Mein Körper verlangt nach dir
Baccara
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Mein Körper verlangt nach dir
Baccara
baccara Mein Körper verlangt nach dir Heather Graham Zwölf Jahre lang galt Kimberlys Ehemann, der athletische Brian Trent, als vermisst, und Kimberly glaubte nach all dem Leid, in Keith Norman einen guten Ehemann und Vater für ihre Zwillinge gefunden zu haben. Da erscheint Brian! Alle Gefühle, die Kimberly damals mit Brian in heißen Nächten erlebt hat und vergessen glaubte, werden in ihr wach. Wie damals will sie mit Brian die grenzenlose Sinnlichkeit erfahren, seine sensiblen Hände auf ihrem Körper spüren... Und schon nach einer einzigen Nacht weiß Kimberly: Brian ist der einzige, doch wie erkläre ich es Keith?
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Mein Körper verlangt nach dir
Baccara
1. KAPITEL Kim atmete den Rauch tief ein, stieß ihn langsam wieder aus und zerdrückte ihre Zigarette. Dann trank sie den letzten Schluck Kaffee, stand auf, reckte sich und stellte die Tasse ins Spülbecken. Durch das Fenster sah sie ihre beiden Söhne. Josh sprang gerade mit einem Satz in den Swimmingpool, wobei er die Knie eng an den Körper gezogen hatte. Das Wasser spritzte in alle Richtungen, während er eintauchte. Kaum war er wieder an der Oberfläche, grinste er seinen Bruder Jake an. Als merkte Josh plötzlich, dass seine Mutter ihn beobachtete, drehte er sich zum Fenster um und winkte ihr zu. Es gab ihr einen Stich, doch sie winkte heiter zurück. Nach einer Weile fiel ihr auf, dass sie immer noch an derselben Stelle stand. Was ist. nur mit mir los? überlegte sie, während sie sich umwandte. Unzählige Male hatte sie den Umzug mit den Jungen besprochen und sich ebenso häufig mit Keith darüber unterhalten. Auch von einer möglichen Heirat war die Rede gewesen, und sie hatte ihnen erklärt, dass sie dazu noch nicht bereit sei. Kim hielt es für besser, wenn sie erst einmal herausfanden, ob sie als große Familie zusammenleben konnten. Weshalb hatte sie plötzlich Angst davor? Die anderen schienen doch damit einverstanden zu sein. Kim drehte sich wieder zum Fenster und sah Josh zu, der sich auf dem Beckenrand aufstützte, sich hochzog und sich dann aus dem Pool schwang. „He, Mama, gibst du uns was zu trinken?” fragte er, während er auf das Haus zuging. Gehorsam holte sie aus dem Kühlschrank zwei Flaschen Coca-Cola und reichte sie ihrem Sohn hinaus. „Mama”, sagte er leise, „es wird alles gut werden. Bestimmt.” Er grinste. „Schau mal, Jake und ich sind schon zwölf. In ein paar Jahren sind wir erwachsen.” Kim lachte. „Tatsächlich?” „Ja, und dann gehen wir fort aufs College. Und was wird aus dir? Jetzt siehst du ja noch prima aus. Aber was meinst du, wie lange das so bleiben wird?" Kim verzog gespielt gekränkt das Gesicht. „Danke, ich habe verstanden. Mit anderen Worten: Deiner Meinung nach sollten wir zu Keith ziehen, weil es in einigen Jahren für mich dafür zu spät ist.” „Immerhin bist du schon zweiunddreißig." Kim lachte erneut. „Oje! Du hast recht. Ich könnte stockhässlich werden.” „Wer weiß?” Jetzt funkelten Josh's blaue Augen vor Vergnügen. Wieder spürte Kim einen schmerzhaften Stich. Was war bloß mit ihr los? Zehn Jahre ... Kein normaler Mensch trauerte zehn Jahre. Sie, Kim, redete ebenfalls, nicht ständig von der Vergangenheit. Eigentlich hatte sie 3
sich seit langem fast nur noch mit der Gegenwart befasst. Bald würde sie dieses Haus verlassen. Vielleicht wühlte der Gedanke daran sie innerlich so auf. War es nicht ganz natürlich, dass sie sich in solchen Augenblicken zurückerinnerte und das Gefühl hatte, die Jugend wäre für immer vorbei? Sie brauchte ja nur ihre Zwillinge anzusehen, die sich völlig glichen und ihrem Vater so ähnlich waren... „Mama?” „Ja?” „Weshalb willst du Keith nicht heiraten? Jake und ich haben bestimmt nichts dagegen. Wir möchten so gern, dass du glücklich bist. In ein paar Jahren ...” „Ich habe durchaus verstanden. Ihr werdet fortziehen und aufs College gehen, und ich soll heiraten, bevor ich verwelkt bin.” Kim runzelte die Stirn, und ihr Sohn errötete. Nach einer Weile sagte er: „Magst du Keith doch nicht so sehr?” „Doch, schon. Aber eine Heirat will gut überlegt sein, und ich weiß nicht recht, ob ich schon soweit bin.” „Als du Papa geheiratet hast, warst du doch soweit, oder?” „Bei deinem Vater war das etwas anderes. Wir waren uns beide ganz sicher, dass wir zusammengehören.” Unvermittelt beugte sie sich über die Fensterbank und fuhr Josh durchs Haar. „Du wirst ein bisschen unverschämt, mein Sohn. Mach schleunigst, dass du wieder ins Wasser kommst. Ich gehe gleich nach oben und fange an, den Dachboden aufzuräumen.” „Okay!” Josh lachte, und Kim spürte ein leichtes Prickeln hinten im Nacken. Dieses langgezogene „O”! Ganz wie Brian, dachte sie. Dabei konnte Josh seinen Vater unmöglich nachgeahmt haben, denn die Zwillinge hatten ihn zuletzt als Kleinkinder gesehen. Kläglich zog sie die Augenbrauen in die Höhe und wandte sich ihrer hellen, sonnigen Küche zu. Kim seufzte leise, dann ging sie zur Tür. Josh, der sich auf: die Fensterbank gesetzt hatte, die Colaflaschen neben sich, stieß einen langen Pfiff aus. „Danke”, rief Kim über die Schulter zurück. „Du willst einer alten Dame wohl ein bisschen Mut machen, was?” „Stimmt.” „Es ist alles relativ, musst du wissen.” „Natürlich, Mama. Alles ist relativ.” Kim stieg die Treppe zum Dachboden hinauf. Vor dem antiken Spiegel auf dem ersten Absatz blieb sie stehen, blickte hinein und befühlte ihre Wange. „Noch schaue ich nicht gerade alt aus.” Sie lachte leise. Schon eher wie ein Twen, überlegte sie. Ihr fedrig geschnittenes, schulterlanges Haar brachte ihre bernsteinfarbenen Augen gut zur Geltung, und in den
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Mein Körper verlangt nach dir
Baccara knappen Shorts und dem eng anliegenden Oberteil sah man, wie schlank sie war. Ihre Rundungen saßen noch immer an den richtigen Stellen — das Ergebnis einer gezielten Gymnastik. Eigentlich habe ich mich in all den Jahren nicht sehr verändert, dachte Kim. Einige Fältchen hatten sich um die Augen gebildet, aber sie waren noch schwach. Kim betrachtete sie geradezu als Auszeichnung. Jede Frau, die Zwillinge bis zu deren zwölften Lebensjahr aufgezogen hatte, musste ein paar Spuren davon vorzeigen dürfen! Das Telefon läutete. Kim eilte in die Diele hinunter, nahm den Hörer ab und meldete sich. „Liebling, ich bin's”, sagte eine Männerstimme. Kim lächelte. „Tag, Keith.” Sie sah ihn vor sich, wie er, die Finger ans Kinn gelegt, in die Muschel sprach. Es glich beinahe einem Wunder, dass dieser attraktive Junggeselle sich in sie, eine zweiunddreißigjährige Witwe mit zwei Söhnen, verliebt hatte. Zwar unterschätzte Kim sich durchaus nicht. Sie war eine erfolgreiche Werbefotografin, und sie wusste, dass sie sehr gut aussah. Keith war von Anfang an aufrichtig zu ihr gewesen. Gleich bei der ersten Begegnung hatte er ihr gesagt, dass er noch nicht zu einer Ehe und zur Gründung einer Familie bereit sei. Diese Ehrlichkeit hatte sie beeindruckt. Ohne etwas zu versprechen, hatte er immer mehr Zeit mit den Jungen verbracht. Seltsamerweise war er es, der nun auf eine Heirat drängte. „Wie kommst du zurecht?” erkundigte sich Keith. „Gut. Es ist gar nicht soviel zu tun, nachdem der Makler das Mobiliar hier behalten möchte, bis das Haus verkauft ist. Ich habe schon alles gepackt.” „Großartig. Dann hole ich euch heute Abend ab, und wir ziehen zusammen.” Kim zögerte. Was hielt sie noch zurück? „Lieber morgen Abend, einverstanden? Ich wollte noch den Dachboden in Ordnung bringen.” Es entstand eine kurze Pause. Dann erkundigte Keith sich: „Du machst doch keinen Rückzieher?” „Nein, natürlich nicht!” Sie erinnerte sich an die Tage am Golf, wo sie mit dem Boot hinausgefahren waren und getanzt, gelacht und über ihre Zukunft geredet hatten. Keith hatte entdeckt, dass ihm die Rolle eines Vaters von Zwillingen, die das Babyalter längst hinter sich hatten, durchaus gefiel. Sie erfüllten alle seine väterlichen Sehnsüchte, und das freute Kim besonders. Nein, Keith war ein idealer Partner. Ihre beiden Einkommen ermöglichten ihnen viele Reisen. Jung genug, konnten sie das Leben in vollen Zügen genießen und beruhigt in die Zukunft blicken. Wenngleich Keith kein strahlender Held war, gab er ihr Ruhe und Sicherheit, und sie mochte ihn sehr.
In den vergangenen Jahren hatte Kim aber auch schöne Zeiten erlebt. Sie hatte erfahren, was in ihr steckte, war selbständig geworden und stolz auf ihre Leistung. Und sie hatte gelernt, so nett und überzeugend nein zu
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„Red keinen Unsinn, ich brauche nur noch etwas Zeit.” „Das sagst du seit einem Monat”, warf Keith ihr vor. Gleich darauf lachte er und nahm seinen Worten dadurch die Schärfe. „Nun, einen Tag länger kann ich sicher noch warten. Hast du dich übrigens schon entschieden, ob du einen dieser Zeitschriftenaufträge annehmen willst?” Kim zögerte. ,,Ich finde es nicht gut, dein regelmäßiges Einkommen aufs Spiel zu setzen ..." „So groß wäre das Risiko gar nicht”, unterbrach Kim ihn, obwohl sie ihm insgeheim recht gab. Die freiberufliche Mitarbeit bei der Zeitschrift war eine heikle Angelegenheit. Es gab keinerlei Garantie, dass den ersten Aufträgen weitere folgten. Da Keith gerade sein eigenes Geschäft ausbaute und sie nicht sofort heiraten würden, nahm Kim es ihm nicht übel, wenn er sich um
ihre Einkünfte sorgte.
,,Wir unterhalten uns morgen darüber", sagte sie.
Er lachte unterdrückt, und Kim mochte dieses Lachen. „Einverstanden,
Liebling. Wir werden morgen bei einer Flasche Dom Pérignon darüber
reden.” „Ich freue mich schon darauf. Ich liebe dich.” „Ich dich auch. Vielleicht komme ich heute Abend noch vorbei, um nachzusehen, wie du vorankommst.” „Schön. Dann bis später.” Während Kim den Hörer auflegte, fragte sie sich, ob es nicht besser wäre, Keith sofort zu heiraten. Er war so nett und einfühlsam: Und sie harmonierten gut miteinander. Die Zwillinge hatten nichts dagegen, und ihr eigener Vater war wütend, weil sie vorher eine Zeitlang mit Keith zusammenleben wollte. „Verflixt noch mal, Kim”, hatte Robert Thielson geschimpft. .,,Mit achtzehn Jahren, als alle jungen Leute verrückt spielten und in Wohngemeinschaften zogen, hast du dich für eine seriöse Ehe entschieden. Und jetzt willst du unter den Augen der Jungen so etwas tun!" „Vater, ich bin zweiunddreißig Jahre alt”, hatte sie ihn erinnert. „Um so schlimmer. Brian würde das nicht gefallen.” „Brian ist tot, Vater”, hatte sie leise geantwortet. „Eben.” Robert schüttelte den Kopf, und Kim seufzte. Ihr Vater mochte Keith nicht. Beim Vergleich mit Brian hatte er schlecht abgeschnitten, so wie zuvor jeder ihrer Freunde auch.
Baccara sagen, dass die meisten Verehrer sie weiterhin bewunderten. Und das war gut so. Kim kannte viele geschiedene oder allein lebende Frauen, die sich verbittert zurückgezogen hatten. Sie selbst konnte sich noch immer gefühlsmäßig hingeben. Keith war der Beweis dafür, denn sie hatten eine gute und ausgeglichene Beziehung. Kim zog die Dachbodenleiter herunter und schaltete das Licht ein. Diesen Augenblick hatte sie bis zuletzt hinausgezögert, aber der Speicher musste aufgeräumt werden. Vor acht Jahren hatte sie da oben ihre Vergangenheit begraben. Kim atmete tief durch. Inzwischen habe ich den Mut zurückzuschauen, sagte sie sich. Ich kann an all die schönen Erlebnisse denken, die ich in meiner Jugend hatte. Sie ging zu einem Regal und griff nach einem alten Notizbuch. Dabei wirbelte sie den Staub auf. Sie nieste heftig, und das Buch fiel zu Boden. „Na großartig”, murmelte sie trocken. Ein Foto war herausgefallen. Kim beugte sich hinunter und nahm es lächelnd auf. Die Aufnahme war fünfzehn Jahre alt und stammte von jenem Tag am See, als sie Brian kennen gelernt hatte. Sie erinnerte sich daran, als wäre es gestern gewesen ... * Brian stand auf der hölzernen Plattform und blickte zufällig zu ihr hinüber. Kims Körper reagierte sofort. Ihre Hände, mit denen sie sich am Steg festgehalten hatte, wurden feucht. Sie spürte, wie ihr Herz pochte. Und alles nur, weil dieser Junge sie mit seinen blauen Augen so eingehend musterte. Seine Brauen und sein Haar waren honigblond. Er war groß, hatte eine phantastische Figur und war dunkel gebräunt. Sein muskulöser, schlanker Körper kam in den Schwimmshorts gut zur Geltung.. Und sein Lächeln war ebenso freundlich wie spitzbübisch. „Wer ist das, Sue?” Die beiden Freundinnen saßen auf dem Steg und ließen die Beine baumeln. Mit den Zehen zeichneten sie Muster auf das Wasser. „Das ist Brian Trent”, antwortete Sue leise und verschwörerisch. „Seine Familie ist vor kurzem von Arizona hierher gezogen. Er geht in die letzte Klasse.” Sie seufzte leise. „Hast du jemals einen so tollen Typ gesehen?” Kim schüttelte den Kopf und erstarrte plötzlich, weil Brian von der Plattform ins Wasser hechtete. „O nein!" flüsterte Sue. „Er schwimmt hierher!” „Gib mir ein Zigarette”, bat Kim nervös. „Du rauchst doch sonst gar nicht”, wandte Sue ein. „Nein. Aber er hat eben mit Cindy geredet. Sie geht auch in die letzte Klasse und raucht. Ich möchte nicht wie ein Kind neben ihr wirken.” Beim 7
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ersten Zug keuchte und hustete Kim, dann hatte sie den Bogen raus, lehnte sich zurück und ließ die Zigarette zwischen ihren schlanken Fingern hervorschauen. Brian blieb tatsächlich vor ihnen stehen. „Hallo, ich bin Brian Trent.” Sag schon was, du Dummkopf, schalt Kim sich. Ihr Mund war ganz trocken geworden. „Kim ... äh, ich heiße Kim.” Er lächelte erneut, und ihr war, als wären Sue, der Steg und der See gar nicht vorhanden. „Ich weiß”, antwortete er leise. „Ich habe mich erkundigt. Miss Kim Thielson, die geschätzte Anfeuerin der Sportmannschaften und Juniorballkönigin.” Kim merkte, dass sie errötete. Hastig zog sie an ihrer Zigarette und musste diesmal zum Glück nicht husten. „Und du bist, aus Arizona?” „Ja, wir haben ein Haus auf dem Mimosa gekauft.” Er machte eine kurze Pause, und sein Lächeln vertiefte sich. „Nun, Ballkönigin, kommst du mit ins Wasser?” Sie nickte und wusste plötzlich nicht, was sie mit der Zigarette anfangen sollte. Deshalb drückte sie Sue den Stengel in die Hand, stand auf und schlenderte bis zum Ende des Steges. Brian holte sie ein, als sie gerade ins Wasser tauchte. Beide verbrachten sie den restlichen Tag zusammen. Kim trank etwas zuviel Bier. Alle Jugendlichen am See tranken es, denn viele Schüler der oberen Klasse sahen alt genug aus, um es im Laden zu bekommen, falls das Personal nicht allzu umsichtig war. Brian trank nicht übermäßig, und er rauchte auch nicht. „Ich habe einen Wagen dabei”, erklärte er unvermittelt. „Du musst, bevor ich dich nach Hause fahre, unbedingt eine Tasse Kaffee trinken. Deine Eltern sollen nicht glauben, ich hätte einen schlechten Einfluss auf dich.” Kim hatte sich plötzlich sehr elend gefühlt und ihm zugestimmt. Sie hatten draußen vor einem Schnellrestaurant gesessen, und dort war Sue mit ihrem Fotoapparat aufgetaucht ... * Tränen stiegen Kim in die Augen, während sie das Foto betrachtete. Wie jung und hübsch waren sie beide damals gewesen: Brian, bei dem die ersten blonden Brusthaare eben zu sprießen begannen, hatte seinen Arm um sie gelegt und lächelte sie liebevoll an. Ihre Augen waren ein wenig verschleiert. Sie trug einen ziemlich gewagten Bikini, über den ihr Vater so erzürnt gewesen war. Das Haar war leicht zerzaust und schimmerte rötlich in der Sonne. Und obgleich Kim auffallend schlank war, hatte sie schon sehr weibliche Rundungen.
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Baccara Verflixt, konnten Erinnerungen weh tun! Plötzlich sah Kim alles wieder deutlich vor sich. Sie erinnerte sich an ihre erste gemeinsame Nacht in einem Hotel. Kurz vor den Weihnachtsferien wurden sie ein Paar. Sie, Kim, hatte inzwischen eine Menge über Brian gelernt. Während andere Erfahrungen mit Drogen sammelten, hielt er sich davon fern. Und er war äußerst temperamentvoll. Eines Tages hatte sie mit ein paar Freunden bei Sue Marihuana geraucht. Er hatte sie dabei ertappt, sie zu ihrem Entsetzen einfach über die Schulter geworfen und unter den Blicken aller aus dem Haus getragen. Anschließend hatten sie sich furchtbar gestritten. Sie hatte auf seine Brust getrommelt und ihn angeschrien, dass sie ihn. nie wiedersehen wolle. Doch er hatte ihre Handgelenke gepackt und Kim mit seinem Körpergewicht auf das Verandasofa niedergedrückt. Ganz still war sie geworden, denn sie war sich trotz aller vorangegangenen Küsse und Liebkosungen an diesem Tag zum erstenmal ihres Verlangens bewusst geworden... Kim lächelte versonnen. Kurz darauf hatte der Collegeball stattgefunden, und alle Paare hatten sich für die anschließende Nacht ein Zimmer genommen. Damals hatten Brian und sie zum erstenmal miteinander geschlafen...
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2. KAPITEL Kim und Brian standen sich im Hotelzimmer gegenüber: Er lächelte so liebevoll, dass sie mit einemmal sicher war, alles würde wunderbar. Langsam kam er auf sie zu und zog dabei seine Fliege, seine Smokingjacke, seinen Kummerbund und sein gestärktes Hemd aus. Zärtlich nahm er ihre Hände und legte sie auf seine Schultern. „Du weißt doch, dass ich dich liebe, Kim”, flüsterte er, und sein warmer Atem streifte ihre Ohrläppchen. Sie bog sich zurück, blickte ihm in die Augen und streichelte seine Wange. Plötzlich fühlte sie sich unendlich glücklich. Brian war den anderen haushoch überlegen, nicht nur, weil er gut Fußball spielen konnte, sondern auch wegen seiner Intelligenz und seines Verantwortungsbewusstseins. Als er ihr sagte, dass er sie liebte, meinte er es ernst. Und weil sie ihm
viel bedeutete, hatte er sie von den Drogen ferngehalten. Außerdem
bestand er darauf, dass sie ihm allein gehörte.
„Du möchtest es doch auch?” fragte Brian heiser.
„Ja”, sagte Kim kaum hörbar. Sie räusperte sich. „Ich, ich habe nur ein bisschen Angst. Denn ich habe noch nie:..” „Ich weiß, und das ist auch gut so.” Sie sah ihn neugierig an. „Und du?” Er nickte. Gekränkt wandte sie sich ab. „He”, rief er leise, „komm her.” Er fasste ihren Arm, zog sie an sich und hob sie hoch und legte sie aufs Bett. Kim war noch nicht besänftigt. „Wann?” wollte sie wissen. „Und mit wem?” Gleichgültig zuckte er mit den Schultern. „Im letzten Sommer. Oben in Daytone. Mit wem, ist ganz egal, du kennst sie ja doch nicht.” Wieder lachte er leise und rührte etwas Unbekanntes in ihr an. „Hör mal, Liebling”, sagte er und ahmte Humphrey Bogarts Stimme nach, „einer von uns beiden sollte schließlich Bescheid wissen.” Kim nagte nervös an ihrer Unterlippe und sah ihn unsicher an. Jetzt stand Brian auf und schaltete das Radio ein. Bob Dylan sang einen einschmeichelnden Song. „Möchtest du ein Glas Wein?” fragte er.
„Du sagst doch immer, ich soll nicht trinken.”
„Weil du fast nichts verträgst und unter Alkohol zu leicht zu
beeinflussen bist.” „Danke”, antwortete Kim. trocken. „Heute Abend geht das schon in Ordnung. Ich bin ja bei dir.” Er schenkte zwei Gläser ein und kehrte zum Bett zurück. Eng aneinandergeschmiegt nippten sie daran. Endlich nahm Brian ihr das leere
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Baccara Glas aus der Hand, küsste sie, schmeckte den Wein in den tiefen Winkeln ihres Mundes und ließ die Zunge um ihre Lippen gleiten. Kim erschauerte vor Lust. Als er sie losließ, sah sie ihn mit verschleierten Augen und leicht geöffnetem Mund an. Instinktiv streckte sie die Hand aus und berührte seine nackte Brust. Er stöhnte leise, ergriff ihre Hand und küsste ihre Innenseite. Wie männlich Brian ist, ging es ihr durch den Kopf. Er sah so umwerfend gut aus. In der enganliegenden schwarzen Smokinghose, die die schmalen Hüften umspannte, fand Kim Brian geradezu unwiderstehlich. Kim musste ihn unbedingt ganz nah an sich spüren. Der Wein hatte ihre größten Hemmungen beseitigt. Sie legte jetzt ihre Arme um Brians Nacken und schmiegte sich zärtlich an ihn.
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Brian tastete über Kims Rücken, öffnete langsam den Reißverschluss und zog ihr das Kleid über den Kopf. Sie zitterte, aber sie wehrte sich nicht. Er hakte den Verschluss ihres BHs auf, streifte ihre Träger über die Schultern und betrachtete bewundernd ihre Brüste. Nach einer Weile rieb er behutsam die rosigen Spitzen, bis sie sich aufrichteten. Kim drängte sich an ihn, damit er nicht merkte, wie verlegen sie war. Ganz vorsichtig bog er sie zurück. „Du bist schön”, sagte er heiser. Sie lächelte und schmiegte sich wieder an ihn. „O Brian”, flüsterte sie glücklich. „Vertrau mir.” Zärtlich knabberte er an ihrem Ohr. Er schob ihren Unterrock über ihre Hüften und ließ ihn achtlos zu Boden gleiten. Dann zog er ihr so vorsichtig die Strümpfe aus, dass sie erneut erschauerte. Er brauchte sie bloß zu berühren, und es schien ihr, als würden kleine Flammen in ihr auflodern. Jetzt presste er die Lippen auf ihre und ließ gleichzeitig die Finger in ihren Slip gleiten. Instinktiv hielt Kim sein Handgelenk fest, doch er schüttelte sie ab, fuhr tiefer und streichelte ihren Po. Langsam gab er ihren Mund frei und blickte ihr prüfend in die Augen. Dann schob er ohne Hast ihren Slip hinunter. Als sie leise aufstöhnte, richtete er sich etwas auf und küsste sie zärtlich auf die Schulter. Anschließend betrachtete er sie so eingehend, dass es Kim glühend heiß durchlief. Sein Blick glitt zu ihren vollen, festen Brüsten mit den rosigen Spitzen, zu ihrer schmalen Taille und dem flachen Bauch, zu den sanft geschwungenen Hüften. Er streckte sich neben ihr aus und ließ die Finger spielerisch über ihre nackten Beine, ihre Taille bis hinauf zu ihren Brüsten gleiten. Schließlich beugte er sich über sie und nahm eine der Spitzen zwischen die Zähne. Während er sie zärtlich mit der Zunge reizte, stöhnte Kim auf.
Leidenschaftlich fuhr sie ihm durchs Haar und erschrak selbst über das
Verlangen, das in ihr mit einer nie gekannten Heftigkeit aufloderte.
„Ist es schön?” flüsterte Brian.
„Ja”, gab sie leise zurück. „Sag mir, wie”, forderte er sie auf. „Das... das kann ich nicht.” „Du kannst es”, widersprach er heiser und streichelte sie weiter zärtlich und aufreizend. Dabei erzählte er ihr mit verführerischer Stimme, wie hübsch und wohlgeformt ihre Brüste seien und dass es ihn verrückt mache, wenn er sie unter seinen Händen spürte. Kim drängte sich erschauernd an ihn und flüsterte: „Es fühlt sich... O Brian... Es fühlt sich so gut an, so wunderbar...” Mit den Fingern strich sie leicht über seine breiten Schultern, während er ihren Leib mit zärtlichen Küssen bedeckte. Schließlich stand er auf, und sie sah zu, wie er seine Smokingjacke und den Slip auszog. Wie Brian sie zuvor betrachtet hatte, schaute Kim ihn nun ebenfalls fasziniert an. Er war schlank und phantastisch gut gebaut. Sein blondes Brusthaar lief zur Taille spitz zu. Kim wurde es abwechselnd heiß und kalt. Jetzt legte Brian sich wieder neben sie und strich ihr das Haar aus der Stirn und gestand ihr, dass er sie liebte. Und sie wusste, dass sie ihn ebenfalls liebte. Nie würde sie für einen anderen Mann so tief empfinden. Kein anderer könnte so wie Brian sein: gleichzeitig stark und zärtlich, entschlossen und besorgt, selbstsicher und einfühlsam. Er küsste sie und blickte ihr liebevoll in die Augen. Dann zog er mit dem Mund eine heiße Spur über die weiche, empfindliche Innenseite ihrer Schenkel. Als er das Zentrum ihrer Lust erreichte, schrie sie leise auf, bog sich ihm wollüstig entgegen und durchwühlte sein Haar. Brian hielt ihre Hüften fest, glitt anschließend mit den Händen wieder zu ihren Brüsten, und Kim hatte das Gefühl, alles um sie herum würde anfangen, sich zu drehen. .,,Brian!" Sie stöhnte laut. Jetzt richtete er sich auf und schob seine Hände zwischen ihre Schenkel. Kim spreizte sie erregt, und er glitt auf sie. Während er die Lippen auf ihren Mund presste, drang er vorsichtig in sie ein. Er hielt kurz inne, als sie aufschrie, und drang dann tiefer in sie ein. Brian flüsterte ihr zärtliche Liebesworte ins Ohr, half ihr über den ersten Augenblick des Erschreckens hinweg, bewegte sich unendlich langsam in ihr und merkte, wie ihr Verlangen ebenfalls wuchs. Jetzt wand Kim sich und bog sich ihm hingebungsvoll entgegen. Ihre Bereitschaft fachte sein Begehren noch stärker an. Erregt schob er die Hände unter ihren festen Po. Er hielt sie fest und bewegte sich nun in einem rascheren Rhythmus, dem Kim sich sofort anpasste.
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Baccara Kims sehnsüchtiges Verlangen wuchs. Sie hatte das Gefühl, um sie herum brenne ein Feuerwerk ab. Aber sie sah nur Brian, von dem sie nicht genug bekommen konnte und der sie jetzt voll und ganz für sich beanspruchte. Er schenkte ihr jenes seltsame, herrliche Glücksgefühl, das nie aufhören durfte und noch vollkommener werden sollte. Lange blieb sie mit geschlossenen Augen liegen. Sie hatte Angst, Brian wieder loszulassen, nachdem er sie gerade so herrlich befriedigt hatte. Sie klammerte sich an ihn. Brian hielt sie fest und zögerte, sich zurückzuziehen, um das Wunder des Augenblicks nicht zu zerstören. Doch er war schwer, und sein Gewicht lastete auf ihr. Deshalb glitt er zur Seite.
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erfasste sie eine ungeheure Erregung. Brian meinte es ernst, daran zweifelte sie nicht. Dazu war er viel zu Selbstbewusst und bestimmend. Jetzt berührte er sie schon wieder und machte zauberhafte Dinge mit ihr. Er forderte sie auf, ihn ebenfalls zu streicheln, und versicherte ihr heiser, wie vollkommen sie sei... *
Kim sah ihn zärtlich an und genoss es, wie er sie an sich drückte. Plötzlich stiegen ihr Tränen in die Augen. „O Brian.” Er zog sie erneut an sich und streichelte ihre Wange. „Ich liebe dich”, sagte er leise. Sie spielte mit seinem blonden Brusthaar. „Ist das möglich, Brian? Können wir uns wirklich aufrichtig lieben?” „Da ist nicht nur möglich, sondern eine Tatsache”, antwortete er bestimmt. Damit beugte er sich über sie und blickte ihr tief in die Augen. „Und wir werden heiraten.” Kim runzelte die Stirn. „Brian, ich muss noch ein Jahr zur High School gehen und danach ins College, das du schon ab Herbst besuchen wirst.” Sie schluchzte leise. Auf dem College würde es von erfahrenen, willigen Mädchen nur so wimmeln. „Ich werde dich nicht verlassen”, erklärte er. „Während du zur Schule gehst, werde ich arbeiten. Sobald du deinen Abschluss hast, heiraten wir, und anschließend gehen wir gemeinsam aufs College.” „Aber Brian, wie sollen wir das finanziell schaffen?” Er lachte. „Mit Arbeit, mein Schatz. Und Stipendien. Mir sind schon wirklich gute Stipendien angeboten worden. Unsere Familien sind zwar nicht reich, aber sie werden uns sicher ebenfalls helfen.” „Meinst du, das würde tatsächlich klappen?” fragte Kim mit wachsender Erregung. Sie ertrug den Gedanken nicht, dass Brian vielleicht ein anderes Mädchen kennerlernte - jetzt nicht mehr, nachdem sie miteinander geschlafen hatten. „Natürlich klappt das”, sagte er fest. Dabei schaute er sie so besitzergreifend an, dass Kim schon erschauerte, bevor er die nächsten Worte aussprach. „Du gehörst mir, Kim. Ich wusste es von dem Augenblick an, als ich dich zum erstenmal sah. Für mich wird es nie eine andere Frau geben, und ich werde nicht dulden, dass dich je ein anderer Mann anrührt." Es klang so heftig, dass Kim ein wenig fröstelte, gleichzeitig jedoch
„Mama!” Kim schüttelte sich und hob das Buch auf. Ihre Hände waren feucht vor Schweiß, und sie zitterte. Wie konnten die alten Erinnerungen so lebhaft zurückkehren, obwohl sie sich häufig nicht einmal mehr Brians Gesicht vorzustellen vermochte? „Ich bin auf dem Dachboden”, rief sie und schob das Farbfoto in das Buch. Traurig schüttelte sie den Kopf. „O Brian”, flüsterte sie, „das ist so lange her. Seitdem hat sich viel auf der Welt verändert, und ich bin auch anders geworden. Ob wir uns heute überhaupt noch lieb hätten? Wir waren so jung. Und Keith ist ganz anders...” Kim lachte leise über sich selbst, denn es war wirklich komisch, dass sie hier saß und zu einem verstaubten alten Buch redete. Plötzlich fiel ihr ein, dass einer ihrer Jungen sie gerufen hatte, aber keiner von beiden war hier aufgetaucht. Sie streifte den Staub und die Spinnweben von ihren Kleidern und stieg die Bodentreppe hinab. Vom Geländer des oberen Stockwerks hörte sie Jake und Josh miteinander reden. „Er muss irgend etwas wollen.” Das war Jake, der scharfsinnigere, misstrauischere der beiden. „Ja, er geht schon seit einer halben Stunde auf und ab”, antwortete Josh. „Du übertreibst mal wieder.” „Ich möchte wissen, was er will.” „Und ich möchte wissen, wer er ist.” „Schau ihn mal richtig an, Jake”, sagte Josh seltsam erregt. „Ja.” „Schau doch mal. Richtig. Und dann schau mich an.” „Das gibt es doch nicht.” „Haben wir irgendeinen verschollenen Onkel?” „Was ist los, ihr beiden?” fragte Kim, die inzwischen ins Wohnzimmer gekommen war. „Mama, da draußen ist ein Mann!” „Er kommt zur Tür! Er kommt zur Tür!” „Was habt ihr denn?” schimpfte Kim verärgert. „Runter von der Couch mit euren nassen Badehosen!” Sie schüttelte den Kopf über die vermeintliche Unvernunft ihrer Kinder und lief zum Eingang, denn es hatte geläutet. „Wahrscheinlich ist es jemand, der sich für das Haus
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Baccara interessiert.” Kim öffnete die Tür und sah den Mann höflich lächelnd an. Das war doch nicht möglich! Sie musste sich irren. Der große breitschultrige Mann sah verwegen aus. Sein Haar war strohblond, seine Haut gebräunt, und seine Gesichtszüge waren stark ausgeprägt. Er hatte ein ausgesprochen eckiges Kinn und kräftige Wangenknochen. Die vollen Lippen hatte er fest zusammengepresst. Mit seinen dunkel-blauen Augen blickte er sie scharf an. Und jetzt lächelte er ein wenig. Trotzdem konnte er nicht der Mann sein, den Kim Vermutete. Um seine Augen und seinen Mund bemerkte sie winzige Fältchen. Er war älter geworden... Ja, aber er sah immer noch jung aus, wie er da vor ihr stand. Aber nein, das konnte ja nicht sein. Er war doch tot, war tot seit... Es musste ein Geist sein. Sie war anscheinend verrückt! Offensichtlich hatte sie sich zu lange mit der Vergangenheit beschäftigt. „Darf ich hereinkommen, Kim?” fragte der Mann leise. Kim stieß einen Schrei aus, der durch das ganze Haus hallte, dann wurde es um sie herum schwarz.
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3. KAPITEL Kim lag auf einer weichen unebenen Unterlage. Das musste das Sofa vor dem großen Fenster sein. Langsam öffnete sie die Augen. Zunächst sah sie Josh mit seiner nassen Badehose auf der Rückenlehne ihres frisch
gereinigten Sofas sitzen.
„Kim, ist alles in Ordnung?” fragte jetzt eine tiefe männliche Stimme.
Brians Stimme. Ein wenig heiser, dunkler. Eine Geisterstimme... Es konnte
nicht sein... Sie blinzelte und drehte den Kopf zur Seite. Ja, es war Brian, und er war es doch wieder nicht. Nicht der Brian, den sie gekannt hatte. Seine Stimme klang samtweich und tiefer als früher. Er hatte immer eine gute Figur gehabt, aber jetzt wirkte er noch muskulöser und schlanker. Seine Schultern waren sehr breit geworden und seine Taille und seine Hüften ausgesprochen schmal. Unter seinem geöffneten Hemdenkragen lugte dichtes honigblondes Brusthaar hervor. Das Haar trug er ziemlich lang. Die Männer tragen ihr Haar jetzt nicht mehr so lang, Brian, hätte sie ihm gern gesagt. Am meisten jedoch hatte sich sein Gesicht verändert. Es war richtig kantig geworden, und sein Blick wirkte hart. Erneut nahm sie die feinen Linien um Augen und Mund wahr. Brian hatte früher volle Lippen besessen, jetzt wirkten sie etwas verkniffen. Und seine blauen Augen hatten so einen warmen Ausdruck gehabt, jetzt war er stechend und geradezu beängstigend verwegen. Sein Blick schien ihr bis ins Herz zu dringen. Ja, Brian stand tatsächlich vor ihr, aber nicht der Brian, an den sie sich erinnerte. In ihrer Erinnerung war Brian jung und unbeschwert. Dieser Brian hatte sich verändert - ebenso wie sie. „Ich hätte dich wohl erst einmal anrufen sollen. Es muss ein fürchterlicher Schock für dich gewesen sein." Wieder redete er, und sie sah ihn nur an. „Weil du ein Fremder bist, Brian. Begreifst du nicht, du bist ein Fremder, und ich kenne dich nicht mehr ...” „Du hast gesagt, er wäre tot!” Kim entdeckte Jake, der hinter Brian stand. Seine Stimme klang vorwurfsvoll. Ihr Sohn, den sie zwölf Jahre großgezogen hatte, starrte sie an, als hätte sie etwas Schlimmes getan. „Das stimmte ja auch ...”, verteidigte Kim sich. Wie hatten die Zwillinge es herausgefunden? Sie sah die drei an, die sich so ähnlich waren. Brian lachte leise, und Kim merkte, dass sich dadurch die Spannung bereits löste. „Deine Mutter kann nichts dafür. Niemand kann etwas dafür. Gesetzlich galt ich tatsächlich als tot. Genauer gesagt, bis vor ein paar Tagen. Es war schon ein seltsames Erlebnis, vor Gericht zu gehen, um wieder für lebendig erklärt zu werden.”
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Baccara Das konnte doch nicht sein. Auf dem Grabstein stand: „Brian Drew Trent, Feldwebel, US-Luftwaffe, 1950-1972.” Und über der militärischen Tafel stand geschrieben: „Unser geliebter Sohn, Ehemann und Vater.” Brians Erkennungsmarke lag oben auf dem Dachboden in der Kiste. Irgend jemand musste doch in dem Sarg sein. Mühsam brachte Kim hervor: „Wie ... Wo?” „Das ist eine lange Geschichte”, antwortete Brian und deutete mit dem Kopf unmerklich auf die Zwillinge. „Ich komme gerade aus Arizona. Vorher hielt ich mich in Frankreich auf, davor in Thailand und Vietnam.” Ihr Mund musste eine Frage formuliert haben, denn Brian nickte. Die ganze Zeit war er irgendwo im Dschungel gewesen und dann heimgekehrt. Aber sie hätte doch eine Nachricht bekommen müssen. Jeden Monat hatte sie zusammen mit ihren Söhnen Blumen auf sein Grab gestellt, während er schon in Arizona war, um seine Toterklärung rückgängig machen zu lassen, ohne sie davon zu unterrichten. Kim richtete sich auf, legte sich aber sofort wieder hin. Brian hatte sich auf dem Sofa niedergelassen. Wenn sie sich aufsetzte, würde ihr Gesicht seinem ganz nah sein, und das hielt sie nicht aus. Jetzt spürte sie seinen Oberschenkel, und ihr wurde heiß. Brian merkte es nicht. Er betrachtete seine Söhne und sah von einem Gesicht zum anderen. Ein unendlich schmerzlicher Ausdruck lag in seinen dunkelblauen Augen, und Kim erkannte, was er empfand, auch wenn er sich ungeheuer zusammenriss. Er versuchte, die letzten zehn Jahre in wenigen Sekunden nachzuholen. Josh und Jake redeten ununterbrochen, aber Kim nahm ihre Worte nicht auf. Doch das machte nichts. Sie spürte auch so, was in ihren Söhnen vorging: Wir haben einen Vater. Wir haben einen richtigen Vater. Das ist besser, als nur von ihm zu träumen, besser als ein Superheld in einem Comic-Heft, besser als alles andere auf der Welt, Beide redeten gleichzeitig, beantworteten seine Fragen und schienen ihn gern anfassen zu wollen, wagten es aber nicht. Plötzlich brach Josh, der reifere von beiden Jungen, in Tränen aus. Er rutschte von der Rückenlehne hinunter, krabbelte über seine Mutter hinweg und warf sich seinem Vater in die Arme. Es war ein wunderbarer Augenblick für ihre Söhne. An diese Minuten würden Josh und Jake sich ihr Leben lang bis in jede Einzelheit erinnern. Kims Augen füllten sich mit Tränen, und sie war unendlich glücklich. Sie freute sich auch für Brian. Sie sah sein Gesicht über Joshs Schultern. Er hatte die Augen fest geschlossen, und seine große breite Hand mit den gepflegten Nägeln ruhte im Nacken seines Sohnes. Sie zitterte sichtbar. Brian schluckte ununterbrochen, und seine Wangen zuckten: Warum bin ich von dieser Wiedervereinigung ausgeschlossen? fragte
Brian verließ mit den Zwillingen das Wohnzimmer. Durch das Esszimmer gelangten sie in die Diele, dann gingen sie durch die Küche und von dort in den Innenhof mit dem Pool. Kim lag immer noch wie betäubt auf dem Sofa. Langsam setzte sie sich auf. Gleich darauf kam Josh kurz zurück. „Was gibt es eigentlich zum Abendessen, Mama?” wollte er wissen. Das Abendessen! Wer in aller Welt konnte jetzt an Essen denken? Josh und Jake waren durchaus dazu imstande. Zwölfjährige Jungen, die rasch wuchsen, vergaßen so etwas nicht. Außerdem war die Zubereitung der Mahlzeit eine willkommene Beschäftigung, nachdem ihr der Kopf derart
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sich Kim. Sie freute sich unbeschreiblich, dass Brian noch lebte und hier war. Weshalb konnte sie ihm nicht wie die beiden Jungen einfach um den Hals fallen? Sie kannte den Grund. Zu viele Jahre waren inzwischen vergangen, und sie waren sich fremd geworden. Sie wusste nicht mehr, was sie für Brian empfand und er für sie. Was sollte sie tun? Sie' war immer noch ratlos, als das Weinen endlich aufhörte. Zwar ließen Josh und Jake, der seinen Vater ebenfalls umarmt hatte, nicht los, als hätten sie Angst, er könnte wieder verschwinden, aber sie lachten, während sie redeten. Brian brachte die Unterhaltung auf unverfänglichere Themen. Er erkundigte sich nach Einzelheiten aus ihrem Leben. Irgendwie kamen sie auf das Schwimmbad zu sprechen, das Kim erst vor ein paar Jahren hatte bauen lassen und das sie immer noch abbezahlte. Jake griff die Hand seines Vaters und wollte ihn mit sich ziehen. „Das klingt großartig”, meinte Brian, und Kim stellte fest, dass er immer. noch lächeln konnte. Er stand auf, zögerte jedoch. „Einverstanden, ich komme mit. Anschließend müsst ihr mir aber einen großen Gefallen tun und euch eine Weile allein beschäftigen. Ich muss nämlich mit eurer Mutter reden.” Eure Mutter ... Diese Worte gaben Kim einen Stich. Sie sah zu Brian auf und kam sich so hilflos vor, hilflos, weil sie nicht wusste, was Brian für sie empfand. „Aber Dad...” Kim merkte, dass er ein Lächeln unterdrückte. Wie schön musste es für Brian sein, von seinen Söhnen sofort Dad genannt zu werden. Jake hatte ihn wie selbstverständlich so genannt, so als wäre ihr Vater immer bei ihnen gewesen. Es war herrlich, dass die Zwillinge nun einen Vater hatten, den sie bisher nur aus den Erzählungen ihrer Mutter und ihrer Großeltern kannten. „Keine Sorge.” Brian lachte, zerzauste Jakes Haar und legte Josh eine Hand auf die Schulter. „Wir haben zwar viele Jahre verloren, holen aber alles nach.”
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Baccara schwirrte. „Hackbraten”, antwortete sie automatisch. „Hackbraten?” fragte Josh entrüstet. Ganz wie sein Vater zog er die Augenbrauen in die Höhe, um sein Missfallen auszudrücken. ,,Dad ist die erste Nacht zu Hause, und du setzt uns Hackbraten vor?" Dabei mochten die Jungen Hackbraten. Dads erste Nacht zu Hause... Dies ist nicht mehr sein Heim, wehrte Kim sich innerlich. Es ist mein Haus. Ich habe darin zehn Jahre ohne ihn gelebt, es erhalten und meine beiden Kinder hier großgezogen. Kim schwindelte es. Selbst unter diesen äußerst ungewöhnlichen Umständen konnte Brian doch nicht nach zehn Jahren hier einfach hereinplatzen und davon ausgehen, dass ihm alles wieder gehörte. „Josh. . .” Ihre Stimme klang schärfer, als sie beabsichtigt hatte, aber das Sprechen fiel ihr immer noch schwer. „Ich habe nur Hackfleisch aufgetaut.” „Hackfleisch ist schon in Ordnung”, sagte Brian weich, der unbemerkt herangekommen war, und Josh sah strahlend zu ihm auf. Brian, dachte sie, misch dich nicht in Dinge zwischen mir und meinen Söhnen ein. Ich erziehe sie, und auf mich hören sie. Kim stand langsam auf. Hunderte von Fragen stürzten auf sie ein. Doch sie kamen alle so schnell und ungeordnet, dass sie keine einzige davon beantworten konnte. Ich muss ja schrecklich aussehen, fiel ihr plötzlich ein, als sie an den Staub auf dem Dachboden dachte, und strich sich eine Locke aus der Stirn. Brian dagegen schaute wunderbar aus. Dabei müsste er krank und seelisch ein gebrochener Mann sein nach allem, was er durchgemacht hatte. Statt dessen war er noch kräftiger geworden. Hackbraten, Hackbraten... Wie ein Roboter folgte Kim ihrem Mann und den Kindern. Während sie nach draußen gingen, blieb sie in der Küche und schaute ihnen durch das Fenster zu. Jake zog seinen Vater gerade an der Hand und zeigte im den Chattahoochee - Kachelboden. Brian versuchte, beiden Jungen gleichzeitig zuzuhören. Verdammt, er sieht wirklich phantastisch aus, dachte Kim, aber anders als früher: älter, schlanker, härter, weiser und noch scharfsinniger. Die Art und Weise wie er sich bewegte, hatte etwas Gefährliches. Irgendwie erinnerte sie Kim an einen Tiger, der jeden Moment losschnellen konnte. Sie schüttelte den Kopf. Meine Güte, wie lange war Brian in Kriegsgefangenschaft gewesen. Hackbraten war wirklich kein Festessen für seine Heimkehr. Fieberhaft suchte sie im Gefrierschrank nach einer Schachtel Broccoli. Käse und Zwieback hatte sie gewiss im Haus, um einen Auflauf zuzubereiten. Jetzt war sie wieder ganz die umsichtige Hausfrau. Rasch brachte Kim den Käse zum Schmelzen, dämpfte den Broccoli und briet das Fleisch an.
Kim deckte den Tisch, tat den Broccoli, den geschmolzenen Käse und den Zwieback in eine Auflaufform und stellte die Schüssel in den Backofen. Sie gab Tomatenmark und Gewürze zum Hackfleisch und legte einen Deckel auf die Pfanne. Dann begann sie den Salat zuzubereiten und merkte plötzlich, dass Brian die Küche betreten hatte. Er hatte keinerlei Geräusche gemacht, sie spürte nur, dass er da war. Kim ließ die Tomate sinken, die sie gerade in Scheiben schneiden wollte, und fuhr herum. Eine volle Minute sprachen beide kein Wort. Ein winziges Lächeln umspielte Brians Mund, seine Augen hatten einen wachsamen Ausdruck. „Du musst dir das Haar schneiden lassen”, hörte Kim sich sagen. Er verzog das Gesicht. Jetzt lehnte er sich gegen die Wand und steckte die Hände in die Hosentaschen. Er wirkte völlig entspannt, dachte Kim. Nein, verbesserte sie sich sofort, nicht völlig. Wieder hatte sie das Gefühl, dass er tief in alles hineinsah, Dinge bemerkte, die ihr verborgen blieben, und immer auf dem Sprung zu sein schien. Weshalb hatte sie vergessen, wie groß und breitschultrig er war? Dabei sah er so mager aus, dass sie die einzelnen Muskelstränge seiner Unterarme erkennen konnte. „Ich sollte wohl zum Friseur gehen”, meinte er. Kim hatte ihre Bemerkung längst vergessen und bekam kaum einen Ton heraus. Verwirrt fragte sie nur: „Bitte?” Wieder zuckte er mit den Schultern. Das ist ja furchtbar, ging es Kim durch den Kopf. Wir belauern uns wie Gegner in einer Arena. „Ich war kein richtiger Kriegsgefangener. Ein Verrückter namens Chou Lang nahm mich und einige andere gefangen und brachte uns zu den Hügeln, wo er uns verborgen hielt.” „Aber deine Erkennungsmarke ...” Kims Stimme zitterte so stark, dass sie nur flüstern konnte. „Dein Körper...” „Ich sagte doch, Chou Lang war verrückt. Es machte ihm Freude, uns seelisch zu quälen. Ein Jahr nach unserem Absturz übergab er die Leiche meines Kopiloten mit meiner Erkennungsmarke den Behörden und erzählte mir monatelang, ich sei jetzt tot.” „Aber . . wie. . .” „Ich glaube, du brauchst erst einmal einen Drink. Hast du etwas da?” Kim nickte kläglich und deutete mit dem Kopf zum Schrank auf der linken Seite. Sie lehnte sich an die Theke und sah zu, wie Brian die Küche durchquerte. Er ging lautlos, kraftvoll und geschmeidig und so selbstsicher.
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Im Kühlschrank fanden sich genügend Zutaten für einen Salat, auch Speckstücke, die Josh gern mochte. Weißbrot konnte sie ebenfalls toasten.
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Baccara « »Kognak? Sie nickte. Brian reichte ihr ein kleines Glas mit einem doppelten Kognak, fasste sie am Oberarm und führte sie zum Küchentisch. Seine Berührung brennt wie Feuer, dachte Kim. Aber das lag sicher nur daran, dass ihr so kalt war, so schrecklich kalt. Er rückte ihr eine Stuhl zurecht, wartete, bis sie sich gesetzt hatte, und nahm dann ihr gegenüber Platz. Mit einemmal nahm sie den angenehm leichten, aber überwältigend männlichen Duft des Rasierwassers wahr. „Zehn Jahre war ich Chou Langs Gefangener. Als ich endlich fliehen konnte, wusste ich nicht, wohin ich mich wenden sollte. Beinahe ausschließlich zu Fuß durchquerte ich Vietnam und Laos und kam endlich nach Thailand, wo ich Hilfe fand.” Verbittert verzog Brian das Gesicht. „Das Leben wird verflixt schwierig, wenn man für tot erklärt worden ist. Die thailändischen Behörden wussten nicht aus noch ein. So kam ich nach Frankreich. Dort glaubten die Militärbehörden mir endlich, dass ich Brian Trent bin und noch lebe. Anschließend", er zuckte mit den Schultern, „flog ich zu meinen Eltern nach Arizona und ließ auch per Gerichtsbeschluss feststellen, dass ich am Leben bin.” „Und weshalb ...” Kim hatte sich immer noch nicht gefasst. Brian saß ihr gegenüber, der Mann, den sie geliebt hatte, aber jetzt war er ihr fremd. Sie holte eine Zigarette aus der Packung heraus, die auf dem Tisch lag, doch ihre Finger zitterten so stark, dass sie sie nicht anzünden konnte. Sanft nahm Brian ihr das Feuerzeug aus der Hand und ließ es aufflammen. Kim neigte sich nach vorn, zog mehrmals an der Zigarette, bis sie glimmte. „Aha, du hast wieder angefangen zu rauchen.” Sie hörte den Vorwurf in Brians Stimme und nickte nur. Dann inhalierte sie tief und trank das Kognakglas halb aus. „Weshalb hat mich niemand benachrichtigt?” flüsterte sie. „Nun ist es ja geschehen. Ich bin hier.” „Ich meine, sobald du... sobald du...” Jetzt glitt ein Schatten über sein Gesicht. Brian lehnte sich zurück, und diese Bewegung bedeutete auch einen gewissen inneren Rückzug. Er sprach leise, genauso wie früher, wenn er sehr verärgert war. „Kim, vergiss bitte nicht, dass ich zehn Jahre als Gefangener gelebt habe. Ein ganzes Jahrzehnt. Ich hatte keine Ahnung, was inzwischen in der Welt geschehen war. Du gehörtest nicht mehr zu meinem Leben. Man hätte dich benachrichtigt, aber ich bat darum, es nicht zu tun. Nicht bevor ich meine persönlichen Probleme gelöst hatte und selbst mit dir sprechen
konnte.” „Deshalb bist du zuerst zu deinen Eltern gegangen? Wie lange ... bist du bei ihnen gewesen?” Ihre Stimme klang jetzt fester, aber Kim fühlte sich innerlich schwach. Vor knapp einem Monat hatte sie mit Brians Mutter telefoniert. Sie hatte immer einen engen Kontakt zu den Schwiegereltern behalten, obwohl es ihr zuerst schwergefallen war. Und selbst als die Trents nach Arizona zurückzogen, hatten sie einmal im Monat miteinander telefoniert. Die Zwillinge hatten während der letzten beiden Sommer sogar mehrere Wochen bei den Großeltern verbracht. Weshalb hatten sie ihr nichts gesagt? Weshalb waren alle der Meinung gewesen, sie dürfte noch nichts von Brians Heimkehr wissen? Brian lächelte. „Ungefähr vier Monate. Ich... ich wusste, dass meine Eltern sich freuen würden, wenn ich zu ihnen käme.” „Was soll das heißen?” Kim merkte, dass sie allmählich ärgerlich wurde. „Du hättest zuerst mich aufsuchen müssen! Ganz gleich, in welcher Lage ich mich befunden hätte, ich wäre froh gewesen, dich wiederzusehen. Du bist schließlich der Vater meiner Söhne . . .” „Mehr auch nicht, oder?” unterbrach er sie leise und sah sie dabei erwartungsvoll an. „Ich... ich. . .” Weshalb stammelte sie so? Hastig zog Kim an ihrer Zigarette. Sie brauchte wirklich kein schlechtes Gewissen zuhaben, aber sie hatte das Gefühl, ertappt worden zu sein, und das machte sie wütend. „Sprich nicht in diesem Ton mit mir, Brian!” fuhr sie ihn an und drückte die Zigarette aus. „Ich habe alles getan, was möglich war, um Näheres über dein Schicksal zu erfahren. Zuerst schrieb ich ellenlange Briefe, bis mir der Arm abfiel, dann fuhr ich nach Washington und lief von einer Behörde. zur anderen. Endlich überführten sie deinen Körper - zumindest sagte man mir, er sei es. Und ich hatte Zwillinge, Brian. Kleinkinder! Es waren noch keine zwölfjährigen Jungen, die sich längere Zeit selbst beschäftigen konnten!” Brian begann zu lachen, griff mit der Hand über den Tisch und nahm ihr Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger. Kim blickte Brian an, der sie eindringlich musterte. Sie wurde hinund hergerissen zwischen dem heftigen Verlangen zu weinen, sich Brian in die Arme zu werfen und die Welt zu vergessen und der Ebensogrossen Sorge, dass die Jahre sie verändert hatten. Vielleicht würde sie bald feststellen, dass sie sich nicht mehr liebten und die Erinnerung ihnen beiden einen Streich gespielt hatte ... „O Kim, du bist noch genauso temperamentvoll wie früher.” Tränen stiegen ihr in die Augen. Was war mit ihr los? Brian war durch die Hölle gegangen, was er mit wenigen Worten abtat, und sie
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Baccara machte ihm Vorwürfe. Schmerzlich schloss sie die Augen. „O Brian, es tut mir so leid. Ich bin einfach unmöglich. Was du alles durchgemacht hast, und wie schrecklich führe ich mich auf.” Er ließ ihr Kinn los. Gleich darauf öffnete sie die Augen und war erstaunt, wie weich sein Blick geworden war. „Mich freut, dass du dich kaum verändert hast”, sagte er, und wieder hätte Kim am liebsten losgeheult. Dieser Mann war ihr Brian. Sie saß am Tisch und redete mit ihm. Doch die Zeit lag immer noch zwischen ihnen. Beide waren sie anders geworden. Kim spürte Brians Anspannung. Sie brauchte nur etwas Falsches zu sagen oder eine falsche Bewegung zu machen, und er würde seine Beherrschung verlieren. Das aber konnte gefährlich werden... Brian war zehn Jahre gefangengehalten worden, und es glich einem Wunder, dass er gesund war. „Ich glaube, hier brennt irgend etwas an”, meinte er plötzlich. „Der Brokkoli!" rief Kim, sprang auf und lief zum Herd. „O Mama, du hast das Essen doch nicht wieder anbrennen lassen!” Jake und Josh standen an der Küchentür. Kim warf Josh einen warnenden Blick zu, doch schon wandte er sich an seinen Vater. „Der Hackbraten schmeckt wirklich gut, wenn er nicht gerade verbrannt ist, Dad.” „Ihr beiden zieht euch jetzt lieber zum Abendessen um”, erklärte Kim scharf. Josh verzog das Gesicht, wechselte einen raschen Blick mit Brian und verließ die Küche. Jake folgte ihm auf den Fersen. Nachdem sich Kim vergewissert hatte, dass der Auflauf nur kräftig überbacken, aber nicht verbrannt war, schaute sie verstohlen zu Brian hinüber. Er sah den Zwillingen durch die offene Tür nach. „Sie sind sich sehr ähnlich, nicht wahr?” fragte er heiser. „Äußerlich schon, aber dem Wesen nach nicht. Josh ist der gerissenere der beiden. Jake ist dafür in der Schule erheblich besser.” Sie lächelte versonnen. „Jake ist genauso wie du”, fügte sie leise hinzu. ,,Was er berührt, verwandelt sich in Gold. Er ist überall der Beste und kommt großartig mit seinen Klassenkameraden aus. Josh ist ihm nur beim Sport überlegen. Er spielt Tennis, Basketball, und er ringt." Unvermittelt hielt sie inne. „Brian ...” Sie schluckte. „Geht es dir tatsächlich gut? Ich meine, bist du wirklich gesund? Du siehst großartig aus, aber . ..” Er verzog das Gesicht. „Aber ich war so lange ein Gefangener, dass ich zumindest total verrückt sein sollte, ja?” 23
Kim errötete. Brian hatte furchtbar verbittert gesprochen. Sie durfte es ihm nicht übel nehmen, aber er machte ihr angst. Nicht nur die Jahre trennten sie, sondern eine Fülle unter-schiedlicher Erfahrungen. „Ich kenne Männer, die in Vietnam gekämpft haben, ohne in Gefangenschaft zu geraten, und trotzdem größte Schwierigkeiten hatten, sich wieder an ein normales Leben zu gewöhnen. Wahrscheinlich habe ich das alles noch gar nicht richtig begriffen, Brian. Kannst du das verstehen? Ich machte die Tür auf, und du stehst vor mir. Und ich weiß nicht, was ich sagen oder tun soll.” „Sag, was du sagen möchtest”, antwortete er bitter, „und verhalte dich wie immer. Tanz nicht um mich herum, bevormunde mich nicht und versuch auch nicht, mich aufzuheitern. Ich versichere dir, dass ich nicht verrückt geworden bin, Kim.” Er hielt einen Moment inne. „Ich wollte dich erst sehen, nachdem ich mich wieder an das Leben hier gewöhnt hatte. Außerdem hoffte ich von meinen Eltern zu erfahren, wie du jetzt lebst.” Rasch wandte Kim sich ab und beschäftigte sich mit der Masse aus Hackfleisch und Tomaten in ihrer Pfanne. Brian dachte völlig realistisch und wusste natürlich, dass zehn Jahre eine lange Zeit waren. Sie hätte längst wieder verheiratet sein können. Du liebe Güte, und was jetzt? Acht Jahre hatte sie als Witwe gegolten, aber Brian lebte. Waren sie eigentlich noch verheiratet? Wenn ja, wollte Brian weiterhin mit ihr verheiratet sein? Außerdem gab es noch Keith. Ihn kannte sie, Brian dagegen war ihr fremd. Interessierte er sich noch für sie? Sie hatten sich über die Kinder unterhalten und kurz berichtet, wie es ihnen inzwischen ergangen war. Aber sie hatten sich kaum berührt, geschweige denn umarmt. Was fühlte Brian? Hatte er sie nur aufgesucht, um zu sagen: „Hallo, ich lebe noch und möchte meine Söhne. Ich bin sicher, wir können uns über sie einigen.” Oder was hatte er vor? Was erwartete er? Und was erwartete sie selbst? , Wäre Brian doch schon vor acht Jahren gekommen... Josh kehrte in die Küche zurück, und Jake folgte ihm. Beide Jungen, ordentlich gekleidet und gekämmt, kümmerten sich nicht um ihre Mutter, sondern eilten zu ihrem Vater und bestürmten ihn mit Fragen. Sie sind hartnäckiger, als ich es gewesen bin, dachte Kim reumütig. „Wo bist du gefangengenommen worden, Dad?” ,,Wie war es dort tatsächlich?" „Wir haben in der Schule über den Vietnamkrieg gesprochen, musst du wissen.” „Wie bist du entkommen?” „Wir haben immer gewusst, dass du ein Held bist ...”
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Baccara „Jake, Josh, passt bitte einen Augenblick auf das Essen auf”, unterbrach Kim ihre Söhne. Sie wunderte sich, wie gut Brian den beiden ihrem Alter entsprechend antwortete und es gleichzeitig vermied, ihnen das ganze Entsetzen seiner Lage zu schildern. Jake trat unglücklich an den Herd, und Kim eilte nach oben ins Schlafzimmer. Mechanisch griff sie nach der Bürste auf dem Toilettentisch, blickte ausdruckslos in den Spiegel und strich das Haar glatt. Sie trug keinerlei Make-up und glich so kaum noch der jungen Frau, die Brian zurückgelassen hatte... Sollte sie rasch duschen? Oder maß sie Brians Anwesenheit eine zu große Bedeutung bei? Unsinn, schalt sie sich. Aber, was erwartete er von ihr? Kim wusste nicht aus noch ein. Sie konnten unmöglich dort weitermachen, wo sie vor zehn Jahren aufgehört hatten. Morgen wollte sie mit ihren Söhnen in Keiths Haus übersiedeln! Welch ein Willkommen für Brian! Seine Ehefrau traf die letzten Vorbereitungen, um mit einem anderen Mann zusammen zuziehen. War sie überhaupt noch seine, Brians Frau?. Erschrocken stellte Kim fest, dass sie kreidebleich geworden war. Sie wandte sich ab, zog ihre Sachen aus und duschte kurz. Danach wickelte sie sich in ein Badetuch und betrat ihren begehbaren Kleiderschrank. Sie musste etwas Zwangloses finden... Du liebe Güte, Brian war zurückgekommen, und sie überlegte, was sie anziehen sollte. Bestimmt stand sie noch unter Schock. Doch was immer geschah, sie würde weiterleben wie bisher, denn nur so wurde sie nicht verrückt. Kim griff nach einem weißen Frotteekleid, das sie vor kurzem gekauft hatte. Es eignete sich wunderbar für einen gemütlichen Abend nach dem Schwimmen... Natürlich hatte sie dieses Kleid für ihre Reise mit Keith erstanden. Alle Frauen kauften ihre Sachen mit dem Gedanken an den Mann, den sie liebten, und sie liebte Keith. Nicht mit der gleichen Hingabe, wie sie Brian geliebt hatte. Sie tat es auf eine ruhigere Art. Ihre Gefühle für Keith waren allmählich tiefer geworden, und Keith hatte ihr Zeit gelassen. Kim zog sich rasch an, denn ihr wurde plötzlich klar, dass das Essen inzwischen längst fertig sein musste.
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Als Kim die Treppe hinunterstieg, stellten Brian und die Jungen die Schüsseln gerade auf den Tisch. Er sah zu, ihr hoch. Obgleich er merkte, dass sie sich umgezogen hatte, erwähnte er es mit keinem Wort. Statt dessen hielt er ihr eine Flasche Burgunder hin. „Ich habe diesen Wein im Schrank entdeckt. Meinst du, er passt zu dem Essen?”
Kim nickte. „Ja, gut”, antwortete sie heiser. „Hast du das Toastbrot gefunden, Josh?” „Es steht schon auf dem Tisch, Mama. Jake und ich trinken Milch. He, Jake, bring die Salatsoße mit!” Die Jungen setzten sich auf ihre gewohnten Plätze. Kim, die Brian gegenüber Platz genommen hatte, bekam immer noch keinen Ton heraus. Jake und Josh ließen ihren Vater nicht aus den Augen und überschütteten ihn mit Fragen, die Brian erneut geschickt beantwortete. Über den Dschungel wollte er nicht mit ihnen reden. Statt dessen erzählte er ihnen von Flugzeugen und von Paris. Dann erkundigte er sich nach ihrer Lieblingsmusik und nach Filmen, die sie gern mochten. Fast die ganze Zeit beobachtete er die Zwillinge und freute sich über sie. Dies waren seine Söhne, die er seit dem Babyalter nicht mehr gesehen hatte. Zu Recht war er stolz auf sie. Sie, Kim, war ja auch sehr, sehr stolz auf die Jungen. Kim merkte, dass Brian sie jetzt anschaute. Was sah er? War er enttäuscht? Empfand er noch etwas für sie? Hastig trank sie ihr Weinglas aus, und er füllte es erneut. Sie fing seinen Blick auf und erinnerte sich an jenen fernen Abend, als sie sich zum erstenmal geliebt hatten. Auch damals hatte Brian ihr Wein eingeschenkt. Aber diesmal war es anders. Sie war nicht mehr so leicht zu beeindrucken. Es war zum Verrücktwerden. Sie saßen wie eine ganz normale Familie um einen Tisch und aßen Hackbraten, als wäre nichts geschehen. Wie kannst du mir das antun, Brian? warf sie ihm stumm vor. Du verlierst kein Wort über die vergangenen Jahre, sitzt nur da und hörst deinem Sohn ernsthaft zu, der dir erzählt, wie toll die Bay City Rollers sind. Du hast ihn zehn Jahre nicht gesehen. Endlich war das Abendessen vorüber. „Danke”, sagte Brian und legte die Serviette auf den Tisch. Seine Stimme klang seltsam weich. „Es hat ' wirklich gut geschmeckt. Du hast inzwischen Kochen gelernt”, zog er seine Frau auf. Kim zuckte mit den Schultern. „Ich komme zurecht. Allerdings werde ich ” wohl kaum den Feinschmeckerpreis erhalten. „Mama macht einen tollen Puter!” erklärte Josh, der ihr weitere Pluspunkte zukommen lassen wollte. Am liebsten hätte Kim ihre Söhne angefleht, endlich den Mund zu halten. Brian war zwar ihr Vater, aber was jetzt geschah, ging in erster Linie sie und ihn etwas an. Sie durfte sich nicht von ihren Söhnen beeinflussen und erst recht nicht in Schutz nehmen lassen. „Wie wäre es mit einem Kaffee?” fragte Brian. „Pulverkaffee würde mir reichen.” „Ich mache richtigen Kaffee und trinke eine Tasse mit dir.” Ihre Finger zitterten, als sie die Kaffeemaschine einschaltete. Sie mussten unbedingt
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Baccara miteinander reden, damit sie Brian wieder besser kennenlernte und ihm erzählen konnte, was inzwischen geschehen war. Wie sollte es jetzt bloß weitergehen? Plötzlich fuhr Kim zusammen, denn die Türglocke läutete. Keith! Weshalb hatte sie ihn nicht angerufen und ihm erklärt, was passiert war? Sie eilte aus der Küche, doch es war zu spät. Jake hatte die Tür schon geöffnet. „Hallo, Kleiner!” Keith stürmte an Jake vorbei, zog Kim in die Arme und küsste sie kurz auf den Mund. „Ich habe einen Käufer für dich! Großartig, nicht wahr? Einen Mann mit Familie, der von Jacksonville hierher versetzt worden ist. Er ist bereit, das Haus zu deinem Preis unbesehen zu übernehmen.” „Keith ...” Noch ehe Kim sich von ihm losmachte, gab er sie frei, ließ eine Hand an ihrer Taille liegen und betrachtete neugierig den Besucher am Tisch. Brian stand auf. Kim erkannte, dass er die Situation sofort richtig eingeschätzt hatte und instinktiv wusste, dass Keith ihr Liebhaber war. Mit einemmal hatte Brian etwas Gefährliches an sich. Verurteilte er sie etwa? Wenn er es tat, mit welchem Recht? Er war zehn Jahre nicht dagewesen. Die Zeiten, in denen eine Witwe ein völlig zurückgezogenes Leben führte, waren längst vorbei. Nervös befreite Kim sich von Keith und versuchte, sich so gelassen wie möglich zu geben. „Brian, ich möchte dir Keith Norman vorstellen. Keith, das ist Brian Trent.” Verblüfft öffnete Keith den Mund. „Brian Trent? Aber ich...” Brian trat näher heran. Er ließ sich nicht anmerken, was in ihm vorging. Zu Kims Überraschung reichte er Keith die Hand. „Hallo, Keith. Ja, man hat mich für tot gehalten. Ich hatte höllische Schwierigkeiten, die Behörden vom Gegenteil zu überzeugen.” Keith schüttelte die dargebotene Hand. Er war zu verwirrt, um etwas sagen zu können. Obgleich Brian verbindlich lächelte, merkte Kim, dass er äußerst gespannt war und es ihn beinahe übermenschliche Kraft kostete, sich zusammenzureißen. Endlich brach er das Schweigen. „Jake und Josh, wollt ihr mir nicht euer Zimmer zeigen und all die Poster, von denen ihr mir vorgeschwärmt habt? Ich glaube, eure Mutter muss ein paar Minuten mit Mr. Norman allein reden." Die beiden Jungen hatten Keith misstrauisch beobachtet. Jetzt nickten sie langsam und gehorchten schweigend. Keith und Kim blickten ihnen nach. Auf halbem Weg nach oben 27
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blieb Brian stehen und drehte sich. „Übrigens, Mr. Norman, mein Haus ist im Moment nicht zu verkaufen. Meine Frau und ich müssen noch vieles überdenken, bevor wir uns zu solch einem Schritt entschließen.” Gelassen stieg er die Treppe ganz hinauf. Kim, die wie erstarrt dastand, spürte noch immer den Blick, mit dem Brian sie durchbohrt hatte. Jetzt wusste sie, was er von ihr erwartete. Aber was in aller Welt wollte sie selbst? Brian konnte nach zehn Jahren doch nicht einfach hereinpazieren und annehmen, dass alles . wie früher war. Doch genau das tat er!
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Baccara
Die Verblüffung war Keith noch deutlich anzumerken, als er sich wieder an Kim wandte. Er sah aus wie jemand, der eine schreckliche Erscheinung gehabt hatte, und Kim hätte beinahe aufgelacht. „Ich. . . ich verstehe das alles nicht! Schließlich bin ich mit dir und den Jungen auf dem Friedhof gewesen. Wie zum Teufel... Ich habe sie doch gesehen, Kim. Ich habe diese verflixte Erkennungsmarke selbst gesehen.” Vielleicht lag es an Keith's Erregung, dass Kim so ruhig antwortete: „Ich begreife es ja selbst noch nicht richtig, Keith. Jemand anders muss dort begraben liegen. Du weißt ja, dass die Identifizierung ausschließlich durch Brians Erkennungsmarke erfolgte.” „Aber wo. . .” „Willst du dich nicht setzen und einen Kaffee trinken?” „Nein, ich hätte lieber einen Drink”, meinte er. Keith folgte Kim in die Küche und legte den Arm um sie, während sie den Schrank mit den Getränken öffnete. Sie versteifte sich einen Moment, entspannte sich jedoch gleich wieder. Keith liebte sie. Sie hatten zusammenziehen und vielleicht sogar heiraten wollen. Und sie liebte ihn ebenfalls und hatte viel Zeit mit ihm verbracht. Kim kannte ihn, mochte die hautengen Shorts an ihm, die er immer trug, mochte sein dichtes Haar, das sie so gern zerwühlte. Sie wusste, wie seine Augen funkelten, wenn er vergnügt war, und wie seine Lippen sich auf den ihren anfühlten. Bei ihm fühlte sie sich wirklich sicher und geborgen. Und jetzt war Brian plötzlich hier und hatte gerade seine Ansprüche auf sein Haus und auf sie als seine Ehefrau angemeldet... „Bitte einen Scotch, und zwar einen großen”, erklärte Keith. „Ja, sofort.” Sie machte sich von ihm los und fragte sich, weshalb sie plötzlich Schuldgefühle bekam, weil sie sich von Keith umarmen ließ. Er gehörte doch zu ihrem Leben. Und er liebte sie. Keith bemerkte ihren Rückzug nicht. Nervös ging er in der Küche hin und her, wobei er mit den Sandalen über den Kachelboden schlurfte. „Er kann doch keine Ansprüche mehr auf dich haben. Du ziehst zu mir wie geplant. Überlass ihm das Haus - obwohl ich sicher bin, dass du inzwischen auch ein Recht darauf hast.” Kim schüttelte den Kopf. „Einen Moment, Keith. Ich muss meine Pläne jetzt ändern. Brian hat Furchtbares durchgemacht. Zehn Jahre seines Lebens wurden ihm gestohlen!” „O Kim, das weiß ich ja selbst”, sagte Keith kläglich. „Es ist nur... dass du und ich ... Ich liebe dich, Kim!” „Ich liebe dich auch”, antwortete sie, weil sie es selbst glaubte. „Du kannst doch nicht mehr seine Frau sein”, fuhr Keith fort, und seine
Stimme klang beinahe flehentlich. „Ich . . ich weiß es nicht.” „Auf keinen Fall darfst du hier mit ihm allein bleiben. Wo ist er die ganze Zeit gewesen?” „Er war gefangen.” „Verdammt ... zehn Jahre. Genau das meine ich ja, Kim. Er müsste erst einmal in einem Sanatorium psychotherapeutisch behandelt werden. Er könnte verrückt geworden sein. Selbst Männer, die nur ein paar Monate im Dschungel waren, kamen gestört zurück.” „Rede keinen Unsinn”, fuhr Kim Keith an. Aber hatte sie sich denn nicht selbst gewundert, dass Brian erstaunlich gesund wirkte? „Er würde mir
oder meinen Söhnen niemals etwas tun.”
„Trotzdem ziehst du zu mir.”
„Das geht nicht mehr so einfach, Keith. Meine Söhne haben gerade ihren Vater zurückbekommen. Sie würden es mir nie verzeihen, wenn ich sie jetzt von ihm trennte. Und ich war seine Frau - falls ich es nicht immer noch bin. Selbst wenn ich nur eine gute Bekannte wäre, würde ich ihm helfen. Er hat fast ein Drittel seines Lebens verloren, Keith. Ich. . . wir alle sind ihm dafür etwas schuldig.” „O Kim, du willst doch nicht wegen eines Schuldgefühls alles zwischen uns zerstören!” „Keith, bitte.” Kim lehnte an der Theke und biss sich auf die Unterlippe. Plötzlich verspürte sie den Wunsch, Keith in die Arme zu nehmen. Zu bitter hatten seine Worte geklungen. Sie ging auf ihn zu, blieb aber plötzlich stehen und kehrte ihm den Rücken zu. „Ich liebe dich, Keith, das weißt du genau. Ich habe nicht die Absicht, irgend etwas zu zerstören, nur ich muss einen Schritt nach dem anderen tun. Ich kann doch unmöglich nach oben gehen und Brian erklären, dass ich mich zwar über seine Heimkehr freue, er aber ziemlich ungelegen kommt.” „Das meine ich auch nicht”, erwiderte Keith heiser. „Nur, ich liebe dich, und du liebst mich. Brian muss begreifen, dass das Leben inzwischen weitergegangen ist. Er war nicht nur kurz zum Angeln fort, und du hast dir nicht nur ein schönes Wochenende gemacht. Du warst eine Witwe, Kim. Du könntest seit Jahren wieder verheiratet sein.” „Ich weiß.” Kim drehte sich wieder zu Keith um und lächelte traurig. „Aber ich bin es nicht. Und ich weiß nicht, was ich tun soll. Wenn Brian recht hat, habe ich wieder einen Ehemann. Ich kann jetzt nicht einfach davonlaufen...” „Und ich lasse nicht zu, dass du mit einem anderen Mann schläfst!” „Ich... wir haben noch gar nicht miteinander geredet. Brian wird doch nicht von mir erwarten...”
„Sei dir nicht so sicher!”
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4.KAPITEL
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Baccara „Keith, wenn du mich liebst, musst du mir vertrauen.” „Vertrauen!” Keith trank sein Glas in einem Zug aus und stellte es heftig auf den Küchentisch. Er nahm den Kopf . zwischen die Fäuste und ” schloss die Augen. „Das ist... das ist... „Keith”, sagte Kim leise. Es war unfair, aber was sollte sie tun? Eine andere Lösung für Brian sah sie nicht. „Keith, ich brauche etwas Zeit. Jake und Josh sind von ihrem Vater begeistert. Und Brian muss seine Söhne um sich haben. Er soll sie richtig kennen lernen und mit ihnen zusammenleben. Dieses Haus gehört ihm wahrscheinlich immer noch, und rechtlich bin ich vermutlich seine Ehefrau!" „Du kannst ihn doch nicht mehr lieben! Zuviel Zeit ist doch inzwischen vergangen...” „O Keith, ich weiß nicht, was ich fühle. Aber ich kann Brian jetzt nicht verlassen. Ich muss ihm etwas Zeit geben. Wir hatten noch keine Gelegenheit, miteinander zu reden, und ich habe keine Ahnung, ob...” Erschöpft brach sie ab. „Ich glaube, du gehst jetzt lieber. Wenn Brian und ich miteinander gesprochen haben, rufe ich dich sofort an.” Keith sah aus, als wollte er etwas sagen, doch er unterließ es. Offensichtlich war er ebenso verwirrt wie sie. Kopfschüttelnd trat er näher, nahm Kims Gesicht zwischen beide Hände und küsste sie zärtlich auf den Mund. „Ruf mich morgen früh an”, bat er nach einer Weile heiser. Sie nickte.
Unvermittelt drehte Brian sich herum. Sein Lächeln verschwand, und er reichte den Joystick an Jake weiter. „Ist der Kaffee fertig?” fragte Brian und stand geschmeidig auf. Kim nickte nur. Es schien ihr unsinnig, gegen die Musik anzuschreien. Josh machte es nichts aus. „Mama, können Jake und ich heißen Kakao bekommen?” fragte er. „Nein”, antwortete Kim eine Spur zu heftig. „Es ist schon spät. Ihr putzt jetzt eure Zähne und geht danach ins Bett.” „O Mama ...”, klagten die beiden wie aus einem Mund. „Ich sagte, es ist schon spät.” „Hört mal, Jungs”, sagte Brian und zerzauste den beiden das weißblonde Haar, „ich verspreche euch, dass ich nicht wieder verschwinden werde. Wir unterhalten uns morgen früh weiter.” „Morgen ist Montag”, erklärte Kim. „Morgen sind die Jungen im Lager, aber.. .”. Die Blicke dreier blauer Augenpaare waren nun auf sie gerichtet. „Nun ja, einen Tag könnt ihr sicher schwänzen.” „Dad wird morgen früh doch noch da sein, nicht wahr?” Es war keine Frage, sondern eine Forderung. Konnte Kim es ihrem Sohn übel nehmen? Allerdings brachte er sie damit in größte Verlegenheit. Andererseits hatte Brian schon darauf hingewiesen, dass ihm dieses Haus gehörte. Kim sah ihn nicht an, sondern schaute weiterhin zu ihrem Sohn. „Natürlich”, antwortete sie gelassen. „Er hat euch doch gerade versprochen, dass er nicht wieder verschwindet.”
Kim fühlte sich richtig elend, als sie die Haustür zuschlagen hörte. Langsam ging sie hinüber ins Wohnzimmer. Von oben erklang laute Musik der Rolling Stones und Gelächter, das sie geradezu magisch anzog. Neugierig stieg sie die Treppe hinauf. Auf der Türschwelle blieb sie stehen. Mit den Westernpostern und der Bettwäsche, die Wildwestmotive zierten, war dies ein typisches Jungenzimmer. Überall standen Kisten herum, denn die Zwillinge hatten erst in letzter Minute angefangen zu packen. Brian . hatte bestimmt gemerkt, was vorging, als er in das Zimmer eingetreten war. Es gab Kim einen Stich ins Herz. Brian lag mit dem Rücken zu ihr auf dem Boden. Josh beugte sich über seine Schultern, und Jake saß im Schneidersitz nahe seinen Ellbogen. Er freute sich gewaltig, wie schnell sein Vater das Computerspiel begriff und die Geistermonster abschoss. Gerührt betrachtete Kim die drei blonden Schöpfe. Brians Haar war etwas dunkler als das seiner Söhne. Die Zwillinge waren schon so groß wie sie, und sie maß immerhin einen Meter vierundsiebzig. Neben Brian wirkten sie allerdings klein. Bestimmt haben die beiden auch etwas von mir geerbt, überlegte Kim. Natürlich. Jake zum Beispiel ihre Ohren. Er besaß ganz kleine Ohrläppchen ...
Kim ging hinaus, lehnte sich an die Wand und holte tief Luft. Ich bin dieser Situation wirklich nicht gewachsen, dachte sie nervös. Einen Augenblick überlegte sie, ob sie noch einmal ins Kinderzimmer zurückkehren und den beiden einen Gutenachtkuss geben sollte. Doch sie verzichtete darauf. Die Jungen würden ihn heute nicht vermissen. Plötzlich bekam Kim stechende Kopfschmerzen. Bitte, Brian, sorg dafür, dass die Musik leiser gestellt wird, bat sie stumm. In diesem Augenblick wurde es im Zimmer der beiden Jungen tatsächlich still, und Kim eilte die Treppe hinab. Sie goss sich eine Tasse Kaffee ein, trank einen Schluck und verbrannte sich prompt die Lippen. Minuten vergingen, während sie wie betäubt dastand. Erst Brian, der zu ihr in die Küche kam, riss sie aus der Erstarrung. „Möchtest du eine Tasse oder einen Becher? Ein Stück Zucker und wenig Sahne, habe ich recht?” Kim holte eine Untertasse aus dem Schrank und stellte sie klirrend auf die Anrichte. „Bitte eine Tasse schwarzen Kaffee.” Sie goss den Kaffee ein und reichte Brian mit zitternder Hand die gefüllte Tasse. Flüssigkeit schwappte über deren Rand, so dass sich beide beinahe die Finger verbrüht hätten. Anschließend kehrte sie zur
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Baccara Anrichte zurück und lehnte sich dagegen, als benötige sie deren Halt. „Brian ... sind wir... bin ich... sind wir eigentlich noch verheiratet?” stammelte sie. Belustigt zog er die Brauen in die Höhe. „Du hast dich doch nicht von mir scheiden lassen, oder?” „Nein, natürlich nicht.” „Nun, nachdem ich bewiesen habe, dass ich noch lebe und gesund und munter bin, bist du ganz sicher keine Witwe. Ja, wir sind noch verheiratet.” Er lächelte kurz, schlenderte zum Tisch, lehnte sich dagegen, kreuzte ein Bein über das andere und sah sie gelassen an. „Ich habe erfahren, dass du morgen zu deinem Liebhaber ziehen willst.” Kims Kaffeetasse fiel zu Boden, wo sie zerschellte und die braune Flüssigkeit zu einer Lache verlief. Kims Gesicht spiegelte Erstaunen wider, als sie sich bückte, um die Scherben aufzusammeln. Dann ergriff Kim einige Papiertücher und wischte den Boden auf. Sie war richtig froh, dass sie etwas zu tun hatte. Brian, der keinerlei Anstalten gemacht hatte, ihr zu helfen, beobachtete sie entspannt. Merkwürdig, denn das Wort „Liebhaber” hatte aus seinem Mund unglaublich verächtlich geklungen. Sie goss sich eine neue Tasse Kaffee ein und merkte, dass Brian sie aufmerksam betrachtete. Gern wäre sie ebenso gelassen geblieben wie er, aber sie kam gegen ihre Nervosität nicht an. „Brian”, sagte sie schließlich leise, „weißt du auch, wie lange...” „Ja”, unterbrach er sie, trocken. „Irgendwo tief im Dschungel befindet sich ein Zypressenstumpf mit mehr als zweitausend Einkerbungen. Ich weiß genau, wie lange es gewesen ist.” „Man hatte mir mitgeteilt, du wärest gefallen, Brian. Angeblich wurden sogar deine sterblichen Überreste hierher überführt.” „Das ist mir bekannt, Kim. Vielleicht habe ich mich nicht richtig ausgedrückt. Hast du immer noch vor, morgen zu Mr. Norman zu ziehen?” „Ich... nein, ich...” „Gut. Ich hätte es nämlich nicht zugelassen.” Verflixt, Brian hatte tatsächlich ein erhebliches Geschick. Bleib ruhig, ermahnte Kim sich, Brian ist gerade erst heimgekehrt. „Brian, ich glaube, du begreifst nicht ganz.” „Ich begreife durchaus, Du schläfst schon seit einer ganzen Weile mit diesem Keith. Willst du dich von mir scheiden lassen?” „Nein, natürlich nicht. Nicht jetzt.” Weshalb fühlte sie sich plötzlich in die Enge getrieben, obwohl sie kein schlechtes Gewissen zu haben brauchte? „Nun, solange du dich nicht von mir scheiden lässt, bist du meine Frau. Und ich bin hier - und sehr, sehr lebendig, das versichere ich dir. Ich weiß nicht, was du vorhin zu deinem Freund gesagt hast, aber ich wäre dir dankbar, wenn du ihm morgen mitteilen würdest, dass du ihn nicht wiedersehen möchtest. Es sei denn, du willst die Scheidung einreichen.”
Kim wurde es plötzlich schwindlig. Wie hilfesuchend klammerte sie sich an die Anrichte. Brian sah sie seltsam durchdringend an. „Brian”, stieß Kim hervor, „wie kannst du wissen, was du wirklich möchtest? Du kennst mich doch gar nicht mehr.” „Kim”, antwortete er sehr ruhig und stellte die Tasse mit der Untertasse auf den Tisch, „du bist meine Frau. Ich hatte immer die Absicht, hierher zurückzukehren. Ich möchte mein Heim wiederhaben, ich möchte meine Familie, und ich möchte meine Frau. Aber ich kann dich nicht zwingen, bei mir zu bleiben. Wenn du diese Ehe nicht mehr willst, werde ich dich gehen lassen. Willst du sie jedoch auch weiterhin, musst du dich wie meine Frau benehmen. Die Vergangenheit kann ich nicht ändern, auch wenn ich wünschte, es wäre anders. So unsinnig es ist, jeder Mann hofft oder träumt davon, dass seine Frau ihm trotz widriger Umstände ewig treu bleibt. Ich weiß, es ist ungerecht, wenn ich dir gegenüber so etwas sage. Aber das Leben war uns allen gegenüber nicht gerecht." Brian machte eine kurze Pause, ehe er fortfuhr: „Trotzdem möchte ich nicht von dir in Watte gepackt werden, Kim. Sei nicht erst nett zu mir und kehre anschließend zu diesem anderen Mann zurück. Wenn du bei mir bleibst, wirst du mich nicht betrügen.” Er sah sie noch kurz an, bevor er zur Tür ging, um die Küche zu verlassen. „Brian!” rief Kim ihm hinterher. Mit dem Rücken zu ihr blieb er stehen. „Du bist unfair, Brian. Du weißt nicht, was ich empfinde, und wir haben beide keine Ahnung, ob wir noch einmal zusammenleben könnten. Vieles hat sich inzwischen verändert.” „Wir werden ja sehen, Kim.” Er ging weiter. „Brian!” rief sie verzweifelt. Wieder blieb er stehen und seufzte ungeduldig. „Wo willst du hin?” „Ich werde meine Sachen aus dem Wagen holen.” „Aber... aber ...” Sie brach ab und machte einen neuen Versuch. „Brian, ich kann nicht ... Ich.. . es ist so lange her. Ich will damit sagen, ich kann nicht einfach ...” „Mit mir schlafen?” fragte er höflich. „Keine Sorge, Kim. Ich habe nicht die Absicht, dich ins Bett zu zerren. Außerdem bin ich nicht einmal sicher, ob ich dich frisch aus den Armen eines anderen Mannes übernehmen möchte. Da die Zwillinge in einem Zimmer schlafen, dürfte das angrenzende unbenutzt sein.” Kim nickte. Der Raum war zwar nicht gerade leer, sondern mit "Umzugsgut gefüllt, aber hinten stand ein Klappbett. Brian würde es
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Baccara bestimmt wiedererkennen, es war das Hochzeitsgeschenk eines Onkels. „Schön, dann mach dir meinetwegen keine Gedanken. Ich kann für mich selbst sorgen, falls die Bettwäsche noch im Wäscheschrank ist.” „Ja, natürlich. . .” „Gute Nacht, Kim.” „Gute Nacht, Brian!” wiederholte sie schrill. Er schrak ein wenig zusammen. „Ja, gute Nacht. Ich habe einen langen Flug hinter mir und dabei zwei Stunden verloren. Es wird langsam spät für mich.” „Du gehst also gleich ins Bett.” „Nein, ich will erst noch ein paar Sachen hereinholen. Außerdem muss ich mein Bett machen, bevor ich mich hinlegen kann”, erklärte er geduldig. „Aber Brian ..." Verärgert hielt Kim inne. Sie wollte ihn jetzt nicht anschreien oder ihm eine Szene machen. Nur - wie konnte er sich so normal benehmen? „Brian”, sagte sie so ruhig wie möglich, „meinst du nicht, wir sollten uns erst einmal unterhalten? Du hast fast gar nichts erzählt ...” „Ich werde auch nichts mehr erzählen, Kim”, unterbrach er sie. „Über die Vergangenheit möchte ich jetzt nicht mehr reden. Du weißt das Wesentliche, das muss dir genügen.” „Das ist nicht richtig, Brian. Du solltest darüber sprechen...” Sie brach ab, denn Brian zog verärgert die Augenbrauen in die Höhe. ,,Ich versichere dir, dass ich völlig gesund bin, Kim. Die besten Psychologen der Luftwaffe haben mich getestet und untersucht. Ich habe einfach keine Lust mehr, über die Vergangenheit zu sprechen, und was unsere Zukunft betrifft, darum müssen wir uns beide bemühen, nicht wahr? Aber jetzt bin ich todmüde und möchte schlafen. Schließlich habe ich den Jungen versprochen, nicht wieder zu verschwinden." ,,Aber . . ." „Gute Nacht, Kim.” Damit verließ er die Küche. Kim hätte am liebsten die Tasse hinter ihm her geschleudert. Nach zehn Jahren kam dieser Mann hier hereingeschneit und wollte nicht mit ihr reden, sondern einfach nur schlafen. Sie hätte vor Wut und Verärgerung laut schreien können. Sei nachsichtig mit ihm, ermahnte sie sich. Denk daran, was er durchgemacht hat.. Aber dachte Brian auch daran, wie es ihr ergangen war? Interessierte es ihn überhaupt? Kim hörte, wie er die Tür abschloss und die Kette vorlegte. Im Haus war es so still, dass sie sogar seine leichten Schritte auf der mit Teppich ausgelegten Treppe hörte. Kurz darauf wurde eine weitere Tür geöffnet und wieder zugemacht. Brian ging tatsächlich zu Bett.
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* Brian lag lange wach und schaute nachdenklich an die Decke. Er war wieder zu Hause. Er hatte es tatsächlich geschafft, sein Traum hatte sich erfüllt. Und es war nicht viel anders, als er es sich vorgestellt hatte. Der Swimmingpool und der Innenhof waren wirklich hübsch, auch die Tapeten in der Küche und die Einrichtung des Wohnzimmers. Und seine Jungen ... Sie waren schon zwölf Jahre alt und genauso groß wie Kim. Beide waren ihm aus dem Gesicht geschnitten. Brians Wangen wurden feucht. Ich weine, dachte er, wie albern. Seufzend legte er sich auf die andere Seite. Er hatte Angst.
Kim sah genauso gut aus wie früher. Ihr Haar fiel jetzt weicher,
fedriger, aber sonst hatte sie sich wenig verändert. Nacht für Nacht hatte er von ihr geträumt und gehofft, dass er heimkommen konnte, bevor es zu spät war. Beinahe hätte es schon vor zehn Jahren geklappt... Nie würde Brian den Tag vergessen, an dem Jim Barnes bei ihm auftauchte und ihm eine Zeitung auf den Schoß warf. „He, Brian. Es sieht ganz so aus, als kämen wir hier bald heraus. Wegen der Wahlen scheint sich einiges bei uns zu tun.” Aber sie waren nicht nach Hause geschickt worden, sondern man hatte sie am nächsten Tag zu einem Bombenangriff abkommandiert. Zusammen mit Jim Barnes und acht Männern hatte Brian im Hubschrauber gesessen, als dieser getroffen abstürzte und in Flammen aufging. Ein Held hatte er nicht sein wollen, aber er war der ranghöchste Soldat gewesen und hatte die Männer aus dem Feuer gezerrt. Später hatte er geholfen; sie in einen Rettungshubschrauber zu verfrachten. Dieser musste nach wenigen Minuten wieder starten, weil das Gebiet beschossen wurde. Er und Jim Barnes, der auch verheiratet war und eine kleine Tochter hatte, waren zurückgeblieben.
Granaten schlugen um sie herum ein, gefolgt von Flammenwerfern.
Plötzlich brannte alles; die verlassenen Hütten, das trockene Gras, ja selbst der Dschungel. Brian sah, dass Jim verletzt war. Er wollte zu ihm eilen, aber der Rauch war so dicht, dass Brian kaum vorwärts kam. Der dicke Qualm trieb ihm die Tränen in die Augen, Auf allen vieren kroch er zu Jim, sah noch, wie die Flammen neben ihm hochzüngelten, dann wurde er, Brian ohnmächtig. Auf einer Trage kam er wieder zu sich. Im ersten Augenblick glaubte er, die Amerikaner hätten ihn gefunden. Er bekam auch mit, wie Jims verkohlter Körper fortgebracht wurde. Kurz darauf stellte Brian fest, dass er nicht von den Nordvietnamesen gefangengenommen worden war.
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Baccara Chou Lang war ein Einzelkämpfer, ein Mann des Dschungels, der nach eigenen Gesetzen lebte und seine Gefangenen in verminten Bambuskäfigen hielt. Als Brian sich mit seiner Dienstmarke auswies, lachte er ihn einfach aus. Offensichtlich war er halb wahnsinnig. Brians Nachbar war Franzose. Er warnte ihn vor den Sprengsätzen an den Stangen, redete mit ihm und bewahrte ihn davor, restlos durchzudrehen. Von Jean erfuhr Brian auch, weshalb Chou Lang sich so verhielt. Seine ganze Familie, seine Frau, seine Mutter und seine drei Kinder waren von einer der ersten Napalmbomben getötet worden. Deshalb brachte er seine Gefangenen nicht um. Er schlug sie nicht, verstümmelte sie nicht und wandte keine jener schrecklichen Foltern an, von denen die Amerikaner soviel gehört hatten. Er quälte sie seelisch. Die ersten vier Monate sprach er kaum mit Brian. Eines Tages kam Chou Lang strahlend zu ihm und führte ihn zu einem Erdhügel. Der Vietnamese warf Brians Erkennungsmarke auf die kurze Zeit später ausgegrabene Leiche und erklärte schrill: „So, Yankee, nun bist du ein toter Mann. Du bist tot, tot, tot ...” An den folgenden Tagen stellte Brian fest, dass Chou Lang ausgezeichnet Englisch sprach. Er hatte Brians Brieftasche an sich genommen und ein Foto von Kim darin gefunden. „Deine Frau, Yankee? Jetzt ist sie es nicht mehr, denn du bist tot. Hübsche junge Frau - und hat keinen Mann. Nein, nicht hübsch... schön. Weißt du, was sie jetzt tun wird, toter Mann?” Brian krallte sich an die Bambusstäbe seines Gefängniskäfigs und wurde kreidebleich. Ausführlich schilderte Chou Lang ihm, wie seine Frau nun bald den Körper eines anderen Mannes liebkosen würde und was dieser Mann mit Kim machte. Zwischendurch lachte Chou Lang immer wieder auf. „Komm, fang mich, Yankee. Fang mich! Ich würde es gern mit ansehen, wie du in die Luft fliegst. Mann tot, ist nicht mehr da. Ich kann mir deine Frau gut vorstellen, Yankee. Sie hat sehr, sehr lange Beine und...” Brian hielt den Spott kaum noch aus. Er war schon lange hinter Gittern, sah man von dem einen Bad pro Woche und Arbeit auf den Reisfeldern ab, während der Vietnamese sie mit einem US-Maschinengewehr bewachte. Plötzlich ertönte die „Marseillaise” aus dem Nebenkäfig. Jean sang aus voller Kehle seine Nationalhymne. Chou Lang ließ sofort von Brian ab und wandte sich dem französischen Gefangenen zu. Trotzdem blieben die Worte des Vietnamesen nicht ohne Wirkung. Nächtelang lag Brian schlaflos da, quälte sich hilflos vor Wut und Enttäuschung. Er wollte gleichzeitig leben und sterben. Er träumte von Kim und wusste genau, dass ihr Leben weiterging ... Aber er gab die 37
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Hoffnung nicht auf, dass er sich eines Tages befreien und heimkehren könnte... Nun war Brian zu Hause, und alles lief falsch. Kim war noch da, sie hatte nicht wieder geheiratet, aber sie schlief mit diesem Kerl. Damit musste sofort Schluss sein. Er würde seine Ansprüche als Ehemann wieder geltend machen. Brian merkte plötzlich, dass ihm der kalte Schweiß auf der Stirn stand und er die Hände zu Fäusten geballt hatte. Ich liebe dich, Kim, dachte er schmerzerfüllt. Für diese Liebe habe ich gelebt, an die habe ich all die Jahre geglaubt. Die Klimaanlage hielt die Temperatur angenehm kühl, trotzdem bildeten sich Schweißperlen auf seinem ganzen Körper. Kim lag nur ein paar Türen weiter in ihrem Bett... Wieder zerwühlte Brian seine Laken und biss die Zähne zusammen, um nicht laut vor Verlangen und Wut aufzuschreien. Er begehrte Kim, hatte von ihr geträumt und sich vorgestellt, wie sie ihn strahlend um den Hals fiel. An jede Einzelheit ihres Körpers hatte er sich erinnert: das kleine Muttermal an ihrem Schlüsselbein, die weichen Rundungen ihrer Brüste, den sanften Schwung ihrer Hüften, die Art und Weise, wie sie sich bewegte und ihn ansah, wenn er in sie eindrang ... Brian stöhnte in das Kissen. Es war schwer, vernünftig zu bleiben. Natürlich hatte er gewusst, dass Kim ihn für tot hielt. Er war sicher, dass sie jetzt im Zwiespalt war. Aber ich leide auch furchtbar, Kim, klagte er stumm. Ich versuche, dir Zeit zu lassen. Du würdest schreckliche Angst vor mir bekommen, wenn ich jetzt zu dir hinüberlaufen und die Tür zu deinem Zimmer aufreißen würde. Aber es ist auch mein Zimmer, Kim, du sperrst mich aus meinem eigenen Schlafzimmer aus. Er konnte nur hoffen, dass sie diesen anderen Mann nicht wiedertraf. Bestimmt war er ein großartiger Typ. Er, Brian, musste vergessen, dass der andere Mann sie angerührt hatte, sonst wurde er noch verrückt. All die Jahre war er gesund geblieben, und jetzt trieb der Gedanke, dass Kim am anderen Ende des Flurs lag, ihn fast zum Wahnsinn. O Kim, ich liebe dich so, dachte er. Ich bin kein Superman, nur die Erinnerung an unsere Liebe hat mich am Leben gehalten. Ich begehre dich, und ich werde dich bekommen.
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Baccara
5. KAPITEL Das Läuten des Telefons riss Kim aus dem tiefen Schlaf. Sie fuhr auf, warf sich quer über das Bett und griff nach dem Hörer auf dem Nachttisch. „Kim? Was,. in aller Welt, tun Sie noch zu Hause? Wir müssen heute die Aufnahmen für die Thompson-Anzeige machen!” Du liebe Güte, die Werbung! Es gab noch Leute, die keine Ahnung hatten und annahmen, dass sie heute nichts Wichtigeres zu tun hatte, als stundenlang glasierten Schinken mit Schnittlauch und einem Berg Brötchen und Spargel dahinter zu fotografieren. Ausgerechnet David Harns sprach in diesem arroganten Ton zu ihr - jener Mann, der ihren ersten Versuch, neu anzufangen, zunichte gemacht hatte. „Tut mir leid, David”, antwortete Kim kühl. „Ich hätte Sie schon früher anrufen sollen. Leider kann ich heute nicht zum Dienst kommen, wahrscheinlich die ganze Woche nicht. Aus persönlichen Gründen.” „Aus welchen Gründen?” Kim sah David vor sich, während er diese scharfe Frage stellte: Er war schlank, elegant und sich seines attraktiven Äußeren durchaus bewusst. Gern pflegte er das Bild eines unwiderstehlichen Mannes. Er lächelte sinnlich und sprach mit leiser, etwas heiserer Stimme, sobald er glaubte, eine Frau sei diese Anstrengung wert. Kim lächelte. Die Neuigkeit würde eine hübsche kleine Überraschung für ihn sein. „Mein Mann ist nach Hause gekommen.” Schweigen herrschte am anderen Ende der Leitung. „Wie bitte?” stieß David endlich hervor. „Mein Mann ist nach Hause gekommen.” „Haben Sie gestern Abend etwas zuviel getrunken?” Er lachte. „Leiden Sie an Halluzinationen, meine Liebe? Schließlich wissen wir alles dass Brian tot ist.” „Eben nicht, David”, antwortete Kim so süßlich wie möglich. „Das ist eine sehr lange Geschichte. Brian ist nicht gefallen, er ist gestern Abend zurückgekehrt. Deshalb haben Sie gewiss Verständnis dafür, dass ich nicht ins Büro kommen kann.” „Brian Trent lebt tatsächlich?” fragte David jetzt leicht besorgt. Kim triumphierte insgeheim. Sie hatte also recht gehabt. David hatte Brian immer beneidet, weil er tief im Herzen wusste, dass der andere der bessere Mann war. Weder jetzt noch früher hatte er mit Brian konkurrieren können. Es war ein Jammer, dass er das nie hatte wahrhaben wollen. Kim bezweifelte, dass Brian sich überhaupt an ihn erinnerte. „Das bringt Sie ganz schön in Schwierigkeiten, nicht wahr?” fragte David lauernd. „Ein Freund und ein Ehemann... O je, ich kann mir Ihre 39
persönlichen Probleme gut vorstellen. Vergessen Sie trotzdem nicht, dass Sie auch einen Beruf haben, Mrs. Trent. Wenn Sie ihn behalten wollen, sollten Sie Ihr Privatleben schnell in Ordnung bringen.” „Danke für Ihre Anteilnahme, David, aber ich werde nachher selbst mit Mr. Simms reden.” Peter Simms war der Chef der Si-Co-Werbeagentur, bei der sie seit sieben Jahren als Fotografin fest angestellt war. Trotz der Kinderkrankheiten der Zwillinge hatte sie bisher kaum gefehlt. Bestimmt würde Mr. Simms, ein freundlicher älterer Herr, für ihre Lage Verständnis
haben.
Kim wartete Davids Antwort nicht ab. „Auf Wiedersehen”, sagte sie
höflich und legte den Hörer auf.
Zufrieden drückte sie ihr Kopfkissen an sich. Dieses Gespräch hatte ihr
richtig gut getan, denn sie konnte sich lebhaft vorstellen, was David bei dem Gedanken an Brians Rückkehr empfand. David war mit Brian auf die High School gegangen. Anfangs hatte sie sich zu David hingezogen gefühlt. Als sie an einem Freitagnachmittag zusammen mit einigen Kollegen in die Bar ging, traf sie dort David. Heute war sie sicher, dass er sie nur begehrt hatte, weil sie Brians Frau gewesen war. Kim zog das Kissen enger an sich. Nie würde sie vergessen, was David ihr angetan hatte. Nicht zuletzt deshalb hatte sie Keith später so sympathisch gefunden. Er hatte ihr über die Demütigung hinweggeholfen. David war der erste Mann, mit dem Kim nach der Nachricht von Brians Tod wieder ausgegangen war. Er schien freundlich und verständnisvoll zu sein. An jenem Freitag lud er sie zum Abendessen in ein vornehmes Restaurant ein. Von da an führte er sie regelmäßig aus. Eines Abends nahm David sie mit zu sich nach Hause. Seine Wohnung war genauso eingerichtet, wie Kim es erwartet hatte: dicker Teppichboden, Pop-art-Poster, eine Stereoanlage, ein französisches Bett mit Fellüberwurf, eine Bar. Das sanfte Licht, die einschmeichelnde Musik und der Blick auf den Fluss von der breiten Fensterfront aus sollten . für romantische Stimmung sorgen. Als David jedoch nach den Knöpfen ihrer Bluse griff, begann Kim zu zittern. Irgend etwas stimmte nicht. Sie hatte erwartet, dass seine Zärtlichkeiten sie erregen würden, doch sie empfand überhaupt nichts. David küsste ihren Hals, streife ihr die Bluse ab und wollte ihren BH öffnen. „Warte noch”, bat Kim, aber er schien es nicht zu hören. Er fingerte am Verschluss herum und schob ihr schließlich die Träger über die Schultern. Doch als er nach dem Reißverschluss ihres Rockes griff, hielt sie
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Baccara seine Hand fest. „Bitte nicht, David. Es tut mir leid, aber ich bin einfach noch nicht dazu bereit.” „Natürlich bist du dazu bereit, mein Schatz. Hör mal, du kannst doch nicht ständig wie eine Nonne leben.” Hatte David recht? Sie war so lange allein gewesen und wusste, wie sehr ihr ein Mensch fehlte, den sie lieben konnte und der sie liebte. Nein. Sie durfte jetzt keinen Rückzieher machen. Also ließ sie es zu, dass er sie aufs Bett drückte und sie ganz auszog. Danach richtete er sich wieder auf und kleidete sich selber aus. Er verhält sich wie ein Stripper, dachte Kim und fühlte sich noch unbehaglicher. Offensichtlich sollte sie dies als große Auszeichnung betrachten und jeden Zentimeter seines Körpers bewundern. Doch sie lag nur da und empfand gar nichts. David glitt neben sie und streichelte ihre Brüste. „Bei dir sitzt alles genau an der richtigen Stelle”, sagte er anerkennend. „Ich hätte nicht gedacht, dass du eine so tolle Figur hast!” Er pfiff leise und strich mit den Fingern über ihren flachen Bauch und ihre Schenkel. „Du bist verdammt gut gebaut. Schlank, aber prima gepolstert.” Beinahe wäre Kim in die Höhe gefahren. Brian hatte ihr auch so etwas ins Ohr geflüstert, und sie hatte es gern gehört. Bei David hatte sie das Gefühl, ein Stück Fleisch zu sein. „He, was ist mit dir los?” fragte er plötzlich. „Wieso?” „Mit deinem Körper solltest du eigentlich etwas anfangen können. Statt dessen liegst du da wie ein Holzklotz. Du müsstest doch wissen, wie man einen Mann befriedigt. Herrje! Ich dachte, Brian hätte eine richtig scharfe Frau gehabt. Na ja, vielleicht kann ich dir einiges beibringen ...” „Lass mich sofort los!” fuhr Kim ihn an. David grinste nur. „Wütend ist immer noch besser als eiskalt!” Er lachte erneut. „Und jetzt beruhige dich. Gleich zeig ich dir was.” „Das kannst du dir sparen, ich will es nicht wissen.” Heftig schob sie David zurück, sprang aus dem Bett und suchte verzweifelt nach ihren Kleidern. „He, warte mal!” schrie er sie an. „Ich habe dir fast zehn Abendessen spendiert. Du bist mir etwas schuldig.” „Ich bin nicht für ein paar Abendessen zu haben”, erklärte Kim zornig, stopfte ihre Strümpfe in die Handtasche und schlüpfte in die Sandaletten. „Du kannst doch nicht einfach weglaufen.” „Und ob ich das kann!” Schon war sie an der Tür. „Lass dir erst mal was beibringen, dann geb ich dir eine weitere Chance”, rief David ihr nach. Nicht der eigentliche Vorfall hatte Kim getroffen. David war vorher so nett und rücksichtsvoll gewesen. Sie hatte den Eindruck gehabt, dass er 41
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sie rnochte und ihr Zeit lassen wollte. Immer wieder hatte er ihr versichert, wie hübsch sie sei und wie sehr er sie begehre. Offensichtlich konnte sie die Menschen nicht richtig einschätzen. Sie hatte keine Ahnung, wie man als alleinstehende Frau lebte. Und sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte, wenn wirkliche Gefühle nur noch so wenig bedeuteten. Trotzdem hatte sie weiter mit David zusammengearbeitet. So war es ganz natürlich, dass sie sich insgeheim freute, weil David ein bisschen Angst vor Brian hatte. Allerdings würde sie Brian nichts von diesem Vorfall erzählen. Sie hatte nie darüber gesprochen und würde es auch in Zukunft nicht tun. Das Telefon läutete und brachte Kim in die Gegenwart zurück. Hastig griff sie zum Hörer. „Hallo?” Es knackte ein paar Mal in der Leitung, dann fragte eine Frauenstimme zögernd: „Kann ich bitte Brian Trent sprechen?” Bevor Kim antwortete, fuhr die Frau leise fort: „Oh, rufe ich zu früh an? Dann bitte ich vielmals um Entschuldigung. Ich dachte, bei uns im Mittelwesten wäre es eine Stunde früher als bei Ihnen. Ist es etwa umgekehrt? Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt ...” „Nein, nein”, antwortete Kim rasch und wunderte sich selbst über den Anflug von Eifersucht, den sie empfand. Brian war noch keine vierundzwanzig Stunden zu Hause, und schon rief eine Frau an. Sie selbst hatte bis vor vierundzwanzig Stunden nicht einmal gewusst, dass er noch lebte. „Das Gespräch übernehme ich, Kim”, hörte sie plötzlich Brians Stimme in der Leitung. „Ich bin in der Küche”, erklärte er liebenswürdig, aber bestimmt. Kim kam sich vor wie ein Kind, das beim Lauschen ertappt worden ist. „Brian”, begann die Frau, „hier ist Lisa...” Es kostete Kim einige Überwindung, den Hörer auf die Gabel. zu legen. Natürlich wollte sie gern wissen, mit wem Brian sprach. Nun, sie würde ihn danach fragen. Eben wollte sie aufstehen, da klopfte es. Bevor sie „Herein” rufen konnte, öffnete sich die Tür einen Spalt, und Josh steckte den Kopf hindurch. „Ja, komm herein, Josh.” Kim lächelte, weil ihr sonst so ungestümer Sohn nur zögernd näher trat und sich an ihr Bettende setzte, bevor er etwas sagte. „Habe ich geträumt, Mama, oder ist er tatsächlich da?” Es klang so verwundert, dass es Kim ganz weh ums Herz wurde. Sie streckte die Hand aus und zog ihren Jungen an sich. Normalerweise hätte Josh sich sofort losgemacht. Diesmal umarmte er seine Mutter ebenfalls heftig. „Mama?” „Du hast nicht geträumt”, versicherte Kim ihm leise. „Dein Daddy lebt, und er ist wieder da.”
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Baccara Einen Augenblick hielten sie sich fest umschlungen. Dann rutschte Josh zurück und sah sie mit seinen großen blauen Augen an, die Kim immer so an Brian erinnert hatten. „Wo ist er, Mama?” „Ich glaube, unten in der Küche.” „Er hat nicht bei dir geschlafen, oder?” „Nein, er hat im Gästezimmer übernachtet”, erklärte Kim, ging zur Frisierkommode und suchte in der Schublade nach frischer Wäsche. Sie spürte den Blick ihres Sohnes. Er ist zu alt, um mit Ausreden abgespeist zu werden, dachte sie und drehte sich zu ihm. „Josh, es gibt ein paar Dinge, die gehen nur deinen Vater und mich etwas an. Hast du verstanden?” Josh straffte sich, und seine Mundwinkel zuckten einen Moment. „Natürlich, Mama.” Er hatte es anscheinend wirklich verstanden, aber sein Ton gefiel ihr nicht. „Mein Vater ist zurückgekommen, und du willst immer noch zu diesem anderen Kerl ziehen.” „Josh, Keith ist nicht irgendein anderer Kerl. Er hat sich viel Mühe mit euch und mir gegeben. Bis gestern habt ihr beide ihn doch gemocht. Ihr werdet euren Vater nicht wieder verlieren, das verspreche ich euch. Aber wie gesagt, manche Dinge gehen nur ihn und mich etwas an. Das müsst ihr einfach einsehen.” Josh stand auf, den Blick hielt er gesenkt. Am liebsten hätte Kim ihn geschüttelt, aber sie hatte die Zwillinge nie körperlich bestraft, und nachdem die Jungen jetzt ebenso groß waren wie sie, war es dafür ohnehin zu spät. „Ich gehe nach unten”, erklärte Josh und schloss die Tür ziemlich heftig. Kim seufzte tief. Das läuft nicht richtig, dachte sie. Was soll ich nur tun? Sie duschte rasch, zog weiße Shorts und eine dazu passende weiße Bluse an, legte ein zartes Make-up auf und betrachtete sich prüfend im Spiegel. Brian war zwar durch die Hölle gegangen, sah aber immer noch gut aus. Sogar besser denn je. Seine Züge waren noch markanter geworden, dadurch wirkte sein Gesicht männlicher und anziehender als früher. Bin ich inzwischen sehr gealtert? fragte sich Kim. Brian würde jeder für einen jungen Mann halten, trotz der paar Fältchen um Mund und Augen. Aber bei einer Frau? Die musste einen makellosen glatten Teint haben. Männer ergrauten in Würde, von Frauen erwartete man dagegen, dass sie sich die Haare färbten. Kim wandte sich ab, darauf kam es letztlich nicht an. Die wahre Liebe hing weder von einer straffen Haut noch von einer bestimmten Haarfarbe ab. Und um diese Liebe ging es jetzt. Falls sie es zehn Jahre überdauert hatte ... Zu Kims Erstaunen stand Brian in einem dunkelblauen Veloursmantel am Herd und backte Pfannkuchen. Die Kaffeemaschine war schon 43
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angestellt. Josh und Jake versuchten, gleichzeitig zu essen und zu reden. Sie schwiegen verlegen, als ihre Mutter die Küche betrat. Brian sah Kim kurz an. „Guten Morgen.” „Guten Morgen”, erwiderte sie den Gruß und goss sich eine Tasse Kaffee. ein und fragte sich, weshalb sie sich wie ein Eindringling vorkam. Aufmerksam musterte Brian sie von Kopf bis Fuß. Kim merkte es. Hatte sie die weißen Shorts angezogen, weil sie ihr gut standen und ihre langen gebräunten Beine vorteilhaft zur Geltung brachten? Ja, überlegte sie. Ich will für Brian attraktiv sein. Ich möchte, dass er mich ebenso anziehend findet wie vor vielen Jahren. Außerdem muss ich unbedingt herausbekommen, wer diese verflixte Lisa ist. Doch solange Jake und Josh in der Küche waren, konnte sie Brian nicht danach fragen. „Möchtest du auch Pfannkuchen?” „Ja, gern.” Sie nahm die Kaffeetasse in die eine Hand und streckte ihm mit der anderen einen Teller hin. Gern wäre sie näher an ihn herangetreten und hätte ihn berührt, aber sie wagte es nicht, weil ihr in seiner Nähe ganz heiß wurde. Brian legte ihr zwei Pfannkuchen auf den Teller. Sie bedankte sich und ging zu ihren beiden Söhnen an den Tisch. Beide aßen ungewohnt schweigend, und Kim ärgerte sich darüber. War sie plötzlich solch ein schlechter Mensch geworden? „Gehst du heute nicht zur Arbeit?” fragte Brian und setzte sich zu ihnen. Kim sah ihn an. Mit einemmal überlief sie eine solche Sehnsucht, dass sie kaum noch Luft bekam. Sie hatte diesen Mann unendlich geliebt. Er hatte ihr alles bedeutet, und selbst jetzt wurde sie noch ganz schwach, wenn sie ihn nur anschaute. Wie gern hätte sie sich an ihn geschmiegt und alles um sich herum vergessen. Wie gern hätte sie ganz von vorn angefangen. Aber es gab kein Zurück. „Natürlich arbeite ich heute nicht”, antwortete sie leise. Es klang beinahe vorwurfsvoll. Brian blickte seine beiden Söhne an. „Wollt ihr nicht schon aufessen, eure Badehosen anziehen und alles zusammenlegen, was ihr zu einem Picknick braucht? Wir könnten uns nachher ein Motorboot mieten und zu einer der Inseln hinausfahren.” Jake sprang auf und aß rasch sein letztes Stück Pfannkuchen auf. „Toll, Daddy!” Josh hatte es nicht ganz so eilig. „Ich nehme an, wir sollten uns dabei ruhig etwas Zeit lassen.” Brian lachte. „Du hast es erfasst, mein Sohn.” Josh lächelte zurück, warf Kim einen feindseligen Blick zu und trank seine Milch aus.
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Baccara Kim merkte, dass sie immer wütender wurde. Zehn Jahre hatte sie ihre Söhne allein erzogen, und nun kam sie sich vor wie an den Pranger gestellt. Dabei gab sie sich die größte Mühe, Verständnis für die Jungen und Brian zu haben, denn sie begriff durchaus, was in ihnen vorging. Aber sie war auch nur ein Mensch, und es war nicht auszuschließen, dass diese Situation ihre Kräfte überstieg.
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Die Zwillinge verließen die Küche. Einen Augenblick schwieg Brian und schaute Kim an, während er weiteraß. Endlich fragte er: „Wer ist David?” Verwirrt runzelte Kim die Stirn. Dann wurde ihr klar, dass Brian ihr Telefongespräch mitangehört hatte. Einen Moment vergaß sie, dass er zehn Jahre weg gewesen und seelisch doch nicht ganz gesund war. „Was fällt dir ein, meine Gespräche abzuhören!” fuhr sie ihn an. Gelassen trank er einen Schluck Kaffee. „Ich habe dein Gespräch nicht abgehört, sondern gleichzeitig mit dir den Hörer abgenommen.” O je, da hatte sie sich schön lächerlich gemacht. Schlimmer noch war, dass es geklungen hatte, als wolle sie ihm etwas verheimlichen. Kim senkte beschämt den Blick. „Entschuldige bitte ... Das war David Harris. Er ist Sachbearbeiter für Werbeaufträge. Du kennst ihn übrigens. Ihr wart auf der High School in derselben Klasse.” Brian schüttelte leicht den Kopf. Wie Kim vermutet hatte, erinnerte er sich nicht an den Klassenkameraden. „Arbeitest du mit ihm zusammen?” „Seit einiger Zeit nur noch selten. Ich bin Cheffotografin und habe nur mit ihm zu tun, wenn er einen seiner Werbefeldzüge plant.” Brian beugte sich über den Teller und aß einen weiteren Bissen. Dabei fiel ihm eine Locke in die Stirn. Er wirkte völlig gelassen, doch Kim merkte, dass er sie wachsam beobachtete. Sie sah sein nacktes Knie unter dem Tisch, und plötzlich lief ihr ein Schauer über den Rücken. Wie gern hätte sie Brian jetzt berührt und so wie früher seinen Körper erforscht. Sie begehrte Brian, wollte in seinen Armen liegen, von ihm beschützt werden und eins mit ihm sein. Würde das je wieder möglich werden? Oder hatte er sich zu weit von ihr entfernt? „Kim, ich möchte dich etwas fragen.” „Bitte.” „Ich möchte wissen, ob David dir irgendwelche Schwierigkeiten gemacht hat.” „David? Nein ... natürlich nicht. Ich leiste gute Arbeit und bin dem Besitzer der Agentur, Mr. Simms, direkt unterstellt.” Brian betrachtete sie nachdenklich. „Arbeitest du gern?” „Meistens.” „Oder würdest du lieber aufhören?” Worauf will Brian hinaus? fragte sich Kim. Sie durfte ihren Job nicht
aufgeben, schließlich musste sie für den Lebensunterhalt sorgen. Brian konnte doch noch keine großartigen Zukunftspläne geschmiedet haben, oder? Vorsichtig antwortete sie: „Eigentlich nicht, Brian. Meine Fotos sind zwar nicht welterschütternd, aber ich kann einen Schinken so aufnehmen, dass einem das Wasser im Mund zusammenläuft. Mir gefällt die berufliche Hausforderung.” Der Anflug eines Lächelns umspielte seinen Mund. „Eine Herausforderung wäre es, wenn du all dein Können auf Fotos verwendetest, die die Welt aufrütteln. Die Kim, die ich einmal kannte, war entschlossen, die Freuden und Leiden der Menschen einzufangen.” „Die Kim, die du gekannt hast, war eine idealistische Collegestudentin, die noch keine Zwillinge durchfüttern musste”, antwortete sie bitter und bedauerte ihren Ausbruch sofort. Es war nicht Brians Schuld, dass es anders gekommen war. Aber ich kann auch nichts dafür, hätte sie am liebsten geschrien. Brians Gesicht hatte sich verdüstert. Machte sie ihm etwa Vorwürfe? „Ich möchte dich etwas fragen”, bat Kim schärfer, als sie beabsichtigt hatte. „Bitte”, erwiderte er kühl. Es klang wie: Ob ich dir antworten werde, weiß ich noch nicht.' „Wer ist Lisa?” „Lisa”, erklärte er leise, „ist die Witwe des Mannes, der unter meinem Grabstein liegt.” Kim zögerte einen Moment. „Du kennst sie?” „Ja.” Kim fürchtete schon, Brian würde nichts mehr dazu sagen. Doch er fuhr fort: „Als ich endlich mit der zuständigen Militärbehörde Kontakt aufnehmen konnte, erfuhr ich, dass Lisa Barnes all die Jahre nach Jim gesucht hatte. Sie war mehrmals in Vietnam gewesen und hatte die Hoffnung nie aufgegeben, ihn zu finden. Deshalb fuhr ich zu ihr. Jim und ich hatten uns nahegestanden. Ich dachte, wenn die Todesnachricht von mir käme, wäre sie leichter zu ertragen.” Brian sah Kim nicht mehr an, sondern schien in Gedanken weit fort zu sein. „Lisa ist eine fabelhafte Frau”, fügte er hinzu. Kim straffte sich. Natürlich war Lisa fabelhaft. Sie hatte gewartet und die Suche nie aufgegeben. „Brian, ich erhielt zunächst die Nachricht, du wärst vermisst. Während dieser Zeit habe ich ebenfalls verzweifelt gewartet und dich suchen lassen. Aber dann wurden deine angeblichen Überreste hierher überführt. Von da an wäre es ziemlich sinnlos gewesen, noch länger auf deine Rückkehr zu hoffen." Brian blickte Kim erstaunt an, weil sie so heftig reagiert hatte. „Ich habe dir keinen Vorwurf gemacht, Kim.”
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Baccara „Nein, aber du unterstellst mir. . .” „Ich hatte nicht die Absicht, dir irgend etwas zu unterstellen”, unterbrach er sie ungeduldig. „Die Tatsachen sind mir durchaus bekannt.” „In Ordnung, Brian Trent”, begann sie wütend und wurde immer erregter. Noch bevor sie fortfahren konnte, läutete erneut das Telefon. Brian stand auf, doch sie schlüpfte an ihm vorbei und erklärte scharf: „Ich nehme ab.” Keith war am Apparat. Als Kim seine Stimme hörte, geriet sie erneut in einen Zwiespalt. Wenn sie mit Brian allein war, musste sie ständig an die Vergangenheit denken. Obwohl sie gelernt hatte, ohne ihn zu leben, war die Liebe zu ihm geblieben. Wie gern wollte sie wieder mit ihm zusammen sein, ihn liebkosen und von ihm liebkost werden. Keith brachte sie in die Gegenwart zurück. Er war so freundlich und fürsorglich. Ja, sie mochte ihn sehr. „Du hast mich nicht angerufen”, sagte er leise. Brian beobachtete sie. „Ich konnte es noch nicht.” „Ich liebe dich.” Die Worte blieben Kim im Hals stecken, denn Brian kam langsam auf sie zu. Er konnte sich Zeit lassen, denn er wusste genau, was er mit seinem Verhalten erreichte. „Ich kann jetzt nicht reden”, stieß Kim rasch hervor. „Wir müssen aber miteinander sprechen”, erklärte Keith verzweifelt. Männer sind geradezu unglaublich dumm, dachte Kim. Brian kam immer näher und sah sie dabei eindringlich an. „Du musst mit ihm reden, Kim”, bemerkte er gelassen. „Sag ihm, dass du ihn nicht mehr sehen willst.” Wie gelähmt stand Kim da und schaute Brian an. Er hatte die Hände in die Taschen des Morgenmantels geschoben und baute sich jetzt gut einen halben Meter vor ihr auf. Seine Worte hatten wie eine Warnung geklungen. „Schon gut, schon gut”, meinte Keith. „Ich habe verstanden, er ist bei dir. Treffen wir uns Mittwoch Mittag zum Essen in der Bierkneipe an der Universität?” „Das geht nicht”, erklärte Kim kläglich. „Dann am Donnerstag?” „Nein!” „Verflixt noch mal, Kim, ich bin nicht aus Stein! Natürlich musst du vorsichtig sein, aber... Montag, und keinen Tag später. Bis dahin hast du noch eine volle Woche Zeit.” „Ich muss jetzt fort.” „In Ordnung.” Die Verbindung wurde unterbrochen, unmittelbar bevor Brian Kim vorsichtig den Hörer aus der Hand nahm. „Hallo?” fragte er in die Muschel. Kim kam sich vor wie ein Kind, das beim Naschen ertappt worden war.
Langsam legte Brian den Hörer wieder auf. Er nahm ihr Gesicht zwischen beide Hände und streichelte trotz der Anspannung, die Kim ihm deutlich anmerkte, ungeheuer zärtlich mit den Daumen ihre Wangenknochen. „Kim”, sagte er, und seine Stimme klang gefährlich ruhig, „ich habe dir die Wahl gelassen: Reich die Scheidung ein, oder trenn dich von diesem Mann.” Es gefiel Kim nicht, dass Brian so nahe war. Ihr schwirrte der Kopf, und sie konnte nicht mehr klar denken. Weshalb war sie in so eine Lage geraten? Sie fühlte sich schuldig, weil sie beiden Männern gerecht werden wollte und doch einem von ihnen großen Schmerz zufügen musste. „Du bist unfair”, sagte sie schließlich. „Ich kann einen Mann, mit dem ich drei Jahre zusammen gewesen bin, nicht einfach zum Teufel schicken!” Brian schob eine Hand in ihr Haar, ließ die andere ihre Wirbelsäule hinuntergleiten und zog Kim unvermittelt heftig an sich. Sie spürte die Hitze, die er ausstrahlte, und den stahlharten Druck seines Oberkörpers und seiner Schenkel. An seinem Muskelspiel erkannte sie, wie sehr er sich zusammenriss. Kim schluckte und versuchte, sich gegen den Blick seiner dunkelblauen Augen zu wappnen. Brian konnte nicht wissen, dass sie ihn mit jeder Faser ihres Körpers spürte, als wären sein Morgenmantel und ihre eigene Kleidung nicht vorhanden. „Tatsache ist”, meinte er düster und fuhr ihr mit den Fingern durch das Haar, „dass du nicht weißt, was du willst. Dieser Keith steht dir sehr nahe, und du hast Angst, ihn aufzugeben. Du bist dir meiner nicht sicher, aber du bist eine gute Amerikanerin und willst dich, anständig gegenüber einem Mann verhalten, der so grausam war, wieder aufzutauchen, nachdem du dich mit seinem Tod abgefunden hattest. Selbstverständlich bist du auch eine gute Mutter. Wie könntest du deinen Kindern den Vater vorenthalten? Vielleicht hast du Angst vor der Reaktion der Jungen, falls du einen Schritt zu weit in die falsche Richtung tust. Deshalb möchtest du am liebsten alles in der Schwebe halten. Inzwischen willst du mich aufmerksam beobachten und vorsichtig behandeln. Vielleicht stellt sich doch noch heraus, dass ich seelisch krank oder gar gefährlich bin. Tut mir leid, Kim, ich bin zu lange hingehalten worden. Ich sage mir immer wieder, dass ich dir fremd geworden bin. Deshalb versuche ich, dir Zeit zu lassen. Ich werfe dir nicht vor, dass du ein Verhältnis mit einem anderen Mann hattest - zumindest bei vernünftiger Überlegung nicht. Glaub mir, ich bin nicht verrückt, Kim, sondern nur ein Mensch aus Fleisch und Blut. Aber treib mich nicht zum äußersten. Verlass sofort das Haus und geh zu einem Anwalt, oder bekenn dich
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Baccara zu mir. Ich werde im Gästezimmer schlafen, solange du möchtest. Aber ich versichere dir, ich werde mich wie ein ganz normaler, gesunder, heißblütiger Mann verhalten und dir den Hals umdrehen, wenn ich herausbekomme, dass du mich betrügst.” Kim blickte Brian sprachlos an. Sie wusste genau; dass er es bitter ernst meinte. Keith oder er: Brian hatte ihr die Wahl gelassen - wenn man es überhaupt so nennen konnte. Er verlangte einen klaren Schnitt. Doch das kam alles so plötzlich. Sie musste irgendwie Zeit gewinnen.
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6. KAPITEL Kim fuhr nicht mit zum Picknick. Sie brauchte etwas Abstand zu Brian. Außerdem hatte sie das Gefühl, ihre Jungen mussten erst einmal mit dem Vater allein sein. Keiner protestierte, weil sie zu Hause blieb, und Kim wusste nicht recht, ob sie dankbar oder gekränkt sein sollte. Zwar hatte sie Brian und den Zwillingen erklärt, dass sie Hunderte von Dingen zu erledigen hätte, aber sie tat überhaupt nichts. Beinahe die ganze Zeit saß sie am Swimmingpool, blickte verloren auf das Wasser und ließ die vergangenen Jahre an ihrem inneren Auge vorüberziehen. Und sie wusste immer noch nicht, wie sie sich entscheiden sollte. Die nächsten Tage wurden nicht besser. Kim ging nicht zur Arbeit, begleitete Brian und die Zwillinge aber auch nicht zum Zirkusmuseum, nach Disney World oder bei Bootsausflügen. Am siebten Tag saß Kim wieder am Pool und schalt sich selbst wegen ihrer Unentschlossenheit. Einerseits hätte sie die Gelegenheit gern genützt und mit Keith geredet, während sie allein war, andererseits wollte sie ihn nicht anrufen, denn sie wusste nicht, was sie ihm sagen sollte. Wenn sie seine Stimme hörte, musste sie immer daran denken, wie nett er war, und ihr wurde ganz warm ums Herz. Doch sobald sie mit Brian zusammen war,. erinnerte sie sich schmerzlich an die Vergangenheit. Wie sehr hatte sie ihren Mann geliebt. Konnte sie sich erneut in ihn verlieben? Endlich rief Keith selber an, und es war schlimmer, als sie befürchtet hatte. „Du bist noch immer zu keinem Entschluss gekommen, habe ich recht?” fragte er. Die Traurigkeit war seiner Stimme deutlich anzuhören. „Das versuche ich dir doch schon die ganze Zeit zu erklären. Ich brauche Zeit." „Was meinst du, wie lange ich das noch aushalte? Ständig frage ich mich, ob du.., ob er...” „Keith”, sagte Kim vorwurfsvoll, „wir schlafen nicht miteinander.” „Ja, aber - ach, lassen wir das. Ich liebe dich so sehr, Kim.” „Ich liebe dich auch, Keith.” Weshalb hatte sie ein schlechtes Gewissen, obwohl es stimmte? „Treffen wir uns am Montag trotzdem zum Essen?” „Ja, natürlich.” Ziemlich unvermittelt verabschiedete Kim sich und ging in den Innenhof hinaus. Kurze Zeit später läutete es an der Tür. Zunächst beachtete Kim das Klingeln nicht, dann öffnete sie widerstrebend. Ein junger Mann stand draußen und wollte wissen, ob sie Kimberley Trent sei. Er kam vom Bundesgerichtshof und hatte einige offizielle Urkunden für sie, deren Empfang sie bestätigen musste. Die „paar Urkunden” glichen zwar einem ganzen Gesetzeswerk, doch bevor Kim den Mann näher befragen konnte;
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Baccara war er wieder fort. Sie kehrte mit den Unterlagen an den Pool zurück und stellte schmerzerfüllt fest, dass sie die offizielle Benachrichtigung dafür enthielten, dass Brian noch lebte. Es handelte sich um die Kopien der Vernehmungen, Sachverständigenberichte und des Urteils, wonach Brian seine alten Rechte. wieder besaß. Wenn Kim einen der Punkte anfechten wollte, musste sie innerhalb von dreißig Tagen Einspruch erheben. Für den Fall, dass sie nicht wieder geheiratet hatte und das Haus nie auf ihren Namen überschrieben wurde, sollte sie Brians Todeserklärung einfach als gegenstandslos betrachten. Verdammte Behörden, die Benachrichtigung kam reichlich spät. Endlich stand Kim entschlossen auf. Brian lebte, und sie musste sich entscheiden. Aber sie würde nichts überstürzen, das durfte Brian nicht von ihr verlangen. Er wollte sie in die Enge treiben. Nun, sie würde heute Abend mit ihm dasselbe tun.
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Als Brian mit den Zwillingen zurückkehrte, saß Kim in einem eleganten schmal geschnittenen Kleid im Sessel und las Zeitung. Brian blickte Kim erstaunt an. „Du. siehst großartig aus”, stellte er fest. „Aber was...” „Wir beide essen heute Abend auswärts”, erklärte Kim. Ihre Söhne betrachteten sie misstrauisch, doch sie ließ sich nichts anmerken. „Ich hole ein paar Hamburger für die Jungen, während ihr duscht. Gegen zehn Uhr werden wir zurück sein. Ich erwarte, dass ihr beide dann im Bett liegt, Jake und Josh.” „Aber Mama. . .” Kim war bereits aufgestanden und klemmte sich die kleine Ledertasche unter den Arm. „Meinetwegen braucht ihr die ganze Woche nicht ins Ferienlager zurückzukehren und könnt hier bei eurem Vater bleiben. Aber die Schule fängt bald wieder an. Lasst es nicht zur Gewohnheit werden, auch innerhalb der Woche bis Mitternacht aufzubleiben.” Brian hatte die Arme vor der Brust verschränkt und beobachtete sie belustigt. Da ihr Blut schon zu wallen begann, wenn er ihr nur nahe kam, eilte Kim zur Tür. „Ich bin bald zurück.” Es dauerte nicht lange, und Kim kam wieder. Brian war schon fertig. Ein leichter Schauer überlief Kim, als sie ihn sah. Er saß wie sie vorhin im Sessel und hatte die Zeitung vor sich ausgebreitet. Rasch faltete er die Blätter zusammen und stand auf. Er trug einen Anzug mit einer tadellos sitzenden, locker geschnittenen braunen Hose. Das Jackett war aus Sommertweed und einen Ton heller. Sein Hemd stand offen. Es passte wunderbar zu seiner gebräunten Haut und brachte sein helles Haar gut zur Geltung. Brian sah fabelhaft aus. Alle Frauen würden sich nach ihm umdrehen, wo immer er auftauchte.
Verflixt noch mal, schalt Kim sich wegen ihrer Eifersucht. Nur Brian konnte durch die Hölle gehen und anschließend als attraktiver Mann wieder daraus auftauchen. Josh kam frisch geduscht in Jeans und mit einem T-Shirt bekleidet die Treppe herunter und nahm seiner Mutter die Tüte mit den Hamburgern ab. Er strahlte über das ganze Gesicht. Offensichtlich war er zu der Überzeugung gekommen, dass seinen Eltern ein Essen zu zweit gut tun würde. „Danke, Mama. Hast du auch Milchshakes mitgebracht? Ach ja, hier sind sie.” Er schaute von ihr zu seinem Vater. „Ihr seht übrigens großartig aus. Richtig toll und überhaupt nicht wie Eltern." „Danke, Josh”, sagte Kim lächelnd und merkte, dass Brian sich Mühe gab, ernst zu bleiben. „Wo ist Jake?” „Unter der Dusche.” „In Ordnung. Wir gehen jetzt. Ihr kommt doch allein zu-recht, nicht wahr? Vielleicht hätte ich. . .” „Mutter”, erklärte Josh würdevoll, „uns passiert schon nichts. Ich werde die Tür hinter euch abschließen. Wir werden nicht in die Nähe des Pools gehen, wir werden uns nicht streiten und nicht das Treppengeländer hinunterrutschen. Okay?” „Okay.” „Wohin fahren wir?” erkundigte Brian sich mit einem Anflug von Belustigung in der Stimme. Kim hatte die Initiative ergriffen, und er hatte keinen Einwand erhoben. Trotzdem war sie sicher, dass nur die Neugier ihn davon abhielt, die Fäden schon jetzt selbst wieder in die Hand zu nehmen. „In den ,Goldenen Drachen`”, antwortete sie. „Falls ihr irgendwelche Schwierigkeiten habt, findet ihr die Telefonnummer...” „Ich weiß, im Telefonbuch”, unterbrach Josh sie. „Würdet ihr beide jetzt endlich gehen?” „Also, bis später.” Lachend küsste Kim Josh zum Abschied auf die Wange. Brian fuhr seinem Sohn nur kurz durchs Haar. Allerdings bemerkte Kim den nachsichtigen Blick, den die beiden tauschten. So sind die Frauen eben, bedeutete er. Einen Moment fühlte sie sich richtig hilflos. Brian war wieder da, und sie merkte, dass ihr die Zügel langsam aus der Hand glitten. „Ich fahre”, erklärte Brian. ,Ich habe extra getankt", wandte Kim ein. „Schön, dann nehmen wir deinen Wagen.” Brian und Kim schwiegen eine Weile, nachdem er ihr höflich in den Wagen geholfen und sich hinter das Lenkrad gesetzt hatte. Erst als sie aus der Einfahrt gebogen waren, sprach er wieder.
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Baccara „Wo ist der ,Goldene Drache'?” „In einer Nebenstraße des Busch-Boulevards”, antwortete Kim und fragte sich plötzlich, ob Brian noch wusste, wo das war. Andererseits war er den ganzen Tag mit den Jungen unterwegs gewesen. Immer wieder musste sie zu Brian hinüberschauen. Er sah phantastisch aus. Doch nicht das Äußere allein machte Brian so anziehend. Kim mochte die Art und Weise, wie er dachte und sie manchmal anblickte. Außerdem gefielen ihr seine geschmeidigen, kraftvollen Bewegungen. Plötzlich wünschte sie, die Augen wären ein Spiegel der Seele. Dann brauchte sie ihren Mann nur anzusehen und wüsste, was er tatsächlich empfand. Ein Teil ihrer Schwierigkeiten bestand ja darin, dass sie sich ständig wunderte, wie Brian ganz normal herumlaufen, sprechen und handeln konnte, nachdem er mehr als acht Jahre im Dschungel gefangen gewesen war. Das empfand Kim geradezu als übermenschlich. Brian blickte kurz, zu Kim hinüber und merkte, dass sie ihn prüfend betrachtete. „Wo muss ich abbiegen?” fragte er unvermittelt, so dass Kim überrascht zusammenfuhr. „Wie bitte? Ach so. An der nächsten Ecke, bitte.” Der „Goldene Drache” war ein sehr hübsches, in den Farben Schwarz und Rot gehaltenes chinesisches Restaurant. Leise Musik spielte, und auf den Tischen brannten Kerzen. Dass Essen und der Service galten als hervorragend. Die Eigentümer waren Chinesen. Die gesamte Familie arbeitete im Restaurant, das ihr ganzer Stolz war. Kim hatte das Lokal gewählt, weil sie in Ruhe mit Brian reden wollte und wusste, dass er gern chinesisch aß. Er legte die Hand auf ihren Rücken, während sie zu einem Ecktisch geführt wurden. „Sehr gemütlich”, flüsterte er. „Seit wann gibt es dieses Restaurant?” „Etwa seit zwei Jahren”, antwortete Kim. „Unglaublich, wie groß der Ort geworden ist”, meinte Brian leichthin. Die ganze Welt musste ihm in diesen Wochen fremd erscheinen. Viele Dinge veränderten sich innerhalb von zehn Jahren: die Politik und die Namen der Politiker, Kunst und Musik, Theater und Wissenschaft... Brian studierte die Speisekarte und sah Kim an. „Shrimps mit Hummersoße?" Sie nickte und staunte, dass er sich an so nebensächliche Dinge wie ihre Lieblingsvorspeise in chinesischen Restaurants erinnerte. „Möchtest. du einen Aperitif?” fragte er. Kim verneinte. Sie musste unbedingt einen klaren Kopf behalten. Brian gab die Bestellung auf und schenkte ihnen zwei Tassen dampfenden Tee ein. Kim griff nach den knusprigen Eiernudeln, die auf dem Tisch standen. Sie blickte auf ihre kleine Porzellantasse und sagte: „Ich habe heute von der Behörde die Unterlagen erhalten, dass du lebst.”
Gleichmütig zuckte Brian mit den Schultern. „Gerichtsroutine. Die Regierung überschlägt sich beinahe, wenn ein Kriegsveteran plötzlich zurückkehrt. Trotzdem dauert die Erledigung des Papierkrams eine Ewigkeit, wenn man einmal für tot erklärt worden ist.” Kim kaute ihre Eiernudeln und versuchte vergeblich, sich an die Worte zu erinnern, die sie zuvor eingeübt hatte. Sie hatte sich vorgenommen, Brian heute Abend zu befragen. Und damit musste sie endlich beginnen. „Brian?” „Ja?” „Was sollen wir tun?” Er lächelte und ergriff über den Tisch ihre Hand. „Wir müssen versuchen, wieder wie ein Ehepaar zu leben und jeden Tag etwas von den verlorenen zehn Jahren nachzuholen”, antwortete er leise. „Aber Brian . . .” „Du glaubst, dass ich deine Lage nicht begreife, Kim. Ich kann nicht einfach sagen: Lass dir Zeit. Sieh dir Keith Norman und mich gründlich an, und überleg dir deine Wahl gut. Ich nehme an, das wäre eine edle Haltung, doch ich bin nicht so edel.” „Bitte, Brian”, flehte Kim ihn an, „ich brauche wirklich Zeit. Ich glaube, ich stehe immer noch unter einem Schock.” Brian lehnte sich zurück und betrachtete sie aufmerksam. ,,Du bist meine Frau, Kim", erklärte er leise. „Du hast mir erzählt, dass du seit drei Jahren mit Keith zusammen bist. Das ist lange genug, um ihn genau zu kennen.” „Dich kenne ich nicht mehr, Brian”, klagte Kim und hielt inne, denn ihr Essen wurde gebracht. Sie blickte auf ihre Serviette hinab, wartete, bis der junge Kellner die kleinen Wärmeplatten und die Schüsseln auf den Tisch gestellt hatte, und sah Brian wieder an. Er gab , sich große Mühe, seine Belustigung vor ihr zu verbergen. „Lass das”, wies sie ihn verärgert zurecht und tat einen Löffel Reis und einige Shrimps auf ihren Teller. „Mach dich jetzt nicht über mich lustig. Ich meine es ernst. Merkst du nicht selbst, wie fremd wir uns geworden sind? Du betonst immer wieder, dass ich deine Frau bin. Woher weißt du, dass du mich überhaupt noch als Frau möchtest? Du kennst mich nicht ... du kannst mich gar nicht...” „Hör auf, Kim”, unterbrach Brian sie ungeduldig. „Schieb nicht alle Verantwortung auf mich ab. Ich weiß genau, was ich will. Wenn du mich tatsächlich nicht mehr kennst, solltest du lieber aufhören, darüber zu jammern, und etwas dagegen unternehmen.” Plötzlich schmeckten die Shrimps mit der Hummersoße, die so appetitlich ausgesehen hatten, nach nichts. „Was soll das heißen?” fragte Kim heiser. Brian lachte leise, beugte sich zu ihr und schaute ihr vielsagend in die
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Baccara Augen. Einen Moment war Kim von diesem Blick wie gebannt. Sie bekam kaum noch Luft und spürte, wie heftig ihr Herz pochte. Brian streckte die Hand aus und schob ihr eine Locke hinter das Ohr. Es war eine so zärtliche Geste, und Kim glaubte in diesem Augenblick, dass sie Brian wirklich liebte. Er lehnte sich wieder zurück und aß einen weiteren Bissen. „Ich hatte nichts Anrüchiges im Sinn, Liebling”, bemerkte er ruhig. „Wir müssen nur so tun, als hätten wir uns erst jetzt kennen gelernt. Ich habe dir doch gesagt, dass ich dir Zeit lassen werde - nicht nur, um dich mit einem anderen Mann zu treffen. Und da wir gerade von Zeit reden: Wie lange kannst du Urlaub nehmen, ohne deine Stelle zu verlieren?” „Wie bitte?” „Wie lange kannst du Urlaub nehmen, Kim?” „Ich... keine Ahnung. Weshalb?” „Wir sollten verreisen.” „Zusammen?” Was für eine dumme Frage! dachte Kim und wäre am liebsten im Boden versunken. „Ja, zusammen”, antwortete Brian kläglich. „Und zwar nur wir beide.” „Aber die Zwillinge, Brian ... Du bist gerade erst zurückgekommen.” „Ich habe durchaus vor, viel Zeit mit ihnen zu verbringen. Nichts -ich betone: nichts wird mich davon abhalten.” Seine Stimme klang jetzt beinahe drohend. Kim fröstelte plötzlich. Sie hatten also recht gehabt: Brian war nicht nur stark, er war auch gefährlich. „Ich habe den Eindruck, dass die Jungen in einem Zwiespalt sind”, fuhr er fort. „Sie haben längst bemerkt, dass zwischen uns nicht alles stimmt. Deshalb werden sie vermutlich sogar froh sein, wenn wir für ein paar Tage allein verreisen.” Brian legte seine Hand auf ihre. „Ich liebe dich, Kim”, gestand er leise. Ihr Herz schlug wild. Ich liebe dich auch, Brian, dachte sie. Ich habe dich immer geliebt und werde es immer tun. Aber ich bin auch Keith etwas schuldig, erinnerte sie sich schweigend. „Weshalb zögerst du, Kim?” „Das tue ich gar nicht”, stieß sie hervor. „Ja, ich -ich kann mir sicher ein paar Tage Freinehmen.” Kim musste daran denken, dass sie Keith versprochen hatte, morgen mit ihm zu Mittag zu essen. Nervös befeuchtete sie mit der Zungenspitze ihre Lippen und fragte: „Wann?” Brian zuckte mit den Schultern. „Wir könnten Mittwoch oder Donnerstag losfahren.” Erleichtert atmete Kim auf. „Das klingt gut. Ich werde Montag ins Büro gehen und Mr. Simms alles erklären. Falls du damit einverstanden bist”, fügte sie hastig hinzu. Brians Blick gefiel ihr nicht. Er wirkte verärgert und
misstrauisch. Oder bildete sie sich das nur ein? „Kim”, sagte er. „Ich habe dir schon hundertmal gesagt, du sollst mich nicht wie einen Invaliden behandeln. Geh ruhig zur Arbeit. Ich beschäftige mich unterdessen mit Jake und Josh.” „Ich will dich gar nicht wie einen Invaliden behandeln, Brian”, antwortete Kim leise. „Ich habe nur das Gefühl, dass ... dass ich etwas mehr hätte tun sollen ...” „Kein Vietnam-Heimkehrer ist mit Fanfaren begrüßt worden, Kim.” Brian hatte ohne jede Bitterkeit gesprochen, und sie merkte, dass er die Vergangenheit unbedingt vergessen wollte. „Brian, du bist kein gewöhnlicher Kriegsheimkehrer. Du...” Sie schluckte und fürchtete, jeden Augenblick in Tränen auszubrechen. „Das ist vorbei.” Lächelnd streckte er die Hand aus und hob mit dem
Zeigefinger ihr Kinn an. „Lass uns nach Hause fahren. Ich glaube, wir sind
beide müde.”
Sie nickte. Ihre Absicht, Brian über die Jahre in der Gefangenschaft,
über seine Zukunft und seine Gefühle zu befragen, trat in den Hintergrund.
Ihm schien es wirklich gut zugehen - sie war diejenige, die ständig die Nerven verlor. Brian gab dem Ober ein Zeichen, die Rechnung zu bringen. Besaß Brian überhaupt genügend Geld? Gewiss hatte er eine Entschädigung erhalten, aber wie sah es damit in Zukunft aus? Keinesfalls sollte er seine Reserven antasten. Fröhlich griff Kim nach der Rechnung. „Ich .habe dich heute Abend eingeladen, Brian.” Erhielt ihre Hand fest und schaute Kim an, als hätte sie den Verstand verloren. „Die Rechnung bezahle ich, Kim.” „Brian, man nimmt das inzwischen viel lockerer ...” „Die Rechnung bezahle ich.” Kim wollte nicht mit ihm streiten. Schließlich hatte sie gerade versprochen, mit ihm zu verreisen. Wenn sie erst allein waren und sich besser aneinander gewöhnt hatten, würde sie in Ruhe über das Thema Geld mit ihm reden. Aber wie sollte sie Keith erklären, dass sie mit Brian fortfuhr? Sie wollte weder ihm weh tun noch Brian. Langsam erkannte sie, dass sie beide Männer liebte, aber auf ganz unterschiedliche Weise. Sie musste eine Entscheidung treffen. Und zwar bald. Brian hatte Kim unter den Ellbogen gefasst, während sie das Restaurant verließen, und diese kleine Geste hatte etwas ungeheuer Tröstliches. Sie erinnerte Kim an früher - an die gute alte Zeit, als sie sich sicher und geborgen in einer gefestigten Ehe wusste. Brians Rasierwasser roch nach Moschus, sein Arm war stark und seine Schulter einladend. Während sie nach Hause fuhren, kuschelte sich Kim an ihn und genoss es, seinen rauhen Jackenstoff an ihrer Wange zu spüren.
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Baccara „Könntest du schon ab Dienstag Urlaub nehmen?” fragte Brian unvermittelt, während er den Wagen in die Einfahrt lenkte. „Wahrscheinlich. Weshalb?” Keith würde sie morgen treffen. Und was würde sie ihm sagen? „Lisa kommt hierher, denn Jims sterbliche Überreste sollen woanders begraben werden. Bei dieser Gelegenheit will ich die Grabplatte an die Luftwaffe zurückgeben, und obwohl die Bronzevase, die du für mein Grab besorgt hast, wirklich hübsch ist, möchte ich sie lieber eine Weile nicht mehr sehen.” „Du warst auf dem Friedhof?” fragte Kim unbehaglich. Welch ein merkwürdiges Gefühl musste es für Brian gewesen sein, den eigenen Grabstein zu betrachten. Wäre sie doch bei ihm gewesen. Eine Feier für seine Rückkehr ins Leben hätte sie daraus machen müssen. „Ja, ich bin hingegangen”, erklärte er sachlich. „Ich hoffe, du hast nichts dagegen, aber ich habe Lisa angeboten, bei uns zu übernachten. Ich möchte nicht, dass sie unter diesen Umständen im Hotel wohnt. Sie kommt am Dienstag morgen und wird nur einen Tag bleiben.” „Natürlich habe ich nichts dagegen”, sagte Kim mechanisch, obwohl es nicht ganz zutraf. Sie konnte immer noch nicht recht fassen, dass Brian lebte und bei ihr war, und jetzt sollte sie eine andere Frau ins Haus lassen, die er beinahe zu verehren schien ... Kim tastete nach dem Türgriff, stieg aus dem Wagen und eilte zum Haus. Brian trat neben sie, während sie noch nach den Schlüsseln in ihrer Handtasche suchte. Sanft nahm er ihr den Bund ab, weil sie das Schlüsselloch nicht fand. Sie fühlte seinen Jackenstoff auf ihrer Haut und die Wärme, die er ausstrahlte. Plötzlich wünschte sie mehr denn je, sie könnte die Zeit zurückdrehen, sich wie früher bei ihm unterhaken und ihm gestehen, wie erschöpft sie war und dass nur seine Kraft sie noch aufrecht hielt. Dann würde er sie auf die Arme schwenken und lachend die Treppe nach oben tragen... Aber die Zeit ließ sich nicht zurückdrehen, und es war nicht richtig, wenn sie jetzt so vertraulich tat, denn zehn Jahre trennten sie, und Keith stand zwischen ihnen. „Brian?” fragte sie beinahe wehmütig, als er die Tür öffnete und sie eintreten ließ. „Ja?” „Eines Tages musst du mit mir über deine Erlebnisse reden und wenn es nur meinetwegen ist. Ich bin so besorgt, und ich begreife so vieles nicht. Wenn du mir erlauben würdest, an jener Zeit teilzuhaben, könnten wir die Uhr vielleicht etwas zurückdrehen.” Brian blieb unten an der Treppe stehen, drehte Kim langsam zu sich herum und schaute ihr in die Augen. „Eines Tages werde ich darüber sprechen, Kim. Ich selbst bin über die 57
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Sache hinweg. Die Jahre sind vorbei, und die Zeit verrinnt einem zwischen den Fingern, ohne dass man etwas dagegen tun kann. Manchmal ist das sogar gut. Ich kann die Jahre vergessen. Sie sind nur noch Erinnerung.” Unvermittelt ließ er ihre Schultern los. „Komm, Kim, ich bringe dich bis zu deiner Tür, wie es sich nach einer Verabredung gehört.” Kim schluckte leicht, als er locker den Arm um sie legte und gemeinsam mit ihr die. Treppe hinaufstieg., Die Vergangenheit mochte nur noch Erinnerung sein, aber diese Erinnerung war schmerzlich. Wie oft waren Brian und sie ausgegangen und anschließend noch nach oben gestiegen? Natürlich und unbefangen hatten sie sich dabei über den Abend, ihre Vorlesungen oder ihre Zukunftspläne unterhalten. Vor der Tür zum Schlafzimmer blieb Brian stehen, ein schelmisches Funkeln war plötzlich in seinen blauen Augen. „Wenn ich mich noch richtig an die Anstandsregeln erinnere, gibt man der Frau, mit der man zum erstenmal ausgegangen ist, zum Abschied einen Kuss”, erklärte er lächelnd und zog Kim sanft in die Arme. Zärtlich streifte er ihre Lippen. Er berührte ihren Mund so leicht, dass Kim sich sofort nach mehr sehnte. Doch seltsamerweise kam sie nicht richtig an Brian heran. Sie stellte sich auf. die Zehenspitzen, legte die Arme um seinen Nacken und schmiegte sich an ihn. Erst jetzt presste Brian seine Lippen fest auf ihre. Mit der Zungenspitze umkreiste er liebevoll die Konturen ihres Mundes und knabberte mit den Zähnen an ihrer Unterlippe, bis Kim ihn selbst küsste. Brian schob die Hand in ihr dichtes Haar, während er die andere auf ihren Rücken legte und Kim eng an sich drückte, so dass sie seine Hitze spürte. Alles um sie herum schien sich mit einemmal zu drehen, und Kim bekam kaum noch Luft. Nur noch Brians Kraft und der Zauber seiner Umarmung zählten. Sie spürte seinen Körper und merkte, wie sehr Brian sie begehrte. Und das war wunderbar. Tief in ihrem Herzen erkannte sie, dass sich manche Dinge. nie änderten. Sie war genau die Richtige für Brian und er genau der Richtige für sie. So war es gewesen, und so würde es auch in Zukunft sein. Ebenso vorsichtig, wie er sie in die Arme gezogen hatte, ließ Brian sie wieder los. Sie schwankte einen Moment, als er sie freigab, und war enttäuscht und verwirrt. „Gute Nacht, Kim”, sagte er ruhig, drehte sich um und ging davon. Verblüfft blickte sie ihm nach, während er das Gästezimmer betrat und die Tür hinter sich schloss. Verdammt, Brian hatte gemerkt, dass er sie haben konnte. Er hatte es so eindeutig gewusst, als hätte sie es ihm gestanden. Und er war einfach fortgegangen. Eines hatte ihr Brian soeben klargemacht: Sie hatte geglaubt, vor ihm davonlaufen und sich hinter ihren Schutzwall zurückziehen zu können.
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Baccara Doch dieser Schutzwall war äußerst brüchig. Erbrach zusammen, sobald Brian sie berührte. „Begreif doch, Brian Trent”, flüsterte Kim atemlos, „ich habe gelernt, ohne dich zu leben. Du kannst nicht einfach in mein Leben zurückkehren und die Vergangenheit beiseite schieben. Ich darf Keith nicht vergessen das wäre nicht gerecht!” In seinem Zimmer wälzte sich Brian ruhelos im Bett herum und stöhnte leise vor sich hin. Trent, du bist ein ausgemachter Schuft, warf er sich vor. In seinen Träumen hatte er Kim immer wieder in den Armen gehalten und das Feuer des Verlangens gespürt, das zwischen ihnen aufloderte. Oft hatte er sich gefragt, ob er nicht den Verstand verlor und seine Frau vor lauter Sehnsucht so verherrlichte, dass der Traum niemals Wahrheit werden konnte. Jetzt wusste er es besser. Er hätte Kim haben können, und er war einfach fortgegangen! Das war gemein, dachte er zerknirscht. Doch was hätte er tun sollen? Er begehrte Kim verzweifelt, aber zwischen ihnen lagen zehn Jahre. Kim sollte sich völlig sicher sein und ihn wirklich lieben. Ihr Mitleid wollte er nicht. Nichts war schlimmer als der geringste Verdacht, sie würde nur ihre Pflicht tun. Plötzlich fuhr Brian in die Höhe und lachte über sich selbst. Was kümmerte ihn, weshalb Kim mit ihm ins Bett ging, wenn er sie nur endlich haben konnte? „Das nächste Mal, Mrs. Kimberley Trent”, flüsterte er, „gibt es keinen Aufschub. Sonst werde ich noch verrückt.” Lächelnd musste er daran denken, dass sie die Rechnung hatte bezahlen wollen. In den nächsten Tagen würde er Kim verraten, dass sie finanziell noch nie so gut gestanden hatten wie jetzt. Sobald es möglich war, würde er mit ihr reden. Nicht alles, was er ihr sagen musste, würde ihr gefallen. Am besten, sie lag dabei nackt in seinen Armen und konnte ihm nicht davonlaufen. Brian streckte sich wieder aus und dachte auch an Lien Chi, die hübsche Vietnamesin, die ihm mehr als einmal das Leben gerettet hatte und auch um sein Seelenheil besorgt gewesen war. Doch die Erinnerung an diese Frau schmerzte so stark, dass es ihn manchmal wie ein Messerstich durchfuhr. Er durfte nicht mehr an sie oder das Kind denken, das er ebenfalls verloren hatte, sondern musste endlich schlafen. Dazu hatte er sich schließlich früher ständig gezwungen, und das musste auch jetzt klappen.
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7. KAPITEL Kim hatte kaum die Werbeagentur betreten, da stürmte Lacey Hart, eine der festangestellten Fotografinnen der Agentur, auf sie zu. „Kim, ich muss unbedingt mit Ihnen reden. Bitte, sofort!” Kim sah Lacey überrascht an und nickte. „Kommen Sie mit ins Büro.” Ihr Büro war klein, aber gemütlich. An den Wänden klebten Fotos, Poster und Anzeigen der Werbeagentur. Dazwischen hingen die gerahmten Urkunden für einige Preise, die Kim im Laufe der Jahre für ihre Arbeiten erhalten hatte. Ein einziger Stuhl stand vor dem winzigen Schreibtisch. Erschöpft ließ Lacey sich darauf nieder. Es sah aus, als würde sie jeden Augenblick in Tränen ausbrechen. „Sie haben mir doch letzte Woche die Aufnahmen mit dem Schinken überlassen”, rief die Kollegin, während sich Kim mit einer Tasse Kaffee ebenfalls setzte. „Ich kann sie nicht übernehmen, Kim, ich kann nicht mit David Harns zusammenarbeiten!” Kim sah Lacey fragend an. Im Grunde wunderte es sie nicht, dass andere Fotografinnen ebenfalls Schwierigkeiten mit diesem Mann hatten. Lacey war jung und sehr hübsch. „Was ist passiert?” erkundigte sie sich. Lacey errötete und senkte den Blick. „Ich glaube, ich bin zum Teil selbst daran schuld. Vor einem halben Jahr hatte ich Krach mit meinem Mann. Deshalb bin ich ein paar Mal mit David ausgegangen. Aber ich habe bald wieder Schluss gemacht. Merkwürdigerweise schien es David ziemlich egal zu sein, nur verkraftet er offensichtlich nicht, dass die Trennung von mir ausging.” „Und was ist am Montag passiert?” fragte Kim. „Oh, er meckerte dauernd an mir herum. Ich hatte das falsche Licht, den falschen Blickwinkel, den falschen Film. Er hat mich so vor allen Leuten blamiert, dass die Bilder entsetzlich wurden. Sie müssen alle noch mal gemacht werden. Aber ich kann nicht mehr mit diesem Mann zusammenarbeiten, wenn er mich ständig kritisiert.” „In Ordnung, Lacey”, erklärte Kim, „ich muss erst mit Mr. Simms sprechen, anschließend rede ich mit Harns. Haben wir einen Ersatzschinken?” Lacey lächelte dankbar. „Ja, Kim. Ich habe ihn gestern Abend selbst gebraten. Ich hatte solche Angst, ich könnte meine Stelle verlieren ...” „Wegen David Harns werden Sie bestimmt nicht Ihre Stelle verlieren”, antwortete Kim ruhig. „Machen Sie alles im Atelier für mich fertig, einverstanden? Übrigens, Lacey, ich werde einige Wochen Urlaub nehmen. Meinen Sie, Sie kommen ohne mich zurecht?” „O Kim, ich würde es gern versuchen!”
„Gut, dann bis gleich. Ich habe eine Verabredung zum Mittagessen und
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Baccara möchte die Aufnahmen des Schinkens bis dahin im Kasten haben.” Kim trank ihren Kaffee aus und stand kampfeslustig auf. Sie selbst war nahe daran gewesen, wegen David ihre Stelle aufzugeben. Nach ihren Schwierigkeiten mit Brian würde die Unterhaltung mit Harns das reinste Freizeitvergnügen sein. Aber zuerst musste sie mit ihrem Chef reden.
Mein Körper verlangt nach dir
die Aufnahmen ja ansehen, wenn Sie möchten.” „Ich habe nicht die Absicht, an dieser Anordnung etwas zu verändern”, erklärte Kim. Sie beeilte sich bei den Aufnahmen, denn es ging auf zwölf Uhr zu. „Hoffentlich sind diese besser”, meinte Harns, während sie ihm die Filmkassette reichte. „Vielleicht sollten Sie den Film gleich entwickeln, denn mein Künde ist wegen der Verzögerung ziemlich verärgert.” „Tut mir leid, ich bin zum Mittagessen verabredet.” David lachte. Es klang unangenehm. „Da arbeiten Sie schon wieder und treffen sich nur mit ihm zum Mittagessen. Kim, Sie sind unbezahlbar. Ich hatte angenommen ... nun ja, bei einer Frau in den Dreißigern...” Kim ging nicht auf Davids Bemerkung ein. Er brauchte nicht zu wissen, dass sie mit Keith verabredet war. „Ich nehme ein paar Wochen Urlaub, David. Lacey wird in dieser Zeit die Fotoarbeiten erledigen. Bitte, machen Sie ihr keine weiteren Schwierigkeiten. Ich habe Mr. Simms von Ihrer Auseinandersetzung erzählt.” „An Ihrer Stelle würde ich mir nicht um Mrs. Hart Sorgen machen, sondern um Ihren eigenen Job, Kim. Mr. Simms hat erfahren, dass Sie gern freiberuflich arbeiten würden, und das gefällt ihm nicht.”
„Kimberley!” Mr. Simms stand auf und schüttelte ihr herzlich die Hand. „Wir freuen uns alle so für Sie, dass Ihr Mann zurückgekehrt ist.” „Danke, Mr. Simms.” „Ehrlich gesagt”, Mr. Simms zwinkerte ihr vielsagend zu, „wundert es mich, dass Sie heute ins Büro gekommen sind.” „Nun, wissen Sie. . .”, versuchte Kim auf seinen Scherz einzugehen, „eigentlich bin ich nur gekommen, um zu fragen, ob ich ein paar Tage Urlaub nehmen kann.” „Natürlich! Natürlich!” Mr. Simms lachte verständnisvoll. „Sagen Sie, wie geht es Brian - so heißt er doch?” „Wirklich gut, Mr. Simms.” „Das ist ja schön. Ich hoffe, er hält durch, wenn der ganze Rummel losgeht." Kim sah ihren Chef erschrocken an. „Welcher Rummel, Mr. Simms?” „Sie wissen doch, wie das ist. Bald werden die Journalisten von Presse und Fernsehen hinter ihm herjagen. Wenn jemand nach so langer Zeit aus Vietnam heimkehrt, jemand, der schon für tot erklärt worden war, ist das Interesse garantiert riesengroß.” Unsicher stand Kim auf. Wie sollte Brian diesem Druck standhalten, wenn er nicht einmal mit ihr reden wollte?" „Ich danke Ihnen für Ihre Anteilnahme, Mr. Simms. Lacey Hart ist bereit, die Fotoarbeiten während meiner Abwesenheit zu übernehmen. Sie macht ihre Arbeit bestimmt gut. Und, übrigens Mr. Simms, Lacey tut sich etwas schwer in der Zusammenarbeit mit David Harns. Ich habe Verständnis für sie, weil ich weiß, dass David zwar ein ausgezeichneter Werbeleiter ist, aber auch sehr schwierig sein kann. Vielleicht könnten Sie darauf achten, dass die beiden sich nicht zerfleischen?” „In Ordnung”, sagte Mr. Simms, „ich werde beide im Auge behalten.” Kim bedankte sich noch einmal, verließ das Büro ihres Chefs und ging hinüber ins Atelier. Der lasierte Schinken lag bereit, die Kamera war schon auf dem Stativ befestigt. Sie warf einen Blick durch den Sucher und stellte fest, dass der Ausschnitt genau richtig gewählt war. Auch die Beleuchtung und der Film waren in Ordnung. Kim richtete sich auf, verschränkte die Arme vor der Brust und fragte: „Der Ausschnitt ist gut, Mr. Harns. Weshalb haben Sie meine Fotografin so kritisiert?” Er lächelte ungerührt. „Beim letzten Mal war er es nicht. Sie können sich
Während Kim zu Keith fuhr, ging ihr das Gespräch mit David noch einmal durch den Kopf. Mr. Simms war strikt dagegen, dass sich seine Angestellten freiberuflich etwas hinzuverdienten. Es war durchaus möglich, dass er ihr aus Prinzip kündigte, wenn sie das Angebot annahm, das ihr mehrere Zeitschriften gemacht hatten. Doch sie verdrängte diesen Gedanken, sobald sie das Restaurant betrat und Keith erblickte. Es gab ihr einen Stich, und sie musste an die herrlichen unbeschwerten Tage mit ihm denken. Sie hatten zusammen gesegelt, in der Sonne gelegen, geangelt und manche Nacht durchtanzt. Nie würde sie vergessen, wie geduldig Keith sich um die Zwillinge gekümmert hatte, weil es ihre Jungen waren. „Kim!” Er küsste sie kurz, aber heftig zur Begrüßung und ließ sie Platz nehmen. Ich bin ganz krank geworden vor Sorge und habe mich ständig gefragt, was zwischen euch beiden ..." Keith sah sie traurig an. „O Keith ...”, flüsterte Kim. „Das geht alles nicht so schnell.” „Ich halte das nicht mehr aus, Kim. Dein Mann - wie merkwürdig das klingt - wirkt auf mich völlig gesund. Weshalb sagst du ihm nicht einfach die Wahrheit, dass wir uns lieben? So ein großer Schock kann es doch für ihn nicht sein.” Kim schüttelte den Kopf. Die Kellnerin wollte ihre Bestellung aufnehmen, und Kim wählte einen überbackenen Käse, weil er ihr als
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*
Baccara erstes Gericht in den Sinn kam. Nachdem die Bedienung gegangen war, fuhr Kim fort: ,,Keith, Brian möchte seine Söhne, sein Heim und seine Frau zurückhaben. Er verlangt nichts von mir, hat mir aber klargemacht, dass wir noch genauso verheiratet sind wie vor zehn Jahren. Nach allem, was er durchgemacht hat, kann ich ihn jetzt nicht vor den Kopf stoßen." „O Kim ...” Keith war blass geworden. „Ich kann nicht ewig warten und mir Sorgen um dich machen.” „Denk nicht an mich, und mach dir meinetwegen keine Sorgen", bat Kim leise. „Kim, ich bin schrecklich eifersüchtig!” „Ich schlafe nicht mit ihm”, hörte Kim sich sagen und war entsetzt. Es hatte wie ein Versprechen geklungen. Zwar hatte sie tatsächlich nicht mit Brian geschlafen - noch nicht. Aber was würde geschehen, wenn Brian sie drängte und sie begehrte? „Welch ein Glück!” Keith ergriff ihre Hand und küsste sie. Kim wäre am liebsten im Boden versunken. „Hör mal, Keith ...” Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Ich werde mit Brian verreisen. Er meint, wir sollten uns wieder besser kennen lernen.” „O nein!” Keith stöhnte. „Brian und ich wollen miteinander reden. Ich muss ihm unbedingt helfen, sich wieder zurechtzufinden. Das verstehst du doch?” Sie versuchte einen Bissen zu essen, aber der Käse schmeckte wie Gummi. „Reden...”, wiederholte Keith. „Na ja, zum Glück werden die Zwillinge dabei sein.” Kim schluckte schuldbewusst, aber sie verbesserte Keith nicht. Statt dessen berührte sie leicht seine Hand. „Wir haben nicht viel Zeit, Keith. Ich möchte nicht mehr darüber reden, sonst drehe ich noch durch. Erzähl mir lieber von dir. Wie läuft das Geschäft?” Die Zeit verging schnell. Kim blickte auf ihre Armbanduhr und stellte fest, dass sie schon länger als eine Stunde beisammen saßen. „Ich muss zurück ins Büro”, erklärte sie und stand auf. Sofort erhob sich Keith ebenfalls. „Mir gefällt das überhaupt nicht, Kim. Du sagst mir, dass wir uns tage-, ja wochenlang nicht sehen werden...” „Ich rufe dich an, sobald wir zurück sind”, antwortete Kim vorsichtig. Sie traten hinaus in die Sonne. „O Kim!” Plötzlich riss Keith sie heftig in die Arme und küsste sie so zärtlich, dass sie sich nicht wehren wollte. Jetzt hatte sie beiden Männern versprochen, sich nicht mit dem anderen einzulassen. Aber was sollte sie tun? Ihr wurde ganz elend. *
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Mein Körper verlangt nach dir
Kim dachte gar nicht mehr an das Mittagessen oder Keiths Umarmung vor dem Restaurant, als sie abends endlich nach Hause fuhr. Es war viel später geworden, als sie erwartet hatte, denn sie hatte im Büro alles soweit ordnen wollen, dass während ihrer Abwesenheit normalerweise nichts schief gehen konnte. Brians Wagen stand nicht vor der Tür, und im Haus war es ungewöhnlich still. Sie glaubte schon, Brian wäre mit den Jungen fortgefahren, da hörte sie leise Stimmen aus dem Kinderzimmer. Rasch ging sie hinüber und blieb auf der Schwelle stehen. Josh und Jake saßen auf dem unteren Bett, hatten das Kinn in die Hände gestützt und unterhielten sich mit finsterer Miene. „Was ist los?” fragte Kim und war entsetzt, wie feindselig die beiden sie anblickten.
„Nichts”, antwortete Josh verächtlich und sah wieder zu Boden.
„Sprich nicht in diesem Ton mit mir, Josh”, fuhr Kim ihn an. „Was geht
hier vor? Wo ist euer Vater?” „Mein Vater”, Josh betonte das erste Wort, „ist nicht da.” Leise fuhr er fort: „Und das ist sicher das beste für ihn.” Wütend betrat Kim das Zimmer ihrer Söhne und stemmte die Hände in die Hüften. Sie schaute Jake scharf an, aber er blickte ebenfalls zu Boden. „Josh, Jake, ich möchte sofort wissen, was diese Bemerkung soll." Josh sah wieder auf. Nie war er ihr gegenüber so ablehnend gewesen. „Überhaupt nichts. Vater ist weg, und das ist ganz richtig. Vor allem, nachdem seine eigene Frau ihn nicht mehr will.” „Wie bitte?” frage Kim und wurde immer verwirrter. Jake schaute zu ihr auf. Seine Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. „Dad ist zum Flughafen gefahren, um diese Lisa abzuholen. Sie kommt schon heute Abend, weil sie gleich morgen früh zum Friedhof muss.” „Oh”, sagte Kim nur. Das erklärte Brians Abwesenheit, aber nicht die feindselige Haltung ihrer Söhne. „Ich hoffe, ihr habt ein bisschen aufgeräumt, um einen ordentlichen Eindruck zu machen, wenn Mrs. Barnes schon heute kommt. Jetzt frage ich euch noch einmal, und ich erwarte eine Antwort: Was ist mit euch los, weshalb benehmt ihr euch wie zwei verzogene Bengel?" Beide Jungen schwiegen einen Moment mit grimmiger Miene. Dann stieß Josh hervor: „Wir haben dich gesehen, Mutter!” „Ja, und Dad hat dich auch gesehen!” „Was soll das heißen?” fragte Kim verblüfft. „Wir haben gesehen, wie du dich Keith vor dem Restaurant an den Hals geworfen hast!” Kim war entsetzt über den Hass, der aus den Worten ihrer Söhne herauszuhören war. Josh war deutlich anzumerken, wie sehr er seine Mutter verurteilte, und Kim hätte ihm am liebsten ins Gesicht
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Baccara geschlagen. Statt dessen wandte sie sich ab und ging schmerzerfüllt zur Tür. Jetzt stellten sich sogar ihre Söhne gegen sie. Zehn Jahre hatte sie ihre Jungen allein großgezogen, und jetzt entglitten sie ihr. Die Hand an den Türrahmen gestützt, blieb sie stehen. „Es tut mir sehr leid, dass ich euch oder euren Vater verletzt habe. Das habe ich nicht gewollt. Ich sehe ein, dass ich euch wie eine Verräterin vorkommen muss. Trotzdem dulde ich euer ungehöriges Benehmen nicht. Habt ihr verstanden?” Es entstand eine sehr lange Pause, dann antworteten beide gemeinsam: „Ja.” Kim hatte das Gefühl, jeden Moment losheulen zu müssen. In diesem Augenblick sprang Josh auf und eilte zu ihr. Erlegte von hinten die Arme um sie und barg den Kopf an ihrer Schulter. ,,Ich liebe dich, Mama." Sie drehte sich herum und zog ihren Sohn an sich. Als wäre ein Damm gebrochen, begann sie ebenfalls zu weinen. Plötzlich war Jake auch bei ihnen, und kurz darauf saßen alle drei eng umschlungen auf dem Boden und schluchzten. „Oh, ihr beiden”, stammelte Kim endlich, „ich weiß doch, wie sehr ihr euren Vater liebt. Wie wunderbar es für euch beide ist, ihn hier zuhaben. Ihr würdet alles tun, damit eure Eltern wieder miteinander auskommen. Und wir werden es versuchen. Wir werden es ganz bestimmt versuchen.” War das ein Versprechen? fragte sich Kim, und eine starke Furcht erfasste sie. Brian hatte sie gewarnt, sich nicht mehr mit Keith zu treffen, wenn sie sich nicht von ihm scheiden lassen wollte. „Mama?” Jetzt wollte Jake eine Frage stellen. „Ja, mein Junge?” „Liebst du Daddy?” „O Liebling, natürlich liebe ich ihn!” rief Kim aus. Das entsprach der Wahrheit. Sie liebte Brian wirklich. Aber konnte sie deshalb Keith einfach vergessen? Und konnten Brian und sie noch eine dauerhafte Beziehung aufbauen? „Warum sagst du es Keith dann nicht einfach? Wenn du ehrlich zu ihm bist, wird er es verstehen.” „Sie liebt Keith eben auch, du Dummkopf”, erklärte Josh mit einem bitteren Unterton. „Kann man denn zwei Menschen lieben?” fragte Jake. Kim machte sich von ihren Jungen los und lächelte ein wenig. „Ja”, sagte sie aufrichtig. „Ich mag euren Vater sehr, und ich mag auch Keith. Aber hör mal”, fuhr sie munterer fort, „hat Dad euch erzählt, dass er und ich für ein paar Tage verreisen wollen, um uns wieder besser kennen zulernen?” Josh und Jake sahen sich verschwörerisch an, und ihre Augen 65
Mein Körper verlangt nach dir
funkelten spitzbübisch. Typisch Brians Söhne!
„Ja”, antwortete Josh fröhlich. „Und wir gehen währenddessen zu
Großvater und Großmutter.”
Kim sah sie nachdenklich an. Offensichtlich hatte Brian schon alles geregelt. „Ihr fliegt nach Arizona?” fragte sie. „Nein.” Jake klang ungeduldig. „Zu deinen Eltern.” Kim wollte gerade aufstehen, jetzt sank sie entsetzt auf die Knie zurück. „O nein”, entfuhr es ihr. Die Jungen schauten sie misstrauisch an. „Was ist los, Mama. Du warst doch sonst immer einverstanden, wenn wir zu den Großeltern fuhren.” „Ja, natürlich, Josh. Aber ich hatte sie noch gar nicht... ach, lassen wir das. Ich Mus sie sofort anrufen.” Unter den aufmerksamen Blicken ihrer Jungen eilte Kim aus dem Zimmer. Dann lief sie hinunter in die Küche. Sie hatte ihre Eltern noch nicht von Brians Rückkehr unterrichtet, und jetzt hatten sie es offensichtlich von ihm selbst erfahren. „Musste das auch noch passieren”, sagte Kim halblaut, während sie energisch die Nummer wählte. Ihre Mutter würde sie gewiss verstehen und einfach dankbar sein, dass Brian heimgekehrt war. Ihr Vater würde ihr dagegen gehörig die Leviten lesen und sie genauso wie ihre Söhne für die miserabelste Ehefrau der Welt halten, weil sie nicht sofort die Verbindung zu Keith abgebrochen und Brian nicht mit offenen Armen wieder aufgenommen hatte. „Dad? Hier ist Kim. Ich...” Weiter kam sie nicht. Der Wortschwall, mit dem ihr Vater sie überschüttete, war noch schlimmer, als sie befürchtet hatte. Ihre Mutter habe beinahe der Schlag getroffen, als sie Brians Stimme hörte. Sie hätte die Eltern sofort verständigen müssen, schließlich hätten sie ihren Schwiegersohn immer geliebt, was bei ihr nicht der Fall zu sein schien. Es folgte eine ausführliche Anweisung, wie sie sich nach Ansicht ihres Vaters künftig verhalten solle. Robert Thielson war immer ein vorbildlicher Vater gewesen, aber wenn es um Brian ging, schien er nicht mehr klar denken zu können. „Tut mir leid, dass ich dich nicht sofort angerufen habe, Dad. Hier ging alles ziemlich drunter und drüber, und ich stand selbst unter einem Schock. Brian hat dir sicher erzählt, dass wir beide einen kleinen Urlaub machen wollen”, fügte sie hinzu, um ihren Vater milder zu stimmen. „Deshalb möchten wir die Jungen gern bei euch lassen.”
Robert beruhigte sich, allerdings nicht, ohne ihr nochmals zu versichern,
wie froh und glücklich sie nach Brians Rückkehr sein müsse.
Als Kim den Hörer auflegte, hatte sie sich mit ihrem Vater wieder
versöhnt und versprochen, gleich nach ihrem Urlaub mit der gesamten
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Baccara Familie zum Abendessen zu kommen. Plötzlich war Kim richtig froh, dass Lisa Barnes nach Tampa kam und bei ihnen übernachten wollte. Brian würde seine Frau sicher zuvorkommend behandeln, solange ein Gast im Haus war. Weshalb fühle ich mich eigentlich so verflixt schuldig, überlegte Kim. Sie hatte Brian nicht versprochen, jede Verbindung zu Keith abzubrechen. Allerdings war er wohl davon ausgegangen, dass sie sich seinen Wünschen widerstandslos beugte. „Hol dich der Teufel, Brian Trent”, rief sie laut und merkte, wie gut ihr dieser Gefühlsausbruch tat. „Hol dich der Teufel, der Teufel, der Teufel!” Plötzlich erstarrte sie, denn sie hatte ein Geräusch hinter sich gehört. Jemand stand an der Glastür zum Pool und räusperte sich leise. Entsetzt fuhr Kim herum und entdeckte Brian mit einer zierlichen hübschen Brünetten auf der Schwelle. Die linke Hand hatte er der Frau um die Taille gelegt, in der rechten trug er einen Koffer. * Brian wirkte furchtbar wütend. Sein Blick schien Kim zu durchbohren. Sie hatte das Gefühl, ihr Herz bliebe stehen und ihr Atem stocke. Allein sein eisiger Blick genügte, um ihr alle Kraft zu nehmen. Hätte sie sich nicht an der Anrichte festhalten können, wäre sie zu Boden gesunken. Endlich sprach Brian und ging nicht auf die vernichtenden Worte ein, die sowohl er als auch Lisa Barnes gehört haben mussten. „Tut mir leid, Kim, ich hatte dich nicht erschrecken wollen. Du hast die Haustür verriegelt, deshalb mussten wir durch den Seiteneingang hereinkommen. Lisa, das ist meine Frau Kim. Kim, das ist Lisa Barnes.” Lisa warf Brian einen mitleidigen Blick zu. Für sie musste es schrecklich sein, dass Brian zu einer Frau zurückgekehrt war, die ihn lauthals in der Küche verwünschte, während ihr Mann, auf dessen Rückkehr sie all die Jahre vergeblich gehofft hatte, statt seiner auf dem Friedhof begraben lag. Und Brian ... Wenn er ihr nicht schon wegen des Vorfalls mit Keith den Hals umdrehen wollte, dann jetzt gewiss. Aber er wird es nicht in Gegenwart dieser Frau tun, überlegte Kim und zwang sich zu einem verbindlichen Lächeln. „Hallo, Lisa. Bitte, kommen Sie herein. Ich freue mich, Sie kennen zulernen, auch wenn mir die Umstände, unter denen es geschieht, sehr leid tun.” Lisa trat ein, ein weiches, wehmütiges Lächeln auf den Lippen. Sie reichte Kim die Hand. „Danke für die Einladung, Mrs. Trent. Brian ist mir eine große Hilfe.” Kim ergriff Lisas Hand und betrachtete schmerzlich das Gesicht der 67
Mein Körper verlangt nach dir
anderen Frau. Es war außerordentlich hübsch, weich und freundlich und wurde von großen blaugrünen Augen beherrscht. „Bitte, fühlen Sie sich hier wie zu Hause”, hörte Kim sich sagen und meinte es aufrichtig. „Wenn wir Ihnen irgendwie behilflich sein können...” „Danke”, wiederholte Lisa. „Komm erst einmal ins Wohnzimmer und ruhe dich aus”, forderte Brian sie auf. ,,Kim kann uns etwas zu trinken machen. Was möchtest du?" „Bitte Weißwein”, antwortete Lisa lächelnd. „Für mich bitte einen Scotch, Kim”, erklärte er und sah sie für den Bruchteil einer Sekunde an. Doch dieser Moment genügte, dass es Kim eiskalt den Rücken hinablief. Brian kümmerte sich nicht mehr um sie, sondern führte Lisa zum Sofa. Kim spürte einen weiteren Stich und merkte, dass sie eifersüchtig war. Offensichtlich mochte Brian Lisa Barnes sehr. „Wir haben ein Gästezimmer”, erzählte Brian seinem Gast. „Es ist zwar mit allen möglichen Sachen vollgestopft, aber zumindest hat es ein eigenes Bad.” Wenn Lisa im Gästezimmer übernachtet, wo soll Brian dann schlafen? überlegte Kim entsetzt. Auf keinen Fall bei ihr! Kim zitterte so, dass sie die Hälfte des Weins verschüttete, bevor sie ein Glas eingeschenkt hatte. Und sie musste erst zwei Scotch trinken, bevor sie endlich die Getränke ins Wohnzimmer tragen konnte.
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Mein Körper verlangt nach dir
Baccara
Kim erwartete, dass der Abend nicht nur nervenaufreibend, sondern für sie auch äußerst deprimierend werden würde. Was sollte sie mit einer Frau reden, die nach jahrelangem Suchen und Warten soeben erfahren hatte, dass ihr Mann auf einem Friedhof in Florida begraben lag? Doch als sie mit den Getränken das Wohnzimmer betrat, stellte sie fest, dass Lisa lebhaft mit Brian über die Veränderungen sprach, die in den letzten zehn Jahren stattgefunden hatten. Offensichtlich war sie sehr intelligent und kannte sich in der Politik aus. Kim fragte sich, ob Brian nicht viel besser zu dieser hübschen Brünetten passte, und dieser Gedanke beunruhigte Kim außerordentlich. Lisa versuchte, Kim in die Unterhaltung einzubeziehen. „Alles kommt periodisch wieder, meinen Sie nicht auch?” fragte sie fröhlich, als wäre sie entschlossen, die Spannungen zwischen ihrem Gastgeber und dessen Frau aus der Welt zu schaffen. „Miniröcke, die wir vor zehn Jahren abgelegt hatten, sind jetzt wieder groß in Mode.” „Ja”, stimmte Kim ihr zu und gab sich große Mühe, den Abend so angenehm wie möglich zu gestalten, „und die Schulterpolster, die wir bis voriges Jahr getragen haben, gab es schon in den dreißiger und vierziger Jahren.” Brian lachte. Er sah Lisa an, nicht Kim. „Ich glaube, die Einführung der Computertechnik hat die größten Veränderungen mit sich gebracht. Einige Kinder in der Nachbarschaft meiner Eltern konnten sich gar nicht vorstellen, dass ich keine Ahnung von den Tele-Spielen hatte. Und dann die Supermärkte! Die Kassiererinnen brauchen die Preise nicht mehr einzutippen, sondern fahren einfach mit einem Abtastgerät über die Codenummer. Trotzdem kann man anschließend auf dem Kassenzettel nachlesen, was man um welche Uhrzeit eingekauft hat und wie hoch der jeweilige Preis war." Er schüttelte verwundert den Kopf. „An Veränderungen sollte man sich langsam gewöhnen können. Manchmal komme ich mir vor wie ein Steinzeitmensch.” Lisa antwortete etwas, aber Kim hörte nicht zu. Sie hatte das Gefühl, eine Schlinge lege sich um ihren Hals. Sie war Brians Frau und hatte sich ständig gefragt, wie seltsam, ja fremd ihm vieles vorkommen musste. Mit ihr hatte er nicht darüber reden wollen. Bei Lisa jedoch fiel es ihm nicht schwer. Plötzlich kam sich Kim schrecklich überflüssig vor. Da sie sich sowieso um das Abendessen kümmern musste, nutzte sie die Gelegenheit hinauszugehen und sah im Kühlschrank nach, ob sich etwas Passendes
darin befand. „Ich habe heute Nachmittag Steaks besorgt.” Erschrocken fuhr Kim herum und stieß mit dem Kopf gegen das obere Regal. Brian stand keinen Meter von ihr entfernt, hatte die Hände in die Hüften gestemmt und betrachtete sie spöttisch. Er trat einen Schritt näher, und Kim wich instinktiv zur Seite. Da merkte sie, dass er nur. in den Kühlschrank hatte greifen wollen. ” „Geh zurück ins Wohnzimmer , forderte er sie auf. „Es ist nichts mehr zu tun. Ich habe Kartoffelsalat, Krautsalat und Baguette besorgt. Alles ist fertig.. „Aha”, meinte Kim kläglich und kam sich wie eine Närrin vor. „Ich... decke schon den Tisch.” „Wir können eine Art Büfett am Pool machen”, schlug Brian vor. „Aha”, sagte Kim erneut. „Also gut, dann gehe ich wieder zu Lisa.” Schon eilte Kim aus der Küche. Im Augenblick schien Brian sie nicht auf den Vorfall von heute Mittag ansprechen zu wollen. Aber es war unübersehbar, dass er die. Szene vor dem Restaurant und ihre lauten Verwünschungen, als er mit seinem Gast hereingekommen war, nicht vergessen hatte. „Es sieht so aus, als möchte Brian heute Abend selbst den Koch spielen”, sagte Kim gezwungen heiter und lächelte unbehaglich. „Wir werden draußen essen, wenn es Ihnen recht ist.” „Das klingt hübsch”, antwortete Lisa und sah Kim prüfend an. „Ich hoffe nur, ich mache nicht alles noch schlimmer. Eigentlich dürfte ich gar nicht hier sein.” Kim schwieg einen Moment verlegen. „Reden Sie keinen Unsinn, Lisa. Wir freuen uns doch, dass Sie gekommen sind.” „O Kim, Sie sind wirklich sehr nett. Aber es ist unübersehbar, dass Sie und Brian große Schwierigkeiten haben, sich wieder aneinander zu gewöhnen. Und das wundert mich überhaupt nicht.” Plötzlich wurde Lisa ernst. „Brian liebt Sie sehr, Kim. Und er ist ein ganz besonderer Mann. Ich weiß nicht, wie ich ohne ihn zurechtgekommen. wäre.” Nicht dass ich mich für besonders sentimental hielte. Nach zehn Jahren hätte ich damit rechnen müssen, dass Jim wahrscheinlich nicht mehr lebte. Doch obwohl ich die Wahrheit ahnte, war sie schwer zu ertragen. Andererseits bin ich nach der langen Ungewissheit jetzt beinahe erleichtert.” Lisa lächelte wehmütig. „Ihr Mann war einfach wunderbar. Sie wissen ja, dass er zu mir gekommen ist. Er wollte verhindern, dass ich brieflich unterrichtet wurde. Er ist einmalig.” „Brian ist immer einmalig gewesen”, hörte Kim sich sagen und setzte sich neben Lisa, denn sie war neugierig auf diese Frau geworden. „Sagen
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Baccara Sie, Lisa, haben Sie wirklich all die Jahre geglaubt, dass Jim noch zurückkehren könnte?” Lisa seufzte. „Ich habe es gehofft. Daran geglaubt habe ich nicht immer. Manchmal vergaß ich sogar, wie Jim aussah. Aber ich fragte mich immer, was aus ihm geworden sein mochte, und ich wollte die Wahrheit erfahren. Wir - ich habe eine Tochter, müssen Sie wissen. Schon ihretwegen durfte ich nicht aufgeben.” Beide schwiegen einen Augenblick, dann fuhr Lisa fort: „Sie dürfen Brian keine Vorwürfe machen, Kim, aber sich selbst auch nicht. Sie glaubten doch, er wäre tot. Und Sie lebten. Brian ist ein intelligenter, einfühlsamer Mann. Er versteht ja, dass Sie eine neue Beziehung eingegangen sind. Doch er liebte Sie, und er möchte Sie für sich haben. Selbst wenn er Ihnen wie ein Macho vorkommt, sollten Sie versuchen, Verständnis für ihn aufzubringen." „Ich komme ja überhaupt nicht an ihn heran!” stieß Kim verärgert hervor und hielt entsetzt die Hand vor den Mund. Lisa lächelte nachsichtig. „Kim, ich bin eine Fremde. Mich liebt Brian nicht. Vor mir braucht er keine Angst zu haben und kann daher ohne Scheu mit mir reden.” Kim glaubte zwar nicht, dass Brian Angst vor ihr hatte, doch das wollte sie Lisa gegenüber nicht zugeben. Lächelnd stand Kim wieder auf. Lisa schien einiges über sie zu wissen, aber nicht alles. Sie konnte nicht ahnen, dass Kim über ihren Besuch heilfroh war, weil Brian sich während ihrer Anwesenheit zusammenreißen musste. „Ich rufe jetzt die Jungen herunter, Lisa, und hoffe, dass Sie immer noch gern bei uns sind, nachdem Sie die Rasselbande kennen gelernt haben.” Josh und Jake benahmen sich an diesem Abend so brav, dass Kim nur staunen konnte. Lisa sorgte für die Unterhaltung und bezog alle in das Gespräch mit ein. Nachdem Kim sich zunächst vor dem Abend gefürchtet hatte, graute ihr jetzt vor der Nacht. Als die Zwillinge schlafen gegangen waren, dehnte sie die Unterhaltung so lange wie möglich aus, denn sie wollte nicht mit Brian allein sein. Doch nachdem die alte Standuhr im Wohnzimmer Mitternacht geschlagen hatte, stand Lisa auf, reckte sich und gähnte. „Wäre es sehr unhöflich, wenn ich ins Bett ginge? Ich habe einen langen Tag hinter mir.” „Natürlich nicht.” Brian stand sofort auf. „Ich zeige dir dein Zimmer und...” „Ich zeige es Lisa”, unterbrach Kim ihn und hoffte, dass ihre Stimme nur eifrig und nicht nervös klang. Brian erhob keinen Einwand. Seltsam nachsichtig schaute er Kim an und verunsicherte sie dadurch noch stärker. Sie konnte sich noch so sehr 71
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anstrengen, am Ende würden sie doch allein sein.
„Gute Nacht, Lisa”, sagte Brian ruhig. Dann lächelte er Kim zu, die
unter. seinem Blick erschauerte. „Ich komme gleich nach.” Kim schwirrte der Kopf. Brian wollte zu ihr ins Zimmerkommen - in ihrer beider Schlafzimmer -, und das verhieß nichts Gutes. Ihre Knie zitterten, während sie Lisa die Treppe hinaufführte und sich so unbefangen wie möglich mit ihr unterhielt. „Ich habe nur einen Wecker, Lisa, den stelle ich auf sieben Uhr. Ist das früh genug? Und möchten Sie etwas Bestimmtes zum Frühstück? Wegen der beiden Jungen haben wir immer eine große Auswahl ...” „Nur Kaffee und Toast”, unterbrach Lisa sie. „Sieben Uhr reicht mir völlig, wahrscheinlich wache ich von allein auf.” Kim öffnete die Tür zum Gästezimmer und stellte erleichtert fest, dass Brian es zurechtgemacht hatte. Das Bett war ausgeklappt und frisch bezogen, Lisas Koffer lag darauf. Nichts deutete darauf hin, wer hier vorher geschlafen hatte. „Das Zimmer ist hübsch”, sagte Lisa leise. „Nochmals vielen Dank, Kim.” „Keine Ursache”, erwiderte Kim und bekam ein schlechtes Gewissen, weil dieser Dank eigentlich Brian zustand. „Schlafen Sie gut. Bis morgen früh.” Langsam schloss Kim die Tür und ging in ihr Zimmer. Tränen traten ihr in die Augen bei dem Gedanken an all die verlorenen Jahre, in denen Brian und sie getrennt gewesen waren. Und jetzt war er auch noch wütend auf sie. Kim duschte rasch, zog ein Baumwollnachthemd mit langen Ärmeln an und war heilfroh, dass das Haus eine Klimaanlage hatte. In Windeseile kämmte sie sich das Haar, schaltete das Deckenlicht aus, schlüpfte ins Bett und drehte sich auf die Seite. Kaum lag sie ruhig da, hörte sie, dass die Tür geöffnet wurde. * Brian machte kein Licht. Seine Schuhe fielen zu Boden. Kim merkte, dass er sein Hemd auszog, dann glitten seine Jeans mit der schweren Schnalle am Gürtel zu Boden. Anschließend war es ganz still im Zimmer. Kim wagte nicht, die Augen zu öffnen, und blieb regungslos liegen. Als Brian die Hand auf ihre Brust legte, hätte sie beinahe aufgeschrien. Es kostete sie alle Kraft, so zu tun, als schliefe sie fest. „Kim”, sagte er ruhig, „dein Herz schlägt wie wild, ich merke genau, dass du wach bist.” Sie drehte sich zu ihm und schaute ihm in die Augen, soweit dies im dämmrigen Mondlicht möglich war. Sein Gesicht hatte einen harten
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Baccara Ausdruck. Sie betrachtete seine breiten Schultern, den Brustkorb. Brian trug nur einen Slip, und sie sah, wie männlich er in den letzten zehn Jahren geworden war. Raste ihr Herz vor Angst? Oder reagierte ihr Körper so heftig auf Brians Nähe? „Ja”, gab Kim zu, schluckte und setzte sich auf, „ich schlafe noch nicht.” Brian legte seine Hand auf das Laken. Kim war sicher, dass er sie gleich berühren würde, und plötzlich wünschte sie sich nichts sehnlicher als das. Doch er richtete sich auf und stand kraftvoll und schlank in der Dunkelheit vor ihr. Er will mir nicht weh tun, dachte Kim traurig. „Keine Angst. Ich gedenke nicht, meine ehelichen Rechte ,zu fordern, Kim. Ich habe einfach keine Lust, auf der Couch zu schlafen oder mich in eine der Kojen der Jungen zu zwängen. Du brauchst mir also nichts vorzuspielen”, erklärte er kühl. Er ging um das Bett herum und legte sich auf die andere Seite. Kim blieb wie erstarrt sitzen. Eisiges Schweigen folgte. Endlich drehte sich Brian zu ihr. „Wir müssen dringend ernsthaft miteinander reden, aber nicht jetzt. Leg dich hin und schlaf.” Kim gehorchte. Sie ließ den Kopf auf das Kissen zurückfallen und verschränkte die Arme vor der Brust. Regungslos horchte sie auf Brians gleichmäßigen Atem. Minuten vergingen, aber sie wurde nicht ruhiger. Im Gegenteil, ihre innere Anspannung wuchs von Sekunde zu Sekunde. Plötzlich bewegte sich Brian, und Kim erschrak nach der vorangegangenen Stille so heftig, dass sie mit einem unterdrückten Schrei in die Höhe fuhr und sich gleich am liebsten geohrfeigt hätte. „Himmel”, rief Brian ungeduldig, riss das Laken beiseite und stellte die Füße auf den Boden. Als er aufstand, sprang Kim vor Nervosität ebenfalls aus dem Bett. „Was, in aller Welt, ist mit dir los?” fragte Brian wütend. Mit wenigen Schritten war er bei ihr. Zu ihrem Erstaunen lachte er plötzlich leise. „Aha, ich verstehe. Ich habe versprochen, dir den Hals umzudrehen, und du findest keine Ruhe, bevor ich es getan habe.” Kim öffnete den Mund, aber kein Laut kam heraus, denn Brian hob sie plötzlich auf und legte sie wieder auf das Bett. Sie war viel zu erschrocken, um sich fortzurollen, als er den Oberkörper über sie beugte und sein festes blondes Brusthaar sie durch den zarten Baumwollstoff kitzelte. „Also gut, Kimberley Trent”, meinte er spöttisch, „du wartest auf eine Reaktion von mir. Du schleichst dich davon und küsst leidenschaftlich einen anderen Mann... Nun, dafür hast du tatsächlich Strafe verdient.” Mit beiden Daumen streichelte er ihre Wangen, und Kim spürte seine verhaltene Spannung. Sie konnte nichts tun, sondern ihn nur fest
ansehen. „Überlegen wir einmal ... Drehe ich dir den Hals um, wird man mich wegen Mordes verurteilen, und den Jungen würde das auch nicht besonders gefallen, nehme ich an. Ich könnte dir den Hintern grün und blau schlagen.” „Brian, bitte ...", stieß Kim endlich hervor. Sie fand nicht die richtigen Worte, um ihm alles zu erklären. Er lachte erneut amüsiert, und sie kam sich entsetzlich hilflos vor. „Oder ich verlange einfach das gleiche”, flüsterte er. Schon senkte er die Lippen auf ihre. Kim stöhnte leise, als er mit der Zunge über ihren Mund strich, ihn öffnete und tief in dessen Inneres eindrang. Schon wurde Brians Kuss drängender und verzehrender und weckte ihr Verlangen. Kim war völlig aufgewühlt. Die vergangenen Jahre spielten keine Rolle mehr, die Welt um sie herum versank. Sie legte die Arme um Brians sehnige Schultern, klammerte sich an ihn und genoss das Gefühl, ihm so nah zu sein. Sie durchwühlte sein Haar und wartete mit wachsender Erregung auf das, was nun kommen würde. Verärgert stellte sie fest, dass Brian sich plötzlich von ihr losmachte. „In Ordnung”, erklärte er trocken, ließ sich auf seine Seite fallen und blieb neben Kim liegen. „Jetzt hast du deine Strafe bekommen und glaubst mir vielleicht, dass ich dich heute nacht nicht vergewaltigen werde. Schlaf jetzt." Kim war so verblüfft, weil Brian sie wieder freigegeben hatte, dass ihr plötzlich ein kalter Schauer den Rücken hinunterlief. Endlich sah sie ein, dass er tatsächlich nicht weitergehen wollte. Sie wandte sich ab, barg ihr Gesicht im Kissen und versuchte verzweifelt, nicht zu weinen. Brian atmete gleichmäßig, und sie war sicher; dass er längst schlief. Deshalb erschrak sie heftig, als er plötzlich ruhig erklärte: „Ich habe doch gesagt, ich würde dich niemals zwingen, Kim. Außerdem möchte ich dich nicht direkt aus den Armen eines anderen Mannes”, fügte er mit einem Anflug von Bitterkeit hinzu. Kim schluchzte leise auf, aber sie konnte ihre Gefühle nicht in Worte fassen. Stumm weinte sie in das Kissen. Brian rührte sie nicht an. Er seufzte leise und riet ihr: „Schlaf endlich, Kim. Wenn du die ganze Nacht wach liegst, löst du unsere Probleme auch nicht.” „O Brian ...”, flüsterte sie. Dann hielt sie es nicht mehr aus. Gleichgültig, ob Brian sie zurückstieß oder nicht, sie musste seinen warmen Körper spüren. Brian war so nahe und durfte sich ihr nicht entziehen, nachdem sie sich so sehr nach seinem Trost und seiner Wärme sehnte.
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Baccara Ihre Zärtlichkeit brachte das Eis zum Schmelzen. Sobald Kim sich an seine Brust schmiegte, zog Brian sie in die Arme, so dass ihre Tränen in sein Brusthaar flössen. „Brian ..., Bitte...” Gern hätte sie ihm erklärt, wie verwirrt, wie nervös und schrecklich unsicher sie war. Doch sie fand nicht die richtigen Worte. Aber das machte nichts, denn Brian schien genau zu wissen, was sie ihm sagen wollte. Er hielt sie umschlungen, besänftigte sie leise und fuhr ihr zärtlich durchs Haar., „Ich liebe dich, Kim”, sagte er endlich, als das Beben ihres Körpers und ihre Schluchzer nachließen. „Ich liebe dich. Nichts wird daran etwas ändern. Keine Tücke des Schicksals, nicht die Zeit. Nicht einmal ein anderer Mann. Ganz gleich, was geschieht, Kim, ich werde dich immer lieben.” Ganz gleich, was geschieht? Was sollte das heißen? Plötzlich bekam Kim schreckliche Angst. Hatte sie mit ihrem Verhalten schon alles zerstört? Sie hatte nicht gewusst, was sie wollte, und auf zwei Hochzeiten getanzt. Nach so vielen Jahren war Brian nach Hause gekommen, und nun verlor sie ihn vielleicht erneut, weil sie nicht den Mut gehabt hatte, ihn mit offenen Armen willkommen zu heißen. Wieder traten ihr Tränen in die Augen. Sie wollte zumindest das haben, was sie noch bekommen konnte. „Brian?” „Ja?” flüsterte er an ihrer Stirn. Bitte, liebe mich, hätte sie gern gefleht. Aber sie brachte die Worte nicht über die Lippen. Zögernd fuhr sie mit den Finger durch sein Brusthaar. ,,Küss mich noch einmal", bat sie ganz leise. Brian stützte sich auf einen Ellbogen und sah sie lächelnd an. „Unter einer Bedingung”, erklärte er ernst. „Aha”, meinte sie nur und senkte den Blick, um ihre Angst und Unsicherheit zu verbergen. „Unter welcher?” fragte sie mit zitternder Stimme. „Dieses Ding”, er fasste einen Ärmel ihres Baumwollnachthemds, „muss weg.” „O Brian!” Kim lachte erleichtert auf, warf sich erneut in seine Arme, presste die Lippen auf seinen Mund und ließ ihrem Begehren freien Lauf. Brian reagierte sofort. Er hielt Kim eng umschlungen, rollte mit ihr herum, so dass er jetzt auf ihr lag, küsste sie leidenschaftlich und bedeckte danach ihr ganzes Gesicht mit zärtlichen Küssen. Schließlich kehrte er zu ihrem Mund zurück, zog mit der Zunge die Konturen ihrer Lippen nach und ließ sie erneut in das Innere ihres Mundes eindringen. Mit der linken Hand ergriff Brian den Saum ihres Nachthemds, schob ihn hinauf, streichelte ihren Schenkel, ihre Hüfte und ihre Taille. Er hob Kim ein wenig hoch, damit er ihr das Nachthemd über den Kopf ziehen konnte, und ließ es zu Boden fallen. Dann sah er sie mit vor Leidenschaft dunklen Augen an. „Ich sagte doch, das Ding müsse weg”, erklärte er,
berührte sie nicht, sondern betrachtete eingehend ihre Brüste. Kim bekam kaum noch Luft. Allein sein sinnlicher Blick genügte, um sie aufs höchste zu erregen. Sie schluckte, berührte die heiße Haut seines Oberkörpers und fuhr mit den Fingern hinab zu dem Gummiband seines Slips. Vorsichtig schob sie den Daumen darunter und sah Brian wieder an. „Das muss aber auch weg”, erklärte sie mit bebender, heiserer Stimme. „Mit Vergnügen”, antwortete er, stand auf und zog das letzte Kleidungsstück aus. Kim betrachtete seinen makellosen Körper, nach dem sie sich so lange gesehnt hatte, und wollte ihn zunächst nur mit den Augen genießen. „Brian.. .” Sie streckte die Arme nach ihm aus, und er kam zu ihr zurück. Nackt lagen sie eng umschlungen da. Kim küsste seine Schultern, und erneut flossen salzige Tränen darauf hinab. Er streichelte ihren Rücken, ihre Schultern. Dann fuhr er mit den Händen zu ihren Brüsten, umschloss sie und reizte die rosigen Spitzen, die sofort hart wurden. „Kim, o Kim, ich habe so lange auf diesen Augenblick gewartet. Davon habe ich geträumt, und danach habe ich mich immer wieder gesehnt. . .” Er schob die Finger in ihr Haar und bog ihren Kopf zurück, damit sie sich wieder ansehen konnten. Im dämmrigen Mondlicht glänzten ihre Augen vor Sinnlichkeit. Ihre Lippen zitterten und waren leicht geöffnet. Ihm war, als wäre ein Traum Wirklichkeit geworden. Nur dass die Wirklichkeit das Bild übertraf, das er sich von seiner Frau gemacht hatte. Kim war noch schöner, noch erotischer als in seiner Phantasie. Bei ihr hatte er sich immer vollkommen gefühlt. Mit ihrer Liebe nahm sie ihn nicht nur körperlich in sich auf, sondern auch seelisch. „O Kim... Liebling!” Heftiger, als er beabsichtigt hatte, stieß er sie auf das Bett zurück. Kim nahm ihm diesen Eifer nicht übel, denn sie begehrte ihn ebenso wie er sie. Sie keuchte leise, als er die Lippen über eine ihrer rosigen Spitzen schloss, durchwühlte sein Haar und klammerte sich dann an seine Schultern. Brian liebkoste ihre Brüste mit den Lippen und knabberte zärtlich daran. Er strich mit den Händen ihren Körper hinab und erforschte jeden Zentimeter ihrer Haut, bis sie vor Verlangen glühte. Mit dem Mund folgte er der Spur seiner Hände, denn er wollte Kim mit allen Sinnen kennen lernen. Anschließend rollte er sie auf den Bauch, küsste ihre Schultern, erkundete mit der Zunge ihre Wirbelsäule und trieb Kim fast bis zum Wahnsinn, weil er auch noch die Rückseite ihrer Waden und Fersen küsste. „Brian!”
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Baccara Etwas anderes konnte sie nicht mehr sagen, aber das machte nichts, denn nur er zählte noch. Sie drehte sich wieder auf den Rücken, um ihn jetzt ebenso zu berühren. Sie liebkoste seine breiten Schultern, die Linie seiner Wirbelsäule, seine schlanken Hüften, seinen festen Po und wagte sich schließlich bis zum Zentrum seiner Männlichkeit vor. Leidenschaftlich streichelte sie ihn, während er ihr Liebesworte zuflüsterte und vor Wonne stöhnte. Plötzlich keuchte sie leise, denn er hatte ihre empfindlichste Stelle berührt, und sie erschauerte vor Verlangen. „Bitte.. .”, flüsterte sie kaum hörbar. „Jetzt, mein Liebling”, antwortete er heiser. „Jetzt!” Kraftvoll drang Brian in sie ein, verschaffte ihr einen herrlichen Genuss mit seinen wilden, rhythmischen Bewegungen. Die Zeit spielte keine Rolle mehr. Die verlorenen Jahre schienen zusammenzuschmelzen und angesichts ihrer Liebe und ihrer Leidenschaft bedeutungslos zu werden. Kim bog sich Brian entgegen und gab sich ihm bedingungslos hin. Während ihr Verlangen ständig wuchs und sie beide mitriss, wurden ihre Bewegungen schneller. Immer wieder küssten sie sich und versicherten sich atemlos, wie sehr sie einander begehrten. Am liebsten hätten sie die Zeit angehalten, um den Höhepunkt hinauszuzögern. Brian schob seine Hände unter Kims Po und zog sie noch fester an sich. Sie schlang ihre Beine um ihn und streichelte seinen Rücken mit den Fersen. Erst leise, dann immer lauter rief sie seinen Namen. Gleichzeitig erreichten sie den intimen Augenblick höchster Erfüllung. Kims Körper erbebte unter Brian. Er hielt sie fest, presste sie eng an sich und genoss jenes herrliche Gefühl restloser Befriedigung, das dem Gipfel der Ekstase folgte. Kim schloss die Augen, hielt Brian weiterhin umfangen und drückte ihre Wange an seine Schulter. Seine Haut glänzte vor salzigem Schweiß, aber sie fühlte sich herrlich an. Nichts konnte so wunderbar sein, wie mit Brian eins zu sein. Weil ich niemanden je so geliebt habe wie ihn, dachte Kim. Und ich werde nie jemand anders so lieben. Brian konnte sie geradezu unvorstellbar erregen. Er reizte ihre Sinne, fand ihre empfindsamsten Stellen. Und er war leidenschaftlich und zärtlich zugleich. Er gab ihr all seine Liebe. Kim knabberte an Brians Schulter. Mit einemmal musste sie an Keith denken. Alle Unsicherheit war verflogen, und Brian sollte es sofort wissen. Betrübt überlegte sie, dass sie auch mit Keith reden musste, denn er hatte Anspruch auf die Wahrheit. Sie liebte Brian, und sie würde ihn freiwillig nie verlassen. „Brian?” fragte sie leise. „Hm?” Er glitt zur Seite, damit er ihr nicht zu schwer wurde, hielt sie
aber weiter in den Armen. „Brian, die Sache von heute Mittag tut mir wirklich leid. Ich habe dich nicht direkt belogen. Auch Keith habe ich nicht die Wahrheit gesagt. Ich liebe dich, Brian. Ich weiß nicht, ob ich dich immer geliebt oder mich neu in dich verliebt habe. Trotzdem müssen wir das Zusammenleben erst wieder lernen. Wenn du mich noch willst, Brian, möchte ich bei dir bleiben. Und ich werde alles in Ordnung bringen, denn ich weiß, dass ich schrecklich gewesen bin. Ich habe euch beiden gesagt, dass... dass... Ich habe Keith gesagt, dass ich ihn noch liebe. Und das stimmte auch. Nein, es ist doch nicht ganz richtig. Ich mag ihn sehr, weil er ein so guter Mensch ist. Aber. . .” Brian lachte leise und brachte sie mit einem zärtlichen Kuss zum Schweigen. „Ich glaube dir, dass Keith ein guter Mensch ist. Nur möchte ich es jetzt nicht unbedingt von dir hören. Sei fair zu ihm, und sag ihm die Wahrheit - falls es dir ernst ist mit dem, was du mir eben gestanden hast. Wir müssen noch eine Menge übereinander lernen. Denn wir haben uns beide verändert. Wir werden viel Zeit brauchen und immer wieder über das, was uns beschäftigt, miteinander reden. Und die Zeit nehmen wir uns - nur nicht heute nacht.” „Wirst du wirklich offen zu mir sein, Brian?” fragte Kim zögernd. „Wirst du mir von. .. deiner Gefangenschaft ... und deiner Flucht berichten?” Er schwieg einen Augenblick. Es gab so viel, was er Kim lieber nicht erzählt hätte, aber vielleicht hatte sie recht. Die Vergangenheit durfte ihre Zukunft nicht belasten. „Ja”, sagte er endlich und streichelte ihre Wange. „Nur nicht jetzt.” „Brian, ich habe Keith heute Mittag geküsst, weil er mir Leidtat. Wir hatten gemeinsam zu Mittag gegessen. Ich habe ihn nur dieses eine Mal gesehen.” „Ich glaube. dir, Kim, und ich verstehe dich besser, als du annimmst. Ich musste dir einfach drohen, eine andere Möglichkeit hatte ich nicht. Aber ich möchte jetzt weder über deine Vergangenheit noch über Mr. Norman reden.” Kim öffnete den Mund, um etwas zu antworten, doch er verschloss ihn mit einem weiteren zärtlichen Kuss. „Ich will überhaupt nicht reden, Mrs. Trent. Heute nacht möchte ich einzig und allein meine Frau immer und immer wieder lieben.” Kim lächelte schelmisch. „Immer und immer wieder? Bist du sicher, dass du das aushältst, Mr. Trent?” „Nun, ich habe fast viertausend Nächte verloren. Wahrscheinlich kann ich. nicht alle nachholen, aber ich bin entschlossen, ab sofort viele wundervolle Nächte mit meiner Frau zu erleben. Hast du etwas dagegen?” Kim legte ihm leidenschaftlich die Arme um den Nacken und schüttelte heftig den Kopf. „Keineswegs, Mr. Trent, keineswegs ... . O Brian!”
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Baccara
9. KAPITEL Jims Sarg war am frühen Morgen mit militärischen Ehren im Beisein von Lisa und Brians Familie aus dem Grab gehoben worden. Zwei Stunden später wollte Lisa zurückfliegen. Um sich zu vergewissern, dass es mit der Überführung keine Schwierigkeiten gab, fuhren sie sofort los und aßen im Flughafenrestaurant zu Mittag. Die Stimmung war wieder gelöst, und Lisa erzählte den Zwillingen von ihrer Tochter, die ebenso wild auf Videospiele war wie Jake und Josh. Nach einer Weile stand Brian auf, um nach dem Rechten zu sehen. Josh und Jake, die schon unruhig geworden waren, als die Erwachsenen Kaffee bestellt hatten, gingen mit ihrem Vater. Kim blieb allein mit Lisa zurück. „Ihre Zwillinge sind reizend”, bemerkte Lisa und blickte Brian und seinen Söhnen nach. „Es sind hübsche Kinder, und so höflich und zuvorkommend. Sie haben wirklich Glück.” „Ja, ich weiß. Danke”, antwortete Kim. Sie war in der Tat sehr,. sehr glücklich. „Ich verstehe, weshalb Brian das Gefühl hat, so viel versäumt zu haben, und noch einmal von vorn beginnen möchte.” Kim stutzte und fragte sich, ob sie Lisa richtig verstanden hatte. „Wie bitte?” Lisa sah sie an und lächelte geheimnisvoll. „Entschuldigung, ich rede ständig von Kindern. Ich begreife, weshalb Brian noch eines möchte. Er hat ja die Entwicklung seiner Söhne gar nicht miterlebt.” Kim lächelte spröde. Brian wollte noch ein Kind? Er musste ja verrückt sein. Sie waren beide über dreißig, und ihre Söhne halb erwachsen. Nervös zündete sie sich eine Zigarette an und versuchte, das Thema zu wechseln. „Und was ist mit Ihnen, Lisa? Was werden Sie jetzt tun?” „Mein Leben wird sich nicht sonderlich verändern. Ich habe eine gute Stellung ,..” Sie zögerte einen Moment. „Und ich habe einen netten Mann kennen gelernt ...” Sie hielt inne, denn sie hatte Kims verblüfftes Gesicht bemerkt. „Ich bin keine Heilige”, fuhr Lisa leise fort. „Ich habe nie aufgehört, nach Jim zu forschen, aber nachdem fünf Jahre vergangen waren, musste ich unbedingt wieder unter die Leute gehen. Tut mir leid, wenn ich Sie schockiert habe.” - „Ich... nein! Bitte entschuldigen Sie”, erwiderte Kim rasch und errötete. „Ich freue mich, dass Sie Ihr Leben trotzdem ein bisschen genießen konnten.” Das klingt ja lächerlich, dachte Kim. Natürlich verurteilte sie Lisa nicht. Sie, Kim, war nur erstaunt, weil Brian diese Frau beinahe für eine Heilige zu halten schien. Oder nicht? Kannte er sie vielleicht besser, als er zugab? 79
„Wie dem auch sei”, fuhr Lisa fort, „vielleicht werde ich sogar wieder heiraten. Vorher konnte ich Jim nicht vergessen, aber jetzt gibt es ja keinen Grund mehr zu warten.” „Ich hoffe sehr, dass Sie wieder heiraten”, meinte Kim so fröhlich wie möglich. „Und lassen Sie es uns unbedingt wissen. Wir würden uns beide sehr für Sie freuen.” „Natürlich schicke ich Ihnen eine Karte.” Lisa lachte. „Und Sie müssen versprechen, mir zu schreiben, wenn Sie beide einem weiteren freudigen Ereignis entgegensehen.” Es fiel Kim ziemlich schwer, weiterhin freundlich zu bleiben. „Ganz bestimmt”, versicherte sie. Aber rechnen Sie lieber nicht mit solch einer Nachricht, fügte sie stumm hinzu. Lisa hatte keine Ahnung, dass sie einen empfindlichen Nerv bei Kim getroffen hatte. Unbekümmert fuhr sie fort: „Es wäre so schön für Brian. Solche hübschen Söhne, und er hat sie nicht aufwachsen sehen. Und dann diese Tragödie mit Lien Chi und seiner kleinen Tochter in Vietnam ... Er hat wirklich ein bisschen Glück verdient.” Tragödie? Lien Chi? Sein Kind in Vietnam? Kim hustete heftig, weil sie unwillkürlich scharf den Rauch eingezogen hatte, und griff verzweifelt nach ihrem Wasserglas. „Kim . . .” Sie winkte ab. Lisa durfte keinesfalls erfahren, dass Brian ihr nichts davon erzählt hatte. „Ich muss unbedingt aufhören zu rauchen. Oh, da kommt Brian ja. Dann ist sicher alles in Ordnung. Wollen wir gehen?” Sie küsste Lisa zum Abschied auf die Wange und lud sie mit warmer Stimme ein, sie jederzeit wieder zu besuchen. Ich bin richtig scheinheilig, tadelte Kim sich stumm. Misstrauisch sah sie zu, wie Brian sich herzlich von Lisa verabschiedete. Ja, sie empfand sogar einen gewissen Groll, dass ihre Söhne Lisa zum Abschied umarmten. Kims Verärgerung hielt während der ganzen Rückfahrt an. Zum Glück redeten die Zwillinge pausenlos. Sie baten Brian, die Stereoanlage im Wagen lauter anzustellen, und klärten ihn über die neueste Rockmusik auf. Kim hoffte, dass Brian auf diese Weise nicht merkte, wie böse sie war. Doch ein Blick in den Innenspiegel bewies ihr das Gegenteil. Zu allem Überfluss wartete ihr Vater vor dem Haus auf sie. Robert umarmte Brian, überschüttete seinen Schwiegersohn sofort mit unzähligen Fragen und wiederholte ständig, wie überglücklich er über dessen Rückkehr sei. Heil dem siegreichen Helden, dachte Kim und erschrak über die eigene Gehässigkeit. Sobald sie. drinnen waren, fragte sie: „Weshalb bist du gekommen, Vater?” .
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Baccara „Ich will die Jungen abholen”, antwortete Robert fröhlich und zwinkerte Brian zu. „Ihr beiden sollt so viel Zeit wie möglich füreinander haben.” „Das ist sehr nett”, meinte Brian. „Kim und ich hätten euch die Jungen zwar bringen können, aber ich freue mich sehr, dass du gekommen bist. Kim, willst du deinem Vater nicht eine Tasse Kaffee machen? Josh, Jake, lauft nach oben und holt eure Sachen.” Kim unterdrückte eine heftige Erwiderung. Brian ging davon aus, dass sie sich ohne weiteres seinen Wünschen fügte. Aber sie wollte nicht in Gegenwart ihrer Söhne und ihres Vaters mit Brian streiten. Den Tränen nahe, verließ sie die Diele. Von der Küche aus verstand Kim nur Bruchstücke der Unterhaltung zwischen den beiden Männern, denn das Geräusch der Kaffeemaschine übertönte die Worte. Als sie den Kaffee in die Tassen schenkte, Sahne für ihren Vater hinzugab und Brians Kaffee schwarz ließ, hörte sie jedoch, wie Brian sagte: „Ich habe Angebote von mehreren Luftfahrtgesellschaften bekommen. Aber ich werde wohl nichts davon annehmen. Nachdem ich so lange fort war, möchte ich keine einzige Nacht mehr außer Haus verbringen.” Ihr Vater erwiderte etwas, was Kim nicht verstand. „Nein, ich werde es für eine Weile mit dem Schreiben versuchen und einmal sehen, was dabei herauskommt.” Brian war ja ein Prachtkerl. Er fragte sie, ob sie ihren Beruf nicht aufgeben wollte, und hatte vor, ausgerechnet als Schriftsteller seinen Lebensunterhalt zu verdienen! Verärgert trug Kim den Kaffee hinaus und stellte ihn auf den Esstisch, an den sich die beiden Männer gesetzt hatten. Die Unterhaltung stockte, sobald sie zu ihnen trat. Um irgend etwas zu sagen, fragte Kim ihren Vater nach ihrer Mutter. „Es geht ihr gut, Kim, sehr gut sogar. Sie freut sich auf die beiden Jungen und hofft, dass ihr gleich nach eurer Rückkehr bei uns zu Abend esst.” Josh und Jake kamen mit ihren Sachen herunter. Robert trank seinen Kaffee aus und stand auf. „Fertig, ihr beiden?” „Ja, Großvater, fertig”, versicherte Josh ihm. Kim und Brian begleiteten sie zur Tür. Normalerweise verabschiedeten sich die Zwillinge nur flüchtig von ihrer Mutter, wenn sie zu ihren Großeltern fuhren. Doch heute umarmten sie sie heftig und erwürgten ihren Vater beinahe. „Seid lieb zur Großmutter, verstanden?” ermahnte Kim sie. „Sind wir immer”, erklärte Jake entrüstet. Gleich darauf waren sie verschwunden. Kim blickte dem geliebten alten Lincoln ihres Vaters nach. und merkte, dass Brian sie beobachtete. Er tippte ihr auf die Schultern. „Gehen wir 81
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wieder hinein?” Kim eilte an ihm vorüber ins Wohnzimmer und setzte sich kerzengerade aufs Sofa. Brian. folgte ihr, verschränkte die Arme vor der Brust und sah sie an. „Also, Kim, was, in aller Welt, ist zwischen gestern Abend und heute morgen passiert?” „Ich glaube nicht, dass es zwischen gestern und heute passiert ist”, antwortete Kim spöttisch, „sondern schon viel früher. Nur habe ich es erst jetzt herausbekommen.” „Aha”, erklärte er mit wachsendem Interesse. „Und was hast du herausbekommen?” „Womit soll ich anfangen?” Kim stand auf und begann, nervös hin und herzu laufen. „Du bist hierher gekommen und hast darauf bestanden, dass wir wieder dort anfangen sollten, wo wir vor zehn Jahren aufgehört haben. Aber das geht nicht so einfach, denn in der Zwischenzeit ist auch bei dir viel passiert. Mrs. Barnes scheint eine ganze Menge zu wissen - auch, dass du ein weiteres Kind haben möchtest, was mich ziemlich überrascht. Wolltest du dieses Kind von mir, Brian? Dann wäre es nett gewesen, zunächst mit mir darüber zu sprechen. Nachdem du es nicht getan hast, kann ich nur sagen: Schlag dir den Gedanken aus dem Kopf! Ich habe zehn Jahre lang zwei Jungen allein großgezogen und bin die Windeln, die Kinderkrankheiten und die Schrammen leid. Ganz zu schweigen von dem nächtelangen Geschrei. Die Jungen sind schon groß, und ich fange bestimmt nicht noch einmal von vorn an.” Sie blieb stehen und sah Brian einen Moment fest in die Augen. Er rührte sich nicht, und sein Gesicht war hart geworden. „Falls ich ein Kind hätte haben wollen, dann mit dir. Während meines Besuchs bei Lisa habe ich erwähnt, wie unendlich leid es mir täte, meine Söhne nicht aufwachsen gesehen zu haben. Ich sagte ihr, dass ich deshalb gern ein weiteres Kind hätte. Es tut mir leid, dass du etwas gegen meinen Plan hast. Immerhin habe ich dir die Erziehung nicht absichtlich allein überlassen.” „Ich bin zweiunddreißig Jahre alt, Brian.” „Lisa ist fünfunddreißig. Sie möchte gern wieder heiraten und eine neue Familie gründen.” „Wie schön für Lisa”, erwiderte Kim spöttisch. „Vielleicht solltest du sie heiraten.”
,,Vielleicht."
Kim erstarrte einen Moment. Diese Antwort hatte sie nicht erwartet. Sie hatte gar nichts gegen Lisa. Nur wusste die Frau. so viel über Brian. Lauter Dinge, von denen sie, Kim, keine Ahnung hatte. „Wer war Lien Chi?” fragte sie unvermittelt.
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Baccara Brian senkte einen Moment den Blick, dann wandte er sich ab und ging zur anderen Zimmerseite. Dort drehte er sich wieder um und sah sie beinahe drohend an. „Sie war eine Vietnamesin”, antwortete er. „Das habe ich mir fast gedacht”, fuhr Kim ihn an. „Aber wie stand sie zu dir? Und...” Kim zögerte kurz, dann fuhr sie ungerührt fort: „Lisa erwähnte etwas von einer Tragödie mit einem Kind. Hattest du ein Kind in Vietnam, Brian?” Brians Blick wirkte jetzt richtig gefährlich. Er ging auf Kim zu, und sie hatte plötzlich Angst vor ihm. Brian war so lange im Dschungel gewesen. Hatte sie etwas gesagt, das seine gespannten Nerven zum Zerreißen brachte? „Brian, komm nicht näher . . .” Er fasste sie bei den Schultern und bohrte die Finger hinein. „Brian!” Schon hatte er sie auf die Couch gedrückt und beugte sich über Kim. Seine Miene war so hart, wie sie es noch nie bei ihm erlebt hatte. „Bitte, Brian.” „Halt den Mund.” Er sah sie eindringlich an und hielt sie immer noch mit eisernem Griff fest. „Wenn du unbedingt die Wahrheit erfahren willst, bleib gefälligst sitzen und hör mir zu. Lien Chi war eine Vietnamesin, die mir viel bedeutete. Ja, wir hatten ein Kind, ein kleines Mädchen. Es wäre jetzt fünf Jahre alt. Ich habe dir aus zwei Gründen nichts über die beiden erzählt. Erstens sind sie tot, und zweitens haben sie nichts mit dir zu tun. Außerdem konnte ich mir kaum vorstellen, dass es dich interessiert hätte, denn ich war dir doch völlig gleichgültig. Tagelang hast du mich wie eine ansteckende Krankheit gemieden. Ich war jemand, den du lieber weiterhin begraben gewusst hättest, weil du dein Leben inzwischen anders eingerichtet hattest. Dich interessierte doch nur dein eigenes Schicksal. Solltest du ausziehen oder bei diesem Verrückten bleiben?” „Brian, du bist ungerecht. Ich habe versucht, mit dir zu reden. Du wolltest es nicht. Du hast dich geweigert ...” „Ich wollte nicht von dir bemitleidet werden, Kim. Du möchtest also alles wissen? Nun gut. Lien Chi hielt mich am Leben. Sie brachte uns heimlich Essen und versorgte uns mit Medikamenten, so gut sie konnte. Außer mir war noch ein Franzose im Gefangenenlager. Er lehrte mich zu überleben. Der Mann, der uns festhielt, erlaubte uns den Umgang mit vietnamesischen Frauen. Sie eigneten sich gut als Drohmittel. Sobald wir irgend etwas anstellten, hätte er sie getötet. Ich bin ein ganz normaler Mann, Kim. Ich bin nie ein Heiliger gewesen. Lien Chi hörte mir stundenlang zu, wenn ich von dir erzählte. Lebte sie noch, würde ich Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um sie und unsere kleine Tochter herüber zubekommen. Trotzdem wäre ich zu dir zurückgekehrt. Lien Chi wusste, dass ich dich immer noch wie verrückt 83
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liebte. Trotzdem hätte ich niemals auf meine Tochter verzichtet. Leider kamen beide ums Leben. Der Franzose wurde krank, und Lien Chi wollte ihn versorgen. Unsere Tochter war bei ihr. Eine der Minen an dem Bambuskäfig war defekt und explodierte. Alle wurden getötet, meine Tochter, Lien Chi und der Franzose. Bist du jetzt zufrieden? Nun weißt du ebensoviel wie Lisa." Kim konnte Brians schreckliche Geschichte kaum glauben. Jetzt spürte sie wieder seinen harten Griff, und sein Blick war ihr unerträglich. Brian verabscheut mich, dachte sie und schaute zur Seite. Das ist ungerecht. Ich kann die Vergangenheit ebenso wenig ändern wie er. Aber er irrt sich, wenn er annimmt, er wäre mir gleichgültig.
„Brian, du tust mir weh.”
„Tatsächlich?” Er lockerte seinen Griff ein wenig.
Kims Lippen zitterten derart, dass sie kaum noch sprechen konnte. „Brian”, sagte sie leise, „es tut mir leid, es tut mir so schrecklich leid ...” „Wirklich?” „Natürlich!” Er verzog keine Miene, und Kim wurde mit einemmal wütend. „Du hast kein Recht, dich mir gegenüber so aufzuführen! Du verurteilst mich wegen Keith und hast selbst mit einer anderen Frau geschlafen. Du... du hattest sogar ein Kind mit ihr.” „Ahnst du, wie es ist, ein Kind zu verlieren, Kim? Hilflos alles mit anzusehen? Ich hoffe, du musst so etwas nie erleben. Und was Keith betrifft: Ich habe dich seinetwegen nie verurteilt, ich wollte dich nur wieder zurück. Vielleicht hat es noch mehr Männer in deinem Leben gegeben, ich weiß es nicht. Du hast mir ebenfalls nichts erzählt. Nur dass du völlig durcheinander seist.” „Das stimmt nicht. Letzte Nacht ...” „Ja, letzte Nacht.” Brian seufzte bitter. „Letzte Nacht warst du davon überzeugt, dass du mich liebst. Gilt das heute morgen auch noch, Kim? In höchster Leidenschaft sagt man viele Dinge. Unzählige Versprechungen wurden schön in Schlafzimmern gemacht und dann nicht eingehalten. Vielleicht haben wir uns eines bewiesen: dass wir einmalig gut im Bett zusammenpassen. Daran hat die Trennung nichts geändert. Aber heute könntest du dich fragen, ob dir das reicht.” „Hör auf, Brian, hör endlich auf. Ich bin heute morgen nicht anderen Sinnes geworden, sondern habe erfahren, dass du mir nicht halb soviel traust wie einer anderen Frau. Und noch etwas möchte ich dir sagen: Lisa ist sehr nett. Ich mag sie wirklich. Aber sie ist auch nur ein Mensch und hat nicht all die Jahre wie eine Nonne gelebt. Brian antwortete nicht, und Kim lief es eiskalt den Rücken hinunter, als sie seinen Blick bemerkte. Sie wunderte sich selbst über die Eifersucht
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Baccara und den heftigen Schmerz, der sie plötzlich erfasste. „Hattest du ein Verhältnis mit Lisa?” stieß sie endlich hervor. Einen Moment schwieg er, ehe er antwortete: „Nein.” Er ließ Kim los, richtete sich auf, ging zum Fenster und sah hinaus. „Ich habe nur einmal mit ihr geschlafen.” „Wie bitte?” flüsterte Kim, und es klang wie ein schmerzlicher Aufschrei. ,,Ich lernte Lisa unmittelbar nach meiner Rückkehr kennen. Von meinen Eltern hatte ich gerade erfahren, dass du zwar nicht wieder geheiratet hättest, aber fest mit Keith Norman zusammen wärest und zu ihm ziehen wolltest. Und Lisa war tief erschüttert. Nach all den Jahren des Suchens und Hoffens brachte ich ihr die Gewissheit, dass alles vergeblich gewesen war. Ich selbst war ebenfalls verunsichert, Kim. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie du auf mein Erscheinen reagieren würdest. Da war es ganz natürlich, dass Lisa und ich uns gegenseitig ermutigten ..." „Du liebe Güte ...", entfuhr es Kim. Sie wusste nicht, was sie an dieser Neuigkeit mehr erboste: die Tatsache, dass, sie wegen Keith ein schlechtes Gewissen gehabt hatte, während Brian nicht sofort zu ihr, sondern erst zu einer anderen Frau geeilt war, oder der Umstand, dass er diese Frau auch noch hierher eingeladen hatte. Kim stand auf und krallte die Fingernägel in die Handfläche. „Du Schuft!” zischte sie mit unnatürlicher Stimme. „Wie konntest du es wagen? Wie konntest du Lisa ins Haus bringen?” Brian drehte sich wieder zu Kim um, und aus seinen Augen waren der Schmerz und die Verärgerung deutlich abzulesen. „Kim; ich habe dir gerade gesagt, dass uns nur die Einsamkeit verband. Diese eine Nacht bedeutete nichts.” „Du hast Lisa hierher in mein Haus gebracht!” „In unser Haus”, verbesserte er sie. „Herrje! Du wunderst dich, dass es mir schwer fällt, mit dir zu reden. Ich werde dir sagen, weshalb. Du bist seit Jahren mit Keith zusammen und willst ihm trotzdem nicht die Wahrheit sagen. Ich habe niemanden belogen, Kim. Lien Chi wusste, dass ich dich liebe, und Lisa wusste es. auch. Ich sah keinen Grund, ihr den Aufenthalt hier nicht zu erleichtern, da uns die Umstände für eine einzige Nacht zusammengeführt hatten.” „Das glaube ich dir einfach nicht! Ich habe mich mit Schuldgefühlen herumgequält und mir solche Mühe gegeben, endlich zu dir durchzudringen. Du und die Zwillinge spielten geradezu verrückt, weil ich einen anderen Mann geküsst habe, und gleichzeitig holst du eine Frau ins Haus, mit der du noch viel mehr gemacht hast. Und diese Frau weiß alles von dir. Sie kennt deine Vergangenheit und deine geheimen Wünsche. O Brian”, rief Kim plötzlich wütend. „Wie konntest du mir das antun? Wie
Brian war nicht in der Stimmung, sich mit Kim zu streiten. Er fasste sie an den Schultern und schüttelte sie. „Beruhige dich, Kim. Beruhige dich” „Ich kann nicht!” Jetzt presste er sie an sich, so dass sie sich nicht mehr rühren konnte und den Kopf an seine Schulter legen musste. „Wie konntest du mir das antun, Brian?” fragte sie verzweifelt. „Mag sein, dass ich mich unreif benehme. Aber ich halte es einfach nicht aus. Vielleicht irren wir uns, und es gibt gar keine besondere Anziehung zwischen uns. Vielleicht solltest du dir ernsthaft überlegen, ob du nicht doch Lisa heiratest und mit ihr ein Kind zeugst ...” „Kim”, flüsterte er und streichelte ihren Rücken. „Laß das, Brian ...” Sie versuchte ihn fortzuschieben. Doch er hatte seine Finger in ihr Haar geschoben und bog ihren Kopf zurück, damit sie ihm ins Gesicht schauen musste. „Ich will dich nicht verlieren,, Kim. Kannst du die Vergangenheit nicht endlich begraben?” „Nein”, flüsterte sie. „Nicht wenn sie bis in die Gegenwart hineinreicht.” Sie sah Brian an und erwiderte seinen hitzigen Blick. Es tat ihr weh, dass sie ihn mit anderen Frauen hatte teilen müssen. Dabei ging es ihr nicht so sehr um die arme Vietnamesin. Lien Chi und ihr Kind hätte sie wahrscheinlich hinnehmen können. Ihr hatte sich Brian nur zugewandt, weil er seine eigene Frau nicht haben konnte. Mit Lisa würde sie sich dagegen nie abfinden, denn zu ihr war Brian gegangen, als er sich bereits in den Vereinigten Staaten aufhielt und ebenso gut nach Hause hätte kommen können „Bitte, Brian, lass mich gehen. Ich möchte nicht, dass du mich noch einmal anrührst.” Er sah sie fest an. „Das glaube ich dir nicht”, flüsterte er und presste die Lippen ungestüm auf ihre. Kim wollte sich wehren, doch plötzlich , brach ihr Widerstand zusammen. Hilflos hob sie die Hände und legte sie um Brians Nacken. Jetzt spürte sie seine harten Muskeln. Wieder war sie wie benommen von seiner Kraft. Ihr wurde ganz schwach, und ihre Wut verwandelte sich in Sehnsucht. Voller Leidenschaft erwiderte sie seinen Kuss. Erst nach einer Weile löste Brian sich ein wenig von ihr. Forschend sah er Kim an und flüsterte: „Gibt es wirklich keine besondere Anziehung zwischen uns?”.
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konntest du mich in eine solche Lage bringen?”
Ohne zu überlegen, stürzte sich Kim auf Brian und trommelte auf seine
Brust. Tränen liefen ihr die Wangen hinunter. Sie war zutiefst gekränkt, wütend und verwirrt und hatte das Gefühl, jeden Augenblick zu explodieren. Sie musste sich unbedingt Luft verschaffen.
Baccara „Nein”, antwortete sie schmerzerfüllt. „Du lügst”, erklärte er heiser. Sein Atem strich über ihre Wangen, und
ein Schauer rann ihr den Rücken hinab. Brian küsste Kim auf die Stirn. „Ich habe so lange warten müssen, Kim, so lange ... Und ich kann nicht genug bekommen ...” „Dann solltest du lieber zu Lisa gehen”, unterbrach Kim ihn verzweifelt. „Ihr möchtet beide Kinder und könntet sie haben.” Brian fuhr ihr durch das Haar, zog kurz daran und ließ es wieder los. „Dich will ich, Kim”, sagte er leise. „Jetzt sofort.” „Nein”, entgegnete sie matt. „Sag mir, dass du mich nicht willst.” Sie zögerte, schaute ihm in die Augen und merkte, dass sie ihn nicht zurückweisen konnte: „Brian. . .” Erneut küsste er sie verzehrend, schob die Zunge zwischen ihre Lippen und ließ sie tief in ihren Mund eindringen. Heiße Wellen durchströmten Kim. Das sinnliche Spiel seiner Lippen und seiner Zunge erweckten erneut all ihre Sinne und machten sie gleichzeitig schwach und stark, so dass sie sich mit pochendem Herzen an ihn klammerte. Jetzt löste er sich ein wenig von ihr. „Sag mir, dass du mich nicht willst, Kim”, forderte Brian sie mit heiserer Stimme auf. Er streichelte ihren Rücken, umfasste ihren Po und drückte ihren Körper fester an sich, damit sie sein Verlangen spürte. Kim atmete rascher, und er lächelte. „Sag es mir.. . sofort.” Sie schluchzte kurz auf. „Dadurch ändert sich auch nichts, Brian.” „Es ändert eine ganze Menge”, antwortete er trocken, hob sie auf die Arme und ging mit ihr zur Treppe. Kim barg den Kopf an seiner Schulter. Sie konnte nicht länger so tun, als wäre Brian ihr gleichgültig. Seine Liebkosungen entfachten ein Feuer in ihr, das allen Zorn vergessen ließ. Sie hatten beide recht: Wenn sie miteinander schliefen, lösten se ihre, Probleme zwar nicht, aber sie würden kurze Zeit eintauchen in eine Welt, in der nur die Liebe zählte. Kims Verärgerung hatte sich längst in stürmisches Begehren verwandelt, und dem konnte und wollte sie sich nun keinesfalls mehr entziehen.
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10. KAPITEL
Kim ließ die Beine ins Wasser baumeln und sah zu, wie sich die Wellen ausbreiteten. Sie liebte ihren Pool, denn sie hatte den Plan dazu ganz allein entworfen, angefangen von den Fliesen mit dem Chattahoochee - Muster bis zu den sorgfältig abgerundeten Stufen. Doch nicht einmal das ruhige, klare Wasser konnte Kim Frieden bringen. Sie hatte das Gefühl, innerlich zerrissen zu sein, und ihr schwirrte der Kopf. Wie gern hätte sie sachlich überlegt, aber die Gefühle, die immer wieder auf sie einstürmten, hinderten sie daran. Jetzt spürte sie Brians Hand auf ihrer Schulter, bevor er sich neben sie setzte und ebenfalls die Füße ins Wasser steckte. „Ich dachte, du schläfst fest”, sagte sie und merkte, dass ihre Worte beinahe vorwurfsvoll klangen. „Ich habe auch geschlafen”, antwortete er und blickte ebenfalls ins Wasser. Er schwieg einen Augenblick, dann meinte er ruhig: „Ich liebe dich, Kim.” „Ich liebe dich auch”, antwortete sie leise. „O Brian, ich denke schon die ganze Zeit über uns nach und komme einfach nicht weiter. Ich weiß, dass ich dich liebe, und ich versuche, mich wie eine reife Frau zu verhalten und Verständnis für alles zu haben, was geschehen ist. Aber ich mache mir selbst etwas vor. Bitte glaub mir, ich bedaure zutiefst, dass du soviel durchmachen musstest. Ich kann mir wahrscheinlich nicht einmal vorstellen, wie du gelitten hast. Und dann hast du noch ein Kind verloren... Weißt du was, Brian? Mit dem Kind hätte ich mich wahrscheinlich abgefunden. Es muss ein sehr hübsches kleines Mädchen gewesen sein. Aber ich könnte bestimmt keine andere Frau neben mir ertragen. Ich hätte mich von dir scheiden lassen, wenn du Lien Chi zu dir geholt hättest, und wäre bei Keith geblieben. In gewisser Weise sind wir also nur noch zusammen, weil du so viel Schlimmes durchmachen musstest." Brian nahm ihre Finger und streichelte sie. „Die ganze Welt ist voller Wenn und Aber, Kim. Ich glaube, niemand von uns kann mit Sicherheit sagen, was er getan hätte, wenn die Dinge anders verlaufen wären. Wir wissen nicht, wie wir uns unter bestimmten Umständen verhalten, bevor sie nicht tatsächlich eintreten. Ohne diese Tragödie wäre ich vielleicht nie entkommen. Ich drehte fast durch, als es geschah.” Er zögerte und schaute aufs Wasser. „Ich habe Chou Lang erdrosselt, weil ich den Verlust nicht verkraftete. Jean war tot, Lien Chi, auch die kleine Kim ...” „Kim?” flüsterte sie. „Ja, wir hatten sie Kim genannt. Sag mal, hast du mir richtig zugehört? Ich habe einen Mann erdrosselt, Kim. Ich bin tatsächlich so verrückt, wie
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Mein Körper verlangt nach dir
Baccara du befürchtet hattest.” Kim sah Brian nachdenklich an. „Es kommt mir alles so unwirklich vor, Brian. Wahrscheinlich sollte ich jetzt entsetzt sein oder sogar Angst vor dir haben, doch ich empfinde nichts. Ich bin wie betäubt. Im Krieg bringt man eben Menschen um, nicht wahr? So ist es eben.” „Ja”, sagte Brian traurig, „so ist es im Krieg. Aber bei einem Soldaten wäre es etwas anderes gewesen. Ich sah Jean da liegen, meinen Freund, und Lien CM.. .” „Und ein Kind, Brian. Dein Kind.” Brian sah sie an, und in seinem Gesicht spiegelten sich seine innersten Gefühle wider. Zum erstenmal , entdeckte Kim in seinen Augen all das Entsetzen und das Leid, das er durchgemacht hatte. Sie erkannte, dass Brian sie nicht nur liebte, sondern auch brauchte. Früher hatte sie sich immer auf ihn gestützt, und sie würde es wieder tun. Aber selbst er hatte manchmal jemanden nötig, auf den. er sich stützen konnte. „Bist du imstande, mit diesem Gedanken zu leben, Kim?” „Brian, dieser Mann hatte dich acht Jahre gefangengehalten. Er war für all die Gräuel verantwortlich. Ich halte dich gewiss nicht für verrückt, und ich habe bestimmt keine Angst, dass du gewalttätig werden könntest.” Kim schwieg kurz, ehe sie fortfuhr. „Ich weiß einfach nicht, was mit mir los ist, und das macht mich ratlos. Langsam frage ich mich, worauf es mir eigentlich ankommt. Ich wünschte, ich könnte dir sagen, dass mir die Vergangenheit völlig gleichgültig ist. Aber ich bin nicht sicher, ob es stimmt. Ich war noch nie so durcheinander wie jetzt.” Brian legte den Arm um sie und zog sie zärtlich an sich. „Ich wollte dir dies alles erst erzählen, nachdem du dich an meine Rückkehr gewöhnt hattest und ich sicher war, du würdest mich besser verstehen. Ich möchte nicht, dass du dir Sorgen machst. Kein Wunder, dass du völlig verwirrt bist.” „Und was bedeutet das für uns?” „Wir müssen es langsam angehen und es wieder miteinander versuchen. Mehr können wir nicht tun”, antwortete er ruhig. Langsam fuhr er fort: „Kim, du hast heute eine Menge Dinge erfahren, die dir nicht besonders gefallen. Doch zumindest sind sie jetzt ausgesprochen, und du hast die Möglichkeit, dich mit ihnen auseinander zusetzen. Jetzt erwarte ich dieselbe Offenheit von dir, Liebling. Hat es vor Keith noch jemanden gegeben?” Kim zögerte. „Ja und nein. Keith war der einzige Mann, mit dem ich geschlafen habe.” Sie barg den Kopf an Brians Schulter und, wurde plötzlich verlegen. „Aber ich hätte beinahe mit jemandem ein Verhältnis angefangen. O Brian, es war entsetzlich. Er hat mich so gedemütigt. Zwischen dir und mir war alles so wunderbar und natürlich, und dieser Mann sagte mir, als ich schon zu allem bereit war, ich hätte überhaupt
keine Ahnung und läge im Bett wie ein Klotz...” „Wie bitte?” „Bevor irgend etwas passierte, bin ich aufgestanden und hinausgelaufen. Es hat lange gedauert, bis ich wieder jemandem trauen konnte. Erst Keith hat mir darüber hinweggeholfen. Er war nie ein Ersatz, für dich, Brian, aber ...” „Wer war der andere Kerl?” „Das spielt doch jetzt keine Rolle mehr. Brian stellte keine weiteren Fragen und Kim war ihm dafür dankbar. Schließlich musste sie weiterhin mit David zusammenarbeiten. Als wäre Brian ihren Gedanken gefolgt, fragte er plötzlich: „Weißt du schon, was du in Zukunft machen willst? Die Jungen haben mir erzählt, dass einige Zeitschriften dich gern als freiberufliche Mitarbeiterin hätten.” Kim überlegte sich die Antwort genau. „Meine Arbeit gefällt mir, und Mr. Simms erlaubt nicht, dass man sich etwas hinzuverdient.” Zum Glück drängte Brian sie nicht weiter. Statt dessen flüsterte er an ihrer Stirn: „Und nun sag mir, wie wir beide weitermachen.” Unsicher blickte sie ihn an. „Ich... ich weiß es nicht, Brian.” „Liebst du mich, Kim?” „Ich habe dich immer geliebt. In der Erinnerung und in Wirklichkeit. Aber von der Erinnerung zur Wirklichkeit war es ein großer Schritt.” „Dann wollen wir es also noch einmal versuchen?” fragte er leise und küsste sanft ihre Schläfe. „In Ordnung”, antwortete sie heiser. „Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass mir deine Vergangenheit völlig gleichgültig ist und ich nur heilfroh bin, dass du noch lebst. Aber ich habe ein seltsames Gefühl wegen Lisa, obwohl ich eigentlich verstehen sollte, warum es passiert ist,”. „Kim, du musst nicht nur mit meiner Vergangenheit fertig werden, ich muss auch mit deiner leben. Ich hatte das Gefühl, einen Messerstich in die Brust zu bekommen, als Keith am ersten Abend hier auftauchte. Und als ich sah, wie ihr euch vor dem Restaurant in den Armen lagt, wäre ich am liebsten zu euch hinübergerannt und hätte euch auseinandergerissen. Es tat furchtbar weh. Doch keiner von uns hat den anderen absichtlich gekränkt. Eifersucht ist ein ganz normales Gefühl wie Schmerz oder Wut. Als ich aus Vietnam zurückkehrte, war ich zunächst furchtbar verbittert, weil Krieg und Gefangenschaft mich um meine ganze Jugend gebracht hatten. Ich kann diese Zeit nicht ungeschehen machen, und sie wird immer zu meinem Leben gehören. Aber ich möchte weiterleben, und das bedeutet für mich, nur noch an die Gegenwart und die Zukunft zu denken und daran zu arbeiten.” „Brian”, sagte Kim, ,,ich mache mir vor allem wegen Lisa Sorgen. Mir
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Baccara scheint, mit ihr hättest du es viel leichter. Sie wünscht sich Kinder. Ich glaube nicht, dass ich noch eines möchte." Brian schwieg sekundenlang, dann sagte er: „Begreif doch endlich, dass ich Lisa nie geliebt habe und nie lieben werde, Kim. Selbst wenn sie ein Kind von mir erwartete, würde sich daran nichts ändern. Dich liebe ich. Aber hör mal, du hast eben gesagt; du glaubst, dass du kein weiteres Kind mehr möchtest. Heißt das, du wirst es dir noch einmal überlegen?” „Nun. . . Ja, wahrscheinlich.” „Mehr möchte ich gar nicht.” „Aber Brian, ich bin mir durchaus nicht sicher. Und für dich ist es so wichtig.” „Nicht so wichtig wie du.” Kim wollte gerade etwas erwidern, da läutete das Telefon. „Ich gehe schon ran”, erklärte sie rasch und stand auf. „Wir sind doch offiziell im Urlaub”, meinte Brian verärgert. „Lass es einfach läuten.” „Das kann ich nicht. Ich gehe immer ans Telefon, wenn die Jungen nicht bei mir sind. Es könnte etwas passiert sein.” Kim lief in die Küche und nahm den Hörer ab. „Ach, Sie sind es, Lacey”, sagte sie erleichtert. „Was ist los? Ich habe doch mit Mr. Simms über David Harns gesprochen.” „Nein, nein, darum geht es nicht”, antwortete Lacey sofort. „Vielleicht hätte ich Sie nicht belästigen sollen, aber' ich mache mir Ihretwegen Sorgen.” „Meinetwegen?” fragte Kim verblüfft. „Ja. Möglicherweise sehe ich zu schwarz, trotzdem geht hier irgend etwas vor. Harns hat heute morgen eine Nachricht von der Zeitschrift ,Tropic Living' für Sie angenommen und ist sofort damit zu Mr. Simms geeilt. Kurz darauf kam der Chef zu mir und versuchte, mich über Sie auszufragen. Er wollte wissen, ob Sie etwa freiberufliche Aufträge übernehmen, und er erkundigte sich, ob ich eventuell Lust hätte, die Abteilung zu leiten.” „Erzählen Sie weiter, Lacey”, drängte Kim. „Nun, das ist mehr oder weniger alles. Ich habe Mr. Simms gesagt, dass Sie so etwas noch nie getan hätten. Es wäre nicht Ihre Schuld, wenn die Zeitschriften bei Ihnen anfragten. Wissen Sie, Mr. Simms mag Sie sehr, aber er ist so streng, wenn es um seine Grundsätze geht. An Ihrer Stelle würde ich sofort herkommen und die Sache aufklären." Lacey machte eine kurze Pause, ehe sie fortfuhr: „O Kim, mir ist das so peinlich. Sie haben sich dafür eingesetzt, dass Harns mich nicht hinauswerfen lässt, und nun scheint er Ihnen an den Kragen zu wollen.” „Machen Sie sich darüber keine Gedanken”, versicherte Kim der Kollegin. „Ich bin gleich da.” 91
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Nachdenklich legte Kim den Hörer gleich wieder auf. Wenn sie David Harns doch einfach ins Gesicht lachen und ihm die Arbeit vor die Füße werfen könnte! Doch sie brauchte ihre Stellung. Zwar wusste sie nicht, ob ihre Ehe auf Dauer gutging, aber sie durfte Brian jetzt nicht im Stich lassen und musste für den Lebensunterhalt sorgen, während er versuchte, beruflich wieder Tritt zu fassen. „Du fährst ins Büro?” Kim zuckte heftig zusammen, denn Brian stand keine zwei Schritte von ihr entfernt. Sie musste sich langsam daran gewöhnen, dass er gelernt hatte, sich rasch und lautlos fortzubewegen. „Du hast mich fast zu Tode erschreckt”, warf sie ihm vor. „Entschuldigung”, sagte er und sah sie seltsam an. „Hast du eben gesagt, du fährst ins Büro?” „Ja. Es tut mir leid, aber es ist wichtig. Sicher dauert es nicht lange.” „Eigentlich bist du doch im Urlaub.” „Es geht nicht anders.” „Gegen solch eine Beanspruchung musst du dich unbedingt wehren.” Kim verzog das Gesicht. „Du liebe Güte, Brian, ich brauche nicht ständig deinen Rat. Ich bin bisher ganz gut allein zurechtgekommen.” „Mir ist durchaus klar, dass du allein zurechtkommen kannst. Das Dumme ist nur, dass ich mir deinetwegen Sorgen mache. Aber lassen wir das für den Augenblick. Packen wir schnell unsere Koffer, dann fahre ich dich hin und warte solange. Anschließend starten wir in den gemeinsamen Urlaub." Kim zögerte. Sie war nicht sicher, ob sie Brian in der Nähe haben wollte, aber sie konnte sein Angebot schlecht ablehnen. Hilflos hob sie die Hände. „In Ordnung... wenn du möchtest.” „Ich möchte es”, erklärte er fest, ergriff ihren Ellbogen und führte sie zur Treppe. „Wohin fahren wir?” „Magst du keine Überraschungen?” Brian machte ein geheimnisvolles Gesicht. „Nicht immer.” „Diese wird dir gefallen., Garantiert.” * Eine halbe Stunde später fuhren Brian und Kim zu der Werbeagentur. Unterwegs betrachtete sie ihn hin und wieder verstohlen von der Seite. Brian wirkte ruhig und gelassen, blickte aber immer wieder aufmerksam zu ihr hinüber. Er sah fabelhaft aus mit seinem dichten Haar, dem tiefgebräunten Gesicht und der hellen sportlichen Kleidung. Er sollte in Werbespots
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Baccara auftreten, dachte Kim plötzlich. Brian streckte die Hand aus, und sie ergriff sie. Vielleicht schaffen wir es ja doch, dachte sie. Vielleicht können wir die Vergangenheit begraben und neu anfangen... Kurz darauf stellten sie den Wagen auf den Parkplatz vor dem Gebäude. der Werbeagentur ab. „Die Büros sind im vierten Stock”, erklärte Kim ein wenig nervös. „Ich stelle dich Lacey vor, dann kannst du in meinem Zimmer auf mich warten.” Höchst befriedigt und auch ein wenig belustigt sah sie zu, wie die hübsche Empfangsdame Brian allzu eifrig begrüßte. Als dann auch noch Lacey restlos von ihm verunsichert wurde, bedauerte Kim zutiefst, ihren Mann mit ins Büro genommen zu haben. Zwar hatte sie nichts dagegen, dass die Kollegin ihn anhimmelte, aber sie fürchtete, Lacey könne in ihrer Nervosität zuviel reden. „Es dauert nur eine Minute, Lacey. Trink inzwischen einen Eistee, Brian, den Kaffee kann ich nicht empfehlen.” „Alles in Ordnung”, versicherte er. „Lacey kann mir ja unterdessen ein paar von deinen Arbeiten zeigen. Das heißt”, er wandte sich an Kims. Kollegin, „falls ich Sie dadurch nicht von etwas Wichtigerem abhalte.” „O nein, Brian!” erklärte Lacey erfreut. Kim schloss die Tür hinter sich. Brian sah nicht nur blendend aus. Für alle, die von seiner Vergangenheit wussten, war er auch eine Sensation: ein Held des zwanzigsten Jahrhunderts. Entschlossen schob sie den Gedanken an ihren Mann beiseite und ermahnte sich, erst einmal den Lebensunterhalt ihrer Familie zu sichern. Sie betrat Mr. Simms Büro und wurde sogleich vorgelassen. Ihr Chef war zwar erstaunt, Kim zu sehen, nahm aber zu Recht an, dass sie telefonisch von jemandem verständigt worden war. „Nun, Kimberley, ich will Sie nicht fragen, weshalb Sie gekommen sind. Ich kann Ihnen nur versichern, dass es unnötig war. Keinesfalls hätte ich einen Entschluss gefasst, ohne Sie zuvor persönlich anzuhören.” Kim atmete erleichtert auf und sank auf den Stuhl vor dem Schreibtisch: „Danke, Mr. Simms.” „Nun?” Sie schwieg einen Moment verwirrt. „Wie bitte? Ach so. Ja, ich habe tatsächlich mehrere Angebote für eine freiberufliche Tätigkeit erhalten. Einen Augenblick habe ich mit dem Gedanken gespielt, das eine oder andere anzunehmen, aber ich habe Verständnis für Ihre Einstellung in dieser Sache und werde derartige Aufträge daher auch in Zukunft grundsätzlich ablehnen.” Sie schwieg einen Moment. „Ich brauche meine Stellung, Mr. Simms.” „Ich sagte ja schon, dass ich Ihnen nicht gekündigt hätte, ohne Ihnen Gelegenheit zur Rechtfertigung zu geben. David kam zu mir, weil er Sie
mag. Er wollte verhindern, dass Sie sich übernehmen und unsere Fotoabteilung darunter leiden müsste.” Kim erwiderte darauf nichts. Sie wusste genau, dass David sie nicht leiden konnte, aber sie wollte sich nicht mit ihrem Arbeitgeber darüber streiten. „Es tut mir leid, dass Sie Ihren Urlaub wegen dieses ...” Kim stand auf. „Das macht doch nichts, Mr. Simms. Ich weiß noch nicht einmal, wohin die Reise gehen wird.” „Nun, dann wünsche ich Ihnen viel Spaß, wo immer es sein mag.” „Danke.” Kim verließ das Büro mit einer Mischung aus Verärgerung und Erleichterung. Weshalb musste es solche verachtungswürdigen Typen wie David geben? Bestimmt würde er bald etwas Neues finden. Wenn er sie loswerden wollte, würde er sein Ziel nicht so leicht aufgeben. Lacey und Brian waren nicht in ihrem Büro, als Kim zurückkehrte. Wahrscheinlich zeigte die Kollegin ihm die Dunkelkammer oder sonst eine Einrichtung. Kim setzte sich auf ihren Drehstuhl und rieb sich die Schläfen. „Lacey... O Kim, Sie hatte ich hier nicht erwartet.” David kam durch die halboffene Tür herein. Kim ging nicht auf seine Bemerkung ein, sondern stand auf und fuhr ihn verärgert an: „Würden Sie mir bitte erklären, was Sie erreichen möchten, indem Sie mich bei Mr. Simms anschwärzen?” David wurde ernst. „Ich wollte Sie nur warnen. Es gefällt mir nicht, dass Sie sich in meine Arbeit einmischen und mich kritisieren. Sie müssen lernen, mir nicht ständig in die Quere zu kommen, Schätzchen.” „Wirklich, David? Mir scheint, das eigentliche Problem besteht darin, dass Lacey Ihnen nicht in die Quere kommen möchte. Vielleicht geht die Sache sogar noch etwas tiefer, und es passt Ihnen nicht, dass sowohl Lacey als auch ich privat nichts mit Ihnen zu tun haben möchten.” Er lachte und ergriff ihre Hand. „Sie wissen, wo Ihr Problem liegt, Schätzchen. Aber nur Mut. Falls Ihr Mann es nicht mehr schafft, kommen Sie ruhig zu mir und holen sich ein paar Tipps. Ich habe Ihnen ja schon einmal gesagt, ich könnte Ihnen einiges beibringen. Sie brauchen auf Lacey nicht eifersüchtig zu sein.” „Eifersüchtig ...”, begann Kim verächtlich und versuchte, ihm die Hand zu entziehen. „David, Sie. . .” „Lassen Sie sofort die Finger von meiner Frau!”
Die Aufforderung kam von der immer noch offenen Tür. Erschrocken
blickten David und Kim dorthin. Lacey hielt sich hinter dem gereizten
Brian, der langsam das kleine Büro betrat.
„Brian Trent!” David tat, als wäre nichts geschehen, und wollte ihm die
Hand reichen.
„Lassen Sie das”, sagte Brian scharf. Er stand auf derselben Seite des Schreibtisches wie David, setzte sich gelassen auf eine Ecke und warf
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Baccara Kim einen kurzen Blick zu. Dann sagte er: „Wenn ich mich nicht irre, haben Sie meine Frau schon einmal belästigt, während meiner Abwesenheit. Damals war sie sozusagen alleinstehend, und ich kann nichts dagegen einwenden, dass Sie mit ihr ausgingen. Aber Sie gehören zu jenen Wüstlingen, über die sich alle Frauen beklagen. Erst Kim, und dann Lacey.” Kim blickte Brian sprachlos an und fragte sich verblüfft, wie er herausgefunden hatte, dass David Harns jener Mann war, der sie derart gedemütigt hatte. „Kim, nimm bitte zur Kenntnis, dass ich nicht verrückt bin. Ich bin völlig ruhig und beherrscht. Meinst du nicht auch?” Kim sah Brian aufmerksam an. Nein, er sah nicht aus, als würde er jeden Moment die Kontrolle über sich verlieren. „Ja, natürlich”, stammelte sie. „Gut”, stellte er befriedigt fest. „Du sollst nämlich wissen, dass ich jetzt wie ein ganz normaler Mann in meiner Situation handeln werde. Harns, was nun kommt, ist für meine Frau und mich - und für Lacey.” „Wie bitte?” Entsetzt trat David einen Schritt zurück und schlug ziellos auf Brian ein, der ihm geschickt auswich. Dann sahen Kim und Lacey verblüfft zu, wie Brian David mit einem sauberen rechten Kinnhaken zu Boden schlug. „O Brian.” Kim stöhnte und erwartete eine Katastrophe, die auch prompt eintrat, denn Mr. Simms stand auf der Türschwelle. „Was ist denn hier los? Dies ist ein Büro! Ich nehme an, das ist Ihr Ehemann, Kimberley. Bitte, sorgen Sie dafür, dass er sofort das Haus verlässt. Ich begreife zwar, dass die Umstände einen Menschen zum wilden Tier machen können, aber nicht in meinem Büro!” ,,Ich jage Ihnen die Polizei auf den Hals, Trent", drohte David, der sich mühsam aufrichtete. „Bitte, Harns”, antwortete Brian verächtlich. „Ich erwarte die Beamten unten. Du kannst sicher auf meine Anwesenheit verzichten, Kim. Mach, was du willst.” Erhobenen Hauptes und mit äußerst zufriedener Miene schritt er hinaus. Kim sah Mr. Simms an und lachte plötzlich laut auf. „Ich kündige hiermit, Mr. Simms. Sie sollten jedoch wissen, dass nicht mein Mann das wilde Tier ist, sondern Ihr Werbeleiter. Wenn du willst, kannst du meine Stelle haben, Lacey. Sollten Sie tatsächlich die Polizei rufen wollen, tun Sie es jetzt, David. Aber ich versichere Ihnen, dass ich ebenfalls einiges gegen Sie vorbringen könnte.” „Was soll das heißen?” fragte Mr. Simms verärgert. „Zu langen Erklärungen habe ich jetzt keine Lust”, antwortete Kim. „Ich habe schon viel zuviel Zeit verloren. Sprechen Sie mit Lacey, Sir. Wenn
Brian wartete im Wagen auf Kim. „Es tut mir leid, Kim”, sagte er, „ich wollte mich wirklich nicht so unpassend benehmen.” „O Brian!” Lachend fiel ihm Kim um den Hals. „Du warst fabelhaft!” „Wirklich?” „Bestimmt.” Sie küsste ihn leidenschaftlich, dann fuhr sie fort: „Zwar solltest du so etwas nicht zur Gewohnheit werden lassen, aber in Davids Fall ... O Brian, woher hast du es gewusst?” „Ich habe einfach zwei und zwei zusammengezählt. Beim ersten Anruf von Harns hatte ich schon das Gefühl, dass du Probleme mit ihm hättest. Außerdem habe ich einiges von deinem Gespräch mit Lacey mitbekommen, und ich hörte, was Harns im Büro zu dir sagte... Da musste ich einfach etwas tun, Kim.” Sie küsste ihn erneut und strahlte noch immer. Unvermittelt wurde sie ernst. „Dummerweise stecken wir jetzt in Schwierigkeiten. Ich habe gerade meine Stelle gekündigt und habe keinerlei Garantie, dass die freiberuflichen Aufträge, die ich übernehmen könnte, genügend einbringen.
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Sie mich bitte entschuldigen wollen...” Beschwingt ging Kim hinaus. Gerade wollte sie die Agentur endgültig verlassen, da fiel ihr etwas ein. Sie eilte noch einmal zurück, griff zum Telefon und wählte Keiths Nummer. Ihr Herz schlug heftig, als sie seine Stimme hörte, aber sie ließ sich davon nicht beirren. „Entschuldige, Keith, ich müsste eigentlich persönlich mit dir reden. Aber ich will es dir sofort sagen. Ich mag dich wirklich sehr und werde dich immer lieben. Du wirst stets einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen haben, aber ich bleibe bei Brian...” „Wie bitte? Ist bei dir alles in Ordnung, Kim? Wo bist du? Ich komme sofort ...” „Nein, Keith, bitte nicht. Ich bin völlig in Ordnung. Wahrscheinlich hätte ich es dir schon lange sagen müssen.” „Kim, ich glaube einfach nicht, dass du ihn immer noch liebst.” „Vielleicht habe ich mich neu in ihn verliebt, ich weiß es nicht. O Keith, du bist so nett, und ich bereite dir soviel Kummer. Aber ich liebe Brian. Er ist mein ein und alles.” „Ist es dir wirklich ernst?” „Ja, es ist mir ernst. Mach's gut, Keith.” Nachdenklich legte Kim den Hörer auf. Es tat ihr furchtbar leid, dass sie Keith weh tun musste. Aber die Wahrheit war sicher leichter zu ertragen als weitere Lügen. Bestimmt würde Keith ihr in Zukunft fehlen. Doch einmal musste sie sich entscheiden, und trotz der stürmischen Zeiten, die ihr gewiss bevorstanden, hatte sie ihre Wahl getroffen. *
Mein Körper verlangt nach dir
Baccara Was machen wir bloß?” Brian begann zu lachen. Er lachte so heftig, dass er den Wagen nicht starten konnte und den Versuch aufgab. „Jetzt benimmst du dich tatsächlich wie ein Verrückter, Brian. So ist die Welt nun einmal. Man braucht Geld zum Leben. Wir haben Kinder, und du....” Er beruhigte sich etwas. „Und ich ... was?” „Ich habe gehört, wie du meinem Vater erzähltest, du wolltest es mit Schreiben versuchen, und damit ist noch schwieriger Geld zu verdienen als mit dem Fotografieren. Es kann Jahre dauern, bis. . .” „O Kim!” Brian nahm ihr Gesicht in beide Hände. „Liebling, du bist wunderbar! Du hast dir Sorgen wegen deiner Arbeit gemacht, um mich unterstützen zu können, obwohl du nicht einmal sicher warst, dass du bei mir bleiben würdest? Ich liebe dich, aber das wäre wirklich nicht nötig gewesen.” „Was soll das heißen, Brian?” fragte Kim ungeduldig. „Ich habe schon ein Buch geschrieben und an einen Verlag verkauft. Der Vorschuss, den ich dafür erhielt, ist garantiert höher als dein gesamtes Einkommen der nächsten zwei Jahre!" „Wie bitte?” „Gleich nachdem ich zu meinen Eltern zurückkehrte und mir alles noch frisch im Gedächtnis war, begann ich mit der Arbeit. Eigentlich schrieb ich nur für mich. Ich wollte festhalten, was ich während des Kriegs, bei den Vietnamesen, auf der Flucht und während meiner Versuche, wieder nach Hause zurückzukehren, empfunden hatte. Ein Freund meines Vaters ist Literaturagent. Er überredete mich, ihm das Manuskript zum Lesen zu geben, und reagierte danach geradezu überschwänglich. Natürlich gibt es nicht viele Soldaten, die so lange gefangen waren und über ihre Erlebnisse berichten können. Wie dem auch sei, der Agent hat das Manuskript mit einem phantastischen Vorschuss verkauft. Außerdem habe ich schon einen Vertrag für ein weiteres Buch unterschrieben - diesmal soll es eine Erzählung sein. Ein Abenteuerroman.” Kim sah ihren Mann einen Moment ungläubig an. Dann fing sie an zu lachen. „Das ist ja einmalig. Weshalb hast du es mir nicht erzählt?” „Du hast mich nie danach gefragt”, erklärte Brian. „Es gefiel mir richtig, mit anzusehen, wie besorgt du warst.” Kim nahm seine Hand. „Ich liebe dich, Brian”, sagte sie leise. Er schwieg einen Augenblick. „Genug, um die Vergangenheit endgültig hinter uns zu lassen?” „Ja, Brian, genug, um dies alles zu vergessen. Aber zuerst musst du mit mir über deine schlimmen Erlebnisse sprechen, auch wenn es weh tut. Wir haben zehn Jahre verloren, und ich möchte dir helfen, den Verlust leichter
zu verwinden. Ich will mit dazu beitragen, dass du diese Tragödie restlos verarbeitest.” Wieder schwiegen beide eine Weile. Dann küsste Brian ihr die Hand. „Ich liebe dich so sehr, und ich bin froh; dass du mir zuhören und meine schrecklichen Erfahrungen mit mir teilen willst.” „Das hätte ich längst tun sollen”, flüsterte. Kim. Er beugte sich zu ihr, zog sie in die Arme und kürte sie sehnsüchtig. „Wir sind beide auch nur Menschen”, sagte er. „Wir sind verletzlich und haben den einzigen Weg zueinander gewählt, der uns möglich war. Ich liebe dich, weil du bist, wie du bist, Kim.” Vorsichtig machte er sich von ihr los. ,,Wie wäre es, wenn wir jetzt in unseren kleinen Urlaub starteten, von dem ich dir erzählt habe?" „Ich dachte, wir wollten essen.” „Ja. Aber das können wir auch im Flugzeug.” „Im Flugzeug? Wohin fliegen wir?” „An die französische Riviera. Falls du dich erinnerst: Wir hatten nie richtige Flitterwochen.” „Frankreich! Brian, bist du verrückt? Für solche Ferien habe ich nichts eingepackt. Außerdem brauche ich dazu meinen Pass.” „Den habe ich bei mir - unsere Söhne sind großartige Komplizen.” Kim blinzelte verwundert. „Frankreich, Brian? Fliegen wir heute Abend tatsächlich nach Frankreich?” „Gleich nachdem du noch jemanden angerufen hast.” „Wen?” „Mr. Norman. Du solltest ihn nicht länger zappeln lassen.” „Ich habe schon mit ihm gesprochen”, antwortete Kim lächelnd. Als Brian sie erstaunt ansah, fügte sie rasch hinzu: „Ich habe ihn vom Büro aus angerufen und ihm gesagt, dass wir beide, du und ich, es noch einmal miteinander versuchen wollen. Das war ich ihm schuldig. Ich wollte ihn nicht länger hinhalten. „Danke”, sagte Brian ruhig, „darüber bin ich wirklich froh.” Er küsste sie erneut, strich ihr über das Haar und streichelte sinnlich ihre wohlgeformten Rundungen. Endlich ließ er sie los und meinte mit belegter Stimme: „Ich glaube, wir sind ein bisschen zu alt, um es im Auto zu treiben.” „Ich fürchte, da hast du recht”, antwortete Kim lachend. „Außerdem ist es an der Riviera bestimmt viel romantischer.” Brian grinste jungenhaft und ließ den Motor an. „Ja, und wir sollten endlich losfahren. Unser Flugzeug startet in eineinhalb Stunden.” „Brian?” fragte Kim zögernd. „Ich finde, wir sollten einmal zu einem Eheberater gehen, zu jemandem, der uns hilft, uns besser zu verstehen und unsere Beziehung in Ruhe aufzubauen.” „Du hast recht”, stimmte er ihr zu. „Daran habe ich auch schon gedacht.”
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Baccara „Du weißt, dass wir uns auch früher ständig gestritten haben.” „Ich glaubte, mit den Jahren würden wir etwas reifer und weiser werden. Außerdem hat mir unser Geplänkel immer gefallen. Du setzt mit deinem hitzigen Temperament so große Energien in mir frei...” „Mit meinem hitzigen Temperament?” „Na, da haben wir es ja schon wieder. Aber dies ist nicht der rechte Zeitpunkt: ich sitze am Steuer!" „Du bist unmöglich, Brian Trent!” Er streckte seine rechte Hand nach ihr aus, und sie legte ihre hinein. Er drückte sie zärtlich. „Brian?”
Mein Körper verlangt nach dir
drehte erneut den Zündschlüssel. „Bring mich bitte nicht noch einmal aus der Fassung, Liebling, falls du das Flugzeug erreichen möchtest.”
ENDE
„Ich. . . ich glaube, ich könnte mir tatsächlich vorstellen... Diesmal wärst du ja da. Ich müsste nicht kochen, während im Nebenzimmer zwei Babys schreien. Du könntest nachts auch einmal aufstehen, und ich hätte etwas mehr Zeit für mich...” Mit einem Ruck brachte Brian den Wagen auf dem Seitenstreifen zum Stand und beugte sich zu ihr. „Was hast du gesagt, Kim?” fragte er heiser. „Ich... vielleicht möchte ich doch noch ein Kind, Brian. Aber nicht sofort. Wir brauchen mindestens dieses Jahr für uns - und die Zwillinge natürlich ...” Weiter kam sie nicht. Brian zog sie heftig in die Arme und küsste sie so leidenschaftlich, dass ihr die Sinne schwanden. Sie bebte am ganzen Körper, als er sie endlich losließ. „Aber nur, wenn du es wirklich aufrichtig möchtest”, erklärte er. „Ich will dir etwas sagen, Mr. Trent, ich finde die Idee gar nicht mehr so übel. Nicht für sofort, aber innerhalb der nächsten drei Jahre. Vergiss nicht, dass ich langsam älter werde.” „Und wie!” zog er sie auf. „Aber ich rechne fest mit deiner Hilfe!” Mit den Fingerspitzen liebkoste er ihren Nacken. „Keine. Sorge. Dieses Problem lässt sich durch die Vorzüge des Alters lösen.” Kim sah ihn skeptisch an. „Hat es wirklich Vorzüge?” „Natürlich. Wir können uns jetzt eine nette kinderliebe Hausgehilfin leisten.” Er streichelte Kim zärtlich. „Ich habe einst eine Kunststudentin geheiratet, die entschlossen war, die Welt im Sturm zu erobern. Du wirst viel Zeit in der Dunkelkammer verbringen, deshalb brauchen wir ein Dienstmädchen.” Kim lehnte den Kopf an seine Schulter. „Weißt du, Brian, du hast etwas von einem Supermann an dir. Und ...” Sie legte ihm einen Finger auf den Mund, damit er nichts einwenden konnte, „es ist furchtbar nett, mit einem verheiratet zu sein!” „Nun”, meinte er heiser, „wenn du es so siehst ...” Er räusperte sich und 99
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