Lilian Schwalb Kreative Governance?
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Lilian Schwalb Kreative Governance?
Bürgergesellschaft und Demokratie Band 37 Herausgegeben von Ansgar Klein Ralf Kleinfeld Frank Nullmeier Dieter Rucht Heike Walk Ulrich Willems Annette Zimmer Die Schriftenreihe wird unterstützt von Aktive Bürgerschaft e. V. (Berlin).
Lilian Schwalb
Kreative Governance? Public Private Partnerships in der lokalpolitischen Steuerung
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
. . 1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Dorothee Koch VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: STRAUSS GMBH, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-18151-6
Danksagung Die vorliegende Studie stellt eine leicht gekürzte und überarbeite Fassung meiner Doktorarbeit dar, die der Philosophischen Fakultät in Münster vorgelegen hat und als Dissertation angenommen wurde. Ich habe sie im April 2010 an der Graduate School of Politics am Institut für Politikwissenschaft der Westfälischen Wilhelms Universität (WWU) verteidigt. Die konkrete Idee für das Dissertationsthema entwickelte ich während meiner wissenschaftlichen Mitarbeit in dem Projekt „Forschungsschwerpunkt Dritter Sektor“ am Institut für Politikwissenschaft der WWU unter der Leitung von Frau Prof.’in Dr. Annette Zimmer. Ihr gilt als Betreuerin meiner Dissertation mein erster und besonders herzlicher Dank für ihr Interesse, ihre fachkundige Begleitung und umfassende Unterstützung. Bezüglich der netzwerkanalytischen Datenanalyse war der Zweitgutachter meiner Doktorarbeit, Prof. Dr. Jörg Raab, Tilburg University, ein guter Gesprächspartner. Ein großes Dankeschön richte ich an die Heinrich-Böll-Stiftung, die mein Vorhaben durch ein Promotionsstipendium förderte. Die Untersuchung der Planungs- und Entwicklungsprozesse von Public Private Partnerships auf lokaler Ebene ermöglichten ferner über sechzig Personen, die sich zu zeitintensiven Interviews und Expertengesprächen Bereit erklärten. Sie gewährten mir Einblicke in ihre Tätigkeiten und Perspektiven. Ohne ihre aufschlussreichen Beiträge und ihre Offenheit wäre die empirische Analyse nicht möglich gewesen. Ganz besonders interessante fachliche Anstöße zu verschiedenen Aspekten der Arbeit erhielt ich von Prof. Dr. Detlef Sack und PD Dr. Heike Walk. Hilfreiches Feedback und wertvolle Kritik äußerten außerdem, z. B. im Nachgang meiner Vorträge bei wissenschaftlichen Tagungen und in Diskussionen, Dr. Taco Brandsen, Prof. Dr. Adalbert Evers, Dr. Matthias Freise, Prof. Dr. Brigitte Geißel, Prof. Dr. Paul Kevenhörster, Dr. Ansgar Klein, Dr. Ludger Klein, Prof. Dr. Ralf Kleinfeld, Dr. Sarabajaya Kumar, Dr. Eckhard Priller und Dr. Rupert Graf Strachwitz. Zur Diskussion über konzeptionelle Fragen erklärten sich Prof. Dr. Paul Dekker, Dr. Niels Lange, Markus Müller, Dr. Maria Oppen und Prof. Dr. Dr. Thomas Sternberg bereit. Hinsichtlich der Bedeutung von PPPs im Kulturbereich brachten mich spannende Anmerkungen von Rainer Bode und Dr. Bernd Wagner auf neue Gedanken. Ihnen allen ein herzliches Dankeschön. Ich möchte auch weiteren Personen gegenüber Dank und Anerkennung ausdrücken, die jeweils ihren Beitrag zum Gelingen leisteten. Ein Dank für die gute Zusammenarbeit geht an die Kolleginnen und Kollegen am Institut für Politikwissenschaft der WWU Münster. Unabhängig vom direkten Kontext der Arbeit in Münster und Berlin hielten mir über die Zeit und teilweise über die räumliche Distanz hinweg Freundinnen und Freunde die Treue, auch wenn ich mich arbeitsbedingt rarmachte – das bedeutet mir sehr viel. In besonders großer Dankbarkeit bin ich meiner Familie verbunden. Meine Schwester Sibylle mit Thomas, Jakob und Samuel spendeten immer wieder wertvolle Antriebskräfte. Ein riesiges Dankeschön richte ich an Holger Krimmer, der mich immer bestärkte und eine permanente und unverzichtbare Stütze war. Meine Eltern, Regina und Helmut Schwalb, unterstützten mich wie selbstverständlich immerwährend und begleiteten mich vertrauensvoll und liebevoll. Ohne sie hätte ich diese Studie weder beginnen noch zu Ende bringen können. Dies kann ich gar nicht genug wertschätzen. Alles verdanke ich ihnen. Lilian Schwalb, Berlin 2010
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Inhalt Danksagung .......................................................................................................................... 5 Abbildungen ....................................................................................................................... 11 Tabellen ............................................................................................................................... 11 0. Problem- und Fragestellung, Zielsetzung und Aufbau ............................................... 13
Teil I: Public Private Partnership in Städten und Gemeinden
21
1. Public Private Partnerships im empirischen Feld lokaler Politik und ihrer Steuerung ............................................................................................................................ 21 1.1 Ursprung und Entwicklung des Konzepts.................................................................. 21 1.2 Entwicklung von Public Private Partnerships in Deutschland ................................... 23 1.3 Verbreitung von Public Private Partnerships in deutschen Städten und Gemeinden . 24 2. Begriffsbestimmung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes ................. 26 2.1 Begriffsbestimmung .................................................................................................. 26 2.2 Gegenstandsbereich, Typen und Erscheinungsformen von PPPs .............................. 27 3. Die Rolle von Public Private Partnerships: Differierende Sichtweisen ..................... 29 3.1 Public Private Partnerships als politisch-administrative Steuerungsinstrumente ....... 30 3.2 Public Private Partnerships als eine Ausprägung lokaler Governance....................... 33 3.3 Public Private Partnerships im Kontext von Privatisierung ....................................... 37 3.4 Public Private Partnerships als Ausdruck lokaler Mächtekonstellationen ................. 41 3.5 Zusammenfassung ..................................................................................................... 45 4. Zwischenfazit .................................................................................................................. 47
Teil Zwei: Fallstudie
50
1. Untersuchungsdesign und Methodologie ..................................................................... 50 1.1 Fallstudien-Design ..................................................................................................... 51
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1.1.1 Gütekriterien .................................................................................................... 51 1.1.2 Integration qualitativer und quantitativer Methoden ........................................ 53 1.2 Methoden ................................................................................................................... 54 1.2.1 Die Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse .................................................. 54 1.2.1.1 Ursprünge und Perspektiven ...................................................................... 54 1.2.1.2 Vorgehensweise ......................................................................................... 55 1.2.1.3 Methode der Datenaufbereitung und –analyse .......................................... 55 1.2.2 Die Methode der Quantitativen Netzwerkanalyse............................................ 56 1.2.2.1 Forschungstradition und Perspektive ......................................................... 57 1.2.2.2 Analyseeinheiten und Analyseebenen ....................................................... 60 1.2.2.3 Analyse lokaler Machtstrukturen ............................................................... 61 1.3 Fallauswahl, Datenerhebung und Datenbasis der Fallstudie...................................... 63 1.3.1 Fallauswahl ...................................................................................................... 63 1.3.1.1 Lokale Ebene ............................................................................................. 63 1.3.1.2 Das Politikfeld Kultur ................................................................................ 64 1.3.1.3 Kooperative Arrangements ........................................................................ 65 1.3.1.4 Zusammenfassung ..................................................................................... 66 1.3.2 Datenerhebung und Datenbasis ........................................................................ 67 1.4 Zusammenfassung ..................................................................................................... 70 2. Rahmenbedingungen der Kulturfinanzierung und ihrer Steuerung ......................... 73 2.1 Begriffliche und konzeptionelle Abgrenzung ............................................................ 74 2.2 Zur historischen Entwicklung des Kulturbetriebs ...................................................... 78 2.3 Rechtliche Rahmenbedingungen der Kulturfinanzierung .......................................... 87 2.4 Politisch-institutionelle Rahmenbedingungen der Kulturfinanzierung ...................... 92 2.4.1 Kulturpolitik des Bundes und das Bund-Länder-Verhältnis ............................ 92 2.4.2 Kulturpolitik der Länder .................................................................................. 99 2.4.3 Kulturpolitik der Kommunen ......................................................................... 101 2.5 Kulturfinanzierung und ihre wirtschaftliche Bedeutung .......................................... 106 2.5.1 Der öffentliche Kulturfinanzierungsbetrieb ................................................... 107 2.4.2 Der privatwirtschaftliche Kulturfinanzierungsbetrieb.................................... 112 2.4.3 Der gemeinnützige Kulturfinanzierungsbetrieb ............................................. 116 2.6 Jenseits der Idealtypen: Veränderungsprozesse in der politischen Diskussion ........ 123 2.7 Zwischenbilanz ........................................................................................................ 125
8
3. Empirische Analyse: PPPs in der lokalen Kulturfinanzierung ................................ 127 3.1 Öffentliche Debatte und Diskurs: Entwicklungslinien und Fallhintergründe .......... 127 3.1.1 „Musikhalle“ .................................................................................................. 128 3.1.1.1 Hintergrund und Entwicklungslinien ....................................................... 128 3.1.1.2 PPP-Konzept „Musikhalle“ ..................................................................... 135 3.1.1.3 Positionen zur Entwicklung, Status quo im Untersuchungszeitraum ...... 137 3.1.2 „Ausstellungshalle“........................................................................................ 145 3.1.2.1 Hintergrund und Entwicklungslinien .......................................................... 145 3.1.2.2 PPP-Konzept „Ausstellungshalle“ ........................................................... 147 3.1.2.3 Positionen zur Entwicklung, Status quo im Untersuchungszeitraum ...... 148 3.1.3 „Picasso-Museum“ ......................................................................................... 150 3.1.3.1 Hintergrund und Entwicklungslinien ....................................................... 151 3.1.3.2 PPP-Konzept............................................................................................ 152 3.1.3.3 Positionen bei der Entwicklung, Status quo im Untersuchungszeitraum. 152 3.2 Strukturelle Faktoren: Akteurskonstellationen und Einflussstrukturen in der Planungsphase der Musikhalle....................................................................................... 154 3.2.1 Beteiligte Akteure und Netzwerkgrenzen ...................................................... 156 3.2.2 Einflusspotential im Zuge der Entwicklung der PPP Musikhalle .................. 157 3.2.3 Beziehungen und Einflussstrukturen.............................................................. 160 3.2.3.1 Hintergründe: Integration, Macht, Entscheidungsfindung ....................... 160 3.2.3.2 Beziehungsarten....................................................................................... 164 3.2.3.3 Ausprägungen von Beziehungen ............................................................. 168 3.2.4 Untersuchung der Beziehungsstrukturen ....................................................... 169 3.2.4.1 Informationsaustausch ............................................................................. 169 3.2.4.2 Strategische Abstimmung vor Entscheidungen ....................................... 186 3.2.4.3 Bezug, Weitergabe und Austausch von Fachwissen ................................ 192 3.2.4.4 Gegenseitige Unterstützung bei der Zielerreichung................................. 198 3.3 Interpretationen der Akteure: Ziele, Interessen, Einflussfaktoren ........................... 204
9
3.3.1 Ziele ............................................................................................................... 205 3.3.1.1 Musikhalle ............................................................................................... 205 3.3.1.2 Ausstellungshalle und Picasso-Museum .................................................. 207 3.3.1.3 Fazit ......................................................................................................... 207 3.3.2 Interessen in der Planungsphase..................................................................... 208 3.3.2.1 Musikhalle ............................................................................................... 208 3.3.3.2 Ausstellungshalle und Picasso-Museum .................................................. 218 3.3.2.3 Fazit ......................................................................................................... 221 3.3.3 Begünstigende und restringierende Faktoren im Planungsprozess ................ 221 3.3.3.1 Musikhalle ............................................................................................... 221 3.3.3.2 Ausstellungshalle und Picasso-Museum .................................................. 241 3.3.3.3 Fazit ......................................................................................................... 244 3.3.4 Prägende Faktoren auf der Ebene der Institutionen ....................................... 244
Teil III: Zusammenfassung, Fazit, Ausblick
248
1. Rekapitulation: Anlage der Untersuchung ................................................................ 248 2. Rahmung: Theoretische Anschlussfähigkeit .............................................................. 251 3. Ergebnisse der empirischen Untersuchung................................................................ 253 4. Fazit und Ausblick ....................................................................................................... 264 Literaturverzeichnis ......................................................................................................... 279 Anhang .............................................................................................................................. 300
10
Abbildungen Abbildung 1:
Fragestellungen und Schwerpunkte....................................................................... 17
Abbildung 2:
Methodenmix und Analyse-Schwerpunkte ........................................................... 20
Abbildung 3:
Analyserahmen, Erhebungs- und Auswertungsmethoden ..................................... 72
Abbildung 4:
Finanzkraft von Kulturvereinen .......................................................................... 119
Abbildung 5:
Einnahmequellen der Vereine im Kulturbereich ................................................. 120
Abbildung 6:
Finanzierungsmix von Kulturvereinen ................................................................ 121
Abbildung 7:
Darstellung der Verbindungen als Graphen (Dyaden) ........................................ 168
Abbildung 8:
Konzept der „Geodesic Distances“ ..................................................................... 171
Abbildung 9:
Degree Centrality, Informationsaustausch .......................................................... 179
Abbildung 10:
Closeness Centrality, Informationsaustausch ...................................................... 180
Abbildung 11:
Betweenness Centrality, Informationsaustausch.................................................. 180
Abbildung 12:
Cliquen Co-Mitgliedschaft, Informationsaustausch............................................. 184
Abbildung 13:
Cliquen, Strategische Abstimmung vor Entscheidungen ..................................... 191
Abbildung 14:
Cliquen Co-Mitgliedschaft, Strategische Abstimmung vor Entscheidungen ....... 191
Abbildung 15:
Indegree, Bezug von Expertise ............................................................................ 195
Abbildung 16:
Outdegree, Weitergabe von Expertise ................................................................. 196
Abbildung 17:
Indegree bei der Weitergabe von Expertise ......................................................... 196
Abbildung 18:
Status, In- und Outdegree, Unterstützung bei der Zielerreichung ........................ 201
Abbildung 19:
Cliquen, Gegenseitige Unterstützung bei der Zielerreichung .............................. 202
Abbildung 20:
Cliquen Co-Mitgliedschaft, Unterstützung bei der Zielerreichung ...................... 203
Tabellen Tabelle 1:
Interviewpartner..................................................................................................... 68
Tabelle 2:
Ausgaben der öffentlichen Hand nach Kultursparten .......................................... 108
Tabelle 3:
Kulturausgaben im Bundesländervergleich ......................................................... 109
Tabelle 4:
Informationsaustausch: Akteure und institutionellen Bereiche ............................ 173
Tabelle 5:
Zentralitäten beim Informationsaustausch ........................................................... 176
Tabelle 6:
Cliquen, Informationsaustausch ........................................................................... 183
Tabelle 7:
Zentralitäten, Strategische Abstimmung vor Entscheidungen ............................. 187
Tabelle 8:
Cliquen, Strategische Abstimmung vor Entscheidungen ..................................... 189
Tabelle 9:
Centralities, Austausch von Expertise.................................................................. 193
Tabelle 10:
Centralities, Gegenseitige Unterstützung bei der Zielerreichung ........................ 199
Tabelle 11:
Grundlegende Unterschiede zwischen den PPP-Vorhaben ................................. 254
Tabelle 12:
Kontrastierung der Planungsphasen .................................................................... 255
Tabelle 13:
Governance-Dilemmata....................................................................................... 274
11
0. Problem- und Fragestellung, Zielsetzung und Aufbau Public Private Partnerships (PPPs) haben in den letzten 20 Jahren eine große Bedeutungszunahme erfahren und sind von einem Modewort zu gängiger politischer Praxis avanciert. Dieser empirisch zu beobachtende Entwicklungsschub zeigt sich auch in einer ganz offensichtlich zunehmenden Bedeutung von PPPs in der politischen und öffentlichen Debatte. In Anbetracht europaweiter Gesetzgebungsprozesse, der Gründung von Task Forces zur Stimulierung und Begleitung von Pilotprojekten sowie einer inzwischen beträchtlichen Anzahl an journalistischen, praxisorientiert-beratenden und wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu dem Thema ist es umso erstaunlicher, dass PPPs bisher aus politikwissenschaftlicher Sicht noch nicht ausreichend untersucht wurden. Das interdisziplinäre Forschungsfeld zu der Thematik zeichnet sich bislang durch ein hohes Ausmaß an Praxisorientierung aus. Es wird insbesondere durch juristische und ökonomische Studien bestimmt. Mit wenigen Ausnahmen1 orientiert sich auch die politik- und verwaltungswissenschaftliche Forschung zu PPPs vornehmlich an Fragestellungen und Ansätzen, die sich auf den praktischen Nutzen, die Durchführbarkeit und Funktionalität von PPPs konzentrieren. In der Folge werden PPPs, die in der politikwissenschaftlichen Forschung meist als Instrumente zur Steuerung gesellschaftlicher Probleme gefasst werden, angelehnt an ökonomische Sichtweisen an ihrer Effizienz im Vergleich zu anderen politischen Steuerungsformen wie etwa der hierarchischen Steuerung gemessen. Dieser Fokus bringt letztlich auch mit sich, dass PPPs in der Regel als Kooperationen zwischen der Wirtschaft und dem öffentlichen Bereich betrachtet werden – der gemeinnützige Sektor und das bürgerschaftliche Engagement werden hingegen als relevante Partner schlichtweg außen vor gelassen. Aktuelle Betrachtungsweisen setzen zudem vorwiegend an der Makroebene der politischen Institutionen, rechtlichen Normen und Gesetzen an und betrachten Programme auf Länder- oder Bundesebene. Indes kommt der Blick auf diejenige föderale Ebene zu kurz, auf der PPPs ins Leben gerufen, gemäß politischer Programme verankert werden (sollen), auf der letztlich kooperiert wird und sich Möglichkeiten und Grenzen der Modelle zeigen – nämlich die lokale Ebene der Städte und Gemeinden. Auch die originär politikwissenschaftlich interessante Frage nach den Formen und Möglichkeiten in und durch PPPs, die auf lokaler Ebene geplant, entschieden und realisiert werden, Einfluss auf politische und gesellschaftliche Zusammenhänge zu nehmen und Macht auszuüben bleibt somit außen vor. Die lokale Ebene der Städte und Gemeinden ist jüngst wieder verstärkt in die Aufmerksamkeit wissenschaftlichen und politischen Interesses gerückt. Im Zusammenhang mit ökonomischen und gesellschaftlichen Transformationsprozessen wird sie als die relevante gestaltende Ebene und damit als wesentliche Triebkraft für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft betrachtet. Innovation, so eine aktuelle sozialwissenschaftliche Erkenntnis, wird durch kreative Eigenschaften urbaner Lebensräume generiert. Dies gilt insbesondere für größere Städte, in denen soziale und ökonomische Prozesse in lokale und regionale Räume in neuartiger Weise eingebettet und dabei durch Kreativität und Wissen neue Ideen und Güter entwickelt werden. So wird gerade auf der Ebene der Städte und Gemeinden der gesellschaftliche Strukturwandel, der sich seit den 1970er Jahren vollzieht, in einer Veränderung der gesellschaftlichen Ordnung sichtbar, die durch ökonomische Umstrukturierungen in Verbindung mit Prozessen des soziokulturellen Wandels geprägt ist (s.a. Kleinfeld 1 Zu den Ausnahmen für die PPP-Forschung in Deutschland siehe insbesondere die Publikationen von Detlef Sack und Dietrich Budäus.
13 L. Schwalb, Kreative Governance?, DOI 10.1007/978-3-531-92851-7_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
1996). Das Bild, das Städte und Kommunen in Deutschland heute zeichnen, ist allerdings von einer großen Diversität und von Gegensätzen geprägt: Die mittelgroßen bis großen Städte, von denen hier die Rede ist und die in dieser Arbeit im Mittelpunkt stehen, bieten einen attraktiven Lebensraum für Kreative und Kulturschaffende, für junge Berufstätige mit Kindern und für aktive ältere Menschen; sie stellen den Ort für die Entfaltung einer lebendigen, multikulturellen Gesellschaft und für die aktive Beteiligung vielfältiger Gruppen an der politischen, sozialen, ökonomischen und kulturellen Entwicklung dar. Damit in Zusammenhang stehen heute diverse Anforderungen an die gestaltenden Kräfte auf lokaler Ebene. Entscheidungen und Maßnahmen, die zu einer lebendigen Quartiersentwicklung führen sollen, Fragen zur Art und Weise der Unterstützung der Integrationsfähigkeit der Gesellschaft sowie für die Entwicklung neuer, dynamischer Wirtschafts-, Kultur- und Wissenschaftsbranchen werden konträr diskutiert. Die politische, soziale, ökonomische und kulturelle Realität auf der lokalen Ebene ist gleichwohl stark durch Krisen, Konflikte und Defizite geprägt. In der Diskussion stehen beispielsweise mögliche Lösungswege für benachteiligte Stadtquartiere, schrumpfende Städte und Regionen, für die negativen Folgen des demographischen Wandels und soziale Ungleichheiten. Gerade in der politik- und verwaltungswissenschaftlichen Debatte zentral – und im Zusammenhang mit allen zuvor beispielhaft aufgeführten Herausforderungen stehend – ist die Debatte um den Verlust finanzieller Handlungsfähigkeit und politischer Steuerungsmöglichkeit. Neben möglichen Wegen zur Lösung der Steuerungsprobleme durch politischadministrative Reformen ist ein Ankerpunkt in der derzeitigen Debatte der Begriff der „Governance“, der inzwischen auch auf die lokale Ebene bezogen wird. „Lokale Governance“ impliziert eine Veränderung des Planungs- und Steuerungsverständnisses in Städten und Kommunen, weg von der traditionellen Art und Weise einer „top-downSteuerung“ und hin zu kooperativen und koordinierenden Konzepten. Die Frage nach geeigneten lokalen Governance-Modellen oder -Strukturen beinhaltet demzufolge auch die Auseinandersetzung damit, wie auf lokaler Ebene unter Einbezug verschiedener Gruppen und involvierter Sektoren – des öffentlichen, gemeinnützigen und wirtschaftlichen Bereichs – regiert, gesteuert und koordiniert werden kann. Dass an der Koordinierung gesellschaftlicher Aufgaben heute nicht mehr ausschließlich die Politik und Verwaltung im engeren Sinne beteiligt ist, wird in den Sozialwissenschaften inzwischen allgemein anerkannt. Auf welche Weise und mit welchen Schwerpunkten allerdings neben Politik und Verwaltung auch die Wirtschaft und der gemeinnützige Bereich in die Steuerung eingebunden werden kann – dazu existieren ganz unterschiedliche Erklärungs- und Lösungsansätze. Verbunden hiermit wird über die Bedeutung von unterschiedlichen Governance-Arrangements sowie über Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten im Rahmen verschiedener Formen und Arten der Koordinierung gesellschaftlicher Aufgaben diskutiert. Dabei ist „Partnerschaft“ das neue Signalwort, hinter dem die Erwartung steckt, durch Kooperationen zwischen öffentlichen und privaten Akteuren könnten politische, ökonomische, soziale und kulturelle Herausforderungen bewältigt und Steuerungsdefizite ausgeglichen werden. Öffentlichprivate Partnerschaften werden in den Sozialwissenschaften als ein Beispiel für ein aktuelles Governance-Arrangement bezeichnet (Grote 2007) und gelten damit als Ausdruck und empirisch beobachtbare Manifestation der oben skizzierten Art und Weise der Planung, Steuerung und Koordination durch eine Vielfalt von Akteuren und vor allem auch der Beteiligung vieler an Problemlösungsprozessen. Neben diesem Kontext nehmen PPPs auch im Zusammenhang mit der zuweilen kritisch geführten fachwissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion um Privatisierungen öffentlicher Aufgaben, Güter und Leistungen einen 14
gewichtigen Part ein. Ihre Förderung wird zudem im Zuge der Reform des öffentlichen Sektors durch Modelle des Public Management unterstützt. Realität sind öffentlich-private Partnerschaften in Deutschland in vielfältigen Bereichen, beispielsweise beim Bau von öffentlichen Gebäuden wie etwa von Schulen, beim Bau und Betrieb von Sportzentren, im Bereich des Verkehrs, bei der Planung von Straßen, dem Straßenneubau, -ausbau, -umbau sowie bei Sanierungs- und Erhaltungsmaßnahmen öffentlicher Infrastruktur. So wird jüngst gerade im Bereich der Infrastrukturpolitik auf die positiven Wirkungen kooperativer Projekte zwischen dem öffentlichen, dem gemeinnützigen und dem privatwirtschaftlichen Bereich gesetzt (vgl. Grabow, Reidenbach et al. 2005). Es sind allerdings nicht nur Bauprojekte, die in Partnerschaft verwirklicht werden. Auch der eigentliche Betrieb von Institutionen und Projekten ist in Kooperation öffentlicher mit privaten Akteuren denkbar. Darüber hinaus haben solche Partnerschaften nicht nur in der Infrastrukturpolitik sondern auch in fast allen übrigen Politikfeldern Einzug gehalten. Insbesondere Großprojekte haben in Verbindung mit PPPs in den letzten Jahren Aufsehen erregt, dabei jedoch nicht nur für positive Schlagzeilen gesorgt. Ein Beispiel hierfür bietet das viel diskutierte LKW-Maut-Projekt, das durch die Zusammenarbeit öffentlicher mit privaten Partnern realisiert werden sollte (s. z.B. Rügemer 2004; Verbeet 2006). Positiv stellt sich hingegen beispielsweise das „Museum Kunst Palast“ in Düsseldorf dar, das gemeinhin als gelungene Kulturpartnerschaft angeführt wird; so unterstreicht es auch in seiner Eigendarstellung die „erfolgreiche win-to-win-Strategie“, die sich durch einen „Interessenzusammenschluss öffentlicher wie privater Förderer“ ergebe (s. Homepage: Museum Kunst Palast 2008). Die „Zauberformel“ Public Private Partnerships (PPPs), so der entsprechende Anglizismus, die in den letzten Jahren in Politik und Medien eine beachtliche Konjunktur in Deutschland erlebt, wird bei genauerem Hinsehen häufig eher einseitig, als Schlagwort, gebraucht. Dies betrifft sowohl die negative als auch die positive Konnotation. Dies ist Ausdruck dafür, dass insgesamt ein geringer Konsens darüber besteht, was genau unter PPPs zu verstehen ist, wie sie funktionieren und welche Rolle sie spielen. Der schlagwortartige Charakter täuscht auch darüber hinweg, dass PPPs in der Praxis sehr divers ausfallen und entsprechend unterschiedlich gehandelt und eingeschätzt werden. Zunehmend wird konstatiert, dass nicht jedes Konzept einer Partnerschaft auf den gleichen Prinzipien beruht sowie beruhen kann. Gleichwohl existieren viele verschiedene Modellarten. Auch die Rahmenbedingungen für PPP-Projekte sind sehr unterschiedlich, je nachdem, in welchem Bereich das Instrument Anwendung findet. Generalisierungen erweisen sich somit als sehr problematisch. Deshalb stellt sich die Frage, für welche Arten von Projekten und Institutionen solche kooperativen Arrangements überhaupt geeignet sind, in welchen Feldern sie besonders passend und erfolgversprechend sein können und für welche Bereiche sie mehr Risiken als Chancen (und vice versa) bieten. So werden Public Private Partnerships auf lokaler Ebene inzwischen für einige Projektarten und Typen von Institutionen als zwar komplexe jedoch durchaus effiziente Instrumente zur Lösung gesellschaftlich relevanter Aufgaben gehandelt, während ihre Etablierung oder ihr Betrieb bei anderen als zum Scheitern verurteilt gilt. In der vorliegenden Studie wird das Ziel verfolgt, die zu Beginn angeführten Forschungsdesiderate vor dem Hintergrund dieses Szenarios anzugehen. Dies geschieht auch in Anbetracht der starken politischen Thematisierung von PPPs in öffentlichen Debatten und der politischen Zielsetzung, diese in zunehmendem Maße in Deutschland zu fördern und zu implementieren. 15
Ziele, Fragestellung und Schwerpunktsetzungen Die vorliegende Arbeit stellt die Rolle von PPPs, ihre Funktionsweise, die Gestaltungsmöglichkeiten durch PPPs und ihre Wirkungen auf lokaler Ebene in den Mittelpunkt. Die skizzierten Erkenntnisinteressen werden vor dem Hintergrund von drei weiten Fragestellungen angegangen, welche die Untersuchung zunächst leiten:
Welche Rolle spielen PPPs auf lokaler Ebene? Welche Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich durch PPPs? Welche Chancen und Risiken birgt die Leistungserbringung durch/ die Förderung von PPPs?
Mit der Studie wird ein Beitrag zu der Diskussion um politische Steuerung auf der lokalen Ebene im Zusammenhang mit der Thematik der Public Private Partnerships geleistet und mit dem Blick auf diesen Aspekt der Regelung und Koordinierung im öffentlichen Interesse eine politik- und verwaltungswissenschaftliche Perspektive eingenommen. Die Debatte zu diesem Themenfeld ist in den letzten Jahren zwar lebhafter geworden, bedient sich jedoch nach wie vor eines Schlagwortcharakters. Hier soll zur Differenzierung beigetragen werden, indem die Debatte zunächst einmal strukturiert und, orientiert an politik- und verwaltungswissenschaftlich relevanten Annahmen, aufgearbeitet wird. Anhand eines konkreten, empirischen Politikbereichs, dem bisher in Studien zu PPPs vernachlässigten Kulturbereich, steht dann im Mittelpunkt der empirischen Analyse, welche Rolle PPPs auf lokaler Ebene spielen. Dabei interessiert im Einzelnen, wie PPP-Modelle aktuell ausgestaltet sind, welche Strukturen zum Tragen kommen, welche Akteure an den Kooperationsmodellen beteiligt sind und mit welchen Zielen diese eingesetzt werden. Wie später noch ausführlicher darzustellen ist, wurden die Fallbeispiele so gewählt, dass neben fall- und politikfeldspezifischen Ergebnissen auch weiterführende Aussagen getroffen werden können, die sich auf die generellere Bedeutung von PPPs aus politik- und verwaltungswissenschaftlicher Sicht, auf ihre poltische Zielverfolgung, ihre Funktionsvoraussetzungen und Wirkungsweisen beziehen. Ausblickend können Chancen und Grenzen von PPPs identifiziert werden. Der Untersuchung zentral ist, dass Abstand genommen wird von der weithin vorherrschenden einseitigen Betrachtung bi-sektoraler Partnerschaften zwischen öffentlichen und privatwirtschaftlichen Partnern. In PPPs, so wird in dieser Arbeit offensichtlich, spielen der gemeinnützige Bereich und die Bürgergesellschaft in der Regel eine bedeutende Rolle. Dieser Aspekt gerät gerade in der Praxis der aktuell gängigen juristischen und ökonomischen Planung meist in den Hintergrund. Mit wenigen Ausnahmen vernachlässigen auch sozialwissenschaftliche Studien zu lokaler Governance, in denen PPPs derzeit immer wieder beispielhaft Erwähnung finden, diesen relevanten Aspekt (Schwalb, Walk et al. 2005; Schwalb /Walk 2007b; Zimmer 2007b). Diesem Defizit steht hier die explizite Analyse der Beteiligung des gemeinnützigen Sektors in lokalen, kooperativen Arrangements entgegen. Durch die Beschäftigung mit empirischen Gegebenheiten und der fachöffentlichen Debatte, die in den folgenden Kapiteln im Mittelpunkt steht, zeigen sich Forschungslücken. Anknüpfend an die Identifizierung der Desiderate werden im Rahmen der empirischen Untersuchung Schwerpunkte gesetzt. Entlang der Schwerpunktsetzungen und der Auseinandersetzung mit theoretischen Ansätzen können die oben formulierten, weiten Fragestellungen, die den Zugang zu dem Thema leiten, zugespitzt werden. Die empirische Untersuchung (s. Teil II) orientiert sich an den engeren Fragestellungen. 16
Abbildung 1:
Fragestellungen und Schwerpunkte
Eigene Darstellung
Abbildung 1 veranschaulicht Ergebnisse des Prozesses der Schwerpunktsetzung und Zuspitzung der Fragestellungen. Die Entwicklung der Schwerpunkte und engeren Fragestellungen aus der Aufarbeitung empirischen Gegebenheiten, theoretischen Ansätzen und den zu identifizierenden Forschungslücken wird in den folgenden Kapiteln hergeleitet. Aufbau der Arbeit Die Arbeit untergliedert sich in drei Teile. Teil I In Teil I der Arbeit stehen die Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes und die Diskussion des aktuellen Forschungsstandes zu PPPs im Mittelpunkt. Ziel ist, auf der Grundlage fachwissenschaftlicher Literatur, politischer und öffentlicher Dokumente die Argumentationslinien zur politik- und verwaltungswissenschaftlichen Bedeutung und von PPPs und zu ihrer Rolle im Zuge der Debatte zur lokalen Steuerung und Koordinierung öffentlicher Aufgaben herauszuarbeiten. Zunächst wird die Entwicklungsgeschichte von PPPs nachgezeichnet und, soweit vorhanden, aktuelle Forschungsergebnisse zu ihrer generellen, quantitativen Verbreitung auf lokaler Ebene skizziert (Kapitel 1). Daraufhin werden der Begriff sowie der Untersuchungsgegenstand der PPP genauer eingegrenzt (Kapitel 2). Eng verknüpft sind die Begriffsdefinition und die Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes mit 17
dem jeweiligen Zugang zum Gegenstandsbereich. Dieser ist immer auch davon abhängig, welche theoretische Perspektive eingenommen wird. Offensichtlich wird das, betrachtet man unterschiedliche Interpretationen der Rolle von PPPs im Rahmen der Steuerung und hinsichtlich der Leistungserbringung in Städten und Gemeinden (Kapitel 3). Orientiert an der gegenwärtigen öffentlichen Debatte und wissenschaftlichen Ansätzen wird die Auseinandersetzung mit Ausgangspunkten, Zielen, Kooperations-Charakteristika und Rollen von PPPs wissenschaftlich rezipiert. Es werden vier grundlegende Annahmen zur Rolle von PPPs herausgearbeitet und voneinander differenziert: PPPs werden als Instrumente einer effektiven Steuerung, als eine Ausprägung lokaler Governance, im Kontext von Privatisierung oder als Ausdruck lokaler Mächtekonstellationen interpretiert. Teil II Die oben bereits aufgeworfenen Fragen, die in Teil 1 aus der öffentlichen Debatte, dem empirischen Forschungsstand und theoretischen Annahmen erarbeitet werden, sind relevant für Teil II der Arbeit, der sich ganz der Empirie widmet. Hier wird der Fokus auf ein bestimmtes Politikfeld gelegt. Die Untersuchung konzentriert sich auf die lokale Ebene in einer ausgewählten Stadt. Es werden die in dem Politikbereich „Kunst und Kultur“ vorzufindenden PPPs ausfindig gemacht und analysiert. Begründbar ist diese Wahl des Untersuchungsobjekts aufgrund der Heterogenität der empirisch zu beobachtenden Projekte und institutionellen Gegebenheiten und vor dem Hintergrund des Bedarfs an fallspezifischen Untersuchungen, der auch durch aktuelle Studien herausgestellt wird. Im Rahmen der Fallstudie zu PPPs auf lokaler Ebene im Politikfeld Kunst- und Kultur ist insbesondere von Interesse, welche Schwerpunkte bei der Kulturfinanzierung in Städten und Gemeinden durch PPPs gesetzt werden und welche Rolle der gemeinnützige Sektor in solchen PPPStrategien spielt. Aus den wenigen, bisher vorliegenden Fallstudien zu PPPs, die dem Einbezug gemeinnütziger Organisationen und des bürgerschaftlichen Engagements in PPPs Beachtung zollen, wird offensichtlich, dass gerade im Bereich der freiwilligen öffentlichen Leistungen gemeinnützige Organisationen einen wichtigen Part einnehmen (Oppen, Sack et al. 2003). Die Mehrzahl der in der öffentlichen Debatte zum Tragen kommenden und bislang wissenschaftlich untersuchten PPP-Modelle ist allerdings dem Bereich der pflichtigen Verwaltungsaufgaben zuzuordnen, zielt auf einen Ausgleich der Kapazitätsprobleme der öffentlichen Hand ab und orientiert sich maßgeblich an wettbewerbsorientierten Aspekten, Rationalitätserfordernissen und der Frage der Effizienz öffentlicher Dienstleistung. Dahingegen kann angenommen werden, dass gerade im Bereich freiwilliger Leistungen, zu denen Leistungen im Bereich der Kulturpolitik zählen, ganz andere Aspekte eine wesentliche Rolle spielen, die in der öffentlichen Debatte nach wie vor zu kurz kommen. Als „Innovationsinseln in korporatistischen Arrangements“ (Oppen, Sack et al. 2003) sind PPPs unter Beteiligung des gemeinnützigen Sektors mit anderen Voraussetzungen, Potentialen und Risiken konfrontiert. Gezeigt wird, dass sie in erster Linie auf eine Modernisierung im Sinne innovativer und kreativer Lösungen gesellschaftlicher Probleme abzielen und nicht auf eine Modernisierung im Sinne von Effizienz und Gewinnmaximierung, wie dies die New Public Management-Debatte unterstellt. Der Kunst- und Kulturbereich wird in einer aktuellen Erhebung zwar als ein Feld mit zunehmender Relevanz von PPPs beschrieben (Grabow, Reidenbach et al. 2005), doch existieren bisher kaum Studien zu PPPs im Kulturbereich. Dieses Defizit in Verbindung mit dem beschriebenen Interesse an der Relevanz des gemeinnützigen Sektors im Rahmen von PPPs als innovativen Arrangements und in ihrer politikwissenschaftlichen Relevanz bildet die Grundlage für den Fokus der Fallstudie. Ausführlicher begründet wird die Wahl des Politikfeldes zu Beginn des zweiten Teils. 18
Im Einzelnen stehen im zweiten Teil zunächst die Spezifizierung der Methoden und das Untersuchungsdesign der Fallstudie im Mittelpunkt (Kapitel 1). Im nächsten Schritt wird auf die Rahmenbedingungen der Kulturfinanzierung eingegangen, indem die historischen und aktuellen Gegebenheiten im deutschen Kultursystem aufgearbeitet werden (Kapitel 2). Dies ist insofern relevant und notwendig, als eine der Thesen, die in Teil I erarbeitet wurden, unterstellt, dass PPPs in unterschiedlichen Politikfeldern durch die jeweils spezifischen ökonomischen, rechtlichen und politischen Hintergründe geprägt werden. Die Hintergründe und Gegebenheiten der Kulturfinanzierung in Deutschland werden also nicht nur aufgearbeitet, um die Grundlagen von Kulturfinanzierungs-PPPs darzulegen, sondern auch, um besagte Annahme der Relevanz politisch-institutioneller, ökonomischer und rechtlicher Rahmenbedingungen überhaupt einbeziehen zu können. Die für diese Studie erhobenen empirischen quantitativen und qualitativen Daten werden im dritten Kapitel des Teils II ausgewertet. Hier fließen die Ergebnisse der Presse-und Dokumentenanalyse, der qualitativen Inhaltsanalyse und der quantitativen Netzwerkanalyse ein. Durch eine erste Durchsicht der Presse und von Dokumenten konnten vorhanden PPPProjekte im Bereich der Kulturfinanzierung auf einer lokalen Ebene einer ausgewählten Großstadt identifiziert werden. Die Hintergründe der identifizierten Projekte und die an ihnen beteiligten Akteure konnten mit Hilfe einer Analyse von Pressebeiträgen und Dokumenten grundlegend und mit Blick auf den öffentlichen Diskurs aufgedeckt werden. Der Kreis der Beteiligten wurde sodann durch eine Schneeballsystem-Methode überprüft, konkretisiert und eingegrenzt. Leitfragebogen-gestützten Expertengesprächen und Interviews wurden schließlich mit den im Schneeballsystem identifizierten Akteuren geführt. Die Ergebnisse der Befragung wurden qualitativ ausgewertet. Einem ausgewählten Kreis der an der Studie beteiligten Akteure wurden Fragebögen vorgelegt, mit Hilfe derer Daten für eine quantitative Netzwerkanalyse erhoben wurden (zu den Methoden s. Teil II, Kapitel 1). Offensichtlich wird, dass PPPs aus politikwissenschaftlicher Perspektive im Zusammenhang mit der Frage von ganz besonderem Interesse sind, wer aus welchen Gründen Entscheidungen für oder gegen eine Realisierung von PPPs trifft. Auf lokaler Ebene sind PPPs demzufolge nicht nur danach zu untersuchen, wie sie funktionieren, sondern die Diskussion um Partnerschaften, ihre Planung und Umsetzung ist insbesondere auch im Zusammenhang mit lokalen Entscheidungsprozessen zu betrachten. In Entscheidungsprozessen positionieren sich Akteure bzw. Akteursgruppen vor dem Hintergrund der jeweiligen gesetzlichen sowie gesellschaftlichen Rahmenbedingungen strategisch, interessengeleitet und machtbasiert. Wie sich Interessenkonflikte und Machtungleichgewichte hier auswirken, wurde bisher nicht ausreichend erforscht. Insbesondere wurde auch solchen PPPs noch keine Beachtung geschenkt, die aufgrund von Interessenkonflikten und/ oder Machtungleichheiten nicht realisiert werden konnten. Dieses Defizit soll im Folgenden angegangen werden. Die folgende Abbildung veranschaulicht, welche zentralen Aspekte durch das Fallstudiendesign und den Methodenmix erfasst werden.
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Abbildung 2:
Methodenmix und Analyse-Schwerpunkte
Eigene Darstellung
Teil III Im abschließenden dritten Teil werden die Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst und diskutiert. Dabei wird auf die Untersuchungsanlage und die theoretische Anschlussfähigkeit in Verbindung mit den Ergebnissen der empirischen Studie eingegangen. Die oben dargestellten und explizit auf die politikwissenschaftliche Relevanz abzielenden Fragestellungen bildeten den Rahmen für die empirische Untersuchung – sie werden in Teil III resümierend und ausblickend erörtert. Die Diskussion wird entlang der engeren, bislang noch offenen Fragen geführt, die für die politik- und verwaltungswissenschaftliche Forschung und die Praxis von PPPs auf lokaler Ebene erarbeitet wurden. Außerdem wird auf die zu Beginn aufgeworfene zentrale Frage nach der Bedeutung von PPPs aus politikwissenschaftlicher Perspektive zurück gekommen. Die Fallstudienergebnisse werden vor dem Hintergrund der generellen Annahmen, die das Vorhaben der Analyse von PPP-Prozessen leiteten und die in Teil I herausgearbeitet wurden, besprochen. Offensichtlich wird, dass in der bisherigen Forschung zu PPPs und Steuerung gerade politikwissenschaftlich relevante Aspekte – Macht, Einfluss, Legitimität – zwar thematisiert aber nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Abschließend werden deshalb aufbauend auf den Erkenntnissen Annahmen formuliert, die einer künftigen Beschäftigung mit dem Thema dienen können. Ein ausblickendes Fazit wird gezogen und es werden mögliche Anschlüsse zukünftiger wissenschaftlicher Untersuchungen benannt.
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Teil I: Public Private Partnership in Städten und Gemeinden
1. Public Private Partnerships im empirischen Feld lokaler Politik und ihrer Steuerung In diesem Kapitel wird der Ausgangspunkt und erste Entwicklungspfade von Public Private Partnerships (PPPs) identifiziert (1.1). Das Konzept stammt aus dem angelsächsischen Raum. Während in den USA PPPs bereits länger Bestandteil politischer Strategien bilden, setzen deutsche Entwicklungs- und Verbreitungsprozesse erst ab den 1990er Jahren ein (1.2). In deutschen Städten und Gemeinden kommt es verstärkt seit der Jahrtausendwende zu einem regelrechten Entwicklungsschub. Das Konzept wird in der öffentlichen Debatte äußerst populär diskutiert. Dabei wird der dynamische Entwicklungsprozess betont und die Notwendigkeit einer politischen Unterstützung der Etablierung geeigneter PPP-Modelle unterstrichen. Die tatsächliche, quantitative Bedeutung von derzeit auf lokaler Ebene in Deutschland vorzufindenden PPPs ist gleichwohl geringer, als die engagierte, öffentliche Diskussion erwarten lässt (1.3). 1.1 Ursprung und Entwicklung des Konzepts PPPs haben ihren Ursprung in der Kommunalpolitik im angelsächsischen Raum (Heinz 1993; Budäus /Grüning 1997; Strünck /Heinze 1998; Roggencamp 1999). Geradezu als „Paradebeispiel“ (Lang 1993: 43) für die Entwicklung von lokalen PPPs gelten die Stadtentwicklungsprojekte in Pittsburgh/ USA, die in den 1940er Jahren ins Leben gerufen werden (Roggencamp 1999: 59ff.; Eggers 2004: 17ff.). Geprägt durch eine starke Abhängigkeit von der Stahlindustrie und damit einhergehenden negativen Agglomerationserscheinungen ist die Stadtregion Pittsburgh in den 1930er/ 1940er Jahren durch Umweltprobleme, eine Überlastung der Infrastruktur und Flächenengpässe geprägt. Die Luftverschmutzung wird zunehmend dramatisch, Einwohner wandern ab, Betriebe schließen, die Stadt verfällt immer mehr. Mit dem Ziel, einen strukturellen Wandel herbei zu führen und den Wirtschaftsstandort wieder zu beleben, wird 1943 durch engagierte Persönlichkeiten des lokalen Lebens die „Allegheny Conference on Community Development“ (ACCD) gegründet. Lokale Entscheidungsträger aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft werden an einen Tisch gebracht. Die zunächst informell organisierte Form der Zusammenarbeit von ca. 30 öffentlichen und privaten Akteuren im Rahmen der ACCD, als Instrument zur Planung, Koordination und Mobilisierung, beruht auf dem Prinzip der gegenseitigen Unterstützung. In den darauf folgenden Jahren wird nach und nach ein komplexes Netzwerk formeller sowie informeller öffentlich-privater Partnerschaften entwickelt. So wird zum Beispiel 1955 durch die Gründung einer Gesellschaft zur Neuansiedlung von Unternehmen, die „Regional Industrial Development Corporation“, die Zusammenarbeit um ein formalisiertes Element erweitert (vgl. Kruzewicz /Schuchhardt 1989; Höftmann 2001; Schmette 2005). Das Pittsburgh-Projekt wird letztlich als großer Erfolg evaluiert: Es gelingt, den wirtschaftli21 L. Schwalb, Kreative Governance?, DOI 10.1007/978-3-531-92851-7_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
chen Verfall der Stadtregion zu stoppen, neue Ansiedlungen herbeizuführen und das städtebauliche Gesicht der Stadt zu erneuern2. In den USA gilt Pittsburgh zwar als Vorzeigefall für einen strukturellen Wandel durch Kooperation und – in seiner frühen Modell-Phase – als Vorbild für viele ähnliche Kooperationsprojekte der folgenden Jahre, ist jedoch letztlich kein singuläres Beispiel für die Organisation partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlicher und privater Akteure in dieser Zeitperiode. Zu Zeiten des New Deals (1932-1940) wird in den Vereinigten Staaten insgesamt ein Klima gemeinsamer Verantwortungsübernahme durch Staat und Wirtschaft angeregt; unter Präsident Roosevelt wird die Investition des Staates in lokale Wirtschaftsaktivitäten sowie eine finanzielle Subvention privater Stadtentwicklungsprojekte forciert. In vielen amerikanischen Gemeinden sind bis in die 1960er Jahre regelrechte Entwicklungsschübe von PPPs in der Stadtentwicklung zu beobachten (Höftmann 2001: 7ff). Der Ausbau des Interventionsstaates mit vielfältigen staatlichen Entwicklungsprogrammen wird vorangetrieben. Ende der 1970er Jahre werden Grenzen der öffentlichen Finanzierbarkeit offensichtlich, Regulierungen werden eingestellt und zurückgenommen. Die Public Private Partnership-Dynamik ist nun leicht gebremst durch Kürzungen staatlicher Subventionen in den Bereichen Wohnungsbau und Stadtentwicklung. Die Titulierung der in dieser Zeitperiode existenten Formen öffentlich-privater Zusammenarbeit im Bereich der Stadtentwicklung als Public Private Partnership erfolgt nachträglich, in der Carter-Ära (1976-1980) mit der Einführung der „New Urban Policy“ im Jahr 1978 (Kestermann 1992: 14, 1993: 208). Unter Präsident Carter erlangen öffentlich-private Kooperationen eine größere Bedeutung. Insbesondere der „President’s Urban and Regional Group Report“ prägt sie. So führt Carter PPPs als neues Instrument zur politischen Problembewältigung ein (Roggencamp 1999: 63). Damit beabsichtigt er eine Illustration seiner marktwirtschaftlich gesteuerten Politik gegenüber der breiten Öffentlichkeit (Barnekov, Boyle et al. 1989: 69), die er letztlich durch gezielte Initiativen mit Leben füllt. Beispielsweise bietet er mit dem „New Development Action Grant“ ein Angebot zur Starthilfe für Städte durch Bundeszuschüsse, unter der Bedingung, dass private Partner in die Projekte einbezogen werden (Eggers 2004). In den 1980er Jahren wird durch Präsident Reagans politisches Programm an den Bedeutungszuwachs der PPP angeknüpft und die praktische Ausweitung des Konzepts der öffentlich-privaten Partnerschaften entschieden unterstützt. Dies geschieht allerdings vor dem Hintergrund einer neuen Strategie: Wird im Rahmen der Politik Carters die PPP ausdrücklich nicht als Ersatz staatlicher Aktivität und Verantwortungsübernahme verstanden, propagiert Reagan den „New Privatism“ und unterstützt die Verbreitung von PPPs explizit im Sinne der Förderung vorbildlicher Privatinitiative und einer Substitution öffentlicher durch private Aufgabenerledigung. Er führt die PPP als politisch-ideologisch aufgeladenes Konzept ein, das für eine neue Form der Privatisierung und des Vertrauens in privatwirtschaftliches Handeln steht. So ist der Entwicklungsschub von PPPs auf kommunaler Ebene in der Reagan-Ära zum einen als Ergebnis der neo-konservativen Dezentralisierungspolitik Reagans zu interpretieren, die in den 1980ern einem weitgehenden Rückzug des Zentralstaates aus bisher öffentlichen Aufgabenfeldern Vorschub leistet und als alternative Problemlösungsmodelle für vormals öffentliche Aufgaben auf Initiativen der Privatisierung und der öffentlich-privaten Zusammenarbeit verweist. Zum anderen ist sie charakteristisch für
2 Die ACCD setzt ihre Arbeit bis heute fort (s. Homepage ACCD), allerdings inzwischen mit Unterstützung ihrer ca. 300 regionalen Investoren und – neben den ehrenamtlichen Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Gesellschaft – einer Gruppe fest angestellter Mitarbeiter.
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den „New Privatism“3, der als eine bedeutende kulturelle Tradition der USA und Großbritanniens gilt (Barnekov, Boyle et al. 1989: 1; Fainstein /Fainstein 1993: 70ff.; Höftmann 2001: 9). Europäische Verbreitung findet das PPP-Konzept insbesondere durch die „Private Finance Initiative“ (PFI), die die Regierung Thatcher im Jahr 1989 lanciert. Auch in den nachfolgenden Regierungen wird der Politikstil des Einbezugs privaten Kapitals in öffentliche Investitionen weiter geführt, PPPs werden als Konzepte des finanziellen Ausgleichs durch einen Rückzug des Staates aus öffentlichen Aufgabenbereichen unterstützt und insbesondere Standards erarbeitet. Die Initiative findet weltweit starke Verbreitung. Zum Vorbild für eine Standardisierung zur Transaktionskostensenkung bei sektorübergreifenden Kooperationen wird – gerade auch für die deutsche Entwicklung – der Einsatz einer Task Force durch die britische Regierung im Jahr 1997 (Bundesministerium für Verkehr 2007). Die PPP wird nun insbesondere in der amerikanischen Politik der letzten Jahre als Allheilmittel für die Lösung von Problemen auf kommunaler Ebene sowie als fester Bestandteil der Reformbemühungen gehandelt (Kestermann 1992: 15; Roggencamp 1999: 64; Höftmann 2001: 9f.; Eggers 2004: 20). Im Gegensatz zu der Entwicklung im angelsächsischen Raum geht die Politik auf Bundesebene in Deutschland die Thematik zunächst viel langsamer an. Die sektorübergreifende Kooperation wird bis in die 1990er Jahre nur in ausgewählten Projekt- und Politikfeldzusammenhängen initiiert und vielfach kritisch hinterfragt. Gleichwohl forciert auch die deutsche Politik den verstärkten Einbezug des Konzepts der PPPs in die öffentliche Leistungserstellung in den letzten Jahren zunehmend. 1.2 Entwicklung von Public Private Partnerships in Deutschland In Deutschland ist der Begriff der Public Private Partnership bis in die 1980er Jahre weitgehend unbekannt (Gerstlberger 1999: 11). Seit den 1980er Jahren können unterschiedliche Entwicklungs- und Verbreitungsprozesse in ausgewählten Politikfeldern identifiziert werden. Zunächst verbreiten sich bis Mitte der 1980er Jahre PPPs insbesondere im Bereich der Stadt- und Regionalentwicklung, ähnlich der US-amerikanischen Entwicklung. Mitte der 1980er Jahre kommt ein Entwicklungsschub im Bereich der Infrastruktur hinzu. Um die Jahrtausendwende sind schließlich eine Vielzahl von Aktivitäten in unterschiedlichen Bereichen und mit wachsender Intensität zu beobachten (Sack 2007b). Die Entwicklung wird durch Aktivitäten der Politik unterstützt. So werden auf Bundes-, Landes- sowie kommunaler Ebene PPPs bzw. „Öffentlich-Private Partnerschaften“ (ÖPP)4 zum politischen Programm gemacht. Beispielhaft hierfür ist die erste PPP-Task Force auf Landesebene. Im Jahr 2001 in Düsseldorf gegründet und angesiedelt beim nordrhein-westfälischen Finanzministerium wird sie zum Vorbild für weitere LänderKompetenzzentren in Hessen, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg, 3 Urbaner Wandel wird gemäß des „Privatism“ hauptsächlich durch den privaten Sektor unterstützt. Die Kampagne Reagans zielt darauf ab, in der Stadtentwicklung einen freien Markt zu fördern, indem der private Sektor so wenig als möglich in seinem Handeln reglementiert werden sollte. Für die Politik Reagans sowie auch Thatchers war die urbane Privatisierungspolitik ein wichtiger Teil einer generellen Neuorientierung im Bereich der Innenpolitik. Public Private Partnerships wurden in diesem Zusammenhang als Lösungsmittel für vielfältige gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Probleme in den Städten betrachtet und ihre Bildung unterstützt (Barnekov, Boyle et al. 1989; Fainstein /Fainstein 1993). 4 Der Begriff der ÖPP ist das deutsche Pendant; er wird analog zu dem Begriff der PPP genutzt.
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Sachsen und Thüringen. Ziel der Task-Forces ist zum einen, im operativen Bereich Hilfestellung zu leisten und zum anderen, strategische Aufgaben zu übernehmen. Durch die Bundesregierung wird im Jahr 2002 ein entsprechendes Kompetenzzentrum auf Bundesebene gegründet, das sich auf den Bereich des öffentlichen Hochbaus konzentriert. Ein Lenkungsausschuss „PPP im öffentlichen Hochbau“ und eine Arbeitsgruppe, die dessen Arbeit unterstützen soll, werden eingesetzt. Die Tätigkeit dieser „Dialogplattform zwischen Verwaltung und privater Wirtschaft“ (Bundesministerium für Verkehr 2007: 9) ist darauf ausgerichtet, ÖPP-Strukturen – als Beschaffungsinstrument der öffentlichen Hand – in Deutschland zunehmend zu verbreiten und hierfür die Rahmenbedingungen zu verbessern. Im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW) erarbeitet im Jahr 2003 ein Beraterkonsortium ein fünfbändiges Gutachten „PPP im öffentlichen Hochbau“ (Beratergruppe – „PPP im Öffentlichen Hochbau“ 2003), an dessen Ergebnisse und Vorschläge anknüpfend die Bundesregierung im Jahr 2004 den Einsatz einer PPP Task Force auf Bundesebene beschließt. Angesiedelt beim Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung (BMVBS), soll sie darauf hinwirken, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für ÖPP verbessert, eigene sektorübergreifende Kooperationen initiiert und die Etablierung eines föderalen PPP-Kompetenznetzwerkes unterstützt werden. Die Bundes-Task Force nimmt insofern eine neue Perspektive ein, als sie einen Lebenszyklusansatz verfolgt, mit dem Effizienzgewinne erzielt werden sollen, indem das Planen, Bauen, Betreiben, Finanzieren und Verwerten – beispielsweise einer Immobilie – in einem ganzheitlichen Ansatz optimiert werden soll. Mit dem Inkrafttreten des „Gesetzes zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich-Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für ÖPPs“ (kurz: „ÖPP-Beschleunigungsgesetz“) im September 2005 wird schließlich die nationale Gesetzgebung angegangen. Im europäischen Vergleich erweist sich Deutschland damit als Nachzüglerland. Das „ÖPPBeschleunigungsgesetz“, das sich auf eine Reform des Vergabe-, Steuer-, Gebühren-, Haushalts- und Investmentrechts bezieht, soll in diesen Bereichen in erster Linie Benachteiligungen in der Beschaffung der öffentlichen Hand durch ÖPP gegenüber der konventionellen Art der Beschaffung auflösen. 1.3 Verbreitung von Public Private Partnerships in deutschen Städten und Gemeinden Rückschlüsse auf den Status quo der PPP-Verbreitung auf der Ebene der Städte und Kommunen in Deutschland lässt eine Erhebung zu, die im Jahr 2003 im Auftrag der PPP Task Force durch das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) erarbeitet wird. Als zentrales Ergebnis hebt die Difu-Studie zur Bestandsaufnahme von PPP in Deutschland hervor, dass sich ganzheitliche ÖPP-Modelle seit der Jahrtausendwende und insbesondere seit dem Jahr 2004 in einer dynamischen Entwicklungsphase befinden (Grabow, Reidenbach et al. 2005; Bundesministerium für Verkehr 2007: 7). Erste Untersuchungen zur quantitativen Bedeutung von PPP für das Regieren auf lokaler Ebene und für die Leistungserbringung in Städten und Gemeinden weisen jedoch auf den derzeit insgesamt geringen Anteil von öffentlich-privaten Kooperationen an öffentlichen Investitionen hin. Dieser eher geringe Anteil beschränkt sich zudem hinsichtlich der Thematiken auf ausgewählte Politikfelder und Projektzusammenhänge. Betrachtet man die Verbreitung sektorenübergreifender Kooperationen im Hinblick auf eine lokale Variable, so wird offensichtlich, dass sie regional stark variiert. Dies zeigt etwa eine Untersuchung des 24
Deutschen Städtetages im Jahr 2002, der seine Mitgliedsstädte5 nach deren Erfahrungen mit PPP-Projekten befragt: 53% der befragten Verwaltungen geben an, PPP-Projekte durchzuführen. Während beispielsweise in NRW 33% der Städte PPP-Projekte aufweisen, liegt der prozentuale Anteil bei Städten in Hessen bei 100% (Frischmuth 2004: 44f.), was auf beträchtliche regionale Unterschiede hindeutet. Das Gutachten „PPP im öffentlichen Hochbau“ zeigt Ende 2003, dass PPP-Bauprojekte insbesondere in den Politikbereichen Energie, Nahverkehr, Wasser und Abfallentsorgung zu verzeichnen sind. Über 300 PPP-Projekte existieren, die insgesamt ein Investitionsvolumen von über sieben Millionen Euro aufweisen. Insbesondere seit 2004 ist ein Boom der PPP-Initiierung zu verzeichnen: In den Jahren 2004 und 2005 ist die Anzahl der Vertragsabschlüsse gegenüber den vorherigen Jahren auf das Doppelte gestiegen (Grabow, Reidenbach et al. 2005). Insbesondere in deutschen Klein- und Mittelstädten existieren bis heute nur seltener PPPs. So sind in mehr als drei Viertel aller kleineren deutschen Kommunen weder konkrete Projekte noch Absichten zu deren Realisierung vorhanden (Grabow, Reidenbach et al. 2005: 11, 35ff.). In mehr als jeder zweiten deutschen Großstadt hingegen werden einzelne Projekte durch sektorübergreifende Partnerschaften umgesetzt. Die Nachzeichnung der Entwicklung und die aktuellen Daten weisen darauf hin, dass PPPs – trotz der derzeit großen Popularität des Themas, die sich in den Medien, in der Politik und in der Thematisierung im Zuge von Projektplanungen zeigt – auf kommunaler Ebene in Deutschland insgesamt nicht allzu weit verbreitet sind, dass jedoch in den letzten Jahren eine Entwicklung hin zu einem verstärkten Einbezug des Konzepts in die Lösung gesellschaftlicher Probleme zu beobachten ist.
5 235 Städte wurden angefragt, die Rücklaufquote lag bei etwa 80%. Die Daten beziehen sich auf das Engagement der Verwaltungen im ersten Halbjahr 2002.
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2. Begriffsbestimmung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes Nachdem zu Beginn der Arbeit in die Thematik der öffentlich-privaten Partnerschaften eingeführt wurde, ihre Entwicklungslinien nachgezeichnet und ihre aktuelle, quantitative Bedeutung auf lokaler Ebene überprüft wurde, liegt das Ziel dieses Kapitels in der genaueren Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes. Der Begriff wird vor dem Hintergrund der Einordnung der PPP-Thematik in die politik- und verwaltungswissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Steuerung und Koordinierung öffentlicher Aufgaben bestimmt (3.1). Anknüpfend an die drei sozialwissenschaftlichen Analysekategorien Akteur, Struktur und Prozess wird der Gegenstandsbereich konkretisiert, strukturiert, und es wird zwischen Typen und Erscheinungsformen von PPPs differenziert (3.2). 2.1 Begriffsbestimmung Die Analyse von Steuerung und Koordination im Zusammenhang mit PPPs basiert zunächst einmal auf zwei grundlegenden Dimensionen: auf einer räumlichen und auf einer funktionalen Dimension. Die Koordination öffentlicher Aufgaben findet dem entsprechend zum einen in horizontal zu differenzierenden, territorialen Politikarenen statt (räumliche Dimension). Die Koordination wird zum zweiten durch den Fokus auf eine oder mehrere spezifische Aufgaben untersucht (funktionale Dimension), die durch eine, innerhalb eines bestimmten institutionellen Settings agierende, Institution bzw. einen Akteur oder eine Reihe von Institutionen bzw. Akteuren wahrgenommenen werden (Wollmann /Bouckaert 2006: 11 f.). Dabei ist eine relevante Erkenntnis, dass auf lokaler Ebene eine Vielzahl von Akteuren in die Koordination involviert ist. Der Begriff der PPP wird in der öffentlichen Debatte generell für eine Vielzahl möglicher Formen kooperativer Arrangements verwendet. Um ihn für die Analyse brauchbar zu machen, muss er geschärft und genauer eingegrenzt werden. Grundlegend für den Begriff, der in der vorliegenden Untersuchung verwandt wird, ist, dass in PPPs öffentliche und private Akteure zusammenarbeiten. Die strategisch geplante Kooperation ist in der Regel auf eine bestimmte Dauer angelegt und durch das Vorhaben der Entwicklung gemeinsamer Güter bzw. Dienstleistungen charakterisiert. PPPs, die im deutschen Sprachgebrauch in jüngerer Zeit auch unter dem Begriff „Öffentlich-Private Partnerschaften“ (ÖPPs) geführt werden, sind grundsätzlich sektorenübergreifend: Sie spielen sich zwischen Personen und Organisationen der öffentlichen Hand, der Wirtschaft und des gemeinnützigen Bereichs ab. Kennzeichnend für die PPP in Abgrenzung zu weiteren Kooperationsmodellen ist insbesondere der strategische-politische Charakter. Dies geht bereits aus der im vorherigen Kapitel dargestellten Entwicklungsgeschichte hervor. So ist der PPP-Begriff verknüpft mit einer Steuerungsabsicht. PPPs, definiert als strategische Partnerschaften, die durch den Charakter der zunehmenden Pluralität kommunaler Institutionen und politischer Steuerungsmodi charakteristische Local Governance-Arrangements darstellen (Holtkamp 2006: 369) und das Ziel der Steuerung und Koordinierung öffentlicher Aufgaben verfolgen, sind auf der lokalen Ebene in Deutschland ein relativ junges Phänomen. Nicht nur in der öffentlichen Debatte, sondern auch in der sozialwissenschaftlichen Literatur werden PPPs letztlich häufig sehr vage, in jedem Fall jedoch unterschiedlich definiert. Um das grundlegende Verständnis von PPPs, auf dem diese Arbeit basiert, zu klären, wird eine weitere Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes vorgenommen, die sich an in der Literatur vorliegenden Auslegungen orientiert (vgl. hierzu Kouwenhoven 1993; 26 L. Schwalb, Kreative Governance?, DOI 10.1007/978-3-531-92851-7_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Freisburger 2000; Budäus 2003; Klijn /Teisman 2003; Sack 2003; Bovaird 2004; Sack 2004b, 2006a), sich von ihnen jedoch in der Struktur der Herangehensweise an den Gegenstand unterscheidet: Vorgeschlagen wird eine Definition anhand der drei Dimensionen Akteur, (Kooperations-) Struktur und Prozess. Dies wird im nächsten Abschnitt präzisiert. Anschließend werden idealtypisch Erscheinungsformen von PPPs entlang der drei Dimensionen unterschieden. 2.2 Gegenstandsbereich, Typen und Erscheinungsformen von PPPs Grundlegende Aspekte sozialwissenschaftlicher Untersuchungen beziehen sich auf die Akteure, Strukturen und/oder Prozesse politischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge. Die folgende Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes orientiert sich an eben diesen drei Dimensionen sozialwissenschaftlicher Analysen. Die aus unterschiedlichen institutionellen Kontexten stammenden Akteure handeln in PPPs gemäß ihrer Sektoren-spezifischen Rollen, Normen und Routinen und orientiert an unterschiedlichen Zielen. Dass ihre Kooperation in jedem Fall freiwillig ist, weist auf die Existenz divergierender Interessen hin. Die Beteiligten bringen zur Erfüllung eines bestimmten, meist weit formulierten, gemeinsamen Ziels verschiedene Ressourcen ein. Diese Ressourcen können personelle, strategische und/ oder finanzielle Ressourcen sein (Blanke, Bandemer et al. 2001: 129ff.). Die Akteure bleiben zwar organisatorisch autonom, gehen im Rahmen der Zusammenarbeit allerdings eine Risiko-, Kosten- und Nutzenteilung ein (vgl. Roggencamp 1999: 26f.; Klijn /Teisman 2003). Die Kooperation der Akteure ist des Weiteren dadurch gekennzeichnet, dass unterschiedliche Handlungslogiken miteinander verbunden werden (vgl. Sack 2005: 103), die sich auch in der Beziehungs- bzw. Koordinations-Struktur widerspiegeln: Sie sind zwischen Markt, Hierarchie und Netzwerk anzusiedeln (s. z.B. Roggencamp 1999: 34f.; Reichard 2006: 79). Verschiedene PPP-Modelle lassen sich ferner durch eine unterschiedlich starke und eine unterschiedlich gestaltete Formalisierung differenzieren (vgl. Sack 2006a: 53). So ist zum einen zwischen der im eher informellen Rahmen (Konferenzen, informellere und netzwerkartige Zusammenarbeit u. ä.) und der in formellerem Rahmen (Verträge, Gründung einer Gesellschaft etc.) stattfindenden PPP zu unterscheiden (vgl. Budäus /Grüning 1997; Gerstlberger /Schmittel 2005: 127ff.). Zum zweiten variiert die Steuerungsstruktur zwischen loser oder fester Koppelung. Die Beteiligten einigen sich in Verhandlungs- bzw. Aushandlungsprozessen. Die Interaktionsmodi im weiteren Sinne werden in Kontrakten (Absprachen, Vereinbarungen, Satzungen, Gesellschaftsverträgen u. ä.) festgehalten. Die Aushandlungsprozesse sind neben den manifesten Interessen der Beteiligten auch durch eine „weiche“ PPP-Kultur geprägt, die durch das Zusammenwirken der unterschiedlichen „gesellschaftliche(n) Wertvorstellungen und informelle(n) Verhaltensnormen, Sympathien und Empfindlichkeiten“ bestimmt wird (Sack 2004a: 54). Ausgehend von diesen Aspekten der Interaktion wird in der fachwissenschaftlichen Literatur die Relevanz von Vertrauensstrukturen u.a. für die Bildung von Sozialkapital und für die Reduktion von Transformationskosten angeführt. Aushandlungsprozesse sind nicht nur aus der Perspektive auf die strukturellen Eigenschaften der Kooperation interessant. Als ein Teil der Entwicklung einer PPP sind sie für deren Dynamik und insofern aus einer Prozess-Perspektive auf PPPs zu erörtern. Aus dieser Perspektive und mit Blick auf die Entscheidungsprozesse kann die PPP-Entstehung und Realisierung auf lokaler Ebene in zyklische Phasen eingeteilt werden (vgl. Bertelsmann27
Stiftung, Clifford Chance Pünder et al. 2003; Gerstlberger /Schmittel 2005; Sack 2006a). Unterschieden wird im Allgemeinen zwischen der Vor-Kontakt-Phase bzw. Eingangsphase, einer Vorbereitungs- bzw. Verhandlungsphase, einer Arbeits-, Umsetzungs- bzw. Realisierungs- und einer Evaluierungsphase. Die Gestalt der PPP ist davon abhängig, welche Entscheidungen in den einzelnen Phasen des „Lebenszyklus“ einer PPP getroffen werden. So kann etwa die Zusammenarbeit durch einen bottom-up- oder einen top-down-Prozess initiiert werden. Die Entwicklung und Durchführung wird in der Regel durch die Träger auf kommunaler Ebene vorgenommen. In der Fachdebatte vorgeschlagen wird die Zuordnung von PPPs in eine Typologie ihrer Erscheinungsformen, die der empirischen Vielfalt von Kooperationsformen und Gestaltungsmodellen Rechnung trägt. In Anlehnung an Sack (2003; 2005; 2006) sowie an die oben skizzierten Dimensionen Akteur, Struktur und Prozess lassen sich verschiedene Variablen herausarbeiten und Typen unterscheiden. Die Akteur-Dimension weist auf eine Differenzierung von PPP-Formen aufgrund der Interessen, Ressourcen und Routinen der Akteure und ihrer gemeinsamen Zielkongruenzbzw. –divergenz hin. Gelangen die Akteure zu einem projektbezogenen gemeinsamen Ziel, kann es zu Modellen der „Koproduktion“, der gemeinsamen Leistungsrealisierung kommen (s. Sack 2005: 105). Ist keine Zielkomplementarität vorhanden, so ist das Modell der „Kofinanzierung“ wahrscheinlicher. Leistungen werden ausgelagert und z.B. in Betreibermodellen, durch Outsourcing oder Franchising erfüllt (s.a. Gerstlberger /Schmittel 2005). In der Struktur-Dimension lassen sich PPPs, orientiert an der Art der Gestaltung der Beziehungen der Akteure sowie der Formen der Regelung der Kooperation, danach unterscheiden, ob die Regelungsstrukturen formell oder informell strukturiert sind (vgl. Sack 2004b: 3). Im Anschluss an diese Überlegungen können bestehende PPP-Modelle in Idealtypen eingeordnet werden: Zu differenzieren ist dann zwischen organisatorischen PPPs, vertraglichen PPPs und strategischen Netzwerken. Organisatorische PPPs bezeichnen solche öffentlich-privaten Kooperationen, die eine auf Dauer angelegte Organisation, eine gemischtwirtschaftliche Unternehmung, meist in Form einer Kapitalgesellschaft, gründen und sich durch eine gemischte Eigentumsstruktur und hybride Zielkonzeption charakterisieren lassen (vgl. Reichard 2006: 77ff.). Vertragliche PPPs sind durch unvollständige (Kooperations-)Verträge zwischen der öffentlichen Verwaltung und Unternehmen charakterisiert. Der Inhalt der Verträge bezieht sich normalerweise auf die zeitlich befristete, in ihrem inhaltlichen Gegenstand unvollständig festgelegte Zusammenarbeit sowie die weiterführenden Verhandlungs- bzw. Kooperationsschritte in Projekten (vgl. Sack 2006a: 54ff.). Strategische Netzwerke (s.a. Sack 2005: 105) sind durch hybride Steuerungsstrukturen und eine geringe Formalisierung gekennzeichnet. Die Prozess-Dimension bezieht sich auf die Differenzierung einer PPP nach einer dynamischen Variable. Je nachdem, in welcher Phase des Entscheidungsprozesses sich die PPP befindet, sind divergierende Start- bzw. Prozessbedingungen einzubeziehen (s.a. Kouwenhoven 1993; Gerstlberger /Schmittel 2005). Bei dem Begriff der PPP handelt es sich letztlich um einen „unstrukturierten Sammelbegriff“ (Budäus 2005), der in der politischen Praxis für verschiedene Formen und Arten der Zusammenarbeit öffentlicher und privater Akteure steht. Unterschiedliche Abgrenzungsversuche in der wissenschaftlichen Literatur sind stets auch Folge bzw. Ausprägung einer bestimmten Perspektive auf das Phänomen bzw. der Zugrundelegung eines Ansatzes zu seiner Erklärung. Verschiedene Perspektiven und Erklärungsansätze sind Inhalt des folgenden Kapitels, in dem der Debatten- und Forschungsstand zu PPPs strukturiert und diskutiert wird. 28
3. Die Rolle von Public Private Partnerships: Differierende Sichtweisen Der Blick auf die empirischen Entwicklungs- und Verbreitungslinien von PPPs in Kapitel 2 hat gezeigt, dass PPPs in den letzten 10 bis 15 Jahren eine verstärkte Aufmerksamkeit erfahren. Dies gilt nicht nur für die bereits skizzierte öffentliche und politische Debatte, sondern auch für die fachwissenschaftliche Diskussion, die in diesem Kapitel interessiert. In einem weiteren Sinne wird die Thematisierung von PPPs im Zusammenhang mit einer zunehmenden Beschäftigung mit Fragen zu der Rolle des öffentlichen Sektors und des privaten Sektors vor dem Hintergrund ökonomischer, sozialer und kultureller Veränderungen vorgenommen (Kouwenhoven 1993). Die Perspektive auf die Beziehungen zwischen öffentlichen und privaten Akteuren hat sich gleichwohl in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gewandelt und stetig an Popularität gewonnen (Kouwenhoven 1993). In fachwissenschaftlichen Debatten und Konzepten werden PPPs nicht nur sehr uneinheitlich definiert. Zudem existieren verschiedene Interpretationen, warum sich PPPs entwickeln, wie sie funktionieren, welche Rolle sie einnehmen und welche Auswirkungen sie für das Regieren und die Koordinierung öffentlicher, gemeinwohlorientierter Aufgaben auf lokaler Ebene haben. Gemeinsame Bezugspunkte der zu identifizierenden Ansätze zur Erklärung der Rolle von PPPs auf lokaler Ebene sind in der Politik- und Verwaltungswissenschaft Fragen der Aufgabenerfüllung und Leistungserbringung in Städten und Gemeinden, des lokalen Regierens und Steuerns sowie des Verhältnisses zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Im Folgenden werden vier verschiedene Perspektiven auf PPPs in Verbindung mit eben diesen Bezugspunkten in Wissenschaft und politischer Praxis herausgestellt. Dabei steht im Mittelpunkt des Interesses, welche Bedeutung PPPs jeweils zugeschrieben werden. Die Bedeutungszuschreibungen basieren auf der, der jeweiligen Perspektive eigenen, Sichtweisen auf die Ausgangslage6 bei der Ausbildung von PPPs, auf die Aufgabe von PPPs in diesem jeweiligen Rahmen, auf die Rolle der beteiligten Akteure und auf den Charakter der Kooperation. Die erste der vier Sichtweisen ist in die Tradition der deutschen lokalen Politik- und Verwaltungsforschung einzuordnen (3.3.1). Inhalt des nächsten Abschnittes ist die Weiterentwicklung von Argumenten der zuvor besprochenen Public Management-Perspektive im Rahmen von Governance-Ansätzen. Zentrale Annahmen einer Interpretation von PPPs im Zusammenhang mit der Governance-Debatte werden herausgearbeitet und auf die lokale Ebene übertragen (3.3.2). Werden PPPs im Zusammenhang mit Governance in ihrer Bedeutung als koordinierte, sektorübergreifende Modelle des Regierens besprochen, konzentriert sich das dritte Teilkapitel auf Ansätze, die die Bedeutung von PPPs im Kontext von Liberalisierung- und Privatisierungsprozessen beurteilen (3.3.3). Während alle drei Ansätze mehr oder weniger explizit auf die Relevanz einer Thematisierung von Macht und Herrschaft in aktuellen Debatten zur Steuerung und Koordinierung öffentlicher Aufgaben hinweisen, gilt diese nach wie vor als Forschungsdesiderat. Unter Rückgriff auf angelsächsische lokalpolitische Ansätze der 1960er Jahre wird deshalb im vierten Teilkapitel die Bedeutung von PPPs als lokale Mächtekonstellationen besprochen (3.3.4).
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Im Terminus der Politikfeldanalyse wird die Ausgangslage als Policy-Problem bezeichnet.
29 L. Schwalb, Kreative Governance?, DOI 10.1007/978-3-531-92851-7_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
3.1 Public Private Partnerships als politisch-administrative Steuerungsinstrumente Die erste darzustellende Interpretation zur Entwicklung hin zu einer zunehmenden Relevanz öffentlich-privater Partnerschaften auf lokaler Ebene in Deutschland beruht auf Einschätzungen von Vertretern einer interdisziplinär zusammengesetzten Gruppe von Praktikern und empirisch orientierten Wissenschaftlern, die sich mit Reformen des öffentlichen Sektors beschäftigen. Die Fachleute stammen aus der Betriebswirtschaftslehre, aus der empirischen Politik- und Verwaltungsforschung zur Reform des öffentlichen Sektors, aus Public Sector-Beratungsunternehmen, aus der Gruppe der Wirtschaftsjuristen und der Vertreter der öffentlichen Verwaltung, wie etwa Kämmerern. Ausgangspunkt der Überlegungen ist eine derzeit recht gängige Problemdiagnose: So werden PPP-Modelle auf lokaler Ebene mit einer deutlichen Verschlechterung der Situation der öffentlichen Haushalte in Zusammenhang gebracht, die gleichzeitig einer Notwendigkeit von Investitionen in Städten und Gemeinden gegenübersteht (Sack 2007b: 255). Die Kapazitätsprobleme der Kommunalhaushalte werden unter anderem auf die Folgen der deutschen Einheit, auf steigende Sozialausgaben, neue Pflichtaufgaben und ein schlechtes Image des öffentlichen Dienstes zurück geführt. Vor dem Hintergrund der europäischen Integration sehen sich Vertreter der politisch-administrativen Praxis und der Wissenschaft mit der Tatsache konfrontiert, dass andere Länder sich bereits seit den 1980er Jahren dem Thema der Modernisierung des öffentlichen Sektors widmen, um die entsprechenden aktuellen Herausforderungen in den Griff zu bekommen. So wird Anfang/ Mitte der 1990er Jahre konstatiert, „dass die deutsche Kommunalverwaltung sich in weltweiter Betrachtung derzeit eher am Schlusslicht der fortgeschrittenen Kommunalverwaltungen platziert“ (Banner 1995: 295). Die internationale Entwicklung im Zuge der Reform des öffentlichen Sektors, insbesondere das „Neue Steuerungsmodell“ in den Niederlanden und die britischen Privatisierungserfahrungen, sind in Deutschland kaum noch ignorierbar; erste Evaluationen der Ergebnisse von Modernisierungsbestrebungen und von durchgeführten Reformen erzeugen in Deutschland einen gewissen Handlungsdruck (Bogumil 2001). Die in diesem Kapitel zu identifizierende Perspektive auf PPPs knüpft direkt an diese Problemdiagnose der Finanzkrise der öffentlichen Hand an sowie an das Vorhaben, den kommunalen politisch-administrativen Bereich durch den Einbezug betriebswirtschaftlicher und managerialer Elemente effizienter zu steuern. Ein wichtiger Teil des Konzeptes besteht darin, auch private Akteure in die öffentliche Leistungserbringung – und zwar im materiellen wie ideellen Sinn – einzubeziehen. PPPs sind aus dieser Perspektive also eine Art Modernisierungswerkzeug, das zu Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen bei der Leistungserstellung im öffentlichen Interesse führt. Wie in vielen westlichen Industriestaaten können auch in Deutschland unterschiedliche Ausprägungen der Modernisierung des öffentlichen Sektors beobachtet werden. Insgesamt erweist sich dabei eine Orientierung an den Kerninhalten des Modells „New Public Management“ (NPM) als ein zentraler Bezugspunkt. Das NPM-Modell umfasst die zwei Dimensionen der Außen- und der Binnenmodernisierung (Bogumil /Holtkamp 2006: 81f.). Ziel der Außenmodernisierung ist gemäß des NPM, den Aufgabenbestand des politischadministrativen Systems neu zu gestalten. Hierfür werden Markt- und Wettbewerbsmechanismen in den öffentlichen Sektor eingeführt, Aufgaben an zivilgesellschaftliche Akteure übertragen und die Kunden- und Bürgerorientierung erhöht. Insgesamt soll hierdurch das Beziehungsgeflecht zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft neu geformt werden. Die Binnendimension der Reform umfasst Reformziele und Maßnahmen, die die internen Strukturen des politischen Systems betreffen. In diesem Bereich berühren die Reformen die 30
Aufbau- und Ablaufstruktur. Im Mittelpunkt steht die Dezentralisierung von Einheiten mit dem Ziel, unternehmensähnliche Organisations- und Führungsstrukturen zu etablieren, das Verwaltungshandeln transparenter zu machen, die Qualität der Leistungen von Kommunalverwaltungen zu erhöhen und insgesamt eine Steigerung der verwaltungsinternen Effektivität und Effizienz zu erreichen (Schröter /Wollmann 1995). Zu diesem Zweck wird auch auf eine ergebnisorientierte Steuerung hingearbeitet, bei der zwischen der strategischen und operativen Verantwortung getrennt wird – was in der Regel den Versuch einer Trennung zwischen Politik und Verwaltung impliziert. Des weiteren sollen auch im öffentlichen Sektor Marktprinzipien stärker zum Tragen kommen insofern, als neue Rechnungslegungen eingeführt, eine Umorientierung bei der Budgetverantwortung vorgenommen, das Personalwesen modernisiert und die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien optimiert werden sollen. Insgesamt erhalten in diesem Konzept Prozesse der Liberalisierung einen höheren Stellenwert. Formelle und materielle Privatisierungen sollen – wo auch immer möglich – angestrebt werden (Reichard 2001, zitiert in Klenk /Nullmeier 2003: 9f.). In Deutschland wird zu Beginn der 1990er Jahre an die internationale Diskussion um Wege und Möglichkeiten der Reform der öffentlichen Verwaltungen durch NPM-Modelle unter dem Begriff des „Neuen Steuerungsmodells“ (NSM) angeknüpft (s. hierzu Jann 2005). Dabei wird insbesondere auf der Ebene der Kommunalverwaltung angesetzt mit dem Ziel, diese in Richtung eines öffentlichen Dienstleistungsunternehmens weiterzuentwickeln (Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung 1993). Im Mittelpunkt des Leitbildes einer reformierten, dienstleistungsorientierten Verwaltung stehen gemäß des NSM verschiedene Dimensionen der Veränderung (Bogumil /Holtkamp 2006):
Die Reform soll zu einer klaren Abgrenzung der Verantwortlichkeiten zwischen den beiden Bereichen der Politik und der Verwaltung führen. Im Sinne eines Kontraktmanagements sollen generelle Leistungsabsprachen vor Einzeleingriffen stehen. Das bedeutet, dass die ursprüngliche Steuerungsweise der Kommunalverwaltungen über Einzelanweisungen und hierarchische Eingriffe von einer Steuerung über Zielvereinbarungen abgelöst wird. Durch ein formalisiertes Berichtswesen soll außerdem die Kontrolle der Zielerreichung ermöglicht werden. Eine weitere Dimension umfasst die dezentrale Gesamtverantwortung im jeweiligen Fachbereich, die mit den oben genannten zentralen Steuerungs- und ControllingElementen verbunden werden soll. Und schließlich sollen Output-orientierte Instrumente der Verwaltungssteuerung mittels Produktdefinitionen, Kosten- und Leistungsrechnung sowie Budgetierung zum Einsatz kommen. Dementsprechend soll eine gezielte politische Steuerung ermöglicht werden, indem „Produkte“, also die zusammengefassten Leistungen der Verwaltung, hinsichtlich ihrer Qualität, der Menge und ihrer Kosten geprüft und eingesetzt werden.
Öffentliche Debatten und wissenschaftliche Studien zu diesem Thema konzentrieren sich in Deutschland zunächst schwerpunktmäßig auf den Aspekt der Binnendimension des Public Managements. Dessen theoretischer Hintergrund bildet maßgeblich das Vorhaben der Ablösung des Max Weber’schen Bürokratiemodells (vgl. Weber 1972: 551ff.). In der Steuerungspraxis auf lokaler Ebene haben die theoretischen Gegenentwürfe zu dem klassischen Modell der Hierarchie- und Regelsteuerung von Max Weber zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen geführt: Während in manchen Kommunen nur einzelne Elemente umgesetzt wurden, realisierten andere Kommunen alle vorgesehenen Maßnahmen (vgl. für die 31
Umsetzung und Implementation in 870 Städten und Gemeinden mit über 10 000 Einwohnern: Bogumil, Grohs et al. 2007). Evaluierungen des Implementationsstandes weisen insgesamt darauf hin, dass die Reformen in den Kommunen in Deutschland, die Public Management-Elemente durch das NSM einführten, primär den innerorganisatorischen Bereich berühren. Die Reformergebnisse betreffen daneben zumeist die Verwaltungsorganisation und kaum die lokale Politik. Als eines der maßgeblichen Reformergebnisse gilt die Erhöhung der Bürger- und Kundenorientierung. Nicht in dem angestrebten Ausmaß erreicht wurde insbesondere die klare Verantwortungsabgrenzung zwischen Politik und Verwaltung (s. Bogumil /Holtkamp 2006: 81ff.). Grund hierfür ist, dass eine Trennung aufgrund der engen Verknüpfung der beiden Bereiche beinahe unmöglich ist. Außerdem erwies sich gerade wegen der demokratietheoretischen Notwenigkeit eines funktionierenden Informationsflusses zwischen den beiden Einheiten eine strikte Verantwortungstrennung als nicht zweckdienlich (vgl. Bogumil, Grohs et al. 2007). Interessant im Zusammenhang mit der PPP-Thematik ist, dass die Außendimension, und damit Fragen nach der Neubestimmung öffentlicher Aufgaben, für die kommunale Ebene erst ab Mitte/ Ende der 1990er Jahre verstärkt ins Zentrum der Modernisierungsdebatte rückt (vgl. Bogumil /Holtkamp 2006: 82). Neben den internen Strukturen des öffentlichen Sektors steht nun also auch sein Volumen beziehungsweise die sogenannte „Leistungstiefe im öffentlichen Sektor“ (Naschold, Budäus et al. 1996) im Rahmen seiner Produktion von Dienstleistungen zur Diskussion. Mit letzterer Thematisierung wird die Bedeutung von PPPs als ein relevanter Aspekt in der Modernisierungsdebatte zunehmend diskutiert. Dies geschieht aus der Perspektive der Modernisierungstheoretiker und –Praktiker im Zusammenhang mit der Bemühung, den Wettbewerb zu öffnen und zu privatisieren (Bogumil /Holtkamp 2006: 93ff.). PPPs werden aus dieser Perspektive als Steuerungsarrangements mit dem zentralen Merkmal der kooperativ-wettbewerbsorientierten Handlungslogik als angemessene Lösungen öffentlicher Probleme nun auch für Aufgabenbereiche in Betracht gezogen, die in Deutschland zuvor traditionell von der öffentlichen Hand wahrgenommen werden. Ihre Funktion liegt gemäß der hier dargestellten Perspektive darin, die Effizienz öffentlicher Dienstleistungen im ökonomischen Sinne zu steigern, die Haushalte zu entlasten und damit letztlich auch den Investitionsanforderungen auf lokaler Ebene zu entsprechen. Aus dieser effizienz- bzw. marktorientierten Bedeutungszuschreibung zu PPPs nehmen neben den öffentlichen Akteuren – als Planern und Koordinatoren – die privatwirtschaftlichen Unternehmen eine herausragende Rolle ein: Sie sollen in die öffentliche Leistungserbringung zunehmend eingebunden werden. Dementgegen wird dem privatgemeinnützigen Bereich mit seinen korporativen Akteuren einschließlich des bürgerschaftlichen Engagements aus der Public Management-Perspektive eine eher nachgeordnete Rolle zugeschrieben. Finden gemeinnützige Organisationen oder das bürgerschaftliche Engagement denn doch Erwähnung, so werden sie mit der Funktion in Verbindung gebracht, den öffentlichen Bereich finanziell zu entlasten, indem durch sie vormals öffentliche Dienstleistungen nun privat erbracht werden. Solche Handlungsmodi, die dem gemeinnützigen Bereich durch andere Ansätze als zentral zugesprochen werden, etwa das partizipative und integrative Element und damit eine eigenständige Bedeutung, stellen aus dieser Sichtweise keine oder nur eine untergeordnete Rolle dar. An diesem Punkt knüpft das Modell der Governance an, auf das sich das nächste Teilkapitel bezieht.
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3.2 Public Private Partnerships als eine Ausprägung lokaler Governance PPPs werden in einer zweiten Betrachtungsweise als ein bestimmtes Arrangement kollektiven Handelns interpretiert, das charakteristisch ist für eine koordinierte und kooperative Art der Steuerung – namentlich „Governance“. Die Governance-Perspektive wird in der internationalen Debatte bereits seit längerem zentral diskutiert; sie hält jedoch erst seit einigen Jahren in die deutsche politik- und verwaltungswissenschaftliche Steuerungsdiskussion Einzug. Arbeiten der deutschen lokalen Politikforschung rekurrieren bisher seltener auf diese Perspektive; erst in jüngeren Jahren werden Anschlüsse zur Governance-Forschung für die lokale Ebene gesucht. So kann auch ein wesentlicher Unterschied im Erkenntnisinteresse der Governance-Debatte, wie sie in politik- und verwaltungswissenschaftlichen Studien eingeführt wird, im Vergleich zu dem Fokus der Studien der lokalen Politikforschung festgestellt werden: Governance-Analysen orientieren sich meistens an Politikergebnissen und damit an dem Output. Dahingegen beschäftigt sich die lokale Politikforschung hauptsächlich mit der politischen Willensbildung, politischen Entscheidungsträgern, dem Vergleich von Regierungssystemen auf Gemeindeebene, dem Einfluss institutioneller Rahmenbedingungen sowie dem Verhältnis zwischen Politik und Verwaltung auf kommunaler Ebene (Holtkamp 2006: 368) und charakterisiert sich damit schwerpunktmäßig durch einen Fokus auf den Input des politischadministrativen Systems. Lokale Politikergebnisse sind, der Governance-Perspektive folgend, abhängig von den zentralen Merkmalen des jeweiligen Arrangements. Governance-Arrangements können dabei stark variieren; sie unterscheiden sich je nach Form ihrer Ausprägung (Strukturen der Interaktion) und den ihnen innewohnenden Mechanismen (Prozesse, die innerhalb der jeweiligen Strukturen und der Handlungsmotive der Akteure angelegt sind und wirksam werden) (vgl. Benz, Lütz et al. 2007a: 14). So ist der Perspektive zentral, dass die Regelungsmechanismen bzw. institutionalisierten Regelsysteme der Hierarchie, der Mehrheitsregeln, der Verhandlungen und des Marktes in unterschiedlichen Kombinationen variabel eingesetzt werden, um politische und gesellschaftliche Lösungen herbeizuführen. Dies gilt ebenso für Modi kollektiven Handelns, die Governance in verschiedenen Kombinationen einschließen kann, wie etwa Netzwerke, Koalitionen, Verträge, Wettbewerb. Die beteiligten Akteure interagieren in dezentral organisierten, häufig umfangreichen Akteurskonstellationen, die sich durch eine vergleichsweise höhere Transparenz in den Entscheidungsstrukturen auszeichnen, als dies bei geschlossenen, hierarchischen Organisationsformen der Fall ist. Da sie aus verschiedenen Bereichen stammen, bringen die beteiligten Akteure unterschiedliche Ressourcen ein, die sie entsprechend ihrer jeweils eigenen Handlungslogiken bei der Interaktion, in der Entscheidungsfindung und in Zielerreichungsprozessen einsetzen. Als ein spezifisches Governance-Arrangement sind danach auch PPPs durch Variationen lokaler Ressourcen, Regelungsmechanismen und Handlungslogiken gekennzeichnet. Im Gegensatz zu der zuvor dargestellten effizienzorientierten New Public ManagementPerspektive steht im Zentrum der Überlegungen zu sektorenübergreifenden Kooperationen hier nicht maßgeblich eine an den Interessen der staatlichen Akteure ausgerichtete Lösung. Das zentrale Merkmal liegt vielmehr in dem Fokus auf die Kollaboration und die Koordination der unterschiedlichen Interessen der interagierenden öffentlichen, privatwirtschaftlichen und privatgemeinnützigen Akteure sowie auf das Verhältnis zwischen diesen Interessen, den Interaktionen und den Strukturen (Kooiman 2003). Insgesamt – und dies gilt auch für die Forschung mit Blick auf die lokale Ebene – können bei der Governance-Debatte drei unterschiedliche Anknüpfungspunkte identifiziert 33
werden (vgl. Benz 2004; Pierre 2005; Benz, Lütz et al. 2007a; Geißel 2007). Diese legen jeweils differierende Begriffsdimensionen zu Grunde. Ein erster Forschungsstrang nähert sich dem Governance-Begriff auf deskriptive Weise und fasst ihn vor dem Hintergrund der Betrachtung der empirischen Realität. Vertreter dieser Richtung konstatieren eine Veränderung von Strukturen und Mechanismen der Zusammenarbeit staatlicher mit privaten Akteuren hin zu „neuen Formen von Governance“ in netzwerkartigen, nicht-hierarchischen Formen lokaler Politik, die sie zu beschreiben suchen. Einer zweiten Dimension lassen sich Ansätze zuordnen, die sich dem Phänomen aus einer normativen Sichtweise nähern und wünschenswerte Formen lokaler Governance ins Zentrum des Interesses rücken. Das Schlagwort „Good Governance“ steht in dieser Dimension für die Diskussion darum, wie sich politische Steuerung und Koordination verändern sollten. Aus einer dritten Perspektive werden verschiedene Governance-Formen als Ausprägungen des Zusammenspiels der unterschiedlichen Regelungsmechanismen Hierarchie, Markt und Netzwerk interpretiert, dokumentiert und analysiert. Im Gegensatz zu den ersten beiden Dimensionen nutzen Vertreter dieser Perspektive Governance als einen Analysebegriff, der für eine bestimmte Sichtweise auf die empirische Wirklichkeit steht. Governance ist in dieser Lesart nicht Ausdruck für tatsächlich „neue“ Formen des Regierens, sondern stützt vielmehr als „Brückenkonzept“ die Auseinandersetzung mit bestehenden bekannten Formen und Mechanismen der Koordinierung zwischen Akteuren, deren Handlungen interdependent sind (Benz, Lütz et al. 2007a). Wie die Ausführungen zu Beginn dieses Teilkapitels bereits zeigen, beruht die vorliegende Arbeit auf diesem letzteren Begriffsverständnis. Begründen lässt sich dies durch einen Blick auf ein zentrales Argument der deutschen Governance-Debatte: Zu Beginn der Governance-Debatte in der deutschen Politikwissenschaft in den 1990er Jahren wird mit dem Fokus auf die lokale Ebene insbesondere das Argument hervorgehoben, dass – im Gegensatz zu hierarchischen Arten des Regierens – bei der Planung, Steuerung und Koordinierung lokaler Politiken im Sinne der Governance-Perspektive nicht ausschließlich die traditionell relevanten Steuerungsorgane des lokalen politischadministrativen Bereichs einbezogen werden. Vielmehr werden neben dem Rat, der Verwaltung und dem Bürgermeister auch weitere Akteure des lokalen Stadt- und Gemeindegeschehens aktiv: Privatwirtschaftliche Unternehmen, gemeinnützige Organisationen, die Zivilgesellschaft und Bürgerinnen und Bürger tragen zur Regelung und Leistungserbringung im öffentlichen Interesse bei. Der Slogan „von Government zu Governance“, der im Zusammenhang mit dieser Perspektive aufkommt, steht denn auch für eine Weiterentwicklung des Konzeptes des Regierens von einer durch das Merkmal der Hierarchie bestimmten Steuerung, die sich durch einen „top-down“-Führungs- und Organisationsstil charakterisiert, hin zur Integration weiterer gesellschaftlicher Teilbereiche. Jüngere Arbeiten (so z.B. Benz, Lütz et al. 2007b: 13), weisen allerdings darauf hin, dass die Gegenüberstellung der Begriffe „Government“ und „Governance“ in diesem Zusammenhang insofern fehlleitend sei, als sie die Vielfalt hierarchischer staatlicher Steuerungsmuster ignoriere. Governance wird hier deshalb, in einer analytischen Begriffsbestimmung und besagten Autoren folgend, „…als Oberbegriff für sämtliche vorkommenden Muster der Interdependenzbewältigung … zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren...“ gefasst, wobei „…Hierarchie im Sinne von Government als ein solches Muster neben anderen zu verstehen“ ist (Benz, Lütz et al. 2007a: 13). Die Abgrenzung von Governance zu Government im Sinne einer Abwendung von einer dominanten etatistisch-hierarchischen Gestaltung gesellschaftlicher Zusammenhänge erweist sich jedoch insofern als relevant, als sie vor dem Hintergrund der Entwicklung von Themenkonjunkturen und der mit diesen verbundenen Sichtweisen in der deutschen poli34
tikwissenschaftlichen Forschung zur Gestaltung gesellschaftlicher Zusammenhänge zu sehen ist7: Nach den zentralen Begriffen der „Planung“ in der „alt-institutionalistischen“ Politikwissenschaft der 1960er und frühen 1970er Jahre und der „Steuerung“ ab Mitte der 1970er Jahre bis in die 1980er Jahre hinein wird mit der Begrifflichkeit „Governance“ in den 1990er Jahren eine neue Schwerpunktsetzung ins Feld geführt. Solchen Ansätzen wird verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt, die bei der Analyse von Gestaltungsstrukturen und -prozessen über das engere politische System hinaus gehen, das in der alten Regierungslehre und Policy-Forschung als zentral erachtet wurde, und die konzeptionell sowie begrifflich eine Erweiterung des Politischen in Sphären gesellschaftlicher Handlungskoordination vornehmen8. Im Zuge dessen begegnen aktuelle Arbeiten zu Governance einem Kritikpunkt, der bereits Mitte der 1980er Jahre verstärkt aufkam und nach dem der Politikwissenschaft „…zentrale Fragen, nach Macht, Herrschaft und Interessen und auch… nach der Legitimität verloren“ gehen (Hartwich 1985: 5). Ein zentrales Politik- oder Steuerungsergebnis der PPP liegt aus der GovernancePerspektive zum einen in der Steigerung der Effektivität im Rahmen der Koordination und Leistungserbringung im öffentlichen Interesse. Erhöht wird die Effektivität, indem die unterschiedlichen zur Verfügung stehenden Ressourcen der involvierten Partner genutzt werden. Neben der Effektivität ist für den Charakter der Kooperation von PPPs im Rahmen der Governance-Perspektive zum zweiten die Qualität ein relevanter Aspekt. Mischungen unterschiedlicher Ressourcen, Handlungslogiken und Regelungsmechanismen können durch die entsprechende Koppelung, problemadäquat eingesetzt, zu einer qualitativen Verbesserung der Leistungserbringung im öffentlichen Interesse führen. Allerdings existiert nicht der optimale Mix; vielmehr müssen je nach Problemzusammenhang, den Spezifika auf der betreffenden lokalen Ebene und den Rahmenbedingungen, etwa in einem betreffenden Politikfeld, ganz unterschiedliche Voraussetzungen berücksichtigt werden. Durch die soziale Interaktion der beteiligten Akteure und ihrer Auseinandersetzung mit den jeweils spezifischen Zielen, Routinen und Normen der Partner können letztlich Lernprozesse stimuliert sowie Kreativität und Innovation freigesetzt werden. Zudem wird angenommen, dass durch die Kooperationen ein weiteres Nebenprodukt entstehen kann, das sich aus demokratietheoretischer Sicht positiv auf die Legitimität politischer Strukturen, Prozesse und Inhalte auswirken kann: durch „weiche“ Steuerungsstrukturen entstehen Vertrauens- und Solidaritätsbeziehungen, die in der Folge zu Prozessen gesellschaftlicher Integration beitragen können.
7 Während in der frühen, „alt-institutionalistischen“ Politikwissenschaft der 1960er und beginnenden 1970er Jahre der Begriff der Planung mit dem Verständnis der etatistischen, also hauptsächlich hierarchischen Gestaltung zentral ist, wird anschließend, einher gehend mit dem aus den USA stammenden Trend einer empirisch orientierten Implementationsforschung, umgedacht. Der Begriff der Steuerung ist in der Folge paradigmatisch für eine Herausforderung des frühen Planungsverständnisses. So weist die empirische Politikforschung darauf hin, dass politische Gestaltung durch hierarchische Planung nicht funktioniert habe, und theoretische Ansätze, insbesondere die Systemtheorie, kritisieren die Unterkomplexität der bisherigen Ansätze. Vielfältige Interessen und Einflüsse der in komplexen Konstellationen aktiven Steuerungssubjekte werden analysiert, mehr oder weniger geschlossene gesellschaftliche Teilsysteme entdeckt und die Eigendynamik der Steuerungsobjekte und die Möglichkeit der Kontingenz thematisiert. Diese Entwicklung kann hier nur in aller Kürze und eher stichwortartig skizziert werden. Für eine ausführlichere Darstellung siehe zum Beispiel (Mayntz 1996; Benz 1997; Benz, Lütz et al. 2007a). 8 Diese Skizzierung der drei Entwicklungsschritte von Planung über Steuerung zu Governance bezieht sich auf eine von mehreren Wurzeln der Governance-Perspektive, die in der Policy-Forschung zu verorten ist. Eine weitere politikwissenschaftliche Entwicklungslinie lässt sich im Bereich der internationalen Beziehungen ausmachen. Schließlich existiert noch eine wirtschaftswissenschaftliche Forschungsrichtung zu Governance, die in der Institutionenökonomik wurzelt (s. hierzu z.B. Benz, Lütz et al. 2007a: 10f.).
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Die Analyse des Zusammenwirkens von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft in PPPs hebt schlussendlich aus der Sicht der aktuellen Governance-Debatte drei zentrale Herausforderungen hervor, die die Rolle der PPP im Zusammenhang mit Local Governance berühren: Fragen der Interdependenzbewältigung, der „Accountability“ (Zuordnungsmöglichkeit) sowie der Folgen für die Legitimität. Auf diese drei Punkte werde ich im Folgenden abschließend eingehen. Die Thematik der Interdependenzbewältigung rückt insbesondere die Interessen der Beteiligten, die Interaktionen zwischen den Akteuren und die Strukturen (die Machtverteilung und/oder Institutionen) in den Mittelpunkt und fragt, wie diese drei Aspekte kausal wirken (Benz, Lütz et al. 2007a: 16). Die Wirkungsweise ist aufgrund der Vielfalt der empirisch zu identifizierenden Governance-Arrangements nicht generell zu beantworten. In aktuellen Studien wird deshalb stets auch auf die Notwendigkeit hingewiesen, GovernanceArrangements vor dem Hintergrund der jeweiligen strukturellen Rahmen- und Interaktionsbedingungen sowie der spezifischen Bedingungen für das Handeln der Akteure zu sehen. Der Bedarf an Fallstudien für unterschiedliche Politikfelder, institutionelle Arrangements und Akteurskonstellationen ist deshalb groß (s. z.B. Benz 2004; Heinelt 2004). Ein zweiter, zentraler Diskussionsstrang im Rahmen der Perspektive auf PPPs als Governance-Arrangements kreist um das Schlagwort der „Accountability“. Damit in Verbindung steht die Frage nach der Zuordnungsmöglichkeit der Politikergebnisse zu Akteuren, deren Handlungslogiken und Kompetenzen – und insbesondere nach deren Rechenschaftspflicht und Verantwortung sowie der Transparenz politischer Entscheidungen. Eine zweite Herausforderung von aktuellen Governance-Analysen liegt demnach darin, die zentralen Gründe für Erfolge und Misserfolge von Governance durch detaillierte Beschreibungen und systematische Analysen offenzulegen Ein dritter Diskussionsstrang berührt die Frage, ob und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen PPPs als Governance-Arrangements Auswirkungen auf die Legitimität politischer Entscheidungen haben. Hier existieren unterschiedliche Auffassungen: Auf der einen Seite steht die These, eine breite Partizipation verschiedener Akteursgruppen in Willensbildungs-, Entscheidungsprozessen und der Implementation wirke sich positiv auf die Identifikation vieler mit Politiken und Politikergebnissen aus und steigere die Legitimität. Entgegen diesem Argument wird auf der anderen Seite die Abhängigkeit eines legitimitätssteigernden Elements davon konstatiert, wie die Governance-Arrangements tatsächlich zusammengesetzt sind. Hier sehen Kritiker Gefahren in einer Generalisierung. PPPs werden, dieser Argumentationslinie folgend, weniger als demokratiefördernde Arrangements denn vielmehr als Werkzeuge hin zu einer versteckten Privatisierung betrachtet, in denen insbesondere diejenigen wirtschaftlichen Akteure das Politikergebnis bestimmen, die über die höchsten materiellen Ressourcen verfügen (s. hierzu das folgende Kapitel 3.3.3). Herausforderungen ergeben sich bei diesem Diskussionsstrang für die demokratietheoretisch orientierte Governance-Forschung. Die Interpretation von PPPs als Governance-Arrangements, die als Werkzeuge hin zu einer versteckten Privatisierung die Legitimität politischer Entscheidungsprozesse in Frage stellen, schafft einen fließenden Übergang zur Perspektive, die im folgenden Teilkapitel besprochen wird und die PPPs zentral mit Privatisierungstendenzen in Verbindung bringt.
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3.3 Public Private Partnerships im Kontext von Privatisierung Vertreter eines dritten politischen und fachwissenschaftlichen Debattenstranges stellen als Ausgangspunkt ihrer Diskussion die Frage in den Mittelpunkt, inwiefern – und, wenn dem so ist, in welchem Ausmaß – die Auseinandersetzung mit öffentlich-privaten Partnerschaften einer Abgrenzung von der Thematik der Privatisierung bedarf. Grundlegend wird in dieser Debatte davon ausgegangen, dass PPPs vor dem Hintergrund eines Wandels der Arbeitsweise der öffentlichen Hand zu betrachten sind, in deren Rahmen zunehmend private Partner in die Leistungserbringung einbezogen werden. Gesprochen wird in diesem Zusammenhang auch von einem Paradigmenwechsel vom Leistungsstaat zum Gewährleistungsstaat. Hinter diesem Bild steht die Beobachtung, dass sich organisationale Konstellationen wandeln, dass privatwirtschaftliche Unternehmen in vielfältige Bereiche vormals rein öffentlicher Leistungserbringung verstärkt eingebunden werden und sich parallel die Art und Weise der Einflussnahme des Staates wandelt. Letzterer ist nun auf eine Aufsichtsfunktion beschränkt. Ein zentrales Argument ist, dass Kooperationen zwischen privaten und öffentlichen Akteuren im Allgemeinen zwar schon in vielen Politikfeldern seit jeher vorzufinden seien, PPPs jedoch in der beobachteten Situation eine neue Variante der Erledigung öffentlicher Aufgaben darstellten. Die Vertreter dieser PPP-Debatte vereint außerdem, dass sie der PPP zunächst einmal eine spezifisch funktionale Bedeutung zuschreiben. Diese funktionale Bedeutung basiert auf einem politisch-ökonomischen Blick auf die Funktionsweise und die diese bedingenden Umstände. Dieser Fokus führt allerdings zu unterschiedlichen Auslegungen der Rolle von PPPs im Zusammenhang mit der lokalen Steuerung und Koordinierung öffentlicher Aufgaben9. So bewegen sich die hier assoziierten Annahmen in dem weiteren Spektrum einer Interpretation von PPPs vor dem Hintergrund von Privatisierungs- und Deregulierungsentwicklungen, über eine Zuschreibung einer symbolischen Bedeutung von PPPs für eine allgemeinere Tendenz zur Privatisierung10, bis hin zur Einordnung von PPPs als eine eigene Form der Privatisierung. Die Abwandlungen der Bedeutungszuschreibung von PPPs im Zusammenhang mit Privatisierung lassen sich zusammenfassend durch drei verschiedene Argumentationszusammenhänge wiedergeben: Aus einer ersten, politik- und verwaltungswissenschaftlichen Perspektive mit rechtssystematischem Schwerpunkt wird die These vertreten, PPPs seien klar von Formen der Privatisierung abzugrenzen. Die Unterschiede zwischen PPPs und Privatisierungsmodellen werden dabei durch den Verweis auf die Art und Weise der Aufgabenverteilung zwischen privaten und öffentlichen Akteuren sowie hinsichtlich der Frage nach den Eigentumsrechten der öffentlichen Hand beurteilt: So wird davon ausgegangen, dass PPPs eine Form funktionaler Arbeitsteilung zwischen öffentlichen und privaten Akteuren darstellen, die aus Sicht der öffentlichen Hand gerade darauf zielt, die Aufgaben eben nicht vollständig an die Privatwirtschaft abzugeben. Würde ein Rückzug des Staates einschließlich der Abgabe der Aufgaben an private Akteure einer Privatisierung entsprechen, sei hingegen bei der PPP der Staat doch gerade daran interessiert, Leistungen eigens zu gewährleisten und bereitzustellen. Dies zeige sich durch seine Beteiligung an der Kooperation (Graef 2006: 7f.). Gemäß 9 Die hier assoziierten Ansätze variieren denn auch bereits in ihren Grundannahmen zu PPPs – ihre Inspiration finden sie bei der Debatte um das (verwaltungsökonomische) Public Management, bei marxistischen bzw. neomarxistischen oder auch post-strukturalistischen Annahmen. Vertreter dieser Ansätze stammen aus Wirtschaft, Public Management-Praxis und -Forschung sowie aus der Wirtschafts-, Politik-, Verwaltungswissenschaft und der Soziologie. 10 In der Perspektive auf PPPs als Symbol für Privatisierungen werden diese nicht unbedingt selbst als Privatisierung definiert.
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dieser Argumentationslinie besteht ein zweites zentrales Merkmal bei der Privatisierung in dem Übergang vormals öffentlicher Eigentumsrechte in private Hände. Davon unterscheide sich die PPP wiederum, da die öffentliche Hand bei dieser Form der Kooperation Eigentümerin bleibe. Studien, die auf dieser These aufbauen, verfolgen in der Regel das Ziel, die wirtschaftlichen und managerialen Hintergründe des Funktionierens von PPPs herauszustellen, zu klären, wer die beteiligten Akteure sind und wie ihre Zuständigkeiten und Handlungen aussehen. Des Weiteren suchen sie, die Aspekte zu beschreiben, die die jeweilige Zielerreichung der PPP leiten und sie nach Effizienz- sowie Effektivitätskriterien zu beurteilen. Einen wichtigen Stellenwert nimmt auch die Evaluierung der Chancen und Risiken von PPPs im Vergleich zur „traditionellen“, in der Regel öffentlichen, Leistungserstellung ein. Die grundlegende Annahme dieser deutlichen Abgrenzung der PPP von Privatisierungsprozessen mit primär effizienz- und effektivitätsbezogener Bedeutungszuschreibung ist letztlich, dass PPPs eine Alternative zu Privatisierungen darstellen. Dem gegenüber werden PPPs aus konträrer Sichtweise vielmehr als ein Symbol für Privatisierungsbestrebungen, als ein Türöffner für tatsächliche Privatisierungsvorhaben oder gar als eine eigene Form der Privatisierung betrachtet. Einer kritisch-normativen Variante dieser Privatisierungs-These entsprechend sind PPPs relevante Symbole für allgemeinere Privatisierungs-, Kommerzialisierungs- und Liberalisierungstendenzen. Auch Vertreter dieser These stellen für die letzten 10 Jahre einen rapiden Bedeutungszuwachs von PPPs fest. Dieser Trend ist danach im Zusammenhang mit einer Entwicklung zu sehen, die in erster Linie durch den Rückzug des Staates und die verstärkte Einflussnahme privater Akteure in öffentliche Entscheidungsprozesse und die Leistungserbringung geprägt ist und der durch die Vertreter dieses Debattenstranges kritisch begleitet wird. In der Folge eines Wandels der Rolle des Staates spielen aus dieser Perspektive rahmende Elemente eine besonders zentrale Rolle: Zum einen werden die verschiedenen Ebenen, auf denen Politikformulierung stattfindet, neu ausgerichtet und geprägt. Auf internationaler und globaler Ebene zeigt sich dies in der zunehmenden Regulierung, auf regionaler und lokaler Ebene in der Gegenüberstellung einer Ausweitung der Ökonomie auf neue Bereiche und Felder auf der einen Seite, mit der geringeren Möglichkeit direkter staatlicher Eingriffe auf der anderen Seite. Im Zuge dieser Entwicklung nehmen strategische öffentlich-private Kooperationen auf lokaler Ebene entsprechend den Vertretern dieser Privatisierungsthese eine heikle Rolle in Prozessen der Vermarktlichung ein: Sie sind angebotsorientierte Instrumente der im Standortwettbewerb um attraktive Bedingungen konkurrierenden Kommunen – sie rivalisieren um an den Standort gebundene Produktionsfaktoren, Investitionen, zukunftsträchtige Unternehmen, hochqualifizierte Arbeitskräfte, Innovationen und Imagefaktoren. PPPs treten in diesem Wettbewerb, dessen Angelpunkt in erster Linie in der wirtschaftlichen Prosperität liegt, als ein „Durchgangsstadium zur vollständigen Privatisierung“ (Budäus 2003 zitiert in Sack S. 256) auf. Folgen der Entwicklung liegen in starken wirtschaftlichen Abhängigkeiten gemeinwohlorientierter Aufgabenbereiche auf kommunaler Ebene, die mit politischen Kontrollverlusten einhergehen. Über diese Betrachtung hinaus, wird gelegentlich auch eine absichtliche strategische Komponente im Veränderungsprozess angenommen. So folgern beispielsweise Vertreter des globalisierungskritischen Netzwerks „attac“, PPPs würden als neoliberale Instrumente bewusst eingesetzt, um „die Spielräume für demokratische und zivilgesellschaftliche Einflussnahme auf und Kontrolle von wirtschaftlichen Prioritäten und politischen Entscheidungen zugunsten privatwirtschaftlicher Interessen einzuschränken“ (Hoerig 2006). Entgegen der Devise der normativ-kritischen Ansätze, PPPs seien als neoliberale Marketinginstrumente im Zuge der Privatisierungsbewegung abzulehnen, werden PPPs aus 38
deskriptiv-analytischer Sicht als eine mögliche institutionelle Variante der Kooperation und der öffentlichen Leistungserbringung interpretiert. Diese ist für vormals überwiegend staatlich zu erledigende Aufgabenbereiche zuständig. Die rationale Entscheidung für oder gegen eine Leistungserbringung durch PPPs wird danach vor dem Hintergrund einer sorgfältigen, strategischen Abwägung in kriterien- und erfolgsgesteuerten Entscheidungsprozessen gefällt. PPPs sind im Zusammenhang mit den NPM-Reformen und insbesondere mit einer „…ressourcenmäßige[n] und damit verbunden auch zunehmend institutionelle[n] Verknüpfung beider Sektoren…“ zu erklären (Budäus /Grüb 2007: 246). Sie sind dieser Auslegung folgend also im doppelten Sinne mit der Privatisierungsthematik verquickt: Zum einen sind sie vor dem weiteren Hintergrund von Maßnahmen der Privatisierung und Deregulierung zu sehen, die in den letzten beiden Jahrzehnten dazu führten, dass sich Aufgabenübernahmen des öffentlichen und des privatwirtschaftlichen Sektors in wesentlichen Bereichen verstärkt überschnitten und ihre Spezifika sich annäherten, kreuzten oder gar geradezu agglomerierten (s.a. Budäus /Grüb 2007: 246). Zum anderen wird auf die Möglichkeit eines fließenden Übergangs von PPPs zur Privatisierung hingewiesen (Budäus /Grüb 2007: 268) und betont, dass manche PPP-Varianten schließlich selbst eine bestimmte Form der Privatisierung darstellen. Je nach Ausmaß sowie Art und Weise des Einbezugs Privater in vormals öffentliche Aufgaben ist die PPP dann auf einem Kontinuum zwischen geringem und starkem Privatisierungsgrad einordbar. Aus dem Spektrum der verschiedenen Privatisierungsbegriffe11 wird am häufigsten die materielle Privatisierung und, als eine Unterkategorie dieser, die funktionale Privatisierung mit PPP-Modellen in Verbindung gebracht12. Als eine Form der funktionalen Privatisierung wohnt der PPP-Praxis die Beauftragung privater Partner für eine Aufgabenerledigung im öffentlichen Interesse inne. Die Verwaltungsaufgabe einschließlich Weisungsbefugnis und Garantenstellung – also insbesondere die eigentliche Verantwortung – verbleibt jedoch im Zuständigkeitsbereich des administrativen Trägers (vgl. Witte 1994: 525f.; Bauer 2005: 12.f.). Für viele Vertreter dieser Argumentationslinie ist im Anschluss an den Fokus auf die Beziehung zwischen Prinzipalen und Agenten (Auftraggeber und Auftragnehmer) schließlich der Verantwortungsbegriff der zentrale Punkt bei der Einschätzung der Verbindung zwischen PPPs und dem Privatisierungs-Kontext. Naschold, Budäus, Reichard et al. (1996) unterscheiden etwa zwischen der Gewährleistungsverantwortung für die Garantie zielgerichteter Leistungserbringung, der Finanzierungsverantwortung für die Gewährleistung der Finanzierung sowie der Durchführungsverantwortung beim Vollzug einer Leistungserstellung. Aus dieser Perspektive ist die PPP ein institutionelles Arrangement, das als Ergebnis einer Institutionenwahl im besten Fall die optimale Lösung darstellt. Die Voraussetzungen dafür sind allerdings insofern hoch, als transparente und messbare Leistungsstandards erforderlich sind, klare Spielregeln der Vertragsgestaltung und des Vertragsmanagements existieren und auch eingehalten werden müssen und auf der Seite der Auftraggeber das notwendige und umfassendes Know-how vorhanden sein muss (Naschold, Budäus et al. 1996: 101ff.). Um der Komplexität der sich neu entwickelnden Kooperationslandschaft gerecht zu werden, suchen deskriptiv-analytische Ansätze durch die Analyse der Principal-Agent11 Die Diskussion um Privatisierung reicht bis in die 1920er Jahre zurück und birgt unterschiedliche Definitionen, Konzepte und Ansätze in sich. Dabei wird beispielsweise zwischen der Vermögensprivatisierung, der Liberalisierung, der Privatisierung der Finanzierung sowie der Privatisierung im engeren Sinne unterschieden (s. hierzu z.B. Schmette 2005: 28ff.). 12 Der materiellen Privatisierung, als sogenannter „Aufgabenprivatisierung“, wird in der Literatur die formale Privatisierung gegenübergestellt. Zu letzerer werden finanzwirtschaftliche Modelle (z.B. Betreibermodelle, Leasing, Fondsmodelle, Faktoring) sowie die rechtliche Privatisierung (z.B. in Form von Eigen- und Regiebetrieben) gezählt (vgl. z.B. Witte 1994; Bauer 1998; Schmette 2005).
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Beziehungen, der Organisationstrukturen und -Prozesse und/oder durch Typenbildungen eine Ordnung in die Vielfalt zu bringen. Letztlich betont diese Perspektive auch die Fülle und Vielgestalt der empirisch möglichen und vorzufindenden PPP-Arrangements. Mit ihr assoziierte Ansätze zielen darauf ab, Voraussetzungen und Funktionsbedingungen unterschiedlicher Konstrukte zu beschreiben, Konzepte für ihre Funktionsweise zu entwickeln und die jeweiligen poltischen Konsequenzen der institutionellen Arrangements für die öffentliche Verwaltung und das Gemeinwohl zu verstehen. In ihrer aktuellen Praxis bergen PPPs danach grundlegende Performanzprobleme (s. hierzu etwa Budäus /Grüb 2007): Ohne ein professionelles Vertrags- und Prozessmanagement, das auf die spezielle PPP-Situation ausgerichtet ist, kommt es zu Informationsasymmetrien zwischen den Partnern. Des Weiteren kann die Bildung von Sozialkapital, die in der Regel mit einer positiven, transaktionssenkenden Wirkung assoziiert wird, im Zusammenhang mit unzureichender oder fehlender Kontrolle Korruption begünstigen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht basieren die in der Praxis vorzufindenden Wirtschaftlichkeitsvergleiche zudem auf einem undifferenzierten Verfahren und sind nicht valide. Sie sind auf der Grundlage der aktuellen Rechnungslegung in öffentlichen Verwaltungen nicht möglich und würden zunächst eine Reform des Haushalts- und Rechnungswesens erfordern. Zudem ergeben sich durch eine Aufhebung der Kontrolle durch parlamentarische Gremien in der PPP-Praxis (insbesondere bei Organisations-PPPs) Kontroll- und Legitimationsprobleme der öffentlichen Ressourcenverwendung. Damit „…die tatsächliche Herrschaft über die Art und Weise der Aufgabenerfüllung [nicht] unter der Hand auf die privaten Akteure übergehen kann…“, dadurch Legitimationsdefizite entstehen, das Demokratieprinzip in Frage gestellt wird und die Steuerung durch demokratisch legitimierte Organe… [nicht] …zur Illusion“ wird, müssen „Vorkehrungen zur Absicherung effektiver Steuerungs-, Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten des Verwaltungsträgers getroffen werden“ (Bauer 2005: 13). Das Verständnis von Zielen, die im Zusammenhang mit einer Entwicklung hin zu oder einer Entscheidung für PPPs stehen, beruht in allen Argumentationslinien um PPPs und Privatisierung, ähnlich dem Public Management-Erklärungsansatz, auf dem Gedanken, dass diese ebenfalls im Kern das Thema „Effizienzsteigerung“ berühren. Öffentlich-private Partnerschaften werden aus dieser Sichtweise primär in ihrer wirtschaftlichen Funktionsweise und hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen analysiert. Dabei bleibt es jedoch nicht bei der Frage, wie effizient die Arrangements sind; die Ansätze beschäftigen sich weiterführend damit, ob überhaupt und – wenn dem so ist – in welchen Formen öffentliche Aufgaben im Rahmen von PPPs effizient erfüllt werden können. Im Mittelpunkt des Interesses stehen des Weiteren die politischen Implikationen im Zusammenhang mit PPPs, die in ihren Chancen, insbesondere aber in ihren Risiken maßgeblich evaluiert und interpretiert werden. Deshalb gehen einige Ansätze dieser Debattenrichtung über die Prüfung von Effizienz- und Effektivitätskriterien hinaus und zollen der Frage Aufmerksamkeit, inwiefern die kooperative Leistungserstellung und Aufgabenerfüllung die demokratische Legitimität, die Transparenz von und die Kontrolle in politischen Prozessen steigern bzw. behindern. Dies gilt in erster Linie für die Varianten, die die PPP nicht von der Privatisierung abgrenzen, also die letzten beiden dargestellten Verständnisse. Die hier vertretenen Ansätze kreisen um einen weiteren wichtigen Diskussionspunkt: Es handelt sich hier um eine Sichtweise auf PPPs, die sich durch den Fokus auf den Einbezug Privater in öffentliche Aufgaben charakterisiert. Dies geschieht aus der Sicht der öffentlichen Verwaltung. Dahingegen ist gerade der Governance-Ansatz dadurch gekennzeichnet, dass er versucht, eine Perspektive auf die Kooperationspartner einzunehmen, die deren jeweils eigenen Beiträgen und Handlungslogiken bei der Analyse explizit Beachtung 40
zollt. Hieran anknüpfend ist eine weitere Besonderheit bei der Argumentation in der Privatisierungs-Debatte zu benennen: Abgesehen von wenigen Ausnahmen wird unter der Bezeichnung des Privaten ausschließlich der privat-wirtschaftliche Bereich verstanden; der private Bereich gemeinnütziger Organisationen als Partner in PPPs wird ausgeklammert. Sogenannte „tripartite Partnerschaften“ spielen insofern in dieser Debatte eine geringe bis gar keine Rolle. Vielmehr stehen im Mittelpunkt des Interesses die strategischen Kooperationsbeziehungen zwischen der Verwaltung und der Privatwirtschaft. Der individuellen Ebene des gemeinnützigen Bereichs, dem bürgerschaftlichen Engagement, wird – in Anlehnung an die Argumente des Sozialkapital-Ansatzes – als Vertrauen-generierende und identitätsstiftende Ressource eine funktionale Bedeutung zugesprochen (Sack 2007b). Werden PPPs aus der Sicht der ersten dargestellten Argumentationslinie primär in ihrer Funktionsweise evaluiert, wird ihre Bedeutung in normativ-kritischen Ansätzen unverkennbar negativ konnotiert. Es wird davor gewarnt, dass durch die zunehmende Entwicklung hin zu PPPs die Bereiche öffentlicher Leistungserbringung und Aufgabenübernahme immer mehr durch privatwirtschaftliche Akteure und Logiken kontrolliert und beherrscht werden. Dieser Ablehnung von PPPs setzt die deskriptiv-analytische Denkrichtung das Argument der Unterkomplexität der Sichtweise entgegen. Die PPP-Praxis berge zwar deutliche Gefahren. Letztlich gebe es jedoch vor dem Hintergrund der ökonomischen Bedingungen, der öffentlichen Verschuldung und auch der Verantwortung gegenüber den folgenden Generationen keine Alternative zu dieser Entwicklung hin zur institutionellen Variante der PPP in die öffentliche Aufgabenerledigung. Im Zusammenhang mit der Zunahme der Bedeutung von PPPs als „..Vorläufer und Wegbereiter einer neuen […] Privatisierungsbewegung in Deutschland…“ (Budäus /Grüb 2007) könnte danach lediglich versucht werden, die dieser Entwicklung innewohnenden Gefahren zu reduzieren. Diese Gefahren werden insbesondere in Betreiberrisiken für die öffentliche Hand gesehen, in dem – insbesondere struktur- und bevölkerungsschwache Regionen treffenden – ausgrenzenden Charakter hinsichtlich der Realisierung von Infrastrukturleistungen, in der Entwicklung weg von der kollektiven und hin zur ausschließlich nutzenorientierten, an individuellen Maßstäben orientierten Steuerung bei öffentlicher Preisregulierung sowie in der Gewährleistung der Versorgungssicherheit. Wie bereits schon oben angeführt, spielt damit die Beschäftigung mit den Macht- oder Herrschaftsverhältnissen eine wichtige Rolle. Im nächsten Kapitel wird dieser Gedanke aufgegriffen, indem die PPP-Diskussion mit Annahmen der angelsächsischen Tradition der lokalen Politikforschung verknüpft wird. PPPs werden mit Machtkonzepten der local politics-Forschung verbunden. Ihre Rolle wird im Zusammenhang mit Einflussstrukturen diskutiert, die die Durchsetzung lokaler Politikinhalte ermöglichen sowie einschränken können. 3.4 Public Private Partnerships als Ausdruck lokaler Mächtekonstellationen In diesem Kapitel wird eine Perspektive angeführt, die zwar durch die aktuelle Debatte zu lokalen PPPs in Deutschland lediglich gestreift wird, die jedoch aus Defiziten in der empirischen Forschung begründet und aus Argumenten der lokalpolitischen Forschungstradition der „community power“-Studien im angelsächsischen Raum ab den 1950er Jahre hergeleitet werden kann. Aufgezeigt wird, dass PPPs des Weiteren als Ausdruck lokaler Mächtekonstellationen betrachtet werden können. Die Auseinandersetzung mit Konzepten der Macht bildet in den Sozialwissenschaften traditionell eine der zentralen Debatten. Bereits Max Weber fragte nach Macht in der Poli41
tik und diskutierte den Machtaspekt im Sinne einer Möglichkeit der Durchsetzung. An diese Sicht Webers auf Macht und Herrschaft anknüpfend benennt Renate Mayntz den zentralen Kritikpunkt der „Selektivität“ der Governance-Perspektive (Mayntz 2004: 74f.), die zu einer Nicht-Thematisierung und Ausblendung „der Konsequenzen einer dominanten Machtlogik“ führe (Mayntz 2004: 74f.). PPPs als Governance-Arrangement zu verstehen impliziert einen strukturalistischen Blick auf die Regelungsformen und -mechanismen im Zusammenhang mit der Leistungsfähigkeit institutioneller Arrangements zur Bereitstellung von Kollektivgütern sowie auf die Strukturen bei der Lösung kollektiver Probleme. So ermöglicht diese Perspektive auch, Bedingungen für ein Steuerungsversagen und mögliche Voraussetzungen für Machtasymmetrien einzubeziehen. Allerdings, so das Argument von Mayntz, zeigt sich die „Machtblindheit“ der Governance-Perspektive vielmehr in der Frage nach der tatsächlichen Präsenz der Steuerungsabsicht von in die Regelung kollektiver Prozesse involvierter Akteure, die durch den Fokus unterstellt wird (Mayntz 2004; Benz, Lütz et al. 2007a): Durch ihren Blick auf kollektive Prozesse und Strukturen wird das Handeln einzelner ausgeblendet. Damit wird auch die Möglichkeit verspielt, relevante Bedingungen für eine fehlende Koordination auf der Ebene der Akteure zu erfassen, die – so die Annahme – dadurch begründet ist, dass möglicherweise überhaupt keine Steuerungsabsicht vorliegt. Als denkbare Beispiele für solche Gründe für ein Machtstreben oder eine Machterhaltungsbestrebung führen Benz et al. etwa die Selbstbereicherung (rent seeking) an, die absichtliche Nichtentscheidung offener Fragen (non-decision-making) oder das Verlagern von Fragen und Problemen in andere Handlungszusammenhänge (Benz, Lütz et al. 2007a: 19). Im Gegensatz zur eher randständigen Thematisierung von Macht im Kontext der Governance-Perspektive, bei welcher vielmehr der Koordinations- und Regelungsaspekt im Mittelpunk steht, kreist die Argumentation des Privatisierungsansatzes ganz zentral um den Aspekt der Macht: Hier wird aus normativ-kritischer Sicht argumentiert, PPPs würden zu wenig in ihrer heiklen machtpolitischen Bedeutung im Rahmen von Regulierungsbestrebungen erfasst. Zwischen öffentlichen und privaten Akteuren bestünden entscheidende Interessenkonflikte und Machtungleichgewichte, die im Rahmen von Privatisierungs- und Liberalisierungsprozessen fatale Auswirkungen zeitigten. Der wirtschaftliche Bereich, so die Befürchtung, erhalte durch sogenannte „creeping privatisation processes“ (Dickhaus /Dietz 2005: 103), zu denen die zahlenmäßige Zunahme von PPP-Konstrukten auf lokaler Ebene zu rechnen sei, einen stärkeren Einfluss auf Thematiken, die im öffentlichen Interesse stünden. PPPs seien damit Teil eines Entdemokratisierungsprozesses, im Rahmen dessen die Reduktion der Möglichkeiten für öffentliche Akteure, Einfluss auszuüben und Politikinhalte zu formen, zu geringerer Transparenz, Korruption sowie demokratisch nicht legitimierten Entscheidungsprozessen im Bereich der öffentlichen Leistungserbringung führe. Alternativen zu den derzeitigen Modellen der öffentlichen Leistungserstellung müssten folglich an der Frage der Machtbalance innerhalb der Gesellschaft ansetzen (Dickhaus /Dietz 2005: 103f.). In Anbetracht der Formulierungen dieser Desiderate im Zusammenhang mit den dargestellten PPP-Debatten kann zusammenfassend aus politik- und verwaltungswissenschaftlicher Perspektive eine Unterbelichtung des Aspektes der Macht hinsichtlich analytischer Ansätze festgestellt werden. Dieser Kritikpunkt wird sowohl durch die Governance- als auch durch die Privatisierungsdebatte unterstrichen. Die beiden Perspektiven weisen gleichwohl implizit auf grundlegende Unterschiede in der Perspektive auf Macht hin. Wird der Aspekt eines Machtungleichgewichts im Zusammenhang mit der Privatisierung als Folge bzw. Risiko der Entscheidung für PPPs diskutiert (s.o.), stehen die Konzepte der Macht oder der Herrschaft in weiteren Ansätzen, die ebenfalls anschlussfähig 42
für öffentlich-private Partnerschaften gemacht werden können, im Fokus der Untersuchung. Dies gilt beispielsweise für das Konzeptualisieren von Partnerschaften als „Regierungskunst“ im Zusammenhang mit der Subjektivierung und in Anschluss an Argumente der Foucault’schen Gouvernementalitätsperpektive (vgl. Sack 2006b). Diese Definition, nach der Macht eben nicht als eine Struktur oder Institution begriffen wird, steht wiederum der Sichtweise ausgewählter organisationstheoretischer Ansätze entgegen. Organisationstheoretischen Ansätzen folgend wird nämlich darauf hingewiesen, dass Machtungleichgewichte in den unterschiedlichen Zugängen zu Ressourcen in den Organisationsumwelten begründet sind. Damit wird Macht als Struktur gefasst. An diesen Gedanken wird im Folgenden angeknüpft, wenn die Verbindung zu empirischen Studien hergestellt wird, die Mächtekonstellationen auf lokaler Ebene in Anschluss an die community power-Forschung in den Blick nehmen, Macht operationalisieren und ihre Strukturen sichtbar machen wollen. Solche Ansätze werden für die Analyse von PPPs in der vorliegenden Studie nutzbar gemacht. Überträgt man Governance-Ansätze auf die lokale Ebene, werden hinsichtlich ihrer Betrachtung der Verhandlungsstrategien und Kooperationen lokal relevanter Akteure gleichwohl Gemeinsamkeiten in ihren Aussagen mit Konzepten der Netzwerk-orientierten community-power-Forschung offensichtlich. So werden in Governance-Ansätzen nicht mehr ausschließlich die in steuerungstheoretischen kommunalpolitischen Studien im Mittelpunkt stehenden Hauptakteure – der Rat, die Verwaltung und der Bürgermeister – betrachtet: Zusätzlich werden auch Akteure der Zivilgesellschaft und der Privatwirtschaft als maßgebliche Akteure im Prozess des Regierens auf lokaler Ebene in die Analyse mit einbezogen. In den USA entwickelt sich bereits früh eine Forschungsrichtung, die ihr Hauptaugenmerk auf ‚local politics’ richtet. Ihre Vertreter nehmen Machteliten und ihre Entscheidungen in Stadtgemeinden in den Blickpunkt. Sie beschäftigen sich mit der Frage, wer lokale Politik beeinflusst (s. Dahl 1961). Dieser Ausgangspunkt der community powerForschung zielt auf die Untersuchung faktischer – formeller und informeller – Entscheidungsprozesse und des Regierens ab. In der frühen Phase der 1950er/1060er Jahre stehen sich eine „elitistische“ und eine „pluralistische“ These gegenüber. Floyd Hunter identifizierte als Vertreter der Elitisten, unter Verwendung des „Reputationsansatzes“ und aufbauend auf den Ergebnissen einer Untersuchung von Entscheidungsträgern in Atlanta eine kleine, informelle Gruppe von Akteuren als besonders einflussreich (Hunter 1953). Herausgefordert wurde sein Machtbegriff seine Methoden und Untersuchungsergebnisse durch Robert A. Dahls Studie. Dahl vertrat eine pluralistische These, die er durch die Ergebnisse eine Studie in New Haven zu belegen suchte (Dahl 1961). Demnach wird Macht in der lokalen Politik eben nicht durch eine geschlossene Elite ausgeübt. Vielmehr, so die Ergebnisse der New Haven-Untersuchung, lässt sich je nach Politikfeld eine andere Gruppe von einflussreichen Entscheidungsträgern ausmachen, die lediglich in geringem Ausmaß ebenfalls in den jeweils anderen Politikfeldern aufzufinden sei. Dahl kritisierte, das Verfahren der Elitisten könne nur zugerechnete Macht erfassen, und schlug vor, manifeste, beobachtbare Konflikte über den „Entscheidungsfindungsansatz“ zu fassen. Im Gegensatz zum Governance-typischen Fokus auf Regelungsstrukturen und -mechanismen werden in folgenden Studien der community power-Forschung der 1960er Jahre auch „non-decisions“ berücksichtigt und damit nicht unternommene Versuche der Problemlösungen analysiert. Diesen Aspekt arbeiteten insbesondere Peter Bachrach und Morton S. Baratz (1962, 1963) heraus, welche mit ihrer – den pluralistischen Entscheidungsansatz kritisierenden – These herausstellten, dass es nicht ausreiche, beobachtbare Konflikte zu analysieren. Den Hintergrund ihres „Nichtentscheidungsansatzes“ stellt die Beobachtung dar, dass nicht alle Akteure gleichermaßen Zugang zur politischen Arena hätten. Erfolgreiche politische Einfluss43
nahme gehe vielmehr über den offenen Konflikt unter Einsatz von Ressourcen hinaus. Viel wirksamer als das Austragen des Interessenkonfliktes sei ein frühes Engagement, das darauf abziele, latente Kontroversen im Vorfeld zu verhindern. So könnten etwa durch Formen von „gatekeeping“ vor der politischen Arena oder durch „agenda control“ verhindert werden, dass Konflikte überhaupt erst thematisiert würden. Der grundlegenden pluralistischen Annahme eines prinzipiell offenen, demokratischen Prozesses der Repräsentation der gemeindlichen und gemeinschaftlichen Interessen setzten Bachrach und Baratz insofern Zweifel entgegen (Bachrach /Baratz 1962, 1963). Formale Institutionen werden in der community power-Debatte weitestgehend außen vorgelassen. Kritisiert wird dies im Zusammenhang mit der Frage nach der Übertragbarkeit der Ergebnisse der Forschung in US-amerikanischen Gemeinden auf das politische System Deutschlands. Die vergleichsweise hohe fiskalische und ökonomische Freiheit, der hohe Autonomiegrad und die geringe institutionelle Verregelung amerikanischer Kommunen stehen denn auch der relativ engen institutionellen Einbettung der deutschen Kommunen in das föderale System und in nationalstaatliche und europäische Kontexte entgegen (Robert /Konegen 2006: 47). Auch die Akteure selbst sind nicht das Thema. So stehen insgesamt – im Gegensatz zu der klassischen akteurzentrierten Perspektive der Steuerungstheorie – sowohl bei community power-, insbesondere aber auch bei Governance-Ansätzen (s. Mayntz 2004), die Regelungsstrukturen und -prozesse im Mittelpunkt des Interesses. Die Relevanz der empirischen Studien in der „community-power“- Forschungstradition für diese Arbeit liegt denn auch insbesondere darin, dass sie wertvolle Anregungen zur Auseinandersetzung mit dem Konzept der Macht einbringt und diskutiert. Durch ihren Fokus auf formelle und latente Machtstrukturen können die Forschungsergebnisse außerdem auf die besondere Mischung aus personellen und organisationellen Machtkonstellationen in einzelnen Politikfeldern hinweisen (Laumann /Pappi 1976; Pappi /Kappelhoff 1984; Pappi /Melbeck 1984). Funktionen von Akteuren in lokalen Ressourcen-Netzwerken werden untersucht. Ziel ist es, ausgehend von den Funktionen der Akteure in den Netzwerken auf ihre jeweiligen Positionen schließen zu können und auf den Grund für ihren Erfolg oder Misserfolg in Konflikten und Entscheidungssituationen im lokalen Machtspiel. In der Weiterentwicklung wird allen lokalen Akteuren zunächst einmal die Möglichkeit zugesprochen, prinzipiell einflussreich sein zu können. Dieser Überlegung ist der Hinweis geschuldet, alle denkbarer Weise beteiligten Akteure und Akteursgruppen in die Analyse mit einzubeziehen. Hier setzt auch die Netzwerkanalyse an: Auf der Meso-Ebene der Strukturen wirken sich die Handlungen der Akteure in dem Steuerungsmodus der Kooperation aus. In dieser Überlegung spiegelt sich die Notwendigkeit, das Handeln der Akteure sowie die strukturellen Eigenschaften der Netzwerke in den Blick zu nehmen. Seit den späten 1980er Jahren gewinnen in der internationalen sozialwissenschaftlichen Forschung Netzwerke als Analysekategorie an Bedeutung für die Thematik, auf welche Art und Weise durch öffentliche, privatwirtschaftliche und gemeinnützige Akteure in gemeinsamer Organisation politische Entscheidungsprozesse und Governance gestaltet werden. Die Netzwerkanalyse als soziologische quantitative Methode zur empirischen Untersuchung der Beziehungen zwischen Akteuren gründet auf der Annahme, dass sich soziale Einheiten durch ihr Verhältnis zu anderen sozialen Einheiten definieren, dass folglich die Analyse der Beziehungsmuster und deren Implikationen durch relationale Konzepte erfassbar ist (Schneider 1988; Wasserman /Faust 1994; Raab 2002a). Die Leistungserbringung in Städten und Gemeinden, das lokale Regieren und Steuern und das Verhältnis zwi44
schen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft werden nach dieser Sichtweise also in erster Linie durch strukturelle Faktoren bestimmt. Betrachtet man PPPs in Anschluss an die oben angeführten Überlegungen, ist eine vierte Annahme zu formulieren: In Städten und Gemeinden sind sie als Ausdruck der Akteursvielfalt und lokaler Mächtekonstellationen bei der Steuerung sowie bei der Partizipation in „Community Power Structures“ auf lokaler Ebene zu betrachten. In den drei klassischen Ansätzen der „community power studies“ zur Untersuchung lokaler Machtstrukturen vereinen sich theoretische Annahmen sowie methodische Instrumentarien, die dazu geeignet sind, Daten systematisch zu erheben, Macht zu messen und Annahmen über die Verteilung von Einfluss in kooperativen Arrangements herauszuarbeiten. Die empirische Fallstudie wird zeigen, ob eines der Machtkonzepte bestätigt werden kann. Auf die dabei zu verwendende Methode wird in Teil II dieser Arbeit noch ausführlicher eingegangen. 3.5 Zusammenfassung Zusammenfassend können aus der derzeitigen fachwissenschaftlichen Debatte vier zentrale Ansätze identifiziert werden, die an verschiedene sozialwissenschaftliche Forschungstraditionen anknüpfen und unterschiedliche Interpretationen des Phänomens der PPP beinhalten. Dabei lassen sich zentrale Annahmen herausarbeiten, die sich auf die Rolle von PPPs für die Koordination und Steuerung gesellschaftlicher Aufgaben auf lokaler Ebene beziehen. So wird zum ersten und im Anschluss an die Public Management-Forschung eine ökonomisch-rationale Effizienz-These herausgestellt. Hier wird die Funktion von PPPs darin gesehen, Ersparnisse für öffentliche Haushalte zu erwirtschaften. Das Ziel ist, durch öffentlich-private Kooperationen eine Effizienzsteigerung in der öffentlichen Verwaltung und eine Erhöhung des Marktanteils der beteiligten Unternehmen zu erwirken. Die zweite Argumentationslinie beruht auf der Idee, dass PPPs Formen von Steuerungs-Arrangements sind, die sich auf lokaler Ebene gebildet haben, um die Qualität der öffentlichen Dienstleistungen zu erhöhen. Dies geschieht durch die Koppelung verschiedener Ressourcen und Regelungsstrukturen der unterschiedlichen beteiligten Sektoren, die im optimalsten Falle in ihrem spezifischen Mix dem jeweiligen Ziel angemessen sind. Durch ein entsprechendes Mischverhältnis kann die PPP dann idealtypisch für eine Form politischer Steuerung „von oben“ unter Beteiligung privatwirtschaftlicher Ressourcen und wirtschaftlichen Knowhows mit bedeutenden Elementen basisnaher Partizipation stehen. Vertreter der dritten dargestellten Interpretationslinie sehen dies ganz anders: Partizipation ist in PPPs kaum möglich und relevant. In erster Linie bilden PPP-Strukturen denn auch das Verhältnis zwischen dem öffentlichen und dem privatwirtschaftlichen Sektor ab. Die zunehmende Dominanz der Wirtschaft in öffentlichen Aufgaben moderner, kapitalistischer Gesellschaften wird hier betont. Die PPP ist repräsentativ für eine Kommerzialisierungstendenz öffentlicher Güter und den zunehmenden Einbezug privater, wirtschaftlicher Partner in öffentliche Aufgabenstellungen. Je nach Auslegung steht die PPP dann entweder symbolisch für Privatisierungstendenzen, wird als ein Übergangsstadium zur vollständigen Privatisierung interpretiert oder ist letztlich selbst ein Element der Privatisierung. Dabei ist bei den meisten Vertretern ein normativ-kritischer Bias zu erkennen. Es existieren jedoch auch deskriptiv-analytische Ansätze im Spektrum der Privatisierungsthesen. Die vierte Argumentationslinie baut auf einer zentralen Forschungslücke der diskutierten Ansätze auf: Der Aspekt der Macht, der implizit in allen Ansätzen geäußert wird, erfährt in der aktuellen Debatte um die Steuerung und Koordinierung öffentlicher Aufgaben 45
eine zu geringe Aufmerksamkeit. Deshalb wird in der vorliegenden Untersuchung der Anschluss zu einer Auseinandersetzung mit dem Machtkonzept für die lokale Politikebene hergestellt. Trotz ihrer hohen Relevanz für die Thematik bleiben aktuelle empirische Untersuchungen bei Aspekten der Macht, des Einflusses und der Frage danach, wie Entscheidungen tatsächlich durchgesetzt und öffentliche Aufgaben geregelt werden, sehr vage. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang ein zentraler Verdienst des angelsächsischen Zweiges der lokalen Politikforschung in den 1950er und 1960er Jahren, der in der Auseinandersetzung mit Machtkonzepten und ihrer Operationalisierung für Untersuchungen von Stadtgemeinschaften und –Gemeinden liegt. Die Möglichkeit, an ein Repertoire von Debatten, Methoden und theoretischen Ansätzen zur empirischen Untersuchung lokaler Macht- und Regelungsstrukturen anschließen zu können, ist in erster Linie auf die community powerForschung zurück zu führen. Dieses Potential bleibt in aktuellen Studien gleichwohl ungenutzt. Dieser Denktradition folgend müssen nach der vierten, hier zu erwähnenden Annahme PPPs im Kontext lokaler Mächtekonstellationen analysiert und auf der Grundlage einer differenzierten Auseinandersetzung mit den Regelungs- und Einflussstrukturen der beteiligten Akteursgruppen interpretiert werden.
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4. Zwischenfazit PPPs werden in der sozialwissenschaftlichen Debatte international seit den 1980er Jahren thematisiert. In Deutschland finden Sie erst seit Mitte der 1990er Jahre, jüngst jedoch zunehmend, Eingang in die fachwissenschaftliche Diskussion. Der Begriff wird in der öffentlichen Debatte aktuell häufig unscharf definiert. Derzeitige Diskussionen sind durch diesen Schlagwortcharakter geprägt – sie werden den tatsächlich vielfältigen Dimensionen von öffentlich-privaten Partnerschaften häufig nicht gerecht. Deshalb erweist sich im Rahmen der Studie zu PPPs eine klare Begriffsbestimmung sowie die Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes, wie sie in den vorhergehenden Kapiteln vorgenommen wurde, als sehr wichtig. Bei genauerer Betrachtung wird offensichtlich, dass den Begriff der PPP eine zentrale, strategisch-politische Komponente kennzeichnet. Damit hebt er sich in seiner Bedeutung von einem allgemeinen Verständnis von Zusammenarbeitsformen in kooperativen Arrangements zwischen Staat, Wirtschaft und (Zivil-) Gesellschaft ab, die bereits auf eine längere Tradition zurückblicken. Der Begriff der PPP steht in der Politik- und Verwaltungswissenschaft damit beispielhaft für ein planendes, gesteuertes, regelndes, koordinierendes Konstrukt, an dem Partner unterschiedlicher gesellschaftlicher Bereiche zusammen beteiligt sind. Er ist Ausdruck einer zunehmenden Beschäftigung mit Fragen zu der Rolle des öffentlichen Sektors und des privaten Sektors vor dem Hintergrund ökonomischer, sozialer und kultureller Veränderungen. Dabei sind räumliche sowie funktionale Aspekte für PPPs von politikwissenschaftlicher Relevanz und in Untersuchungen mit einzubeziehen. Für die empirische Analyse lässt sich der Begriff des Weiteren durch eine Eingrenzung anhand der drei Dimensionen Akteur, Struktur und Prozess schärfen. Relevante Analyseschwerpunkte sind zum ersten die Interessen, Routinen und Ressourcen der Akteure sowie ihre gemeinsame Ausrichtung auf ein Ziel bzw. ihre Divergenz hinsichtlich eines bestimmten Ziels. Die Ausbildung dieser Charakteristika führt zu unterschiedlichen Modellen von PPPs. Auch die Gestalt der Beziehungs-, Regelungs- und Kooperationsstrukturen beeinflusst die Inhalte und Formen von PPP-Projekten, je nachdem, welchen Grad der Formalisierung die Strukturen aufweisen. In der Folge lassen sich PPPs idealtypisch in organisatorische PPPs, vertragliche PPPs und strategische Netzwerke differenzieren. Die Beschäftigung mit der ProzessDimension verweist des Weiteren auf die Notwendigkeit, im Rahmen der empirischen Analyse ein besonderes Augenmerk darauf zu legen, in welcher Phase des Entscheidungsprozesses sich die PPP befindet. Insbesondere bei einem Vergleich verschiedener Projekte sollten die unterschiedlichen Start- bzw. Prozessbedingungen berücksichtigt werden. Der in Deutschland noch sehr junge Fokus auf lokale PPPs, die in dieser Arbeit als eine strategische Form der Zusammenarbeit öffentlicher, privatwirtschaftlicher und privatgemeinnütziger Partner verstanden werden, verweist auf die Bedeutung von PPPs für die Leistungserstellung im öffentlichen Interesse in Städten und Gemeinden, auf Fragen des lokalen Regierens und Steuerns und des Verhältnisses zwischen Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft vor Ort, an der Basis. Hier lassen sich verschiedene fachwissenschaftlichen Ansätze identifizieren, aus deren Sicht sich die Rolle von PPPs im Rahmen der Handlungskoordination ganz unterschiedlich darstellt: Aus einer ersten Perspektive ist die Rolle von PPPs auf den finanziellen Ausgleich und die Einsparung öffentlicher Mittel beschränkt. Sie dient der Effizienzsteigerung und wird als strategisches Instrument im Rahmen von Reformen des öffentlichen Sektors eingesetzt. Eine zweite Perspektive betont die spezifischen Koordinationseigenschaften der PPP, als einer möglichen Form eines lokalen GovernanceArrangements. Danach ist die PPP aus einer analytischen Perspektive durch einen Mix aus 47 L. Schwalb, Kreative Governance?, DOI 10.1007/978-3-531-92851-7_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Ressourcen, Handlungslogiken und Mechanismen geprägt – der je nach der ihr eigenen Akteurskonstellation, den vorliegenden örtlichen Besonderheiten und überörtlichen, politikfeldspezifischen Rahmenbedingungen unterschiedlich ausfällt. Die problemadäquate Koppelung führt zur effektiven Koordination und Steigerung der Legitimität lokaler Regelungsprozesse. Im Gegensatz zum erstgenannten Ansatz spielt auch die Partizipation weiterer gesellschaftlicher Bereiche neben dem Staat eine eigenständige Rolle, deren Form, Ausprägung sowie Wirkung es zu untersuchen gilt. Partizipation spielt zwar auch in ausgewählten Auslegungen des dritten der dargestellten Ansätze eine Rolle. Diese ist allerdings abzugrenzen von derjenigen, die sie in den Governance-Ansätzen einnimmt. Vertreter einer Privatisierungsthese sehen in der kritischen Lesart in Partizipation vielmehr eine Chance zur Veränderung und betonen das Moment des Protestes. Der Argumentationslinie der Privatisierungsansätze folgend stehen die ökonomischen Voraussetzungen der Funktion von PPPs im Mittelpunkt. Im Gegensatz zum Local Governance-Ansatz wird das Augenmerk außerdem primär auf den Einbezug wirtschaftlicher Akteure gelegt. Ein sehr charakteristischer Aspekt dieser Betrachtungsweise von PPPs liegt in dem normativen Ansatz: Seine Vertreter kritisieren die politischen, ökonomischen, sozio-ökonomischen und sozialen Auswirkungen von PPPs. PPPs werden als solche Arrangements interpretiert, die die Veränderung von Staatlichkeit hin zu einer wettbewerbs- und angebotsorientierten Ausrichtung unterstützen. Sie sind als Teil allgemeinerer Privatisierungs- und Kommerzialisierungstendenzen zu deuten, die auf Machtungleichgewichten basieren und die wesentliche Probleme, wie etwa eine Intransparenz poltischer Prozesse oder eine Reduktion demokratischer Kontrolle, zur Folge haben können. In einer vierten Lesart, die in der vorliegenden Studie aus Forschungsdesideraten der PPP-Debatte sowie angelehnt an frühe Ansätze der angelsächsischen lokalpolitischen Forschung für die PPP-Thematik entwickelt wird, sind lokale Kooperationen zentral durch bestimmte formelle sowie informelle Akteurskonstellationen geprägt. Der Blick richtet sich primär auf Strukturen der Zusammenarbeit: Durch Beziehungsmuster, Kommunikations-, Ressourcen- und Austauschstrukturen lassen sich Entscheidungsprozesse nachzeichnen und strukturelle Wirkungen auf die Erfolge bzw. Misserfolge der Akteure in den Mächtekonstellationen analysieren. PPPs dienen danach letztlich der Durchsetzung und Positionierung im lokalen Gefüge, wobei ihre Wirkungen, je nach Konstellationen, divers sein können. Starke und enge Verbindungen können sich auf eine Effektivitätssteigerung in „issue networks“ auswirken. Der Einfluss bestimmter Akteurskonstellationen in PPPs ist je nach Perspektive abhängig von der strukturellen Einbindung und Positionierung der Akteure in Netzwerke, ihrem Prestige und dem Ressourcenfluss. Durch die Produktion von Sozialkapital sind vertrauensbildende, integrative Wirkungen und Effektivitätssteigerungen möglich. Ein negativer Output kann beispielsweise auf die schlechte Positionierung der betreffenden Akteure in Verhandlungs-, Ressourcen oder Informationsaustauschstrukturen zurückgeführt werden, auf geschlossene, ausgrenzende Zirkel bei der Entscheidungsfindung oder auch auf zu komplexe Konstellationen, die weder effiziente noch effektive Lösungen bereit stellen. PPPs sind, der Tradition der community power-Forschung folgend, ein Ausdruck für die in das lokale Machtspiel involvierten Akteure, ihrer jeweiligen Interessen und Ressourcen. In der aktuellen Literatur führt die stark politisierte Debatte häufig zu einer Vermischung der ersten drei in diesem Kapitel diskutierten Ansätze. Infolgedessen werden oft wertende mit analytischen Perspektiven vermengt. Dies führt dazu, dass der Wissensstand zur Rolle lokaler PPPs, deren Funktionen und den mit ihnen verbundenen Chancen und Risiken noch sehr vage ist. 48
Aus den Desiderata des aktuellen Forschungsstands, insbesondere aus den am entschiedensten im Rahmen der Governance-Debatte diskutierten Forschungslücken, empfiehlt es sich, Aussagen zur Funktionsweise des komplexen und vielschichtigen Phänomens der PPP nicht pauschal zu verallgemeinern. Dies ist grundlegend für den Ansatz der folgenden Fallstudie, der auf PPPs in ihrer territorialen Dimension – nämlich auf der lokalen Ebene – und in einem funktionalen Zusammenhang eines Politikfeldes fokussiert. Mit Blick auf die beteiligten Akteure, ihre Interessen und Ressourcen sowie die jeweiligen strukturellen Voraussetzungen und institutionellen Rahmenbedingungen ist ein integrierender Ansatz angezeigt, der über rein individuelle sowie über rein strukturell-institutionelle Erklärungen hinausgeht und diese zu verbinden sucht.
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Teil Zwei: Fallstudie
Im Rahmen des ersten Teils wurde das zweifache Ziel dieser Studie skizziert. Zum einen soll das Thema der Steuerung und Regelung lokaler Politikstrukturen und -prozesse in öffentlich-privaten kooperativen Arrangements vor dem Hintergrund sich wandelnder Bedingungen und Voraussetzungen erklärt werden. Aus den bisherigen Ausführungen geht hervor, dass im Bereich der kulturpolitikfeldrelevanten Studien im Speziellen, jedoch auch allgemein zu lokaler Steuerung, Regelung und kooperativen Arrangements bislang wenige empirische Untersuchungen existieren, auf die sich in dieser Studie aufbauen ließe. Deshalb soll zum Zweiten der Versuch unternommen werden, den Steuerungsstrukturen und -prozessen ausgewählter PPPs im Kulturbereich auf lokaler Ebene mit einem Fokus auf ihre Planungs- und Entstehungsphase vor dem Hintergrund der aus der Literatur entwickelten theoretischen Annahmen einer differenzierten Analyse zu unterziehen. Anhand dieser empirischen Analyse soll ein genauerer Einblick in den Zusammenhang und die Interdependenzen ausdifferenzierter Strukturen ermöglicht werden, der gleichzeitig den Kontext berücksichtigt. Fallspezifische Besonderheiten sowie Unterschiede und Gemeinsamkeiten sollen erkannt und erklärt werden, indem 3 Fälle miteinander kontrastiert werden. Das erste Kapitel führt in das Untersuchungsdesign und die Methode ein. Im zweiten Kapitel wird der Blick auf die Hintergründe der Kulturfinanzierung gelegt, die Steuerungsprozesse im lokalen Kulturbereich beeinflussen können und ihnen einen Rahmen geben. Darauf folgt im dritten Kapitel die empirische Analyse der Fallstudien. Abschließend werden die Ergebnisse der empirischen Analyse diskutiert. 1. Untersuchungsdesign und Methodologie Für die empirische Untersuchung des dargestellten Phänomens bietet sich eine Integration qualitativer und quantitativer Methoden in einer Einzelfallstudie an. Um die Aussagekraft der Analyse zu erhöhen ist es notwendig, die Grundsätze der Validität des Untersuchungsdesigns zu reflektieren. Die Validität kann durch die Spezifikation der Variablen und der Untersuchungsinstrumente erhöht werden (vgl. Yin 1989). Nach Abschluss des Überblicks über den Stand der Forschung konnten alternative Erklärungsansätze zur Steuerung und Regelung von Politik auf lokaler Ebene und der Funktionsweise und Funktionsbedingungen kooperativer Arrangements in der Kultur kategorisiert werden, die letztendlich zur Überprüfung der gestellten Annahmen dienen werden. Das Ziel dieses Kapitels ist es nun, die Untersuchungsinstrumente zu spezifizieren, die für die empirische Analyse genutzt werden, und den analytischen Rahmen der Fallstudie zu skizzieren. Dementsprechend beginnt das Kapitel mit der Begründung des Fallstudiendesigns (1.). Relevant für die Vorbereitung der Analyse ist die Kenntnis der zentralen Grundlagen und Konzepte der Auswertungsmethoden, die an dieser Stelle in allgemeiner Art und Weise dargestellt werden (2.). In einem dritten Schritt wird auf das konkrete Untersuchungsdesign der Fallstudie eingegangen und die Fallauswahl begründet, die Datenerhebung und die Datenquellen der Fallstudie dargestellt (3.). Das Kapitel schließt mit dem 50 L. Schwalb, Kreative Governance?, DOI 10.1007/978-3-531-92851-7_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Vorschlag für ein präzises Untersuchungsdesign für die Analyse kooperativer Arrangements, das das Untersuchungsdesign zusammenfasst und in die Vorgehensweise im Rahmen der Fallstudie einführt (4.). 1.1 Fallstudien-Design 1.1.1 Gütekriterien In Teil I dieser Studie wurde bereits dargelegt, dass die Steuerung und Koordinierung im Zusammenhang mit der öffentlich-privaten Zusammenarbeit in PPPs im Kulturbereich auf lokaler Ebene ein bislang empirisch wenig untersuchter Forschungsbereich und insofern schlecht durch idealisierte Hypothesen überprüfbar ist. Die Sachverhalte sind aufgrund des Wandels der Steuerungs- und Regelungsstrukturen auf lokaler Ebene in der Kultur hochaktuell und insofern bisher wenig standardisiert und formalisiert. Anschließend an die in Teil Eins angeführten Annahmen wird deutlich, dass in dem Untersuchungsfeld auch qualitative und subjektive Sachverhalte eine bedeutende Rolle spielen. Handlungszusammenhänge und Strukturen der Zusammenarbeit können zudem nicht isoliert betrachtet werden. Phänomene auf der Makroebene13 – wie etwa die strukturellen Rahmenbedingungen – sowie mikropolitische Sachverhalte im lokalen Kulturbereich und in sich anschließenden lokalen Themengebieten sind einzubeziehen. Bereits diese unscharfen Grenzen zwischen dem Phänomen und dem Kontext kooperativer Arrangements weisen auf die Fruchtbarkeit und Zweckmäßigkeit eines Fallstudiendesigns hin (Yin 1989: 13). Bei einer Fallstudie handelt es sich um eine eigenständige Untersuchungsform der empirischen Sozialforschung, bei der einzelne Untersuchungseinheiten detailliert analysiert werden. Als Einheiten gelten abgrenzbare Phänomene, Ereignisse, Prozesse, Organisationen, Gruppen oder Individuen (Rossmann /Rallis 1998: 70). Gemäß Yin (1989) ist der Definitionsbereich einer Fallstudie durch drei Faktoren beschreibbar: Als empirische Untersuchung steht in ihrem Mittelpunkt ein aktuelles Phänomen innerhalb seines realen Kontextes. Das Phänomen und der Kontext sind dadurch gekennzeichnet, dass die Grenzen zwischen ihnen nicht klar sind. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, werden diverse Quellen der Beweisführung genutzt (Yin 1989). Das übergeordnete Ziel der Einzelfallstudie ist, das Zusammenwirken unterschiedlicher Faktoren zu analysieren und dabei diejenigen Struktureigenschaften aufzudecken, die den Fall determinieren (Kraimer 2002: 213). In der sozialwissenschaftlichen Forschung haben empirische Fallstudien mit konkretem Einzelbezug eine große Bedeutung (Kraimer 2002: 215). So gelten sie, dem Grundschema der erklärenden Soziologie von Coleman (1990), der sogenannten Colemanschen Badewanne, folgend, als ein besonders geeignetes Design zur Erfassung von Prozessen und Mechanismen sozialen Verhaltens (s. Coleman 1990). Insbesondere liegen ihre Aufgabe und ihr Vorteil in einem konsequenten Fallbezug, der die Erschließung neuer oder noch nicht ausreichend erforschter komplexer Fragestellungen und Themenfelder ermöglicht. Für Untersuchungen, die sich auf Phänomene wie das der kooperativen Arrangements im Sinne eines Beispiels für aktuelle Steuerungs-Arrangements konzentrieren, ist das Fallstudien-Design deshalb besonders gut geeignet, wenn nicht sogar unerlässlich (s.a. Benz 2004: 27; Sack 2007b).
13 Im Ländervergleich beschäftigen sich Zimmer/ Toepler mit Fragen der Prägung institutioneller Rahmenbedingungen im Kulturbereich (Zimmer /Toepler 1999)
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Mit der Wahl dieses Untersuchungsdesigns ergibt sich jedoch auch eine Angriffsfläche. Oevermann beschreibt das Problem folgendermaßen: „Jeder, der sich in der Soziologie – in der Regel in zäher Auseinandersetzung mit seinem verinnerlichten methodologischen Gewissen – auf Fallstudien eingelassen hat, kennt aus leidvoller Erfahrung die beim Diskussionspartner selten ausbleibende Frage danach, wie man denn glaube, von der zwar interessanten und durchaus anregenden Einzelfallbeschreibung zu verallgemeinernden Aussagen gelangen zu können.“ (Oevermann 1981: 1). Auf der einen Seite der gängigen Kritik steht der Vorwurf, die Einzelfallstudie habe den Status einer Voruntersuchung. Auf der anderen Seite der Begründung des Designs steht die Überzeugung, komplexe Bedeutungsstrukturen sachhaltig und objektiv durch Einzelfallstudien zu verstehen sowie durch die Konstruktion der Fallstudie das passendste Vorgehen für eine Theoriekonstruktion zu wählen. Das größte Problem von Fallstudien liegt denn auch in der Gefahr begründet, dass sie ein zu weiches Erhebungsinstrument („lack of rigour“) beinhalten, eine eingeschränkte externe Validität („external validity“) aufweisen, dass also die Möglichkeit der Generalisierbarkeit der Ergebnisse gering ist, und sie damit einen geringen Beitrags zur Theoriebildung, einen „low impact on theory“ haben (Yin 1989: 21f.). Indem in der vorliegenden Untersuchung eine Trennung der theoretischen Modellierung von der Fallanalyse vorgenommen wird (Yin 2003: 34), ist davon auszugehen, dass alle Fälle, die in dem in Teil I, Kapitel 2 abgesteckten Definitionsbereich der PPPs/kooperativen Arrangements liegen, mit Hilfe des entwickelten Analysemodells und der vorgeschlagenen Methoden untersucht werden können. Die externe Validität ist insofern aufgrund der Möglichkeit, die Fallstudie zu wiederholen, nicht eingeschränkt. Aufgezeigt wird im resümierenden, dass die Ergebnisse auch für andere Studien/Teilstudien übertragbar sind. Durch die Wahl verschiedener quantitativer und qualitativer Erhebungsinstrumente und durch den Aufbau von Argumentationsketten zur Begründung des Einsatzes der Methoden (s. Kapitel 2 und 3) wird zudem die Konstruktvalidität hergestellt. Die interne Validität ist gegeben, da das Verknüpfen von Daten mit Annahmen durch Erklärungsketten gesichert wird. Durch eine Dokumentation und einen klaren Aufbau wird die Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit (Reliabilität) der Fallstudie erzielt und ein „lack of rigour“ ausgeschlossen. Wie im folgenden Kapitel darzustellen ist, werden verschiedene Datenquellen bei der Datenerhebung genutzt und unterschiedliche Methoden zur Auswertung eingesetzt. Eine rein quantitative Erhebung und Analyse, etwa von generellen Attributdaten, würde aufgrund des komplexen und neuartigen Gegenstandsbereichs ein zu vereinfachtes Bild abgegeben. Auch einfache qualitative Erhebungen reichen nicht aus, um die Komplexität des Geflechts aus Handlung und Struktur zu erfassen. Die Methodenvielfalt und die Vielfalt in der Datenerhebung soll insofern zu einem Verständnis des Untersuchungsgegenstandes führen14. Zusammenfassend kann also betont werden, dass sich ein Fallstudiendesign für die Analyse der Steuerung und Regelung und von kooperativen Arrangements im lokalen Kulturbereich als adäquat erweist.
14
Zur Diskussion der Bedingungen für die Wahl eines Fallstudiendesigns vgl. auch Yin 1994
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1.1.2 Integration qualitativer und quantitativer Methoden Wie bereits im vorherigen Abschnitt angeklungen, bietet es sich an, sowohl quantitative Methoden zur Analyse sozialer Beziehungsstrukturen als auch qualitative Methoden zur Untersuchung der akteursbezogenen Hintergründe, der Rahmenbedingungen des Akteurshandelns sowie der Wahrnehmungen und Interessen der Akteure zu erheben und auszuwerten. Während einige Vertreter quantitativer Methoden auf der einen und qualitativer Methoden auf der andern Seite eine Verbindung aus methodologischer Perspektive als nicht möglich erachten, hat die Forschungspraxis gezeigt, dass in einem Methodenmix, wird er mit dem spezifischen Forschungsgegenstand erklärt, verschiedene Instrumente beider Ansätze genutzt werden können. In der heutigen anwendungsbezogenen Sozialforschung setzt sich der wissenschaftstheoretische „Positivismusstreit“ (Adorno, Dahrendorf et al. 1969) der 1960er Jahre um notwendige Ansprüche und Kriterien an eine Theorie und Methode in den Sozialwissenschaften fort: Vertreter des qualitativen und des quantitativen Paradigmas kritisieren die jeweils anderen Methodenansätze aufgrund mangelnder Angemessenheit der Methoden, geringerer Aussagekraft und Validität. Dabei beziehen sie sich auf die klassischen Vertreter des jeweiligen wissenschaftstheoretischen Ansatzes, des kritischen Rationalismus (Karl Popper, Hans Albert) und der Kritischen Theorie der Frankfurter Schule (Theodor W. Adorno, Jürgen Habermas). Hatte der Positivismusstreit der 1960er Jahre eine große Bedeutung im Vorantreiben der Klärung und der Abgrenzung von wissenschaftstheoretischen Standpunkten, so erweisen sich große Teile der heutigen Auseinandersetzung in der Tendenz als Annäherung der Forschungsmodelle. In der empirischen Forschung bezeichnet man die Forschungsstrategie der Kombination unterschiedlicher Methoden als Triangulation. Bei der Triangulation handelt es sich um ein Verfahren, mit Hilfe dessen eine größere empirische Absicherung von Ergebnissen durch die systematische Kombination voneinander unabhängiger Methoden und/oder theoretischer Perspektiven erzielt werden soll (Flick 1999: 50f., 229f.; Gläser /Laudel 2004: 103). Gemäß Kelle/Erzberger (2000) kann der Begriff der Triangulation zwei unterschiedliche Forschungsansätze bezeichnen, die – in Anlehnung an seinen ursprünglichen Gebrauch in der Navigation und Landvermessung – zur „Berechnung der Position eines Ortes durch eine Messung von unterschiedlichen Punkten aus“ angewendet werden (Kelle /Erzberger 2000: 303): Zum einen wird Triangulation verstanden als die Erfassung ein und desselben sozialen Phänomens durch verschiedene Methoden. Zum zweiten bezieht sie sich auf die Erfassung unterschiedlicher Aspekte desselben sozialen Phänomens oder unterschiedlicher Phänomene, deren Abbildung sich dann zu einem einheitlichen Bild ergänzen kann. Mit dem ersten Forschungsansatz wird eine erhöhte Validierung angestrebt. Ziel ist es, die entgegengesetzte Methodologie zu testen. Der zweite Forschungsansatz impliziert die Notwendigkeit methodischer Vielfalt für die angemessene Erfassung sozialer Phänomene und eine wechselseitige Anerkennung beider Forschungsparadigmen (s.a. Frantz 2005: 50). In der folgenden Fallstudie wird in Anlehnung an die Idee der Triangulation angestrebt, die Steuerung und Regelung lokaler Kulturpolitik im Rahmen eines typischen Steuerungs-Arrangements zu analysieren. Wie in den folgenden Kapiteln deutlich wird, bietet sich die Netzwerkanalyse als quantitative Methode an, da netzwerkanalytische Auswertungsergebnisse Aufschluss über Strukturzusammenhänge des Handelns geben. Das qualitativ, durch Leitfaden gestützte Interviews, erhobene und inhaltsanalytisch ausgewertete Material legt subjektive Aspekte des Handelns der Akteure offen und ist für die Interpretation und für das Verständnis der quantitativen Daten unerlässlich. 53
Die qualitativen Daten helfen somit bei der interpretativen Rekonstruktion des Sinns von Handlungen, die quantitativen Daten weisen auf die unintendierten Folgen der Handlung hin, wie sie sich in Strukturen und in Institutionen ausprägen. Die Auswahl der Methoden in der folgenden Fallstudie entspricht damit dem im zeitgenössischen Streit zwischen quantitativen und qualitativen Methoden am geeignetsten betrachteten Vorgehen, wonach quantitative Verfahren eher regelhafte Strukturen beleuchten, qualitative Verfahren eher zu einer Analyse der interpretativen Sachverhalte heranzuziehen sind (Wilson 1982; Prein, Kelle et al. 1993: 9). Gemäß dem sogenannten Komplementaritätsmodell15 (vgl. Prein, Kelle et al. 1993: 19) werden die Methoden entsprechend ihrem Gegenstandsbezug der Analyse von Handlungen und Strukturen eingesetzt und sind nicht kongruent, sondern ergänzen sich gegenseitig in ihrer Relevanz für unterschiedliche Gegenstandsbereiche. In den folgenden Kapiteln ist dies zu konkretisieren. Nach einer allgemeinen Einführung in die qualitativen und quantitativen Methoden wird fallbezogen argumentiert: die Fallauswahl ist zu begründen und die Datenquellen und Erhebungs- und Auswertungsmethoden werden beschrieben. 1.2 Methoden 1.2.1 Die Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse Die Qualitative Inhaltsanalyse vereint unterschiedliche Auswertungsmethoden. In diesem Abschnitt wird unter Einbezug verschiedener Analysetechniken die allgemeine Methode dargestellt. Abschließend wird die für diese Studie maßgebliche Methode ausgewählt. 1.2.1.1 Ursprünge und Perspektiven Die Inhaltsanalyse wurde in den 1920er Jahren in den USA als quantitative Methode zur Auswertung der Massenmedien entwickelt und angewandt. Inhaltsanalytische Verfahren bestanden zu dieser Zeit in der Klassifizierung von Informationen in Texten und einer Auszählung der Häufigkeiten von Motiven. Textbausteine wurden bewertet und zueinander in Beziehung gesetzt. Der grundsätzliche Ansatz – die Umwandlung von Informationen aus Texten in ein geeignetes Format und die Weiterverarbeitung der umgewandelten Information in strikter Trennung vom Ursprungsmaterial – ist für die Inhaltsanalyse nach wie vor aktuell. Allerdings erfuhren die quantitativen Verfahren eine rege methodologische Kritik, die sich insbesondere auf die unangemessene Komplexitätsreduktion durch eine Ausblendung der diversen Bedeutungen von Textelementen bezog (Mayring 1993: 13ff., 2002: 114; Gläser /Laudel 2004: 191f.). Qualitative Verfahren, wie sie in erster Linie von Philipp Mayring entwickelt und geprägt wurden, zeichnen sich durch den Anspruch aus, anstatt der Häufigkeit des Auftretens von Informationen deren Inhalt zu analysieren und durch theoretisch abgeleitete und systematische Abläufe eine hohe Transparenz im Forschungsprozess herzustellen. Inhaltsanalytische Auswertungen zählen zu den klassischen Vorgehensweisen beim Umgang mit umfangreichem Textmaterial. Der Grundgedanke der Inhaltsanalyse besteht darin, dass sie streng methodisch kontrolliert Texte, grafisches oder audiovisuelles 15
Neben dem Komplementaritätsmodell lassen sich zwei weitere Ansätze zur Integration qualitativer und quantitativer Methoden unterscheiden: das Phasenmodell und das Konvergenzmodell (s. hierzu Prein/ Kelle/ Kluge 1993: 19)
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Material schrittweise analysiert. Auf der Grundlage von theoretischen Modellen wird das Material in Einheiten und mit Hilfe eines Kategoriensystems zerlegt, das vor der Analyse am Material entwickelt wird. Das Kategoriensystem beinhaltet somit die Aspekte, die für die Analyse relevant sind und die aus dem erhobenen Material entnommen werden können. Es stellt ein zentrales Merkmal der qualitativen Inhaltsanalyse dar und lässt sich flexibel an das Material anpassen (Mayring 2002; Gläser /Laudel 2004; Flick 2005). 1.2.1.2 Vorgehensweise Der Forschungsprozess mit der Methode der Qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring kann in neun Phasen unterteilt werden. Der erste Schritt besteht darin, das zu analysierende Material festzulegen und auszuwählen, welche Teile für die Fragestellung interessant sind. In Phase 2 werden der Ursprung und die Quellen des Materials geklärt. Eine formale Charakterisierung des Materials hinsichtlich Erhebungsart, Dokumentation und Materialaufbereitung folgt in Phase 3. Phase 4 steht für die Festlegung auf eine Richtung der Analyse. Hier muss entschieden werden, was die Interpretation ergeben soll. Konkretisiert wird dieser Schritt in Phase 5, in der die zuvor formulierte Forschungsfrage auf der Grundlage von Theorien differenziert wird. In Phase 6 stehen die Analysemethoden im Mittelpunkt, die im nächsten Abschnitt vorgestellt werden. Schließlich werden Analyseeinheiten bestimmt und festgelegt, nach welchen Regeln die Textbausteine ausgewertet werden sollen (Phase 7). Für Phase 8 ist die Durchführung der Analyse vorgesehen. Am Schluss, in Phase 9, steht die Interpretation der Ergebnisse bezogen auf die Forschungsfrage sowie die Beantwortung der Fragen der Validität des Forschungsablaufs (Flick 1999: 193). Die Inhaltsanalyse ist allerdings kein Standardinstrument. Die Auswertungsmethoden, die im folgenden Kapitel spezifiziert werden, müssen im Hinblick auf den konkreten Gegenstand, das vorliegende Material und die Fragestellung entwickelt werden (Mayring 2003: 43). Dies soll nachfolgend, im Rahmen der Auswertung, konkretisiert werden. 1.2.1.3 Methode der Datenaufbereitung und –analyse Aufbereitungsverfahren Ein häufig vernachlässigter Schritt bei der inhaltsanalytischen Arbeit mit Material ist der der Aufbereitung. Für die Aufbereitung, die zwischen der Datenerhebung und der Auswertung erfolgt, stehen unterschiedliche Aufbereitungsverfahren zur Auswahl: Das Material kann vollständig – das heißt wörtlich oder kommentiert – transkribiert, es kann datenreduzierend transkribiert – und zwar zusammenfassend oder selektiv protokolliert – oder es kann nach der Methode der Konstruktion deskriptiver Systeme aufbereitet werden16. Dabei werden die Protokollierungsregeln genau fest- und offengelegt, da das jeweilige Transkriptionsverfahren die Rohdaten bzw. das Urmaterial bereits verändern kann (Mayring 2002: 85ff.). Die hier vorgeschlagene Vorgehensweise zur ersten Bearbeitung der Interviews orientiert sich an der Methode der zusammenfassenden Protokollierung des aufgezeichneten Materials (Mayring 2002). Dabei wird bereits bei der Aufbereitung die Materialfülle redu16
Zu den einzelnen Verfahren s. Mayring 2002: 85ff.
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ziert. Dies ist angesichts der großen Menge an Tonmaterial sowie des inhaltlich-thematischen Auswertungsfokus eine adäquate Vorgehensweise. Ziel dieser inhaltsanalytischen Methode ist, das Abstraktionsniveau des Materials zu vereinheitlichen und schrittweise zu steigern. Die Vereinheitlichung wird durch eine kontrollierte Paraphrasierung vorgenommen, wobei reduziert und generalisiert wird. Weniger relevante Paraphrasen werden gestrichen und ähnliche Paraphrasen werden gebündelt und zusammengefasst (Flick 2005: 280). Analysemethode Hinsichtlich der Analyse des aufbereiteten Materials wird zwischen drei möglichen Analysetechniken unterschieden: Die Zusammenfassende Inhaltsanalyse reduziert das Material unter Beibehaltung der wesentlichen gesprochenen oder vertexteten Inhalte, unter Verwendung klarer Regeln und mit Hilfe eines Kategoriensystems. Bei der Explikation werden unter systematischer Hinzuziehung weiteren Materials einzelne Textteile tiefergehend erläutert und gedeutet und eine Art der Kontextanalyse durchgeführt. Die Strukturierung zielt auf die Analyse des Materials unter bestimmten Kriterien ab, so dass spezifische formale oder strukturbezogene Aspekte besonders hervorgehoben werden können (Mayring 2002: 115). In der Fallstudie kommen hauptsächlich Elemente der Strukturierung zum Tragen. Durch die Inhaltsanalyse soll das Material so reduziert werden, dass die wichtigsten Inhalte in einer komprimierten und übersichtlichen Form dargestellt und interpretiert werden können. Während der Bereich der Kategoriebildung bei der quantitativen Inhaltsanalyse vernachlässigt wird, ist es bei der qualitativen zusammenfassenden Inhaltsanalyse möglich, Auswertungsgesichtspunkte systematisch abzuleiten und somit die Technik durch eine Kategorienbildung weiterzuführen. Die Strukturierende Inhaltsanalyse sieht vor, das Interviewmaterial typenbildend zu analysieren und interpretieren. Zu diesem Zweck werden zunächst theoriegeleitet Kategorien definiert, um diesen in einem zweiten Schritt konkrete, prototypische Beispiele, sogenannte Ankerbeispiele, aus dem Text zuzuordnen. Schließlich werden Kodierregeln erstellt und damit festgelegt, wie bei Problemen der Abgrenzung des Materials von Kategorien zu verfahren ist und eindeutige Zuordnungen hergestellt werden könne. In einem Kodierleitfaden werden die Kategorien, Ankerbeispiele und Regeln aufgenommen und gegebenenfalls im Zuge des Materialdurchgangs überarbeitet. Die deduktive, auf der Grundlage von theoretischen Vorannahmen entwickelte Kategoriebildung der strukturierenden Inhaltsanalyse wird um die induktive Kategoriebildung erweitert, die in der Methode der zusammenfassenden Inhaltsanalyse eine wesentliche Rolle spielt. Kriterien der Auswertung sollen so systematisch aus dem Textmaterial abgeleitet werden, um die Definition neuer Kategorien zu ermöglichen. 1.2.2 Die Methode der Quantitativen Netzwerkanalyse Ziel dieses Kapitels ist es, das methodische Instrumentarium der Netzwerkanalyse einzuführen in seiner Funktion, organisationssoziologische und politikwissenschaftliche Fragestellungen zu bearbeiten. Zu diesem Zweck wird das Netzwerk als Analysekategorie zur Untersuchung lokaler Steuerung eingeführt. Die quantitative Netzwerkanalyse wurde in den vergangenen drei bis vier Jahrzehnten sehr breit und divers rezipiert; unter ihrem Dach versammeln sich unterschiedliche Konzepte, Modelle, Methoden und mathematische Ver56
fahren. Es ist deshalb notwendig, an dieser Stelle in allgemeiner Form zu spezifizieren, welche Hintergründe und Konzepte für die Fallanalyse in Kapitel 3 maßgeblich sind17. 1.2.2.1 Forschungstradition und Perspektive Die Frage, wie die Analysekategorie „Netzwerk“ mit der Thematik verbunden ist, auf welche Art und Weise durch öffentliche, privatwirtschaftliche und gemeinnützige Akteure in gemeinsamer Organisation politische Entscheidungsprozesse und Governance gestaltet werden, beschäftigt die internationale, sozialwissenschaftliche Forschung seit den späten 1980er Jahren zunehmend (s. Raab /Kenis 2007; Kenis /Raab 2008). In diesem Zusammenhang werden Netzwerke als politikwissenschaftliches Werkzeug18, als „Theorieperspektive“19, als Metapher20, als Governance-Form21 oder als politische Programmatik verwandt. In der sozialwissenschaftlichen Literatur finden sich Debatten über die Differenz und den Zusammenhang zwischen zwei Dimensionen von Netzwerken: der Auffassung von Netzwerken zum einen als Strukturtyp bzw. -muster und zum anderen als Koordinationsform bzw. -verfahren (vgl. Mayntz /Scharpf 1995b: 60; Raab 2002a: 233, 2002b). In der vorliegenden Studie werden Netzwerke hingegen in einer dritten Dimension, und zwar als Analysekategorie, eingeführt. Um den spezifischen Ansatz netzwerkanalytischer Studien zu fassen, wird an dieser Stelle zunächst überblicksartig auf die Entwicklungsgeschichte und einige herausragende Forschungsfelder eingegangen. Daraufhin soll in die Perspektive eingeführt werden, die der Untersuchung zu Grunde liegt. Die Methode der quantitativen Netzwerkanalyse wird auf unterschiedliche Forschungstraditionen zurückgeführt. Gemäß John Scott sind die Vorläufer der Netzwerkanalyse bis in die 1930er Jahre zurückzuverfolgen, und es sind drei Hauptströmungen auszumachen, die hier in ihrer Relevanz für die nachfolgende Analyse in aller Kürze skizziert werden (Scott 2000: 7ff.). Zum ersten waren Analysen zu kleinen Gruppen durch einen sozialpsycholgischen Entwicklungsstrang ein wichtiger Anstoß (Scott 2000: 8ff.; Jansen 2003: 39ff.). Die Vertreter dieser Entwicklungslinie (Köhler, Moreno, Lewin, Heider) konzentrierten sich auf die Bedeutung einzelner Elemente durch Betrachtung des Ganzen bzw. der „Gestalt“ und verfolgten strukturelle Argumente in psychologischen Forschungsfeldern. Der Sozialpsychologe Jakob L. Moreno gilt, mit Unterstützung durch Helen H. Jennings, als Begründer der Methode der Soziometrie, der Messung von sozialen Beziehungen (s. hierzu ausführlich Freeman 2005). Durch die Erfindung des Soziogramms gelang es Moreno (1934), (Klein-) Gruppenstrukturen erstmals grafisch durch Linien und Punkte darzustellen und somit einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Graphentheorie – der Beschreibung von Strukturen mit Hilfe mathematischer Axiome und der verfeinerten Analyse mit graphentheo-
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Die mathematischen Verfahren und Maße werden im Rahmen der Fallstudie vorgestellt. Als Werkzeug wird die Kategorie des Netzwerke zur Beschreibung bestimmter Formen der politischen Steuerung und der Verhandlungen zwischen einer Vielzahl öffentlicher und privater Akteure zur Erzielung einer kollektiven Entscheidung genutzt (vgl. Pappi /Henning 1998: 553). 19 Zu dem Argument, Netzwerke seien auch aus einer Theorieperspektive zu sehen, siehe etwa Dorothea Jansen (Jansen 1999: 11f.) 20 s.a. Pappi/ Henning 1998 21 Netzwerke als Governance-Form werden derzeit beispielsweise in der Forschung zu Politiknetzwerken diskutiert. 18
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retischen Modellen – zu leisten. Diese gehören in heutigen Netzwerkanalysen zum Standard. Ein zweiter, anthropologischer Entwicklungsstrang wurde durch industrie- und gemeindesoziologische Arbeiten einer Gruppe von Forschern (Warner, Mayo, Homans) der Universität Harvard begründet (Scott 2000: 16ff.; Jansen 2003: 45ff.). Im Zentrum der Studien stand die Untersuchung von Beziehungsmustern und der Bildung von „Cliquen“. Aufbauend auf den strukturalistischen Ideen von Alfred R. Radcliffe-Brown verfolgten Lloyd Warner und Elton Mayo das Ziel, im Rahmen der wohlbekannten industriesoziologischen Studien in den Hawthorne-Werken (Roethlisberger /Dickson 1939) alle konkreten sozialen Strukturen zu erfassen. Mit der Bedeutung informeller Gruppenbeziehungen, die durch diese Studien erkannt wurde, beschäftigte sich später George C. Homans (1950/ 1960), indem er die Daten mit Hilfe der Technik Morenos erneut analysierte und sie in einen Zusammenhang mit der Leistung in einer Gruppe brachte. In Gemeindestudien, zum Beispiel der „Yankee City Studie“ (Warner/Lunt 1941, 1942) und der „Old City Studie“ (Davis et al. 1941) wurde hieran angeknüpft: Die Relevanz informeller Beziehungen in lokalen Gemeinschaften stand im Mittelpunkt der Untersuchung. Warner und Lunt identifizierten Untergruppen sozialer Gemeinschaften, die sie Cliquen nannten, und kamen zu dem Schluss, dass diese die gleiche integrative soziale Bedeutung hätten wie die in den industriesoziologischen Studien untersuchten, informellen Beziehungen in den HawthorneWerken (Scott 2000: 20). Die Cliquen stellten sie in Soziogrammen und Daten-Matrizen dar und untersuchten den Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Klasse und der zu einer Clique. In dieser Studie wurden wohl zum ersten Mal netzwerkanalytische Terminologien genutzt, um die Strukturierung von Gesamtgesellschaften in Untergruppen zu beschreiben, und sie gelten zudem als Pionierarbeiten in Bezug auf die Anwendung formaler netzwerkanalytischer Methoden (Scott 2000: 21ff.). Wie bereits in der „Yankee City Studie“ wurden im Anschluss daran in der „Old City Studie“ Cliquen als sich überschneidende Kreise dargestellt und Doppelmitgliedschaften herausgestellt. Erwähnenswert sind hier insbesondere die Fortschritte, die die Forscher bei der Analyse cliqueninterner Strukturen und der Strukturen zwischen Cliquen erzielten (Scott 2000: 22). Die dritte, durch Scott hervorgehobene Entwicklungslinie wurzelt in der Sozialanthropologie. Die modernisierungs- und stadtforschungsorientierten Studien der sogenannten „Manchester-Gruppe“ (Gluckman, Barnes, Bott, Nadel, Mitchell) konzentrierten sich insbesondere auf die persönlichen Beziehungen von Individuen und deren Lebenswelt (Scott 2000: 26ff.). Dabei wendeten sie sich von der vorherrschenden strukturfunktionalistischen Betrachtungsweise ab und fokussierten anstatt Normen das Verhalten und die konkreten Beziehungen in Hinblick auf Macht und Konflikt als Charakteristika der sozialen Integration von Gesellschaften. Insbesondere durch die Arbeiten der britischen Sozialanthropologie in den 1950er und 1960er Jahren und die der strukturellen Soziologie der „Harvard-School“ in den 1970er Jahren wurden netzwerkanalytische Methoden und Verfahren, wie z.B. mathematischgraphentheoretische Instrumentarien, wesentlich (weiter-) entwickelt. In den folgenden Jahrzehnten wurde, inspiriert durch diese Vorarbeiten, an Forschungsstrategien und Konzepten gearbeitet und es wurden Computerprogramme zur Berechnung und Visualisierung von Netzwerken entwickelt22. Heute wird die Netzwerkanalyse disziplinenübergreifend 22 Beispiele für Computerprogramme zur Netzwerkanalyse und Darstellung von Beziehungsstrukturen sind UCINET (Borgatti, Everett et al. 2002: , www.analytictech.com); Structure (Burt 1991); SONIS (Pappi /Stelck 1988), VISONE (http\\www.visone.de); PAJEK (http://vlado.fmf.uni-lj.si/pub/networks/pajek/), KrackPlot (http://www.andrew.cmu.edu/user/krack/krackplot.shtml).
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eingesetzt23. Dabei ist sie in der deutschen Politikwissenschaft, gerade verglichen mit den USA sowie anderen Disziplinen, noch unterrepräsentiert. Interessant für die hier vorliegende Untersuchung sind insbesondere Arbeiten zu politischen Entscheidungsprozessen in Gemeinden (z.B. Laumann /Pappi 1976; Laumann, Galaskiewicz et al. 1978; Pappi /Melbeck 1984), zu Steuerung (Raab 2002a) sowie einige Studien zu Politiknetzwerken (z.B. Laumann /Knoke 1987; Schneider 1988; Schneider /Werle 1991; Brechtel 1998). Die hier zum Einsatz kommende Netzwerkanalyse ist eine quantitative Methode zur empirischen Untersuchung der Relationen zwischen Akteuren sowie der Struktur sozialer Systeme. Sie gründet auf der Annahme, dass sich soziale Einheiten durch ihr Verhältnis zu anderen sozialen Einheiten definieren, dass folglich die Analyse der Beziehungsmuster und deren Implikationen durch relationale Konzepte erfassbar sind (vgl. Schneider 1988; Wasserman /Faust 1994; Raab 2002a). Hiermit werden bereits zwei Schwerpunkte der netzwerkanalytischen Fundierung der Erklärung sozialer Phänomene festgelegt. Zum einen handelt es sich bei Untersuchungen auf der Grundlage dieser Methode um Strukturanalysen. Entgegen der gängigen Methoden der empirischen Sozialforschung auf der Grundlage von Attributdaten werden nicht die individuellen Attribute oder Aktivitäten, sondern die Beziehungen zwischen den Akteuren als zentrales Element der Erklärung begriffen (Knoke 1990). Die Stärke des Einbezugs der handelnden Individuen und von Akteursmodellen in die Analyse variiert je nachdem, wie stark strukturalistische Grundannahmen einbezogen werden. Allgemein setzen Netzwerkanalysen empirisch in einer relativ mittleren Position zwischen strukturdeterministischen Ansätzen (übersozialisiertes Akteursmodell) auf der einen und handlungstheoretischen Ansätzen (untersozialisiertes Akteursmodell) auf der anderen Seite an. Deshalb werden in ihnen große Potentiale zur Ermöglichung eines Zugang zu Sozialstrukturen und zu dem in der Soziologie grundlegend diskutierten Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft zugesprochen (Galaskiewicz /Wasserman 1993; Raab 2002a; Jansen 2003). Die (Sozial-) Struktur wird als dauerhaftes Beziehungsmuster zwischen sozialen Einheiten betrachtet (Wasserman /Faust 1994: 4), das als Netzwerk konzeptualisiert ist und das Akteursverhalten zu einem bestimmten Ausmaß steuert. Die Struktur der untersuchten sozialen Systeme – als Beziehungsgeflechte – kommt besonders durch deren formale Struktur zum Ausdruck. Sie besteht aus realisierten sowie nicht-realisierten, potentiellen Beziehungen. Diese können das Handeln einschränken und ermöglichen, auch ohne dass die Akteure dies direkt wahrnehmen. So wandelt sich die individuelle Zusammensetzung der Teilnehmer und Organisationen eines sozialen Systems mit der Zeit, die grundlegenden (Macht-) Strukturen bleiben dabei jedoch stabil (Knoke 1990: 7). Deshalb, und darin liegt der zweite Schwerpunkt, wird sozialen Phänomenen ein relationaler Charakter zugesprochen. Die Verbindungen zwischen Einheiten stehen im Vordergrund der Analyse. Durch die Netzwerkanalyse werden nicht in erster Linie Personen, Organisationen oder Staaten als solche fokussiert. Durch den strukturbezogenen, relationalen Charakter erlaubt die Netzwerkanalyse, Funktionsbedingungen und Wirkungen von öffentlichprivaten Kooperationen nicht nur aus den Interessen der Akteure, sondern auch aus der Struktur der Akteursbeziehungen zu erklären. In der folgenden Fallstudie (Teil II Kapitel 3.2) stellen die diversen Beziehungen die relevanten Analyseeinheiten dar, die die sozialen Akteure des lokalen Systems, betrachtet als Einzelorganisationen, verbinden (Knoke 1990: 235). In einem weiteren Analyseschritt können auch solche Organisationen zu Cliquen zusammengefasst und untersucht werden, die sich aufgrund ihrer Rollen, Positionen und 23 Die Untersuchungsgegenstände netzwerkanalytischer Studien in der Politikwissenschaft, Soziologie, Betriebswirtschaftslehre Psychologie, Anthropologie, Sozialarbeit, Kommunikationswissenschaften, der Ethnographie differieren (s. für einen kurzen Überblick z.B. Jansen 1999: 48f.).
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Beziehungsstrukturen ähnlich sind. Damit wird die Ebene der Einzelorganisationen verlassen; eine soziale Tiefenstruktur soll aufgedeckt werden. Ohne der Analyse in diesen beiden Abschnitten vorgreifen zu wollen, werden im Folgenden die allgemeinen Grundlagen der anzuwendenden netzwerkanalytischen Verfahren geklärt und die Einordnung der Studie in das methodische Konzept einschließlich ihrer Ziele erläutert. 1.2.2.2 Analyseeinheiten und Analyseebenen Rekurriert man auf den Begriff des Netzwerkes im Rahmen eines methodischen Ansatzes, wird ein Netzwerk in Anlehnung an seine Darstellung in Graphen oder Soziogrammen im Allgemeinen als eine abgegrenzte Menge von Knoten definiert, die die Akteure, Ereignisse oder Objekte bezeichnen (sogenannte nodes, positions, actors, vertices), sowie als eine Menge von sogenannten Kanten (auch ties, links, paths, edges, arcs), die die Relationen, Beziehungen oder Verbindungen zwischen den Knoten repräsentieren (Wasserman /Faust 1994: 93f.; Jansen 2003: 51ff.). Es wird davon ausgegangen, dass sich die Akteure eines Politiknetzwerkes aufgrund ihrer gemeinsamen Orientierungen bei ihren Handlungen gegenseitig in Rechnung stellen und somit interdependent sind (Laumann /Knoke 1987: 41). Die Relationen zwischen den Akteuren eines Politikfeldes können als „Kanäle“ betrachtet werden, durch die Ressourcen zwischen Akteuren ausgetauscht bzw. weitergegeben werden. Untersucht man alle möglichen Relationen zwischen sozialen Einheiten, so wird von der Analyse eines totalen Netzwerks gesprochen. In dieser Studie wird die geläufige Einschränkung der Relationen auf bestimmte Inhalte und somit eine Analyse partieller Netzwerke vorgenommen (s.a. Pappi 1987: 13f.). Damit ist bereits die erste der drei möglichen Dimensionen einer Relation genannt. Relationen unterscheiden sich hinsichtlich der Dimension des Inhalts, der Intensität und der Dimension der Form (Knoke 1990: 236; Jansen 2003). Der Relationsinhalt rekurriert auf die Bedeutung der Netzwerkbeziehungen; die Relationsform auf die Eigenschaften der Beziehungen, wie etwa ihre Intensität, Häufigkeit oder die Frage, ob die Beziehung gegenseitig ist oder nicht. Für eine Unterscheidung von Netzwerken aufgrund des Inhalts von Relationen wurden verschiedene Klassifikationen erstellt (vgl. Knoke /Kuklinski 1982: 15f.; Knoke 1990: 236; Wasserman /Faust 1994: 18; Jansen 2003: 59), die typischerweise die folgenden grundlegenden Relationsinhalte beinhalten:
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Transaktionsbeziehungen, bei denen Kontrolle über Ressourcen ausgeübt wird, indem diese ausgetauscht werden z.B. ein Kauf; Kommunikationsbeziehungen, die die Weitergabe von Informationen, Normen u.ä. kanalisieren; Grenzüberschreitende Beziehungen, z.B. über die Mitgliedschaft einer Person in mehreren Organisationen bzw. den Gremien verschiedener Organisationen; Instrumentelle Beziehungen, etwa ein Job, ein politischer Rat oder ein ähnliches Gut/eine Dienstleistung wird durch diese Beziehungsart gesichert; Gefühlsbeziehungen, etwa Bewertungen hinsichtlich Freundschaft oder Respekt; Formale Beziehungen, wie zum Beispiel Macht oder Autorität; Verwandtschaftsbeziehungen.
In der Regel wird in Netzwerkstudien nur eine ausgewählte kleine Anzahl der vielen denkbaren Beziehungsinhalte gemessen. Hinsichtlich der Relationsintensitäten wird hier wie in den meisten Studien von einer Dichotomie ausgegangen. Die Daten werden dann danach erhoben, ob eine Beziehung vorhanden ist oder nicht. In diesem Fall handelt es sich um binäre (zweiwertige) Daten. Netzwerkanalytisches Datenmaterial kann aber auch ordinal oder metrisch skaliert erhoben werden. Des Weiteren wird in der Dimension der Relationsformen unterschieden zwischen gerichteten Beziehungen (z.B. Akteur A gibt eine Information an Akteur B weiter) und ungerichteten, symmetrischen Beziehungen (z.B.: Akteur A und Akteur B tauschen Informationen aus). Konzepte zur Analyse von Beziehungsstrukturen lassen sich hinsichtlich ihres Fokus auf die Analyseebene sowie des Typs der Strukturanalyse unterscheiden (Raab 2002a: 235). So kann die Analyseebene je nach Forschungsgegenstand variieren und auf der Ebene von Akteuren, Gruppen oder eines Gesamtnetzwerks angesiedelt sein (s.a. Jansen 2003). Hinsichtlich des Typs der Analyse wird zwischen Konzepten differenziert, die jeweils mit Hilfe unterschiedlicher Instrumente verschiedene Strukturen in den Blick nehmen. Auf der einen Seite stehen solche Konzepte, die beschreiben, wie die Akteure miteinander verbunden sind (z.B. direkte/indirekte Verbundenheit, zentrale oder dezentrale Position in der Beziehungsstruktur, Verbundenheit in einer Clique) und auf der anderen Seite Konzepte, die ähnliche strukturelle Positionen der Akteure aufgrund ihrer Beziehungen zueinander innerhalb einer Struktur aufdecken (z.B. strukturelle Äquivalenzen von Akteuren: sie nehmen eine ähnliche Position oder Rolle in einer Beziehungsstruktur ein; Modelle, die die Äquivalenzen in Blöcken zusammen fassen). Die Modelle und Methoden, insbesondere die mathematischen Maße und Verfahren der quantitativen Netzwerkanalyse, werden im Rahmen der Auswertung spezifiziert. 1.2.2.3 Analyse lokaler Machtstrukturen Einer der bedeutendsten und schwierigsten Schritte im Rahmen einer Netzwerkanalyse ist die Bestimmung der Grenzen des Netzwerks. Die Netzwerkabgrenzung thematisieren bereits Annahmen der klassischen Arbeiten zu „community power“ (s. Teil Eins, Kapitel 3). So erhalten gemäß dem Positionsansatz die Akteure Macht und Einfluss über die vorgegebenen hierarchischen Strukturen und ihre Positionen (Mills 1956). Der Reputationsansatz hingegen erklärt die Macht eines Akteurs über die Wahrnehmung und Bewertung der anderen Akteure (Hunter 1953). Beide Ansätze gehen von der Annahme aus, dass sich eine kleine und homogene Gruppe unterschiedlicher Akteure aus Wirtschaft, Politik (und Militär) die Macht teilt. Nicht so der dritte Ansatz, der von einer pluralistischen Perspektive ausgeht: Vertreter des Entscheidungsfindungsansatzes betrachten die an wichtigen Entscheidungen real beteiligten Akteure als einflussreich und berücksichtigen, welche Personen ihre Entscheidungen durchsetzen bzw. andere blockieren können (Dahl 1961). Jüngere Studien (vgl. etwa Laumann /Knoke 1987; Knoke, Pappi et al. 1996) schlagen vor, die Ansätze zu verbinden. Unter Einbezug netzwerkanalytischer Auswertungsmethoden können sie zudem erweitert werden. So können zum einen alle im Politikbereich bzw. issueNetzwerk involvierten Akteure identifiziert (Positions- und Entscheidungsfindungsansatz) und zum anderen weitere informelle Strukturen über den Reputationsansatz aufgedeckt und herausgefunden werden, welche Akteure als die einflussreichsten bezeichnet werden können. 61
Soziale Macht wird nicht nur in den erwähnten Studien sondern in den meisten Politikanalysen mehr oder weniger explizit als ein relationales Konstrukt betrachtet (Knoke 1990: 1; Melbeck 2004: 98f.). Der Begriff des Einflusses bezieht sich dann nicht auf eine Eigenschaft der Akteure, sondern auf die potentielle oder tatsächliche Interaktion zwischen Akteuren. Wie unterschiedliche Akteure in einem thematisch abgegrenzten Bereich zusammenwirken, kann durch die Analyse von Einflussstrukturen in issues (Heclo 1978) oder policy networks (Van Waarden 1992) untersucht werden. Die quantitative Netzwerkanalyse geht gleichwohl von der Grundannahme aus, dass soziale Prozesse nur unter Einbezug relationaler Variablen erklärt werden können. Diese ergeben sich aus den Beziehungen zwischen den Akteuren. Gemäß Knoke (1990: 9) haben die Strukturen zwischen den Akteuren sowie die Position des einzelnen Akteurs relevante Folgen sowohl für die Wahrnehmungen, Einstellungen und das Verhalten der einzelnen Akteure als auch für das Gesamtsystem. Damit ergeben sich auch Konsequenzen für den Prozessverlauf und dessen Ergebnis. Durch die Netzwerkanalyse sollen schließlich Strukturmerkmale ermittelt werden, die zur Bildung von Hypothesen über den Zusammenhang zwischen der Struktur und dem Prozessverlauf bzw. dem Ergebnis des Prozessverlaufs beitragen. Hierdurch wird ermöglicht, „eine Fragestellung der klassischen Soziologie auf politikwissenschaftliche Fragestellungen [zu] übertragen, nämlich welche Auswirkungen bestimmte Sozialstrukturen auf das Verhalten der einzelnen Akteure sowie das kollektive Verhalten haben.“ (Raab 2002a: 238)24. In die Netzwerkanalyse mit einbezogen werden die Interessen und die Ressourcen der Akteure, ihre Beziehungen zu anderen Akteuren, ihre Wahrnehmung der anderen Akteure und das Leistungsspektrum der Vernetzungsformen. Netzwerkanalytische Maßzahlen messen beispielsweise die Zahl der Beziehungen eines Akteurs im Netzwerk und kennzeichnen die Informations- und Maklereigenschaften der Position des Akteurs, die Stärke seiner Einbindung in das Netzwerk und die Höhe seiner Wertschätzung im Netzwerk, d.h. sein Prestige. Rückschlüsse auf das sogenannte Sozialkapital – gemäß Pierre Bourdieu eine individuelle Ressource, die durch soziale Beziehungen zu anderen Individuen entsteht (Bourdieu 1983) – können durch Prestigemaßzahlen gezogen werden. So können Aussagen darüber getroffen werden, wie ein Akteur über seinen Einfluss und seine Wertschätzung im Netzwerk Sozialkapital mobilisieren kann. Eine solche Analyse kann Koordinations- und Solidaritätspotentiale der Netzwerke sowie die strukturellen Positionen und Funktionen, die einzelne Akteure in ihnen haben, ihren Zugang zu Informationen, ihre Chancen für die Ausübung sozialen Einflusses und die Gelegenheitsstrukturen für kommunalpolitisch relevantes Handeln offenlegen. Sie kann Einsichten darüber vermitteln, wie gut oder wie schlecht die Akteure in einem Informationstauschnetzwerk positioniert sind (vgl. Laumann /Pappi 1976; Pappi /Melbeck 1984; Knoke 1990). Hier zeigen sich mögliche Anschlussstellen zu Local Governance als einem Rahmenkonzept der Mesoebene, das weitere Analysemodelle und Konzepte erschließt; so bietet sich der akteurzentrierte Ansatz als Synthese an, um Strukturen sowie Akteure in die Analyse einzubeziehen.
24
Angemerkt sei, dass erst die Analyse des politischen und kulturellen Kontextes erlaubt, die Netzwerkstruktur richtig einzuordnen und zu verstehen. Deshalb schließen sich notwendigerweise weitere qualitative Auswertungsschritte an.
62
1.3 Fallauswahl, Datenerhebung und Datenbasis der Fallstudie Nachdem in den vorigen Kapiteln die Grundlagen der in der Fallstudie zum Einsatz kommenden Methoden, der qualitativen Inhaltsanalyse und der quantitativen Netzwerkanalyse, dargelegt wurden, erfolgt nunmehr die Begründung der Fallauswahl und die Beschreibung der konkreten, fallbezogenen Datenerhebungsmethoden und der Datenbasis. 1.3.1 Fallauswahl Von besonderer Bedeutung im Zusammenhang mit der Konstruktion eines fallbezogenen Forschungsdesigns ist die Wahl des Falls. Prämisse bei der Auswahl ist, einen solchen Fall zu finden, der für die Rekonstruktion der zu untersuchenden sozialen Strukturen und Prozesse geeignet ist. Angelehnt an das in Kapitel 1 beschriebene Design erfolgt in diesem Abschnitt die Fallauswahl durch eine konzeptionell, theoretisch begründete und problemadäquate Selektion. Im Folgenden werden, aufbauend auf einer kurzen Einführung in den Fall, die generellen Kriterien offengelegt, die die Entscheidung für den Fall begründen. Dabei wurde zunächst gemäß der Einordnung der Studie in das Forschungsfeld lokalpolitischer Studien ein räumliches Kriterium angelegt und eine Entscheidung für eine zu fokussierende lokale Ebene gefällt. Des Weiteren wurden die in der lokalen Koordinationsstruktur zu untersuchenden Fälle kooperativer Arrangements selektiert. Die Auswahl der letzteren Fälle orientierte sich an der grundlegenden Definition der „Public Private Partnership“/“kooperativer Arrangements“ wie sie in Teil Eins, Kapitel 2 dargelegt wurde. 1.3.1.1 Lokale Ebene Im Mittelpunkt der Fallstudie stehen öffentlich-private Kooperationsprojekte der Hochkultur-Finanzierung in der Stadt Münster. Münster ist mit rund 280.00 Einwohnern eine mittlere Großstadt, die sich im Zentrum eines weiten ländlichen Raums, der Region Westfalen, befindet. Die Stadt mit dem Spitznamen „Schreibtisch Westfalens“ ist stark durch den Charakter der „Universitäts- und Beamtenstadt“ geprägt sowie durch das Vorhandensein einer mittelständischen Industrie, jedoch kaum durch große Unternehmen. Nach einer historischen Entwicklung von mehr als 1200 Jahren ist Westfalen mit Münster als alter Bischofsstadt, dem Handels- und Dienstleistungszentrum der Region und der politischen Metropole des Bezirks, heute insbesondere durch mittelständische Unternehmen, eine vielfältige kulturelle Landschaft und einer bei Touristen beliebten Freizeitregion charakterisiert. Dezidiert historisch bestimmt ist die lange Tradition des Katholizismus zum einen sowie des Handels- und Gewerbesektors zum anderen. Die Regierung Münsters ist traditionell weitestgehend durch eine Dominanz der CDU geprägt. Die Wählerstimmen-Verteilung für politische Parteien ist einem relativ statischen Pfad gefolgt. Was die Administration betrifft, ist Münster Verwaltungsmetropole einer der territorial größten Regionen Deutschlands mit einer Bevölkerung von 8,5 Mio. Einwohnern. Die Bevölkerungsdichte Münsters ist, verglichen mit anderen deutschen Städten, relativ hoch. Die Bevölkerungsstruktur ist speziell: Ein Viertel der Stadtbevölkerung studiert oder arbeitet an einer der sieben Hochschulen. Fast 50.000 Einwohner sind Studierende. Verglichen mit anderen Städten ist die Arbeiterschaft in Münster sehr gering repräsentiert, was auf den mittelständischen Charakter der Stadt zurückzuführen ist. Neben den Hochschulen und der Verwaltung ist insbesondere der 63
Landschaftsverband Westfalen-Lippe ein großer Arbeitgeber. Der demographische Wandel bedingt heute auch in Münster eine starke Belastung der öffentlichen Haushalte. Diese Entwicklung führt u.a. zu einer Konzentration auf Pflichtaufgaben bei den öffentlichen Leistungen. Das Ausmaß der öffentlichen Förderung von Kunst und Kultur ist deshalb als freiwillige Leistung auch in Münster permanentes Diskussionsthema. Das Thema war jedoch lange Zeit nicht so dringlich wie in anderen Städten: Münster war im Jahr 2004 im Regierungsbezirk die einzige kreisfreie Stadt, die einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen konnte. Diese grundlegenden Charakteristika spiegeln sich auch in den Strukturen in der Kulturlandschaft wider, die sich, neben den klassischen, durch den öffentlichen Bereich finanzierten kulturellen Institutionen (Städtische Bühnen, Orchester und Museen), durch eine aktive Vereinslandschaft sowie traditionell einzelne Kulturprojekte subventionierende private und halbprivate Sponsoren auszeichnet. Unterrepräsentiert ist in Münster, im Vergleich zu anderen Städten ähnlicher Größe, die Industrie als potentieller Kulturfinanzierer. Die für den Bereich der Kulturfinanzierung in kooperativen Arrangements interessanten Charakteristika können folgendermaßen zusammengefasst werden: Bei Münster handelt es sich um eine Stadt von mittlerer Größe, kreisfrei, im Zentrum eines weiten, ländlichen Einzugsbereichs; mit moderner Verwaltung, einer starken Dienstleistungsorientierung der Verwaltung; mit wenig Industrie und einer stark mittelständischen Prägung (starke Kultur der Kaufmänner); mit einer großen Anzahl an Vereinen und starkem zivilgesellschaftlichem Engagement; mit sehr bürgerlicher Bevölkerung („Schreibtisch Westfalens“); mit vergleichsweise gutem Stand der öffentlichen Haushalte; mit einem diversen und reichen Kulturangebot. Im Rahmen der Fallstudie werden diese Spezifika einer näheren Betrachtung unterzogen und diskutiert. 1.3.1.2 Das Politikfeld Kultur Zwischen PPPs als Instrumenten lokaler Steuerung und Koordinierung und der Kulturfinanzierung auf lokaler Ebene, sind empirisch vielfältige Interdependenzen zu beobachten. Ferner ist der Kulturbereich aus vier weiteren Gründen ein besonders interessantes Feld zur Analyse von PPPs: Erstens ist der Bereich durch eine traditionell starke öffentliche Finanzierungsstruktur gekennzeichnet. Politikbereiche wie die der Kultur, die durch einen „starken Staat“ und eine traditionell herausgebildete Pfade der dominant öffentlichen Finanzierungsstruktur und Verantwortungsübernahme gekennzeichnet sind, erfahren in den letzten Jahren eine Aufmerksamkeit in der Diskussion um die Vermarktlichung kommunaler Leistungen und sind insofern ganz besonders interessant als Untersuchungsfelder für die Thematik der öffentlich-privaten Partnerschaften. Zum zweiten wird der Kulturbereich in den letzten Jahrzehnten und heute zunehmend durch die Wirtschaft entdeckt. Es hat sich inzwischen ein eigener Sektor – die Kulturwirtschaft – herausgebildet. Mit dieser Entwicklung ging auch einher, dass vormals behauptete Gegenpole wie beispielsweise Kunst und Ökonomie oder Kultur und Wirtschaftlichkeit zugunsten einer vergleichsweise neuartigen, ökonomischen Betrachtungsweise auf Strukturen und Prozesse im Kulturbereich zuneh64
mend annähern. Zum Dritten ist der Kulturbereich als Politikanalysefeld für PPPs interessant, da hier das bürgerschaftliche Engagement und der gemeinnützige Bereich der Organisationen des sogenannten Dritten Sektors traditionell eine besonders große Rolle spielen. Allerdings wurde bisher die Rolle des gemeinnützigen Sektors und des bürgerschaftlichen Engagements im Zusammenhang mit PPPs stark vernachlässigt. Der Ausgleich dieser Forschungslücke stellt ein erklärtes Ziel dieser Arbeit dar. Die Untersuchung der Leistungserbringung durch PPPs im Kulturbereich bietet sich im Zusammenhang damit auch deshalb ganz besonders an, da Kultur zu den freiwilligen Leistungen gezählt wird. Im Gegensatz zu den pflichtigen Leistungen kann – anknüpfend an die Erkenntnisse aktueller Studien – davon ausgegangen werden, dass der gemeinnützige Bereich bei freiwilligen Leistungen deshalb eine besondere Rolle spielt, da diese in geringerem Ausmaß den Maßstäben des Wettbewerbs unterworfen sind als dies bei Pflichtaufgaben der Fall ist. Die Frage nach der effizienten Durchführung pflichtiger Aufgaben durch PPPs, zu denen zum Beispiel die Realisierung der Müllentsorgung oder der Bau von Schulen gehören können, sind insbesondere für die Wirtschaftswissenschaften interessant und wurden in den letzten Jahren auch zunehmend aufgeworfen und bearbeitet. Dahingegen wurde bisher einer insbesondere politikwissenschaftlich interessanten Problemstellung geringere Aufmerksamkeit gezollt, in deren Mittelpunkt der Fokus auf PPPs als solchen Arrangements steht, die bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme Innovation befördern und anregen können (s. für dieses Argument Oppen, Sack et al. 2003, 2005). Die Annahme, PPPs hätten innovationsfördernde Charakteristika, wird auch durch Argumente der Governance-Debatte unterstrichen. In Anschluss an aktuelle demokratie- und steuerungstheoretische Studien ist diese Wirkung von PPPs indes insbesondere bei freiwilligen Leistungen zu erwarten. Dies lässt letztlich erwarten, dass aus den Ergebnissen dieser Studie Rückschüsse allgemeinerer Art gezogen werden können, die über den Kulturbetrieb hinaus gehen und weitere Bereiche freiwiller Aufgaben betreffen. Letztlich, und dies betrifft den zu erwähnenden vierten Aspekt, blicken Kooperationen im weiteren Sinne auf eine lange Geschichte in der Finanzierung und ideellen Förderung der Kunst und Kultur zurück (zu den vier Punkten siehe genauer Teil II Kapitel 2). Wie PPPs in diese Traditionen einzuordnen sind, auch dies ist Inhalt dieser Arbeit. 1.3.1.3 Kooperative Arrangements Die Fallselektion wurde, auf der Grundlage der Fragestellung, theoretischen Vorkenntnisse und des definitorischen Rahmens, in einer Vorstudie durchgeführt. Die Ergebnisse der Vorstudie ergaben, dass es im Münsteraner Hochkulturbereich eine gut dokumentierte PPP in der Entwicklungsphase gibt. Des Weiteren konnten zwei PPPs identifiziert werden, die sich bereits in der Realisierungsphase etabliert haben. Weitere Kooperationen, die ausfindig gemacht wurden, kamen nicht in Frage, da sie die Kriterien der zugrunde gelegten Definition nicht erfüllen. Aufgrund dieses Ergebnisses wurden die folgenden öffentlich-privat finanzierten Projekten/Institutionen des Hochkulturbereichs für die Studie ausgewählt:
„Musikhalle“: die geplante Realisierung eines Kulturkomplexes mit dem kommunalen Projekt einer Musikhalle und dem Landesprojekt eines Museums für Gegenwartskunst unter einem Dach, das diverse weitere private Kooperationspartner involviert; „Graphikmuseum“: ein Museum, das als Stiftung des Westfälisch-Lippischen Sparkassen- und Giroverbandes, der Provinzial-Versicherungen, der West-LB, des Landes NRW und eines Stifterehepaars organisiert ist; 65
„Ausstellungshalle“: eine Ausstellungshalle mit Ateliergemeinschaft in Trägerschaft der Kommune, des Landes und eines privaten Investors.
Im Mittelpunkt der Studie steht der zuerst genannte Fall, die „Musikhalle“. Interessant ist an diesem Fall, dass es sich bei dem Projekt um ein im Entwicklungsprozess befindliches Großprojekt handelte, das im Untersuchungszeitraum geplant und dessen Realisierung im Jahr 2008 durch einen Volksentscheid verhindert wurde. Es berührt somit direkt die eingangs formulierte Fragestellung nach der Voraussetzung der Entwicklung von kooperativen Arrangements. In Münster wurde rund 20 Jahre öffentlich über dieses Kulturprojekt verhandelt. Die Verhandlungen drehen sich um das Für und Wider, um die konkrete Ausgestaltung sowie um die Finanzierungsmöglichkeiten und -grenzen eines Baus und Betriebes des Kulturforums, unter dessen Dach ein Museum für Gegenwartskunst und ein Konzerthaus realisiert werden sollen. Die Debatte ist sehr gut dokumentiert. Das Projekt eignet sich auch aus forschungspragmatischen Gründen sehr gut als Untersuchungsfall, da zu erwarten war, dass potentielle Gesprächspartner aufgrund der sehr langen Fallgeschichte sowie insbesondere aufgrund der Aktualität (das Projekt ist noch nicht realisiert) authentisch Auskunft geben und die Fallstricke und Probleme nicht nachträglich – in Anbetracht eines zu langen Abschlusses der Entwicklungsphase – marginalisieren oder übersteigern. Als durch den Volksentscheid verhindertes Projekt bietet sich die Möglichkeit, das Scheitern eines Steuerungsprozesses in den Blick zu nehmen, eine Perspektive, die in der aktuellen Forschung zu PPPs bisher unterbelichtet bleibt. Während das Museum, das im Untersuchungszeitraum als Trägerprojekt des Landschaftsverbandes bzw. des Landes NRW im Gespräch ist, hier lediglich als Teil des Gesamtprojektes interessiert, steht die sogenannte „Musikhalle unter dem Dach des Kulturforums“ als kommunales (Träger-) Projekt im Mittelpunkt des lokalpolitischen Forschungsinteresses. Neben der Kommune sind vielfältige öffentliche und private Organisationen in den Planungsprozess als ideelle und materielle Förderer (potentielle/ zukünftige und bereits aktive Unterstützer) sowie Gegner involviert. Gespiegelt wird der Fall „Musikhalle“ an den beiden weiteren genannten Fällen, die qualitativ erhoben und ausgewertet wurden (s. Kapitel 3). Die Analyse der Fälle „Graphikmuseum“, „Ausstellungshalle“ kontrastiert den Hauptfall in mehreren Punkten:
mit bereits erfolgreich abgeschlossenen Projekten; mit den Interessen und Strategien von Beteiligten; mit Hintergründen, Entwicklungsphasen und Rahmenbedingungen der Projektrealisierung; mit Vergleichsmaßstäben der Projektrealisierung.
1.3.1.4 Zusammenfassung Die Wahl des Falls orientiert sich an dem Design einer „single-case-study“ mit mehreren, „eingebetteten“ Analyseeinheiten25: Im Anschluss an Studien der lokalen Politikforschung wurde der Kulturbereich auf lokaler Ebene als die übergeordnete Analyseeinheit gewählt. Innerhalb dieser räumlichen Eingrenzung haben wir es mit einer inhaltlichen Eingrenzung 25 Eine Fallstudie kann vom Untersuchungsgegenstand her sowohl eine Einheit (holistisch) als auch mehrere Einheiten (embedded) fokussieren. Von einem holistischen Ansatz wird dann gesprochen, wenn nur die globale Natur eines Falles (z.B. Organisation, Projekt etc.) betrachtet wird. Schließt ein Fall mehrere logisch abgrenzbare Einheiten ein, wird von einem Multi-Unit-Ansatz (embedded) gesprochen (s. Yin 1994: 41-44, 51).
66
zu tun, die sich zunächst einmal durch den Definitionsbereich (s. Teil I) begründet. Im städtischen Hochkulturbereich wurden im Rahmen einer Vorstudie durch eine Presse- und Dokumentenanalyse sowie durch Expertengespräche die möglichen Fälle identifiziert, die sich zur Untersuchung der Steuerungsarrangements anbieten. Alle gemäß der Definition möglichen Fälle wurden in die Untersuchung mit einbezogen. Gemäß der wichtigsten Kriterien bei der Fallselektion nach Robert E. Stake wurde derjenige Fall in den Mittelpunkt der Untersuchung gestellt, von dem der höchstmögliche Informationsgewinn zu erwarten war (Stake 1994), und zwar hinsichtlich der Aktualität, der Entwicklungsperspektive, der Perspektive der beteiligten Partner und der Größe des Projektes. Die zwei weiteren Fälle wurden zur Kontrastierung vorgesehen. Die empirischen Überlegungen zur Auswahl wurden dabei mit den theoretischen Vorkenntnissen verbunden. Zusammenfassend waren folgende Kriterien ausschlaggebend für die Auswahl des Falls: 1. 2. 3. 4.
Räumliches Kriterium der lokalen Ebene im Anschluss an die These der Aufwertung der lokalen Ebene in Studien der lokalen Politikforschung; Soziale Schichtung (Annahmen eines hohen prozentualen Anteils der Hochkultur nutzenden Bevölkerung, Vorhandensein eines potenten Sponsorenkreises) im Anschluss an Studien zur Kulturpolitik und Kulturwirtschaft; Annahme der Existenz eines hohen Anteils formeller und informeller Mächtekonstellationen im Anschluss an die Ergebnisse der Community Power Forschung; Forschungspragmatisches und forschungsökonomisches Kriterium: Befragungen der Repräsentanten von Organisationen musste möglich und im vorgegebenen Zeitraum durchführbar sein.
1.3.2 Datenerhebung und Datenbasis Dieses Kapitel stellt die verschiedenen Erhebungsverfahren und Datenbasen vor, die der Untersuchung zu Grunde liegen. Der Erhebung wurde eine Vorstudie vorgeschaltet. Vorstudien erweisen sich als besonders hilfreich, um das empirische Vorwissen über die zu untersuchenden Phänomene zu erweitern. Im Fall der zu untersuchenden lokalen Ebene sowie der kooperativen Arrangements wurde empirisches Neuland betreten. So bestand zum einen die Chance eines distanzierten Zugangs zum Feld. Zum anderen existierte jedoch die Schwierigkeit, weder über Informationen zu Rahmenbedingungen des Untersuchungsgegenstandes noch über Kontakte zu verfügen, die für die Verabredung einer großen Anzahl von Interviews bei einem relativ knappen Zeitbudget notwendig sind (Stichwort „gate keeper“). Neben der Erweiterung des Wissens und des Knüpfens von Kontakten verfolgte die Vorstudie noch ein weiteres Ziel: Die Interviewpartner sollten identifiziert und die Erhebungs- und Auswertungsmethoden getestet werden. Im Anschluss wurden die inhaltlichen Ergebnisse in zwei Expertengesprächen und die Stringenz der Leitfäden und Fragebögen in zwei Pretests überprüft. Vorstudien müssen aufgrund ihres Ziels der ersten Erkundung des Untersuchungsfeldes mit größtmöglicher methodischer Offenheit angegangen werden. Unter diesen Umständen „fördern [sie] die Offenheit der Untersuchung und qualifizieren die Methodenanwendung“ (Gläser /Laudel 2004: 105f.). Stärker strukturierte Methoden sind deshalb nicht für Vorstudien, sondern erst in der Haupterhebungsphase anzuwenden. Die Vorstudie wurde deshalb in Form einer Presse- und Dokumentenanalyse, offener Expertengespräche und in Form von Beobachtungen von Zusammenkünften durchgeführt. 67
Sie dauerte etwa drei Monate, vom 03.01. bis 13.04.2005. Es wurden Materialien der beiden Hauptorgane der lokalen Presse, der „Westfälischen Nachrichten“ und der „Münsteraner Zeitung“, ausgewertet. Bei den ausgewerteten Dokumenten handelte es sich um Vorlagen der Ratsfraktionen, um Publikationen der öffentlichen Hand, quasi-öffentlicher Einrichtungen, Organisationen des Dritten Sektors und der Privatwirtschaft zum Kulturbereich Münsters. Das vorliegende auszuwertende Material wurde durch die Befragung der in den kooperativen Arrangements aktiven Agenten von Organisationen auf der kommunalen Ebene erhoben. Es wurden weitgehend Einzelinterviews durchgeführt26. In einem Vorgespräch wurde den TeilnehmerInnen der Befragung der Untersuchungsgegenstand skizziert, die der Arbeit zugrunde liegende Definition der kooperativen Arrangements/ Public Private Partnerships mitgeteilt und ihre Anonymität im Zuge der Ergebnisveröffentlichung zugesichert. Die folgende Tabelle fasst die institutionellen Bereiche der Gemeinde zusammen und stellt dar, wie viele Organisationen erfasst und Repräsentanten befragt wurden. Tabelle 1: Interviewpartner Bereich
Organisationen
Personen
Kunst-/ Kulturvereine
4
6
Kulturstiftungen
2
4
Regionalinitiativen/ -vereine
3
3
Fraktionen/ Ausschüsse
5
7
Bezirksregierung
1
1
Stadtverwaltungsspitze
2
2
Dezernate
3
6
Ämter
5
5
8
8
6
6
Hochschulen
3
3
Presse
3
3
44
54
Gemeinnütziger Bereich
Politik/ Rat der Stadt Verwaltung
Einrichtungen der öffentlichen Hand Privater, privatwirtschaftlicher und quasi-öffentlicher Bereich Private Unternehmen und öffentlich-rechtliche Körperschaften
Gesamt Eigene Darstellung
26 Lediglich bei zwei der 50 Interviewpartner nahm zusätzlich eine Kollegin bzw. ein Kollege teil. In einem Fall handelte es sich um ein Doppelinterview, im zweiten Fall bat der Interviewte die Vorgängerin um fachlichen Beistand.
68
Die Erhebungsphase des Projektes erfolgte insgesamt auf der Grundlage von vier Erhebungsmethoden: 1.
2.
3.
4. a.
b. c.
Presse- und Dokumentenanalyse zum Sammeln von Hintergrundinformationen zu Strukturen und Akteuren im Kulturbereich der zu untersuchenden lokalen Ebene sowie zu Eckdaten der auszuwählenden Fälle (Vorstudie). Presse- und Dokumentenanalyse zur Identifizierung der relevanten, in die Projekte involvierten Akteure; Erstellung einer ersten Akteursliste. Zwei Hintergrundgespräche sowie zwei Pretests in Form von Expertengesprächen mit Vertretern des lokalen Kulturbereichs und der Politik: Konkretisierung der Informationen aus der Presse- und Dokumentenanalyse; Korrektur und Ergänzung der Akteursliste (Schneeballmethode27). 50 qualitative Einzelinterviews: Die face-to-face Interviews wurden auf der Grundlage eines Leitfragebogens mit fünfzehn Fragen sowie unter Vorlage dreier standardisierter Fragebögen geführt. Die Dauer eines jeden Interviews betrug einschließlich der Beantwortung der standardisierten Fragebögen (s. Punkt 4.) zwischen 60 und 90 Minuten. Bei den Befragten handelte es sich um Repräsentanten lokaler Organisationen, die in die oben genannten öffentlich-privat finanzierten Projekte/Institutionen des Münsteraner Kulturbereichs involviert sind. Die zwölf offenen Fragen des Leitfragegebogengestützten Interviews bezogen sich im Wesentlichen auf folgende Themen: Projektentwicklung, Projektbeteiligung, Interessen pro/contra Projektrealisierung, Chancen und Risiken öffentlich-privater Partnerschaften; förderliche und hinderliche Faktoren für die Projektentwicklung (zum Fragebogen s. Anhang 1). Alle Interviews wurden mit dem Einverständnis der befragten Personen auf Minidisks aufgezeichnet. Das Tonmaterial wurde archiviert und unterliegt dem Grundsatz der Anonymisierung. Zusätzlich wurden durch standardisierte Fragebögen Daten zur Reputation der Akteure und den Einflussstrukturen erhoben. Vorgelegt wurden folgende Karten: Drei Fragebögen zum Einfluss von Personen und Organisationen auf die Projektrealisierung in Hinblick auf die Themenbereiche der Finanzierung, des Informationsaustausches sowie der Mobilisierung der Öffentlichkeit. Die Interviewpartner wurden gebeten, die durch die Presseanalyse und Expertengespräche identifizierten 51 Akteure auf einer Skala von 1 (sehr wichtig) bis 4 (nicht wichtig) einzuordnen. Neben der Gewinnung von Daten zur gegenseitigen Wahrnehmung der Akteure hinsichtlich ihrer Relevanz ist dieser Schritt Teil der oben bereits erwähnten Schneeballmethode. Eine Karte mit 6 Fragen zu Arten der regelmäßigen Zusammenarbeit mit anderen Organisationen im Rahmen der Projektplanung/-entwicklung bzw. -verhinderung. Ein Fragebogen zur Einschätzung der Hinderungsgründe der Projektrealisierung auf einer Skala von 1 (trifft in starkem Maße zu) bis 4 (trifft nicht zu) zur Überprüfung einschlägiger Thesen der sozialwissenschaftlichen Literatur und öffentlichen Debatte.
Die Erhebung und Auswertung der netzwerkanalytischen Daten bezieht sich ausschließlich auf den Fall „Musikhalle“, der im Mittelpunkt der Fallstudie steht.
27
Bei der Schneeballmethode handelt es sich um ein Erhebungsverfahren, bei dem die befragte Person weitere zu befragende Akteure empfiehlt, die dann in einer Liste aufgenommen werden. Das Verfahren zielt auf eine vertiefte Sicht eines bestimmten Abschnitts und ermöglicht durch das Ergebnis einer geklumpten Stichprobe die Vorteile einer verdichteten Aussage und die Kategorienbildung im Auswertungsprozess.
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Aus den drei klassischen Ansätzen der „community power studies“ zur Untersuchung lokaler Machtstrukturen wurden bereits Möglichkeiten der Datenerhebung, der Messung von Macht und der Annahmen über die Verteilung von Einfluss herausgearbeitet (vgl. Teil I). An dieser Stelle spielen die Ansätze zunächst einmal eine Rolle bei der Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes durch die Bestimmung der für die Analyse in Frage kommenden Einheiten bzw. der im nächsten Kapitel näher zu spezifizierenden Netzwerkgrenzen. Ähnlich den Konzepten jüngerer Studien (vgl. Laumann /Knoke 1987; Knoke, Pappi et al. 1996), sollen in der vorliegenden Studie die Ansätze verbunden und unter Einbezug netzwerkanalytischer Auswertungsmethoden erweitert werden. Dies geschieht mit dem Ziel, zum einen alle im Politikbereich bzw. issue-Netzwerk involvierten Akteure zu identifizieren (Positions- und Entscheidungsfindungsansatz) und zum anderen weitere informelle Strukturen über den Reputationsansatz aufzudecken und herauszufinden, welche Akteure als die einflussreichsten bezeichnet werden können. Aus diesem Grund kam im Rahmen der Vorstudie ein Positionsansatz zum Tragen: Die Akteure wurden in der Presseanalyse und auf der Basis der empirischen Informationen zu in Kooperationen beteiligten Organisationen zunächst einmal aufgrund ihrer Position ausgewählt. Der Positionsansatz wurde im Laufe der Haupterhebung durch den Reputationsansatz ergänzt: Die Liste der identifizierten Akteure wurde durch die Befragung der Interviewpartner nach der Reputation weiterer Akteure erweitert. Schließlich wurden die Interviewpartner im Rahmen einer standardisierten Befragung, angelehnt an den Entscheidungsfindungsansatz, gebeten, diejenigen Akteure zu nennen, mit denen sie tatsächlich kooperierten. Studien der sozialen Netzwerkanalyse, so wird sich in Kapitel 3.2 zeigen, weisen darauf hin, dass der Untersuchungsgegenstand noch durch weitere Faktoren abgegrenzt wird, und zwar durch die Bestimmung der Beziehungen bzw. der Relationen, die untersucht werden sollen. Die Auswertung der erhobenen Daten orientiert sich an den beschriebenen qualitativen und quantitativen Methoden der empirischen Sozialforschung: Die Presse- und Dokumentenanalyse sowie die Auswertungen der qualitativen Interviews erfolgt inhaltsanalytisch. Die Daten der standardisierten Befragung (Punkte 4A und 4B der Aufzählung in Kapitel 3), werden auf der Grundlage von Annahmen der lokalen Politikforschung zu Einflussstrukturen in der Gemeinde, zur Machtreputation von Organisationen, zu deren Zentralität und Prestige netzwerkanalytisch ausgewertet. 1.4 Zusammenfassung Die Wahl des Designs und der Methoden zur Untersuchung Kooperativer Arrangements auf lokaler Ebene im Kulturbereich hat nach dem Kriterium der Angemessenheit zu erfolgen: Das zu untersuchende Objekt, seine Situation und die der Untersuchung zu Grunde liegende Fragestellung sind hierfür entscheidend. So erscheint es notwendig, die Handlungen und Strukturen im Forschungsfeld „ganzheitlich“ zu erfassen und zu analysieren. Zu diesem Zweck bietet sich das Forschungsdesign der Fallstudie an, das qualitative und quantitative Methoden integriert. Im empirischen Teil der Studie können auf diese Weise verschiedene Ebenen – die individuelle Ebene der Handlung, die organisationelle Ebene der kollektiven Akteure und die strukturelle Ebene des Systems – abgebildet und untersucht werden. Die folgende Abbildung fasst das Forschungsdesign und den Analyserahmen vor dem Hintergrund des in Teil I erarbeiteten Gegenstandes der Forschung und der in diesem Kapitel beschriebenen Methodologie zusammen (s. Abb. 3). 70
Um zu klären, wie sich im lokalen Kulturbereich Deutschlands die Steuerung und Regelung in kooperativen Arrangements – die derzeit als geläufiges Beispiel für Local Governance-Arrangements gelten – gestaltet, werden also Kriterien herangezogen, die aufgrund der Rezeption der einschlägigen theoretischen Ansätze und der empirischen Gegebenheiten als richtungsweisend betrachtet werden: 1. 2. 3.
Auf der Makro-Ebene: Die historische Entwicklung Ideelle und strukturelle Faktoren der Traditionen des Kulturbetriebs: Werte, Ziele und Funktionen Auf der Meso-Ebene: Die institutionalisierte Struktur. Ordnungen und Instrumente des lokalen Kulturbetriebs, aktuelle kulturpolitische Ziele, Strukturen des lokalen Kulturbetriebs, Instrumente der lokalen Kulturfinanzierung Macht- und Einflussstrukturen in kooperativen Arrangements Auf der Mikro-Ebene: Die Hauptakteure und ihr Verhalten im politisch-ökonomischen Prozess Ziele, Interessen, Einflussmöglichkeiten und Restriktionen der Akteure, die das Handeln von Akteuren in kooperativen Arrangements beeinflussen.
Die Kriterien sind allgemein formuliert, so dass das Analysemodell für einen Vergleich genutzt werden kann. Auch wenn es sich bei dieser Untersuchung aufgrund des Rahmens der vorliegenden Arbeit nicht um einen Vergleich handelt, soll diese Herangehensweise den Aspekt der Repräsentativität und Generalisierungsmöglichkeit berücksichtigen. Auf der Grundlage dieser Herangehensweise ist es möglich, mit Hilfe der eingesetzten Methodik Indikatoren zu entwickelt, die zu aussagekräftigen und vergleichbaren Ergebnissen führen.
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Abbildung 3:
Analyserahmen, Erhebungs- und Auswertungsmethoden
Abkürzungen: KB= Kulturbereich; KF= Kulturfinanzierung Eigene Darstellung
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2. Rahmenbedingungen der Kulturfinanzierung und ihrer Steuerung Für den Bereich der Kulturpolitik und Kulturförderung werden derzeit Prozesse der Neuausrichtung diskutiert. Solche Prozesse betreffen grundsätzlich auch andere Politikfelder – wenn auch in anderer Form und mit anderen Konsequenzen. Ein gemeinsamer Bezug der Diskussionen besteht darin, dass eine zunehmende Verschränkung von Handlungslogiken, Betriebs- und Finanzierungsformen des öffentlichen, des privatwirtschaftlichen und des privat-gemeinnützigen Bereichs beobachtet wird. Fragen der Steuerung, die sich im Rahmen der Kulturpolitik bedeutend auf der lokalen Ebene der Städte und Gemeinden manifestieren und auswirken, werden überdacht. Dies geschieht auch vor dem Hintergrund der Krise der Kommunalfinanzen. Als freiwillige Aufgabe, so zeigt sich im folgenden Kapitel, betrifft diese Krise den Kulturbereich in besonderem Ausmaß. Betrachtungen von Modellen der Kulturförderung im historischen Rückblick verweisen auf eine traditionell hohe Bedeutung des öffentlichen Sektors. Bei der Erfüllung von Aufgaben im öffentlichen Interesse werden öffentlichen Akteuren auch nach wie vor hohe Verantwortlichkeiten zugeschrieben. Parallel erfahren gesellschaftliche Akteure im Kontext von GovernanceModellen jedoch eine stärkere Einbindung und Bedeutungszunahme (Benz 2004; Schwalb /Walk 2007b). Dies zeigt sich unter anderem bei der Planung, Trägerschaft und Finanzierung kultureller Projekte und Einrichtungen in Form von Public Private Partnerships, deren Prozesse und Wirkungen gerade auf der lokalen Ebene der Städte und Kommunen sichtbar werden. Im Zuge der Tradition der Kommunalen Selbstverwaltung sind private Akteure, BürgerInnen und lokale Politik und Verwaltung im Rahmen der Entscheidungsfindung sowie der Implementation grundsätzlich eng miteinander verbunden (Zimmer 2007a). Für die Daseinsvorsorge vor Ort hat das bürgerschaftliche Engagement eine hohe Bedeutung (Zimmer 2009a). Im Kulturbereich ist der Mix unterschiedlicher Handlungslogiken, Betriebs- und Finanzierungsformen nicht nur besonders stark ausgeprägt. Er hat hier auch auf eine lange Tradition, die bis weit in das 19. Jahrhundert zurückreicht (vgl. Wagner 2009). An diesen aktuellen Befunden setzt das folgende Kapitel an, in dem die Hintergründe und Rahmenbedingungen der Kulturfinanzierung mit Blick auf empirisch zu beobachtenden Neuausrichtungen bearbeitet werden. Das Kapitel beschäftigt sich mit den historischen, rechtlichen, politisch-institutionellen und wirtschaftlichen Grundlagen der Kulturfinanzierung. Dargestellt wird, welche strukturellen Rahmenbedingungen für die Steuerung der lokalen Kulturfinanzierung relevant sind. Damit werden auch politikfeldspezifische Aspekte der Makroebene in die Untersuchung einbezogen. Nach einer Eingrenzung grundlegender Begrifflichkeiten und des Gegenstandsbereichs der Kultur, des Kulturbetriebs und der Kulturfinanzierung (2.1) wird nachvollzogen, durch welche historischen Entwicklungspfade sich der heutige Kulturbetrieb herausgebildet hat (2.2). Der Diskussion der rechtlichen Rahmenbedingung (2.3) kommt bei der Thematik der Kulturfinanzierung eine wichtige Rolle zu, erweist sich doch Kulturfinanzierung durch den Charakter einer freiwilligen Aufgabe als ein relativ offenes System, das nur in Teilbereichen durch Gesetze und Verordnungen geregelt ist (Gau 1990). Den institutionellen Rahmenbedingungen des Staates (2.4) in der Kulturfinanzierung widmet sich das darauf folgende Kapitel, in dem darauf eingegangen wird, welche Aufgaben der Bund, die Länder und die Kommunen in der Kulturfinanzierung jeweils übernehmen und welche Instrumente sie hierfür nutzen. Daran anschließend wird der aktuelle Status quo in der Kulturfinanzierung hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedeutung der drei idealtypischen Bereiche, des öffentlich-rechtlichen, des privatrechtlich-kommerziellen und des privatrechtlich-gemein73 L. Schwalb, Kreative Governance?, DOI 10.1007/978-3-531-92851-7_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
nützigen Bereichs, untersucht (2.5). Auf lokaler Ebene, so stellt sich (in Kapitel 2.6) heraus, sind allerdings die Grenzen zwischen den Idealtypen fließend. Das Kapitel schließt zusammenfassend und mit einem Zwischenfazit (2.7). 2.1 Begriffliche und konzeptionelle Abgrenzung Eine Einigung auf einen allgemeingültigen Begriff der Kultur gibt es weder in der Rechtsprechung noch in der Wissenschaft oder politischen Praxis. Neben dem Fokus auf Kultur in dem empirischen Politikfeld werden zum Beispiel in den unterschiedlichsten wissenschaftlichen Disziplinen kulturelle Dimensionen im jeweiligen Untersuchungsbereich unter dem Schlagwort „cultural turn“ diskutiert. Im Alltagsgebrauch und den Medien wird der Begriff der Kultur inflationär gebraucht. In der Praxis sowie in der kulturwissenschaftlichen, philosophischen, soziologischen, rechts-, wirtschafts-, politik- und verwaltungswissenschaftlichen Literatur liegen eine Fülle von Definitionen zu diesem Thema und vielfältigste Konzeptionen des Kulturbegriffs vor (s.a. Hansen 1995). Der Begriff der Kultur stammt von 'colere' (lat.: pflegen) bzw. 'agricultura' und wurde weiterentwickelt zu 'cultura' im Sinne der Pflege materieller und geistiger Werte. Ursprünglich als Prozess der gesamten Menschheit betrachtet (Toepler 1991), wurde Kultur zunächst als das Aggregat dessen, was der Mensch hervorgebracht hat und somit im Gegensatz zur Natur gesehen (Smekal 1992). Im 19. Jahrhundert wurde in der Kulturkritik die Zivilisation von der Kultur abgegrenzt28 (Abelein 1968), was den Einbezug der Entwicklung menschlichen Fortschritts impliziert29. Ein Rückblick in die Geschichte (s. Kapitel 2.2) zeigt auf, dass die Diskussion um den Begriff der Kultur eine lange Tradition hat. Der traditionell enge Begriff von Kultur als „Hort des Guten, Wahren und Schönen“ (Wagner 1993) erfuhr hierbei sukzessive eine Erweiterung. Der tiefgreifende Wandel des Kulturbegriffs ist im Kontext mit den politischen, sozialen, wirtschaftlichen und moralischen Veränderungen zu begreifen (Schlossstein 1996). So wandelt sich auch der Kulturbetrieb über die Zeit hinweg. Als Kulturbetrieb wird im Folgenden der institutionalisierte Gegenstand von Kulturpolitik und Kulturfinanzierung bezeichnet (vgl. Heinrichs 1997: 5). Einerseits kann sich der Begriff des Kulturbetriebs auf eine einzelne Einrichtung oder ein einzelnes Unternehmen beziehen, andererseits benennt er auch die Gesamtheit aller einzelnen Kulturunternehmen und -Institutionen. Zwischen Kulturbegriff und Kulturbetrieb existiert eine dynamische Relation: Beispielsweise zeigt die Kulturpolitik der 1970er Jahre, dass die Erweiterung des Kulturbegriffs eine Vergrößerung des Kulturbetriebs bewirken kann. Im 19. Jahrhundert hingegen verengt sich der Kulturbegriff auf die Kunst, nachdem der Kulturbetrieb von den Fürstenhöfen in die Hände bürgerlicher Mäzene verlagert wird, insofern, als die noch im 18. Jahrhundert zur Kultur zu rechnenden Spiele und Feste in der ursprünglichen Form nicht fortgesetzt werden (Heinrichs 1997: 4). Das heutige Verständnis von Kultur im Kulturbetrieb geht weder hauptsächlich mit sozialen und Bildungsaspekten einher – wie etwa in den 1970er Jahren in der Soziokultur30 28
Kant spielte den Kulturbegriff gegen den Begriff der Zivilisation aus. Nach Plessner ist Kultur eine Gestaltungsaufgabe (Plessner 1976) 30 Knoblich (2007) weist darauf hin, dass der Begriff der Soziokultur mehrere Bedeutungsebenen hat. In diesem Zusammenhang ist die Bedeutung eines kulturpolitischen Programmbegriffs relevant, der soziale und Bildungselemente integrieren will und sich gegenüber einer traditionellen (Hoch-) Kultur abgrenzt. Im Rahmen der Neuen Sozialen Bewegungen der 1970er Jahre begründet, sollen im Sinne der Soziokultur demokratische, beteiligungs29
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– noch bezieht es sich auf bestimmte gesellschaftliche Gruppen oder Schichten. Traditionell wahrgenommene Gegensätze lösen sich in dem aktuellen Kulturbegriff auf. So wird mit dem Einbezug der Hoch- wie der Breitenkultur31, der Massen-, Pop-, Unterhaltungs- sowie Sub-, Gegen- oder Alternativkulturen ein pluralistischer Zugang32 und ein offener Kulturbegriff verteidigt sowie der generelle gestaltende Aspekt in den Vordergrund gestellt (Häberle 1998: 5; Thiel 2003: 57). Durch den weiten Kulturbegriff werden „die Künste (...) in ihren sozialen und kulturellen Kontext gerückt und ihre individuelle und soziale Bedeutung mit einbezogen“ (Fuchs, Bleicher-Nagelsmann et al. 2001). Dies setzt auch ein entsprechendes Verständnis von Kulturpolitik voraus. „Kulturpolitik i.S. des ‚weiten Kulturbegriffs‘ ist daher auch eine spezifische Form von Kunstpolitik und stellt sicher, daß die [...] Interessen der Künstlerinnen und Künstler sowie ihrer Organisationen, der Kultureinrichtungen und der Kulturwirtschaft vertreten werden können“ (Fuchs, BleicherNagelsmann et al. 2001). Die Frage nach der Definition von Kultur ist für die vorliegende Untersuchung relevant, da das Verständnis von Kultur in einer Gesellschaft auch darüber bestimmt, was als solche zu finanzieren und wie die Finanzierung zu organisieren und zu steuern ist. Aus der Perspektive auf das Politikfeld Kultur ist Kultur ein Oberbegriff, der weitere Bereiche umfasst. Hierzu gehören wiederum die Bereiche Kunst, Bildung und Kulturpflege (Scheytt 2005). Um den Gegenstand von Kulturfinanzierung zu bestimmen und ihre Träger zu identifizieren, wird Kultur und ihre Finanzierung im Rahmen empirischer Untersuchungen in Anlehnung an die künstlerischen Sparten abgegrenzt. Offensichtlich werden auch hier die verschiedenen Verständnisse von Kultur und die auf diesen basierenden unterschiedlichen Förderpolitiken. Die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder grenzen in ihrer haushaltssystematischen Abgrenzung die folgenden Bereiche voneinander ab (Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2006: 125ff.; Statistische Ämter des Bundes und Länder 2008):
Theater und Musik: Alle Bühnen, die Förderung des Laienspiels, Musikschulen, Orchester und Chöre, Einrichtungen der Musikpflege; Bibliotheken: Nichtwissenschaftliche und wissenschaftliche Bibliotheken, Büchereien und Archive; Museen: Nichtwissenschaftliche Museen, Sammlungen, Ausstellungen, Zoologische und Botanische Gärten, Stadtarchive, Heimatmuseen und kulturhistorische Sammlungen sowie wissenschaftliche Museen, die Einrichtungen in staatlicher und kommunaler Trägerschaft und Fördermaßnahmen, die Einrichtungen anderer Träger umfassen;
orientierte Elemente in kulturpolitische Programmatiken und die Praxis kultureller Einrichtungen Einzug halten. Kulturpolitik soll Gesellschaftspolitik sein, insofern als Kultur für alle geschaffen werden und allen zur Nutzung offen stehen soll. Der Begriff beruht entsprechend auf einem basisnahen Konzept der Kulturarbeit mit gesellschaftspolitischer Relevanz und einem Bildungsanspruch (s.a. Knoblich 2001; Knoblich 2007). 31 Unter Hochkultur werden die traditionellen, großen und professionell betriebenen Kulturinstitutionen gefasst, die meist in größeren Städten und durch öffentliche Finanzierung bereit gestellt werden. Unter Breitenkultur versteht man einen Bereich des Politikfeldes, der auf ehrenamtlichem Engagement basiert, nicht oder wenig professionalisiert und kommerzialisiert ist, nicht oder nur zu einem geringen Anteil öffentlich finanziert wird, meistens in Vereinen stattfindet und sich an breite Bevölkerungsschichten richtet (Deutscher Bundestag 2004). Die Breitenkultur wird bisweilen auch als Laienkultur bezeichnet. Dieser Begriff kann negative Assoziationen hervorrufen und wird deshalb heute meist nur mit Vorbehalten verwendet. 32 Ein politisches Gemeinwesen kann gemäß Häberle (2007: 5) verschiedene Kulturen haben, was den pluralistischen Zugang erforderlich macht.
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Denkmalschutz und Denkmalpflege: Bau- und Kunstdenkmale, Bodendenkmalpflege, Schlösser und Burgen mit künstlerischer und historischer Bedeutung, Deutsches Nationalkomitee für Denkmalschutz; Sonstige Kulturpflege: Beispielsweise Förderleistungen an das Schrifttum und das Filmwesen, die Förderung der Vereinigungen und Berufsverbände bildender Künstler, der Bereich der Volks- und Heimatkunde, das Kulturerbe der Vertriebenen und die Betreuung heimatloser Ausländer, die christlich-jüdische Zusammenarbeit, die Nachwuchsförderung und die kommunale Förderung der Heimat-, der Denkmalpflege historischer Bauten und der Volks- und Trachtenfeste; Verwaltung für kulturelle Angelegenheiten: Allgemeine Verwaltungsangelegenheiten wie etwa für Wissenschaft, Forschung und Kulturpflege auf kommunaler Ebene, die Staatlichen Ämter für Denkmalpflege, Konservatorämter, Naturschutzbehörden und die Verwaltung staatlicher Schlösser und Gärten; Kulturelle Angelegenheiten im Ausland Kunsthochschulen
Die Abgrenzung der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder ist grundlegend für den Kulturfinanzbericht, auf dessen Ergebnisse im Folgenden noch eingegangen wird. Die Abgrenzung des Arbeitskreises Kulturstatistik differenziert zwischen den folgenden Sparten kommunaler Aufgabenbereiche (vgl. Söndermann 2009):
Theater und Musik Museen, Sammlungen und Ausstellungen Bibliotheken Denkmalschutz und –pflege Sonstige Kultureinrichtungen/ andere Einzelmaßnahmen der Kulturpflege Kulturverwaltung Kunsthochschulen Kulturelle Volkshochschulen und Weiterbildung Künstlersozialkasse Auslandskultur
Die Kultur der Kommune ist nicht gleichzusetzen mit Kultur auf kommunaler oder lokaler Ebene. So formen neben den durch die Kommune getragenen Einrichtungen und Angeboten auch das private Engagement und die unternehmerische Initiative das Kulturangebot auf der lokalen Ebene ganz wesentlich (Scheytt 2005: 6). Diese Elemente einbeziehend, differenziert Heinrichs (1997) vier Zugangsweisen zu Kultur, die für den Kulturbetrieb von Relevanz sind (Heinrichs 1997: 4f.): In einer allgemeinen anthropologischen Dimension wird Kultur als menschliches Vermögen und dessen Dokumentation verstanden (1). Beispiel hierfür ist der zivilisatorische Prozess der Umformung von Natur und Sprache in ihrer kulturprägenden und -geprägten Form, wie er in Museen, Archiven, Büchern etc. dokumentiert wird. Kultur als Verhalten (2) findet sich in verschiedensten Bereichen des Kulturbetriebs wieder, zum Beispiel in der Alltagskultur, dem Brauchtum im Vereinswesen, der Gesprächskultur oder der Kultur des sozialen Verhaltens, etwa im soziokulturellen oder im Bildungsbereich. Der Definition von Kultur als Kunst und somit einem künstlerisch-ästhetischen Begriff (3) können alle künstlerischen Sparten sowie die Produktion, Vermittlung und Dokumentation von Kunst subsumiert werden. Der Begriff ist für den Kulturbetrieb ausschlaggebend und umfasst 76
inhalts- sowie prozessbezogene Aspekte. Eine Abgrenzung im weiteren Sinne von Kultur als Bildung (4) bezieht Schulen, Hochschulen, Volkshochschulen, Bibliotheken und Museen im Sinne der kulturellen Bildung mit in den Gegenstandsbereich des Kulturbetriebs ein. Die vorliegende Untersuchung stellt Kultur im Kulturbetrieb im Sinne des dritten Definitionsbereichs in den Mittelpunkt. Die Definition der Kultur als Bildung ist insofern berührt, als diejenigen Kunst produzierenden, vermittelnden und dokumentierenden Einrichtungen mit einbezogen werden, die parallel auch einen bildenden Charakter bzw. einen Bildungsauftrag haben (zum Beispiel soziokulturelle Zentren, Museen, Bibliotheken)33. Die Gesamtheit der Kulturbetriebe in der Bundesrepublik Deutschland bildet das Kultursystem, welches sich aus einer rechtlich-systematischen Perspektive in drei Bereiche mit seinen jeweiligen Kulturbetrieben aufgliedert. So unterscheidet das Drei-Sektoren-Modell idealtypisch zwischen einem öffentlich-rechtlichen Bereich, einem privatrechtlichkommerziellen und einem privatrechtlich-gemeinnützigen Bereich. Unterschiedliche Kriterien können herangezogen werden, um Handlungsfelder im Kulturbereich voneinander abzugrenzen. Ein möglicher Aspekt ist das jeweils charakteristische operative Ziel eines Bereichs. Im vorherrschenden Kulturbegriff kommen dementsprechend die Ziele der Kulturpolitik zum Ausdruck (Heinrichs 1997: 3). So stehen ein politisches Ziel und eine politische Entscheidung am Beginn eines jeden kulturellen Handelns der öffentlichen Hand. Dies unterscheidet den öffentlichen Kulturbereich von dem Handeln in privaten Kulturbetrieben. Handlungen privatrechtlich-gemeinnütziger Vereine oder Stiftungen basieren auf dem Ziel eines Vereinszweckes oder eines Stifterwillens (Zimmer 1996). Privatrechtlichkommerzielle Kulturbetriebe streben in erster Linie die Gewinnmaximierung an, denn eine Profitorientierung sichert den Bestand kommerzieller Kulturunternehmen. Dem allgemeinen Zweck der Kulturermöglichung kann insofern – je nach Betriebsform – ein entsprechendes Ziel subsumiert werden. Im Verlauf der Untersuchung wird sich zeigen, dass die Ziele im Fall lokaler Public Private Partnerships möglichst kongruent sein müssen, damit die gemischte Finanzierungsform bzw. Trägerschaft funktioniert. Die Ziele ergeben sich aus der inhaltlichen Dimension der Kulturpolitik, die jeweils vor dem Hintergrund von örtlichen Gegebenheiten und im Zusammenhang mit der bestimmten Zeit, in der sie formuliert werden, interpretiert werden müssen (Heinrichs 2006: 36). Die inhaltliche Dimension umfasst den Stellenwert der Kultur in der Gesellschaft und somit die Grundlagen der Steuerung. Sie wird im folgenden Kapitel hinsichtlich zentraler historischer Entwicklungslinien nachvollzogen. Orientiert an den jeweiligen Zielen, unterscheiden sich auch die Prozesse der Willensbildung und Entscheidung in den jeweiligen Bereichen voneinander. Des Weiteren ist von bereichsspezifisch unterschiedlichen Strukturen auszugehen: Trägerschaftsmodelle und Finanzierungsstrukturen werden in der Literatur idealtypisch differenziert. Die Analyse im Zuge dieser Arbeit wird allerdings zeigen, dass sich die Trägerschafts- und Finanzierungsmodelle im Kulturbereich aktuell zunehmend vermischen und den Grundmodellen in der empirischen Realität nicht so klar zuzuordnen sind. Mischformen im Hinblick auf Trägerschaft, Finanzierung und Zielsetzung sind im Kulturbereich an der Tagesordnung. Sie sind ein zentrales Charakteristikum des Politikfeldes Kultur. Die Kulturfinanzierung in den drei Bereichen wird in Kapitel 2.5 genauer beschrieben. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass für diese Untersuchung ein Kulturbegriff adäquat ist, der die Relation zwischen dem Begriff der Kultur und dem Kulturbetrieb unterstreicht. Kultur wird zunächst weit ausgelegt. Dabei erfordert der Untersu33 Institutionen, deren Zweck in erster Linie im Bereich der Bildung und erst an zweiter Stelle im Bereich Kunst zu verorten ist, werden ausgenommen (zum Beispiel Schulen und Hochschulen). Sie sind dem Bildungsbereich zuzuordnen.
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chungsgegenstand in einem zweiten Schritt eine Fokussierung auf die Kultur im Sinne des zu finanzierenden Gutes im lokalen empirischen Politikfeld. Die Abgrenzung des Begriffs orientiert sich an folgenden Aspekten: 1. 2. 3. 4.
an den Kunstsparten bzw. Praxisfeldern sowie an den Institutionen, die als Geschäftsbereiche im lokalen Kulturbetrieb betrachtet werden, an den operativen Zielen, die in den Handlungsfeldern des Kulturbereichs existieren, an offiziellen kulturstatistischen Systematiken, die Angelegenheiten erfassen, die zum Bereich der Kulturfinanzierung gezählt werden, sowie an der Struktur des Kultursystems einschließlich einer Akteursvielfalt gemäß dem Drei-Sektoren-Modell.
Offensichtlich wird, dass das, was zu dem zu finanzierenden Gut der Kultur gerechnet werden kann, im kulturbetrieblichen Zusammenhang meistens von der Ebene der Entscheidungsträger abhängt und weit oder eng abgegrenzt werden kann. Kultur ist insofern der richtige Oberbegriff, als er den der Kunst mit einschließt. Kulturbegriff und Kulturbetrieb sind Veränderungen im Zeitverlauf unterworfen. 2.2 Zur historischen Entwicklung des Kulturbetriebs Die historische Entwicklung des Politikfeldes Kultur ist noch nicht abschließend erforscht. Es lassen sich jedoch Entwicklungslinien herausarbeiten, die den heutigen Kulturbetrieb prägen (für die aktuellste und umfassendste Bearbeitung s. Wagner 2009). Im Folgenden soll nicht das Ziel verfolgt werden, die Geschichte vollständig und durchgängig darzustellen. Vielmehr werden die den heutigen Kulturbetrieb prägenden Traditionen und Trägerschaftsstrukturen zusammengefasst. Ursprünge und Motive der Kulturförderung Kultur, im Sinne von künstlerischen Artefakten, dient bereits in den ersten menschlichen Zivilisationen der Darstellung staatlicher oder religiöser Macht. Auch findet die als integraler Bestandteil der Staatskultur entstandene Kunst (Fohrbeck /Wiesand 1989: 1) sowie die Kultur immer schon politische, geistliche und private Förderer (Ebker 2000: 26)34. Vor dem nationalstaatlichen Hintergrund fördern Machthabende die Kunst vor allem zu Repräsentationszwecken. Absolutistischen Herrschern dient sie zum Amüsement (Wagner /Zimmer 1997: 14; Wagner 2009: 451). Charakteristisch für die Zeitperiode von der Antike bis ins späte Mittelalter ist ein, schon im Wesentlichen durch Kunstsparten bestimmter, enger Kunstbegriff (Heinrichs 1997: 8)35. Die Förderung von Kunst und Kultur ist zunächst vor allem eine Aufgabe der Kirche, die nach und nach in die Verantwortung von Fürsten, Königen und Kaisern übergeht. Ursprünge und Motive des heutigen Kulturbetriebs lassen sich au zentrale Merkmale der frühen Zeitperiode zurückführen. 34
Die Idee des altruistischen Förderers geht auf den wohlhabenden Römer Maecenas zurück, der zu Zeiten Augustus' Dichter und Literaten, wie z.B. Horaz, Virgil und Properz, unterstützte. Nach seinem Namen werden auch heute noch Kunst- und Kulturgönner als Mäzene benannt (Daweke 1986) 35 Es kann zwischen folgenden vier Sparten differenziert werden: 1. Bildende Kunst/ Architektur; 2. Literatur/ Musik; 3. Theater und 4. Feste und Spiele.
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So existiert schon früh ein festes – manchmal sogar auf Dauer angelegtes – Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis (z.B. Bildhauerbetriebe). Dieses ist im heutigen Kulturbetrieb nach wie vor vorzufinden (z.B. Theaterschauspieler, Musiker). Zusätzlich sind mäzenatische Förderformen vorhanden (z.B. die Unterstützung nicht-adeliger Spielleute, welche als Dichter von den Höfen ohne klaren Werkvertrag beschäftigt werden). Diese Förderformen finden ihr Pendant in der heutigen Zeit, beispielsweise in Unterstützungsleistungen von Verlagen an Schriftsteller auch in „unkreativen Zeiten“. Auch die Städte waren bereits im Mittelalter kulturfördernd aktiv. Sie wurden z.B. als Bauträger repräsentativer Rathäuser und Kirchen aber z.B. auch als Träger von Passions- und Fastnachtsspielen tätig. Heute existiert diese Form der Kulturförderung weiter in einem öffentlichen Kulturbetrieb mit direkten und indirekten Unterstützungsleistungen. Auch gibt es schon früh die Verbindung zwischen einer kreativen Kunstproduktion und der gewinnmaximierenden Kunstvermarktung (Bsp. das Shakespeare'sche Theater). Diese findet sich heute wieder in Form von Verwertungsrechten, Tantiemen und Leistungsschutzrechten von Künstlern. Früher nahmen auch freischaffende Künstler eine Stellung in der Gesellschaft ein (z.B. die Spielleute als Dichter und Musiker oder die Wandertruppen im Theaterbereich), genauso, wie sie in allen künstlerischen Sparten der heutigen Zeit vertreten sind. War der freischaffende Künstler in der frühen Zeitperiode nur bei gegebenem Bedarf tätig, produzieren Künstler im 20. und 21. Jahrhundert allerdings in großem Ausmaß „für einen anonymen Markt ohne konkreten Auftraggeber und ohne konkretes Publikum“ (Heinrichs 1997: 14). Wagner (2009) unterstreicht, dass Kunst- und Kulturförderung bereits in dieser Zeit mit den jeweiligen Herrschern verknüpft ist. Er verortet in der Frühen Neuzeit idealtypisch vier zentrale Formen der Kunstfinanzierung als Ausgangspunkte einer Entwicklung öffentlicher Kulturpolitik: die patronatisch-mäzenatische Förderung, das Anstellungsverhältnis, das Auftragssystem und den freien Markt (s. Wagner 2009: 59ff.). Lediglich der freie Markt ist nach Wagner als wirklich neu zu bezeichnen. Während die drei erstgennannten Formen der Kunstfinanzierung aus dem Mittelalter heraus transformiert werden und für Förderpolitiken stehen, handelt es sich beim „Markt“ erstmals um eine Form der Ordnungspolitik, bei der Stadtregierung und fürstliche Obrigkeit Rahmenbedingungen regeln (vgl. Wagner 2009: 82)(S. 82). Kulturförderung zwischen Kulturstaat und Bürgertum Charakter und Form des Kulturbetriebs ändern sich in der Folgezeit der Aufklärung entschieden. So entwickelt das Bürgertum eigenen Ausdrucksformen und Strukturen, die zunächst neben der höfischen Kultur sowie der Förderung durch Landesherren existieren (Wagner 2009: 197ff.). Nachdem sich die moderne Staatenbildung im 17. und 18. Jahrhundert verbreitet hat und an die Stelle der fürstlichen und kirchlichen Territorialstaaten Nationalstaaten getreten sind, ist Kunst spätestens seit dem 18. Jahrhundert nicht mehr vornehmlich Mittel der Repräsentation. Vor allem in Deutschland wird sie ein Teil des bürgerlichen Lebens: „Verbürgerlichung bedeutet [...], daß die Künste sich von ständischen Auftraggebern lösend, [...] Sache des bürgerlichen, ständeübergreifenden Publikums, also der bürgerlichen Öffentlichkeit werden, der Allgemeinheit“ (Nipperdey 1988: 11; s.a. Nipperdey 1993: 533f.). Der Staat versteht sich dabei als Kulturstaat, er pflegt und fördert die Künste. Das Kulturleben wird in Deutschland nun außerdem zunehmend vom Bürgertum getragen und mitbestimmt (Ebker 2000). Dazu gehören Sammlungen und Denkmalpflege, und auch Akademien und Kunstschulen befinden sich nun in staatlicher Trägerschaft. Die Künstler erhalten 79
staatliche Unterstützung durch Aufträge, Stipendien und Ankäufe (Nipperdey 1993: 692). „So entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen staatlicher Kunstförderung und der Freiheit der Kunst, ihrem Fortschreiten und ihrem kritischen Potential“ (Schlossstein 1996). Kunst erfährt einen hohen Grad öffentlicher Verbreitung und spielt eine besondere Rolle in der Gesellschaft. Sie gehört zur Bildung. Zu den Gebildeten zählen die alten und neuen Oberschichten sowie die untere Mittelschicht. Das Bürgertum schreibt der Kunst einen ideellen Wert zu. Die Entwicklung hin zu Städten als kulturellen Zentren und der Intensivierung kommunaler Kulturarbeit hängt hiermit zusammen. Nicht nur in städtischen Zentren, sondern auch in den Provinzstädten wird nun zeitgenössische Kunst regelmäßig ausgestellt.36 Stiftungen und Vereine, noch heute wichtige Rechts- und Organisationsformen des gemeinnützigen Kulturbereichs, entwickeln sich. Die Vereinslandschaft differenziert sich im frühen 19. Jahrhundert aus – anknüpfend an literarische Assoziationen, Sozietäten, Geselligkeitsvereine, Aufklärungs- und Lesegesellschaften im ausgehenden 18. Jahrhundert (Wagner 2009: 197ff. und 296). Um 1830 entstehen die ersten Musik- und Gesangsvereine, in denen nicht nur musiziert, sondern auch das gesellschaftliche Leben gepflegt wird. Zudem werden seit dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts städtische Kunstvereine gegründet. Hier werden Kunstwerke gesammelt und ausgestellt sowie Künstler gefördert. Im deutschen Bürgertum entwickelt sich zunehmend ein Bildungs- und Nationalbewusstsein. Dies wird unter anderem im kulturellen Engagement der BürgerInnen und in der seit 1815 zunehmenden Gründung von Kunst- und Kulturvereinen offensichtlich37 (Nipperdey 1976). Bedeutend im Zusammenhang mit der neuen Funktion der ästhetischen Kunst ist, dass die Trägerschicht der Kunst sich ändert, dass eine „Verbürgerlichung“ der Kultur eintritt38 (Nipperdey 1993). Durch die Entwicklung des Vereinswesens wird es dem Bürgertum möglich, öffentliche Aufgaben und Verantwortung zu übernehmen (Nipperdey 1976: 195f., 1993: 533f.). Die in den Städten entstehenden Kunst-, Musik-, Theater-, Kulturvereine und Lesegemeinschaften verfolgen Ziele, die in der Unterhaltung, dem Austausch und der Bildung liegen (Wagner 2009). Manche existieren auch allein zu Kunst- und Wissenschaftszwecken. Einer der ersten Kunstvereine wird 1822 in Hamburg gegründet. Aus lokalen Zusammenkünften einiger Bürger entstanden, entwickelt er sich mit der Zeit zu einer festen Institution (Grasskamp 1989). Durch seine Mitglieder39 aus führenden Schichten des Bürgertums ist diese Körperschaft – charakteristisch für Vereine dieser Zeit – ein in sich geschlossener Zirkel, „ein exklusiver Club auf der Grenze vom Großbürgertum zum niederen Adel“ (Grasskamp 1989: 128). In den städtischen Geschichts- und Altertumsvereinen treffen sich Bürger häufig mit einem nationalen Hintergrund, um über Kunst zu kommunizieren, um Sammlungen einzurichten und den Verkauf der erworbenen Bilder zu organisieren und 36 Dass Kunst in der Gesellschaft eine besondere Rolle spielt, verdeutlichen etwa auch Titel von Kulturzeitschriften, wie zum Beispiel die Zeitschrift „Kunst für alle“ oder „Kunstwart“, welche sich großer Auflagenzahlen erfreuen. Die „Kunst für alle“ existiert seit 1886 und hat in dieser Zeit mit einer Auflage von 17.000 Exemplaren einen beträchtlichen Stellenwert; der „Kunstwart“ wird zur allgemeinen Kultur- und Reformzeitschrift (Schlossstein 1996) 37 „Für die Förderung bedeutsam, entstehen in dieser Zeitperiode erste bürgerliche Kunst- und Kulturinstitutionen“ (Nipperdey 1976: 175) 38 „Die Kunst löst sich aus der Einbindung in Hof, ständische Welt und Kirche, in repräsentative und liturgische Funktionen und Traditionen, wie aus ihrer Rolle, schmückendes und unterhaltendes Beiwerk höfisch-ständischer Geselligkeit zu sein.“ (Nipperdey 1993: 533) 39 Dem Verein gehörten Kaufleute, Ärzte, Architekten, Druckereibesitzer, Makler, Künstler, Lehrer, Juristen und Konditoren an (Grasskamp 1989).
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durchzuführen (Nipperdey 1976: 174f.; Grasskamp 1989: 7f.). „Der Verein bildet einen Mittelpunkt bürgerlichen Lebens, bürgerlicher Kultur“ (Sobania 1996), die allerdings nicht mir der heutigen Vereinskultur vergleichbar ist. Das Bürgertum des 19. Jahrhunderts beschäftigt sich mit der Kunst und Kultur, die der Adel traditionell für sich in Anspruch nimmt, um sein Selbstbewusstsein gegenüber den Staatsträgern zu demonstrieren. Vereine sind dabei ein Vergnügen, das der Oberschicht vorbehalten bleibt. Neben der Kunst- und Kulturförderung in Vereinen strebt das Bürgertum nach einer Verbesserung der kulturellen Bildung. Diesem Bedürfnis kann in kunst- und kulturgeschichtlichen Museen, Theatern, Bibliotheken, Konservatorien und bald auch ersten Volksbildungswerken nachgegangen werden (Heinrichs 1997: 15). Nachdem sich die Kunstsammlungen früher in fürstlicher bzw. staatlicher Hand befanden, werden nun die ersten Museen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Zugang zu Bibliotheken wird damit auch für Nicht-Wissenschaftler und Nicht-Kleriker erleichtert. Schließlich werden auch Volksbüchereien eröffnet, deren Gründungen im 19. Jahrhundert zunächst auf die Volksbildungsvereine zurückgehen. Später werden sie zunehmend durch die Kommunen getragen. Zur Musikerziehung werden Konservatorien in Trägerschaft von Städten und Vereinen gegründet. Sie gelten als Vorläufer der heutigen Musikschulen und dienen im 19. Jahrhundert, ähnlich den ersten Bildungswerken, der bürgerlichen Emanzipation (Heinrichs 1997). Viele der heutigen Kultureinrichtungen haben ihren Ursprung in dieser Zeit. Einhergehend mit diesen Gründungswellen neuer Formen kultureller Einrichtungen bürgerlichen Ursprungs ändert sich der Kulturbetrieb innerhalb weniger Jahrzehnte entschieden. (Nipperdey 1976; Heinrichs 1997: 15) Ende des 18./ Anfang des 19. Jahrhunderts kommt es zu Neugründungen von Theatern, außerhalb der Fürstenhöfe. Diese frühen bürgerlichen Theater sind ein gutes Beispiel für gleich zwei Besonderheiten: zum Ersten für Einrichtungen, die nach marktwirtschaftlichen Prinzipien betrieben werden und, zum Zweiten, für eine bemerkenswert frühe Betriebs- und Finanzierungsmischform im Kulturbereich. Die Stadt oder eine Aktiengesellschaft (manchmal auch eine Privatperson) ist Besitzer und Bauherr des Theaters. Selbstständige Theaterdirektoren arbeiteten in dem Theater auf eigene Rechnung. Die Direktoren sind betriebliche und künstlerische Leiter einer Schauspieltruppe. Sie pachten das Theater einschließlich der Kulissen und Kostüme, meistens für ein Jahr. Alternativ führen Aktienvereine den Betrieb und stellen Regisseure ein (Beispiel: Frankfurter Schauspielhaus 17921841) (Heinrichs 1997: 17ff. nach Möller 1996: 22). In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wird die Kunst- und Kulturförderung in den Staatsrechtslehren als Staatsaufgabe erkannt (Heuer 1984: 43). Im Zuge der Bildung der Nationalstaaten im 19. Jahrhundert entwickeln sich in Deutschland vor allem Länder und Kommunen zu Kunst- und Kulturförderern oder -pflegern. Bestehende Kunst- und Kulturinstitutionen werden in staatliche Regie überführt oder neu gegründet. Sind die „Regenten“ in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch dominant (Knoblich 2004), führt das Tätigwerden des Staates in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dazu, dass die Förderung von einem einzelnen Herrscher unabhängig wird (Daweke 1986: 14ff.). Der Kulturbereich weist nun eine große Vielfalt auf. Dies hängt neben der staatlichen Förderpolitik und dem Vereinswesen auch mit privatwirtschaftlichen Kulturförderern, Stiftern und Mäzenen zusammen, die im Zuge der Industrialisierung eine immer bedeutendere Rolle einnehmen (Heinrichs 1997: 22). Aus privater Initiative und privater Trägerschaft entsteht eine breite kulturelle Basis an Angeboten und Einrichtungen. Private Kulturpartnerschaften sind mit einer sich wandelnden Kommunalverwaltung konfrontiert (Kröger /Kolfhaus 1998). Schrittweise setzen Dezentralisierungstendenzen ein. Reiche bürgerliche 81
Familien leisten es sich, direkte Kunstförderung zu betreiben. Durch zusätzliche Unterstützung wohlhabender Industrieller kommt es zu Museumsgründungen, Stiftungen von Sammlungen und dem Bau von Bibliotheken und Theatern40 (Heinrichs 1997: 13, 20). Die privaten Förderer und Mäzene kommen vor allem während des Kaiserreichs (seit 1871) ins Blickfeld (Schlossstein 1996: 17). Sie beraten und unterstützen insbesondere die nun professionell betriebenen Museen. Auch kommt es zu einer Gründungswelle privater Stiftungen mit vorwiegend sozialen aber auch kulturellen Zielsetzungen (Strachwitz 1994: 35). Angebote der Gewerkschaften für Arbeiter, wie z.B. Lesezirkel, florieren und es entsteht eine sogenannte Arbeiterkultur. In den 1890er Jahren und um die Jahrhundertwende sind parallel die Sammler und die öffentliche Hand neben den Fürstenhäusern, den adeligen, großbürgerlichen Mäzene und den bürgerlichen Käufern im Kulturbereich aktiv (Nipperdey 1993: 694). In allen deutschen Zentren entstehen um 1900 ein professioneller Kunsthandel und ein florierender Kunstmarkt. Die Kulturpolitik des Reiches ist auf die außenpolitische Wirkung von Kunst konzentriert (Abelein 1968: 58; Ebker 2000). Die Länder, Provinzen und Kommunen haben die Kulturkompetenzen inne. Die deutschen Großstädte verfügen vor dem Ersten Weltkrieg über ein umfangreiches Kulturangebot. Im Kulturbetrieb sind auch finanzielle Partnerschaften mit den lokalen Industrie- und Bankengrößen und mäzenatisch unterstützte Institutionen vorzufinden. Zudem besteht ein großes Angebot privat getragener Kultur. Sie ist kommerziell ausgerichtet. Diese Tendenz verstärkt sich sogar noch, nachdem privates Engagement für die Kultur durch Krieg und Inflation geschwächt wird (Kröger /Kolfhaus 1998: 25). Wie schon im Kaiserreich ist die Kulturpolitik der Weimarer Republik föderalistisch organisiert. Die generellen Kulturzuständigkeiten obliegen den Ländern; die Weimarer Verfassung (Art. 142 WRV41) überträgt der Republik jedoch auch einzelne kulturpolitische Aufgaben (Daweke 1986: 15f.), wie zum Beispiel den Denkmalschutz und die Denkmalpflege (Ebker 2000: 32). In der Weimarer Zeit wird die Freiheit der Kunst erstmals in der Verfassung festgelegt. Durch rechtliche Regelungen soll ein jahrelanger Konflikt gelöst und der Dualismus zwischen staatlicher Kulturhoheit und gesellschaftlicher Kulturautonomie überwunden werden (Thiel 2003). Ein großer Anteil der nun existierenden Einrichtungen im Kulturbetrieb ist ursprünglich aus der Initiative von Stiftern, Sammlern und Gründern des Bürgertums entstanden. Viele private Institutionen gehen schrittweise in die Trägerschaft der öffentlichen Hand über. Dies stellt gerade im internationalen Vergleich eine Besonderheit dar. Nachdem das reiche Bürgertum nach dem Krieg an Vermögen und Einfluss verloren hat, sind die Gründungsinitiativen nun weniger in den Bereichen Theater und Museum zu finden. Beinahe ungebrochen ist die Dynamik jedoch bei den öffentlichen Bibliotheken, Volksbildungswerken und Jugendmusikschulen (Heinrichs 1997). Die Institutionen der Bildung stehen nun auch im Mittelpunkt der kommunalen kulturpolitischen Interessen (Heinrichs 1997: 21; Thiel 2003: 38). Zwar sind die volkswirtschaftlichen Bedingungen in der Weimarer Republik schlecht und die Möglichkeiten der öffentlichen Förderung gering. Dennoch setzt sich die Gründungs- und Förderbereitschaft der Kommunen fort. Im Nationalsozialismus wird der Kulturbetrieb in den Dienst des Staates gestellt (Zimmer 2000: 81). Kunst und Kultur erfahren eine Instrumentalisierung und Ideologisierung und werden durch das politische System definiert (Fohrbeck /Wiesand 1989). Das kulturelle Leben, das durch das Reichskulturkammergesetz gesteuert und durch die Macht40 Beispielhaft können hier die Gründung des Essener und des Augsburger Theaters genannt werden, welche sich massiv bürgerlicher Kulturförderung verdanken (Heinrichs 1997). 41 Art. 142 WRV besagt. „Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei. Der Staat gewährt ihnen Schutz und nimmt an ihrer Pflege teil.“
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habenden politisiert und reglementiert wird, erfährt einen dramatischen Wandel (Thiel 2003: 39). Dies ist auch in der Regelung der Zuständigkeiten ersichtlich: Kultur fällt in den Bereich des Propagandaministeriums. Kulturpolitik wird als Propagandamittel missbraucht Die historischen Kultureinrichtungen fürstlicher Herkunft werden größtenteils zur Staatskultur erhoben. Die staatliche Regulierung umfasst die staatliche Finanzierung, die zentrale Kulturverwaltung und staatliche Kultureinrichtungen mit Direktoral- oder Intendantenprinzip. Beamtenschaft sowie staatlich finanzierte und kontrollierte Künstlerschaft werden zum Prinzip (Thiel 2003: 39f.). Viele Vereine werden unterdrückt und aufgelöst, andere gehen in Organisationen des Nationalsozialismus über. Auch Stiftungen werden zerstört, beispielsweise solche, die durch Juden begründet worden waren (Zimmermann 2001: 161). Die Entwicklung des Kulturförderbetriebs der BRD Die Nachkriegsjahre und die Zeit des Wiederaufbaus werden richtungsweisend für die anschließende Entwicklung. Zunächst orientiert sich die Kulturpolitik hauptsächlich an den Ideen und Praktiken der Weimarer Zeit und in der Tradition des 19. Jahrhunderts (Glaser 1985: 19)42. Zerstörte Kunst- und Kulturinstitutionen werden wieder aufgebaut. Durch die westlichen Alliierten gefördert, sollen die Weichen in Richtung „geistige Wiedergeburt“ Deutschlands gestellt werden (Glaser 1985: 9-28). Ein Beispiel für die Entwicklung des kulturellen Lebens in der Trümmerzeit ist die Musik. Radios und die Musik in Rundfunksendungen nehmen eine wichtige Rolle ein, sind doch Theater und Kinos vielfach zerstört oder durch die Siegermächte eingenommen (Glaser 1985: 87). In neu- und wiedergegründeten Tanzschulen, Tanzclubs und Tanz- und Unterhaltungsorchestern werden hauptsächlich konservativere Klänge angestimmt, die auf eine Rückorientierung der RezipientInnen und das Streben nach der Verbesserung des Lebensstils hinweisen (Glaser 1985: 88f.). Die Klassik und die moderne Musik gewinnen zunehmend ZuhörerInnen, wenn auch in geringerem Ausmaß. Nach der ideologisch geprägten Musik im Dritten Reich, besteht ein Interesse an Neuem (Glaser 1985: 211). Der Jazz, der im Dritten Reich als „Niggerkunst“ bekämpft wird, erhält sich im Nationalsozialismus in der oppositionellen bzw. regimekritischen Jugendbewegung (Glaser 1985: 86). Nach dem Krieg erfreut er sich zunehmender Beliebtheit. Eine alternative Musikkultur entsteht, die im wahrsten Sinne des Wortes im Untergrund ausgelebt wird (Glaser 1985: 235): Es werden Jazz-Keller und Keller-Varietees gegründet. Als Raum, der Bombenangriffe überlebt hat, wird „der Keller [...] zum zentralen Topos für die Trümmerzeit-Vergnügungen.“ (Glaser 1985: 88) Kernstück der Umerziehung der Alliierten ist die Entnazifizierung, die auch und gerade im Kunst- und Kulturbereich Ausdruck findet: Kulturpolitik ist dabei das wichtigste Instrument. Mit der Erstellung der weißen, grauen und schwarzen Listen entspinnt sich, neben der Diskussion um den Einbezug einzelner Persönlichkeiten in oder um deren Ausschluss aus dem kulturellen Leben, auch eine generellere Debatte um den Zusammenhang von Kunst und Politik, der Künstler mit der Politik (Glaser 1985: 126ff.). Die erste der staatlichen Ebenen, die nach 1945 wieder funktioniert, ist die der Städte. Nach dem Grundgesetz, das 1949 verkündet wird, haben zwar die Länder die Kulturhoheit inne, der praktische Vollzug wird allerdings überwiegend auf die Gemeinden und Gemein42
Es besteht zwar eine große Nachfrage nach Kulturangeboten und ebenso eine große Bereitschaft, veranstaltend und anbietend tätig zu werden, doch fehlt ausreichendes Kapital und organisationelle Kompetenz für den Aufbau dauerhafter Kultureinrichtungen. Auch hat die Bevölkerung durch die elementaren Probleme der Sicherung der persönlichen und beruflichen Existenz wenig Freiraum, sich darüber hinaus noch mit kulturellen Dingen zu beschäftigen.
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deverbände übertragen. Die Städte haben durch die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG eine für sie neuartige Gestaltungsmacht. Der kommunale Bereich wird mit großem Engagement tätig und entwickelt sich, anknüpfend an das Verständnis von Kulturförderung und Kulturbetrieb des Kaiserreichs und in Anbetracht einer beträchtlichen Nachfrage nach Kunst und Kultur, zur Trägerin eines großen Umfangs kultureller Einrichtungen (Heinrichs 1997: 22ff.). Dabei verstehen sich die Städte als Nachfolger der privaten Mäzene in der Kunst und Literaturpflege (Hoffmann 1990: 44). Jedoch fehlt das in früheren Zeiten zur Verfügung stehende Kapital der Stifter und Mäzene und die Trägerschaft privatwirtschaftlicher Unternehmen. Das fehlende Kapital sowie mangelnde Erfahrungen zur Etablierung privater Kulturinstitutionen begründet denn auch, warum trotz des überwältigenden Interesses und der hohen Bereitschaft der Künstler, im Nachkriegsdeutschland aktiv zu werden, im privaten Bereich eine gewissen Statik der Entwicklung vorzufinden ist. Kultur bleibt in dieser Zeit weitgehend auf traditionelle Formen von Theater, Oper, Orchester, Museum und Literatur beschränkt, und es herrscht ein traditionelles Kulturverständnis (Heinrichs 1997: 23ff.). Bis in die 1970er Jahre ist Kultur zudem ein eher schichtenspezifisches Erlebnis (Wagner 1993). Das traditionelle Kulturverständnis der 1950er und frühen 1960er Jahre wird in den 1960ern und 1970er Jahren durch zahlreiche Veränderungen herausgefordert. Die politischen Verhältnissen und die Festigung bestehender Herrschaftsstrukturen werden kritisiert. Eine Subkultur-Szene bildet sich, aus der im Laufe der 1960er Jahre die Rezeption nicht-bürgerlicher Kultur und Kulturtheorie hervorgeht. Die Kultur der 1970er Jahre wird nicht länger im Sinne einer „Hochkultur der großen Werke“ begriffen (Strachwitz 1994). Auswirkungen der Protestbewegungen des Jahres 1968 sind in der Folge auch im kulturpolitischen Kontext präsent. Die Studentenrevolte gibt den Anstoß, alte Werte zu überdenken, sich kritisch damit auseinanderzusetzen und neue Machtstrukturen zu schaffen. Der Prozess der politisch-kulturellen Veränderung, welcher auf die Protestbewegungen folgt, macht sich in Form eines Wertewandels in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens bemerkbar. Dieser kann – nach Schlosstein – „als grundlegend für die kulturpolitischen Reformbewegungen ab den 70er Jahren angesehen werden [...] Doch ist nicht allein die Entwicklung nach 1968 entscheidend, sondern vielmehr auch der Strukturwandel seit dem Ende des 19. Jahrhunderts“ (Schlossstein 1996). Die siebziger Jahre sind geprägt durch eine theoretische und praktische Reformphase kommunaler Kulturpolitik, die mit einer Erweiterung des Kulturbegriffs einhergeht. Unter dem Stichwort der kulturellen Demokratie wird Kultur in Anschluss an und im Sinne von Willy Brandts Leitmotiv „mehr Demokratie wagen“ als wichtiger Bestandteil zu einer demokratischen Lebensweise diskutiert (Heinrichs 1997). Weitreichende Kritik durch die „Neue Kulturpolitik“ veranlasst bestehende Kultureinrichtungen zur Änderung ihrer Konzepte. Es wird angestrebt, bildungs- und sozialpolitische Aspekte (Stichwort „Soziokultur“) durch neue kulturpädagogische Konzepte mit einzubinden. Durch eine Ausweitung des thematischen Angebots werden neue Zielgruppen angesprochen, die bislang an Kultur wenig Interesse gefunden haben. Eine „Kultur für alle“ wird kreiert (Hoffmann 1979). Kultur wird als Kommunikationsmedium und in ihrer Fähigkeit betrachtet, kommunikative Strukturen bereitzustellen (Glaser 1988; Hoffmann 1990). Auch finden neue Kunst- und Kulturformen außerhalb der traditionellen Kulturräume (z.B. in öffentlichen Gebäuden oder auf öffentlichen Plätzen) statt (Schlossstein 1996). Das größere Publikumsinteresse43 geht mit gesteigerten Kulturausgaben einher: Die Ausgaben der Kulturhaushalte werden zwischen 43
Die Zahl der Museumsbesucher steigt z.B. von 13,9 Mio. im Jahr 1979 auf über 35,3 Mio. im Jahr 1980.
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1970 und 1974 um 67,1% und zwischen 1974 und 1980 um 97,5% gesteigert (Wagner 1993). Neben diesem „wachstumsorientierten“ Aspekt ist für den Kulturbetrieb und die Kulturpolitik der 1970er besonders charakteristisch, dass sie – anstatt nachfrageorientiert zu sein, wie z.B. im 19. Jahrhundert – angebotsorientiert ist. So wird eingehend darüber reflektiert, wie Angebote für die Bürger begründet werden können, nicht jedoch, inwieweit sie auch tatsächlich genutzt werden (Heinrichs 1997). In der DDR-Kulturpolitik der 1970er Jahre ist eine in manchen Aspekten vergleichbare Umorientierung festzustellen. Das Vereinswesen ist hier stark vom Staat bestimmt, jedoch genossen Vereine andererseits auch recht große Freiräume. Kultur und Kulturarbeit haben einen hohen Stellenwert in der Legitimation des Staatswesens. Es existiert auch eine Form gesellschaftlichen Engagements (das häufig parteipolitisch funktionalisiert wird) im Rahmen der kulturellen Breitenarbeit, doch außerhalb der Erwerbsarbeit. Zum anderen gehen aus dem freiwilligen Engagement von KünstlerInnen, Kulturinteressierten und Jugendlichen kritisch-kulturelle Kulturaktivitäten jenseits der offiziellen Kulturpolitik hervor. In der Folgezeit der 1980er Jahre verändert sich das Bild: Es wird eine Nutzenperspektive eingenommen. Die Demokratisierungsmodelle der Kulturpolitik der 1970er Jahre weichen – vor dem Hintergrund ökonomischer Probleme (Rezession, Arbeitslosigkeit) und ökologischer Risiken – wirtschaftlichen Konzepten: Sponsoring wird als Instrument eingeführt. Unternehmer und Politiker legitimieren ihre Kulturförderung durch Standort- und Imagevorteile. Das erste Gutachten des Ifo- Instituts (Hummel /Berger 1988) kreiert mit der „Kultur als Wirtschaftsfaktor“ und der „Umwegrentabilität“ populäre Stichworte. Zusammen mit der Anwendung neuer Technologien bewirkt der Fokus auf den volkswirtschaftlichen Nutzen eine in diesem Ausmaß bisher unbekannte Verknüpfung der Kultur mit anderen gesellschaftlichen Bereichen. Kritische Stimmen zu den Folgen einer Kommerzialisierung und Ökonomisierung stehen den volkswirtschaftlichen Argumenten, einem erneuten Kulturboom und einem Anstieg der Kulturausgaben entgegen. In der Folge der Ökonomisierung in den 1980ern hat in vielen kulturellen Betätigungsfeldern eine Professionalisierung stattgefunden, welche sich auch auf den Charakter des jeweiligen künstlerischen Gutes auswirkt, das „produziert“ wird. Der Kunst- und Kulturbegriff ist seit den 1990er Jahren weitgehend liberalisiert und erfährt eine noch weitere Entgrenzung. In weiten Bereichen steht nicht mehr der gesellschaftspolitische oder ästhetische Charakter von Kunst und Kultur im Mittelpunkt, sondern der Erlebnischarakter. Dabei gilt es für den „Kulturkonsumenten“ insbesondere in den Großstädten, aus einer Vielfalt unterschiedlichster Kulturformen zu wählen (Heinrichs 2006: 39f.). Vertreter der Kultursoziologie interpretieren die Situation im Zusammenhang mit einer Pluralität, die in der Postmoderne auch in der Kultur Einzug hält und im Zuge derer die unterschiedlichsten Kulturangebote, Stilelemente und kulturhistorischen Bezüge, die früher in verschiedenen Milieus zu orten waren, nun gleichwertig nebeneinander stehen und unabhängig von Kategorien und Schichtenspezifika kombiniert und genutzt werden (s. Schulze 1992; vgl. Heinrichs 2006: 40). Die 1990er Jahre sind in Deutschland auch kulturpolitisch von der Wiedervereinigung geprägt. Während die Kulturpolitik der ehemaligen DDR zentral organisiert ist, erfahren die Bundesländer nach der Wiedervereinigung eine Veränderung, die rechtlich auf Art. 35 Abs. 4 Einigungsvertrag gründet. Sie sollen die Trägerschaft ihrer kulturellen Einrichtungen übernehmen und dabei in Ausnahmefällen durch „...eine Mitfinanzierung durch den Bund [...] insbesondere im Land Berlin...“ unterstützt werden (Art.35 Abs. 4 Einig.Vertr.). Der Transformationsprozess, der im Zusammenhand mit der Wiedervereinigung in den 1990er Jahren einsetzt, betrifft im Kulturbereich zum einen die Übernahme maßgeblicher steue85
rungspolitischer Aufgaben, einen Gründungsboom von Organisationen des Dritten Sektors, der insbesondere in den neuen Ländern und durch spezielle Förderleistungen herbei geführt wird und zum anderen massive Einbrüche öffentlicher Kulturfinanzen und den Diskurs über neue Modelle zur Modernisierung der Kommunalverwaltungen. Der Aufbau und die Etablierung des Dritten Sektors in den neuen Ländern werden über gesetzliche Rahmenbedingungen und Fördermittel beeinflusst. So entwickelt sich – nach einem regelrechten Gründungsboom von Dritter-Sektor-Organisationen in Ostdeutschland in der Anfangszeit der Wiedervereinigung – eine dichte Organisationslandschaft. Diese besteht aus den schon in der DDR existenten, den nach der Wiedervereinigung originär entstandenen und den infolge des „Institutionentransfers“ (Lehmbruch 1993) vom Westen in den Osten transferierten Organisationen. Im Laufe der 1990er Jahre gleicht sich der Dritte Sektor der neuen an die alten Bundesländer weitgehend an (Priller /Zimmer 2001). Die wirtschaftliche Rezession und die versäumte Anpassung des Sozialsystems führen zusammen mit den im Zusammenhang mit der Einheit entstandenen hohen Kosten zu massiven Einbrüchen in der öffentlichen Kulturfinanzierung. In der Folgezeit verändert sich Grundsätzliches an den allgemeinen Formen von Kulturfinanzierung. Zu Beginn der 1990er Jahre kommt zum ersten Mal seit Jahrzehnten Bewegung in traditionelle Strukturen der Verwaltung. Bedingt durch die Finanzkrise und Sparzwänge, aber auch durch das Vorbild internationaler Modernisierungsmodelle, wird über neue Modelle der Steuerung von Politik auf kommunaler Ebene nachgedacht. (s. hierzu Wagner 1997: 87ff. und s.a. Teil 1 dieser Arbeit). Die Aufmerksamkeit wird auf die Notwendigkeit eines sparsamen Umgangs mit den öffentlichen Ressourcen gelenkt; die Schlagworte der Effizienz, der Produktivität und des Managements halten auch im Kulturbetrieb Einzug (Heinrichs 1997). Außerdem werden im Rahmen der Reformen der Kommunalverfassungen die meisten Gemeindeordnungen – in unterschiedlichen Ausführungen – dem Modell der Süddeutschen Ratsverfassung angepasst (s.a. Kap. 2.3). Seit den 1990er Jahren gewinnen neben den traditionell vorherrschenden Trägerschafts- und Finanzierungsformen zunehmend auch Mischformen an Bedeutung. Wege der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen, privatwirtschaftlichen und gemeinnützigen Akteuren in der Finanzierung der Kultur zeichnen sich als Thema ab. Im Vergleich zu anderen Bereichen sind Akteure des Kulturbereichs bezüglich neuer Modelle, insbesondere derjenigen, die unter dem Schlagwort der PPP geführt werden, hier noch zurückhaltend. Stiftungen und Vereine nehmen in Umfang und Einfluss zu.
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Nach diesem Überblick über historische Entwicklungspfade befassen sich die folgenden Kapitel mit aktuellen Zusammenhängen der Kulturfinanzierung, mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen und gesetzlichen Rahmenbedingungen, strukturellen Rahmenbedingungen, die die Kulturfinanzierung beeinflussen, zentralen Akteuren, deren Aufgaben und Instrumenten. 2.3 Rechtliche Rahmenbedingungen der Kulturfinanzierung Für den Bereich der Kulturpolitik sind eine Vielzahl verfassungsrechtlicher und gesetzlicher Bestimmungen einschlägig: das Grundgesetz, die Länderverfassungen, Gemeinde- und Landkreisordnungen, Kulturfachgesetze auf Landesebene, wie zum Beispiel für den Denkmalschutz oder die Weiterbildung, Bundesgesetze, wie z. B. das Urheberrecht, das Künstlersozialversicherungsgesetz oder das Filmfördergesetz, sowie weitere Bestimmungen, die kulturelle Angelegenheiten betreffen, etwa das Bundesbau-, das Raumordnungs- oder das Bundesvertriebenengesetz (Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags 2003: 30). Auch juristisch betrachtet stehen der Staat und die Kultur also in vielfältigen Beziehungen zueinander. Einer der wichtigsten Aspekte der rechtlichen Beziehung zwischen dem Staat und der Kultur ist der Aspekt der Kunstfreiheit, der zweite der Aspekt der staatlichen Verantwortung für den Bereich der Kunst (Korinek 2006: 15ff.). Diese beiden Beziehungsdimensionen werden im Folgenden näher erläutert. Die Kunstfreiheitsgarantie im Grundgesetz gilt als die grundlegende rechtliche Rahmenbedingung für den Kulturbereich. Sie ist als kulturelles Grundrecht in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG festgelegt, der besagt: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ Neben der Kunstfreiheitsgarantie gehören auch die auf die Bildung und die Erziehung bezogenen Grundrechte der Art. 6 und 7 GG zu den kulturellen Grundrechten, insofern sie für den Kulturbereich einschlägig sind (Scheytt 2005: 18). Die Bestimmung des Art. 5 Abs. 3 bezieht sich auf ein klassisches Freiheitsgrundrecht. Da Grundrechte grundsätzlich Abwehrrechte gegenüber dem Staat sind, besitzt der Grundrechtsträger auch im Fall der Kunstfreiheitsgarantie ein Recht gegen staatliche Eingriffe und die Einschränkung künstlerischen Schaffens. Dementsprechend muss bei der Kulturförderung auf Neutralität geachtet werden, und Kunst darf durch die staatliche Seite nicht qualitativ gewertet werden. Dabei schützt das Gesetz, wie in einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts spezifiziert, den Wirk- und den Werkbereich (Thiel 2003: 79ff.; Scheytt 2005: 18f.). Im Anschluss an die Kunstfreiheitsgarantie hat gemäß einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes der Staat „die Aufgabe, ein freiheitliches Kunstleben zu erhalten und zu fördern“ (BVerfg E 36, 321: 331). Weite Auslegungen folgern daran anknüpfend aus dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 GG einen Kulturverfassungsauftrag und definieren Deutschland als Kulturstaat. Dies gilt jedoch in der Verfassungsrechtslehre als umstritten (Palm 1998). Insbesondere im Rückblick auf die Instrumentalisierung der Kunst und Kultur durch den Staat im Dritten Reich wird dies kritisch diskutiert. So unterscheidet sich der Wortlaut des Art 5 Abs. 3 heute bewusst von dem des Art. 142 der Weimarer Verfassung von 191944, indem das Grundgesetzt bis heute keine explizite Verpflichtung des Staates zur Förderung der Kultur enthält. Allerdings war die Frage, ob dies einer Änderung bedürfe und Kultur als Staatsziel im Grundgesetz in einem Art. 20b durch den Satz „Der Staat schützt und fördert die Kultur“ verankert werden solle, bereits Thema zweier intensi44 Art. 142 WRV von 1919 besagt. „Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei. Der Staat gewährt ihnen Schutz und nimmt an ihrer Pflege teil.“
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ver Debatten (für eine Zusammenfassung der Thematik und der Debatten siehe EnqueteKommission 'Kultur in Deutschland' 2005b). Explizit genannt wird der Kulturstaatsbegriff allerdings im Einigungsvertrag, der verfassungsrechtlichen Charakter hat (Scheytt 2005). In Art. 35 Abs. 1 heißt es: „Stellung und Ansehen eines vereinten Deutschlands in der Welt hängen außer von seinem politischen Gewicht und seiner wirtschaftlichen Leistungskraft ebenso von seiner Bedeutung als Kulturstaat ab“. Art. 35 Abs. 3 besagt: „Die Erfüllung der kulturellen Aufgaben einschließlich ihrer Finanzierung ist zu sichern, wobei Schutz und Förderung von Kultur und Kunst den neuen Ländern und Kommunen entsprechend der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes obliegen.“ Die Rolle des Staates als Kulturstaat wird durch diese Normierungen unterstrichen. Auch in vielen Ländern werden die Förderung, die Pflege und der Schutz von Kultur durch entsprechende Formulierungen in den Länderverfassungen als eine Aufgabe von Verfassungsrang ausgezeichnet (Enquete-Kommission 'Kultur in Deutschland' 2005b: 4). So heißt es beispielsweise in der Verfassung Nordrhein-Westfalens: „Kultur, Kunst und Wissenschaft sind durch Land und Gemeinden zu pflegen und zu fördern.“ (Art. 18 Abs. 1 Verf. NW), in der Verfassung Thüringens: „Kultur, Kunst, Brauchtum genießen Schutz und Förderung durch das Land und seine Gebietskörperschaften“ (Art. 30 Abs. 1 Verf. Thüringen) und in der Verfassung Baden-Württembergs: „Der Staat und die Gemeinden fördern das kulturelle Leben ... unter Wahrung der Autonomie der Träger.“ (Art. 3c Abs1 Verf. Baden-Württemberg) (s. hierzu auch Scheytt 2005: 25). Elf Länderverfassungen wiederholen – teilweise leicht abgeändert – die Kunstfreiheitsgarantie aus dem Grundgesetz45. Staatszielähnliche Formulierungen enthalten drei Länderverfassungen: die des Landes Bayern, die Brandenburgische sowie die Sächsische Verfassung. Im weiteren Sinn gehören auch Garantien der Urheberrechte und des geistigen Eigentums zu den abwehrrechtlichen Bestimmungen. Diese sind in der Verfassung Bayerns (Art. 162), Hessens (Art. 46) und des Landes Rheinland-Pfalz (Art. 40II) zu finden. Im Gegensatz zu Art. 5 Abs. 3 GG beinhalten fast alle Länderverfassungen allgemeine leistungsrechtliche Bestimmungen, die festlegen, worin die Verpflichtung zu der Kulturförderung liegt. Davon ausgenommen sind lediglich Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg (Wagner 2004: 46). Zudem werden spezielle leistungsrechtliche Festlegungen zu den konkreten Verpflichtungen der Länder in den meisten Ländern festgelegt. Diese weisen auf Bereiche hin, die besonders schutz- und förderungswürdig sind. Dazu zählen insbesondere der Denkmalschutz, die Erwachsenenbildung und die kulturellen Traditionen ethnischer Minderheiten (Wagner 2004: 47). Darüber hinausgehend gibt es in einigen Länderverfassungen Normierungen, die den Staat dazu verpflichten, dafür zu sorgen, dass die BürgerInnen an den kulturellen Angeboten partizipieren können (z.B. Art. 30III Verfassung Rheinland-Pfalz, weitergehender noch Art. 11 Abs. 2 Verfassung Sachsen und Art. 36 Abs. 3 Sachsen-Anhalt). Manche Normierungen der Länderverfassungen enthalten auch weitere kulturelle Grundrechte der Erziehung und Bildung46 (Wagner 2004: 47; Scheytt 2005: 18). Des Weiteren werden teilweise auch die Gemeinden, Gemeindeverbände und Landkreise in die Verpflichtung explizit mit einbezogen, und zwar in Baden-Württemberg, Bayern, Bran-
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Beispiel: Art. 9 Abs.1 Verf. Rheinland-Pfalz, Art. 5 Abs. 2 Verf. Saarland und Art. 108 Verf. Bayern: „Die Kunst, die Wissenschaft und die Lehre sind frei.“ (s. für weitere Beispiele Wagner 2004: 46; Scheytt 2005: 18) 46 Beispiel: Art. 20 Abs. 1 Verf. Berlin: „Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung.“; Art. 8 Abs. 1 Verfassung NW: „Jedes Kind hat Anspruch auf Erziehung und Bildung.“ (s. für weitere Beispiele Wagner 2004: 47; Scheytt 2005: 18)
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denburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, SachsenAnhalt und Schleswig-Holstein (Wagner 2004: 47) Formulieren die Länder ihre Kunst- und Kulturförderaufträge zwar unterschiedlich, so werden jedenfalls in fast allen Länderverfassungen kulturelle Belange stark hervorgehoben. In diesem Zusammenhang heben sich insbesondere Sachsen und Hamburg als Extremfälle hervor: Sachsen formuliert als einziges Land in seinem Kulturraumgesetz die Kulturförderung als Pflichtaufgabe. Hamburg ist das einzige Land, in welchem keine Ausführung existiert. Neben den grundlegenden verfassungsrechtlichen Bestimmungen aus dem Grundgesetz und den Länderverfassungen existieren weitere Normierungen, die auf die Verteilung der Kompetenzen im Kulturbereich hinweisen. Gemäß Grundgesetz und entsprechend der föderalistischen Struktur sind die Zuständigkeiten für kulturelle Angelegenheiten in Deutschland auf Bund, Länder und Gemeinden verteilt. Durch den Kulturföderalismus soll eine Monopolisierung kultureller Kompetenzen verhindert werden (Glaser 1994: 607; Klein 2009). Der Bund verfügt im Bereich der Kultur über eingeschränkte Zuständigkeiten, da sich grundgesetzliche Bestimmungen weniger ausdrücklich auf die Bundeskompetenzen beziehen. In drei Kompetenzfeldern mit direktem Bezug auf den Kulturbereich ist der Bund gefragt: Gemäß Art. 73 Nr. 1 GG gehört die Repräsentation der deutschen Kultur im Ausland in seinen Aufgabenbereich, nach Art 75 Abs. 1 Nr. 6 GG und unter der Voraussetzung des Art. 72 GG erlässt der Bund Rahmenvorschriften für die Landesgesetzgeber über den Schutz des deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland und nach Art. 73 Nr. 9 GG ist er für die Gesetzgebung im Bereich des Urheberrechts und Verlagsrechts – im Rahmen der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes – zuständig (Scheytt 2005: 34). Gesetzgebungsbefugnisse liegen ansonsten gemäß Grundgesetz weitgehend bei den Ländern. Nach Art. 30 GG i.V.m. Art. 70 und Art. 83 GG gehören staatliche Befugnisse und Aufgaben in den Bereich der Länder, soweit das Grundgesetz keine andere Regelungen trifft oder zulässt. Aus dieser Bestimmung sowie aus den oben ausgeführten Normierungen in der Mehrzahl der Länderverfassungen leitet sich die sogenannte Kulturhoheit der Länder ab. Gemäß Bundesverfassungsgericht ist die Kulturhoheit das Kernstück der Eigenstaatlichkeit der Länder, wesentlicher Bestandteil ihrer Verfassungsautonomie sowie zentraler Ausdruck eines sogenannten „kulturellen Trägerpluralismus“. Sie wird als ursächlich für die kulturelle Vielfalt in Deutschland bezeichnet47 (Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags 2003: 30; Scheytt 2005: 34). Neben den Gesetzgebungskompetenzen werden dem Bund auch kulturpolitisch relevante Verwaltungskompetenzen zugeschrieben. Gemäß Art. 32 Abs. 1 GG gehört die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten dazu. Nach Art. 87 Abs. 1 GG ist der Auswärtige Dienst Bundessache. Unter Rückgriff auf Art 135 Abs. 4 GG wurde die Stiftung Preußischer Kulturbesitz erlassen und liegt in der Verantwortung des Bundes. Gemäß Art 87 Abs. 3 GG können durch den Bund bundes-unmittelbare Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts in den Bereichen errichtet werden, für die dem Bund die Gesetzgebung zusteht. Neben den im Grundgesetz geregelten mittelbaren und unmittelbaren Zuständigkeiten beruft sich der Bund auf Handlungsbefugnisse, „die im Grundgesetz und mit Billigung des Bundesverfassungsgerichts stillschweigend zugelassen sind“ (Wanka 2007). Dazu gehören 47
Die Kulturhoheit der Länder steht immer wieder in der öffentlichen Diskussion – zuletzt im Rahmen der Föderalismusreform.
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insbesondere das Recht der kulturellen Selbstdarstellung und das Ausfüllen des kulturstaatlichen Förderauftrags. Die Verteilung der Bundes- und Länderkompetenzen im Kulturbereich gemäß aktuellem Kulturverfassungsrecht gilt als umstritten und ist in den letzten Jahren immer wieder Brennpunktthema in der öffentlichen Diskussion (s. hierzu auch das nächste Kapitel). Thematiken rund um die Bundeskulturstiftung, den Beauftragen für Kultur und Medien oder die Bundeskulturförderung in den neuen Ländern werden seit Mitte/Ende der 1990er Jahre mit Blick auf die Kulturhoheit der Länder immer stärker diskutiert. Direkt betroffen ist die kommunale Ebene von diesen Diskussionen nicht, allerdings bewirken sie, dass Debatten um die Aufteilung der Kompetenzen zwischen Ländern und Kommunen eher im Hintergrund bleiben. Die Kommunen sind jedoch immerhin für beinahe die Hälfte der öffentlichen Ausgaben für Kultur verantwortlich48 und spielen im Kulturföderalismus Deutschlands eine wichtige Rolle. So stellt sich die Frage, wie im Verhältnis hierzu die Länder ihrer „Kulturhoheit“ in der Praxis nachkommen und welche Rolle die Kommunen in diesem Gefüge spielen (Scheytt 2005: 35). Das Recht der Kommunen zur Förderung der Kunst und Kultur auf lokaler Ebene ergibt sich aus den kommunalen Selbstverwaltungsgarantien des Art. 28 Abs. 2 GG, der Landesverfassungen49 und Kommunalverfassungen sowie aus der durch das Prinzip der Subsidiarität50 gebotenen dezentralen Aufgabenwahrnehmung (Scheytt 2005: 37). Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG besagt: „Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.“ Zunächst einmal ist die Gemeinde also nicht hinsichtlich eines bestimmten Bereichs eingeschränkt, durch die örtliche Komponente allerdings auf den lokalen Raum begrenzt. Generell findet die kommunale Selbstverwaltung nach dem Gesetzesvorbehalt in Art. 28 Abs. 2 GG ihre Schranken, wenn Kommunen lediglich zu ausführenden Organen des Staates werden. Dies wird unter anderem berührt, wenn es Pflichtaufgaben oder Auftragsangelegenheiten zu erfüllen gilt. Im Kulturbereich ist das jedoch selten der Fall: Die Kommunen sind hier kaum in ihrem Handeln durch Gesetze oder Verordnungen eingeschränkt. Sie können eigenverantwortlich Strukturen aufbauen und Instrumente einsetzen, um Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung wahrzunehmen (Heinrichs 1999: 61f.). Art. 28 Abs. 2 S. 2 GG folgend wird auch den Gemeindeverbänden/Kreisen das Recht zur Selbstverwaltung zugesprochen, unter der Einschränkung, dass die entsprechende Kulturaufgabe einen überörtlichen Charakter hat (Scheytt 2005: 37, 39f.). Bisher wurde nur die prinzipielle Kompetenz der Kommunen zur freien Gestaltung ihrer jeweiligen Kulturarbeit als verfassungsrechtlich geregelt dargelegt. Die genaue Ausgestaltung der Kulturförderung auf kommunaler Ebene ist hingegen nicht gesetzlich geregelt. Sie soll sich vielmehr an dem Willen der BürgerInnen orientieren (Ebker 2000: 130; Scheytt 2005). Die Verantwortung der Gemeinden im Kulturbereich wird zudem traditionell als freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe51 ausgelegt. Die Bereiche und das Ausmaß kultureller Betätigung liegen deshalb weitestgehend im Ermessen der Gemeinden (Hoffmann /Kramer 1983; Scheytt 1994). Die Rolle der Kommunen als Trägerinnen einer 48
Rechnet man die Stadtstaaten dazu, so ist es sogar über die Hälfte der Ausgaben, die die Kommunen tragen. So gibt es landesverfassungsrechtliche Bestimmungen, die die kommunale Selbstverwaltungsgarantie des Grundgesetzes wiederholen. Zusammen mit den oben dargestellten Kulturauftragsnormen in den Landeverfassungen unterstreichen sie die Rolle der Kommunen im föderalistischen Gefüge (Scheytt 2005: 38). 50 Aus dem Prinzip der Subsidiarität folgt, dass eine höhere Ebene Aufgaben dann nicht übernehmen soll, wenn sie besser durch eine nachfolgende Ebene wahrgenommen werden können. 51 Für die Diskussion um Kultur als Pflichtaufgabe vs. freiwillige Aufgabe siehe zum Beispiel: (Hoffmann /Kramer 1983; Scheytt 1994; Thiel 2003; Kulturpolitische Gesellschaft 2004) 49
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„Kulturgestaltungskompetenz“ (Scheytt 2005: 102) und mit einem generellen Kulturauftrag wird auch durch Bestimmungen in einigen Gemeindeordnungen unterstrichen (Thiel 2003: 135f.). In den Gemeindeordnungen wird für den Kulturbereich unter anderem festgelegt, in welchem rechtlichen Rahmen die Organe auf kommunaler Ebene interagieren. Zu den wichtigsten Organen des kommunalen Kulturbetriebs zählen der Rat der Stadt bzw. Gemeinderat, der Kulturausschuss und das Kulturdezernat (zu deren Aufgaben s. genauer Kapitel 2.4.3). Nach dem Grundgesetz gehört die Kommunalverfassung in den Kompetenzbereich der Länder. So existieren, neben den Besonderheiten in den Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin, 13 unterschiedliche Kommunalverfassungen in Deutschland (Scheytt 2005: 49). Bis in die 1990er Jahre konnten diese Kommunalverfassungen vier Grundtypen von Gemeindeordnungen der Flächenländer zugeordnet werden: der Magistratverfassung, der Bürgermeisterverfassung, der Norddeutschen Ratsverfassung und der Süddeutschen Ratsverfassung. Dabei lag die Parallele aller Kommunalverfassungen darin, dass sie eine Gemeindevertretung bzw. einen Gemeinderat/Stadtrat aufwiesen. Je nach Verfassungstyp hatten die Bürgermeister jedoch unterschiedliche Stellungen im kommunalen Gefüge (Heinrichs 1999: 73f.; Scheytt 2005: 94f.). In den 1990er Jahren wurden die Kommunalverfassungen grundlegend reformiert und die zuvor recht unterschiedlichen kommunalen Verfassungssysteme zunehmenden vereinheitlicht. Unter anderem wurde die innerorganisatorische Machtverteilung neu geordnet, wobei insbesondere die Position der Hauptverwaltungsbeamten (Bürgermeister) verändert wurde. Ziel war es, die Mächteverhältnisse auszutarieren. Zu diesem Zweck wurde mancherorts zum Beispiel die Stärkung der Stellung des Bürgermeisters durch eine Schwächung in anderen Bereichen ausgeglichen oder eine Stärkung der Vertretungskörperschaft vorgenommen. Insgesamt haben sich im Rahmen der Reform der Kommunalverfassungen Elemente des Modells der Süddeutschen Ratsverfassung auch in den meisten anderen Verfassungstypen durchgesetzt – allerdings in ganz unterschiedlichen Ausprägungen (Kost 2005; Ruge 2006). Zuvor ein zentrales Merkmal der Süddeutschen Ratsverfassung in Baden-Württemberg und Bayern, werden nun hauptamtliche Bürgermeister in allen Bundesländern direkt gewählt. Ziel der Neuregelungen war auch, die Effektivität, Effizienz und Transparenz kommunalpolitischer Entscheidungen zu verbessern und den Einfluss und die Partizipationsmöglichkeiten der BürgerInnen durch Einführung des Bürgerbegehrens und des Bürgerentscheides zu erhöhen (Wehling 2003). Insgesamt ist keine absolute Angeleichung der Kommunalverfassungen vorgenommen worden: Nach wie vor weisen die Gemeindeordnungen in den Ländern Unterschiede auf (s. hierzu Kost /Wehling 2003; Bogumil /Holtkamp 2006: 61ff.). Für den Kulturbereich sind hierbei die Hauptorgane des Entscheidungs- und Verwaltungsprozesses auf kommunaler Ebene betroffen. So ist die aus den Kommunalverfassungen folgende Organisation des Kulturausschusses – gemäß Scheytt (2005) die wichtigste politische Instanz mit erheblicher Gestaltungsmacht bei Kulturangelegenheiten der Kommune – indirekt betroffen. Der Kulturausschuss besteht aus Mitgliedern des Gemeinderates; zuweilen zusätzlich auch aus sachkundigen Bürgern (Klein 2004). Die Entscheidungskompetenz des Gemeinderates wird durch die Kommunalverfassungen beeinflusst. Der Rat wird durch die BürgerInnen gewählt und ist grundsätzlich das Hauptorgan der Gemeinde. Durch die Stärkung der Bürgermeister im Rahmen der Reformen und die Möglichkeit, Bürgerentscheide durchzuführen, wurde ein Impuls zur Schwächung der Macht der Räte und der hinter diesen stehenden Parteien gesetzt (Wehling 2003: 312). Neben den beiden Organen der Kulturpolitik sind auch Verwaltungsorgane auf kommunaler Ebene zu nennen. Die aus 91
den verschiedenen Verfassungstypen erwachsende Stellung des Kulturdezernenten/ Kulturreferenten/ Kulturbürgermeisters52 ist relevant. Je nach Gemeindeordnung variiert die Stärke der Stellung des Kulturdezernenten, der als Beigeordneter ein politischer Wahlbeamter ist, je nachdem, ob er auch den Vorsitz des Kulturausschusses innehat und dabei wiederum, ob er eine beratende Stimme hat und ob er auch ohne die Zustimmung des Bürgermeisters seine Meinung kundtun kann (Scheytt 2005: 49ff.). Der Kulturdezernent ist in jedem Fall zuständig für die Ämter, die dem Dezernat unterstehen, wie zum Beispiel für das Kulturamt. Diesem steht wiederum der Kulturamtsleiter vor, der für die dem Amt zugeordneten Abteilungen und kulturellen Einrichtungen zuständig ist (Klein 2004). Letztlich wird in Deutschland für die kommunale Ebene nur das ‚Ob’ und nicht das ‚Wie’ kulturpolitischer Tätigkeiten juristisch geregelt. Von Land zu Land und von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich, beeinflussen – neben den erwähnten Organen und rechtlichen Rahmenbedingungen – weitere Variablen, welche kulturpolitischen Entscheidungen für oder gegen die Einrichtung und Aufrechterhaltung kultureller Institutionen und die Initiierung und Weiterführung von Projekten vor Ort getroffen werden. Dazu gehören die strukturellen Gegebenheiten einer Stadt oder Gemeinde, die Regeln des öffentlichen Haushaltsrechts (Kameralistik), die jeweilige wirtschafts- und finanzpolitische Lage, die finanziellen Möglichkeiten, der Haushaltsplan, juristische Selbstbindungen in den Gemeinden, das politische Klima, die Presse und die Aktivitäten von politischen Parteien sowie Interessenvertretern (Heinrichs 1999; Klein 2004: 91). 2.4 Politisch-institutionelle Rahmenbedingungen der Kulturfinanzierung Der Kulturbereich Deutschlands ist in der Vielfalt und Verbreitung kultureller Angebote in seinen Trägerschafts- und Förderstrukturen wesentlich durch eine etatistische Tradition geprägt. Das wurde in der Darstellung der historischen Entwicklungspfade deutlich, spiegelt sich aber auch in den aktuellen Gegebenheiten des Kultursystems und seinen politischinstitutionellen Rahmenbedingungen. Kulturfinanzierung ist eine bestimmte Art der Kulturförderung, die sich von weiteren Formen materieller sowie von der ideellen Förderung unterscheidet. Die öffentliche Kulturförderung umfasst die direkte Förderung durch die Bereitstellung von Haushaltsmitteln und die indirekte Förderung durch gesetzliche Rahmenbedingungen, vor allem des Steuerrechts. Diese beiden Förderinstrumente des öffentlichen Bereichs werden im Folgenden dargestellt. Dabei sind zunächst die Tätigkeiten des Bundes und der Länder und dann die der Kommunen von Interesse. Die jeweiligen Aufgaben und Instrumente sowie relevante öffentliche Debatten werden für jede föderale Ebene dargestellt. Offensichtlich wird, dass Kultur in Deutschland durch den örtlichen Bezugsrahmen geprägt ist. 2.4.1 Kulturpolitik des Bundes und das Bund-Länder-Verhältnis Der Schwerpunkt der Kulturpolitik der Bundesregierung liegt zum Ersten im Aufbau und der Förderung national und gesamtstaatlich bedeutsamer kultureller Einrichtungen und Angebote. Zum Zweiten wird das Ziel verfolgt, Rahmenbedingungen für die Entfaltung von Kunst und Kultur zu schaffen, weiterzuentwickeln und zu verbessern. Zum Dritten soll
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Die Bezeichnung kann je nach Bundesland unterschiedlich sein.
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das kulturelle Erbe geschützt und bewahrt werden (Kulturportal Deutschland 2007a; Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2007). In erster Linie ist der Bund für den Bereich der gesamtstaatlichen Repräsentation zuständig. Deshalb ist er in seiner direkten Förderpolitik auf diejenigen Einrichtungen beschränkt, die von gesamtstaatlicher Bedeutung sind. Hier unterstützt der Bund – in den meisten Fällen in der Form einer Teilförderung und in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Ländern, Kommunen oder auch mit privaten Trägern – zahlreiche Einrichtungen (Kulturportal Deutschland 2007b) in allen traditionellen künstlerischen Bereichen. Zu diesen werden Musik, Literatur, Bildende Kunst, Darstellende Kunst sowie Denkmalförderung und Baukultur gezählt (Bundesregierung 2007a). Die gesamtstaatliche Bedeutung betrifft auch und insbesondere sämtliche Aufgaben im Bereich der Auswärtigen Kulturpolitik (s. hierzu auch Bundesregierung 2006). Gemäß Art. 32 GG ist die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten Bundessache. Diesen Bereich repräsentiert das Auswärtige Amt. Dabei liegt es auch im Kompetenzbereich des Bundes, die entsprechenden Mittlerorganisationen, wie z.B. die Goethe-Institute und die Auslandsschulen, zu unterstützen (Auswärtiges Amt 2007). Die direkte Förderung wird vom Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien (BKM) durchgeführt. Dessen Etat beträgt im Jahr 2007 1,105 Milliarden Euro. Damit stammen rund 12% der öffentlichen Mittel für kulturelle Einrichtungen und Angebote aus dem Haushalt des Bundes. Im Verhältnis zum Jahr 2006 wurde der Kulturetat der Bundesregierung im Jahr 2007 um 3,5% erhöht. Der BKM ist eine oberste Bundesbehörde und untersteht als solcher unmittelbar der Bundeskanzlerin oder dem Bundeskanzl53. Sie wird durch den Kulturstaatsminister oder die Kulturstaatsministerin geleitet. Die Behörde wurde im Oktober 1998 per Organisationserlass des Bundeskanzlers eingerichtet, um der Kultur- und Medienpolitik in Deutschland einen höheren Stellenwert zu geben. Zusammen mit dem gleichzeitig eingerichteten Ausschuss für Kultur und Medien im Deutschen Bundestag wurde die Zielsetzung verfolgt, mit dem BKM einen kompetenten Ansprechpartner auf Bundesebene einzusetzen und die Transparenz und öffentliche Kontrolle der Vergabe von Fördermitteln des Bundes für die Kultur zu erhöhen (Bundesregierung – Beauftragter für Kultur und Medien 2000; Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2007). Indirekt förderpolitisch tätig wird der Bund über das Setzen von Rahmenbedingungen. So kann er insbesondere in den Bereichen der Steuerpolitik, der Urheberrechtspolitik und der Arbeits- und Sozialpolitik aktiv werden. Aber auch in weiteren Bereichen, wie etwa dem Wirtschaftsrecht, den Gesetzgebungen in der Kinder- und Jugendpolitik und der Weiterbildungsgesetzgebung, kann er durch seine Regulierungskompetenz mittelbar kulturpolitisch tätig werden. Neben der ordnungspolitischen Tätigkeit überprüft der Bund Gesetzesvorhaben hinsichtlich deren Auswirkungen auf den Kulturbereich. Die indirekte förderpolitische Tätigkeit ist von großer Relevanz, da die genannten Bereiche die Kultur in ihrem Kern betreffen. Der Bund kann über diese mittelbare Zuständigkeit positive Impulse für das kulturelle Leben setzen54. 53
Folgende nachgeordnete Behörden und Einrichtungen gehören zum Geschäftsbereich des BKM: Das Bundearchiv, Das Bundesarchiv für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU), Die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Die Deutsche Nationalbibliothek (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2007) 54 Die zahlreichen juristischen und organisatorischen Fragen und Konsequenzen, die dieser Bereich aufwirft, sollen an dieser Stelle nicht erschöpfend diskutiert werden. Im Folgenden werden lediglich beispielhaft aktuelle Handlungsfelder der Bundesregierung angesprochen.
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Durch steuerrechtliche Gesetzgebungen etwa kann die Kulturwirtschaft gestärkt bzw. geschwächt werden. Auch ist es dem Bund hiermit möglich, Anreize für das gemeinnützige Engagement der BürgerInnen im Kulturbereich zu setzen. Mit diesem Ziel wird aktuell den Bereichen des Stiftungs- und des Spendenrechts55 eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt (Bundesregierung – Beauftragter für Kultur und Medien 2007; Bundesregierung 2007c). Im Bereich des Urhebervertragsrechts beschloss der Bundestag am 22. März 2002 das „Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern“. AutorInnen und KünstlerInnen wird mit §32 UrhG der Anspruch auf angemessene Vergütung eingeräumt (Bundesregierung – Beauftragter für Kultur und Medien 2007). Seit dem vermehrten Einsatz und der Verbreitung von neuen Technologien hat das Urheberrecht im Themenkomplex der sogenannten Informationsgesellschaft stark an Bedeutung gewonnen. Der Schwerpunkt liegt hier insbesondere auf dem Schutz des geistigen Eigentums sowie des künstlerischen Wirkens im Bereich digitaler Medien. Die EUUrheberrechtsrichtlinie verlangte nach einer nationalen Anpassung mit der Folge, dass im Jahr 2003 das deutsche Urheberrecht novelliert wurde. Die Rechte der UrheberInnen und ausübender KünstlerInnen sollten als Rechteinhaber eine Stärkung erfahren. Über diese verpflichtenden Reformschritte hinaus wird seit 2004 durch das Bundesministerium für Justiz eine weitere Reform des Gesetzes geplant. Der BKM ist an dem Entwurf des Gesetzes durch die Mitwirkung im Themenbereich der Interessen der KünstlerInnen und der Kulturbranche beteiligt (Bundesministerium für Justiz 2007; Bundesregierung – Beauftragter für Kultur und Medien 2007). Kritiker beurteilen den zweiten Entwurf des Gesetzes, der zu Beginn des Jahres 2006 durch das Bundesjustizministerium vorgelegt wurde, als „künstlerfeindlich“ und fordern von den Parlamentariern eine Änderung des Gesetzentwurfs (Deutscher Kulturrat 2006). Im Bereich des Arbeits- und Sozialrechts wurde durch die Einführung des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) im Jahr 1981 eine Lücke im Sozialversicherungssystem der BRD geschlossen (s.a. Scheytt 2005: 280f.). In jüngerer Zeit werden immer wieder Weiterentwicklungen und Änderungen des Gesetzes diskutiert. So wurde das Gesetz im Juli 2001 novelliert, um eine bessere soziale Absicherung freischaffender KünstlerInnen und PublizistInnen zu erreichen. Zuletzt wurde am 22. März 2007 eine dritte rechtskräftige Reform des KSVG verabschiedet, die zum Ziel hat, unternehmerische Abgabenpflichten sowie Verwerterpflichten in Anbetracht steigender Zahlen freier KünstlerInnen als NutzerInnen der Versicherung stärker überprüfen zu können (Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen 2007; Zimmermann /Schulz 2007). Die Zuständigkeiten, die dem Bund im Bereich der Kulturpolitik eingeräumt werden, werden immer wieder äußerst kontrovers diskutiert und sind umstritten. Im Mittelpunkt dieser kulturpolitischen Debatten stehen Kontroversen und Abgrenzungsprobleme zwischen Bund und Ländern und hierbei im Speziellen die Reichweite und Ausschließlichkeit der Bundeskompetenzen. Seit der Instrumentalisierung von Kultur und Kulturpolitik im Dritten Reich gilt für viele kulturpolitische Akteure die Kulturhoheit der Länder als einzig richtiger Weg. So werden bisweilen ein hoher bundesstaatlicher Einfluss und eine selbstbewusste Wahrnehmungen des Bundes in der Förderpolitik als Angriff auf die Kulturhoheit der Länder gewertet. Dahinter steht auch die Befürchtung, der Bund könnte sich in länderspezifische Förderstrategien einmischen, Fördermittel des Bundes für Kultureinrichtungen der Länder könnten gestrichen oder reduziert werden. Zentralistische Tendenzen der Bun55
Die Themen Spenden und Stiftungen werden in Kapitel 2.5 ausführlicher behandelt.
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deskulturpolitik werden kritisiert. Die entgegengesetzte Perspektive in dieser Kontroverse folgt der Argumentationslinie, die Kompetenzen des Bundes müssten zumindest beibehalten, wenn nicht gar gestärkt werden, um seine kulturpolitische Verantwortung zu erhöhen. Eine starke Bundeskulturpolitik führe dazu, dass der Bund – allerdings im Rahmen eng gesetzter Grenzen – seine Zuständigkeit der Vertretung und Finanzierung wahrnehmen könne (Zimmermann /Schulz 2006a). Die Kulturpolitik – so die Erwartung – erhalte dann nicht nur bei Abgeordneten im Deutschen Bundestag, sondern auch im Rahmen öffentlicher und parlamentarischer Debatten sowie bei ministerialen Aktivitäten einen größeren Stellenwert. Insbesondere im Kontext der Europäischen Union müssten Kompetenzen gebündelt und Interessen geschlossen vertreten werden (Enquete-Kommission 'Kultur in Deutschland' 2005a). Auch wird vor einer Art Hahnenkampf gewarnt, der letztlich nur zu einer Schwächung der Fördermaßnahmen durch den Bund und in der Folge zu der Verschlechterung der finanziellen Gegebenheiten auf kommunaler und Länderebene im Kulturbereich führen könne (Deutscher Kulturrat 2003). Die Thematik der Wahrnehmung kulturpolitischer Aufgaben durch den Bund wird durch verschiedene Entwicklungsprozesse der letzten Jahre und die diese Prozesse begleitenden Debatten direkt berührt. Dazu gehört im Wesentlichen die Diskussion um kulturpolitische Folgen der Wiedervereinigung und hierbei insbesondere die Wiederaufnahme der Kulturförderung Ost, die Auseinandersetzung im Rahmen der Etablierung neuer Institutionen auf Bundesebene, und zwar insbesondere des Bundeskulturstaatsministers und der Kulturstiftung des Bundes, die Debatte um die Rolle Berlins als Hauptstadt sowie Diskussionen um Entflechtungen und die Systematisierung der Bund-Länder-Beziehungen im Rahmen der Thematik des europäischen Einigungsprozesses sowie im Zusammenhang mit der Föderalismusreform. Nach der Wiedervereinigung sollte gemäß Art. 35 Einigungsvertrag der Erhalt der kulturellen Substanz und das Überleben vieler kultureller Einrichtungen der neuen Länder durch eine Übergangsfinanzierung gesichert werden. Auch sollte dafür gesorgt werden, dass sich neue Strukturen etablieren können. Im Zuge der Übergangsfinanzierung wurden das kulturelle Infrastrukturprogramm, das Substanzerhaltungsprogramm und das Denkmalpflegeprogramm aufgelegt. Ein Programm, das in diesem Zusammenhang im Jahr 1999 durch den Bund initiiert wurde ist das Investitionsprogramm „Kultur in den neuen Ländern“. Ziel des Programms war, die infrastrukturelle Aufbauarbeit von Kultureinrichtungen in den neuen Ländern zu fördern (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2006a). Ab dem Jahr 2001 wurden auch kleine und mittlere Kultureinrichtungen in Ostberlin in die Förderung mit einbezogen, insbesondere vor dem Hintergrund der problematischen Haushaltslage der Stadt und der Konzentration der Hauptstadtkulturförderung auf größere Institutionen und Projekte mit gesamtstaatlicher Bedeutung (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2006a). Das Programm zielte darauf ab, Länder und Kommunen darin zu unterstützen, die Attraktivität der Kultureinrichtungen zu verbessern sowie den Kultureinrichtungen selbst bei der Sanierung und Modernisierung ihrer Gebäude unter die Arme zu greifen. Die oben dargestellte Bundeskompetenz, gesamtstaatlich bedeutsame Kulturinstitutionen zu fördern, wurde mit der Übergangsfinanzierung deutlich erweitert. Die Länder und Kommunen sollten durch eine Komplementärfinanzierung ihre Verantwortung in der Kulturpolitik weiterhin einlösen56. Das Modell wird heute vielfach als beispielhaft für einen sogenannten „kooperativen Kulturföderalismus“, also für eine 56 Voraussetzung war, dass Länder und Kommunen für eine Kofinanzierung jeweils den gleichen Betrag wie der Bund aufbringen.
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bewährte Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, betrachtet (Deutscher Kulturrat 2003; Zimmermann /Schulz 2006b). Allerdings wurde die von Anfang zeitliche Begrenzung der Übergangsfinanzierung gemäß Einigungsvertrag kontrovers diskutiert. So hat sich auch herausgestellt, dass die Annahmen für den zeitlich notwendigen Rahmen der Übergangsphase zu kurz gegriffen waren, da die Einrichtungen der Länder und Kommunen nach Ende der Programme nicht ohne externe Hilfe überleben konnten. Um sich zu entlasten, suchten deshalb viele Träger kultureller Einrichtungen, den Bund dauerhaft als Mitfinanzierer zu gewinnen (Röbke /Wagner 2001: 17f.). In diesem Zusammenhang entspann sich die Diskussion um die Frage, inwieweit ein weitergehendes kulturelles Engagement des Bundes angemessen sei. Die Übergangsfinanzierung wird gleichwohl als Beginn einer neuen Phase in der Bundeskulturpolitik, wenn nicht sogar einer systematischen Bundeskulturpolitik überhaupt, interpretiert (Ausschuss für Kultur und Medien 2003). Diskussionen zum Kulturföderalismus und der Rolle des Bundes gab es zwar schon in den 1980er Jahren, die Debatte spitzte sich seit Mitte der 1990er Jahre jedoch deutlich zu. Neben den Programmen zur Förderung der Kultur in den ostdeutschen Ländern wurden einige weitere Fördermaßnahmen sowie institutionelle Neuerungen eingeführt. So wurde mit der im Bundestagswahlkampf 1998 geführten Diskussion um die Arbeitsteilung zwischen Europa, Bund, Ländern, Gemeinden sowie privaten Trägern in der Kulturpolitik unter anderem die Notwendigkeit einer selbstbewussteren Bundeskulturpolitik durch eine stärkere Kompetenzbündelung unterstrichen. Zielsetzung war, geeignetere Strukturen für die gesamtstaatliche Kulturpolitik zu etablieren. Häufig unterstellt wurde, dass damit die Kulturkompetenzen der Länder geschwächt werden sollten (s. hierzu Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft 1998; Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags 2003). Die oben bereits erwähnte Diskussion um eine Verbesserung der sozialen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur wurde als Schwerpunktaufgabe des Bundes betrachtet (Nida-Rümelin 2002). So bekam die Frage, inwieweit Gesetze zu erlassen oder zu ändern sind, die kulturspezifische Belange regeln (kulturelle Ordnungspolitik), und die Überprüfung von Gesetzesvorhaben nach dem Kriterium, ob kulturelle Belange genügend berücksichtigt werden (Kulturverträglichkeit) mit dem Einsatz des Beauftragten für Kultur und Medien eine große Aufmerksamkeit. Der Beauftragte für Kultur und Medien sollte eine Signalwirkung für die Wahrnehmung kulturpolitischer Fragen in Deutschland erwirken und eine effektive Interessenvertretung im Kontext der Europäischen Union sicher stellen. Die rot-grüne Regierung um Gerhard Schröder zeichnet zudem verantwortlich für den Hauptstadtkulturvertrag, der zwischen dem Bund und dem Land Berlin geschlossen wurde und für eindeutige Zuständigkeiten sorgen sollte (vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2006a). Dieser regelt seit 2001 die institutionelle Förderung von Berliner Kultureinrichtungen durch den Bund: der Stiftung Jüdisches Museum und der Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH (Berliner Festspiele mit dem Martin-Gropius-Bau, Haus der Kulturen der Welt, Internationale Filmfestspiele). Gemäß dem Hauptstadtkulturvertrag von 2004 wird die Finanzierung weiterer Einrichtungen aus dem Bundeshaushalt übernommen (Akademie der Künste, Stiftung deutsche Kinemathek, Zuschuss zu den Betriebskosten des Hamburger Bahnhofs), auch, um damit den Erhalt aller drei Berliner Opern aus Landesmittels zu sichern. Für die Staatsoper Unter den Linden wurde im Juli 2006 ein Bundeszuschuss zugesagt unter der Voraussetzung einer Komplementärfinanzierung durch das Land57. 57 In dieser öffentlichen Debatte um Zuständigkeiten, gerade was die Berliner Kultureinrichtungen betrifft, wurde auch immer wieder generell thematisiert, wie viele Kultureinrichtungen aus öffentlichen Geldern vor dem Hintergrund der knappen Haushaltslage finanziert werden und ob der Hauptstadt alle drei Opern erhalten bleiben sollten.
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Die Debatte um die Kompetenzen in der staatlichen Kultur(förder-)politik wurde noch intensiviert, als im Jahr 2002 die Kulturstiftung des Bundes gegründet wurde. Die Zielsetzung der Bundeskulturstiftung liegt in der Förderung der Kunst und Kultur im Rahmen der Zuständigkeiten des Bundes. Sie verfügt über ein Budget von 38 Millionen Euro aus dem Haushalt des BKM (Pfeiffer-Poensgen /Vossenkuhl 2006; s. a. die Homepage: Bundesregierung 2007b). Die Gründung der Bundeskulturstiftung führte zu einer Kontroverse zwischen dem Bund und den Ländern. Die meisten Bundesländer befürchteten eine Konkurrenzsituation und eine Einschneidung in die grundgesetzlich garantierte Kulturhoheit der Länder. Verhandlungen zur Systematisierung und Entflechtung der kulturpolitischen Förderkompetenzen, zu Gestaltungsspielräumen und Kooperationsbeziehungen wurden begonnen, im Laufe derer sich beide Ebenen auf die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit im Bereich der Kulturförderung einigten sowie zu der Idee eines kooperativen Kulturföderalismus bekannten. Dabei sollte eine grundsätzliche Trennung und die klare Kompetenzzuordnung gewahrt werden. Letztlich wurden die Verhandlungen im Jahr 2003 jedoch wieder abgebrochen (Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags 2003). Der Konflikt konnte auch nicht im Zuge der Föderalismusreform im Jahr 2004 gelöst werden, denn diese scheiterte. Auch die in diesem Zusammenhang angedachte Fusion der Kulturstiftung des Bundes und der Länder zu einer gemeinsamen Kulturstiftung wurde nicht realisiert. Im Jahr 2006 wurde schließlich eine stärkere Kooperation der beiden Stiftungen beschlossen, die Zusammenführung der beiden Stiftungen wurde jedoch für die laufende Legislaturperiode bis auf Weiteres auf Eis gelegt (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 2006b). Eine weitere kulturpolitische Schwerpunktsetzung des Bundes liegt in der Einrichtung der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ (2003-2007). Diese soll eine Bestandsaufnahme und Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen von Kunst und Kultur erarbeiten. Nachdem die vorgezogenen Neuwahlen die Arbeit der Kommission unterbrochen hatten, setzte der 16. Deutsche Bundestag erneut eine EnqueteKommission „Kultur in Deutschland“ ein, die an die Arbeit der Kommission aus der 15. Legislaturperiode anschließen soll (s. Deutscher Bundestag 2006b). Anknüpfend an die Einrichtung des Ausschusses für Kultur und Medien im Jahr 1998, der eine Behandlung wichtiger Fragen der Kultur und Medien im Parlament ermöglichen und mit den Ausschuss-Mitgliedern, Künstlerinnen und Künstlern sowie Kulturschaffenden direkte Ansprechpartner stellen soll (Deutscher Bundestag 2006a; Zimmermann /Schulz 2006b), wird im Jahr 2006 ein Unterausschuss Auswärtige Kulturpolitik eingerichtet. Thematiken der Auswärtigen Kulturpolitik sollen mit dieser Institution eine größere Bedeutung eingeräumt werden (Zimmermann /Schulz 2006b). Die beschriebenen Maßnahmen des Bundes bewirken auch eine neue Aufmerksamkeit für kulturverfassungsrechtliche Fragen (s. hierzu bereits Kapitel 2.3), die sich nicht nur im Rahmen der skizzierten Debatten, sondern auch in der weiteren, sehr grundsätzlichen Diskussion zu der oben bereits erwähnten Föderalismusreform spiegeln. Allgemeines Ziel der Reform ist, die Reformunfähigkeit zu reduzieren, die aufgrund struktureller Blockademöglichkeiten bei Gesetzgebungsverfahren des Bundes besteht, sowie die Finanzverfassung des Gesamtstaates transparenter zu machen und Verantwortlichkeiten neu zu ordnen (Wagner 2007a; Wanka 2007). Die Kulturpolitik spielte im Rahmen der Föderalismusreform, die am 1. September 2006 in Kraft getreten ist, eine relativ geringe Rolle (Wanka 2007). Sie war allerdings insofern auch ein kulturpolitisches Ereignis, als Reformschritte in Form der Änderung von fünf Grundgesetzartikeln die Kulturpolitik direkt betreffen. Während zwei die97
ser fünf Grundgesetzänderungen keine Neuerungen in der Kulturpolitik erwirken58, sind folgende drei Änderungen sehr umstritten (s. Wagner 2007a):
Art. 23 Abs. 6 GG zur geteilten Wahrnehmung der Rechte als EU-Mitgliedsstaat zwischen Bund und Ländern berührt die grundsätzliche Frage der Kompetenzen- und Machtverteilung zwischen den föderalen Ebenen in der Kulturpolitik. Die Länder hoben in der Debatte den Charakter der Kulturhoheit als Kern ihrer Eigenstaatlichkeit hervor. Ergebnis der Aushandlungsprozesse ist, dass – bei Gesetzgebungskompetenz der Länder berührenden schul-, rundfunk- und kulturpolitischen Fragen – die Länder im EU-Ministerrat nun durch einen Ländervertreter repräsentiert werden (Deutscher Kulturrat 2006). Durch Kritiker wird befürchtet, dass eine wechselnde Repräsentation Deutschlands durch den BKM sowie einen Kulturminister als Sprecher der Länder die Position Deutschlands in der EU schwächen und der Kultur Schaden zufügen können (Wagner 2007a). Die gemeinsame Bildungsplanung von Bund und Ländern wurde durch die Änderung des Art. 91b gestrichen. Dies wird als ein großer Einschnitt in die Praxis der kooperativen Tätigkeit von Bund und Ländern in der kulturellen Bildung und hier insbesondere für den Bereich der Modellversuche interpretiert (Wagner 2007a; Wanka 2007). Die Auswirkungen dieser Änderungen müssen in ihrer vollen Breite erst noch durchkalkuliert werden, denn sie sind noch „recht unübersichtlich“(Wanka 2007). Die Neufassung des Art. 104 b GG betrifft „Finanzhilfen des Bundes“ und scheint deshalb auf den ersten Blick die Kultur wenig zu berühren. Zudem wird in dem Artikel die Kulturförderung explizit ausgeschlossen, wenn es um das dort geregelte „Kooperationsverbot“ hinsichtlich der finanziellen Unterstützung der Länder durch den Bund geht. Allerdings wird indirekt, über den Koalitionsvertrag, auf das „Eckpunktepapier der Länder für die Systematisierung der Kulturförderung von Bund und Ländern...“ verwiesen, das 2003 entwickelt und nach erhitzter Diskussion zunächst einmal ad acta gelegt worden war. Das Papier hatte die Festschreibung der Förderung von Institutionen und Projekten zum Inhalt, wobei formuliert wurde, welche unstrittig (Korb 1) und welche strittig (Korb 2) dazugehören sollten. Die Formulierungen implizieren allerdings ein Infrage stellen der Förderungswürdigkeit innovativer Projekte und würden zudem die Existenz bedeutender kultureller Einrichtungen gefährden, so die Kritiker. Die Verweise auf das Papier im Rahmen der Neufassung des Art. 104 b GG und ihre mehr oder weniger implizite Aussage werden deshalb als verfassungsrechtlich sowie kulturpolitisch fragwürdig bezeichnet (s.a. Wagner 2007a; Wanka 2007: 7f.).
58 Gemäß Art. 22 GG soll die Aufgabe der „Repräsentation des Gesamtstaates in der Hauptstadt“ in den Bereich des Bundes fallen. Die Änderung des alten Art. 75 Nr.6 in den neuen Art. 73 Nur. 5a GG bewirkt, dass der Bereich des Schutzes Deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung in das Ausland in die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes übertragen wird. Beide Änderungen sind unstrittig (Wagner 2007a).
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2.4.2 Kulturpolitik der Länder Wie bereits in Kapitel 2.3 dargelegt, sind die Länder gemäß der Verfassung in einem umfangreichen Sinne zuständig für ihre jeweiligen kulturellen Angelegenheiten. So stellt die sogenannte „Kulturhoheit der Länder“59 das Kernstück ihrer Eigenstaatlichkeit dar (Scheytt 2005). Dem Grundgesetz folgend liegen die staatlichen Aufgaben und Kompetenzen bei den Ländern, soweit es keine andere Regelung trifft. Da die Bundeszuständigkeit in der Kulturpolitik eingeschränkt ist, gilt dies für die Länder in diesem Politikfeld ganz besonders. Trotzdem bedeutet Kulturpolitik auf Länderebene primär Verwaltungsdurchführung. Die Verabschiedung von Landesgesetzen, die im Sinne der „Kulturhoheit“ als stärkste Form hoheitlichen Handelns gilt, kommt kaum vor. Landesgesetze sind somit auch nur sehr selten eine Rechtsquelle kommunalen Kulturrechts. Der Hintergrund dessen ist, dass Kultur weithin als „freiwillige Leistung“ der Kommunen gilt und eine gesetzliche Normierung des Kulturbereichs durch die Länder die kommunale Selbstverwaltung in Frage stellen oder bedrohen würde (Scheytt 2005). Das kulturpolitische Handeln eines Landes ist demzufolge in der Praxis maßgeblich durch förderpolitische Aspekte geprägt. Allgemein manifestieren sich diese in der Unterstützung von Kultureinrichtungen, die durch das jeweilige Land getragen werden, sowie durch die direkte Förderung von KünstlerInnen, z.B. durch Stipendien (Zimmermann /Schulz 2006b). Zusammen mit den Gemeinden tragen die Länder die Hauptlast der Kulturfinanzierung (zur Besprechung der Daten s. Kapitel 2.5.1). Der überwiegende Teil der Kulturaufgaben besteht in beinahe allen Ländern aus
den direkten Aufwendungen des Landes für eigene Kultur- und Kunsteinrichtungen, den Zuweisungen an Kultureinrichtungen der Kreise und Kommunen, den Zuschüssen an nicht-öffentliche Träger und den Kulturausgaben im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs.
Abgesehen von diesen traditionellen Formen haben sich eine Reihe weiterer Kulturförderformen herausgebildet. Die Landeskulturpolitik ist eines der Politikfelder, in denen die Länder untereinander konkurrieren. Die Konkurrenz hat den Zweck, die kulturelle Vielfalt zu fördern und zu ermöglichen, dass die Länder ihre Kulturlandschaft gemäß ihren jeweiligen historisch gewachsenen Traditionen gestalten. Das Politikfeld Kultur bietet auf Länderebene auch die Möglichkeit, die jeweiligen ländereigenen Vorstellungen von Innovation zu präsentieren. So weisen die Länderverfassungen (s. Kapitel 2.3) und die Internetauftritte der Länder darauf hin, dass Landeskulturpolitik in den Ländern unterschiedlich stark akzentuiert ist und dass die Kulturförderung in Form und Ausmaß von Land zu Land variiert. Die Unterschiede setzen bereits bei der Organisation an. Viele Länder besitzen ein Kunst- bzw. Kulturministerium mit eigener Ministerin oder eigenem Minister (beispielsweise Bayern: Bayerisches Staatsministerium für Wissenschaft 2007; BadenWürttemberg: Ministerium für Wissenschaft 2007). In manchen Ländern übernimmt diese Zuständigkeit das Kultusministerium. In den Stadtstaaten, wie etwa in Bremen, ist die Bezeichnung der Senatorin/des Senators gebräuchlich60. Eine weitere Möglichkeit der Organi59
Der Begriff der „Kulturhoheit der Länder“ ist umstritten. Wenn auch das Bundesverfassungsgericht die Zuständigkeit der Länder für die Kultur und die Bildung als „Kulturhoheit“ bezeichnete (s. Scheytt 2005: 34), so wird er von der konkurrierenden Meinung als wenig angemessen bezeichnet (s. zur Begrünung Scheytt 2005: 36f.) 60 Hamburgs Senatorin steht beispielsweise der Kulturbehörde vor, die seit 2006 aus zwei Ämtern, dem Kulturamt und dem Staatsarchiv, besteht (s. Stadt Hamburg 2007). Der Bremer Senator für Kultur ist eine „senatorische
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sation der Landeskulturpolitik ist in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zu finden. Hier wird die Kultur direkt beim Ministerpräsidenten ressortiert. Der Ministerpräsident des Landes ist in diesen Fällen auch gleichzeitig Kulturminister. Zuletzt wurde im Land Berlin Ende des Jahres 2006 das vormals eigenständige Kulturressort abgeschafft: Politisch ist nun der Regierende Bürgermeister zuständig; administrativ führt das Amt der Kulturstaatssekretär in der Senatskanzlei (Zimmermann 2006b). Für die Kulturpolitik auf Landesebene sind des Weiteren entsprechende Fachausschüsse der Länderparlamente zuständig. Diejenigen Länder, die sich noch auf Staatsgebiete beziehen, welche aus dem letzten Jahrhundert stammen, messen der Kulturpolitik traditionell eine größere Bedeutung bei. Diese Länder übernehmen vielfach die Trägerschaft für Kultureinrichtungen (Staatstheater, Staatsbibliotheken etc.). Aufgrund der unterschiedlichen Traditionen der Kulturpflege und Kulturpolitik nimmt im Rahmen der jeweiligen Landespolitik auch die Darstellung der Kulturhoheit einen verschieden großen Stellenwert ein. So wird etwa Bayern gerne als Beispiel für eine offensive Kulturpolitik gegenüber dem Bund sowie in der Zusammenarbeit mit anderen Ländern angeführt (Wiesand 2003; Zimmermann /Schulz 2006b). Kulturpolitische Verantwortung ist auf Länderebene nicht nur im Tätigkeitsbereich der Kultur- und Kultusministerien angesiedelt. Im Feld der kulturellen Bildung – und auch der außerschulischen Kinder- und Jugendbildung – werden ferner die Ministerien tätig, die für Schule und/oder Kinder- und Jugendpolitik zuständig sind. Akzente setzen auch die Wirtschaftsministerien im Bereich der Förderung der Kulturwirtschaft. Seit der Herausgabe der ersten Kulturwirtschaftsberichte im Deutschland der 1990er Jahre durch den „Vorreiter“ NRW wird in diesem Feld der Blick auf die ökonomische Bedeutung der Branche und ihre Beschäftigungspotentiale gelenkt sowie der Nutzen der Kultur als produktiver Wirtschaftsfaktor ausgelotet und in unternehmerische Strategien und Konzepte eingebunden (zur Kulturwirtschaft siehe Kapitel 2.5). Neben der Kulturpolitik im engeren Sinne spielt die Medienpolitik eine wichtige Rolle. So gehören rundfunkpolitische Fragen in den Bereich der kulturpolitischen Entscheidungsarena auf Länderebene (Zimmermann /Schulz 2000). Die Ministerpräsidentenkonferenz ist dabei die Institution, in der – als gemeinsame Einrichtung der Länder – relevante medienpolitische Fragen diskutiert und abgestimmt sowie Thematiken der Änderung der Rundfunkstaatsverträge bearbeitet werden (Zimmermann /Schulz 2006b). Die Länder organisieren ihre Zusammenarbeit im Rahmen der „Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder“ (KMK), einem Zusammenschluss der zuständigen Minister bzw. Senatoren der Länder, bestehend aus einem Sekretariat und aus Fachausschüssen. Das Gremium ist als Beratungsinstrument neben der Schwerpunkttätigkeit in kulturellen Angelegenheiten traditionell hauptsächlich auf die Bereiche Bildung und Hochschulpolitik konzentriert. Die Meinungsbildung und Verabschiedung von Beschlüssen zu kulturellen Angelegenheiten in der Kultusministerkonferenz ist indes schwierig. Beschlüsse und Abkommen setzen Einstimmigkeit voraus. Um Rechtskraft in den einzelnen Bundesländern zu erlangen, muss zudem die Verabschiedung in den einzelnen Landesparlamenten gegeben sein (Wiesand 2003). Im Kulturausschuss stehen die Diskussion von Problemen in den Ländern und die Erstellung von Empfehlungen im Vordergrund. Die Institution gilt als die „...bedeutsamste gemeinsame Einrichtung der Länder für kulturpolitische Fragen...“ (Zimmermann /Schulz 2006b). Behörde“. Ihm sind sieben Fachreferate und die senatorische Dienststelle untergeordnet, die die Rechts- und Fachaufsicht über die entsprechenden Landeseinrichtungen ausüben. Zugeordnete Dienststellen sind einzelne Ämter (Kultureinrichtungsförderung Bremen k.e.b.; Staatsarchiv, Landesamt für Denkmalpflege, Landesarchäologie) und Eigenbetriebe (Musikschule, Volkshochschule, Stadtbibliothek) (s. Bremen Online 2007).
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Mit dem Ziel, Kunst und Kultur nationalen Rangs zu fördern und zu bewahren, gründeten die elf „alten“ Länder im Jahr 1987 die „Kulturstiftung der Länder“ (Kulturstiftung der Länder 2007). Sie knüpften damit an die Idee einer „Deutschen Nationalstiftung“ an, die 1973 von Bundeskanzler Willy Brandt in die Regierungserklärung aufgenommen und auch durch Bundeskanzler Helmut Schmidt drei Jahre später wieder aufgegriffen worden war (Pfeiffer-Poensgen /Vossenkuhl 2006). Nach der Wiedervereinigung traten im Oktober 1991 die „neuen“ Länder bei. Die Kulturstiftung der Länder ist eine gemeinnützige Stiftung bürgerlichen Rechts. Sie hat einen Etat von 8,6 Mio. Euro. Seit der Entstehung der Stiftung war auch der Bund beteiligt, insbesondere in Form der Ermöglichung institutioneller Förderungen. Die jahrelang geführten Verhandlungen über das Zusammenführen der Kulturstiftung der Länder mit der Kulturstiftung des Bundes scheiterten Ende des Jahres 2005. Zum 31.05.2005 endete auch die Beteiligung des Bundes an der Kulturstiftung der Länder (Pfeiffer-Poensgen /Vossenkuhl 2006). Statt der Fusion der Stiftungen wurde eine intensivierte Zusammenarbeit zwischen den beiden Institutionen beschlossen. 2.4.3 Kulturpolitik der Kommunen Auf kommunaler Ebene bedeutet Kulturpolitik die direkte Bereitstellung von kulturellen Angeboten für die Bürgerinnen und Bürger. Die lokale Ebene, bestehend aus Kommunen und Kreisen, ist außerdem der Schauplatz des direkten kulturellen Lebens. Die Kommunen stellen die Basis der gesamten öffentlich-kulturellen Infrastruktur zur Verfügung. Dazu gehören zum Beispiel die Theater, Museen, Bibliotheken, Musikschulen und Volkshochschulen, aber auch vielfältige künstlerische Initiativen, Projekte und Veranstaltungen. Außerdem werden freie Kulturträger, KünstlerInnen und Kulturschaffende durch die Kommunen unterstützt. Dabei bedienen sich die Kommunen unterschiedlicher Förderformen. Neben der materiellen Förderung (finanzielle Investition in Institutionen und Projekte, Künstlerförderungen in Form von Stipendien oder Preisen, Ankauf von Kunstwerken, Publikationen und Produkten) kommen immaterielle Förderformen durch Sachleistungen (wie etwa der Überlassung von Räumen und technischer Ausstattung) sowie personelle Leistungen durch Beratungs-, Vermittlungs-, Unterstützungs- und Weiterbildungsmaßnahmen zum Einsatz (z.B. organisatorische, technische, fachliche, finanzielle Beratung, Hilfe in technischen und organisatorischen Fragen oder bei Publikationen, Informationsaustausch und Beratung durch die Kulturverwaltung, Vermittlung von Auftrittsmöglichkeiten und von Kontakten, Durchführung von Fortbildungen) (ähnlich Scheytt 2005: 226ff.). Die Kommunen stellen die bei ihr zu beantragenden Mittel bereit, um ihrem öffentlichen Kulturgestaltungsauftrag nachzukommen. Durch kommunale Ressourcen kann privates und bürgerschaftliches Engagement initiiert und unterstützt werden. Auch die Eigeninitiative von Kulturschaffenden kann durch öffentliche Leistungen befördert werden. Da der Kulturbereich auf lokaler Ebene maßgeblich durch Verflechtungen zwischen öffentlichen, privatwirtschaftlichen und gemeinnützigen Kulturangeboten geprägt ist, besteht eine weitere wichtige Aufgabe der kommunalen Kulturpolitik darin, zu diskutieren und zu entscheiden, ob und wie Partnerschaften zwischen der Kommune und den vielen verschiedenen Akteuren aus der Kulturszene, der Wirtschaft und dem gemeinnützigen Sektor zu begründen und zu realisieren sind (Scheytt 2005: 226f.). In der folgenden Fallstudie wird dies am Beispiel ausgewählter Public Private Partnerships diskutiert. 101
In der Regel finanzieren die Städte und Gemeinden ihre jeweilige kommunale Infrastruktur unabhängig von Bund und Ländern. Zusammen mit den Ländern tragen sie in der Bundesrepublik die Hauptlast der Kulturfinanzierung. Zu der Kulturförderung in Form finanzieller Zuwendungen durch die Kommune werden haushaltsrechtlich Geldausgaben gezählt, die auch Bürgschaften, Garantien oder sonstigen Gewährleistungen, auch aus zweckgebundenen Darlehen, nicht jedoch Sachleistungen oder weitere Unterstützungen sein können (Scheytt 2005: 233). Dem Zuwendungsrecht entsprechend können Zuwendungen in Form von unterschiedlichen Förderungsarten gewährt werden: als Projektförderungen oder als institutionelle Förderungen. Projektförderungen sollen die Ausgaben für ein einzelnes, abgegrenztes Vorhaben decken. Die Unterstützungsleistung hierfür wird vor Beginn des Vorhabens beantragt. Eine institutionelle Förderung bezieht sich auf die Gesamtausgaben einer kulturellen Einrichtung oder einen Teilbereich, der nicht abgegrenzt ist. Gebräuchlich ist eine Teilfinanzierung von Projekten und Institutionen; nur in den seltensten Fällen wird eine vollständige Finanzierung gewährt. Hinsichtlich der Finanzierungsformen wird des Weiteren grundsätzlich unterschieden zwischen der Festbetrags-, der Fehlbedarfs- und der Anteilsfinanzierung (Scheytt 2005: 234ff.). Bei der Festbetragsfinanzierung handelt es sich um eine feste Summe der zuwendungsfähigen Gesamtkosten. Die materielle Förderung kann sich auch auf das Vielfache eines Betrags beziehen, der sich für eine bestimmte Einheit ergibt. Solch eine Einheit ist beispielsweise ein Teilnehmer einer Veranstaltung. Je Teilnehmer wird dann ein fester Betrag veranschlagt. Der Zuwendungsempfänger hat die Möglichkeit, die Mehreinnahmen oder Minderausgaben zu behalten und für zukünftige Kulturprojekte zu verausgaben. Dies ist nicht der Fall bei der Fehlbedarfsfinanzierung. Diese Finanzierungsform wird zur Deckung des Fehlbedarfs für zuwendungsfähige Ausgaben eingesetzt und ist meist auf einen Höchstbetrag begrenzt. Sie kommt in der kulturellen Praxis häufig vor. Mit dem Ziel, den Antragssteller in seinem Eigenanteil an der Gesamtfinanzierung zu entlasten, wird eine Anteilsfinanzierung bewilligt. Ein Prozentsatz oder ein Anteil wird berechnet und ein Höchstbetrag festgelegt. Möglich ist auch die Übernahme der Anteile bestimmter Ausgaben, wie etwa der Mietkosten einer Kultureinrichtung. Im Kulturbereich wird die Anteilsfinanzierung derzeit eher selten eingesetzt. Neben diesen drei grundsätzlichen Finanzierungsformen existieren zudem auf den bestimmten Zweck der Finanzierung ausgerichtete Kombinationen der Grundformen. Gängig ist hier zum einen die mehrjährige Projektfinanzierung, die – ausgestaltet durch ein fehloder festbetragsfinanziertes Budget – eine jährlich neue Planung von Projekten ermöglicht. Zum zweiten kann die Anschubfinanzierung die Startphase einer Institution durch anfänglich höhere Zuwendungen in Form einer Fehl- oder Festbetragsfinanzierung unterstützen61. Diese beiden Finanzierungsformen gewähren freien Kultureinrichtungen eine mittelfristige Sicherheit und reduzieren den bürokratischen Aufwand bei der Antragsstellung. Sie weisen damit auf den partnerschaftlichen Charakter aktueller Kulturförderprogrammatiken hin (Scheytt 2005: 234f.) Die öffentlichen Mittel, die die Kommune für Kultureinrichtungen und –projekte verausgaben, sind im Haushaltsplan angeführt. Die Grobgliederung des Haushaltsplanes ist bundeseinheitlich festgelegt. So werden jeweils im Einzelplan 3 des Kommunalhaushalts „Wissenschaft, Forschung, Kulturpflege“ die Etatmittel der kommunalen Kultureinrichtungen sowie Zuschüsse und Zuwendungen für gemeinnützige und freie Träger zusammenge61 Im Zuwendungsrecht ist diese Zuwendungsart nicht ausdrücklich formuliert; in der kulturellen Praxis ist sie bisher seltener vorzufinden (Scheytt 2005: 235)
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fasst. Da der Haushaltsplan die gesamten Aufgaben der Kommune beinhaltet, wird der Einzelplan 3 des weiteren in Unterabschnitte unterteilt, die den Aufgabenbereichen entsprechen (Scheytt 2005: 84ff.). Zusätzliche Mittel für die öffentliche Kulturförderung auf kommunaler Ebene ressortieren in Einzeletats62 (Scheytt 1994: 190). Parteien, Räte und Ausschüsse in den Kommunen und Kreisen sowie der Stadt- und Kreisverwaltung gestalten die Kulturpolitik. Hauptakteure der Kommune im Kulturbereich sind der Gemeinderat bzw. Kreistag, der Kulturausschuss und die Verwaltung (s. Scheytt 2005: 54ff.). Der Gemeinderat / Kreistag trifft in kulturellen Angelegenheiten alle relevanten Entscheidungen, etwa über finanzielle Grundlagen, das Leitungspersonal und Satzungsbeschlüsse. Entsprechend der Gemeinde- und Kreisgröße variiert sein Aufgabenbereich. Die wichtigste politische Instanz für kommunale kulturelle Angelegenheiten ist der Kulturausschuss, der in den meisten Stadt- und Gemeinderäten, zumindest in denjenigen der großen Städte ab 100.000 Einwohnern, gebildet wird. Die große Gestaltungsmacht des Kulturausschusses erklärt sich durch seine Beeinflussung der Willensbildungsprozesse im Gemeinderat oder Kreistag: Er berät relevante Entscheidungen zu kulturellen Themen vor. Der Kulturausschuss wird durch den Gemeinderat/ den Kreistag gebildet und setzt sich aus Mitgliedern der Kommunalvertretung zusammen, wobei die Anzahl der Sitze proportional zur Anzahl der Sitze im Gemeinderat/ Kreistag verteilt wird. Die Position des Vorsitzenden übernimmt, abhängig vom Typ der Kommunalverfassung, entweder der Bürgermeister, der Kulturdezernent oder ein Mitglied des Gemeinderats. Gemäß manchen Kommunalverfassungen ist auch die Berufung sachkundiger Bürgerinnen und Bürger in den Kulturausschuss möglich. Der Verwaltung, als drittem Hauptakteur, steht der (Ober-) Bürgermeister/die (Ober-) Bürgermeisterin oder der/die Landrat/Landrätin vor. Weitere für Kulturangelegenheiten ebenfalls relevante Spitzenpositionen in der Verwaltung sind aufgrund ihrer Entscheidungs- und spezifischen Fachkompetenz die Stadtdirektorin/ der Stadtdirektor und die Kämmerin bzw. der Kämmerer. Für kulturelle Angelegenheiten ist auf kommunaler Ebene meistens das Kulturdezernat mit jeweils eigenen administrativen Strukturen zuständig, an dessen Spitze ein Wahlbeamter (Beigeordneter, Bürgermeister, Stadtrat oder Referent) steht. Die zentrale Organisationseinheit der Kulturverwaltung ist das Kulturamt, das dem Kulturdezernat zugeordnet ist. Es bündelt Verwaltungsfunktionen, moderiert, koordiniert und übernimmt Managementfunktionen – in Form und Ausmaß immer in Abhängigkeit von der Größe der Stadt oder Gemeinde und den örtlichen Besonderheiten. Außerdem gehören öffentliche Kultureinrichtungen zur kommunalen Infrastruktur. Sie werden durch die Kommunen im öffentlichen Interesse geschaffen, unterhalten und ausgebaut und sind Beitrag der Kommunen zur Daseinsvorsorge (Scheytt 2005: 57f.). Die Kommunen sind für die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zuständig. Kulturelle Zuständigkeiten der (Land-) Kreise sind in den unterschiedlichen (Land-) Kreisordnungen und in Spezialgesetzen geregelt. Aufgrund der ungleichen Größen und Einwohnerstrukturen der Kreise lässt sich deren Verantwortung für kulturelle Angelegenheiten kaum generalisieren. Zuständig sollen sie ausschließlich für solche institutionellen sowie projektbezogenen kulturellen Angebote sein, deren Wirkung über die Grenzen der Kreise hinaus geht. Dies gilt ebenso für die in den meisten Flächenstaaten existierende dritte Ebene im kommunalen Geflecht, die höheren Gemeindeverbände. Allgemein sind höhere Gemeindeverbände – wie etwa die beiden Landschaftsverbände in NRW, die sieben Bezirke in 62 Wie zum Beispiel beim Hauptamt für Festivals, Stadtfeiern oder bei Soziales, Jugend, Bildung / kulturelle Bildung.
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Bayern, der Bezirksverband Pfalz in Rheinland-Pfalz und die „Landschaften“ in Niedersachsen – verantwortlich für die Interessenvertretung der Regionen und sollen deren historische und kulturelle Charakteristika bewahren. Dabei nehmen sie unterschiedliche Aufgabenspektren wahr, organisieren und bezeichnen sich verschieden, und ihre Verwaltungskraft variiert je nach Land und Konstruktion. Als Träger kultureller Aufgaben sind sie für solche Angelegenheiten zuständig, die sich auf die gesamte Region beziehen und auf diese ausstrahlen. Für die Wahrnehmung der Kulturaufgaben von Kreisen und höheren Gemeindeverbänden gibt es einen weiten Ermessensspielraum (Thiel 2003: 146f.). Die Interessen der Städte, Gemeinden und Kreise gegenüber Politik und Verwaltung des Bundes und der Länder sowie gegenüber Organisationen des Dritten Sektors werden durch die Kommunalen Spitzenverbände, wie z.B. den Deutschen Städtetag, den Deutschen Städte- und Gemeindebund, den Deutschen Landkreistag sowie den Gemeindetag vertreten (Scheytt 1994). Außerdem existieren unterschiedliche Formen der Rücksprache und Koordination zu kulturpolitischen Thematiken zwischen den Ländern und „ihren“ Kommunen. Bilaterale Kontakte zwischen den Ministerien bzw. Senatoren und einzelnen Kommunen sind hierfür nur ein Beispiel. Des Weiteren gibt es Konsultationsprozesse zwischen den Ministerien und den Gemeindeverbänden. In einigen Kommunen wurden zur Erleichterung der überregionalen Kooperation Regionalbüros gegründet. In anderen Kommunen erfüllen Regionalkonferenzen diesen Zweck (Wagner 2007b). Der öffentliche Kulturbetrieb ist den Prinzipien der Dezentralität, der Subsidiarität und der Pluralität verpflichtet (s. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags 2003: 30). Diese Prinzipien kommen insbesondere auf kommunaler Ebene zum Ausdruck. Nach dem Prinzip der Dezentralität findet Kultur nicht nur in den städtischen Zentren, sondern auch in den Regionen statt. Eine weite Verbreitung und eine kulturelle Grundversorgung in großen und kleinen Kommunen sollen gewährt sein. Das Subsidiaritätsprinzip ist in unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Bereichen relevant und findet auch unterschiedliche Auslegungen (s. z.B. Häberle 1998). Für die kommunale Ebene bedeutet das Prinzip, dass die Kommunen umfassende Freiheiten für die Gestaltung ihrer kulturellen Aufgaben und Ziele genießen, in welche übergeordnete Ebenen nicht eingreifen dürfen. Zugleich gehen diese Freiheiten mit Pflichten und der Verantwortung für das kulturelle Leben der Kommune einher. Bevor eine übergeordnete Ebene unterstützend eingreift, sollen die Träger auf der Ebene der Kommune ihre Möglichkeiten voll ausgeschöpft haben. Eine andere Auslegung des Prinzips der Subsidiarität fordert, auf eine staatliche Dominanz im Kulturbereich zu verzichten und sich zum ergänzenden Charakter der Kulturförderung durch unterschiedliche Akteure zu bekennen. Das Prinzip der Pluralität fordert künstlerische Vielfalt, ganz im Sinne eines weiten Kulturbegriffs, durch den Einbezug unterschiedlicher Kulturarten und – formen. So soll etwa die Spitzenkunst genauso wie die Breitenkulturpflege und etablierte genauso wie neue Kunstformen in der Kommune gefördert werden und zum Ausdruck kommen. Die kulturelle Betätigung der Gemeinden wird traditionell als freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe interpretiert. In der kulturpolitischen Praxis hat dies zur Folge, dass Gemeinden nach eigenem Ermessen auswählen können, in welchen Bereichen und in welchem Ausmaß sie sich kulturell betätigen – und nicht betätigen. Ist diese Position durch den Gesetzgeber ursprünglich als positiver Grundsatz für die Freiheit der Kultur gedacht, wird dem Kulturbereich daran anknüpfend in der politischen Diskussion jedoch bisweilen, verglichen mit anderen kommunalen Politikbereichen, eine nachgeordnete Stellung eingeräumt. Insbesondere im Fall der Aushandlungen von Kürzungen oder Einsparungen der öffentlichen Etats in Zeiten knapper Haushalte befinden sich kulturelle Angelegenheiten 104
häufig in einer schwächeren Position. In der juristischen Fachdiskussion wird die traditionelle Auslegung in Frage gestellt und konfrontiert mit der Auffassung, Kulturarbeit sei den pflichtigen Aufgaben oder Pflichtaufgaben der Kommune zuzuordnen. Argumentiert wird, der öffentliche Auftrag konkretisiere sich, wenn man in Betracht ziehe, dass Kultureinrichtungen eigene verfassungsrechtliche Bezüge und einfachgesetzliche Grundlagen haben (Scheytt 1994: 6, 2005: 42). Anknüpfungspunkte zur Herleitung von Pflichten ergäben sich außerdem bereits aus dem allgemeinen Kommunalrecht und/oder den Gemeindeordnungen (Scheytt 1994: 8). Auch nach der „communis opinio“ der Bevölkerung hätten die Gemeinden im Rahmen der Daseinsvorsorge die Pflicht zur Kulturfinanzierung, wobei allerdings das „Wie“ in ihrem Ermessen liege (Hoffmann /Kramer 1983: 233; Scheytt 1994: 8). Des Weiteren könnten teilweise auch aus den einschlägigen Grundrechten der Bürger, aus den Grundrechten der Kunstfreiheit, der Chancengleichheit und dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, auf einen durch die Kommunen zu erfüllenden Anspruch auf Kulturteilhabe geschlossen werden (Hoffmann /Kramer 1983: 233 nach Thiel 2003: 61). Abgesehen von dem speziellen Fall Sachsens, wo ein Kulturraumgesetz Kultur als Pflichtaufgabe normiert, kann auf der Grundlage der aktuellen Rechtslage allerdings keine Verpflichtung der Kommunen zur Kulturarbeit gefolgert werden (Scheytt 2005: 48f.). Der Kulturauftrag der Gemeinden ist ein Kulturgestaltungsauftrag. Generell als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe zu interpretieren, ist seine konkrete Ausgestaltung doch eine Frage des Ermessens. So muss das „Wie“ jeweils durch die Kulturpolitik konkretisiert und durch Gemeindeorgane entschieden werden, wobei örtliche Verhältnisse und insbesondere die kulturellen Belange der Einwohner berücksichtigt werden müssen (Scheytt 2005: 48). Aktuelle Ansätze plädieren dabei für den Einbezug von Bürgerinnen und Bürgern und der kulturellen Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung von Leitlinien (Scheytt 2005: 48) ganz im Sinne des Einbezugs partizipativer Aspekte in Local Governance-Strukturen. Der kommunale Kulturgestaltungsauftrag bildet die Grundlage für Kulturförderrichtlinien. Diese sind in fast allen Kommunen existent. Sie sollen für alle in Förderfragen involvierte Akteure und für die Öffentlichkeit eine allgemeine Verbindlichkeit und Transparenz in kulturellen Förderfragen herstellen. Nicht nur die oben erwähnten kommunalen Kultureinrichtungen im engeren Sinne, sondern auch die weiteren wesentlichen Träger, wie etwa Vereine, Künstlervereinigungen etc., werden in Kulturförderrichtlinien als kulturelle Ressourcen in der Stadt oder Gemeinde berücksichtigt (Scheytt 2005: 228f.). Auf kommunaler Ebene werden je nach Größe der Stadt oder Gemeinde und je nach aktueller Situation sowie Themenschwerpunkten und Brennpunkten in den verschiedenen kulturellen Szenen vielfältigste kulturpolitische Themen diskutiert. Seit Mitte der 1990er Jahre und eklatant seit der Jahrtausendwende kreisen die Diskussionen auf kommunaler Ebene stark um die finanzielle Situation der öffentlichen Haushalte. Damit in Verbindung stehen die Debatten um die Auslagerung kommunaler Aufgaben in privat-wirtschaftliche oder –gemeinnützige Organisationen, die Überführung ganzer gemeindlicher Kultureinrichtungen in privat-gemeinnützige oder privatwirtschaftliche Trägerschaft (Stichwort Privatisierung), um die Frage nach der Möglichkeit einer Effizienzsteigerungen in der Bürokratie durch die Umstrukturierung der öffentlichen Verwaltung sowie Sparmaßnahmen in Kulturinstitutionen und Kürzungen der kommunalen Kulturhaushalte. Kulturpolitik ist im föderalistischen System der Bundesrepublik in erster Linie Kommunalpolitik (Scheytt 2005). Neben den in den Kommunalverfassungen festgelegten Organen tragen auf lokaler Ebene weitere Akteure zu kulturpolitischem und –förderndem Handeln bei. Diese können idealtypisch drei Kulturbetrieben zugeordnet werden. Die Bedeutung der drei Bereiche als Kulturfinanzierer wird im nächsten Kapitel gegenübergestellt. 105
2.5 Kulturfinanzierung und ihre wirtschaftliche Bedeutung Wie in den vorausgehenden Kapiteln dargelegt, ist die Kulturfinanzierung Deutschlands, geprägt durch historische Pfade und rechtliche Rahmenbedingungen, in der vertikalen Dimension föderalistisch organisiert. Des Weiteren ist sie durch unterschiedliche öffentliche und private Körperschaften geformt. Entsprechend der Struktur des Kultursystems, in das bereits in Kapitel 2.1 anhand des Drei-Sektoren-Modells eingeführt wurde, weist die Finanzierung in Deutschland spezifische Ausprägungen auf (s.a. Heinrichs 1997: 6f.; Scheytt 2005: 7f.; Heinrichs 2006: 20ff.). So kann hinsichtlich der an der Kulturfinanzierung beteiligten Akteure und der sie prägenden Finanzierungsstrukturen unterschieden werden zwischen
einem System der öffentlichen Kulturfinanzierung, das die Existenz des größten Anteils traditioneller Kultur- und Bildungseinrichtungen durch die Trägerschaft und Finanzierung der öffentlichen Hand gewährleistet; einem privat-kommerziellen Kulturfinanzierungssystem, bestehend aus dem privatwirtschaftlichem Engagement von Unternehmen, das Finanzierungsformen und -instrumente wie zum Beispiel das Sponsoring, die Unternehmensstiftung oder das Mäzenatentum einschließt, und dem Bereich der Kulturwirtschaft; einem privat-gemeinnützigen Kulturfinanzierungssystem im Bereich des Dritten Sektors, das sich durch das Engagement gemeinnütziger Organisationen sowie durch eine Mischung aus Trägern sowie Finanzierungsformen und -instrumenten charakterisiert.
In der Realität sind häufig auch Mischformen der drei hier getrennt aufgeführten Idealtypen vorzufinden. Kooperationen zwischen den Sektoren haben in der Kulturfinanzierung eine lange Tradition. Eine strategische Form einer solchen Kooperation stellt die PPP im Kulturbereich dar. In Anlehnung an das Modell der analytischen Ausdifferenzierung des Kulturbereichs in drei Sektoren gehören zu den wirtschaftlichen Faktoren maßgeblich der Status quo des Kulturbudgets der öffentlichen Haushalte, die Höhe und Entwicklung der Ausgaben des privatwirtschaftlichen Bereichs der Kulturfinanzierung und der Beitrag des gemeinnützigen Kulturbereichs zur Kulturfinanzierung. In den drei Bereichen spielt außerdem die Entwicklung der Beschäftigung eine wichtige Rolle. Die wirtschaftliche Bedeutung der drei Bereiche als Finanzierer kultureller Angebote sowie als Arbeitgeber können unter Bezugnahme auf aktuelle Studien evaluiert und vergleichend diskutiert werden. Es liegen einige nutzbare kulturstatistische Datengrundlagen vor. Die Kulturstatistik ist jedoch alles andere als einheitlich. Dies spiegelt sich in diversen Begriffsverständnissen und Förderpolitiken. Verschiedene Bereiche des kulturellen Lebens – auf unterschiedlichen föderalen Ebenen, in spezifischen Sektoren und Sparten – sind häufig mit jeweils anderen Ebenen, Sektoren und Kultursparten verwoben. Herausgegeben wurde bis 2008 ein Kulturfinanzbericht (Statistische Ämter des Bundes und Länder 2008). Auf Ebene der Städte und Gemeinden liegt ferner die Gemeindestatistik (Deutscher Städtetag 2010) vor. Daten für bestimmte Sparten stellen z. B. die Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins (Deutscher Bühnenverein 2009); die Bibliotheksstatistik des hbz (Hochschulbibliothekszentrum (hbz) 2010) oder die statistische Erhebung über Museen und museumsähnliche Einrichtungen vom Institut für Museumsforschung (Institut für Museumsforschung der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz 2009) bereit. Weiter existieren Statistiken, die sich auf kulturelle Felder in einzelnen Bundeslän106
dern und Städten beziehen. Im Jahr 2009 wurde erstmals ein BundesKulturwirtschaftsbericht durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in Auftrag gegeben. Auf Länderebene veröffentlichte ab den 1990er Jahren NordrheinWestfalen als erstes deutsches Bundesland Kulturwirtschaftsberichte, die inzwischen für fast alle Länder erarbeitet wurden, zudem auch für einige Städte und Metropolregionen. Eine Untersuchung zu unternehmerischer Kulturförderung legte der Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft jüngst vor (Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI e. V. 2010). Der Arbeitskreis Kultursponsoring führte Untersuchungen zur Wirkung von Sponsoring durch. Zur Debatte um eine einheitliche Kulturstatistik leistete Michael Söndermann in den vergangenen Jahren zahlreiche Beiträge. Auch in den Schlussbericht der EnqueteKommission „Kultur in Deutschland“ fand das Thema Eingang (Deutscher Bundestag 2007: 433-437); es wurde hierfür ein Gutachten in Auftrag gegeben (Statistisches Bundesamt 2004). 2.5.1 Der öffentliche Kulturfinanzierungsbetrieb Die direkte öffentliche Kulturfinanzierung wird gemäß dem Kulturfinanzbericht 2008 der Bundesregierung63 (Statistische Ämter des Bundes und Länder 2008; Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags 2008) zu 45,5% durch die Gemeinden und Zweckverbände, zu 41,8% durch die Länder und zu 12,7% durch den Bund geleistet. Insgesamt beträgt das öffentliche Budget für Kunst und Kultur im Jahr 2007 rund 8,1 Mrd. Euro und nimmt damit einen Anteil von 1,6% des Gesamtetats der öffentlichen Haushalte ein. Pro Einwohner werden durch die öffentliche Hand 99 Euro für die Kultur ausgegeben. Im Verhältnis zur volkswirtschaftlichen Leistung nehmen die gesamten öffentlichen Ausgaben einen Anteil von 0,34% am Bruttoinlandsprodukt ein. Die drei Körperschaftsgruppen messen der Kultur durch ihre relativen Ausgaben allerdings eine unterschiedliche Bedeutung bei. Während die Kulturausgaben des Bundes lediglich 0,7% seiner Gesamtausgaben betragen, geben die Länder relativ zu ihren Gesamtausgaben 1,7% für die Kultur aus. Die Gemeinden stehen mit insgesamt 2,4% ihrer Ausgaben für Kultur in Relation zu ihrem Gesamtetat an der Spitze. Die folgende Tabelle zeigt, dass die kulturellen Sparten öffentliche Mittel in unterschiedlicher Höhe binden.
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Der Kulturfinanzbericht wurde im Jahr 2008 nach den Berichten in 2000, 2003 und 2006 zum vierten Mal publiziert. Er basiert auf finanzstatistischen Daten des Bundes, der Länder und Gemeinden sowie ergänzend aus kulturrelevanten Ergebnissen von nichtamtlichen Sekundärstatistiken und der laufenden Wirtschaftsrechnung der amtlichen Statistik. Seit dem Kulturfinanzbericht 2003 wird durch das Zugrundelegen eines erweiterten Kulturbegriffs eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse innerhalb der EU verfolgt.
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Tabelle 2: Ausgaben der öffentlichen Hand nach Kultursparten Sparte Theater und Musik Bibliothekswesen (einschl. Archiven) Museen, Sammlungen, Ausstellungen Denkmalschutz und Denkmalpflege Kulturelle Angelegenheiten im Ausland Kunsthochschulen Sonstige Kulturpflege Verwaltung für kulturelle Angelegenheiten Kulturausgaben insgesamt (gerundet) nachrichtlich: Kulturnahe Bereiche Filmförderung
Millionen Euro (gerundet) 2.935,7 1.101,7 1.535,6 409,1 283,9 420,5 844,8 472,9 8,00
Anteil am BIP in % 0,13 0,05 0,07 0,02 0,01 0,02 0,04 0,02 0,36
1,60 1598,9
Quelle: Kulturfinanzbericht 2008
Die statistischen Daten zeigen auch, dass die Förderung der kulturnahen Bereiche (Rundfunk, Fernsehen, kirchliche Angelegenheiten, Volkshochschulen und sonstige Weiterbildung) – Förderbereiche, die für die Kommunen sehr wichtig sind – in starkem Ausmaß in den Aufgabenbereich der Länder fällt. Die Länder wenden 47,3% für die Finanzierung dieser Aufgabe auf, während der Bund 35,1% und die Gemeinden 17,6% einbringen (Statistisches Bundesamt 2006: 16ff.). Die Ergebnisse der statistischen Kalkulation sind abhängig von dem Konzept, das den Berechnungen zu Grunde gelegt wird (Statistische Ämter des Bundes und Länder 2008: 12f.). So beruhen die oben angeführten grundlegenden Daten zu der Verteilung der Ausgaben der öffentlichen Körperschaften auf dem Grundmittelkonzept. Dieses berechnet die Ausgaben der jeweiligen Körperschaft abzüglich der Einnahmen. Legt man hingegen das Konzept der unmittelbaren Ausgaben zu Grunde, so ergibt sich für die Gemeinden und Zweckverbände ein beträchtlich höherer Anteil von 52,3% der Kulturfinanzierung, der Anteil der Länder reduziert sich auf 36,6% und der des Bundes auf 11,1%. Um jährliche Schwankungen von Investitionsausgaben auszugleichen, basieren die Daten bei dem Vergleich auf der Ebene der Städte auf dem Konzept der laufenden Grundmittel. Dieses bezieht die laufenden Betriebsausgaben in die Berechnungen ein. Bei Vergleichen auf der Ebene der Länder und Gemeinden empfiehlt es sich, aufgrund der beträchtlichen Unterschiede in Größe und Struktur keine absoluten Zahlen zu nutzen, sondern auf die Kennzahlen der Ausgaben pro Einwohner sowie der anteiligen Ausgaben an der Wirtschaftskraft zurückzugreifen. Dies soll hier am Beispiel Nordrhein-Westfalens (NRW) verdeutlicht werden, das für die Fallstudie im folgenden Kapitel relevant ist. Als das einwohnerreichste Bundesland Deutschlands hat NRW hinsichtlich der absoluten Beträge mit rund 1,35 Mrd. Euro die höchsten Kulturausgaben vorzuweisen – und führt die Statistik damit noch vor Bayern (983,8 Mio. Euro) und Baden-Württemberg (898 Mio. Euro) an. Betrachtet man jedoch die Ausgaben für kulturelle Belange je Einwohner, so steht NRW mit seinen Pro-Kopf-Ausgaben von 74,8 Euro an elfter Stelle im 16-LänderVergleich. NRW gehört damit zu den Schlusslichtern und liegt unter dem Länderdurchschnitt von 84,72 Euro. Dies gilt auch für den Anteil der Kulturausgaben in NRW an dem 108
nordrhein-westfälischen Gesamthaushalt: Hier nimmt das Land ebenfalls den elften Platz im Länderdurchschnitt ein und liegt mit 1,73% unter dem Durchschnitt von 1,99% der Kulturausgaben der Länder am Gesamthaushalt. Auch kalkuliert im Verhältnis zur Wirtschaftskraft weist NRW der Kultur mit einem 0,28%igen Anteil am Bruttoinlandsprodukt (bei einem Länderdurchschnitt von 0,31%) eine relativ geringe Bedeutung zu. Tabelle 4 stellt die länderspezifischen Daten dar. Unter Hinzuziehung der Kennzahlen lassen sich generell große Unterschiede im Ländervergleich feststellen. Bezogen auf die Ausgaben je Einwohner steht Sachsen (155,4 Euro), gefolgt von Bremen (147,1 Euro) und Berlin (146,9 Euro) an oberster Stelle. Im Saarland (50,1 Euro) und in Schleswig-Holstein (53,6 Euro) wird für die Kultur pro Einwohner am wenigsten ausgegeben. Offensichtlich werden bei dieser Kennzahl Differenzen in den Einwohner-bezogenen Ausgaben zwischen den Stadtstaaten (146,2 Euro), den alten Ländern (73,3 Euro) und den neuen Ländern (112,0 Euro). Hinsichtlich ihres Anteils an der Wirtschaftskraft betragen die Kulturausgaben in den neuen Ländern 0,58%, in den Stadtstaaten 0,46% und in den alten Ländern 0,26%. Tabellenführer ist hier das Land Sachsen, das sich mit 0,78% Anteil am BIP noch vor Berlin (0,63%) positioniert. Das Saarland (0,19%) und Schleswig-Holstein (0,22%) geben für kulturelle Angelegenheiten in Relation zur Wirtschaftskraft die geringsten Beträge aus. Tabelle 3: Kulturausgaben im Bundesländervergleich Einheit Länder, einschließlich Gemeinden/Gemeindeverbänden Baden-Württemberg Bayern Berlin Brandenburg Bremen Hamburg Hessen Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt Schleswig-Holstein Thüringen Länder (einschl. Stadtstaaten) insgesamt
Mill. Euro
Euro je Einwohner
Anteil am BIP in %
898,0 983,8 498,3 109,7 97,5 251,5 515,9 147,2 464,0 1350,8 221,9 52,8 665,5 260,2 151,6 236,2 7986,0
83,7 79,0 146,9 74,4 147,1 144,6 84,7 85,9 58,0 74,8 54,7 50,1 155,4 104,8 53,6 100,7 84,7
0,28 0,25 0,63 0,39 0,40 0,31 0,25 0,46 0,24 0,28 0,23 0,19 0,78 0,55 0,22 0,53 0,31
Quelle: Kulturfinanzbericht 2008
Misst man die Ausgaben für Kultur in Relation zu dem Gesamthaushalt auf der Ebene der Länder, so steht Sachsen wiederum an der Spitze (mit 3,71%). Die zweithöchsten Ausgaben tätigt Hamburg mit einem prozentualen Anteil von 2,66% am Gesamthaushalt, noch 109
vor Bremen (2,49%), Thüringen (2,42%) und Berlin (2,34%); die geringsten Ausgaben im Verhältnis zum Gesamthaushalt übernehmen das Saarland (1,22%), Schleswig-Holstein (1,40%) und Rheinland-Pfalz (1,43%) (s. hierzu Statistische Ämter des Bundes und Länder 2008: 23). Wendet man sich dem Thema der lokalen Kulturfinanzierung zu, so ist eine relevante statistische Größe die Verteilung der Aufgaben in der Kulturfinanzierung zwischen Ländern und Gemeinden (vgl. Statistische Ämter des Bundes und Länder 2008: 28ff.). Die Grundmittel auf der Ebene der Länder, auf die soeben Bezug genommen wurde, lassen sich in solche Ausgaben differenzieren, die auf der Länderebene und solche, die auf der Gemeindeebene bereit gestellt werden. Hier sind in den 16 Ländern ganz unterschiedliche Verhältnisse festzustellen, die davon abhängig sind, wie viele Kultureinrichtungen direkt durch die jeweilige Landesregierung betrieben werden und wie die jeweiligen Finanzbeziehungen zwischen dem Land, den Gemeinden und gegebenenfalls den Zweckverbänden sowie der kommunale Finanzausgleich geregelt sind. Die Gemeinden besitzen verschiedene, durch die Länder festgelegte Freiheiten und Grenzen bei der Verausgabung der Mittel, die sie von der Landesebene zugewiesen bekommen. Am Beispiel NRWs wird dies deutlich: NRW nimmt eine besondere Rolle ein, weisen die Kulturausgaben in diesem Bundesland doch mit 81,8% den höchsten Kommunalisierungsgrad im Ländervergleich auf. Dies bedeutet, dass 81,8% aller Kulturausgaben im Land NRW im Untersuchungsjahr durch die Kommunen getragen werden, während lediglich ein Anteil von 18,2% durch die Landesebene übernommen wird (Statistische Ämter des Bundes und Länder 2008: 28). Der Kommunalisierungsgrad lässt sich auch für die Ausgaben in verschiedenen Sparten differenzieren. Danach liegt der Anteil der Kommunen in NRW an den Theaterausgaben des Landes bei knapp 90%. Ein beträchtlicher Anteil an Landeszuweisungen an die (nordrheinwestfälischen) Kommunen und Zweckverbände werden allerdings jeweils zweckungebunden, im Rahmen der sogenannten allgemeinen Finanzwirtschaft, zugewiesen, so dass die Gemeinden selbst über deren Verwendung entscheiden können. Der Anteil der für den Kulturbereich bestimmten Zuweisungen beträgt etwa im Jahr 2003 0,5%. Die Kommunen in NRW finanzieren mit den zweckgebundenen Mitteln in diesem Jahr dann auch nur 3,5% ihrer Gesamtausgaben im Kulturbereich (Statistische Ämter des Bundes und der Länder 2006: 36). Die kommunale Kulturfinanzierung umfasst ein breites und vielfältiges Spektrum kultureller Angebote vor Ort (s. zu den folgenden Ergebnissen Statistische Ämter des Bundes und Länder 2008: 29ff.). Die Einrichtungen des öffentlichen Kulturbetriebs werden grundsätzlich aus Mitteln der öffentlichen Hand finanziert. Kommunale Kulturfinanzierung bedeutet neben der institutionellen Förderung öffentlicher Einrichtungen auch die finanzielle Unterstützung der freien Szene, soziokultureller Initiativen, von Kulturgruppen und -vereinen sowie Festivals. Zwischen den Kommunen existieren große Unterschiede in der Ausgabenhöhe, die sich insbesondere durch die Größe der Stadt/ Gemeinde und durch deren Bedeutung für das Umland sowie die Fülle kultureller Angebote bestimmt. So geben die Großstädte mit über 500.000 Einwohnern im Erhebungsjahr durchschnittlich für kulturelle Angelegenheiten 122,32 Euro je Einwohner aus allgemeinen Haushaltsmitteln aus. 112,35 Euro pro Einwohner verausgaben die Großstädte mit 200.000 bis 500.000 Einwohnern. In den Städten mit 20.000 bis 100.000 Einwohnern wurden lediglich 34,87 Euro pro Person und in den Kleinstädten mit 10.000 bis 20.000 Einwohnern nur 15,65 Euro für kulturelle Angelegenheiten verwendet (Statistische Ämter des Bundes und Länder 2008: 29). Unter den Landeshauptstädten, die generell eine besondere Unterstützung durch das Land erhalten, verfügte Stuttgart mit 144,34 Euro im Erhebungsjahr über die höchsten 110
laufenden Kulturausgaben je Einwohner, gefolgt von Düsseldorf (138,89 Euro) und Magdeburg (136,63 Euro). Bei den Großstädten über 500.000 Einwohnern hob sich Frankfurt am Main mit 202,57 Euro an laufenden Ausgaben je Einwohner hervor, bei den Städten zwischen 200.000 und 500.000 Einwohnern heben sich etwa Halle (144,22 Euro) und Bonn hervor (143,99 Euro) hervor. Die höchsten laufenden Kulturausgaben je Einwohner in der Städtegruppe mit 100.000 bis 200.000 Einwohnern hatten Heidelberg (130,37 Euro), Heilbronn (122,31 Euro) und Ulm (118,06 Euro) (Statistische Ämter des Bundes und Länder 2008: 31f.). Die höchsten Ausgaben der Kulturfinanzierung in den Gemeinden liegen durchschnittlich im Bereich der Theater, gefolgt von Museen und Bibliotheken (Statistisches Bundesamt 2006: 55). Dabei lassen sich jedoch Unterschiede in den Ausgabenstrukturen je nach Größenklasse der Gemeinden beobachten. Größere, theatertragende Städte verausgaben einen beträchtlichen Anteil ihres Budgets für die darstellende Kunst: In Großstädten ab 500.000 Einwohnern bindet der Theaterbereich 55,1%, in Großstädten zwischen 200.000 und 500.000 Einwohnern sogar 59,6% und in Städten mit 20.000 und 100.000 Einwohnern 35,5% des gesamten laufenden Kulturbudgets (Statistische Ämter des Bundes und Länder 2008: 31). Die Ausgaben für die örtlichen Bibliotheken machen sich insbesondere bei kleineren Gemeinden bemerkbar: Gemeinden der Größenklasse von 10.000 bis 20.000 Einwohnern geben fast ein Drittel, solche der Größenklasse von 3.000 bis 10.000 Einwohnern sogar knapp über einem Drittel der laufenden Kulturausgaben für die Bibliotheken aus. Der Ausgabenanteil für Museen ist etwas konstanter und beträgt über die Größenklassen hinweg, abgesehen von geringfügigen Abweichungen durchschnittlich ca. 14,5% der laufenden Kulturausgaben (Statistische Ämter des Bundes und Länder 2008: 31). Die Ausgaben für Kunst und Kultur im Rahmen der direkten öffentlichen Kulturfinanzierung sind prinzipiell unabhängig von den Betriebsformen der Einrichtungen. Sie variieren stark hinsichtlich der unterschiedlichen Sparten, da die Höhe der Einnahmen in den Einrichtungen und Bereichen sehr unterschiedlich sind (Statistisches Bundesamt 2006: 14). Auf detailliertere Ergebnisse zu der in der Fallstudie relevanten Gemeindeebene wird noch näher eingegangen (s. Kapitel 3). Zunächst ist jedoch zu unterstreichen, dass die öffentliche Kulturförderung nicht nur die direkten Ausgaben für Kunst und Kultur umfasst. Wie bereits in Kapitel 2.3 und 2.4 aufgezeigt, sind zusätzlich auch indirekte Förderleistungen zu beachten. Die Konsequenzen der indirekten Förderleistungen der Kulturpolitik durch die Gestaltung rechtlicher Rahmenbedingungen, insbesondere des Steuerrechts, sind statistisch jedoch schwieriger zu fassen. Die Umsatzsteuerbefreiung und –ermäßigung spielen zum Beispiel eine wichtige Rolle für Kultureinrichtungen – sie nehmen mit 960 Mio. Euro den größten Anteil an Steuervergünstigungen des Bundes im Kulturbereich ein. Im Subventionsbericht der Bundesregierung wird für den Bereich der kulturrelevanten Steuervergünstigungen festgestellt, dass im Jahr 2007 Steuermindereinnahmen von insgesamt ca. 1,093 Mrd. Euro zu erwarten sind (Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags 2008: 2). Einen wichtigen Indikator hinsichtlich der volkswirtschaftlichen Relevanz des entsprechenden Kulturfinanzierungssystems liefern Studien zur Thematik der Beschäftigung von Arbeitskräften und der Situation der Künstlerinnen und Künstler sowie Kulturschaffenden. Der öffentliche Kulturbetrieb war zusammen mit dem gemeinnützigen Bereich bis Anfang der 1990er Jahre der wichtigste Arbeitgeber für existenzsichere Arbeitsplätze von Künstlern. Michael Söndermann weist diesbezüglich auf eine Verschiebung der Bereiche hin. Während noch vor 10 Jahren rund zwei Drittel der erwerbstätigen Künstler – MusikerInnen, Bildende KünstlerInnen, SchauspielerInnen, SchriftstellerInnen/AutorenInnen und RundfunkkünstlerInnen – in existenzsichernden, abhängigen Arbeitsverhältnissen im öf111
fentlichen und gemeinnützigen Kulturbetrieb beschäftigt waren, kann dies zu Beginn des Jahres 2000 von weniger als der Hälfte der Kreativen aus den genannten Berufsgruppen behauptet werden. So sind Künstlerberufe sowie auch nichtkünstlerische Tätigkeiten im Kulturbetrieb inzwischen häufiger auch im privatwirtschaftlich-kommerziellen Kulturbetrieb und in freiberuflichen Zusammenhängen zu verorten. Der öffentliche Kulturbetrieb teilt sich aktuell gleichwohl seine Rolle des größten Arbeitgebers für existenzsichernde Beschäftigungsverhältnisse mit dem privatwirtschaftlichen Kulturbetrieb (Söndermann 2003, 2007). Das generelle ökonomische Problem, dass die kommunale Aufgabenbelastung steigt, ohne dass parallel ein hinreichender finanzieller Ausgleich geschaffen wird (s.a. Scherf /Hofmann 2003: 327)64, tangiert auch die lokale öffentliche Kulturfinanzierung in den letzten Jahren zunehmend. Dies spiegelt sich in den statistischen Daten zur Entwicklung der öffentlichen Kulturausgaben, die zwar in absoluten Beträgen kalkuliert seit 1995 ansteigen, real jedoch im aktuellsten Berechnungsjahr sogar unter dem Niveau von 1995 liegen. Auch im Verhältnis zur Wirtschaftskraft verringerte sich der Anteil der Ausgaben für kulturelle Angelegenheiten von 0,4% im Jahr 1995 auf 0,36% im Jahr 2005. Offensichtlich wird der Rückgang auch, stellt man die Entwicklung der Ausgaben je Einwohner in absoluten denen in realen Ausgaben gegenüber (vgl. Statistische Ämter des Bundes und Länder 2008: 17ff.). Lassen die Daten des Kulturfinanzberichts zur Entwicklung der Finanzierung kultureller Angelegenheiten zwar auf eine Tendenz hin zu einem Rückgang der öffentlichen Mittel der Gebietskörperschaften schließen, so ist die Bedeutung des öffentlichen Bereichs für die Kulturfinanzierung doch nach wie vor beträchtlich. In Deutschland ist die Vielfalt und weite Verbreitung kultureller Angebote maßgeblich der öffentlichen Förderung zu verdanken. Parallel zu der Reduktion der Mittel und der nachlassenden Bedeutung des öffentlichen Bereichs als Garant existenzsicherer Arbeitsplätze wird jedoch seit den 1980er Jahren auch die Bedeutung der privatwirtschaftlichen Kulturfinanzierung zunehmend in ihrer ökonomischen Relevanz für den Kulturbereich entdeckt. 2.4.2 Der privatwirtschaftliche Kulturfinanzierungsbetrieb Das allgemeine Prinzip der Finanzierung im privatwirtschaftlichen Kulturbetrieb liegt in der Erstellung kultureller Güter und Dienstleistungen durch bzw. in Unternehmen am Markt. Mit dem Ziel, Gewinne zu erwirtschaften und zu maximieren, agieren in diesem Bereich zahlreiche kleine und mittelständische Betriebe und Unternehmen, in der Verlagsbranche und Musikindustrie auch national und international tätige Konzerne. Die Unternehmen im privatrechtlich-kommerziellen Kulturbetrieb im weiteren Sinne konstituieren die sogenannte Kultur- und Kreativwirtschaft, die große Umsätze erwirtschaftet und viele Arbeitsplätze stellt (vgl. den aktuellen Kulturwirtschaftsbericht der Bundesregierung und dessen Kurzfassung: Söndermann 2010; Söndermann, Backes et al. 2010). Die Formen und Instrumente der Kulturfinanzierung und des Wirtschaftens in diesem Bereich sind divers. Zum einen umfasst privatwirtschaftliche Kulturfinanzierung im engeren Sinne die Förderung unternehmensexterner kultureller Institutionen, Projekte und Kulturschaffender durch spezifische Instrumente. Zu solchen Instrumenten gehören beispielsweise Kommunikationsinstrumente wie das Sponsoring, das unternehmerische Mäzenatentum, die Zuwen64 Gemäß der ökonomischen Theorie des Föderalismus soll die Verteilung der Aufgaben auf die föderalstaatlichen Ebenen sachgerecht ökonomisch begründet werden. Aus den Zielen der Finanzpolitik abgeleitet, sind dabei allokative, distributive und stabilitätspolitische Gesichtspunkte einzubeziehen (Scherf /Hofmann 2003).
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dung zu Stiftungen in unternehmenseigener oder -fremder Trägerschaft, das Spendenwesen („Corporate Giving“) etwa im Rahmen der Förderung von Vereinen, die Finanzierung von Stipendien für KünstlerInnen und der Ankauf von Kunstwerken. Die Instrumente unternehmerischer Kulturfinanzierung lassen sich verschiedenen Konzepten zuordnen. Das Kultursponsoring etwa wird zu dem Konzept der Stärkung der Eigeneinnahmen gezählt, mit dem das Konzept der Erhöhung der Fremdquellen – wie etwa durch Fundraising, Mäzene, Stiftungen oder PPPs – kontrastiert wird (Heinze 2002: 63f.). In den letzten Jahren wird bezugnehmend auf den privat-kommerziellen Bereich auch vermehrt über Mischformen diskutiert. Matching-Funds setzen voraus, dass sich Akteure aus dem öffentlicher Bereich (die öffentliche Hand) und dem privaten Bereich (z. B. Unternehmen oder Vereine) für eine Mischfinanzierung zusammen tun, wobei einer der Akteure sich verpflichtet, eine Aufstockung der Mittel des Partners entsprechend eines vereinbarten Anteils vorzunehmen. Dabei kann verabredet werden, dass die gleiche Summe zu investieren ist, wie diejenige, die durch den Partner eingebracht wird oder beide Investitionen in einem bestimmten Verhältnis stehen (z.B. im Verhältnis 1:2) (Gerlach-March 2010: 86). Werden unter Matching Funds zwar auch Kooperationen zwischen öffentlichen und privaten Akteuren gefasst, so müssen sie im strengen Begriffsverständnis dennoch von sogenannten Public-Private Partnerships abgegrenzt werden, da es sich bei dieser Variante, im Gegensatz zum Matching Fund, um eine langfristig angelegte Kooperation handelt. Sponsoring war Mitte der 1990er Jahre stark in der Diskussion. Wurde es damals von den einen als großer Hoffnungsträger für die Kulturfinanzierung propagiert, befürchteten die anderen die Einflussnahme in kulturelle Inhalte durch die wirtschaftlichen Geldgeber. (Zimmermann 2000). Bis heute wurde das Instrument allerdings etwas entmystifiziert (Loock 1991; Leschig 2005), da sich herausstellte, dass es für eingeschränkte Bereiche und Zielsetzungen einsetzbar ist und dass die Höhe der tatsächlich im Umlauf befindlichen Gelder nicht so hoch ist, wie ursprünglich gemutmaßt. Sponsoring folgt dem Prinzip eines auf Gegenseitigkeit beruhenden Geschäftes zwischen Unternehmen auf der einen Seite und einzelnen KünstlerInnen bzw. einer Kulturinstitution auf der anderen Seite Diese Verbindung zwischen Kultur und Wirtschaft kann von unternehmerischer Seite durch die Bereitstellung von Geldern, Sachmitteln oder auch Dienstleistungen eingelöst werden. Der oder die Gesponserte erhält eine Förderung und lässt dafür eine Verknüpfung seiner Aktivitäten mit den Unternehmenszielen zu. Je nach Vertrag zwischen den Partnern ist der Leistungsempfänger freier oder weniger frei in der Ausgestaltung seiner Aktivitäten. Sponsoring ist für Unternehmen ein strategisches Kommunikationsinstrument, das werbliche Wirkungen, insbesondere der Erhöhung des Bekanntheitsgrades und der Imagepflege, erzielen soll (Schlossstein 1996: 59ff.). Während das Sponsoring nicht auf dem Prinzip der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung beruht, steht bei der Kulturförderung durch einen Mäzen und eine Stiftung der Erhalt und die Förderung der Kultur im Vordergrund65. Das Mäzenatentum bezieht sich in der Regel auf eine Spende einer wohlhabenden Person oder eines Unternehmens an eine Kultur-, Kunsteinrichtung oder eine öffentliche Institution (Gerlach-March 2010: 150; Wagner 2010). Mäzenatische Kulturförderung kann zusätzlich auf politischen oder moralischen Motiven und Eigeninteressen basieren, muss also nicht rein altruistisch sein. Der Fördernde kann dabei Spenden steuerlich geltend machen.
65 Zum Thema Kultursponsoring existiert inzwischen eine Fülle an Literatur (s. z.B. Loock 1990, 1991; Heinze 1999; Lewinski /Lüddemann 2008; Heinze 2009)
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Hierin liegt jedoch in der Regel nicht der eigentliche Grund für das Engagement. Vielmehr können drei grobe Richtungen ausgemacht werden, die bei der Kulturfinanzierung durch die Wirtschaft eingeschlagen werden und für die in der Praxis spezielle Motive und jeweils geeignete Formen der Umsetzung identifizierbar sind. So haben erstens mäzenatische Förderformen bei vielen Unternehmen eine lange Tradition. Hier liegt der eigentliche Beweggrund häufig in einer Mischung aus „bürgerlicher Tradition, verbunden mit Standorttreue“ (Beise 2006a). Zuschüsse für Kulturinstitutionen und Projekte sind ein typisches Beispiel für diesen Weg. Neben dem traditionell-unternehmerischen Motiv der altruistischen Verantwortungsübernahme für die Gesellschaft engagieren sich Unternehmen jedoch zunehmend – und dies ist das zweite hier anzuführende Motiv – auch aus einem Eigeninteresse in der Kulturfinanzierung (Heinze 2002: 61f.). Dies gilt beispielsweise für das Instrument des Sponsoring, durch das sich Unternehmen einen geldwerten Nutzen, Imagevorteile und/oder positive Wirkungen auf die Kundenbindung und Mitarbeiterzufriedenheit erwarten. Für eine Kulturfinanzierung kann in diesem Sinne etwa die Motivation von aktuellen und zukünftigen Mitarbeitern sprechen und die Möglichkeit, eine positive Identifikation mit dem Unternehmen zu schaffen (Heinze 2002: 62). Ein drittes Motiv liegt in der Förderung von Kunst und Kultur im Sinne eines Engagements des Unternehmens, das sich auf das eigene Handeln bezieht. Das zentrale Konzept soll integrierter Teil der Unternehmensstrategie sein, ganzheitlich ansetzen und meist mittel- bis langfristige Wirkungen entfalten. So wird etwa unter dem Schlagwort der „Corporate Cultural Responsibility“ (CCR) im Anschluss an das im US-amerikanischen Raum entwickelte Konzept der „Corporate Social Responsibility“ (CSR) der Schwerpunkt auf das unternehmensinterne, kulturelle Engagement gesetzt. In Deutschland weitet sich dieser Gedanke derzeit zunehmend aus (s. Beise 2006a). Neben dem bisher beschriebenen unternehmerischen Engagement für die Kultur gehört zu dem Bereich der privatwirtschaftlichen Kulturfinanzierung zum Zweiten und im weiteren Sinne auch eine regelrechte „kreative Industrie“, deren Kennzeichen in einem kulturwirtschaftlichen Wirken liegt. Die sogenannte Kulturwirtschaft umfasst nach allgemeinem Verständnis alle Produzenten und Vermittler, die gewinnorientiert und ohne Steuerbegünstigung Kunst und Kultur produzieren und anbieten. Sie steht dabei immer in Wechselwirkung zum geförderten Kulturbetrieb und ist keine Sparte für sich (s. Hartung 2004: 6). Eine eindeutige Definition existiert nicht. Zu der Kulturwirtschaft als Wirtschaftsbranche werden die Teilmärkte der Darstellenden Kunst, der Bildenden Kunst, des Buch- und Pressemarktes, der Musikwirtschaft und der audio-visuellen Medien gezählt (Kunzmann 2006). Als „statistisches Modell“ wurde die Kulturwirtschaft durch den Arbeitskreis Kultursponsoring entworfen. Dabei lehnte sich das Modell insbesondere an fünf bereits bestehenden Modellen an: Die „Industries Culturelles“ in Frankreich, die „Creative Industries“ in Großbritannien, die nordrhein-westfälische „Kultur- und Medienwirtschaft“, das Modell „Kulturwirtschaft“ der Schweiz sowie der „Kultursektor“, wie er durch die EU bzw. EUROSTAT entwickelt wurde. Alle diese Modelle spezifizieren sieben vergleichbare Kernbranchen. In den letzten Jahren wird der Branche, die große Umsätze erwirtschaftet und viele Arbeitsplätze stellt, ein signifikanter Bedeutungszuwachs attestiert (s.a. Aus Politik und Zeitgeschichte 2006). Neben den Verwertern künstlerischer Leistungen zählen auch freiberufliche KünstlerInnen zur Kulturwirtschaft. Sie werden vom Gesetzgeber an ihrer Profitorientierung gemessen, denn sie gelten steuerrechtlich als Unternehmen. Das hat zur Folge, dass ihre Tätigkeit als Hobby eingestuft und ihnen durch das Finanzamt die Gewinnerzielungsabsicht abgesprochen wird, falls sie über einen längeren Zeitraum keine Profite erwirtschaften 114
(Zimmermann 2006a: 25). Begründet durch den Umbruch am Arbeitsmarkt Kultur nimmt die Zahl der freiberuflich arbeitenden Künstler in jüngerer Zeit zu. Das Wachstumspotential, das der Kulturwirtschaft in den letzten Jahren attestiert wird, wird maßgeblich auf diese Entwicklung zurückgeführt (Zimmermann 2006a: 30). Auch die öffentliche Hand ist in diesem Bereich zuweilen in Form von Anschubfinanzierungen oder Sachleistungen beteiligt. Die Unternehmen funktionieren in den meisten Fällen jedoch wie für Wirtschaftsunternehmen üblich, etwa in der Betriebsform einer GmbH, GbR, KG oder AG, und erwirtschaften ihre Kosten durch eigene Erträge. Statistische Daten aus dem gesamten privatwirtschaftlich-kommerziellen Bereich müssen mit Vorsicht genossen werden, vereint er doch die relativ umsatz- und einkommensschwachen Kleinst- und Kleinunternehmen genauso wie die „Big Players“ und stellt sich damit sehr vielfältig dar (Zimmermann 2006a). Da eine repräsentative Statistik für das gesamte Bundesgebiet im Kontext eines Vergleichs aller Bereiche noch aussteht, sind Aussagen bislang schwierig zu treffen. Langsam verbessert sich die Forschungslage. Derzeit werden der Kulturwirtschaft – je nach Berechnungsmethode – Umsätze zwischen 83 Milliarden Euro (Ergebnis des Arbeitskreises Kulturwirtschaft), 131 Milliarden (Kultur- und Kreativwirtschaftsbericht der Bundesregierung) und 204 Milliarden Euro (Ergebnis des Hessischen Kulturwirtschaftsberichts) bescheinigt. Bei den Beschäftigtenzahlen steht die Berechnung gemäß der EU-Abgrenzung mit einem Ergebnis von 450 000 (Jahr 2003) der Berechnung nach der Abgrenzung des Arbeitskreises Kulturstatistik von 1,35 Millionen Beschäftigten (2000) entgegen (Ertel 2006: 21; Söndermann, Backes et al. 2010). Daneben steuert eine neue, bundesweite Untersuchung Erkenntnisse zur Wirtschaftsdynamik, zu Umsätzen und Beschäftigungspotentialen bei (Söndermann, Backes et al. 2010). Zu Beginn des Jahres 2010 wurde erstmals ein umfassendes Gutachten zur Kulturund Kreativwirtschaft vorgestellt, das im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie und im Rahmen der sogenannten „Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft“ erarbeitete wurde. Nach dem Gutachten liegt die Kultur- und Kreativwirtschaft im Vergleich mit den wichtigsten deutschen Wirtschaftsbranchen mit einem Beitrag zur Bruttowertschöpfung in Höhe von 63 Milliarden Euro und einem Wertschöpfungsanteil von 2,6 % am Bruttoinlandsprodukt ungefähr zwischen der Chemischen Industrie (2,1 %) und der Automobilindustrie (3,1 %). Sie hat gegen den allgemeinen Trend im Jahr 2008 positive Wachstumszahlen geschrieben. Insgesamt sind gemäß dieser Untersuchung 238.000 Unternehmen und 1 Mio. Erwerbstätige, davon 763.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft tätig. Die Dynamik des Bereichs geht gemäß Gutachten insbesondere auf das Konto der kleinen Unternehmen. Im Rahmen der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft soll, koordiniert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und den Beauftragten für Kultur und Medien, auf eine Stärkung und Weiterentwicklung des Potentials für Wachstum und Beschäftigung der Branche hingewirkt werden. Existiert ein unternehmerisches Engagement im Kulturbereich zwar schon lange Zeit, so ist die heutige professionalisierte und strategische Form der unternehmerischen Initiative und die große kulturwirtschaftliche Aktivität der Industrie sowie ihre hohe ökonomische Bedeutung ein vergleichsweise junges Phänomen (Beise 2006b). Dies ist einem Prozess des Umdenkens in den 1980er Jahren geschuldet. Während der Kulturbereich in Deutschland traditionell als ein Bereich betrachtet wird, der weitgehend durch öffentliche Finanzierung besteht, geht diese Entwicklung mit den Ergebnissen einer Studie zum Anteil des Kunstund Kultursektors am Einkommen und der Beschäftigung in der Bundesrepublik einher, die im Auftrag des Bundesinnenministeriums durch das Ifo-Institut durchgeführt wurde 115
(Hummel /Berger 1988). Die Untersuchung zeigt auf, dass der Sektor Kultur zwischen 1980 und 1988 jährlich höhere Wachstumsraten als die Gesamtwirtschaft verzeichnet hat (Hummel /Waldkircher 1992), was durch eine größere private Nachfrage nach Kultur-, Informations- und Unterhaltungsgütern und -veranstaltungen und gesteigerte Ausgabenquoten begründet wird (Hummel /Brodbeck 1991)66. Neben den Bestandsanalysen werden zeitgleich Umwegrentabilitätsrechnungen durchgeführt, deren Untersuchungsziel in der Wirkung von Kunst- und Kulturausgaben der öffentlichen Hand auf die Volkswirtschaft liegt67. Die Wirkungsanalysen sollen einen Rentabilitätsnachweis erbringen und öffentliche Kunst- und Kulturförderung legitimieren. Die Sichtweise der angeführten Studien spiegelt sich auch in der kulturpolitischen Debatte und der Praxis der Kulturinstitutionen wider: Der Kultur wird seit den 1980er Jahren als Standortfaktor und regionaler Wirtschaftsfaktor ein beträchtlicher ökonomischer Wert zugesprochen. Auch wird seither die Investition in Kunst und Kultur als sinnvolles Instrument der Wirtschaftsförderung wahrgenommen, die nicht nur der öffentlichen Hand überlassen bleiben könne, sondern auch privatwirtschaftlich und bürgerschaftlich geleistet werden solle. 2.4.3 Der gemeinnützige Kulturfinanzierungsbetrieb Der Gegenstand des Kulturwirtschaftens führt, zunächst insbesondere im USamerikanischen, inzwischen auch im europäischen Diskurs, zur genaueren Betrachtung der Ergebnisse der Nonprofit-Forschung. Nonprofit-Organisationen (NPOs) sind, gemäß der gängigen, funktional-operationalen Definition des internationalen Johns Hopkins Projekts, Organisationen, die formell strukturiert, organisatorisch unabhängig vom Staat und nicht gewinnorientiert sind, eigenständig verwaltet werden sowie, zu einem gewissen Grad, von freiwilligen Beiträgen getragen werden und keine Zwangsverbände darstellen (Salamon /Anheier 1997). Den zwischen Staat und Markt angesiedelten gemeinnützigen Organisationen kommt in der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und politischen Modernisierungsprozessen und im Zuge der Diskussion um Identitätsbildung im lokalen Raum eine immer größere Bedeutung zu (Anheier /Seibel 2001). So wies auch für die USA DiMaggio (DiMaggio 1987) auf das Problem hin, dass NPOs, gerade im Kulturbereich und hier mit Fokus auf die lokale Ebene, weit verbreitet sind, dass sie jedoch nicht kostendeckend arbeiten können. Kooperationen zwischen Staat und Nonprofit-Sektor, blicken deshalb nicht nur in den USA, sondern auch im Kulturbetrieb Deutschlands, auf eine lange Tradition zurück (Zimmer 1997 nach Sachße/ Tennstedt 1988). Die ökonomische Bedeutung des NonprofitSektors für die Kulturfinanzierung in Deutschland lässt sich schwierig in Zahlen ausdrücken. Eine genaue Aussage hinsichtlich des gesamten Anteils des Nonprofit-Sektors am Bruttoinlandsprodukt ist aufgrund der statistischen Erfassungsbesonderheiten in diesem heterogenen Bereich nicht möglich (Anheier 1990). In der Kultur ist insbesondere eine starke zivilgesellschaftliche Komponente des Nonprofit-Sektors zu beobachten, die sich in 66
Das Ifo-Institut sieht den Preis für Kultur als eine Variable unter mehreren an und weist auf die hohe Bedeutung von Einkommenssteigerungen hin, die zu dieser Entwicklung führen. Der Erklärungsansatz der Abhängigkeit privater Kulturnachfrage von diversen Entscheidungsdeterminanten ist äquivalent zu anderen, gängigen kulturökonomischen Untersuchungen. Diese beziehen neben dem Preis beispielsweise die Preise für Substitutionsgüter bzw. komplementäre Kosten des Konsums, die Einkommenshöhe und die ästhetische Präferenz als Variablen mit ein (vgl. z.B. Throsby /Withers 1979; Heilbrun /Gray 1993). 67 Vgl. die Kulturwirtschaftsberichte des Landes NRW (1-4) (Arbeitsgemeinschaft Kulturwirtschaft 1991; Arbeitsgemeinschaft Kulturwirtschaftsbericht NRW 1995, 1998, 2001) und die Gutachten im Auftrag des IfoInstituts (Hummel /Berger 1988; Hummel /Waldkircher 1992).
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einem hohen Ausmaß ehrenamtlichen Engagements, freiwilliger Mitarbeit, Einnahmen aus Mitgliedergebühren und Spendenleistungen manifestiert (Zimmer 1997). In Deutschland können sich NPOs im Kulturbereich, im Gegenteil zu dem stark professionalisierten und staatsnahen Nonprofit-Sektor im Bereich Gesundheitswesen/ Soziale Dienste, nicht auf eine gesetzliche Verpflichtung zur öffentlichen Förderung berufen, was auf die spezifische Auslegung des Subsidiaritätsprinzips in den 1960er Jahren zurückzuführen ist (Sachße 1995). Enger als der Begriff der NPO ist derjenige der gemeinnützigen Organisation, der die rechtliche Komponente mit einbezieht und im Folgenden verwendet wird. In der privatrechtlich-gemeinnützigen Kulturfinanzierung sind Einrichtungen aktiv, die den Status der Gemeinnützigkeit innehaben. Dieser wird ihnen durch das Finanzamt gewährt, wenn sie „selbstlos, also ohne Gewinnerzielungsabsicht, ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienen“ (Scheytt 2005: 8). Die Organisationen genießen verschiedene steuerrechtliche Vorteile. Sie dürfen auch Spenden entgegen nehmen, die dem Spendenden durch entsprechende Bescheinigungen der Organisationen Abzugsmöglichkeiten im Rahmen seiner Steuerpflicht verschafft (Scheytt 2005: 8, 260). Die Rechts- und Organisationsformen, die Entstehung der Organisationen und die Willensbildung sind im privatrechtlichgemeinnützigen Kulturbetrieb divers. Die häufigsten Rechtsformen sind der Verein, die Stiftung und die gGmbH, die gemäß der Vereinssatzung, dem Stiftungsgeschäft bzw. dem Stifterwillen und dem Gesellschaftervertrag agieren. Gebräuchlich sind auch Mischformen der Finanzierung und des Betriebs. Viele gemeinnützige Organisationen erhalten Zuschüsse der öffentlichen Hand. Ihre Etats bestehen häufig aus einer Mischung aus eigenerwirtschafteten Beträgen, Mitgliederbeiträgen, öffentlichen Mitteln und Spenden. Aktuelle Studien verweisen darauf, dass gemeinnützige Organisationen in Umfang und Bedeutung in den letzten Jahren beständig zunehmen. Zu den beiden Organisationsformen der Stiftung und des eingetragenen Vereins existieren Daten, die Aussagen über deren Bedeutung für die Kulturfinanzierung erlauben. Der Begriff der Stiftung bezeichnet ein sehr weites und facettenreiches Feld, das im Gesetz nicht eingegrenzt und definiert ist. Es existiert jedoch eine herrschende Meinung hinsichtlich des Anwendungsbereich der §§ 80-88 BGB. Danach ist eine Stiftung „eine mit Rechtsfähigkeit ausgestattete, nicht verbandsmäßige Organisation, welche bestimmte, durch den Stifterwillen/ -akt bzw. das Stiftergeschäft festgelegte Zwecke mithilfe eines Vermögens verfolgt, das diesen Zwecken dauernd gewidmet ist.“ (Gerlach-March 2010: 77). Generell ist zwischen operativen und fördernden Stiftungen zu unterscheiden. Die operative Stiftung wird im Kulturbereich als Organisationsform für die Trägerschaft von staatlichen, privaten oder gemischt staatlich-gemeinnützigen Einrichtungen genutzt. Sie ist heute im Kulturbereich auch vielfach in Vernetzungen involviert, schließt Kooperationen und ist Teil öffentlich-privater und privat-privater Partnerschaften. Förderstiftungen stellen zunehmend wichtiger werdende Finanziers des Kulturbetriebs dar. Ihr Stiftungszweck besteht in der Vergabe von Fördermitteln. Kulturstiftungen operieren also mit unterschiedlichen Rechtsformen68 und Trägerschaftsmodellen und sie sind typischer Weise auch im Rahmen von PPP-Modellen zu finden (s. hierzu auch die Fallanalysen in den folgenden Kapiteln). Nach einer Berechnung des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen auf der Basis von Angaben rechtsfähiger Stiftungen bürgerlichen Recht sind unter den Stiftungen in Deutsch68 Die wichtigsten Rechtsformen sind die privat-rechtliche Stiftung, die öffentlich-rechtliche Stiftung und die Stiftungs-GmbH (König 2004: 13). Privatrechtliche Stiftungen sind im Kulturbereich in der Regel gemeinnützig (Bretz 2003: 134).
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land rund 15% mit dem Satzungszweck Kunst und Kultur vertreten69. Hinsichtlich des Anteils von Kulturstiftungen unter den Neuerrichtungen, platzieren sich diese an zweiter Stelle (Bundesverband Deutscher Stiftungen 2010b)70. Innerhalb der letzten zwanzig Jahre ist ein regelrechter „Stiftungsboom“ zu beobachten. In den 1980er Jahren wurden rund 1500 Stiftungen neu gegründet; ab der Jahrtausendwende werden 8767 neue Stiftungserrichtungen gezählt (Bundesverband Deutscher Stiftungen 2010a). Verschrieben sich in den Jahren 1951-1970 lediglich 9% der Stiftungen der Förderung der „Kunst und Kultur“, wird diese als Stiftungszweck im Jahr 2005 von jeder fünften Stiftung angegeben. Es gibt jedoch keine verlässlichen Daten zu den jeweiligen Kulturbereichen, die dabei von Kulturstiftungen berücksichtigt werden (Gottschald 2006: 8). Die ansteigende Anzahl von Stiftungen ist in engem Zusammenhang zu Krise der öffentlichen Haushalte und den dadurch angestoßenen Überlegungen zu alternativen Finanzierungsformen zu sehen. Seit den 1990er Jahren spielt die private Finanzierung von Kultur in Deutschland eine immer größere Rolle. So existieren neben den vielen kleinen, nicht besonders finanzstarken Stiftungen mit ausschließlichem Kulturförderzweck auch große Stiftungen mit erheblichem Vermögen, deren Satzungszweck neben anderen Aspekten auch die Förderung der Kultur beinhaltet. Im Kulturbereich hat die Sparkassen-Finanzgruppe eine besondere Bedeutung. Sie unterstütze im Jahr 2008 kulturelle Projekte mit rund 140 Mio. Euro und versteht sich als der größte nicht-staatliche Kulturförderer in Deutschland. In den letzten Jahren gründete sie zunehmend Stiftungen, über welche sie ihr gesellschaftliches Engagement organisiert. Rund ein Drittel der Stiftungen fördert kulturelle Angelegenheiten in beträchtlichem Ausmaß (König 2004: 13). Vereine sind gemäß den Ergebnissen der Umfrage „Freiwilliges Engagement in Deutschland 1999-2004: Repräsentativerhebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Engagement“ (kurz: „Freiwilligensurvey“)71 die häufigste Rechtsform der Organisationen im gemeinnützigen Bereich. (Gensicke, Picot et al. 2005). Die Daten zeigen, dass das in der Kultur traditionell stark im Verein und damit auf der lokalen Ebene zu verortende Engagement in den letzten Jahren noch mehr an Umfang und Bedeutung gewinnt. Die Befragung „Vereine in Münster“ aus dem Jahr 200472 erlaubt ferner Rückschlüsse auf die wirtschaftliche und politische Bedeutung der Vereine in der lokalen Kulturfinanzierung. Erstmals wurden alle eingetragenen Vereine einer deutschen Großstadt mit lokalem und regionalen Tätigkeitsbezug unter anderem danach befragt, wie sie sich finan69 Stiftungen mit Satzungszweck Kunst und Kultur nehmen zahlenmäßig den dritten Platz ein – nach Stiftungen im Bereich „Soziale Zwecke“ (31,3%) und „Bildung und Erziehung“ (15,2%). 70 Betrachtet man speziell die Aktivitäten solcher Stiftungen, die Engagement fördern (s. Ergebnisse einer Studie: Bundesverband Deutscher Stiftungen/ Körber-Stiftung 2010), so zeigt sich, dass sich hier der Anteil ähnlich darstellt. 18,4% der befragten engagementfördernden Stiftungen verorten ihre Aufgabe laut Satzungszweck im Bereich Kunst und Kultur – und rangiert damit ebenfalls an dritter Stelle. 71 Die Repräsentativerhebung wurde erstmals im Jahr 1999 im Auftrag der Bundesregierung (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) durch Infratest/ Burke durchgeführt. Im Jahr 2004 wurde eine zweite Welle aufgelegt. Sie gilt als die umfassendste und detaillierteste quantitative Befragung zum bürgerschaftlichen Engagement in Deutschland. 72 Die Befragung „Vereine in Münster“ wurde im Jahr 2004 unter der Leitung von Prof. Dr. Annette Zimmer und unter Mitarbeit von Thorsten Hallmann und Lilian Schwalb am Institut für Politikwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität durchgeführt. Postalisch befragt wurden alle ca. 1600 aktiven Vereine der Stadt Münster. Knapp 50% der Organisationen beteiligten sich an der Befragung. Die Anzahl der Vereine in Münster in Relation zu der Bevölkerungszahl (ca. 280.000 Einwohner) entspricht ungefähr der Vereinsdichte in Deutschland, die bei etwa 650 Vereinen pro 100.000 Einwohnern liegt. Die Befragung ist eine der derzeit umfassendsten Erhebungen einer Vereinslandschaft.
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zieren, wie es um die Anzahl ihrer Mitglieder, ihrer freiwilligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um den Themenkomplex der Professionalisierung und der hauptamtlichen Mitarbeit sowie um ihre Zukunftsaussichten und Probleme bestellt ist. So wird durch die Ergebnisse der Befragung offensichtlich, dass Vereine in Münster insgesamt einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellen und, gemessen an ihren Einnahmen, über ein beachtliches Finanzvolumen verfügen. Allerdings handelt es sich bei der Mehrheit der lokalen Vereine um eher kleine Organisationen, was ihre Finanzkraft betrifft. So sind im Kulturbereich 70% der Vereine der Kategorie „Kleinstvereine“ und „Kleine Vereine“ mit einem Jahresbudget von 20.000 Euro zuzuordnen. Die mittelgroßen Vereine mit Einnahmen zwischen 20.000 und 100.000 Euro machen eine Minderheit von 18% aus. Einen Etat von über 100.000 Euro weisen etwa 12% der Vereine aus (s. Abb. 4). Abbildung 4:
Finanzkraft von Kulturvereinen
über 100000 bis 500000 Euro 8%
über 500000 Euro 3%
über 20000 bis 100000 Euro 18%
bis 1000 Euro 12%
über 1000 bis 5000 Euro 29%
über 5000 bis 20000 Euro 30%
Eigene Darstellung, Datenquelle: „Befragung Vereine in Münster“ 2004. Einnahmen: Euro; Vereine: %
Im gemeinnützigen Kulturbetrieb sind unterschiedliche Finanzierungsformen und –instrumente vorzufinden. Gebräuchlich sind Mischformen der Finanzierung und des Betriebs. Viele gemeinnützige Organisationen erhalten Zuschüsse der öffentlichen Hand. Ihre Etats bestehen meistens aus einer Mischung aus eigenerwirtschafteten Beträgen, Mitgliederbeiträgen, öffentlichen Mitteln und Spenden und Sponsoring. Dies belegen auch die Daten zu den Finanzquellen der Kulturvereine in Münster. Insgesamt wird in Abbildung 5 deutlich, dass vier Finanzquellen von großer Bedeutung für die Kulturvereine sind: Mitgliedsbeiträge, Spenden und Sponsoring, Mittel der öffentlichen Hand sowie eigenerwirtschaftete Mittel.
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Abbildung 5:
Einnahmequellen der Vereine im Kulturbereich
Kultur
19
Bildung und Forschung
5
4 5
Soziales / Gesundheit
4
Sport
22 18
2
20
25
52 33
37 0
36
22 12
40
20 60
11 3
10 80
100 %
Mitgliedsbeiträge Spenden Zuwendungen der öffentlichen Hand Leistungsentgelte Eigenerwirtschaftete Mittel Eigene Darstellung, Datenquelle: „Befragung Vereine in Münster“ 2004
Für den Kulturbereich zeigt sich des Weiteren, dass immerhin 25% der Kulturvereine ihre Einnahmen am Markt bestreiten. Wie im Sportbereich fallen auch im Kulturbereich Mitgliedsbeiträge besonders ins Gewicht (19%). Spenden (5%) und Leistungsentgelte (2%) nehmen hingegen einen relativ geringen Anteil der Einnahmen ein. Über ein Drittel der Einnahmen der Vereine im Bereich Kultur stammen aus Mitteln der öffentlichen Hand. Die Kommunen nehmen für das organisierte bürgerschaftliche Engagement in der Kultur folglich eine wichtige Rolle ein. Diese Daten sagen allerdings noch nichts darüber aus, ob die Vereine in einer Abhängigkeit zu einer dieser Finanzierungsquellen stehen. Um diese Frage zu beantworten, muss die Ebene der Gesamteinnahmen verlassen und der Blick auf die Zusammensetzung des Finanzierungsmixes gerichtet werden. Zu diesem Zweck wurden die Vereine im Rahmen der Befragung nach ihrer maßgeblichen Einnahmequelle gefragt. Als kritische Größe für eine Abhängigkeit von einer Finanzquelle gilt, wenn die Finanzierung zu 50% aus einer einzigen Einnahmequelle erfolgt. Für knapp 40% der befragten Kulturvereine stellen Mitgliedsbeiträge die maßgebliche Einnahmequelle dar. Das bedeutet, dass nicht ganz jeder zweite Kulturverein sich zu 50% aus den Beiträgen seiner Mitglieder finanziert (s. Abb. 4).
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Abbildung 6:
Finanzierungsmix von Kulturvereinen
Wie viele Kulturvereine finanzieren sich zu einem sehr hohen Maße, zu 50% oder mehr, aus einer Quelle?
Mitgliedsbeiträge
38,9 16,3
Keine Hauptfinanzquelle
42
23,2
13,9 14,7
Öffentliche Hand 9
Eigenerwirtschaftete Mittel Spenden und Sponsoring
7,4
12,6 15,1
1,9 2,1 1,8 1,1
Sonstige Zuschüsse Verband / Träger 0
10
20
30
40
50 %
Vereine Gesamt
Kulturvereine
Eigene Darstellung, Datenquelle: „Befragung Vereine in Münster“ 2004
An zweiter Stelle steht die Mischfinanzierung: Etwa jeder sechste Verein und jeder fünfte Kulturverein hat keine Hauptfinanzquelle. Bei dieser Gruppe von Vereinen handelt es sich insbesondere um größere Vereine der Bereiche Kultur, Sport, Erholung und Freizeit. Stärker als andere Bereiche und in einer größeren Anzahl sind Vereine im lokalen Kulturbereich finanziell von der öffentlichen Hand abhängig. Aus arbeitsmarktpolitischer Sicht, so zeigt die Befragung der Vereine in Münster, sind die Kulturvereine von geringerer ökonomischer Bedeutung. Die Professionalisierung ist mit einem Anteil von 26% an Kulturvereinen, die MitarbeiterInnen in formalen, bezahlten Arbeitsverhältnissen beschäftigen, verhältnismäßig gering. Setzt man die Gesamtzahlen der Beschäftigung in anderen Bereichen in Relation zu den Zahlen des Kulturbereichs, so zeigt sich, dass das Beschäftigungssegment auf wenige Tätigkeitsbereiche hoch konzentriert ist, zu denen die Kultur nicht gehört. Kulturvereine sind mit einem Anteil von 5% Hauptamtlichen an der Beschäftigung aus arbeitsmarktpolitischer Sicht wenig relevant. Zentrale Arbeitgeber sind vielmehr die Vereine im Bereich Soziale Dienste (40% der Vereinsbeschäftigung). Auch in der Beschäftigungsstruktur unterscheidet sich der Kulturbereich von den anderen: Vollzeitbeschäftigung hat hier einen verschwindend geringen Stand im Vergleich zu anderen Bereichen. Das dominante Beschäftigungsverhältnis ist die geringfügige Beschäftigung; auch Honorarkräfte und Mini-Jobs prägen die Struktur. Das Untersuchungsergebnis, dass der Dritte Sektor im Kulturbereich, in Relation zu den Kernbereichen wohlfahrtsstaatlicher Dienstleistungserbringung und gemessen an den Ausgaben und an der Beschäftigung, eine eher geringe wirtschaftliche Bedeutung einnimmt, unterstreichen bereits die Ergebnisse des internationalen „Johns Hopkins 121
Comparative Nonprofit Sector Project“73 (Zimmer 2000: 84ff.; Zimmer /Priller 2004: 121f.). Im Rahmen der Teilstudie zu Deutschland sowie durch den internationalen Vergleich zeigt sich jedoch, dass der Bereich „Kultur und Erholung“74 gegenüber den Kernbereichen wohlfahrtsstaatlicher Dienstleistungserbringung der „Sozialen Dienste und Hilfen“ sowie des Gesundheitswesens beträchtlich an Bedeutung gewinnt, wenn das ehrenamtliche Engagement mit berücksichtigt wird (Zimmer 2000: 84f.; Salamon 2001; Zimmer /Priller 2004: 118ff.). Unter Einbezug der ehrenamtlich und freiwillig geleisteten Arbeit, zusätzlich zu den formalen Beschäftigungsverhältnissen, erreicht der Bereich Kultur und Erholung im Jahr 1995 einen Spitzenwert: 20% des gesamten zeitlichen Arbeitsaufwandes im deutschen Dritten Sektor wird 1995 in diesem Bereich geleistet. Dazu kommt, dass über 35% der Ehrenamtlichen des Dritten Sektors im Kultur- und Freizeitbereich tätig sind (Zimmer 2000). Vor dem Hintergrund dieser beschäftigungsrelevanten Informationen ist es wenig erstaunlich, dass sich die Bedeutung der Kulturvereine für die lokale Kulturfinanzierung letztlich als weit reichend darstellt, richtet man das Augenmerk auf die Ergebnisseite der freiwillig und ehrenamtlich geleisteten Arbeit. Die Organisationsbefragung „Gemeinnützige Organisationen im gesellschaftlichen Wandel“ im Jahr 1998 weist auf die bedeutende Funktion gemeinnütziger Organisationen gerade für die lokale kulturelle Infrastruktur hin: Mit 78% der befragten Organisationen ist die Mehrheit der Dritter-Sektor-Organisationen des Kulturbereichs auf lokaler Ebene tätig (Zimmer /Priller 2004: 122f.). Ein Blick auf deren Tätigkeitsfelder lässt erschließen, dass die Organisationen dabei einen wesentlichen Beitrag zur kulturellen Infrastruktur in den Städten und Gemeinden leisten. So sind Kulturvereine auf lokaler Ebene in den unterschiedlichsten Sparten des Kulturbereichs präsent und finanzieren und produzieren eine Vielfalt kultureller und künstlerischer Aktivitäten und Angebote (s. hierzu auch Wagner 2000). Kunst-, Theater- und Musikvereine verfolgen das Ziel der Förderung von Kunst und Kultur. Brauchtums- oder Fasnachtsvereine, die lebensweltliche Bezüge haben, betätigen sich in der Gestaltung kultureller Inhalte im Kreise ihrer Mitglieder oder in der Organisation gemeinsamer Veranstaltungen. Vereine übernehmen die Funktion der Trägerschaft, wie sich etwa am Beispiel der Privat-Theater zeigen lässt, sind aber auch – im Fall der Freundeskreise und Fördervereine – in der Kulturförderung aktiv. Kunstvereine sind in der Regel privat organisiert und aus privater Initiative entstanden. Sie fördern, vermitteln und präsentieren Kunstwerke und treten als Träger von Räumlichkeiten und Ausstellungsbetrieben in Erscheinung. Zudem ist die Rechtsform des e.V. im Bereich der kulturellen Bildungseinrichtungen sehr häufig vorzufinden: Etwa ein Drittel der Musikschulen und ein noch höherer Anteil der Kunstschulen werden in Form des eingetragenen Vereins geführt (Scheytt 2005: 127). Das liegt darin begründet, dass diese Einrichtungen aus der Privatinitiative von Bürgerinnen und Bürgern entstanden sind. Dies ist auch der Fall bei den Soziokulturellen Zentren, die meistens in der 73 Das „Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project“ wurde in zwei Projektphasen durchgeführt. In der ersten Projektphase (1990-1995) wurde die ökonomische Struktur des Dritten Sektors in sieben Industrie- und fünf Entwicklungsländern erfasst (darunter auch Deutschland). In der zweiten Phase wurde dann die Anzahl der untersuchten Länder auf mehr als 20 erweitert. Die postalische Befragung „Gemeinnützige Organisationen im gesellschaftlichen Wandel“ war im Jahr 1998 Teil der deutschen Teilstudie der zweiten Projektphase. Unter den 8400 an alle Bereiche des Nonprofit-Sektors verschickten Fragebögen richteten sich 552 an den Bereich Kultur. Mit 223 ausgefüllten sowie verwertbaren Fragebögen werden 40% der befragten Organisationen in den Ergebnissen berücksichtigt. Im Kulturbereich war die Rücklaufquote damit vergleichsweise hoch (s. hierzu Priller /Zimmer 2000: 310; Zimmer 2000: 75ff.; Zimmer /Priller 2004). 74 Zum Bereich „Kultur und Erholung“ werden neben den Organisationen des Kulturbereichs gemäß der Klassifikation auch die des Freizeit- und Sportbereichs gezählt.
122
Rechtsform des Vereins geführt werden. Fast alle Einrichtungen der freien Kulturszene, wie z.B. Chöre, Theater, Tanzgruppen, Künstlervereinigungen oder Musikkapellen, sind als e.V. organisiert. Die zahlreichen Vereine vor Ort mit ihren heterogenen Betätigungsfeldern übernehmen also wichtige Funktionen für den lokalen Kulturbereich in der Finanzierung sowie Trägerschaft von Kultur. Sie werden nicht nur durch die Kommune gefördert, wie die oben dargestellten Daten aufzeigen, sondern unterstützen auf der anderen Seite auch staatliche und kommunale Institutionen durch ihre Kulturfinanzierung und durch die von ihnen investierte Zeit (s.a. Zimmermann 2001: 171f.). Ihre Bedeutung geht damit auch über eine rein wirtschaftliche weit hinaus. Die Ergebnisse des aktuellen Freiwilligensurveys heben hervor, dass Vereine den Ort darstellen, an dem sich die meisten Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich engagieren (Gensicke, Picot et al. 2005). So wurde der Kulturbereich, nach den Bereichen Sport und Bewegung sowie Freizeit und Geselligkeit, im Zuge der Befragung am dritthäufigsten als Aktivitätsbereich genannt. Bürgerschaftliches Engagement hat des Weiteren in den letzten Jahren insgesamt sowie im Bereich Kultur zugenommen. Der Kulturbereich ist besonders typisch für stabile Strukturen des Engagements im organisatorischen (Regelmäßigkeit) sowie zeitlichen (Häufigkeit) Sinne. Die besondere Bedeutung, die Vereine in der Kultur als Hauptorte bürgerschaftlichen Engagements haben, ist auf ihre akteurbezogenen Ressourcen und deren Implikationen zurückzuführen, die auch und gerade in Kooperationen zum Ausdruck kommen (s. hier zu Kapitel 3). 2.6 Jenseits der Idealtypen: Veränderungsprozesse in der politischen Diskussion In der kulturbetrieblichen Realität sind zwischen den drei Idealtypen häufig keine klaren Grenzen zu ziehen. Verschiedenste Formen der Zusammenarbeit existieren. Die Grenzen werden zunehmend fließend. Die in Teil 1 dieser Arbeit skizzierte politik- und verwaltungswissenschaftliche Diskussion weist auf Veränderungsprozesse auch im Bereich der Kulturfinanzierung hin. Interpretiert werden die Veränderungen vor dem Hintergrund der „Neujustierung des Verhältnisses von staatlicher beziehungsweise kommunaler Politik, gesellschaftlicher Selbstverantwortung und marktwirtschaftlicher Mechanismen“ (Gottschald 2006: 196). Dies birgt Herausforderungen für die Steuerung politischer und gesellschaftlicher Gegebenheiten sowie für den Einbezug partizipativer Elemente (Schwalb /Walk 2007a). So kann davon ausgegangen werden, dass Verflechtungen auf allen Ebenen und zwischen allen drei Bereichen vorhanden sind und dass kulturpolitische Entscheidungen von verschiedenen Interessenslagen in sich zunehmend ausdifferenzierenden Akteursstrukturen geprägt sind. Gerade auf der Ebene der Kommunen stehen die Veränderungen im Kulturbereich mit weiterführenden gesellschaftlichen Tendenzen und Trends in Verbindung: Stadtkultur im weiteren Sinn wird im Kontext der Globalisierung, des ökonomischen Strukturwandels, des demographischen Wandels sowie der finanziellen und politischen „Erosion der Kommunalpolitik“ analysiert; für die Kultur in der Stadt bleiben diese Entwicklungstrends wiederum nicht ohne Folgen und bieten Chancen und Risiken (Siebel 2006: 29ff.). Auch ein Wandel hin zu einer „Flexibilisierung der Ordnungskriterien“ wird konstatiert (Heinrichs 2006: 24). Die zentralen Kriterien der „Gewinnorientierung“ und der „Gemeinnützigkeit“ können nicht mehr klar zugeordnet werden. Dies gilt nicht nur für das Kultursystem und die drei idealtypischen Kulturbetriebe, sondern auch für die sich aus diesen ergebenden Kulturförderstrukturen. Insbesondere in der Gegenüberstellung des öf123
fentlichen und gemeinnützigen Förderbetriebs auf der einen mit dem privat-kommerziellen Bereich auf der anderen Seite wird dies offensichtlich. So tritt der öffentlich-rechtliche Kulturförderbetrieb traditionell als Träger und Finanzierer kultureller Einrichtungen und Projekte auf. Hier erfolgt eine administrative Einbettung auf den drei föderalen Ebenen des Bundes, der Länder und der Kommunen. Aufgaben werden in der „vertikalen Staatsschichtung (Föderalstruktur)“ sowie in der „horizontalen Segmentierung von Ministerien und Verwaltungen (Ressortstruktur)“ verteilt (Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags 2003: 31). Inzwischen sind hier zunehmend auch private Rechtsformen zu finden, beispielsweise im Fall der Auslagerungen öffentlicher Einrichtungen in GmbHs. Mit ihren traditionellen Formen der Zusammenarbeit mit der Kommune, aber auch mit sich in den letzten Jahren entwickelnden institutionalisierten Kooperationen mit zusätzlichen privaten Akteuren einschließlich der lokalen Wirtschaft unterhalten Kulturvereine vor Ort vielfältige Beziehungen. Von staatlichen einschließlich kommunalen Akteuren wird die Übernahme einer aktivierenden, moderierenden und steuernden Rolle erwartet. Gesellschaftliche Akteure erhalten dadurch eine größere Bedeutung. Ehrenamtliches Engagement, das eine wichtige personelle Ressource des gemeinnützigen Kulturförderbetriebs darstellt, wird verstärkt in kulturelle Aktivitäten in allen drei Bereichen mit eingebunden. In gemeinnützigen Organisationen sowie im öffentlichen Bereich finden betriebswirtschaftliche Verfahren, Marketingansätze und das Kulturmanagement Einzug. Ein Beispiel der Veränderung des privatrechtlich-kommerziellen Kulturförderbetriebs liegt im Bereich der Vergabe von Preisen oder Stipendien. Wurden früher die Gelder an die öffentliche Hand oder gemeinnützige Organisationen weitergegeben, werden nun Preise und Stipendien durch die Unternehmen selbst auf direktem Weg vergeben. Auch in vormals öffentlich-rechtlichen Betätigungsfeldern ist inzwischen die private Konkurrenz zugegen, beispielsweise im Bereich der Musicals, die früher ausschließlich im öffentlich-rechtlichen Theaterbereich vorzufinden waren und seit den 1990er Jahren auch durch kommerzielle Anbieter produziert werden (Gottschald 2006: 196f.; Heinrichs 2006: 24f.). Im Kulturbereich Deutschlands ist die Nähe zum Staat und die etatistische Tradition – etwa im Vergleich zu den USA mit dem dort vorherrschenden großen Umfang und der großen Bedeutung des Dritten Sektors – jedoch immer noch inhärent. So geht das Statistische Bundesamt in seinem Kulturfinanzbericht 2006 davon aus, dass der größte Bereich der Finanzierung von Kultur in Deutschland dezentral, also auf der lokalen Ebene, und öffentlich erfolgt: Geschätzte 90% der Geldausgaben für die Kultur resultieren demnach aus öffentlichen Geldern, während weniger als 10% des Budgets von privater Seite investiert werden75. Diese statistische Berechnung der privaten Finanzierung schließt allerdings nicht die Investitionen der Kulturwirtschaft ein, die wie oben beschrieben ein großes ökonomisches Potential hat (s.a. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags 2006). Auch das im vorherigen Kapitel skizzierte zeitliche Arbeitsaufkommen durch freiwillige MitarbeiterInnen und ehrenamtliche Engagierte fließt in diese Daten nicht mit ein. Kooperationsmodelle sind in ihrer Bedeutung für die Kulturfinanzierung mit statistischen Daten bislang nicht erfassbar. Allerdings lassen sich durch den Blick in die empirische Praxis der kooperativen Arrangements Aussagen zu deren Entwicklung sowie zu gegenwärtigen Arten der Finanzierungs- und Trägerschaftsmodelle im Kulturbereich treffen.
75
Der Grund für die Schätzung liegt in der Schwierigkeit, in dem föderalistischen System Daten zu sammeln und den Cash Flow zu kalkulieren. Auch die statistische Erhebung der privaten Investitionen ist durch ihre Vielfalt sehr schwierig (Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags 2006).
124
2.7 Zwischenbilanz Im föderalistischen System teilen sich Bund, Länder und Gemeinden die Aufgabe der öffentlichen Kulturförderung. Letztlich ist Kultur in Deutschland in doppelter Hinsicht wesentlich kommunal geprägt: Zum einen findet das Kulturleben auf lokaler Ebene statt, zum anderen ist die Kommune die Institution, die das öffentliche Kulturangebot organisiert und fördert. Hier wirken sich kulturpolitische Entscheidungen unmittelbar aus. Dem Schutz der kulturellen Schaffens- und Wirkungsprozesse durch das Grundgesetz und das Landesverfassungsrecht kommt dabei eine große Bedeutung zu (s.a. Scheytt 2005). Die Ausprägung und der Umfang der Realisierung grundsätzlicher Pflichten, wie sie in den Länderverfassungen festgelegt sind, obliegen dem jeweiligen Hoheitsträger. Für Deutschland zeigen aktuelle Daten zur Kulturfinanzierung, dass die öffentliche Hand Hauptträger der Kulturfinanzierung ist. Dies hat seine Ursache in der historisch-traditionellen Begründung der Kulturförderung in Deutschland. Bund und Länder folgen dem traditionellen Verständnis Deutschlands als Kulturstaat (s.a. Scheytt 2005: 24f.). Vollzieht man die historische Entwicklung des Kulturbetriebs und der Kulturfinanzierung nach, wird jedoch offensichtlich, dass nicht nur der öffentliche Bereich traditionell als Kulturfinanzierer auftritt. Im Engagement privater Akteure liegt eine gängige Form der Kulturförderung. Die mäzenatische Förderung der Künste kann bis in die Antike zurückverfolgt werden. Ein klassisches privates Kulturfinanzierungsinstrument in institutionalisierter Form stellt die Stiftung dar. Vereine nehmen insbesondere seit dem 19. Jahrhundert eine bedeutende Rolle ein. Des Weiteren gerät die private Kulturförderung durch Unternehmen gerade in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten verstärkt ins öffentliche Bewusstsein. Unabhängig vom staatlichen und marktlichen gibt es auch ein Kunst- und Kulturengagement des sogenannten Dritten Sektors. Gemeinnützige private Organisationen des Dritten Sektors stellen einen bedeutsamen Anteil der Kulturförderung und –produktion. Das ehrenamtliche Engagement ist für den Kulturbetrieb unabdingbar und stellt eine wichtige Ressource dar. Private und öffentliche Förderformen sind allerdings in der politischen Realität in den Städten und Gemeinden nicht strikt voneinander getrennt; es existieren Finanzierungsmischformen. Kooperationen privater mit öffentlichen Akteuren, zum Beispiel von Vereinen mit Kommunen, sind bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu beobachten und stellen als solche kein neues Phänomen dar. Strategien der Akquise von Geldern für künstlerische Projekte und Kulturinstitutionen sowie Formen der privaten Finanzierung von Kultur, auch als Teil von Kooperationen, wurden allerdings sukzessive erweitert und verfeinert. Heute wird ein bedeutender Anteil des Kulturbetriebs durch den privaten Bereich gefördert und produziert. So erfährt die Kulturwirtschaft aktuell einen erneuten Bedeutungszuwachs. Sie stellt eine eigene Wirtschaftsbranche mit beträchtlichem ökonomischem Potential dar. Viele der Güter und Dienstleistungen der Kulturwirtschaft sind von jeher am Markt produziert und bereitgestellt worden. Die Entwicklung, vormals kommunale Dienstleistungen nun verstärkt privat zu erbringen, wird hingegen vor dem Hintergrund der traditionell starken öffentlichen Verantwortung für die Kultur gerade im Kulturbereich kontrovers diskutiert. Sie ist im Zusammenhang mit weiteren Veränderungen zu analysieren, die maßgeblich mit der großen Verantwortung und Ausgabenlast der Gemeinden für die Kulturfinanzierung in Verbindung stehen. So wurden neben der Möglichkeit der Umwandlung in Eigenbetriebe in den Gemeinden die Handlungsspielräume der Kultureinrichtungen mit der Einführung neuer Steuerungsmodelle
125
erweitert76. Eine Folge neuer Steuerungsmodelle für den Kulturbereich liegt darin, dass Kultureinrichtungen eine größere Verantwortung und gleichzeitig mehr Gestaltungsmöglichkeiten in ihrem eigenen wirtschaftlichen Handeln erhalten. Zudem sehen sich die Akteure mit sich wandelnden Rollen und Positionen konfrontiert. Akteurskonstellationen differenzieren sich weiter aus. Wie sich vor dem Hintergrund der hier systematisierten strukturellen Rahmenbedingungen und im Zusammenhang mit den beschriebenen Entwicklungstendenzen in der Kulturfinanzierung der Status quo kooperativer Arrangements generell und derjenige der Public Privat Partnerhips auf lokaler Ebene im Speziellen empirisch darstellt, wird Inhalt der folgenden Kapitel sein.
76 So können beispielsweise inzwischen Haushaltsmittel in das Folgejahr übertragen werden, Haushaltstitel sind gegenseitig deckungsfähig und auch die Deckungsfähigkeit von Personal- und Sachmitteln wird erprobt (Zimmermann 2000).
126
3. Empirische Analyse: PPPs in der lokalen Kulturfinanzierung In Kapitel 1 des zweiten Teils (Untersuchungsdesign und Methodologie) wurde bereits die Auswahl der lokalen Ebene, des Politikfeldes sowie der kooperativen Arrangements begründet. Die zentralen Hintergründe der ausgewählten lokalen Ebene wurden dargestellt und, aufbauend auf den Überlegungen zum Forschungsdesign, wurden im darauf folgenden Kapitel die Rahmenbedingungen der Kulturfinanzierung auf lokaler Ebene erarbeitet. Die PPPs, die im Zentrum der Fallstudie stehen, wurden in Teil II, Kap. 1 vorgestellt, ohne dabei jedoch ins Detail zu gehen. Nachfolgend wird nun näher auf den Status quo der drei PPPs in der Zeit der Datenerhebung77 eingegangen. Zu diesem Zweck werden die Ergebnisse der Presse- und Dokumentenanalyse zusammengefasst, die das Ziel verfolgt, die organisationalen, akteursbezogenen, wirtschaftlichen und politischen Eckpunkte der Projekte zu spezifizieren, Hintergründe offenzulegen und aufzuzeigen, wie Entwicklungslinien, Positionen der Akteure und die Konzepte der Projekte in der öffentlichen Darstellung vermittelt wurden. 3.1 Öffentliche Debatte und Diskurs: Entwicklungslinien und Fallhintergründe Die Ergebnisse basieren auf der Durchsicht und systematischen Auswertung diverser Materialien: Die Presse- und Dokumentenanalyse bezieht Veröffentlichungen aus einem Zeitraum von 5 Jahren, von 2001 bis 2005, ein. Neben Beiträgen der beiden zentralen lokalen Presseorgane werden redaktionelle Beiträge der überregionalen Presse, Geschäftsberichte, Studien, Materialien und Dokumentationen zu den Projekten und Institutionen sowie Publikationen der jeweiligen beteiligten Einrichtungen in der Auswertung berücksichtigt. Zu den ausgewerteten öffentlichen Dokumenten zählen Grundlagenpapiere der Parteien, Stellungnahmen, Ratsanträge, Beschlussvorlagen und Dokumente über Beschlüsse im Rat der Stadt, Dokumentationen, Haushaltspläne, Geschäfts- und Jahresberichte ausgewählter Ämter der Stadt (Kulturamt, Stadtplanungsamt, Stadtmarketing). Über die Internetauftritte der kollektiven und korporativen Akteure wurden Informationen zu organisationsinternen Strukturen bezogen und Ansprechpartner für die Interviews identifiziert. Falls vorhanden, wurden hier außerdem Vorinformationen zur Position des jeweiligen Akteurs im Hinblick auf das zu untersuchende Fallbeispiel gesammelt, der Organisationsaufbau und aktuelle Themen nachvollzogen. Veröffentlichungen, die nicht in den engeren 5-Jahres-Zeitraum der Fallstudie fallen, wurden nicht systematisch gesammelt und ausgewertet, bei Bedarf und zur weiteren Information allerdings berücksichtigt78. Dies gilt insbesondere für den Fall der PPP Musikhalle, deren Entwicklung bis Ende der 1980er Jahre zurückverfolgt wird. Des Weiteren sind dies-
77
Zum Zeitraum der Datenerhebung: Der Gesamtzeitraum der Datenerhebung – einschließlich der Vorstudie – betrug rund ein Jahr. Nach der dreimonatigen Vorstudie mit Presse- und Dokumentenanalyse wurden die Fragebögen entwickelt und zunächst drei Pretests durchgeführt, am 4., 9. und 11. März 2005. Nach Überarbeitungen der Leitfragen, der standardisierten Fragebögen und der Liste der zu befragenden Akteure wurden ab dem 1. April bis zum 1. Dezember 2005 Expertengespräche und Interviews durchgeführt. Die Interviewphase dauerte insgesamt 8 Monate. 78 Dokumente, Informationsmaterialien, Pressemitteilungen und weitere Veröffentlichungen, deren Publikationszeitraum außerhalb des enger gesetzten zeitlichen Rahmens der Fallstudie zwischen 1989 und 2000 sowie zwischen Februar 2007 und Dezember 2008 liegt, werden nicht in die systematische Auswertung einbezogen. Allerdings werden die relevanten Entwicklungen und Hintergründe durch ausgewählte Publikationen berücksichtigt.
127 L. Schwalb, Kreative Governance?, DOI 10.1007/978-3-531-92851-7_8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
bezüglich Entscheidungs- und Entwicklungsprozesse bis Ende 2007/ Anfang 2008 von Relevanz. 3.1.1 „Musikhalle“ In Münster wird ab Ende der 1980er Jahre öffentlich über ein Groß-Kulturprojekt verhandelt, hinter dem die Idee steckt, es in Kooperation öffentlicher mit privaten Partnern zu planen und zu realisieren: Ein neues Konzerthaus soll gebaut werden. Letztlich geht es bei der Planung des Konzerthauses nicht um eine völlig neue Institution für die Stadt, sondern vielmehr um eine Wiedererrichtung. Eine Stadthalle bietet bis zu ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg Raum für Konzerte und gesellschaftliche Ereignisse. Seither, so bemängeln Befürworter des Kulturprojektes, existiere kein angemessener Ort mehr in Münster, der der Größe der Stadt und ihrer Musikszene gerecht werde. In den folgenden zwei Jahrzehnten durchläuft das Projekt diverse Phasen und Entwicklungsschritte, die im Folgenden, auf der Grundlage einer laufenden Presse- und Dokumentenbeobachtung nachvollzogen werden sollen (1.1.1). Es stellt sich die Frage, wie die Entwicklungsgeschichte in der öffentlichen Darstellung beschrieben wird. Ein zweiter Abschnitt widmet sich dem in der Presse und in Dokumenten dargestellten PPP-Konzept im Analysezeitraum (1.1.2). Die Presse- und Dokumentenanalyse ermöglicht im darauf folgenden Abschnitt, den Stand der Dinge im Untersuchungszeitraum zu rezipieren und zusammenzufassen, eine erste Identifikation der potentiell relevanten Akteure vorzunehmen, die sich im Zeitraum der Fallstudie für oder gegen die Entwicklung des PPP-Projektes einsetzen, und festzustellen, welche Positionen und Interessen den Akteuren in der öffentlichen Darstellung zugeschrieben werden (1.1.3). Interessant ist der Fall aus der Perspektive auf einen langen, komplizierten und letztlich scheiternden Versuch der politischen Steuerung, Koordinierung und Regelung: Der rund 20jährigen Initiierungs- und Planungsphase wird im Jahr 2008 durch einen Bürgerentscheid ein Ende gesetzt. 3.1.1.1 Hintergrund und Entwicklungslinien In der öffentlichen Darstellung wird der Zeitpunkt des Beginns der Entwicklungsgeschichte auf die späten 1980er Jahre datiert und auf das Engagement einzelner Bürger zurückgeführt, die sich bereits früh organisieren. Um einen konkreten Planungsprozess für die „Musikhalle Münster“ zu initiieren, wird 1989 der „Verein Musikhalle“ gegründet. Seine Mitglieder setzen sich über Jahre hinweg aktiv für die Realisierung des Projektes ein. Sie sind es auch, die gegenüber dem Rat der Stadt den Bau eines Konzerthauses anregen. Im Jahr 1993 ruft die Stadt Münster einen Ideenwettbewerb aus, im Rahmen dessen städtebauliche Vorschläge für die Neugestaltung eines großen, zentral in der Stadt gelegenen Platzes, des Hindenburgplatzes, gemacht und dabei auch der mögliche Bau einer Musikhalle berücksichtigt werden soll. Ein Teilbereich des Platzes, der sich vor einer barocken Schlossanlage mit Sitz der Universitätsverwaltung befindet, der sogenannte „südliche Schlossplatz“, wird diskutiert als ein möglicherweise in Betracht kommender Standort für ein Konzerthaus. Der Stadtrat setzt sich im Jahr 1997 erstmals ausschließlich mit der Thematik Musikhalle auseinander, ohne diese als untergeordnetes Thema, beispielsweise der Gestaltung von innerstädtischen Plätzen, zu diskutieren. An den Ideenwettbewerb anschließend, beschließt der Rat, die Verwaltung damit zu beauftragen, eine Reihe von grundlegenden Fragen zu klären, um eine Entscheidung für oder gegen den Bau einer Musikhalle und damit die Projektrealisierung treffen zu können (vgl. die Beschlussvorlage an den Rat: Stadt Münster 1997). Ein 128
Gutachten mit dem Titel „Realisierungschancen einer Musikhalle in Münster“, das die Stadtverwaltung von Münster im Jahr 1998 daraufhin in Auftrag gibt, beinhaltet eine Machbarkeitsstudie zur geplanten Musikhalle. Unterschiede im Status quo bereits realisierter Konzerthäuser im Bundesgebiet werden analysiert, um einen Vorschlag für ein bestmögliches Konzept unterbreiten zu können. Dargestellt wird, unter welchen Bedingungen der Nutzung, der Finanzierung, der Standortbedingungen, der Trägerschaft sowie weiterer Interdependenzen die Stadt Münster zu einer Leitentscheidung gelangen könnte (Stadt Münster – Arbeitsgruppe Musikhalle 1998). Im Folgejahr wird das ursprünglich von Bürgern angeregte Projekt Teil intensiverer städtischer Planungen. Vor dem Hintergrund einer ersten Konzeptentwicklung gewinnt das Projekt schließlich zur Jahrtausendwende zunehmend an Dynamik. Die „Schaffung vorbereitender Rahmenbedingungen für einen Realisierungswettbewerb der Musikhalle Münster“ wird per Ratsbeschluss im März 2000 entschieden (Stadt Münster – Der Oberbürgermeister 2000). Eine zukünftige Realisierung wird allerdings unter den Vorbehalt einer verantwortbaren Finanzierung gestellt. Die Bewegung, die nun in die Projektplanung kommt, wird in Presseberichten auch darauf zurückgeführt, dass die Landesregierung Nordrhein-Westfalens das Vorhaben aktiv unterstützt, allerdings in Form eines erweiterten Projektes, in Verbindung mit einem Museum (Stadt Münster – Presseinformationen 2000c). Nachdem dem Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalens, Wolfgang Clement, im Frühjahr 2000 das Versprechen abgenommen werden kann, der Stadt den erwähnten Hindenburgplatz kostenfrei zur Verfügung zu stellen sowie zusätzlich ein neues Museum für Gegenwartskunst zu fördern, ist die Idee des Gemeinschaftsprojekts mit dem Namen „Kulturforum Westfalen“ geboren. Angedacht wird, unter dem Dach des Kulturforums ein Museum für Gegenwartskunst, möglichst getragen durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), sowie eine städtisch erbaute und getragene Musikhalle als Projekt für die erweiterte Stadtregion zu realisieren (Stadt Münster – Presseinformationen 2000c). Für die Musikhalle wird in Zusammenarbeit mit Vertretern der lokalen Musikszene, lokalen Veranstaltungsexperten und der Verwaltung ein erstes Nutzungskonzept erarbeitet. Die Moderation und Begleitung des Workshops sowie die Ergebnisdokumentation übernimmt die Agentur Metrum/ Panthos (Metrum Managementberatung GmbH 2001). Danach sollen internationale Größen einen festen Bestandteil des Programms darstellen; genutzt werden soll die Musikhalle gleichwohl auch für Belange der lokalen Szene (Stadt Münster – Presseinformationen 2000a). Der Rat der Stadt beschließt bereits ein paar Monate später, das kombinierte Konzept mit Museum und Musikhalle weiter zu verfolgen. Seine Mitglieder einigen sich auch auf eine gemeinsame Präferenz für den Standort, eine Teilfläche des bereits anvisierten Grundstückes auf dem Hindenburgplatz. Die Nähe zu der barocken Schlossanlage mit Sitz der Universitätsverwaltung, die sich ebenfalls auf dem Platz befindet, wird als Vorteil betrachtet, zumal die Universität Interesse an einer Nutzung der Halle für Kongresse signalisiert (Stadt Münster – Arbeitsgruppe Musikhalle 1998). Das auf dem Nutzungskonzept aufbauende Raumprogramm beinhaltet im Kern die Konzeption für einen Bau auf dem südlichen Teil des Schlossplatzes mit einem Konzertsaal, der mit 1.600 Plätzen ausgestattet ist. In Betracht gezogen werden zudem variable Bausteine, wie beispielsweise ein weiterer, kleinerer Saal mit 400 Plätzen (Stadt Münster – Presseinformationen 2000b). Die öffentliche Berichterstattung über die Projektentwicklung im Jahr 2001 ist maßgeblich durch Gespräche zwischen der Stadtverwaltung und einem erweiterten Kreis von Projektbeteiligten sowie durch grundlegende Entscheidungen zu Fragen der Finanzierung, der privaten Förderung, der Trägerschaft und des Bauvorhabens geprägt. Verwaltung und 129
Rat der Stadt bearbeiten Fragen nach Investitionsbedarfen und Finanzierungsmodellen. Die Musikhalle soll in erster Linie „klassisch“, über Kommunalkredite, finanziert werden. Orientiert an der Schätzung eines Architekten-Büros im Rahmen eines Baumassen-Entwurfs wird von Investitionskosten mit einer Summe von rund 65 Millionen Mark für die Kernfunktionen der Musikhalle ausgegangen. Sowohl im Rahmen der Baukosten als auch der Betriebskosten wird von der Notwendigkeit einer Beteiligung Privater ausgegangen (Stadt Münster – Presseinformationen 2001b). 2001 können auch Fortschritte in der Mittelakquise verzeichnet werden. Mit einer offiziellen Zusage des „Vereins der Kaufmannschaft zu Münster von 1835“, eines Zusammenschlusses von Kaufleuten, ab Baubeginn die Realisierung der Musikhalle mit Baukosteninvestitionen über eine Millionen Mark finanziell zu unterstützen, beginnt das Jahr für die Projektplaner positiv (Stadt Münster – Presseinformationen 2001c). Auf der Grundlage von Mitteln desselben Vereins in Höhe von 100.000 Mark, die als Gründungskapital eingesetzt werden, wird eine gemeinnützige „Stiftung Musikhalle im Kulturforum Westfalen zu Münster“ gegründet (Stadt Münster – Presseinformationen 2001a). Der Verein Musikhalle wirbt des Weiteren – auch in Zusammenarbeit mit der Stadt – um die ideelle und finanzielle Unterstützung der Projektidee im Kreis der Bevölkerung (Stadt Münster – Presseinformationen 2001b, d). Im Austausch zwischen dem Land NRW, dem LWL, der Stadt Münster und der „Regionale 2004“, einer Projekt-GmbH des Landes NRW zur regionalen, kulturellen und touristischen Infrastrukturförderung, werden mögliche Trägerschaftmodelle verhandelt. Daraus ergibt sich auch das Vorhaben, einen Wettbewerb auszuloben (Stadt Münster – Presseinformationen 2001b). Dessen Initiierung und Durchführung beschließt der Rat der Stadt im Dezember 2001. Die Stiftung Westfalen-Initiative, deren Hauptzweck in der Beförderung der Region Westfalen liegt, stellt 100.000 Mark für das Wettbewerbsverfahren bereit (Jennen 2001; Stadt Münster – Presseinformationen 2001c). Noch vor Ende des Jahres wird die Verwaltung damit beauftragt, ein städtebauliches Moderationsverfahren in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern durchzuführen, das im März 2002 dann auch eine Mehrheit im Rat erhält und im Juni 2002 seinen Auftakt hat (Stadt Münster – Presseinformationen 2002a). Damit geht das Projekt von der Initiierungs- in die Planungsphase über. In integrierten Workshops wird unter Beteiligung von Akteuren aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung, Wissenschaft und der Bürgerschaft über das Bauvorhaben diskutiert. Der Auftrag über die Entwicklung und Durchführung des Planungsverfahrens wird an ein Stadtplanungsbüro vergeben, das im Februar 2003 Ergebnisse zur städtebaulichen Rahmenkonzeption präsentiert (scheuvens + wachten Dortmund 2003). Auch hinsichtlich des Baugrundes werden 2002 neue Informationen veröffentlicht: Resultate eines Baugrundgutachtens werden vorgelegt und der Landtag NRW beschließt, den Projektträgern das Baugrundstück kostenfrei zur Verfügung zu stellen (vgl. Stadt Münster 2008b). Im darauf folgenden Jahr findet der vorgesehene Realisierungswettbewerb statt. Erneut wird das Stadtplanungsbüro beauftragt, das bereits für das Moderationsverfahren zuständig war, um den Wettbewerb zu planen, zu betreuen und durchzuführen. Dieser wird durch einen Ratsbeschluss gestützt und von zwei Stiftungen finanziell gefördert. Das Museum für Gegenwartskunst ist seit 2003 ein Leitprojekt der durch den Minister für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport ins Leben gerufenen Landesinitiative „StadtBauKultur“ (Landesinitiative StadtBauKultur NRW 2003; Ministerium für Städtebau und Wohnen 2003b). An der Auslobung des Wettbewerbes ist deshalb neben der Stadt Münster, dem LWL und der „Regionale 2004 links und rechts der Ems“ auch das Ministerium für Städtebau, Wohnen, Kultur und Sport NRW beteiligt (Schürkamp 2004). 130
Es handelt sich um einen europaweit ausgeschriebenen, offenen Hochbauwettbewerb, welcher international Aufmerksamkeit auf sich zieht. Aus den Konzepten der 197 Architekturbüros, die sich beteiligen, werden im Dezember 2003 fünf mögliche Konzepte ausgewählt. Die Stadt sieht eine zweite Stufe des Wettbewerbs vor, in der die Preisträger ihre Vorschläge optimieren sollen, damit eine endgültige Auswahl erfolgen kann (scheuvens + wachten Dortmund 2004). Die 12 besten Entwürfe des Architekturwettbewerbes werden öffentlich ausgestellt. Im Rahmen einer bestehenden, innerhalb Münsters und bis in die Region wandernden Wechselausstellung zum Kulturforum Westfalen soll den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geboten werden, sich über die aktuellen Entwicklungen zu informieren und intensiv mit dem Projekt auseinanderzusetzen – neben einer Broschüre, dem Internetauftritt des Kulturforums sowie einer im Jahr 2004 veröffentlichten CD-ROM – eine Möglichkeit, sich durch die Stadt, den LWL und die Regionale 2004 über den Projektfortgang und die Rahmenbedingungen auf den neuesten Stand bringen zu lassen (Stadt Münster – Presseinformationen 2002b, 2003, 2004a). Geplant ist, dass die Stadt im April 2004 bekannt gibt, wann die zweite Stufe des Realisierungswettbewerbes stattfinden soll. Zu der geplanten, zweiten Stufe des Wettbewerbes kommt es allerdings weder im Jahr 2004 noch in den darauf folgenden Jahren. Das Jahr 2004 ist derweil durch mehrere Entwicklungen geprägt, die die Planung des Großprojektes stark beeinflussen. Im März werden Vorbehalte des LWL gegenüber dem Kulturforum deutlicher. Der Landesdirektor und der LWL Kulturdirektor veröffentlichen ihre Pläne, das ursprünglich geplante Museum auf dem Hindenburgplatz auf eine Kunsthalle mit kleinerer Ausstellungsfläche und geringeren Baukosten zu reduzieren. Finanziell in größerem Umfang unterstützt werden soll stattdessen ein Neubau des bestehenden Landesmuseums und dessen Sanierung. Ein Kompromiss wird geschlossen, der hinsichtlich des Kulturforums eine Reduktion der vorgesehenen Zuschüsse von Seiten des LWL um die Hälfte der Summe bedeutet (Schemann 2004a). Das erste Quartal des Jahres 2004 ist außerdem durch eine Kampagne geprägt, die breite Kreise der Kulturszene und der Bürgerschaft aktiv involviert: Eine regelrechte Bürgerbewegung, initiiert durch einen städtischen Projektleiter und dessen Team, setzt weite Teile der verschiedenen städtischen Kulturszenen und der Bevölkerung in Bewegung, um in der Bewerbung um den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt für das Jahr 2010 eine Runde weiter zu gelangen. Initiativen gründen sich und es werden gemeinsame Pläne für Kulturprojekte geschmiedet, die nach erfolgreicher Wahl im Kulturhauptstadtjahr 2010 in Münster realisiert werden sollen (Schemann 2004d). Die Bewerbung ist zugleich eine Imagekampagne, die zeigen soll, dass Münster „mehr als nur Provinz“ ist (Brönstrup 2004). In der Kampagne wird das Kulturforum als ein wichtiges Prestigeprojekt hervorgehoben: Bis zum Jahr 2010 soll es fertig gestellt sein und – als Leuchtturm für die gesamte Region – der Musikszene der Stadt Münster zu europäischer Aufmerksamkeit verhelfen. Der Oberbürgermeister geht von einer Beschleunigung der Projektplanung für das Kulturforum aus: Sollte die Stadt den Titel gewinnen, könnte in diesem Fall die Finanzierbarkeit durch öffentliche Mittel schneller geklärt werden (Schemann 2004b). Am Tag des Besuches der Jury für die Entscheidungsfindung auf Landesebene im Mai 2004 finden sich tausende von Menschen im Zentrum Münsters ein, um sich zu der Kampagne zu bekennen (Schemann 2004d). Doch Essen wird für das Land NRW in den Wettbewerb um den Titel geschickt – und Münster erfährt eine Niederlage. Konsequenzen aus dieser Entwicklung für das Projekt Musikhalle sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht direkt absehbar. Zwei Monate später wird die Stimmung in der Stadt als mutlos und zaghaft bezeichnet, die Aufbruch131
stimmung zu Beginn des Jahres sei regelrecht abgebröckelt. Stillstand und eine ungewisse Zukunft werden befürchtet (O. V. 2004a). Insbesondere vor dem Hintergrund städtischer Sparmaßnahmen wird in den Jahren 2004 und 2005 intensiv über die Durchführbarkeit des Musikhallen-Projektes sowie über weitere Details der möglichen Finanzierung diskutiert. So kommt es auch in der Kommunalpolitik im Laufe des Wahljahres zu weiteren grundlegenden Disputen hinsichtlich des geplanten Kulturforums. Im Juli spricht sich nach den Grünen nun auch die FDP im Rat der Stadt gegen das Projekt aus. Nach dem Verlust der absoluten Mehrheit der CDU bei der Kommunalwahl im September 2004 einigt sich die CDU im Koalitionsvertrag mit der FDP auf ein enger geschnürtes Musikhallen-Finanzierungspaket, als es zuvor angedacht war. Für eine Realisierung der Musikhalle lautet die Bedingung der FDP im Rahmen der Koalitionsverhandlungen, dass diese im Wesentlichen durch private Mittel gebaut und betrieben wird (WN 2004a). So werden im politisch-administrativen Bereich der Stadt Münster in den Jahren 2004/ 2005 Grundsatzentscheidungen gefällt: Die Stadt sagt zu, einen Konzertsaal mit 40% der Baukosten, maximal jedoch mit 12 Millionen Euro, zu unterstützen. Zusätzlich sollen 50 Anmietungen übernommen werden. Der Ratsbeschluss beinhaltet die Bedingung, dass die restlichen benötigten Mittel privat eingebracht werden. Auch Bauherrin will die Stadt nicht mehr sein (O. V. 2005a). Vor neue Tatsachen gestellt, erklären sich Verein und Stiftung Musikhalle bereit, sich dafür einzusetzen, dass Mittel in Höhe von 18 Millionen Euro mobilisiert werden. In den folgenden Jahren werden die beiden Akteure in der Sponsorenansprache und -akquise, dem Spendensammeln sowie in Werbemaßnahmen aktiv (Jennen 2005; O. V. 2005a; Schemann 2005b). In Zusammenarbeit mit der „Stiftung Musikhalle“ und im Dialog mit Politik und Verwaltung plant der Verein, ein Gesamtkonzept zu erarbeiten, das potentielle Geldgeber überzeugt. Die Stiftung positioniert sich mit der Wahl neuer Vorsitzender des Stiftungsrates neu, die „dem Wirtschaftslager“ zuzuordnen sind, und erweitert ihr Kuratorium um Vertreter der Wirtschaft, um für ihr Ziel der Bündelung privaten Engagements und des Fundraisings gut aufgestellt zu sein (s. O. V. 2005b; WN 2005b). Mit einem Ratsantrag reagiert die SPD auf den CDU/FDP-Koalitionsvertrag. Sie plädiert für ein partnerschaftliches Verhältnis. Ein 1:1 Modell bei der Baufinanzierung und eine kooperative Betriebsführung von privaten mit öffentlichen Partnern soll angestrebt werden (SPD-Fraktion im Rat der Stadt Münster 2005; Spitzer 2005). Zu Beginn des Jahres 2005 werden die die Landes-Zusagen bekräftigt (WN 2005c). Im weiteren Verlauf erfährt die Projektplanung auch durch die neue Landesregierung um Ministerpräsident Jürgen Rüttgers Unterstützung. NRW-Bau- und Verkehrsminister Oliver Wittke zeigt sich bei einem Besuch „fasziniert von der Idee des Kulturforums Westfalen“ (s. SCL 2005). Gespräche zwischen der Landesregierung, der Stadt und dem LWL sollen die Umsetzung der Pläne vorantreiben. Zum Jahresende 2005 eröffnet sich eine neue Dimension in der öffentlichen Debatte um das Kulturforum. Die Stadtkämmerei legt einen nicht ausgeglichenen Haushalt vor. Ein Konsolidierungskurs wird angekündigt. Die Diskussion um mögliche Sparmaßnahmen betrifft zahlreiche öffentlichen Leistungen diverser Bereiche – vom Kultur- und Bildungsbereich (z.B. Zuschüsse für gemeinnützige Kultureinrichtungen, Zuschüsse bei Schülerfahrtkosten, pädagogische Ausstattungen, Stadtbibliothek) über den Sozial- und Sportbereich (z.B. Schließung von Schwimmbädern) bis hin zu städtischem Eigentum und Verwaltung (z.B. Personal-, Gebäude-, Flächenbestand). Zu drei Großprojekten, die im Zuge dessen zur Diskussion gestellt werden, zählt auch das Kulturforum. So gelangt die Musikhalle unter der Überschrift der Haushaltsberatungen und hier gerade auch vor dem Hintergrund 132
der Kürzungen im Kultursektor erneut auf die kritische politische Agenda. Für das Jahr 2006 werden grundlegende Entscheidungen angekündigt (Schemann 2005a). In 2006 wird von Seiten der CDU im Stadtrat auch eine mögliche Schließung der Sparte Tanztheater des Dreispartenhauses in die Diskussion eingebracht. Dahingegen spricht sich die SPD gegen eine Spartenschließung aus und sucht nach Alternativen. Angeschlossen wird in diesem 50. Jubiläumsjahr der Städtischen Bühnen an eine Diskussion zu Sparmaßnahmen im Theater, die bereits im Jahr 2003 geführt wurden79. Auch Institutionen der alternativen Szene sehen sich mit drastischen Kürzungen ihrer Zuschüsse konfrontiert80. Mehrere Leiter städtischer Kultureinrichtungen kündigen an, ihre Verträge aus privaten Gründen nicht verlängern zu wollen. Die Stimmung im Kulturbereich ist schlecht (Hinse 2006; Speckmann 2006). Das Jahr beginnt allerdings mit positiven Neuigkeiten und konkreten Modellen zur Musikhalle. Der Verein Musikhalle legt einen Entwurf zum Bau und Betrieb des Konzerthauses vor. Alle Ratsmitglieder werden durch eine Broschüre über die Neuigkeiten informiert: Eine durch das Land NRW ausgegliederte GmbH meldet Interesse an, die Halle als Investorin zu errichten. Gleichzeitig Eigentümer des Grundstückes, stünden dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb Münster dann als Bauherr die Baukosten von Stadt und privaten Sponsoren zur Verfügung. Das Modell sieht vor, dass der Investor das Konzerthaus nach der Errichtung an eine Betreiber-GmbH vermietet, deren Gesellschafter entweder aus Unternehmen oder aus privaten und öffentlichen Partnern bestünden – etwa aus der Stadt und einer Stiftung. Um einen kostendeckenden Betrieb zu gewährleisten, wird eine reines „Vermietgeschäft“ ohne „risikoreiche Eigenveranstaltungen“ durch die GmbH angeregt. Bei einem Jahresumsatz von 620.000 Euro wären die operativen Kosten ausschließlich der Miete und damit ein kostendeckender Betrieb gewährleistet (Jennen 2006a). Die Stadt steht im Jahr 2006 trotz der angespannten Haushaltslage letztlich zu ihrem Beschluss, das Projekt mitzutragen. Dahingegen zieht sich der LWL nun vollständig aus der Beteiligung zurück, um stattdessen zugunsten einer Konzentration auf die Sanierung des bereits bestehenden Landesmuseums zu entscheiden. Die Sanierung des Landesmuseums steht nun bereits seit einiger Zeit zur Debatte und wird als notwendige Maßnahme für das Landesmuseum sowie preisgünstigere Alternative zum neuen Museum für Gegenwartskunst gehandelt (Jennen 2006b; Schemann 2006; Spitzer 2006). Scheint das Projekt Musikhalle zunächst wieder einmal vom Scheitern bedroht, fällt schließlich der Entschluss, die Realisierung der Musikhalle ohne das Teilprojekt des Museums weiter voranzutreiben. In Folge dieser Entscheidung kommt wieder Bewegung in die Projektplanung. Der Verein und die Stiftung Musikhalle verzeichnen im Zuge des Einwerbens privater Mittel nennenswerte Erfolge: Zu Beginn des Jahres 2007 berichtet der Verein über Spenden- und Sponsorenzusagen in einer Höhe von zehn Millionen Euro. Konkrete Anfragen gibt es auch bezüglich der angekoppelten Projekte eines Hotels und einer Tiefgarage. Überraschend gibt es eine Zusage von Seiten des Landes, weitere fünf Millionen Euro hinzuzugeben (Giese 2007). Das Jahr 2007 ist schließlich durch eine erstmals in der breiteren Öffentlichkeit stattfindende massive Diskussion über das Für und Wider einer Realisierung des Projektes geprägt. Daneben werden konkrete erarbeitete Konzepte veröffentlicht. Bau- und Betriebsplanung nehmen Kontur an. So präsentiert etwa ein Architekturbüro im Oktober die Ergebnisse einer durch den Verein Musikhalle in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie 79
Zur Theater-Spardebatte im Jahr 2003 s. (Loy 2003c, a, b) S. zum Beispiel die Diskussion um das Medien- und Stadtteilzentrum „Bennohaus“ (SPD-Unterbezirk Münster 2006; Teuber 2006) 80
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(Architekturbüro Bock & Partner 2007). Die Studie unterstreicht die Realisierbarkeit des Baus einer „Musik- und Kongresshalle“ mit der avisierten Summe von 30 Millionen Euro. Unter anderem wird diese Baukostenstudie dem Rat der Stadt in der Vorlage zum Ratsentscheid vorgelegt, der für Oktober 2007 anberaumt ist (Stadt Münster 2008c). Im Zuge der Ratssitzung wird kontrovers diskutiert: Eine Mehrheit der Stimmen für eine Errichtung und öffentliche Mitfinanzierung der Musikhalle stammt aus dem Kreis von Vertretern der CDU, FDP und SPD, Gegenpositionen beziehen Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen/GAL sowie der Unabhängigen Wähler und der ÖDP. Nachdem der Rat der Stadt mit 55 zu 18 Stimmen bei einer Enthaltung (Stadt Münster 2008b) beschließt, nun konkrete Verhandlungen zum Bau einer Kultur- und Kongresshalle aufzunehmen, formiert sich im November 2007 eine Bürgerinitiative. Die Initiative „Keine städtische Finanzierung einer Kultur- und Kongresshalle (Musikhalle) auf dem Hindenburgplatz“ setzt sich zum Ziel, gegen den Bau der Musikhalle unter öffentlicher Finanzierung einzutreten und dafür in der Öffentlichkeit zu informieren und Unterschriften zu sammeln. Das Hauptargument liegt dabei in der Frage der Prioritätensetzung: Der Rat der Stadt könne sich nicht für eine Musikhalle aussprechen, nachdem er jüngst Kürzungen bei Musikschule, Volkshochschule, Stadtmuseum und Stadtbücherei beschlossen habe. Nun beginnen „wahre Schlachten“ und „hitzige Auseinandersetzungen“ zwischen Befürwortern und Gegnern (Fasel 2008), die überregionale Aufmerksamkeit erfahren (s. z.B. Artikel über das Pro & Contra in den Kulturpolitischen Mitteilungen: Anderbrügge 2007; Klas 2007). Derweil nehmen die Planungen der Musikhallen-Befürworter klare Konturen an. Basierend auf der Entscheidung des Rates, auf den Zusagen privater Spender und Investoren sowie auf den Ergebnissen des Architekturwettbewerbs, von Expertenworkshops, der Raumstudie, der Machbarkeitsstudie, eigenen Berechnungen und konzeptionellen Perspektiven wird eine Broschüre erstellt, die die im Raum stehenden offenen Fragen beantworten und die Positionen von Stiftung und Verein nochmals zusammen fassen soll (Verein und Stiftung Musikhalle 2007). Während die gegnerische Bürgerinitiative dem Oberbürgermeister der Stadt im Januar 2008 rund 24.400 Unterschriften übergibt, eröffnen die Musikhallenbefürworter ein Kampagnenbüro (Fasel 2008). Die Kampagnenleitung wird dem Kulturmanager übertragen, der bereits die Kulturhauptstadt-Kampagne aus den Jahren 2003/2004 leitete und dabei weite Teile der Stadtbevölkerung einschließlich der diversen Kulturszenen zu mobilisieren wusste. Abgelehnt vom Rat der Stadt Münster im Februar 2008 (Stadt Münster 2008c), erwirkt das Bürgerbegehren der Musikhallengegner, dass die Münsteraner Bevölkerung an der Entscheidung über den Bau direkt beteiligt wird. Im Rahmen eines Bürgerentscheides wird abgestimmt über die Frage: „Soll der Ratsbeschluss vom 24.10.2007 zur Finanzierung einer ‚Kultur- und Kongresshalle‘ aufgehoben werden und die Stadt Münster kein Geld für den Bau und Betrieb einer ‚Kultur- und Kongresshalle‘ auf dem Hindenburgplatz ausgeben?“ Die Stadt veröffentlicht im Vorfeld der Wahl eine Broschüre, in der die Bürgerinitiative, die Ratsfraktionen und der Oberbürgermeister über ihre Positionen informieren und in der der Ratsbeschluss dargelegt wird (Stadt Münster 2008a). Die Broschüre wird an alle Wahlberechtigten versandt. Die Entscheidung fällt im April 2008 mit einer Wahlbeteiligung von 45,06% der Stadtbevölkerung. 70,87% der Wählenden stimmen im Zuge des Bürgerentscheides mit „Ja“ – und dem entsprechend gegen eine finanzielle Beteiligung der Stadt Münster an dem Projekt. Das sogenannte Quorum ist damit überschritten: Mindestens 20% der Bürgerinnen und Bürger mussten zustimmen, um eine Mehrheit zu erreichen (Stadt Münster 2008b). Der 134
Bürgerentscheid hat die Wirkung eines Ratsentschlusses (§26 Abs. 8 Satz 1 GO NRW). In der Gemeindeordnung von NRW ist geregelt, dass Bürgerentscheide frühestens nach zwei Jahren abgeändert werden können. Alternativ bleibt die Möglichkeit der Initiierung eines neuen Bürgerentscheides (Innenministerium des Landes NRW 2008). Die Dynamik um das Projekt Musikhalle hat damit – zumindest für die darauf folgenden zwei Jahre – eine Zäsur erfahren: Im Jahr 2008 wird es still um das Projekt. Von Seiten der Befürworter wird eine rein private Realisierung des Baus und Betriebes vor dem Hintergrund des Bürgerentscheides ausgeschlossen (Loy 2008). Ob die Vorhaben zukünftig nochmals aufgenommen werden oder ob das Projekt endgültig beendet ist, bleibt offen. Über die Ereignisse in Münster wird auch in der bundesweiten Presse berichtet (s. z.B. Rossmann 2008a, b; Schilder 2008; Schulte im Walde 2008; Seewald 2008). Gefragt wird nach den Ursachen für das Wahlergebnis. Hier wird zum einen der Ausgang der Wahl als eine Reaktion auf die lokalpolitischen Mächtekonstellationen und deren Folgen, insbesondere in der Kommunalpolitik, interpretiert. Die Politik habe sich durch einen rigiden Sparkurs und eine diesen begleitende, falsche Argumentationsstrategie nicht eben vertrauenswürdig erwiesen. Es fehle ihr an Legitimität und Transparenz . Weitere Interpretationslinien führen die entschiedene Ablehnung des Projektes in der Bürgerschaft auf einen unsachgemäßen Aufbau einer Konkurrenz zwischen sozialen und kulturellen Förderzielen in der Debatte der Gegner zurück. Das Ausspielen von Sozialem gegen Kultur habe zu einer polemischen Diskussion geführt, bei der die Kultur nur verlieren konnte. Die Bürgerinitiative habe daneben durch weitere Scheinargumente die Öffentlichkeit überzeugt und damit eine „Neiddebatte“ inszeniert, die die Unsicherheit der Bürger untermauert habe. Für mutige Zukunftsentscheidungen und eine Zusage für die hierfür notwendigen Investitionen sei die Stimmung in der verunsicherten Bevölkerung dann zu schlecht gewesen. In der Presse wird auch kommentiert, die unzureichend ausdifferenzierten Konzepte der komplexen PPPPlanung hätten zu der eindeutigen Wahlentscheidung geführt. Zu unklar seien die nicht gänzlich nachvollziehbare Mittelkalkulation für den Betrieb, insbesondere aber die unkalkulierbaren Folgekosten. 3.1.1.2 PPP-Konzept „Musikhalle“ Seit der Entwicklung der Projektidee „Musikhalle“ Ende der 1980er Jahre wandeln sich die Konzepte mehrfach grundlegend. In der öffentlichen Darstellung durch die Presse und im Rahmen offizieller Dokumente wird im Wesentlichen zwischen drei Konzeptionen differenziert: 1. 2.
Projekt „Musikhalle“: In den Jahren zwischen 1989 und 2000 wird die Musikhalle zunächst als alleiniges lokales Projekt vorbereitet. Projekt „Kulturforum Westfalen“: Zwischen 2000 und 2007 wird die Planung der Musikhalle in ein größeres Vorhaben eingebunden: Das Konzept eines „Kulturforums Westfalen“ wird entwickelt, unter dessen Dach neben der Musikhalle zunächst auch ein Museum für Gegenwartskunst entstehen soll. Die Planungen sehen zudem eine Nutzung des Kulturforums für weitere Veranstaltungsformate wie beispielsweise Konferenzen und Kongresse vor. Diskutiert werden mögliche zusätzliche Projekte, die an das Kulturforum gekoppelt werden könnten. Dazu zählen eine gehobene Hotelerie, ein Gastronomiebetrieb sowie ein Parkhaus. Angedacht wird auch, einen Tunnel zu bauen, um den Verkehr vor dem Platz zu kanalisieren – eine Idee, die allerdings wieder verworfen wird. Im Jahr 2004 wird das Museums-Konzept verworfen. Der LWL, der das 135
3.
Museum hätte tragen sollen, entscheidet in Absprache mit dem Land zugunsten der Finanzierung eines anderen Museumsneubaus. Im Rahmen des Kulturforums soll nun das kleinformatigere Konzept einer Kunsthalle realisiert werden. Projekt „Kultur- und Kongresshalle“: Nachdem sich der potentielle Träger des Teilprojektes eines Museums für Gegenwartskunst im Kulturforum (Planung 2000-2004) bzw. einer Kunsthalle im Kulturforum (Planung 2004-2006) schließlich zum Ende des Jahres 2006 völlig aus dem Großprojekt zurückzieht, wird in den Jahren 2007 bis 2008 die Musikhalle als „Kultur- und Kongresshalle“ entworfen. Ein Schwerpunkt wird nun auf die Nutzung für Musik- und Wissenschaftsveranstaltungen gelegt.
Zum Zeitpunkt des Abschlusses der empirischen Phase dieser Fallstudie in den Jahren 2005/ 2006 ist eine PPP-Form in Planung, welche verschiedene Elemente der Kooperation umfasst und auf dem folgenden Konzept basiert: 1.
2.
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Bau- und Baufinanzierungskonzept: Der Kostenrahmen für die Errichtung wird auf maximal 30 Millionen Euro festgesetzt. Die Stadt sichert hiervon eine Investition von 40%, maximal jedoch 12 Millionen Euro, zu. Durch privat-gemeinnützigen und privatwirtschaftlichen Einsatz sollen die restlichen 60% der Mittel (18 Millionen Euro) eingebracht werden. Das Land Nordrhein-Westfalen sagt zu, den Bauplatz, der sich in seinem Besitz befindet, kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die Bedingung dafür liegt in einer Realisierung des Großprojektes „Kulturforum Westfalen“. Das Land Nordrhein-Westfalen will sich zusammen mit dem LWL ferner an der Finanzierung des Baus des Museums bzw. der Kunsthalle unter dem Dach des Kulturforums beteiligen. Im Gespräch ist zunächst ein Zuschuss des Landes an den LWL über 90%, der Kosten. Ausgehandelt wird im Jahr 2002 ein Zuschuss von 80% an den Baukosten, die der LWL zu tragen hätte. Im Gespräch sind auch Veranstaltungsräume und Gastronomie unter dem Dach des Kulturforums und der Bau eines Hotels, realisiert durch privatwirtschaftliche Akteure. Eine weitere Idee liegt in dem Bau einer Tiefgaragenanlage, die den Verlust von Parkplätzen auf dem zu bebauenden Teilbereich des Hindenburgplatzes ausgleichen und den zusätzlichen Besucherstrom bedienen soll, der durch Museum und Konzerthaus erwartet werden. Das Modell sieht einen Investor vor, der für den Bau des Gebäudekomplexes zuständig sein soll. Betriebs- und Nutzungskonzept: Angedacht wird, dass der für den Bau zuständige Investor den Gebäudekomplex in der Betriebsphase an eine Betreiber-GmbH vermietet. Die Betreibergesellschaft übernähme dann nach dem Bau der Musikhalle die Zuständigkeit für deren kostendeckenden Betrieb. Das Kulturforum soll partnerschaftlichgemischtwirtschaftlich, von privater und öffentlicher Seite, beispielsweise durch die Stadt in Kooperation mit einer Stiftung, betrieben werden. Alternativ ist ein unternehmerischer Gesellschafter im Gespräch. Um die operativen Kosten zu decken wird mit einem Jahresumsatz von 620.000 Euro ausschließlich der Miete für einen kostendeckenden Betrieb gerechnet.
Eine Befragung von Wissenschaftlern der Universität Münster und der Austausch mit der Rektorin der Hochschule ergeben einen Nutzen der Halle für die Hochschulen in Münster. Die Universität wird deshalb, ohne konkrete Vereinbarungen geschlossen zu haben, als Veranstaltungspartner mit eingeplant. Die multifunktionale Nutzung der Räumlichkeiten soll neben Musikveranstaltungen unterschiedlicher Musikrichtungen und verschiedener Szenen auch Versammlungen, Konferenzen und Kongresse einschließen. Die Stadt sichert hinsichtlich des Betriebes eine Mindestabnahme von 50 Veranstaltungstagen zu. An einem Großteil dieser Tage soll die Halle in erster Linie durch das Orchester der Städtischen Bühnen belegt werden. Für eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Nutzung werden weitere 100 Veranstaltungstage veranschlagt, an denen internationale Gäste sowie regionale Chöre und Orchester die Halle mieten können. Um die Mietkosten erschwinglich zu machen, werden Sponsoringkonzepte erarbeitet. Im Gespräch ist beispielsweise eine Veranstaltungsförderung über die Kulturstiftung der Provinzial-Versicherungen. Das Nutzungskonzept sieht eine Musikhalle mit rund 1.600 Plätzen vor. Das Gebäude soll entweder über einen großen Saal oder über einen großen und einen kleinen Saal verfügen. Backstage-Bereich, Foyer und Technik werden eingeplant. Besonderen Wert wird auf eine erstklassige Akustik, auf hervorragende Raumkonzepte für Konferenzund Tagungsmöglichkeiten gelegt. Die Ausstellungshalle soll eine Fläche von rund 2.500 Quadratmetern aufweisen und die Räumlichkeiten des bereits bestehenden Landesmuseums ergänzen, etwa in Bezug zur Raumhöhe. In erster Linie sind hier Wechselausstellungen geplant. Eine internationale Ausrichtung, die Einladung von Gastkuratorinnen und –kuratoren sowie die Nutzung für Teile der ständigen Sammlung des Landesmuseums sind weitere Eckpfeiler des Nutzungskonzeptes. Für den Gastronomiebetrieb, der der Ausstellungs- und Musikhalle gleichermaßen zur Verfügung stehen würde, werden die Planung eines separaten Eingangs sowie Öffnungszeiten auch in den Abendstunden vorgeschlagen.
3.1.1.3 Positionen zur Entwicklung, Status quo im Untersuchungszeitraum Die Presse- und Dokumentenanalyse ergibt, dass sich durch die Entwicklungen, die in den Jahren 2000 sowie 2006/2007 zu neuen Projektkonzeptionen führen, jeweils wesentliche Änderungen der Voraussetzungen und der Rahmenbedingungen für das ursprünglich singuläre, lokale Projekt Musikhalle geschaffen werden: Die Funktion der Halle, ihr Raum- und Nutzungsprogramm, die Bauplanung und der Planungshorizont werden ab der Jahrtausendwende in Beziehung zu dem Gesamtprojekt gesetzt. Auf der Grundlage der Presse- und Dokumentenanalyse können im Zusammenhang mit der PPP Musikhalle bereits typische akteur-, struktur- und prozessbezogene PPPCharakteristika identifiziert werden (s. zu den grundlegenden Merkmalen Teil1 Kapitel 2). Die PPP befindet sich in der Planungs- und Initialisierungsphase: Der Berichterstattung kann entnommen werden, dass das Projekt nach einer langjährigen Vor-Kontakt- beziehungsweise Eingangsphase im Untersuchungszeitraum, zwischen 2001 und 2006, konkreter vorbereitet wird. In der Struktur-Dimension scheint denn auch eine informellere und netzwerkartige Zusammenarbeit dominanter zu sein als formellere Formen der Kooperation. Trotzdem ist das PPP-Modell nicht eindeutig als ein strategisches Netzwerk zu bestim137
men, das durch hybride Steuerungsstrukturen charakterisiert wäre. Angestrebt wird, den Betrieb durch eine gemischtwirtschaftliche Unternehmung zu realisieren. Dies entspräche dem Modell einer organisatorischen PPP. Typisch für eine PPP-Vorbereitungsphase sind insbesondere die komplexen Verhandlungs- und Aushandlungsprozesse, die sich im Kontext der Musikhallenplanung immer wieder in der Presseberichterstattung andeuten. Die öffentliche Berichterstattung vermittelt, dass über mögliche Konzepte und das Für und Wider nicht nur von Seiten der öffentlichen Verwaltung sowie der das Projekt initiierenden Bürgerinnen und Bürger verhandelt und diskutiert wird. Auch der Rat der Stadt, gemeinnützige Organisationen, quasi-öffentliche Körperschaften, Mittelständler und größere Unternehmen, die Presse sowie bestimmte Kreise der Bevölkerung beteiligen sich an der Debatte. So weisen die Ergebnisse der Auswertung auf einen großen Kreis von in das Projekt involvierten Akteuren hin. Allerdings lassen die Ergebnisse der Presseanalyse keine tiefergehenden Aussagen darüber zu, welche Akteure auf welche Weise miteinander kooperieren, wie Akteure Einfluss ausüben können und welche Akteure sowie welche Entwicklungen die Projektrealisierung maßgeblich behindern oder fördern. Folglich bleiben auch Fragen über die Steuerungs- und Regelungsprozesse an dieser Stelle der Studie noch unbeantwortet. Es bedarf weiterer Methoden, um Antworten auf diese Fragen zu finden. Deshalb werden im nächsten Analyseschritt die erhobenen Daten netzwerkanalytisch ausgewertet sowie durch Interviews und Expertengespräche qualitativ analysiert (s. Kapitel 3.2 und 3.3). Die Presse- und Dokumentenanalyse lässt allerdings die Annahme zu, dass die in die Musikhalle-Planung involvierten Akteure im Zusammenhang mit dem Projekt unterschiedliche Interessen verfolgen. Es herrscht Uneinigkeit über diverse Aspekte der Projektplanung, an vorderster Stelle hinsichtlich der folgenden beiden Themenbereiche: Zum einen wird in der öffentlichen Debatte die Frage nach einem angemessenen Finanzierungskonzept besonders kontrovers behandelt. So wird ganz unterschiedlich bewertet, ob und wenn ja, durch wen und im Rahmen welcher Modelle das Projekt unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten realisierbar wäre. Die Forderung nach einer Kooperation, die finanziell durch einen wesentlichen öffentlichen Beitrag bestimmt wird, steht dem Appell an ein hohes privates Engagement gegenüber. Der zweite Streitpunkt betrifft die Frage, wo eine Musikhalle errichtet werden könnte. Hinsichtlich der Frage nach dem geeigneten Standort steht der Hindenburgplatz im Zentrum der Debatte. Er ist der zweitgrößte innerstädtische freie Platz Europas (Stadt Münster 1999) und besteht im Wesentlichen aus zwei großen Parkplatzflächen81. Sein Zustand gilt als schlecht – er wurde seit dem zweiten Weltkrieg kaum verändert. Als „Unraum“ wird er bezeichnet, als „Schlaglochwüste“ und als „städtebauliches Loch zwischen Altstadt und „isoliertem“ Schloß“ (O. V. 2004b). Mit der Errichtung einer Musikhalle wird bei Befürwortern dieses Standortes die Möglichkeit einer städtebaulichen Aufwertung des Platzes verbunden. So wird in der Presse die Begründung zur Attraktivität des Standortes Hindenburgplatz im Rahmen der politischen Zielsetzung maßgeblich aus dem Dreiklang aus Museum, Musikhalle und Universität hergeleitet, der das Image Münsters als Kultur- und Wissenschaftsstadt überregional fördern und dem Standort ein Alleinstellungsmerkmal verschaffen soll. Eine eindeutige Entscheidung für einen geeigneten Platz wird trotz dieses Argumentes auch nach langjährigen Debatten nicht getroffen. Dies könnte auch darin begründet liegen, dass der Hindenburgplatz für viele Bewohner der Stadt eine besondere Bedeutung hat. Zum einen befindet sich hier das Fürstbischöfliche Schloss. Dieses gilt für sich selbst gesehen als ein historisches Baudenkmal und ist ein Hauptwerk Jo81
Hindenburgplatz Nord und Hindenburgplatz Süd
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hann Conrad Schlauns‘. Auch wird es in Verbindung mit dem Schlossplatz mit den Kavaliershäusern, dem Schlossgarten und der Promenade, als ein Ensemble wahrgenommen, das das Stadtbild wesentlich prägt (Stadt Münster – Arbeitsgruppe Musikhalle 1998: 31f.). Das Schloss für sich gilt daneben als Wahrzeichen der Universität. Neben der Hauptnutzung des Hindenburgplatzes als Parkplatz bietet er daneben Raum für verschiedene Großveranstaltungsformate. So findet beispielsweise alljährlich in den Sommermonaten das „Turnier der Sieger“, ein hochkarätiges Reitturnier, statt. In der Standortdebatte am präsentesten ist letztlich aber die Frage nach dem Erhalt eines dreimal jährlich auf dem Platz statt findenden Volksfestes, des sogenannten Send. Vor dem Hintergrund der Befürchtung, dass Münster für die Kirmes keinen adäquaten alternativen Veranstaltungsort zu bieten hätte, werden die Pläne zur Neugestaltung des Platzes durch die Errichtung einer Musikhalle regelmäßig in Frage gestellt. Gegner des Standortes Hindenburgplatz favorisieren einen kleineren, städtischen Platz im Altstadtkern, der sich, im Gegensatz zum Hindenburgplatz, im Besitz der Stadt Münster befindet und bereits seit Jahrzehnten im Fokus der Stadtentwicklungsplanung steht. Dahingegen wäre bei der Wahl des Standortes Hindenburgplatz von einer Ersparnis auszugehen, vor dem Hintergrund, dass der Platz, der im Besitz des Landes ist, der Stadt kostenfrei zur Verfügung gestellt würde. Neben diesen beiden Hauptpunkten der öffentlichen Debatte werden auch weitere grundlegende Fragen diskutiert, beispielsweise, ob die Musikhalle tatsächlich im Doppelpack mit einem Museum für Gegenwartskunst realisiert werden soll. Während die einen die Vision verfolgen, die Gegenwartskunst in Münster durch das neue Gebäude zu fördern, einen Raum und ein Forum für Künstler und Aussteller zu schaffen, eine neue Szene anzusprechen und ein modernes Zentrum für zeitgenössische Kunst mit internationalem Renommee in der Stadt zu etablieren, äußern die anderen Zweifel an dem grundlegenden Bedarf eines solchen Projektes für die Stadt und an dessen Finanzierbarkeit. Deshalb wird alternativ die Möglichkeit in Betracht gezogen, der Gegenwartskunst mehr Aufmerksamkeit durch den Ausbau und die Sanierung des bereits etablierten Landesmuseums einzuräumen. In der Diskussion stehen des Weiteren die lokale und regionale Nachfrage nach Veranstaltungsformaten, die in der Musikhalle realisiert würden, sowie daran anknüpfend die Frage nach der Ausschöpfung. Auch verschiedene mögliche Betriebsformen einer Musikhalle im Kulturforum sind im Gespräch. Des Weiteren wird in der öffentlichen Debatte und Fachdiskussion abgewogen zwischen Möglichkeiten der Investition in ein neues Kulturprojekt auf der einen Seite und in bereits vorhandene Kulturangebote bis hin zu nicht dem Kulturbereich zuzuordnenden Gütern und Dienstleistungen, wie etwa Schwimmbädern oder Kindergärten auf der anderen Seite. Die Auswertung der öffentlichen Berichterstattung ermöglicht es, Akteursgruppen einschließlich ihrer jeweiligen Positionen zu identifizieren, die an der Projektplanung im Untersuchungszeitraum beteiligt sind. So zeigt sich, dass die Projektentwicklung der Musikhalle im Großen und Ganzen durch Akteure der Stadtverwaltung unterstützt wird. Den Hintergrund der korporativen Verwaltungsakteure bildet gemäß der Presseberichterstattung das Vorhaben, adäquate Bedingungen für Konzerte unterschiedlicher Musikrichtungen zu schaffen. Dies ist jedoch nicht das ausschließliche Ziel: Die Verwaltung verbindet mit der Projektidee die Möglichkeit, den Kultur- und Wissenschaftsstandort zu stärken und weiter zu entwickeln. Dies lässt sich insbesondere aus öffentlichen Dokumenten, etwa aus eigenen Publikationen der Stadtverwaltung, sowie aus einzelnen Zeitungsartikeln schlussfolgern. Als städtischer Ansprechpartner und politisch-administrative Leitung wird zu diesem Zweck eine Projektleiterstelle für das Kulturforum Westfalen eingerichtet, die dem Dezernenten für Stadtplanung berich139
tet. Öffentlich steht der Projektleiter jedoch eher im Hintergrund. Vielmehr wird das Projekt zur „Chefsache“ erklärt (Stadt Münster – Presseinformationen 2000c). So wird aus Pressebeiträgen und Dokumenten offensichtlich, dass die Verwaltungsspitze die Projektentwicklung über die Jahre hinweg aktiv unterstützt. Dies gilt auch über den engeren Untersuchungszeitraum hinaus, etwa für das Jahr 2007, in dem die Münsteraner Verwaltung aufgrund eines strukturellen Haushaltsdefizites über eine fünfte Runde an Sparmaßnahmen entscheidet, die unter anderem den Kulturbereich betreffen. Im Zusammenhang mit den Konsolidierungsplänen wird durch die Verwaltung eine externe Beratungsleistung in Anspruch genommen, die in Zusammenarbeit mit den öffentlichen Akteuren Maßnahmen vorschlägt, welche den Haushalt entlasten sollen. Die Unternehmensberatung legt ein Gutachten vor, das weitgehende Kürzungen bei öffentlich bezuschussten und getragenen Kultureinrichtungen vorsieht, die dem Dezernat IV (Schule, Kultur und Sport) zugeordnet werden. Auch im Rahmen der Diskussionen, die im Anschluss geführt werden, plädiert die Verwaltungsspitze dafür, an der Entwicklung und Gestaltung des Projektes Musikhalle festzuhalten „als Beweisführung, dass es hinter dem Horizont weitergeht“ (Stadt Münster 2008c: 19). Ferner gilt die Kulturverwaltung als Förderer der Projektidee Musikhalle. Im Untersuchungszeitraum setzt sie klare konzeptionelle Tendenzen auf Vernetzungen, Kooperationen und institutionelle Zusammenarbeit (vgl. Stadt Münster 2002; Stadt Münster 2005). Auch die eventorientierte Stadtbelebung erhält einen wichtigen Stellenwert im Förderplan. Im Zusammenhang mit der Bewerbung Münsters um den Titel „Europäische Kulturhauptstadt 2010“ werden neue Projekte, Projektreihen und eine Bürgerinitiative initiiert, die das Profil und das Image der Stadt verbessern sollen. Auch die Musikhalle im Rahmen des Kulturforums gilt für die Kulturverwaltung als ein Projekt, das der Imageförderung zuträglich und deshalb weiter zu verfolgen ist. Daneben wird die Fortführung der finanziellen Unterstützung der traditionell geförderten Institutionen als besonders relevant bezeichnet. Der Kulturhaushaltsplan weist darauf hin, dass über Jahre hinweg eine starke Zusammenarbeit mit ausgewählten Einrichtungen, insbesondere den klassischen Fördervereinen, besteht. Zu entnehmen ist dem Haushaltsplan jedoch auch, dass kleine Kulturvereine bei diesem Budget weitgehend außen vor bleiben. Mehrere Kürzungswellen betrafen in den vergangenen Jahren auch Kultureinrichtungen. Die Planung der Errichtung einer Musikhalle unter dem Dach eines sogenannten „Kulturforums Westfalen“ wird in der Stadtverwaltung des Weiteren als ein Leitprojekt im Integrierten Stadtentwicklungs- und Stadtmarketingkonzept Münster (ISM) charakterisiert. Von Seiten des Stadtmarketings („Münster Marketing“) wird damit die standortpolitische Bedeutung des Projektes für die Profilbildung der Stadt und ihre Bewährung im Wettbewerb der Regionalhauptstädte unterstrichen. Das Interesse an der Errichtung einer Musikhalle wird aus der Sicht des „Münster Marketing“ insbesondere durch das Ziel gekennzeichnet, „als ein kulturelles Zentrum unseres Landes Projekte mit internationaler Ausstrahlung [zu] entwickeln“ (Stadt Münster – Der Oberbürgermeister – Amt für Stadt- und Regionalentwicklung 2004: 3). Das Land NRW beabsichtigt, das Projekt durch die im Ergebnis kostenfreie Bereitstellung des Platzes zu unterstützen. Dieses Angebot, so ist diversen Pressemitteilungen zu entnehmen, wird im Jahr 2000 unterbreitet und bis zum Projektende aufrechterhalten bzw. wiederholt erneuert (Stadt Münster – Presseinformationen 2000c; Schemann 2003; WN 2004b; SCL 2005; WN 2005c; Giese 2007; Linke 2007). Zudem ist im Zusammenhang mit dem Projektkonzept Kulturforum (2000-2006) eine Mitfinanzierung des Teilbereiches „Museum für Gegenwartskunst“ im Gespräch. Über Landeszuschüsse an den LWL als 140
Träger des geplanten Museums will das Land den Bau fördern (zur Position des LWL siehe unten). Nach dem Rückzug des LWL nimmt das Land NRW die Mittelzusage für das Kulturforum zurück, bietet jedoch einen Zuschuss zu dem Projekt Musikhalle über 5 Millionen Euro aus Landesmitteln an, die etwa für den Bau eines größeren Foyers genutzt werden könnten (Giese 2007). Erstmalig im Jahr 2000 spricht sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident dafür aus, das Kulturforum Westfalen in Münster zu errichten und begründet die Landesposition damit, dass neben der Unterstützung des Vorhabens, einen „kulturellen Leuchtturm“ in Westfalen zu schaffen, hierdurch auch der Bemängelung eines Ungleichgewichtes zwischen dem Rheinland und Westfalen Einhalt geboten werden könne (s. Baumeister 2008). Von Landesseite ergibt sich gemäß der öffentlichen Berichterstattung insofern Handlungsbedarf, als der Hindenburgplatz, einer der größten, innerstädtischen Plätze Europas, nicht ausreichend genutzt werde (Schürkamp 2004). Als großer Parkplatz trennt dieser die Schlossanlage mit Universitätssitz und Parkanlagen auf der einen Seite vom Innenstadtkern auf der anderen Seite. Bereits 1993 wird deshalb ein städtebaulicher Ideenwettbewerb ausgerufen. Dieser fördert allerdings keine direkten Konsequenzen zu Tage. Das Land lobt deswegen in Kooperation mit der Stadt, dem LWL und der Landesinitiative zur Regionalförderung „Regionale 2004 links und rechts der Ems“ einen internationalen Realisierungswettbewerb aus, der im Jahr 2004 ausgetragen wird und architektonische Entwürfe für ein Kulturforum auf dem Hindenburgplatz hervorbringt. Das Kulturforum ist mit seinem Teilprojekt des Museums für Gegenwartskunst eines der ersten Leitprojekte der Initiative StadtBauKultur des Landes NRW. Die Initiative wird durch das Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport im Jahr 2002 ins Leben gerufen und hat eine Laufzeit von 10 Jahren. Ihr Ziel liegt darin, in Feldern, in denen sich Architektur und Kunst verknüpfen und zu mehr Gestaltqualität bei Bauwerken führen, bei der Verbesserung des öffentlichen Raumes sowie im Rahmen der Weiterentwicklung des baukulturellen Erbes, des Denkmalschutzes, aktiv zu werden. Konkrete Projekte vor Ort in nordrhein-westfälischen Städten sollen gefördert werden, die unmittelbar erlebbar sind und die jeder nachvollziehen kann. Die Initiative will dazu beitragen, dass dem Städtebau mehr Aufmerksamkeit gezollt, die Baukultur als eine Zukunftsstrategie wahrgenommen und das Engagement öffentlicher wie privater Akteure im Schnittstellenbereich zwischen Städtebau, Architektur und Kunst gefördert wird (Landesinitiative StadtBauKultur NRW 2003; Ministerium für Städtebau und Wohnen 2003b, a). Das Museum für Gegenwartskunst bezeichnet die Landesregierung im Jahr 2002 als besonders profiliertes Kulturprojekt, das Signalwirkung habe. In ihrem Memorandum charakterisiert die Initiative StadtBauKultur den Stand des Projektes als im konkreten Planungsstadium befindlich. Durch die Landesinitiative sollen hier neue Impulse gegeben werden (Ministerium für Städtebau und Wohnen 2002). Die öffentliche Berichterstattung vermittelt das Bild, dass das Projekt in den politischen Parteien und von Seiten der Fraktionen im Rat der Stadt kontrovers diskutiert wird. Im Zeitraum der empirischen Datenerhebung und der Interviews dieser Studie geht es dabei um das Konzept „Kulturforum Westfalen“ mit den Komponenten Musikhalle und Museum bzw. Musik- und Kunsthalle auf dem Hindenburgplatz. Die Positionen variieren auch innerhalb der jeweiligen Fraktionen; im Wesentlichen stellen sich die Grundpositionen jedoch wie folgt dar: Befürworter einer Errichtung der Musikhalle im Rahmen des Großprojektes auf dem innerstädtischen Platz sitzen in den Stadtratsreihen von CDU, FDP und SPD. Die Fraktionen vertreten dabei unterschiedliche Positionen. Hintergrund der Befürwortung der CDU 141
bildet das Ziel, durch das Projekt kulturelle und architektonische Akzente im Stadtzentrum zu setzen und den Wirtschaftsstandort der Region zu stärken (Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU Münster 2001). Während sie allerding für eine prozentual geringere städtische Beteiligung und einen höheren Anteil privater Investition votiert, spricht sich die SPD für eine städtische Beteiligung mit der Hälfte der zu investierenden Summe sowie der Bereitschaft zu einem gemeinsamen Betrieb in Partnerschaft mit privaten Akteuren aus. Gemäß der SPD-Ratsfraktion (2005) gehört es auch zu den Aufgaben der Stadt, die Bereitschaft zur Beteiligung Privater auszulösen und einzubinden. Sie betrachtet die Musikhalle als einen relevanten Teil zukünftiger städtischer Infrastruktur, in die es nachhaltig öffentlich zu investieren gilt. Ihres Erachtens muss die Stadt Motor der Projektentwicklung sein mit dem Ziel, einen Ort mit hohen akustischen Qualitäten und einer herausragenden Architektur zu schaffen. Hierdurch soll das Image Münsters als Kulturstadt gestärkt, der Standort im Hinblick auf Kunst und Kultur, wirtschaftliche Entwicklung und in Arbeitsplatzfragen weiter entwickelt und Münster im Wettbewerb der Regionen optimal positioniert werden (SPD-Fraktion im Rat der Stadt Münster 2005). Von Seiten der FDP wird die Idee der Errichtung einer Musikhalle prinzipiell unterstützt, allerdings unter Vorbehalten: Eine öffentliche Finanzierbarkeit wird zunächst lange Jahre abgelehnt und eine private Finanzierbarkeit bezweifelt. Das Kulturforum sei ein „schöner Traum, wenn das Geld bereit stünde“ (Spitzer 2004). Die FDP-Ratsfraktion tritt deshalb dafür ein, die städtische Beteiligung an dem Projekt weit möglichst zu reduzieren und die Musikhalle lediglich dann zu bauen, wenn ihr Bau und Betrieb im Wesentlichen privat getragen wird. Unter den Mitgliedern von Bündnis 90/Die Grünen/GAL werden kritische Stimmen geäußert, die sich hauptsächlich auf die Fragen der Finanzierung und des Standortes beziehen. Das Projekt sei insgesamt, in Anbetracht der Haushaltslage der Stadt, zu teuer. Die Grüne Ratsfraktion stellt die Bedeutung des Projekts im Zusammenhang mit der Bewerbung der Stadt um den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt heraus und spricht sich im Jahr 2003 dafür aus, einen alternativen Standort für ein kleineres, berechenbares Gesamtkonzept vorzusehen. Vorgeschlagen wird ein Investorenmodell (Bündnis 90/ Die Grünen/ GAL 2003). In den Folgejahren stellt die Ratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen/GAL hervor, die öffentliche Beteiligung an dem Projekt Musikhalle stelle eine falsche Prioritätensetzung vor dem Hintergrund massiver Kürzungen im Kulturbereich Münsters – und zudem im sozialen Bereich – dar. Knappe öffentliche Mittel müssten in andere Projekte fließen als in die Neuerrichtung einer Musikhalle. Die Fraktion hält auch an der Position fest, die Musikhalle würde am falschen Ort geplant. Neben den zu hohen absehbaren Investitionskosten befürchten „die Grünen“ auch unkalkulierbare Folgekosten, die die öffentlichen Kassen überstrapazierten. Die Ratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen/GAL spricht sich deshalb dafür aus, sich zunächst auf das bestehende kulturelle und soziale Angebot in der Stadt zu konzentrieren, bevor in ein neues Großprojekt investiert wird. Dieser Position schließt sich die Fraktionsgemeinschaft UWG-MS/ödp an, die sich neben den Grünen ebenfalls als Gegner einer städtischen Beteiligung an dem Projekt erweist. Als erste Fraktion ruft sie dazu auf, durch Prozesse direkter Demokratie die Stadtbevölkerung darüber entscheiden zu lassen, ob die Halle realisiert werden soll. Der Hauptkritikpunkt der Fraktionsgemeinschaft liegt in dem Vorwurf einer zu ungenauen Planung des Projektes (Stadt Münster 2008a). Gemeinnützige Organisationen, Vereine, Stiftungen und Initiativen, treten im privatgemeinnützigen Bereich der Stadt für unterschiedliche Positionen zum Thema Musikhalle ein. So heterogen das Feld, so heterogen sind hier die Meinungen und Interessen. Unter den Kulturorganisationen erscheinen der gemeinnützige „Verein Musikhalle“ und die gemeinnützige „Stiftung Musikhalle im Kulturforum Westfalen zu Münster“ in der 142
lokalen Presse als wesentliche Triebkräfte des Projektes. Im Untersuchungszeitraum stammen die Vereinsmitglieder aus allen gesellschaftlichen Teilbereichen. Das Ziel der beiden Organisationen besteht darin, die Idee einer Musikhalle durch die Mobilisierung von Engagement und Mitteln, durch Interessenvertretung und Lobbyarbeit voranzubringen. Gemeinsam verfolgen Verein und Stiftung das Vorhaben, sich zusammen mit weiteren Partnern aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft darum zu kümmern, für musikliebhabende Bürgerinnen und Bürger Münsters und der Region geeignete Räume zu errichten, in denen Konzerte unter hervorragenden akustischen Bedingungen stattfinden können. International renommierte Musiker sollen hier genauso ein zu Hause finden wie die lokale Musikszene mit ihren Chören, Orchestern und Bands, denen die Musikhalle für Proben und Konzerte offen stehen soll. Daneben soll bei der Planung der Musikhalle berücksichtigt werden, dass diese auch als Treffpunkt und Veranstaltungsort der Stadtgesellschaft für Belange verschiedenster Art genutzt werden kann. Einen wichtigen Baustein des Konzepts bildet ferner die Kooperation mit den Hochschulen, deren Nutzung der Räumlichkeiten für Konferenzen und Kongresse vorgesehen ist. Die Realisierung des Projektes soll gemäß dem Verein gleichwohl den Kultur-, Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Münster befördern (Kulturforum Westfalen 2005; Verein Musikhalle Münster e.V. 2006; Verein und Stiftung Musikhalle 2007). Das Kulturforum wirkt nach Verein und Stiftung Musikhalle auch positiv für das Image der Stadt und hat die Funktion, ihr dazu zu verhelfen, im Wettbewerb der europäischen Städte untereinander zu bestehen. Erwartet wird, dass durch das Großprojekt Wirtschaftskraft in die Stadt gebracht, Arbeitsplätze erhalten und neu geschaffen und private Investitionen stimuliert werden (O. V. 2005b). Zu den Befürwortern zählen gemäß den Presseberichten und öffentlichen Darstellungen weitere Kulturorganisationen, insbesondere solche, die im Musikbereich der Stadt tätig sind und sich geeignete Räumlichkeiten für Proben und Konzerte wünschen und/oder eine international renommiertere Szene vermissen. So sind von Laienorganisationen über Musikschulen bis hin zu Chören und Orchestern – darunter auch das städtische Symphonieorchester – interessiert an einem Musikhallenbau. Einige dieser Akteure treten in der Konsequenz dem Verein Musikhalle als Mitglieder bei (Verein Musikhalle Münster e.V. 2006). Ebenfalls dem privat-gemeinnützigen Bereich zuzuordnen, sind Organisationen von Wirtschaftstreibenden als aktive Unterstützer identifizierbar. Hervorzuheben ist hier der Verein der Kaufmannschaft, der als Mobilisierer in Sachen Musikhalle auftritt und in dieser Funktion auch in der Presse präsent ist. Der Verein unterstützt das Projekt außerdem finanziell. Das Kulturforum ist gemäß dem Vereinsvorsitzenden „das zentrale Zukunftsprojekt Münsters und Westfalens in diesem Jahrzehnt“ (Schemann 2005c). Der Verein, der in Münster auf eine lange Tradition zurück blickt, war bereits in früheren Jahren in der Stadtentwicklung aktiv. Er hat maßgeblich am Wiederaufbau des Rathauses mitgewirkt. Der Unterstützung des Projektes Musikhalle im Rahmen des Kulturforums verschreibt sich der amtierende Vorstand des Vereins. Hintergrund der Vereinsaktivitäten zugunsten der Projektrealisierung bildet gemäß Auswertung der Pressematerialien der Wunsch, die Vitalität der Stadt zu erhalten und weiter auszubauen. Dies kann sich auch indirekt für die wirtschaftlichen Akteure, die Mitglieder des Vereins, bezahlt machen, da die Attraktivitätssteigerung der Stadt sich auch auf die Werthaltigkeit von Investitionen auswirken kann. Zu den halbprivaten, potentiellen Finanzierungspartnern zählt in Münster der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), der in der öffentlichen Berichterstattung über die Jahre hinweg grundsätzlich als Befürworter und Unterstützer auftritt und zusagt, den Museumsbau materiell zu fördern. Hintergrund der Unterstützung durch den LWL ist laut Presseinformationen die Intention, das kulturelle Profil der Region um Münster und des Müns143
terlandes im Wettbewerb der Regionen in Europa zu stärken (Stadt Münster – Presseinformationen 2002a). Presseberichte lassen jedoch erahnen, dass es innerhalb des LWL keinen Konsens bezüglich der Projektbeteiligung gibt (s. z.B. Spitzer 2006). So erscheint der Landschaftsverband in der Presseberichterstattung auch immer wieder als Verantwortlicher für Verzögerungen im Projektplanungsverlauf (s. z.B. Krömer 2002; Gisselbach 2003). Im Jahr 2006 zieht er sich schließlich endgültig aus dem Projekt Museum bzw. Kunsthalle zurück – es wird eine Entscheidung zugunsten der Investition in die Sanierung und Modernisierung des Landesmuseums getroffen (Schemann 2006). Im Feld der halbprivaten Sponsoren nimmt neben dem LWL auch öffentlich-private Körperschaften des Banken- und Versicherungswesens als große öffentliche Unternehmen einen besonderen Stellenwert in der städtischen Kulturförderung ein. Die Westfälischen Provinzial Versicherungen kündigen bereits früh eine finanzielle Projektförderung an. Sie erweisen sich auch als präsent in der Presseberichterstattung. Traditionell in der Kulturfinanzierung engagiert, betrachten sie die Musikhalle als kultur- sowie volkswirtschaftlich relevantes Projekt, das den Standort stärken soll. Als Großinvestor ist außerdem die WestLB im Gespräch (Giese 2007). Privatwirtschaftlicher Support ist in den Reihen von Konzertveranstaltern sowie innerstädtischen Kaufleuten und Gewerbetreibenden zu finden, die sich eine bessere Akustik, ein größeres Publikum und ein internationales Renommee der Stadt als Musik- und Konzertstadt versprechen. Durch die Standortförderung sollen wirtschaftliche Seiteneffekte erzielt werden wie etwa ein größerer Publikumszustrom mit Kaufkraft in der Innenstadt. Auch Wirtschaftsverbände, von Industrie- und Handelskammer über Kreishandwerkerschaft bis hin zu Initiativen wie »Industrie in Münster«, einem Zusammenschluss verschiedener Industrieunternehmen, und „Wirtschaftinitiative Münster“, dem ehemaligen Handelsverein mit dem Selbstverständnis eines Impulsgebers und Sprachrohres für über 200 Unternehmen und Institutionen aus dem Wirtschaftsleben, machen sich vor dem Hintergrund der letztgenannten Positionen für die Projektrealisierung unter Einsatz öffentlicher Gelder beim Bau einer neuen Musikhalle in Münster stark. Sie verdeutlichen ihre Positionen zur Musikhalle vor dem Hintergrund der Betonung von Kultur als Zukunftsfaktor für den Wirtschaftsstandort, die Stadt und die Lebensqualität. Die öffentliche Meinung zu der Errichtung einer Musikhalle im Münster variiert über die Zeit hinweg. Dies ist der zweimal jährlich stattfindenden Umfrage „MünsterBarometer“82 zu entnehmen, im Rahmen derer die Stadtbevölkerung ab Herbst 1995 regelmäßig zu ihrer Einstellung bezüglich des Projektes befragt wird. Die Frage „Für wie notwendig halten Sie den Bau einer Musikhalle“ beantworteten die Befragten mit Hilfe einer Skala von 1 (unbedingt notwendig) bis 6 (überhaupt nicht notwendig). Während im Jahr 1995 noch eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung die Errichtung der Musikhalle als notwendig einstuft, bezeichnen sie lediglich 9,7% als „überhaupt nicht notwendig“. Die Zustimmungswerte gehen in den folgenden 12 Jahren immer mehr zurück und erreichen im Jahr 2008 ihren Tiefpunkt. Haben im Jahr 1995 und 2000 noch knapp 50% der Befragten mit einer 1 oder 2 auf der Skala zwischen 1 und 6 geantwortet, so ist im Jahr 2008 das Ge82 Das „Münster-Barometer“ wird seit 1993 halbjährlich durch ein Team von WissenschaftlerInnen des Instituts für Soziologie der Westfälischen Wilhelms-Universität in Zusammenarbeit mit den „Westfälischen Nachrichten“ Münster durchgeführt. Die Umfrage Münster-Barometer ist auf lokaler Ebene in ihrer Kontinuität einmalig in Deutschland. Es handelt sich dabei um eine anonyme Meinungsumfrage in der Münsteraner Bevölkerung zu kommunal-politischen und allgemeinen Themen. Befragt werden zufällig, computergestützt ausgewählte Haushalte in Münster im Rahmen von Telefoninterviews. Voraussetzung ist, dass die befragten Personen in Münster ihren Erstwohnsitz innehaben. Wissenschaftliche, allgemeine, vor allem jedoch spezifische Münsteraner Themen stehen im Mittelpunkt.
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genteil der Fall: fast 50% ordnen das Projekt auf einen Skalenpunkt von 5 oder 6 ein. Auch die Anzahl derjenigen, die den Bau der Musikhalle als überhaupt nicht notwendig einschätzen, nimmt bis ins Jahr 2008 bedeutend zu, und zwar von 9,7% auf 34,7%. Insgesamt verliert das Projekt Musikhalle damit über die Jahre hinweg an Zuspruch. Im Jahr 2001 gibt es einen stärkeren Rückgang der Befürwortung, dem sich wieder eine „Erholungsphase“ anschließt, in der das Projekt wieder höhere Zustimmungswerte erlangt. Ein vorläufiger Höhepunkt stellt sich bei den Befürwortern im Jahr 2004 ein. Danach nimmt die Zustimmung kontinuierlich ab, bis sie ihren tiefsten Wert im Jahr 2008 erreicht hat. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass neben diesen Umfrageergebnissen, die die öffentliche Meinung betreffen, durch die einschlägige lokale Presse in den Jahren 2001 bis 2006 kaum über dem Projekt negativ gegenüberstehende korporative Akteure berichtet wird. So können in der Presseanalyse der beiden Hauptorgane der lokalen Presse kaum Gegner und gegnerische Positionen des Projektes ausgemacht werden. Hierfür sind weitere Untersuchungen im Feld notwendig (s. hierzu die Ergebnisse der Vorstudie sowie die Auswertung der Expertengespräche und Interviews). Daraus ergibt sich auch die Annahme, dass die Medien – und hier insbesondere die beiden lokalen Zeitungen Westfälische Nachrichten und Münstersche Zeitung – als ein weiterer relevanter Akteur bezeichnet werden können, die das Projekt im Zeitraum der Datenerhebung durch eine weitestgehend positiv konnotierte Berichterstattung unterstützen. 3.1.2 „Ausstellungshalle“ Die Neueröffnung der „Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster“ wird durch ein komplexes Kooperationsmodell erreicht. In einem ehemaligen, zu sanierenden Kornspeicher sollen professionelle Rahmenbedingungen für die eigenständige Arbeit Bildender Künstlerinnen und Künstler geschaffen werden. Die Atmosphäre des neuen Standortes soll sich bewusst abheben vom althergebrachten, westfälischen Charme der Stadt: In sprödem industriellen, „urban unaufgeräumtem“ Ambiente sollen zeitgenössische Tendenzen entwickelt, realisieret und präsentiert werden. Verbunden damit wird auch das Ziel verfolgt, ein Forum in der Stadt zu schaffen für die Diskussion und das Erleben neuer künstlerischer Positionen (Stadt Münster – Presseinformationen 2004b). Der Etablierung der neuen „Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster“ geht ein längerer Vorbereitungsprozess voraus der jedoch, orientiert an der Darstellung in Presseberichten und Dokumenten, recht schnell skizziert werden kann. (1.2.1). Auch bei diesem PPP-Konzept ist wiederum zwischen dem Entwicklungsmodell und dem Betriebs- und Nutzungsmodell zu unterscheiden (1.2.2). Aus der Berichterstattung in der Presse und in öffentlichen Dokumenten lässt sich nachvollziehen, welche Akteure an der Realisierung der Neueröffnung beteiligt sind und welche Positionen hinter ihrer Beteiligung stehen (1.2.3). 3.1.2.1 Hintergrund und Entwicklungslinien Nachdem die Ausstellungshalle unter städtischer Leitung und Trägerschaft ab 1991 für 12 Jahre in einer ehemaligen Lagerhalle im „fast urbanen Niemandsland“ (Stadt Münster – Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster 2004a) residierte, wird für die Er- und Ausstellung zeitgenössischer Kunst im Jahr 2004 ein neues Zuhause eröffnet (Stadt Münster – Presseinformationen 2004b). Mit der Neueröffnung in öffentlich-privater Koope145
ration sollen zum einen Räumlichkeiten für die Arbeit junger Künstlerinnen und Künstler und zum anderen Ausstellungsräume für die Präsentation ihrer Werke in der Öffentlichkeit geschaffen werden. Unter einem Dach mit einem druckgrafischen Betrieb und einem Verlag entstehen in einem ehemaligen Kornspeicher auf vier Etagen 32 Ateliers für Bildende Künstlerinnen und Künstler (Kleideiter 2003; COL 2004). Im obersten Stockwerk des sogenannten „Speicher II“ wird ein circa 700qm großer Raum zur Schaufläche umgebaut (Kleideiter 2003). Vier bis fünf Ausstellungen sollen dort pro Jahr stattfinden (Stadt Münster – Presseinformationen 2004b). Ateliers und Ausstellungsräume konstituieren gemeinsam die neue „Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster“. Mit dem Ziel der Neueröffnung wird zunächst mehrere Jahre nach finanzkräftigen Partnern sowie nach passenden Orten und potentiellen neuen Räumen gesucht. Im Zuge der Vertragsverhandlungen und der komplexen Konzeptionierung geht die Vorbereitungsphase in die Realisierungsphase über. Ein Investor wird für das Projekt gewonnen und die Entscheidung für den neuen Standort fällt: Ein alter Kornspeicher, der in einem ehemals als Hafen genutzten Areal angesiedelt ist, soll schließlich saniert und umgebaut werden. In ihren grundlegenden Fragen abgestimmt ist die PPP-Konzeption bereits im Jahr 1999. Dies geht aus einer öffentlichen Beschlussvorlage an den Rat der Stadt hervor: Der Umbau des stadtwerkeeigenen Gebäudes soll grundsätzlich durch Landes- und städtische Zuschüsse realisiert werden. In Form eines privaten Erbbaurechtes soll das Grundstück dem privaten Investor durch den Eigentümer „Stadtwerke Münster GmbH“ zur Verfügung gestellt werden. Geplant wird, dass der Investor die Mieteinnahmen in die Umbaumaßnahmen investiert. Die übrigen für den Umbau erforderlichen Mittel erfolgen durch öffentliche Zuschüsse von Stadt und Land. Die laufende Miete für die Ausstellungshalle wird von der Stadt beglichen. Geplant ist des Weiteren ein Betreiberkonzept als PPP zwischen der Stadt und dem privaten Investor (Stadt Münster – Die Oberbürgermeisterin – Amt für Liegenschaften und Stadterneuerung 1999). Im Sommer 2001 entscheidet der Rat der Stadt über die Bereitstellung der städtischen Mittel für den Umbau des Speichers (Harhues 2002). Eine Vertragsunterzeichnung mit dem privaten Investoren wird für August 2001 anberaumt (Harhues 2002). Der Bauantrag liegt ein Jahr lang in der Schublade (Frobusch 2002b). Das Projekt verzögert sich zudem aufgrund von Problemen zwischen den Geldgebern und dem Bauherrn (Frobusch 2002b). Im März 2002 ist die Zeitplanung noch nicht konkret, die Fertigstellung des Hauses jedoch grob für 2003 angedacht (WN 2002). Zum Sommer 2002 sind schließlich alle wichtigen Verträge unterschrieben. Nun wird ein Vergabeverfahren für die Ateliers erarbeitete, über das letztlich der Kulturausschuss entscheiden soll (Frobusch 2002b). Im Herbst desselben Jahres wird mit dem Einreichen der abgestimmten Pläne der Architektin die Bauzeit anvisiert, die 15 Monate dauern soll (Frobusch 2002a). Die Rohbauarbeiten werden schließlich im Herbst 2003 abgeschlossen (Krömer 2003). Im Oktober 2003 führen die Leiterin der Ausstellungshalle und der Kulturamtsleiter Bewerberinnen und Bewerber um die Ateliers über die Baustelle und besichtigen dort unter anderem ein Musteratelier (Kleideiter 2003; Krömer 2003). Die erste Schlüsselübergabe wird nun für Mai 2004 geplant (WN 2003). Im Jahr 2003 entscheidet erstmals eine aus vier Fachkräften der Kunstszene bestehende Jury darüber, wer in die erste Projektphase aufgenommen und eingeladen wird, ein Atelier anzumieten (Kleideiter 2003). Nachdem die Ausstellungshalle einschließlich der Ateliers am 27. Juni 2004 mit einer ersten Gruppenausstellung eröffnet wird, erhält sie ein bundesweites Pressecho (Kock 2004), das sich sowohl auf die erste Ausstellung als auch auf die konzeptionelle Mischung von Atelierräumen, Ausstellungsflächen und Gewerbe bezieht (COL 2004). Die Kritik fällt kontrovers aus und unterstreicht die Aufmerksamkeit, die die neue Institution in der deutschen zeitgenössischen Kunstszene auf 146
sich zieht. Am 17. Juli 2004 folgt schließlich die offizielle Eröffnung. Die Öffentlichkeit soll bei einem „Open-House“-Wochenende für das neue Konzept eingenommen werden (COL 2004; Harhues 2004b). 3.1.2.2 PPP-Konzept „Ausstellungshalle“ Bei der Realisierung der Ausstellungshalle fällt die Entscheidung für eine Vertrags-PPP, die zeitlich begrenzt wirkt und sich auf die Errichtung der Räumlichkeiten bezieht. Dabei verfügt das sogenannte Speicher-II-Projekt über ein Gesamtvolumen von 4,5 Millionen Euro. Realisiert wird es als Finanzierungs-Kooperation zwischen dem Verleger des Coppenrath Verlags Wolfgang Hölker, der Stadt Münster sowie dem Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen. Nach Presseinformationen werden knapp 2 Millionen Euro von Seiten des Landes eingebracht. Der private Investor, der als Bauherr agiert, steuert für den Umbau des Gebäudes rund 1,5 Millionen Euro bei. Von der Stadt stammt das restliche Kapital über 1 Millionen Euro (Speckmann 2002; COL 2004; Harhues 2004b). Dies entspricht der gängigen Darstellung in der Presse, offizielle Daten liegen nicht vor. Bei genauerem Blick ist jedoch ersichtlich, dass das PPPKonzept hinsichtlich der Zuständigkeiten der beteiligten Akteure und der Vertragsgestaltung weitaus diffiziler sein muss: Es handelt sich um eine Partnerschaft im FünfecksVerhältnis Bauherr, Stadt, Land, Vermieter und Stadtwerke. Der Darstellung des Stadtdirektors in einem Artikel einer lokalen Tageszeitung ist zu entnehmen, dass vielerlei Anforderungen, Richtlinien und Ansprüche bei dieser komplizierten Partnerschaft zu berücksichtigen waren (Frobusch 2002a). Die Projekteckdaten stellen sich demgemäß wie folgt dar:
Förderung des Atelierprojektes durch Stadt und Land im Verhältnis 30% zu 70% Bereitstellung der Liegenschaft in Form eines Erbbaurechts durch die Stadtwerke Privater Investor als Bauherr und Teilfinanzierer der Ateliers Eigenfinanzierung der Umbauten der unteren Etage durch den Privatinvestor Trägerschaft durch die Stadt Münster Betrieb und Unterhalt: Stadt, privater Investor, Freundeskreis Bauherr als Besitzer der Atelierräume Wohn+Stadtbau GmbH als Generalmieter der Ateliers Untervermietung der Räume durch Wohn+Stadtbau GmbH an KünstlerInnen Vertraglich vereinbarte Rücküberführung der Atelierräume an den Eigentümer nach 40 Jahren
Demzufolge wird die Ausstellungshalle nicht nur in einem Modell öffentlich-privater Kooperation entwickelt. Das Betreiberkonzept beruht ebenfalls auf einem partnerschaftlichen Arrangement. Zwar obliegt die Trägerschaft der Stadt Münster. In den Betrieb und die Unterhaltung eingebunden wird nach der Presse allerdings auch der private Investor sowie wirtschaftliches Fachwissen und zusätzliche Spendenmittel, die von den Mitgliedern eines mittelständisch besetzten Freundeskreises stammen. Die Verwaltung der Atelierräume übernimmt die Wohn- und Stadtbau GmbH. Für einen begrenzten Zeitraum von bis zu zehn Jahren vermietet die Stadt die Ateliers an eigenständig arbeitende Bildende Künstler (Kleideiter 2003; WN 2003). Die Regelmietzeit beträgt fünf Jahre (WN 2003). Die Werkräume unterscheiden sich in Größe und Form. Der Mietpreis wird subventioniert und be147
trägt 2,83 Euro je Quadratmeter plus Nebenkosten von rund 2 Euro je Quadratmeter (Kleideiter 2003). 3.1.2.3 Positionen zur Entwicklung, Status quo im Untersuchungszeitraum Im Zeitraum der Datenerhebung ist die PPP, die im Zuge der Finanzierung des Umbaus aktiv war, als abgeschlossen zu bezeichnen: Die „Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster“ ist seit dem Jahr 2004 eröffnet. Durch die Vergabe von Atelierräumen durch die Stadt sollte erreicht werden, dass bei preiswerten Mieten professionelle Arbeitsbedingungen in gut ausgestatteten Räumen geschaffen werden. Um die Anmietung bewerben sich Interessentinnen und Interessenten beim Kulturamt. Das Kulturamt richtet sich bei der Ateliervergabe in erster Linie an einen Kreis aus selbständigen Künstlerinnen und Künstlern, darunter auch Abgänger, Examenskandidaten und Meisterschüler der Kunstakademie Münster. Das Angebot wird öffentlich ausgeschrieben und durch die Presse verbreitet (Kleideiter 2003). Im Eröffnungsjahr 2004 sind bereits alle vorhandenen Ateliers vergeben (Schemann 2004c). Im September 2006 erfolgt eine Neuausschreibung über die Vermietung von 13 der 32 Ateliers zu Juli 2007. Allerdings existiert bereits eine Warteliste, die das Kulturamt für die Neubelegung berücksichtigen will (Stadt Münster 2006). Die neueröffnete Ausstellungshalle wird zum Untersuchungszeitraum im Jahr 2005 von der Stadt Münster getragen und in Kooperation mit privaten Akteuren, dem Investor und dem Freundeskreis, unterhalten. Gearbeitet wird ferner im Rahmen einzelner Ausstellungen mit weiteren, zeitlich begrenzten Sponsoren- oder Förderverträgen. So bezuschusst etwa die Kunststiftung NRW die Eröffnungsausstellung mit einer Fördersumme von 50.000 Euro. Ein weiteres Beispiel bildet das Ausstellungsprojekt „heute hier, morgen dort… – eine modellhafte Befragung städtischer Identität in Münster”, das durch einen Gastkurator und unter Beteiligung von 16 Künstlerinnen und Künstlern realisierst und von verschiedenen Institutionen gefördert wird: Das Projekt wird von der Stiftung Kunstfonds Bonn prämiert, von der Regionale 2004 sowie von der niederländischen Botschaft unterstützt. Neben solchen zeitlich befristeten Förderungen sind der Ausstellungshalle eine Gruppe von Unternehmern beständig verbunden (Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster). Hinter diesem „Freundeskreis der Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster“ stehen hauptsächlich mittelständische Wirtschaftsakteure. Die Freunde der Ausstellungshalle verfolgen das Ziel, eine dauerhafte, ideelle Unterstützung speziell für die Ausstellungshalle, jedoch auch generell für zeitgenössische Kunst in Münster zu gewährleisten. Dahinter steht laut Selbstauskunft auf der Homepage auch die Idee, durch Kulturförderung Prozesse der urbanen Erneuerung und Stadtgestaltung zu befördern. Zudem ist mit der Mitgliedschaft eine jährliche Spende über 2.500 Euro verbunden und insofern auch die Zielsetzung des Freundeskreises, die Ausstellungshalle materiell zu unterstützen. Die Spenden fließen direkt in die Arbeit ein – sie werden alternativ in Form äquivalenter Sachspenden geleistet (Kunsttransporte, Material o.ä.) (Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster). Gemäß dem Sprecher des „Freundeskreises Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster“ wirken die Mitglieder als Unternehmer der Region an dem Projekt mit, da dies die Wahrnehmung für gesellschaftliche Zukunftsthemen erweitere. Als ergänzendes Motiv der mittelständischen Wirtschaft, die städtische Ausstellungshalle zu fördern, nennt er einen sinnstiftenden Beweggrund (Stadt Münster – Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster 2004b). 148
Der offiziellen Darstellung folgend liegt das Ziel der Partner, die in die Planung und Entwicklung der Vertrags-PPP involviert sind, in einer Verbindung von Aspekten der Stadtentwicklung und Stadtplanung mit künstlerischen Aspekten, nämlich in „der gemeinsamen Vision, die Entwicklung des Stadthafens mit jenen zukunftsweisenden Impulsen zu verbinden, die von der zeitgenössischen bildenden Kunst ausgehen können“ (Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster). So wird mit der Realisierung des Kulturprojektes auch die Idee verfolgt, Anstöße zur positiven Entwicklung des Areals um den alten Industriehafen zu geben. Allerdings wird der Erfolg dieses Steuerungsbestrebens in der öffentlichen Berichterstattung auch kritisch evaluiert: Die Entwicklungen im Quartier seien in Anbetracht eines zähen und langwierigen Verfahrens der Vermarktung und Vergabe von Flächen weniger einem gelungenen städtisch angeleiteten Strukturwandel und einer vorbildhaften Dienstleistungsorientierung der Verwaltung zuzurechnen. Vielmehr bliebe es dem Zufall sowie dem Interesse von Unternehmen überlassen, sich dort anzusiedeln. Das Leitbild der Stadtverwaltung sei lediglich „grob konturiert“ und könne keinen Motor des Wandels darstellen (Harhues 2004a). Neben dem übergeordneten Ziel der Stadtentwicklung lassen sich aus der Presse- und Dokumentenanalyse des Weiteren unterschiedliche Positionen bei den an der PPP beteiligten Akteuren ableiten. Der private Investor gibt als Hintergrund für seine Mitarbeit gemäß öffentlicher Darstellung in erster Linie altruistische Ziele an: Seinen Einsatz für das Gemeinwesen bezeichnet er als Selbstverständlichkeit sowie als Folge der Überzeugungsleistung der öffentlichen Akteure. Als weiteren Beweggrund äußert er zudem persönlich-gestalterische Interessen. Hinter seinem Beitrag zur Realisierung der Ausstellungshalle stehe der Wunsch, „Spuren zu hinterlassen“ (Harhues 2004b) und „in seine Nachbarschaft zu investieren“ (Harhues 2002). Die Stadt Münster vereint in der Projektplanung städtebauliche sowie kulturpolitische Zielsetzungen und Positionen (Stadt Münster – Die Oberbürgermeisterin – Amt für Liegenschaften und Stadterneuerung 1999). Das Projekt schließt an einen Prozess an, der oben bereits angeschnitten wurde: 1997 wird das Leitbild „Kreativkai“ entwickelt, hinter dem das Vorhaben steht, das durch Brachen gekennzeichnete Gebiet um den ehemaligen Stadthafen als „Cityergänzungsgebiet“ zu entwickeln (Bundesamt für Raumwesen und Raumordnung 2006). Der Leitbildprozess mündet im Jahr 2004 in die Entwicklung eines „Masterplans“ (Stadt Münster – Amt für Stadtentwicklung 2004). Was die kulturpolitische Position betrifft, sieht die Stadt eine Weiterentwicklung ihres Förderkonzeptes für die Bildende Kunst vor (Stadt Münster – Die Oberbürgermeisterin – Amt für Liegenschaften und Stadterneuerung 1999). Von Seiten des Kulturdezernates soll Münster mit Hilfe der Ausstellungshalle „seinen Ruf in Sachen zeitgenössischer Kunst verteidigen“ und „seine kulturelle Kompetenz damit noch ausbauen“ (Schemann 2004c). Passend hierzu äußert das städtische Kulturamt in der öffentlichen Darstellung das Ziel, eine neue Kulturadresse in Deutschland zu schaffen (COL 2004). Das städtische Förderkonzeptes für Bildende Kunst wird mit Hilfe des neuen Ausstellungshallen-Modells verbessert (WN 2003), was laut Verwaltungsspitze eine grundlegende Positionierung der Stadt unterstreichen soll: Förderung der Bildenden Künste bedeute nicht nur „aus Tradition Kultur zu pflegen, sondern moderne Kunst zu fördern“ (Döbbe 2004). Hieran anknüpfend ergibt die tiefergehende Auswertung öffentlicher Dokumente und der Presse im Untersuchungszeitraum denn auch, dass die Errichtung der Ausstellungshalle gesamtstädtisch betrachtet mit weiterführenden kulturellen und standortpolitischen Projektzielen verbunden ist: Die Ausstellungshalle stellt gemäß dem Projektmanagement für die 149
Bewerbung der Stadt Münster um den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt das wichtigste Projekt im Zuge der Münsteraner Strategie dar (Schemann 2004c). Die oben skizzierte, erfolgreiche Entwicklung des sogenannten „Kreativkais“ – so lautet die Neubezeichnung für das Areal am alten Industriehafen im Zuge der Stadtentwicklungsprogrammatik – gerade auch vor dem Hintergrund der Beteiligung privaten Engagements, ist ein wichtiges Element für das städtische Liegenschaftsamt (Speckmann 2002), die Stadtplanung sowie das Stadtmarketing. Somit übernimmt die PPP Ausstellungshalle auch relevante imagebildende Funktionen und einen wichtigen Stellenwert als Baustein in der Stadtteilentwicklung und – gestaltung. Dies wird auch durch die Illustration der Leiterin der Ausstellungshalle in der Presse offensichtlich, die von der Stadt eingesetzt wird. So versteht sich die Ausstellungshallenleitung als „Kommunikations-, Dreh- und Angelpunkt zwischen den unterschiedlichen Institutionen und Kunstinteressierten der Stadt“. Im Gegensatz zur ehemaligen Lagerhalle, in der sie bereits bis zum Jahr 2004 leitend wirkte, verfolgt sie in den neuen Räumlichkeiten das Ziel, ein stark experimentelles Programm auszurichten (Stadt Münster – Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster 2004a). Sie setzt sich im Rahmen „des städtischen Masterplans dafür ein[…], dass der Charakter von Offenheit und unfertiger Rauheit Grundmerkmal aller Gestaltungsmöglichkeiten im Hafen bleibt.“ (Stadt Münster – Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster 2004a). Der Umzug von dem 12jährigen „Provisorium“ an den neuen, attraktiven Standort stellt für die Leitung ein „Image-Plus“ dar, das immense Chancen für alle Beteiligten bietet: für die Kreativen und ihre künstlerische Arbeit, für die Stadt und Region, für die gesamte örtliche Kunstszene, sowie für die Ansprache eines größeren Publikums. Diese Chancen zu nutzen, sieht auch die Leitung als eine zentrale Aufgabe (Speckmann 2002). 3.1.3 „Picasso-Museum“ Im Zentrum der Altstadt Münsters wird seit dem Jahr 2000 hinter der denkmalgeschützten Fassade eines klassizistischen Adelspalais auf rund 600 Quadratmetern eine Sammlung des lithographischen Werks Pablo Picassos ausgestellt, zu der etwa 900 Grafiken gehören. Die Bestände des „Graphikmuseums Pablo Picasso“ umfassen Porträts, Stillleben, Stierkampfszenen und antike Fabelwesen. Diese werden in wechselnden Ausstellungen gezeigt. Sonderausstellungen mit Exponaten aus bedeutenden Museen und Sammlungen zum Leben und Werk Picassos sowie seiner Künstlerfreunde und Zeitgenossen ergänzen die ständige Ausstellung (Graphikmuseum Picasso Münster 2008a). Die Realisierung des Graphikmuseums ist die dritte Public Private Partnership im Kulturbereich der Stadt Münster. Das Konzept, das der partnerschaftlichen Zusammenarbeit im Zusammenhang mit der Idee zugrunde liegt, Picassos Lithographien in Münster ein museales Zuhause zu errichten, wird in der öffentlichen Berichterstattung als einfach und unkompliziert dargestellt (Voigt 2001). Dies spiegelt sich in der Berichterstattung der Presse und in öffentlichen Dokumenten, die in den folgenden Abschnitten in Hinblick auf die Entwicklungslinien des PicassoMuseums (1.3.1), auf das PPP-Modell (1.3.2) und die an der Entwicklung beteiligten Akteure sowie deren Positionen (1.3.3) ausgewertet werden.
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3.1.3.1 Hintergrund und Entwicklungslinien Bevor es zu der Errichtung des Graphikmuseum Pablo Picasso kommt, befindet sich die Sammlung von Lithographien, die später den Grundbestand des Museums bilden wird, im Besitz des Sammler-Ehepaares Jutta und Gert Huizinga. Der Grafik-Designer und DruckerUnternehmer Gert Huizinga aus dem Ort Lengerich in Westfalen erwirbt Anfang der 1950er Jahren in der Galerie Clasing in München sein erstes Picasso-Werk, einen Linolschnitt. Seine Bekanntschaft mit Picassos ehemaliger Lebensgefährtin Marie-Thérèse Walter sowie seine Begegnung und spätere Freundschaft mit Picassos Drucker Fernand Mourlot in Paris motivieren ihn und eröffnen ihm Möglichkeiten, weitere Werke zu erstehen. Die Sammelleidenschaft Huizingas steigert sich mit dem zunehmenden Besitz wertvoller Lithographien. So erwirbt Gert Huizinga in rund drei Jahrzehnten seltene Zustandsdrucke und Künstlerunikate. Mourlot nimmt ihm das Versprechen ab, die Kunstwerke nicht in den Handel zu geben oder anderweitig weiterzuverkaufen (Voigt 2000b). Der Umfang der Sammlung – sie umfasst in den 1990er Jahren fast 700 Blatt – wirft für den Sammler schließlich Probleme auf: Er sieht sich mit Sicherheitsfragen und konservatorischen Überlegungen konfrontiert, die er alleine nicht zu lösen vermag (Voigt 2000b, 2001). Das Ehepaar Huizinga macht sich auf die Suche nach einer Aufbewahrungsmöglichkeit, die auch ermöglichen soll, die Kunstwerke einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Sammlung wird zu dieser Zeit in der Staatsgalerie Stuttgart archiviert und dort 1993 auch ausgestellt. Neben dem Stuttgarter Museum melden schließlich weitere Häuser Interesse an. Das Sammler-Ehepaar entscheidet sich jedoch dafür, eine Lösung in der Nähe seines Heimatortes zu suchen. Im Gespräch mit dem damaligen Oberkreisdirektor des Kreises Steinfurt, Dr. Heinrich Hoffschulte, entsteht der Gedanke, die Sammlung durch eine Stiftung zu präsentieren und dadurch auch ihre Geschlossenheit zu sichern (Voigt 2000b, 2001; Baumeister 2005). Der Presseberichterstattung folgend wird die weitere Entwicklung der Projektidee und die Errichtung des Museums folgendermaßen „erzählt“: Nachdem Dr. Hoffschulte Ende 1996 im informellen Rahmen das Interesse des Präsidenten des Westfälisch-Lippischen Sparkassen- und Giroverbandes Dr. Rolf Gerlach weckt, nimmt die Stiftungsgründung bald konkretere Formen an. Der spätere Vorsitzende des Stiftungskuratoriums Dr. Gerlach und der Sammler Huizinga werden miteinander bekannt gemacht. Zusammen mit Dr. Hoffschulte besichtigen sie den Bestand in der Staatsgalerie Stuttgart. Ein Sachverständigen-Gutachten unterstreicht den ersten positiven Eindruck Dr. Gerlachs‘ und Dr. Hoffschultes‘ und belegt die herausragende Qualität der Sammlung. Dem Verbandspräsidenten Gerlach gelingt es, die 92 Westfälisch-Lippischen Sparkassen für den Standort Münster zu überzeugen. Die WestLB erklärt sich bereit, der Stiftungspartnerschaft beizutreten und die Hälfte des Stiftungskapitals für die Realisierung des Picasso-Museums einzubringen. In der Folge werden auch die Provinzial-Versicherungen und das Land NordrheinWestfalen als Partner gewonnen. Bereits Anfang des Jahres 1997 einigt man sich auf den Standort: Der Verbandsvorstand der Sparkasse entscheidet, zwei Gebäude, in denen die jüngst umgezogene Sparkasse Münster ihren Hauptsitz hatte, für die Errichtung des Museums vorzusehen und für die Neunutzung umzubauen (Voigt 2001). Das Münchner Architekturbüro Hilmer, Sattler und Albrecht wird für den Umbau der Räumlichkeiten im Altstadtzentrum Münsters beauftragt (Graphikmuseum Picasso Münster 2008b). Ein paar Monate später, im Sommer 1997, entsteht die Sparkassenstiftung. Die Sammlung Huizinga wird in das Eigentum der Stiftung überführt (Voigt 2001). Die Stiftung ist auch die Trägerin des Graphikmuseums Pablo Picasso, das nach Abschluss des Umbaus im September 151
2000 eröffnet wird. Mit der Sammlung Huizinga bildet die weltweit in ihrer Gesamtheit umfassendste Sammlung von Lithographien des Künstlers den Grundstock des Museums, die es gemäß der Sparkassenorganisation durch den Stiftungszweck der Museumserrichtung dauerhaft an Westfalen zu binden gilt (On-line Picasso Project 1997). Neben diesem Zweck verschreibt sich die Stiftung des Weiteren der Förderung und der Belebung des Museums (Voigt 2001). Aus einem Ankaufsetat werden Picasso-Lithographien erworben, um das druckgraphische Werk um fehlende Blätter zu ergänzen (Voigt 2000a). Im Jahr 2003 bricht die Stiftung den Charakter des monographischen Museums auf und erwirbt Mappenwerke mit Radierungen und Lithographien weiterer Klassiker der französischen Moderne, die aus der Sammlung des Unternehmer-Paares Christa und Wolfgang Classen stammen (Lüddemann 2003). Dazu gehören rund 1.500 Blätter von Bonnard, Chagall, Miró, Picasso, Braque und anderen Künstlern. Anfang März 2004 nimmt das Museum zudem eine umfangreiche Sammlung des französischen Künstlers Georges Braque als Dauerleihgabe in seinen Bestand auf. Die Sparkasse Münsterland Ost erhält diese Leihgabe über den städtischen Galeristen Heiner Hachmeister – sie stammt von einem ungenannten Sammler. Mit 208 Werken aus den 1930-er bis 1960-er Jahren – Vogel-Motiven, Stillleben und antiken Themen des Künstlers, der gemeinsam mit Picasso den Kubismus entwickelt hatte – verfügt das Museum nun gemäß Expertenmeinung auch noch über die „vollständigste deutsche Braque-Sammlung“ (Andres 2004: 31). 3.1.3.2 PPP-Konzept Das „Graphikmuseum Pablo Picasso“ wird gemäß öffentlicher Darstellungen in Pressebeiträgen und Dokumenten in relativ kurzer Zeit in Form einer PPP realisiert. Unter der Verantwortung der Stiftungsgründer wird innerhalb von drei Jahren die Idee in die Tat umgesetzt. Für die Errichtung des Museums zeichnet federführend die Stiftung der WestfälischLippischen Sparkassen, der WestLB, der Westfälischen Provinzial-Versicherungen und des Sammler-Ehepaar Huizinga verantwortlich. Für den Umbau des Gebäudes aus dem 18. Jahrhundert, in dem die Lithographien Picassos heute zu sehen sind, wird ein Budget von 15 Millionen DM investiert. Die Stadt Münster und das Land NRW tragen hiervon 2,5 Millionen DM; den restlichen Betrag der Baufinanzierung übernehmen die beteiligten Kreditinstitute. Die „Sparkassenstiftung Graphikmuseum Münster“ trägt das Museum bei einem Gesamtstiftungsvolumen von 28,5 Millionen DM. Der Jahresetat des Museums beträgt 2 Millionen DM. Der erste Jahresetat über 2 Millionen DM, ein Ankaufetat im Jahr 2000, wird in Wechselausstellungen investiert. Für den Erwerb zusätzlicher PicassoLithographien steht ein „sechsstelliger Betrag“ zur Verfügung (Lüddemann 2000; Voigt 2000a). Im Rahmen der „Regionalen Kulturförderung“ erhält die Sparkassenstiftung durch das Land NRW im Jahr 2001 585.000 DM aus Projektfördermitteln der Kulturabteilung der Staatskanzlei. Im Jahr 2005 sind dies 25.000 Euro, im Jahr 2006 62.385 Euro (Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen 2008). 3.1.3.3 Positionen bei der Entwicklung, Status quo im Untersuchungszeitraum Im Zeitraum der Datenerhebung sind die Stiftungsgründung (1997) sowie die Errichtung des Museums (2000) bereits abgeschlossen. Das Museum wird durch die SparkassenStiftung getragen und durch eine doppelte Geschäftsführung geleitet: Es wird eine be152
triebswirtschaftliche und eine künstlerische Leitung eingesetzt. Beteiligte Partner an der Realisierung des Picasso-Museums stammen aus unterschiedlichen Bereichen. Zu nennen ist zum einen das Sammler-Ehepaar Huizinga, Stiftungsmitbegründer und -partner, das die Kunstwerke in die Partnerschaft einbringt. Gemäß öffentlicher Darstellung vertritt der Sammler ein kunsthistorisches Interesse, das ihn, verbunden mit einer Verantwortung für die Werke des Künstlers sowie deren adäquate Aufbewahrung, zur Kooperation bewegt. Aus dem wirtschaftlichen Banken- und Versicherungsbereich sind die WestfälischLippischen Sparkassen, die WestLB und die Westfälischen Provinzial-Versicherungen als Geldgeber, weitere Stiftungsgründer sowie Partner in die Trägerschaft des Museums involviert. Der Darstellung in der Presse und in öffentlichen Dokumenten ist zu entnehmen, dass für die Unternehmen dabei das privatwirtschaftliche Engagement für die Kultur in der Region und der Stadt von Relevanz ist, das sie durch ihren Beitrag zu unterstreichen suchen. Die Rolle des Initiatoren und des Mobilisierers von Engagement und Kapital übernimmt der Präsident des Westfälsich-Lippischen Sparkassen- und Giroverbandes. Wie er die 92 westfälisch-lippischen Sparkassen von dem Konzept zu überzeugen vermag, dem Projekt zuzustimmen, kann der Presse ebenso wenig entnommen werden wie Informationen über die Beweggründe und Positionen der Sparkassen. Neben den oben dargestellten künstlerischen Aspekten sorgt die „Sparkassenstiftung Graphikmuseum Pablo Picasso“ auch für die Beförderung wirtschaftlicher Aspekte der Museumsarbeit. So wird beispielsweise im Eingangsbereich des Museums ein Museumsshop in der rechtlichen Form der Sparkassenstiftung Shop GmbH eingerichtet. Gastronomische Dienstleistungen werden durch Branchenspezialisten erbracht; hierfür wird ihr Betrieb ausgegliedert. In dem Bistrocafé „La Californie“ im Museumsgebäude verfolgt der Gastronomiedienstleister Bröker GmbH das Konzept der Verbindung von Kunst und Küche, das insbesondere Museumsbesucherinnen und -besucher ansprechen soll. Des Weiteren initiiert die Sparkasse Münsterland Ost einen Neubau auf dem anschließenden Gelände, das ihren ehemaligen Hauptsitz beherbergte. In der direkten Nachbarschaft zum Museum der Sparkassen-Stiftung wird auf einem ca. 10.000 qm großen Areal eine moderne Einkaufspassage geplant, die „Münster-Arkaden“83. Die Arkaden werden in einen direkten Bezug zum Museum gesetzt. Von der Einkaufspassage aus gelangen die Besucher in den Museumsshop und Eingangsbereich des Picasso-Museums – das Museum wird damit auch rückwertig erschlossen. Der Eintritt von den Arkaden aus in das Museum ist im Terrassenbereich eines weiteren Gastronomiebetriebs der Bröker GmbH angesiedelt. Das „Restaurantcafé Pablo“ verfügt über Sitzplätze in einem Restaurant innerhalb der Arkaden sowie im überdachten Innenhof, der zum Picasso-Museum überleitet. Es soll – anders als das im Museum platzierte Bistrocafé – eine größere Zielgruppe ansprechen: Neben Besucherinnen und Besuchern des Picasso-Museums sollen Geschäftsleute, Flanierende und Einkaufende der „Mall“ sowie des weiteren innenstädtischen Einkaufsbetriebes bedient werden. Der öffentliche Bereich der Partnerschaft zur Realisierung ist durch die Stadt Münster und das Land NRW vertreten, die sich an dem Projekt finanziell beteiligen, in der öffentlichen Berichterstattung jedoch keine prominente Stellung einnehmen. So bleiben auch ihre Positionen aus dieser Perspektive im Hintergrund.
83 Der Bau der Münster Arkaden wird in zwei Bauabschnitten vorgenommen. Der erste Abschnitt wird im Mai 2005 eröffnet, der zweite im Oktober 2006. Vor der Eröffnung des zweiten Bauabschnittes verkauft die Sparkasse Münsterland Ost, die bis dato Eigentümerin der Münster Arkaden ist, das Einkaufszentrum an das Unternehmen Sonae Sierra, das sich auf die Verwaltung und den Betrieb von Shopping Centern spezialisiert.
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Presseberichten und öffentlichen Dokumenten der Stadt ist allerdings zu entnehmen, dass sich der Realisierung des Picasso-Museums die Planung einer städtebaulichen Neustrukturierung des Gebietes um das Museum anschließt (s. für den folgenden Abschnitt z.B. Stadt Münster – Der Oberbürgermeister – Amt für Stadt- und Regionalentwicklung 2004; Stadt Münster – Stadtplanungsamt 2004; WN 2005a). Im Jahr 2002 führt die Stadt Münster einen städtebaulichen Realisierungswettbewerb für das erweiterte Quartier durch, auf dem sich das Picasso-Museum befindet. Dies geschieht auch im Zusammenhang mit dem Erarbeitungsprozess für ein Integriertes Stadtentwicklungs- und Stadtmarketingkonzept Münster (ISM) in den Jahren 2002 bis 2004, in dessen Rahmen angeregt und schließlich durch den Rat der Stadt 2004 beschlossen wird, dass den Plätzen im innerstädtischen Bereich eine zentrale Rolle zukommen soll. Aufbauend auf dem Entwurf des ersten Preisträgers des Realisierungswettbewerbs sowie auf ein gesamtstädtisches Konzept „Plätze“ des Amtes für Stadt- und Regionalentwicklung, Statistik und des MünsterMarketing der Stadt Münster, erwirbt die Stadt im Zuge des Neubaus der „Münster Arkaden“ im Jahr 2004 den bisher privaten Platz vor dem Picasso-Museum. Ursprünglich als Parkplatz genutzt, wird für den nun geplanten „Picasso-Platz“ ein Nutzungs- und Gestaltungskonzept erarbeitet, das die Stadt im Rahmen eines Landeswettbewerbs um Städtebauförderungsmittel „Stadt macht Platz – NRW macht Plätze“ (2004/2005) vorlegt. Hintergrund bildet das Vorhaben, durch Neustrukturierung des Stadtquartiers die Innenstadt attraktiver zu gestalten, nahe beieinander gelegene Museen in dem Quartier untereinander zu verknüpfen, Baulücken zu schließen, mindergenutzte Grundstücke neu zu bebauen und einen attraktiven Platz im öffentlichen Raum zu schaffen (Stadt Münster – Stadtplanungsamt 2004). Das Projekt soll durch das Stadtplanungsamt initiiert, in einem breiten Beteiligungsverfahren vorbereitet und in Zusammenarbeit mit öffentlichen und privaten Partnern geplant und realisiert werden. Die Rahmenbedingungen und Hintergründe der drei PPP-Fälle sowie strukturelle und prozessuale Aspekte der Beteiligung, die durch die Ergebnisse der Presse- und Dokumentenanalyse bereits skizziert werden können, verraten noch nicht genügend über die konkreten Entstehungsbedingungen und die politischen Steuerungsprozesse, die hinter einer PPP im Entstehungsprozess stehen. Diese werden deshalb in einem nächsten Analyseschritt untersucht. Hier bietet die PPP Musikhalle besondere Voraussetzungen für eine tiefergehende Analyse. Ihre Vorbereitungsphase ist im Datenerhebungszeitraum noch nicht abgeschlossen, die beteiligten Akteure können deshalb im Prozess interviewt werden. Außerdem erfreut sich die Datenlage nicht nur einer hohen Aktualität sondern auch einer sehr guten Dokumentation. Unter den drei Projekten ist das der Musikhalle am besten geeignet, Aussagen über eine PPP im Entwicklungszeitraum zu ermöglichen. Außerdem bietet es die seltene Möglichkeit, die Steuerungsstrukturen der Entwicklungsphase einer PPP differenziert zu analysieren, die – im Sinne einer Projektrealisierung – gescheitert ist. An dem Beispiel der Musikhallen-Planung wird folglich im nächsten Kapitel untersucht, welche strukturellen, relationalen Faktoren der Zusammenarbeit die Entstehung einer PPP beeinflussen. 3.2 Strukturelle Faktoren: Akteurskonstellationen und Einflussstrukturen in der Planungsphase der Musikhalle Nach der Beschäftigung mit den Rahmenbedingungen der Fälle anhand Presseartikeln und Angaben in öffentlichen Dokumenten einschließlich ihrer Entwicklungslinien, den mit Ihnen verknüpften Policies und den öffentlichen Positionen, die hinter den PPP-Vorhaben stehen, beschäftigt sich dieses Kapitel mit den strukturellen Bedingungen lokaler PPPs auf 154
der Ebene der Organisationen. Strukturelle und relationale Faktoren sind bei der Projektplanung und -entwicklung im Zusammenhang mit strategischen, kooperativen Arrangements von Relevanz. Solche formellen sowie informellen Strukturen zwischen öffentlichen und privaten Akteuren stehen in diesem Teil der Studie im Mittelpunkt. Anknüpfend an die Ergebnisse der Presse- und Dokumentenauswertung, wird zu diesem Zweck zunächst einmal nachvollzogen, welche Akteure konkret an der Planung des Projektes „Musikhalle“ – als einem Fallbeispiel für einen Initiierungsversuch einer lokalen PPP im Kulturbereich – beteiligt sind. Im Vergleich zu der vorherigen Auswertungsphase wird hier eine andere Perspektive auf Akteure eingenommen, indem nicht mehr die öffentliche Darstellung der Positionen und Interessen kollektiver Akteure im Zentrum steht, sondern der Blick vielmehr auf die Ebene der Interaktionszusammenhänge zwischen den Akteuren gelenkt wird. Die Akteure selbst werden zunächst in ihrer Einschätzung anderer Akteure in ihrer Community zu Wort kommen. Erhoben wurde, angelehnt an die Reputationsmethode, welche Akteure für den Planungs- und Entwicklungsprozess einer PPP von Bedeutung sind. Sodann werden Nennungen der Akteure hinsichtlich ihrer Beziehungen zu anderen Akteuren netzwerkanalytisch untersucht. Für die Erhebung der netzwerkanalytischen Daten wurden bestimmte Beziehungsarten gewählt. Hierdurch ist es möglich, die Positionen der Akteure innerhalb ihrer Beziehungen zu anderen Akteuren und ihren Einfluss auf die Entwicklung einer PPP zu operationalisieren. Die Strukturanalyse eröffnet zudem Chancen, die Bedingungen für die Möglichkeit effektiver Kooperationen zwischen öffentlichen und privaten Akteuren in PPPs zu untersuchen. Hintergrund der Netzwerkanalyse stellt nicht in erster Linie ein Fokus auf die Akteure dar, sondern das Vorhaben, die Relationen zwischen den Akteuren und die Konstellationen der Beteiligten offenzulegen. Die Frage nach der Beteiligung der Akteure an der Initialisierungs- und Implementationsphase einer PPP zielt auch auf die Beschäftigung mit den Strukturen und Prozessen des gemeinsamen Entscheidens öffentlicher mit privaten Akteuren ab. Das Kapitel wird wie folgt gegliedert: Nach der Identifizierung der Akteure und der Netzwerkgrenzen (Kapitel 2.1) wird das Einflusspotential bei der PPP-Planung aufgrund der Positionen der Akteure und ihrer Reputation in der community (Kapitel 2.2) untersucht. Die folgenden Teilkapitel beschäftigen sich dann mit den Beziehungen zwischen den Akteuren. Zunächst wird auf die Beziehungsarten eingegangen, die als Ressourcen in Entscheidungsprozessen fungieren (Kapitel 2.3). Sie bilden neben den Akteuren das wichtigste Element der folgenden Netzwerkanalyse, die die Beziehungsstrukturen und Akteurskonstellationen im Rahmen der Initialisierungs- und Implementationsphase der PPP „Musikhalle“ in den Mittelpunkt stellt (Kapitel 2.4). Folgenden übergeordneten Fragen wird dabei nachgegangen:
Über welche formellen und informellen Strukturen suchen Akteure ihren Einfluss auszuüben? Welche der beteiligten Akteure bringen aufgrund ihrer strukturell-relationalen Positionen Voraussetzung mit, um ihre Interessen durchzusetzen? Welche Akteurskonstellationen wirken im Rahmen der Steuerung auf lokaler Ebene? Wie sind die Akteurskonstellationen ausgeprägt, und was lässt sich daraus über den Charakter der Kooperation schlussfolgern?
Die Untersuchungsergebnisse, die in den folgenden Abschnitten präsentiert werden, lassen sich wie folgt in den Gesamtzusammenhang der Arbeit und deren Untersuchungsdesign 155
einordnen: Nach dem Blick auf die Makro- und die Mesoebene der institutionellen Strukturen in der lokalen Kulturfinanzierung in Deutschland (Teil II, Kapitel 2 zu Rahmenbedingungen der Kulturfinanzierung) richtete sich die Aufmerksamkeit auf die Mesoebene ausgewählter PPPs auf der lokalen Ebene Münsters im Spezifischen. Zunächst wurden Hintergründe der Vorhaben, strukturelle und prozessbezogene Charakteristika der Beteiligung untersucht. Der folgende Untersuchungsschritt widmet sich nun der Analyse der Relationen in den strategisch-kooperativen Arrangements, die im Mittelpunkt der Fallstudie stehen. Der Zusammenhang zwischen den Charakteristika der Netzwerke und dem Policy-Outcome wird abschließend erarbeitet (s. zur Einbettung in das Untersuchungsdesign auch den Analyserahmen in Teil II, Kapitel 1.4). 3.2.1 Beteiligte Akteure und Netzwerkgrenzen Bei der Auswahl der Akteure für netzwerkanalytische Studien auf lokaler Ebene ist es wichtig, das zu Grunde liegende Akteursverständnis zu klären. Befragt wurden Repräsentanten korporativer Akteure. Mit der Wahl der Analyseeinheit des korporativen Akteurs setzt die Arbeit an dem Grundverständnis der Organisationstheorie und des akteurzentrierten Institutionalismus an, die korporative Akteure als die relevanten Beteiligten an Prozessen der Politikentwicklung verstehen (s. Raab 2002a: 241). In Anlehnung an Joseph Galskiewicz (1979) werden die Akteure in der vorliegenden Studie als einzelne, organisationelle Einheiten behandelt, auch wenn sie beispielsweise einer größeren organisationellen Einheit zugehören – was insbesondere im Fall der Stadtverwaltung erwähnenswert ist: Verschiedene Abteilungen und Dezernate werden als jeweils eigene organisationelle Einheiten berücksichtigt (vgl. auch Galaskiewicz 1979: 46). Individuelle Akteure, die einem korporativen Akteur zugerechnet werden, nehmen möglicherweise verschiedene Rollen innerhalb ihrer Organisation ein. Sie haben dann nicht immer ein und denselben Status (Laumann, Galaskiewicz et al. 1978). Dies verweist auch auf die Bedeutung individueller Akteure, die nicht zu unterschätzen ist. Beziehungen zwischen Organisationen beruhen nicht selten auf Doppelmitgliedschaften (sogenannten „multiple memberhips“, „overlapping memberships“ oder „interlocking directorates“) eines individuellen Akteurs in zwei Organisationen. Wie bereits in dem Abschnitt zu Untersuchungsdesign und Methoden beschrieben, wurde im Vorfeld der eigentlichen Datenerhebung im Rahmen einer Vorstudie geklärt, welche möglichen zu untersuchenden PPPs vorliegen (s. II.3.2) und welche Akteure sich an deren Planung und Realisierung beteiligten. Aufgrund des Erkenntnisinteresses an der Frage nach Kooperationen im Zusammenhang mit politischer Steuerung wurden drei Kooperationsprojekte im strategischen Sinne eingegrenzt und für die Untersuchung ausgewählt. Die Ergebnisse der Auswertung von Presseartikeln und Dokumenten unterstreichen die grundlegende Annahme, dass die Relevanz und Funktionsweise von PPP-Projekten sowie deren Einfluss, Chancen und Risiken maßgeblich mit den jeweils involvierten Akteuren, ihren Interessen und Zielen, ihren Ressourcen und ihren Beziehungen zu anderen Akteuren sowie ihrer strukturellen Einbindung zusammenhängen und von den institutionellen Rahmenbedingungen geprägt sein können. Die folgende Analyse setzt an diesem Zusammenhang an. Im Rahmen der Vorstudie wurde hierfür der erste Schritt der Netzwerkabgrenzung durchgeführt: Diejenigen Akteure und ihre Positionen wurden identifiziert, die in der Presse- und Dokumentenanalyse mindestens fünf Mal im Zusammenhang mit dem jeweiligen Projekt Erwähnung fanden oder in einem der beiden der Untersuchung vorgeschalteten 156
Expertengesprächen wiederholt genannt wurden. Damit wurde der grundlegenden Annahme des Positionsansatzes84 gefolgt und davon ausgegangen, dass solche Akteure als potentiell einflussreich gelten, die in der Entwicklungsphase einer PPP durch die vorgegebenen hierarchischen Strukturen und ihre inhärente Stellung in diesen strukturellen Zusammenhängen Einfluss ausüben können (vgl. z.B. Mills 1956). Die auf diese Weise letztlich identifizierten 53 Akteure wurden auf einer Karte gelistet, die den Interviewpartnerinnen und -partnern später im Rahmen einer standardisierten Befragung vorgelegt wurde85. Ein Ziel dieser Untersuchungseinheit ist, den relevanten Kreis der zu befragenden Akteure sowie die zu erhebenden Beziehungen unter den Akteuren zu überprüfen, zu bestimmen, näher eingrenzen und gegebenenfalls um zusätzliche Akteure erweitern zu können. Deshalb wurden nicht nur die Experten, die in der Vorstudie befragt wurden, sondern auch die Interviewpartnerinnen und -partner in der Haupterhebungsphase gebeten, gegebenenfalls weitere Akteure und ihre Positionen anzugeben, die die ihnen vorgelegten Liste nicht enthielt und die sie als bedeutsam für die Realisierung des Projektes einschätzten. Die Anwendung der Schneeballmethode ergab, dass elf zusätzliche Akteurspositionen wiederholt benannt wurden, die im Projektzusammenhang gemäß der Befragten von Bedeutung sind. Diese Akteure wurden in die Untersuchung aufgenommen und befragt. Einige der zunächst auf der Basis der Presse- und Dokumentenanalyse sowie der Expertengespräche in die Liste aufgenommenen Akteure werden hingegen in der Netzwerkanalyse nicht näher berücksichtigt, da sich herausstellte, dass ihre direkte Beteiligung an dem Planungsprozess der PPP nicht bestätigt werden konnte86. 3.2.2 Einflusspotential im Zuge der Entwicklung der PPP Musikhalle Neben der Abgrenzung des Netzwerkes durch die Schneeballmethode wird mit der Vorlage der Akteursliste ein weiteres Auswertungsziel verfolgt (s. hierzu auch Kapitel II.3.2, Punkt 4.A der Datenerhebung): Die Ergebnisse der Befragung sollen Aufschluss darüber geben, wie es um die gegenseitigen Wahrnehmungen der Akteure hinsichtlich der Relevanz der Beteiligten bestellt ist. Gefragt wurde nach der Bedeutung ausgewählter, in der Presse- und Dokumentenanalyse und in den Expertengesprächen identifizierter Akteure für die Finanzierung, für den Informationsaustausch und deren Weitergabe sowie für die Mobilisierung der Öffentlichkeit im Rahmen des Vorhabens, das Projekt Musikhalle zu realisieren. Hier wird der grundlegenden Frage nachgegangen, welche Akteure in der Gemeinde eine besonders hohe Reputation genießen. Die Ergebnisse der standardisierten Befragung, bei der die Interviewpartnerinnen und –partner die Akteure und ihre Positionen auf einer Skala von 1 (sehr wichtig) bis 4 (nicht wichtig) einordneten, werden vergleichbar eines Rating-Verfahrens ausgewertet. Im Allgemeinen wird hierfür durch eine Skala die Intensität der Ausprägung von Merkmalen erfasst. Im Gegensatz zu Rankings ermöglichen Ratings damit, nicht nur das Vorhandensein oder Fehlen, sondern auch Ausprägungen des erfragten Merkmals zu erheben (Ludwig-Mayerhofer 1999). Hinsichtlich der Antwortmöglichkeiten wurde eine 4er–Skala gewählt, um ausreichende Differenzierungsmöglichkeiten zuzulassen, dabei jedoch nicht 84
Siehe hierzu grundlegend Teil II Kapitel 1, in dem die methodischen Grundlagen dargestellt werden. Die farbigen Markierungen sowie die IDs der Akteure sollen im Zusammenhang der weiteren Auswertungen in dieser Fallstudie die Zuordnung zu Sektoren und Akteursgruppen erleichtern. 86 Siehe hierzu die Angaben im Kapitel zur Analyse der Beziehungsstrukturen. 85
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die in der Literatur recht umstrittene ungerade Anzahl von Antwortmöglichkeiten einzuräumen. Bei einer ungeraden Anzahl bestünde die Möglichkeit, dass ein imaginärer Mittelpunkt geschaffen wird und unbestimmte Antworten zugelassen werden. Im Zusammenhang mit dem Indikator „Reputation im Bereich der Finanzen“ wurde den zu Interviewenden die Frage gestellt: „Ist die Person wichtig, weil sie das Projekt finanziell unterstützt und / oder finanzielle Mittel beschafft? Die Nennungen wurden je Akteur und dessen Position gewichtet, es wurde das arithmetische Mittel berechnet und die Ergebnisse in eine Rangfolge gebracht. Der Blick auf das Einflusspotential in der Stadt hinsichtlich der Realisierung des Kultur-PPP-Projektes Musikhalle ergibt ein eindeutiges Bild: Die höchsten Werte in Bezug auf ihre Relevanz für eine potentielle finanzielle Unterstützung oder für die konkrete Mittelbeschaffung erhält eine Gruppe von neun Akteuren. Diesen Akteuren wird eine sehr hohe Reputation zugesprochen. Zu diesem Kreis zählt zu allererst eine Position aus der Verwaltungsspitze. Des Weiteren wird ein Akteur aus dem gemeinnützigen Bereich prominent genannt, hinter dessen Position ein Zusammenschluss der Handel- und Gewerbetreibenden der Stadt steht. Auch werden ausgewählte öffentlich-rechtliche Körperschaften als besonders einflussreich eingeschätzt: Die hier genannten sind der Banken- und Versicherungsbranche zuzuordnen. Es handelt sich um Akteure, die auch in anderen Zusammenhängen als Finanzierungspartner und Sponsoren kultureller Projekte auf der lokalen Ebene sichtbar werden. Eine sehr hohe Reputation im Bereich der Finanzierung wird zudem einem Akteur der Ratsfraktion zugesprochen, und zwar der CDU-Fraktion. Akteure der übrigen Ratsfraktionen werden insgesamt in finanzieller Hinsicht als etwas weniger bedeutsam für das Projekt eingeschätzt als die CDU-Ratsfraktion – unter denjenigen die einen mittleren Wert von 2 erhalten und damit als wichtig erachtet werden, zählen die FDP, die SPD-Fraktion und der politische Akteur „Kulturausschuss im Rat der Stadt“. Von zwei gemeinnützigen Organisationen, die dem Tätigkeitsbereich Kunst und Kultur zuzuordnen sind und das Projekt maßgeblich unterstützen und vorantreiben, wird ebenfalls erwartet, in finanzieller Hinsicht einflussreich auf den Projektausgang hinzuwirken. Außerdem wird die städtische Finanzverwaltung in diesem Zusammenhang als sehr bedeutend eingeschätzt. Die zweite Gruppe der erhobenen Reputationsdaten bezieht sich auf die Frage nach dem Einfluss von Akteuren auf den Informationsaustausch und die Informationsweitergabe im konkreten Projektzusammenhang. Hier wird offensichtlich, dass mit insgesamt vierzehn Akteuren einer relativ großen Gruppe zugetraut wird, als sehr wichtige Informationsagenten aufzutreten. Die Zusammensetzung der Gruppe der potentiell sehr einflussreichen städtischen Akteure für die Realisierung der PPP „Musikhalle“ aufgrund von Informationsaustausch und/oder Informationsweitergabe hebt sich von der zuvor identifizierten Gruppe der Akteure ab, die aufgrund finanzieller Bezüge eine sehr hohe Reputation aufweisen: So werden alle gelisteten Mitglieder der Verwaltungsspitze als sehr bedeutende Informationstauschpartner beziehungsweise Informationsvermittler eingestuft. Des Weiteren sind in dieser Gruppe zivilgesellschaftliche und wirtschaftliche Akteure vertreten, die auch in ihrer Relevanz in finanzieller Hinsicht viele Nennungen erhielten. Daneben wird vier weiteren, privaten Akteuren eine sehr hohe Bedeutung zugesprochen, von denen zwei in einem privatwirtschaftlichen Feld agieren und zwei dem privat-gemeinnützigen Bereich angehören. Präsent sind hier auch politische Akteure, und zwar die beiden regierenden Parteien. Von politischadministrativen Akteuren, die in ihren Institutionen einen starken inhaltlich-thematischen Bezug zu dem Projekt aufweisen, wird ebenfalls erwartet, dass sie eine sehr hohe Bedeutung als Informationsagenten und Informationsbroker einnehmen können. 158
Die Interviewpartnerinnen und –partner gehen des Weiteren bei fünfzehn Akteuren von einer sehr hohen Befähigung aus, Bürgerinnen und Bürger für das Thema aktivieren zu können, den Bekanntheitsgrad des Projektes zu steigern oder das Thema auf die öffentliche Agenda zu setzen. Gefragt wird hier nach der Relevanz der Akteure im Hinblick darauf, die Öffentlichkeit zu mobilisieren und/oder das Projekt in der Öffentlichkeit bekanntzumachen. Die höchsten Erwartungen bezüglich einer Mobilisierungsfähigkeit werden einem gemeinnützigen Akteur mit kulturellem und projektbezogenem Ziel zuteil. Dieser Akteur erhält bereits bei der vorherigen Frage sehr hohe Reputationswerte, was nicht verwundert: Die Organisation engagiert sich über Jahre hinweg als die treibende Kraft für die Projektentwicklung und -realisierung. Auch die Verwaltungsspitze wird als sehr bedeutende Mobilisiererin eingeschätzt. Erneut genannt wird auch ein bereits in finanziellen und informationellen Fragen als einflussreich wahrgenommener Akteur aus dem gemeinnützigen Bereich. Zu den allgemein als einflussreich wahrgenommenen Mobilisierern zählen außerdem Wirtschaftsakteure. Eine öffentlich-rechtliche Körperschaft aus dem ökonomischen Bereich sowie ein kleines Unternehmen der Musikbranche heben sich diesbezüglich hervor. Demgegenüber werden nur ausgewählte politische Parteien als sehr wichtige Öffentlichkeitsarbeiter genannt. Dieses Ergebnis entspricht den durch die Presse- und Dokumentendurchsicht offensichtlich werdenden Parteipositionen. Erwähnenswert ist, dass bei dem Mobilisierungs-Icon zusätzlich auch neue, relevante Akteure ins Spiel kommen: Die Presse und die Bezirksregierung sind im Rating zur Mobilisierungs-Thematik auf den vordersten Positionen vorzufinden, während sie als Financiers und Informationsbroker keine oder lediglich eine sehr untergeordnete Rolle in der Wahrnehmung der Befragten spielen. Die hier dargestellten Ergebnisse beziehen sich auf den Einfluss der beteiligten Akteure, der diesen durch Mitglieder ihrer Community zugesprochen wird – und folgen damit der grundlegenden Annahme eines klassischen Reputationsansatzes, wie er beispielsweise von Hunter vertreten wird. Danach erklären Wahrnehmungen und Bewertungen der anderen Akteure die Macht und den Einfluss eines Akteurs (s. hierzu z.B. Hunter 1953). Mills und Hunter gehen beide davon aus, dass eine kleinere, homogene Gruppe das Stadtgeschehen bestimmt, deren Macht – je nach Ansatz – auf deren Position oder Reputation basiert. Werden der Auswertung dahingegen die empirisch manifesten Beziehungen zwischen beteiligten Akteuren als wesentliche Analyseeinheiten zu Grunde gelegt, so wird nach den Annahmen eines Entscheidungsfindungsansatzes, wie ihn etwa Dahl vertritt, die Möglichkeit eingeräumt, dass wichtige und kontroverse Thematiken des Stadtgeschehens durch die Beteiligung an Entscheidungsprozessen gesteuert werden (Dahl 1961). Während Mills auf der Grundlage seiner Studien konstatiert, dass der eigentlich nach außen hin als pluralistisch dargestellte Charakter US-amerikanischer politischer Strukturen und Prozesse in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren in Wirklichkeit auf Entscheidungen einer kleinen Machtelite basiert, deren Interessen konvergieren, stellt Dahl dem entgegen, dass Einfluss in Demokratien vielmehr verteilt sei. Verschiedene Interessen fänden Zugang in den politischen Prozess. Einflussreich sind nach Dahl diejenigen korporativen Akteure, die sich an diesen Prozessen beteiligen. Seine Studien auf der Grundlage des pluralistischen Entscheidungsfindungsansatzes kommen zu dem Ergebnis, dass viele verschiedene Eliten in kollektive Entscheidungen involviert sind. Die Auseinandersetzungen und Kompromisse führen zu einem regelrechten Wettstreit der Eliten untereinander, die sich zu wechselnden Mehrheitskoalitionen zusammenschließen. Entgegen der Auffassung von Mills werden auch Interessen von Minderheiten gewahrt, da demokratische Systeme Institutionen bereithalten, die es unmöglich machen, dass Mehrheitskoalitionen auf lange Sicht ohne Verhandlungen mit der Opposition politische Inhalte durchsetzen (Dahl 1967: 326). Minderheits159
gruppen verfügen zudem über Möglichkeiten, ihren Einfluss in Verhandlungen geltend zu machen. Sie können nicht dauerhaft ausgeschlossen werden (Dahl 1961: 89ff.). Dem Entscheidungsfindungsansatz folgend basiert das Einflusspotential also auf den strukturellen Beziehungen zwischen den Akteuren im politischen Prozess. Einfluss kann über unterschiedliche Beziehungsarten ausgeübt werden, die empirisch untersucht werden können. Dieses Modell ist Grundlage der folgenden Analyseschritte, die sich netzwerkanalytischer Methoden bedienen. 3.2.3 Beziehungen und Einflussstrukturen Die Annahme, die auch dem Reputationsansatz unterliegt, – je höher der wahrgenommene Einfluss eines Akteurs, umso größer sei das Bewusstsein der anderen, dass der Akteur bei der Verfolgung seiner Ziele autonom ist (Pappi 1990: 133) – zielt auf die Zentralität der Position eines Akteurs ab. Allerdings ist davon auszugehen, dass nicht nur die Position von Akteuren dafür relevant ist, wie ein Akteur eingeschätzt wird. Vielmehr weisen empirische Studien auf einen Zusammenhang zwischen dem Einfluss von Akteuren und deren Kontakten zu anderen Akteuren hin. Verfügt ein Akteur über Beziehungen zu vielen anderen Akteuren, so kann er über diese Beziehungen zusätzliche Informationen beziehen, er kann Güter und Leistungen austauschen. Auch die jeweiligen Arten der Beziehungen und ihre Qualitäten im Vergleich zu den Beziehungen, die andere Akteure haben, können bestimmen, ob und wie sich der Akteur in Entscheidungsprozessen durchzusetzen vermag. Seine Beziehungen können dann als seine Ressourcen bezeichnet werden. In der Folge ist auch die Position selbst, die ein Akteur in einer Beziehungsstruktur einnimmt, eine Ressource. Dieser Zusammenhang verweist darauf, dass die konkreten Verbindungen zwischen den Akteuren einer genaueren Analyse lohnen, diese Verbindungen hierfür jedoch einer Konkretisierung und einer Operationalisierung bedürfen. 3.2.3.1 Hintergründe: Integration, Macht, Entscheidungsfindung Empirische Studien weisen darauf hin, dass im Rahmen von Verhandlungsphasen in politischen Entscheidungsprozessen typischerweise bestimmte Beziehungsarten von besonderer Relevanz sind. Diese Beziehungsarten stellen neben den Akteuren einen Grundstein für die Netzwerkanalyse dar87. Als Verbindungen zwischen den Akteuren integrieren sie die Akteure in eine Struktur und in ein soziales System. Gleichzeitig stellen die Verbindungen die Grundlage von Machtbeziehungen dar. Sie sind zudem die Basis für die Machtpositionen der Akteure in der Struktur. Nach Knoke (1990: 9) ist die Machtverteilung zwischen den Akteuren innerhalb eines sozialen Systems somit als „Funktion der Verteilung der Akteurspositionen in einem […] Netzwerk zu sehen (Raab 2002a: 246). Neben dem Aspekt der Macht als einer Variablen zur Erklärung des Funktionierens von Beziehungsstrukturen werden in der Interpretation der Auswertungsergebnisse auch Aspekte der gemeinsamen Entscheidungsfindung als Bedingungen der Möglichkeit von Kooperationen einbezogen. Diese Hintergründe werden im Folgenden skizziert.
87
S. hierzu grundlegend das Methodenkapitel
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In Kapitel 2 zu Untersuchungsdesign und Methodologie wurden bereits Anhaltspunkte zur Differenzierung zwischen Macht und Einfluss gegeben. Die beiden Begriffe sollen in den folgenden Abschnitten im Zuge der Beschreibung der zu erhebenden Beziehungsarten nun näher bestimmt werden. Dies ist insofern passend, als soziale Macht als relationales Konstrukt verstanden wird und Einfluss als mögliche oder tatsächliche Interaktion zwischen Akteuren, nicht als Attribut eines Akteurs. Diese Auffassung unterstreicht auch Max Weber durch seine viel zitierte Definition. Nach Weber ist Macht „die Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht“ (Weber 1972: 28). Macht im Sinne von „influence“ ist laut Weber abzugrenzen von Herrschaft („domination“), die ein Zwangselement enthält. Folgt ein Befehlsempfänger dem Befehl eines „Herrschers“, so betrachtet er die Beziehung zwischen ihm und dem Herrscher als legitim. An den Aspekt der Macht knüpft sich gleichwohl die Thematisierung ihrer Legitimität an. Die entscheidende Frage im Zusammenhang mit Macht im Zuge der Netzwerkanalyse ist, wie Macht hier zu fassen ist und welche Position in einer Beziehungsstruktur über Macht verfügt. Sind indirekte Beziehungen in Netzwerken von Relevanz? Dorothea Jansen verweist diesbezüglich auf eine Differenzierungsmöglichkeit: Als Indikatoren für Macht sei zwischen positiv verbundenen Einflussnetzwerken und negativ verbundenen Tauschnetzwerken zu unterscheiden (Jansen 2003: 163). So haben in positiv verbundenen Einflussstrukturen – zu denen beispielsweise die Beziehungsart der Kommunikation oder, im engeren Sinne, der Informationsweitergabe bzw. des Empfangens von Informationen zählt – diejenigen Akteure legitime Macht, die über vergleichsweise zahlreiche Außenbeziehungen verfügen, sowie diejenigen, die Beziehungen zu solchen Akteuren pflegen, die wiederum mächtig sind. Es stellt sich hier also die Frage nach einer positiven Eingebundenheit der Akteure in eine Struktur. Netzwerkanalytische Maßzahlen richten sich in diesem Zusammenhang nach der Zentralität oder nach dem Prestige. Dagegen ist in negativ verbundenen Beziehungsstrukturen das Fehlen struktureller Zwänge oder die Möglichkeit, strukturelle Löcher auszubeuten, der Indikator für Macht. Die Verfügung über knappe Ressourcen und damit die Möglichkeit, diese zu tauschen, steht hier für eine strukturelle Autonomie. Viele alternative Tauschpartner erhöhen die Macht eines Akteurs. Dabei ist die Verbindung zwischen den Akteuren durch Konkurrenz zwischen den Beziehungen gekennzeichnet. In positiv verbundenen Beziehungsstrukturen sind die Verbindungen hingegen durch Komplementarität und Additivität gekennzeichnet: Die Macht eines Akteurs in Einflussstrukturen steigt mit der Anzahl der Verbindungen zu mächtigen Akteuren. Dahingegen sinkt die Macht eines Akteurs in Tauschnetzwerken mit der Anzahl produktiver Verbindungen anderer. Die Konzepte von Macht und Einfluss können also durch die der empirischen Studie zu Grunde gelegten Beziehungsarten näher eingegrenzt werden. Macht wird dabei nicht als ein Attribut eines Akteurs begriffen, sondern als Eigenschaft einer komplexen Interaktion. Macht wird im Sinne von Einfluss, nicht in der Konnotation von Herrschaft oder „Domination“, verstanden und kann, entsprechend der Ressource in der Interaktion zwischen den Akteuren, unterschiedlich zum Ausdruck kommen. Die Untersuchungen, die im Rahmen von Community Power Studies durchgeführt wurden, wiesen insbesondere informellen, latenten lokalen Machtstrukturen in verschiedenen Beziehungsarten eine hohe Bedeutung zu. So stellt die Untersuchung latenter Machtstrukturen durch Hunter (1953) eine Führungselite in der Stadt Atlanta in Georgia in den Mittelpunkt. Hunter identifiziert eine stabile, homogene Elite, die sich hauptsächlich aus einflussreichen Geschäftsleuten rekrutiert. 161
Die politische und ökonomische Entwicklung der Stadt wird nach Hunter durch diese Geschäftsleute über flexible Gremienstrukturen maßgeblich geprägt. Einige spätere Studienergebnisse, die einem vergleichbaren „Reputationsansatz“ folgen, unterstreichen diesen Befund (Knoke 1990: 121-122). Allerdings wird der Reputationsansatz Hunters‘ in der Folge stark kritisiert. So wird argumentiert, dass eine Reflektion von Machtstrukturen, die ausschließlich auf der Reputation eines individuellen Akteures basiert, die wirkliche Machtverteilung nicht erfassen könne (Dahl 1961). Der „decisional approach“, den Dahl dagegen setzt, wendet er auf Entscheidungsstrukturen in der Kommune New Haven / Connecticut an. Auf der Grundlage einer Analyse von Dokumenten und Interviews weist er darauf hin, dass die lokale Wirklichkeit nicht durch eine monolithische Perspektive auf Macht beschrieben werden könne. Anstatt einer manifesten und eingegrenzten Elite ergibt die Untersuchung in New Haven vielmehr ein Netzwerk aus vielfältigen, sich schnell verändernden, heterogenen Gruppen zentraler Akteure, die die Entscheidungen prägen (Dahl 1961: 91). Dahl wird durch Kritiker herausgefordert, die in seinen Studien die Bezugnahme auf die oben bereits angesprochenen latenten Machtstrukturen vermissen, die sich hinter den manifesten Entscheidungsprozessen und Machtbeziehungen verbergen. So wird Elitenstudien wie der von Dahl vorgeworfen, ihnen läge ein eindimensionales Verständnis von Macht zugrunde (Bachrach /Baratz 1962). Aufbauend auf den Ergebnissen Hunters und Dahls setzen sich diverse andere Fallstudien die Systematisierung von Machtkonstellationen und ihrer strukturellen Merkmale zum Ziel. Aus diesen lassen sich grundlegende Strukturmuster herausstellen, die für die Analyse lokaler Beziehungsstrukturen relevant sind. So weist etwa Knoke (1990: 123) darauf hin, dass „Akteur-Akteur-Beziehungen“ ein solches grundlegendes Strukturmuster darstellen88. Muster von Ressourcenaustauschstrukturen zwischen lokalen Akteuren sind danach recht stabil. Insbesondere durch den Austausch von Informationen sind lokale Akteure miteinander verbunden. Ihre Beziehungen dienen dann als Kommunikationskanäle (Knoke 1990: 123). Damit ist eine Oberkategorie für Beziehungsarten genannt, die auch in der folgenden Analyse Berücksichtigung finden wird: Beziehungsarten, die auf Kommunikation aufbauen, werden für die Analyse politischer Entscheidungsprozesse als besonders wichtig erachtet (Raab 2002a: 243). Unterschiedliche Arten von Kommunikationsbeziehungen sind denkbar und empirisch beobachtbar. Dies zeigt auch eine der weitreichendsten quantitativen Studien, die in den 1970er und 1980er Jahren durch Laumann, Pappi et al. durchgeführt wurde (vgl. Laumann /Pappi 1976; Galaskiewicz 1979; Laumann /Marsden 1979; Pappi /Melbeck 1984). Die Wissenschaftler führten vier Studien in drei deutschen und US-amerikanischen Städten durch. Dem Projekt wird nachgesagt, es repräsentiere „…the full potency of network analysis theories and methods for producing startlich insights into collective action…” und „…the state of the art in community power research“ (Knoke 1990: 128-129). Auf der Grundlage von Parsons funktionalistischem Ansatz und dessen AGIL-Konzept bestand ein Ziel der Forschung darin, ein finanzielles Netzwerk, ein Informationsnetzwerk und ein Netzwerk der moralischen Unterstützung zu untersuchen, in das die relevanten kommunalen Entscheidungsträger involviert waren. Parsons Konzept steht dabei auch für den Ansatz, zur Untersuchung von Macht88
Neben „Akteur-Akteur-Beziehungen“ verweist Knoke (1990) auf zwei weitere, zentrale Typen von Strukturbeziehungen: „Akteur-Ereignis-Beziehungen“ und „Ereignis-Ereignis-Beziehungen“ und weist auf die vielfältigen Interdependenzen hin, die im lokalpolitischen Raum zwischen Akteuren und Ereignissen vorzufinden sind. Akteure können durch Ereignisse miteinander verbunden sein. Ihre strukturelle Verbindung untereinander kann jedoch auch als eine Beziehung zwischen Ereignissen durch Akteure untersucht werden (Knoke 1990: 123f.).
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strukturen die Entscheidungsträger in Organisationen und deren Funktionen zum zentralen Untersuchungsgegenstand zu machen. Laut Parsons bestehen die Funktionen der Entscheidungsträger in „adaption“ (Unternehmen, Banken), „goal attainment“ (Regierung und Verwaltung), „integration“ (Vereine, Gewerkschaften, Parteien), und „latent pattern maintenance“ (Schulen, Religion, Kultur, Gesundheit). Die Ressourcen, die innerhalb und zwischen den Organisationen ausgetauscht werden, sind Geld, politische Macht, Einfluss und Wertbindung (Parsons 1963, 1975). Basierend auf dem Forschungsdesign Parsons identifizierten Laumann, Pappi et al. die Zentralität von Individuen und Organisationen in den Finanz-, Informations- und Unterstützungsnetzwerken der Kommunen als den determinierenden Faktor der Machtstruktur. Zentrale Ergebnisse ihrer Forschung bezogen sich auf diese Zentralität: 1.
2.
3.
Es wird ein Zusammenhang zwischen der Reputation und der tatsächlichen Zentralität von Entscheidungsträgern festgestellt insofern, als solche Entscheidungsträger, die von anderen als einflussreich wahrgenommen werden, tatsächlich im Zentrum der kommunalen Ressourcennetzwerke stehen. Die meisten Akteure, die eine zentrale Position im Netzwerk einnehmen, sind Führungspersönlichkeiten in der Verwaltung, in größeren Unternehmen und in Banken. Repräsentanten klein- und mittelständischer Unternehmen sowie die traditionellen Eliten aus Religion, Wissenschaft und Schule spielen eine periphere Rolle. Die Reputation von Akteuren wird auf die Glaubwürdigkeit ihrer Informationen und Entscheidungen zurückgeführt sowie auf ihre Fähigkeit der Interaktion mit unterschiedlichen Interessenträgern (Laumann /Pappi 1976). In den meisten Fällen sind die zentralen Akteure an den wichtigsten politischen Kontroversen und Entscheidungsprozessen in der Kommune beteiligt. Da sie viele Kontakte zu verschiedensten anderen Akteuren besitzen, ist es ihnen außerdem möglich, Akteure für ihre Themen zu mobilisieren. Sie gehen dann Koalitionen mit anderen Akteuren ein. Innerhalb solcher Koalitionen bilden sich wiederum Cluster von Akteuren, die ähnliche Positionen vertreten (Galaskiewicz 1989). Die Koalitionen sind nicht grundsätzlich dauerhaft, sondern entsprechen Mustern, die Schwankungen unterworfen sind. Die Zentralität seiner Position determiniert, ob der Akteur die erwünschten Ergebnisse in politischen Auseinandersetzungen erzielt. Politische Erfolge sind darauf zurückzuführen, dass eine große Anzahl von Ressourcen mobilisiert und koordiniert werden kann. Hier spielt die Reputation der Akteure eine hohe Rolle, die das Vertrauen der Koalitionspartner in ihre Meinungsführer widerspiegelt. Zentrale Akteure können wirkungsvolle Koalitionen bilden. Durch die Identifikation der Gruppe mit dem höchsten Einflusspotential in der Gemeinde gelingt es Laumann/ Pappi et al. (1976), einzuschätzen, welche Meinungen sich durchsetzen und welche politische Entscheidungen letztlich getroffen werden.
Verschiedentlich wird darauf hingewiesen, dass neben dem Aspekt der Macht weitere wichtige Variablen zu berücksichtigen seien, die der Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit von Kooperationen zuzuordnen sind. Fritz W. Scharpf (1993) zeigt, dass es wahrscheinlicher ist, dass quasi-institutionalisierte politische Netzwerke als Verhandlungssysteme aus konsensual orientierten Einigungsprozessen bestehen, als dass sie auf einem reinen Machtkampf basieren. Gegenläufige Machtinteressen können in Verhandlungssystemen zu Entscheidungsblockaden und damit zu wenig effektiven Lösungen führen. Dahingegen sind Entscheidungen, die im Konsens getroffen werden, besonders legitim, da die Weber‘sche Machtkomponente hier nicht greift: Niemand muss sich gegen seinen Willen 163
unterwerfen. Konsensual getroffene Entscheidungen sind insofern besonders gut durchsetzbar. Allerdings ist es auch schwierig, überhaupt zu Entscheidungen zu gelangen, gelten Entscheidungsprozesse in Verhandlungssystemen doch als aufwändig, langwierig und schwierig. Ihre Ergebnisse sind denn auch meistens wenig innovativ (Scharpf 1993, 2000). Als ein Modus der Entscheidungsfindung müssen Verhandlung und Konsens also einbezogen werden. Die Strukturen kooperativer Arrangements nur unter Berücksichtigung des Aspektes der Macht zu analysieren, würde eine Verkürzung der Sichtweise bedeuten. Die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit effektiver Kooperationen lenkt die Perspektive auf solche Strukturmerkmale, die verschiedene Arten der Kooperationen unterstützen. Dies macht Ansätze interessant, die sich mit den Strukturmerkmalen von Modellen der Koordination, des Regierens und der Interessenvermittlung beschäftigen und sich beispielsweise zum Ziel setzen, Beziehungsstrukturen in einem Politikfeld oder „issue network“ dahingehend zu interpretieren, welchem System der Interessenvermittlung diese am ehesten entsprechen (z.B. Pappi /König 1995). Vor dem Hintergrund der skizzierten Zusammenhänge der möglichen Operationalisierung von Beziehungen
als Grundsteine der Integration der Akteure in eine Struktur, als Determinanten der Machtstruktur in einer Gemeinde, als Verhandlung und Konsens – einem Modus der Entscheidungsfindung, als grundlegende Strukturmerkmale der Koordination in Systemen der Interessenvermittlung
werden im Folgenden die Beziehungsarten vorgestellt, nach denen die Interviewpartnerinnen und –partner im Rahmen der empirischen Studie zur Musikhallenplanung befragt wurden. Inspiriert ist die Wahl der Beziehungsarten in erster Linie durch die Studie von Raab (2002), daneben auch durch die Arbeiten von Laumann/ Pappi, Galaskiewicj, Pappi/ König und Knoke et al. (Laumann /Pappi 1976; Galaskiewicz 1989; Pappi /König 1995; Knoke, Pappi et al. 1996). Bei allen Beziehungen wurde nach einer regelmäßigen Zusammenarbeit bei der Entwicklung und Planung des Projektes Musikhalle in einem begrenzten Zeitraum der vergangenen fünf Jahre gefragt. Die Befragten wurden gebeten, bei jeder Beziehungsart die fünf wichtigsten Kooperationspartner zu nennen. 3.2.3.2 Beziehungsarten Informationsaustausch Hinsichtlich der Beziehungsart des Informationsaustausches wurde danach gefragt, mit welchem Akteur der oder die Befragte im Zuge der Entwicklung und Planung der Musikhalle im Zeitraum der letzten fünf Jahre regelmäßig Informationen ausgetauscht hat. Als eine Beziehungsart, die auf Kommunikation aufbaut, ist der Austausch von Informationen zwischen Akteuren von besonderer Relevanz bei der Analyse lokaler Entscheidungsprozesse. Den Ergebnissen empirischer Studien folgend kann davon ausgegangen werden, dass dem Informationsaustausch häufig auch eine informelle Komponente innewohnt und dass Strategiebildungsprozesse auf ihm aufbauen (Laumann /Pappi 1976; Laumann /Knoke 1987; Raab 2002a: 243). Pappi und König betonen für politische Netz164
werke, dass Informationen als knappe Ressource für die Akteure ein wertvolles Gut seien (Pappi /König 1995). Sie seien nicht unbedingt frei verfügbar und würden durch die Akteure gezielt nachgefragt. Typischerweise verfügten Akteure des politisch-administrativen Bereichs, die verbindliche Entscheidungen treffen können, über andere Informationen als Akteure des privatwirtschaftlichen Bereichs, die sich beispielsweise durch spezifische Beiträge ökonomischer Art einbringen oder Akteure des privat-gemeinnützigen Bereichs, die etwa politische Entscheidungen beeinflussen wollen. Anzunehmen sei auch, dass die verschiedenen Akteure je nach Bereich unterschiedliche Informationen benötigten, die sie nur von Akteuren des jeweils anderen Bereichs erhalten könnten. Nach Pappi/ König (1995) können Informationsaustauschstrukturen in Muster öffentlich-privater Beziehungen eingeordnet und dahingehend interpretiert werden, ob ihnen eher korporatistische oder pluralistische Merkmale innewohnen. So können Rückschlüsse auf die Art und Weise der Interessenvermittlung in bestimmten Politikfeldern und damit auf die Interessenverflechtung gezogen werden. Damit lösen sich die beiden Wissenschaftler von der Ebene der Akteursstruktur und stellen sich die Frage, welchem Strukturtyp das Gesamtnetzwerk entspricht. Anzunehmen ist, dass im Fall der Planung der Musikhallenerrichtung der Informationsaustausch als informelle Kommunikation in ganz besonderem Maße eine Rolle spielt, ist die Phase, in der die Daten erhoben wurden, doch maßgeblich durch die Selektion von Themen im Zusammenhang mit dem Agenda Setting bestimmt. Durch den Austausch von Informationen können Akteure beurteilen, wie andere Akteure sich zu bestimmten Themen verhalten. Gerade im Zuge von Verhandlungen, die für diese Phase der Projektplanung charakteristisch sind, ist der Austausch von Informationen von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Es stellt sich die Frage, ob die Akteure über Informationen direkt oder auch indirekt miteinander verbunden sind, ob also in dem „issue Netzwerk“ Informationen von einem Akteur zu jedem anderen Akteur gelangen. Die Integration eines Akteurs in eine Kommunikationsstruktur kann auch Aufschlüsse über seine informelle Machtposition bieten. Zu untersuchen ist zudem, welche Akteure über wichtige Informationen verfügen und wer in der Lage ist, den Informationsfluss zu kontrollieren. Es stellt sich schlussendlich die Frage, welche Merkmale die Gesamtstruktur aufweist und was sich daraus schließen lässt über die Art der Interessenvermittlung und -verflechtung in Planungs- und Entwicklungsphasen lokaler PPPs. Strategische Abstimmung vor Entscheidungen Gefragt wurde, mit welchem Akteur die oder der Befragte im Zuge der Entwicklung und Planung der Musikhalle im Zeitraum der letzten fünf Jahre regelmäßig strategisch zusammengearbeitet und sich in der Regel vor wichtigen Entscheidungen abgestimmt hat. Aufgrund der Ergebnisse der Presse- und Dokumentenanalyse konnte davon ausgegangen werden, dass die Akteure ihre Aktivitäten koordinieren und sich untereinander vor wichtigen Entscheidungen in der Planungs- und Entwicklungsphase des Großprojekts Musikhalle abstimmen. Wer aus dem großen Kreis der in der Dokumentenanalyse identifizierten Akteure allerdings an den engeren politischen Entscheidungsprozessen beteiligt ist und in die bewusste, strategische Koordination eingebunden wird, wird aus der öffentlichen Darstellung nicht deutlich. Interessant ist es auch, zu sehen, welche Rollen die unterschiedlichen Sektoren bei der Vorbereitung von Entscheidungen spielen. Durch die Untersuchung dieser Beziehungsart, die ebenfalls auf Kommunikation beruht (vgl. Raab 2002a: 44), kann offensichtlich werden, inwieweit sich die Akteure im Zuge der Planung und Entwicklung 165
der PPP Musikhalle untereinander bewusst und strategisch berücksichtigt haben sowie welche Akteursstrukturen in die Koordination mit einbezogen wurden – und welche nicht. Die Abstimmung der Akteure setzt keine Einvernehmlichkeit voraus. Ihre Interessen können durchaus divergieren (vgl. hierzu auch Raab 2002a: 279). Der Aspekt der Interessenkonvergenz wird im Zusammenhang mit der Beziehungsart „Unterstützung bei der Zielerreichung“ berücksichtigt. Austausch von Expertise Der Erhebung dieser Beziehungsart gingen die folgenden beiden Fragen voraus: Mit wem standen Sie im Zuge der Entwicklung und Planung der Musikhalle im Zeitraum der letzten fünf Jahre in engem Kontakt und von wem haben Sie dabei regelmäßig Expertise (technisches, juristisches, politisches, wirtschaftliches Fachwissen) bezogen? Mit wem standen Sie im Zuge der Entwicklung und Planung der Musikhalle im Zeitraum der letzten fünf Jahre in engem Kontakt und an wen haben Sie dabei regelmäßig Expertise (technisches, juristisches, politisches, wirtschaftliches Fachwissen) weitergegeben? Im Unterschied zu den beiden vorangegangenen Beziehungsarten, die auf die Erhebung symmetrischer Daten abzielten, wurde bei dieser Frage die Möglichkeit eingeräumt, auszuwerten, inwiefern die Beziehungen auf Gegenseitigkeit beruhen. Möglich ist, dass ein Akteur als Sender jedoch nicht als Empfänger von Expertise (oder anders herum) erscheint. Die Beziehung kann jedoch auch auf Gegenseitigkeit beruhen (zur Ausprägung von Beziehungen s. 2.3.3). Für den vorliegenden Fall sind Nennungen der Akteure zu dieser Beziehungsart von Interesse, da in der Presseanalyse offensichtlich wurde, dass es im Zuge der Musikhallenplanung einen hohen Bedarf an Fachwissen gab. Dies zeigt sich durch die Häufigkeit und Intensität, mit dem dieses in der Planungsphase hinzugezogen wird. Durch die öffentliche Darstellung wird dies sichtbar über das Hinzuziehen externer Beratungsunternehmen, über die Beauftragung von Gutachten, über Runde Tische, Bürgerbeteiligungsforen sowie Expertenzirkel und Arbeitsgruppen. Die vorgesehene Projektrealisierung als öffentlich-private Partnerschaft stellt die Entscheidungsträger im Planungsprozess vor offene Fragen hinsichtlich möglicher PPP-Modelle. Hier sind die Erfahrungen noch begrenzt, handelt es sich doch um relativ neuartige Formen der Finanzierung und des Betriebs. Dazu kommen Unsicherheiten über die Voraussetzungen und Konsequenzen der Realisierung eines Projektes dieses hohen finanziellen Volumens. Die Erhebung zielt auf die Interpretation von zwei Bestandteilen ab: Zum einen auf spezifisches Fachwissen und die Frage, wer ein solches anbietet. Daraus lassen sich auch Rückschlüsse darauf ziehen, welches Wissen in dieser PPPEntwicklungsphase für die Akteure von Interesse und welches zugänglich ist. Zum zweiten handelt es sich auch um eine Struktur, über die sich relevante Ratgeber identifizieren lassen und die Frage angegangen werden kann, welche Akteure als Ratgeber nachgefragt werden. Unterstützung bei der Zielerreichung Auch die Erhebung der Beziehungsart „Unterstützung bei der Zielerreichung“ wurde durch zwei Fragestellungen gestützt. Gefragt wurde: Mit wem kooperierten Sie im Zuge der Entwicklung und Planung der Musikhalle im Zeitraum der letzten fünf Jahre regelmäßig und wurden damit bei der Erreichung wichtiger Ziele unterstützt? 166
Mit wem kooperierten Sie im Zuge der Entwicklung und Planung der Musikhalle im Zeitraum der letzten fünf Jahre regelmäßig, und wen unterstützten Sie damit bei der Erreichung wichtiger Ziele? Verbindungen sozialer Unterstützung werden als ein Beispiel für Transaktionen betrachtet. Die Beziehungsart der Transaktion oder des Transfers materieller Ressourcen kann generell die unterschiedlichsten Güter umfassen. Daneben können auch Formen sozialer Transaktion in dieser Beziehungsart inbegriffen sein, wie dies hier angenommen werden kann. Eine Form sozialer Transaktion ist im Allgemeinen das Schließen von Kontakten eines Akteurs zu einem anderen Akteur mit dem Ziel, sich wertvolle Ressourcen zu sichern (Wasserman /Faust 1994: 38). Die Beziehungsart der Unterstützung ist auch indirekt denkbar, über Aktivitäten gegenüber Dritten – sie beruht nicht unbedingt auf direkter verbaler Kommunikation oder direktem Austausch (Raab 2002a: 245). Erfolgt die Unterstützung gegenseitig, so kann davon ausgegangen werden, dass die Akteure sich in ihren Interessen zu einem gewissen Ausmaß gegenseitig berücksichtigen, dass gegebenenfalls eine Interessenkonvergenz vorliegt. Nach Raab (2002: 279f.) kann durch eine Cliquenanalyse dieser Beziehungsart sogar auf eine mögliche Koalitionsbildung geschlossen werden. Im Rahmen der PPP-Planung und -Entwicklung ist die Auswertung dieser Beziehungsart von Bedeutung, da daraus geschlossen werden kann, ob soziale Transaktionen direkt bzw. über Dritte geschehen, ob in dem großen und vielfältigen Kreis der Beteiligten bei einer Gruppe von Akteuren Koalitionen geschlossen werden, wie groß diese Gruppe ist und wie sie zusammengesetzt ist. Es könnte durchaus sein, dass sich im Zusammenhang mit der Musikhalle in Anbetracht der Phase der Planung sowie in Anbetracht der hohen Anzahl Beteiligter an dieser Phase ein relativ klares Bild der gegenseitigen Unterstützungen herauskristallisiert, sind doch die Fronten gemäß der öffentlichen Darstellung vordergründig relativ eindeutig. Alternativ wäre es jedoch auch möglich, dass aufgrund der noch relativ vagen Entscheidungsprozessbedingungen und sich wandelnder Rahmenbedingungen geringe Gegenseitigkeiten ergeben, die beispielsweise auf Schwankungen im Planungsprozess zurückzuführen wären.
167
3.2.3.3 Ausprägungen von Beziehungen Beziehungen können verschiedene Ausprägungen haben, die im Rahmen der Netzwerkanalyse in Graphen und Matrizen dargestellt werden. Die in dieser Arbeit relevanten Unterscheidungen zwischen Formen relationaler Strukturtypen in Graphen führt die folgende Abbildung schematisch am Beispiel der grundlegenden Einheit in der Analyse sozialer Netzwerke, der Dyade, auf. Abbildung 7:
Darstellung der Verbindungen als Graphen (Dyaden)
keine Verbindung
(1)
ungerichtet, symmetrisch (2) gerichtet, asymmetrisch (3) gerichtet, asymmetrisch (4) gerichtet, symmetrisch
(5)
Bei der Informationsaustauschstruktur kann die Relation zwischen Akteur A und Akteur B eine der ersten beiden Ausprägungen haben. Dies gilt auch für die Beziehungsart „Abstimmung vor Entscheidungen“, die ebenfalls als Relation ohne Richtungsangabe erfragt und ausgewertet wurde. Dahingegen spielt bei der Auswertung der Beziehungsarten „Expertise beziehen bzw. weitergeben“ sowie „Unterstützung bei der Zielerreichung erhalten bzw. jemanden bei der Zielerreichung unterstützen“ auch die Frage der Reziprozität und der Richtung der Beziehungen eine Rolle89. Hinsichtlich der Verbindungen, die zwischen den Akteuren bestehen, wird deshalb im Folgenden zwischen gerichteten und ungerichteten Beziehungen unterschieden. Gerichtete Beziehungen (oder dichotome Verbindungen) werden durch gerichtete Graphen dargestellt und resultieren in asymmetrischen Matrizen. Bei den Beziehungsarten „Informationsaustausch“ und „Abstimmung vor Entscheidungen“ liegen der Erhebung und Auswertung ungerichtete Beziehungen zu Grunde, die entsprechende, ungerichtete Graphen ergeben und in symmetrischen Matrizen dargestellt werden. Eine Dyade besteht demnach aus einem Akteurspaar und den möglichen Verbindungen zwischen den beiden Akteuren (Wasserman /Faust 1994: 18). Sie wird hier beispielhaft, als grundlegende Einheit der Analyse sozialer Netzwerke angeführt, um mögliche Ausprägungen zu definieren. Dies bedeutet nicht, dass die folgende Analyse sich lediglich auf die Beziehungen zwischen Akteurspaaren bezieht. Auch Subgruppen (größere Untergruppen in einer Beziehungsstruktur einschließlich ihrer Verbindungen) und Gruppen (im Folgenden auch „die Struktur“, „die Akteursstruktur“ oder „die Beziehungsstruktur“, das heißt, die Auswahl aller Akteure und ihrer Verbindungen, die Eingang in die Netzwerkanalyse finden) sind hier relevant.
89
Die Interviewpartnerinnen und -partner wurden bei keiner der auszuwertenden Beziehungsarten nach einer genauen Häufigkeit oder dem Ausmaß der Kommunikation befragt. Die Intensität wird bei der Berechnung und Darstellung der Beziehungsstrukturen in Matrizen und als Graphen deshalb nicht spezifiziert.
168
Im folgenden Kapitel werden die Beziehungsstrukturen untersucht, wobei jede der Beziehungsarten entsprechend der Erhebung der Daten als eigenes Netzwerk im Mittelpunkt eines Unterkapitels steht. 3.2.4 Untersuchung der Beziehungsstrukturen Die Ergebnisse der Netzwerkanalyse geben Aufschluss über den strukturellen relationalen Charakter der Austausch- und Verhandlungsbeziehungen zwischen den korporativen Akteuren und den Akteursgruppen. Des Weiteren wird die Interpretation der Ergebnisse ermöglichen, der Frage nach den Konsequenzen der Mächtekonstellationen und Einflussstrukturen in PPPs in der lokalen Politik nachzugehen. Die folgenden Auswertungen stellen hierfür die tatsächlichen Akteurskonstellationen im Zuge der Kooperation zwischen Partnern im Initialisierungsprozess der PPP Musikhalle in den Mittelpunkt. Untersucht werden die im vorherigen Kapitel theoretisch diskutierten Beziehungen zwischen den Akteuren, die sich an der Planung und Initiierung des Projektes Musikhalle beteiligten90. Die dargestellten Beziehungsarten werden mit Maßen aus dem Repertoire der Netzwerkanalyse analysiert91. Durch Maße, die sich an der Frage nach der „Prominence“ orientieren, kann festgestellt werden, welche Akteure aufgrund ihrer Beziehungen wichtige Positionen innerhalb eines Netzwerkes einnehmen und welche Akteure in einer Struktur weniger relevant sind (Wasserman /Faust 1994: 169ff.). Die Zentralitätsmaße, die zur Anwendung kommen, sind mehrheitlich für ungerichtete Relationen sinnvoll. Grundlegende Annahme dieser Maße ist, dass solche Akteure prominent sind, die in viele Beziehungen involviert sind. Dahingegen basieren Prestige-Konzepte auf der Annahme, dass diejenigen Akteure prominent seien, die von vielen anderen Akteuren direkt oder indirekt gewählt werden, also sozusagen das „Objekt“ vieler Beziehungen darstellen. Grundlage der Berechnungen stellen eingehende und ausgehende Beziehungen dar, so dass Prestige-Konzepte lediglich auf der Basis gerichteter Beziehungen sinnvoll angewandt werden können (Knoke /Burt 1983: 198f.; Wasserman /Faust 1994: 172f.). 3.2.4.1 Informationsaustausch Bei der ersten Beziehungsart wurden die Befragten gebeten, anzugeben, mit welchen Akteuren sie zwischen 2000 und 2005 regelmäßig Informationen über die Planung und Entwicklung der Musikhalle austauschten. 28 der befragten Akteure machten Angaben zu ihren Kommunikationsbeziehungen mit anderen Akteuren. Da es sich um eine offene Fragestellung handelte, nannten einige Akteure auch Informationstauschpartner, die über den 90 Die Auswahl der Akteure wurde durch die Auswertung der Reputationsdaten überprüft und vervollständigt und somit im Forschungsprozess korrigiert. Hartnäckigkeit und ein exaktes Vorgehen im Zuge der Datenerhebung ist gerade für die Netzwerkanalyse sehr wichtig, entscheidet doch die gewissenhafte und saubere Abgrenzung des Netzwerkes sowie die richtige Auswahl und vollständige Erfassung über die Güte der Ergebnisse. 90% der durch die Positions- und Reputationsmethode eingegrenzten Akteure konnten letztlich als Interviewpartnerinnen und – partner gewonnen werden. Damit steht die Netzwerkanalyse auf soliden Beinen. Die fehlenden 10% werden durch die Interpretation der Daten ausgeglichen. Zu diesem Zweck wird fallspezifisch die Maximalmethode angewandt und/ oder bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt, um welche Akteure es sich handelt und wie diese eingebunden sind. 91 Zur Methode siehe grundlegend Kap. II.2. Zu erinnern sei daran, dass Datenaufbereitung und -auswertung mit Hilfe von Computerprogrammen erfolgen: In UCINET werden die Daten in Matrizenform analysiert. Für die Visualisierung in Form von Soziogrammen wird das Programm VISONE verwendet.
169
Kreis der befragten 28 Akteure hinausgehen. Im Zuge einer ersten Auswertung werden alle 61 Knoten in die Analyse einbezogen mit dem Ziel, einen ersten Überblick über die Struktur zu erlangen. Dabei wird die Maximal-Methode angewandt92. In einem zweiten Schritt orientiert sich die Datenauswahl an einem kombinierten Ansatz aus Positions-, Reputations- und Entscheidungsmethode. In die Analyse einbezogen werden dann die bereinigten Daten eines kleineren Kreises von Akteuren. Erreichbarkeit, Distanz und Dichte Um einen ersten Eindruck über die Beziehungsstruktur des Informationsaustausches zu bekommen, werden als Erstes die Erreichbarkeit der Akteure („reachability“), die Distanz der Akteure zueinander („geodesic distance“) und die Dichte („density“) der Beziehungen untersucht. Ob Akteure direkt oder auch indirekt miteinander verbunden sind, kann durch eine Matrix der Erreichbarkeit festgestellt werden. Im Fall der zu beschreibenden Beziehungsstruktur des Informationsaustausches zeigt die Erreichbarkeitsmatrix, dass alle 61 Akteure, die auf der Grundlage der Maximalmethode in die Analyse einbezogen werden, direkt oder indirekt kommunikativ miteinander verbunden sind (für eine Liste der 61 Akteure s. Anhang 3). Informationen können theoretisch von einem Akteur zu allen anderen Akteuren gelangen. Der Informationsfluss ist hier nicht unterbrochen. Obwohl Gegner sowie Befürworter des Musikhallenprojektes befragt und in die Auswertung mit einbezogen wurden, lässt sich der Erreichbarkeitsmatrix entnehmen, dass die Struktur des Informationsaustausches aus einer Komponente besteht. Es existieren keine Subgruppen, die im Sinne der Erreichbarkeit unverbunden sind mit dem Rest des Informationsaustauschnetzwerkes. Auf der Grundlage der Erreichbarkeitsmatrix wird jedoch nicht offensichtlich, wie viele Akteure von jeweils einem Akteur genutzt werden müssen, um an Informationen zu gelangen. Um darüber Informationen zu erhalten, werden auf der Basis des Konzeptes der „geodesic distances“ die Distanzen zwischen Akteurspaaren ausgewertet. Der Wert für die Distanz läge zum Beispiel bei 5, wenn ein Akteur A und ein Akteur B Informationen nicht direkt untereinander, sondern über Verbindungen mit fünf weiteren Akteuren austauschen würden. Die kürzest mögliche Distanz, die sogenannte „geodesic distance“, beträgt 1. Die Abbildung verdeutlicht die Idee, die hinter dem Konzept der „Geodesic Distances“ steht (vgl. Wasserman /Faust 1994: 110f.).
92 Die Angaben der Befragten zum Informationsaustausch werden ohne Richtungsangabe ausgewertet; die Frage der Reziprozität der Beziehung spielt hier keine Rolle. Zum einen soll an dieser Stelle nicht von Interesse sein, wer Informationen weitergibt und wer sie empfängt, sondern wer mit wem in einer gegenseitigen Kommunikationsbeziehung steht. Aus diesem Grund werden alle Beziehungen berücksichtigt und die Daten werden symmetrisiert. Auch nicht bestätigte Beziehungen werden in die Analyse mit einbezogen, d.h. solche, die ein Akteur angibt, der andere jedoch nicht. Im vorliegenden Fall kann unterstellt werden, dass die Akteure wahrheitsgemäß antworten und dass nicht bestätigte Beziehungen in erster Linie aus der Art der Fragestellung resultieren. Zum einen handelt es sich hier um eine offene Frage, zum anderen um die Aufforderung, einen begrenzten Kreis von fünf Akteuren zu benennen.
170
Abbildung 8:
Konzept der „Geodesic Distances“
Die fett gedruckten Beziehungen in Abbildung 7, die zwischen den hell dargestellten Knoten verlaufen, symbolisieren die „Geodesics“ und damit die kürzesten Pfade zwischen zwei Knoten. Der zuoberst dargestellte Graph hat einen „geodesic“ mit einer „geodesic distance“ (auch „Pfaddistanz“) von 1, in der zweitobersten Darstellung ist eine „geodesic distance“ von 2 abgebildet und die unterste Darstellung der „geodesics“ entspricht einer „geodesic distance“ von 4. In einer Matrix werden die entsprechenden Werte für die Distanzen notiert. Im Fall des Informationsaustausches unter den 61 Akteuren zeigt die Distanzmatrix, dass es einen kleinen Kreis von 8,8% aller Akteurspaare in der Struktur gibt, die direkt miteinander verbunden sind. Eine signifikante Anzahl von Akteurspaaren ist jedoch nicht direkt miteinander durch den Austausch von Informationen verbunden. Am häufigsten kommen die Werte 2 und 3 vor – knapp 70% der Akteurspaare benötigen 2 oder 3 Verbindungen, um miteinander Informationen auszutauschen. Für 18,4% der Akteurspaare beläuft sich der kürzeste Weg beim Informationsaustausch über 4 Verbindungen. Der Wert von 5 ist sehr selten – er liegt bei 3,3% der Akteurspaare vor und der höchste Wert 6 ist mit 0,1% verschwindend gering. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass es in der Struktur Akteurspaare gibt, die relativ eng miteinander über Informationen verbunden sind und andere, die im Sinne der Distanz eine Peripherie bilden. Dieser Annahme wird später noch im Zuge weiterer Auswertungsschritte nachgegangen. In der Beziehungsstruktur zum Informationsaustausch mit 61 Akteuren gibt es theoretisch 61 x 60 = 3660 mögliche Informationssendungen. Die Dichte der Beziehungen im Gesamtnetzwerk sind die tatsächlich vorkommenden Beziehungen als prozentualer Anteil der theoretisch möglichen Beziehungen (Borgatti, Everett et al. 2002). Im Fall der Informationsaustauschstruktur ist die Dichte gering. Sie liegt bei D = 0,0880 – das heißt bei rund 9%. Dies weist darauf hin, dass die Kommunikation zwischen den 61 Akteuren, die sich gemäß dem ersten Strukturüberblick an der Planung beteiligen, sehr gering ist. Allerdings kann die geringe Dichte auch der weiten Netzwerkgrenze geschuldet sein. Schließlich wurden nicht alle 61 Akteure befragt, die in diese erste Analyse einbezogen wurden. Betrachtet man die Ergebnisse der Befragung, das starke und regelmäßige Presseecho und die intensive öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema, so lässt sich schlussfolgern, dass ein engerer Kreis von Akteuren in dichter und intensiver Kommunikation miteinander stehen könnte. Die Beziehungsstrukturen dieses Akteurskreises werden in einem nächsten Schritt identifiziert und analysiert. Zu diesem Zweck ist zunächst eine wiederholte Auseinandersetzung mit den Netzwerkgrenzen notwendig. 171
Überblick über die Struktur bei enger gesetzten Netzwerkgrenzen Der erste Überblick über die Struktur weist darauf hin, dass es von Interesse sein könnte, den Informationsaustausch im engeren Netzwerk zu betrachten. Deshalb werden die Grundelemente für die Analyse der Beziehungsstruktur des Informationsaustausches – die Knoten und Verbindungen – neu in UCINET und VISONE eingegeben. Grundlage für die Neueingabe ist ein kombinierter Ansatz aus Positions-, Reputationsmethode und Entscheidungsfindungsansatz beziehungsweise aus realistischer und nominalistischer Variante der Abgrenzung (Knoke /Kuklinski 1982: 22; Laumann, Marsden et al. 1983; Jansen 2003: 72). Hierfür wird zunächst von der Liste der Akteure ausgegangen, die aufgrund ihrer Position in der Presse- und Dokumentenanalyse identifiziert werden konnten. Sie beurteilten sich gegenseitig hinsichtlich ihrer Reputation in der Community und im engeren Sinne hinsichtlich ihrer Relevanz für die Planung und Entwicklung des Projektes Musikhalle. In die Netzwerkanalyse einbezogen werden diejenigen Akteure, die in den drei erfragten Bereichen – „Reputation bei finanzieller Unterstützung/ Mittelbeschaffung“, „Reputation hinsichtlich Informationsaustausch und Weitergabe von Informationen“ sowie „Reputation im Bereich der Mobilisierung der Öffentlichkeit“ – als sehr wichtig bis wichtig eingestuft wurden. Diejenigen Akteure, die gemäß der Community in den drei Bereichen wenig einflussreich sind, werden von der Analyse ausgeschlossen. Auf diese Weise wird die Akteursstruktur auf zunächst 33 Akteure reduziert. In einem nächsten Schritt werden Akteurspositionen zusammengefasst93. Die Angaben, die die nun gelisteten Akteure zu ihren Verbindungen im Zuge des Informationsaustausches machten, werden erneut eingegeben. Es zeigt sich, dass die vorgenommene Akteursauswahl weitestgehend mit den Angaben der Akteure übereinstimmt: Die Akteure geben sich untereinander als Tauschpartner von Informationen in ihrem Netzwerk an, wobei sich, im Gegensatz zu der Grundgesamtheit, mit der zuvor gearbeitet wurde, die zusätzliche Erwähnung von Akteuren, die weder im Zuge der Schneeballmethode noch qua ihrer Erwähnung in der Presse identifiziert werden konnten, stark in Grenzen hält94. Schlussendlich werden nach diesem Ziehen neuer Netzwerkgrenzen bei der Analyse insgesamt 28 Knoten berücksichtigt95. Die folgende Tabelle beinhaltet die Akteure, die zu dem engeren Kreis zählen. Die Farben, die bei der Zuordnung der Akteure zu den jeweiligen institutionellen Bereichen dargestellt werden, sowie ihre IDs sind relevant für die folgende Visualisierung der netzwerkanalytischen Ergebnisse. 93 Fünf Akteure, die in einer Stiftung und einem Verein verschiedene Bereiche repräsentieren und zuvor getrennt erfasst wurden, werden den beiden korporativen Akteuren zugeordnet und damit in zwei Knoten zusammengefasst. Drei weitere Akteurspositionen, die zuvor in drei Unterbereichen einer Kultureinrichtung gelistet waren, werden einem korporativen Akteur zugeordnet. Schließlich werden noch solche Akteure, die zuvor durch mehrere Organe beschrieben wurden, bei denen jedoch im Sinne einer Untersuchungsperspektive auf korporative Akteure eine Zusammenfassung mehrerer Bereiche zu einem Knoten sinnvoll ist, durch jeweils ihren übergeordneten Akteur beschrieben: die Presse, die Hochschulen und zwei zuvor einzeln gelistete Stadt-Verwaltungsbereiche. 94 Vier Akteure benennen je einen weiteren Kommunikationspartner, der durch die Auswahl auf der Grundlage der Position- und Reputationsmethode zunächst nicht identifiziert wurde. Die betreffenden Akteure werden in die Untersuchung mit einbezogen. Nach der Eingabe der Verbindungen zeigt sich, dass zwei der Akteure, die qua ihrer Reputation einbezogen wurden, weder Sendungen noch Wahlen bei der Netzwerkanalyse aufweisen. Diese beiden Akteure werden deshalb nicht berücksichtigt. 95 Einer der Akteure, die hier berücksichtigt werden, hat in dem standardisierten Fragebogen zu seinen direkten Interaktionen mit anderen Akteuren keine Angaben gemacht. Aus dem Interview mit diesem Akteur können seine Interaktionen jedoch klar rekonstruiert werden, da er im Rahmen der Gespräche auf die entsprechende Frage mündlich zu seinen Kontakten mit anderen Akteuren Auskunft gab. Diese Informationen werden in die Netzwerkanalyse einbezogen.
172
Tabelle 4: Informationsaustausch: Akteure und institutionellen Bereiche ID, Abk.
Akteur
1 24, OB
Verwaltungsspitze
2 37, StD
Verwaltungsspitze
3 34, KDez
Dezernat K
4 35, KA
Amt K
5 38, StMar
Amt M
Bereich
Stadtverwaltung
6 40, StabMH Projektmanagement MH 7 26, Pol
Fraktion im Rat der Stadt
8 27, Pol
Fraktion im Rat der Stadt
9 30, Pol
Fraktion im Rat der Stadt
10 31, Pol
Fraktion im Rat der Stadt
11 28, KAus
Gremium
12 21, LMus
Kultureinrichtung ( Land)
13 42, StBü
Kultureinrichtung (Stadt)
14 15, HS
Hochschulen
15 4, StiMH
Kulturstiftung
16 1, VerMH
Kulturverein
17 45, VerMu
Verein Musik und Kunst
18 46, VerbSK Kulturverband 19 9, VerKau
Verein Gewerbetreibender
20 66, VerSt
Stadtförderverein
21 13, UNKon Unternehmen Konzerte 22 44, UNBa
Unternehmen Bank
23 10, UNVer
Unternehmen Versicherung
24 16, Press
Presse
25 7, Reg
Regionale Strukturförderung
26 19, NRW
Land NRW
27 20, BezR
Bezirksregierung
28 23, LWL
LWL- Verwaltung
Fraktionen und Gremien im Rat der Stadt
Einrichtungen in öffentlicher Trägerschaft
Gemeinnützige Organisationen
Privatwirtschaftlicher, quasi-öffentlicher Bereich und Medien Regierung und Verwaltung auf Landesund Bezirks- und Regionalebene
Eigene Darstellung
173
Die Berechnung der Erreichbarkeit, Distanz und Dichte vor dem Hintergrund der engeren Netzwerkgrenzen verweist darauf, dass der Kreis von 28 Akteuren im Zuge der Planung der Musikhalle über den Informationsaustausch recht eng miteinander verbunden ist. In dieser Beziehungsstruktur, so zeigt die Erreichbarkeitsmatrix, können Informationen von einem beliebigen Akteur jeden anderen Akteur erreichen. Die Berechnung der Distanzen zwischen den Akteuren ergibt eine durchschnittliche Distanz von 2. Es liegen Distanzen im Bereich zwischen 1 und 4 vor, wobei die 4 nur bei 2,4% der Akteurspaare vorkommt. 23,3% der Akteurspaare sind im Informationsaustausch direkt miteinander verbunden, 52,4% erreichen sich über einen weiteren Akteur. Eine Distanz von drei liegt bei 22% der Paare vor (s. Distanzmatrix in Anhang 4)96. Der Wert für die Dichte von D = 0,2328 sagt aus, dass rund 23,3% der im Rahmen dieser Struktur potentiell möglichen direkten Verbindungen tatsächlich vorkommen. Um festzustellen, welchen Akteuren aufgrund ihrer Verbindungen eine hohe strukturelle Bedeutung bei der Musikhallenplanung zukommt, wird die vergleichsweise dichte Kommunikationsstruktur des engeren Beziehungsnetzwerkes weiteren Auswertungsschritten unterzogen. Zentralitätsmaße Die strukturelle Relevanz der Akteure kann auf der Grundlage von Konzepten lokaler und globaler Zentralität analysiert werden (vgl. für die folgende Beschreibung Wasserman /Faust 1994; Scott 2000; Raab 2002a; Jansen 2003). Das Zentralitätskonzept beinhaltet verschiedene Annahmen zur Relevanz von Beziehungen der Akteure in einer Struktur. Auf der Grundlage lokaler Zentralitätsmaße kann die Position eines Akteurs in seiner eigenen strukturellen Umgebung ermittelt werden. Eine Möglichkeit hierfür bietet das Maß „Degree Centrality“, mit Hilfe dessen die Anzahl der Verbindungen mit anderen Akteuren gemessen wird. Zentral ist der Akteur mit vergleichsweise vielen direkten Beziehungen. Die Deegree Centrality-Werte werden ermittelt, indem für jeden Akteur dessen Anzahl der Verbindungen zu anderen Akteuren gezählt werden. Die normalisierten Werte („Normalized Degree“, „NrmDegree“) werden berechnet, indem der betreffende DegreeWert durch den höchstmöglichen Wert dividiert wird. Das Ergebnis ist eine Prozentzahl. Globale Zentralitätsmaße, zu denen die Konzepte der „Closeness Centrality“ und der „Betweenness Centrality“ zählen, beschreiben die Relevanz des Akteurs in der übergeordneten Beziehungsstruktur. Das Konzept der „Closeness Centrality“ beruht auf den Kategorien der Nähe und Distanz. Dahinter steht die Idee, dass ein Akteur insofern zentral ist, als er aufgrund seiner Nähe zu anderen Akteuren schnell, das heißt über einen möglichst direkten Weg, mit anderen interagieren kann (Wasserman /Faust 1994: 183ff.; Jansen 2003: 133ff.). Bei der Closeness Centrality wird im Folgenden das in der Sozialen Netzwerkanalyse recht gängige, auf Sabidussi zurückgehende und von Freeman aufgegriffene Konzept verwendet. Berechnet wird die Zentralität als die inverse Summe aller kürzesten Entfernungen von Akteur i zu allen anderen Akteuren in der Beziehungsstruktur (Wasserman /Faust 1994: 184). Zunächst werden also die „geodesic distances“ zwischen allen Akteurspaaren für den jeweiligen Akteur zusammengerechnet. Am zentralsten ist dann der Akteur mit der kleinsten Zahl. Er hat durchschnittlich die geringste Distanz zu allen anderen Akteuren (Farness). Der inverse Wert von Farness, multipliziert mit der Anzahl der Akteure (n-1), ergibt schließlich die normierte Kennzahl der Closeness Centrality. Die Werte in der Tabelle sind Prozentzah96
Bei den Werten für die Distanzen handelt es sich um gerundete Werte.
174
len, wobei eine Zentralität von 100% bedeutet, dass ein Akteur nächstmöglich zu allen anderen Akteuren ist. Ein Wert von 50% zeigt an, dass der Akteur im Durchschnitt zwei Pfade von allen anderen Akteuren entfernt ist (Raab 2002a: 263). Die „Betweenness Centrality“ knüpft an der Überlegung an, dass Interaktionen zwischen Akteuren auch von den anderen Akteuren einer Gruppe abhängen können. Die Zentralität eines bestimmten Akteurs bezeichnet dann nicht dessen Unabhängigkeit von andern Akteuren, wie dies bei der „Closeness Centrality“ der Fall ist, sondern vielmehr die Abhängigkeit anderer Akteure von dem betrachteten Akteur. Dem Konzept der „Betweenness Centrality“ folgend ist der Akteur zentral, der für möglichst viele Akteure in der Beziehungsstruktur auf dem kürzesten Pfad zwischen ihnen liegt. Dem zugrunde liegt die Annahme, dass Ressourcen – die etwa im Fall der ersten zu untersuchenden Beziehungsart Informationen sind – grundsätzlich auf dem kürzest möglichen Pfad zwischen zwei Akteuren verbreitet werden. Beziehungen mit kürzeren Pfadlängen sind weniger störungsanfällig. Aus dieser Sichtweise ist ein Akteur in der Informationsaustauschstruktur zentral, wenn er die Informationsverbreitung aufgrund seiner Maklerposition in der Struktur kontrollieren kann. Dies wird dem Akteur möglich sein, der auf möglichst vielen „geodesics“, also den kürzesten Wegen zwischen Akteuren, liegt (Wasserman /Faust 1994: 188ff.; Jansen 2003: 97; 134ff.). Bei der Berechnung der Betweenness Centrality-Werte wird die Wahrscheinlichkeit kalkuliert, mit der Akteure auf solchen „geodesics“ liegen. Die Wahrscheinlichkeit läge bei 0,5, wenn Akteur i auf einem von zwei unterschiedlich verlaufenden, jedoch gleich kurzen Pfaden, zwischen Akteur j und Akteur k liegt. Die Zentralität für Akteur i ist dann die Summe dieser geschätzten Wahrscheinlichkeiten über alle Akteurspaare, die nicht Akteurspaare mit dem i-ten Akteur einschließen. Normalisiert, das heißt durch die Anzahl der Akteure (n-1) in der Akteursstruktur geteilt, ergeben sich wiederum prozentuale Angaben. Der Wert 100 signalisiert, dass der betreffende Akteur auf allen kürzesten Pfaden zwischen den Akteurspaaren liegt (Wasserman /Faust 1994: 188ff.; Raab 2002a: 263). Schlussendlich werden Zentralisierungsmaße auf Gruppenebene herangezogen, um einen Hinweis darauf zu erhalten, wie zentralisiert die betrachtete Akteursstruktur aus übergeordneter Perspektive ist. Die Netzwerkzentralisierung ist ein Maß, das Aufschluss darüber gibt, wie es um die Problemlösungsfähigkeit der gesamten Gruppe bestellt ist (Jansen 2003: 138f.). Zu diesem Zweck wird auf Freeman‘s Group Centralization-Indizes zurück gegriffen, die sich auf die Degree, Closeness und Betweenness Centrality gesamter Graphen anwenden lassen. Die Zentralisierungsmaße werden berechnet, indem zunächst die normalisierten Zentralitätswerte der einzelnen Akteure von dem höchsten Zentralitätswert abgezogen werden. Die ermittelten Differenzen werden addiert. Die Summe wird schließlich durch die höchstmögliche Differenz unter den addierten Differenzen geteilt, das heißt durch die Summe der Abweichungen zwischen dem zentralsten Akteur und allen anderen Akteuren. Das Resultat ist eine Prozentzahl, die je nachdem, ob die Zentralisierung auf der Grundlage der Degree, Closeness oder Betweennness berechnet wird, unterschiedliche Rückschlüsse zulässt. Die drei skizzierten Zentralitätsmaße sowie die Netzwerkzentralisierungsindizes werden nun auf die Beziehungsstruktur des Informationsaustauschs angewendet. Tabelle 7 beinhaltet die Werte der Zentralitäten von Akteuren.
175
Tabelle 5: Zentralitäten beim Informationsaustausch Nr.
Akteur (ID)
NrmDegree
nCloseness
nBetweenness
1
VerMH (01)
62,96
71,05
18,62
21
StD (37)
55,56
67,50
13,76
13
OB (24)
51,85
65,85
12,97
2
StiMH (04)
40,74
58,69
9,83
8
Press (16)
33,33
58,70
6,22
14
Pol (26)
33,33
56,25
6,08
23
StabMH (40)
33,33
57,45
5,18
19
KDez (34)
29,63
54,00
4,78
17
Pol (30)
25,93
54,00
11,22
7
HS (15)
25,93
52,94
6,69
18
Pol (31)
25,93
56,25
1,28
15
Pol (27)
25,93
51,92
0,78
16
KAus (28)
22,22
52,94
1,73
11
LMus (21)
18,52
49,09
0,41
24
StBü (42)
18,52
50,00
0,37
4
VerKau (09)
18,52
50,00
0,34
12
LWL (23)
18,52
50,94
0,19
6
UNKon (13)
14,81
48,21
7,48
5
UNVer (10)
14,81
49,09
0,33
22
StMar (38)
14,81
47,39
0,21
26
VerMu (45)
11,11
40,91
1,49
10
BezR (20)
11,11
45,76
0,69
9
NRW (19)
11,11
40,91
0,63
3
Reg (07)
11,11
45,00
0,13
27
VerbSK (46)
7,41
36,99
0,00
28
VerSt (66)
7,41
39,71
0,00
20
KA (35)
3,70
32,93
0,00
25
UNBa (44)
3,70
37,50
0,00
Eigene Darstellung
Es zeigt sich, dass der gemeinnützige Akteur „Verein Musikhalle“ (1) zusammen mit der Verwaltungsspitze (37, 24) die höchsten Werte erhält, und zwar sowohl bei der lokalen Zentralität, als auch bei der Betweenness und der Closeness Centrality. Im Zusammenhang mit der Degree Centrality verweist dies auf eine besonders hohe Sichtbarkeit der betreffen176
den drei Akteure (Wasserman /Faust 1994: 179) beziehungsweise auf deren Prominenz (Knoke /Burt 1983). Danach ist der Projektinitiator und Interessenvertreter „Verein Musikhalle“, der die Projektplanung als korporativer Akteur bereits in den 1980er Jahren in Gang gebracht hat, mit rund 63% mit Abstand der zentralste Akteur in der eigenen Umgebung. Nach ihren Degree-Werten zu urteilen hat auch die Verwaltungsspitze97, bestehend aus Stadtdirektor (ca. 56%) und Oberbürgermeister (ca. 52%), eine sehr hohe Kommunikationsaktivität bei der Projektplanung inne. Sie sind beide mit besonders vielen direkten Kontakten im sogenannten Issue-Network ausgestattet. Dies zeigte sich bereits im Zuge der Datenauswertung zur Reputation: Alle drei Akteure werden in der engeren Community als Hauptinformationskanal wahrgenommen – sowohl ihre Reputation als auch ihre Prominenz sind also sehr hoch. Dies entspricht übrigens auch den Auswertungsergebnissen des weiten Netzwerkes von 61 Akteuren, mit welchem zu Beginn gerechnet wurde. Bei der Degree Centrality folgt an vierter Stelle die im Untersuchungszeitraum gegründete Stiftung Musikhalle (knapp 41%). Die Stiftung existiert seit 2001, das heißt im Untersuchungszeitraum seit 4 Jahren. Als eine vergleichsweise junge Organisation im Issue Network spricht ihr hoher Degree Centrality-Wert für eine besonders starke Informationsaustauschaktivität. Hinter ihren Aktivitäten steht das Ziel der Mittelakquise; sie bemüht sich um Kontakte zu privaten Akteuren, hauptsächlich aus der Wirtschaft, um den privaten Finanzierungsanteil der Partnerschaft aufzubauen und zu sichern. Die hohe Relevanz dieses Themas im Untersuchungszeitraum unterstreicht ihr recht hoher Degree-Wert. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass es vordergründig so aussieht, als seien im engeren Netzwerk kaum Akteure des privatwirtschaftlichen Bereichs, so auch potentielle private Investoren, vorhanden. Diejenigen privatwirtschaftlichen Akteure, die in der Tabelle direkt sichtbar sind, weisen außerdem geringe Zentralitätswerte im Sinne des Freemans Degree auf. Sie scheinen also nicht direkt über Informationen mit den anderen Akteuren verbunden zu sein, obwohl das zentrale Diskussionsthema seit einigen Jahren um die Frage der Finanzierungmodelle in öffentlich-privater Partnerschaft kreist. Allerdings muss hier mit einbezogen werden, dass sich insbesondere zwei der korporativen gemeinnützigen Akteure über bemerkenswert viele überlappende Mitgliedschaften auszeichnen. Ihre Mitglieder bestehen fast ausschließlich aus Vertretern privatwirtschaftlicher Akteure. Neben den bisher benannten sind im Zusammenhang mit der Degree Centrality beim Informationsaustausch mit 33% des Weiteren die Presse, ein politischer Akteur sowie die Stabstelle Projektplanung der Stadtverwaltung zu nennen. Unter den politischen Akteuren ist die CDU, als Teil der Mehrheitsfraktion im Rat, zentraler als ihr „Partner“ FDP. Dies lässt sich vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Presse- und Dokumentenauswertung und der noch folgenden Interviewauswertung interpretieren: Die FDP-Fraktion steht der öffentlichen Beteiligung an dem Projekt Musikhalle, insbesondere an einer Finanzierung von Betriebskosten, kritisch gegenüber. Sie befürwortet die Errichtung einer Musikhalle unter der Voraussetzung, dass diese weitgehend aus privaten Mitteln gebaut und betrieben wird. Dies spiegelt sich in ihrer Kommunikationsaktivität, dreht sich doch die Diskussion im Untersuchungszeitraum gerade um die Frage, ob und wenn ja, in welchem Ausmaß eine Musikhalle öffentlich finanziert werden soll. Die gleichen Zentralitäts-Werte wie die FDPRatsfraktion erhalten die Ratsfraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen/GAL. Erstere steht für die Projektrealisierung und für eine öffentliche Beteiligung ein. Letztere positioniert sich hingegen projektkritisch und diskutiert dabei hauptsächlich die Größenordnung 97 Bei der Verwaltungsspitze muss bei der Datenerhebung und –auswertung berücksichtigt werden, dass einer der Akteure interlocking directories mit einem Dezernat hat, und zwar mit dem Dezernat für Planung, Bau und Stadtmarketing.
177
des Projektes in finanzieller Hinsicht, die Standortwahl aus stadtgestalterischer Sicht sowie den Zeitpunkt, der vor dem Hintergrund der Haushaltskonsolidierung falsch gewählt sei. Betrachtet man die globalen Zentralitätswerte, wird das Ergebnis noch klarer. Wie bereits zuvor festgestellt, sind die Akteure 1, 37 und 24 (Verein Musikhalle und Verwaltungsspitze) auch im Sinne der Closeness und Betweenness die zentralsten Akteure. Das heißt, dass diese drei Akteure zum Ersten hinsichtlich ihrer direkten Verbindungen zu anderen Akteuren, zum Zweiten, was ihre Nähe zu anderen Akteuren betrifft und zum Dritten auch in Bezug auf ihre Unabhängigkeit von anderen Akteuren die zentralsten Positionen in der Struktur einnehmen. Über die Closeness Centrality-Werte der Akteure kann ermittelt werden, wie es um die indirekten Beziehungen bestellt ist. So wird unterstellt, dass ein zentraler Akteur auch auf die Informationen indirekter Kooperationspartner zurückgreifen kann. Dies wird mit zunehmender Entfernung schwieriger. Neben den benannten drei Akteuren weisen weitere 13 Akteure recht hohe Closeness-Werte von über 50% auf, angeführt von der Presse (16), der Stiftung Musikhalle (4) sowie der Stabsstelle für das Projektmanagement von Seiten der Stadtverwaltung (40) mit Werten von knapp 60%. Zwischen 50% und 55% sind das Kulturdezernat der Stadtverwaltung und die politischen Akteure (Fraktionen im Rat der Stadt sowie der Kulturausschuss) angesiedelt. Auch der LWL ist offensichtlich in das engere Netzwerk der Kommunikation über indirekte Strukturen involviert, was sich über seine Position im Rahmen der Debatte um das erweiterte Projekt „Kulturforum Westfalen“ erklären lässt, in der er eine wichtige Rolle spielt. Allerdings ist der Akteur für das Kommunikationsnetzwerk zur Thematik des lokalen Projektes Musikhalle nicht so wichtig. Es erstaunt deshalb nicht, dass er niedrige Zentralitätswerte bei der Degree und der Betweenness Centrality innehat. Interessant ist auch, dass die Hochschulen im Sinne der Closeness Centrality allen anderen Akteuren relativ nahe sind; die zentrale Position deutet sich aber weder durch ihre Degree Centrality noch durch ihre Betweenness Centrality an. Die Städtischen Bühnen nehmen in diesem Sinne eine ähnliche Rolle im Netzwerk sein – sie sind ebenso wie die Hochschulen in einer relativ zentralen strukturellen Position, durch die sie relativ schnell und über indirekte Verbindungen Informationen tauschen und andere Akteure erreichen können. Allerdings sind sie in der Struktur nicht so wichtig, als dass andere Akteure unbedingt auf sie angewiesen wären, um zu kommunizieren und wertvolle Informationen zu erhalten. Letztlich gilt dies auch für den Akteur mit der ID 09, einen Verein mit Mitgliedern aus den Reihen von städtischen Kaufleuten. Er ist insofern ein wichtiger Akteur, als er eine finanzielle Investition zur Gründung der Stiftung Musikhalle erbracht und einen weiteren Zuschuss angekündigt hat, sobald der Bau beschlossene Sache sein sollte, die Planung der Errichtung einer Musikhalle politisch unterstützt und über seine Mitglieder wiederum in verschiedene unternehmerische Kreise hineinwirkt. Sein Closeness-Wert unterstreicht seine Bedeutung für die Befragten. Allerdings weist seine geringe Degree und Betweenness Zentralität auf eine geringere strukturelle Bedeutung als direkter Kommunikationspartner und Informationsmakler hin. Letztlich sind die Betweenness Zentralitäten der meisten Akteure nicht allzu hoch. Mit Abstand die höchste Möglichkeit, den Informationsfluss zu kontrollieren hat Akteur 1. Auch bei den Akteuren 24 und 37 existiert eine relativ große Wahrscheinlichkeit, dass sie über alle Informationen verfügen, die im Umlauf sind. Interessanterweise ist ein politischer Gegner der Musikhallenplanung aus den Reihen der Ratsfunktion zentral im Sinne der Betweenness. Er scheint innerhalb der Beziehungsstruktur so geschickt positioniert zu sein, dass er auf vielen der kürzesten Informationsaustauschverbindungen zwischen zwei Akteuren liegt und somit in der strukturellen Position ist, über viele wichtige Informationen verfügen zu können. 178
Die Berechnung der Betweenness Centrality-Werte basiert auf der Annahme, dass Informationen grundsätzlich auf dem kürzesten Weg verbreitet werden. Hier kristallisiert sich eine recht große Peripherie heraus. Sehr offensichtlich wird dies, betrachtet man die folgenden drei Abbildungen. Hier werden die Analyseergebnisse auf der Grundlage der skizzierten Zentralitätsmaße visualisiert. Abbildung 9:
Degree Centrality, Informationsaustausch
Eigene Darstellung
179
Abbildung 10: Closeness Centrality, Informationsaustausch
Eigene Darstellung
Abbildung 11: Betweenness Centrality, Informationsaustausch
Eigene Darstellung
180
Betrachtet man die gesamte Struktur, zeigt sich, dass es sich bei der Closeness Centrality um eine relativ dichte Akteursstruktur handelt. Indirekte Verbindungen zum Austausch von Informationen und zur Kommunikation scheinen zwischen fast allen Akteuren sehr wichtig zu sein. Bei den Degree Centralities gibt es dagegen eine viel klarer definierte Peripherie. So existiert ein enger Kreis von Akteuren, der die Möglichkeit hat, über direkte Verbindungen Informationen auszutauschen. Viele der übrigen Akteure außerhalb dieser „Ingroup“ sind in diesem Sinne recht peripher. Sehr deutlich wird dieses Phänomen des Vorhandenseins einer „Ingroup“ bei der Visualisierung der Betweenness Centralities. Hier sind es vier Akteure, die realistisch betrachtet die Möglichkeit hätten, den Informationsfluss zu kontrollieren. Vier bis sechs weitere haben zumindest noch geringe Werte – es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Alle weiteren Akteure sind im Sinne der Betweenness jedoch absolut peripher. Hierauf verweist auch der Index für die Betweenness Centrality: Mit rund 15% ist der Zentralisierungswert bei der Betweenness Centrality gering. Der Informationsfluss kann in der gesamten Struktur nicht durchgreifend kontrolliert werden. Eventuell monopolisieren die wenigen zentralen Akteure die Kontrolle des Informationsflusses. Bei der Closeness Centrality sowie der Degree Centrality liegt eine hohe Zentralisierung von jeweils circa 43% vor. Daraus lässt sich folgern, dass die Struktur recht zentralisiert ist, bezogen auf die indirekte Beteiligung der Akteure am Informationsaustausch und auf die Nähe der Akteure zueinander sowie bezogen auf die Beteiligung der Akteure an den direkten Kommunikationsbeziehungen. Cliquen Die bisherigen Auswertungsergebnisse bieten Grund zu der Annahme, dass innerhalb der Beziehungsstruktur des Informationsaustausches Teilgruppen existieren, die es genauer in den Blick zu nehmen lohnt. Deshalb werden nun Methoden angewendet, die eine Identifikation solcher Teilgruppen ermöglichen. Sogenannte kohäsive Gruppen sind ein wichtiges Thema der Netzwerkanalyse. In einer weiten Definition werden sie als Untergruppen von Akteuren verstanden, zwischen denen starke, direkte, regelmäßige oder intensive Verbindungen bestehen (Wasserman /Faust 1994: 249). Diese Untergruppen sind durch die Eigenschaft der Kohäsion zwischen ihren Mitgliedern gekennzeichnet. Die Kohäsion beruht wiederum auf bestimmten Eigenschaften der Verbindungen zwischen den Mitgliedern. So unterscheiden sich die netzwerkanalytischen Zugänge darin, auf welche Eigenschaften der Verbindungen man sich konzentriert. Denkbar sind etwa gegenseitige und direkte Beziehungen, die Nähe zwischen den Gruppenmitgliedern oder ihrer Erreichbarkeit, die Häufigkeit der Verbindungen zwischen den Mitgliedern oder auch das Verhältnis zwischen der Häufigkeit von Verbindungen zwischen Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern einer Untergruppe (Wasserman /Faust 1994: 251f.). Für die Analyse sozialer Netzwerke wurden mehrere Verfahren entwickelt, die sich der Frage annehmen, ob und wie sich eine Akteursstruktur in verschiedene, zusammengehörige Untergruppen unterteilt. Die Entscheidung fällt hier für eine Cliquenanalyse, die beispielsweise dafür verwendet werden kann, Aussagen zu treffen über die Fähigkeit einer Gruppe, sich zu organisieren und kollektiv zu handeln (Jansen 2003: 193f., 208f.). Innerhalb einer sozialen Teilgruppe können etwa Informationsredundanzen vorliegen, die sich durch die Beeinflussung und die Konsensbildung von Akteuren aus derselben Gruppe erklären lassen. Einzelne korporative Akteure sind für gewöhnlich Mitglieder in mehreren, unterschiedlichen Cliquen (Jansen 2003: 194). Bezogen auf die Frage des Informationsaus181
tausches sollen insbesondere Zonen dichterer und weniger dichter Kommunikation innerhalb der Akteurstruktur identifiziert werden (Raab 2002a: 261). Das hier anzuwendende, graphentheoretische Konzept der Clique geht von der direkten Verbundenheit aller Mitglieder einer Untergruppe aus. Eine Clique wird, Luce und Perry (1949) folgend, definiert als ein Graph mit maximalem Umfang, der mindestens drei Akteure umfasst, die alle miteinander direkt verbunden sind. Alle Mitglieder der so definierten Clique müssen also direkt mit allen anderen Mitgliedern verbunden sein, das heißt alle sind „adjacent“. Eine Erweiterungsmöglichkeit darf nicht gegeben sein. Die Cliquen eines Graphen können sich auch überschneiden, so dass ein und derselbe Knoten bzw. eine Reihe von Knoten zu mehr als einer Clique zählt. Es kann auch Knoten geben, die zu keiner der identifizierten Cliquen gehören (s. hierzu Wasserman /Faust 1994: 254; und methodisch Borgatti, Everett et al. 2002). Zunächst einmal interessiert – auch auf der Grundlage der oben dargestellten Ergebnisse zum Überblick über die Struktur (Dichte, Reachability, Distanz) – wie viele Cliquen es beim Infoaustausch im „issue network Musikhalle“ gibt und wie groß diese sind, setzt man die Definition der direkten Verbindungen an. Für politische Prozesse sind viele und große Cliquen eher ungewöhnlich (Raab 2002a: 261). Bezieht man die Akteursstruktur im weiteren Sinne (61 am Informationsaustausch beteiligte Akteure) in die Cliquenanalyse ein, lassen sich insgesamt 55 Cliquen mit einer Mindestgröße von drei Akteuren identifizieren. Dabei gehören den größten vier Cliquen sechs Akteure an. Im Fall des engeren Akteurskreises bei der Planung einer Musikhalle (28 Akteure) existieren 32 Cliquen, die mindestens drei Akteure umfassen. Bei den größten Cliquen handelt es sich um Cliquen mit fünf Akteuren, derer es insgesamt sieben gibt (s. Tabelle 6). In Anbetracht der Tatsache, dass in der Literatur verschiedentlich angemerkt wird, dass Cliquen von drei und mehr Akteuren in der politischen Realität recht selten vorkommen, ist festzustellen, dass die Akteursstruktur außergewöhnlich kohäsiv ist. Mit Hilfe einer Cliquen Co-Membership Matrix kann analysiert werden, in wie vielen der 32 Cliquen zwei Akteure gemeinsam Mitglieder sind. Außerdem kann durch die Werte in der Diagonale der Matrix ermittelt werden, in wie vielen Cliquen die einzelnen Akteure jeweils Mitglied sind (siehe Anhang 5).
182
Tabelle 6: Cliquen, Informationsaustausch 32 cliques found. 1: KDez (34) OB (24) StD (37) StiMH (04) VerMH (01) 2: OB (24) Pol (26) StD (37) StiMH (04) VerMH (01) 3: KAus (28) Pol (27) StD (37) StiMH (04) VerMH (01) 4: Pol (26) StD (37) StiMH (04) VerKau (09) VerMH (01) 5: KDez (34) LMus (21) StD (37) VerMH (01) 6: LMus (21) StD (37) StMar (38) VerMH (01) 7: LWL (23) OB (24) StabMH (40) StD (37) VerMH (01) 8: KDez (34) OB (24) StabMH (40) StD (37) VerMH (01) 9: Pol (27) StabMH (40) StD (37) VerMH (01) 10: OB (24) Pol (26) Press (16) VerMH (01) 11: OB (24) Press (16) StBü (42) VerMH (01) 12: LMus (21) Press (16) VerMH (01) 13: Pol (27) Press (16) VerMH (01) 14: Press (16) UNKon (13) VerMH (01) 15: KDez (34) OB (24) StBü (42) VerMH (01) 16: StBü (42) VerKau (09) VerMH (01) 17: HS (15) LWL (23) StabMH (40) VerMH (01) 18: HS (15) Pol (26) VerMH (01) 19: HS (15) KAus (28) VerMH (01) 20: StabMH (40) UNKon (13) VerMH (01) 21: OB (24) StiMH (04) UNVer (10) VerMH (01) 22: StMar (38) UNVer (10) VerMH (01) 23: OB (24) Pol (30) Pol (31) Press (16) 24: OB (24) Pol (30) Pol (31) StD (37) 25: Pol (30) VerbSK (46) VerMu (45) 26: OB (24) Pol (26) Pol (31) StD (37) StiMH (04) 27: OB (24) Pol (26) Pol (31) Press (16) 28: Pol (27) Pol (31) StD (37) StiMH (04) 29: Pol (27) Pol (31) Press (16) 30: OB (24) Reg (07) StabMH (40) 31: BezR (20) OB (24) StD (37) 32: HS (15) Pol (26) VerSt (66) Eigene Darstellung
Zu den Akteuren, die in vielen Cliquen Mitglieder sind, zählt zu allererst der „Verein Musikhalle“ mit 22 Cliquenmitgliedschaften. Er ist damit in knapp 70% aller vorhandenen Cliquen Mitglied, die auf direkten Verbindungen beruhen, also in einem sehr hohen Anteil an Cliquen innerhalb der Struktur. Danach folgt die Verwaltungsspitze mit 14 (OB) und 13 (Stadtdirektor) Cliquenmitgliedschaften. Diese Akteure haben dank ihrer intensiven direkten Verbindungen zu verschiedenen sozialen Gruppen die Möglichkeit, als Verbindungsglieder in der gesamten Akteursstruktur zu agieren. Sie können direkter auf Informationen zugreifen, als Akteure mit weniger Cliquenmitgliedschaften. Sie sind außerdem eher in der Position, den Informationsfluss zu kontrollieren (vgl. Raab 2002a: 261). Drei der 28 Akteure im engeren Kreis gehören zu gar keiner Clique. Auch im folgenden Dendrogramm, das Cliquenmitgliedschaften zu Clustern zusammenfasst, haben diese drei Akteure Null-Werte, während die drei erstgenannten Akteure auf den höchsten Ebenen der Cluster einzuordnen sind.
183
Abbildung 12: Cliquen Co-Mitgliedschaft, Informationsaustausch
Eigene Darstellung
Die Darstellung der Cluster gemeinsamer Cliquenmitgliedschaften im Dendrogramm weist auf höheren Ebenen (Level) die Akteure mit der höheren Anzahl gemeinsamer Cliquenmitgliedschaften auf. Ausgehend von den hier notierten zwei „höchsten“ Akteuren auf Ebene 9, werden die Akteure zu Clustern zusammengefasst. Auf der jeweils nächsttieferen Ebene, in diesem Fall auf Ebene 7,667, wird mit einem Kreuz neben den bereits vorhergenannten Akteuren der weitere Akteur bezeichnet, der mit mindestens einem Akteur der vorherigen Ebene und des gleichen Clusters in der gleichen Clique vorzufinden ist. Der Level bezeichnet hier die Anzahl der gemeinsamen Mitgliedschaften. Durch eine Interpretation des Dendrogramms kann sich zeigen, ob es Cluster in der Struktur gibt, die scharf abgegrenzte Bereiche kennzeichnen. Dies würde auf bestimmte „Ingroup-Kommunikationsbereiche“ hinweisen. Tatsächlich zeigt sich bei der Betrachtung des Dendrogramms, dass solche Kommunikationszonen vorliegen. Sechs Cluster sind identifizierbar, von denen erst auf Level 1,719 zwei der Cluster durch gemeinsame Cliquenmitgliedschaften verbunden werden. Offensichtlich ist die Kommunikationsdichte innerhalb der gesamten Akteursstruktur eher ungleichmäßig. Die drei Akteure auf der höchsten Ebene, die sich in 9 Cliquen treffen, sind ab Ebene 2,286 in einem Cluster mit insgesamt 7 Akteuren verbunden, die dem gemeinnützigen und dem öffentlichen Bereich zuzuordnen sind. Vertreten sind hier neben der Verwaltungsspitze und dem Verein Musikhalle auch die Stiftung Musikhalle, ein politischer Akteur, das verwaltungsinterne Projektmanagement sowie das Kulturdezernat. Die Presse bildet auf den höheren Ebenen zusammen mit zwei einflussreichen politischen Akteuren der Ratsfraktion ein weiteres Cluster. Besonders scharf abgegrenzt ist ein Cluster, das die Kritiker der Musikhallenplanung mit einem Akteur der alternativkulturellen Szene verbindet. 184
In der netzwerkanalytischen Besprechung von Cliquenanalysen wird darauf hingewiesen, dass neben den Konzepten zur Beschreibung von Cliquen auch deren Interpretation unterschiedlichen Kriterien folgen kann98. Bei der Interpretation von Cliquenanalyseergebnissen können demnach verschiedene Elemente berücksichtigt werden. So sind Cliquen beispielsweise stark durch ihre Abgrenzung gegenüber Nichtmitgliedern, also durch eine Abgrenzung nach außen, gekennzeichnet. Die Interpretation von Cliquen kann auch den Aspekt des sozialen Drucks nach innen berücksichtigen. Bei der Interpretation ist letztendlich die Berücksichtigung des Kontextes, um den es im Rahmen der jeweiligen Studie geht, immer ein sehr entscheidender Faktor99. Diesem Argument folgend wird nun hier eine Sicht auf die Abgrenzung nach außen angesetzt. Die Ergebnisse der oben durchgeführten Cliquenanalyse auf der Basis direkter Beziehungen weisen darauf hin, dass die Struktur aus einer strategischen Perspektive Redundanzen im Informationsaustausch begünstigt. Es ist nämlich davon auszugehen, dass Akteure aus derselben Clique redundante Informationslieferanten sind. Sie beziehen ihre Informationen letztlich aus dem gleichen Pool (vgl. auch Jansen 2003: 211). Diejenigen Akteure, die in die Planung der Musikhalle sehr stark involviert sind und die auch aus politischadministrativer Sicht einen wichtigen Beitrag zur Realisierung des Projektes beisteuern könnten, vereinen sich in den bedeutendsten Cliquen. Dabei handelt es sich insbesondere um engagierte Interessenmobilisierer aus dem gemeinnützigen Bereich, die sich in einer bestimmten, hochkulturaffinen Szene bewegen, sowie um die zentralen Befürworter des Projektes aus der Verwaltungsspitze und den Fraktionen im Rat. Indirekt involviert sind wiederum auch Wirtschaftsakteure, die als Mitglieder zentral positionierter gemeinnütziger Organisationen aktiv sind. Die Cliquenmitglieder beziehen in ihre kommunikativen Strukturen im engeren Sinne allerdings recht wenige Akteure mit ein, die aus anderen Bereichen stammen und deshalb wichtige Informationen beibringen könnten. Hierzu könnten etwa Akteure der alternativkulturellen Szene zählen, aus deren Kreis einige dem Projekt kritisch bis ablehnend gegenüberstehen, wie Expertengespräche und Interviews zeigten. Auch solche Akteure, die (noch) nicht gänzlich von dem Konzept überzeugt sind, für dessen Durchsetzung jedoch wichtig wären, könnten in diesem Sinne relevante Kommunikationspartner sein. Dass die Mitglieder der Hauptcliquen solche Akteure in ihren engeren Kommunikationskreis nicht einbeziehen (können), erweist sich als ein entscheidendes Problem. Wichtige Entwicklungen in der lokalen Wirtschaft und Gesellschaft können auf diese Weise an den Beteiligten vorbeigehen, so dass ihnen wesentliche Informationen entgehen oder dass sie letztlich gegenüber Entwicklungen von außerhalb abgekoppelt sind. Zudem werden Innovationen durch enge, kohäsive Gruppen, wie sie hier vorliegen, erschwert. Unterstrichen wird dieses Ergebnis noch durch die Identifikation abgrenzbarer Cliquen von Projektkritikern, die auch die alternative Szene einschließen. Hier wird offensichtlich, dass ein bedeutender Grund in dem Misserfolg des Projektes sowie in dem regelrechten „Kulturkampf“, in den es 98
Die Cliquenmitgliedschaft kann, wie hier bereits geschehen, auf direkten Beziehungen der Akteure untereinander beruhen. Daneben existieren jedoch auch andere Ansätze, die beispielsweise auf der Dichte der Struktur, der Distanz oder der Reachability der Akteure basieren, die auch explizit methodisch in der Netzwerkanalyse berücksichtigt werden (Wasserman /Faust 1994: 256f.). 99 So können Cliquenbildungen etwa bei Freundschaftsbeziehungen positiv konnotiert sein, werden starke und dichte Beziehungen als grundlegend für positive Sozialisationsprozesse interpretiert. Handelt es sich bei dem Untersuchungsobjekt um Sozialstrukturen in Wirtschaft und Politik, können Cliquenbildungen gegebenenfalls auch auf problematische Aspekte hinweisen. Als Beispiel der kritischen Interpretation kann aus einer Außensicht etwa die Diskriminierung von Nicht-Mitgliedern angeführt werden, wie sie bei Old-Boys-Networks der Politik beobachtet werden können, oder ungleiche Wettbewerbsbedingungen in der Wirtschaft moderner Demokratien (Jansen 2003: 208ff.).
185
in der Schlussphase des Projektes relativ kurzfristig und überraschend mündete, darin bestehen könnte, dass innerhalb der stark voneinander abgegrenzten Cliquen jeweils sehr unterschiedliche Interpretationen der Situation bestanden. Zwischen diesen konnte in der Kürze der letztlich vorhandenen Zeit nicht qua Kommunikation vermittelt werden. Die Planung und Durchführung einer verhältnismäßig großen, im finanziellen Sinne volumenreichen sowie im strukturellen Sinne komplexen PPP hätte erfordert, dass sich die Akteure für die Kommunikation nach außen sowie für innovative Modelle noch mehr öffnen. Die Gründe dafür, dass dies nicht in größerem Ausmaß geschah, können in einer Ablehnung des Konzeptes durch weitere potentielle Partner gelegen haben. Es kann allerdings auch sein, dass die Projektplaner an eben den Kommunikationsstrukturen festhielten, die bereits in der Anfangsphase der Planung der Musikhalle bestimmend waren. Während sich die Rahmenbedingungen einer Planung der Musikhalle als Großprojekt in öffentlichprivater Partnerschaft und die Anforderungen, die an eine solche gestellt werden, innerhalb der Planungsphase von mehr als 15 Jahren entschieden gewandelt haben, scheinen die engen Beziehungen zwischen den entscheidenden Akteuren jedenfalls nur geringfügig erweitert worden zu sein. Möglichkeiten der Anpassung eingefahrener Beziehungsstrukturen in dieser langen Projektplanungsperiode konnten nicht genutzt werden. Wesentliche Zeitfenster für Innovationsprozesse wurden verpasst. 3.2.4.2 Strategische Abstimmung vor Entscheidungen Nachdem im letzten Teilkapitel die Informationsaustauschstruktur untersucht wurde, werden in diesem Kapitel die Auswertungsergebnisse zur strategischen Zusammenarbeit der Akteure und ihrer Abstimmung bei wichtigen Entscheidungen präsentiert. Die Befragten wurden gebeten, die wichtigsten Akteure zu nennen, mit denen sie zwischen 2000 und 2005 regelmäßig strategisch zusammenarbeiteten und sich vor wichtigen Entscheidungen zu der Planung und Entwicklung der Musikhalle abstimmten. Auf der Grundlage des engen Akteurskreises sollen die netzwerkanalytischen Auswertungen bei dieser Beziehungsart Aussagen zur Koordination der Akteure untereinander ermöglichen. Die zentralen koordinierenden Akteure werden durch ihre Degree-Indizes identifiziert. Von Interesse sind dann die Auswertungsergebnisse, die Rückschlüsse auf die Intensität der strategischen Abstimmung zulassen sowie auf die strukturellen Bereiche starker Koordination. Ersteres wird durch die Berechnung der Dichte, letzteres über die Cliquenanalyse erzielt. Auf die Frage nach ihren Kooperationspartnern antworteten 23 Akteure.100 Ähnlich der Antworten bei der Frage nach dem Informationsaustausch umfassten die Nennungen einiger Interviewpartner auch einzelne Akteure, die über den Kreis der Befragten hinausgehen. Wie bereits beim Informationstausch anzunehmen, kann also auch bei der strategischen Abstimmung nicht von einem vollständig geschlossenen Netzwerk ausgegangen werden. Aus den Einzelnennungen wird, wie bei der Analyse der Informationsaustauschstruktur, ein engerer Kreis von Akteuren identifiziert (s. Anhang 6). Die striktere Eingrenzung ergibt, dass eine Gruppe von 30 Akteuren in die bewusste, strategische Koordination involviert ist und in Entscheidungsprozesse eingebunden wird101. 100
Fünf der befragten Akteure berichteten, dass sie im Untersuchungszeitraum nicht mit anderen Akteuren strategisch zusammengearbeitet hätten. Sie nannten deshalb keine Abstimmungspartner. In die netzwerkanalytische Auswertung auf der Grundlage des weiteren Akteurskreises bei der strategischen Zusammenarbeit könnten prinzipiell 47 Akteure einbezogen werden, die Entscheidung fiel jedoch wieder für das
101
186
Die Anwendung des Zentralitätskonzeptes weist darauf hin, dass bei der strategischen Zusammenarbeit, ähnlich der Beziehungsstruktur des Informationsaustausches, die Akteure 1, 24 und 37 des gemeinnützigen und politisch-administrativen Bereichs wieder eine exponierte Stellung einnehmen. Die drei Akteure zeichnen sich durch viele direkte Kontakte aus. Involviert in die direkte Zusammenarbeit und Abstimmung vor wichtigen Entscheidungen ist auch das Dezernat für Finanzen und Beteiligungen (65) sowie die Stiftung Musikhalle (4). Die politischen Akteure haben geringere Degree Centrality-Werte. Am stärksten eingebunden in die strategische Zusammenarbeit ist dabei die CDU-Fraktion. SPD, Grüne und insbesondere die FDP sind hier zurückhaltender bzw. weniger involviert. Unter den Verwaltungsakteuren beteiligen sich ferner das Kulturdezernat sowie das verwaltungsinterne Projektmanagement für die Musikhalle an der direkten, regelmäßigen strategischen Zusammenarbeit. Sowohl weitere gemeinnützige Akteure als auch Landesvertreter und privatwirtschaftliche Unternehmen sind geringer in die Struktur eingebunden. Die Werte werden in der folgenden Tabelle 7 dargestellt. Tabelle 7: Zentralitäten, Strategische Abstimmung vor Entscheidungen Akteur (ID) VerMH (1) OB (24) StD (37) FDez (65) StiMH (4) StabMH (40) KDez (34) Pol (26) KAus (28) Pol (27) Pol (30) VerKau (9) LWL (23) BezR (20) LMus (21) StMar (38) Pol (31) UNBa (44) UNVer (10) KA (35) UNAr (14) NRW (19) HS (15) VerMT (75) StBü (42) Reg (7) UNGa (53) VerBa (11) UNKon (13)
NrmDegree nCloseness nBetweenness 46,43 58,33 27,98 42,86 62,22 31,29 42,86 58,33 21,10 35,71 33,73 0,00 32,14 53,85 5,79 25,00 52,83 5,82 25,00 50,00 19,22 25,00 49,12 9,49 17,86 48,28 1,70 17,86 45,16 0,66 17,86 42,42 3,90 14,29 47,46 0,00 14,29 45,16 1,14 14,29 43,08 14,33 14,29 42,42 2,77 10,71 43,08 0,31 10,71 42,42 0,00 7,14 43,08 0,00 7,14 43,08 0,00 7,14 38,36 7,14 7,14 38,36 0,00 7,14 35,90 0,00 3,57 37,33 0,00 3,57 37,33 0,00 3,57 33,73 0,00 3,57 33,33 0,00 3,57 30,43 0,00 3,57 30,43 0,00 3,57 28,00 0,00
Eigene Darstellung
Setzen engerer Netzwerkgrenzen, die die Ergebnisse zuverlässiger machen und den tatsächlichen Kreis der involvierten Akteure umfassen sollen. Ermittelt wird er – wie bereits zuvor beschrieben – durch einen kombinierten Ansatz aus Positions-, Reputations- und Entscheidungsmethode. Für die Berücksichtigung der Verbindungen zwischen den Akteuren wird die Maximal-Methode angewandt.
187
Die Closeness-Werte – in diesem Fall Indikatoren für die Nähe der Akteure zueinander in der Koordinationsstruktur – sind insgesamt etwas geringer ausgeprägt als beim Informationsaustausch. Sie vermitteln, dass sich elf Akteure verhältnismäßig schnell koordinieren können, das heißt Closeness-Werte von rund 50% (zwischen 45 und 62%) innehaben. Dazu zählen aus dem Bereich der Stadtverwaltung die Verwaltungsspitze, die Stabsstelle für das Projektmanagement und das Kulturdezernat. Neben den beiden zentralen gemeinnützigen Interessenvertretern Verein und Stiftung Musikhalle engagiert sich als Vertreter des gemeinnützigen Bereichs auch ein Verein der städtischen Kaufleute. Aus dem Kreis der politischen Akteure stimmen sich die CDU-Ratsfraktion, die SPD-Ratsfraktion und der Kulturausschuss mit anderen Akteuren strategisch vor wichtigen Entscheidungen ab. Auch der LWL mischt bei der Koordination mit und kann indirekt Einfluss nehmen. Die Betweenness-Werte lassen im Fall der strategischen Zusammenarbeit weniger auf Maklerpositionen beim Ressourcenaustausch schließen, wie dies bei der Beziehungsstruktur „Informationsaustausch“ der Fall ist, als vielmehr darauf, welche Akteure zwischen solchen anderen Akteuren liegen, die sich nicht direkt strategisch abstimmen. Die Akteure mit hohen Betweenness-Werten sind in der Position, zwischen verschiedenen Gruppen zu vermitteln und sich mit denjenigen Akteuren abzustimmen, die sich nicht berücksichtigen. Solche Verhandlungspositionen stellen relevante Machtpositionen dar, werden sie richtig genutzt. Nur wenige Akteure haben eine solche Machtposition bei der strategischen Abstimmung inne. Dazu gehören an erster Stelle der OB und der Verein Musikhalle. Auch der Stadtdirektor und das Kulturdezernat könnten eine Verbindung herstellen zwischen verschiedenen Gruppen. Interessanterweise ist auch die Bezirksregierung mit einem ansonsten zwar eher geringen, in dieser Akteursstruktur jedoch vergleichsweise hohen Betweenness Centrality-Wert ausgestattet. Ein Vergleich mit der Informationsaustauschstruktur ist hier interessant: Bei der Kommunikation allgemeiner Informationen sind mehr Akteure in Maklerpositionen vorzufinden. Sie verfügen jedoch über geringere normalisierte BetweennessWerte als bei der strategischen Abstimmung. Dahingegen sind die Betweenness-Werte, die bei der strategischen Abstimmung vorliegen, höher und seltener. Der Zentralisierungsindex für die Betweenness Centrality ist bei der strategischen Abstimmung mit knapp 27% denn auch höher als beim Informationsaustausch (15%). Die Struktur der strategischen Abstimmung ist insofern hinsichtlich der Vermittlungspositionen bei der Koordination zentralisierter als beim Informationsaustausch. Damit wird nun der Analysefokus auf die Ebene der übergeordneten Struktur gelenkt. Die bisherigen Auswertungsergebnisse haben bereits Hinweise auf eine eher geringe Kohäsion der gesamten Koordinationsstruktur gegeben. Konkret untersucht werden kann die Intensität der Koordination anhand des Dichtemaßes. Dieses fällt mit rund 15% denn auch verhältnismäßig gering aus. Die Dichte beim Informationstausch ist mit 23,3% höher als bei der strategischen Abstimmung vor Entscheidungen. So verweist das Ergebnis der „Reachability“ zwar darauf, dass sich prinzipiell alle beteiligten Akteure erreichen können. Abgesehen von 15% der Akteure, die sich direkt strategisch miteinander koordinieren, sind jedoch alle anderen Akteure lediglich indirekt miteinander verbunden. Dementsprechend liegen bei der strategischen Abstimmung denn auch bis zu 5 Distanzen vor. 40% der Akteure erreichen sich über einen weiteren Akteur, 33% über zwei weitere Akteure und 10% über 3 weitere Akteure. Die Distanz 5 kommt bei 1% vor. Dies verweist auf die Zweckmäßigkeit eines genaueren Blicks auf die Strukturbereiche der intensiven und weniger intensiven Koordination. Betrachtet man die Zentralitätswerte, so liegt die Annahme nahe, dass sich einige Akteure in enger verbundenen Akteuerszonen 188
sehr intensiv strategisch miteinander abstimmen, während andere relativ peripher bleiben. Dieser Annahme wird durch die Cliquenanalyse nachgegangen. 18 Cliquen mit mindestens drei Akteuren lassen sich bei der strategischen Koordination identifizieren. Dies lässt sich der folgenden Abbildung entnehmen. Tabelle 8: Cliquen, Strategische Abstimmung vor Entscheidungen 18 cliques found. 1:OB(24)StD(37)StiMH(4)VerKau(9)VerMH(1) 2:OB(24)StabMH(40)StD(37)VerMH(1) 3:OB(24)Pol(26)StiMH(4)VerMH(1) 4:OB(24)UNBa(44)VerMH(1) 5:OB(24)UNVer(10)VerMH(1) 6:KAus(28)StD(37)StiMH(4)VerMH(1) 7:KAus(28)Pol(27)StiMH(4)VerMH(1) 8:LWL(23)StabMH(40)StD(37)VerMH(1) 9:Pol(26)Pol(27)StiMH(4)VerMH(1)
10:Pol(27)StabMH(40)VerMH(1) 11:KDez(34)OB(24)StabMH(40)StD(37) 12:KDez(34)NRW(19)Pol(30) 13:KAus(28)LMus(21)StD(37) 14:LMus(21)StD(37)StMar(38) 15:Pol(26)Pol(30)StiMH(4) 16:OB(24)Pol(26)Pol(31)StiMH(4) 17:OB(24)StD(37)StMar(38) 18:StabMH(40)StD(37)UNAr(14)
Unter den 18 Cliquen existiert eine Clique, die mit fünf Cliquenmitgliedern als die größte zu bezeichnen ist. Acht weitere Cliquen umfassen vier Mitglieder; in neun Cliquen sind jeweils drei Akteure involviert. Die Clique mit den meisten Mitgliedern (Clique 1) setzt sich aus dem OB, dem Stadtdirektor, der Stiftung Musikhalle, dem Verein städtischer Kaufleute und dem Verein Musikhalle zusammen. Abgesehen von dem Verein städtischer Kaufleute sind die übrigen Mitglieder dieser Clique noch im Rahmen einiger weiterer Cliquen koordinierend tätig. Die Stiftung Musikhalle ist in 7 weiteren Cliquen vorzufinden. Der Verein Musikhalle taucht in 10 Cliquen auf, der Stadtdirektor in 9 Cliquen und der OB in 8 Cliquen. Auch gemeinsam sind die drei Akteure in 10 weiteren Akteurszusammenhängen an strategischen Abstimmungen beteiligt (Cliquen 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 11, 16, 17), in denen sie sich jeweils mit weiteren Akteuren koordinieren. Das untermauert die wichtige und engagierte Funktion der drei Akteure in strategischen Abstimmungsprozessen im Untersuchungszeitraum. Betrachtet man die Cliquen 4 und 5, wird zudem offensichtlich, dass sowohl der OB als auch der Verein Musikhalle eine Brückenfunktion gegenüber privatwirtschaftlichen Akteuren einnehmen, die als Projektpartner im Gespräch sind. Der Verein Musikhhalle, die Stiftung Musikhalle sowie der Stadtdirektor stimmen sich zudem in mehreren Cliquen gemeinsam mit politischen Akteuren ab und übernehmen hier relevante Aufgaben der Koordination mit der Politik. Politische Akteure sind in neun der 18 Cliquen in die Koordination involviert – einer verhältnismäßig hohen Anzahl, was auf die politische Brisanz des Themas zurückzuführen ist. Unternehmen des privatwirtschaftlichen Bereichs, die für eine finanzielle Beteiligung an dem Projekt stehen, sind durch Mitgliedschaft von Unternehmen in den zwei zuvor erwähnten Cliquen an der strategischen Abstimmung mit dem OB und dem Verein Musikhalle vertreten (Cliquen 4, 5). Außerdem sind sie über den Verein der städtischen Kaufleute involviert, der in Clique 1 mitwirkt. Identifizierbar sind auch Akteure, deren fehlende Einbindung in die Cliquenstrukturen ihre periphere Rolle im Rahmen der strategischen Abstimmung unterstreicht. So kann der Schluss gezogen werden, dass aus dem öffentlich-rechtlichen Bereich die Bezirksregierung, das Dezernat für Finanzen und Beteiligungen, das Kulturamt, die Städtischen Bühnen sowie die Hochschulen keine nachhaltige Wirkung auf den Koordinationsprozess haben. Im 189
gemeinnützigen Bereich nehmen ein Bankenverband, ein Verein von Förderern des Musiktheaters sowie ein Regionalförderverein periphere Rollen ein. Im privatwirtschaftlichen Sektor sind ein Unternehmen im Konzert- und Veranstaltungsbereich sowie ein Galerist als nachrangig relevant im Sinne der strategischen Koordination zu bezeichnen. Je nach Akteur muss dieser Befund vor dem Hintergrund der Dokumentenanalyseergebnisse und den noch folgenden Interviewauswertungen allerdings unterschiedlich interpretiert, teilweise sogar relativiert werden. Dies kann an dieser Stelle nicht erschöpfend diskutiert werden, soll jedoch anhand einiger relevanter Zusammenhänge aufgezeigt werden: So erstaunt etwa die periphere Rolle des Dezernates für Finanzen und Beteiligungen bei der Koordination weniger, reagierten Vertreter doch bereits bei der Anfrage um ein Interview zurückhaltend und berichteten, sie seien in die Projektplanung nicht stark involviert. Dies gilt etwa auch für den benannten Regionalförderverein. Der Bankenverband wiederum äußert in dem Interview offen Zweifel an dem Projekt und seiner Durchführung. Er hat kein Interesse daran, strategisch-koordinierend dafür tätig zu werden, hält er es doch für nicht unterstützenswert. Ganz anders stellt sich die Lage bei der Bezirksregierung dar, die sich im Expertengespräch sehr wohl als aktive Mitgestalterin darstellt, von den lokalen Akteuren in deren Angaben zu Partnern bei der konkreten Zusammenarbeit allerdings wenig berücksichtigt wird. Es ist davon auszugehen, dass die Rolle der Bezirksregierung sich weniger im direkten, strategisch-koordinativen Zusammenhang der lokalen Projektplanung entfaltet als vielmehr auf der Ebene der Zusammenarbeit mit der regionalen, Bezirks- und Landesebene, die in der Netzwerkanalyse nicht vollständig berücksichtigt werden konnte. Die relevante Rolle des Akteurs wird schließlich zum einen unterstrichen durch seine hohen Reputationswerte und zum zweiten durch die Cliquenmitgliedschaften, die für ihn im Rahmen anderer Beziehungsstrukturen ausgemacht werden können. Die Bezirksregierung ist etwa bei der Unterstützung bei der Zielerreichung Mitglied in einer Clique mit der Regierung und Verwaltung Nordrhein-Westfalens (s. Kapitel 2.4.4). Ein weiterer interessanter Fall sind die Hochschulen, deren periphere Position in den Cliquen strategischer Abstimmung auf ihre Zurückhaltung zurückzuführen ist. Gesprächspartner im Zuge der Interviews wiesen darauf hin, dass sich die Hochschulen insgesamt eher zurückhalten, trotz vieler Versuche der Einbindung von Hochschulakteuren in die Planung und Realisierung im Untersuchungszeitraum, auch als Partner und mögliche zukünftige Nutznießer von potentiellen Kongressräumlichkeiten. Dies wird auch durch die geringen bis nicht existenten Outdegree-Werte ersichtlich, die die Akteure in allen untersuchten Beziehungsstrukturen vorweisen. Die Hochschulen wurden im Zuge des Schneeballverfahrens zwar wiederholt als wichtige Interviewpartner benannt, die Anfragen um ein Expertengespräch bei den empfohlenen Akteuren jedoch fast ausschließlich abgelehnt mit der Aussage, sie hätten mit dem Projekt nichts zu tun102. Dieser Zusammenhang wird in Kapitel 3 (Auswertung der Interviews) noch vertieft. 102
Angefragt wurden 8 Personen in Führungspositionen an Münsteraner Hochschulen, die durch die Dokumentenanalyse und Schneeballmethode identifiziert werden konnten. Alle acht dieser individuellen Akteure sagten, sie hätten mit dem Projekt nichts zu tun. Eine Person, die besonders aufgefallen war durch wiederholte Empfehlungen anderer Interviewpartner konnte schließlich doch für ein Gespräch gewonnen werden. Qua Position wäre diese Person in der Lage, auf die Kooperationsangebote zu reagieren, hält sich jedoch ganz bewusst heraus. Die Fragen im Zuge des Expertengesprächs wurden vorsichtig und in einigen Fällen nicht beantwortet. Ein weiterer Interviewpartner, Mitglied eines gemeinsamen Arbeitskreises der Hochschulen für kulturelle Inhalte, stellt sich als engagierter Befürworter und Interessenmobilisierer dar, gibt jedoch an, selbst nicht in konkrete Zusammenarbeitsstrukturen involviert zu sein und wird auch von anderen nicht explizit als Kooperationspartner genannt.
190
Insgesamt können periphere Zonen in der Struktur auf eine gewisse Anzahl loser, aber breit gefächerter Koppelungen zu externeren Akteuren schließen lassen, die für Beziehungsstrukturen besonders typisch sind, bei denen es um Innovationen geht (Grabher 1994). Für solche Strukturen können die Flexibilität und Offenheit wichtige Eigenschaften darstellen, auf deren Basis es grundsätzlich möglich wird, immer wieder neue Partner zu integrieren und Handlungsressourcen zu erschließen. Sie sind also nicht per se negativ zu evaluieren. Nach diesem Exkurs über Peripherien in der Cliquenstruktur sollen nun die besonders dichten Zonen in den Mittelpunkt gerückt werden. Analysiert man die Cliquenstrukturen derjenigen Gruppe von Akteuren gesondert, die als Mitglieder von zwei oder mehr Cliquen der strategischen Abstimmung identifiziert wurden, ergibt sich eine recht hohe Dichte von 47%. Die verbliebenen 12 Akteure verteilen sich mit ihren überlappenden Cliquenmitgliedschaften auf 12 Cliquen. Erwähnenswert ist, dass dieser Gruppe der sich regelmäßig strategisch Abstimmenden ausschließlich öffentlich-rechtliche und gemeinnützige Akteure angehören. Sie bilden den Kern derjenigen, die für die Realisierung des Projektes arbeiten. Abbildungen 13 und 14 stellen die Ergebnisse der Cliquenanalyse dar. Abbildung 13: Cliquen, Strategische Abstimmung vor Entscheidungen 12 cliques found. 1: KDez (34) OB (24) StabMH (40) StD (37) 2: OB (24) StabMH (40) StD (37) VerMH (1) 3: OB (24) StD (37) StiMH (4) VerMH (1) 4: OB (24) StD (37) StMar (38) 5: KAus (28) LMus (21) StD (37) 6: LMus (21) StD (37) StMar (38) 7: KAus (28) StD (37) StiMH (4) VerMH (1) 8: OB (24) Pol (26) StiMH (4) VerMH (1) 9: Pol (26) Pol (27) StiMH (4) VerMH (1) 10: Pol (26) Pol (30) StiMH (4) 11: KAus (28) Pol (27) StiMH (4) VerMH (1) 12: Pol (27) StabMH (40) VerMH (1)
Abbildung 14: Cliquen Co-Mitgliedschaft, Strategische Abstimmung vor Entscheidungen
191
Durch die Analyse der Abstimmung innerhalb des engeren, sehr aktiven Kreises wird offensichtlich, dass die gemeinnützigen Projektinitiatoren die Hauptkoordinierung des Prozesses übernehmen. Gemeinsam sind sie Mitglieder in 5 Cliquen. Die starke Stellung, die zuvor dem OB attestiert werden konnte, muss hier ein wenig relativiert werden. Dies kann auch einen Hinweis darauf geben, warum die politische Steuerung im Rahmen der Musikhallenplanung sehr langwierig war, sind doch die gemeinnützigen Akteure aus einer herkömmlichen Perspektive auf Modi der lokalen Steuerung nicht in der formalen, strukturellen Position, direkt koordinierend im politisch-administrativen Bereich tätig zu werden. Die Unsicherheiten mit neuen Modellen des Regierens, der gemeinsamen Koordination und Steuerung gesellschaftlicher Zusammenhänge durch Akteure verschiedener Bereiche, manifestiert sich in diesen Strukturen. Relativiert werden muss die Relevanz des OB zudem, betrachtet man die quantitative Anzahl seiner Cliquenmitgliedschaften. Diesbezüglich wird er von dem Stadtdirektor übertroffen, der außerdem bei der strategischen Koordination als Brücke hin zu weiteren Bereichen eintritt: zu dem Bereich der Kultureinrichtungen sowie zur Administration auf der Ebene des LWL. 3.2.4.3 Bezug, Weitergabe und Austausch von Fachwissen Im Gegensatz zu den bisher untersuchten Beziehungsarten steht in diesem Kapitel eine Struktur im Mittelpunkt, bei der gerichtete Verbindungen in der Befragung und Auswertung eine Rolle spielen. Erhoben wurde in zwei getrennten Fragen, wer bei der Planung und Entwicklung des Projektes Musikhalle von wem regelmäßig Fachwissen bezogen sowie wer an wen Fachwissen weitergegeben hat. Ausgewertet werden die erhobenen Daten zum einen getrennt, als Struktur des Bezugs sowie Struktur der Weitergabe von Expertise, und zum zweiten dann auch zusammengeführt, als „Austausch von Expertise“. Der Austausch von Fachwissen stellt ähnlich dem Informationsaustausch ebenfalls eine Form der Kommunikation dar. Diese hat jedoch einen spezifischeren Charakter als die eher allgemeine Kommunikationsform des Informationsaustausches. Die Beziehungen resultieren bei dem Austausch von Expertise in einem Wissens- und Ratgebernetzwerk, aus dem sich neben Informationen zu der Beteiligung und den Positionen von Akteuren auch Rückschlüsse allgemeinerer Art auf die Herangehensweise an die Planung und Entwicklung des Projektes Musikhalle in öffentlich-privater Kooperation ziehen lassen. Interessant ist demnach, auf der Grundlage der strukturell-relationalen Faktoren zu analysieren, welche institutionellen Bereiche und Akteure aufgrund ihrer Expertise eine hervorgehobene Position einnehmen und welches Wissen nachgefragt und angeboten wird. Anhand der Dichte der erhobenen Strukturen sowie der Zentralitäten und dem Zentralisierungsgrad wird ermittelt, ob eine lösungsorientierte Herangehensweise im Falle des lokalen PPP-Kulturprojekts identifiziert werden kann. Am Bezug, der Weitergabe und dem Austausch von Expertise im Zuge der Planung des lokalen Projektes sind im Untersuchungszeitraum 53 Akteure beteiligt. Wird die Netzwerkgrenze wieder enger gesetzt, reduziert sich die Akteursanzahl auf 37 Akteure, die in der Tabelle im Anhang aufgeführt werden (s. Anhang 7) Um zu ermitteln, welche Akteure im Planungszeitraum der PPP Interesse an einer lösungsorientierten Herangehensweise an die Entwicklung der Musikhalle hatten, sind zunächst die Zentralitätswerte aus der folgenden Datentabelle hilfreich. Die Werte basieren auf der Struktur des gegenseitigen Austausches von Expertise. 192
Tabelle 9: Centralities, Austausch von Expertise Akteur (ID) OB (24) StD (37) VerMH (1) StabMH (40) StiMH (4) Press (16) Pol (26) KAus (28) Pol (30) Pol (31) KDez (34) LMus (21) VerKau (9) NRW (19) BezR (20) LWL (23) Pol (27) UNBa (44) HS (15) KA (35) StBü (42) UNKon (13) Reg (7) UNAr (14) KPol (69) UNBau (80) UNVer (74) VerSt (66) Öff (48) BA (41) BerM (51) KomKon (47) KonH (79) MuS (77) PolKomm (81) RA (50) UNMus (54)
Normalized Indegree Centrality 33,33 30,56 30,56 19,45 16,67 16,67 13,89 13,89 13,89 13,89 11,11 8,33 8,33 8,33 5,56 5,56 5,56 5,56 5,56 5,56 2,78 2,78 2,78 2,78 2,78 2,78 2,78 2,78 2,78 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00
Normalized Outdegree Centrality 27,79 27,79 27,79 22,22 27,79 0,00 16,67 8,33 8,33 5,56 5,55 8,33 8,33 2,78 11,11 8,33 5,56 5,56 5,55 0,00 8,33 8,33 5,56 5,56 2,78 2,78 2,78 0,00 0,00 8,33 2,78 2,78 2,78 2,78 2,78 2,78 2,78
Normalized Betweenness Centrality 19,15 16,10 14,59 10,02 8,53 0,00 6,54 2,01 10,40 4,44 0,93 0,00 0,14 2,46 4,44 0,00 0,31 0,00 0,00 0,00 0,13 0,00 0.24 0,25 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00
Eigene Darstellung
193
Zu denjenigen, die aufgrund ihrer Indegree-Werte103 in der Austauschstruktur als bedeutende Empfänger von Fachwissen bezeichnet werden können, zählen 11 Akteure des politischadministrativen sowie gemeinnützigen Bereichs. Eine besonders hervorgehobene Stellung nehmen die Verwaltungsspitze (24, 37) und der Verein Musikhalle (1) ein. Mit einem gewissen Abstand folgen die Werte des verwaltungsinternen Projektmanagements (40) und die „Stiftung Musikhalle“ (4). Erwähnenswert ist auch die relativ herausgehobene Stellung der Presse (16) im Mittelfeld, die sich hinsichtlich der Indegree-Werte immerhin im zweistelligen Bereich bewegt. Auch drei Fraktionen im Rat, der Kulturausschuss sowie das Kulturdezernat sind quantitativ große Empfänger von spezifischem Fachwissen. Bei der Sendung von Expertise zeichnet sich ein anderes Bild: Relativ gleichberechtigt nebeneinander stehen hier die projektunterstützenden Verwaltungsakteure (24, 37, 40) und die beiden gemeinnützigen Akteure Verein und Stiftung (1, 4). Die Presse, die sich als reger Informationsbezieher darstellt, beteiligt sich nicht am engeren Netzwerk der Weitergabe von Fachinformationen. Dahingegen stechen ein politischer Akteur sowie die Bezirksregierung als regelmäßige Lieferanten von Expertise hervor. Durch die Betrachtung der Einzelstrukturen wird es möglich, die Ergebnisse zu konkretisieren. So weisen die Indegree-Werte beim „Bezug von Expertise“ darauf hin, dass bestimmte Akteure als Informanten in der Kommunikation von Fachwissen besonders wertgeschätzt werden. Hierzu gehören in erster Linie zwei Verwaltungsakteure (ID Nr. 40 und Nr. 37) sowie der gemeinnützige Akteure „Verein Musikhalle“ (ID Nr. 1). Der Oberbürgermeister nimmt eine äußerst untergeordnete Rolle ein. Dies ist interessant, engagierte er sich doch im Untersuchungszeitraum sehr für die Planung und Entwicklung des Projektes. Dies verweist auch auf eine hohe Bedeutung der Position des Stadtdirektors in der Kommune. Angenommen werden kann, dass er, auch wenn er in der öffentlichen Debatte zur Projektplanung eher im Hintergrund bleibt, letztlich die Fäden zusammenhält und in der Kommunikation spezifischer Fachinformationen als sehr relevant betrachtet werden muss. Dies lässt sich auch durch seine Expertise aufgrund überlappender Mitgliedschaften mit dem Dezernat für Planung, Bau und Marketing erklären, das im Projektplanungszusammenhang eine wichtige Rolle spielt. Des Weiteren auffällig ist in dieser Struktur das große Interesse an einem Verwaltungsakteur (Bau/öffentliche Infrastruktur) sowie an zwei öffentlichen Einrichtungen im Kulturbereich. Die drei Akteure erhalten verhältnismäßig hohe Indegree-Werte bei dem Bezug von Expertise. Dies weist auch darauf hin, dass das jeweilige Fachwissen des Musikbereichs, des Kunstbereichs sowie zum Thema Bau/ öffentliche Infrastruktur als besonders relevant erachtet wird. Relativiert werden die Zentralitäten der Austauschstruktur auch, betrachtet man die Struktur der Weitergabe von Expertise gesondert: Die Outdegree-Werte heben besonders die Stiftung Musikhalle und die Verwaltungsspitze in den Vordergrund. Zentral sind hier des Weiteren der Verein (1), die Stabsstelle innerhalb der Verwaltung (40), ein politischer Akteur (26) und die Bezirksregierung (20). Diesen Akteuren ist es vergleichsweise wichtig, dass ihr Know-how auch andere Akteure erreicht und dass das Fachwissen breit gestreut wird104. 103
Werden gesendete und empfangene Informationen explizit untersucht, so wird zwischen „Indegree“ und „Outdegree“ unterschieden, also zwischen solchen Maßen, die nur bei gerichteten Beziehungen sinnvoll angewandt werden können. Indegree Centrality misst die Zahl der eingehenden und Outdegree Centrality die Zahl der ausgehenden Verbindungen. 104 Durch die genauere Betrachtung der Indegree-Werte bei der Weitergabe von Expertise wird die Perspektive darauf gerichtet, welchen Akteuren Expertenwissen in besonders hohem Ausmaß weitergegeben wurde, wer also von anderen Akteuren als informierenswert erachtet wurde. Auffällig ist, dass es hier eine gleichmäßigere Verteilung gibt, dass sich also weniger Akteure eindeutig durch ihre hervorgehobene zentrale Position herausstellen.
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Auf der Grundlage der Berechnungen der Zentralitäten lässt sich schlussfolgern, dass als Indikatoren dafür, welche Akteure als Informanten gewertschätzt werden, hohe Indegree-Werte in der Beziehungsstruktur „Bezug von Expertise“ gelten. Wer hier von vielen anderen gewählt wird, verfügt über fachspezifisches Know How, das für den Entscheidungsprozess im Zusammenhang mit der Musikhalle als relevant erachtet wird. Die einzelnen Werte sind hier allerdings insgesamt eher gering und weit gestreut. Dies wird deutlich anhand der Visualisierung in Abbildung 15. Des Weiteren kann davon ausgegangen werden, dass die Weitergabe von Fachwissen auch als Ressource genutzt wird, um nicht direkt an der Projektplanung beteiligte Akteure zu informieren und einzubinden. Auch die Einzelstruktur ist durch eine verhältnismäßig hohe Peripherie geprägt. Im Mittelpunkt der Struktur der Weitergabe von Expertise stehen jedoch letztlich die Akteure, die auch in der Informationsaustauschstruktur zentral sind. So wird Expertise in erster Linie an die aktiven Akteure des politisch-administrativen und gemeinnützigen Bereichs weitergegeben, die das Projekt unterstützen (s. Abb. 16 und 17). Abbildung 15: Indegree, Bezug von Expertise
Eigene Darstellung Vielmehr weist eine vergleichsweise große Anzahl von elf der insgesamt 29 Akteure Werte auf, die in einem ähnlichen Spektrum changieren.
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Abbildung 16: Outdegree, Weitergabe von Expertise
Eigene Darstellung
Abbildung 17: Indegree bei der Weitergabe von Expertise
Eigene Darstellung
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Hinsichtlich der Herangehensweise an die Planung und Entwicklung der Musikhalle und damit generellerer Orientierungen im Zuge des Entscheidungsprozesses wird abschließend auf allgemeinere Strukturcharakteristika eingegangen. Jörg Raab (2002) weist darauf hin, dass ein breit ausgetauschtes Fachwissen darauf schließen lasse, dass eine problemlösungsorientierte Haltung unter den Akteuren überwiege. Eine bestimmte Haltung der Beteiligten hinsichtlich der Problembewältigung sei daraus ableitbar. So könne davon ausgegangen werden, dass es dann „…primär nicht um eigene Interessenwahrung oder Sicherung des Status Quo, sondern um die erfolgreiche Bewältigung des gemeinsamen Problems“ gehe (Raab 2002a: 271). Die Struktur des gegenseitigen Expertise-Austausches ist von einer geringen Dichte (d < 10%) gekennzeichnet. Betrachtet man die Verbindungen der Akteure, wird deutlich, woran das liegt: Die geringen Dichtewerte hängen maßgeblich damit zusammen, dass viele der Verbindungen zu externen Akteuren verlaufen, die jeweils nur einmalig genannt werden. Expertise kaufen die an der Planung und Entwicklung der Musikhalle beteiligten Akteure offensichtlich in bedeutendem Ausmaß extern ein, so dass die Struktur eine relativ hohe Peripherie hat (s. a. die Visualisierungen in den Abbildungen 13, 14, 15). Dabei variieren die extern nachgefragten Akteure je nach Interesse und Bedarf an unterschiedlichen Arten von Fachwissen. Aufgrund des Charakters des Projektes ist dies eine logische Konsequenz: Die strukturellen Charakteristika unterstreichen die Annahme, dass für die Lösung des Problems, also die Entwicklung und Planung der Musikhalle in öffentlich-privater Partnerschaft, Kenntnisse aus vielen verschiedenen Bereichen erforderlich sind. Auch bei der Weitergabe von Fachwissen sind deshalb Akteure zu berücksichtigen, die bei den übrigen Beziehungsstrukturarten keine Rolle spielen. In die Akteursstruktur eingebunden werden Wissenslieferanten und -empfänger, die insbesondere über Expertise in den Bereichen Technik, Kommunikation, Architektur, Politik, Verwaltung, Wirtschaft und im Veranstaltungsbereich verfügen oder die selbige benötigen. Die Vielschichtigkeit der Thematik stellt in der untersuchten Projektphase offensichtlich hohe Anforderungen an die kommunikativen Fähigkeiten der Akteure. Aufgrund der geringen Dichtewerte wird davon ausgegangen, dass es für die Akteure von hoher Bedeutung ist, ihre jeweiligen Eigeninteressen zu bewahren. Gleichzeitig weisen die strukturellen Charakteristika darauf hin, dass Fachinformationen im Zuge der Planung der Musikhalle nicht frei zirkulieren. Sie werden vielmehr bei wenigen Akteuren dezentral verwahrt und können, wenn überhaupt, nur in einem sehr kleinen Kreis von Akteuren als Machtressource genutzt werden. Diese Annahme wird auch durch den relativ geringen Zentralisierungsgrad von 16,7% bei der Betweenness Centrality unterstrichen sowie durch die Betweenness Zentralitätswerte der Akteure (vgl. Tabelle 12): Die drei zentralsten Akteure aus der Stadtverwaltung und dem gemeinnützigen Bereich werden Fachinformationen wohl kaum kontrollieren oder zu ihrer eigenen Interessenbewahrung einsetzen können, auch wenn dies für sie von Relevanz ist. Die eher geringe Kommunikation zwischen den beteiligten Akteuren, auf die der geringe Dichtegrad hinweist, kann jedoch auch einen anderen Hintergrund haben. Werden Informationen nicht ausgetauscht, sondern nur in eine Richtung gesendet, wie dies im Fall der Beziehungsstruktur der Expertise der Fall ist, besteht die Möglichkeit, dass neben dem Tauschgut der Information ein anderes, der Information äquivalentes Tauschgut existiert, das nicht in der analysierten Struktur offensichtlich wird (Pappi /König 1995: 119). Im Rahmen der Planungs- und Entwicklungsphase einer PPP, die durch Verhandlungsprozesse und verschiedene Ressourcenstrukturen geprägt ist, ist dies durchaus wahrscheinlich. So 197
können sich beispielsweise einseitige Informationssendungen auf politisch-administrative Entscheidungsträger konzentrieren, da diese Akteure die Informationen, die sie nachfragen, in politischen Entscheidungen berücksichtigen. Die Akteure, die die Informationen senden, können von den Empfängern im Gegenzug ein anderes Tauschgut erhalten, wie etwa das Ergebnis der politischen Entscheidungen. Dieses Argument verweist auf eine interessante Frage, die sich auf strategische Aspekte der Steuerung und Koordinierung der Kooperation im Initiierungsprozess einer PPP bezieht. Die folgende Auswertung der Beziehungsstruktur „Unterstützung bei der Zielerreichung“ berücksichtigt eben solche strategischen und interessenbezogenen Elemente. 3.2.4.4 Gegenseitige Unterstützung bei der Zielerreichung In diesem Teilkapitel wird die Struktur analysiert, die sich aus den Fragen danach ergibt, welcher Akteur welchen anderen Akteur bei der Zielerreichung unterstützte und wer von wem unterstützt wurde. Auf der Grundlage der Zentralitätswerte wird zunächst ausgewertet, welche Akteure andere Akteure in hohem Maße unterstützten (Outdegree), insbesondere jedoch, welche Akteure ausnehmend viel und welche wenig Unterstützung durch andere erfuhren (Indegree). Neben den Zentralitätsmaßen wird ein Prestigemaß zu Grunde gelegt. Prestigemaße berücksichtigen die Qualität der Beziehungen des Akteurs und dessen strukturelle Einbettung. Sie können deshalb nur bei gerichteten Beziehungen angewandt werden (Wasserman /Faust 1994: 169ff.).105 Als soziale Transaktion zu interpretieren, kann bei dieser Struktur anhand der Ausprägung der Relationen daraus geschlossen werden, ob bestimmte Akteure die Interessen von anderen Beteiligten bei ihren Handlungen berücksichtigten und sogar eine gewisse Konvergenz der Interessen und Ziele vorlag. Eine solche Einvernehmlichkeit würde auf die Bildung von Koalitionen im Zuge des Entscheidungsprozesses schließen lassen. Durch eine Cliquenanalyse kann nachvollzogen werden, ob sich mehrere Akteure bei dem Erreichen ihrer Ziele gegenseitig unterstützen. Nach enger Netzwerkgrenzziehung und konsequenter Zusammenfassung können wieder die Beteiligten, dieses Mal in der Unterstützungsstruktur, identifiziert werden (s. Anhang zu den Akteuren): Als erstes fällt hier die relativ hohe Anzahl der Beteiligten auch innerhalb engerer Netzwerkgrenzen auf: 41 Akteure sind in die gegenseitige Unterstützung bei der Zielerreichung involviert. Das sind mehr Akteure als bei allen anderen bisher analysierten Strukturen. Anhand der folgenden Tabelle soll nun ein Überblick darüber gewonnen werden, welcher Akteure besonders viel Unterstützung empfangen und welche besonders viel an andere weitergegeben haben.
105
Wiederum stehen hier gerichtete Graphen im Mittelpunkt des Interesses. Die erhobenen Daten wurden genauso vorbearbeitet wie die Daten zu der Beziehungsstruktur „Austausch von Expertise“.
198
Tabelle 10: Centralities, Gegenseitige Unterstützung bei der Zielerreichung
Akteur (ID) VerMH (1) OB (24) StiMH (4) StD (37) StabMH (40) Pol (26) StMar (38) KDez (34) BezR (20) KAus (28) LMus (21) Pol (31) VerKau (9) Pol (27) Pol (30) LWL (23) UNBa (44) NRW (19) HS (15) StBü (42) StiRe (12) UNBau (80) UNKon (13) UNVer (74) VerbSK (46) FDez (65) KA (35) MuS (77) VerSt (66) Press (16) Reg (7) AGKO (84) BA (41) BerM (51) Mus (85) UNAr (14) UNBa (95) UNMus (54) VerbWi (87) VerMT (75) ÖRK (6)
Normalized Indegree Centrality 37,50 30,00 25,00 20,00 20,00 17,50 15,00 12,50 12,50 10,00 10,00 10,00 7,50 7,50 7,50 5,00 5,00 2,50 2,50 2,50 2,50 2,50 2,50 2,50 2,50 2,50 2,50 2,50 2,50 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00
Normalized Outdegree Centrality 40,00 35,00 22,50 25,00 15,00 15,00 7,50 10,00 0,00 7,50 5,00 5,00 7,50 5,00 5,00 7,50 7,50 5,00 2,50 2,50 2,50 2,50 2,50 2,50 2,50 0,00 0,00 0,00 0,00 7,50 7,50 2,50 2,50 2,50 2,50 2,50 2,50 2,50 2,50 2,50 2,50
199
Auch hier sind wieder die beiden gemeinnützigen Akteure Verein und Stiftung Musikhalle und die Verwaltungsspitze mit den höchsten Degree-Werten ausgestattet, wobei der Verein Musikhalle und der OB sich besonders in der Transaktion, als Empfänger sowie Sender, von Unterstützungsleistungen hervorheben. Die weiteren Degree-Werte werden im Zusammenhang mit der Auswertung von Prestigewerten noch näher berücksichtigt. Inwiefern Akteure von anderen prestigeträchtigen Akteuren unterstützt wurden, darüber gibt im Folgenden die Anwendung eines Prestigemaßes Aufschluss. Im Gegensatz zum Zentralitätskonzept erfahren bei dem hier zu Grunde gelegten Prestigekonzept „Rank Prestige“ diejenigen Akteure besondere Beachtung, die in vielen relevanten Beziehungen das Objekt sind. Sie werden als „prominent“ bezeichnet (vgl. Wasserman /Faust 1994: 202f.). Ein geringes Prestige hat im Fall der Unterstützung bei der Zielerreichung ein Akteur, der viele Akteure unterstützt, dabei jedoch von wenigen und wenig prestigeträchtigen Akteuren unterstützt wird. Hohe Prestigewerte hat ein Akteur, der von vielen anderen, prestigeträchtigen Akteuren direkt oder indirekt gewählt wird. Die Ergebnisse der Analyse werden in Abbildung 16 visualisiert. Zu interpretieren ist die Darstellung in Bezug auf die Verbindungen zwischen den Knoten, auf die Position der Knoten, auf ihre Größe und Form. Die Verbindungen in Abbildung 16 zwischen zwei Akteuren bezeichnen wie bereits bei vorherigen Visualisierungen, ob ein Akteur A einen Akteur B bei der Zielerreichung unterstützt. Unterstützen sich beide Akteure gegenseitig, so wird dies durch zwei parallele, gegenläufige Pfeile angezeigt. Der jeweilige Prestigerang wird durch eine Anordnung auf Ebenen visualisiert – nicht durch konzentrische Kreise, wie dies bei der Zentralität der Fall war. Die hellen, horizontalen Hilfslinien im Hintergrund stellen die Prestigeebenen dar. Je höher ein Akteur platziert ist, umso höher ist sein Prestigewert. Die Darstellung beinhaltet gleichzeitig die In- und Outdegree-Werte, die zuvor tabellarisch aufgeführt wurden. Je größer die Knoten, umso höher ist der Degree. Stark vertikal in die Länge gezogene Knoten symbolisieren einen hohen Indegree-Wert, stark horizontal in die Höhe gestreckte Knoten einen hohen Outdegree-Wert und quadratische Knoten ein ausgeglichenes Verhältnis aus In- und Outdegree (d.h. die Akteure erfuhren in gleichem Maße Unterstützung, in dem sie auch andere unterstützten). Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Stärke der VISONE-Software, der einzigen Software zur Visualisierung sozialer Netzwerke, die es ermöglicht, Maße der Prominenz direkt zu berechnen und darauf aufbauend in einer Grafik gemeinsam zu visualisieren. Dabei können Attributdaten sowie relationale Daten quantitativ ausgedrückt und grafisch dargestellt werden (vgl. Brandes, Kenis et al. 2006: 22).
200
Abbildung 18: Status, In- und Outdegree, Unterstützung bei der Zielerreichung
Eigene Darstellung
Aus der grafischen Darstellung ist klar herauszulesen, dass sich der gemeinnützige Akteur „VerMH“ (1) sowie ein Akteur der Verwaltungsspitze („OB“, 24) stark hervorheben, beiderseits durch ihre hohen Degree- wie auch Status-Werte. Ihre Degree-Werte sind recht ausgewogen und stehen damit für eine ausgeglichene, gegenseitige Unterstützung der Akteure mit anderen Akteuren bei dem Bestreben, ihr Ziel zu erreichen. Knapp 38% der Akteure unterstützen den zentralen Akteur „Verein Musikhalle“ (1) bei seinem Vorhaben, die Musikhalle als lokales Projekt in Zusammenarbeit mit öffentlichen und privaten Partnern zu realisieren. Der Wert ist beachtlich, könnte allerdings auch höher sein. So unterstreicht dieses Ergebnis, dass bei einigen Akteuren Zweifel an dem Konzept des Vereines existieren, die dazu führen, dass sie dessen Aktivitäten im Zuge der Planung des Projektes nicht vollständig unterstützen. Beide Akteure verfügen auch über die höchsten Prestigewerte: Die Knoten sind auf den obersten Ebenen angeordnet, da sie durch vergleichsweise viele andere, wiederum prestigereiche Akteure unterstützt werden. In diesem Sinne recht prestigereich sind weitere Akteure des gemeinnützigen und politisch-administrativen Bereichs: Eine gemeinnützige Stiftung (4) und ein Akteur der Verwaltungsspitze (37) verfügen über sehr hohe Prestigewerte, gefolgt von dem verwaltungsinternen Projektmanagement für die Musikhalle, einem politischen Akteur aus dem Kreise der Ratsfraktionen sowie drei weiteren Akteuren des politisch-administrativen Bereichs. Auffällig ist, dass der gesamte private, quasi-öffentliche und privatwirtschaftliche Bereich, welcher die Unternehmen, mittelständischen und kleinen Betriebe, also auch potentielle Sponsoren und Investoren, die Hochschulen, verschiedene öffentlich-rechtliche Körperschaften oder auch die Presse umfasst, im Sinne des Prestigekonzeptes bei der gegenseitigen Unterstützung kaum eine Rolle spielen. Dies gilt auch für weitere gemeinnützige Organisationen, Akteure auf Landes-, regionaler 201
und Bezirksebene sowie öffentliche Kultureinrichtungen – abgesehen von einer Kultureinrichtung in öffentlich-privater Trägerschaft (21), deren Prestigewert im mittleren Bereich liegt. Eine klare und einvernehmliche Strategie gegenseitiger Unterstützung zur Realisierung des Projektes scheint lediglich einen relativ kleinen Kreis von Akteuren zu integrieren. Dies lässt die Vermutung zu, dass in der untersuchten Gruppe von Akteuren verschiedene Subgruppen existieren, deren Mitglieder jeweils ähnliche Vorstellungen bei der Zielerreichung verfolgen, sich innerhalb ihrer Gruppe bei ihren Interessen berücksichtigen und gegenseitig bei der Erreichung ihrer Ziele unterstützen. Koalitionen müssten dann identifizierbar sein, die sich auf eine gewisse Einvernehmlichkeit der sie umfassenden Akteure über die wichtigsten Maßnahmen und Orientierungen bei der Planung der Musikhalle stützen. Dieser These wird im nächsten Auswertungsschritt nachgegangen. Operationalisiert werden kann die Annahme der auf Einvernehmlichkeit basierenden Koalitionenbildung durch die Analyse von Cliquen. Cliquen, die sich auf der Grundlage der gegenseitigen Unterstützung bei der Zielerreichung in politischen Verhandlungsprozessen ausbilden, gelten als Indikator für die Koalitionenbildung (Raab 2002a: 245). Abbildung 19: Cliquen, Gegenseitige Unterstützung bei der Zielerreichung 18 cliques found. 1: OB (24) StabMH (40) StD (37) StiMH (4) VerMH (1) 2: OB (24) StD (37) StiMH (4) StMar (38) VerMH (1) 3: OB (24) Pol (26) StiMH (4) VerMH (1) 4: OB (24) StiMH (4) VerKau (9) VerMH (1) 5: Pol (26) Pol (27) StiMH (4) VerMH (1) 6: Pol (26) Press (16) StiMH (4) VerMH (1) 7: StiMH (4) StiRe (12) VerMH (1) 8: KAus (28) Pol (26) VerMH (1) 9: KAus (28) StD (37) VerMH (1) 10: KDez (34) OB (24) StabMH (40) StD (37) VerMH (1) 11: KDez (34) StBü (42) VerMH (1) 12: LMus (21) StabMH (40) StD (37) VerMH (1) 13: LMus (21) StD (37) StMar (38) VerMH (1) 14: BezR (20) OB (24) StD (37) VerMH (1) 15: KAus (28) LWL (23) StD (37) 16: BezR (20) NRW (19) OB (24) 17: OB (24) Pol (26) Pol (31) StiMH (4) 18: OB (24) StiMH (4) StMar (38) UNBa (44)
18 Cliquen können im Zusammenhang mit der gegenseitigen Unterstützung der Akteure bei der Zielerreichung identifiziert werden, welche zwischen 3 und 5 Mitglieder haben. Wie zu erwarten war, sind die „üblichen Verdächtigen“ als quantitativ häufigste Mitglieder von Cliquen zu orten: Der Akteur „Verein Musikhalle“ (1) spielt bei 14 verschiedenen Cliquen eine Rolle, also bei einem beachtlichen Anteil von rund 78% aller Cliquen. Der Akteur „24“ der Stadtverwaltungsspitze und die „Stiftung Musikhalle“ (jeweils 9 Cliquenmitgliedschaften) sind in 50% der Cliquen Mitglieder, der Stadtdirektor ist mit 8 Cliquenmitgliedschaften in 44% aller Cliquen vertreten. Die gemeinsamen Cliquenmitgliedschaften werden in Abbildung XY offensichtlich.
202
Abbildung 20: Cliquen Co-Mitgliedschaft, Unterstützung bei der Zielerreichung
Die meisten Cliquenmitgliedschaften teilen sich der Stadtdirektor und der Verein Musikhalle (Ebene 7). In sechs Cliquen sind die Stiftung Musikhalle und der OB gemeinsame Mitglieder. Insgesamt ist nur eine Clique vorzufinden, in der der OB ohne Verein und / oder Stiftung Mitglied ist. Dasselbe gilt für den Akteur „Stadtdirektor“. Dies ist ein eindeutiges Indiz für die auf Einvernehmlichkeit basierende Koalitionenbildung dieser vier Akteure. In die Bildung von Koalitionen sind auch Akteure aus anderen Bereichen eingeschlossen: aus einer öffentlichen Kultureinrichtung, aus der Bezirksregierung, dem Land NordrheinWestfalen sowie aus der Privatwirtschaft. Interessenkonvergenzen, die aufgrund der Cliquenbildung anzunehmen sind, lassen sich bei lokalen Akteuren im weiteren Sinne in zwei Cliquen feststellen: Das Land NRW, die Bezirksregierung und der OB bilden die Clique 16, die damit eine überregionale Transaktion repräsentiert; in Clique 20 ist die Bezirksregierung hingegen mit OB, Stadtdirektor und Verein Musikhalle vertreten und steht hier für eine lokale Koalition. Die beiden Cliquenmitgliedschaften unterstreichen ihre Funktion als mittlere Instanz. Politische Akteure sind in die einvernehmliche Unterstützung bei der Zielerreichung in sechs Cliquen eingebunden. Politische Kritiker und Gegner sind in keine der Cliquen involviert. Insbesondere die CDU zeichnet sich durch viele Cliquenmitgliedschaften aus, SPD und FDP sind jeweils nur in einer Clique vertreten und der Kulturausschuss in zwei Cliquen. Finanzielle Interessen repräsentieren die Cliquen 4 und 18, in denen die auf eine Akquise finanzieller Mittel abzielende und Wirtschaftsakteure umfassende Stiftung Musikhalle Koalitionen mit Akteuren der Privatwirtschaft eingeht, die auch den OB, sowie bei Clique 18 das Stadtmarketing und Clique 4 den Verein Musikhalle integrieren. Sichtbar werden auch Koalitionen mit kulturellen Interessen bei den Cliquen 11, 12, 13. Die Kulturverwaltung ist in den Cliquen 10 und 11 vertreten. Die Struktur ist insgesamt nicht besonders kohäsiv, was durch die Dichte von 7% belegt wird. Überdies können sich nicht alle Akteure direkt erreichen (Reachability). Innerhalb der Koalitionen, die durch die Cliquenanalyse sichtbar gemacht werden konnten, kann zwar von einem Zusammenhalt bei gegenseitigen Unterstützungsleistungen sowie von einer gewissen Einvernehmlichkeit ausgegangen werden. Allerdings sind 21 von 41 Akteuren keine Mitglieder einer Clique. Dies sowie der Zerfall der Struktur in verschiedene Komponenten gemäß der Berechnung der Reachability unterstreicht, dass im Planungsprozess der Musikhalle unterschiedliche und widerstrebende Interessen eine Rolle spielen, die auch 203
innerhalb des engeren Kreises der Projektentwicklungsbeteiligten zum Tragen kommen. Im folgenden Kapitel wird auf die Frage der gegenläufigen Interessen vertieft eingegangen. 3.3 Interpretationen der Akteure: Ziele, Interessen, Einflussfaktoren Die ersten beiden Kapitel des empirischen Teils näherten sich der Frage nach den Wirkungsdimensionen von PPPs auf lokaler Ebene aus einer Perspektive auf die Aspekte, die auf der Makro- und Mesoeebene greifen. Im Mittelpunkt dieses folgenden Abschnittes der empirischen Analyse stehen nun die Wahrnehmungen, Interpretationen und handlungspraktischen Perspektiven der Akteure im Zuge der Planungs- und Entwicklungsprozesse der drei untersuchten Fälle. Mit dem Fokus auf solche Aspekte wird die Aufmerksamkeit nun auf die Ebene der Akteure gerichtet, auf ihre Ziele, ihre strukturelle Einbettung und ihre Handlungsoptionen und Handlungsorientierungen. Renate Mayntz und Fritz W. Scharpf differenzieren zwischen kognitiven und motivationalen Aspekten der Handlungsorientierung: „Kognitive Orientierungen betreffen die Wahrnehmung der Handlungssituation und ihrer kausalen Struktur, der verfügbaren Handlungsoptionen und erwartbaren Ergebnisse“. Dahingegen bezeichnen sie die motivationalen Aspekte der Orientierung als „…Antriebsfaktoren für ein sinnhaftes Handeln (...) beziehungsweise (...) Auswahlgesichtspunkte bei der Wahl zwischen Handlungsoptionen“ (Mayntz /Scharpf 1995a: 53f.). Beide Aspekte sollen in diesem Kapitel berücksichtigt werden. Dabei wird grundlegend Nullmeier und Rüb (Nullmeier/Rüb 1993, 24ff) gefolgt, die betonen, dass politisches Handeln in einer Wirklichkeit zu verorten sei, die sich die Akteure in ihrem Wissen selbst geschaffen haben. Das Wissen und die Wahrnehmungen der Akteure über Rahmenbedingungen, Probleme, Handlungsanforderungen und Konstellationen prägen dann ihr politisches Handeln, das stets auch ein anderes sein könnte, also immer Alternativen hat. Damit verweisen Nullmeier/Rüb auf die gestaltbare Konstruktion und die individuelle Deutung der Handlungssituation. Rekurriert wird im Folgenden auf die Auswertungsergebnisse der 54 Interviews und Expertengespräche zu den drei lokalen öffentlich-privaten Arrangements „Musikhalle“, „Ausstellungshalle“ und „Museum“. Interviewt wurden Akteure, die an den jeweiligen Prozessen der Initiierung, Entwicklung und Operation beteiligt waren bzw. zum Teil – im Fall der Operation der beiden letztgenannten Fälle – noch heute beteiligt sind. Im Rahmen der Presse- und Dokumentenanalyse zeigte sich, dass die drei Fälle, die im Mittelpunkt der empirischen Studie stehen, unterschiedliche Entwicklungslinien aufweisen, verschiedenen Akteurskonstellationen und Steuerungsmodi integrieren und vor dem Hintergrund unterschiedlicher thematischer, politischer, gesellschaftlicher, finanzieller und konzeptioneller Rahmenbedingungen geplant und entwickelt wurden. Die Fälle sollen deshalb im Hinblick auf ihre Anforderungen an das Handeln der beteiligten lokalen Akteure und an Konfliktpotentiale bei der PPP-Planung und der lokalen Steuerung in den Blick genommen werden. Da den Interviewpartnerinnen und -partnern Anonymität zugesichert wurde, werden weder bei den Zitaten noch in der Interviewlegende Namen und Organisationen genannt. Die Interviews wurden außerdem neu nummeriert, so dass keine direkte Verbindung mit den in der Netzwerkanalyse benannten Akteuren hergestellt werden kann (Anlage 8). Innerhalb der jeweiligen Kapitel werden zunächst Ergebnisse zu dem Fall „Musikhalle“ besprochen, daraufhin folgen die Auswertungsergebnisse der beiden Fälle „Ausstellungshalle“ und „Picasso Museum“. Der Fall Musikhalle soll mit den beiden anderen Fällen 204
kontrastiert werden. Die Teilkapitel sind nach übergeordneten Themen strukturiert, die durch die Annahmen der in Teil 1 diskutierten Ansätze geleitet werden: Der erste Abschnitt beschäftigt sich mit der Frage, ob die Akteure ein übergeordnetes, alle Beteiligten verbindendes Ziel identifizieren und benennen können. In einem zweiten Abschnitt stehen die Interessen der Akteure im Mittelpunkt. Im dritten Kapitel wird die Perspektive auf die Interpretationen und Wahrnehmungen der Akteure hinsichtlich förderlicher Aspekte sowie von Handlungsrestriktionen im Zuge der Planungsphase gelenkt. Abschließend wird im vierten Kapitel dargestellt, inwiefern Faktoren auf der Ebene der Institutionen für die Akteure, ihrer Wahrnehmung nach, eine prägende Rolle spielen. 3.3.1 Ziele In der aktuellen PPP-Debatte wird als ein entscheidendes Merkmal öffentlich-privater Partnerschaften ein übergeordnetes Ziel angeführt, das die Beteiligten verbindet. PPPs sind danach als Manifestation einer Idee oder eines Leitbildes der Akteure zu betrachten, welches – trotz ihrer gegebenenfalls unterschiedlichen Einzelinteressen und der divergierenden sektorspezifischen Logiken bei den Beteiligten – den „Kitt“ ihrer Koppelung darstellt und die erfolgreiche Entwicklung in gemeinsamer Anstrengung erst ermöglicht. Hierfür, so die gängige Argumentation, muss das Ziel allerdings bei allen Akteuren gleichermaßen vorhanden sein und sich vor allem in der gesamten Planungsphase halten. Nach der praxisorientierten Fachdebatte danach durch PPPs stets ein erwünschtes und politikfeldbezogenes Ergebnis zu erzielen. Für das Politikfeld Kultur, das in Studien zu PPPs bisher wenig Berücksichtigung fand, liegen allerdings keine Ergebnisse vor, wie solche übergeordneten Ziele in der lokalen Realität aussehen. Dies ist insbesondere vor dem in Teil II, Kapitel 2 dargelegten Stand der Debatte im Kulturbereich zu hinterfragen. Operative Ziele im Kulturbetrieb, so wurde dort ausgeführt, stehen idealtypisch betrachtet mit spezifischen Handlungsfeldern und differierenden, tradierten Kulturbegriffen in Verbindung. Sie haben auch unterschiedliche Prozesse der Willensbildung und Entscheidung in den verschiedenen Sektoren zur Folge. 3.3.1.1 Musikhalle Im Zuge der Planung der Musikhalle sind sich die meisten der Befragten dahingegen einig, dass es ein gemeinsames, übergeordnetes, operatives Ziel aller Beteiligten gibt. Wie dieses genau aussieht, hierzu existieren allerdings unterschiedliche Meinungen. Während einige überzeugt davon sind, dass die Projektpartner das übergeordnete Ziel vereint, „den Standort zu stärken“ (Nr. 2, Gemeinnütziger Akteur, auch Nr. 10, Administrativer Akteur) ist diese Vorstellung für andere in eine doppelte Zielverfolgung integriert. Diese umfasst die Realisierung eines neuen, kulturellen Angebotes und beinhaltet gleichzeitig auch die Wirkung der Stadt und ihr Image nach außen. Folgende Zitate sind charakteristisch für diese Interpretation: „Ja, durchaus. Also Musikhalle als eine oberzentrale Funktion in Münster zu etablieren, um zum einen ein attraktives kulturelles Angebot für diese Stadt zu schaffen und damit auch über die Stadt heraus zu strahlen. Ja, ich denke, dass da schon beide Sachen ein Stück eine Rolle spielen.“ (Nr. 38, Politischer Akteur)
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oder: „Also das übergeordnete gemeinsame Ziel ist sicherlich, Münster auch mit einem solchen Highlight Musikhalle profilbildend nach vorne zu bringen. Dazu muss man aber auch sagen, man knüpft mit diesem Wunsch ja an eine alte Tradition an, die durchaus vor dem Kriege schon vorhanden war. Es hat in Münster ja vor dem Kriege schon eine Musikhalle gegeben.“ (Nr. 18, Administrativer Akteur)
Beide Zitate verweisen auf das Leitbild der Erschaffung eines großen und besonderen, die Stadt auszeichnenden Kulturhauses. In diesem Zusammenhang fällt auch der Begriff des „kulturellen Leuchtturms“. Dieser prägt nicht nur die Presseberichterstattung, er wird auch immer wieder durch Interviewpartner eingebracht und symbolisiert das Vorhaben, das Projekt in einen regionalen Kontext zu stellen. Das Kulturforum soll eine Ausstrahlung über die engeren Grenzen der Stadt hinaus, zumindest in die gesamte Region Westfalen haben. Die folgende Interpretation des standortpolitischen Ziels konkretisiert eine Vorstellung, die in charakteristischer Art und Weise Ziele eines aktuellen Stadtmarketings, bestehend aus Aspekten der Wettbewerbsfähigkeit im Städtevergleich und der Imagewirkung mit dem Aspekt der Sorge um die Zukunftsfähigkeit der Stadt, beschreibt: „Ja, ich glaube schon, all den Leuten, die sich da engagieren, geht es (…) darum, dass diese Stadt ein bisschen eine Zukunft bekommt, was auch eine Internationalität und ein Niveau anbelangt. (…) wenn man es im weiten Sinne sagen sollte, sind es Marketing-Interessen – so würde man es heute nennen. Man will in einer Stadt leben, die auch den Standard von anderen vergleichbaren Städten hat und also auch im Wettbewerb gut abschneidet. Man will sich für seine eigene Stadt auch nicht schämen und sagen, das haben wir alles nicht. Und man will auf diese Art und Weise etwas dafür tun, dass sie wirklich zukunftsfähig bleibt. Ich glaube, das verbindet alle.“ (Nr. 8, Administrativer Akteur).
Zu differenzieren von diesen außengeleiteten Interpretationen, sehen andere Akteure ein stadtgestalterisches Ziel im Zentrum der gemeinsamen Planung: „(…)was die Stadt, was die Stiftung angeht und was das Land angeht, geht’s um die Bebauung des Hindenburgplatzes, um diese Einheit.“ (Nr. 19, Gemeinnütziger Akteur). Der zitierte Akteur bezieht sich damit auf ein bereits
seit längerem in der Stadt diskutiertes Vorhaben, den zwar zentral gelegenen, jedoch von der Innenstadt räumlich abgetrennten, großen Hindenburgplatz durch eine Neugestaltung städtebaulich an den Innenstadtbereich anzuschließen. Für eine weitere Gruppe von Projektbeteiligten steht das thematisch-kulturelle oder kulturpolitische, gemeinsame Vorhaben, das in der Realisierung einer neuen Leistung in der Stadt liegt, als verbindendes Ziel im Vordergrund (z.B. Nr. 11 und 14, Politische Akteure und Nr. 16, Wirtschaftsakteur, Nr. 28, Repräsentant einer öffentlichen Kultureinrichtung), wobei es nach allen im weiteren Sinne darum geht, „…einen Saal zu bekommen, in dem Musik gemacht wird…“ (Nr. 28). Einer der beiden soeben erwähnten politischen Akteure betont außerdem, zentral sei „…ein kulturelles Angebot für die breite Bürgerschaft…“ zu schaffen, denn: „…es geht hier um Kultur in Münster einerseits und andererseits um den Fakt, dass wir schlechte Konzertsäle haben in Münster. Schlechte bis gar keine. Also einen Missstand (…) abzustellen.“ Interessanter Weise existiert unter den Befragten vereinzelt auch die Meinung, ein gemeinsames Ziel aller Beteiligten sei nicht auszumachen. Ein Vertreter einer Ratsfraktion, die dem Projekt tendenziell kritisch gegenüber steht, drückt dies folgender Maßen aus: „…ich glaub‘, das sind Eitelkeiten verschiedener Akteure (...) Es ist einfach ein Bündnis unterschiedlicher Interessen und das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum es so lange dauert.
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Wenn es ein einziges, vernünftiges und auch erklärbares Interesse gäbe, wären wir schon längst weiter.“ (Nr. 17, politischer Akteur)
Hier schließt sich sinngemäß auch ein Akteur an, der darauf hinweist, dass ein gemeinsames Ziel lediglich die große Richtung ausmache, dass sich die Akzentuierungen hingegen stark unterscheiden (Nr. 34, administrativer Akteur). 3.3.1.2 Ausstellungshalle und Picasso-Museum Während also im Fall der Musikhalle die Wahrnehmungen leicht differieren, letztlich aber um einen gemeinsamen Kern kreisen, ist das gemeinsame Ziel im Zuge der Entwicklung des Picasso-Museums rückblickend relativ kongruent. So wird das Ziel „Kultur mit unserem Namen zu verbinden und an die Öffentlichkeit zu bringen.“ (Nr. 12, Repräsentant eines öffentlichen Unternehmens) von den beteiligten im Großen und Ganzen gleichermaßen wahrgenommen, wenn auch die Aussage bei einem Akteur noch mehr zu einer regionalen Wahrnehmung und Verwurzelung tendiert und bei einem weiteren Akteur der kulturelle Aspekt in stärkerem Maße zutrifft als der wirtschaftliche Aspekt. Auch bei der Ausstellungshalle erkennen die Akteure übergeordnete Ziele, die ihrer Meinung nach alle beteiligten Akteure vereint. Danach stehen insbesondere zwei Zielvorstellungen im Vordergrund. Zum einen wird der künstlerische Aspekt stark hervorgehoben. Zum anderen wird die Stadtteilentwicklung als ein verbindendes Ziel erachtet. Ein „hochkarätiger Dialog über moderne Kunst“ (Akteur 26, Repräsentant einer öffentlichen Einrichtung) und die Teilhabe an diesem Dialog sowie eine lebhafte Atmosphäre im Stadtteil werden hier unterstrichen. Ähnliche Wahrnehmungen sind auch bei den politischadministrativen Akteuren zu erkennen, die zumeist stadtplanerische Gesichtspunkte und die Stadtteilentwicklung des Hafen-Areals, dem Standort der Ausstellungshalle, mit künstlerischen und kulturpolitischen Zielen verbunden sehen. 3.3.1.3 Fazit Im Vergleich zu den anderen beiden Fällen fällt im Zuge der Interpretationen der Musikhallen-Beteiligten auf, dass das nächstliegende Ziel, ein kulturelles Ziel, zwar von einigen der Beteiligten genannt wird. Die Zielkategorie der nach außen gerichteten Zielinterpretationen spielt jedoch eine vergleichsweise starke Rolle und hat für eine relativ große Gruppe von Akteuren eine – teilweise sogar ausschließliche – Bedeutung. So wird von manchen das kulturelle Ziel gar nicht genannt. Die Wahrnehmungen des übergeordneten operativen Ziels in allen drei Fällen bestätigen einen aktuell in der Literatur und der fachöffentlichen Debatte geäußerten Trend im Politikfeld Kultur: Insbesondere bei der Realisierung neuer, sehr umfangreicher Vorhaben im Bereich der Hochkultur wird die Erfüllung weiterer Ziele durch die eigentlich künstlerisch-kulturell orientierten Projekte vorangestellt. Insbesondere vor dem Hintergrund des Argumentes der konsolidierten Haushalte und des knappen öffentlichen Kulturbudgets wird von dieser Strategie die Legitimation der Verwirklichung kulturpolitischer und kultureller Ziele erwartet. Erneuerungs- und Entwicklungsstrategien beziehen sich bei Großprojekten in diesem Bereich deshalb selten ausschließlich auf das engere Ziel der Kulturfinanzierung, sondern meist werden sie etwa mit stadtplanerischen, stadtentwicklungspolitischen Zielen oder durch das Argument der Standortprofilierung begründet. 207
Die divergierenden Nennungen weisen allerdings noch auf einen weiteren Aspekt hin: Im Rahmen der Planungsphase der PPP existieren ganz offensichtlich verschiedene Einzelinteressen, die den Blick auf das gemeinsame Ziel versperren können. Ein Interviewpartner verdeutlicht dies: „Das gibt es; aber es wahrzunehmen und ihm zu folgen ist die Schwierigkeit, weil Einzelinteressen dann doch immer vorhanden sind, vielleicht dominant werden können. Unser allgemeines Interesse kann nur sein, eine kulturelle Einrichtung vielseitiger Verwendung, mit vielseitiger Ausrichtung, an dieser Stelle, fast mitten in der Stadt zu errichten. Das ist eine einmalige Chance. Und das kann nur möglich im allgemeinen Interesse liegen, dass das gelingt, am Ende gelingt, nicht wahr. Aber der Weg dahin ist eben gepflastert mit Agenten, die Eigeninteressen verfolgen“ (Nr. 30, Repräsentant einer öffentlichen Einrichtung)
Die einzelnen Interessen der Akteure sollen im nächsten Abschnitt näher betrachtet werden. 3.3.2 Interessen in der Planungsphase Angesichts der verschiedenen Mitwirkenden in der Planungsphase von PPPs muss bei der Analyse davon ausgegangen werden, dass die beteiligten korporativen Akteure bei der Planung und an Durchführung einer Leistung in öffentlich-privater Partnerschaft verschiedene Einzelinteressen verfolgen. Bereits im Rahmen der Presse- und Dokumentenanalyse entstand ein erster Eindruck zu den Positionen von Beteiligten. Dieser beruhte allerdings in erster Linie auf Darstellungen Dritter in der Presse sowie zu einem kleinen Ausmaß auch auf organisationseigenen Dokumenten und Außendarstellungen. In jedem Fall sollen nun die Akteure als Vertreter ihrer Organisationen selbst zu Wort kommen, um zu überprüfen, wie sich die Interessen in ihrer Interpretation darstellen. Die auf mikropolitischen Annahmen basierende Organisationstheorie setzt voraus, dass diese Interessen maßgeblich die Abläufe der Interaktion bestimmen. Im Gegensatz zu mikropolitischen Ansätzen wird hier jedoch nicht davon ausgegangen, dass die Abläufe aufgrund der zu unterstellenden Rationalität der Akteure in klaren Modellen abgebildet werden können. Interessen werden als Handlungsorientierungen im engeren Sinne begriffen, bezogen auf das „issue“-Interesse der einzelnen korporativen Akteure und ihrer direkten Anreize zur Beteiligung. Es wird davon ausgegangen, dass der Faktor der Interessen einer von mehreren Faktoren ist, die Steuerungsversuche, -abläufe und -ergebnisse bestimmen. Angenommen wird, dass die Einflussressourcen und die Positionen der Akteure in Beziehungsstrukturen maßgebliche Implikationen für die unterschiedliche Verfolgung von Interessen haben. Welche Interessen verfolgt werden wird wieder zuerst für die Musikhalle ausgewertet, danach für das PicassoMuseum und die Ausstellungshalle. 3.3.2.1 Musikhalle Die Interessen der Beteiligten an der Realisierung einer Musikhalle sind überwiegend in fünf große Gruppen einzuordnen. Eine erste Gruppe verfolgt mit ihrem Einsatz für das Vorhaben künstlerische oder kulturelle Interessen, eine zweite Gruppe ist durch kulturpolitische, kulturell-bildungspolitische sowie musikfachliche Ziele motiviert. Im Unterschied zu der ersten Gruppe, deren Handlungsorientierung einer Begeisterung für die Musik entspringt und die diesbezüglich 208
in Münster einen großen Missstand empfindet, werden zu der zweiten Gruppe Akteure mit einem breiteren Interesse an dem Bedarf der Stadtbevölkerung, der Musikerinnen und Musiker sowie an einem Raumbedarf kultureller Einrichtungen gezählt, also an einem politischen Interesse an der Schaffung neuer Räumlichkeiten, an Spiel- und Probe- und Rezeptionsstätten, die sich an die breitere gesellschaftliche Öffentlichkeit wenden. Bei manchen InterviewpartnerInnen ist die Handlungsorientierung auch im Grenzbereich zwischen den beiden Gruppen angesiedelt. Des Weiteren werden Interessen genannt, die unter dem Überbegriff der Standortpolitik gefasst werden und solche Orientierungen, die auf eine nachhaltige Entwicklung in die Zukunftsfähigkeit der Stadt abzielen. Zudem wurden Interessen der Gegner des Vorhabens erhoben. Künstlerisches und kulturelles Interesse „…eine künstlerische Lücke zu füllen, schlicht und einfach“, das ist der zentrale Punkt, für den Vertreter der ersten Interessenträgergruppe einstehen (Nr. 24, Repräsentant einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung). Ein Interviewpartner, der die erste Gruppe repräsentiert, drückt sein Interesse aus einer Perspektive der Rezipienten folgender Maßen aus: „…natürlich wollen, letztendlich ist das der Kern der Sache, die Leute, die in das Konzert gehen, mit einer Brust voller schöner Töne wieder nach Hause gehen und das Erleben mit nach Hause nehmen können, die ganz Großen der Kunst gehört und gesehen zu haben. Wir müssen einfach feststellen (…), wir haben, ich glaube 1972, das letzte Mal ein großes, internationales Orchester in Münster gehabt. 1972. Die großen Orchester ziehen an Münster vorbei.“ (Nr. 2, gemeinnütziger Akteur)
Neben dem Interesse an einem neuen Aufführungsort, in dem auch internationale Größen empfangen werden können, wird zudem angemerkt, dass es an Arbeitsräumlichkeiten für Künstlerinnen und Künstler fehle und dass dieses Versäumnis der Stadt, vergleiche man sie mit anderen Städten, nicht angemessen sei. „Es gibt für die Menschen, die hier wohnen, keinen Raum, wo die sich mal vernünftig treffen können. Es fängt an dass die Chöre Schwierigkeiten haben, Plätze zu finden, wo sie ihre Konzerte machen können, es geht weiter, dass ein Studentenorchester im H1 auf ´ner völlig beengten Bühne sitzt, wo sie (…) sich nicht vernünftig ausbreiten können. Das städtische Orchester, das städtische Theater kriegt ja irre Zuschüsse. Ich versteh‘ nicht, dass man quasi diesen Faktor städtisches Orchester schafft, ohne quasi die Konsequenz daraus zu ziehen dass man sagt, die müssen ja auch irgendwo vernünftig spielen können, müssen ja vernünftig proben können. Das ist `ne absolute Katastrophe. (…)Das ist völlig unwürdig im Theater. Und ich glaube schlicht und einfach, dass in Münster ein Raum fehlt, den es in nahezu jeder anderen Stadt inzwischen gibt, egal ob in Osnabrück, ob in Bielefeld, da sogar zweimal mit der Oetker-Halle und der Stadthalle, wir müssen nicht über Philharmonien in Essen oder Köln oder was weiß ich oder Musikhallen in Hamburg (…) reden. (Nr. 16, privatwirtschaftlicher Akteur)
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Viele der befragten Akteure sind sich darüber einig, dass die Bedingungen für die Kulturschaffenden des Musikbereichs in Münster, gerade auch derjenigen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft, sehr schlecht seien. So stellt das Interesse der Kulturschaffenden weitestgehend auf die Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen ab: „Die Konzertsaalsituation ist in Münster einfach `ne Katastrophe. Schlicht und ergreifend. Und wir spielen halt unsere Symphoniekonzerte, die Gott sei Dank sich eines wirklich großen Zuspruchs erfreuen, hier in unseren Theaterkatakomben, die akustisch schlicht und ergreifend eine Katastrophe sind. Und kein Orchester der Welt wünscht sich dann nichts sehnlicher, als dass man einen besseren Saal kriegt. Das kann man einfach so stehen lassen“ (Nr. 28, Repräsentant einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung)
Das Interesse an passenden Räumlichkeiten findet sich auch in der freien Musikszene, hier allerdings eher an einem kleineren Saal „…in der Größe eines Kammermusiksaals (…), weil das aus der Praxis des Veranstaltens in der Innenstadt einfach fehlt. (Nr. 23, Repräsentant der freien Kulturszene/ Musiker). Künstlerinnen und Kulturschaffende der freien Szene berichten, dass solche Veranstaltungsorte bereits seit langem vermisst werden, dass für Konzerte in außen gelegene Stadtteile oder in Schulen ausgewichen werden muss. Für die befragten Akteure der freien Szene besteht insofern generell ein rein praktischkünstlerisch orientiertes Interesse an einem Bau der Musikhalle; sollten hier auch Räumlichkeiten eingeplant werden, die ihrem Bedarf entsprechen. Das Interesse ist allerdings mit einer gewissen Zurückhaltung und Skepsis verbunden. Aufgrund der an der Planung Beteiligten werde befürchtet, dass „… so eine Art hochkulturelle Sache…“ angedacht sei, „…also da Klassik zu hören, da in schönen Roben auszugehen…“ Ein Interviewpartner begründet damit auch, weshalb manche seiner Kolleginnen und Kollegen sich nicht aktiv oder nur begrenzt für das Vorhaben Musikhalle einsetzten: „…wir sahen von unserer Praxis zwar einen Raumbedarf aber wir hätten andere, inhaltliche Vorstellungen gehabt.“ (Nr. 23, Repräsentant der freien Kulturszene/ Musiker). Auch Interviewpartner, die nicht Kulturschaffende sind, verfolgen ein kulturelles Interesse. Sie verdeutlichen, dass der Kern des Vorhabens darin bestünde, einen Ort mit exzellenter Akustik zu schaffen, der sich dazu eigne, zum einen Räumlichkeiten für die lokale Musikszene zur Verfügung zu stellen und zum anderen, nationale und internationale Größen einzuladen: „Ich bin natürlich Freund der Kultur, sowieso, das ist klar. Jemand der sich für Musik interessiert, der muss natürlich eine Spielstätte haben, einen Bau in unmittelbarer Nähe haben, der auch von der Akustik das Potential bietet, tolle Orchester, nicht nur deutsche, sondern auch international hier nach Münster zu holen. Völlig klar. (…) Das ist aber auch das Motiv all (…) der Chöre, all der an Musik Interessierten, wie gesagt einer riesen großen Schar in Münster.“ (Nr. 11, politischer Akteur)
Die Thematik der Ausstattung der Musikhalle, insbesondere der Akustik, ist auch für die zweite relevante Gruppe von großer Bedeutung, deren Vertreter – ebenso wie Vertreter der ersten Gruppe – einen Missstand in der Stadt hervorheben: „das ist etwas, das Münster fehlt“ (Nr. 22, politischer Akteur), „das braucht eine Stadt wie Münster“ (Nr. 25, Regierungsakteur auf regionaler Ebene), – ähnlich drücken es Beteiligte beider Gruppen aus.
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Kulturpolitisches Interesse Repräsentanten dieser zweiten, kulturpolitisch interessierten Gruppe betonen den gemeinschaftlichen Aspekt und damit den Gedanken, die Situation Kulturschaffender zu verbessern, die beengte Situation der Städtischen Bühnen anzugehen, und für die breitere Bevölkerung einen Ort zur Verfügung zu stellen, an dem Musik unter guten Bedingungen rezipiert werden kann. Erhofft wird sich, dass durch das Schaffen solcher Bedingungen auch eine stärkere Resonanz auf künstlerische Leistungen und ein lebhafterer Austausch über musikbezogene oder gar musikfachliche Themen in der Stadt entstehen könnten. Hier finden sich auch bildungspolitische Beweggründe: Das neue kulturelle Angebot soll Kunst erlebbar machen, soll Zugangsmöglichkeiten zu Musik schaffen, soll Entstehungsprozesse von Konzertprogrammen stärker öffnen auch, um „Schwellen, die bisher vor dem Theater liegen, niedriger werden zu lassen“ verdeutlicht ein Akteur der Stadtverwaltung: „Ich habe vorrangig das Interesse, wirklich in der Stadt perspektivisch einen dem Hören gewidmeten Ort vorzufinden. (…) also wirklich bei der Bedeutung, die das Hören hat, nicht nur für Bildung sondern auch für Gesellschaft überhaupt, ist es eine gesellschaftliche Aufgabe, das Hören zu kultivieren, Möglichkeiten zu schaffen, differenziert wahrzunehmen, Zwischentöne zu hören, alles dieses, das hat ja nicht nur mit der Musik zu tun, das hat ja auch mit dem Zusammenhalt der Gesellschaft zu tun. Und das keineswegs nur so eingeengt auf den Bereich der klassischen Musik, sondern wirklich das, was es in der Welt zu hören gibt, auch möglichst hörbar zu machen, auch andererseits selber zu motivieren, hörbares zu produzieren.“ (Nr. 35, politischadministrativer Akteur)
Neben den kulturpolitischen Interessen gilt es nach einem politischen Akteur durchaus auch, den Standort Münster über das neue kulturelle Angebot „wahrnehmbarer zu machen“, dies sei jedoch nicht der zentrale Aspekt. Das Interesse seiner Partei liege insofern darin „…für die breite Bevölkerung hier ein neues kulturelles Angebot mit zu schaffen, mit zu finanzieren, als Stadt Münster, von dem wir glauben, dass es Resonanz in der Stadt, in der Bürgerschaft haben wird (…) im Kern – da darf man sich nichts vormachen – geht’s hier um ein Kulturangebot.“ (Nr. 14, politischer Akteur)
An das Vorhaben, ein neues, kulturpolitisch relevantes Angebot bereit zu stellen, knüpft auch die Handlungsorientierung politisch-administrativer Akteure an, die sich explizit als Vertreter der Interessen anderer begreifen. Die Grundlage ihrer Orientierung bilden dann die Bedarfe anderer Akteure, wie dies der Fall eines Befragten aus dem politischadministrativen Bereich verdeutlicht, der seine Rolle in der Unterstützung der Interessen der freien Szene im weiteren Sinne sieht: „Wir sprechen ja immer von Leuchttürmen. Und Leuchttürme leuchten weit aber am Fuße von Leuchttürmen ist häufig ganz viel Schatten und das ist so die Sorge der freien Szene106. (…)Da herrscht glaube ich so ein Zwiespalt zwischen Skepsis auf der einen Seite, nämlich Skepsis bei denjenigen, die auf öffentliche Förderung orientieren bei dem, was sie tun. Das ist ja erst mal 106
Der Befragte spezifiziert seine Definition der freien Szene folgender Maßen: „Bei der Interessenlage der freien Szene, da meine ich den weit gefassten Begriff jetzt. Ich meine damit nicht nur Alternativkultur sondern es geht bei mir bis in die Stadtteilkultur und die Heimatpflege und die Chöre – da fasse ich jetzt mal alles zusammen unter dem, was eben nicht städtisch verfasste oder öffentlich getragene Kultur ist.“
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nichts Unanständiges, das soll ja jetzt nicht negativ klingen, sondern viele Dinge im Kulturbereich die tragen sich einfach nicht kommerziell, das ist auch gut so. Andere wiederum, die weniger auf die öffentliche Förderung orientieren, ich sag jetzt mal, die Gesamtheit der Chöre, die sind natürlich Feuer und Flamme für dieses Projekt. Also die wollen liebend gerne so eine Einrichtung haben, wo sie sich dann mal etwas prominenter platzieren können. (…) ich sehe meine Rolle in erster Linie in einer Art, naja, nicht nur Kommunikation sondern auch Einflussnahme auf die Projektentwicklung dergestalt, dass die Interessen aus dem freien Bereich, und damit meine ich wieder aus dem erweiterten freien Bereich, Berücksichtigung finden in der Planung. Das heißt zum einen, Möglichkeiten der Nutzung später, und zum zweiten, Gewähr dafür, dass die Finanzierung des ganzen nicht dazu führt, dass – ich sag mal – unterhalb des Leuchtturms nur noch Schatten herrscht. Wobei ich mich nicht als Gegner der Musikhalle ansehe. Ich bin durchaus Befürworter. Aber in dieser Rolle sehe ich mich also.“ (Nr. 7, politisch-administrativer Akteur)
Musikhalle als Standortfaktor Das standortpolitische Interesse, das der oben zitierte Akteur (Nr. 14) als nebensächlicher beurteilt, stellt für andere Akteure, darunter auch für einige seiner Kollegen aus der Politik, das zentrale Interesse dar. Diese dritte große Gruppe von Interessenträgern vereint, dass sie den Bau einer Musikhalle in erster Linie unterstützen, weil sie sich davon eine Schärfung des Profils der Stadt erwarten, ein effektives Standortmarketing und daraus hervorgehende, positive – weitestgehend wirtschaftliche – Effekte auf die Kaufkraft, den Tourismus, auf Investitionen oder die Gewinnung von Führungskräften. Unterstrichen wird, dass es durch die Musikhalle nicht nur „ein Investitionsvolumen gibt, das in Münster und im Münsterland bleibt, sondern dass es auch darüber hinaus für den Standort Münster ganz entscheidend ist und sich sehr, sehr positiv auswirkt.“ (Nr. 19, gemeinnütziger Akteur). Die spezifische Funktion Münsters als Oberzentrum einer weiteren Region wird in diesem Zusammenhang als Beweggrund für die Errichtung eines großen kulturellen Objektes genannt. „Münster ist Oberzentrum für …1.8 oder mehr Mio. Einwohner und wer eine solche oberzentrale Bedeutung hat braucht oberzentrale Einrichtungen, sonst verliert er seine Bedeutung“ (Nr. 25, Regierungsakteur auf regionaler Ebene). Die Vorstellung der Strahlkraft des Projektes, also mit dem attraktiven kulturellen Angebot „…über die Stadt heraus zu strahlen“ (Nr. 38, politischer Akteur), ist ein Bild, das in den Interviews immer wieder gezeichnet wird. Auch eine „…Sogwirkung im internationalen Bereich…“, die das Kulturforum zu einem wichtigen Faktor der Wirtschaftsförderung mache und damit im Interesse von Unternehmen stünde, wird erwartet (Nr. 40, Repräsentant eines Wirtschaftsverbandes). Zentrale Begriffe einer Marketing- und Image-orientierten Fachdebatte über stadtentwicklungspolitische Themen fallen in dieser Gruppe stark ins Gewicht: So wird von einer „Steigerung des Wertes der Stadt im Wettbewerb der Städte“ (Nr. 15, gemeinnütziger Akteur) gesprochen. Privatwirtschaftliche Akteure betonen, dass eine Bereicherung des kulturellen Angebotes durch Unternehmen das „Image der Stadt“ verbessere, dass „Kultur als weicher Standortfaktor“ etwa bei der Rekrutierung von Führungskräften wirke, die größere, attraktivere Städte der Stadt Münster, als „kleine schwarze Stadt“, vorziehen könnten. So könnte die Musikhalle ein weiteres kulturelles Highlight darstellen, das solche Führungskräfte in ihrer Entscheidung für Münster überzeugen würde. Außerdem könnten Unternehmen durch ihre Mitwirkung an dem Projekt ihren Ruf bei ihren Kunden verbessern: „also
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das löst offenbar good feelings bei den Menschen aus“ (Nr. 37, Repräsentant eines privatwirtschaftlichen Unternehmens). Erwähnenswert ist, dass sich auch unter den Vertretern der standortpolitischen Interessenverfolgung Akteure befinden, die im Interview ihre Begeisterung für den musikalischkünstlerischen Aspekt des Projektes ausdrücken. „Wir Wirtschaftsleute sind ja nicht kulturlos“ betont ein Akteur (Nr. 40, Repräsentant eines Wirtschaftsverbandes). Ein Vertreter des gemeinnützigen Bereichs führt an: „Mal abgesehen davon, dass man sich wahnsinnig freut und sagt, mein Gott, wir kriegen einen Konzertsaal, wo man dann in der Pause vielleicht in den Schlossgarten gehen kann und dann haben wir ein Kulturforum, das kennt man aus anderen Städten und das ist einfach fantastisch. Aber die anderen Dinge sind für Münster ganz entscheidend und das sehen wir alle, die wir da sind. Man kann nicht einfach nur sagen, nur weil ich jetzt Musik hören möchte, müssen wir eine Musikhalle bauen. Das kann’s nicht sein und das ist in heutigen Zeiten sowieso nicht mehr machbar.“ (Nr. 19, gemeinnütziger Akteur).
Mit dem letzten Satz spielt der Akteur auch auf die Machbarkeit einer öffentlichen Mitfinanzierung an, die durch den Aspekt der Standortförderung seines Erachtens legitim begründet wird. Das öffentliche Interesse lässt sich neben den genannten Handlungsorientierungen auch durch eine weitere Argumentation wiedergeben. Nachhaltige Investition in die Entwicklung der Stadt So steht das grundlegende Interesse, eine Planung der Musikhalle in ihrer Funktion der Profilbildung und Standortförderung zu unterstützen, bei einigen Akteuren in Verbindung mit einem weiteren Ziel, das für manche an einem standortpolitischen oder an einem kulturpolitischen Grundgedanken anknüpft, jedoch noch darüber hinaus geht. Insbesondere im öffentlichen Bereich gibt es Agenten, die die Musikhallenplanung als einen wichtigen Baustein einer nachhaltigen und vorausschauenden Investition in die Zukunft der Stadt erachten. Aus einer eher stadtwerbungsorientierten Perspektive begründet dies das folgende Interesse: „(…) wir brauchen eigentlich wirklich dringend auch ein bisschen kulturelle Infrastruktur. (…) wir brauchen, als ein Standort, der in seinem Profil Wissenschaft und Lebensart hat, also eine Stadt mit ausgebildeten Qualitäten, die braucht eben einfach auch eine Erneuerung ihrer Infrastruktur, die braucht auch Zuwächse, ganz einfach, da kann man sich nicht einfach darauf beschränken, dass man sagt, wir haben ja das Stadttheater und noch ein privates, das WolfgangBorchert-Theater, und das muss dann eben reichen, sondern die muss dann eben einfach in der Entwicklung sein. Und das ist an sich der längst fällige Baustein nach der Entstehung der Stadtbücherei 1993 (…) Und man will auf diese Art und Weise etwas dafür tun, dass sie (die Stadt, L.S.) wirklich zukunftsfähig bleibt“ (Nr. 8, politisch-administrativer Akteur)
Das Vorhaben, durch die Realisierung eines kulturelles Großprojektes in die Zukunftsfähigkeit der Stadt zu investieren, wird in dieser Gruppe als eine außerordentliche und einmalige Chance begriffen, durch die es der Stadt und auch der Region Westfalen möglich werde, eine Entwicklung in verschiedenen Bereichen anzuschieben: So wird neben den bereits genannten Handlungsorientierungen auch das Interesse daran genannt, den Kulturbereich um eine neue Facette zu bereichern und damit stadtgestalterisch an eine Tradition charakteristischer, architektonischer Kulturbauten anzuknüpfen. Ein Unterstützer aus dem politischadministrativen Bereich formuliert dies folgender Maßen: 213
„(…) ich bin darüber hinaus fest davon überzeugt, dass eine Stadt wie Münster Kulturpolitik tatsächlich als Motor für Stadtpolitik betreibt und dass über dieses Zeichen, Kulturforum Westfalen, also Musikhalle und Museum oder Halle für Gegenwartskunst, dass darüber eine Möglichkeit geschaffen wurde, sich überregional zu platzieren. Und tatsächlich ne neue Facette in dem Kulturleben zu etablieren. Abgesehen davon dass Münster auch architektonisch da ne Chance gehabt hätte, in dieses extrem interessante Ensemble, das eigentlich wie keine andere deutsche Stadt vom Mittelalter bis in die Gegenwart wirklich exemplarische Leistungen vorzuweisen hat. Also (…) das Theater als erster öffentlicher Bau nach dem Krieg ist ja wirklich ein Musterbeispiel für 50er Jahre-Architektur, die Stadtbibliothek ein Musterbeispiel für 80er JahreArchitektur. Hier kann man nun etwas bauen, das für das 21. Jahrhundert steht. (…) Ich hab‘ vor allen Dingen die Chancen gesehen und die Möglichkeiten, sich über dieses Objekt neu zu positionieren und insofern habe ich wirklich alles getan, um die Realisierung zu befördern, insofern das in meinen Möglichkeiten stand.“ (Nr. 1, politisch-administrativer Akteur)
Hier wird unter anderem der Aspekt der städtebaulichen Gestaltung angesprochen, der für einige Akteure vor dem Hintergrund des bislang „brachliegenden“ Hindenburgplatzes eine wichtige Rolle bei ihrer Handlungsorienteirung „am Mikrostandort“ spielt (Nr. 10, politische-administrativer Akteur). In der Regel wird dieser Blick auf die Gestaltung im städtischen Rahmen jedoch um den Blick auf ein zukunftsgerichteten Investitionserfordernis ergänzt, ein Bild, das der eben genannte Akteur insbesondere vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und der zu befürchtenden „Entleerung der Städte“ zeichnet. So erwartet ein weiterer Akteur der Stadtverwaltung auch, wie einige seiner Kolleginnen und Kollegen, eine Entscheidung gegen den Bau könnte auf eine fatale Weichenstellung für die Zukunft hinauslaufen. Er begründet damit sein grundlegendes Interesse an einer Errichtung der Musikhalle in öffentlicher Mitverantwortung aus Sicht einer langfristigen Stadtentwicklung: „Also, bei aller Wertschätzung von Wahlperioden, aber mich interessiert, was ist in 30 Jahren mit dieser Stadt. (…) Was muss Münster machen, um Alleinstellungsmerkmale zu haben? Und da kommen wir natürlich auf das Thema Wissenschaft, Lebensart, Lebensqualität, Kultur, institutionelles Herz einer Region. Und so weiter. Und wenn man an dem Punkt ist und man zählt den Aktivposten aktive Bürgerschaft und den Aktivposten eigenständiges Profil der Stadt mit dem Anspruch in der Liga der europäischen Regionalhauptstädte mitspielen zu wollen, dann komme ich zu dem Ergebnis, ja, dann sollte man so etwas machen.“ (Nr. 34, politischadministrativer Akteur)
Der Punkt „aktive Bürgerschaft“, der in diesem Zitat Erwähnung findet, stellt in dem Zusammenhang mit einer nachhaltigen Investition in die Zukunft einen entscheidenden Faktor für Beteiligte des öffentlichen Bereichs dar. Einer der politisch-administrativen Akteure betrachtet das bürgerschaftliche Engagement als einen entscheidenden Faktor, den zu ignorieren negative Auswirkungen auf zukünftige stadtgesellschaftliche Dynamiken mit sich bringen: „…wenn ich feststelle, dass wichtige Teile, tragende Teile der Stadtgesellschaft bereit sind, über den üblichen Korridor der Formulierung von Forderungen an die öffentliche Hand hinauszugehen, und zu sagen, wir sind bereit, in nennenswertem, in diesem Fall atemberaubend nennenswertem Maße, auch eigene Anteile und Beiträge dazu zu liefern, dann ist es für die Nachhaltigkeit sagen wir mal der Dynamik in einer Stadtgesellschaft, nahezu tödlich, wenn man diese Bereitschaften nicht aufgreift“ (Nr. 34, politisch-administrativer Akteur)
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Die Bereitschaft privater Akteure, sich für das Vorhaben einzusetzen und sich daran ideell und finanziell zu beteiligen stellt also für diesen Akteur einen wichtigen Anhaltspunkt dafür dar, dass hier auch die öffentliche Hand tätig werden sollte. Diese Meinung vertreten jedoch nicht alle Befragten. Vielmehr sind einige der Gegner einer öffentlichen Mitfinanzierung der Auffassung, das Vorhaben stünde eben nicht im öffentlichen Interesse. So sind alle Befragten zwar einer Meinung, dass die Finanzierungsleistung privater Akteure zur Realisierung einer Musikhalle willkommen sei, über die Forderung an die öffentlichen Hand über eine Mitwirkung im finanziellen Sinne wird jedoch gestritten. In der Folge existieren zum einen Perspektiven, aus denen das Vorhaben unter Beteiligung öffentlicher Finanzierung von spezifischen Rahmenbedingungen abhängig gemacht werden sollte. Zum anderen existieren Interessen der Gegner einer Beteiligung mit öffentlichen Mitteln. Handlungsorientierungen von Gegnern einer öffentlichen Finanzierung Im Vordergrund der Argumente derjenigen, die gegen eine Realisierung der Musikhalle mit öffentlicher Beteiligung eintreten oder ihre Befürwortung relativieren, steht das strukturelle Defizit des städtischen Haushalts, das eine nachhaltige Finanzierbarkeit in Frage stelle. So verweist ein Repräsentant einer Ratsfraktion darauf, dass vor diesem Hintergrund weitere Einsparmaßnahmen an anderer Stelle notwendig wären, würde man die öffentliche Beteiligung an einer Musikhalle vorantreiben: „…wir als Kommunalpolitiker müssen eben in diesem Fall jetzt sagen, was ist uns dieser weiche Wirtschaftsstandortfaktor wert, wert also in Millionen Euro. Und nicht (…) ideell. Sondern wir müssen es ja bewerten und müssen dann sagen, sind wir bereit, dafür so viel Geld auszugeben aus dem städtischen Haushalt, der ein strukturelles Defizit von 15 Mio. Euro hat? Wir müssen also im Jahr 2006 ca. 25 Mio. Euro einsparen, sprich das, (…) was wir für die Musikhalle ausgeben, müssen wir anderen wegnehmen. Einen anderen Weg gibt’s nicht (…) ob’s im sozialen Bereich ist, im sportlichen Bereich, im kulturellen Bereich. Wir müssen’s einsparen, (…), wir können es nicht über zusätzliche Kredite aufnehmen. Wollen wir erstens nicht und zweitens dürfen wir es nicht, weil wir kurz vor der Haushaltssicherung stehen.“ (Nr. 39, politischer Akteur)
Dieser Begründung schließt sich denn auch an, dass ein zentraler Grund für eine Ablehnung oder Relativierung in der Verantwortung gegenüber den folgenden Generationen liege. So betont ein grundsätzlich an der Realisierung interessierter Akteur: „(…) ich möchte nicht eine Musikhalle bauen, um quasi mit dem Selbstverständnis unseren älteren Generation ein Fakt zu schaffen, der unsere nächste Generation belastet. Das will ich einfach nicht. Das find ich doof. Ich will nicht meinen Kindern noch mehr mit auf die Schultern legen“ (Nr. 16, privatwirtschaftlicher Akteur)
Das entsprechende Argument findet sich auch bei denjenigen, die grundsätzlich nicht von einer Realisierung der Musikhalle unter öffentlicher Beteiligung überzeugt sind: „Und man muss auch bei bestimmten Projekten dann mal sagen: Können wir die junge Generation, die das alles zurückzahlen muss, so belasten?“ (39, politischer Akteur) Dem Interesse der privaten, eine öffentliche Beteiligung einfordernden Akteure, stehen insofern unterschiedliche Interessen entgegen. Fast alle Gegner der öffentlichen Beteiligung unterstreichen zusätzlich, dass ihre Kritik weiterhin auf einer Frage der Prioritätensetzung vor dem Hintergrund enger oder nicht bestehender finanzieller Spielräume besteht. 215
Ein politischer Akteur stellt demgemäß stellvertretend für einige seiner Partiekolleginnen und -kollegen hervor, dass die Charakteristika der Stadt Münster bei der Frage danach, für welche Vorhaben öffentliche Mittel ausgegeben werden, stärker mit einbezogen werden müssten. Er verweist auf die mittelstädtische Größe der Stadt, auf ihre Position im Zentrum einer Region, auf ihren Charakter als Universitätsstadt sowie auf die Schwerpunktsetzungen, die im Kulturbereich bereits bestünden und an die angeknüpft werden müsste. Auch seines Erachtens stellt die Musikhalle ein Vorhaben dar, das nicht in den Bereich öffentlicher Aufgaben der Stadt Münster falle, allerdings aufgrund von kulturpolitischen Interessen an einer anders gelagerten Schwerpunktsetzung: „Wenn da jetzt ein Veranstalter kommt und sagt, ich mach das auf eigene Kosten, dann sag ich: ich hab‘ da nichts dagegen. Aber ich halte das nicht für ne öffentliche Aufgabe, das auch noch sicher zu stellen, nicht für ne Stadt wie Münster. Wenn ich in Berlin wäre, wär‘ das was anderes (...) Insofern: Da seh‘ ich den Schwerpunkt in der modernen Kunst und da haben wir auch mehr als genug, mehr als jede andere Stadt und das...würde schon reichen.“ (Nr. 17, politischer Akteur).
Andere Schwerpunktsetzungen wünschen sich auch einige Künstlerinnen und Künstler sowie Kulturschaffende der freien Szene, die im Wesentlichen befürchten, „...dass das zu Lasten aller anderer geht…“, hinter dem Engagement der Beteiligten „…eine fehlende Ernsthaftigkeit an den musikalischen Geschichten…“ kritisieren und davon ausgehen, dahinter stehe das Interesse an einem „Prestige-Objekt“ (Nr. 21, Repräsentant einer gemeinnützigen Organisation der freien Kulturszene). Die Gegnerschaft eines Teils der freien Szene beruhe in erster Linie auf der Angst, dass über eine Verschiebung der Bezuschussung ihre eigene Existenz in Gefahr gerate oder stark eingeengt werde. Neben den Bedenken, die bereits auf unsicheren Grundlagen stehenden öffentlichen Zuschüsse für Einrichtungen der alternativen Kulturszene könnten sich in der Folge reduzieren, werden auch weitere Effekte eines Baus der Musikhalle nicht ausgeschlossen. So wird befürchtet, dass beispielsweise auch Aspekte der künstlerischen Tätigkeit in Mitleidenschaft gezogen werden könnten, die an sich nicht direkt mit dem Programm einer Musikhalle konkurrierten. Beispielsweise könnten Raumangebote für Auftritte von Bands minimiert werden, wenn die bisher interessierten öffentlichen Auftraggeber-Institutionen weniger finanzielle Mittel hierfür zur Verfügung hätten, führt ein Repräsentant der freien Kulturszene an (Nr. 23). Unter den Gegnern finden sich auch Akteure, die es als problematisch herausstellen, dass grundlegende öffentliche Aufgaben derzeit nicht erfüllt werden könnten, die in der Prioritätensetzung eigentlich noch weiter vorne stünden als eine geplante Musikhalle: „Ich will vom Prinzip her nicht, dass die Musikhalle aus einem städtischen Haushalt bezahlt wird, wo ich noch nicht einmal die, ich sag mal, Ganztagsbetreuung und soziale Aufgaben voll erfüllen kann.“ (39, politischer Akteur) Andere wiederum sehen ihre Interessen in der Musikhallen-Konzeption nicht vertreten, da sie prioritär andere kulturelle Vorhaben als unterstützenswert erachten. So etwa der folgende Interviewpartner, der eine große Investition in den musikalischen Bereich als eine falsche und unrealistische politische Schwerpunktsetzung bezeichnet: „Ich habe ja zunächst einmal eine Vorstellung, wo will ich Münster hinbringen, was ist denn meine kulturelle Vision, so eine politische Vision muss ja auch das drin haben, dass man sie halbwegs erreichen kann. (…) Was uns fehlt ist ein Ausbildungsbereich im Bereich darstellende Kunst, also Theater wie auch Tanz. Wir sind hier die Stadt mit der größten Dichte an aktiven Tänzern pro 1000 Einwohner, bundesweit. (….) Meine Vision wäre, dass man sozusagen auch im Bereich Darstellende Kunst so was wie eine Ausbildung hinkriegt. Prinzipiell würde ich den
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Schwerpunkt setzen, jungen Nachwuchskünstlern, die hier aus diesem Bereich sind, … als Labor zu dienen und zu sagen da setzen wir Trends, und wenn man sie dann in 10 Jahren auf den großen Bühnen feiert, in München, Hamburg und Berlin, dann kann man sagen, das haben wir hier generiert. Das wäre meine Vision, wo ich Geld bei beschränkten Ressourcen in Kulturarbeit stecken würde. Und da würde ich mich um Fördertöpfe kümmern, nicht um einzelne Personen sondern um Fördertöpfe. (…)“(Nr. 17, politischer Akteur).
Ein Interviewpartner aus dem politisch-administrativen Bereich betont, das Vorhaben wäre vor dem Hintergrund enger finanzieller Spielräume, defizitär wirtschaftender und gegebenenfalls mit einer Musikhalle konkurrierender Kultureinrichtungen sowie einer geringen Ausrichtung der Politik auf kulturpolitische Zielsetzungen zu betrachten. Aus dieser Sicht sei die öffentliche Beteiligung in erster Linie problematisch, da sie Fragen der Legitimation aufwerfe und die Politik in einen Konflikt brächte: „Qua Amt ist man gerade vor dem Hintergrund auch sehr enger Finanzen deutlich an dem Punkt, Prioritäten zu bilden und ich stehe mindestens vor der jetzigen Zeitperspektive dem Feld oder der Realisierung kritisch gegenüber weil man sehen muss, wenn sich Politik zustimmend verhält, gerät sie zunehmend in einen Konflikt, wie sie denn auch die Finanzbedürfnisse ähnlicher oder konkurrierender Einrichtungen lösen muss. Ich denke da insbesondere an die Frage, wie sind die Auswirkungen auf den Veranstaltungsbereich der Halle Münsterland und wie sind die Auswirkungen auf den Bereich des Theaters und auch den Orchesterbereich. Beide vorgenannten Projekte sind heute defizitäre Bereiche mit erheblichen Millionensummen und wenn ein drittes Projekt dazu käme, dann muss man in der Bevölkerung erklären können, wo denn gegebenenfalls bestimmte Abstriche an anderen Stellen gemacht werden. Und zur Zeit hat Politik wenigstens in den politischen Handlungsaussagen, und ich meine das nicht sehr stark parteidifferenzierend sondern eher -übergreifend, die Haupthandlungsfelder in den Bereichen Bildung, Zukunftschancen unserer jetzigen und nachfolgenden Generation sowie im Bereich Wirtschaftspolitik besetzt. Dass das nicht Kulturpolitik oder Sport oder Sozialeinrichtungen völlig ausschließt, darüber bin ich mir im Klaren, aber im Sinne von Priorisierung würde ich vermuten, dass es doch dann schwierig wird, den Betrieb einer Musikhalle dort entsprechend dann auch noch unterzubringen.“ (Nr. 18, politisch-administrativer Akteur)
Insgesamt wird bei der Auswertung der Interessenlage auf der Grundlage der Interviews mit Beteiligten des Projektes Musikhalle deutlich, wie fragmentiert diese ist. Waren zwar in der öffentlichen Darstellung (Kapitel 4.1) bereits unterschiedliche Positionen identifizierbar, so zeigt sich hier, dass diese doch ein sehr vereinfachtes Bild der Realität darstellten. Tatsächlich variieren die Handlungsorientierungen der Akteure nicht nur von Akteursgruppe zu Akteursgruppe, wie dies die Presseanalyse suggerierte. Vielmehr zeigt sich, dass auch innerhalb der jeweiligen Gruppen korporativer Akteure unterschiedliche Interessen vorliegen: Innerhalb einzelner Parteien, innerhalb der verschiedenen Bereiche der Stadtverwaltung und auch innerhalb einzelner gemeinnütziger und privatwirtschaftlicher korporativer Akteure. Dies verweist auch auf einen Einflussfaktor, der bereits früher angesprochen wurde: Der Fokus auf korporative Akteure bei der Analyse gesellschaftlicher Zusammenhänge erweist sich nicht immer und ausschließlich als nutzenbringend. Gerade bei der Analyse von politischen Zusammenhängen auf der lokalen Ebene empfiehlt es sich, die Möglichkeit mit einzubeziehen, dass auch die Kategorie des individuellen Akteurs, dessen Handlungsorientierungen, Eigenschaften und Möglichkeiten eine Variable darstellen können, die von Relevanz für das Output ist. Darauf verweist implizit auch die Literatur zu Funktionsvoraussetzungen von Großprojekten im weiteren Sinne und PPPs im engeren
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Sinne, die die Rolle von „Entrepreneuren“ bzw. Promotoren hervor hebt. Inwiefern solche Entrepreneure hier von Relevanz sind, wird im abschließenden Kapitel diskutiert. 3.3.3.2 Ausstellungshalle und Picasso-Museum Die Interessen der Beteiligten im Zusammenhang mit der Realisierung der Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst sind, im Gegensatz zu denen der Beteiligten an der Planung der Musikhalle, vergleichsweise schnell aufbereitet. Von Seiten des privatwirtschaftlichen Akteurs, der in die Sanierung und den Umbau des Gebäudes investiert und die gesamten Atelierräumlichkeiten der Stadt für 40 Jahre vermietet hat, wird hervorgehoben, dass er keinen finanziellen Vorteil aus seiner Investition ziehe. Ein direkter materieller Profit habe auch von Beginn an nicht in seiner Erwartung gelegen. Sein Interesse sei durch einen Zufall geweckt worden, er sei nicht auf der Suche gewesen nach einem vergleichbaren Projekt. Vielmehr habe sich das einfach so ergeben. Beschrieben wird, analog zu der Darstellung in der Presse, einer mäzenatischen Handlungsorientierung und an dem Wunsch orientiert, seiner Stadt etwas zurück zu geben: „Ich glaube oder ich hoffe zumindest, dass wenigstens meine Kinder oder Enkelkinder eines Tages sagen, Mensch, der Opa, der hat das gut gemacht. Aber ich hab eigentlich gar nichts davon (…) Also ich muss einmal sagen, dass ich das auch (…) für mich gemacht habe also für die (…) Umsetzung von Ideen, die ich auch als Bürger dieser Stadt habe. Also ich fühle mich der Stadt, dem Mitbürgersinn verpflichtet. Ich bin da sehr altmodisch, meinetwegen können wir auch sagen, konservativ, denn ich finde, diese Stadt hat mir sehr viel gegeben. Außerdem habe ich dieses Büro hier. Ich habe meinen Verlag hier aufbauen können. Und (…) – bitte sehr ganz bescheiden – (…) ich fühle mich auch verpflichtet, dieser Stadt in gewisser Weise was zurück zu geben. Ich denke zwar für meine Firma global, also wir machen nichts, was wir in Münster besser verkaufen, also ich habe vom Image eigentlich gar nichts. Aber ich finde es in Ordnung, wenn ein Bürger dieser Stadt, wenn der sich in dieser Stadt, wohlfühlt, er Freunde hier hat, dass der auch als ein äußeres Zeichen seines wirtschaftlichen Erfolges Dinge tut, die der Stadt und den Bürgern der Stadt ganz allgemein zu Gute kommen. Also dieses Engagement bezieht sich ja auch auf andere Dinge (…). Und das macht mir auch Freude. Ich hab ja gar nichts mehr damit zu tun aber ich freu mich darüber, dass die Ateliers da sind. Und ich bin auch stolz darauf. Also das ist auch eine Qualität. Also ich bin nicht als Investor stolz darauf, sondern als Bürger und als Nachbar. (…) Und das tut auch dem Image unseres Hauses gut, dass ich so verrückt bin, das gemacht zu haben“ (Nr. 29, Privatwirtschaftlicher Akteur)
Ein Vertreter der Kulturverwaltung merkt hinsichtlich des Interesses des Investors an, neben dem altruistischen Motiv, dem Anreiz, zu gestalten und einer grundlegenden Freude an dem Umgang mit alten Gebäuden sei auch die Idee einer Erweiterung des Firmenumfeldes in räumlicher Sicht ursächlich gewesen. Indem die Nachbarschaft nach eigenen Vorstellungen mitgestaltet werden konnte, sollte der Verlag, der sich in Besitz des Investors befindet, aufgewertet werden (Nr. 7, politisch-administrativer Akteur). Für die Landesseite des öffentlichen Teils der Partnerschaft war der städtebauliche und partnerschaftliche Aspekt des Projektes von großem Interesse. Es wird festgestellt, dass die Initiierung des Vorhabens wesentlich befördert wurde durch das Angebot des Landes, aus Städtebaumitteln solch ein Vorhaben in Gang zu bringen. (Nr. 26, Repräsentant einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung). Eine zentrale Handlungsorientierung des Ministeriums habe darin gelegen, den Bau mit einem privaten Investor zu organisieren, möglichst als Bauherr (Nr. 7, politisch-administrativer Akteur). Die starke Unterstützung in der Pla218
nungsphase und das Einbringen eines wesentlichen Anteils öffentlicher, finanzieller Mittel in den Bau hätten maßgeblich dazu beigetragen, dass der Speicher II umgebaut werden konnte. Einzuordnen sei dieses Engagement des Ministeriums des Landes NordrheinWestfalen in ein Interesse, städtebauliche Prozesse mit kulturellem Hintergrund in Verbindung mit dem Einbezug privater Partner zu befördern (Nr. 26, Repräsentant einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung). Die Verbindung städtebaulicher, stadtentwicklungsbezogener und kulturpolitischer Interessen ist aus Sicht der Stadt die wesentliche Triebkraft für ihre Beteiligung. Akteure der Kulturverwaltung betonen, dass mit dem Konzept an einer „unbedingten Stärke der Stadt“ (Nr. 8, politisch-administrativer Akteur), der Bildenden Kunst, angesetzt werden sollte, die sich durch bereits bestehende Institutionen – die Kunstakademie und die im 10-JahresTurnus veranstalteten SkulpturProjekte – manifestierten. „Es gehört sich, dass man für Künstler der Stadt … auch Atelierräume zur Verfügung stellt“ fügt ein Akteur der Kulturverwaltung hinzu (Nr. 8, politisch-administrativer Akteur). Außerdem sollte mit der Ausstellungshalle mehr als nur ein Präsentationsraum geschaffen werden: Internationale Positionen sollten in die Stadt gebracht werden. Der Stadtplanungsaspekt spielte bei den Interessen eine gleichgewichtige Rolle. Der Standort „Kreativkai“, das Areal an einem alten Industriehafen, sollte aufgewertet werden (Nr. 7, politisch-administrativer Akteur). Die Handlungsorientierungen im Zuge der Musikhallenplanung und der Realisierung der Ausstellungshalle waren zumindest in einigen groben Grundzügen bereits durch die Presseanalyse ermittelbar. Dahingegen blieben die Interessen der Beteiligten an der Realisierung des Picasso Museum in der öffentlichen Darstellung weitestgehend im Dunkeln. Umso aufschlussreicher sind hier die Ergebnisse der Interviewauswertung. Das Bemühen des Sammlerehepaares, eine Lösung für ein Sicherheitsproblem ihrer privat erworbenen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit zunehmend an Größe und Vollständigkeit gewinnenden Sammlung von Lithographien zu finden, ist nach den an der VorKontaktphase der PPP Beteiligten ausschlaggebend für den Auftakt des Projektes. Dieses Sicherheitsproblem – die in ihrer Vollständigkeit sehr wertvollen Kunstwerke werden zunächst in einer Garage untergebracht – stelle auch den Grund für die erste Kontaktaufnahme mit einer außen stehenden Person, einem Oberkreisdirektor und Polizeichef, dar. Nachdem die Sicherheit des Werkes kurzfristig durch eine Einlagerung in der Staatsgalerie Stuttgart gewährleistet werden konnte, wurde man sich in Gesprächen unter vier Augen einig, dass es erstrebenswert wäre, die Sammlung langfristig möglichst in der Region zu halten. Dabei sei der Sammler in erster Linie dadurch motiviert gewesen, seine Sammlung im Ganzen, „als etwas Einmaliges“, zu erhalten (Nr. 6, politisch-administrativer Akteur). Einer der projektinitiierenden Interviewpartner berichtet, dass der Grund, die Sammlung in ihrer Einheit zu erhalten, auch ausschlaggebend dafür gewesen sei, dass die Stiftungslösung ersonnen wurde. Für diese Lösung sei auch die Vision entscheidend gewesen, eine Stiftung könne zu einem „Kristallisationspunkt“ werden, indem später weitere Sammlungen hinzu erworben werden könnten. Ein grundlegender Anreiz für den Sammler ging des Weiteren mit der Hoffnung auf eine Möglichkeit einher, seinen Besitz an seine Nachkommen zu vererben. Die steuerlichen Belastungen ergänzten dieses finanzielle Motiv. In erster Linie sei allerdings relevant gewesen, dass der Sammler sein Lebenswerk an einem angemessenen Ort sicher und wohlbehalten unterzubringen vermochte, es der Öffentlichkeit zugänglich machen und es außerdem in der Region halten konnte. So berichtet der maßgebliche Initiator des Projektes, der Sammler habe in der Phase, in der die Suche nach finanziellen Mitteln für die Stiftung stattfand, mehrere sehr attraktive Angebote erhalten, mit denen das lokale Angebot eigentlich nicht hätte mithalten können. „Obwohl die Verführung groß 219
war“, sei der Sammler zu seinem Wort gestanden, was maßgeblich auf seine enge Verbundenheit mit der Region zurückzuführen sei (Nr. 6, politisch-administrativer Akteur). Für die Stifter aus dem Finanz- und Versicherungsunternehmensbereich liegt das zentrale Interesse darin, Kultur mit dem eigenen Namen zu verbinden und öffentlich zu machen, „…um dafür natürlich wieder den eigenen Namen in seinem Markenkern gestärkt zu finden.“ (Nr. 12, Repräsentant eines öffentlichen Unternehmens): „…dieser extrem bekannte Künstler Picasso mit dieser extrem bekannten Marke Sparkasse, das muss doch vernünftig sein und es läuft ja auch gut“ beschreibt es einer der Beteiligten. „Einen kulturellen Leuchtturm zu schaffen“, das sei allen Stiftern wichtig gewesen. Dafür sei eine Begeisterung für die kulturelle Seite des Projektes von großer Relevanz gewesen. Für die Beteiligten an der Konzeptionierung in den ersten Stunden spielte auch der „Feuereifer“ eine Rolle, etwas zu gestalten, so dass „ihr Leuchtturm“ in die Region, und nicht zuletzt auch zurück in ihre Unternehmen leuchten konnte (Nr. 12, Repräsentant eines öffentlichen Unternehmens). Die Sparkassen in der Region zu interessieren, sich finanziell in ein Kulturprojekt im Oberzentrum Münster einzubringen, sei durch Überzeugungskraft gelungen. Zentrale Erwartungen bestanden zum einen darin, dass der Erfolg des Picasso-Museums sich sinnbildlich auf den Fahnen der gesamten Sparkassen-Gruppe der Region widerspiegele, zum anderen in der Möglichkeit, Wanderausstellungen in den Sparkassen-Filialen vor Ort ausgerichtet zu bekommen und der Belegschaft Kulturreisen nach Münster anbieten zu können. Auch durch Anreize im Bereich der Kundenbindung über einen hochwertigen Katalog wurde das Interesse geweckt. Das Gebäude des Picasso-Museums, wird von der Sparkasse Münsterland-Ost eingebracht und auf deren Kosten umgebaut. Die Sparkasse wird zur Vermieterin gegenüber der Picasso-Stiftung. Dass man sich bei der Vermietung auf „einen halbwegs freundschaftlichen Preis“ einigen kann, wird dadurch begründet, „dass die Sparkasse wieder der Stadt gehört und dies quasi der Beitrag der Stadt Münster zu diesem Museum ist. Durchgerechnet.“ (Nr. 12, Repräsentant eines öffentlichen Unternehmens). Die Stadt Münster ist insofern nur indirekt, durch „halb-öffentliche Gelder“ (Nr. 8, politisch-administrativer Akteur) an der Finanzierung beteiligt. Allerdings wird durch die Interviews offensichtlich, dass der politisch-administrative Bereich zudem ein wichtiger Partner in den Verhandlungen zur Entwicklung des Museums war (so auch Nr. 8, politisch-administrativer Akteur). Der Oberbürgermeister ist zum Zeitpunkt der Erhebung Mitglied im Kuratorium der Stiftung, in seiner Funktion als Vertreter des Vorstandes des Westfälisch-Lippischen Sparkassen- und Giroverbandes und des Verwaltungsrates der Sparkassen Münsterland Ost und spricht hier in erster Linie als Vertreter der Stadt, zum zweiten aber auch im Interesse des öffentlichen Unternehmens bzw. des Verbandes (Nr. 9, Repräsentant einer gemeinnützigen Organisation). Im Interesse der Stadt lag die Gestaltung des innerstädtischen Platzes einschließlich einer städtebaulich angemessenen Sanierung des historischen Gebäudeensembles und eines Umbau nach den Richtlinien des Denkmalschutzes. Ihr Entgegenkommen ist nicht zuletzt auch dadurch zu erklären, dass ein attraktivitätssteigerndes kulturelles Angebot erschaffen wurde, ohne dass der Haushalt davon berührt war. Die Beteiligung des Landes Nordrhein-Westfalen war ursprünglich als eine Stiftungsbeteiligung angedacht. Das Interesse lag in einer Positionierung für den westfälischen Teil Nordrhein-Westfalens: „Das war ein Versprechen von Herrn Clement, der hier in Münster eine Wahlkampfveranstaltung gemacht hat“ (Nr. 9, Repräsentant einer gemeinnützigen Organisation). Sie wurde jedoch letztlich, nach längeren Verhandlungen, nicht als Stif220
tungskapital realisiert. Stattdessen wurde eine Unterstützung im Zuge der regionalen Kulturförderung erwirkt107. 3.3.2.3 Fazit Es zeigt sich, dass in allen drei Fällen verschiedene Handlungsorientierungen nebeneinander bestehen. In besonderem Ausmaß trifft dies auf den Fall Musikhalle zu, bei dem sogar offensichtlich wird, dass einzelne korporative Akteure mehrere verschiedene Einzelinteressen integrieren. Wie zu Beginn dieses Teilkapitels bereits angesprochen, wird davon ausgegangen, dass die Möglichkeiten der Akteure, ihre Interessen geltend zu machen, in der lokalen Praxis stark variieren, je nach der Position des Akteurs in den Beziehungsstrukturen, je nach verfügbaren Ressourcen, Kompetenzen und weiteren Rahmenbedingungen. Es wird also angenommen, dass die Interessen lediglich ein Faktor von mehreren sind, die zur Erklärung von Steuerungsstrukturen, Prozessen und Wirkungen bei der Realisierung von Vorhaben durch PPPs beitragen können. Die Aspekte, die die Planung und Realisierung gemäß den Akteuren in den drei untersuchten Fällen unterstützten und welche sich als hinderlich erwiesen werden im nächsten Teilkapitel dargestellt. 3.3.3 Begünstigende und restringierende Faktoren im Planungsprozess Welche ermöglichenden und restringierenden Faktoren das Handeln bei der Entwicklung der Maßnahmen im Kulturbereich Münsters beeinflussen, ist Inhalt dieses Teilkapitels. Ermittelt werden positive Implikationen im Hinblick auf die Zielerreichung, negative Einflüsse und Konflikte in der Entwicklungsphase der jeweiligen Projekte. Die Angaben der Akteure verweisen auf interne Faktoren der Zusammenarbeit, die sich auf akteurbezogene und strukturelle Aspekte der Problemlösung durch Kooperation beziehen, sowie auf externe Faktoren, die ihres Erachtens die jeweilige Zusammenarbeit in den Arrangements zwischen öffentlichen und privaten Akteuren maßgeblich beeinflussten. Im Rahmen der Analyse konnten, entsprechend der inhaltsanalytischen Methode108, zentrale Ausprägungen von Einflussfaktoren identifiziert und, auf diesen Ausprägungen basierende, Kategorien gebildet werden, die die Auswertungen des Interviewmaterials leiteten. Im Folgenden werden, strukturiert durch die wesentlichen Kategorien, zuerst die förderlichen Aspekte diskutiert; die Analyseergebnisse zu den restringierenden Faktoren folgen im nächsten Schritt. 3.3.3.1 Musikhalle Die Beteiligten am Projekt Musikhalle gaben in den Interviews zahlreiche Hinweise darauf, welche Aspekte sie im Zuge des Projektverlaufs im Untersuchungszeitraum als befördernd und welche sie als einschränkend für ihre Zielerreichung einschätzten, die Musikhalle im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft zu verwirklichen. 107
Die Mittel wurden in Form eines Zuschusses für die Grundausstattung des Museums auf der einen Seite und projektbezogen Mitteln für Ausstellungen des Museums auf der anderen Seite eingebracht. 108 S. hierzu Teil II, Kapitel 1.2: Methoden
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Befördernde Aspekte bei der Projektzielerreichung Im Sinne einer Zielerreichung für die Zusammenarbeit maßgebliche, vorteilhafte Einflussfaktoren lassen sich danach sieben übergeordneten Kategorien zuordnen, die folgender Maßen zusammengefasst werden können: 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Erfolgreiche gegenseitige Abstimmung auf klare (Zwischen-) Ziele Einigung in Verhandlungsprozessen zur Klärung offener Finanzierungsfragen Der kontinuierliche Einsatz einzelner, sehr engagierter Promotoren zur Unterstützung bei der Erreichung des Projektziels Klare Bekenntnisse zu dem Projekt mit akzeptanzsteigernder und legitimitätserhöhender Wirkung Auf Expertise basierende Kommunikationsaustauschprozesse zur effektiven und kompetenten Problemlösung Prozesse der Beförderung von Initiative und Engagement
Zu 1.: Erfolgreiche gegenseitige Abstimmung auf klare (Zwischen-) Ziele Nach den Befragten spielte es eine sehr wichtige, projektentwicklungsbefördernde Rolle, wenn die Partner sich bei Abstimmungsprozessen über ein klares Ziel einigen konnten, welches das weitere Vorgehen leiten sollte. Die Akteure sind sich weitestgehend darüber einig, dass zu einem der förderlichsten Ereignisse für das Voranbringen des Projektes im Untersuchungszeitraum die Vereinbarung der nach der Kommunalwahl neu gebildeten CDU/FDP-Koalition zählte, auch wenn die hierdurch gesetzte Option zunächst einmal als sehr hohe Zielmarke angesehen worden sei. Von den Auswirkungen der Koalitionsvereinbarung sind mehrere der Kategorien positiver Einflussfaktoren berührt. Zu allererst beförderte das Verhandlungsergebnis gemäß der Interviewpartnerinnen und -partner jedoch, dass nach lange währendem Austausch zwischen den Mehrheitsfraktionen und im Rat, zwischen Politik und Verwaltung sowie zwischen politisch-administrativen Akteuren und privaten Partnern eine Entscheidung getroffen werden konnte. Das Verhandlungsergebnis der Koalition hinsichtlich einer städtischen Beteiligung an dem Bau einer Musikhalle mit 40% der Kosten, maximal jedoch 12 Mio. Euro und 50 Veranstaltungstagen im Jahr sei zunächst sehr überraschend und erschütternd für die an der Realisierung interessierten Beteiligten aus der Wirtschaft und dem gemeinnützigen Bereich gewesen, berichten die meisten der involvierten Akteure: „…das war erst ein Schock, hat auf der anderen Seite aber dazu geführt dass man sagte, so, jetzt haben wir zum ersten mal konkrete Aussagen, konkrete Zusagen. Daran können wir uns festhalten und dann wissen wir, was geleistet werden muss. Das hat einen Schwung gegeben (…). So negativ sie im ersten Moment waren, hat aber dann die Sache voran getrieben.“ (Nr. 19, gemeinnütziger Akteur)
Da mit einem minimalen Kostenrahmen von 30 Mio. Euro für den Bau gerechnet worden wäre, sei die Bedingung der Mehrheitskoalition für eine öffentliche Beteiligung gewesen, dass Mittel in Höhe von 18 Mio. Euro privat bereit gestellt werden könnten. Übereinstimmend betrachten die Akteure dies als Herausforderung. Nachdem die privaten Akteure sich darauf geeinigt hätten, diese anzunehmen, sei erstmals ein klares eindeutiges Ziel zwischen 222
den öffentlichen und privaten Partnern formuliert gewesen. Mit der Einigung ging auch einher, dass man sich im Einvernehmen über einzelne notwendige weitere Maßnahmen verständigen konnte. Zu 2.: Einigung in Verhandlungsprozessen zur Klärung offener Finanzierungsfragen Faktoren, die darauf eingewirkt hätten, dass offene Fragen über eine mögliche Finanzierung des Vorhabens einer Klärung erfuhren oder eine Klärung beförderten, bezeichnen die Akteure als besonders gewinnbringend. Eine solche Klärung, so ergibt die Auswertung, war für die Beteiligten insbesondere nach meist langwierigeren Verhandlungsprozessen zu beobachten, die zu einem Konsens führten. Die Auswirkungen der Koalitionsvereinbarung beschreiben die Akteure als einen solchen Erfolg. Sie bedeute eine wesentliche Kursänderung hinsichtlich der Frage der möglichen Finanzierung des Projektes: In den ersten Jahren des Engagements seien die privaten Akteure des Vereins Musikhalle und weitere Interessierte von einer gesamt-öffentlichen Realisierung ausgegangen, für die sie mit ihrer Organisation eingestanden seien. In den Jahren vor dem Koalitionsbeschluss sei dann vermittelt worden, dass ein Konsens über einen Bau und eine Trägerschaft der Musikhalle in rein öffentlicher Verantwortung kaum zu erzielen sei, dass ihre Planung jedoch unter gemeinsamer Anstrengung öffentlicher mit privaten Partnern größere Chancen hätte. Bis dato hätten der Verein und die Stiftung Musikhalle damit gerechnet, sich für das Einwerben eines Anteils von rund 18% der Bausumme stark machen zu müssen, um ihren Part erfüllen zu können. Übersteigt zwar der in der Koalitionsvereinbarung vereinbarte, zu erbringende private Anteil von 60% der Bausumme den ursprünglich angenommenen Betrag um ein Wesentliches, evaluieren die Beteiligten dieses Verhandlungsergebnis dennoch als sehr positiv. Die Annahme des Kooperationsangebots habe dazu geführt, dass die längst erforderliche Klärung eines bedeutenden Aspekts der offenen Finanzierungsfragen herbeigeführt werden konnte. Ähnlich der Auswirkung der Koalitionsvereinbarung wird auch die Auswirkung der sogenannte „Clement-Offerte“109 ambivalent evaluiert. Allerdings gilt hier im Vergleich zur Koalitionsvereinbarung der umgekehrte Fall: Wird sie von den meisten Akteuren zunächst einmal als projektbefördernd interpretiert, stellen sich für viele Beteiligten erst mit der Zeit negative Aspekt heraus. So ergeben die Auswertungen, dass insbesondere die Möglichkeit, ohne den Einsatz kommunaler Haushaltsmittel einen zentral gelegenen und attraktiven Standort für das Projekt zur Verfügung gestellt zu bekommen, positiv eingeschätzt wird. Dies gilt als großer Verhandlungserfolg. Als Gegenleistung hätte das Land das Baurecht für ein Hotel auf geeigneter Fläche erwartet, wodurch die Diskussion über neue Möglichkeiten regelrecht explodiert sei. Dies sei dadurch zu begründen, dass die Projektidee nun auch gesteigert Optionen für ein Interesse aus wirtschaftlicher Perspektive und für Investoren bereit gehalten hätte. So wurde beispielsweise auch über den Bau einer Tiefgarage nachgedacht. Der Betreiber oder der Investor in das geplante, anspruchsvolle Hotel könne in das nun zu entwickelnde PPP-Modell einbezogen werden. Die Beteiligten gewannen insgesamt den Eindruck, schließlich möglichen Finanzierungsmodellen einen Schritt näher gekommen zu sein. Insbesondere das Modell einer Investorengemeinschaft, so ergibt die Analyse, wurde allgemein als angemessene Lösung betrachtet. 109
Darunter wird die Zusage des Landes gefasst, das Grundstück auf dem Hindenburgplatz, das als Standort für das Kulturforum Westfalen vorgesehen werden soll, im Ergebnis kostenfrei zur Verfügung zu stellen (s. hierzu auch Kapitel 4.1).
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Als besonders positive Einflussfaktoren wurden daneben die konkreten finanziellen Unterstützungsleistungen und Beteiligungen privater Akteure bezeichnet. Zu nennen sind hier, den Befragten folgend, insbesondere das Einbringen eines finanziellen Grundstockes in die Stiftung Musikhalle durch den Verein der Kaufmannschaft und die Gründung einer Kulturstiftung durch die Provinzial-Versicherungen, deren Stiftungskapitalerträge beiden Projekten des Kulturforums Westfalen im Falle eines Baus zu Gute kommen sollten. Das Engagement hängt, der Wahrnehmung der Befragten nach, auch immer maßgeblich an individuellen Akteuren, die sich persönlich einsetzten und innerhalb ihrer Organisationen durchzusetzen wüssten. Nach den Beteiligten haben diese Leistungen engagierter Persönlichkeiten innerhalb ihrer Organisationen wesentlich zur Klärung offener Fragen der Finanzierbarkeit des Projektes beigetragen. Zu 3.: Der kontinuierliche Einsatz einzelner, sehr engagierter Promotoren zur Unterstützung bei der Erreichung des Projektziels Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor auf die Steuerungsfähigkeit bezieht sich auf die individuelle Ebene, und zwar auf das Personal, das sich in Schlüsselpositionen des PPPVorbereitungsprozesses befindet. Den Debatten zu PPPs und zu Großprojekten lassen sich Befunde entnehmen, die unterstreichen, dass koordinationsaufwändige und anspruchsvolle Projekteplanungen ganz wesentlich durch einen oder einige wenige „Entrepreneure“ gewinnen, die die Zügel in die Hand nehmen. Diese „broker“ (Kouwenhoven 1993) nehmen insbesondere in Verhandlungen innerhalb oder zwischen Organisationen sehr relevante Rollen ein, indem sie vermitteln und kanalisieren. Die Interviewmaterialauswertungen unterstreichen, dass die effektive Koordination in der Vorbereitungsphase mit den Strategien und dem Einsatz solcher einflussreichen Akteuren zusammenhängt, die in Beziehungsstrukturen zentral positioniert sind und eine Rolle als wichtige Promotoren des Projektes übernehmen können. Von ihnen wird ein großes Engagement für das Projekt erwartet, die Überzeugung, dass die Planung in eine erfolgreiche Realisierung münden kann und nicht zuletzt auch die Ausstrahlung dieser Überzeugung nach außen. Als ein sehr starker, positiver Einflussfaktor im Rahmen der kooperativen Projektplanung gilt nach den beteiligten Akteuren zunächst einmal das aktive und hartnäckige Engagement des Vereins Musikhalle. Die Auswertungen ergeben, dass dieser Einsatz insbesondere in Verbindung mit dem Bekenntnis der Stadt zu dem Projekt als ein Aspekt eingeschätzt wird, der sich förderlich auf eine Entwicklung und Planung des Vorhabens ausgewirkt hat110. Der Verein, so zeigte die Netzwerkanalyse, nimmt denn auch eine zentrale Position in allen untersuchten Beziehungsstrukturen ein – er gehört danach zu den Akteuren, die sowohl durch ihre zahlreichen diversen kommunikativen Verbindungen als auch durch ihre strukturelle Position im Rahmen von Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen als einflussreich für das Projekt zu bezeichnen ist. Die Auswertung der Interviews ergibt, dass die Beteiligten die Projektidee in erster Linie mit dieser Organisation identifizierten, die sich als Initiator hervorgetan hätte und deren besondere Stärke darin liege, das Thema auf die politische Agenda zu befördern, Druck auszuüben und es zu kommunizieren. Auch die Mobilisierung von Engagement wird zu den positiven Rollenzuschreibungen gezählt. Privatwirtschaftliche Akteure bezeichnen in diesem Zusammenhang das persönliche Engagement einzelner Repräsentanten von Verein und Stiftung Musikhalle beim Networ110
Zur Ausführung des letzteren Arguments, der Bekenntnis der Stadt zu dem Projekt, siehe Punkt 4.
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king mit Unternehmen als förderlich für den Prozess. Unterstrichen wird, dass die initiierenden gemeinnützigen Akteure mit dem Ziel, Partner zu finden und Mittel zu akquirieren, den Weg der direkten Ansprache gewählt hätten. Dies wird als wesentlich hilfreicher eingeschätzt als die Mobilisierung der breiteren Öffentlichkeit111. Von dem engeren Kreis der Beteiligten wird es außerdem als sehr förderlich für die Entwicklung des Projektes wahrgenommen, dass das Vorhaben im Zuge der Kampagne zur Bewerbung um den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt für das Jahr 2010 in dem Oberbürgermeister einen einflussreichen und tatkräftigen Unterstützer hinzugewonnen habe, dass das Projekt also auch in der Stadtverwaltung zur „Chefsache“ erklärt worden sei. Der kontinuierliche Einsatz des Oberbürgermeisters, auch nach der fehlgeschlagenen Bewerbungskampagne, spiegelt sich ebenfalls in den Ergebnissen der Netzwerkanalyse. Ob der Oberbürgermeister als einer der maßgeblichen Promotoren hätte eintreten können, lässt sich den Auswertungsergebnissen nicht eindeutig entnehmen. Einige Befragte bezeichnen ihn als eine Schlüsselfigur: „(…) er ist so ein bisschen die Speerspitze geworden und er macht das richtig gut.“ (Nr. 16, privatwirtschaftlicher Akteur). Daneben gibt es jedoch auch Hinweise darauf, dass aufgrund seiner formalen Position ein Oberbürgermeister eine solche zentrale Rolle im PPP-Vorbereitungsprozess nicht übernehmen könne. Insgesamt ergibt die Auswertung, dass der Einsatz von den die Projektentwicklung befürwortenden Befragten sehr wertgeschätzt wird, unter den Befürwortern sein Einfluss weitestgehend als sehr relevant für den Projektfortgang erachtet wird und ihm großes Vertrauen entgegen gebracht wird sowie eine recht hohe Erwartung an seine koordinativen, kommunikativen und konfliktlösenden Fähigkeiten. Zu 4.: Klare Bekenntnisse zu dem Projekt mit akzeptanzsteigernder und legitimitätserhöhender Wirkung Die klaren Bekenntnisse prominenter öffentlicher und privater Akteure interpretieren die Befragten als einen sehr wichtigen Einflussfaktor auf die Projektentwicklung. Die Auswertung der Interviews ergibt, dass sie für die Beteiligten deshalb von so großer Wichtigkeit waren, da sie eines der Schlüsselthemen berühren, das in den Interviews immer wieder thematisiert wird: Die Akteure würden es als sehr förderlich einschätzen, wenn es gelänge, eine erhöhte Akzeptanz des Projektes herzustellen und zwar in der engeren Szene von EntscheidungsträgerInnen und potentiellen Finanzierungspartnern und Investoren, jedoch auch in einem weiteren Sinne, bezüglich der Akzeptanz innerhalb der Stadtbevölkerung. Bei dem Versuch, ihren Anforderungen hinsichtlich der Legitimierung des Vorhabens zu entsprechen, erscheint es den Interviewten als besonders zielführend, wenn sich außenstehende korporative Akteure zu dem Projekt öffentlich und klar bekennen. Auf zentrale Beispiele wird im Folgenden eingegangen. Dass die Stadt sich zu dem Projekt bekannte, wird als „Startsignal“112 bezeichnet. Das impliziert zwar, dass vielen der Beteiligten diese zunächst eher allgemeine Bekundung 111
Ein Repräsentant eines Unternehmerverbandes (Nr. 37) sagt hierzu: „Was geholfen hat ist, dass gewisse Leute, (…), sozusagen durch Institutionen getingelt sind – das sage ich jetzt ohne abwertenden Touch – um einfach Unternehmen und Leute dafür zu gewinnen. Ich glaube das ist der einzige Weg. Es macht keinen Sinn, sich auf den Marktplatz zu stellen; da sagt keiner ja. Aber in solchen Unternehmen gibt es überall Leute, die also einmal von der Rolle der Unternehmen oder der Verpflichtung der Unternehmen, sich mäzenatisch wie auch immer tätig zu sein, überzeugt sind oder einfach privat auch Spaß daran haben, und deswegen das machen. Also das ist glaube ich die einzige Möglichkeit, so etwas zu realisieren.“ 112 Nr. 1, politisch-administrativer Akteur
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einer Unterstützung des Projektes alleine nach einiger Zeit nicht mehr ausreichte, es hätte einer Konkretisierung bedurft. Ein wesentlicher positiver Effekt der Bekenntnis der Stadt zu dem Projekt stellt sich für die gemeinnützigen und privatwirtschaftlichen Beteiligten laut ihrer Angaben in den Interviews trotzdem dar: Die grundsätzliche Befürwortung des Projektes durch „die Stadt“ führen die Projektunterstützer aus dem gemeinnützigen und privatwirtschaftlichen Bereich auf ihre langjährige Überzeugungsarbeit zurück und nehmen dies als großen Erfolg wahr. In erster Linie beschreiben die Akteure diesen Effekt im Sinne eines Zeichens mit Außenwirkung, das ihres Erachtens auch für einen offizielleren Projektcharakter sorgte. Es hätte für eine höhere Akzeptanz des Projektes bei potentiellen Partnern und für eine positive Stimmung gegenüber dem Projekt in der Stadtgesellschaft gesorgt. Konkreter wäre die Position der Stadt dann Jahre nach ihrem Startsignal durch das politische Verhandlungsergebnis im Zuge der Koalitionsvereinbarung geworden (s. Punkt 1): Des Weiteren erwähnen die Beteiligten, dass Unterstützungsbekundungen privater korporativer Akteure sehr hilfreich gewesen seien. So hätte es beispielsweise die Akzeptanz erhöht, dass finanzielle Unterstützungsleistungen aus dem Kreis von privatwirtschaftlichen Akteuren öffentlich verbreitet werden konnten. Deren offizielles Bekenntnis zu dem Projekt hätte wiederum Türen geöffnet bei weiteren Bemühungen um eine Mittelakquise und bei der Suche nach Partnern für die Finanzierung. Es wird daneben als besonders positiv eingeschätzt, dass sich konkret die Stadtverwaltungsspitze im Zusammenhang mit der Bewerbung der Stadt um den Titel der Europäischen Kulturhauptstadt zum ersten Mal klar zu einem Interesse an dem Projekt Musikhalle im Rahmen des westfälischen Gesamtprojektes „Kulturforum Westfalen“ bekannte und das Projekt, nach vorheriger Zurückhaltung, im Zusammenhang mit der Kulturhauptstadtbewegung auf die Agenda setzte. Platziert im zentralen Dezernat für Stadtentwicklung sollte es in die Budgetierung einbezogen werden, so dass „das ganze also auch von Stadtseite voran getrieben werden“113 konnte. Befragte berichten auch, dass das Angebot des Landes Nordrhein-Westfalen, der Stadt und dem Landschaftsverband den Hindenburgplatz als Standort für das „Kulturforum Westfalen“ zu überlassen, als wichtige Bestätigung begriffen wurde. Dies sei als ein Zeichen verstanden worden, dass der westfälische Teil des Bundeslandes durch die Regierung auf Landesebene wahrgenommen und bedacht werde. Die Symbolik der „Clement-Offerte“ hat nach der Meinung der Befragten eine positive Ausstrahlung für das Bild über das Projekt Musikhalle in die Öffentlichkeit und erhöht damit dessen Chancen auf eine umfassendere Akzeptanz. Zu 5.: Auf Expertise basierende Kommunikationsaustauschprozesse zur effektiven Problemlösung Für die Beteiligten stellt es sich als sehr relevant für die Lösung von Problemen und die Beantwortung offener Fragen dar, das Wissen von Experten einzubeziehen und gemeinsam mit Partnern aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft und dem gemeinnützigen Bereich offene Fragen zu bearbeiten. Die Interviewpartnerinnen und -partner berichten über verschiedene Gutachten, Programme und Studien, die erstellt worden seien sowie über Symposien und Expertenzirkel, mit denen das Ziel verfolgt wurde, Wissensbestände und Kompetenzen zu bündeln. 113
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Ein Punkt, der im Zusammenhang mit den positiven Einflussfaktoren bei der Projektplanung von Seiten der privaten Akteure Erwähnung findet, ist die Zusammenarbeit mit den als sehr kompetent eingeschätzten Vertretern der öffentlichen Fachverwaltungen. Der Einschätzung der Akteure nach werden in Fachabteilungen und in der sogenannten „Projektgruppe Musikhalle“ Themen sehr effektiv gemeinsam bearbeitet. Hervorgehoben wird neben den Leistungen der verschiedenen Fachabteilungen auch die koordinative Kompetenz des Projektmanagements zur Musikhalle innerhalb der öffentlichen Verwaltung, das unter anderem die „Projektgruppe Musikhalle“ koordiniere. Hier konnten kommunikative Prozesse angestoßen und die gemeinsame Problembearbeitung unterstützt werden. Zu 6.: Prozesse der Beförderung von Initiative und Engagement Die Interviewpartnerinnen und -partner bezeichneten schlussendlich auch solche Faktoren als im positiven Sinne besonders einflussreich auf den Planungsprozess der Musikhalle, die eine Bewegung in den Prozess brachten und dabei Initiative für das Vorhaben freisetzten und bürgerschaftliches Engagement beförderten. Dazu zählten die Befragten unter anderem das Ergebnis der Koalitionsvereinbarung. Von den Projektunterstützern wird es zwar zunächst als Rückschlag und/ oder beträchtliche Herausforderung bewertet, dass sich die Mehrheitsfraktion auf eine 60%ige Beteiligung privat zu erbringender Mittel für den Bau der Musikhalle einigt. Die Auswertung der Interviews mit den privaten Beteiligten weist daneben auf eine positive Einschätzung der Wirkung hin, die diese Entscheidung mit sich gebracht hat und die eine positive Dynamik betreffe: „Und trotzdem hat das Kräfte freigesetzt: Zum ersten Mal wissen wir, woran wir sind, so dass wir es mit dem sonderbaren Phänomen zu tun haben: eine Nachricht eher negativen Inhalts hat am meisten Aktivität und Initiative freigesetzt. Irgendwie sollte es so sein, dass wir auf solch eine alarmierende Nachricht warten mussten, um uns wirklich neu zu engagieren. Denn das muss man auch sagen, weil wir nie wussten, woran wir waren, dümpelte das Geschäft in den letzten 5 Jahren (…) ziemlich vor sich hin.“ (Nr. 2, gemeinnütziger Akteur)
Die Dynamik im Bereich der Engagementbereitschaft wird folglich auf die nun klaren Erwartungen zurückgeführt. In diesem Sinne wird in ihrer Wirkung auf die Projektentwicklung wird auch die Bewerbung um den Titel der europäischen Kulturhauptstadt 2010 sehr positiv evaluiert, „…die zwar im Ergebnis dann nicht tragfähig geworden ist, aber da haben wir unglaubliche kulturpolitische Engagements hier wecken können.“ (Nr. 2, gemeinnütziger Akteur). Die Akteure geben an, dass durch die Kampagne eine Stimmung in der Stadt entstanden sei, die eine Entwicklung neuer Ideen befördert und Engagementpotentiale für kulturelle Belange eröffnet habe. Diese positive Grundstimmung habe dazu beigetragen, dass viele Bürgerinnen und Bürger sich im Zusammenhang mit der Bewerbung für die Stadt einsetzten. Dies hat sich, gemäß der Wahrnehmung der Befragten, auch auf die Thematik der Musikhalle ausgewirkt, die von dem Engagement stark profitiert hätte.
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Restringierende Aspekte bei der Projektzielerreichung Indem bei der Auswertung des Interviewmaterials der Fokus auf handlungsrestringierende Aspekte bei der Projektzielerreichung gelegt wurde, konnten durch die Strukturierung und Zusammenfassung des Materials folgende wesentliche Ausprägungen identifiziert werden, die sich im Rahmen der Planungsphase gemäß der Befragten als entscheidend darstellen: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Langwierige, unübersichtliche und durch Interessenskonflikte geprägte Abstimmungsund Problemlösungsprozesse Zögerliche Haltung und mangelnde Überzeugung von Partnern Fehlende Akzeptanz in der Stadtgesellschaft Geringe Risikobereitschaft Konfliktgeladene kommunalpolitische Debatten Vermittlungsprobleme aufgrund unvollständigen Wissens Koordinationsprobleme aufgrund von Uneinigkeiten über Konzepte und wegen unklarer Zuständigkeiten
Diese zentralen Aspekte sollen im Folgenden anhand ausgewählter Stellen aus dem Interviewmaterial verdeutlicht werden. Zu 1.: Langwierige, unübersichtliche und durch Interessenskonflikte geprägte Abstimmungs- und Problemlösungsprozesse Die Presse- und Dokumentenanalyse sowie die Netzwerkanalyse wiesen darauf hin, dass insgesamt eine recht hohe Anzahl von Beteiligten in die Planung der Musikhalle involviert war und dass es sich dabei um Akteure handelte, die unterschiedlichen Sektoren zuzuordnen sind. Wie in Anbetracht dessen Entscheidungen getroffen werden, durch welche Charakteristika Entscheidungsprozesse gekennzeichnet sind, darauf bezieht sich der erstgenannte Aspekt, der durch die Kodierung des Interviewmaterials herausgearbeitet worden konnte. Die Interviewpartner merken kritisch an, dass einer der wesentlichen Aspekte, die die Projektentwicklung einschränkten, langwierige und komplizierte Prozesse der Abstimmung, der Koordination und der Lösung von Problemen sei. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang zunächst einmal, dass dem größten Anteil der Interviewpartnerinnen und -partner die Beschreibung der Prozesse nicht leicht fiel. Sie begründeten dies damit, dass sie grundsätzlich „sehr schwierig“ und „komplex“ seien. Ein Befragter beschreibt charakteristische Merkmale folgender Maßen: „Also, ganz schwierig. Es ist wirklich ganz schwierig.(...) Das schwierige ist dann, man hat nicht ein Gremium (…). Dann lädt der Oberbürgermeister zu einer Runde ein, wo eben Probleme besprochen werden, man ist sich dann einig oder auch nicht einig. Der Landschaftsverband sitzt selten mit am Tisch. Es gibt den Verein Musikhalle, es wird in sehr vielen Gremien darüber gesprochen aber es gibt nicht die Instanz, die alles bündelt. Im Moment noch nicht. Und das ist sehr schwer.“ (Nr. 5, gemeinnütziger Akteur)
Vermisst wird danach eine zentrale Instanz, in welcher Ressourcen und Kompetenzen gebündelt werden könnten. Die Akteure verweisen zudem darauf, dass der Prozess durch die Kommunikation in informellen Strukturen, durch Abstimmungen und Entscheidungen in verschiedenen Arenen und durch eine lose Koppelung geprägt sei. Kritisch angemerkt wird in diesem Zusammenhang auch, dass in unterschiedlichen Gremien Akteure ausgeschlossen 228
wurden, während sie in anderen Gremien an Gesprächen, Verhandlungen und Entscheidungen beteiligt wurden. Der Versuch, in Problemlösungsprozessen Zwischenziele zu formulieren und zu erreichen, um der Projektrealisierung näher zu kommen, ist nach den Befragten durch Interessenskonflikte geprägt. Einer gegenseitigen Unterstützung der Partner steht dies entgegen. Als „heilige Diplomatie“ bzw. als „Geheimdiplomatie“ beschildern die Akteure Vorgänge, die auf problematische Aspekte im Zuge der Koordination und der gegenseitigen Unterstützung bei der Zielerreichung hindeuten. „ (…) das ist super-kompliziert, da ist es nur noch heilige Diplomatie, das versteht kein Mensch mehr, wie das da geht, (…) weil nicht die eigentlichen Themen genannt werden und aber jeder eigentlich andere Ziele hat. Und deswegen dauert das auch so lange.“ (Nr. 8, politischadministrativer Akteur)
Die Akteure, auch der engere Kreis der potentiellen Partnern – darauf weisen die Befragten hin – hätten unterschiedliche Perspektiven auf das Projekt, jeweils eigene Bezüge dazu und Erwartungen daraus. Es bestünden grundlegende Interessenskonflikte. Die Kommunikation sei indirekt. Die Akteure, so wird berichtet, legten sich gegenseitig Steine in den Weg, um in Konkurrenzsituationen ihre Interessen durchsetzen zu können. Die Verhandlungen fänden zwischen Führungsspitzen aus den beiden öffentlichen Körperschaften in Kooperation mit Führungsspitzen aus der Wirtschaft und dem gemeinnützigen Bereich statt. Hier würden im kleinen Kreis grundlegende Vereinbarungen im Rahmen wechselnder Koalitionen und unübersichtlichen Verhandlungsprozesse getroffen werden. Durch Vorabsprachen und Rückkopplungsprozessen mit den Fraktionsspitzen versuche die Verwaltungsspitze sicher zu stellen, dass die Spitzen im Rat der Stadt die Vereinbarungen generell unterstützten und dass davon ausgegangen werden könne, dass die Fraktionsspitzen wiederum damit einverstanden seien, den Versuch zu unternehmen „ihren ganzen Laden von Politikern“114 zu überzeugen und auf Linie zu bringen, um eine politische Entscheidung zu erwirken. Aus der Perspektive eines Akteurs aus dem Kreis der Fraktionsspitzen stellt sich das Problem so dar, dass das Herstellen einer gemeinsamen Linie kategorisch verhindert werde115: „Das ist Geheimdiplomatie, jeder kämpft da für sich. Und das hilft natürlich auch nicht, sozusagen, Gemeinsamkeit herzustellen.“ (Nr. 17, politischer Akteur) Die Auswertung des Interviewmaterials ergibt auch, dass entscheidungsrelevante Akteure strategisch aus spezifischen Abstimmungsprozessen ausgeschlossen wurden. Dies ist den Befragten folgend Teil des Taktierens. Zu entnehmen ist den Angaben der Interviewten, dass daraus Kommunikationsprobleme entstanden seien sowie grundlegende Schwierigkeiten, Entscheidungen herbei zu führen. Darauf weisen einige Akteure direkt hin, andere vermitteln dies indirekt. So zeigt sich bei der Durchsicht des Interviewmaterials, dass manche Akteure über Wissensdefizite 114
Nr. 8, politisch-administrativer Akteur „Bekannt ist, dass der Landschaftsverband möglichst viel Geld haben will für seinen Umbau (…) Er muss natürlich auch aufpassen, dass es reicht, dass es nicht danach heißt, für das Kulturforum haben wir nichts mehr. Es gibt Verhandlungen zwischen dem Verein und der Stadt, der Verein drängt ja und die Stadt sagt im Moment gar nichts, das ist ganz kompliziert. Wir müssen viel jetzt hier regeln, man solle sich doch beruhigen. Dann diskutiert man darüber, wie könnte denn jetzt so ein planerischer, zweiter Schritt aussehen, die müssen ja jetzt den Wettbewerb in die zweite Phase führen. Dann versucht man sich zu treffen, da ist dann die Opposition außen vor, das ist klar, die darf da dann auch möglichst nichts von wissen. Natürlich sowohl in der Verwaltung wie im Verein gibt’s dann welche, die sagen, wir müssen mal reden, wir haben da gehört und der Bürgermeister hat gesagt und das kommt ja überhaupt nicht in Frage. Und dann sagt da einer von der Verwaltung: der Verein stellt da Forderungen, das müssen wir unbedingt verhindern, sonst sind wir gleich pleite. (Nr. 17, politischer Akteur)
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zum Stand des Ablaufs oder einzelner konzeptueller Fragen verfügen, die auf ihre mangelnde Einbindung in die Prozesse zurückzuführen sind, und zwar trotz eines großen Interesses am Projektfortgang und der Bereitschaft, sich dafür zu engagieren. So geht beispielsweise aus dem Kreis der Fraktionsspitzen ein Akteur davon aus, die Fraktionsspitzen seien kaum involviert. Ab und zu seien Kulturpolitiker im Verfahren eingeschlossen. Dahingegen berichtet ein Vertreter einer anderen Fraktion von regelmäßigen Abstimmungen: Er verfügt in der Folge auch über tiefere Kenntnisse über die Rahmenbedingungen und den Stand der Debatte. Befragte aus dem Kreis der Opposition, darunter Befürworter sowie Gegner einer öffentlichen Beteiligung, merken kritisch an, dass auf sie zu wenig zugegangen werden oder dass sie häufig ausgeschlossen würden. Aufgrund dessen bestünden Informationsdefizite. Die unterschiedlichen Werte der politischen Akteure bei der Netzwerkanalyse der Beziehungsstruktur „Abstimmung bei wichtigen Entscheidungen“ unterstreichen, dass Fraktionsvorsitzende durch die Stadtverwaltung im Prozess der Vorbereitung von Entscheidungen unterschiedlich stark eingebunden wurden. Ebenfalls im Zuge der Netzwerkanalyse konnte aufgezeigt werden, dass die Beziehungsstruktur der „Gegenseitigen Zielerreichung“, die für die „Geheimdiplomatie-These“ relevant ist, dadurch gekennzeichnet ist, dass Akteure insgesamt die Interessen anderen Beteiligter bei ihren Handlungen wenig berücksichtigten (s. Kapitel. 4.2.2). Die Struktur ist durch eine sehr geringe Dichte geprägt und zerfällt in verschiedene Komponenten. Über die Hälfte der Beteiligten sind überhaupt nicht in die Bildung von Koalitionen involviert. Der Hinweis von Befragten, dass auch Befürworter aus den Prozessen ausgeschlossen wurden, lässt sich in der Netzwerkanalyse am Beispiel der Fraktionen nachvollziehen, unter denen Projektunterstützende nicht Teil der engeren, durch Koalitionen miteinander verbundenen Struktur sind (bei der „Unterstützung bei der Zielerreichung“). Sie sind bei den Ergebnissen der Cliquenanalyse kaum vorhanden und lediglich Teil einer Koalition. Welche der Konfliktlinien als besonders bestimmend wahrgenommen werden, lässt sich durch die Auswertung ebenfalls ermitteln. Als Kern des Konfliktes gelten für die Interviewpartnerinnen und -partner Fragen, die im weitesten Sinne um die Thematik der Finanzierung kreisen (Möglichkeiten, Zuständigkeiten, Modelle, Partner etc.). Im Wesentlichen stünden hier Fragen und Möglichkeiten der öffentlichen Beteiligung im Kreuzfeuer (s. zu dieser Thematik auch Punkt 4). Neben diesem Kern der Diskussion – der Frage der Beteiligung der Stadt, des Landes und des Landschaftsverbandes durch öffentliche Mittel – betrifft die Debatte auch die Problematik der finanziellen Beteiligung Privater. So scheidet eine Auseinandersetzung über die Akquise privater Mittel die Geister: In Anbetracht des hohen Betrages, den die gemeinnützigen Partner aus Stiftung und Verein Musikhalle nach der Koalitionsvereinbarung durch die Akquise privater Mittel und die Mobilisierung einzubringen erklärten, gilt es unter einer Gruppe der Interviewpartner als zentrales Problem, dass Münster kein Industriestandort sei. Die fehlende Existenz sehr großer Unternehmen verlangsame die Akquise und könne die Projektentwicklung nachhaltig behindern. Die andere Gruppe vertritt die Meinung, das Vorhandensein privater Gelder, die für eine Investition dieser Höhe in Münster theoretisch zur Verfügung stünden, sei an sich nicht das Problem. Letztlich bedinge die Einsatzbereitschaft und der Wille der bedeutenden Repräsentanten der städtischen Wirtschaft, die Projektrealisierung116. 116
„Denn, die Leute, die in der Wirtschaft tätig sind, wenn die wollten, wenn eine Provinzial das will, und wenn ein LVM das will und wenn ein Ratio das will, und (…) das will, und wenn wir sonst noch an großen Leuten hier haben, wenn die wirklich wollen, dann funktioniert das.“ (Nr. 11, politisch-administrativer Akteur)
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Eine weitere der zentralen Konfliktlinien, die aus dem Interviewmaterial heraus gearbeitet werden können, folgt aus der bereits bei den förderlichen Aspekten herausgestellten Zusage von Seiten des Landes über die Überlassung des Hindenburgplatzes als Standort für eine Musikhalle. Neben der beschriebenen Dynamik, impliziert dies laut der Befragten auch, dass sich das Konzept sowie die Akteursstruktur erweitert hätten. Die Akteure weisen darauf hin, dass sich eine Abhängigkeit ergeben hätte: Würde sich eine Seite der vorgesehenen Projektpartnerschaft im Planungsprozess zurückziehen, wäre das andere Vorhaben ebenfalls mit betroffen. In einer gemeinsamen Zielerreichung eingeschränkt seien die beiden Akteure Stadt und LWL durch zentrale Interessenkonflikte. Das „Angebot“ führe, dieser Argumentation entsprechend, in der Folge zu Verzögerungen im Zuge der Entscheidungsprozesse in der Untersuchungsphase, die auf die beiden beteiligten öffentlichen Körperschaften zurückzuführen seien, deren Entscheidung bedinge, ob überhaupt – und wenn ja, in welchem Umfang – sich der öffentliche Bereich beteilige117. Ein länger währender Konflikt bezieht sich gemäß den Interviewten auf die Auseinandersetzung über den optimalen Standort. Der Hindenburgplatz sei aus verschiedenen Gründen umstritten.118 Insbesondere wird darüber debattiert, dass der traditionelle Standort des Jahrmarktes „Send“ von einem Musikhallenbau betroffen sei. Daran reihen sich nach den Befragten auch weitere Konflikte über architektonische Fragen, unterschiedliche Vorstellungen von verschiedenen Eckdaten des Baus sowie über die Musik- und die Kunsthalle hinausgehende Angebote (wie beispielsweise die Errichtung von Gastronomie, Hotel und Tiefgarage oder die Verkehrssituation um den Platz herum). Konflikte bezogen sich weiterhin auf verschiedene denkbare Finanzierungs-, Bau und Betriebskonzepte. Zu 2.: Zögerliche Haltung und mangelnde Überzeugung von Partnern Für die Koordinationsfähigkeit und die Kommunikation nach außen, speziell im Zusammenhang mit den zentralen Konfliktlinien, erweist sich nach den Befragten das Engagement einzelner Akteure im Rahmen der Projektentwicklung als sehr relevant. So kommt ein Großteil der Interviewten überein, dass aufgrund der vielen Beteiligten und der sehr heterogenen Interessenlage der Koordinationsbedarf relativ hoch sei. Ob er bewältigt werden könne sei – so die Ansicht einiger Befragter – davon abhängig, ob einige wenige Akteure sich mit voller Überzeugung und kontinuierlichem Engagement einbrächten. In diesen Zusammenhang ist die projektkritische Stimme einzuordnen, nach der einer der problematischen Aspekte bei der Musikhallenplanung darin besteht, dass die Protagonisten nicht genügen Überzeugung für das Projekt aufbrächten119. 117
Darauf nimmt z.B. das folgende Zitat Bezug: „Das ist ja hier schwierig, weil wir zwei kommunale Körperschaften haben, die in erster Linie entscheiden müssen. Das ist der Rat der Stadt Münster und die Landschaftsversammlung oder der Landschaftsverband. Das sind vor allen Dingen zwei kommunale Institutionen, die vor allen Dingen unterschiedliche Interessen haben; auch haben müssen. Und die sind schwer vereinbar.(…) Hier ist es so, dass die Stadt Münster ja ein Interesse an beiden Objekten hat (das Objekt „Musikhalle“ und das Objekt „Museum für Gegenwartskunst“, L.S.) aber vorwiegend an der Musikhalle, das ist ganz klar. Und der Landschaftsverband ist eine Institution, die sitzt in Münster, aber ist verantwortlich für Kultur in Westfalen und hat hier ein erst mal einen inneren Konflikt, soll ich das Landesmuseum ausbauen oder soll ich dazu bauen, was ist da schon mal richtig; das ist der erste Konflikt. Und der zweite Konflikt: sollen wir uns wiederum an einem Münsterischen Projekt beteiligen.“ (Nr. 10, Repräsentant einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft) 118 Die Gründe wurden in Kapitel 3.1, im Zuge der Presse- und Dokumentenanalyse, beleuchtet. 119 „ (…) wenn Sie nicht einige Akteure haben, die wirklich durchdrungen sind von Enthusiasmus, gelingt das nicht. Und die Musikhallen-Befürworter, die ich kenne, die sind ziemlich lauwarm, also Enthusiasmus habe ich
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Während sowohl die Presse- und Dokumentenanalyse als auch die Netzwerkanalyse ergaben, dass bezüglich der Positionen im Netzwerk in der Tat zentrale Akteure existieren, die auf Grund ihrer funktionalen Position, ihrer Reputation und ihrer Beziehungen in einigen wichtigen Beziehungsstrukturen Einfluss ausüben könnten, war nicht ersichtlich, wie es um ihre kontinuierliche Überzeugung von dem Projekt bestellt war. Nach den Beteiligten könnte dies ebenfalls ein wichtiger Faktor sein, der sich hinderlich auf den Projektverlauf ausüben könnte. Auch vor dem Hintergrund, dass die Netzwerkanalyse ein statisches Bild ergibt, also keine Schwankungen und Dynamiken erfassen kann, ist dieser Argumentation nachzugehen und nach der Kontinuität in dem doch recht langen Prozess der Entwicklung der Musikhalle zu fragen. Angaben von Interviewpartnerinnen und -partnern weisen darauf hin, dass nicht jeder der einflussreichsten Akteure kontinuierlich von der Möglichkeit, Notwendigkeit und Erwünschtheit einer Projektrealisierung überzeugt waren. Am Beispiel des folgenden Zitats eines der Beteiligten kann dieses Argument unterstrichen werden: „Das Ziel ist, wir machen‘s wenn’s geht. Und ich bin mir noch nicht ganz darüber im Klaren, wie die Beweislast aussieht. Ist das Regelausnahmeverhältnis, wir gehen davon aus, es geht – es sei denn, man beweist uns, es geht nicht? Oder ist es umgekehrt, es geht nicht – es sei denn, man beweist uns, dass es geht? Also da schwank‘ ich auch noch ein bisschen, denn im Moment sind wir in einer Projektphase, wo die, wie soll ich es sagen, die Kumulation der Schwierigkeiten mal wieder die Oberhand gewinnt.“ (Nr. 34, politisch-administrativer Akteur)
Die Auswertungsergebnisse verweisen darauf, dass sich in diesem Zusammenhang für den Projektfortgang als besonders negativ das Zögern des Landschaftsverbandes erwies. Aufgrund dessen hätte sich die Projektierung der Musikhalle wieder auf wackeligen Beinen befunden, betonen InterviewpartnerInnen mehrfach. Der Landschaftsverband seinerseits hätte sich in einem inneren Konflikt befunden. Als Vertreter einer größeren Region wäre eine Vermittlungs- und Überzeugungsleistung gegenüber den Mitgliedern in der Landschaftsversammlung zu erbringen gewesen. Es hätten Mehrheiten dafür gewonnen werden müssen, weshalb ein neues, kostspieliges Kulturprojekt gerade im „Oberzentrum Münster“ angesiedelt werden sollte – ein sensibles Thema innerhalb der Landschaftsversammlung. Hier greift, den Interviewten folgend, die traditionelle Konfliktlinie zwischen unterschiedlichen Regionalverständnissen. Neben dieser Schwierigkeit sei allerdings noch viel grundlegender, dass der LWL eigentlich gar nicht vor gehabt habe, sich für dieses Projekt einzusetzen. Vielmehr sei sein Interesse an einer Investition in den Um- und Ausbau des in seiner Trägerschaft befindlichen Landesmuseums in Münster gelegen. Eine Entwicklung eines neuen Museums im Rahmen des Kulturforums hätte mit diesem Vorhaben konkurriert, zumal der LWL zu diesem Zeitpunkt eigentlich keine finanziellen Spielräume gehabt hätte. Das Angebot von Seiten des Landes wird deswegen zuweilen hinterfragt: zugespitzt äußern einige Beteiligte Unverständnis und vertreten die Meinung, es handle sich hier um eine „seltsame Idee des Ministerpräsidenten“ (Nr. 15, gemeinnütziger Akteur).
noch nicht gesehen. (…) vielleicht ist das auch nur mein Eindruck, weil ich mich in dieser Frage stachelig verhalte.“ (Nr. 12, privatwirtschaftlicher Akteur)
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Zu 3.: Fehlende Akzeptanz in der Stadtgesellschaft Allgemeine Unsicherheiten und zögernde Haltungen hängen aus der Perspektive der Befragten auch wesentlich damit zusammen, dass es sich bei der Musikhalle um ein Projekt handele, das politisch und öffentlich so brisant diskutiert würde. Damit ist ein Thema angeschnitten, das in den Interviews in besonders starkem Ausmaß Erwähnung fand: Die Beteiligten beschäftigte in großem Ausmaß und in unterschiedlichen Zusammenhängen immer wieder die Frage, wie man das Vorhaben vermitteln könne, um Akzeptanz in der Öffentlichkeit dafür herzustellen Ein Akteur berichtet, dass hinter vielen Einschätzungen die Frage der stadtgesellschaftlichen Akzeptanz eines Großprojektes stehe: „(…)in einer Zeit, in der man durch Konsolidierungszwänge gleichzeitig die typischen Infrastrukturen für den kleinen Mann beschneiden muss. Also: Solange nicht der letzte integrative Kindergarten gebaut ist, hat man da überhaupt eine prinzipielle Legitimation über Projekte zu reden, die sich mit den – sagen wir mal – vermeintlichen Smoking-Events für die Upper Class beschäftigt? (…).“ (Nr. 34, politisch-administrativer Akteur)
Die Beurteilung des Projektes durch die Öffentlichkeit werde insbesondere in Phasen des Stillstands oder der nach außen kommunizierten Unsicherheit zu einem Problem, erklären Interviewpartner. Riskant sei dabei, dass auch Akteure das Vorhaben öffentlich bewerteten, die Projektzusammenhänge und –Implikationen vermutlich kaum beurteilen könnten, deren Bewertungen allerdings eine Auswirkung auf die Akzeptanz des Projektes haben könne120. Gerade in Anbetracht der Unvollständigkeit des Wissens, die bereits die direkten Beteiligten betrifft, sehen dies Interviewpartner sehr kritisch. In erster Linie sind es die politisch-administrativen Akteure die sich grundlegende Fragen hierzu stellen: „Wie kriegen wir das hin, wie kann man so was überhaupt argumentativ rüberbringen, ist das kommunizierbar? Wir leben ja in einer Stadt mit einem unglaublichen Gerechtigkeitsgefühl, zwischen den Ressorts und den verschiedenen bürgerschaftlichen Belangen (…).“ (Nr. 34, politisch-administrativer Akteur)
Die Vermittlung sei insbesondere problematisch, da in der Stadt im Untersuchungszeitraum Zuschüsse in verschiedenen Bereichen gekürzt worden seien. Auch die gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen und öffentlichen Debatten spielten hier mit hinein und eröffneten Fragen der Verteilungsgerechtigkeit, führen Akteure aus. „Wie soll ich einem, dessen Arbeitslosengeld gekürzt wird, erklären, dass wir hier für Hunderte von Millionen hier solch ein Projekt bauen; das ist sehr schwer.“ (Nr. 37, Repräsentant eines quasi öffentlichen Unternehmens)
Im Untersuchungszeitraum machen sich manche Beteiligten zudem Sorgen darüber, dass jeweils projektphasenabhängig unterschiedliche Bewertungen des Vorhabens in der Öffentlichkeit Überhand gewinnen. Dabei wird eine allgemeine Skepsis für die Planung des Projektes als sehr schädlich eingeschätzt. Einige befürchten, dass es nicht gelingen könne, 120
„…vorher (vor der Koalitionsvereinbarung, L.S.) hat es in diesen Ungefähren große Probleme gehabt, sich zu behaupten und da werden ja solche Projekte sehr schnell auch den Leserbriefschreibern überlassen in der Bewertung“. (Nr. 8, politisch-administrativer Akteur)
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durch Mobilisierungsanstrengungen einen breiten, positiven öffentlichen Ruf des Vorhabens herzustellen. Die Bedenken beziehen sich bei vielen Akteuren insbesondere auf Finanzierungsvorbehalte bei potentiellen Geldgebern bzw. Partnern aus der Privatwirtschaft und dem Stiftungsbereich. Angenommen wird, dass sich diese vor dem Hintergrund der fehlenden Popularität des Projektes und in Anbetracht der geringen Planungssicherheiten zurückhielten: „Und diese Skepsis lässt sich dann nicht mehr abbauen. Sie finden ja nicht jemanden, der Ihnen eine Millionen oder auch nur 100.000 spendiert, wenn Sie ihm nicht sagen können, pass mal auf, wenn du das jetzt spendierst, in 3,4,5,6,7, Jahren wird das was.“ (Nr. 6, gemeinnütziger Akteur)
So beschreiben die Akteure, dass zwar jahrelang die Stimmung gut gewesen sei. Gerade durch einzelne Ereignisse, wie etwa den Architekturwettbewerb, sei sie sogar regelrecht „aufgeheizt“ worden. Trotzdem habe es kontinuierlich „ (…) Begleitmusik negativer Art (…)“121 gegeben. Dem daraus erwachsenden Legitimationserfordernis zu begegnen, schätzen viele Akteure als eine der größten Herausforderungen ein. Beruht die allgemeine Skepsis zwar laut der meisten Akteure auf einem Defizit, Ziele, Fortschritte und positive Implikationen des Projektes gegenüber dem erweiterten Kreis von Beteiligten und der betroffenen Öffentlichkeit zu vermitteln, schätzen andere auch lokale Besonderheiten als grundlegend ein für die große Schwierigkeit, Akzeptanz herzustellen. So wird die Problematik auch auf einen verbreitete, konservative Grundeinstellung zurückgeführt, welche innovative Prozesse grundsätzlich erschwere122. Zu 4.: Geringe Risikobereitschaft Die Thematiken der ungeklärten Rahmenbedingungen einer Finanzierung, der Unvollständigkeit des Wissens, der Vermittlungsprobleme und der Schwierigkeiten in der Koordination weisen nach vielen Akteuren darauf hin, dass sich die Planung sehr kompliziert darstellt. Diese ungeklärten Fragen – so merken einige Befragte an – könnten nicht alle geklärt werden, ohne dass man das Projekt aufgrund einer zu langen Planungs- und Entwicklungsphase letztlich zum Scheitern bringe. Was im Zuge des Projektes eigentlich fehle, sei ein größerer Wagemut: „(…) Meine Beobachtung auch bei anderen Projekten ist, dass man den Sprung manchmal auch einfach wagen muss, wenn noch nicht die Finanzierung vollkommen steht. Das widerspricht mir natürlich finanzpolitisch. (…) Aber wenn ich mir so etwas wie in Bochum oder das Konzerthaus in Dortmund oder in Essen ansehen, (…) die haben Wege gefunden, so ein Projekt auch gesellschaftlich akzeptiert zu machen. Und das gelingt in Münster finde ich nur teilweise. Also man findet genauso viele Fürsprecher wie Ablehnende zu dem Projekt. Das ist ja immer so pari-pari. Und das ist ne Situation wo dann auch Politik nicht über den Schatten springt, sie fängt sich genauso viel Kritik wie Lob ein für eine solche Entscheidung und das ist dann politisch nicht mehr besonders wirksam. Heißt also, ich hab den Eindruck, dass, wenn es wirklich voran kommen 121
Nr. 6, gemeinnütziger Akteur „(…) in Münster ist ein großer, großer Teil der Bevölkerung unabhängig von ihrer Parteipräferenz vom Prinzip her strukturkonservativ. Das gilt für die Roten genauso wie für die Grünen und die Schwarzen. Das heißt übersetzt, der Legitimationsbedarf für das Neue ist chronisch wesentlich höher als für das Bestehende. Insofern muss sich alles das, was in dieser Stadt neu entsteht, einer nahezu inquisitorischen Bewertungskulisse stellen“ (Nr. 34, politisch-administrativer Akteur)
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soll, so ein Phasenmodell existieren muss. Man muss sagen, wenn, bis zu diesem Zeitpunkt X, auch die materielle Unterstützung bis zu dem bestimmten Punkt gekommen ist, dann sind auch Stadt und Land im Wort. Das ist glaube ich noch nicht klar genug formuliert.“ (Nr. 35, politisch-administrativer Akteur)
Formuliert wird, dass die Problematik der mangelnden Risikobereitschaft und des mangelnden Mutes auch mit geringen Verbindlichkeiten, insbesondere von Seiten des öffentlichen Bereichs einhergehe. Ein bedeutender Fehler liege danach darin, dass man sich nicht festlege und diese Unverbindlichkeit und Unsicherheit auch nach außen so kommuniziert würde. Zu 5.: Konfliktgeladene kommunalpolitische Debatten Bereits in Punkt 1 wurde darauf hingewiesen, dass Beteiligte sich in den Planungsprozessen durch Interessenkonflikte behindert sahen. Zu entnehmen ist den Interviews, dass solche Konflikte dann als besonders handlungsrestringierend wahrgenommen wurden, wenn sie in der politischen Arena stattfanden. Konfliktgeladene kommunalpolitische Debatten und Diskussionen im Rat der Stadt, zwischen den Fraktionen, erachten die Befragten als ganz besonders folgenreich. Dabei weist die Thematik der öffentlichen Finanzierung auf den unter Umständen zentralsten Konfliktpunkt hin, der nicht nur die Beteiligten sondern auch die öffentliche und politische Debatte stark beschäftigt: „Über allem steht das riesengroße Hindernis: Alle Beteiligten, Stadt, Land und Landschaftsverband, haben alles nur kein Geld. Das heißt, die Skepsis, ob ein solches Projekt aus dem Reich der Träume denn wirklich irgendwann mal physisch werden kann, war und ist außerordentlich groß.“ (Nr. 34, politisch-administrativer Akteur)
Die Frage der öffentlichen Finanzierung bildet gemäß dem Ergebnis der Auswertung des Interviewmaterials den Kern der gesamten politischen Diskussion und der Skepsis innerhalb des Rates. Sie spinnt sich um unterschiedliche politische Auseinandersetzungen herum. Einige dieser Debattenstränge basieren auf Vergleichen. So stellen sich die Akteure die Frage, wie es um die Chancen einer Realisierung der Musikhalle in Münster stehe, und zwar verglichen mit und in Konkurrenz zu weiteren geplanten städtischen Projekten, verglichen mit Musikhallen in anderen Regionen, vor dem Hintergrund der Charakteristika Münsters im Vergleich mit der anderer Städten oder auch im Rückblick auf frühere Maßnahmen in Münster. Einige der Beteiligten merken in diesem Zusammenhang an, dass sich die Lage in Münster innerhalb der letzten drei Jahrzehnte entschieden gewandelt habe. Sie gehen davon aus, dass in früheren Jahren die Projektrealisierung hätte funktionieren können und führen die Ungewissheit im Planungsprozess maßgeblich darauf zurück, dass dies neben einem komplizierteren Planungsrecht insbesondere durch die Haushaltslage der Stadt zu begründen sei. Verwiesen wird auf Bauvorhaben im Kulturbereich, die zu früheren Zeiten durch die Stadt realisiert wurden, auf den Bau des Stadttheaters, der Stadtbibliothek und des Stadtmuseums, bei der die Entscheidungsprozesse von viel höheren Tempi, einer allgemein gesteigerten Akzeptanz gegenüber den Projekten und auch wesentlich geringeren politischen Widerständen geprägt gewesen seien. 235
Hier zeigt sich eine weitere Spannungslinie, die in der konfliktgeladenen politischen Debatte zu der Finanzierungsfrage ihren Schwerpunkt hat: Während die einen in der politischen Debatte um die Musikhalle die Meinung vertreten, das Haushaltsdefizit sei zu hoch für neue Investitionen, und somit auch für eine Musikhalle, argumentieren andere, die vorhandenen Mittel seien für andere Zwecke auszugeben, wie etwa für Leistungen im sozialen Bereich. Angemerkt wird auch, dass das Musikhallen-Vorhaben letztlich auch immer in Konkurrenz mit anderen Großprojekten in Planung stand, dass es also einen Aspekt in einem finanziellen Wettbewerbes darstelle123: Auf der Basis der Argumentation, dass andere Projekte zeitgleich zu der Diskussion um die Frage der Finanzierbarkeit des Vorhabens Musikhalle, mit höheren Summen bedacht würden und die Debatte um die Konkurrenzprojekte sehr unterschiedliche Prioritäten zu Tage befördere, führen manche Akteure die Schwierigkeiten bei der Projektentwicklung weniger auf die Haushaltslage, als vielmehr auf politische Widerstände und eine Frage der politischen Prioritätensetzung zurück. Sie berichten von einer sehr hart geführten Auseinandersetzung124: „(…) natürlich immer mit diesen populären Argumenten, was könnte man mit dem Geld nicht sonst alles machen. (…) Die Abstimmungswege sind entschieden komplizierter und die, wirklich, die Energie, die man in das Gängigmachen von Projekten stecken muss, ist unglaublich hoch.“ (Nr. 8, politisch-administrativer Akteur)
Ein Argument der Befürworter im Zusammenhang mit dieser politischen Debatte richtet sich gegen eine Planung mit kurzfristigen Perspektiven. Danach stelle die Notwendigkeit, den Standort Münsters zu stärken, auch Investitionserfordernisse heraus. Die Stadt falle perspektivisch im Wettbewerb der Städte untereinander zurück, werde weiterhin gegenüber Investitionen wie der Musikhalle eine so starke Zurückhaltung kultiviert. Dem Argument, dass in anderen Städten, sogar in solchen mit weit problematischeren Haushaltslagen, ebenfalls Konzerthäuser gebaut würden, so die Befragten, werde entgegengesetzt, Münster sei zwar vergleichsweise besser gestellt. Der Vergleich stellt sich dieser Argumentationslinie folgend jedoch nicht als angemessen dar, denn Münster sei trotzdem mit größeren Schwierigkeiten konfrontiert, ein kulturelles Großprojekt unter Beteiligung der öffentlichen Hand zu realisieren, als etwa Städte, die sich in strukturschwächeren Regionen befänden. Diese seien in den letzten Jahren durch Strukturfördermaßnahmen des Landes aus Städtebaumitteln unterstützt worden, wodurch sie sich unter anderem den Bau von Konzerthäusern hätten leisten können.
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„Es gibt Konkurrenzprojekte von ähnlichem finanziellem Kaliber, wie z.B. der Stadionbau, Fragen der Verkehrsinfrastruktur und andere. Es gibt also Konkurrenzvorhaben, die mit dem Kulturforum im Grunde genommen in einem finanziellen Wettbewerb liegen auf kommunaler Ebene.“ (Nr. 14, politischer Akteur) 124 „Dabei haben wir gerade für 50 Millionen ne Schule gebaut – ohne Debatte, ne, niemand hat da gesagt, jetzt sind wir fast pleite, so. Und ich sage dann: ja wieso, wer hat denn so viel Geld ausgegeben, ja kuck mal, das sind 50 Millionen. Null Landesmittel, nichts. Ja, das ist eben anders. Insofern hängt das ganz stark davon ab, wie stark politisch das ist und man muss auch sagen, es hat in den Jahren, ... beispielsweise als die Stadtbücherei gebaut worden ist oder auch das Stadtmuseum, war das auch noch anders vom Tempo. Da entschied das der Stadtdirektor mit dem Oberbürgermeister zusammen, die machten dann ne Pressekonferenz und sagten, in 10 Jahren haben wir das da stehen, so wird das sein und da sagten manche: soso – und dann wurde das aber auch so. Und da wurde nicht dran gerüttelt und es gab auch wenig schlechte Presse dafür. Und da haben auch die Politiker in dem Moment, in dem es dann hieß, null Pfennig Landesgeld für Münster, gesagt: ok, wir machen das trotzdem. So, also das ist schon in der Politik wirklich anders geworden.“ (Nr. 8, politisch-administrativer Akteur)
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„ (…)Und jetzt ist es so ein bisschen antizyklisch. Also in einer Zeit, in der nichts mehr geht, wo die Mittel konzentriert werden müssen, notwendiger Weise, ist Münster nicht unbedingt der Standort, auf den sich überregionale öffentliche Mittel konzentrieren. Sondern die gehen eher ins Ruhrgebiet usw., also ich würde sagen, das ist das Hauptproblem.“ (Nr. 1, politisch-administrativer Akteur)
Bereits im Zuge der Darstellung der Konfliktlinien wurde immer wieder offensichtlich, dass ein wesentlicher Aspekt im Rahmen der Entscheidungsprozesse auch die Positionen der politischen Akteure betrifft. So formuliert zum Beispiel ein Mitglied der Ratsfraktion: „Also, diese Vereine, die wir angesprochen haben, die können ja nur Druck machen. Die sind im Augenblick nicht in der Lage, es selbst zu finanzieren, sie können (...) also immer wieder auf dieses Thema hinweisen. Entscheidungsträger sind nun mal leider die Politiker. Es muss politisch gewollt sein und zwar nicht nur fadenscheinig gewollt sein, …“ (Nr. 26, politischer Akteur)
Einige Interviewpartner sind danach der Überzeugung, dass letztlich nicht die Positionen der Akteure des Kreises der beteiligten Partner und deren geschicktes Taktieren den Projektausgang bedingten, wie dies zuvor im Zusammenhang mit der These von der „Geheimdiplomatie“ von Akteuren dargestellt wurde. Sie schreiben vielmehr die gesamte Macht den politischen Fraktionen im Rat zu, die durch ihre Entscheidungen den Projektausgang determinierten. Dabei seien nicht nur die unterschiedlichen Interessen der Fraktionen in ihrer „Gesamtheit“ grundlegend. Neben diesen Positionen der Fraktionen spiele vielmehr in dem politischen Konflikt eine wesentliche Rolle, dass auch innerhalb der Fraktionen und Parteien jeweils verschiedene Strömungen und große Uneinigkeiten bestünden. Politische Akteure beschreiben dies als typisch für kulturpolitische Auseinandersetzungen und als kritisch für die MusikhallenEinigung, in der sie sich als „kommunalpolitisch kulturpolitischen Einzelkämpfer“ empfinden: „Jemand, der für Kultur tätig ist, muss in allen anderen Lagern verbündete suchen. (…) Und in der eigenen Fraktion hieß es immer, wenn der Kulturmensch den Mund auf macht, kostet uns das nur Geld.“ (Nr. 11, politisch-administrativer Akteur).
Einige Befürworter des Projekts merken auch an, dass es insgesamt „keine große Kulturlobby im Rat der Stadt Münster“ gebe (Nr. 14, politisch administrativer Akteur), was einen entscheidenden hinderlichen Faktor im Zuge der Planungsphase darstelle. Hier manifestieren sich auch grundsätzlich unterschiedliche persönliche Zugänge zum Feld der Kunst und Kultur. Dies gilt zum einen für den allgemeinen Begriff, den die Akteure von Kultur haben, wie ein Akteur plastisch beschreibt: „Für die einen ist ein Konzert etwas, von dem sie gerade mal wissen, wie das Wort geschrieben wird. Für die anderen ist ein Musikstück Lebensinhalt.“ (Nr. 15, gemeinnütziger Akteur).
Diese persönlichen Auffassungen griffen insbesondere dann, berichten Akteure, wenn sich Auseinandersetzung darum entspinnen, welchen Stellenwert der Kulturbereich im Rahmen der Haushaltspolitik einzunehmen habe. Spätestens damit, so ist den Interviews zu entnehmen, reiht sich die Debatte auch in die Auseinandersetzung über die grundlegende Frage der Leistungserbringung im öffentlichen Interesse ein und über eine Abwägung zwischen verschiedenen Zielen. Gerade die differierenden Auffassungen zur Notwendigkeit einer 237
Prioritätensetzung entweder bezüglich sozialer oder kultureller Ziele spielten hier eine entscheidende Rolle. Einige der Befürworter einer öffentlichen Finanzierung merken in diesem Zusammenhang an, dass diese Ebene der Argumentation insofern sehr schwierig sei, als Kultur dabei „immer den kürzeren ziehe“. Eine problematische Einschätzung hinsichtlich der Entscheidungen im Rat basiert nach den Befragten auch darauf, dass Unsicherheiten und Unklarheiten der Projektplaner bezüglich wesentlicher Grundfragen vor den Türen des Rates nicht haltmachten. So sei die politische Entscheidung ebenfalls durch die Unübersichtlichkeit der Voraussetzungen und Folgen einer Projektentwicklung geprägt: „Es ist im Laufe der Jahre zunehmend unübersichtlich geworden, was hier überhaupt passiert. Durch die Verflechtung mit dem Landschaftsverband in dieser Frage, das Auftreten der Regionalen und die Unklarheit der Finanzierung; ist es glaube ich unübersichtlich geworden – für den einfachen Bürger erst Recht – aber eben auch für Teile der kommunalen Politik. Wo sind wir überhaupt im Verfahren; wie ist der Stand? Und das befördert nicht unbedingt den Fortgang des Geschehen, wenn Dinge sehr kompliziert erscheinen“. (Nr. 14, politischer Akteur)
Die politischen Debatten tragen gemäß einigen Akteuren in unnötigem Ausmaß eine Uninformiertheit in die Öffentlichkeit. Damit könnten sich Fehlinformationen in der öffentlichen Debatte manifestieren. Auch wenn Probleme schließlich geklärt seien, stünden sie noch mehr oder weniger explizit im Raum. Es sei in diesem Zusammenhang sehr aufwändig, Fehlinformationen wieder auszuräumen. Bei den befragten Akteuren findet ein weiterer sensibler Punkt in der politische Debatte Erwähnung: Das Projekt sei durch die einflussreiche Position der Politik und der Fraktionen im Rat auch von politischen Konjunkturen betroffen. Die Abhängigkeit von Wählerstimmen stelle sich als relevantes Argument heraus, wenn sich eine bestimmte Tendenz in der Öffentlichkeit verbreitet: „(…) wenn sich hier eine laute Stimmung breit macht – ‚für so was habt ihr Geld‘ – dann ist das Ding tot. Das hält kein Mensch der gewählt werden will, aus. Dann werden die ganzen opportunistischen Abgeordneten umfallen.“ (Nr. 37, Repräsentant eines quasi öffentlichen Unternehmens)
Daraus lässt sich schließen, dass es von entscheidender Bedeutung ist, bestimmte Zeitfenster in die Koordination mit einzubeziehen, so etwa darauf zu achten, welche Mehrheiten vorliegen und ob Wahlen bevor stehen oder gerade stattgefunden haben. Zu 6.: Vermittlungsprobleme aufgrund unvollständigen Wissens Eine wichtige Komponente innerhalb der zentralen Debatten um die Finanzierungsproblematik besteht für die Beteiligten in einem inneren Konflikt und kreist um die Mitfinanzierung und Investition Privater in das Projekt: Die Anforderung, nach außen – das heißt gegenüber potentiellen Investoren, Finanzierungspartnern und gegenüber der Öffentlichkeit – Optimismus auszustrahlen stehe im Widerspruch zu der Unvollständigkeit des Wissens und der Unsicherheit des Projektausgangs125. 125
„(…) die private Seite braucht letzten Endes für die Akquise (…) vor allem eine gute Stimmung also, nach dem Motto, das kriegen wir hin und dass ein Sponsor dann sagt, ok, dann tu ich jetzt was für. Ein Sponsor gibt nichts für etwas wo man sagt, na ja, ob das alles so klappt, wissen wir auch noch nicht aber wenn Sie mir jetzt sagen, sie geben 5 Mio., dann haben wir‘s hier irgendwie. Also das ist so `ne Sache, und da sind wir ein bisschen im Circulus
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Um das Problem des Widerspruchs zwischen fehlendem Optimismus aufgrund von Unsicherheit und dem Anspruch, nach außen, gerade auch bei der Akquise, Sicherheit auszustrahlen, zu lösen, wird den Befragten folgend auch versucht, den dynamischen Prozessen durch Anpassung gerecht zu werden: Während die Rahmenbedingungen sich immer wieder grundlegend ändern126, werden stets wieder neue Konzepte erarbeitet und der Versuch unternommen, die Eckpunkte zu klären. In den Planungsprozess einbezogen werden Experten, die Fachwissen aus verschiedenen Bereichen einbringen und beispielsweise Rahmenbedingungen überprüfen und Gutachten erstellen. Damit soll eine Grundlage geschaffen werden, an der sich weitere Tätigkeiten orientieren können. Allerdings stellen gemäß einiger Befragter auch die effektive Verarbeitung eines solchen Wissens, dessen Weitergabe und darauf aufbauende kollektive Lernprozesse eines der großen Probleme im Zuge der Planung dar127. Solche Schwierigkeiten der Verarbeitung und konstruktiven Nutzung von Know How zeigt, so die involvierten Akteure, zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Planungsprozess. Beispielhaft wird angeführt, dass im Vorfeld des Architekturwettbewerbes ein aufwändiges Raumprogramm erstellt wurde, das dann jedoch keinerlei Berücksichtigung gefunden habe. Die Erstellung der Modelle im Zuge des Architekturwettbewerbes hätte sich nicht an dem maximalen finanziellen Volumen des Bauvorhabens orientiert und sei deswegen letztendlich nicht konkret für den Planungsprozess nutzbar gewesen. Auch die Vermittlung der Erkenntnisse darüber, dass eine Entscheidung für den Hindenburgplatz die weitere Veranstaltung des Jahrmarktes „Send“ an dieser Stelle nicht verhindern würde, schlug fehl. Die Problematik wurde sehr kontrovers weiter diskutiert und fand sogar Jahre später Eingang in die öffentliche Debatte im Zuge des Volksentscheides, obwohl die Frage bereits geklärt war. Die Beispiele unterstreichen gemäß einigen Akteuren die Kommunikationsprobleme beim Austausch von Expertise und Informationen. Andere Akteure verweisen in dem Zusammenhang dahingegen auf die Politisierung des Vorhabens. Beispielhaft angeführt wird etwa der Versuch einer Vermittlung von Konzepten einer Musikhalle nach der Idee einer „Halle für alle“, die nicht ausschließlich ein an Klassik interessiertes, „elitäres“ Publikumsinteresse bedienen solle. Trotz beträchtlicher Bemühungen hätten sich die Hintergründe dieser Konzepte nicht in der Öffentlichkeit verbreiten lassen. Die Versuche, Wissensdefizite und Unsicherheiten zu beseitigen, werden jedoch nicht nur aufgrund der durch den Akteur geschilderten Verarbeitungs- und Vermittlungsprobleme als ambivalent zielführend eingeschätzt. So bezeichnen einige Akteure die Voraussetzungen als zu komplex, als dass sie alle vollständig einbezogen werden könnten. Vitiosus: Wir können objektiv noch nicht optimistisch sein, müssen aber berufsoptimistisch sein…“ (34, politischadministrativer Akteur) 126 Beispiele hierfür stellen der Eintritt des LWL dar, der mit dem Erfordernis einer Auseinandersetzung mit einem erweiterten Konzept einer Musikhalle im „Kulturforum“ verbunden war, der darauf folgenden der Entscheidung des LWL für ein „abgespecktes“ Konzept einer Kunsthalle anstatt eines Museums und schließlich des Austritts des LWL aus der Projektplanung. Auch die Koalitionsvereinbarung stellte neue Rahmenbedingungen her, auf die reagiert werden musst. Die Dynamiken wurden in der Presse- und Dokumentenanalyse ausführlich beschrieben. 127 Ein Akteur beschreibt das so: „Der (…) hat diese Gruppe geleitet und da waren Leute vom Hochbauamt, vom Tiefbauamt und ich war quasi von der praktischen Seite. Dann die Leute von der Uni. Wir haben ein Rahmenprogramm erstellt, das wirklich wahnsinnig viel Arbeit war. Auch die Leute vom städtischen Orchester waren dabei. Wir haben uns also bestimmt mindestens 20, wenn nicht 30 Mal getroffen. Das hat jedes Mal einen halben Tag gedauert (…) und stellen dann fest, als es hinterher um den Wettbewerb geht, dass nicht einer dieser Architekten dieses Raumprogramm, das wir erstellt haben, gelesen hat. Nicht einer. Es hat sich auch keiner dran gehalten. Die Jury hat auch dieses Raumprogramm (...) nicht als Maßstab genommen zur Bewertung. (....) Also das eine ist so produktiv, da machst du was in jahrelanger Arbeit. Und das andere ist leider so unproduktiv, weil es keinen interessiert. Warum das so ist, keine Ahnung.“ (Nr. 16, privatwirtschaftlicher Akteur)
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Zu 7.: Koordinationsprobleme Zentrale Probleme stellen sich den Akteuren unter anderem aufgrund von Uneinigkeiten zwischen den Partnern über die Frage, auf welche Weise und zu welchem Zeitpunkt die nächsten Schritte in der Projektplanung vorzunehmen sind. Eine wesentliche Herausforderung stellt diesbezüglich die Koordination untereinander dar, beschreiben Befragte. Thematisch betrifft auch dieser Aspekt in besonderem Ausmaß Fragen der Finanzierung. Durch die Auswertung des Interviewmaterials zeigt sich, dass in Anbetracht wesentlicher offener Fragen beispielsweise Uneinigkeit unter den Projektpartnern darüber herrscht, zu welchem Zeitpunkt im Planungsprozess die Suche nach privaten Förderern, Partnern oder Investoren grundsätzlich sinnvoll und nutzenbringend sein könne. Die einen vertreten dabei die Auffassung, dass zunächst die grundlegenden Informationsdefizite ausgeräumt und die Rahmenbedingungen des Baus, des Betriebs und des Finanzierungsmodells geklärt werden müssten. Akquisetätigkeiten und die Suche nach Investoren könnten also nur auf der Grundlage eines gesicherten Wissens und weitestgehend ausgearbeiteter Konzepte erfolgen. Dem entgegen vertreten die anderen die Auffassung, dass die finanzielle Realisierbarkeit, als größtes Problem und Ausgangslage aller weiteren Planungen, als erstes und auf der Grundlage der groben Eckdaten geklärt werden müsse. Dabei unterstreichen die Vertreter der zweiten Gruppe, dass eine Beantwortung der Frage, ob der private Finanzierungsanteil überhaupt zu erbringen sei, weitere grundlegende Hindernisse ausräumen würde, so zum Beispiel die geringe Überzeugung eines Teiles der Öffentlichkeit und der Politik. Den gemeinnützigen und privatwirtschaftlichen Akteuren wird in diesem Zusammenhang eine Erwartung hinsichtlich ihrer Rolle im Steuerungsprozess zugeschrieben: sie seien diejenigen, die den optimistischen Part einnehmen müssten.128 Dieser Erwartung steht nach den Befragten die Schwierigkeit der gemeinnützigen Akteure gegenüber, diese Rolle auszufüllen, ohne sich gegenüber potentiellen Partnern unglaubwürdig zu machen. Aus den Angaben der Befragten lässt sich schließen, dass sie einen weiteren einschränkenden Aspekt im Planungsprozess darin sehen, dass mögliche Zuständigkeiten und die Verteilung von Rollen im Rahmen der gemeinsamen Projektplanung nicht vollständig geklärt gewesen seien. Dies sei auch mit unterschiedlichen Ansichten über richtige Finanzierungsmodelle einer zukünftigen PPP, über Bau- und Betriebskonzepte einher gegangen und hätte zu einer erschwerten Koordination geführt. Während die Einschätzungen zu den förderlichen Aspekten durch die Akteure recht übersichtlich sind und auch von weiten Teilen der Befürworter gleichermaßen Berücksichtigung finden, lässt sich um Untersuchungszeitraum insgesamt eine starke Problematisierung, viele Unklarheiten und eine harte Auseinandersetzung über grundlegende Fragen feststellen, die auch aufmerksam von der Öffentlichkeit begleitet wird. Weitestgehend kongruent sind die Aussagen zu den Einflussfaktoren, die sich positiv auf die Projektentwicklung auswirkten. Es besteht keine Einigkeit darüber, welche Aspekte den Projektfortgang maßgeblich negativ beeinflussten. 128
„(…) die private Seite muss grundsätzlich optimistischer an die Sache rangehen als wir. (…) Das ist eine gewisse rollenbedingte Unterschiedlichkeit in der Herangehensweise. Die privaten Protagonisten sind sicherlich eher die, die sagen, komm das müssen wir jetzt. Und die städtische Seite, also Politik und Verwaltung, hat immer die Schere schon im Kopf also (…) kriegen wir da Mehrheiten dafür, kann man das kommunizieren, also wir sind sicherlich (…) deswegen eher gehemmt jetzt, da ganz fröhlich an das Projekt heranzugehen weil wir wissen, was für ein großes Rad wir zu drehen haben und welches System wir zu bewegen haben. So kann man‘s sagen“. (34, politisch-administrativer Akteur)
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3.3.3.2 Ausstellungshalle und Picasso-Museum Die Darstellung der Entwicklungsphase der neuen Ausstellungshalle Zeitgenössische Kunst durch die Beteiligten zeichnet sich durch ein vergleichsweise ausgewogenes Verhältnis aus hinderlichen und förderlichen Einflussfaktoren aus. Förderlich für den Entwicklungsprozess sei gewesen, dass ein privater Partner für das Projekt hätte gewonnen werden können, der sich Bereit erklärte, sich in ein Investorenmodell einzubringen. Das sei ein großer „Glücksfall“129 gewesen. Dieser Akteur habe auch viele Ideen eingebracht, sich für das Projekt begeistert und sei aufgrund seiner Überzeugung auch bereit gewesen, gewisse Risiken einzugehen. Die Risiken betrafen insbesondere die nicht genau abschätzbaren Kosten beim Umbau der Sanierung des Gebäudes. Als Vorteil wird auch seine Erfahrung im Umgang mit alten Gebäuden hervorgehoben. Hinsichtlich der Finanzierung seien ferner das Interesse und die Zusage des Landes sehr förderlich gewesen. Das Vorhaben der Stadt einer mit dem Projekt verbundenen städteplanerischen Zielsetzung hat gemäß den Befragten zur erfolgreichen Realisierung beigetragen. Des Weiteren wird angegeben, es habe sich auf die Entwicklungsphase positiv ausgewirkt, dass bei diesem Vorhaben der Folgekostenaufwand relativ gering sei. Als vorteilhaft wird auch die verhältnismäßig geringe Anzahl an Beteiligten im engeren Kreis der Partner geschildert: „Es redeten nicht zu viele Leute mit“ (Nr. 29, Wirtschaftsakteur). Als eines der ersten PPP-Projekte in der Stadt empfanden die Beteiligten die Planung allerdings auch als sehr kompliziert. Hinsichtlich negativer Aspekte im Zuge der Planungsund Entwicklungsphase berichten die Akteure von einem schwierigen Umbau- und Sanierungsvorhaben. Insbesondere aufgrund der schwierig einzuschätzenden Höhe der Kosten für die Umbau- und Sanierungsarbeiten des alten Gebäudes sei eine gewisse Risikobereitschaft gefragt gewesen. Zudem werden langwierige und konfliktbelastete Abstimmungsprozesse erwähnt, die sich hauptsachlich um Fragen der Finanzierung und der Vertragsgestaltung rankten. Hier sei es schwierig gewesen, einen Konsens herzustellen. So wurde, den Beteiligten nach, in erster Linie mit dem Land lange über Spezifika der Vertragsgestaltung verhandelt. Die Vertragsgestaltung und das Finanzierungsmodell sei kompliziert gewesen, da die unterschiedlichen Interessen, Zielgruppen und Ansprüche an die jeweilige Öffentlichkeitsarbeit bei der Gestaltung berücksichtigt werden mussten. Es galt, zwischen drei Funktionsbereichen zu unterscheiden, die gleichzeitig Eingang in ein Gesamtvorhaben hätten finden müssen. So sei die autarke Operation des Bereichs des Investors, der Ausstellungshalle sowie der Künstlerateliers vorgesehen gewesen. Als schwierig wird auch die Auseinandersetzung mit den rechtlichen Rahmenbedingungen bezeichnet. Die Befragten berichteten zudem über problematische Kommunikationsprozesse. innerhalb der öffentlichen Verwaltung: „Stolperstein war, dass das Projekt in der städtischen Verwaltung nicht gut angesiedelt war. Das heißt, dass die Kommunikationsfähigkeit nicht gut funktionierte. So ein Projekt hat mit Stadtentwicklung zu tun, mit dem Kulturdezernent zu tun, mit Kontakten mit den politischen Fraktionen zu tun. Und diese Kommunikationswege funktionierten nicht gut.“ (Nr. 26, politischadministrativer Akteur)
129
Nr. 25, politisch-administrativer Akteur
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In Anbetracht der großen Anzahl an Akteuren, die im weiteren Sinne mit der Planung beschäftigt waren, hätte es einer besseren Abstimmung bedurft, so ein Akteur: „(…)Und das ist so, bei so einem Projekt: das sind so viele. Und wenn die nicht gut aufeinander abgestimmt sind und nicht alle wissen, was die anderen gesagt haben und machen und tun und wollen, dann wird der Prozess sehr zäh und im Falle von der Entwicklung des Speicher II war das auch so.“ (Nr. 26, politische-administrativer Akteur)
Beteiligte merken in diesem Zusammenhang auch kritisch an, dass ihres Erachtens die Bedeutung des Projektes nicht richtig wahrgenommen worden sei und dass es deshalb während komplizierter Entwicklungsphasen nicht genügend Unterstützung gefunden habe. Im Fall der Planungs- und Entwicklungsphase des Picasso-Museum muss auf der Grundlage der Interviews festgestellt werden, dass die Darstellung in der Presse einige wichtige Fragen offen lässt, die jedoch im Zuge der Interviews beantwortet werden konnten. Eben dieser Aspekt zählt bereits zu den grundlegenden Erfolgsfaktoren des Planungsprozesses des Picasso-Museums: Den Berichten der InterviewpartnerInnen zur Folge entwickelten die Beteiligten das Konzept ganz bewusst weitestgehend fern der öffentlichen Aufmerksamkeit. So berichtet ein Interviewpartner, dass „ausgesprochen zielorientiert und verschwiegen“ geplant worden sei: „Also so richtig mit stierem Blick durch die Wand, hat er das gewollt und hat seine Partner gesucht….“ (Nr. 8, politisch-administrativer Akteur). Während in der Presse von einem dreijährigen Planungsprozess bis zur Gründung der Stiftung durch die Gruppe der Stifter die Rede ist, erklärt ein Beteiligter, dass der in der Öffentlichkeit beschriebene kurze Planungsprozess auf einem Startpunkt basiert, ab dem ein bestimmter Planungsteilnehmer in den Prozess einstieg. Dieser Teilnehmer zeichnet maßgeblich für die folgende Darstellung in der Presse verantwortlich. Im Vorfeld der Stiftungsgründung habe es jedoch eine längere Phase gegeben, in der die Finanzierungsfrage geklärt wurde. Der Initiator berichtet, er „(…) habe mit dem Sammler zusammen (…) gerungen, um das Geld zusammenzukratzen. Das hat sechseinhalb Jahre gebraucht“. (Nr. 6 politisch-administrativer Akteur). Insgesamt ist folglich von einer Initiierungs-, Planungsund Entwicklungsphase des PPP-Projektes über einen Zeitraum von sechseinhalb Jahren bis zu der Stiftungsgründung 1997 bzw. von knapp 10 Jahren bis zu der Eröffnung des Museums im Jahr 2000 auszugehen. Diese Zeit ist nach den Beteiligten durch wenige hinderliche Faktoren geprägt. Die Entwicklung der PPP wurde zunächst maßgeblich dadurch befördert, dass der Sammler und die an der Sammlung Interessierten unter Druck gestanden hätten. „Und der Druck der hieß: erstens erfuhr man mal, was das für eine interessante Sammlung war, zweitens, dass der Eigentümer verkaufsbereit war und drittens, dass es interessierte Käufer gab.“ (Nr. 25, politisch-administrativer Akteur). Provoziert von der Konkurrenz an Interessenten und von einer Aussage der Kulturstiftung NRW, Picasso gehöre nicht nach Münster, ließ sich ein Partner überzeugen, einen Anteil der erforderlichen Summe einzubringen. Um die Sparkassen der regionalen Gruppe dafür zu gewinnen, einen weiteren Anteil beizubringen, sei der Schlüssel zum Erfolg Überzeugungskraft in Verbindung mit guten Ideen zu möglichen Anreizen sowie Verhandlungsgeschickt gewesen. In der Phase der Planung, so zeigt die Auswertung, lag der Schwerpunkt zunächst auf der Frage der Finanzierung: „(…) das Oberthema war, das sag ich nicht nur, weil ich jetzt mein Leben mit Geld zubringe, es war genug Geld da“ merkt in diesem Sinne ein Akteur
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an130. Um dies zu gewährleisten, so die an der Planungsphase zu Beginn beteiligten Akteure, war es besonders wichtig, sich zuallererst auf die Suche nach finanzstarken Partnern zu machen. Dass ein Teil der Akteure recht schnell für das Projekt zu gewinnen gewesen sei, sei ein entscheidender Vorteil gewesen. Eine gewisse Risikobereitschaft sei dabei relevant gewesen. Auf den Entwicklungsprozess positiv ausgewirkt hätte sich daneben, dass es bei einigen wenigen Beteiligten geblieben sei, die jeweils recht hohe Anteile übernommen hätten. Erwähnt wird auch mehrfach, dass alle Beteiligten „begeistert“ gewesen seien von dem Projekt, also „keine Bedenkenträger“131 involviert gewesen seien. „Wir wollten das einfach“132, berichtet ein Interviewpartner. „Sie brauchen diesen Kern von Leuten, (…), die auch immer wieder Spaß haben, sich was Neues einfallen zu lassen. Sonst geht das nicht.“ (Nr. 12, Repräsentant eines quasi-öffentlichen Unternehmens). So sei die Planungsphase auch weitestgehend ohne bedeutende Interessenkonflikte verlaufen. Die Überzeugungskraft und das Engagement zweier Promotoren werden besonders herausgestellt, die die Projektentwicklung den Beteiligten gemäß maßgeblich vorantrieben. Hilfreich sei hier auch gewesen, dass zwischen den Partnern kurze Wege, informelle Kontaktmöglichkeiten und ein Vertrauensverhältnis bestanden hätten. Die verhältnismäßig konfliktfreie Abstimmung sei auch davon begünstigt gewesen, dass sie sich innerhalb „der kommunalen Familie“133 abgespielt hätte, das heißt die Finanzierung wurde im Verbund von durch Holding-Strukturen verknüpften Unternehmen geplant, die fest zusammen hielten (Nr. 6 politisch-administrativer Akteur). Die Finanzierung und Trägerschaft seien außerdem nach dem Rückzug des Landes geprägt gewesen von einem ökonomischen Modell, was laut der Beteiligten vorteilhaft gewesen sei. Als sehr förderlich bezeichnen die Akteure aus dem private-gemeinnützigen und dem quasi-öffentlichen Bereich, dass eine Beteiligung öffentlicher Partner nicht zwingend notwendig war, um das Projekt zu realisieren. Dies sei ursächlich dafür gewesen, das es gelingen konnte, die Gruppe der an Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen Beteiligten klein zu halten und den Koordinationsaufwand zu reduzieren134. Die Verhandlungsprozesse mit Vertretern der Stadt und die Kontakte mit der Bezirksregierung und der Oberlandesdirektion werden als in vorteilhafter Weise unkompliziert und hilfreich bezeichnet. Von Vertretern aus dem öffentlichen Bereich hätten die Beteiligten vielmehr in sehr effektiver Art Unterstützung erhalten, etwa hinsichtlich des Denkmalschutzes, bei der Baugenehmigung und bei planungsrechtlichen Fragen. Dies wird als sehr förderlich wahrgenommen. Nicht zuletzt wird auch ein positives Timing erwähnt, das auch mit einer Reihe von Zufälligkeiten einher ging, die es ermöglicht hätten, dass die Planung und Entwicklung reibungslos funktionierte. So sei auch „Die Gunst der Stunde“135 genutzt worden. Als hinderlich im Zuge des Planungsprozesses wird die Verhandlung mit dem Land angesehen, die recht langwierig und letztlich auch nicht gewinnbringend gewesen sei. Einfach sei es auch nicht gewesen, das Projekt in dem kleinen Kreis zu planen und zu entwi130
Nr. 12, Repräsentant eines quasi-öffentlichen Unternehmens Nr. 6, gemeinnütziger Akteur 132 Nr. 12, Repräsentant eines quasi-öffentlichen Unternehmens 133 Nr. 6, gemeinnütziger Akteur 134 „Extrem wichtig war, dass wir keine öffentlichen Gelder brauchten, dass es also (…) nirgendwo auf kommunaler Ebene oder auf Landesebene, auf Bundesebene parlamentarischer Beratung bedurft hat, ob man denn nun für dieses Projekt Geld (…) hat oder nicht. Weil sobald sie das machen, in diese politische Mechanik einsteigen, da haben Sie dann natürlich jede Menge Leute, die mitreden (…). Dann ist das Tempo raus. Das ist natürlich ein Element von Demokratie, das ist natürlich nicht per se schlecht, aber (…) dann zeiht sich das hin“. (Nr. 12, Repräsentant eines quasi-öffentlichen Unternehmens) 135 Nr. 6, gemeinnütziger Akteur 131
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ckeln, also eine Ausgrenzung nach außen vorzunehmen. Außerdem berichten die Befragtem, es hätte ihnen an Kenntnis hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen, die mit dem Schutz des Namens Picasso durch dessen Erben zusammen hingen, gefehlt. Hier wären komplizierte Abstimmungsprozesse notwendig gewesen und es hätte zunächst einmal ein Vertrauensverhältnis hergestellt werden müssen, was jedoch letztlich gelingen konnte. 3.3.3.3 Fazit Mit Hilfe der Verdichtung und Strukturierung des Interviewmaterials und der Bildung von Kategorien konnten Einflussfaktoren auf den Planungsprozess identifiziert werden, die sich als förderlich oder hinderlich für die Entwicklung der jeweiligen Vorhaben in öffentlichprivater Partnerschaft darstellten. Insgesamt zeigt sich, dass die Akteure in einigen wesentlichen Punkten überein kommen, die sie als besonders relevant erachten. Dazu zählen solche Faktoren, die die dazu führen, dass sich die Beteiligten in Verhandlungsprozesse einigen können, die meist Gefahr laufen, langwierig zu sein. Im Allgemeinen werden Kommunikationsprozessen, darunter insbesondere die gegenseitige Abstimmung, mit möglichst geringem Aufwand, kurzen Wegen und vertrauensvollen Partnern als wichtig erachtet. Auch Expertise, deren Vermittlung und Austausch nimmt bei allen Vorhaben einen hohen Stellenwert ein. Des Weiteren haben zentrale Eigenschaften der Partner eine Relevanz: Ein gewisses Maß an Risikobereitschaft ist nach den Beteiligten bei jedem der Projekte in der Planungsphase erforderlich. Die Überzeugung aller Partner von dem Projektziel und ein hohes Engagement bezeichnen sie als zentral. Hierfür ist es hilfreich, wenn sich ein Akteur oder eine kleine Gruppe von Akteuren als „Zugpferde“ oder Promotoren einbringen. An erster Stelle steht jedoch für jedes Projekt, die zentralen Fragen nach den Finanzierungswegen zu beantworten, die sich stets kompliziert darstellen und nach kreativen Lösungen verlangen. 3.3.4 Prägende Faktoren auf der Ebene der Institutionen Institutionen – als Regelsysteme, tradierte Werte und Normen (also nicht im Sinne von korporativen Akteuren) – werden in der sozialwissenschaftlichen, institutionalistischen Forschung eine hohe Bedeutung zugeschrieben. Im Zusammenhang mit der vorliegenden Fallanalyse kann und soll dieser Faktor nicht im Vordergrund stehen, da der Hauptfokus ein anderer ist: Institutionen stellen in der hier angewandten Methode und entsprechend des Analysemodells, das im Kapitel zum Untersuchungsdesign zu Grunde gelegt wurde, Regelungsaspekte für soziale Interaktionen dar (vgl. Mayntz /Scharpf 1995a; Schneider /Janning 2006). Angemerkt werden soll an dieser Stelle gleichwohl, dass auf der Basis der Fallstudien offensichtlich wird, dass dem institutionellen Kontext eine rahmende Rolle zukommt. Solche Faktoren auf der Ebene der Institutionen stellen beispielsweise sozioökonomische und ökonomische Kontextfaktoren – Rahmenbedingungen, die bereits an früherer Stelle Eingang in diese Studie fanden: Im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Fallauswahl im Methodenkapitel sowie im Zuge des Kapitels zu Rahmenbedingungen der Kulturfinanzierung wurden relevante Bezüge skizziert. Auch in der Diskussion der förderlichen und restringierenden Faktoren spiegeln sie sich wieder, etwa in der Debatte über den Haushalt. Der Einfluss der Institutionen aus der Perspektive der Interviewpartner soll im Folgenden anhand zweier Beispiele, und somit ohne Anspruch auf Vollständigkeit, skizziert werden. 244
Eingegangen wird auf einen territorialen Aspekt sowie auf einen Aspekt der politischen Kultur. Auf der Makroeben der Institutionen ist für alle drei Projekte in der Entwicklungsphase ihre Einbettung in eine spezifische lokale Ebene rahmengebend und prägend gewesen. Dieser Aspekt bezieht sich auf die Lokalisierung Münsters als Oberzentrum für die engere Region des Münsterlandes und innerhalb Westfalens auf der einen Seite und als Teil Nordrhein-Westfalens auf der anderen Seite. Auch wenn die Fallstudien auf ein und derselben lokalen Ebene angesiedelt sind, spielt dieser Faktor doch bei jeder der drei Projektentwicklungen eine etwas unterschiedliche Rolle. Die Musikhallen-Projektentwicklung, als Teil des größeren „Kulturforum Westfalen“, ist im Untersuchungszeitraum insbesondere geprägt durch die traditionell vorhandene Befürchtung, die Region würde gegenüber dem rheinischen Teil Nordrhein-Westfalens von Landesseite konsequent benachteiligt werden. Somit ist auch das Versprechen des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, das Kulturforum Westfalen über die Bereitstellung von Mitteln durch den LWL, jedoch insbesondere durch die Bereitstellung eines Grundstückes, nicht nur von großer materieller sondern auch von hoher symbolischer Bedeutung. Die Positionierung des Landes nimmt deshalb als symbolische Politik einen wesentlichen Motor im Entwicklungsprozess der Maßnahme ein. Sie bindet die Beteiligten auch an ein Konzept, von dem eigentlich keiner der lokalen Akteure wirklich überzeugt ist und hat insofern eine sehr hohe Prägekraft. Sie ist Mitverantwortlich für eine Dynamik, die für das Projekt im Entwicklungsprozess zum einen sehr förderlich war. Zum anderen ist sie jedoch auch mitverantwortlich für das Scheitern des Projektes. Anders stellt sich das institutionelle Framing durch lokale Faktoren im Rahmen des Picasso-Museums dar. Die Beteiligung des Landes NRW ist hier, materiell betrachtet, hilfreich und unterstützend, ermöglicht bestimmte Maßnahmen innerhalb des Projektes, stellt jedoch keine absolut notwendige Bedingung dar, um die kulturelle Leistung zu realisieren. Jedoch beeinflusst auch hier eine Symbolik die Entscheidung des Landes, sich einzubringen, die mit dem oben beschriebenen Einflussfaktor vergleichbar ist. Diese Symbolik prägt des Weiteren auch die beteiligten Akteure darin, an der Realisierung mitzuwirken. Der erste Punkt ist folgender Maßen zu erklären: Das Angebot der Mitfinanzierung durch das Land wird in eine Wahlkampfstrategie eingebunden, mit dem Ansinnen, aufzuzeigen, dass das Land NRW sich für Westfalen einsetzt. Es wird zudem von lokalen Akteuren berichtet, dass im Zuge der Realisierung Stimmen aus dem rheinischen Teil Nordrhein-Westfalens laut werden, die äußern, dass ein Picasso-Museum eigentlich nach Düsseldorf, in die Landeshauptstadt gehöre (Nr. 7, politisch-administrativer Akteur). Hier wird, neben weiteren Akteuren, etwa aus dem Saarland, insbesondere die Kulturstiftung des Landes NordrheinWestfalen als mögliche Interessentin an der Sammlung genannt: „Denn die Kulturstiftung des Landes Nordrhein-Westfalen, die sich eigentlich auch hätte einschalten sollen, die meinte, das gehöre nicht nach Münster, das gehöre mindestens nach Düsseldorf“ (Nr. 25, politisch-administrativer Akteur).
So stehen der Stolz und die Freude über die erfolgreiche Realisierung und der besondere Einsatz bei einigen Beteiligten auch in Verbindung damit, dass das Museum als gesamtwestfälisches Projekt im weiteren Sinne wahrgenommen wird und Münster hierdurch einen Steigerung von Attraktivität sowie eine überregionale Wahrnehmung erfährt. Angenommen werden kann, dass dieser Faktor zwar keinen direkten Motor der Projektentwicklung darstellte, dass er jedoch durchaus rahmensetzend wirkte. Angezeigt wird die sowohl bei loka245
len politisch-administrativen Akteuren, die kurze Verwaltungswege ermöglichten, als auch bei Finanzierungspartnern, an deren regionalen Unternehmensbezug damit angeknüpft werden konnte und die mit Hilfe der Projektsymbolik auf ein Bedürfnis ihrer Kunden und Partner nach einer spezifisch-lokalen Geltung antworten konnten. Auch bei der Entwicklung der Ausstellungshalle stellt der lokale Kontext eine relevante Rahmenbedingung dar. Zum einen wurde mit dem Investor ein Akteur gewonnen, dessen Engagement zu einem relevanten Anteil auf seiner Heimatliebe, seiner lokalen Eingebundenheit und seinem Stolz auf die Stadt basiert – und damit auf einem starken lokalen Motiv. Zum zweiten beruht die Finanzierung auf einem Konzept, das auf den lokalen Spezifika des Kunstbereichs aufbaut und das auch eine bedeutende Komponente regionaler Förderung der Künste einbezieht. Zum dritten ist der partnerschaftliche Charakter der Realisierungsleistung auch auf eine Strategie des Landes zurückzuführen, das explizit den Einbezug privater Partner in ein Modell einer PPP förderte und initiierte. Dass eine PPP entstanden ist, ist zu einem wesentlichen Anteil auf das Interesse des Ministeriums zurück zu führen, welches Mittel aus dem Bereich der Städtebauförderung und seine Präferenz für einen privaten Bauherren einbrachte. Dadurch wurde der Form ein prägender Rahmen gesetzt. Bei allen drei Projekten wird von verschiedenen InterviewpartnerInnen und bezogen auf unterschiedliche Zusammenhänge immer wieder darauf hingewiesen, dass eine spezifische „westfälische Mentalität“ mitbestimmend und im Entwicklungsprozess sehr dominant sei. Die normativen Aussagen sind auf einer imaginären Skala auf zwei Extremwerten zu verorten; sie changieren zwischen absolut negativen und absolut positiven Zuweisungen einer Art von „politisch-gesellschaftlicher Kultur“136. Deren Interpretation beruht auf historischen Entwicklungspfaden und steht in Verbindung mit tradierten Werten, Regeln und Normen. Ein solcher Einflussfaktor lässt sich gleichwohl schlecht messen und ist sicherlich auch mit Vorsicht zu behandeln, möchte man eine ungenaue Schlussfolgerung vermeiden. In dieser Arbeit kann dem deshalb nicht vollständig nachgegangen werden. Nicht unerwähnt bleiben soll allerdings, welche charakteristischen Eigenschaften im Sinne einer politisch-gesellschaftlichen Kultur hier gemäß der Hinweise zum Tragen kommen könnten. So wird in einem positiven Sinne immer wieder unterstrichen, dass Teil der „spezifischen Mentalität“ ein ausgeprägter Bürgersinn sei, der sich in einem starken bürgerschaftlichen Engagement im Sinne eines Einsetzens für die eigene Stadt manifestiere. Als Indikator hierfür gilt beispielsweise der tatkräftige Einsatz der Bürgerschaft beim Wiederaufbau der Stadt nach dem Krieg, bei dem insbesondere der Verein der Kaufmannschaft eine hervorgehobene Rolle spielte. Weite Teile des zerstörten Stadtzentrums, des Prinzipalmarktes hätten Bürger der Stadt mit den eigenen Händen und in gemeinsamer Koordination wieder aufgebaut, so wird in diesem Zusammenhang berichtet. Auch das Engagement im Zuge der Kulturhauptstadtbewerbung der Stadt Münster, bei der durch eine städtische Kampagne breite Teile der Bevölkerung für kulturelle Themen mobilisiert werden konnten, werden als Indiz für eine solche Engagement-Kultur im weiteren Sinne ins Feld geführt. Nicht zuletzt wird auch die außerordentlich rege Beteiligung bei dem Volksentscheid zur Musikhalle im Jahr 2008 in die Reihe dieser Indikatoren aufgenommen. Auch negative Effekte einer institutionalisierten, politisch-gesellschaftlichen Kultur werden von InterviewpartnerInnen als bedeutend empfunden. So beziehen sich Akteure etwa auf den langsamen Aushandlungsprozess und eine mangelnde Bereitschaft oder Fähigkeit, sich mit Überzeugung festzulegen und etwas zu wagen. Vermutet wird, dass durch 136
An dieser Stelle wird Kultur im weiteren Sinne verstanden, s. hierzu Kapitel 3.1
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das langwierige Diskutieren über potentielle Stolpersteine, durch eine Unfähigkeit, sich grundsätzlich auf das Projekt bejahend festzulegen, Impulse im Keim erstickt und Zweifel und Unsicherheiten stets auf ein Neues genährt würden. Vor dem Hintergrund, dass Münster und seine Bürger ökonomisch besser dastünden als andere Städte, die jedoch zugleich größere Erfolge bei der Überzeugungsleistung von Beteiligten und der Öffentlichkeit hinsichtlich einer Realisierung von Großprojekten aufzuweisen hätten, wird diese Eigenschaft als mangelnde Risikobereitschaft und unzureichende Fähigkeit zur Bekenntnis zu einem von Unsicherheiten geprägten Projekt eingeschätzt: „Irgendwie muss das mit der westfälischen Mentalität zusammen hängen (…) Es ist so ein bisschen so, wie sich die Sonne nicht traut, in Münster zu scheinen. (…). Aber da fehlt einfach die Begeisterung in den Bereichen oder die Überzeugungskraft, dass man sagt, ok, Münster leistet sich ein Kulturforum (…) und wir kriegen das gebacken.“ (Nr. 28, Repräsentant einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung).
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Teil III: Zusammenfassung, Fazit, Ausblick
Nach Abschluss des empirischen Teils der Untersuchung ist nun die Zeit für eine Zusammenfassung, Reflektion und Diskussion der Hauptergebnisse dieser Arbeit gekommen. Ziel dieser Studie ist, öffentlich-private Partnerschaften auf lokaler Ebene aus einer politik- und verwaltungswissenschaftlichen Perspektive und ausgehend von einem möglichst offenen Zugang zum Forschungsfeld zu untersuchen. Der explorative Ansatz soll ermöglichen, neue Aspekte des in der deutschen Politikwissenschaft noch verhältnismäßig jungen Forschungsfeldes in den Blick zu nehmen. Durch die anfängliche Orientierung an einer weiten Forschungsfrage, die im Sinne einer Leitfrage für die Strukturierung und Bearbeitung des Forschungsstandes formuliert wurde, konnten im Verlauf des Untersuchungsprozesses bislang vernachlässigte Aspekte herausgearbeitet werden. In diesem resümierenden, abschließenden und ausblickenden Teil werden zunächst die Besonderheiten der Untersuchungsanlage sowie daraus resultierende generelle Ergebnisse zusammengefasst (Kapitel 1). Daraufhin wird auf die Eingrenzung des Untersuchungsziels durch die Rezeption der für die politik- und verwaltungswissenschaftlichen Forschung zu Public Private Partnerships relevanten Fachdebatten im Kontext lokaler Steuerung und Governance zurück geblickt und die Schwerpunktsetzung dieser Studie begründet. (Kapitel 2). Orientiert an diesem Rahmen werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung besprochen (Kapitel 3). Das Kapitel schließt mit einem Fazit (Kapitel 4), in dem an die Anfangs differenzierten Annahmen angeschlossen, ein Ausblick auf transferfähige Desiderate vorgenommen sowie auf mögliche Fragen eingegangen wird, die die zukünftigen Forschung und politische Praxis leiten können. 1. Rekapitulation: Anlage der Untersuchung Ausgangspunkt der Untersuchung war die starke politische Thematisierung von PPPs in der jüngeren deutschen fachöffentlichen Debatte. Öffentlich-private Partnerschaften werden danach als auch künftig zu fördernde und auf lokaler Ebene zu implementierende Konstrukte weitestgehend positiv konnotiert. Es erheben sich gleichwohl auch Stimmen, die vor einer strategischen Initiierung und Weiterentwicklung von PPP-Konzepten warnen und diese kritisch evaluieren. Aktuelle Studien belegen indes – dies zeigte die Beschäftigung mit dem Forschungsstand zur Entwicklung und Verbreitung von PPPs im Zuge der ersten Kapitel dieser Arbeit – die hiesige Prävalenz des ursprünglich in der angelsächsischen Kommunalpolitik entwickelten Konzepts. Sie stellen fest, dass PPPs auch in Deutschland seit den 1990er Jahren an Häufigkeit zunehmen. Seit der Jahrtausendwende ist von einem starken Entwicklungsschub auf kommunaler Ebene zu sprechen. Insbesondere in Großstädten werden PPPs derzeit in zunehmendem Ausmaß umgesetzt. Die Entwicklung geht Detlef Sack zufolge in Richtung einer Institutionalisierung von PPPs (Sack 2007a). Die Lage stellt sich je nach Politikfeld unterschiedlich dar. Insgesamt lässt sich jedoch eine quantitative Bedeutungszunahme feststellen. Im Kulturbereich werden PPPs zwar zunehmen debattiert, ihr quantitatives Ausmaß 248 L. Schwalb, Kreative Governance?, DOI 10.1007/978-3-531-92851-7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
ist zum Zeitpunkt der letzten umfassenden Erhebung aber noch geringer als in anderen Politikfeldern. Angenommen wird eine zukünftige Zunahme der Umsetzung kultureller PPP-Projekte sowie partnerschaftlich initiierter und/oder geführter Kulturinstitutionen. Ein insbesondere in der politischen Praxis unklar genutzter Begriff, ein vages Begriffsverständnis sowie unterschiedliche Typen und Erscheinungsformen von PPPs führen zu einer unscharfen Debatte (Teil I, Kapitel 2). Die sozialwissenschaftliche Forschung hat zugunsten einer Klärung an dem Begriffsverständnis gearbeitet, Kennzeichen herausgestellt und verschiedene Erscheinungsformen und Idealtypen differenziert. In dieser Arbeit wird besonders unterstrichen, dass PPPs im Vergleich zu weiteren Kooperationsarten durch die Verbindung mit einer Steuerungsabsicht zu charakterisieren sind. Ein wesentlicher Aspekt der PPP ist damit ihre strategisch-politische Komponente. Politik- und verwaltungswissenschaftliche Ansätze reagieren im Zusammenhang mit Fragen nach der Regelung und Koordinierung gesellschaftlicher Zusammenhänge auf das Phänomen der öffentlich-privaten Partnerschaften mit verschiedenen Schwerpunktsetzungen. Dabei differieren ihre Annahmen hinsichtlich der Rolle, der Funktionsweise und der Wirkungen von PPPs. Identifiziert wurden in Kapitel 3 des ersten Teils drei Interpretationslinien der aktuellen Auseinandersetzung: Die Perspektive auf PPPs als effizientem Steuerungsinstrument wurde von der Perspektive auf PPPs als Governance-Arrangement und derjenigen im Kontext von Privatisierung unterschieden. Es wurde aufgezeigt, dass die Fachdebatte Kategorien von Macht und Einfluss zwar thematisiert, in empirischen Untersuchungen jedoch vernachlässigt. Herausgearbeitet wurde ferner, dass Aspekte im Kontext lokaler Entscheidungsprozesse und –Strukturen, die eine Umsetzung von PPPs in Städten und Kommunen flankieren, eines genaueren Blickes bedürfen. Deshalb wurde der Anschluss zur Perspektive der angelsächsischen Tradition der community power Forschung hergestellt und damit eine vierte Interpretationsweise eröffnet, die PPPs als Ausdruck der Akteursvielfalt und von Einflusskonstellationen betrachtet. Bezugnehmend auf die aktuellen fachwissenschaftlichen Debatten wurde der Untersuchungsschwerpunkt der vorliegenden Studie in das Feld der Auseinandersetzung mit Fragen der Steuerung, Koordinierung und Regelung gesellschaftlicher Aufgaben und Leistungen eingeordnet. Aus den in Kapitel 3 des ersten Teils identifizierten Debattensträngen konnten Forschungslücken und Erfordernisse für eine Fallstudienanalyse herausgearbeitet werden, die die empirische Untersuchung in Teil II rahmen und die in diesem Zusammenhang auch begründet wurden. Zu verstehen ist die Untersuchungsanlage als ein Beitrag zum Forschungsfeld der lokalen Politik und Steuerung in Städten und Gemeinden. Angegangen wird ferner der Kritikpunkt der Machtblindheit der Governance-Debatte. Durch den Anschluss an die empirischen Studienergebnisse der community power-Forschung, deren empirisch gehaltvollen Umgang mit den Kategorien Macht und Einfluss und durch die methodische Umsetzung durch einen integrierenden Ansatz mit qualitativen und quantitativ-netzwerkanalytischen Methoden wurde eine Konzentration auf Inputprozesse und deren Folgen gelegt und eine Analyse von Entscheidungsstrukturen, Akteurskonstellationen und Entscheidungsprozessen vorgenommen. Ein Schwerpunkt wird damit hinsichtlich der Thematiken der Interdependenz und Dynamik gelegt. Außerdem kann auch der Fall des Scheiterns der Realisierung von Projekten einbezogen werden. Im Rahmen der Fallstudien wurde zudem das Ziel verfolgt, Aussagen zu dem bisher in politik- und verwaltungswissenschaftlichen Studien unterrepräsentierten und in Untersuchungen zu PPPs weitestgehend ausgeblendeten Politikfeld Kunst und Kul249
tur treffen zu können. Damit kann auch die Auseinandersetzung mit der Regelung und Koordinierung im Bereich der freiwilligen Aufgaben im weiteren Sinne befruchtet werden. Ein weiteres Erfordernis, das sich aus den theoretischen Debatten ableiten ließ, bezieht sich auf die Berücksichtigung der Rolle des Bürgerschaftlichen Engagements und gemeinnütziger Organisationen im Zusammenhang mit PPPs. Die Anlage der empirischen Untersuchung in Teil II folgte diesen Ansprüchen. Mit Teil II dieser Arbeit wurde das Ziel verfolgt, anhand von Fallstudien im Politikfeld Kultur Planungs- und Entwicklungsphasen von öffentlich-privaten Partnerschaften auf der lokalen Ebene zu untersuchen. Als aktuelle Ausprägungen eines Phänomens, das in fachöffentlichen Debatten zwar weitgehend in dem Ruf steht, sehr gewinnbringend und chancenreich zu sein, das gerade bei Akteuren des Politikfeldes Kultur jedoch sehr widersprüchliche Reaktionen hervorruft, sollten sie einer Analyse unterzogen werden, die sich auf die mit ihnen verbundenen Strukturen und Prozesse, beteiligten Akteure, deren handlungsleitenden Motive und Ressourcen sowie auf mit ihrer Entwicklung verbundene Konflikte bezieht. Auf die Zweckmäßigkeit eines Fallstudiendesigns, das in Teil II der Arbeit angelegt wurde, verweisen ferner mehrere Sachverhalte: Die Steuerung und Koordinierung im Zusammenhang mit der öffentlich-privaten Zusammenarbeit in PPPs im Kulturbereich auf lokaler Ebene wurde bislang empirisch wenig untersucht und ist deshalb schlecht durch idealisierte Hypothesen überprüfbar. Die Sachverhalte sind im lokalen Kulturbereich hochaktuell und bisher wenig standardisiert und formalisiert. Anschließend an die in Teil I angeführten Annahmen zeigt sich, dass in dem Untersuchungsfeld auch qualitative und subjektive Sachverhalte eine bedeutende Rolle spielen. Handlungszusammenhänge und Strukturen der Zusammenarbeit können nicht isoliert betrachtet werden. Phänomene auf der Makroebene – wie etwa die strukturellen Rahmenbedingungen – sowie mikropolitische Sachverhalte im lokalen Kulturbereich und sich anschließenden lokalen Themengebieten sind einzubeziehen. Zwischen dem Phänomen und dem Kontext kooperativer Arrangements existieren unscharfen Grenzen. Neben der Integration über Ebenen hinweg wurde auch die Notwendigkeit eines Einbezugs verschiedener Methoden festgestellt. Anwendung fand die Methode der Presse- und Dokumentenanalyse, die qualitative Inhaltsanalyse und die quantitative Netzwerkanalyse. Durch die Integration sollte über rein individuelle und über rein strukturell-institutionelle Erklärungen hinausgegangen werden. Dynamiken, Akteurkonstellationen, Interessen und Wirkungen wurden auf diese Weise erfasst und analysiert. Drei Vorhaben konnten im Politikfeld Kultur auf der betreffenden lokalen Ebene identifiziert werden, die nach der zu Grunde gelegten Definition als PPPs bezeichnet werden konnten. Die Strukturen und Prozesse lokaler Steuerung und Koordinierung unter Mitwirkung von Akteuren des öffentlichen, des privat-gemeinnützigen und des privatwirtschaftlichen Bereichs wurden am Beispiel dieser Fälle in Teil II, Kapitel 3 untersucht: Der Planungs- und Entwicklungsprozess der Musikhalle bietet die Möglichkeit, einen sehr gut dokumentierten, komplexen Steuerungsversuch zu analysieren, dem schließlich durch einen Bürgerentscheid ein Ende gesetzt wurde. Mit den Fallstudien zum „Picasso-Museum“ und der „Ausstellungshalle“ werden zwei bereits umgesetzte Projekte analysiert. Bei allen drei Fällen stehen Hintergründe, Entwicklungsphasen und Rahmenbedingungen der Projektrealisierung, Ziele und Motive von Beteiligten sowie die Interpretationen der Beteiligten darüber, was die Projektplanung beförderte und behinderte, im Mittelpunkt des Interesses. Am Beispiel des Musikhallenplanungsprozesses konnte außerdem durch die Erhebung von strukturell-relationalen Daten und deren netzwerkanalytischer Auswertung Rückschlüsse 250
auf die Verbindungen zwischen den Akteuren, ihre Einflussstrukturen und Konstellationen bei der Zusammenarbeit gezogen werden. Rahmende Faktoren für das Politikfeld Kultur wurden durch die Erarbeitung der grundlegenden Rahmenbedingungen der Kulturfinanzierung in Kapitel 2 des zweiten Teils berücksichtigt. Die Möglichkeiten, Grenzen und Auswirkungen der politischen Steuerung wurden des Weiteren durch die jeweiligen, „äußerlichen“ Fallspezifika geprägt und durch ihre Darstellung in der Öffentlichkeit. Diese Perspektive wurde im Zuge der Analyse der Presseberichte und Dokumente eingenommen. Die Netzwerkanalyse ermöglichte eine Perspektive auf die strukturellen und relationalen Bedingungen lokaler PPPs auf der Ebene der Organisationen. Schließlich wurden die Interpretationen der Akteure einbezogen, die in einer inhaltsanalytischen Auswertung der Ziele, Interessen und der für die Planungsprozesse befördernden und restringierenden Einflussfaktoren zum Ausdruck kommen. Die Interviews werden nicht zuletzt auch als Schlüssel zur Interpretation der informellen Beziehungsstrukturen betrachtet, und damit als grundlegend für ein Verständnis des Handelns der Akteure und des Outputs im Politikprozess 2. Rahmung: Theoretische Anschlussfähigkeit Aus einer ersten Perspektive werden PPPs schwerpunktmäßig als effizientes Steuerungsinstrument mit dem zentralen Merkmal der kooperativ-wettbewerbsorientierten Handlungslogik betrachtet. Zum Zweck der Lösung öffentlicher Probleme sollen sie auch für Aufgabenbereiche in Betracht gezogen werden, die in deutschen Kommunen zuvor traditionell von der öffentlichen Hand übernommen werden. Ihre Funktion liegt gemäß dieser Modernisierungsperspektive darin, die Effizienz öffentlicher Dienstleistungen im ökonomischen Sinne zu steigern, die Haushalte zu entlasten und damit auch den Investitionsanforderungen auf lokaler Ebene zu entsprechen. PPPs wird damit eine effizienz- bzw. marktorientierte Bedeutung zugeschrieben. Von öffentlichen Akteuren wird erwartet, dass sie zu diesem Zweck die Rolle als Planer und Koordinatoren übernehmen. Privatwirtschaftliche Unternehmen werden als relevante Partner betrachtet, die in die öffentliche Leistungserbringung zunehmend eingebunden werden. Dem privat-gemeinnützigen Bereich mit seinen korporativen Akteuren sowie dem bürgerschaftlichen Engagement zollt die Public ManagementPerspektive weniger Beachtung. Bestenfalls findet er Eingang, indem seine Akteure mit der Funktion in Verbindung gebracht werden, den öffentlichen Bereich finanziell zu entlasten, indem durch sie vormals öffentliche Dienstleistungen nun privat erbracht werden. Während andere Ansätze dem gemeinnützigen Bereich beispielsweise partizipative und integrative Elemente zuschreiben und damit seine eigenständige Bedeutung unterstreichen, stellen sie aus der Sichtweise auf PPPs als politisch-administrative Steuerungsinstrumente keine oder nur eine untergeordnete Rolle dar. An diesem Punkt vermag die Governance-Forschung anzuknüpfen. Die von der lokalen Politikforschung erst jüngst entdeckte Perspektive der Governance setzt einen anderen Schwerpunkt als die zuvor skizzierte effizienzorientierte New Public Management-Perspektive: Im Zentrum der Überlegungen zu PPPs als GovernacneArrangements steht nicht die an den Interessen der staatlichen Akteure ausgerichtete Lösung. Das zentrale Charakteristikum liegt vielmehr in dem Blick auf die Koordination der unterschiedlichen Interessen der interagierenden öffentlichen, privatwirtschaftlichen und privatgemeinnützigen Akteure sowie auf das Verhältnis zwischen den Interessen, Interaktionen und Strukturen. Als ein spezifisches Governance-Arrangement sind PPPs durch Va251
riationen lokaler Ressourcen, Regelungsmechanismen und Handlungslogiken gekennzeichnet. Unterstellt wird, dass Mischungen unterschiedlicher Ressourcen, Handlungslogiken und Regelungsmechanismen durch die entsprechende Koppelung, problemadäquat eingesetzt, zu einer Effektivierung der Problemlösung und einer qualitativen Verbesserung der Leistungserbringung im öffentlichen Interesse führen. Je nach Problemzusammenhang, den Spezifika auf der betreffenden lokalen Ebene und den Rahmenbedingungen, etwa in einem betreffenden Politikfeld, ist dabei von unterschiedlichen Voraussetzungen auszugehen. Positive Nebenprodukte der Interaktion der beteiligten Akteure und ihrer Auseinandersetzung mit den jeweils spezifischen Zielen, Routinen und Normen der Partner sind Lernprozesse und die Freisetzung von Kreativität und Innovation. Angenommen wird ferner, dass durch „weiche“ Steuerungsstrukturen Vertrauens- und Solidaritätsbeziehungen entstehen, die sich aus demokratietheoretischer Sicht positiv auf die Legitimität politischer Strukturen, Prozesse und Inhalte auswirken und in Folge zur gesellschaftlichen Integration beitragen können. Die aktuelle Diskussion im Zusammenhang mit PPPs aus der GovernancePerspektive kreist um Fragen der Interdependenzbewältigung, der Accountability und der Legitimität. Während aus der Governance-Perspektive durch ein entsprechendes Mischverhältnis die PPP idealtypisch für eine Form politischer Steuerung „von oben“ unter Beteiligung privatwirtschaftlicher Ressourcen und wirtschaftlichen Knowhows mit bedeutenden Elementen basisnaher Partizipation stehen kann, ist aus der Sicht des dritten besprochenen Debattenstrangs Partizipation in PPPs kaum möglich und relevant. Werden PPPs im Kontext von Privatisierung besprochen, bilden sie in erster Linie das Verhältnis zwischen dem öffentlichen und dem privatwirtschaftlichen Sektor ab. Der Schwerpunkt liegt dann auf einer zunehmenden Dominanz der Wirtschaft in öffentlichen Aufgaben moderner, kapitalistischer Gesellschaften. Charakteristisch ist eine Interpretation der PPP als Repräsentantin einer Kommerzialisierungstendenz öffentlicher Güter und des zunehmenden Einbezugs privater, wirtschaftlicher Partner in öffentliche Aufgabenstellungen. Dabei sind verschiedene Auslegungen zu identifizieren, die die PPP entweder symbolisch für Privatisierungstendenzen, als ein Übergangsstadium zur vollständigen Privatisierung oder als ein Element der Privatisierung betrachten. Bei den meisten Vertretern der Betrachtungsweise von PPPs im Kontext von Privatisierung ist ein normativ-kritischer Bias zu erkennen. Es existieren jedoch auch deskriptiv-analytische Ansätze im Spektrum der Privatisierungsthesen. Alle Ansätze dieses Strangs analysieren die Rolle von PPPs vor dem Hintergrund eines Wandels der Arbeitsweise der öffentlichen Hand, in deren Rahmen sich die öffentliche Einflussnahme wandelt, der Staat sich auf eine Aufsichtsfunktion zurückzieht, während zunehmend private Partner öffentliche Themen mit gestalten und auf sie Einfluss nehmen. Aspekte der Einflussnahme und/ oder Macht werden nicht nur durch die Ansätze im Zusammenhang mit der Privatisierungsthese berührt. So wird im Zuge der GovernanceDebatte aktuell vermehrt darauf hingewiesen, dass Aspekte der Macht in der aktuellen Debatte um die Steuerung und Koordinierung öffentlicher Aufgaben eine zu geringe Aufmerksamkeit erfahren. Aufbauend auf diesem Kritikpunkt wird in der vorliegenden Studie für die lokale Politikebene der Anschluss hergestellt zu einer Untersuchungsanlage, Methode sowie einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit Aspekten der Macht, des Einflusses und der Frage danach, wie Entscheidungen durchgesetzt und öffentliche Aufgaben geregelt werden. In Anschluss an organisationstheoretische Ansätze liegen Machtungleichgewichte in unterschiedlichen Zugängen zu Ressourcen in den Organisationsumwelten begründet. Macht wird folglich als Struktur gefasst. Mit diesem Gedanken wird die Verbindung zu den empi252
rischen Studien hergestellt, die Mächtekonstellationen auf lokaler Ebene in den Blick nehmen, Macht operationalisieren und ihre Strukturen sichtbar machen. In diesem Zusammenhang wird auf einen angelsächsischen Zweig der lokalen Politikforschung in den 1950er und 1960er Jahren rekurriert, der sich mit Machtkonzepten und ihrer Operationalisierung für Untersuchungen von Stadtgemeinschaften und –Gemeinden beschäftigt. Die Möglichkeit, an ein Repertoire von Debatten, Methoden und theoretischen Ansätzen zur empirischen Untersuchung lokaler Macht- und Regelungsstrukturen anschließen zu können, ist in erster Linie ein Verdienst der community power-Forschung; sie bleibt in aktuellen Studien jedoch bislang weitgehend ungenutzt. Der Denktradition folgend werden in der vierten der in Teil I dargestellten Annahmen PPPs als Ausdruck der Akteursvielfalt und von Mächtekonstellationen bei der Steuerung und der Partizipation in „Community Power Structures“ auf lokaler Ebene interpretiert. Für die empirische Untersuchung in Teil II wird herausgearbeitet, dass für eine adäquate Erfassung von PPPs eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Regelungs- und Einflussstrukturen der beteiligten Akteursgruppen angezeigt ist. 3. Ergebnisse der empirischen Untersuchung Der öffentliche Diskurs Ein erstes Ergebnis der Vorstudie der empirischen Untersuchung bestand darin, dass auf der zu untersuchenden lokalen Ebene drei kooperative Arrangements im Kulturbereich identifiziert werden konnten, die den durch die Literaturrezeption erarbeiteten Charakteristika von PPPs entsprechen. Die Aufarbeitung der Rahmenbedingungen und Entwicklungslinien dieser drei Kooperationsvorhaben mit Hilfe einer Durchsicht der Presse und öffentlicher Dokumente beförderter zu Tage, dass die drei den Vorhaben zuzuordnenden Prozesse unterschiedlich stark in der Öffentlichkeit rezipiert wurden (s. Teil II, Kapitel 3.1). Auf der Grundlage einer systematischen Auswertung von Pressebeiträgen und Dokumenten für den Zeitraum zwischen 2001 bis 2005 wurde außerdem untersucht, welche PPP-Konzepte hinter den Projekten stehen und welche Akteure sich an der Planung und Entwicklung der drei PPPs beteiligen. Bei der Auswertung wurde ein Schwerpunkt auf die Phase des Lebenszyklus von PPPs gelegt, in der die Entscheidungen fallen, die eine Realisierung letztlich grundsätzlich befördern oder verhindern können und die strukturelle Voraussetzungen einer PPP prägen. Die Überlegung, die dahinter stand, war, dass in dieser „Vorbereitungs- und Verhandlungsphase“ der PPP die Konstruktionsbedingungen und die Gestalt der PPP festgelegt werden. Damit wird auch die Art der zukünftigen Zusammenarbeit der beteiligten Akteure geprägt. Unterschiedliche Positionen der Akteure gegenüber den Projekten lassen sich in dieser Phase identifizieren und Aushandlungsprozesse nachvollziehen. Die Ergebnisse einer Untersuchung der Vorbereitungs- und Verhandlungsphase waren schließlich auch wesentlich für die darauf folgenden Analyseschritte der beziehungs- und koordinationsstrukturellen Variablen und inhaltsanalytischen Auswertung der Interviews (s. Teil II, Kapitel 3.2).
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Unterschiede bei der Darstellung in der öffentlichen Debatte Die drei PPP-Vorhaben präsentieren sich in der öffentlichen Berichterstattung zunächst sehr unterschiedlich, und zwar hinsichtlich der Initiierung, des Vorgehens in der Vorbereitungsphase, deren zeitlichen Rahmens sowie der Konzepte der jeweiligen PPP (vgl. Tabelle 11). Tabelle 11: Grundlegende Unterschiede zwischen den PPP-Vorhaben „Musikhalle“
„Ausstellungshalle“
„Picasso-Museum“
Vorhaben
Kultur- und Kongresshalle
Ateliers und Ausstellungsräume für junge Bildende Künstler
Museum für das lithographische Werk Picassos
Planung Initiierung Ergebnis
Ab 1989 Privat-gemeinnützig Scheitern im Jahr 2008 (Bürgerentscheid)
Ab 1996 Öffentlich Umsetzung seit dem Jahr 2004
Ab 1990/1997 Öffentlich-privat Umsetzung seit dem Jahr 2000
Eigene Darstellung
So wird die „PPP Musikhalle“ durch Mitglieder der Stadtbevölkerung angeregt, die sich in einem Verein organisieren. Sie stellt sich damit als ein primär privat-gemeinnützig initiiertes Projektvorhaben dar. Bei der „PPP Ausstellungshalle“ tritt hingegen als ausschlaggebender Motor zunächst die Stadt und damit der öffentliche Sektor auf. Die Suche nach einem Standort, nach möglichen Räumlichkeiten, nach Finanzierungsmodellen sowie nach einem Investor übernehmen öffentliche Akteure. Die Errichtung des Picasso-Museums wird in Kooperation privater mit öffentlichen Akteuren angeschoben. In der Vorbereitungsphase sind zunächst Vertreter aller drei Bereiche beteiligt. Im Zusammenhang mit der konkreten Projektplanung und insbesondere der Konzeptionierung der Finanzierung wird in der öffentlichen Darstellung die Initiative privatwirtschaftlicher Akteure und Vertreter öffentlicher Unternehmen hervorgehoben. Des Weiteren wurden unterschiedliche Charakteristika in der Vorbereitungsphase identifiziert. Diese ist bei allen drei Projekten typischerweise durch Aushandlungsprozesse gekennzeichnet (vgl. Tabelle 12).
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Tabelle 12: Kontrastierung der Planungsphasen Musikhalle
Ausstellungshalle
Picasso-Museum
Beteiligte
Vielzahl
überschaubarer, engerer Kreis
kleiner Kreis
Verhandlung
komplex, sehr langwierig, viele Uneinigkeiten sehr hoch
komplex, sehr langwierig, einige Uneinigkeiten mittleres Niveau
langwierig, relativ wenige Konflikte, Uneinigkeiten sehr gering
Öffentliche Debatte
sehr lebhaft
informiert, sachlich
kaum vorhanden
Interessen
sehr fragmentiert
divers, organisations-gebunden
divers, organisations-gebunden
Konzept
Informell organisiert
Vertrags-PPP
Organisatorische PPP
Transparenz
Eigene Darstellung
Bei dem Musikhallen-Projekt ist die Vorbereitungsphase durch den vergleichsweise größten identifizierbaren Kreis an Verhandlungsbeteiligten geprägt. Auch zeitlich betrachtet handelt es sich hierbei um die längste Aushandlungsphase. Während die Planung der Musikhalle über Jahre hinweg zudem eine sehr hohe Präsenz in der Presse und der öffentlichen Debatte aufweist, verlaufen die Verhandlungen im Zusammenhang mit dem Museumsprojekt kaum im Rampenlicht der öffentlichen Darstellung. Die Aushandlungsprozesse im Rahmen der Realisierung der Ausstellungshalle ordnen sich hinsichtlich der Transparenz und Zurechenbarkeit zu Akteursgruppen auf einer vergleichsweise mittleren Position ein. Ein geringer Grad an Transparenz der Projektentwicklung geht auch einher mit einer geringen Problematisierung in der Presseberichterstattung. So sind Widerstände in der Planungsund Entwicklungsphase des Picasso-Museums kein öffentliches Thema. Die Presseberichterstattung vermittelt das Bild einer einfachen, sehr unkomplizierten Initiierung, Planung und Realisierung. Im Zuge der Interviews wurde dieses Bild relativiert. In der Darstellung der Entwicklungslinien der PPP Ausstellungshalle lassen sich dahingegen problematische Phasen identifizieren. So ist der Presse zu entnehmen, dass Uneinigkeiten im Aushandlungsprozess und eine Bauverzögerung das Projektvorhaben bremsen. Am meisten Hemmnisse und Probleme können jedoch in der öffentlichen Darstellung der Planung der Musikhalle identifiziert werden. Gemäß dieser „Erzählung“ ist die Planung mit vielen Widerständen konfrontiert, die zwar auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen, ganz zentral jedoch auf problematische Aushandlungsprozesse zwischen beteiligten Akteuren verweisen. Dies führt dazu, dass die Projektplanung großen Schwankungen unterliegt, über die in der Presse vergleichsweise ausführlich berichtet wird. Auch die jeweiligen Konzepte, die der Presse- und Dokumentenanalyse folgend hinter den PPP-Projekten stehen, weisen zentrale Unterschiede auf. Im Rahmen der Planung einer Musikhalle entspricht das Konzept dem Status quo eines in Entwicklung begriffenen Projektes. Es handelt sich um eine vorläufige Konzeptionierung mit einer vergleichsweise geringeren Verbindlichkeit. Das Konzept wird über die Zeit hinweg mehrfach geändert und weiter entwickelt. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung stehen bei den Verhandlungen die maßgeblichen Eckpunkte des Konzeptes der PPP zur Debatte: die Frage nach möglichen Beteiligten an der Finanzierung, dem Bau und dem Betrieb, Umfang und Projektvolumen 255
sowie dessen Ausgestaltung. Bezüglich dieser Fragen werden Vorschläge erarbeitet. Die Konstellationen in der Vorbereitungsphase entsprechen dem Modell eines strategischen Netzwerkes, also einer weniger formalisierten, hybriden PPP. Die vorliegenden Informationen über Strukturen, Prozesse und die Beteiligten im Fall der Musikhalle ermöglichen es, eine PPP in ihrer Initialisierungs- und Planungsphase zu analysieren. Dahingegen sind die Planungsphasen der Ausstellungshalle und des Museums abgeschlossen. Beide Projekte weisen jeweils einen kompletten PPP-Lebenszyklus vor. Bei der Errichtung der Ausstellungshalle Zeitgenössische Kunst wird das Modell einer komplexen Vertrags-PPP zu Grunde gelegt. Der PPP-Typ im Rahmen der Realisierung des Picasso-Museums ist nicht klar zuzuordnen, entspricht jedoch am ehesten einer organisatorischen PPP. Gemeinsamkeiten bei der Darstellung in der öffentlichen Debatte Neben diesen Unterschieden werden auch bemerkenswerte Parallelen bei den drei PPPProjekten offensichtlich. Gemeinsam ist allen drei PPPs der ihnen zugeschriebene Charakter eines Großprojektes: Allesamt sind die Projekte hinsichtlich ihres finanziellen Volumens sowie der Projektanlage – jeweils in Relation zu der Größe der Stadt – als solche Vorhaben zu bezeichnen, die eine hohe Priorität genießen. In der öffentlichen Debatte spielt daran anknüpfend die Argumentation eine Rolle, dass die Projekte das Potential bergen, innovative Prozesse für die gesamte Stadt und/ oder Region in Gang zu bringen. Neben der Bereicherung der kulturellen Landschaft werden insbesondere wirtschaftliche Faktoren angeführt: Erwartet werden gesteigerte Einnahmen der innerstädtischen Handeltreibenden, das Schaffen zusätzlicher Arbeitsplätze sowie eine Verbesserung des Images der Stadt. Gerade mit einem positiven Wandel des städtischen Images steht die Annahme in Verbindung, dass wiederum neue wirtschaftliche Dynamiken entstehen, Experten angezogen und erfolgreiche Projekte auf längere Sicht an die Stadt gebunden werden können. Dieser positiven Konnotation von Großprojekten stehen auch negative Erwartungen gegenüber, die sich ebenfalls in der öffentlichen Berichterstattung in Münster widerspiegeln: Die Hoffnung, dass wirtschaftliche Probleme, etwa als Folge des Imagegewinns, der durch Großprojekte erwartet wird, in langer Sicht gelöst werden, wird nicht allgemein geteilt. Befürchtungen, dass die Investition in die Projekte sich letztlich negativ in Aspekten der (gerechten) Verteilung und der (gleichberechtigten) Interessenvertretung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen auswirkt, klingen auch im Zuge der Analyseergebnisse bei der öffentlichen Berichterstattung zur Musikhalle, der Ausstellungshalle und dem PicassoMuseum in Münster an. Diese Bewertung spiegelt geradezu charakteristisch eine aktuelle, noch recht junge Debatte wider, die in europäischen Städten seit Ende der 1980er Jahre eine bedeutende Rolle spielt: Großprojekte werden seit den 1980er Jahren als strategische Projekte der politischen Steuerung geplant und eingesetzt. Sie bewegen sich in der Regel an der Schnittstelle zwischen Stadtentwicklung und Städtebau (Simons 2003). In diesem Zusammenhang ist bei den in dieser Fallstudie zentralen PPP-Fällen auch interessant, dass gemäß den Ergebnissen der Presse- und Dokumentenanalyse die einzig und allein nach dem Kriterium ihrer Zugehörigkeit zum Politikfeld Kultur ausgewählten PPPs allesamt mit Stadtentwicklungsvorhaben in Verbindung stehen. Jedes der Projekte nimmt in Plänen zur Stadtgestaltung, der urbanen Erneuerung und des Städtebaus eine relevante Position ein. Die für diese Fallstudie ausgewählte lokale Ebene ist damit beispielhaft für eine Entwicklung, die derzeit in deutschen Großstädten im Allgemeinen, und in regionalen Oberzentren im Besonderen, vorzufinden ist: Kulturpolitische Leistungen werden seit Mitte der 1990er 256
Jahre verstärkt über wirtschaftliche und standortbezogene Argumente legitimiert. So wird auch in Münster jedes der drei untersuchten Projekte im Planungsprozess darüber begründet, dass ein lebendiges Kulturangebot, das über die Grenzen der Stadt hinaus strahlt, notwendig sei, um die Attraktivität der Stadt als Wirtschaftsstandort und als Studienplatz zu bewahren bzw. zu verbessern und um kreative Kräfte aus Wissenschaft und Wirtschaft anzuziehen und zu halten. Diese Entwicklung verweist auch auf die Einordnung Münsters im Rahmen der Diskussion um aktuelle Modelle der Steuerung auf lokaler Ebene. Auch diesbezüglich – das zeigt die Rezeption der Initiierungs-, Planungs- und Implementierungsprozesse der drei PPP-Projekte – entspricht die Praxis in der Stadt Münster der einer modernen Großstadt, in der die politisch-administrative Zielsetzung im Rahmen der Selbstverwaltung und die kommunale Gestaltung von Kulturaufgaben dem Status quo entspricht, der in Kapitel 2 (Rahmenbedingungen der Kulturfinanzierung) dargestellt wurde. Analog zu aktuellen Maßnahmen der Effizienzsteigerung und Steuerungsoptimierung, die seit den 1990er Jahren in mittelgroßen und großen Kommunen debattiert und vorgenommen werden, gehören in Münsters politisch-administrativem Bereich Instrumente aus dem Werkzeugkasten des New Public Management und Aspekte der durch die Governance-Debatte hervorgehobenen partizipativen Steuerung zur Tagesordnung137. So ergibt die Presse- und Dokumentenanalyse auch, dass in Münster bei der Ausarbeitung von Leitlinien verstärkt auf den Einbezug von Bürgerinnen und Bürgern und der kulturellen Öffentlichkeit gesetzt wird. Mitgestaltungsprozesse, wie sie beispielsweise im Rahmen von Bürgerforen im Zusammenhang mit der Planung der Musikhalle und der Ausstellunghalle durchgeführt werden, gehören zur gängigen Praxis. Daneben haben auch die Elemente der direkten Demokratie, Bürgerbegehren und Bügerentscheide, in Münster eine recht hohe Relevanz, mit denen Bürgerinnen und Bürger kommunalpolitische Diskussionsprozesse anstoßen sowie Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse abschließen können. Das Bürgerbegehren der Bürgerinitiative „Keine städtische Finanzierung einer ‚Kulturund Kongresshalle‘ (Musikhalle) auf dem Hindenburgplatz“ im Jahr 2008 ist eines von sechs Bürgerbegehren, die zwischen 1996 und 2008 in Münster durchgeführt werden. So hat auch der Bürgerentscheid bereits Vorbilder: 1996 erwirkt ein erfolgreicher Bürgerentscheid, dass eine Haupt- und eine Realschule erhalten werden und richtet sich gegen einen Ratsbeschluss zur Errichtung einer Gesamtschule an den Standorten der beiden betreffenden Schulen. Im Jahr 2002 wird mit direktdemokratischem Votum der Ratsbeschluss zur Teilprivatisierung der Stadtwerke Münster aufgehoben. Allerdings ist die Beteiligung aus dem Kreis der Bevölkerung weder im Jahr 1996 noch im Jahr 2002 so umfangreich wie bei dem Bürgerentscheid im Jahr 2008.
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Zu nennen ist hier beispielsweise der Ansatz Münsters im Bereich des eGovernment: Hier nimmt Münster durch die frühzeitige Einrichtung des deutschlandweit einzigartigen und viel beachteten Informationssystems „publikom“ im Jahr 1996 eine Vorreiterrolle ein. Der breit angelegte eGovernment-Prozess sollte den Wandel der Verwaltung hin zu einer modernen, kundenorientierten Dienstleisterin unterstützen. Die Information von Bürgerinnen und Bürgern und ihr Austausch untereinander sollten gefördert und Bürgerbeteiligungsverfahren begünstigt werden. Im Bereich des Tourismus sollten Informations- und Organisationsplattformen geschaffen werden, um die Attraktivität der Stadt als Urlaubsziel zu steigern. Ziel war außerdem, in der Wirtschaft für transparentere Wettbewerbsbedingungen zu sorgen und durch die Online-Abwicklungen von Routineaufgaben effizientere und kostengünstigere Prozesse einzuführen.
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Akteurskonstellationen und Einflussstrukturen Mit der Perspektive auf die Ebene der Interaktionszusammenhänge zwischen den beteiligten öffentlichen und privaten Akteuren wurden die strukturellen Bedingungen lokaler PPPs auf der Ebene der Organisationen im Planungsprozess der Musikhalle analysiert. Hier wurde untersucht, wie die Akteure durch den Einsatz von Wissen, kommunikativen und strategischen Ressourcen miteinander interagieren und dabei über Strukturen ihren Einfluss auf den Planungsfortgang ausübten, Partner zu gewinnen suchten, Interdependenzen zu bewältigen und Reziprozität herzustellen. Informationsaustausch In der Informationsaustauschstruktur waren die Akteure recht eng miteinander verbunden. Viele Beteiligte waren in die Kommunikation eingebunden. Ein gemeinnütziger Akteur und die Verwaltungsspitze waren hinsichtlich ihrer Verbindungen und in ihrer Nähe zu anderen sowie in Bezug auf ihre Unabhängigkeit von anderen innerhalb der Struktur besonders zentral, konnten auch auf indirekte Informationen zugreifen und den Informationsfluss kontrollieren. Weitere politische und administraive Akteure sowie gemeinnützige Organisationen waren darüber hinaus in die Struktur eingebunden. Obwohl die Finanzierung im Untersuchungszeitraum ein bestimmendes Thema war, befanden sich die finanzstarken Akteure weitestgehend in der Peripherie. Insgesamt waren indirekte Verbindungen zum Austausch von Informationen für fast alle Beteiligten sehr relevant, während die Kommunikation über direkte Verbindungen einen engeren Kreis von Akteuren umfasste. Wenige zentrale Akteure monopolisierten den Informationsfluss. Die Cliquenanalyse verwies ferner auf eine außergewöhnlich kohäsive Struktur. Es lagen Kommunikationsbereiche vor, in denen ausgewählte Akteure – gemeinnützige mit öffentlichen Akteuren sowie die Presse mit politischen Akteuren – durch gemeinsame Cliquenmitgliedschaften sehr eng miteinander verbunden waren. Scharf abgegrenzt davon waren Projekt-Kritiker, die sich in einem Cluster mit einem Akteur der alternativkulturellen Szene verbanden. Kritische Aspekte förderte die Struktur insofern zu Tage, als ersichtlich wurde, dass sie Redundanzen im Informationsaustausch begünstigte, da die zentralen Beteiligten ihre Informationen aus ein und demselben Pool bezogen. Es wurden kaum Akteure einbezogen die aufgrund ihrer Herkunft aus anderen Bereichen interessante neue Informationen beisteuern könnten. Auch solche Akteure, die für die Durchsetzung des Projektes relevant gewesen wären, jedoch noch nicht davon überzeugt waren, wurden ausgeschossen. Es musste angenommen werden, dass die Bedingungen für Innovationen aufgrund der engen, kohäsiven Gruppe erschwert waren, dass die unterschiedlichen Interpretationen der Situation in den stark voneinander abgegrenzten Cliquen die Vermittlungsprobleme gegenüber der Öffentlichkeit und Kritikern bedingten und somit ursächlich für den Misserfolg des Projektes zeichneten. Ein zentrales Ergebnis ist, dass Möglichkeiten der Anpassung eingefahrener Beziehungsstrukturen in der langen Projektplanungsperiode nicht genutzt werden konnten und wesentliche Zeitfenster für Innovationsprozesse verpasst wurden. Strategische Zusammenarbeit und Abstimmung vor wichtigen Entscheidungen Die Struktur der Abstimmung vor wichtigen Entscheidungen und strategischer Zusammenarbeit erfasste, inwiefern sich Akteure koordinieren konnten. Verhältnismäßig schnell konnten sich 11 Akteure aus dem Bereich Stadtverwaltung, gemeinnützige Interessenver258
tretung, gemeinnütziger Handelsverein, Rat der Stadt, Kulturpolitik und Mittelinstanz abstimmen. Ferner nahmen solche Akteure relevante Machtpositionen innerhalb der Struktur ein, die in der Lage waren, zwischen verschiedenen Gruppen Verbindungen herzustellen, zu vermitteln und zu verhandeln. Zu den wenigen Akteuren, die solche Positionen einnahmen, zählten Akteure der Verwaltungsspitze, ein gemeinnütziger Interessenvertreter und Initiator des Projekts, das Kulturdezernat und die Bezirksregierung. Die Verwaltungsspitze und der gemeinnützige Interessenvertreter nahmen ferner, der Cliquenanalyse zu Folge, eine Brückenfunktion gegenüber solchen privatwirtschaftlichen Akteuren ein, die als Projektpartner im Gespräch waren. Relevante Aufgaben der Koordination mit der Politik übernahmen zwei gemeinnützige Akteure und ein Repräsentant der Verwaltungsspitze. Die Cliquenanalyse ließ auch Rückschlüsse auf die hohe politische Brisanz des Themas zu: Eine verhältnismäßig hohe Anzahl von Cliquen umfasste politische Akteure. Beteiligte, die keine nachhaltige Wirkung auf den Koordinationsprozess hatten, wurden sichtbar und die Gründe hierfür interpretierbar. Den Kern derjenigen, die für das Projekt arbeiteten, bildeten öffentlich-rechtliche mit gemeinnützigen Akteuren. Allerdings waren, so zeigte die Analyse, innerhalb des engen, sehr aktiven Kreises die gemeinnützigen Akteure die Hauptkoordinatoren des Planungsprozesses. Die Rolle des in der öffentlichen Darstellung und im Informationsaustauschnetzwerk sehr zentralen Oberbürgermeisters musste hier etwas relativiert werden. Die Koordinationsstruktur war stärker durch die strategische Zusammenarbeit des Stadtdirektors mit anderen Akteuren bestimmt. Bezug, Weitergabe und Austausch von Expertise Bei Bezug, Weitergabe und Austausch von Expertise war ein bemerkenswertes Ergebnis, dass der Stadtdirektor bei der öffentlichen Debatte zur Projektplanung zwar im Hintergrund blieb, bei der Kommunikation von Fachwissen aber die Fäden zusammenhielt. Der Oberbürgermeister, eigentlich sehr engagiert für das Vorhaben, nahm hier eine sehr untergeordnete Rolle ein. Relevante Informanten waren ferner zwei weitere Verwaltungsakteure und ein gemeinnütziger Akteur. Auch bei zwei öffentlichen Kultureinrichtungen wurde viel Fachwissen nachgefragt. Die Themenbereiche Musik, Kunst, Bau und öffentliche Infrastruktur werden als besonders wichtig eingeschätzt. Expertise kauften die beteiligten Akteure in bedeutendem Ausmaß extern ein. Die extern nachgefragten Akteure variierten je nach Interesse und Bedarf an unterschiedlichen Arten von Fachwissen. Die strukturellen Charakteristika unterstrichen, dass für die Entwicklung und Planung der Musikhalle in öffentlich-privater Partnerschaft. Kenntnisse aus vielen verschiedenen Bereichen erforderlich waren. Wissenslieferanten und -empfänger, die insbesondere über Expertise in den Bereichen Technik, Kommunikation, Architektur, Politik, Verwaltung, Wirtschaft und im Veranstaltungsbereich verfügten oder die selbige benötigten, waren eingebunden. Die Vielschichtigkeit der Thematik erforderte ein hohes Maß an kommunikativen Fähigkeiten. Es zeigte sich, dass es von hoher Bedeutung war, die jeweiligen Eigeninteressen zu wahren. Gleichzeitig zeigte sich, dass Fachinformationen im Zuge der Planung der Musikhalle nicht frei zirkulierten sondern bei wenigen Akteuren dezentral verwahrt wurden und, wenn überhaupt, nur in einem sehr kleinen Kreis von Akteuren als Machtressource genutzt werden konnten. So konnten die drei zentralsten Akteure aus der Stadtverwaltung und dem gemeinnützigen Bereich Fachinformationen wohl kaum kontrollieren oder zu ihrer eigenen Interessenbewahrung einsetzen, auch wenn dies für sie von 259
Relevanz war. Alternativ bestand jedoch auch die Möglichkeit, dass ein alternatives Gut zum Tausch gegen Fachwissen eingesetzt wurde. Unterstützung bei der Zielerreichung Bei der Analyse der Struktur der Unterstützung bei der Zielerreichung wurde als ein zentrales Ergebnis festgestellt, dass der gemeinnützige Akteur, der im Planungsprozess der Hauptkoordinator war, von 38% der Akteuren unterstützt wurde. Zu einer nicht vollständigen Unterstützung seiner Aktivitäten führte, dass bei einigen Beteiligten Zweifel an dem Konzept des gemeinnützigen Akteures bestanden. Insgesamt zeigte sich auch, dass eine klare und einvernehmliche Strategie gegenseitiger Unterstützung zur Realisierung des Projekts lediglich bei einem relativ kleinen Kreis vorlag. Zudem bildeten sich Koalitionen, für die zwar innerhalb bestimmter Gruppen von einem Zusammenhalt bei der gegenseitigen Zielerreichung und einer gewissen Einvernehmlichkeit gesprochen werden konnte, die allerdings über die Hälfte der Beteiligten nicht integrierten. Im Planungsprozess der Musikhalle spielten unterschiedliche und sich widersprechende Interessen eine Rolle, die auch bei denjenigen zum Tragen kamen, die zu dem engeren Kreis der an der Projektentwicklung beteiligten zählten. Ziele und handlungsleitende Motivation Im Zusammenhang mit der Auswertung der Interviews richtete sich das Interesse auf die Frage, welche Ziele hinter der Initiierung von Kultur-PPPs stehen und ob die an den PPPVorhaben Beteiligten ein übergeordnetes, die Partner verbindendes Ziel identifizieren und benennen können. Es zeigte sich, dass die an den untersuchten PPPs Beteiligten ihre koordinierten Handlungen nach bestimmten, von ihnen definierten Zielen ausrichteten und dass fast alle der Beteiligten auch davon überzeugt waren, ihre Zielvorstellung mit ihren „Partnern“ zu teilen. Die Auswertungsergebnisse verweisen hingegen darauf, dass sie in ihren als gemeinsam eingeschätzten Zieldefinitionen nicht immer überein stimmten. Dies galt in besonderem Ausmaß für die Planungsphase der Musikhalle. Eine erste Gruppe sah die Umsetzung eines neuen, attraktiven kulturellen Angebots, das insbesondere in seiner Außenwirkung für Münster charakterisiert war, als gemeinsames Ziel. Eine weitere Gruppe schloss sich dem an, bezog sich aber auf eine doppelte Zielverfolgung. Das kulturelle Ziel wurde mit weiteren Interpretationen – standortpolitischen Zielen, Stadtmarketing-Zielen einschließlich der Wettbewerbsfähigkeit im Städtevergleich, der Imagewirkung und Zukunftsfähigkeit der Stadt – verbunden. Es wurde mit der Erwartung einer Ausstrahlung in einen regionalen Kontext gestellt. Demgegenüber existierten auch Ideen von einem gemeinsamen Ziel, das innengeleitet ist und stadtplanerische bzw. städtebauliche Vorstellungen berührte. Thematisch-kulturelle bzw. kulturpolitische Interpretationen wurden vereinzelt vermittelt, wenn von der Leitidee gesprochen wurde, einen Konzertsaal zum musizieren und Musikhören zu schaffen. Seltener wird von InterviewpartnerInnen auch die Auffassung vertreten, eine kongruente Zielvorstellung der beteiligten PP-Partner sei nicht existent. Die Zielvorstellung der Partner im Zuge der Picasso-Museumsplanung stellte rückblickend einheitlicher dar, und zwar in einem wirtschaftlichen Ziel mit Imagegewinn für die Beteiligten in Verbindung mit der Erwartung, die Kunstwerke der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. 260
Auch bei der Ausstellungshalle kamen die Akteure weitestgehend überein, dass durch das Vorhaben ein Aspekt der Förderung und des Dialogs über moderne Kunst berührt, die Teilhabe an dem Dialog ermöglicht und gleichzeitig auf den Stadtteil und in dessen strategischer Weiterentwicklung eingewirkt werden sollte. Von Interesse ist die Zieldefinition auch insofern, als sie, als Grundlage der Steuerung und in Verbindung mit einer Betrachtung der lokalen, inhaltlichen Dimension der Kulturpolitik Rückschlüsse auf den Stellenwert der Kultur in der Gesellschaft zulässt (s. hierzu auch Kapitel 2 des zweiten Teil zu Rahmenbedingungen in der Kulturfinanzierung). Divergierende Nennungen von Zielen können auf einen Schwachpunkt in der Kommunikation der Partner untereinender begründen. Sie weisen daneben auch auf die Existenz von Einzelinteressen hin. Im Rückblick auf die Ergebnisse der Presse- und Dokumentenanalyse muss festgestellt werden, dass im öffentlichen Diskurs kein realistisches Bild über die Interessen vermittelt wurde. Im Fall der Musikhallenplanung wurden sie simplifiziert dargestellt. Mit Hilfe der Interview-Auswertungen ließ sich ermitteln, dass die Handlungsorientierungen nicht nur je nach korporativem Akteur variierten, wie dies die Presseanalyse suggerierte. Vielmehr zeigt sich, dass auch innerhalb der jeweiligen Gruppen korporativer Akteure unterschiedliche Interessen vorlagen: Innerhalb einzelner Parteien, innerhalb der verschiedenen Bereiche der Stadtverwaltung und auch innerhalb einzelner gemeinnütziger und privatwirtschaftlicher korporativer Akteure. Für das Picasso-Museum konnten durch die Auswertung der Interviews die Interessen überhaupt erst ermittelt werden, nachdem sie in der öffentlichen Darstellung durch die Presse und Dokumente weitestgehend im Dunkeln geblieben waren. Ein Vergleich der Fälle offenbart, dass die Interessenlagen je nach Vorhaben recht unterschiedlich waren. Das Kooperationsmodell und die Rollen der Akteure innerhalb des Konzepts wirkten darauf hin, dass die Handlungsorientierungen projektspezifische Unterschiede aufwiesen. Insgesamt zeigt sich mit Blick auf die Interessenlage in allen drei Fällen, ganz besonders jedoch im Zuge der Musikhalle, eine deutliche Fragmentierung. Die vorzufindenden Konditionen in der Anfangsphase der untersuchten PPPs stehen in diesem Punkt den Erwartungen nach Synergie entgegen, die die Fachdebatte formuliert. Der Blick auf die gesamten Ergebnisse der Auswertung zeigt, dass es von weiteren Faktoren abhängig ist, ob Reziprozität hergestellt werden kann oder nicht und ob Ziele erreicht und Interessen geltend gemacht werden können. Bedingungen der Kooperation und des Scheiterns Fallübergreifend zeigte die Analyse, dass es sich bei der Ausgangssituation aller drei PPPEntwicklungsprozesse um komplexe Lernprozesse mit hohen Voraussetzungen handelte. Die Repräsentanten der beteiligten korporativen Akteure in jedem der drei Vorhaben betonten jeweils spezifische Elemente der Projektplanung als gänzlich neu, überraschend und schwierig zu lösen. PPPs sind keine Routineaufgaben. Lassen sich trotzdem generelle Aussagen generieren, woran es liegt, wenn eine PPP-Planung scheitert und welche Konsequenzen das Scheitern hat? Um Bedingungen der koordinierten Steuerung zu beleuchten, wurden die Akteure gebeten, die „Geschichte“ der Projektentwicklung zu erzählen. Außerdem wurden sie nach ihren Erfahrungen befragt, die sie bei der Entwicklung der Vorhaben machten. Sie wurden schließlich nach solchen Faktoren befragt, die ihnen bei der Planung förderlich waren und 261
solchen, die hinderlich auf den Projektausgang einwirkten. Die Analyse ermöglichte die Identifikation zentraler Ausprägungen von Einflussfaktoren und die Kategorienbildung (s. im Einzelnen zu den Kategorien Teil II, Kapitel 3.3.3). Interne Faktoren der Zusammenarbeit (akteurbezogene und strukturelle Aspekte der Problemlösung durch Kooperation) sowie externe Faktoren beeinflussten nach Aussage der Beteiligten die Zusammenarbeit in den Arrangements zwischen öffentlichen und privaten Akteuren maßgeblich. In einigen Punkten herrschte Übereinstimmung über wesentliche Bedingungen. Die gelungene Einigung der Beteiligten in Verhandlungsprozessen, die sich meist langwierig darstellten, war eine relevante Voraussetzung bei der Planung. Im Allgemeinen wurden Kommunikationsprozesse, insbesondere der gegenseitigen Abstimmung, mit möglichst geringem Aufwand, kurzen Wegen und vertrauenswerten Partnern hoch bewertet. Auch Expertise, deren Vermittlung und Austausch wurde bei allen Vorhaben als sehr relevant bezeichnet. Außerdem wurden zentrale Eigenschaften der Partner hervorgehoben: Eine hohe Risikobereitschaft war nach den Beteiligten bei jedem der Projekte in der Planungsphase erforderlich. Alle Partner mussten von dem Projektziel überzeugt sein und für dessen Erreichen viel Engagement mitbringen. Die Rolle von Promotoren wurde in diesem Zusammenhang hervorgehoben. Als voraussetzungsreichste Bedingung galt es, die zentralen Fragen nach den Finanzierungswegen beantworten zu können, die sich stets kompliziert darstellten und nach kreativen Lösungen verlangten. Welche Faktoren den Planungsprozess negativ beeinflussten soll im Folgenden vor dem Hintergrund der Frage nach den Gründen und Konsequenzen des Scheiterns einer PPP-Entwicklung einer genaueren Betrachtung unterzogen werden. Der Fokus liegt auf der Planungsphase der Musikhalle, die anderen beiden Vorhaben werden vergleichend hinzugezogen. Sieben Kategorien fassen die Ergebnisse zusammen. Als problematisch erwiesen sich zum ersten Abstimmungen zwischen den Partnern und Problemlösungsversuche, die in langwierigen und unübersichtlich wahrgenommenen Prozessen von statten gingen und maßgeblich durch Konflikte zwischen den verschiedenen Partner-Parteien geprägt waren. Dabei wurde insbesondere eine zentrale Instanz vermisst, die Informationen, Wissen und Kompetenzen zu bündeln vermochte. Informelle, lose gekoppelte Strukturen mit in verschiedenen Arenen stattfindenden Abstimmungen und Entscheidungen prägten die Kommunikation. Zeitweise verhandlungs- oder gremienbezogene Exklusion von Partnern, zumeist aus strategischen Gründen, zuweilen auch aufgrund von Abstimmungsproblemen, führte zu Verhandlungen und Entscheidungen in wechselnden Koalitionen. Damit wurde Intransparenz und Unsicherheit hergestellt. Wissensdefizite bei relevanten Partnern und in den Fraktionen waren weitere Konsequenzen. Indem die gegenseitige Unterstützung der Partner durch Interessenskonflikte behindert wurde, erschwerte sich die Formulierung von Zwischenzielen. Auch die zuvor erwähnten unterschiedlichen Zielsetzungen und Motivlagen beeinflussten die gegenseitige Unterstützung bei der Zielerreichung. Interdependenzen konnten nicht hergestellt werden. Vielmehr behinderten sich die Partner gegenseitig und schafften anstatt der erforderlichen Reziprozität immer wieder Konkurrenzsituationen mit dem Ziel, ihre Interessen gegenüber anderen durchzusetzen. Der hohe Koordinationsbedarf aufgrund zahlreicher Beteiligter und der heterogenen Interessenslage hätte von den zentralen Akteuren eine starke Überzeugung und kontinuierliches Engagement erfordert. So erwiesen sich zum zweiten die zögerliche Haltung und die mangelnde Überzeugung von Partnern als ein äußerst kritischer Aspekt. Einige Protagonisten nutzten nicht kontinuierlich ihr Potential, obwohl sie gemäß der Analyse des Einflusspotentials und der in der Netzwerkanalyse ermittelten Einbettung in Beziehungsstrukturen zum einen ihren 262
Einfluss qua Reputation hätten geltend machen können und zum anderen günstige strukturell-relationale Voraussetzungen innerhalb der Interaktionszusammenhänge bestanden. Zum dritten spielten Fragen der Legitimierung eine große Rolle. Die politische Brisanz und die kritische öffentliche Debatte wurden als den Planungsprozess erschwerend bezeichnet, insofern, als sie allgemeine Unsicherheiten und zögerliche Haltungen noch nährte – und vice versa. Die Frage, wie man das Vorhaben vermitteln könne, um in der Stadtgesellschaft Akzeptanz herzustellen, beschäftigte die Beteiligten, und hier insbesondere die Partner aus dem politisch-administrativen Bereich, in besonderem Ausmaß. In Verbindung gebracht wurde die Schwierigkeit der Kommunizierbarkeit und Legitimation insbesondere mit im Untersuchungszeitraum vorgenommenen Mittelkürzungen in verschiedenen, auch zentralen, Bereichen der städtischen Infrastruktur, während das Vorhaben zugleich in dem Ruf eines „Upper Class“-Projekts stand (Interviewpartner Nr. 34). Gründe für das Vermittlungsproblem wurden des Weiteren darauf zurückgeführt, welche Informationen in die Öffentlichkeit gelangen. Die Kommunikation von Unsicherheit, unvollständigem oder falschem Wissen nicht direkt Beteiligter über den Stand der Dinge oder auch Informationen über Phasen des Stillstands galten als Beispiele. In kleinerem Ausmaß wurde die fehlende Akzeptanz auf räumlich-kulturelle Spezifika zurückgeführt, nämlich auf eine weitverbreitete konservative Grundhaltung der Stadtgesellschaft, die Neuem grundsätzlich ablehnend gegenüber stünde. Durch die mangelnde Popularität in der breiten Öffentlichkeit wurden auch Vermittlungsprobleme gegenüber potentiellen finanzstarken Partnern begründet. Vor dem Hintergrund der drei erstgenannten Aspekte stellte sich die Planungsphase schwierig und langwierig dar. In der Folge bezog sich die vierte Kategorie auf die Notwendigkeit einer Risikobereitschaft und einer gehörigen Portion Wagemut als Voraussetzung eines Vorhabens unter Bedingungen der Unsicherheit, die allerdings nur bedingt vorhanden war. Zum fünften erwiesen sich konfliktgeladene kommunalpolitische Debatten und Diskussionen im Rat der Stadt, zwischen den Fraktionen, als besonders folgenschwer. Kern der politischen Debatten waren Fragen der öffentlichen Finanzierung, die um unterschiedliche thematische Schwerpunkte kreisten. Dem Argument, das Haushaltsdefizit stünde Neuinvestitionen entgegen, wurde entgegengesetzt, dass das Projekt als langfristige Investition in die Zukunft der Stadt erforderlich sei und seine Finanzierung eine Frage der Prioritätensetzung. Wesentlich höhere Summen würden für andere Projekte verausgabt. Teil der Debatte war denn auch, das Vorhaben in Konkurrenz zu anderen Großprojekten zu setzen, wie zum Beispiel zu dem Bau eines Sportstadions oder einem Vorhaben im Straßenbau. Abgewogen wurde auch, ob vorhandene Mittel nicht besser in soziale Leistungen zu investieren seien. Den politischen Debatten wurde insgesamt ein sehr großer Einfluss auf die Planungsphase zugerechnet. Die Projektplanung stand deshalb in starker Abhängigkeit von der Informiertheit der Fraktionen im Rat und der Parteien. Für kulturpolitische Fragestellungen konnte eine starke Meinungsdifferenz auch innerhalb der Parteien und Fraktionen festgestellt werden sowie eine tendenziell kleine Kulturlobby im Rat. Veränderte Voraussetzungen der Entscheidungsfindung unter Unsicherheit und vor dem Hintergrund der schwierigen Haushaltssituation beförderten eher eine kurzfristige Perspektive der Politik auf Investitionen in Bereichen der freiwilligen Selbstverwaltung und beeinflussten die Debatte wesentlich. Determiniert war die Planungsphase ferner von politischen Konjunkturen und Mehrheitsverhältnissen. Eine sechste Komponente bestand in der Problematik der Wissensdefizite und Unsicherheiten, die sich durch eine pessimistische Ausstrahlung negativ auf Akquisetätigkeiten 263
auswirkte. Deshalb wurden Experten unterschiedlicher Fachgebiete in den Planungsprozess einbezogen, beispielsweise zur Gutachtenerstellung, zur Erarbeitung von Konzepten oder Programmen, zur Überprüfung von Rahmenbedingungen, Beratung und Diskussion. Allerdings war auch die effektive Verarbeitung des Wissens, dessen Weitergabe, konstruktive Nutzung und darauf aufbauende Lernprozesse problembelastet und nicht immer zielführend. Neben politischer Einflussnahme waren hierfür Komunikations- und Koordinationsprobleme sowie das Misslingen einer Reduktion von Komplexität ursächlich. Die siebte und letzte Kategorie bezieht sich auf die Koordinationsprobleme der Partner untereinander hinsichtlich weiterer Schritte und Zuständigkeiten. Uneinigkeiten und die unzureichende Klärung möglicher Zuständigkeiten sowie der Verteilung von Rollen im Rahmen der gemeinsamen Projektplanung gingen mit unterschiedlichen Ansichten über Finanzierungsmodelle einer zukünftigen PPP einher, über Bau- und Betriebskonzepte und führten zu einem erschwerten Interdependenzenmanagement. 4. Fazit und Ausblick Die unter ähnlichen Rahmenbedingungen geplanten PPPs zielten auf unterschiedliche Varianten der privat-öffentlichen Leistungserbringung ab. Sie unterscheiden sich in ihren InputProzessen sowie in dem jeweiligen Resultat der Planung der PPP und den daraus erwachsenden Konsequenzen. Alle drei Fälle untermauern den Befund, dass PPPs keine einfachen Lösungen der derzeit in Städten und Gemeinden vorherrschenden Probleme darstellen. Ihre aktuelle Bedeutung ist aus der Perspektive des politisch-administrativen Bereichs in erster Linie als ein Versuch zu interpretieren, trotz der enormen Kapazitätsprobleme der Kommunen, innerhalb ihrer derzeit engen Grenzsetzungen, Spielräume zu erhalten und politische Koordinations- und Steuerungsmöglichkeiten zu schaffen und zu erweitern. Auf der anderen Seite steht hinter der Steuerung in und durch PPPs auch das Ansinnen, für die Stadt bedeutende Aufgaben nicht alleine den Kräften des Wettbewerbs und des Marktes zu überlassen. Dabei werden PPPs im Kulturbetrieb für gewöhnlich als Steuerungsinstrumente im Rahmen der Planung von Großprojekten eingesetzt. Im Kulturbereich typisch ist die Erwartung einer Aufwertung des Images und einer Positionierung im Wettbewerb der Städte untereinander. Vergleichbar mit weiteren Bereichen freiwilliger Aufgaben, liegt das Ziel hier weniger in einer Effizienzsteigerung, als vielmehr in dem Versuch, Leistungen zu realisieren, die kreativ, zukunftsweisen und innovativ sind, stets auch ein Wagnis bedeuten und am besten in koordinierter Kraft erreicht werden können, oder denen ohne die Mischung der Ressourcen und ohne das gemeinsame Engagement verschiedener Akteure ein Riegel vorgeschoben bliebe. Daneben sind die kooperativen Arrangements im Sinne der Governance-These durchaus auch als der Versuch zu deuten, bestmögliche Ergebnisse durch Integration zu erzielen, indem verschiedene gesellschaftliche Bereiche Prozesse mit gestalten und zu Policy-Ergebnissen beitragen. Die Bedingungen für die Verwirklichung von Ideen im öffentlichen Interesse im Rahmen einer PPP sind recht umfangreich: Gerechnet werden muss mit anspruchsvollen Mindesterfordernissen, die stets in einem erheblichen koordinativen und politischen Geschick der beteiligten Akteuren bestehen, einer konzisen und entschlossenen Planung, einem langen Atem bei der Aushandlung, den passenden Rahmenbedingungen, dem Erwerb und der Verarbeitung vielfältigen Fachwissens, einem geschickten Timing und einer Gratwanderung zwischen Transparenz und Verschlossenheit. Die aus diesem Aufwand erwachsenden Konsequenzen einer PPP-Entwicklung sind gleichwohl nicht grundsätzlich positiv zu be264
werten. Werden die Kräfte der beteiligten Bereiche nicht ausbalanciert und kontrolliert, besteht die Gefahr, dass sich einseitige Interessen durchsetzen und zentrale Themen der Stadt unter eingeschränkten Beteiligungsmöglichkeiten regiert werden. Schwerpunkte Orientiert an den in bisherigen Studien vernachlässigten Fragen und Forschungslücken galt im Rahmen der empirischen Untersuchung den folgenden Gesichtspunkten besondere Aufmerksamkeit: 1.
Lokales Regieren: Bedingungen für die lokale Steuerung, Strukturen, Akteurskonstellationen, Entscheidungsprozesse, Folgen des Scheiterns
Der erste Aspekt, auf den in dieser Arbeit ein Schwerpunkt gesetzt wurde, knüpft unter Rückbezug auf die einschlägige Literatur an das grundlegende Konzept einer analytischen Perspektive auf PPPs als charakteristische Ausprägungen einer Art und Weise der Governance auf lokaler Ebene an. Während „Governance“ grundsätzlich output-orientiert ist, wird die Perspektive um eine Input-Berücksichtigung erweitert, die PPPs als Ausprägung lokaler Interdependenzen und Einflussstrukturen in den Blick nimmt. Strukturen und Akteurskonstellationen, Bedingungen die auf eine Handlungs(un)fähigkeit der beteiligten Akteure einwirken sowie die konfliktbelasteten Prozesse der Willensbildung und Entscheidung werden im Zusammenhang mit der Entstehung und Implementierung von PPPs analysiert. Dadurch konnten Rückschlüsse auf Fragen der Interdependenzbewältigung und der Dynamiken gezogen werden. Einflussstrukturen – und damit relational-strukturelle Faktoren der Organisation in informalisierten Zusammenhängen – prägen die lokale Realität wesentlich. Spielräume und Grenzen sind Akteuren darüber hinaus durch weitere, wesentliche Aspekte gesetzt, die in dieser Arbeit zur Sprache kamen und in ihrer Vielfalt und ihrem Zusammenwirken betrachtet werden müssen. Konfliktgeladene Prozesse hin zu der Aufgabenerfüllung und Leistungserbringung durch PPPs können auch eine Eigendynamik entwickeln. Bei der Frage, inwiefern bestimmte Ausprägungen des je nach PPP variierenden Voraussetzungs-Mixes die Prozessdynamik bestimmen, ist stets auch Kontingenz zu beachten. Forschungsdesiderate in diesem Bereich galten in besonderem Ausmaß für den lokalen Politikbereich der Kunst und Kultur, könnten jedoch auch im Generellen – im Hinblick auf freiwillige Aufgaben und Leistungen in Städten und Kommunen – vor dem Hintergrund sich wandelnder Rahmenbedingungen in zukünftigen Studien zu interessanten Einsichten führen138. Auf die genannten Aspekte wurde hier auch deswegen ein Schwerpunkt gelegt, da Bedingungen bisher schwierig zu evaluieren sind, wenn das Scheitern von PPPs keinen Eingang in die Analyse hat. Es zeigte sich, dass gerade fehlschlagende Prozesse der Implementierung, die in bisherigen Studien ausgeblendet wurden, interessante Einsichten befördern können. In empirischen Studien besteht zu selten die Möglichkeit, aktuelle Prozesse zu untersuchen. Sind diese dann auch noch gescheitert, ist es häufig noch schwieriger, sie zu erfassen. Dies liegt auch darin begründet, dass ein Scheitern in der öffentlichen Debatte und in den Medien kaum nüchtern evaluiert wird. 138
Dies unterstrich jüngst auch Matthias Freise, der sich dabei auf Untersuchungsergebnisse einer Fallstudie im kommunalen Gesundheitsbereich stützte (s. Freise 2009)
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Scheiternde Prozesse der Entwicklung und Implementierung weisen in besonderem Ausmaß auf kritische Aspekte der Interdependenzbewältigung auf lokaler Ebene hin. An dieser Stelle sollen nochmals kurz wichtige Ergebnisse hervorgehoben werden. Unter unvollständigem Wissen wird sie nur dann gelingen, wenn Akteure zu außergewöhnlichem Engagement, zu Transparenz und dem positiv-neugierigen Blick auf den nicht vollständig in seinen Risiken kontrollierbaren Weg hin zu unbekannten Ufern bereit sind. Eine wesentliche Aufgabe besteht in einer Vermittlungsleistung zwischen Einzelinteresssen und der Ausrichtung auf eine durch gemeinsame, übergeordnete Ziele geprägte Koordination. Dabei erweist sich die Koalitionenbildung als relevanter Einflussfaktor. In diesem Zusammenhang spielt gerade auch die Kommunalpolitik und deren Konfrontation mit neuen Herausforderungen auf lokaler Ebene eine große Rolle. Uneinigkeiten über Zuständigkeiten, die stets neu verhandelt werden müssen, und eine geringe Vertrautheit mit veränderten Rollen in allen drei gesellschaftlichen Bereichen prägen die Abstimmung. Auch bei der Kommunikation gilt es, neuen Bereichen gegenüber offen zu sein, um einen redundanten Informationsfluss und Blockaden zu vermeiden. Besonders bestimmend ist das Thema der Akzeptanz der Öffentlichkeit, was zu einer Orientierung an einer dominanten Nachfragelogik führt. Für ein Scheitern und somit auch für Versuche besteht vor dem Hintergrund der derzeitigen Gegebenheiten in den Kommunen kaum Raum – Nebenprodukte des Scheiterns sind wesentlich dramatischer geworden. Die Beschäftigung mit Konsequenzen des Scheiterns verweist ferner auf zentrale Fragen der Legitimität. Darauf wird im abschließenden Abschnitt noch eingegangen. 2.
Der Beitrag gemeinnütziger Organisationen und des Bürgerschaftlichen Engagements
Bei der Untersuchung der an PPPs beteiligten Akteure und deren handlungsleitender Motive wurde ein besonderes Augenmerk darauf gelegt, auch den sogenannten Dritten Sektor in die Analyse einzubeziehen. Dem Bereich gemeinnütziger Organisationen, der Zivilgesellschaft und des bürgerschaftlichen Engagements einschließlich deren jeweiligen Perspektiven und Motivationen in PPPs wurde bislang eine geringere Aufmerksamkeit geschenkt als dem Beitrag privatwirtschaftlicher und öffentlicher Beteiligter an PPPs. Gleichwohl wird offensichtlich, dass sie wichtige Rollen in PPPs einnehmen. Wie bereits im historischen Rückblick aufgezeigt wurde, sind gemeinnützige Organisationen als Kooperationspartner, insbesondere von Kommunen, von hoher Bedeutung für die kulturelle Infrastruktur auf lokaler Ebene. Die lokale Politikforschung verweist im Rahmen von aktuellen GovernanceStudien überdies auf die Bedeutung der Organisationen und der Zivilgesellschaft für das lokale Regieren. Initiierung, Begleitung und Umsetzung von PPPs wird in relevantem Ausmaß durch Akteure der Zivilgesellschaft gesteuert. Der Zivilgesellschaft wird seit einigen Jahren durch den politischen Bereich eine zunehmende Beachtung zuteil in Anbetracht der Suche nach Möglichkeiten der koordinierten Realisierung von (Kultur-)Aufgaben. Unter einer „partnerschaftlichen Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Potentiale“ firmieren allerdings insbesondere Vorhaben in dienstleistungsbezogenen (Kultur-)Bereichen, die sich denn auch lediglich auf ein bestimmtes Charakteristikum Bürgerschaftlichen Engagements konzentrieren. Für Organisationen des Dritten Sektors und die organisierte Zivilgesellschaft erfordert die Situation, gerade bei der Zusammenarbeit in PPPs, noch sensibler auf die Betonung ihrer Stärken, auf Informiertheit und Voice zu achten.
266
3.
Politikfeld im Fokus: PPPs im Kulturbereich
Zum dritten wurde der Fokus der empirischen Untersuchung auf das Politikfeld Kultur gelegt. Grund hierfür ist, dass der Bereich der Kunst und Kultur im Speziellen und der freiwilligen Aufgaben im Allgemeinen im Zusammenhang mit PPPs und dem lokalem Regieren bislang in der Forschung und politischen Praxis nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Zu diesem Zweck wurde den Fallstudien ein Kapitel zu den Rahmenbedingungen von PPPs im Kulturbereich voran gestellt, das nicht nur einen Überblick über die Hintergründe, Strukturen und aktuellen Fragen der Kulturfinanzierung vermittelt, sondern auch politikfeldspezifische Besonderheiten und rahmende und prägende Faktoren auf der Makround Meso-Ebene herausstellte. Der Kulturbereich in mittelgroßen und Großstädten ist heute von vielfältigen Veränderungen betroffen. Spätestens seit Anfang der 1990er Jahre manifestieren sich die Auswirkungen dessen auf der lokalen Ebene immens. Koordinations- und Finanzierungsbedarfe zu lösen, wird zunehmend als eine sektorenübergreifende Verantwortung wahrgenommen. Dies impliziert das Schlagwort „Governance“. Für das Politikfeld Kultur legen Untersuchungsergebnisse nahe, dass sich die Situation für öffentlich bezuschusste Institutionen und Projekte sowie für neue Leistungen in den Jahren nach der Jahrtausendwende kontinuierlich verschärfte. Direkt spürbar ist die angespannte finanzielle Lage in den Kommunen, und zwar in allen Bereichen des gesellschaftlichen und politischen Lebens. Der Kulturbereich ist ganz besonders davon betroffen. Aufgrund dessen muss von der Annahme ausgegangen werden, dass sich in diesem Bereich Risiken und Chancen von PPP-Vorhaben vergleichsweise stark auswirken und insofern Erfahrungen mit Voraussetzungen und Bedingungen einer kritischen Begleitung bedürfen. Erwähnenswert sind im Zusammenhang mit Aushandlungsprozessen die beträchtlichen Uneinigkeiten, die innerhalb der Fraktionen nachgezeichnet werden konnten und für den Kulturbereich „Kommunalpolitisch kulturpolitische Einzelkämpfer“139 sichtbar machten. Neben den Positionen der Fraktionen spielte etwa in dem politischen Konflikt um die Musikhalle eine wesentliche Rolle, dass auch innerhalb der Fraktionen und Parteien jeweils verschiedene Strömungen bestanden. Charakteristisch für kulturpolitische Auseinandersetzungen im Generellen, sind kommunalpolitische Lobbies für die Kultur „parteiübergreifend“ zu suchen und insofern schwieriger zu schließen. Aus den eigenen Reihen erhalten kulturpolitisch interessierte Kommunalpolitiker häufiger Gegenwind. Ferner sind in der politischen Auseinandersetzung Kultur-PPP-typische Konflikte zu beobachten, die mit Fragen der Aufgabenerfüllung im öffentlichen Interesse zu tun haben: Aufgewogen wird, ob öffentliche Gelder, die für kulturelle Vorhaben eingesetzt werden sollen, nicht besser in andere Aufgaben der freiwilligen Selbstverwaltung fließen sollten. In Münster wird etwa in der öffentlichen Debatte eine Rivalität zwischen sozialen Leistungen am Beispiel von Kindertagesstätten, oder öffentlicher Freizeitinfrastruktur am Beispiel von Schwimmbädern hergestellt. Weitere Pole, die einander in der öffentlichen Debatten gegenüber gestellt werden sind Bezuschussungen von Einrichtungen und Projekten des Hochkulturbereichs in Konkurrenz mit alternativkulturellen Institutionen und Projekten. Bei der Diskussion um die Musikhalle drehen sich Konfliktlinien um Sparten innerhalb des Kulturbereichs, wie etwas „Klassik“ versus „Rock“, „Musik“ versus“Tanz“. Außerdem werden bestimmte Angebote dahingehend polarisiert dargestellt, an welche Zielgruppe sie sich richten: „Elitären Projekt“ werden Angeboten „für alle“ gegenüberstellt. Es handelt sich hier um Debatten, die auch überregional wahrgenommen und scharf kritisiert, so etwa im 139
Interviewpartner Nr. 11, politisch-administrativer Akteur
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Feuilleton der FAZ als „anachronistisch“ bezeichnet werden, mit dem Argument, keine Großstadt könne es sich mehr leisten, „…dass Kunst und Soziales, Hochkultur- und Breitenkultur derart gegeneinander ausgespielt werden“ (s. z.B.Rossmann 2008b). Neben den Handlungslogiken und Interessen der an der Auseinandersetzung beteiligten politischen Partner und deren Mobilisierungsversuchen spiegeln sich in den Konflikten auch Erwartungen und Interessen der Bürgerinnen und Bürger, die in Anbetracht partizipativer Verfahren einflussreiche Akteure darstellen und insofern durchaus „gehört“ werden. Was die Voraussetzung der Interdependenz für PPP-Planungsprozesse betrifft, so ist Sack auch für den Kulturbereich zuzustimmen, der der Annahme gängiger Studien über symmetrische Interdependenz widerspricht (Sack 2007a). Keiner der drei Fälle in der vorliegenden Studie nimmt ihren Ausgang in wechselseitigen Abhängigkeiten. Vielmehr treten je nach Fall der privatwirtschaftliche Bereich, der öffentliche Bereich oder der privatgemeinnützige Bereich zunächst als Nachfrager auf. Es zeigte sich zudem, dass die Wege, die von den jeweils ursprünglichen Initiatoren unternommen wurden, um symmetrische Beziehungen herzustellen, recht unterschiedlich waren. Wie in Kapitel 2 des zweiten Teils nachgezeichnet werden konnte, ist die Verwischung der Grenzen zwischen öffentlichem und privatem Sektor im Kulturbereich generell kein neues Phänomen sondern vielmehr strukturell in historischen Entwicklungspfaden angelegt. Ausprägungen dessen und daraus erwachende Konsequenzen der Steuerung wandelten sich jedoch über die Zeit hinweg. So weisen die Ergebnisse dieser Studie darauf hin, dass derzeit eine neue Welle der Ökonomisierung Einzug hält, deren grundlegende Elemente in den 1990er Jahren begründet wurden und aktuell eine Entwicklungstendenz erfahren. Diese geht einher mit der Entfaltung einer „cultural governance“ (Knoblich /Scheytt 2009) als Steuerungsform im Kulturbereich auch auf lokaler Ebene. Folgt man Knoblich/ Scheytt (2009), ist der Begriff „letztlich (oder lediglich) (…) Ausdruck eines gewachsenen Bewusstseins von Vielfalt in der Kultur, komplexen und einseitig nicht zu bewältigenden Koordinations- und Finanzierungsbedarfen.“ Die Ergebnisse der vorliegenden Studie schließen sich dem zwar grundlegend an, legen indes nahe, den Einfluss von Begriffs- und Debattenbildungen auf die politische Weichenstellung – und vice versa – nicht zu unterschätzen. In diesem Sinne geht die Einschätzung über diejenige von Knobilch/ Scheytt hinaus: Vor dem Hintergrund einer zunehmend strategisch begründeten Regierungsform, die private Partner in die Verantwortung für künstlerische und kulturelle Fragen nimmt, stellt es sich inzwischen wesentlich selbstverständlicher dar, gängige Effizienzmaßstäbe auch bei solchen Gütern und Leistungen im Kulturbereich anzulegen, die nicht eindeutig der Kulturwirtschaft zuzuordnen und deren Wert nicht daran zu bemessen ist. Konsequenzen der Institutionalisierungstendenzen dieser Steuerungsform, für die PPPs als charakteristisches Arrangement bezeichnet werden können und die durch deren gesteigerter Verbreitung und Bedeutungszunahmen erfassbar werden, sind im Kulturbereich gleichwohl zukünftig mit kritischer Aufmerksamkeit zu beobachten. Theoretische Annahmen im Spiegel der empirischen Realität In der aktuellen politik- und verwaltungswissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Situation in Städten und Gemeinden steht die Frage nach der Handlungsfähigkeit und der politischen Koordinations- und Steuerungsmöglichkeit weit oben auf der Agenda. Neben 268
Reformen des politisch-administrativen Systems, die für eine Lösungsmöglichkeit stehen, um Handlungsspielräume zu erhalten und zu erweitern, wird über die grundlegende Art und Weise des Regierens, Koordinierens und Steuerns diskutiert. Möglichkeiten und Grenzen der Gestaltung in gemeinsamer, sektorenübergreifender Koordination werden ausgelotet. Im Zusammenhang mit PPPs steht zur Diskussion, welche Formen und Mechanismen der Koordination und Zusammenarbeit in PPPs geeignet sind, wie das Zusammenwirken von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft abgestimmt wird, welche Möglichkeiten und Grenzen sich aus einem verstärkten Einsatz von PPPs ergeben und welche Bedeutung sie als Instrumente der Steuerung und Regelung in verschiedenen Feldern einnehmen. So wird der Annahme der betriebswirtschaftlich orientierten Public ManagementPerspektive einer effizienzsteigernden Wirkung von PPPs auf der Grundlage der Fallstudienergebnisse nur sehr bedingt zugestimmt. Für den Kulturbereich stellen sich weniger Fragen der Effizienz als relevant dar. Als Modernisierungswerkzeug oder politischadministratives Instrument kann die PPP, so das Ergebnis, nur in sehr ausgewählten Fällen herhalten. Der Hoffnung, durch eine Leistungserstellung unter Einbezug privater Akteure Kosten einsparen zu können, stehen konzeptimmanente Kurz- und Fehlschlüsse gegenüber. So zeigen die Ergebnisse der Fallstudie, dass sowohl dem bürgerschaftlichen Engagement als auch gemeinnützigen Organisationen eine relevante Rolle in PPPs zukommen kann. Als problematisch in der Argumentation effizienz- bzw. marktorientierter Ansätze erweist sich, dass sie Beiträge des Dritten Sektors und der Zivilgesellschaft entweder völlig ignorieren oder ihnen keine Eigenlogik zugestehen. Die auf eine Funktionalisierung verkürzte Sicht birgt die Gefahr, den Wert und die Potentiale von Engagement und des gemeinnützigen Bereichs zu verkennen. Sie wird der Leistung dieses weiten Handlungsfeldes nicht gerecht, das vielfach beachtliche Beiträge im Rahmen des Anschiebens und des Managements der Interdependenzen zu Beginn von PPPs erbringt und im Zuge der Planung und Umsetzung von PPPs eine wichtige Rolle spielt. Dies wird insbesondere durch den Analyseschwerpunkt der vorliegenden Studie auf die Input-Prozesse und die Strukturen der Koordination deutlich, die in bisherigen Studien zu PPPs weitestgehend außer Acht gelassen wurden. So zeigt sich, dass nicht nur die Privatwirtschaft eine zentrale Rolle einnimmt, sondern auch lokale Eliten und die Zivilgesellschaft als wichtige Akteure im Planungs- und Implementationsprozess von PPPs identifiziert werden können. Werden diese Akteure im Zusammenhang mit der lokalen politischadministrative Steuerung und Koordination übergangen, muss mit sehr hohen Kosten für die politische und demokratische Legitimität gerechnet werden. Offensichtlich wird das gerade in Hinblick auf das Fallbeispiel „Musikhalle“. Ein wesentlicher Bestandteil der am Planungsprozess beteiligten Gruppen lokaler Eliten macht auch in den anderen Planungsprozessen ihren Einfluss geltend. Im Vorfeld des Bürgerentscheides treten weitere formelle und informelle zivilgesellschaftliche Akteure auf den Plan, die die Bevölkerung mobilisieren und letztlich die Realisierung des Projektes verhindern. Im demokratietheoretischen Sinne als problematisch erweist sich weniger, ob die Entscheidung für oder gegen eine Mitwirkung des öffentlichen Bereichs an der Finanzierung getroffen wird. Vielmehr stellt sich die Frage nach dem Charakter der vorausgehenden Willensbildungsprozesse und den Umständen der Entscheidungsfindung, deren Beantwortung kritische Aspekte zu Tage fördern. Alarmierend sind zum einen die Mittel, die im Vorfeld des Bürgerentscheides eingesetzt werden. Es ist davon auszugehen, dass die wahlberechtigte Bevölkerung auf den Seiten beider Lager – der Befürworter sowie der Gegner – nicht ausreichend informiert ist über die Faktenlage und insofern auf der Grundlage einer verkürzten Argumentation, unvoll269
ständigen Wissens und einer gefärbten Darstellung ihre Entscheidung trifft. Insbesondere im Bereich von Finanzfragen und inhaltlicher Zusammenhänge ist es für Außenstehende beinahe unmöglich, sich innerhalb der gegebenen Zeit der Vorbereitung des Bürgerentscheides ein kompetentes Bild über die entscheidenden Aspekte zu machen, die komplizierte Lage zu beurteilen, Bedingungen und Projektausgang realistisch einzuschätzen. Zu diesem Zweck wurden Expertinnen und Experten eingesetzt, die sich in jahrelanger Arbeit mit Hintergründen und Rahmenbedingungen beschäftigten. Die Vermittlung dieses Expertenwissens schien nicht möglich zu sein. Die strukturellen Charakteristika, die durch die Netzwerkanalyse aufgedeckt werden konnten, weisen darauf hin, dass für die Entwicklung und Planung der Musikhalle in öffentlich-privater Partnerschaft Kenntnisse aus vielen verschiedenen Bereichen erforderlich sind. Neben Expertise im Kulturbereich sind technischer Sachverstand gefordert, Fachwissen aus den Bereichen Kommunikation, Stadtplanung und Architektur, politische Expertise, Verwaltungs-Know How sowie Wissen über ökonomische Zusammenhänge und aus dem Veranstaltungsbereich. Fehlendes strategisches und Kontextwissen bestimmen ferner die Entscheidung mit. Aufgrund der Wissensdefizite der EntscheidungsträgerInnen beim Bürgerentscheid wird es denn auch möglich, diese durch eine geschickte Kampagnenführung zu beeinflussen. So sind die Teilnehmer des Bürgerentscheides einer Instrumentalisierung ausgesetzt. Der durch Eliten induzierte „Kulturkampf“ bringt der beteiligten Öffentlichkeit mehr Schaden als Nutzen bei. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass durch Bürgerentscheide und die Stärkung der Rolle der Bürgermeister im Zuge der Reformen der Kommunalverfassungen ein Impuls zur Schwächung der Macht der Räte und der hinter diesen stehenden Parteien gesetzt wurde. Erscheint dies auf den ersten Blick hier der Fall zu sein, lässt sich das anhand der Ergebnisse nicht unterstreichen. Der gesamte Planungsprozess ist von den interessengeleiteten Konflikten innerhalb der Kommunalverwaltung geprägt. Der parteipolitische Einfluss kommt zusätzlich durch die „Hintertüre“ zu den Bürgern, von den Parteien über die Medien bis hin zu den Kampagnen im Vorfeld des Bürgerentscheides, die partei-politische Sprachrohre bilden. Die Möglichkeit, in einem Bürgerentscheid nach einer solch kosten- und zeitintensiven Planungsphase einen Schlussstrich unter die Vorbereitungsphase zu setzen ist auch aus einer effizienzorientierten Sicht fragwürdig. Argumentiert wird mit der Verhinderung hoher Kosten. Das Stadium der Planungen ist allerdings weit fortgeschritten. Der Zeitpunkt des Eingriffs in den Planungsprozess ist vor diesem Hintergrund problematisch, waren doch bereits immense Investitionskosten für die Planung entstanden. Verausgabt wurden Mittel für Architekturwettbewerbe, die Gutachtenerstellungen, Beratungsleistungen, Aktivitäten für und in Bürgerforen und die Arbeitszeit einer großen Gruppe von Akteuren in einem Zeitraum, der zwar je nach Akteur variiert, insgesamt jedoch knapp 20 Jahre andauert. Daneben kann ein Prozess dieser Art bewirken, dass immense Folgekosten auch in anderen Bereichen zu verbuchen sind, die wesentlich schwieriger wieder auszugleichen sind als die direkten, geldwerten Kosten. So können das Vertrauen in die Machbarkeit großer Projekte und der Mut in Zukunftsinvestitionen beschädigt werden. Entsteht ein „Kulturkampf“ wie der im Vorgang zum Bürgerentscheid in Münster, besteht das Risiko, dass sich Schranken öffnen, die zu kontraproduktiven Argumentationslinien für die Legitimation der zukünftigen Finanzierung kultureller Leistungen und Angebote führen können. Der Konflikt wurde schließlich auch als ein Kampf gegen Eliten und deren Einfluss auf Geschicke der Stadt geführt und mit einem Infragestellen deren Engagements und Ideen verbunden. Die Zurückweisung der Gruppe Engagierter aus dem privat-gemeinnützigen Bereich, die 270
sich knapp zwei Jahrzehnte für das Projekt eingesetzt hatte, war mit der Begründung der Gegenseite verbunden, es handele sich um „elitäres Projekt“. Letztlich muss festgestellt werden, dass sowohl in Hinblick auf die Partizipationsmöglichkeiten im Zusammenhang mit dem Bürgerentscheid als auch mit Blick auf die engagierten Beteiligten am Planungsprozess der Musikhalle zivilgesellschaftliche Mitgestaltung funktionalisiert wird und in ihrer politischen Bedeutung keinen Raum hat. Die Beschäftigung mit der normativen Frage, wie Formen des Regierens ausgestaltet werden, die nicht nur effektiv sondern auch demokratisch sind, führt direkt zu den Annahmen der Governance-Ansätze. So stellt sich auch das Postulat der Governance-Debatte zwiespältig dar, das auf die Mitgestaltungsrolle aller beteiligter Sektoren an Prozessen des Regierens und an Policy-Ergebnissen abhebt. Aus der Perspektive eines Begriffs „partizipativer Governance“ (Geißel 2004; Walk 2008) wären PPP-Planungsprozesse danach zu prüfen, ob in ihrem Rahmen Demokratisierungsprozesse in Gang gesetzt werden können im Sinne einer „ernsthaften Ausweitung partizipativer Elemente“ und der „Beteiligung verschiedener zivilgesellschaftlicher Gruppen“ (Walk 2008: 14). Effektive Beteiligung, so Walk, kann unterschiedlich aussehen. Sie äußert sich etwa durch Mitgestaltung betroffener BürgerInnen, durch Widerspruch oder durch explizite Autorisierung von Entscheidungsträgern (Walk 2008: 252) In Anbetracht der Willensbildungsprozesse der drei PPP-Vorhaben fällt das Fazit in Hinblick auf diese Frage gleichwohl vorsichtig aus. Im Rahmen der Picasso-MuseumsPlanung existierte überhaupt kein Einbezug zivilgesellschaftlicher Gruppen in den Planungsprozess. Auch bei der Planung der Ausstellungshalle kann nicht von einer ernsthaften Ausweitung partizipativer Elemente und der Beteiligung verschiedener Gruppen gesprochen werden. Im Zusammenhang mit der Musikhallenplanung waren zum einen Akteure des privat-gemeinnützigen Bereichs Initiatoren, Triebkräfte und Hauptkoordinatoren. Zum anderen wurden die Willensbildungsprozesse in dem Sinne transparent, als sie öffentlich ausgetragen wurden, es wurden Bürgerforen und Diskussionsrunden organisiert und es existierte zudem eine Veto-Möglichkeit durch direktdemokratische Verfahren. Die Strukturen und Prozesse waren allerdings sowohl für Beteiligte als auch für Außenstehende sehr undurchsichtig, die Zurechenbarkeit unklar und Zusammenschlüsse und „Angebote“ zur Partizipation auch aufgrund dessen für viele Akteure, die nicht zum engeren Kreis der Beteiligten zählten, unattraktiv oder sogar abschreckend. Diese Tatsache verweist auf den Einwand von Peters und Pierre, die bei Governance-Analysen eine Ignoranz gegenüber Konflikten und Machtbeziehungen kritisieren. In der empirischen Realität sind nach Peters/ Pierre (2004) Interaktionen wesentlich konfliktbehafteter und von Interessen verschiedener Lobby-Gruppen geprägt, als dies in den auf konsensuale Prozesse abstellenden Governance-Analysen erscheint. Dies hängt nach den Autoren auch maßgeblich mit dem normativen Bias der Governance-Analysen zusammen, die in der Regel Strukturen ignorieren und den Fokus auf eine Output-Orientierung legen (s. Peters /Pierre 2004: 85) In Zustimmung zu diesem Argument wurde in der vorliegenden Studie Interessen, Einflussstrukturen und zentrale Konfliktlinien analysiert. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Annahmen „guten Regierens“ einer normativen Governance-Debatte durch die empirische Realität der vorliegenden Fälle in mehreren Aspekten relativiert werden müssen:
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Zum ersten wurde ein Elitenbias im Rahmen der Planungsprozesse festgestellt. Zum zweiten ist die Mitgestaltung bei PPPs bereits durch die Tatsache eingeschränkt, dass sich PPPs im lokalen Kulturbereich auf hochkulturelle Großprojekte konzentrieren. Zum dritten muss als problematisch herausgestellt werden, dass dem Postulat der Effektivität in Verbindung mit breiten Mitgestaltungsmöglichkeiten die Beobachtung entgegensteht, dass Expertenwissen-geprägte, langfristige Planungen im Rahmen der Governance-Arrangements nur unter sehr hohen Voraussetzungen funktionieren. Dabei besteht das Dilemma darin, dass sich die Beteiligten auf eine langwierige Koordination mit hohen Transaktionskosten einstellen müssen und auf eine koordinierte Auseinandersetzung mit komplizierten Fachthemen. Je länger und gründlicher Experten an der Thematik arbeiten, umso wahrscheinlicher wird jedoch die Gefährdung des erfolgreichen Projektausgangs, da ein (transparenter) Prozess dann zunehmend durch Aspekte des richtigen Timings innerhalb politischer Konjunkturen, durch die im Zweifelsfall kritische Begleitung durch mächtige Medien und durch eine politisierte Debatte in der Öffentlichkeit geprägt wird. Es besteht somit ein Dilemma zwischen auf Expertise basierenden Prozessen, die alle Risiken ausloten, und der geforderten Transparenz. Der vierte Punkt bezieht sich auf die direkte Partizipationsmöglichkeit der Öffentlichkeit und verschiedener Gruppen der Zivilgesellschaft. Zunächst positiv zu beurteilen ist, dass durch die Stärkung direktdemokratischer Verfahren, wie beispielsweise Bürgerbegehren, verstärkte Veto-Möglichkeiten eingeräumt wurden. Allerdings zeigen die Fallbeispiele, dass die Macht der Fraktionen sich insofern durchsetzt, als durch die Artikulation gegenläufiger Interessen das Wissen über den Prozess, die tatsächlichen Ziele und Möglichkeiten noch unübersichtlicher und intransparenter werden. Eine sachliche Aufklärung wird durch diese Politisierung vereitelt. Selbst für informierte Außenstehende schwierig einzuschätzen ist, inwiefern Sachargumente hinsichtlich des betreffenden Vorhabens zum Tragen kommen oder Argumente für die Durchsetzung auf andere „Baustellen“ genutzt werden. Die öffentliche Meinung kann ferner beeinflusst werden, indem professionelle Kampagnenpolitik geschickt mit symbolischen Protestkultur-Elementen verknüpft wird. Die Fallstudien zeigen außerdem, dass bei PPPs mit einer Dominanz des privatwirtschaftlichen Bereichs die Prozesse höchst intransparent sein können und die Tendenz besteht, dass Zivilgesellschaft und Öffentlichkeit von der Willensbildung und Entscheidung ausgeschlossen und vor vollendete Tatsachen gestellt werden.
Kritische Einwände hinsichtlich der privatwirtschaftlichen Beteiligung an der öffentlichen Leistungserstellung berühren auch die Annahmen der Ansätze im Kontext einer Privatisierungsdiskussion. Nicht von der Hand zu weisen ist, dass PPPs als Arrangements der Verteilung von Gewinnen sowie Risiken zwischen den Partnern auch den privatwirtschaftlichen Akteuren Verantwortung zuweisen für einen Bereich, der bei rein öffentlicher Aufgabenerfüllung dem Staat obläge. Dies stellt für den Hochkulturbereich nicht per se ein neues Faktum dar. Je nach Modell sind hier weniger die Inputprozesse kritisch zu evaluieren, in der privatwirtschaftliche Initiative in Form von Kulturförderung, Mäzenatentum und kulturwirtschaftlicher Leistungserbringung traditionell eine bedeutende Rolle spielen. Mit Blick auf die Konsequenzen der Leistungserstellung in den drei untersuchten Fälle wird offensichtlich, dass PPPs mit folgenschweren Eingriffen in die Ausgestaltung des städtischen Kulturbereichs, einer städtischen kulturpolitischen Strategie und damit mit bedeutender Einflussnahme in die kulturelle Entwicklung einher gehen können. Dies wird umso deutli272
cher, als alle drei kulturellen PPPs mit bedeutenden stadt(teil)gestalterischen Thematiken zusammenhängen. Unterschiedliche Folgen sind beobachtbar. Die PPP Ausstellungshalle übernimmt relevante imagebildende Funktionen und einen wichtigen Stellenwert als Baustein in der Stadtteilentwicklung und –gestaltung, indem sie Teil eines „Masterplans“ ist zu einer stadtteilverändernden Strategie hin zum Ausbau eines „Cityergänzungsgebiets“. Hier ist das Interesse öffentlicher Partner höher einzuschätzen als eine potentiell unkontrollierte, intransparente und sich ausschließlich an Wirtschaftlichkeitsmaßstäben orientierende privatwirtschaftliche Einflussnahme durch den Investor. Dieser stellt sich als mäzenatisch motiviert dar. Auf Kritik stößt vielmehr der öffentlich konzipierte „Masterplan“. Auch die Musikhalle berührt ein stadtplanerisches und standortpolitisches Thema. Sie soll auf dem größten innerstädtischen Platz gebaut werden. Am konkretesten wird die Privatisierungsthese durch das Picasso-Museum gestützt, deren Konzept eine Belegung eines großen Areals öffentlichen Raums im innerstädtischen Zentrum vorsieht. Nicht ausschließlich ein Kulturprojekt umfassend, sind damit noch weitere, die innerstädtische Gewerbestruktur betreffende Planungen und zusätzliche gestalterische Vorhaben verknüpft: So initiiert die Sparkasse Münsterland Ost einen Neubau in der direkten Nachbarschaft zum Museum der Sparkassen-Stiftung auf einem ca. 10.000 qm großen Areal. Eine Mall, die „Münster-Arkaden“, wird gebaut und nach Fertigstellung an ein Unternehmen verkauft. Sie werden in einen direkten Bezug zum Museum gesetzt. Einkaufspassage, Museumsshop und Eingangsbereich des Picasso-Museums und Gastronomiebetriebe werden miteinander verbunden. Sowohl die Architektur als auch die Atmosphäre in der Innenstadt und die Einzelhandelsstruktur werden durch Wirtschaftsinteressen stark beeinflusst. Dass sich der Realisierung des Picasso-Museums des Weiteren die Planung einer städtebaulichen Neustrukturierung des Gebietes um das Museum anschließt, lässt jedoch aufhorchen. Dies sowie der Umstand, dass öffentliche Akteure bei Bauvorhaben in der Innenstadt immens einwirken und damit Kräfteverhältnisse beeinflussen können verweist darauf, dass von einem Rückzug des Staates bei der Schwerpunktsetzung auf konsumorientierte Dienstleistungen im Innenstadtzentrum auch in diesem Fall keine Rede sein kann. Kulturpolitisch betrachtet besteht bei einer PPP-Umsetzung mit dominant wirtschaftlicher Logik wie der des Picasso-Museums die Gefahr, dass ein Solitär entsteht, der weitestgehend getrennt von den übrigen Kultureinrichtungen der Stadt geplant und entwickelt wird. So ist es zwar ein gutes Recht der Planenden, dass sie eine starke Alleinstellung für das Museum beanspruchen. Wie es sich in das Konzept der Museumslandschaft der Stadt einpasst, bleibt für andere Akteure im städtischen Kulturbereich eine offene Frage. Die Wirtschaftslogik bringt ferner mit sich, dass das Museum fachlich betrachtet als Publikumsmagnet gilt, in der Kunstszene allerdings ambivalent beurteilt wird. Im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit „guten“ Modellen des Regierens und funktionierenden PPPs drängt sich die Frage nach dem entsprechenden Gegenstück auf. Rekurriert man auf die Literatur und Praxisdebatte kann als Konsens festgehalten werden, dass PPPs generell als riskante Unterfangen diskutiert werden (s.a. Sack 2007a: 132). Es existieren keine Standardmodelle, die den erfolgreichen Weg hin zur kooperativen Leistungserstellung im öffentlichen Interesse einschließlich eines positiven wirtschaftlichen Outputs und gemeinsam gemeisterter Problemlösung sicher vorzuzeichnen wissen. Mit Rückblick auf die fachöffentliche Debatte wird deutlich, dass der in diesem Zusammenhang naheliegende Aspekt des Scheiterns kaum Erwähnung findet. Es dominieren Erfolgsgeschichten lokaler PPPs. (s.a. Sack 2007a: 149). Mit welchem Leistungsvermögen sie verbunden sind, wurde in dieser Arbeit mithilfe der Kontrastierung einer Geschichte des 273
Scheiterns eines PPP-Planungsprozesses mit zwei als erfolgreich bezeichneten Vorhaben ermittelt. So zeigte sich, dass PPPs mit Informalisierungstendenzen einher gehen, die riskante Konsequenzen mit sich bringen können. Die komplizierten Abstimmungsprozesse können zu ausufernden, kostenverschlingenden Planungsphasen führen, die durch den sich erweiternden Kreis an Beteiligten immer unübersichtlicher werden und erhöhte Anforderungen an eine Legitimierung stellen. Bei vielen Beteiligten, die nach Konsens streben, führen sie auch zu einer Herausforderung gegenüber Innovationen, die im Kulturbereich als wesentliche Grundlage einer Weiterentwicklung gilt. Die wachsende Anzahl Beteiligter kann ferner eine Eigendynamik befördern, die schwer kontrollierbare Auswirkungen auf das Projekt hat. Langwierige und letztlich scheiternde Prozesse können ferner Konfliktlinien zwischen den Beteiligten verhärten und innerhalb der Öffentlichkeit produzieren. Sie können darauf einwirken, dass sich die Debatte in eine kontraproduktive Richtung entwickelt, die eine Spaltung in der Stadtgesellschaft bedingt. Tabelle 13: Governance-Dilemmata Legitimität
Elitenbias
Akzeptanz der Öffentlichkeit
Dominante Nachfragelogik
„Governance-Postulat“: Ausweitung partizipativer Elemente
Instrumentalisierung von BürgerInnen
Effektivität erfordert viel Expertise
Transparenz / Legitimation: lange Prozesse mit kritischer Begleitung
Viele Beteiligte, die nach Konsens streben
Innovationen
Mitgestaltung aller gesamtgesellschaftlicher Bereiche
Konflikt zwischen Standpunkten zur öffentlichen Leistungserstellung
Eigene Darstellung
Forschungspraktischer Epilog Der Einbezug verschiedener Aspekte der Makro-, Meso- und Mikroebene in das Untersuchungsdesign hat ein differenziertes Bild ergeben. Durch verschiedene Methoden konnte die empirische Realität der beteiligten Akteure in lokalen Kultur-PPPs durch unterschiedliche Brillen betrachtet werden: Durch den Blick auf die Makroebene der institutionellen Rahmung in der Kulturfinanzierung, durch die diskursbezogene Brille, also diejenige, die Inhalte und Thematisierungen der öffentlichen Debatte in der Presse und in Dokumenten betrachtet, durch die strukturalistisch-relationale, und damit diejenige, die Ressourcenverbindungen, Strukturen und Einflusskonstellationen erfasst und interpretiert und, zum dritten, durch die auf die Wahrnehmungen der beteiligten Akteure bezogene Brille, die motivationale Aspekte, Einschätzungen zu Zielen und zu Einflussfaktoren auf das Projektergebnis in den Blick nimmt. Auf diese Weise wurde die Untersuchungstiefe erhöht. Eine 274
Rahmung ermöglichte es ferner, trotz der Vielfalt der Ergebnisse den Blick auf die wesentlichen Punkte zu konzentrieren und eine „Verzettelung“ zu vermeiden. Kritisch anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass sich ein Fallstudiendesign stets dem Vorwurf der eingeschränkten Generalisierbarkeit stellen muss. Dem entgegen steht jedoch die Möglichkeit, neue Gesichtspunkte zu Tage zu befördern, dem wenig standardisierten und formalisierten Untersuchungsgegenstand der lokalen Kultur-PPPs gerecht zu werden und auch qualitative und subjektive Aspekte zu erfassen. Die Validität ist in der vorliegenden Studie gleichwohl aufgrund der Möglichkeit, die Fallstudie zu wiederholen, nicht eingeschränkt. Sowohl der Analyserahmen als auch die Wahl verschiedener quantitativer und qualitativer Erhebungsinstrumente wurde durch den Aufbau von Argumentationsketten zur Begründung des Einsatzes der Methoden nachvollziehbar und übertragbar gemacht. Einem Vergleich auf der Grundlage des hier vorgelegten Designs steht insofern nichts entgegen. In einem an die vorliegende Arbeit anschließenden Schritt wäre es wünschenswert, die untersuchten Fälle nicht nur miteinander zu vergleichen sondern noch weitere Fälle in einer anderen Stadt zu erheben, um analysieren zu können, inwiefern der räumliche Aspekt – spezifische lokale Rahmenbedingungen, Kulturen und „Regierungsstile“ – den Unterschied macht. Auszugehen ist davon, dass die räumliche Komponente eine bestimmende Variable ist. Dies muss der weiteren Forschung in größeren Teams vorbehalten bleiben. Zukünftige Studien könnten sich diesbezüglich von soziologischen Perspektiven der Stadtforschung inspirieren lassen. So stellt etwa Martina Löw jüngst mit ihrer These der Eigenlogik räumlicher Strukturen heraus, dass jede Stadt aufgrund ihrer speziellen räumlich-kulturellen Charakteristika anders „tickt“. Räumliche Strukturen entfalten – als Teilmenge gesellschaftlicher Strukturen – ihre eigene Wirkungskraft. Sie sind in ihren Städtebildern erfassbar und durch diese geprägt, wobei auch die Bauwerke wiederum auf die Lebensstile und Einflussstrukturen einwirken (Löw 2008). Dieser Aspekt wird in der vorliegenden Studie durch die Wahrnehmung der Akteure einer besonderen politischen Kultur berührt, die Handlungs- und Problemlösungskapazitäten in Münster beeinflussen. Dieser Ansatzpunkt könnte in weiterführenden Arbeiten interessante Einsichten hinsichtlich ungeahnter Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Städten bieten und somit neue Lernprozesse ermöglichen. Ferner sind die Ergebnisse auch für andere Studien übertragbar. Berührt werden hier insbesondere Studien zu PPPs in mittelgroßen bis großen Städten und PPPs im Bereich freiwilliger Aufgaben, die bislang weniger im Fokus von sozialwissenschaftlichen Untersuchungen standen. Die Bewertung der gesellschaftspolitischen Relevanz von PPPs in diesem Bereich fällt auf der Basis der Ergebnisse dieser Arbeit gepalten aus. Wie aktuelle politische Programme richtig unterstellen, können PPPs rein theoretisch herausragende Chancen bieten, Ressourcen und Kompetenzen zu bündeln und Mitgestaltungsmöglichkeiten zu eröffnen. Allerdings stehen PPP-Planungsprozesse stets in einem Dilemma zwischen Effizienz und Legitimation. Die Handlungsfähigkeit in komplizierten Steuerungsprozessen ist von Bedingungen abhängig, die Prinzipien demokratischer Legitimation verletzen. So sind Planungsprozesse von PPPs in ihren Effektivitätsvoraussetzungen durch Bedingungen geprägt, die die Auslegungsweite grundlegender Charakteristika der demokratischen Ordnung zur Diskussion stellen: Dazu gehört insbesondere die Frage, welches Ausmaß von fehlender Legitimität grundlegende Kriterien verletzt und damit, wie dehnbar unser Begriff der Öffentlichkeit, der Transparenz und der Beteiligung ist. Vor dem Hintergrund von Governance-Modellen werden Beteiligungsverfahren, Bürgerforen und Parlamente als Ausgleich- und Kontroll275
Schauplätze an Bedeutung gewinnen. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, inwiefern eine Teilhabe der Öffentlichkeit, eine Transparenz in komplexen Entscheidungsprozessen sowie eine Beteiligung vielfältiger Meinungen und gesellschaftlicher Gruppen am Politikprozess unter den gegebenen Voraussetzungen eine funktionierende, langfristig-strategisch ausgelegte Steuerung und Regelung auf lokaler Ebene unmöglich macht. Letztlich hängen Legitimationsdefizite immer auch mit dem fehlenden Vertrauen in eine effektive, gerechte und das öffentliche Interesse repräsentierende Vertretung durch das politisch-administrative System zusammen. Diesbezüglich nach Lösungen zu suchen, ist eine wichtige zukünftige Aufgabe der Forschung. Sinnvoll wäre eine übergeordnete, den PPP-Planungsprozess begleitende Kontrollinstanz, die – unabhängig von der politischen Kontrolle durch die Gemeinderäte – existiert und eine Aufsichtsfunktion im „Interdependenzenmanagement“ einnimmt. Die empirische Untersuchung verweist drauf, dass Bedarfe für eine solche Kontrollinstanz insbesondere im Zusammenhang mit Kommunikationsbeziehungen zu identifizieren sind sowie bei der Vermittlung zwischen unterschiedlichen Handlungslogiken der Partner, der Balance von Interessen und Einflussungleichgewichten, der Steigerung von Transparenz und beim Ausgleich von Fehlentwicklungen. Insbesondere könnte einer Kontrolle die Aufgabe zukommen, eine Übereinstimmung mit dem öffentlichen Interesse fortwährend zu prüfen und gegebenenfalls Exit-Optionen zu schaffen. Für eine politik- und verwaltungswissenschaftliche Auseinandersetzung mit passenden Konzepten der Kontrolle gibt es bereits erste Ansätze im Anschluss an organisationstheoretische Annahmen und im Zusammenhang mit der Perspektive auf Kontrolle in Netzwerken (Kenis /Provan 2006). Herausgestellt wird, dass Gründe für eine geringe Thematisierung von Kontrolle in der Literatur unter anderem auf dem Fehlschluss basieren, Netzwerke würden sich grundsätzlich vom Wesen her einer Kontrolle entziehen oder dass Netzwerke an sich als eine Lösung des Kontroll-Problems präsentiert werden. Relevant ist hingegen die Differenzierung zwischen Netzwerken zum einen als Kontrollmechanismus, zum anderen aber auch als Koordinationsform und somit als ein Objekt der Kontrolle. An diese Perspektive könnte in zukünftigen empirischen Studien im generellen und netzwerkanalytisch inspirierten Studien im besonderen angeknüpft und damit auch relevante Lösungswege für die Praxis auf lokaler Ebene erarbeitet werden. Des Weiteren ließe sich für die Kontrolle in der Umsetzungsphase an aktuelle Arbeiten bezüglich der Fragen nach der Accountability von PPPs anschließen, für die ein deutlicher Forschungsbedarf konstatiert wird (Kumar 2003; Brandsen /Kumar 2009) Problematisch bei der Steuerung von Großprojekten im Hochkulturbereich im Zusammenhang mit der Planung von PPPs ist nicht in erster Linie eine Einschränkung des Einflusses der öffentlichen Hand. Vielmehr ist es die Veränderung des Selbstverständnisses lokaler Politik und Verwaltung, die zukünftig noch stärkere Aufmerksamkeit erfahren muss. Dies äußert sich auch darin, dass Wettbewerbs- und Wirtschaftlichkeitskriterien im Kulturbereich nur begrenzt anzusetzen sind. Über längere Sicht wird die damit einher gehende ökonomische Logik sowie der politische Impuls hin zu einer stärker projekt- als infrastrukturorientierten Planungsweise die grundlegenden Ansprüche an die lokale Kulturlandschaft in Frage stellen: Weder Vielfalt noch Innovationsfähigkeit und Kreativität können auf dieser Grundlage gedeihen und gewährleistet werden. Damit einher geht auch eine Funktionalisierung des Bürgerschaftlichen Engagements, die Gift für eine eigensinnige, auf Freiwilligkeit, Mitgestaltung und Interessenvertretung basierende Bürgergesellschaft ist. Gerade auch im Kulturbereich sollte zukünftig durch die politische Praxis und die Wissenschaft an Wegen gearbeitet werden, das Bürgerschaftliche Engagement in seinem Eigen276
wert stärker anzuerkennen und durch die entsprechenden Rahmenbedingungen zu unterstützen. Für den Kulturbereich ist außerdem grundsätzlich anzumerken, dass die mit derzeitigen Versuchen auf lokaler Ebene Handlungsfähigkeit herzustellen verknüpfte Orientierung an eine dominant ökonomische und (standort-) marketingbezogene Legitimation in der vorzufindenden Intensität nicht hilfreich ist. Dies bedeutet nicht, dass Kultur nicht auch in angemessener Form mit betriebswirtschaftlichen Kalkulationen verbunden sein sollte. Jedoch sei mir abschließend die normative Einschätzung erlaubt, dass sich Kulturpolitik nicht hinter standortpolitischen oder marketingbezogenen Zielen verstecken muss und darf: Für die Zukunft einer prosperierenden oder zumindest gesicherten Kulturlandschaft in Städten und Gemeinden sollte dem vielmehr vorgebeugt werden, indem wieder verstärkt auf ein klares Bekenntnis zu einem künstlerischen, kulturellen und/ oder kulturpolitischen Ziel gesetzt wird. Anknüpfungspunkte einer sinnvolleren und zukunftsträchtigeren Legitimierung bieten zudem bildungspolitische und soziokulturelle Aspekte. Von einer stärkeren Inspiration durch Rückbesinnung auf die Bezüge einer „Kultur für alle“ in kulturpolitischen Strategien der 1970er Jahren könnten derzeitige Programmatiken profitieren. Nicht einfach stellt sich dies vor dem Hintergrund der Situation in den Städten und Kommunen dar, die derzeit stark unter Zugzwang stehen. Ohne jede Relation sind die derzeitigen Einsparungen bei Einrichtungen und Projekten, die durch die öffentlichen Mitteln einen Beitrag zur kulturellen Infrastruktur leisten können. Denn setzt man den Rotstift im Kulturbereich an, besteht mit der geringen Summe der dort investierten Gelder von lediglich 1,8% des öffentlichen Budgets keine Chance, einen Haushalt zu sanieren. Riskiert wird vielmehr, den Bestand auf ein Minimales zu reduzieren. Aus den Ergebnissen dieser Studie können Rückschüsse gezogen werden, die über die Fallstudien hinaus gehen. Einschlägig sind insbesondere kooperative Arrangements in Städten vergleichbarer Größe und PPPs in weiteren Bereichen freiwiller Aufgaben. Davon ist beispielsweise die Forschung und Praxis über den sozialen und Gesundheitsbereich betroffen, zu der aktuell zunehmend Analysen und Befunde der PPP-Forschung vorliegen (s. z.B. für personenbezogene soziale Dienste Oppen, Sack et al. 2005; für den Gesundheitsbereich Freise 2009; für den Krankenhausbereich Zimmer 2009b). Im Sinne der Definition von PPPs als ein Governance-Arrangement ist außerdem die Übertragbarkeit auf die Auseinandersetzung mit Steuerungs- und Governance-Fragestellungen auf lokaler Ebene und der Beschäftigung mit Entscheidungsstrukturen zu erwarten. Die Beschäftigung mit Fragen der lokalen Steuerung und Handlungsfähigkeit im Kulturbereich hat gleichwohl vor dem Hintergrund dessen, dass die Bereiche und das Ausmaß kultureller Betätigung weitestgehend im Ermessen der Gemeinden liegen, derzeit eine hohe Brisanz und wäre weiterer Untersuchungen wert. Da die genaue Ausgestaltung der Kulturförderung auf kommunaler Ebene nicht gesetzlich geregelt ist, sie sich vielmehr an dem Willen der Bürgerinnen und Bürger orientieren soll und die Verantwortung der Gemeinden im Kulturbereich traditionell als freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe ausgelegt wird, ist die Herstellung von Transparenz, die Möglichkeit der Partizipation und (unerwünschte) Steuerungsfolgen kritisch zu betrachten. PPPs sind inzwischen keine Einzelfälle mehr. Sie werden immens gefördert und auch eingefordert. Auf lokaler Ebene werden Hoffnungen und Bedenken mit PPPs verbunden – die Debatte polarisiert auch gerade im Kulturbereich, der sich sowohl in Finanzierungsfragen als auch in Bezug auf sein Innovationspotential unter einem besonders starken Druck befindet. Dabei konnte diese Studie zeigen, dass die effektivitätsvoraussetzenden Bedingungen und die Auswirkungen von PPPs auf lokaler Ebene einer fallspezifisch differenzier277
ten Beobachtung bedürfen. PPPs sind weder Routineaufgaben noch sind sie in ihren Modellen und ihre Wirkungen einseitig und eindimensional zu beurteilen. Sie sind stets maßgeblich durch die Akteure mitgeprägt, die ihre Vorhaben zu realisieren und sich, insbesondere innerhalb informeller Strukturen, durchzusetzen vermögen – oder in ihrer Durchsetzungskraft scheitern. Die Art und Weise der Durchsetzung von und in PPPs ist insofern auch ein hervorragender Indikator für aktuelle, lokale Machtungleichgewichte in Prozessen der Regelung und Steuerung gesellschaftlicher Aufgaben. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft und der damit einhergehenden starken politischen Komponente der Förderung solcher strategischer Arrangements ist es unabdingbar, die Debatte zu PPPs mit einem differenzierten und nüchternen Blick auf die unterschiedlichen Modelle und ihre jeweils verschiedenen Voraussetzungen und Wirkungen zu führen. Wünschenswert wären weitere dichte Beschreibungen, die der geringen Möglichkeit der Verallgemeinerung Rechnung zollen sowie fallspezifische Diskussionen in der Wissenschaft und Praxis, die durch Vergleiche politikfeldspezifische Unterschiede offenlegen und dabei einen kritischen Blick wagen.
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299
Anhang Anhänge 1-7 Die Anhänge 1-7 sind auf den Seiten des VS-Verlags für Sozialwissenschaften zu finden, unter www.vs-verlag.de. Sie stehen dort im Bereich der Informationen über den Titel als Zusatzmaterialien („OnlinePlus“) bereit. Anhang 8: Interviews und Expertengespräche, anonymisiert140 Art des
Nr.
Interviews
Datum
1
Politisch-administrativer Akteur
Interview
14.04.05
2
Gemeinnütziger Akteur
Interview
21.04.05
3
Gemeinnütziger Akteur
Interview
06.05.05
4
Gemeinnütziger Akteur
Interview
12.05.05
5
Politisch-administrativer Akteur
Interview
12.05.05
6
Gemeinnütziger Akteur
Interview
13.05.05
7
Politisch-administrativer Akteur
Interview
14.06.05
8
Politisch-administrativer Akteur
Interview
16.06.05
9
Repräsentant eines quasi-öffentlichen Unternehmens
Interview
22.06.05
10
Verwaltungsspitze
Interview
20.07.05
11
Akteur im gemeinnützigen und politischen Bereich
Interview
21.07.05
12
Repräsentant eines quasi-öffentlichen Unternehmens
Interview
21.07.05
13
Politiker
Interview
25.07.05
14
Repräsentant einer Fraktion im Gemeinderat
Interview
26.07.05
15
Gemeinnütziger Akteur
Interview
09.08.05
16
Privatwirtschaftlicher Akteur
Interview
09.08.05
17
Repräsentant einer Fraktion im Gemeinderat
Interview
12.08.05
18
Politisch-administrativer Akteur
Interview
15.08.05
19
Gemeinnütziger Akteur
Interview
22.08.05
20
Medienvertreter
Interview
22.08.05
21
Gemeinnütziger Akteur
Interview
22.08.05
22
Repräsentant einer Fraktion im Gemeinderat
Interview
23.08.05
23
Akteur der freien Kulturszene und einer gemeinnützigen Organisation
Interview
29.08.05
24
Repräsentant einer öffentlichen Einrichtung
Interview
01.09.05
140
Die Nummerierungen entsprechen denen der qualitativen Auswertung, zum Zweck der Anonymisierung jedoch nicht den bei der Netzwerkanalyse angewendeten IDs.
300 L. Schwalb, Kreative Governance?, DOI 10.1007/978-3-531-92851-7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
25
Politisch-administrativer Akteur; Bezirksebene
Interview
05.09.05
26
Repräsentant einer Fraktion im Gemeinderat
Interview
05.09.05
27
Medienvertreter
Interview
07.09.05
28
Repräsentant einer öffentlichen Einrichtung
Interview
07.09.05
29
Privatwirtschaftlicher Akteur
Interview
07.09.05
30
Akteur im gemeinnützigen Bereich und einer öffentlichen Einrichtung
Interview
08.09.05
31
Repräsentant einer öffentlichen Einrichtung
Interview
14.09.05
32
Repräsentant einer öffentlichen Einrichtung
Interview
27.09.05
33
Gemeinnütziger Akteur
Interview
13.10.05
34
Verwaltungsspitze
Interview
20.10.05
35
Politisch-administrativer Akteur
Interview
27.10.05
36
Politisch-administrativer Akteur
Interview
03.11.05
37
Repräsentant eines quasi-öffentlichen Unternehmens
Interview
04.11.05
38
Repräsentant einer Fraktion im Gemeinderat
Interview
10.11.05
39
Repräsentant einer Fraktion im Gemeinderat
Interview
11.11.05
40
Repräsentant eines quasi-öffentlichen Unternehmens
Interview
28.11.05
41
Repräsentant eines quasi-öffentlichen Unternehmens
Expertengespräch
11.03.05
42
Medienvertreter
Expertengespräch
01.04.05
43
Akteur der freien Kulturszene
Expertengespräch
10.05.05
44
Repräsentant einer öffentlichen Einrichtung
Expertengespräch
07.06.05
45
Akteur des gemeinnützigen und privatwirtschaftlichen Bereichs
Expertengespräch
09.09.05
46
Repräsentant einer öffentlichen Einrichtung
Expertengespräch
27.09.05
47
Akteur der freien Kulturszene
Expertengespräch
48
Politisch-administrativer Akteur
Expertengespräch
09.09.05
49
Politisch-administrativer Akteur
Expertengespräch
14.09.05
50
Gemeinnütziger Akteur
Pretest 1
04.03.05
51
Repräsentant einer öffentlichen Einrichtung
Pretest 2
09.03.05
04.10.05 18.10.05
301