seit Jahrzehnt en ausna hmslos aus Leichtmetall gefe rt igt. Wegen der Präz ision, die eine Kurbelwellen lagerung er fordert , muss da s Kurbel gehäuse ga nz besonders im Berei ch der Hauptl agergasse höchste Steifig keit aufw eise n und dar f sich unter der Einwirkung äußerer und in nerer Kräfte wie auch info lge thermischer Deh nungen nur unwesentli ch verz iehen. Erreic ht wird dies generell durch entsprec hende Wandstä rke n im Bereich der Lage runge n und durch aufw ändige Verrippungen inne rhalb der Gehäusestru ktur. Analog zu den unters chiedlichen Motorbauarten g ibt es eine g roße Vielfalt in der Bauausführung der Kurbelge häuse . Die Übersicht im Bild 3.95 zeigt eine system atische Einteilung in mögliche Bauprinzipien . Anhand ausgew ählter Beispiele sollen d ie konstruktiven Besonderheiten sowie d ie Vor- und Nac hteile der verschie de n Kurbe1gehäusebauformen näh er erläute rt werden. Die im Automobilbau zum Standard geworde ne Bauart eines ungeteilten Zyllnderkurbelgehuuses wird im Motorradbau bis heute nur von BMW in den K-Mod ellen mit liegendem, wasse rgekühlten Reihenmotor angewandt. Bei dieser Konstruktion sind Zylinder und Kurbelgehäuse in eine m gemeinsamen Gusstei l ausgefüh rt; sie zeich net sich durch hohe Steifigkeit bei geringe m Gewicht aus. Durch z usammengegossene Zylinde r kann der Zylindera bstand min imiert und das Kurbelgehäuse optimal kurz gehalten werden. Dies ist beim Längseinbau des Motors dann besond ers wichtig, wen n - wie bei BMW - das Getriebe hinter dem Motor angeflanscht wird. Die Länge der Motor-Getriebeeinheit best immt in d iesem Fall nämli ch wese ntlich den Radstand, und dieser soll nicht z u lang werden. Zusätzlich trägt d ie kompakte Zylindereinheit zur Steifigkeitserhöhu ng des Motorblocks bei. Auf d ie Kühlun g haben die zu sammengegossenen Zylinder wegen der hervorragenden Wärmeleitfä higkeit von Aluminium keinen nachteiligen Einfluss.
130
3 Arbeitsweise, Bauformen und konstruktive AusfU hru ng von Motorradmotoren
-
Zylinderkurbelq ehär se
I
open ded<;
L
~
c10sed deck
Kurbeig Etläuse und Zym der getr6"lnt
- I
I
Kurbelgehäuse
geteilt
geteilt
ungetd t,
ungeteilt
l A1u m in iu ml M3.gnesiu m
mit Z ylinde-· laufbuchse
-I
ctm e ZylinderIarfbuchse
Grauguss
Beschichturg mit Ker amikpartikeln uberecteeteche Alulegierung
r- -- -- -- ·I Plasffl/r
1 besch Chtung
_I
I Aluminium I Lauf- I l Ohne LiuJ. I I mit hse bUi ,-"b"·'lhF~';:::~:-_:---,
I Qauguss I r-----l weri g oder
l---...J ungebräucHiche
r- - - ""
Zylinder
Nickeldispersionsbes dlichtung
Au$IUhrung
1.ß4_A_ 1 Zukunl'tsentwicklung
Blld .\.95 Systematische Einteilung der mög lichen Bauar ten
-..l NickeldispersionsI beschichtung
-J Beschicht ung mit I Kerami kpartikeln
-I ube rectettrsche I Alulegierung
von K urbelgehäusen
Der Gewichtsvorteil eines Zylinderkurbelgehäuses ergibt sich aus dem Entfall von (dickwandigen) Flanschflächen für die Zylinderbefestigung und der Einsparung entsprechender Schrauben und Dichtungen. Es sind damit auch weniger mechanische Bearbeitungen am Gehäuse notwendig, wodurch die Fertigung dieses Kurbelgehäusetyps insgesamt recht wirtschaftlich wird. Bild 3.96 zeigt das Zylinderkurbelgehäuse der BMW KIOO, das in seiner Grundkonstruktion auch bei den Modellen K 1200 GT und K 1200 LT noch verwendet wird. Das dargestellte Gehäuse ist eine Open. deck-Konstruktion, bei der der Kühlwasser raum der Zylinder nach oben offen und nicht durch eine Deckplatte (c1osed deck) verschlossen ist. Dadurch wird die Entfernung des Wasser mantelkerns nach dem Gießen sehr vereinfacht. Die Steifigkeit ist allerdings gegenüber einer Closed·deck-Konstruktion etwas geringer.
3.7 Konstruktive Gestaltung de r Motorb auteile
131
Bild 3.96 Ungeteiltes Zylinderkur belgehäuse des BMW K 100 Motors
Das Gehäu se wird im Niederdruck-Kokillengussverfah ren aus eine r Aluminiumlegierung (ALSilOMg) hergestellt und wiegt einschließlich de r Hauptlagerböcke. die aus Grauguss bestehen, ru nd 16 kg. Ein gewi sser Nachteil des Kokillengusses ist die Mindestdic ke von rund 4 mm, die für alle Wände eingehalten werden muss. Das führt zu einer gewissen Gew ichtserhöhung, weil nichttragende Zwischenwände und Versteifungsrippen im Geh äuse dicker als nötig ausgeführt werden müssen. Aufgrund der komplexen Gehäusestr uktu r und de r g roßvolum igen Gussteile ist eine Fertigung ungeteilter Zylinde rkurbelgehäuse im Druckgu ssverfahren oft gar nicht oder nur mit g roßem Aufwand möglich. Das ist unvor teilhaft, denn Druckguss erlaubt minimale Wandstä rken bis etwa Im m und da mit Gewichtsoptimierungen. Allerdings werden mit diesem Gussver fah ren gegenüber Niederdruck-Kok illenguss geringere Festigkeitswerte im Werkstoff erzielt, weil infolge de r hohen Gießgeschwindigkeit und schnelleren Abkühlung ein gashaltiges Gefüge geringerer Dichte entsteht. Die meisten Motorradhersteller setzen mittlerweile bei den Hochleistungs-Reihen motoren für ihre Sportmotorräde r horizontal geteilte Zylinderku rbelgehäuse ein, die auch Druckg ussverfah ren möglich machen. Bei diesen Konstru kt ionen bilden das Kurbelgehäuseoberteil und der Zylinderb lock eine Einhe it. Mit nur einer Trennebene bieten sie gute Vora ussetzun gen für Leichtbau und wirtschaftliche Montage. Ein grundlege nder Vorteil de r Gehä useteilung ist die ein fache Montage von Hauptlagerschalen und Kurbelwelle, die auch automatisch erfolgen kann. Auf weitere Konstruktionsmerkmale dieser verbreiteten Bauart soll kurz eingegange n werden. Beispielhaft betrachten wir dazu das in den Bilde rn 3.97 gezeigte Zylinder-Kurbelgehäuse der 2004 neu vorgestellten BMW K 1200 S. Die in das Oberteil integrierten Zylinder machen das gesamte Bauteil sehr steif. Die tragenden Strukturen, also der Hauptlagerbereich mit seiner A nbiudung, sind großzügig dimensioniert und sichern durc h ihre Steifigkeit die Formt reue der Hauptlager unter Belastung. Im Kurbelgehause-Unterteil sind die Lagerbrücken über die Kurbelgehäusewä nde verbunden. Das Unte rteil trägt auch das Get riebe, das hier als Kassettenget riebe ausgeführt ist. Deutlich erkennbar sind
132
3 Arbeitsweise, Bauformen und konstruktive AusfU hru ng vo n Motorrad motoren
Kurbelqehäuse -Oberteil mit integ rierte n Zylindern
Kurbelgehäuse-Unterteil mit Getri ebegehäuse
Bild 3.97
Kurbelgeh äuseteile der BMW K 1200 S
die unterschiedl ichen w andstär ken. Eine Besonderheit ist, dass das Kurbelgehäuse-Oberteil mit den Zylinde rn im Niederdruck-Kokillen-Gussverfa hren gefertig t wurde und das Unterteil in Druc kguss. Damit sind im Unterteil fü r die nichttragenden Bereiche dünne Wandstä rken möglich. Für de n Kokillenguss des Oberteils spricht dessen bessere Beschichtbarkeit im Bereich de r Zylinderbohrung (vgl. nächsten Abschnitt). Das Kurbelgehäuse der YAMA HA FZ 750 (Modelljahr 1988) ist ein Beispiel für die g rundsätzlich andere Bauar t des geteilten Gehäuses, nämlich Kurbelgehäuse und Zylinder getrennt auszuführen, Bild 3.98. Das war früher Standard bei den japanischen Herstellern. Die tragenden Stru kturen sind auch bei diesem Gehäuse entsprechend dimensioniert, währe nd die Wandstärke bei Zwischenwände n ohne tragende Funktion sehr klein gehalten wurde. Gas- und Massen kräfte haben bei diesem Motor wegen der um 45° geneigten Zylinder eine Kraft komponente quer zur horizontalen Gehäuseteilung. deshalb ist das Gehäuse im Bereich der Kurbelwellen hauptlager z usätz lich verschraubt. Die durchgehenden Stiftsc hra uben (Zuganker), mit de nen Zylinderblock und Zylinderkopf gemeinsam verschraubt werde n, leiten die Gaskräfte auf geradem Wege sehr g ünstig in das Kurbelgehäuse ein. Seine Steifigkeit erhält das Gehäuse durch die vielfache Verschraubung von Ober- und Unterteil. Trotzdem liegt sie unterhalb der Werte, die mit Zylinderkurbelgehäusen erreicht werden. Die hohe Oberftächengüt e des Kurbelgehäuses und die filigrane Gestaltung wurde n durch das Druckgussverfahren möglich. Trotz des filig ranen Aussehens weist das da rgestellte Gehäuse (zu samm en mit dem Zylinderblock) gegenüber dem massiver erscheinenden Zylinderk urbelgehäuse de r BMW KIOO von 1983 keinen sig nifikanten Gewichtsvorteil auf (der Gewichtsanteil für das Getriebegehäuse bei YAMA HA wurde bei diesem Vergleich berücksichtigt). Der Grund für dieses überraschende Ergebnis liegt einerseits in den Graugusslaufbuc hse n des YAMA HA-
3.7 Konstruktive Gestaltung de r Motorb auteile
133
Bild 3.98 Kurbelgehäuseleile der YA MAHA FZ 750 (Modclljahr 19l!8)
Motors (Baujahr 1988) und in de r Vielza hl der Schrauben z um Zusammenfügen des Motors. Berücksichtigt man noch, da ss de r K100-Motor Hauptlagerdeckel aus Gra uguss hat und bei gleicher Bohru ng mehr Hubraum aufwe ist (1000 cm' statt 750 cm'), wird de r konstr uktionsbe dingte Gew ichtsvorteil der Zylinde rintegr ierung beim Zylinderk urbe lgehäuse besonders deutlich. Für d ie Trenn ung von Zylindern und Kurbelgehäuse gab es einige Gründe. Solange preiswerte Graug usszylinder den Anforde runge n genügten, ergab sich automatisch d ie getrennte Bauweise von Gehäuse und Zylindern. Beim zu nehm enden Übergang auf Aluminiumzylinder wurde d iese bewäh rte Bauweise da nn von vielen Herstellern beibehalten. Ein weiterer Gru nd ist die Integra tion des Get riebes in das Kurbelgeh äuse. Die zusätz liche Integ ration de r Zylinder führ t zu g rößeren, komplexen Gussstücken. Diese sind teurer und kön nen u.U. auch im Gießund Fertigungsproz ess zu Schwierigkeiten füh ren (Ausschu ssquoten bei m Guss , Aufspa nnen für die Bearbeitung, Steifigke it bei der Bearbeitung, Teilehandhabung etc.]. Schließlich spielt auch eine Rolle, dass bei Beschädig ungen am Geh äuse bzw, Zylinder nur pre iswer te Einzelteile ersetzt werden müssen, statt teurer Teileumfänge. Weil diese Gehäusebauar t aus den erwähnten Gründen de n Anforderu ngen an modern en Leichtbau nur unzureichend genügt, wird sie kaum noch angewendet. Bei allen Konstru ktionen von Zylinderkurbe lgehäusen ergibt sich die Notwend ig keit, d ie Zylinderlaufb ahnen mit einer abriebfesten Oberfläche zu versehen, de nn Kolbe n und Kolbenringe kön nen nicht direkt auf de m weichen Aluminium laufen. Für den Auftrag verschleißfester. harter Schichten auf das Aluminium g ibt es verschiedene Möglichkeiten. Bewährt haben sich Nickeld ispersionsbeschichtungen, besser beka nnt unter de n Handel sname n NIKASIL® oder GALNIKAL®. Bei d iesen Verfahre n wir d in einem galvan ischen Prozess eine dünne Nickel-
134 Zylinder
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstru ktive Aus fU hru ng von Motorradmotore n Laufbahnbeschichtung
(N ickeldispeßion ssdlidll)
,, r
Nickelschicht
,,~?'"
/'
.
,c:, .··1
Zylinde r- ......0-/ grundmaterial
Siliziumcarbidpartikel Bild 3.99 Nickcldispcrsio nsschiehr auf der Zylinderlaufbahn
schiehr auf der Zylindero be rfläche abgeschieden, in d ie feinst verteilt mikroskopisch klei ne Partikel von Siliziumkarbid (SiC) eingelagert sind. Diese Partikel, die extrem hart u nd verschieißfest sind, werde n durch ein anschließe ndes Honen der Zylinde rbohrung an der Oberfläche der Besch ichtung freigelegt und bilden die eige ntliche Laulbahn für Kolbe n und Kolben ringe, Bild 3.99. Das Nickel d ient led ig lich als Bindemittel fü r das Siliziumka rbid und stellt im galvanischen Prozess die elek trische Leitfähigkeit der Dispersion he r. Die Vorzüge dieser Besch ichtung liegen in der ext reme n Abr iebfestigkeit un d in der g roßen Fresssicherheit auch bei ungü nstigen Schmierve rhä ltnissen am Kolben. Diese komm t neben den Materialeigenschaften auch du rch die Ölhalt efähigk eit der Beschichtun g (Öl hä lt sich in den Zwischenrä umen de r Partikel) zustande. Wegen der geringen Schichtstärke ist de r Wärmedurchgangswiderstand zum Aluminium ge ring, so dass besc hichtet e Zylinder eine hervorragende Wärmeabfuhr aufwe isen . Nachteile des Verfahrens sind die aufwändige Prozesstechnolog ie. d ie eine siche re Beherrschung einer Vielza hl von Parametern de s ga lvanischen Verfah rens erfordert und der hohe Aufwa nd fü r den Umwelt schutz (Nic kelve rbindungen sind problematisch). Daher wurden weitere Beschichrungsve rfahren zur Serienre ife e ntwickelt. Japa nische Hersteller propagiere n Beschicht ungen mit kerami sche n Partikeln, d ie in einem elekt rochemischen Prozess aufgebracht werden (z.B. YAMAHA. im Model l YZF-R I). Untersuchunge n ze igen jedoch, da ss d iese Beschicht ungen den Nickeld ispers ionsschichten ähneln. Als Alternative z ur Galva nik wird bei Pkw-Motoren auch der Direk tauftrag harter Laufschichten mittels Plasma verfah ren a ngewendet, bisher j edoch nicht in serienmäßigen Motorradmotoren. Eine weitere Möglichkeit zu r Erzeugu ng ha rter Laufschichten im Zylinderkurbelgehäuse ist d ie Verwendung übereurektischer Alumi niu mlegie ru ngen (ALUSIL -Verfahren, siehe Anha ng). Dabei wird das gesa mte Gehäu se aus einer Aluminiu mlegieru ng mit einem Siliziumanteil von 17 % hergestellt. Diese Legierung wir d nach dem Gießen gez ielt so abgekü hlt. dass sich sogenannte Primärsiliziumkristalle hoher Härte an de r Zylinderlaulbahn ausbilden. Diese werden bei der nachfolgend en Bearbeitung und durch ein spezie lles Ätzve rfah ren freigeleg t und bilden d ann den Verschleißschutz fü r die Zylind erlaulbahn. Derartige Kurbelgehäuse wurden bei Motorradmotoren bisher noch nicht angewandt, finden sich aber bei Automo bilmotoren aus Leichtme tall (BMW 12-Zylinder, Persehe V8-M otor, Daimler-Benz V8-Mo toren ). Aufgrun d der Umweltproblem atik des Nickeldispersionsverfahrens könnt en in Zukunft aber Kurbelgehäuse nach dem AL USIL- Verfahren auch bei Motorradmoto ren zu r Anwendung kommen. Prinz ipiell könnten natürlich be im Zylinderkurbelgehäuse auch Graugusslaufbuc hsen in die Zylinder eingegossen oder eingepresst werden, doch würde dies beim Reihenmotor zu größeren Zylinderabs tände n und da mit grö ßerer Baulänge bzw. Baubreite fü hren u nd be i allen Bauar-
135
3.7 Konstruktive Gestalt ung der Motorbauteile
Biltl 3.1110 Tunnelgehä use des BMW Zweiz ylinde r-Boxermotors (1O()() cm', 2-Ventilcr)
ten z u höherem Gewicht und schlechterer Wärmeabfuhr. Wesentliche bauartbed ingte Vorteile wären dann nicht mehr gegeben. Nur noch historische Bedeutung hat das ungeteilte Gehäu se mit separaten Zylinde rn, auch Tunnelgehäuse ge nan nt, Bild 3.100. Es weist fertigungs technische Nachteile auf, die vom schwierigen Guss über d ie ung ünstige mechani sche Bearbeitung bis zur Kurbelwellenmontage reichen. Diese ist nicht automatisierbar, sondern die Kurbelwelle muss von Hand in das Kurbel gehäuse eingeführt werden. Die oft angeführte, höhere Steifigkeit d ieser Gehäusebaua rt im Vergleich z um geteilten Gehäuse ist nicht in jede m Fall gegeben. Eine seltene Variante stellt das Kurbelgehäuse aus Magnesium da r. Da das spez ifische Gewicht von Mag nesium nur etwa 60 % von Aluminium beträg t. ergebe n sich attr aktive Leichtbaumöglichkeiren. Da Magnesium legierun gen aber teuer, korrosionsanfällig und U.V. prob lematisch hinsichtlich der Dauerhaltbarkeit sind. ist d ie breite Verwe ndung fraglich. Bei sehr sportlichen Motorrädern wird Mag nesium jedoch entweder komplett (z.B. APRfLlA V2-Motor im Modell Mille) oder teilweise in Form von Deckeln (z.B. Ventild eckel BM W Boxer) und Abdec kungen eingesetzt. Bemerkenswert ist, dass bereits Ende der 60er Jahre in der M ÜNCH da s Kurb elgehäu se aus Mag nesium bestand. Es soll nun noch auf d ie Anforderungen und die spez ielle n Eigenhe iten der Zylinder eingega ngen werden. Diese lassen sich den beiden Kategorien Blockz ylinde r und Einzelzylinder zuordnen. Beim Blockzylinder sind mehrere Zylinder zu einem einzigen Block zusammengegossen. Diese Bauar t bietet sich bei Mehrzylinderreihenmotoren an. ein Beispiel ze igt Bild 3.101.
Bild 3. 101 Blockzylind er eines wassergeküh lten Vierzy linder reihenmotors
136
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstruk tive Aus fU hru ng von Motorrad motoren
Einzelzylinder wären bei diesen Motoren teurer, der Zylinderabsta nd würd e sich zwa ngsläufig vergrößern und der Motor schwerer und gro ßer werden. Die Blockbauweise hat darü ber hinaus eine höhe re Eigensteifigkeit und versteift dadurch im Verbund das gesa mte Kurbelgeh äuse. Nur bei luftgekühlten Mehrzylinder-Reihenmotoren könnte man sich noch Einzelzylinder vorstellen, um du rch entsprechende untersch iedl iche Kühlrippengesta ltung den Wär mehaushalt der innenliegenden Zylinder zu verbesse rn. Wegen der not wendigen Kühl rippen spielt hier de r Vorteil der Blockzylinder. den Zylinderabsta nd klein ha lten zu können, keine Rolle. Da neuentwickelte Reihenm otoren heute ausschließlich wasse rgekühlt sind, spielen diese Übe rlegungen keine Rolle meh r. Als Werkstoffe für Zylinder werden heute nur noch Aluminium legierungen verwe ndet, während bei früheren Motorkonstruktionen auch Grauguss den Anforderu ngen ge nügte. Derartige Zylinder waren preisgü nstig herzustellen , weil de r Werk stoffbillig war und d ie Kolben d irekt auf dem Grauguss laufen konnt en. Die vergleichswe ise geringe Wä rmeabfuhr bei G rauguss reichte für die geringe n Zylinderleistungen aus. Wegen der Zylinderza hl - es wurden fast ausschließlich Ein- und Zweizy lindermotoren gebaut - spielte der Gewichtsnachteil von Grauguss keine so g roße Rolle. Als letzter bedeutende r Hersteller rüstete HARLEY-DAV/DSON seine Motoren noch bis vor einigen Jahr en mit Graugu sszylindern aus, ging dann abe r ebe nfalls auf Al um inium über . Als Laufb ahn fü r die Kolbe n werden entweder Graugussbuchse n in die Zylinder eingesetzt oder Besch ichtu nge n, wie sie schon beim Zylinderkurbelgehäuse vorgestellt wurde n, verwe ndet. Für die Lau fb uchsen ex istieren zwei Bauarten, die d irekt in das Aluminium eingegosse ne Buchse und die eingepresste Laufbuchse. Letztere wird beim Motor rad in vielen Fällen als nasse Lautbuch se. die d irekt vom Kühlwasser um spült wird, ausgeführt. Die Verwe ndung von Laufb uchsen statt einer Beschichtu ng hat im wesent lichen Kostengr ünde. Die Vorteile von Al um iniumzylindern , geringes Gew icht, kleineres Kolbeneinba uspiel und gute Wä rmeabfuhr , werde n durch Graugusslaufbuchsen geminde rt. Bei der konstruktiven Auslegung aller Zylinde rbaua rten muss auf hohe Steifigkeit geac htet werde n. Ein großes Problem sind d ie Zylinde rverzüge, die durch die Schra ube nkräfte bz w. den Druck der Zylinderkopfdichtung sowie durch ungleichmäß ige Dehnung bei Erwärmung der Zylinder erzeugt werden, Bild 3.102. Die Kräfte der Zylinderkopfversch raubung wirken über d ie Zylinderkopfd ichtung auch als Druck kraft auf den oberen Zylinderran d und bewi rken, da ss der Zylinder im oberen Bereich ausbeult. Gr unds ätzlich sollten d ie Zylinde rkopfschrauben für einen günstigen Kraftfluss und eine gleichmäßige Druckverteilung der Zylinde rkopfdichtung möglichst nahe am Zylinder verlaufen. Ist de r Zylinderkopf j edoch nicht mit durchgehenden Zugankern im Kurbel gehäuse befestigt, sondern mit dem Zylinder d irekt versch raubt, bewirkt die Gew indea nbindung dieser Schrauben ebenfalls Verformunge n der Zylinderbohrung . Im Bild sind diese Verformungen im Verhält nis übertrieben gro ß da rgestellt. Sie betragen bei ausgefü hrten Zylinderkonstru ktione n mehrere hunder tstel Millimeter. Durch Wärmedehn ungen im Betr ieb können sich diese Zylinder verzüge verlage rn , verstärken, in (seltenen) g üns tigen Fällen aber auch abschwächen. Bei der Ausleg ung des Laufspiels zw ischen Kolben und Zylinder müssen d iese Verz üge berücksichtigt werden. Je g röße r diese sind, umso g rößer muss auch das Kolbenlaufspiel sei n. Wie bereit s im Abschnitt über die Kolben dargelegt wurde, muss aus Geräu schgr ünden jedoch das kleinstmögliche Kolbenlaufspiel angestrebt werden.
3.7 Konstruk tive Gestalt ung der Motorbauteile
137
Zylinder unbelastet
VErformung durch Sdlrauberkall
Bild 3.102 Sehemansche Darstellung der Zylinderve rzüge
Eine möglichst verzugsa rme, steife Zylinde rkons truktion ist daher sehr wichtig. Generell neigen luftgekü hlte Zylinder zu g rößeren Verzügen. we il d ie Wärmeabfuh r z wisc hen den direkt vom Kühlluftstrom beaufsch lagt en und den im Wind schatt en liegenden Zylinde rflächen sehr unterschi edlich ist. Folglich differieren auch die Wärmedeh nungen relativ stark. Dies ist mit ei n G ru nd für d ie g rößeren Kolben laufspiele bei luftgekühlten Motoren. Bei der Ausleg ung der Kü hlrippen kann versucht we rden, durch die Rippenlängen und Rippenausführungen ei ne gleichm äßigere Wärmeabfuhr herbeizu führ en. Bei wassergekühlten Zyli ndern ist d urch ei ne geeignete Wasserfü hr ung auf eine gleichmä ßige Durchströmung des Kühlwasserrau ms zu achten .
3.7.3 Gestalt ung von Zyli nderkopf und Venti ltr ieb Dem Zylinderkopf kommt be im Verbren nungsmotor besondere Bede utung zu , weil seine konstruktive Gestalt ung wese ntlic h das Betr iebsverhalten bestimmt und er da mit - beim Motorradmotor besonders wichtig - wese ntlichen Einfluss auf die Motor leistung hat. Die Au fgabe n und Fun ktionen des Zylinderkopfes beim Viertaktmotor könn en wie folgt zusamm engefasst werd en: - Absc hluss und Abdichtung des Zylinders - Ausbildung des Brennraum s - Abfüh ren der Verbrennungswä rme - Aufnahme und Umleitung der Verbrennungskrä fte (Gas kräfte) - Führen der Frischgas- und Abgasst röme - Aufnahme der Ventile un d des Ventiltriebs Hauptfunktionsbereiche des Zylinderkopfes sind der Brennraum, d ie Gaskanäle un d die Ventilsteuerung, beim wasse rgek ühlten Motor kommt noch der Kühlwasserraum hinz u, Bild 3.103. Obwoh l der Zylinderkopfstreng ge nomme n nur ei nen Teil des Brenn raums bildet (Bren nraumkalotte) u nd de r Kolbenbode n sow ie der oberste Zylinderabschnitt mit zum Brennra um gehören. bestimmt über wiege nd der zy linde rkopfseifige Teil die Eigenschaft en des Bren n raum s. Die Fo rm der Brennraum kalott e bee influsst zu sammen mit de r Lage de r Zü ndkerze den Verbren-
138
3 Arbeitsweise, Bauformen und konstrukti ve Ausführung von Motorradmotoren
Kühl· ~~<±L:lO wasserraum Brennraum
Bild 3. 103 Funkt ionsbereiche am Zylinderkopf
nungsablauf und bestimmt über ih r Oberflächen-Volumenverhältni s die thermodynami schen Verlu ste. Je kleiner die Kalotten oberfläche in Relation zu ihrem Volumen ist, umso weniger Wärme wird dem Verb rennung sprozess entzogen. Damit verbessert sich der innere Wirkungsg rad. Das theoreti sch geringste Oberflächen-Volumenverhältn is weist der Halbkugelbrennraum (hemisphäri scher Brennraum) auf, Bild 3.104. Dieser Brennraum hat jedoch den Nachteil, dass hohe Verdichtungsverhältmsse, die ruf einen hohen thermodynamischen Wirku ngsgrad notwendig sind. sich nur mittel s eines gewölbten Halbkugelbrennraum
A"sIa_ntil
Linsenbrennraum
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Bild 3.104 Halbkugclbrcnnraum und Linscnbrcnnraum
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3.7 Konstruktive Gestalt ung der Motorbauteile
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139
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Bild 3.105 Rad iale Venti lanordnung
Kolbenbodens verwirkl ichen lassen. Dieser führt abe r seinersei ts z u einer Vergröße ru ng der wärmea bgebende n Fläche und erhöht das Kolbe ngewicht. Daher wird für mode rne Motoren der flachere Linsenbrennra um bevorz ugt, de r bei noch g ünst igem Ober flächen-Volumenverhältnis eine hohe Verdichtung auch m it flachen Kolbenböd en ermög licht. Am Beispiel dieser beiden Brennräum e erken nt man auch den Einfluss des Ventilwinkels, de r für flachere Brennräume kleiner werden muss. Ein kleiner Ventil winkel ist auch die Grundvoraussetzung fiir einen schma l bauenden, kompa kten Zylinde rkopf. Auch die Ventilanza hl nimmt starken Einfluss auf die Brennraumfor m. Beim Zweiventiler wird nur etwa die Hälfte der Bren nraumoberfläche von den Ventilen gebi ldet, somit sind linsenförmige bis halbkugelige Brennr äume in verschiedensten Variationen möglich und auch notwe ndig, um d ie gew ünsc hten Ventildu rchmesser unterbri ngen z u können. Bei vier Ventilen pro Zylinder mache n die Ventiltelle r aber schon rund 80 % der Bren nraumobe rfläche aus, so da ss d ie Bren nraum gestalt ung weitgehend von der Ventila nord nung vorbestimmt wird. Eine der Halbkugel angenä herte Form kann bei m Vierve ntiler daher nur mit einer rad ialen Ventila nordnung verwirklicht werde n. Diese wieder um erforde rt eine entsprechend aufwändige Ventilbetätigung, Bild 3.105. Theoretisch ergebe n sich mit der radialen Ventilanordn ung Vorteile beim Einströmen und der Spülung, praktisch bestätigt sich dieses nicht. Beim konventionellen Vierve ntiler sind die Ventile jewei ls paarweise in zwe i gege nüberliegenden Ebenen angeordnet, Bild 3.106, was einen dac hförmige n Brennraum ergibt. Auch hier wird der Brennrau m. wie man unm ittelbar einsieht, umso flacher, je kleiner der Ventilwinkel wird. Die thermodynamischen Eigen schaft en derartiger Brennräume. die bei sehr vielen Motoren zu m Standa rd geworden sind, sind günstig. Ein kleiner Ventilwinkel wirkt auch einem Spü lungskurzschluss, also dem direkten Übers trömen von Frischgas in den Auslass während der Übe rschneidung, entgege n. Unter Leistu ngsgesichtspunkten kan n ein soleher Kurzschluss zwa r erw ünsch t sein (Restgasausspülung ), er verb ietet sich aber au s Abgas- und Verbrauchsgrü nden.
140
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstruk tive AusfUhru ng von Motorrad motoren
o D Bild 3.106 Dachförmigc Brennraumkontur beim konventionellen VicrvcntilzylindcrkopflKuwusakil Sowohl Zwei- als auch Vierventiler erlauben eine weitgehe nd ze ntrale Anordnung der Zündkerze. Weil die Verbre nnung von der Zündkerze aus etwa kugelschalen för mig du rch den Bren nraum fortschreitet, werden bei einer ze ntra len Zündkerzenanordn ung d ie Flammwege bis zu den Brennraumwänden alle gleichlang. wodurc h theoretisch die kürzestmögliche Verbrennungszeit erzielt wird. Und dies ist e rwünscht. weil dadurch ein hohe r Druckanstieg bei de r Verbrennung und maximale A rbeit erreicht wird. Beim Dreivemile r, üblicherweise mit zwe i Einlassventil en, erzwi ngt das g roße Auslassven til in den meisten Fällen eine seitlich außenliegende Zü ndkerzenlage. Bild 3.107. Um die Nachteile der langen Flammwege zu kompensieren , werden hier oft zwei Zündkerzen verwendet. Die zwe ite Zündkerze und d ie not wendige Bea rbeitung der Zündkerzenbohr ung mindern etwas den Kostenvorteil. den der Dreiventiler gegenüber dem Vierventiler hat. Bei fünf Ventilen pro Zylinder (dre i Einlass-. zwei Auslassve ntile) fül len diese den Brennrau m noc h vollständiger aus als beim Vierve ntiler, Bild 3.108. Die Brennraum form ist prin zip iell
Bild 3.107
Brennraum beim Dreiventil-Zylinderkopf
141
3.7 Konstr uktive Gestalt ung de r Motorbauteile
2Nentiler -
--~-- ~ G.'
D
3Nentiler - 5-Ventiler
4-Ventiler - -
Bild 3. lOH Vergleich der Brennräume von Zwei-, Drci-, Vier-, und Fünfventilmotoren
dachförmi g, jedoch ergibt sich auf de r Einlassseite eine Eindr ückung, weil da s mittlere Ventil soweit geschwenk t wurde, da ss sein Schafte nde in einer Ebene mit de n Vent ilschäfte n der äußeren Ventile liegt. Damit wird eine d irekte Betätigu ng über eine gemeinsame Einlassnockenwelle und kon vent ionelle Tassenstößel möglich. Am Schluss dieses Kapitels wird noch eine alte rnat ive Möglic hkeit der Ventilbetätigung beim Fünfventiler gezeigt. Auch der Fünfventiler erlaubt eine per fekte zentrale Zündke rzenlage. so da ss de r Brennraum bezüglich der thermodyna mischen Güte mit dem Vierventilbrennraum vergleichbar ist. Hinsichtlich der möglic hen Ventilque rschnitte ergibt sich rein rechner isch eine Zunahme mit der Ventilanzahl. Der Fünfventiler weist hier theoret ische Vorteile gegenüber dem Vierventiler auf. In der Praxi s lässt sich aber sein größe rer Que rschnitt oft nicht meh r nutzen , weil sich d ie einströmenden Gasströme gegenseitig beein flussen . Bessere Zylinderfüllung beim v ierventiler gegenüb er dem Fünfventiler konnte nicht nachgewie sen werden. zum indest nicht bei de n Zylinde rdurchmessern , wie sie im Motorradba u üblich sind. Für d ie Richtigke it die ser Unter suchungen sprechen auch d ie Motorlei stunge n de r auf dem Mark t befind lichen Motorräder. Fünfvenrilmotoren weisen keinen Leistungs- oder Drehmomentvorteil gegenüber hubraumgleichen Vierve ntilmotoren auf. Die Ventilanordnung g ibt nicht nu r die Brennraum form vor, sie bestimmt weitgehend auch de n Verlauf de r Gaskanäle. Moderne Motorradzylinderköpfe sind ausnah mslos nach de m Querstromprinzip aufgebaut. Einlass- und Auslasska näle liegen sich gegenübe r, so da ss der Gasstrom den Zylinderkopf auch quer du rchspült und da mit das Abgas vollständ ig vom Frischgas verd rängt werden kan n. Grundsätz lich muss auf eine widerstandsarme Führung der Gasströ-
142
3 Arbeitsweise, Bauform en und konstruktive AusfU hru ng von Motorrad motoren
mungen geachtet werden. Insbesondere bei einer Auslegung des Motors auf höchste spezifische Leistung er fordert dies möglichst gerade Einlasskanäle im Zylinderkopf und gerade Ansaugrohre. Bild 3.109 macht deutlich, wie bei geraden Einlasskanälen der Ventilwinkel die Steilheit der Gaskanäle bestimmt und dami t auch die Anordnung der Sauga nlage (Luftfilterkasten) im Fahrzeug. Eine Vergrößerung des Ventilwinkels ergibt flachere Kanäle, was vorteilhaft sein kann, wenn fahrzeugbedingt die Position der Sauganlage nicht frei gewählt werden kann. Dann kann u.U. eine starke Krümmung im weiteren Saugweg vermieden werden. Die Krümmun g des Einlasskanals unmittelbar vor dem Ventil ist wegen der Ventilfü hrung und des Platzbedarfs der Ventilfeder im Zylinderkopf unvermeidbar.
Als generelle Gestaltungsregel für die Gaskan äle im Zylinderkopf gilt. dass unvermeidbare Krümmungen in möglichst großen Radien verlaufen sollten. Querschnittsveränderungen im Kanalverlauf sollten nur allmählich und keinesfalls sprunghaft erfolgen. Die Erm ittlung der notwendigen Kanalquerschnit te im Zylinderkopf erfolgt für die konstruk tive Auslegung nach den Gleichungen im Kapitel 3.2.3. Anband von Prüfstand sversuchen mit dem fertigen Motor werden sie später optimiert. Beispiele für die Geo metrie und eine optimale, gerade Kanalgestaltung moderner Hochleistungsmotoren zeigt Bild 3.110 am Beispiel der SUZUKI Hayabusa 1300 und der HONDA CBR 600 (Modelljahr 2004 ).
Lutfillerkasl en
\"-... .. _.. )
D e Höhe des Luftfilterka stens ergibt sich aus der aeilheit des Bnlasskan ats. Mt Vergröß erung des Vel1ilwinkels wird ee- Einlasskanal flacher und der Luftfilterkasten beans prucht bei ertsprectlender Formgebung _ niger Höhe im FahrzeLg.
Bild 3.109 Lage von Einlasskanal. Saugrohr und Luftfilterkasten
3.7 Konstruktive Gestaltung der Motorbauteile
143
Bild 3.11 0 Einlasskanälc moderner Hochleistungsmotoren. links: SUZU KI Hayabusa 1300, rechts:
HONDA CBR600
Es hat sieh in vielen Fällen als gü nstig er wiesen, wenn sich der Einlasskanal zum Ventil hin leicht verjüngt und dam it die Strömung stetig beschleunigt wird. Bild 3. 111 zeigt an einem älteren Beispiel eine Analyse eines solchen Querschnittsverlaufs. Man erkennt die Erweiterung im Bereich der Ventilführung und des Ventilschaftes (im Bild ab Qu erschnitt 10) um deren Volumen zu kompensieren. Bei modernen Motoren werden kurze Ventilfü hr urigen verwendet, die kaum mehr in den Kanal hineinragen, Bild 3. 11 0. Zusammen mit den heute sehr dünnen Ventilschäften (Minimum 0 4 mm) werden da mit die Querschnittseinengungen und Störungen der Strömung minimiert. Häufig findet man auch die Empfehlung, den Einlasskanal un mittelbar vor dem Ventilsitz zu erweitern, um die Strömungseinschnürung. die sich aus der Kanalumlenkurig ergibt, zu kompensieren. Ein Nutzen dieser Maßnahme kann aber nicht imme r nachgewiesen werden. Sehr wichtig ist hingegen eine sorgfaltige Gestaltung des Übergangs Kanal-Ventilsitzring einschließlich der Krüm mung zum Sitzring an der Kanalin nenseite. Mangelnde Verrundung oder gar Kanten in diesem Bereich wirken sich unm ittelbar auf die Einlassströmung aus und führen zu messbaren Leistu ngseinbußen. Ursache ist oft ein leichter Versatz des Sandkerns für den Kanal beim Gießen. Die anschließende Nacharbeit des Einlasskanals mittels eines Fräsers von der Brennraumseite her führ t bei stärker gekrümmten Kanälen oft zu neuen Ka nten im Krüm mungsbereich. Hier kann manuelle Nacharbeit und nachträgliches Verrunden tatsächlich eine geringe. aber merkbare Leistungssteigerung bewirken. Durch sorgfaltige Nacharbeit lassen sich auch andere, unver meidliche Gusstele ranzen beseitigen. die messbare Unterschiede im Luftdu rchsatz zw ischen den Kanälen eines Motors bewirken können. Weitgehend nutzlos
144
3 Arbeitsweise, Bauformen und konstruktive AusfU hru ng von Motorradmotoren
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Bild 3.111 Beispiel fü r einen Q uerschnittsverlauf im Einlasskanal
hingegen ist normalerweise ein Polieren der Ansaugkanäle. Die Oberflächenra uigkeit heutiger Serienzylinderköpfe ist so klein, dass sie nicht über die Gre nzschicht der Gasströmung an der Kanalwand hinausgeht. Eine Verr ingerung der Wand reibung wird daher für die Strömung nicht erz ielt. Die theoretisch vorstellbare Verkleinerung der Grenzschicht wirkt sich in der Praxis nicht leistun gserhöhend aus. Denkbar, aber nur unter besonderen Bedingungen nachweisbar, ist eine Verbesserung der Gemi schaufbe reitungsgüte. Große n Einfluss auf die Zylinderkopfk onstr uktion nimmt der Ventiltrieb. Für die Art der Ventilbetätig ung gibt es Vorgaben, die sich aus der Leistungsanforde rung und dem Drehzahlniveau des Motors ableiten. Hohe spezifische Motorleistung und hohe Nenndrehzahlen fü hren zu hohen Ventilbeschleunigungen und damit zur Notwendig keit, die bewegten Massen im Ventiltrieb klein zu halten, vgl. dazu Kapitel 3.2.1 und 3.2.2. Zugleich muss der gesamte Ventiltrieb sehr steif sein, wozu auch dessen steife Lagerung in Zylinderkopf gehört. Es sollen daher jetzt die verschiedenen Gru ndbauarten der Ventilsteuerung bezüglich ihrer Konstruktionsmerkmale und Eigenschaften vorgestellt und bewertet werden. Jede Ventilsteuerung besteht aus den fü nf Baugruppen Nockenwellenantrieb, Nockenwelle, Übertragungselemente, Ventil, Ventilfeder (bzw. in Sonderfallen Ventilschließmechan ik). Man unterscheidet grundsätzlich zwischen Ventilsteuerungen, bei denen die Nockenwelle im Zylin-
3.7 Konstr uktive Gestalt ung de r Motorbauteile
145
_---c"'~ Ki pp h eb el
o
•• •
•• •
st oßstalge
Nockenwelle
\) stöllel
Ol-lv-Steueru nq mit Stoßstange
O HC·S1:euerung mit Kipphebel
Noocerweüe
chv = overtead val ves(obenliegende Ventile) ohc = cverte ae camshaft (obenliegende Nockenwelle)
Schlepphebe", ~'-'='
NOckerw.ellt : >
Tassen· """''''~ stöf!el
OHC ·S1:euerung mit S chlepphebel
OHC ·S1:euerung mit Tassenstößel
Bild 3.112 Grun dbauarten der Ventilsteuerung
derkopfl iegt (oben liegende Nockenwelle, Ohc-Steuerung ee overhead cam shaft) und den Steuerungen mit der Nockenwelle im Kurbelgehäu se (unten liegende Nockenwel le, ühv-Steuerung ;::)overhead valves). Die vier häufigsten Gru ndbauarten sind im Bild 3.1t 2 schematisch da rgestellt. Sie unterscheiden sich deutlich in ihren Eige nschafte n und im Betri ebsverhalten. Bei de r untenliegenden Nockenwelle ( Oh ~'- Steuer u ng) erfolgt die Ventilbetätigu ng indirekt über Stößel, Stoßs tangen und Kipphebel. Dadurch sind die bewegten Massen hoch und die Steifigkeit recht gering (Hintereinanderschaltung von Einzelelastizit äten], so dass mit dieser Steuerung keine hohen Vent ilbeschleu nigungen und Drehzahlen erreicht werden können . Ihr Vorteil liegt auf der konstruktiven Seite. Der Entfall der Nockenwelle im Zylinderkopf ermöglicht nicht nur einen unproblematischen Nockenwellenant rieb. sondern vor allem eine einfache und sehr kompakte Zylinde rkopfgestaltun g. Letzteres ist z.B. für quer eingebaute Boxermotoren sehr wichtig, weil dort die Zylinderkopfabmessungen die Boden freiheit des Motorrades bei Schräg lage bestimmen. Genere ll ist die Ohv-Ste uerung für Motoren mit auseinande rliegenden Einzelzylindern (V. Motoren und Boxermoto ren) immer eine besonders kostengünstige und gewichtssparende Lösung, weil nur eine einzige Nockenwelle und ein Nockenwellenantrieb benötigt wird.
146
3 Arbeitsweise, Bauformen und konstruktive AusfU hru ng von Motorradmotoren
ß ild 3.113 Schlepphebelsteuerung ( B ~l W K 1200 S)
Bei der Ohc-Steuerung g ibt es verschiedene Möglic hke iten zu r Ventilbetät igu ng. Die Lösun g mit einer gemeinsa men Nockenwelle für die Ein- und Auslassventile u nd deren Betätigung über Kipphebel erfordert de n geringsten konstrukti ven Aufwand, ist kostengünstig und platzspa rend. Wegen de r, besonders bei g roßen Ventil winkeln . langen Kipphebelarme. ist d ie Steifigkeit für höch ste Ventilbeschleuni gungen unb efriedigend. Die bewegt en Massen Sind zwar kleiner als bei der Oh v-Steuerun g, aber wege n der relativ schweren Kipph ebel imm er noch recht g roß. Die Ohc-Steueru ng mit nur einer Nockenwelle ist be i Einzyli ndermotoren recht häufig a nzu treffen (niedrige Drehza hlen), bei Mehrzylinder·M otorradmotoren eher die Ausnahme. Präde stiniert für höchste Dre hza hlen und höchste Ventilbesch leunigun gen sind Ventilsteuerungen mit di rekter Ventilbetätigu ng über Tassen oder Schlepphebel. Durch die geringe Anzahl bewegter Teile zw ischen Nockenwelle u nd Ventil bleibe n d ie Massen klein , und es sind beste Voraussetzun gen für eine maxima le Steifigkeit des Ventiltriebs geschaffen. Das Querstromprinzip mit gegenüberliegenden Ein- und Auslasskanälen erfordert allerdings grundsätzlich get rennt e Nockenwellen für die Einla ss- und Auslasss teueru ng. Man nenn t derar tige Ventilsteuerungen häufig auch Dohc-Steuerung (double overhead camshaft) . Eine Wertung , ob die Tassen stößelsteuerung oder die Schlepphebelsteuerung bezüglich Masse und Steifigkeit günstiger ist, kann pauschal nur schwe r abgegeben werden und hängt von den ko nstruktiven Detail s ab. Summarisch weist wohl die Schlepphebelsteuerung die geringste bewegte Masse und Steifigkeit auf, wen n sie so kon zipiert ist, da ss Nockenwelle u nd Schlepphebel jeweils direkt übe r den Ventilen angeordnet ist, Hild 3.113. Denn dan n unterliegt der Schlepphebel (Übersetzung 1:1) keiner Biegebeanspru chung und kan n sehr filigran un d leicht gest altet werden.
147
3.7 Konstruktive Gestalt ung de r Motorbauteile Tabell e 3.7 Vergle iche nde Betra cht ungen der Venti lsteuerungen
OHC
OHC
Kipp hebel
Schlepp hebel
DOHC Tasse nstößel
Sch lepphebe l
Bewegte Masse n
0
0
+
+
Steifigkeit
0
0
+
+
0
0
+
+
+
(+)
+
(+)
Eigenschaft
OHV
Drehzahlfestigkeit VentiIspielcinstcllu ng
+
HVA-Taugliehkeit Nockenwelle nantrieb
+
0
0
Kosten
+
+
+
Baubreite/ Bauhöhe ZK
+
+
+
DOHC
+
(+)
+ günstig - ungünstig 0 neutr al ( ) eingeschränkt bzw. konstruktionsabh ängig
Ist dies aber aus konstruktiven Gründen nicht möglich und es liegt die Nockenwelle zwischen Ventilschaft und Schlepphebeldrehpunkt, ist oft die Tassenstößelsteuerung im Vorteil. Bei prinzipbed ingt hohe r Steifigkeit hat die Tassenstößelsteuerung den Nachteil. dass die Tassen bei große n Durchmessern relativ schwer werden und eine Durchbiegu ng des Tasse nboden s auftritt. Dies setzt d ie Steifigkeit herab und kann nur durch entsprechende Bodend icken (Gew icht!) kompensiert werden ka nn. Man da rf nicht vergesse n, dass der Nockenaufsta ndspunkt während der Hubbewegung z um Rand der Tasse wandert, vgl. Kap. 3.2, Bild 3.15. Diese Auswa nderu ng des Berührpunktes de r Nocke auf der Tasse bes timmt den Tassendurch messer in Anhängigkeit vom Ventilhub. Besonders bei Zweiventilmotoren. die mit Hilfe großer Ventilhübe auf hohe Leistung ausgelegt werden sollen, kan n d ie Auswanderu ng hier häufig eine Gren ze vorgeben. Entweder findet die notwend ige Tassengröße im Zylinde rkopf keinen Platz ode r das Gew icht der Tasse für die anges trebte Ventilbeschleunigu ng wird zu g roß. Durch de n Durchmesser und den Bauraumbedarf für die Tassen wird auch die Wah l eines enge n Ventilwinkels eingesc hränkt. Für einen optimal kompakten , schm alen Zylinderkopf ist deshalb d ie Schlepphebelsteuerung oft die bessere Lösung. Die Motoren der Formel I g reifen heute alle auf Schlepphebelste uerungen z urück. Es gibt noch eine Reihe weiterer Kriterien, mit denen die verschiede nen Bauprinzipien der Ventilsteueru ng bewer tet werden können. Eine Zusammenstellung aller wichtigen Beurteilungskriterien für Ventiltriebe wird in Tabell e 3.7 gegeben. Der Vergleich ist in Relation z ueinander zu verstehe n. Auf Einzelheiten wird bei der Behandlu ng ausgeführter Konstruktione n erngegangen. Man erkennt an d ieser Stelle. dass d ie optimale Erfüllu ng aller Hauptfunktionen d ie Gru ndkonzeption des Zylinderkopfes schon weitgehend festlegt. Wir fassen noch einma l zus ammen: Die Leistungsan forderung und Nenndrehza hl bestimmen weitgehe nd das Baup rinzip der Ventilsteuerung. Außerdem legen sie d ie Ventilg röße und -anza hl sowie die Anordnung und Gestaltung der Gaska näle fest. Letztere wiede rum haben Einfluss auf den Ventil winkel (oder umgekehrt), der dan n die Gr undform des Brennraum s vorgibt.
148
3 Arbeitsweise, Bauform en und konstruktive AusfU hru ng von Motorrad motoren
Für die reale Konstruktion des Zylinderkopfes komm t nun noch hinzu , dass eine gute Wärmeabfuh r aus dem Brennraum gewährleistet werde n muss. So müssen bei wasse rgekühlte n Zylinderköpfen ausreichende Quersch nitte im Kühlwasser raum fü r eine intensive Küh lwasserdurchströmung vorhande n sein. Luftgekühlte Zylinderköpfe e rfordern eine günstige Gestaltung der Kühlrippen und entsprechende Materialstärken der Wände zw ischen Brennraum und Kühlrippe n, damit ein ausreichender Wä rmeabfluss vom Bren nraum möglich wird. Für die Anordnung der Zylinderkopfschrauben gibt es Vorgaben dur ch die Art des Kurbelgehäuses. dem Wunsch nach optimalem Kraftfluss und die Art der Zylinderbefestigung, und sie müssen für die Montage g ut zugänglich sein! Über a ll diesen Faktoren steht natürlich die gr undsätz liche Forderung, dass der Zylinderkopf de n vielfältigen Belastungen gewac hse n sein muss. Es sind dies kombiniert e Zug-, Druck-, und Biegebeanspruchungen sowohl als direk te Folge des Verbrennungsd rucks als auch resultierend aus de m Wärmeanfall mit seinen thermischen Dehnungen. Hinzu kom men Zug- und Druckbelastungen als Rea ktionsk räfte aus dem Ventiltrieb. Größere Bedeutun g als die Festigkeit, die meist nur im Bereich der Ventilstege Probleme aufwirft , hat beim Zylinderkopf die Erz ielung einer ausreic hend hohen Steifigkeit. Diese ist unabd ingbar für eine gleichmä ßige Pressungsverteilung an der Zyli nderkopfdichtung. für die nockengetreue Übertrag ung der Ventilbeweg ung und um Verz ugsfreiheit der Ventilsitz ringe und Dichtheit de r Ventile zu gewä hrleisten. Der ge ringe Gesta ltungsfreiraum, der aufgru nd aller Vorg aben noch übrig bleibt, macht die Konstrukt ion eines steifen Zylinderkopfes zu eine r sehr ans pruchsvollen und schwierigen Aufgabe. Schließlich sollen alle Einzelfunktionen optima l erfü llt werden. Es ist daher von g rundlegende r Wichtig keit, zu Beginn de r Zylinderkopfkonstruktion desse n Konze ption und Gru ndgeometrie sorgfaltig z u überlege n und sämtliche Ausw irkungen zu überprüfen. Wie die Fülle aller An forderungen in die Prax is umgesetzt werden kann, welche Zielkonflikte dab ei auft reten und welche Vor- und Nachteile sich ergeben, soll nun anhand ausgewählte r Konstrukti onsbeispiele von Motorr adzylinderköpfen und Vent iltriebsausführungen gezeigt werden. Bild 3.114 zeigt einen wassergek ühlten Vierventilzylinde rkopf fü r einen Vierzylinder reihenmotor (BMW KI 100). Entsprechend der Auslegung auf - für dama lige Verhältnisse - hohe Drehzahlen und Leistu ng erfolgt die Ventilsteuerung mit zwe i Nockenwellen über Tassenst ößeL Durch den Längseinbau und die liegende Zylinderkopfanordnung, die BMW früher bei der K-Modellreihe gewählt hat, ergibt sich die Notwendig keit einer 90 o-U mlenkung der Einlass- und Auslasskanäle. dam it der Luftfilterkasten oberhalb des Motors angeord net werden kann . Der Ventilwinkel ist mithin ein Kompromi ss aus dem Wunsch nach ge ringstmöglicher Kanalk rümmung (das hieße große r Ventilwinkel) und schmaler Zylinderkopfba uweise (das hieße kleiner Ventilwinkel) z usammen mit de r Forderung nach einem kompakten Brennraum mit hoher Verdichtung. Um geringste bewegte Masse n im Ventiltrieb z u erreichen, wird bei dem geze igten Motor auf die normalerweise üblichen, auswechselbaren Einstellplättchen für das Ventilspiel oben in den Tassenstößeln verz ichtet. Stattdessen erfolgt die Ventilspieleinstellung über Tassenstößel mit unterschiedlicher Bodend icke, die im Bedarfsfall ausgetauscht werden. Möglich ist dies nur, wenn das Ventilspiel über die Motorlaufzeit praktisch kaum nachgeste llt werden muss. Dies wird am Beispiel des K IIOO-Zylinderkopfes erreicht durch eine stabile Einbettung der Ventilsitze in den Zylinderkopf zusammen mit einer guten Kühlung, so dass im Ventilsitzbereich
3.7 Konstruk tive Gestalt ung der Motorbauteile
149
l ängs- und Querschnitt (liegende Motoranord nung) _ _
~!
l
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Neckenwelle
~
Ri1t1 3.114 Zylinderkopf der BMW K 1IOO
weder thermische Verzüge noch Setze rsche inu ngen auft reten. Eine weitere Vora ussetzung ist eine sorgfältige Nockenauslegu ng besonders der Schließ rampe. die für ein sa nftes Aufsetze n des Ventils in se inen Sitz sorgt und damit einem Verschleiß a n dieser Stelle, der sich auf das Ventilspiel auswirken würde, vorbeugt. Im Unterschied z u luftgekühlt en Zyli nderköpfen , werden bei Wasserkü hlung, wie man unschwer im Bild erkennt, eher kleinere Wanddicken im Zylinderkopf vorgesehen , um den Wä rmed urchgangswiders ta nd klein zu ha lten und d ie Wasserräume nahe an den Brenn raum legen z u können. Komp rom isse in der Wandstärke sind aber aus Stabilitätsg ründe n erforderlich. Immerhin treten bei Volllast in der Bren nrau mwand zwisc hen Einlass und Auslassventil auf einer Strecke von 25 mm durchsc hnitt lich mehr als 50 "C Temperaturdiffere nz auf. Direkt a n de n Ventilsitz ringen und unm ittelba r an der Brenn raumob erfläche dü rft en d iese Unterschiede noch weit höher sein. Die Deh nungen un d Wärmespa nnungen, die lokal konzentriert auft reten, f ühren leicht zu Risse n zw ischen Ventilsitz ringe n u nd Zü ndkerzenboh rung und zu Verzüg en im Bereich der Ventilsitzringe. Hinzu komm en die Spannungen im Material, die sich aufgründ der hohen Press ung, mit der die Ve ntilsitzr inge im Zylinderkopf eingesch rumpft sind, e rgeben . Nicht vergessen werden da rf dabei der rasche Temperaturwechsel der Zylinderladung, der zwischen Verbrennungs takt u nd Ladungswechselta kt auft ritt; bei 6000 Ulmin immerhin hu ndertmal pro Sekun de ! Um diesen Beanspruchungen gewac hsen zu sein, müssen im Bere ich der Ventilsitzringe ausreichende Wand stärken vorgese hen werden. Hilfreich ist auch der zusätz liche Kühlwasserraum . der bei der K 1100 u nterha lb des Aus lasska nals angeord net ist. Beispiele für Zylinderköpfe aus verschiedenen Baujahren . d iejeweil s für ih re Ze it kompromisslos auf Höchstleistung und höchste Drehzahlen (Nennd rehzahl > 10.000 Ulmi n) ausgelegt si nd, zeigt Bild 3. 115 mit den Zylinder köpfen der HONDA eBR 900 RR (hier Modelljah r 1995) und dem Kopf de r e HR 600 RR (Modelljahr 2004 ).
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3 Arbeitsweise, Bauform en und konstruk tive AusfUhru ng von Motorrad motoren
Nockenwellenlagertracken
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Bild 3.11 !'
Zylinderkopf der HüND A CSR 900 RR undCBR600 RR Der Ventilwinkel (320 bei der e BR 900 RR) erg ibt steile, weitestgehend gerade Einlasskanäle. die für eine verlustar me Gasst römung sorgen. Man erkenn t am Beispiel des 600e r Motors, dass die moderne Konstruktion einen noch enge ren Ventilwinkel hat. Zur hohen Ventiltriebssteifigkeit trägt nicht nur die Tassenstößelsteuer ung bei, sonde rn auch die g roßen Nockenwellendurchmesser und ihre fünffache Lagerung. Bemerkenswert ist dabei die Gestalt ung der obere n Nockenwellenlagerbrücke n. die in den Ventildeckel integr iert wurde n und die Hauptbelastu ng aus den Ventiltriebskräften aufnehmen müssen. Durch den Verbund aller Lagerbrücken wird eine hohe Gr undsteifigkeit erzielt und gleichzeitig Gew icht gespart, weil durch die gemeinsame Verschraubung von Nockenwellenlagern und Ventildeckel die sonst üblichen, separate n Schra uben fü r die Lagerdeckel entfallen können. Zur Gewichtsminimieru ng de r bewegten Ventiltriebsteile tragen die mit nur 4,5 mm bzw. 4 mm Durchmesse r sehr schlanken Ventilschäfte ebenso bei, wie die Einstellplättchen für das Ventilspiel (Shims) , die zwisc hen Ventilschaft und Tassenstößelunterseite angeordnet und damit klein und leicht sind. Vom Servicea ufwan d nachteilig ist dabe i, dass zu r Ventilspieleinstellung die Nockenwellen und Tassen ausgebaut und dafü r die Steuerkette bzw. die Kettenr äder abgenommen werden müsse n. Bei den üblichen Einstellplättchen zwischen Tasse und Nockenwelle werden dagege n lediglich die Tassen niederged rückt und die Plättchen ausgewec hselt. Als letztes Detai l sei noch auf die Verschmä lerung der Nocken im Bereich ihres Grundk reises hingewiesen. Die senkt, wenn auch eher unbedeutend , das Nockenwellengewicht und vermin-
3.7 Konstruk tive Gestalt ung der Motorbauteile
151
ßild 3. 116 Schlcp phcbclstcucrung ( KAWASA K I G PX 750)
dert theore tisch (wen n wohl auc h kau m messbar) , d ie Reibleistu ng de r Nockenwelle wä hrend der Gr undk reisphase (da im G ru ndk reis der Noc ken un belastet läuft, ist die Reibung nahe be i Null). Bedeutsamer d ürfte die Verbesserung der Schmie ru ng zw ischen Nocke und Tasse nstö ßel sein, weil der schmale Nocken wä hrend der G ru ndk reisphase eine größe re Tassenoberfläche freigibt, die dann großflächige r von Öl benetzt wird u nd beim anschließenden Auflaufen der Nockenflanke mehr Öl arn Schmierspal t zu r Verfügung steht. Diese Noc kengestaltu ng ist übrigens nicht neu , sie wurde nach Wissen des Autors erstmals gegen Ende de r 80er Jahre von KA WASAK I beim Modell G PX 750 vorgestellt, siehe Bild 3.116. Ähnliche Zylinder kopfko nstruktionen. wie die vorgestellte von HONDA, finden sich bei allen Herstellern spo rtlicher Hochleistungsmotorrä der. Gem ein sames Merkmal ist stets der enge Ventilwinkel und die steile, gerade Form des Einlasskanals als G ru ndvoraussetzu ng für beste St römu ngsverhält nisse und hohe Leistu ng. Die Unterschiede in der Ventilsteueru ng haben sich ebe nfalls verwischt. Mitt lerweile setze n d ie ja panischen Hersteller bei ihren Hochleistungsmotoren ausnahms los auf die Tasse nstößels teuerung. Mögl icherweise sind Kostengründe fü r den Übergang auf eine solche Standa rdlösung auss chlaggebend. Früher wurde häufiger auch die Schlepphebelsteuerung verwe ndet, beispielsweise von KA WASAK I im Modell G PX 750, Bild 3,116. Hier ist d ie Venti lspieleinstellung sehr elegant gelöst, denn d ie Einstellsch raube befindet sich gut zugä ng lich am Lagerpunkt des Schlepphebels. Dort spielt auc h das Gewic ht der Einstellsch raube kein e Rolle (nicht bewegte Masse). Somit ist eine servicefreundl iche, sch nelle Justieru ng des Ventilspiels möglich, ohne d ass de r Ventiltrieb zerlegt werden muss. BM W geht bei seinen Hoch leistungsmotoren für d ie K-Baureihe (ab 2004) und bei seine m Supersportier SIOOORR eigene Wege und folgt n icht der konventionellen Linie der Tasse nstößelsteuerung. Für beid e Motoren favorisiert BM W ei ne Schlepphebelsteuerung. die auch in den Formell -Motoren eingesetzt wu rde . Auch wen n die Unte rsc hiede z um Tassenstößel n icht allz u groß sind: Hinsichtlich der bewegten Massen und der Ste ifigkeit hat eine konsequent ge machte Schlepphebelsteuerung tendenzielle und belegbare Vorte ile, Bild 3.117.
Sie sorg t, wie weiter obe n schon erwäh nt, für ei nen bem erkenswert sch malen Zylinderkopfund gestattet eine n sehr engen Venti lwi nkel von 22", Man erkennt d ie steife und zugleich kompakte
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3 Arbeitsweise, Baufor men und konstruktive AusfU hru ng von Motorradm otoren
Bild 3.117 Zyl inderkopf der BM W K 1200 S (oben), Zylinderköpfe mit Schlepphcbclsrcucrung, BMW K 1200/ K 1300 und SIOOORR tunten)
Bauweise. Charakteri stisch ist die Anordnung der Nockenwellen direkt über de n Ventilschäften. Damit unterliegt der Schlepphebel prak tisch keiner Biegebela stun g, so dass trotz zierliche r Gestaltung allerhöchste Steifigkeit der Ventilbetätig ung erzielt wird.
3.7 Konstruk tive Gestalt ung der Moto rbauteile
153
Bild 3. 118 Schlc pphcbclstcucrung mit Vcntilsp iclausglc ich (HONDA CB750, Modelljahr 1992)
Eine Sch lepphebels teuerung mit anderer Z ielsetz ung bietet H ONDA in de r CB750 an. Bild 3.118. Als unverkle idete Sport masc hine mit hoher Alltagsta ug lichkeit kon zipiert und unt er Verzic ht auf max ima le Leistu ngsausbeute. war hier ein wa rtu ngsfreie r Ventiltrieb Z iel de r Entw icklung . Dem zu folge sind die Lager zapfen de r Sch lepphebel als hydrau lische Elemente zum autom ausehe n Ventilspielausgleich ausgebildet (H VA4Elemente = hydra ulischer VentilspieI4Ausgle ich). Diese Eleme nte we rden vom Motorölkreislauf mit Ö l befü llt und bei nhalten einen mit dem Lagerza pfen verbundenen lnnenkolbe n, der von einer Hilfsfeder unt erstü tzt soweit ausfä hrt. bis das Venti lspiel üb erbrückt ist. Ein Ventilsys te m im fnn ern des Hv a -Blements spe rrt den Ölrückfluss, sobald Kräfte auf den Zapfe n wirken, so dass währe nd der ÖlTnungs- u nd Sch fießphase des Ventils der Lagerzapfen sta rr bleibt. Der Nac htei l dera rtiger HVA-Elemente ist, da ss sie gege nüber einem sta rre n Ventiltri eb ei ne vermi nderte Steifigkeit aufweisen. Denn Motoröl ist bei hohen Kräft en. wie sie im Ventiltr ieb auftre te n, nicht völlig ink omp ressib el. Du rch geringfü g ige Luft aufn ah me während des Motorbetri ebs erhöht sich seine Kompress ibilität wei te r. Des hal b si nd HVA· Steueru ngen nie ideal steif, was sie für die Erz ielung höchster Vent ilbesch leuni g ungen ungeeignet macht. Motoren fü r höchste spezi fische Leistunge n u nd Drehzahlen kön nen daher nicht mit einem hyd rau lischen Ventils piela usgleich verse hen we rden. Es ist somit auc h kein Nac hteil, dass bei der gezeigte n Konstrukt ion die Nockenwelle n mitt ig zwische n Ventil und Kipp hebel angeo rdnet wurden . Wegen des hohen G ewichts der HVA-Efemente können sie beim Motorrad nu r in der geze igten, ruhenden A nordnung zusa mme n mit SChlepphebe ln eingese tz t werden. In Tassen stößel integrierte HVA-Elemente, wie bei Automob ilmo tore n üblich, sind aufgrund de r höheren Drehzahlen u nd Ventilbeschleu nigu nge n bei Motorrad motoren nicht verwendbar. Wenden wi r uns nun noch den O hv-Steueru ngen zu. Es w urd e anfangs des Kapitels ber eits darau f hin gewiesen . dass d iese Ste uerungs bauart für Motoren mit auseinanderliegenden Zylindern Kostenvorteile biet et (nur eine Noc kenwel le) und zud em ei ne kompak te Zylinderkopfkonstruktion ermög licht. Bild 3.119 zeig t den konstruktiven Au fb au dieser Ste uerungsbaua rt am Bei spiel des BM W Zwe iventil-Boxe rmoto rs. Die zentrale, unterhalb der Kurbelwelle angeordnete Noc kenwelle betät igt die Ventile über Stößel , Stoßsta nge n und KipphebeL Die Übertragungswege erfo rde rn lange Stoßstange n, bei deren Dim ensioni erung ei n Komp romi ss zw i-
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3 Arbeitsweise, Bauform en und konstruktive AusfU hru ng von Motorrad motoren
Stößelsta nge Stö ße l Nockenwelle
Bild 3.119 Ohv-Steuerung des BMW Boxermotors mit zwei Ventilen pro Zylinder sehen Knicksicherheit und Gewicht gefunden werden muss. Um größere Ventilspieländerungen durch die Ausdehnung der Aluminiumzylinder im Betrieb zu vermeiden, sind die Stoßstangen aus einer Aluminiumlegierung gefertigt, in die Kugelendstücke aus Stahl eingepresst sind. Die horizontale Lage der Gaskanäle im Zylinderkopf bedingt gekröpfte Kipphebel zur Ventilbetätigung, die gewichts- und steifigkeitsmäßig nicht ganz ideal sind. Von dah er eignet sich der Ventiltrieb nur für mäßige Drehzahlen und niedrige Ventilbeschleunigungen. Mit maximal 51 kW(= 70 PS) aus 1000 cm-' Hubraum ist fü r diesen Motor unter Serienbedingungen die Leistungsgrenze erreicht. Das mechanische Drehzahllimit liegt etwa bei 7500 U/min. Die vergleichsweise hohen Massen und das unvermeidbare Spiel zwischen den Übertragungseiernenten bedingen ein ungünstiges akustisches Verhalten der Ohv-Sreuerungen; sie sind relativ laut. Dass Ohv-Steuerungen mit Stoßsta ngen bei entsprechender Konstrukt ion aber auch hohe Drehzahlen erreichen können, hat HONDA schon Ende der 70er Jahre mit dem Zweizylinder-VMotor im Modell CX 500 bewiesen, Bild 3.120. Hier betätigt die zentra le Nockenwelle kurze Schlepphebel, die dann über Stoßstangen und Kipphebel den Nockenhub auf die Ventile über tragen. Diese Schlepphebel können sehr leicht gestaltet werden, wodu rch sich eine erhebliche Reduktion der bewegten Massen gegenüber der von BMW verwendete n Lösung mit Stößeln ergibt. Die nähere Positionierung der Nockenwelle zu den Zylinderköpfen, die wegen der V-Anordnung der Zylinder möglich wird, ergibt kürzere und damit steifere und leichtere Stoßsta ngen. Zusam mengenommen ergibt dies eine n Ventiltrieb, dessen Drehzahlgrenze nur knapp unterhalb 10.000 U/min liegt. Die spezifische Motorleistung als Vierventiler erreicht den beachtlichen Wert von 74 kW/ltr.
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3.7 Konstr uktive Gestalt ung de r Motorbauteile
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zentrale Neckenwelle z'Nischen denZylindern Bild 3. 120 Stoßstangensteuerun g der HONDA CX 500
Es wird deutlich, dass Motoranordnung und Motorbauart die Auswahl de r Ventilsteuerung und des Zylinde rkopfes wesentlich mitbestimmen und sogar die Funktionsgüte de r gewählten Lösung beeinflussen können. Am Beispiel des quer eingebauten Boxermotors soll diese Problematik vertieft aufgezeigt werden. Dies ist ein sehr anschauliches Beispiel dafür, dass die Auswahl und Beurteilu ng von konstruktiven Lösungen nie an hand von Einzelkriterien er folgen da rf. sondern immer daran. wie g ut sie die Summe aller Anforderungen erfü llt. Bei Boxermotoren besteht ein besonde rs ungünstige r Zusammenhang zwi schen Motorbaubreite und Bauart der Ventilsteuerung, de nn aufgrund de r gegenüberliegenden Zylinderanordnung verg rößern obenliegende Nockenwellen die Motorbaubreite gleich zweifach. Große Baubreite ist aber uner wün scht, da sie bei tief eingebautem Motor die Schräglage des Motorrades bestimmt. Dennoch ist diese Nockenwellenanordnung aus Leistungs-, Geräusch-, und nicht zule tz t wohl auch aus Imagegründen für ein moder nes, sportliches Motorrad nahezu unverzichtbar. Ein höherer Einbau des Motors ist kein sinnvoller Ausweg, weil dadurch de r Vorteil der nied rigen Schwerpunktlage der Boxerbauart aufgegebe n würde. Untersucht man Lösungen mit obenliegenden Nockenwellen und direkter Ventilbetätigung über Tassenst ößel. so ergeben sich neben de r Baubreite eine Reihe weiterer Probleme bei Boxermotoren. Sie lassen sich aus den skizzierten Ventilt riebskonzepten. Btld 3.121, ableiten und an hand verschiedener Kriterien bewerten. Die senkrechte Führung der Ansaug- und Auslasskanäle im Zylinderkopfermöglicht wegen der parallelen Lage der Nockenwellen z ur Kurbelwelle einen problemlosen und kostengünstigen Antrieb de r Noc kenwellen über Kette oder Zahn riemen. Ungün stig hingegen ist die Küh lung
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3 Arbeitsweise, Bauform en und konstruktive AusfU hru ng von Motorradm otoren
Variante A
senk rechte Führung der Gas kanäle
,/
Nockenwe llen paralle l z ur Kurbetwelle
Va riante B
waag erechte Führung der Gaskanäle
-
Führung der G asströ me
Bild 3.121 Vcntihricbs konzcptc mit obenliegenden Nockenwellen bei Boxermotoren
des Auslassbereichs des Zylinderkopfes bei Luft kühlung, weil die ser Bereich nicht meh r frei im Fahrt wind steht. Nachteilig ist weiterhin, dass die notwendi ge Saug- und AuspulTroh rlänge, wie sie für einen g ünstigen Drehmomentverlauf erforderlic h ist. sich am Motorrad nicht sinnvoll verwirklichen lässt. Die waagerechte Durchströmung des Zylinderkopfes erfordert beim Boxer eine Winkelumle nkung für de n Nockenwellenantrieb. Neben de n reinen Kosten für Bauaufwand und Fertigu ng ist eine solche Lösung vor allem aus ak ustischer Sicht abzulehnen, weil schnelllaufende Win -
3.7 Konstruktive Gestaltun g der Motorbauteile
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kelgetne be ein hohes Verzahnungsgeräusch aufweisen. Vorteile bringt die waagerechte Durchströmung allerdings in der Kühlung fü r den Auslassbereich des Zylinderkopfes. weil er im direkten Luftstrom liegt. Zudem e rmöglicht sie genügend lange Rohrleitungen für Ansaugluft und Abgas und damit günstige Möglichkeiten zur Ladungswechselauslegun g. Es wird aber deutlich, dass keine dieser Konstruktionen eine befriedigende Gesamtlösung bietet, ebensowenig wie der Nockenwellenantrieb über Königswelle n. Neben dem Bauaufwand kann diese, für Boxermotoren zweifellos elegante Lösung. heute aus Geräuschgründen zu vertretbaren Kosten nicht mehr verwirklicht werden. Diese Überlegungen füh rten bei der Neuentwicklung des Vierventil-Boxermotors von BM»: der 1993 neu in den Markt eingeführt wurde. zu einer Konstruktion , die als High Camshaft Ventilsteuerung bezeichnet wird. Sie ist ein Beispiel. wie selbst sehr gegensätzliche Anforderungen durch eine geschickte Anordnung des Ventiltriebs optimal erfü llt werden können. Im Bild 3.122 ist die Gesamtanordnung dieses Ventilt riebs in der überarbeiteten Version, die seit 2004 in den 1200er Motoren verbaut wird, dargestellt. Als Entwicklungsziel für den Motor war ein ausgewogener Drehmomentenverlauf mit hohen Wert en schon bei niedr igen Drehzahlen vorgegeben. Ursprünglich sollte der Motor Potenzial für Leistungen von über 70 kW aufweisen. aber kein ausgeprägtes Sporttriebwerk für höchste Drehzahlen sein. Im Laufe der Jahre wurden diese Anforderungen kontinuierlich höher geschraubt. Konstruktiv wurde dem durch Fein arbeiten am Ventiltrieb und Zylinderkopf Rechnung getrage n und die letzte Ausbaustufe dieses Triebwerks erreic ht in der RI200S immerhin 90 kw. Dies zeigt das beachtliche Potenzial des damaligen Grundentwurfs fü r diesen Motor. Die für diese Leistunge n notwendige Öffnungsc harakteristik der Ventile erforder te von Anfang an eine ühc-Steuerung, die zudem auch der Forderu ng nach einem leisen Ventiltrieb Rechnung trägt. Gleichzeitig sollte aus stilistischen Gründen und wegen der besseren Kühlung des Auslassbereichs die traditionelle. horizontale Ansaugrohr- und Abgaskrümmerführung des Motors beibehalten werden. Das Problem, mit diesen Vorgaben einen Ventiltr ieb mit obenliegender Nockenwelle z u verwirklichen, ohne die Baubreite des Motors gegenüber dem Vorgängermodell z u vergrößern. wurde mit der im Bild dargestellten Konstruktion gelöst. Durch die seitliche Lage der Nockenwelle wird Bauhöhe im Zylinderkopf gespart, und zugleich kan n dieser im oberen Bereich, der die Bodenfreiheit bei Schräglage mitbestim mt, genügend schmal gehalten werden. Dazu trägt auch der Nockenwellenantrieb über Rol1enketten bei. Da dieser über eine, von der Kurbelwelle angetriebene und im Verhältnis 2:1 untersetzte Zwischenwelle erfolgt, können die Kettenräder im Zylinde rkopf entsprechend klein geha lten werden.
Bild 3,122 Zylinderkopf und Ventiltrieb des Vicrvcn nlBoxermotors von BMW
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3 Arbeitsweise, 8 aufor men und konstruk tive AusfUhru ng von Motorrad motoren
Bild 3.123 Anordnung der Ventiltriebsb auteile (links), Steuerun gsträger (rechts )
Die halbhohe Nockenwellenanordnung sorgt für ausreichend kurze Wege z u den Ventilen. Die gewählte Übert ragung der Nockenerhebung mittels einseitig offener Stößelbecher, kurzer Stoßsta ngen und Kipphebel. Bild 3. 123, ist steifer und leichter als alternative Lösungen mit längeren Kipphebelarmen bzw. Kipphebeln, die direkt auf gesc hlosse ne Tassenstößel wirken. Sie hat zudem de n Zweck, die Tassendrehung mechanisch von der Einwirkung der Kipphebelkräfte zu entkoppeln (zentrische Lage der Stoßstangen) und eine freie Tassendrehung zu ermöglichen. Diese freie Tasse ndrehung ist für einen ordentliche n Schmierfilmaufb au zw ischen Nocke und Tasse und aus Gründen des Verschleißsc hutzes . übrigens bei allen Tassenst ößelsteuerungen. unverzichtbar. Bemerkenswert ist noch die Lagerung aller Ventiltriebsbauteile in eine m gemeinsamen Aluminium-Gussteil, de m sogenannten Steue ru ngsträge r, Bild 3. 123 rechts. Durch seine Verschraubung zusammen mit Zylinde rn und Zylinderkopf über Zugan ker wird ein optimaler Kraftfluss der Ventiltr iebskräfte ins Kurbelgehäuse gewährleistet. Marktstrategisch wu rde seitens BM W Motorrad ab 2004 der Einst ieg in das Sportseg ment verfolgt, wozu der Boxer in de r Leistung angehoben werden musste. Die Notwendigkeit einer echten DOHC-Steuerung mit zwei obenliegenden Nockenwellen für den Boxer war trotz aller vorste hend beschriebenen Problemati k zw ingend und wurde konstru ktiv intensiv untersucht. Den Durchbruch brachte die Idee. die Ventile radial im Zylinderkopf anzuordnen und diese mittels Schlepphebeln und konisch gesc hliffenen Nocken zu betätigen. Jede Nockenwelle bet ätigt dabei jeweils ein Einlass- und ein Auslassventil, Bild 3.124. Mit dieser einzigartigen Konzeption wurde eine konstru ktive Lösung gefu nden, die alle zuvor beschriebenen Zielkonflikte beseitigt. Die radiale Ventilanordnung ermöglicht eine waagerec hte und im Verlauf ähnliche Kanalfüh rung wie beim herkömmlichen Boxer. Sie schafft zudem den notwendigen Freiraum zur Unterbringung der Ventilbetätigungselemente. Mit der Besonderheit, dass eine Nockenwelle jeweils ein Ein- und Auslassventil steuert , ist überhaupt erst die waagerec hte Nockenwellenanordnung möglich. Diese wiede rum ist die Voraussetzung dafü r, dass die bisherige Steuerkettenanordnung beibehalten werden konnte; nur so ka nn dieser Zylinderkopf überhaupt zusammen mit dem bisherigen Grundtriebwerk verwe ndet werden. Durch
3.7 Konstruktive Gestaltung der Motorhauteile
159
Bi1t1 3. 124 DOHC-Zylimkrkopfund Ventiltrieb für den Sportboxer BMW HP2
die Schlepphebelbetätigung der Ventile benötigt dieser DOHC-Ventiltrieb nicht mehr Raum im Zylinderkopf als die bisherige High Camshaft Steuerung, so dass die Baubreite dieses Motors nicht größer als beim Basis-Boxermotor ausfall t. Mit drei weitere n Konstruk tionsbeispielen sollen die Betrachtungen zum Zylinderkopf und Ventiltrieb abgeschlossen werden. Bild 3.125 zeigt die Venti lsteuerung des 650 cm' Einzylindermotors der Fa. ROTA Xm it fünf radial angeordneten Ventilen. Durch die räumliche Lage der Ventile und die Betätigung über Tassen müssen die Nocken der Auslassventile und der beiden äußere n Einlassventile konisch sein. Das mittlere Einlassventil liegt außerhalb der Nockenwellenebene und muss daher mit einem Kipphebel betätigt werden. Gegenüber der Lösung von YA MAHA hat der ROTAX-M otor einen weniger zerklüfteten Brenn raum. dafür ist aber die Ventilsteuerung aufwä ndiger, teuerer und schwerer.
Bild 3.125 Ventilsteuerung und Brennraum des ROTAX Einzylindermotors mit fü nf Vcruilcn
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3 Arbeitsweise, Baufor men und konstruktive AusfU hrung von Motorrad motoren
Öffnungshebel
Bild 3. 126 Desmodre mische Ventilsteuer ung be i D UCA TI Motoren
Eine heute nur von DUCATI exk lusiv verwendete Ventilsteuer ung ist die Desmodromik, Bild 3.126. Sie ist dadur ch gekennzeichnet, dass die Schließbewegung des Ventils zwangsweise erfolgt und eine Ventilfeder entfallen kann. Dazu wird das Ventil mit einem Gabelhebel geführt, auf den ein Öffn ungs- und ein Schließnocken wirken. Theoretisch können mit dieser Ve ntilsteuerung allerhöchste Drehzahlen und Ventilbeschleun igungen verwirklicht werden. weil durch die Zwangsführung das Ventil keine unkoutrollierten Bewegungen , wie z.B. Abheben vom Nocken, mehr ausfü hren kan n. In der Praxis allerdings ergeben sich ebenso wie beim konventionellen Ventiltrieb Drehzahl und Auslegungsgrenzen infolge der Massenkräfte. Werden diese zu groß, komm t es zu elastischen Verformungen der Betätigungshebel und infolge unz ulässiger Flächenpressungen zu Ver schleiß an den Kontaktstellen zwischen Betätigungshebel. Ventilschaft und Nocken. Die desmodrem ische Venti lsteueru ng ist ursprünglich aus Anforderungen im Rennsport erwachsen. Vor Jah rzehnten stellten Ventilfederbrüche bei Rennmotoren ein großes Problem dar. weil zum einen die Auslegung des Ventilt riebs samt der Federn unvollkommen war und zum anderen Vent ilfederwerkstoffe in der erforderlichen Festigkeit und Reinheit nicht z ur Verfü gu ng standen. Inhomogenitäten im Werkstoff führ ten bei höchstbelasteten Ventilfedern zum Bruch.
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3.7 Konstruk tive Gestalt ung der Motorbaut eile
Bild 3.127 Variable Ventibtcucrung von SUZUKf
Diese Problem e sind heute dur ch Fortsc hritte in der Berechnung und Werk stoffent wicklung überwu nden u nd wie viele Beispiele zeige n, lassen sich Drehzahlen von über 13.000 V/mi n mit herkömmlichen Ventilsteueru ngen und v entilfedern proble mlos beherrschen . Denn och ist d ie Desmod romik eine int eressante und mechanisch einz igarti ge Lösu ng, die viel zur Faszination der DUCATJ Motoren und Motorräder beitr ägt. Alle bisher behan delten Ventiltriebe waren solche mit festen Steuerzeite n. In AutomobilMotorenbau sind in den letzten Jahr en Ventiltriebe mit Yariabilitäten bezü glich Spreiz ung und Steuerzeit zur Serienrei fe entwickelt worden. Problematisch für den Motor radei nsatz all d ieser Automobillösungen sind der Bauaufwand. der Platzbedar f, das Gewicht u nd die Systemkosten. Bei Motorra dmotoren g ibt es außer dem v -Tech-System von H ONDA im Mod ell YFR keinen var iablen Yentiltrieb in Serie. Beim v-Tech-System wi rd jedoch lediglich d rehzah labhängig zw ischen zwe i unterschiedlichen Nocken mit jeweils festen Steuerzei ten umgeschaltet. SUZUK f stellte erstmals auf der Tokyo Motor Show 2003 eine sehr interessante Konst ruktion
eines vollvariablen Ventiltriebs vor. Auf de r Basis des Zylinderkopfes des bekan nten Zweizylindcr-V-Motors (aus der TL 1000, bzw. V-Strom) wu rde eine Lösung erarbeitet, die vom Baurau m und der Grundkonstr uktion serienfähig erscheint, Uild 3.127. Sie bee indru ckt du rch die saubere Integ ration in den Serien- Motor. Verwendet werden räu mliche Nockenkontu ren. Dur ch eine axiale Verschiebung der Raumnocken auf ihren Wellen wirken untersch ied liche Profile auf den darunterliegenden Tasse nstößel (wege n der Nocken kontur als Rollenstö ßel ausgeführt), wodurch un terschied liche Ventilerhebungen und Steuerzeiten reali siert werde n. Die Axi alverschiebung geschieht über eine Kulisse mit einem elektrornotorisch angetri ebenen Schraubtrieb. Nachteilig für eine Leistun gsauslegung eines solchen Motor s ist sicher die höhere Masse des notwend igen Rolle n-Tassenst ößels. Inwiefem d ie Nockengeometrie fertigungsste chni schen Ein-
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3 Arbeitsweise, Bauformen und konstruktive Ausführung von Motorrad motoren
Bild 3.128 Motor der SUZ UK I T Ll OOOS
Bild 3.129 Motor der YAM AH A YZ /WR400F
3.7 Konstr uk tive Gestalt ung de r Motorbauteile
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sch rän ku ngen unterliegt kan n ebensowenig beu rteilt werden, wie be ispielsweise die Schmierverhältnisse u nd die Flächenpress ungen zw ischen Stößel und Nockenfl äche. Herkömmliche Motoren beweisen, dass alle Drehmome nt- und Le istun gsan fo rderu ngen auch mit ko nventionellen , starren Ventiltr iebe n erfü llt werden kön nen. Hinsi chtlich der Schadstoffemission u nd des Laufkomforts im Teillast bereich bieten variable Ventiltriebe jedoch zusätzliche Möglichkeiten, so das s sie zukü nftig mög licherweise in die Serie ein fließen .
3.7.4 Beispiele ausgefü hrte r Ge sa mtmoto re n Mit Beispielen au sgefüh rte r Moto ren soll da s Kapit el über die kon str uk tive Gestaltung von Motoren abge schlossen werde n. Der Motor der SUZUKI TL 1000 S, Bild 3.128, de r in abgewandelter Form auch im Modell DL 1000 V-Strom weiter verwendet wird. steht stellvertretend für die modernste Generation von Zweizylindermotore n. Mit einem Zylinderw inkel von 90 ° bietet d ie Konst ruk tion eine g ünstige Vora ussetzung für einen g uten Mas sena usgleich. Zwar ist d ie Sau länge des Motor s wegen des Zylin derwinkels relat iv groß, dafür ergeben sich aber ausreichende Platzverhältn isse im V4Winkel zwischen de n Zylinde rn für die Dro sselklappenst utze n. Somit kan n de r Einlasskanal ohne größere Kr ü m mung sehr strömungsgü nstig gestaltet werden u nd es erg ibt sich über dem Moto r Platz für eine volum inöse Sauganlage. Bemerkenswert ist de r Nockenwellenant rieb über eine Zahnkette und eine Zwischenwelle. die wiede ru m übe r Zah nräder d ie Nockenwellen ant reibt. Dies erg ibt vorteilhaft kur ze Steuerketten (ge ringe Kett enschwingu ngen), einen steifen Noc kenwellenantrieb fü r prä zise Einhaltung de r Steuerzeite n und einen relativ sch mal und niedr ig bauenden Zylinderkopf Zum kompakten Zylinderkopfdesig n t rägt auch der enge Ventilwinkel bei. Erkennba r sind die optimierten Leichtbaukolben mit geringstmö glicher Kompre ssion shöhe und sehr kurzem Kolbenhemd. Bis ins Detail gewichtsoptimiert ist de r Einzyli ndermotor für da s Enduro-Motorrad YZI WR400R von YAMAHA , Bild 3.129. Mit d iesem Motor bzw. seiner weiter entw ickelten Variante mit 250 cm' Hubraum wird nach derzeitigem Stand de r Technik d ie Grenzen der Mac hbarkeit im Ser ienmotorenbau demonst rie rt. Der Motoraufbau ist sehr kompakt, die Abm essungen entsprechen bei 450 cm' denen frü herer 250e r-Motoren . Extreme r Leichtbau ist im Bild beispielsweis e am Kolbe n erkennbar, der prakt isch nur noch einen Ringträge r darstellt (Ge wicht 340 g bei 0 92 mm) . Bei de n Vierzylinderreihenmotoren waren die Konst ruk tionen der ja panischen Hersteller über Jahrzehnte da s Maß der Dinge, wenn es um Leistung u nd Drehfreude ging. Ein Beispie l für d iesen Hochleistungs-Motorenbau ist der Motor der YAMAHA YZF-R I, Bild 3.130 . Man erkennt die kompakte Gesamtkonstru ktio n mit seinem hoch hint er der Kurbelwelle ange ordnetem Getriebe. Dieses gibt eine zentrale Ma sse nkon zentrat ion, abe r auch einen relati v hohen Motor-Schwerpunkt. Die Sch nittdarstellung zeigt die filig rane Gestalt ung der mechanischen Motor teile. Mit dem Triebwerk des 2004 vorgestellten neuen Sportmotorrades K 1200 S untermauert BMW seine motorenbauerische Kompetenz nun auch bei leistungsstarken Vierzylinder-Motorradm otoren . Dieser ausgeklügelte Motor stellt mit seiner konsequent konst ruierten Techn ik z um Zeitpun kt der Marktei nfü hr ung sicher den modernste n Motorradantrieb der Welt da r, Bild 3.131a . Mit einem Winke l von 55° ist die Zylinderbank extrem weit nach vorn geneigt, was wesentlich zum angestrebte n nied rigen Schwerpun kt beiträgt. Der sehr enge Ventilwinkel von 22° ermög-
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3 Arbeitswe ise, Baufor men und konstruktive AusfU hru ng von Motorrad motoren
Bild .U .lO Motor der YAMAHA YZF-Rl ( Modcllja hr 2002j
licht zusammen mit de r bereits z uvor erwähnt en Schlepphebelsteuerung eine n sehr ko mpakten Zylinderkopf Zur geringen Baubre ite de s Zylinderkopfes trägt der Nockenwellenantrieb bei. bei dem die Zahnkette von der Kurbelwelle aus nur die Auslass-Nockenwelle antreibt, wäh rend die Einlass-Noc kenwelle über ein Zahnrad von de r Einlasswelle angetrieben wird. Das ergibt Vorteile im Geräuschverha lten und Präzision in der Ventilsteuerung dur ch eine kurze Kette . Die Frontansicht zeigt. da ss de r Motor in Kurbelwellenrichtun g sehr kurz baut , was für eine hohe Schräglagenfreiheit für da s Motorrad trot z tiefer Motoreinbaulage sorg t. Die Baubreite des 1200 cm" Motors liegt nahezu auf dem Niveau der mode rnsten 600er-Motoren. Erreicht wurde diese ku rze Baulänge du rch minimierten Zylinderabstand und besonders schmale Kurbelwellenha uptlager (vg l. Kap. 3.7.1. Kurbel welle). Nebenagg regate und Lichtmaschi ne wurden hinter die Kurbelwelle verlegt. die Wasserpu mpe sitzt am Zylinderkopf und wird von der Auslassnockenwelle angetri eben. Durch eine Trockensumpfschmierung entfa llt die Ölwa nne. wodurch der Moto r schwerpunktgünstig weit unten im Rahmen platziert werden kan n. Weitere mechan ische Details des Motors wurden in den vorangega ngenen Absch nitte n bereits beschrieben. Als erster und einziger Motor d ieser Klasse ist d ie Motorsteueru ng mit einer Klopfregelung ausgestattet (vgl. Kap. 3.4). Die Fortführung dieser Hochleistungskonzepti on findet sich im Motor des neuen BMW Supersportlers S IOOORR. der in 2009 vorgestellt wurde. Zum Zeitp unkt der Drucklegung dieser
3.7 Konstruktive Gestaltung de r Motorbauteile
165
Bild 3. 131a Motorder BM W K [200 S
166
3 Arbeitswe ise, Baufor men und konstruktive AusfU hru ng von Moto rrad motoren
Bild 3.Bl b MotordcrBMW SIOOORR
Buchaufla ge ist es da s leistu ngsstärk ste Triebwerk der Welt in der Supersportklasse, das zugleich äußerst k leine Abmessungen und mit 59.8 kg ei n sehr geringes Gewicht aufwei st, Bild 3. l3lb. Neben dem kompakten Motor-G esamt design mit zentraler Massenkonzentrat ion ist als Besonderheit der DOHC-Ventil trieb mit Schlepphebeln z u erwä hnen, der dem Motor große Drehzah lfest igkeit und hohe Drehzahl reserven verleiht und zugleich d ie Bauhöhe des Zylinderkopfes minim iert. Die extreme Ste ifigkeit des Ventiltriebs eröffnet sehr große Freiräume für die Auslegun g der Ventilerhebung, sowohl hin sicht lich maximaler Leistungsaus beute als auch für eine perfekte Leistungschara kteristik. Dieser Ventiltrieb wu rde bereits im Kapitel 3.7.3, "Zylinderkopf und Ventiltrieb", vorgestellt.
3.8 Kühlung und Schmier ung Über de n Wärmehaushalt hä ngen Küh lung u nd Schmieru ng de s Motors eng zusamme n. Das Schmieröl übern im mt neben seiner Hauptaufgabe zug leich d ie wichtige Funktion der Wärmeabfuhr aus den hoch bean spruchten Zonen des Moto rs. Im Gege nzug erfolgt ein ständ iger Wärm eaustau sch zw ischen Schmieröl u nd Kühlmedium. wodu rch d ie Öltemperatu ren gesenkt werden und som it die Sch mierung auch bei hoher Belastung sichergest ellt wird . Kü hlung und Schmieru ng spielen für d ie Zuverläss igkeit, Stand festigkeit und Verschleißarmut des Motors eine sehr wichtige Rolle .
3.8.1 Kühlung Nu r ru nd ein Drittel de r mit dem Kraftstoff z ugeführten Energ ie wird im Motor in ver wertbare mechan ische Arbeit umgewandelt. Der Rest ist Vertustarben . d ie man versc hiedenen Katego rien zuo rdnen kann , z. B. Kühlu ngswärm e. Abgasw ärme. mecha nische Reibung usw, Letztl ich wird d ie gesamte Verlustarbeit in Wärme umgewa ndelt, die aus de m Motor abgeführ t we rden muss. Untersuchu ngen zeigen, dass d ie häufig angege bene Drittelung der Energiebilanz (1/] Nutz-
167
3.8 Kühlu ng u nd Schmier ung
Ober Kraftstoff zugeführter Energiestram 100% Effektive Motol1eistung
Abgaswärmestrom
- 30%
- 30%
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Verlusleistung
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strom
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Bild 3. 132
Energiestrom (Wärmc1cistung) für einen Vierzylinder-Motorradmotor bei Nennleistung
arbeit, 1/ . . Küh lung und 1/ . . Abgaswärme) be i Hoch leistun gsmotoren d ifferenz iert betrachtet werden muss. Der Anteil der Abgaswärme ist zum Beispiel nicht konstant, sondern nim mt bei hohen Drehzahle n erheblich zu. Bild 3.132 zeigt be ispielhaft die Aufte ilung der Energiest röme für einen wassergeküh lten Vierzy linder-Motorrad motor (ohn e separate n Öl kü hler) bei Nennleistu ng, Man erkennt, dass nach Abzug der mechani schen Leistung und des Abgasene rgiestroms im mer noch ca. 40 % des zugeführten Energiestroms als Verlustwä rmestro m übrig bleibt. Davon wiederu m wird nur rund die Hälfte über den Wasserkühler abgeführt. Der verbleibende Rest, im betrachteten Fall eine Wärmeleistu ng von über 30 kW (!). ist Wärme. die Z.B. im Motoröl stec kt und der Wärmestrom. der vom Kühlwasser schon vor dem Kühler z.B. über die Motorwand ungen abgegebe n wird. Enthalten ist in d iesem aus einer Differenzbetracht ung gewo nnenen Wärmerest allerdings auch die Energie von unverbrannt gebliebene m KraftstofTund d ie kinetische Abgasenergie. Die genaue Aufte ilung des Restwä rmestroms soll hier nicht weiter betra chtet werden. Wichtig ist die Erkenntnis, dass auch bei Wasserkühlung ein nicht unerheblicher Wärmestrom bleibt, der direkt von den Motorau ßenflächen an die vorbeiströmen de Luft abgegeben wird. Dies bedeutet in de r Praxis. dass ohne eine Laftumströmung des Motors eine betriebssichere Motorkü hlung auch bei Wasserkühlung nur schwer zu gewä h rleisten ist (die ..Umlenkung" des Restwärmestroms ins Küh lwasser und die Abfuhr am Wasserkühler geling t auch bei Vergrößerung des Wasse rumlaufs und Kühlers nur unvollstä ndig), Bei de r Verkleidungsgest altung muss daher auch auf eine ausreichende Luftzirkulation für den Motor geachtet werde n. Die Mög lichkeiten einer Motorvollk apselung si nd du rch diese Tatsache spü rbar eingeschränkt. Die Aufgabe der Kühl ung, dur ch Wärmeabfuhr für erträgliche Bauteiltemperatu ren zu sorge n, trifft besonders für Brennrau m und Zylinder zu, die unmittelbar den über 2000 "C heißen Verbrennungsg asen ausgese tzt sind. So sollte die Zylinderwa ndtem peratur aus Sch mierungsgrün den deutlich unter 200 "C liegen und im Zylinderkopfbe reich liegt die vertretbare Gr enze für die Bren nraum-Wandtemperatur z wische n 250 und 300 "C (Festigk eitsg renze der Alum iniumlegierungen). Die frü her beim Motorrad fast ausschließlich verwen dete Luft kühlung wurde mit dem fortwährenden Anstieg der spez ifischen Leistun g der Motoren weitgehend von der Wasse rkühlung verd räng t. Der Vorteil der Wasserkühlung liegt nicht allein in der besseren Gesamtk ühllei stung. sondern vielmehr im besseren Abtranspo rt der Wärme aus den hoch belasteten Zonen im Motor. Am Beispiel der Brennraum -w andtemperatur im Zylinderkopf zeigt ein Vergleich zw i-
168
3 A rbeitswe ise, Bauformen und konstru ktive Aus fU hrung von Motorrad motore n
sehen Wasse r- und Luft kü hlu ng d ie Vorteile h insichtli ch Temper aturniveau un d -verteil ung, Bild 3.133. Ein we iter er Vorteil der Wasserkühlung liegt in der geräusc hdä mme nden Wirkun g des Kühlwasserma ntels. Bild 3.134 zeigt das Fu nkti onsschema einer modernen Wasserkühl ung, wie sie in den meisten Moto rrädern in dieser oder äh nlicher Form zu m Einsatz kommt. Die Wasser pum pe fö rdert das Kühlmittel (Wasser-Glykol-Ge misch) zu näc hst zu m Kurbelgehäuse und von dort üb er de n Zylinderkopf zu m Wasse rkü h ler und dan n zu rüc k zu r Pump ensa ugseit e. In den Kreislauf ist ein Thermostat mit einer Bypassleitung gesc haltet, die den Küh ler um ge ht (Rückflu ss
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Kreislauf bei kahem Motor Kreislauf bei betriebswarmem Mctor 1 = Überäuckventil
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4 = Thermostat 5 =Temperaturfühle r 6 = Wasserpumpe
Bild 3.134 Funktionsschema eines Flüssigkeit s- Kühlsystems
3.8 Küh lung u nd Schmieru ng
169
Bild 3.135 Anordnung von Wasserkühler und Lüftern bei der HONDA VTR
aus Küh ler verschlossen), solange der Motor noch nicht betriebswarm ist. Damit wird eine schnelle re Motorerwärmung erreicht. Hat d iese r seine Betriebstemperat ur erreicht. verschließt der Thermostat d ie Bypassleitun g, und da s Kü hlmittel d urchströmt bei z ugleich geöffnetem Kühlerr ückfluss den Kühler. Ein Ausgleichsbehälte r nimmt überschüssiges Kühlmittel infolge der Wärmeausdehnu ng auf und d ient zug leich als Anze ige für den Kühlmittelstand. Alle moderne n Kühlsysteme sind als gesc hlosse ne Überdruc ksyste me ausgeführt. Ein Druckventil im Kreislaufl ässt einen Überdruck zw ischen 1,2 bis 1,5 bar zu, so dass d ie Siedetem peratu r des Kühl mittel s bei über 120 "C liegt. Damit wird eine höhere Sicherheit gege n Kochen des Kühl syste ms auch bei extrem hohe n Außentempe raturen und höchster Motordauerbelastu ng erz ielt. Die Wasserumwälzmenge liegt etwa zwischen 75 und 100 Ilm in. Bestandteil einesjeden Flüssigkeitskühlsystems ist der Zusatzlüfte r, der den notwend igen Lufts tro m d urch den Kühler auch im Stillstand und bei langs ame r Fahrt erzeugt. Bei allen Motorräde rn wird der Lüfter elektrisch angetrieben und in Abhäng igkeit der Küh lmitt eltemperatu r, meist kn app oberhalb 100 "C, zugesc haltel. Die übliche Frontposition des Kühlers sichert zwar eine g ute Durch ström ung u nd da mit einen hohen Wirkungsg rad des Kühlers, hat abe r aerodynami sche Nachtei le und sch ränkt d ie Des ignfreiheit (breite Front) e in. Bei nach vorn gene igter Motor-Einbaulage reicht auch oft der Bauraum unterhalb des Lenkkopfes nicht aus , denn bei maximaler Einfederu ng ka nn das Rad unte r Umstän den d ie Küh lerunterkant e erreichen. Alternat iv kann der Wasserkühler seitlich in der Verkleidung untergeb racht werden, Bild 3.135. HONDA mach t von diese r Lösung beim Model l VT R Gebrauch. Die an der Verkleidung vorbeiströmende Luft erzeugt einen Unterdruck, so dass die warme Luft aus dem Kühler gesaugt wird. Eine sehr ungewöhnl iche Kühler- und Lüfteranordnung findet sich im Modell Tornado des italienischen Herstellers BENELLI, Bild 3.136. Diese Kühler position dürfte nicht genügend Luftd urchsatz gewä h rleisten, weil der Staudr uck fehlt. Anzuneh men ist, dass die Elektro-Lüfter die Luftströ mung durc h den Küh ler erzeugen und da her mehr ode r weniger im Dauerbetr ieb lau fen müssen.
170
3 Arbeitswe ise, Bauform en und konst ruk tive AusfUhru ng von Motorrad motoren
Bild 3.136
Anordnung von wasserkühler und Lüftern bei der RENELU Tornado
Die reine Luftkühlung findet man noch bei Enduromotorrädern bzw, bei Motoren mit einer spez ifischen Leistung u nter 74 kWJI (100 PSI/) . Ihre Vorteile sind die vollkommen e Störuna nfälligkeit und der geri ngere Bauraumbedarf durch das Fehlen des Wasserkü hle rs. Bei Reihe nmotoren ergibt sich als Nachteil allerd ings ein größerer Zylinde rabsta nd durch die Kühlr ippen . Der Gewi chtsvort eil de r Lu ftkühlung liegt bei rund 3-5 kg. Beson de re Sorg falt muss der Ausbildu ng der Kühlripp en gewidmet we rden , die zu r Verg rößeru ng de r wärmeabgebe nden Flächen d ienen. Bei zu großer Lä nge bilden sich Schwingu ngen aus. die die Schallem iss ion des Motors stark vergröße rn. Zude m entsteht bei langen Rippe n ein Luft polster am Rippengr und , d as die Wär meabfuh r vers chlechte rt. Als Anh alt swert gilt eine max imale Rippenlänge von 50 mm bei einem Rippenab stand nicht unter 8 mm . Die Kühlri ppe ndic ke hängt vom Gussverfa hre n fü r Zylinde r un d Zylinde rkopf ab, es sind mög lichst dünne Rippen anz ustreben (Richtwert 3 mm am Ripp eng rund ). Eine genaue Unte rsuc hu ng des Einflusses der Küh lrippen bei Lu ftküh lung u nd weite re Konstr uk tionsh inweise finden sich in [3.14) .
Bild 3. 137 K ühlölk anat im Zylinderkopf
des Viervenril-Boxcrrnorors von BMW
171
3.8 Kühlung u nd Schmierung
Eine bedeutende Verbesserung erg ibt sich, we nn man die Luft kü hlung mit einer inneren Öl kü h lung für hoch belastete Bren nraum stellen kombi niert. Diese Art de r Küh lung wird von BMW und SUZUKI in einigen Mod ellen eingesetzt. Zylinder und Zylinderkopf füh ren dabe i d ie Wärme konvent ionell über ihre Verrippu ng ab; der Brennraum selbst wi rd du rch eine gez ielte Ölzufuh r gekühlt. BMW verwendet einen öldurchströmt en Kühlölkanal , Hild 3.137. Dieser liegt in der Auslassz one des Zylinderkopfes und wird von einer separaten Ölp umpe, d ie für einen hohen Volumen strom bei geringem Druck ausgelegt wurde, gespeist. 4
Es gelingt damit gegenüber einer Zylinderkopfva riante ohne Ölkühlung eine Temperatu rabsenku ng im Ventilstegbereich um rund 20 %. Bei SUZUKJ erfolgt die Kühlung du rch eine Ölan spritzun g heißer Brennraumzonen . Diese zu sätzliche Ölkü hlung ist so wirkungsvo ll, dass sie bis 1992 in den Supersportmodellen de r Baureihe GSX-R mit eine r spezifischen Leistung von rund 100 kW/J eingesetzt wu rde.
3,8,2 Schmier ung Der Motor schmi erung u nd dem Motoröl komm en zusa mmen folgende Aufgabe n zu: - Schmierfilmaufb au zw ischen a llen g leitende n Teilen zur Reibungs- u nd Verschleißmini mie ru ng (B er ühr ungsvermeidung der Gleitflächen) - Wärmeabfuh r und Wärm everteilung - Feinabdichtung an den Kolbe nr ingen Geräuschdämpfung dur ch Ausbildung von Ölp olstern - Obe rflächenschutz vor Korrosion Moderne Motorrad mot oren verfügen ausnahm slos über eine Dru ckum laufschmierun g mit Ölpu mpe, wie sie beispielhaft im Bild 3.138 da rgestellt ist. Die beiden meistverwendeten Bauarten der Ölpumpen sind Za hnr adpumpen und Verd rängerpumpen (soge nannte Eatonpumpen), Hild 3.139. Letztere bauen auch schon bei nied rigen Drehzah len hohe Drü cke auf. da für ist bei Za hnradp umpen d ie Antriebsleistung kleiner. Neben der im Bild darge stellten Ölsum pfsch mierun g, bei der d ie Pumpe das Öl d irekt aus der Ölwanne (Ö lsumpf) ansaug t, wird be i einigen Motorrädern auch die Trockensumpfschmierung
(druckseitig)
Bild 3. 131' Ölkreislauf einer Dr uck um laufschm ieru ng aus dem Öisum pf
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3 Arbeitswe ise, Bauform en und konstruktive AusfU hru ng von Motorradmotoren
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Bild 3.139 Batenpum pe
verwendet. Bild 3.140. Bei dieser erfolgt d ie Ölversorgu ng aus einem se paraten v orratsta nk. eine Ölwan ne im herköm mlichen Sin n g ibt es nicht. Das in den Moto r herabtropfende Öl wird led iglich im Kurbelgehäu se gesam melt u nd von dort mittels eine r zweiten Pumpe in den Öltank gefördert. Die Druck pumpe saugt dann da s Öl d irekt aus d iesem Tank an. Der Aufwand mit zw ei Ölpumpen ist zwa r größer als bei de r Ölsumpfschmierun g, da fü r arbeitet die Ölversorgung abe r praktisch lageunabhäng ig. Bei Enduro-Motorrädern ist dies ein g roßer Vorteil. weil die Ölförderung bei extremen Fah rzu ständen wie Steilauffahrten. Wheelies und soga r nach einem Sturz n icht unterbrochen wird . Zudem spart der Entfall einer voluminösen Ölwan ne Bauhöhe für den Motor. Dadurch kann man den Motor weiter unten im Ra hmen platz ieren , was fü r einen gü nstigen, tiefe n Schwerpu nkt sorgt. Die Ölfüllmengen betragen je nach Motorgröße und Bauart zw ische n 2 und 4 I. Die theoretische Förderme nge gebräuchlicher Ölpumpen liegt bei Ne nndrehz ahl etwa zw ischen 20 u nd 60 Ilm in; je nach Lagers piel. Öldruck u nd Öltemperatu r fließen rea l um die 20 IIm in du rch den Motor. Der Öldru ck, der sich in Abhä ngigkeit von Pum peng röße. Schmie rstellena nza hl. Sch mierspa ltgrößen. Leitungswi-
Bild 3,140 Trockensumpfschmier ung. BMW K l20() S
3.9 Systeme zur Gemischaufbereitung und Sauganlagen
173
derständen. Drehzahl und Öltemperatu r einstellt. beträgt zw ischen 4 und 6 bar. Er dient nicht nur z ur Überwindung der Leitungswiderstände, sondern wird auch benötigt, um das Öl gegen die Fliehkraft von außen in die Ölbohrungen der Kurbelwelle zur Versorgung der Pleuellager (Gleitlager!) zu drücken. Auf den Aufbau des Druckpolsters im Lager selbe r hat der Öldruck allerdi ngs keinen Einfluss, darauf wurde früher schon hingewiesen.
3.9 Syste me zur Gem ischaufbereitung und Sauga nlage n Alle heutigen Ottomotoren verbrennen Kraft stoff-Luftgemische. die außerhalb des Motors aufbe reitet werden (äußere Gemischbildung). Als Gemischbildungssysteme haben sich beim Motorrad verschiedene Bauarten von Vergasern und vereinzelt auch die elektronische Benzineinspritzung etabliert. Da das Gemisch nur innerhalb sehr enger Grenzen entflammbar ist, muss die Zumessu ng des Kraftstoffs z ur Luft sehr genau sein. Für vollständige Verbrennung beträgt das theoretische Volumenverhältnis rund 10.000 : I. d.h. zur Verbrennung von 1 I Kraftstoff werden 10.000 / Luft benöt igt, Bild 3,141. Umgerechnet auf den Betrieb eines 1000 cml -Motors bedeutet dies eine Zumischurig von rund 0,1 cm-' Kraftstoff je Arbeitsspiel. Bei höchstens 1% zulässiger Abweichung des Gemisches bedeutet dies einen zulässigen Absolutfehler von nur 0.01 cm! in der Kraftstoffzu messung und macht die Präzisionsanforderungen deutlich, die an Vergaser und Einspritza nlagen zu stellen sind. Bei der Verwendu ng von geregelten Katalysatoren liegt der zulässige Fehler soga r unter 1 %.
Luft
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Kraftst off
Bild 3.141 Schematische Darstellung des Volumenverhältnisses
Luft-Kraftstoff
J.9.1 Vergaser Der Vergaser ist beim Motorr ad derzeit das arn weitesten verbreitete Gemischbildungssystem. Sein Grund prinzip und seine Funktionsweise gehen aus Bild 3.142 hervor. Ein Vergaser besteht im einfachsten Fall aus den Bauteilen Luft trichter, Schwimme rkamme r, Kraft stoffdüse und Drosseleinr ichtung. Die Funktion des Vergasers beruht auf dem Prinzip des Venturtrohres, mit dem durch eine Querschnit tsverengung in einer Strömung eine Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit und resultierend daraus ein Unterdruck erze ugt wird. Der Unterdruck ergibt sich gemäß der Bernoul/igleichung der Strömu ngsmechanik. die physikalischen Zusammenhänge werden im Anhang dieses Buches ausführlich erläutert. Der Unterdruck im Lufttr ichter wirkt an der Kraftstoffdüse und saugt Kraftstoff an, der vom Luftstrom mitger issen, fein zerstäubt und aufgrund des niedrigen Druckes teilweise auch ver-
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3 Arbeitswe ise, Bauform en und konstruk tive Aus fU hru ng von Motorradmotoren
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Lufttrichter (Venturirohr)
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Dresse 1eintichtung
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Sch'Nimmerkam mer mit Schwirrmet
Bild 3.142 Funklionsprinzip des Vergasers da mpft wird. Das passende Mischungsverhältni s zw ischen Luft und Kraftstoff stellt sich in Abhängig keit von Düsengröße. Kraftstoffstand in de r Schwimmerkammer und Lufu richterg röße automatisch ein. Die Funktion der Schwimmerkammer ist dabei f ür das Mischungsverhält nis sehr wichtig. Da de r Kraftstofft an k höher als de r Vergaser liegt , muss der Kraftstoffzufluss zum Vergaser in der Schwimmerkammer reg uliert werden. Dies geschieht durch ein Nadelventil, das vom Schwimmer je nach Kraft stoffstand in der Schwimmerkammer geöffnet ode r gesc hlossen wird. Die engesaugte Kraftstoffmenge ergibt sich bei konstantem Kraftstoffstan d da nn aus dem Unterdruck und der Saug höhe für den Kraftstoff. Der Vergaser ist vom Wirkpri nzip her selbstregulierend. Das g rundsätzliche Mischungsverhältnis ist, wie vorstehend erläutert, festgelegt und wi rd in der Praxis eingestellt dur ch Variation der Düseng röße fü r de n Kraftstoff (in Ausnahmen auch dur ch Veränderun g de s Schwimmerstaudes). Bei nied rigem Luftdur chsatz de s Motors (kleine Dreh zahl und Last) ist die St römungsge schwindigkeit im Lufttrichter klein und de mzufolge auch der Unterd ruck gering. Entsprechend wenig Kraft stoff, passend zu r kleinen Luftmenge. wird an der Düse a ngesaugt. Mit steigendem Luftdur chsatz ste igen Strömungsgeschwindigkeit und Unterd ruck, damit wird auch d ie an de r Düse gefö rderte Kraftstoffmenge größer. Die Reg ulieru ng der gesamten, engesaugten Gemischmenge erfolgt im Vergaser mit einer separaten Drosselein richtun g. Diese vergrößert oder verkleinert je nach Gasgriffstellu ng und Fahrerwunsch den Gesamtquersch nitt im Vergase r und lässt da mit nur jeweils die gewünschte Menge Kraft stoff-Luft-Gemisch z um Motor. Auf da s Mischungsverhältnis hat dies aber keinen Einfluss. Alle Serienvergaser für Motorräder arbeiten nach de m erläuterte n Grundprinzip. Die steigende n Anforderunge n an d ie Gem ischqualität und das Laufverhalten de r Motoren füh rte im Laufe der Jahre jedoch zur Ausbildung von Zusatzeinr ichtungen, deren wichtigste nachfolgend erläutert werde n sollen.
175
3.9 Systeme zur Gem ischaufb ereitung und Sauganlagen
Man kann die Vergase r z unächst in dre i Hauptg ruppen untergliedern , in die Drosselklapp envergaser, die Schiebervergaser und die Gleichdruckvergaser. Bild 3,143. Der hauptsächliche Unterschied liegt in der Art der Drosselung des Gemi schstrom s. Beim reinen Drosselklappenvergaser, de r beim Motorrad ungebräuchlich ist, erfolgt die Regulieru ng de r Gemischmenge über eine schwenkbare Drosselklappe, die in Strömungsrichtung nach dem Lufttrichter angeo rd net ist und je nach ihre r DrehsteIlung einen bestimmten Querschnitt im Vergaser freigibt. Der Schiebervergase r drosse lt den Gem ischstrom , indem der Lufttrichter durch einen senkrecht zur Strömu ngsr ichtu ng beweglichen Schieber verengt wird. Dieser Schieber ist meist als zylindr ischer Körper, manchmal auch als flache Platte (Flachschieber) ausgefü hrt und wird im Lufttr ichter auf- und abbewegt. Der Gleichdru ckvergaser stellt eine Kombination aus Schieber- und Drosselklappenvergaser dar, auf seine Funktionsweise wird unten geso ndert eingega ngen. Bei nied rigem Gemischdurchsatz . also bei Teillast und nied riger Drehzahl bis hinab zum Leerlauf. ist bei allen Vergasern der Durchflussquersch nitt an den Drosseleinr ichtu ngen sehr klein.
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176
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konstruk tive AusfUhru ng von Motorrad motoren
Aufg ru nd des geringen Unterdrucks im Lufttrichter ergeben sich beim Drosselk lappenvergaser Probleme mit der Kraftstofffö rderung und der Gem ischaufbe reitungsqua lität. Denn die Kraftstoffdüse ist für maximalen Kraftstoffb edarfbe i Volllast des Motors bemessen, so dass a n ihr relativ große Kraftstofft röpfchen austrete n. Diese können vom ge ringe n Unterdruck und der langsamen Strömung nicht fein genug zerstäubt werde n. Bei diesem Vergase rty p wird da her ein sep arates Leerlaufsystem mit eigener Leerlau fdüse vorgesehen, d ie nahe dem engen Spalt an der Dross elklappe angeo rd net wi rd. Örtli ch herrschen dort auch bei kleinem Luftstro m hohe Strömungsgesc hwindigkeit und Unterdruck, so dass zusam men mit der kleinen Leerlaufdüse eine g ute Kraftstoffzerstäubun g erreicht wird. Der Schiebervergase r würde an sich kein separates Kraftstoffsystem für Teillast und Leerlauf benötigen, weil bei gesc hlosse nem Schieber Strömungsgeschwindigkeit und Unterdruck im Lufttric hter für eine funktionierende Kraftstoffförderung und Gem ischaufbereitung aus reiche n. Zur besseren Einstellbarkeit des Vergasers und aus verbrauchs-, Abgas- und Komfor tgrü nden werde n denn och getre nnte Düsen für Leerlauf/niedrige Teillast und hohe Teillast /Volllast verwendet. Trotz der Aufgabentrennu ng von Leerlaufsystem und Hauptdüsen system wirken im Motorbetrieb beide zusa mmen. Die Größe de r Leerlaufdüse spielt beso nders im Überga ngsverhalten von Leerlauf/n iedriger Teillast zu r höheren Teillast eine Rolle und bestimmt die Güte der Gasa nnahme des Motors wese ntlich mit. Bild 3.144 zeigt ein ausgeführtes Beispiel eines Schiebervergasers. Die versch iedenen Vergaser beinhalten noch eine Reihe weiterer Einr ichtunge n zur Opt imierung der Ge mischaufbereitung. So g ibt es Zusatzlu ftkanä le mit kalibrierten Korre kt urluftdiisen , die dem Kraftstoff vor Eintr itt in die Hauptdüse de finiert Luft z umische n. Es wird dam it d ie Zerstäubungsqualität verbesse rt und eine noch exak tere A npass ung des Kraftstoff-Lu ftGemisches erreicht. Wegen der Vielfalt der kons truktiven Lösungen kan n darauf im einzelnen nicht eingegangen werden . Zusatzsysteme zur Gemischanreicherung für den Warmlauf des Motors sollen hier ebe nfalls nicht behandelt werden. Erwä hnt werde n muss abe r noch ein System z ur Kraftstoffreg ulierung. das beim Schiebervergaser notwen dig wird. Die Drosselung des Gemischstroms durch den Schiebe r im Lufttr ichter, führt dort zu einer Erhöhung der Strömungsgesc hwindigkeit. Der resultierende Anstieg des
Bild 3.144 Ausgeführter Schiebe rvergaser
3.9 Systeme zu r Gem ischaufbereitung und Sauganlagen
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177
konisch e Düsen nadel (im Schieber befestigt)
Nade ldüse (im Hauptdüsenstcck)
Bild 3. 145 Zusammenspiel vo n Düsennadel und Nadeld üse beim Schiebe rvergaser
Unterdruck s verg rößert bei konstant em Hauptdüsenquerschnitt die angesaugte Kraftstoffmenge, was infolge des gedrosselten Luftstrom s zu einer Überfetturig de s Kraftstoff-Lult -Gemisches führt. Daher ist be i alle n Schiebervergasern eine konisch geformte Düsennadel am Luftschieber angebrac ht, die in den Hauptd üsenstock (Nadeldüse) hineinragt. Bei schließendem Sch iebe r verkleinert sie den Austrittsq uerschnitt für den Kraftstoff an alog zur Abnahme des Luftst roms. Bild 3.145. Die Verstellmöglich keit der Nadelpo sition ergibt eine weitere Möglichkeit, die Gemi schzusa mmensetzun g den Erforderni ssen an zupa ssen. Fü r die mei sten Vergaser notwendig ist noch eine Einr ichtung, die das Gem isch während eine s Beschleun igu ngsvorga ngs anreic hert. Dem schne llen Öff nen de s Schiebers od er de r Drosselklappe beim Beschleu nigen kan n nämlich der Luftstrom aufgr und der Träg heit nicht unm ittelbar folgen. Dadurch sin kt schlagartig der Unterd ruck im Luftt richter (d .h. der Absolutd ruc k steigt), und es wird zu wenig Kraft stoffangesaugt. Die Folge ist ein Abmagern des Gem isches, eine schlechte Verbren nung im Motor und damit eine ungenügende u nd verzögert einsetzende Beschleunig ung des Fahrzeugs (der Motor verschluckt sich). Um d iesem Abmagern entgegen zuwi rken. wird kur zzeitig Zusatzkraftstoffin den Lufttric hter gefordert, z.B. mittels eine s kleinen Hubkolbens. de r mec han isch mit der Ga sbetät igung gekoppelt ist. Deutliche Fortschritte im Übergangsverhalten und beim Beschle unigen werden mit Gleichdr uckverga sern erzielt. d ie bei modernen Serienmotorrädern heute Sta nda rdaus rüst ung sind. Anhand der Schnittdarstellungen in den Bilder n 3.143 und 3.146 kann d ie Funktionsweise dieser Vergaserbauart erläutert werden. Neben de r Drosselklappe. d ie mit dem Gasgr iff mec hani sch verbunden ist und zur Reguli erun g der Gem ischmenge dien t. ist im Lufttrichter dieses Vergasers zusät zlich ein Ga sschieber angebrac ht. Dieser wird aber nicht mec hani sch betätigt , sondern die Schieberpositio n stellt sich selbsttätig aufgr und der Druckverhältn isse im Vergaser ein. Dazu ist der Schieber an einer Gum mimembran beweglic h aufgehängt. Seine obere Fläche einsch ließlich de r Membranfläche wird übe r eine Bohru ng mit dem Unterdruck im Lufttrichter beaufschlagt. Die untere Membranflä che hingegen steht über eine Auße nbohrung mit dem Umgebun gsdruck in Verbindu ng. Bei weitgehend geschlossener Dro sselk lappe u nd niedriger Strömungsgeschwindig keit ist auch
178
3 Arbeitsweise, Bauform en und konstruktive AusfU hru ng von Motorrad motoren
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Verbindungskanal zum Lufttrichter Membrane
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Düsennadel
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Zusatz luftkanal
Nadeldüse Schwimme rnadelventil Hauptdüsenstock
Leertaufdüse Schwimmer kammer Hauptdüse
Bild 3.146 Glcichdruckvcrgascr( B1NG Typ 64) der Unterd ruck im Luft trichter und damit die Druckdifferenz z um Umgebungsdr uck klein. Der Schieber sin kt dan n aufgr und seines Eigengewichts, unterstützt von einer schwachen Hilfsfeder, nach unten. Die sich einstellende Verengung des Lufttri chterque rsch nitts lässt die Strömungsgeschwindigkeit und de n Unterdruck aber ansteigen. Infolge der Druckdifferenz zw ischen Ober- und Unterseite der Membran wird der Schieber leicht angehoben, wodurch de r Unterdruck im Lufttri chter wiederu m etwas nachlässt, bis sich der Schiebe r schließlich in einer Gleichgewichtslage eingependelt hat. Wird die Drosselkl appe zum Beschleunigen geöffnet, bleibt die Schieberposition z unächst unverändert. Erst die etwas verzöge rt einsetze nde Änderung der Luftströmu ng bewirkt eine Bewegu ng des Gasschiebers. Der mit ansteigende m Luft strom wachse nde Unterdr uck hebt den Schieber jeweils soweit an, bis Gleichgew icht zw ischen Gewichts- und Fede rkraft am Schieber und den aus den Druckdifferenzen resultierenden Kräften herr scht. Dam it ist die Schieberposition allein abhängig vom Luftdurchsatz und sorgt als erwünschte Folge dafür, dass der Unterd ruck im Luftt richter nahezu konstant und unabhä ngig vom Luftdurchsatz ist. Der in jedem Betr iebszustand etwa gleiche Druck im Vergaser hat ihm seinen Namen gegeben. Für die Kraftstoffförderung an de r Hauptdüse und die Güte der Gemischaufbereit ungsqualität sind die konstanten Druckverhältn isse sehr vorteilhaft. Das gesamte Kraftstoffsystem des Vergase rs lässt sich sehr gut abstimmen. Vom Prinzip her brauchte der Gleichdruckvergaser kein eigenes Leerlaufsystem. In der Praxis wird jedoch die Ström ung an de n Schieberkanten gestör t, wodurch bei geringem Schiebe rhub die Zerstäubung und Gem ischbildu ng beeinträchtigt wird. Daher verwenden auch die Gleichdru ckvergaser ein eigenes Leerlau fsystem mit Kraftstoffaustritt nahe der Drosselklappe in einer Zone hohen Unterdru cks. Notwendig ist weiterhin eine
3.9 Systeme zur Gem ischaufb ereitung und Sauganlagen
179
Nadeldüse. de nn konstanter Druck auch bei nied rigen Luftdurchsätze n bedeutet konsta nte Kraftstofffö rderung und würde ohne eine Regulierung des Kraftstoffs wie beim Schiebervergase r z ur Überfettung führ en. Auf eine Beschleu nigungsa nreicheru ng hingegen kan n verziehtet werden, weil ein Abmage rn infolge des ko nstanten Drucks im Lufttr ichter nicht eintreten kan n. Nachteile hat der Gleichdruckvergaser, vom Preis einmal abgesehen, nur bei Wettbewerbsmotorrädern . Sein Ansprechverhalten ist aufgrund des zusätz lichen Schiebers, de r dem Luftstrom folgt, etwas träge. Reine Schiebervergaser mit mechanischer Schieberbetätigung und mechanischer Beschleunigungsanreicherung bieten hier Vorteile, allerdings um den Preis eines deutlich höheren Kraftstoffverbrauchs, was im Rennbetri eb keine Rolle spielt. Hingewiesen werden soll noch auf den Flachschieberve rgaser, Bild 3,147. Bei dieser Konstruktion werde n Störkanten. die bei einem zylind rischen Schieber zwangsläufig im Luftt richter entstehen, vermiede n und ein strömungsgünst igerer. glatter Luftdurchgang im Vergase r erz ielt. Eher theoretisc h ist der Vorteil des ger ingeren Schiebe rgewichts. Im Ren nsport spielt die kurze Baulänge von Flachschiebervergasem eine gewisse Rolle, weil sich dam it kürzere Gesamtsaugwege verwirklichen lassen.
Bild 3. 147 Flachschicbcrvergascr
3. 9. 2 Einspritzung Die elektron ische Kraftstoffeinspritzung hat auch bei Motorrä dern die Vergase r weitgehend verd rängt. Die Vorteile der Einspritzung liegen in der besseren Gem ischanpassung für die unterschiedlichen Betriebszustände des Motors und der Möglichkeit, eine echte Regelung der Gemischzusam mensetzung verwirklichen zu können; alles notwendige Voraussetz ungen für den Einsatz eines Drei-Wege-Katalysators zur Abgasreinigu ng. Leistungsm äßig bietet die Einspr itzung allerdings nicht zw ingend Vorteile gegenüber Vergaseran lagen mitje einem Vergaser pro Zylinder. Mit den mittlerweile recht strengen Abgasvo rschr iften beim Motorrad und mit den Forderunge n nach ger ingerem Kraftstoffverbrauch füh rt aber kein Weg an der Einsprit-
3 Arbeitsweise, Bauformen und konstruktive Ausführu ng von Motorradmotoren
180
2
1 =
s teneceener
2 '" zoooecnener 3 = Kraft sl off behäll e r 4 :: Kralts toflitte r
5 = Kratts tottpurnpe 6 " ZOndungssteuergerät
7 :: x rattstctuerst e
8 = 9 = 10 = 11 ::
Druckreg ler Einsprilzrelais Drossel klappenschalter Ei nspritzsteuergeräl
11
12 = zonoscue 13 = l uftsammler 14
= =
Luft mengenmes ser ay.cees lult schraube 16 '" Elnspntzventil 17 = Drosselklappe 18 = Leer tautetneteüscnraube 19 = KOhlmiltell emperal url Oh ler
15
20 = Balle rie
21 22
= =
Zündkerze Hall -Geber
~)22 , 20 Bild 3.14H Erste serienm äßige Einspritzanlage be im Motorrad ( Ldctronic. Bli1W, 1983)
zung vorbei. Der hohe Grad an Zuverlässigkeit auch unter Extrembedingungen und die mitt lerweile perfektioniert e Abstimmung lässt auch keinen Raum mehr für Kritik . Jede Kraftstoffeinsprit zung besteht grundsätzlich aus vier Systemkomponenten: - einer Kraftstoffpumpe z ur Erzeugung des notwendigen Kraftstoffdru cks - einer Einrichtung z ur Erfassung der engesaugten Luftmenge - dem elektronischen Steuergerät - den Einspritzdüsen zur Gem ischbildung Ergänzt werden diese Grundk omponenten VOll zusätz lichen Sensoren zur Messu ng von Umfeldbedingungen (u.a. Luftd ruck, Umgebungstemperatur) und Motor-Betriebszust änden (u.a. Temperaturen von Öl und Wasser, Klopfsignale) sowie verschiedenen Regelungseinr ichtungen (Leerlaufregelung, Lambda regelung). Diese Zusatzkomponenten sind mit dem zentralen Steuergerät vernetzt.
181
3.9 Systeme zu r Gem ischaufb ereitung und Sauga nlage n
Die Unterschiede zw ischen den Einsprit zanlagen liegen in der Ausfü hrung d ieser Systembausteine. Bild 3.148 ze igt d ie System komponente n und das g run dsätzliche Fu nkt ionsschema einer Einspritza nlage am Beispiel der von BMW im Jahre 1983 erstmals eingesetzten Ldetromc. Zu r Erfass u ng der angesaugten Luft menge dient bei diesem Syst em eine Stau klappe, deren proportionale Auslenkung im Luftstrom ein Maß für die vom Motor angesaugt e Luft menge ist (Stauk lappen-Luft mengenm esser). Die Auslenku ng wird elektrisch mitt els Potentio meter erfasst und de ssen Signal im Steuergerät verarbe itet. Die zwe ite Eingangsgröße fü r d as Steuergerät ist die Motordrehza hl. Aus beiden Größen errechnet das Steuergerät unter Berücksichtigu ng von Kc rrekturfaktoren , die aus den gemessenen Temperaturen für Ansaugluft und Küh lwasser gewonne n werden, d ie A nsteue rsignale für d ie Einspritzdüsen. Diese d irekte Erfass ung des engesaugten Luft volumens ist mittlerweile veraltet und wird nicht mehr angewendet. Das g roße Bauvolumen des Luft menge nmesse rs ist im Motorrad hinderlich für eine freie Gest altung der Sauganlage. und die Strömungsbeeinträchtig ung an der Stauklappe wirkt sich leist ungsmindernd aus . Heute wird die Luft menge bei Motor rädern meist indirekt bestimmt. Dazu wi rd derjeweilige Drosselklappen- Öff nungswi nkel (a) über ein Potentiometer gemesse n und die Motord rehza hl (n) erfasst. Aus beiden Grö ßen lässt sich de r Betriebspun kt des Motors eindeutig bestimmen und anhand hinterlegter Ken nfelder d ie notwe nd ige Kraftstoffmenge für die Einspr itzung errec hne n (a -ln·Steuerung). Eingespritz t wird bei allen Systemen in de r Regel in den Einlass kanal vor d as Ein lassventil (Saugrohreinspritzu ng), Bild 3.149, d.h. der Kraftstoff wi rd dem Einlassventil vorgelagert und beim Saugtak t angesaugt.
Bild 3. 149
Saugrohreinspritzung ( HON DA C BR 60ü )
182
3 Arbeitsweise, Bauformen und konstruktive AusfU hru ng von Motorradmotoren
Die Eingriffsgröße zur Regulier ung der Gemi schzu sammensetzung ist normalerweise die Öffnungsdauer der elektro magnetischen Einspntzventile, also die Einspritzzeit. Zusammen mit der Düsengröße und dem Kraftstoffdru ck ergibt sie die insgesamt pro Arbeitsspiel eingespritzte Kraft stoffme nge. Der Kraftstoffdruck muss daher in diese n Systemen konsta nt gehalten werden (hier 2,5 bar), wofiir ein Druckregler im Kraftstoffkre islauf sorgt. Erzeugt wird der Druck von der Kraftstoffpumpe, die den Kraftstoff ständig vom Tank zur Einspritz leiste mit den a ngeschlossenen Düsen und von dort über eine Ringleitung z urück zum Tank fördert. Die Einspr itzleiste ist so dime nsioniert, dass sie einen Vorratsbehälte r fü r den Kraftstoffb ildet und somit für alle Düsen gleiche Bedingu ngen für die Einspritzung he rrschen. Die Einspritzung wird über den Zündimpulsgeber ausgelöst, es wird bei diesen Systemen einmal pro Kurbelwellenumdrehung für alle Düsen gleichzeitig in die Saugrohre des Motors eingespritzt (Vorlagerung von Kraftstoff) . Die Vari ation der Einspritzzeit abhängig von den Motorb etriebsparametern gewä hrleistet eine optimale Gemischz usammensetzu ng in allen Betriebsz uständen des Motors. Die notwendige Gemischanreicherung jeweils fü r Warm lauf und Beschleunigung wird über eine entsprechend verlängerte Einspritzdauer erreicht. Ein Beschleunigungsvorgang wird über die Öffnungsgeschwindigkeit der Drosselklappe erkannt. In Abhängigkeit davon wird die not wendige Gemischa nreicher ung berechnet und ein Zusatzvolumen an Kraftstoff eingespritzt. Das vorstehend beschriebene gr undsätz liche Arbeitsprinzip der Einspritzan lagen wurde bis in die heutige Zeit beibehalte n. Dennoch finden sich in Systeme n neuesterGeneration wesentliche Änderunge n, Verbesserungen sowie funktionale Erweiterungen.
2 3 4 5 6 7 8 9 10
o
Drosselklappenpotentiometer (l astsignal) Hallgeber (Drehzahlsignal) Wassertemper atur lufttemperatur Steuergerat Kraftstoffpumpe Einspritzdosen Zündspulen Lambdasonde Katalysator
• " Bild 3. 150 Funktionsschema der Digitalen Motorelektronik für BMW-I"'lotorräder der K-Baurcihc ( bis 2(04)
3.9 Systeme zur Gem ischaufbereitung und Sauganlagen
183
Eine erste Weiterentwicklung stellte die Digitale Motorelektro nik (DME) dar, oft auch als MOTRONIC bezeichnet (MOTRONIC ist die Bezeichnung des Herstellers BOSCH). Bei dieser
sind die Steuerungsfunktionen für Einspritz ung und Zündung in einem einzigen Steuergerät mit digitaler Verarbeitung der Daten zusam mengefasst. Bild 3.150 zeigt ein vereinfachtes Signalschema der MOTRONIC, wie sie von BM W fü r die ..alte" K-Baureihe bis z um Jahr 2004 verwendet w urde. Sie ist bereits mit Lambda regelung ausgestattet. Die aktuelle Ausfüh rung der digitalen Motorsteuerung bei BMW, die im Frühjahr 2004 zeitgleich mit der damals neuen Boxergeneration eingefü hrt wurde. zeigt das Bild 3.151. Die Einspritzung erfolgt hier vollsequentiell. das heißt die Zylinder werden unabhängig voneinander angesteuert und injeden Zylinder wird individuell passend zum Ansaugtakt eingespritzt (keine .Vorlage rung" von Kraftstoff vor das Einspritzventil). Dazu liefert ein Geber am Nockenwellenrad das entsprechende Signal. Wie vorstehend bereits erwähnt. wird die engesaugte Luftmenge indirekt über den Drosselklappenwinkel und die Motordrehzahl erfasst. Zusammen mit der Ansanglufttemperatur. der Kühlmittel- bzw, Zylindertemperatur und dem Umgebungsdruck. der mittels eines speaiellen Sensors aufgenommen wird. e rrechnet das Steuergerät aus diesen Daten die angesaugte Luftmasse und daraus die notwendige Einspritzme nge. Dabei wird auf Basiswerte aus abge-
DME Steuergerät
i
1 = Zündspulen 2 = Einspritzdüse 3 = Drosselklappenpofentiometer mit Leerlautsteller
4 = turttemceretcr-senscr 5 = Temperatursensor Motoröl
-
6 = Nockenwellensensor 7 = Drehzahlsensor 8 = Klopfsensor 9 = Sensor Zylindertemperatur 10 = Lambdasonde Abgas
Biltl 3.151 Funktionsschema der Digitalen Motorelektronik für BMw- Mororrädcr der neuen Boxergeneration (ab 2004)
184
3 Arbeitswe ise, Bauform en und konstru ktive Aus fU hru ng von Motorrad motore n
spe iche rten Kennfeldern zu rüc kgeg riffen. Mit Hilfe der im Steuergerät hint erlegten Korrekturfunktionen we rde n da nn ind ividuell abgestimmte Wert e fü r d ie Einspritzmenge und den Zündze itpunkt für jed en Betriebspu nkt und Bet riebszu stand des Motors bereitgestellt. Diese Berücks ichtigung vielfältiger Einflussg rößen einschließlich wichtige r Umgebungsbedi ngungen durch eine umfang reic he Senso rik ermög licht eine sehr fein fühlige A npassu ng des Motorbetr iebs an untersch iedlichste Ra ndbedin gungen. d ie de r Anpass ungsfä h igkeit der frü heren Vergaseranlage n weit überlegen ist. Zu den we iteren Vorteilen dieser und ähnlicher Systeme andere r Motorrad hersteller gehört auc h, da ss sie eine ech te Warmlau f- und Leerlau fregelung ermög lichen und d amit die frü her übli che manuelle Gernischanreicher ung (c.Choke") mitsamt der oft mals sprunghaften Drehza hlanheburig im Leerlauf nach dem Kaltstart überflüssig machen. Beim BMW-System erfo lgt d ie notwendige Leerlaufarthebung automat isch und fein ges tuft über gesteuerte Bypass-Kanäle für Zusatzluft u nd eine ents prechende Anpassung de r einges pritzten Kra ftstoff menge. Ein Zusatze ffekt ist die Mögli chkeit, je nach Strombed arf die Leerlau fdrehzah l zusätzlich zu erhöhen, um über die dan n höhere Lichtmas chinendre hza hl mehr Stro m fü r Verbraucher liefern zu können und damit die Ladebilanz für die Batter ie zu verbessern. Als Besonderheit hat das dargestel lte BM W-System ei ne geregelte Kraft stoffpumpe. Da mit kann d ie Einspri tzmenge zusätz lich zu r Einspritzzeit noch über de n Kraft stoffdruck variiert werden. Diese Techn ik wurde weiterentw ickelt zu einer variablen Druc kregelung fü r de n Kraftstoff (e rstmals eingese tzt im BMW-Modell KI 200 S). Hier wird durch eine bed arfsgerechte Anste uerung der Kraft stoffpumpe jeweils nur gen au die Menge Kra ftstoff z u den Einspritzvent ilen gefördert , d ie momenta n tatsächlich benötigt wird. Auf einen KraftstofTrücklaufkann dam it verzichtet werden. Vorteilhaft an d ieser Regelung sind d ie noch präz isere Kr aftstoffzu messung sowie der geringere Leistungsbeda rf der elek trischen Kraftstoffpumpe. Die vors tehende DME-Generation bei n haltet auch eine Klopfregel ung, d ie im Motorradbau noch selten anzu treffen ist. Zur Erkenn ung klopfender Verbrennung d ienen jeweils Körperschallsenso ren (Klopfse nsoren), die an die Zylinde r und d as dortige Schwing ungsumfel d ada ptiert sind . Auf entsprec hende Schwingungss ignale. d ie von klopfender Verbrennung hervorgerufen we rde n, reagiert d ie Motorel ektronik mit Zündw inkel rücknahme (Verste llung in Richtung "s pät"') u nd schützt damit den Motor vor möglichen Schäden. Die integ rier te..1.- Regelung stellt das Gemi sch mittels einer ..1.-Sonde Im Abgasstrom, Bild 3.152. in eine m gesc hlosse nen Regelk reis unter allen Bed ingungen auf seine Idealzusammensetzu ng (..1. = I) ein. Damit sind d ie Voraussetzungen für einen 3-Wege- Kata lysator zur Abgas rein igung gesc haffen. mit dem d ie entspreche nden BMW-Motorräder auc h ausger üste t sind. Die ..1.-Sonde misst dazu die Abgaszusamme nsetzung (genauer gesagt den restlichen Sauers toffgehalt des Abgases) und abhäng ig vom Sondensignal modifiziert d ie Elektron ik d ie Einspritzm enge dan n so, dass eine Ge misc hz usa mme nsetzung auf den Idealwert erreicht wird . Eine ausführliche Beschreibung der ..1.- Regelu ng im Zusa mme nspiel mit de r katalyt ischen Abgasreinigung wird in [3.19J gegebe n. Die neuesten Ge nerationen der digitale n Motorelektro nik zeichnen sich durch höhere Rechenleistung gege nüber den Vorgä ngern, schnellere Regelu ng. mehr Speic her (damit mehr und feinere Stützstellen für d ie Zündw inkel- und Einspritzkennfelder) und die Integ ration von Zusatzfunktionen aus. Die Wichtigkeit hoher Rechenleist ung nimmt mit steige nden Nennd rehzahlen der Motoren zu, dieses zeigt schon ei ne sehr einfache überschlä gige Berechnu ng: Bei 12.000 Ulmin
185
3.9 Syste me zu r Gem ischaufb ereitung und Sa uga nlage n
- . ._..-- --
Beheizte Lambda-Sonde
a
_ '1'-:-
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ßild 3. JS Z La mbdasonde I Sondengehäuse. 2 keramisches Stützrohr. 3 Anschlusskabel. 4 Schutzrohr mit Schlitzen, 5 aktive Sondenkeramir. 6 Kontaktteil. 7 Schutzhülse. 8 Heizelement. 9 Klemmanschlüsse für Heizelement
dau ert eine Ku rbelwellenumd rehung nur 11200 s. Ein Vierzyli nder-Vierta ktmoto r hat zwe i Einspritzvorgänge pro Umdrehung, die in einem Ze itfenste r von einigen Ze hn G rad Kurbelwi nkel vollzoge n werden. Damit befindet man sich im Milli sek undenber eich bzw. in Bruchteilen davon fü r den Einspritzvo rga ng. Entsp rechend kurze Zeitspannen ste hen zur Berechnung zu r verfügung. Die Rechenvorgänge im Steuergerät sind se hr u mfang reich, denn es müssen eine Vielza hl von dyna mischen Signalen. Ken nfeldgrößen und Speicherwer ten per manent ausgewertet und in Steue rsignale umgesetz t werden . Für einen Beschleuni gungsvorgang steigt die notwend ige Rechenleistu ng und -gesc hwindigkeit wegen der sich schne ll veränderlichen Par ameter dan n noch mals an. Ma n kann sich leicht vors tellen, dass die Güte des Motorlaufs und de r A npassung sowie das per fekte ..Ga sgefüh l" auch von der Gesc hw indigkeit und de r Güte der Sig nalvera rbeitung abhä ngen. Für Ren n- und Superspo rtmoto rräder g ibt es noch eine Besonderheit bei der Einspr itzu ng. Die Einsprit zd üsen sind hier h inter dem Luft tr ichter angeo rdnet, Bild 3.153. Durch die Verda mpfu ng des Kraftstoffs kühl t sich die Luft im Saug rohr sc hon ab dem Lufttr ichter ab. Die dadu rch höhere Dichte des Luftstroms filh rt zu ents prec hend g rößere r Luft masse im Zylinder, so dass ents prechend me hr Kraft stoff einges pritzt werd en kan n, was wiederu m z u einer Erhöhu ng der Motorleistu ng fü hrt. Im Gesamtve rbund mit der Einsp ritzung ist d ie Sauganlage ein wichtiger Baustein für d ie Leistun gsent faltu ng, vgl. auch Kap itel 4. Die Füh rung der Ansaugluft sollte möglichst geradlinig und ohne scharfe Umlenku ngen erfolgen. und der Luft filterk asten muss ein großes Volumen aufwe isen (Richtwe rt : IO-faches Hubvolumen). Um eine nied rige A nsaugluftte mperatur zu gewä hrleisten (g röße re Dichte), saugen moderne Hochleistungsmotoren die Luft über Schnorchel im Frontbereich der Verkleidung an , Bild 3.154 . Der dort vorhandene Sta udruck wird ebe nfa lls gen utz t, um die Füllung zu verbessern, doch wird diese r Einfl uss oft überschätzt (siehe Kapitel 4 ). Variable Saugrohrlä nge n - im Auto mobilbereich längst bei vielen Motore n üblich - sind bei Motorrädern noch d ie Au snah me. Erstmals setzte M V AG USTA diese Technik z ur d reh zah labhängigen Füllungsverbesserung im Mod ell F4 ein, Bilder 3.155a .
186
3 Arbeitsweise, Bauformen und konstruktive AusfUhrung von Motorrad motoren
Bild 3.153 Einspritzung in den Lufttrichter
Luftfilterkasten mit Ansaugschnorchel
lJild 3.154 Sauganlage BMW K 1200 S
187
3.9 Systeme zur Gemischaufb ereitung und Sauga nlagen
Bild 3. 155a
Sauganlage M V AGUSTA F4 1000 Mittle rweile haben andere Hersteller, unter anderem YAMA HA (Modell RI) und BMW (Model l S IOOORR) nachgezogen. Bild 155 b. Mittel s Unterdruck und einer Druckdose oder mittels eines elektr ischen Stellers werde n bei niedrigen Drehza hlen Verlängerungsstücke auf die Lufttr ichter abgese nkt und damit die Saugrohrlängen an die niedrigen Drehzah len angepasst. Das Resultat ist ein höheres Drehmoment in diesen Drehzahlbereichen. Im oberen Drehzah lband wird d ie Verlängerung angehoben. so dass der Motor opt imal über die kurzen Saugtrichter atmen kann.
Bild 3. 155 b
Variable Saugrohrlängen bei der BMW SIOOORR oben: Saugrohre ..lang" (niedrige Drehzahlen), unten: Saugrohre"kurz" (hohe Drehzahlen)
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3 Arbeitsweise, Bauformen und konstruktive AusfU hrung von Motorrad motoren
3.10 Abgasanlagen Die Abgasanlage erfüllt drei Aufgaben. Sie beeinflusst die Leistungscharakteristik des Motors, sie reduziert das Auspuffgeräusch und vermindert zusammen mit einem eingebauten Katalysator die Schadstoffe im Abgas. Diese Aufgaben können nicht vollständig voneinander getrennt werden. Die Geräuschdämmun g beeinflusst immer, meist in unerwünschter Weise, die Leistungscharakterisrik: umgekehrt sind leistungsoptimale Abgasanlagen oft zu laut.
3.10.1 Konventionelle Schalldä mpferanlage n Dieser Abschnitt widmet sich schwerpunktmäßig dem konstruktiven Aufbau des Schalldämpfers; die Aspekte der Leistungsbeeinflussung durch die Abgasanlage werden im Kap. 4 behandelt. Die Darstellung muss sich auf die elementa ren Zusammenhänge beschränken, weil ein tieferer Einstieg in das Spezialgebiet der Schalldämpferauslegung umfangreiche Kenntnisse der Akustik erfordert. die nicht vorausgesetzt werden können. Es gibt zwei Grundbau arten von Schalldämpfern, den Reflexionsdämpfer und den Absorptionsdämpfer. Manchmal werden Kombinationen aus beiden Typen verwendet. Der Absorptionsdämpfer, Bild 3.156, nutzt zur Schalldämmung die Eigenschaften einiger Stoffe, den Schall zu verschlucken. Die Schallleitung dieser Materialien ist schlecht, und der Schall wird innerhalb des Mater ials vielfach aber regellos und insgesamt nur sehr wenig reflektiert. Letztl ich erfolgt dabei eine Umwandlung der Schallenergie im Wärme. Typischer weise handelt es sich bei Absor ptionsstoffen um weiche, leicht verformbare Materialien mit loser, faseriger Struktur. Für die Verwendung in Schalldämpfern muss dieses Material temperaturbeständig sein. Üblicher weise wird Mineral- oder Stahlwolle verwendet. Im Dämpfer sind eine oder mehrere Schalldämpferkammern mit dieser Dämmwolle umhül lt und diese Kammern über ein perforiertes Rohr angeschlossen. Der Schall breitet sich im Rohr gleichmäßig aus, und alle Schallwellen, die durch die Perforation in die Kammer eintreten, werden praktisch vollständig eliminiert. Die Schallanteile in Rohrr ichtung verlassen die Dämpferkammer weitgehend ungedämpft und werden im nächsten Schalldämpferteil absorbiert. Reine
Bild 3.156 Absorptions-Sc halldämpfer
3.10 Abgasanlagen
189
Bild 3.157 Reflexions-Schalldämpfer Absor ptionsdämpfer werden heute von den großen Motorradherstellern serienmäßig nicht mehr angewandt. Bei Zubehörliefe ranten sind sie noch verb reitet. weil sie preisgünstig herzustellen sind. Ein Nachteil ist. dass die Faserein lage mit der Zeit z unehmend aus dem Schalldämpfer hinau sgeblasen wird, wodurch sich die schalldämmenden Eigenschaften verschlechtern und der Dämpfer lauter wird. Der Reflex ionsdä mpfer. Bild 3.157. macht sich das physikalische Prinzip der Interferenz zunutze, das im Anhang dieses Buches ausführlicher erklärt wird. Dabei löschen sich Schallwellen gleicher Frequenz gegenseitig aus, wenn sie mit umgekehrtem Vorzeichen (umgekehrter Amplitude) überlagert werden. Dies ka nn durch eine geschickte Reflexion der Schallwellen im Dämpfer erreicht werden. Das Abgas wird dazu durch ein System von para llel- und hintereinander geschalteten Kammern, die mit Rohren abgestimmter Länge und Durchmessern verbunden sind, geleitet. Die einzelnen Kamm ern bilden Resonanzsysteme. deren Durchtrittswiderstände fü r bestimmte Frequenzen des Schalls sehr hoch sind und diese wirkungsvoll dämpfen. Die gezielte Reflexion der Schallwellen an offenen oder geschlossenen Rohrenden erzeugt die gewünschte Phasenlege, die zusammen mit den Wellenlaufzeiten in den Rohren die gewünschte phasenrichtige Überlagerung und Auslöschurig der Schallwellen hervorr uft. Obwohl die Gestaltung dieses Kammer- und Rohrsystems zunächst nach akustischen Erfordernissen erfolgt, muss zugleich darauf geachtet werden, dass die Drosselung des Abgasstro ms nicht zu groß wird. Zwar wirkt auch die Drosselung geräuschmindernd, sie führt aber auch zu einer negative n Beeinflussung des Ladungswechsels und bewirkt spürbare Drehmoment- und Leistungseinbußen beim Motor. Die Kunst des Schalldämpferbaus besteht in einer a kustisch günstigen und gleichzeitig widerstandsa rmen Gasf ührung. Im Kap. 4.4 wird anhand von Beispielen gezeigt. welch hoher Stand heute auf diesem Gebiet erreicht ist. Ein problematischer NebenefTekt von Reflexionsdämpfern ist die Schwingungsanregung, die die Wandstruk tur des Schalldämpfers durch den pulsierenden Abgasstrom erfahrt. Der resultierende Körperschall kann die vom Schalldämpfer ausgehende Ge räuschemission erhöhen. Dem kann entgegengewirkt werden durch die Wahl genügend dicker Wandstärke n fü r die Zwischenbleche im Dämpfer, durch genügend steife Konstruktion der gesamten Schalldämpfer-
190
3 Arbeitswe ise, Baufor men und konst ruk tive AusfUhru ng von Motorrad motoren
struktu r und eine Schalldämpferauße nhaut aus Doppelblech . Eine we itere Möglich keit ist die doppel wandi ge Ausfüh rung der Schaltdä mpferauße nhaut mit ei ner absorbierenden Zwischenschiebt, wie im Hild 3.157 zu erkennen ist. Das relat iv hohe Gewicht von Schalldä mpferanlagen (z wischen 10 und 20 kg) ergibt sich aus diesen Ko nstruk tionsanforderun gen . Eine Rolle für die Scha llabstra hlung spielt auc h die Größe der Schalld ämpfe roberfläche. In vielen Fällen sind zwei k leine Scha lldä mpfer gü nstiger als ein g roßer (4-in-2 statt 4-in-I). Denn d ie Einzelscha lldä mpfer bauen kompakter, sind daher steifer und weisen eine kleinere EinzeIaußenfläche auf. Da sie jeweils nur mit ru nd de r halben Schallene rgie beau fschla gt we rde n. ist ih r Emissionsve rhalten oft gü nstiger. Mit derartigen Anlage n lässt sich meist auch ein größeres Schalldä mpfervo lumen baura umverträglich am Motorrad unterbr ingen. Das etwa lu -fache Hubvolumen des Motors gilt als seh r g rober Richt wert für einen Schalldämpfer mit ausgewo gene n ak ustisc hen Eigenschaft en und gü nstigem Leistungsverhalten. Dabei beeinflussen d ie Volumena nord nung u nd die Formgestalt des Volu mens d ie Leistun gscharakterist ik des Motors u nd das akust ische Verhalten des Dämpfers. Dies macht die Form gebu ng des Scha lldäm pfers und seine Platzieru ng am Motorrad z u einer diffi zilen und schwer lösbaren Au fgabe. Aus d iesem G rund wird de r Schalld ämpfer vielfac h auc h zwe igeteilt in eine n Vorschalldämpfer und einen Nac hschalld ämpfe r. Für d ie Leistungsentfaltu ng spielt der Vorsch alldämpfer eine entsc heidende Rolle. Da beso nders bei sehr sportlic hen Motorrädern d ie Schräglage nfrei heit nicht eingesc h rän kt werde n darf. andererse its aber nur bei großem Schalldä mpfervolumen der Zielkonflikt zw ischen gesetzes konform er Lauts tärke und hoher Motor leistung entsc hä rft we rden ka nn. muss der Schalldä mpfer mit seinem Volume n bereits bei der erste n Konzept ion eines neuen Motorrades aus reichend berüc ksichtig t werden. Bei den Supersportlern neuester Konstruktion wird der Vorsc halldämpfer fallweise im hinteren Bere ich unte r dem Motor angeordnet, Bild 3.158. Dort findet sich bei entsp rechen der Fahrzeug- und Antriebsausleg ung hinreichend Raum. Diese Scha lldä mpferlage kommt auch einer gewü nschte n tiefen Schwerpunktlage entgege n und er trägt zu einer günst igen Massen konze ntration um den Ges amtsc hwer punkt bei.
Bild 3.151' Schalldämpfera nlage BMW SIOOORR
3.10 Abgasanlagen
\9\
Bild
3.159
Klappensysteme in der Schalldämpferanlage BMW SIOOORR
Weitere Baustei ne zur Lösung des Ziel konff iktes zw ischen Geräusch und Motorleistung sind Klappen im Abgassystem. die sowohl die Gasschwingungen gezielt beeinflussen als auch bei höheren Drehzahlen und Gasdurchsätze n zusätzliche bzw, größere Que rschnitte im Abgassyslern freigeben, Bild 3.159. Verbindungen zw ischen den Krüm merrohren wirken sich ebenfalls auf die Schwingungsvorgänge im Abgassystem aus, und es lässt sich damit gezielt der Drehmomentverlaufi n bestimmten Drehzahlbereichen beeinflussen. Waren diese Interferenzroh re bisher stets als feste Rohrleitungen ausgeführt. so finden sich in neuesten Motorkonstr uktionen (BMW SIOOORR) auch Verbindungen, die sich drehzahlabhängig öffnen und verschließen lassen, Bild 3. 160. Dadurch lassen sich unerwünschte und nachteilige Effekte der Interferenzverbin dungen. die zwangsläufig sonst in best immten Drehzahlbereichen auftreten. vermeiden.
192
3 Arbeitsweise, Baufor men und konstruktive AusfU hrung von Motorrad motoren
Bild 3.160 Abgassystem der BMW SlOOORR
3.10.2 Abgasa nlage n mit Kat alysatoren Bei sich verschärfenden Gesetzesanforderungen zur Luft reinhalt ung werden Abgasreinigungssysteme auch bei Motorrädern zuk ünftig zur Serienausstattung gehören und nach heutigem Stand wird sich der geregelte Drei-Wege- Katalysator durchsetzen. Der Katalysator ist im vorderen Teil des Schalldämpfers oder in einem separaten Vorschalldämpfer angeordnet . In der geregelten Ausfüh rung bildet er mit der Lambdasonde und der übrigen Abgasa nlage eine Funktionseinheit, Rild 3.161. Ein Abgaskatalys ator selber ist üblicherweise als rohrförmiger Körp er ausgebildet, der vom Abgas durchströmt wird. Zur Oberflächenvergrößeru ng weist der Katalysator im Inneren eine Wabenstruktur auf, Bild 3.162. Die Waben oder Zellen tragen eine dünne Beschichtung aus Edelmetallen (Mischung aus Platin. Palladium und Rhodi um), die als aktivierende Substanzen die chemischen Umwandlungsprozesse im Abgas bew irken. Das Edelmetall wirkt dabei als Reakrionsheschleuniger; nimmt also an den Umwandlungsprozessen nicht teil und ..verbraucht" sich auch nicht. Im Betrieb muss der Katalysator eine Mindesttemperat ur von rund 250 "C erreichen, erst da nn kommen die chemischen Reaktionen in Gang. Die Zeitspanne zur Aufheizung und bis z um Beginn der Umwandlung wird als Anspringzeit und die entsprechende Temperatur als Anspring temp eratur bezeichnet. Abgebildet ist ein Metallträ gerkatalysator. Er besteht aus einem Trägerblech aus Edelstahl mit einer aufgebrachten gewellten Edelstahlfolie in einer Wandstärke von 0.05 mm. Dieses Blech ist in einer speziellen Technik spiralförmig aufgewickelt. so dass ein ru nder Monolith mit gleichmäßig über den Querschnitt verteilten rohrförmigen Kanälen (Zellen) entsteht, an deren innerer Oberfläche das Edelmetall aufgebracht ist. Lieferbar sind Metallträgerkat alysatoren mit unterschiedlichen Zellendichten. dargestellt ist ein Träger mit 400 Zellen/inch-. Aufgrund der geringen Wandstärke der Zellen haben sie einen niedrigen Strömungsw iderstand, und die Verwendung von Edelstahl gewährleistet eine hohe mechanische und thermi sche Stabilität. Nach derzei tigem Entw icklungsstand erfüllen einzig derartige Metallträgerkatalysatoren die hohen Belastungen im Motorrad, nachteilig ist ihr relativ hoher Preis.
3.10 Abgasanlagen
193 . ~
un ge regelter Katal ysator im Endschalldäm pfer
Krümme reingang
...
Katalysatoren Bild 3.161 Abgasan lagen m it integr iertem Katalysator
~
Lambda-Sonde
SM-Technik 400 Zellen/inch-
Bild 3.162 Abgaskataly sator für Motorr äder ( Mctallträgcrkatalysator)
194
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konst ru ktive AusfUhrung vo n Moto rradmotoren
Wegen der zu meist sportlichen Ausric htu ng von Moto rräde rn spielt da s Leistu ngsverhalten de r Moto ren immer noch eine dominante Rolle. so dass die gru ndsätzlichen Anforde rungen bei de r Auslegu ng von Abgasan lage n mit Kata lysatoren fü r Moto rräder lauten: - keine spürbare n Drehmoment- und Leistu ngseinbußen - keine Beeinträchtigung des dyn amische n Motorverh altens - keine Fah rfehler - Kra ftsto ff mehrverbrauch < 2% - attraktiver Auspu ffk lang Letzter Punkt ist des halb wichtig, weil d ie schon heute hohe Zah l an (z.T. nicht lega len) Schalldämpferumrüstungen zeig t, das s Motorradfahrer hier eine besondere Sensibilität entwickeln. Die Haltbarkeitsan forderu ngen orientie ren sich an de r du rchschnittlic hen Jahreslaufle istung von Motorrädern. Eine Mindesthaltba rkeit von 50.000 km im verschärfen Dauertestbetrieb sollte gewährlei stet sein, das ent spric ht einer dur chsch nitt lichen Leben sdaue r fü r den Katalysator von 80.000 - 100.000 km im Kundenbetrieb und übe rtrifft dami t tendenziell die Leben sdaue r konventione ller Schalld äm pferanlagen. Die allgemeinen Randbedingunge n. denen de r Kata lysator im Motorrad unterworfen ist. zeigt Bild 3.163 . Aus der hohen spezifischen Leistun g de r Motore n un d dem hohen Drehza hlniveau bere its im Normalbetrieb ergibt sich eine hohe thermische Belastung. Zur hohen mechanischen Beanspru chung trägt bei, dass d ie Vibrationsentkoppelung de r Scha lldä mpferan lage durch eine weiche, elastische Gummilage rung wie beim Auto mobil nicht möglich ist (Platzbedarf Schwingwege, z.T. Motor mitt ragend). Eine g ünsti ge Posuionierung des Kata lysator in de r Scha lldämpfera nlage ist eingesch rän kt, weil bei de r Anordnun g de r Schalldämpferan lage am Fahrzeug Kriterien wie ausreichende Schrägjage. Abstände zur Verkleidung, Platzbeda rf fü r die Fußra ste nanl age u nd den Hauptständer sowie Stylinggesichtspunkte berü cksichti gt werden müssen . Eine Übers icht der z.T. wide rsprüchlic hen Funktio nsa nforderungen und der sich ergebenden Zielko nflikte bei der Katal ysatorauswa hl zeig t Tabelle 3.8 . Einbau im Sichtbereich
Hohe mechanische und thermische Belastung
Eingeschränkter Bauraum
Nässe- und Schm utzbeaufschlagung der Lambdasonde
Bild 3. 163 Randbed ingung en für den Katalysator im Motorrad
3.10 Abgasanlagen
195
Tabell e 3. M Funk t ionsa nforde run gen und Zicl ko nflikt e beim Katal ysato rein sat z Krill'rlum
Etn zctrorucrun g
Löseng
Proble m I Konflikt
Motorlcist un;::
keine Leist ungs- und Drehmo mentein-
g roßer Katalysato rq uerschnür
Ba uraum
bußcn
Sty li ng Anspring verhalten
Ab;::ase m issio nen
hohe Konverticrung im Kat alysator
schnelles Anspr ingverhalten
hohe Ze llendic hte
Abgasgegendruck. Leist ung
gleichmäßige A nströmu ng des Katal ysators
Bau raum
ho he Edchuctalldichtc
Prei s
mot ornah e Position
Über hitzu ng, Krümmerlänge, Ba uraum
kleine Wärmekapa zität
Überhitzu ng, Leerlaufkonvcrtic rung
niedrige Wärmeleufähigkeit. klein es Kataly sato rvolume n
Über hitz ung
motor nahe Position
K r ümme rlänge.
Bau raum.Üb erhitzung g ute Regeleigenschatte n
motorn ahe Lambdasonde
Abgask rü m mcrz usam rnenführu ng
optim ierte Regel fu nktio n Dauerha llbar keit
Kosten
akzeptabler Preis fü r Je n Kunden
niedrige
Konvcrricrung
hochwertiges Material. a ufwändige Fert igung
Kosten
ger inge Edelmet alldichte
Konverti eru ng
preiswer ter Träger
Haltb arkeit
Karafysarortcmpcrature n
Ohne auf alle Punk te detaillie rt einzugehen, seien a n dieser Stelle die Kriterien Motorleistung und Abgasgesamtemission hera usgegriffen, um die Zielkonflikte bei der Auswahl geeigneter Katalysatoren näher zu erläutern: Aus Leistungs- und Drehmomentgründen ist ein Katalysator mit möglichst großem Querschnitt wegen der geringeren Drosselverluste wünschenswert. Dieser hat aber den Nachteil des großen Platzbedarfs (Bauraum), und ein groß dimensionierter Katalysator erwärmt sich im leerlaufnahen Bereich wegen des kleinen Gasdurchsatzes auch nur langsam. Sein Anspringverhalten ist damit ungünstig, und das bedeutet länger dauernde hohe Schadstoffemi ssionen während der Warmlaufphase. Ein ansprechendes Styling einer Auspuffanlage mit einem großvolumigen Kata lysator ist ebenfalls nicht einfach darzustellen. Bei den Emissionen sind die Zielkonflikte noch ausgeprägter. So führt die motornahe Kata lysator position u.a . durch Verkürzung der Anspringzeit (schnellere Erwärmu ng) z u den wü nschenswerten niedri gen Schadstoffwerten. Es ergeben sich dadurch aber bei Volllast Überh itzungsprobleme fü r den Katalysator mit der Gefahr von Dauerschäden und negativen Auswir-
196
3 Arbeitswe ise, Bauformen und konst ru ktive Aus flihru ng von Motorradmotoren
ku ngen auf d ie Leistu ngsabgabe des Motors. Denn dur ch die erforderlic he Zusa mmenführ ung der Abgask rü mmerrohre vor dem Kata lysator ergeben sich meist kurze Krü mmerläng en, die nachteiligen Einfluss auf die Gasdyn am ik (vgl. Kap . 4 ) und den Drehmomentverlauf haben können (ung leichmäßig, niedri ges Drehm oment im untere n Drehzahlb ereic h). Som it muss in u mfangreichen Versuchsreihen der g ünstigste Kompromiss zwische n Leistu ngsverhalten, Schadstoffemission u nd Dauer haltbarkeit des Kata lysators ermittelt werden. Es ist für jedes Motorrad eine aufwä nd ige ind ividue lle Entwic klung notwendig, woraus sich erg ibt, da ss u niversell verwendbare Nach rüstkatalysatore n. wie sie im Handel angebote n werden, den An forde rungen kau m gerecht werden könne n. Auf d ie Fu nktion de r Lambdasonde u nd de r Regelung sowie der Mechanismen bei der Umwa ndlung de r Schadstoffe wird an d ieser Stelle nicht eingegangen, sondern au f d ie Literatur [3.19] verw iesen.
3.11 Elekt r ische Systeme - Energ ieversorg ung, Elekt ronik und Bordn etz Klassisch gehören die elek trischen Systeme mit ihren Komponenten zu m Antrieb. Der Gene rator (die ..Lichtmaschine") wird vom Motor angetrieben , de r Anlasser wirkt auf die Kurbel welle und der Motor selbst benötigt elektri sche Hilfsenergie für die Einspritz ung und die Zü ndu ng. Mit der Einfüh rung und Verbreitung komplexer elektronischer Steuerungen verändert sich allerd ings zu nehmend de r Stellenwert der elek trische n Systeme . Waren sie fr üher hauptsächlich ..Nebenagg regate", so bestim men die modernen elekt ronischen Steueru ngs- u nd Regelu ngssysteme des Motors (dig itale Motorelektronik) heute tief greifend wese ntliche Motoreigen schaften. Auch im Fahrwerksbereich hat die Elektronik nachgezogen; erstes Beispiel war 1988 das ABS, das ohne zuverlässige Elektronik ga r nicht möglich wäre. We itere Systeme wie elektro nisch veränderliche Dämpfung u nd Antriebsschlupfregelung (siehe Kapitel 8.3.4 und Kapitel 11) wurde n seit Mitte des ers ten Jahrzehnts der 2000er Jah re in die Serie bei Motor rädern eingefüh rt. Derzeit finden sich die meisten elekt rischen und elektronischen Syste me mitsamt ihren Sensoren noch auf der Motorseite. daher e rfolgte die Einordnung dieses neu aufgenommenen Abschnitts in das Kapitel ..Motor un d Antrieb". Doch d ie Koppelung, Vernetzu ng und teilweise Versc hmelzu ng der elektronischen Regelungssysteme von Antrieb und Fahrwerk, wie es heute bereits bei der Antriebsschlupfregelung der Fall ist, schreitet fort. Komforta usstatt ungen und Unterhaltungselektronik (Ra d io, M P3-Player, Navigationssyste me) neh men besonde rs bei Tou renmoto rrädern einen immer größ eren Stellenwert ein. Parallel mit den elektronische n Kompon enten wurden Diag nosesys teme für die Werk stätten erheblich ausgebaut. Dadurch wird die Feh lersuche vereinfacht, zug leich aber sind nu n viele Wartu ngsumfänge ohne spezialisierte Tester kaum noch mög lich. Zukünftig wi rd dem T hema Elektr ik und Elektro nik daher mög licherweise ein eigenständ iges Kapitel in d iesem Buch gewidmet werden müssen.
3,11 .1 Elekt r ische Energ ieverso rg ung Die elektr ische Energ ie wird bei modernen Motorradmotoren fast ausschließlich mittels Drehstro m-Ge neratoren erzeugt und in Bleibatter ien gespeichert. Der früher übliche Bleiakk u mit flüssiger Schwefelsä ure als Elektrolyt wird z unehmend dur ch wartungsfreie Batt erien abgelöst, in denen die Säure als erstarrtes Gel (Zusatz von Kieselsäure zur Schwefelsäure) enthalten ist, beziehungsweise von einem spez iellen M ikroglasfaser-Vlies aufgesaugt wird. Damit sind diese
3.11 Elektrische Systeme - Energieverso rgung. Elektronik und Bordnetz
197
ßild 3.164 Generatoranord nung auf der Kurbelwelle (YAMAHA RI)
Batter ien auch bei äußerer Beschädig ung auslau fsicher. Die Batteriekapa zitäten liegen meist zw ischen 7 Ah und 19 Ah. Die Bordspannung beträgt bei allen heutigen Serienmotorr ädern. die für die Straße zugelassen sind, 12 V. Bei den meisten Motorkonstruktionen sitzt de r Generator direkt auf de r Kurbelwelle, Hild 3,164. Üblich sind bei Straßenmotorrädern Generatorl eistungen zw ischen 300 und 720 W. Den größte n Strom- und dam it Leistungsbedarf haben die Motorsteuer ung (Kraftstoffpumpe und Zündung), die Bremsenr egelung (ABS) und die Beleuchtung. Nötig sind die hohe n Ge neratorleistung en aber auch, um Reser ven für elektrische Komfortausstatt ungen (heizbar e Handgr iffe, Radio) zu haben. Endure-Motorräder begnügen sich aufgrund ihrer geringeren Ausstartung mit Generatorleistungen von unter 200 W. Bild 3.165 zeigt ein Beispiel fü r die Vernetzung von Gene rator, Batterie und de n Haupt-Verbrauche rn.
ß ild 3.165 Elektrisches System mit Ver brauchern. Batterie und Generator (BMW R 1200 GS)
198
3 A rbeitsw eise, Bauformen und konst ru ktive Aus fU hru ng von Moto rradmotoren
3. 11.2 Bordnetz Bordnetze für Motorräder waren bis vor wen ige n Jahren aussch ließl ich konventionell aufgebaut . Zu j ede m ei nzel nen Verbra ucher füh rten separate Kupferk abel , durch die sowoh l die Signale als auch d ie notwendige Energie geleite t w urde n. Alle Kom ponent en , d ie mit ei nander arb eiteten, ware n auch unmittelbar über Leit ungen verbunden. Auch Se nso re n, deren Sig nale an u nterschied lichen Stel len benöt igt w urd en, wa ren einzel n mit den jeweiligen Bauteilen verkabelt. Mit Zuna hme der Funktionsviel falt der elektrischen Syste me und mit imme r mehr Steueru ngsaufgabe n, für die wiederu m eine steige nde A nzah l von Sensoren benöt igt w urd e, stieg der Verkabelungsaufwand enorm an. Das bedeutete höhere Kosten und eine Zunahm e des Gewichts des Kabelbaum s. Die natürlicherweise begrenzte A nza hl der Pins bei Stec kve rbindungen w urd e ebenso ein Problem, wie auch das höhere Stör- und Fehl erpotenzia l (Stec kverbindungen. Leit ungsbesch ädig ungen) mit Zunahme der Funktionen. Ein e Lösun g bot sich durch eine vollkomme n neue Bordnet z-Arch itektu r an un ter Nutzu ng mod erner CAN-Bus-Syste me [3.20 ] (Co ntroller A rea Networ k), wie sie beim Pkw scho n länger Ver wendu ng finden. Pion iere bei der Etabli er ung dera rtiger Bordnet ze im Motor rad sektor wa ren die Firmen D UCATI und BM W Motorrad, d ie diese in den 2000er Ja h ren in die Se rie e inführte n. Das G rundprin zip ei nes solchen CAN- Bus-Syste ms ist denkbar ein fach: Alle elektrischen und elektronischen Kom ponenten (Stationen) sind u nterein ander linear mit einer sogenannten Busleitung verbunden u nd damit verne tz t, Bild 3,166. Der Datentransfer im Netz erfolgt dig ital. Bei den als "Stationen" bezeichneten Komponenten kann es sich um Verbrau cher , Ste uergeräte. Stellglieder (Ak tuat oren) ode r u m Se nso re n hand eln. Der Name .Bus-System" rührt daher, dass d ie Sta tionen wie d ie Ha ltestellen einer Buslinie angesch lossen sind.
Bild 3,166 Prinzip der linearen Busstru ktur beim CAN-Bus [3.21]
Sowohl d ie elektrische Energ ie als auch alle Signale u nd Informa tionen fließen durch diese gemeinsame Busleitu ng und ste hen prinz ipiell für alle angesc hlossenen Stationen zu r Verfügu ng. Das hat unter andere m den Vorteil, da ss Se nsore n für Sig nale, die an verschie de nen Stellen u nd mehrfach benötigt werden, wie beispielsweise d ie Raddrehza hl/G eschwind igkeit (Motorsteu erung, A nzeigeinstru mente, A BS), nu r einmal angeschlossen werden müss en. Eine Mehrfachverkabelung mit separater Leitungsführun g zu mehre ren Stel len entfa llt da mit. Das minimiert nicht nu r den Kabel aufwand , es reduz iert auch d ie Stö ranfälligkeit. weil Stec kve rbin dun gen entfallen kön nen . Bei der CAN-Bus- Date nübertragu ng werden keine Empfänger adress iert, sondern den Sig nalen/ Nachrichte n sind Identifikationsmerkmale zugeordnet (so genannte Identifier), die In halte als auch Prior ität eindeut ig kenn zeichn en . Damit sind Signalkollisionen au sgeschlossen . Die Verbraucher, A nzeigei nst rum ente oder Ste uergerä te erkennen daran " ihre" Sig nale und "e ntn ehmen" jeweils nur d iej en igen Informationen aus dem Bus. die sie auch benötigen; alle anderen bleiben unbeac htet. Damit hab en d ie Komponen ten im Sys-
3.11 Elekt rische Systeme - Energieverso rgung. Elekt ronik un d Bordnetz
199
tem ihre eigene dezentrale Zugr iffskontrol le auf die Info rmationen. Ein Ausfall eines Gerätes hat also ledi glich lokale Auswirku ngen, die Funktionsfäh igkeit des Ge sa mtsystem s wird nicht beeinflusst. Aufgrund de r Priorisierung ist gewährleistet, dass wichtige und sicherheits relevane Signale zuerst weite rgeleitet werden (zu m Beispiel d ie Radd rehzah linformation für das A BS). Wo notwe ndig (ABS) erfolgt die Datenübertragun g in Echtze it. Alle an den Bus angesch lossenen Komp onent en kön nen - soweit sie d afü r eingerichtet sind - sowohl Signa le/Nachrichten empfange n als auch senden. Damit werden ein Date naustau sch und eine Komm unikat ion a ller Steuerge räte und sonstiger Komp onenten unterein a nder mögli ch, ohne d ass es ei ner übergeordneten " Steuerzentrale" beda rf. Da im CA N-Bus-System nur ein ei nzelne r Signa lpfad verwe ndet wird (nämlich d ie Busleitu ng ) wurde der irr efü hrende Begriff usingle-wire-system" geprägt. Das legt nah e, dass es nur noch eines einzigen Kabels beda rf, was natürlich Unsi nn ist. Physisch werden nat ürlich schon meh rere Leitu ngen verwendet, abe r insge samt ist de r Kabe laufwand gegenüber herk ömmlichen Bordn etzen erhe blich kleiner. Herkömmliche Schmelzs icherungen fü r Verbraucher sind im CAN-Bus-Bord netz nicht mehr nötig. Wenn eine Überlast erk annt wird, schaltet die Elektronik den bet reffenden Verbraucher einfach ab. Beim nächste n Sta rt, steht die entsprechende Kom ponent e dan n wieder zu r v erf ügung, falls d ie Störung nicht mehr existent ist. Andern falls bleibt sie abgeschaltet. Ein weiterer Vortei l des CAN -Bus-System s ist d ie ei nfache re Nac hr üstung und Integration entsprechend vorbereiteter Zusatzkomponenten in das System. Werd en für elektronische Zusatzgeräte beispiel sweise me hrere Signale ben ötigt, so genüg t der "einfache" Ansch luss an das Bussystem , es müssen kein e separaten Kabel zu Sensoren me hr eingezoge n werden. Allerdings müssen diese Kompo nenten im Bus angem eldet werden, wozu es spezieller Geräte und Softwa re beda rf, über die in der Regel nur d ie Fachwerkstatt verfügt. Die Diagn osemöglichkeiten werden durch das Bussystem erheblich erwe ite rt, weil alle Signale in der Busleitung zu r Verfügung stehen und geprüft werden können. Zudem ist ein zentraler Diag nosezugr iff auf alle Steuerge räte, Verbraucher und Sensoren möglich.
200
4 Motorleistungsab stimmung im Versuch Durch die konstruktive Ausführung der Motorbauteile werden die grundlegenden Voraussetzungen fü r eine hohe Leistun gsausbeute des Motors geschaffen. Die eigentliche Leistu ngsabstimmung, d.h . die Festlegung des Drehmomentenverlaufs über der Motordrehzah l, erfolgt in Ver suchsreihen mit dem Motor auf dem Prüfstand. Wie einleitend im Kapitel 3 dargestellt, ist das Ziel d ieser Abstimmung d ie Erreichung eines möglichst hohen Luftliefergrad es über einen weilen Drehzahlbereich des Motors. Die Einflussfaktoren, die im Motor versuch daz u untersucht werden, sind die Steuerzeit zusammen mit der Ventilerhebung. die Sauganlage und die Abgasanlage. Voraussetzung zum Verständnis dieser Abstimmungsarbeiten ist die grundlegende Kenntnis der gasdynamischen Vorgänge beim Ladungswechsel. die nachfolgend in einem knappen Abriss zusammengefasst sind.
4.1 Grund lagen der Gasdy na mik beim Ladungswechsel Der Ansaugvorgang für das Frischgas und das Ausschieben des Abgases wird beim selbstansaugenden Motor durch die Kolbenbewegung angeregt. In erster Näherung folgen die Gassäulen dieser Kolbenbewegung, d.h. Artsaug- und Ausschubvorgang können stark vereinfacht zunächst als reine Volumenverschiebungen (wie bei einer Flüssigkeit) aufgefasst werden. Für alle schnelllaufenden Motoren, und ganz besonders für hochdrehende Motorradmotoren. reicht diese einfache Modellvorstellung aber nicht aus. Denn in Wirklichkeit sind Frisch- und Abgas kompressibel, und diese Kompressibilität kann bei den schnell ablaufenden Ladungswechselvorgängen hochdrehender Motoren (bei 6000 Ulmin daue rt der Ansaugvorgang nur rund 0,015 s) nicht vernachlässigt werden. Die Kolbenbewegung und das rasche Öffnen bzw. Schließen der Ventile lösen Überdruck- bz w. Unterdruck wellen in den Saug- und Abgasleitungen aus. Diese laufen mit Schallgeschwindigkeit von den Ventilen weg durch die Leitungen und fü hren zu örtlichen und zeitlichen Dichteänderungen im Gas. An den jeweiligen Rohrenden oder anderweitigen sogenannten Unstetig keitsstellen (Rohrerweiter ungen, Rohreinschnürungen etc.) werden die Wellen reflektiert und laufen in den Rohren zum Zylinder z urück. Dabei stellt sich folgender, grundsätzlicher Mechan ismus für die Reflexion ein: Am offenen Rohrende wird die Welle mit umgeke hrtem Vorzeichen reflektiert. Eine Druckwelle läuft als Unterd ruckwelle im Rohr zurück und umgekehrt. Am geschlossenen Rohrende wird die Welle mit gleichem Vorzeichen reflektiert. Eine Druckwelle läuft als Druckwelle im Rohr zurück, eine Unterdruckwelle als Unterdruckwelle. Aufgrund der Schallgeschwindigkeit, die ein Mehrfaches der Transportgeschwindigkeit des Gases beträgt, können die Wellen während des Ladungswechselvorga ngs das Saug- bzw. Abgassystem mehrmals durchlaufen. Bild 4,1 zeigt beispielhaft einen Druckverlauf wie er sich am Einlassventil aufgrund der Wellenausbreitung im Saugrohr einste llt. Zunächst erzeugt die Sogwirkung des abwärtsgehenden Kolbens bei Ventilöffnung (E.ö.) einen Unterd ruck am Ventil, der sich in Richtung auf das (luftfilterse itige) Rührende im Saugrohr fortpflanzt (Unterdruckwelle). An diesem Saugrohrende wird die Unterdruckwelle reflektiert
4.1 G rundlage n der Ga sdy namik be im Ladu ngswechsel
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Bild4.1 G rund sätzl icher Wc1 lcnverlauf im Saugroh r
I
720
(offenes Rohrende) und läuft da nach als Überdruekwelle zurück z um Einlassve nti l. Ein Einströmen von Frischgas in den Zylinder ka nn nur be i einem Druckgefa lle zw ischen Saugrohr (höherer Dru ck) und Zylinder (niedrigerer Druck) statt finden. In diesem Sinne unterstützt d ie an komm ende Überdruck welle den Einströmvorgang. Der analoge. nur umgekeh rte Prozess findet bei m Auslass vorgang statt . Hier induziert der Zylinderüberdruck bei sich öffnendem Auslassventil ei ne Überdru ckwelle im Abgasrohr. d ie bei entsprechenden Reflexionsbe d ing unge n als Unterdruckwelle zu m Auslassventil zu rückläu ft und mithilft. Abga s aus dem Zylinder zu sauge n. Die Gass trömung bei m Ansaug- und Ausschubvorgang setzt sich damit aus zwei überlage rten Bewegungen z usamme n: - dem rei nen Volumentranport. der der Kolbe nbeweg ung nach folgt und - de r Fort pflan zu ng von Druck- bz w. Unterdruckwellen In der weitere n Betrachtung wird d ie Strömung a ls eindime nsion al angesehen. d.h . es wird nur die Hauptströmungsr ichtun g entlang der Achsen von Saug- und Abgasrohren bet rachtet. Eine vereinfachte Mode llvorstellung de r Überlagerung und der resu ltierenden Strömu ngsvorgä nge gibt Bild 4.2. Im Ze itinte rvall I] bis 14 bewegt sich ein Gasvolumen Vo g leichmä ßig durch das Rohr nach rec hts. Die Ge schwin dig keit des Ga ses im Rohr (Transportgeschwindig keit) betrage 11-'] . Nun wird dem Ga s ein Druck impuls aufgeprägt. Dieser Druckimpuls läuft mit Schallges chwind igkeit durch das Roh r und erre icht das bet rachtete Volumen z um Ze itpunkt t., . Als Folge erfäh rt das Ga s örtlich eine Zusammendrücku ng, wod urch seine Dichte lokal ansteigt. Wäh rend sich das Gasvolumen als Ganzes weiter fortbewegt. durchwander t d ie Druckstöru ng das Volume n mit de r Schallgeschwindigkeit c l ' Zum Zeitpunkt 14 herrscht dadurch an einer anderen Stelle des Rohres im Gas ku rzzeitig der erh öhte Dr uck s.. Die Druckstöru ng dur ch läuft also d as Rohrsystem bzw. das Gas als Welle. unabhängig von der Transportbewegu ng. Wie anfang s schon ausgefü hrt. kann deren Amplitude positive oder negative Werte annehmen . d.h. ei n Überdruck oder auch ein Unte rd ruck sein. In den nach folgenden
202
4 Motorleistungsabstimmung im Versuch zur
1CJ
Einlassseite
•
2[/\
•
\..jJ
Druckimpuls
(z.B, aus reflektierter Unterd ruckweäe )
p-
c,
1
Rohrlänge I
•
Bild 4.2 Modell der überlagerten Gasströmung
Kapiteln wird geze igt, wie sich d iese Wellen z ur Unterstützu ng des Lad ungswechsels und insbesonde re für eine Erhöhung der Frischgasladung im Zylinder und dami t zur Leistu ngssteigerung, ausnutze n lassen. Denn wie schon erwä hnt, bestim men letztlich die Druckverhältn isse zw ischen Zylinder und Saug- bzw. Abgasrohren das Ein- und Ausströmen von Frischgas und Abgas. Zuvor abe r muss noch auf den grundsätzlichen Einfluss de r Steuerzeit (Ventilöffnungsdaue r) eingegange n werden.
4.2 Einfluss der Steuerzeit Die Steuerzeit. genauer gesag t d ie Lage der Öffnungs- und Schließzeitpunkte de r Ventile relativ zur Stellung de r Kurbelwelle, beeinflusst d ie Leistu ngs- und Drehmomentcharakteristik de s Motors in sehr hohem Maße , Den größten Einfluss hat de r Schließzeitp unkt des Einlassventiis (E.s.), die übr igen Öffnungs- und Schließzeitpunkte haben eine geringere Bedeutung für die Leistungscharakteristik. Die Lage des Einlassschlusses hängt von de r Steuerzeit und de r Spreizu ng ab und ka nn du rch Variation d ieser Werte verlegt werden. Die zugrunde liegenden, theoretischen Zusammenhänge wurden im Kap. 3.2.1 bereits erläutert.
4.2 Einfluss der Steuerzeit
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3
Bild 4.3 Le istung und Drehmome nt bei verschiedenen Einlas ssteuerze iten
6000
8000
Drehzahl [UJminj
Die prak tischen Auswirkungen unterschiedlicher Steuerzeiten im realen Motorbetr ieb zeigt Bild 4.3 anhand gemessener Drehmoment- und Leistungskurven. Die längere Steuerzeit mit entsprechend späterem Einlassschluss verschiebt das Drehmome ntmax imum des Motors hin zu höheren Drehzahlen. woraus eine höhere Leistung im oberen Drehzahlbereich resultiert. Gleichzeitig fallt in weiten Bereichen des unteren Drehzahlbandes das Drehmoment spürbar ab. Die Gründe sollen an dieser Stelle nochmal kurz in Erinnerung gerufen werden: Bei hoher Drehzahl ist die kinet ische Energie des in den Zylinder einströmenden Frischgases hoch. Daher kann bei noch geöffnetem Einlassventil auch nach dem UI und aufwärtsgehendem Kolben weiter Frischgas in den Zylinder strömen, wodurch sich die Füllung erhöht. Als Resultat steigt das Drehmoment bei hohen Drehzahlen. Umgekehrt verschlechtert sich die Füllung und damit der Drehmomentverlauf bei niedrigen Drehzahlen. Denn aufgrund der jetzt geringen
204
4 Motorleistungsabstimmung im Versuch
kinetischen Energie, wird bereits a ngesaugtes Frischgas nach dem UT vom aufwärtsgehenden Kolben durc h das geöffnete Einlassventil zurück ins Saugrohr geschoben. Für die kürzere Steuerze it gelten sinngemäß die gleichen Effekte , nur eben umgekehrt. Hier verhindert der frühe Einlassschluss das Rückschieben von Frischgas aus de m Zylinde r bei nied rigen Drehzahlen. Entsprechend erz ielt man dort ein hohes Drehmoment und eine Verlagerung des Drehmomentmaximums zu niedr igen Drehzahlen. Weil der frühe Einlassschluss bei hohen Drehzah len eine Füllung de s Zylinders über den UT hinaus verhindert, muss dann natürlich das Drehmoment bei höheren Drehzahlen abfallen. Eine Verlegung des Einlassschlusses kann man bei unveränderter Einlassnockenwelle auch durch eine Spreiz ungsveränderung (Verdrehung der Nockenwellenstellung relativ z ur Kurbelwellenstellung) erreichen. Große Spreiz ungsänderungen (mehr als 10° KW) sind aber in der Regel nicht sinnvoll, weil der Öffnu ngszeitpunkt der Einlassventile zwangsläufig immer mit verschoben wird, was sich nachteilig auswirken kann . Eine moderate Spreiz ungsverr ingerung bei gleichbleibende r (langer) Steuerzeit kann allerdings gegenüber einer echten Steuerze itenverkürz ung durchaus zu einem erwünschten Motorverhalten fü hren. Denn bei hohen Drehz ählen kann sich die Zunahme de r Veutüü berschneidung, die infolge der Spreizungsverringeru ng auftritt, vorteilhaft auswirken. Das ausströmende Abgas übt, wenn während der Übersehnetdung Ein- und Auslassve ntile gleichzeitig offen sind, eine Sogw irkung auf das Frischgas aus und facht damit schon die Einströmbewegung an. Dies unterstützt de n Ansaugvorgang, so dass möglicherweise eine insgesamt grö ßere Frischgasmenge engesaugt wird. Als Gesa mtergebnis können sich ausreichend hohe Dreh mome ntwerte im oberen Dreh zahlbereich einstellen, während der frühe Einlassschluss den Drehmomentverlauf auch bei niedrigen Drehzahle n gegenüber der ursprü nglichen Auslegung anhebt. Wegen der verschiede nen, sich überlagernden Effekte kann eine eindeutige Prog nose hinsichtlich der Drehm oment- bzw. Leistu ngseffekte nicht immer abgegeben werde n. Welche Maßnahme dem eigentlichen Gesamtziel eines ausgewogenen Drehmomentenverlaufs über der Drehzahl (> größtmögliche Leistung und hohes Drehmoment bei niedrigen Dreh zahl en) am nächsten kommt , muss durch Vergleichsmessungen am Motor untersucht werden. Die Praxis lehr t, dass die Motoren je nach konstrukt iver Ges amtauslegung immer etwas unterschiedl ich auf die jeweiligen Maßnahmen reagieren. Idealerweise müssten sich sowohl Spreizung als auch Steuerzeit während des Motorb etriebs variabel verände rn lassen. Für Serienmotoren im Automobil ist die Spreizungsä nde rung konstruktiv verwirklicht und vereinzelt auch schon die Variation von Steuerzeit und Ventilhubverlauf(z .B. BMfV). Für Motor räder sind noch keine variablen Ventilsteuerungen filr die Serie in Sicht. Die Umsetz ung für Motorradm otoren dürfte aus Bauraum-, Gewic hts-, und Kosteng ründen Probleme aufwer fen und ist in naher Zukunft wahrscheinlich noch nicht zu erwarten.
4.3 Auslegung der Saugan lage Die Sauganlage besteht beim Motorrad üblicherweise aus Ansaugschnorchel, Luftfilterkasten und den Saugrohren zum Motor. Sie bietet neben der Steuerzeit zusätzliche und weitreichende Möglichkeiten zur Beeinflussung der Leistungs- bzw. Drehm omentchara kteristik des Motors. Herau sragende Bedeutung hat dabei die jewe ilige Länge der Ansaugroh re vom Luftfilterkasten bis zu den Einlassventilen, nachfolgend als Saugrohrlänge bezeichnet. Durch die Abstimmung
4.3 Auslegung der Sauganlage
205
der passende n Saugrohrlänge im Zusammenwirken mit der Steuerzeit (Ventilöffnungsdauer) lassen sich die in Kap. 4.1 e rläuterten gasdynam ischen Vorgänge mit ihren Druck- und Unterdruckwellen z ur Erhöhung der Zylinderfrischladung ausnutzen. Die durch das Ansaugen ausgelöste Unterdruckwelle läuft infolge ih rer Reflexion am offenen Ende des Saugrohres als Überdruckwelle zum Einlassventil zurück. Bei konstante r Schallgeschwindigkeit für die Welle bestimmt allein die Saug rohrliinge die W ellenl auf =eit im Rohr. Das Saugrohr muss nun so lang bemessen sein. dass die Überdru ckwelle genau im Zeitintervall zw ischen dem UT und dem Einlassschluss am Ventil eintrifft. Dann wird die angestrebte Füllungssteigerung erre icht, weil der Saugrohrdruck nun noch einma l ansteigt. Norma lerweise würde der Einströmvorgang nach dem UT nachlassen, weil das eingeströmte Frischgas zusamme n mit der begin nenden Kompression den Druck im Zylinder über den Saugrohrdruck ansteigen ließe. Die Drucküberhöhung im Saugrohr durch die ankommend e Welle hält aber das Druckgefa lle zum Zylinder über den UT hinaus aufrecht und bewirkt eine Verlängerung des Einströmvorgangs entgegen der Kolbenbewegung. Es erhöht sich die Dichte des aktuell angesaugten Gemischvolumens. so dass die in den Zylinder gelangende Frischgasmasse sich vergrößert. Die Saugrohrlänge muss immer passend zur Drehzahl abgestimmt werden. Denn bei konstanter Schallgeschwindigkeit der Welle bestimmt allein die Rohrlänge die Wellenlaufzeit. Die zeitliche Öffnungsdauer (in Milliseku nden) der Ve ntile ändert sich aber mit der Drehzahl. so dass es genaugenommen nur eine Drehzahl (bzw, einen schmalen Drehzahl bereich] gibt. in dem Saugrohrlänge und Drehzahl zusammenpassen. Ist das Saugrohr (für eine bestimmte Drehzahl) zu lang, e rreicht die Überdruckwelle das Einlassventil erst, wenn dieses schon geschlossen ist. Ist es zu kurz, dann tr ifft die frühe r ankommende Druckwelle zwar auf ein offenes Ventil. doch es besteht dann in der Schlussphase des Einlassvorgangs kein Druckgefalle zum Zylinder mehr. Wie groß die Beeinflussungsmöglichkeiten mittels Saugrohrabstimmung sind, zeigen die nachfolgenden Drehmoment- und Leistungskurven. die an realen Motorradmotoren gemessen wurden. In Bild 4.4 wurden ausgehend von einer Grundauslegung auf maximale Leistu ngsausbeute bei hohen Drehzahlen (lange Steuerzeit) die Saugrohre verlängert. Sonst blieb der Motor unverändert. Die typische Drehmomentschwäche der Grundauslegung im unteren und mittleren Drehzahlbereich, die aus der langen Steuerzeit resultiert. wird durch die längeren Saugrohre erkennbar vermindert. Erkauft wird dieser Drehmomentgewinn bei niedrigen Drehzahlen allerdings mit einem Drehmoment- und damit Leistungsabfall bei hohen Drehzahlen. Die Maximal1eistung des geänderten Motors liegt knapp 5 % niedriger als bei der Grundabstimmu ng. Natürlich kann man auch umgekehrt verfahren und versuchen, eine Grundabstimmung für hohes Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen (kurze Steuerzeit] im oberen Drehzahlbereich z u verbesse rn. Dazu muss die ursprüngliche Saugrohrlänge des Motors gekürzt werden. Es ergibt sich dan n ein Zugewinn an Drehmoment und Leistung im oberen Drehzahlbereich bei gleichzeitigen Einbußen im unteren Bereich. Es muss an dieser Stelle hinzugefügt werden. dass die gezeigten Messungen mit offenen Saugrohren, d.h . ohne Luftfilterkasten vorgenommen wurden. Dies ist das übliche Vorgehen bei grundlegenden Abstimmungsversuchen. weil die Ladungswechseleffekte im offenen Betrieb besonders deutlich zutage treten. Die ungewohnte Welligkeit der Leistungs- und Drehmomentkurve n resultiert aus diesem Betrieb.
206
4 Motorleistungsabst immung im Versuch
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75
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SauS10hr 260 mm
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B ild 4.4
50 2000
Auswirkungen einer Saug roh rverlängerung
4000
6000
8000
Drehzahl [U/min]
Ziel aller Bemü hungen ist in de r Regel de r Kompromiss, d.h . die Saugrohrlänge n so abzustimmen, dass der Motor sein Leistungsziel erreic ht u nd dennoc h im unteren Drehza hlbereich genügend Drehmom ent produziert. Wie aus den Erläuteru ngen deutlich geworden ist, erfo lgt eine Sauglänge nabst imm ung immer eng zusa mme n mit der Ste uerzeit. Es ze igt sich dabei, dass die Wahl der Steuerzeit den g runds ätzlichen Chara kter des Motors weitgehend vorg ibt. Für eine dreh momento rientierte Auslegung (hohes, fülliges Moment bei niedrigen Drehz ahle n) wird ma n die Steuerzeit in der Tende nz eher kurz wäh len und mit Hil fe der Saugrohrlänge nabst im mung versuchen, auc h be i höheren Drehzahlen genügend Drehmoment für eine ausreichende Spitzenleistung zu erzielen. Umgekehrt wird ein Spor tmotor. bei dem höchste spezifische Leistung und hohe Drehzahlen vorrangige Ziele si nd, zu nächst ei nma l mit Nockenwe llen für lange Steuerzeiten bestückt. M it der Saugroh rabs timmung muss man dann versuchen, die prinzi pbedingte Drehmomentschwäche bei niedrigen Drehzah len soweit wie mög lich auszu-
4.3 Auslegu ng der Sauganlage
207
gleichen. In Einzelfallen g ibt es natü rlich auch kompromisslose Ausleg ungen, be i de nen z.B. lange Ste uerzeiten mit kurzen Saug rohren komb iniert werd en. Damit lassen sich dann höchst e Spitzenleistungen bei hohen Drehzahlen realisieren, u nter lnkaufn ah rne einer oft störenden Drehmomentschwäche be i niedri ger Drehzahl . Die Kriterien , d ie für die Wahl des Saugrohrdurchmessers gelten, wu rden in Kap. 3.2.3 schon angesprochen. Es g ilt dabe i d ie g ru ndsätzliche Regel, da ss kleine Saug roh rdurchmesse r d ie dy namischen Effekte verstärken. be i großen Gasdu rchsätzen abe r de n Luftstrom dro sseln können. Bei großen Dur chme ssern besteht keine Gefahr der Drosselung, jedoch neh men d ie Amplituden der Druck wellen ab. Demzufolge ist der optimal e Saug rohrdu rchmesser ein Kompromiss zwischen be stmög licher Nutzung der Gasdy nam ik und Vermeidu ng einer übermäßigen Drosselu ng de s Gasstroms. Er muss mit Motorversuchen ermittelt werden. Die vielfach geäußerte Ansicht. Saugrohre sollten zu r Erz ielung höchster Leistun gen immer de n g rößtmöglichen Querschnitt au fweisen, ist falsch! Mit der Saug längenabstimmung sind nicht alle Möglich keiten der saugse itigen Leistun gsbeeinflussung ausge schöpft. Der Luftsammler, in de n d ie Saug rohre münd en und de r bei den meisten Motor räde rn auch de n Luftfil ter enthält. bietet über d ie Variation seines Volumens weiteres Potent ial, wie Hild 4.5 beispiel haft zeigt. Ein kleines Sammlervolumen kann z.B, die dy narmsehe n Vorgänge im Saugsys tem unterstüt zen , und je nach Aus legung können auch Resonanzeffekte ausge nutzt werden. Die im Bild dargestellten Auswirku ngen der Sammlerg röße sind jedoc h motorspezifisch und könn en so nicht pauschal auf alle Motoren übertragen werden. In der Regel haben allerdings g roßvolumige Sammler summarische Drehmomentvorteile und sind daher gru ndsätzlich anzust reben. Das Problem in der Pra xis ist meist nur die Unterbringung des gew ünschten, g roßen Sammlervolum ens im vorgegebenen Baur aum. Denn es zeigt sich. da ss nicht allein d ie Größe des Volumens. sonde rn auch die Form de s Sammlers eine Rolle für die Leistun gsentfaltung des Motor s spielt. Starke Einschnürungen und Eindellungen des Sammlers wirken sich vielfach negati v aus. Eine Sonderrolle spiele n spez iell ausgelegte Resonanzsaugan lage n. Hier wird das Sammlervolumen in zwei Teilvolumen aufge spalten , d ie über ein oder meh rere. gertau abgestimmte Rohre verbunden sind. In scharf umgrenzten Drehzahlbere ichen könne n mit solchen Sauga nlage n erhebliche Luftliefergradsteige rungen (Reso nanaaufladuugj erzielt werden. Auf Einzel heiten soll an d ieser Stelle aber nicht eingegan gen werden. Einen gewisse n Einl1uss auf die Leistungscharakteristi k hat noch de r Ansaugs chnorchel zu m Luftfilter. Die wesentliche Aufgabe die ses Sch norchels ist es allerdings. dass er d ie Luft ungehinde rt und möglichst a n einer kü hlen Stelle ansaugen kann. Daneben wird der An saugort auch nach akustischen Gesichtspunkt en (Ge räuschemission) ausgewäh lt. Etwas überbewertet wird meist der direkte Leistu ngsgewinn dur ch eine Lufta nsaugung im Frontberei ch des Motorrades (ram air systemi. Bild 4.6. Der e rwartete Aufladeeffekt infolge de s Staud rucks ist geringer als oft mals behauptet, wie folgende, übersch läg ige Rechnun g zeigt: Der max imale Staudruck, der auf den Luft eintritt theoret isch wirkt betr ägt
r, == 1/ 2 · P · 11-2 p == Luftdi chte w == Anströmgeschwindigkeit
(4- 1)
4 Motorleistungsabstimmung im Versuch
208 100 Hubr aum 1000 an
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25 SallTTllervol umen
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Sa llTTllerv olumen
6,5 1Ir. •• - 4 ,Oll r.
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50+-- - 4000 +-- - - 6000 +-- - --1 2000 8000
Bild 45
Beeinfl ussung der Leistungschar akterist ik durch Variation des Samm ler volumen s
Drehzahl [Ulmin]
Bei einer Fah rgeschwind ig keit von 200 km/h entspricht dies aufgerundet einem Druck von 0,02 bar, bei 250 km/h von 0,03 bar. Gege nübe r dem Umgebungsluftdruck sind dies Steigerungen von 2-3% . Selbst im praktisch unerreichbaren Fall, da ss der Staud ruck sich verlustlos und vollständig in eine Druckerhöhung ruf das Ansangsys tem um setzen ließe. ergäbe sich bei einem Motor mit 74 kW (100 PS) Leistun g ledig lich eine Leistungssteigerun g zwisc hen 1,5 und 2,2 kW (2- 3 PS). Realistisch kann ein Leistungsgewinn von I kW erwa rtet werden. Häufig ergebe n sich allerd ings positive Sekundä reffekte. die bei Messungen am Fahrzeug zu g rößeren Leistungsvorteilen führen. Zu nennen sind hier die höhere Luftdichte aufgrund des kühleren Ansangortes und Resonanzwirkungen der verg rößerten Gesamtensauglänge des nach vorn verlegten Ansangsc hnorchels.
4.4 Auslegung der Abgasanlage
209
Bild 4.6
Luftschnorchcl im Frontbc reich (ram air systcmj und Sauganlage (HON DACBR)
4.4 Ausle gung der Abgasa nlage Aufder Auslassseite wird die Gasdynam ik weniger von der Kolbenanregung. sondern vielmehr vom Vorauslassstoß geprägt. Verbrennungsbedingt herrscht beim Öffnen des Auslassventils noch ein hoher Druck im Zylinder (> 3 bar), so dass bereits zu Beginn de r Auslassventilöffnung trotz geringer Öffnungsquerschnitt e ein großes Abgasvolumen impulsartig ausströmt. Die Strömungsgeschwindigkeit ist wegen des Druckgefälle s und kleinen Vent ilspa ltes sehr hoch. Es resultiert daraus eine energiereiche Überdr uckwelle. die das Abgassystem durchläuft und an der Einmündung der Krümmerrohre in den Schalldä mpfer bzw, im Schalldä mpfer selber reflektiert wird. Angestrebt wird eine Reflexion am offenen Rohrende, so dass die Druckwelle als Unterdruckwelle in de n Krüm merrohren zurückläuft. Dabei sind die Rohrlängen so mit der Wellenlaufzeit abzustimmen. dass die Unterdruckwelle gegen Ende der Auslassventilöffung am Ventil eintrifft . Man erzielt damit zwei günstige Effekte. Zum einen saugt de r Unterdruck Restabgas, das sich noch im zylinderkopfseitige n Brennraum befindet und vom Kolben nicht verdrän gt werden kann, aus dem Brennrau m. Dadurch erhöht sich die Frischgasfüllung im nächsten Arbeitstakt und das Frischgas wird nicht von heißen Abgasresten aufgeheizl. Zum zweiten kann sich die Sogwirkung des Unterdrucks im Einlasssystem auswirken und dort den Ansaugvorgang anfachen, vorausgesetzt, es her rscht eine genügend g roße Venl ilüberschneidun g und das Einlassventil ist bereits geöffnet. Die Überschneidung muss daher sinnvollerweise z usammen mit der Abstimmung der Abgasanlage festgelegt werden. Aufgru nd des komplexen Innenaufb aus moderner Schalldämpfer ergeben sich vielfache Wechselwirkungen und Wellenüberlageru ngen. auf die im Einzelnen a n dieser Stelle nicht eingegangen werden kan n. Großen Einfluss hat im Abgassystem auch die Temperatur. Die Schallgeschwindigkeit und damit die Wellenlaufzeit ist temperatur abhängig (Anhang). Gerade die Abgastemperatur variiert aber, im Gege nsatz zur Frischgastemperatur. bei Volllast je nach Drehzahl um mehr als 100 "C. Dazu kom mt de r Einfluss der Wärmeabfuh r an de r Abgasaula-
210
4 Motorleistungsabstimmung im Versuch
ge, d ie wiederum von de n Umgebungsbed ing ungen und de r Fahrgeschwind igke it ( Lutta nstr ömung) abhängig ist. All diese Fakt oren müssen bei der Abstimmung bea chtet werden. Auf de n Zielkonflikt zw ischen Leistung und Geräuschverhalten wurde im Kap. 3.10 schon hingewiesen. An hand von Bild 4.7 kann jedoch der erreichte Entwick lungsstand von modernen Schalldämpferanlagen eind rucksvoll au fgezeigt werden. Dargestellt sind die Leistungskurven, d ie sich bei sonst unverändertem Motor mit starker und schwacher Schalldä mpfung einstellen. Der Leistu ngsunterschied zw ischen dem wenig gedäm pften Motor (offene Auspuffanlage ) und dem Motor mit seriennahem Schalldä mpfer, der d ie Geräu schgrenzwerte gerade noch erfü llt. beträgt rund 10 % . Diese Messungen basieren allerdings auf inzwischen nicht mehr gültigen , höheren Geräuschgrenzwerten . Legt man die derzeit gültigen Ger äuschg renzwerte von 80 d BA zugrunde, werden die Leistungsdifferenzen zw ischen weitgehend offenen und gesetzeskonformen Schalldä mpferanlagen deut lich grö ßer. Eine strengere Geräuschlimitierun g übe r das heutige Maß hinau s würde wegen de s g röße ren Leistungsz uwachses also eher zu Manipulationen am Scha lldä mpfer animieren und wäre schon aus d iesem Gr und abzulehne n. Akustisch und leistu ngsmäßig sind moderne Motorradschalld ämp fer weitgehend ausgereizt. Hingewiesen werden soll a n dieser Stelle noch darauf. dass die Schalldä mmung d irekt keine Auswirkungen auf Verbrauch und Abgase mission zeigt. Theoretisch würde die geringere Ladu ngswech selarb eit bei offenen Auspuffa nlagen sogar eher zu einem nied rigeren Kraft stoffverbrauch führe n. In de r Praxis ist d ies jedoch völlig bedeutungslos und nicht nachweisbar.
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25 Bi1t1 4 .7 Leistu ngsein fluss des Scha lldäm pfers an einem 1000 cm ' Vierzy lindermotor
o 2000
4000 6000 Drehzahl [U/min]
8000
211
5 Motorent uni ng Das klassische Tuni ng von Motoren hat imm er zwei Verbesserunge n z um Ziel, die Anhebung der nom inellen Leistu ng und die Gewichtserleichterung. insbesondere von bewegten Teilen. Behandelt werd en die Gru nd lagen des Tunings von Viertaktmotoren, ohne jedoch detaillierte handwerk lichen Anleitungen zur Ausführung zu geben. Ziel ist vielmehr, die leistungssteigernden Maßnahmen im Gesamtzusamme nha ng mit all ihr en Vor- und Nachteilen zu erläutern und einen Übe rblick über wi rksame, aber auch über unwirk same bzw. schädliche Tuningma ßnah men zu geben. Zweitaktmotoren müssen von de r Betra chtung weitge hend ausgenomm en werd en, weil sie aufg rund ihres störungsanfäl ligeren Lad ungswechsels in Abhängigkeit von ihrer Baua rt sehr ind ividuell betrachtet werden müssen , was über den Rah men dieses Buches hinausgehen würde . Alle physikali schen und z.T. auch die prakt ischen G ru ndlage n des Tunings wurden bereits in vora ngegangenen Kapitel n des Buches behandelt, so dass bei der Erläuteru ng von Tu ningmaßnahmen darauf zu rückgegriffen wird. Der Leser wird gebet en. aufd ie entsprechenden Hinweise im Text zu achten und gg f. in den entsprechenden Abschn itte n noch einmal nachzu sch lagen. Es ist zu Beg inn sicher nützlich , sich an die Defin ition der Leistung zu eri nnern . Physikalisch ist Leistu ng defini ert als Arbeit pro Zeit. Die Leist ungsabgab e an der rotierenden Ku rbelwelle besch reibt folgende allgem eine Formel: P = Md 'w = Md ' 2 11" ' n
P
(5- 1)
Leistung lkW)
Md
Drehmoment [Nm]
w
Winkelgeschwind igkeit
n
Motordrehz ah l [l/s]
Man erkennt, dass sich rein formelmäßig die Leistu ng durch Drehzahl- und/oder Dreh momentenerhöhung steigern ließe . Die einfache Drehzahle rh öhung. z. B. durch die Entfernung eines evtl. vorhandenen Drehzahlbegrenzers, bringt abe r fü r sich allein in der Realität noch keine Mehrleistung (es sei denn es wurde vom Hersteller eine kün stl iche Leistungsbeschneidung mittel s einer Drehzahlbegrenz ung vorge nomme n). Der G ru nd ist anband von Bild 3.6 un mittelba r ablesbar. Der Luftliefergra d , das d irekte Maß für die real angesa ug te Gemischme nge des Motors, fäl lt jenseits seines Maxi mu ms mit der Drehz ahl sta rk ab (Drosselvorg änge beim Lad ungswechsel. vgl. Kap . 3.1). Dam it sinkt das abgege bene Drehmoment des Motors in stärkerem Maße, als seine Drehza hl ansteigt. Das Produkt aus Dreh zah l und Drehm oment, d ie Leistu ng, nim mt demzufolge n icht zu . sondern ab und es ist sinnlos, den Motor aus Leistungsgrü nden höher zu drehen. Die anges trebte Leistungssteigeru ng mittels Dreh zah lerhöhu ng wird nur dann erreicht. wenn
gleichzeitig de r Lufttie fergr ad verbessert, d.h . de r Lad ungswechsel des Motors opti miert wird (wäre es anders, würden d ie Hersteller d ie Motoren von sich aus höher drehen lassen t). Vollkommen nutz los ist auch die alleinige Anfeu ung des Ge misches. z .B. durch d ie Verwend ung größerer Vergaserhauptdü sen, auc h dies eine Tuningmet hode. die un sinnigerweise manchmal im mer noch propa gier t wird . Denn der überschü ssige Kraft stoff kan n. wenn nicht gleichzeit ig meh r Luft angesaugt wird, gar nicht verbra nnt werden u nd damit auc h keine Mehrlei stung
212
5 Motorentun ing
erzeugen. Einzig und allein die Vergrößerung der angesGugten Gemischma sse brin gt also die gewünschte Mehrleistung des Motors und ist da mit das eigentliche Ziel des Motorentunings. Ein weitere s Ziel ist dan eben natürlich d ie Minimier ung der innermotoris chen Verluste, also im Wesentlichen d ie Minimierung der Motorreibung. Eine Erhöhung der angesaugte n Gemischma sse ka nn ganz simpel dur ch Hubraumvergrößerung erreicht werden, eine relativ koste ngün stige Maßn ahme. derer sich auch Hersteller im Zuge von Modellpflegemaßnahme n manchmal bedienen. Man kan n davon ausgehen , dass eine Hubraumvergrößerung sich etwa proportional in Leistun g um setzen lässt, d.h. 10 % mehr Hubraum bringen ru nd 8-10 % Meh rleistun g. Fü r den Privatt uner kommt aber fast nu r die Verg rößeru ng der Zylinderbohrung in Betracht. Wenn d ie Wandstärke der Zylinder g roß genug ist, kan n die Bohru ng durch Ausdre hen um \-2 mm im Durchmesser vergrößert werde n, da s ergibt bei den üblichen Bohrungsma ßen zwischen 2 % un d 5 % mehr Hubraum . In g ünstigen Fällen erzielt man da du rch sogar eine n überproportionalen Leistungsgewin n. nämlich dan n, wenn dur ch die Bohru ngsverg rößerung sich d ie Einströmve rhältnisse am Einlassventil verbe ssern (größerer Abstand der Ventile von der Zylinder wand) . In derar tigen Fällen (was man natürlich in de r Regel vorher nicht weiß) lohnt sich diese Maßn ahme. Ein Risiko besteht be i de r Bohrungsverg röße rung da rin, da ss aufgrund de r verr ingerten Wandstärke die Zyli nderverformungen zunehmen (vgl. Kap. 3.6.2 und Bild 3.100) und es be i nicht entsprechend angepasster Kolbenk ont ur und abgestimmtem Laufspiel zu Kolben fressern komme n kan n. Auch ken nt man in de r Regel nicht die Belastu ngsgrenzen der im Zubehörhandel angebotenen Übermaßkolben u nd de r Kolbenher steller übe rn immt höchstens eine Garantie für Material- und Fertig ungsfehler, nicht abe r für d ie Leben sdauer seiner Tuningkolben . Eine Hubrau mverg rößerung durch größe ren Kolbenh ub ist ung leich schwerer z u verwirklichen, weil man dazu eine neue Kurbelwelle braucht. Nicht nur, dass eine solche Welle durc h die gerin gere Überdeck ung (Ka p. 3.4.1 und Bild 3.45) weniger steif wird, oft ist auch für eine derar tige Welle nicht genug Platz im Kurbelgehäuse (größerer Umlaufk reis für d ie Welle und g rößere Auslenkung de s Pleuels). Hat man die Mögli chke it, ein u nbea rbeitetes Kurbel wellenrohteil zu bekommen, kann man d araus U.U. eine Welle mit g rößerem Hub herstellen, indem man innerha lb des Aufmaßes des Rohte ils die Exze ntr izität de r Welle vergr ößert und diese entsprechend be arbe itet. Beachtet werden muss bei der Hubvergrößerung imm er d ie geänderte Position des Kolbens im OT und UT, unter Umständen ragt näm lich de r Kolben über die Zylinderlaufb ah n hinaus. Durch neue, kürzere Pleuel kann man den Überstand im OT ausgleichen, falls d ie Laufb ahn am Zylinder fuß genügend lang ist. Eine verringerte Kompression shöhe der Kolben (vgl. Bild 3.51) bietet einen weiteren Ausweg, allerdings ist diese bei modernen Hochleistu ngsmotoren normaler weise schon bis an die Gren zen minim iert. Man sieht an diesen wenigen Aspe kten, welch einen große n Änderungsumfang am Motor eine einzelne Tuningmaßnahme bewirken ka nn. Dies war früher, als die Motoren konstruktiv weniger ausgereizt ware n, nicht der Fall, weshalb Tu ning wesentlich lohnender (und billiger!) als heute wa r. Deutlich weniger Aufwand hin sichtlich de r Bau/eile bedeu tet es, wenn man den Ladungswechsel des Motors verbessern will. Denn och ist es auch hier heutz utage sehr schwer, noch erfolgreicher, d.h. besser als de r Hersteller z u sein. Eine Chance besteht nu r, wenn der Hersteller be im Serienmotor aus produkti on stechnischen oder wirtschaftlichen Grü nden Kompromisse be i der Ladungswechselausleg ung eingehen musste. Der bauteilmäßig einfachste Weg ist, neue
5 Motorentu ning
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Noc kenwellen mit geänderter C ha rakte ristik und ande ren Steuerzeite n in de n Moto r ein zubauen . Denn wie in den Kapitel n 3.2 und 4.2 geze igt wu rde, ist die gesamte Nockenwelle nauslegu ng (Hub, Steuerzeit und Besc hleunigungs verlauf) beim Serien motor ein Kompromiss aus ausgeg lichener Dreh mome ntencharakteristik u nd Höchstle istung. Will man ko mprom isslos eine ma xim ale Leistu ng erzielen, wo mög lich noch bei höherer Drehzahl als be im Ser ienmotor, und verzichtet auf einen orde ntlichen Dreh mome ntenver lauf bei n iedr igen Drehzahl en (z. B. für den Rennbetrieb), lässt sich durch Veränderu ngen der Nockenwellengeometrie eine z.T. erhebliche Leistu ngssteigerung erre iche n. Die g ru ndsätzliche n Kr iterien für derartige Nocke nwellen (ho he Ventilbeschleunig u ng. la nge Steuerzeit. großer Ventilhu b. g roße Übersc hneidung) k önnen in den angege benen Kapitel n detailli ert nachgelesen werden. Bei der Ausw ahl gee igneter Nocke nwellen ist man allerdings aufdas Angebot des Zubehörmark tes a ngew iesen. Eine eige ne Auslegu ng der Nockengeo metr ie oder womög lich die Selbsta nfert igung von Noc ken (bz w, das Umsc hleifen vorhandener Nocken) ist Spez ialiste n vorbehalten und fü r den Privatt une r heute praktisch nicht me hr sinnvoll m öglich.' Die Güte der angebotenen Noc kenwellen ka nn man anhand der angegebenen Daten nicht beu rtei len (d ie Steuerzeit und der Hub allein sind kein Beurteilungs- ode r Gütek riteriu m. sondern ledig lich vage Indizien für d ie Nockenauslegung). Entweder ma n weiß aus den Erfahrunge n und de n Versuchen andere r, welche Mehrleistung d ie ents prechende Nockenwelle bringt, ode r man ist auf eigene Versuche angewiesen . Aussagefähige Versuche z ur Motorabstim mung mit geä nderten Noc kenwellen bz w, zur Motorleistung lassen sich kaum mit Mess fah rten auf der St raße (Höchstgeschwindigkeitsmessunge n etc.) durchführen. Die Versuchsbedingu ngen (W ind, Temperatur, Luftdruck, Luftfeuc htigkeit, Fahrerhaltung. Öl- und Wassertemperatu r des Motors etc.] kann ma n selbst auf abgesperrten Rennst recke n kaum so konsta nt halten, dass verg leichba re Resultate erzielt werden. Für d ie Durch füh rung derartige r Versuche be nötigt ma n zw ingend einen Moto rp r üfsta nd. e rsatzweise zumindest einen gut en Rollenpr üfsta nd. Allein der Tausch von Nockenwellen führ t ohne h in nicht automatisch z u höherer Leistung. Den geänderten Steuerzeiten müssen zume ist die Saugrohrlä ngen a ngepasst werde n (Kap. 4.1-4.3) und ggf. auch noch die Abgasa nlage . Wir d da nn tatsächlich in besti mmten Drehzahlbereichen der Luftliefergr ad erhöht , muss noch das Gemisch an den größeren Luftdurchsatz ange passt werden (feu ere Vergase rabst imm ung, größere Hauptdüsen) und gg f. auc h d ie Zündeinstellung korrig iert werde n. Man erkennt aus dieser Aufzäh lungdengesamthaften Aufwand, der auch mit dem Tuning über einen Nocke nwellenaustausch verbun den ist. M it dem ein fache n Auswechseln eines Bauteils ist es, auch wen n manc he Tuninganleitung ode r manc her Nockenwel lenanbiete r es ande rs vers pricht, allei n nicht geta n. Erfolg versprechend sind erprobte Tun ingkits, d ie nebe n de n geänderten Nocke nwellen auch de tai llie rte An leit unge n z u Saugroh r-, Vergase r- und Zündungsa npass unge n entha lten . Derartige Kits we rden teilweise sogar von einigen Motorrad herstellern für Renneins ätze spezielle r Modelle angebote n. Hingew iese n werden soll an dieser Stelle auf weitergehende Konsequenze n eine r geä nde rte n Nockengeometrie. In aller Regel müssen beim Einsatz anderer Nockenwellen die Ve ntilfedern ebe nfalls ersetzt werden, auc h hier ist eine an d ie Nocke n angepasste Neuauslegu ng notwend ig. Du rch eine höhere Ventilbesch leu nigu ng ste igt die mech anische Bela stu ng im Ventiltrieb u.U. In dem intere ssante n Buc h von Ludwig Apfelheck [5.1] werden Näherungsmethod en zur Noc ke nauslegung auf zeichnerischer Basis und so gar ei ne Baua nle itung für eine Vorrichtung zum Schleifen von Nocken beschriebe n. Doch genügt eine de ra rtige Auslegung und d ie Genauigkeit des Fertigungsverfahrens heutzuta ge bei weitem nicht mehr den Anforderungen. die hochdrehende MOlo ren an die Güte des Nocken profils stellen.
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erheblich an . Die Flächenpressu ngen zwischen Nocke und Betätigungselement (Tasse nstö ßel oder Hebel ) steig en, was zu erhöhtem Verschleiß oder gar zum frühzeitige n Ausfall dieser Bauteile führen kann , wenn Werkstoffg renzen überschritten werden. Die höheren Kräfte im Ventiltrieb könne n bei ma ngelh after Steifigkeit des Ventiltriebs auch zu elastischen Bauteilverformu ngen im Ventiltrieb führen , so dass das Ventil nicht meh r der vorgegeb enen Nockenform folgt (u.U. war die beg renzte Ventiltriebssteifigkeit auch der Grund für d ie .Jeistu ngsärmere'' Serienausleg ung des Herstellers), Die erhoffte Mehrleistung ode r d ie Möglichke it, höhe r zu d rehe n. stellt sich in d iesen Fällen da nn nicht ein. Im ung ünstigsten Fall kommt es nach mehreren Tausend Kilomet ern zum Bruch von Ventiltri ebsbauteilen und damit zu m Mororscbaden . Auch dies sind Grü nde. beim Austausch de r Nockenwellen nu r auf bewä hrte Bauteile. mit denen fundierte Erfa hr ungen vorliegen. zurückzugreifen. Kommen wir zur letzten Maßnahme de r Liefergraderhöhung, der Entd rosselung de r Ansaugund Abgaswege. Man ka nn davon ausgehen . da ss bei einem modernen Motor die reine Geo metrie. d.h . Länge , Ma xima ldurchme sser und Querschnittsverlauf der Ansaug- und Abgaskanäle bereit s in der Serienausfü hru ng weitestgehend opti miert (vgL Kap. 3.2.3 und 3.4.3) und kaum mehr verbesserbar ist, Bild 5.1. Wenn Abweichungen vom bestmöglichen Quersch nitt sverlau f vorhanden sind, liegt d ies meist an konst ruktiven oder produktion stechn ischen Zwängen (notwendige wandstärken. Kühlwasserr äume. kein Hintersch nitt möglich, g usstechnische Vorgabe n). Hier ka nn in Einzelfallen durc ha us wirkungsvoll nachgebe sser t werden. Wenn im Einlass- oder Auslass kanal (was allerdings nu r noch selten vorkommt) Kante n, scharfe Übergä nge, Que rschni ttssprünge oder unsaubere Gussoberflächen vorhanden sind, loh nt es sich. diese mechanisch zu entfernen (schleifen od er biaxen) und zu ega lisieren. Bei g rößerem Materialabtrag muss man allerdings sicher sein, da ss nach de r Bea rbeitung noch genügend Wand stärke
Bild 5.1 O ptimale Kanalgesta ltung beim Scricnmotor ( YAMAHA YFZ·R l j
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übr igbleibt . Ein Du rchbruch zu Wasser- ode r Ölräumen im Zylinde rkopf lässt sich nachträglieh nicht meh r zuve rlässig reparieren und abdic hte n. Der Zylinderk opf ist dann unwe igerl ich sch rott reif! Problematisch ist es auc h, detaill ierte Empfehlungen für den Que rsc hnittsverlauf im Einlassoder Aus lasskanal zu gebe n. Einm al abgese hen davon, dass die dün nen Wandstärken größere nachträgl iche Modifikatione n ohnehin nicht erlauben. zeigen Strömungsversuche widers prüchliche Ergebnisse. Die Erhöhung de s Gasdurchsatze s durch eine Aufweit ung des Einlass kanals an de r Ventilführung oder vor dem Ventilsitz. wie sie man chmal empfohlen wird. ka nn nicht unbed ingt be stät igt werden. Selbst eine messba re Verbess eru ng der Durchflusszahl eines Einlasskanal s auf dem Strömungsprüfstand führt nicht zw angsläufig zu einer messba ren Leistu ngserhöhung des Motors. Die dyn ami sche n Strömungseffekte im realen Motorbetr ieb sind für d ie Moto rleist ung dom inant , so dass sich ei ne geringfüg ige Verbess eru ng der Strömungsgüte im Kanal nicht auswirkt. Daher lohnt es sich auch nicht, in aufwä ndiger Handarb eit die Einlasskanäle zu polieren . Eine Egalisieru ng und Glätt ung der fühlba ren Rauigkeit reicht h ier vollkommen aus. Das Polieren kann in Einzel fällen höchstens störende Nebeneffekte. wie das Niederschlag en von Kraftstofftröpfchen aus dem Gemischstrom, min imi eren . Im Auslasskanal sind aufwändi ge Glätt ung sope rationen noch wirk ungsloser als im Einl asskan al. Hier genügt als einzig e Ma ßnahm e die Beseiti gun g von eventuellen Stör kanten. Die Ventilg röß e muss nur da nn verände rt werden, we nn der Luft mass enstrom dur ch das Zusamme nwirken aller Tuningmaßnahmen wese ntlich anwächst und we nn de r fre ie Ventilquersch nitt bei max imalem Ventilhub eine ausgeprä gte Engstelle im Einlass kanal darstellt. Es genügt in der Regel eine Verg rößer ung de s Venti ltellerdurc h messers um O,5- 1mm, dennoch muss meist auch der Ventilsitzring verg rößert werden. Die Herste llung der Passbohrung im Zylinderkopf für den neuen Ventilsitzring erfordert eine Präzisionsbearbeitung. Es muss darau f geachtet werden , dass in de r Umgebung des Sitzrings aus reichend Mate ria l vorhanden ist, um bei dem notwendigen Übermaß de s Sitzringes eine genügende Pressung aufrechtzue rhalten . Bezüg lich der weiteren Entd rosselung de r Ansau g- und Abgaswege durch Entfernen von Luftfi ltern oder Schalldämpferei nsätze n muss angem erkt we rden. da ss dies bei Betri eb des Fahrzeugs im öffentl ichen Straßenverkehr illegal ist. Es wird in aller Regel n icht nur die Geräuschemi ssion über da s gese tzliche Lim it hinaus erhöht, auch d ie Abgase missionen können sich ändern (Ge mischbeei nfluss ung, Ände rung des Restgasgehaltes. Beeinflussu ng der Nachreaktionen im Auspuff) . Davon abgesehen füh ren derartige Veränderungen in vielen Fällen gar nicht z u der gewünschten Leistun gserhöhung. oder nur z u einer Leist ungsanhebung in einem schmalen Drehzahl bereich mit Leist ungseinbr üchen in anderen Drehzahlreg ionen (d ie subjektiv empfundene Leistungssteigeru ng hat viel mit der psychologischen Wirk ung der g rößeren Lautstärke zu tun). Der G ru nd für Leistungseinbrüche ist, dass d ie sorgfältig abgest immten dy nam ischen Strömu ngseffekte sehr sensibel auf Veränderungen im Saug- und Abgastrakt reag ieren. Wenn man d ie Vergleichstests mit Nachrüst· Schalld ämpferan lage n in den Motorradzeitschrift en aufme rksa m liest. findet ma n diese Erkenntni s immer wieder bestätigt. Es steigern bis aufwe nige erfreuliche Ausnahme n meist nur dieje nigen Auspuffa nlage n die Leistung, die im Ger äusc bmveau über den gesetz lichen Lim its liegen . Auch hie r g ilt, da ss Verbesserunge n nur mit au fwä ndigen Prü fstandsversuchen u nd einer Einzelab stimmu ng auf die jeweiligen Gege benheiten des Motors e rzielbar sind. Einz ig diesem Aufwa nd verd anken getu nte Ren nmot orräde r ihr e Mehrleist ung gege nüber den Serienmaschinen.
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Eine noch nicht bet rac htete Möglichke it zur Lei stungserhöhu ng liegt in de r A nhebung de s Verdichtungsve rhälmiss es. Höhere Verdichtung führ t zu einer Wirkungsgrad ste igerung und zu höheren Drücken bei der Verbren nung. wodurc h d ie Leistu ng a nsteigt. Die Verdicht ung ka nn erhöht werden ent wede r durch Abfräse n des Zylinderkopfes oder du rch Einbau von Kolben mit g rößere r Kompression shöhe. Beides birgt gewisse Risiken, de nn es muss geprüft werd en, ob ein ausre ichender Freigang für die Vent ile während der Überschneidung vorhanden ist. Der Freiga ng muss nicht nur im Übersc hneid ungs-Of geprüft we rden. sondern auch in einem Winkelbereich von 10- 20 0 Ku rbelw inkel vor un d nach dem O 'F. Denn du rch die Ventilhubkurve n (vgL Bild 3.8) liegt de r Kollision sp unkt in diesem Wi nkelbereich. Besonders wichtig wird die Freiga ngs prüfung für die Ventile, wenn zusä tz lich zu r Verdicht ungserhöhu ng noch die Noc kenwellen gege n solche mit größerem Ventilhub getausc ht werd en. Sehr wichti g ist bei Verd ichtungser höhung d ie Über prüfu ng de r Z ünde instellung. Mit Zunahme der Verdicht ung steigt die Gefah r irreg uläre r Verbrennunge n (" Klingel n", siehe Kap. 3.4.3). Zur Erhöhung de r Nutzleistung des Motors trägt selbstverstä nd lich auch bei, die Mot orverluste. d.h . die innere Reibu ng, zu verringern . Den größten einzel nen Reibanteil liefert der Kolbe n mit seinen Ringen. Als Tun ing maßnahme geeignet ist d ie Verr ingerung de r Kolbenringspannung und ggf. die Verwend ung neuer Kolben mit nur einem Kompression sring . Die übliche Bestückung von Serienkolben mit zwe i Kom pre ssion sringen erfolgt meist zur Ö lverbrauchsredu zierung . Spielt de r Öleerbrauch kei ne Rolle, kann auf den zwe ite n Rin g verz ichtet werde n. Es m üsse n aber imme r neue speziell angefer tig te Kolben verwendet werden, die simple Entfernung des zweiten Kolbenrings ist n icht zu lässig! Bei einer Redu zie run g de r Kolbenringspannung (spe ziel le neue Kolbenringe) sind Vers uche zur Abstimmung notwend ig. Die Abdic htung kann unz ureichend werden und je nac h Zylinderverform ung im Bet rieb kann neben dem Ölverbrauch auch d ie Durchblasemenge (blow-by) e rheblich ansteige n. Das g ibt dann Probleme mit der Ku rbelgeh äuseent lüft ung. Der Leistu ngsgew in n du rch diese Ma ßnahme n am Kolben dürfte in etwa be i I kW liegen. Eine Reib ungsm inimie rung an anderen Bauteilen ist nachträglich kaum me hr zu verw irklichen. Die Verhältn isse an den Gleitlagern sind Z.B. so di ffizil. dass von Ma nipulati one n an d iese n Stellen abzuraten ist. Na türlich verri ngert ei ne Redu zie ru ng der Lagerbreite (sch ma lere Lagersch alen) die Lage rreib ung. doch ste ht der Gewin n an Leistu ng (deutlich kleiner als 0,3 kW) in kein em Verhältnis z um Risiko eine s Lage rschaden s. Eher loh nend scheint es, d ie Ventila tionsverl uste de r Ku rbelwe lle z u verringern . Eine aerody nami sch g ünstigere Ges taltung der Gegengewichte (Abrunden, Kanten entferne n, koni sch sch lei fen) senkt die " Lu ftreib ung" de r d reh enden Welle im Kurbelgehäu se und kan n im oberen Drehzahlb ereich die Verlustleistung spürba r senken. was einen di rekt en Gew in n an Nutzleistu ng darstel lt. Auch hier sind im Einzel fall Versuche erforde rlich od er es muss auf d ie Erfah rung ande re r zurückgeg ri ffe n werden. Für ein ernsthaftes Motorent uning wird man keine Einzel maßnahmen um set zen, sondern be mü ht sein, alle Maßn ah men anzu wend en. Wie ber eits erwä hnt, schöpfen nat ürl ich d ie Hersteller bei der Serienabstimmung ihrer Motoren d ie geboten en techn ischen Möglichkeiten in der Regel voll aus, so da ss Spielraum für Tuning nur dort verbleibt, wo die Kosten , prod uktion stechnische Gründe ode r abe r auch Se rienanforderunge n wie Zuverläss igkeit u nd Versc hleißsicherheit die Ausleg ung des Motors auf ein Lei stungsmax imum verhindern. Gemäß der Leistungsdefinition als Prod ukt aus Dreh moment un d Drehz ahl (GL 5-1) ist es selbstverständliches Z iel aller o.a . Tu ningmaß nahmen. den Liefergrad n icht nur ge nerel l zu verbess ern, sondern
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das Maximum z u höheren Dreh zahlen zu verlage rn . Dam it ist der zweite Sch ritt des Tunin gs definier t, die An hebu ng der Drehzahlg renze des Motors. In de n meisten Fälle n führe n die Maßnahmen zu r Liefergraderhöhung fast autom at isch dazu . dass de r Motor höhere Dreh zahl en erreicht. Es ergibt sic h aber das Problem. dass höher e Drehza hlen zu höheren Massenk räften füh ren u nd es dad urch zu einer mech ani schen Überlast ung von Bauteilen kommt. Dah er müssen bei einer Dreh zah la nheb ung in viele n Fällen d ie Massen der bewegt en Bauteile des Mot ors verr inge rt werde n. Betroffen sind davon die Kolb en. di e Pleuel un d Ventiltriebsteile. also Ventile, Ventilfede rn und Federteller, sow ie Betä tigungshebel bzw. Tassens tößel. Da gleichzeitig d ie Stei figkeit de r Teile nicht klein er werden darf, ist die Gewichtserleichte rung eine schw ierige Aufgabe . Kla mme rt m an ei ne Neuanfe rtigu ng von Bauteilen aus leichteren (und teueren ) Werkstoffen (z .B. Tit an statt Sta hl) bzw . eine Ne ugesta ltu ng d ieser Bautei le zu nächst aus . bleibt als konventionelle Tuning maßnah me d ie nach trägliche Bearbeitu ng de r vorhandenen Bautei le. Dabei gi lt der Gr undsa tz , dass an alle n Stellen de r Bauteile. die nich t im Kra ft fluss liegen und d ie keine un mittelba re Fu nktion erfülle n, problem los Ma teri al weggenom me n werden da rf. Beim Kolbe n sind d ies z.B. der untere Teil des Kolbenschafts . Hild 5.2. de r ohne d irekte Funktionseinbuße gek ürzt we rde n kan n. Die Gewichtsred uz ierung fä llt aller dings be i mod ernen Kast enko lben seh r ge ring aus, weil die Wandstärke des Leichtmet alls hier in der G röße nord nung von 2 mm liegt. Du rch Kürzung des Kolbe nschafts wird di e K ippbewegun g des Kolbens und dam it se in Laufge räusch g röße r (vgl. Bild 3.90). Im Extrem fa ll führ t ein verstärktes Kolbenk ippen , z usammen m it einer höheren Gesamtbelastu ng des Kolbens. zu einer Erhöhung der Fressgefahr. Eine größe re Massenreduktion erg ibt sic h durc h das konische Ausdrehe n des Kolbe nbo lze ns (vgL Bild 3.88), das allerdings bei mo derne n Motoren be reits serienmäßig durchgefüh rt w ird. Inw ieweit die Ausdreh ung noch vergrößert werde n kann , ist sc hwe r vorhe rzusagen. Die Bru chgefahr für
Bild S.2
Mögliche Gewichtserleichterung
am Kolben
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den Kolbenb olzen im Betr ieb ste igt du rch eine solche Ma ßnahme erheblich, de nn der Kolben bolzen gehört z u den hoc hbeanspruchten Motor bauteilen. Ge nerell gilt, dass die Kolben von heutigen Hochleistungs-Serienmotoren gew ichtsmäß ig bereits soweit optimiert sind. dass eine nachträgliche Gewichtse rleichterung mit hohen Risi ken fü r die Haltb arkeit verbunde n ist. Wie weit heute be i Se rienmotorrädern der Le ichtbau an den Kolbe n get rieben wird, zeigt das Beisp iel des Kolben s der Yamaha WR4 00 F. Bild 3. 129. Zwa r handelt es sich bei dieser reinrassige n Sport-Endure eigentlich um ein Moto rrad für den w enbewerb seinsatz, aber sie wi rd serienmäßig hergestellt und ist zulass ungsfä hig. Bei gesc h miedeten Pleueln könn en die Außen flächen im unteren Auge nbereich bearbeitet werden . Bild 5.3 . Überstehende Stege ode r Mater ialüberstände , die aus der Formgebu ng und dem Schmiedeprozess herrühren , können ohne Einbußen an Festigkeit u nd Dauerhaltbarkeit entfernt werden. Aufp assen muss man allerdings. da ss dur ch den Mater ialabtrag nicht an Übe rgä ngen schar fe Kanten (Kerbwirkung) entstehen. Eine Kerbwirkung kann auch bere its dur ch Schleifriefen entstehen. so dass ein Polieren der bearbeiteten Flächen ratsam ist. Risikoreich ist jede Veränd eru ng im Sc haft bereic h. am oberen Pleuelauge oder an den Übergä ngen zwischen Schaft und den beiden Pleuelaugen. Hier treten hohe Spa nnungen auf, und solange man die Auslegungs- un d Belastun gsgrenzen de s Pleuels nicht im Deta il kennt. besteht
hier kann gg1. Material entfernt werden
hier ni dlts WEgnehmen Flachenpressung
Bi ltl S.3 Gewichtserleichte rung und Nacharbeit an Pleueln
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Bild 5.4 Polierte Pleuel
bei einer mechanischen Bearbeitun g und Materialwegnah me imm er die Gefahr einer unzu lässigen Schwächung des Pleuels, die im Betrieb zum Bruch führ en kann. Völlig tabu ist auch eine Gewichtserleichterung an den Pleuelschrauben. Allenfalls die Muttern (so vorhanden) könnten an den Ecken leicht engefast werd en, doch ist die Gewichtsersparn is im Verhältnis z um Risiko unbedeutend. Wird der Pleuelschaft dennoch bearbeitet, muss die ser nachträglich poliert werden, um Spannungsüberhöhungen durch Kerbwirkung z u vermeide n, Bild 5.4. Noch besser ist ein Festigkeitsstrahl en (Kugelstrahlen), mit dem Druck ve rspan nungen in der Mate rialoberfläche aufgebaut werden, wodurch die Daue rfestigkeit des Pleuels gesteigert werden kann. Eine elegante und hinreichend sichere (aber auch sehr teure) Tuningmaßnahme ist das Ersetzen aller Ser ienpleuel dur ch solche aus Titan. Für verschiedene Sportmotoren werden Titanpleuel angeboten. Stammen diese von einem renommierten Hersteller, kann man davon ausgehen, dass die Pleuel genügend erprobt wurden und kein besonderes Bruchrisiko besteht. Eine Gewichtserleichterung der Kurbelwelle ist aus Dreh zahlg ründen direk t nicht notwendig. Sie wird aber häufig durchgeführt. weil die Drehma sse (das Massenträgheitsmoment) reduziert wird. Je geringer diese ist, desto ge ringer wird der rotatori sehe Beschleunigungswiderstand des Fah rzeugs (vgL auch Kap. 2.2.2), was in der Praxis bedeutet. da ss de r Motor schneller hoch dreht, also " besser am Gas hängt" und das gesamte Fah rzeug besser beschleunigt . Aus dem gleichen Grund werd en auch Gewichtserleichterungen an der Kupplung durc hgefü hrt, Getriebewellen hohlgebohrt oder auch Lichtmaschinen fü r Rennzwecke entfernt. weil all die se Drehmassen zusätzlich beschl eunigt werden müssen, was " Leistung kostet". Zusätz lich senkt die Massenreduktion all die ser Bauteile natürl ich auch das Motorgewicht und damit das Gesamtgewicht des Fahrzeugs. Die prinzipiellen Möglichkeite n für eine festigkeitsmä ßig unschädliche Gewichtsreduzierung von Kurbelwellen wurden bereits im Kapitel 3.6.1 anhand des Bildes 3.68 aufgez eigt. Für Rennzwecke können bei Vierzylinderreihenm otoren die Gegengewichte an der Kurbel welle auch völlig entfernt werden , was u.U. eine Gewichtserleichterung von mehr als I kg bringt. Der äußere Massenausgleich ändert sich dabei aufgrund des sym metrischen Aufbaus de r Welle nicht (gilt bei anderen Motoren nicht unbedingt, vgl. Kap. 3.5.2 und 3.5.3). Nachteilig ist aber die g rößere Lagerbela stung. weil zwa r die Welle als Ganzes ausgewuchtet bleibt, abe r jeweils zwischen benachbarten Hauptlagern stark unw uchtig wird und inn ere Biegemomen te entsre-
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hen. Die Dauerhaltb arkeit der Hauptlager wird also dur ch da s Entfernen der Gegengewichte stark beeinträchtigt , was für Rennm oto ren ke ine Rolle spielt, ruf Serienmotoren aber nicht akze ptabel ist. Gew ichtse rleichterunge n im Ventiltrieb haben im Wesentlichen fu nktionale Gr ünde. Die Drehza hlgre nze des Ventiltr iebs ist du rch d ie auftretenden Massen kräft e am Ventil und d ie Haltekr äfte, die Ventilfeder aufbringen kan n, vorgege ben. Im Kapitel 3.2.2 wurden die Zusammenhänge erläutert und anhand von Bild 3.14 gezeigt. da ss die Drehzahlreserven des Ventiltriebs bei Serienmotoren in der Regel relativ gering sind. Um Nockenwellen mit höhe rer Besch leunigu ng einsetzen zu können , was die Massenk räfte erhöht, müssen als Gegen maßnahm e die bewegten Massen im Ventiltrieb reduziert werden, aber ohne da ss d ie Bauteile an Steifigkeit verlieren. Auch hier ist es heute Tatsache, dass d ie Ventiltr iebsbauteile de r meisten Hochleistungsmotoren weitgehend ausgereizt sind, sonst wären die Nennd rehza hlen der Serienmotoren von z.T. über 13.000 Ulmin nicht er reichbar. Bei Ventiltrieben mit Tasse nstößeln kommt ggf. eine Kürzun g der Tassen infrage. Dies erhöht zwar der en Kippneigung, wodurch die Stöße lbohr ung schneller verschleißt, mindert aber an sonsten weder Festigkeit noch Steifigkeit. Ob ein weiteres Ausdrehen der Innenbohrung de r Stößel oder ein Abdrehen de s Tassenbodens zu verantworten ist, muss im Einzelfa ll entschieden werden. Die Dicke des Stößelbodens bestimmt immerhin die Steifigkeit, so dass hier Vorsicht geboten ist.
An Schlepp- ode r Kipphebel ist es noch schwerer zu beur teile n, ob ma n Material abtrage n darf, weil man den gertauen Spa nnungsverlauf im Hebel nicht kennt. Deutlic h Gewicht lässt sich aber spare n, wenn d ie Einstellsch rauben fü r da s Ventilspiel so angeo rdnet sind, da ss sie mitb ewegt werden. Ein Hohlbohren der Einstellsch raube (falls nicht schon serienmäßig) ist zulässig, die Kontermutt er kann bea rbeitet werden, ebenso können Einstellschraube und Kontermutter dur ch Bauteile aus Titan ersetzt werden. Beim Ventiltrieb zä hlt jede s Gramm an Gewichtsreduzierung, so da ss hier auch kleine Ma ßnahmen hilfrei ch sind. Das meiste Gew icht lässt sich am Vent il sparen. Die früh er gängige (und preiswerte) Maßnahme, der Ersatz der Ventil e dur ch solche mit dünnerem Schaft, ist heute, wo Schaftdurchmesse r von 5mm oder gar 4mm Serienstand sind, nicht meh r möglich. So kommt nur der Einsatz von (teuren) Titanventilen (vorzugsweise fllr den Einlass) in Frage, wodurch sich allerdings da s Ventilgewicht um rund 40 % reduzieren lässt, Bild 5.5. Allerdings müssen bei Titanventilen die Ventilsitzringe gegen solche aus einem ande ren Werkstoff ausgetau scht werden. Üblicherweise wird Beryllium-B ronze dafü r verwe ndet, das aber in seiner Handhabung wegen der ext remen Giftigkeit de s Berylliums äu ßerst problematisch ist! Teile aus Beryllium dürfen nur unter besonder en Vorsichts- und Schutz maßnahmen bearbeitet werden. Selbst geringste Mengen von Staub ode r Bea rbeit ungsrückständen . d ie in den Körper gelangen (Einatmen von Staubpartikeln), kön nen schwerste, irreversible Ges undheitsschäden her vor rufen! Werkstätten ohne entsprechende (von der Berufsgenossen schaft zugelassene) Schutzeinrichtungen dürfen mit diesem Werk stoffal so keinesfalls umgehen! Bei allen Maßn ahme n am Ventiltrieb dar f aber nicht vergesse n werden, da ss d ie Steifigkeit der Bauteiledie wichtigste Voraussetzung fü r erfolg reiches Tuning an die ser Stelle ist. Stellt sich de r erwünschte Tuningerfolg nicht ein, muss d ie Gesamtk onstruktion des Ventilt riebs nähe r untersucht werden. Der steifste Tassenstößel z.B. nützt nicht viel, wenn sich bei hohen Drehzahl en die Nockenwelle in ih ren Lagern durchbiegt und so den Ventilkräften ausweicht. Eine Steifig-
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keitserhöhung der Nockenwellenlagerdeckel durch eine komplette Neuanfertigung könn te hier zwar helfen. dü rfte aber in den meisten Fällen nicht prak tisch machba r sein. Möglicherweise müssen auch Nockenwellen mit g rößere m Gesamtdurc hmesser eingebaut werden , wenn die Platzverhältn isse Im Zylinde rkopf dies zulasse n und eine Nacharbe it der Nockenwelle n-Lagergasse mög lich ist.
Es ist de utlich geworde n und sei an d ieser Stelle wiederholt. dass die Tuning möglichkeiten bei dem heutigen Stand de r Gro ßserientec hnik insgesa mt gering geworden sind. Moderne Hochleistungsmotoren sind. wie an andere r Stelle schon angemerkt, auf einem Leistungsniveau, wie es vor weniger als 10 Jahre n nur bei reinrassigen Superbike-Re nnmotorrädern zu finden war und soweit ausge klügelt, dass es selbst für professionelle Tuner nur noch wenige Möglichkeiten für eine deutliche Verbesserung gibt. und dann das Tuning einen imme nsen Aufwand erforde rt. Das g ilt zum indest, solange die gesetzlichen Vorgaben für Geräusch- und Abgasemissionen eingehalten werden und d ie Alltagstaug lichkeit erhalten bleiben soll. Lohne nd sind fü r Privat leute mit handwer klichem Gesc hick und entspreche nder Werkstatta usstattu ng Detailverbesserungen und Feintuni ng. Dazu gehört die Verfeinerung und Perfekt ionieru rig von Bauteilen. die in einer Ser ienfertigung aus Kosteng ründen so nicht möglich ist. Zwischen de n Pleueln in einem Motor gibt es in der Serie z.B. Gewichtsuntersch iede von einigen Gramm. Wenn man hier durch Nacharbeit und Auswiegen d ie Gewichte ang leicht, Bild 5.5 Titanventil erhöht sich die Laufru he des Motors. Für die Bearbeitung der Pleuel gelten die oben angefü hrten Regeln. Eine Gewichtsangleichung ka nn auch an den Kolben vorgenommen werde n. Die Ausw uchtung der Kurbe lwelle ist in der Serie ebe nfalls mit g rößere n Toleranzen beha ftet. Ein Feinwuchten der Kurbelwelle, das Spezi albetriebe d urchführen, verbessert ebenfalls das Laufverhalten des Motors (nicht aber die Leistung). Auch die Brennräume und Einlasska näle der Motoren sind nicht genau volume ngleich. Durch sorgfa ltiges .Auslitern" können Volumenunterschiede ermittel t werden und du rch entsprec hende Nacharbeit [bia xen ] angeglichen werde n. Die Füllung der Zylinder und der Verbre nnungsablaufwerde n durch diese Maß nahmen untereinander gleichmäßige r, auch d ies träg t zu einem geschmeidigere n Motorla uf bei. Inwieweit sich all die Maßnahm en tatsächlich deut lich spürbar auswirken, muss im Einzelfall be urteilt werden. Verschlechte rn wir d sich abe r das Motorverhalten in keinem Fall, und wenn nicht grun dlegende handwerkliche Regeln bei der Bearbeitung der Bauteile verletzt werde n, bestehen auch keine Ris iken für d ie Haltbarkeit und Funktion der Bauteile. E.~ wird an dieser S telle aber ausdrücklicIr darauf hingewiesen, dass der Autor keine Gewälrrfü r die Wirksamkeit oder au clr die Unschödtichkett der empföhleIJeIl Maß nahmen uöem ehmen kann, Die Risiken bez üglich Tuningmaß na hmen liegen altein hei", Ausführende n,
Als Letztes sei vor "Wundermitteln" auf de m Tuningsektor gewarnt. Leistung wird ausschließlich erzeugt, indem eine Gemischmasse mit einer bestimmten Frequenz verbrannt wird . Dar-
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5 Motorentun ing
aus e rgibt sich, dass Zusatzgeräte wie "Zündverstärker", "S pezialzündkerzen" und Ähnliches schlichtweg Unsinn Sind und keinerlei Mehrleist ung bew irke n kö nnen. Aus dem Mechanismus de r Verbrennung (vgL Kap. 3.4) e rgibt sich, dass nach Einleitung de r Entflammurig die Zünd kerze bzw, der Zündfu nke n keinerlei Rolle meh r für de n Verbrennungsablaufs pielt. Somit ist eine Leist ungsste igeru ng durc h eine .Funkenverstä rkung'' physika lisch gar nicht möglich. In Einzelfä llen mag bei Motoren mit ungünstiger oder fehlerhafter Gemischaufbereit ung und schlechter Entflam murig eine gewisse Verbesser ung im Lau fverhalten eintreten, abe reine Leistungssteigerung bei Hochleistungsmotore n ist prakti sch ausgeschlossen. Etwas anders sind die Verh ält nisse bei der Doppelzündung mit zwei Zünd kerze n. Deren nachträglicher Einbau verkür zt bei g roßvolu migen Ein- und Zweizylindermotoren die langen Flammwege. Damit wird es möglich, in krit ischen Kennfeldbereichen leistungsoptimale Zündwinkel einz ustellen (Kap. 3.4). Ohne d iese Maßna hme müssen wege n de r Gefahr des Klingelns oft (späte) Sicherheitszündwinkel eingestellt werden , bei denen es zu Leistun gseinbußen kommt. Insofern kön nen Doppelzündanlagen eine Leistungssteige rung bewirken. Das Chiptuning bringt aus den vorgenan nten Gründen trotz Versprechungen in der Werbung meistens auch keine Mehrl eistung. Es hat nur dann einen positiven Leistungseinfluss, wenn der Motorrad-He rsteller aus irgend welchen Gründen die Höchstdrehzahl kü nstlich begren zt hat und diese durch Eing riffe in die Motorsteuerung aufgehoben wird. Voraussetzun g ist aber, da ss bei den dann möglichen höhere n Drehzahlen kein zu großer Liefergradabfall eintritt. Die andere Einflussmöglichkeit ist de r Zündwi nkel. Auch hier gilt, da ss es nur dann einen positiven Leistungseffekt gibt, wenn der Hersteller absichtlich nicht den optimalen Zündwinkel gewählt hat. Es bleibt dann imme r noch die Frage nach de n Gründen für eine derartige Auslegung seitens des Herstellers. Meist ist es eine Klopfneigung de s Motors in bestimmten Kenn feldbe reichen. Eine Zündz eitpunktveränderung stellt in diesen Fällen ein erheb liches Risiko für schwere Motorschäden da r. Es würd e an dieser Stelle z u weit führen. weitere Aspekte de s Tunings zu beha ndeln. Es mag der Hinweis genügen, da ss bei getunten Motoren neben de r .Leistungssuche'', Drehzahlsteigerung und Gewichtserleichteru ng weitere Untersuchungen und Modi fikat ionen notwend ig werden , um die Zuverlässigkeit des Motors z u erhalten. So muss ggf. die Kühlung dem größeren Wärmean fall angepasst werden, die Zündungs- und Gem ischabstimmung muss überarbeitet werden und de r Zündkerzen wärmewer t angepasst. Der Ölkreislau f muss mögl icherweise geänder t werde n, mindeste ns dur ch Vergr ößer ung der Ölmenge (größere Ölwanne), Einbau bz w. Vergrößerun g eines Öl kühlers, ggf. dur ch eine grö ßere Ölpum pe, z usätzliche Schmierstoffversorgungen , eine Ölspritzkühlung de r Kolbenbö den usw. Insgesamt ergibt sich ein bet rächtliche r zeitlicher, finan zieller und gerätetechnischer Aufwand , der leicht de n Kaufpre is eines neuen Motorrades übersteigen kann .
223
6 Kupplung, Scha ltgetriebe und Radantrieb Die Leistun g von Verbren nungsmotore n kan n nicht direkt auf da s Hin terrad übertra gen werden. Das liegt daran, dass ein verwe rtbares Drehmoment erst ab einer bestim mten Drehzahl abgegebe n wird und dar übe r hinau s da s Dreh moment des Motors (MA ngebot) z um Anfahren und für da s Befahr en von Steigungen (Bed arfsdreh moment M bed. vgl. auch Kap. 2) nicht ausreicht, Bild 6.1. Drehmoment und Drehzahl des Motors müssen dah er mittel s geeigneter Übersetzungen an die Fahr widerstünde und den gewünschten Geschwind igkeitsbereich des Fahrze ugs angepasst werden. Diese Aufgaben übernehmen beim Motorrad das Schaltgelriebe und der Radant rieb. Zusätz lich ist eine Kupplung erforderlich, d ie eine Dreh zahlang leichung zwischen Motor und Ge triebe beim Anfahren bewirkt und für die notwend ige Unterbrechung des Kraftflusses bei m Schalten sorg t.
BedarfsmOlTlElnte
)
fU r S etiQnillrfahrt
---
....
Bedarfsmomente die Ebene und ane Steigung ( M Bed )
f(r
Bild 6. 1
<, '\ Motordrehmoment
<M "",,- I
Motormoment und Momentenbedar f des
Motorrades
l ee~e u f
drehzahl
Geschwi ndigkeit (Drehzahl)
6.1 Kup plun g Die Drehzahlanpassu ng du rch die Kupplung beim Anfahrvo rgang soll gerrauer betrachtet werden . Zum Anfahren aus dem Stillsta nd (Radd rehza hl bzw. Geschwin dig ke it == 0) wi rd ein Drehmoment am Hinterrad benötigt, um die Mass enträgheit un d den Rollwiderstand (ggf. auch noch einen Steiguugswiderstand) zu über winden, vgl. Kap. 2. Dieses Dreh moment kann der Moto r unmittelbar aber nicht zu r Verfüg ung stellen, den n ein Verbrennungsmotor g ibt ein nutzba res Drehmoment erst oberhalb seiner Leerlaufd rehzah l ab. Für die meisten Motorrad motoren liegt die Grenzd rehza hl der Nutzmomentabgabe bei ca. 1500 U/min (Mindesranfahrdrehza hl). Darunter reicht d ie erzeugte Energ ie des Motors nu r noch aus, um seine in nere Reibung zu üb erwinden. Weitere Belastunge n ode r ein deutlic hes Absinken der Leerlau fdrehzahl fü hrt zum abrupten Stehenbleiben des Motors.
6 Kupplung, Schaltgetr iebe und Radant rieb
224
Die Spanne zw ischen Drehzahl und Mind estanfahrdrehza h! muss also überb rückt werd en und dab ei zugleich ein Drehmoment auf das Hinterrad übert ragen werden. Diese Aufgabe eines Drehzahlwandlers übernimmt d ie Kupplu ng. Den Prinzipa ufb au einer Reibungskupplu ng. wie sie in praktisch alle n Motorrädern verwe ndet wi rd, zeigt Bild 6.2. In einem topfförmigen Gehäus e. das fest mit de r Kurbelwelle verbunden ist und meist als Schwungra d au sgebildet wir d. presst eine star ke Feder eine Kupplu ngsscheibe gegen einen
Druckolatte
(mit Sdlwungrad
Tellerfeder
drehfe st ve rb unden)
Kupplung sscheibe m it Reibbelag
Sc hwu ngrad
(drehfest aber axial ve rschi ebbar auf Getriebe_lte)
~j~~~~~~D~ruckstange
Getriebewelle
Kurbelwelle
Druckring
(mit Schwungrad drehtest ve rb unden)
Kraftfluss
ausgekuppelt
eingekuppelt
(Kupplungsscheibe drehl frei mit Gebieb ewelle )
(Kupplungsscheibe wird angepresst)
Bild 6.2 Prinzipieller Au fbau und Funktionsweise einer Reibungskuppl ung
6.1 Kupplung
225
Druckr ing. Dieser Druckring ist. meist mittel s einer Verschraubung. fest mit dem Gehäuse verbunden. Die Kupplungsscheibe trägt einen verschleißfesten Reibbelag und ist ax ial verschieblieh. Ihre Nabe ist innenverzahnt ( Keilnuten- oder Vielza hnprofil), so dass über eine entsprechende Außenverzahnung der Getr iebeeingangswelle Form- und Kraftschluss zum Get riebe hergestellt wird. Im eingekuppelten Zustand (rechts im Bild) geht der Kraftfluss von der Kurbelwelle über das Kupplungsgehäuse zur Kupplungsscheibe und von dort zur Getriebeemgangswelle. Am Reibbelag wird das Motordrehmoment allein über die Reibkräfte iibertragen. Im ausgekuppelten Zustand wird die Feder durch einen entsprechenden Betätigungsmechanismus von außen zusam mengedrückt, so dass die Kupplungsscheibe nicht mehr gegen den Druckring und das Gehäuse gepresst wird (links im Bild). Sie ist jet zt nur noch mit der Getriebeeingangswelle verbunden. kann aber im Kupplungsgehäuse frei drehen. Der Kraftfluss ist dam it unterbrochen, so dass das Getriebe geschaltet werden kann. Zum Anfahren wird die Kupplung gefUhlvoll eingerückt. Dabei stellt sich ein Übergangsbereich ein, bei dem die Feder den Reibbelag zunehmend stärker an die Druckplatte presst, gleichzeitig aber noch eine Relativbewegung mit große n Drehzahlunterschieden zw ischen Reibbelag und Druckring bzw. Kupplungsgehäuse statt findet (die Kupplung schleift). Der Motor und damit das Kupplungsgehäuse drehen a nfangs mit einer Drehzahl oberhalb der Anfahrdrehzahl (beispielsweise 2000 U/min) und der Motor kann ein Drehmoment abgegeben. Ein Teilmoment Wird entsprechend der akt uellen Anpresskraft der Federn auf die zunächst noch stillstehende Kupplungsscheibe übertragen. Diese wird infolge der Reibkräfte mitgenommen und beschleunigt, so dass sich das Fahrzeug in Bewegung setzt. Aufgrund der Belastu ng sinkt zunächst die Motordrehzahl. was durch Gasgeben ausgeglichen wird. Gleichzeitig wird die Kupplung immer weiter eingerückt, wodurch das übertragene Drehmoment ansteigt. Dabei gleichen sich die Drehzahldifferenzen von Motor/Kupplungsgehäuse und Kupplungsscheibe/Getr iebeeingangswelle immer weiter an, bis im vollständig eingekuppelten Zustand beide gleich schnell drehen. Der volle Reib- bzw. Kraftschluss ist damit hergestellt. Der gleiche Mechanismus der Drehzahlangleichung findet beim Wiedereinkup peln nach dem Gangwechsel statt, nur entsprechend schneller, weil die Drehzahldifferenzen kleiner sind. Der Mechanismus der Drehzahlanpassung über das Schleifenlassen der Kupplung erzeugt Reibungswärme. Dies muss von den Kupplungsbauteilen aufgenommen werden. was bei der konstruktiven Auslegung der Kupplungsbauteile berücksichtigt werden muss. Die gespeicherte Wärm e wird erst nach dem Anfahrvorgang an die Umgebung abgegeben. Bei mehrmaligem Anfahren (Vollgasbeschleunigungen) kurz hinterei nander wird die Kupplung daher sehr stark beansprucht und kann u.u. beschädigt werden (Verzug, Verbrennen des Belags). Die Größe der an der Kupplung übertragbaren Kräfte hängt von der Artpresskraft der Federn und vom Reibwert des Kupplungsbelages ab: F reib = F F . Pk
F reib Übertragbare Reibkraft [N] FF Anpresskraft der Kupplungsfeder(n) [N] Pk Reibbeiwert des Kupplungsbelags l- l
(6- 1)
6 Kupplung, Schaltgetr iebe u nd Radantrieb
226
Für das übertragbare Drehm oment spielt der Kupp lungsdur chmesser eine wichtige Rolle. so da ss die Formel zu r Berechnung des Kupplungsmomentes lautet:
Mk = FF' ,uk ' r m rm
(6-2)
mittl ere Reib rad ius des Belags [m]
In der Praxis muss noch die Drehm omentüberhöhun g. d ie sich aufg rund der Ungleichfö rmigkeit de s Motors einstel lt. berücksichtigt werden und bei Mehrscheibenk upplungen (siehe un ten) d ie Anzahl der Reibpaa rungen. Al s Kupplungsbau art werden bei Motorrädern d ie heiden G ru ndtypen Einscheibenkupplung und Mehrscheibenkupp lung eingese tzt. Wäh rend die Einscheibenkupplung imme r in einem separate n, gege nüber Öl abgedichteten Raum läuft (Troc ken kupplung), befindet sich die Meh rscheiben kupplung bei den meisten Serien-Motorrädern im öldurch fluteten Motor- oder Getriebegehäuse (Ö lbadk upplung). Als Trockenkupplung wird die Mehrsc heibenkupplung bevorzugt im Rennsport verwendet. Bild 6.3 zeigt in einer G rafik die üb liche Ausfü hrung einer Einsche iben·Trockenkupplung.
Die Troc kenkupplung zeichnet sich durch den hohen Reibwert des Belages (u k "" 0.3- 0,4) aus, deres ermög licht, mit wenigen Reibpaarun gen auszukommen. Daher haben Trockenk upplungen Gew ichtsvorte ile gege nüberÖl badkupplungen. Ih re Nachteile sind d ie schlechte re Wär meabfuh r und d ie notwendige hohe Belagqual it ät. ihre Neigung zu m Rupfen u nd d ie erforderliche Abdichtung zw ischen Motor und Ge triebe. Sie werden dah er bevorzugt bei An triebskonzepten mit hinter dem Motor angeord netem, separatem Getriebe und längsliegender Kurbelwelle des Motors verwendet. Hier ist auch der geringe ax iale Baura umbedarf der Einscheiben-Trockenk upplun g von Vorteil, wä hrend ihr große r Durchmesser sich bauraummäßig nicht nachteilig ausw irkt. Das aus dem Du rchmesser resultierende hohe Massent räg heitsmome nt der Kupplung kann allerdin gs andere Nachteile mit sich bringen. Die hohe und fü r Vierzylindermotoren unnötige Schwu ng. masse auf der Kurbelwelle beeinflusst nachte ilig die Drehzahl dynamik (spontanes Hoc hdrehen} des Motors. Zur Kompensation sind daher einige Motoren mit einer Schwu ngscheibe aus Aluminium ausg erüstet (längsliegende Motoren der k- Baureihe von BMW) . Weiterhin kann die
Schwu ngrad
Bild 6.3 Einscheiben -Trockenkup plung
227
6.1 Kuppl ung
Getriebesc haltbarkeit leiden, weil die Schw ungmass e der Kupp lungsscheibe den Drehzahlabfall der Getriebeei ngangswelle nach dem Auskuppel n verlangsa mt. Die Mehrsche ibe nölbadkupplung wird be i allen Antr iebskonzepte n verwendet, bei denen Motor und Getr iebe in einem gemeinsame n Gehäuse unterge brac ht sind, Bild 6.4. Die Vorteile dieser Kupplungsba uart sind ihr weiche r Eing riffun d die gute Wärmeabfuhr, allerdings erze ugt sie irrfelge ihres Umlaufs im Öl soge nann te Planschverluste, die d ie Motorgesamtreibu ng erhöhen. Ein weitere r Nac hteil ist fallweise das unvollständ ige Trennen der Kupplung, solange das Moto röl noch kalt und zä h ist. Die Folge ist dann schlechte Ge triebesc haltba rkeit bzw. Absterben des Motors, sobald der erste Ga ng eingeleg t wird . Auch dürfen dem Motoröl keinesfall s reibungs mindernde Festsch mierstoffe zugesetzt werden (z. B. Molybd ändis ulfid), weil dadurch d ie ohnehin ger ingen Reibwerte der Kupplungsbeläge (normalerweise fl k "" 0, 1) unzu lässig herabgesetzt werde n und das Motormo ment nicht mehr zuverlässig übe rtrage n wird. Es sei an dieser Stelle angemerkt. dass auch aus verschiedenen ande ren Gründe n dera rtige Motorölzusätze g runds ätzlich abz ulehnen sind .
KuppiungskOfb mrt PrimaM!lzahnung ( V(Ifl Ku ~""'.)
ßild 6.4 M ch r~c h c ibc n-Öl b adk u rrl u n g
228
6 Kupplung, Schaltgetriebe und Radant rieb
Seit einigen Jahren werden bei Hochleistungs-Motorrädern sogenannte "Anti-Happing-Kupp· lungen" eingesetzt. Diese Kupplu ngen begrenzen im Schubbetrieb die auf da s Hinterrad einwirkende Brem swirkung de s Moto rs, indem sie de n Kraftschluss zw ischen Motor und Hinterrad ab einem bestimmten Drehmoment unterbrechen (Kupplung öffn et selbsttätig bz w, rutscht dur ch). Dam it w ird ein Stempeln oder Blocki eren de s Hinter rades beim Herunterschalten wirkungsvo ll unterbunden. Diese Technik fand über den Ren nsport Eingang in die Serie bei manchen Supersport-Moto rrädern, Die heute in der Serie gebräuchlichen Systeme sind rein mechanisch aufgebaut. Die Funktion basiert auf dem Prinz ip der schiefen Ebe ne: In einem gete ilten Innenkorb der Kupplung sind Ausspar ungen mit schrägen Rampen angebracht. Im Schubbetrieb erzeugen diese Ramp en bei Verdrehung Kräft e in ax ialer Richt ung. die durch geeignete Übertragungselemente ( Kugeln oder Nocken) auf die Kupplungsfede rn einwirken. Der Anpressd ruck der Federn wird dadurch geringer und lässt d ie Kupplu ng bei Überschreitung eine s Gre nzdre hmome ntes durchrut schen. Ein Ausführu ngsbeispiel wird im Kapitel 13, Bild 13.5, geze igt.
6.2 Schallgetriebe Aufgabe des Schaltgetriebes ist die Erhöhung des Drehmomente s am Hinte rrad, um das Steig ungsvermögen und das Beschleuni gun gsvermögen des Motorrad es z u verbes sern. Analog z ur Drehmomenterhöhu ng dur ch die Übersetz ungsstufen wird die Drehzahl des Hinter rades herab gesetzt und da mit d ie mög liche Fahrgeschwindigkeit in den jeweilige n Gangstufen. Es gilt AI HR = AI Molor . i gc•
nl l r
M HR M Molur nHR
nMo[nr
i gcs
"Moror= -.-
(6-3) (6 - 4)
'gcs
Drehmo ment am Hinterrad Motord rehmoment an der Kurb elwelle Drehzahl des Hinterrades Motord reh zah l an der Kurbelwelle Gesamtübersetzung (Getr iebestufe und Hinterradant rieb)
Bild 6.5 verde utlicht d ie Drehzahl/Drehmomentwandlung durch das Getriebe. Da rgestellt ist da s Ausg angsmoment am Hint erra d in den jeweiligen Gangstufen übe r de r Radd rehzahl (= Fahrgeschwind igkeit). Die Übersetz ungsstufe des letzten (g rößten ) Ganges wird dabei nach der Höch stgeschwind igke it ausgewählt. Üblicherweise wird de r Getriebegan g zusammen mit der Hinterradübersetzung so abgestimmt, dass bei aufrecht sitze ndem Fahrer die Höch stle istungsd rehzahl e rreicht wird, bei liegendem Fah rer ab er d ie maximal z ulässige Höchstdr ehzahl de s Motors nicht überschritten wird, vgL dazu auch Kap. 2. Die Übe rsetzung des ersten (kleinsten) Ga ngs wird nach der gewünschten Steigungsfä higkeit bei voller Belad ung ausgewählt. Hier gelte n je nach Einsatzz weck unte rschiedlic he Kriterie n. So wird der erste Gang fü r ein Endure moto rrad kürzer übersetzt (g rößere Übersetzungstufe) als für ein reinr assiges Straßenmotorrad. Die weiteren Übersetz ungsstufen zw ischen dem ersten und letzten Gang werden an sch ließe nd festgelegt und zwar so, da ss beim Gangwech sel mög lichst ge ringe Einbuße n an Zugkraft e ntstehen. Die Stufung muss dazu so gewählt werden.
6.2 Schaltgetriebe
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229
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vom Motor ans Hinterrad geliefertes Drehmoment (En dübersetzung ejngeredtnet)
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Anpassung des Motorausgangsmoments an das Bed arfsmoment am H interrad (schematisch)
Fahrge schwindigkeit (Motordrehzahl)
dass nach dem bei Höchstdrehzahl durchgeführ ten Ga ngwechsel in den nächsthöheren Gang die Motordrehzahl in den Bereich des höchsten Drehmome ntes des Motors fällt. Da eine gleichmäßige Ga ngstufung u.U. zu einer hohen Gangz ahl führ t, werden die Gänge ungleichmäßig gestuft. Üblicherweise ist die Stufung der oberen Gänge enger, weil sich im höheren Geschwindigkeitsbereich aufgr und der größe ren Fahrwiderstände größere Drehzahlspr ünge nachteilig auf die Beschleunigung auswirken. Bei den unteren Gängen für niedr ige Geschwindigkeiten sind derartige Sprünge leichter zu verkraften, weil die Überschussleistung des Motors hier vergleichsweise groß ist. Üblich sind heute für moderne Motorräder Fünf- oder Sechsganggetriebe . Die oft vertretene Ansicht, drehmomentstarke Motoren kämen generell mit weniger Getr iebestufen aus, ist übrigens so pauschal nicht richtig, wie folgende Überlegung zeigen soll: Motoren mit gleichmäßigem Drehmomentverlauf und einem hohen Drehmomentmaximum bei niedrige n Drehzahlen erreichen auch ihre Maximalleistung bei eher niedr igen Drehzahlen (meist unterhalb von 8000 Ulmin), vgl. Kap. 4. Ist die Maxima lleistung ausreichend hoch, dann können solche Motorräde r sehr hohe Spitzengeschwindigkeiten von weit über 200 km /h erreichen, vorausgesetzt die Fahrwiderstände sind genügend klein. Für viele moderne Motorräder mit aerodynamisch günstig gestalteten Verkleidungen trifft dies zu. Weil die zulässige Drehzahl der Motoren aber relativ niedrig ist, müssen derartige Motorräder lang übersetzt werden (größeres Übersetzungsverhältnis), damit sie die mögliche Höchstgeschwindigkeit ohne ein Überdrehen des Motors erreichen. Mit dieser langen Übersetzung ergeben sich dann aber bei Vier- und Fünfganggetrieben entsprechende große Sprünge zwischen den Gangstufen, die
230
6 Kupplung, Schaltgetr iebe und Radant rieb
d ie Vorteile des füllige n Drehmo mentverlau fs des Motors zumindest teilweise wieder zunichte machen. Für derarti ge Dreh momentmotoren mit eingesc hränktem Dreh zahlb ereich ist also. ga nz entgegen de r Anschauung, ein Sechsga nggetr iebe sehr sinnvoll. Der konstruktive Aufba u von Motorrad-Schaltgctrieben ist bei den meiste n He rstellern gru ndsätzlich ähn lich. Für leistungssta rke Motorräde r kommen nur noch klau engeschaltete Zahn radgetr iebe in Frage. Frü her durchaus übl iche Konstr uktionen wie Kettengetri ebe ode r die Zichkeilschaltung werde n heute für Hoc hleistu ngsmotorräd er nicht meh r verwe ndet, und sie werde n hier nicht beha ndelt. Stir nra dgetrie be für Motorräder werden als Zwei- ode r Dreiwellengetriebe ausgefü hrt . Bild 6.6 zeigt in einer perspe ktivischen Da rstellung ein moderne s Dreiwelle ngetr iebe. Bei einem solchen Get riebe sind g rundsätz lich alle Zahnräder immer im Eingr iff. Die Gangstufen und d ie Schaltba rkeit der Gänge ergebe n sich darau s. dass einige Zahnräder nicht dr eh fest. sonde rn lose au f ihre r Welle gelage rt sind und der Kraftsc hluss über soge nannte Scha ltklauen seitlich an de n Zahnrä de rn herges tellt wird. Diese sind ax ial verschiebba r. aber dreh fest auf der jeweiligen Welle gelagert und koppelnjeweils d ie Los räde r mit der Welle. Bild 6.7. Bet ätigt werden diese verschiebbaren Zahnrä der mit den Schaltklauen übe r Schaltgabeln. d ie in einer Kuli sse auf der Schaltwalze gefüh rt werden. Wird ein Gang gewec hselt. dann bew irkt die Drehun g der Schaltwelle über den Hebelmechanismus der Schaltbetätigung eine Drehung der Schaltwalze. Die Kulissen führung der Schaltwalze verschiebt die Schaltgabel axial. wäh rend die Schaltgabel ihrerseits die Schaltklaue ax ial mitb ewegt . Die Fortsätze der Schaltklaue rasten in die entsprechenden Fenste r im Zahnra d ein. wodurch Kraftsc hluss zw ischen dem ehemals losen Zahnrad und der Welle hergestellt ist. Das vormals eingekuppelte Gang rad des erste n Gangs ka nnjetzt frei drehen.
Einga ngswelle
Zwischenwelle
Abtrieb swelle
Bild 6.6 Dreiwellen-Schahgerriebe (HMW)
231
6.2 Schaltget riebe Schaltklaue
~~~~ij"' ~'~/ '___ G
Losrad. frei auf Welle drehbar
Zwische nwelle
Schaltwa lze
Scha ltgabeln
Bild 6.7 Gangrast ung durch Schaltklaue n
In de r Anord nung de r Wellen und der Detai lkonst ru ktion des Scha ltmecha nism us u ntersc herden sich die Get riebe de r verschiedenen Hersteller. Bild 6.8 zeigt g leichar tige Get riebe zweier ja panischer Hersteller. Eine Synchronisierung findet man an Moto rradgetrieben nicht. Die Grün dedafü r sind das höhere Gewic ht, die Kosten , de r Baurau mbed arf und der Nachteil der langsameren Gan gwechse l. Es ergibt sich auch keine Notwendigkeit für Motorräder, weil die am Scha ltvorgang beteiligten Massen sehr viel kleiner als beim Auto sind. Bezüglich de r leichten, exa kten Schaltbarkeit und Schaltgesch wind igkei t bleiben bei vielen Motorradget rieben heute eigentlich keine Wünsc he meh r offen, so da ss die Entwick lung von Sy nchro nisierungen über flüssig ist. Voll- oder halbautomati sche Getriebe wurden beim Motorrad bisher nur vereinzelt eingeset zt und sie scheinen auch noch nicht auf genüge nd Akzeptanz bei de n Motorradfah rern zu stoßen. Automatikgetriebe sind in der Schaltgeschwind igkeit den manuellen Schaltgetrieben unterlegen, und d ie freie Wahl de r Schaltstufe und des Schaltzeitpu nktes ist für de n sportlichen Fa hrer
232
6 Kupplung, Schaltgetr iebe und Radant rieb
-.
Getriebeeinga ngsvvel le
Kupplung
Getriebea usgangswe lle Getriebeeingangswelle
(ve rdeckt von Schaltwalze j
Bild 6.8 Schaltgctricbc zwe ier japanischer Hersteller
unverzichtbar. Auch unter Sicherheitsaspe kten muss ein automatischer Ga ngwechsel skeptisch betrachtet werden. Die mit einem (vom Fahrer ungewollten) Schaltvorgang verbundene Lastwechselreakt ion kann in Kur ven Unr uhe ins Fahrwerk bringen und den unvorbereiteten Fahrer bei große r Schräglage z umindest irr itieren. Vollautomatische Get riebe mit Drehmomentwandler haben neben den höheren Kosten als weitere Nachteile das größere Gewicht und benötigen mehr Bauraum. Die bei Rolle rn übliche
6.3 Radantrieb
233
Variomatik mit Fliehkraft kupplung und variabler Übersetz ung mittels Riemengetrieb e zeichnet sich durch hohen Komfort aus. hat aber einen schlechten Wirkungsgrad. Die fehlende Unmittelbarkeit und Direktheit im Antrieb läuft dem gewohnten Fahrempfinden zuwider, ka nn aber für touristische Fahrweise durchaus als angenehm empfunden werden. Derzeit setzt nur A PRILIA im Modell " NA 850 Mana" auf diese Technik. Es bleibt abzuwarten. ob weitere Hersteller in diese Richtung entwickeln. Am ehesten könnten sich Automatik-Systeme für die Kupplun g und Schaltunterstützung etablieren, wie sie YAMAHA mit einer elektromechanisch betätigt en Kupplung im Tourensegme nt oder BM Wm it dem Schaltassistenten bei Sport motorrädern anbietet. Bei der BMW-Lösung. die aus dem Rennsport übernommen wurde, unterbricht bei Schalthebelbetätigung die Motorsteuerung kurzzeitig die Einspritzung und nimmt die Zündung zurück. Dadurch wird der Antr iebsstrang .Jastann" und es wird ein schnelles Schalten ohne Kupplungsbetätigu ng möglich. Einen sehr ungewöhlichen Weg schlägt HONDA im Modell DN-OI ein, in dem ein vollhydraulisches Wandlergetriebe ohne Zahnräder zum Einsatz kom mt. Es arbeitet mit Taumelscheiben und Kolben und bietet sowohl eine stufenlose Kraft übertragun g als auch feste Gangstufen. Der Wirkungsgrad dieser Kraftübertragun g ist ebenfalls deutlich schlechter als bei üblichen Zahnradgetr ieben.
6.3 Radantrieb Für den Radantr ieb. der beim Motorra d (von historischen Ausna hmen und Experimentierfahrzeugen einmal abgesehe n) ausnah mslos zum Hinterrad führt, gibt es zwei grundsätz lich unterschiedliche Bauarten, den Gelenkwellenantrieb und den Zugminelantrieb, letzterer ausgeführt als Ketten- oder Zahnr iemenantrieb. Die Vor- und Nachteile der Bauarten sind in Tabelle 6.1 aufgelistet. Tabell e 6.1 Vor- und Nac hteile de r verschiedenen Radantriebe Vor teile
Nac hte ile
Gele n k wellcnanr rieb
volle Kapselen g wartungsfrei verschleißfrei kon stante r Wirkungsgrad hohe Betriebssicherheit geräuscharmer Lauf
Mehrgewicht hoher Bauau fwa nd teue r
Kettenan trieb
niedriges Gewicht geringer Bauau fwa nd kostengü nstig guter Wirkungsgrad (im Neuzusta nd)
Za hnriemenantrieb
niedriges Gewicht geringer Bauau fwa nd g uter Wirkungsg rad kostengünstig weitgehend wartungsfre i verschleißar m (im Vergleic h zur Kelle) geräuscharm
wartu ngsintensiv
Verschleiß abneh mender Wirk ungsg rad (Versc hle iß) nicht geräusc ha rm schmutzc mpf urdlich nicht völlig versch leißfre i Ba ubre ite g roße s hinteres Kette nrad
234
6 Kupplung, Schaltgetr iebe und Radant rieb
Der Gele nkwelle nantri eb. oft auch als Kardan antrieb beze ichnet, wird bevorzugt bei Moto rrädern mit längsliegender (i n Fahrtrichtung liegender) Kurbelwelle und angeblocktern Getriebe verwe ndet (z.B. BMW Boxer, Molo Guzz i). Hier bietet sich diese Lösu ng wege n des ge raden Kraftflu sses im Antriebsstra ng mit nur eine r Umlenku rig zum Hinte rrad an. Seltener wird der Gelenkwellenantrieb bei Motoren mit qu erliege nder Ku rbelwelle verwe ndet (quer eingebaute Reihenmotoren), weil d ie notwend ige, doppelte Kraft um lenk ung mit einem zwe iten Winkel trieb nicht nur aufwä nd ig und teuer in der Herstel lung ist, sondern auch den Wirku ngsg rad der Kraft übertragu ng herabsetzt. Gelenkwellenant riebe haben einen mechani schen Wirku ngsg rad von über 90 % bei einfacher und knapp unter 90 % bei zwe ifacher Unilenku ng. Kelte n liegen im Neuz ustand höher, mit zu neh mende m Verschleiß und Verschrnutz ung können auch Kelte n deutlich unter 90 % Wirku ngsgrad fallen. Bild 6.9 zeigt die konstruk tive Ausfü hr ung eines Wellena ntriebs mit doppeltem Winkeltrieb zu r Kraft um lenk ung. Durch die Anord nung des Kreuzg elenkes exakt im Drehpunkt der Schwinge bzw. eine gesc hickte geo metrische Auslegu ng (BMW K 1200 S), benötigt die Welle bei beiden Konstruktionen keinen Längenausgleich.
Der Kardan ant rieb von m v/Win den Boxer- u nd K-Mode1 len ist mit einem zwe iten Kreu zgelenk ausgerüstet ist, Bild 6.10. Denn die Schwinge wird d urch ein weiteres Gelenk von den Einftüs-
B i1t16.9
Kardanantrieb (oben: Yamatia, unten: BMW)
235
6.3 Radantrieb Telterrad
Antriebswelle mit Tors ionsdämpfer (G ele nkwelle)
Ritze l Hinte rachsgetriebe Bild 6.10 Gclcnk wellcnannicb (Kardanantrieb)
sen des Antriebs - und Bremsmoment es entkoppelt und das Federu ngs- und Traktionsverhalten wesentlich verbessert. Auf diese Einzelheiten wird im Kap. 8.3 eingegangen. Der Kette nantrieb ist die am weitesten verbreitete Ant riebsart bei Motorrädern. Zu den in der Tabelle aufgelisteten Vorteilen kom mt die schnelle Änderungsmöglichkeit der Sekundärund damit der Gesamtübersetzung hinzu. Für Serien-Straßenmotorräder hat dies keine große Bedeutung, sehr wohl aber für Sport- und Rennzwecke. Der oft beschr iebene Vorteil des höheren Wirkungsgrades im Vergleich zum Wellena ntrieb stimmt nur sehr eingeschränkt für den Neuzustand. Bei gelaufenen Ketten, besonders wenn sie verschmutzt sind. stellt man einen deutlichen Wirk ungsgradab fall im Extremfall bis auf 80 % fest. Der Grund liegt in der Vielzahl der Gelenke , deren minimale , einzelne Reibungsanstiege sich addieren. Kettenant riebe in einwandfreiem, neuen Zustand haben Wirkungsgrade von rund 92 % . Das Problem der Schmierung der Kette und damit des Kettenverschleißes konnte durch die Entwicklung von O-R ingkeUen, bei denen Dichtringe zwi schen Hülse und Außenlasche das Schmiermittel in der Kette auf Dauer einschließen, deutlich entschärft werden, Bild 6.11. Derartige Ketten erreichen bei guter Pflege eine Lebensdauer von mehreren 10.000 km. Nachgeschmiert werden muss aber imme r noch, und zwar die Rollen bzw. Hülsen von außen, damit der Verschleiß an den Kettenrädern verr ingert wird. Auch die regelmäßige äußere Reinigung der Kette von Schmutz bleibt, ebenso wie das regelmä ßige Nachspannen. Eine Vollkapselung der Kette (frühere MZ·Model le), wie sie regelmäßig als Lösung angepriesen wird, bleibt problematisch, weil die Kette dann nicht mehr vom Fahrtwind geküh lt wird. Bei leistungsstarken Motorrädern ist dies erforderlich. Der Bauaufwand für einen geschlossenen Kettenkasten. bei dem die Kette im Ölbad läuft (frühere MÜNCH4Motorräder), übertrifft fast den fü r einen Wellenantrieb. Denn die Konstruktion eines solchen Kastens bei den heute üblichen großen Federwegen gestaltet sich sehr schwierig. Hinzu kommt die Abdic htung, die ein Sicherheitsrisiko darstellt, denn bei Undichtigkeiten kan n sehr leicht Öl auf den Hinterradreifen gelangen.
236
6 Kupplung, Schaltgetr iebe u nd Radant rieb vernieteter Bolzen
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: - - HOIse (innen) I
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Rä le (aJßen )
O-R ing
**
enu s.n
Bauarten von Kelten für Motorradantriebe
Die Bauausführung von Kett ena ntriebe n bei Motorrädern ist allgemei n bekan nt, au f eine Darstellung kann daher verz ichtet werde n. Die Probleme, die sich aus der Fed eru ngsbewegu ng de r Hinterradschwinge für d ie Kette ergeben. werden im Kapitel 8 beh andelt. In der Schnittdarstellung ( ll ild 6.11) wird erkennba r, dass bei der Rollen kette über de r Hülse jeden Ketteng liedes noch eine drehbare Rolle eingefüg t ist. Diese können beim Eing reifen in da s Kettenrad abrollen, während d ie feststehende n Hülsen der einfachen Hülsenkett e nur entlang der Zahnflanken gleiten. Der Verschleiß an Za hnrä dern und Kett e ist bei Rollenke tten dah er geringer als bei Hülse nketten. Hinzu kommt ein Ger äuschvort eil. Beim Einlaufen de r Kett e in d ie Za hnlücken setzt diese stoßartig im Za hngrund auf. Bei der Rollen kette wird das entstehende Ge räusch durch das Öl- bzw, Fett po lster zw ischen Rolle und Hülse gedämpft. Der Vorteil der Hülsenkette ist ih r deutlich geringeres Ge wicht. Das spielt eine wichtige Rolle bei schnell laufenden Antr ieben (Höchstge schwindigkeit), weil da mit die Zentrifugalkräfte. die die Kett en vom Kettenrad abheben, spürbar kleiner werden. Durch eine gute Schm ieru ng lässt sich der Verschleißnachteil von Hülsenkette n eindä mmen. Der Za hnrieme n wird bisher nu r von wenigen Motorrad herstellern (KAWASAKl, SUZUKl. HARLEY-DAV/DSON und BM W) in einigen Modellen als Hinterradantrieb verwendet. Den Aufbau eines Zah nri emen s zeigt Bild 6.12. Ein Za hnr iemen läuft deutlich leiser als eine Kett e und ist auch weitgehend wartungsfrei. Doch es tritt auch an ihm Versc hleiß dur ch Schmutzteilchen auf, die sich zw ischen Riemen und Riemenscheibe ansammeln u nd die Oberfläche und da s Za hnprofil beschäd igen (abschmi rgeln). Deshalb sind Za hn riemen nu r für Straße n motorräder gee ignet, nicht aber fü r Endures. Die Leben sdauer kann auf etwa 30.000 km angesetzt werden und ist dam it rund doppelt so hoch wie die einer Kette. Aufgru nd der notwendigen Kühlung ist eine Kapselung de s Riemens unerwü nscht. Dur ch hohe Temperaturen wü rde eine Alteru ng des Riemenmaterials begü nstigt.
6.3 Radantrieb
237 Riemenkärper aus GulTll'T'imisch ung
Nylonübe rzug
für die Zähne
(Versc hleißschutz)
Bild 6.12 Aufbau eines Zahnriemens
Wegen unzulässiger Spannungen innerhalb des Riemens darf der Biegeradius und damit das vordere Riemenrit zel nicht zu klein sein. Entsprechend groß fallt aufgrund der notwendigen Endübersetzung das hintere Riemenrad aus, was nicht immer ästhetisch befriedigend ist. Entsprechend integriert und gesta ltet kann ein Zahnriemenantrieb allerdings optisch seinen .HighTeehe-Anspruch unterstreichen, wie das Beispiel von BM W bei der F 800 S zeigt, Bild 6.13.
Bild 6.13 Zahn riemen antrie b bei der BMW F HOD S
238
7 Kraftstoff und Schmieröl Kra ftstoffe und Schmieröle sind heutzutage sehr genau auf die Anforde rungen mod erner Motoren und Antriebe z ugeschnitte n. Erst die kontinuierliche Weiterent wicklung der Schmieröle pa rallel zu den konstruk tiven und fert ig ungstechnischen Fortschritte n hat ermöglicht, was uns heute schon fast als selbstve rständ lich erscheint: den praktisch verschleiß- und störungsfreien Dauerbetri eb der Motoren aufhöchstem Leistungs- und Drehzahlniveau über zigtause nd Kilometer. Trotz ihrer hohen spezifischen Leistung und der daraus resultierenden höheren Beanspruchungen der Bauteile benötigten d ie meisten Motorräder bisher in der Rege! keine besonderen Ölq ualitäten (Ausnahme : spez ielle Herstellerempfehlungen). Seit Einfü hrung der sogenannten Leichtlauföle fü r Pkw entwickelt sich allerdings eine zunehmende Diskrepanz zw ischen den Anforderungen moderner Pkw und mode rne r Motorräder an Moto renöle. d ie schon jetzt und meh r noch in Zukunft zu spez ifischen Problemen bei Moto rrädern führe n ka nn. Als Reaktion da rauf hat 1999 die japanische Motorradindu stri e erstmals mit der VerölTentlichung eine s speziellen Anforderungsprofils für Viertakt-Motorrad motorenöle reagiert (JASO-Spezifikationen), de r einige Unternehm en der Mineralölindustrie mit einem Angebot spezieller Motoröle für Motorräder schon heute Rechnung trage n. Die chemische n, physikalischen und technischen Eigenschaften von Kraftstoffen und Ölen werden nachstehend in ihren Grundzügen erläutert. Eingegange n wird auch auf d ie entsprechenden Spez ifikationen sowie die Bedeutung gebräuchlicher Bezeichnungen und Abkürz ungen.
7.1 Erdöl als Basis für die lI erstellun g von Kraft- und Schm ierstoffen Erdöl ist ein Gemisch verschiedenart igster Kohlenwasserstoffverbindu ngen. Diese Kohlenwasserstoffe unterscheiden sich in ihre r Stru ktur teilweise erheblich. Darüber hinaus ist d ie Zusamme nsetzung in den weltweiten Fördergebieten teilweise sehr unterschiedlich. In der Elementarzu sam men setzu ng VOll Rohöl sind üblicherweise g ut 80 bis knapp 90 Gewichtsprozente Kohlenstoffu nd ca. 10 % bis 14 % Wasserstoff zu finden. Es können aber auch bis z u mehreren Prozenten Saue rstoff, Stickstoff und Schwefel sowie Spuren anderer Elemente im Rohöl enthalten sein. Je nach che mischer Verbindung der Atom e entstehen verschiedene Molekü le. Die Vielfalt der Molek ülstrukturen und der Molek ülgrößen bei Kohlenwasserstoffen ergibt sich aus den Fähigkeiten der beiden Elemente Kohlenstoff (C) und WasserstolT(H), stabile chemische Verbindungen einzug ehen und aus spez iellen Bindungseigenschaften. Das Kohlenstoffato m ka nn insgesamt vier Bindun gen eingehen, in de r Chemie wird daher Kohlenstoff als vierwenig bezeichnet. Wasse rstoff hingegen kann nur eine Bindu ng eingehen, e r ist also einwertig. Durch Aneina nderreihung von Kohlenstoffatomen und Auffüllen der freien Bindun gen mit Wasserstoffatomen können somit fast beliebig große und unterschiedlie hst strukturierte Kohlenwasserstoffmoleküle gebildet werden, lJild 7,1.
7.1 Erdöl als Basis für die Herstellung von Kraft- und Schmierstoffen
Kohlensloll·Atom mit 4 Bindungen (4-wertig)
239
w asserstott-erom
mit 1 Bmdmg (l -werllg)
einfachster K~enwa sserstoff Met han (C H 4 )
• Ring tirmiges KohlWlWasserstoffmolekül
(~
) dl
•••
unverzweibtes Kettso rrolekül
Bi1t1 7.1 Grun dlegende Str ukt uren von Kohlenwasserstoffmolekülen
Ohne auf die Einzelheiten näher einzugehen, soll noch angemerkt werden, dass für eine stabile chemische Bindung sich jeweils zwe i Atome mit ihre n freien Bindungen paa r weise zusammenfügen müssen. Eine solche gerichtete Bindung wird in der Chemie als Elektronenpaarbindung' (kovalente Bindung) bezeichnet und üblicher weise du rch einen Strich in der Moleküldars tellung symbolisiert. Neben der gezeigten Grund form der Moleküle kom men im Kraftstoff auch verzweigte Ketten und andere Bindungsformen vor (vgl. folgenden Abschnitt). Diese verschiedenartigen Kohlenwasserstoffe reagieren chemisch wie physikalisch unterschiedlich. Durch eine geeignete Kombination der Kohlenwasserstoffe lassen sich die gewünschten Eigenschaften sowohl von Kraftstoffa ls auch von Öl einstellen.
7.1.1 Kettenförmige Kohlenwasserstoffe Ausgehend vom einfachsten gesätt igten Kohlenwasserstoff, dem Methan (s. u.), können sich durch eine "lineare" Aneinanderr eihung nahezu beliebig vieler Kohlenstoffatome lange Molekülketten bilden. Die Atome aller chemischen Elemente bestehen aus dem Atom kern (positiv geladene Te ilchen) und aus Ele kt rone n (negativ geladene Teilche n). In einer vereinfachten Mod ellvorstel lung umkreisen die Elektronen in vorbestimmten Ab ständen - auf sogenannten Schalen - den Atomkern. Die Elektronen auf der äußersten Schale bestimmen dabei iiber die chemische Bindungsfähigkeit des Atoms. Jed es Atom ist dabei grundsätzlich bestrebt, einen bestimmten "Sälligungszustand" für die Elektronen auf der äußersten Schale zu erreichen (sog. Edelgaskonfigur ation mit 8 Elektronen auf der Außcnsehale). Diese r Zustand ist gekennzeichnet durch das niedrigste Energieniveau und deshalb ein besonders stabiler Zustand, der von allen Mater iete ilchen grundsätzlich angestrebt wird. Durch das Zusammenlagern von Atomen im Molekül und die Ausbildung von Elektronenpaarbindungen wird gcnau solch ein niedriger Energiezustand für die Atome erreicht. In einer Elektronenpaarbindung teilen sich gewissermaßen die beteiligten Ato me ein Elekt ron und erreichen dann gemeinsam diese Elekt ronenkonfiguration mit niedriger Energie und damit höher Stabilität. Deshalb ist für das Aufspalten einer Bindung und das Einleiten bei einer chemischen Reaktion auch zunächst eine Energiezufuhr (Erwärmung. Zündfun ken. Druck ctc.) nötig.
240
7 Kraftstoff und Schmieröl
H
I I
CH,
Strukturformel
Summenforme l
H- C-H
Methan
H Name
Je nach Struktur und Bindungsart unterscheidet man bei die sen kettenförmigen Kohlenwasserstoffen zw ischen: a) Alka nen , unverzweigte. gesättigte Kohlenwasserstoffe wie Z.B.:
H
I
H
H
I
I
H-C- C- H
I
H
H
I
H
H
I
I
H-C-C-C-H
I
I
H
H
ETHAN
I
H
H
I
H
I
H
I
H-C-C-C-C- H
I
I
H
H
I
H
I
H
I
H
BUTAN
PROPAN
Allgemeine Summe nformel dieser Verbindungen ist:
b) Isoa lkanen, verzweigte, gesätt igte Kohlenwasserstoffe Strukturfor meln fü r die einfachsten Alk ane:
H
I I
H
I I
H
I I
H
I I
H- C-C- C-C-H H
H
H
BUTAN
H
H
H \
H ....... C--- H \ I /H H-C- C-C__ I I \ H H H H ISOBUTAN
Wie ma n sofort sieht, haben beide Moleküle die gleiche Anzahl von C- und H-Atomen und damit die gleiche Summenformel, dennoch ist die Molekülstru ktur ganz anders. Dass Stoffe zwar die gleiche Summe nformel, abe r verschiedene Strukturfo rmeln haben können, bezeichnet man als Strukturisomerie. woraus sich der Begriff lsoa lkan ableitet.
241
7.1 Erdöl als Basis für die Herstellung von Kraft- und Schmierstoffen Ein weiteres Beispiel für ein Isoa lkan: H
HHHH
HHH
H
H
H
H
H
H
H
H....... I.. . . H C
H
H
I I I I I I I I I I I I I \ I I I H- C- C- C- C- C- C- C- C- C- C- C- C- C- C- C- C- C- H I I I I I \ I I I I I I I \ I I I H H H H ......C...... H H H H H H H ..... C..... H H H H H I H H I H H- C-H
H-
I CI
H
H
H
3,5-Dimethyl- 13-Propyl-Heptadecan
Die allgemeine Summe nformel fllr Isoalkane ist: Strukt ur isome re haben {i . Allg.) unte rschiedlic he physikalische Date n und verhal ten sich meist chemi sch verschieden. Je mehr C-Atome ein Molek ül hat, um so mehr Isomeriemögl ichkeiten sind möglich. So g ibt es für ein Molekü l mit25 Kohlenstoffatomen z.B. fast 37 Millionen Möglich keiten unterschiedli cher Molekülstrukturen. Die bisher gezeigten ketrenförmigen Kohlenwasserstoffe, die e -Alkane wie auch d ie Isoalkane werden als gesättigte Kohlenwasserstoffe bezeichnet. Das heißt, alle Bindun gselektronen sind in Einfachbindungen lokalisiert. Alkene, ungesättigte Kohlenwasserstoffe Im Gege nsatz zu den Alk arien handelt es sich bei den Alkene u um Moleküle, in denen d ie Bindungselektronen zu r Bildung von Doppelbindungen hera ngezogen werden. Diese Doppelbindunge n in Kettenmolekülen sind aber nicht immer, wie der Name fälschlich suggeriert, besonders stab il. Vielmehr sind es d ie bevorzugt en Bruchstellen im Molekülverband und diese Verbindu ngen sind reaktiver (z.B. gegen Säuren) als die gesättigte n Kohlenwasserstoffe.
\
l
/
H
H\
C=C
\
H
/ H
r
l
H
P , C,
p= \
\
P,H H
ETHEN
H\
C= C
H
PROPEN
Allgemeine Sum menformel für Alkene m it einer Doppelb indung:
H
l H
H H
BUT-1-EN
242
7 Kraft stoff und Schmie röl
Für Alkene mit mehr als einer Doppelbin du ng un d/oder Alkylresten g ibt es keine allge meing ült ige Summenformel: H
I I
H,C=C-C I \ I I I I -C-C-C-C -C-H H
l
HH_ C _ HH
I
I
H
H
H
H
I I
H
H
I \ I H H H I H
H ........ C_ H
4,6-Dimethyloct-1-en
7.1.2 Ringför m ige Kohlenwa sserstoffe (a) C ycloa lka ne
Die C-Atome kön nen sich auch ringför mig a nordnen. Gesätti gte , ringför mige Verbindungen werden Cycloalka ne genannt :
H H ,/
H
H-
,
C
/
C"""'" ........ C-
I
I
H- C
,
/
I
\
H H
H- C
H
H
/, H H
CYCLOH EXAN
H
H-C-C- H
C- H
/ 'C..... ,
H
H
C- H
/ 'C/ , /, H H
H
CYCLOPENTAN
H H H H, I , / H C- C H
"\
H--C
/
\
I
H- C /
H
/
C-H
<, C .........
r
H
>;
H
C- H \
H
CYCLOHEPTAN
Allgemeine Summenformel: Da keine Doppelbindungen vorliegen, sind die ges ättigten Cycloalkane stabil und nur wen ig reaktionsfreudig. Am häufigsten sind Cyclopentan und Cyclohexan anzutreffen, also Moleküle mit fünfbz w. sechs C-Atomen. (b) Cy cloal kene
Wie auch bei den keuen förmigen Kohlenwasserstoffen gibt es auch ungesättigte, ringfö rmige, d ie Cycloalkene , die Elekt ronenpaardoppelbindungen besitzen .
7.1 Erdöl als Basis fü r die Herstellung von Kraft- und Schmierstoffen
H \
H 1 C=C
I
\
H-C C- H 1 ' C/ \ H
243
Allgeme ine Summenformel:
1\ H H H
CYCLOPENTEN Sobald mehrere Doppelbindungen und/oder Alkylre ste auft reten, gibt es wiederum keine allgemeingültige Summe nformel. (c} Aromaten Bei den ringförmigen Kohlenwasserstoffen gibt es eine weitere Klasse von ungesättigte n Kohleuwasserstoffen. die Aro maten. Im Vergleich zu den Cydoalkenen weisen Aroma ten eine reduzierten Reaktivität auf, sind also stabiler. Bekanntester Ver treter ist das Benzol: H
H
H...... ......C:::-,. ...... H C -c C
H...... ..-::C...... ...... H
1
11
1
......C...... ;::::.-C......
H
C
1
H
H
1
C
C ~
I
11
......C...::::: ......C......
H
C 1
H
H
7.1.3 Weiter e in der Petrochemi e gebrä uchliche Bezeichnu ngen Napht hene Als Naphthene bezeichnet man im Erdöl vorkommende Cycloalkane sowie deren Alkylderiva-
".
Pa raffine Als Paraffine werden langkettige Alkane und Isoalkane bezeichnet. O lefine Als Olefine werden Alkene mit einer und mehr Doppelbindungen bezeichnet.
244
7 Kraftstoff und Schmie röl
7.2 Roh ölvera rbeitung Die Rohölverarbe itung erfolgt in mehreren Schritte n. Als erstes werden Veru nreinigungen, z.8 . von anorganischen Salzen usw., entfernt. Beim eigentlichen Verarbe itun gsprozess wird grundsätzlich unte rschieden zwischen den physikalischen Verfahren, da s ist im Wesentlichen die Destillation , und den nachgeschalteten chemischen Umwand lungsprozessen, den sogenannten Konversion s verfahren. Während bei der Destillati on die verschiedenen Kohlen wasserstoffe des Erdöls lediglich physikalisch voneinander getrennt werden, dienen die Konversionsverfahren da zu, d ie Kohlen wasserstoffe gezielt chemisch so umzuwandeln und zu verändern (..veredeln"), da ss sie die gewünschten Eigenschaften für d ie Weiterverarbeitung zu Kraft stoff und Öl aufweisen. 7.2 .1 De stillation Destillation ist ein physikalischer Prozess bestehen d aus Erhitze n, Verdampfen und a nschließender gez ielter Abkühlung und Kondensat io n. Dabei wird unter Ausnutzu ng ihre r unterschiedlichen Siedetemperaturen (Siedebereiche) eine Trennung der verschiede nen Koh lenwasserstoffe des Rohöls du rch Verda mpfen und Wieder verflü ssigu ng erre icht. Die Struktur der Moleküle wird während des Destillierens nicht verändert, d.h. es erfolgt keine che mische Veränderung der eingesetzten Produk te. Dies wird durch eine Beg renzung de r Temperaturen aufWerte zwischen 360 und 400 "C erreicht. Bei höhe ren Temperaturen würden d ie Kohlenwasserstoffmolekü le zerbrechen (cracken), was in diesem Verfahrensschritt unerwün scht ist. Der Effek t de r Gleichgewichtseinstellung zwischen Flüssigphase und Dampfphase bildet die Grundlage für die gesamte Raffinationstechnologie de s Erdöls. Je nach Prozessbedingungen unt erscheidet man:
(a ) At mosphärische Dest illat ion Bei der atmosphärischen Destillation wird das Rohö l m einem Röhrenofen auf ca. 370 "C erhitzt. Da bei dieser Temperatur nicht da s gesamt e Rohöl verda mpft, entsteht ein Gemisch aus Dampf und Flüssigkeit. Dieses Gem isch wird der sogenannten Destillationskolonne zugefü hrt, einer zylinderförmigen Appa ratu r zu r Abkühlung und Trennung der Bestandtei le, Bild 7.2. Die flüssigen Bestandteile sinken auf den Kolonnenboden. d ie Dämpfe steigen nach oben . kü hlen dab ei weiter ab und kondensieren in Abhäng igke it von ihren Siedenbe reichen auf sogenannten Glockenböden . Von die sen Böden werden d ie verschiedenen Flüssigkeiten, getrennt nach Siedebereich . abgezogen. Folgende Produk te werde n bei der atm osphä rischen Destillation gewonnen: Gase
-+
Methan. Ethan, Propan, Butan
" Str aight Run " Benzine
-+
Gr llll J lw mp Olle ll !elJ!ür Ottokraftstoffe
-+
Kerosin
Gasöl
-+
Dieselkraft stoff, leichtes Heizöl
Rückstand (Long Residue)
-+
schweres Heizöl
• Petrol eum
245
7.2 Rohölverarbeitu ng (b) Vakuumde st illation
Die Vakuu mdest illation wir d angewandt, um die Bestandteile des Rückstands aus de r atmosphär ischen Destill ation (Long Restaues weiter aufzutrennen. Die be i Umgebu ngsdruck dafür notwe nd igen Temperatu ren wären aber zu hoch, die Kohlen wasserstoffketten würden aufb rechen (cracken ). Deshalb wird d ie Destill ation bei e inem Unterdruck von 10 bis 50 mbar du rchgefü hrt. Gegenüber dem At mosp härend ruck sinkt die Siedetemperatu r bei einem Unterd ruck von 10 mba r um etwa 150 "C. Das Einsatzprod ukt wi rd in einem Röh renofen so auf 360 bis 400 "C erhitz t und der Vakuum kolonne zugeführt. Der bei d ieser Temperatur noch flüssige Ant eil bleibt auf dem Boden der Kolonne, d ie dampfför migen Kohlenwasse rstoffe ste igen in der Vakuum kolonne auf, küh len dabei ab und kondensieren an ih ren Siede bereichen an Glockenböde n und werde n abgezogen. In der Vakuumdestillatio n werde n folgend e Prod ukte gewo nnen: • Vakuumgasö l
• Spindeliddestillate ,' fa schineniildestillate
)
Schmierid destillate
ZylilldeTllldesItttate
Short Residue
_
Bitumen
Auch die Vakuumdestillation ist also ledig lich eine physikalische Tren nung, da die Stru kture n der Kohlenwasserstoffe währe nd des Destillie rens nicht verändert werden.
Roh ölv erarbe itung
Roh ölv erarbeitung
Atmosphärische Destillatio n
Vaku um Destillation . . . . . . . ._'yAKUUM .GASÖL
ROHöL SCHMIERÖl. DESTILLA TE:
BENZIN E
PETRO LEUM
iiiiill-.-.
~~~~=: >
Bild 7.2 Destillationsverfahren bei der Rohölverarbeitung
MASCHINENÖl
. ..
l.J~~~~ tt t 11
SPINDELÖL
ZYLi NDERÖL
246
7 Kraftstoff und Schmie röl
7.2.2 Konversionsverfahren Als Konversionsver fahren werd en alle Prozesse bezeich net. mit denen der Molekü laufbau der Kohlenwasserstoffe verändert wird. Es sind chemische Umwandlu ngsver fahren. mit denen gez ielt Kohlenwasserstoffe mit bestimmten Strukture n hergestellt werden. Ausgangsstoffe sind d ie Destillationsproduk te. auch als Erdiilfraktlonen bezeichnet . Zerbricht man d ie langen Molekülketten in kleinere Moleküle, so nennt man d iesen Vorgang Cracken. Eine weitere chemische Umwand lung ist das Reformieren durch Entzug von Wassers toff. Ziel d ieser Konversionsver fahren ist die Umwandlung von vorhandenen, aber relativ wenig be nöt igten hoch molekularen Kohlenwasse rstoffen in niedrigmoleku lare re Verbindungen, z.B. Dttokraftstoffe, wenn mög lich kom biniert mit verbesserten Eigenschafte n.
(a) Th ermisches C racken Beim therm ischen Cracken werden bestimm te Erdölfra ktionen dur ch erhöhte Temperatur ohne Kata lysato r gespalten. Als Einsalzprodukte kom men hauptsächli ch Gasöle und Destillat ionsrückstände in Frage, d ie abhä ngig vom Einsatzproduk t z.B. Crac k-Benz in ergeben. Die Temperatu ren bet ragen zw ischen 400 und 600 "C. Beim thermischen Cracken können die hoch moleku laren Ausgangspro duk te am Prozessbeginn zu noch längeren Molekülketten polymerisiert werde n, wobei sie mit fortschreitende m Cracken da nn wieder zu kleineren Crackproduk ten mit den erwünschten kü rzeren Molekülketten abgeba ut werden.
(b) Ka talytisches Cracken Unter katalytischem Cracken versteht man Aufb rechen von Kohlenwasserstoff molekülen in Gege nwart spez ieller Crackk atalysatoren. Der Katalysato r selbst leitet Reaktio nen ein, len kt u nd beschleunigt sie, erfa hrt beim Reaktionsablau f abe r keine Veränderung. Beim katalytischen Cracke n bedient man sich eines staubförmigen Aluminium-Si likat-G emisches (AI 20 \/ Si0 2) als Katalysator. Im C ut-Cracker werden Vakuumdestillate und ähnliche Produkte un ter Anwendung des Katalysators in leichtere Prod ukte wie Gase, hochwertige Ben zine, Gasöl und schwe res Heizöl ze rlegt. Die beim C racken gewon nenen Benzine weise n höhere Oktanzahlen auf a ls Straight-runBenz ine. (c) Hydrocracken Das Hyd rocracken ist ein katalytisches Spaltverfahren in Gegenwart von Wasserstoffu nd einem hohen Druck (ca. 100 bar). Bei d iesem Verfahren werde n g roße Molekül e zerbrochen und die partiell ungesättigt en Verbindungen du rch Anlagerung (Bindung) von Wasserstoffatomen zu gesättigten Kohlenwasserstoffen hydr iert. Der für diesen Proze ss notwen dige Wasser stoff kann aus de m Refor mieru ngsprozess (s.u.), bei dem er freigesetz t wird, z ugefü hr t werden. Das Hydrocracken ist das technisch flexibelste, aber auch das teuerste Konversion sverfahren. Je nach Katalysator und Betriebsbed ingungen lässt sich d ie gewünschte Ausbeute bestimm en. So kann man im Hydrocracker entweder überwiegend Benzin oder auch Mitteldestillate erzeugen.
(d) Reformieren Das be i der atm osphärischen Destillation gewon nene Straight-ru n-Benz in hat nur eine geri nge Klopffestigkeit (ROZ == 40- 50 ). Auch beim Cra ck-Benz in reicht d ie Oktanzah l für d ie heute
7.3 Ott okraftstoffe
247
im Einsat z befind lichen höher verdichtet en Ottomot oren nicht au s. Aromaten und deren Homologe n haben e ine seh r hohe Oktanzahl (bis über 100). Es ist de shalb e ine de r gegebenen Möglichkeiten , du rch Dehydrie rung von Naphthenen und Dehydrocyclisieru ng von Paraffine n diese hochoctauigen Kompon ente n z u erhalten. Das Verfahren nennt man katalytisches Reformieren, Als Kata lysator wird Platin auf Bauxit [Platfor mat] gewä hlt. Der Druck im Reaktor bet rägt 20- 55 bar, die Temperatur 470 bis 520 "C. Wie vorstehend schon erwähnt ist de r im Platformer freigesetzte Wasserstoff ein wertvolles Prod ukt zur we itere n Verarbeitung und Vered lung von Kohle nwasserstoffe n.
7.2.3 Entschwefeln im Hydrotrester Schwefel ist ein - normalerweise uner wünschter - natü rlicher Bestandteil de s Erdöls. Je nach Lagerstätte ist der Gehalt z.T. stark unterschied lich. Für die Abtrennung des über wiegend chemisch geb unde nen Schwefels wird das Einsatzprodukt bei etwa 80 bar Druck und ca . 350 "C in Gegenwa rt eines Katalysators mit Wasserstoff behandelt. Unter den Proze ssbedin gu nge n wird de r Schwefel au s de n Kohlenwasserstoffmolekülen abgespalte n. Der entstehende Schwefelwasserstoffw ird in einer nachgeschalteten Anlage vom Produkt getrennt und durch den sog. Clau s-Prozess zu eleme ntare m Schwefel aufgearbeit et.
7.3 Oltokraftsloffe Ottokraftstoffe ("Benz in" ) bestehen aus Koh lenwasserstoffen mit vorzugsweise 4 bis I I C-Atomen im Siedebereich zwi schen 30 und 215 °C. Sie könne n auch sauerstoffhaltige Komponenten enthalten. Hochwertige Kraft stoffe enthalten dar über hinau s auch qualltäteverbesse rnde Zusätze (Add itive). Kraft stoffe müssen frei sein von anorganischen Säure n. sichtbarem Wasser und festen Fremd stoffen. Sie sind vorgesehen für Ottomotoren (ausgeschlossen Flugmoto ren). Ottokraftstoffe sind in de r euro päischen DlN EN 228 festgelegt und weiter unten aufgelistet. Detaill ierte Spezifikationen und Einzelheiten finden sich in [7.1].
7.3.1 Zusammensetzung von Ottok raftstoffen Ottokraftstoffe werden aus einer Vielzahl von Raffinerie-Kom ponenten aufgemischt. dere n wichtigste nachfolgend besch rieben werden. Chemisch gesehen bestehe n sie aus den Hauptgruppen Paraffine, Olefine, Aromaten und Alkohole/ Ether. Man unterscheidet je nach Herstellverfahren (vgl. voriges Kapitel): Ka ta lytisches Reformat Kata lyt isches Reformat (auch Platformat genannt) wird au s Rohben zin hergestellt und zeichnet sich durch sehr gute Klopffestigkeit aus. Mit steigender Klopffe stigkeit nimmt die Dichte und der Aromagehalt zu, Flüchtigkeit und Ausbeute dage gen ab.
Kata lytis ches Crack-Benzin Kata lyt isches Crack-Benzin - hergestellt durch Cracken von Rückstan dsol - weist eine gute Flüchtigkeit auf, aber nur mittlere Klopffestigkeit. Sie liegt im Bereich von Normalbenzi n. Crack-Be nzine habe n eine n hohen Ölefingehalt .
248
7 Kra ftstoff und Schmie röl
T herm isches Crack- Benzin T herm isches C rack-Benzin - in erster Linie ha ndelt es sich hierbei u m Rückläufe aus der Petrochem ie mit einem hohen Ölefingehalt - hat mäßige Klopffestigke it. akzeptable Flüchtigkeit un d hohe Dichte. Leichtsi edend e Komponenten Leichtsieden de Komponenten wie Buta n, Isopentan und lsomerisal weisen gute Klopffestigkeit, nied rige Dichte und hohe Flüchtigkeit auf. Isome risat besteht im Wesentlichen aus pa raffinisehen Kohlenwasserstoffen.
Sa uerstoffha lt ige Komponente n Sauers toffh alt ige Komponenten wie z. B. Met hanol, Tertiärbutylalkohol (TS A) oder Met hyltertidrbutylet her (M TS E) hab en sehr hohe Klopffestigke it. Aufgru nd des Sauerstoffgehaltes ist jedoch ihr Energ ieinhalt niedri ge r, so dass sie dem Benzin nur in geringem Umfang beige mischt werden kön nen. Die erlaubte n Zugabemengen sind außerdem durc h d ie be reit s erwähnte DIN EN-Nor m begre nzt.
7.3.2 Uner wü nschte Besta ndt eile im Otto kr aftsto ff In der natü rlichen Zusammensetzu ng des Rohöls sind Bestandteile enthalten, die uner wünscht sind, wei l sie Z.B. toxisch sind od er zu Schäden an Moto rbauteil en füh ren kön nen. Ihr Gehall im Kra ftstoffwird deshalb begr enzt bz w. müssen aus dem Kraftstoff entfernt werde n. Benzol Benzol ist ein natü rlicher Bestandteil des Rohöls. Daneben entsteht es wäh rend der Verarbeitung des Rohöls z u Benzin. Der in Europa z ulässige maxim ale Benzolgehalt im Benzin ist 1,0 Volumproze nt. Sch wefel Ak tiver Schwefel greift Meta lle an. insbesonde re Kupfer. Der Gesamtschwefel ergibt bei der Verbrennung Schwefeldioxid und Schwefeltrioxid. welche mit dem gleichzeitig entste henden Wasser schwefelige Säure oder Schwefelsäu re bilden, d ie bei Konden sat ion (K ältebetr ieb) Metalle korrosiv angreifen. Durch Schwefel kann auch die Wirkung des Katalysators beeinträchtigt werden. Niedrigste Schwefelgehalte deutlich unte r 0,01 % sind im Super Plus vorhanden.
7.3.3 Kra ftstoffzusätze (Add itive) Qua litativ hochwertige Ottokraftstoffe entha lten zur Leistungsverbesserung Wirk stoffe. soge nannte Additive. Diese werde n de m Kraftstoff in de r Raffine rie ode r de m Tan klager bei de r Befüllu ng der Ta nkwagen zugegeben. Du rch die Additive erhalten die Kraftstoffe zusätzliche Eigenscha ften, d ie für einen störu ngsfreien Betrieb erforderlich sind und d ie außerdem die Leben sdauer der Motoren verlängern. Weiterhin tragen sie zur Absiche rung niedr iger Abgasemissionen bei, ohne selbst negati ve Ausw irkunge n auf diese zu haben. Die Kraft stoffzu sätze bestehen aus Kohlen stoff. Wasserstoff, Sauerstoff u nd Stickstoff und erzeugen im Motor die g leichen Verbrennungsprodukte wie der übrige Kraftstoff. In um fangreichen Untersuchungsprogra mmen - angefangen bei Labortests bis hin zu Flottentests mit
7.3 Ott okra ftstoffe
249
marktüblichen Fah rzeugen - wird aus de n Einzelkomponenten ein abgestimmtes Wirkstoffsystem entw ickelt, da s effe ktiv in allen Ottok raftstoffsorten wirk t und laufend an die Motore ntechnologie angepasst wird. Additive sollen im Wesentlichen die Bildu ng von Ablagerunge n im Einlasssystem und speziell auf den Einlassventilen verhindern. Weiterhin können bere its vorhandene Rückstä nde - z.B. verursacht durch Verwend ung von nicht addi tiviertem Kraftstoff - reduz iert werden . Ablagerungen auf den Ventilen können zu spürbaren Betriebsstöru ngen des Motors - Z.B. Startproblerne, unrunde r Lauf - führe n. Veru rsacht durch eine verschlechterte Verbrennung, reduziert sich dadurch auch d ie Leistung, verbunden mit einem erhöhten Verbrauch und einem höheren Schadstoffgehalt im Abgas. Weiterh in geben Additive Schutz vor Korrosion, Z.B. werde n Bauteile aus Stahl, Bunt- und Leichtmetallen , wie Z.B. Fah rzeugt ank, Benzinleitunge n und das Einspritzsystem geschützt, indem die Metal1flächen mit einem Schutzfi lm überzogen und dad urch passiviert werde n. In Komb ination mit einem hochwertigen Motorenöl wird d ie Wirksamkeit des Add itivs hinsichtlich Motorensauberkeit noch verbes sert. Kraft stoffzu sätze, d ie vom freien Handel zu r zusätzlichen Additivierung dire kt in den Fah rzeugtank angeboten werden , bee influssen d ie Wirksam keit de r be reits in den Markenkraftstoffen vorhandenen Add itive und können negative Auswirkungen haben.
7.3.4 Wesenlliche Eigenscha fte n von Ottok ra ftstoffen Die Kraftstoffeigensc haften werde n durch d ie physikalische n und chemischen Kennwerte besch rieben. Motore nkonstrukt ion. Motorabstimmung und Kraftsto ffeigenschaften müssen aufeina nder abgestimmt sein. Die für Transport. Lagerun g, Eig nung für de n motor ischen Betrieb und den Ein fluss auf d ie Umwelt relevanten Eigenschaften und Mi ndestan forderungen sind in de r europäischen DIN EN 228 festgelegt. Sie können durch die eingesetzten Raffinerieverfahren, Auswa hl und Konzentration de r einzelnen Komponente n sowie dur ch Zugabe von Additiven beeinfl usst werden. In nachfolgende r Übersicht, Ta belle 7.1, werden die in der DIN EN 228 festgelegten Eigenschaften sowie die grund legenden Eckdaten und Anforderungen an unverbleite Kraft stoffe, so wie sie ab An fang de s Jah res 2000 zum Tragen gekommen sind, auszug sweise aufgezeigt. Auf die in der Praxis wichtigen Eigenschaften wie Klopffe stigkeit , Siedeverlauf und Abdampfrückstand wird etwas tiefer eingega ngen. Ottokraft stoff enthält, wie weiter oben bereits erwähnt, in begrenzte m Umfang sauerstoffh altige Kompo nenten , im Wesent lichen Alkohole oder Äther, die gez ielt zur Okta nzah lverbesseru ng eingesetzt werde n könne n. Ein weitere r Effekt ist eine bessere Innenkühlung, die den Oktanzahlhedarf des Moto rs herab setzen kan n. Bei allen Vorteilen muss abe r ganz klar der Nachteil möglicher Dichtungsunverträglic hkeite n und auch die potenzielle Gefah r der gefü rchteten Phasentrennungen bei Anwesenheit von Wasser, z. B. aus Kondenswasser, gesehen werden. Der Gehalt an sauerstoffhaltigen Komponenten ist u.a. dahe r begrenzt. Ab dem Jahr 2000 dürfen Ott okraft stoffe nicht mehr als 2,7 m% (Massenprozent) Sauerstoff in Form von sauerstoffh altigen Verbindungen enthalten . Reduziert wurde gegenüber 1999 auch de r Schwefelgehalt von bis dah in z ulässigen 500 mg/kg auf 150 mg/kg. Seit 2005 dürfen nicht mehr als 50 mg/kg im OUokraft stoff enthalte n sein.
7 Kraftstoff und Schmieröl
250
Für Motor räde r u.U. sehr nachteilige Auswirkungen kann die Begren zung des Dampfd rucks für die Sommerqualität auf max. 60 kPa ab dem Jahr 2000 haben, was durch einen ver ringerten Anteil nied rigsiedender Komponenten im Kraft stoff erreicht wird. Der Grund für diese Maßnahme ist die geringere Emission von Kraft stoffa nteilen aus den Tanks der Fah rzeuge im Sommer. Motorrädern mit Vergaser fehlt aber dann ein gewisser Anteil an leichtflüchtigen Kraftstoffb esta ndteilen. de r auch im Somm er zum problemlosen Kaltstart benöt igt wird.
Ta heüe 7.1 Unvcrbleirc Kraftstoffe (abschn ittsweise Auszug nach DiN EN 2211 - TeilI) Unverbleitc Ou okra ü stoffc nach DIN EN 228 Dichte bei 15
-c
Unterer Heizwert Ho
Super Pl us
Normal
Super
kgfmJ
720 - 775
720 -775
720 - 775
kJ/ kg
ca. 42 700
ca. 42700
ca. 42 700
ROZ
min . 911,0
mi n. 9l ,O
mi n. 95,O
MOZ
nun. sa,c
min.82,5
min. ll5,O
Bleigehalt
g Pb/I
rnax. 0,005
max. 0,005
max.O,005
Flam mpun kt
'c 'c
< 21
< 21
< 21
ca. 220
ca. 220
ca. 220
%
20 - 48
20 - 411
20 -48
%
22 -50
22 - 50
22 -50
%
46 - 71
46 - 71
46 - 71
%
46 - 71
46 -7 1
46 -71
bis 150 °C ( E 150)
%
min. 75
min. 75
min. 75
Siedee ndpunkt (FBP)
'c
ma x. 210
max. 210
max.2 10
Destillationsrüc ksta nd a ls Volume nant eil
%
max. 2
max. 2
max. 2
Da mpfdruck So mme r
kPa
45 -60
45 - 60
45 - 60
kP,
60 -90
60 -90
60 -90
Abdampfrückstand
mg/100 ml
max. 5
max. 5
max. 5
Benzolgehalt angegeben als Volumenanteil
%
max.
max.
max.
Schwefelgehalt a ngege be n als
mgl kg
150
150
150
Ölefingehalt Yolumcnantcilc
%
18
21
18
Aromate ngehalt Volumenanteile
%
42
42
42
Klo pffesti gkeit
Zü ndtemperat ur Siedeverlau f
insgesamt verdampfte Volu menanteile bis 170°C (E 70) Sommer Wintcr/Ü bergang bis 100 °C (E 100) Som mer WinterfÜbergang
Wintcr/Ü bcrgang
251
7.3 O tto kra ftstoffe Weitere se hr wicht ige Kriterien für den Kra ftstoff sind: (a) Klopffest ig keit
Unter Klopffestigkeit vers teht ma n d ie Fäh igkeit des K raftstoffes, die unkontrollierte Verbrennung (K lingeln bzw. Klop fen) , ausgelöst durch Selbs tz ündung, zu verh inde rn, vgl. Kap. 3.4.3. Die K lopffestig keit des K raftstoffs, deren Maßstab d ie Ok ta nza hl ist, muss g rößer sei n als d ie Ok tanzahlan ford erung des Motors, da andern falls der Motor klopft bzw. kli ngelt. 1m Gegensatz zur nor malen Verbre nnung, die sich z iemlich g leichmäßig mit ca. 20 m /s ausbreitet, entstehen beim K lop fen zu sätzliche urigesteuert e EntAammungen im verdichteten und erhitzte n, aber noc h n icht bren nend en Kraft stoff/ Luft-Gem isch, mit ste ilem Dr uckanstieg und etwa zehnfachen Verbre nnungsgeschw indigkeite n, Bild 7.3. Sie verursachen Übe rhitzung (verbund en mit Leistu ngsei nbu ße und verbra uchse rhöhung) und unzul ässige Triebwerksbelastu ngen, die z u Kolben-, Ventil- und Lage rschäde n fü hren. Die Ok tanzahl wird im l-Zylinder-Prü fmoto r (CFR-Motor) bestimmt, dessen Verdichtu ngsve rhält nis wä hren d des Bet riebes verändert we rden ka nn . Die Bes timmung der Ok tan zahl erfolgt du rch Verg leich mit M ischungen aus den Bezu gskraft stoffen norma l-Hep ta n (Oktanzahl = 0) und iso-Oktan (Oktan zahl = 100) . Der Volumenanteil iso -Oktan des Bez ugskraftst offs, der gleiche Klopfinte nsitä t hat wie der zu prü fende Kraft stoff, ist dessen Ok tanzahl. Die Bestimmungen der Klopffestigkeit im Prüfmotor (La bo r) erfolgen nach zwei Methoden: ROZ (Research Oktan Za hl 600 Ulmi n ; oh ne Gemischvo rwär mu ng) M aZ (Motor Oktan Za hl 900 Ulmin; Gemischvorwär mung 150 "c)
Druck im Zylinder Klopfende Verhrennung
Normale Verbrennung Zündung
Kolben in oberster Stellung Grad Kurbelwinkel
Verbrennung im Ottomotor Bild 7.3 Druckvcrlauf im Brennraum bei normaler und klopfender verbrenn eng
252
7 Kraftstoff und Schmie röl
Die ROZ beschreibt d ie Klopffestig keit des Kraft stoffs bei nied riger Motorend rehzahl und beim Beschleunigen. Die MOZ beschreibt d ie Klopffest ig keit des Kraftstoffs im oberen Geschwi nd ig keitsbereich, r . B. bei Autobahnfahrt. Die MOZ-Methode liefert niedr igere Oktan zahlen als die ROZ. da sie unter mecha nisch und thermisch härteren Bed ingu ngen e rmittelt wird. Die Mindestokta nzah l de s Kraftstoffs für klopffreien Betrieb wird vom Fahrze ughe rsteller in der Betriebsanleit ung angegeben. Um Motorschäden zu vermeiden, darf sie nicht unterschritten werde n. Sie ist abhängig vom Verdichtungsverhältnis, VOll der Zündeinstellung, dem Luft verbältnis, de r Brennraumgestaltung, den Betriebsbedin gu ngen und den Betriebsstoffen ( Kraftstoff und Öl). (b) Flü cht igkeit
Ott okra ftstoff ist ein Gem isch aus einer Vielzahl von Kohlenwasserstoffen. Der Siedepunkt dieser Einzelkomponenten wird maßgeblich durch ihre Molekülgröße (Anzahl der C-Atome) bestimmt. Der fertig gemischte Ottokraftstoff hat dah er keinen festen Siedepunkt, sondern einen Siedebereich. Wohlausgewoge nes Siedeverhalten ist eine wesentliche Voraussetzung für den Betrieb von Fahrzeug-Ottomotoren unter allen vorkomme nden Betriebsbedingun gen. Bild 7.4 zeigt beispielhaft den Siedeverlauf eines typischen Ott ok raftstofTe s.
Siedekurve I Flüchtigkeit Bed eutung für den motorischen Betrieb
Temp-
'e
......... IJ If-
Sau rkeit nd
t.Wtore ot.ve ün
ng
\~A
,.;1)1/ /
''''
v:71/
/.11'" /
Verb ud l
V::: ~ / V
-;" , ,/ ,/
lO +--+--+--t- +-+ -+--ti--+-+ --1 o +-+--1---l----1---1---+-j-'--I----I o 10 W m w w w ro 00 ~ ~ Verdampfte r Kr.fl,lnff.me,1 Vo1. %
Bild 7.4 Siedekurve Otrokraftstoff
7.4 Motorenöle
253
Leichte, d.h . niedr igsiedende Anteile sorgen für rasch es Anspringe n des kalte n Moto rs mit gutem Fahrv erhalten und niedr iger Abgase mission in der Anwä rmperiode. Zuv iel leichtsiedende Anteile können jedoch im Sommer zu r Dam pfblasenbildu ng. Schwere. d .h. hochsiedende Anteile sind einerseits erwünscht , da sie mehr Energie enthalte n als leichtsiedende ; zuviel schwersiedende Anteile können jedoch insbesondere bei Kaltbetrieb an den Zylinderwänden kondensieren . Sie gelangen in den Ölfilm u nd verdünnen das Motorenöl. Erhöhter Versc hleiß u nd Anstieg de r Schadstoffe im Abgas sind d ie Folgen .
(c) Abdampfrück st a nd Der Abdampfrückst and des Kraft stoffs gibt sowohl Hinweise über den Inhalt von Wirk stoffe n im Kraftstoff (Deterge ntien) als auch über z u erwartende Versch mutzung des Motor s du rch instabi le Kraft stoffant eile . Der sog. u ngewaschene Abda mpfrückstand. de r meist in öliger Fo rm gefunde n wird, beschreibt die Konzentration der im Kraft stoff vorha ndenen Wirkstoffe (Add itive). Nach Herauslösung der Add itive verbleibt der ..gewaschene Abdampfr ück stand'', beste hend aus harza rtigen Rückständen. Diese verursache n Rück stand sbildun g im Motor.
7.3.5 Renn k r a ft sto ffe Rennk raft sto ffe unterliegen üblic her weise noch engeren Spezifikationen als d ie kommerziellen Kraft stoffe an de n Tan kstellen. In ihre r G rundzu sammensetzu ng sind sie oft kaum von de n Kraftstoffen an den Tan kstellen zu unterscheiden . Sie sind heutzu tage ebenfalls unver bleit und sind in den Ok tan zahlen nu r noch ma rginal höher. Üblich bei Superbike- und GP-Qualitäten sind ma ximal 102 (ROZ ) und 90 (MOZ). Trotzdem lassen sich Mehrleistungen von durcha us 3 % und darüb er gegenüber den be sten Tank stellenkraftstoffqualitäten erreichen . Dies ist möglich durch den maximierten Einsatz von Kompon ente n, die z.B. eine hohe Flammgeschwind igkeit aufweisen. schnellen Energieu msatz ermög lichen oder durch eine g ute Innenkühlung den Liefergrad verbes sern und gleichzeitig den Ok tanzah lbedarfredu zieren können. Obwohl Rennkraft stoffe nor malerwe ise in jedem Motor einen Leist ungsanstieg bewirken, hat es sich aber gezeigt , dass d ie be sten Erfolge mit maßge schne iderten Rennkraftstoffe n möglich sind . So ist ein optimaler Kraft stoff für Zweita kter meisten s nicht d ie beste Wahl für einen Ren nviertak ter. und innerhalb d ieser G ruppe n g ibt es auch noch Potenzial auf maßgeschne iderte Optimierun g. Dies geschieht ideale rweise auf Motorenprüfständen bei gleichzeitiger Anpass ung der Motore n. In einem näch sten Schritt muss dann unte r Rennbedingungen auf der St raße oder im Gelände opt imiert werden, denn n icht nur die ma ximale Leistung zählt, sondern ebe nso wichtig ist eine optimale Kraftentfaltung unte r Ren nbedingungen. Der Motor muss .am Ga s hängen" und darf nicht träge reagieren.
7.4 Motorenöle Die Haupt aufgabe des Mot orenöles ist die Herabsetzu ng der Reibu ng zw ischen den sich bewegende n Teilen in Motor und im Motorrad üb licher weise auch im Getriebe. Durch die Ausbildung eines geschlosse nen Schmierfilms z wische n den bewegten Teile n werden d ie Kontaktoberflächen get rennt und so eine Berüh rung der Teile und ein Versc hleiß weitestgehend unterbunden. Bild 7.5 zeig t in ein er schematischen Darstellung den grund sätzlichen Mecha nism us der Reibung und die Wirkung des Schmierfi lms.
7 Kraftstoff und Schmie röl
254 Bauteiloberfläche (vergrößert)
Mischreibung Das scnrmerör bildet keinen geschlossenen Film, sondern fOllt nur die .Täler" der Oberflächenrauigkeit aus. Die Rauiqkeitsspitzen der Oberflächen berühren sich teilweise und werden durch die Bewegung allmählich abge tragen.
c> erhöhte Reibung, geringer Verschle iß
Flü s sigkeitsreibu n9 Die
Bauteiloberflächen
werden
durch
einen
gesc hlossenen Schm ierfilm vol lständig getrennt. Die Bauteile . scbwtmmen" infolge der Relativbewegung auf einem öccieter. Es tritt keine ae runrung der Oberflächen auf
c> geringste Reibung und keinerlei Ver-sc hleiß
BiId 7.5 Mischreibun g und Flüssigkeitsreibung und Wirkung des Schmierfil ms
Es muss gewä hrleistet sein, dass das Öl genügend gut an den Bauteiloberflächen haftet und auch bei hoher Belastung der Schmierfilm nicht .weggedriickt" wird und abreißt . Diese Eigenschaften werde n bei einem Öl durch maßgeschneiderte Kombination von geeignetem Grundöl und gezielte Zugabe von Additiven (Ölzusätzen) erreicht. Dabei ist z u beachten, dass das Öl neben seiner primären Aufgabe, näm lich • Schmieru ng und Verschleißschutz, noch eine Reihe anderer wichtiger Aufgaben zu erfü llen hat. Diese zusätzlichen Aufgaben des Schmieröls sind: Kühlung Wärmetra nsport Feinabdichtung Korrosionsschutz Neutralisation von aggressiven Verbrennungsprodukten Dispergieren ("in-Schwebe·halten") von festen Fremdstoffen und Sauberhalten des Motorinneren. Dabei muss bei der Entwicklung eines Öles sehr sorgfa ltig darauf geachtet werden, dass auch Aspek te nicht außer Acht gelassen werden wie: Verträglichkeit mit Dichtu ngen Verträglichkeit mit Abgasnachbehandlung ssysternen (Kata lysatore n) maxima le Umweltverträg lichkeit der Additivierun g, bis hin zur Mischba rkelt mit anderen Motorenöle n. Fast alle diese Aufgaben haben Öle z.T, noch bis in die 50er Jahre ohne den Einsatz von Additiven, also leistungsverstärkenden Komponenten, verrichten müssen. Verschleißprobleme z.B. im Ventiltrieb konnten damals zuweilen durch Einsatz eines dickere n Öles gelöst werden. Heutzutage ist das nicht mehr möglich. Neben hohen Temperaturen im Motor, Bild 7.6. treten im
255
7.4 Motorenöle
ßild 7.6
Tcmpcraru rbcrcic hc im Motor
Schmierfilm auch seh r hohe Drücke auf. Beispielsweise wirken an de r Konta ktstelle zwischen Noc ken und Übertrag ungselement ( Kipphebel, Stößel) sehr hohe Pressungskräfte. Der Druck im (sehr dünnen) Schmierfilm an dieser Stelle kann bis z u 10.000 bar bet ragen. Übe r da s sog. .blow by", einen norma lerweise geringen Anteil an v erbrenn ungsgasen. d ie während de r Verbrennung an den Kolben vorbei in da s Kurbelgehä use gelangen. wird mit den heiße n Abga sen unverbran nter oder nur teilweise verbrannter Kraftstoff und Wasser aus dem Verbrennungsprozess in da s Motorenöl eingetragen. wie auch saure agg ressive Verbrennungsprodukte. Erst in den 40e r Jahre n wurden den bis da hin eingesetzten reine n Mineralölen Zusätze, d ie sogenan nten Additive, zugegeben. d ie zu einer deutlichen Verbesseru ng der Leistungsfähigk eit de r Öle führ ten . Damit war ein wichtiger Schritt getan, der den Ingenieu ren in der Fahrzeugentwicklung eine wichtige Voraussetzung fü r d ie Konstrukt ion leistungsfähige rer Agg regate bot. Heutz utage sind z. 8. die Vent iltriebe der Viertak tmoto ren so hoch belastet, da ss sie nicht mehr ohne Verschleißschutzadd itive im Motore nöl überleben würden. Selbst ein Öl höchster Viskosität wä re hier ohne Verschleißsc hutzadd itiv vollkom men über fordert. Moderne Vierta ktmotore nöle beinhalte n heute je nach Qu alität zwischen 5 und 25 % Additivpaket. d. h, einen Cocktail aus in Grun döl vorgelösten Add itiven mit den verschiede nsten Aufgaben. Das ist da s eige ntliche Leistungspaket mode rner Öle. Bevor d ie wesentlichsten Typen dieser Add itive und de ren Aufgaben erklärt werden. soll aufd ie verschiedenen Grundölty pen eingegangen werden.
256
7 Kra ftstoff und Schmie röl
7.4.1 G r undöle (a) :\I ine ra löle
Die Gewi nnung von Schmie rölen für Motor und Getriebe erfolgt hauptsäch lich aus Erdöl, das in chemisch-physik alisc hen Verfahren aufb ereitet wird. Die G ru ndverfahren zu r Trenn ung de s mine rali schen Rohöls in verschiedene Produktgruppen wu rden im Kap. 7.2 be reit s ausfüh rlich erläute rt. So liefert d ie Destillation als Ausga ngsprodukt für die weitere Schmie rölherstellung Kohlenwasserstoffe mit 20 bis 35 Kohlenstoffarome n. Dieses Destill at e nthält aber noch u nerwü nschte Bestandt eile. die im Motorb etrieb zur beschleunigten Ölalterung sowie zu r Bildun g von Säuren und Öisch lamm füh ren wü rden. Daher muss da s Destillat durch Raffination sverfahre n weiter veredelt werden. Bei dieser Raffination werden spezifische, schädliche Kohlenwasse rstoffkompo nenten durch Lösungsmittel weitgehend au s dem Öl herausgewaschen . Ein weiteres Raffinationsverfahren ist das Hyd rieren, be i dem durc h Anlageru ng von Wasserstoff ungesätt igte Kohlenwasserstoffe in gesätt igte, alterungsstabile Verb indunge n umgefo rmt u nd Schwefel u nd Stickstoffverbindu ngen aus dem Öl entfernt werden. Das so entstandene Raffin at d ient als Grundöl fü r d ie weitere Schmierölherstellung. Aufgrund de r vielfältigen Verzweigu ngsm öglich keiten von langkettige n Kohlenwasserstoffmolekü len (vgl. Isomeriemöglich keiten weiter oben) sind die Moleküle eines minerali sche n Gr undöls jedoch niemals einheitlich stru ktur iert, sondern be stehe n immer aus verschiedenen Komponenten. Mineralöle haben den Vorteil einer relativ preisgünstigen Herstellung. In Kombi nat ion mit einem leistu ngsfähigen Additivpaket sind durchau s g ute Motorenölqualitäten herstel lbar. Es sollte aber vom Einsatz nied riger Viskositäten im Motorradmo tor abgesehen werden, insbesondere aus Gründen einer nu r margin alen Verdampfungsstabilität niedrigviskoser Mineralöle. (b) Syn thet ikö le
Einen wesentlich gleich mäßigeren chemischen Aufb au haben hingegen sy nthetische Schmieröle. Diese werden aus Spaltprodukten des Erdöls gew isse rmaßen als Maßa nferti g ung gezielt aufgebaut, sie sind also auch Kohlenwasserstoffe. Dazu wird Rohben zin aus der Erdöldestillation durch Crac ken zunächst in sehr kur ze, einfach gebaute Moleküle zerlegt (z.B. in ga sförmi ges Ethen). Anschließend werden d iese Gasmoleküle in mehreren Verfahrensschritten wieder zu langkettigen Kohlenwasserstoffmolekü len planmäßig z usammengesetzt (Poly-Alpha-Olefine, PAO ), wobei durch da s Syntheseve rfahren sich d ie gewünschte Molekülstruktur einstellen lässt. Eine Vakuumdes tillation trenn t bestimmte Molek ülg rößen ab und eine Hyd rieru ng sätt igt verbleibende instabile Molek ülbindungen ab. Das Ergebn is ist ein vollsy nthetisches Gru ndöL Aufg rund seiner planmäßigen chemische n Struktur und den stabilen, abgesätt igten Bindu ngen bleiben die chemischen Veränderu ngen in den Ölmolekül en unter Temperatureinfluss im Betr ieb klein, so dass sy nthetische Öle neben den gesamthaft bessere n Sch mierstoffeigenschaften auch eine sehr gute Alteru ngsbeständigkeit habe n. Sie werden im Pkw-Bereich bevorzugt als sogenanntes Leic htlaufdl eingesetzt. Im Moto rrade insatz ist von Pkw-Leichtlauföten abzu rate n, da die niedrige Grundölv iskosität zu Verschleiß im integ rierte n Getriebe führen kann. Die als Additiv hinzugefügten und fü r Pkw-Motoren sinnvollen Reibwertmi nderer. die zu r Kraft stoffeinsparung beitragen , begünstigen be i Motor räde rn mit Nasskupplung das Durchrut schen der Kupplung im Betrieb. Andererseits weisen Synthetiköle. d ie gezielt für Motorr äde r entwickelt wurden (also nicht zu dünn ausgelegt und ohne Reibwertminderer) eine Reihe nennen swerte r Vort eile auf. So führt da s überlegene Kaltfließverhalten z u schneller Durchölung nach dem Kaltstart. Das ist auch
7.4 Motorenöle
257
im Sommer vorteilhaft (geringerer Kaltstart -Verschleiß). Die vergleichsweise bessere Verdampfungsstabilität brin gt geringeren Ölverbrauc h mit sich und bessere Schmiersicherheit. Professtonelle Rennteam s setzen daher generell Synthetiköl ein. Au ßerdem besitzen Synthetiköle eine "eingebaute Mehrbereich scharakte ristik'', kommen also mit weniger Viskosit ätsind exverbesse rem aus und können somit scherstabiler ausgelegt we rden. Auch für die Motorsauberkeit hat dies Vort eile. Auf die Viskositätsindexverbesserer wird später noch ausführlic her eing egan gen .
(c) Hydrocr acköle Ein weiteres Verfahren zur Erzeugung von verbess erten G rundö len aus Erdöl ist da s teilweise Cracken von Raffinatprodukten in ein er Wasserstoffatmo sphäre unter Verwendung spez ieller Kata lysatoren. Es entstehen kür zere Schmierstoffmolekü le. die aufg run d des Herstellverfahrens eine bevorzugte, gewünschte Molekülstr uk tur aufweisen . Diese als Hydrocracköle bezeichneten Grundöle liegen in ihren Eigenschaften näher bei den synthetischen Ölen , gehören aber noch z u den mine ralischen Ölen , weil die Moleküle der Kohlenwa sserstoffe nur verändert, nicht aber vollständig neu aufgebaut (synthetisiert) werden. Ein ganz besondere r Vorteil von Hydrocrac kölen liegt be i den qua litativ höherwer tigen Typen (X HVI) in einem sehr hohen Viskositätsindex, de r teilweise noch über denen sy nthetischer G rundöle (PAG ) liegt. (d) Teil syntheti sch e Ö le Mischunge n von synthetischen Ölen und Mineralölen werd en als teilsynthetische Öle bezeichnet. Insbesondere im Pkw-Bereich werden Min eralölen oft Ant eile von Synthetiköl z ugegeben, um so die Verdampfungsneig ung zu reduzieren.
7.4.2 Additive (a) v er schl elü schu tzaddltl ve Diese Add itive (im Motorenöl üblicherwe ise Zink-Dialkyldithiopho.vphate, ZnD DP) legen sich schütze nd zw ischen die Metallg leitpaarungen. wenn der Dru ck so stark anste igt, da ss der Ölfilm komp lett weggedrückt wi rd. Daher werde n d iese Add itive auc h EP-Addilh'e gena nnt (extre me pressure). Sie sind chemisch reakt iv, bauen allmählich eine n Schutz film auf und vermeiden so den Kontakt von Metall zu Meta ll. der sonst zu Fressverschle iß führen wü rde. Neue, noch nicht eingelaufene Motoren. müssen die sen Schutzfilm erst langsam während der Einlaufpha se aufbauen . Zin k-Dialkyld ithiophosphate werden be i der Erfüllu ng ihrer Aufgabe zerstört, sind also irgendwann aufgeb rauc ht, weswegen Ölwech sel oder zuminde st Öln achfü llungen so wichtig sind. Zn DDP brau chen ein Minimum an Öltemperatur, um überhaupt ihren Schutz aufzubau en. Es gib t ZnDDP, die bei relativ niedri gen Öltemperaturen bereits ak tiv werden (sekundäre ZnDDP) und andere, die erst be i hohen Temperaturen optimal schützen. Daher ist beim Einfahr en eines Motors auch erwün scht, da ss ein weites Temperaturprofil erreicht wird, ohne den Moto r bereits zu stark z u bela sten. (b) An tioxida nt ien Öl unterliegt als ein Natu rprod ukt einer natürlichen Alteru ng. Alte ru ng tritt ein. wenn da s Öl mit Lu ftsauerstoff reagiert. Die Alteru ng, dur ch d ie ein Öl me hr u nd mehr eindi ckt, ist sehr stark von der Temperatur abhängig. der ein Öl ausge setzt wird . Eine Faustregel be sagt, da ss bei durchschnittlich 10 °C höherer Ölte mperatur eine doppe lt so rasche Alteru ng eintr itt. Al so
258
7 Kraftstoff und Schmie röl
altert ein Öl. das durchsch nittlich 110 "C im Ölsumpf aufweist. doppelt so schnell wie eines. da s im Durc hschnitt 100 "C aufwe ist, müsste also genau genommen doppelt so häufig gewec hselt werden. Antioxidantien machen da s Öl in dieser Bez iehung unempfindlicher, so da ss bei Einhaltung de r vorgeschriebe nen Ölwech selintervalle eine Eindickung dur ch Alterung normalerweise vermieden werden kann. Dies ist auch erwü nscht, da eingedicktes Öl unnötig Leistung und Kraftstoff kostet. Wichtige Antioxida ntien sind Phenole und Amin e. Übrigens wirken auch die oben be reits gena nnten Zink-Dialky ld ithiophosphate als Antioxida ntie n, reichen aber allein üblicherweise nicht aus. (c) Det er genrfen Detergentien sind "Waschmittel", d ie den Motor innen sauber halten . Werden z. B. die Kolben nicht sauber genug gehalten, kan n es zu Ringstecke n kommen . Zunächst treten dann .kaltfeste" Kolbenringe auf. Der Motor hat in ka ltem Zustand unzu reichende Kompression und springt schlecht an. In warmem Zusta nd lösen sich d ie Ringe abe r wieder und d ie Kompression ist in Ordnung. Schlimmer wird es, wen n .heißfeste" Ringe auft rete n, die dann auch im heißen Motor nicht mehr kor rekt abdichten. Die heißen Abgase streichen dann mehr und meh r ungehindert am Kolbenhemd vorbei und heizen den Kolben so auf, da ss es durch die thermisch verursachte Ausdehnung des Kolbens zum Kolbenfresser kommt. Trotzdem, ein Zuviel an Detergentien kann auch schade n. Dete rgentien sind besonders reichhaltig in Hochleistu ngsölen für Lkw enthalten, da hier der ins Öl einget ragene Ruß von den Metallobe rflächen abgewaschen werden soll. Trotzdem sind d iese Hochleistungs-Lkw-Öle fü r Benzinmotoren nicht gee ignet, da Detergentien bei de r Verbrennung, wie sie beim Ölverbrauch im Brennraum des Motors auftr itt, Metallmoleküle an de r Brennraumoberfläche hinterlassen, d ie bei zu hoher Dosis an Detergenti en zu Glühzündungen mit nachfolgendem Motor schaden führen können. Chemisch gesehen sind Detergentien soge nannte Metallsalze wie Sulfonate, Phena te und Salieylate, d ie meistens das Meta ll Calciu m enthalten. (d) Dlspergentlen Diese Additive halten die Fremdstoffe im Motorenöl in der Schwebe, dam it sie beim nächsten Ölwechsel mit dem Altöl den Motor verlassen. Dabei ist schwarzes Öl ein Zeichen dafür, da ss die Dispergentien gut ihrer Aufgabe nachkom men. Sauberes Öl beim Ölwechsel ist eher bedenklich, denn wenn d ie Fremdstoffe nur unzu reichend in Schwebe geha lten werden, kann es zum gefürchteten Schwarzschlamm kommen. Erfreulicherweise sind Motorräde r davon, im Gegensatz zu Pkw, so g ut wie ga r nicht betroffen. Als Dispergentien werden z. B. Succinimide eingesetzt. {e) Flie ßver besser er Diese Zusätze sind besonders wichtig im Einsatz unter strengen Winterbe ding ungen. Öle werde n dadurch wintertauglicher gemacht. Doch schütze n sie den Motor auch bei einem Kaltstart unter sommerlichen Temper aturen. Der Motor springt nicht nur besser an, sonde rn die Schm ierstellen werden auch schneller mit Öl versorgt, wodurch der Versch leiß weiter reduz iert wird, denn Kaltstarts belasten Moto ren bekanntlich überpropo rtional hoch. Als Fließverbesserer werden z. B. Potymethy lacry late eingesetzt. ( f) Buntmet aupasstvaroren
Buntmeta lle wie Ventilschaftabdichtungen aus Messing kön nen durch d iese Add itive zusätzlich vor dem Angriff agg ressiver Substanze n im Gebrauchtöl geschützt werden.
7.4 Motorenöle
259
(g) Dichtu ngsverr r ägti chkeirsverbesserer Es ist wichtig, die empfindlichen Gummidichtlippen besonders zu schützen. Es dürfen weder Quellung oder Aufweichung noch Verhärtung auftreten. Über gekonnte Additivierung und G ru nd ölkomposition (z.B. Ester) kann man hier viel zum Schutz der Dichtungen erreiche n. (h) Scha umdä mpfer Gerade hochdrehende Motoren sollten vor der Bildung von Oberflächenschaum geschützt sein. Wird Luft oder lufthaltiges Öl engesaugt. kann es rasch zu einem Zusammenbruch des Schmierfilms kommen. Gleitlager können dadurch über kurz oder lang zerstört werden. Insbesondere Kavitat ion, also eine Ar t .H öhlenbildung" durch .Jvlikroexplosionen" in Bereichen des Lagers, wo der Öldruck stark abfällt, kan n hier in hochbelasteten Gleitlagern auftre ten. Hier können übrigens auch leichtflüchtige Bestandteile im Öl wie eingetra gener Kraftstoff eine Rolle spielen. Als Schaumdämpfer werden üblicher weise geringe Mengen an Silikonöl zugegeben. (i ) Reibwer- tminderer
Reibwertminderer können den Leichtlauf eines Motors verbessern und so helfen, den Kraftstoffve rbrauch geringfügig zu senken oder die Leistung etwas z u erhöhen. Größe nordnungen von deutlich mehr als 0,5 % sind aber nicht zu erwarten. Reibwertm indere r werden bevorzugt in sogenannten Leichtla ufölen fü r Pkw eingesetzt. Wie im Abschnitt über Synthetiköle schon erwähnt können Reibwertmindere r in Motorrädern mit Nasskupplung zum ber üchtigten Kupplungsrutschen führen. Deshalb werden diese Zusätze normalerweise in Schmierölen. die speziell für Motorräder konzipiert wurden, nicht verwendet. Selbst fü r Motorräder mit Trockenk upplung ist vom Einsatz von Pkw-Leichtlaufölen eher abz uraten, da diese Öle generell oft zu dün n für die spezifisch viel höher belasteten Motorradm otoren sind. Auch die Getriebe, sofern sie vom Motoröl geschmiert werden, reagieren empfindlich und mit Verschleiß an den Zahnflan ken auf ein zu dünn es Öl.
7,4,3 Viskoslt ätsl ndexverbesserer Öle besitzen nat urgemäß eine gewisse "Zä higkeit". Diese ist vergleichsweise hoch bei niedrigen Temperaturen (hohe Viskosität) und nimmt bei steigenden Temperat uren deutlich ab (niedrige Viskosität). Idealer weise könnte man sich ein Öl vorstellen, das bei jeder Temperatur die gleiche Viskosität aufweisen würde. D.h. bei Kälte ermöglicht es einen leichten Motorsta rt und ist schnell an den Schmierstellen im Motor verfügbar. Gleichzeit ig würde solch ein ideales Öl bei ther misch hoher Belastu ng nie zu dünn werden. Leider gibt es solche Öle nicht, und so muss ein technische r Trick weiterhelfen, Ölen wenigstens annähernd solch ei ne Charakteristik, also eine sogenannte " Mehrhereichs-Charakteristik", z u geben. Hierzu gibt es zwei Möglichkeiten, die auch miteinande r kombiniert werden können. Zunächst kann übe r eine geeignete Grundölauswahl bere its eine Mehrbereichscharakteri stik e rreichen. Synthetische Öle und insbesondere die höherwertigen Hydrocracköle besitzen hier gute Ausga ngseigenschafte n. Dann kan n man Wirkstoffe, sogenannte Viskosit ätsindexverbesserere r, zugeben. Diese Vl-Verbesserer sind sehr große Moleküle, etwa 2· bis 3000 mal so groß wie Ölmolekille. Im kalten Zustand sind sie - vereinfacht ausgedrückt - zusammengeknäult und dicken das Öl nur wenig ein. Im heißen Zustand ent kn äulen sie sich aber so stark, da ss sie das Fließen der Ölmoleküle behindern. Dies führt zu einer erwünschten Bremsung des Dünne rwerdens des Öles bei hohen Temperaturen.
260
7 Kraftstoff und Schmie röl
Leider können Vl-verbesse rer unt er hoher Scherung zerschnitte n werde n und somit ih re Wirkung verlieren. Zusätzlich neigen sie dazu. den Motor ga nz besonders an heißen Stellen wie im Kolbenbe reich zu verschmutzen (z. B. Kohlebildung in der ersten Kolbenriugn ut). Gerade in Motorradmotoren. in denen nicht nur im Ventiltrieb sehr hohe Scherkräfte auf das Öl wirken, sondern zusätzlich ganz besonders im integrierten Getriebe und a n der Nasskupplung. Daher sollten im Motorradöl v l-ve rbesserer nur sparsam zudosiert werden. Auf unnötig große Viskositätsspa nnen sollte verzichtet werden , da da nn sel bst ein hochwertiges synthetisches Grundöl g roße Mengen an Vl-Verbesse rem benötigt. In Straßentesten mit Motorräd ern konnte gezeigt werden. dass synthetische Öle mit mode rater Viskositätsspanne pro 1000 km etwa d rei Prozent ihrer Viskosität durc h Scherung verloren, während selbst synthetische Öle. aber mit hoher Viskosit ätsspanne, über 16 Prozent pro 1000 km verloren.
Temperatu r
•
niedrig
.. hoch Grundöl wir\o;l als Lösungsmi ttel
•
schlecht
verknäult
konoo e Lösung Micelle
.. gut
Polymeres
•
•
entknäult echte Lösung
Bild 7.7 Wi rkungswe ise von v l-vc rbcsscrcm
,
<
•> 0
•
5
<
I
Mehrberei chsOl
SAE lQW40
0 0
l
0
8 111!11801
B ild 1.l'1
Mehrbereic hs-Charakter istik durch Einsatz von vl-vcrbcsscrc m (schematisch) -20
0
50
rerrceraicr l'cl
100
7.4 Motorenöle
261
Als vl-v erbesserer werden z. B. Potyotefi ne. Polyisobutene. Styrol / Olefi n - Copo tymere und Polyacryloie eingesetzt. Bild 7.7 zeigt schematisch die Wirkungsweise von vl-Verbesserem. Bild 7.8 zeigt das gru ndsätzliche Viskositäts-Temperaturverhalten eines IOW-EinbereichsBasisöles. das durch Zusatz VOll vl-verbesserer auf ein IOW-40 Mehrbereichsöles eingestellt wu rde, also gleichzeitig SAE 40 mit abdeckt.
7.4.4 Kla ssifizierung von i\lotorenölcn Eine Klassifizierung von Motorenölen wird nach Viskosität und Qualität vorgenommen. Dabei ist zu beachten, dass eine Viskositätsangabe keinerlei Rückschlüsse auf die Qualität erlaubt. Auch bringt eine zu große .,Spannweite" in der Mehrbereichschara kteri stik ganz besonders in Motor radmotoren mehr Nachteile als Vorteile, wie oben bereits beschrieben, und ist überhaupt kein Indiz für ein besonders "gutes" Öl. [a} Klassifizier un g nach der Viskosität Die nachfolgende Tab elle 7.2 zeigt die gegenwärtig gültigen Viskositätsklassen für Motorenöle. Ta be lle 7.2 SA E-Viskosi tä tsgrade fiir Moto renö le (SA E DOO rcv, 1995-Dl N 51511) SA E;'
Visku si -
t ät sklusse
prakt ische " Ve rt~ ll' ic h ST.ä h i::: kt' it ..
M u . Visko sit ät' ,mPa ' sI bei Temp. - C ...... m aximale
Tfc ft em pcret un isk usil ät
OIV SIV
K inemat ische Yiskositä t' "
Imm2fsl hel 100 oe
dü nnt1üss ig fast wie Wasse r
mi n.
ma x.
3250 bei - 30 3500 bei - 25
3,8
10IV
3500 bei - 20
4,1
"IV 20IV
3500 bei - 15
S,6
4500 be i -IO
5,6
25IV
6000 bei - 5
9,3
20
S,6
< 9,3
30
9,3
< 12,5
40
12,5
< 16,3
so
16,3
< 2 1,9
21,9
< 26,1
60
sehr zäh t1üssig fast wie Honi g
AST M D 2602 (Co ld C ranki ng Simulator) ••• AST M D 445 (niedrige Sche rgefälle . Ka pillare) Anmerkungen zu r Tabelle 7.2: -
Das W hinter den Za hlen steht für Winlert a uglichkcit.
-
Die maximale Tieftemperatu rvis kositä t zeigt die Kälteeigenschaften de s jewei lige n Ö les. Diese "Viskosität " gibt einen Hi nweis auf da s Kaltstart verhalten eines mit diesem Ö l geschm ierten Motor s und w ird zu r Spez if iz ieru ng von ,.Winter"- Klassen bei Motorenölen benutzt .
-
Die kinematische Viskositä t eines Molore nöles bei 100 °C wird benutzt , um die Viskosität bei höheren Temperaturen zu klassifi ziere n.
262
7 Kraft stoff und Schmie röl
(b) Klassifizie rung nach der Qualit ät Die SAE -Klassi fizierung bezieht sich, wie schon erwähnt, aussch ließlich auf d ie Viskositä t und lässt keine Rückschlüsse auf d ie Qu alität . den vorgesehenen Einsatzz wec k (z. B. Ott omotor, Dieselmotor ode r Lkw) und d ie Leistungsfä higkeit des Öles zu. Aus diesem wurden we itere Klassifiz ier u ngssystem e eingeführt. d ie d ie Leistungsfähigkeit des Öles kennzeichnen. Erst seit 1999 gibt es auch eine Spez ifikat ion fü r Viertakt-Moto rradöle. die Mm dest-Q ualit ätsan forder ungen festlegt. MI L-Spezi fikation
Die M IL-Spezifikationen gehen auf Anforderungen de r ame rika nischen Armee zurück und hat keine direkte Bedeutung.
ruf Motorradöle
A P I-S pez ifika tioße ß Die erste Klassifik ation wurde 1947 vom Ame rican Petroleum Institut (A PI) für den dam als schon riesigen Pkw-Ma rkt der USA eingefüh rt. In bezug auf d ie Pkw-Motorenöl-Qua lität war sie jahrzeh ntelang weltweit das Ma ß aller Dinge. Seitdem sind laufende Rev isionen erfolgt. Für Motorradöle stellen diese A PI-Spez ifikatio nen für Ott omotoren (Tabelle 7.3) auch heute noch ein G rund maß an Q ualitätan forderu ng dar, obwo hl keine Motorrad motoren bzw. Motoren ähn licher Konstruktio n in die Motorenöltestsequenzen ei ngebunden sind. Bedeutung für moderne Motorrä der habe n d ie Klassifikationen ab A PI "SE", die älteren Klassen ..SA bis SO" sind nur der Vollstä nd igkeit halber aufgefü hrt.
Tab ell e 7.3 A p t-Spc zifikauo ncn für Pkw-Onornotorcnölc AP I SA
Unleg ierte Mineralöle; Schaumdä mpfer und Stockpunkt verbesserer kö nnen enthalten se in.
A PI SB
Öle m it geringen vcrsch jciß-, Alter ung s- und Korrosionssch utzz usät zen. Seit 1930
A PI SC
Öle m it er höhte m Schutz gege n Frcssvcrschlciß, O xidatio n und Lagerkorrosion. Zusätzlic he Wirk stoffe gegen Kaltsc hla m m und Rost. Decken die A nforde ru ngen der Ug-Auromobü hcrsrcllcr von 1lJ64 - 1lJ67 ab.
A PI SD
Gege nüber SC verbesserte Ölqu atnät. Die A nforder ungen der Ug -Automo bilhcrsrcllcr bis 1971 werden abgedec kt.
AP I SE
Gege nüber SD verbe sserte Ölq ualität, fü r die höheren A nforderungen der US-Automobilherstelle t von 1972 - 1979
AP I SF
Im Vergleich zu SE erhöhte Oxidunc nsstabilität. verbesse rte r Verschleißs chutz. bessere Motor sau berkeit un d Verr ingeru ng der Kaltschlammbildung. Erfüllt di e A nforde rungen der Ug- Auromobilc der xucr lahre
A PI SG
Obe rdec kt SF. Darü ber hinau s Schutz gege n Schwarasc hlamm und O xidatio n sow ie Verbesser ung des Verschleißverhalte ns. Für US·Automobile ab 1988
AP I SH
Seit 1992 giihig. Deckt SG ab; zusät zliche A nforderungen an Verd ampfungsve rlust. Filtrierbar kcit. Schaumverhalten
A PI Sl
Erhöhte Anforde rungen an Verdampfungsve rlust, Schaumverhalten. Filtrierbarkeit und Schlammbild ung
7.4 Motorenö le
263
CC ~ l C- Speztfik a tIonen
Die CCM C-Spez ifikationen sind zwische nze itl ich durch d ie ACEA -S pez ifikationen abgelöst worden (s. u.) und somit veraltet. AC EA- Spez i f k at lonen Ab 1996 w urd en d ie CCM C-Spe zifikationen durch die weiter entw ickelten ACEA -Sp ezifikationen (Ass ociation des Constructeu rs Europeens d'A utomobiles) ersetzt , sie stel len damit die de rze it akt uel lsten Norme n fü r europäische Motoren einer europäischen Vereini gung der Auto mobilhersteller da r. Die neuen ACEA-S pez ifikationen de finieren Mindestan forde rungen an Kfz-Motorenöle, die sowohl in chemisch-phys ikalischen Laborprüfun gen als auch in Prüfstandstests in moderne n Vollm otore n nachgewiesen werden müssen. Seit 1996 gelten d ie Spez ifikat ionen für Ott omotoren, Tabe lle 7.4. H ier sind allerdings wiederu m kein e Mot orradmotoren in die Testsequenzen eingebunden. Tab elle 7.4 ACEA.S pczifikatiollcli für Pkw-Ouomotorcnölc
STA NDARD·Motorenöle A 2-96 (2)
STA NDARD·Motore nÖle erhöhte A nforderunge n in den Pu nkte n: Verdampfungsverl ust HT HS Viskosität Viskos itätsstabilität bei hohen Temperaturen u nd hohem Scherge f:ille
A 3-98
PR EM IUl\l -Motorenöle erhöhte Anforderungen in den Punkten: Viskos itätslagenstabilität (stay in g rad e) Scherstabilität Verdampfungsve rlus t Kolbensaub erkei t Verlac kung
HT HS-Vis kos itä t = high tc mpcra turc , hig h shcar viseosity, d.hViskositilt bei hohen Tempera turen unter höher Sehe rbcanspruehung
J ASO Viertakt-Motorradmoto r enöl- Spez ifik at ione n Bisher wa r es übliche Praxis viele r Motorradherstel ler, Motorenöle z u empfehlen , die A n forderungen fü r Pkw-O ttomotoren erfüllten. Öle dieser Kategor ien wa ren weltwe it verfügbar und die Moto rrad motoren wurden so ausgelegt, dass sie selbst mit integ rier tem Getriebe und Nasskupplung (Ge triebe und Kupplu ng in einem Krei slaufmit dem Motorenöl) mit den angebotenen Ölqu alitäten fü r Pkw oh ne Proble me zurec ht kam en. Somit war es in der Verga ngen heit n icht unbedin gt erforderlich, ein e eigene Kategori e von Motorenöle n spez iell für Viert akt motorräd er zu entw ickeln.
264
7 Kraft stoff und Schmie röl
In den verga ngeneu Jah ren haben sich aber in de r Motore nölent wick lung fü r Pkw Tende nze n ergebe n, die ein zu nehmendes Diverg ieren de r Anforderu ngen von Pkw- und Motorradmoloren zu r Folge hatt e. So wurden au s Gründen de r Kraftstoffeinsparu ng be i de r Entwic klung von Motorenölen fUT Pkw zu nehmend sogenannte Leichtlauföle entwi ckelt. Dazu wu rde vermehrt Grundöl niedriger Viskosität eingesetzt. Wie in den vorangegangenen Abschnitten bereits erwä hnt, ka nn dies abe r bei Motorradmotoren m it integr iertem Getriebe z u Getriebeverschleiß führen (Pitting. k leine Marenalausbrüche) . Reibwertver minderer, auch darauf wu rde schon mehrfac h verwiesen, d ie den Pkw-Leichtlaufölen zugegeben werden, führen be i Nasskupplungen du rch Festsetzen dieser Add itive auf den Kupplungslam ellen zum Dur chrut schen der Kupplung. sobald ein erhöhtes Drehmoment vom Motor abgefordert wurde. Durch den reduz ierten Reibwert de s Öles an der Kupplung kan n der Kraft schluss ab einer bestimmt en Last verlorengehen. Zunächst reag ierten manche Motorradhersteller mit dem Verbot moderner Motorenöle (z.B. Verbot von API SH oder SJ Ölen. ode r ganz pauschal mit dem Verbot sy nthetischer Öle). Es muss an dieser Stelle aber nochmals festgestellt werden, da ss weder die genan nten Apl-Spezi fikation en , noch sy nthetische Öle für das Kupplungsrutschen verantwo rtlich gemacht werd en können . Vielmeh r ist es die Additiv ierung de s Öles mit Reibwer tminderem. Um kün ftig d iese Probleme zu vermeiden. wurde 1999 seitens JASO eine Spezifikation veröffentlicht. die g rundlegende Anforderungen an Viertak t-Motorenöle spez iell für Motorräder festlegt, diese sind in Tabelle 7.5 allgemeinverstä ndlich zusa mmengefass t. Die wichtigste An forderu ng ist dabei d ie Defin itio n von aus reichend hohen Reibwerten an de r Nasskupplung (JASO ,\JA ). Diese Öle sollten auch in k ritischen Motorrädern mit hohem Drehmoment un d relativ k lein d imensionierter Kupplung keine Probleme hervorrufen. Werden alle ande ren Krit erie n erfüllt, nur nicht ein bestim mter hoher Reibwert an der Kupplung, dürfen d ie Öle als JASO ,lID bezeichnet werde n. diese sollte n je doc h nicht in Motorrädern mit empfindlicher Kupplung eingesetzt werde n., Tab elle 7.5 JASO. Spezifi kation en für Viertakt-Motorradmotorenöle Generelle Qua lilälsanforderunl:
API-SE, SF. SG, SH oder S1 ACE AA I, A2 oderA3 (bzw, akzeptable künftige Klassifikationen)
Schmil'rstoffeigenscha ftl' n
- hohe Viskositätsstabilität bei hohen Temperatu ren und hohem Sehergefä lle (HTHS Viskosität) - hohe Verdampfungsstabilität - hohe Scherstab ilität
Rcih.. ertentordc r u ege n bez ogen auf die Kup plung
hoher Reibwert
nied riger Reibwert
1ASO MA
JASO MB
Auf die Darstellung von Zahlenwe rten. die die Spezi fikat ion genau festlegt, wurde verzichtet
Zu den genannten Anforderungen ko mmen noch weitere z ur Vermeidun g von Ölsc häurnung un d eine Festlegung des Sulphataschea nteils (zu r Verme idun g von Glühz ündun ge n. vgl. Detergentien im vorigen Abschnitt). worauf an dieser Stelle nicht näher eingegangen werde n soll.
7.4 Motorenöle
265
7.4.5 Zweit aktöle Zweitaktöle unterscheiden sich grundlegend in vieler lei Hinsicht von Viertaktölen. Während ein Viertaktöl g uter Qualität du rchaus sehr erfolgreich als Rennöl eingesetzt werden kann, muss beim Zweitak töl normalerweise schon ganz am Anfang vor der Entw icklung entsc hiede n werden, ob das Öl fü r den alltäglichen Einsatz gedac ht ist oder für den Renneinsatz. Bei einem Zweitaktöl fü r den Rennein satz kom mt es nämlich, wie man erwarte n könnte, aufhöchstmögliche Schmiersicherheit an. Verschmutz ungen werden in Kauf genommen, da Rennmotoren sowieso häufig geöffne t und überholt werde n. Ganz a nders stel lt sich d ie Situation da r, wenn ein Zweita ktol für den Alltags betrieb entwickelt werden sol l. Dan n spielt eine Auslegung auf maximale Saube rhaltung d ie höchste Rolle. Mode rne Zweitakter für den alltäg liche n Einsatz sind heute relativ sicher gege nüber Kolbe nklem men ausgelegt, viel wichtiger ist heute, dass ein problemloser Betrieb oh ne Startsc hwie rigkeiten und Leistun gsverlust über viele tausend Kilometer erreicht wird. Zusätz lich ist es möglich, über die Zusa mmensetzu ng des Öles das Rauchen des Zweitakters zu eliminieren - es zumindest deutlich zu reduz ieren. (a) Zu sammensetzu ng Zweitaktöle sind viel geringer addit iviert als vierta ktöle. Üblicherwe ise werden ca. 2 bis 6 % Additive eingesetzt, die aus Antioxidantie n, Derergentien und Dispergentien zu r Sauberhaltu ng sow ie Fließverbesserern bestehen. Zusätzlich werden oft Farbstoffe zugegeben; sie helfen im Falle von Mischungsschmierungen zu erkennen, ob dem Kraftstoff schon Öl zugegeben wurde. Verschleißschutzadditive wie im Viert aktmotore nöl, Schau mdä mpfer. Reibwertmi nderer u nd Viskositätsindexverbesserer werden im Zweita ktöl nicht eingesetzt. Die Addit ivierung ist so ausgelegt, dass die Sulphatasc he (vgl. Vierta ktöle. Detergentien) um. ca . den Faktor 10und geringer ausfallt, da Zweitakter viel eher zu Glüh zündungen neigen als Ottov ierta ktmotoren. Die Zusammensetzu ng des Grundö les spielt beim Zweitaktöl eine entscheidende Rolle, da hierdu rch noch mehr als durch d ie Additivierung die Schmiersicherheit und die Sauberkeit des Motors und des Auslasssystems beeinflusst werd en kann. Die Gru ndöle können mi nerali sch, sy nthetisc h ode r teilsyn thetisch ausgeleg t sein. Oft werden auch Ester ganz gez ielt zur Steuerung angestrebter Qualitäten eingesetzt. Neuerdings werde n auch vermehrt und in hoher Dosier ung raucha rm verbrennende Grundöle eingesetzt (Polyisobumytene. kurz PIEs). Dadurch kann der sichtbare Rauch stark reduziert werd en. Werden abe r zu hoch molekulare PlBs eingese tzt od er der Motor läu ft auf relativ nied rigem Temperatu rniveau , können d ie PIBs aber auch zu honigartigen Verklobungen im Brennraum u nd Auslasssys tem führen. Zusätzlich sind moder ne Zweitaktöle fllr den Alltagsbet rieb vorgemischt. d. h. sie enthalten z. B. ca. 20 Prozent eines geruchlosen Kerosins. Dadurch vermischt sich das Zweita ktol nicht nur be i Mischungsschmie rung besser im Tan k mit dem Kraftstoff, sondern bringt auch bei den heute üblichen Getre nntschmieru ngssystemen Vorte ile bei der Verteilung im Motor. Heutzutage wird die Vormischkomponente als fester Bestandteil des Öles gewertet, also 1:50 heißt ein Teil des Zweitaktöl-Fertigproduktes (ink l. Vormisc hkornponente] auf 50 Teile Kraftstoff. (b) Spezifi ka tionen Fü r Zweitaktöle gibt es schon seit langem spez ielle Spezifikationen. Neben den Spezifikationen für Außenborde r (NMM A, National Marine Manufacturers Asso siat ion), die für Straßenfahrzeuge keine Relevanz haben, gibt es heute für landgebundene Zweitakter d ie API TC-Spezi fi-
266
7 Kraft stoff und Schmie röl
kation aus de n USA und die 1995 erstmals in Kraft get retene JASO·S pez ifikation aus Japan fü r Zweitaktmoto renöle. die teil weise als ISO-Spezifikatio n d irekt üb ernomm en wu rde. Die AP! TC-Spez ifikation basiert auf dem alten Yamaha RD 350 Motor und weiteren Teste in einem Yamaha CE 50cc Rollermotor. Da die Ersatz teile ruf den RD 350 Motor mittlerweile k napp werden. wird d iese Spez ifikation in absehbare r Ze it verschwunden sein. Die JASQ· und ISOZweiraktölsp ezifikationen werden dag egen auch künftig an Bedeutung behalten. Ta belle 7.6 zeigt d ie JASO- u nd ISO-Spezifikationen. Die Testkandidaten werden im d irekten Vergleich zu einem hohen Referenzöl (Jatre I) getestet. Jatre I wird imme r eine Punktzahl von 100 zugeord net, während je nach Qualität JASO FA (seh r niedrig), FB (mittelmäß ig) oder FC (hoch) d ie Kandidaten d ie in der Tabelle angegebenen Punkt e erreichen müsse n. Die Teste bezüglich Sch mierbarkeit u nd Sauberkeit werden in eine m Honda Dio Moto r durchgeführt, Auspuffqualm und Auslasssystem verkokun g werden in einem Suz uki Generator Motor gefah ren. Von ISO wu rde die Testsequ enz JASO FA wegen zu marginaler Ölq ualitä t nicht übernomm en. d ie Testsequenzen JASO FB und FC wu rden aber di rekt akzept ier t. Zusätz lich hat ISO noch einen verschärfte n Sauberkeitstes t fü r die höchste ISO Qualität hin zugefügt (IS0· L· EGD). Ta belle 7.6 JASO -/ ISO -Spez ifika t io nen fü r Zw eita kt-Motorradm otorenöle Iso (global
nicht anwen dbar
L-EGB
L-EG C
L-EGD
J ASO
FA
FR
Fe
ni chl a nwendba r
Sa ubcrkcus- Index
mind. 80
m ind . 85
mind. 95
mind.125
Schm icrba rkcits-lndcx
m ind. 90
mind. 95
mind. 95
mind. 95
Drehmomc nt-VerlustIndex
mind. 9&
mind. 9&
mind. 9&
mind . 9&
Rauch-Index
mi n<.! . 40
mi nu. 45
mind. 85
mind.85
Auspu ff-VerkokungsIndex
mi nd. 30
mind. 45 m in
mind . 90
mind . 90 Rcfcrcn z öl Jatrc I - 100
7.4.6 Ren nö le (a) Zwe rrakrre n nöle Schmie rsicherheit hat bei Rennölen fü r Zweitak ter höchste Prior ität. Sauberkeit ist zweitra ng ig, da die Motoren oft überholt werd en. Daher leuchtet es ein, dass Zweitaktrennöle nicht die au f Sauberkeit ausgerichteten JASO- u nd ISO-Spezifikatio ne n erfü llen müssen . Es kann soga r gesagt werden, dass die Erfüllu ng o.g. Spez ifikationen ein gewisses Maß a n Kompromissbereitschaft an die Schmiersicherheit voraussetzt, und da s ist bei Rennölen u ner wün scht. Renn öle. insbesondere auf Rizinusbasis. kön ne n aber im Allta gsbetr ieb zu derartig hohen Verscbmut zungen am Kolbe n und im Motor füh ren, dass es über da s so redu zie rte Spiel zwischen Kolben u nd Zylinder zu Kolbenfressern kom men ka nn. Auf alle Fälle ist mit de r Ze it ein Zusetze n de s AuspufTsystems mit nachfolgende m Le istun gsabfall zu erw arten. Rizinu söl ist im Kartsektor, insbesonde re in de r Klasse Super A, noch seh r erfolgre ich verbreitet. Dies ist mit de r unschlagbaren Schmiersicherheit unter extremsten Bedingungen zu
7.4 Motorenöle
267
erklären. In der o.g. Klasse wird kein Schaltgetriebe eingesetzt, so mit werde n die Moto ren auf de n Ge raden oft stark überd reht. Vor der nächsten Kurve erhält der Motor dan n dur ch das Gasweg nehmen auch kein Öl mehr. Oft hilft da nn nur noch Rizinusöl einen Kolbenklemm er zu vermeiden, allerdings auf Kosten der Kolbensauberkeit. Oft muss nach nur einem Ren nwochenende der komp lett verschm utzte Kolbe n erneue rt we rden. Zweita kt-Ka rts m it Schaltget riebe und Zweitakt renn motoriider kommen norm alerweise g ut mit einem synthetischen Rennöl zu recht, da s zw ar auc h nic ht aufSa uberhalten des Motors ausgelegt ist, aber den Motor wese ntlich we niger versc hmutzt. Zweitaktrenn öle sind generell nicht vorge misc ht. da das üblicherweise verwe ndete niedrigoktanige geruchslose Kerosin die Schmierleistung reduzieren kann und die Okt an zah l des Kraftstoff-/Ölgemisches unn ötig absenk t. Auf der anderen Seite sind aber Vormischkom pone nten mit hoher Ok tan zahl, soge nan nte Oktanzahlbooster. im Zweita ktre nnö l nicht erlaubt. Darum müssen Zweitaktöle für den Motorrad-GP-Renneinsatz von der F1M freigegeben werden. Gleiches g ilt für den Einsatz im Kart renn sport (Freigabe durch C IK, das oberste Renn sportgremium für Karts). (b) Viertakt rennöle
Im Gegensatz zum Zweitaktbereich können Hochleistungsv iertaktöle durchaus hervorra gende Rennqua litäten an den Tag legen. Abe r auc h hier g ilt, da ss nur mit ma ßgeschneiderten Produkten ein Opt imum erre icht werde n kann . So em pfiehlt es sich, fü r Motorrad- Langstreckenren nen lieber auf das letzte Q uä ntchen an Leistu ng zu verzic hten und me hr Wert auf höchste Schmierrese rve n zu legen . D.h. das Öl sollte nicht zu dün n gewählt werden. Dies ist auch deswegen wichtig, weil ganz besonders in Rennmotor en trotz des hei ßen Betr iebes ein nicht unwesentlicher Kraftstoffeintrag ins Motore nöl auft ritt und das Öl verdü nnt, also d ie Schmierreserve n herabsetzt. Es ist durchaus nicht de r Fall , dass der im Vergleich zu m Motorenöl leichtflüchtige Kraft stoff kompl ett wieder ausged ampft wird. Die hohen Siedeenden des Kra ftstoffes reiche m sich im Öl an. Geht es allerdings um relativ ku rze Renne n, wie Z.B. Rennen in der Superbike- ode r Super Spo rt- Klasse, dann zählt jed es PS. Hier ist durch eine Herabsetzu ng der Viskosität, z.B. von SAE IOW-4 0 aufSAE 5W-20, bei sorgfältiger Abstim mu ng der G rundöle u nd Add itive durchaus ein Leistu ngsgewinn von 1,5 Prozent möglic h. Zusätzlich könn te nochma ls mit ca. einem halben Prozent gerechnet werden, we nn de r Motor eine Trockenku pplung besitzt und somit Reibwe rtminderer eingese tzt werden kön nen . Öle d ieser niedrigen Viskositä t sind wege n des Kra ftstoffe intrages mög lichst bereits nach ca. 500 km auf dem Rennk urs zu wec hseln. Im Alltags betrie b sind diese Öle generell nicht zu em pfehlen. Gründe dafür sin d auch hier die unvermeidliche Ölverdün nu ng durch Kraftstoff, abe r auc h z usätz licher Viskosi tätsverlust durch Scherung, die bei relativ kur zzeitigem Betrieb au f der Rennstr ecke nicht allzu stark zum Tragen kommen. Außerde m ist d ie Auswa hl nied rigviskoser Grundöle für den Dauerb et rieb im Alltag problema tisch für die Dauerhal tbark eit des Getriebes. Weiter oben wurde diese Problema ti k, die zu Materialau sbrüchen (Pitt ing) an den Zah nrädern führen kann , schon erwähnt. Ein Viertaktrennöl kan n aber auch zu dünn ausgelegt sein, so dass durch verme h rte Grenzreibu ng da n n wieder Leistu ng verloren werden kann. In der Praxis hat sich de r Versuch auf Brem senprüfständen bewä hrt, hier eine optimale Lösung zw ischen ma ximaler Leistu ng und ausre ichende r Zuverlässigkeit für den Ren neinsatz zu finden.
268
7 Kraftstoff und Schmieröl
7.5 G et r iebeöle Früh er waren Getriebeöle einfache Mineralöle höherer Viskosität, die nur wenige Additive enthielten. Mit dem Anstieg der Motorleistung nimmt auch die Getriebebelastu ng zu , gleichze itig werden die Get riebe immer kleiner und kompakter, so dass die spezifische Beanspruchung für die Zahnräder fortwährend ansteigt. Heute sind daher Gelriebeöle Hochleistungschmierstoffe, die sowohl aus mineralischen als auch synthetischen Grundölen und entsprechenden Additiven bestehen. Da in vielen Motorrädern das Get riebe im Motorgehäuse integriert ist und vom Motoröl geschmiert wird, sollen hier nur die Öle für separate Getriebe (wie bei BMW, Moto-Guzzt , Zweitakter u.a.) und für Hinterachsgetriebe (Ka rdanan trieb) behandelt werden. Die höchstbelasteten Stellen in Get riebe Sind die Flanken der Zahnräder. Dort tritt aufgründ der hohen Pressu ngen Mischreihung auf, d.h . die Metalloberfläche n werde n nicht mehr vollständig durch einen Ölfilm getrennt, sondern berühren sich teilweise. Um Verschleiß zu verhindern, enthalten Getr iebeöle spezielle Ep-Zusätze, deren Wirkungsweise schon im vorigen Kapitel erläutert wurde. Besonders wichtig sind diese Zusätze bei Achsgetrieben mit ve rsetzten Achsmitten (sogenannte Hypoidverzahnung), wie sie bei Motorrädern mit Kardanantrieb häufig zum Einsatz kommen. Die Zahnflanken der dortigen Kegel- und Tellerräder sind besonders hoch belastet, weil sie neben der Abrotlbewegung noch eine starke Gleitbewegung gegeneinander ausführen. Ohne Höchstdrucköle (sog. Hypoidöle) mit einem hohen Anteil an EP-Zusätzen würden diese Getriebe schnell verschleißen. Weitere Additive für Get riebeöle dienen dem Alterungs- und Kor rosionsschutz. Durch die Entlüftung gelangen imme r gewisse Sauerstoffmengen und auch Feuchtigkeit aus der Luft in das Getriebe und können zu Korrosion an Wellen, Lagern und Zahnrädern führen und eine allmähliche Oxidation und Alterung des Getriebeöls bewirken. Immerhin kann das Getriebeöl auch Temperaturen bis z u ISO "C erreichen, was Oxidationsvorgänge begü nstigt. Antischaum-Zusatze vermeiden die Bildung von beständigen Öl-Luft-Ge mischen, die durch das Durchwirbeln des Getriebeöls entstehen können. Ölschaum ist schädlich, weil er eine verminderte Schmierfähigkeit und Tragfä higkeit aufweist, eine schlechtere Wär meabfuhr besitzt und die im Schaum feinver teilte Luft die Ölalteru ng begünstigt. VI-Verbesserer werden dem Getriebeöl zugesetzt, wenn man größere SAE-Bereiche überbrücken will oder muss. Dies spielt bei Automobilgetrieben eine größere Rolle, um bei kalten Getrieben eine leichte Schaltbarkeit zu erreichen und bei heißem Getriebe die Geräusche z u mindern (dickes Öl dämpft besser). Bei Motorradgetrieben werden meist nur Einbereichsgetriebeöle verwendet. Zu beachten ist, dass die SAE-Klassen für Getriebeöle nicht denen der Motoröle entsprechen (Getriebeöl mit SAE 90 entspricht in seiner Viskosität einem Motoröl mit SAE 40 oder 50). Tab elle 7.7 zeigt die gängigen Viskositäten für Getriebeöle. Auch hier ist, wie schon bei den Motorenölen gesagt, von der Viskosität kein Rückschluss auf die Qu alität und Leistungsfähigkeit des Öles möglich.
7.5 Ge triebeö le
269
Tabelle 7.7 Viskos itätsk lassen von Getriebcölcn SAE:
Viskositätsklasse
Viskosität äh n lich einem Motoröl mit SAE
Tempe rat ur [0C] für ei ne Viskosität von 150 Pa s
mi n. IOW
70 W 7S W HO W
20 W
HS W
'"
\V
Kine mat isc he Viskos ität bei WO "C, (m m2/s ]
50
- 55
4,1
- 40
4.1
- 26
7,0
- 12
11,0
ma x.
13,5
< 24 ,0
140
24,0
< 4 1,0
250
41,0
=
Wi nterei gnu ng
Die Eigenschafte n von Getriebeölen werde n vom API (America n Petroleum Institute) festgelegt , tei lweise gibt es auch hers tellereigene Spezi fikat ionen (auf d ie Militä ranforder unge n nach MI L wird hier nicht eingega ngen). In Tab elle 7.8 sind die gebräuchlichen Spezifi kationen, d ie für Moto rräder wic htig si nd, erläutert. Zu beac hten ist, da ss bei Getriebeöle n in Achsantrie be n (Kardanantrieb) keinesfalls eine geringerwe nige Spez ifikation als vom Hersteller vorgeschrieben verwen det werde n darf, weil sonst seh r schnell Verschleiß eintritt (also Z.B. kein Öl nach GL-4 statt dem vorgeschriebenen GL-5 verwenden). Es sollte aber auch erwä hnt werden, dass Öle mit hohem Antei l an EP-Zusätzen korrosiv auf die Bauteile des Achsa ntriebs und agg ressiv auf Dichtu ngswerkstoffe wi rken können. D. h. wen n GL-4 vorgesc hrieben wird, ist GL-5 nicht automa tisch in jedem Falle ein Produ kt. das beden ken los eingesetzt werde n kann und sollte auf den Einsatz in Getr ieben mit höchsten Beanspruc hungen besch ränkt bleiben, Auch deswegen sollte man sich an die Vorgabe n der Motore nhersteller halten. Tabelle 7.H Spe zi fi kation vo n Getriebeölen API-Ktasse E r lä u lc r u nl!:
Bc n-le bsbed i n:;: u n l:cn für das Öl
GL-3
Schaltgetriebe sowie Achsgetriebe m it Stirn - u nd Kegelräde rn
nor mal bi s mitt elsc hwe r
GL -4
Schaltgetriebe so wie Achsgetriebe m it Hypoid-Verzahnung bei :;:crin:;:l' m Achsversat z SAE·Klasse n 75, 80 u nd 90
GL -5
Schaltgetriebe sow ie Achsgetrie be m it Hy poid -Vc tzahnu ng bei :;:rolJem Ach sver satz SAE-Kl ass e n SO, 90 lind 140, sowie 75W. SOW·90 und 85W·14 0
Höch stbcan sp ruc hu ng Stoßbelastungen
270
7 Kraftstoff und Schmieröl
7.6 Öl zusätze Bei Öl zus ätze n, die im freien Hand el an geb oten werden. ist Ske psis angebracht. Mode rne Motoru nd Ge triebeöle haben einen so hohen Stand erreicht. dass Zusätz e nicht notwend ig sind. Da die
Verträglichkeit mit den Öladdit iven in de r Regel nicht bekan nt ist. kön nte die Ölqualität dur ch die Zusätze durchaus nachtei lig beeinflusst werden. Bestimmte reibungsmindernde Zusätze. wie z. B. ma nche Stoffe auf Basis von Molybdändi su lfid (MoS 2) o.ä ., können soga r ausg espro -
chen schädlich wirken. indem sie Z.B. den Reibwert von Kupplungsbelägen unzulässig herabsetzen, so dass die Kupplung durchrutscht. Ein teu rer Austausch de r Kupplungslamellen und eine aufwändige Motorspü lung zur restlosen Entfernu ng des Zusatze s können die Folge einer solchen " Nachbesserung" des Öls sein. In älteren Motoren (vorzug sweise bei Veteranen), bei denen zur Ölverteilung Schleuderbleche eingesetzt werden, können die Feststoffpartikel des Zusatzstoffes sogar feine Ölverteilungsbohrungen verschließen und so die Schmie rung teilweise unter brechen.
Fahrwerk 8 Konstruktive Auslegung von Motorradfahrwerken Das Moto rradfah rwerk besteht in seiner ursprünglichen Definition aus dem Rah men. de r Vorderradführu ng mit der Lenkung. de r Hint errada ufh ängu ng, den Bremsen und de n Rädern mit den Reifen. Bei näherer Betra cht ung ist dieser Fahr werk sbeg riffaber eigentlich zu eng gefasst , weil de r Eindruck entstehen kan n, nur d iese vier Hauptkomponenten seien für da s Fahrverhalten des Motorrades bestimmend. Beim Motorrad g ibt es aber, viel deutl icher als bei m Automobil, eine sehr enge Koppelung zwischen dem (der) Fahrer(i n)/Beifahrer(in) und dem Fahrzeug mit entsprechend vielfältigen Rückwirkungen . Dehnt man de n Fahr werksbegri ff aufa lle wesentlichen Bauteile aus, die auf da s Fahr verhalten einwirken , könnte man folgende Baukomponenten des Motorrades als z um Fahr werk gehörend bezeichnen: - Rahmen - Vorder- und Hinterradführu ng - Feder- und Dämpferelemente der Radau fh äng ung - Lenkung mit Lenker - Vorder- und Hinterrad mit Reifen - Vorder- und Hinterradbremsen - Fahrer- und Beifahrersitzplätze - Verkleidung - Gepäcksysteme Auch de r Antrieb beeinflu sst da s Fahrverhalten. worauf an dieser Stelle aber nicht näher eingegange n werden soll. Um de r klassischen Betra cht ungsweise des Fahrwer ks Rechnung zu tragen, werden wir u ns zu nächst nur den ersten fü nf Fahrwe rkskompone nten zuwenden. Die Bremsen werden ebenso wie zum Beispiel die Verkle idu ng in e igene n Kapiteln abgehandelt. Das entspricht auch de r Bau- und Funktionsgruppeneinte ilung sow ie den Stru kturen bei der Entwicklu ng des Fahrzeugs. Die Karo sseri e z um Beispiel hat eine enge Verza hnung zum Design , wirkt aber natürlich über d ie aerod ynami schen Kräft e element ar auf da s Fahrverhalten ein. Der Lese r wird um Einsicht gebeten, da ss es im Rahme n eines Gru ndlagenbu ch s für Motorradt echnik nicht mög lich ist, alle Teilbereiche de s Fahrwe rks mit g leicher Ausfüh rlich keit zu beha ndeln und ein Setzen von Schwerpunkten unum gän glic h ist.
8.1 Begriffe und geometrische Grunddaten Die wichtigsten Bezeichnun gen im Zus ammenhang mit dem Motorradfa hrwerk sowie die Definitione n der geomet rischen Fahrwerksdaten sind im Bild 8.1 aufgeführt. Die ange gebenen Zahlenwerte gelten für serienmäßige Stra ßenmotorrä der im Hubraumbereich von 250- 1200 cm'. Zum Verständ nis und im Vorgriff auf das spätere Kapitel Fahrdynamik sollen die Auswirkung en der Fah rwe rksgeometrie auf da s Fahrve rhalten kurz erläutert werde n. Der Radstand bestimmt zusammen mit dem Nachlauf die Fahr stabilität bei der Geradeau sfahr t. Je g rößer der Radsta nd und je größer der Nachlauf. desto spurstabiler bleibt der Ge radeauslauf auch bei
8 Konstruktive Auslegung von Motorradfahrwer ken
272
Lenkachse
,/
,/
,
-----T ~'"""t-t----
-
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Nachlauf
n ! --
-
- Radstand I A-
-
-I
Radstand l enkkopfwinkel Nachlauf Setwerpunkthöhe
JA 1350-1600 mm
a n
61 °.64" 80 · 125 mm
hs
ca 600 mm
Bild ltl Definitionen und Grundgcomctricn am Motorrad fahrwer k
hohen Gesc hwindigkeiten und desto unempfind licher reagiert das Motorrad z.B. auf Fahrbahneinflüsse (Unebe nheiten. Spurr illen). Dafü r nimmt die Handlich keit und Kurve nwilligkeit in aller Regel ab. Nachlauf und Radstand müssen da her nach de m bevo rzugten Einsatzzweck (Reisemotorrad fü r Autoba hnfa hrt oder Spor tmotorrad ruf d ie Landst raße) aufeinander abge st immt werden. In gleichem Sinne wirk t die Schwer pun ktlage. ein niedr iger Schwe rpu nk t verbessert die Handl ichkeit und erhöht sogar noch d ie Fahrst abilität. Je weiter hinten er jedoch liegt. umso instabile r wi rd das Motor rad. dagegen nimmt die subjektiv empfundene Hand lichkeit weiter z u. Die Angabe de r Fah rwerksgeometrie g ilt für die Ruhelage. Sie verändert sich mit der Einfederung, d.h. bei Beladung des Fahrzeugs und unter de r Einwirkung dynam ischer Kräfte (Beschleunig ungs kräfte und aerody nam ische Kräfte wie Auftrieb etc.). Bei der Schwe rpunkthöhe leuchtet dies unm ittelbar ein. beim Radstand und Nachlauf sind die Verhältnisse etwas kompliz ierter, lassen sich jedoch anh and von Bild 8.2 nachvollziehen. Zur Vereinfachung und aus Gründen der Übersic htlichkeit wird die Hi nterradfederu ng in unserer Betracht ung als sta rr angen ommen. Die Vorderradfeder ung übernimmt eine konvention elle Te1egabe1. Wenn das Vorderrad ein federt, wander t das Rad nach oben, wodu rch sich der Abstand zwischen den Rädern aufg rund de r Schrägstell ung der Telegabe1 verkü rzt, d.h. der Radstand nimmt bei Einfede rung ab. Der eingefederte Zusta nd füh rt z u einer geänderten Lage des Moto rrades gegenüber der Fah rbahn (unteres Bild), d.h. es ändert sich der Lenkkopfwinkel. Man kann sich das ersatzwe ise so vorstellen, dass die Einfederu ng das Vorderrad nach oben von de r Fahr bahn wegzieht und die notwend ige Rückstellung aufdie Fahrb ahn erfolgt, indem das ganze Motorrad um das Hin terrad gedreht wird, bis das eingefederte Vorderrad wieder die Fahrbahn berü hrt.
8.2 Kräfte am Motorradfahrwe rk
273
Radsta ndsvel1t.ürzung
Einfederung
-Nachla uf-ll_ - - Radstand
--~~
Riltllt2 Veränder ung von Radstand und Nachlaufbei Boladung des Fahrzeugs
Daraus resultiert ein größerer Winkel zw ischen Lenka chse und Fahrbahn (Lenkkopfwinkel), der wiederum eine Verkürzung des Nachlaufs zur Folge hat. Die Einfederung des Vorderr ades verkürzt also den Radstand und den Nachlauf und wirkt sich dam it negativ auf die Fahrstabilität aus. Dies ist Z.B. beim Bremsen ein nicht unerheblicher Nachteil, denn fü r eine Vollbremsung mit entsprechend starkem Eintauchen der Telegabel wäre eine Stabilisierung des ohnehin schon kritischen Fahrmanövers hilfreich. Stattdessen verstärken die Geometrieänderungen die lnstabilitäten. Die Geometrieänderungen hängen wesentlich von der Konstruktion der VorderradauflJängung und natü rlich auch von der Hinterr adfederung ab. Im Kapitel 8.3.2 werden Vorderr adführungen vorgestellt. die beim Einfedern den Lenkkopfwinkel und Nachlauf vergrößern und so zur Fahrstabilisierung beitragen.
8.2 Kräft e am Meterradfahrwerk Bild 8.3 zeigt die wesentlichen Kräfte und Momente an. die bei der Geradeausfahrt auf das Motorrad einwirken. Maßgebend fü r die mechanische Beanspruchung der Fahr werksbauteile sind im Wesentlichen die Radaufsta ndskräft e und die aus ihnen resultierenden Momente. Zusätz liche Kräfte aus der Kurvenfahrt spielen demgegenüber nur eine untergeordnete Rolle. Die größte n Einzelkräf-
274
8 Konstruk tive Auslegung von Motorradfahrwerke n
Lenkachse
------T Rh
Sv
Gv
-
I v-
• Blld tU
Radstand
Is
Gh
IA
Kräfte und Momente am Motorrad bei Geradeausfahrt
te tret en im Radau fstandspunkt am Vorderrad bei der Vollbremsung auf (Radaufstandskraft bzw. Bremskraft). Für die Kraftermittelung wird vom Gre nzfall der Brem sung ausgegange n, bei dem das Hinterrad abhebt, und das Gesamtgewicht vollständig vom Vorde rrad abgestützt wird, vgl. auch Bild 8.5. Der Reibwer t zw ischen Reifen und Fahrbahn kann dabei im Extremfall Werte bis ZllJl = 1,4 (Verzahnungseffekte zw ischen Reifen und Fahrbahn) erreichen. d.h. die Brem sverzäge rung liegt über der Erdbeschleunigu ng (9,81 rn/s2 = 1 g). Dynam ische Kraftüberhöhuugen, die durch Fahrbahnunebenheiten oder Schlaglöcher auft reten, werden mitt els Stoßfaktoren berücksichtigt. der en Größenwahl auch eine Frage de r Auslegungsphilosophie ist. Der Rahmen und die Vorderrada ufhä ngung werden d urch die am Vorderrad angreifenden Radaufsta nds- und Bremskräfte vorrangig auf Biegu ng beansprucht, der Abstand Radaufstand spunkt-Steuerkopfw irkt dabei als Hebelarm filr die Kräfte. Die Maximalbea nspruchung für den Vorderbau stellt die Vollbrem sung mit abhebendem Hinterrad dar. Bei Kur venfahrt kommt auf das Fah rwerk ein Torsionsmoment aus den Radaufstandskräften hinzu. weil deren Wirkebene da nn nicht mehr mit der Schwerpunktebene des Motorrades zusammenfällt. Bild 8.4 . In Wirklichkeit sind die Verhältnisse weitau s komplexer als in der sehr vereinfachten Schemazeichnung dargestellt, den n die Kräfte in den Radaufstandspunkten g reifen wegen der unterschiedlichen Kurvenradien. die Vorder- und Hinterrad durchlaufen. in versetzten Ebenen an. Der hintere Rahmenteil und die Hinterradaufh ängung werden im Prinzip analog zum Vorderbau auf Biegung und Torsion beansprucht. Wegen der dynam ische n Radlastverlagerun g zum
275
8.2 Kräfte am Motor radfahrwerk
_a_
,
,I ,I ,I I
,
G'
I
,
Res
Bild 8.4 Torsionsmoment auf das Motorradfahrwerk bei Kurvenfahrt Vorderrad mit entsprechender Entlastung des Hinterrades, Uild 8.5, ist die Vollbremsung für das Rah menheck kaum eine Belastu ng. Für da s Rahmenheckteil und die Hinterradeu fh ängung ist die Belastung vielmehr durch die statische Hi nterradlast vorgegeben (Soz iusbetrieb mit Gepäck), d ie sich aufgrund des z ulässigen Gesamtgewichts einschließlich eines Sicherheitszuschla gs und der Radl astver teilung ergibt. Der Sicherheitszusc hlag deckt in der Regel Kraft überhöhu ngen dur ch Fah rbahnstöße und d ie dynamische Radl asterhöhun g beim Beschleu nigen ab. Er ist fü r Enduro motorräder deutlich höher anz usetzen , als für reine Touren-Straßenmaschi nen. Für sehr leistungsstarke Sportmotorräder und Enduros ergibt sich d ie Grenzbelastung in aller Regel durch das Abheben des Vorde rrades beim vollen Beschleunigen. Hier muss dann für die Hinterradlast da s z ulässige Gesamt gewicht angesetzt werd en. Zu den Radlasten addieren sich beim Hinterrad und seiner Aufbä ngung noch die Reaktionskräfte aus dem Ant rieb und beim Bremsen. Bei Kardana ntrieben mit Momentenab stützu ng, vgl. Kapitel 8.3.3, müssen beispielsweise die Stützkr äfte. d ie in den Rahmen eingeleitet werden, bei der Rahmenauslegu ng geso ndert berück sichtigt werden . Insgesamt sind die Belastungen des Rahmenhecks niedri ger, weil die Hebelarme der Kräfte, die auf den Rahmen wirken, kleiner sind. Hinzu kommt die räumliche Trennung bei der Abstüt zu ng von Brems- bzw. Antriebskrä ften und Rad lasten . Letztere werden über die Federbeine obe n in den Rahmen eingeleitet, während sich Brems- und Ant riebskräfte im Schwingendrehpunkt, also relativ tiefliegend. abstütze n. Natürlich muss die Rahmenhe ckkon strukti on zusätzlich noch Kräfte aufnehmen können, die sich aus de r Anbri ngu ng von Gepäckträ gern, KofTerhaltern und ähnlichem Zubehör ergeben.
276
8 Konstruk tive Auslegung von Motorradfahrwer ken
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Beim Bremsen und Beschleunige n treten Trägheitskräfte Fträg auf, die im Schwerpunkt angreifen . Sie haben eine Veränderung der Radlasten zur Folge . Beim Bremsen erhöht sich die statisc he Vo rderradlast Gy um den dynarrischen Anteil ~G , während die statische Hinlerradlast GH um den gleichen Anteil entlastet wird. Beim Beschleunigen ist es umgekehrt , das Vorderrad wird entlastet und das Hinterrad zusätzlich belastet. Der dynamische Radlastanteil kann durch Aufstellen des Momenteng leichgewichls (zB. um den Aufstandspunkt des Vorderrades) berechnet wer den . Die statische n Radlaste n und das Gesamtgewicht brauchen nichl berllcksichtigt werden, da sie im Gleichgewicht stehen.
~R'd","d ',- - ---1
=) L\G = ± m . a . hs / 'A Fträg = m . a
(a = Beschleunigung bzw . Verzögerung . m = Gesamtmassel
Blld 1'i. 5 Dynamische Radlast verlagerung
Auf d ie Festigkeitsbe rechnu ng von Motorradr ahmen und Radau fh äng ungsteilen soll in diesem Buch nicht eingegangen werden. Generell kan n man aber sagen, dass die reine Bruchfestigkeit aufgrun d der äuße ren Belastungen moderner Fahrwe rkskonstru ktionen kaum Probleme bereitet. Schwieriger sind die Anforderunge n an ausreichende Steifigkeit aller Fahrwerksbauteile zu er füllen. wie wir im nächsten Abschnitt anhand ausgefü hrter Fahr werkskonstru ktionen noch sehen werden. Sind Fahrwerke gen ügend steif, halten sie in der Regel auch den äußeren Belastungen stand. Problematisch kann allerdings d ie Dauerschwingfestigkeit werden; da rauf wird im Kap. 9 näher eingegangen.
8.3 Rahmen und Radführ ungen
277
8.3 Rahmen und Radführungen Rahmen und Radführunge n bilden bezüglich ih res Einflusses auf die Fahrstabilität eine Einheit. Neben der schon a ngesprochenen Fahrwerksgrundgeometrie ist der entscheidende Faktor für Fahrstabilität und präzises Fahrverhalten, dass in jedem Fahrzustand Vorder- und Hinterrad eine gemeinsame Spur in der Radmitt enebene bilden und auch bei hoher Belastung nicht seitlich ausweichen (gegeneinander verschränken)'. Eine verwindungssteife Rahmenkonstruktion allein ergibt kein befriedigendes Fahrverhalten, wenn nicht die Radführungen (und die Rädert) ebenfalls ausreichend stabil sind.
8.3.1 Bau arien und konstru ktive Ausfü hrung von Motor radrahmen Aufgabe des Rahmens ist es. eine verwindungsste ife Verbindung zw ischen dem gelenkten Vorderrad und der Hinterradaufhängung zu schaffen, d.h. beim konvent ionellen Motorradfa hrwerk mit Telegabel und Hinterradschwinge muss der Rahmen ein e stabile Verbindung zw ischen Lenkkopf und Schwingenlagerung herstelle n. Der sehr naheliegende Geda nke. diese Verbindung auf direktem Wege mittels eines geraden Blechprofils zu schaffen. ist in seinen Gr undzügen schon mehr als 70 Jahre alt. Bild 8.6. Offenbar geriet dieses Konstruktions prinzip für Motorradrahmen in Vergessenheit, und es domi nierten jahrzehntelang die Stahlroh rrahmen. bis ja panische Motorradhersteller die Profilbauart. diesma l aus Alumm iumwerkstoffen, für sch nelle Sportmotorräder wiede r aufgriffen und auf den Markt brachten (Bilder 8,7 - 8.9). Nun werden an den Rahmen neben der Steifigkeit noch eine Reihe weiterer Anforderungen gestellt, die letztlich seine Konstruktion beeinfl ussen und zu den unterschiedlichen Bauarten geführt haben.
Bild IU
Gerade Rahm enverbindung zwisc hen Steu erkopf u nd H intc rr ad fü hrun g (MARS 1923 )
Es gibt Ausnahmefälle. in denen Motorräder bewusst einen sericn mäßigen Spurversatz aufweis en. Dies kommt beispielsweise dann zustand e, wenn bei einem Motorrad in einer Mod ellva riante ein breiterer Reifen verwendet werden soll, der ohne Änderung nicht in dic vorhandene Hinterradschwinge passt. Häufig behilft man sicb in derartig en Fällen damit , dass das Rad aus der Mittenebene versetzt wird . Solange der Versatz nur wenige Millimet er betr ägt. wirkt er sich auf das Fahrverhalten pra ktisch nicht aus.
278
8 Konstruk tive Auslegung von Motorradfahrwerke n
Als wichtigste Kriterien si nd zu nennen: - geringes Gewicht - schwing ungsg ünstige Aufnahme des Antr iebs mit mög lichst niedr iger Schwer pu nktlage - nied rige und ergonomisch gü nstige Fah rer- und Beifahrersitzposition - aus reichende Bodenfreiheit auch bei g roßer Schräg lage - gute Zug änglichkeit zu de n Agg regaten u nd wartungsbedürftigen Bauteilen - Gut mütig keit be i Überbelast ung (hohe Bruchdeh nun g) - zuverlässige Qualitätsprü fung - geringe Herstellkosten - Korrosionssicherheit - Rep araturmög lichkeit - ansprechendes Desig n
Inwieweit die verschiedenen Rahmenkonstrukt ionen d iese Kriterien erfü llen, wird anhand von Beispielen noch erläuter t. Zu nächst soll auf einige der Anforde rung en näher eingeg angen werden . Die Fahrer- u nd Beifahre rposit ion. die der Rahmen ermöglicht, ist nicht allein aus Komfortg rü nde n von Bedeutu ng, sondern sie bestimmt zu sam me n mit de r Motorlage wesentlich den Gesamt schwerpun kt des Motorrades und dam it das gesamte Fahrverhalten. Auch das subjektive Fahrempfinden wird von der Fahrerpositio n beeinflusst. Untersuchu ngen zeigen, dass de r Normalfahrer auf öffentlichen Straßen bei einer unverkrampften Sitzposition das Motorradhandling in der Regel besser beu rteilt, als wenn das Motor rad ihm eine ung ünstige Sitz haltung aufzwin gt. Hier spielen besonders die Lenke rposition und die Hebelverhältnisse am Lenker eine wichtige Rolle. Darübe r hinaus trägt nat ürlich eine entspannte Sitzhaltung zur Konzentration be i und verbessert allein dam it die Fahrzeugbe herrsc hu ng. Unter die sem Aspek t ist die zusammengekaue rte Sitzposition moderne r Supe rspor tmotorräder, die - Ma rketingüberlegungen folgend - aus dem Ren nsport abgeleitet ist, für das Fah ren au f normalen Landst raße n als kr itisch z u beurtei len. Die Gutmütigkeit bei Überbelast ung ist besonders wichtig für Rah men von Enduromotor rädern und bei Unfällen. Wenn es bei voll beladenem Motorrad zum Durchschlagen der Fede rung kommt (Sprünge im Gelände, schlechte Straßen bei Fern reisen), kön nen kurzzeitige Spitzenbelast ungen entstehen, die keinesfa lls zu versteckten Rissen am Rahmen füh ren dürfen. Das gleiche gilt im Falle eines Unfalls. Wird dabei der Rahmen nur soweit verboge n, dass dies mit bloßen Auge nicht sichtbar ist, darf das ebenfalls nicht z u unsichtbaren Schä digungen führen. Bei Sta hlrohrra hmen ist dies in der Regel kein Problem. Aufg rund der Duktilität und hohen Bruchdehnung von Stahl kommt es erst dan n zu Anr issen im Material, wen n der Rahmen deutlich sichtbar und soweit verboge n ist, dass eine We iter fahr t sow ieso nicht meh r mög lich ist. Rahm en aus Aluminium können besonders bei höherfesten Legieru ngen ein spröderes Werkstoffverhalten ze igen, und es kann in ungünstigen Fällen zu nur schwer sichtba ren, kleinen Rissen komme n, die be i den nächste n starken Belastungen zu m Bruch des Rah mens füh ren können . Alum iniumrah men müsse n da her entweder so gebaut werden, dass die Ges amtkonstruktion in de rartigen Fällen noch eine ge nügende Reststabilität aufwe ist, oder es muss jegliche Schäd igung bei Überbelastung sofort von außen am Rah men erkennbar sein. Da Überbelas tungen im normalen Straßenbetrieb eigentlich nur be i Unfälle n vorkommen, ist ein derar tiges Verha lten bei Straßen -Spo rtmotorrädern unproblematisch. Bei Endu ros hingegen können
8.3 Ra hmen und Radru hr ungen
279
Überbel ast ungen nicht ausgeschlossen werden, weshalb Aluminiu mrah men für d iese Motorradk ategorie eher u ngeeign et si nd. Auf dieses Werk stoff verha lten von Aluminiu m gründet sich auch d ie feh lende Repa ratu rmöglichkeit . Riebtoperationen an Aluminiu mrahmen sind wegen der Gefa h r von versteckten Anr issen nicht zu verantwo rten und müssen entsc hieden abgelehnt werden! Stahlrah men hingegen könne n nach Unfällen instan d gesetzt werden. Wie beim Rahmen ausrausch. muss fü r eine ordnungsgemäße Richtope ration das Motorrad komplett zerlegt werden, damit der Rahme n in eine Richtba nk eingespan nt werden kann. Andere Reparaturmethoden sind abzu leh nen. Wichtig ist grundsätzlich die Qualität der Schweißung und d ie Qual itätssiche rung. Das Schweißen von Alumin ium ist gegen über Stahl insgesamt aufwänd iger. Aufgru nd der hohen Wärmedehnun g ist die Schweißabfolge sehr wichtig, um Verz ug und Schweißfehler z u minimieren. Die Rissem pfind lich keit ist g rößer, und d ie Dauerfestigkeit von Aluminiumsc hweißnähten liegt deutli ch unter der von Stahln ähten. Sämtliche Schweiß parameter müssen beim Aluminiumschweissen sehr zuverlässig eingehalten werd en. Somit wird auch bei der Qualit ätspr üfung ein höherer Aufwand nötig, Die aufwä ndigere Fert ig ung zusammen mit den höheren Werkstoffkosten bedingen, d ass Alumi niumrahmen deutlich reurer sind als Rahmen aus Stahl. nild 8 ,7 zeigt die hochmoderne Roboterschweiß ung eines Alu miniu mrahme ns. wie sie bei ßMW fü r den Rahmen der K 1200 S eingesetzt wird. Die Gewichtsvorteile von Aluminium kom men nur be i werkstoffgerechter Kon struktion zu m Tragen . Zwar ist das Fest igkeits- /Gewichtsverhä1tnis günstiger als bei Stahl, doch komm t es
Bild 8.7 Roboterschweißun g eines Aluminiumrah mens ( BMW K 1200 S)
280
8 Konstruktive Auslegung von Motorradfa hrwerke n
beim Motorradrahmen. wie einle itend bereits erwähnt , entscheidend auch auf die Steifigkeit an. Hier ist das Verhältnis zw ischen Sta hl und Aluminium gleich. Denn der Elastizitätsmodul von Aluminium, de r die Steifigkeit bestimmt, ni mmt in gleichem Maße wie da s spez ifische Gewic ht ab (jeweils 113 der Werte von Stahl). Die Dimensionierung des Rahm ens muss der Belastung also möglichst genau folgen. Dann kan n durch ensprechende Gestalt ung der Gewichtsvorteil von Aluminium auch ausgenutzt werden . Ein g roßer Vorteil von Aluminium besteht darin. da ss sich mittels entsprechender Umformverfahren kostengün stig maßgesch neiderte Profile herstellen lassen , deren Querschnitt e ge nau an die Belas tungen des Rahmen s angepasst werden kön nen. Übe r eine ausge klügelte Profilbauweise. in Kombinat ion mit Le ichtmetallg ussteilen . lassen sich dan n bei gleichem ode r niedrigerem Gew icht deutlich höhere Steifigkeiten als bei Sta hlkonstruktionen erzielen. Bild 8.8 zeigt zwei de rartig e. moderne Rahm enkonstruktionen aus Aluminium. die zu Anfang nur bei teuren Supe rsportmotorrädern ver wend et wurde, sich aber z unehmend au f bre iter Basis dur chsetzt. Steuerkopf und Schwinge nplatte sind Alumi nium gussteile. d ie mit den beiden
B o r
Profilquers chnitt Rahmenhauptprofil (135 x 30 mm)
Bild H.H A lum iniumrahmen in Pro filbauweise (HO NDA C BR 900 RR)
8.3 Ra hmen und Radfü hrungen
281
Bild 8.9 Designeinfluss der Rahmenkonstruktion (YAM AHA YZF-Rl)
Hauptholmen. bestehend aus einem geschlossenen Strangpre ssprofil, verschweißt werden. Der im unteren Bildteil als Zeichnung dargestellte, sehr verw indungssteife Rahmen der HONDA wiegt nur 10,5 kg. Das Rahmenheckteil, ebenfalls aus Aluprofilen, wird mit dem Hauptrahmen verschraubt. Die hohe Eigensteifigkeit der Konstru ktion macht es möglich. auf eine starre Motore inbindung in den Rahmen zu verzichten. Der Motor hängt unterhalb des Rahmen s und kann teilentkoppelt unter Zwischenschaltun g von Gummielementen verschraubt werden. Das reduziert die Einleitung komfor tmindernder Motorschwingun gen in den Rahmen auf ein Minimum, wodurch nur noch geringe Vibrationen in Lenker und Fußrasten spürbar werden. Die Seitenansicht eines Motorrades, Bild 8.9, macht deutlich, dass derartige Rahmenkonstruktionen das Design des Motorrades domina nt bestimmen. Für den Tank ist, z umindest bei der klassischen Tankposition. nur noch oberhalb des Rahmens Platz. Ein Herunterziehen des Tanks seitlich über die Rahmenrohre ist nicht möglich. weil der Tank dann zu breit wü rde und keinen ordentlichen Knieschluss mehr zuließe. Um ein großes Tankvolumen z u erzeugen, muss der Tank im hinteren Bereich hoch gestaltet werden. Es ergibt sich daraus eine zweigeteilte Linienführung. Zum einen dominiert die nach hinten abfallende Linie des Rahme ns, andererseits ergibt die Tankform eine fast horizontale Linie. Die Heckverkleidung ist nach vorn abfallend gestaltet. Sitzbanklinie und Rahmenlinie ergeben zusammen eine Linienführung in der Form eines in die Breite gezoge nen X, wodurch sich ein harmonischer Gesamteindruck einstellt. Die Tankoberka nte verläuft jetzt parallel zur Fahrbahn und Verkleidungsunterkante. so dass sich insgesamt ein Motorrad mit ausgewogenen Properlionen ergibt. Die Rahmenbauart nimmt neben dem Design auch starken Einfluss auf die Motoreinbaulage und damit letztlich auf die Motorbau art, wie arn Beispiel der früheren FZR-Modellreihe von YAMAHA besonders deutlich zu erkennen ist, Bild 8,10. Die beiden breiten Profilrohre des Deltabox-Rahmens müssen im hinteren Bereich wegen des Knieschlusses nahe aneinandergeführt werden, so dass dort für die Vergaserbatterie des Vierzylinderreihenmotors und eine voluminöse Ansauganlage nicht genügend Bauraum bleibt. Die Vergaser und die Luft ansaugun g müssen dahe r weiter vorn zw ischen den Rahmenr ohren ihren Platz finden, was einen sta rk geneig-
282
8 Konstruk tive Auslegung von Motorradfahrwerke n
Bild M. IO Rahmen bauart und Moto reinbaulage (Yamaha FZR )
ten Motore inhau erfordert. Ein schmal baue nde r V-Motor hätte für d iese Rahmenbauart dahe r einige Vorteile. wie im Bild 8.11 am Rahmen de r APRILlA RSV Mille sichtbar wird. Dieser Rahmen zeichnet sich durch eine hohe Torsionssteifigkeit von 6500Nmfo aus und ist aufwänd ig gestaltet. Es werden speziell geformte Profile verwendet. d ie sehr kräfti g ausgeführ t sind und im vorderen Bereich Durchbrü che für die Luftansaugung (Ram -Air-Kanä le) tragen. Das Gewicht des Rahmens ist dem Autor nicht beka nnt.
Eine interessante Abwandl ung des Aluminium-Profilrahmens zeigt SUZUKI beim Rahmen de r TLl OOO, Bild 8.12. Hier wird die Verbindung vom Steuerkopf zur Schwingenaufnahme von je zwei pa rallele n Profilzügen gebildet, die im Schwingenbereich mit einer dre iecksfOrmi gen Aluminiumplatte verschweißt sind. Die Profile sind untereinander mit verschweißten Streben verbunden. Es wird mittels relativ einfacher (und pre iswerter) Profile die Wirku ng eines sehr
ene s.n
Rahmen der Apr ilia RSV Mille
8.3 Rahmen und Radführungen
283
Bi ld 8.12 Rahmen der Suzuki T Ll OOO
hochstegigen Profils und damit eine hervorragende Steifigkeit des Rahme ns erz ielt. Das Rahmenheck ist bei dieser Konstruktion angeschraubt. Die Grundidee de r modernen Alumin iumprofilrahmen, die direkte Verbindung von Steuerkopf und Schwingenlager (bzw, Hinrerradaufh äng ungj, die neben der gezeigten M A RS von 1923 auch bei diversen Konstruktionen der 50er Jahr e (z.8. NS U Fox und Max) verwirklicht wurde, lebte andeutungsweise bereits 1981 im Brückenrahmen der YAMAHA TR I wieder auf, Bild 8.13. Brücke nrahmen aus Kastenprofilen
YAMAHA TR1
Bi ld 8. 13
Kastenprofilrahmen als Vorläufer moderner Strangpressprofi lrahmcn
284
8 Konstruktive Auslegung von Motorradfahrwerke n
Beachtenswert ist die g roße Profilhöhe de r Sta hlblechkonstruktion. die zu sammen mit dem fest verschraubte n Motor für eine, bezogen au f die damaligen Anforderu ngen. hohe Stabilität sorgt. Allerdings ist das Rahmenp rofillediglich einz ügig als zentrales Rückgrat ausgeb ildet. Die hohe Torsionssteifigkeit der mod ern en Alu miniumprofilrahmen wird damit n icht erreicht, denn diese ergibt sich erst durch die heute angewandte, zweizüg ige Ausbildung mit der breiten Umfass ung des Steuerkopfes durch zwe i nach hinten führende Profilstreben. Insofern war die Konstruk tion der MARS vorbild lich. Das ßild 8.14 verdeutlicht die Notwendigkeit hochstegiger Strukture n bei Fahrwe rken mit konventioneller Teleskopgabel. Dur ch den großen Abstand zwische n Rad aufstand spunk t und Steuerkopf erfolgt die Kraft einl eitu ng weit oben am Rahmen mit einem entsprechend hohen Biegemoment. Entsprech end benöt igt man eine Rahmenstruktur mit hohem Wide rstands moment gege n die resultierend e Biegebean spruchung. Bei der neuen Vorderradfü hrung Duole ver. die BMW in 2004 beim Mod ell K 1200 S als Weltneuheit in die Serie eingefü hrt hat, sind die Verhältn isse für den Ra hmen durch einen tiefer liegenden Kraft angri ff mit kleinerem Hebelarm deutlich günstiger, Bild 8.15. Der Alumini umrahmen kann dahe r ..flach" gehalten werden. und damit komm t man dem wün schenswerten .,d irekten" Kraft fluss zu r Schwingenlageru ng sehr nahe. Der Brückenrahmen selber ist eine hoch steife Leichtbau-Verbundkonstru ktion au s Aluminiumprofil en u nd Leichtm etallgu ssteil en, die miteinand er verschweißt werden. Die Profile werden mittel s Hochdr uck-Hydroumformun g gefertigt. Das kompl ett e Rah mengewicht beträgt nur 11 kg.
Bild 1'!.14 Biegemoment am Rahmen
8.3 Ra hmen und Radfü hrungen
285
Biltl lUS Biegemoment am Rahmen
YAMAHA zeigte erstmals auf der Tokyo Motor Show 2003 einen interessante n Rahmen, der komplett als Leichtmeta llgussteil ausgefü hrt ist. Er wird im Model l Fazer verwendet. Um ihn gießen zu können. muss der Rahmen zweigeteilt sein. Die Teilung erfolgt in der Mittenebene und beide Hälften werden am Steuerkopf und unterhalb des Schwingenlagers miteinander verschraubt, Bild 8.16. Seine Gesamtstabilität erhält der Rahmen nach Verschraubu ng mit dem Antrieb.
Bild 8.16 Gussrahm en aus Leichtmeta ll ( YAA/AI/ A )
286
8 Konstruk tive Auslegung von Moto rradfa hrwerken
Trotz aller neu zeitlichen Alumi niumkonstruktionen mit all ihren Vorteilen konnten sich im Motorradbau Rohl"rahmenkonstrukt ionen aus Stahl nach wie vor behaupten. Auch sehr interessante Verbundko nstru ktionen werden angewandt, wie der Rah men von BENELLI in der Tornado 900. Bild 8.17.
Der Haup tg ru nd für die Verwendung von Stahlroh rrahmen liegt in der oft weniger aufwänd igen Fertigung d ieser Rahmen, was ihn zusammen mit dem preiswerteren G ru nd material kostengünstiger macht. Für Rohrrahmen reichen einfache Biege- und Schweißvo rrichtungen. währe nd Profilrahme n teure Umform- und Schweißwerkzeuge benöt ige n, d ie nur bei g roßen Stückza hlen wirtschaftlich sind. Bei den Rohrrahme n unterscheidet man d rei Grun dbauweisen. den Schleifen rahmen. den Brückenrohrrahmen und de n Gitterrohrrahmen. Letzterer ist eine Konstru ktion in Fachwerkbauweise und besteht weitgehend aus geraden Rohren , die nur auf Zug oder Druck bea nsprucht werde n. Bild 8.18. Die fehlende Biegebelastung er möglicht die Verwe ndung dünnwandiger Roh re (Wandstärke kann je nach Belastung unter 2 mm liegen). wodurch der Rahmen, bezogen auf seine Stabilität. sehr leicht wird. Die hohe Torsions- und Biegesteifigkeit eines Gitte rrohrrahmen s resultiert aus dem räumlichen Fachwerk mit breiter Einfassung de s Steuerkopfes und der Schwingenlage rung. Dem Vorteil, dass gerade Roh re verwendet werden, so da ss man ohne Biegeoperati onen auskomm t, steht als Nachteil die Vielza hl von Schweißvorgängen gegenüber. Das macht das Einhalten eines genauen Schweißplans notwendig, um Verzug und unzul ässig hohe Eigenspannungen zu vermeiden.
Bild S,17 verbundrahmen aus Alumin iumguss und Stahlrohr (/JENEU I)
8.3 Rahmen und Radfü hrungen
287
Bild 8.18 Gitrc rro hrrahrncn (IJUCA11)
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8 Konstruk ti ve Auslegung von Motorradfa hrwerke n
BMW verwendet ruf die neue Ge neration seiner Boxermodelle mit 1200 cm' ebenfalls einen Git terroh rrahmen. Bild 8.19. Der leichte Hauptrahmen besteht aus einem dreiecksförmig en Vorderra hme n und einem Heckrahme n. die beide m it dem mitt ragenden Antrieb versch raubt sind. Der Motor trägt wese ntlich zu r Versteifun g bei. Die Hinter radschwinge wird im steifen Heckrahmenverbund gelagert. Möglich wird d iese geteilte Rahme nko nst ru ktion du rch die Vorderradfü hrung Telelever (vgl. Kap. 8.3.2) , bei der die Haupt kräft e dur ch den Längslenker in das sehr steife Motorge häuse eingeleitet werden.
Ähnlich g ute Steifigkeitse igenschafte n wie Gitterroh rrahmen weisen Brückenrohrrahmen auf. be i denen der Motorb lock als mitt ragendes Element ausge bildet ist, Bild 8.20. Auch diese Rah menkonstruktion besteht we itgehend aus ge raden Roh ren. d ie zu Dreiecks- und Vierecksve rbä nden zusammengesc hweißt sind. Maßgebend für d ie Ste ifigkeit ist d ie Doppelzügigkeit des Ra hmenrückgrats mit zwe i parallelen Rohrstreben, d ie den Steuerkopfwe it umfassen und gut abstütze n und die breite Basis der Motoranbindung. Der Motor-Get riebeblock allei n we ist schon eine seh r hohe G rundsteifigkeit auf. die mit ein er reinen Rohrkonstr ukt ion n icht erreichbar wäre. Dies wird fü r d ie Schwingenlage ru ng. die in einem Anguss am Ge triebegehäuse erfolgt, vorteilhaft ausgenutzt. Wegen des einfachen Aufbaus. der fehlende n Rahmenunterzüge und dem Entfall ei ner sepa raten Schwingenlage ru ng im Ra hmen, gehöre n Brüc kenrohr rahme n mit zu den leichtesten Ra hmenkonstruk tionen und sind dar über hinaus seh r kostengünstig in der Herstellung. Ihr Hauptn achteil besteht da rin. dass infolge der festen Verschrau bu ng von Motor und Fahrwerk alle Motorschwi ngungen ungehindert an den Rah men übertragen we rden und sich deutlich als Vibrationen von Lenke renden und Fuß rast en dem Fah rer mitteilen. Dies wird besonders bei Vierzy linderreihenmotoren mit seinen hochfrequenten Schwingu ngen (Messenkr äfte 11. O rdnu ng, vgl. Kap. 3.5) manchmal als störend und kom fortmi ndernd empfunde n. Man erken nt an d iesem Beispiel wiederum den Stellenwert, der dem Ausg leich der freien Massenkräfte und Massenm omente beim Motorra dmotor zukommt. In diesem Zusammenha ng sei noch ein mal auf da s Bild 3.68 verwiesen, das für versc hiede ne Moto rkonze pte die Anreg ung dur ch Massen-
Bi ld 8.19 Gitterrohrrahmen
der BMW R 1200 GS (2004)
8.3 Rah men und Radführ unge n
289
8i ld 8.20
Brückenrohrrahmen mit Motor als tragendem Element (BMW K 100, 1983) krä fte arn Motora ufhä ng ungsp unkt darstellt. Zur Mi nderun g de r Vibrationsbe last ung fü r den Fah rer gibt es d ie Möglichkeit , entwede r d ie Fußraste n und de n l enk e r du rch eine abg est im mte Gummi lage rung sc hwing ungs mä ßig sowe it als mög lich vom Rahmen zu entkoppeln , oder abe r die Übertragu ngseigenschaften des Rahmens für Schw ingu ngen so auf d ie Sc hwing ungs anre gung abz ustim men, dass di e Schw ingu ngsa mplitude n bzw, Schw ingbesc hleunigunge n z um indest an Lenker u nd Fu ßrasten mög lichst klein werd en. Einige Hersteller verwenden zu d iesem Zweck auch be im Brücken rohrrahmen Gummielemente zur Motorlagerung. Diese mü ssen dann so ausgeb ildet se in, dass sie die Schw ing ungse inleitung in den Rah men stören, gleichze itig aber die Steifigkeitseigenschaften des Motor-Rah menverbunds n icht nacht eilig beeinfl ussen. Dass dabei immer nur Kom prom isslösungen möglich sind, d ie be i sch nelle n Sportmot or räde rn zugunsten de r Ste ifigkeit unte r Inkaufnahme von höheren Vibrat ionen u nd Komforteinbuße n ausfallen, dürfte einleuchte nd sei n. Die konsequenteste Nutz ung der hohen Eigens teifigkeit eines Motor-Ge rriebeve rbundes fü r ein Motorr adfahrwerk zeigte BMW 1993 bei der damaligen neuen Boxergeneration. Bild 8.21.
B ild 8.21
Rahm enk onzept der SM W Boxermoto rr ad-
baureihe von 1993 bis 2004
290
8 Konstruk tive Auslegung von Motorradfahrwerke n
Der eige ntliche Rahmen besteht bei d ieser Kon struktio n nur noch aus einem d reieckförmigen Rahmenvorderteil. ausgebildet als Alu mi niu mgussteil. sow ie einem angesch raubten Rah menhinterteil aus weitgehend geraden Stahlrohren. Das Vordert eil wird vorne a m Motorge häuse angeschraubt u nd stützt sich über zwe i verschraubte Stahlrohrstreben zusätzlich hinten am Moto r ab. Die Hauptkräfte werden bei d iesem Fah rwerk d irekt in den Motor-Get riebeverb und eingeleitet. Dies ist nur möglich in Verbindu ng mit de r speziellen Vorderrad füh rung mit Längslenker (BMW Telelever s. auf die, wie schon angemerkt, anschließend (Kap. 8.3.2 ) näher eingegangen wird. Das Rahmenhe ckteil nimmt lediglich d ie Sitzbank aufu nd bildet d ie obere Abstützu ng des hinteren Fede rbeins. Die Krä fte aus der Hinterradführung leiten d ie Schwinge durch ihre Lagerung im Getriebegehäuse ebe nfall s d irekt in de n Motor-Getriebeverbund ein. Realisierba r ist ein derartiges Fahr werksdesig n nur bei schwingu ngsarmen Motorkonzept en wie z.B. dem Boxermotor. In der Nachfolgegeneration der Boxermotorräder wurde d ieses Kon zept modifi zier t. Detailli ert e Untersuchungen zeigten, dass mit einer Kombination aus Motor und Rah men , wie sie in Bild 8.19 dar gestellt ist, in Summe ein g ünstigere s Verhältnis aus Steifigkeit u nd Gewicht zu erzielen ist. So kan n beispielsweise das Getriebegehäuse ohne die integ rierte Schwingenlagerung sehr viel leichter gestaltet werden. Komm e n wir noch zu den klassischen Rohrrahmen in Schleife nausführu ng. Vorbild aller mod ernen Doppelschleifenrahmen ist der soge nannte .Federbettrahmen" der eng lischen Firma NORTON, Bild 8.22 . Charakteristisch für diesen Rahm en ist die zweizüg ige Ausführung de r Rahmenrohre mit der Kreuzu ng der Rahmenroh re am Steuerkopf Dadurch sollte eine hohe Torsions- und Biegeste ifig ke it gepaart mit einer gew isse n Längselastiz ität des Steuerkopfes erzielt werden, d ie sich in Fah rversuchen als günstig erw iesen hatte u nd d ie Dauerha ltbarkeit des Rahmens positiv beein flusst. Dieses Rahmenprinzip hat sich in mehr ode r wen iger abgewandelt er Form bis Mitte der 90e r Jahre erhalten, beispielsweise bei den BMW Boxermotorrädern mit Zweiventilmotor. Bild 8.23 . Zwar sind bei diesem Rahmen nur d ie Rahmenunterzüge in Form zweie r, paralleler Rohrbögen ausgefüh rt, wäh rend da s Ra hmenrückg rat aus nur einem groß d imen sionierten Rohr besteht, trot zdem wies der Rahmen für die damaligen Anforderungen eine genüge nd g ute Torsions- und Biege steifigkeit auf. Diese wird durch die Knotenbleche erz ielt, mit denen die Rohran bindu ng zum Steuerkopf versteift wird. Der allmäh liche Auslauf des Knotenbleches vom Steuerkopf zum unteren Roh rbogen stellt einen g leichmäßigen Steifigkeitsa nstieg sicher u nd verhinde rt. dass plötzliche Kra ftsprünge auft reten, die die Dauerhaltbarkeit des Ra hmens negativ beein flussen könn ten.
uno a.zz
Norton .Fedcrbcnrahmcn-
291
8.3 Ra hmen und Radführungen
Bild K.23 Doppelsehleifenrahmen der BMW Boxermotorräder (Zweiventilmotor)
Bild 8.24 Ausführungsbeispiele für Rohrrahmen Der Vorteil des Doppelsch lei fenrahm ens liegt , wie bei allen Rohrrahm en, in der kostengün stigen Herstellbarkeit wegen des geringen Aufwandes an Vorr ichtu ngen und Werkzeugen . Der Doppelschleifenr ahmen kann , weil der Motor nicht mitträ gt, im Gegensatz zum Brückenrahmen freizügig gestaltet werden. Er tritt optisch nicht in den Vorderg ru nd. wirkt leicht und filigran und trägt so z u einem klassisch eleganten Erscheinungsbild des Motorrade s bei. Er erreicht allerdings nicht die Steifigkeitswerte von Brückenrahm enkonstruktione n bei denen der Motor mitträgt oder die der modernen Profilrah men. Gewichtsmä ßig ist er den ande ren Konstruktionen ebenfalls unterlegen, der BMW Rahmen beispielsweise wiegt rund 16 kg. Das Hild 8.24 zeigt weitere Schleifenrahmen aus Stah lrohr, wie sie noch heute in verschiedenen Motorr äde rn verwendet werde n.
8.3 .2 Ba uarte n und konstruktive Ausfü hru ng der Vorderradführun g Die Radführung ist das Bindeglied zw ischen Reifen/Rad und dem Rahm en. Die Vorderrad führung hat auf die Fahrstabilität einen mindestens ebenso g roßen Einfluss wie der Rah men. Die Aufgaben und Anforderun gen, die an sie gestellt werden, sind dabe i vielfä ltig: - Bereitstellung großer Fede rwege - g utes Ansprechverhalten der Federu ng und Dämpfun g - exakte, aber reibungsarme Führung der Räder
292 -
8 Konstruk tive Auslegung von Moto rradfahrwerke n
verw indungss teife Au fnahme und Weiterleitu ng der a m Rad angre ifenden Kräft e leicht gängige. spielfreie Len kbarkeif geri nges Ge wicht und klei nes Massenträg heitsmoment um die Lenk achse Einbauraum fü r ausreichend große Brem sen gewä hrleisten einfache Rad montage ermög lichen Verschleiße na nfällig keit gefä lliges Ausse hen
Es hat in der Entwic klu ngsgeschic hte de s Motorrades eine g roße Anz ah l untersc hied licher Systeme zu Vorderradfüh ru ngen gege be n. von denen sich bei leistungsstarken Moto rrädern aber nur zwe i Systeme du rchsetzen konnten. die Schwinggabel und die Teleskopgabel. Der G rund dafü r ist. d ass bei einer ordentl ichen Radfü hru ng nur d iese be iden Bauarten ausre ichend Federweg ermög lichen, de r fü r schnelle Motorräder und d ie ges tiege nen Komfortansprüche u nerlässlich ist. Wegen ihr es kompa kten, gekapselten Aufbaus, ihr er relativ g uten Federungse igenschafte n und vor allem wegen ihres sch lan ken und elegant en Aussehens wird die Teleskopgabel seit etwa 25 Jahren praktisch ausschließlich verwe ndet. Erst in neuester Zeit sind zwe i weitere Systeme z ur Marktr eife entw ickelt und in Serienmotor rädern eingese tzt worde n, der Telelever von BM W u nd d ie nach de m Lenk system benan nte Achssc hen kellen kung von YAMAHA. Diese vier System e sollen nun aus führlicher bet rachtet werden . Die Telegabel besteht in ihr er Grund konstruktion aus zwe i kon zentrischen Rohren, dem Sta ndro hr und dem Gleitrohr. d ie ineinander gleiten kö nnen und damit das Rad entla ng einer Gerad en führ en. Im Inneren der ölbefiillten Rohre befinden sich die Federn u nd die Dämp fer, Bild 8.25 . Die Ölfüllung d ient zu r hydrau lischen Dämpfung und zu r Sch mierung aller g tei-
_+--j--
t enkronr
Gabelbracke
Standrohr
Atdichtung /
Gleilrohr
Gabelleder
Dämpfersystem I f-ll-ll-~ Gleitrohr
Bild 8.25 Gr undprinzip der Teleskopgabel
8.3 Rahmen und Radführungen
293
renden Teile. Die Sta ndrohre sind mittels de r Gabelbrücken fest mit dem Rahmen verbunden, während das Rad über seine Achse mit den Gleitrohren verbunde n ist und dam it eine Auf- und Abbewegung entlang der Stand rohre ausfü hren kann. Der Federweg einer Teleskopgabel wird prinzipiell nur von der Länge der Sta nd- und Gleitrohre beg renzt und kann sehr g roß werden. Extreme We rte erreichen Moto-Cross Motorräder mit Federwegen bis über 300 mm . Straßenmotorräder weisen üblicherweise Fede rwege zw ischen 120 und 200 mm auf. Die Telegabel erfüllt in einem Bauteil gleichzeitig folgende Funktionen: - Radführung - Federu ng - Dämpfung - Brem smomentabstützung Diese Integration der Funktionen führt z u einer äußerst kompakten Bauart mit ger ingem Gewicht und kleinem Massent rägheitsmoment um die Lenkachse. Letzteres ist besonders wichtig, weil es einem möglichen Aufschaukeln von Schwing ungen im Lenksystem entgegenwirkt (Flattern und Pendeln) und dam it die Grundlage für ein sicheres Fahrverhalten schafft , siehe Kap. 10. Die Telegabel hat aber auch eine Reihe von Nachteilen. die sich aus de r Baua rt und eben die ser Funktionskonzentration ergebe n. So sind die Fede ru ngse igenschaften und das sensible Ansprechverhalten auf kleine Fahrbahnstöße nur da nn gut, wenn die Sto ßrichtung mit der Bewegun gsrichtu ng des Rades übereinstimmt. Dies ist aber meist nicht der Fall, de nn durc h die gegenüber der Senkrechten geneigte Einbaulage der Gabel rufen die Radaufstand skrä fte immer auch Querkräft e in der Gabe l her vor. Diese Kraftant eile senkrecht zur Bewegu ngsachse füh ren zu einer Erhöhu ng der Reibung in de r Gabelführu ng und zur Schwergängigkeit der Gabel, Bild 8.26. Bei Motor rädern der oberen Hubraumklasse wurde n, abhängig von der Richtung der einwirkenden Kraft , Reibungsk räfte zw ischen 160 und 220 N gemesse n.
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Bild 8.26 Stoßk raftzcr1cgung und Erhöhung der Reib ung in der Tclegabcl.
294
8 Konstruktive Auslegung von Motorradfahrwerke n
Den gleichen Effekt haben Längs- und Querkräfte. wie sie beim Bremsen und bei de r Kurve nfah rt am Vorderrad auftrete n. Währe nd bei einer leichten Brems ung die Addition von Radaufsta ndskra ft und Bremskraft noch zu einer resultierende n Kraft etwa in Richtu ng de r Bewegungs richtung de r Gabel führt und deren Ansprechverhalten begünstigt. fü hre n hohe Bremskräfte, ebenso wie die Querk räfte zu entsprec henden Kraftkomponenten in den Gleitbuchsen der Gabel und erhöhen die Reibkraft und da mit die Losbrechkra ft für die Federbeweg ung. so dass der Fahrkomfo rt erheblich beeinträchtigt wird. Werden die Que r- und Längskrä fte sehr hoch, z.B . bei g rößeren, abrupt en Fahr bahnuneben heiten oder auch beim scharfen Bremsen. dan n führen die besonders im ganz ausgefahrenen Zusta nd sehr großen Hebelarme der Telegabelro hre zu derartigen Biegebeanspruchungen der Gabel. dass sich die Standrohre ve rformen und die Gabel sich in de n Führu ngen kurzzeitig regelrec ht verklemmen kann. Eine ext reme Schwergängigkeit der Federbewegung ist die Folge, wodurch sich das Fahrverhalten bei Fahrbahnunebenheiten grav ierend verschlechtert, weil das Rad den Unebenheiten nicht mehr exa kt folgt und die Boden haftung abnimmt. Zu ähnlichen Probleme n fü hren auch Scheibe nbremse n mit nur einer Bremsscheibe. Die asymmetr ische Anordnung und der seitlichen Abstand de r Bremse von der Radm ittenebene leitet beim starken Bremse n ein Dreh moment in de r Größenordnung von 350 Nm in die Gabel ein und verdrillt die Gabe lrohre um einige Grad gegeneinander, so dass die gesamte Gabel sich verklemmt. Man versucht dem durch immer größere Durchmesser fü r die Stand rohre konstrukt iv z u begegnen. Zwar erhöht sich damit die Gabelsteifigkeit. - eine Vergrößerung des Stand rohrdurchmessers von 39 auf 43 mm beispielsweise erhöht dessen Biegesteifigkeit um fast 40% - , gleichzeitig nehmen aber das Gewicht, das Massenträgheitsmoment um die Lenkachse und die Reibung innerhalb der Gabel zu. Die Reibungszunahme resultiert im Wesentlichen aus de r höheren Anpress kraft de r größeren Gabeldichtringe. Dennoch überw iegen in der Summe die Vorteile des g rößeren Standrohrdurchm essers. Bestimmt werden die Ge samteigenscha ften durc h die konstruktive Detailausführu ng de r Gabel. So sollten die Gleitbuchsen möglichst weit auseinande r liegen. so dass sich eine große Überdeckung slänge zwischen Gleitrohr und Standro hr ergibt. Üblicherweise ist die obere Gleitbuchse im Gleitrohr befestigt und die untere am Ende des Stand rohres, so dass sich eingefede rt (z.B. beim Bremse n) ein vorteilhafter g roßer Buchsenabstand einstellt. der mit zunehmender Ausfederung abni mmt. Bei vorgegebenem Federweg wird de r minimale Buchsenabstand de mnach von der Länge der Stand- und Gleitrohre bestimmt und kann Z.B. dadurch vergrößert werden, dass die Gleitrohre über die Radachse hinau s nach unten verlängert werden, eine Lösung die bei Moto-Cross Motorräde rn häufig zu sehen ist. Für leichtes Ansprechen sollte das Material für die Gleitbuchse einen nied rigen Reibkoeffizienten auch bei ung ünst igen Schmierverhältnissen aufweisen. Viele Telegabeln haben daher Teflon beschichtete Führ ungsbuchsen. Für die Gesam tsteifigkeit der Telegabel ist nicht allein der Standro hrdurc hmesser verantwor tlich, sondern ebenso die Stabilität der Gabelb rücken. des Len krohres und. ga nz wichtig, die Steifigke it de r Radac hse. Oft werde n zur gez ielten Erhöhung der Verd rehsteifigkeit die Gleitrohre mit Stabilisatoren verbunden, die vielfach gleichzeitig als Schutzblechhalterung ausgebildet werden. Bild 8.27. Allerdings müssen diese Versteifu nge n sehr präz ise bearbeitet sein und passgenau montiert werden. weil sich sonst die Gabel holme gegeneina nder verspannen und die Gabel schwergängig wird. Umbauten an Vo rderradschutzblechen und dere n Halterungen sind daher mit Vorsicht ausz uführe n, die Torsionssteifigkeit de r Gabel kann sich bei m Weglassen dieser Halteru ngen in ung ünstigen Fällen nahezu halbieren!
295
8.3 Rahmen und Radführungen
stabilisatoren
Stabilisator als
SChutzblech neuer ausgebildet
ßildl'!.27 Zusätz liche Gabelvers reifung
durch Srabihsatorcn
An die Fertigungsgenauigkeit von Telegabeln werden insgesamt sehr hohe Anforderungen gestellt, wodurch g ute Telegabeln sehr teuer werden. Leichtes Ansprechen und geringe Reibung werden nur bei absoluter Parallelit ät der Gabelho lme erreicht, weshalb nicht nur die Stand- und Gleitrohre selber mitsamt der Achsaufnahme ge nau bearbeitet werden müssen, sonde rn auch die Gabelb rüc ken. die Präzisionsteile da rstellen. Die Passungen zw ischen Gleit- und Standrohr müssen eng toleriert sein, weil Maßabweichungen sich negativ auf die Gleiteigenschaften und den Fahrko mfort auswirken. Ebenso wichtig ist die Gleichheit der Feder- und Dämpfe rkräfte in beiden Gabel holmen. Ungleiche Kräfte führe n zu Verschränkungen zwi schen de n Gabelholmen und einem Anstieg der Gleitbuchsenre ibung mit entsprechender Verschlechterun g des An sprechverhaltens der Gabel. Die unterschiedliche Belastu ng de r Gabelholme bei der Kurvenfah rt, der kur veninnere Holm wird stärker belastet, führ t bei weniger steifen Gabeln zu geringfügig unterschiedlicher Einfederu ng der Holme und da mit ebenfalls z u ungleichen Federkräften und verschlechtertem An sprechen. Um einen hohen Verschleißwiderstand zu erz ielen, werden die Standrohre. die aus Festig keitswie aus Steifigkeitsg ründen aus Stahl bestehen müssen, oberflächenverchro mt oder nitridbeschichtet. Die Gleitrohre, die z u den ungefederten Massen zä hlen, werden aus Gewichtsg ründen aus Aluminiumgusslegierungen gefertigt. Ein Beispiel fü r die konstruk tive Ausführung einer modernen Teleskopgabel zeigt Bild 8.28. Seit einigen Jahren werden die ursprünglich im Rennsport verwendeten upside-down-Gabeln auch bei schnellen Straßenmotorrädern eingesetzt. Bei die ser Telegabelkonstru ktion wird die Gabel gewisserm aßen umgedreht ins Motorrad eingebaut, Bild 8,29. Die Sta ndro hre aus Aluminium liegen jetzt außen und weisen aufgrund ihres größe ren Durchmessers eine erheblich größere Biegesteifigkeit auf, als bei de r konventionellen Telegabel. Die Gabel ist damit von ihrer Steifigkeit optimal an den Verlauf des Biegemoments angepasst, das an der Einspannstelle der Gabelh olme am g rößten ist. Nachteilig ist an dieser Gabel die aufwändigere Konstrukt ion, die sich natü rlich in höheren Herstellkosten niederschlägt. So benötigt die upside-down-Gabel separate Aufnahmen für die Brem ssättel. die auf die Stahlgleitrohre aufgep resst werden müssen, während sie bei der herkömmli chen Gabel mit gegosse nen Aluminiumgleitrohr en kostengün stig als Anguss ausge-
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8 Konstruktive Auslegung von Moto rradfa hrwerken
ßildlUK Schnit tbild einer mod erne n Teleskopgabel ( BMW)
Bild H.29
Upside-down-Telegabel
8.3 Rahmen und Radführungen
297
füh rt werden können. Für die Abd ichtung muss ein größerer Aufwand getrieben werden, de nn bereits e ine leichte Leckage der Gabeld ichtringe füh rt dadurch, da ss sich das Öl im oberen Gabelt eil befindet, rasch zu m komp lette n Ölve rlust der Gabel, was auch ein Sicherhe itsrisiko da rstellt, weil g roße Öl mengen auf de n Reifen gelangen können. Gewic htsmäßig hat die Gabel leichte Nachteile, die ungefederten Massen sind wege n der Stahlgleitrohre etw as g rößer als bei der konventi onel len TelegabeL In de r Ausfüh rung der Federun g und der Dämpfung der Telegabeln gibt es g rößere Deta ilunterschiede, auf die im Rahmen eines G rund lagenbuches nicht eingegan gen werden kann. Die Funktionsweise von Stoßdämpfern (richtiger wäre Schwingungsdä mpfer) sowie d ie verschiedenen Ausführ ungen der Federung werden im Kap. 8.3.4 beha ndelt. Grundsätzlich gilt für d ie Auslegung de r Federung bei Telegabeln, da ss diese in de r Nulllage (Normallage) des Motorrade s so weich wie möglich sein sollte, um ein sensibles Ansprechen au f kleinste Bode nunebe nheite n zu gewäh rleisten. Mit zunehmender Einfederung sollten d ie Federkräfte progressiv ansteigen, damit auch g robe Stöße abgefangen werden können, ohne da ss d ie Fede rung durchschlägt. Die weiche Anfangskennung e rfordert insgesamt g roße Federwege. wenn zugleich ein g roßes Schluckve rmöge n de r Federung gefordert wi rd. Diese sind für das Fahrverhalte n nicht unproblematisch, weil beim Bremsen und Beschleun igen große Vertikalbewegungen de s Fahrzeugs auftreten, die, wie wir einga ngs schon gesehen haben, zu merklichen Änderungen de r Fahrwerk sgeometrie führe n. Bei modernen, schnellen Straßenmoto rrädern ist der Federweg der Telegabeln in de n letzten Jah ren daher wieder reduziert worden, die Anfangsfederhärte musste dafür angehoben werden. Dies muss nicht zu Kornfor tverschlechterungen führen, so ndern ist nur ein Zeichen für die deutlich gestiegene Güte der Telegabeln. Der Radkraft wirkt ja während der Federbewegung imme r die Sum me aus Feder- und Reibkraft entgegen, so dass bei sinkender Reibkraft die Federsteifigkeit erhöht werden kann. Für das erste Ansprechen der Gabel muss je weils ih re Haft reibkraft von den Kräften aus de r Vertikalbeschleunigung des Rade s übe rwu nden werden, sonst federt sie nicht. Das Vorderrad würde in d iesem Fall nur über d ie Elastizität des Reifens abgefedert, dessen Federhä rte um ein Vielfach es übe r de r de r Gabelfeder liegt. Bei einer Gabel mit nied rige r Eigenreibung spricht die Federung schon bei deutlic h kleineren Radkräften an, so da ss selbst bei härteren Gabelfedern eine Komfortverbesseru ng gegenü ber der reinen Reifenfederung erreicht wird. Dem starken Eintauchen der Telegabel beim Brem sen infclge der dynam ischen Radlastveränderung beim Bremsen , vgL Bild 8.5, wurde vielfach versucht, durc h sogenannte anti-diveEinricht ungen zu begegnen. Am wirkungsvo llsten sind mecha nische Systeme wie im Bild 8.30 dargestellt. Hierbei ist der Bremssattel nicht fest mit dem Gabelhol m verschraubt, sondern in einer Halterung d rehbar auf de r Radachse gelagert. Die Bremskraft versucht nun de n Bremssatte l mitzunehmen und zu drehen , was aber durch die Abstützun g de r Schubstreben an de r unt eren Gabelbrücke verhindert wird. Die Bremskräfte wirken dam it der Einfeder ung durc h die Radlastverla gerung beim Bremsen entgegen und heben die Einfederun g im Idealfall au f. Der volle Fed erweg der Gabel bleibt erhalte n, und es tritt auch keine Verhärtung de r Federu ng auf. Nachteilig ist an d iesem System d ie Erhöhung des Massenträgheitsmomentes um die Lenkachse, d ie notwend ige spielfreie und gelenkige Lagerung de r Schubstreben (Kosten) und das unschöne Aussehen. was die Ein führung in die Serie bisher verhindert hat.
8 Konstruk tive Auslegung von Motorradfahrwer ke n
298
I
Einfederung aufgrund der
dyn. Radlast ve rtaqe rm q
Abstützu ng der Bremskraft
Bild 8.30 Mechanisches anti-divc-Sys tcm
Einga ng in die Serie habe n hyd raulische Systeme gefunde n, obwohl sie handfeste Nachteile au fweisen. Gemeinsames Merkmal der verschiedenen Bauarten ist, dass sie die Druckstufen dämpfung der Gabel beim Bremsen vergröße rn und dam it d ie Einfederung der Gabel verzögern. Dies geschieht entwede r direkt, indem der Bremsflüssig keitsdru ck über eine Bypassleitung Steuerkolben im Gabeldä mpfer betätigt ode r indirekt, indem d ie Dämpfu ng sich abhängig von der Einfederungsgeschwindigkeit automatisch verstellt. Sehr schnelles Einfedern interpre tiert das System dab ei als Fahrbahnstoß und reduziert kurzzeitig d ie Druckstufendämpfung. bei langsamerer Einfederu ng wird d ie Dämpfu ng erhöht und so dem Eintauchen beim Bremsen entgegengewirkt. Die Verhärtung der Gabel beim Bremsen bewirk t aber letztlich bei allen hydra ulischen Systemen nichts anderes als eine ze itliche Verzögeru ng des Eintauchvorgangs um I bis 2 Sekunde n und verhindert da s Eintauchen bei einer längeren Vollbremsung nicht. Die Federweg red uzierung wi rd also nicht eliminiert, die Gabel bleibt während der Brem sung unkomfortabel, und bei den Systemen, die den Bremsflüssigkeitsdru ck z ur Steuerung verwenden, wird darüber hinaus das Bremsgefüh l nachteilig beeinträchtigt, die Bremse fühlt sich "teig ig" an. Der Nutze n für da s Fah rsicherheitsgefüh l und den Komfort ist dah er sehr zweifelhaft und d iese Systeme sind nach einiger Zeit wiede r vom Ma rkt verschwunden. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, die negati ven Eigenschaften de r Telegabel gr und legend zu verbesse rn. Um das Problem ungleicher Feder- und Dämpfe rkräfte in den Holmen zu umgehen, hat d ie Fa. GILERA Z.B. eine Gabel mit nur einem Holm vorgestellt. Einige Tuner haben versucht, d ie Reibung der Gabelführungen dadurch herabzu setzen , dass sie die Gleitbuchsen du rch kugelgelagerte Geradfü hrungen (Kugelumlaufb uchsen) ersetz t haben. Ob d iese im Ansatz bestechende und äußerst wirksame Idee in der Praxis dauerhaft funktioniert, müsste dur ch Dauer ve rsuche gek lärt werde n. Zwar haben sich derartige wälzgelagerte Führ unge n im Werkzeug maschinenbau als sehr g ut haltbar erw iesen (auch dort treten
8.3 Rahmen und Radführungen
299
stoßa rtige Belastungen auf), abe r de r Straßenbet rieb mit seinen vielfä ltigen Belastungen stellt möglicherweise noch höhere A nforderungen. Die absolute Dominanz de r Telegabel als Vorderradführung bei Serienmotorräde rn wie auch im Gran d Prix Renn sport zeigt auch, dass im praktischen Fahrbetrieb die Nachteile de r Telegabel nur wenig gravierend zutage treten. Dass trotzdem in neuester Zeit alternative Vorderradführu ngen serienre if entw ickelt wu rden, hat neben dem Fortschr ittsdrang auch mit der Einfüh rung von AB S-Bremssystemen zu tu n, bei de nen die Telegabel aufg ru nd de r pulsierenden Bremskraft an ihre Grenzen stößt (Lä ngsschwingungen der Sta ndrohre).
In den 50er Jahren hat man versucht, die Nachteile, die die Telegabel im Kom fortverha lten aufweist, z u vermeide n und eine Langa rmschwinge als Vorderradführung entwickelt, Bild 8.31. Diese Konstruktion, die von BM Wzu hoher Reife entw ickelt wurde und von 1955-1 969 in allen Modellen eingesetzt wurde, besteht aus zwei Tragrohren, die fest mit den Gabelbrücken und dem Lenk rohr verbund en sind und zwei dar in gelagerten Schwingarmen. Es ergibt sich eine Raderhebung auf einer kreisbogenförmigen Bahn . Die Federbewegung der Schwingarme wird von zwei separaten Stoßdä mpfern gegen die Tragrohre abgestützt.
Fahrtrichtung
/
Gezogene Schwinge
.-
Geschobene Schwinge
Bremsenwiderlagel an Schwingarm
Lagerung in Kegel rollenlagem
Bild 8.31
Langarm-Schwi nggabc1
8 Konstruktive Auslegung von Moto rradfahrwer ke n
300
Bei Vorderradsc hwinge n unterscheidet man je nach der Anord nung der Schwinge nlage r in Bezug auf die Radac hse und Fah rtrichtung zw ischen der gezogenen und geschobenen Schwi nge. Die gezogene Lang schwinge. bei Leichtmotorrädern bis in die 70er Jahre populär, hat als Vo rderradfüh ru ng wege n des hohen Trägheitsmomentes um d ie Len kachse und dem starken Eintauchen beim Bremse n fü r g roßvolumige Moto rräder keine Bedeutu ng erlangt. Das v iel gelobte Komfo rtverhalten der Schwinggabel ergibt sich aus der Reibung sar mut de r Schwingenlageru ng, die bei BM W als Kegelro llenlager ung ausgeführt wurde . Die Leichtgäng igkeit bleibt auch be i Torsions- und Biegebelastun g erhalte n, selbst eine geringe Verformung u nd Verschrä nk ung der Schwingarme oder u ngleiche Feder- und Dämpfe rkräfte wirken sich nicht nachteilig au s. Bezüglic h ihre r Seiten steifigkeit u nd der Verdrehsteifig keit um die Hoch achse sind Vorderradschwingen de r Telegabel überlegen. weshalb sie be i Seitenwagengespannen auch heute noch bevorzugt eingesetzt werden . Vorteilhaft ist bei de r Schwinge auch d ie Ant i-d ive-Wirku ng. die sich durch d ie Abstützung des Bremsmomentes am Schwingenarm erg ibt, so d ass sich d ie Schwinge beim Bremsen aufstellt und dem Eintauchen entgege nwirkt, oh ne d ie Federung zu verhärten. Bild 8.32. Der Fed erweg ist bei de r Schwingga bel bedingt durch d ie Geometrie auf Werte von etwa 130 m m. Schwe rer wiegt je doch der Nachteil des großen Massent rägheitsmoment s um die Lenk achse, das deutlich höher als bei der Telegabel ist. Die negativen Auswirku ngen auf das Fahrverhalte n - die Eige nschwing ungse mpfind lichkeit des Lenksy ste ms - wurde be i ausge füh rten Konstr uk tione n durch größeren Nachlauf und de n Einsat z von Lenk ung sdämpfern kompensiert. was abe r zu Laste n de r Hand lichkeit g ing. Insgesamt ist das Len kgefühl. besonders aus heutigem Blickwinkel, sehr ind iffere nt. Dies erzwang zu Beg inn der 70e r Jah re. als Moto rrä der zu nehmend sportlic h ausgelegt wurde n. die Abkehr von de r Schwinggabel. Die
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Massenträgheit
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Durch die Befestigung des Bremssattels an der Schwinge werden di e Radkräfte mittels der Bremskraft B s (innere Kraft) in die SChwinge eingeleitet und wirken damit als Momente um das Schwingenlager.
Bi ld H.32 Anti-divc-Wi rkun g der Schwinggabel
301
8.3 Rahmen und Radführungen Rahm en Kugelgelenk Teleskop
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reoertem !
I/I
/ffO I
Bild 8.33 Telclcvcr-Vordcrradführung von HAIIV
Telegabel setzte sich endg ültig du rch, auch wegen ihres viel eleganteren Aussehens. Es wäre heute interessant zu prüfen, ob nicht mit einer modernen Vorderradsc hwingenkonstruktion aus Aluminium-Kaste nprofilen da s Massenträgheitsmoment wi rksa m reduziert und damit der Haupt nachte il der Schwinge beseitigt werden könnte. BM W hat sich mit den Problemen der Vorderradaufh ängung intensivauseinandergesetzt und durch eine Synthese aus Schwinge und Telegabel die Vorteile beider Baupri nzipien kombi niert und deren Nachteile weit estgehend ausgeschaltet. Den Aufb au dieser Telele ver genannten Konstruktion zeigt Bild 8.33. Hauptelemente sind das telegabeläh nliche Teleskop und der Längslenker, der mit dem Teleskop über ein Kugelgelenk verbunden ist und sich am Motorgehäuse in einer breiten , drehbaren Lagerun g abstützt (vgl. auch Bild 8.21) Die Radh ubbewegu ng erfolgt auf einer gekrümmten Bahn um d ie Drehachse des Längslenkers. Dabei wird da s Teleskop, das das Rad z usätzlich füh rt, z usamme ngeschobe n und gleichze itig leicht geschwenkt, was du rch die Lagerung in zwei Kugelgelenken ermöglicht wird. Fede rung und Dämpfung der Radbewegung übern immt ein zentrales Fede rbein, da s mit dem Längslenker verbunden ist und sich oben am Rahm endreieck abstützt.
Lenkac hse des Systems ist die Verbindungsge rade beider Kugelgelen ke, derherkömmliche starre Lenkkopf am Rahme n ist nicht mehr er forderlich, und die untere Gabelbr ücke wird beweglich. Die dadurch erst möglich geworde ne Verlängerung der Gabelgleitrohre nach oben ergibt einen g roßen Absta nd de r Führungsbuchsen im Teleskop auch im voll ausgefederten Zusta nd, wodurch einem Verkanten der Führung entgegengewirkt wird. Da zudem der Längslenker wesentliche Teile der am Rad angre ifenden Kräfte aufnimmt und am Motorgehäuse abstützt, bleibt d ie Teleskopführung weitestgehend frei von Querkräften und Biegebelastun gen. so da ss sie sehr reibungsarm arb eitet und ein äuße rst feinfü hliges Ansprechen der Federu ng auch bei große n Längs- und Querkräfte n gewäh rleistet ist. Dazu trägt auch bei, da ss ein Verkanten der
302
8 Konstruk tive Auslegung von Moto rradfahrwerken
Gabel durch ungleiche Feder- und Dämpferkrä fte wegen der Trennung von Radführung und Fede ru ng/ Dä mpfu ng nicht me hr möglic h ist. Aufg rund de r geringen Biegebelastun g genügen Durch messer zw ischen 35 un d 41 mm für da s innere Teles koprohr. was sich gü nstig auf das Gewic ht der Gabel, die Reib kräft e in den Führungsbuchsen und an den Dichtringen sowie auf da s Massenträgheit smoment um die Len kachse auswirkt. Letzteres ist auch deshalb besonders klein . we il die Gabelroh re kei ne Federn u nd Dämpfer mehr entha lten. Längslenker und Federbein werde n ja bei der Lenkung nicht mitbewegt. Nebe n der Verwindungssteifigkeit und Leichtg äng igkelt weist das Teleleversys tem eine Reihe weiterer Vorteile au f So ges tatte t die Gabel je nach Ausleg ung ihr er Geo me trie eine in weiten Grenze n ei nstellbare Anti-d ive-Wirkung, so dass der Federweg und der Federungs komfort bei m Brem sen erhalten bleiben . BMW verz ichtet nach eigenen Angaben auf d ie geo me trisch mögliche Ausleg ung fü r vollstä nd igen Brem snickausgleich . dami t der Fahrer über eine gewisse Vorde rradein fede rung d ie ihm vertraute Rückmeld ung über die Stärke der Brem su ng be hält. Ein weite rer Vorzug ist die im Vergleich z ur Telega bel erheblich ve rri nge rte Ände ru ng de r Fah rwerksgeomet rie. die z udem in einer die Fah rstab ilität e rhöhe nden Richt ung verläuft. Dur ch die von der Ga bel kinema tik bestimmten , gek rü mmte n Bah n, die das Rad be i se iner Fede rbewegung besch re ibt, nim mt bei m Ein federn de r Le nkkopfwin kel (zu r Fah rbah n) ab un d der Nachlauf wird größe r. Betr acht et ma n die Geome trie des Fah rwe rks u nter Einbe ziehung der Hint erradfe de run g ga nzheitl ich, so ergibt sich beim Brem sen im Vergleich zu r Telegabel eine Ä nderung von Lenkk opfwinkel und Nachlaufw ie sie im Bild 8.34 beispielhaft dargestellt ist. Die Anordnung der Eleme nte Teleskop mit Längslenker und Fede rbein ergibt eine kinematische Fede rprog ression. Die auf da s Rad bezogene Federrate erhöht sich mit z uneh mende r Einfederung. was wünschenswert ist. Der Federweg des Telelevers ist prin zipbedingt aufg rund der Fed erbei nposition und der geometrischen Gege be nheiten beschränk t. Mit Werten zw ischen 110 mm (BMW R 1200 S) und 210 mm (BMW R 1200 GS Advent ure) sind je doc h alle Anforderungen vom Spo rtmotorrad bis zur Groß -End uro erfü llbar. Die Betätig ung der Len ku ng beim
Nachlauf [m m}
Le nkko pfv.linkel [Grad]
1 0~~-; ; ;~~;:===;;;~=J BO BO
100
76
90
72 6B
70
Tele lever
64
60 --'--, -- - ---r- - - -,-- - - , ---'-60 40 o 20 60 Einfed erw eg [mm]
BildtU4
Änderung der Fahrwerk sgeome trie im Verg leich zwischen Telegabel und Telelever
303
8.3 Ra hmen und Radfü hr ungen
Telelever erfolgt d irekt ohne weitere Hebelunilenkung übe r den an der obere n Gabelbrücke befestigten Lenker. Die systemimmanenten Vorteile der Steuerkopflenk ung bleiben beim Teleleversystern, im Gegensatz zur Achssche nkelle nkung. voll erhalten. Im Juli 2004 stellte B.H W in der neuen K 1200 S erstmalig eine weitere. völlig neue und revolutionäre Vorderradführ ung de r Öffentlichke it vor. den BMW Duolever. Das Gru ndprinz ip basiert auf Überlegu ngen des Engländers Norman Hossack. der seine Idee in de n frühen 80er Jahren vorstellte und einige Prototypen baute . Ein Radträger au s leichtem Aluminiumguss wird bei die sem System von zwei par allelen Längslenkern gefü hrt. Ein am unteren Längslen ke r angelenktes Federbein übernimmt die Federung und Dämpfu ng. Der Radträger ist über zwei Kugelgelenk e für d ie Lenkbeweg ung dre hbar in den Längslenkern gelage rt. Lenkachse ist d ie Verbindu ngsgerade beider Kugelgelenk e. Die Übertrag ung der Lenkbewegung übernimmt ein scherenartiges Gestä nge; de r Lenker ist dabe i in herkömmlicher Weise im Rahme n d rehbar gelagert, Bild 8.35.
Durch die Abstützung mittels zweier Längslenker und die vergleichsweise geri nge Höhe zum Radaufstandspunkt ergebe n sich ein nied riges Biege moment am Rahmen und eine sehr günstige Einleitung de r über den Radaufstandspunkt auf den Rahmen einwirkenden Kräfte. Durch die Gusskonstr uktion des Radträgers kan n dieser in seiner Form und Kontur sehr exa kt der Belastu ng angepasst werden. Zusa mmen mit einer gez ielte n Wanddickenwahl wird da mit dieses Bauteil und d ie ges amte Vorderradfüh rung sehr leicht und extrem steif im Vergleich zu anderen Systemen wie z.B, der Telegabel. Das Gesamt system wiegt 13.7 kg, die Gew ichtsreduktion gegenüber einer vergleichbaren Teleleverkonstru ktion beträgt 11 % .
Bild 8.35 BMW Duolever in der K 1200 S
304
8 Konstruk tive Auslegung von Motorradfahrwer ken
Die Rade rhebung folgt aufgrund der kinematischen Auslegung des Gesamtsystems und der Verwendung von zwe i Lenkern einer fast geraden Bahnkurve. die so verläuft, dass sich Nachlauf und Radstand über den Feder weg nur seh r ge ringfüg ig ände rn. Da d ie Längslenker eine reine Drehb ewegung ausfü hren, bleibt die Einfederung auch unter hoher Querk raft oder Stoßbelastung immer leichtgängig. Damit ist trotz höchste r Steifigkeit der Radfüh rung ein sensibles Ansprechee rhalten und hoher Fahrkomfort gewäh rleistet. Der Feder weg ist baua rtbedingt begrenzt. mit 11 5 mm in de r aktu ellen Ausführ ung für ein sportliches Straße nmotorrad aber völlig aus reichend. Der Lenkeinschlag erreicht die üblichen Werte und ist nicht eingeschränkt. Die Kinematik reduz iert das Bremsnicken gegenübe r einer Telegabel erheblich, bietet aber durch ein gewisses Eintauchen die von Sportfahre rn gewünschte Rückm eldung über d ie Bremsu ng. Als weiteres Alternativsystem zur Telegabel ist nur noch d ie Achssc henkellenkung in d ie Serie eingeführt worden. Das einzige Motorrad . da s in neuerer Zeit dam it ausgerüstet wurde, ist d ie YAMAHA GTS 1000. Bild 8.36. Auf breiterer Front durchsetzen konnte sich d ieses System bisher aber nicht. In Prototypen , Renn sportmotor rädern und Einze lanfert igungen (S/M OTA) wird d ie Achsschenkellenkung. dere n Prinzip aus de m Automobilbau übernommen wurde. schon seit einer Reihe von Jah ren immer wieder vorgestellt. vgl. auch Kap. 8.4.2. Bei der YAMAHA-Achsschenkel1enkung übern immt ein Gelenk-Viereck, bestehend aus zwei parallelen Schwinga rmen und einem Radträger, die Radfü hru ng. Das Rad ist mit seiner Achse
Bild 8.36 Ach sschenkellenkung von
YA.HAII A
,
/ Hilfsschwinge
'.-::::>--"" Kugelge lenke
Achssenenkel
,
,,
,
,
.' Lenkachse
Schwinge
8.3 Rah men und Radfü hr ungen
305
in dem Radt räger. dem soge nannten Achssc henkel. einse itig gelage rt. und d ieser Achsschenkel wiederu m ist mitte ls zweie r Kugelgelenke mit beiden Schwingarme n verbunden. Die Radh ubbewegu ng erfolgt damit auf einer gekrümmten Bahn. d ie Federu ng und Däm pfung de r Bewegu ng übernimmt ein einzel nes. schräggestelltes Fede rbein, das sich zw ischen den beiden Schwirrgarmen am Rahmen abstützt. Durch die Kugelgelenke. de ren Verbindungsge radedie Lenkachse bildet, wird d ie Lenkbewegu ng des Rades ermög licht. Die Lenkbewegung selber wird vom Lenker über ein Le nkrohr direkt auf de n Achsschenkel übertragen. Die teleskopartige Ausbildu ng des Le nkrohrs er nkoppelt dabei die Lenkbetätigu ng von der Hubbewegung des Achssc henkels. Das Massenträg heitsmoment um die Len kachse ist sehr gering, weil neben dem Rad nur der Achsschenkel bei der Lenkbewegu ng gesc hwenkt wird und dessen Masse sich nahe der Len kachse konzent riert. Die Rad kräft e we rden bei dieser Vorderradführung von beiden Schwinga rme n aufgenomme n und sehr gü nst ig auf geradem Wege d irekt in de n Rahmen eingeleitet. Es treten in de r Rad aufh äng ung wege n der ku rzen Hebelarme (nur etw a halber bzw, voller Radd urchmesser) nur geringe Biege- und Torsionsbea nspruchungen auf. weshalb diese Radaufh äng ung als sehr steif anzusehen ist. Die Leichtgäng ig keit der Radh ubbeweg ung ist auc h unter höchster Belastung gewa hrt, da kei n Verklemmen de r Radfüh rung auft reten kann , so dass die Feder ung im mer seh r feinfüh lig anspr icht. Voraussetzung da für sind allerdings reibungsarme. ausre ichend dimensionierte Kugelgelenke und eine ger inge Reibung im Teleskop des Lenkrohres. Bei allen Vorteilen bezüg lich de r Aufnahme und Weiterleitu ng der Rad kräft e und bez üglich des Fahrkomforts. gibt es abe r auch meh rere deutliche Nachteile bei de r Achsschenkellenk ung. So wird der Einschlagwinkel der Räder (Rang ieren des Motorrades) beg renzt vom unte ren Schw ingenholm, der dami t sehr weit nach außen gefüh rt werden muss, oh ne abe r die Einschlag winkel anderer Vorderrada ufbä ngunge n zu erre ichen. Dies ist auch belastungsmäßig ungü nstig, weil damit die Schwinge ein zusätzliches Biegemoment ver krafte n muss, wodurc h sich ihre Stabilität vermindert. bzw, d iese dur ch eine entsprec hende Dime nsionierung sichergestellt werden muss. Weiterhi n erfordert die unsymmetrische, einseitige Rada ufh ängu ng aus Steifigkeitsg rü nden eine g roßzügige Dim ension ier ung aller Rada ufh ängungsbauteile. Zudem erlaubt sie nur d ie Verwe ndung einer Bremsscheibe. die zwar belastungsgün stig fast in der Radmittenebene angeordnet werden kann, dort abe r nur unzureichend mit Küh lluft beaufschlagt wird. Und schließlich erfordert d ie Achsschenkellenkung eine aufwä ndige Lenkbetätigu ng mit teleskopartigem Lenkrohr und einem Hilfsrahme n zu r Lenkrohrlagerung. was das ohnehin nic ht übermäßig g ünst ige Gewicht der gesa mten Konst ruktion erhöht. Für ein präzises Lenkgefühl muss darüber hinaus das Lenkt eleskop spielfrei sein. was de ssen Fertigung verteue rt. Das we nig filigrane Aussehen der Achsschenkellenku ng ist sicherlich Geschm ackssa che, aber die aus ladende Konstr uktio n des Schwingarms kann nicht ohne negative Auswirkung auf die Aerody nami k und de n Luftwiderstand bleiben, wie die Frontansicht im Bild 8.37 nahelegen. Auch eine Studie von Suz uki m it eine r altern ativen Vorderradführung, Bild 8.37, wirkt nicht sch lan k. Welche Änderu ngen der Fahrwerksgeomet rie beim Ein- und Ausfede rn der Achsschenkellenkung auftreten, kann nicht beurteilt we rde n. weil d ie ge nauen Geometriedat en der Achssc henkellenk ung nicht vorliegen. G ru ndsätzlich lässt sich aber be i einer derart igen Konstruktio n durch entsp rec hende Wahl der Lenkerlä ngen. Gelen kpunk te und Anstellw inkel die gew ünschte Raderhebu ngskur ve und Fahrwe rksgeo metrie bei der Federbewegu ng in weiten G renzen vorwählen. Eben so ist ein Bremsnickausgleich (mechanisches Anti-d ive) problem los mög lich. Der Fed erweg der Achssc hen kellenk ung ist, ähnlich wie bei der Vorderradsc hwinge und dem TeleIever, durch de n knappen Baurau m für d as Federbein zwische n oberer und unterer Schwinge
306
8 Konstruktive Auslegung von Moto rradfahrwerke n
Bild 8.37 Frontansichten verschiedener alternativer vorderr edfiihrungcn links; Studie von SU1UKI (Tokyo, 2003) rechts: Yamaha GTS 1000
begrenzt (theoretisch könnte man natürlich das Federbein mittels einer Hebel übersetz ung betätigen und damit Radfederweg gewinnen). Aufgr und des sensiblen Ansprech verhaltens g ilt aber für die Achssc he nkellenkung da s Gleiche wie für den Telelever: Die Anfangsfederh ärte kann höher sein als be i der Telegabel, und es ge nügt letztlich ein kürzerer Federweg für gleiche n, bz w. höheren Fahrkomfort. Bisher konnte sich die Achssc henke llenkun g au f breiterer Front nic ht durchsetzen. Bezüg lich der Herstellkosten dürfte diese Vorderradaufh ängung verg leichba r mit einer aufwändi gen Telegabelkonstruktion sein , während das Ge wicht eher höher liegt. In der Funktionsgüte fallt im Vergleich (Tests in Motorra d-Fachzeitsc h rifte n) derzeit die subjektive Beurteilung bezüglich Fahrd ynamik. Lenkpräz ision. Eigenlenkverhalten und Kurvenwilligkeit z ugunsten der Telegabel und de s Telelevers au s. Weite re Altern ativen von Vorderradführungssystemen konnten sich auf de m Markt noch nic ht du rchsetzen. Tech nisch interessant ist noch da s Diffa:!io-System mit einer Schwingenführung des Vorde rrads und einer Radnabenle nku ng. Diese Rad aufhängu ng, die BIMOTA in Einzela nfert igung ex klusiver Motorräder anbiete t, wird wege n de r ausgefallenen Art der Lenk ung im Kap. 8.4 behandelt.
8.3.3 Bauarten und konstruk tive Ausfü hrung der Ili nterradfü hrung Im Gege nsatz zu r Vorde rradau fh äng ung wird für das Hinterrad heute be i allen Herstellern als Radführu ngspri nzip ausnahms los d ie gezogene Lang arm schwi nge verwendet. Sie vereint die Vorteile eine r ste ifen Rad fü hru ng mit g uten Federu ngseigenschaft en und einfac her Bauweise un d bietet eine günstige Bremsmomentenabstützung. Es gibt allerdings in den Bauausführungen eine nahezu unübersehbare konstrukti ve Vielfalt, die man zunächst grob in zwei Kategorien ei nteile n kann : Schwi ngen ohne übersetzte Federung u nd Schwingen mit Hebelübersetzung. Beide werden als Einarm- und Zweia rmschwingen gebaut. Bild 8.38 zeigt ty pische Beispiele für verschiedene Schwingenkonstru ktionen. Gemeinsames Ziel aller Konstruk tionen ist wie be im Vorderrad ein e verwind ungssteife Rad führ ung und hoher Fahrkomfort durch opti male Feder- und Dämpfercharakteristik. Eine Grundvora ussetzung da fü r ist zu nächst ein möglichst g roßer Radfederweg. der allerdings nicht
8.3 Rahmen und Radfü hrungen
307
Zweiarmschwinge in Kastenp rofilbauwe ise
Zweiarmschw inge als RohrKonstruktion
Zweiarmschwinge als Guss konstruktton
Einarmschwin ge als RohrKonstruktion
Ri ltl lt3K Bauprinzipicn und ausgef ührte Konstruktion en von Hinterradschwingen
mit einer übermäßig großen Sitzhöhe erkau ft werden sollte. Dies kann bei der nichtübersetzten Schwinge durch die Anordnung und einer Schrägstellung des Federbeins erreicht werden. Anhand von Bild 8.39 werden die Zusammenhänge deutlich. Bei der klassischen Anordn ung mit nahezu senkrechtem Federbein nahe der Radachse bestimmt die Federbeinlänge die Sitzhöhe. Der Radfeder weg entsp richt ziemlich genau dem konstruktiv möglichen Einfederweg des Federbeins. Der durch den Radfreigang bestimmte, theoretisch mögliche Einfederweg kann nicht ausgenutzt werden.
8 Konstruk tive Auslegung von Moto rradfahrwer ken
308
Ordnet man das Federbein näher an der Schwingenachse a n, wird be i gleichem Einfederweg fü r da s Federbei n, d.h . bei gleichbleibender Federbei nlänge und Sitzhöhe. Radfederweg gewonnen (St rahlensatz). Eine Schrägs tellu ng des Federbeins vergrößert den Einbauraum (Lä nge) für da s Federbein, so da ss wahlweise das Fede rbein und dam it de r Federweg verlängert ode r die Sitzhöhe abgesenk t werden könnte. Doch selbst be i konsta nter Federbeinlänge vergrößert sich der Radfederweg noch gegenüber dem geraden Federbe in bzw, es könnte bei gleichem Radfederweg dur ch ein kürzeres Federbein d ie Sitz höhe verkleine rt werden. S eide Konstr uktionen. die Schrägs tellung wie das nach innen versetz te Fede rbein . erhöhen aufgr ünd der Hebelgesetze die Abstütz krä fte. d ie die Federbeine in de n Rah men einleiten.
-r--------
Sitzbank.linie - - - - - --
Radfreigang = max möglicher Einfederweg
~k",,4e-~~t~i==ty
-f-----
Sitzbank.linie - - - - - - - -
Einfederweg am Federbein, bedingt durch Blocklänge der Feder", Radfederweg
------- Sitzbanklinie------- -
•
""' ~
N
.~
'Y,;~""~~t~:~1R~' ~ -_ _ ~dfederweg
Bild H.39 Zusammenh ang zw ischen Radfederweg. Federweg am Federbein und Sitzhöhe
Bild HAO Cantilcver-Hinterradfederu ng
8.3 Ra hmen und Radfü hrungen
309
Eine extrem schräge FederbeinsteIlung erlaubt die so genannte Cantilever-Federung. bei der ein einzelnes, zentrales Federbein unterhalb des Hauptrahmens des Motorrades angeordnet ist, Hild 8.40. Durch die Geometr ie ergibt sich eine Progression. Die Schwinge ist als Dreieckskonstruktion ausgefüh rt und damit sehr steif. Die Einbaulage ermöglicht nahezu eine beliebige Länge für das Federbein und damit extreme Federwege. weshalb sie z uerst im Moto-Cross Sport ( YAMAHA 1973) eingesetzt wurde. Nachteilig ist das relativ hohe Gewicht der Schwinge, das die ungefederten Massen erhöht sowie die schlechte Kühlung des Federbeins unter dem Tank. Wie wir später noch sehen werden, sind zu große Federwege wegen ihres negativen Einflusses auf die Fahrwerksgeometrie bei Straßenmotorrädern auch nicht immer erwün scht. Neben der Zweiarmschwinge gibt es seit einigen Jahren auch Einarmschwingen mit einem Federbein. Ausgehend von Enduro- Motorrä dern, bei denen sich die Forderung nach einem unkomplizierten, schnellen Radausbau ergibt, hat sich diese Schwingenbauart auch bei Straßenmotorr ädem etabliert. Bild 8.41 zeigt verschiedene Ausführungen dieser Konstru ktion. Die Vorteile neben dem Radausbau liegen vor allem darin, dass wegen des einzelnen Federbeins keine toleranzbedingt unterschiedlichen Feder- und Dämpferk räfte mehrauftreten können. Diese können bei herkömmlichen Zweiarmschwingen mit zwei Federbeinen zum Verwinden der Schwingarme und als Folge zu einer unerwünschten Schrägstellung des Hinterrades (Radsturz) führ en. Bei beanspruchungsgerechter Konstruktion sind da her Einarmschwingen hinsichtlich
Bild 8.4 1 Einarmschwingen BMW F 800 (oben) und MV Agus ta F 4 (unten)
310
8 Konstruk tive Auslegung von Moto rradfahrwer ken
der Präzision der Radführu ng und der Steifigkeit (großer Durch messer des Schwingarms) den Zweiarmschwi ngen überlege n. Gew ichtsmäß ig allerd ings kö nnen mit Einar msc hwingen wegen der notwend igen größeren Dimen siomerung (exzentrischer Kraft angr iff) keine wesentlichen Vorteile erzielt werde n. Ein weiterer Nachteil kann die einseitige Rah menbeanspru chung sein, wenn die Federbeinkräfte unsy mmetrisch in de n Rah men eingele itet werden. Schwingenkonstru ktione n mit Hebelübersetzu ngen ruf d ie Federung und Dämpfu ng haben ebenfalls über die Enduro- und Moto-Cross-Motorräd er ihre n Weg in den Straßen moto rrad bau gefunde n. Die übe r Hebelsysteme von de r Rad - bzw. Schwingenbeweg u ng entkoppelte Einu nd Ausfeder ung ermöglicht die Erzeugu ng einer kinematischen Progress ion un d erlaubt damit eine radweg- bzw. belast ungsabhängige Verände rung de r Fede r- und Dämpferkennungen. Beispielhaft ist die Fu nktion einer hebelübersetzten Schwi nge im Bild 8.4 2 dargestellt. Das Federbein wird ind irekt übe r zwei Hebel betätigt , die an der Schwinge und am Rah men engele nkt sind. Mit ansteigen de r Radei nfede rung wird da s Gele n ksystem ges trec kt u nd damit der Weg am Federbein z unehmend g röße r. Bei linearer Fed erken nung ergi bt dies d ie gew ünsc hte prog ress ive Zuna hme sowohl der wirksa men Feder kraft als auc h der Dämpfun g. Federbein zentral zwischen den Schwingenholmen
V
e,;:J
eingefedert
Normallage Hebel zum Federbein ausgefedert
Nulllage (Normallage ) der Federung bei Belastung der Fahrer -
o
neg. Federweg. I "Ausfedem"
Pos, Fede rweg, "Eintedem" -
50 Radfederweg [% 1
Blld 1'1.42 Hinterradschwinge mit Hebelübersetz ung (YAMA J!A Monocros s)
"':
100
8.3 Ra hmen und Radfü hrungen
311
Das Diagramm im Bild zeigt qualitativ den Zusammenhang zw ischen Radfederweg und dem Weg am unteren Anlenkpunkt des Federbeins. Der flache Verlauf der Federwegkurve um die Nulllage gewäh rleistet ein sensibles Ansprechen der Federung; durch den Anstieg bei hoher Radeinfede rung verhärtet sich die Federung bei groben Fahrbahnst ößen. so dass ein Durchschlagen verhindert wird. Bild 8.43 zeigt weitere Lösungen für über setzte Federungen bei Hinterradschwingen . Bei prinzipiell gleicher Funktion unterscheiden sich die Konstruktionen lediglich durch die Anordnung und Längen der Hebel und die Lage des Federbeins. Neben der Anpassung an die individuellen Bauverhältnisse beim jeweiligen Motorrad und der Erzielung unterschiedlicher Progression hat die Konstruktionsvielfalt oft auch den Grund, patentrecht liehe Absieherungen der Wettbe werber zu umgehen. Grundsätzliche Neuerungen bieten die da rgestellten Lösungen nicht, so dass auf Einzelhe iten nicht näher eingegangen zu werden braucht.
Nicht unerwähnt bleiben darf, dass bei allen federungstechnischen Vorz ügen die übersetzte Federung den Nachteil hat, dass die Hebel bzw. die Hebellagerungen sehr große n Kräften (entsprechend den Übersetzungsverhältnissem ausgesetzt sind. Sie müssen deshalb sehr kräftig
-- .-
. - - - ~-
YAMAH A
SUZUKI (Full Floater)
Bild 8.43 Weitere konstruktive Lösunge n für übersetzte Federungen bei Hinterradschwingen
312
8 Konstruk tive Auslegung von Motorradfahrwerke n
d imensioniert sein, wenn Versc hleiß und vorzeitiger Ausfall vermieden werden sollen. Für die Hebel lager we rden Gu mmi-M etallla gerungen (Sile ntbuchse n), Bronzebuchsen ode r Nadellage r vorgese hen. Der Aufwa nd ruf die Hebelübersetzung erhöht das Gew icht der gesamte n Schwingenkonstruküo n und d ie Herstellkosten. Eine Teilkompe nsation e rgibt sich aber zumindest gegenüber der ko nventionellen Zwe iarmsc hwinge dur ch de n Entfall eines Federbein s. Entscheidend ruf die G üte der Hinterradschwinge ist die Lager ung im Rahmen. Sie muss k räftig d imensioniert un d steif ausgefü hrt sein. Die beste un d steifste Konst ru ktion der Schwinge bleibt nutzlos, wenn Spiel in der Lage rung au ftret en ka nn und dad urch d ie Spurha ltu ng de s Hinterrades verschlechtert wird. Eine auf Dauer vers chleiß- u nd spielfreie Lage rung kann nu r mit (teuren) Kegel rollen lagern erre icht werden. Es wurde schon darau f hingewiesen . da ss der Federweg am Hinterrad zw ar grundsätzlich g roß bemessen sein soll. für rei ne Straßenmotorrä der allerdings n icht länger als es für den gew ünschten Komfort nötig ist ausfallen sollte. Denn die result ierenden Geometrieveränderu ngen (Radstand, Nac hlauf, Lenk kopfwinkel} werde n sonst zu groß un d wir ken sich nachteilig aufdie Fahrstabilität aus, vgl. auc h Kap. 8. 1 und Kap. 8.2. Ein weiterer wichtiger G rund sind die Rückwirku ngen de r Schwinge nbewegu ng auf den Antriebsstrang. die anha nd der Bilder 8.44 u nd 8.45 zunächst fü r kettenget riebene Motorräder erläutert we rde n sollen. Zur Verei nfachu ng neh men wir mo ment an an, das Kette nr itzel befinde sich ge nau im Schwingend rehpunkt. diese in der Praxis be i Se rienmotorrä der nu r in Einzelfällen zutreffende Vorausse tz ung we rde n wir an schließend fallenla ssen. Wenn das ausgefederte Rad bis zu r Horizontalen einfedert ( Bild 8.44, linke obe re Abbildu ng), vergrößert sich de r horizontale Abstand zw ischen Radm ittelpun kt und Schw ingenlage r (d ie einfede rnde Schwinge schiebt das Rad von sich weg). Er wird am größten bei genau wa age rec hter Lage der Schwinge. Bei der weiteren Einfederung über die Horizontale hinaus (Abbildung oben rechts), nähert sich das Rad dann wieder dem Schwingendrehpunkt. Diese Abstand sänderungen sind zwa ngsläufig mit einer Radd rehung verknüpft, den n das Rad rollt ja au f der Fahrbahn ab, wenn sich die Lage des Radmittel pu nk tes versc hiebt. Die Einfede rung bis zu r Horizontalen bedingt eine Rückwärtsd rebung, bei der we iteren Einfederun g d reht das Rad da nn wieder vorwä rts. Diese Vorwä rts- und Rückwärtsdr ehung des Rades lässt sich übrigens beobachten, wenn man das Motorrad im Stand kräft ig durchfedert. Die gleiche Drehbewegung macht natürl ich auch da s Kettenrad am Hinterrad mit, wegen des ger ingeren Durchmessers ist die abgerollte Wegstrec ke am Kettenradumfang aber kleiner als am Reifenum fang. Die Kette wird dann am Kettenrad aufgewickelt und an der gegenüberliegenden Seite um die gleiche Weglänge wieder abgewickelt (u ntere Bildreihe), woraus ein Vor- und Rückdrehen des Kettenr itzels am Get riebeausgang folgt. Diese Zwangsbeweg ung von Kette und Kettenr itzel überlagert nat ürl ich den Ant riebszu g de r Kett e, was einmal die Kette selbst z usätzlich bea nsprucht (Verschleiß ), sie zu Schwingungen anreg t, und da rüber h inaus den gesamt en An triebsstrang verspannt. Um das abz umi ldern , sind elastische Zwischenglieder, meist in Form von Gu mmipuffern zw ischen Kettenrad und Hinterrad , in den Antriebsst rang geschaltet. Es leuchtet unmittelbar ei n, dass die Drehbewegungen des Hinterra des bei m Durch federn mit ansteigendem Fede rweg g röße r we rden und sich daraus eine Begrenz ung des Federwegs ableitet. Bei Wettb ewerbsmotorrädern mit sehr g roßen Federwegen (M oto-Cro ss) wird d ie höhere Ketten- und Antriebsstrangbelastung durch entsprec hende Bauteilausleg ung berücksichtigt bz w. in Kauf genommen, der höhere Versch leiß spielt eine untergeordnete Rolle. Neben dem
313
8.3 Ra h me n und Radführ un ge n
Fede rweg hat natü rlic h auc h die Schwi nge nlänge eine n Einfluss a uf die Dreh bewegung des Hinterrad es. Je kü rze r d ie Schwi nge, d.h. j e ge kr üm mter die Kreisbah n der Radführ ung ist, desto größer werden die ho rizo ntale n Absta ndsä nde ru ng en beim Ein- und Ausfeder n. Da he r ist g ru ndsätz l ich eine möglichst g roße l ä nge de r Hinte rradsc hw inge a nz ust re ben. Überlagert w ird die Zwangsdrehbewegu ng de s Hinte rrades bzw, Kette nr ades vo n der sogena n nten Plan ete nbeweg ung, die im Bild 8.45 er läu te rt ist. Es sei die Hinterradeinfede ru ng von " I" nac h ,,2" betrac htet , bei de r das Hinte rrad zu samme n m it dem Ke ttenrad u m die Achse
Einfederung bis zur Horizontalen
Einfederung ab der Horizontalen
,
\
»>
.-'-~ - ~
_ ~-.-
"'
" ausge feclert
,
I•
, abgewälzte Strecke
/
.-
, ,I ~ l;
-a-
,
Horizontal-
lage
- - - - - i !-
abgewälzte Strecke
Der Radaufstandspun kt wandert nach hinten. DerRadauf stands punktwande rt nach vorne. also muss das Rad rückwä rts drehen , um von also muss das Rad vorwä rts drehen , um scn 1 nach 2 zu kommen 2 nach 3 zu kommen
Ritzela m Getriebeausgang
........
.
,
! abgewälzte Strecke Kette wi rd von "1" nach "2" unten am Kettenra d abgewickelt und an der Oberseite
wieder a ufgewickelt. Entsprechend werden das Ritzelund der Motor zurückgedreht
abgewälzte s eeo.e
,'--
Kelle wird von "2" nach "3" unten am Kettenrad aufQewickelt und a n der Obe rseite wiede r ebqewckelt. Entspreche nd werden das Ritzel und der Motor vorw ärtsqed rebt
Riltl 8,44 Rück wirk ung der Federbeweg ung der Schwinge auf J en Antrie bsstrang
314
8 Konstruk tive Auslegung von Motorradfahrwer ken Kette wircl aufgewickeR
"2"
-~- -
-- .
" 1" Bild 8.45 Planctcnbcwcg ung des Ketten rades um d as Kettenritzel
des Kettenr itzels (= Schwingenachse) schwenkt. Die Kette sei straff gespannt. Die Schwenkbewegung kan n nur erfolgen, wenn das hintere Kettenrad (und damit auch das Rad) sich rück wärts dr eht (die Vorstellung wird erleichtert, wenn man den Extre mfall einer 180 o-Drehung der Schwinge um das Ritzel gedanklich ausfü hrt). Der Drehwinkel des Kettenrade s entspricht dabei genau dem Einfeder ungsw inkel a. und d ie Kette wird entsprechend auf das Kettenr ad aufgew ickelt. Die gleiche Ketten länge, d ie am Kett enrad aufgew ickelt wird, muss am Kettenritzel abgewickelt werden, d. h. der Drehwi nkel am (kleineren) Kettenr itzel muss entsprechend dem Übersetzu ngsve rhältnis (Kette nr itzel z u Kett enra d) g rößer sein. Daraus resultiert im realen Fall ein zwangsweisesZuriickd rehen des Motors, wenn das Hinterrad ein federt. Dieses Zur ückd rehen aufgru nd der Planetenbewegun g überlagert sich mit der z uvor(Bild 8.44) beschrieben en Zwangsdrehung des Rades dur ch die Abrollbewegung beim Ein- und Ausfedern , wobei allerd ings betragsmäßig die Planetenbeweg ung deutlich größe re Drehwinkel verursacht. Betrachten wir nun noch d ie Verhältnisse im real sehr häu figen Fall, dass der Schwingendrehpunkt nicht mit dem de s Kettenr itzels zusa mmenfa llt, sonde rn dieser (in Fahrtrichtung) vor dem Schwingend rehpunkt liegt, Bild 8.46. Die Kreisbahn der Hinterradschwinge hat dann einen kleineren Radius (= Schwingenlänge) und ist demzufolge stärker gekrümmt. Daraus resultiert bei Ein- und Ausfederun gjen seits de r horizontalen Schwingenlage eine Verkürzun g des horizontalen Absta ndes von Kettenrad und Ritzel, d.h. d ie notwendige Kette nlänge verringert sich (der gedankliche Extremfall wäre eine 180o-Drehu ng der Hinterradschwinge). Es ergibt sich also beim Ein- wie beim Ausfedern ein Durchh ang de r Kette im Leertru mm, de r eben falls mit dem Federweg zu nim mt. Das ist der Grund, weshalb beim unbelasteten Motorra d, wenn d ie Schwinge nicht horizontal steht, sondern nach unten ausgelenkt ist, immer ein Durchhang der Kelle eingestellt sein muss. Eine stralTgespannte Kette würde in diesem Fall beim Einfedern in horizontaler Lage übermäßig gedeh nt und über den Kellen zug unzulässig hohe Querkräfte auf d ie Getriebeausgangswelle ausüben , im Extremfall könnte die Kelle soga r reißen. Auf die Zwangsdrehung des Hinterrades aufgrund der Planetenbeweg ung und der Abrollbewegung beim Durchfedern hat d ie unterschied liche Lage von Schwingendrehpunkt und Kettenr itzeldrehpunkt nur insofern Einfluss, als dass sich d ie Größen der Drehwinkel verändern. Auf d ie genaue Darstellung der geometrischen Verhältnisse soll an d ieser Stelle verzichtet
8.3 Rahmen und Radführungen
-.
Schwenkbereich.wenn Schwingendrehpunkl mit Ritzet zusemrrenränt
315
Schwenkbereich der Schwinge
~ Getriebeau~s~g:a~n~g~3~~~~~;=~Irt:
Ritzet am
Kettenrad
Scbwnqen-
"2"
Bild H.46 Längendehnung der Kette d urch unterschied liche Lage von Schwingendrc hpunkt und Drehpunk t des Ketten ritzels
drehpunkt
Verkürzung
des Abstands Kettenrad-Ritzel werden. Der Zwangsdrehbewegung des Kette nrades ist allerdings im realen Fahrbetr ieb die Abstandsänderung von Kette nrad und Ritzel beim Durchfedern überlagert und damit wechselnde Kettenspann ung. Zusammen mit der Massent rägheit. der die Kette beim Beschleunigen und beim Übergang in Schubphasen bzw. beim Bremsen unterliegt, führen beide Vorgänge zu Vertikalschwingungen in der Kettenebene. die den Ketten strang durchlaufen. Bei MotoCross-Motorrädern mit großen Federwegen und entsprechenden Kettendurch hängen könne n die Schwingungsamplituden beträchtliche Größen erreichen, so dass die Schwingungsformen manchmal gut sichtbar werden (Fern sehaufnahme n in Zeitlupe). Mittels entsprechender Kettenfü hrun gen oder separater federbelastete r Keue nspa nner muss versucht werden, die Schwingungsausschläge so zu begrenzen, dass ein ordentlicher Einlauf der Kette auf die Kettenräd er gewährlei stet wird, weil sonst die Kette überspringen kann . Aus der Federbewegung und dem Kettenantrieb resultieren noch weitere Rückwirkungen. So entsteht aus dem Unterschied zw ischen Kette nzugrichtung und Richtung der Umfangskraft arn Kettenrad eine vertikale Störkraft, die die Federung beeinflusst (Verhärtung). Die Größe dieses Kraftvektors hängt ebenfalls von den geometrischen Verhältnissen der Schwinge und des Kettentriebs ab. Auch der sogenannte high-sider, der bei Straßenrennmaschinen auftritt, wenn das Hinterrad plötzlich wegrutscht und sich dan n wieder fangt. und bei dem der Fahrer regelrecht aus dem Sitz katapultiert wird, hat seine Ursachen in Kraftw irkungen, die aus den geometr ischen Verhältnissen an der Hinterradschwinge herrühren. Er kann mit einer geschickten kinematischen Auslegung von Schwinge und Kettent rieb wirkungsvoll abgemildert werden [8.1 ). Wegen der Komplexität der geometr ischen Anordnungen und der Kraftwirkungen soll auf derartige Effekte nicht näher eingegangen werden. Für Motorräder mit Kardanantrieb gilt hinsichtlich der Rückwirk ungen der Schwingenbewegun g auf den Antrieb prinzipiell das Gleiche. wie für Ketlenma schinen. Das Vor- und Zurückdrehen des Hinterrades wirkt sich hier über die Verzahnung des Winkelgetriebes auf
316
8 Konstruk tive Auslegung von Motorradfahrwerke n Gelriebeseile Kardangelenke
Federbelasleter
Nocke n
Antriebswelle aus ko nzentrischen Rohre n mit eingepresster Gummi -
zwischenlage
Bild It47 Torsionsdämpfer beim Kard anan tr ieb
d ie Antriebswelle (Karda nwelle) aus, weshalb zwischen Ge triebeausgang und Kardanwelle ein Torsionsdämpfer geschaltet ist, der entweder als federbel asteter Nocken oder als Gummielement ausgebildet ist, Bild 8.47. Die Längenänderung. die d ie Antriebswe lle beim Ein- und Ausfedern analog z ur Kette erfahrt, wenn der Schwingend rehpu nkt und das Gelenk de r Ant riebswelle nicht zu samm enfallen, wird dur ch eine Längsverschiebbarkeit der Welle (z.B. mittels Keilnulverzahnung) ausgeg lichen. Betrachtet werde n sollen noch d ie Reaktionen, d ie an der Hinterradschwinge beim Bremsen auftreten. Wie im Kap. 8.1 (Bild 8.5) schon erläutert wurde und aus der Erfahru ng geläufig ist, wird beim Bremsen das Vorde rrad belastet und das Hinterra d entlastet. Dieser Mechanism us beruht auf den bei der Bremsu ng au ftretenden rrüghei f.l"krüJfen und ist dah er grundsätzlich unabhängig von der Art der Bremsbetä tigung (Vorderrad- oder Hinterradbremsung oder beide gemeinsam). Je nach Bauart der Radführungen stellen sich Beweg ungsreakt ionen an den gefederte n Rädern ein. Üblicherweise taucht das Vorderrad (z.B. bei der Telegabel) mehr oder weniger stark ein, entsprechend hebt sich da s Fahrzeugheck an. Dieser prinz ipiellen Reaktion überlagern sich nun d ie Wirkungen der Bremskräft e an den jeweiligen Rädern. Bild 8.48 zeigt d ie Fahrwerksreaktion am Hinterrad, wenn ausschließlich mit der Hinter radbremse gebremst wird. Betrac htet werden nur d ie dynam ischen Radkräft e, d.h. d ie statischen Rad lasten sind nicht be rücksichtigt , da sie von der statischen Einfede ru ng aufgenommen werden. Die Kra ftkomp onente t..Gh aus derdynam ischen Radl astverlageru ng entlastet das Hinterrad , wobei die Massenträgh eit als Ursache jetzt im Kräftesystem nicht mehr berü cksichtigt zu werden bra ucht. Diese Entlastung des Hinterrades bew irkt nun über den Hebelarm der Schwingenlänge I ein Moment M s u m den Schwingendrehpunkt, so dass da s Heck angehoben (hochgehebelt) wird (die ebenfalls zulässige Betra chtungsweise ist d ie. dass die Entlastungskraft t..Gh die statisc he Hinterrad last verminde rt und sich d amit d as Motor rad aus den Federn hebt). Übe rlagert man nun die Kra ftw irkung aus der Bremsung des Hinter rades, so erzeugt d ie Bremskraft über den Hebelarm h ebenfalls ein Moment um den Schwi ngend rehpunkt (Mb). Dieses wi rd dur ch d ie Reibk raft an der Bremsscheibe (Es) in die Schwinge eingekoppelt, wenn, wie üblich , der
.
317
8.3 Rahmen und Radführungen
..
Mas se nträghe it
M s =.6G h* Mb = B *h
I
,
Bi ld KAK
I
~ h , ,I
Kraftwirkungen an Hinterrad und Schwinge beim Bremsen mit der Hinterradbremse B
,•.- - I
Bremssattel fest mit dem Schwingenholm verbunden ist. Es wirkt am Schwingendrehpunkt gegensinnig z um Moment aus der Radentlastung und versucht dam it. das Hinterrad z um Einfedern zu bewegen. Wenn also allein mit der Hinterradbremse gebremst wird. dann will zwa r d ie dynamische Radlastverlagerung imme r zunächst ein Anheben des Fahrzeugheck s (Ausfedern) bewirken , zugleich hält aber das Bremsmoment dagegen , so dass sich je nach den geometrischen v erhältniesen am Fahrzeug (Bremsenanord nung. Schwerpun ktlage, Schwingenlänge) als Resultat eine entsprechende Ein federung. also ein Absenken des Fahrzeughecks ergibt. Anders hingegen bei der Bremsur ig nur mit der Vorde rradbre mse bzw, mit beiden Bremsen gemeinsa m. Aufgru nd der hohen Verzögerung, die dann erzeugt wird. dominiert die Träg heitswirkung und die dy namische Rad lastverlage rung wird sehr g roß. Das resultierende Moment Ms ist in diesem Fall immer sehr viel g rößer als das Bremsmoment an der Hinterradbrem se. so dass das Fahrzeugheck ausnahmslos angeho ben wird. Will man d ie Hinterradschwinge und die Fede rung von de n Reaktione n aus dem Bremsmoment entkoppeln , darf d ie Bremskraft nicht mehr in die Schwinge eingeleitet werden. sondern der Bremssattel muss wie im Bild 8.49 angeordnet werden. Durch die gelenkige Lagerung des Bremssattels kan n kein Moment aus der Brem skraft mehr auf d ie Schwinge übertragen werden. Die Abstützung der Brem skraft erfolgt über eine Druck strebe. d ie am Rahm en beweglich gelagert ist und d ie Bremskraft dort einle itet. Das Bremsmoment bewirkt keine Schwingend rehung mehr. Beim umgekehrten Fall zu r Brem sung, dem Ant rieb, folgen die Kräfte und ihre Rückwirkungen auf die Hinterradschwinge analogen Gesetzm äßigkette n. Im Gegensatz zum Brem sen, das naturgemäß ein instatio närer Vorgang ist, muss beim Ant rieb zw ischen der Konstan tfahrt (Ü berwindung der stationä ren Fahrwidersta nde) und der beschleunigten Fahrt untersch ieden werden. Beim Beschleunigen bewirkt die dyna mische Rad lastverlager ung immer eine Momentenwirkung an der Hinterradschwinge. Sie g leicht. bis auf die umgekehrte Kraftrichtung. der bei der Bremsung. Aus der Zusatzbelas tung de s Hinterrades (vgl. auch Bild 8.5) folgt zunächst
318
..
.
8 Konstruktive Auslegung von Motorradfahrwer ke n
Massenträgheit
B,
B ,I
Bild H.49 Entkoppcltc Anord nung des Bremssattcls
eine Einfederbewegung der Schwinge. Eine d ifferenzierte Betrachtung erfordern die Reaktionen an der Schwin ge aufgrund der Ant riebskräfte , die in der Reifenau fstandsfläche immer, auch bei konstanter Fahr t oh ne Besch leunigung, wirksa m sind. Es wird zu nächst der Kette nantrieb betrachtet, Bild 8.50. Die Keuenzugkraft Fk. erzeug t am Rad das Antriebsmoment, dem über die Ant riebskraft FA in de r Radau fstand sfläche das Gleichgewicht gehalte n wird. Das Antriebsmoment bzw. die Ant riebskra ft übt auf d ie Schwinge keine unmittelbare Wirku ng aus, de nn das Radla ger als Drehgelenk ka nn kein Moment auf die Schwinge übe rtragen. Es wirkt aber an de r Radac hse die Reaktionskra ft aus dem Kelte nzug (F k 0), die über den eingezeichneten Hebelarm versucht, die Schwinge aufz ustellen (Moment M k). Da de r Hebelarm kur z ist, entste ht auch bei großen Ant riebs- bzw. Reaktionskräften nur ein kleines Moment. Das Rad federt etwa s aus, die (nicht eingezeichnete) Federbeinkraft wirkt dage gen, so dass sich bei Konstantfahrt ein Gleichgewic ht an de r Schwinge einstel lt. Bei jeder Änderung des Kettenzu gs. Z.B. beim Gaswegnehmen vor dem Schalte n ode r beim Beschleuni gen, erfolgt eine Bewegu ngsreak tion der Schwinge. Bei der Gaswegnahme feder t da s Rad z.B. etwas ein, weil dan n das Moment M k wegfällt. Eine Beschleunigu ng bewirkt, wie bereits erwäh nt, eine Einfeder ung infolge der dynamischen Radlastverlageru ng (Mom ent M ,) I. Die dur ch das Moment M k bewirkte Ausfede rung ist betragsmäßig so klein, dass sie nicht dagegen halten kann. Insgesamt sind also die direkten Rückw irkungen des Antriebs auf die Schwinge bei de r Kelte gering. Anders ist das beim Kardanantrieb; die Reaktionen aus dem Antrieb dort sind im Bild 8.51 dargestellt. lnfolge der Träghe it des Rades kann die Kette nzugk ratt beim Beschleunigen eine zusätzliche, direkte Momcntcnwirkung ausüben. Das Massenträgheitsmoment des Rades wi rkt bei der Beschleunigung so. als ob das Rad momentan d rehfest an die Schwinge ange koppelt wäre. Dadu rch erzeugt die Kette nz ugkraft. wenn sie nicht durch den Schwingendreh punkt geht , sondern durch ihre n Abstand einen Hebela rm bildet , ein Moment um den Schwingcndrchpun kt. Bei üblicher Geometrie resultiert aus d iese m Moment eine geringe Einfederung.
.
8.3 Rahmen und Radführ ungen
319
(Massenlrägheil - Beschleunigung)
(M s = .6.G h * I)
..
M k = Fk* * h k Bei Konstanlfahrt ____-:~~ -, ird h '" 0
sa
, FA ,I ,I ("G h )
, ,I
,I
.',
,I .
Bi ld K.50 K raft - und M omentenwirk ungen auf die Hin terradschwin ge beim K ettenantrieb
Fahrtrichtung
•
Bi ld S.51
____-~~ " MAN ,, \ Durch die feste Verbindung von Kardang enäuse und Schwinge wird über die Verzahnung das Antriebsmoment in die Schwinge eingeleitet.
Kraft- und Momcnlcnwirk ungcn auf die Hinterradschwinge beim Kurdanantrieb
Wir betrachten wieder nur die Reaktionen bei der Konstantfahrt. Über die Verzahnung des Winkeltriebs im Kardan und die feste Verbindung des Kardangehäuses mit der Schwinge wird die Antriebskraft FA in die Schwinge eingekoppelt. Mit dem Hebelarm h e rgibt sich ein Moment (Aufstellmoment M K D) , das die Schwinge im Drehpunkt a nheben will.' Das Rad federt aus. die Federbeinkraft (nicht eingezeichnet) wirkt dagege n und sorgt fü r das Gleichgewicht. Das Moment an der Schwinge ist sehr viel höher als beim Kettenantrieb, weil die gesamte Antriebskraft über einen großen Hebelar m an der Schwinge wirkt. Deshalb sind die Lastwechselrea ktionen beim Karda nantrieb sehr viel auslJildlich gut vorstellbar wird dic Kardanrea ktion. wc nn man in Gedan ken das Motorra d gegen ein Hindernis stellt, das d ic Vorwärts bewegung zunächst ve rhindert (wie es im Prinz ip der Fahrwiderstand auch tut ). Da nn würde dic angetriebene Kardanwelle versuchen . sich auf de r Verzahn ung weiterzubewcgcn . Dies haue in der gezeich neten Anord nung cin Anheben de r Schwinge im Schwinge nlage rpunk t. also ein Ausfedern . zur Folge.
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8 Konstruktive Auslegung von Moto rradfahrwer ke n
geprägter als beim Kette nant rieb. Beim Gasweg nehmen (FA = 0) bricht da s Aufstellmo ment schlagar t ig zusa mme n und die Hi nterrad federu ng sackt ein. Die Federbewegu ngen sind u mso intensive r, je größer der Federweg und je weicher d ie Federung ausgelegt ist (Fah rstuhleffekt de r alten BMW Boxermotorräder ohne Paralever). Beim Beschleunigen hebt sich das Fahrzeugheck an (Ausfederung), allerdings wirkt die dynamische Rad lastverlage ru ng dagegen. Insgesamt beeinträchtigen d ie beschriebenen Federbewegu nge n be im Lastwec hsel des Kardanant riebs die Fahrsicherheit. Sie bringen generell Unruhe ins Fah rwerk, weil sich mit de n Federbewegungen auch d ie Fahrwerksgeometrie ändert (Kap. 8.1). Das Einsinken des Fahrzeughecks beim plötzlichen Ga sweg neh men verringert in Schräg lage d ie Bode nfre iheit, so dass da s Moto rrad aufsetzen kan n. Routinierte Fahrer allerdi ngs nutzen da s Ausfedern , das sich be im Gasgeben einstellt, um in Kurven eine g röße re Bodenfreiheit zu gew innen und erzie len so eine höhere Sch räglage u nd g rößere Ku rvengeschwin d ig keiten. Eine Elimini erung de r Fah rwerksrea ktionen wir d erreicht. wenn d ie Stülzkräfte de s Antriebs von der Schwinge entkoppett werden. Dazu muss das Ge häuse des Hinterrad antriebs d rehba r in der Schwinge gelagert werden und die Reak tionskräfte müssen in den Rah men eingeleitet werde n. Eine entsprechende Konstruk tion wurde von BAl W u nter dem Namen Parale ver in Serie eingeführt, Bild 8.52.
Bremssattel
1~~~~~,-/
~
•
Gelriebegehäuse (rahmenfest)
:/:: ,
Drehge lenk {Kegelrollenlager} für Achsanl riebsgeh8use gegenüber der Schwinge
Bild tI.52 BMW Paralcvcr mit d rehbarem Antriebsgehäuse und Kraftabst ütz ung am Rahmen
8.3 Rahmen und Radführungen
321
Die Drehbarkeif des Achsantriebsgehäuses wird durch zwei Kegelrollenlager in der Schwinge und ein zwe ites Kreuzgelenk in der Kardanwelle ermöglicht. Eine Strebe leitet die Reaktionskräfte des Antriebs direkt in den Rahmen ein. Da die Bremse in das Antr iebsgehäuse integr iert ist, wird bei dieser Konstruktion die Bremskraft ebenfalls von der Schwinge entkoppelt. Dam it wirke n auf die Schwinge bis auf die dynam ische Radlastve rlagerung keine weiteren Reaktionskräfte, und es stellt sich ein zum Kettenantrieb vergleichbares Verhalten ein.
8.3.4 Federung und Dämpfung Die Federung und Dämpfung der Radbewegung sorgt neben dem Komfort von Fahrer und Beifahrer vor allem fü r die Fah rsicherheit. Generell besteht die Aufgabe der Federung und Dämpfung darin, bei allen Fahrzuständen ausreichenden Kontakt zwischen Reifen und Fahrbah n sicherzustellen, d.h. bei groben Bodenunebenheiten ein Abheben von Rad bzw. Reifen von der Fahrbahn zu verhindern und die Radlastschwankungen aufgrund der Federbewegungen z u min imieren. Da diese generelle Aufgabe fü r das Vorder rad und das Hinterrad gleich sind, können die grundsätzlichen Betrachtu ngen für beide Räder gemeinsam durchgefü hrt werden. Das Motorrad mit seinen Räde rn kann als Schwingungssystem aufgefasst werden, das sich sehr stark vereinfacht für ein Rad wie im Bild 8.53 darstellt. Auch der Reifen weist Federungs- und Dämpfungseigenschaften auf, die fü r die Fahrdynamik im Bereich der Eigenschwingunge n eine große Rolle spielen, bei unseren Betrachtungen hinsichtlich Fahrkomfort (Schwingungskomfort) und Bodenhaftung j edoch vernachlässigt werden können. An dieser Stelle sollen nur die Radfedern und die Stoßdämpfer (richtiger wäre Schwingungsdämpfer) behandelt werden. Wenn das Motorrad eine Bodenunebenheit überfa hrt, ermöglicht die Federung ein Ausweichen des Rades, so dass im Idealfall nur das Rad der Unebenheit folgt, das Motorrad selbst und der Fahrerjedoch in Ruhe bleiben. d.h. sie füh ren keine Vertikalbewegung aus. Die Federbewegung muss dabei grundsä tzlich gedämpft werden. denn sonst würde die ausgelenkte Feder das Rad so Reale Radaufhängung mit Federu ng und Dämpfung (schematisch)
Ersatzmodell
Masse Fahrzeug
o
Feder
Dämpfer
Auch der Reifen seeer wirk! als Feder und Dlimpfer
Bild 8.53 Radauf häng ung mit Federung und Dämpfung und Ersatzmodell
322
8 Konstruk tive Auslegung von Moto rradfahrwer ken
lange nachschwi ngen lassen , bis d ie gespe iche rte Federenergie durch die Reibung der Rad fiihru ng "a ufgebraucht" wäre. Dies wäre nicht nur aus Kom fort gründ en u nerwün scht, sondern bei mehreren, aufeinande r folgende n Unebenheiten könnte sich die Fede ru ng auch aufschaukel n, wodurch das Rad den Fahrbah nkontakt verlieren wü rde un d die Fah rsicherheit beeinträchtigt wäre. Das Rad fü hrt also imm er eine gedä mpfte Schwingung aus, wob ei die Federhärte und die Dämpfung so aufeinander abges timmt werden müsse n, dass sowohl der Fah rsicherheit als auch dem Fahrkomfort Rechnung get ragen wird. Für hohen Komfort, d.h . ein sensibles Anspreche n bereits auf kleine Fah rba hnunebenheiten. sollten die Federu ng wie auch die Däm pfun g weich ausgelegt sein. Das bedingt aber einen g roßen Gesamtfederweg. denn d ieser ergibt sich aus de r statischen Einfederung bei voller Beladung und dem Restfederweg bzw. der notwendigen Federk raft , die d ie Federu ng aufbauen muss. um auch grobe Unebenheiten abzu fangen. oh ne du rchzu schlagen. Wie im vorigen Kapitel erläutert, sind aber seh r große Feder wege sowohl wege n de r Rückwirkun gen auf den Antr ieb als auch wegen de r Geome tr ieverä nderu ngen am Fahrwe rk nicht unbedingt erwün scht. Mit progressiven Federn , die sich mit z unehmender Zusammendrückung verhärten. lässt sich das Problem elegant umgehen. Bild 8.54 ze igt verschiedene Fede rba uarten. mit de nen sich eine Prog ression erz ielen lässt. Die häufigste und preiswerteste Bauart ist die Fede r mit veränderlichem Windungsabstand. bei de r die Verhärtu ng dad urch erfolgt. da ss sich d ie engeren Wind ungen mit zun ehmender Einfeder ung aneinand erlegen und an der Federbewegung nicht mehr teilhaben. Die Feder mit veränderlicher Drahtstärke ist in der Herst ellu ng teuer und wird selten verwendet. Häufiger findet man hingegen die Feder mit verände rlichem Windungsdurchmesser. Dur ch die Prog ression wird auch die statische Einfederu ng bei Beladun g verringer t. un d au ßerdem bleibt d ie Eigenfre quenz der Fed erung unabhängig vom Betadun gszu stand weitgehend konstant. Dies ist wichtig. weil beim Motorrad im Gegensatz z um Auto d ie Zuladung eine sehr g roße prozentuale Verände rung des Gesa mtgewic htes bewirk t (ein ty pischer Wert sind 180 kg Zuladung bei einem Leergewicht des Motorrades von 220-250 kg). Ge ne rell wird wege n des Soz iusbetriebs un d der Zuladu ng. die haupt sächli ch die Hinter radlast erhöhen, für das Hinterrad eine deutlich g rößerere Feder rate als für das Vorderrad gewählt. lineare Feder
Progressive Federn
veränderlicher Wndungsdurchmesser
veränderlicher veränder tehe Wndungsabstand Dfahtdicke
Blld It 54 Verschiedene Federbauarten mit progressive r Kennung
323
8.3 Rah men und Radführ ungen
An dieser Stelle sei a ngemerkt, dass die bei viele n Motorrädern vorhande ne Fed erbeinverstellung zur A npass u ng an die Beladu rig bzw, den Soz iusbetrieb keine Veränderung der Federvors pannung oder de r Federkennlinie bewirkt, wie dies fälschlicherweise häufig a ngenommen wird. Verstellt wird led iglich die untere POSition der Fede rauflage. damit wird das Motor rad gegenüber de r Fahrbahn angehoben und de r Verlust an Bode nfreiheit durch die statische Einfederu ng wird kompensiert. Ein zwei ter (erw ü nschter) Effe kt ist die Vergrößer ung der Binfederlänge (pos itiver Federweg). Sie e rgibt sich d araus, dass durch die Verstellung der Federbasis der Stoßdä mpfer, der den Feder weg durch Ansc hläge beg renzt , weiter ause inandergezoge n wird. Wie wir im vor igen Kapitel gesehen haben, ka nn eine Progression auch du rch d ie kinemat ische Auslegung der Hinterradschwinge erz ielt werden, was den Vorteil hat, dass sich gez ielt eine Abhä ngigkeit zw ischen Rad einfederung und Dämpfu ngsweg einstellen lässt. Dies kann Vorteile für das Ansprechverhalten der Fede ru ng mit sich bringen . Die Schwing ungsdämpfung beruht bei allen mod ernen Stoßdä mpfersysteme n letztlich auf der Drosselu ng eines Flüssigkeitsstromes. Das Funk tionsprinz ip eines Stoßdä mpfers ist im Bild 8.55 dargestellt. In einem Zylinde r wird ein Kolbe n in einem mit dü n nflüssigem Dämpferöt befül lten Zylinder bewegt. Das vom Kolben beim Ein- und Aus fede rn verdrängte Flüssigkeitsvolumen strö mt durch eine Drossel (Ringspalt oder kalibrierte Bohru ngen bzw, Ventile) u nd bremst dabei die Bewegu ng. Die im Dämpfer geleistete Arbe it, d ie be i unebenen Straßen erhebliche Größen annim mt, wird in Wärme umgewandelt , die nach außen abgege ben werden muss. Das Ausma ß der Dämpfung (Dämpferkraft) wird vom Drosselwiderstand. d.h . von der Form und Größe des Ringspalts bzw. der Boh ru ngen , de r Viskosität des Dämpferöls und auch von der Hubgeschwindigk eit des Kolbens bestimm t. Grund sätzlich gilt der Zusammenhang, dass d ie Dämpfungskraft m it der Hubgeschwindigkeit des Kolbens zunimmt. Daraus ergibt sich eine Phasenversch iebung zw ischen Däm pfu ngskraft und Fede rkra ft, d.h . bei ku rzen, harten Fahrbahnstöße n wird prinzipiell eine große Dä mpfungsk raft aufgeba ut, so dass oh ne besondere Maß nahmen am Dämp fer d ie Federung hart und unkom fortabel würde. Fü rdas Ein- und Ausfede rn werden u nterschiedl iche Dä mpferk räfte benötigt. Erw ünscht ist für hohen Fah rkom fort normalerweise ein weiches , wenig ged ämpftes Einfede rn. wohingegen die
Gaspolster
() - C-
Gumm imemb ran
I,
Kolben mit Drosseldüsen Kolbenstange
Dämpfer öt
/\
- t f-
'-- f -
Beim Einfede rn verdrängt die in den Dämpfer einfahrende Kolbenstange zusätzliches nsrrcrerör. Der dafOr notwendig e Volumenausgle ich wi rd durch das Gaspolst er geschaffen, das unterschi edlich starx zusa mmenged rückt wi rd.
Bi ld 8.SS
'--'
Prinzipieller Aufba u von SIOßdämpfern (Schw ingungsdäm pfern I
324
8 Konstruktive Auslegung von Motorradfahrwerke n
Ausfederbeweg ung stärker bedä mpft werden sollte, damit die Gege nfede rbewegun g. die sich z.B. nach dem Übe rfahren einer Bodenwelle einstellt. nicht zu weit ausschwingt. Die Dämpfung der Zugstufe bet rägt de shalb ca. das 4· bis gfache der Dr uckst ufend ämpfung. Erreicht wird d ies durch un terschiedl ich g roße Drossselquersch nitte fü r da s Ein- und Ausfedern. die z.B. durch fede rbelastete Ventile im Dämpfer gesteuert werde n. Für den Volume nausgleich im Dämpfer und die notwend ige Tren nung von Gas polster und Dämpferöl gibt es neben de r im Bild 8.55 gezeigten Konstru ktion weitere, prinzipiell unterschied liche Lösungen . Bild 8.56 zeigt die beiden klassischen Konstr uktio nsvarian ten. den Einrohr- und den Zweirohrdä mpfer. Bei dem links abgebildete n Einrohrdäm pfer ist d as Gaspolste r nicht wie im vorangestellten Beispiel durch eine Gumm imembran abgetrennt, sondern es wird dur ch einen federbelasteten Geg enkolben abgetrennt. Eine weitere Mögli chkeit ist. das Luftvolumen in einem Gummiball einzus chließen. Kennzeich nend fü r den Einrohrdämpfer ist. dass er in beliebiger Lage verbaut werden kan n. Beim Zweiro hrdä mpfer. rechts im Bild. ist der eigentliche Dämpferrau m von einem Mantelrohr umgeben. das ein Ölreservoir und Luft enthält. Beim Einfedern wi rd über ein ge ring füg ig geöffnetes Bodenventil (Dro sselung !) Öl in d as Mant elrohr übergeschoben und komp rimiert die do rt eingeschlosse ne Luft. Dieses Öl wird beim Ausfede rn durch das dann völlig offe ne Bodenventil zu rüc kgesaugt. Damit sich Öl und Luft nicht ver mischen können und durch da s Bodenventil keine Luft a ngesaugt wird, dürfen Zweiro hrdä mpfer nu r senkrec ht, bzw. nur geringfüg ig schräg angeordnet werden. Keinesfalls darf man sie umgekehrt einbaue n. Eine Vermischu ng von Öl un d Luft führt zu Ölseheu mbildung mit weitgehendem Verlust der Dämpfungsw irkung. Bei ausgeführten Dämpferkonstru ktionen kann Öl auch im Ringspalt an de r Kolbenstange vorbeifließen und gela ngt dur ch einen Rücklaufins Mantelrohr. Damit wird die eigentliche Kolbenstangend ichtung vom Druck im Dämpfer entlastet , und die radiale Vorspannung de r Dichtung ka nn abge senkt werden. Es ergeben sich deutlich geringere Losbrech kräfte für den Dämpfer und dadurch u.U. ein feinfü hligeres Ansprechen. Beim Einro hrdämpfer hingegen ist d ie Kolbenslangend ichtung dem vollen Dämpferdru ck ausgesetzt. Beim Gasd ruckdämpfer (Einroh rdä mpfer), dessen Gaspolster unter hohem Druck '-"ft
::::::r- F"',
r----~,.... Gegenkolben
önück-
lauf
Kolbenstangendichtung
l oft Ausgleichsraum Kolbenstangendichtung
Bodenventil
Einrohrdämpfer
I
Zweirohrdämpfer
Mantelrohr
Bild S.56 Prinzipieller Aufbau von Ein- und Zweirohrdämpfern
8.3 Rah men und Radführungen
325
(ca. 25 bar) steht, bedeut et dies eine hohe Beanspruchung der Dichtung und setzt eine besonders präzise Fertigun g der Kolbenstange und des ganzen Dämpfers voraus. Daher resultiert auch der relativ hohe Preis derartiger Dämpfer. Der Vorteil des Gasrohrdämpfers liegt da rin, dass der hohe Gasdruck auch bei hoher Belastung und Temperatur eine Ölverschäumun g und Kavitation sicher verhindert. Das Ölvolumen kann daher klein gehalte n werden, wodurch die Abmess ungen des Dämpfers gering bleiben und eine günstige, schlanke Bauform erreicht wird (Verwendung im Federbein und opti sche G ründe). Ein weiterer Vorteil der Einrohrbau art liegt in der unmittelbaren Kühlung des Dämpfe rs, während die Wärm eabfuh r aus dem Inneren des Zweirohrdämpfers durch das Mantelrohr erschwert wird. Bild 8.57 zeigt Prinzipbilder verschiedener Dämpferkonstruktionen und eine Ansicht. Eine Sonderbauform des Dämpfers stellt der Gasdruck dämpfer mit separatem ÖI- und Gasreservoir dar. ganz rechts im Bild. Ursprünglich fü r Moto-Cross-Motorräder entwickelt. ist er heute weit verbreitet. Der vom eigentlichen Dämpfer abgetrennte Öl- und Gasbehälter erlaubt höhere Füllmengen, und die größere Behälteroberfläche ermöglicht eine wirksame Kühlung des Dämpferöls. Durch eine Regulier schraube im Überströmkanal des Öls kann das Dämpfungsverhalten beeinflusst und in gewisse n Grenzen den Wünschen des Fahrers angepasst werden. Das große Luftvolumen dient nicht nur als Ausgleichvolumen für die Kolbenstange. sondern wirkt bei einigen Konstru ktionen zugleich als unter stützende Luftfeder. Durch Variation der Luftmenge (Fülldruck) über ein Füllventil kann die Federkennlin ie des Federbeins verändert werden. Bei der konstruktiven Realisierung der Dämpfer gibt es v ielfältige Detaillösu ngen. Meist finden sich Kombi nationen der erläuterten Grundpri nzipien, also Ringspalte kombiniert mit Bohrungen bzw. Ventilen. Die generellen Vor- und Nachteile von Einrohr- und Zweirohrdämpfern halten sich die Waage. so dass kein System eindeutig bevorzugt werden kann. Grundsätzlich werden
ÖlfÜCk-
lauf-
bohrung
01
Bodenventil
Einrohrdämpfer (Gasdruckstoßdämpfer)
Zweirohrdämpfer
Bild 8.S:7 Ausgefü hrte Stoßdämpferbauar ten
Gasdruckdämpfer mit Reservoir
326
8 Konstruktive Auslegung von Motorradfahrwerke n
die Fede rung s- und Dämpfungsfunktionen in einem Baute il kombin iert. Bei Fede rbeinen ist die Feder konzentri sch zum Dämpfer angeordnet. In Telegabeln findet man auch Konstrukt ionen. bei denen Feder u nd Dämpfer nacheinander angeord net sind (vgl. Bild 8.28), wodurch sich aber die Baulänge vergrößert. BMW führte mit der neuen K 1200 S im Ju li 2004 erst mals bei einem Serienmotorrad eine elektronisch angesteuerte Verstellung fü r d ie Federbasis und de r Dämpfercharakteristik ein. Dieses ESA (Electronic Suspension Adju stment ) getaufte System erlaubt es, auf Knopfd ruck die Zug- und Druckstufendämpfung auch während der Fahrt in d rei Stufen (" Komfort", ..Normal", "S po rt" ) zu verstellen. Die Federbasis kann dem Beladun gszu stand angepasst werden, d iese Verstellung funk tioniert nur im Stand. Fü r die Dämpfer verstellun g wird ein Ring spalt im Dämpfe r mittels einer kon ischen Nadel verändert. Der Nadelhub wird über Sch ritt motoren gesteu ert. Bild 8 .58 zeigt da s ESA-Federbein mit seinen Funktionselementen.
Eine weitere Weltneuh eit von BMWist da s Luft- Fed er-Dämpfersystem, das in 2005 mit de r HP2 Enduro in Serie ging, Bild 8.59. Die g ru ndlege nden Forschungen leistete Prof. Henning Gold (Fahrzeug labo r Bingen ). der auch in die Entwicklung des Systems involviert war [8.4]. Das geme insam mit der Firma CONTINENTAL AutO /1/01iw zu r Serienreife entwickelte Federb ein hat wede r die übliche Stahlfede r noch einen hyd rauli sch Dämpfer; es a rbe itet ausschließlich mit Luft. Dadu rch red uziert sich da s Systemgew icht gegenüber einem konventionell en Federb ein u m respektable 2,0 Kilog ram m. Der komplette Gasfederdä mpfer wiegt nu r noch knapp 2,3 Kilogram m - e ntsprechend geringer fallen am Fahrzeug die u rigefede rten Massen aus. Das Federbein besteht aus d rei Druckkammern und einem Trennkolben. der analog zu hyd raulischen Dämpfern mit einer Spaltd rossel und einer Bypa ssbohrun g versehen ist. Die komp ressible Luft in der oberen ( I) und unteren Kammer (3) fungiert als Feder. Das Volumen der mitt leren Kamm er (2) ände rt sich bei der Federbew egung. Es erfolgt ein Druckausgleich mit der oberen Ka mmer, indem Luft über ein dopp elt wirkendes Plattenventil (Spaltd rosscl) zw ischen beiden Kamm ern überströmt. Abhängig vom Dur chla sswiderstand dieses Plattenventils stellen sich die Dämpfungskr äfte für die Fed erbewegung ein. Das System ist mit einem Rollbalg nach
Bild H.5H ESA·Fcdcrbc in mit Funktio nsele menten
8.4 Lenk ung
327
Trennkolben mit Plattenventil
Rollbalg
Bild 8.59 Luft-Feder- Dämpfersystem isuw,
außen komplett abgedichtet und besitzt keine Kolbensta ngendichtung. Da mit ist dieses Federbein unempfindlich gegen Schmutz und arbeitet praktisch verschleißfrei. Der große Vorte il liegt neben der Gewichtsersparn is in der Progressivität der Federung und in der frequenzselektiven Dämpfung aufgr und der temperaturabhä ngigen Viskositätsänderung der eingeschlossenen Luft. Für jeden Betriebszustand stellt sich wegen dieser physika lischen Eigenschaft von Luft automatisch die ..richtige" Dämpfung und Federkennung ein.
8.4 Lenk ung Die Lenk ung beim Motor rad unterscheidet sich wegen seiner grundsätzlich abweichenden Fahrdynamik und Stabilisierung deutlich von der Lenkung zweispuriger Fahrzeuge (Automobil). Eine Lenkbewegung im eigentlichen Sinn mit großen Lenkwinkeln findet nur beim Rangieren statt. Im Fahrbetrieb bewegen sich die Lenkwinkel selbst bei Kurvenfahrt im Bereich von wenigen Grad. Dementsprechend muss die Lenkung des Motorrades äußerst präzise und feinfühlig um die Mittellage sein. Besonders bei Geradeausfahrt ist dies von großer Wichtig-
328
8 Konstruktive Auslegung von Motorradfahrwerke n
keit , wei l die Stabilisierung hier durch kleinste. unbew usst eingeleitete Lenkwin kelausschlä ge erfolgt (vgL dazu auc h Kap. 10). Die Aufgabe n un d A nforderungen an d ie Mot orradlenk ung können folge nder maß en charakte risiert werden:
Auf gahen
Anforderungen
Lenkwinkeli nformation
Steifigkeit
Lenkmomentinfor mati on
Spielfreiheit
Steuereinga ben de s Fahrers
Reibu ngsar mut Niedriges Träg heitsmome nt
G ru ndsä tzlich ist die Baua rt der Lenkung eng verkn üpft mit dem Syste m der Vorderradführung. Drei Baup rinz ipien finden heutzutage A nwendung, d ie Steuerkopt1enkung, d ie Achsschenkellenkung und d ie Radnab enlenkung.
8.4.1 Steuerkopflenkung Die Steuerkopflenkung ist d ie älteste und am weiteste n verbre itete Bauart der Motorradlenk ung. Bei d iese r Kon stru ktion ist die ges amte Vorderradfü hru ng drehbar u m eine feste Achse im Rahmen gelagert, und die Len kbewegung wird direkt über eine Lenkstange auf d ie Radau fh ängung übertragen, Bild 8.60. Da n icht nur da s Rad, so ndern auc h d ie Radaufh äng ung mit bewegt wird, ist das Massenträg heitsmoment um d ie Lenkachse bei die ser Lenkung relativ groß. Dies ist der einz ige Nachte il der Ste uerkopflenku ng. die an sonsten alle A nforderu ngen se hr g ut erfüllt und sich z udem durch ih re Einfach heit ausz eichnet und eine kosteng ün stige Lösu ng darstellt. Ihre Funktion sg üte hängt von der Lenku ngslagerung ab, die für schnelle Motorräder mit Kegel rollen lagern ausgefü hr t werden sollte, weil nur die se sich exakt und spiel frei einstellen lassen, ihre Einstellung über lange Zeit kon stant halten und eine ausreichende Belastbark eit aufw eise n, Da d ie gesamte n Kräfte vom Vorderrad über die Lenkungs lager in den Ra hmen eingeleitet werden , ist auf eine ausreichen de Dimensionierung de r Lagerung (Lagerdurchmesser u nd Lagerabsta nd) zu ac hten. Ebenfalls ein e Steue rkopflenk ung stellt d ie Lenk ung da r, wie sie BMW z usamme n mit dem Vorderradfü h rungssystem Telelever verwendet (Bild 8.33, Kap. 8.3) . Der Unte rschi ed liegt ledig-
Gabel-
Lenkungslag er
sta ndrohr
steoen opr -I'---+~
Lenkrohr
Rahmenrohre
Lenkungslager
Bild 8.60 Steuerko pflenkung
8.4 Lenku ng
329
lieh darin, dass hier Kugelgelenke als Lenkungslager verwendet werden und dass das untere Lenkungslager nicht rahmenfest ist, sondern beweglich am Längslenker geführt wird.
8,4.2 Ac hss c henkellenkung Die Achsschenkellenkung wurde erst in neuerer Zeit von YA MAHA zur Serienreife entwickelt und vorgestellt, Bild 8.61. Das Rad schwenkt um eine Achse, die von der Verbindungsgeraden der zwe i Kugelgelenke gebildet wird, mit denen der Radträger (Achsschenkel) verbunden ist. Die Lenkbewegung selbst wird vom Lenker über ein Lenkrohr direkt auf den Achsschenkel übertragen. Durch die längsverschiebliehe Ausbildung des Lenkrohres wird dabei die Lenkbetätigung von der Radhubbewegung entkoppelt. Lenkrohr, teleskopartig zusammensc hiebbar Hi lfsrahmen
Achss chenkel (Radcll rager)
Bild H.61 Achsschenkellen kung
330
8 Konstruk tive Auslegung von Moto rradfa hrwerken
Der Vorteil dieser Ko nstru ktion liegt in der Rad führung. wie im Kap. 8.3 erläutert, und weni ger in der Lenkung. Diese ist aufgrund der notwend igen Hubentkoppel ung, d ie spielfrei aber g leichzeitig leichtgängig sein muss, aufwänd ig und teuer. Zudem werd en d ie Gelenke aufgru nd ihrer radnahen Positio n leichter von Schmutz beaufschlagt , was eine g ute Kapselung erforde rt, wenn Verschleißfreiheit erzielt werden soll. Der mögliche Lenkeinschlag ist deutlich kleiner als bei der Steuerkopftenkung, was zwar im Fahrbetrieb bede utu ngslos. be im Rang ierenj edoch zumindest lästig ist. Ein Vorteil der Achsschenkellenkung ist allerd ings das sehr geri nge Trägheitsmoment um die Lenkachse. Es schwenken nur das Rad und der Achsschenkel um die Lenkachse, nicht aber d ie gesamte Radaufhäng ung wie bei der Steuerkopflenkung.
8.4.3 Radn abenl enkung Die ungewöh nlichste Lenku ngsbauart stellt sicherlich d ie Radnabenlen k ung da r. auch als Diffat io-Lenkung bezeichne t, Bild 8.62 . Diese Lenk ung ka nn im weiteren Sinne zur Gru ppe der Achsschenkellenkungen gezählt werden. weil das Rad ebenfalls an einem Radt räge r befest ig t ist. der um eine Dreha chse (Lenkachse) geschwenkt wird. Die Lenkachse befinde t
Lenklagerzapfen mit Schwenklager fürdie Lenkung
!:::::::l!r--- Radachse (feststehend) ~qH'--- Radlager Radnabe Radträger
1'-.-2:li i-__ Bremssattel Das Rad dreht beim Le nkvorgang um den Lenklagerzapfen, de r fest mit der Radachse verbunden ist. Das Rad wird über einen Hebel, der am Radträger angreift um die Lenkachse geschwenkt.
Bild 1'1.62 D i f faz io- Radnaben lenk ung
8.5 Bremsen
331
sich allerdin gs bei die ser Len ku ngsbauart in der Radmitte . In der Sch nittdarstellung wird das Fu nkt ionspri nzip deut lich. Das Rad d reht sich in Umfangsrichtu ng auf zwe i Radlagern. d ie auf dem Radträger angeordnet sind. Der Radträger selbst ist in Rad mitte wiederum auf zwei Kegelrollen lagern gelagert, d ie auf einer festen Radachse sitzen, die ihrerseits mit den beiden Längslen kern de r Rad füh rung (ges chobene Schwinge) verbunden sind. Durch d ie Kegelrollenlagerung wird ein Lenkeinschlag de s Rade s ermöglicht, die Lenkachse ist die Verbindu ngsgerade der beiden Lager in der Radm itte. Gebaut wird d iese Lenk ung derzeit nur von der Firma BIMo r A in exklusiver Einzelfertigun g. so da ss über die Funktionsg üte der Len kung kaum Erfah rungen vorliegen. Jede Beurteil ung ka nn dah er nur vorläufiger Natur sein. Nachteilig ist siche rlich die aufwändige, ind irekte Lenkbet ätigun g, die über ein Gelenkparallelog ramm erfolgt. Dieses muss spielfrei und sehr steif ausgeführ t werd en, um ein präzises Lenkgefühl zu gewä hrleisten. Der Lenkeinschlag ist noch kleiner als bei der konvention ellen Achsschenkellenk ung. da für allerdings erlaubt diese Konstruktion die Anbring ung zweier Brem sscheib en . Ob die Lenk ungslager in Radm itte Probleme mit Ve rsehrnutzu ng und Verschleiß aufwerfe n, ka nn nicht beurteilt werden. Das Massenträgheitsmoment um die Len kachse dürfte wege n de s ausladenden Achsschenkels höher als be i der konve ntionellen Achsschenkellenku ng ausfallen, allerdings deutli ch nied riger als be i de r Steuerkopflenku ng liegen, weil der Abstand der Drehma ssen von der Lenkachse klein ist. Ob sich diese Art der Le nkun g durchsetzen ka nn, muss fraglic h bleiben , de nn offenk und ige Vorteile sind aus Sicht des Autors nicht zu erkennen.
8.5 Bremsen Die Leistu ngsfähigkeit der Motorradbremsen hat sich in den letzten Jahren enorm erhöht und wurde den gestiegenen Fahrleistungen über proportional angepa sst. Damit wurde ein g roßer Beitrag zu mehr Sicherheit geleistet. Für Motorradbremsen g ibt es u nterschied liche Bauformen und kon str uk tive Ausfü hrungen. Die Doppe lscheibenbrem se im Vorderrad und Doppelkolbe n-Brem ssättel sind zu m Sta ndard für leistu ngsstarke Motorräder geworden. Nur noch Enduro s und leichte, leistungsschwache Maschinen sind mit nur einer Scheibe im Vorderrad ausge rüstet. Bremssc heibendurchmesser über 300 mm sind keine Seltenhe it mehr. Fü r die Bremssättel gibt es zwei unterschiedlic he Bauarten, die Schwimmsä ttel und die Festsättel. Schwimmsättel Sind in einem Rahmen axial verschiebbar gelage rt (meist übe r eine Bolzenfüh rung) . Sie benötigen nu r die halb e Zah l an Bremskolb en. da die Reakt ion skräft e sich am Schwimmrahmen abstüt zen. Beim Festsattelliegen sich die Bremskolben paarweise gegenüb er. Der Festsattel ist wesentlich steifer als der Schwimmsattel. baut abe r breiter und benötigt axia l deutlich mehr Platz im Rad , Bild 8.63 . Motorräder über 200 kg Ge wicht und im Leistungsbereich über 37 kW werde n heute übliche rweise mit vier-Kolbe n-Pestbremssät teln ausgerüstet. Es gibt abe r auch Motor räde r mit Sechs-Kolben-Sätteln. Die g rößere Anz ahl Bremskolben bringt Vorteile fü r eine gleichmäßige Anlage der Beläge an der Scheibe und diese Sättel sind stei fer (härterer und stabilerer Druckp unkt). Sie haben aber auch ein höheres Gewicht, das z udem z u den urigefederten Ma ssen zählt.
332
8 Konstruktive Auslegung von Moto rradfa hrwerken
Bolzenführung
Bild 8.63 Schwim msatte lbremse und
Fcsrsanclbrcrn sc
Seit einigen Jahr en werden imm er häufiger radi al verschraubte Pest-Bremssättel eingesetzt, Bild 8.64. Sie stammen aus dem Renn sport und erlaube n dort die rasche Anpass ung an unte rschiedliche Bremsscheibendurchmesser (durch einfaches Unterlegen von Distanzst ücken). Vergleichsmessu ngen zeigen aber nicht zwingend eine höhere Bremsleist ung oder eine bessere Dosierbarkeit.
Bild 8.64 Bremssatt el mit radia ler Verschraubung
333
8.6 Räder und Reifen
Bild 8.65 ..w avc- Brcmsschcibc"
Bremsscheiben werden entweder fest mit dem Rad versch raubt oder schwimm end befestigt. Die feste Verschraubung ist pre isgü nstiger und wird nur in Kombination mit Schwimmsätteln verbaut. Bei der schwimmenden Lageru ng erfolgt die Befestig ung übe r Rollen . die eine gew isse axiale Beweglic hkeit de r Scheibe und damit eine gute An lage an die Beläge ermöglichen. Schwimmende Bremsscheiben werden in Verbindung mit Festsätte ln verwe ndet [8.2]. Ver mehrt werden auch sogenannte ..w ave-Bremsscheiben'' verwen det. Diese sind am Außendurchmesse r wellenförmig gestaltet oder auch ..gezac kt" ausgefüh rt, Bild 8.65. Ihr Ausdehnungsverhalten soll durch die ungleichförmige Struktur verbessert werde n und sie sollen sich dadurch bei Erhitzung weniger verzi ehen. Auch hier bleibt der schlüssige Beweis der positiven Wirkung noch aus, ein modi scher Effekt spielt wohl eher eine Rolle. Im Vergleich zum Pkw konnt e sich ABS beim Motor rad nur zöge rlich durchsetzen. Mittlerweise haben sich derart ige Ass iste nzsys teme aber in vielen Modellen etabliert. Wegen der Bedeutu ng werde n die Bremsenregelungssysteme n sepa rat im Kapitel 11 betrachtet.
8.6 Räder und Reifen Der Reifen und das Rad bilden eine Einheit; beide zusamm en hab en als Bindeglied zwischen der Fahrb ahn und dem Gesa mtsys tem Motorrad einen erheblichen Einfluss auf da s Fahrve rhalten. Für da s Rad selbst gilt als Grund forderung. da ss es stabil konstruiert sei n muss, da sämtliche Kräfte über das Rad in das Fahrwe rk eingeleitet werden. Ein verwindungss teifes Fahrwe rk
334
8 Konstruktive Auslegung von Moto rradfahrwerken
ist weitgehend wertlos. wenn da s Rad sich unter Belast ung verformt und die Spurhaltung nicht mehr gewä hrleisten kan n. Räde r stehen beim Motorrad im Blickp unkt . neben ihrer Funktion ist da s Desig n sehr wicht ig. Stabile Kon struktion ist in de r Regel mit einer gewissen Masse des Bauteil s verbunden, was insofern von Bedeutung ist, als da ss da s Rad zu den ung efederten Ma ssen zählt. Diese sollten aber möglichst gering sein, um die Feder-Dämpferabstimmung zu erleicht ern . Auch ruf die Fahrs tabilität spielt die Masse de s Rade s zusammen mit der des Reifens eine wichtige Rolle. Am Rad bauen sich Krei selk räft e auf. die d ie eigentliche Stabilisieru ng des Motorrade s bewirken (vgl. Kap. 10). Deren Gr öße werden vom Raddurchm esser und de r Ge samtmasse Rad i Reifen besti mmt. Zwar sind g ru ndsätzlich g roße Kre isel kräfte wegen ihrer stabilisierenden Wirkung erw ü nscht, andererse its wac hsen d ie am Rad angre ifende n Störkräfte mit Zunahme der Radrna ssen ebenfalls an. so da ss insgesamt eher leichte Radkonstr uktionen erstrebenswe rt sind. Das Rad unterliegt folgende n Beanspruchunge n: - Vertikalk räft en aus dem Fahrzeuggewicht u nd Fahrba hnstößen - Se itenkrä fte n aus Schräglage und infolge von Pendeln und Flatte rn - Umfangskräft en , d.h . Antriebs- und Bremskräfte - Fliehkräften - Kreisel kräft en Zusätzliche Kräfte treten dan n auf. wenn da s Rad durch un gleichmäßige Ge wicht sverteilung un wuchtig wird. Bei den Radkonstrukt ionen lassen sich vier Gru ndtypen unte rscheiden. da s Speichenrad, da s einteilige Leicht metallg ussrad. das Scheibenrad und da s Verbu ndrad. Bild 8,66 . Den inn eren Aufbau eines Leichtmetall-Gu ssrade s mitsamt de r Radnabe zeigt da s Schnitt modeli im Bild 8.67. Eine Gesamt an sicht ei nes modernen Gu ssrades für Vorder- und Hinterrad ist im Bild 8,68 z u sehen.
Speic h en räde r
I
Le ic ht metallräde r
I
Sch e ibenräde r
I
V erb u n drä der
lnn enspeicheoräder Kreuzspeichenrader
Com-Star Rad
,------ --------,:
Senmiederader
,L
cartcorac
'":
,
.
•........................................................................................................................' • leicht
. erasuscn
• filigran • maßlger Rundlau f • schlauchlos nur als Sonderl
·ste,f _perfekter Rundl auf • hoh e Design freIhe« • Schlagempfllldlich
B il d H.66 B auar ten von Rädern
· sfe,f • perfekter Rundlauf • schwer • wlIl dempfllldldl
· slelf • guter Rundlauf • wenig Des,gnfrelhell
8.6 Räder und Reifen
Bild 8.67 Schn itt durch cin Leichtmetall-Gu ssrad
Bild 8.68 Leiehrmetall-G ussräder für Vorder- und Hinterrad
335
336
8 Konstru kti ve Auslegung von Moto rradfahrwer ken
Die Notwe ndigkeit eines guten Rundlaufs für siche res Fahrverhalten Im Hochgeschwi ndigkeitsbereich hat das Gussrad zur ersten Wah l fü r Straße nmoto rräder gemac ht u nd das Speichenrad in d iesem Seg ment weitgehen d verdrängt.
Die Hauptvorteile des Speichenrades sind sein filigra nes Ausse hen, sein geringes Gewic ht und eine gew isse Elastizität, d ie bei hoher Bean spruchung die Belastungsspitzen abbaut. Dies ist vor allem bei Enduro-Motorrädern wichtig, da Überbelastu ngen im Gelä ndebe trieb häufiger vorkommen und diese nicht zu m plötzlichen Bruc h des Rades führen dürfen. Die Speichen werden rein aufZug beansprucht. Je nach der Hauptbelastung sind unterschiedliche Speichenanordnungen zu bevorzugen, 8i1d 8.69. Kurze . stei l stehende und damit wenig gekreuzte Speichen (oberes rechtes Bild) verleihen dem Rad Seirenstabilität . sind aber hi nsichtlich der Aufnahme von Umfangskräften (Antrie bs- und Bremskräfte) weniger günstig. Bei einer tangentialen Spe ichenano rdnung, die lange Spe ichen mit vielen Kreuzungen bedi ngt (li nkes Bild), werden hingegen Umfangskräfte besser aufgenomme n (g röße re Übe reinstimmung de r Kra ft richtu ng). Dafür ist d ie Seitensteifigkeit dieser Radbauart sch lechter. Durch das von BMW entwickelte Speichenrad mit in der Felgenschulter liegenden Speichennippeln (sog. Kreuzspeichenrad , unteres Bild ). kön nen Speichenräder inzwischen auch mit sch lauchlosen Reifen verwen det werde n.
Bild It69
Spcichcnradkonstruknoncn mit untersch iedlichen Speichenanordn ungen oben links: tangentiale Speichenanordnung oben rechts : radiale Speiehenanordn ung links: auße nliegende Kreuzspeiehen für schlauchlose Reifen
337
8.6 Räder und Reifen
Nachteilig sind am Speichenrad der nie völlig exakte Rund lauf, d ie notwe ndigen , regelmäßigen Kontrollen der Speiche nspan nung und da s Nachspannen sowie die nicht ausreichende Seite risteifig keit bei höchster Bean spruchung. Diese Nachteile machen das Speichenrad ungee ignet fü r Hochlei stungsmotorräder. d ie in Geschw indig keitsbereiche jenseits von 200 km /h vorstoßen. Hier ge nügt nur das Leichtmetallgussrad den hohe n Anforderun gen an Steifigkeit und Rundlau fgenauigk eit, wobei nicht übersehen werden da rf. da ss die höhere Steifigkeit mit höherem Gew icht erkauft wird. Nachteilig am Gussrad ist d ie wenig ausgeprägte Nachgiebigkeit bei Überbeanspruchung, die im Extremfall theoretisch zum schlagartigen Bruch de s Rades führen könnte . Allerdi ngs sind derartige Beanspruchu ngen im Straßenbetrieb zum indest in Mitteleuropa und Nordamerika prakt isch ausgeschlossen. Zudem sorgen inzwischen die Fertig ungsmethoden und Ausle-gu ngskrit er ien der Hersteller da für, da ss die Leichtmetallräder sich bei Überbeanspruchung und Missbrauch (Überfahren von Bordsteinkanten mit mehr als Schrittgeschwindigkeitl) zu nächst sichtbar verformen , bevor ein Bruch eintritt. Eine versteckte Beschäd igung von Rädern, d ie erst später bei nochmaliger Überbelastung z u einem plötzlichen Gewaltbruch führt, kann heutzutage bei Rädern namhafter Hersteller ausgeschlo ssen werden. Mehr aus optischen Gründen wird das Scheibenra d eingese tzt, Bild 8.70.
Bild 8.70 Einteil iges Alumi n ium-Sche ibenrad td artey-Davidsom
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8 Konstruk tive Auslegung von Moto rradfahrwer ken
Das mehrteilige Verbu ndrad (z.B. HONDA ComSta r Rad) konnte sich bisher nicht durchsetzen. Es besteht aus dre i Teilen, der Felge, der Nabe und einem Spe ichenkra nz aus einem Aluminium prcfil, die miteina nder vernietet werde n. Bei gute m Rundlauf un d hohe r Steifigkeit bietet das Rad eigentlich gege nübe r einem Guss rad keine nen nenswe rten Vorteile. Die Mög lichkeit. d ie Einzel teile aus u nterschiedli chen Materialien fertigen zu können , bietet in der Prax is keine n Gew inn. Eine Repa rat urmög lichkeit be i Beschädigung ist ebenfalls nu r theo retischer Natur, weil die Vern ietung der Teile nu r unter industri ellen Bed ingungen zu verlässig durchgeführ t werde n ka nn, nicht aber in der ha ndwerklichen Reparatur praxis. Bez üg lich der Rad durchmesser g ibt es keine festen Krite rien. Die fr ü her klassische Radgröße von 18 Zoll (bzw. 19 Zoll fü r das Vorderrad) wird für Spor tmotorräder nicht mehr verwendet. Wegen der Erz ielung nied riger Bauhö hen und d ami t geringer Querschn ittsflächen (Luft widerstand ) werden heute klei nere Raddurchmesser von 16 ode r 17 Zoll bevorzu gt. Das kleinere Rad ist allerdi ngs , entgegen de r A nschau ung, um mehr als 5% schwe rer, weil fü r gleiche Reifenbelastbarkeit die Reifen- un d damit Radbreite größer gewählt werden muss. Das Trägheitsmome nt ist zwar nied riger, doch wird dieser Effe kt durch die höhe re Radd rehzahl überkompen siert (kleinerer Abrollumfang ), so dass sich letztlich höhere Kr eiselkrä fte fü r d as kleinere Rad ei nste llen. Die subje ktiv em pfundene, g röße re Handli ch keit der Moto rräde r mit kleineren Räd ern , die bei Sportmotorräde rn ja erwünscht ist, ergibt sich durch einen weite r au ßen am (breitere n) Reifen liegenden Krafta ngriff des Roll widerstandes be i Schräg lage, der zum Eindrehe n de r Lenk u ng füh rt. Dies ruft den Eind ruck einer leichtgä ngigen Lenkung be im Sch räglagenwechsel u nd damit g rößerer Handlichkeit hervor, die obje ktiv aber nicht vorhanden ist. Die Reifen für Moto rräder sind hochg rad ig spez ialisiert; Motorradreifen sind Produkte jahrzehnte langer Erfahrung. Deutlich wird dies allein schon d aran, dass der gleiche Reifen auf verschiedenen Motorrädern z.T. zu völlig untersch ied lichem Fahrverhalten führt , wesha lb die Reifenfre igaben der Moto rradherst elle r z uneh mend typgebunden sind . In einem Grun d lagenbuch ka nn daher nur auf wenige Aspekte de r Reifene ntwic klung eingegangen werden . Grundsätzlich unterscheidet ma n zw ische n Diagon alreifen mit und oh ne Gürtel und Radialg urte lreifen. Bild 8.71 zeigt den unterschiedli chen konstruktiven Aufba u dieser Reifenty pen. Typisc h für den konventionellen Diagonalreifen ist sei n annä hernd runder Querschnitt. Der Radialreifen und der Diagonalreifen mit Gürtel zeige n hingegen eine ausgeprägte Ovalkontur, d ie z ur einer wese ntlich breiteren Aufstan dsfläche des Reifens füh rt. Alle drei Baua rten sind auf dem Markt vertreten, wobei sich der Rad ialgürtel reifen ers t seit wenigen Jahren endg ültig etab lieren konnte. Das Problem be i der Entw icklung von Rad ialreifen fü r Motorräde r bestand in den pr inzipbed ingt weichen Reifentl anken, d ie beim Motorrad wegen der Querbean spruchu ng in Schräglage zu instabilem Kur venverhalten füh rte. Dieses Problem konnte konstruktiv gelös t werden. Denn och habe n Diagona lreifen nach wie vor ihre Existenzberechtigu ng. Durch die Einfü hrung von Diagonal-G ürtelreifen konn ten ih re ohne hin guten Gesamteigensc hafte n weite r verbessert werden . Der zwe ilagige Gürtel verhindert d ie unerwünschte Formänderung des Reifens be i hohen Gesc hwindigkeiten. Bei konventionellen Diagonalreifen nimmt mit zune hmende r Gesc hwin dig keit d ie Aufstandsbreite ab, weil der Reifen unter Fliehk raftei nfluss im Durc hmesser wächst. Der Gürtel verleiht dem Reifen soviel Formstabilit ät. dass das Durchmesserwachstum prak tisch Null wird. Das generel le Problem be i der Entwicklung von Gü rtelreifen
339
8.6 Räder und Reifen
Gürtel
(2-lagig)
Oiagonalrai!en corm TKH 24
O i ago r.aI· G(j rtel re ~en
cconascace
Radialkaritasse
Radi al-Nu llgradre~en
Bild 8.71
COflliSportAttack
acnerreuen mit Radialkaritasse ccousorce
A ufbau ver sc h ieden er R ei fen typen
für Motorräder war die wege n de r runden Kontur notwendige Krümmung des Gürtels in zwei Ebene n. Besonders Stahlgürtel zeigten hier wege n überhöhte r Spannungen an de n Gürtelkanten Dauerha ltbarke itsprob leme und ne igten zur Selbstzerst örung. Durch intensive Entwicklungsa rbeit auf d iesem Geb iet und neue Fertigungs methoden für d ie Reifen ließen sich d ie Probleme schließlich löse n. Nicht gerade einfach ist auch die rnesstechnische Ermittel ung de r Reifenkenngrößen. Zu der genere llen Schwierigkeit einer Messgrößenerfassung in der Reifenaufstandsfläche bei d rehendem Rad, gesellt sich beim Motorradreifen noch die Schräglage. Motorrad reifen werden daher weit mehr noch als Automobilre ifen im subje ktiven Fahr ver such abgestimmt. Der inte ressierte Leser wird daher bezü glich der praktischen Reifene igenschaften auf die Testber ichte der Motor radfachzeitsch rifte n verwiesen. d ie einen gute n Überblick übe r den Sta nd der Reifenentwicklung bieten. Bezüglich der Bedeutung der Reifenbeze ichnun gen geben d ie Unterlagen der Reifenh erstelle r. d ie diese auf Anfrage gerne verschicken. viele Informat ionen, darüber hinau s sind in diesen Unterlagen auch Tipps über den Umga ng mit Reifen enthalten
[8.31 ·
340
9 Festigkeits- und Steifigkeitsuntersuchungen an Motorradfahrwerken Im Mittelpunkt unserer Betrachtungen zum Motorrad fah rwerk stand bisher d ie Erfüllung de r geometrische n und kinematische n Funktionen. Noch wichtiger ist jedoch un ter Sicherheitsaspek ten d ie betriebssichere Auslegung der Fahrwerkskomponenten, d.h. d ie Gewährleist ung einer au sreichenden Festigkeit aller Bauteile. Aus de r Sicht der Fahrdynamik - u nd auch da s ist ein Sicherheitsaspe kt - komm t aber de r Steifigkeit de r Fah rwerksbauteile eine mindestens ebensogroße Bedeutu ng zu, denn ein steifes und damit spurstabiles Fahr werk ist immer auch ein sicheres Fah rwerk.
Der Motor radhersteller muss sich aber darüber hinaus im Rahmen seiner Produktverantwortung und Prod uzentenh aft ung auch m it der missbräuchlichen Benutzung de s Motorrades auseinandersetze n. Sicherh eitsrelevante Bauteile müssen so ausgelegt werden, dass vorausse hbare Fehlbeha ndlu ngen nicht zu versteckten Beschäd ig ungen füh re n, die die Sicherheit beeinträchtigen. Auf dies es spez ielle und u mfang reiche T hema soll aber nicht nähe r eingeg ange n werden, es wird dazu auf die Literat ur [9.2] verwiesen.
9.1 Betriebsfest igkeit von Fahrwerkskomponenten Das Fahrwerk des Motorrades unterliegt im Betrieb wechseln den Beanspruchungen unterschied licher Höhe, d ie in regel lose r Folge auft reten. Da hohe Belastungen im Fahrbet rieb sehr v iel seltener auft reten als mittlere und nied rige, ist eine da uerfeste Auslegun g der Bauteile auf die jeweils maximal auft rete nden Kräft e nicht sinnvoll, weil d as zu sehr schwergewichtigen Konst ru ktionen führe n würde . Vielme hr muss für Leichtbaukonstru kionen die Bauteildun ensionieru ng an die tatsächlichen Belastungen, die wäh rend der Lebe nsdauer de s Motorrades au ftreten können , angepasst werden , wobei natü rlich ausreichende Sicherheitsreserven einkalkuli ert werden müssen . Dazu ist es notwend ig, d ie realen Belastungen zu ken nen. Sie werden im Fahrversuch auf de r Straße ermittelt, inde m an den hochbea nspruchten Fahrwerksbauteilen spezielle Messaufnehmer ad aptiert werden und die auftret enden Kräft e während der Versuc hsfahrt aufgezeic hnet werden. Strecken auswahl , Strec kenlänge und der Fahrsti l haben hier einen g roßen Einfluss. Am Beispiel der Rada ufstandskraft des Vorderrades sollen d ie ermittel ten Beanspruchungen u nd die Häufigkeit ihre s Auftretens (Lastkollekti ve) im realen Fahrbet rieb des Motorrades erläutert werde n [9.1]. Uild 9.1. Unverkennbar ist das Über wiegen nied riger Lasten unabhängig von Strecke u nd Fahrweise. Hohe Belastu ngen treten mit g rößerer Häufigkeit nur bei Extremstrecken auf, also auf der Ren nstrecke mit entsprechendem Fahrer u nd auf ausge sprochenen Schlechtwegstrecken (Strecke 4, Nordgriechenland) . Auf der Rennstrecke ergebe n sich d ie hohen Belastunge n am Vorderrad aus de n häu figen, extremen Brernsu ngen, auf der Schlechtwegstrecke aus den vielen Schlägen. die auf da s Vorde rrad einwirke n. Übe rra schend ist dabei de r recht äh nliche Verlauf zwi sche n Schlechtwegstrecke und Renn kurs.
341
9.1 Betr iebsfestigk eit von Fahrwerkskomponenten 300.000 km Bayern (Normalkollekbv) 2 10,000 km Noroorgring (Rennfahrer) 3 10.000 km NOrburgring
2 4-
(N orm a ~ahr er)
4 40.000 km Nordgriechenland
',...... . . . .
--...... -- ......
(Schlechlwegslredle)
'-:-
..........
10
4
10'
ßi ld9. 1 Belast ungskollektive für das Vorderrad (Radaufstand skraft] auf unterschiedlichen Straßen
10 '
Hä ufigke it Den Einfluss de r Fahr weise zeigt sehr eind rucksvoll der Vergleic h zw ischen den beiden unterschiedlichen Fahrern au f de r Rennstr ecke (2 und 3) . Der Durchschnittsfah rer erreicht du rchgäng ig nu r etwa 65% de r Vorderradlast wie de r Renn fah rer, ein deutli cher Hinwe is auf das viel här tere Anbremsen der Kur ven durch den Profifahrer und den vergleichsweise g roßen Abstand, den de r Nor malfahrer von der maxima l mög lichen Bremsverzögerung hält. Die Unte rsch iede in der Belastu ng zwi schen Rennstrecke und Land straße sind beim Durchsch nittsfahrer überraschend k lein, Kurve n I und 3. Im sogena nnte n Normalkollektiv, gefahren im regul ären Verkehr auf normalen Straßen mit überwiegend em Landstraßenanteil und unte r Beachtun g aller Verkehrsregeln, si nd lediglic h die Max imalbela st ungen etwas kleiner, da s häu figere Auft reten mittle rer und niedr iger Belastu ngen ergibt sich natürlicherweise aufg rund der 30fachen Fah rstrecke. Der Vergleich der Belastungskollekti ve lässt sehr deutlich erkenne n, da ss alle Betriebsbea nspruchu ngen, selbst die während einer extrem langen Fahrstrecke von 300.000 km , mit erheblich kü rzere n Fahrzy klen unter entspre chend erhöhten Belastun gen mit ausreichende r Sicherheit nachgeb ildet werden kön nen. So decken bereits 10.000 km Nür burgring weitgehend alle Belast ungen ab, die während eines Motorradlebens auft reten , wobei ein gemäßig tes Renntempo (Ku rvenverlau f zw ischen 2 und 3) bereits ausreichend wäre. Die gro ße Häufigkeit niedri ger Belast ungen, die bei de r kur zen Fah rstrecke nicht auftritt, spielt fü r die Betriebsfestigkeit der Fah rwerksbauteile keine wesentliche Rolle, da diese im Daue rfestigke itsbere ich der Werkstoffe liegen , vgl. weiter hinten und Bild 9.3. Der Zeit raffungseffekt wird für die Entwicklung von Fahr werksbauteilen intensiv genutzt, denn wie eine überschlägige Rechnun g ze igt, sind Straßenerprob ungen mit Laufstrecken von beispielweise 150.000 km für Bauteiluntersuchungen kaum sinnvoll du rchfüh rbar. Selbst bei einer angenom menen Durchsch nittsgeschwind igkei t von 90 km/h (Landstraße) wü rden 140 Tage mit 12 Std. Fahrtzeit benötigt , d.h . eine de rar tige Erprobun g würde inkl. not wendiger Wartungsarbeiten mehr als ein halbes Jahr in An spru ch nehmen , was hin sichtlich der Entwi cklungszeit untragbar wäre. So gehören Versuchsfahrten auf abgesperrten Rennst recken undl od er firmeneigenen Teststrecken sowie Erprobu ngen im Ausland auf ausge suchten Schlechtwegstrecken
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9 Festig keits- und Steifigkeits u ntersuchungen an Moto rradfa hrwerke n
un d unter ext remen Eins atzbedi ngungen zu m festen Prog ram m eine r jeden Motorradentwicklung. Zusätz liche Langzeittests we rde n abe r als Qu alitätssIcheru ngsmaßnahme entwicklungsbegleitend durc hgeführt.
Viele Versuche müssen auch nicht meh r auf der Straße durchgeführt werden , sondern sie finden im Betriebsfest igkeitslabor aufspezie llen Prüfma schinen statt. Diese können mitte ls computergesteuerte r, servohyd raulischer Zylinder nahezu bel iebige, bet riebsnahe Belastun gsprofile auf die zu untersuchenden Bauteile aufbringen . Derartige Untersuchu ngen ersetzen heute we itgehend die frühe r üblic hen Einstu fenversuche zur Ermitt lung der dynamischen Festigkeit. Die realen Kraft-Zeit-Verläufe werden dazu im Fah rversuch aufgezeich net und der Steuerungs computer fü r die Belastu ngsmaschine ent spr echend programmiert. Der Vorteil dera rtiger Laborversuche liegt in der hohen Reproduzie rge nau ig keit und der schn ellen Verfügba rkeit der Ergebnisse, da d ie Prü fstände ohne Unterbrechung (un d Personaleinsatz) rund um d ie Uh r bet riebe n werden können . Ein Beispiel f ür eine solche Prü feinrichtu ng ist der im Hild 9.2 gezeigte, zw eiachsiale Räder prü fstand, der bei BMW seit vielen Jah ren eingesetzt wird. Das Rad läuft in einer Trommel. die Geschwindig keite n von übe r 200 km /h zulässt. Die servohydraulischen Zylinder erlaube n die Aufbringun g der Betriebslasten. eine hyd raulisch betätigte Sturzverstellung ermög licht die Einstellung einer Schräglage . Das Ergebnis einer Rahmenprüfung im Labor zeigt Hild 9.3. Dargestellt ist das W öhle rschaubild ein es Doppeisc hleifen.R ohrrahmens unter Biegebeanspruchun g am Steuerkopf zusätz lich eingezeichnet ist da s Normalkollektiv au s einer Fahrstrecke über 100.000 k m. Man sieht, da ss der Rahmen auc h unter ungünstigsten Ums tänden da uerfest ist. denn selbst die höchsten Krä fte im Nor malbetrieb liegen nicht höher als die Krä fte , die der Rahmen auc h bei un endli ch vielen Lastwec hsel n mit 90% Wahrsc hein lichk eit aushält . Berü cksicht igt man noch d ie geringe Häufigkeit de s Auft rete ns hoher Kräft e im Normalb etrieb. erg ibt sich ei ne seh r hohe Sicherheitsspanne gegen Rahmenbruch. gekennzeichnet durch den Abstand z wischen de r Linie de s Lastkollekt ivs und der W öhlerkurve de s Rahmen s. Diese Sicherheitsspanne deckt dan n sowohl Extremei nsätze durch einzel ne Benutzer (z.B. Rennbetrieb) als auch verei nzelt auftretende. nicht vorherse hbare Überbelastu ngen im Laufe de s Motorradlebe ns ab.
Bild 9.2 Zwciachsialcr Räder prüfstand
9.1 Betr iebsfestigkeit von Fahrwerkskomponenten
343
EZJ Rud
c:J Rud
" '.' wendst ärke mit Einschubrohr
- - 1-.-=-+-++1--" 17 - - ...
t--+-1- --~:::-t;t±t:::;t=t±tl==j F -,
Motorrad Kollektivstrecke 105 km
10ooH +----jf----f--f-++- + - j-j
10'
10 '
10'
10'
Lastspiele N
Bild 9.3 Wöhlcrschaubild ei nes Doppelschleifen-Molor rad rahm ens [9.1J
In neuerer Zeit wurden Prüfstände ent wickelt, mit denen sich sämtliche auf das Gesamtfa hrzeugeinwirkende Belastun gen am Komplett motorrad nachbilden lassen. Durch eine betriebsgerechte Simulation aller beanspruc hungsrelevanten Kräft e und Wege auf dem Prüfstand können Mängel an einzelne n Bauteilen genau den Straßenverhältnisse n. Laufstrecken und der Fahrweise zugeordnet werden, so dass eine reproduziergenaue, schnelle und eindeutige Schwachstellenanalyse möglich wird und gezielt Verbesseru ngen eingeleitet werden können. Mit der gesamthaften Erprobun g de r Systems Motorrad/Fahrer werden gewissermaße n die Straßen der Welt ins Labor geholt. Bild 9.4 zeigt einen de rartigen Mehrkomponenten-Betri ebsfestigkeitsprüfstand der d ruten Generation, de r von BMW mitentwickelt wurde und seit einigen Jahren im Einsatz ist. Begonnen wurde bei BMW bereits im Jah re 1980 mit derar tigen Untersuchungen. Das Motorrad ist mit Fahrer- und ggf auch mit Beifahrerd ummy. Koffern sowie allen Anbauteilen so auf dem Prüfstand montiert, dass sich vertikale Bewegungen und Nickbewegungen betriebsgerecht ausbilde n können. Dazu ist das Moto rrad im Gesamtschwerp unkt über einen Hilfsrahrnen in einer Gleitschuh-Geradführung aufgehängt, die sowohl Vertika lbewegungen als auch Drehungen um die Achse durc h den Schwerpunkt ermöglicht. Längskräfte und Radaufstandsk räfte werden von servohyd raulischen Zylindern aufgebracht, die über gelenkig e Streben und entsprechende Binspannungen jeweils a n de n Rädern ang reifen. Auf die Einleitung von Seltenkräften wird wegen ih rer ge ringen Bedeutung für die Betriebsfestigkeit beim Motorrad verz ichtet. Die quasistatische Einfederung infolge der Fliehk räfte bei der Kur venfah rt wird hingegen berücksichtigt und durch Hyd raulikzylinder in der Gleitschuhführung aufgebracht . In de r Gleitschuhführung stützen sich letztlich auch die Längskräfte ab. Die Abstütz ung des Fahrers am Lenke r, die beim starken Bremsen nicht z u vernachlässigende Kraftbeträge ins Gesamtsystem einleitet, wird durch einen Gelenkmechani smus mit am Lenker befestigten Stützstreben nachgebildet. Die auf das Hinterrad einwirkenden Zug- und Schubmomente des Antriebs werden durch einen im Motorblock integ rierten Radialkolbenhydromo tor dargestellt. Motor vibrationen können mittel s eines separat angekoppelten, servohydraulischen Prüfzylinders aufgebracht werden.
344
9 Festig keits- und Steifigkeitsuntersuchunge n an Motorradfahrwerke n
Bild 9.4 Mehrkomponenten-Moto rradBetriebsfestigkeitsprüfstand (MEM O)
9.2 Steifig keitsuntersuchungen Zur Messung der statischen Steifigkeiten an Rahmen, Gabel und Schwinge, d ie z u Vergleichszwecken, zur Verifikation von Finite-Elemente- Berechn ungen und für fahrdynamische Untersuchungen benötigt werden. werden Prüfstände wie im Bild 9.5 da rgestellt, eingesetzt. Das Bauteil. im geze igten Beispiel der Rah men , wird an einer Lagerstelle (Schwingenla ger) fest eingespannt und am freien Ende (Steuerkopf) ana log zu r real wirkenden Kraftrichtung belastet und dabei d ie Kraft und der Verformungsweg gemesse n. Ergebnisse einer solchen Steifigkeitsmess ung an verschiedenen Baufor men von Motorradrahmen ze igt das Bild 9.6. Dargestellt ist die gewichtsbezogene Torsions- und Biegesteifigkeit. die als Maß für d ie Güte des Rahmenbaup rinzips und der konstruk tiven Auslegung d ienen kan n.
Bild 9.5 Messu ng der statische n Torsions- und Bicgcstcif igkcit e ines Motorrad rahmens
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9.3 Dauererp robung des Gesamtfah rwe rks Tor sion und Bieg ung, gewichtsbe zogen
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Bruckenrahmen K 100 Fremdfabrikat
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Bild 9.6 Gewichtsbezogene Steifigkeitswerte verschiedener Rahmenausflihrungen
Die Angabe von Steifigkeitswerten ohne Motor ist natürlich nur beim Doppelschleifenrahmen sinnvoll. denn beim Brückenrohr rahmen ist der Motor ja tragend er Bestandtei l des Rahm enkonzepte s. Deutlich wird. da ss der Brückenrohrrahmen durch Ausnutzung der hohen Steifigkeit des integr ierten Motor-Getri ebeblocks dem klassischen Doppelschleifenr ahm en überlegen ist. Eine geringe Steifigkeitserhöhung durch den eingebauten Motor lässt sich aber auch bei diesem Rahmen nachweisen. Nimmt man den angegebenen Steifigkeitswe rt (6500 Nm/O) des Leichtmetallra hmens der Aprilia RSV Mille (Bild 8.11) und setzt ihn ins Verhältnis z um angenomm enen Gewicht (ca. 13 kg), so ergibt sich im Vergleich zum Brückenrohrrahmen eine doppelt so große Torsionssteifigkeit. Dieser Vergleichswert stellt allerding s nur eine sehr grobe Or ientierung da, denn die Daten des Aprilia-Ra hmen s sind Anha ltswerte aus der Presse, ohne die Angabe des Messverfah rens. Für einen sauberen, qua ntitativen Vergleich müssten d ie Rahmen unter vergleichbaren Messbedin gu ngen geprüft werden.
9.3 Dauererprobun g des Gesa mtfahrwerks Während. wie besch rieben , hoch e ntwickelte Labor tests in den Entwicklungspha sen der Fahrwerk skomponent en z uneh mend d ie Straßenerprobung und das Fahren auf abgesperrten Testund Rennstrecken ersetzen, bleibt sie für Dauererp robu ngen als abschließen der Funktions- und Qualitätsnachweis für das Gesamtfahrzeug nach wie vor unverzichtbar. Der Vorteil des l abors für d ie Bauteilen twicklu ng, die hohe Reproduziergenauigkeit und Testbedingungen frei von Zufälligke iten , ist fü r eine Dauererprobung z um Abschluss de r Ent wicklung eher unvorteilhaft. Hier sind gerade d ie restlichen Unwägbarke iten und da s schwer abschätzbare Zusamm enwirken unvorhersehba rer Faktoren des Fahr alltags erw ünscht. um da s Risiko von Fehlern in Kunden hand möglichst minimal zu halten. So können auf Prüfe inr ichtu ngen. wie wir gesehen haben, zwar Kräft e und Wege realität snah simuliert werden. nicht aber d ie gleichzeitige Einwirkung von Wetter- und Umweltfak toren, wie Temperatur, Luftdruck, Wind, Feuchtigkeit, Staub- und Schmutz sowie alle möglichen. zufä lligen Fahrer- und Straßeneinflüsse. Auf den Zeitraffungseffekt, der sich durch entspreche nde Streckenauswahl ergibt. wurde im Kapitel 9.1 am Beispiel der Vorderra dlast schon eingegange n. Ge nerell liegt für das Ges amt-
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9 Festig keits- und Steifigkeitsu ntersuchungen an Moto rradfahrwer ke n
fahrze ug und hier speziell fü r die Fahrwerks- und Anbauteile der erzielbare Raffu ngsfak tor bei einer Kombinat ion aus forciertem Straßenbetrieb u nd Bet rieb auf abgesperrt en Strecken zw ischen 3 un d 5. Das heißt spezie ll ausgelegte Dauererprobungsprogr amm e über 30·50.000 km entsprechen einem Betr ieb unter den Bed ingu ngen des No rmalmotorradfahre rs von mehr als 150.000 k m. Streckenauswahl und Erprobu ngsmodalitäten beruhen auf langjährigen Erfahrungen und hängen auch vom Motorrad typ und Einsatzz weck der Maschine ab. So wird ein Erprobu ngsprogra mm fü r ein Fernreise- und Endu romotorrad einen höheren Schlechtwegstreckenanteil beinhalten, als fü r eine reinra sse Straßenmaschine im Supersportseg ment. Auch sogenannte Feldbeobachtungen, in de nen Schäden und Verschleißerscheinungen, die beim Kunden gehäuft auft reten, in Bezug zu den Ergebnissen de r Dauererprobungen gesetzt werden. spielen bei de r Festlegu rig der Dauererprobungsprogramme eine Rolle, wobei Einz elheiten da s firmenspezifische Know-how des Herstellers berü hren und da her hier nicht näher erläutert werden könn en.
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10 Fahrdynamik und Fahrversuch Die Fahrdy namik des Motorrades wird d urch komplexe Zusammenhänge beschr ieben. Die notwend igen physika lischen Grund lagen und Kenntnisse der Mechanik, d ie fü r eine Erläuterung der Stabilisieru ngsvorgänge und der Einflussgrößen bei der Kur venfahr t vonnöten sind, können nicht vorausgesetzt, in einem Buch der Motorradt echnik aber auch nicht in der erforderlichen Breite dargestellt werden. Es werden daher zugunsren des besseren Verständnisses und einer möglichst g roßen Ansc haulichkeit die Vorgänge vereinfacht. Behandelt werden in diesem Kapitel die Vorgänge der Ge radeausstabilisierung, die Gru ndlagen der Kurvenfahrt und die lnstabilit äten, die beim Fahren auftreten können. Da viele Vorgänge nur im Fah rversuch erfasst werden können, wird dara uf in kn apper For m ebenfalls eingega ngen. Ein wichtiger As pekt bei der Motorrad-Fahrd ynamik ist da s enge Zusammenspiel zw ischen Fahr werksreaktionen u nd Fahrer sowie die ausgeprägte Rück wirkung des Fahre rs auf da s Fahrverhalten. Es sind u.a. diese men schlichen Einflussfaktoren, die es mit sich bringen , dass bei der Fahrdynam ik viele Vorgänge (noc h) nicht exakt berechenbar sind, sonde rn man vielfach noch auf da s subjektive Fahrerempfinden bei der Beu rtei lung angew iese n ist. In neuerer Ze it wu rden allerdings für das fah rdy namische Verhalten des Motorrades und des Fahrers mathematische Modelle entw ickelt. mit deren Hilfe Simulation srechnunge n durchgefüh rt werde n kön nen. Das Zusa mmenspiel vo n Fahrzeug, Fahrer und Fahr bahn bei beliebigen Fahrma növern lässt sich damit vorausberechnen. Die Ergebnisse kön nen als Co mputeranimation dargestellt werden. so dass die Fah rzeugreaktionen realitätsna h und anschaulich sichtba r gemacht werden könn en. Die gezielte Vora ussage des Fahrverhaltens schon in der Konstru ktionsphase wird mit diesen Simulationsrechn ungen möglich. Wegen der Komplexitä t der mathematischen Zusammenhänge wird au f die Simulationsrechnung nicht näher eingegangen; dem intere ssierten Leser wird die Literatur z u diesem Thema , [10.1 - 10.3], empfohlen.
10.1 Geradeausfahrt und Geradeausstabilität Als Einspurfahrzeu g befindet sich das Motorrad im labilen Gleichgew icht und wird (im Gegensatz zum Auto) rein dy namisch stabilisiert, eine Erfahr ung, die man schon im Kind esalte r beim Erlernen des Radfahrens macht. Die fü r die Fah rdynam ik wesentliche Frage lautet : Waru m fahrt ein Einspur fahrzeug ohne um zu fallen '? Zu r Kläru ng dieser Frage müssen zu nächst die geome trischen Gegebenheiten am Motorradfahr werk u nd d ie Kraftwirku ngen beim Fah ren betrachtet werden. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Kreiselkräfte, d ie sich am d rehenden Rad einstellen und d ie eigentliche Stabilisierung des Motorrades bewirken.
10.1.1 Kreiselwirkung und Gru ndlage n der dynamischen Sta bilisier u ng Allgemein wird jeder massebehaftete Körper, der in einem Pun kt dr ehba r gelage rt ist (Rotationsze ntrum) und eine schnelle Rotation um diesen Punkt ausfiihrt, als Krei sel bezeichnet. In diesem Sin ne sind d ie d rehend en Laufräder eines Motorrades als Kreisel aufz ufassen.
10 Fahrdynamik und Fahrvers uch
348
z
Kippen nach rechts um x-s ense (Re a k1ion)
x
(-r---JT' .
Drehung nach recIJts um z-Achse (Ursache)
~Ji
Rechte -Ha nd-Re gel
R e Rotaboesecnse
S = sterse nse A " Ausweichacllse
Der Richtungsinn der Drehung bezieht sich immer
m.
auf die Achsriciltung. Drehung nach rectts bedeutet eine Drehung im Uhrzeigersinn Blick in Richtung
der Drehachse. Vom Beobachter aus, der das Rad halt, ist die aufge-
zwun g e ne D rehbe w egu ng um d ie z-A cn se (in Achs rich-
tung nacn rechts) z.a. eine linksdrehung!
Bild 10.1 Ausweichbeweg ung eines rotierenden Rades bei Drehung um eine vertikale Achse
Kreisel haben das Bestreben, ihre eingenommene Lage stabil beizubehalten, und sie reagieren auf Störungen von au ßen nur wenig. Zwingt man dem Kreisel aber eine zusätzliche (langsame) Drehbewegung um eine andere Achse (die nicht Rotationsachse ist) auf, so weicht der Kreisel auf unerwartete Weise, nämlich sen krecht zu dieser Achse, aus. Er versucht, seine Rotationsachse in (gleichsinnige) Übereinstimmung mit der Achse der aufgezwungenen Drehbewegung z u bringen. Dieses Ausweichen wird als Präzession bezeichnet. Bild 10.1 verdeutlicht am Beispiel eines schnell um seine horizontale Achse rotierenden Rades die beschriebene Kreiselreaktion. Dem Rad wird eine Drehung nach rechts um die eingezeichnete, vertikale .::-Achse (Störachse) aufgeprägt. Das Rad weicht dann senkrecht z u dieser Achse aus, d.h. es kippt in eine schräge Lage um die x-Achse nach rechts. Dieses Verhalten kan n man im Eigenversuch Z.B. mit Hilfe eines d rehenden Fahrradrades. das man mit den Händen an der Radachse festhält und dann in der gezeigten Weise z u drehen versucht, sehr anschaulich nachvollziehen. Die Ausweichbeweg ung lässt sich auf einfache Weise mit Hilfe der rechten Hand ermittel n (Rechte-Hand-Regel), Dazu muss man abe r zuvor die Lage und Richtungsor ientierung der Drehachsen eindeutig festlegen. Eine Drehbewegu ng nach rechts bedeutet, dass die Drehung in Richtung der Achse im Uhrzeigersinn erfolgt.' Die Rechte-Hand-Regel wird dann wie folgt angewendet, vgl. Bild 10.1 : - Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger werde n abgespreizt, so dass sie zueinander rechte Winkel bilden. - Der Mittelfinger (R) zeigt in Orientierungsrichtung der Radachse (Rotationsachse) und die Hand wird so gehalten, dass der Daumen (S) in Richtung der Achse, um die das Rad zusätzlich gedreht werden soll (Störachse), zeigt . Hält man die gekrümmten Finger der rechten Hand in Richtu ng des Dre hsinns eines Rades und spreizt den Daumen ab, dann zeigt der Daume n automatisch die Richrungsonc nticrung dcr Drehachse des Rades a n.
10.1 Geradeausfahrt und Gerade aussta bilität
349
- Die Ha ndh alt ung muss so se in, dass die Radrotat ion um d ie Mittelfi ngerricht ung nach rechts erfolgt. Der Daumen w ird so ge halte n, dass er für die aufgezwu ngene Drehbewegung eine Rechtsd rehu ng anzeigt. Die Hand mu ss gg f in die ents preche nde Ric ht ung ges chwe nkt we rde n, d.h d ie Fingerspitzen zeigen in die (posit ive) Achs richtung. - Dann ze igt de r Ze igefinge r (A) ge na u di e Richtu ngsor ient ie run g der Achse a n, um die das Rad als Auswe ich reaktion nac h rechts dreht (Ausweichac hse ). Die Rec hte-Ha nd-Regel vers innbildlicht dam it die einga ngs erwähnte Kreiseleigenschaft. dass sich die Rotat ionsachse in d ie gleiche Richtun g stel len w ill w ie d ie St örac hse. Denn mit einer Drehung der Hand um den Ze igefinge r nach rec hts , nimmt der M ittel finger d ie vor malige Richtu ngsposition des Daum ens ein. Es so lle n nun d iese Erkenntn isse der Krei sel beweg ung auf das geradeaus fa hrende Motorrad angewe ndet we rde n. Aufg rund der Len kbarkeit des Vorde rra des spielen sich die filr di e Sta bilisieru ng der Fahrt w ichtigen Vorgänge überw iegend dort ab. Das Hinterra d w irkt zwar ebenfalls als K reisel, se in Stabilisierungs beitrag ist aber für ei ne gru ndsä tz liche Behan d lung der Vorgä nge von untergeord neter Bedeutung. Wir bet rachten also nu r da s (gelenkte) Vorderra d, das auf ei ner ideal ebenen Fah rbahn exa kt ge rade aus rollt. Für die Kre iselw irkung nehmen w ir ve re infachend an, die Len kach se stehe senkre cht auf der Fahrbahn und ge he du rch den Radmittelp unkt. Wir vernachläss igen also bewu sst d ie Ein flüsse, die der Nac h lauf u nd die Sch rägstellu ng der Lenkach se au f d ie Kre iselw irku ng haben, was fü r eine prinzipielle Erläute rung der Stabilisierungsvo rgä nge zu lässig ist. Die Ge ra deaus fah rt soll nun durch äuße re Einfl üsse, Z.B. eine plötzlich auft reten de Seitenw indb öe, ges tö rt werde n. Das Motorrad kippt aufg ru nd der Stö ru ng etw as nach rechts (in Fahrtrichtu ng bet rachten ) und ni m mt eine ge ringfüg ige Schräg lage ein. Aus Erfahru ng w issen wi r, dass sich das Mot or rad da nn se hr schnel l w iede r von se lbst stabi lisiert. Bei ge rrauer Bet rachtung w ird j edoch ein komplexer Ablauf in Ga ng gese tz t, der aus der Kre iselw irkung des Vorde rrades herrü hrt und sch rittweise nachvollzogen werde n so ll. Dazu w ird das Bild 10,2 betrachtet u nd die Rechte-Hand-Regel angewe nde t. Hinweis: Bei den nachfo lgenden Richtungsangaben (rech ts/link s) muss im mer sorg fältig untersch iede n werde n, ob es sic h um Drehricht ungen am Krei sel system (Vorderrad) ode r den Richtunge n aus de r Sicht des Fah rers. d.h. bezogen auf d ie Fahrt rich tung , ha ndelt ! Wenn da s Motorrad au f der Fahrbah n (x-y -Eb ene) in Fahrtricht ung nach rechts ki ppt, kan n man das auch als ei n Schwenken des Vorde rra des um d ie .r-Achse in seine m Aufsta nds punkt auffasse n. Die x-Ac hse ist dann für das Kreiselsystem Vorde rrad d ie Stö rac hse der aufgezw ungenen Dreh ung. Bei der A nwe ndung der Rec hte-Ha nd-Regel m uss also j etzt der Daum en in Richtung der .r-Achse ze igen, und der Ze igefinger deutet nach unte n, in entgegengesetz ter Richtu ng der z-Achse . Die Ausweichbewegung de s Kre iselsystem s ist eine Drehu ng nach rec hts , u m die Achse in Zeigefinge rr ichtung (Ausweic hachse). Dem zufolge macht das Vorde rra d als Rea ktion auf den se itliche n Stö rimpu ls einen Lenkei nsch lag nach rechts (in Fahrtricht ung gesehen). Fü r d ie erste Reaktion (Phase I) auf eine n se itlichen Stör impuls gilt also: Ein se itliches Kippen des Motorrades (Vo rde rrad) nach rechts (in Fahrtricht ung). hat einen Lenkeinschlag ebe nfa lls nach rechts (in Fahrtr ichtung) zur Folge. Der Lenkeinsc hlag sel bst w irkt als neue Störg rö ße für die K reiselbewegu ng. de nn dem Vorderrad w ird der Lenkeinschlag aufgezw unge n (es spielt d abei keine Rolle, dass d iese au fge-
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10 Fahrdy nam ik u nd Fahrvers uch \ Lenkachse
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Störimpuls nach rechts (gesehen in Fahrtrichtung)
links
Geradeausfahrt
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Lenkeinschlag
Kild 10.2 Stabilisierungder Geradeausfahrt. Kippcn und Lenkeinschlag (Phase I) zw unge ne Drehung vom System selbst veru rsa cht w urde) . Es kommt z u eine r Folge rea ktion am Vorderrad, Bild 10.3 . Aufg rund des Lenkei nsch lags vers ucht sich jetzt d ie Rotationsachse (Ra dachse ) des Vorde rr ades in Rich tung der Störac hse zu drehen. Wendet man di e Rechte-Han d-Regel erneut an (jetz t muss der Daum en als Störac hse nach unt en ze igen), so ergibt sich als Reaktion auf den Lenk-
einschlag eine Kippbewegung des Vorderrades auf der Fahrbahn, d.h. um die x-Achse nach links (in Fah rtrichtung gesehen t). Das Vorde rrad und mit ih m das ga nze Motor ra d richten sich also aus ih rer vorherigen, ge kippte n Lage auf (Phase 11 ). Zur Verde utl ichu ng möge der Leser d ie ei nzel nen Phasen m it Hilfe der Rechte-Hand-Regel sel ber ei nma l nachvollziehen. Es g ilt: Ein Lenkeinschlag des Vorde rrad es nach rechts (in Fah rtrichtung), hat ei n Kippen des Motorrades nach links (in Fahrtricht ung) zu r Folge. Die Stabilisie ru ng de r Fah rt nach einer seitl ichen Stö rung ist also aus zwe i sich gegense itig ve rursachende n Phasen zusam menges etz t, de m Lenkei nschlag in die Kippri chtung und dem ansc hließe nde n Wiedera ufri chten aus der ge kippte n Lage. Eigentl ich ist der Stabilisie rungsvo rga ng da mit abgeschlossen, denn das Fah rzeug hat seine u rsp rüng liche Lag e w iede r eingenom men. Es steht senk recht auf der Fahrbahn, un d di e Lenku ng ist w ieder in Ge rade ausposit ion. Genau bet racht et, un d das entspricht auch de m realen Fall, w ird der besc hriebe ne, zw eiphasige Sta bilisieru ngsvorgang me hrm als durch lau fen . Das
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10.1 Geradeausfahr t und Geradea usstabilität
z
Lenkeinschlag nach rechts (gesehen in Fahrtrichtung)
links
Lenkemschlag
x-y-Ebene
x
Kippen , d.h. \Mede raufli chten
Bild 10.3 Stabilisierung der Geradeausfahrt. Lenkeirisch lag und Aufrichten (Phase 11)
aufrichtende Kreiselmom ent stellt das Motorrad ja nicht exakt in die senkrechte Position, sondern beim Wiederaufric hten schwingt das Motorrad ein wenig über d ie Mirtelstellun g hinaus auf d ie ande re Seite. Dies setzt e rneut den Stabilisierungsmechanismus. nur eben zur and eren Seite, in Gang. Es wirken aber im System auch Reibungs- und Dämpfungskräfte. die dafür sorge n, dass die Lenkwi nkel- und Kippnussschläge bei der Stabilisierung rasch kleiner werde n. Das System käme also im Idealfall von selbst zur Ruhe. Weil aber immer kleinste Störungen vorhanden sind (die Fahrbah n ist nie geometrisch exakt eben, der Reifen und die Gewichtsverteilung des Motorrades sind nicht sy mmetrisch, es g reifen aerodynamische Kräfte unsymmetrisch am Motor rad an, usw.], finden ständige Stabilisierungsvorgänge in der zuvor besch riebenen Art statt. Nur werden diese vom Fahrer oder auc h einem Beobachter nicht wahrgenommen, weil die Lenkau ssch läge und Seitenneigunge n minimal sind. Ein Motorrad fäh rt aber aus diesen Gründen nie exakt geradeaus, sondern es bewegt sich entlang einer SChlangenlinie. Die Stabilisierung durch d ie Kreiselkräfte findet ab einer Gesc hwindigkeit von etwa 35 km/h seihstt ätig ohne ak tiven Fahrereingr!tf statt ; wäre d ies nicht der FaJl, wäre freihändiges Fahren nicht möglich. Unterhalb dieser Grenzgesc hwindigkeit. die von Fahrze ug zu Fahrzeug etwas differiert. muss das Fahrzeug durch Gewichtsverlagerung des Fahrers und akt ive Lenka usschläge ausbalanciert werden (des halb ist sehr langsames Fah ren schwerer als Schnellfahren. und deshalb lernen Kinder Radfahren leichter, wenn man sie dur ch Anschieben auf eine höhere Geschwindig keit br ingt). Unbewusst g reift allerding s der Fahrer auch bei höherer Geschwindigkeit durch minimale Lenkko rrektu ren und kleinste Gewichtsverlageru ngen unablässig in de n Regelprozess ein. Ein
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10 Fahrdy namik und Fahrvers uch
sehr wichtiger Einfluss des Fahrers ist die akt ive Dämpfung des Lenksystems und die Koppelung des Lenksystems an das übrige Fahrzeug. Das Hinterrad ist durc h seine Kreiselkräfte selbstverständlich an der Stabilisier ung beteiligt. Sein Einfluss ist aber, wie eingangs schon erwäh nt, eher ger ing. Da die Kreiselkräfte allein an die Radd rehung und nicht an eine Vorwärlsbeweg ung gekop pelt sind , funk tioniert d ie Stabilisierung z.B. auch. wenn das Motorrad auf einem Rollenpr üfstand steht. vorausgesetzt das Vorderrad dreht sich mit. Eine Abstützung des Fahrzeugs ist also nicht erfo rderlich; selbst freihändiges Fahre n funk tioniert problemlos. Bisher noch nicht eingegangen wurde auf d ie Wirkung des Nachlaufs, der eine weitere, sehr wichtige G röße für die Fah rstabilität da rstellt , vg l. auch Kap. 6.1. Ein Nachlauf stel lt sich am Vorde rrad ein, wenn der Radaufstandspunkt (Se nkrechte auf Fahrbahn dur ch die Radm ittenachse) und die Verlängerung de r sch rägste hende n Lenkachse (Lenkko pfwinkel a) nicht zusa mmenfallen. Der Nachlauf wird umso größer, je flacher (kleiner) der Lenkkopfwinkel wird. Bild 10.4 verdeutlicht d ie stabilisierende Wirku ng des Nach laufs. Wird das Vorderrad aus seiner Geradeausposition seitlich ausgelenkt (Winkel Ö) , so wandert der Radaufstandspunkt in eine
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10.1 Geradeausfahr t und Ge radea usstabilität
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seitlich versetzte Position, denn da s Rad dreht ja um die Len kachse (u nd n icht um de n Radaufstandspunkt). Infolge der Schrägs tellung der Lenkachse schwenkt da s Rad auf einer gekr ümmten Bah n aus und stellt sich schräg (Radstu rz). Das soll hier ebe nso vernachläss igt werde n wie d ie Tatsache. dass sich damit strengge nomme n auch die Schwe rpunktlage des Moto rrades ändert. Die tat sächlic he Rad stellu ng beim Lenkeinschlag lässt sich an eine m Moto rrad, da s auf dem Hauptständer aufgeboc kt ist, sehr gut nachvollziehen. Es ergeben sich ge mäß Bild 10.4 folgende geometrische Beziehungen , wenn man d ie Kreisbewegung de s Lenk ausschlags durch eine Gerade ersetzt (nur zuläss ig für kleine Len kwinkelaussch läge) : u ""n - tan
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(10- 1)
Da sämtliche Kräfte zw ischen Reifen u nd Fahrba hn immer im Radaufstandspunkt a ngreife n, bew irken Läng skräfte (L) , die entgegen der Fahrtr ichtu ng a ngreifen (Bremskr äfte , Rollwiderstand), zusa mmen mit dem Hebelarm a ei n rückstellendes Momen t der G röße : (10-2)
Dieses Rückste llmome nt M R d reht da s Vorderrad um d ie Lenkachse in seine urspr ünglic he Lage zurück. Es wirkt also einer Radauslen ku ng entgege n und stabilis iert da mit d ie Gerac eau slage des Vorderrades selbsttä tig. Mit zunehmende m Nachlauf wird de r Hebela rm größer und dami t auch das r ückstellende (stabilisierende ) Moment . Der Nachlauf findet sich im Alltag an v ielen sogenannten Schleppradsys temen mit nu r einem Rad , z.B. an De ichselrädern für Anhänger oder an lenkbaren Rollen (Teewagen). Die Stabilisieru ngseffekte un d Rad schwingu ngen lassen sich daran gut beobachten. Man kann an scha ulic h tnsrabilit ären dem onst rieren. wenn das Rad u m 1800 gedreht wird. der Nachlauf also negativ wird.
10.1.2 Fahrinstabilitäten Flattern , Pend eln und Lenkerschlagen Es wurde gezeigt. da ss d ie Stabilisierung des Mot orrades im G runde ein periodischer Vorga ng ist. dessen verschiedene Phasen mehrfach durchlaufen we rden. Kommt es dabei z u unkontrollierten Abläufen, können Fahrinstabilitäten auftreten. Das Ge samt system Moto rrad- Fah rerFah rbahn ist wegen de r Drehmög lichkeit des Vorderrades um d ie Lenk ach se und de r nur losen (gelenkig bzw. übe r Reibung) Koppel ung zw ischen Moto rradreifen und Fahrbahn schwingung sfähi g. Die Beweg ungsmöglichkeiten mit den Hauptachsen zeigt Bild 10.5. Die Reifen spielen in die sem Zusammenhang eine wichtige Rolle. de nn sie wirken im Schwm gungssystem sowo hl als Feder als auch als Dämpfer für die Schwingungen. Praktische Auswirkung fü r d ie Fahrstabilität haben die beiden Eigen schwingun gsformen Flattern und Pendeln und eine erzwu ngene Schwing ung, die als Lenkerschlagen (eng l. kick -hack) bezeichnet wird. Unte r Flattern vers teht man im Wesentl ichen eine Schwing ung des Lenksystem s um d ie Lenkachse. Vorde rrad . Rad füh rung. Lenker und Anbau teile führen dab ei schnell wechsel nde Lenkau sschläge aus, Bild 10.6.
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10 Fahrdy namik un d Fahrvers uch Sch wi ngungen Fa h rzeu gh cck teil
Schwingungen vorderrad /l.en ks yst em
Bild 10.5 Schwing ungssy lcm Motorrad mit den Hauptbewegungsachsen
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Rild 10.6 Flattern, rechts: Ersatzs ystem
Die Frequen z der Schwingung liegt im Bereich von 5 bis 10 Hz. In der Praxis von Bedeutu ng ist die Flatte rresonan z, auch als Shimmy-Effekt bezeichnet, d ie bei manchen Motorrädern zwischen 40 und 80 km /h auft ritt. wenn die Raddrehfrequenz des Vorderrades mit der Eigenfre quenz des gesa mten Radaufhäng ungs- und Len ksystems übereinstimmt. Tr itt dabei eine An regungsschwingung auf - es genügt z.B. eine g röße re Rad unwucht. durch d ie Rad lastschwank ungen auf das Lenksystem einwirken- kommt es zum Shimmy-Effekt.
10.1 Geradeausfahrt und Geradeausstabilit ät
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Großen Einfluss auf das Flatte rn und die Flatter resonanz haben die Reibungs- bzw, Dämpfungskräfte und die Rückstell kräfte zw ischen Reifen und Fah rbahn sowie der Fahrer, der durch Festhalte n des Lenkers einen mehr oder weniger großen Dämpfu ngseinfluss ausübt. Als Haupteinflussfakoren auf das Flatte rn se itens des Fahrzeugs gelten: - Steifigkeit der Vorderradaufhängung inkl. Rad - Massenbelegurig der Bauteile des Lenk systems - Massenträgheitsmoment um die Lenkachse - Rahme nsteifigkeit - Vorderradlast - Nachlauf - Reifeneigenschaften - Radunwucht Die Steifigkeiten bestimmen zusammen mit den Massen bzw, dem Massent rägheitsmoment die Eigenfrequenz des Lenksystems. Hohe Steifigkeit von Vorderrad und seiner Aufhängu ng und niedr ige Massen wirken somit dem Flattern entgegen, weil sich die Eigenfreque nz des Lenksystems erhöht. Große Massen um die Lenkachse vergrößern die generelle Flatterneigung. Bei allen nachträglichen Zubehöranbauten am Lenk system. die das Massent rägheitsmoment um die Lenkachse erhöhen, ist daher Vorsicht geboten. Die Wirkungen der Vorderradlast und des Nachlaufs sind indifferent und von Fahrzeug zu Fahrzeug unte rschiedlich. Eine große Radlast e rzeugt eine hohe Reibkraft in der Aufstandsfläche zw ischen Reifen und Fahrbahn, die als Dämpfu ngkraft auf die F1atterschwingung wirkt. So liegt es zunä chst nahe, einen positiven Einfluss einer hohen Vorderr adlast auf das Flattern zu vermuten. Dies trifft häufig auch zu; viele Motorräder reagieren auf Radlastveränderungen und Entlastung des Vorderrades (Beladu ng des Gepäckträgers, volle Packtaschen) mit Neigung zum Resonanzflaltern aufgrund verringerter Reifendämp fung. Aus der Vorderradlast resultiert allerdings auch der Rollwiderstand, der über den Nachlaufal s Hebelar m bei ausgelenktem Rad ein rückstellendes Moment auf die Lenkung ausübt (vgl. Bild 8.5). Eine hohe Vorderradlast ergibt nun ein hohes Rückstellmoment, das wiederum ein Überschwingen des Lenkausschlags bewirkt und dam it das Flattern begün stigen kann. Im gleichen Sinne ist auch ein großer Nachlauf, obwohl er prinzipieJl stabilisierend auf das Fahrverhalten wirkt, oft eher schädlich und verstärkt die Flatterneigung. Die Reifeneigenschaften (Reifenaufba u, Profil, Abnutzungsgrad. Luftd ruck) beeinflussen die Dämpfungskräfte zwischen Reifen und Fahrbahn. Wegen der Komplexität der Zusammenhänge und der individuell unterschiedlic hen Auswirkungen der vielen Reifeneigenschaften im Zusamme nspiel aller Faktore n sind generelle Aussagen nicht möglich. Die Erfahrung zeigt aber, dass abgefahrene Reifen in der Regel eher zum Flattern neigen als neue. Die Rahmensteifigkeit hat auch noch einen gewissen Einfluss auf das Flattern, weil trotz der freien Drehbewegung des Vorderradsystems um die Lenkachse dieses doch nicht völlig isoliert vom übrigen Motorrad ist. Eine Rolle spielt hierbei auch der Fahrer, der über das Anfassen des Lenkers eine wesentliche Koppelung zwischen Lenkungssystem und übrigem Fahrzeug herstellt. Er wirkt auch dämpfend, wie man leicht feststellen kann, wenn man bei einem Motorrad, das z um Resonanzflattern neigt, den Lenker loslässt und das Motorrad rollen lässt. Im Resonanzgeschwindigkeitsbereich bildet sich da nn eine ausgeprägte Lenkerschwingung mit sehr großen Amplituden aus, die sofort nachlässt und leicht beherrschbar wird, wenn man den
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10 Fahr dy namik un d Fahrvers uch
Lenker fest in beid e Hände nimmt. Wegen dieser leichten Beherrschbark elt und der nied rigen Fahrgeschwindigkeit ist das Flattern als eher ungefährlich einzus tufen. Beim Verlassen des resonan zkr itischen Geschwindig keitsbereichs hört d as Flatte rn von selbst auf. Die meisten Motorräder ze igen überhaupt nur beim freih änd igen Fahren ausgeprägtes Resonan zflatt ern. u nd vielen Moto rradfah rern. die nicht bew usst einmal freihändig fahren. fällt dieses Phänomen an ihrem Fah rzeug vielle icht nie auf. Durch freihän dige Fahrve rsuche wird das Flatt erverhal ten auch vom Hersteller im Verlauf de r Motorradn euentwicklung überprüft . Das Motorrad wird aufebener, gerade r Fah rbahn auf eine Geschwind igkeit von etwa 100 km /h gebracht u nd da nn frei händ ig bei gesc h lossenem Ga sgriff aus rollen lassen. Bei flatterempfindl ichen Fahrwerk en fa ngt der Lenker spätestens bei 60 k m/h an, nach beiden Seiten mit zu nehmenden Amplituden auszuschlagen. Bleibt de r Lenker h ingegen bis etwa z ur Gesc hwindigkeit von 30 km /h herun ter ru hig. ist das F1atterverhalten in Ordnung. Zu r gen auere n Bestim mung des Flatter verhaltens muss dieses repro duz ierbar ge messe n werden. was mit Hilfe von Beschleunigungssensoren, die seitl ich an der Gabel befestigt werden, geschieht. Die Signale die ser Senso ren werden in einem mobilen Datenerfassungsgerät über de r Fah rgesc hwindigkeit aufgeze ichnet un d entsprechend weiterverarbeitet. Der abgebildete Messschrieb, Bild 10.7. zeigt das Ergebn is eines solchen Versuchs. Man erken nt sehr de utlich die Resonan zaussch läge im Bereich zw ische n 100 km/h und 20 km/h. Die zwe ite Eigenschwing u ngsform des Motor rades, da s Pendeln . muss im Vergleich zu m Flattern als wese ntlich gefä hrlicher fü r die Fahrsicherheit einges tuft werden. Pendeln charakterisiert eine komplexe Schwingungsfonn, be i der da s Fahrzeug vord erteil (Vorderradaufh ängung mit Rad, Len ker und Anbauteilen] und das Fahrzeughec k ( Rahme n mit Antriebsstrang. Hinterrad u nd Fah rer) eine gekoppelte Schwingung. auch um die Lenkachse, ausführen. Das Gesamtfahrzeug voll führt dabei eine Schlingerbewegu ng um die Hochachse (Gierbewegung), d ie aufgrun d der Kreiselwirku ng von ei ner zusätzlichen Kippbewegung um d ie Längsac hse (Rollbewegung) überlagert wird, Bild 10.8 .
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Bild 10.7 Messschrieb e iner F1atlerschwingung
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10.1 Gerade ausfahrt und Geradeausstabilität
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Bild 10.8 Pendeln
Pendeln tritt im Gegensa tz zum Flattern erst bei höheren Geschwindigkeite n oberhalb 100 km /h (frü hestens 50 km /h unterha lb der Höchstgesc hw indigkeit) auf und nimm t mit steigende r Geschwindigkeit an Intensität z u. Die Pendelfreq uenz lieg t mit 3- 4 Hz deutlich nied riger als bei m Flatte rn. Von seiner Natur her ist das Pendeln ein entar teter Stabilisierungsvorgang, wie er bei jede r Geradeausfahr t wirksa m wird. Nur kommt es beim Pendeln im steten Wechselspiel von Len kein schlag, Kippen und Wiede raufrichten in folge ei ner passenden Erregung z u Überschwingvcrgängen. Diese können sich aber erst bei höheren Geschwindigkeiten aufschaukeln, weil dort die Kreiselkräfte und damit auch die resultierenden Lenkau sschläge genügend groß werden. Zum Pendelvergang trägt auch das Hinterrad bei, das bei jedem Lenkvorgang aus der Spur ausgelenkt und ebenfalls durch Kreiselkräfte stabilisiert wird. Eine wese ntliche Rolle beim Pendeln spielt die mit steigender Fahrgeschwindigkeit fallende Eigendämpfung des Schwingungssyst ems Motorrad. Diese tendiert bei schnellen, schweren Motorr äde rn (große Massen) gegen Null. Das angeregte Syste m wird dann nur noch durch die (allerdings nicht unerhebliche) Dämpfungswirkung des Fahrers, der die Schwingsyst eme Vorderrad (Lenksystem) und Hinterrad (Fahrzeugheckteil) koppelt, gedä mpft. Treten in einem Fall geringer Dämpfung Resonanzen zw ischen beiden Schwingungssys temen auf, kommt es zum Aufschaukel n de r Pendelbewegunge n, die auc h von geübten Fahrern nicht meh r beherrscht werden, und damit zum Sturz . Als Anregung für die Pendelschwingung wirken z.B. Lenkbewegungen. die eine Gierbewegung verurs achen. Sie können von der Fah rbahn eingeleitet (Spurr illen, Unebenheiten, etc.), aber auch durch aerodynamische Kräfte verursa cht werden. vorz ugsweise wenn sie an lenkerfesten Verkleidungen ang reifen (Seue nwindböe. Wirbelschleppe von Lkw) . Dem Pendeln kann durch die konstru ktive Auslegung des Fahrwerks vorgebeugt werden. zumindest aber kann dafü r gesorgt werden, dass sich eine einmal angeregte, leichte und unge-
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10 Fahrdy namik un d Fahrvers uch
fah rliehe Pendelschwingung nicht weite r aufschaukelt. Die wichtigsten Forderungen ruf stabile Fahreigenschafte n des Motorrades im Hochgeschwind igkeitsbereich sind: - hohe Steifigkeit von Radführ ungen. Räd ern un d Rahmen - niedri ges Masse nträg heitsmoment u m die Lenkachse - großer Nachlauf und flacher Lenkkopfw inkel - kleine Radmassen (= geringes Rotation st räg beitsmomentj - hohe Vorderrad last - hohes Fahrergewicht - günstige Reifeneige nschafte n Die positive Wirkun g der hohen Fahrwe rkssteifigkeit zu sammen mit den kleinen Trägheitsmomenten um die Lenkachse beruht. ähnlich wie be im Flattern , auf der resu ltierenden hohen Eigenfrequenz de s Schwin gsystems. Eine Resonanz tritt dann erst oberhalb de r Höchstgeschwindigkeit auf u nd spielt im normalen Fahr betrieb keine Rolle mehr. Der Stabilitätsgewinn durch einen g roßen Nachlauf bz w, flachen Lenkk opfwinkel wird dur ch die größ eren Rückstellmomente erzielt. Da beim Pendelvorgang das gesa mte Fahrzeug von der Eigenschwingu ngs betroffen ist, wirken höhere Rückstellmomente stabilisierend, wäh rend sie ja beim Flatte rn, bei dem nu r da s Lenksystem eine Schwingu ng ausfüh rt, eher de stab ilisierend wirken. Die deut lich nied rigere Frequenz der Pende lschwin gu ng spielt hier mit eine Rolle. Äh nliches g ilt für die Vorderradlast un d da s Fahrergewicht. Sie bew irke n ebenfall s eine stabilitätsve rbesse rnde Erhöhu ng der Rückstellmomente des ausgele nkten Vorderrades. Zusätz lich wirkt der menschliche Körp er als dämpfende Masse. In der Regel hat selbst ein schwe rer Beifahre r, obwohl das Vorderrad im Verhältnis zu m Hinterrad entlastet wird und sich de r Gesamt schwerpun kt nach hi nten verlagert, einen günstigen Einfluss auf die Pendelneigung. während da s Motorrad dur ch eine Betadu ng mit einem 90 kg schweren, hoch angebrachten Gepäckstück unfahrbar werden kann. Wide rsprüchlich erscheint zunächst, da ss kleine Rotation sträg heitsmomente der Räde r, die ja auch niedrigere Krei selkr äfte aufb auen, einer Pendel neig ung entgegenwirken. Denn die Kreiselkräfte stabilisieren da s Motorrad, wie im vor igen Absch nitt gezeigt wurde. Der Grund liegt darin, da ss im Hochgeschwin digkeitsbereich wegen der großen Radd rehzahlen die Kreiselk räfte im mer ausreichend gro ß sind, um da s Fahrzeug stabil zu halten. Jede zusätzliche Vergröße rung birgt dann d ie Gefah r, da ss bei de r Stabilisierung Überschw inger auftreten und damit der Stabilisierungsvorgang entartet. Die Verr ingeru ng der Radt rägheitsmomente hat sich in der Praxis als wirkungsvo lle Maß nahme gegen Pendeln erwiesen, ist aber nur mittels einer Massenreduzierung an Rad und Reifen sin nvoll. Denselben Effekt übe r eine Durchmesser verkleineru ng z u erzielen, ist meist wenig nutzbringend, weil da s kleinere Rad zwa ngsläufig schneller dreht, so da ss d ie Kreiselkräft e sogar größer werden können . Nac hteilig a n der Trägheitsmomentreduzierung ist ledigli ch die vergröß erte Anfällig keit im Geradeauslauf gegen seitliche Störe inflüsse. So nimmt beispielsweise die Seitenwindempfindlichkeit bei Motorrädern mit leichten Rädern spürbar zu . Der Reifeneinfl uss ist auch beim Pendel n g ravierend, doc h lassen sich, wie beim Flatte rn , kaum pau scha le Einflussfaktoren nennen. Der Fah rer kann eine aufk ommende Pendelschwi ngung oft noch seh r g ut bee influssen, wobei Patentre zepte aufgrund der verschiedena rtigen Fahrzeugreakt ionen nu r schwer angegeben werden können . Hilfreich ist bei beg innendem Pendeln eine Geschwindigkeitsreduz ierung durch Gaswegnehmen. manchen hat auch ein beherztes Abbremsen aus de r Pendelzone gefüh rt.
10.1 Ge rade ausfahrt und Geradeausstabilität
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Andererseits besteht aber auch d ie Gefahr. dass ein sta rk pendelnde s Motorrad durch zu abr uptes Abbremse n vollends un kontrollierbar wird, so dass es zu m Sturz kommt. Oft klin gt das Pendeln sch nell ab, wenn de r Griff der Hände vom Lenker gelöst und d ieser nur noch locker umfasst wird. Der Effe kt dabei ist, dass die Koppelung der Vorderradsc hwing ung mit der Schwingung des übrigen Moto rrades vermindert wird, wodurch ein Aufschau keln des Pendelns wirkungsvoll unterbunden wird. Ein verkra rnpftes Fest halten am Lenker, sicher eine insunktive Reaktion bei beg innender Instabilität, ist häufig erst de r auslöse nde Faktor dafür, d ass ein leichtes, ungefäh rliches Pend eln sic h unbeherrschbar aufschau kelt. In diesem Sinne beeinflusst eine aerodynami sch sorgfäl tig gestaltete Verkleidu ng d as Fahrverhalten positiv. Sie vermindert nicht nur durch Auft riebs reduz ierung die Entlastu ng der Vorderrades bei hohen Gesc hwi ndigkeiten. sondern ermöglicht durch Fernhalten des Winddrucks eine ruhige, entspannte Fahrerhalt ung. Für den Hersteller ergibt sich aus der Gefährlichkeit des Pendelns d ie Notwe nd igkeit, die Pendelneigung im Fahrve rsuch zu prü fen. Rild 10.9. Ähnlich wie bei den Planerversuchen. wird dabei das Motorrad bei konsta nter Gerade ausfah rt durch einen seitlichen Störimpuls zum Pendeln angeregt und d ie Pendelschwi ngung aufgezeichn et. Begonnen wird mit eine r Geschwind igkeit. die ca . 50 km/h unterhalb der Höchstgeschwind ig keit liegt und d ie Versuchsgeschwindigkeit dann jeweils in Stufen von 10 km/h bis z ur Höchstgeschwind igkeit gesteigert. Gütekriterium für da s Fahrwe rk ist die Abklingzeit de r angeregten und gemesse nen Pendelschwi ngu ng. Im Messsc bneb, Bild 10.9. ist seh r gu t sichtbar, wie die Pendelausschläge nach erfolgter Anregung abklingen. Hingewiesen werden soll an dieser Stelle auch auf d ie unberechenbare Wirku ng von nicht werk sseitig freigegebenem Zubehör, dazu gehören auch Reifen! Es kann gefäh rliches Pendeln auftreten; das gleiche ka nn geschehen, wenn d ie empfohlene Höchstgeschwind igkeit mit Packtaschen erheblich überschri tten wird. Die eigene Erfahrung einer ausrei-chende n Stabilität kan n trügerisch sein. wenn weitere Faktoren wie abgefahrende Reifen , falscher Reifend ruek, Spurrif-
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Bild 10.9 Mcssschrieb einer Pendelschwingung
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10 Fahrdy namik un d Fahrvers uch
len, böige r Wi nd etc. hin zukomm en. Auch Tuningm aßnahmen. die die Höchstgeschwind igk eit erhöhen. berge n Ge fahren, weil da s Moto rrad damit u.U. in pendelgefährdete Gesc hwin digkeitsbereiche vorstößt. Pendeln ist selbstve rständ lich nicht au f die Geradeau sfahrt besch ränkt, sondern es tritt auch bei langgezogenen Autoba hnk ur ven auf, d ie mit hoher Geschwind igkeit durchfa hren werden. Der Schluss, ein bei Geradeau sfahrt pendelfreies Motorrad zeigt auch in der Kurve kein Pendeln , ist nicht z utreffend . Es bra ucht nicht besonders betont werden, dass Pendeln in Kurven besonders gefa h rlieh ist und tunliehst nicht ange regt werden sollte. Die dritte Fahrinstabilitä t. d as Lenkerschlagen (engl. kic k-back), ist ei ne relat iv neue Erscheinung, d ie in je dem Geschwind igkeitsbereich auft reten kan n. Es handelt sich dabei um eine pa rametrisch erreg te Schwing ung des Lenksystems um die Lenk achse. bei der in schneller Folge wenige. sehr große Len kwinkelausschläge stattfinden, im Extremfall von Lenkanschla g zu Lenk anschlag. Bild 10.10. Die Kräft e können dabei so g roß sein, d ass d ie Lenkausschläge vom Fahrer n icht mehr unter Kontro lle gebrac ht werde n kön nen. was dann z um Sturz füh rt. Zwingende Voraussetzu ng für da s Lenkerschlage n ist zu nächst ein Abheben des Vorderrades von der Fah rbahn mit einem darauffolgenden sch rägen Wiedera ufsetzen. Rild 10.11. Dazu kan n es kom men. wenn ku rze Bodenwellen in Sch räglage überfahren werde n od er bei Ge radeausfah rt der Fahrer aufgrund der Erschütterung etwas de n Lenker verzieht. Das Wieder-aufsetzen des sch räggestellten Rade s führ t dann zu einem impulsartigen Ausschlag der Lenkung, de r meist noch folgenlos bleibt. Vom Fahrer wird ein meh r oder weniger krä ft iger Ruck in de r Lenkung wah rge nom me n, ggf. verbu nden mit einem leichten, ungefährlichen seitlichen Versatz des Fah rzeugs u nd einem ku rzen Nachschwi ngen. Ge fä h rlich wird das Lenkerschlagen erst, wenn mehrere Bodenwellen in g leichmäßigem. passendem Abstand bzw. mit der pa ssenden Geschwindig keit überfahren we rde n, weil es in seltenen Fällen da nn zu Reson anzerscheinungen zw ischen der Anreg ung, der Hubeigen feequenz des Vorderrades und der Eigenfrequenz des Lenksys tems kom men kan n. Das Vorderrad beginnt in d iesem Fall mit hoher Energ ie zu springen. und es wirken beim anschließenden , schrägen Reifenaufprall auf die Fahrbahn hohe Rück stellk räfte im Lenksystem. die wiederum d ie Len ku ng z um Hin- und Herschwingen um d ie Le nkach se anrege n. Im Resonan zfall trete n da nn plötz lich so hohe Kräft e am Lenker auf, da ss es dem überraschten Fahrer den Lenker aus
Bild 10.10 Lenkerschlage n (kick-back)
10.1 Geradeausfahr t und Geradea usstabi lität
361
Bild 10. 11 Mechanismus (schematisch) beim Lenkerschlagen (k ick-back)
der Hand schlagen kann. Mit hydraulischen Lenkungsdämpfern können die Ausschläge bzw, die Schwing ungen allerd ings wirk ungsvoll unt erdr ückt werden . Die Gefährlic hkeit des Lenke rschlagens liegt im unmittelbaren , nicht vorhersehbaren Auftreten. Aufgru nd seiner ku rzen Dauer verkraften moderne Fahrwerke auch größere Lenkausschläge, oh ne da ss es zwingend zum Sturz kommt (ähnlich wie eine sehr ku rzzeitige Blockade der Vorderrades beim Überbrem sen), zu mal der konzentrierte Fahrer unter Umstä nden die Lenkausschläge und d ie Fahrzeugreaktion noch beherrscht. Die wenigen beka nnte n Unfä lle aufgrun d von Lenkerschlagen waren eine Folge de r Überraschung, ode r weil in jenem Moment gerade eine Hand vom Lenker genommen wa r. Die Einflussfaktoren für das Lenk erschlagen sind vielfälti g. Neben vielen Einzeleinflüsse n wie Fahrer, Höhe der Bodenwellen, Reifeneigenscha ften, Luftdru ck, etc., ist eine de r wichtigsten Ursache n für da s Lenkerschlagen bei modernen Motorrädern, die enorme Steifigkeit heut ige r Fah rwerke. Während frü her g roße Stoßkrä fte durch elastische Verformung der Radaufh äng urig aufgefangen wu rden und d ie Radaufhäng ung zeitlich versetzt zu rüc kgefede rt ist, wirken sich bei steifen Fahrwerken de rartige Anreg ungen unm ittelba r aus. Hinzu kom mt d ie gute Spurhaltung und Bodenhaft ung, die höhere Kurvengeschwindigkeiten selbst bei wellige r Fahrba hn zu lassen und es überhaupt erst ermöglichen, auf entsprechenden Straßen in kr itische Geschwindigkeitsbere iche vorzud ringen. Hinz u kommt dann noch da s Beschleu nigungsvermöge n leistungsstarker Motorräder, bei denen bewusstes oder auch ungewolltes Gasgeben (infolge der Erschütterungen) beim Überfahren von Bodenwelle n zur Gewichtsentlastung des Vorderrades füh rt, wodurch ein vollstä ndiges Abhebe n begünstigt wird.
362
10 Fahrdy namik u nd Fahrversuch
Die gezielte Untersuchu ng des Lenkerseh tagens im Zuge der Motorrad- un d Fahrwerksemwieklung ist se hr schw ierig, weil es kaum reproduzierbar erze ugt we rde n kann , von der pote ntiellen Sturzgefa hr einmal abgese hen. Bereits minimale Abwe ichungen der Spu r, kleinste Lenkkorrekt u ren des Fahrers ode r ge ringfügig and ere Fahrgesc hw ind igkeite n könne n ein völlig anderes oder auch harmloses Fah rverhalten bewirk en. Hier bietet d ie rechnergestützte Fah rdynamiksimulation eine wicht ige Hilfe, we il mit dem Co mputer wirtsc haftl ich, zeitspare nd und u ngefährlieh alle erdenklic hen Pa rameterkombinationen durchgerechnet werde n kön nen.
10.2 Kurvenfah r t Beim Moto rrad kompen siert die Neigu ng des Fahrzeugs z ur Ku rven inn en seite die bei der Kurvenfah rt auft rete nde Fliehkraft . Der Neigungswinkel (aus de r Se nkrec hte n) kann bis zu 45° bet ragen, in Ext re mfallen liegt er auch darüber. Die Räder als Krei sel sind dadurch g roßen Aus lenku ngen unt erworfen. Zusammen mit der Schrägs tellung der Len kachse ergeben sich komplexe Zusa mme nhänge u nd Wech selwirkunge n für da s Gesamt fah rwerk . Auf die ma thematische Darstellung de r geo met rischen Beziehu ngen zu r exakte n Beschreib ung aller Vorgänge bei der Kurven fah rt wird zugunsten einer möglichst g roße n Allgem einverständlichk eit verzichtet. Wichtiger ist das Verstä nd nis der elemen tare n Vorgänge u nd der g ru ndsä tzlichen Einflussg rößen fü r die Kurven fah rt, die anschau lich er läute rt werden.
10.2.1 Einlenkvor ga ng und G r u nd lagen der idealisier ten Kurvenfahrt Zur Einleitung ei ner Kurve muss eine Rollwink elgeschwind igkeit und ein Moment aufgebaut we rde n. damit da s Moto rrad u m se ine Längsac hse in die Schräglage kippt . Dieses Moment wird du rc h einen geringen « 5°) Lenkeinschlag erzeugt. Der gru ndsätz liche Vorgang gleicht dabei de r Aufrichtphase bei der Geradeausstabilisierun g (Bild 10.3) . Aus de n Gesetz mäß igkeite n des Kreisels im vor igen Kapitel wissen wir, da ss ein Lenkei nschlag ein Kippe n in d ie j eweils entgegenges etz te Richtun g her vorruft (vom Fahrer in Fah rtrichtun g aus gese hen). Die Herleitu ng ka nn der Leser mit Hilfe der bekan nten Recht e-Hand-Regel leic ht selbe r nachvollziehen. Es gi lt: Ein Len keinschlag (Zug am Lenker) nach rechts bewi rkt ein Kipp en des Moto rra des nach links. Eine Linkskurve wird demz ufolge durch einen Lenkeinsch lag nach rechts ei ngeleite t; eine Rechtskurve wird analog daz u du rch ei nen Lenkeinschlag nach links ei ngele itet. Im Unterschied zu r Ger adeau sfahr t mu ss fiir d ie Kur venfahrt ein so groß es Kippm oment erzeugt werden, dass da s Motorrad in eine konstante und sta bile Sch räglage fa llt. Dazu unt erstütz t der Fahrer die eingeleitete Seite nneigu ng du rch eine G ew ichtsve rlageru ng zur Kurvenin nenseite. Dies ist auch deshalb notwendig, we il das Kippen K rei selkräft e hervorruft, d ie das Motorrad anfangs wieder aufrichten wollen. Soba ld aber de r Schwerpu nkt wei t ge nug aus de r Spurlinie geki ppt ist, vergrößert die Schwerk raft (Gewic htsk raft) selbsttä tig d ie Sc hräglage. Das Motorra d k ippt soweit. bis sich aufg ru nd der Fliehkräfte ein neues, dyn am isc h sta bilisiertes Gleichgewicht einstel lt. Wir betrachten das Gleichgew icht bei ideali sierte n Bedi ngu ngen, Bild 10.12. Die Kräfte g reifen im Schwerpunkt des Motorrad es an und in unse rem vereinfachten Fall nur an einem Rad.
10.2 Kurvenfahr t
363
\,
Bild 10.12
Kräfte- und Momentengleiehgewieht bei stationärer Kurvenfahrt \
"
(G) \ ·.
Die Resultierende aus Ge wichtskraft und Flieh kraft muss da bei durch den Reifenaufstandspun kt gehen, weil sonst kein Gleichgewicht mit den dort wirkenden Kräften erreicht wird (es ergäbe sich sonst ein zu sätzliches Moment). Damit das Moto rrad nicht um fallt, müssen sich d ie aus Fliehkra ft u nd Gewichtskraft resultierenden Momente um den Reife nau fstandspu nkt aufheben. Zunächst soll da s Moto rrad unendl ich schmale Reifen haben , d.h der Aufstandspu nkt liegt genau in Reifenmitte. Es gelte n dann folgende Beziehungen: (10·3) (10-4)
F
F
G
G
tan j- = ....L=..2..
G
F, Fz
g
R v y
(10-5)
Ge wichtskraft Seiten fü hru ngskraft am Reifen Fliehkraft Erdbesch leun igung (9,81 m/s2 ) Kurvenradiu s Fahrgeschwin digkeit Schräg lagenwinkel
Am Reifen baut sich infolge der Schräglage eine Seilenfüh rungskra ft auf, d ie dafür sorg t, dass das Motorrad seitlich nicht weg rutscht. Aus der Gleichgewichtsbed ingung für stabiles Fahrverhalten folgt, dass diese Seilenkraft am Reifen der Fliehkraft entsprechen muss. Es g ilt also:
r ; = Fz
(10-6)
Es ergibt sich für den Schräg lagenw inkel du rch Einsetzen und Um for men die Beziehung: ,2
tan j- = - -
R ·g
(10-7)
364
10 Fahrdy namik un d Fahrvers uch
Der Sch räglagenwin kel hängt also im idealisierten Fall allein von der Fahrgesc hwindig keit u nd dem Ku rve nrad ius ab. Prinzipiel l du rchfahren also alle Motorräder, un abhäng ig von Gewicht. Bauart, Fahrerund Fahrstil. eine vorgege bene Kurve bei gleicher Geschwind igke it mit genau der g leichen Schräg lage (das dies real nicht ganz der Fall ist, sehen wir im nächsten Abschnitt ). Die Seite nführ ungskra ft am Reifen kann nic ht größer werden als der Reibungskraft schluss (Reibkraft) zw ischen Reifen und Fah rbah n. Daraus folgt :
Fs.m ax = G 'J1 = m · g " 11
(10-8)
p = Reib wert Fahrbah n/ Reifen
Durch Einsetzen der max imalen Seitenführu ngskmft ergibt sich aus (10-5):
tan Zmax = I1
(10-9)
Das hei ßt allein der Reibwert zwischen Reifen und Fahrbah n best im mt die mög liche Schräglage. Das Fah rzeug und da s Fah rzeuggewicht haben kei nerlei Einfluss auf den möglichen Schräg lage nwin kel! Wird der Schräglagenwi nkel. den der Reibwert zu lässt. übersch ritte n. z.B. weil die Geschwindigkeit für die gegebe ne Ku rve so g roß ist, dass stärker abgew inkelt we rde n muss, rutscht das Motorrad unweigerl ich seitl ich aus der Ku rve. Übliche Reibwerte für troc kene As phaltfahrbahndec ken u nd Serienreifen liegen zwischen n = 0.8 u nd « = I; der maxi mal fahrba re Schräglage nwinkel beträgt dan n 45" (tan 45" = I). Höhere Reibwerte als n = 1 könne n unter gü nstigen Umständen durch Verzahnungseffekte zwischen Reifen und Fahrbah n bei rauer Fahrba hnoberfläche und we icher Reifen-G umm imischun g erreicht werden (bis ca . 1,2).
10.2.2 Reale Einflüsse bei Kurvenfahrt In der Real ität trifft d ie zu nächst angenomm ene Voraussetzu ng unendlich schmaler Reifen natürlich nicht zu. !nfolge der Reifenbreite liegt bei Schräglage der Reifenaufstandspun kt nicht meh r in der Mitt enebene des Fahrze ugs, sonde rn er wande rt seitlic h aus, Bild 10.13. Das bewi rkt. dassjetzt sowohl der Schwer punkt de s Motorrades als auch d ie Reifenbreite selbst Einfluss auf die Schräglage nehme n. Die Auswirkungen erläute rt Hild 10.14. Definitionsgem äß liegt d ie Resultierende aus Gewicht s- und Fliehkraft imme r auf de r Verbindun gslinie vom Schwerpunkt zum Reifenaufstandspunkt. Der beim breiten Reifen auß ermittige Aufstandspu nkt bewirkt, dass d ie Resultierende in einem steileren Winkel zu r Fahrbahn steht als beim u nendlich schmalen Reifen . Die zeichne rische Ermittl ung der Fliehkraft aus der (unveränderten) Gew ichtskraft und der Wirk linie der Resultieren den (Krä fteparallelog ramm) ergibt beim breiten Reifen eine kleinere Fliehk raft als beim schmalen Reifen (mi tt lere Abbildun g). Das steht aber im Wide rspruch z ur Rea lität, denn die Fliehkra ft hängt ausschließlich von der Geschwindig keit ab, kei nesfalls aber von der Reifenbreite. Um auf d ie gleiche Fliehkraftg röße zu kommen, muss die Resultierend e und damit das Motorrad stärke r geneigt werden (Abbildung ganz recht s). Dam it kommt auch der Gesamtschwer punkt in eine tiefere Position. Das hei ßt, die notwend ige Schräglage wird beim breiten Reifen g rößer. Es g ilt dem nach: Je breiter der Reifen. desto größer ist bei gleicher Fahrgeschwindig keit und Kur venrad ius die notwendige Schräglage.
365
10.2 Kurven fahrt
Bild 10.13 Auswander ung des Reifenaufstandspunktes bei Kurvenfahrt
Schräg lage wie
beim schmalen
Reifen
Reale S chräglagenvergrößerung durch di e Reifenbre ite
B
, F,
F,
G
/'
die sich aus dem Verlauf der neuen Resuluerenoen und der Gewichtskraft ergibl Flie ~ran,
Redauf' Reifenmitte stands punkt
unendlich schmaler Reifen Bild 10. 14 Einfluss der Reifenbreite auf die Sehräglage
real breiter Reifen
-,
10 Fahrdy nam ik un d Fahrvers uch
366
Schwer.'t-- '. punkt B
Schwerpunkthöhe
G
F;
F,
sctmer.:\t--'" ~
punktA
I FZ~ > Fz l
Seitliche Schwerpunktlage
, SChwer-\
\
Schwe r-
punktA
punkt C
F,
G
Fallrreu g-
mntenachse
Blld 10.15 Einfl uss der Schwerpunktl age auf d ie Schräglage
Für schnelles Ku rvenfah ren mit max ima ler Schräglage si nd dem nach die modischen Breitrei fen eigen tlich ungü nst ig, den n das Fah rze ug se tz t wegen de s größe ren Sc hräglage nbeda rfs ehe r auf als mit sc hmalen Reifen! Der Vor teil des Breitreifen s liegt in der besser en Haft ung, was beim Her ausbeschl eunigen aus der Kurve den Nac hte il der höheren Sc hräg lage u.U . wettmacht. Der Einfluss der Sc hwerpunktlage auf den Schräglage nwi nkel bei re alen Reifen breiten kann j etzt leicht nachvollzogen werde n, Bild 10.15. Weil sich de r Fahrzeugschwerpun kt nor ma lerwe ise in der Fahrze ug m ittenebene befindet, erge ben sich fü r d ie Resu ltieren den du rch den Radaufstan dsp unk t bei u nterschied lichen Schwe rpunk thöhen abwe ichende Winkellagen (linkes Teilbild). Bei g röße re r Sc hwe rpu nkt höhe verläuft die Resulti erende flacher zu r Fahrbahn, wodu rch ihre Flie hkraftkomponente (F z· ) größer wi rd. Dam it w iede r Gleichgewicht herrsch t, muss sich das Moto rra d aufrichten. Je h6her der Schwe rpu nkt des Mot orr ades liegt, desto kleiner wird bei gleicher Fahrgeschw indig keit u nd Ku rvenrad ius die not weni ge Schräg lage . We nn sic h der Motorrad fahrer stä rke r als da s Fahrzeug in die Kurve h ineinlegt (sog. ban gin gofT), w ie es besonders im Rennsport verbreitet ist, wa nde rt de r Gesa mtsc hwerpun kt zu r Ku rve ninnense ite (rec htes Teilbild). Dadurch bildet d ie Resu ltier ende aus Gew ichts - und Fliehk raft ebenfalls einen flache ren Winkel m it der Fahrbahn. Wie im vorigen Beisp iel bedeutet d ies eine Ve rgrö ße rung der Fliehk raftkomponente (F/) , die du rch eine ge ringe re Schräg lage kompensiert we rde n mu ss. Für die Fahrerneigung gilt som it: Je me hr sich der Fahrer relati v zum Motorr ad in die Kur ve neigt , de sto ge ringe r wird d ie erfo rde rliche Sc hräg lage.
10.2 Kurvenfahrt
367
Die geringere Schräglage bedeutet im Endeffekt einen Gewinn an Bodenfreiheit. Es können höhere Kurvengeschwindigkeiten als bei aufrecht sitze ndem Fahrer gefahren werden, weil aufgru nd der geringeren Motorradneigung kein Aufsetze n von Auspuff oder Fußrasten befü rchtet werden muss. Die erforderlichen Haftk räfte (Seitenf ühru ngsk räfte) in der Reifenkontaktfläche werden durch die Fahrerseitenneigung selbstverständlich nicht reduziert. Die vom Reibwert vorgegebene Haftgrenze der Reifen bzw, die maximale Kurvengeschwindigkeit kann also nicht durch den Fahrstil überlistet werden, denn die Fliehkraft bleibt eine reine Funktion aus K u rvengeschwindigkeit und Kurvenradius.
10.2.3 H andling Mit Handling wird das Ein lenkverha lten und damit z usammenhän gend das Verhalten beim Richtungswechsel und in Kurvenkombinationen beschr ieben. Das Motorra d sollte jedem Fahrerwunsch unmitt elbar folgen. Richtungswechsel sollten leicht und ohne Kraftaufwand nur durch Zug am Lenker vonstatten gehen. der Kraftaufwand und Körperei nsatz beim Schräglagenwechsel minimal sein. Bei der Wertung dieses Gesamtverhaltens spielen das subjektive Empfinden des Fahrers und seine körperliche Konstitution allerdings eine wesentliche Rolle, so dass nicht immer absolute und einheitliche Aussagen get roffen werden können. Die objektiven Kriterien für ein als gut empfundenes Handling Sind teilweise schwer auszumachen und auch widersprüchlich. Viele Motorräder mit hohem Schwerpunkt fallen gewisse rmaßen wie von selbst in die Kurve; ihr Handling wird von vielen Fahrern als gut bezeichnet. Für Richtungsänderungen oder das Durchfahren von Wechselk urven ist aber das genaue Gegent eil, nämlich ein niedriger Schwerpunkt, vorteilhaft. Das liegt daran, dass das aufzubringende Rollmoment für den Wechsel von einer Schräglagenposition in die entgegengesetzte Lage bei niedrigem Schwerpunkt kleiner ist. Der Widerspruch kann damit erklärt werden, dass bei einem hohen Schwerpun kt aufgrund des höheren Rollmoments auch die Rollwinkelgeschwindigkeit größer wird und dies den subjektiven Eindruck eines guten Handlings entstehen lässt. Weitere Faktoren spielen für das Handling eine Rolle. Überrage nd ist natür lich das Gesa mtgewicht. Ein leichtes Motorrad wirkt in der Regel immer hand licher als ein schweres. Dennoch weisen viele moderne Sportmotorräder trotz Gewichtswerten über 250 kg ein erstaunlich gutes Handli ng auf. Neben den Reifen und der gesamten Fahrwerksgeometrie. nehmen auch die Sitzposition und die Hebelverhältnisse am Lenker Einfluss. Manchen kurvenunwilligen Motorrädern hat schon ein Auswechseln des Lenkers gegen ein breiteres Exemplar eine deutliche Handlingsverbesserung beschert . Das liegt daran, dass letztlich jeder Richtungs- und Schräglagenwechsel durch einen Radeinschlag. d.h . durch Aufb ringen eines Lenkmomentes. eingeleitet wird. Je breiter der Lenker, umso geringer ist der Kraftaufwa nd, den der Fahrer leisten muss, daher verbessert sich das subje ktive Handlingempfinden. Die zug rundeliegende Kreiselmechanik. die das dynam ische Verhalten des Gesamtsystems beim schnellen Richtungswechsel beschreibt, soll hier nicht näher betrachtet werden. Für die Praxis brauchbarer ist die Zusammenstellung der wichtigsten Einflussfaktoren in Tab elle 10.1.
10 Fahrdynamik und Fahrvers uch
368
Ta belle 10.1 Einfl ussfaktoren und deren grundsätz liche Ausw irkung en auf das Hand ling Ein n uss
lI a ndlin l: h CSSl' T
lI aodlin l: sc hlec hte r
Hohes Radträgh eits-
mome nt Vorderrad
Steile r Le nkkop fwin kel. d. h. k lei ner Nachlauf
Ge ri nge s Gewic ht
•
Ein k lei ne r Ra ddurch messer ergibt zunächst ge ringeres Träg he itsmo me nt, aber Überk ompensation durch g rößere Ra ddrehzahl
o
n icht injcdcm Fa ll, hängt auc h von der Kombinatio n mit dem Nachla uf
•
La nge r Radsta nd
Nied riger Sc hwe rpu nkt
Bl'rnl'rk u n:::
• •
(. )
.b
siehe Text. Niedriger Schwerpunkt obje kt iv po sitiv,
369
11 Regelun gssysteme für Bremsen und Antriebsschlupf Regelungssysteme für Motorrad bremse n (ASS = Anti-Blockier-Sys tem) wu rde n erstmals 1988 von BM W fü r d ie Serie vorgestellt. Andere Motor radh ersteller folgten nur zöge rlich und erst Mitte des ersten Jahrzehnts dieses Jahrtausends ist AS S bei allen namhaften Motorradherstellern im Angebot. Antriebsschlupf-Regelungen (auch Trakt ionskontrolle genannt) sind trotz vorha ndener Basistechnolog ien in den modernen Motorräd ern noch sehr seltene Ausn ahmen. Die Regelungssysteme sowohl für Bremsen als auch fü r den Antrieb von Motorrädern müssen spez iell auf die Eigenheiten der Motorrad- Fahrdyna mik ausgelegt und abgestimmt werden, vom Automobil kön nen led iglich einige Systemkompo nenten in abgewandelter Form übern ommen werden. Da die physika lischen Zusa mmenhänge bei der Bremsung komplex und wichtig für das Verstän dnis der Bremsenregelung sind, wird zunächst auf d iese eingegangen.
11.1 Grundlegende G esetzmäßig keiten bei der 8remsung Die Kraftverhält nisse am gebremste n Rad sind im Bild 11.1 dargestellt. Wir nehmen vereinfachend an, dass d ie gesamte Bremsleistu ng nur an diesem Rad (Vorderrad) aufgebrac ht wird. Der Energ iebedarf zu r Abbrems ung eines Fah rzeugs kann übersc hlägig bestimmt werden aus der ki netischen Energie, d ie das Fahrzeug beim Beginn de r Bremsurig hat (Luft- und Rollwiderstand werden vernac hlässigt). E ~ 1/
2 2.m ·v
(11- 1)
Für ein 230 kg schweres Motorrad (zu züglich 70 kg Fahrermasse) beträgt die Bremsenergie bei einer Abbre msung aus 100 km/h dann E ll r ~ 0,5 . 300 [kg] . (27,8)2 [m/sj2 ~ 115,9 [kJ].
T Ra
B
"-------_l G
Bremskraft Momentengleichgewicht
Bs • r = B . R o
Bild t t.I Kraftwir kungen am gebremsten Rad
370
11 Regel ungssysteme fü r Bremsen und Antriebsschlupf
Um daraus d ie Leistu ng, d ie die Bremse verkrafte n muss, zu er rechnen, muss die Ze itda uer der Abbrems ung berech net we rden. Unter der An nahme, da ss d ie Bremsverzöger u ng während der Brem sung konstant bleibt (was in der Realität nicht ganz der Fall ist), gelte n sehr ei nfache physikali sche Bez iehu ngen. Die Bremse soll 80 der maximalen Bre msverzöge rung aufb ri ngen. also rund 8 rn/52 ('" ü.Sfacbe Erdbeschleu nigu ng).
"I
b -_ " ,
' I -- " , U
b
(1 1·2)
h == Bremsverzögerung ßV
= Geschwindi gkeit sd ifferenz
!'1! == Zeitda uer de r Bremsu ng
Eingesetzt erg ibt sich I!.r = 27.8[ m/s] = 3,5 [s) 8 {rn/52 ]
Mit der Brem sdau er kann , unter der Annahme einer linearen u nd kon stanten Verzöge rung. je tzt auch der Brem sweg errec hnet werden, I s = - ·l' ·A1 (11-3) 2 bzw. mit (11-2) 05 = -
"
i»
(ll-S a)
Eingesetzt e rgibt sich ein Brem sweg von rund 48,5 m. Die Leistung an de r Bremse erre ch net sich mit n
_ E ll r
'lJr - -f',}
( 11-4)
Es ergibt sich für u nser Beispiel eine Leistu ng von 33 kW, d ie am Anfang der Bremsu ng in Form von Wärme an de r Brem se abgeführt werden muss. Bekann terma ßen steigt wegen der quadratischen Abhäng igkei t der Bremsweg über der Fahr geschwindigkeit stark an, ebenso die notwe ndige in Wärme um zu wandelnde Energie. Tab elle 11.1 zeig t in einer Übersicht in Schritte n von 50 km/h gerundete Werte für d ie Brem senergie, An fangs-Bremsleistung, den Brem sweg und die Ze itdauer der Bremsung, jeweils be i Abbremsung bis zum Stillstand . Die Brem sverzögeru ng beträg t einheitlich 8 m/s2 . An der jeweiligen Zeit bis zu m Stillstand wird die Leistungsfähigk eit moderner Motorradbremsen deutlich. Die Besch leun igu ng auf 100 k m/h da uert im me r noch länger als da s Abbremsen aus d ieser Ge schwindigkeit bis zu m Stillstand. Am überproportionalen Anstieg der Zahlenwe rte fü r den Brem sweg und d ie Bremsenergie sieht ma n unmittelbar d ie quadrat ische Abhän gig keit. Weiterhin erkennt ma n an Gleic hung (11.3a), da ss der theoretische Bremsweg nur von der Verziige rung und der Fahrgesch windig kei t abhängt. hingegen unabh ängig VOll de r Masse ist! Der scheinbare Widerspruch zu r prakti schen Erfah rung ergibt sich daraus, da ss in der Rea lität als Folge einer höheren Gesamtmass e des Fahrzeugs die Bremsverziiger ungabnimmt. Du rch die höhere Bremsenergie und den damit größe ren Wärm ea nfall ändert sich der Reibwert der Bremse und damit sinkt die Verzögerung (B remsen-
371
11 .1 Grundl egende Gesetz mäß ig keiten be i der Bremsung
fading). Sind die Bremsen für da s Maxim algewicht und Wiede rholbean spruchung (Passabfahrten) g ut d imensioniert, ist auch in der Praxis der Bremsweg we itgehend gewichtsunabhängig. Eine Rolle spielt allerdings die Schwerpu nktverlageru ng und d ie verände rte Gewichtsve rtellung bei Betadung des Fah rzeugs. Dadu rch kann sich die Rad lastverteilung so ändern , dass die übertragbaren Bremskräft e zwischen Vorder- u nd Hinterrad sich u ngünstig aufteilen und sich dad urch eine tatsächliche Bremswegverlänger ung einstellt, siehe dazu we iter unten. Tabelle 11.t Charakteristische Bremsgrößen in Abhängigkeit von der Fahrgeschwindigkeit G e sc hl'l i n d i~k e i t
Hremswcg
Zeit bis Stillstand
Uremsenergie
[km /h ]
[m]
1' 1
IkJ I
Uremsleistung (7_U Beginn der Br em sun g) IkWI
50
12
1,7
29
16
100
aa
3,5
116
33
150
10'
5,2
260
50
200
191
6,9
463
67
250
302
8,7
723
83
Rec he nwerte ge rundet , Basis: Bre msverzögeru ng von R mfs 2. Die Bre mswirkung de r Fahrwiderstä nde wurde
nicht berücksichtigt.
Je nach Gesamtausleg ung kan n eine gro ßzüg ig d imensionierte Bremse allerdings den Nachteil haben, dass sie relativ giftig anspricht mit der Gefahr, da ss der un geübte Fahrer bei unb eladenern Fahrzeug überbre mst. Dah er wird bei ungeregelte n Bremsen manch mal eine kompromi ssbehaftete Aus legung als optimal angesehen und ein gewisses Nachlasse n der Bremswirku ng bei hoher Dauer- oder Wiederholbean spru chung in Kauf ge nommen . A BS-Bremssysteme lassen sich kompromisslos auf höchste Bremsleistung auslegen und biete n hier Vorteile. Ein weiteres, g rundsä tzliches Problem stellt sich bei der Abbremsung infolge der dy nam ischen Radlastverlage ru ng ein, die beim Motorrad viel ausgeprägter als beim Automobi l auft ritt (u ngünstigeres Verhältnis von Schwerpunkthöhe un d Radstan d ), Bild 11.2
l Motorrad
Bild 11.2 Schwer punkt höhe und Radstand bcim Pkw und beim Motorrad (L > Abstand Radaufstand zu Schwerpunkt)
372
11 Regelungssysteme für Bremsen u nd Antr iebsschlupf
Wie bere its im Kapitel 8, Bild 8.5 erläutert, wird mit steigender Verzögerung zu nehmend das Vorderrad be - und da s Hinterrad in gleichem Ma ße entlastet. Entsp rechend nimmt d ie mögliche Bremsk raft a m Vorderrad zu. während sie am Hinterrad abnimmt. Ohne näher auf die T heorie un d Berech nu ng einz ugehen. ist im Hild 11.3 die auf die Rad last bezogene Bremskraft für Vorde r- u nd Hinterrad über de r Bremsverzöger ung aufgetragen. Bei g leicher Verzögerung für Vorder- und Hinterrad und einer ange nom menen Haftgre nze bei trockener Straße von u = I, wird entwede r die möglic he Verzöge ru ng am Vorderrad nicht ausgenutzt und da mit wic htiger Brem sweg versche nkt, oder das Hinterrad überbremst. Es ist also aus physi kali schen Grü nden nicht möglich, am Hinte rrad die g leiche Bremsve rzöge ru ng wie am Vorderrad aufzubr ingen. Jede r etw as erfahrene Motorradfahre r trägt dem Rechnung durch entsprechend gefü hlvolles Betätigen de r Hinterradbremse. Integralbremssystem e mit einer Kopp elung beider Radk reise nehmen dem Fahrer d ie schwierige Dosierung der Hinterradbremse ab (Einzelheiten dazu am Ende des Kapitels 11.2). Konstru ktiv werden die Hinterradb remsen entsprechend der ger ingeren möglichen Bremsleistu ng schwächer ausgelegt. Steigt infolge einer Beladung d ie Hinterradla st. kann dort natü rlich auch stärker gebremst werden. Im No rmalfall beherrsc ht der geübte Motorra dfah rer durchaus die unterschiedlic h starke Betätigu ng von Vorder- und Hinte rradbremse. Auch die Vollbremsung nahe der Reifenh aft gren ze bei trockener Stra ße gelingt meist mit einer der be iden Bremsen, da s ist letztl ich eine Frage von Kon zent ration, Gefü hl, Erfahrung und Übung. Es stellt sich aber schon dabei d ie Frage, wie man im tatsächl ichen Grenzbereich zuverlässig übt, wenn fast jede Übe rsch reitu ng zum Stu rz fü hrt. Schwier ig bis nahez u u nmög lich ist es allerd ings, mit beiden Bremse n gleichze itig an der Bioe klergrenze zu bremsen. Denn da zu müssen die Rückmeld ungen von beiden Reifen reg istriert werden, und es muss unmittelba r eine fein fühlige Dosierung der Betätigun gskräfte getrennt für beide Bremsen erfolgen. Und d iese Bremskraftre gu lieru ng muss wäh rend de r Bremsung permanent angepasst werde n. Die notw endigen schnelle n Abläufe und Rea ktionsmuster sind auß erordentlich komplex und überfordern die men schli che Fäh igkeit zur Signa lverarb eitun g und Regu lation. Es kan n desha lb immer nu r mit einer Bremse opt imal an der Haftg renze gebrems t werden, sinnvollerwe ise mit der Vorderradbremse . Das Hinterrad bleibt dan n entweder unterbr emst. ode r es wird überbremsl. Die beim blockierenden Hinterrad auftretende 3000 2500
25 /' Vorderrad
Z 2000
~
u 1500
•
0:
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1.5
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i
Hinte rrad
::.:: 0.5
2 3 4 5 6 7 8 9 10 Verzögerung
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1/1_ B I GI
- I- Hinte rrad I
.2 1.0
1000
500
-t~ 20
o o
rn
V ........
V
2 3 4 5 6 7 8 9 10 Verzögerung (m/s2 ]
Bild 11.3 Reibwerte an vo rder- und Hinterrad über der Verzögerung
11 .1 Grundlegende Gesetz mäßigkeiten bei der Bremsung
373
Bild 1104 Bremsversuche mit und ohne ABS Instabilität ist in der Regel aber beherrschbar. Aus berechtigter Angst vor einem blockierendem Vorderrad und dem dann praktisch unverme idlichen Sturz wird oft aber vorn auch weniger stark gebremst, als es möglich wäre. Vollends unmöglich wird die kontrollierte Betätigung zweier Bremsen im Panikfall bei einer plötzlichen Notbremsung, womöglich noch bei nasser Fahrbahn . Es ist nachgewiesen. dass ein Mensch grundsätzlich nicht mehr imsta nde ist, die notwendigen Handlungen fehlerfrei zu vollziehen. Der " Regler Mensch" ist hier bereits mit einer Bremse bis a n seine Grenze gefordert bzw. überfordert [1.1). In der Regel liegt die volle Konzentration des Fahrers auf der Vorderradbremse, um dort ein Überbremsen zu vermeiden. Aber nur sehr routi nierten und konzentrierten Fahrern gelingt es in einer solchen Situat ion überhaupt. mit hinreichend hoher Verzögerung zu bremsen, von einer kontrollierten Bremsung an der Haftgrenze sind auch diese Fahrer weit entfernt. Die prinzipielle Unmöglichkeit einer optimalen Bremsung mit beiden Rädern kostet in Notsituationen wertvollen Bremsweg. Eine Überbrems ung des Hinterra des bringt Unr uhe ins Fahrwerk und vermindert die Fahrstabilität. Wenn während einer Vollbremsung ein plötzlicher Wechsel im Reibwert zw ischen Reifen und Fahrbahn auft ritt, ist auch der routinierteste Fahrer hilflos; ein Sturz kann dann nur noch mit Glück verhindert werden. Bild 11.4. Vorrangig für diese Fälle wurden ABS-Systeme entwickelt. Aus diesem Blickwinkel erübrigen sich sämtliche Diskussionen über eine minim ale Bremswegverlängerung durch die A BS-Regelung im Vergleich zu ungeregelte n Bremsen. Denn derartige Vergleiche werden unte r optimalen Fahrbahnbedingungen von professionellen Fahrern auf abgespe rrten Strecken durchgefü hrt. Auf das reale Verkehrsgeschehen sind diese Vergleiche nicht übertragbar. Messungen unter realen Bedingun gen auf der Straße zeigen, dass hier selbst Profis mit ABS ausnahmslos kürzere Bremswege erzielen als mit ungeregelten Bremsen. Auch über die Notsituation hinaus bietet ABS, wie wir noch sehen werden. einige Vorteile.
374
11 Regelungssysteme fü r Bremsen und Antri ebsschlupf
11.2 Stabilitä tsverlust beim Br ems en und G r undfunktion des A RS Der Fahrstabilitätsverlust bei der Bremsung mit blockierenden Rädern ist Erfahrungstatsache und allgemein bekannt, weniger hingegen d ie genauen Ursachen, auf die dahe r kurz eingegangen werden soll. Das Moto rrad wird stabilisiert du rch die Kreise/kräfte de r drehenden Räder (vgl. Kapitel 10) und d ie Seitenführungskräfte. Entscheidend für d ie Stabi lität sind d ie Kräfte am Vorde rrad. Sinkt die Radd rehzahl durch Übe rbremsung sch lagartig bis zum Stillstand ab (Radblockade ), brechen die stabilisierenden Kreiselkräfte zusa mmen und das Motorrad kippt um. Da zug leich die Seitenführ ungskraft gegen Null geht , knickt z ugleich das Vorderrad ein und rutscht seitlich weg. Beide Vorgänge spielen sich in Sekundenbruchtei len ab, und überlagern sich, so dass es unweigerlich z um Sturz kommt. Nur bei extrem schne ller Reakt ion de s Fahrers und günstigen Umständen (Vorderrad nicht eingelenkt, ebene Fahrbah n) kan n durch sofortiges Loslassen der Bremse gegebenenfalls die Stabilität zurückgewonnen werden . Auf die Seitenführung skräfte soll nun näher eingegange n werde n. Durch Reibung zwischen Reifen und Fah rbahn kan n, wie im Bild 11.1 schon darg estellt, nur eine bestimmte Kraft übertragen werden, de ren Ma ximalwert vom g rößten erre ichbaren Reibwertp max (Kraftschlussbeiwe rt) zwischen Reifen und Fahrbahn und der aufdas Rad wirke nden Gewic htskraft abhängt F Reifen, max = P max . G
( 11 -5)
Unte r der vereinfachten An nah me, dass der Reibwert unabhängig von der Art der Krafteinwirk ung ist (was bei genauer Betrachtung nicht so ganz stimmt), spielt die Richtung und Ori entier ung der Kraft praktisch keine Rolle. Die Summe aller Kräft e in der Reifen auf-sta ndsfläche darf nicht g röße r werden , als die Ma ximalk raft nach GI. (11-5), son st kann der Reifen sie nicht mehr übertragen. Daraus ergibt sich. dass bei ü bertragung großer Bremsk räfte (U mfang sk räfte ) fü r d ie Seitenk raft ( Radführun gsk raft) nu r noch ein ge ringer Bet rag übrig bleibt. Im Bild 11.5 ist d ieser Zusamme nha ng von Seitenkra ft und Umfang skra ft für einen ange nom menen, konstanten Reibwert von 11 = I g rafisch aufgetragen (Kamm'scher Kreis). Man erkennt sofort, dass bei maximaler Bremskra ftausnutzung d ie Seitenkraft z u Null wird und damit der Reifen keine Seitenführun g mehr aufbauen ka nn, so dass Stabilitätsverlust eintritt. Umgekehrt kan n bei maxim aler Seitenk rafta usnutzu ng (maximale Schräglage) auch keine Bremsk raft mehr übertragen werden. Analog zu m Bremsen gelten d ie gleichen Zusammenhänge natürlich auch für den umgekeh rten Fall des Antriebs (vgl. Abschnitt 11.5). In der Realität liegen d ie Verhältnisse etwas günstiger. Solange da s Rad noch rollt, baut auch das stark gebremste Rad noch gen ügend Seiten füh ru ngskra ft für die Geradeausfahrt auf. Erst beim Überga ng zum Blockieren fa llt d ie Seitenfü hrungskraft erhe blich (bis au f nahe Null) ab. und es tritt Stabilit ätsverlust ein. Aber sogar de m block ierenden Rad bleibt noch ein minimaler Rest an Seitenführung erhalten, die allerdings nicht meh r ausreicht, um g röße re Störeinflüsse auf d ie Geradeausfahrt aufzu fangen. Sie verhindert led iglich beim exakt gerade aus gerichteten Rad d ie sofortige und völlige Instabilität. Um also d ie Seitenstabilität beim Bremsen aufrecht zu erhalten. darf nur soviel Bremskra ft aufgeb racht werden, dass ein Block ieren sicher verhindert wird, so dass genüge nd Kreiselkräfte wirken und gerade noch ausreichend Seitenk raft zur Stabi lisieru ng übrig bleibt. Im Gegensatz zu m Automobil muss beim Motorrad vorrangig da s blockierende Vorderra d verhindert werden. da dieses fast allein d ie Stabilität und Seitenführung übe rn immt. Ein blockier tes Hinterrad hingegen beeinträchtigt die Fah rstabilität nu rwenig
11.2 Stabilitätsve rlust beim Bremsen und Grundfunkt ion des ABS
Fs, max
Bremsen
-
375
Antreiben
o .L~---+---\--------=+-, Fu, max - Fu, max o Umfangskraft
Bild 11.5 Abhängigkeit von Seilenkraft und Umfangskraft bei konsta ntem Reibwert
und kann relativ leicht beherr scht werden (beim Auto ist es umgekehr t). Trotzdem werden beim Motorrad-ABS von allen Herstellern grundsätzlich immer der Bremsdru ck von Vorderrad und Hinterrad geregelt. Für ein genaueres Verständnis muss zunächst der Kraftschlussbeiwert näher betrachtet werden, denn dieser ändert sich beim Übergang vom rollenden z um rutschenden Rad. Wir führen dazu den Begriff des Reifenschlupfs ein, der auft retende Relativgeschwindig keiten zwischen Reifen und Fahrbahn kennzeichnet. Antriebs- oder Bremskräfte können nämlich nur übertragen werden, wenn SChlupf herrscht, d.h. wenn die Abrollbewegung von einem leichten Durchrutschen des Rades überlagert wird. Der Grund dafür liegt in den Bindungskr äften. die bei inniger Berühru ng zw ischen den Molekülen des Reifengummis und der Fahrbahnoberfläche auftreten und die Reifenhaftung auf der Fahrbahnoberfläche letztlich ermöglichen. Ohne Schlupf ist eine Über tragung von Umfangsk rüften (Brems- lind Antriebsk rüfte) nicht möglich, die Umfangsk rüfte selbst sind dabei Ursache des Schlupfes .
Der Schlupf wird bestimmt, indem die zurückgelegte Wegstrecke auf der Fahrbahn mit dem abgerollten Radumfang verglichen wird. Beim Laufrad, das ohne Antriebs- und Bremsk räfte rollt, ist der Schlupf Null; hier entspricht die zurückgelegte Wegstrecke genau dem abgerollten Reifenumfang. Wenn der abgerollte Weg am Rad (Reifenumfang) größer ist als die zurück-
376
11 Regelungssysteme für Bremsen u nd Antr iebsschlupf
geleg te Wegstrecke auf der Fahrbahn , d reht das Rad durch (Antriebsschtupf) . Ist er kleiner. begin nt das Rad zu blockieren und rutsc ht (Bremssc hlupf). Definitio nsgemäß ist der Schlupf be im vollstä nd ig durchdrehende n (Antrieb) bzw, blockierten (B rem sung) Rad gleich I oder 100%. Hild t 1.6 ze igt aufget ragen über dem Schlupf beispielhaft de n Kraft schlussverlau f (Reibwe rt) einer ausgewählt en Fahrbah n-Zk eife nkomhination beim Bremsen . Mit eingezeichnet ist der p rinzipielle Verlauf des Kraft schl usses ruf die Seitenkraft. die die Stabilisieru ng des Fahrzeugs bew irkt. Der maxim ale Kra fts chluss (Kraftschlussgrenze bzw. Haftreibwert) stellt sich demna ch erst bei einem gew issen Schlupfe in (de rja durch die Bremsung selbst erzeugt wird); dan ach nimmt der Kraft schlu ss bis hin zu m Gleitreibwert für das block ierte Rad ab. Generell verringert sich de r Kraft schlu ss mit steigender Geschwindig keit; der Unterschied zwischen Schr ittgeschwindigkeit und 150 km /h bet rägt etwa 10% . Kraftschl ussbeiwert e fü r verschiede ne Fah rbahnoberflächen und -zustä nde zeigt Bild 11.7. Gut erkennbar ist, da ss auch bei Nässe auf Asphalt eine recht g ute Griffigkeit aufweist, aber bei hohen Schlupfwerte n dann sehr stark abfällt . Wie bereits erwä hnt werden Seitenkräfte au fgebaut, solange sich da s Rad noch dreht, d.h . die Spurha ltu ng bleibt dan n gewährleistet. Primäre Aufgab e einer Bremsenregelung ist es demnach. den Radschlupfso zu begrenz en , dass in der Prax is ein Blockieren des Rade s sicher verhindert wird. Darübe r hinaus ist es wü nschenswe rt, den Bremsschlupf in den engen Grenzen um das Reibwertm aximum zu regeln. um bestmög liche Bremswirkun g zu erzielen. Das ist beim Motorrad deshalb wichtig. weil ein größ erer Regelbereich entsprechen d der dann wirksamen Reibwertschwankungen. ausge prägte Bremsmomentschwankungen her vorru ft. Diese wiede ru m bewirken Änderu ngen der dynamischen Radlastverla gerung und mindern d ie übertragba ren Bremskräft e am Vorderrad. Gru ndprinz ip aller ASS-Sys teme ( Radschlupf-Regelsysteme) ist die betätigu ngsunabhäng ige Bremsd ruckbeeinfl ussung im Hydraulikkreis fiir die Radb remszyli nder. Im Fall einer drohen-
,
/' /'9
\
ABS-
\
Kraftschluss
Bremsen I
Regelbereich
Der Übergang vom maximalen Kraftschlussbeiwert ( Haflbeiwert f.I h) I zum Gleitbeiwert f.I g (100% Schlupf) erfolgt innerhalb von SekundenI bruchteilen I I
:
\
\
\
"
o
" -,
I
I
I <, Kraftschluss Sejtenführunq 1 , I '_ -___ I _ _ I
50
100
Reifenumfangsschlupf [%1 Bild 11.6 Kraftschlussverlauf in Abhängigkcit vom Reifenschlupf (Prin zjpdars tellungj
11 .2 Stabilitätsve rlust beim Bremsen un d Grundfunktio n des ABS
377
Trockener Beton Troc kener
\
\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \
Asph alt
Nas ser
Asphalt
,
Schnee
;..,,,::~:::...,,=,,"---
Bild 11.7 Krartsehlussbeiwerte für versch iedene Fa hrbahnober flächen und -zuständc (durchgezogene Linie: Bremskraft, gest richelte Linie: Scitcnfiihr ungskraft)
Eis
Schlupf 1%]
den Radblock ierung wird de r Bremsdruck abgesenkt, bis d ie Räder wieder rollen und danach durch ein gee ignetes System bis zur erneuten Block ade wieder erhöht. Dieser Vorgang gesch ieht unabhängig von der Bremsbetä tigung du rch den Fahrer, der während der Regelu ng vom System abgekoppelt wird. Diese Zusammenhänge sind im Bild 11.8 dargestellt. Bei de r Bremsung mit relativ kontantem Bremsdruck vermi ndert sich die d ie Rad umfangsgeschwin digkeit etwa linear (normale Bremsung) . Die d rohende Radblockade ze igt sich am beg innenden Steilabfall der Rad umfangsgeschwind igkeit zu m Ze itpunkt (I ' Dieser Dreh zahleinbruch de s Rades wird von Sensoren am Rad in einer kurzen Ze itspanne (Ze it ' I bis t 2}reg istriert und von einer Elektronik ausgewe rtet. Aufgru nd der Trägheue n sinkt zu nächst d ie Radgeschwindigkeit weiter ab. Das AB S senkt jetzt sofort den Bremsd ruck. wodurch da s Rad wieder frei rollen kann. Im Verlauf de r weitere n Bremsung wird der Bremsdruck wieder leicht erhöht. Wird abe rmals ein drohenede Radblockade erkan nt. wiederholt sich de r Regelvorgang.
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Zeit t Bild I I.K Bremsd ruck-Mod ulnnon be i Radblockade
378
11 Regelungssysteme fü r Bremsen u nd Antr iebsschlupf
11.3 ARS-Komponente n und ausgefüh r te Seri ensysteme Auf der Basis d ieses Funk tions prinz ips gab es bereits vor Jahrzeh nten erste Ansätze für eine Bremsenregelung. Gea rbeitet wurde damals an mechan isch-hyd raulischen Systemen, die den Zusammenbruc h de r Fliehkra ft als Erken nungssignal für einen d rohenden Radstillstand ausnutzen sollten. Die Bremsd ruckabsen kun g erfolgte übe r mechani sch angesteuerte Ventile in de r Bremshyd raulik . der erne ute Druckaufbau wurde mittels eines Pumpensystems für die Bremsflüssigkeit (LUCAS, GJRLING) bewe rkste llig t. Solche Systeme scha fften aber nicht den Dur chbruch zur Serienreife. Der Weg zur Serie wurde mit ele ktron isch geregelte n Hyd rauliksystemen be schr itte n, wobei auf der Hyd raulikseite zwe i g rund sätzlich unterschiedliche Arbeitsprinz ipien zu r An wendu ng komm en, das Plungersysrem u nd das Venrilsysrem. Auf beide Systeme u nd ihre Unterschiede soll im Folgenden eingegangen werden. BM W war beim Motorrad de r A BS-Pion ier und stellte 1988 sein ABS I vor, das nach de m Plungerprinzip arbeitete. Es wurde zusa mme n mit dem Brem shyd raulikhersteller FAG entw ickelt wurde, Bild 11 .9. Herzstück des gesa mten Systems ist der elektro-hyd raulischen Druckmodulator. der de n Plunger (Regelkolben) enthält. Dieser wird von einem Linearmotor angetrieben u nd bewirkt durch Volumenänderun g im Hydrauliksysstem eine Veränder ung des Drucks im Bremssatlel und dam it eine Veränderung der Radbremskraft. Wenn d ie elektro nischen Sensoren an den Räde rn eine Blockierneigung feststellen, wird der Bremsdruck dur ch Zurück fah ren de r Kolben kontinuie rlich soweit abgesenkt, bis die Räder wieder drehen kön nen. Anschließend wird der Druck wieder aufgebaut, bis im Falle eines erneuten Blockie rens eine neuerliche Druckabsenku ng notwendig wird. Dieser Vorgang wiederholt sich, falls erforderlich, bis zu sieben Mal pro Seku nde. Bremshebel mit Bremszyl inder
.»
ererrsienu rq
(HydraulikkreiS)
Si;lnallertung
Imp ulsring
Druckmodulator
Bremse
Bild 11.9 Funktionsschema des
BMW ABS I
11.3 A BS· Komponenten u nd ausgefüh rte Seriensysteme
379
Durc h eine permane nte Auswe rtung de r Radd rehzah lsignale wird jede Rad blockade rechtzeitig erkannt. Ein d rohender Radstillstand kü ndigt sich wie im Bild 11.8 dargestellt in einem Steilabfall der Rad umfangsgeschwindigkeit an und wird vom Auswerteprogra mm im Steuergerät sofort festge stellt. Entsprechend werden dann Stellsignale an den Druck mod ulator gesandt und der Syste md ruck abgese nkt. Die Rad überwachung übern ehmen induk tive Drehzahl -Impulsgeber, d ie die Raddrehung im Zusammenwirke n mit e iner Zahnscheibe mit 100 Zä hnen zuvertässig erfassen. Eine Blockiem eig u ng wird dabei nicht erst im Augenblick de s Stillstands. sondern vo rau sschauend erkannt. Wäh rend des Regelvorgangs ist die Bremshebelbetätigun g durch de n Fah rer vom System abgekoppelt, so dass die Regelu ng ohne spürbare Pulsationen für den Fahrer erfolgt. Dies geschieht über ein Kugelventil. das mittels de s Regelkolbens verschlossen wird. Die Aufbring ung des Bremsdrucks erfo lgt mechanisch über starke Federn im Druck modulator. Led iglich die Regelkolben verfahren mit elektri sche m Antrieb über die Linearmotoren. Dies hat den Vorteil, dass bei Elektrikausfall d ie volle Bremswirku ng wie bei einer Bremse ohne AB S erhalten bleibt und led iglich die Regelung nicht mehr wirksam ist. Der Ausfall der Regelung wird durch eine Warnlampe angezeigt. Das System fun kt ioniert in einem weiten Reibwertbereich zwischen n = 0.1 (wasse rüberflutete sehr g latte Fahrba hn) und jz = 1,3 (sehr rauer As phalt) bis hinunter zur Sch rittgeschwind ig keit (ca. 4 km /h ); es werden Vorder- u nd Hinterrad getren nt voneinander geregelt. Für das Hinterrad müssen zusätz lich d ie Drehzahlsignale de s Vorde rrades mit ausgewe rtet werden, um antriebsbed ingte Änderungen der Winkelgeschwind igkeit von Bremsvorgängen untersche iden zu kön nen . Trotz der erreichten Vorteile für die Fahrsicherheit, weist das dargestellte A BS-System noch Unvollkommenheiten auf. Die Mod ulation des Bremsd rucks mit einer Regelfrequenz bis z u 7 Hz erzeugt entsprechende Fede rbeweg ungen (Nickschwing ungen) des Fahrzeugs aufg rund der mit gleicher Frequenz wechselnden dyn am ischen Radla stverla geru ng. Wenn diese auch nur im seltenen Fall der ABS- Regelung auftret en, stellen sie dennoch eine Komfortm inderu ng für den Fah rer/Beifah rer da r. Darüber hinaus wird auch das Fahrwerk, und hier besonders die Vorderradga bel. du rch Kraft spitzen in folge schnell wechselnder Bremskra ftampli tuden mechanisch stark beansprucht. Ideal wäre, wenn der Bremsd ruck so geregelt würde, dass die Radbremskra ft dem schlupfabhängigen Reibwertverlauf genau folge n würde. Diesem Ideal kommt das 1993 auf den Markt eingefüh rte ABS 11. das BMW wiederum in Zusammenarb eit mit FAG entw ickelt hat, sehr nahe. Bild 11.10 zeigt den schematischen Aufbau sowie die Arbeitsweise des Systems und lässt die nahe Verwandtschaft zu m Vorgängersystem erkenn en. Es wu rde das bewä hrte Plungerprinzip beibe halten; g rund sätzlich neu ist der Antrieb de s Plungers über einen Motor und eine ele ktron isch gesteue rte Reibku pplung sow ie das integrierte Wegmesssyste m als wichtigste Innovation. Alle anderen Systemkomponenten sind im Prinz ip weiterentw ickelte Varianten des Vorgänge rmodells . Wird eine drohende Radblockad e von den Radsen soren erkannt. wird d ie Frikt ionsku pplung und der Antriebsmotor angesteuert und der Plungerkolben wie beim Vorgängersys tem nach unten gezoge n. Ansc hließend erfolgt eine Phase mit erne utem Druckau fb au. indem der Plunger mittels Federkraft wieder nach obe n gefahren wird und dabei das Rad in erne ute Blockiemeigung bringt. Beides Mal wird vom w egmesssystem der Verfahr weg des Plungers registriert, und aus der Plungerstellung kan n jeweils auf den Systemd ruck geschlossen werde n. Der Regel-
380
11 Regelungssysteme fü r Bremsen u nd Antriebsschlupf
Bild 11.10 Schematisc her Aufba u und Funkno n des ASS II von BM W/ FAG
I 2 3 4
Reibungskupplung und Antr iebsmotor Kolben ( Plunger) Kugelventil Sensor fü r Wegmessung
prozess ka nn nun von Neuem begin nen; d ie Frequenz de r Regelung ka nn da bei bis zu 15 Hz bet ragen. Im Unterschied zu andere n Systemen ist abe r eine hohe Regelfrequenz nicht da s Ziel. Vielmehr gestattet die aus der Wegmessung gewonnene Kennt nis der Druckverhältnisse das gezielte An fahren einer bestimmten Plunge rstell ung beim folgenden Regelz yklu s. Diese Stellung wird aus den vorangegangenen Zyklen anhand der Regelphilosoph ie ermittelt. Dami t ermöglicht da s System be i konstanten Ra ndbedi ngungen ein langes Verharren des Rade s im günstigsten Schlupfb ereich, ohne dass g rößere Bremsdr uckmodulationen nötig werden. Das System lernt also in gew isser Weise den Fahrbah nzu stand und ermög licht dam it ein komfortables, sicheres Bremsen mit g rößtmöglicher angepasster Verzögeru ng. Bild 11.11 zeigt die Messergebnisse einer Brem sung mit hohem Reibwert unter ASS-Kontrolle für Vorder rad und Hinterrad , [11.3]. Die Radblockade kündigt sich durch den plötzlichen Abfall der Radgeschwin d ig keit an (B im Diag ram m, obere Kurv e). Das System reagiert darauf mit einer Bremsdruckabsen kung ( I. Regelzyklus, u ntere Kur ve) . Deutlich erkennbar sind d ie Abnahme de r Bremsd ruck amplitude n nach zwei Regelzyklen und d ie la nge Ze itdauer, in denen jeweils anschließend mit nahezu ko nstantem Bremsdruck gebrem st wurde. Die sehr kurze Bremszeit von 5 s fü r die Bremsung aus 150 km /h belegt d ie optimale Reibwertausnutz ung bei dieser Bremsung. Im Gegensat z zu BM'J~ wo da s A SS seit 1995 fast fü r die gesamte Mode llpalette verfügbar ist, kamen d ie japanischen Hersteller nur sehr zögerlich mit A BS-Systemen auf den Markt.
381
11.3 A BS· Komponenten und ausgefüh rte Seriensysteme 150
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Bild 11.1 1 Bremsdiagram m für eine Bremsung mit hohem Reibwert unter ABS-Kontrolle
Deren Systeme arbeite n nach dem Ventil prinzip. Beispielhaft ist im Bild 11.12 das Funktionsschema eines AB S von HONDA dargestellt. Bei einer Bremsbetätigu ng wirkt der Bremsdr uck vom Hand- bz w. Fuß bremszylinder zunächst auf die Brem szangen (Radbremszy linder) und den Ausdehnungskolben. Stellen d ie Rad sensoren eine Block ierneigun g fest, öffnet da s Vent il I, so da ss Bremsflüssigkeit abfließt , wodurch sich der Ausdehnungskolben nach rechts bewegen kann und den Bremsdru ck für d ie Bremszange vermindert. Sobald die Blockiergefahr vorüber ist, wird das Ventil I geschlosse n. Ist die Raddrehung wiede r stabil. wird kontinuierlich der Flüssigkeitsdruck im System erhöht, indem über die Hochd ruckpumpe P bei jetzt geöffnetem Ventil 2 Brem sflüssigkeit in den Bremskreislau f zu rück gepumpt wird. Dadurch verschiebt sich der Ausdehnungskolben nach links und erhöht den Druck im Radbremskreis fü r die Bremszen gen. Dam it kann der Regelzyklus von vorn beg innen. Im Untersch ied zum Plunger system ist bei Ventilsystemen de r Bremshebel während der Regelung nicht vom Hydra uliksystem getrennt, so dass Rückwirkunge n in Form von Pulsatio nen auf de n Betätig ungshebel einwirken. Dies ist zwar komfortmindernd , ka nn jedo ch auch als vorteilhafte Rückmeldu ng an den Fahrer interpretiert werden. Es wird unabhängig von der Eingewöhnung sicher auch individuell unte rschiedli ch empfunde n. Hinsichtlich de r grundsätzlichen Funktionalität gibt es keine bedeutsamen Unterschiede z wischen den A BS-Syste men. Allerdi ngs weisen d ie auf de m Ma rkt befindliche n Ventilsyste me meist eine etwas höhe re Regelfrequen z gegenübe r dem erste n ABS nach de m Plunger prinzip (ABS I) auf. Hervorragend in der Regelgüt e wie in der Kürze des Bremsweges war seinerzeit das ABS 11 (BM W) nach dem Plungerprinzip mit integrierter Wegmess ung. weil es als einziges System in der Lage war, na he de m optimalen Kraftschlu ssbeiwert zu bremsen. In den übrigen Baukomponenten. wie z. B. Radsen soren. sowie im äuße ren Aufbau unterscherden sich die verschiedenen A BS·Syste me nur unwesentlich. Die Stellglieder und aktiven EIe· mente (Plunger mit A ntrieb, bzw. Hochdruckpump e) sind bei allen Systemen geschlosse n in kompak ten Baueinheiten , den so genannten Druckmodulatoren. unt ergebra cht. Das Mehrgewicht aller ABS· Komponenten für beide Räder zusammen beträgt je nach System zw ischen
382
11 Regelungssysteme fü r Bremsen und Antriebsschlupf
Bremshebel mit Bremszylinder
Bremse
Ausd ehnungskolben
Reservekolben
Ausgleichsraum \
Reservoir
Hochdruckpumpe
Venlil2
Ventil 1
(Stellung ·z u")
(Stellung · offen")
ohne ABS
normale
während ASS-R egelu ng
aleeuer- Druck -
Bremsung tendenz
erhöhung
ventnt
zu
Offeo
zu
Ventil 2
zu
zu
offen
Bild 11.12 Funk tio nsschema eines HON DA A RS
1,5 und 11 kg. Die Systemgewichte dok umentieren eindrucksvoll den techni schen Fortschritt , Bild 11 .13. Wog da s erste ASS von BMW 1988 noch insgesamt 11 kg. so beträgt d ie Masse des leichtesten ASS heute nur noch 1,5 kg. Das ist eine Massereduzierung auf fast ein Ze hntel. Im Bild 11.14 sind typische Systembesta ndteile eines ASS dargestel lt. Bei den neuesten Systemen werden die Einzelkomponen ten z u hoch integrierten Bausteinen zusammengefasst, wodu rch da s Gewicht weiter red uz iert werden ka nn. Durch den Entfall von Verbi ndungs- u nd Signalleitungen wird die Zuverlässigkeit weiter erhöht Das Bildbeispiel, Bild 11.15, zeigt eine kompak te Einheit aus Hochdruckpumpe, Druckm odu lator (Steuerventite) des Conti-Teves-A BS, das in BMW-Mo torrädern eingesetzt wird. In der Sicherheitsphilosophie und der Absieherungen gege n Tota lausfall gibt es keine g rundsätzlichen Unterschiede bei den verschiedenen Syste men. BMW gab bei der Einfü hru ng de s ersten A BS beispielsweise an, da ss damals die theoret isch-statistische Aus fallwahrscheinlichkeit des AB S um mehrere G rößenord nungen geringer ist, als ein Reifenplatzer. Während dieser aber bei hohen Geschwindigke iten fast imm er zu einem schweren Unfa ll fiihren wü rde, bliebe selbst beim Ausfall de r A BS-Regelu ng die hydra ulische Funktion einer un geregelten Bremse u neingeschränk t erhalten. ABS-Sys teme (wie natürlich auch die Reifen) wurden in de n letze n 20 Jah ren erheblich verbessert, so da ss die Wahrscheinlichkeit von Defekten noch weiter gesun-
11.3 A BS· Komponenten und ausgefüh rte Seriensysteme
,.
ASS 1
12 I-ABS
10
-
s: 8 u
'.
o•
•
ABS 2
6
•
ABS 5M
2
o
1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 Jahr
Riltl II,U Systemgewichte von ASS- Komponenten (I1M W M% r rad )
Bild 11.14 Systemko mponenten des BMW AS S 11und Vorderradbremse mit Radse nsore n
Bild 11. 15 ASS-Einheit Conti-Tcvcs-A BS (R.14W Motorrads
383
384
11 Regel ungssysteme fü r Bremsen u nd Antr iebsschlupf
ken ist. Dennoch gibt es bei aller Unwah rscheinlichkeit von Ausfa llen g rundsä tzlich in keinem tech nischen Syste m eine absolute Sicherheit. Erreicht wird ein Höchstmaß an Sicherheit du rch perm anente elektroni sche Überwachung der Systemfun ktionen und Plausib ilität schecks der Signa le. Feh lfunktionen werden dem Fahre r sofo rt üb er eine Kontroll1euchte angezeigt. Selbstvers tändlich werden in die Prüffunk tionen auc h sämtliche elektrischen Le itunge n un d Sensoren einbezogen. Au f der Hydr aulikseite sind die Systeme so konzipiert, dass nur die Bremsd ruck absenkung über elektrisch angetriebene Stellglieder erfolgt. Der Dru cka ufb au erfolgt beim Plungersystem rein mechani sch mittels einer sta rken Fede r, die den Plungerkolben zu rückdrückt. Beim AB S 11sind d ie Federn doppelt ausgefüh rt, und damit ist sogar die Sicherheit gegen Feder bruch gegeben. Beim Ventilsystem von H ONDA sorgt de r so genannte Reservekolben. de r ebenfalls von einer Fede r betätigt wird, für den Drucka ufb au, falls das Hyd rauliksystem bzw. die Hochd ruckpu mpe ausfal lt und der Inne nd ruck im Modulator zu weit abs inkt. Er versch ließt zug leich d ie Abflussleitungen. so da ss da s Sys tem dann wie eine konventionelle Bremse arbeitet. Nahez u alle Brem ssysteme sind so ausgeführt, dass der eigentl iche Betätigungsdruck vom Fahrer übe r de n Hand- bzw. Fußbremshebel aufgebracht wi rd und d irekt hyd rau lisch auf den jewe iligen Radbrem skolben wirkt. Im Normalfall. also ohne Regelungsbeda rf funktioneren deshalb die allerme iste n A BS-Systeme wie eine konventionelle Bremse. Die Regelung ist led iglich ein aufgeschaltetes Sys tem, das nur nur bei Blockie rgefab r eingreift u nd dann e rst den Fahrerw unsch übe rlager t. Nun zeigen Untersuchunge n, dass be i Not bremsu ngen au s hoher Geschwindigkeit zu Beginn oft zu zögerlich gebremst wird. Diese ..Angstreaktion" ist beim Bremsen ohne A BS ganz sicher nachvoll ziehbar, doch wird dadurch wertvoller Bremsweg "verschenkt". Die verlorene Wegstrecke ist gerade am Anfang der Bremsung wege n der hohen Geschwind ig keit besonders g roß und kan n im weiteren Verlauf der Brem sung nie wieder kompensiert werde n. Um d as zu verbessern und h ier den Fahrer aktiv zu unt erst ützen, hat BM W in Weiterent wick lung sei ner A BSSysteme im Jahr 2000 als erster Hersteller ei ne aktive Bremse mit ei ner elektrischen Bremskra ftverstärku ng z ur Serienreife gebracht. Sie wu rde unter der Bezeichn ung BMW Motorrad Integral ABS vorgestellt. Bei dieser Bremse wird der Bremsd ruck für die Radbremskolben von einer se para ten, elektrisch angetriebe nen Hyd raulikpu mpe erze ugt. Die mit Hand - bzw, Fußbetätig ung erze ugten Drücke wirken led igl ich als Steuerd ruck. Es war d ie weltweit erste und seinerzeit ein zige Bremse im Motor radb au mit aktiver Brem sdruckerzeug ung und integ rierter Bremsk raftv erstärk ung. Zusätzlich bietet das System versc hiede ne Mög lichkeiten der Integralbrem sung (daher der Name), d .h. ei ner gemei nsame r Betät igung von vorder- und Hinterradbremse mit jeweils nur ei nem Hebel (Hand- oder Fußhebel). Bild 11.16 zeig t das grundsä tz liche Funktionssc he ma dieses Bremssystems. Kernelemen t des Systems ist der Dr uckmod ulator mit den beiden Steuerkolben und Regelvent ilen für Vorderrad und Hinterrad (Bild mine). Die Brem shyd raulik hat zwe i vollkommen getrennte Kreisläufe, den Steuerkreis. de r mit Hand- bzw. Fu ßhebel verb unden ist und den eigentlichen Brems- bzw. Rudkrels, de r den Dr uckmodulator bzw. den Steue rkolbe n jeweils mit dem Radbremszylinder zu samm ensch ließt. In d iesen Radkreis ist die elektrisch angetriebene Hydraulikpumpe integriert. Bei ei ner Betätig ung des Han d- bzw. Fußhebel wird die Rückseite des Steuerkolbe ns über den hyd raulischen Steuerk reis mit dem vom Fah rer aufgebrachten Druck beaufschl agt. Dieser
11.3 A BS· Komponenten und ausgeführte Seriensysteme Regetventil Hlnt&frad
385 B,emssanel Hinterr ad
Fußbr9msarmatur Integra ll
Regetve nli l
Vorderrad
Hantl>remsa, matur
Bramssallel
""m.,,,,
Steuer1
Bild 11.16 Funktionsschema der aktiven Bremse beim BMW Integral ABS
Druck repräsentiert die Stä rke der vom Fahrer gewünschten Bremsung. Die a m Steuerkolben angebrachte Kugel verschließt dadurch den Radkreis. Gleichzeitig läuft die Hydra ulikpumpe an und baut im Radkre is den eigentlichen Bremsdruck auf, der auf die Radbremszylinder wirkt und über die Kugel zurück auf den Steuerkolben. Gemä ß dem Flächenverhältnis am Steuerkolben (linke Fläche Steuerdruck, rechte Kugelfläche Druck im Rad kreis) stellt sich dort ein Kräftegleichgewicht ein, dessen Lage vom Fahrerwunsch (= Steuerdruck) vorgegebe n wird. Die Bremskraftverst ärkung. d.h. das Verhältnis zwischen Steuerdruck und Bremsdr uck wird vom Flächenverhältnis am Steuerkolben bestimmt. Die ABS-Funktion lässt sich bei diesem System denkba r einfach verwirklichen. Der Steuerkolben im Druckmodulator ist von eine r stromdurchflossenen Spule umgeben. Diese wirkt wie ein Elektrom agnet auf den Steuerkolben. Erkennen die Radsensoren eine drohende Radblockade wird der Spulenstro m aktiv iert, und der Steuerkolben wirkt gegen den Bremsdruck im Steuerkreis. Dadurch wird der Druck im Radk reis entsprechend reduziert , das Rad freigegeben und die Radblockade verhindert. Durch die gegenüber dem ABSlI nochmals verringerte Trägheit der Steuereleme nte (u.a. Massen- und Bauteilereduktion) geschieht der Druckabbau und der anschließende Bremsdruckautbau im Radkreis deutlich schneller als bei den Vorgänger systemen. Das Ergebnis ist eine noch schnellere und genauere Anpass ung des Bremsdrucks an die Reibverhält nisse der Straße (bessere Regelgüte). Durch die vollständige Integration aller Steuerelemente einschließlich der Pumpe und der Elektronik gelang es, das Gew icht des Gesamtsystems um 20% gegenüber dem A BS 1I abzusenken.
386
11 Regelungssysteme fü r Bremsen und Antriebsschlupf
Bild 11 .17 Systemkomponenten des BMW Integral ARS (erste Generation mit Bremskraftverstärker)
Dr uckmodulator, Sensorringe und Radsensore n zu sammen wiegen nur noch 4.36 kg. Das Rild 11.17 zeigt alle Systemkomponenten dieser Bremse. Trotz hoher Ausfallsicherheit wurde in das System eine voll hyd rauli sche Grundbremsfunktion integriert, die selbst be i Totalausfall von Systemko mponenten noch eine Bremsung ermöglicht . Die Kugel de s Steuerkolbens wirkt auf einen so genannten Restbrem skolben. Dieser ist nor-
malerweise vom Druck im Radkreis beaufschlagt und bewegt sich deshalb nicht. Wenn die Hydraulikpumpe jedoch keinen Druck aufbaut , ka nn de r Steuerd ruck übe r die Kugel d irekt auf den Restbremskolben wirken. diesen verschieben u nd dami t den Dru ck an den Rad brem skolben weiterleiten . Zwar steigen da nn die Betätigu ngsk raft und der Weg arn Hand- bzw, Fußbrem shebel deutlich an. eine konventione lle hyd raulische Bremsenfunktion ist aber u nter allen Umständen gewährleistet. Wie eingangs erwähn t ist d as Gesamtsystem so ausgeleg t, da ss verschiedene Koppelungen beider Radbremsen mit der Hand- und Fußb remsbetätigung g ru ndsätzlich möglich sind (Teil- und Voll-Integ ralb rem se). Bei alle n Motorrädern . d ie mit die sem System ausgerüstet sind. werden beim Betätigen de s Handbremshebels immer beide Bremsen. also Vorderrad- und Hinterrad brem se gemeinsam betätigt. Bei der alleinigen Betät igu ng des Fußbremshebels wird be i den sportlich orientierten Model len j eweils nur die Hinterradbremse ak tiviert (Teilinteg ral-Bremse) . Damit wird ein sport licher Fahrstil mit unabhängiger Bremsung am Hinterrad weiterhin mög lich. Bei der Vollinteg ralversion fü r die Tourenmotorräder werden, u nabhängig ob der FUß4 ode r Ha ndbremshebel betätigt wird. immer heide Bremsen aktiviert. Im Sommer 2006 kam von BMW eine völlig neue Ge neration des Integ ral ABS auf den Markt, d ie auf Basis de s Vent ilsystems arb eitet. Neuere Entwicklungen bei den Regelventilen und der Steueru ng erlauben mittler weile mit d ieser Techn ologie eine sehr komfo rtab le Regelu ng und einen sehr sch nellen Brem sdruckaufbau , so da ss eine elek trische Bremskr aft verstärkun g üb erflüssig gewo rde n ist. Dur ch den Entfall entsprech ender Komp onente n konnte weiteres Gewicht eingespa rt werden. Im Bild lU8 sind d ie Systemkompone nten darge stellt. Der
11 .3 A BS· Komponenten und ausgefüh rte Seriensysteme
387
..... ... .. .. ~ ~ ~
Druckmodulator imSchnitt
Bild 11.18 Syste mkomponenten der neuen Generene n des BMW Intcgra l ABS
Druckmod ulator wieg t beim neuen Syste m nur noch 2.3 kg, Bild 11.19 zeigt da s hyd raulische Schaltschema. Das Funktionsprinzip des neue n Integ ral A BS ist vergleichsweise ein fach. Der vom Fahrer über die Bremshebel und Hauptbremskolben manuell erzeugte Bremsd ruck wird über ein geöffnetes Ventil (Einlassve ntil) unmittelbar auf die entsprechende Radbremse übertragen. Erkennen die Radsen soren und die Elektronik eine Blockierneigung de s Rades. wird da s Einlassventil geschlossen und ein parallel in den Radb remskre is geschaltetes Auslassventil kurzzeit ig geö ffnet. Über d ieses fließt Bremsflüssigkeit in ein Reservoir (Niederdru ckspeicher) wodurch sich der Bremsd ruck an de r Radb remse sehr rasch abbau t. Zeitgleich mit der Schaltung der Ventile wird eine elekt risch angetriebene Hyd rau likpumpe angesteuert. die die abll ieße nde Bremsflüssigkeit au s dem Radbrem skreis in den Steuerkreis zurückfördert und so für einen Volumenausgleich im jeweiligen Bremsk reis sorgt. Sobald das Rad wieder frei d reht, schließt das Auslassventil, das Einlassventil wird geöffnet und stellt d ie hydraulische Verbindung zu m Bremshebel und Hauptbre mskolben wieder her. Der vom Fah rer über den Bremshebel erzeugte Bremsdruck erhöht nun wieder den hyd raulischen Druck in den Bremssätteln. Durch eine entsprechende
388
11 Regelungssysteme fü r Bremse n und Antr iebsschlupf Vorderradbremse Druc ksensor
Hinterradbremse
Handbremsarmatur \
Motor
~
Druc ksensor
Fußbrems-
hebel" Elektronisches
Trennventil
umschaltv_'_"_'."~J-~,E31'
KOlbenpumpe ~~~:;;:c;r----0----l::<~r;~;:;:r Kolbenpumpe '{
Niederdruckspeicher
-,
Einlassventil
Drucksensor Drucksensor VA-Br emse
ßild 11 .19 Hydraulisches Schaltschema der neuen Generat ion des BMW Integral ASS
Takturig der Ventile wird der Bremsdru ck mod uliert und so die Radverzögerung den herrschenden Reibwerten und Fahrbah nverhältn issen angepasst. Bei dem dargestel lten BMW-Syste m kommen aufder Einlassseite moderne Hydrau likventile mit veränderlichen Querschnitte n zum Einsatz. über eine entsprechende Ansteuerung erlauben sie eine kontinu ierliche Steuerung des Volume nstroms beim Druckau fbau für das Rad. so dass quasi eine .Analogisierung'' de r Drucksteue ru ng für die Bremse erre icht wir d. Das bedeutet einen erheb lichen Gew inn an Regelungsqualität gegenüber den frü her gebräuc hlichen Ventilsystemen mit festen Öff nungsquerschnitten und ihre r ..Schwarz-wei ß-Charakteristik" beim Öffnen und Schließe n. In das Syste m sind zusätzliche Drucksensoren integ riert. Die Kenntni s der Systemdrücke in Verbindung mit einer Auswertung vorangegangener Zyklen erlaub t bei de r Regelung eine gez ielte Ansteuerung des Bremsd rucks auf de n jewei ls notwe ndigen Wert. Dieses red uzie rt die Zah l und die Intensität der Regelungseing riffe währen d einer ABS-Bremsung. Nac h den erste n Regelungszyklen ist - solange keine Reibwertsprünge auftreten - dan n nur noch eine Feinanpassung des Bremsdr ucks notwen ig. Das Resultat ist eine komfo rta ble Bremsung mi t optimaler Verzögerung idea l nahe an der jeweiligen Haftg renze. Durch die vergleichswe ise kleine Modulation des Bremsd rucks bleiben auch die Radlastschwankungen und d amit die Fahrzeugbewegungen ger ing. Auc h das neue Syste m hat eine Teilintegra lfu nktion, d. h. bei Betätigung des Handbremshebels für d ie Vorderradbremse wird automatisch d ie Hinterradbremse aktiv iert. Der Bremsdruck für den Hinterradk reis wird mitte ls einerelektronisch gesteuerten Hyd raulikpumpe erzeugt. Angesteue rt wird diese Pumpe von de n Drucksen so ren . Passend zum Vorderrad-Brems dr uck wird nach der im Steue rgerät abgelegte n Bremsk raftve rteilung auto matisch de r zugeordnete Druck für d ie Hinterradbremse aufgebau t u nd somit das Hinterrad bei jeder Brems u ng des Vorderrades mit idea ler Verzöge ru ng abgebremst (Teil-l ntegra lfu nktion) .
11 .3 A BS· Komponenten und ausgeführte Seriensysteme
389
Der Vorteil einer Teilintegralbremse wird häufig unterschätzt. Bei ..Nonn alb remsungen" unterhalb der maximalen Bremsverzöger ungen. also bei der im Alltag am häufigsten vorkommenden Situation. kann das Hinterrad erhebliche Bremsleistu ng übertragen. Da die Seitenführungskraft arn Reifen mit zunehmender Bremskraft abnim mt, e rhöht die bessere Verteilung der Bremskraft auf beide Räder die Sicherheitsreserven und die Querstabilität. Dieser Vorteil kommt besonders bei den meist aufgezw ungenen Bremsmanövern in Kurven zum Tragen. bei der die Verkehrssituation die notwendige Verzöger ung bestimmt. Bremst der Fahrer hier nur mit einer Bremse. muss das e ntsprechende Rad (in der Regel das Vorderrad) die gesamte Bremskraft übertragen, entsprechend wenig Seitenführung kann der Reifen aufba uen. Das Integralsystem verteilt die Bremskraft in idealer Weise aufbeide Räder. so dass höhere Seitenfü hrungskräfte an den Rädern z ur Verfüg ung stehen. Inne rhalb der physikalischen Grenzen sind somit höhere Sicherheitsreserven verfügbar und max imale Stabilität beim Bremsen gewä hrleistet. Neben der reinen A BS-Funktion ist heute in vielen derartigen Bremssystemen auch eine Erkennung fü r ein Abhebe n des Hinterrades bei Vollbremsungen integriert. Damit kann innerhalb gewisser Grenzen einem Überschlag nach vorne bei sehr heftige n Bremsmanövern gegengesteuert werden, Bild 11.20. Da die direkte Messung eines abhebenden Hinter rades über eine e ntsp rechende Sensorik sehr aufwä ndig ist, erfolgt die Erkennung dieses Fahrzusta ndes indirekt über einen Vergleich der Drehzahlen beider Räder in Zusammenhang mit der Messung von Brem d rücken im System. Anhand von Plausibihtät svergleichen kann rechtzeitig. bevor der Fahrzustand kritisch wird, auf ein Hinterradabheben geschlossen werden. Wenn beispielsweise das Hinterrad stillsteht bzw, langsa mer als das Vorderrad dreht. gleichzeitig aber im Vorderrad-Bremskreis ein hoher Druck anliegt, ist das ein Indikator fü r ein Abheben des Hinterrades. Die reale Erkennungsmethodik
Bild 11.20 Vollbremsung mit abhebendem Hinterr ad
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11 Regelungssysteme fü r Bremsen u nd Antr iebssc hlupf
Bild 11.21 Brcmsung bei Nässe
ist etwas komplexer, da s Beispiel verdeutlicht lediglich da s Erken nungsprin zip. Signa lisiert die Erkennung, da ss das Hin terrad abhebt, wir d über eine Rücknah me des Bremsd rucks im Vorderradkreis gege nges teuert. Trotz der u nbestritt enen Vorte ile wird von Motor radfah rern imme r noch als Arg ument gege n da s ASS angeführt, dass man das richtige Bremsen verlernen wü rde und sich durch das A SS der Brem sweg verlänge rn wü rde . Dem muss man d ie Frage e ntgege nhalten, wie denn eigentlich eine Vollbremsung an der Reibwe rtgre nze oh ne ASS geübt werde n soll, we nn je de Überschre itung des Limits unweigerlich zu m Sturz füh rt? Und wer wagt den n wirklich das Übe n von Vollbremsu ngen aus 150 oder 200 km /h bei nasser Fahrbahn, Bild 11,21, wo Bremsfehler zu schweren Unfällen mit schwers ten Verletzungsfolgen fiih ren wü rden? Mi t ABS hingegen kann d ies geübt werde n, ja , es ermöglicht ers t das gefa hrlos e Übe n und Kennenl ern en der Limits. Richtiges Bremsen wird durch ein ABS also n icht verlernt, sonde rn es ist d ie ei nz ige ge fah rlose Möglich keit, es zu erlernen. Für Testzwec ke in der Entwicklung we rden Motorräder zum Sch utz gege n Stürze mit seitlic hen Gleitku fen verse hen, Bild 11 .22 . Bild 11.23 zeigt verschiedene Bremsversuche mit ABS auf Testgelä nden . Zum (geringfügig) längeren Brem sweg bleibt anz umerken, dass dieses Gegenargu ment im the oret ischen Idealfall und für geübte Renn fahrer aufabgesperrtem Kurs zwar richtig ist, weil da s A BS zur Regel ung einen M indestabstan d zur Blocki ergren ze einhalten muss . In de r täg lichen Fahrprax is sti mmt d ies aus den vorge nannten G rü nden allerdi ngs n icht , h ier verkü rzt A BS den realen Bremsweg. Dieses untermauern auc h breit angelegte Untersuchung von Herstellern , von Versicherungen und Messungen der Motorradze itsch riften. Selbst unter den idealen Bed ingun -
11 .3 A BS· Komponenten und ausgeführte Seriensysteme
Bild 11.22
Versuchsaufb au - Motorrad mit Gleitkufen
Bild 11.23 Bremsversuche auf Testgeländen
391
392
11 Regelungssysteme fü r Bremse n und Antr iebssc hlupf
gen eines Tests bleiben fast alle Normalfahrer unterhalb der Bremsverz öge rung. die mit ASS selbst von Ungeübt en prob lemlos verw irklicht we rden kön nen . Die neuesten Entw icklungen be im ASS sind tech n isch so ausgefeilt un d überzeugend, dass sowohl HONDA als auch BMW d iese Systeme fiir ihre Supe rbikes anbieten. Auf das neue ASS von H ONDA soll abschließend noch nä her eingega ngen werden. H ONDA verbindet hier seine bereits zuvor in vielen Modellen eingesetzte Koppelung der Brem sk reise von Vorde r- u nd Hinterrad mit einem ganz neu entw ickelten A SS . Dabei wird ein radikaler Bruch mit der bisher üblichen Technologie vollzoge n. Es ist ein System, das gew issermaß en zwe istufig arbe itet. Bei n iedrigem Brem sd ruck arbeitet d ie Brem se zunächst konventionell, d .h. der von den jeweiligen Hauptbremszy lindern an den Bremshebeln per Hand- bzw. Fußkra ft erzeugte hydrau lische Bremsd ruck gela ngt d irekt an d ie Bremssättel. Wird stär ker gebremst, aktiviert eine Elektronik ei nen komplexen, zusätzlichen Hydr aulikkreislau f und übernimmt dabei komplett d ie Steuerung de r Bremsung.
Jetzt br ingt nicht meh r der Fah rer selbst den hydraulischen Dru ck für d ie Bremsurig auf, sondern er g ibt diese n nur noch vor. Erzeugt wird der Druck zur Beaufschlagu ng de r Bremskolben durch elektrisch angetr iebe ne Hydraulikpu mpen. Der Fah rer betätigt d amit die Bremse n nur noch ind irekt. Er best immt durch d ie Betätigu ngsk raft an Hand- und Fußbrems hebel d ie Stä rke der Bremsung, d ie Steuerelektro nik interpretiert d iese Vorga be du rch eine Mess ung des Drucks und setzt sie in hydrau lische Bremsbetätig u ng um ("b rake-by-wi re"). Die an Hand- un d Fuß bremshebel angesc hlossenen Hydraulikkreise sind im No rmalzu stand mittels Venti len von den Bremss ättcl n abgekoppe lt. Die Signa le der Drucksensore n in d iesen Kre isen werden von der Elekt ronikeinheit verarbeitet und d iese steue rt ent spr echend die Hyd raulikpumpen zu r Druckerzeugu ng an. Dieser Druck beaufschlagt sch ließlich die Radbremssättel. Bild 11.24 zeigt vereinfacht das Grundprin zip, da s hyd raulische Schema ist im Bild 11.25 dargestel lt. Das Bremssystem hat getrennt ausgefüh rte Hyd raulikkreise für Vorder- und Hi nterradbremse. d ie aber - gesteuert von der Elektro nikeinheit - miteinander gekoppelt werde n kön nen. Damit wi rd eine Kombi-Brem se realisiert, mit der bei Betätig ung der Vorde rradbremse das Hinterrad mitgebremst wi rd. Umgekeh rt wird. je nach Stärke der Brem sung und Fah rzu stand fallweise mit der Hinterradbremse auch ei n Brem skolben des vorderen Bremssatt els aktivie rt.
Bild 11.24 Wirkprinzi p des Combined Sports ABS von IIONDA
11 .3 A BS· Komponenten u nd ausgefüh rte Seriensysteme
393
I ______ ___ _ ___ ___ 1
Bild 11.25 Hydraulikschema des Corn bmcd Sports ABS von /fONlJA Hild 11.26 illustr iert die ge naue Beaufschlagung der Bremskolbe n. Bei Betätigu ng des Ha ndbremshebels wird der Bremsdr uck an ftinf der sechs Kolben der vorderen Doppelscheibenbrem se (2 x 3 Kolben) geleitet (grü ne gekennze ichneter Brem skreis]. Die Steuere lektronik g ibt zugleich in festgelegtem Umfa ng Bremsd ruck an die Hinterradbremse. Wird der Fußb remshebel betä tigt. brem st zunächst allein das Hinterrad (roter Bremskreis ). der Druckaufbau für den einen Kolben in der Vorderradbremse wird durch ein Ventil verzögert. Droht eine Radblockade. senkt d ie elektronische Steue ru ng den Bremsd ruck im hint ere n Rad kreis und moduliert ihn entsprechend de n Fahrbahnve rhältnisse n. Zug leich wird je tzt der mittlere Kolben im li nken Bremssattel de r Vorderradbremse mit Druck versorgt.
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Bild 11.26 Beaufsehlagung der Bremskolben beim IIONDA Combiucd Sports ABS
394
11 Regelungssysteme fü r Bremsen und Antr iebsschlupf Indk:aIO, ~
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Bild 11.27 Hydraulikschaltung des 1I0NDA Combincd Sports ASS Hlnterrad _Modulatoreonhalt
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Bild 11.2M I/ONDA Combincd Sports ASS - Gesa mtsystem im Fahrzeug
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11,4 Kurvenbremsurig
395
Diese gezielte je weilige Ansteueru ng von Vorder- u nd Hinterradbremse verfolgt den Zwec k, meh r Stabilität in den Bremsvorga ng z u bringen , gerade auch bei einsetzende r Schlupfregelu ng. Besonders Nickbeweg ungen des Fahrzeugs sollen bei der Bremsurig minim iert werden. Die Druckmodulatio n in den Rad kreisen während einer A BS-Regelu ng erfolgt über entsprechendes Öffnen und Schließen der Ventile in de r Hyd raulik im Zusa mmenspiel mit den Pumpen. Das gru ndsätzliche Funktionsprinzip folgt dem bekannter ventilgesteue rter Systeme, einen detaillierten Schaltplan zeigt Bild t 1.27. Test in Fachzeitschriften be scheini gen dem neuen H ONDA Sport AB S ein exzellentes Bremsverhalten mit sehr guten Verzöger ungswerten. Negativ zu Buche schlägt led iglich das ungewöhn liche hohe Systemgewicht von insgesamt ru nd 10 kg, was im Supersportsegment fast 5% des Fah rzeug-Leergewichts entspr icht. Die Komplexität, Bild 11.28. forde rte hier offenbar seinen Tribut. Vergleichstes ts zu konk u rrierenden Systemen anderer Hersteller. die im Supersportsegment ebenfalls A BS-Neuent wicklungen mit erheblich ge ringe rer Masse einsetzen (R ace A BS VOll BM W mit 2,5 kg), lagen be i Druckleg ung dieses Buches noch nicht vor.
11.4 Kurvenbremsung Entgegen einer weit verbreiteten Meinung sind theoretisch auch bei der Kurvenfah rt des Motorrades hohe Bremsverzögerungen physikali sch möglich. WeideIe g ibt in [ 11 ,4] aufgrund einer Berech nung an. dass die theoretische Bremswegverlängerun g bei Einleitung de r Bremsu ng mit nahezu Kurveng renzgeschwindigkeit nur 60% bet rägt (bezoge n auf eine optimale Bremsung bei Geradea usfah rt). Wird die Kurve, wie von der Mehrzahl der Fahrer üblich, lediglich mit 75% der möglichen Max imalgeschwindigkeit durchfahren (was subje ktiv aber als sehr schnell empfun den wird!), beträgt die Bremsweg verlängerung nur 5- 6%! Den Grund kann man aus dem Kammsehen Kreis (Bild 11.5) ablese n. der zeigt, dass auch bei hohen Seiten kr äften (= hohen Kur veng eschwindigkeiten) hohe Anfangsbremsk räfte bzw. Bremsverzögeru ngen möglich sind. Die abnehmende Ges chwind igkeit erlaubt dann eine rasche Steige rung der Bremsverzögerung während der Bremsdauer, so da ss die Unterschiede zur Ge radeausbrems e ng klein werden. Diese Berech nungsergebnisse und theoretischen Übe rlegungen werden durch Versuche bestät igt. Eine Grenze finden dera rtige Versuchsfahrten durch die sich einstel1enden Fah rwerksreak tionen, auf d ie im folgenden Abschnitt eingega ngen werden soll. Selbstversuche in dieser Hinsicht sollten daher nur mit größter Vorsicht unternommen werden: dennoch wird man über rascht sein, welche Bremsleistu ngen bei konzentrierter Ku rvenfahr t noch relativ ungefährlich verwirklicht werden kön nen. Die Fahrwe rksreaktionen werden durch verschiedene Kraft wirku ngen bei der Bremsu ng verursacht. Ein Hauptfakt or ist das Len kmoment am Vorderrad, d as sich aufg rund des auße rmittigen Angriffs de r Bremskraft bei Kur venfahrt eins tellt. Uild 11.29 zeigt. wie bei Schräglage der Rad aufstandspun kt zur Kur veninnen seite wandert und aus de r Bremsk raft ein Moment um die Lenka chse entsteht. Dieses versucht, da s Rad nach innen einz uschlagen. woraus gemäß der Krei selgesetzmä ßigke iten (vgl. Kap. 10) ein Aufrichten des Motorrades folgt, so dass das Motorrad vom eingeschlagenen Rad ius der Kur ve abweicht und zu m Kurvenaußenrand d rängt. Eine weitere Aufrichtkraft resultiert aus der Schwerpunktverlageru ng zu r Kurveninnenseite und der dort angreifenden Ma ssenträgheitskraft. Zusammen mit de r Abstütz ung de r Bremskra ft im Reifenaufstandspunkt erg ibt sich eine zu sätzliche Kr aft komponente, d ie d as Motorrad
396
11 Regel ungssysteme fü r Bremsen u nd Antr iebsschlupf
\
Reifenaufslan dspunkl Hebelarm
,
,
\
C~
Lenkmoment
Bild 11.29 Lenkmome nt bei der Kurvcnbrcmsung
aufr ichten will. Bei einer kont inuierlichen Brem su ng lässt sich d iesem Aufrichten dur ch entsp rechendes Gegen steuern des Fahrers mit Zug am Lenker noch gut entgegenwirken . Schwieriger wird es be i einer plötzlic h notwend ige n, starken Bremsung, die vom Fahrer eine schn elle Gege nreak tion mit beträchtl ichem Kraftau fwand am Lenker erfo rdert. Selbst konzentrierten. vorbereiteten Fahrern bereitet d ies Schwierigkeiten. Diese werden verstär kt. weil das ruckartig auftreten de Brem smome nt eine zu sätzliche Lenkunruhe ins Fah rzeug einleitet und ein Instabilitätsgefü hl hervorruft. Bei de r AB S-Brem sung im Block ierbe reic h fü hrt d ie schnelle Modulation des Bremsdrucks zu pulsierenden Bremskräft en und Len kmomenten. Dadu rch werden d ie Fahrwerksreaktionen und -u nruhen dann nahezu unkont rollierba r. Bild 11.30 zeigt als Resultat einer rech nerischen Unters uchu ng den Lenkmomentenverlauf über der Querbeschleunigun g (= Schräglage) bei maximaler Vorderra dve rzögerung (Reifen haftgren ze), [1104]. Diese hohen Lenkmo mente ändern sich bei der A BS-Regelung mit steilem G radie nten u nd hoher Frequenz und könn en von keine m Fahrer mehr kompensiert werden. Somit ergibt sich, dass derzeiti ge ABS-Systeme bei der Kur venbremsung kaum einen Siche rheitsgewinn gege nübe r konventionellen, ungeregelten Bremsanlagen bieten. Zwa r bricht die Seitenfü hr ung u nd Krei selst abilisier ung beim Über bremsen des Vorde rra des wegen der Verhinderung des Blockierens nicht mehr z usamme n, dennoch sind die Fah rwerksrea ktionen so g ravierend, dass es zum Sturz kommt. Ein ABS fü r eine sichere Kur venbremsurig müsste möglicherweise, dies lässt sich aus Bild 11.30 leicht ableiten, eine schräg lagen- bzw. qu erbe schleun ig ungsabhäng ige Bremskraft begrenzung für d as Vorderrad aufweisen, um das Lenkmoment und dam it die Fahrwerksre akt ione n auf
11 .5 Antriebsschlupfregelung
150
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397
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10
30
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Bild 11.30 Rechnerisches Lenkmoment aus der Bremsung als Funktion der Schräglage ein beher rschbares Maß zu begrenze n, falls nicht andere Lösu ngen gefunden werden, Um bei Schräglage pulsierende Bremskräfte a m Vorderrad aufg rund eines A BS-Eingriffs sicher zu vermeiden, wären Informat ionen über den tatsächlichen Fahrbahnreibwert wünschenswert. Denn die variable Bremskraftbegrenzu ng wäre sinnvoll. Bei sehr glatter Fahrbahn muss die Begrenzung naturgemäß früher einsetze n als bei hohen Reibwerten. Vorstellbar wäre eine Reibwerterfassung über die A BS-Sensorik des Hinterrades. Bremskraftmodulation am Hinterrad bis nahe an den Blockierbereich ist auch bei Kurvenfahrt fahrdynamisch eher beherrschbar. Probleme ergeben sich jedoch durch die am Hinterrad wirksamen Ant riebseinflüssse. Es sind noch viele grundsätzliche Probleme, aber auch Fragen zur Sensorik zu lösen, bis ein voll kur ventaugliches ABS für Motorräder serienreif entwickelt werden kann . Man könnte auch den Denkansatz verfolgen, die auftretenden Lenkmomente durch geeignete Fahrwerksauslegung oder eine speziell ausgelegte Kinematike zu minimieren oder durch Akt uatoren z u kompensieren (Gegenlenkmoment], bzw. die vom Fahrer aufzubringe nden Kräfte zu verr ingern (Servolenkung). Das größte Problem derartiger aktiver Systeme ist jedoch neben den Kosten ihr großer Energiebedarf, der am Motorrad kaum zur Verfüg ung steht sowie der Bauraum und das Gewicht.
11.5 Antriebssc hlupfregelung Das hohe Drehmomentangebot moderner großvolumiger Motorradmot oren er fordert mehr denn je entsprechende Sensibilität beim Ga sgeben. insbesondere beim Herausbeschleunigen aus Kurven. Ein du rchdrehendes Hinterrad (100% Schlupf) bedeutet - analog zum blockierenden Rad bei der Bremsu ng - den vollständigen Verlust der Seitenführungskraft und damit ein seitliches Ausbrechen des Rades. In Schräglage führt dieses unweigerlich zum Stu rz. Das hohe Haftvermögen moderner Reifen in Kombinat ion mit er stklassigen Fahrwerken hat dazu geführt, dass heute selbst bei Nässe hohe Kurvengeschwindigkeiten und entsprechende Schräglagenwinkel möglich sind. Umso höher ist dam it das Gefährdungspote nzial, wenn durch z uviel .Gasgeben" am Kurvenausgang das Hinterrad plötzlich durchdreht und Seitenhaftung verliert,
398
11 Regelungssysteme fü r Bremse n u nd Antr iebssc hlupf
zumal u nterschied liche Fahrbah nbeläge u nd damit wechsel nde Griffi gke il des Unterg rundes be i Nässe nur schwer zu erkennen sind. Auc h routinierte Fahre r können von solchen Situationen überfordert sein. Elektro nische Ass istenzsysteme z ur Beg renzun g u nd Regelung des Antriebsschlupfes ("Traktion skontrolle" ) sind hier eine wirk ungsvo lle Hilfe, die den Fahrer unterstützen un d d ie Siche rheit erhöhen. BM W bietet ein derartiges System unter der Bezeichn ung ASe (Automa tie Stability Comrol) seit 2006 in allen Motorräde rn de r Boxer-Baureihe sowi e in seinen Vierzylinder-Modellen an. Das System nutz t dabei die vorha nde nen ASS-Sensoren zur Dreh zahl erfassung und erken nt über d ie Änd erung der Drehwinkel geschwindigkeit des Hinterrades und einen Drehzahl vergleich zu m sch lupflosen Vorderrad einen plötzlichen An stieg des Radsc h lupfes. ü ber eine Vernetzun g der ABS/ASC-Elektronik mit dem elektroni schen Motormanage ment wir d dann da s Motord rehmoment autom atisch und ohne fa hrereingr iff beg renzt und damit ein Du rchdrehen des Hint errades verhindert. Der Eingriffzur Redu zierung des Antriebs mome ntes erfo lgt dabei in me hrere n Stufen. Ist der abzuregelnde Drehm omentüb erschuss nur klein , wird zunächst der Zündze itpun kt in Richt ung "s pät" ges tellt. Damit sinkt die Dr ehm omentab gab e des Motors. Reicht das n icht aus , wird d ie Eins pritz ung - zunächst für einen Zylinder - in best immt en Zeitintervallen ausge blendet. Gibt der Motor immer noch überschüssiges Drehmoment ab, wird im Zusammenspiel mit eine r Zündu ngsr ückn ahme die Einsprit zun g weiterer Zyli nder ausgeblendet, bis de r Hinte rradsch lupf auf ein verträg liches Maß abgese nk t ist. Die Abschaltung der Einspr itzung wechselt dabe i zw ischen de n Zylindern nach eine m festgeleg ten Muster, um ein Auskühlen einzeln er Zylin der z u verhindern und g leichmäßige Abgas tempe rat uren sicherz ustellen. Diese Ar t der Regelu ng ist besonders schnell und feinfühlig, so dass Fahrkomfort und Dynamik nur geringfügig beeinträchtigt werden.
Bild 11.31 zeigt schematisch das Pri nzip dieser Drehmomentregelung. Für den neuen Supers po rtler SIOOORR hat BMW die Antriebssc hlupfregelung zu einer ech ten dynamischen Traktionskontrolle weiterentwic kelt (DTC , Dynarme Trac tion Co ntrol), d ie z um einen die Fahrsicherheit erhöht, gleichze itig abe r auch den An sprü chen sportlicher Fahr er bis hin zum Einsa tz auf Renn strecken gerec ht wird . In vier verschiedenen, ei nstellbaren Modi lassen sich d ie Regelung und d ie Eingriffgr enzen an d ie Strec ken, die Witterungsverh ältnis se und d ie Fahrerwün sche anpasse n. Im .Ra inv-Modu s erfolgt der Regelei ngriff früh und weit vor Erreichen der realen Haft g ren zen , so da ss auf nasser Fahrba hn ein sehr hohes Maß an SicherBrenngrenze Bauleilschulz
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Bi ld 11 .31 Drehmomentmanagement
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11 .5 Antriebsschlupfregelung
399
heit mit entsprechenden Reserven gewährleistet wird. Der .SporrvModus für trockene La ndstraßen regelt entsprechend später und erlaubt sportliches Herausbeschleunigen aus Kurven mit einem gewissen Schlupf, oh ne die Gefahr eines ausbrechenden Hinterrades. Der .Race''- und "Slick". Modus ist abgespe rrte n Rennstrecken vorbehalten und ber ücksichtigt das bess ere Haftu ngsvermögen von Sport- bzw, profillosen Reifen. Hie r ist der Regelungseingr iff bis nahe an die wirkliche Haftungsg renze verschoben und ermög licht Profis das Fahren im Grenzbereich mit höhe ren Schlupfwerten. Um das zu ermögliche n ist das System mit einem Schräglagensensor ausge rüstet. Zudem wi rd fü r d ie Drehmo mentregelung neben der Bee influssung des Zündwinkels auch in die Drosselklappenstellung eingegr iffen.
Karosserie und Gesamtentwurf 12 Design, Aerod ynamik und Ka rosserieauslegun g Mittlerweile wird auch bei Motorrädern der aus dem Automobilbereich entlehnte Begri ff Karosserie als Sammelbezeichnung für die Baugr uppen Verkleidung, Kotfl ügel, Abdeckungen, Seitenverkleidung Sitzban k. Tan k, Fußrastena nlage und Lenker verwendet (vgl. Kap. 1.3). Die Karosserieauslegung ist sehr eng sowohl mit der Aerodynamik als auch mit dem Design verknüpft. Der Designeinfluss gehl allerdin gs über die Karosserieumfange weit hinaus. Das Design bestimmt nicht nur wesentlich die Entw urfsphase eines neuen Motorrades, das Design spielt eine zent rale Rolle in weiten Teilen des Entwicklungsprozesses. Wegen der sichtbaren Techni k ist die Vernetz ung zwisc hen Techni k und Design beim Motorrad soga r teilweise enger als beim Automobil.
12.1 Design als integraler Bestandteil der 1\1otorradentwicklung Das Desig n ist von elementarer Bedeutung für den Mark terfolg von Motorrädern . Kaufentscheidungen werden zu einem bedeutende n Teil emotio nal gefällt, über Gefallen und Nicht-Gefa llen entscheidet wese ntlich der visuelle Eind ruck. Durch die Formensprache wird das Motorra d position iert, sie ist darüb er hinaus auch Ausdruc k der Ident ität, des Anspruches und des Selbstverständni sses des Herstellers, Bild 12.1.
Bild IZ.l DUCATl 998
402
12 Design , Aerodynamik und Karo sserieausleg ung
Beim Design geht es nicht allein um Ästhetik und Eleganz im Sinne von vordergründigem "s chönen Aussehen". Ein gelungenes Design steht fü r e ine Botschaft und ein Versprechen, das natürlich durch die Techni k und die Eigenschaften erfüllt werden muss. Die BMW R 1200 OS ist ein sehr gutes Beispiel dafür. Bild 12.2. Dieses Motorrad wurde im Gewicht gegenüber dem Vorgänger modell um rund 30 kg reduziert und hat zusammen mit der auf74 kW (100 PS) gesteigerten Motorleistung enor m an Dynamik und Agilität gewonnen, die bereits im Stand dur ch das Design zum Ausdruck kommen soll. Im Heckbereich wurde beispielsweise darauf geachtet, dass dieser transpa re nt wirkt. was dur ch eine opt isch und auch physisch leichte Gitterrohrrahmen-Struktur des Heckra hmens erreicht wurde. Andererseits soll der Anspruch von BMW aufhöchste Kompeten z im Großenduro bereich sichtbar werden. Die opt ische Betonung und Hervorhebung der techni schen Innovationen (z.B. beim
ßi ld 12.2 BM W R 1200 G5
12.1 Design als integ raler Bestandt eil der Motorradentwic klung
403
Leichtbau-Paraleve r) tragen dazu ebenso bei wie de r dom inante Frontbereich mit der Tankverkleidun g im Materia lmix aus Kunstoff und Aluminium und den außergewöhnlich gestalteten Seite ncovem . Der Desig nprozess als Bestandteil der Motorrade ntwick lung umfa sst aber weit mehr, als nur die Formgebung von Baute ilen. Desig n muss immer die technische Funktion berück sicht igen und darf diese nicht einschränken. Auch ein hoch emotionales Produk t wie da s Motorrad findet keine Ak zeptanz, wenn zugunsten des Aussehens d ie Funktionen spürbar leiden. Im Idealfall unterstützt da s Desig n die Funktion. Die g riffige Formulierungfimllfollowsfunction beschre ibt dieses enge Ineinanderg reifen von Funktion und Formgebung. Sie besagt, dass letztlich die Funktion die Ge sta ltung bestimmt und d ie Form d ie Funktion hervorhebt. Dafür finde n sich prägnante Beispiele ebenfalls bei BMW Motorrädern. Das Karosserieelement über de m Vorderrad der Boxer-Gs. oft als "Schnabel" bezeichnet, wirkt nicht nur als Sch mutzsc hutz nach oben. er leitet auch gezielt die an ström ende Luft z um Ölkü hler, der unterhalb des Schein werfers angeo rdnet ist, Bild 12.3. Zugleich präg t die Form dieses Bauteils das Erscheinu ngsbild. Es war schon beim ersten GS · Modell mit vierve nt ümotor, der R 1100 GS in 1994, das ma rke n- und mod ellspezifische Erken nungsmerkma l d ieser Groß-Enduro. Es ist ein Stilelement. das in jeder neu en Modell generation de r GS in modifi-
/
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Biltl 12,3 Frontbcreich der ßMW R 1150GS Adventur e
•
404
12 Desig n, Aerod ynamik und Karosserieausleg ung
Bild 12.4 Frontbereich als Wiedererkennung smerkm al innerhalb der BMW OS-Famili e
zierter Form weitergefü hrt wird un d das Verbindungsg lied in nerhalb der GS-Fam il ie fü r alle Modelle bildet, Rild 12.4. Auch bei mechanischen Bauteile n. deren Form ausschließlich von de r Technik bestimmt zu sein scheint. greifen Gestaltung und techn ische Anforderunge n eng ineinande r. Die Hinterradschwinge mit dem Hinterachsgetriebe der BMW K 1200 S. Bild 12.5. ist eine gelungene Synthese aus eleganter Fo rm, d ie Leichtig keit ausstrahlt. und per fekte r Funktion. Die hocho vale Formgebung lässt die Schwinge schlank erscheinen, sie redu ziert das Gewicht und gibt zug leich da s erw ünschte hohe Widerstand smoment gegen d ie Biegebe an spruchung in der Hauptkraftr ichtung. Das hoh le Achsroh r im Hinterachsgetriebe trägt zur Gewichtsredu zierung be i und sorgt zug leich aufg ründ seiner g roßen Oberfläche für eine gute Wär meabfuhr aus de m Getriebe. Beides sind per fekte Beispiele für ein gelungenes Zusa mmenspiel von Technik und Design u nd techn ischer Äst hetik .
12.1 Design als integraler Besta ndteil der Motorra dentwicklung
405
Bild 12.S Paralever und Achsanmob der BMW K 1200S
Im Produktenstehungsprozess stehen ganz zu Anfang Designskizzen. Sie sind zun ächst Ausdruck einer Vision, die der Designer von dem neuen Fahrzeug hat, wenn dessen technische Inhalte lediglich in sehr groben Umrissen festgelegt sind. nild 12.6 3 und t2 .6b. Diesen Entwürfen muss nicht einmal ein konkr et formulierter Entwicklungsauftrag zugrunde liegen . Designer werden auch für das Vorausdenken bezahlt, es ist ihre Aufgabe. sich permanent mit Richtungen und Zeitströmungen zu beschäftigen und dieses wird in Form von Ideenskizze n und Designlin ien für eventuelle zukünftige Motorräder umgesetzt.
Bild 12.b a Designskizzen fü r Sport- und Supersportmotorräder von BJ1W
406
12 Design , Aerod ynamik und Karosserieausleg ung
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Bild 12.6 b Designskizzen fü r Sport- und Supersportmotorrä der von IlM W
Wenn d ie g runds ätzliche Entscheidung fü r ein neues Moto rradmodel l getroffen wurde, wird in den nachfolgende n Entw ürfen be reits da s technische Konzept mehr und mehr berü cksichtigt. Die Skizzen werden konkreter und die enthaltenen Designmerkmale gestalten sich zunehmend realisierbarer, Uild 12.7. Diese Sk izzen werden wahlweise auf Comput er-Workstat ions mit spez iellen, auf d ie Anforderu ngen von Designern z ugeschnitte ner Soft ware erstellt oder auch konventionell auf Papier. Die Kunst dab ei ist, da ss in die ser Phase der Real isierung die ursprüngl iche Vision nicht verlore n geht oder bis zur Unkenntlichkeit verwässert wird. Dieses bedeutet hä ufig ein hartes, aber letztlich konstruktives Ringen mit de n be teiligten Ingen ieuren. Das Fahrzeug-Gesamtkonzept wird dab ei begleitend in ein em Projekttea m aus Designern . Ingenieuren, Marketingexper ten und Kaufleuten form uliert und Schritt fü r Schritt konkretisiert. Die weiteren Ausarbeitungen münden dan n schließlich in ein sogenanntes Rendering (zweidi men sional) auf Papier im Maßstab 1:1, Bild 12.8. Dieses berüc ksichtigt schon da s Package, also sämtliche techni sche Gegebenheit en, wie sie für das spätere Fahr zeug vorgesehen sind im richtigen Größen verhältnis, und lässt damit eine weitere Beurtei lung auch der realen Prop orti onen zu.
12.1 Design als integraler Besta ndteil der Motorra dentwicklung
Biltl 12.7 Designskizzen mit Ber ücksichtigung des Technikk onzeptes
407
408
12 Desig n, Aerody namik und Karo sserieausleg ung
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8 ild 12.8 Rendcring für ein späteres Sportmotorrad von B1I1W
Der nächste Schritt ist dann die Herstellung eines d reidimensionalen Design modells. das entwede r in verkleinertem Maß stab oder im Maß stab 1:1 aufgebaut wird. Es besteht aus einem Unterbau aus Holz und Metall auf den in d icken Schichten ein spez ieller Ton aufgetragen wird. Aus d iesem Ton wird dann die Oberflächenform aller Karosserie- und anderer sichtbarer Teile herau sgearbeitet. Dieses geschieht in aufwändiger Handarbeit. Der Designer kann also während der Model iierung noch Modifikationen vornehmen. Für wirklich perfekte Proportionen, harmon ische Formen und Überg änge ist die in der Realität wahrgenommene Dreidimensionalität sow ie das Zusammenspiel von visueller Beurteilung und Formgefühl während der Modellienm g von Hand noch nicht ersetzbar. Das Arbeiten in einer virtuellen Umgebung mit Hilfe von Co mputern stellt aktuell eine Hilfe und ein unterstützendes Werkzeug dar. Möglicherweise ändert sich dieses bei de r nächsten Desig ner-Gene ration. die von Kindesbeinen an mit Computern aufgewachsen sind. Es bleibt jedoc h abzuwart en, ob d ie komplett virtuelle Designentwicklung im Computer tatsächlich das g leiche Qualitätsniveau erzielen ka nn. Die Tonmodel le kön nen in unterschiedlichem Perfektionsg rad erstellt werde n. Das endgültige Modell zur Designentscheidu ng und Designfreigabe wird auf dem realen Fahrgestell und mit dem späteren Antriebsstrang aufgebaut. Es enthält deta illiert sämtliche Oberflächendetail s wie beim späteren Serienmotorrad. einschließlich de r Lage von Trennfugen oder Durchbrüchen in der Verkleidung. Bild 12.9. Um nicht auf d ie reale Fertigstellu ng von Motor- und Fahrgestell-
12.1 Design als integ raler Besta ndteil der Motorradentw icklung
."
Bild 12.9 Tonmodelle DUCATI 999 (oben) und IJMWSIOOO RR (unten)
409
410
12 Desig n, Aerody namik und Karosse rieauslegung
bauteilen warten zu müssen, bedient man sich zunehme nd spezie ll a ngefertigter Kunststo ffteile (rapid prototypi ng, vgl. auch Bild 12.10). Diese Bauteile werde n in einem speziellen Laser-v erfahren (Stereo-Lithographie) di rekt anhand der Konstruktionsdaten (CA D·D atensätze) erzeug t und entsprechen in Form und Abmessungen haargenau den späteren Senenteilen. Zur endg ültigen Beurteilung kann das fertige Tonmodell da nn noch mit Lackfolien überzogen werden, die nahezu perfekt den Eindruck eines lackierten Motorrades erze ugen.
Bild 12. 10 Dreiachsige Koordinatcn-Mcssmaschinc zum Abtaste n von Prototypenaufbauten
12.2 Aerodynamik und Verkleidungsauslegu ng
411
Nach der endgültigen Verabschiedu ng des fertigen Designs (design-freeze) wird schließlich das Tonmodell in einer spez iellen Messmaschine in allen drei Raumrichtungen geometr isch abgetastet. Bild 12.10 zeigt eine solche Messmaschine bei der Vermessung eines Prototypenaufbaus (hie r nicht Designmodell). Die so gewonnenen Datensätze der Raum koordi naten, das sogenannte Datenmodell, bildet die geometrische Gr undlage für die weiteren Prozessschritte der Serienentwicklung aller Karosserieteile. Aus diesen Datensätzen werden beispielweise die Fräsdaten für die Erstellung der Werkzeugfor men der Kunststoffteile wie Verkleidung, Seitendeckel. Tankabdeckung usw. gewonnen. Neben der Designbeur teilung dienen Tonmodelle auch ersten Untersuchungen im Windka nal. Dadurch sind bereits in einem frü hen Stadium die aerodyna mischen Kennwerte beka nnt und Veränderungen können relativ schnell und kostengünstig vorgenommen werden. Die aerodynamische Verkleidungs- und Karosserieentwick lung erfolgt jeweils in enger Zusamme narbeit mit den Designern und das endgültig verabschiedete Designm odell erfüllt dann weitestgehend bereits die Vorgaben hinsichtlich Aerodynamik und Wetterschutz.
12.2 Aerody na mik und Verkleid ungsauslegung Die Aerodynamik spielte in den vergangenen Jahrzehnten bei Motor rädern lediglich im Rennsport eine Rolle. Dort jedoch reichen die Versuche und die Umsetzung intuitiv gewonnener Erfahrungen weit zurück. Ernst Jakob Henne stellte seinen absoluten Geschwindigkeitsweltrekord von 1937 (dieser halte 14 Jahre Bestand) mit 279,4 km/h mit einem vollverkleideten. aerodynami sch optimierten BMW Motorrad auf, Uild 12.11. Ohne die windschlüpfrige Verkleidung wäre es bei den damali gen Motorleistu ngen niemals möglich gewesen, eine derar tige Geschwindigkeit zu erreichen.
Bild 12.11 BMW Weltrekordm aschine von Ernst Jakob Henne, 1937
412
12 Design , Aerod ynamik und Karosserieausleg ung
Bild 12. 12 Vollverkleidete BMW R 100 RS, 1987
Im Serienmotorradbau wurde die Aerody na mik hingegen selbst nach Begi nn de s neuze itlichen Motorradb ooms vernachlässigt. Der Fahrtw ind wurde als naturgegebener Besta ndteil des Moto rrad fahrens gewertet, Verkleidungen wurden lediglic h von Zubehörfirmen angeboten und nur von einer kleinen Gr uppe von Tou ren fah rern und für Behördenmotorräder eingesetzt. Noch bis weit in die 70er Jahre blieben verkleid ete Motorräder die Ausnahme, obwohl d ie Leistunge n der g roßvolumigen a -Zylinder-Motoren be reits übe r 60 kW bet rug und Geschwind ig keiten über 200 krn/h zu ließen. Mit verbesserten Fahrwerken kam dann aber der Wunsch auf. die möglichen Geschwindigke iten auch auszufahren und damit die Notwend igkeit einer Verkleidung. die den Winddruck vom Fahrer nim mt. BMW war 1978 der erste Motorradh erstel ler der Welt. der mit der R 100 RS eine vollverkleidete Masch ine anbot, dere n Verkleidung komp lett im Wind kanal entwickelt und von Begin n an in die Entwic klung mit einbezoge n worden war, Bild 12.12. Erst Jah re später zogen andere Hersteller nach. Heute gehören Verkleidungen zum Motorrad, ihre Auslegung ist von Beginn an Bestand teil de r Gesamt entwicklung des Fahrzeugs. Nicht nur d ie Entlastung des Fahrers vom Windd ruck spielt eine Rolle, längst macht man sich die aerodynami schen Kräft e - wie beim Auto - gezielt zu r Verbess eru ng der Fahrstabilität bei hohen Geschwindi gke iten zunu tze (Auftriebsred uzieru ng). Zunächst denkt ma n im Zusammenhang mit Aerodynamik an den popu lären c",-Wert. der die Strömungsg üte von Fahrzeugen in Längsrichtung kennzeichn et. In der Tat ist dies eine sehr wichtige Kennzahl, beeinflusst sie doch in entscheidendem Maß e den Fah rwiderstand des Motorrades im oberen Geschwindigk eitsbereich. vgl. Kap. 2. Abe r auch andere, aus der Luftströmung resultierende Kräfte, sind bedeutsam , Bild 12.13 gibt Aufschluss über die wichtigsten aerody namische n Kräfte am Motorrad.
12.2 Aerodynamik und Verkleidungsauslegu ng
413
z
Fx - Luftwiderstand (c,J Fz
- Auftrieb (Cz)
Mz - Giermoment My - Nickmoment Der Seitenwindeinfluss (Kraltkomponente Fy und Moment Mx) kann mittels Schr:lganstrOrrung zus:llzlich gemesse n werden.
Bild 12.13 Aerody namische Kräfte am Motorrad
Die Längskra ft F x entspricht dem Luftwiderstand, der entsprechende Formbeiwert wird heute meist als cx-Wert (früher c",-We rt) bezeichnet. Der Zusammenhang zw ischen dem Formwert und dem Luftwiderstand wurde schon in Kap. 2 dargestellt und soll hier noch einmal kurz wieder holt werden. Fx =cx ' A -+ c x =Fx /A
(12- 1)
A Frontfläche des Motorrades (Querspantfläche bzw. Projekt ionsfläche)
Die Querkraft F y hat Bedeutung für die Seitenwindempfindlichkeit; sie wird im Windkan al mittels Schräganströmung des Motorrades ermittelt. Für die Fahrstabilität haben die vertikalen Kräfte große Bedeutung. Üblicherweise werden diese Kräfte für Vorder- und Hinterrad getrennt betrachtet. Vertikalk räfte entstehen bei der Längsanströmung des Fahrzeugs aufgrund der Strömungsgesetze. Auf diese soll nachfolgend kurz eingegangen werden, um die Entstehung der Kräfte besser verstehen zu können. Der Energiegehalt einer Gasströmung wird gekennzeichnet durch ihre Strömungsgeschwindigkeit w und ihren statischen Druck p. Die Energie ist längs der Strömungsrichtung konstant, wenn keine äußere Energiezufu hr stattfindet. Die zugehörige Gleichung (Bernoulli-Gleichung) lautet:
E = p + p /2 . w 2 = const.
(12-2)
p Dichte = const.
Damit ist die Bernoulli-Gleichung nur eine spezielle Formulierung des physikalischen Grundgesetzes der Energieerhaltung. Praktisch angewendet bedeutet die Bernoulli-Gleichung, dass der Druck in einer Strömung abfallt, wenn die Geschwindigkeit z unimmt, und umgekehrt.
414
12 Design , Aerodyna mik und Karosserieausleg ung
Das zwe ite physikalische Grundgesetz, das auf die Strömung angewendet werden muss, ist der Satz von der Erhaltu ng der Masse. Er bedeute t, da ss bei einem beli ebigen Prozess innerhalb der betrachteten G renzen keine Masse verloren gehen kann ode r hi nzuk om mt. Für die St römun g lautet eine abgewa ndelte Form dieses Gesetzes (Kontinuitätsg leichu ng) : (12-3)
~
~ = Az u'2 Al
(12-3,)
Der Volumenstrom (bei un veränderlicher Dichte p dam it auch die Ma sse) in einer Strömung bleibt konstant, d.h . die Strömu ngsges chwind igkeite n verha lten sich umge kehrt zueinander wie die Que rschnitte. Wir wenden je tzt diese Grundgleichungen auf da s Motor rad in einer Luftströmung an, Bild 12.14. Die Strömung und d ie jeweiligen Luftteilchen seien dur ch die Pfeile (Stromfäden) symbolisiert. Durch die Qu erschnitte der ungestörten Strömung vor dem Motor rad (A J) und hinter dem Motorrad (A2) muss das gleiche Luftvolumen hindurchströmen. Daher müssen alle bet rachteten Luft teilch en g leichze itig am Quersc hnitt A2 ankom men. Da aber die Luftteilchen oberha lb der Verkleidung aufgrund der Umst römu ng der Verkleidungsscheibe u nd des Fahrers einen längeren Weg zurückz ulegen haben . müssen sie enstprec hend schneller strömen. Die Luftströmung oberhalb der Verkleidung wird also beschleu nigt. Nach der Bern oulli-Gle ichung bedeut et d ies einen Dr uckabfall. Oberhalb der Verkleidun g herrscht damit ein geringerer Druck als unterhalb.
v
Bild 12. 14 Luftströmung am Motorrad und Entstehung des aerodyna mischen Auftrie bs
41 5
12.2 Aerodynamik und Verkleidungsauslegu ng
Die Folge ist eine Kraft nach oben. also ein aerodynamischer Auftrieb, der die Radlasten verringert und das Motorrad ausfedern lässt. Dies ist in der Regel unerwünscht, da eine Radlastverringerung die Fahrstabilität vermindern kann . Auch die vom Rad übertragbaren Kräfte werden herabgesetzt, was sich auf die möglichen Bremskräfte (Bremse n aus hoher Gesc hwindigkeit) und die Seitenkräfte (Hochgeschwindigkeitskurven) negativ auswirkt. Gru ndsätzl ich sollte also eine Verkleidung so gestaltet sein, dass der Auftr ieb möglichst gering wird. bzw. sogar ein Abtrieb, d.h. eine Radlasterhöhung erzeugt wird. Generelle Gestaltungsregeln lassen sich aber wegen der Vielfalt der Einflüsse und Effekte nur schwer angeben. Bild 12.15 zeigt beispielhaft für einige Baugruppen und Anbauteile am Motorrad die Einflüsse auf den Luftwiderstand . Wie im vorigen Kapitel bereits angemerk t. hängen Karosser ieentwicklung und Aerodynamik naturgemäß sehr eng zusammen. Es muss während der Motorrad entwick lung ein Kompromiss aus niedrigem Luftwiderstand. ausreichender Motorküh lung und Forderu ngen nach gutem Wind- und Wette rschutz gefunden werden . Die optimale Verkleidungsform wird experimentell im Windkanal, Bild 12.16. untersucht. seit neuester Zeit mit Unterstützu ng komplexer Berechnungsmethoden. die es im Vorfeld gestatten. schon den Konstruktionsentwurfströmungsgü nstig zu gestalten. Es wird im mer der Kompromiss zw ischen niedr igem Strömungsw iderstandsbeiwert und geringem Auftr ieb gesucht
L\f;r.
Baufell
cw-we rt
Yonlerradve rk1eidung
+
+
2
Seitenverkleidun g mit voller FahrerBeinahde cku ng
+
+
3
Motoruntcrvcrk1cidung
+
+
4
Hcckscitcuvcr kleidu ng
+
0
+
5
Hcc kab dcckung
+
0
+
6
Rück spiegel
7
Abriss kante Verkleid ungsscheibe
+
fnml fläc hl'
Ccs amta cswirk u ng
+
Der Einflu ss jeder Einzelmaßnahme auf den Luftwi der sta nd liegt etwa im Bereich von 0 ,01- 0,025 (c". . Al Bi ld 12.15 Einfl ussfakto ren auf den Luftwide rstan d
416
12 Design , Aerody namik und Karosse rieaus legung
Bild 12.16 Ström ungsunte rsuchungen im Windkanal
(Auft riebsbeiwert Cl )' Den n Auft riebsve rminder u ng, bzw. Abtriebse rzeug ung be deutet häu fig eine Versc hlechteru ng des Strömungsw iderstandes . da ja durch e ine gezielte Strömungsu mlenkung Kräfte erzeugt werde n. Es d arf abe r nicht vergessen werden, dass die Lufts trömung auch a m unverkle ideten Motorrad eine n Auftr ieb erzeugt. Es ist u nmittelbar einsichtig, dass eine Verkleidu ngse ntwicklung immer den Fah rer u nd möglichst auch de n Beifah rer mit einbez iehe n muss. Das beso ndere Problem ergibt sich aus den u nterschiedl ichen Sitz positionen. Körperhaltungen und Körpergrößen, die die verschiedene n Fahrer/Beifahrer einneh men . Man versucht sich durch eine festgelegte Norma lpos itio n, die vom üb erwiegenden Teil de r Fahrer eingenommem wird, zu behelfen und unt ersucht zusä tzlich definierte Abwe ichunge n da von. Besonders schwierig wird es dan n, wenn auc h ak ustische Effekte (Lautstärke im Helm ) unte rsuch t werden sollen, weil sich hierbei schon kleine Abweichungen überproportional bemerkbar machen , wie sich im Selbstversuc h leicht feststellen lässt. Die Fahrerentlastung vom Winddruck ist neben de m Kom fortgewi nn auch ein Sicherheitaaspekt. Sich dem Winddruck be i einer u nve rkleidete n Masc hine e ntgege nz ustemm en beansprucht Kra ft, woru nter letztlich d ie Konzentra tion und da mit längerfristig auch d ie Fahrs icherheit leidet. Die erhebliche Muskelan spa nnung verhinder t eine u nverkrampfte Lenk erf ühru ng. was sich nachteilig auf das Fahrverhalten und d ie Fahrpräzision ausw irk t.
417
12.2 Aerodynamik und Verkleidungsauslegu ng
Der im letzten Absatz bereits angesprochene Aspe kt der Geräuschbelastung des Fahrers gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die Luftströmung am Helm beim unverkleideten Motorra d induziert Ge räuschpegel am Ohr, der den als hörschädigend geltenden Grenzwert von 90 dBA schon ab 100 k m /h deutlich überschreitet. Hier kan n eine entsprechend gesta ltete Verkleidung Abhilfe schaffen und hier ist sicher noch nicht alles Entwicklungspotenzial ausgesc höpft. Eines der Hauptprobleme ist die unterschiedliche Fahrerg röße. So empfinden viele Fahrer den Geräuschpegel gerade a m verkleideten Motorrad als besonders laut, weil sich ihr Kopf genau im Turbolenzbe reich der Verkleidungsscheibe befindet. Höhenverstellbare Scheiben, wie sie einige Hersteller inzwischen sogar mit elektrische r Betätigung anbieten, Bild 12.17, sind hier eine gute Lösung. Forschungsergebnisse der letzten Jahre am Helm zeigen weitere Verbesserungsmöglichkeiten auf [12.1 ].
Bild 12.17
Höhenverstellbare Vcrk1cidungsschcibc an der BMW K 1200 GT
41 8
12 Design , Aerod ynamik und Karosse rieauslegung
12.3 Fahrerplatzgestaltun g und Komfort Die wirklich ergo nomische Ges taltung des Fahrerp latzes und systematische Untersuchungen dazu sind beim Motorrad wenig ausgeprägt. Dabei trägt eine entspannte Sitz position zur Wahru ng de r Konzentration bei und erhöht dam it d ie Fahr sicherheit. Die VersteIlbarkeit de r Sitzposition - beim Automobil seit Jahrzehn ten eine Selbstverständl ichkeit - wäre ebenso wünschenswert wie die individuelle EinsteIlba rkeit von Lenke r und Bedienelementen . Aber nur wenige Hersteller bieten überhaupt etwas Derartiges an. BMW war de r erste Hersteller der mit de r Vorstellung der neuen Boxer-Bau reihe im Jahre 1992/93 eine Verstellung von Sitzbank und Lenk er in die Serie ein führt e. Dieses sogenar mte Ergonomiepaket ermöglicht d ie individuelle Anpassu ng der Lenker- und Sitzposit ion (inkL Sitzhöhe) an d ie Fahrerbedü rfnisse. Mehr als 10 Jahre z uvor wurde n bei der Entwicklung der K·Baureihe Ergonomiestudien für die Betätig ung vo n Schaltern und Lenkerarmaturen erstellt, d ie 1983 in entsprechende Gestaltung dieser Bedienelemente einflossen und bis heute verwendet werden, Bild 12,18. Allerd ings sind die erarbeiteten Lösungen dazu nicht unum stritten, fordern sie doch wegen ihrer völlig von anderen Motorrädern abweichende n Bedienung eine gew isse Eingewöhnung. Ist d iese aber erfolgt. erschließt sich sofort d ie Sinnfällig keit dieser Bed ienung.
Bild 12.18 Lenkerarmaturen. BM W K [200 S. Die Bedienung der Blinker erfolgt an der linken und rechten Lenkerarmatur durch Drücken. Die Rückstellung erfolgt rechts.
Individualisierung 13 Zubehör, Spezialteile und technische Verfeinerung Motor räder haben heute ein en exzel lenten technischen Stand und das Angebot an Serienmotorrädern ist so vielfältig wie nie zu vor. Dennoch besteht weiterhin der Wunsch nach einer Individualisieru ng der Fahrze uge, wobei seit ei nigen Jahren die optische Aufwertung des Fahrze ugs und die Anpassung an spezielle Einsatzzwecke dem klassischen Tuning mehr und mehr den Rang ablaufen. Es g ibt m itt lerweile ein sehr großes A ngebot an Zubehör u nd Spezialausrü stu ng. bei de m fast kein Wunsch u nerfüllt bleibt. Techn ische Verfeinerung oder ergonomische Anpass u ngen des Fahrzeugs, d ie in einer Serienfertigu ng aus Stiic kzahl-, Kosten- oder produkt io nstec hni schen G rü nden nicht umgesetzt werde n ka nn , erfreuen sich großer Beliebtheit. Motorradunt emehmen, wie zu m Beispiel Hartey -Da vidson oder BMW Motorrad offer ieren allerdings traditionell bereits u mfa ng reiches eige nes Zubehör entwede r ab Werk oder zu m Nachrüsten, und für Supe rsport moto rräder g ibt es teil weise werksseitige Rennk its und Spez ialteile. Auf die se Produk te der Motorradhersteller soll im vorliegenden Kapitel aber nicht eingega nge n werde n, es wird stattdessen auf die entsprechenden Kataloge oder Internetseiten de r Firmen verw iese n. Im Rah me n dieses Buches soll ein Überblick über die Produktpalett e der herstelierunubhdngige n Unternehmen gegeben werden. Wenn Firmen genan nt werden, dienen d iese lediglich als Orientieru ng und repräsentative Beispiele; dieses Buch kan n und will nic ht einen Anspruc h auf Vollstä ndigke it erhebe n.
13.1 Verbesserungen und Spezialteile für Motor und Antr ieb Das früh er bel iebte Tuning zur Steigeru ng der Motorleistu ng. verliert z unehme nd an Bedeutu ng. Der hohe Stand der Motorentechn ik und immer strengere gesetzliche Vorschrifte n bezü glich Abga s- und Ge räuschemission setze n hier mittle rweile enge G renze n, wenn das Motorrad zulass ungsfähig bleiben soll. Gr unds ätzliche Hinweise zum Motorentuning finden sich in Kapitel 5. In diesem Abschnitt geht es um techn ische Verfei nerunge n und die A npassurigen im Antrie bsst rang für besondere An forderun gen.
Bild 1.'.1 Umbau eines Zylinderkopfes die Doppelzünd ung
ruf
420
13 Zubehör, Spezialteile und technische Verfeinerung
Besonders bei älteren Fahrzeugen ergeben sich eine Reihe von Möglichkeiten für Verbesse rungsma ßnahmen . So bietet beispielsweise die Firma WÜDO aus Dortmund für d ie VierventilBoxerm otoren von BM W Umbausätze auf Dopp e/z ündung an. um das Fahrverhalten im nied rigen Last- und Drehzahlbereich zu verbesse rn, Bild 13.1. Ein derartiger Umbau kan n sich da nn lohnen, wenn er im Rahmen e iner ohnehin fälligen ZylinderkopfU berholung durchgeführt wird. Luftfi lter und Saugan lage
Modifikatione n der Sauga nlage u nd des Luft filters d ienen mehren Zwec ken. Ver sprochen wird oft eine Steigerung der Motorleistu ng. wen n der Durchflussw iderstand des geä nde rten Luftfilters verringert wu rde und dadur ch mehr Luft in den Motor gesa ug t werden kann. Durch eine Anpassung der Einspritz ung bzw. eine "fette re" Vergasereinstellung könn te dann (theoretisch) eine gew isse Mehrleistun g e rzielt werden . Das gilt aber nu r dann, wenn der Luftfilter tatsächlich eine Drosselstelle in der Sauga nlage da rstellt. Oft ist der Dur chflusswiderstand moder ner Trocken-Luftfilte r (Papierei nsätze j bei Serien motorrä dern so klei n, da ss durch einen Tausch keine spü rbare Mehrleistung erzielt wi rd. Der Effekt muss im Einzelfa ll beurteilt werden . Sehr bekannt ist d ie kalifornisehe Firma K&N Engineering (www.kn filters.com).die sogenannte .Lifetim e'< Filterein sätze für eine Vielzah l von Moto rra dmodellen in unterschiedl ichste r Ausführu ng anbietet, Bild 13.2. Diese Filte r bestehen aus einem spez iellen Bauwollgewebe. das mit einem Luftfilteröl imprägn iert wird. An dem Öl lagern sich auch feinste Sch mutz partike l an. Versproche n werden ein besserer Luftdurchsatz und gute Filterwi rkung. Zur regelm äßigen Wartung muss der Filter mit einer Reinig ungsflüssig keit ausgew aschen und dan n wiede r eingeö lt werde n. Das Reinigu ngsintervall ergibt sich aus der Sch mutzbeaufschlag ung. Besonders bei häufigen Gelä ndeeinsätze n sind d iese Filter vorteilhaft, weil sie je nach Schm utzanfall ind ividuell gerei nigt werden könne n. ohne d ass ein komplett er Aus tausch erforderlich wird. Ein weiterer Vorteil ist die Unemp findlichkeit gegen Nässe . Die serienmäßigen Papierluftfilter quellen wenn sie nass werden. sie setzen sich zu und kön nen sich ir reversibel verfo rme n, so dass sie ersetzt werden müssen.
Bild 13.2 K& N Luftfiltereinsatz (HON DA CSR 600 RR) und Universal-Aufsteck-Filter
13.1 Verbesse rungen und Spezialteile fü r Motor und Antrieb
421
K&N-Luftfilter g ibt es sowoh l als Filtere insätze zum Austausch der serienmäßigen Lu ftfilter wie auc h als Aufsteck lösungen für die Ansaugtrichte r. Diese Ausführ ung wird für Sportmotorräder verwe ndet, wenn d ie Sauga nlage mod ifiziert wu rde. In der Regel haben d iese Einsätze einen höhere n Luftdurchtritt. aber auch eine geringere Filter wirkun g als die üb lichen Papierei nsätze im Luftfilterkasten. Abg asa n lage Der beliebteste Umbau fü r Motorräder bet rifft d ie Schalld ämpferanlag e. Sowohl für Schalldämpfer wie für Abgaskrümmer g ibt es ein weit gefächertes Angebot, Bild 13.3. Häufiger G rund für den Tausch de r Auspuffanl age ist de r Wun sch nach " bess erem Sound" und nach meh r Leistun g, wobe i d ieses oft mit einer Erhöhung der Scha llemission verbunden ist. Der Verkaufvon zu lauten Schalldäm pfern ist n icht verboten. woh l aber der Betri eb im öffe ntliche n Straße nverkehr. Mittler weile wird das Netz zur Überprü fung enger und d ie Strafen werde n höher; in Einzelfallen bis zur Stilllegung des Fah rze ugs vor Ort. Aber auch individuelles Aussehen oder Gewichtsersparnis spielen eine große Rolle be i dem Wu nsch nach einer anderen Aus puffanlage. Die Serien-Abgasanlage eines mod ernen Hochleistungs-Motorrades ist das Ergeb nis umfangreicher u nd aufwändi ge r Entwicklu ngsarb eit des Herstellers. gepaart mit ents prechendem Know-how, In allen Krite rien .besser' als die Serienausführung kann und wird eine Nachrüstanlage desha lb so gut wie nie sein. Da jede Serienanlage aber immer ein Kompromiss aus Leistungs- und Drehmome ntverhalten. Bauraumbeda rf Gewicht, Dau erhaltbarkeit. Ausse hen und Herste llkosten ist, bleiben den Zubehörherstellern hinreichende Spiel räume für individuelle Angebote und Verbesserun gen. Bei einem höhe ren Preis kön nen leichtere (und ent sprechend
Bitd 13.3 Nachrüst-Sc halldämpfcr f ür die BMW R 1200 GS
422
13 Zubehör, Spez ialteile und tec hnische Verfeinerun g
teure) Materialien wie Aluminium und Titan eingesetzt werden und damit erhebliche Gewichtseinsparungen an der Auspuffanlage erzielt werden. Wen n auf Platzbeda rf rationelle Montie rbarkeit in der Serie, Anbringung von Koffern usw. weniger Rücksicht genommen wird, kan n unter
SR Racin 170
170
Molorleistung in PS
"0
"0
110
110 Seriena nlage (blau)
80
180
80
50
80
120
MOlol'drehmomenl
120
'"'~ 4000
7000
teocc
. 170
Motorleistung
"0
"0
110
110
80
80
50
50
MolO/drehmoment
'"'~
80
7000
toocc
120
13000
7000
100 KKJ
130110
I I
Motorleislung in PS
Bild 13.4
Motordrehmomenl
,"N~
100
SchalldämpferVergleichstests an ei ner Suzuki GSX -R 1000
80
MolO/drehzahl in 11m,"
4000
M01
4000
13000
in PS
100
Molordrel' llIoll~ il l l
80
Scorpion
120
;O N ;/\
100
MOlO/drehzahl in 1/min
170
MolO1 leislung
in PS
Motord rehza~ 1
4000
7000
in l fm in
tocco
13000
(m it freund licher Genehmigung des Motorr ad Magazin MO, Heft X/20 05j
13.1 Verbesse rungen und Spez ialteile für Motor und Antrieb
423
Umständen eine strömungsgünstigere Krümmerführung gew ählt werden, d ie einen Leistu ngszuwachs bringen kan n. Automatisierte Fertigu ng erzw ingt oft mals Komp romisse beim Innenaufb au der Scha lldämpfer. Fertigu ng in Handarbeit bietet unter Umständen mehr Freiräu me in der Ges taltu ng, wodurch dem Motor Leistungsrese rven entlockt werden können . Den mittl er weile hohen Entwicklu ngssta nd. aber auch die tech nischen Grenzen von NachrüstSchalldämpfern namh after Hersteller, zeigt der Vergleich im Btld 13.4 . Er wurde von der Zeitschr ift MO mit einer Suz uki GSX-R 1000 im Sommer 2005 durchgefü hrt. Alle Anlagen im Vergle ich haben eine EG-Typprüfung u nd halt en damit nach Herstellerangabe die gesetzlichen Vorgaben zur Lautstärke ein. Man erkennt, dass der Leistun gszuwachs eher bescheiden ist; zwei Anlage n liegen sogar deutlich unter der Serien-Auspuffa nlage . All erdings sind d ie Nachrüst-Anlage n erheblich leichter, d ie Gewichtsersparnis beträgt bis zu 2,3 kg (Akrapov ic), da s sind rund 50% gege nüber dem Or igina ldämp fer. Für die Dauerhaltbarkeit legen die Motorradhersteller in der Regel strenge Maßstäbe an. Bei Nachrüsta nlage n wird diese m Pu nkt hin u nd wiede r weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Besonders bei den Absorpt ionsschalldämpfern (vgl. Kap. 3.10) besteht d ie Gefahr, dass sich über die Laufzeit da s Dämpfungsmate rial zunehmend zersetzt und mit dem Abgasstrom teilweise heraus geblasen wird. Damit wird der Schalldäm pfer lauter, was von vielen Käufern nicht unbed ingt als Nachteil gewertet wird. Im Falte einer Überprüfung hat er allerdings das Nachsehen. Manc he Hersteller bieten als Service leistung eine Nachfüllung des Dämpfungsmaterials an. Ku pplu nge n Bei Kupplungen beschränkt sich da s Angebot im Wesentlichen auf Anti-Hopping- Kupplunge n für Sportmotor räde r u nd auf spez ielle Kupp lungsscheiben für höhere Belastun gen. Letztere bietet d ie Fa. Iourutech (www.tou ratech .de) beispieisweise für einigeBoxer-Mod elle von BMW an. Spez iell im schwe ren Geländebetr ieb mit voller Beladung können Extrembeanspruchungen auft reten (Anfahren in längere Tiefsandpassagen . enge , steile Auffahrten mit losem Untergrund, die mit schleifende r Kupp lung befah ren werden), bei denen die Serie nkupplung überfordert sein kann . Hierfü r wird eine Kupplung mit Sintermetallbelag angeboten, die dera rtigen Extremb ean spruchungen besser gewac hsen ist, allerdings zu einem entsprechenden Preis. Anti-Hopping-Kupplungen wurden ursprü ng lich für den Renn ein satz entwickelt. Sie werden mitt lerweile aber von einigen Firmen auch als Umbau kit für serienmäßige Supers portIer oder fü r Spo rtenduros zu Preisen zw ischen 800 und l200 € ange boten. Sie beg renzen das Bremsmoment. da s im Schiebebet rieb vom Motor aufdas Hinterrad übertragen wi rd und verhindern oder minimieren dadur ch das Stempeln des Hinterrades beim schnellen Heru nterschalt en. Nicht zu vernachlässigen ist, dass diese zusätzliche Kupplungsfun ktion einen gew isse n Sicherheitsgewinn darstellt, weil einem Blockieren des Hinterrades im Schiebebetrieb vorgebeugt wird. Zur Verwi rk lichung d iese r Fu nkt ion d ient ein Mechani sm us, der im Bild 13.5 am Beispiel einer Kupp lung der Firma STM gezeigt ist. Der zweigetei lte M itn ehmer dieser Kupplu ng ist mit Rampe n versehe n, auf denen Kugeln als Übertrag ungsele mente eingelassen sind. Im Schubbet rieb verdrehen sich beide Mitnehmer teile gege neinander, so da ss d ie Ram pen (Prinz ip der schiefen Ebe ne) eine Axi alkraft erzeuge n, d ie der A npresskraft der Kuppl ungsfedern entgege n wirkt. Dadurch ka nn d ie Kupplung ab einem defin ierten (und bei dieser Kuppl ung ein stel lbaren) Gr enz moment durchrutschen und so da s Moment im Schiebe betrie b begren zen.
424
13 Zubehör, Spezialtcile und tec hnische Verfeineru ng
Bild B .5 Anti-Hopping-Kupplung der Fa. STM
G etr iebe und Hinterrad antrieb
Umbausätze für Getriebe sind - ausgenomm en für Rennsportzwec ke - selten und es besteht für den Straße nbetrieb auc h kein Bedarf. Ausnahmen sind Radsätze mit verkürztem ersten Gang ruf den Gelände betrieb und mit verlängerte m 5. Gang, zur Absen kung de r Drehzahlen und des Verbrauchs im Autobahnbetrieb. Beides wird bevorz ugt für BM W Motorräder älteren Baudatums angeboten (HPN, Fa. Kayser Getriebebaus. Für Moto rrad mit Kettena ntrieb gibt es Umbauten auf Aluminium-Kettenräder rad. Diese reduz ieren das Gewicht und die ungefederten Massen.
ruf das Hinter-
13.2 Verbe sserungen und Spezialteile für das Fahrwerk Der Umbau kompletter Fah rwerke, also der Austausch von Rahmen und Schwinge war vor 20 bis 30 Jahren weiter verbreitet als heute. Im Zeitalter von Aluminiumra hmen mit höchste r Steifigkeit bei geringstem Gewicht und enge n Packages ist dieses, abgesehen von Rennsportein sätze n, nur noch fü r Sonderanwendungen sinnvoll. Beim Fahrwe rk umfasst das Angebot nahezu alle Komponente n, also Rahmen, Radf ührungen. Räde r und Bremsen. 13.2 .1 Rahmen , Radführungen und Federbeine Rahmen umbaute n ware n in den 70er und 80e r Jahren sehr populär, weil die Steifigkeit der Serienrahme n vieler Hersteller unzu reichend war. Die Motoren waren oft "sc hneller" als das Fahrwe rk und fü r einen sportlichen Einsatz reichte die Stabilität und Spur treue besonders der Rahmen oft nicht aus. Bei heut igen Motorräde rn gibt es in dieser Hinsicht keine rlei Beanstandungen meh r, die Rahmensteifigkeit liegt auf höchstem Niveau. Das Angebot an Rah menumbauten besc hrän kt sich meist auf Spezialrahmen für Rennsporteinsätze. Umbauten für den
13.2 Verbesserungen und Spezialteile für das Fa hrwerk
425
Bild 13.6 Rahmen f ür die DUCATI Monster der Firma A& T Feetory Gespannbetrieb oder auf Sonderanwendungen. Eine solche zeigt Bild 13.6 am Beispiel einer DUCATI Monster.
Die Schweizer Firma A&T Feetory bietet diesen Umbau an. um groß gewachsenen Fans der DUCATI Monster Modelle eine entspannte Sitz position zu bieten. 70 mm mehr Beinfreiheit und
eine um 70 mm höhere Sitzpos ition verspricht der gezeigte ..Highri de'' AT-Rahmen. Die Firma HPN. weltweit renom miert für ihre Umbauten der BM W GS- Modelle (unter anderem Aufbau von Werksmotorrädern fü r die Rallyeeinsätze von BM W bei der Dakar-Rallye) bietet ebenfalls Rahmen und komplette Fah rwerkskirs fiir Offroad-Einsätze an, Bild 13.7.
426
13 Zubehör, Spezialteile und technische Verfeinerung
Bild 13.7 Hochwertiges Komplcttfahrwerk von }/IW für die Zweiventil- Boxer von HMW
Federbeinumbauten sind nach wie vor beliebt, de nn sie erlauben eine individuelle, feinst ufige Anp assung der Fah rwerk sabstimmung an die eigenen Wün sche, wäh rend eine Feder-DämpferAbsti mmung fiir ein Serienmotorrad sich am Dur chschnittsfahrer or ientiert. Die Umrüstung auf hochwer tigere Komponenten bietet für sportlich orientierte Motorradli ebhaber einigen Spielraum für eine effe ktive Verbesseru ng. Renommierte Firmen wie Sachs. WP od er (j HLlNS, die auch Motorradherstel ler fü r die Erstau srüstun g ihrer Motorräder beliefern. offerieren ein umfang reiches Programm. Federbeine mit getrennter Einstellmög lichkeit für die Zug- und Dr uckstu fendämpfun g sowie austa uschbaren Federn ermöglichen eine seh r gez ielte u nd individuelle Anpassu ng an Körpergew icht, Beladung und Stre ckenprofiL Auch die Aufteilung zw ischen Negativ- und Positivfederweg kann damit den eigenen Wünschen angepasst werden. Weitere Angebote sind Federbeine, die eine hyd raulische Fed erbasisverstellung bequem mittels Hand rad ermöglichen. Bild 13.8. Für sehr ambit ionierte Motorradfa hrer mit sport licher Fahrweise insgesamt eine üb erlegenswerte Investition. Sofern es d ie Geo metrie der Hi nterradschwi nge u nd der eventuell vorhandenen Fede rbeinumlen kun g zuläss t, kan n man auch verlängerte Federbeine einbauen. Die Anhebung des Fahrzeug hecks vergrößert nicht nur die Schräg lagenfreiheit , sonde rn veränd ert infolge des steiler stehenden Hecks auch d ie Fahrwerksgeometrie und d ie Schwerpunktlage. Rad stand und Nachlau f werde n kür zer und führen in der Regel zu g rößerer Hand lichkeit. Die höhere Frontlastigkeit kommt einem aktiven, sportlichen Fahrstil entgege n. Das kann für Sporteinsätze auf win kligen Rennst recken von Vorteil sei n. Bei BM WMotorrädern mit Kardana ntrieb un d Paraleverschwinge kann die Fahr werksgeo metrie relativ einfach in gewissen Maßen verändert werden. inde m man eine läng enverstellbare ZugDr uckstrebe (..Momentenabstützun g" ) anstelle der serienmäßigen Strebe einbaut. Rild 13.9. Die
427
13.2 Verbesserungen und Spezialteile für das Fa hrwerk
Bild 13.8 Hochwertiges Umr üst-Fedcrbcin mit Verste llmöglichkette n
)
.. _-
Bild 13.9 Eins tellbare Mome ntenstrebe für den Kard an bei der Parale verschwi nge von HJf Ir
428
13 Zubehör, Spez ialteile und tec hnische Verfeinerung
Längenveränderung verände rt die Winkelst ellun g des Kardangeh äuses zur Schwinge (bezogen auf den hinteren Drehpu nkt) und bew irkt dadurch ein Anheben bez iehungsweise Abse nken des Hecks und entsprechende Nachlauf- und Radstandsände rungen . Damit wird es möglich, da s Motorrad individuell auf noch mehr Handlichkeit oder mehr in Richtung Ge radeauslauf zu tr immen. Derarti ge Bauteile werden von Firmen angeboten, die sich auf ß;\.1 W Motorräder spez ialisiert haben, so zum Beispiel von de r Fa. WUNDERLICH. Die Momentenabstützu ng gehört zu den Sicherheitsb auteilen . Ein Versagen würde die Fahrstabilität gefährden, weil de r Hinterrada ufh äng ung ein Teil der Führu ng verloren geht. Zu beac hten ist deshalb bei derarti gen Umbauten, da ss die Bauteile mindestens TÜV-gepr üft sind. Der Verstellbereich darf nicht zu gro ß sein, weil sonst dur ch übergro ße Knickwin kel im Fahrbetrieb das Kreuzgelenk der Kardanwelle überlastet werden kann. Offroad-Pisten, besonders au ßerhalb Europas. stellen für die Federu ng oftm als eine Extrembeanspruchung da r, besonders wenn das Motorrad mit hohe r Beladung gefahren wird. Auch hier bieten die Federbeinhersteller spezielle Lösungen , wie zu m Beispiel eine stä rkere Federprogression, der Belastun g angepasste höhe re Federraten oder einen Dämpferaufbau mit größerem Ausgleichsreser voir zur besseren Kühlung des Dämp feröls. Für Teleskopgabel n gibt es ebenfalls umfang reiche Verbesserungs möglichkeiten. wie Gabelfedern mit geä nderter Prog ression oder Dämpferöle verschiede ner Viskositäten. Soga r eine nachträgliche Besch ichtu ng der Standro hre mit Titan-Nitrid, Chrom-Nitrid ode r Kohlenstoff zu r Reibungsverbesserun g (bess eres Ansprechverhalte n) ist möglich und wi rd ange boten. Entsprechend teuer, aber möglich ist auch ein kompletter Austausch de r Telegabel gege n hochwertigere Ausfü hru ngen mit g röße ren Standro hrdurchmessern und reibungsa rmen Beschichtungen bis hin z u Upside-down-Gabeln. Angebo ten werde n d iese unter anderem ebenfalls von WP und italienischen Firmen, wie zu m Beispiel MAR ZOCCHI oder PAOLl, Bild 13.10.
Bild 13.10 Tele skopgabeln von MARlOCCI (link s) und I'AOU (rechts)
13.2 Verbesse rungen und Spez ialteile für das Fah rwerk
429
In der Regel g ibt es fü r Umbauten an siche rhe its releva nten Baut eile n oder be i g rav iere nden Ä nderunge n der Fahrwe rksge ometrie keine pauschalen Freigaben oder Unbedenklichkeitser klär ungen seitens der Motorradhersteller. Scho n aus G rü nden der Prod ukt haft un g können sie kau m Freigaben für Bauteile ode r Umbaut en ertei len , d ie sie n icht unter e igenen K riteri en und Bedi ng ungen geprüft haben . Von daher sollte man neben de r TÜ V. Prüfung generell darauf achten, da ss Umbaute ile von namh aft en Zubehörherstel lern stammen, die entweder auch Ersta usrüste r de r Hersteller sind, oder zu m Beispiel im Rennsport aktiv sind und sich dort ein Renommee erworben haben . Wobei der Renn spor t nicht in j ede m Fall aussage kräfti g se in mu ss, de nn der Alltagsbetrieb mit seinen se hr viel höheren Kilometerleistu ngen u nd u ntersch iedlichste n Umweltbedin g ungen kann in manchen Fällen durc haus auch ma l höhere A nforderungen an Bauteile stellen.
13.2.2 Räd er Der Austausch von Rädern erfolg t in de n me isten Fällen. um breitere Reifen auf ent sp rechend dimension ierte Felgen aufz iehen zu können, aus Gewichtsgründen (verr ingerte ungefeder te Ma ssen) und natü rlich aus optischen Gründen . Einige Motorra dherstell er bieten ab Werk d ie Ausrüstung mit breiteren Rädern an (z.B. BM W bei der R 1200 S u nd der K 1200 S). Rei n technisch haben breite Reifen den Nachteil, da ss bei gleiche r Kur vengesc hwindigkeit eine g röße re Schräglage notwendig ist (vg l. Kap. 10.2) . Der Vortei l der größe ren Au flagefläche lässt sich auf der Straße und im öffentl ichen Verkehr kau m nutzen, wohl aber auf der Renn strecke. A ndere Radd ime nsione n werden auch angeboten, um eine g rößere Auswahl an Reifen zur Verfügung zu haben . Für manche Motorräder aus den 80er Jahren, in dene n 16"·R äder für das Vorderrad populär waren, wird es mittlerweile schwierig, modern e Reifen zu bekommen. Vom Fortsch ritt der Reifenentw icklu ng bleiben d iese Fah rzeuge ausg esc hlossen. weil nur Reifen mit veralteten Karkassenaufb auten und entsprechenden Profi len angeb oten werden. Zudem mu ss mit längeren Liefer zeiten gerec hnet werden . weil derartig ungeb räuchlic he Reifendimensione n nur noch selten au f Lager sind . Hier bietet sich an, auf Ir-Räder umzurüsten , vorausgese tz t der Einbaura um reicht dafür aus. Für Speichenräder bieten Spez ialfirmen (w w w.rad span nere i.de) das Einspeichen von Felgen au f die alte Nabe an. Mod erne Berechnungs- und Fertigungs methoden erlauben es, die Radgewichte auf Wert e z u se nken, die in der Großseri enherstel lung aus Kosteng ründen nur schwer z u verwirklichen sind. Zudem wolle n und mü ssen Moto rradherstelle r auch extreme oder missbräuchliche Einsä tze abdec ken. Hier bieten sich für d ie frei en Radhersteller Freirä ume, den n kaum ein Kunde wird mit den teuer erwo rbe nen Sporträdern rücksicht slos Schlaglochpiste n befahren. Bild 13.11 zeigt zwei Räder aus dem Liefet prog ramm de s Ma nnheimet Herstel lers PVM (w ww.p vm.de), die in zukunftswe isende m Desig n ges taltet sind und in einem aufwä ndig en Schmiedeprozess aus ei ner hoc h feste n Aluminium-Leg ierung herge stellt werden. Es gela ng bei die sen Rädern bis zu 30 % an Gew icht gegenüber dem Serienpendant einz usparen. PVM gibt bei der links im Bild gezeigten Variante fü r das Hinterrad ei ner YAMA HA R I ei n G ewicht von knap p über 5 kg an. Zur weiteren Gewichtse rleichterung werden für Rennsportz wecke auch Räde r au s dem Werkstoff Ma gnesium (spe zifi sches Gewicht um ca. 35 % geringer al s von Alumin ium) und soga r aus Carb on a ngeb oten . Unter anderem wege n de r Mat erialempfind lichkeit werden aber Freig aben für einen Betrieb im öffentlichen Straßenverkehr nur in Einzelfallen erteilt.
430
13 Zubehör, Spezialteile und tec hnische Verfeine ru ng
Bild 13.11 Alu miniu m-Schmiede räder der Fa. I'VM
13.2.3 Br emsanlage Wenng leich bei den aller meisten Sportmotorrädern bezüglich der Bremsleistung kaum mehr Wü nsche offe n bleiben , findet sich denn och Raum ruf Verbesserungen. Lohne nswe rt ist de r Umbau de r herkömmlichen G ummi-Gewebesc h läuche auf sta hlumm antelte Bremsschlä uche. Bild 13.12.
Bild 13. 12 Stah lum man tc1tc Bre msschläuche
13.2 Verbesserungen und Spez ialteile für das Fa hrwerk
431
Ein gasdic hter Innenschlauch aus Teflon ist außen mit einem Metallgeflecht aus Edelstah l umhüllt. Durch das Stahlgeflecht dehnen sich diese Schläuche auch bei höchsten Bremsd rücken prak tisch nicht meh r. Ein kla rer, stabiler und här terer Druckp unkt und damit e in präziseres Brem sgefühl sind die posit iven Folgen. Gera de bei Extrem- und Dauerbremsen gen [Passahfah rten] ist dam it die Bremse "transpa rent" und lässt sich feinfü hliger dosieren. Ein weiterer Vorteil dieser Bremsschläuche ist die nahezu unbegren zte Lebensdauer. Gummischläuche altern unt er dem Einfluss der natü rlichen ultravioletten Strahlung. Sie sind bei Motorräde rn permanent ungeschützt der Sonne ausgesetzt und werde n mit der Zeit porös . Aus Sicherheitsgr ünde n sollten sie in regelmäßigen Abständen ausgetauscht werden (circa alle 4- 5 Jahr e). Zwar ist die Gefah r des Platzens kaum gege ben, abe r infolge der Por ösität dr ingt vermeh rt Luftfeuchtigkeit über die Schläuche in d ie Bremsflüssigkeit ein und setzt deren Siedepun kt herab. Stahlummantelte Bremssch läuche sind unempfindlich gegen UV-Strahlung und der Teflon-Inne nschlauch bleibt dauerh aft gasdicht. so dass prakt isch keine Feuchtigkeit über den Schlauch eind ringen kan n. In manchen Fällen kann des halb nach Austaus ch der Bremsschläuche das Wechselinter vall für d ie Bremsflüssigkeit verlängert werden. Dazu ist aber in jedem Fall zuvo r d ie Rückversicheru ng beim jeweiligen Hersteller notwend ig! Für Brem sen gelten , mehr noch als für andere Bauteile . höchste Sicherheitsanforde rungen. Eine Reihe von Firmen hat sich aufdie stahlummantelten Brem sschläuche spez ialisiert (SPIEGLER, STAHLFL EX. FISCHER Hydraulik und a ndere) . Sie bieten entsprechende Bremssc hläuche für viele Motorräde r ferti g konfektioniert an, aber auch individuelle Einzelan fertigungen. SPIEGLER liefert patent ierte, drehbare Ansc hlüsse. Eine Reihe von Firmen offerieren auch spezielle Austausch-Bre mssc heiben für nahe zu alle Motor räder, die auf den jeweiligen serienmäßigen Träge rn befestigt werd en. Zunehmender Beliebth eit erfreuen sich dabei sogenannte w ave-Brem sscheiben oder auch Brem sscheiben. d ie aus Seg menten zusammengesetzt sind Bild 13.13. Für beide Konstr ukt ionen versprec hen d ie Hersteller besse re Bremswirku ng und vor allem ge ringe ren Verzug bei Aufheizung, weil d ie Seg mentieru ng und die Wellenform die freie Wärmeausdehn ung weniger behindern. Inwieweit diese Versprechungen wirklich der Realit ät ents preche n, müssen entsprechende Tests beweisen.
Bild 13.13 Segmenl- Bremssc heibe der Firma HIWI (www.riwibrakes.com )
432
13 Zub ehör, Spez ialteile und tec hnische Verfeinerung
Auf j eden Fall lässt sich de r notwend ige Ersa tz der Bremsscheiben be i Versc hleiß mit einer optisehen Aufwe rtung de s Motorrades kombinieren. Entsprechende Reibpaarungen in Verbindu ng mit spez iel len Bremsbel ägen vorausgesetz t, ka nn man geg ebenenfalls auch eine Verbesserung der Bremsleistun g erziele n. Dabei darf allerdi ngs n icht vergessen werden, dass die Reibp aaru ng Bremsscheibe-Brem sbela g immer eine n Komp romiss da rstellt . Idealer weise bietet eine Bremse nic ht nur höchste Bremswirkun g bei Nässe und Trockenheit so ndern gleichzeit ig auch noch be ste Dosierbarkeit, spo nta nes Ansprechen ohne ..gift ig" zu se in, gleichgute Bremslei stung warm und kalt, Fadi ngfreih eit. gutes Ge räuschver ha lten u nd minimalen Verschleiß. In der Realität ist alles zusammen so nicht erre ichbar. Es müssen bei de r Brem sen auslegung und Materialauswah l Sc hwe rpunkte geleg t werden. Serienhersteller zum Beispiel legen ihre Brem se n eher etw as ..gutmütiger" aus, das heißt g ute Dosierbarkeit, wen ig Unte rschiede in der Wirku ng zw ischen Trockenh eit und Nässe. sow ie ge ringe Temperatu rabhängigkeit. Versch leißarmut ist fü r Bre mse n bei Serienmoto rrä dern ebenfalls ein wichti ges Kriterium. Frem da nbieter von Brem sen könn en diese durcha us e inseit iger auf max imale Bre msleistu ng und Dosierbarkelt auslegen u nd müssen beispielsweise auf erhöhte n Versch leiß weni ger Rücksicht neh me n. Dam it sind sie in der Wahl der Materialpaa rung von Brem sscheibe und Brem sbelag freier. Sichergestellt se in m uss in jedem Fall, da ss die Austausch-Kom ponenten eine allgemeine Betri ebserlaub nis (A BE) besitzen. Ge nerel l ist bei Bremsen- Umbauten Vorsicht ange brac ht und ma n sollte aus Sicherheitsg ründen nur den A ngeboten renomm ierte r Herstel ler und A nbiete r vertrauen. Vertriebsu nterneh men wie be ispielweise alpha Technik GmhH (www.alphat ech nik. de), d ie auch im Rennsport engagier t sind. bieten die Gewä hr für qua lifizi er te Fachbe ratung und fundierte Er fahru ng . Der nächste Schritt bei der Bremsenu mrüstung wären dann andere Bremssätt el und andere Hauptbremszylinder. H ier bieten diverse Firmen wie MAGURA. FTE, TRW und BREMBO, d ie auch als Ers tausrüste r für die Motorra d- Herstel ler tä tig si nd, ein bre it gefäche rtes A nge-
/
...
•
.-
Bild 13.14 Radial-Kolben Handbremsarmat ur (MAG URA) und x-Kolbcu- Brcmssancl (Sf'IIXiLER)
433
13.2 Verbesserungen und Spez ialteile für das Fa hrwerk
bot. Dieses reicht über hochwertige Rad ial-Bremszylin der für den Handbremshebel bis hin zu S-Kolbe n-Bremss ätreln, Bild 13.14.
13.2.4 Lenker, Bed ienele mente, Fußrasten, Sitzbä nke Fahrerinnen und Fah rer. d ie vom Durchschnittsmaß abweichen, sitze n häufig unbequem, weil entwede r d ie vom Hersteller offerierten Verstellmöglichkeiten für Sitzhöhe. Lenker und Fußrasten nicht ausreichen, oder erst gar nicht vorhanden sind. Hier tut sich ein weites Feld für d ie Zubehö rind ustr ie auf, weil die allermeisten Motorrad hersteller die ind ividuelle Anpassung des Motorrades an den Fah rer unverständ licher weise völlig vern achlässigen. Dabei ist eine entspannte Sitzposition für ermüdungsfreies. konzentrier tes und sicheres Fahren unerlässlich und die Vorausse tzung. überhaupt auf längeren Strecken wirklich schnell zu sein. Im Angebot finde n sich Fußraste nverlegungen. höhere oder ande rs gekröpfte Lenker, mod ifizierte Gabelbr ücken sowie aufwä nd iger ge fertigte und spez iell ge polste rte Sitzbänke. Um den Chara kter und die Fahrbarke lt von Moto rräde rn zu verbesse rn. werde n Lenker- und Fußrasten umbauten angebote n. Auch hier bieten d ie Firmen ein sehr umfangreiches Angebot (MAGUR A, LSL, alph a Technik) fü r viele Modelle; andere haben sich aufdie Motorräde r eines Herstelle rs spez ialisiert (die Firmen WÜDO und WUNDERLICH zu m Beispiel auf BMW) , Bild 13.15. Erwähnenswert bei Lenker umbaute n ist das Thema Sicherheit. Entgegen landläufiger Annahmen wirken auf den Lenker hohe Kräfte und dy namische Belastungen, die häufig unterschätzt werden. Bei jeder Bremsun g wirken d ie vollen Stütz kräfte. die aus der Verzöge ru ng und einem Teil der Fahre rmasse resultieren. auf den Len ker ein. Die Ankoppelung übe r die Fahrerhände bewirkt eine pe rmanente dynamische Gr undlast. Extremb eanspruchungen treten beim Durchfahren von Schlaglöchern ode r im Gelände bei Sprüngen ode r auf Wellblechpisten auf. Aus diesen Gründen dür fen nur geprüfte Lenker verwe ndet werde n und sie sollten von namhaften Qualitätsherstellern sein (beispielsweise MAG URA ), Bild 13.16. Kritisch sind insbeso nde re Hochlenker oder breite Lenker, weil durc h die langen Hebel besonders g roße Krä fte auftreten.
Bild 13. 15 Gabelbr ücke und Fußrastenanlage der Fa. f.SL
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13 Zubehör, Spezialteile und tec hnische Verfeinerung
Bild 13.16 Len ker m it versch iedenen Kröpfungen und Hö hen (Fa. J1AGURA )
Aluminium-Lenker müssen besonders so rgfähig be handelt und geprüft werd en. Aufg rund der Kerb- un d Rissempfin dlic hkeit de r hochfesten Alu mi niumlegie runge n füh ren äußere Beschädi gu ngen se hr schnell z um Bruch. Kei nesfall s da rf die eloxierte Ob erfläche des Lenkers mechanisch be arbeitet ode r sons t wie verletz t werden. wei l die Beschädig ung der Eloxalsch icht infolge Kerbwirku ng d ie Betriebsfest igkeit her absetzt. Ebe nsowe nig dürfen Alumi niu m- Len ker anders geboge n ode r nach eine m Unfa ll gerichtet werden, es droht spätere Bruchgefah r. Beschäd igte Alu mi niu m-Lenke r gehöre n nic ht repa riert , son dern auf den Schrott! Für Sitzb änke sind de r ame rikan ische Herstell er CORBIN, sow ie die Firmen BAEHR und KA HEDO ei ne erste Ad resse, Bild 13.l7a und 13.17b. Spez ialität der letztgenannten Firma si nd d ie anatom isch ange passten Aus form unge n der Sitzbä nke u nd unterschiedliche Scha umhärten im Sitzbereich. Dieses ist fü r die Großserie in hohen Stückza hlen sc hw ierig darzustel len, teilwe ise ist Handarbeit nötig. Hier bieten sich klein er en Unte rnehme n g ute Mar ktcha nce n im Zubehörma rkt. Vertriebe n werde n diese Sitz bä nke entwe der dir ekt oder über A nbiet er wie TOUR ATECH, WUNDERLI CH oder teilwe ise auch über die großen Versa nd kette n HEIN GERICKE, POLO und LOUIS.
Bild 13.1711 Sitzba nk für Yamaha FZ I, Fa. CONHIN
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13.2 Verbesserungen und Spez ialteile für das Fa hrwerk
Bild L1I7 b Komfortsitz für Moto Guzzi California, Fa. KAIIEIJO
13.2.5 Verkleidungen, Kar osseri eteil e und Tanks Nachträg lich anz ubaue nde Verkleidungen waren bis in die 80e r Jahre sehr populär und ein relativ g roßes Gesch äftsvolumen. Durch das Vordringen verkleideter Ser ienmotorräde r mit guter Aerodynamik ist dieser Zweig stark rückläufig. Angeboten werden heute zu meist nachträglich anzubauende Scheiben und Windschilder für serienmäß ig unverk le idete Moto rräder oder der Austausch von Verkleidungsscheiben. um den serienmäßigen Wind- und Wetterschutz zu erhöhen und um gegebenenfalls eine bessere Anpassung an die ind ividuelle Fahrergröße zu ermöglichen, Hild 13.18.
Biltl 13. IK Höhenverstellbarer Sport-Windschildder Fa. WUNlJERU CII für BMW Motorräder
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13 Zubehör, Spez ialteile und tec hnische Verfeinerung
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Bild 13.19 Frontverk leidung (Fa. TOURATECl/ )fürd ic BM W R 1200 GS
Dass sich auch an aerodynamisch sehr guten Motorrädern noch Potenzial finden lässt. zeigt beispielsweise TOURA TECH mit seiner Frontverkleidung für die R 1200 OS, 8i1d 13.19. Die Vergrößeru ng des Tank volumens ist eine beliebte Umbauma ßnahme im Enduro- Seg ment. Aus Gewichtsg ründen sind d iese Motorräder serienmäßig oft nur mit kleinen Tanks ausge rüstet. Fernreisetauglich werde n diese Motorräder nur mit einem entsprechenden Tankvolu men. Eine g roße Auswahl offeriert der ita lienische Anbieter ACERBIS, der auch Tanks für ältere Motorräder im Sortiment rührt. Aufgrund der nied rigeren Herstellkosten werden übe rwiegend Kunststoff-Tanks aus den ther moplastischen Kunststoffen Polyethylen (PE) oder Polyam id (PA. ..Nylon" ) angeboten. Die Herstellung erfolgt relativ kostengünstig durch Rotatio nsformen . Das Werkzeug bildet dabei die Außenform de s Tanks nach. und die Kunststoffschmelze wird durch Fliehkräfte (Rotationsverfahre n) bis zu r Erstarru ng an d ie Formwän de gepresst. Nahezu beliebige Form en und komplizierte Geometr ien sind mit diesem Verfahren darstellbar. Die durchschnittliche Wandstärke bewegt sich im Bereich von 4- 6 mm. Ein Nachteil sind d ie verfahr ensbedingten Ungleichmäßigkeiten in der Wanddicke der fertigen Tanks. Diese können an krit ischen Stellen I mm unterschreiten. Solche Schwachpunkte können bei Stoßbelastungen im Betrieb leicht undicht werden , eine dauerhaft haltbare Reparatu r ist bei Tanks aus thermoplastischen Kunststoffen kaum möglich. Tanks aus Polyethylen lassen sich nicht dauerhaltbar lackieren, selbst eine Beklebung löst sich nach einiger Zeit, weil PE nicht diffusionsdicht ist. Zwar lässt sich durch eine Oberflächenb ehandlung eine Haftung von Lack oder Folien darstellen, doch löst sich d iese im Laufe der Zeit auf, weil Kra ftstoffd ämpfe da s Material bis z ur Oberfläche durchdri ngen. Lackierbar sind nur Tanks aus Polyam id.
13.2 Verbesseru ngen und Spez ialteile für das Fa hrwerk
437
Das nied rige Gewicht thermo plast ischer Tank s ist ein weite rer Vorteil. Der deut sche Hersteller
elkamet , der neben Serienta nks f ür d ie Automobil- u nd Motorra dindust rie auch viele Se nderunfertigungen fiir Renn- und Rallyeei nsätze fertigt (u nter anderen fü r versch iedene Werkse insätze be i de r Rallye Dak ar), produ ziert fiir d ie Unir üstu ng der BMW Model le R 1100/ 1150 einen 41 Lite r Tank aus Polyamid , der led iglich 8,5 kg wiegt. lJild 13.20. Du roplastische Ku nststoffe, das sind im Wesentlichen die faserverstärkten Epoxidharze, haben aufgru nd der hohen Kosten an Bedeutu ng verloren. Daraus herges tellte Tanks müssen in aufwä ndiger Handarb eit gefertigt werden und sie sind - wenn man die extrem teuren Produkte aus Kohlefase rwe rkstoffen auskla mmert - relativ schwer. Fü r die Verw irklichung ganz ind ividueller Wünsche in Einzelfertig ung sind fase rve rstärkte Kun ststoffe jedoch nahezu die einz ige Mögli chkeit. Es kön nen relativ preiswert herzu stellende Gip s-, Schaumstoff- oder Holzformen verwendet we rden. in die mit Kunst harz getränkte Fasermatt en (meist Glasfase rn ) lagenweise eingelegt werden und so die Tankhüll e von Ha nd gefertigt werden. Je nach Fo rmteilung müssen dan n die Tankteile zusamme nlami niert we rden. Schwierig ist d ie dauerha ltbare Einbringung von Ha lteru ngen und die Erzielun g einer befried igenden Oberflächegü te zu m La ckieren. Entsprec hend dick e Schichten Kun stharz-Füllspachtel zu m Glätte n treiben das Gewicht in d ie Höhe. Der große Vorteil dieser la minierten Tank s ist d ie hohe Festig keit und die ei nfac he Reparat urmöglichkei r, die auch unte rwegs mit Epoxid harz und Glasfasermau en erfo lgen kan n. Zu erwähnen ist noch, dass d ie meisten Umbauten von den amtl ichen Sac hverständigen der Prüfstellen (TÜV. DEKRA) begut achtet und teilweise in die Fahrzeugpapi ere einget rage n werden müssen. Zu empfehlen ist, sich fr ühzeit ig mit den Prüfern in Verbindun g zu setzen u nd sich über das Abnahmeve rfahren zu e rku nd igen. Entgegen einem hartnäck igen und ve rbreiteten Voru rteil verstehen sich d ie Prüfstellen heutzutage als Dien stlei ster. Sie stehen seriösen und fachge rechten Umbauten nicht nur aufgeschlossen gege nübe r, sonde rn beraten auch im Vorfeld. Prüfstellen in g röße ren Städ ten verfügen über um fangreiche Datensamml ungen und Kop ien von Mustergutachren. was die Eintrag ung oftmals erleichtert. T ÜV und DEK RA unterhalten darüber hinaus technische Pr üfzentren. in dene n sie Gu tac hten und Bauteileprüfungen durchführen können.
Bild 13.20 Nachrüst- Kunststo ffrank mit 41 /, gefertigt von elkamet (Vertrieb Fa. 10 URAIEC/l)
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13 Zubehör, Spez ialteile und tec hnische Verfeinerung
N eu e Id een fürs Motorrod
TOURATECH
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Bild 13.21 Umfang reicher Umr üsrkaralog für Offroad-Motorrädcr (Fa. ]OURA7EClI)
13.3 Gepäcksysteme und sonstiges Zubehör
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13.3 Gep äcksysteme und sonstiges Zubehör Der Zubehör-Markt für Motorräder ist in den letzten Jahrzehnten geradezu explosionsartig gewachsen. Es ist im Rahmen eines Fachbuches nicht möglich, auf alle Umfange detailliert einzugehen. Neben reinen Handelsbetrieben und großen Vertriebskette n wie POLO, HEIN GERICKE, GÖ TZ und LOUIS gibt es auch kleinere und mittelständische Unternehmen, die sich auf Herstellung oder Vertrieb von bestimmten Produktgruppen wie Gepäcksystemen. Anba uteilen, optischen Aufwertungen und Ähnlichem spezialisiert haben . Bemerke nswert sind das Wachstum und der Erfolg von Unternehmen, die sich ganz der Eigenentwicklung von Spezialzubehör verschrieben haben. Sie finden ihren Markt in Nischen, die die großen Motorradhersteller nicht bedienen wollen oder können. Hier steht in Deutschland an erster Stelle die bereits genannte Firma TOUR ATECH, die maßgeschneidertes Zubehör primär fü r die Moto rräder von BMW und K TM, aber auch für einzel ne Modelle von HONDA, S UZUKI und TRIUMPH herstellt, Bild 13,21. Im Fokus stehen dabei die Globetrotter, die besondere Anforderungen beispielsweise an die Eigenschaften und die Robustheit von Gepäcksystemen stellen. die Serienhersteller so nicht bieten. Eigene Erfahrungen und die der Kunden aus Fernreisen tließen hier unmittelbar in die Produktent wicklung ein und sorgen so für Produkte, die sehr genau den Kundenbedürfnissen entsprechen. Das große Know-how und die spezifischen Erfahrungen haben dazu geführt, dass dieses Unternehmen zum Beispiel das Koffersystem der neuen BMW R 1200 OS Adventure mit entwickelt hat und das System als Zulieferer für die Serie von BM W fert igt, Bild 13.22. Mittlerweile wurden die Aktivitäten weite r ausgebaut, und es wird mit Produkten der ..streetUne" auch das Tourensegment für die Straße bedie nt.
Bild 13.22 Koffersystem fü r d ie BMW R 1200 GS Adventure
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13 Zubehör, Spezialteile und technische Verfeinerung
13.4 Komplettumbauten Wer handwerk lich nicht in der Lage ist, oder keine Zeit für den Motorradumbau nach eigenen Wünschen hat , dem bieten Firmen auch Komplettumbauten beziehungsweise offerieren diese als Bausatz. Indiv iduelle Wünsche sind dabe i nur eine Frage de s Geldbeutels. Das Angebot umfasst mittle rweile auch Designmodifizierungen, so da ss man nach dem Umbau ein völlig eigenständi g wirkendes Motorrad erhält. Ein Beispiel da für ist d ie TWINSTAR de r Firma AC Sch nitze r auf de r Basis der BMW F 800 S, Bild 13. 23. TOURATECH bietet Besitzern de r alten BMW R 11 50 GS einen Komplettumbau an , der das Moto rrad nicht nur technisch sondern auch optisch mode rn isiert. Reizvoll und finan ziell lohnend Sind solche Umbaute n. wenn ohnehin eine Renovierung des Motorrad es ansteht, Bild 13.24. Aber auch für aktuelle und neue Motorräder. wie z.B. für die BMW F800GS entw ickelt da s Unterne hmen aus dem Schwarzwald eine n Komplet turnbausatz, der den Charakter des Motorrad s spez ifiziert und da s Nutzu ngsspektrum in Richtung Fernreise nochmals erweitert. Bild 13.25
Ungebrochener Beliebtheit erfreuen sich die Mod ifikationen de r älteren BMW Enduro modelle mit dem Zweiventilmotor für echten Geländeeinsatz, Bild 13.26 . Die niederbayer ische Firma HPN ist hier seit vielen Jahren höchst erfolgre ich im Geschäft.
Bild 0 .23 Umbau der BMW F ROO S der Firma AC Schnitzer
13.4 Ko mplett umba ute n
Bild 13.24 Spezialumbau .Rcvamp'' auf Basis BMW R 11 50 OS ( Fa. m URATECJI)
Bild 13.25 Spezialumbau der BMW FROOGS für die Fernreise (Modell Dcsicrto F der Fa. 1OURAIECI/)
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13 Zubehö r, Spez ialteile und tec hnische Verfeineru ng
Bild 13.26 Spezialumbau auf Basis BMW R 100 GS ( Fa. IIPN)
Zukunftsentwicklungen 14 Trends und zukünftige Anforder ungen im Motor radbau Zukun ftsprognosen sind auch im Bere ich de r Motorradtechnik schwierig, und viele Vorhersagen für d ie techn ische oder sonstige Zukunft stellen sich im Rückb lick meist als falsch heraus. Den noch soll an d ieser Stelle de r Versuch gewagt werden au f einige absehba re Entw icklungen einzugehen . Motorräde r haben , wie wir in diesem Buch gese hen haben, heute einen sehr hohen tec hni schen Stand erreicht. Die spez ifische Leistung der Motoren und auch die absolute Motorleistung von Motorrädern werden wohl nicht mehr in dem Maße wie bisher ansteigen. Absolut und technisch gesehen sind mit Leistungen von über 140 kW zwa r weder die Grenze des Machbaren noch die Grenze n des Fah rbaren erreic ht, aber möglicherweise d ie Grenze n des Sinnvolle n. In der Beschleunig ung bleiben bei Leistungsgewichten von 0,7 kW/k g ( I PS/kg) keine Wünsche mehr offen und die Höchstgeschwind igkeit ist seit lange m bereits nur von theoretischem Interesse. Es ist auch wenig sin nvoll auf Autobah nen längere Zeit mit Geschwindigkeite n von weit übe r 250 km /h Motor rad zu fah ren. Die physische und mentale Anspan nung ist dab ei so g roß, dass es dau erhaft einfach keinen Spaß macht. Aufgrund de s hohen Kraftstoffverbrauc hs und der notwendigen Pausen sind auch keine besonders hohen Durch schn ittsgeschwindigkeiten erzielba r. Und d ie spezifischen Motorleistu ngen'?Auch hier werden techni sche wie ökonomische Grenzen sichtbar. Weitere Steigerungen der Literleistung wü rden noch höhere Nenndrehzahlen notwendig machen. Das scheint zwar mechani sch beherrschbar, aber die strenger werde nden Vorschriften zur Abgas- und Geräuschemission werden den ungehemmt en An stieg hier eingrenzen. Die derzeit höchsten spezifischen Leistungen werden bei den 600er Supersportlern erreicht. Doch der fast schon verbissen anmutende Wettbewerb der japanischen Hersteller um d ie klassenb este Maximalleistung in j edem Model ljahr ist beina he schon als rui nös zu bezeichnen. Jedes Jahr mit einer Neukonstruktion auf den Ma rkt zu komm en, kann nicht mehr wirtschaft lich sein, in diesem Seg ment kann kaum daue rhaft da s not wendige Geld verdient werden. Die hier seitens dieser Hersteller hineingesteckten Entw icklungskapaz itäten fehlen an and erer Stelle, so dass dieser Trend letztlich kaum anhalten wird . Weiter gehen wird es mit den Gewicht sredu zierungen. Die Erkennt nisse und das Know-how, das in den Supersport-Seg menten erarbeitet wurde, werde n in den kommenden Modellgenerationen sicher in die Tou ren- und Touren sport-Mot orräder gesteckt. Das bedeutet, da ss diese Motorräder sehr viel attraktiver werden. Bei den Supersportlern dürfte beim Gewicht heute bere its die Grenze des wirtschaftlich Machbaren erreicht sein. Eine Ausweitung der Supersport-Technik auf kleinere Hubraumklassen zeichnet sich nicht ab, die Preisstellung d ieser Motorräder erlaubt d ie Umsetzung d ieser Hochtech nologie wohl nicht. Generell ist zu vermuten, dass der Trend zu größeren Hubräumen anhalten wird. Extremhubräum e übe r 2 f wie von Triumph, werden abe r wohl die Ausnahme bleiben. Insgesamt wird die bessere Umwelt vert räglich keit von Motorrädern sicher da s Hauptentwicklungsthe ma der nächste n Jahre werden , soga r werd en müssen. Und zwar bei Abgas, Geräusch und beim Kraftstoffverbrauch. Wie schon frü her angede utet, bildet die Geräuschemiss ion dabe i technisch das Hauptproblem. Obwoh l Motorräder in de n vergangeneu Jahren prakt isch um die
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14 Trends u nd zu kü nft ige Anforderu ngen im Motorradbau
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Bild 14.1 Entwicklung des gesetz lichen Geräuschgrenzwe rtes fü r Motorräder bis 1986
1986-1992
ab 1993
Hälfte leiser geworden sind. Bild 14.1, werden weitere Forderu ngen nach einer Absenkung de r Gerä uschpegel kom men. Es spielt da bei kei ne Rolle. da ss moderne, serienmäßige Moto rräder objektiv betrachtet und vernünft ig gefahren wirk lich leise sind . Im politischen Rau m zählen zunehmend de r vermeintliche oder tat säch liche Bürgerwille und Aktion ismus mehr als obje ktive Fakten. Man sollte sich nicht de r Illusion hingeben, da ss d ie Anstrengungen de s Gesetzgebers auf d iesem Gebie t nach lassen werden. Das Aut omobil wird hier als Maß stab gen ommen. Moderne Aut os sind mit einem Vorbeifah rtge räusc h von 74 d BA im Messwert leiser als ein Motorrad, das einen Schalld ruc kpegel von 79 d BA (+1 d B) erzeu gen da rf. Die Ge setzgebu ng berücksichtigt also be reits die u ngünstigeren Voraussetzu ngen bezüg lich de r Schallemission beim Motorrad (offen liegender Antrieb, keine Ka rosser ie, höhere Dreh za hlen) . Der höhere G renzwert beim Mot orrad trägt auch de r Tatsache Rechnung, dass Motorrä der am Verkehrsstrom nur mit einem Bruchteil de r Auto mobil e beteiligt sind. Das Argument aber, da ss eine störende Geräuschbelästig ung auch durch laute Einzel scha llquellen verursacht wird , lässt sich in der Tat nicht widerlegen. Das tech nische Problem ei ner weiteren Geräu schabsenk ung beim Motorrad liegt unter anderem in den mechan ischen Ge räuschen des Antriebs. Die Luft schallemissionen von Sauganlage und Auspuff sind bei modern en Motorrädern be reits weit gedämpft, so da ss diese n icht unbedin gt d ie domin ierende Rolle spielen. Eine Absenkung der pegelbesti mm enden. mec hanischen Gerä usche hingegen ist seh r schwierig, weil dazu in bestehende Konst ruktionen von Motor un d Antrieb massiv eingeg riffen werden muss. Sekund äre Maßnahmen wie ei ne Vollkapselung des Antriebs (hilfsweise hinter ei ner VoHverkleidung) bewirken zwar auch eine Geräu schabsenkung, erhöhen aber d as Ge wicht des Motorrades, werden als unästhetisch empfunden und ergeben große Probleme hinsicht lich der Motorkühlung.
14 Trends und zuk ün ft ige Anforderungen im Motorradbau
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Ältere Untersuch unge n im Auftrag des Umweltbundesamtes [14.1 und 14.2] zeige n zw ar (gru ndsätzlich bekannte) Pote nz iale zu r Geräusch min derung an se rienmäßigen Motorrädern auf, be rück sichtigen abe r viel zu wen ig die Nachteile und die tech nische Umsetzba rkelt der vorgesch lagenen Maßnahme n. So wirkt sich beispielsweise eine Verlängeru ng de r Hinterrad übersetzung zwar unmittelba r geräuschabsenkend bei Ko nstantfahr t aus (Dre hzahlminderung). Nur sinkt dadurch auch das Durc hzu gsvermögen in den oberen Gän gen, was den Fahrer dann veranlass t, be im Beschleun igen heru nterzu schalten . Der a nges trebte, geräuschmindernde Effekt verkehrt sich damit in der Praxi s ins Gegentei l! A ndere Maßnahme n, wie eine Schalldämpfera nlage aus dick wa ndigem Doppelb lech. erh öhen das Ge wicht (im Beisp iel der Stud ie allein beim Schalldämpfer um 6 kg!) un d Sind fertigung stechnisch nur unte r hohen Kosten herste llbar. Leise Moto rräder bedeuten also teu re und schwere Motorräde r. Aufwände , die bei g roßvolum igen Maschi nen noch tragbar sind , bewirken bei hubraumschwächer en Mot orrädern eine Gewichts- und Kostenerhöhung, die d iese Masch inen dan n fü r den Kunden u nattraktiv machen. Ob es umweltpolitisch und soz ial sinnvoll ist, über derartige Maßnahmen die kleinen und mittleren Hubraumklassen langfristig vom Markt zu dränge n, sollte dem Ge setzgeber z umindes t des Nachdenkens wert sein. Leichter zu verwirkliche n sind Maßn ahmen zur Abse nkung de r Schadstoffemissionen. Wenn auch Motorräder derzeit zu r straßenverkehrsbedingte n Luft verschmutzu ng nur ru nd 5 % beitragen, sollte gerade ein reines Freize itfa hrzeug ohne unm ittelba re Tra nspo rtfunktion zu r geringstmög lichen Umweltbelastung verpflichtet sein. Die Technolog ie mit gereg eltem Dreiwege-Katalysato r ist aber mittlerweile auch bei Motorrädern Standard. Bei der Betra chtung der Umweltverträglichkeit von Motorrädern da rf der vom Auto ausgehende Konkurrenzdruc k nicht vergessen werden. Die praktisch abgeschlossene Dur chd ring ung des Gesam tfahrzeugbestandes mit Kata lysatorfahrzeugen hat die Schadstoffb ilanz von Motor rädern in Relat ion zum Auto mobi l verschlechtert. Auch das Arg ument, dass aufg rund der geringeren Jahresfah rleist ung Fahrlei stungen von Motorrädern deren absolute Emissionen kei ne Rolle spielen, gerät ins Wank en, weil Automobile mit Verbräuchen von 5 Litern und weniger auf 100 k m mittlerweile Realität sind . Es darf n icht vergesse n werden, dass viele Motor räder noch über 6 Liter Kra ft stoff konsumieren (allerdings bei sehr viel höheren Fahrleist ungen). Auch hier ist ein weiteres Feld für z uk ünft ige Entwicklungen . Motorräd er müssen und werden ei nen sparsameren Kraftstoffverbrauch bekom men. Allein schon die in den letzten Jahren enorm ges tiegenen Kraftstoffpreise werden dafür sorge n. Niedriger Verbrauch heißt auch größere Reichweite bei geringerem Tan kvolumen, was wiederum da s Ge wicht absenkt. Ausgeschloss en werden kann der Dieselm otor für Motorräder, denn neben dem hohen Gewicht, dem Bauaufwand und damit den Kosten für einen Hochleist ungsdiesel mac ht die ser Gerä uschproblerne. d ie kaum beherrschba r sind. Eine Vollka psel ung wie im Automobil ist beim Motorrad nicht sinnvoll darstellbar und würde das Gewicht noch weiter nach oben treiben. Mangelnd es Drehvermögen und eine für Motorräder insgesamt zu geringe Dynamik sind weitere Gründe, die gege n einen Einsatz sprechen. G rößere Reali sierungschancen hat die Benz in-Direktein spritzung. Sobald die Sys temkosten infolge der massen haft en Etablieru ng bei Pkw-Antrieben abgesun ken sind. ist d ie Übernah me auf Motorrad motoren vorstellbar. Dan eben werden sicher in absehba rer Zuk unft variable Ventilsteueru ngen Einz ug in d ie Motor räder halten .
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14 Trends und zukünftige Anforderu ngen im Moto rradbau
Mehr Regel-Elektronik wird es ebe nfalls gebe n. Im nächsten Schr itt im Anschluss a n die innovative n Bord netzsyste me. werde n nach dem ASS und ASe weitere Regelungssysteme im Fah rwer ksbe reich in die Ser ie einfließen. Möglicherweise erlangt da s Motorrad in nähere r Zukunft eine zusätzliche Bedeutu ng als Individualtranspo rtmittel fü r den inne rstädtische n und stadtnahe n Bereich. Überleg ungen da zu g ibt es seit vielen Jahren [14.4 und 14.5). Ausga ngsbasis aller Überlegungen ist de r ger inge Flächenbedarf, de n Motorräd er im ruhenden Verkehr (Parken) und bei geringen Fah rgeschwind ig keiten einnehmen, vg l. auch Bild 1.2 (Kap. 1), so dass auf der gleichen Verkehrsfläche eine g rößere Verkehrs leistung erbracht werden ka nn. Vorteile werden gese hen, wenn es gelänge. einen Teil der Fahrleistungen vom Auto auf das Motorrad zu verlegen. Das setzt natürlich einen Umdenkungsprozess voraus und br ingt nur dann tatsächli che Vorteile, solange der Besetzun gsg rad des Autos (derzeit 1.5) nicht ansteigt. Ein weitere r Vorz ug des Motorrades ist da s schnellere Vorwärtskomme n bei hoher Verkeh rsd ichte. wobei aber zu berücksichtigen ist, dass in Deutschland das Vorbeifah ren am Am pelstau neben oder zwis chen den Autos zwar praktiziert wird. eigentlich aber verboten ist. Einig sind sich alle Prog nostiker. dass für dieses Umste igen die Anreize zur Moto rradbe nutzung geste igert werden müssten und d ieses motor isierte Zweirad deutlich ande rs ko nzipiert sein müsste als herkö mmliche Motorräder. Das Fahrzeug müsste rollerähnlich gebaut sein mit bequemem Durchstieg, es müsste eine n gew isse n Witterungsschutz aufwe isen, umweltverträglich sein (Katalysator. Lautstä rke). dürfte nur einen minim alen Kraftstoffverbrauch haben. sollte bedienu ngsfreundl ich sein (Automatikgetriebe, Aufstell hilfe. Ergonomie). müsste serienmäßig mit A SS ausger üstet sein und es sollte ein Mindestmaß an passiver Sicherheit aufweisen. Gerade der letzte Aspekt ist fü r eine breite Akze ptanz bei Nicht-Motorradfahrern eminent wichtig. Vom Herstellaufwand bedeuten all diese Anforderu ngen sehr hohe Kosten die der Forderung entgegenstehen, dass ein solches Fah rzeug deutlich preiswerte r als de r billigste Kleinwagen angeboten werden müsste. BMW befasste sich seit 1992 mit d ieser Herausforderu ng und bra chte Anfang des Jahres 2000 mit dem BMW C I ein Zweirad auf den Mark t. da s die vorgenannten Forde runge n perfekt erfüllte, Bild 14.2. Das Fahrzeug stieß aufhervor ragende Anfangsresona nz. abe r es zeigte sich. dass sich langfri stig und dauerhaft d ie wirtschaftlich notwend igen Stückza hlen nicht würden realisieren lassen. Zum Ende des Jahres 2002 wurde dara ufbin beschlossen. d ie Produktion einzus tellen. Es wurden aber weltwe it weit über 30.000 Fahrzeuge verkauft. Möglicherweise ka m das Fah rzeug einfach zu früh und d ie Märkte waren noch nicht reif fü r ein dera rtig zukunftsträchtiges Konzept. In de r Sicherheit ist der C I vorbild lich. Es wurde ein im Zweiradbere ich völlig neue r Lösungsansatz für d ie pa ssive Sicherheit verfolgt. Äh nlich wie beim Auto ver fügt das Fahr zeug über eine formstabile Fahrgastzelle aus Alum iniumprofilen. in de r der Fahrer auf einem spez iellen Siche rheitssitz angeschna llt wird. Verfor mbare Al umin ium- Längsträger und ein spez ielles Deformationselement an de r Vorderra dfü hrung, Bild 14.3. neh men die Aufprallene rgie beim Unfall auf und schützen den Fahrer vor schweren Verletz ungen bei einer der häu figsten Unfallarten von motorisierten Zweirädern. dem Aufprall auf ein anderes Fahrzeug. Gegen Verletz ungen beim seitlichen Weg rutschen in der Kur ve schützen die Fahrzeugstru ktur und der spez ielle Sitz. Rechnerische Simulationen, reale Crashversuche und d ie Erfahru ng aus der Serie belegen den hervorragenden Schutz des Fahrers beim Aufprall auf ein Hi ndernis. bei allen
14 Trends und z ukünft ige Anforderungen im Motorradbau
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anderen (weniger häufigen) Unfallarten ist die Verletzungsschwere deutlich geringer als beim herköm mlichen Motorrad, [13.6]. Unabhängig von diesen Sicherheitsüberlegungen liegen hochwertige Roller mit leistungsstarken Motoren und größere n Hubräumen voll im Trend. Auf Messen werden immer wieder auch
Bild 14.2 BMW C 1
Bild 14.3
Rahmenstruktur des BMW Cl
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14 Trends u nd zu künft ige Anforderungen im Motorradbau
Bild 14.4 Rollerstudie von 1/0N/)A
sehr att raktive Studien gezeigt, wie d ie von HONDA auf der Tokyo Motor Show 2003 mit einem 500 cm' Boxer-Motor, Bild 14.4. Auch .Cross-overv-Moceüe von Rollern und Motorräde rn scheinen d ie Vordenker der Motorrad industrie zu beschäft igen. Bild 14.5. Derartige Fahrze uge vereinen d ie Leistungsfähigkeit un d de n Fahrspaß großvolu mige r Motorrä de r mit der Bequemlichkeit und dem leichten Handling von Rollern (Durchstieg, niedri ge Sitzhöhe). Es bleibt abzuwarten. in welcher Form diese Konzepte Eingang in eine Serienprodukt ion finden werde n u nd wie die Akzeptanz am Markt sein wi rd. Unabhängig davon. ob sich Zweiräder in die ser neuen Form etab lieren könn en, ist d ie generelle Frage nach mehr Sicherheit und die Entwicklung von pa ssiven Schutzs ystemen ganz sicher ein Zuk unftsthema für da s Motorrad. Wenn ma n den sehr hohen Stand der passiven Sicherheit beim Automobil betrachtet. k lafft hier beim Motorrad eine deutliche Lücke. Allerdings kann sich niemand ein unföm ige s, schwerfälliges Sicherheitsmotorrad wünsc hen, da s dem Gru ndge danken des Sich-frei- Fühlens beim Motorradfahren wide rspricht. Die gesamte Problem atik ist sehr vielschichtig. Einerse its fallt es schwer. es a ls unabänderliche Tatsache hinz unehmen , dass Kollisionen zwischen Motorrädern un d Automobilen in den meisten Fällen schwere Verletzun gen mit oft bleiben den Folgen für den Motorra dfah rer nach
14 Trends und z ukünftige Anforderungen im Motorradba u
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S UZ UKI
!\H{ler 10 t he Future
Bild 14.5 Studie von SUZUKI (Tokyo 2003)
sich ziehen. Ande rerseits existieren bis heute keine wirklich befriedigenden Lösungen fü r die passive Sicherheit. BMW und HONDA forschen seit Ende der 90e r Jahre an Airbag-Systemen für Motorräder. HONDA stellte 2004 anlässlich de r INTERM O T einen Roller-Prototypen mit Airbag der Öffentlichkeit vor, Bild 14.6. Ein darauf basierendes, weite r entwic keltes Air bag-System ist ab 2006 in de r serie nmäß ige n HONDA Goldw ing als Opti on erhältlich. Die Grundproblematik des Moto rrad-Airbags ist aber
nach wie vor nicht wirk lich gelöst. Im Gegensatz zum Automobil , bei dem der Fahrer durch die Fixierung mit dem Gurt und durch d ie Sitz konstruktion einen definierten Beweg ungsablau f bei einer Kollision vollfü hrt. ist die Bewegu ng de s Motorrad-Aufsassen weitgehe nd frei und kaum vorherbestimmbar. Dadu rch ist eine Schutzw irkung dur ch de n Airbag nur in wenigen. sehr spezifischen Unfall konstellati onen gegeben (beispielsweise Aufprall auf ein Hindernis mit etwa 90"). Das um fassende Schutzversprechen. das ein Airbag abgibt, kann beim Motorrad nicht eingelöst werden. Im Zwei-Personenbetrieb ist der Bewegun gsablauf de r Passagie re erst recht völlig unvorhersehbar. Diese eingeschränkt e Schutzw irku ng räumt auch HONDA ein. Dennoch. imm erhin wurde ein erster Schritt getan und in definier ten Unfallsituationen ist die Schutzw irkung beeindruckend. Es bleibt d ie Frage offen, inwiefern ein System mit eingeschränkter Schutzw irkung Ak zeptanz beim Kunden findet. Auswertu ngen realer Unfä lle werden zeigen, wie es in der Praxis um den Schutz de r Passagiere bestellt ist.
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14 Trends und zukünftige Anforderungen im Motorradbau
Bild 14.6 Studie eines Rollers mit Airbag (l /ONDA, 20(4 )
Schne ller als d ie passiven Sicherheitssysteme am Motorrad selbst wir d die Helmentwicklung voransc hreiten. Neuesie Untersuchunge n zeigen, dass sowohl in der Konstruktion der Helmschale als auch im Material fürd ie stoßabsorb ierende Innen schale noch Verbesserungs potenz ial steckt. Auch bei der Schutzkleidu ng bleibt noch Raum für weitere Entwicklungen. Die neueste Generation von Protektoren zeigt bereits einen gro ßen Fortsch ritt im Vergleich zu früher. Für alle passiven Schutzsystem gilt de r g leiche physikalische Zusammenhang: Um Stoßenerg ie aufzunehmen und Belastu ngen vom Fahrer fern zuh alten braucht man Deformationsweg. Der Platz dafü r ist sowohl beim Helm wie auch in der Schutz kleidung besch rän kt. Übergroß e schwere Helmschalen und unfö rmige Motorradschutza nzüge mit eingesc hränktem Tragekom fort werden d ie Kunden nicht akzeptie ren. Will man eine sprung hafte Verbesseru ng de r passiven Sicherheit erreichen. kommt man nicht da rum herum die Fahrzeugdeformation zur Aufnahme der Aufpra llenerg ie bei einem Unfall zu nutzen. Das setzt jedoch d ie Ankoppelung de s Fah rers an das Fahrzeug voraus. d ie aus heut iger Sicht nicht akze ptabel ist und für d ie noch keine befriedigende Lösung ex istiert. Die Integration von Airbags in Fahreranz ügen scheint auf den ersten Blick eine bestechende Idee zu sein. Doch sind auch hier viele Probleme ungelöst, z um Beispiel der Mehrfachanpra ll. d ie Auslösung und alle Fragen der Sensorik. Bleibt als Letztes d ie Frage nach zu kü nftigen Kraftstoffen beziehungsweise der Antriebsenergie. Ganz sicher wird da s Erdöl noch für weil mehr als 20 Jahre der wichtigste Energie-
14 Trends und zuk ünftige Anforderungen im Motorradbau
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träger bleiben. Damit wird der Ottomotor auch in Zukunft die dominierende Antriebsquelle fü r Motorräder sein. Alternative Antriebe werden sich nur schritt weise und zuerst in kleinen Nischen etablieren. Den Hybridantrieb wird es aller Voraussicht nach für Motorräder nicht geben. Er ist zu schwer. sehr kompliziert. er benöt igt zu viel Platz und ist zu teuer. Selbst die Automobilhersteller bezeichnen ihn als Übergangslösung. Eher dürften sich elektr ische Antriebe ih ren Platz erobern, erste Fahrzeuge sind ja bereits heute zu kaufe n. Dennoch darf ma n sich keinen Illusione n bezüglich der Batterietechnologie und der Energiespeicherung hingeben, wie nachfolgende Betra chtung zeigt: Ein Liter Benzin enthält etwa 8,7 Kilowattstunden Energie und hat eine Masse von rund 0,73 kg. Die heute bereits käufliche Enduro Quantya Strada mit einem 13 kW starken Elektromotor speichert in ihrem Akku 2,5 Kilowattstunden, was ihr eine Reichweite von rund 40 km verleiht. Das heißt ihr Akku speichert etwa die Energie von knapp 0.3 Itr. Ottokraftstoff. Voll "getankt" elektrisch fahren ist bei derzeitiger Batterietechnologie also so. als würde man benzingetrieben praktisch mit fast leerem Tank auf die Reise gehen. Vergleicht man Wegstrec ken und nimmt man optimistisch eine Reichweite für heutige Elekt roZweiräder von 60 km an, so verbraucht ein modernes Mittelklasse-Motor rad auf diese r Strecke etwa 3.3 II r. Orte kraftstoff Das entspricht einer Masse fü r den Energieträger Benzin von rund 2,4 kg. Ein Elektro motorrad benötigt dafü r ein Batte rievolumen von 55 ltr. und diese Batterie bringt eine Masse von etwa 113 kg auf die Waage. Selbst wenn sich die auf das Gew icht und das Volumen bezogene Speicherdichte der Akkus innerhalb der nächsten 10 Jahre verfü nffachen würde , bliebe das Verhältnis zw ischen Energiegehalt und Gewicht/Volumen immer noch sehr ungü nstig im Vergleich zum Benzin. Selbstverständlich ist dieser Vergleich sehr pauschal, aber er rückt die Verhältnisse in das richtige Licht. Die Reichweitenangaben bei Elektrofahrzeugen hängen, ähnlich wie der Verb rauch des konventionellen Motorrades. sehr stark vom Fahrprofil ab. Für den Elektro motor spricht sein hoher Wirkungsgrad von über 90 %. das heißt er setzt die elektr ische Energie sehr effizient in mechanische Arbe it um. Sein Wirkungsgrad hängt zudem nur wenig vom Lastzustand ab. Demgegenüber liegt der Wirkungsgrad eines Ottomotors im Bestpunkt bei etwa 33 %, und er fallt mit sinkender Last stark ab. Gerade im Stadtverkehr bewegt man sich mit einem Verbrennungsmotor in einem sehr ung ünstigen Wirkungsgradbe reich. Allerdings darf man bei Elektroantrieben nicht nur den Moto r-Wirkungsgrad allein beur teilen. sondern muss die Wirkungsgradkette des gesamten Energiemanagements betrachten. Hier treten z usätzliche .Bnergieverluste" auf und zwar bei der Leistungs- und Rege1ungselektroni k für den Elektro motor und für die Batter ie. Auch der Lade- und Entladevorgang der Batterie ist nicht verlustfrei. Würde man den Wirkungsg radvergleich zw ischen Elektroan trieb und Verbrennungsmotor auf Basis der eingesetzten Primärenergie führen, wäre der Elektroantrieb beim heutigen Technologiestand und beim heut igen Kraftwerke-Mix klarer Verlierer. Dabei ist noch gar nicht der gesamte Energieaufwand für die Herstellung der Batterie berücksichtigt. Dennoch. für Kurzstrecken. in der Stadt und für die Fahrten zur Arbe it werden sich ElektroZweiräd er schrittweise ihren Platz erobern. Hier geht es wesenrlich ja auch um die Vermeidung lokaler Emissionen. Der Fahrspaß wird dabei sicher nicht kleiner werden. höchstens anders. Das sehr hohe Anfahrdrehmoment der Elektro antriebe aus dem Stillstand beschert ein hohes Beschleun igu ngsvermögen und ein beeindr uckendes Fahrerlebnis. Gleichmäßig hohe Zugkra ft ohne zu Schalten und nahezu geräuschlose Kraftent faltung sind sicher gewöhnungsbedürftig,
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14 Trends und zukünftige Anforderungen im Motorradbau
aber zugleich auch reizvoll. Offroad eröffnen sich unter Umständen ganz neue Perspektiven, da die lokalen Umweltbelastungen durch Abgase und Lärm gegen Null gehen. Desig nernw ürfe. d ie zuletzt von Stude nten verschiedener Hoch schulen gezeigt wurden (Interrnot 2008), beweisen, dass Motorräde r dur ch einen Elektroantrieb nichts von de r Attrakt ivität sichtbarer Technik einbüßen müssen. Im Gegent eil, es ergeben sich neue Freiräume. d ie zu ganz neuer Gestaltu ng mit eigen stä ndiger Fasz ination führe n. lIi1d 14.7 a und 14.7b. Eine ganz andere Richtung könnte mit dem Ersatz von fossilen Brennstoffen du rch FlüssigWasser stoff beschritten werden. Mit dieser Kraftstoff-Alternative können d ie herkömm lichen Ott omotoren und Antriebsagg regate beibehalten werden. Mod ifiziert werde n müssen .Jediglieh" die Gemischbildungssys teme. d ie Motorsteuerung und natü rlich das Tanksystem. Bei den Automobilen wird intensiv an d ieser Technik ge forscht und entwickelt. Bei BMW läuft beispielsweise seit vielen Jahren eine Pkw-Versuchsflotte au f der technischen Basis von Serienfahrze ugen. Auch eine Wasserstofft ank stelle wurde bereits für den Probebetri eb auf dem Geländ e einer öffentlichen Tan kstelle installiert. Die Leistungsausheute de r Motoren ist bei Wasserstoffbetri eb um ca. 15 % geringer und die Reichweite sinkt dur ch da s kleinere nutzbare Tankvolu men um mehr als ein Drittel. Die sonstige Technologie des Motorrade s verä ndert sich aber nicht g rundlege nd. Klammert man die Fragen zur um weltverträglichen Erzeug ung von Wasserstoff zu nächst einmal aus, dann bleibt als Hauptpro blem die Tanktec hnolog ie und die Unterbringung des Flüssiggas-Wasserstofft anks im Motorrad. Derzeitiger Stand der Tech nik ist ein zwe ischaliger Tan k mit einer Vak uumSuperisolation. der den tiefk alt en Wasserstoff(-253 "C) unter Druck flüssig hält. Damit ist eine wochenlange Speicherung des flüssigen Wasserstoffs möglich.
Bild 14.7a Desig nentwürfe von Elektro- Motorrädern
14 Trends und z ukünft ige Anforderungen im Motorradbau
I
Bild 14.7b Designent würfe von Elektro -Moto rrädern
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14 Trends u nd zu künftige Anforderungen im Motorradb au
Eine Stud ie bei BMW Motor rad im Rahmen einer Diploma rbeit an der Fachhochschule München befasste sich vor Jahren mit den g rundsätz lichen Fragestellungen des wasse rstoffb etriebe neo Moto rrades [14.6] u nd ze igte ermut ige nde Resultate. Grundsätzlich ist die Integr ation eines Wasserstoff-Speicherta nks in einem Motorrad packageverträglich möglich . Der notwend ige Bau raum ist bei entsprechender Auslegung des Gesamtfahrze ugs dar stellb ar, Bild 14.8. Mit einer Reichweite von rund 150 km würde ein derarti ges Fah rzeug z umi ndest die Minimumanforderungen erfü llen.
Bild 14.8 Studie eines mit Flüssig-w asserstoff betriebenen Motorrades ( Diplomarbeit FH München)
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Literatu rverzeichni s ( 1.1J Spiegel. IJ.: Die obere Hälfte des Motorrades. Motorbuc h Verlag, Stuttgart, 2002. (l i) vanBasshuysen. R.;Schäjer. F t Hrsg.): Handb uch Verbrennungsmotor. Wiesbaden: Vicwcg +Tcu bncr, 2010.
(3.2)
van
Basshuysen. R.; Schäler. f-~ (Hrsg.): Lexikon Motorcntcc hnik. Wiesbaden: Vicwcg Verlag, 2006.
(3.3) Xnning Uong: Zur Berechnung des geometrischen Öffnungsquerschnitts von Kcgc1vcnti lcn. MTZ 46 ( 1985) Heft 6.
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(3.5) LUI/ge. K.-II.: Ermi tt lung einer Vcnt i1crhcbung ausgehend vom Bcsch1cunigungsvcrlauf. Automobilrevue NT. 20, 1969.
(3.6) Sc/wiek. P.: Das dynamisc he Verhalten von Venti lsteuerungen an Verbrennungsmotoren. MTZ 31 (1970).
(3.7) Streubel. M.: Beit rag zur Erfassung und Beei nflussung des Schwingungsverhalte ns von Nockentrieben. Dissertat ion TH M ünchen. 1965. (3.8) Kaiser, I/. -J. u.a. : Geräuschve rbesserung an Mehrventilmotoren durch Modifikat ion an der Nockenwelle. 2. Aaehener Kolloq uium Fahrzeug und Motorentechnik 1989. (3.9 ) Moas. 11. ; Klier, 11.: Kräfte, Momen te und deren Ausgleich in der Verbrennungsk raftmaschine. Die Verbrennungsk raftmaschine. Neue Fo lge Band 2. Springer-Verlag, Wien, New York 1981. (3.IOJ Dubbel, Taschenbuch für den Masch inenbau. Springer-Verlag Berlin, Hcid clb crg, New York, 2007 (3.IIJ Lang. 0. R.: Tr iebwerke sehn etlaufender Verbrenn ungsmotoren. Springer Verlag Berlin 1966,
(3.1 2) Metlig,/I. :: Die Konstrukt ion seh netlaufender Verbre nn ungsmotoren, Berli n: dc Or uy tcr, 1973,
(3.13) 7"1111111, c.: Zu r Spezifik de r Kolbenseku ndärbewegung in luftgek üh lten Zwei takt-Kra ftradmotoren und d araus res ultie rende Möglichkeiten und Gre nze n bezüglich einer Ge räuschreduzierung. Tag ungsband 4 . Grazcr Zwcirad tag ung,OX.109,04. 91, Oraz . Mitteil ungen des Instituts für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik der T U Graz, Heft 60a.
(3.14) wahher,
r:
Dokumentarische Zusammenstellu ng und Bewe rtu ng aller wesentlichen Ein flußparame ter auf die Wärmeabfuhr luftgekühlter Motoren. Diplomarbeit Fac hhoc hschule Münc hen, 199 1.
(3.1 5) Pischingcr, S.: Einfluss der Zün dkerze auf Fun kenentlad ung und Flammenkernbildung im Ottomotor. MTZ 2/199 1.
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[3.18) Yagi, S.: Fujiware, K.; Kuroki, N.: Motorgesamtverl ust und Motorlcistungsmerkmale be i Vierta ktOtto mo toren, Tagungsband 4. Grazcr Zw eiradtagung. 08.109,04.91 , Graz. Mittei lunge n des Instituts für Verbrennungskraftmaschi nen und Thermody nam ik der TU Graz, Heft 60a .
[3.1 9) Stoffregefl, .I.: Biermeier. F. X : Die Katalysatorkonzepte für d ie SM W Motorräder der Ki Baurcih c. MTZ 53 ( [992 ), Heft 6, S. 260-267.
[3.20)Reif, K.: Automobilelekt ronik. Wiesbaden : Vieweg+Teubner, 2009. [3.21) Braess, 1/.-11.: Seiffen. U. [H rsg.]: Vieweg Handb uch Kraftfahrzeugtechnik . Wiesbade n: Vicwcg Verlag , 2007,
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Literat urverze ichnis
[8.1] C. Riba ROll/eva u.a : Effcct s of sudden slippage of the d riving whc cl ovcr a swing ing ar m in high poweret! motorcyc1cs. Mcchanical solutio ns 10 avoid thcsc cffects. Tag ungsband 5. Orazer Zweiradtagung, 22.12104,93, G raz. Mitteilungen des Instituts ruf Ver brenn ungskraftmasch inen und Thermod ynamik de r T U Graz, Heft 65. [8.2] Rreuer. H. ; Bill. K.-II. ( Hrsg.j : Bremsenhandbuch. Wies baden: Vicwcg Verlag, 2()()6. [lU] t.etster. G.: Fahr zeugreifen und Fahrwerkentwicklung. Wiesbaden: Vicw eg +Tcubncr, 2009. [8.4 ) Gold. 11. u. a.: Das neue .Air Damping System " der BM W HP 2 Endure . In : ATZ 107 (2005 ), Heft 10, S. 848-857. [9.I] Weihel. K.-P.; Hac kban. E.-o. : Das Motorrad und seine Kom ponen ten im Betr iebsfestig keitslabor. 3. Fachtag ung Motorrad , der VOI-Gesellschaft Fahrzeugtechn ik, Da rmstad t 1989, V DI Bericht Nr. 779, S. 235-258. V DI-Vcrlag Dusseldorf 1989.
[9.2) Gersbach. 1-': ; Naum/orf. 11.: Versuchsmethoden fü r Mi ßbra uchst est s inne rha lb der Betr iebsfest igkeit. VD I Berichte NT. 632 , 1987, S. 169- 190. VDl-Verlag Düsscld orf
[1 0.1] WisSe/IJ/(IIIII. IJ.; IJfe/sberf!,er, L.; Hrandlhubcr, IJ.: Eins alz eines Fahrdy nam ik-Si mulalionsmodclls in der Motorrade ntwick lung bei BMW. ln: ATZ 95 ( 1993 ) Heft 2. [10.2]
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[1 0.3] Wisse lmann. IJ.; Iffe/sherger, L.: Ein salz der Fahrdy namiksimu lation zur Anal yse und Verbesserun g des Motorradlenkver ha lten s. 4 . Fachtagung Motorrad der VD l-Gese llschaft Fahrzeugrechnik , München 1991. VD I Bericht Nr. 875, S. 23-42. VOI-Verlag Dusseld orf 1991.
lu.rl
siehe auch [3.21].
[11.2]lIeißil1g. B.; Ersoy. M. ( Hrsg.): Fahrwerkha ndbuch. Wie sbade n: Vieweg+Teubner, 2008. [l l.S ] Tibken. ll-f. : Das FAG A BS M3 für Motorr äder, ein Beilrag für mehr Siche rheil beim Motorr rad fahren. 5. Fachtag ung Motorrad de r V DI-Gesellschaft Fahrzeugtechn ik. Bcrlin 1993, VDI Ber icht NT. 1025, S. 205-225. VD I-Vcrlag Dusseldorf 1993.
[11.4] weidete. A.: Untersuchungen zu r Kurven brem sung von Motorrädern - Ged anken z ur Brcmsstcherheit. 3. Fachtagung Molor rad der VDl-Gesellsch aft Fahrzeugtechnik, Darm stadt 1989 , V DI Bericht Nr. 779, S. 303-330. V DI-Verlag Dusseld orf 1989.
[1 2.1]lIeyl. G.; Um /eller, N.; Stadtor. st.: Akusr ischc /ac roaku sns chc Eigenschaft en von Motorradhelmen. 5. Fac htagun g Motor rad der v ül-Gcsctlschan Fahr zeugtechnik. Berlin 1993, VDI Ber icht Nr. 1025, S. 175- 203. VD1-Verlag Düsscldorf 1993.
[12 .2]lIucho. W.-II. ( Hrsg.): Aerodynami k des Au tomo bils . Wiesbaden: Vicwcg Verl ag, 2005. [14.1] Stenschke, H.: Lärm- und Schad stoffemissio nen von motorisierten Zwe irädern - Stand der Tech nik und Ma ßnahmcn zur Verm indcrung. 3. Fachtag ung Motorrad der V DI-Gc sc11seha ft Fahrzcugtcchnik, Darrnstadrlvxc, V DI Bcr ieht Nr. 779. S. 133- 156. V DI-Verlag Dusseld orf 1989. [14.2] Herrmann. R.; Gregotsch, K. ; Groß . G.: Entwic k lung e ines lärm armen Motorrades. FE-Bericht 105 05209, Umweltbunde samt Berlin, 1987.
[14 .3]lIeillze. G. W: Kill. 11. 11. : Chan cen für da s Motorr ad im Verkehr ssystem von mo rgen. 4. Fach-
tagung Motorrad der v nr-Ocseuschan Fahrzeugtechn ik. Münch en 1991, VD I Bericht Nr. 875, S. 357-3 6R. VD I-Vcrlag Düsscld orf 1991.
[14.4] Weh/eie. A.: Das Gebrauchsmotorrad der Zukun ft - c in Denk ansatz. 4. Fachtag ung Motorrad der vüt-Gcscllschan Fah rze ugtechnik . München 1991, V DI Bericht Nr. 875, S. 369-382. V DI-Verlag Düssc jdor f 1991.
[14. 5] Nurtsch, ß.; Hetm. D.: C l, Verkehrsmittel der Zukunft , Strukturauslegung eines Zwei radsich erheitsra hmen s. 5. Fachtag ung Motorrad der V ljl-Gcscllschaft Fahrzeugtechnik. Berlin 1993, V DI Bericht Nr. 1025, S. 45 1- 477. Vor-Verlag Düsscldcrf 1993.
[14.6] Hernhart, T. : Wasser stoffan trieb für Motorräder. Konz ept studie. Dipl.-Ar b. FH Münc hen , Münehen, 2001
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Anhang - Glossar technischer Grundbegriffe Ad hä sion, Ad h äsionsk r ä ft e (S. 10) Adhäsion kann mit Haftw irku ng g leichgesetzt we rden. Mit Adh äsion wird eine Kraft wirkung in der Kontaktfläche zwischen zwe i Körpern bezeichnet. die bewirkt. dass die Körper aneinander haften woll en . Adh äsion skräfte sind Kräfte. die zwisc hen den Molekülen ve rschiedener Stoffe. die im engen Kontakt miteina nder stehen. auftreten. Die Stärke Adh äsion ist von versc hiedenen Stoffeigenschaften und der Oberflächengestal tu ng abhä ng ig. Die Verklebung von Bauteilen be ispielsweise beruht auf Adhäsionskräften.
Der niedr ige Druck (Unterd ruck) fördert d ann de n Krafi stoff in den Vergaser. Rl o"· b~·
(5. 216)
(wörtlich: vorbeibl asen ], Übliche Bezeichnun g für da s deutsche Wort Durchblasemenge. Bezeichnet den v olumen entei l von Gas. der bei der Verdichtung und Verbrennu ng infolge unvollkommener Abdichtung an den Kolbenri ngen vorbei ins Kurbel gehäu se gelangt (vorbeigeblasen wird). Dauer fesligkeil (5 . 219 und S. 279)
Rernoulli gJeichun g (5. 173) Die Bernou lligleichung besc hreibt das physikalische G rundgesetz vo n der Erhaltung der Energie ruf den Spez ialfall der Strömung. Au f ei ne idealisierte Strömung angewendet. bedeutet dieses G rundgesetz, da ss innerhalb eines betr achteten Strö mungsabschnitts der Energiegeha lt dcr Strömung konstant bleibt. Für inkompress ible Gasst röm ungen ohne große Höhenu nterschiede wird der Energ iegehalt der Strömu ng d urch d ie Angabe des statischen Drucks p u nd der Strömungsgeschwi ndig keit w gekennzeich net. Die Bernou lligleichu ng lautel dan n:
E = p +1'12 . 11'2 = kon stant (E = Energie. n - Dichte)
Wenn in einem betrachteten Strömungsabschnitt d ie Strömungsgesc hwindig keit ansteigt (z.B. irrfolge einer Q uerschnittsverengun g -s- Kontigjeicbung). dann muu der Dru ck absinken un d umgekehrt. Andernfalls würde d ie Energ ie der Strömung nicht konstant bleiben. In Vergasern z.B. wird dieser Effekt ausgenutzt . Die Qu erschnittsverengun g im Lufttrichter erhöht die Strömungsgesc hwi ndigkeit (Kontigleichung), wodu rch der Druck absinkt.
Die Dauerfest igkeit iSI die Belastun gsg ren ze (de r auf Dauer ertra gene Wert der Bela stung) fü r einen Werkstoff, der bei einer schwingenden Bean spruchung beliebig oft (a uf Dauer) ert ragen wird . Die Daue rfest igkeit bezieht sich also au f ei ne dynamische Belastun g. und muss von der rein statischen Bruchfestigkeit (einmalige Bela stu ngsfä higkeil bis zu m Bruch) unterschi eden werde n. Siehe auch
W(jhler.~challbild.
Desfllla t hm (5 . z.t4) Physikalisches Ver fah ren bei de m durch Erhitzen Besta ndteile aus einer Flüssig. keit ausda mpfe n und durch ansch ließendes Ab kühlen wieder verflüssigt werden. Da d ie Verda mpfungstemperatur der versch iedenen Stoffe sich unterscheidet, können durch die Wah l der Temperatur beim Erhitze n Flüssigkeitsgem ische voneinander getrennt werden.
Duk t ilit ät (5. 278) Duktilität bedeut et Im weiteren Sinne Verform barkeit. Ein Werkstoff wird als du ktil beze ichnet. wenn er sich unter hoher Belas-
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An hang - Glossar techn ischer G rundbeg riffe
tun g zunächst bleibend und sichtbar verformt , bevor es zum Bruch kommt. Eine erlittene Überbelastu ng wird da nn sofort erkennba r. Das Gegenteil von dukt il ist spröde. Bei spröden Werk stoffe n kom mt es bei Überbeanspruchung u nmittelbar zum Bruch . ohne vorherige erkennbare Verformung. Hochfeste Werk stoffe zeigen oft ein sprödes Werkstoffverhalten, genauso viele Gusswerkstoffe. Besonders für Sicherheitsbauteile ist eher ein duk tiles Werkstoffverha lten erwü nscht.
bereich liege n. Je g rößer der Freque nzabstand zwische n Anregu ng und Eigenfrequenz ist, de sto sicherer ka nn de r Resona nzfall ausge schlossen werde n. Fla mmp u n k t (S. 250)
Durchbl a semen ge
Als Flammpunkt bezeichnet man diejenige Temperatur einer brennb aren Flüssigkeit , bei der sich soviele Dämpfe an der Oberflä che bilden , dass sich d iese bei Annäherung einer Zündquelle (Flamme, Funken) entz ünden. Der Flammpunkt dient zur Beurteilung der Feuergefährlich keit einer Flüssigkeit.
-
-+-
siehe btow-by
siehe auch Zündtemp era tur
Eigenfreq ue nz (S . 322)
Hon en (S. 120 un d S. 134)
Siehe auch Sc hwing ung.
Honen ist eine Oberfl ächen-Feinbearbeitun g für (ru nde) Bohru ngen, be i de r die Form der Bohrung nicht verändert und nur wenig Material abgetragen wird. Der Honvorgan g ist de r abschließend e Bearb eitun gsgan g für d ie schon auf da s Endmaß vorbearbeitete Bohrung. Ziel des Honens ist eine hohe Oberflächengut e. gepaart mit einer definierten Oberflächenfein struktu r. Beim Honen wird ein spez ielles Werkzeug unter einer Drehbewegung mit großem Längsvorschub in der Bohr ung hin und herbewegt. Dabei erzeug t das He uwerkzeug eine Obe rfläche mit fein sten Riefen, die im schräge n Winkel zur Boh rungsachse verlaufen . Bei Motoren werd en vor allem die Zylin derund d ie Lagerbohrun gen im Pleuel gehont. Die spez ielle Oberfläche nstr uk tur verbessert auch die Ölha ftfähigk eit, was bei kritischen Schmierverhältnisse n sehr wichtig ist. Beim Zylinde r beeinflusst die Güt e des Ho nens den Ölverbrauch de s Moto rs. die Abd ichtu ng de r Kolben ringe. das Einlauf- und Verschleißverhalten und die Fresss icherheit des Kolbe ns.
Wird ein schwi ngu ngsfähiges System von außen kur z angeregt und sich dan n ohne weitere Anregungen oder Zwänge selbst überlassen, dann führt es eine freie Schwing ung mit einer festen Frequ enz aus. Diese Frequenz , d ie das Schwingungssystem ken nzeichn et, heißt Eigenfreque nz. Sie berechnet sich bei einfachen Fede r-Ma ssesystemen nach folgender Gleichung :
f=
/c '/-;;;
(c = Federsteifigkeit. m = Masse). Je höher die Steifigkeit und j e kleine r die Ma sse, desto höher ist also d ie Eigenfrequen z. Wenn die Anregu ngsfreq uenz und die Eige nfrequenz des Schwingu ngssys tems übereinstim men. da nn genüge n bereits kleine (energiearme) Anregungen. um seh r große Schwing ungsausschläge im System hervorz urufen. Das System kann da nn überschwingen un d un ko utrollierte Schwi ng ungsausschläge ausfü hren (Resonanz). Man ist bei vielen tech nischen Systemen bemüht, eine möglic hst hohe Eigen frequ enz zu erzeuge n, weil die meisten Anreg unge n im niedr igen Frequenz-
In station ä r (S . 15) Instationär ist ein Vorgang, wenn er von der Zeit abhän g ig ist . Der Beg riff wird häufig in
Anhang - Glossar technisc her Gru ndbegriffe Verbi ndung mit Bewegungsve rgängen. z.B. be i Ga sströ me ngen oder bei Fah rzustä nden verwen det. Ein Fahrzeug (od er eine strömende Ga ssä ule}, das (die) sich in insun ion ärer Bewegung befindet. hat zu verschiedenen Zeiten untersch iedl iche Geschwindigkeiten, d.h. es (sie) wird abgebremst ode r bescbleunigt . Int erfer enz (5. 189) Interferenz bed eutet Überlagerung. Interferenzen gibt es bei der Wellenausbreitung (z.B. Schallwellen) . Werden zwei (oder meh r) Wellen g leicher Frequenz mit einer gegenseitigen Verschiebung überlagert (Phasenverschiebung). add ieren sich die Weilenamplituden. Es kann zu Verstärku ngseffekten oder Absc hwäc hungen bis hin zu r Auslöschu ng kommen. Die folgende Abbildung zeigt diesen Effekt schematisc h.
-......
I
I
_~l
Die Absc hwächung bzw. Auslöscheng von Wellen wird z.B. bei der Scha lldä mpfung im Auspuffsystem ausgenutzt.
Kin eti sch e l<:n ergi e (S , 369 ) Die kinetische Energ ie (Beweg ungse nerg ie) ist derjenige Energiegehalt . den ein massebeha fteter Körper aufg ru nd seiner Bewegung inne hat. Sie hängt ab von der Masse (111) und der Gesc hwi nd igkeit (~,) des Körpers:
E = 1/2 m ' ,.2 Bei Gesc hwindig keitsverdoppe lung vervierfacht sich also d ie Energie de r Beweg ung. Dara us resultiert z.B. eine vervierfacbu ng des Bremswege s, wenn die Ausga ngsgesc hwi ndigkeit verdoppelt wird.
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Konunolt ätsale lebung (5. 47 un d S. 414) Die Kont inuitätsgleichun g (kurz Kont igleichung) besc hreibt da s physikali sche Grundgesetz vo n der Erhaltung der Masse fü r de n Spezialfall de r Strömung. Dieses Grundge setz besagt. da ss innerhalb eines betrachteten Syste ms (innerhalb de r Systemgrenze n) Masse nicht verloren gehen ode r hinzukommen kan n. unab hängig davon , was in dem System an Veränder ungen gesc hieht. Am Beispiel eine r Strö mung durch eine Rohrleitun g bedeutet dies, dass genau d ieselbe Gas- oder Flüssigkeits menge. d ie in eine Roh rleitung eingeströmt ist, auch wiede rausströmen muss, Dabei spielt es dann keine Rolle, ob innerhalb des Systems die Gasst römu ng beschleun igt oder verzöge rt wird, ob sich de r Rohrquerschnitt ändert usw. Wichtig bei de r Behand lu ng von Strömungsvo rgängen ist aber d ie Definition von Systemg renze n [z.B. An fang und Ende des Roh res), innerhalb derer ma n de n Strö mungsvorgang betrac htet.
K ra n Obwohl Kräfte und Kraftwirk ungen eine selbstverständliche Alltagse rfa hrung sind, ist für die mechanischen Wirkun gen eine Definition not wend ig. Denn der Alltags-K raftbeg riff wird oft unexakt verwendet. Eine Kraft ist eine physika lische Erscheinung, die ma ssebehaftete Körpe r beschleu nigt oder verformt. Eine Kraft wird eind eutig beschrieben durch ihre Grö ße, ihre Richtu ng und d ie Lage ihrer Wirkungslinie (Kraftvekto r). Die physikalische Einheit der Kraft ist New ton [NI, Es g ilt: Kraft = Masse ' Beschleunigung
F =m ' a [ N = kg . m1s 2 ) Im Allt agssprachgebrauch werden Kraft und Masse oft nicht deutlich genug u ntersch ieden. Wenn von einem Fahrzeuggewicht von 200 kg gesproch en wird . hat das Fahrzeug eine Masse
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Anhang - Glossar techn ischer Grundbeg riffe
von 200 kg und eine Gewichtsk raft von rund 2000 N; d ies wäre die korrekte Gewic htsangabe. Die Vermischung der Begr iffe gesc hieht, weil d ie Gew ichtskra ft aller Körper auf der Erde von der Erdbeschleunigung verursac ht wi rd, die überall gleich gro ß ist. Jeder Körper wiegt also auf der Erde überall g leichviel, daher ist die Gew ichts( kraft)angabe in kg zwa r unexakt, aber eindeutig. Es g ilt:
g rößten Fahr zeugumriss quer zu r Längsac hse umsch lossen wird. Die Querspa ntfläche steht senkrecht auf der Längseb ene (Ebene du rch d ie Längsac hse) des Fahrzeugs. Sie wird häufig auch als Projektionsfläche beze ichnet, weil sie der proj izierten Fläche in de r Frontansicht de s Fahr zeugs entspricht.
Gew icht = Masse ' Erdb eschleunig ung G =m 'g = m '9,81 rn/52 "" 11/ •
10 rn/s2
[N = kg . rn/52]
Die Unterscheidu ng zw ischen Masse u nd Kra ft muss be i allen physikalischen Vorgängen sehr sorgfältig getroffen werden. O szilliere nd , oszi llieren de xtassen krart (S . 84)
Sie wird in der Praxis sehr genau und einfach er mittelt, indem man da s Fah rzeug vor einer weiße n Wand gen au senkrecht u nd mittig von vorn beleuchtet un d den Umr iss des Fahrzeugschattens auf der Wand nachzeichnet. Die Schatte nfläche kann da nn durc h Ausp lan imetrie ren gertau ermittelt werden. Beim Motorrad gehört der Fahrer mit zum Fahrzeugumriss. Eine moderne Möglichkeit ist d ie Flächenermittlung aus den Com puterZeichnungsdate n des Ges amtfahrzeugs. Poten zr eihe
Oszillierend bedeutet hin- und hergehend. Eine Beweg ung entlang einer gerade n Bahn, an deren Endpunk ten eine Umkeh r der Bewegu ngsrichtung erfolgt, nennt man eine osz illierende Beweg ung. Die Um kehr der Bewegu ng verla ngt zw ingend ein Abbremse n bis zum Stillsta nd und hernach eine Beschleunig ung. Die Beschleunigu ng (Verzögerung) ruft an dem (m asse behafreten} Körper, der d ie osz illierende Beweg u ng ausfüh rt, (Mus sen)k räfte hervor. Diese Kräfte werden allgeme in oszillierende Massenk räft e ge nannt. Ein ty pisches Beispiel für eine osz illierende Beweg u ng ist d ie Kolbenbewegung im Zylinder des Verbrennungsmotors zw ischen OT u nd UT. Die Besch leunig ungskräfte, die am Kolben wirken, werden als osz illierende Massen kräfte bezeich net. Sie wirke n ausschließlich in Bewegungsrichtu ng, d.h. in Richtung der Zylinderachse.
Allge mein bezeichn et man in de r Mathematik eine Folge von Zahlen bzw. Ausdrücken, die einer bestimmten Gesetz mäßig keit unterliege n, als Reihe. Die Glieder de r Reihe werde n miteinand er verknüp ft (z.B. als Addition); d amit können dann komplizierte mathematische Funktione n durch die Reihe erse tzt werden. Da die Glieder de r Reihe meist leicht zu berechnende mat hemat ische Ausdr ücke sind , kön nen so kompliz ier te Funktione n nä heru ngsweise relativ einfach berechn et werden. Die Ge nauig ke it de r Berechnung steigt mit der Anza hl der Glieder de r Reihe. Bei einer Poten zreihe sind d ie Glieder der Reihe Potenzfunkt ionen in aufsteigender Folge (wie z.B. x, x2 , x\ usw.)
Q uer spa nt ftäche (S . 12)
Resultier ende (S, 363 (f,)
Die Querspantfläche ist die Querschnitt sfläche in der Frontansicht eines Fah rzeugs, d ie vom
Eine Resultierend e ist eine gedachte Ersatzkraft für mehrere Einzelkräfte. Sie g ibt mit
Pr ojekt tcn srtäche Siehe Querspa ntfiuche.
Anhang - Glossar tech nischer Gr undbegriffe
461
ihrer G röße und Richtung die Ge samt wirkung an, die mehrere am Körper angre ifende Kräfte verursa chen. Die Resultie rende wird durch geometrische Addit io n (Vektoraddition) der Kraftve kto ren de r Einzel kräfte ermittel t (Kräfte parallelogra mm). Umgekehrt kön nen durch Kraft ze rlegung aus der Resultie renden auch die Einzel kräfte e rmittelt werde n.
cken, d ie ei ner Pressungsbeanspruchu ng ausgese tzt sind. bezeichnet. Pitt ing ensteht durch Spannungen u nd Werkstoffermüdung in der Ob erfläche, wenn die zulä ssige n Flächenpressungen langan dauernd überschritte n werden. Pini ng ist also ein Dauerschaden. Es tr itt nach wenigen, kurzd auernden Lastspitzen noch nicht auf. Wenn Pittingbildung allerdi ngs erst einmal eingesetzt hat, schreitet die Beschädigu ng in kurzer Zeit fort.
;\Ia sse nkraft Jed er massebehaft ete Körper (damit in der Rea lität je des Bauteil am Fahrzeug) unterliegt ei ner Kraft wirk ung. wenn er besch leunigt wird, d.h . wenn sein mome ntaner Bewegungsz ustand sich ändert. Die Kraft unter der Einwirkung ei ner Beschleunigu ng wird Massenkraft genannt. Die Massenkraft wird umso g rößer, je höher Beschleun igung und Masse ei nes Kör pers sind. Siehe auch Kraft , Trägheit. ~ Ia sse n t räg he it
Siehe Trägheit.
Scha llgesch wind igkeit (S . 55) Die Schallgeschwindigkeit in Ga sen ist d ie Geschwindi gkeit, mit der sich eine schwache Störu ng des Ga szustand es [ z.B. des Drucks) im Gas ausbreitet. Die Schallgeschwind igkeit kann dabei d ie Trans portgeschwindi gkeit einer Ga sstr ömun g überlage rn, und d ie Druck störu ng ka nn sich unabhängig vom Gast ransport ausbreiten. Schwache Druckstörungen in Gasen sind z.B. der abgest rahlt e Schall in der Luft (Sc ha llwellen in de r Akustik ). dah er der Name. Die Höhe der Schallgeschwindigkeit (u s) hängt von der Ga sart und der Temperatur ab. Für Luft bere chnet sie sich nach der Beziehung:
Polyn om. Polynomenfunktion (S . 44)
a, =20, 1.,fj [m fs]
Polynom bzw. Polynomfunktion bezeic hnet in der Mathematik eine Summe aus vielen (meist einfachen) Gliedern. Eine Polynomfunktion ist also ei ne Summierung von mathematischen Fun ktio nsausdr ücken. Sie enthält nebe n Zahlenwerten bz w. Konst anten auch Funktionen von Unbekannten. Mit Polynom funkt ionen kön nen z.B. kompli ziert e Kurven math ematisch beschr ieben werden. Die Genaui gkeit der Beschreibun g hängt dann von der Anzahl der Gliederdes Polynom s (und de r Kompl ex ität de r Funk tion der Unbeka nnte n) ab.
(T = absolute Temperatu r in Kelvin)
Pitting (S . 42) Als Pitting werden kleinste Werk stoffau sbröckelungen an der Obe r fläche von Werkstü-
Bei 0 "C bet rägt die Schallgeschwind igkeit in Luft 332 mfs = 1195 km/h. Schallwellen kön nen sich auch in Flüssigkeiten und in Festkörpern ausbreiten. In Flüssig keiten beträ gt die Schallgesc hwindig keit ein Vielfaches der von Gase n (Wasse r z.B. 1485 m/s). Schwing ung Schwingu ngen sind fort laufend wiederkehrend e (pe riod ische) Zustandsänderu nge n. Bei mechan ischen Schwingungen wird eine Masse aus ihrer Ruhelage ausgelenkt (Störung des Gleichgewichts). und rückstellende Krä f-
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Anhang - Glossar techn ischer Grundbeg riffe
te versuchen dan n, das Gleichgewicht wiede r herzustellen . Ein einfaches, anschauliches Beispiel für diesen Vorga ng ist ein Gewic ht, das an einer Fede r aufgehängt ist. Wird die Feder ausei nand ergezogen und da nn losgelassen. schwingt das Gewic ht (d ie Masse) u m seine Ruhelage. Die Schwinga usschläge aus de r Ruhelage werden als d ie Amplitude n der Schwingung bezeichnet. Die Anzahl der Schwingu ngen pro Seku nde ist die Frequenz der Schwingu ng.
beim Verbr ennun gsmotor häufig den Begr iff thermodynamisch g ünstig und meint damit, da ss die Energiewandlung so gesteuert wird, dass sie gemäß den Gesetzen der T hermodynamik mit bestem Wirkungsg rad (ent sprechend den her rschenden Randbed ingun gen) abläuft .
Siehe auch Eigenfrequenz. Se iten fü hru ng skra fl (S . 363)
Am rollenden Rad stellt sich als Reak tion auf den Rad stu rz (Schräglage) eine Kraft in der Reifenaufstands fläche ein, die rechtw inklig zur Radebene wirkt. Diese Kraft wird als Sturzseitenk raft bezeichnet. Aufg rund der geometrische n Verhältnisse und Verformungen des Reifens läu ft dieser auch beim Motorrad etw as sch räg ab, wodurc h sich ebenfalls eine Kraft rechtwink lig zur Reifen ebene einstellt. die Schräg laufseitenkraft. Beide zusa mmen ergeben d ie Seiten(fiihrungs)kra.f1 am Motorrad reifen. Diese hält den Reifen in der Kurve auf der Fahrbahn fest und verhinde rt das seitliche Wegrut schen. Ohne Aufb au der Seitenführu ngskraft wäre eine Kurvenfahrt nicht möglich. Ursache der Seitenkraft sind letztlich die geometr ischen Abrollverhä ltnisse am Reifen , aus denen sich Verfor mungen im Reifengu mm i beim Einlauf des Reifens in d ie Aufsta ndsfläche e rgeben. Sie rufen Rückstellkrä fte im Gummi hervor, aus denen sich d ie Seiten k räfte ausbilden.
T her modynamik Die T hermody nami k (Wä rmelehre) beschreibt u.a. den Ablauf und die physikalischen Gesetzm äßigkeife n von techn ischen Energiewandlungsprozessen, bei denen aus Wärme mechanische Arbeit gewo nnen wird. Man verwe ndet
Träg heit, Trägheitsk raft Jeder Körper, der eine Eigenmasse besitzt und keinen äuß eren Kräft en ausgesetzt ist, hat das Best reben, in seinem momentanen Beweg ungszustand z u verharren. Das heißt , ein Körp er der in Ruhe ist, bleibt ohne äuße re Kraft einwirku ng unbeweglich an seinem Ort. Ein Körp er in Beweg ung, behä lt seine Beweg ung nac h Richtung u nd Gesc hwind igkeit bei, bis ihm äuße re Kräft e eine Bewegun gsänderu ng aufzwi nge n. Gru ndsätzlich stemmt sich die Mass enträg heit eines Körpers bei je de r äuß eren Kraft ein wirkun g gege n d ie Ände rung sei nes Zusta ndes. Die Trägheitsk raft ist damit der äußeren Kraft entgegengesetzt. Dieses Gesetz de r trägen Masse ist ein physikalisches Grundgesetz, das allgemein und überall g ültig ist und sich mit allen Beobachtungen in der Natu r dec kt (von selbst bewegt sich ein Gegen sta nd nicht). In Umkehru ng die ses Gesetzes ergibt sich, dass für die Einleitun g einer Bewegung bzw. d ie Änderu ng eine r vorhandenen Bewegung, eine Kraft notwendig ist.
Tr äg heitsmo ment , ,'\Iassent r äg heils mo ment (S. 15) Trägheit swirkungen treten bei jede r Beweg ungsä nderu ng, so auch bei der Drehbeweg ung, auf. Da Drehbewegungen immer du rch ein Drehmoment verurs acht werden, spricht man bei der Drehbewegu ng vom Masse nträg heits moment (MTM ). Für das Massenträg heitsmoment spielt nicht nur die Gesa mtmasse, sondern auch ih r Absta nd vom Dreh-
Anhang - Glossar tech nischer Gru ndbeg riffe
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punkt eine Rolle. Je g rößer de r Abstand der Masse vom Drehpunkt ist, uruso g rößer ist das Massemräg heus moment. Von zwe i gleich schweren Schwungrädern (gleiche Masse) hat dasjeni ge ein größeres MTM, dessen Masse weiter arn äußeren Rand angebracht ist.
Kraft. Um ihre Wirkung zu beschreiben, muss man nicht nur die Höhe der Kraft kennen, sondern zusätzlich auch die Richtung, in de r sie wirkt. Weitere Beispiele fü r Vektoren sind die Geschwindigkeit und die Beschleunigung. Viskosität (5 . 255 fL)
üb ereu tektisch (5 . 134) Metallische Werkstoffe sind in der Regel keine reinen Stoffe, sondern Mischungen verschiedener chemischen Elemente, die z u einem einheitlichen Werkstoff zusammengeschmolzen werden (Legie rungen). Die Schmelz- und Erstarru ngspu nkte dieser Legier ungen hängen von de r Zusammensetzung der Schmelze (dem Mischungsverhältnis der Elemente) ab. Ist in der Schmelze ein Überschuss eines(oder mehrerer) Elemente vorhande n, so erst arrt die gesamte Schmelze nicht einheitlich bei einer bestimmt en Temperat ur, sondern vor dem Festwerden scheiden sich feste Kristalle des betreffenden Eleme ntes in der noch flüssige n Schmelze ab. Sie verbleiben als Kristalle in der Schmelze bis z um endgültigen Festwerden der gesam ten Schmelze. Im festen Zustand der Legierung sind sie dann als feinverteilte Kristalle gleichmäß ig im Werkstoff vorhanden und verleihen der Legieru ng bestimmte, erw ünschte Eigenschaften. Derar tige Legieru ngen werden als übereutektisch bezeichnet. Aus übereu tektischen Alu miniumlegieru ngen mit hohem Siliziumgehalt, wie sie z.B. für Zylinderkurbelgehä use verwen det werden, scheiden sich Primärsiliziumkristalle aus. Sie bilden an der Zylinderlaufba hn eine harte Verschleißschicht, auf der die Kolben direk t laufen können. Vektor Ein Vektor ist eine physikalische Größe, dessen Wirkung durch den Betrag (Größenwert) und die Angabe der Richtung bestimmt wird. Vektoren heißen deshalb auch gerichtete Größen. Ein Beispiel für eine Vektorgröße ist die
Viskosität ist allgemein definiert als der Widerstand, den eine Flüssigkeit ihrer Verformung entgege nsetzt.
Zähigkeit. Fließverhalten. Das Maß für das Fließverhalten einer Flüssigkeit ist die Viskosität. Sie wird bestim mt, indem die Durchlaufzeit eines definierten Flüssigkeitsvolumens durch eine Blende ( Bohrung) ge messen wird. Je kürzer diese Zeit, umso kleiner ist die Viskosität der Flüssig keit, d.h. umso dün nflüssiger ist sie. Die Viskosität ist abhängig von der Temperatur, deshalb gehört zur Viskosität immer die Temperaturangabe. Die Viskosität von Flüssigkeiten nimmt mit der Temperatur ab. Winkelgeschwindigkeit, Winkelb esch leunigung (5 . 15) Zur Besch reibung de r Geschwindig keit einer Drehbewegung wird der Begriff Winkelgeschwindigkeit verwendet. So wie bei der gera dlinigen Bewegung die Gesc hwindigkeit die Zeit zum Durchlauf einer Strecke bestimmt, kennzeichnet die Winkelgeschwindigkeit die Zeit z um Durchmessen von Winkelgraden. Winkelbeschleun igu ng ist die Änderung der Winkelgeschwindigkeit innerhalb einer Zeitspanne.
w öhlerkurve, Wöh lersch aubild (5. 342) Siehe auch Dauerf estigkeit. Die Wöhlerkur ven zeigen die Belastungsfähig keit von Werkstoffen in Abhäng igkeit der Belastungshöhe und Anzahl de r Belastun gen
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Anhang - Glossar technischer Grundbeg riffe
(Lastspielzahl). Sie werden aufgenommen. indem man Werkstoffproben eine r Schwingbelastun g in abgestufte r Höhe bis zum Bruch aussetzt. In Abhä ngigkeit der Belastung ergehen sich verschiede ne ert ragene LastspietzehIen. Je höher die Belastung. umso niedriger ist d ie Anza hl der ertragenen Lastwechsel bis zum Bruch. Die Belastung. d ie unendlic h oft (mehrals 10 Mio. Lastwechselt ert rage n wird. wi rd als Dauerfest igkeit bezeichn et. Ein Beispiel für eine w öhjerkurve zeigt Bild 9.3 .
Zün dt em pera tu r (S. 250) Die Zündtempe ratur ist d ie niede rste Temperatur eines Gas- Luft-Ge misches (z.B. Kra ftstoffda mpf mit Luft). bei der eine Ve rbrennung ohne äuße re w ärmezufuh r von selbst fortschreitet. Die Verbrennu ngsgeschwindigkeit ist dan n so groß. dass d ie Wärme aus der Verbrennung d ie Wärmeabfuh r an d ie Umgebung übe rw iegt. Die Verbrennung selbst muss abe r auch bei der Zündtempera tur durch eine energiereiche Zündung eingeleitet werden (Funken oder Flamme ).
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Sachwortverzeic hnis A
Abgasa nlage 188, 209 Abgaskatalysator 193 Abgasschadstoffe 77 ASS 373,376,378 f f., 382, 392 Absor ptions-Sc halldämpfer 188 Achssc henkellen ku ng 304,328 f. Additive 257 Aero dynamik 40 1,4 11 Aluminiurnra h men 279 f. A nti-Dive-Syste m 298 A nli-Dive-Wirkung 300 A nti-Hopping-Kupplu ng 228 A ntriebssc hlupfrege lung 397 ff. Al' f-Spezifikat ion 262 A rbeitsprozess 25 Aufprallenerg ie 450 Ausgleichswelle 96.98 Auslasssc hlitz 50,52 r, 55 Auslasss te uerung 58 Auspuff 26, 444 Auspuff rohrlänge 156 Auspuffsc h litzhöhe 58 B Batterie, wartungsfreie 196 Baug ruppe 8 Beschleunig ungsklingeln 75 Beschleu nig ungswiderstand 15 f. Betr iebsfestigkeit 340 Bleiakku 196 Blockieren 374 Blockierg ren ze 372 Bohrungsverg rößerung 212 Bordn el z 198 f. Boxerm otor 98 ff., 157 Bremsdiagramm 381 Bremse 369 Brem se nergie 371 Brem senregelu ng 374 Bremsk raft verst ärku ng 386 Brem ssatt el 318 Brennr aum 140
Brennraumfor m 14\ Brennra um-Wandt emp eralur 167 Brückenrahmen 283 Brückenrohrrahmen 289
C C l 446 f. CAN-Bus-System 198 Ca ntilever 308 Chi ptuning 222 Co mbined Spo rts ASS 392 Cras hversuch 44 6
o DEK RA 437 Desig n 401 Desig nsk izze 406 f Desmodromik 160 Dest illation 244 Dete rgent ien 258 Diagonalkark asse 339 Diagonalrei fen 339 Dieselkraft stoff 244 Dieselm otor 445 Diffaz io-Radnabenl en kung 330 Motorele ktronik . d igita le 182, 183 Direkt einsprit zu ng 62 Dispe rge ntien 258 dohc-Steueru ng 146 Doppel sch leifenrah me n 29 1 Doppelzündung 72 Drehmomentm otor 230 Drehmo mentregelu ng 398 Drehmo mentschwäche 207 Drehmo me ntverlauf 229 Drehmo mentwandler 232 Drehschieberplatte 58 Drehzah lanpassung 225 Drehzah lg re nze 220 Drehzah lwa ndler 224 Drei-Wege-Katalysator 192 Dreiwelle n-Schaltgetriebe 230 Drosselk lapp e 178
466 Drosselklappe nvergaser 175 Dr uck modu lator 382 Duolever 284, 303 I: Einarms chwinge 307.309 Einlass ka nal 142. 144 Einlassschlitz 50,5 1,53 Einlasss teue rzeit 203 Einrohrdä mpfer 325 Einsche ibenkupplung 226 Einspritzdüse 62 Einspritzu ng 179 Einspritzvorga ng 185 Elekt romotorrad 44 1 Energiewand lung 22 Entd rosselung 214 ESA-Federbein 326 f.• 332 f. F Fahrerplatzgestaltu ng 418 Fahrs tabilität 374 Fahrwerk 271 Fahrwiderstand 10, 18 Fahrwiderstandsdia g ramm 17 Fahr widersla ndsleistung 19 Feder, lineare 322 - , progressive 322 Fede rbett rah men 290 Flachschieberverga ser 179 Flammen fortschri tt 66, 73,76 Plattern 353 Fließverbesserer 258 Fressgefa hr 217 Frischga s 200 Full Floater 311
G Ga belversteifung 295 Gasd ruc kdä mpfer 325 Ga sgeschwindigk eit 48 Gask raft 78 ff. Gege nko lbenmotor 60 f. Gemisc h 28 Gemischaufbereit ung 173 Gemischd ichte 28
Sac hwe rtverze ichnis
Gemischheizwert 28, 30, 32 Generato ranordnung 197 Geradeausfahrt 347 Ge radeausstabilität 347 Ge räuschabse nku ng 444 Geräuschg renzwert 444 Gesamtansauglänge 208 Ges amtreibungsmo ment 29 Get rtebe öl 268 Gitte rrohrrahme n 287 f. Gleichdruckvergase r 175, 178 Gleitlager 116 Glühzündung 73,76 f. GÖTZ 439 Gru ndö l 256 Gussrahmen 285 H Halbkugelbrennr aum 138 Handling 367 HEIN GERICK E 439 Heizwert 29 high-sider 315 Hinterradführ ung 306 Hinterradschwinge 310 Hub-Bohru ngsverh ältn is 109 f. Hubra umvergrößeru ng 212 Hubzapfen 112 Hybridantrieb 451 I Integ ral A BS 385 ff. K Kardan antrieb 234 f., 316, 319 Karo sserie 401 Kastenprofilrah men 283 Kata lysator 192, 195 Kerosin 244 Kettenantrieb 233, 319 Kipphebel 43 Klingeln 73 Klopfen 73 Klopffestigkeit 74, 251 Kolben 123 f., 126 f. Kolbenbolzen 125
Suchwo rtverz eic hnis
Kolbengeschwindigkeit 36, 47,82 Kolbenkippen 217 Kolbenkraft 80 Kolbenmasse 125 Kolbenweg 82 f. Ko mpressionshöhe 163 Kompr essionsvolumen 29 Kraft, ae rodynamische 4 13 Kraftschluss 376 Kraftstoff 238 Kraftstoffhe izwer t 29, 32 Kraftstoffmasse 28 Kraftstoffpumpe, geregelte 184 Kraftstoffrücklauf 184 Kreiseleigenschaft 349 Kreiselk raft 352 Kreiselwirkung 347 Krümmerroh r 209 Kühlung 166 f Kupplung 223 Kupplungsgehäuse 225 Kurbelgehä use 25,55, 129, 131 f. Kurbeltrieb 85 Kurbelwel1e 86, 114 f. - , gebaute 118 Kurbelwellend rehza hl 47 Kurbelwinkel 82 K ur venbr emsurig 395 f. L
Ladungswechsel 26,33 Ladungswechselschleife 24 La mbdasonde 185 Langarm-Schwinggabel 299 Lä ngskraft 4 13 Laufbu chse. nasse 136 Leerlaufregelung 184 Leichtbaukolben 163 Leichtmetall-Gussrad 335 Leistu ngsanhebung 215 Leistungsbeda rf 16, 19 Leistun gsberech nung 29 Leistungserhöhung 215 Leistu ngsgewicht 9 Leistungsgewinn 212, 216 Leistun gssteigerung 211
467
Lenkeinschlag 349 Lenkerarmatur 4 18 Lenkerschlagen 353,360 Lenkmoment 396 Liefergraderhöhung 214,2 17 Literleistung 108 LOUIS 439 Luftfilterkaste n 142, 204 f. Luftkühlung 168,170 Luftliefetgra d 29, 31, 33, 211 Luftmasse 28 Luftströmung 414 Luftw iderstand 12 r; 17,415
"
MAGURA 433 Massenausgleich 86,89,91, 102, 104 ff., 113 Massen konzentration 190 - , zentrale 166 Massenkraft 21,78,80, 84, 86 - , freie 88 Mehrscheibenku pplung 226 Mehrscheiben-Ölbadkupplung 227 Membransteueru ng 56 Membranventil 57 MIL-Spezifikation 262 Mischungsschmierung 60 Monocross 310 Motor 21 Motord rehza hl 29 Motorelektronik, digitale 196 Motorenöl 253 Motorhubvolumen 29 Motormoment 223 Motortuning 211 f MÜNCH 135
N Nachlauf 273, 352 NIKASIL 133 Nocken, ko nisch geschliffene 158 Nockenauslegung 45 Nockenberechnung 44 Nockenform 36 Nockengeometr ie 213 Nockenwellenauslegung 213
468 Nockenwellendrehz ahl 47
o
Ohc-Steuer ung 146 Ö HLI NS 426 Ohv-Steuerung 153 Öl kreislauf 171 Ölpump e 172 Ölverbrauch 216 Ötzusatz 270 O- Ringkette 235 Ott ok raftstoff 244,247 ff.• 252 Ott omotor 21, 23 Ovalkolben 128
p Paralever 320, 40 5 Paraleverschwinge 427 Pendeln 353,357 Pendel schwingung 358 Plattendrehschieber 58 Pleuel 119, 121, 123 - , poliertes 219 Pleuelslangenverhältni s 81, 83 POLO 439 Prozesswirkungsg rad 30
p-v-Diagramm 24,27 Q Querkraft 413 R
Rad 333 Radant rieb 233
Radaufhängung 321 Radfü hr ung 277 Radia lkarka sse 339 Radlastveränderung. dynam ische 297 Radla stverlager ung. dy nami sche 276 Radlauf 274 Radn abe nlenk ung 330 Radsensor 383 Radstand 273,276 Radtr äg heitsmoment 368 Rahmen 277 Rahmenkonstruktion 281
Sac hwe rtve rze ichnis
ram air syste m 207 Reflexio n 209 Reflex io ns-Schallda mpfer 189 Reibungskupplung 224 Reibwert 372 Reifen 331,333 Reifenbr eite 365 Reifen schlupf 375 Rennk raftstoff 253 Ren nöl 266 Rollenpr üfstand 213 Rollerstudie 448 Rollwiderstand 10,11 . 17 ROZ·Wert 74 S Sauganlage 204,209, 444 Saugro hr 142 Saugrohrabstimmung 205 f. Saugrohreinspritzu ng 181 Saugrohrlänge 205 Saugro hrverlänger ung 206 Schall 188 Schalldä mpfer 188, 190. 209 f. Schallgeschwind igkeit 200 Schaltgetriebe 228 Schieberste uerung 58 Schieberve rgaser 175 ff. Schlepphebel 154 Schlepphebelsteuerung 146. 151. 153 Schlitzsteuerung 49 Schlupf 375 Schmieröl 238 Schmierung 171 Sch räglage 365 r. 397 Schwerpunktlage 366 Schwinge. geschobe ne 299 -', gezog ene 299 Seitenkraft 375 Shimmy-Effekt 354 siug le-w ire-system 199 Sinterschm iedepleuel 121 Speichenra dkonstruktion 336 SPIEGLE R 431 .432 Spülgebläse 59 Sta nda rdkolben 128
Suchwo rtverz eic hnis
Steigungswide rsta nd 14 Steuerdiagramm 52,56 Steuerkopflenku ng 328 Steuerzeit 36, 202 Stoßdä mpfer 323 Stoßdä mpferbauart 325 Stoßsta ngensteuerung 155 Strömungswidersta nd 4 16 Supersportmotor 120 Synthetiköl 256 T Tassenstößel 39, 43. 158 Tau melscheiben 233 Telelever 290, 301 Teleskopgabel 292, 296 Titanpleu el 122 Titanventil 221 Tonmodell 409 Torsionsmoment 275 Torsionssteifigkeit 294 TOURATECH 437,439 Trockensumpfschmierung 172 T ÜV 437 Tuningkit 213 Tuningmaßnah me 216 Tunnelgehäuse 135 U Überdruckwelle 200 Überströmkanal 51,55,62 Umfangskraft 375 Umkehrspülung 53 f. Umweltverträglichkeit 445 Unterdruckwelle 200 Upside-down -Telegabel 296 V Variomatik 233 Ventil 41 Ventila nordnung. radiale 139. 158 Ventilbesc hleunigung 40,42,47 Ventilbetätigung 45 Ventilerhebung 36 Ventilgeschwindigkeit 40 Ventilgröße 215
469
Ventilhub 37, 40 VentilöfTnung 41 Ventilöffnu ngs dauer 33 Ventilquerschnitt 34 Ventilsitz 34 Ventilsteuerdiagra mm 33 Ventilsteueru ng 33, 138. 144 f - . desrnod romische 160 - . variable 161 Ventiltrieb 137, 214 Ventilüberschneidung 35. 209 Ventilwinkel 163 Verbrennung 65. 67.72 - . klopfende 73 Verbrennungsdruck 67 Verbrennungsmotor 21 Verbundra hme n 286 Verdichtungsverhältn is 216 Vergaser 173 f. VerkehrsAächenbedarf 4 Verkleidung 412 Verschleißschutz 254 Viertaktverfahre n 23 vierventiler 139 Viskosität 260 f. viskositätsindexverb esserer 259 Vorderrad-Bremskreis 389 Vorderra dführu ng 306 Vorschalldä mpfer 190 W
Warmlau fregelung 184 Wasserkühlung 168 wasserstoffbetrieb 452 WHITE POWER 426 f. WÜDO 420,433 WUNDE RLICH 428.433,435 f. Z
Zahnr iemen 236 Zahnr iemenantrieb 233, 237 Zünd kennlinie 71 Zündung 64 Zündverstellung 69 Zündw inkel 184 Zündze itpunkt 71
470 Zugk raft 18
- des Motors 17 Zug kraftdiagramm 18 f. Zweiarmschwinge 307,309 Zweirohrdämpfer 324 f. Zweitak tmotor 25, 32,49 Zweitaktöl 265 Zwe itaktverfahren 25 Zweiventile r 139 Zylinder 129 r, 135 Zylinderdruck 69 Zylinderkopf 137 f., 142, 148 f f.• 163
Sac hwe rtverze ichnis