... bringt es auf den Punkt.
Gelungene Mitarbeitergespräche sind wichtig für jede Führungskraft. Doch wie motivieren, beurteilen oder kritisieren Sie am besten Ihre Mitarbeiter? In diesem Buch finden Sie praktische Leitfäden für typische Situationen wie das Jahres-, das Kritik-, das Zielvereinbarungs- oder das Teamgespräch. Sie erfahren Schritt für Schritt, wie Sie diese Gespräche optimal vorbereiten und durchführen.
Beruf & Karriere
WILFRIED BRAIG • ROLAND WILLE
Die Autoren: Wilfried Braig arbeitete in verschiedenen Unternehmen im Bereich Führung und Personal. Seit über 16 Jahren ist er Berater, Moderator und Coach bei großen Industriebetrieben. Roland Wille arbeitete als Personalentwickler und Personalleiter bei einer mittelständischen Firma. Seit vielen Jahren ist er in den Bereichen Personal-
www.humboldt.de ISBN 978 -3 - 86910 -761- 5
9,95 EUR (D)
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WILFRIED BRAIG ROLAND WILLE
auswahl und Führungskräftetraining tätig.
Gesprächsführung aus der Praxis für die Praxis
29.06.2010 13:19:28 Uhr
Wilfried Braig · Roland Wille Mitarbeitergespräche
Wilfried Braig · Roland Wille
Mitarbeitergespräche Gesprächsführung aus der Praxis für die Praxis
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 978-3-86910-761-5
Die Autoren: Wilfried Braig arbeitete in verschiedenen Unternehmen im Bereich Führung und Personal. Seit über 16 Jahren ist er Berater, Moderator und Coach bei großen Industriebetrieben. Roland Wille arbeitete als Personalentwickler und Personalleiter bei einer mittelständischen Firma. Seit vielen Jahren ist er in den Bereichen Personalauswahl und Führungskräftetraining tätig.
© 2010 Sonderausgabe humboldt Eine Marke der Schlüterschen Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Hans-Böckler-Allee 7, 30173 Hannover www.schluetersche.de Autor und Verlag haben dieses Buch sorgfältig geprüft. Für eventuelle Fehler kann dennoch keine Gewähr übernommen werden. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle muss vom Verlag schriftlich genehmigt werden. Covergestaltung: DSP Zeitgeist GmbH, Ettlingen Innengestaltung: akuSatz Andrea Kunkel, Stuttgart Titelfoto: Getty Images/Thorsten Jochim Satz: PER Medien+Marketing GmbH, Braunschweig Druck: Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, Calbe Hergestellt in Deutschland. Gedruckt auf Papier aus nachhaltiger Forstwirtschaft.
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Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1 Ihre Eskalationsskala . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Clever eskalieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Socken-Eskalation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Eskalationsprinzip oder: Wo stehen Sie? . . . . . . . . . Vermeiden Sie den Schneeball-Effekt . . . . . . . . . . . . . .
15 16 17 19
2 Das Motivationsgespräch: Gut zuhören statt gut zureden . . . . . . . . . . . . 22 Mentale Vorbereitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phase 1: „Was ist zurzeit los mit Ihnen?“ . . . . . . . . . . . . Phase 2: „Was steht Ihnen im Weg?“ . . . . . . . . . . . . . . Phase 3: „Wo sehen Sie Ansatzpunkte?“ . . . . . . . . . . . . Phase 4: „Was machen wir jetzt konkret?“ . . . . . . . . . .
22 23 26 28 30
3 Das Kritikgespräch: Nur positiv klappts! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Erst motivieren, dann kritisieren . . . . . . . . . . . . . . . . . Phase 1: Ölgemälde-Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phase 2: „Was läuft nicht so gut?“ . . . . . . . . . . . . . . . . Phase 3: „Was werden Sie anders machen?“ . . . . . . . . . Phase 4: „Was machen wir jetzt?“ . . . . . . . . . . . . . . . . Die Angst vor dem Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die „Ja-aber“-Falle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Turbo-Kritikgespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33 35 37 39 41 42 43 44
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Inhalt
4 Das Konfliktgespräch: „Jetzt reicht es mir!“ reicht nicht . . . . . . . . . 45 Eskalieren Sie mit Bedacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kennen Sie Ihr Konfliktmuster? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phase 1: Machen Sie eine klare Ansage! . . . . . . . . . . . . . Vermeiden Sie den Entschuldigungs-Parcours . . . . . . . . Vermeiden Sie Hundeknochen-Gespräche . . . . . . . . . . . Phase 2: Geben Sie das Ziel vor! . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phase 3: „Was bieten Sie mir an?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . Phase 4: Vereinbarung treffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phase 5: Positiver Ausklang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trennen Sie Person und Sache! . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45 46 48 49 51 52 53 54 54 55
5 Das Abmahnungsgespräch: Es ist fünf vor zwölf! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Sagen Sie, dass Sie genug haben! . . . . . . . . . . . . . . . . . . … sagen Sie nicht, dass Sie enttäuscht sind! . . . . . . . . . . Phase 1: „Sie haben schon wieder …!“ . . . . . . . . . . . . . Phase 2: „Ich erwarte ab sofort …“ . . . . . . . . . . . . . . . . Phase 3: „Wenn Sie das noch einmal machen …“ . . . . . Die rechtliche Seite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57 58 59 60 61 63
6 Das Kündigungsgespräch: Die Wege trennen sich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Vermeiden Sie die üblichen Fettnäpfchen . . . . . . . . . . . Fall 1: Betriebsbedingte Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . Mit der Reaktion des Mitarbeiters umgehen . . . . . . . . . Fall 2: Verhaltensbedingte Kündigung . . . . . . . . . . . . .
66 67 68 69
Inhalt
Phase 3 für beide Fälle: Wie wird die Trennung vollzogen? 71
7 Das Austrittsgespräch: Die ungeschminkte Wahrheit . . . . . . . . . . . . 74 Vier gute Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phase 1: Wozu das Ganze? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phase 2: Fragen Sie gut! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Phase 3: Dank und Doku . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74 75 76 77
8 Das Einstellungsgespräch: Den Besten wählen 78 Wie finden Sie den Besten/die Beste? . . . . . . . . . . . . . . Phase 1: Nehmen Sie Kontakt auf . . . . . . . . . . . . . . . . . Phase 2: „Erzählen Sie doch etwas von sich!“ . . . . . . . . Selbstdarstellungs-Logorrhö (hier: „Sprech-Durchfall“) . Ist der Bewerber für diese Stelle motiviert? . . . . . . . . . . Was für ein Mensch sitzt Ihnen gegenüber? . . . . . . . . . Phase 3: „Jetzt ist es an Ihnen, Ihre Fragen zu stellen!“ . . Phase 4: „Wonach Sie nicht gefragt haben“ . . . . . . . . . . Phase 5: „Wie verbleiben wir?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . „Das traue ich mich nicht!“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78 80 81 82 83 85 87 88 88 89
9 Das Gehaltsgespräch: Das Konto ausgleichen 91 Berechtigter Gehaltswunsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unberechtigter Wunsch: „Wie gefällt es Ihnen prinzipiell bei uns?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wenn der Mitarbeiter nur ans Geld denkt . . . . . . . . . . . Reden Sie über Unzufriedenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vermeiden Sie die klassischen Fehler . . . . . . . . . . . . . .
91 92 93 94 95
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Inhalt
10 Das Jahresgespräch: Rückblick mit Rücksicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Was es Ihnen bringt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 So laden Sie ein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Phase 1: „Wie haben Sie das Jahr erlebt?“ . . . . . . . . . . . 100 Phase 2: „Wie sehen Sie unsere Zusammenarbeit?“ . . . . 102 Phase 3: „Mein Rückblick auf das Jahr“ . . . . . . . . . . . . . 104 Phase 4: „Wie ich Ihre Arbeit sehe“ . . . . . . . . . . . . . . . 105 Phase 5: „Was nehmen wir uns vor?“ . . . . . . . . . . . . . . 106
11 Das Rückkehrergespräch: „Schön, dass Sie wieder da sind!“ . . . . . . . . . 108 Das verlorene Gespräch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Was das Rückkehrergespräch bringt . . . . . . . . . . . . . . . 109 Phase 1: „Schön, dass Sie wieder da sind!“ . . . . . . . . . . 110 Phase 2: „Was war los?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Phase 3: „Wie gehts Ihnen denn jetzt?“ . . . . . . . . . . . . . 112 Phase 4: „In der Zwischenzeit ist Folgendes passiert: …“ 113 Menschlich problematisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Startschwierigkeiten meistern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
12 Das Fehlzeitengespräch: Krank oder unwillig? 118 Krank, unwillig oder blaumachen? . . . . . . . . . . . . . . . 118 Legen Sie die Vorwurfshaltung ab! . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Phase 1: „Was ist los?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Phase 2: „Ist das jetzt auskuriert?“ . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Der Mitarbeiter macht dicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Der Mitarbeiter stellt auf stur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
Inhalt
Vorsicht, Blamage! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Blaumachern auf die Schliche kommen . . . . . . . . . . . . 127
13 Das Zielvereinbarungsgespräch: Vereinbaren statt vorgeben . . . . . . . . . . . . . . 128 Wer Ziele hat, leistet mehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Vereinbaren ist besser als Vorgeben . . . . . . . . . . . . . . . 129 Phase 1: Die Ölgemälde-Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 Phase 2: Blick in die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Phase 3: Verhandeln Sie! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 Anfängerfehler vermeiden! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134
14 Das Delegationsgespräch: Aufgaben delegieren 137 Der kleine Unterschied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Phase 1: Klare Ansprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Heiße Kiste: Das Delegationskontinuum . . . . . . . . . . . . 138 Die Furcht vor der Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Phase 2: „Welche Fragen haben Sie dazu?“ . . . . . . . . . . 141 Delegation bedarf der Klärung! . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 Einwandsbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Vorgeschobene Einwände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Vorsicht, Hundeknochen! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Die anspruchsvolle Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
15 Das Suchtgespräch: Besser schlecht als gar nicht . . . . . . . . . . . . . . 148 Geben Sie sich einen Ruck! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 Klagen Sie nicht an! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
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Inhalt
Phase 1: Vorwurfsfrei Beobachtung ansprechen . . . . . . 150 Phase 2: „Wir tolerieren das nicht!“ . . . . . . . . . . . . . . . 151 Bringt das was? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
16 Das Klimagespräch: Prima Klima? . . . . . . . . 154 Gutes Klima, gute Leistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 Das Klimagespräch ohne Anlass . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Ein Stimmungsmacher wird stärker respektiert . . . . . . . 158 Das Klimagespräch aus gegebenem Anlass . . . . . . . . . . 161 Phase 1: Sprechen Sie das Klima offen an! . . . . . . . . . . . 162 Phase 2: „Woran liegt das?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Phase 3: Sortieren Sie die Lage! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Phase 4: „Was können wir tun?“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 Sind Sie mutig genug für ein offenes Wort? . . . . . . . . . . 165 Sie sind Stimmungsmacher, kein Clown . . . . . . . . . . . . 167
17 Das Fördergespräch: Wohin soll die Reise gehen? . . . . . . . . . . . . . . 169 Was motiviert Mitarbeiter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Phase 1: „Reden wir über Ihre Entwicklung“ . . . . . . . . 170 Phase 2: „Wovon hätten Sie gern mehr?“ . . . . . . . . . . . 171 So lösen Sie die Zukunftsblockade . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Phase 3: „So sehe ich Ihre Möglichkeiten“ . . . . . . . . . . . 173 Phase 4: Entwicklungspfade entwerfen . . . . . . . . . . . . . 174 Keine Angst vor dem Kronprinzen-Effekt! . . . . . . . . . . . 175 Der Krisenfall: Es passt nicht! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Wer sind Ihre Leistungsträger? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
Inhalt
18 Das Teamgespräch: Ein Miniprojekt . . . . . . . 179 Teamsitzungen: Ein Graus! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Erste Hilfe für Teamsitzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Phase 1: Erst ankommen, dann loslegen! . . . . . . . . . . . . 180 Start mit Blitzlicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Phase 2: Um was geht es? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Beginnen Sie mit den Zielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Sammeln Sie die Tagesordnungspunkte (TOP) . . . . . . . 185 Mit System: Werten Sie die TOP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Den Faktor Zeit planen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Jeder TOP braucht ein Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Das Meeting als Miniprojekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Phase 3: Arbeitsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 Phase 4: Dafür sorgen, dass es weitergeht . . . . . . . . . . . 191 Eine Frage der Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
19 Los gehts! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Sie sind noch da? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Sie werden es fühlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Denken Sie an Ihre Karriere! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Stärken Sie Stärken! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200
Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
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Vorwort Haben Sie heute schon mit Mitarbeitern gesprochen? Wars anstrengend, stressig, zeitraubend? Dann mussten Sie möglicherweise eines dieser heiklen Gespräche führen. Und haben sich nicht wohl dabei gefühlt. Mit dem Ergebnis sind Sie auch nicht zufrieden? Damit sind Sie nicht allein. In all den Jahren, in denen wir nun Führungskräfte trainieren und coachen, wundert es uns doch immer wieder, wie viele Anfragen wir zu einem Thema bekommen, von dem Experten, Fachliteratur und Trainer gerne annehmen, dass es eigentlich „gegessen“ ist. Kein Tag vergeht, ohne dass ein Vorgesetzter fragt: „Eigentlich weiß ich schon, wie Motivation funktioniert – aber wie führe ich denn nun konkret ein Motivationsgespräch?“ – „Was muss ich sagen, damit ein Kündigungsgespräch nicht so belastend für beide Seiten wird?“ – „Was sollte ich nacheinander in einem Kritikgespräch zur Sprache bringen?“ – „Ich kenne die Kommunikationsprinzipien. Die helfen mir nicht weiter. Die können mir nicht sagen: Welche konkreten Stationen hat zum Beispiel ein Gehaltsgespräch? Was mache ich, wenn ein Mitarbeiter den Wunsch nach einer Gehaltserhöhung äußert?“ – „Ich kann Mitarbeitergespräche führen – aber geht das nicht auch in der Hälfte der Zeit?“ Bei all der Literatur und den Seminaren zum Thema Mitarbeitergespräche sollten diese Fragen längst beantwortet sein. Doch sie sind es nur zum Teil. Zum einen, weil viele
Vorwort
Bücher keine praktisch umsetzbaren Musterformulierungen und keine klare, einfache, übersichtliche, pragmatische, praktikable und vor allem praxisgetestete Struktur, eben keinen Gesprächsfahrplan, kein Gesprächsrezept mitgeben. Das sind jedoch genau jene Komponenten eines Gesprächs, die Führungskräfte am häufigsten nachfragen – und nicht abstrakte Kommunikationstheorien und -prinzipien. Zum anderen sind diese Fragen immer noch offen, weil es vielen Menschen schwerfällt, abstrakte Prinzipien der Gesprächsführung auf ganz konkrete Gesprächssituationen anzuwenden – ohne zusätzliche Hilfe. Diese Hilfe vermissen Praktiker bislang schmerzhaft. Exakt diese Hilfe finden Sie auf den folgenden Seiten für die 17 häufigsten Mitarbeitergespräche. Wir haben diese Hilfe so einfach wie nur möglich gestaltet. Denn nur, was einfach ist, funktioniert in der Praxis. Alle Rezepte entstanden nicht am grünen Tisch, sondern sind jahrelang praxisgetestet. Wir haben Hunderte von Kommunikationstrainings und -coachings für Führungskräfte gehalten – da erweist sich schnell, was funktioniert und was nicht funktioniert. Dafür haben wir Ihnen 17 praxiserprobte Rezepte zusammengestellt: Manche gelingen Ihnen auf Anhieb, bei anderen müssen Sie schon eine Proberunde drehen, und wieder andere werden Ihnen einfach nicht schmecken. Im Lauf der Zeit werden auch Ihre Rezeptvarianten in Ihr persönliches Kochbuch einfließen.
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Vorwort
Für jedes heikle Gespräch finden Sie einen übersichtlichen Fahrplan. Folgen Sie diesem Fahrplan, werden Sie schon nach wenigen Versuchen bemerken ▪▪ dass Sie Mitarbeitergespräche viel sicherer und souveräner führen, ▪▪ dass es Sie viel weniger Nerven und Zeit kostet, ▪▪ dass Sie deutlich weniger Energie für ein Gespräch brauchen, ▪▪ dass Sie für die wichtigsten Gesprächssituationen den richtigen Fahrplan im Kopf haben, dem Sie nur zu folgen brauchen, ▪▪ dass Sie lockerer in die Gespräche gehen können, ▪▪ dass die Mitarbeiter im Gespräch zugänglicher werden, ▪▪ dass Ihre Gespräche besser und schneller und zur größeren Zufriedenheit beider Seiten ablaufen, ▪▪ dass vor allem die Gesprächsergebnisse deutlich besser werden, ▪▪ dass Ihre Mitarbeiter schneller, klarer und nachdrücklicher verstehen, was Sie von ihnen wollen, ▪▪ dass die Leistungsfähigkeit Ihrer Mitarbeiter deshalb steigt, ▪▪ dass Ihr Ansehen bei den Mitarbeitern wächst, ▪▪ dass Ihre Führungskommunikation einfach klarer, effizienter, wirksamer und schneller wird. In einem Wort: professioneller. Neugierig geworden? Dann lassen Sie uns beginnen.
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1 Ihre Eskalationsskala Clever eskalieren Die ersten fünf Gesprächsarten, für die Sie in den folgenden Kapiteln einen Fahrplan bekommen, sind Ihnen sicher vertraut: ▪▪ Motivationsgespräch ▪▪ Kritikgespräch ▪▪ Konfliktgespräch ▪▪ Abmahnungsgespräch ▪▪ Kündigungsgespräch Was fällt Ihnen bei dieser Aufzählung auf? Dass der Intensitätsgrad der Gespräche von 1 bis 5 spürbar zunimmt: Das ist Ihre Eskalationslinie. Erfolgstipp Halten Sie sich an die Eskalationslinie. Damit legen Sie den Grundstein für erfolgreiche Mitarbeitergespräche. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Wer diese Linie durchbricht, wer zum Beispiel sofort ins Kritikgespräch springt, ohne vorher ein Motivationsgespräch ge führt zu haben, kann mit Engelszungen reden: Es wird ihm/ ihr nicht mehr viel nützen. Wenn die Eskalation schiefgeht, nützt auch keine professionelle Gesprächstechnik mehr. Sie kennen das Eskalationsprinzip sicher aus Ihrem Privatleben.
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Ihre Eskalationsskala
Die Socken-Eskalation Nur mal angenommen, Sie sind nicht immer der ordentlichste Mensch. Dann wird Ihre Partnerin oder Ihr Partner irgendwann zu Ihnen sagen: „Schatz, lass doch bitte deine Socken nicht im Bad liegen!“ Appelle dieser Art kennen Sie? Wer kennt sie nicht! Deshalb sind Ihnen sicher auch die Eskalationsstufen vertraut, die Ihre Partnerin einsetzt, wenn Sie Ihrer Bitte wiederholt nicht nachkommen (man hat ja auch noch anderes zu tun, als Socken aufzuräumen): 1. „Schatz, sag mal, was ist los? Warum vergisst du andauernd deine Socken im Bad?“ Die Partnerin möchte wissen, was Sie daran hindert, das gewünschte Verhalten zu zeigen. Sie beginnt damit ein Motivationsgespräch. Denn ein Motivationsgespräch dreht sich um die Beseitigung von Motivationsblockaden. 2. Liegen die Socken danach immer noch herum, folgt die nächste Eskalationsstufe: „Schatz, also das mit den Socken geht mir jetzt schon etwas auf die Nerven. Lass uns darüber reden.“ Unverkennbar ein Kritikgespräch. 3. Fruchtet auch das nicht, wird die Partnerin weiter eskalieren: „Also jetzt reichts mir aber. Das muss sich ändern, sonst werde ich richtig sauer.“ Ganz deutlich ein Konfliktgespräch. 4. Hilft auch das nichts, nimmt die Schärfe weiter zu: „Wenn du das nochmals machst, reiche ich die Schei-
Das Eskalationsprinzip oder: Wo stehen Sie?
dung ein!“ Zugegeben, wegen ein paar Socken im Bad eine reichlich überzogene Drohung – aber als Beispiel für ein Abmahnungsgespräch sehr illustrativ. 5. Wirkt die Mahnung nicht, bleibt noch die letzte Stufe: „Du, ich war heute beim Scheidungsanwalt.“ Was ist das? Das Kündigungsgespräch. Wenn wir dieses Beispiel aus dem Privatleben im Training durchspielen, erleben viele Führungskräfte ein hörbares Aha-Erlebnis: „Zum ersten Mal habe ich die Sache mit der Eskalation verstanden!“
Erfolgstipp Eskalieren Sie eine Situation in der angemessenen Stufe! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Das Eskalationsprinzip oder: Wo stehen Sie? Bevor Sie mit einem Mitarbeiter reden, sollten Sie sich die Eskalationstreppe anschauen und fragen: Wo stehe ich? Erfolgstipp Bevor Sie ein Mitarbeitergespräch beginnen, fragen Sie sich, welches Gespräch Sie beginnen möchten. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
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Ihre Eskalationsskala
Wo auf der Eskalationstreppe möchten Sie einsteigen? Diese simple Frage wird in der Führungspraxis zu selten reflektiert. Das führt dazu, dass ein Mitarbeiter, der noch nie etwas von seinem spezifischen Sockenproblem gehört hat, sich plötzlich bei einem wütenden Vorgesetzten in einem Konfliktgespräch wiederfindet! Ohne dass vorher ein Motivations- oder ein Kritikgespräch geführt worden wäre. Meist führt der Vorgesetzte das Gespräch im Brustton der Überzeugung: „Ich habe ja lange nichts gesagt – aber jetzt platzt mir doch der Kragen!“ Das Gefühl kennt jeder, aber wie kommt das beim Mitarbeiter an? Wie würde es bei Ihnen ankommen, wenn Ihre Partnerin Ihnen, ohne in fünf Jahren auch nur einmal das Wort „Socken“ in den Mund genommen zu haben, heute Abend eröffnen würde: „Seit fünf Jahren lässt du deine Socken im Bad liegen. Mir reichts! Wir trennen uns!“ Was würden Sie dazu sagen? Sicher doch: „Schatz, warum hast du nie was gesagt? (Motivationsgespräch) Oder es mir mit Nachdruck gesagt? (Kritikgespräch) Oder es reicht! gesagt (Konfliktge spräch), damit ich hätte merken können, wie wichtig dir das ist?“ Und genau das denkt auch der Mitarbeiter, wenn Sie die Eskalationslinie durchbrechen. Der Mitarbeiter hat nie auch nur einen leisen Ton zum Problemthema gehört – und dann zieht der Vorgesetzte ohne die geringste Vorwarnung gleich diesen Hammer aus der Tasche und geht
Vermeiden Sie den Schneeball-Effekt
gleich massiv in den Konflikt wie ein Eishockey-Verteidiger in den Bandencheck! Es ist klar, dass so ein Gespräch schon gescheitert ist, noch bevor es überhaupt begonnen hat. Denn der Mitarbeiter fühlt sich – zu Recht! – überrollt und wird heftigsten Widerstand zeigen. Eben den Widerstand, der Mitarbeitergespräche so langwierig, zäh, unfruchtbar, nerven- und zeitraubend macht. Leider passiert das recht häufig. Warum? Weil in den niedrigen Eskalationsstufen nichts oder zu wenig passiert ist.
Vermeiden Sie den Schneeball-Effekt „Der macht das immer noch falsch!“ – „Wann kriegt die das endlich auf die Reihe?“ – „Ist das denn immer noch nicht erledigt?“ Es ist erstaunlich, wie viele Problemthemen in der Führungspraxis über Wochen, Monate, ja manchmal Jahre ungelöst herumgeschleppt werden. Sie sind wie Schneebälle, die an einem kühlen Märztag einen Hang hinunterrollen: Ganz am Anfang sind sie noch niedlich klein. Da könnte sie noch eine Kinderhand stoppen. Doch schon nach wenigen Metern reißt der zur tonnengroßen Schneekugel gewordene Schneeball einem die Hand fast ab. Im Tal angekommen, verwüstet so ein Schneeball als Lawine dann ganze Dörfer. Warum hat ihn niemand gestoppt, als er noch klein war?
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Ihre Eskalationsskala
Weil viele Führungskräfte die erste Hälfte der Eskalationslinie verschlafen. Wenn ein Mitarbeiter nicht das leistet, was er soll, wird die sich anbahnende Lawine häufig nicht in einem frühen Stadium gestoppt. Anstehende Motivations- oder Kritikgespräche werden auf die lange Bank geschoben, weil man hofft, das Problem werde sich von selbst erledigen. Und dann wundert man sich, warum man nach einigen Monaten oder Jahren stark verhärtete Problemfälle in der Abteilung hat! Warum intervenieren viele Führungskräfte nicht frühzeitig? „Weil ich dafür grade keine Zeit habe“, ist die häufigste Antwort. Denn je länger Sie ein Problem ignorieren, desto größer wird es. Neulich hat ein Abteilungsleiter folgende hilfreiche Rechnung aufgemacht: Problem gelöst mit
Zeitaufwand
Motivationsgespräch
10 bis 20 Minuten
Kritikgespräch
20 bis 45 Minuten
Konfliktgespräch
45 bis 90 Minuten
Erfolgstipp Je später Sie ein Problem ansprechen, desto länger brauchen Sie für seine Beseitigung. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Vermeiden Sie den Schneeball-Effekt
Oder wie die Geschäftsführerin eines mittelständischen Unternehmens sagt: „Lieber heute zehn Minuten mit dem Mitarbeiter reden als in drei Wochen eine Stunde!“ Oder womöglich in fünf Jahren ein nervenaufreibender Trennungsprozess, der mich Tage kostet. Was jeder Fußballer weiß: Tore werden im Mittelfeld verhindert, nicht vor dem Tor!
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2 Das Motivations gespräch: Gut zuhören statt gut zureden Das Motivationsgespräch auf einen Blick Mentale Grundhaltung: Ziel eines Motivationsgesprächs ist es, Demotivationsfaktoren auszuräumen. Gesprächsphase
Vorgang
Phase 1: „Was ist zurzeit los mit Ihnen?“
Fragen und zuhören
Phase 2: „Was steht Ihnen im Weg?“
ebenfalls
Phase 3: „Wo sehen Sie Ansatzpunkte?“
ebenfalls und eigene Ideen einbringen
Phase 4: „Was machen wir jetzt konkret?“
Fragen und zusammenfassen
Mentale Vorbereitung Ein Mitarbeitergespräch läuft umso besser, je deutlicher Sie das Ziel des Gesprächs vor Augen haben: Erfolgstipp Ziel eines Motivationsgesprächs ist nicht, dem Mitarbeiter gut zuzureden, sondern Demotivatoren aus dem Weg zu räumen. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Phase 1: „Was ist zurzeit los mit Ihnen?“
Sie sind nicht dafür verantwortlich, Ihre Mitarbeiter zu motivieren. Wer einen Arbeitsvertrag hat, ist a priori bis zu einem gewissen Grad motiviert, zu arbeiten. Gleichzeitig weiß jeder gute Vorgesetzte, dass eine Reihe von Demotivationsfaktoren diese Grundmotivation blockieren kann. Für das Ausräumen dieser Bremsfaktoren sind Sie mit zuständig. Damit beantwortet sich die bei Führungsseminaren immer wieder gestellte Frage, „Wie motiviere ich meine Mitarbeiter?“, von selbst: Erfolgstipp Die beste Motivation ist, Demotivatoren frühzeitig zu beseitigen. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Seltsam, nicht wahr? Es wird so viel über Motivation ge schrieben und geredet – doch wenn der Demotivationsfall eintritt, lässt die Theorie die Praxis im Stich. Was Führungskräfte nachfragen, sind weniger ex- oder intrinsische Motivationstheorien als vielmehr ein genauer Fahrplan fürs Motivationsgespräch. Hier ist dieser Fahrplan.
Phase 1: „Was ist zurzeit los mit Ihnen?“ Beginnen Sie das Motivationsgespräch mit einer offenen Frage: „Mein Eindruck ist, Sie sind zurzeit nicht wie sonst motiviert bei der Arbeit. Wie sehen Sie das?“
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Das Motivationsgespräch: Gut zuhören statt gut zureden
Erfolgstipp Wenn Sie das Gespräch mit einer Aussage („Sie reißen sich gerade auch keinen aus!“) oder einer Suggestivfrage („Was ist eigentlich los mit Ihnen?“) beginnen, fasst der Mitarbeiter das als Vorwurf auf – und macht zu. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Er fühlt sich überfahren und angegriffen und reagiert mit noch mehr Demotivation. Das wollten Sie ja gerade nicht erreichen. Reden Sie nicht nur ins Blaue. Werden Sie konkret und belegen Sie Ihren Eindruck (Beobachtungen, keine Wertungen): „Ich habe den Eindruck, Sie arbeiten gerade mit angezogener Handbremse. Darüber mache ich mir Gedanken und möchte deshalb mit Ihnen reden. Mir fällt auf: Sie lachen weniger, Ihre Leistung bei … (konkreter Leistungsnachweis) hat nachgelassen, auch die Qualität Ihrer Arbeit ist nicht so, wie ich sie kenne.“ Der Mitarbeiter hat inzwischen vielleicht die Nackenhaare aufgestellt und ballt womöglich schon die Faust in der Hosentasche. Also geben Sie Entwarnung: „Es geht mir hier nicht um Schelte oder Kritik. Ich mache mir einfach Sorgen. Reden wir darüber, was Ihnen gerade die Suppe versalzt.“ Das hört sich recht locker und freundschaftlich an? So ist es. Am besten gelingt Phase 1, wenn Sie mit dem Mitarbeiter wie mit einem guten alten Bekannten reden, um den
Phase 1: „Was ist zurzeit los mit Ihnen?“
Sie sich Sorgen machen, weil er in letzter Zeit nicht so ist wie sonst.
Erfolgstipp Blenden Sie alles aus, was Sie als „Führungskraft“ meinen, darstellen zu müssen. Reden Sie einfach wie mit einem guten alten Bekannten zum Mitarbeiter. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Nehmen Sie auch gleich von einem anderen Mythos Ab schied:
Erfolgstipp Wenn Sie jemanden motivieren wollen, sollten Sie ihm nicht gut zureden, sondern ihm gut zuhören. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Sagen Sie: „Es interessiert mich, wie Sie das sehen. Am liebsten wäre mir, wenn Sie es mir frank und frei sagen würden.“ Das ist ungewöhnlich: Der Vorgesetzte hört zur Abwechslung mal dem Mitarbeiter zu. Weil es so ungewöhnlich ist, wirkt es so gut. Rechnen Sie damit, dass Sie im Motivationsgespräch mehr zuhören als reden. Das ist eine große Umstellung für viele Führungskräfte, die bislang gemeint haben, dass man beim Motivieren unheimlich viel und „motivierend“ reden müsse.
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Das Motivationsgespräch: Gut zuhören statt gut zureden
Zeigt sich der Mitarbeiter überrascht, weil er nicht gewohnt ist, dass Sie so intensiv und geduldig zuhören, ermuntern Sie ihn mit ▪▪ öffnenden Fragen und Bitten wie „Erzählen Sie doch mal! Was läuft gerade ab bei Ihnen?“ ▪▪ fokussierenden Fragen wie „Wie sehen Sie ganz konkret die Situation?“ Irgendwann ist das Eis gebrochen, und der Mitarbeiter schüttet Ihnen sein Herz aus. Schon allein das motiviert ihn unter Umständen mehr als jeder wohlgemeinte Appell („Das packen Sie doch!“). Endlich hört ihm jemand zu und interessiert sich für ihn! Und auch noch der Vorgesetzte!
Phase 2: „Was steht Ihnen im Weg?“ Sinn und Zweck eines Motivationsgespräches ist es, Motivationsblockaden aus dem Weg zu räumen. Dazu müssen Sie diese erst einmal erkennen. Wie? Indem Sie den fragen, der die Demotivationsfaktoren erlebt: ▪▪ „Was steht Ihnen gerade im Weg?“ ▪▪ „Was hält Sie davon ab, motiviert bei der Arbeit zu sein?“ ▪▪ „Was stelle ich Ihnen unabsichtlich in den Weg?“ ▪▪ „Was stellen Ihnen andere in den Weg?“ ▪▪ „Was steht abseits des Weges, was Sie ablenkt?“ (zum Beispiel privater Stress)
Phase 2: „Was steht Ihnen im Weg?“
Je spannungsärmer das Gesprächsklima, desto eher wird der Mitarbeiter Ihnen diese Fragen beantworten. Deshalb ist es so wichtig, den Schneeball-Effekt (siehe Kapitel 1, „Vermeiden Sie den Schneeball-Effekt“) zu vermeiden und ein Motivationsgespräch so früh wie möglich zu führen: Ist das Problem erst zum Konflikt ausgewachsen, wird der Mitarbeiter Fragen nach seinen Demotivationsfaktoren nicht mehr so offen und bereitwillig beantworten – wenn überhaupt. Hören Sie dem Mitarbeiter bewusst und aktiv einfach nur zu, wenn er seine Demotivatoren aufzählt. Kommentieren Sie diese nicht, bewerten Sie nicht. Auch wenn Sie stark in Versuchung geführt sind, das zu tun. Versuchen Sie auch nicht, ihm etwas auszureden oder seine Klage zu relativieren („Aber das ist doch alles halb so schlimm!“). Solche gutgemeinten Ratschläge funktionieren nicht. Denn alles, was der Mitarbeiter daraus heraushört, ist: „Der nimmt mich nicht ernst! Der bagatellisiert meine Probleme!“
Erfolgstipp Wenn jemand ein Problem hat, ist das Schlimmste, was Sie ihm sagen können: „Das ist doch halb so schlimm!“ ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Wie reagieren Sie auf Menschen, die Ihnen weismachen wollen, dass Ihre Probleme angeblich nur „halb so schlimm“ seien?
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Das Motivationsgespräch: Gut zuhören statt gut zureden
Phase 3: „Wo sehen Sie Ansatzpunkte?“ Nachdem der Mitarbeiter seine Bremsfaktoren genannt hat, fragen Sie ihn: „Wo sehen Sie Ansatzpunkte, damit es wieder besser wird?“ Oder: „Was müssten Sie oder ich ändern, damit Sie wieder motiviert bei der Arbeit sind?“ Viele Vorgesetzte fürchten die Antwort: „Eine Gehaltserhöhung!“ oder „ein Porsche vor der Tür!“ Diese Antwort fällt sehr selten (und wenn, empfehlen wir Ihnen, beim Gehaltsgespräch nachzuschlagen, siehe Kapitel 9, „Das Gehaltsgespräch“). Sehr viel häufiger wünscht sich der Mitarbeiter dagegen mehr Wertschätzung, dass seine Arbeit gesehen und anerkannt wird, dass er nicht nur etwas vom Vorgesetzten zu hören bekommt, wenn er Fehler macht, sondern dass auch seine Erfolge gewürdigt werden, dass er besser informiert wird, dass er effizientere Arbeitsmittel bekommt, dass organisatorische, strukturelle, prozedurale oder bürokratische Hemmnisse abgebaut werden. Das sind die klassischen Demotivatoren. Oder eben private Sorgen. Damit der Mitarbeiter nicht den Eindruck bekommt, Sie seien der Weihnachtsmann, stellen Sie ihm zwei Fragen: „Was kann ich für Ihre Motivation tun?“, und: „Wenn Sie selbstkritisch hinschauen: Was können Sie selbst dafür tun?“ Fallen ihm auf Anhieb keine eigenen Ideen ein, bleiben Sie dran, ermuntern Sie ihn, helfen Sie ihm auf die Sprünge.
Phase 3: „Wo sehen Sie Ansatzpunkte?“
Prüfen Sie die Realisierbarkeit seiner Ideen und ob er dafür ausreichend Ressourcen hat. Vermeiden Sie es, ihm Ihre eigenen Ideen aufzuzwingen à la „Sie müssen das einfach lockerer sehen!“ oder „Dann müssen Sie eben …“ Das motiviert alles nicht. Das demotiviert nur noch mehr. Weil es bevormundet. Auch Sie fühlen sich wenig motiviert, wenn Sie von Ihrem Chef bevormundet werden. Zuhören ja, therapieren nein. Weil das nie funktioniert, wie Sie wahrscheinlich schon bemerkt haben. Sie sind selbst beim besten Willen kein geschulter Therapeut. Sie können höchstens die Brücke zu einem Therapeuten oder Coach schlagen – oder etwaige private Demotivatoren des Mitarbeiters einfach mal ein paar Wochen tolerieren. Das Kind mit Gripppe wird auch wieder gesund, und die etwas kriselnde Beziehung wird sich auch wieder festigen oder weiterentwickeln. Signalisieren Sie Verständnis, so hat er während seiner Krisenzeit nicht noch zusätzlich Sorgen um sein Arbeitsverhältnis.
Erfolgstipp Versuchen Sie nie, bei privaten Problemen den Therapeuten zu spielen. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
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Das Motivationsgespräch: Gut zuhören statt gut zureden
Phase 4: „Was machen wir jetzt konkret?“ „Habe ich Sie richtig verstanden? Wir vereinbaren also Folgendes: …“
Erfolgstipp Keine Motivation ohne Klarheit. Kein Motivationsgespräch ohne Vereinbarung. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Denn von alleine stellt sich die Motivation nicht wieder ein. Es muss etwas getan werden. Was genau, das vereinbaren Sie jetzt – und kontrollieren es zu gegebener Zeit. Denn auch für die Motivation gilt: keine Vereinbarung ohne Verbindlichkeit. „Keine Zeit!“ So ein Motivationsgespräch dauert zwischen einer Viertelund einer ganzen Stunde. „So viel Zeit habe ich nicht!“, meinen einige Vorgesetzte. Wer hat die schon? Wer sich die Zeit jedoch nicht nimmt, der verzichtet auf eine Leistungssteigerung seines demotivierten Mitarbeiters, die erheblich sein kann. Eine Leistungssteigerung für eine investierte Stunde? Das ist ein fantastischer Return on Investment. Einmal ganz davon abgesehen, dass Ihr Ansehen bei den Mitarbeitern und im Unternehmen steigen wird. Denn
Phase 4: „Was machen wir jetzt konkret?“
fortan wird der Flurfunk über Sie vermelden: „Der Chef ist sehr in Ordnung. Mit dem kann man gut reden. Der hat sich ganz toll um mich gekümmert. Dem ist mein ganz persönliches Wohlbefinden nicht egal!“ Der Mitarbeiter blockt Vorgesetzter: „Ich habe den Eindruck, dass Sie momentan nicht so motiviert bei der Arbeit sind wie sonst.“ Mitarbeiter: „Wieso? Was meinen Sie damit? Ist doch alles in Ordnung!“ Dieses Verhalten fürchten Vorgesetzte: Der M itarbeiter blockt ab, lässt das Motivationsgespräch erst gar nicht zu. Wie reagieren Sie? Indem Sie sanft nachbohren: „Ihre Leistung hat nachgelassen (konkrete Belege), Sie sind in Meetings nicht mehr so lebhaft. Helfen Sie mir auf die Sprünge: Woran liegts?“ Entweder der Mitarbeiter reagiert mit Hilflosigkeit: „Ja, ich weiß auch nicht, was gerade los ist …“ Dann ist er wenigstens für ein Gespräch offen. Ein Gespräch, in dem Sie gemeinsam mit ihm seine Bremsfaktoren aufdecken, die ihm vielleicht noch gar nicht bewusst sind. Oder der Mitarbeiter blockt weiter ab, zeigt sich verstockt oder rebellisch. Dann sprechen Sie dieses Verhalten (vorwurfsfrei!) an: „Ich suche das Gespräch mit Ihnen und Sie zeigen mir die kalte Schulter. Ist irgendetwas? Ich würde gerne wissen: Müssen wir beide etwas miteinander klären?“ Wenn Sie die Sache so direkt ansprechen, wird der
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Das Motivationsgespräch: Gut zuhören statt gut zureden
Mitarbeiter das Problem zur Sprache bringen – wenn und sofern er eines mit Ihnen persönlich hat. Merkhilfe Motivationsgespräch ▪▪ Machen Sie sich bewusst, dass Motivieren nicht gutes Zureden bedeutet, sondern Aufdecken von Motivationshindernissen. ▪▪ „Ich habe den Eindruck, dass Sie in letzter Zeit nicht wie sonst motiviert sind. Was meinen Sie dazu?“ ▪▪ „Was hindert Sie daran, voll motiviert bei der Arbeit zu sein?“ ▪▪ „Was können Sie und ich tun, damit Sie wieder motiviert sind?“ ▪▪ „Was tun Sie und ich jetzt konkret für Ihre Motivation?“
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3 Das Kritikgespräch: Nur positiv klappts! Das Kritikgespräch auf einen Blick Erst Motivationsgespräch(e) führen, bevor Sie ein Kritikgespräch angehen. Ausnahme: schwere Verfehlung Gesprächsphase
Vorgang
Phase 1: „Wo sind Sie gerade richtig stark?“
Fragen und zuhören
Phase 2: „Was läuft nicht so toll? Was könnte besser sein?“
ebenfalls
Phase 3: „Was werden Sie anders machen?“
ebenfalls und eigene Ideen einbringen
Phase 4: „Was machen wir jetzt konkret?“
Fragen und zusammenfassen
Erst motivieren, dann kritisieren Erinnern Sie sich an die Socken-Eskalation (siehe Kapitel 1, „Die Socken-Eskalation“)? Wenn Ihre Partnerin ohne Vorwarnung gleich die Verbalkeule schwingt (das heißt ein Kritikgespräch führt), würden Sie sicher sauer reagieren. Genau so reagiert auch Ihr Mitarbeiter. Also motivieren Sie ihn, bevor Sie ihn kritisieren. Und nicht nur einmal. Manchmal braucht ein Mitarbeiter wiederholte Motivation
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Das Kritikgespräch: Nur positiv klappts!
(und Hilfestellung), um eine vereinbarte Aufgabe oder Veränderung zu meistern. Erfolgstipp Motivieren Sie im Zweifel lieber einmal öfter. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Die Faustregel sagt: Zwei- bis dreimal „im Guten“ drüber reden (= motivieren) – und dann zum Kritikgespräch eskalieren. Ausnahme, natürlich: bei einer schwerwiegenden Verfehlung. Was ist das? Etwas, bei dem jede vernünftige Führungskraft sagen würde: „Nee, so gehts nun aber wirklich nicht!“ Wenn Sie zum Beispiel mit anhören, wie ein Mitarbeiter am Telefon einen Kunden beleidigt, dann ist ein sofortiges Kritikgespräch angezeigt. Häufig werden wir gefragt: „Wie kündige ich ein Kritikgespräch an?“ Eine freundliche, aber direkte Ankündigung hat sich bewährt, zum Beispiel: „Frau Müller, ich würde mich gerne mit Ihnen über … (Anlass) unterhalten.“ Nur ein Satz? Richtig. Das ist erstens am einfachsten. Und zweitens ist für den Mitarbeiter nichts schlimmer, als wenn Sie um den heißen Brei herumreden. Weil sich dem Mitarbeiter trotz sanfter Ein-Satz-Ankündigung die Nackenhaare sträuben könnten, nehmen Sie ihm mit einem zweiten Satz von vornherein den Wind des Widerstands aus den Segeln: „Setzen wir uns in Ruhe zusammen und reden über die Sache.“
Phase 1: Ölgemälde-Technik
Phase 1: Ölgemälde-Technik Im Gegensatz zur landläufigen Meinung fühlen sich Führungskräfte vor und bei Kritikgesprächen nicht wohl. In jedem Führungsseminar sagen uns Manager: „Ich muss Mitarbeiter X etwas sagen, was ihm sauer aufstoßen wird. Richtig wohl fühle ich mich dabei nicht!“ Das ist bei einem Kritikgespräch nun mal so? Eben nicht. Kritikgespräche sind nur deshalb für beide Seiten so unangenehm, weil beide Beteiligten mit Tunnelblick nur über das Negative reden.
Erfolgstipp Kritikgespräche werden angenehmer, schneller und erfolgreicher, wenn Sie zuerst über das Positive reden. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
In der Praxis hat sich dafür die Ölgemälde-Technik be währt: Lassen Sie den Mitarbeiter erst einmal seine Stärken in leuchtenden Farben malen. Sagen Sie ihm zum Beispiel: „Bevor wir über Thema X reden, eine Frage vorweg: Was läuft gerade gut bei Ihrer Arbeit? Wo sehen Sie Ihre momentanen Stärken?“ Wird das Positive nicht angesprochen, fühlt sich der Mitarbeiter in einem Kritikgespräch nur auf das Negative, seine Fehler und Schwächen reduziert, an den Pranger gestellt à la: „Ihre Präsentation war unter aller Kanone. So geht das
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Das Kritikgespräch: Nur positiv klappts!
nicht!“ Dabei würden auch Sie sich angegriffen fühlen, nicht wahr? Die Kritik mag wirklich berechtigt sein. Trotzdem möchten Sie nicht, dass der Mitarbeiter sich angegriffen fühlt (denn wer angegriffen wird, schlägt zurück oder igelt sich ein). Sie möchten viel lieber, dass der Mitarbeiter sich ändert! Manchmal müssen Sie dem Mitarbeiter bei seinen Stärken auf die Sprünge helfen. Vor allem, wenn er es nicht gewohnt ist, dass Sie mit ihm auch über Positives reden. Dann helfen Sie nach: „Was läuft denn gerade bei Aufgabe X gut? Bei welchen Aufgaben fühlen Sie sich richtig stark und kompetent?“ Dazu fällt jedem Mitarbeiter etwas ein. Was machen Sie, wenn der Mitarbeiter fragt: „Wozu wollen Sie das denn wissen?“ Antworten Sie wahrheitsgemäß: „Wir reden über Ihre Leistung. Dazu gehören Ihre Stärken genauso wie Ihre Schwächen. Lassen Sie uns über Ihre Stärken genauso intensiv nachdenken und reden wie über Ihre Schwächen.“ Erfolgstipp Wenn der Mitarbeiter über seine Stärken redet: Hören Sie ihm zu. Hören Sie besonders aufmerksam zu, wenn sich seine Einschätzung von der Ihren unterscheidet. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Sagen Sie zum Beispiel: „Ja, darin sehe auch ich eine Ihrer herausragenden Stärken.“ Warum den Mitarbeiter derart loben? Ganz einfach: Wenn Sie einen Mitarbeiter so auf-
Phase 2: „Was läuft nicht so gut?“
bauen, stärken, empowern, dann ist er danach motiviert genug, sich Ihre Kritik anzuhören, über seine Schwächen zu reden – ohne sich lange zu rechtfertigen, Ihnen damit die Zeit zu stehlen oder die Pampigkeit zu entwickeln, die Vorgesetzte in Kritikgesprächen so unangenehm empfinden. Wenn der Mitarbeiter eine gar zu weit hergeholte Stärke anführt, werfen Sie ihm diese nicht vor, sondern fragen Sie: „Warum sehen Sie in diesem Punkt eine Stärke?“ Mitarbeiter lügen nicht. Sie sehen nur die Dinge naturgemäß etwas anders als Sie.
Erfolgstipp Wenn der Mitarbeiter seine Stärken aufgezählt hat, fügen Sie aus Ihrer Sicht noch welche hinzu. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Damit er sieht: Der Vorgesetzte kennt und redet nicht nur über meine Fehler, sondern auch über meine Stärken. Sagen Sie zum Beispiel: „Was ich auch noch richtig stark an Ihrer Performance finde, ist …“
Phase 2: „Was läuft nicht so gut?“ Wenn Sie es sind, der in einem Kritikgespräch dem Mitarbeiter sagt, was er falsch macht, reagieren viele Menschen mit Abwehr, Ausreden und Rechtfertigungen. Deshalb:
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Erfolgstipp Lassen Sie den Mitarbeiter sagen, was er falsch macht. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Lassen Sie ihn quasi sich selbst kritisieren. Fragen Sie ihn: „Was läuft gerade nicht so toll? Was könnte besser werden?“ Menschen haben in der Regel eine sehr zutreffende Einschätzung von sich selbst – sie äußern sie nur selten. Immer dann zum Beispiel, wenn die Gesprächsatmosphäre locker ist und der Mitarbeiter gut drauf. Beides trifft nach der Ölgemälde-Phase zu. Unserer Erfahrung nach kennen Mitarbeiter 80 Prozent Ihrer Kritik bereits. Schließlich haben Sie keine unfähigen Mitarbeiter eingestellt. Die restlichen 20 Prozent, die Sie wahrnehmen, führen dann Sie ins Gespräch ein: „Wenn wir gerade dabei sind, fällt mir dazu auch noch etwas ein: …“ Das wars schon! Nach nur ungefähr fünf Minuten ist der „schlimme“ Teil des Kritikgesprächs bereits vorbei! Die un angenehme Sache wurde schnell und stressfrei angesprochen – und Sie mussten noch nicht einmal eine besonders harte Linie durchziehen! Das ist der Hauptgrund, warum viele Führungskräfte uns nach Coachings oder Trainings berichten: „Viele Mitarbeiter bedanken sich jetzt sogar nach einem Kritikgespräch bei mir für die offene und konstruktive Atmosphäre!“
Phase 3: „Was werden Sie anders machen?“
Erfolgstipp Formulieren Sie Ihren Kritikpunkt als Wunsch. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Sie kennen den typischen Vorwurf: „Sie machen immer … Sie sagen im Kundengespräch nie … Was denken Sie sich bloß dabei?“ Wenn Sie nicht möchten, dass der Mitarbeiter in Sekundenschnelle zumacht und Ihnen mit Rechtfertigungsarien die Zeit stiehlt, ersetzen Sie Sie-Botschaften durch Ich-Botschaften, Vorwürfe durch objektive Beobachtungen und Pauschalverurteilungen durch konkrete Situationsbeschreibungen: „Mir ist aufgefallen, dass Sie den letzten Check der CNC-Anlage nicht ins Wartungsbuch eingetragen haben. Das ist in letzter Zeit öfters passiert.“ Das ist objektiv beobachtbar. Darin wird der Mitarbeiter kaum Anlass für eine Entschuldigungsarie sehen. „Ich habe einen Wunsch an Sie, der mir besonders am Herzen liegt: Tragen Sie doch bitte zukünftig den Check in das Wartungsbuch ein.“
Phase 3: „Was werden Sie anders machen?“ Erfolgstipp Sagen Sie dem Mitarbeiter nicht, was er besser machen muss. Lassen Sie es den Mitarbeiter selbst sagen. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
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Natürlich sind Sie der Vorgesetzte und haben eine klare Vorstellung davon, was der Mitarbeiter besser machen muss. Warum macht der Mitarbeiter dann so selten genau das, was Sie ihm vorschlagen? Weil kein Mensch sich für die Vorschläge anderer wirklich motiviert ins Zeug legt. Sie mögen es doch auch nicht, wenn Ihnen Ihr Vorgesetzter permanent vorschreibt, wie Sie Ihren Job zu machen haben, oder? Deshalb legen sich viele Mitarbeiter mächtig ins Zeug, um Ihnen zu beweisen, dass Ihr Vorschlag nicht hinhaut. Das würden sie nie mit eigenen Ideen machen. Denn für die eigenen Ideen ist jeder Mensch Feuer und Flamme. Außerdem: Es geht in einem Kritikgespräch nicht darum, dass Sie die Verantwortung für das Verhalten des Mitarbeiters übernehmen, sondern dass Sie ihn in die Pflicht nehmen. Also fragen Sie ihn: „Was werden Sie jetzt anders machen?“ Vielleicht wird er nicht genau das vorschlagen, was Sie sich vorstellen. Es muss ja auch nicht zu Ihrem, sondern zu seinem Arbeitsstil passen. Wenn Ihnen ein Punkt ganz wichtig ist, dann ergänzen Sie seine Vorschläge eben. Aber immer nichtdirektiv, am besten als Frage: „Was meinen Sie zu …? Ich hätte auch einen Vorschlag. Wollen Sie es mal versuchen?“ Wenn Sie fragen, anstatt anzuweisen, wird der Mitarbeiter keine zeitraubende Streiterei darüber anfangen, was er für sinnvoll hält und was nicht.
Phase 4: „Was machen wir jetzt?“
Erfolgstipp Selbst wenn der Mitarbeiter einen Vorschlag macht, der aus Ihrer Sicht hanebüchen ist: Was für Sie hanebüchen ist, ist für den Mitarbeiter mit hoher Wahrscheinlichkeit „doch völlig klar“. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Anstatt den Vorschlag abzuschmettern, fragen Sie lieber: „Warum schlagen Sie das vor? Mit welchen Resultaten rechnen Sie? Wie kommen diese zustande?“ Im Extremfall können Sie sagen: „Mir ist noch nicht ganz klar, wie das funktionieren wird. Aber das werden Sie mir in den nächsten Tagen ja zeigen. Also: ans Werk!“ Wenn es nicht hinhaut, können Sie mit dem Mitarbeiter immer noch ein erneutes Gespräch führen. Es ist besser, der Mitarbeiter versuchts auf eigene Kappe, macht dabei Fehler und kann sich verbessern, als dass er Ihre Vorschläge halbherzig umsetzt und nichts dabei lernt, weil Ihre Ideen ihm gar nichts sagen.
Phase 4: „Was machen wir jetzt?“ Dass der Mitarbeiter einen Vorschlag gemacht hat, heißt noch nicht, dass er ihn auch als verbindliche Vereinbarung ansieht. Das liegt meist gar nicht an seinem mangelnden guten Willen. Es liegt schlicht daran, dass selbst die beste
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Das Kritikgespräch: Nur positiv klappts!
Idee vergeudet ist, wenn der Mitarbeiter keine konkreten Vorstellungen über deren Machbarkeit und Umsetzung hat. Also fragen Sie ihn: ▪▪ „Wie werden Sie konkret vorgehen?“ ▪▪ „Was ist Ihr erster Schritt? Welche folgen?“ ▪▪ „Was wollen Sie womit erreichen?“ ▪▪ „Welche Teilziele sehen Sie?“ ▪▪ „Welche Unterstützung erwarten Sie von mir?“
Die Angst vor dem Erfolg Wenn ein Kritikgespräch so einfach ist, warum machen es nicht alle Führungskräfte so? Viele befürchten: „Wenn ich das Gespräch mit etwas Positivem beginne, hebt der Mitarbeiter ab und lässt das Negative nicht mehr gelten oder verdrängt es! Oder ich komme mit meinen kritischen Punkten im Gespräch gar nicht mehr durch.“ Das ist eine nachvollziehbare Befürchtung. Leider ist sie empirisch nicht haltbar. Es ist genau umgekehrt: Wenn Sie sofort mit dem Negativen beginnen, fängt der Mitarbeiter an, sich zu entschuldigen und zu rechtfertigen – mithin also das Negative nicht gelten zu lassen und zu verdrängen! Vertrauen Sie diesbezüglich ruhig Ihrem gesunden Menschenverstand, der Ihnen rät: Wer über Positives redet, verträgt auch Negatives.
Die „Ja-aber“-Falle
Die „Ja-aber“-Falle Etliche Führungskräfte kennen die Ölgemälde-Technik und beginnen ein Kritikgespräch mit Aussagen wie: „Sie machen einen hervorragenden Job. Aber wie Sie neulich …“ Es funktioniert nicht. Weil das Eingangslob allumfassend und somit unglaubwürdig, gelogen klingt. Warum? Weil ein Aber in einem Satz oder in Gedanken, die Aussage vor dem Aber entwertet. Das ist ein schönes Auto, aber … eigentlich gefällt es mir nicht. Ganz anders wird die Aussage (und Ihre innere Haltung), wenn Sie sagen: „Das ist ein schönes Auto, und ich fände es noch besser, wenn es rot wäre.“ Erfolgstipp Ersetzen Sie „Ja – aber“ durch ein „Ja – und“. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Oder Sie loben, gleich ohne Wenn und Aber. Zum Beispiel: „Wie Sie Ihre Projekte nachkalkulieren – alle Achtung. Selten habe ich so eine saubere Abweichungsanalyse gesehen.“ Das glaubt der Mitarbeiter. Warum? Weil es konkret, nachvollziehbar und ehrlich ist. Das heißt: Bleiben Sie sauber. Schwindeln Sie dem Mitarbeiter keine Anerkennung vor, bloß weil die Ölgemälde-Technik das verlangt. Überlegen Sie sich vor dem Gespräch, was Sie dem Mitarbeiter an Positivem mitteilen möchten.
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Das Kritikgespräch: Nur positiv klappts!
Das Turbo-Kritikgespräch Manchmal muss es schnell gehen oder die Kritik, die Sie haben, ist eher marginal. Dann bietet sich eine verkürzte Form an. Das ist jetzt keine Ausrede für ein 08/15-Kritikgespräch à la: „So gehts aber nicht!“ Sie können, dürfen und sollen auch unter Zeitdruck dem Ölgemälde-Prinzip treu bleiben – eben in verkürzter Form. Folgende Musterformulierung hat sich bewährt – am Beispiel einer eklatanten Fehlentscheidung bei der Lieferantenauswahl: „Sie checken normalerweise jeden einzelnen Lieferanten knallhart ab. Sie haben ein tolles Gespür für die Schwächen der Anbieter – und jetzt übersehen Sie so einen Qualitätsfehler! Das passt für mich einfach nicht zusammen. Wie können Sie dafür sorgen, dass das nie wieder passiert?“ Diese Kurzform komprimiert die Phasen 1 bis 3 des Kritikgesprächs auf weniger als eine Handvoll Sätze.
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4 Das Konfliktgespräch: „Jetzt reicht es mir!“ reicht nicht Das Konfliktgespräch auf einen Blick ▪▪ Langsam eskalieren: Konflikt- erst nach Kritikgespräch! ▪▪ Was ist Ihr Konfliktmuster? Gesprächsphase
Vorgang
Phase 1: Klare Ansage: „Mir reichts jetzt!“
Konfrontieren
Phase 2: Klare Zielvorgabe: „Was ich von Ihnen erwarte …“
Deutlich werden
Phase 3: „Was bieten Sie mir an?“
Fragen und zuhören
Phase 4: „Wir vereinbaren also …“
Fragen und zusammenfassen
Phase 5: „Gutes Ergebnis!“
Ergebnis positiv würdigen
Eskalieren Sie mit Bedacht Denken Sie an Ihre Eskalationslinie (siehe Kapitel 1, „Clever eskalieren“): Ein Konfliktgespräch ist erst dann fällig, wenn der Mitarbeiter ▪▪ sich im Kritikgespräch (siehe Kapitel 3, „Das Kritikgespräch“) uneinsichtig zeigt,
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Das Konfliktgespräch: „Jetzt reicht es mir!“ reicht nicht
▪▪ nach einem Kritikgespräch nicht die vereinbarte Veränderung vornimmt, ▪▪ eine gravierende Verfehlung begeht. Diese Verfehlung kann arbeitsrechtlicher Natur sein oder in schweren Leistungsmängeln liegen. Wenn alle Kollegen zum Beispiel 100 (was auch immer) erreichen und er bloß 50 bringt. Oder er kommt – obwohl er bereits darauf angesprochen wurde – zum dritten Mal zu einem wichtigen Termin zu spät. Dann ist ein Konfliktgespräch angezeigt. Erfolgstipp Lassen Sie sich nicht von Zorn und Wut leiten. Eskalieren Sie mit Bedacht bis zum Konflikt. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Kennen Sie Ihr Konfliktmuster? Warum löst bereits das Wort „Konfliktgespräch“ bei Führungskräften ein ungutes Gefühl aus? Weil Konfliktgespräche unangenehm sind. Sie sind unangenehm, weil wir dabei gerne in Extreme abrutschen: ▪▪ Totale Enthemmung, Wutausbruch, Verbalkeule: „Sind Sie völlig übergeschnappt?!“ Folge: Mitarbeiter macht dicht oder feuert zurück – aber ändert sein Verhalten nicht. Gespräch gescheitert, Zeit verloren, Nerven und Beziehung ruiniert.
Kennen Sie Ihr Konfliktmuster?
▪▪ Aussitzen, Abwarten, Verschieben: Wir drücken uns vor dem drohenden Konflikt, weil wir eine hässliche Szene vermeiden möchten. Folge: Es ändert sich nichts an den Missständen. Im Gegenteil. Sie werden oft schlimmer. Beide Extreme der Konfliktbewältigung haben eines gemeinsam: Das Konfliktmuster bestimmt das Konfliktverhalten. Was ist Ihr Konfliktmuster? Das finden Sie mit einer einfachen Frage heraus. Angenommen, Sie müssen dringend aus dem Haus und sehen eben, wie Ihr Nachbar Ihre Garageneinfahrt zuparkt. Was tun Sie? A: Erst mal abwarten. Vielleicht holt er nur mal rasch etwas im Haus und fährt gleich wieder weg. B: Was fällt ihm ein! Sie gehen rüber und sagen ihm die Meinung. Welche Option hat Ihnen spontan eher zugesagt? Das be schreibt eines Ihrer Konfliktmuster. Sie werden es in vielen Konfliktsituationen der Vergangenheit wieder erkennen. Dieses Muster ist unbewusst und sehr zeitstabil.
Erfolgstipp Lernen Sie Ihr Konfliktmuster kennen. Wenn sich ein Konflikt anbahnt, machen Sie sich dieses Muster bewusst. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
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Das Konfliktgespräch: „Jetzt reicht es mir!“ reicht nicht
Wer dieses Bewusstmachen versäumt, ist hilflos seinem Konflikt-Autopiloten ausgeliefert, der ihn entweder zum wilden Berserker oder zum Drückeberger macht. Erst wenn Sie sich Ihres Musters bewusst sind, können Sie dem folgenden Fahrplan für ein erfolgreiches Konfliktgespräch problemlos folgen. Sonst laufen Sie Gefahr, während des Gesprächs in Ihr altes, vertrautes Muster hineinzurutschen.
Phase 1: Machen Sie eine klare Ansage! Versuchen Sie gleich gar nicht, im Konfliktfall kühl und sachlich zu bleiben. Schließlich haben Sie diese Tour bereits lange genug erfolglos ausprobiert.
Erfolgstipp Zeigen Sie im Konfliktgespräch ruhig (kontrollierte) Emotionalität. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Sie dürfen zeigen, dass Sie sauer sind. Seien Sie emotional – aber lassen Sie sich nicht von Ihren Gefühlen zu einem „Ausraster“ hinreißen. Stellen Sie die Zeichen auf Rot, zum Beispiel so: „Ehrlich gesagt, mir reicht es jetzt. Wir haben eine Vereinbarung getroffen, die Sie nicht einhalten. Was sagen Sie dazu?“ Wozu die Frage? Weil es immer noch sein kann, dass etwas passiert ist, das Sie nicht wissen, was den
Vermeiden Sie den Entschuldigungs-Parcours
Mitarbeiter jedoch ganz oder teilweise entschuldigt. Dann können Sie einen Gang zurückschalten, ohne als völlig uninformierter und ungerechter Chef dazustehen: „Das wusste ich nicht. Ich möchte, dass Sie mir so etwas das nächste Mal rechtzeitig mitteilen!“
Vermeiden Sie den EntschuldigungsParcours Was passiert, wenn Sie dem Mitarbeiter unverblümt Ihre Meinung sagen? Er startet möglicherweise zum Entschuldigungs-Parcours: „Dafür kann ich doch nichts! Ein Kunde hat mich aufgehalten!“ Das kennen Sie nur zu gut? Wie reagieren Sie darauf? Meist tendieren wir dazu, dem Mitarbeiter wenigstens teilweise zu verzeihen: Was für ein armer Kerl! Und wie schwer es der Ärmste doch hat! Das haben Sie auch schon gedacht? Dann sind Sie auf den Entschuldigungs-Parcours hereingefallen. Erfolgstipp Lassen Sie im Konfliktfall faule Ausreden nicht gelten. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Sagen Sie dem Mitarbeiter, warum nicht: „Wenn wir eine Vereinbarung treffen und Sie halten sich aus triftigen Gründen nicht daran, dann ist es auf jeden Fall Ihre Pflicht, mich so rechtzeitig über diese Gründe zu informieren, dass
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Das Konfliktgespräch: „Jetzt reicht es mir!“ reicht nicht
wir etwas unternehmen können! Ich kann nicht akzeptieren, dass Sie eine Vereinbarung kommentarlos nicht einhalten! Sie haben dabei billigend in Kauf genommen, dass ich aus Unkenntnis der Sachlage vor die Wand laufe. Das lasse ich mir nicht bieten!“
Erfolgstipp Kritisieren Sie den Mitarbeiter ruhig und souverän. Schnappt die Stimme über oder läuft Ihr Kopf rot an, wirkt das unsouverän bis lächerlich. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Was macht der Mitarbeiter darauf? Eventuell kommt er mit einer zweiten Entschuldigung. Der Entschuldigungs-Parcours hat meist mehr als nur eine Station. Was können Sie tun? A: Sie können schweigen. Dann sieht der Mitarbeiter, dass Sie nicht auf seinen Parcours einsteigen. B: Sie machen ihn auf das aufmerksam, was er übersieht: „Ich glaube, Sie haben mich nicht richtig verstanden. Ich sagte eben: Es reicht mir jetzt. Schluss mit Entschuldigungen. Ich habe eine klare Forderung an Sie, über die ich nicht diskutiere.“ Was tun Sie, wenn der Mitarbeiter daraufhin die emotionale Notbremse zieht und lamentiert: „Immer hacken Sie bloß auf mir rum!“? Nach einer wohlgesetzten Pause nochmals ganz ruhig das wiederholen, was er offensichtlich
Vermeiden Sie Hundeknochen-Gespräche
noch nicht realisiert hat: „Nochmals: Es reicht mir jetzt!“ Wenn Sie das in aller Ruhe und mit allem Nachdruck nochmals sagen, fällt bei jedem Mitarbeiter irgendwann der Groschen.
Vermeiden Sie Hundeknochen-Gespräche Wenn Sie einem Hund einen Knochen hinhalten, schnappt er danach. Was haben Hunde und Menschen gemeinsam? Bei beiden wirkt dieser Reflex. Ein Beispiel: Vorgesetzter: „Es reicht mir jetzt! Sie haben Ihre Monatsziele zum dritten Mal in Folge verfehlt!“ Mitarbeiter: „Das müssen Sie mal den Leuten im Innendienst sagen. Die lassen mich ständig mit den Terminen hängen!“ „Aber die Innendienst-Aufgaben haben wir doch inzwischen geregelt! Wir haben doch ganz klar …“ Und schon hat der Vorgesetzte nach dem Knochen geschnappt und streitet jetzt fünf Minuten lang mit dem Mitarbeiter über die Innendienst-Aufgaben – statt über dessen Fehlverhalten. Danach hält der Mitarbeiter seinem Vorgesetzten weitere Knochen vor die Nase: „Ich habe gar nicht die Zeit für diese ständigen Sonderaktionen.“ „Dann müssen Sie sich eben besser organisieren. Sie könnten zum Beispiel …“ Und schon doziert der Vorgesetzte fünf Minuten lang über Time Management – anstatt über das Fehlverhalten des Mitarbeiters.
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Das Konfliktgespräch: „Jetzt reicht es mir!“ reicht nicht
Erfolgstipp Lassen Sie die Hundeknochen einfach liegen! Verfolgen Sie Ihr (!) Ziel. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Erkennen Sie mit geübtem Auge jedes Knochenangebot und sagen Sie stur wie eine Platte mit Sprung: „Ich rede nicht mit Ihnen über … (jeweiliger Knochen). Ich rede mit Ihnen darüber, wie Sie künftig … (Konfliktthema) vermeiden.“ Da der Mitarbeiter, intuitiv, seiner Verantwortung durch Darreichung von Hundeknochen entfliehen will, holen Sie ihn immer wieder in seine Verantwortung zurück. Die Botschaft dahinter: „Sie sind am Zug – nicht ich!“
Phase 2: Geben Sie das Ziel vor! Sagen Sie ohne Umschweife, was Sie sich wünschen: „Ich erwarte von Ihnen Folgendes: …“ Formulieren Sie dieses Ziel so klar, konkret, kurz, simpel und prägnant wie möglich. Möglichst ein Satz, nicht mehr. Leider machen viele Führungskräfte das nicht. Sie ▪▪ lassen sich lang und breit darüber aus, wie sauer sie sind, ▪▪ erklären dem Mitarbeiter endlos, warum das falsch ist, was er gemacht hat,
Phase 3: „Was bieten Sie mir an?“
▪▪ verlieren sich in Zusammenhängen, die der Mitarbeiter nicht nachvollziehen kann. Das meiste davon interessiert im Moment nicht und blockiert nur eine positive Veränderung. Ziele müssen kurz, glasklar und konkret sein.
Phase 3: „Was bieten Sie mir an?“ „Sie wissen jetzt, was ich von Ihnen erwarte. Wie werden Sie mir das Erwartete liefern?“ Inzwischen wissen Sie es: Solche Fragen zwingen den Mitarbeiter in die Verantwortung zurück, deren Vernachlässigung den Konflikt verursacht hat.
Erfolgstipp Fragen bringen Mitarbeiter viel stärker in ihre Verantwortung als Anweisungen (Anweisungen kann man ignorieren oder verantwortungslos ausführen). ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Vielleicht wird der Mitarbeiter auf Ihre Frage hin ein unzureichendes Angebot machen. Dann sagen Sie: „Das ist mir zu wenig. Ich erwarte deutlich mehr. Was können Sie mir noch anbieten?“ Diese Forderung wiederholen Sie so lange, bis sein Angebot Sie zufrieden stellt.
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Das Konfliktgespräch: „Jetzt reicht es mir!“ reicht nicht
Phase 4: Vereinbarung treffen Danach klopfen Sie sein Angebot fest: „Wir vereinbaren also, dass Sie … machen. Ich unterstütze Sie dabei mit …“
Erfolgstipp Halten Sie das Vereinbarte schriftlich fest und geben Sie ihm eine Kopie. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Sonst sagt er hinterher, wenn Sie die Einhaltung der Vereinbarung kontrollieren: „Das habe ich anders in Erinnerung!“ Oder: „Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?“
Phase 5: Positiver Ausklang Ein Konfliktgespräch in der beschriebenen Form läuft sehr viel stressärmer, schneller, effizienter und effektiver ab als der in der Praxis häufig anzutreffende, nervenaufreibende Schlagabtausch. Sie können dem Gespräch sogar einen noch besseren Verlauf geben, indem Sie es versöhnlich beenden. Das ▪▪ verbessert erheblich die Beziehung zum Mitarbeiter, ▪▪ erhöht beträchtlich die Wahrscheinlichkeit, dass er tatsächlich das umsetzt, was Sie vereinbart haben.
Trennen Sie Person und Sache!
Sagen Sie beispielsweise: „Ich finde es gut, dass wir ein so positives Gesprächsergebnis erzielt haben und dass Sie die Sache jetzt anpacken. Das ist eine gute Lösung, die Sie angeboten haben.“ Das ist ein Riesenunterschied zur üblichen Disharmonie, in der die meisten Konfliktgespräche in der Praxis enden. Nach Konfliktgesprächen ohne obigen Fahrplan denkt der Mitarbeiter: „Der Boss hat mich ja voll zur Schnecke gemacht!“ Er ist demotiviert. Und Demotivation ist keine gute Voraussetzung dafür, dass er umsetzt, was Sie besprochen haben.
Trennen Sie Person und Sache! „Sie sind ja völlig unfähig. Wann kriegen Sie das endlich auf die Reihe!“ So geladen man im Konfliktfall oft ist, so schlimm ist eine persönliche Attacke.
Erfolgstipp Je geladener Sie sind, desto bewusster sollten Sie darauf achten: Reden Sie nicht über die Person, sondern über die Sache! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Wenn Sie das Verhalten eines Menschen ansprechen, ändert er es mit etwas Unterstützung. Wenn Sie ihn dagegen persönlich angreifen, ist das erstens nicht angemessen
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Das Konfliktgespräch: „Jetzt reicht es mir!“ reicht nicht
und zweitens wehrt er sich oder stellt auf stur – und ändert genau das nicht, was Sie ändern wollen. Erfolgstipp Verwandeln Sie Sie-Botschaften in Ich-Botschaften. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Also nicht „Sie sind ja völlig unfähig!“, sondern: „Ich akzeptiere das nicht länger. Ich erwarte von Ihnen in Zukunft …“ Kein Mensch beherrscht diese Verwandlung aus dem Stegreif. Deshalb ist eine gute Übung: Stellen Sie sich eine der letzten oder die künftige Konfliktsituation vor. Was sagten oder sagen Sie? Wo sind die Sie-Botschaften? Verwandeln Sie diese in Ich-Botschaften. Mit jeder Verwandlung fällt es Ihnen leichter. Und nach einigen Testläufen machen Sie es so automatisch wie Kuppeln beim Autofahren auch.
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5 Das Abmahnungs gespräch: Es ist fünf vor zwölf! Das Abmahnungsgespräch auf einen Blick ▪▪ Was Sie fühlen, artikulieren Sie es auch: „Jetzt ist Schluss!“ ▪▪ Sie sind enttäuscht – okay. Aber sagen Sie es nicht!
Schluss. Aus. Fertig – sonst verwässern Sie die Wirkung!
Sagen Sie, dass Sie genug haben! Sie haben den Mitarbeiter motiviert, Kritik- und Konfliktgespräche geführt – und er/sie leistet noch immer nicht das, was Sie vereinbart haben? In dieser Situation reißt vielen Führungskräften der Geduldsfaden: „Jetzt reicht es mir aber! Meine Geduld ist am Ende!“ Das Problem ist nur: Sie fühlen das zwar, aber sie sagen es nicht. Nun könnte man meinen, dass der Mitarbeiter schon mitbekommt, wenn der Vorgesetzte am Ende seiner Geduld ist. Doch ein Mitarbeiter, der mehrfach motiviert und kritisiert wurde und dann immer noch nicht das Vereinbarte liefert, kriegt bestimmte Dinge einfach nicht mit. Daher:
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Das Abmahnungsgespräch: Es ist fünf vor zwölf!
Erfolgstipp Wenn Sie am Ende Ihrer Geduld sind – sagen Sie das unbedingt! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Das ist der Kern jedes Abmahnungsgespräches. Wie Sie das Ende Ihrer Geduld artikulieren, betrachten wir gleich.
… sagen Sie nicht, dass Sie enttäuscht sind! Es ist ein Fehler, nichts zu sagen, wenn Ihre Geduld er schöpft ist. Es ist jedoch genauso ein Fehler, das zu sagen, was Ihnen auf der Zunge brennt und was viele Vorgesetzte in dieser Situation sagen: „Das hätte ich nicht von Ihnen erwartet! Sie haben mich schwer enttäuscht! Sie halten sich nicht an unsere Abmachung!“ Wenn Sie sich über längere Zeit haben täuschen lassen, werden Sie irgendwann enttäuscht. Das ist Ihr Problem.
Erfolgstipp Reden Sie nicht über Ihre Enttäuschung – sondern machen Sie eine klare Ansage! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Phase 1: „Sie haben schon wieder …!“
Ihr Mitarbeiter fühlt sich persönlich getroffen und rechtfertigt sich daraufhin. Das kostet Zeit und Nerven und bringt Sie nicht weiter. Angenommen, Sie haben ein Abonnement für eine Tageszeitung, und seit zwei Tagen fehlt morgens Ihre Ausgabe im Briefkasten. Da rufen Sie auch nicht bei der Zeitung an und sagen: „Ich bin so was von enttäuscht!“ Sie sagen: „Morgen ist die Zeitung wieder im Briefkasten – sonst kündige ich das Abo!“ Das ist ein Abmahnungsgespräch.
Erfolgstipp Jedes erfolgreiche Abmahnungsgespräch hat eine simple Botschaft: „Jetzt ist Schluss! Ab sofort erwarte ich …, sonst …“ ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Phase 1: „Sie haben schon wieder …!“ Reden Sie nicht um den heißen Brei herum. Kommen Sie sofort zum Punkt. Deklarieren Sie den Wiederholungsfall: „Wir haben schon ein paarmal darüber geredet.“ Nämlich in Motivations-, Kritik- und Konfliktgesprächen. „Sie haben gestern wieder … Das ist ein grober Verstoß gegen unsere Vereinbarung (Ihre Arbeitspflichten, die Dienstvorschrift…).“ Das reicht schon. Mehr ist nicht nötig. Verkneifen Sie sich jede weitere Ausschmückung. Das schmä-
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Das Abmahnungsgespräch: Es ist fünf vor zwölf!
lert nur die Wirkung. Natürlich wollen Sie noch viel mehr sagen! Es brennt Ihnen förmlich auf der Zunge? Dann stellen Sie sich eine Frage: Wer steuert mich? Meine Affekte oder mein Verstand?
Phase 2: „Ich erwarte ab sofort …“ Jetzt sagen Sie, was Sie erwarten: „Ich erwarte, dass Sie ab sofort …“ Das ist meist die Wiederholung dessen, was Sie bereits in Motivations-, Kritik- und Konfliktgesprächen vereinbart haben. Und weil das bislang offensichtlich wenig gefruchtet hat, klären Sie ohne jeden Zweifel ab: ▪▪ „Haben Sie das verstanden?“ ▪▪ „Was ist bei Ihnen angekommen? Würden Sie das bitte in eigenen Worten wiedergeben?“ An dieser Stelle im Gespräch passiert es regelmäßig, dass der Mitarbeiter Ausflüchte sucht: „Ich kann doch nichts dafür! Sie müssen mir eben mehr Zeit geben! Der Kollege hat mich hängen lassen! Der Kunde …!“ Und schnell sind Sie wieder in der Hundeknochenfalle (siehe Kapitel 4, „Vermeiden Sie Hundeknochen-Gespräche“). Erfolgstipp Gehen Sie auf Ausflüchte nicht ein! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Phase 3: „Wenn Sie das noch einmal machen …“
Machen Sie stattdessen noch klarer: „Ich möchte, dass wir uns richtig verstehen: Ich diskutiere nicht länger. Ich höre mir keine Erklärungen mehr an. Wir haben eine Vereinbarung getroffen. Sie entscheiden jetzt, ob Sie diese erfüllen oder nicht.“ Wenn der Mitarbeiter daraufhin weitere Ausflüchte präsentiert, wiederholen Sie sich. Ruhig im selben Wortlaut. Das macht dem Mitarbeiter klar: Ende der Diskussion!
Phase 3: „Wenn Sie das noch einmal machen …“ Die eigentliche Abmahnung ist dann nur noch eine Sache von Sekunden: „Wenn Sie das noch einmal machen, dann … Das wollte ich Ihnen sagen. Danke für das Gespräch.“ Fertig. Aus. Schluss. Sie müssen noch nicht einmal eine reale Konsequenz an sprechen. Oft reicht es schon, wenn Sie das „dann“ in der Luft stehen lassen. Es kommt nämlich nicht so sehr auf die angedrohte Konsequenz an, sondern auf die Botschaft dahinter. Wie ein abgemahnter Mitarbeiter das mal richtig ausdrückte: „Jetzt wirds ungemütlich. Wenn ich mich jetzt nicht zusammennehme, ist Schluss mit lustig!“ Botschaft angekommen. Natürlich können Sie auch eine konkrete Konsequenz an drohen: „… dann nehme ich Ihnen das Projekt weg“, „… dann ist Ihr Bonus futsch“, „… dann kürze ich Ihr Gehalt“,
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Das Abmahnungsgespräch: Es ist fünf vor zwölf!
„… dann wird Ihr Aufgabenbereich neu strukturiert“, „… dann werde ich Ihnen kündigen“.
Erfolgstipp Bluffen Sie niemals! Wird ein Bluff entlarvt, nimmt Sie keine(r) mehr ernst. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Drohen Sie nur eine Konsequenz an, die Sie im Wieder holungsfall ohne jedes Zögern sofort verhängen möchten und werden. Das setzt voraus:
Erfolgstipp Drohen Sie Konsequenzen nie spontan an. Überlegen Sie sich vorher gut, welche Konsequenz Sie im Fall des Falles auch durchführen können und wollen. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Alle drei Phasen zusammengenommen, ist die Abmahnung eine Sache von wenigen Minuten: „Frau Klein, wir müssen miteinander reden. Sie haben gestern wieder eine Modellform beim Zuschneiden unbrauchbar gemacht. Wir reden bereits das fünfte Mal über diese Sache. Meine Geduld ist am Ende. Ich erwarte, dass Sie ab sofort alle Formen innerhalb der vereinbarten Toleranz bearbeiten. Die nächste zerstörte Modellform werde ich Ihnen vom Gehalt abziehen. Das sind 250 Euro. Nein, darüber diskutiere ich jetzt nicht
Die rechtliche Seite
mehr. Das ist mein letztes Wort. Danke.“ Das ist hart? Nein. Nach Motivations-, Kritik- und Konfliktgespräch ist das noch äußerst human. Dafür ist es jedoch unmissverständlich klar. Und tatsächlich fällt nach diesem Gespräch bei den meisten MitarbeiterInnen der Groschen.
Erfolgstipp Je stärker Sie sich im Gespräch auf das Wesentliche konzentrieren, desto schneller, leichter, klarer, wirkungsvoller und stressärmer läuft das Gespräch für beide Seiten ab. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Alles, was Sie darüber hinaus noch gerne nachschieben würden, wird das Gespräch und seine Wirkung nur verwässern.
Die rechtliche Seite Abmahnungen sollen dem Mitarbeiter sagen: „Mein Herr, das war wirklich das allerletzte Mal! Beim nächsten Mal passiert Folgendes!“ Wenn Sie jedoch auf eine spätere Kündigung oder andere arbeitsrechtliche Konsequenzen hinarbeiten wollen, sollte die Abmahnung den rechtlichen Vorschriften genügen. Die Abmahnung muss dann enthalten: ▪▪ die einfache Darstellung des Sachverhaltes: Was ist ge schehen? ▪▪ die Bewertung des Sachverhaltes: „Das ist ein Verstoß gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten!“
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Das Abmahnungsgespräch: Es ist fünf vor zwölf!
▪▪ was Sie stattdessen erwarten: „Ab sofort erwarte ich …“ ▪▪ Androhung der Konsequenzen: „Wenn das nochmals passiert, dann werde ich folgende Maßnahmen er greifen: …“ Wenn Sie im Wiederholungsfall eine Kündigung rechtskräftig aussprechen wollen, sollten Sie beim letzten Punkt auch tatsächlich das Wort „Kündigung“ gebrauchen. Viele Vorgesetzte tun das nicht, weil sie das hässliche Wort scheuen. Sie sprechen lieber von „geeigneten“ oder „erforderlichen (arbeits)rechtlichen Schritten“. Arbeitsrichter amüsiert so eine butterweiche Formulierung:
Erfolgstipp Wenn Sie kündigen wollen, müssen Sie die Kündigung wörtlich androhen – sonst scheitern Sie vor Gericht. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Dem Mitarbeiter muss unmissverständlich klar sein, dass ihm die Kündigung und nicht irgendeine obskure „arbeitsrechtliche Maßnahme“ droht. Wenn Sie auf eine Kündigung zusteuern, so empfiehlt sich parallel dazu die schriftliche Form.
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6 Das Kündigungsgespräch: Die Wege trennen sich Das Kündigungsgespräch auf einen Blick ▪▪ Reden Sie nicht darum herum! Die Wahrheit ist hart, aber immer noch am besten! ▪▪ Egal, welche Reaktion der Mitarbeiter darauf zeigt, zeigen Sie Verständnis für seine Emotionen. Das glättet die Wogen. Und bleiben Sie inhaltlich auf Linie! Die betriebsbedingte Variante Gesprächsphase
Vorgang
Phase 1: „Es tut mir leid, aber ich habe keine Arbeit mehr für Sie. Ich muss Ihnen kündigen.“
Klare, direkte Aussage
Phase 2: „Das verstehe ich …“
Zuhören, Verständnis zeigen
Phase 3: „Wie wird die Trennung vollzogen?“
Fragen stellen, verhandeln
Die verhaltensbedingte Variante Gesprächsphase
Vorgang
Phase 1: „Wir haben schon mehrfach darüber gesprochen, jetzt ist es so weit.“
Klare, direkte Aussage
Phase 2: „Das verstehe ich …“
Zuhören, Verständnis zeigen
Phase 3: „Wie wird die Trennung vollzogen?“
Fragen stellen, verhandeln
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Das Kündigungsgespräch: Die Wege trennen sich
Vermeiden Sie die üblichen Fettnäpfchen Betriebsbedingte oder verhaltensbedingte Kündigungen sind manchmal einfach unumgänglich. Trotzdem schlafen viele Vorgesetzte die Nacht davor schlecht. Das erklärt, warum sie im Gespräch in so viele Fettnäpfchen treten. Einige der beliebtesten: ▪▪ „Das ist alles gar nicht so schlimm. Sie finden sicher ganz schnell wieder was. Bei Ihren Qualifikationen!“ Darauf denkt der Mitarbeiter nur: „Sie haben leicht reden! Ihnen wird ja nicht gekündigt!“ ▪▪ „Ich hätte Sie ja gerne behalten, aber der Vorstand …!“ Da fühlt sich der Mitarbeiter auf den Arm genommen. Er wird gekündigt, und sein eigener Vorgesetzter weist jede Verantwortung von sich? ▪▪ „Daran sind Sie ganz selber schuld! Ich hatte Sie ja mehrfach gewarnt!“ Stimmt vielleicht, aber stachelt den Mitarbeiter geradezu auf, Ihnen heftigst zu widersprechen.
Erfolgstipp Bereiten Sie den Mitarbeiter nicht schonend auf die schlimme Nachricht vor – das spannt ihn nur unnötig auf die Folter. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Versuchen Sie nicht, Ihre Botschaft irgendwie abzumildern. Das funktioniert alles nicht. Die Wahrheit ohne Um
Fall 1: Betriebsbedingte Kündigung
schweife ist in diesem Falle immer noch das Beste. Irgendwann muss die Botschaft ja kommen.
Fall 1: Betriebsbedingte Kündigung Also, reden Sie nicht um den heißen Brei herum. Reden Sie nicht über Marktentwicklung und Auftragseingänge. Das lässt Sie wie ein Feigling aussehen, weil es sich wie Aus reden und lahme Entschuldigungen anhört. Zum Beispiel: „Herr Schmitt, ich würde Sie gerne weiter beschäftigen.“. Damit sagen Sie ihm, dass es nicht gegen ihn persönlich geht. Das ist ihm zwar ein schwacher Trost. Doch er muss danach nicht völlig verzweifeln oder sauer sein, weil er vermutet, dass Sie es auf ihn persönlich abgesehen haben. Dann weiter: „Doch es tut mir leid: Ich habe leider keine Arbeit mehr für Sie. Ich muss Ihnen heute kündigen. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen gerne die Hintergründe erklären.“ In dieser Form ist das doch erträglich, oder? Wenigstens erträglicher als minutenlanges Hin-undher-Reden. Trotzdem:
Erfolgstipp Üben Sie Ihre Kündigungsformulierung laut vor dem Spiegel ein. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
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Das Kündigungsgespräch: Die Wege trennen sich
Viele Vorgesetzte verhaspeln sich auch nach Jahren der Führungstätigkeit bei den ungewohnten Sätzen. Das wirkt peinlich, inkompetent und erweckt beim Mitarbeiter den Eindruck, dass noch was zu machen sei – was nicht der Fall ist und daher nur Zeit und Nerven kostet.
Mit der Reaktion des Mitarbeiters umgehen Dass viele Vorgesetzte vor einer Kündigung schlecht schlafen, hängt vor allem damit zusammen, dass sie die Reaktion des Mitarbeiters fürchten. Es gibt Mitarbeiter, die nach einer Kündigung blind vor Wut attackieren. Andere brechen völlig zusammen und weinen sogar. Wieder andere resignieren. Nur wenige reagieren sachlich: „Schade, aber nichts zu machen. Ich habe insgeheim damit gerechnet.“ Wie bewältigen Sie diese emotionale Herausforderung?
Erfolgstipp Seien Sie gut vorbereitet. Rechnen Sie damit, dass der Mitarbeiter eine Reaktion zeigen wird, die stark emotional gefärbt ist. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Es ist sein gutes Recht, denn der Verlust des Arbeitsplatzes ist ein dramatischer Lebenseinschnitt. Wenn Sie damit rechnen, kommen Sie besser mit seiner Reaktion klar. Das ist die hilfreiche Wirkung der Antizipation, der geistigen
Fall 2: Verhaltensbedingte Kündigung
Vorwegnahme. Wie gehen Sie danach konkret mit seiner Reaktion um? Immer gleich: Erfolgstipp Zeigen Sie Verständnis für die Emotionen des Mitarbeiters. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Auf keinen Fall so: „Sie haben Recht, die Kündigung ist ein Skandal!“, sondern: „Ich kann Sie gut verstehen. Ich wäre da auch sauer. Aber es ist leider nichts mehr zu machen. Die Entscheidung ist gefallen.“
Erfolgstipp Manchmal ist es ratsam, an dieser Stelle ein, zwei Wochen Pause einzulegen. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Weil der Mitarbeiter direkt nach der Kündigung einfach nicht mehr bereit oder in der Lage zur Fortführung des Gesprächs ist: „Wir unterhalten uns weiter, wenn Sie diesen Schock erst mal verdaut haben.“ Entscheiden Sie von Fall zu Fall, ob Sie vertagen oder gleich in Phase 2 eintreten.
Fall 2: Verhaltensbedingte Kündigung Auch hier kommen Sie am besten ohne Umschweife zum Punkt: „Wir haben schon mehrfach darüber gesprochen.
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Das Kündigungsgespräch: Die Wege trennen sich
Jetzt ist es so weit. Sie haben wieder …, deshalb muss ich Ihnen kündigen. Eigentlich schade drum. Jedoch: Die Entscheidung ist gefallen, und ich diskutiere auch nicht mehr darüber.“ Das ist so schnell und schmerzlos wie möglich. Danach wird der Mitarbeiter eine Reaktion zeigen. Diese behandeln Sie wie bei der betriebsbedingten Kündigung: nicht Recht geben, sondern Verständnis für seine Sichtweise zeigen und im Übrigen auf keine Diskussion mehr einlassen. Natürlich ist es bei der verhaltensbedingten Kündigung schwerer, diese Linie zu halten, weil ▪▪ der Mitarbeiter in seinem Verhalten kritisiert wird und sich deshalb oftmals vehement wehren wird und weil ▪▪ Sie versucht sein werden, dem Mitarbeiter wegen seines wiederholten Fehlverhaltens eine Standpauke zu halten und damit ihre eigene Entscheidung zu rechtfertigen.
Erfolgstipp Rechtfertigen Sie Ihre Entscheidung nicht, erklären Sie allenfalls! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Es geht nicht darum, eine Person klein zu machen, herabzusetzen, sondern ein Beschäftigungsverhältnis zu beenden. Konzentrieren Sie sich auf die Sache, nicht die Person. Je sachlicher Sie bleiben, desto schneller und reibungs ärmer ist das Gespräch beendet.
Phase 3 für beide Fälle: Wie wird die Trennung vollzogen?
Der Mitarbeiter wird Ihnen das nicht leicht machen. Er wird Sie wiederholt in Versuchung führen mit verführe rischen Einwänden wie: „Aber so schlimm ist das doch gar nicht. Deswegen müssen Sie mir doch nicht gleich kündigen. Das ist nun eben mal passiert. Es wird auch nie wieder vorkommen! Ich verspreche Ihnen das!“ Oder: „Das macht doch Herr Mayer auch. Nur bei mir reagieren Sie so empfindlich.“ Je öfter der Mitarbeiter Sie davon abzubringen versucht, desto standhafter bleiben Sie auf Ihrer Linie: „Mir wäre auch lieber gewesen, wenn es nicht nochmals passiert wäre. Aber es ist eben leider einmal zu oft passiert.“ „Aber warum haben Sie das vorher nicht gesagt, dass Sie gleich an Kündigung denken?!“ – „Das habe ich. Deutlich. Wiederholt.“ „Das lasse ich nicht auf sich beruhen! Sie hören von meinem Anwalt!“ – „Das ist Ihr gutes Recht. Ich finde, Sie sollten einen Anwalt einschalten und sich gut beraten lassen. Trotzdem möchte ich, dass wir weiter im Gespräch bleiben.“ Denn Sie haben ja noch Phase 2 vor sich.
Phase 3 für beide Fälle: Wie wird die Trennung vollzogen? In dieser Phase klären Sie mit dem Mitarbeiter: ▪▪ Was können Sie noch für ihn tun? Was erwartet er von Ihnen?
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Das Kündigungsgespräch: Die Wege trennen sich
▪▪ Braucht er zum Beispiel schnell ein Zeugnis? ▪▪ Was können Sie ihm Gutes damit tun? Welche Formulierungen und Tätigkeitsnachweise wünscht er? ▪▪ Was wird er in der Zeit arbeiten, in der er noch da ist? ▪▪ Was erwarten Sie in dieser Zeit noch von ihm und was nicht mehr? („Ich habe Verständnis, wenn Sie in der restlichen Zeit nicht mehr mit ganzem Herzen dabei sind.“) ▪▪ Wie werden Sie die Trennung intern kommunizieren? Auf welche Wortwahl einigen Sie sich gemeinsam? Wer sagt wem was? Das hat nichts mit Lügen zu tun, sondern mit einer gemeinsamen Sprachregelung, mit der beide leben können. ▪▪ Wie können Sie ihn bei seiner Stellensuche unterstützen? Mit einem Bewerbertraining? Mit der Aktivierung von Kontakten? ▪▪ Der ganze Papierkram: Welche Papiere wann bei welchem Personaler? ▪▪ Möchten Sie eine soziale Auslauffrist zugestehen? Diese zutiefst sachlichen Punkte tun dem Gespräch gut. Sie holen das Gespräch aus der emotional aufgeladenen Atmosphäre wieder auf den fruchtbaren Boden der Sachlichkeit herunter. Sie zeigen dem Mitarbeiter und Ihnen selbst:
Phase 3 für beide Fälle: Wie wird die Trennung vollzogen?
Erfolgstipp Es geht nicht darum, eine Person zu entwürdigen. Es geht darum, auf anständige Weise ein Arbeitsverhältnis zu beenden. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
In begründeten Fällen können Sie Phase 2 auch wegfallen lassen: Wenn Sie dem Mitarbeiter zum Beispiel wegen geschäftsschädigenden Verhaltens fristlos kündigen oder wenn der Mitarbeiter völlig dichtmacht und nicht mehr kooperationsbereit ist. Wenn Sie dagegen jemandem kündigen müssen, der einfach wiederholt zu wichtigen Terminen zu spät kam oder seine Selbstorganisation nicht geregelt bekommt – dann können Sie ihn mit Phase 2 ruhig in fairer Form hinausbegleiten. Das gibt dem Ganzen eine versöhnliche Note, die beiden Seiten gut tut. Diese versöhnliche Note bewirkt, dass uns Führungskräfte nach Trainings oder Coachings berichten: „Neulich habe ich einen Mitarbeiter, dem ich vor Monaten gekündigt habe, wieder getroffen. Ich fürchtete, dass er noch sauer ist und war überrascht, dass er sich bei mir für die faire Behandlung bedankt hat.“ Erfolgstipp Ein fairer Trennungsprozess stärkt das Image von Ihnen und Ihrer Firma nach innen und außen. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
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7 Das Austrittsgespräch: Die ungeschminkte Wahrheit Das Austrittsgespräch auf einen Blick Führen Sie es! Es lohnt sich! Gesprächsphase
Vorgang
Phase 1: „Jetzt mal ehrlich!“
Eine Brücke bauen
Phase 2: „Wieso …?“
Fragen und ruhig sein!
Phase 3: „Danke!“
Dokumentieren
Vier gute Gründe Das Austrittsgespräch wird nach dem Aussprechen der Kündigung (egal von welcher Seite) und einige Tage vor dem letztendlichen Ausscheiden des Mitarbeiters aus dem Unternehmen geführt. Es ist ein unproblematisches Gespräch, das leider zu selten gesucht wird. Der Grund ist triviale Nachlässigkeit: „Der scheidet sowieso aus, wenn ich mich mit dem unterhalte, bringt mir das sowieso nichts mehr!“ Das ist aus vier Gründen ein Irrtum:
Phase 1: Wozu das Ganze?
1. Der Mitarbeiter ist bereits gekündigt: Er hat nichts mehr zu verlieren, braucht kein Blatt mehr vor den Mund zu nehmen. Er wird Ihnen Dinge verraten, die Sie noch nie von einem Mitarbeiter gehört haben, die ungeschminkte Wahrheit über seinen Arbeitsplatz, die versteckten Spielchen im Betrieb … 2. Der Personalmarketing-Aspekt: Die Menschen, die Ihr Unternehmen verlassen, sind die Menschen, die nachher über Ihr Unternehmen reden. Ob sie gut oder schlecht darüber reden, liegt in Ihrer Hand, zum Beispiel in Form des Austrittsgesprächs. 3. Auch und gerade dann, wenn man sich im Guten trennt, verraten regelmäßig geführte Austrittsgespräche, was ge rade los ist in den Tiefen der Belegschaft. So ein Gespräch hat schon manch unliebsame Überraschung verhindert! 4. Selbst ein ausführliches Austrittsgespräch dauert nur wenige Minuten.
Phase 1: Wozu das Ganze? Setzen Sie den Mitarbeiter kurz ins Bild, worum es Ihnen geht: „Das Gespräch mit Ihnen ist mir besonders wichtig, weil ich mir ungeschminktes und schonungsloses Feedback von Ihnen erwarte über Arbeitsbedingungen, Führung, Klima und andere Themen. Sicher, die Ergebnisse unseres Gesprächs kommen Ihnen nicht mehr zugute, aber
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Das Austrittsgespräch: Die ungeschminkte Wahrheit
dafür Ihren Ex-Kollegen und neuen Mitarbeitern. Deshalb liegt uns viel an diesem Gespräch.“ Überzeugt das den Mitarbeiter, der immerhin schon Ge päck bei Fuß steht? Der Erfahrung nach ja. Die meisten reagieren sehr positiv und sagen zum Beispiel: „Finde ich gut, da kann ich eine Menge dazu sagen, auch wenn Sie vielleicht manches nicht hören wollen!“
Phase 2: Fragen Sie gut! Wie viel Ungehörtes und Unerhörtes Ihnen der scheidende Mitarbeiter verrät, hängt nicht so sehr vom Mitarbeiter, sondern vielmehr von der Güte Ihrer Fragen ab. Stellen Sie gute, also offene und daher öffnende Fragen! Zum Beispiel: ▪▪ „Wie haben Sie die Arbeit hier erlebt?“ ▪▪ „Was hat Ihnen gut gefallen?“ (Damit er Ihnen auch Hinweise liefert, wo die Stärke Ihrer Organisation und Führung liegen.) ▪▪ „Was hat Ihnen weniger gut gefallen?“ ▪▪ „Jetzt mal unter uns: Weshalb gehen Sie? Und bitte eine ehrliche Antwort. Wenn Sie nicht offen darüber reden wollen, akzeptiere ich auch Ihr Schweigen.“ ▪▪ „Was werden Sie Ihrem besten Freund über uns erzählen?“ ▪▪ „Würden Sie einem guten Bekannten empfehlen, bei uns anzufangen?“
Phase 3: Dank und Doku
▪▪ „Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?“ ▪▪ „Was bietet Ihnen Ihr neuer Job (falls vorhanden), was wir Ihnen nicht bieten konnten?“ ▪▪ „Wenn wir Ihnen dasselbe bieten könnten, würden Sie bleiben? Wieso nicht?“ Erfolgstipp Nutzen Sie die „Ich habe ja nichts mehr zu verlieren“-Stimmung Ihres Noch-Mitarbeiters. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Sie sollen nicht alles allzu wörtlich nehmen, was er sagt – aber über alles reiflich nachdenken!
Phase 3: Dank und Doku Schließen Sie positiv: „Einiges, was ich von Ihnen erfahren habe, bringt mich zum Nachdenken. Herzlichen Dank für Ihre offenen und ehrlichen Antworten und für die Zeit, die Sie sich genommen haben!“ Weil die Ergebnisse des Austrittsgesprächs erstaunlich und aufschlussreich sind, sollten Sie sie gut dokumentieren, sammeln, verdichten, abgleichen und mit Kollegen und Mitarbeitern zusammen analysieren, auswerten und Veränderungsmaßnahmen diskutieren. Eine sorgsam gepflegte Dokumentation Ihrer Austrittsgespräche erspart Ihnen teure Mitarbeiterbefragungen oder andere Organisationsanalysen.
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8 Das Einstellungsgespräch: Den Besten wählen Das Einstellungsgespräch auf einen Blick Gesprächsphase
Vorgang
Phase 1: Kontakt aufnehmen und Ablauf erläutern
Small Talk
Phase 2: „Erzählen Sie mal von sich!“
Zuhören, zuhören, zuhören
Phase 3: „Jetzt bin ich gespannt auf Ihre Fragen.“
Antworten und zuhören
Phase 4: „Wonach Sie nicht gefragt haben: …“
Erklären
Phase 5: „Wie verbleiben wir?“
Wie finden Sie den Besten/die Beste? Mit welcher Gesprächsstrategie finden Sie den besten Bewerber? Weil die Frage so alt ist wie die Marktwirtschaft, wurde sie ausgiebig wissenschaftlich untersucht. Drei der zentralen Ergebnisse: 1. Am zuverlässigsten finden Sie den Richtigen, wenn der Gesprächsanteil des Bewerbers im Vorstellungsgespräch deutlich über 50 Prozent liegt. Wenn sich eine Füh-
Wie finden Sie den Besten/die Beste?
rungskraft in Selbst- oder Firmendarstellung verliert, er fährt sie zu wenig über die Bewerber, um den Richtigen herauspicken zu können. 2. Sie finden den Richtigen am ehesten, wenn Sie offene statt geschlossener Fragen stellen. Viele Vorgesetzte fragen zum Beispiel nach der Überstundenbereitschaft eines Bewerbers mit: „Würden Sie auch mal samstags arbeiten?“ Die wenigsten Bewerber antworten darauf ehrlich, weil die Frage suggestiv gestellt ist. Eine ehrlichere Antwort ermöglichen offene Fragen. Also Fragen, auf die man nicht mit Ja oder Nein antworten kann. Zum Beispiel: „Was machen Sie, wenn Sie nicht arbeiten?“ „Ich treibe viel Sport und betreue eine Jugend-Fußballmannschaft als Trainer.“ „Nehmen wir an, Sie spielen am Samstag mit Ihrer Mannschaft und ich brauche Sie für Überstunden. Wie bringen Sie das unter?“ „Die Arbeit geht vor. Dann muss eben mein Kotrainer zum Spiel.“
Erfolgstipp Offene Fragen erfordern detaillierte Antworten. Bei detaillierten Antworten fallen Ungereimtheiten sehr schwer – oder sofort auf. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
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3. Sie finden den idealen Bewerber umso zuverlässiger, je eher ein Teil Ihrer Fragen in jedem Bewerbungsgespräch auftaucht (sog. halbstrukturiertes Interview). Denn nur so können Sie zuverlässig die verschiedenen Bewerber miteinander vergleichen. Wenn Sie jeden etwas anderes fragen, ist dieser Vergleich nicht möglich.
Phase 1: Nehmen Sie Kontakt auf Das machen die meisten Vorgesetzten automatisch richtig. Sie reden übers Wetter, den Sport oder fragen, ob der Bewerber die Firma ohne Umwege gefunden hat, wie der Verkehr war, oder reden über andere typische Themen des Small Talk. Viele fragen uns trotzdem: „Darf man über so etwas Banales wie das Wetter heutzutage denn noch reden?“ Klare Antwort: absolut! Denn bei „Banalem“ stellt sich der Kontakt noch am schnellsten ein. Aber: Verlieren Sie sich nicht, auch wenn es sich nett plaudert. Erfolgstipp Sagen Sie dem Bewerber kurz, wie Sie vorgehen möchten. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Zum Beispiel: „Ich habe mir das so vorgestellt: Sie erzählen etwas über sich, ich werde ein paar Fragen dazu stellen,
Phase 2: „Erzählen Sie doch etwas von sich!“
dann können Sie Ihre Fragen stellen. Dafür nehmen wir uns insgesamt eine Stunde Zeit. Ist das okay für Sie?“
Phase 2: „Erzählen Sie doch etwas von sich!“ „Erzählen Sie doch mal, was ich Ihrer Meinung nach über Sie wissen sollte!“ Ein guter Bewerber hat auf diese Frage nur gewartet. Er legt wie aus der Pistole geschossen los.
Erfolgstipp Hören Sie nicht bloß zu, sondern stellen Sie viele Zwischenfragen! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Warum? Weil Sie damit herausfinden, welche Fähigkeiten der Bewerber mitbringt. Angenommen, er erzählt, dass er in seinem vorhergehenden Job auch als Projektleiter tätig war – was und wie fragen Sie? Richtig: offen. Zum Beispiel: ▪▪ „Welche Aufgabe war Ihre größte Herausforderung?“ ▪▪ „Warum?“ ▪▪ „Was genau haben Sie getan?“ ▪▪ „Wie haben Sie das gemacht?“ ▪▪ „Wie sah eine normale Woche oder ein Tag konkret aus?“ ▪▪ „Was hatten Sie zu verantworten? Was nicht?“ ▪▪ „Welche Aufgaben sind Ihnen leicht-, welche schwergefallen? Weshalb?“
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Mit diesen Fragen finden Sie heraus, wie der Bewerber arbeitet, wie er organisiert ist, was er draufhat. Sie finden es auf diese Weise sehr viel zuverlässiger heraus, als wenn Sie der nicht hinterfragten Selbstdarstellung des Bewerbers lauschen. Erfolgstipp Hinterfragen Sie alles, was sich nach Fassade anhört! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Dabei kommt naturgemäß am meisten heraus. „Mein letzter Job war sehr herausfordernd.“ Klingt gut. Hinterfragen Sie: „Worin bestand die besondere Herausforderung?“ Ihr Hintergedanke sollte dabei stets sein: Was liegt „dahinter“? Was versteckt sich hinter diesem Wort „herausfordernd“, das für jeden Menschen mit anderen Werten gefüllt ist.
Selbstdarstellungs-Logorrhö (hier: „Sprech-Durchfall“) Haben Sie es bemerkt? Mit diesem Frage-Antwort-Spiel vermeiden Sie ganz nebenbei einen der schlimmsten und zeitraubendsten Fehler beim Einstellungsgespräch: die be liebte Selbst- und Firmendarstellung des Interviewers; in der Fachsprache etwas unfein Logorrhö genannt. Je eher Sie den Bewerber erzählen lassen und hinterfragen, desto leichter vermeiden Sie eine unproduktive Selbstdarstellung Ihrer Person und Ihres Unternehmens. Es geht nicht
Ist der Bewerber für diese Stelle motiviert?
darum, dass Sie Ihr Unternehmen darstellen! Es geht da rum, dass sich der Bewerber darstellt! Bewerber-Interviews nach dem Muster: „Ich sage Ihnen jetzt mal, was wir suchen … trauen Sie sich diese Aufgabe zu?“ Diese Zeit können Sie sich schenken. Oder erwarten Sie allen Ernstes, dass darauf ein Bewerber „Nein!“ sagt? Fragen Sie in drei Richtungen. In einem Einstellungsgespräch sollten Sie drei Dinge herausfinden: ▪▪ Qualifikation: Was kann der Bewerber? ▪▪ Motivation: Was will er? Womit ist er zufriedenzustellen? ▪▪ Person: Passt er auch menschlich zu uns? Erfolgstipp Während der Bewerber erzählt, fragen Sie in diese Richtungen. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Die Qualifikation haben Sie bereits mit den obigen Fragen abgedeckt: Was hat er gemacht? Wie? Mit welchem Erfolg?
Ist der Bewerber für diese Stelle motiviert? Wie erfahren Sie etwas über die Motivation, die der Bewerber mitbringt? Zum Beispiel mit der Traumjobfrage: „Wenn Sie Ihren Traumjob basteln dürften, wie müsste dieser aussehen?“ Was er daraufhin beschreibt, ist ein Umfeld, das ihn motiviert. Eben das, was er braucht, um Leistung zu bringen.
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Der Bewerber sagt zum Beispiel: „Ich stelle mir meinen Idealjob mit möglichst viel Eigenverantwortung vor!“ Daraufhin können Sie sagen: „In der zu besetzenden Position tragen Sie die Verantwortung für die internen Entwürfe, nicht aber für die Kundenpräsentation.“ Fällt dem Bewerber daraufhin die Kinnlade nach unten, wissen Sie: Der wird bei diesem Grad der Entscheidungsfreiheit nicht glücklich in dem Job! Eine ebenfalls tiefschürfende Frage nach der Motivation ist die Frage nach dem Gegenteil: „Was müssten wir tun, damit Sie uns nach einem halben Jahr wieder verlassen würden?“ Eine Bewerberin sagte daraufhin einmal: „Genauso lange Entscheidungen aussitzen wie bei meinem letzten Arbeitgeber.“ Daraufhin war klar, dass sie in diesem Punkt wunderbar zum Mittelständler passte, bei dem sie sich bewarb. Denn bei diesem wird am liebsten schnell entschieden. Weitere Fragen zur Motivation können sein: ▪▪ „Welche Aufgaben haben Ihnen bisher am meisten Spaß gemacht? Welche überhaupt nicht?“ ▪▪ „Wie viel Prozent Reise- (oder anderer) Tätigkeit darf in Ihrer künftigen Aufgabe enthalten sein? Wie viel davon muss enthalten sein?“ Viele Führungskräfte fragen nach der Motivation eines Bewerbers folgendermaßen: ▪▪ „Sind Sie motiviert?“ ▪▪ „Wie motivieren Sie sich?“
Was für ein Mensch sitzt Ihnen gegenüber?
▪▪ „Ich erkläre Ihnen mal, wie das bei uns abläuft. Also … Würde Ihnen das Spaß machen?“ Aber Sie werden es erraten haben: Diese Fragen bringen wenig. Das sind die falschen Fragen, weil sie die erwartete Antwort suggerieren. Benutzen Sie lieber die Traumjob- und die Gegenteilfrage, wenn Sie die Motivation eines Bewerbers zuverlässig herauskitzeln wollen.
Was für ein Mensch sitzt Ihnen gegenüber? Natürlich haben Sie einen ersten Eindruck von Ihrem Ge genüber. Aber Sie sind Profi genug, um zu wissen, dass Sie sich darauf nicht verlassen sollten! Verifizieren Sie Ihren Eindruck lieber mit einigen der folgenden Fragen zur Person: ▪▪ „Jemand, der Sie gut kennt – wie würde der Sie be schreiben?“ ▪▪ „Wie würde er Ihre schwächeren oder ungünstigeren Seiten beschreiben?“ ▪▪ „Mal angenommen, ich würde Ihren letzten Chef anrufen – was ich auf keinen Fall tun werde –, was würde er über Ihre Stärken und Schwächen sagen?“ ▪▪ „Was stört Sie an anderen Menschen?“ ▪▪ „Wie reagieren Sie, wenn Sie ungerecht behandelt werden?“
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Diese Fragen lassen Rückschlüsse auf die Person des Bewerbers zu. Dazu ein Beispiel. Vor nicht allzu langer Zeit stellte sich bei uns ein Bewerber vor, der auf die Frage, welches seiner Projekte in den letzten Monaten nicht so toll lief, mit „Keines!“ antwortete. Auch nach mehrmaligem Nachfragen bestand er darauf, dass alles super gelaufen war. Zwei Minuten später fragten wir ihn, was ihn an anderen Menschen manchmal störe. Er antwortete: „Leute, die alles besser wissen!“ Danach sprach einiges dafür: Der Bewerber stellt an sich den Anspruch, perfekt sein zu müssen. Fehler und Schwächen kann er nicht zugeben und nicht damit umgehen. Das weist darauf hin, dass auch ein anderer Fragetypus nicht sehr ergiebig ist. Vergessen Sie also die Klassiker, wie zum Beispiel: „Was machen Sie in Ihrer Freizeit?“ Welche Rückschlüsse auf Qualifikation, Motivation oder Person können Sie aus der Tatsache ziehen, dass ein Bewerber in seiner Freizeit zum Beispiel Oldtimer restauriert? Lassen Sie bitte den Hobby-Psychologen raus aus einem Einstellungsgespräch. Das verfälscht nur Ihr Auswahlergebnis. Erfolgstipp Fragen zum Freizeitverhalten des Bewerbers sagen etwas über das Freizeitverhalten des Bewerbers aus – nicht über seine Persönlichkeit! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Phase 3: „Jetzt ist es an Ihnen, Ihre Fragen zu stellen!“
Phase 3: „Jetzt ist es an Ihnen, Ihre Fragen zu stellen!“ Spätestens nachdem der Bewerber seine Geschichte erzählt hat, können viele Führungskräfte nicht länger an sich halten und platzen mit ihrem Selbstdarstellungs-Programm heraus. Das ist ein Fehler.
Erfolgstipp Ein Vorstellungsgespräch ist nicht zur Selbst- und Firmendarstellung da, sondern dafür, dass sich beide Seiten ein realistisches Bild voneinander machen können! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Je länger Sie über sich und die Firma reden, desto weniger erfahren Sie über den Bewerber! Fordern Sie ihn daher lieber auf, nun seine Fragen zu stellen. Über seine Fragen finden Sie heraus, was ihm wichtig ist. Und tatsächlich fragen viele Bewerber als Erstes: „Was verdiene ich?“, „Haben Sie einen Betriebsrat?“, „Zahlen Sie VWL?“ Andere Bewerber fragen als Erstes: „Was genau werden meine Aufgaben auf dieser Position sein?“, „Wie läuft die Abstimmung mit den vorgelagerten Abteilungen?“, „Wann bringen Sie Ihre angekündigte neue Modellreihe an den Markt?“ Achten Sie auf die Unterschiede in der Reihenfolge. Oder registrieren Sie, welche Bereiche sehr ausführlich hinterfragt werden, welche (fast) gar nicht.
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Phase 4: „Wonach Sie nicht gefragt haben“ „Ich erzähle Ihnen nun in aller Kürze, wonach Sie nicht gefragt haben, was Sie jedoch wissen sollten, um eine fundierte Entscheidung treffen zu können.“ Erfolgstipp Erzählen Sie all das, was der Bewerber wissen muss, um sich ein realistisches Bild über die Stelle zu machen. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Das setzt voraus, dass Sie sich vorher gut überlegt haben, was ein Bewerber über die zu besetzende Position wissen muss, um sich entscheiden zu können und seine Arbeit gut zu machen. Kein Angler-Latein! Versuchen Sie nicht, den Job in glühenden Farben darzustellen. Dann möchte der Bewerber nämlich den Job, weil Sie ihn so schmackhaft dargestellt haben – nicht weil er zu ihm passt! Verschweigen Sie aber auch nicht die Kröten, die ein Mitarbeiter an diesem Platz schlucken muss. Das schafft langfristig beiden Seiten weniger Verdruss.
Phase 5: „Wie verbleiben wir?“ Die Fragen in der Endphase des Gesprächs kennen Sie sicher: ▪▪ „Wie fanden Sie das Gespräch?“
„Das traue ich mich nicht!“
▪▪ „Wie verbleiben wir?“ ▪▪ „Wer meldet sich bei wem?“
Erfolgstipp Wenn Sie sich beim Bewerber melden wollen, vereinbaren Sie im Zweifel doppelt so viel Zeit, wie Sie eigentlich brauchen. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Denn es kommt immer etwas dazwischen. Lieber eine lange Zeitvorgabe einhalten als eine kurze überziehen.
„Das traue ich mich nicht!“ Viele Führungskräfte sagen uns im Coaching oder Training: „Was Sie den Bewerber alles fragen – das würde ich mich nie getrauen!“ Wenn Sie sich beispielsweise brennend dafür interessieren, wieso der Bewerber seine letzte Stelle aufgegeben hat oder was er in seiner Freizeit macht. Warum soll man da nicht fragen? Jede Frage, die Sie im Kopf haben, sollten Sie auch stellen. Sonst kaufen Sie die Katze im Sack – oder lehnen sie ab. Oder Sie füllen Ihre Wissenslücken unbewusst mit Annahmen aus, die Ihren Auswahlprozess verfälschen. Jede Frage stellt für den Bewerber auch eine Chance dar: Er kann seine „Wahrheit“ Ihren Spekulationen entgegen-
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setzen. Und Sie werden sich die Fragen, die Sie im Kopf haben, selbst beantworten. Dass Sie dabei keine unverschämten, indiskreten oder illegalen Fragen stellen, versteht sich doch von selbst! Das ist auch gar nicht nötig. Es gibt genügend zulässige, intelligente Fragen.
Erfolgstipp Treffen Sie Ihre Auswahl auf der Basis von Bewerberaussagen, nicht Ihrer Vermutungen. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
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9 Das Gehaltsgespräch: Das Konto ausgleichen Das Gehaltsgespräch auf einen Blick ▪▪ Berechtigter Gehaltswunsch? Verhandeln Sie über die Höhe. ▪▪ Unberechtigter Wunsch? Reden Sie über Unzufriedenheit. ▪▪ Vermeiden Sie Fehler: kein Vertagen!
Berechtigter Gehaltswunsch Nicht alle Gehaltswünsche sind unberechtigt. Wenn Sie selbst x Euro als Bezahlung erhalten und ein Kollege, der die gleiche Arbeit macht, 20 Prozent mehr, dann werden auch Sie mit der Bezahlung unzufrieden sein und das Gespräch mit Ihrem Chef suchen. Genauso machen es auch Ihre Mitarbeiter. Sie vergleichen ihre Bezahlung mit der Bezahlung anderer Mitarbeiter. Wenn jemand bei vergleichbarer Leistung weniger verdient als ein interner/externer Kollege, ist sein Gehaltswunsch sachlich berechtigt. Dann sollten Sie mit ihm über eine Gehaltserhöhung reden – oder klarmachen, warum Sie nicht mehr bezahlen können. Einen berechtigten Gehaltswunsch abzuschmettern oder zu ignorieren, ist gefährlich, weil der Mitarbeiter sich entschließen könnte, künftig weniger zu leisten. Er beginnt seinen Arbeitstag dann zum Beispiel damit, dass er morgens erst einmal eine
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Das Gehaltsgespräch: Das Konto ausgleichen
halbe Stunde lang die Zeitung liest … Die Frage ist: Können, wollen Sie sich das leisten? Wenn nicht, sollten Sie in die Gehaltsverhandlung gehen.
Unberechtigter Wunsch: „Wie gefällt es Ihnen prinzipiell bei uns?“ Anders liegt der Fall, wenn der Mitarbeiter bei vergleichbarer Leistung ähnlich gut bezahlt wird wie vergleichbare andere Mitarbeiter. Was tun Sie dann? Dann fangen viele Vorgesetzte unbedacht mit Feilschen an. Das ist jedoch genau das, was Führungskräfte an Gehaltsgesprächen so nervt! „Diese elende Feilscherei!“ Wissen Sie was? Lassen Sie es einfach! Schenken Sie dem Mitarbeiter lieber reinen Wein ein: „Ich finde, dass Sie im Vergleich zu anderen angemessen bezahlt werden.“ Warum will der Mitarbeiter dann überhaupt mehr, wenn er gleich viel verdient wie ein vergleichbarer Kollege?
Erfolgstipp Die meisten Gehaltsforderungen haben weniger mit dem Gehalt zu tun als mit einer latenten Unzufriedenheit. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
80 Prozent der Gehaltsgespräche haben nicht das Gehalt, sondern eine Unzufriedenheit zur Ursache. Der Mitarbeiter fühlt sich unzufrieden mit seiner Arbeit und glaubt irr-
Wenn der Mitarbeiter nur ans Geld denkt
tümlich, dass er seiner Unzufriedenheit nur mit mehr Geld beikommen kann.
Erfolgstipp Wenn Unzufriedenheit des Mitarbeiters besteht, versuchen Sie nicht sein Gehaltskonto, sondern sein Zufriedenheitskonto auszugleichen. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Reden Sie über seine Unzufriedenheit – nicht über das Ge halt. Fragen Sie: „Lassen Sie uns für einen Augenblick den Blickwinkel erweitern: Wie gefällt es Ihnen überhaupt bei uns? Wie zufrieden sind Sie mit dem Unternehmen? Mit Ihrer Arbeit?“
Wenn der Mitarbeiter nur ans Geld denkt An dieser Stelle wenden viele Führungskräfte ein: „Der Mitarbeiter will mit mir über sein Gehalt reden, und ich frage ihn nach seiner Zufriedenheit – macht er das denn mit? Schwenkt er so schnell um?“ In den meisten Fällen ja. Wenn er fühlt, dass Sie die eigentliche Ursache seines Ge sprächswunsches ansprechen. Schwenkt er nicht um, erklären Sie den Themenwechsel: „Wenn ich mir andere Mitarbeiter mit vergleichbarer Leistung ansehe und keine ungleiche Bezahlung erkennen kann, dann frage ich mich: Woher kommt Ihre
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Das Gehaltsgespräch: Das Konto ausgleichen
Unzufriedenheit?“ In seltenen Fällen zeigt sich der Mitarbeiter hartnäckig: „Ich will nicht über Unzufriedenheit reden. Ich will mehr Geld.“ Was tun Sie dann? Das, was immer noch am besten wirkt: reinen Wein einschenken: „Das verstehe ich. Ich wünsche mir auch mehr Geld. Leider gilt bei uns der Grundsatz: gleiches Geld für vergleichbare Leistung oder Arbeit. Ich kann also nicht über mehr Geld mit Ihnen reden. Wir können aber darüber reden, wie Sie zufriedener bei der Arbeit werden können.“ Das ist ein faires Angebot. Damit liegt der Ball beim Mitarbeiter. Er kann das Angebot akzeptieren oder ablehnen.
Reden Sie über Unzufriedenheit Wenn der Mitarbeiter auf Ihr Nachbohren hin über das spricht, was ihn unzufrieden macht: Listen Sie seine Punkte auf, visualisieren Sie sie eventuell – damit Sie anschaulicher darüber reden können.
Erfolgstipp Gehen Sie die Unzufriedenheiten Punkt für Punkt durch und fragen Sie: „Was müsste hier anders sein, damit Sie zufrieden wären?“ ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Meist kommen Klagen wie: „Es wird so viel von mir er wartet – das schaffe ich alles nicht!“ Oder: „Ich muss mich
Vermeiden Sie die klassischen Fehler
um Sachen kümmern, die nicht zu meiner Aufgabe ge hören!“ Dann reduzieren Sie die Belastung oder verteilen Sie sie neu oder geben dem Mitarbeiter mehr Ressourcen (Arbeitsmittel, Schulung) an die Hand, damit er seine Belastung bewältigen kann.
Erfolgstipp Treffen Sie konkrete Vereinbarungen über die Maßnahmen zur Reduzierung der Unzufriedenheit. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Denn nur konkrete Maßnahmen können die Unzufriedenheit reduzieren. Je zufriedener der Mitarbeiter mit seiner Arbeit wird, desto zufriedener wird er auch wieder mit seinem Gehalt.
Vermeiden Sie die klassischen Fehler Manchmal denken Mitarbeiter, Sie müssten ihnen einen bestimmten Geldbedarf finanzieren: „Aber ich brauche mehr Geld! Ich muss mein Haus abbezahlen. Und jetzt, wo das zweite Kind da ist, langt es hinten und vorne nicht!“ So ein Mitarbeiter steckt auch dann nicht seinen Gehaltswunsch zurück, wenn er zufriedener mit seiner Arbeit wird. Er braucht schlicht „mehr Knete“. Das sehen Sie auch ein – was Sie zu einem klassischen Fehler verleiten kann:
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Das Gehaltsgespräch: Das Konto ausgleichen
Erfolgstipp Es ist ein Fehler, einem Mitarbeiter mehr Geld zu geben, nur weil dieser es braucht oder will. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Denn da Mitarbeiter sich vergleichen, wird es nicht lange dauern, bis der nächste mit demselben Wunsch bei Ihnen anklopft: Sie haben eine Kostenspirale in Gang gesetzt! Also bleiben Sie hart. Hart, aber sehr verständnisvoll: „Ich verstehe, dass Ihre Ausgaben gestiegen sind. Mein Budget ist dagegen dasselbe geblieben/geschrumpft. Ich will gerne, aber ich kann einfach nicht!“ Das ist ehrlich. Weil viele Führungskräfte nicht auf die Idee kommen, dass Ehrlichkeit am besten hilft, begehen etliche einen zweiten Fehler: Erfolgstipp Vertagen Sie kein Gehaltsgespräch! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
„Verbessern Sie Ihre Leistung bei … und … Dann können wir nochmals über mehr Geld reden!“ Nach einem halben Jahr kommt der Mitarbeiter dann wieder, weist die verlangte Verbesserung nach und behauptet: „Und jetzt will ich mehr Geld. Sie haben es mir versprochen!“ Ihre Ver tagung wurde als Versprechen missverstanden!
Vermeiden Sie die klassischen Fehler
Vermeiden Sie dieses Missverständnis, indem Sie nicht vertagen, sondern von vornherein hart bleiben: „Wenn Sie mehr verdienen möchten, können Sie sich intern für eine besser bezahlte Stelle bewerben oder Ihr Glück woanders suchen.“ Das sagen Sie ohne Groll, Ironie oder Angriffslust. Demotiviert das den Mitarbeiter? Ganz sicher. Doch die unglückliche Vertagung demotiviert ihn noch viel mehr! In diesem Dilemma bringt Sie Ehrlichkeit noch am weitesten. Mitarbeiter respektieren diese Ehrlichkeit. Viele sagen da nach: „Das war hart, aber ehrlich. Jetzt weiß ich wenigstens, was Sache ist.“ Aber sollten Sie nicht versuchen, dem Mitarbeiter finanziell entgegenzukommen? Nein. Wenn Sie einen neuen Wagen kaufen und maximal 20.000 Euro ausgeben wollen, der Verkäufer aber mindestens 25.000 Euro dafür will, dann nützt beiden Seiten ein „finanzielles Entgegenkommen“ nicht. Der Unterschied ist einfach zu groß, als dass man ihn wegverhandeln könnte. In diesem Fall verzichten beide Seiten lieber auf das Geschäft. In so einer Situation muss eine Führungskraft auch mal den Mut haben, zu sagen: „Tut mir leid, aber da kommen wir einfach nicht zusammen.“ Am Ende bringt das beiden Seiten mehr als ein endloses Gespräch.
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10 Das Jahresgespräch: Rückblick mit Rücksicht Das Jahresgespräch auf einen Blick Gesprächsphase
Vorgang
Phase 1: „Wie haben Sie das Jahr erlebt?“
Fragen und zuhören
Phase 2: „Wie sehen Sie mich als Führungskraft?“
Fragen und zuhören
Phase 3: „Wie ich das Jahr erlebt habe.“
Berichten
Phase 4: „Wie ich Ihre Arbeit sehe.“
Berichten
Phase 5: „Was nehmen wir uns vor?“
Fragen und verhandeln
Was es Ihnen bringt „Nicht das schon wieder!“ Dieser Seufzer von Vorgesetzten am Ende eines Jahres bezieht sich häufig nicht auf die Feiertage, sondern auf das Jahresgespräch. Gegen Jahresende muss ein Vorgesetzter noch so viele andere Dinge auf den letzten Drücker erledigen, da bleibt für das Jahresgespräch einfach keine Zeit. Wenn Sie die nachfolgenden Tipps umsetzen, werden Sie erfreut feststellen, dass das Jahresgespräch höchstens eine Stunde benötigt und beide Seiten so stark davon profitie-
So laden Sie ein
ren, dass es sich wirklich lohnt. Vor allem der Vorgesetzte selbst profitiert in einem Ausmaß von einem guten Jahresgespräch, das mit Sicherheit allen Vorgesetzten unbekannt sein dürfte, die sich die Zeit für ein solches Gespräch bisher nicht genommen haben. Warum lohnt sich ein professionell geführtes Jahresgespräch? Unter anderem deshalb, weil es das Image des Vorgesetzten und seine Beziehung zum Mitarbeiter erheblich verbessert. Normalerweise führen Führungskräfte jene Ge spräche mit Mitarbeitern, die sie führen müssen – und das hat häufig wenig erfreuliche Gründe. Manchmal fragen wir Mitarbeiter: „Wann redet Ihr Vorgesetzter mit Ihnen?“ Erschreckend oft lautet die Antwort: „Wenn es Probleme gibt, wenn etwas schiefläuft, wenn ich Mist gebaut habe.“
Erfolgstipp Reden Sie mit Ihren Mitarbeitern gerade dann, wenn kein (negativer) Anlass besteht! Das Jahresgespräch ist ein guter Anlass dafür. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
So laden Sie ein „Ich möchte mit Ihnen einen Rückblick auf das Jahr halten. Wenn Sie Themen haben, über die Sie reden möchten, bringen Sie sie mit. Wenn Sie keine haben – auch gut. Ich werde einige Themen mitbringen.“
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Das Jahresgespräch: Rückblick mit Rücksicht
Das ist alles? Ja. Einfache Kommunikation ist gute Kommunikation. Das hört sich an wie eine Einladung zu einem kontemplativen Spaziergang? Tatsächlich machen einige Führungskräfte ihre Jahresgespräche auch in der Form eines Spaziergangs mit dem Mitarbeiter.
Erfolgstipp Das Jahresgespräch ist eine wohlwollende Rückschau in das letzte Jahr, keine Generalabrechnung mit Tribunalcharakter! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Wenn Sie ein Hühnchen mit dem Mitarbeiter zu rupfen haben, sollten Sie lieber zum Motivations-, Kritik- oder Konfliktgespräch greifen. Wenn Sie Jahresziele vereinbaren wollen, setzen Sie dafür das Zielvereinbarungsgespräch (siehe Kapitel 13) ein. Bitte verwechseln Sie nicht Jahresgespräch mit Zielvereinbarungsgespräch! Zwar machen viele Führungskräfte aus Zeitnot beide Gespräche in einem Aufwasch. Doch das verwässert die Wirkung erheblich.
Phase 1: „Wie haben Sie das Jahr erlebt?“ „Ich möchte Ihnen den Vortritt lassen. Haben Sie etwas mitgebracht, über das Sie reden wollen?“ Wenn nicht, holen Sie aktiv die Meinung des Mitarbeiters ein, indem Sie nachfragen: „Wie haben Sie das Jahr erlebt? An welche Er
Phase 1: „Wie haben Sie das Jahr erlebt?“
folge erinnern Sie sich gerne? Was war nicht so toll? Gibt es etwas, das wir ausräumen sollten?“
Erfolgstipp Das Jahresgespräch ist ein Gespräch im besten Sinne: Zwei Menschen tauschen Meinungen aus. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Lassen Sie den Mitarbeiter reden. Hören Sie ihm zu. Allein das ist meist schon eine Abweichung von der erwähnten Negativroutine: „Mit dem Chef rede ich nur, wenn es Probleme gibt.“ Diese positive Abweichung tut beiden Seiten gut und ermöglicht einen versöhnlichen Ausklang des zu Ende gehenden Jahres und eine gute Basis für den Start ins neue Arbeitsjahr. Kommentieren Sie die Aussagen des Mitarbeiters nicht, rechtfertigen Sie Ihre Handlungen nicht. Das ist unnötig. Lassen Sie den Mitarbeiter einfach reden und hören Sie ihm zu, wenn er erzählt, wie er das Jahr erlebt hat. Seien Sie neugierig, wieso er manches anders erlebt hat als Sie. Gerade dann, wenn Sie nicht seiner Meinung sind. Erst wenn er Fragen aufwirft oder konkret Ihre Meinung wünscht, können Sie kurz und kompakt Ihre Sicht der Dinge darstellen. Aber: Bitte keine Kanzelreden, Vorträge oder Rechtfertigungstiraden. Sie müssen nicht zum hundertsten Male zum Beispiel die stark erhöhten Jahresziele in allen Details erläutern. Es reicht, wenn Sie sagen: „Ja,
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Das Jahresgespräch: Rückblick mit Rücksicht
stimmt. Die neuen Ziele sind sehr ehrgeizig. Ich weiß, dass ich da viel von Ihnen verlange. Umso beachtenswerter finde ich Ihr Engagement für die Ziele.“ Das reicht schon.
Erfolgstipp Das Jahresgespräch läuft umso besser, je natürlicher und ungezwungener Ton und Verlauf sind. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Plauderton, Kaminrunde oder Golfplatzgespräch sind die Orientierungspunkte – nicht Präsentation, Rechtfertigung, Motivation, Zurechtweisung oder Zielvereinbarung.
Phase 2: „Wie sehen Sie unsere Zusammenarbeit?“ „Wie haben Sie mich als Führungskraft erlebt? Was wünschen Sie sich von mir für das nächste Jahr?“ Für viele Führungskräfte sind das Horrorfragen. Sie befürchten: „Jetzt sagt mir der Mitarbeiter ins Gesicht, dass er mich für eine miese Führungskraft hält!“ Erfolgstipp So sehr Menschen (auch wir selbst) manchmal über andere herziehen – im direkten Gespräch wissen sie sehr wohl, was sich gehört. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Phase 2: „Wie sehen Sie unsere Zusammenarbeit?“
Kein Mitarbeiter ist so distanzlos, dem Chef vorsätzlich verbal gegen das Schienbein zu treten und damit seinen Zorn herauszufordern. Meist äußern sich Mitarbeiter sehr ausgewogen über das Führungsverhalten ihrer Vorgesetzten. Und für Führungskräfte ist dies eine wertvolle Orientierungshilfe. Selbst wenn der Mitarbeiter Wunsch oder Kritik anbringen möchte, sollten Sie dankbar sein und diesen Dank auch aussprechen. Es tut zwar kurz weh, wenn der Mitarbeiter zum Beispiel sagt: „Sie informieren mich bei Auftragsänderungen immer erst so spät!“ Doch der Schaden ist viel schlimmer, wenn der Mitarbeiter dieses Feedback zurückhält, hinter Ihrem Rücken über Sie redet, Ihr eigener Vorgesetzter von der Sache Wind bekommt oder sich der Missstand so aufschaukelt, dass er irgendwann großen Schaden anrichtet. Viele Vorgesetzte wissen, dass es oben einsam und Feedback deshalb sehr wichtig ist. Sie wissen nur nicht, wie man mit Feedback umgeht. Deshalb zur Hilfestellung die Musterformulierung: „Danke für den Hinweis. Was genau meinen Sie mit …? Aha. Danke, dass Sie mir Ihre Sicht der Dinge gesagt haben.“ Und wieder: Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen. Versprechen Sie auch nichts, was Sie nicht halten können oder wollen. Wenn Sie etwas ändern möchten und werden, sollten Sie das dagegen ankündigen. Wenn nicht, reicht die Quittierung des Feedbacks: „Ihr Hinweis ist gut. Ich muss mir das mal in aller Ruhe durch
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Das Jahresgespräch: Rückblick mit Rücksicht
den Kopf gehen lassen. Danke nochmals.“ Das ist souverän und wirkt auch auf den Mitarbeiter so. Wenn Sie als Vorgesetzter nicht souverän genug mit Kritik umgehen können oder keine hören wollen, dann sollten Sie besser auf diese Phase des Gesprächs verzichten, sonst wirken Sie leicht unglaubwürdig.
Phase 3: „Mein Rückblick auf das Jahr“ An dieser Stelle geben Sie Ihre ganz persönliche Sicht des Jahres ab, zum Beispiel: „Ich habe sehr viel Zeit und Aufwand in unser Restrukturierungsprojekt gesteckt. Mit un serer Prozessbeschleunigung bin ich sehr zufrieden, mit unseren Marktzahlen dagegen nicht so.“ Sie dürfen bei diesem Rückblick ruhig persönlich werden und Ihre ganz persönliche Sicht der Dinge kundtun. Peinlich wirkt es nämlich, wenn Sie die Gelegenheit nur dazu benutzen, die sattsam bekannten offiziellen Formulierungen der Unternehmensziele zu wiederholen. Das setzt natürlich voraus, dass Sie vor dem Gespräch einige Highlights des Jahres reflektiert und am besten notiert haben.
Phase 4: „Wie ich Ihre Arbeit sehe“
Phase 4: „Wie ich Ihre Arbeit sehe“ „Ich möchte mit Ihnen auch über einige Punkte unserer Zusammenarbeit reden. Besonders erfreulich finde ich, dass Sie …“ An dieser Stelle des Gesprächs geben Sie dem Mitarbeiter im Sinne einer positiven Verstärkung das mit auf den Weg ins neue Jahr, was er aus Ihrer Sicht gut gemacht hat, was er beibehalten und ausbauen sollte. Diese Orientierung schätzen Mitarbeiter besonders, weil sie sonst immer nur zu hören kriegen, was sie falsch gemacht haben. Diese Phase will gut vorbereitet sein. Denn die Wahrnehmung einer Führungskraft ist selektiv: Wenn ein Mitarbeiter zehn Dinge gut und eine Sache schlecht macht, dann sticht normalerweise der eine Lapsus seinem Vorgesetzten viel stärker ins Auge als die zehn positiven Dinge. Sich zu überlegen, was der Mitarbeiter im ablaufenden Jahr gut gemacht hat, erfordert meist einen willentlichen Perspektivwechsel und etwas Nachdenken.
Erfolgstipp Sagen Sie dem Mitarbeiter möglichst konkret, was Sie an seiner Arbeit und ihm persönlich positiv finden. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Was aber, wenn Sie neben dem Positiven auch Negatives mit dem Mitarbeiter erlebt haben? Sie ahnen die Antwort
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Das Jahresgespräch: Rückblick mit Rücksicht
inzwischen: Das gehört eher in ein Kritik-, nicht ins Jahresgespräch! Das Jahresgespräch ist keine Jahresgeneral tribunalabrechnung! Wenn der Mitarbeiter etwas nicht richtig macht, dann sollten Sie das vor dem Jahresgespräch in einem Motivations- und/oder Kritikgespräch regeln. Im Jahresgespräch selbst sollten Sie dann Frieden mit diesem Gesprächsgegenstand schließen, zum Beispiel: „Dass Sie jetzt so fleißig an Ihrem Auftreten gegenüber den Kunden arbeiten, merkt man schon recht deutlich. Weiter so!“ In einem Jahresgespräch hat größerer Ärger keinen Platz. Diese Erkenntnis entspannt das Verhältnis vieler Führungskräfte zum Jahresgespräch enorm. Das Gespräch sollte verstanden werden wie ein Jahresrückblick am Silvesterabend unter guten Bekannten. Man blickt aufs Jahr zurück – man streitet sich nicht. Diese Rück-Sicht auf das Jahr hat eben auch viel mit tatsächlicher Rücksicht zu tun. Das Jahresgespräch ist ein sehr rücksichtsvolles Gespräch. Wer das einmal erkannt, praktiziert und erfahren hat, der wird so viel Freude damit haben, dass er sich jedes Mal aufs Jahresgespräch freut.
Phase 5: „Was nehmen wir uns vor?“ Diese Phase kennen Sie inzwischen. Sie schließt fast jedes Gespräch. Das Positive und Negative des Jahres wurde be leuchtet. Jetzt geht es darum: „Was nehmen wir aus dem
Phase 5: „Was nehmen wir uns vor?“
Gespräch mit? Was tun Sie, was mache ich, was machen wir gemeinsam?“ Doch Vorsicht:
Erfolgstipp In einem gut geführten Jahresgespräch ist die Stimmung meist so positiv, dass man sich gerne viel zu viel vornimmt. Bleiben Sie betont realistisch bei Ihren guten Vorsätzen fürs neue Jahr! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Wenige erreichbare Vorhaben sind besser als viele Vorhaben, von denen viele nicht umgesetzt werden. Kurz gesagt: Weniger ist mehr. Wie wenig ist weniger? Ein bis zwei Punkte, die auch umgesetzt werden, sind besser als fünf, die Sie oder der Mitarbeiter wie eine Bugwelle des schlechten Gewissens vor sich herschieben oder die nur halbherzig erledigt werden. Studien zeigen: Wenn Mitarbeiter zu viele Ziele bekommen, die deshalb dann im Wettbewerb miteinander stehen, lassen sie nach Gutdünken einige Ziele einfach aus. Das kann nicht in Ihrem Sinne sein. Oder wie ein Manager es mal ausdrückte: „Lieber weniger, aber das dann richtig!“
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11 Das Rückkehrer gespräch: „Schön, dass Sie wieder da sind!“ Das Rückkehrergespräch auf einen Blick Gesprächsphase
Vorgang
Phase 1: „Schön, dass Sie wieder da sind!“
Small Talk
Phase 2: „Was war los?“
Fragen und zuhören
Phase 3: „Wie gehts Ihnen denn jetzt?“
Fragen und zuhören
Phase 4: „In der Zwischenzeit ist Folgendes passiert …“
Berichten
Das verlorene Gespräch Was haben Sie bei der Überschrift „Rückkehrergespräch“ spontan gedacht? Etwa: „Wozu denn so ein Gespräch!“? Tatsächlich ist das „alltägliche“ Rückkehrergespräch fast schon in Vergessenheit geraten. Dass wir so ein Gespräch überhaupt betrieblich einführen müssen, ist ein deutliches Zeichen dafür, wie weit wir uns schon von einem gesunden, produktiven Miteinander im Berufsleben entfernt haben. Im Alltag funktioniert das Rückkehrergespräch noch. Wenn ein Spieler eines Fußballvereins zwei Wochen nicht zum
Was das Rückkehrergespräch bringt
Training erschien, dann wird er bei seiner Rückkehr auf den Fußballplatz wie selbstverständlich gefragt: „Und? Was war? Wir haben gehört, dass … gehts wieder? Erzähl! Übrigens: Während du weg warst, ist Folgendes passiert: …“ Nun könnten Sie einwenden, dass nicht alles, was auf dem Fußballplatz gut ist, auch gut für ein Unternehmen ist. Doch genau das ist ein Irrtum.
Was das Rückkehrergespräch bringt ▪▪ Studien zeigen, dass Mitarbeiter sehr viel motivierter, engagierter und produktiver arbeiten, wenn sie das Ge fühl haben: „Die haben mich vermisst! Ich habe dem Betrieb gefehlt! Die brauchen mich!“ ▪▪ Das Gefühl, gebraucht zu werden, steigert die Verbundenheit und Leistungsfähigkeit enorm. ▪▪ Wer das Gefühl hat, gebraucht zu werden, meldet sich nicht gleich beim kleinsten Anlass krank. ▪▪ Das Rückkehrergespräch bringt den Rückkehrer in kürzester Zeit wieder up to date. Die „Einarbeitungszeit“ verkürzt sich, Fehler werden vermieden.
Erfolgstipp Das dürfte Sie besonders freuen: Das Rückkehrergespräch ist ein Gespräch, das Sie getrost zwischen Tür und Angel führen sollten. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
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Das Rückkehrergespräch: „Schön, dass Sie wieder da sind!“
Oder am Arbeitsplatz des Mitarbeiters, an seiner Maschine, in einer ruhigen Ecke der Kantine. Denn es ist ein sehr informelles Gespräch. Und vor allem unglaublich kurz! Selbst ein gutes und ausführliches Rückkehrergespräch ist in der Regel schon nach fünf Minuten beendet. Deshalb ist es ein Musterbeispiel für den berühmten kleinen Unterschied, der den großen Unterschied macht. Das hat einen einfachen Grund: Das Gespräch an sich ist klein, seine Wirkung auf Motivation und Leistung des Mitarbeiters jedoch enorm.
Phase 1: „Schön, dass Sie wieder da sind!“ „Schön, dass Sie wieder zurück sind. Wir haben Sie schon vermisst. Ich freue mich, dass Sie wieder an Bord sind.“ Das reicht schon. An der Miene Ihres Gegenübers werden Sie direkt ablesen können, wie sehr sich der Mitarbeiter über dieses positive Willkommen freut. Im Normalfall rechnet er nämlich mit dem üblichen Willkommensgruß: „Na endlich sind Sie auch wieder auf dem Posten! Das wurde auch langsam Zeit! Es gibt eine Menge aufzuarbeiten. Also frisch ans Werk!“ Danach ärgert sich der Mitarbeiter garantiert, dass er nicht noch einen Tag drangehängt hat.
Phase 2: „Was war los?“
Phase 2: „Was war los?“ Wenn es Ihnen aufgefallen ist: Richtig, das offizielle Rückkehrergespräch folgt in allen Phasen dem „Rückkehrergespräch“ auf dem Fußballplatz.
Erfolgstipp Beim Rückkehrergespräch fragen und sagen Sie exakt all das, was Sie einen Bekannten auch fragen würden, der krank war. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Die Frage nach seiner Erkrankung sagt dem Mitarbeiter vieles: „Denen bin ich nicht egal! Die kümmern sich um mich! Der Chef interessiert sich auch menschlich für mich! Für den bin ich nicht bloß ein Kostenfaktor.“ Vorgesetzte sehen durchaus diesen fürsorglichen Aspekt des Gesprächs. Viele haben jedoch ein Problem: „Ja, darf ich das den überhaupt? Darf ich so etwas fragen? Das ist doch seine Privatsache!“ Erfolgstipp Sie dürfen nicht nur, Sie sollen sogar persönlich werden. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Denn Personen lassen sich nur von Personen führen. Wenn Sie wie eine Maschine wirken, dann behandelt Sie der Mit-
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Das Rückkehrergespräch: „Schön, dass Sie wieder da sind!“
arbeiter auch wie eine befehlsgebende Maschine. Er folgt Ihnen zwar, aber das ohne Respekt und Achtung. Mitarbeiter freuen sich in der Regel über Ihre Anteilnahme und erzählen gerne von überstandener Erkrankung. Wenn der Mitarbeiter jedoch Hemmungen hat oder wenn die Firmenkultur in Ihrem Unternehmen bislang sehr unpersönlich war, kann es vorkommen, dass ein Mitarbeiter tatsächlich fragt: „Was geht Sie das an?“ oder „Darüber möchte ich nicht reden!“ Oder einfach eine betretene Miene macht. Was dann? Dann sagen Sie: „Ist klar, verstehe ich gut. Ich habe mir einfach nur Sorgen um Sie gemacht. Schön, dass Sie wieder da sind.“ Und dann gehen Sie zu Phase 3 über. Ja, natürlich ist das ein anderer Führungsstil als oft praktiziert. Er ist persönlicher, menschlicher. Deshalb ist er besser. Sie werden das an der Reaktion Ihrer Mitarbeiter merken: Die werden Sie ganz anders respektieren.
Phase 3: „Wie gehts Ihnen denn jetzt?“ Fragen Sie nicht: „Sind Sie wieder richtig fit und voll einsatzfähig?“ Das ist eine Suggestivfrage, die in Zeiten grassierender Angst um den Arbeitsplatz kein vernünftiger Mensch ehrlich beantworten wird. Was Sie wissen wollen, ist: Ist der Mitarbeiter wieder voll einsatzfähig? Das beantworten Ihnen nur Fragen wie: „Wie geht es Ihnen denn jetzt? Wo tuts noch weh? Brauchen Sie noch etwas?
Phase 4: „In der Zwischenzeit ist Folgendes passiert: …“
Sollen wir bei bestimmten Dingen noch Rücksicht auf Sie nehmen? Möchten Sie erst einmal im Schongang anfangen? Würden Sie heute lieber im Lager statt auf der Rampe arbeiten, wo es nicht so zieht? Brauchen Sie eine Hebehilfe?“ Das hört sich unglaublich sozial und christlich an? Mag sein. Aber Sie fragen das nicht (nur), um den Nobelpreis für Nächstenliebe zu bekommen, sondern weil kein vernünftiger Vorgesetzter ein Interesse daran haben kann, einen Mitarbeiter, der noch nicht voll einsatzfähig ist, sofort wieder voll auszulasten. Damit provozieren Sie geradezu Fehler, Fehlleistung und Ausschuss. Das kommt Sie am Ende wesentlich teurer zu stehen als der anfängliche Schongang für den Rückkehrer.
Phase 4: „In der Zwischenzeit ist Folgendes passiert: …“ Vertrauen Sie nicht darauf, dass die Kollegen dem Rückkehrer schon Bescheid sagen werden, was sich in seiner Abwesenheit geändert hat. Im Normalfall tun sie das nämlich nicht, weil sie ja selbst genug zu tun haben. Diese Information erfolgt oft zu spät, also wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen und der Schaden passiert ist: „Ja, das hat sich geändert. Hast du das nicht gewusst? Ach nee, du warst ja krank. Wer meldet den Schaden jetzt dem Chef?“
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Das Rückkehrergespräch: „Schön, dass Sie wieder da sind!“
Es gehört zu Ihrer Führungsaufgabe, den Mitarbeiter auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen. Dazu gehören nicht nur Veränderungen, sondern generell ein Überblick über die Lage, zum Beispiel: „Bei der Auftragsabwicklung haben wir in Ihrer Abwesenheit die Spezifizierungsphase standardisiert. Das neue Formular können Sie beim Kollegen Meier abholen. Der erklärt es Ihnen auch. Im Übrigen ist das neue Produkt sehr gut angelaufen. Wir sind inzwischen schon bei der dritten Charge.“
Erfolgstipp Es ist ein Gebot der Höflichkeit und Effizienz, dass Sie den Mitarbeiter fragen, ob er noch Fragen hat. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Denn nach einer längeren Absenz fühlt mancher sich schon etwas verunsichert. Viele Fragen sind offen. Und offene Fragen sind Effizienzkiller schlechthin. Es ist besser, Sie beantworten diese Fragen als der Flurfunk. Nur so können Sie sichergehen, dass der Rückkehrer die offizielle Version der Dinge mitbekommt und nicht irgendein übles Gerücht. Erfolgstipp Ein schöner Schluss für das Rückkehrergespräch ist: „Wenn Sie noch was brauchen oder Fragen haben, melden Sie sich einfach! Ansonsten: Schön, dass Sie wieder bei uns sind!“ ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Startschwierigkeiten meistern
Menschlich problematisch In der skizzierten Form ist das Rückkehrergespräch ein hübsches, kurzes, technisch überhaupt nicht anspruchsvolles kleines Gespräch. Trotzdem haben viele Manager große Hemmungen vor dem Rückkehrergespräch. Sie wissen, wie man Aufgaben anweist und Ziele vereinbart. Wie man persönlich wird und Menschliches beredet, haben sie dagegen oft verlernt. Das ist gut so. Denn was man bloß verlernt hat, das kann man(ager) ohne weiteres wieder erlernen. Das lohnt sich immens: Wer von seinen Mitarbeitern nicht bloß als Aufseher gefürchtet, sondern auch als Mensch respektiert werden möchte, der kommt um menschliche Elemente wie das Rückkehrergespräch schlicht nicht herum. Oder wie ein Vorstandsmitglied eines Maschinenbauers mal sagte: „Der Respekt deiner Mitarbeiter kommt nicht aus dem Titel, den musst du dir verdienen!“ Unter anderem mit Dingen wie dem Rückkehrergespräch.
Startschwierigkeiten meistern Je weniger Sie die menschliche Seite der Führung in der Vergangenheit besetzt hatten, desto eher werden Ihre Mitarbeiter mit Erstaunen auf solche Neuerungen, wie das Rückkehrgespräch reagieren. Das fiel auch einem ratlosen Meister eines Elektrokonzerns auf: „Meine ersten Rückkeh-
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Das Rückkehrergespräch: „Schön, dass Sie wieder da sind!“
rergespräche gingen voll nach hinten los! Ich konnte den verkniffenen Gesichtern förmlich ansehen, wie sie dachten: Wieso ist der Chef plötzlich so nett zu mir? Der hat sich doch früher nie für meine Gesundheit interessiert! Was will der bloß von mir?“ Da müssen Sie durch! Bleiben Sie Ihrer Linie treu. Nach einem halben Dutzend Versuche kriegen die Mitarbeiter langsam mit, dass es Ihnen ernst ist, dass Sie keine bösen Hintergedanken haben und dass Ihre neue Linie wirklich eine gute Sache ist. Was aber, wenn ein Mitarbeiter jene Frage stellt, die viele reform- und lernwillige Manager fürchten und die auch tatsächlich gar nicht mal so selten gestellt wird: „Was soll das denn? Sie waren wohl auf einem Seminar/haben ein Buch gelesen! Sie probieren wohl gerade die neuesten Psychotricks bei uns aus?“
Erfolgstipp Begegnen Sie erstem Misstrauen mit Ehrlichkeit: „Stimmt, ich habe ein Buch gelesen und probiere etwas Neues aus!“ ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Viele Führungskräfte fühlen sich peinlich ertappt, weil es natürlich der Wahrheit entspricht. Also was tun? Sich an ein altes Sprichwort erinnern: Ehrlich währt am längsten. Sagen Sie zum Beispiel: „Stimmt. Genau deshalb möchte ich das künftig anders machen. Sie können sich darauf ein-
Startschwierigkeiten meistern
stellen, dass ich mich künftig stärker um die Belange meiner Mitarbeiter kümmern werde. Deshalb zurück zu meiner Frage: Wie geht es Ihnen nach Ihrer Zwangspause?“ Erfolgstipp Nichts überzeugt besser als Klarheit und Verlässlichkeit. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Vorgesetzte, die mit diesem Motto die Anlaufphase des Rückkehrergesprächs überwunden haben, zeigen sich in der Regel begeistert von der großen Wirkung des kleinen Gesprächs. Viele sagen uns: „Man bekommt einen viel direkteren Draht zu den Mitarbeitern. Die sehen einen mit ganz anderen Augen an. Die respektieren mich jetzt stärker – auch in anderen Situationen. Das Teamklima hat sich deutlich verbessert.“
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12 Das Fehlzeiten gespräch: Krank oder unwillig? Das Fehlzeitengespräch auf einen Blick ▪▪ Vor dem Gespräch: Vorwurfshaltung ablegen! ▪▪ Wenn der Mitarbeiter zumacht, klare Ansage: „So gehts nicht weiter!“ ▪▪ Zwischen aufrichtiger Fürsorge und Informationsbedarf ausbalancieren! ▪▪ Statt vorverurteilen, Informationen sammeln – wenn nötig per Detektiv! Gesprächsphase
Vorgang
Phase 1: „Was ist los?“
Fragen und zuhören
Phase 2: „Ist das jetzt auskuriert?“
Fragen und zuhören
Phase 3: „Wie wird das in Zukunft sein?“
Fragen und zuhören
Krank, unwillig oder blaumachen? Wenn ein Mitarbeiter häufiger fehlt, kommen Sie um ein klärendes Gespräch nicht herum. Die dabei zu klärende Frage stellt sich jeder gute Vorgesetzte: „Ist er wirklich so oft krank – oder ist er bloß unwillig oder macht er womöglich sogar blau?“ Das Fehlzeitengespräch ist ein schwieriges Gespräch. Erstens, weil es an ein heikles Thema rührt. Zweitens, weil
Krank, unwillig oder blaumachen?
es naturgemäß sehr persönlich geführt werden muss. Und drittens, weil das Datengefälle krass ist: Der Mitarbeiter weiß alles, Sie wissen nichts. Deshalb ist das Fehlzeitengespräch eine ständige Gratwanderung zwischen teilnehmender Fürsorge und berechtigtem Aufklärungsinteresse. Eine diplomatische Meisterleistung, auf die jeder Vorgesetzte mit Recht stolz sein kann – und die kostensenkend wirkt! Denn manche Mitarbeiter fehlen auch mit dem Gedanken im Hinterkopf: „Das merkt doch eh keiner! So wichtig bin ich nicht!“ Das Fehlzeitengespräch beweist ihm das Gegenteil. Oder aber ein Mitarbeiter scheut sich, eine Krankheit mal richtig auszukurieren, weil er um seinen Arbeitsplatz fürchtet. Hier kann eine medizinische Maßnahme oder eine kleine Veränderung am Arbeitsplatz viel bewirken und damit Kosten einsparen, weil seine Fehlzeiten auf Dauer niedriger werden.
Erfolgstipp Mitarbeiter, denen Sie auch mit dem Fehlzeitengespräch das Gefühl geben, „Sie werden gebraucht!“, fehlen weniger oft. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Selbstverständlich kann und soll das Fehlzeitengespräch keinen Mitarbeiter von der Krankmeldung abhalten, der im medizinischen Sinne krank ist. Das möchte ja auch kein Vorgesetzter! Doch an den Tagen, an denen der Mit-
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Das Fehlzeitengespräch: Krank oder unwillig?
arbeiter sich nicht richtig krank, aber auch nicht richtig fit fühlt und an denen er früher mit dem Gedanken im Hinterkopf „Das juckt doch eh keinen!“ gefehlt hätte, geht er nach einem Fehlzeitengespräch mit dem Vorgesetzten viel eher zur Arbeit und fühlt sich gut dabei, denn: „Ich werde gebraucht! Die anderen vermissen mich!“
Legen Sie die Vorwurfshaltung ab! Beim heutigen Kostendruck fühlt sich jeder vernünftige Vorgesetzte massiv bei der Erreichung seiner Jahresziele behin dert, wenn ein Mitarbeiter häufiger fehlt. Deshalb sind Ge sprächseröffnungen wie die folgende verständlich: „Was ist denn los mit Ihnen? Warum fehlen Sie in letzter Zeit ständig?“
Erfolgstipp Dem Mitarbeiter Vorwürfe zu machen, ist zwar verständlich, aber kontraproduktiv. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Denn der Mitarbeiter macht daraufhin zu. Wenn er zu macht, sagt er Ihnen aber nicht, was Sie wissen wollen. Erfolgstipp Ein Mitarbeiter ist erst dann „Blaumacher“, wenn Sie Beweise haben! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Phase 1: „Was ist los?“
Vor allem auch deshalb, weil Sie trotz allem möglicherweise berechtigten Misstrauen tatsächlich nicht wissen können, ob der Mitarbeiter nicht doch „ganz normal“ krank ist. Solange Sie ihn nicht während seiner Krankschreibung im Garten beim Umgraben erwischen, gilt hierzulande die Unschuldsvermutung: Als unschuldig gilt man bis zum Beweis (nicht der Vermutung!) der Schuld.
Phase 1: „Was ist los?“ Verkneifen Sie sich bei der Gesprächseröffnung jeden an klingenden Vorwurf à la: „Wieso sind Sie so oft krank?“ Greifen Sie lieber zur ZDF-Eröffnung: Bitte nur Zahlen, Daten, Fakten – sonst entwickelt der Mitarbeiter Widerstände, und Sie erfahren nie die Wahrheit. Zum Beispiel: „Ich sehe, Sie sind in letzter Zeit öfter krankgeschrieben. In den zurückliegenden … Monaten insgesamt … Tage. Lassen Sie uns darüber reden. Was ist los?“ Mitarbeiter sind oft dankbar, wenn sie mit jemandem über ein persönliches Problem reden können – mit wem kann man das heutzutage denn schon? Jeder Mensch ist dankbar für eine Gelegenheit, der geplagten Seele ein wenig Erleichterung zu verschaffen: „Mein Beinbruch vom Skifahren verheilt einfach nicht.“ „Weiß auch nicht, das ist jetzt schon die vierte Grippe-Attacke in zwei Monaten!“
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Das Fehlzeitengespräch: Krank oder unwillig?
Erfolgstipp Fragen Sie stets: „Womit hat Ihre Erkrankung zu tun? Hat es etwas mit Ihrem Arbeitsplatz zu tun?“ ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Das ist überraschend oft der Fall. Dann klären Sie die Ursachen zusammen mit ex- oder internen Fachleuten ab. Eine Hebehilfe, bessere Arbeitsmittel, eine Handauflage fürs Keyboard, ein Headset fürs Telefon oder eine reparierte Heizung sind in der Regel wesentlich kostengünstiger als die ständigen Fehlzeiten.
Phase 2: „Ist das jetzt auskuriert?“ Mit dieser Frage klären Sie ab, ob die Fehlzeitenserie vorüber ist oder ob sie anhalten wird. In dieser Gesprächsphase prüfen Sie gemeinsam mit dem Mitarbeiter: ▪▪ Handelt es sich um eine vorübergehende Erscheinung, die sich in absehbarer Zeit wieder einrenkt? ▪▪ Würde ihm vielleicht eine Kur guttun, um sich mal so richtig auszukurieren? Wenn es ein leistungsstarker Mitarbeiter ist, ist das allemal kostengünstiger als eine Fortsetzung der Serie mit ungewissem Ende. ▪▪ Möchte er einige Verhaltensweisen ändern und wäre dafür ein Gespräch mit einem Coach förderlich?
Der Mitarbeiter macht dicht
▪▪ Sollten Sie ihn an einen anderen Arbeitsplatz versetzen, der ihn gesundheitlich nicht so beansprucht? ▪▪ Hält die Fehlzeitenserie voraussichtlich an und ist deshalb langfristig betrachtet eine Trennung angezeigt? Einem Mitarbeiter wegen Krankheit kündigen? Geht das überhaupt? Selbstverständlich. Das ist eine klassische personenbedingte Kündigung. Sie ist schwierig durchzusetzen, aber machbar und kommt jährlich auch hundertfach vor. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass man kranken Mitarbeitern nicht wegen und sogar während einer Erkrankung kündigen kann. Man kann. Eine wesentliche Frage für eine solche Kündigung ist die Zukunftserwartung: „Wird die Krankheit in absehbarer Zeit ausheilen?“ Und die ist zentraler Bestandteil des Fehlzeitengesprächs. Selbstverständlich spricht auch nichts dagegen, einen „eigentlich“ zu oft kranken Mitarbeiter aus sozialen Gründen auf seinem Arbeitsplatz zu lassen.
Der Mitarbeiter macht dicht „Sie waren jetzt öfters krank. Was haben Sie?“ – „Mit allem Respekt, aber das geht Sie nichts an!“ Wenn der Mitarbeiter dieser Meinung ist, dürfen Sie das gerne akzeptieren. Geben Sie ihm trotzdem eine zweite Chance. Denn die Frage nach der Erkrankung ist kein „Ausspionieren durch den Arbeitgeber“, sondern eine Frage, die
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Das Fehlzeitengespräch: Krank oder unwillig?
jeder normale Mensch einem Bekannten stellt, wenn dieser in letzter Zeit häufiger erkrankt war.
Erfolgstipp Was Sie einen entfernten Bekannten fragen würden, das können Sie auch jeden Mitarbeiter fragen! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Also trauen Sie sich, ihm eine Brücke zu bauen: „Sicher geht mich das nichts an! Ich mache mir Sorgen um Sie. Ich habe Sie öfters vermisst und mich schon gefragt: Was hat er denn? Bevor ich Gerüchten Glauben schenke, möchte ich das lieber von Ihnen selbst hören.“ Das reicht meist, um den Mitarbeiter davon zu überzeugen, dass Sie es ehrlich mit ihm meinen.
Der Mitarbeiter stellt auf stur Was machen Sie in den seltenen Fällen, in denen der Mitarbeiter trotzdem auf stur stellt? Insistieren Sie. Bleiben Sie hart in der Sache, aber freundlich und höflich zur Person: „Ich verstehe, dass Sie nicht darüber reden möchte. Bitte verstehen Sie auch, dass ich ein Problem mit Ihren Fehlzeiten habe. Ich kann die Zeiten einfach nicht mehr abdecken. Wir müssen hier dringend etwas ändern. Daher mein Vorschlag: Wenn Ihre Erkrankung etwas mit Ihrer Arbeit zu
Der Mitarbeiter stellt auf stur
tun hat, sprechen Sie bitte mit unserem Werksarzt, damit wir gemeinsam entscheiden können, was wir hier im Be trieb machen können. Wenn es nichts mit der Arbeit zu tun hat, frage ich mich: Wie geht es weiter? Ich bin nicht mehr bereit, Fehlzeiten in dieser Höhe zu tolerieren.“
Erfolgstipp Je stärker der Mitarbeiter auf stur stellt, desto klarer sollte Ihre Ansage sein: „Bis hierher und nicht weiter.“ ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Diese klare Ansage zeigt in den meisten Fällen Wirkung. Denn viele Mitarbeiter mit großen Fehlzeiten gehen davon aus, „dass es niemanden groß stört“ oder dass es ihr gutes Recht ist, in beliebiger Dauer bei der Arbeit zu fehlen. Er klären Sie ihnen mit Ihrer klaren Ansage das Gegenteil, wirkt das besser als jede Drohung oder Unterstellung. Selbstverständlich ist eine klare Ansage nur dann angebracht, wenn die Fehlzeiten eine kritische Höhe überschreiten. Neulich sagte ein Chef einer Mitarbeiterin: „Frau Müller, so geht das nicht weiter! Sie sind zu oft krank!“ Bei sechs Fehltagen im Jahr! Wegen solcher überzogener Attacken verliert ein Chef jede Glaubwürdigkeit. Mit den üblichen zwei Wochen Fehlzeit pro Jahr muss ein Chef schon allein wegen der Grippe und ähnlicher Alltagsbeschwerden rechnen – zumindest im Durchschnitt.
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Das Fehlzeitengespräch: Krank oder unwillig?
Vorsicht, Blamage! Seien Sie bei Fehlzeiten extrem vorsichtig mit Unterstellungen und voreiligen Schlüssen. Denn das Blamagepotenzial ist hoch. Der Inhaber eines mittelständischen Betriebs erzählte uns mal von einer sehr leistungsstarken Schichtarbeiterin, die geschlagene 20 Tage im Jahr fehlte: „Als ich ihre Fehlzeiten sah, war mir sofort klar, dass die öfters blaumacht. Also bat ich die Frau zum Gespräch zu mir und fragte nach.“ Sie druckste herum, wollte nicht raus mit der Sprache. Der Unternehmer: „Da wurde die Frau doch deutlicher und sagte: ‚Wenn Sie sich die Termine meiner Krankmeldungen mal angesehen hätten, hätte Ihnen eigentlich auffallen müssen, dass die immer im Abstand von vier Wochen liegen.‘“ Der Unternehmer war geistesgegenwärtig genug, die richtige Frage zu stellen: „Oh, so schlimm?“ – „Ja“, sagte die Schichtarbeiterin. „Ich liege jedes Mal zwei volle Tage im Bett und kann keinen Finger rühren.“ Überflüssig zu sagen, dass der Chef sich heute noch für dieses Gespräch schämt. Aus seiner Blamage können wir zwei Dinge lernen: Bei Fehlzeiten können Sie nicht vorsichtig genug mit voreiligen Schlüssen sein. Und manchmal muss man sich mit Fehlzeiten schlicht abfinden und seinen Frieden damit machen – vor allem, wenn der Mitarbeiter leistungsstark ist und einfach nur hin und wieder krank ist. Einen neuen einzustellen, einzulernen und möglicherweise einen dabei
Blaumachern auf die Schliche kommen
zu erwischen, der nicht so leistungsstark ist, kommt im Zweifelsfall teurer.
Blaumachern auf die Schliche kommen Einen Blaumacher können Sie mit Hilfe des Fehlzeitengesprächs nur in seltenen Fällen entlarven. Wer so dreist ist, auf Ihre Kosten blauzumachen, ist auch dreist genug, Ihnen im Fehlzeitengespräch die Hucke vollzulügen. Hier stößt die Gesprächskunst an ihre Grenzen – was nicht schlimm ist. Denn beim begründeten Verdacht, dass ein Mitarbeiter eben nicht krank ist, sondern während seiner Krankmeldung Hohlblockziegel auf der Baustelle für sein Eigenheim schleppt, können und dürfen Sie einen Privatdetektiv einschalten. Sehr viele Unternehmen machen das – und nicht nur zum Nachweis von erschlichenen Krankmeldungen, sondern auch zum Nachweis des Missbrauchs des Home Office oder von Spesenabrechnungen oder beim Verdacht auf Geheimnisverrat.
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13 Das Zielvereinbarungs gespräch: Vereinbaren statt vorgeben Das Zielvereinbarungsgespräch auf einen Blick ▪▪ Zielorientierte Mitarbeiter leisten sehr viel mehr! ▪▪ Ziele vereinbaren wirkt stärker als Ziele vorgeben! Gesprächsphase
Vorgang
Phase 1: Ölgemälde-Technik: „Was läuft gut?“
Fragen und zuhören
Phase 2: Zukunftsblick: „Wo möchten Sie in einem Jahr stehen?“
Fragen und zuhören
Phase 3: „Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen …“
Fragen und zuhören
Wer Ziele hat, leistet mehr Wie steigere ich die Leistung meiner Mitarbeiter? Diese Frage stellen sich Vorgesetzte, seit es Mitarbeiter gibt. Eines der besterforschten Instrumente zur Leistungssteigerung ist die Zielorientierung. Erfolgstipp Menschen, die Ziele verfolgen, leisten deutlich mehr als Menschen, die bloß Anweisungen befolgen. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Vereinbaren ist besser als Vorgeben
Erste Forschungen dazu wurden bereits in den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts durchgeführt. Seither wurden diese hundertfach bestätigt: Ziele steigern die Leistung immens. Unter zwei Voraussetzungen: 1. Die Ziele dürfen sich nicht widersprechen. Wer zum Beispiel mehr Output und gleichzeitig weniger Ausschuss als Ziel vorgibt, kriegt entweder das eine oder das andere – je nachdem, für welches Ziel der Mitarbeiter sich entscheidet. 2. Zielorientierung benötigt einen Feedback-Mechanismus, der Führungskraft und Mitarbeiter ständig anzeigt: Wo stehen wir? Wie weit sind wir bei der Zielerreichung? Dieser Feedback-Mechanismus kann entweder in der Aufgabe selbst enthalten sein: „Diese Kiste muss bis heute Abend voll sein“, oder durch die Führungskraft eingeleitet werden: „Ich möchte mit Ihnen über den aktuellen Projektstand reden.“
Vereinbaren ist besser als Vorgeben Erfolgstipp Vereinbarte Ziele wirken sehr viel stärker leistungssteigernd als vorgegebene Ziele. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Warum? Weil nach einer Zielvorgabe der Mitarbeiter denkt: „Was der Chef sich dabei nur wieder gedacht hat!“ Motiva
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Das Zielvereinbarungsgespräch: Vereinbaren statt vorgeben
tionslage: schwach. Nach einer Zielvereinbarung denkt der Mitarbeiter dagegen: „Das ist auch mein Ziel!“ Und für eigene Ziele engagiert sich der Mensch sehr viel stärker als für fremde Ziele. Geht Ihnen doch auch so, oder? Warum machen dann so wenige Führungskräfte eine Zielvereinbarung? Warum machen so viele eine Zielvorgabe und halten diese für eine Zielvereinbarung? Weil Führungskräfte dafür bezahlt werden, zu wissen, wo es langgeht. Warum also erst den Mitarbeiter für eine Zielabstimmung konsultieren? Es liegt auf der Hand, dass sich eine Führungskraft mit dieser Einstellung selbst sabotiert. Wie kommen Sie runter von diesem Destruktionstrip? Indem Sie Ihrer eigenen Erfahrung vertrauen: Sie fühlen sich doch auch viel motivierter, wenn Ihr Chef Ihnen Ihre Ziele nicht nur vorsetzt, sondern sie gemeinsam mit Ihnen aushandelt, Ihre Meinung dazu abfragt und Ihre Vorstellungen mit berücksichtigt. Für diese Ziele knien Sie sich viel stärker rein. Warum sollte es Ihren Mitarbeitern anders gehen?
Phase 1: Die Ölgemälde-Technik Diese Technik kennen Sie bereits aus dem Kritikgespräch (siehe Kapitel 3, „Ölgemälde-Technik“). Lassen Sie den Mitarbeiter das Bild seiner Erfolge, Leistungen und Stärken in kräftigen Farben malen. Fragen Sie ihn: „Was läuft
Phase 2: Blick in die Zukunft
gerade gut? Wo sehen Sie momentan Ihre Stärken? Welche Erfolge haben Sie in letzter Zeit verbucht? Worauf sind Sie besonders stolz?“ Warum?
Erfolgstipp Ein Mitarbeiter, der sich seiner Stärken erinnert, traut sich mehr zu. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Führungskräfte beklagen immer wieder den Zweckpessimismus vieler Mitarbeiter beim Zielvereinbarungsgespräch: „Das schaffe ich doch nie! Das Ziel ist völlig überzogen!“ Das ergibt meist keine realistische, sondern eine defätistische Einschätzung, aus Sorge, die Ziele könnten sonst viel zu anspruchsvoll werden. Die Ölgemälde-Technik beugt dieser unerfreulichen Tendenz vor.
Phase 2: Blick in die Zukunft Verlängern Sie das Ölgemälde in die Zukunft hinein. Fragen Sie den Mitarbeiter: „Wo sehen Sie … (Aufgabenfeld, Projekt …) in einem Jahr (einem Monat)?“ Lassen Sie ihn diese Prognose quantifizieren anhand von messbaren Zielgrößen: „Welche Ziele möchten Sie in welcher Größe erreicht haben?“ Die Erfahrung mit Zielvereinbarungsgesprächen zeigt, dass die landläufige Meinung über Mitarbeiter falsch ist: In den
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Das Zielvereinbarungsgespräch: Vereinbaren statt vorgeben
meisten Fällen decken sich rund 80 Prozent der vom Mitarbeiter genannten Ziele bereits mit Ihren Zielen. Die Mitarbeiter wissen schließlich auch, was anliegt. Ermuntern und stärken Sie Ihre Mitarbeiter, indem Sie den Blick auf die Möglichkeiten und nicht auf die Schwierigkeiten lenken: „Was könnte Sie bei der Zielerreichung erfolgreich machen?“
Phase 3: Verhandeln Sie! Wie bitte? Mit dem eigenen Mitarbeiter verhandeln? Richtig. Das ist das Erfolgsgeheimnis der Zielvereinbarung. Es motiviert den Mitarbeiter stärker als jedes Incentive. Für die Verhandlung bringen Sie jene zirka 20 Prozent Zielvorstellungen ein, die der Mitarbeiter bislang nicht genannt hat; zum Beispiel: „Ich möchte mit Ihnen noch gerne über … reden. Da ist meines Erachtens noch mehr drin, ich würde mal sagen: 30 Prozent mehr. Lassen Sie mich das kurz begründen.“ Warum ist sie groß? Richtig, weil der Mitarbeiter auf Ihren 30-Prozent-Vorschlag natürlich sofort einwendet: „Nie im Leben! Da sind höchstens noch zehn Prozent mehr drin!“ Wenn Sie daraufhin erwidern: „Also gut, wie wäre es mit plus 20 Prozent?“, haben Sie schon verloren.
Phase 3: Verhandeln Sie!
Erfolgstipp Feilschen Sie nicht. Fragen Sie lieber: „Was brauchen Sie, um die plus 30 Prozent zu erreichen?“ ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Fragen Sie auch: „Was kann ich dazu tun? Welche Unterstützung wünschen Sie sich? Welche Mittel brauchen Sie? Was können Sie am eigenen Verhalten ändern, um das Ziel zu erreichen? Welche Ressourcen könnten Sie (noch) nutzen?“ Und darüber verhandeln Sie dann. Das heißt: Verhandeln Sie nicht über die Größe der Zielerreichung – verhandeln Sie über die Art der Unterstützung, die der Mitarbeiter braucht, um Ihre Zielvorstellung zu erreichen! Erfolgstipp Fixieren Sie das Ergebnis Ihrer Verhandlung schriftlich. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Natürlich nicht für die Personalakte! Sondern als Niederschrift einer Einigung zwischen zwei erwachsenen Menschen. Unterschreiben Sie beide. Es liegt auf der Hand, dass dieser simple Dokumentationskniff das Commitment auf beiden Seiten drastisch erhöht: Sowohl das Commitment des Vorgesetzten, die vereinbarte Unterstützung bereitzustellen, als auch das Commitment des Mitarbeiters, das vereinbarte Ziel auch tatsächlich zu erreichen. Nach der Unterschrift be kommt jeder der beiden Partner sein Vertragsexemplar.
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Das Zielvereinbarungsgespräch: Vereinbaren statt vorgeben
Anfängerfehler vermeiden! Gerade weil Führen mit Zielvereinbarungen eine recht einleuchtende Methode ist, wird sie oft unterschätzt. Das heißt, es werden vermeidbare Anfängerfehler gemacht. Einer der häufigsten: Es werden keine Ziele vereinbart, sondern Aufgaben (siehe Beginn dieses Kapitels, „Wer Ziele hat, leistet mehr“). Ein Manager sagt zum Beispiel zu einem Mitarbeiter: „Ich möchte, dass Sie jeden einzelnen B-Kunden anrufen und ihm unser Produkt HX 512 anbieten!“ Was ist das? Ein Ziel oder eine Aufgabe? Richtig, eine Aufgabe, also ein Weg zu einem Ziel. Das Ziel ist: „Ich möchte, dass Sie den Umsatz für HX 512 um 20 Prozent steigern!“ Dazu vereinbart ein kluger Vorgesetzter noch einen Rahmen für die Umsetzung: „Kommen Sie mit einem Budget von 5.000 Euro für Marketingmaßnahmen aus?“ Sein Bauchgefühl sagt jedem guten Manager: Die erste Anweisung hat kaum Chancen auf Erfolg. Dabei denkt sich ein geistig normaler Mitarbeiter doch sofort: „Jeden einzelnen von 896 B-Kunden anrufen? Da wird mir ja übel!“ Mit dieser Einstellung bringt er höchstens halbe Leistung! Mit der zweiten Anweisung jedoch hat er jede Freiheit, den Weg zur Zielerreichung selbst auszuwählen. Er kann zum Beispiel die Top 20 der B-Kunden persönlich besuchen und denen das Produkt en gros verkaufen. Er kann eine fantastisch kreative Werbekampagne starten. Er kann … was
Anfängerfehler vermeiden!
auch immer! Er hat dazu die Freiheit, die ihm ein kluger Vorgesetzter ließ. Diese Freiheit ist eines der Erfolgsgeheimnisse der Zielvereinbarung. Diese Freiheit erhöht Engagement, Motivation, Commitment, Leistungsbereitschaft, Effizienz und Effektivität eines Mitarbeiters enorm. Und vor allem: Sie nutzen die Fähigkeiten Ihrer Mitarbeiter! Und das muss so sein, wie ein Blick auf die Alternative illustriert: Wenn ich einem Mitarbeiter diktiere, auf welchem Weg er ein Ziel zu erreichen hat, dann komme ich bei ihm wie ein Diktator an. Und für einen Diktator engagiert sich nun wirklich kein normaler Mensch sonderlich!
Erfolgstipp Nutzen Sie die jedem Mitarbeiter innewohnende Motivation. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Damit keine Missverständnisse entstehen: Es gibt sehr viele Situationen, in denen Sie einem Mitarbeiter klipp und klar vorgeben müssen, was er wie zu tun hat; zum Beispiel: „Schließen Sie sofort Ventile 25 bis 28 und beheben Sie die Überschwemmung in Abfüllanlage B!“ Vorgaben sind vor allem in Krisensituationen, aber auch in Situationen mit simplen Aufgabenstellungen angebracht und erfolgreich. Da erwartet der Mitarbeiter förmlich, dass Sie ihm sagen, wo es langgeht. Außerdem mag es ganz vereinzelt Mitar-
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Das Zielvereinbarungsgespräch: Vereinbaren statt vorgeben
beiter geben, die nicht wirklich mitdenken wollen. Oder: „Wir haben eine schwere Finanzkrise und müssen deshalb …“ Doch für den größeren Rest der Situationen und Mitarbeiter gilt: Als Diktator schaden Sie sich selbst am meisten. Diktieren Sie nicht, vereinbaren Sie – wenn Sie Ihre Ziele leicht, schnell und vollständig erreichen möchten.
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14 Das Delegations gespräch: Aufgaben delegieren Das Delegationsgespräch auf einen Blick ▪▪ Beachten Sie den kleinen Unterschied: Zielvereinbarung vereinbart Ziele, Delegation delegiert Aufgaben. ▪▪ Wählen Sie vor dem Gespräch Ihre Position auf dem Delegationskontinuum! Gesprächsphase
Vorgang
Phase 1: „Ich möchte, dass Sie … (was) bis … (wann) erledigen!“
Klartext reden
Phase 2: „Was ist bei Ihnen angekommen? Welche Fragen haben Sie dazu?“
Fragen und zuhören
Der kleine Unterschied Viele Führungskräfte kennen nicht den Unterschied zwischen Zielvereinbarung und Delegation. Dabei ist es ein wesentlicher: ▪▪ Bei der Zielvereinbarung werden Ziele vereinbart: Das Was (soll erreicht werden?) wird vereinbart, das Wie (soll es erreicht werden?) kann der Mitarbeiter selbst wählen. ▪▪ Bei der Delegation werden Aufgaben (Wege zum Ziel) vereinbart oder vorgegeben.
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Das Delegationsgespräch: Aufgaben delegieren
Die Delegation bietet dem Mitarbeiter also weniger Freiraum. Sie ist eine etwas engere Art der Führung. Eine Verwechslung beider Führungsinstrumente kommt meist teuer: Wenn Führungskräfte sich zum Beispiel über passive, wenig engagierte Mitarbeiter beklagen, haben sie mit hoher Wahrscheinlichkeit delegiert, anstatt Ziele vereinbart.
Phase 1: Klare Ansprache Benutzen Sie das zentrale Erfolgsrezept der Führungskommunikation: Delegieren Sie so einfach wie möglich: „Ich möchte, dass Sie … (was) bis … (wann) erledigen!“ Kein „würden Sie vielleicht …“, kein „könnten Sie eventuell …“. Was Sie sich jedoch vorab überlegen sollten: Was an Freiraum wollen Sie Ihrem Mitarbeiter delegieren und was haben Sie bereits selbst entschieden oder wollen es selbst in der Hand behalten.
Heiße Kiste: Das Delegationskontinuum Indem Sie sich auf dem Delegationskontinuum bewegen, können Sie mit ganz feinen Abstufungen bestimmen, wie Sie führen möchten. Sie können zum Beispiel delegieren: „Die Werkstatt muss aufgeräumt werden!“ Damit geben Sie das Was vor. Der Mitarbeiter kann über die restlichen Ws selbst entscheidet: wer das macht, bis wann, wie, womit, mit welchem Zielerreichungsgrad …
Heiße Kiste: Das Delegationskontinuum
Sie können jedoch auch jedes dieser Ws vorgeben. Mit jedem vorgegebenen W schränken Sie die Freiheit und damit auch die Motivation des Mitarbeiters stärker ein, bestimmen gleichzeitig aber das Wie der Ausführung stärker. Eine gute Führungskraft spielt auf dem kompletten Kontinuum der Delegation wie auf einer Klaviatur, passt die Abstufung stets der jeweiligen Aufgabe, der aktuellen Situation und den Fähigkeiten des Mitarbeiters an: Einem Meister muss man nur das Was vorgeben, der räumt die Werkstatt dann schon selbsttätig auf. Einem Lehrling muss man unter Umständen auch vorgeben, wie er welchen Grad an Sauberkeit erzielt. Erfolgstipp Überlegen Sie sich vor einer Delegation stets, wie viel Freiheit ein Mitarbeiter/eine Aufgabe benötigt und verträgt und wie viel Sie selbst bereit sind, aus der Hand zu geben. Treffen Sie den passenden Punkt auf dem Delegationskon tinuum. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Treffen Sie ihn nicht, geht die Delegation ins Auge. Wenn Sie zum Beispiel einem Meister genau so delegieren wie einem Azubi, wird dieser die Aufgabe nur widerwillig oder schlecht erfüllen, weil „ich mir doch nicht alles haarklein vorschreiben lasse! Ich bin Meister und kein Azubi!“ Oder wenn Sie beispielsweise Freiräume geben, die Sie hinterher wieder einschränken: „Ich habe mir das Ergebnis
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Das Delegationsgespräch: Aufgaben delegieren
ganz anders vorgestellt … also, dann mache ich es lieber selbst noch mal.“ Das nervt Sie selbst und auch Ihre Mitarbeiter und ist einfach unwirtschaftlich.
Die Furcht vor der Delegation Manager gelten in der Volksmeinung als herrschsüchtig. Das stimmt nicht ganz. Die meisten Manager verspüren große Hemmungen, wenn es ums Delegieren geht. Vor allem, wenn es um unangenehme Aufgaben geht. Sie fragen sich dann: „Wie kriege ich die Leute bloß dazu, das zu schlucken?“ Weil es darauf keine wirklich gute Antwort gibt, lavieren sie dann meist, reden um den heißen Brei herum. Sie trauen sich nicht, als „Bestimmer“ aufzutreten und eine klare Ansage zu machen.
Erfolgstipp Als Manager brauchen Sie auch den Mut, eine klare Ansage zu machen, wenn es nötig ist. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Mitarbeiter erwarten sogar klare Ansagen! Sie erwarten, dass der Chef Orientierung gibt! Wer sollte es sonst tun? Natürlich ist ein Diktator unbeliebt. Doch einer, der herumeiert, laviert und um den heißen Brei herumredet, ist noch viel unbeliebter. Es gibt Situationen, in denen Sie einfach delegieren müssen. Ein guter Manager erkennt diese
Phase 2: „Welche Fragen haben Sie dazu?“
Situationen und macht sie den Mitarbeitern transparent, indem er ihnen die Hintergründe für seine Entscheidungen vermittelt.
Phase 2: „Welche Fragen haben Sie dazu?“ Eine unerhörte Frage. Eine weitgehend ungehörte Frage. Nur wenige Führungskräfte stellen sie. Warum die anderen nicht? Weil sie eine Aufgabe loswerden und nicht delegieren wollen. Überflüssig zu sagen, dass so ein „Abdrücken“ von Aufgaben schlecht funktioniert. Der Mitarbeiter steht baff da und hat ein Dutzend Fragen, die ihm keiner beantwortet. Sichern Sie Ihre Delegation ab. Aber nicht mit der Suggestivfrage: „Alles klar? Dann legen Sie mal los!“ Sondern mit der offenen Frage: „Welche Fragen haben Sie dazu?“ Vor allem, wenn es eine neue Aufgabe ist, sollten Sie den Erfolg Ihrer Delegation bereits im Vorfeld mit Fragen an den Mitarbeiter absichern: ▪▪ Haben Sie alle für die Aufgabe erforderlichen Ressourcen, Fähigkeiten und Hilfsmittel? ▪▪ Was brauchen Sie noch? Wenn Sie eine gute Führungskraft sind/sein wollen, bieten Sie an: „Wenn später noch Fragen auftauchen, können Sie ruhig zu mir kommen!“ Und hält sich dann auch an dieses Versprechen.
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Das Delegationsgespräch: Aufgaben delegieren
Delegation bedarf der Klärung! Viele Führungskräfte wenden ein: „Wozu die umständliche Nachfragerei? Der Mitarbeiter weiß doch, was ich von ihm erwarte! Der macht das doch nicht zum ersten Mal!“ So argumentieren meist jene Führungskräfte, die sich kurz danach bitter beklagen, dass der Mitarbeiter „die Sache nicht auf die Reihe gebracht hat! Dabei macht er das doch nicht zum ersten Mal!“ Erfolgstipp Eine Delegation ohne Auftragsklärung geht oft schief. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Ein Vorgesetzter delegiert zum Beispiel kurz vor seinem Urlaub einem Mitarbeiter „die bevorzugte Behandlung von Kunde X“. Als er aus dem Urlaub zurückkommt, trifft ihn der Schlag: Der Mitarbeiter hat dem Kunden 20 Prozent Rabatt gegeben! Der Mitarbeiter ist empört: „Wieso? Sie haben mir doch ausdrücklich gesagt, dass ich ihn bevorzugt behandeln soll!“ Darauf der Vorgesetzte: „Sie sollten unsere Produkte nicht verschenken! Damit meinte ich doch, dass Sie ihm so schnell wie möglich einen Beratungstermin geben sollen, wenn er mit einer Anfrage kommt!“ Warum hat der Vorgesetzte dieses vorhersehbare Missverständnis nicht bei der Delegation abgeklärt?
Einwandsbehandlung
Erfolgstipp Die Abklärung einer Delegation ist unverzichtbar, weil Ihr Mitarbeiter häufig eine andere Vorstellung von der Aufgabe hat als Sie! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Schließen Sie Missverständnisse von vornherein aus. Klären Sie bei jeder Delegation ab: Was kam beim Mitarbeiter an? Was hat er verstanden? Wie fasst er die Aufgabe auf?
Einwandsbehandlung Sicher haben Sie schon darauf gewartet. Denn was sagt ein normaler Mitarbeiter zu einer Delegation? „Jawoll, Chef, wird gemacht, Chef!“ Das ist der Traum jeder Führungskraft. Häufig kommen jedoch Einwände wie aus der Pistole geschossen: „Bin total überlastet. So etwas habe ich noch nie gemacht“ und so weiter.
Erfolgstipp Auch wenn die Versuchung groß ist: Reden Sie einem Mitarbeiter einen Einwand nicht aus! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Marke: „Nun stellen Sie sich doch nicht so an!“ Das verstärkt den Widerstand und den Unmut nur noch. Was sollten Sie stattdessen tun? Den Einwand ernst nehmen:
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Das Delegationsgespräch: Aufgaben delegieren
▪▪ „Was brauchen Sie, dass es trotzdem klappt?“ ▪▪ Meist hilft es auch, den Mitarbeiter an ähnliche Aufgaben zu erinnern, die er bereits erfolgreich gemeistert hat. Ziehen Sie glaubhafte und nachvollziehbare Parallelen zwischen neuen und alten Aufgaben! „Wann haben Sie schon mal etwas Ähnliches gemacht?“ ▪▪ „Wenn es nicht gleich geht, bis wann geht es dann frühestens?“ Das ist lästig? Nein, das ist Führung. Mitarbeiter sind keine Marionetten, an deren Fäden wir nur zu ziehen brauchen. Nehmen Sie ihre Meinung ernst, zeigen Sie vor ihr Respekt und reden Sie vernünftig miteinander. Das funktioniert mit etwas Übung.
Vorgeschobene Einwände Jeder Vorgesetzte kennt auch fadenscheinige Einwände wie: „Wieso immer ich? Außerdem haut das so nicht hin! Das haben wir doch schon mal probiert! Das habe ich schon so oft gemacht, das soll der Müller jetzt mal machen!“ Und so weiter. Was fangen Sie damit an? Erfolgstipp Insistieren Sie! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Vorsicht, Hundeknochen!
„Ich möchte, dass Sie das machen. Sie dürfen das auch ungern machen. Dafür habe ich Verständnis. Aber machen Sie es!“ Es gibt Dinge, die macht ein Mensch gerne. Und es gibt Sachen, die will keiner wirklich gerne machen. Zum Beispiel die Spülmaschine ausräumen. Trotzdem müssen sie erledigt werden. Machen Sie dem Mitarbeiter in aller gebotenen Kürze und ganz vorwurfsfrei klar, dass es manchmal einen Unterschied zwischen spaßigen und nötigen Aufgaben gibt. Nicht alles, was nötig ist, macht auch Spaß. Und akzeptieren Sie, dass er die Aufgabe völlig ohne Spaß erledigt. Das darf manchmal sein.
Vorsicht, Hundeknochen! Manche Mitarbeiter wenden bei einer Delegation das Hundeknochen-Manöver an: „Ich würde ja schon gerne, aber die Daten von der Marktforschung sind noch nicht aufbereitet!“ Und schon diskutieren Sie zehn Minuten mit dem Mitarbeiter, wie er schneller an die Daten herankommt. Unfein ausgedrückt: Er behandelt Sie wie einen Hund, hält Ihnen einen Knochen hin, Sie beißen drauf an und lassen nicht mehr los! Das kennen Sie? Das kostet Sie den letzten Nerv? Dann beißen Sie nicht zu!
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Das Delegationsgespräch: Aufgaben delegieren
Erfolgstipp Wenn der Mitarbeiter Sie (bewusst oder unbewusst) vom Thema abbringt, bringen Sie ihn wieder zum Thema zurück! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Zum Beispiel so: „Gut, dann besorgen Sie eben die Daten!“ Nach drei bis vier schnellen Rückführungen zum Thema verliert der Mitarbeiter die Lust an dem Spiel.
Die anspruchsvolle Delegation Manchmal ist es nicht zu vermeiden, dass Sie einem Mitarbeiter eine Aufgabe delegieren, die für ihn eigentlich eine Nummer zu groß ist. Das ist auch immer dann der Fall, wenn Sie diese anspruchs-, aber auch reizvolle Aufgabe bewusst als Instrument des Job Enlargement oder Enrichment, also der Personalentwicklung einsetzen. Bei einer anspruchsvollen Delegation empfiehlt es sich, dass Sie dem Mitarbeiter anbieten: ▪▪ eine umfassendere Beschreibung und Erklärung der Aufgabe, ▪▪ ein genaues Abchecken der Ressourcen, die er dafür braucht, ▪▪ eventuell Gespräche mit Menschen, die schon so eine Aufgabe bewältigt haben, ▪▪ eine kleine Einweisung durch einen Kompetenzträger.
Die anspruchsvolle Delegation
Ein Sonderfall der Delegation liegt auch dann vor, wenn Sie eine Aufgabe delegieren (müssen), die nichts mit der eigentlichen Arbeit des Mitarbeiters zu tun hat. Wenn Sie zum Beispiel von einem Buchhalter verlangen, dass er wegen eines akuten Engpasses im Versand mithilft. Auch das funktioniert, wenn Sie ▪▪ einfach und nachvollziehbar erklären, warum der aufgabenfremde Einsatz des Mitarbeiters aktuell nötig ist; ▪▪ um das Verständnis des Mitarbeiters werben, anstatt einfach sein Engagement vorauszusetzen; ▪▪ und erläutern, dass es sich nicht um einen Dauerzustand handeln soll.
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15 Das Suchtgespräch: Besser schlecht als gar nicht Das Suchtgespräch auf einen Blick ▪▪ Eine Suchtsituation können Sie nicht aussitzen! Der Schaden ist größer als Ihre Angst vor einem Suchtgespräch. ▪▪ Klagen Sie nicht an! Gesprächsphase
Vorgang
Phase 1: „Ich erlebe Sie in den letzten Wochen …“
Beschreibung
Phase 2: „Wir tolerieren das nicht!“
Klare Ansage
Phase 3: „Wir bieten Ihnen folgende Unterstützung an …“
Verhandlung
Geben Sie sich einen Ruck! Das Suchtgespräch ist eines der heikleren Gespräche – weshalb es meist endlos aufgeschoben wird. Oft so lange, bis der Schaden für alle Seiten irreparabel ist. Aus diesem Grund lautet das erste Prinzip für Suchtgespräche: Lieber schlecht als gar nicht geführt.
Klagen Sie nicht an!
Erfolgstipp Es ist irrelevant, ob Sie Fehler beim Suchtgespräch machen. Fehler fallen nicht ins Gewicht. Wichtiger ist, dass Sie das Gespräch führen! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Worum es bei so einem Gespräch geht, sind Arbeitsvertragsverletzungen – sonst nichts! Es geht nicht darum, jemandem ins Gewissen zu reden oder zu moralisieren. Niemand verlangt von Ihnen, dass Sie mit dem Mitarbeiter eine Sucht- oder Familientherapie machen. Im Normalfall drückt der Vorgesetzte beide Augen zu, macht gelegentlich Druck, schließt dann wieder beide Au gen – und feuert den Mitarbeiter irgendwann, wenn auch Druckmachen nicht mehr hilft. Das ist bequem, hat aber einen gravierenden Nachteil: Da sich eine Suchtsituation meist über Jahre hinzieht, haben Sie riesige Leistungseinbußen. Einmal ganz vom Stress und den Klimaschäden abgesehen. Und Ihr Mitarbeiter schädigt sich über Jahre hinweg selbst. Daher: Sprechen ist hundertmal besser als Warten!
Klagen Sie nicht an! „Ich bin enttäuscht von Ihnen!“, „Wo soll das enden, wenn Sie so weitermachen?“, „Was fällt Ihnen ein, das können Sie doch nicht bringen!“
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Das Suchtgespräch: Besser schlecht als gar nicht
Das sind zwar beliebte und menschlich verständliche Ge sprächseröffnungen. Doch wie Sie sich denken können, provozieren diese sofort eine Widerstandsreaktion des Mitarbeiters. Solche Vorhaltungen haben ihm schon andere vor Ihnen gemacht, und es hat auch nichts gebracht. Das führt nur zu Ausflüchten, Diskussionen und vertaner Zeit. Deshalb besser:
Phase 1: Vorwurfsfrei Beobachtung ansprechen Erheben Sie keine Vorwürfe, klagen Sie nicht an. Sprechen Sie lieber über unangreifbare, objektive Beobachtungen, zum Beispiel: „Ich erlebe Sie in den letzten Wochen immer mal wieder mit Alkoholfahne (zum Beispiel). Nachmittags sind Sie oft unkonzentriert bei der Arbeit. Ihre Leistung ist in den letzten Wochen deutlich weniger geworden. Auf mich wirkt das so, als ob Sie ein Problem hätten. Ich frage mich in letzter Zeit häufiger, ob Sie ein Problem haben. (Nicht: Sie haben wohl ein Problem!) Jetzt wollte ich mal Ihre Meinung dazu hören.“ Manche Mitarbeiter sind froh, dass endlich jemand an spricht, was alle anderen totschweigen. Andere reagieren negativ: „Was fällt Ihnen ein! Das geht Sie überhaupt nichts an! Betriebsrat! Mobbing! Was haben Sie gegen mich?“
Phase 2: „Wir tolerieren das nicht!“
Erfolgstipp Erinnern Sie sich daran: Es ist der Mitarbeiter, der das Problem hat – nicht Sie. Ihm geht es schlechter als Ihnen. Also halten Sie seinen eventuellen Ausbruch einfach aus. Sie können so was leichter wegstecken als er. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Und insistieren Sie danach sanft: „Ich klage hier nichts und niemanden an. Mich interessiert einfach Ihre Meinung dazu. Sie haben die Gelegenheit, in Ruhe mit mir zu reden und mir Ihre Sicht der Dinge zu sagen.“ Wenn Ihr Gegenüber merkt, dass es Ihnen nicht darum geht, anzuklagen, zu verurteilen oder Ähnliches, wird seine Gesprächsbereitschaft deutlich zunehmen. Oft sagt der Mitarbeiter auch: „Es kommt nie wieder vor! Ich hatte in letzter Zeit einfach zu viel Stress!“
Phase 2: „Wir tolerieren das nicht!“ Egal, ob Sie ihm nun glauben oder nicht: Verkneifen Sie sich eine Diskussion, eine „Aufdeckung“ von mutmaßlichen Ausreden oder gutgemeinte therapeutische Ratschläge. Darum geht es nicht! Sie sind Vorgesetzter und kein Suchttherapeut. Konzentrieren Sie sich deshalb auf Ihre Aufgabe als Vorgesetzter. Und das ist, Ihre Botschaft anzubringen: „Ist gut. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass es mir aufgefallen ist und dass wir das auf keinen Fall tolerie-
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Das Suchtgespräch: Besser schlecht als gar nicht
ren können. Gleichzeitig möchte ich Ihnen Unterstützung anbieten. Sie können mit dem Werksarzt oder dem Sozialdienst sprechen oder wir suchen einen guten Therapeuten aus.“
Erfolgstipp Zwei Botschaften genügen: Keine Toleranz für den aktuellen Zustand! Hilfe bieten wir an! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Das genügt. Mehr brauchen und sollen Sie nicht sagen! Sie sollen nicht über die Sucht reden! Das können Sie nicht. Das geht nur einen Therapeuten etwas an. Sie sollen lediglich über die mangelnde Leistung sprechen – denn das geht Sie als Vorgesetzter sehr wohl etwas an.
Bringt das was? Viele Vorgesetzte drücken sich um das Gespräch, weil sie glauben, dass es nichts bringt. Die Wissenschaft hat diesen Irrtum widerlegt: Studien zeigen, dass der Ausstieg aus der Sucht umso sicherer gelingt, ▪▪ je eher die Umwelt verbindliche Grenzen aufzeigt, ▪▪ je eher die Umwelt das Problem wahrnimmt und an spricht.
Bringt das was?
Wenn mal die guten Freunde anfangen, darüber zu reden, wenn der Partner sagt „Ich zieh aus, wenn du nicht …!“, wenn der Job bedroht ist, dann unternehmen Suchtkranke am ehesten eigene Schritte aus der Sucht. Im Klartext: Mit Ihrer klaren Ansage tun Sie dem Mitarbeiter etwas Gutes! Sie bieten ihm auf jeden Fall eine bessere Chance, als wenn Sie jahrelang beide Augen zudrücken. Je länger die Sucht dauert, desto schwieriger wird es für ihn/ sie, wieder auszusteigen. Erfolgstipp Es nützt oft viel, wenn Sie das Gespräch zu zweit führen. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Also mit einem guten Kollegen (Ihrem!), mit einem sozial kompetenten Betriebsrat oder Werksarzt. Vor allem, weil diese Personen besonders geschult sind für das Führen solcher Gespräche. So eine Beteiligung eines Dritten hilft meist allen Seiten.
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16 Das Klimagespräch: Prima Klima? Das Klimagespräch auf einen Blick ▪▪ Reden Sie übers Klima, bevor es eintrübt! ▪▪ Wenn es bereits belastet ist: Direkt ansprechen! ▪▪ Phase 2: Woran liegt es? ▪▪ Phase 3: Wo gehört was hin? ▪▪ Phase 4: Was können Sie und ich dagegen tun? ▪▪ Phase 5: Wer macht jetzt was?
Gutes Klima, gute Leistung Wie wichtig ein gutes Arbeitsklima für eine gute Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter ist, spürt ein erfahrener Vorgesetzter. Immer wieder sagen uns Führungskräfte: „An manchen Tagen schleichen die Mitarbeiter schlaff und schlapp durch die Gänge – bei dieser flauen Stimmung kommt doch keine Leistung zustande!“
Erfolgstipp Es ist entscheidend, zu wissen, wie die Stimmung „an der Basis“ ist – und sie positiv zu beeinflussen. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Oft bekommen wir die Lage an der Basis erst mit, wenn es zu spät ist. Wenn die Mitarbeiter vielleicht schon seit
Gutes Klima, gute Leistung
Tagen bedrückt oder aufgekratzt, gereizt oder demotiviert, jammernd oder verunsichert, nervös oder frustriert am Arbeitsplatz hocken. Spätestens dann ist ein Klimagespräch überfällig. Denn dann bremst die Stimmung Leistung und Motivation der Mitarbeiter. Besser wäre es, wenn Sie vorher schon, das heißt ohne akuten Anlass, sich um den Leistungsfaktor Klima kümmern würden. Rein vorbeugend. Führen Sie regelmäßig Klimagespräche auch ohne Anlass! „Dafür habe ich nicht auch noch Zeit!“ Sie kennen diesen Einwand inzwischen – und seine Widerlegung: Erfolgstipp Das Klimagespräch kostet keine Zeit, es spart per saldo welche. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Natürlich benötigen Sie für ein Klimagespräch zehn bis zwanzig Minuten. Doch das sind Peanuts im Vergleich zu der Zeit, die Sie gezwungenermaßen dann opfern müssen, wenn die Stimmung sich so verschlechtert hat, dass die Leistung in den Keller gegangen und die Fehlerquote hochgeschnellt ist. Das Klimagespräch ohne Anlass deckt latente Störfaktoren auf, lange bevor sie Schaden anrichten können.
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Das Klimagespräch: Prima Klima?
Das Klimagespräch ohne Anlass Der Ablauf des Klimagesprächs ohne Anlass lässt sich an den Fingern einer Hand abzählen: 1. „Wie gehts Ihnen?“ 2. „Was beschäftigt Sie gerade?“ 3. „Worauf liegt Ihr Hauptaugenmerk?“ 4. „Was packen Sie jetzt an?“ 5. „Auf gehts!“ Auf diese Phasen wären Sie auch alleine gekommen? Richtig, sie sind simpel und einleuchtend: 1. Man kann den Mitarbeiter nicht einfach so überfallen und nach seiner Stimmung fragen. In Westeuropa ist es üblich, Menschen zuerst einmal danach zu fragen, wie es ihnen so geht. Vor allem, wenn der Mitarbeiter nicht gewohnt ist, dass der Vorgesetzte sich auch mal persönlich für ihn interessiert, wird er erst einmal abwiegeln: „Jaja, geht so. Läuft alles.“ So eine ausweichende Antwort bringt Sie natürlich nicht weiter. 2. Deshalb bohren Sie nach: „Was beschäftigt Sie gerade ganz persönlich?“ Im laufenden Betrieb verliert man seine Mitarbeiter nolens volens aus den Augen. Man übersieht in der Hektik des Alltags leicht, was sie gerade umtreibt. Nach dieser Frage wissen Sie es.
Das Klimagespräch ohne Anlass
3. Sie vertiefen dieses Wissen mit der Frage nach seinem Hauptaugenmerk. Wenn er darüber redet, was ihn ge rade schwerpunktmäßig beschäftigt, wird er beiläufig auch Gefühlsbetontes einflechten wie: „Das geht irgendwie nicht vom Fleck!“ Genau an diesen emotionsgeladenen Stellen haken Sie ein, um herauszufinden: Ist das nur ein vorübergehender Unmut oder hat sich die Stimmungslage bereits chronifiziert? Viele Vorgesetzte sind verunsichert: Was ist, wenn der Mitarbeiter tatsächlich die Karten offen auf den Tisch legt und zum Beispiel sagt, dass er eigentlich mächtig sauer ist? Was sagen Sie dann?
Erfolgstipp Reden Sie dem Mitarbeiter seine Stimmung nicht aus. Trösten Sie ihn nicht. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
„Ach was, so schlimm ist das doch nicht!“, „Da müssen wir alle durch!“ Kennen Sie solche Sprüche? Was denken Sie sich, wenn ein Vorgesetzter so etwas zu Ihnen sagt? Sie können solche Floskeln auf den Tod nicht ausstehen? So geht es auch Ihren Mitarbeitern. Floskeln sind führungsun tauglicher Sprachmüll, weil sie mehr schaden als nutzen.
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Das Klimagespräch: Prima Klima?
Erfolgstipp Argumentieren Sie nicht. Zeigen Sie lieber Verständnis, wenn der Mitarbeiter über seine Stimmung oder das Klima in der Abteilung redet. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Sie sollen ihm nicht Recht geben, sondern Verständnis zeigen: „Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Das verstehe ich.“ Das reicht schon? Das reicht schon! Das sehen Sie spätestens in der nächsten Gesprächsphase: 4. „Was packen Sie jetzt an?“ Allein dadurch, dass der Boss seine Stimmung versteht, wird der Mitarbeiter jetzt motivierter an die Dinge herangehen. Hat seine (miese) Stimmung einen objektiven Grund, können Sie ihn gemeinsam mit ihm ausräumen: „Was können Sie, was kann ich dagegen tun?“ 5. „Schön, dass wir das auch geregelt haben. An die Ar beit!“ Das wars schon.
Ein Stimmungsmacher wird stärker respektiert Selbst beim bloßen Überfliegen der fünf Phasen werden Sie möglicherweise gedacht haben: Das geht im Grunde recht unkompliziert und schnell. Vielleicht ist Ihnen auch der relativ informelle Charakter des Gesprächs aufgefallen; es
Ein Stimmungsmacher wird stärker respektiert
ist vergleichbar mit einem Gespräch unter guten Bekannten. Auch wegen dieser ungezwungenen Informalität wird Sie der Mitarbeiter danach viel stärker als Führungskraft respektieren als nach der üblichen Führungskommunikation (Anweisen, Kontrollieren, Korrigieren). Über Führungskräfte, die Klimagespräche führen, hören wir immer wieder von deren Mitarbeitern: „Mit dem Chef kannst du über alles reden. Der interessiert sich auch menschlich für uns.“ Es liegt auf der Hand, dass man sich für so einen Chef ganz anders ins Zeug legt als für einen, der im Brustton der Überzeugung behauptet: „Stimmung ist egal! Hauptsache, die Kerle arbeiten!“ Viele Führungskräfte würden gerne ohne solche Gespräche wie das Klimagespräch auskommen. Sie sagen: „Ich bin für die Aufgaben, doch nicht fürs Klima zuständig! Ich bin doch kein Alleinunterhalter!“ Eben weil das Klimagespräch eine zutiefst menschliche Seite des Zusammenlebens tangiert, versuchen wir es oft auszuklammern nach der Devise: „Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps.“ Allzu Menschliches ist uns bei der Arbeit suspekt. Das ist verständlich. Das Dumme ist nur: Erfolgstipp Da Sie mit Menschen arbeiten, ist das Menschliche ein wichtiger, wenn nicht der wichtigste Erfolgsfaktor der Führung. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
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Das Klimagespräch: Prima Klima?
Sie können diesen Faktor ausklammern – doch ohne gravierenden Leistungsschaden geht das nie ab. Es ist immer besser, sich um die Stimmung im Team zu kümmern. Das führt zur Frage, wie häufig Klimagespräche geführt werden sollten. Es empfiehlt sich, jedes halbe Jahr ein Gespräch ohne Anlass einzubauen. Erfahrene Führungskräfte verwenden es jedoch weitaus häufiger. Denn obwohl es so ein kleines und unscheinbares Gespräch ist, wissen Führungsprofis, dass es eine mächtige Wirkung entfaltet und die Führungsarbeit immer wieder ganz entscheidend voranbringt. Warum? Wir haben einige Äußerungen von Führungskräften gesammelt: ▪▪ „Ich höre dabei, was den Mitarbeiter so bewegt, ob er für aktuelle und anstehende Aufgaben richtig eingesetzt ist oder ob er Unterstützung braucht. Führe ich das Gespräch nicht, bemerke ich die Überforderung eines Mitarbeiters leider erst, wenn das Kind mangels Unterstützung bereits im Brunnen liegt.“ ▪▪ „Wenn ich die Hand am Puls des Mitarbeiters habe, kann ich Fehlentwicklungen vorbeugen, bevor wir vom Kurs abkommen.“ ▪▪ „Beim Klimagespräch merke ich meist, welche anderen Gespräche eigentlich nötig sind, und kann nahtlos ein Motivations- oder Kritikgespräch anfügen.“ ▪▪ „Beim Klimagespräch kann ich unsere Leistungsziele viel direkter und persönlicher beim Mitarbeiter anbringen, als das sonst möglich ist.“
Das Klimagespräch aus gegebenem Anlass
Das Klimagespräch aus gegebenem Anlass Es ist schön, wenn Sie Klimagespräche regelmäßig ohne Anlass einbauen können. Doch manchmal „vergisst“ man das oder findet einfach keine Zeit. Manchmal verschlechtert sich das Arbeitsklima auch wegen eines akuten Anlasses, obwohl Sie regelmäßig prophylaktische Klimagespräche führen. Dann sollten Sie ein akutes Klimagespräch, ein Klimage spräch aus gegebenem Anlass führen. Ist die Stimmung im Führungsbereich gereizt, passiv-destruktiv, frustriert oder anderweitig leistungsmindernd, denkt mancher Vorgesetzte: „Das gibt sich schon wieder. Außerdem ist das nicht meine Aufgabe, ich habe anderes zu tun.“ Das ist eine extrem eingeschränkte Sichtweise von Führung: „Ich bin nur für die fachliche Seite zuständig! Klima, Stimmung, Menschen, Motivation und andere Leistungsfaktoren gehen mich nichts an.“ Eigentlich ist das gar keine Führung. Denn wer seine Leute nicht aus einem Stimmungstief führen kann, ist einfach keine Führungskraft. Jeder Fußballtrainer weiß: Hockt das Team mit hängenden Köpfen in der Halbzeitpause, dann muss Stimmung gemacht werden. Sonst geht das Spiel verloren.
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Phase 1: Sprechen Sie das Klima offen an! Es bringt nichts, um den heißen Brei herumzureden. Aber verkneifen Sie sich jeden versteckten Vorwurf: „Was ist denn bloß los mit Ihnen? Warum schleicht hier jeder mit hängender Unterlippe durch das Gebäude?“ Sie würde so etwas doch auch nerven, oder? Sprechen Sie vielmehr das, was Sie beobachten können, neutral und sachlich an. Also nicht: „Ihr macht alle Gesichter wie drei Tage Regenwetter!“ Das ist eine Unterstellung, die wie eine Tatsachenaussage formuliert ist. Sie ist so suggestiv, dass danach kein vernünftiges Gespräch mehr zustande kommt. Verzichten Sie auf jede Wertung, formulieren Sie eher vorsichtig und fragend: „Ich habe den Eindruck, dass die meisten gerade ziemlich … (wie auch immer) drauf sind. Wie sehen Sie das?“ Da Ihre Beobachtung nicht aus der Luft gegriffen ist, wird der Mitarbeiter mehr oder weniger zustimmen: „Jaja, die Kollegen sind gerade richtig …“
Phase 2: „Woran liegt das?“ Bohren Sie tiefer, nach den Ursachen der Klimalage: „Woran liegt das?“ Hören Sie dem Mitarbeiter zu. Werten Sie nicht, erklären Sie nicht, rechtfertigen Sie nichts (wer sich verteidigt, klagt sich an), reden Sie dem Mitarbeiter nichts aus.
Phase 3: Sortieren Sie die Lage!
Hören Sie nur aufmerksam zu, fragen Sie so lange nach, bis Ihnen alles klar ist, und zeigen Sie Verständnis. Auch wenn der Mitarbeiter erst mal wenig Verständliches redet. Das ist normal, wenn man über Stimmungen redet. Wenn es um die akute Stimmungslage geht, sind die wenigsten von uns so gut reflektiert und artikuliert, dass sofort klar ist, woran es liegt. Meist ist die Gemengelage auch so komplex, dass viele Faktoren das Klima trüben. Diese Faktoren gilt es in der nächsten Phase zu sortieren.
Phase 3: Sortieren Sie die Lage! Sortieren Sie das Gesagte zusammen mit dem Mitarbeiter. Hilfreich sind dabei folgende Fragen: ▪▪ Was genau will der Mitarbeiter sagen? ▪▪ Haben Sie wirklich verstanden, was er gemeint hat, oder meinen Sie das nur? ▪▪ Welches Problem steckt hinter der aktuellen Stimmungslage? ▪▪ Sind es gar mehrere? Welche? ▪▪ Haben die Probleme unterschiedliches Gewicht? ▪▪ Lassen sie sich priorisieren? ▪▪ Was davon ist am drängendsten? Trotz der vielen Fragen ist diese Phase relativ schnell be wältigt. Es geht hier einfach nur darum, den Dingen auf
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Das Klimagespräch: Prima Klima?
den Grund zu gehen. Eine Aufgabe, die keinem wirklich schwerfällt.
Phase 4: „Was können wir tun?“ Arbeiten Sie gemeinsam Maßnahmen zur aktiven Klimaverbesserung aus: „Was können Sie machen? Was kann ich machen?“ Da die Stimmungslage immer mehrere betrifft, empfiehlt es sich, so ein Klimagespräch von vornherein im ganzen Team zu führen oder die Maßnahmen zumindest mit den anderen Mitarbeitern abzusprechen. Phase 5 kennen Sie bereits. Sie dreht sich um die Organisation der Umsetzung: „Was sind die nächsten Schritte? Wer macht sie?“ Wenn es ums Arbeitsklima geht, sind manche Führungskräfte schnell mit Schuldzuweisungen parat. Besonders be liebt sind externe und kurzfristig unbeeinflussbare Faktoren, die ein Klimagespräch wegen akuter Aussichtlosigkeit angeblich überflüssig machen, zum Beispiel: „Bei der ak tuellen Entlassungswelle ist doch klar, dass die Mitarbeiter eingeschnappt sind!“ oder „So wie der Markt sich entwickelt, sind die Mitarbeiter zu Recht deprimiert!“ Nach dem Motto: „Wozu ein Klimagespräch führen? Ich kann die Entlassungen ja doch nicht rückgängig machen!“
Sind Sie mutig genug für ein offenes Wort?
Erfolgstipp Natürlich können Sie nicht die Entlassungen (oder die Konjunktur) rückgängig machen, um das Klima zu verbessern. Das erwartet auch kein vernünftiger Mitarbeiter! Was die Mitarbeiter jedoch erwarten: dass Sie über die Sorgen reden, die ihnen die Stimmung verhageln! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
In diesem Sinne gibt es keine Unabänderlichkeiten: Sie können die Entlassungen zwar nicht verändern – aber den Stimmungseffekt der Entlassungen beeinflussen! Wie? Indem Sie darüber reden. Genau dafür gibt es das Klimagespräch.
Sind Sie mutig genug für ein offenes Wort? Die fünf Phasen des akuten Klimagesprächs überfordern kaum einen Manager intellektuell. Trotzdem wird das Klimagespräch oft selbst dann nicht geführt, wenn der Anlass mit Händen greifbar und die Stimmung im Keller ist. Warum? Viele Führungskräfte sagen uns: „Wenn dies oder das ge macht werden muss, wenn ich ein klares Ziel oder eine Aufgabe habe, gehe ich in jedes Gespräch rein. Beim Klimagespräch aber gehst du blind rein! Kein Mensch weiß, was dabei alles herauskommen kann!“ Das stimmt natürlich. Aber:
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Das Klimagespräch: Prima Klima?
Erfolgstipp Das Klimagespräch ist relativ unvorhersehbar. Das beste Rezept gegen diese Unsicherheit ist Offenheit: Seien Sie ganz bewusst offen für alles, was da kommen mag. Machen Sie sich innerlich auf alles gefasst. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Wir geben Ihnen die Garantie: Es wird nichts kommen, wo mit Sie nicht fertig werden könnten. Es wird auch nicht passieren, dass Sie auf dem Schlauch stehen: „Hilfe! Ich wusste gar nicht, dass die Mitarbeiter dieses Problem haben! Dazu fällt mir gar nichts ein!“ Denn es muss Ihnen nichts einfallen. Es ist im Gegenteil gar nicht gut, wenn Ihnen etwas einfällt. Das kommt beim Mitarbeiter meist an wie: „Wir haben ein echtes Problem und der Chef pfropft da einfach so eine 08/15-Patentlösung drauf! Der nimmt uns wohl nicht ernst!“ Sie können gar nicht in eine ausweglose Situation geraten, solange Sie sich an unseren Fahrplan halten: ▪▪ In Phase 2 bohren Sie nach den Ursachen der Stimmungslage. Wenn Sie die Ursachen kennen, wird das Problem handhabbar. ▪▪ In Phase 3 sortieren Sie zusammen mit dem Mitarbeiter das Problem so lange, bis Sie völlig klar sehen. ▪▪ In Phase 4 müssen Sie keinen genialen Geistesblitz haben, sondern können einfach den Mitarbeiter fragen, was aus seiner Sicht nötig wäre, um die Stimmung zu bessern. Schließlich weiß er das am besten, weil er am dichtesten auf der schlechten Stimmung draufsitzt.
Sie sind Stimmungsmacher, kein Clown
Es kann Ihnen also gar nicht passieren, dass Sie sich hilflos im Klimagespräch verirren. Sobald Sie das Problem gemeinsam mit dem Mitarbeiter abklären, wissen Sie auch, was Sache ist. Je weiter Sie das Klimagespräch vorantreiben, desto klarer wird Ihnen alles werden.
Sie sind Stimmungsmacher, kein Clown „Was geht mich die Stimmung in der Belegschaft an?“, „Ich bin Abteilungsleiter, kein Stimmungsmacher!“ Das hören wir oft. Diese Ansicht ist menschlich und verständlich. Sie weist nur leider einen entscheidenden Denkfehler auf: Sie geht meist unbewusst davon aus, dass die Stimmung in der Mannschaft keinen oder nur einen vernachlässigbaren Einfluss auf die Leistung der Mitarbeiter hat. Sie tut so, als ob das Klima kein Leistungsfaktor wäre. Die Forschung zeigt das Gegenteil: ▪▪ Es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen Klima und Leistung. ▪▪ Routinetätigkeiten lassen sich auch bei miesem Klima bewältigen – obwohl schon hier die Fehler- und Ausschussquote bei schlechter Stimmung signifikant höher liegt als in Abteilungen mit gutem Klima. ▪▪ Spitzenleistungen jedoch sind in einem schlechten Klima von vornherein unmöglich oder nur ganz kurzfristig zu halten.
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Das Klimagespräch: Prima Klima?
Jeder Geschäftsführer kennt den Zusammenhang zwischen Klima und Abteilungsleistung. Vorstandsmitglieder sagen uns regelmäßig: „In Abteilungen und Projektgruppen, die von der Aufgabenstellung her vergleichbar sind, können Sie sicher sein, dass die bessere Leistung von dem Team kommt, in dem die bessere Stimmung herrscht.“ Könnte es nicht auch umgekehrt sein? Macht nicht die bessere Leistung bessere Stimmung? Auch. Jedoch:
Erfolgstipp Der ursächliche Zusammenhang ist gerade umgekehrt: Je besser das Klima, desto besser die Leistung. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Damit keine Missverständnisse entstehen: Gutes Klima allein macht noch keine Spitzenleistung. Doch nachhaltige Spitzenleistung ist ohne gutes Klima nicht machbar. Gedeihliches Klima ist eine sogenannte Conditio sine qua non. Gerade Vorstandsmitglieder können die ihnen unterstellten Führungskräfte in diesem Punkt sehr gut miteinander vergleichen. Sie sehen von oben herab genau, wer von ihren Führungskräften für gute Stimmung sorgen kann und wer das nicht schafft. Wohlgemerkt: Sie sind kein Pausenclown. Doch für gute Stimmung sollten Sie schon sorgen!
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17 Das Fördergespräch: Wohin soll die Reise gehen? Das Fördergespräch auf einen Blick Keine Bange: Der Mitarbeiter will nicht Ihren Job! Gesprächsphase
Vorgang
Phase 1: „Reden wir über Ihre Entwicklung.“
Erklären
Phase 2: „Wovon hätten Sie gern mehr?“
Fragen und zuhören
Phase 3: „So sehe ich Ihre Möglichkeiten.“
Feedback geben
Phase 4: „Entwerfen Sie Entwicklungspfade!“
Verhandeln
Was motiviert Mitarbeiter? Das fragt sich jeder Vorgesetzte. Die häufigste Antwort: „Na türlich das Geld!“ Die Antwort ist falsch. Geld ist nur dann der wichtigste Motivator der meisten Mitarbeiter, wenn alle anderen Motivatoren unzureichend angeboten werden. Erfolgstipp Entwicklungsmöglichkeiten sind noch vor dem Gehalt einer der wichtigsten Motivatoren für Mitarbeiter. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
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Das Fördergespräch: Wohin soll die Reise gehen?
Menschen entwickeln sich – ob Sie das wollen oder nicht. Deshalb ist es sinnvoll, einmal im Jahr ein Entwicklungsgespräch mit ihnen zu führen. Natürlich nicht unbedingt mit allen Mitarbeitern! Sie kennen Ihre Mitarbeiter doch: Viele Mitarbeiter sind mit Gott und der Welt und ihrem Job zufrieden. Andere dagegen wollen sich weiterentwickeln, wollen mehr, wollen neue Aufgaben, neue Möglichkeiten und Perspektiven. Brauchen neue Herausforderungen, um sich wohl zu fühlen. Meist sind das die High Potentials. Wenn Sie diese nicht fördern, werden sie unzufrieden und entwickeln womöglich Abwanderungsgedanken.
Phase 1: „Reden wir über Ihre Entwicklung“ Erklären Sie dem Mitarbeiter Sinn und Zweck des Gesprächs, um ihm etwaige Befürchtungen zu nehmen: „Ich möchte mit Ihnen über Ihre Perspektiven bei uns reden. Es geht mir dabei nicht um Kritik oder ein Wühlen in der Vergangenheit. Mich interessiert vielmehr, wo Sie in Zukunft hinmöchten, damit wir unsere Vorstellungen ab gleichen können.“
So lösen Sie die Zukunftsblockade
Phase 2: „Wovon hätten Sie gern mehr?“ Erfolgstipp Machen Sie ein Feld für Fantasien auf! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Klären Sie erst einmal die grundlegenden Fragen: ▪▪ Was läuft gerade richtig gut bei der Arbeit? ▪▪ Woran haben Sie Spaß? ▪▪ Wo hängt Ihr Herz dran? ▪▪ Wovon hätten Sie gern mehr bei der Arbeit? ▪▪ Was würden Sie gerne intensivieren? ▪▪ Wo möchten Sie sich weiterqualifizieren? ▪▪ Was würden Sie gerne abgeben? ▪▪ Welche Aufgaben schieben Sie vor sich her?
So lösen Sie die Zukunftsblockade Oft ist zu lesen und zu hören, dass man den Mitarbeiter danach fragen soll, wo er sich in fünf Jahren sieht. Wie unsere Praxis zeigt, ist das kein guter Tipp. Denn wer weiß in unserer schnell drehenden Zeit schon, wo er in fünf Jahren sein wird? Außerdem tun sich Menschen generell schwer, in die Zukunft zu denken. Schließlich kennt keiner die Zukunft.
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Das Fördergespräch: Wohin soll die Reise gehen?
Erfolgstipp Umgehen Sie die Zukunftsblockade, indem Sie die Zukunft in die Vergangenheit verlegen. Denn rückwärts denken Menschen besser als vorwärts. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Der Kniff: „Stellen Sie sich vor, wir sitzen in einem oder zwei (nicht in fünf!) Jahr wieder beisammen und Sie fühlen sich inzwischen rundum wohl bei der Arbeit. Was erzählen Sie mir dann über Ihre Arbeit?“ Zugegeben, diese Frage klingt ein wenig abgehoben. Doch die Erfahrung zeigt, dass Sie mit dieser Frage oft ganz an dere, viel konkretere Aussagen bekommen als mit den oben aufgezählten, eher direkten Fragen. Aussagen, die die Antworten auf obige Fragen entscheidend bereichern. Aussagen, die zeigen, wohin es den Mitarbeiter eigentlich zieht – und oft überrascht diese Richtung den Mitarbeiter selbst am stärksten.
Erfolgstipp Bevor Sie Maßnahmen zur Entwicklung diskutieren, sollte Ihnen und vor allem Ihrem Mitarbeiter erst einmal völlig klar sein, wohin er sich überhaupt entwickeln möchte! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Phase 3: „So sehe ich Ihre Möglichkeiten“
Phase 3: „So sehe ich Ihre Möglichkeiten“ Nachdem Sie zusammen mit dem Mitarbeiter abgeklärt haben, wohin es ihn zieht, steuern Sie nun Ihre Sicht der Dinge bei: „Ich sehe Sie … und bei … besonders stark. Bei … und bei … haben Sie noch Potenzial, das Sie meiner Ansicht nach noch nicht voll abrufen. Hier sehe ich Sie nicht so stark.“ Nicht nur (gute) Mitarbeiter entwickeln sich ständig, sondern auch jedes Unternehmen. Deshalb werden Sie das Fördergespräch selten im luftleeren Raum führen. Vielmehr werden Sie ganz konkrete Entwicklungsfelder vor Augen haben, auf die Sie den Mitarbeiter vorbereiten möchten. Das können neue Aufgaben, Projekte, Produkte, Geschäftszweige, Zielgruppen, Technologien … sein. Entwerfen Sie dazu ein realistisches Bild: „Das würde für Ihre Arbeit Folgendes bedeuten: …“
Erfolgstipp Es ist ratsam, zwischen Phase 3 und 4 dem Mitarbeiter einige Tage Zeit zu geben, um das Ganze in Ruhe zu überdenken. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Schließlich geht es nicht um eine Ad-hoc-Entscheidung, sondern um die nähere Zukunft Ihres Mitarbeiters.
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Phase 4: Entwicklungspfade entwerfen Es ist nicht ratsam, den Mitarbeiter zum Beispiel mit Weiterbildungsmaßnahmen zwangsweise zu beglücken. Personalentwicklung ohne Commitment des zu Entwickelnden ist reine Illusion. Der Mitarbeiter ist offener für Entwicklungspfade, wenn Sie diese nichtdirektiv per Vorschlag un terbreiten und mit ihm zusammen diskutieren, entwerfen und vereinbaren. Klären Sie ab: Welche konkreten Entwicklungsmaßnahmen werden eingeleitet? Das müssen nicht immer Trainings oder Seminare sein. Wie wäre es zum Beispiel mal mit Coaching, Job Enrichment, Job Enlargement, Job Rotation? Mitarbeiter lernen über die alltäglichen Herausforderungen oft mehr, als in einem Training.
Erfolgstipp Schauen Sie in die PE-Literatur oder sprechen Sie mit Ihrem Personalentwickler: Es gibt mehr Entwicklungsmöglichkeiten, als Sie ahnen! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Keine Angst vor dem Kronprinzen-Effekt!
Keine Angst vor dem Kronprinzen-Effekt! Viele Vorgesetzte haben Bammel vor dem Fördergespräch. Sie glauben, Personalentwicklung bedeute, dass der Mitarbeiter Chef werden, also Führungsverantwortung übernehmen möchte. Doch Entwicklung heißt nicht, dass Ihr Mitarbeiter Ihren Job will! Ganz im Gegenteil. Die meisten Mitarbeiter sind heilfroh, nicht führen zu müssen. Führungsverantwortung wird meist als Bürde betrachtet. Sehr viele Führungskräfte erleben Mitte, Ende 40 eine echte Krise: Sie übernahmen Führungsverantwortung, ohne genau zu wissen, was da auf sie zukommt, haben sich seither in der Führung arg verschlissen und wollen oft nur noch eines: „Endlich mal wieder richtig arbeiten!“ Wobei „richtig“ eben nicht Führung, sondern fachliche Arbeit bedeutet. Entwicklung heißt eben nicht immer Entwicklung zur Führungsverantwortung. Entwicklung kann auch heißen, ▪▪ einem Mitarbeiter Verantwortung für ein namhaftes Projekt zu geben, ▪▪ ihn in einem bestimmten Arbeitskreis mitarbeiten zu lassen, ▪▪ seine fachlichen Fähigkeiten in die Breite oder in die Tiefe weiterentwickeln zu lassen, ▪▪ seine fachliche Verantwortung zu verbreitern oder zu vertiefen oder eine neue fachliche Verantwortung hinzuzunehmen,
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▪▪ ihm Budgetverantwortung für einen bestimmten Be reich zu geben, ▪▪ ihn mit Planungskompetenzen auszustatten, ▪▪ ihn zum Ansprechpartner und Spezialisten für abgegrenzte Fachbereiche wie Knowledge oder Risk Management zu machen (das entlastet dann auch Sie). Wer bei Entwicklung nur an Entwicklung in der Hierarchie denkt, denkt zu kurz. Vor allem aus Sicht des Mitarbeiters: Dieser möchte oft nur, dass seine Arbeit spannender wird und neue Herausforderungen bietet. Und das erreichen Sie für ihn und für Sie weitaus besser (und billiger) nicht mit einer Beförderung, sondern mit einer Entwicklung eben in Richtung auf neue Herausforderungen.
Der Krisenfall: Es passt nicht! Das kann auch passieren: Der Mitarbeiter möchte sich in eine andere Richtung entwickeln, als Sie das eigentlich für ihn vorhaben! Erfolgstipp Es ist besser, Sie finden diese Divergenz im Gespräch heraus, als dass die Unzufriedenheit des Mitarbeiters im Stillen gärt oder er einfach irgendwann kündigt. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Wer sind Ihre Leistungsträger?
Was tun Sie, wenn er in eine Richtung möchte, die Sie nicht bieten können? Bieten Sie ihm – nach etwas Bedenkzeit – wohldurchdachte Alternativen an: „Das kann ich Ihnen leider nicht bieten. Aber wie wäre es mit … oder mit …?“ Menschen sind erstaunlich flexibel, wenn es um ihre Entwicklung geht. Ein Mitarbeiter zum Beispiel, der neue Herausforderungen sucht, legt meist nicht den größten Wert darauf, welche Herausforderung das ist – Hauptsache, die neue Aufgabe ist eben herausfordernd. Wenn seine und Ihre Entwicklungsperspektive jedoch auch nach Vorschlag und Diskussion von Alternativen partout nicht zusammenpassen, empfehlen Fairness und gesunder Menschenverstand, dass Sie dem Mitarbeiter vorschlagen, sich in einem anderen Unternehmen weiterzuentwickeln. Das ist zwar schmerzhaft, vor allem dann, wenn der Mitarbeiter ein Leistungsträger ist. Doch es ist besser, Sie können seinen Abgang planen und steuern, als dass er Sie damit überrascht.
Wer sind Ihre Leistungsträger? Noch einmal: Sie müssen das Förder- oder Entwicklungsgespräch nicht mit jedem Mitarbeiter führen. Aber mit Ihren Leistungsträgern auf jeden Fall – und jenen, die es werden sollen oder wollen. Denn erstens möchten Sie Ihre besten Pferde im Stall behalten. Zweitens denken Sie ans Personalmarketing: Je besser Sie Ihre High Potentials fördern, desto
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Das Fördergespräch: Wohin soll die Reise gehen?
eher kriegen Sie welche, weil sich das herumspricht. Drittens möchten Sie das Potenzial Ihrer High Potentials voll ausschöpfen – und das gelingt nur mit entsprechendem Fordern & Fördern.
Erfolgstipp Benennen Sie die Mitarbeiter, denen Sie noch deutlich mehr zutrauen, ganz konkret. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Stellen Sie Ihre Liste auf! Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Folgende Fragen können Ihnen dabei helfen: ▪▪ Wer fällt immer wieder durch gute Ideen und Initiativen auf? ▪▪ Wer löst auch schwierige Fälle gut und zuverlässig? ▪▪ Wer kommt mit unerwarteten, originellen Ideen und Problemlösungen? ▪▪ Wer hat ein nachhaltig höheres Leistungsniveau als andere? Das sind Ihre Potenzialträger. Wenn Sie es genauer wissen wollen, bieten Sie Ihren Mitarbeitern ein Assessment-Center an.
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18 Das Teamgespräch: Ein Miniprojekt Das Teamgespräch auf einen Blick ▪▪ Phase 1: Zuerst ankommen lassen! Dann erst loslegen! ▪▪ Phase 2: TOP gemeinsam statt einsam planen! ▪▪ Phase 3: Gemeinsames Arbeiten oder Miniteams ▪▪ Phase 4: Dafür sorgen, dass es weitergeht.
Teamsitzungen: Ein Graus! Für die meisten von uns sind Teamsitzungen lästige Pflichttermine. Man geht widerwillig rein. Auch deshalb, weil man regelmäßig mit mehr Arbeit rausgeht, als man reinging. Und weil Teamsitzungen der Gipfel der Ineffizienz sind, wie der alte Klospruch schon sagt: Viele gehen rein, wenig kommt raus. Wir haben mal einige der häufigsten Klagen über Teamsitzungen zusammengetragen: ▪▪ „Da wird immer nur auf den Mängeln herumgeritten.“ Für Motivation sorgt keiner. Im Gegenteil: „Danach gehen wir alle total demotiviert wieder raus an unsere Arbeit. Und immer dann, wenn wir uns erholt haben und wieder halbwegs motiviert sind, ist die nächste Sitzung fällig!“ ▪▪ Es wird nicht für den zwischenmenschlichen Ausgleich gesorgt. „Manche im Team reden nur noch das Nötigste miteinander. Ich dachte immer, so etwas müsste man doch in einer Teamsitzung klären!“
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Das Teamgespräch: Ein Miniprojekt
▪▪ „Es wird immer nur auf den offensichtlichen Symptomen herumgehackt. Die latenten Ursachen spricht keiner an!“ ▪▪ „Es werden keine einvernehmlichen Entscheidungen getroffen!“ Sind Teamsitzungen dafür nicht extra ge schaffen worden? Vielleicht war das mal die Absicht. Doch in der Praxis entscheidet entweder das Alphatier oder eine kleine Fraktion Meinungsführer, der sich alle dann unterwerfen müssen. Sie könnten locker noch zehn andere Missstände von Teamsitzungen aufzählen? Ja, das ist ein großes, leidiges Thema. Eines, das einen eigenen Ratgeber verdient. (Er ist in Planung.) Einstweilen verpassen wir Ihren Teamsitzungen in aller Kürze die nötige erste Hilfe.
Erste Hilfe für Teamsitzungen Obwohl die Ineffizienz von Teambesprechungen sprichwörtlich ist, benötigt eine erste entscheidende Verbesserung nur vier Schritte. Sie sind in der Einleitung zu diesem Kapitel aufgeführt.
Phase 1: Erst ankommen, dann loslegen! Schon ganz zu Beginn machen viele den ersten entscheidenden Fehler: Tagesordnung an die Wand werfen, Blick in die Runde – und los gehts mit TOP 1! Das kennen Sie auch?
Phase 1: Erst ankommen, dann loslegen!
Regt es Sie als Leitenden nicht auf, dass die Leute in den ersten zehn Minuten nur mit halbem Ohr zuhören und nicht voll bei der Sache sind? Regt es Sie als Teilnehmer nicht auch auf, dass Sie vom fahrenden Zug überfahren werden und noch tausend andere Dinge im Kopf haben, während der Sitzungsleiter schon mittendrin ist – ohne auf Sie gewartet zu haben?
Erfolgstipp Lassen Sie die Teilnehmer erst einmal in Ruhe ankommen, ab- und umschalten. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Anderenfalls kommt in den ersten Meetingminuten nicht viel heraus. Oft zieht sich diese geistige Abwesenheit durch die ganze erste Hälfte einer Teambesprechung. Deshalb: Überlassen Sie das Abschalten nicht dem Zufall. Planen Sie explizit ungefähr fünf Minuten für die üblichen Begrüßungsrituale ein, für das „Hallo, wie gehts?“, für den allfälligen Small Talk. Doch das allein reicht noch nicht, wie Sie selbst vielleicht schon festgestellt haben: Man kriegt die tausend Dinge der operativen Hektik einfach nicht aus dem Kopf. Nicht so schnell und vor allem nicht von allein. Helfen Sie nach mit einer Blitzlichtrunde. Sie macht den Kopf wieder klar.
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Das Teamgespräch: Ein Miniprojekt
Start mit Blitzlicht Die Blitzlichtrunde heißt so, weil sie blitzschnell vorüber ist. Jeder Teilnehmer lässt nur kurz aufblitzen, was ihn ge rade beschäftigt. Fragen Sie: „Nur ganz kurz, damit wir besser umschalten und uns auf unsere Inhalte konzentrieren können: Jeder sagt in ein, zwei Sätzen, was ihn gerade geistig beschäftigt.“ Wenn Ihre Mitstreiter noch nie eine Blitzlichtrunde mitge macht haben, benötigt das am Anfang natürlich etwas Zeit und Erklärung. Zu Beginn klappt es auch nicht immer mit allen. Manche KollegInnen reflektieren und artikulieren nicht genug, um von Anfang an mitzumachen. Doch so ist es mit allem Neuen: Geben Sie sich und Ihren Leuten etwas Zeit und einige Versuche. Dann klappt es auch mit der Blitzlichtrunde. Wer das drei-, viermal ausprobiert hat, kann es bestätigen. Seminarteilnehmer sagen oft: „Ich hätte nie gedacht, dass ich so schnell den ganzen Ärger von außerhalb vergessen kann. Das hat mir schon den ganzen Tag im Kopf herumgespukt.“ Das ist die Kraft der Gruppe: Man spricht eine Sache kurz an, findet Verständnis und Zustimmung – und kann das Ganze erst mal ad acta legen. Natürlich existiert die Versuchung, sich dabei haltlos zu verquatschen. Vor allem dann, wenn das Kommunikations klima im Unternehmen üblicherweise sehr verschlossen und restriktiv ist und sich jeder freut, dass er sich wenigs-
Phase 2: Um was geht es?
tens in diesem Team noch wie ein Mensch fühlen und verhalten darf. Doch dieser Versuchung können Sie mit vereinten Kräften widerstehen. Vor allem dann, wenn Sie mal erfahren haben, dass es für die erleichternde Wirkung des Loslassens nicht darauf ankommt, wie lange Sie über die einzelnen Punkte reden. Auch schon ein kurzes Ansprechen entfaltet die volle befreiende Wirkung.
Phase 2: Um was geht es? Wie startet ein Teammeeting üblicherweise? Nun, der Teamleiter legt seine Punkte als Erstes auf den Tisch und arbeitet sie ab – und der Rest der Teilnehmer kann seine Punkte danach einbringen. Wenn dann noch Zeit übrig ist. Und da wundern wir uns, warum Teamgespräche so ineffizient und für alle Beteiligten quälend sind? Erfolgstipp Wenn Sie wollen, dass alle engagiert und produktiv mit arbeiten, sollten Sie auch alle einbeziehen. Und das von Anfang an. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
„Was ist heute zu besprechen?“ Sagen Sie das selbst dann, wenn die TOP bereits Tage vorher schriftlich verteilt wurden. Es geht nicht darum, die Tagesordnung durchzukauen. Es geht darum, alle von Anfang an aufzuwecken und einzubeziehen, anstatt sie von Anfang an einzuschläfern.
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Das Teamgespräch: Ein Miniprojekt
Erfolgstipp Nur wer von Anfang an aktiv etwas beitragen darf, beteiligt sich auch aktiv an einer Besprechung. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Beginnen Sie mit dem Einbeziehen aller Teilnehmer bei den Zielen.
Beginnen Sie mit den Zielen „Meine Güte, was reden die denn da wieder? Darauf kommt es doch gar nicht an!“ Das denken viele Meetingteilnehmer. Die wenigsten kommen auf das naheliegendste: Wenn Teilnehmer sich nicht ans Thema halten, liegt es meist daran, dass keines vereinbart wurde. Gemeint ist damit nicht der TOP – der wurde ja vereinbart. Gemeint ist das Ziel des Meetings. Fragen Sie: „Welche Kernziele hat unsere heutige Sitzung? Was wollen wir erreichen?“ Erst wenn diese Ziele klar sind, können Sie und die Teilnehmer sich zielorientiert verhalten. Das ineffiziente Rumgerede entfällt zum einen von vornherein. Zum anderen können Sie das Meeting sehr viel schneller und leichter wieder auf Kurs bringen, wenn Sie vorher gemeinsam vereinbart haben, was dieser Kurs (das Ziel) überhaupt ist.
Mit System: Werten Sie die TOP
Sammeln Sie die Tagesordnungspunkte (TOP) Sammeln Sie nun die TOP aller Teilnehmer ein. Geben Sie Ihre als letzte dazu – ein Zeichen von Souveränität. Nur der wirklich Souveräne kann sich den Luxus leisten, sich selbst hintanzustellen.
Erfolgstipp Schaffen Sie den TOP „Sonstiges“ ab. Er macht Sitzungen unplanbar. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Wer etwas zu „Sonstiges“ hat, soll sein Thema beim Namen nennen, damit es in die Tagesordnung als eigenständiger TOP eingeplant werden kann. Am Ende dieser Sammelphase haben Sie jede Menge TOP gesammelt. Zu viele? Die schaffen Sie alle gar nicht in der verfügbaren Zeit? Richtig. Amateure versuchen nun, es irgendwie trotzdem zu schaffen. Der Volksmund sagt Schweinsgalopp dazu. Dabei kommt nicht viel heraus. Der Gesprächsprofi wertet lieber die TOP und priorisiert sie.
Mit System: Werten Sie die TOP Es gibt viele Verfahren der Bewertung. Einer unserer Favoriten ist das Punktekleben, weil das Verfahren so einfach und so attraktiv ist: Die gesammelten TOP stehen in will-
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Das Teamgespräch: Ein Miniprojekt
kürlicher Reihenfolge auf dem Flipchart. Jeder Teilnehmer erhält Klebepunkte, die er nun neben jene Themen auf das Chart klebt, die er für die wichtigsten hält. In welcher Anzahl Sie Klebepunkte verteilen und ob diese vom einzelnen Teilnehmer kumuliert werden können, dürfen Sie selber entscheiden. Darüber könnte man stundenlang diskutieren – was nicht viel bringt. Als Anhaltspunkt kann gelten, dass ein TOP einen halben Punkt beträgt (8 TOP = 4 Punkte). Am Ende ist das Ergebnis immer dasselbe, weil das Verfahren die Präferenzen der Teilnehmer sehr schön offenbart und verdichtet. Manchmal kommt der Einwand: „Ich soll über die TOP abstimmen lassen? Wir sind hier im Business und nicht in einer Basisdemokratie!“ Das ist nicht die Frage. Die Frage ist: Wollen Sie den üblichen Sitzungsschlaf provozieren oder wache Teilnehmer? Wenn Sie letzteres wollen, kommen Sie nicht darum herum, die Leute von Anfang an einzubeziehen – das heißt schon beim Aufstellen der Tagesordnung. Erfolgstipp Wer involviert wird, arbeitet besser mit. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Am Ende dieses Abstimmungsprozesses haben Sie eine klare Rangfolge der Themen: Die wichtigsten haben die meisten Punkte. In dieser Reihenfolge arbeiten Sie die Themen ab. Reicht dafür die Zeit? Das klären Sie jetzt ab.
Jeder TOP braucht ein Ziel
Den Faktor Zeit planen Was ist die häufigste Klage über Teamsitzungen? Dass sie zu wenig bringen und zu lange dauern. Warum dauern sie zu lange? Weil – das klingt paradox – die Dauer bei kaum einer Sitzung geplant wird. Natürlich sagt man: „Wir haben zwei Stunden, also lasst uns loslegen!“ Aber das ist keine Planung! Erfolgstipp Zu jedem TOP gehört eine Zeitangabe. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Geben Sie diese Zeitangaben nicht vor – sonst hält sich wieder keiner dran. Vereinbaren Sie die Zeiten für die TOP gemeinsam mit Ihren Teilnehmern. Natürlich wird dann trotzdem beim einen oder anderen TOP überzogen. Doch die Überziehung ist dabei weitaus geringer, als wenn Sie den TOP keine Zeitangaben geben.
Jeder TOP braucht ein Ziel Damit zu jedem TOP nicht endlos im Kreis herumgeredet wird, braucht jeder TOP ein klares Ziel, das angestrebt werden soll. Oder wie Kurt Biedenkopf schon sagte: „Wenn Sie an die Vernunft der Leute appellieren müssen, haben Sie die Sache falsch organisiert.“
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Das Teamgespräch: Ein Miniprojekt
Will heißen: Wenn Sie an Ihre Teilnehmer appellieren müssen, doch endlich zum Punkt zu kommen, sollten Sie diesen Punkt von vornherein mit ihnen vereinbaren. Was ist überhaupt der Punkt? Was ist das Ziel dieses TOP? Ohne Ziel wird die Besprechung eines TOP sehr schnell ziellos.
Das Meeting als Miniprojekt Bis hierher haben Sie schon eine Menge Arbeit geleistet – noch bevor das Meeting eigentlich losgeht. Sie haben die Leute ankommen lassen und gemeinsam die Tagesordnung geplant. Was sich auf den ersten Blick nach viel Arbeit anhört, ist mit etwas Übung in einer Viertelstunde erledigt. Das kostet zwar eine Viertelstunde, halbiert dann aber die übliche Sitzungszeit bei gleichem, wenn nicht besserem Ergebnis. Aus dieser Perspektive betrachtet, ist so ein Teamgespräch ein richtiges kleines Projekt, das geplant und organisiert sein will. Erfolgstipp Was im Kleinen nicht klappt, klappt selten im Großen. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Topmanager sind mit ihrem Urteil in diesem Punkt oft gnadenlos. Viele sagen uns: „Sie brauchen bei diesem … (Team, Abteilung, Arbeitsgruppe) nur mal in eine Sitzung zu gehen. Die kriegen nicht mal ihre Meetings effizient organisiert.
Phase 3: Arbeitsphase
Völlig klar, dass es dann auch nicht mit der eigentlichen Arbeit klappt.“ Das ist hart, aber leider wahr. Deshalb lohnt es sich immens, die Meetingeffizienz zu steigern.
Erfolgstipp Seien Sie nicht zu ungeduldig. Geben Sie sich und Ihrem Team Zeit. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Erwarten Sie nicht, dass bei der nächsten Sitzung alles klappt, bloß weil Sie jetzt wissen, worauf es ankommt. Es ist wie mit allem, was man lernt: Das braucht Zeit. Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die kleinen Fortschritte. Das ist klüger, lohnender, effektiver und motivierender.
Phase 3: Arbeitsphase Nach dieser hervorragenden Vorbereitung können Sie gemeinsam mit dem Team die aufgestellten Tagesordnungspunkte innerhalb der Ziel- und Zeitvorgaben abarbeiten.
Erfolgstipp Sie können ein Meeting nur dann gut steuern (moderieren), wenn Sie Ziel- und Zeitvorgaben haben. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
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Das Teamgespräch: Ein Miniprojekt
Ohne diese Steuergrößen sind Sie ruderlos unterwegs – und erleben jede Menge Frust. Eben den Frust, den viele von uns schon gewöhnt sind. Sie können die einzelnen TOP auf verschiedene Weise be arbeiten: ▪▪ seriell: einer nach dem anderen, ▪▪ parallel: in Arbeitsgruppen (Miniteams). Da in Meetings selten alle Teilnehmer zu allen TOP etwas zu sagen haben, ist die Aufteilung in Kleingruppen ohnehin sinnvoll. Sie ist, wie die Erfahrung zeigt, darüber hinaus auch hoch effizient: Es kommt weit mehr dabei heraus, als wenn alle um einen großen Tisch herum sitzen und jeder seinen Senf zu jedem TOP hinzugibt. Natürlich ist das Arbeiten in Miniteams zu zwei bis vier Mitgliedern (leider noch) für viele Menschen ungewohnt. Wie alles Neue benötigt es ein wenig Anlaufzeit. Doch weil es neu und ungewohnt ist, kommt das Arbeiten in Miniteams oft hervorragend an. Es ist mit ein Grund, warum Teilnehmer danach sagen: „Das war aber mal eine tolle Sitzung!“ Eben motivierend, statt frustrierend. Neu, statt sattsam bekannt. Da ist man doch gespannt, wie das nun weitergeht, und freut sich schon auf die nächste Sitzung. Wann haben Sie sich das letzte Mal auf die nächste Teambesprechung gefreut?
Phase 4: Dafür sorgen, dass es weitergeht
Phase 4: Dafür sorgen, dass es weitergeht „Viele gehen hinein, wenig kommt heraus!“ Wieso stimmt dieser Spruch? Weil die meisten Meetings ausgehen wie das Hornberger Schießen: Man bespricht stundenlang er hitzt die Themen, ist danach erledigt und vertagt sich aufs nächste Mal. Es ist klar, dass bei diesem Vorgehen nichts Entscheidendes passiert, weil auch nichts vereinbart wurde.
Erfolgstipp Besprechungen allein bewegen nichts. Vereinbarungen bewegen. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Für viele Teams ist deshalb eine W-Vereinbarung am Ende jedes TOP schon revolutionär: Wer macht was bis wann mit welchem Ziel? Leider ist die W-Vereinbarung schon ein wenig überholt. Denn wie die Erfahrung zeigt, reagieren vor allem gut ausgelastete Teammitglieder bei der W-Vereinbarung oft stark gereizt: „Ich hab doch schon genug zu tun! Und jetzt muss ich noch was Neues machen!“ Viele glauben, dass diese Frustration von der zusätzlichen Arbeitsbelastung herrührt. Wir haben dagegen die Erfahrung gemacht, dass es stark an der Formulierung liegt: „Wer macht was bis wann?“ hört sich einfach nur nach zusätzlicher leidiger Arbeit an, nach Hausaufgaben, nach Zusatzbelastung.
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Das Teamgespräch: Ein Miniprojekt
„Wer sorgt wie dafür, dass es mit diesem TOP vorangeht?“ Das hört sich eher nach Verdienst als nach Zusatzaufgabe an. Das motiviert. Denn jeder möchte als jemand bekannt sein, der die Dinge voranbringt. Wie bei allem macht auch in der Teambesprechung der Ton die Musik.
Eine Frage der Einstellung Teambesprechungen sind üblicherweise ineffizient und frustrierend. Die wenigsten wissen, dass dies letztlich an der Einstellung (des Leitenden) liegt. Wer Sitzungen nur als lästiges Übel betrachtet, die man so schnell wie möglich hinter sich bringen muss, schafft mit dieser Einstellung genau das Übel, das ihm auf den Geist geht. Natürlich ist diese destruktive Einstellung meist unbewusst und ungewollt. Sie überkommt einen einfach so. Deshalb ist sie auch so gefährlich: Sie sabotiert ganz unbewusst die Teamsitzung. Wer sich diese unbewusste Sabotage bewusst macht, ist ihr schon halb entronnen. Die andere Hälfte ist, die destruktive Einstellung aktiv in eine konstruktive zu verwandeln: Erfolgstipp Wer Teambesprechungen nicht als lästiges Übel, sondern als lohnende Miniprojekte betrachtet und entsprechend vorbereitet, plant, organisiert und steuert, wird nicht nur viel Erfolg, sondern auch viel Freude damit haben. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
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19 Los gehts! Sie sind noch da? Sie haben sich bis zu dieser Seite vorgearbeitet? Das ist ganz hervorragend und eine starke Leistung. Viele haben das vergessen: Auch das Lesen und Sichaneignen von neuen Dingen ist eine Leistung. Eine ganz herausragende obendrein, da es sich um eine Investition in Ihr eigenes Humankapital dreht. Eine Investition in eine stärkere Führungskompetenz, in eine bessere Zukunft. Die technische Seite von Mitarbeitergesprächen ist Ihnen nach dieser Lektüre wohl klar – oder zumindest zum Nachschlagen griffbereit. Trotzdem spüren Sie noch Hemmungen in sich, wenn Sie an die nächsten Gespräche denken? Machen Sie sich keinen Kopf deswegen! Das ist normal. Woran liegt das, wenn es nicht an der Technik liegt? Richtig geraten, an der Einstellung. Die Einstellung ist das, was Ihnen spontan durch den Kopf schwirrt, wenn Sie an das nächste Mitarbeitergespräch denken. Welches steht bei Ihnen als nächstes an? Mit wem? Worüber? Was schießt Ihnen bei diesem Gedanken spontan durch den Kopf? Meist ist es eine Variation des Seufzers: „Mit … muss ich dringend über … reden! Oje! Lustig wird das nicht.“ Na türlich sind das ganz spontane Gedanken, für die niemand etwas kann. Jedoch:
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Los gehts!
Erfolgstipp Es ist die Einstellung, die Mitarbeitergespräche häufig erschwert. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Gehen Sie grundsätzlich mit einer positiven Einstellung in ein Mitarbeitergespräch Einstellungen sind mächtige Erfolgsfaktoren. Sie sind umso mächtiger, je weniger wir uns ihrer bewusst sind. Viele Führungskräfte können Einstellungen überhaupt nicht als solche erkennen. Sie glauben, dass Mitarbeitergespräche tatsächlich lästig sind. Sie erkennen nicht, dass dies keine Tatsache, sondern lediglich eine Einstellung ist. Und sie wissen oft etwas ganz Entscheidendes nicht: Erfolgstipp Einstellungen lassen sich ändern. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Einstellungen ändern sich nicht von alleine. Sie ändern sich erst dann, wenn Sie aktiv nach einer alternativen Einstellung suchen und sich diese zu eigen machen. Wir haben mal einige konstruktive Einstellungen von Führungskräften zum Mitarbeitergespräch gesammelt: ▪▪ „Ich freue mich ganz bewusst auf den Mitarbeiter. Man hat ja sonst nie wirklich Zeit für die Leute. Mit dieser Freude im Hinterkopf wird ein Gespräch nicht belastet, sondern macht sogar Spaß.“
Sie sind noch da?
▪▪ „Ich habe aus der Not eine Tugend gemacht. Früher habe ich mich fürchterlich über die oft abstruse Denkweise einiger meiner Mitarbeiter aufgeregt. Heute frage ich mich: Womit mag er diesmal kommen? Wie tickt er? Was hat ihn denn dazu wieder veranlasst?“ ▪▪ „Ich bin einfach gespannt auf die Punkte, wo wir ähnlich denken und wo wir Unterschiede haben.“ ▪▪ „Man lernt doch immer etwas Neues dazu, wenn man mit der Basis spricht!“ ▪▪ „Ich lerne unheimlich viel bei diesen Gesprächen. Vor allem über mich. Ich wachse persönlich daran.“ ▪▪ „Ich spüre, wie mit jedem Gespräch meine kommunikative Kompetenz und meine Rhetorik stärker werden. So ein Gespräch ist das beste Kommunikationstraining!“ ▪▪ „Ich lerne, auch schwierige Dinge verständlich darzustellen. Argumentativ macht mir inzwischen keiner mehr was vor.“ ▪▪ „Ich kann mich in diesen Gesprächen als Mensch zeigen und den Mitarbeitern kommunizieren, dass ich sie auch als Menschen wahrnehme. Das kommt in der operativen Hektik nämlich zu kurz.“ Welche dieser Einstellungen sind Ihnen fremd? Mit welchen könnten Sie sich anfreunden? Einstellungen sind stets etwas sehr Persönliches. Wie Fingerabdrücke: bei keinen zwei Menschen gleich. Deshalb ist es auch egal, welche Einstellung Sie übernehmen oder sich zurechtlegen. Viel wichtiger ist:
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Erfolgstipp Gehen Sie mit einer positiven Einstellung in das Mitarbeitergespräch! ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
„Mit dem muss ich auch noch ein Hühnchen rupfen!“ Wenn Sie mit solch einem Hintergedanken in ein Gespräch gehen, können Sie gleich mal 50 Prozent vom erwarteten Erfolg abziehen und sich auf jede Menge Frust gefasst machen. Eine negative Einstellung ist eine sogenannte „Selffulfilling Prophecy“ – genauso wie eine positive! Wer unreflektiert erwartet, dass er ein lästiges Gespräch vor sich hat, wird ein lästiges Gespräch erwarten. Wer sich umgekehrt aus welchen subjektiven Gründen auch immer auf ein Gespräch freut, wird viel Freude damit haben. Destruktive Einstellungen provozieren frustrierende Ge spräche. Konstruktive Einstellungen schaffen konstruktive Gespräche. Eine konstruktive Einstellung ist ein häufig übersehener, aber immens wichtiger Faktor für den Gesprächserfolg. Sie können technisch noch so versiert sein und alles wortwörtlich befolgen, was Sie in diesem Buch gelesen haben – das nützt Ihnen relativ wenig, wenn Sie mit einer negativen Einstellung ins Gespräch gehen. Umgekehrt können Sie selbst die dicksten technischen Fehler begehen – wenn Sie eine positive Einstellung gegenüber sich, dem Mitarbei-
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ter und dem Gespräch pflegen, dann bleibt das ohne gravierende negative Folgen. Das Schönste daran: Mit welcher Einstellung Sie in ein Gespräch gehen, haben ganz allein Sie in der Hand. Selbst für das prekärste Konfliktgespräch in der verfahrensten Lage mit dem unsympathischsten Mitarbeiter gibt es eine konstruktive Einstellung. Es geht lediglich darum, sich für eine Minute hinzusetzen und sie sich zurechtzulegen.
Sie werden es fühlen Eine konstruktive Einstellung ist ein Motivator, dessen Wirkung Sie sofort spüren werden. Führungskräfte sagen: „Das ist gleich ein ganz anderes Gefühl, mit einer guten Einstellung in ein Gespräch zu gehen.“ Was für ein Gefühl? Ein Gefühl der Stärke, der Sicherheit, der Souveränität. Viele Vorgesetzte sagen uns: ▪▪ „Ich habe dann das Gefühl, dass nichts schiefgehen kann. Manchmal wundere ich mich selbst über meine Sicherheit.“ ▪▪ „Je konstruktiver meine Einstellung, desto besser meine Argumentation und desto stärker meine Artikulationsfähigkeit.“ ▪▪ „Mit einer guten Einstellung schaffe ich es, auch in brenzligen Situationen kühlen Kopf und guten Mut zu bewahren.“
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▪▪ „Mit einer positiven Einstellung sind Mitarbeitergespräche keine große Sache.“ ▪▪ „Mitarbeiter reagieren auf meine Einstellung. Ist sie schlecht, bockt der Mitarbeiter. Ist sie gut, läuft alles gleich viel besser.“
Denken Sie an Ihre Karriere! Neulich sagte ein Vorstandsmitglied über einen Abteilungsleiter: „Der Mann ist fachlich gut. Aber er kennt Mitarbeiter nur vom Spreadsheet.“ Das hörte sich stark nach „Der bringt es hier nicht weit!“ an. Warum? Selbst viele aufgeklärte Führungskräfte halten Mitarbeitergespräche im Grunde ihres Herzens für lästige, zeitraubende Angelegenheiten. Dass sie sich damit am stärksten selbst schaden, realisieren die wenigsten. Dabei haben Mitarbeitergespräche zwei ganz konkrete und direkte Auswirkungen auf das Vorwärtskommen, auf die Karriere und die Arbeitszufriedenheit jedes Vorgesetzten: ▪▪ Wer regelmäßig und gut Mitarbeitergespräche führt, hat eindeutig die besseren Mitarbeiter, die die bessere Leistung bringen und damit ihre Leistungsziele schneller, besser und einfacher erreichen. Allein das bringt schon die Karriere eines Vorgesetzten voran. ▪▪ Wer regelmäßig und gut Mitarbeitergespräche führt, eignet sich damit bereits in wenigen Monaten eine geradezu überragende Kommunikationskompetenz an.
Denken Sie an Ihre Karriere!
Diese kommunikative Exzellenz wirkt nicht nur isoliert in Mitarbeitergesprächen, sondern in allen Gesprächen; auch mit Vorgesetzten, Kollegen, Kunden, Familienmitgliedern, Behörden, Beziehungspartnern, Kindern … Wer in seinem Beruf vorwärtskommen oder auch nur seine Ruhe bei der Arbeit haben möchte, weiß normalerweise, dass Leistung dafür sehr wichtig ist. Sehr viel wichtiger ist jedoch die Artikulationsfähigkeit. Nicht umsonst heißt es in vielen Unternehmen: „Bei uns bringen es die Schwätzer am weitesten!“ Das ist zwar unfair, aber im Grunde wahr: Kennen Sie drei Nobelpreisträger mit Namen? Nein? Warum nicht? Es steht doch wohl außer Zweifel, dass Nobelpreisträger unvergleichliche Leistung bringen! Stimmt. Und was nützt ihnen das? Außer dem Nobelpreiskomitee in Stockholm kennt sie keiner, weil es um die Artikulationsfähigkeit von Wissenschaftlern eben nicht zum Besten bestellt ist.
Erfolgstipp Leistung ist wichtig. Wichtiger ist Kommunikationskompetenz. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Mitarbeitergespräche sind das perfekte Training für kommunikative Exzellenz. Sie können dabei trainieren, so oft und so intensiv Sie wollen! Sie können ausprobieren, was Sie wollen. Und es kann nichts dabei passieren! Okay, Mitarbeiter sind wichtig. Aber es sind keine Kunden oder
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Vorgesetzten! Wenn Sie Fehler im Mitarbeitergespräch machen, dann ist das zwar immer noch ein Fehler, aber in der Regel ohne Konsequenz. Außer einer: Sie lernen mächtig was dazu! Deshalb: Nutzen Sie diese perfekte Trainingsgelegenheit so oft wie möglich! Denken Sie an jeden Formel-1-Fahrer, jeden Weltmeister, jeden Profifußballer: Die trainieren so oft es irgendwie geht. Practice makes perfect.
Stärken Sie Stärken! Eine der größten Gefahren beim Mitarbeitergespräch ist der Negaholismus, die Tendenz zum Negativen, die Neigung vieler Führungskräfte, nur die Mängel zu kritisieren, allein die Probleme anzusprechen und ausschließlich über Schwachstellen zu reden. Diese Negativneigung ist mit ein Grund, warum Führungskräfte so ungern Mitarbeitergespräche führen. Viele sagen uns: „Ich möchte nicht schon wieder den Zeigefinger heben! Ich möchte den Mitarbeiter nicht schon wieder kritisieren müssen!“ Nehmen Sie diese Bedenken durchaus ernst. Natürlich müssen Missstände angesprochen werden. Doch wenn das Negative ein Gespräch dominiert, dann zieht das beide Beteiligten runter – auch wenn die Kritik noch so berechtigt ist.
Stärken Sie Stärken!
▪▪ Achten Sie deshalb bewusst auf die unschöne Wirkung überzogener negativer Kommunikation. ▪▪ Fegen Sie das Negative nicht unter den Teppich. Aber konzentrieren Sie sich auf das Positive. ▪▪ Anstatt nur auf Schwächen herumzureiten: Stärken Sie die Stärken! Dann spielen die Schwächen keine Rolle mehr. ▪▪ Starren Sie nicht auf Probleme wie das Kaninchen auf die Schlange. ▪▪ Sprechen Sie das Problem kurz an. Fokussieren Sie dann jedoch überwiegend auf die Möglichkeiten und Lösungen – die gibt es für jedes Problem. ▪▪ Oder wie ein populärer Merkspruch lautet: „Füttern Sie die Möglichkeiten und lassen Sie die Probleme verhungern!“ ▪▪ Schauen Sie nicht nach hinten (auf Probleme), sondern bringen Sie Ihr Unternehmen voran (mit Lösungen)! Diese lösungs- und stärkenorientierte Vorgehensweise ist keine Technik, sondern eher eine geistige Grundhaltung. Sie zeichnet herausragende Führungskräfte aus. Sie kommt nicht von ungefähr. Der beste Weg, so eine lösungsorientierte Grundhaltung zu erwerben und zu perfektionieren, sind tatsächlich Mitarbeitergespräche. Nehmen wir an, in der Fertigung gibt eine Maschine den Geist auf. Führungskraft A sagt: „Das darf doch nicht wahr sein! Ausgerechnet jetzt! Wie kann das denn passieren? Wer hat hier wieder geschlafen? Hat mal wieder jemand
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den Wartungszyklus verpennt?“ Führungskraft B dagegen sagt: „So ein Pech. Woran lags? Wie können wir das künftig verhindern? Und wie kriegen wir das Ganze schnellstmöglich wieder zum Laufen?“ Welche Führungskraft behebt das Problem wohl schneller? Welche hat mehr drauf? Welche ist souveräner? Welche ist erfolgreicher? Welche ist bei Vorgesetzten und Mitarbeitern beliebter? Welche hat das größere Ansehen im Unternehmen? Welche wird es weiterbringen? Alles rhetorische Fragen, die auf eines hinauslaufen: Wer sich auf Schwächen und Probleme kapriziert, verstärkt Schwächen und Probleme.
Erfolgstipp Das, worauf Sie fokussieren, nimmt zu in Ihrem Führungsbereich. ◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾◾
Wer sich in seinen (Mitarbeiter-)Gesprächen auf Möglichkeiten und Lösungen konzentriert, wird Möglichkeiten und Lösungen ernten. So einfach ist das. Und so wichtig ist es, sich auf Stärken zu konzentrieren, nicht auf Schwächen.
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Nachwort Natürlich sind Mitarbeitergespräche dazu da, Dinge zu regeln und Ziele zu erreichen. Aber wenn Sie mit den Fahrplänen aus diesem Buch einige Gespräche geführt haben, werden Sie bemerken, wie nicht nur das Fachlich-Sachliche davon profitiert, sondern auch das Menschliche. Das ist eine schöne, gewollte Nebenwirkung von professionell geführten Mitarbeitergesprächen: das Fachliche und das Menschliche kommt gleichermaßen voran. Viele Führungskräfte erzählen uns an Follow-up-Tagen von Seminaren: „Die Gespräche laufen nicht nur schneller und es kommt mehr dabei heraus. Auch menschlich komme ich jetzt besser klar mit den Mitarbeitern.“ Letztendlich ist das der höhere Zweck von guter Führung: zwei scheinbar konträre Phänomene zusammenzubringen; Leistung auf der einen und Menschlichkeit auf der anderen Seite. Dafür sind Mitarbeitergespräche die beste Gelegenheit. Inwieweit Sie bereit sind, diese Gelegenheit zu nutzen, macht die Qualität Ihrer Führung aus. Jedes für sich genommen funktioniert nicht: Leistung allein bringt kurzfristig zwar Erfolg, doch ohne Menschlichkeit werden, wie Kennedy sagte, die Früchte des Erfolgs zu Asche auf unseren Lippen. Menschlichkeit allein bringt zwar kurzfristig eine kuschelige Comfort Zone, doch langfristig verhungern wir, wenn keiner mehr den Acker pflügt. Erst beides zusammen ermöglicht nachhaltiges Wirtschaften.
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Nachwort
Das ist das große Verdienst von guter Führung: Das zusammenzubringen, was zusammengehört. Natürlich brauchen Sie auch Ihren gesunden Menschenverstand, viel Fachkompetenz und den Blick für das Machbare und Mögliche. Doch um das Machbare möglich zu machen, brauchen Sie Menschen – und die bringen ohne Menschlichkeit nicht wirklich gute Leistung; auf keinen Fall Spitzenleistung. Unsere modernen Zeiten suggerieren, dass man(ager) un gestraft die Menschlichkeit über Bord werfen darf, weil die Mitarbeiter „heutzutage froh sein müssen, wenn sie überhaupt noch einen Job haben!“, wie uns viele Führungskräfte in diesen Tagen hinter vorgehaltener Hand versichern. Die Verhältnisse in ihren Führungsbereichen strafen diese Ansicht Lügen. Die Menschen, die sie führen, sträuben sich offensichtlich hartnäckigst gegen die Abschaffung des Menschlichen am Arbeitsplatz. Es ist gerade nicht so, dass sie in diesen harten Zeiten darauf verzichten könnten. Im Gegenteil. Je härter die Zeiten, desto schlimmer gehen Mitarbeiter in die innere Emigration und in die Leistungsverweigerung, wenn nur gefordert und nicht gefördert, nur Leistung verlangt und keine menschliche Anerkennung gegeben wird. Die moderne, wirksame, erfolgreiche Führungskraft ist beides: Stratege und Coach, Leistungsförderer und Anwalt der Menschlichkeit im Führungsbereich. Beides zusammen ergibt erst das, was wir gemeinhin Führung nennen. Wobei das kein Zustand ist, sondern ein Weg. In diesem
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Sinne: Ran an den Mitarbeiter! Wenn wir Sie auf diesem interessanten Weg unterstützen können, tun wir das natürlich gerne. So erreichen Sie uns: ubf – gut beraten Nauklerstraße 31 72074 Tübingen Telefon 070 71400900 E-Mail:
[email protected] www.ubf-online.de
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Coach 29
Eindruck 24 Einstellung, negative 197 Einstellung, positive 195 Einstellungsgespräch 78 –, Fragen des Bewerbers 87 –, Fragen zur Person 85 –, Gesprächsanteil des Bewerbers 78 –, Gesprächsstrategie 78 –, Vorgehensweise 80 Einwände, vorgeschobene 144 Einwandsbehandlung 143 Emotionalität 48 Emotionen des Mitarbeiters 69 Entschuldigungs-Parcours 49 Enttäuschung 58 Entwicklungsgespräch 170 Entwicklungspfade 174 Ermunterung 26, 132 Erwartung, eigene 60 Eskalationslinie 15, 18, 20, 45 Eskalationsprinzip 15, 17 Eskalationsskala 15
Dank 77 Delegation, anspruchsvolle 146 Delegationsgespräch 137 –, Auftragsklärung 142 –, Fragen des Mitarbeiters 141 –, Unterschied zu Zielvereinbarung 137 Delegationskontinuum 138 Demotivatoren 22, 23, 26, 27, 28, 29 Disharmonie 55
Feedback 103 Fehlzeitengespräch 118 –, Blamage 126 –, Gesprächseröffnung 121 –, Prüfung Fehlzeitenserie 122 Feilschen 133 Firmendarstellung 87 Fördergespräch 169 –, Divergenz 176 –, eigene Sicht 173 –, Fragen 171
Abmahnung 61, 62 –, rechtliche Seite 63 Abmahnungsgespräch 57 Anklagen 149 Ansage, klare 48, 58, 138, 140 Anweisungen 53 Artikulationsfähigkeit 200 Assessment-Center 178 Ausflüchte 60, 61 Ausklang, positiver 54 Ausreden 49 Aussage 24 Austrittsgespräch 74 –, Fragen 76 Bewerber, Motivation 83 Bewerber, Selbstdarstellung 82 Bewerbervergleich 80 Blaumacher 127 Blitzlichtrunde 182 Bluff 62
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Fragen 53 –, geschlossene 79 –, offene 79, 81 Führungsverantwortung 175 Geduldsende 58 Gehaltsgespräch 91 –, Fehler 95 –, Ursache 92 Gehaltswunsch, berechtigter 91 Gehaltswunsch, unberechtigter 92 Gesprächswahl 17 Halbstrukturiertes Interview 80 Hundeknochen-Gespräche 51, 60, 145 Ich-Botschaften 39, 56 „Ja-aber“-Falle 43 Jahresgespräch 98 –, Einladung 99 –, Vorsätze 107 Jahresrückblick, eigener 104 Klimagespräch 154 –, Fragen 163 –, gegebener Anlass 161 –, Maßnahmen erarbeiten 164 –, offene Ansprache 162 –, ohne Anlass 156 –, Ursachensuche 162 –, Zeitaufwand 155 Kommunikationskompetenz 200 Konfliktgespräch 18, 20, 45 –, Ankündigung 34
Konfliktmuster 46 Konsequenz 61, 62, 63, 64 Kritik, eigener Umgang mit 104 Kritikgespräch 18, 20, 33 Kronprinzen-Effekt 175 Kündigung 63, 64 –, betriebsbedingte 67 –, Kündigungsformulierung 67 –, Mitarbeiterreaktion 68 –, personenbedingte 123 –, Trennungsvollzug 71 –, verhaltensbedingte 69 –, wegen Krankheit 123 Kündigungsgespräch 65 Leistungssteigerung 30, 109, 128, 129 Leistungsträger 177 Lob 43 Menschliches 115, 159 Miniteam 190 Mitarbeiter, blockierender 31 Mitarbeitermeinung 103 Motivation des Mitarbeiters 135, 155, 169 Motivationsblockaden 26 Motivationsgespräch 18, 20, 22 –, Dauer 30 –, Fahrplan 23 –, Merkhilfe 32 –, Vereinbarung 30 Negativneigung 200 Offenheit 165 Ölgemälde-Technik 35, 130
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Personalentwicklung 146, 174, 175 Persönlicher Führungsstil 112 Positive Verstärkung 105 Respekt der Mitarbeiter 115, 158 Rückkehrergespräch 108 –, Abschluss 114 –, Mitarbeiterinformation 113 –, Nutzen 109 –, Startschwierigkeiten 115 Rückschau 100 Schneeball-Effekt 19 Schuldzuweisungen 164 Selbstdarstellung, eigene 87 Sie-Botschaften 39, 56 Stärken des Mitarbeiters 35, 36, 37, 131, 201 Stimmung der Mitarbeiter 154, 157, 160, 167 Stimmungsmacher 158, 167 Suchtgespräch 148 –, Beobachtung, eigene 150 –, Gesprächseröffnung 150 –, Hilfsangebot 152 –, Toleranz 152 Suggestivfrage 24 Tagesordnungspunkte (TOP) 185 –, werten 186 –, Ziel 188 Teamgespräch 179 Teamsitzungen 179
–, Arbeitsphase 190 –, Begrüßungsrituale 181 –, Erste Hilfe 180 –, Klagen 179 –, Zeit 187 –, Ziele 184 Therapeut 29, 152 Unzufriedenheit 92, 93, 94 Verbesserungsvorschlag 40, 41 Verbindlichkeit 30 Vereinbarung 48, 49, 54, 191 Verfehlung, schwerwiegende 34, 46 Verständnis 158 Vorwurf 24 Vorwurfshaltung 120 Wiederholungsfall 59, 64 Willkommen, positives 110 Wunschformulierung 39 W-Vereinbarung 192 Zielorientierung 128 Zielvereinbarung 129 Zielvereinbarungsgespräch 128 –, Blick in die Zukunft 131 –, Fehler 134 –, Verhandlung 132 Zielvorgabe 52, 129 Zuhören 25, 26 Zukunftsblockade 171 Zweckpessimismus 131 Zwischenfragen 81