Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
Beiträge zum ausländischen öffentlichen Rech...
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Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht
Begründet von Viktor Bruns
Herausgegeben von Armin von Bogdandy · Rüdiger Wolfrum
Band 231
Thomas Kleinlein
Konstitutionalisierung im Völkerrecht Konstruktion und Elemente einer idealistischen Völkerrechtslehre Constitutionalization in International Law (English Summary)
ISSN 0172-4770 ISBN 978-3-642-24883-2 e-ISBN 978-3-642-24884-9 DOI 10.1007/978-3-642-24884-9 Springer Heidelberg Dordrecht London New York Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-PlanckInstitut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Heidelberg 2012 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Einbandentwurf : WMXDesign GmbH, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)
„Da es nun mit der unter den Völkern der Erde einmal durchgängig überhand genommenen […] Gemeinschaft so weit gekommen ist, dass die Rechtsverletzung an einem Platz der Erde an allen gefühlt wird: so ist die Idee eines Weltbürgerrechts keine phantastische und überspannte Vorstellungsart des Rechts, sondern eine notwendige Ergänzung des ungeschriebenen Kodex sowohl des Staats- als Völkerrechts zum öffentlichen Menschenrechte überhaupt und so zum ewigen Frieden, zu dem man sich in der kontinuierlichen Annäherung zu befinden nur unter dieser Bedingung schmeicheln darf.“ Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden (1795), Dritter Definitivartikel (am Ende). “[I]n the sphere of action, ideas may not be more potent than the individual human beings called upon to realize them.” Hersch Lauterpacht, BYBIL 32 (1955-1956), S. 1 (18).
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2009/2010 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main als Dissertation angenommen. Sie wurde mit dem Walter-KolbGedächtnispreis 2010 der Stadt Frankfurt am Main ausgezeichnet. Für die Drucklegung konnten Rechtsprechung und Literatur bis Anfang Mai 2010 berücksichtigt werden. Mein herzlicher Dank gilt dem Betreuer, Herrn Professor Dr. Stefan Kadelbach, LL.M., der mir wichtige Anregungen gegeben, als Gesprächspartner stets zur Verfügung gestanden und zugleich alle Freiheit gelassen hat. Schließlich hat er in sehr kurzer Zeit das Erstgutachten erstellt. Desgleichen danke ich Herrn Professor Dr. Armin von Bogdandy für sein anregendes Zweitgutachten und seine wertvollen Hinweise. Für die Aufnahme in die Schriftenreihe des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht danke ich den Direktoren am Institut, Herrn Professor Dr. Armin von Bogdandy und Herrn Professor Dr. Dr. h. c. Rüdiger Wolfrum. Ich hatte Gelegenheit, Teile meiner Arbeit nicht nur im Doktorandenseminar von Herrn Professor Kadelbach, sondern auch im (erweiterten) Doktorandenseminar von Herrn Richter des BVerfG Professor Dr. Andreas Paulus auf der Insel Frauenchiemsee sowie auf Einladung von Dr. Ingo Venzke, LL.M., im Gesprächskreis „Grundlagen des Völkerrechts“ am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht vorzustellen und zu diskutieren. Auch dafür möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal bedanken. Herrn Professor Paulus danke ich auch herzlich dafür, dass er mit seinen Lehrveranstaltungen zu völkerrechtlichen Gerichtsentscheidungen und zur Völkerrechtstheorie am Münchener Institut für Internationales Recht mein Interesse am Völkerrecht maßgeblich gefördert hat. Für wertvolle Diskussionen und die kritische Lektüre von Teilen der Arbeit danke ich meinen völkerrechtlichen Kolleginnen und Kollegen in Frankfurt und an anderen Orten, Dr. David Barthel, Dr. Jochen von Bernstorff, LL.M., Salua Fahmi, Jörn Müller, Dr. Niels Petersen, Dr. David Rabenschlag und Dr. Ingo Venzke, LL.M., sowie den Kollegen
VIII
Vorwort
am Frankfurter Institut für Philosophie, Anselm Spindler und Dr. Andreas Wagner. Besonderer Dank gebührt Dr. Helmut Aust, MLE., mit dem ich das Manuskript dieser Arbeit Kapitel für Kapitel sehr gewinnbringend diskutiert habe. Mein allergrößter Dank gilt schließlich meiner Freundin und Kollegin Cornelia Janik für ihre unermüdliche mehrfache Lektüre der gesamten Arbeit und ihre so präzise wie nachdrückliche Kritik an Inhalt und Darstellung, die eine Richtschnur für mich war und ist. Ich widme diese Arbeit meinen Eltern, Gerd und Jutta Kleinlein, die mich immer vorbehaltlos unterstützt haben.
Frankfurt am Main, im Januar 2011
Thomas Kleinlein
Inhaltsübersicht
1. Teil: Einführung ................................................................................ 1 1. Kapitel: Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese als Völkerrechtskonzeption ........................................................... 5 A. Autonomisierung des Völkerrechts............................................... 7 B. Übernahme und Verstärkung von Verfassungsfunktionen aus dem staatlichen Recht..................... 61 C. Normative Erklärungsmodelle der Konstitutionalisierung und alternative Verständnisse................................................................................. 76 D. Zwischenfazit und Konsequenzen für den weiteren Gang der Untersuchung ............................................... 93
2. Teil: Voraussetzungen und Vorläufer ....................................... 99 2. Kapitel: Der Begriff der Verfassung, seine Geschichte und sein Bezug zum Staat...................................... 99 A. Vom antiken zum modernen Verfassungsbegriff ..................... 100 B. Koppelung des Begriffs an den Staat in der deutschen Staatsrechtslehre........................................................ 119 C. Zwischenfazit: Wandelbarkeit und Offenheit des Verfassungsbegriffs ..................................................................... 154
3. Kapitel: Vorläufer der Konstitutionalisierungslehre in der europäischen Völkerrechtslehre ............................................... 157 A. Hans Kelsens „reine“ Völkerrechtslehre und sein kosmopolitisches Projekt............................................ 160 B. Hersch Lauterpacht und das Völkerrecht als richterliche Praxis .................................................................. 175
X
Inhaltsübersicht
C. Alfred Verdross zwischen Neukantianismus und Naturrecht ........................................................................... 191 D. Georges Scelle als Völkerrechtler der école réaliste.................. 208 E. Zwischenfazit: Tendenzen der Völkerbundzeit und Konstitutionalisierungslehre .............................................. 230
4. Kapitel: Wurzeln der Konstitutionalisierungsidee in Naturrecht und Aufklärung ............................................................................. 235 A. Bezüge der Konstitutionalisierungsidee zum Naturrecht .......................................................................... 236 B. Kants Völkerrechtsphilosophie ................................................. 287 C. Zwischenfazit: Wandel und Kontinuitäten der idealistisch-universellen Völkerrechtskonzeptionen ............... 311
3. Teil: Konstitutionalisierung und allgemeine Dogmatik des Völkerrechts ....................................................... 315 5. Kapitel: Hierarchisierung im Völkerrecht ............................ 315 A. Verschiedene Vorstellungen von Hierarchisierung .................. 316 B. Fundamentalnormen als Verfassungsrecht ............................... 331 C. Verfassungsrechtlicher Charakter des ius cogens...................... 361 D. UNO-Charta als hierarchisch übergeordnete Verfassung ................................................................................... 409 E. Zwischenfazit: Dogmatik und Argumentation im Völkerrecht ............................................................................ 425
6. Kapitel: Völkerrecht als objektive universelle Ordnung zum Schutz von Gemeinschaftsgütern .......................................................... 427 A. Universelle Normen im Völkerrecht ........................................ 427 B. Drittwirkung von Verträgen ...................................................... 430 C. Universalisierung im Völkergewohnheitsrecht ........................ 473 D. Zwischenfazit: Defizite des Völkerrechts als objektiver Gemeinwohlordnung.......................................... 508
Inhaltsübersicht
XI
7. Kapitel: Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt im Völkerrecht ......................................... 511 A. Legitimität der Ausübung von Hoheitsgewalt jenseits des Staates....................................................................... 512 B. Parameter der Rechtfertigung von Herrschaft im Völkerrecht ............................................................................ 538 C. Dogmatische Begründung der Menschenrechtsbindung internationaler Organisationen............................................................................ 564 D. Möglichkeiten zur Sicherstellung von Standards über die Mitgliedstaaten ............................................................. 601 E. Zusammenfassung....................................................................... 613 F. Hierarchisierung und Objektivierung in Empirie und Dogmatik des Völkerrechts................................................ 614
4. Teil: Überlegungen zu einer Prinzipienlehre des pluralistischen Verfassungsrechts jenseits des Staates ........................................................................................ 617 8. Kapitel: Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze....................................................... 617 A. Problemstellung .......................................................................... 617 B. Allgemeine Rechtsgrundsätze als Rechtsquelle ungeschriebener Normen über die Ausübung von Hoheitsgewalt...................................................................... 619 C. Prinzipiencharakter konstitutioneller Normen im Rechtsdiskurs......................................................................... 661 D. Einheit der Verfassung und Antagonismus im Diskurs ................................................................................... 682
Fazit ....................................................................................................... 685 Zusammenfassung............................................................................. 689 Summary: Constitutionalization in International Law ......................................................................................................... 703 Literaturverzeichnis ......................................................................... 717
XII
Inhaltsübersicht
Verzeichnis der zitierten Ausgaben ............................................. 897 Dokumentenverzeichnis ................................................................. 903 Sach- und Personenregister............................................................ 931
Inhaltsverzeichnis
1. Teil: Einführung .............................................................................. 1 1. Kapitel: Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese als Völkerrechtskonzeption ......................................................... 5 A. Autonomisierung des Völkerrechts ................................................... 7 I.
II.
Völkerrecht als der Weltgemeinschaft und dem Einzelmenschen verpflichtete „Werteordnung“ ...................... 8 1. Gemeinschaftsinteressen und ethische Gehalte im Völkerrecht ......................................................... 9 a) Wandel des Völkerrechts und Recht der Vereinten Nationen ................................................... 9 b) Gemeinwohldimension der WTOKonstitutionalisierung ................................................... 12 c) Menschenrechtsschutz und rechtliche Aufwertung des Individuums ....................................... 13 2. Gemeinschaftsinteressen und ethische Gehalte als materielles Verfassungsrecht.......................................... 15 3. Gemeinschaftliches Völkerrecht als „Werteordnung“ .................................................................. 18 4. Wertgestütztes Völkerrechtsverständnis zwischen Ethisierung und Normskeptizismus.................. 22 Binnenkonstitutionalisierung in internationalen Organisationen und Regelsystemen ....................................... 27 1. Verfassungsrechtliches Verständnis der Gründungsverträge ....................................................... 28 a) UNO-Charta.................................................................. 29 b) WTO-Übereinkommen................................................. 31 2. Konstitutionalisierung als qualifizierte Form der Verrechtlichung................................................... 32 a) Verfassungsschöpfung durch internationale Gerichte .................................................. 33 aa) Modellcharakter des Gerichtshofs der Europäischen Union ........................................ 34
XIV
Inhaltsverzeichnis
bb) Parallelen im Streitschlichtungsmechanismus der WTO ................................................................. cc) Konstitutionalisierung durch andere internationale Gerichte........................................... (1) IGH................................................................... (2) Menschenrechtsorgane und internationale Strafgerichte ............................. dd) Die ambivalente Bedeutung der zunehmenden Zahl von Gerichten................................................. b) Neue Formen der Rechtsetzung und Rechtsumsetzung.................................................... 3. Herrschaftsbegründung und Herrschaftsbeschränkung in der konstitutionellen Perspektive ............................................. III. Konsequenzen der Autonomisierungstendenzen für die Normativität des Völkerrechts.................................... 1. Selbstbegründung des Völkerrechts .................................. 2. Versuch der Transzendierung der Politik ......................... B. Übernahme und Verstärkung von Verfassungsfunktionen aus dem staatlichen Recht ......................... I.
Völkerrechtliche Nebenverfassungen..................................... 1. Menschenrechtsschutz......................................................... 2. WTO-Recht als Nebenverfassung...................................... 3. Weitere völkerrechtliche Anforderungen an die Legitimität staatlicher Regierungsgewalt ..................... II. Verfassungsmaßstäbe als Leitkriterien staatlicher Außenpolitik .......................................................... III. Verfassungshilfe durch die internationale Gemeinschaft ...... C. Normative Erklärungsmodelle der Konstitutionalisierung und alternative Verständnisse .................... I. II.
„Compensatory“ und „Multilevel“ Constitutionalism......... Alternative Perspektiven auf Völkerrecht und transnationales Recht ............................................................... 1. Mehrebenenkonstitutionalismus versus transnationale Netzwerke ................................................... a) Netzwerkperspektive als Reaktion auf neuartige governance-Phänomene ................................ b) Normatives Konzept der Vernetzung als Herausforderung....................................................... 2. Konstitutionalisierung versus Fragmentierung des Völkerrechts...................................................................
35 38 38 42 43 46
49 55 55 59 61 63 63 65 69 71 74 76 77 81 82 82 85 87
Inhaltsverzeichnis
XV
a) Dimensionen der Fragmentierung ................................ b) Verhältnis von Konstitutionalisierung und Fragmentierung ...................................................... 3. Völkerverfassungsrecht versus globales Verwaltungsrecht ................................................................. a) Global Administrative Law als Forschungszweig....... b) Abgrenzung von der Konstitutionalisierungslehre ..... D. Zwischenfazit und Konsequenzen für den weiteren Gang der Untersuchung ...................................................................
87 89 91 91 92 93
2. Teil: Voraussetzungen und Vorläufer ..................................... 99 2. Kapitel: Der Begriff der Verfassung, seine Geschichte und sein Bezug zum Staat ................................... 99 A. Vom antiken zum modernen Verfassungsbegriff .......................... 100 I. Antikes Griechenland ............................................................ II. Rom ......................................................................................... III. Mittelalter................................................................................ IV. Neuzeit.................................................................................... V. Zwischenfazit.......................................................................... B. Koppelung des Begriffs an den Staat in der deutschen Staatsrechtslehre ............................................................ I. II.
Dimensionen des Verhältnisses von ‚Staat‘ und ‚Verfassung‘ ..................................................................... Der Staat vor der Verfassung ................................................. 1. Die Lehre vom Doppelvertrag im deutschen Naturrecht ........................................................ a) Kontraktualistische politische Philosophie................ b) Staat und Verfassung im Mehrvertragsschema........... c) Kritik der Mehrvertragslehre ...................................... 2. Postnaturrechtliche Konzeptionen des vorrechtlichen Staates ................................................. a) Verfassung als Gesetz des Staates................................ b) Selbstbindung des Staates in der Verfassung .............. c) Staat als politische Einheit ........................................... 3. Staatlichkeit als Element der Lehre von den Verfassungsvoraussetzungen ..................................... a) Die Lehre von den Verfassungsvoraussetzungen ...... b) Staat als Verfassungsvoraussetzung ............................
101 103 106 109 117 119 120 123 125 125 128 129 131 131 133 134 136 136 137
XVI
Inhaltsverzeichnis
aa) Bedeutung des Staates für Verfassunggebung und Fortbestand der Verfassung.......................... bb) Normative Schlussfolgerungen............................ 4. Kritik der Lehre vom Staat vor der Verfassung............... III. Moderner Staat als Regelungsgegenstand und Legitimationsvoraussetzung der Verfassung........................ 1. Konzentrierte öffentliche Gewalt als Regelungsgegenstand von Verfassungen .......................... a) Verfasste Hoheitsgewalt im abgeschlossenen Territorialstaat .............................................................. b) Maßstabsfunktion des historisch bedingten Verfassungsbegriffs ...................................................... 2. Demokratische Legitimation der Verfassung nur im Staat ........................................................................ a) Demokratische Legitimation als an den Staat gebundene Errungenschaft.......................................... b) Volkssouveränität als realer Ausgangspunkt legitimer Rechtsordnung und als Gründungsmythos ....................................................... c) Symbolisch-ästhetische Dimension der Verfassung bislang nur im Staat...................................................... 3. Historische Bedingtheit der revolutionären Verfassungsidee .................................................................. C. Zwischenfazit: Wandelbarkeit und Offenheit des Verfassungsbegriffs..........................................................................
137 140 140 143 144 144 145 147 147
150 151 152 154
3. Kapitel: Vorläufer der Konstitutionalisierungslehre in der europäischen Völkerrechtslehre ............................................. 157 A. Hans Kelsens „reine“ Völkerrechtslehre und sein kosmopolitisches Projekt................................................................ 160 I.
Monismus auf der Grundlage neukantianischer Epistemologie ......................................................................... 1. Theoretische Grundlagen des Monismus ........................ 2. Einheit von Völkerrecht und Landesrecht....................... II. Friede durch Rechtsprechung ............................................... 1. Rechtsprechung als Avantgarde der Zentralisation ..................................................................... 2. Bedeutung der Interpretation des Rechts ........................ III. Zusammenfassung und Bedeutung für die Konstitutionalisierungslehre ...........................................
160 160 164 169 169 171 173
Inhaltsverzeichnis
XVII
B. Hersch Lauterpacht und das Völkerrecht als richterliche Praxis ...................................................................... 175 I.
Völkerrecht als modernes Naturrecht und „Higher Private Law“ ........................................................................... 1. Völkerrecht als primär naturrechtlich begründete Ordnung ......................................................... 2. Privatrechtsanalogie........................................................... II. Funktionen der internationalen Rechtsprechung ................ 1. Garant der Vollständigkeit des Rechts ............................. 2. Motor der Fortentwicklung des Völkerrechts................. III. Verfassungsfragen der internationalen Gemeinschaft ......... 1. Stellung des Individuums .................................................. 2. Völkerrechtsgemeinschaft ................................................. IV. Zusammenfassung und Bedeutung für die Konstitutionalisierungslehre ........................................... C. Alfred Verdross zwischen Neukantianismus und Naturrecht................................................................................ Grundnorm und Normendelegation zwischen Begriffslogik, Rechtsempirie und Ethik ............................... II. Wandel des Verfassungsbegriffs ............................................ III. Funktion der allgemeinen Rechtsgrundsätze ....................... IV. Gemäßigter Monismus .......................................................... V. Völkerrechtsgemeinschaft...................................................... VI. Verfassung der universellen Völkerrechtsgemeinschaft und Verfassungen internationaler Organisationen .............. VII. Zusammenfassung und Bedeutung für die Konstitutionalisierungslehre ................................................. D. Georges Scelle als Völkerrechtler der école réaliste ......................
176 176 178 179 180 182 184 185 187 190 191
I.
I.
Soziologischer Rechtsbegriff ................................................. 1. Droit objectif ...................................................................... 2. Droit positif ........................................................................ II. Pluralistischer Rechtsbegriff.................................................. 1. Kategorien internationaler Gesellschaften....................... 2. Relativierung des Staates ................................................... III. Einheit des Rechts im Droit des gens.................................... IV. Föderalismus........................................................................... V. Internationales Verfassungsrecht .......................................... 1. Verzicht auf formelle Merkmale ....................................... 2. Verfassung als Kompetenzordnung jeder Gesellschaft ........................................................................
192 195 199 201 203 205 207 208 209 209 211 212 213 214 215 216 218 218 219
XVIII
Inhaltsverzeichnis
a) Wahrnehmung der Verfassungsfunktionen in jeder Gesellschaft ..................................................... b) Begriff der Kompetenz ................................................ c) Konstitutionalisierung des Völkerbundes.................. 3. Vorrang des Verfassungsrechts.......................................... 4. Grundrechte und Stellung des Individuums.................... VI. Zusammenfassung und Bedeutung für die Konstitutionalisierungslehre ................................................. E. Zwischenfazit: Tendenzen der Völkerbundzeit und Konstitutionalisierungslehre...................................................
219 222 223 225 226 228 230
4. Kapitel: Wurzeln der Konstitutionalisierungsidee in Naturrecht und Aufklärung........................................................................... 235 A. Bezüge der Konstitutionalisierungsidee zum Naturrecht ............................................................................... 236 I.
II.
Spanische Scholastik in der Schule von Salamanca .............. 1. Francisco Vitoria................................................................ a) Die Orbisidee ............................................................... b) Entwicklung der Lehre vom ius gentium in Anlehnung an das innerstaatliche Recht .................... c) Einordnung und Bedeutung für die Konstitutionalisierungslehre ....................................... 2. Francisco Suárez ................................................................ a) Suárez’ Begriff des ius gentium ................................... b) Ius gentium und Weltgemeinschaft............................. c) Einordnung................................................................... 3. Zwischenfazit ..................................................................... 4. Rezeption bei Hugo Grotius ............................................ Philosophie des Rationalismus.............................................. 1. Gottfried Wilhelm Leibniz ............................................... a) Civitas dei ..................................................................... b) Natur- und Völkerrecht............................................... c) Civitas dei und Heiliges Römisches Reich................. d) Ewiger Frieden und prästabilierte Harmonie ............ e) Einordnung................................................................... 2. Christian Wolff .................................................................. a) Die civitas maxima....................................................... aa) Civitas maxima und Naturrecht.......................... bb) Der fiktive Charakter der civitas maxima...........
237 239 240 245 249 250 251 253 257 258 259 261 261 262 263 264 267 270 271 272 272 276
Inhaltsverzeichnis
cc) Die „demokratische“ Regierung der civitas maxima....................................................... b) Das ius gentium voluntarium als aus dem Begriff der civitas maxima abgeleitetes Recht ........................ c) Heuristische Funktion des Quasi-Vertrages .............. aa) Geltungsbedingungen für fiktive Verträge.......... bb) Übertragung auf die civitas maxima und das ius gentium voluntarium................................ d) Die civitas maxima als Weltverfassung....................... e) Zusammenfassung und Bedeutung für die Konstitutionalisierungslehre ................................. f) Rezeption durch Vattel ................................................ B. Kants Völkerrechtsphilosophie...................................................... I. Friedensordnung und Völkerrecht im Werk Kants............. II. Republikanische Staatsverfassung......................................... III. Weltverfassung und Friedensbund........................................ 1. Kants Verfassungsbegriff................................................... 2. Der Völkerbund als „negatives Surrogat“ ....................... 3. Vereinbarkeit supranationaler Hoheitsgewalt mit Kant? ............................................................................ IV. Weltbürgerrecht...................................................................... V. Die Friedensschrift als normative politische Methodologie.......................................................................... 1. Konstitutionalisierung als Prozess ................................... 2. Verwirklichungsmöglichkeiten der formal bestimmten Vernunft......................................................... VI. Zusammenfassung und Einordnung ..................................... C. Zwischenfazit: Wandel und Kontinuitäten der idealistisch-universellen Völkerrechtskonzeptionen....................
XIX
277 278 280 280 281 283 285 285 287 288 290 293 294 295 299 301 304 304 306 309 311
3. Teil: Konstitutionalisierung und allgemeine Dogmatik des Völkerrechts ..................................................... 315 5. Kapitel: Hierarchisierung im Völkerrecht .......................... 315 A. Verschiedene Vorstellungen von Hierarchisierung....................... 316 I. II.
Völkerrechtstheorien und relative Normativität ................. 317 Relative Normativität im positiven Völkerrecht ................. 319 1. Formen graduell abgestufter Verbindlichkeit im Völkerrecht ................................................................... 320
XX
Inhaltsverzeichnis
2. Insbesondere: Relative Normativität der Menschenrechte ................................................................. 3. Zwischenfazit ..................................................................... III. Überwindung des Koordinationscharakters im Völkerrecht........................................................................ 1. Herausbildung einer Vorrangordnung............................. a) Gemeinschaftswerte versus Staatenwerte................... b) Völkerrecht als „semi-vertikales“ System .................. c) Sonderstellung der Menschenrechte ........................... 2. Hierarchischer Vorrang und Verfassung .......................... IV. Zwischenfazit.......................................................................... B. Fundamentalnormen als Verfassungsrecht .................................... I. II.
Typen von Fundamentalnormen........................................... Fundamentalnormen als Verfassungsrecht ratione materiae...................................................................... III. Gemeinsame Normstruktur als Abgrenzungskriterium..... 1. Begriffsklärungen............................................................... a) Bilateralität und Kollektivität von Verpflichtungen ............................................................ b) Reziprozität und Objektivität von Verpflichtungen ............................................................ c) Verhältnis von Bilateralität und Reziprozität ............ 2. Transzendierung der Bilateralität als Identifikationskriterium.................................................... a) Kriterien für die Feststellung zwingenden Völkerrechts ................................................................. aa) Bedeutung der Definition in Art. 53 S. 2 WVK .......................................................... bb) Identifikationsverfahren für das ius cogens......... (1) Wertbezogene und ordre public-Ansätze ..... (2) Konsensgegründete Ansätze ......................... cc) Zwischenfazit ........................................................ b) Identifikation von Verpflichtungen erga omnes ........ aa) Bedeutung der Verpflichtungsstruktur erga omnes ............................................................. bb) Ermittlung von erga omnes-Verpflichtungen ..... (1) Strukturelle Definition................................... (2) Materieller Ansatz.......................................... (3) Kombinationen der Kriterien........................ (4) Funktionale Herangehensweise ....................
321 322 323 323 323 325 327 328 331 331 331 335 337 338 338 339 341 343 343 343 345 346 349 350 351 351 352 353 355 357 357
Inhaltsverzeichnis
XXI
(5) Erga omnes-Charakter als Kehrseite der Nicht-Bilateralisierbarkeit ...................... 358 3. Zwischenfazit ..................................................................... 359 C. Verfassungsrechtlicher Charakter des ius cogens .......................... 361 I.
Der besondere Charakter des Vorrangs von ius cogens....... 1. Reichweite des Vorrangs von ius cogens........................... 2. Nichtigkeitsfolge bei Verletzung von ius cogens .................................................................................. II. Besondere Rechtsfolgen bei Verletzung des ius cogens als Grundlage seines Verfassungscharakters......................... 1. Sonderregeln im Recht der Staatenverantwortlichkeit ................................................. a) Articles on State Responsibility der ILC ..................... b) Draft Articles der ILC zum diplomatischen Schutz............................................................................ 2. Sonderregeln der Jurisdiktionsbegründung..................... 3. Restriktionen gegenüber Vorbehalten als Ausdruck eines Vorranges................................................. a) Kriterien für den Sinn und Zweck des Vertrages (Art. 19 lit. c WVK)..................................... aa) Allgemeine Bemerkung des Menschenrechtskomitees ..................................... bb) Völkermordgutachten des IGH........................... cc) Nichtigkeit eines Vertragsvorbehalts unabhängig von Art. 19 ff. WVK ........................ dd) Zwischenergebnis.................................................. b) Rechtsfolge der Unzulässigkeit von Vorbehalten...... 4. Ausschluss der (Staaten-)Immunität ................................ 5. Grundlage für humanitäre Intervention .......................... III. Zwischenfazit zur Abgrenzung von Fundamentalnormen als Verfassungsrecht ................................................. D. UNO-Charta als hierarchisch übergeordnete Verfassung ........................................................................................ I. II.
Änderungsbestimmungen in Art. 108, 109 UNC................ Vorrangklausel des Art. 103 UNC........................................ 1. Absoluter Charakter der Vorrangklausel im Vertragsrecht................................................................. 2. Reichweite von Art. 103 UNC ......................................... a) Beschränkung auf das Vertragsrecht........................... b) Bedeutung gegenüber Drittstaaten ............................. c) Interne Maßstabsfunktion der Charta........................
363 363 367 369 371 371 373 374 375 377 378 380 382 383 384 388 397 406 409 409 411 411 412 412 414 415
XXII
Inhaltsverzeichnis
3. Konsequenzen des durch Art. 103 UNC angeordneten Vorrangs...................................................... 4. Bedeutung des Art. 103 UNC vor dem Hintergrund verschiedener Grundverständnisse der Charta........................................ a) Höherer Stellenwert für die soziale Solidarität.......... b) Fortdauer und Durchsetzungsmacht der Institution im Gegensatz zum zeitlich begrenzten Vertrag........................................................................... c) Grundlegende Entscheidungen................................... III. Vorrang als Ausdruck von Autonomie................................. E. Zwischenfazit: Dogmatik und Argumentation im Völkerrecht.................................................................................
415
418 418
420 422 423 425
6. Kapitel: Völkerrecht als objektive universelle Ordnung zum Schutz von Gemeinschaftsgütern ........................................................ 427 A. Universelle Normen im Völkerrecht ............................................. 427 B. Drittwirkung von Verträgen........................................................... 430 I.
Drittwirkung mit Verpflichtungscharakter als Reaktion auf globale Herausforderungen ............................ 1. Notwendigkeit universeller Vertragsregime .................... 2. Systematisierung von Gemeinschaftsinteressen im Völkerrecht ................................................................... 3. Begründungsansätze für eine Drittwirkung .................... a) Notwendigkeit umfassender Ordnungen als normatives Argument............................................. b) Drittwirkung sogenannter Weltordnungsverträge .... c) Problem der Definition gemeinsamer internationaler Interessen ............................................ 4. Begründungsansätze für die Drittwirkung der UNO-Charta............................................................... a) Besondere Qualität der Charta als Weltordnungsvertrag ................................................... aa) Charta-Normen mit potentieller Drittwirkung.................................................................. (1) Überblick relevanter Charta-Normen ......... (2) Bedeutung von Art. 2 Nr. 6 UNC ................ bb) Revolutionsartige Wandlung des Völkerrechts......................................................................
431 432 433 435 435 436 439 440 441 441 441 442 445
Inhaltsverzeichnis
XXIII
cc) Verfassungscharakter der Charta......................... b) Begründung der Drittwirkung mit Völkergewohnheitsrecht.............................................. c) Grundlage der Drittwirkung in der Weltgemeinschaft................................................... 5. Zwischenfazit ..................................................................... II. Begründung einer Drittwirkung im Wege der Verallgemeinerung der für bestimmte Institute etablierten Begründungsansätze............................................ 1. Objektive Regime .............................................................. a) Begriff............................................................................ b) Begründungen für die Drittwirkung objektiver Regime ........................................................ c) Relevanz der Rechtsfigur............................................. 2. Institutionelle Verträge...................................................... 3. Menschenrechtsverträge in Sukzessionsfällen ................. 4. Weitere Fälle einer Drittwirkung...................................... a) Gebiete mit besonderem Status und Mandatsverwaltung in der Rechtsprechung............... b) Vertragspraxis nach dem Zweiten Weltkrieg.............. 5. Zwischenfazit ..................................................................... C. Universalisierung im Völkergewohnheitsrecht............................. Bedeutung von objektivem und subjektivem Element für die Bildung von Völkergewohnheitsrecht...................... 1. „Traditionelles“ und „modernes“ Verständnis ................ 2. Erweitertes Verständnis des Praxiselements .................... 3. Custom on a Sliding Scale ................................................. II. Universelles Völkergewohnheitsrecht aus multilateralen Verträgen und Foren...................................... 1. Verträge............................................................................... a) Grundlagen des Verhältnisses von Verträgen und Gewohnheitsrecht ................................................ b) Rechtsprechung des IGH ............................................ c) Zwischenfazit ............................................................... 2. Resolutionen ...................................................................... 3. Zwischenfazit ..................................................................... III. Deduktion aus der ungeschriebenen Verfassung der internationalen Gemeinschaft ......................................... IV. Reziprozität in der Entstehung von Völkergewohnheitsrecht........................................................ 1. Soziologischer Positivismus..............................................
446 447 450 451
451 452 452 454 460 461 463 468 468 470 473 473
I.
476 476 478 482 484 484 485 488 490 491 495 496 499 499
XXIV
Inhaltsverzeichnis
2. Spieltheoretische Ansätze.................................................. a) Berücksichtigung der Wiederholbarkeit des Spiels ... b) Multilaterale Kooperation unter den Bedingungen diffuser Reziprozität .................................................... c) Völkergewohnheitsrecht als Kommunikationsmittel................................................ 3. Zusammenfassung.............................................................. D. Zwischenfazit: Defizite des Völkerrechts als objektiver Gemeinwohlordnung....................................................
502 503 504 506 507 508
7. Kapitel: Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt im Völkerrecht....................................... 511 A. Legitimität der Ausübung von Hoheitsgewalt jenseits des Staates ........................................................................... 512 I. II.
Das Konzept der Legitimität................................................. Konsens als Grundlage der Legitimität der Völkerrechtsordnung ...................................................... III. Zunehmender Legitimationsbedarf der Völkerrechtsordnung ...................................................... 1. Ausübung von Hoheitsgewalt jenseits des Staates........................................................................... 2. Verschiebung der Handlungsspielräume ......................... 3. Betroffenheit von Individuen ........................................... 4. Zwischenfazit ..................................................................... IV. Strategien zur Verbesserung der Legitimität der Völkerrechtsordnung ...................................................... 1. Anpassungen auf staatlicher Ebene .................................. 2. „Konstitutionalisierung“ internationaler Entscheidungsstrukturen als Strategie ............................. B. Parameter der Rechtfertigung von Herrschaft im Völkerrecht................................................................................. I.
Föderalismus........................................................................... 1. Abstrakte Mehrebenensysteme......................................... 2. Subsidiarität und Komplementarität ................................ II. Rule of law .............................................................................. 1. Anhaltspunkte für ein international geteiltes Verständnis .......................................................... 2. Wurzeln der rule of law..................................................... 3. Defizite der internationalen rule of law ........................... III. Demokratie .............................................................................
512 515 516 517 520 524 527 528 530 531 538 539 539 540 542 542 546 548 550
Inhaltsverzeichnis
XXV
1. Menschenrecht auf politische Teilhabe und Selbstbestimmungsrecht als Anknüpfungspunkte für ein Demokratieprinzip im Völkerrecht.................................. a) Menschenrecht auf politische Teilhabe....................... b) Interner Aspekt des Selbstbestimmungsrechts .......... 2. Normative Bedeutung der internationalen Praxis................................................................................... a) Resolutionen zur Demokratie..................................... b) Wahlbeobachtung......................................................... c) Bedingung der Mitgliedschaft in Organisationen...... d) Verfassungshilfe............................................................ e) Demokratiekonditionalität im Rahmen der Entwicklungskooperation..................................... 3. Zwischenfazit ..................................................................... IV. Zwischenfazit zu den Parametern der Rechtfertigung von Herrschaft im Völkerrecht ............................................. C. Dogmatische Begründung der Menschenrechtsbindung internationaler Organisationen ................................................................................ I.
II.
Vertragliche Bindungen ......................................................... 1. Gründungsverträge............................................................ a) Auslegung von Gründungsverträgen unter dem Paradigma des Funktionalismus ......................... b) Wille der Gründungsstaaten........................................ c) „Constitutionalism“..................................................... 2. Von internationalen Organisationen geschlossene Verträge ........................................................ 3. Zwischenfazit ..................................................................... Nachfolge in völkerrechtliche Verpflichtungen der Mitgliedstaaten................................................................. 1. Analogie zur Staatennachfolge.......................................... a) Verschiedene Anknüpfungsmöglichkeiten für eine Analogie .......................................................... b) Sonderfall Territorialverwaltung................................. 2. „Hypothekentheorie“ ....................................................... a) Konstruktive Einwände............................................... b) Praktische Schwierigkeiten.......................................... 3. Allgemeiner Rechtsgrundsatz der Bindung bei Funktionsnachfolge ..................................................... 4. Zwischenfazit .....................................................................
551 552 553 556 556 559 560 561 562 563 564
564 566 566 567 569 570 572 574 574 575 575 576 577 578 580 581 584
XXVI
Inhaltsverzeichnis
III. Selbstbindung der internationalen Organisation an Menschenrechte................................................................. 1. Bindungswirkung einseitiger Erklärungen ...................... 2. Gedanke des widersprüchlichen Verhaltens .................... IV. Bindung der Organe internationaler Organisationen an das allgemeine Völkerrecht............................................... 1. Völkerrechtssubjektivität als Grundlage der Bindung an das allgemeine Völkerrecht........................... 2. Eigener Beitrag internationaler Organisationen zur Bildung von Völkergewohnheitsrecht ................................................... 3. Bindung an sonstiges geeignetes Völkergewohnheitsrecht ................................................... 4. Zwischenfazit ..................................................................... V. Bindung als Voraussetzung einer adäquaten Aufgabenerfüllung ................................................................. D. Möglichkeiten zur Sicherstellung von Standards über die Mitgliedstaaten.................................................................. I. II.
Zurechnungsfragen................................................................. Verantwortlichkeit von Staaten im Zusammenhang mit der Handlung einer internationalen Organisation .............. III. Bindung der Mitgliedstaaten bei Umsetzung und Vollzug............................................................................. IV. Zwischenfazit.......................................................................... E. Zusammenfassung ...........................................................................
584 584 589 590 590
592 595 599 599 601 602 606 610 613 613
F. Hierarchisierung und Objektivierung in Empirie und Dogmatik des Völkerrechts .................................................... 614
4. Teil: Überlegungen zu einer Prinzipienlehre des pluralistischen Verfassungsrechts jenseits des Staates............................................................................................. 617 8. Kapitel: Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze ............................................................. 617 A. Problemstellung............................................................................... 617 B. Allgemeine Rechtsgrundsätze als Rechtsquelle ungeschriebener Normen über die Ausübung von Hoheitsgewalt .......................................................................... 619 I.
Den staatlichen Rechtsordnungen entnommene allgemeine Rechtsgrundsätze................................................. 621
Inhaltsverzeichnis
XXVII
1. Praxis internationaler Gerichte......................................... 2. Notwendigkeit eines Anknüpfungspunktes im Völkerrecht ................................................................... 3. Methode der wertenden Vergleichung ............................. a) Belastbarkeit der rechtsvergleichenden Methode ...... b) Bezugspunkt des Vergleiches ...................................... II. Den internationalen Beziehungen entnommene Rechtsgrundsätze ................................................................... 1. Den internationalen Beziehungen entnommene Rechtsgrundsätze als allgemeine Rechtsgrundsätze i. S. von Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut ......................................................................... 2. Bedeutung von Identitätswandel und Verstrickungsprozessen für konstitutionelle Normen .............................................................................. a) Grundthese des Konstruktivismus ............................. b) Konstruktivismus und Normgenese........................... aa) Normentstehung................................................... bb) Normverbreitung und Norminternalisierung .... c) Behavioristischer Konstruktivismus und Normgenese als reflexiver Prozess ............................. d) Bedingungen der Anerkennung von Rechtsgrundsätzen auf internationaler Ebene ........... aa) „Schwellenwert“ der Normativität...................... bb) Bedeutung der kumulativen Anerkennung allgemeiner Rechtsgrundsätze in verschiedenen Kontexten ..................................... cc) Ius cogens als transzendental-pragmatisch begründete Diskursregeln des Völkerrechts....... III. Bindungswirkung der allgemeinen Rechtsgrundsätze ........ C. Prinzipiencharakter konstitutioneller Normen im Rechtsdiskurs ............................................................................. I.
Qualifikation einer Völkerrechtsnorm als Prinzip .............. 1. Relevanz der Prinzipienlehre und Bedeutung der Unterscheidung zwischen Regeln und Prinzipien ........................................................................... a) Aussagen der Prinzipienlehre...................................... b) Bedeutung für konstitutionelle Normen im Völkerrecht.............................................................. 2. Ermittlung des Prinzipiencharakters völkerrechtlicher Normen ................................................
622 623 626 626 631 633
633
636 637 638 639 641 642 645 645
652 656 659 661 662
663 663 666 667
XXVIII
Inhaltsverzeichnis
II.
Wirkungsweisen konstitutioneller Prinzipien ..................... 1. Rationalitätspotential von Prinzipien ............................. a) Rationalisierung des Rechtsdiskurses und Verteilung von Begründungslasten ............................. b) Verfassungsprinzipien als Gebote der Selbstrechtfertigung ..................................................... 2. Kollisionsprinzipien .......................................................... a) Steuerung von Normkonflikten zwischen einzelnen Regimen im fragmentierten Völkerrecht ................................................................... b) Ausstrahlungswirkung ins nationale Recht ............... D. Einheit der Verfassung und Antagonismus im Diskurs ...............
670 670 670 673 676
676 680 682
Fazit ....................................................................................................... 685 Zusammenfassung............................................................................. 689 I.
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese als Völkerrechtskonzeption................................................... II. Der Begriff der Verfassung, seine Geschichte und sein Bezug zum Staat.............................................................. III. Vorläufer der Konstitutionalisierungslehre in der europäischen Völkerrechtslehre............................................ IV. Wurzeln der Konstitutionalisierungsidee in Naturrecht und Aufklärung ...................................................................... V. Hierarchisierung im Völkerrecht .......................................... VI. Völkerrecht als objektive universelle Ordnung zum Schutz von Gemeinschaftsgütern ................................. VII. Rechtfertigung der Ausübung von Herrschaft im Völkerrecht ............................................................................. VIII. Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze...........................................................
690 693 694 695 696 698 699 700
Summary: Constitutionalization in International Law ......................................................................................................... 703 I.
A Reconstruction of the Constitutionalization Thesis as an International Law Perception ...................................... 704 II. The Concept of Constitution, Its History and Its Relation with the State...................................................... 707 III. Precursors of the Constitutionalist Approach in European International Law Scholarship............................. 708
Inhaltsverzeichnis
XXIX
IV.
Roots of the Idea of Constitutionalization in Natural Law and Enlightenment .......................................... V. Hierarchization in Public International Law....................... VI. Public International Law as an ‘Objective’ Universal Order for the Protection of Collective Goods .................... VII. Justification of the Exercise of Authority in Public International Law................................................................... VIII. Substantive Constitutionalization and Constitutional Principles.................................................................................
709 710 711 712 714
Literaturverzeichnis ......................................................................... 717 Verzeichnis der zitierten Ausgaben ............................................. 897 Dokumentenverzeichnis ................................................................. 903 A. Verträge ............................................................................................ 903 I. Multilaterale Verträge............................................................. 903 II. Bilaterale Verträge .................................................................. 910 B. Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen................................................................... 911 C. Resolutionen des Sicherheitsrates .................................................. 914 D. Entscheidungen internationaler Gerichte...................................... 916 I.
Ständiger Internationaler Gerichtshof.................................. 1. Entscheidungen in Streitsachen ........................................ 2. Gutachtenverfahren........................................................... II. Internationaler Gerichtshof................................................... 1. Entscheidungen in Streitsachen ........................................ 2. Gutachtenverfahren........................................................... III. Internationaler Seegerichtshof............................................... IV. Internationales Strafgericht für das ehemalige Jugoslawien ........................................................... V. GATT/WTO-Streitbeilegungsverfahren.............................. VI. Organe der Europäischen Menschenrechtskonvention ...... 1. Europäische Kommission für Menschenrechte............... 2. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte............... VII. Gerichtshof der Europäischen Union .................................. 1. Gericht................................................................................ 2. Gerichtshof......................................................................... VIII. Organe der Amerikanischen Menschenrechtskonvention...................................................
916 916 916 916 917 920 921 921 921 922 922 923 924 925 925 926
XXX
Inhaltsverzeichnis
1. Interamerikanische Menschenrechtskommission............................................. 926 2. Interamerikanischer Menschenrechtsgerichtshof............................................... 926 E. Entscheidungen innerstaatlicher Gerichte..................................... 926 I. Belgien..................................................................................... II. Deutschland ............................................................................ III. Griechenland .......................................................................... IV. Italien, Corte Suprema di Cassazione................................... V. Kanada..................................................................................... VI. Niederlande ............................................................................ VII. Schweizerisches Bundesgericht ............................................. VIII. Vereinigtes Königreich........................................................... 1. High Court, Queen’s Bench Division.............................. 2. England, Court of Appeal................................................. 3. House of Lords .................................................................. IX. Vereinigte Staaten ...................................................................
926 927 927 927 927 928 928 928 928 928 929 929
Sach- und Personenregister............................................................ 931
Abkürzungsverzeichnis
AA
Akademie-Ausgabe
ABl.
Amtsblatt
AChPR
African Charter on Human and Peoples’ Rights
ACHR
American Convention on Human Rights
AEMR
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
AEL
Collected Courses of the Academy of European Law
AEU
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
AFDI
Annuaire français du droit international
AIDI
Annuaire de l’Institut de Droit International
AJCL
American Journal of Comparative Law
AJIL
American Journal of International Law
AJP/PJA
Zeitschrift für die Aktuelle Juristische Praxis
AJSoc.
American Journal of Sociology
AMDI
Anuario Mexicano de Derecho Internacional
ASR
Articles on State Responsiblity
Am.U. ILR
American University International Law Review
Am.U. JILP
American University Journal of International Law and Policy
Am.U. LR
American University Law Review
Annu. Rev. Law Soc. Sci.
Annual Review of Law and Social Science
AöR
Archiv des öffentlichen Rechts
APD
Archives de philosophie du droit
XXXII
Abkürzungsverzeichnis
APSD
Archives de Philosophie du droit et de Sociologie Juridique
ARIEL
Austrian Review of International and European Law
ARSP
Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie
ARWP
Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie
ASIL Proc.
American Society of International Law Proceedings
ASR
Articles on State Responsibility
Austral. YBIL
Australian Yearbook of International Law
Austrian JPIL
Austrian Journal of Public and International Law
AVR
Archiv des Völkerrechts
Baltic YBIL
Baltic Yearbook of International Law
BDGVR
Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht
BG
Schweizerisches Bundesgericht
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BGH
Bundesgerichtshof
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BYBIL
British Year Book of International Law
Cal. LR
California Law Review
Cambr. RIA
Cambridge Review of International Affairs
Can. YBIL
Canadian Yearbook of International Law
Cardozo LR
Cardozo Law Review
CAT
Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment
CCPR
Covenant on Civil and Political Rights
CEBDI
Cursos Euromediterráneos Bancaja de Derecho Internactional
CEDAW
Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women
CESCR
Committee on Economic, Social and Cultural Rights
Abkürzungsverzeichnis
XXXIII
Chi. JIL
Chicago Journal of International Law
Chinese JIL
Chinese Journal of International Law
CJGD
Codex juris gentium dipomaticus
CML Rev.
Common Market Law Review
Colum.J.Envtl.L.
Columbia Journal of Environmental Law
Colum.J.Eur.L.
Columbia Journal of European Law
Col. JTL
Columbia Journal of Transnational Law
Col. LR
Columbia Law Review
Comp. Pol. Stud.
Comparative Political Studies
Conn. LR
Connecticut Law Review
Conn. JIL
Connecticut Journal of International Law
Cornell ILJ
Cornell International Law Journal
Cornell LQ
Cornell Law Quarterly
CP
Collected Papers
CRC
Convention on the Rights of the Child
CRIA
Cambridge Review of International Affairs
DARIO
Draft Articles zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen
dec.
Decision/Entscheidung
Denver JILP
Denver Journal of International Law and Policy
Diss. Op.
Dissenting Opinion
DÖV
Die Öffentliche Verwaltung
Dok.
Dokument
DR
Decisions and Reports
Duke JCIL
Duke Journal of Comparative & International Law
Duke LJ
Duke Law Journal
DZPhil
Deutsche Zeitschrift für Philosophie
EA
Europa-Archiv
ECHR
European Court of Human Rights, Reports of Judgments and Decisions
ECOWAS
Economic Community of West African States
XXXIV
Abkürzungsverzeichnis
EHRC
European Human Rights Cases
EJIL
European Journal of International Law
EJIR
European Journal of International Relations
EKMR
Europäische Kommission für Menschenrechte
ELJ
European Law Journal
EMRK
Europäische Menschenrechtskonvention
EPIL
Encyclopedia of Public International Law
ERPL/REDP
European Review of Public Law/Revue Européenne de Droit Public
ESIL Proc.
Select Proceedings of the European Society of International Law
ETS
European Treaty Series
EU
Europäische Union/Vertrag über die Europäische Union
EuConst
European Constitutional Law Review
EuGH
Gerichtshof der Europäischen Union
EuGRZ
Europäische Grundrechte Zeitschrift
EUI WP LAW
European University Institute Law Working Papers
EUI WP MWP
European University Institute Max Weber Programme Working Papers
EuR
Europarecht
Eur J Law Econ
European Journal of Law and Economics
EvStL
Evangelisches Staatslexikon
EWS
Europäisches Wirtschafts- & Steuerrecht: Betriebs-Berater für Europarecht
Fordham ILJ
Fordham International Law Journal
FS
Festschrift
FSIA
Foreign Sovereign Immunities Act
FW
Die Friedens-Warte
FYIL
Finnish Yearbook of International Law
GA
Generalanwalt/General Assembly
Abkürzungsverzeichnis
XXXV
Ga. JICL
Georgia Journal of International and Comparative Law
GATT
General Agreement on Tariffs and Trade
GC
Grand Chamber/Große Kammer
Geo. LJ
Georgetown Law Journal
Geo.Wash. ILR
The George Washington International Law Review
GK
Genfer Konvention
GLJ
German Law Journal
GoJIL
Goettingen Journal of International Law
GS
Gedächtnisschrift
GTP
Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis
GV
Generalversammlung
GYIL
German Yearbook of International Law
Harv. ILJ
Harvard International Law Journal
Harv. Int’l. L. Club Bulletin
Harvard International Law Club Bulletin
Harv. JLPP
Harvard Journal of Law and Public Policy
Harv. LR
Harvard Law Review
Hitotsubashi JLP
Hitotsubashi Journal of Law and Politics
HJRL
Hague Journal on the Rule of Law
HRC
Human Rights Committee
HRG
Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte
HRLJ
Human Rights Law Journal
HRLR
Human Rights Law Review
HRQ
Human Rights Quarterly
HRYB
Harvard Human Rights Yearbook
HStR
Handbuch des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland
I/A Commission H.R.
Inter-American Commission on Human Rights
I/A Court H.R.
Inter-American Court of Human Rights
XXXVI
Abkürzungsverzeichnis
I/A YBHR
Inter-American Yearbook on Human Rights
IB
Internationale Beziehungen
ICANN
Internet Corporation for Assigned Names and Numbers
ICERD
International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination
ICJ Rep.
International Court of Justice: Reports of Judgments, Advisory Opinions and Orders
ICLR
International Community Law Review
ICLQ
International and Comparative Law Quarterly
I.CON
International Journal of Constitutional Law
ICSID
International Centre for Settlement of Investment Disputes
ICTR
International Criminal Tribunal for Rwanda
ICTY
International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia
IDI
Institut de droit international
IEA
Institute of Economic Affairs
IGH
Internationaler Gerichtshof
IHRR
International Human Rights Reports
IILJ WP
International Law and Justice Working Papers
IJHR
International Journal of Human Rights
ILA
International Law Association
ILC
International Law Commission
ILDC
International Law in Domestic Courts
ILM
International Legal Materials
ILO
International Labour Organization
ILR
International Law Reports
IMCO
Inter-Governmental Maritime Consultative Organization
Ind. GLSJ
Indiana Journal of Global Legal Studies
Abkürzungsverzeichnis
XXXVII
Ind. JIL
Indian Journal of International Law
Ind. Op.
Individual Opinion
Inst.
Institutiones
Int’l Stud. Q.
International Studies Quarterly
IO
International Organization
IOLR
International Organization Law Review
Iowa LR
Iowa Law Review
IPbpR
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte
IPwskR
Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
IRRC
International Review of the Red Cross
ISO
International Organization for Standardization
Israel YBHR
Israel Yearbook of Human Rights
IStGH
Internationaler Strafgerichtshof
ITLOS
International Tribunal for the Law of the Sea/ Internationaler Seegerichtshof
IZPh
Internationale Zeitschrift für Philosophie
JBl
Juristische Blätter
J.C.& S.L.
Journal of Conflict and Security Law
JCMS
Journal of Common Market Studies
JDI
Journal du droit international
JG
Jus gentium
JHIL
Journal of the History of International Law
JICJ
Journal of International Criminal Justice
JIEL
Journal of International Economic Law
JIR
Jahrbuch für Internationales Recht
JITE
Journal of Institutional and Theoretical Economics
JLEO
Journal of Law, Economics, and Organization
JöR
Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart
JURA
Juristische Ausbildung
XXXVIII
Abkürzungsverzeichnis
Jur Rev
Juridical Review
JWT(L)
Journal of World Trade (Law)
JZ
Juristenzeitung
KJ
Kritische Justiz
KSZE
Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
LCP
Law and Contemporary Problems
LJIL
Leiden Journal of International Law
LNTS
League of Nations Treaty Series
LQR
Law Quarterly Review
NRG
Nouveau recueil general de traités, 2e série, Göttingen 1843-1869
MdS
Metaphysik der Sitten
Mich. JIL
Michigan Journal of International Law
Mich. LR
Michigan Law Review
MLR
Modern Law Review
MPEPIL
Max Planck Encyclopedia of Public International Law
MPYUNL
Max Planck Yearbook of United Nations Law
Ms.
Manuskript
MSR
Metaphysik der Sitten, Erster Teil. Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre
MULR
Melbourne University law Review
NGO
Non-Governmental Organization/ Nichtregierungsorganisation
NiemeyersZ
Niemeyers Zeitschrift für Internationales Recht
NILR
Netherlands International Law Review
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
Nordic JIL
Nordic Journal of International Law
NQHR
Netherlands Quarterly of Human Rights
Nw. JILB
Northwestern Journal of International Law and Business
Abkürzungsverzeichnis
XXXIX
NYIL
Netherlands Yearbook of International Law
NYU JILP
New York University Journal of International Law and Politics
OAS
Organization of American States
OAU
Organization of African Unity
OJLS
Oxford Journal of Legal Studies
ORDO
Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft
OSZE
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
ÖZöR(V)
Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht (und Völkerrecht)
Pace YBIL
Pace University School of Law Yearbook of International Law
PD
La Paix par le Droit
PYIL
Polish Yearbook of International Law
RBDI
Revue belge de droit international
RdC
Recueil des Cours. Académie de Droit International. Collected Courses of the Hague Academy of International Law
RDI
Revue de droit international
RDILC
Revue de droit international et de législation comparé
RDISDP
Revue de droit international, de sciences diplomatiques et politiques (The International Law Review)
REDI
Revista Española de Derecho Internacional
Res.
Resolution
RGBl.
Reichsgesetzblatt
RGDIP
Revue Générale de Droit International Public
RICR
Revue internationale de la Croix-Rouge
RIS
Review of International Studies
RITD
Revue internationale de la théorie du droit
Riv.
Rivista di diritto internazionale
XL
Abkürzungsverzeichnis
RJ
Rechtshistorisches Journal
ROE
rules of engagement
Rs.
Rechtssache
San Diego ILJ
San Diego International Law Journal
Sask. LR
Saskatchewan Law Review
Sep. Op.
Separate Opinion
Ser.
Series
SJICL
Singapore Journal of International and Comparative Law
Slg.
Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts Erster Instanz
S & LS
Social & Legal Studies
SOFA
Status of Forces Agreement
SOMA
Status of Missions Agreement
SR
Sicherheitsrat
SRSG
Special Representative of the Secretary General
SRÜ
Seerechtsübereinkommen
Stan. JIL
Stanford Journal of International Law
Stan. LR
Stanford Law Review
StIGH
Ständiger Internationaler Gerichtshof
SZIER
Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht
Tex. ILJ
Texas International Law Journal
Tex. LR
Texas Law Review
Tulane JICL
Tulane Journal of International and Comparative Law
Tulane LR
Tulane Law Review
U.Chi. LR
The University of Chicago Law Review
U.I. LR
University of Illinois Law Review
UN
United Nations/ Vereinte Nationen
UNC
Charta der Vereinten Nationen
UNCIO
Documents of the United Nations Conference on International Organization, San
Abkürzungsverzeichnis
XLI
Francisco 1945, 22 Bde., London – New York 1945 UNESCO
United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization
UNMIK
United Nations Interim Administration Mission in Kosovo
UNTAET
United Nations Transitional Administration in East Timor
UNTS
United Nations Treaty Series
Utah LR
Utah Law Review
U.T. JLP
University of Tokyo Journal of Law and Politics
Va JIL
Virginia Journal of International Law
Va LR
Virginia Law Review
VBS
Satzung des Völkerbundes
VerfRiÜ
Verfassung und Recht in Übersee
VN
Vereinte Nationen
VVDStRL
Veröffentlichungen der Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer
Wash LR
Washington Law Review
Wisc. ILJ
Wisconsin International Law Journal
Wm and Mary LR
William and Mary Law Review
WP
Working Paper
WTO
World Trade Organization/Welthandelsorganisation
WÜK
Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen
WVK
Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge
Yale Human Rights & Development L.J.
Yale Human Rights & Development Law Journal
Yale JIL
Yale Journal of International Law
Yale LJ
Yale Law Journal
YB EurConv HR
Yearbook of the European Convention on Human Rights
XLII
Abkürzungsverzeichnis
YBILC
Yearbook of the International Law Commission
YBWA
Yearbook of World Affairs
YIHL
Yearbook of International Humanitarian Law
ZaöRV
Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht
ZeF
Zum ewigen Frieden
ZfPhF
Zeitschrift für philosophische Forschung
ZgS
Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft
ZIB
Zeitschrift für Internationale Beziehungen
ZÖR
Zeitschrift für öffentliches Recht
ZP
Zusatzprotokoll
ZSR
Zeitschrift für Schweizerisches Recht
ZVR
Zeitschrift für Völkerrecht
1. Teil Einführung
„Konstitutionalisierung“ ist zu einem Modebegriff geworden, und die Vielfalt der Beiträge sorgt für Unübersichtlichkeit.1 Die Rede ist von einer Konstitutionalisierung des inter- und transnationalen, aber auch des Europa- und des innerstaatlichen Rechts. Für innerstaatliche Verfassungsordnungen bezeichnet Konstitutionalisierung das Phänomen, dass Normen verfassungsrechtlicher Natur in verschiedenen Formen auf der Ebene des einfachen Rechts Auswirkungen zeigen.2 Außerdem steht der Begriff für die Herausbildung von Verfassungsprinzipien.3 Als Gegenbegriff zu Konstituierung im Sinne der Begründung einer neuen Herrschaftsordnung bezeichnet Konstitutionalisierung auch die Begrenzung von Herrschaft durch Verfassung.4
1
Vgl. R. Wahl, FS Brohm, 2002, S. 191 (191 f.) – „Anwärter“ für den „Begriff des Jahres“ im Öffentlichen Recht; W. Kälin, recht Sonderheft (2005), S. 42 (42); M. Wood, The Hersch Lauterpacht Memorial Lectures: The UN Security Council and International Law, First Lecture: The Legal Framework of the Security Council, S. 5, para. 17 – „‘constitutional discourse’ seems to be in fashion“; B. Fassbender, FS Isensee, 2007, S. 71 (83). 2
B. Mathieu/M. Verpeaux (Hg.), La constitutionnalisation des branches du droit, 1998; J. Steyn, The Constitutionalisation of Public Law, 1999; G. Schuppert/C. Bumke, Die Konstitutionalisierung der Rechtsordnung, 2000; P. Craig, ELJ 7 (2001), S. 125 (127); H. D. Jarass, FS Lerche, 2008, S. 75; vgl. auch M. Knauff, ZaöRV 68 (2008), S. 453 (476 ff.) – „Konstitutionalisierung der zweiten Phase“; M. Loughlin, in: P. Dobner/ders., The Twilight of Constitutionalism?, 2010, S. 47 (47). 3
A.-L. Valembois, La constitutionnalisation de l’exigence de sécurité juridique en droit français, 2005. 4
Vgl. C. Möllers, in: A. von Bogdandy/J. Bast (Hg.), Europäisches Verfassungsrecht, 22009, S. 227 (265 ff.); H. Brunkhorst, in: M. Albert/R. Stichweh (Hg.), Weltstaat und Weltstaatlichkeit, 2007, S. 63 (66 f.).
T. Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 231, DOI 10.1007/978-3-642-24884-9_1, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
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Einführung
Mit Blick auf die Europäische Union bedeutet Konstitutionalisierung in einem allgemeinen Sinne die allmähliche institutionelle Verdichtung zu verfassungsartigen Strukturen.5 Jenseits des Staates und der EU wird der Begriff der Konstitutionalisierung auf die Völkerrechtsordnung insgesamt, auf Teilordnungen wie die Welthandelsorganisation6 oder das Umweltvölkerrecht,7 aber auch auf die Emergenz transnationaler sogenannter Zivilverfassungen8 bezogen. Für das Völkerrecht und seine Teilordnungen geht es im Kern darum, ob sie einen Grad an Objektivität erreicht haben, um wie eine Verfassungsordnung die Willensmacht einzelner Staaten zu begrenzen.9 Für Vertreter der Konstitutionalisierungsthese ist im Völkerrecht ein die Staateninteressen transzendierendes Gemeinschaftsinteresse der Menschheit anerkannt, setzen hierarchisch übergeordnete ‚Verfassungsprinzipien‘ dem bisher bindungslos gebliebenen Willen der Staaten Grenzen, verselbständigen sich internationale Organisationen gegenüber ihren Mitgliedstaaten und verbleibt den Staaten nicht länger ein genuiner domaine réservé. Auf der Grundlage dieser Beobachtungen versucht die völkerrechtliche Konstitutionalisierungslehre, das Völkerrecht auf eine neue, verfassungsrechtliche Grundlage zu stellen. Die Plausibilität dieses Versuchs analysiert diese Arbeit. Zunächst ordnet sie die als Konstitutionalisierung bezeichneten Phänomene. Anhand der Begriffsgeschichte und von Ansätzen zu einer systematischen Verschränkung des Verfassungsbegriffs mit dem Staat wird sodann untersucht, wie sich der Begriff aussagekräftig auf diese Phänomene auf internationaler Ebene übertragen lässt. Außerdem spürt dieArbeit idealistischen Völkerrechtslehren nach, die als Vorläufer der aktuellen Debatte 5
S. Oeter, ZaöRV 59 (1999), S. 901; s. zunächst F. Snyder, AEL 6 (1998) 1, S. 41; s. auch I. Ley, ZaöRV 69 (2009), S. 317 – Vergleich von europarechtlichem und völkerrechtlichem Konstitutionalismus. 6
S. etwa D. Cass, The Constitutionalization of the World Trade Organization, 2005. 7
S. etwa M Scheyli, AVR 40 (2002), S. 273; A. Kiss, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 567 (568 ff.). 8
S. insbesondere G. Teubner, ZaöRV 63 (2003), S. 1; kritisch D. Grimm¸ FS Herzog, 2009, S. 67 (75 ff.). Grundlegend für den gesellschaftlichen Konstitutionalismus ist D. Sciulli, Theory of societal constitutionalism, 1992. 9
Mit Konstitutionalisierung des Völkerrechts (constitutionalization) wird aber auch die Inkorporation von Völkerrecht oder die Aufnahme von Verweisen auf das Völkerrecht in staatliche Verfassungen bezeichnet, s. T. Ginsburg/S. Chernykh/Z. Elkins, U. Ill. LR 2008, S. 201 (207) et passim.
Einführung
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betrachtet werden können. Wissenschaftshistorisch lässt sich die Konstitutionalisierungsidee an idealistische Interpretationen des Völkerrechts anknüpfen, die auf entscheidende Weichenstellungen des 20. Jahrhunderts reagieren. Offensichtlich sind diese internationalistischen Projekte auch nach vielen Jahrzehnten nur bedingt erfolgreich, so dass sich die Frage stellt, worin heute die neue Grundlage der Konstitutionalisierungsthese bestehen kann. Sowohl die aktuelle Lehre als auch ihre Vorläuferdoktrinen haben weit zurückreichende Wurzeln in der Philosophie, denen sich die Untersuchung ebenfalls widmet, um Kontinuitäten und Brüche aufzuzeigen. Soll die Konstitutionalisierungsthese für die Völkerrechtswissenschaft von Bedeutung sein, müssen die mit ihr verknüpften Phänomene auch in dogmatischen Begriffen des Völkerrechts Ausdruck finden, die sich als Abbilder von Merkmalen des Verfassungsrechts verstehen lassen. Deshalb werden in einem nächsten Schritt die Hierarchisierung und die Objektivierung des Völkerrechts als Elemente der allgemeinen Dogmatik einer kritischen Auseinandersetzung unterzogen sowie die dogmatischen Grundlagen einer umfassenden Bindung internationaler Organisationen an menschenrechtliche Standards analysiert. Die Bindung an Menschenrechte bildet aus einer verfassungsrechtlichen Perspektive einen Parameter für die Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt im Völkerrecht. Die Arbeit findet schließlich einen vermittelnden Standpunkt, der zwar keine starken Normbehauptungen aufstellt, aber in der juristischen Argumentation zu beachtende Begründungslasten schafft. Sie erklärt die Genese konstitutioneller Normen als allgemeinen Rechtsgrundsätzen in kooperativer Auseinandersetzung mit konstruktivistischen Ansätzen in der Wissenschaft von den internationalen Beziehungen. Die Konstitutionalisierung ist danach vor allem ein Prozess des Identitätswandels und der Selbstverstrickung, in den Staaten und andere internationale Akteure eingebunden sind. Weiter zeigt die Untersuchung, wie Standards der global governance und Normen zum Wohle der Weltgemeinschaft sowohl die notwendige Kohärenz des Rechts als auch die Pluralität der Weltgesellschaft berücksichtigen und von staatlichen und den – mittlerweile zahlreichen – internationalen Gerichten effektiv angewandt werden können.
1. Kapitel: Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese als Völkerrechtskonzeption Die völkerrechtliche Literatur hat verschiedene Zugänge zur Konstitutionalisierung gefunden.1 Es handelt sich, mit unterschiedlichen Akzentuierungen im einzelnen,2 zugleich um Perspektiven wie Visionen. Rechtsentwicklungen werden deskriptiv aufgezeigt, daraus bestimmte dogmatische Schlussfolgerungen gezogen und dabei normative Anforderungen an das Völkerrecht formuliert.3 Als Perspektive steht Konstitutionalisierung für ein analytisches Werkzeug der Beschreibung struktureller Veränderungen des internationalen Rechtssystems. Außerdem ist Konstitutionalisierung eine Lesart oder Rekonstruktion des Völkerrechts mit kritischem Potential4 und vermittelt eine Strategie zur weiteren Stärkung der Effizienz, Kohärenz und Legitimität des Völkerrechts in Anwendung von Elementen der Verfassungstheorie auf das internationale System insgesamt oder auf internationale Organisationen.5 Als 1
Für eine kritische Analyse s. A. Segura-Serrano, Jean Monnet WP 12/09.
2
S. den Überblick bei J. Klabbers, in: ders./A. Peters/G. Ulfstein, The Constitutionalization of International Law, 2009, S. 1 (25 ff.). 3
S. etwa R. Macdonald/D. Johnston, in: dies. (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. xii ff.; weiter zu den verschiedenen Bedeutungsebenen des „constitutionalism“ auch P. Craig, ELJ 7 (2001), S. 125 (127); W. Werner, in: N. Tsagourias (Hg.), Transnational Constitutionalism, 2007, S. 329 (330 f., 342); kritisch A. Fischer-Lescano, ARSP 88 (2002), S. 349 (352) – entweder sei eine Verfassung bereits vorhanden oder der völkerrechtliche Normenbestand erfüllt die Anforderungen nicht, die an eine Verfassung zu stellen sind; aus sozialkonstruktiver Perspektive O. Diggelmann/T. Altwicker, ZaöRV 68 (2008), S. 623 (642 ff.) – „world constitutionalism“ als Institution und als Versuch, intersubjektives Wissen zu generieren. 4
A. Peters, FS Delbrück, 2005, S. 535 (548 ff.); dies., LJIL 19 (2006), S. 579 (610); s. auch P. Allott, Eunomia, 1990; ders., The Health of Nations, 2002, wo das Verfassungsvokabular als Grundlage der Kritik des bestehenden Völkerrechts dient. 5
T. Cottier/M. Hertig, MPYUNL 7 (2003), S. 261 (272).
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1. Kapitel
Vision zielt sie daher auf eine Stärkung der multilateralen Institutionen und ihrer politischen Funktionen, ihre Ausstattung mit Rechtsetzungskompetenzen sowie die Weiterentwicklung von einem „liberalen“ zu einem „sozialen“ Völkerrecht. Sie sieht sich konfrontiert mit den alternativen Szenarien eines hegemonialen Liberalismus der Pax Americana, der neoliberalen Vision einer entstaatlichten Weltmarktgesellschaft oder, globalisierungskritisch gewendet, eines postmarxistischen Imperiums ohne Machtgrenzen6 sowie mit der „geopolitischen“ Vision eines labilen Gleichgewichts konkurrierender regionaler Mächte.7 Zwischen den Dimensionen der Perspektive und der Vision besteht ein Abhängigkeitsverhältnis, weil einerseits die Betrachtung rechtstatsächlicher Entwicklungen eine die Perspektive und den Fokus vermittelnde Konzeption voraussetzt, andererseits die normative Projektion aber auch an reale Fakten anknüpfen will.8 Auf diese Vermittlung zwischen Perspektive und Vision stützt sich die Deutung der Konstitutionalisierung als Prozess.9 Sie grenzt sich von einem Denken vom „Ausnahmezustand“ her ab und lässt sich durch Rückschläge und gegenläufige Tendenzen wie die permanente Verletzung von Menschenrechten und des humanitären Völkerrechts, Durchbrechungen des Gewaltverbots und wiederkehrenden Völkermord sowie fortwährende Umweltzerstörung nicht erschüttern.10 Die Betonung des Verfassungsprozesses soll die Verfassungsqualität völkerrechtlicher Normen gegenüber Defiziten bei der Normbefolgung und Rechtsdurchsetzung immunisieren.11 Verbreitet sich ein derart verändertes Grundverständnis des Völkerrechts, kann dies auch Rückwirkungen auf die internationalen Beziehungen haben. Im Völkerrecht ist die Veränderung der Rechtsrealität durch ge6
M. Hardt/A. Negri, Empire, 2000 – Vereinigung von transnationalen Konzernen, Industriestaaten und internationalen Agenturen des Finanzkapitals zu einem Empire, das danach strebt, gemeinsam den bestmöglichen Zugang zu den Weltressourcen zu gewährleisten. 7
J. Habermas, Konstitutionalisierung, 2004, S. 178 ff.
8
Vgl. T. Schilling, Jean Monnet WP 06/05, S. 10 f.; skeptisch M. Wood, FS Warbrick, 2009, S. 85 (97). 9
S. zum Prozesscharakter der Konstitutionalisierung etwa R. Wahl, FS Brohm, 2002, S. 191; M. Kotzur, AVR 42 (2004), S. 353 (370); B. Bryde, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 103 (106). 10
Zusammenfassend zu gegenläufigen Tendenzen O. Diggelmann/T. Altwicker, ZaöRV 68 (2008), S. 623 (628 f.). 11
M. Kotzur, AVR 42 (2004), S. 353 (373).
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
7
wandelte Paradigmen, die Grundlage für Anwendung, Kritik und Veränderung des Rechts sind, sogar von besonderer Bedeutung, weil hier zentrale Gesetzgeber und -anwender fehlen.12 Im Folgenden sollen die mit der Konstitutionalisierungsthese verknüpften rechtsempirischen Phänomene systematisch entfaltet werden. Mit diesem Zugang erschließt sich ihr innerer Zusammenhang und ihre Bedeutung für die gesamte Völkerrechtsordnung und lässt sich in kritischer Auseinandersetzung mit den einzelnen Diskussionssträngen die Konstitutionalisierungsthese als Völkerrechtskonzeption rekonstruieren. Die verschiedenen Facetten der Konstitutionalisierungsdebatte lassen sich systematisch auf zwei grundlegende, miteinander verknüpfte Entwicklungen beziehen. Zentral für die Konstitutionalisierungsthese ist zunächst die Beobachtung einer Autonomisierung der Völkerrechtsordnung gegenüber den Staaten (A.). Ein zweiter wesentlicher Anknüpfungspunkt ist die Übernahme und Verstärkung von Funktionen der staatlichen Verfassungen auf der Grundlage völkerrechtlicher Normen (B.). Verschiedene normative Erklärungsmodelle zielen darauf, diese Phänomene in ihrer Gesamtheit zu verfassen. Die konstitutionellen Ansätze des „Compensatory Constitutionalism“ und „Multilevel Constitutionalism“ bilden als paradigmatische Perspektiven auf das Völkerrecht eine Alternative zu Konzeptionen transnationaler Netzwerke und zu Ansätzen, die die Fragmentierung des Völkerrechts oder die Entwicklung eines globalen Verwaltungsrechts in den Mittelpunkt stellen (C.). Die Auseinandersetzung mit den beiden für die Konstitutionalisierungsthese zentralen Entwicklungen des Völkerrechts, den darauf gestützten paradigmatischen Perspektiven auf das Völkerrecht und konkurrierenden Entwürfen erlaubt ein erstes Zwischenfazit, in dem zugleich Schlussfolgerungen für den weiteren Gang der Untersuchung gezogen werden (D.).
A. Autonomisierung des Völkerrechts Grundlage für die Beobachtung, dass sich das Völkerrecht gegenüber dem Staatenwillen verselbständige, ist sowohl seine inhaltliche Anrei-
12
Vgl. E. Benvenisti, ZaöRV 67 (2007), S. 585 (585 ff.).
8
1. Kapitel
cherung und Verdichtung als auch die Entwicklung internationaler Organisationen. Die Autonomisierung des Völkerrechts zeigt sich somit in einer Veränderung des materiellen Rechts und einer institutionellen Entwicklung, ohne dass zwischen beiden Entwicklungen ein Gleichklang bestünde.13 Beide werden von verschiedenen Verfassungslesarten des Völkerrechts aufgegriffen, die inhaltlich den Charakter des Völkerrechts als „Werteordnung“ herausarbeiten (I.) und eine konstitutionelle Perspektive auf internationale Organisationen entwickeln (II.). Diese Elemente einer Verselbständigung des völkerrechtlichen Diskurses gegenüber dem Staatenkonsens stützen empirisch die ‚Selbstbegründung‘ des Völkerrechts, können es aber nicht von der internationalen Politik abkoppeln (III.).
I. Völkerrecht als der Weltgemeinschaft und dem Einzelmenschen verpflichtete „Werteordnung“ Als ein zentrales Element der Konstitutionalisierungsthese gilt zunächst die Vorstellung vom Völkerrecht als einer am Gemeinwohl der Weltgemeinschaft orientierten „Werteordnung“.14 In das Völkerrecht aufgenommene Gemeinschaftsinteressen und ethische Gehalte (1.) lassen sich als materielles Verfassungsrecht deuten (2.) und werden in der Konstitutionalisierungsdiskussion teilweise begrifflich als Werte gefasst (3.). Mit der Orientierung an Werten versuchen Vertreter der Konstitutionalisierungslehre, eine Zwischenposition zwischen einem rein instrumentellen Umgang mit dem Völkerrecht zur Verwirklichung rechtsexterner Werte und dem Normskeptizismus der kritischen Rechtslehre einzunehmen (4.). 13
Vgl. M. Nettesheim, JZ 57 (2002), S. 569 (578). S. zu diesen beiden Aspekten schon die verschiedenen Unterscheidungen zwischen Koexistenz- und Kooperationsvölkerrecht im Anschluss an W. Friedmann, The Changing Structure of International Law, 1964. Sie beruhen vorwiegend auf der Differenzierung zwischen Inhalten, die Ausdruck individueller Staateninteressen, und solchen, die Ausdruck des Gemeinschaftsinteresses sind, teilweise aber auch auf einer strukturellen Unterscheidung der Regelungsmechanismen (vgl. A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 181 ff.). Im letzteren Sinne G. Abi-Saab, RdC 207 (1987-VII), S. 9 (321 ff.); ders., EJIL 9 (1998), S. 248 (250 ff.). 14
Ausführlich zu „Gemeinschaftswerten“ im Völkerrecht A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 250 ff.; s. auch M. Scheyli, Konstitutionelle Gemeinwohlorientierung, 2008, S. 201 et passim.
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
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1. Gemeinschaftsinteressen und ethische Gehalte im Völkerrecht a) Wandel des Völkerrechts und Recht der Vereinten Nationen Ein Anknüpfungspunkt für die Konstitutionalisierungsthese ist die Integration von Gemeinschaftsinteressen und ethischen Gehalten in das Völkerrecht.15 An die Stelle der Staatenzentrierung des klassischen Völkerrechts tritt in gewissem Umfang die Orientierung am Gemeinwohl der Weltgemeinschaft und am Wohlergehen des Einzelmenschen. Der Wandel des Völkerrechts von einer neutralen, zwischenstaatlichen Ordnung zu einer Ordnung mit ethischem Gehalt vollzieht sich indes bereits seit dem 19. Jahrhundert, als die englische Abolitionspolitik zur völkerrechtlichen Ächtung des Sklavenhandels führt. In der Entwicklung des völkerrechtlichen Fremdenrechts lässt sich eine Rezeption nationaler Verfassungswerte menschenrechtlichen Gehalts feststellen, obgleich der Einzelne durch seinen Heimatstaat mediatisiert bleibt und das Völkerrecht keinen Schutz des Einzelnen gegenüber seinem eigenen Heimatstaat bietet.16 Die Gründung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz in Genf und die Haager Friedenskonferenzen sind erste Ansätze zur Humanisierung der Kriegsführung. Sie werden überlagert von der Ächtung des Krieges und der Schaffung von Systemen kollektiver Sicherheit. In der Völkerbundzeit wird auch ein System des Minderheitenschutzes aufgebaut, das auf der Selbstbestimmungsidee beruht. Bemühungen um die Herstellung angemessener und menschlicher Arbeitsbedingungen werden Gegenstand einer internationalen Vereinbarung (Art. 23 lit. a VBS) und Aufgabe der ILO. Die Gründung der Vereinten Nationen knüpft an den Geist der Völkerbundepoche an und erklärt die Sicherung des Friedens und die Menschenrechte zu den obersten Zielen der Staatenorganisation.17 Die Aus15
S. zu dieser Entwicklung auch J. Frowein, FS Doehring, 1989, S. 219; E. Jouannet, Mich. JIL 28 (2007), S. 815 (821 ff.); S. Villalpando, EJIL 21 (2010), S. 387. 16
K. Doehring, Die allgemeinen Regeln des Fremdenrechts, 1963, S. 70 ff.; T. Rensmann, Wertordnung und Verfassung, 2006, S. 370; zur aktuellen Diskussion um den diplomatischen Schutz als Instrument des Menschenrechtsschutzes s. T. Kleinlein/D. Rabenschlag, ZaöRV 67 (2007), S. 1277 (1279) m. w. N. in Fn. 5; s. aber auch H. Lauterpacht, Human Rights, 1950, S. 121 – Paradox, dass Ausländer durch das Fremdenrecht besser geschützt sind als Inländer gegenüber dem eigenen Staat. 17 Zusammenfassend S. Kadelbach, ZaöRV 64 (2004), S. 1 (10 f.) m. N. und notwendigen Relativierungen.
10
1. Kapitel
richtung der Charta auf das Gemeinschaftsinteresse der Staaten und Nationen kommt schon in der Präambel und in den Zielen des Artikels 1 zum Ausdruck. In einer idealistischen Deutung bildet die Charta ein vollständiges Wohlfahrtsprogramm für die Menschheit.18 Mit der Dekolonisierung erfährt die Charta-Ordnung dadurch wichtige Impulse, dass das Völkerrecht für das Selbstbestimmungsrecht19 und für eine gerechte Weltordnung in Anspruch genommen wird.20 Ausdruck dieses Bestrebens sind etwa die Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten,21 deren vierter Absatz die neue internationale Wirtschaftsordnung unter anderem auf das gemeinsame Interesse aller Staaten stützt, oder die Friendly Relations-Deklaration, die die allgemeine Wohlfahrt der Völker als Ziel der internationalen Zusammenarbeit proklamiert.22 Die Idee von wechselseitiger Abhängigkeit, geteilter Verantwortung und Solidarität findet Eingang in völkerrechtliche Normen.23 Sie prägt etwa das moderne Umweltrecht im Bereich des Klimaschutzes sowie des Schutzes von Biodiversität, Süßwasserressourcen und Ozeanen.24 Das Konzept des Common Heritage of Mankind25 betrachtet grundsätzlich den Schutz der natürlichen Umwelt zur Erhaltung, solidari-
18 19
C. Tomuschat, RdC 241 (1993-IV), S. 195 (238). J. d’Aspremont, IILJ WP 2006/12, S. 8 ff.
20
P. Dupuy, EJIL 16 (2005), S. 131 (134 f.); T. Rensmann, Wertordnung und Verfassung, 2006, S. 375. 21 22
GV Res. 3281 (XXIX) v. 12.12.1974. GV Res. 2625 (XXV) v. 24.10.1970, 4. Grundsatz.
23
T. Cottier/M. Hertig, MPYUNL 7 (2003), S. 261 (270 f.); zum Solidaritätsprinzip im Völkerrecht s. R. Macdonald, FS Lalive, 1993, S. 275; R. Wolfrum, FS Tomuschat, 2006, S. 1087; K. Wellens, in: R. Wolfrum/C. Kojima (Hg.), Solidarity: A Structural Principle of International Law, 2010, S. 3, sowie die weiteren in dem Band enthaltenen Beiträge. 24
U. Beyerlin, ZaöRV 56 (1996), S. 602; s. Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen v. 9.5.1992, BGBl. 1993-II, S. 1783; Übereinkommen über die biologische Vielfalt v. 5.6.1992, BGBl. 1993-II, S. 1742; zum Schutz von Binnengewässern und des Meeres s. W. Graf Vitzthum, in: ders., (Hg.), Völkerrecht, 42007, S. 387 (465 ff.). 25
W. Kewenig, FS Schlochauer, 1981, S. 385; R. Wolfrum, ZaöRV 43 (1983), S. 312; A. Kiss, RdC 175 (1982-II), S. 99; R. Wolfrum, Stichwort „Common Heritage of Mankind“, in: MPEPIL, http://www.mpepil.com; R. Macdonald, FS Bernhardt, 1995, S. 153; S. Hobe, FS Delbrück, 2005, S. 329.
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
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schen Verwaltung und gerechten Nutzung durch die internationale Gemeinschaft als Staatengemeinschaftsinteresse, das sich unabhängig von souveränitätsbezogenen Einzelinteressen der Staaten konstituiert.26 Völkervertraglichen Ausdruck findet dies für den Meeresboden (Art. 136 SRÜ),27 den Weltraum (Art. I Abs. 1 Weltraumvertrag28) und den Mond (Art. 4, 11 Mondvertrag29), aber auch in der UNESCO-Welterbekonvention.30 In Abkehr von dem mit dem Common HeritageKonzept verbundenen Prinzip gemeinwirtschaftlicher Verwaltung wird später vor allem im Bereich des Klimaschutzes, aber auch für die Biodiversität, das Prinzip des Common Concern of Mankind entwickelt.31 Dem Gedanken der internationalen Solidarität sind auch die möglicherweise im Entstehen begriffenen Menschenrechte der dritten „Dimension“ verpflichtet,32 zu denen ein Recht auf Frieden, auf Entwicklung, auf Selbstbestimmung und auf angemessene Umweltqualität zählt. 26
C. Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln, 2001, S. 359 m. N. in Fn. 338. 27 Hier ist allerdings auch eine Tendenz zur „Verzonung“ und Territorialisierung des Seerechts zu beobachten, s. B. Fassbender, in: H. Münkler/K. Fischer (Hg.), Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, Bd. III, 2002, S. 231 (256 f.). 28
Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper v. 27.1.1967, BGBl. 1969-II, S. 1968. 29 Agreement Governing the Activities of States on the Moon and Other Celestial Bodies (Moon Agreement) v. 5.12.1979, GV Res. 34/68, UNTS 1363, S. 3; von nur 13 Staaten ratifiziert (Quelle: http://treaties.un.org; Stand: 18.5. 2010). 30
Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt v. 23.11.1972, BGBl. 1972-II, S. 213, 7. Erwägungsgrund der Präambel, in dem Teile des Kultur- oder Naturerbes von außergewöhnlicher Bedeutung als Bestandteil des Welterbes der ganzen Menschheit bezeichnet werden. Ohne die ausdrückliche Bezeichnung als gemeinsames Erbe der Menschheit liegt das Konzept auch den Regimen zum Schutz der Antarktis und der Hohen See zugrunde, s. I. Feichtner, Stichwort „Community Interest“ in: MPEPIL, http:// www.mpepil.com, para. 24. 31
GV Res. 43/53 v. 6.12.1988, para. 1. In der Klimarahmenkonvention (1992) und dem Kyoto-Protokoll (1997) ist der Schutz der Erdatmosphäre „gemeinsames Anliegen der Menschheit“; s. zu Common Heritage of Mankind und Common Concern of Mankind als Statusprinzipien W. Durner, Common Goods, 2001, S. 181 ff., 234 ff. 32
Vgl. E. Riedel, EuGRZ 16 (1989), S. 19.
12
1. Kapitel
Als Ausdruck des Gemeinschaftsinteresses gelten auch das Peace-Keeping-System der Vereinten Nationen sowie die Instrumente der Abrüstung und Rüstungskontrolle.33 Im humanitären Völkerrecht ist Ziel der Konstitutionalisierung ein „unverletzbarer humanitärer Raum“.34 Zwischen dem modernen Völkerrecht und einer globalen Ethik35 bestehen inhaltliche Bezüge. Das Gewaltverbot und die Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung sind einer Kultur der Gewaltlosigkeit und des Respekts vor dem Leben verpflichtet. Dem Schutz des Lebens dienen auch das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte sowie das Umweltvölkerrecht. Im Begriff des gemeinsamen Erbes der Menschheit sind ethische Vorstellungen von wirtschaftlicher Gerechtigkeit enthalten.36 Diese Entwicklungen des Völkerrechts seit der Zeit des Völkerbundes und vor allem in den Vereinten Nationen, die durch eine Verrechtlichung von Gemeinschaftsbelangen und eine graduelle Aufnahme zuvor nur moralischer und naturrechtlicher Normen in das positive Völkerrecht gekennzeichnet ist, werden als Prozess der Konstitutionalisierung gedeutet.37
b) Gemeinwohldimension der WTO-Konstitutionalisierung Auch unter der Konstitutionalisierung der WTO wird unter anderem deren Ausrichtung auf Gemeinschaftsinteressen und globale Belange verstanden. In der Präambel des WTO-Übereinkommens, in der die Erhöhung des Lebensstandards, die Sicherung der Vollbeschäftigung, eine nachhaltige Entwicklung, der Schutz und die Erhaltung der Umwelt und die Sicherung des Anteils der Entwicklungsländer, insbeson33 E. Riedel, in: J. Delbrück (Hg.), New Trends in International Lawmaking, 1997, S. 61 (89) m. w. N. 34
D. Thürer/M. MacLaren, Schweizer Monatshefte 82 (2002) 11, S. 5 (7).
35
S. etwa die maßgeblich von Hans Küng formulierte Erklärung des Parliament of the World’s Religions, Towards a Global Ehtic (An Initial Declaration), 1993. 36
Vgl. W. George, in: M. Janis/C. Evans (Hg.), Religion and International Law, 1999, S. 483 (486 ff.). 37
P. Dupuy, MPYUNL 1 (1997), S. 1; B. Fassbender, UN Security Council, 1998, S. 19 ff.; ders., Col. JTL 36 (1998), S. 529; ders., in: H. Münkler/K. Fischer (Hg.), Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, Bd. III, 2002, S. 231 (241); vgl. A. Cassese, International Law, 22005, S. 16; C. Tomuschat, in: UN (Hg.), International Law on the Eve of the Twenty-first Century, 1997, S. 37 (41).
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
13
dere der am wenigsten entwickelten, am Wachstum des internationalen Handels als Ziele genannt werden, kommt diese Gemeinwohlorientierung zum Ausdruck. Das Maß einer so verstandenen Konstitutionalisierung der WTO richtet sich danach, inwieweit ihre Organe Nichthandelsfragen berücksichtigen und mit Handelsfragen in Einklang bringen können („linkages“).38 Dabei geht es genau genommen um eine Konstitutionalisierung des Völkerrechts durch die WTO im Sinne einer qualifizierten Verrechtlichung, wenn dort Interessen der Staatengemeinschaft anerkannt und effiziente Mechanismen zu ihrer Durchsetzung eingesetzt werden.39 Indes scheint sich die WTO-Konstitutionalisierung in Abhängigkeit ganz spezifischer, vorzugsweise liberaler Normgehalte zu vollziehen und wirtschaftliche Betätigungsrechte sowie den Freihandel gegenüber anderen Menschenrechten und Gemeinwohlbelangen zu privilegieren.40 Gleichwohl ist im WTO-Recht selbst kein Grundprinzip des Freihandels oder der Handelsliberalisierung verankert,41 obschon die Bestimmungen über den Freihandel (Art. II, XI GATT, Art. XVI GATS), allgemeine Meistbegünstigung (Art. I GATT, Art. II GATS, Art. 4 TRIPS) und Inländergleichbehandlung (Art. III GATT, XVII GATS) in ihrer Allgemeinheit verfassungsrechtlichen Normen ähneln sollen.42
c) Menschenrechtsschutz und rechtliche Aufwertung des Individuums Die grundlegenden Veränderungen, die die Aufnahme neuer Inhalte für die Völkerrechtsordnung bewirken kann, veranschaulicht aber insbesondere die Regelungsmaterie des internationalen Menschenrechts-
38
Vgl. T. Cottier, ASIL Proc. 94 (2000), S. 220 (221); J. Jackson, JIEL 4 (2001), S. 67 (72); W. Benedek, BDGVR 40 (2003), S. 283 (283 ff.). Zur Natur und zu den Modalitäten der Verknüpfung D. Leebron, AJIL 96 (2002), S. 5. Zusammenfassend D. Cass, Constitutionalization, 2005, S. 97 ff. Zur weiteren Einbeziehung von Nichthandelsfragen s. die Auseinandersetzung zwischen A. Guzman, Harv. ILJ 45 (2004), S. 303 und J. McGinnis/M. Movsesian, Harv. ILJ 45 (2004), S. 353. 39 40 41 42
J. Duvigneau, Außenwirtschaft 56 (2001), S. 295 (310). P. Alston, EJIL 13 (2002), S. 815 (841 ff.). P.-T. Stoll, ZaöRV 57 (1997), S. 83 (116). E.-U. Petersmann, LJIL 19 (2006), S. 633 (644).
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1. Kapitel
schutzes.43 Mit Blick auf die Konvergenz von Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht, die Kriminalisierung von Verletzungen humanitären Völkerrechts und die Auswirkungen, die sich aus den Besonderheiten der Menschenrechte im Recht der Verträge, dem Recht der Staatenverantwortlichkeit, der Lehre von den Völkerrechtssubjekten und der Quellenlehre ergeben, wurde von einer „Humanization“ des Völkerrechts gesprochen.44 Die rechtliche Aufwertung des Individuums im Völkerrecht zeigt sich unter anderem auch in der Einordnung schwerer Menschenrechtsverletzungen als Friedensbedrohung durch den Sicherheitsrat,45 in den Instrumenten der Menschenrechtspakte, insbesondere in einem individuellen Rechtsschutz, wie ihn Art. 34 EMRK eröffnet, und in der völkerstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Einzelnen,46 aber auch im Verständnis des Zugangs zu konsularischem Beistand im Fall der Freiheitsentziehung als einem individuellen Recht aus Art. 36 Abs. 1 WKÜ,47 in der Möglichkeit, über eine Nichtregierungsorganisation im Amicus Curiae-Verfahren Zugang zur Streitschlichtung in der WTO zu bekommen oder als Teil einer betroffenen Partei eine Beschwerde an das World Bank Inspection Panel zu richten, oder in den ICSID-Streitbeile-
43
S. zu den Menschenrechten als Beispiel für eine „internationale Wertegemeinschaft“ zwischen den Staaten der Erde F. Schellhaas, in: C. Tomuschat (Hg.), Weltordnungsmodelle für das 21. Jahrhundert, 2009, S. 25 (38 ff.). 44 T. Meron, The Humanization of International Law, 2006, S. xv et passim; für eine Besprechung s. J. Frowein, AJIL 101 (2007), S. 680; s. auch schon M. Reisman, AJIL 84 (1990), S. 866 (872); E.-U. Petersmann, JIEL 4 (2001), S. 3 (4) – „paradigm change“; B. Fassbender, EuGRZ 30 (2003), S. 1 (11ff.); T. Rensmann, Wertordnung und Verfassung, 2006, S. 362 – Entwicklung zu einer anthropozentrischen Wertordnung; zum Einfluss der Menschenrechte auf das allgemeine Völkerrecht s. auch B. Simma, AEL 4 (1995) 2, S. 153; M. T. Kamminga/M. Scheinin (Hg.), The Impact of Human Rights Law on General International Law, 2009. 45
S. etwa SR Res. 794 v. 3.12.1992 (Somalia); SR Res. 929 v. 22.6.1994 (Ruanda); SR Res. 1078 v. 9.11.1996 (Zaire); SR Res. 1296 v. 19.4.2000; SR Res. 1314 v. 11.8.2000; vgl. J. Frowein/N. Krisch, Article 39, in: B. Simma (Hg.), Charter 2 Commentary, 2002, S. 717 (724 f.), para. 19 ff. m. w. N. 46
S. Hobe, in: R. Hofmann (Hg.), Non-state Actors as New Subjects of International Law, 1999, S. 115 (121 ff.). 47 IGH LaGRand, ICJ Rep. 2001, S. 466 (494), para. 77; Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen v. 24.4.1963, BGBl. 1969-II, S. 1585.
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
15
gungsverfahren unmittelbar zwischen Investor und Gaststaat.48 Diskutiert wird auch die menschenrechtliche Dimension des klassisch bilateralen Instruments des diplomatischen Schutzes.49 Die „Individualisierung des Völkerrechts“ wurde gar zum Anknüpfungspunkt für einen neuen „constitutional moment“ genommen, nach dem sich das Völkerrecht auf die Unverletzlichkeit der Person ausrichten soll.50 Es soll der „Geist einer neuen Zeit“ wehen, der aus Pflichten zum Individualschutz Individualrechte macht.51 Vertreter der Konstitutionalisierungsthese sehen in diesen Entwicklungen die Grundlage für ein auf den Menschen als Legitimationsbezugspunkt ausgerichtetes Völkerrecht.52
2. Gemeinschaftsinteressen und ethische Gehalte als materielles Verfassungsrecht Die hier aufgezeigten Gemeinschaftsinteressen und ethischen Gehalte im Völkerrecht werden mit einer vielfältigen Terminologie aufgegriffen. Einige sprechen von Normen des öffentlichen oder des Gemeinschaftsinteresses.53 In der Gesamtschau ist auch von einem minimalen internationalen ordre public54 die Rede, von norms of public interest, norms of global concern, general structure principles, common wealth notions
48
T. Meron, The Humanization of International Law, 2006, S. 319 ff.
49
S. dazu den von der ILC angenommenen Artikelentwurf, ILC Rep. 2006, UN-Dok. A/61/10, para. 34; weitere Nachweise bei T. Kleinlein/D. Rabenschlag, ZaöRV 67 (2007), S. 1277 (1279) mit Fn. 5. 50 A. Slaugther/W. Burke-White, Harv. ILJ 43 (2002), S. 1 – mit dem Vorschlag eines „principle of civilian inviolability“. 51
O. Dörr, JZ 60 (2005), S. 905 (907).
52
S. etwa B.-O. Bryde, Der Staat 42 (2003), S. 61 (64 ff.); A. Peters, in: J. Klabbers/dies./G. Ulfstein (Hg.), The Constitutionalization of International Law, 2009, S. 153 (155, 157 ff.). 53
C. Tomuschat, RdC 241 (1993-IV), S. 195 (218); B. Simma, RdC 250 (1994-VI), S. 217 (233, 236 ff.); J. Kokott, BDGVR 38 (1997), S. 71 (77); J. Delbrück, FS Jaenicke, 1998, S. 17; M. Cottier, SZIER 9 (1999), S. 403 (405); M. Scheyli, AVR 40 (2002), S. 273 (284 ff.); B. Bryde, Der Staat 42 (2003), S. 61 (63 f.); ders., in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 105 (107); A. Peters, LJIL 19 (2006), S. 579 (601). 54
D. Thürer, ZaöRV 60 (2000), S. 557 (598).
16
1. Kapitel
oder von welfare and solidarity interests of the community of states or of the world society.55 Ausdruck eines Verständnisses, das die Entwicklung von Gemeinschaftsinteressen und ethischen Gehalten im Völkerrecht als Elemente einer Konstitutionalisierung versteht, ist ihre Einordnung als materielles Verfassungsrecht.56 Die Einordnung einer Normengruppe als materielles Verfassungsrecht ist ein wissenschaftliches Instrument, das dazu dient, die Aufmerksamkeit auf ihre inhaltlichen Besonderheiten zu richten. Sie hat vor allem deskriptive und symbolische Bedeutung. Jedenfalls unmittelbar dürfen an den rechtstheoretischen Begriff der Verfassung keine weiteren Rechtsfolgen geknüpft werden.57 Verfassungsrecht im materiellen Sinne enthält die wesentlichen Entscheidungen und grundlegenden Werte des betreffenden Gemeinwesens58 und regelt die institutionelle und verfahrensmäßige Organisation.59 Diese Begriffsbildung stützt sich also allein auf den grundlegenden Charakter bestimmter Strukturnormen einer Rechtsordnung60 und ordnet den „allgemeinen Teil“ des Völkerrechts als Verfassung ein.61 55
U. Beyerlin, ZaöRV 56 (1996), S. 602 (606 ff.); E. Riedel, in: J. Delbrück (Hg.), New Trends in International Lawmaking, 1997, S. 61 (94). 56
Vgl. O. Diggelmann/T. Altwicker, ZaöRV 68 (2008), S. 623 (626).
57
C. Tomuschat, RdC 281 (1999), S. 9 (88), insoweit mit einer Distanzierung von B. Fassbender, UN Security Council Reform and the Right of Veto, 1998 in Fn. 199. S. auch G. Arangio-Ruiz, RdC 137 (1972-III), S. 310 (709 f.) sowie C. Möllers, Staat als Argument, 2000, S. 263. Vgl. für das europäische Verfassungsrecht W. Hertel, JöR 48 (2000), S. 233 (239); A. Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, 2001, S. 167 ff.; N. Petersen, ZaöRV 64 (2004), S. 429 (432); C. Möllers, in: A. von Bogdandy/J. Bast (Hg.), Europäisches Verfassungs2 recht, 2009, S. 227 (261 f.). 58
K. Hesse, in: E. Benda/W. Maihofer/H. Vogel (Hg.), Handbuch des Ver2 fassungsrechts, 1994, Rn. 10. 59
Vgl. zu den Inhalten von staatlichen Verfassungen: J. Frowein, in: R. Bieber/P. Widmer (Hg.), Der europäische Verfassungsraum, 1995, S. 71; V. Constantinesco, ibid., S. 97 ff.; J. Müller, ibid., S. 133. 60 Ähnliche Zusammenfassung von Normen als „international public order“ bei G. Jaenicke, Stichwort „International Public Order“, EPIL II, 1995, S. 1348 (1350). 61
B. Fassbender, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 837 (842); s. schon A. Verdross, Verfassung, 1926, S. V u. vgl. L. Oppenheim, International Law, hg. v. Hersch Lauterpacht, Bd. 1: Peace, 8 1955, S. 3 sowie G. M. Danilenko, Law-Making in the International Commu-
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
17
Im Völkerrecht sind demnach materielles Verfassungsrecht zunächst die sogenannten Verfassungsprinzipien der internationalen Gemeinschaft, d. h. die grundlegenden Normen über das Funktionieren der internationalen Rechtsordnung. Sie betreffen die Entstehung und Änderung des Völkerrechts und grenzen Jurisdiktionssphären ab.62 In diesem Sinne sind die souveräne Gleichheit und die Grundrechte und -pflichten der Staaten, die unmittelbar aus ihrer Koexistenz folgen sollen, Verfassungsgrundlage der internationalen Gemeinschaft.63 Derartige grundlegende Normen existieren in jeder Rechtsordnung. Sie sind die Verfassung des sogenannten Kompetenzvölkerrechts.64 Ausdruck einer materiellen Konstitutionalisierung sind die grundlegenden Normen indes nur, soweit sie sich auf die internationale Gemeinschaft im Völkerrecht beziehen,65 neben zwischenstaatlichen Interessen auch das öffentliche Interesse der Weltbürger berücksichtigen66 und zu deren Wohl globale Güter67 und die Menschenrechte verfassen.68 Für Vertreter der Konstitutionalisierungsthese zählen zu diesen Normen neben im engeren Sinne ethischen Gehalten constitutional virtues wie Gewaltengliederung und Rechtskontrolle, aber auch die demokratische Regierungsform sowie Normen über gute Regierungsführung.69 nity, 1993, S. 11 ff. – Verfassung als Rechtsetzungsregeln; G. Arangio-Ruiz, EJIL 8 (1997), S. 1 (6); R. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 42009, S. 10 f. 62
C. Tomuschat, RdC 281 (1999), S. 9 (57).
63
L. Wildhaber, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Structure and Process, 1983, S. 425 (438); C. Tomuschat, RdC 241 (1993-IV), S. 195 (292); ders., RdC 281 (1999), S. 9 (332). 64
A. Bleckmann, Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 696 ff., 759 ff.; C. Tomuschat, RdC 281 (1999), S. 9 (57). 65
C. Tomuschat, AVR 33 (1995), S. 1 (8) – gemeinschaftliche Elemente; ders., RdC 281 (1999), S. 9 (59 ff.) – „basic values“; J. Frowein, BDGVR 39 (2000), S. 427 (429) – „Staatengemeinschaftsinteresse”. 66
C. Tomuschat, RdC 241 (1993-IV), S. 195 (300); M. Cottier, SZIER 9 (1999), S. 403 (405); vgl. J. Delbrück (Hg.), New Trends in International Lawmaking, 1997; R. Wahl, FS Brohm, 2002, S. 191 (199 f.); B. Fassbender, EuGRZ 30 (2003), S. 1 (2 ff.); F. Schorkopf/C. Walter, GLJ 4 (2003), S. 1359 (1361 f.). 67
Ausführlich I. Kaul u. a. (Hg.), Global Public Goods: International Cost operation in the 21 Century, 1999. 68
A. Peters, LJIL 19 (2006), S. 579 (589); s. auch M. Weller, CRIA 10 (1997), S. 40 (52); E.-U. Petersmann, NYU JILP 31 (1999), S. 753 (766 ff.); J. Frowein, BDGVR 39 (2000), S. 427 (447). 69
C. Tomuschat, RdC 281 (1999), S. 9 (64 ff.).
18
1. Kapitel
Obgleich die UNO-Charta, die in Art. 1 und 2 sorgsam zwischen visionären Zielen einer neuen Ordnung und auf der souveränen Gleichheit der Staaten beruhenden Grundsätzen unterscheidet, etwas anderes suggeriert, stehen die neuen Normgehalte nicht widerspruchsfrei neben klassischen Ordnungselementen des Völkerrechts.70 Dies zeigt sich etwa bei der Strafverfolgung gegenüber Verantwortlichen für schwere Menschenrechtsverletzungen, die im Widerspruch zur Immunität als Ausfluss des Grundsatzes par in parem non habet imperium zu stehen scheint.71 In einem anthropozentrischen Völkerrecht können indes auch die staatliche Souveränität und Institute wie das Gewaltverbot und die Staatenimmunität eine humanitäre Finalität entwickeln.72 Ein materieller Verfassungsbegriff, der sich allgemein auf die Verwirklichung von Frieden, Wohlfahrt und Freiheit bezieht,73 gerät dementsprechend sehr weit und erfasst letztlich die gesamte Rechtsordnung.74 Eine Eingrenzung scheint daher notwendig.
3. Gemeinschaftliches Völkerrecht als „Werteordnung“ Vertreter der Konstitutionalisierungsthese betonen darüber hinaus häufig, dass die Gemeinschaftsinteressen und ethischen Gehalte im Völkerrecht gemeinsame oder universelle Werte verkörperten.75 Im Anklang an die deutsche Grundrechtslehre wurde die völkerrechtliche Konstitu70
S. Kadelbach, ZaöRV 64 (2004), S. 1 (11).
71
S. zu diesem Konflikt zwischen zwischenstaatlichen und Gemeinschaftswerten ausführlich A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 270 ff. 72
T. Rensmann, Wertordnung und Verfassung, 2006, S. 381; A. Peters, EJIL 20 (2009), S. 513; vgl. G. Nolte, ZaöRV 59 (1999), S. 941 (943). 73
M. Hintersteininger, in: R. Weiler (Hg.), Völkerrechtsordnung und Völkerrechtsethik, 2000, S. 55. 74
Kritisch deshalb A. Somek, University of Iowa Legal Studies Research Paper, No. 09-25, S. 29. 75
M. Ragazzi, The Concept of International Obligations Erga Omnes, 1997, S. 72 (189) – „basic moral values“; A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 250 ff.; B. Simma/A. Paulus, EJIL 9 (1998), S. 266 (272); C. Tomuschat, RdC 281 (1999), S. 9 (55); M. Scheyli, AVR 40 (2002), S. 273 (277 ff.); P.-M. Dupuy, EJIL 16 (2005), S. 131 (135); A. Peters, LJIL 19 (2006), S. 579 (597, 606); E. de Wet, LJIL 19 (2006), S. 611 (612); dies., ZaöRV 67 (2007), S. 777 (778); vgl. auch J. d’Aspremont, FYIL 18 (2007), S. 219 (222 ff.) – Überblick zu Anhängern und Kritikern eines werteorientierten Völkerrechtsverständnisses, m. N.
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
19
tionalisierung auch als Entstehung einer objektiven Werteordnung gedeutet.76 Damit soll nicht auf das objektive Wertedenken der Wertphilosophie Bezug genommen werden.77 Während für die materiale Wertethik mit ihren wichtigsten Vertretern Max Scheler und Nicolai Hartmann Wertgehalte apriorisch und nicht sinnlich erfahrbar, sondern fühlbar sind,78 sollen im Völkerrecht gemeinsame Werte als Teil des positiven Rechts79 im Konsens gründen.80 Sozialpsychologisch lassen sich globale Werte in Anlehnung an Milton Rokeach verstehen, der „value“ als „enduring belief that a specific mode of conduct or end-state of existence is personally or socially preferable to an opposite or converse mode of conduct or end-state of existence“ definiert.81 Dabei werden mit dem Charakter von Werten als langfristig angelegten Präferenzen zwei Kriterien deutlich, die auch für ein sozialkonstruktivistisches Wertverständnis zentral sind. Friedrich Kratochwil grenzt wertbezogenes Argumentieren dabei gerade von rechtlichem Argumentieren ab. Die Eigenart von Werten zeigt sich danach in der Art und Weise, wie über sie gesprochen wird und wie sie vermittelt werden. Aussagen über Rechtsregeln knüpfen an eine kognitive Aussage über einen Sachverhalt ein Sollen. Die Vermittlung zwischen ontolo76
J. Kokott, in: C. Meier-Schatz/R. Schweizer (Hg.), Recht und Internationalisierung, 2000, S. 3 (14). 77
S. etwa A. Paulus, FS Lapidoth, 2008, S. 193 (197 f.) mit Fn. 20. Ein Überblick zum Wertedenken in der Philosophie findet sich bei E.-W. Böckenförde, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 2006, S. 67 (71ff.). 78
S. dazu sowie zur Bedeutung der materialen Wertethik für die Rechtswissenschaft J. Hänni, FS Ott, 2008, S. 237. 79
C. Tomuschat, AVR 33 (1995), S. 1 (7 f.); P.-M. Dupuy, RdC 297 (2002), S. 9 (210); B. Fassbender, EuGRZ 30 (2003), S. 1 (5); N. Krisch, Der Staat 43 (2004), S. 267 (278). 80 A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, S. 251 ff.; ders, Nordic JIL 74 (2005), S. 297 (308) mit Fn. 40; s. auch R. Wolfrum, in: H. Hattenhauer/W. Kaltefleiter (Hg.), Mehrheitsprinzip, Konsens und Verfassung, 1986, S. 79 (91); J. Delbrück, in: ders. (Hg.), New Trends in International Lawmaking, 1997, S. 17 (18 f.); B. Fassbender, in: H. Münkler/K. Fischer (Hg.), Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, Bd. III, 2002, S. 231 (262). Zur Unterscheidung zwischen materialer und normativer Wertungsjurisprudenz s. H. Pawlowski, Einführung, 2 2000, Rn. 183 ff. 81 M. Rokeach, The Nature of Human Values, 1973, S. 5; vgl. O. Spijkers, Interdisciplinary Journal of Human Rights Law 4 (2010), S. 67 (68 ff).
20
1. Kapitel
gischen und deontologischen Aussagen erfolgt über intersubjektive Verständigungen auf der Grundlage von Institutionen des Rechts. Beim Sprechen über Werte fehlt dagegen ein besonderer ontologischer Bezug. Vielmehr folgt der deontologische Charakter von Werten unmittelbar aus ihnen selbst und wird sprachlich etwa durch metaphorische Aussagen und paradigmatische Beispiele vermittelt.82 Mit dem Gebrauch des Wertbegriffs wird daher auf Gegebenheiten verwiesen, die nicht vollständig der Erkenntnis zugänglich, sondern Gegenstand der Erfahrung und des Bekenntnisses sind.83 Dieses Erfahrungselement des Wertbegriffs scheint die Betonung der Konsensbegründung völkerrechtlicher Werte auszublenden, so dass sich die Frage stellt, welche spezifischen Eigenschaften und Funktionen die Konstitutionalisierungslehre mit dem Wertbegriff verbindet. Werte im Recht sind vor allem durch ihre Offenheit und Unbestimmtheit gekennzeichnet. Nur auf der Grundlage von Werten und ohne konkrete Regeln ist die Organisation des sozialen Lebens nicht möglich.84 Insbesondere folgt aus den Werten selbst zunächst nichts für die Entscheidung ihrer Konflikte.85 Zwar lässt sich die Abwägung von Werten etwa durch mathematische Regeln und ökonomische Modelle der Optimierung86 rationalisieren, doch bedeutet dies nicht, dass die Entscheidung letztlich nach objektiven Kriterien getroffen werden kann. Sie ist im Gegensatz zu regelgeleitetem Entscheiden einzelfallbezogen.87 Daher kann die Bezugnahme auf Werte einer Entscheidung im Einzelfall Legitimität vermitteln, zugleich aber die Entscheidung von Wertkonflikten für die Zukunft offen halten.88
82 F. Kratochwil, in: R. Falk/R. Johansen/S. Kim (Hg.), The Constitutional Functions of World Peace, 1993, S. 211 (214 ff.). 83
H. Pawlowski, Methodenlehre, 31999, § 20 Rn. 848a, 853.
84
M. Koskenniemi, Aust. YBIL 16 (1995), S. 1 (8). S. aber J. Aston, Sekundärgesetzgebung, 2005, S. 208 – Grundwerte als Verhaltensnormen, Leitprinzipien. Zu den Ansätzen der Wertungsjurisprudenz bei der Regelanwendung: H. Pawlowski, Einführung, 22000, Rn. 176 ff. 85
A. Fischer-Lescano, ARSP 88 (2002), S. 349 (376); ders., ZaöRV 63 (2003), S. 717 (733); M. Koskenniemi, MLR 70 (2007), S. 1 (18). 86
S. H. Hubmann, Wertung und Abwägung im Recht, 1977, S. 20 ff.; N. Jansen, Der Staat 36 (1997), S. 27. 87 88
H. Pawlowski, Methodenlehre, 31999, § 20 Rn. 853 ff. Vgl. N. Luhmann, Recht der Gesellschaft, 1993, S. 97.
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
21
Die Berufung auf Werte erlaubt es auch, bestehende Regeln infrage zu stellen und neues Recht zu begründen.89 So war etwa die Bestrafung von Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht in internen Konflikten nicht ohne moralische Aufladung begründbar.90 Eine Verfassungslesart des allgemeinen Völkerrechts sieht allgemein vor, von Werten, unter bestimmten Voraussetzungen, Regeln des Völkergewohnheitsrechts im Wege der Deduktion abzuleiten.91 Wertnormen soll eine gegenüber anderen Normen des Völkerrechts hierarchisch übergeordnete Stellung zuerkannt sein.92 Die dadurch bewirkte Hierarchisierung des Völkerrechts, insbesondere durch die Fundamentalnormen des ius cogens und der Verpflichtungen erga omnes, beschränkt den bisher bindungslos gebliebenen Willen der Staaten und gilt als wesentliches Element der Konstitutionalisierung.93 Werte sollen als „cohesive glue“94 darüber hinaus die Einheit des Völkerrechts festigen. Das ist zunächst eine Metapher. Tatsächlich ist es aber plausibel, dass Entscheidungen, die auf als übergreifend verstandene Werte gestützt sind, in anderen Teilbereichen des Völkerrechts besser anschlussfähig sind als mit der Anwendung der Regeln eines bestimmten völkerrechtlichen Regimes begründete Entscheidungen.95 An der Grenze zwischen lex lata und lex ferenda kommt Werten eine wesentliche Funktion zu. Die Werteorientierung ist nicht nur Motiv bei der Rechtserzeugung, sondern auch bei der Auslegung und Anwendung
89
N. Krisch, Der Staat 43 (2004), S. 267 (278).
90
Vgl. B. Simma/A. Paulus, AJIL 93 (1999), S. 302 (316); paradigmatisch ICTY, Appeals Chamber Prosecutor v. Duško Tadić, No. IT-94-1, Entsch. v. 2.10.1995, para. 97, 119. 91 92
C. Tomuschat, RdC 241 (1993-IV), S. 195 (292). E. de Wet, LJIL 19 (2006), S. 611 (612 f.).
93
S. nur G. Biaggini, ZSR NF 119 (2000), S. 445 (473) m. N.; zusammenfassend R. Wahl, FS Brohm, 2002, S. 191 (200) mit Bezug auf J. Frowein, BDGVR 39 (2000), S. 427 (436); für das ius cogens auch B. Fassbender, The United Nations Charter as the Constitution of the International Community, 2009, S. 163. 94
A. Paulus, Nordic JIL 74 (2005), S. 297 (332); E. de Wet, ICLQ 55 (2006), S. 56 (76); vgl. C. Tomuschat, RdC 281 (1999), S. 9 (28, 55). 95
Vgl. E. de Wet, LJIL 19 (2006), S. 611 (630).
22
1. Kapitel
des Völkerrechts.96 Zugleich ist einer Moralisierung des Völkerrechts im Vergleich zu einem formalen zwischenstaatlichen Völkerrecht eine gewisse Aggressivität eigen. Die Sprache der Werte erfährt allzu leicht eine Bedeutungsverschiebung zu einer Sprache der Rechte und mit dem Rekurs auf bestimmte Werte wird häufig auch ein Recht oder sogar eine Pflicht zur Intervention verbunden, um diese Werte durchzusetzen.97
4. Wertgestütztes Völkerrechtsverständnis zwischen Ethisierung und Normskeptizismus Das erörterte wertgestützte, konstitutionelle Völkerrechtsverständnis versucht, eine Position zwischen der freihändigen Verwendung ethischer Postulate als Leitlinien politischen Handelns98 und dem Normskeptizismus der kritischen Rechtslehre einzunehmen. In einem in den Vereinigten Staaten seit den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts prominenten Völkerrechtsverständnis besteht das Völkerrecht nicht aus fertigen Regeln, die nur der Konkretisierung und Anwendung im Einzelfall bedürfen, sondern bildet einen allgemeinen Vorrat von Werten, aus denen Lösungen für neue Probleme abgeleitet werden können. Obgleich die Berufung auf Werte nicht unmittelbar die Verletzung völkerrechtlicher Regeln rechtfertigen soll,99 tritt in einem turn to ethics100 an 96
J. Kokott, FS Schweizerischer Juristenverein, 2000, S. 3 (8, 20); vgl. auch A. Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, 2001, S. 170 – positiv rückgekoppelter, spiralförmiger Prozess der Konstitutionalisierung. 97 98
Vgl. E. Jouannet, Mich. JIL 28 (2007), S. 815 (820, 845). Begriff von A. von Bogdandy, ZaöRV 63 (2003), S. 205 (209).
99
Die USA haben ihre militärischen Aktionen in Vietnam mit dem Recht auf kollektive Selbstverteidigung und einer Einladung der legitimen südvietnamesischen Regierung begründet (Y. Onuma, EJIL 14 (2003), S. 105 (128)). Im Fall Afghanistans und im Fall des Irak beriefen sich die USA und Großbritannien auf Resolutionen des Sicherheitsrates (zu Afghanistan s. M. Byers, The Journal of Political Philosophy, 11 (2003), S. 171 (183 ff.); für Irak s. Schreiben an den Sicherheitsrat mit Bezug auf SR Res. 678 (1990), UN-Dok. S/2003/ 3351). S. aber für die Intervention im Kosovo Independent International Commission on Kosovo, The Kosovo Report: Conflict, International Response, Lessons Learned, 2000, S. 185 ff. sowie die Argumentation von Ergec für das Königreich Belgien im Verfahren IGH Case Concerning Legality of Use of Force (Yugoslavia v. Belgium), CR 99/15, Oral Proceedings v. 10.5.1999, S. 7. 100 Vgl. M. Garber u. a. (Hg.), The Turn to Ethics, 2000; für das Völkerrecht M. Koskenniemi, MLR 65 (2002), S. 159.
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
23
die Stelle des Völkerrechts ein universelles Normensystem mit Werten wie Gerechtigkeit, Demokratie, Liberalismus und den Menschenrechten als Maßstab und Grundlage einer Verantwortungsethik der Entscheider.101 Eine politikwissenschaftlich-interdisziplinäre Methode102 instrumentalisiert das Recht als Werkzeug politischer Ziele zur Verwirklichung von als universell gültig unterstellten Werten. Dazu zählen indes auch vitale nationale Sicherheitsinteressen. Internationale Verrechtlichung wird dort angestrebt, wo sie dem staatlichen Interesse zu dienen scheint, ohne dass die internationalen Beziehungen insgesamt der rule of law unterworfen sein sollen. Aus einer rational choice-Perspektive ist das Völkerrecht schließlich zum Metaphänomen der legitimen Interessen demokratischer Staaten degradiert.103 Entsprechend gering ist das Interesse der USA, sich durch Ratifikation des Kyoto-Protokolls, des ICCStatuts, des Vertrages zur Ächtung von Landminen, des Atomteststoppabkommens, aber auch des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der beiden Zusatzprotokolle von 1977 zu den Genfer Konventionen, des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau oder der Kinderrechtskonvention selbst völkervertragliche Bindungen aufzuerlegen.104 Andererseits bilden sie zu verschiedenen Zwecken informale „Koalitionen der Willigen“105 und sind sie als Großmacht bereit, zur Verwirklichung ihrer Werte nötigenfalls Zwang anzuwenden. Damit erklärt die 101 S. etwa M. Glennon, Harv. JLPP 25 (2001), S. 539 (541); aber auch A. Slaughter, Good Reasons for Going Around the U.N., New York Times, 18.3.2003, S. A33; vgl. zu diesem Strang in der amerikanischen Völkerrechtswissenschaft M. Koskenniemi, The Gentle Civilizer, 2002, S. 480 ff. Die Kritik an einem positivistischen Völkerrechtsverständnis auf der Grundlage von nationalem Interesse und Staatenkonsens verbindet rational choice (s. insb. J. Goldsmith/E. Posner, The Limits of International Law, 2005) und Moralisten; vgl. F. Tesón, A Philosophy of International Law, 1998, S. 73 ff. 102
S. etwa A. Slaughter/A. Tulumello/S. Wood, AJIL 92 (1998), S. 367 (370
ff.). 103
J. Goldsmith/E. Posner, The Limits of International Law, 2005, S. 13 et passim; R. Pildes, Va JIL 44 (2003), S. 145 (146). Differenziert zum Verhältnis der USA zum Völkerrecht J. F. Murphy, The United States and the Rule of Law in International Affairs, 2004. 104 105
S. 1.
Nachweise bei N. Krisch, Der Staat 43 (2004), S. 267 (270 ff.). E. Benvenisti, in: C. Calliess u. a. (Hg.), Coalitions of the Willing, 2007,
24
1. Kapitel
hier skizzierte rational choice-Perspektive zugleich wesentliche Gegentrends der Konstitutionalisierung, die Fragmentierung und Aufweichung des Völkerrechts unter dem Einfluss eines Hegemons.106 Subtiler ist die Abgrenzung der Konstitutionalisierungslehre von der Schule von New Haven. Vertreter dieser Schule streben in offener Ausrichtung auf den politischen Prozess die Verwirklichung von Werten als von Menschen angestrebten Umständen und politischen Grundvorstellungen an. Das Konzept der Werte dient einerseits der soziologischen Erklärung von Prozessen, andererseits normativ als Maßstab und Orientierungshilfe.107 Das hier anknüpfende Projekt „Global Constitutionalism“ bezieht sich auf die im „World Order Models Project“ (WOMP) herausgearbeiteten „values“,108 geht aber unter anderem mit dem „world democratizing process“ auch darüber hinaus109 und distanziert sich von einer interventionistischen Instrumentalisierung des Rechts. Es versteht sich in einem breiten und synergetischen Sinne als Zusammenschau transnationaler Werte, Normen, Regeln, Verfahren, Regime, Institutionen und Praktiken, die dazu bestimmt sind, eine umgestaltende Politik zur Verwirklichung der „world order values“ innerhalb von und zwischen den Staaten, den Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen zu verwirklichen.110 Der „Global Constitutionalism“ ist auf eine stärker institutionalisierte (obgleich nicht notwendigerweise stärker zentralisierte) Form der Regierung (governance) gerichtet, die in Konfliktsituationen den Krieg vermeidet und einer Welt zustrebt, in der das Wohlergehen aller mit durchsetzbaren Rechten gewährleistet und die Umwelt zugunsten der jetzigen und der künftigen 106
A. Peters, LJIL 19 (2006), S. 579 (602 ff.).
107
Zusammenfassend S. Voos, Die Schule von New Haven, 2000, S. 98 ff.; s. etwa M. McDougal/H. Laswell/L. Chen, Human Rights and World Public Order, 1980. T. Rensmann, Wertordnung und Verfassung, 2006, S. 361 sieht daher eine „lockere[…] Koalition“ der konstitutionellen Richtung der Völkerrechtslehre mit der Schule von New Haven. S. demgegenüber die Distanzierung von C. Tomuschat, RdC 281 (1999), S. 9 (25 ff.). 108
Grundlage für den Ansatz ist u. a. das in drei Auflagen erschienene Werk von G. Clark/L. Sohn, World Peace Through World Law, 1958, 21960, 31966; s. R. Falk/R. Johansen/S. Kim, in: dies. (Hg.), The Constitutional Functions of World Peace, 1993, S. 3 (4 f.). 109
S. Kim, in: R. Falk/R. Johansen/ders. (Hg.), The Constitutional Functions of World Peace, 1993, S. 55 (78 f.). 110 R. Falk/R. Johansen/S. Kim, in: dies. (Hg.), The Constitutional Functions of World Peace, 1993, S. 3 (9).
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
25
Generationen geschützt wird. Diese Erwartung gründet sich auf eine im Entstehen begriffene globale Zivilgesellschaft.111 Der konstitutionelle, „europäische“ Gegenentwurf gemeinsamer Interessen und Werte bietet sich demgegenüber als Alternative zur Deformalisierung des Völkerrechts durch eine liberale Weltmachtethik an.112 Die Relevanz dieses Entwurfs steht und fällt mit der Möglichkeit, zwischen der authentischen Verwirklichung wahrhafter Gemeinschaftsinteressen und einer Instrumentalisierung des Rechts hinter der Fassade der Gemeinwohlorientierung zu unterscheiden.113 Die Gefahr symbolischer Bezugnahmen und Instrumentalisierungen der Werteordnung ist ein wesentliches Argument dafür, die Durchsetzung der Werte formellen internationalen Institutionen zu überlassen. Dabei wird die Diskrepanz zwischen vor allem im ius cogens verkörperten überstaatlichen Werten und dem weitgehenden Fehlen überstaatlicher Institutionen zu ihrer Wahrung durchaus offen gelegt.114 Unterstellt man, dass jedes Rechtssystem Werte enthält, auf die sich die Interpretation einzelner Normen beziehen kann, um zu entscheiden, welche Auslegung systematisch überzeugt, konsistent und kohärent ist, so gewinnt das Recht an Bestimmtheit. Nach diesem den konstitutionellen Ansätzen zugrunde liegendem Verständnis sollen wertebegründete Entscheidungen die Rechtssicherheit im Völkerrecht erhöhen115 und entfalten Werte auch eine begrenzende Funktion, wenn sie formal vorhandenen Rechtsposi-
111
R. Falk., in: ders./R. Johansen/S. Kim (Hg.), The Constitutional Functions of World Peace, 1993, S. 13 (13 ff.). 112
A. Peters, LJIL 19 (2006), S. 579 (610). Für eine Gegenüberstellung von „policy-oriented jurisprudence“ und „moralistic positivists“ in der US-amerikanischen Völkerrechtsliteratur zur humanitären Intervention vgl. B. Roth, in: M. Byers/G. Nolte (Hg.), United States Hegemony and the Foundations of International Law, 2003, S. 232 (242 ff.). Zur Alternativität von Konstitutionalisierung des Völkerrechts und liberaler Weltmachtethik s. J. Habermas, Konstitutionalisierung, 2004, S. 145 ff. 113
Vgl. C. Tomuschat, ARIEL 8 (2003), S. 197 (203). Ambivalent bleiben die Folgerungen, die Dupuy aus der Prägung des positiven Rechts durch Werte zieht, P.-M. Dupuy, RdC 297 (2002), S. 9 (210); vgl. C. Leben, RGDIP 109 (2005), S. 75 (88). 114
C. Tomuschat, RdC 241 (1993-IV), S. 195, 234 ff.; ders., AVR 33 (1995), S. 1 (8 ff.); A. Paulus, Nordic JIL 74 (2005), S. 297 (331 ff.). 115
S. Kirchner, GLJ 5 (2004), S. 47 (62).
26
1. Kapitel
tionen Schranken ziehen.116 Entsprechend wird das Verständnis der UNO-Charta als Werteordnung einem allzu flexiblen Umgang mit dem Charta-Text im Fall von humanitären Interventionen, dem Krieg gegen den Terrorismus oder der Gebietsverwaltung gegenübergestellt.117 Das Problem der New Haven School ist aus konstitutioneller Sicht, dass dort zwar Werte zur Verfolgung gemeinsamer Ziele oder Interessen definiert werden, das Rechtssystem selbst aber diesem Prozess keine Restriktionen auferlegt.118 Die Grenzen zwischen diesen Ansätzen, zwischen der Verfolgung von im Recht verankerten Werten und einer offenen Politikorientierung, dürften indes in der Praxis schwer zu bestimmen sein. Für einen skeptischen Ansatz ist die Berufung auf universelle Werte ohnehin zumeist „hegemonisch“ und kaschiert einen tatsächlich fehlenden Konsens.119 Auch die „europäische“ Werteorientierung stellt danach einen Versuch des Imperialismus dar.120 Aus rechtskritischer und systemtheoretischer Perspektive geht es im Recht um die Entscheidung von Fällen des Widerstreits, es kommt auf Unterscheidungen, nicht auf gemeinsame Werte an.121 Hinter den Staaten stehen Gesellschaften mit unterschiedlichen moralischen und religiösen Traditionen, politischen Kulturen sowie mit ausgeprägten Differenzen beim Entwicklungsstand, und daher mit unterschiedlichen Auffassungen über den Inhalt und die Anwendung grundlegender Standards. Sollen abstrakte Werte konkretisiert werden, sind Entscheidungen erforderlich, die Ausfluss dieser partikularen Vorstellungen sind. Die Rhetorik der Berufung auf universelle Werte soll die politischen Entscheidungen derjenigen unterstützen, die in der Position sind, entscheiden zu können, was diese Werte im konkreten Fall bedeuten.122 In Abwesenheit einer institutionellen Repräsen116
C. Tomuschat, RdC 281 (1999), S. 9 (25 ff.); D. Khan/A. Paulus, in: I. Erberich u. a. (Hg.), Frieden und Recht (1998), S. 217 (224 ff.). 117
Dieses dem von Simma herausgegebenen „deutschen“ Charta-Kommentar zugrunde liegende Verständnis arbeitet A. Orford, EJIL 15 (2004), S. 179 in einem Besprechungsaufsatz heraus. 118
Vgl. M. Byers, Mich. JIL 17 (1995), S. 109 (124).
119
J. Petman, FYIL 13 (2002), S. 328 (339); M. Koskenniemi, EJIL 16 (2005), S. 113. 120
M. Koskenniemi, EJIL 6 (1995), S. 325 (343) zur Aufzwingung der Demokratie gegenüber nicht-liberalen Gesellschaften; ders., EJIL 16 (2005), S. 113. 121 122
A. Fischer-Lescano/P. Liste, ZIB 12 (2005), S. 209 (216). J. Petman, FYIL 13 (2002), S. 328 (333 ff.).
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
27
tation des Allgemeininteresses bleibt das Recht danach rein formal und ohne greifbaren substantiellen Gehalt, eine Oberfläche, auf der politische Gegner ihre hegemonischen Praktiken anwenden.123 Jeder versucht, in Überwindung der Opposition von Regel und Ausnahme, Prinzip und Gegenprinzip die eigene partikulare Position zur universell gültigen Rechtsposition zu erklären. Die normskeptische Sichtweise wendet sich daher der Historisierung und dem subjektiven Inneren des Juristen zu.124 Die entscheidende Frage bleibt demnach, wer die Werte des Völkerrechts definiert und zueinander in Bezug setzt. Die Orientierung des Völkerrechts an partikularen Wertvorstellungen ist wohl am ehesten mit einer anspruchsvollen „transzivilisatorischen“ Perspektive zu überwinden: Globale Werte, die nationale, kulturelle, religiöse und zivilisatorische Grenzen überschreiten und von möglichst vielen Menschen als legitim empfunden werden, lassen sich durch die Einbeziehung nichtstaatlicher Akteure wie indigenen Völkern, ethnischen Minderheiten, Kirchen und religiösen Gemeinschaften identifizieren. Die Einsicht in den wechselseitigen Einfluss der Kulturen aufeinander und in ihre Wandelbarkeit in der Zeit kann dann unter Umständen eine Konfrontation von Ansprüchen auf Universalisierung ablösen.125
II. Binnenkonstitutionalisierung in internationalen Organisationen und Regelsystemen Neben seiner Entwicklung von einem neutralen zwischenstaatlichen Recht zu einer „Werteordnung“ ist ein zweiter Aspekt der Autonomisierung die institutionelle Verselbständigung des Völkerrechts und seiner Teilordnungen gegenüber den Staaten und deren bloßen Koordinationsinteressen. In Ergänzung der Verfassungslesart des Völkerrechts, die den Werteordnungscharakter des Völkerrechts herausarbeitet, konzentriert sich eine konstitutionelle Perspektive daher auf internationale Organisationen. Dieser Fokus auf die Binnenkonstitutionalisierung zahlreicher internationaler Organisationen vermittelt die Pluralität des 123
M. Koskenniemi, EJIL 8 (1997), S. 566 (582); ders., CRIA 17 (2004), S. 197 (198 ff.); ders., EJIL 16 (2005), S. 113, passim. 124 125
Vgl. A. Paulus, LJIL 14 (2001), S. 727 (737 ff.).
Y. Onuma, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 151 (153 ff., 171).
28
1. Kapitel
modernen Völkerrechts, während das Verständnis des Völkerrechts als der Weltgemeinschaft und dem Einzelmenschen verpflichtete „Werteordnung“ vor allem die Einheit des Völkerrechts betont. In der akademischen Konstitutionalisierungsdebatte seit Beginn der 1990er Jahre lässt sich zuletzt eine gewisse Interessenverschiebung von Gemeinschaftsinteressen und universellen Werten im Völkerrecht hin zu den Akteuren und Strukturen der internationalen Ordnung feststellen.126 Die Debatte um eine Konstitutionalisierung internationaler Organisationen kreist um ihre institutionelle Verfestigung, rechtliche Verdichtung und Verselbständigung gegenüber den Staaten und deren intergouvernementalem Handeln. Den Hintergrund für ein neues Interesse an den Institutionen bilden nach 1990 vor allem die Revitalisierung des Sicherheitsrates und die Gründung der WTO.127 Die Deutung dieser Entwicklungen als Konstitutionalisierung ist von der parallelen Herausbildung des Europarechts als eigenem Rechtskörper inspiriert.128 Grundlage der Konstitutionalisierungsthese ist hier ein konstitutionelles Verständnis der Gründungsverträge internationaler Organisationen (1.). In diese schon ältere Vorstellung lassen sich Entwicklungen integrieren, die für eine Konstitutionalisierung im Sinne qualifizierter Verrechtlichung stehen (2.). Das Organisationsrecht lässt sich dann als herrschaftsbegründendes und herrschaftsbeschränkendes Verfassungsrecht verstehen (3.).
1. Verfassungsrechtliches Verständnis der Gründungsverträge Klassisch für die Betrachtung der Gründungsverträge internationaler Organisationen als Verfassungsrecht ist ihre Beschreibung bei Jenks als Regelungen der Mitgliedschaft, der Strukturen, Kompetenzen und Befugnisse, grundlegenden Verfahren und des Rechtsstatus der Organisationen, der grundlegenden Prinzipien für ihr Verhältnis untereinander, zu den Staaten und zu den Individuen sowie der Änderungsverfah126
S. etwa die Beiträge in J. L. Dunoff/J. P. Trachtman (Hg), Ruling the World?, 2009; J. Klabbers/A. Peters/G. Ulfstein (Hg.), The Constitutionalization of International Law, 2009. 127 128
B. Simma/A. Paulus, EJIL 9 (1998), S. 266 (274 f.).
Vgl. U. Scheuner, JIR 12 (1965), S. 11 (23 ff.); K. Ipsen, GYIL 50 (2007), S. 111 (124); s. auch die Völkerrechtslehre bei H. Mosler, RdC 140 (1974-IV), S. 1 auf der Grundlage eines Verständnisses der internationalen Gesellschaft als Rechtsgemeinschaft in Parallele zu W. Hallstein, Die Europäische Gemeinschaft, 1973, S. 49.
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
29
ren.129 Die besonderen Merkmale derartiger Verträge, die sich teilweise selbst als „Verfassung“ bezeichnen,130 lassen sich am Beispiel der UNOCharta (a)) und des WTO-Übereinkommens (b)) veranschaulichen.
a) UNO-Charta Die Einordnung der Charta als Verfassung stützt sich insbesondere auf den ihr durch Art. 103 UNC verliehenen Vorrang, auf die Beschränkung der Rechte der Mitgliedstaaten, für die keine Kündigungsmöglichkeit vorgesehen und deren Rückzug eigentlich nur eine theoretische Option ist, sowie auf das Änderungsverfahren mit der Hürde der Art. 108 f. UNC.131 Die Aufgaben der Vereinten Nationen werden in legislative,132 exekutive133 und judikative Tätigkeit unterteilt,134 ohne dass die129
C. W. Jenks, The Common Law of Mankind, 1958, S. 23, mit Verweis auf ders., BYBIL 22 (1945), S. 11; s. auch ders., The proper law of international organisations, 1962; W. Friedman, The Changing Structure of International Law, 1964, S. 152 ff. sowie schon A. McNair, BYBIL 11 (1930), S. 100 (101). Überblicksartig zur älteren Doktrin des Verfassungscharakters von Gründungsverträgen: T. Sato, Hitotsubashi JLP 14 (1986), S. 1. 130 S. Art. 3 Abs. 8, Art. 19 der Satzung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen v. 16.10.1945, BGBl. 1971-II, S. 1033; Verfassung der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur v. 16.11.1945, BGBl. 1971-II, S. 471, passim; Satzung (Constitution) der Weltgesundheitsorganisation v. 22.7.1946, passim; Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation v. 9.10.1946 in der Fassung v. 25.6.1953, BGBl. 1957-II, S. 317, 1975-II, S. 2206,, passim; s. demgegenüber die Sprachregelung in Art. 5 WVK: „constituent document“ – dt. „Gründungsvertrag“. Zu den Gründungsverträgen im Kontext der WVK s. S. Rosenne, Comunicazioni e studi 12 (1966), S. 21. 131
Zusammenfassend T. Franck, FS Eitel, 2003, S. 95; S. Chesterman/ders./D. Malone, Law and Practice of the United Nations, 2008, S. 4 ff. 132
S. generell für internationale Organisationen J. Frowein, ZaöRV 36 (1976), S. 147; J. E. Alvarez, Law-makers, 2005. 133
Für den Sicherheitsrat s. J. Frowein/N. Krisch, Introduction to Chapter 2 VII, in: B. Simma (Hg.), Charter Commentary, 2002, S. 701 (702), para. 1. 134
R. Macdonald, Can. YBIL 25 (1987), S. 115 (125); C. Tomuschat, RdC 241 (1993-IV), S. 195 (218 f.); B. Simma, RdC 250 (1994-VI), S. 221 (262 ff.); A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 296 ff.; ders., in: I. Oekker/W. Werner (Hg.), Governance and International Legal Theory, 2004, S. 59 (63 ff.); B. Fassbender, Col. JTL 36 (1998), S. 529 (573); ders., UN Security Council Reform, 1998, S. 99 ff.; J. Klabbers, in: M. Sellers (Hg.), Autonomy in the Law,
30
1. Kapitel
se Bezeichnung von Verfassungsfunktionen eine echte Gewaltenteilung begründen soll.135 Generalversammlung (Art. 9 ff. UNC) und Sicherheitsrat (Art. 23 ff. UNC) gleichen allerdings nur bedingt einem Weltparlament und einer Weltregierung.136 Der Generalversammlung mangelt es wegen des gleichen Stimmgewichts kleiner und großer Staaten (Art. 18 Abs. 1 UNC) gegenüber einem Weltparlament an Repräsentativität. Außerdem setzt sie sich nicht aus Vertretern der Völker, sondern aus weisungsgebundenen Regierungsvertretern zusammen (Art. 9 Abs. 2 UNC) und trifft nicht wie nationale Parlamente Entscheidungen, sondern bereitet Entscheidungen vor, die die Staaten zu treffen haben (Art. 10-14 UNC). Im Bereich von Weltfrieden und internationaler Sicherheit stellt sich der Sicherheitsrat hingegen als Weltregierung dar, die für die Mitgliedstaaten nach der Maßgabe des Art. 25 UNC verbindliche Entscheidungen trifft. Seine umfassenden Entscheidungsbefugnisse nach Kapitel VII auf der Grundlage einer weiten Auslegung der Zuständigkeit des Sicherheitsrates nach Art. 39 UNC mit Bindungswirkung auch gegen den Willen eines adressierten Staates (Art. 25, 103 UNC) gelten als stärkstes „gemeinschaftliches“ Element der Völkerrechtsordnung.137 Hinzu kommt sein Anspruch, auch Nichtmitglieder zu binden (Art. 2 Nr. 6 UNC).138 Im Hinblick auf die Anwendung militärischer Gewalt wird von einem „Gewaltmonopol“ des Sicherheitsrates gesprochen.139 Als verfassungsrechtliche Elemente der Charta wer2007, S. 141 (147 ff.); s. auch IGH Lockerbie (Libya v. USA, Provisional Measures), Diss. Op. Weeramantry, ICJ Rep. 1992, S. 114 (165). 135
B. Simma, RdC 250 (1994-VI), S. 221 (283); ders., in: W. Hummer (Hg.), Paradigmenwechsel, 2002, S. 45 (53); A. Paulus, in: I. F. Oekker/W. G. Werner (Hg.), Governance and International Legal Theory, 2004, S. 59 (63 ff.); für eine konsequente Trennung der Aufgaben zwischen Sicherheitsrat und Generalversammlung auf der Grundlage einer Unterscheidung von Sicherheits- und Gerechtigkeitsfragen aber M. Koskenniemi, EJIL 6 (1995), S. 325 (334 ff.). 136
S. zur Generalversammlung ICTY, Appeals Chamber Prosecutor v. Duško Tadić, No. IT-94-1, Entsch. v. 2.10.1995, para. 43. 137
C. Tomuschat, AVR 33 (1995), S. 1 (12 ff.); vgl. O. Spijkers, Interdisciplinary Journal of Human Rights Law 4 (2010), S. 67 (84 ff). 138 J. Frowein, RdC 248 (1994-IV), S. 345 (355 f.); vgl. auch B. Fassbender, UN Security Council Reform, 1998, S. 90 ff.; T. Eitel, MPYUNL 4 (2000), S. 53; A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 294. 139
J. Frowein, BDGVR 39 (2000), S. 427 (432); H. Köck, ZÖR 54 (1999), S. 133 (143); kritisch B. Schöbener, KJ 33 (2000), S. 557 (569 ff.); zur Unterwanderung dieses „Gewaltmonopols“: J. Frowein, FS Jaenicke, 1998, S. 97. Kritisch gegenüber der Interpretation der Charta als Verfassung G. Arangio-Ruiz, EJIL
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
31
den weiter ihr revolutionärer Ansatz zu ihrer Entstehungszeit („constitutional moment“), die Regelungen über die Mitgliedschaft, die Rolle der UN-Charta als Ausgangspunkt der Völkerrechtsentwicklung, sowie die Universalität der UN-Charta genannt.140 Weitreichende Konsequenzen leitet insbesondere Fassbender aus dem Verfassungscharakter der UNO-Charta ab. Jenseits der Charta gebe es kein allgemeines Völkerrecht und auch kein ius cogens, der Charta komme Drittwirkung gegenüber Nicht-Mitgliedstaaten zu und sie sei dynamisch auszulegen. Nach diesem Verständnis ist die Charta nicht mehr nur die Verfassung der Vereinten Nationen als einer internationalen Organisation, sondern auch die Verfassung der internationalen Gemeinschaft.141 Es gebe ein verfassungsrechtlich garantiertes Recht auf Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen und Art. 6 UNC über den Ausschluss aus der Organisation sollte gestrichen werden. Eine Änderung der Charta könne nur gemäß Art. 108 f. UNC, nicht nach Art. 39 WVK erfolgen. Vor allem aber soll den Zielen und Grundsätzen der Charta eine Maßstabsfunktion für die Reform des Sicherheitsrates zukommen. Die Reform solle insbesondere Frieden, Sicherheit und den Schutz der Würde des Menschen bestmöglich befördern.142
b) WTO-Übereinkommen Anknüpfungspunkte für eine konstitutionelle Lesart des Welthandelssystems sind das Vorbehaltsverbot in Art. XVI:5 WTO, die Modifizierung des Konsensprinzips durch die Mehrheitsregel nach Art. IX:2, X WTO, das obligatorische und gerichtsförmige Streitbeilegungsverfahren nach dem DSU und der Vorrang des WTO-Rechts auf der Grund-
8 (1997), S. 1 (4) – Zentralisierung in den Vereinten Nationen gering, Souveränität der Staaten stark, für die UNO auch nach dem Charta-Text bewaffnete Truppen nur unter hohen Voraussetzungen unmittelbar verfügbar. 140
Vgl. den Überblick bei M. Ruffert/C. Walter, Institutionalisiertes Völkerrecht, 2009, S. 22. 141
B. Fassbender, The United Nations Charter as the Constitution of the International Community, 2009, S. 1. 142
B. Fassbender, Col. JTL 36 (1998), S. 529 (573 ff., 593 ff.); ders., UN Security Council Reform, 1998, S. 89 ff., 161 ff.; kritisch C. Walter, in: R. Miller/R. Bratspies (Hg.), Progress in International Law, 2008, S. 133 (140 ff.) – funktionelle Differenzierung im internationalen Rechtssystem nicht ausreichend berücksichtigt.
32
1. Kapitel
lage von Art. XVI:4 WTO.143 Nach Art. XVI:3 sollen die Bestimmungen des WTO-Übereinkommens vor multilateralen Handelsübereinkommen im Ausmaß der Normenkollision Vorrang haben. Nicht explizit geregelt ist dagegen das Verhältnis zu anderen internationalen Verträgen.144 Im Vergleich zur normalen Beschlussfassung nach Art. IX WTO ist das WTO-Übereinkommen erschwert abänderbar (Art. X WTO).145 Zwar räumt Art. XV WTO ein Rücktrittsrecht ein, tatsächlich erscheint ein Austritt aus der WTO aber angesichts der Einbindung der Staaten in den Welthandel kaum realistisch.146 Auf dieser Grundlage lässt sich die Entwicklung der WTO als verselbständigter normativer Prozess deuten, in dem sich die grundlegenden Vorstellungen von dieser Rechtsordnung herausbilden,147 obgleich die Art. IX, X WTO an grundsätzlich konsensgetragenen Entscheidungen festhalten. Die Einordnung der Gründungsverträge als Verfassungen beruht demnach insbesondere darauf, dass UNO-Charta und WTO-Übereinkommen Vorrang gegenüber anderem Recht beanspruchen und eine in funktionaler Hinsicht gegenüber anderen völkerrechtlichen Vertragsregimes stärker verselbständigte Rechtsordnung etablieren, in die die Mitgliedstaaten zugleich stärker eingebunden sind.
2. Konstitutionalisierung als qualifizierte Form der Verrechtlichung In den internationalen Organisationen lassen sich seit Anfang der 1990er Jahre qualitative Veränderungen feststellen, die in der Wissenschaft von den Internationalen Beziehungen als neue Stufe der Ver-
143
Zusammenfassend A. Emmerich-Fritsche, Weltrecht, 2007, S. 740 ff.; Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) v. 15.4. 1994, BGBl. 1994-II, S. 1625; Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten v. 15.4.1994, BGBl. 1994-II, S. 1749. 144
Die Panels legen WTO-Recht jedenfalls nicht in „clinical isolation“ zum allgemeinen Völkerrecht aus, US – Gasoline (ST/DS2/AB/R) vom 29.1.2002. S. demgegenüber noch US – Trade Measures affecting Nicaragua v. 13.10.1986, GATT-Dok. L./6053, para. 4.6. 145
E.-U. Petersmann, LJIL 19 (2006), S. 633 (644).
146
E. Lenski, in: M. Bungenberg/K. Meessen (Hg.), Internationales Wirtschaftsrecht im Schatten des 11. September 2001, 2004, S. 115 (123). 147
M. Hilf, BDGVR 40 (2003), S. 257 (261).
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
33
rechtlichung internationaler Politik eingeordnet werden.148 Der Schwerpunkt des völkerrechtlichen Interesses liegt, auf der Grundlage eines verfassungsrechtlichen Verständnisses der Gründungsverträge internationaler Organisationen, darin, die Einbindung der Staaten in die Verwirklichung gemeinsamer Interessen zu analysieren. Kriterien dafür sind insbesondere das Bestehen eines effektiven Streitschlichtungsmechanismus unabhängig von der konkreten Unterwerfung als Instrument der Rechtsdurchsetzung und ein starker, zumindest indirekter Zwang zur Teilnahme, der von der ganzen Ordnung ausgeht. Die Binnenkonstitutionalisierung von Regelsystemen ist meist durch eine gerichtliche Rechtsanwendung (a)) und durch neue Formen der Rechtsetzung und thematischen Rechtsumsetzung (b)) gekennzeichnet. Möchte man diese Entwicklung mit dem Begriff der Souveränität erfassen, so ist ein neues Souveränitätsverständnis naheliegend, das die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen und die Beteiligungsmöglichkeiten dort in den Mittelpunkt stellt.149
a) Verfassungsschöpfung durch internationale Gerichte Ein besonders wichtiger Aspekt der Verrechtlichung der internationalen Beziehungen ist, dass diplomatische Verfahren der Streitbeilegung durch zahlreiche gerichtliche Verfahren ergänzt und ersetzt werden. Das Project on International Courts and Tribunals des Center on International Cooperation der New York University und des Centre for International Courts and Tribunals am University College London ver-
148 M. List/B. Zangl, in: G. Hellmann u. a. (Hg.), Die neuen Internationalen Beziehungen, 2003, S. 361 (371 ff.). 149
A. Chayes/A. Handler Chayes, The New Sovereignty, 1995, S. 27, 123; K. Raustiala, JIEL 6 (2003), S. 841 (853, 860 f.); s. auch A. Slaughter, AJIL 99 (2005), S. 619 (627 ff.) – Achtung der Souveränität abhängig von Erfüllung der Charta-Verpflichtungen. S. zum Souveränitätsbegriff auch: N. MacCormick, MLR 1993, S. 1 ff.; C. Schreuer, EJIL 4 (1993), S. 447; B. Kingsbury, EJIL 9 (1998), S. 599; C. Hillgruber, JZ 57 (2002), S. 1072; N. Walker (Hg.), Sovereignty in Transition, 2003; C. Warbrick/S. Tierny (Hg.), Towards an International Legal Community, 2006; J. Kokott, ZaöRV 64 (2004) – zu souveräner Gleichheit und Demokratie im Völkerrecht, S. 517; U. Haltern, Was bedeutet Souveränität?, 2007; vgl. O. Schachter, Col JTL 36 (1997), S. 7 (18 ff.); H. Steiger, Der Staat 41 (2002), S. 331 (347 ff.); s. auch schon S. Sassen, Losing Control? Sovereignty in an Age of Globalization, 1996.
34
1. Kapitel
zeichnet 125 internationale Streitbeilegungsorgane.150 Neben dem WTO-Streitbeilegungssystem bedeuten etwa die Bestimmungen der Seerechtskonvention über obligatorische Verfahren der Streitbeilegung, die zu bindenden Entscheidungen führen, einen bemerkenswerten Schritt.151 Die gerichtsförmigen Verfahren sind nicht mehr zwingend reine Staatenverfahren, sondern sehen etwa bei den internationalen Menschenrechtsausschüssen sowie bei den internationalen Strafgerichten und dem internationalen Strafgerichtshof die Parteistellung von Individuen und gesellschaftlichen Akteuren vor. Die Entscheidung internationaler Streitigkeiten in gerichtlichen Verfahren bedeutet nicht nur eine Stärkung des Verpflichtungscharakters der streitentscheidenden Normen,152 sondern bietet auch einen Mechanismus für die Konstitutionalisierung des Völkerrechts oder seiner Teilordnungen.153 Das wirft die Frage auf, inwiefern Gerichte als Generatoren der Konstitutionalisierung wirken können.
aa) Modellcharakter des Gerichtshofs der Europäischen Union Modellcharakter hierfür hat die Funktion, die der EuGH für die Europäische Union übernommen hat. Mit seiner Rechtsprechung zu unmittelbarer Wirkung und Vorrang des Unionsrechts, zu implied powers und zu den Menschenrechten als allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts hat er maßgeblich zur Verfassungsbildung in der Europäischen Union beigetragen.154 Die besondere Wirkmächtigkeit des EuGH mit 150
The Project on International Courts and Tribunals, The International Judiciary in Context, Synoptic Chart, Version 3.0, http://www.pictpcti.org/ publications/synoptic_chart/synop_c4.pdf. Die Zahl 125 ist die Summe aus 43 Gerichten und 82 sonstigen Streitbeilegungsorganen (Stand: November 2004, geprüft am 18.5.2010). 151
Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen v. 10.12.1982, BGBl. 1994-II, S. 1799; s. Art. 286 ff. SRÜ sowie Anlage VI mit dem Statut des Internationalen Seegerichtshofs. 152
M. List/B. Zangl, in: G. Hellmann u. a. (Hg.), Die neuen Internationalen Beziehungen, 2003, S. 361 (371 ff.). 153
Vgl. A. Fischer-Lescano, ZaöRV 63 (2003), S. 717 (743 f.) – FurundžijaUrteil des ICTY als „autopoietisches Manifest“ des völkerrechtlichen Funktionssystems. 154 E. Stein, AJIL 75 (1981), S. 1; F. Mancini, CML Rev. 26 (1989), S. 595; J. H. H. Weiler, Yale LJ 100 (1990-1991), S. 2403. Zum exemplarischen Charakter von EuGH und EGMR s. L. Helfer/A. Slaughter, Yale LJ 107 (1997-1998),
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Blick auf die Integration der Rechtsordnungen der EU-Mitgliedstaaten beruht auf seiner Kooperation mit nationalen Untergerichten im Vorlageverfahren nach Art. 267 AEU.155 Neben anderen Faktoren ist dafür entscheidend, dass die staatlichen Gerichte nicht befürchten müssen, durch eine gemeinschaftsrechtsfreundliche Rechtsprechung den eigenen Staat im Wettbewerb mit anderen Mitgliedstaaten zu benachteiligen. Haben sie eine Rückversicherung, mit ihrer Rechtsprechung Teil einer allgemeinen Entwicklung zu sein, so ist es nicht zuletzt eine Frage des Berufsethos und des Prestige, nicht dahinter „zurückzubleiben“.156 In Abwesenheit einer vergleichbar institutionalisierten Kooperation mit innerstaatlichen Gerichten stellt sich aus einer konstitutionellen Perspektive auf das Völkerrecht die Frage, wie sich diese Erfahrungen auf andere internationale Gerichte übertragen lassen.
bb) Parallelen im Streitschlichtungsmechanismus der WTO Eine gewisse Vorbildfunktion des EuGH wird vor allem für den Streitbeilegungsmechanismus der WTO erwogen. Mit der Konstitutionalisierung der WTO ist in diesem Zusammenhang zunächst die Fähigkeit ihrer Organe gemeint, Handelsstreitigkeiten umfassend und neutral zu behandeln und auf der Grundlage von Rechtsregeln anstelle des rein diplomatischen Verkehrs einen abwägenden Ausgleich dort zu finden, wo Dissens besteht.157 In Anlehnung an die Rolle des EuGH wird in der Literatur auch dem Streitbeilegungssystem der WTO mit seinem Ständigen Berufungsgremium (Appellate Body) zugetraut, in der WTO S. 273 – an den Beispielen des EuGH und des EGMR entwickelte Kriterien für eine effiziente Menschengerichtsbarkeit auf den Ausschuss für Menschenrechte angewandt. Zur Konstitutionalisierung Europas s. S. Oeter, ZaöRV 59 (1999), S. 901; C. Walter, ZaöRV 59 (1999), S. 961; A. Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, 2001; T. Giegerich, Europäische Verfassung und deutsche Verfassung im transnationalen Konstitutionalisierungsprozess, 2003. 155
F. Mancini, CML Rev. 26 (1989), S. 595 (604 ff.); J. H. H. Weiler, Yale LJ 100 (1990-1991), S. 2403 (2426). 156
J. H. H. Weiler, Comp. Pol. Stud. 26 (1994), S. 510 (521 f.); A. Slaughter, U. Rich. LR 29 (1994), S. 99 (116); s. auch E. Benvenisti, EJIL 4 (1993), S. 159 (insb. 175). 157
Vgl. J. Jackson, JIEL 4 (2001), S. 67 (72); W. Benedek, BDGVR 40 (2003), S. 283 (283 ff.). Zur Natur und zu den Modalitäten der Verknüpfung D. Leebron, AJIL 96 (2002), S. 5. Zusammenfassend D. Cass, Constitutionalization, 2005, S. 97 ff.
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1. Kapitel
rechtsschöpfend konstitutionelle Strukturen zu schaffen, so dass sich der Appellate Body als eine dynamische Kraft der Verfassungsschöpfung etablieren könnte.158 Die Schwelle zur Einsetzung eines Panels ist, an den Maßstäben völkerrechtlicher Streitbeilegung gemessen, vergleichsweise niedrig, weil sie nicht den Konsens beider Streitparteien voraussetzt (Art. 6 DSU). Modi der Verfassungsschöpfung in der WTO-Streitbeilegung sind die Übernahme von Rechtsfiguren des staatlichen Verfassungsrechts, die Schaffung eines Verfassungssystems als Bezugsrahmen, das Aufgreifen von bis dato innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Fragestellungen als Teil des WTO-Rechts und die Etablierung von Verfassungswerten. In Fallstudien lässt sich das Phänomen etwa für die Verfassungsfrage der Balance des WTO-Systems, für das Diskriminierungsverbot als Verfassungsprinzip und für den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Freiheitseinschränkungen zeigen. Eine verfassungsrechtliche Dimension hat auch die Art und Weise, wie Fragen der Jurisdiktion, des Untersuchungsgrundsatzes, des Verhältnisses von WTO-Recht zu sonstigem Völkerrecht und der Möglichkeiten von Staaten, Standards zu setzen, aufgegriffen werden. Die ehemals innerstaatliche Angelegenheit des Gesundheitsschutzes etwa wird durch die Rechtsprechung umfänglich in das WTO-System einbezogen.159 Die WTO-Streitbeilegungsorgane kontrollieren dabei auf der Grundlage ihrer obligatorischen Zuständigkeit wie ein Verfassungsgericht innerstaatliche Gesetzgebungsakte, die Ausdruck wichtiger Politikentscheidungen sein können.160 Auch die Entscheidungen des Appellate Body, denen zufolge das sogenannte „Zeroing“, eine von den USA bei der Berechnung der Dumpingspannen angewandte Methode, nicht mit dem WTO-Recht vereinbar ist, wurden als Verfassungsrechtsprechung gewertet. Sie betrifft mit der Abwehr des Protektionismus eine zentrale Frage des WTO-Rechts, und 158
D. Cass, EJIL 12 (2001), S. 39; L. Helfer, Loyola of L.A. LR 47 (2003), S. 193 (199 ff.); begrifflich mehrdeutig demgegenüber H. Schloemann/S. Ohloff, AJIL 93 (1999), S. 424. Anders als bei dem unter 1. genannten Konstitutionalisierungsphänomen geht es hier nicht um eine Konstitutionalisierung durch Schaffung des Streitbeilegungsmechanismus als Teil einer institutionellen Struktur, sondern um die Konstitutionalisierung durch die Rechtsprechung selbst, vgl. D. Cass, Constitutionalization, 2005, S. 203. 159 160
D. Cass, EJIL 12 (2001), S. 39 (49 ff., 53 ff.).
E.-U. Petersmann, Nw. JILB 17 (1996-1997) S. 398 (428); vgl. G. Ulfstein, in: J. Klabbers/A. Peters/ders. (Hg.), The Constitutionalization of International Law, 2009, S. 126 (127).
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die kreative Rechtsprechung gewinnt aufgrund ihrer Bedeutung für das Selbstverständnis der WTO eine konstitutionelle Dimension.161 Allerdings ist die Wahrnehmung dieser Entwicklungen in der akademischen Debatte sehr viel weiter fortgeschritten als das Selbstverständnis in der WTO. Grundlage sind jedenfalls nur einige wenige Fälle, deren Argumentation auch nicht unbedingt als ‚verfassungsrechtlich‘ zu qualifizieren ist.162 Unter normativen Gesichtspunkten ist der Prozess einer Konstitutionalisierung durch die Gerichtsbarkeit dann problematisch, wenn neben dem Streitentscheidungsorgan nicht auch politische Organe bestehen, die nach gerichtlichen Entscheidungen gegebenenfalls auch politische Korrekturen am Gleichgewicht von Freihandel und anderen legitimen Politikzielen vornehmen können.163 Dann liegt eine Parallele zu der These nahe, die innerstaatliche Konstitutionalisierung im Sinne einer Juridifizierung des Verfassungsrechts diene als Instrument der Eliten zur Wahrung der Hegemonie und des Ausschlusses peripherer Gruppen. Die Rechtsvergleichung zeigt, dass die Einsetzung von Verfassungsgerichten auf die Verlagerung politischer Entscheidungsgewalt vom demokratischen Entscheidungsprozess zu den Gerichten zielen und damit der Erhaltung der Machtposition von Eliten (hegemonic preservation) dienen kann.164 Hier könnte etwa der Grund für die Befürwortung und maßgebliche Unterstützung der Idee eines Streitbeilegungsmechanismus der WTO durch die USA zu sehen sein.165 161
S. Cho, Jean Monnet WP 4/08, S. 33 ff.
162
J. Dunoff, EJIL 17 (2006), S. 647 (insb. 657 ff.); skeptisch auch E. Stein, AJIL 95 (2001), S. 489 (502). 163
R. Howse/K. Nicolaïdis, in: R. Porter (Hg.), Efficiency, Equity, Legitimacy and Governance: The Multilateral Trading System at the Millennium, 2001, S. 227 (240 f.); A. von Bogdandy, KJ 34 (2001), S. 264, 425; ders., MPYUNL 5 (2001), S. 609; ders., in: A. Golze u. a. (Bearb.), Die europäische Verfassung im globalen Kontext, 2004, S. 65; M. Trebilcock/R. Howse, The Regulation of International Trade, 32005, S. 114 ff.; D. Terris/C. Romano/L. Swigart, The International Judge, 2007, S. 128; s. zur Gefahr der legitimationstheoretischen Überforderung des Dispute Settlement Mechanism auch P. Holmes, in: G. de Búrca/J. Scott (Hg.), The EU and the WTO, 2001, S. 60; s. aber auch Art. 3.9 DSU – Möglichkeit der autoritativen Interpretation. 164
R. Hirschl, Towards Juristocracy: The Origins and Consequences of the New Constitutionalism, 2004. 165
D. Sarooshi, International Organizations and Their Exercise of Sovereign Powers, 2005, S. 98. Für die Ansätze zur Konstitutionalisierung der WTO als
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1. Kapitel
cc) Konstitutionalisierung durch andere internationale Gerichte Noch stärkere Zweifel an der Belastbarkeit der Konstitutionalisierungsthese sind angebracht, wenn das Völkerrecht über die Rechtsdurchsetzung und Verrechtlichung durch internationale Gerichte hinaus166 von Rechtsprechungsorganen außerhalb der EU und der WTO konstitutionalisiert werden soll. Strukturelle Grenzen für die Fortentwicklung des Völkerrechts, für die Anwendung verfassungsrechtlicher Doktrinen, für politikentscheidende Einwirkungen in den innerstaatlichen Bereich und für eine Orientierung der Rechtsprechung am globalen Gemeinwohl ergeben sich zunächst aus der Zusammensetzung und den Entscheidungsmechanismen der Gerichte sowie der Fallbelastung. Sie lassen kaum Raum für die Entwicklung politisch motivierter Entscheidungslinien, sondern machen eine Entscheidung von Fall zu Fall wahrscheinlich.167 (1) IGH Eher fern liegt etwa eine Konstitutionalisierung des Rechts der Vereinten Nationen durch den IGH.168 Ein doch vereinzelter Fall einer besonders progressiven Entscheidung des IGH ist die BernadotteEntscheidung, die die Vorstellung beendete, dass das Völkerrecht allein für souveräne Staaten, nicht für internationale Organisationen gelte.169 Später formulierte der IGH im Gutachtenverfahren, er könne nicht gesetzgeberisch tätig sein, sondern habe vielmehr die richterliche Funktion, die anwendbaren Rechtsregeln und Rechtsprinzipien festzustellen und das geltende Recht anzuwenden. Deshalb müsse er sich am gegenwärtigen Stand des Rechts orientieren, könne aber auch seine allgemei-
Flucht aus der Politik s. auch J. Dunoff, EJIL 17 (2006), S. 647 (663 ff.) et passim. 166
S. dazu J. Frowein, BDGVR 39 (2000), S. 427 (427 ff.), R. Wahl, FS Hollerbach, 2001, S. 193 (199 ff.); T. Cottier/M. Hertig, MPYUNL 7 (2003), S. 261 (270 f.). 167
D. Terris/C. Romano/L. Swigart, The International Judge, 2007, S. 128 f.
168
Für einen Vergleich zwischen IGH und EuGH im Hinblick auf die Entwicklung allgemeiner Rechtsgrundsätze s. N. Tsagourias, in: ders. (Hg.), Transnational Constitutionalism: International and European Models, Cambridge 2007, S. 71 (87). 169
IGH Reparation for Injuries, ICJ Rep. 1949, S. 174 (179).
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ne Fortentwicklung aufgreifen.170 Zwar ist der IGH Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen, Art. 7 Abs. 1, 92 UNC, und erfüllt innerhalb des Systems der Vereinten Nationen auch insofern eine verfassungsgerichtliche Funktion, als er Rechtskontrolle über andere Organe ausübt.171 Allerdings kann weder im Gutachten – noch im streitigen Verfahren zwischen staatlichen Parteien eine Entscheidung getroffen werden, die die Organe der internationalen Organisation selbst binden würde (Art. 65 ff., 59 IGH-Statut). In den Gründungsverträgen einiger Sonderorganisationen wird der IGH aber als Berufungsinstanz eingerichtet (s. Art. 29 Abs. 2 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation,172 Art. 84 Chicago Convention173). Abgesehen von den Fällen, in denen die Rechtmäßigkeit von Akten der Generalversammlung oder des Sicherheitsrates zu prüfen war,174 entschied der IGH im IMCO-Gutachten über die Verfassungskonformität der Wahl der Mitglieder der Inter-Governmental Consultative Organisation175 und in einem weiteren Fall über die Verfassungsmäßigkeit einer an Indien adressierten Entscheidung des Rates der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation.176 Im Mauergutachten folgte der IGH einer einschränkenden Auslegung der Befugnis der Generalversammlung zur Einholung eines Gutachtens des IGH nach Art. 96 Abs. 1 UNC. Die Generalversammlung könne einen Gutachtenantrag nur im Rahmen ihrer Zuständigkeit und unter Beachtung von Art. 12, 24 UNC stellen. 170
IGH Threat or Use of Nucelar Weapons, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1996, S. 226 (237), para. 18 – „note its general trend“/„constater l’évolution“; s. auch P. Sands, RBDI 35 (2002), S. 537 (538 ff.) – Doppelfunktion des IGH: konkrete Streitentscheidung und Fortentwicklung des Völkerrechts. 171
Zur beschränkten Rolle des IGH als Verfassungsgericht gegenüber dem Sicherheitsrat im Gutachtenverfahren nach Art. 96 Abs. 1 IGH-Statut und in streitigen Verfahren zwischen Staaten zusammenfassend E. de Wet, Chapter VII, 2004, S. 372 ff. 172
Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation v. 9.10.1946 in der Fassung v. 25.6.1953, BGBl. 1957-II, S. 317, 1975-II, S. 2206. 173
Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt (Chicago Convention) v. 7.12.1944, BGBl. 1956-II, S. 411. 174
S. Nachweise in Fn. 244.
175
IGH Constitution of the Maritime Safety Committee of the InterGovernmental Maritime Consultative Organization, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1960, S. 150. 176 IGH Appeal Relating to the Jurisdiction of the ICAO Council, ICJ Rep. 1972, S. 46.
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1. Kapitel
Obgleich dabei Gelegenheit bestanden hätte, Elemente einer Verfassungsdoktrin für das Verhältnis von Sicherheitsrat und Generalversammlung zu entwickeln, hat der IGH davon Abstand genommen. Insgesamt betrachtet der IGH – jedenfalls in den Mehrheitsvoten – das Verhältnis zwischen den Charta-Organen nicht etwa unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung.177 Aufmerksamkeit hat in letzter Zeit der Beitrag des IGH zur Interpretation und Entwicklung der internationalen Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts gefunden. Wichtige Beiträge des IGH bestehen unter anderem in der Formulierung grundlegender Prinzipien des internationalen Menschenrechtsschutzes, in Klarstellungen und Einordnungen,178 obgleich sich der Gerichtshof abgesehen von Fragen des elementaren Lebensschutzes gegenüber einer substantiellen Diskussion der Menschenrechte vor allem in streitigen Verfahren eher zurückhaltend gezeigt hat.179 Einer progressiveren Rolle des IGH als Hüter des Gemeinwohls steht schon die Abhängigkeit der Jurisdiktionsbegründung vom Staatenkonsens nach Art. 36 IGH-Statut entgegen.180 Daran ändert auch die Begründung der Zuständigkeit des IGH in regionalen Abkommen zur 177
S. Nachweise in Fn. 244 sowie IGH Hearings of petitioners, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1956, S. 23; Palestine Wall, Advisory Opinion, ICJ Rep. 2004, S. 136 (148 ff.), para. 24 ff. sowie dazu D. Khan, FW 79 (2004), S. 345 (354 f.); andeutungsweise IGH Namibia, Advisory Opinion, Sep. Op. Shahabuddeen, ICJ Rep. 1971, S. 16 (142) – „in the equilibrium of forces underpinning the structure of the United Nations within the evolving international order“; kritisch M. Reisman, AJIL 87 (1993), S. 83 (90 ff.). 178
R. Higgins, FS Suy, 1998, S. 691; T. Meron, The Humanization of International Law, 2006, S. 425 ff.; S. Bedi, The Development of Human Rights Law by the Judges of the International Court of Justice, 2007; G. Zyberi, NQHR 25 (2007), S. 117 – insbesondere zur Komplementarität von Menschenrechten und humanitärem Völkerrecht im Mauergutachten und zur Begründung eines Entschädigungsanspruchs; ders., The Humanitarian Face of the International Court of Justice, 2008, insb. S. 434 ff. 179
N. Tsagourias, in: ders. (Hg.), Transnational Constitutionalism 2007, S. 71
(83). 180 IGH Interpretation of Peace Treaties, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1950, S. 65 (71); Anglo-Iranian Oil (jurisdiction), ICJ Rep. 1952, S. 93 (103). Die Forderung nach einer allgemeinen obligatorischen zwischenstaatlichen Gerichtsbarkeit findet sich etwa bei H. Steiger, FS Skubiszewski, 1996, S. 817; E.U. Petersmann, NYU JILP 31 (1999), S. 753; A. Cançado Trindade, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 515.
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friedlichen Streitbeilegung insgesamt nur wenig.181 In Menschenrechtsinstrumenten und Verträgen des humanitären Völkerrechts fehlen typischerweise kompromissorische Klauseln.182 Daher sind auch die Möglichkeiten beschränkt, den IGH zur Durchsetzung von Gemeinschaftsinteressen in Anspruch zu nehmen. Art. 66 lit. a WVK, der bei Streitigkeiten über die Anwendung oder Auslegung der Art. 53 oder 64 WVK zum ius cogens die Jurisdiktion des IGH unabhängig von Art. 36 IGHStatut begründet,183 schließt zudem eine actio popularis im Fall der Verletzung zwingenden Völkerrechts aus.184 Im Fall der Verletzung von erga omnes-Verpflichtungen steht der Geltendmachung vor dem IGH durch Drittstaaten die Indispensable Third Party-Rule entgegen, der zufolge eine Verhandlung und Entscheidung über einen Streitgegenstand, an dem ein dritter Staat ein wesentliches rechtliches Interesse hat, nicht ohne dessen Zustimmung stattfinden kann.185 Da sich das Prozessrecht des IGH an klassischen Strukturen des zwischenstaatlichen Völkerrechts orientiert und adversatorisch ausgerichet ist, kann der Gerichtshof kein Gegengewicht zu den staatlichen Akteuren bilden und auch keine kohärenten normativ-ideellen Prinzipien bilden, die wesent181
Europäisches Übereinkommen zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten v. 29.4.1957, BGBl. 1961-II, S. 82, ETS No. 23, derzeit von 14 Staaten ratifiziert (Stand: 18.5.2010, Quelle: http://conventions.coe.int). Art. 1 begründet unter den Vertragsparteien die obligatorische Zuständigkeit des IGH. Dagegen begründen Art. 31, 32 des American Treaty on Pacific Settlement („Pact of Bogotá“) v. 30.4.1948 (OAS Treaty Series Nos. 17, 61, UNTS 30, S. 55, derzeit 15 Ratifikationen, Quelle: http://www.oas.org/juridico/english/sigs/a-42.html) nur eine subsidiäre Zuständigkeit des IGH. 182
G. Zyberi, The Humanitarian Face of the International Court of Justice, 2008, S. 25. 183
H. Ruiz Fabri, in: O. Corten/P. Klein, Les Conventions de Vienne sur le Droit des Traités, Bd. 3, 2006, Article 66, Rn. 29. 184 185
S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 331.
IGH Monetary Gold, ICJ Rep. 1954, S. 19 (32 f.); South West Africa, Second Phase, ICJ Rep. 1966, S. 6 (32 f.), para. 43 f.; East Timor, ICJ Rep. 1995, S. 90 (101 f.), para. 29; Armed Activities on the Territory of the Congo (New Application: 2002), DRC v. Rwanda (New Application 2002), Provisional Measures, Order of 10 July 2002, ICJ Rep. 2002, S. 219 (245), para. 71. Weitere Faktoren, die die Bedeutung des IGH als Hauptrechtsprechungsorgan für die Entwicklung des Völkerrechts schwächen, sind die Möglichkeit, Richter ad hoc zu bestellen, Art. 31 IGH-Statut, die Berechtigung der Richter zu Sondervoten sowie die Existenz verschiedener anderer Methoden der Streitbeilegung, s. N. Tsagourias, in: ders. (Hg.), Transnational Constitutionalism, 2007, S. 71 (102).
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1. Kapitel
lich über einen von den Staaten selbst betriebenen Konstitutionalisierungsprozess hinausgehen.186 Die Streitbeilegung vor dem IGH ist grundsätzlich strikt bilateral.187 Insofern verwundert es nicht, dass der IGH als vor allem in der Entscheidung von Grenzstreitigkeiten erfolgreich angesehen wird.188 (2) Menschenrechtsorgane und internationale Strafgerichte Jedoch bestehen neben dem IGH als Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen weitere internationale Gerichte. Eine neue aktive Rolle der Gerichte dort feststellen, wo die anzuwendenden Normen vage oder widersprüchlich sind. Der traditionelle Ansatz wäre nach der Lotus-Rechtsprechung des StIGH, nach einer klaren und ausdrücklichen Regel zu suchen, die die Souveränität der Staaten einschränkt, und bei Abwesenheit einer solchen Norm davon auszugehen, dass eine Vermutung zugunsten der Freiheit der Staaten eingreift.189 Das Konsensprinzip im Völkerrecht belasten insbesondere die regionalen Menschengerichtshöfe durch eine evolutiv-dynamische Auslegung der Menschenrechtsverträge. Wichtigstes Beispiel ist hier wohl die Rechtsprechung zur Bindung an eine Vertragsbestimmung im Fall eines unzulässigen Vorbehalts.190 Die Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs wurde gar als „constitutional moment“ für die internationale Gemeinschaft,191 die internationale Strafjustiz als wichtigster Hüter gemeinsamer Werte der internationalen Gemeinschaft bezeichnet.192 In der Präambel des Römi186
N. Tsagourias, in: ders. (Hg.), Transnational Constitutionalism 2007, S. 71 (79 ff.); vgl. auch IGH Gabčíkovo-Nagymaros, Sep. Op. Weeramantry, ICJ Rep. 1997, S. 117 f. 187 188
M. Benzing, LPICT 5 (2006), S. 369 (374 ff.). S. M. Koskenniemi/P. Leino, LJIL 15 (2002), S. 553 (576).
189
P. Sands, NYU JILP 33 (2000-2001), S. 527 (536 ff.) mit Bezug zu den Pinochet-Entscheidungen und WTO AB, United States – Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products, WTO-Dok. WT/DS58/AB/R v. 12.10. 1998. Vgl. StIGH Lotus, PCIJ Ser. A, No. 10, 1927, No. 9, S. 18. 190
S. dazu unten, 5. Kapitel C.II.3. Zu weiteren Beispielen s. L. Helfer, U.I. LR 2008, S. 71 (89 f.). 191
L. Sadat/S. Carden, Geo. LJ 88 (2000), S. 381 (407); J. E. Alvarez, AJIL 100 (2006), S. 324 (340). 192
B. Fassbender, EuGRZ 30 (2003), S. 1 (10). S. dazu auch T. Meron, AJIL 92 (1998), S. 18.
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43
schen Statuts lässt sich die Gemeinwohlorientierung der internationalen Strafgerichtsbarkeit ablesen. Über die UNO-Charta hinausgehend führt sie im dritten Erwägungsgrund den Wert des Wohls der Welt ein, zu dem auch der Schutz des ökologischen Systems gezählt werden darf.193 Die Bedeutung der internationalen Strafgerichtsbarkeit für ein konstitutionalisiertes Völkerrecht ist auch deshalb groß, weil sie jedenfalls komplementär die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Individuums begründet. Für weitergehende Prognosen bleibt allerdings die Entwicklung der Rechtsprechung des Strafgerichtshofs abzuwarten. Vor der Einrichtung des IStGH hatten bereits ICTY und ICTR Standards für ein faires Verfahren im internationalen Kontext gesetzt, den Genfer Konventionen und der Völkermordkonvention Leben eingehaucht und den Anwendungsbereich des Völkerstrafrechts ausgedehnt.194 Insgesamt verhalten sich die neueren Gerichte innerhalb ihrer beschränkten, aber in der Regel obligatorischen Zuständigkeit progressiver als der IGH.195 Jedoch scheint für diese Phänomene die Einordnung als Verrechtlichung bestimmter Teilbereiche des Völkerrechts angemessener als die einer (Binnen-)Konstitutionalisierung, die selbst für die WTO nur vereinzelte Anwendungsfälle kennt.
dd) Die ambivalente Bedeutung der zunehmenden Zahl von Gerichten Die zunehmende Zahl internationaler Gerichte als Institutionen verschiedener Teilordnungen wie dem Handels- oder dem Seerecht gibt einerseits Anlass zu der Befürchtung, sie ermögliche einander abstrakt, aber auch im konkreten Fall widersprechende Entscheidungen, erlaube ein forum shopping und verstärke damit die sogenannte Fragmentierung des Völkerrechts, also die Verselbständigung der Teilordnungen. Andererseits hat sich in der einschlägigen Literatur ein Kanon von Fällen gebildet, der die überwiegende Neigung der Gerichte zu Kooperation und gegenseitiger Befruchtung dokumentiert.196 Auf den bindenden Cha193
B. Fassbender, in: H. Münkler/K. Fischer (Hg.), Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, Bd. III, 2002, S. 231 (251 ff ); ders., EuGRZ 30 (2003), S. 1 (10). 194 195 196
Vgl. etwa D. Mitchell, Duke JCIL 15 (2005), S. 219 (234 ff.) m. N. Y. Shany, EJIL 20 (2009), S. 73.
S. M. Nunner, Kooperation internationaler Gerichte, 2009 sowie die Beiträge zur „Proliferation“ internationaler Gerichte in NYU JILP 31 (1999), S. 679 ff.; T. Buergenthal, LJIL 15 (2001), S. 267 (271); K. Oellers-Frahm, MPYUNL 5 (2001), S. 67; N. Miller, LJIL (2002), S. 482 (systematische Analyse
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1. Kapitel
rakter als Präzedenzfall kommt es dafür nicht unbedingt an.197 Bezugnahmen auf andere Gerichte finden aber generell nur subsidiär statt. Selten sind jedenfalls die ausdrückliche Abweichung und Kritik anderer Gerichte. Weiterhin bewirkt die Vielzahl von Gerichten einen Sozialisationseffekt: Die Staaten gewöhnen sich daran zu klagen, aber auch verklagt zu werden. Vereinzelt wird schon darin ein Konstitutionalisierungsfaktor gesehen, weil die damit bewirkte Rechtsdurchsetzung die Selbstbeurteilung der Staaten beschränkt.198
der Bezugnahmen); T. Treves, in: R. Wolfrum/V. Röben (Hg.), Developments, 2005, S. 587 (590 ff.); J. Charney, RdC 271 (1998), S. 101; zur Fragmentierung: M. Koskenniemi/P. Leino, LJIL 15 (2002), S. 553 (562 ff.). Unterschiedliche Rechtsauffassungen zeigen sich in der Frage der Entscheidung des EGMR Loizidou v. Turkey (Preliminary Objections), Ser. A No. 310, die die Einschränkung der Unterwerfung unter die Jurisdiktion des EGMR nach Art. 25, 46 EMRK a. F. restriktiver fasste als die IGH-Rechtsprechung zum wortlautidentischen Art. 36 IGH-Statut: Interhandel, Preliminary Objections, ICJ Rep. 1959, S. 6 (20 ff.); Certain Norwegian Loans, ICJ Rep. 1957, S. 9 (56 ff.); Fisheries Jurisdiction (Spain v. Canada), ICJ Rep. 1998, S. 432 (452 ff.), para. 44 ff.; Aerial Incident of 10 August 1999 (Pakistan v. India), ICJ Rep. 2000, S. 12 (29 ff.), para. 34 ff. Die Entwicklung des von IGH Nicaragua, ICJ Rep. 1986, S. 14 abweichenden Zurechnungsstandards der „overall control“ in der Entscheidung ICTY, Appeals Chamber Prosecutor v. Duško Tadić, Urt. v. 15.7.1999, No. IT94-1-A (abgedruckt in: ILM 38 (1999), S. 1518) ist das am meisten diskutierte Beispiel einer Rechtsprechungsdivergenz. Aber auch die Rechtsprechung des EuGH in der Rs. Racke, Rs. C-162/96, Slg., 1998, S. I-3655 weicht von der Handhabung der clausula rebus sic stantibus in IGH Gabčíkovo-Nagymaros, ICJ Rep. 1997, S. 7 ab. Bemerkenswert ist, dass der IGH im Fall LaGrand, ICJ Rep. 1999, S. 9 bei der Frage der Auslegung des Art. 36 Abs. 1 lit. b WÜK nicht auf den Inter-Amerikanischen Menschenrechtsgerichtshof (El Derecho a la Información sobre la Asistencia Consular en el Marco de las Garantías del Debido Proceso Legal, Opinión Consultiva OC-16/99 v. 1.10.1999, Ser. A No. 16, para. 59) Bezug nahm. Übereinstimmend wird die völkergewohnheitsrechtliche Einordnung des „precautionary principle“ von IGH, ITLOS, WTO DSB-AB jedenfalls nicht bejaht: IGH Gabčíkovo-Nagymaros, ICJ Rep. 1997, S. 7 (62), para. 97, 113; ITLOS, New Zealand v. Japan, Australia v. Japan, ITLOS Rep. 1999, S. 280, para. 73 f., 77 ff.; ITLOS, MOX Plant (Ireland v. UK), Provisional Measures, ITLOS Rep. 2001, S. 95, para. 84; WTO AB European Communities – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), WTO-Dok. WT/DS26/AB/R v. 16.1.1998, para. 121 ff. 197 198
D. Terris/C. Romano/L. Swigart, The International Judge, 2007, S. 120 ff.
W. Werner, in: N. Tsagourias (Hg.), Transnational Constitutionalism, 2007, S. 329 (337) unter Verweis auf Hersch Lauterpacht.
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45
Kooperation, Kommunikation und Dialog zwischen dem IGH und nationalen Gerichten bei der Entwicklung des Völkerrechts und der Entscheidung konkreter Streitigkeiten sind empirisch sehr wenig ausgeprägt.199 Bei einigen Autoren besteht aber ein weitreichendes Vertrauen, dass sich Gerichte unabhängig von der konkreten Rechtsordnung, der sie verpflichtet sind, als Vertreter des Allgemeininteresses verstehen.200 Modelle einer „transnational litigation“ und der „judicial globalisation“, die auf ein effektives Netzwerk staatlicher und überstaatlicher Gerichte setzen, stehen indes noch am Anfang,201 werden aber von der Protagonistin des Ansatzes, Anne-Marie Slaughter, als zur Förderung von Demokratie und rule of law potentiell besser geeignet angesehen als eine globale Verfassung und globale Institutionen.202 Soweit allerdings nationale Interessen im Spiel sind, ist die Begrenzung einer Anwendung des Völkerrechts innerhalb des innerstaatlichen Rechtssystems und eine Orientierung an den Regierungen nahe liegend. Prinzipien wie die Act of State doctrine, die political question doctrine und der ordre public zeugen davon.203 In jüngster Zeit ist aber ein gegenläufiger Trend festzustellen. Staatliche Gerichte orientieren sich transnational an den staatlichen Gerichten anderer Länder, wenn sie dadurch auf Bedrohungen des innerstaatlichen demokratischen Prozesses durch die wirtschaftliche oder politische Macht der Globalisierung reagieren können.204 199
A. Nollkaemper, Chinese JIL 5 (2006), S. 301.
200
Vgl. A. Paulus, ZaöRV 67 (2007), S. 695 (706) über Petersmann und Slaughter. Zur Einbeziehung nationalstaatlicher Gerichte aus systemtheoretischer Perspektive s. A. Fischer-Lescano, ZaöRV 63 (2003), S. 717 (738 f.). 201
A. Slaughter, U. Rich. LR 29 (1994), S. 99 (102, 122 ff.); dies., Va JIL 40 (2000), S. 1103 (1104); dies., Harv. ILJ 44 (2003), S. 191; dies., A New World Order, 2004, S. 85 ff.; s. auch J. Attanasio, in: T. Franck/G. Fox (Hg.), International Law Decisions in National Courts, 1996, S. 373; ILA, Activities of National Courts and the International Relations of their States; dazu E. Benvenisti, EJIL 5 (1994), S. 423 sowie die Beiträge des Symposiums „The Interaction between National Courts and International Tribunals“ in: NYU JILP 28 (1996), S. 1 ff.; vgl. auch T. Buergenthal, FS Bernhardt, 1995, S. 687; A. Reinisch, FS Neuhold, 2007, S. 289 – empirische Untersuchung am Beispiel der Gewährung von Vollstreckungsimmunität gegenüber Staaten und internationalen Organisationen. 202 203 204
S. 59.
A. Slaughter, U. Rich. LR 29 (1994), S. 99 (132 ff.). E. Benvenisti, EJIL 4 (1993), S. 159 (insb. 175). E. Benvenisti, AJIL 102 (2008), S. 271; ders./G. Downs, EJIL 20 (2009),
46
1. Kapitel
b) Neue Formen der Rechtsetzung und Rechtsumsetzung In konstitutionalisierten Regelsystemen wird der Verpflichtungscharakter des Völkerrechts durch neuartige prozedurale Regeln der Rechtsetzung und Rechtsumsetzung regimespezifisch gestärkt.205 Völkerrechtliche Rechtsetzung ist nicht mehr eine allein zwischenstaatliche Angelegenheit. Wichtig für die Konstitutionalisierungsthese ist vor allem, dass in zahlreichen internationalen Organisationen Prozesse der Rechtsetzung und Rechtsdurchsetzung wie in einem Gewächshaus forciert werden, so dass sich die Mitgliedstaaten ihnen nur bedingt entziehen können, und zugleich Vertreter der Zivilgesellschaft einbezogen werden. Durch die Eigendynamik dieser integrativen Prozesse wird das Rechtsetzungsmonopol der Staaten jedenfalls faktisch relativiert. Ein frühes Beispiel dafür ist die ILO. In der Internationalen Arbeitskonferenz werden Übereinkommen und Empfehlungen mit Zweidrittelmehrheit beschlossen (Art. 19 Abs. 2 ILO-Verfassung206). Eine weitere Besonderheit liegt in der sogenannten tripartiten Struktur der ILO. Nach Art. 3 Abs. 1 ILO-Verfassung entsendet jeder Mitgliedstaat vier Vertreter in die Arbeitskonferenz. Zwei davon sind Regierungsvertreter, während die beiden anderen Delegierten die Arbeitgeber und Arbeitnehmer in dem Mitgliedstaat repräsentieren sollen. An der Rechtsetzung wirken also in institutionalisierter Weise Vertreter der Zivilgesellschaft stimmberechtigt mit (Art. 4 ILO-Verfassung).207 Seit den 1970er Jahren, verstärkt in den 1990er Jahren mit dem Ende der Blockdichotomie, wird die sogenannte Zivilgesellschaft zunehmend in 205
Vgl. M. List/B. Zangl, in: G. Hellmann u. a. (Hg.), Die neuen Internationalen Beziehungen, 2003, S. 361 (371 ff.); G. Ulfstein (Hg.), Making Treaties Work, 2007. 206
Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation v. 9.10.1946 in der Fassung v. 25.6.1953, BGBl. 1957-II, S. 317, 1975-II, S. 2206. 207
Vgl. C. Möllers, Gewaltengliederung, 2005, S. 287 ff.; A. EmmerichFritsche, Weltrecht, 2007, S. 785 ff.; S. Kadelbach/T. Kleinlein, GYIL 50 (2007), S. 303 (325 ff.) – auch zu weiteren konstitutionellen Merkmalen im Recht der ILO; allgemein E. Osieke, Constitutional Law and Practice in the International Labour Organisation, 1985; F. Maupain, RdC 278 (1999), S. 201; vgl. auch C. Humrich, in: P. Niesen/B. Herborth (Hg.), Anarchie der kommunikativen Freiheit, 2007, S. 383 (399). Zur ILO Declaration on Fundamental Principles and Rights of Work (International Labour Conference, 86th Session, Genf, Juni 1998, verfügbar unter http://www.ilo.org/declaration/thedeclaration/textdecla ration/langen/index.htm, geprüft am 18.5.2010) s. insbesondere die Kritik bei P. Alston¸ EJIL 15 (2004), S. 457.
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transnationale Meinungs- und Willensbildungsprozesse einbezogen und trägt damit zur Legitimität internationaler Organisationen bei.208 Ihre für Normentstehungsprozesse mitunter entscheidende Rolle ist in den letzten Jahren etwa in den Verhandlungen über die Ottawa-Konvention zum Verbot von Antipersonenminen,209 das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs210 und die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen211 besonders deutlich geworden. Hinzu kommt ein institutionalisiertes Rechtsbefolgungsmanagement. Die ILO etwa hat ein In Focus Programme on the Elimination of Child Labour (IPEC) als thematisierendes Verfahren der Rechtsumsetzung entwickelt. Besonders verbreitet sind solche Verfahren auch in multilateral environmental agreements (MEAs) im Umweltvölkerrecht.212 Mechanismen wie der Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik (Trade Policy Review Mechanism, TPRM) nach Anlage 3 zum WTOÜbereinkommen zielen darauf ab, die Gründe für etwaige Regelbrüche im Dialog auszumachen, um den betreffenden Regelbrecher einvernehmlich zur Regeltreue zurückzuführen.213 Die Verfahren internationaler Rechtsetzung in den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen, auf diplomatischen Konferenzen und in Kodifikationsorganen, der Einfluss von NGOs und anderen Akteuren und die Mechanismen der Rechtsbefolgung finden in den letzten zehn Jahren eine neue Aufmerksamkeit. Gegenstand des Interesses sind dabei vor allem die Modi und der Prozess der Rechtsent-
208
C. Humrich, in: P. Niesen/B. Herborth (Hg.), Anarchie der kommunikativen Freiheit, 2007, S. 383 (400 f.). 209
Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung (Ottawa-Übereinkommen) v. 18.9.1997, BGBl. 1998-II, S. 779. 210
Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs v. 10.12.1998, BGBl. 2000-II, S. 1394. 211
Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen v. 13.12.2006, BGBl. 2008-II, S. 1419. 212
J. Brunnée, in: U. Beyerlin u. a. (Hg.), Ensuring compliance with multilateral environmental agreements, 2006, S. 1. 213 M. List/B. Zangl, in: G. Hellmann u. a. (Hg.), Die neuen Internationalen Beziehungen, 2003, S. 361 (378 ff.).
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1. Kapitel
stehung.214 Für eine auf die Besonderheiten der WTO zugeschnittene Perspektive wurde der Begriff des institutional managerialism geprägt.215 Als ihr Hauptvertreter lässt sich John Jackson ansehen. Die Verfassung bezeichnet hier eine Gesamtschau von Praxis und Dokumenten, die die Struktur des Regelsystems bestimmen. Der analytische Fokus dieses holistischen Ansatzes richtet sich auf die vertikale und horizontale Gewaltenverteilung im Verhältnis zwischen Staat und internationaler Organisation sowie zwischen den Organen, aber auch auf das richtige Maß der Organisation auferlegter Beschränkungen unter dem Gesichtspunkt ihrer fortwährenden Anpassungsfähigkeit.216 Jacksons Lehre zielt auf die allgemeine Regelorientierung (rule-orientation), die einen Übergang vom machtgeleiteten zum regelgeleiteten Welthandelssystem bedeutet,217 zugleich aber im Gegensatz zu einer strikten rule of law steht und Flexibilität im Umgang mit Grenzen staatlichen Bindungswillens und Offenheit gegenüber dem demokratischen Willen der Mitgliedstaaten ermöglicht.218 Die Ablehnung einer unmittelbaren Wirkung des WTO-Rechts ist Ausdruck dieser rule-orientation.219 Der Ansatz wurzelt in der international legal process school.220 Deren „managerial model“ konzentriert sich auf den iterativen Prozess von Diskursen unter den Vertragsparteien, der Organisation und der weiteren Öffentlichkeit. Primärer Untersuchungsgegenstand sind nicht die positiven Rechtsnormen und deren semantischer Bedeutungsgehalt,
214
J. Delbrück (Hg.), New Trends in International Lawmaking, 1997; R. Wolfrum/V. Röben (Hg.), Developments of International Law in Treaty Making, 2005; A. Boyle/C. Chinkin, The Making of International Law, 2007. 215
D. Cass, Constitutionalization, 2005, S. 97 m. N.
216
J. Jackson, The World Trade Organization: Constitution and Jurisprudence, 1998, S. 101 ff./129; ders., AVR 41 (2003), S. 435 (440 ff.); begriffskritisch M. Nettesheim, FS Oppermann, 2001, S. 381; vgl. auch W. Benedek, BDGVR 40 (2003), S. 283 (286) – Konstitutionalisierung der Welthandelsordnung als Frage nach der Natur der Rechtsordnung der WTO. 217
J. Jackson, JWTL 12 (1978), S. 93 (98); ders., The World Trade Organization, 1998, S. 97 ff. 218 219 220
S. Croley/J. Jackson, AJIL 90 (1996), S. 193 (212). J. Jackson, AJIL 86 (1992), S. 310 (313).
Grundlegend A. Chayes/T. Ehrlich/A. Loewenfeld, International Legal Process, 2 Bde., 1968/1969; H. Koh, Yale LJ 106 (1997), S. 2599 (2620 f.); s. auch L. Henkin, How Nations Behave, 21979; A. Chayes, The Cuban Missile Crisis, 1987.
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49
sondern die dynamischen Prozesse, in denen nationalstaatliche Regierungen, internationale Organisationen, multinationale Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen, professionelle Expertennetzwerke und private Individuen mit der Interpretation und Anwendung transnationaler Rechtsnormen befasst sind.221 In einem fortlaufenden Dialog werden Regelungen bewertet, konkretisiert und modifiziert. Allen Dialogteilnehmern werden besondere Begründungspflichten auferlegt, weil sie darstellen müssen, warum bestimmte Regelanforderungen nicht angemessen, unerfüllbar oder nicht erstrebenswert sein sollen.222 Für die regimespezifische Implementierung der rule of law in der WTO sind die Rolle, die der einzelne Staat im Welthandelssystem einnimmt, seine Blockademöglichkeiten und die Sogwirkung, der er ausgesetzt ist, relevante Faktoren. Allerdings findet ein Perspektivenwechsel statt. Der Fokus liegt bei der Institution WTO und ihren umfassenden Möglichkeiten, nicht bei den Interessen und Präferenzen der einzelnen Mitgliedstaaten. Das steht offenkundig in einem gewissen Gegensatz zum Verständnis der WTO als member-driven organization,223 die über kein originäres Rechtsetzungsorgan verfügt und deren Sekretariat nur beschränkte Aufgaben hat (Art. VII:1, VI:4 WTO). Der Gebrauch der Verfassungsterminologie suggeriert dabei institutionelle Dichte und Legitimität, dem Begriff der Konstitutionalisierung fehlt es aber an Konturen gegenüber der für sich bemerkenswerten ‚Institutionalisierung‘ der WTO.224
3. Herrschaftsbegründung und Herrschaftsbeschränkung in der konstitutionellen Perspektive Betrachtet man diese Regimes als Verfassungsordnungen, so folgt diese Einordnung einerseits dem Idealtypus der legitimierenden Verfassung mit nur ansatzweise normativen Vorgaben für die Ausübung von Ho-
221
Vgl. zusammenfassend F. Hanschmann, in: S. Buckel u. a. (Hg.), Neue Theorien des Rechts, 22008, S. 375 (385). 222
A. Chayes/A. Handler Chayes, The New Sovereignty, 1995, S. 3, 25. S. für das GATT auch schon R. Hudec, The GATT Legal System, 21990. Weitere Vertreter der Schule sind M. Katz, K. Brewster, A. Lowenfeld, R. Lillich u. F. Kirgis; vgl. die Nachweise bei H. Koh, Yale LJ 106 (1997), S. 2599 (2620 f.). 223 224
WTO (Hg.), Understanding the WTO, 32007, S. 101. D. Cass, Constitutionalization, 2005, S. 100 ff.
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1. Kapitel
heitsgewalt.225 Die Gründungsverträge internationaler Organisationen werden nach der Verfassungslesart als „living instruments“226 verstanden und metaphorisch als „living trees“227 oder als vom Stapel gelassene Schiffe228 bezeichnet.229 Mit dieser Herangehensweise soll sichergestellt werden, dass die Gründungsverträge neuen Anforderungen und Erwartungen der internationalen Gemeinschaft gerecht werden können, die zur Zeit des Vertragsschlusses noch nicht vorhergesehen werden konnten. Für die UNO-Charta geht diese Lesart auf Konzeptionen aus der Periode der amerikanischen Euphorie für die Vereinten Nationen zurück.230 Die Verselbständigung der Verfassung einer internationalen Organisation hat aber auch Wurzeln im institutionellen Rechtsden-
225
Für die UNO-Charta E. McWhinney, United Nations Lawmaking, 1984, S. 165 ff. Zu den Idealtypen der absolutistischen, der legitimierenden und der Vorrang beanspruchenden Verfassung s. A. Stone, The Review of Politics 56 (1994), S. 441 (443 ff.). S. auch IGH Nuclear Weapons in Armed Conflict, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1996, S. 66 (74 f.), para. 19: “… the constituent instruments of International Organizations […] can raise specific problems of interpretation owing, inter alia, to their character which is conventional and at the same time institutional.” 226
Pollux (E Hambro), BYBIL 23 (1946), S. 54; B. Fassbender, Col. JTL 36 (1998), S. 529 (594 ff.); s. auch T. Franck, Harv. LR 77 (1964), S. 1565 – „capable of organic growth“; S. Rosenne, Developments in the Law of Treaties 19451986, 1989, S. 181 (191) – Superstruktur und Verfassungspraxis. 227
So die Metapher aus der kanadischen Verfassungsrechtsprechung s. Edwards v. A. G. Canada, [1930] A.C. 124 (136) (P.C.). 228
IGH Reservations, Advisory Opinion, Diss. Op. Alvarez, ICJ Rep. 1951, S. 15 (53); B. Fassbender, Col. JTL 36 (1998), S. 529 (595). 229
Weitere Nachweise bei B. Sloan, Pace YBIL 61 (1989), S. 1 (105 ff.). Kritisch zu dem „Wortspiel“, mit dem ein Vertrag zur Verfassung wird, woraus dann abgeleitet wird, dass die Verfassungsbestimmungen weit auszulegen seien: G. Arangio-Ruiz, RdC 137 (1972-III), S. 310 (709 f.). 230
E. McWhinney, United Nations Lawmaking, 1984, S. 84 ff.; s. etwa O. Schachter, Yale LJ 60 (1951), S. 189 (193). Die Ablehnung dieser Position durch die Sowjetunion kommt in einigen abweichenden Meinungen von Richtern aus dem Sowjetblock im Certain expenses-Gutachten zum Ausdruck: IGH Certain expenses, Advisory Opinion, Diss. Op. Judge Winiarski (Polen), ICJ Rep. 1962, S. 151 (230) sowie Diss. Op. Judge Koretsky (SU), ibid., S. 268; vgl. die Nachweise bei R. Macdonald, in: ders./D. Johnston (Hg.), Structure and Process, 1983, S. 889 mit Fn. 2.
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
51
ken.231 Darüber hinaus ist sie Ausdruck eines weit reichenden Vertrauens in den Beitrag internationaler Organisationen zur Verwirklichung von Gemeinwohlbelangen und damit des Optimismus und des idealistischen Fortschrittsdenkens.232 Auf der internationalen Ebene scheint hier gerade die souveräne Autorität wieder erfunden zu werden, die für die staatliche Ebene überwunden werden sollte.233 Der konstitutionelle Ansatz setzt der Tätigkeit internationaler Organisationen aber andererseits auch Grenzen und bindet sie an Verhaltensstandards. Mit der zunehmenden Ausübung von Hoheitsgewalt durch internationale Organisationen gewinnt der Aspekt ihrer eigenen Rechtsbindung gegenüber dem der Einbindung der Staaten an Bedeutung und Aufmerksamkeit.234 Eine konstitutionalistische Lesart versucht, verfassungsrechtliche Elemente im Recht internationaler Organisationen sichtbar zu machen und deren Weiterentwicklung anzuregen.235 In den unterschiedlichen Nuancen der Begriffe der ‚Konstitutionalisierung‘ und des ‚constitutionalism‘ wird im Völkerrecht die autonome Verfestigung internationaler Organisationen einerseits, ihre verfassungsrechtliche Begrenzung andererseits betont. Die Mitgliedstaaten einer Organisation sind in der Regel darauf bedacht, ihre Kreation unter Kontrolle zu halten.236 Dieser Antagonismus von Ermächtigung und Kontrolle, von Herrschaftsbegründung und Herrschaftsbeschränkung ist die unvermeidbare 231
R. Monaco, FS Rousseau, 1974, S. 153 (154); vgl. A. Peters, LJIL 19 (2006), S. 579 (593 f.). 232
G. Abi-Saab, EJIL 9 (1998), S. 248 (256); ders., RdC 207 (1987-VIII), S. 9 (95); vgl. B. Simma, AJIL 92 (1998), S. (579); kritisch: M. Koskenniemi, Aust. YBIL 16 (1995), S. 1; ders., EJIL 9 (1998), S. 405 (411); S. Marks, EJIL 8 (1997), S. 449; J. E. Alvarez, EJIL 11 (2000), S. 393 (394). S. schon G. Scelle, Précis de droit des gens, 2 Bde., 1932-1934; A. Alvarez, Le droit international nouveau dans ses rapports avec la vie actuelle des peuples, 1959. Dieses Vertrauen in internationale Organisationen zeigt sich auch in der Rechtsprechung des IGH, s. etwa IGH Application for Review of Judgment No. 273 of the United Nations Administrative Tribunal, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1982, S. 325 (347), para. 45 – „ paramount importance to world order“. 233
Vgl. D. Kennedy, Utah LR 1994, S. 7 (13); A. Orford, EJIL 15 (2004), S. 179 (181 f.). 234
W. Werner, in: N. Tsagourias (Hg.), Transnational Constitutionalism, 2007, S. 329 (350). 235 236
A. Peters, ZÖR 65 (2010), S. 3 (30). Vgl. J. Klabbers, International Institutional Law, 22009, S. 32 ff.
52
1. Kapitel
Konsequenz der wechselseitigen Abhängigkeit von Staaten und internationalen Organisationen.237 Zugleich zeigt sich darin ein grundlegendes Spannungsverhältnis des Verfassungsrechts: Die Intention der Verfassung, politische Macht zu begrenzen, trifft auf deren Bestreben, der Kontrolle zu entfliehen.238 Es bedeutet aber auch eine teilweise Abkehr vom idealistischen Paradigma der Lösung internationaler Probleme durch internationale Institutionen, wenn die konstitutionelle Begrenzung der Gestaltungsmacht internationaler Organisationen gefordert wird. Constitutionalism als Doktrin internationaler Organisationen unterscheidet sich vom Funktionalismus dadurch, dass ein konstitutionelles Regime nicht primär auf die Erreichung bestimmter Ziele gerichtet ist, sondern auf die Bereitstellung einer stabilen und legitimen Rahmenordnung für die Interaktion innerhalb der Organisation. Insbesondere angesichts der Ausweitung der Befugnisse des Sicherheitsrates nach Kapitel VII der UNO-Charta auf interne Konflikte und schwere Menschenrechtsverletzungen, der Schaffung von Nebenorganen wie ICTY und ICTR durch den Sicherheitsrat239 und der von ihm in Anspruch genommenen Befugnis zu abstrakt-genereller Rechtsetzung,240wie auch der zumindest potentiellen Durchgriffswirkung seiner 237
H. Mosler, ZaöRV 36 (1976), S. 6 (17); s. auch H. Schermers/N. Blokker, 4 International Institutional Law, 2003, §§ 66 ff. zur ambivalenten, internen und externen Rolle der Mitgliedstaaten als Mitglieder der Organe und als Gegenspieler der Organisation; vgl. P. Kennedy, Parlament der Menschheit, 2007, S. 14. 238
J. Klabbers, IOLR 1 (2004), S. 31 (37, 43); ders., International Institutional Law, 22009, passim; W. Werner, in: N. Tsagourias (Hg.), Transnational Constitutionalism, 2007, S. 329 (356). 239
Zusammenfassend J. Frowein/N. Krisch, Introduction to Chapter VII, in: B. Simma (Hg.), Charter Commentary, 22002, S. 701 (708 ff.), para. 19 ff.; dies., ibid., Article 39, S. 717 (722 ff.), para. 16 ff. 240
Zur Rechtsetzungsbefugnis des Sicherheitsrates s. G. Arangio-Ruiz, Riv. 83 (2000), S. 609; J. D. Aston, ZaöRV 62 (2002), S. 257; P. C. Szasz, AJIL 96 (2002), S. 901; C. Denis, Le pouvoir normatif du Conseil de sécurité des Nations Unies, 2004; R. Lavalle, NILR 51 (2004), S. 411; A. Zimmermann/B. Elberling, VN 2004, S. 71; M. Akram/S. Shah, in: R. Macdonald/D. Johnston, Towards World Constitutionalism, 2005, S. 431; J. E. Alvarez, Law-makers, 2005, S. 184 ff.; B. Elberling, IOLR 2 (2005), S. 337; A. Marschik, in: R. Macdonald/D. Johnston, Towards World Constitutionalism, 2005, S. 431; S. 457 ff. – mit einer Analyse der Reaktionen auf SR Res. 1373 (2001) – Terrorismusbekämpfung – und SR Res. 1540 (2004) – Verbreitung von Massenvernichtungswaffen; S. Talmon, AJIL 99 (2005), S. 175; B. Fassbender, JICJ 5 (2007), S. 1091
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
53
Resolutionen,241 stellt sich für die konstitutionelle Perspektive auf die Institution der Vereinten Nationen verstärkt die Frage nach Rechtsbindung,242 Verantwortlichkeit (accountability)243 und Rechtskontrolle244 – zu SR Res. 1757 (Sondertribunal für den Libanon, 2007). S. auch Res. 1422 (2002) und 1487 (2003) – Abänderung des Römischen Statuts des IStGH. Zu den Befugnissen nach Kapitel VII s. E. de Wet, The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004. 241
K. Schmitz, Durchgriffswirkung von Maßnahmen der UN, 2003, S. 99 ff., 167 ff. – Nichtigerklärung der südafrikanischen Verfassung durch SR Res. 554 und 556 (1984), Erfüllung von Ordnungsaufgaben im „failed state“ (Kambodscha, Somalia, Bosnien-Herzegowina, Ost-Timor), Verantwortlichkeit nichtstaatlicher Einheiten für Verletzungen des humanitären Völkerrechts (Somalia, Angola), verfahrensrechtliche Vorschriften des ICTY/ICTR. Die „targeted sanctions“ des Sicherheitsrates nach den SR Res. 1267 (1999), 1333 (2000), 1390 (2002), 1455 (2003), 1526 (2004), 1617 (2005), 1735 (2006) und 1822 (2008) werden dagegen über die Mitgliedstaaten umgesetzt, vgl. T. Bruha, AVR 40 (2002), S. 383 (392); M. Wagner, ZaöRV 63 (2003), S. 879 (899 ff.); G. Biehler, AVR 41 (2003), S. 169 (173). 242
ICTY, Appeals Chamber Prosecutor v. Duško Tadić, No. IT-94-1, Entsch. v. 2.10.1995, para. 28; M. Bedjaoui, The New World Order and the Security Council, 1994; T. D. Gill, NYIL 26 (1995), S. 33 (61 ff.); M. Herdegen, Die Befugnisse des UN-Sicherheitsrates, 1998, E. de Wet, LJIL 14 (2001), S. 277. Zu den Möglichkeiten und Grenzen der Übertragung der Befugnisse des Sicherheitsrates s. D. Sarooshi, The United Nations and the Development of Collective Security, 1999, S. 3 ff.; A. Reinisch, AJIL 95 (2001), S. 851. 243
S. etwa B. Fassbender, IOLR 3 (2006), S. 437; Watson Institute for International Studies, Strengthening Targeted Sanctions Through Fair and Clear Procedures, 2006. Allgemein zur „Accountability“ als Reaktion auf den zunehmenden unmittelbaren oder mittelbaren Einfluss von internationalen Organisationen auf Individuen: ILA, Accountability of International Organisations: Final Report, ILA Rep. 2004, S. 164; A. Reinisch, Global Governance 7 (2001), S. 131; ders., GYIL 44 (2001), S. 270; D. Curtin/A. Nollkaemper, NYIL 36 (2005), S. 3; J. Brunnée, NYIL 36 (2005), S. 21; G. Hafner, in: R. Macdonald /D. Johnston, Towards World Constitutionalism, 2005, S. 585; s. auch G. Verdirame, in: N. D. White/D. Klaasen (Hg.), The UN, human rights and post-conflict situations, 2005, S. 81. Bislang muss „Accountability“ aber vor allem als politisches Konzept gelten, das zunächst auf die internationalen Finanzinstitutionen angewandt wurde. 244
Zur – beschränkten – Rechtskontrolle der Generalversammlung und des Sicherheitsrates durch den IGH s. IGH Admission to the United Nations, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1948, S. 57 (61 ff.); Competence of Assembly, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1950, S. 4 (7 ff.); Hearings of petitioners, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1956, S. 23 (26 ff.); Certain expenses, Advisory Opinion, ICJ Rep.
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1. Kapitel
des Sicherheitsrates,245 aber auch nach den Entscheidungsstrukturen und -verfahren.246 Im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten ergeben sich etwa aus dem Nichteinmischungsverbot (Art. 2 Nr. 7 UNC) keine klaren Schranken des Einwirkens, zumal die Anwendung von Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII der Charta ausdrücklich davon ausgenommen ist.247 Die Charta enthält überhaupt wenige unmittelbare Aus1962, S. 151 (156); Northern Cameroons, ICJ Rep. 1963, S. 3 (32); Namibia, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1971, S. 16 (22), para. 20; Lockerbie (Libya v. UK/USA), ICJ Rep. 1992, S. 3/114; Bosnia, Provisional Measures, ICJ Rep. 1993, S. 325; Palestine Wall, Advisory Opinion, ICJ Rep. 2004, S. 136 (144 ff.), para. 14 ff.; zum Verhältnis IGH – Sicherheitsrat auch Nicaragua (Jurisdiction and Admissibility), ICJ Rep. 1984, S. 392 (434 f.), para. 95; s. weiterhin T. Franck, AJIL 86 (1992), S. 519; R. F. Kennedy, Va JIL 33 (1993), S. 899 (Urteilsanm. Libyen-Fall); R. Macdonald, Can. YBIL 31 (1993), S. 3; G. Watson, Harv. ILJ 34 (1993), S. 1; M. Herdegen, Vand. JTL 27 (1994), S. 135; J. E. Alvarez, AJIL 90 (1996), S. 1 – umfassende Analyse unter Einbeziehung auch anderer Kontrollmöglichkeiten; D. Akande, ICLQ 46 (1997), S. 309; R. Chemain, in: ders./A. Pellet (Hg.), La Charte des Nations Unies, 2006, S. 45; s. aber auch IGH Lockerbie, Diss. Op. Weeramantry, ICJ Rep. 1992, S. 66 u. 175; IGH Namibia, Advisory Opinion, Diss. Op. Fitzmaurice, ICJ Rep. 1971, S. 220 (294), para. 115; IGH Admission to the United Nations, ICJ Rep. 1948, S. 57 (64); M. Bedjaoui, The New World Order and the Security Council, 1994; M. Fraas, Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und Internationaler Gerichtshof, 1999; J. Herbst, Rechtskontrolle des UN-Sicherheitsrates, 1999 – mit ausführlicher Rechtsprechungsanalyse; K. Zemanek, FS Bedjaoui, 1999, S. 629; J. Crawford, Geo.Wash. ILR 36 (2000), S. 505; B. Fassbender, EJIL 13 (2002), S. 273 (283 ff.); E. de Wet, SZIER 10 (2000), S. 237; dies., NILR 47 (2000), S. 181; dies., The Chapter VII Powers of the United Nations Security Council, 2004, S. 69 ff. – gerichtsförmige Kontrolle als im Entstehen begriffener allgemeiner Rechtsgrundsatz; s. dazu auch: L. Garlicki, in: G. Nolte (Hg.), European and US Constitutionalism, 2005, S. 263 (276); I. Petculescu, NILR 52 (2005), S. 167; M. Amr, The Role of the International Court of Justice, 2003, S. 298 ff. m. w. N.; E. Cannizzaro, IOLR 3 (2006), S. 189; M. Payandeh, ZaöRV 66 (2006), S. 41; V. Bore Eveno, RGDIP 110 (2006), S. 827 – mit Hinweis auf Gefahr der Fragmentierung durch dezentrale Kontrolle, S. 843; K. Zemanek, FS Neuhold, 2007, S. 483. 245 Grundlegend dazu B. Martenczuk, Rechtsbindung und Rechtskontrolle des Weltsicherheitsrats, 1996. 246
D. Caron, AJIL 87 (1993), S. 552; B. Fassbender, UN Security Council, 1998, S. 161 ff.; I. Johnstone, EJIL 14 (2003), S. 437; vgl. auch M. Reisman, AJIL 87 (1993), S. 83 (89, 95); J. Cohen, Constellations 15 (2008), S. 456. 247
P. Kunig, Das völkerrechtliche Nichteinmischungsprinzip, 1981, S. 45 ff., S. 240 ff. (zu Gehalt und Einordnung des Einmischungsverbotes); ders., GS
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
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sagen darüber, wann Resolutionen des Sicherheitsrates oder der Generalversammlung die Charta materiell verletzen, insbesondere auch keinen Menschenrechtskatalog, und ist damit in ihrer Maßstabsfunktion beschränkt.248
III. Konsequenzen der Autonomisierungstendenzen für die Normativität des Völkerrechts An die Beschreibung der Autonomisierungstendenzen im Völkerrecht knüpfen Vertreter der Konstitutionalisierungsthese Konsequenzen für die Normativität des Völkerrechts. Sie beziehen sich sowohl auf die Geltungsbegründung des Völkerrechts (1.) als auch auf sein Verhältnis zur internationalen Politik (2.).
1. Selbstbegründung des Völkerrechts Die konstitutionelle Lesart berührt mit der Abschwächung des Konsensprinzips auch den Geltungsgrund des Völkerrechts. Es stellt sich nicht mehr als allein auf dem Willen der Staaten aufbauende Koordinationsordnung dar.249 Jedenfalls partiell ist das konstitutionalisierte Völkerrecht damit eine objektive Rechtsordnung,250 die in einer „postontologischen“ Phase251 angekommen sein soll und für die, wenn schon Grabitz, 1995, S. 325 (331 f.); G. Watson, Harv. ILJ 34 (1993), S. 1 (35); A. Perez, Tex. ILJ 31 (1996), S. 355; zur Aushöhlung von Art. 2 Nr. 7 UNC v. a. durch die Verengung der ausschließlichen Zuständigkeit der Staaten sowie zur dogmatischen Einordnung vgl. auch G. Nolte, Article 2 (7), in: B. Simma (Hg.), 2 Charter Commentary, 2002, para. 73 ff. 248
G. Watson, Harv. ILJ 34 (1993), S. 1 (33); C. Walter, in: A. Nollkaemper (Hg.), New Perspectives on the Divide between International Law and National Law, 2007, S. 191 (196); s. auch C. Chevallier-Govers, RGDIP 105 (2001), S. 373 (398 ff.) u. vgl. L. Helfer, Loyola L.A. LR 37 (2003), S. 193 (216). 249
J. Frowein, BDGVR 39 (2000), S. 427 (429); H. Keller, ZaöRV 67 (2007), S. 623 (633 f.). 250
R. Wahl, FS Brohm, 2002, S. 191 (199 f.), s. zur Lösung vom Konsensualprinzip auch C. Tomuschat, RdC 241 (1993-IV), S. 195; ders., RdC 281 (1999), S. 9 (49 ff.); J. Frowein, RdC 248 (1994-IV), S. 345; ders., BDGVR 39 (2000), S. 427 ff. 251
ff.
Vgl. T. Franck, Fairness in International Law and Institutions, 1995, S. 4
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1. Kapitel
keine Verfassung, so doch die Verfassungsidee Geltungssymbol sein kann. Der Rekurs auf eine Verfassung gilt in der systemtheoretischen Analyse als „Entparadoxierungsmanagement“, das die Zirkularität der Selbstbegründung („Autopoiesis“) des Rechts verschleiert („invisibilisiert“). Der hierarchische Vorrang der Verfassung ermöglicht das scheinbare Paradoxon der Selbstbezüglichkeit des Rechts.252 Unveränderlichkeit und Höchstwertigkeit müssten dazu im Rechtssystem selbst konstruiert und die Referenz auf Unverfügbares im Sinne natur- und vernunftrechtlicher Lehren durch das Verfassungsrecht ersetzt werden.253 Soll die ausdifferenzierte Ordnung des pluralen modernen Völkerrechts als autonom konstituierte Rechtsordnung verstanden werden, so kann dies entweder dadurch geschehen, dass die UNO-Charta als Grundlage allen Völkerrechts und ultimativer Geltungsgrund gesehen254 oder aber ihre Autorität auf ihren Charakter als Werteordnung gestützt wird.255 Alternativ stellt ein abstrakt-voluntaristischer Ansatz auf den Willen der internationalen Gemeinschaft ab, der als konstruktivistische Abstraktion den Staatenwillen ergänzt und normative Quelle des Völkerrechts ist.256
252
N. Luhmann, Metamorphosen des Staates, in: ders., Gesellschaftstruktur und Semantik, Studien zur Soziologie der modernen Wissenschaft, Bd. 4, 1995, S. 101 (112); ders., RJ 9 (1990), S. 176 (190 f.). 253
N. Luhmann, RJ 9 (1990), S. 176 (182 ff.); s. auch M. Neves, Zwischen Themis und Leviathan, 2000, S. 83; für das internationale Recht: A. FischerLescano, ZaöRV 63 (2003), S. 717 (723) m. w. N.; grundsätzlich ablehnend gegenüber dem systemtheoretischen Verständnis A. Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, 2001, S. 509 ff.; vgl. aber auch P. Allott, The Health of Nations, 2002, S. 348 – “The category of constitutionalism identifies a form of social theory which postulates a society whose self-constituting is selfcontained”. 254
B. Fassbender, Col. JTL 36 (1998), S. 529 (567, 585, 588 f.).
255
S. B. Fassbender, EuGRZ 30 (2003), S. 1; ders., in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 837 (838); E. de Wet, LJIL 19 (2006), S. 611 (614); T. Rensmann, FS Tomuschat, 2006, S. 259 und vgl. A. Fischer-Lescano/P. Liste, ZIB 12 (2005), S. 209 (216) über die Lehre von der internationalen Gemeinschaft/„German School“; H. Keller, ZaöRV 67 (2007), S. 623 (633); R. Wahl, in: P. Dobner/M. Loughlin (Hg.), The Twilight of Constitutionalism?, 2010, S. 220 (230). 256
H. Mosler, RdC 140 (1974-IV), S. 1 (27 ff.); B. Bryde, BDGVR 33 (1994), S. 165 (170); T. Cottier/M. Hertig, MPYUNL 7 (2003), S. 261 (270 f.); vgl. N.
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
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Als Erklärungen für die Geltungsbegründung des Völkerrechts sind diese Modelle rechtstheoretisch zwangsläufig unzureichend,257 sollen aber auch nicht mehr sein als eine dogmatische Improvisation. Die Einsetzung der UNO-Charta als Grundnorm des Völkerrechts ist vor allem dem Einwand ausgesetzt, dass die Charta von Voraussetzungen abhängig ist, die über ihren Text hinausgehen, ihrerseits auf der Bindungswirkung des Vertragsschlusses beruht und damit staatenvermittelt ist.258 Auch die Wertebegründung und Gemeinschaftsorientierung des Völkerrechts haben vor allem metaphorischen Charakter. Letztlich wird die Geltungsbegründung mit dem Staatenkonsens nicht aufgegeben. Vielmehr soll der Symbolgehalt der Verfassungsterminologie die Rechtspraxis prägen,259 die Konstitutionalisierungsidee Eingang in eine fortgesetzte Interpretationspraxis finden.260 Die Vertikalisierung des Völkerrechts geht daher unmittelbar einher mit der Begründung einer verfassungsrechtlichen Methode der Rechtsanwendung.261 Die AusleTsagourias, in: I. F. Dekker/W. G. Werner (Hg.), Governance and International Legal Theory, 2004, S. 97. 257
A. Fischer-Lescano, ZaöRV 63 (2003), S. 717 (728); W. Werner, in: N. Tsagourias (Hg.), Transnational Constitutionalism, 2007, S. 329 (353 f.); vgl. auch R. Collins, LJIL 22 (2009), S. 251 – „mainstream, liberal-juridical consciousness – rather than any explicit legal theory“. 258
Vgl. zur Kritik an Fassbender A. Paulus, EJIL 10 (1999), S. 209 (211); A. Fischer-Lescano, ZaöRV 63 (2003), S. 717 (756) mit Fn. 204. 259
B. Fassbender, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 837 (846). S. auch P. Coffman, GYIL 39 (1996), S. 285 (296); W. Werner, in: N. Tsagourias (Hg.), Transnational Constitutionalism, 2007, S. 329 (336). Zum Konsens als Grundlage von Werten s. A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft im Völkerrecht, 2001, S. 251 ff.; ders., Nordic JIL 74 (2005), S. 297 (308) mit Fn. 40. 260
W. Werner, in: N. Tsagourias (Hg.), Transnational Constitutionalism, 2007, S. 329 (362 ff.) mit Bezug auf P. Bobbitt, Constitutional Fate, 1982; vgl. ders., Constitutional Interpretation, 1991, S. 45 et passim. Grundlegend zum Rechtsdiskurs als Interpretationspraxis und Rechtfertigungsdiskurs in einer Interpretationsgemeinschaft: S. Fish, Is There a Text in this Class?, 1980; ders., Stan. LR 36 (1984), S. 1325; R. Dworkin, Texas LR 60 (1982), S. 527; J. Habermas, Faktizität und Geltung, 1998. S. auch A. Fischer-Lescano, ARSP 88 (2002), S. 349 (358) – Geltungsanordnung beruhe „scheinbar“ darauf, dass das Recht in den „Netzwerken juristischer Experten“ angewandt wird. 261
S. auch B. Bryde, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 103 (106); R. Wahl, in: P. Dobner/M. Loughlin (Hg.), The Twilight of Constitutionalism?, 2010, S. 220 (232).
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1. Kapitel
gung des konstitutionalisierten Völkerrechts orientiert sich weniger am Staatenkonsens als am „Willen der internationalen Gemeinschaft“ und an der Realisierung ihrer „Werteordnung“. Aus einer externen Perspektive lässt sich Konstitutionalisierung als eine Veränderung des völkerrechtlichen ‚Sprachspiels‘ verstehen, in dem die diskursleitende Struktur der Koexistenz abgelöst wird durch eine Struktur, die eine freie „Übersetzung“262 und ein funktionales Äquivalent263 des innerstaatlichen Verfassungsdiskurses auf überstaatlicher Ebene bildet. Sie zeigt sich vor allem durch den Rekurs auf die „internationale Gemeinschaft“ und „gemeinschaftliche“ Norminhalte,264 während traditionell das Konzept der staatlichen Souveränität wichtige Teile des internationalen Rechtsdiskurses strukturiert.265 Der Verfassungsdiskurs zeigt sich hier als ein Rechtfertigungsprozess der Akteure, der darauf zielt, die anderen Teilnehmer aus der Interpretationsgemeinschaft des Völkerrechts einzubeziehen, und der deren Bereitschaft dazu dadurch anzuregen versucht, dass er sich auf rechtliche Argumente beschränkt.266 Die Begrifflichkeit von der Selbstbegründung des Völkerrechts macht zugleich deutlich, dass die normative und institutionelle Stärkung des Völkerrechts mittlerweile von so großer Bedeutung ist, dass sich auch die Frage nach der Legitimität der Völkerrechtsordnung und ihrer einzelnen Rechtsregime mit neuer Nachdrücklichkeit stellt. Ein Strang der Konstitutionalisierungsdebatte verweist deshalb darauf, dass die immer 262
S. zum Problem der „Übersetzung“ N. Walker, in: J. H. H. Weiler/M. Wind (Hg.), European Constitutisionalism Beyond the State, 2003, S. 27. 263
A. Fischer-Lescano, ZaöRV 63 (2003), S. 717 (722).
264
Vgl. A. Hurrell, in: M. Byers (Hg.), The Role of Law in International Politics, 2000, S. 327 (336 f.). 265
W. Werner, in: N. Tsagourias (Hg.), Transnational Constitutionalism, 2007, S. 329 (353 ff.). 266 S. J. E. Alvarez, in: J.-M. Coicaud/V. Heiskanen (Hg.), The Legitimacy of International Organizations, 2001, S. 104 (133 ff.) mit Bezug auf I. Johnstone, Mich. JIL 12 (1990-1991), S. 371. S. zur Verwurzelung des Völkerrechts in einer „professional culture“ auch M. Koskenniemi, Aust. YBIL 16 (1995), S. 1 (16). Der von Bruno Simma herausgegebene Charta-Kommentar ist ein wichtiges Element in diesem Diskurs (B. Simma (Hg.), The Charter of the United Nations: A Commentary, 2002). Er behandelt des Recht der Vereinten Nationen als ein vollständiges System, das gegenüber anderen Verträgen Vorrang beansprucht, vgl. A. Orford, EJIL 15 (2004), S. 179; dies., LJIL 17 (2004), S. 441 (445 ff.).
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dichtere Normerzeugung durch eine wachsende Zahl inter-, trans- und supranationaler Organgewalten einen dringlichen Bedarf demokratischer Inklusion auch jenseits des Staates begründet.267
2. Versuch der Transzendierung der Politik Mit der Orientierung an im Völkerrecht verkörperten Werten der internationalen Gemeinschaft und der Analyse der Binnenkonstitutionalisierung internationaler Organisationen zielt die Konstitutionalisierungsidee darauf, die internationale Entscheidungsfindung von genuin politischen Machtüberlegungen zu entkoppeln und die internationalen Beziehungen zur Verwirklichung von Gemeinschaftsinteressen zu verrechtlichen. Jedenfalls unausgesprochen enthält die Konstitutionalisierung des Völkerrechts zuweilen das Versprechen einer Überwindung der Politik. Sie erscheint neutral und unideologisch und suggeriert zugleich Legitimität auf der Grundlage des Rechts.268 Eine Verfassung kann den politischen Prozess von bestimmten Streitfragen entlasten, indem sie diese aus der politischen Auseinandersetzung herausnimmt.269 Das ist aber dann problematisch, wenn der Rekurs auf bestimmte Verfassungswerte von vorgegebenen Hierarchien ausgeht, die dadurch dem Diskurs entzogen sind, wenn konkrete politische Debatten verschoben werden, anstatt eine Grundlage für die gegenseitige Einbeziehung der funktionalen Systeme in einem fragmentierten Völkerrecht zu suchen.270 Die Entlastungsfunktion der Verfassung wird dann für genuin politische Manöver instrumentalisiert. 267
S. zu dieser Problematik nur J. H. H. Weiler, ZaöRV 64 (2004), S. 547 (558), M. Koskenniemi, Theoretical Inquiries in Law 1 (2007), S. 9 (19); S. Besson, in: J. L. Dunoff/J. P. Trachtman (Hg.), Ruling the World?, 2009, S. 381 (392 f.); vgl. auch A. Peters, ZÖR 65 (2010), S. 3 (41) – Autonomie einer Ordnung nicht als logische Vorbedingung einer Verfassung, sondern als Faktum, das nach einer Verfassung ruft. 268
Vgl. M. Koskenniemi, ZaöRV 64 (2004), S. 305 (310 ff.); J. Klabbers, IOLR 1 (2004), S. 31 (46 f., 54); M. Kumm, EJIL 15 (2004), S. 907 (930); O. Diggelmann/T. Altwicker, ZaöRV 68 (2008), S. 623 (641) – „‘Trojan Horse’ effect of constitutionalist vocabulary“. 269
Vgl. D. Grimm, Die Zukunft der Verfassung, 1991, S. 397 (427 f.); C. Walter, ZaöRV 59 (1999), S. 961 (967) sowie die Kritik bei J. d’Aspremont, FYIL 18 (2007), S. 219 (249 ff.) und R. Collins, LJIL 22 (2009), S. 251 (264 ff.). 270 Vgl. A. Paulus, in: I. Oekker/W. Werner (Hg.), Governance and International Legal Theory, 2004, S. 59 (94).
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1. Kapitel
Auch hinter scheinbar objektiven Konzeptionen stehen politische Positionen, für Vertreter der Konstitutionalisierungsthese eben das Projekt, die nach rechtlichen Kriterien entscheidenden internationalen Organe zu stärken, in denen Völkerrechtler vertreten sind.271 Die Konstitutionalisierungsdebatte erscheint demnach als rhetorische Strategie, die versucht, das bestehende Völkerrecht mit der Macht und der Autorität innerstaatlicher Verfassungen auszustatten272 oder aber radikale Veränderungen als Fortsetzung bestehender Entwicklungen zu verschleiern.273 In diesem Zusammenhang wurde eine stärkere Sensibilität für politische Interessenkonflikte gefordert.274 Es fällt tatsächlich auf, dass die konstitutionelle Sichtweise bislang die zentrale Gerechtigkeitsfrage fehlender Solidarität, der Verletzung der wirtschaftlichen und sozialen Menschenrechte der Ärmsten der Welt durch die bestehenden internationalen Institutionen nicht dezidiert in den Mittelpunkt gestellt hat.275 Das Interesse an einem Entwicklungsvölkerrecht etwa scheint erst wieder zu entstehen.276 Die Überwindung der Politik durch den Rekurs auf Werte ist aber schon deshalb ausgeschlossen, weil die Berufung auf diese Werte und die Auseinandersetzung über die Deutungshoheit im höchsten Maße politisch ist.277 Indem das Völkerrecht von einer rein zwischenstaatlichen Ordnung zu einem Recht weiterentwickelt worden ist, das verschiedenen Gemeinschaftsinteressen dient, hat es auch die Konflikte
271 272
M. Koskenniemi, MLR 70 (2007), S. 1 (18). Für die WTO: J. Dunoff, EJIL 17 (2006), S. 647 (649).
273
So die Kritik von P. Alston, EJIL 13 (2002), S. 815 (843) an E.-U. Petersmann, EJIL 13 (2002), S. 621; s. auch N. Walker, EUI WP LAW 2005/17, S. 10. 274
M. Koskenniemi/P. Leino, LJIL 15 (2002), S. 553.
275
S. dazu T. Pogge, LJIL 18 (2005), S. 717; ders., World Poverty and Human Rights, 22008. Prominent sind hier vielmehr die kritische Rechtstheorie mit dem Zweig der Third World Approaches to International Law, vgl. N. Berman, Am. U. ILR 14 (1999), S. 1515 (1521); J. Gathii, Mich. LR 98 (2000), S. 1996; A. Orford, Reading Humanitarian Intervention, 2003, S. 40 f.; s. nun auch A. Peters, Ind. GLSJ 16 (2009), S. 397 (404). 276 S. etwa die Beiträge in BDGVR 41 (2003); M. Bothe, RdC 318 (2005), S. 333 (380 ff.); S. Kadelbach, FS Bothe, 2008, S. 625; M. Kaltenborn, AVR 46 (2008), S. 205 sowie die Focus Section „Poverty as a Challenge to International Law: The Millennium Development Goals and the Guise of Humanitarianism“ in GYIL 51 (2008). 277
Vgl. J. Klabbers, IOLR 1 (2004), S. 31 (46 f., 54).
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
61
zwischen verschiedenen substantiellen Zielen in sich aufgenommen.278 Für die WTO hat sich gezeigt, dass der Versuch, kontroverse und potentiell destabilisierende Fragen der alltäglichen Politik zu entziehen, paradoxerweise genau zu den Auseinandersetzungen über die grundsätzliche Ausrichtung der Welthandelsorganisation führt, die damit vermieden werden sollen.279 Die vielfältigen Wechselbezüge und Eigendynamiken der verflochtenen juristischen und politischen inter- und transnationalen Kommunikationsprozesse kann ein als Gegensatz zur Politik verstandener konstitutioneller Ansatz jedenfalls nicht erfassen.280 Hier kommt es darauf an, dass die konstitutionelle Perspektive ihr kritisches Potential entfaltet. Die Assoziation einer konstitutionellen Rekonstruktion des Völkerrechts mit Legitimationsfragen lenkt den Blick auf die Frage nach der Legitimität innerstaatlicher und globaler Regierungsführung.281 Das Verfassungsvokabular kann Grundlage für eine Kritik der bestehenden Politik sein, die in der universellen Sprache des Verfassungsrechts geübt wird.282
B. Übernahme und Verstärkung von Verfassungsfunktionen aus dem staatlichen Recht Zugleich mit der Autonomisierung des Völkerrechts ist die Übernahme und Verstärkung von Verfassungsfunktionen aus dem staatlichen Recht durch das Völkerrecht eine Grundlage der Konstitutionalisierungsthese. Die zentralen Funktionen der staatlichen Verfassung werden in der verfassungsrechtlichen Literatur unterschiedlich gruppiert und dargestellt. Es bietet sich eine Zweiteilung in normative und tatsächliche Funktionsweisen an. Zu den normativen Funktionen zählen die Konstituierung des Gemeinwesens (Konstituierungsfunktion),283 die Bereitstel-
278 279 280
E. Jouannet, Mich. JIL 28 (2007), S. 815 (818 f.). Vgl. J. Dunoff, EJIL 17 (2006), S. 647 (649, 661 ff.). Vgl. dazu A. Fischer-Lescano/P. Liste, ZIB 12 (2005), S. 209.
281
A. Peters, LJIL 19 (2006), S. 579 (610). S. zu den verschiedenen Verfassungsfunktionen C. Walter, ZaöRV 59 (1999), S. 961 (966 ff.); A. Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, 2001, S. 78 ff.; dies., LJIL 19 (2006), S. 579 (599). 282 283
Vgl. M. Koskenniemi, Theoretical Inquiries in Law 8 (2007), S. 9 (35 f.). A. Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, 2001, S. 83 f.
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1. Kapitel
lung von Organisations- und Verfahrensregeln für die Ausübung von Hoheitsgewalt (Organisationsfunktion), die Legitimation der Machtausübung (Legitimationsfunktion), die Begrenzung der Hoheitsgewalt durch Grundrechte, die einen Verhaltens- und Beurteilungsmaßstab bilden, (Begrenzungsfunktion) sowie die Stabilisierung des gefundenen Grundkonsenses (Verstetigungsfunktion).284 Aus der Begrenzungsfunktion folgt in vielen Verfassungsordnungen die Überordnung der Verfassung über das einfache Recht, für das es eine Leitfunktion ausüben soll. Eher im tatsächlichen anzusiedeln ist die Integrationsfunktion,285 durch die die Verfassung oder die auf ihrer Grundlage etablierte Verfassungswirklichkeit zur Identitätsstiftung eines Gemeinwesens beiträgt.286 Von außen an die staatliche Verfassungsordnung herantretend, kann das Völkerrecht vor allem die begrenzende Funktion der staatlichen Verfassung ergänzen, zugleich aber die Legitimität staatlicher Herrschaft dadurch stärken, dass es international konsentierte Schranken auch einer demokratisch legitimierten Gewalt etabliert. Auf diese Weise kann es zur Stabilisierung der Verfassungsordnung im Gleichgewicht von individueller und kollektiver Autonomie beitragen. Die Übernahme von Verfassungsfunktionen im Völkerrecht hat eine vertikale und eine horizontale Dimension. Völkerrechtliche „Nebenverfassungen“ überwölben die Staatsverfassungen (I.), während Verfassungsmaßstäbe, die als Leitkriterien staatlicher Außenpolitik herangezogen werden, horizontal auf zwischenstaatlicher Ebene wirken (II.). Das Völkerrecht berührt das staatliche Verfassungsrecht aber auch dann, wenn die internationale Gemeinschaft im Ausnahmefall Verfassungshilfe leistet und übergangsweise Verwaltungs- und Verfassungsfunktionen erfüllt (III.). Diese drei Dimensionen werden von Vertretern einer konstitutionellen Lesart des Völkerrechts aufgegriffen.
284
D. Grimm, Die Zukunft der Verfassung, 1991, S. 427 f.
285
Vgl. R. Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, 1928, S. 45 ff., 107 ff., 158 ff.; K. Hesse, in: E. Benda u. a. (Hg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 2 1994, § 1 Rn. 5 ff. 286
Zu den Verfassungsfunktionen vgl. K. Stern, Staatsrecht, Bd. I, 21984, § 3 III; K. Hesse, in: E. Benda u. a. (Hg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 21994, § 1 Rn. 4 ff.; D. Castiglione, in: R. Bellamy/ ders. (Hg.), Constitutionalism in transformation, 1996, S. 5 (9 f.); J. Aubert, in: D. Thürer/ders./J. Müller (Hg.), Das Verfassungsrecht der Schweiz, 2001, S. 3 (14 ff.); P. Dobner, Konstitutionalismus als Politikform, 2002, S. 198 ff.; D. Grimm, Leviathan 32 (2004), S. 448 (450); A. Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, 2001, S. 78 ff.
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
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I. Völkerrechtliche Nebenverfassungen Die Entwicklung völkerrechtlicher Nebenverfassungen spiegelt den zunehmenden Abbau des sogenannten domaine réservé als vom Völkerrecht nicht geregeltem Bereich staatlichen Handelns287 wider. Das Völkerrecht betrifft in wachsendem Umfang Regelungsgegenstände, die klassischerweise allein dem innerstaatlichen Recht vorbehalten waren.288 Dazu zählt zunächst der Menschenrechtsschutz (1.). Daneben erfüllt auch das WTO-Recht für eine bestimmte konstitutionelle Perspektive Verfassungsfunktionen (2.). Darüber hinaus bieten weitere völkerrechtliche Anforderungen an die Legitimität staatlicher Regierungsgewalt Anknüpfungspunkte für ein Verständnis völkerrechtlicher Normen als Nebenverfassung (3.).
1. Menschenrechtsschutz Vor allem der internationale Menschenrechtsschutz mit seinen universellen und regionalen Pakten lässt sich als völkerrechtliche Nebenverfassung konzipieren,289 die die Grund- und Menschenrechte im staatlichen Verfassungsrecht überlagert und ergänzt. Internationale Menschenrechte können innerstaatliche Rechtsentwicklungen anstoßen. Sie dienen der Lückenschließung bei institutionellen und materiellen Defiziten im nationalen Grundrechtsschutz, wie sie insbesondere im Hinblick auf die extraterritoriale Ausübung von Hoheitsgewalt, den Schutz von Nicht-Bürgern und die Ausübung von Hoheitsgewalt durch internationale Organisationen bestehen.290 Während die Idee einer völker287 IDI, La détermination du domaine réservé et ses effets, Article premier, Résolution de la session d’Aix-en-Provence, AIDI 45-II (1954), S. 292. 288
M. Cottier, SZIER 9 (1999), S. 403 (405); C. Tomuschat, RdC 281 (1999), S. 9 (63); M. Scheyli, AVR 40 (2002), S. 273 (276 f.); J. Frowein, BDGVR 39 (2000), S. 427 (429); T. Cottier/M. Hertig, MPYUNL 7 (2003), S. 261 (267 ff.). 289
C. Tomuschat, VVDStRL 36 (1978), S. 7 (51 f.); vgl. zur Verfassungsergänzung durch das Völkerrecht auch G. Biaggini, ZSR NF 119 (2000), S. 445 (454) – partielles „Outsourcing“ von Verfassungsfunktionen; M. Kumm, EJIL 15 (2004), S. 907 (918 f.) – „tendency to lock in and stabilize liberal constitutional democracy on the domestic level“. 290
S. Gardbaum, in: J. L. Dunoff/J. P. Trachtman (Hg.), Ruling the World?, 2009, S. 233 (251 ff.). An die Idee der Nebenverfassung knüpfen auch Vorschläge für die Reform der Vereinten Nationen nach dem Beispiel der EU und der WTO an, die vor allem auf eine Verbesserung des Instrumentariums zur Durch-
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1. Kapitel
rechtlichen Nebenverfassung schon älter ist, wird in den USA jüngst die Precommitment Theory auf das Völkerrecht angewandt. Diese Theorie der Verfassung als Selbstbindung kann an Jon Elster mit dem aussagekräftigen Titel Ulysses and the Sirens anknüpfen:291 Regierungen binden sich an Verfassungen wie Odysseus an den Mast seines Schiffes. Völkerrechtliche Normen, Verträge, Völkergewohnheitsrecht und insbesondere Menschenrechte sollen eine derartige Selbstbindung für die Zukunft vor allem bewirken, wenn sie in staatliche Verfassungen inkorporiert werden. Sie erhöhen die Kosten abweichenden Verhaltens und geben dann Auskunft über das künftige Verhalten rational entscheidender Regierungen, etwa weil Menschenrechtsschutzverträge in der Regel keine Kündigungsklausel enthalten.292 Auf diese Weise sollen insbesondere junge Demokratien mit neuen Verfassungen stabilisiert werden. Reife Demokratien wie die USA bräuchten sich demgegenüber nach diesem Erklärungsmodell keinen völkerrechtlichen Bindungen zu unterwerfen. Problematisch ist daran, abgesehen von konstruktiven Schwierigkeiten bei der Begründung einer Selbstbindung, aus Sicht einer konstitutionellen Völkerrechtskonzeption insbesondere die sich ergebende doppelte Verkürzung des Völker- und Verfassungsrechts. Einerseits wird das Völkerrecht in den Dienst der staatlichen Souveränität und des Staatswillens gestellt, andererseits die Funktion der Verfassung einseitig auf Herrschaftsbeschränkung reduziert.293 Entscheidend für eine Ergänzung der Verfassungsfunktionen durch die internationale Ebene ist weniger die Idee einer Entäußerung der staatlichen Gewalt oder ihrer Selbstbindung. Der Menschenrechtsschutz lässt sich nicht ohne Weiteres externalisieren, sondern setzt eine politische Kultur voraus, die ihn trägt.294 Vielmehr kommt es daher darauf an, dass der Diskurs über menschenrechtliche Fragen über die nationalen Grensetzung der Menschenrechte, des demokratischen Friedens und einer nachhaltigen Entwicklung durch eine obligatorische Gerichtsbarkeit und individuelle Rechtsschutzmöglichkeiten zielen, s. E.-U. Petersmann, Mich. JIL 20 (1998), S. 1 (19 ff.); ders., NYU JILP 31 (1999), S. 753; ders., EJIL 13 (2002), S. 621 – Stärkung der Menschenrechte im „globalen Integrationsrecht“. 291
J. Elster, Ulysess and the Sirens, 1979, S. 36 ff.
292
T. Ginsburg/S. Chernykh/Z. Elkins, U. Ill. LR 2008, S. 201 (insb. 210 ff.); vgl. A. Moravcsik, IO 54 (2000), S. 217 – empirische Untersuchung zu den Verhandlungen über die EMRK; L. Helfer, Loyola of L.A. LR 47 (2003), S. 193 (225 f.). 293 294
A. Peters, U. Ill. LR 2008, S. 239 (241 ff.). Vgl. E.-U. Petersmann, EJIL 19 (2008), S. 945 (948).
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zen hinweg erweitert wird. Der Schutz der Menschenrechte erfährt auf diese Weise eine zusätzliche Effektivität und Dynamik, die das Erklärungsmodell der Precommitment Theory ausschließen würde. Es wurden nicht nur Menschenrechtsschutzpakte als Vertragswerke auf den Weg gebracht, sondern diese auf regionaler und universeller Ebene mit Mechanismen zu ihrer Durchsetzung ausgestattet. Internationalisiert wurden also nicht nur die Menschenrechte, sondern auch der Menschenrechtsschutz.295 Dementsprechend vergleicht sich etwa der EGMR mit der nationalen Verfassungsgerichtsbarkeit296 und interpretiert die EMRK als „living instrument“.297 In Ergänzung staatlicher Verfassungsgerichte hat er Grundrechtsverletzungen durch den Gesetzgeber festgestellt, wo nationale Verfassungsgerichte parlamentarische Gesetze (noch) nicht auf ihre Verfassungskonformität prüften.298
2. WTO-Recht als Nebenverfassung Auch die Diskussion um die Konstitutionalisierung der WTO bedient sich des Konzepts der Nebenverfassung. Einige Vertreter der WTOKonstitutionalisierung beziehen sich auf die freiheitssichernde konstitutionelle Ergänzung und Außenstabilisierung staatlicher Verfassungen durch die internationale Handelsordnung.299 Bei Petersmann liegt dem 295
M. Cottier, SZIER 9 (1999), S. 403 (413).
296
S. schon EGMR Marckx v. Belgium, Ser. A No. 31, S. 26, para. 58; für eine Diskussion der Rolle des EGMR als Verfassungsgericht, bei dem die Entwicklung europäischer Grundrechtsstandards gegenüber dem individuellen Rechtsschutz im Vordergrund steht, s. R. Harmsen, in: J. Morison u. a. (Hg.), Judges, Transition, and Human Rights, 2007, S. 33. 297
EGMR Tyrer v. the United Kingdom, Ser. A No. 26, S. 15, para. 31; Marckx v. Belgium, Ser. A No. 31, S. 19, para. 41; Airey v. Ireland, Ser. A No. 32, S. 14, para. 26; Rees v. the United Kingdom, Ser. A No. 106, S. 19, para. 47; Cossey v. the United Kingdom, Ser. A No. 184, S. 14, 16, para. 35, 40; Loizidou v. Turkey (Preliminary Objections), Ser. A No. 310, S. 26, para. 71. 298 299
C. Walter, ZaöRV 59 (1999), S. 961 (962 ff.).
S. schon E.-U. Petersmann, CML Rev. 20 (1983), S. 397 (415 ff.); ders., EA 1989, S. 55; ders., Constitutional Functions and Constitutional Problems of International Economic Law, 1991; ders., EJIL 6 (1995), S. 161; ders., FS Bernhardt, 1995, S. 1087; ders., LJIL 10 (1997), S. 421 (442) – internationale Organisationen als „fourth branch of government for the collective supply of ‘international public goods’“; ders., FS Oppermann, 2001, S. 367; ders., FS Ress, 2005, S. 207 (208 ff.); S. Langer, Grundlagen einer internationalen Wirtschaftsverfas-
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1. Kapitel
ein ökonomischer Begriff von Verfassung und Konstitutionalisierung zugrunde,300 aber auch eine Anknüpfung an das Verfassungsverständnis F. A. Hayeks,301 für das die Begrenzung der staatlichen Gewalt zur Verwirklichung und zum Schutz individueller Freiheit zentral ist.302 Als Verfassung gilt wie nach der Precommitment Theory jedes institutionelle Arrangement, das die Entscheidungsfindung an zuvor vereinbarte Regeln binden soll.303 Im Zentrum steht ein (Menschen-)Recht auf Freihandel, das auf einem klassisch liberalen Weltwirtschaftsverständnis mit der Theorie der komparativen Kostenvorteile beruht,304 aber auch auf der Analyse der public choice theory, dass innerstaatlich durchsetzungsfähige Interessengruppen unlautere Vorteile suchen und auf Protektionismus zielen (protectionist bias).305 GATT und WTO erscheinen sung, 1995; P.-T. Stoll, ZaöRV 57 (1997), S. 83; M. O. McGinnis/M. L. Movsesian, Harv. LR 114 (2000), S. 511 – Förderung der innerstaatlichen Demokratie durch Beschränkung protektionistischer Interessengruppen; vgl. M. Krajewski, Verfassungsperspektiven und Legitimation des Rechts der Welthandelsorganisation (WTO), 2001. Die Vertreter des Ansatzes interessieren sich selbstverständlich auch für institutionelle Fragen. Für ein verwandtes Verständnis des internationalen Investitionsschutzrechts als Wirtschaftsverfassung s. S. Schill, The Multilateralization of International Investment Law, S. 13, 373 ff. – m. w. N. insb. auf S. 13, Fn. 41. 300
E.-U. Petersmann, Constitutional Functions and Constitutional Problems of International Economic Law, 1991, S. 422 ff., 459 ff.; ders., The GATT/WTO Dispute Settlement System, 1997, S. 10 ff. S. auch die Zusammenfassung des Ansatzes bei M. Beise, Welthandelsorganisation, 2001, S. 146 f.; kritisch A. von Bogdandy, KJ 34 (2001), S. 264 (431) – Auslegung von Rechtsnormen orientiere sich an ökonomischen und oft hoch abstrakten Modellen und an höchst umstrittenen Theorien. 301
F. A. Hayek, The Road to Serfdom, 1944 (reprint 1979), S. 172 ff.
302
E.-U. Petersmann, Constitutional Functions, 1991, S. 214 ff.; vgl. auch F. Rössler, in: M. Hilf/E.-U. Petersmann (Hg.), National Constitutions and International Economic Law, 1993, S. 53 – verfassungsartige Beschränkung nationalen Protektionismus durch das GATT mit innerstaatlicher Relevanz; J. Trachtman, EJIL 17 (2006), S. 623 – Verfassungen als Instrumente zur Beförderung individueller Präferenzen. 303
Vgl. J. Tumlir, Economic Policy, 1984.
304
Grundlegend D. Ricardo, On the Principles of Political Economy, and Taxation, 1817. 305
E.-U. Petersmann, Constitutional Functions, 1991, S. 96, 113, 178, 205; vgl. ders., in: M. Hilf/ders. (Hg.), National Constitutions and International Economic Law, 1993, S. 3 (11 ff.).
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demgegenüber als „second line of constitutional entrenchment“.306 Zwischen den völkerrechtlichen Regeln und den innerstaatlichen Verfassungssystemen bestehen reziproke Beziehungen. Erstere leiten ihre normative Kraft von letzteren ab, verstärken sie aber auch.307 Elemente der Konstitutionalisierung der WTO sind aus dieser Perspektive vor allem die obligatorischen Rechts- und Gerichtsschutzgarantien, die Freiheitsgarantien und Diskriminierungsverbote des WTO-Rechts und der Schutz individueller Rechte durch das TRIPS-Abkommen.308 Zentrale Folgerung dieser konstitutionellen Perspektive auf die WTO ist die Forderung nach der unmittelbaren Anwendbarkeit des WTO-Rechts zur Gewährung individueller Rechte.309 Die Konzentration auf die innerstaatlichen Bindungswirkungen des WTO-Rechts findet de lege lata einen Anknüpfungspunkt in der Verpflichtung zur Anpassung der Rechtsordnungen in Art. XVI:4 WTO. Allerdings fehlt im WTO-Recht ein Hinweis darauf, dass seine Regelungen als Grundrechte und individuelle Freiheiten zu verstehen sind.310 Auch in der WTO-Rechtswirklichkeit findet sich kaum eine Entsprechung dieses Ansatzes, da ganz überwiegend die unmittelbare Wirksamkeit der WTO-Regeln ausgeschlossen ist.311 Es wird sich auch nicht leugnen lassen, dass bei diesem Ansatz hinter der scheinbaren 306 307
J. Tumlir, ORDO 34 (1983), S. 71 (80). J. Tumlir, ORDO 34 (1983), S. 71 (87).
308
E.-U. Petersmann, FS Oppermann, 2001, S. 367 (370); zum TRIPS vgl. auch L. Helfer, Harv. ILJ 39 (1998), S. 357. 309
Vgl. H. Hauser/A. Roitinger, ZaöRV 64 (2004), S. 641 (644); zusammenfassend A. Emmerich-Fritsche, Weltrecht, 2007, S. 751 ff. 310
A. von Bogdandy, in: A. Golze u. a. (Bearb.), Die europäische Verfassung im globalen Kontext, 2004, S. 65 (72). S. aber die internationale Garantie eines privaten Handelsrechts und individuellen Rechtsschutzes in China im Beitrittsabkommen Chinas, WTO-Dok. WT/L/432 v. 23.11.2001, Part I, sect. 2 (D). 311 Die USA und Kanada schlossen wie die EU bei der Ratifikation eine unmittelbare Anwendung des WTO-Rechts aus; s. Beschluss des Rates 94/800/EG v. 22.12.1994 über den Abschluss des WTO-Übereinkommens (UruguayRunde), ABl. 1994 L 366, S. 1, Präambel, 11. Erwägungsgrund. S. aber zur unmittelbaren Anwendbarkeit einiger Teile des TRIPS BT-Drs. 12/7655, S. 7, 345; s. weiter EuGH Portugal v. Rat, Rs. C-149/96, Slg. 1999, S. I-8395 (8436 ff.), Rn. 34 ff., EuGH Léon Van Parys NV/Belgisch Interventie en Restitutie Bureau (BIRB), Rs. C-377/02, Slg. 2005, S. I-1465 (1519 f.), para. 39 ff; Panel Report United States – Sections 301-310 of the Trade Act of 1974, WT/DS152/R v. 27.1.2000, para. 7.71 ff.
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1. Kapitel
Wertneutralität des Freihandels eine liberale Vision der Wirtschaftsund Sozialordnung aufleuchtet.312 Wenn vom ergänzenden Schutz von Konsumentenrechten durch die WTO-Verfassung die Rede ist, so geht es in erster Linie doch nur um das Recht zu importieren. Individuelle Rechte auf Gesundheit, sichere Arbeitsbedingungen oder saubere Umwelt werden vom allgemeinen Interesse des Konsumenten an offenen Märkten mit freier Auswahl und niedrigen Preisen überblendet und ihre Gewährleistung ist als staatliche Maßnahme gegenüber dem WTORecht sogar rechtfertigungsbedürftig (Art. XX GATT).313 Auf diese Weise wird eine demokratische Entscheidung darüber erschwert, andere als bestimmte ökonomische Anliegen zu verfolgen.314 Es zeigt sich hier auch eine Schwäche im Konzept der Nebenverfassung, das nur die Verfassungsfunktion der Herrschaftsbeschränkung im Hinblick auf die Staatsgewalt betrachtet, nicht aber die Legitimität der internationalen Ebenen selbst. Praktisch läuft der Ansatz vor allem auf eine langfristige Bindung der innerstaatlichen politischen Opposition und nachfolgender Generationen hinaus und ist daher besonders rechtfertigungsbedürftig.315 Der Vorschlag, den Menschenrechtsschutz in die WTO einzubeziehen, entkommt nicht dem Einwand, dass die Menschenrechte in der WTO einem institutional bias ausgesetzt sind.316 312
Vgl. I. Sand, in: C. Joerges/dies./G. Teubner (Hg.), Transnational Governance and Constitutionalism, 2004, S. 41 (60); kritisch R. Howse, EJIL 13 (2002), S. 651; zusammenfassend D. Cass, Constitutionalization, 2005, S. 145 ff. 313 M. Krajewski, JWT 35 (2001), S. 167 (178 ff.); kritisch zum imperialen Charakter internationaler (Wirtschafts- und Finanz-)Institutionen aus marxistischer Sicht B. S. Chimni, EJIL 15 (2004), S. 1; analytisch zum „neuen Konstitutionalismus“ wirtschaftsliberal ausgerichteter Rechtsstaatlichkeit mit einer neuen Definition des Verhältnisses von Recht und Politik im Sinne marktliberaler Konzeptionen H. Bieling, in: S. Buckel u. a. (Hg.), „Hegemonie gepanzert mit Zwang“, 2007, S. 143. S. demgegenüber die Ansätze zum Ausgleich von Welthandel und sozialen Belangen: R. Wai, EJIL 14 (2003), S. 35. 314
A. von Bogdandy, in: A. Golze u. a. (Bearb.), Die europäische Verfassung im globalen Kontext, 2004, S. 65 (72). 315
R. Howse/K. Nicolaïdis, in: R. Porter (Hg.), Efficiency, Equity, Legitimacy and Governance: The Multilateral Trading System at the Millennium, 2001, S. 227 (237). Zum Problem der Legitimität der Entscheidungsfindung in der WTO selbst s. J. Jackson, AJIL 86 (1992), S. 310 (323) mit Hinweis auf die fehlende demokratische Verfasstheit einiger Mitgliedstaaten; M. Krajewski, JWT 35 (2001), S. 167 (182 f.). 316
Vgl. zur Kritik auch P. Alston, EJIL 13 (2002), S. 815; R. Howse, EJIL 13 (2002), S. 651; ders., AJIL 96 (2002), S. 94 (105); J. Trachtman, AJIL 96 (2002),
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3. Weitere völkerrechtliche Anforderungen an die Legitimität staatlicher Regierungsgewalt Die Funktion des Völkerrechts als Nebenverfassung kann sich für Anhänger der Verfassungsperspektive auf weitere völkerrechtliche Anforderungen an die Ausgestaltung der innerstaatlichen Verfassungsordnung und an die Regierungsführung stützen. Ein entsprechendes völkerrechtliches Demokratieprinzip wird schon seit längerer Zeit als im Entstehen begriffen bezeichnet.317 Das Interesse liegt dabei einerseits in der Demokratietheorie,318 andererseits im Nachweis einer völkerrechtlichen Norm über Anforderungen an staatliche Legitimität und in der Begründung von Rechtsfolgen bei Verletzung dieser Standards, insbesondere einem Interventionsrecht. Der entscheidende Unterschied gegenüber dem Menschenrechtsschutz und der Funktion des WTORechts als Nebenverfassung besteht darin, dass es an Institutionen zur internationalen Durchsetzung der Demokratie als Prinzip der Legitimation von Staatsgewalt jenseits regionaler Mechanismen wie dem Europarat fehlt. Ein weiter Aspekt eines derart reduzierten Verständnisses einer Nebenverfassung ist die Idee einer Konstitutionalisierung der auS. 77 (78); für einen Überblick über die Debatte zu WTO und Menschenrechten s. T. Cottier/J. Pauwelyn/E. Bürgi, in: dies. (Hg.), Human Rights and International Trade, 2005, S. 1; noch einmal dazu E.-U. Petersmann, EJIL 19 (2008), S. 769; R. Howse, EJIL 19 (2008), S. 945; E.-U. Petersmann, EJIL 19 (2008), S. 955. 317
Vgl. zum völkerrechtlichen Demokratieprinzip H. Steiner, HRYB 1 (1988), S. 77; T. Farer, ASIL Proc. 82 (1988), S. 505; C. Grossman, ASIL Proc. 82 (1988), S. 510; G. H. Fox, ASIL Proc. 86 (1992), S. 249; G. H. Fox, Yale JIL 17 (1992), S. 539; T. M. Franck, AJIL 86 (1992), S. 46; H. Quane, ICLQ 47 (1998), S. 537 (571); J. Crawford, BYBIL 64 (1994), S. 113; J. Salmon, VN 1993, S. 15; B. Boutros-Ghali, FS Skubiszewski, 1996, S. 99; B. Bauer, Der Völkerrechtliche Anspruch auf Demokratie, 1998; M. Lang, VN 46 (1998), S. 195; s. D. Murphy, ICLQ 48 (1999), S. 545; C. Fulda, Demokratie und pacta sunt servanda, 2002, S. 11 ff.; S. Wheatley, EJIL 14 (2003), S. 507; G. H. Fox/ B. R. Roth (Hg.), Democratic Governance and International Law, 2000; J. Wouters/B. De Meester/C. Ryngaert, NYIL 34 (2003), S. 137; T. J. Farer, in: E. Newman/R. Rich (Hg.), The UN Role in Promoting Democracy, 2004, S. 32; K.-P. Sommermann, FS Tomuschat, 2006, S. 1051; D. Brühl-Moser, FS Wildhaber, 2007, S. 969; C. Pippan, in: E. Riefler (Hg.), Popper und die Menschenrechte, 2007, S. 119; J. d’Aspremont, L’Etat non démocratique en droit international, 2008; N. Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip, 2009. 318 S. dazu den Überblick bei A. von Bogdandy, ZaöRV 63 (2003), S. 853; ders., EJIL 15 (2004), S. 885.
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1. Kapitel
ßenpolitischen Gewalt durch das Völkerrecht.319 Von den nationalen Verfassungen wird deren Kontrolle und Rechtsbindung in der Regel vernachlässigt.320 Allgemein werden die Staaten aus Sicht eines konstitutionell verstandenen Völkerrechts in den Dienst der Verwirklichung der Rechte und Ansprüche der ihrer Staatsgewalt unterworfenen Individuen gestellt. Dies ist Ausdruck eines gewandelten Souveränitätsverständnisses und ebenfalls zentral für die Konstitutionalisierungsthese.321 Mehrere internationale Dokumente gehen in Übereinstimmung damit von einer im Entstehen begriffenen Rechtsnorm aus, die eine „Responsibility to Protect“ begründet. Danach trifft souveräne Staaten die Verantwortung dafür, ihre eigenen Bürger vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu schützen. Wenn die jeweiligen Territorialstaaten dazu nicht in der Lage sind, muss diese Verantwortung unter bestimmten Voraussetzungen von einer größeren Staatengemeinschaft getragen werden.322 Bislang handelt es sich 319
E.-U. Petersmann, FS Oppermann, 2001, S. 367. Außerdem gerät die Unabhängigkeit der Staaten bei der Definition von Nationalität und Bürgerstatus als Kernelement ihrer Souveränität unter Druck, s. A. Rosas, in: H. Brunkhorst/M. Kettner (Hg.), Globalisierung und Demokratie, Wirtschaft, Recht, Medien, 2000, S. 151 (160); ders., in: M. Suksi (Hg.), Law under Exogenous Influences, 1994, S. 30. 320
Vgl. für das Grundgesetz S. Kadelbach/U. Guntermann, AöR 126 (2001), S. 563. 321
C. Tomuschat, in: ders. (Hg.), Modern Law of Self-Determination, 1993, S. 1 (9); ders., RdC 241 (1993-IV), S. 195 (211, 300); ders., in: UN (Hg.), International Law on the Eve of the Twenty-first Century, 1997, S. 37 (42); ders., RdC 281 (1999), S. 9 (94 f., 161 f., 300) – Staaten „just instrumentalities“; J. Delbrück, in: ders. (Hg.), Allocation of Law Enforcement Authority, 1995, S. 135 (154); B. Fassbender, Col. JTL 36 (1998), S. 529 (592); A. Paulus, Nordic JIL 74 (2005), S. 297 (309). 322
S. dazu International Commission on Intervention and State Sovereignty (ICISS), The Responsibility to Protect, 2001, S. VII (http://www.iciss.ca/report -en.asp, geprüft am 18.5.2010); A More Secure World: Our Shared Responsibility, Report of the High-Level Panel on Threats, Challenges and Change, 2004, UN-Dok. A/59/569, S. 56 f., para. 201; We the Peoples: The Role of the United st Nations in the 21 century, Report of the Secretary-General, 2000, UN-Dok. A/54/2000, para. 217 ff.; Report of the Secretary-General, In Larger Freedom: Towards Development, Security and Human Rights for All, UN-Dok. A/59/ 2005 v. 21.3.2005, para. 16 ff. (http://www.un.org/largerfreedom, geprüft am 18.5.2010); 2005 World Summit Outcome, GV Res. 60/1 v. 16.9.2005, para. 138 f.; s. auch den Verweis darauf in SR Res. 1674 (2006) v. 28.4.2006, para. 4 ff. und
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bei der „Responsibility to Protect“ allerdings um ein Konzept, das sich teilweise als politisches Schlagwort, teilweise als Wiedergabe bestehenden Rechts darstellt und teilweise in seinem Gehalt auch sehr unbestimmt ist.323
II. Verfassungsmaßstäbe als Leitkriterien staatlicher Außenpolitik Die Übernahme von Verfassungsfunktionen aus dem staatlichen Recht hat neben der vertikalen Komponente, in der sich das Völkerrecht dem staatlichen Recht überordnet, auch eine horizontale Komponente. Soweit hier Verfassungsmaßstäbe über die Verwirklichung von Kooperationsinteressen der Staaten entscheiden, erfolgt dies bislang nicht in Erfüllung einer völkerrechtlichen Pflicht, sondern aufgrund von politischen Entscheidungen.324 Verfassungsrechtliche Maßstäbe werden auf diese Weise zu politisch bestimmten Leitkriterien der Außenpolitik. Die oben erwähnte „Responsibility to Protect“ legt aber für Extremfälle eine Entwicklung hin zu einer völkerrechtlichen Pflicht immerhin nahe. Vertreter eines konstitutionellen Völkerrechtsverständnisses verweisen in diesem Zusammenhang auch auf die Menschenrechts- und Demokratieklauseln in der Entwicklungszusammenarbeit und das Erfordernis der Einhaltung bestimmter Verfassungsstandards als Voraussetzung für die Anerkennung von Staaten oder Regierungen. Menschenrechts- und Demokratieklauseln in Verträgen gestalten die Entwicklungszusammenarbeit aus und werden mit der Suspendierung nach Art. 60 WVK
in SR Res. 1706 (2006) v. 31.8.2006, Präambel para. 2 sowie Report of the Secretary-General, Implementing the responsibility to protect, UN Dok. A/63/277 v. 12.1.2009; vgl. zur „Responsibility to Protect“ I. Winkelmann, FS Tomuschat, 2006, S. 449; C. Joyner, Va JIL 47 (2007), S. 694; C. Stahn, AJIL 101 (2007), S. 99, C. Verlage, Responsibility to Protect, 2009. 323
C. Stahn, AJIL 101 (2007), S. 99 (102 ff.). S. auch I. Winkelmann, FS Tomuschat, 2006, S. 449; C. Joyner, Va JIL 47 (2007), S. 693. Zu Schutzpflichten aus der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes v. 9.12.1948, BGBl. 1954 II, S. 730. S. zur Verhütungspflicht IGH Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia and Montenegro), Urt. v. 26.2.2007, para. 428 ff. 324
W. Kälin, BDGVR 33 (1994), S. 9 (24, 41).
72
1. Kapitel
sanktioniert.325 Sie sind Ausdruck einer allgemeinen Rechtsüberzeugung, jedenfalls der Geberländer, der zufolge der interne Staatsaufbau mit völkerrechtlichen Maßstäben zu messen sein kann.326 Bestimmte Verfassungsstandards und der Menschenrechtsschutz werden teilweise auch im Wege einer politischen Selbstverpflichtung zum Maßstab für die Anerkennung von Staaten327 und Regierungen328 gemacht. Eine gravierende Konsequenz der kollektiven Nichtanerkennung als Staat liegt darin, dass infolgedessen auch die Aufnahme in internationale Organisationen grundsätzlich ausgeschlossen ist. Auf diese Weise ergibt sich ein enger Zusammenhang zwischen der horizontalen Komponente der Übernahme von Verfassungsfunktionen im Völkerrecht und den Ent-
325
Für die EU s. Art. 9 Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits (Cotonou-Abkommen) v. 23.6.2000, BGBl. 2002-II, S. 327 – “Essential elements regarding human rights, democratic principles and the rule of law, and fundamental element regarding good governance”. Art. 96 Abs. 2 des Abkommens sieht einen Konsultationsmechanismus für den Fall vor, dass die Verpflichtungen aus Art. 9 Abs. 2 nicht erfüllt werden; s. auch schon F. Hoffmeister, Menschenrechts- und Demokratieklauseln, 1998; E. Riedel/M. Will, in: P. Alston (Hg.), The EU and Human Rights, 1999, S. 723; C. Pippan, FS Ginther, 1999, S. 473; J. Liñán Nogueras/L. M. Hinojosa Martínez, Colum.J. Eur.L. 7 (2001), S. 307; M. Holland, The European Union and the Third World, 2002, S. 119 ff., 201 ff.; C. Pippan, Die Förderung der Menschenrechte, 2002, S. 130 ff.; L. Bartels, Human Rights Conditionality in the EU’s International Agreements, 2005. 326
S. Art. 9 Abs. 2 Cotonou-Abkommen und vgl. F. Hoffmeister, Menschenrechts- und Demokratieklauseln, 1998, S. 566; C. Pippan, Die Förderung der Menschenrechte, 2002, S. 347. 327
C. Warbrick, in: M. Evans (Hg.), Aspects of Statehood and Institutionalism in Contemporary Europe, 1997, S. 9 (21 ff.); C. Hillgruber, EJIL 9 (1998), S. 491; D. Murphy, ICLQ 48 (1999), S. 545; T. Meron, The Humanization of International Law, 2006, S. 307 ff.; vgl. J. Crawford, Creation of States, 22006, S. 148 ff. S. nunmehr auch Report of the Independent International FactFinding Mission on the Conflict in Georgia vom 30.9.2009, verfügbar unter: http:// www.ceiig.ch/Report.html (geprüft am 18.5.2010), Bd. 2, S. 128 – Selbstbestimmungsrecht und Gewaltverbot als ergänzender Standard für die Qualifizierung einer Einheit als Staat. 328
Zur Anerkennung von Regierungen s. S. Talmon, Recognition of Governments in International Law: With Particular Reference to Governments in Exile, 1998.
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73
faltungsmöglichkeiten eines Staates in einem institutionalisierten Völkerrecht. Die Vereinigten Staaten und Großbritannien machten nach 1945 zeitweise die Anerkennung von Regierungen, nicht von Staaten, zumindest im Falle eines revolutionären Regierungswechsels vom „consent of the governed“ abhängig.329 Später verlagerten sie die Problematik aber auf die Frage der Aufnahme oder Fortsetzung diplomatischer Beziehungen. Das Vereinigte Königreich änderte seine Politik 1980 und verzichtete auf eine Anerkennung, weil diese zuweilen als Billigung missverstanden worden sei. Eine Missbilligung kommt damit nur noch in der Verweigerung diplomatischer Beziehungen zum Ausdruck, die eine rein politische Entscheidung ist. Diese gegenwärtige Praxis entspricht, jedenfalls soweit nicht neu entstandene Staaten betroffen sind,330 auch der Belgiens, Italiens, der Schweiz, Australiens, Kanadas, Neuseelands und der Niederlande sowie der Europäischen Union.331 In den Richtlinien des EG-Ministerrates für die Anerkennung neuer Staaten in Osteuropa und der Sowjetunion332 werden Selbstbestimmungsrecht, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Menschenrechte und Schutz von Minderheiten als bei der Abwägung der Anerkennungsentscheidung zu berücksichtigende „Fakten“ genannt und damit von den Elementen der Staatlichkeit als Voraussetzungen einer Anerkennung abgegrenzt.333 Die EU hat dazu nicht nur Anerkennungsrichtlinien verabschiedet, sondern auch eine Arbitral Commission zur quasi-juridischen Untersuchung der Anerkennungsvoraussetzungen eingesetzt. Diese Vorbehalte in der Aner329
J. Frowein, BDGVR 39 (2000), S. 427 (430); J. Crawford, Creation of 2 States, 2006, S. 150 m. w. N. 330
J. Crawford, Creation of States, 2006, S. 153.
331
Statement regarding Belarus, EU Presidency, 20 July 1999, EU Bull. 19997/8, S. 60; s. J. Crawford, Creation of States, 22006, S. 151 f. m. w. N. und Beispielsfällen. 332
Richtlinien des EG-Ministerrates für die Anerkennung neuer Staaten in Osteuropa und der Sowjetunion v. 16.12.1991, ILM 31 (1992), S. 1486 ff.; repr. in EA 47 (1992) Dokumente, S. 120 ff.; EJIL 4 (1993), S. 72. Zur Aufstellung der Anerkennungsrichtlinien s. C. Hillgruber, Die Aufnahme neuer Staaten in die Völkerrechtsgemeinschaft, 1998, S. 642 ff.; zum Verlauf der Anerkennung einzelner Nachfolgestaaten s. ibid., S. 603 ff.; K. Hailbronner, in: W. Vitzthum 4 (Hg.), Völkerrecht, 2007, S. 157 (217 f.), Rn. 171 f. 333
Vgl. dazu N. Tsagourias, in: C. Warbrick/S. Tierney, Towards an International Legal Community, 2005, S. 211 (232); H. Hillgenberg, FS Tomschat, 2006, S. 947 (954).
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kennungspraxis können möglicherweise als Ausdruck eines Prinzips der Selbstregierung gedeutet werden.334 Allerdings ist angesichts der divergenten Praxis335 umstritten, ob hierin ein möglicherweise seit 1989 entstehendes Völkergewohnheitsrecht über Kriterien für die Anerkennung von Staaten und Regierungen jenseits des Effektivitätstests zu sehen ist.336
III. Verfassungshilfe durch die internationale Gemeinschaft Das Völkerrecht berührt das staatliche Verfassungsrecht auch dann, wenn die internationale Gemeinschaft ‚Verfassungshilfe‘ leistet und übergangsweise Verwaltungs- und Verfassungsfunktionen erfüllt.337 In den Fällen Ost-Timors, Bosnien-Herzegowinas, Afghanistans, des Iraks oder Sudans übernahm das Völkerrecht im Prozess der Verfassunggebung eine Rolle, die es zulässig erscheinen lässt, in der Post-KonfliktSituation von einer Internationalisierung des Pouvoir Constituant zu sprechen.338 Der Einfluss kann sehr weit reichen wie in BosnienHerzegowina, wo die Verfassung Ergebnis internationaler Friedensverhandlungen und als Annex IV Teil des Friedensabkommens war.339 Der Einfluss kann aber auch marginal sein wie in Südafrika340 oder bei den Verfassungsgebungsprozessen in Osteuropa, wo jedenfalls die letzte Kontrolle über Verfahren und Inhalte intern blieb.341 Insgesamt ist das 334 Zu den Demokratievorbehalten als Konstitutionalisierungsphänomen J. Frowein, BDGVR 39 (2000), S. 427 (429 ff.) m. N. 335
Der Taliban-Regierung in Afghanistan wurde im Jahre 1996 die Anerkennung verweigert. Sie wurde nur von Pakistan, Saudi Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten anerkannt. Der Regierung wurde nicht erlaubt, einen Vertreter zu den UN zu entsenden. Die Verweigerung der Anerkennung wurde mit den Menschenrechtsverletzungen, insbesondere mit Frauenrechtsverletzungen, der Taliban-Regierung begründet, s. A. Peters, LJIL 19 (2006), S. 579 (590). 336
A. Peters, LJIL 19 (2006), S. 579 (591); ablehnend H. Hillgenberg, FS Tomuschat, 2006, S. 947 (954). S. weiter zu Legitimitätskriterien für die Anerkennung: R. Rich, EJIL 4 (1993), S. 36; J. d’Aspremont, RGDIP 109 (2005), S. 889. 337 338 339 340 341
J. Frowein, BDGVR 39 (2000), S. 427 (441). Vgl. L. Basta Fleiner, FS H.-P. Schneider, 2008, S. 491 (494 ff.). S. dazu K. Oellers-Frahm, MPYUNL 9 (2005), S. 179. D. M. Davis, I.CON 1 (2003), S. 181. Systematisierung bei P. Dann/Z. Ali-Ali, MPYUNL 10 (2006), S. 423.
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Phänomen nicht neu, wie die Beispiele Danzig oder Triest zeigen, wo die verfassunggebende Gewalt vollständig internationalisiert worden ist. Indes nimmt der Einfluss der internationalen Gemeinschaft aufgrund der schwachen Staatlichkeit in der Dritten Welt, der Vielzahl zugespitzter Krisensituationen und aufgrund der Bereitschaft der entwickelten Länder, tätig zu werden, zu.342 An den externen Einfluss knüpfen sich Legitimitätsfragen,343 insbesondere wenn er nicht von der internationalen Gemeinschaft oder multilateralen Akteuren, sondern horizontal von durch eigene Interessen geleiteten individuellen Staaten ausgeht, die eine Verfassung oktroyieren.344 Ein rechtlicher Rahmen kann sich aus Vorgaben der Vereinten Nationen, den Sicherheitsratsresolutionen und darauf gestützten Regulations ergeben, oder aus dem Besatzungsrecht.345 Es gibt aber kein allgemeines völkerrechtliches Regime zur Regelung externer Einflüsse auf die Verfassunggebung.346 Zum Teil wird indes auf der Grundlage einer Analyse der jüngeren Praxis in Somalia, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Irak, Timor-Leste, Palästina oder Afghanistan eine im Entstehen begriffene, im Selbstbestimmungsrecht wurzelnde Verpflichtung der beteiligten Staaten bzw. internationalen Organisationen angenommen, beim (Wieder-)Aufbau eines anderen Staates in verschiedenen Ausgangssituationen und Verwaltungsformen diesen mit demokratischen Institutionen auszustatten.347 Dieser Ansatz führt allerdings zu einem doppelten
342
N. Maziau, RGDIP 104 (2002), S. 549.
343
Kritisch zum Nation-Building in Bosnien, Kosovo, Afghanistan als Versuch, die Staatenwelt und die Märkte nach den Interessen der USA zu ordnen: M. Ignatieff, Empire Lite, 2003. S. auch O. Korhonen/J. Gras/K. Creutz, International post-conflict situations, 2006, sowie A. Orford, Reading Humanitarian Intervention, 2003, S. 87 ff., 127 ff.; M. Koskenniemi, ARIEL 8 (2003), S. 61 (67). 344
P. Dann/Z. Ali-Ali, MPYUNL 10 (2006), S. 423 (454 ff., insb. 460 f.); vgl. auch N. Feldman, Conn. LR 37 (2004/5), S. 857; M. Sunder, Conn. LR 37 (2004/5), S. 891. 345
Die Prinzipien des (humanitären) Völkerrechts sieht als eigentliches Surrogat für zusammengebrochenes oder nicht mehr funktionsfähiges staatliches Verfassungsrecht D. Thürer, ZaöRV 60 (2000), S. 559 (598 f.). 346 347
P. Dann/Z. Ali-Ali, MPYUNL 10 (2006), S. 423 (450 f.).
J. d’Aspremont, RGDIP 109 (2005), S. 889 (908) unter Nennung einschlägiger Dokumente, insbesondere von Resolutionen des Sicherheitsrates.
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Standard, weil bestehende ältere nichtdemokratische Staaten toleriert werden.348 Als Konstitutionalisierungsphänomen lässt sich die horizontale Ausbreitung gewisser verfassungsrechtlicher Standards durch Konditionalitäten und Hilfeleistungen deshalb deuten, weil sie zeigt, dass die innerstaatliche Verfassungsordnung von den Staaten hier nicht mehr als allein innere Angelegenheit betrachtet wird. Sollen darauf gegründete Einflussnahmen legitim sein, so setzt das deren übergreifende Akzeptanz voraus. Die horizontale Komponente der Übernahme von Verfassungsfunktionen muss auf einer entsprechend ausgeprägten vertikalen Komponente beruhen. Andernfalls könnte nicht ein beliebiger Staat an einen anderen Staat herantreten und auf legitime Weise Druck ausüben, um zur Einhaltung der Standards beizutragen. Werden verfassungsrechtliche Standards einseitig oktroyiert, so ist das nicht nur für ihre effektive innerstaatliche Umsetzung, ihre „Internalisierung“ im politischen Prozess problematisch. Vielmehr werden die Standards auch einseitig dem politischen Diskurs entzogen, um unilateral durchgesetzt zu werden. Das mag für bestimmte Kernwerte auf abstrakter Ebene durchaus legitim sein. Um sie effektiv im politischen Prozess einer Gesellschaft zu etablieren, müssen diese Standards aber in eben diesem Prozess auf demokratische Weise konkretisiert werden.
C. Normative Erklärungsmodelle der Konstitutionalisierung und alternative Verständnisse Die vorausgegangenen Ausführungen haben verdeutlicht, dass zwischen den verschiedenen Dimensionen der Konstitutionalisierung im Völkerrecht Bezüge und Wechselwirkungen bestehen. So lässt sich die Entwicklung des internationalen Menschenrechtsschutzes zugleich als Beleg für die Entwicklung des Völkerrechts zu einer „Werteordnung“ und als wichtigstes Beispiel völkerrechtlicher Nebenverfassungen anführen. „Compensatory Constitutionalism“ und „Multilevel Constitutionalism“ sind Ansätze, die als Theorien mittlerer Reichweite ein normatives Erklärungsmodell für das Phänomen der Konstitutionalisierung mit seinen unterschiedlichen Aspekten bieten (I.). Alternative Verständnisse der für das internationale Recht der Gegenwart prägenden Entwicklun348
M. Kohen, CEBDI 6 (2002), S. 543 (619).
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gen bieten auf dieser Ebene die Perspektive der transnationalen Netzwerke, eine Konzentration auf die Fragmentierung des Völkerrechts oder aber die Entwicklung eines globalen Verwaltungsrechts (II.). Als Versuche einer Gesamtkonzeption sind sie dem Einwand ausgesetzt, dass tatsächlich verschiedene Auffassungen über den Charakter des Völkerrechts miteinander im Streit liegen und es dieser Umstand den Staaten ermöglicht, sich je nach Kontext auf ein eher idealistisches oder eher realistisches Grundverständnis zu berufen.349 Sie alle zielen aber nicht auf eine umfassende Theorie oder Rekonstruktion des Völkerrechts, sondern auf die Beschreibung von Paradigmen der Rechtsentwicklung.
I. „Compensatory“ und „Multilevel“ Constitutionalism Die Idee der Konstitutionalisierung wird auch als Mittel zur Schaffung von Ordnung und Kohärenz und damit als Reaktion auf die Globalisierung350 und die Fragmentierung des Völkerrechts und der Weltgesellschaft verstanden.351 Die syllogistische Argumentation lautet, dass verfassungsrechtlich-rechtstaatliche Anforderungen an legitime Hoheitsausübung auch im Kontext der Globalisierung Geltung beanspruchten, auf staatlicher Ebene aber nicht mehr garantiert werden könnten, so dass das Völkerrecht konstitutionalisiert werden müsse.352 Es gilt als ein europäisches Verständnis, wenn angenommen wird, die Konstitutionalisierung der internationalen Ebene könne einen Ausgleich für die Dekonstitutionalisierung der Nationalstaaten bieten.353 Die dabei postu349
S. W. Kälin, recht Sonderheft (2005), S. 42 (46).
350
Zur Globalisierung s. A. Giddens, The Consequences of Modernity, 1990, S. 63 ff.; N. Luhman, Das Recht der Gesellschaft, 1993, S. 571 ff.; ders., Die Gesellschaft der Gesellschaft, 1997, S. 148 ff.; J. Delbrück, Ind. GLSJ 1 (1993), S. 14 ff.; S. Sur, EJIL 8 (1997), S. 421 (428 ff.); U. Beck, Was ist Globalisierung?, 2007; S. Hobe, AVR 37 (1999), S. 253; K. Dicke, BDGVR 39 (2000), S. 13. 351
Vgl. etwa die Einordnung bei K. Ladeur/L. Viellechner, AVR 46 (2008), S. 42 (44 ff.). 352 A. Epiney, in: C.-A. Morand (Hg.), Le droit saisi par la mondialisation, 2001, S. 145 (164); vgl. H. Ruiz Fabri/C. Grewe, FS J. Gautron, 2004, S. 189 (198). 353
A. Peters, LJIL 19 (2006), S. 579; dies., ESIL Proc. 1 (2006), S. 361 (371 f.); E. de Wet, ICLQ 55 (2006), S. 51.; dies., ZaöRV 67 (2007), S. 777 (778); s. auch K. Armingeon/K. Milewicz, Global Society 22 (2008), S. 179.
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1. Kapitel
lierte normative Zentralität des Individuums354 und die Vorstellung, die Errungenschaften des modernen Verfassungsstaates dadurch zu bewahren,355 dass seine Funktion als Garant für das Gemeinwohl teilweise vom Staat ins Völkerrecht verlagert wird,356 sind sehr anspruchsvoll. Der Aufstieg der Verfassungsidee im Völkerrecht bedeutet aber keine Schwächung der Institution des unabhängigen Staates. Vielmehr sichert die Verfassung auch die rechtliche Autorität und Autonomie jedes einzelnen Staates gegen unrechtmäßige Interventionen durch andere Staaten und internationale Organisationen.357 Während sich die Idee eines Compensatory Constitutionalism358 vor allem auf den Ausgleich einer Dekonstitutionalisierung auf nationaler Ebene konzentriert, versucht der Begriff des Multilevel Constitutionalism die verschiedenen Entwicklungen der Autonomisierung des Völkerrechts und der Übernahme von Verfassungsfunktionen ebenenübergreifend zu erfassen. Die Idee von einem gestuften Verbund komplementärer Verfassungen359 und einem Mehrebenensystem öffentlicher Gewalt mit jeweils sachbezogen begrenzten Kompetenzbereichen wählt die Perspektive der Selbstbestimmung des Individuums und betrachtet den Einzelmenschen als Fixpunkt und Legitimationsbezug.360 Die Herausbildung einer Ebene im System setzt eigene verfestigte Legitimationsmechanismen voraus.361 Dabei wird aber stets das dialogische und 354
A. Peters, ZÖR 65 (2010), S. 3 (13 f.).
355
J. Delbrück, Ind. GLSJ 9 (2002), S. 401 (430); P. Policastro, Constitutionalism, Multi-Level Democracy and Fundamental Values, 2004, S. 44. 356
C. Tomuschat, RdC 281 (1999), S. 42; G. Biaggini, ZSR NF 119 (2000), S. 445 (454); T. Schilling, Jean Monnet WP 06/05, S. 7, 11 f. 357 B. Fassbender, in: N. Tsagourias (Hg.), Transnational Constitutionalism, 2007, S. 307 (326). 358
A. Peters, LJIL 19 (2006), S. 579.
359
I. Pernice, in: H. Dreier (Hg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 22006, Art. 24 Rn. 21. 360
B. Bryde, Der Staat 42 (2003), S. 61 (64 f.); I. Pernice, FS Tomuschat, 2006, S. 973 (993 ff.); E.-U. Petersmann, LJIL 19 (2006), S. 633 (641); s. auch J. Delbrück, SZIER 11 (2001), S. 1 (34 f.); vgl. zum ‚multi-level constitutionalism‘ weiter J. Nergelius/P. Policastro/J. Urata (Hg.), Challenges of Multi-Level Constitutionalism, 2004. 361
Eine Ebene entsteht nach C. Möllers, Gewaltengliederung, 2005, S. 213 dann, wenn eine Rechtsordnung subjektive Rechte einräumt oder demokratische Verfahren vorsieht.
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interaktive Verhältnis der Ebenen und die Abhängigkeit zwischen den Ebenen unterstrichen.362 Aus einer Perspektive, die von den Auswirkungen für den Einzelmenschen ausgeht, ist eine radikale Segmentierung des Rechts in funktionale Sachbereiche normativ schon deshalb fernliegend, weil die menschliche Person nicht in einzelne Lebensbereiche aufspaltet werden kann. Im Einzelnen sind die mit einem internationalen Mehrebenensystem verbundenen Vorstellungen allerdings sehr unterschiedlich. Zum Teil wird es als Weiterentwicklung der Vorstellung vom Stufenbau der Rechtsordnung im Sinne Hans Kelsens angesehen.363 Am weitesten dürfte demgegenüber die Interpretation der Vereinten Nationen als Verfassungsordnung gehen, die dem Einzelnen, Organisationen und Staaten durchsetzbare Rechte und Pflichten verleiht.364 Die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen werden als auch für jeden einzelnen Menschen bedeutsam postuliert.365 Teilweise ist Ausgangspunkt der Überlegungen die Frage, wie die europäische Erfahrung mit der Entwicklung der Europäischen Union als Grundlage für eine Konzeptionalisierung der Institutionen auf globaler Ebene genutzt werden kann.366 Das Mehrebenenmodell lenkt den Blick auch auf Fragen des Rechtsschutzes für das Individuum, die sich aus der Ausdifferenzierung der Ausübung von Hoheitsgewalt auf mehrere Ebenen ergeben. Problematisch ist hier, wie bei Defiziten der einen Ebene Rechtsschutz auf einer niederen Ebene garantiert werden kann, ohne die Effizienz höherer Ebenen zu beeinträchtigen. Nationale Gerichte und auch der EuGH stehen vor der Frage, in welchem Maß sie bei der Rechtskontrolle von
362 S. etwa auch R. Wessel/J. Wouters, IOLR 4 (2007), S. 259 (262); M. Knauff, ZaöRV 68 (2008), S. 453 (482 ff.). 363
B. Fassbender, FS Tomuschat, 2006, S. 763 (781).
364
R. Maconald, in: ders./D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 853 (874 ff.); s. aber auch das offen gehaltende Verständnis bei C. Ku, ibid., S. 631. 365
B. Fassbender, in: E. Klein (Hg.), Gewaltenteilung und Menschenrechte, 2006, S. 73 (81 f.). 366
E.-U. Petersmann, EJIL 13 (2002), S. 621 (632); I. Pernice, FS Tomuschat, 2006, S. 973 (988 ff., 993); R. Maconald, in: ders./D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 853 (855) mit Fn. 4; vgl. auch B. Ackerman, Va LR 83 (1997), S. 771 (775 ff.) – Föderalismus und Neustart als Charakteristika der Verfassungsgeschichte der USA und der EU nach 1950.
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Umsetzungsakten oder Formen der Beteiligung in internationalen Organisationen die Verwirklichung der Standards der eigenen Rechtsordnung durchsetzen oder aber Zugeständnisse an die Bedingungen der Realisierung übergeordneter Ziele im Rahmen internationaler Koordination machen sollen. Das EuG verstand in den Fällen Yusuf und Kadi das ius cogens nicht nur als materielle Grenze für die Befugnisse des Sicherheitsrates, sondern nahm auch die Befugnis in Anspruch, die Einhaltung dieses eher unbestimmten Minimalstandards zu kontrollieren.367 Darauf beschränkte es seine Kontrollbefugnis aber auch, signalisierte damit seine Völkerrechtsfreundlichkeit und ordnete das Recht der Vereinten Nationen dem Unionsrecht im Übrigen hierarchisch über.368 Der EuGH betonte demgegenüber als Rechtsmittelgericht die Autonomie des Rechtssystems der Union und die Wahrung der Menschenrechte wie sie in den Verfassungsgrundsätzen des EG-Vertrages enthalten sind.369 Der Vorrang der UNO-Charta bleibt danach auf das Völkerrecht beschränkt und wirkt nicht unmittelbar in die Rechtsordnung der Union hinein,370 die damit eher als innerstaatliches Recht denn als Völkervertragsrecht verstanden wird.371 Die Frage eines Vorrangverhältnisses unter den verschiedenen Ebenen, etwa nach dem Verhältnis zwischen Völkerrecht und staatlichem Recht, gewinnt aus konstitutioneller Perspektive eine normative Dimension. Auch die Frage des Verhältnisses zwischen Vorrang beanspruchenden regionalen Grundrechtsordnungen und dem globalen Chartasystem
367
EuG Ahmed Ali Yusuf et al. v. Rat u. Kommission, Rs. T-306/01, Slg. 2005, S. II-3533, Rn. 260 ff.; EuG Yassin Abdullah Kadi v. Rat u. Kommission, Rs. T-315/01, Slg. 2005, S. II-3649, Rn. 209 ff.; s. dazu H. P. Aust/N. Naske, ZÖR 61 (2006), S. 587 (592, 607 ff.); S. Hörmann, AVR 44 (2006), S. 267 m. w. N.; U. Haltern, JZ 62 (2007), S. 537; N. Lavranos, Nordic JIL 76 (2007), S. 1; aus unionsrechtlicher Sicht etwa B. Kunoy, Nordic JIL 76 (2007), S. 19. 368
Vgl. T. Tridimas/J. Gutierrez-Fons, Fordham ILJ 32 (2009), S. 660 (681).
369
EuGH Yassin Abdullah Kadi und Al Barakaat International Foundation, verb. Rs. C-402/5 P u. C-415/05 P, Slg. 2008, S. I-6351, Rn. 278 ff.; s. auch EuG Omar Mohammed Othman v. Rat u. Kommission, Rs. T-318/01, Urt. v. 11.6.2009. 370
Vgl. T. Tridimas/J. Gutierrez-Fons, Fordham ILJ 32 (2009),S. 660 (684) – „‘constitutional hegemony’ of the EU“; H. Sauer, NJW 61 (2008), S. 3685 (3686). 371
C. Ohler, EuZW 2008, S. 630 (632).
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lässt sich als Mehrebenensystem verstehen.372 Es geht hier letztlich immer um eine Balance zwischen regionalen Werten und der globalen Zusammenarbeit.373 Die Mehrebenenperspektive eröffnet aber auch die Möglichkeit einer normativen Interaktion zwischen den Ebenen, die etwa im Menschenrechtsschutz im Wege der gegenseitigen Annäherung zur Entwicklung übergreifender Standards führen kann.374 Ein Mehrebenenmodell ermöglicht schließlich eine Analyse der Gewaltenverteilung zwischen den Ebenen und zugleich der Auswirkungen auf die innerstaatliche Gewaltenteilung, die in der Regel eine Stärkung der Exekutive zulasten des Parlaments bedeuten. Die Verschränkung der Ebenen zeigt sich hier in der Mitwirkung von Vertretern der einen Ebene auf einer anderen Ebene.375 Den verschiedenen Überlegungen ist gemeinsam, dass sie eine Gesamtperspektive auf verfassungsrechtliche Normen im innerstaatlichen, regionalen und universellen Völkergewohnheitsrecht entwickeln und dabei das Individuum im kosmopolitischen Sinne als normativen Fluchtpunkt wählen.
II. Alternative Perspektiven auf Völkerrecht und transnationales Recht Neben Compensatory Constitutionalism und Mehrebenenkonstitutionalismus wurden andere Perspektiven auf das Völkerrecht und das transnationale Recht entwickelt, die die prägenden Entwicklungen unterschiedlich akzentuieren. Ein Modell ist das der transnationalen Netzwerke (1.). In der im engeren Sinne völkerrechtlichen Debatte, aber auch in Beiträgen zur Entwicklung der Weltgesellschaft wird zum Teil die Fragmentierung des Weltrechts als zentrales Merkmal der Entwick372
S. dazu etwa EGMR Agim Behrami and Bekir Behrami v. France und Ruzhdi Saramati v. France, Germany and Norway, No. 71412/01, 78166/01, Entsch. [GC] v. 31.5.2007. 373
H. P. Aust, AMDI 8 (2008), S. 51 (57); s. auch T. Cottier/M. Hertig, MPYUNL 7 (2003), S. 261 (307 ff.). 374 375
T. Cottier/M. Hertig, MPYUNL 7 (2003), S. 261 (313 ff.).
T. Cottier/M. Hertig, MPYUNL 7 (2003), S. 261 (317 ff.); C. Möllers, Gewaltengliederung, 2005, S. 331 ff.; vgl. auch H. Steiger, Der Staat 42 (2003), S. 249 (261).
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1. Kapitel
lung verstanden (2.). Außerdem wird der völkerverfassungsrechtlichen Perspektive die Alternative eines globalen Verwaltungsrechts gegenübergestellt (3.).
1. Mehrebenenkonstitutionalismus versus transnationale Netzwerke Soweit insbesondere Mehrebenenmodelle davon ausgehen, dass über dem Staat mit dem Recht regionaler Integrationsgemeinschaften und dem globalen Recht, etwa der WTO, zwei Ebenen bestehen,376 entsteht ein Eindruck der Wohlordnung und Geschlossenheit. Die Rede von einem Mehrebenensystem legt nach außen abgrenzbare, abgeschlossene, stabilisierte Einheiten nahe. Diese Suggestion vermeidet die Terminologie des constitutional network377 oder des Verfassungskonglomerats.378 Netzwerke als emergente Ordnungen zeichnen sich gerade durch ihre Offenheit aus.379
a) Netzwerkperspektive als Reaktion auf neuartige governancePhänomene Von der Verwendung der Netzwerkmetapher durch Vertreter der Konstitutionalisierungslehre ist die Netzwerkperspektive als Alternative zum Mehrebenenmodell abzugrenzen. Für sie ist zentral, dass im Zuge der technischen Innovation und der Globalisierung380 neuartige governance-Phänomene auftreten, die nicht vom Staat und seinen Institutionen, sondern von gesellschaftlichen und privaten Gruppen, Organisationen und Unternehmen getragen werden,381 aber doch auf staatliches
376 377
S. etwa T. Cottier/M. Hertig, MPYUNL 7 (2003), S. 261 (299 ff.) A. Peters, LJIL 19 (2006), S. 579 (601 f.).
378
E. de Wet, LJIL 19 (2006), S. 611 (612), s. aber auch E. de Wet, EuConst 5 (2009), S. 284 (287 f.) – verschiedene funktionale Regime innerhalb der Völkerrechtsordnung als komlementäre Elemente eines größeren Ganzen; zur Pluralität der Teilverfassungen s. auch C. Walter, GYIL 44 (2001), S. 171. 379
O. Arnst, in: S. Boysen (Hg.), Netzwerke, 2007, S. 58 (74 f.).
380
Zu den Faktoren, die die Herausbildung von transnationalen Netzwerkstrukturen befördern, s. K. Raustiala, Va JIL 43 (2003), S. 1 (11 ff.). 381
Umfassender Überblick zu dieser Debatte aus interdisziplinärer Perspektive: C. Joerges/I. Sand/G. Teubner (Hg.), Transnational Governance and Constitutionalism, 2004.
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
83
Recht wie Völkerrecht einwirken.382 So werden etwa private technische Normen von staatlichen Gerichten in den USA rezipiert oder erlangen Standards der Codex Alimentarius-Kommission im WTO-Recht auf der Grundlage des SPS Agreement in Entscheidungen des Appellate Body mittelbar konkrete Verbindlichkeit.383 Weitere Beispiele transnationaler Regulierung lassen sich bei der privaten Verwaltung von Internetdomains (ICANN)384 sowie zwischen Behörden in den Bereichen nationale Sicherheit, Korruptionsbekämpfung, Flugverkehr, Steuern, Kartellrecht, Nahrungsmittel, Drogen oder Telekommunikation aufzeigen.385 In transnationalen, aus heterogenen Akteuren zusammengesetzten heterarchischen Netzwerken wie der OECD findet eine prozessartige Steuerung durch unverbindliche Instrumente statt.386 Sie sind auf traditionelle internationale Organisationen nicht angewiesen, können diese aber als zentrale Knoten mit der Funktion eines Sekretariats und eines „Clearinghaus“ nutzen.387 Umgekehrt enthalten Netzwerke ein Potential für die Stärkung der Rolle von internationalen Organisationen.388 Die Synergieeffekte zwischen internationalen Institutionen und Netzwerkstrukturen sind vielfältig: Netzwerke können das Aushandeln von Verträgen erleichtern und die Erfüllung und fortwährende Funktion von Verträgen verbessern, bieten teilweise aber auch eine alternative Kooperationsform zu einem Vertragsregime. Vertragsregime und internationale Organisationen sind insbesondere dort zahlreich, wo die Regulierungsmacht nicht wie bei der Finanzaufsicht bei einigen Staaten konzentriert ist. Im Bereich der öffentlichen Güter ist die Regulierungsmacht diffus, da es hier „schwachen“ Staaten nicht nur möglich ist, als Trittbrettfahrer zu profitieren, sondern auch die Effizienz im Übrigen konvergenter Praktiken insgesamt zu torpedieren.389 Das Konzept einer Mehrebenenverfassung ist nur bedingt geeignet, transnationale und internationale privat-öffentliche Regulierungsnetz-
382 383 384 385 386 387
Vgl. T. Vesting, VVDStRL 63 (2004), S. 41 (56 ff.). J. Scott, EJIL 15 (2004), S. 307 (331 ff.) m. N. Beispiele bei R. Grote, ZaöRV 67 (2007), S. 247 (251 ff.). A. Slaughter/D. Zaring, Annu. Rev. Law Soc. Sci. 2 (2006), S. 211 (219 f.). M. Goldmann, in: S. Boysen (Hg.), Netzwerke, 2007, S. 225 (232 f.). A. Slaughter/D. Zaring, Annu. Rev. Law Soc. Sci. 2 (2006), S. 211 (219).
388
R. Keohane/J. Nye, World Politics 27 (1974), S. 39 (55); A. Slaughter, A New World Order, 2004, S. 169. 389
K. Raustiala, Va JIL 43 (2003), S. 1 (6 ff., 26 ff.).
84
1. Kapitel
werke einzubeziehen. Der konstitutionelle Ansatz kann für Regierungsregime eine geeignete Antwort sein, weniger aber für eine sektorenbezogene transnationale Selbstverwaltung von Privaten und Phänomene wie die lex mercatoria.390 Die konkreten und vielgestaltigen Prozesse, für die die institutionelle Verfassung einer internationalen Organisation nur einen Rahmen bietet, erfasst die Formel von der Konstitutionalisierung nur bedingt.391 Bislang jedenfalls wird der Anspruch eines konstitutionalisierten Völkerrechts, die Grundordnung einer globalen Rechtsgemeinschaft zu bilden, die ihre Politik nach Maßgabe von gemeinsamen Werten betreibt und damit der Herausforderung der Globalisierung begegnet,392 nicht nur positivrechtlich, sondern auch konzeptionell nur eingeschränkt erfüllt. Die Idee einer Mehrebenenverfassung beruht auf einem staatszentrierten Politikverständnis. Das so verstandene ‚Politische‘ wird zwar durch die Konstitutionalisierung rechtlich begrenzt, die nationale und internationale Politik hat aber einen regimeübergreifenden Charakter. Das Modell der Mehrebenenverfassung soll die Ausübung prinzipiell „öffentlicher“ Gewalt durch Staaten und Regierungsorganisationen in ihrer Wechselbezüglichkeit und in ihren Auswirkungen auf das Individuum erfassen. Indes wird die Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Recht, die nicht für alle Rechtsordnungen prägend ist, im englischen Recht etwa erst im 20. Jahrhundert nachvollzogen wurde,393 durch die Globalisierung weiter relativiert, weil sich der Private nicht mehr nur dem Staat und staatlichen Verbänden, sondern einem Konglomerat von Hoheitsträgern gegenübersieht und mit Rechtsmaterien konfrontiert wird, die ohne direkte Beteiligung von Hoheitsträgern entstehen.394 Die Verselbständigung des Rechts in der globalisierten Welt bedeutet gerade auch, dass andere Akteure als die Staaten Recht erzeugen oder jedenfalls äquivalente Steuerungsmechanismen einsetzen. Auf diese Pluralisierung tatsächlicher
390 391 392 393
J. Klabbers, IOLR 1 (2004), S. 31 (53 f.). Vgl. K. Ladeur/L. Viellechner, AVR 46 (2008), S. 42 (45). H. Keller, ZaöRV 67 (2007), S. 623 (633). Vgl. J. W. F. Allison, A Continental Distinction in the Common Law,
1996. 394
C. Möllers, ARSP Beiheft 79 (2001), S. 41 (58 f.).
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
85
sächlicher Rechtsquellen395 im transnationalen Raum reagiert das Völkerrecht nur mit der Kategorie des soft law.396
b) Normatives Konzept der Vernetzung als Herausforderung Sobald aber die Frage nach einem normativen Konzept der Vernetzung gestellt wird,397 sind verfassungsrechtliche Fragen nach der Verantwortlichkeit und Rechtskontrolle von Netzwerken zu beantworten.398 Die rechtstheoretischen Ansätze, die darauf reagieren, teilen mit der Verfassungslesart des Völkerrechts ihre Suchbewegung, die auf einen Ausgleich des Verlusts der Ordnungsmacht des staatlichen Verfassungsrechts zielt. Netzwerke unterliegen nur bedingt demokratischer Kontrolle und bieten die Möglichkeit, ungleiche Machtverhältnisse etwa in informellen Absprachen zwischen Staatenvertretern zu kaschieren oder Macht dadurch auszuüben, dass manche Teilnehmer einfach ausgeschlossen werden.399 Die Versuche einer normativen Begrenzung transnationaler Rechtsbildungsprozesse zielen auf übergreifende Grundsätze des öffentlichen Rechts, knüpfen an eine spontane Verfassungsbildung an oder entwickeln eine transnationale Dimension staatlicher Grundrechte. Die Rede von den Netzwerken darf die Kumulation von Hoheitsgewalt jenseits des Staates jedenfalls nicht verharmlosen. Auch in der Netzwerkanalyse werden daher Verfassungsfragen aufgegriffen, etwa die Kontrolle von Netzwerken durch andere Netzwerke400 und ihre demokratische Rückbindung.401
395
C. Möllers, ARSP Beiheft 79 (2001), S. 41 (46).
396
D. Shelton (Hg.), Commitment and Compliance, 2000; Versuch der dogmatischen Systematisierung des soft law durch Handlungsformen: M. Goldmann, in: S. Boysen (Hg.), Netzwerke, 2007, S. 225. 397
Vgl. dazu A. Slaughter/D. Zaring, Annu. Rev. Law Soc. Sci. 2 (2006), S. 211 (226). 398
S. A. Hamann/H. Ruiz Fabri, I.CON 6 (2008), S. 481; vgl. auch P. Dobner, Ind. GLSJ 16 (2009), S. 605. 399
P. Alston, EJIL 8 (1997), S. 435 (441 f.); S. Toope, in: M. Byers (Hg.), The Role of Law in International Politics, 2000, S. 91 (96 f.); K. Raustiala, Va JIL 43 (2003), S. 1 (25); A Slaughter/D. Zaring, Annu. Rev. Law Soc. Sci. 2 (2006), S. 211 (220 f.). 400 401
N. Krisch, EJIL 17 (2006), S. 247 (263 ff.). Zusammenfassend A. Slaughter, A New World Order, 2004, S. 216 ff.
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Soll deshalb die Verfassungsperspektive auf „Spontanverfassungen“ erweitert werden, die sich in transnationalen Rechtsbildungsprozessen bilden, so muss dazu ein politikzentriertes Verfassungsdenken überwunden werden. Aufgabe der Verfassung ist dann nicht die Disziplinierung einer absoluten politischen Gewalt, sondern gesellschaftlicher Dynamiken. So genannte globale Zivilverfassungen wie die Weltwirtschaftsverfassung, die Wissenschaftsverfassung oder die Verfassung des globalen Gesundheitssystems begnügen sich mit einer deliberativen Demokratisierung bei den gesellschaftlichen Akteuren im nationalen und internationalen Kontext.402 Der darauf gemünzte Verfassungsbegriff emanzipiert sich vollständig von den Prämissen des Nationalstaates und will so seine Orientierung an den Erfordernissen einer funktional differenzierten Weltgesellschaft ermöglichen.403 Diese radikale Neuausrichtung des Begriffs ist im Wesentlichen drei Einwänden ausgesetzt. Zunächst ist der Rekurs auf eine gesellschaftliche Spontanverfassung mit herkömmlichen Rechtsvorstellungen schwer zu vereinbaren, die die Rechtsbegründung stärker an die erwartungssichernde Institutionalisierung des Rechts binden.404 Zum anderen setzt die Ablösbarkeit des Verfassungsbegriffs von der historischen Verknüpfung mit dem Nationalstaat den noch nicht erbrachten Nachweis einer vergleichbaren Stabilität und Einheit der globalen Teilsysteme in der fragmentierten Weltgesellschaft voraus.405 Schließlich geht mit der Ausweitung des Rechtsund der Neuausrichtung des Verfassungsbegriffs dessen strukturelle Voreingenommenheit für öffentliche Belange und verantwortliche Regierungen verloren. Die legitimitätssichernde rechtliche Einhegung transnationaler Netzwerke soll daher, so ein weiterer Ansatz, durch eine transnationale Expansion staatlicher Grundrechte erreicht werden.406 Die Herleitung dieser Grundrechtsdimension stützt sich auf die Entwicklung eines transnationalen Grundrechtsverständnisses im globalen Recht, das einerseits einen common core ausbildet und andererseits an das normative Sub402
G. Teubner, ZaöRV 63 (2003), S. 1 (13, 2, 7, 9).
403
G. Teubner, in: C. Joerges/I. Sand/ders. (Hg.), Transnational Governance and Constitutionalism, 2004, S. 3. 404
K. Ladeur/L. Viellechner, AVR 46 (2008), S. 42 (52).
405
T. Vesting, VVDStRL 63 (2004), S. 42 (63); ders., in: C. Joerges/I. Sand/G. Teubner (Hg.), Transnational Governance and Constitutionalism, 2004, S. 29. 406 L. Viellechner, in: S. Boysen (Hg.), Netzwerke, 2007, S. 36 (48 ff.); K. Ladeur/L. Viellechner, AVR 46 (2008), S. 42 (62 ff.).
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strat der einzelnen nationalen Rechtsordnungen anknüpft. Einem globalen Netzwerk der Gerichte soll die Aufgabe der Wahrung dieses transnationalen Grundrechtsstandards zufallen. Der Anschluss an das Völkerrecht soll über den Transnational Legal Process erfolgen,407 der dann allerdings nicht auf die Internalisierung des Völkerrechts im innerstaatlichen Recht, sondern auf die Transnationalisierung staatlichen Rechts zielen würde.
2. Konstitutionalisierung versus Fragmentierung des Völkerrechts a) Dimensionen der Fragmentierung Häufig wird der Konstitutionalisierung die Fragmentierung des Völkerrechts als gegenläufige Entwicklung entgegengesetzt.408 Mit Fragmentierung wird die Aufspaltung des Völkerrechts in Teilrechtsordnungen bezeichnet, die durch zunehmende Widersprüche zwischen diesen gekennzeichnet ist. Regelungen des allgemeinen Völkerrechts werden durch spezielle Systeme ersetzt, die ihre eigenen Prinzipien und Institutionen entwickelt haben. Da die Rechts- und Institutionenbildung nicht immer in Übereinstimmung mit den allgemeinen Prinzipien des Völkerrechts erfolgt, treten vermehrt Normen- und Jurisdiktionskonflikte auf.409 Die Ursachen dafür liegen im Fehlen zentraler Organe der Völkerrechtsordnung, die die Homogenität des Rechts sicherstellen könnten, in der verstärkten Spezialisierung von Teilrechtsordnungen wie dem Menschenrechtsschutz, dem Welthandelsrecht, dem Umweltvölkerrecht oder dem Seerecht, aber auch dem Investitionsschutzrecht und dem internationalen Flüchtlingsrecht, und in unterschiedlichen Normstrukturen. Neben reziproke Normen mit zwischenstaatlicher Bedeutung treten Verpflichtungen der Staaten gegenüber Individuen oder der Staatengemeinschaft. Außerdem kommt es bei einer Ausweitung des Völkerrechts insgesamt zu parallelen und konkurrierenden Regelungen desselben Gegenstandes auf regionaler und universeller Ebene und in den funktional differenzierten Teilrechtsordnungen. Signifikant ist auch 407
L. Viellechner, in: S. Boysen (Hg.), Netzwerke, 2007, S. 36 (52 ff.); zum „Transnational Legal Process“ s. o. A. II. 2. b). 408 409
Etwa A. Paulus, ZaöRV 67 (2007), S. 695 (706 f.).
ILC, Fragmentation of International Law: Difficulties Arising From the Diversification and Expansion of International Law: Report of the Study Group of the International Law Commission, UN-Dok. A/CN.4/L.682 v. 13.4.2006, para. 5 ff.; C. Thiele, AVR 46 (2008), S. 1 (3 f.).
88
1. Kapitel
die Ausprägung unterschiedlicher Komplexe von Sekundärrechtsnormen.410 Dabei lassen sich drei Arten der Fragmentierung unterscheiden: die unterschiedliche Interpretation des allgemeinen Völkerrechts, neue Regime als Ausnahme zum allgemeinen Recht und die Konfrontation verschiedener Regime.411 Zum Teil wurde das Problem weniger in der Entstehung neuer Subsysteme als in der Anwendung des allgemeinen Völkerrechts durch neue Organe gesehen, die bestimmte Interessen und Ansichten repräsentieren („structural bias“) und in hegemonialen Manövern versuchen, ihre Interessen als Universalinteressen auszugeben.412 Die Fragmentierung kann durchaus bewusstes Gestaltungsinstrument der internationalen Beziehungen sein. Ein fragmentiertes Völkerrecht stärkt die Position der mächtigeren Staaten, weil es Koalitionen kleinerer Staaten unwahrscheinlicher macht, wenn sie nicht themenübergreifend gebildet werden können.413 Aus einer (rechts-)soziologischen Sicht stehen hinter dieser Entwicklung ein tiefgreifender Wandel in der Weltgesellschaft zum global legal pluralism, ein Paradigmenwandel von der territorialen Gliederung in Staaten zur funktionalen Differenzierung414 und fundamentale Widersprüche zwischen Eigenrationalitäten, die durch das Recht nicht überwunden werden können.415
410
G. Hafner, Mich. JIL 25 (2004), S. 849 (854 f.); vgl. auch B. Simma, in: W. Hummer (Hg.), Paradigmenwechsel, 2002, S. 45 (59 ff.). Zu self-contained regimes und ihrer Bedeutung im Recht der Staatenverantwortlichkeit s. B. Simma, NYIL 26 (1985), S. 111 (Bspr. A. Marschik, EJIL 9 (1998), S. 212); B. Simma/D. Pulkowski, EJIL 17 (2006), S. 483 (529); ILC, Fragmentation Report, S. 65 ff. 411
ILC, Report, A/58/10, S. 270 f., para. 419; M. Koskenniemi, Global Legal Pluralism, 2005, S. 7 f.; ders./P. Leino, LJIL 15 (2002), S. 553. Zur WTO als selfcontained regime s. A. Lindroos/M. Jehling, EJIL 16 (2005), S. 857; B. Simma/ D. Pulkowski, EJIL 17 (2006), S. 483 (529). 412 413
M. Koskenniemi/P. Leino, LJIL 15 (2002), S. 553 (561 f.). E. Benvenisti/G. Downs, Stanford LR 60 (2007), S. 595 (610 ff.).
414
N. Luhmann, Recht der Gesellschaft, 1993, S. 571 ff.; ders., Die Gesellschaft der Gesellschaft, 1997, S. 158 ff.: A. Fischer-Lescano/G. Teubner, RegimeKollisionen, 2006; s. zum „global legal pluralism“ die Überblicksaufsätze von P. S. Berman, Annu. Rev. Law Soc. Sci. 5 (2009), S. 225; R. Michaels, Annu. Rev. Law Soc. Sci. 5 (2009), S. 243. 415
A. Fischer-Lescano/G. Teubner, Regime-Kollisionen, 2006, S. 23 f.
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
89
b) Verhältnis von Konstitutionalisierung und Fragmentierung Das Verhältnis der Konstitutionalisierung zur Fragmentierung ist ambivalent. Einerseits kann die Konstitutionalisierung verschiedener Regimes die Fragmentierung des Völkerrechts verschärfen.416 Andererseits wird eine übergreifende Konstitutionalisierung des Völkerrechts gerade als Ausweg aus der Fragmentierung gesehen.417 Diese scheinbar widersprüchlichen Vorstellungen zeigen zunächst die Bandbreite des Konstitutionalisierungsbegriffs. Rechtssicherheit und Rechtsgleichheit, die eine gewisse Kohärenz des Rechts voraussetzen, sind jedenfalls zentrale konstitutionalistische Werte.418 Zutreffend ist aber auch, dass die Konstitutionalisierung in Teilbereichen des Völkerrechts und die Fragmentierung keine widersprüchlichen Entwicklungen, beides vielmehr Folgen eines Wachstumsprozesses im Völkerrecht sind.419 In Anknüpfung an Jenks wurde das Problem der Fragmentierung dogmatisch vor allem als Frage eines geeigneten Kollisionsrechts angesehen.420 Für das Verhältnis internationaler Organisationen untereinander hält das fragmentierte Völkerrecht wenige Normen bereit, zudem wird die Kollision bislang vor allem als Normkollision, nicht als Institutionenverhältnis konzipiert.421 Normkonflikte sollen mithilfe systemati-
416
J. Klabbers, IOLR 1 (2004), S. 31 (53 f.).
417
Vgl. B. Fassbender, in: N. Tsagourias (Hg.), Transnational Constitutionalism, 2007, S. 307 (311). 418
A. Peters, ZÖR 65 (2010), S. 3 (28).
419
G. Nolte, VN 2005, S. 190 (193 f.); s. zur Simultaneität pluralistischer und konstitutioneller Merkmale weiter A. Stone Sweet, Ind. GLSJ 16 (2009), S. 621 (631 ff.); für „constitutionalism“ und „pluralism“ als alternative normative Konzeptionen des postnationalen Rechts s. N. Krisch, LSE Law, Society and Economy Working Paper 12/2009. 420 C. W. Jenks, BYBIL 30 (1953), S. 403; ILC, Fragmentation of International Law: Difficulties Arising From the Diversification and Expansion of International Law: Report of the Study Group of the International Law Commission, UN-Dok. A/CN.4/L.682 v. 13.4.2006, para. 46 ff.; H. Keller, ZaöRV 67 (2007), S. 623 (635); C. Thiele, AVR 46 (2008), S. 1 (4 ff.); s. allerdings zum Aspekt der Kompetenzverteilung T. Broude, FS Lapidoth, 2008, S. 99. 421
Internationale Verfassung sieht als Antwort auf das Bedürfnis nach Konfliktregeln zwischen den einzelnen „issue areas“ J. Trachtman, EJIL 17 (2006), S. 623 (627). Eine tertiäre Regel über die Verteilung von Rechtsetzungsmacht ist hiernach die konstitutionelle Subsidiarität.
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1. Kapitel
scher Auslegung (vgl. Art. 31 Abs. 3 lit. c WVK) vermieden422 oder mittels Abwägung sich widersprechender Werte auf der Grundlage des Verhältnismäßigkeitsprinzips in der Rechtsanwendung geklärt werden.423 So soll etwa die UNO-Charta als Rahmenordnung die notwendige Einheit des Völkerrechts gewährleisten.424 Indes enthält die UNOCharta wenig konkrete Aussagen zu den einzelnen Teilbereichen des Völkerrechts. Zumindest sollen im Völkerrecht verkörperte Werte, neben den Grundsätzen der Charta insbesondere das ius cogens, als cohesive glue das fragmentierte Völkerrecht zusammenhalten und Orientierung bei der Interpretation einzelner Rechtsregime bieten.425 Auf diese Weise soll eine gemeinsame Wertgrundlage der funktional differenzierten Teilsysteme hergestellt werden. Erwogen wurde aber auch, dem IGH als einer Art Berufungsinstanz eine zentrale institutionelle Stellung im System der internationalen Gerichtsbarkeit einzuräumen.426 Ob auf dieser Grundlage das Völkerrecht als systematische Einheit verstanden werden kann, erscheint angesichts der beschränkten Reichweite der Charta für das fragmentierte System internationaler Organisationen427 und der geringen praktischen Relevanz insbesondere des ius cogens für deren Praxis zweifelhaft. Indes schließt es ein konstitutioneller Ansatz nicht aus, die Einheit des pluralistischen Völkerrechts in Kollisionsregeln zu finden, anstatt einen Platzhalter für die systematische Einheit des Rechts einzusetzen. Die Fragmentierung wirft gerade die verfassungsrechtliche Frage auf, wie sich die Teilbereiche unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung zueinander verhalten.428
422
ILC, Fragmentation of International Law: Difficulties Arising From the Diversification and Expansion of International Law: Report of the Study Group of the International Law Commission, UN-Dok. A/CN.4/L.682 v. 13.4.2006, para. 410 ff. 423 424 425
A. van Aaken, Ind. GLSJ 16 (2009), S. 483. B. Fassbender, FS Isensee, 2007, S. 71 (89 ff.). S. die Nachweise in Fn. 94.
426
G. Hafner, Mich. JIL 25 (2004), S. 849 (861); s. auch die Nachweise bei M. Koskenniemi/P. Leino, LJIL 15 (2002), S. 553 (553 ff.). 427
C. Walter, in: A. Nollkaemper (Hg.), New Perspectives on the Divide between International Law and National Law, 2007, S. 191 (198). 428
Vgl. L. Helfer, Loyola L.A. LR 37 (2003), S. 193 (209 ff.).
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
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3. Völkerverfassungsrecht versus globales Verwaltungsrecht a) Global Administrative Law als Forschungszweig Als Alternative zu einer verfassungsrechtlichen Perspektive, aber auch als Ergänzung, bietet sich eine Betrachtung der im Bereich der sogenannten global governance entstehenden Strukturen und Normen als globales Verwaltungsrecht an. Die Lehre von einem Global Administrative Law sucht nach übergreifenden Grundsätzen eines öffentlichen Rechts.429 Grundlegend hierfür ist die Annahme, dass global governance als Regulierung und Verwaltungstätigkeit verstanden werden kann. Unterhalb der Ebene der diplomatischen Konferenzen und völkerrechtlichen Verträge werden große Bereiche des wirtschaftlichen und sozialen Lebens durch Einzelfallentscheidungen und Regelbildung verwaltet und reguliert. Dabei übersteigt ihre tatsächliche Bedeutung bei weitem die öffentliche Aufmerksamkeit, die ihnen zukommt. Eine genaue Definition dieser Verwaltungstätigkeit wurde noch nicht gefunden. Sie wird aber ähnlich wie im innerstaatlichen Bereich negativ von der Gesetzgebung in Vertragsform und von der Rechtsprechung in Gestalt episodischer Streitbeilegung zwischen Staaten oder anderen Streitparteien abgegrenzt.430 Zentral ist weiterhin die These, dass ein globaler Verwaltungsraum (global administrative space) entsteht, in dem die klassische Unterscheidung zwischen innerstaatlicher Verwaltung und zwischenstaatlicher Zusammenarbeit schwer aufrecht zu erhalten ist.431 Formelle internationale Organisationen übernehmen Verwaltungsfunktionen, aber auch transnationale Netzwerke und kooperierende nationale Regulierungsbehörden erledigen Verwaltungsaufgaben, gemeinsame Vertragsregime etablieren dezentralisierte Verwaltungssysteme und hybride zwischenstaatlich-private Arrangements wie auch private Institutionen übernehmen Regulierungsfunktionen.432 Vor allem zeigt der Ansatz die Bedeutung privater und hybrider Akteure wie ICANN oder ISO und in-
429
B. Kingsbury/N. Krisch/R. Stewart, LCP 68 (2005), S. 15; vgl. B. Kingsbury, Journal of International Law and Diplomacy, 104 (2005), S. 98; S. Cassese, Rivista trimestrale di diritto pubblico 55 (2005), S. 331. 430 431 432
B. Kingsbury/N. Krisch/R. Stewart, LCP 68 (2005), S. 15 (17). B. Kingsbury/N. Krisch/R. Stewart, LCP 68 (2005), S. 15 (25 ff.).
B. Kingsbury/N. Krisch/R. Stewart, LCP 68 (2005), S. 15 (20 ff.); s. zu den Strukturen des globalen Verwaltungsrechts auch S. Cassese, NYU JILP 37 (2005), S. 663 (670 ff.).
92
1. Kapitel
formeller Handlungsweisen auf und erfasst deren Mehrebenendimension.433 Die Unterscheidung zwischen innerstaatlichem Recht und Völkerrecht schwindet dabei in ihrer Bedeutung. Erkennbar wird auch, wie weiche Formen der Regelbildung und der Kodezision die souveräne Gleichheit der Staaten unterwandern. Allein der Umfang der jenseits des Staates getroffenen Regulierungen wirft Legitimitätsfragen auf.434 Auf normativer Ebene ist der verwaltungsrechtliche Ansatz zunächst für verschiedene Modelle eines Global Administrative Law offen: Denkbar ist ein primär auf interne Verwaltungskontrolle gerichteter pluralistischer Ansatz, einer auf den Schutz von individuellen und staatlichen Rechten fokussierter solidarischer sowie ein kosmopolitischer auf demokratische Legitimation zielender Ansatz.435 Auf der Grundlage dieser Annahmen wird die Übertragung von Anforderungen, Mechanismen und Institutionen des nationalen Verwaltungsrechts auf die globale Ebene erwogen. ‚Kandidaten‘ für entstehende gemeinsame Grundsätze sind Verfahrensbeteiligung und Transparenz, Entscheidungsbegründung, Kontrolle, aber auch materielle Standards wie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.436
b) Abgrenzung von der Konstitutionalisierungslehre Von einem verfassungsrechtlichen grenzt sich der verwaltungsrechtliche Ansatz ab, weil er das verfassungsrechtliche Denken im Völkerrecht mit der normativen Erwartung einer konzentrierten Hoheitsgewalt assoziiert. Dieser als utopisch verworfenen Idee wird ein pluralistischer Ansatz für eine sich selbst tragende Verwaltung entgegen gesetzt, der auch als normativ vorzugswürdig gilt.437 Das Global Administrative Law433
Vgl. A. von Bogdandy/P. Dann/M. Goldmann, GLJ 9 (2008), S. 1375 (1378). 434 435
N. Krisch/B. Kingsbury, EJIL 17 (2006), S. 1. B. Kingsbury/N. Krisch/R. Stewart, LCP 68 (2005), S. 15 (42 ff.).
436
B. Kingsbury/N. Krisch/R. Stewart, LCP 68 (2005), S. 15 (37 ff.); N. Krisch/B. Kingsbury, EJIL 17 (2006), S. 1; s. auch D. Esty, Yale LJ 115 (2006), S. 1490 (1524 ff.). 437
N. Krisch, EJIL 17 (2006), S. 247 (263 ff.); s. auch E. Macdonald/E. Shamir-Borer, ESIL Proc. 2 (2008), S. 214 (215, 229); N. Krisch, LSE Law, Society and Economy Working Paper 10/2009, S. 10 – „holistic ambition“ of foundational constitutionalism; ders., in: P. Dobner/M. Loughlin (Hg.), The Twilight of Constitutionalism?, 2010, S. 245.
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
93
Projekt könne strukturelle, konzeptionelle und normative Unterschiede, die Bandbreite der Formen, Akteure und Praktiken besser erfassen.438 Durchaus erwogen wird aber auch ein Komplementärverhältnis von konstitutionellem und administrativem Verständnis der global governance.439 Vor allem ein dezidiert normativer Ansatz, der von der Rechtfertigungsbedürftigkeit öffentlicher Hoheitsgewalt ausgeht, bezieht eine zentrale Frage des Verfassungsrechts mit ein. Der Begriff der Verwaltung ist danach zu eng.440 Ohnehin setzt sich das Verständnis der global governance dem Einwand aus, dass das Verwaltungsrecht als zentrale Kategorie begrifflich schwer zu fassen ist.441 Die Übernahme verwaltungsrechtlicher Figuren aus dem nationalen Recht drückt genauso eine normative Erwartung aus wie die Übertragung von als verfassungsrechtlich qualifizierten Anforderungen auf das moderne Völkerrecht. Wegen ihres höheren Abstraktionsgrades lassen sich die normativen Anforderungen des staatlichen Verfassungsrechts möglicherweise sogar besser auf das Völkerrecht übertragen als die des Verwaltungsrechts.442
D. Zwischenfazit und Konsequenzen für den weiteren Gang der Untersuchung Die Konstitutionalisierungsdebatte bezieht sich auf zwei grundlegende rechtsempirisch nachvollziehbare Phänomene: die Autonomisierung des Völkerrechts sowie die Übernahme und Verstärkung von Verfassungsfunktionen aus dem staatlichen Recht. Dabei hat die Vorstellung von der Autonomisierung des Völkerrechts eine inhaltliche und eine institutionelle Dimension und betrifft zudem die Geltungsbegründung des Völkerrechts. Für die inhaltliche wie die institutionelle Dimension sind das Recht der Vereinten Nationen und das WTO-Recht die wich438
E. Macdonald/E. Shamir-Borer, ESIL Proc. 2 (2008), S. 214 (220).
439
Vgl. A. von Bogdandy/P. Dann/M. Goldmann, GLJ 9 (2008), S. 1375 (1394); E. Macdonald/E. Shamir-Borer, ESIL 2 (2008), S. 214 (224); M. Kuo, San Diego ILJ 10 (2008-2009), S. 439 (465) – „dual reflexivity“. 440
A. von Bogdandy/P. Dann/M. Goldmann, GLJ 9 (2008), S. 1375 (1381
ff.). 441 442
N. Krisch/B. Kingsbury, EJIL 17 (2006), S. 1 (7).
Gegen eine scharfe Unterscheidung zwischen globalem Verfassungsrecht und globalem Verwaltungsrecht A. Peters, ZÖR 65 (2010), S. 3 (13) mit Fn. 47.
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1. Kapitel
tigsten Referenzgebiete. Ein als Werteordnung verstandenes Völkerrecht transzendiert die Koordinationsinteressen der Staaten und ist Ausdruck von Gemeinschaftsinteressen und universell geteilten ethischen Vorstellungen. In qualifizierten Formen der Verrechtlichung mit gerichtlicher Streitbeilegung und regimespezifisch angepasster Rechtsumsetzung lässt sich eine institutionelle Verselbständigung des Völkerrechts und seiner Teilsysteme sehen. Für eine Selbstbegründung des Völkerrechts, die seine jedenfalls teilweise Lösung vom Staatenkonsens erfordert, bietet die Konstitutionalisierungslehre vor allem dogmatische Improvisationen. Entscheidend ist demgegenüber, dass die Konstitutionalisierungsidee Eingang in eine fortgesetzte Interpretationspraxis findet. Wenn schon keine Verfassung, so kann hier doch die Verfassungsidee Geltungssymbol des Völkerrechts sein. Die Übernahme und Verstärkung von Verfassungsfunktionen aus dem staatlichen Recht durch das Völkerrecht lässt sich mit der Idee verbinden, dass völkerrechtliche Normen eine Nebenverfassung zu den staatlichen (Teil-)Verfassungen bilden. Das gilt insbesondere für den internationalen Menschenrechtsschutz, ist aber auch für das WTO-Recht und bestimmte weitere völkerrechtliche Anforderungen an die Legitimität von Staatsgewalt vorstellbar. Die konstitutionellen Ansätze des „Compensatory Constitutionalism“ und des „Multilevel Constitutionalism“ zielen als übergreifende Theorien mittlerer Reichweite auf ein normatives Erklärungsmodell für das Phänomen der Konstitutionalisierung mit seinen unterschiedlichen Aspekten. Auf derselben Ebene setzen eine transnationale Netzwerkperspektive, die Fragmentierungsdiskussion und die Lehre vom globalen Verwaltungsrecht andere Akzente bei der Identifizierung paradigmatischer Entwicklungen in der Völkerrechtsordnung. Nach der Analyse der Phänomene, an die die Konstitutionalisierungsthese anknüpft, bleiben einige offene Fragen: Zunächst ist zweifelhaft, was genau ein Verständnis des Völkerrechts als „Werteordnung“ bedeuten soll. Es erscheint unzulässig, aus dem bloßen Befund einer „Werteordnung“ weitere rechtliche Schlussfolgerungen abzuleiten. Dennoch unterscheiden sich gemeinschaftsbezogene Normen möglicherweise strukturell vom traditionellen zwischenstaatlichen Völkerrecht. Ihre besondere Qualität, aber auch ihr Verhältnis zu sonstigen völkerrechtlichen Normen gilt es daher genauer zu analysieren. Für Wertnormen wie für Gründungsverträge internationaler Organisationen stellt sich die Frage, inwiefern sie Vorrang gegenüber anderem Völkerrecht beanspruchen können und welche Bedeutung dieses Vorrangargument für ihren Verfassungscharakter hat. Sicher ist, dass der
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
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Verweis auf den Werteordnungscharakter des Völkerrechts Probleme seiner Legitimität nicht löst, sondern eine Reihe von Faktoren die Legitimitätsfrage in einem scharfen Licht erscheinen lässt. Dazu zählen einerseits sowohl die Zunahme völkerrechtlicher Regelungen als auch die institutionelle Entwicklung der Völkerrechtsordnung und seine teilweise Verselbständigung gegenüber dem Staatenkonsens. Andererseits ist auch die verstärkte Einwirkung der völkerrechtlichen Ebene in den innerstaatlichen Bereich aus einer liberaldemokratischen Perspektive nicht allein mit dem Hinweis darauf zu rechtfertigen, dass damit eine ‚gute Ordnung‘ etabliert werde. Es ist demnach von einem Spannungsverhältnis zwischen der ideengeschichtlich voraussetzungsvollen Vorstellung von einer Konstitutionalisierung des Völkerrechts, verstanden als Herausbildung einer Verfassungsordnung, und den vielfältigen realen Defiziten der Völkerrechtsordnung auszugehen. Der weitere Gang dieser Untersuchung wird daher von drei grundlegenden Erwägungen bestimmt. Sollen die Interpretation des Völkerrechts als Verfassungsordnung und die Perspektive einer Konstitutionalisierung im Völkerrecht bedeutungsvoll sein, so muss sich zunächst einerseits der Verfassungsbegriff aussagekräftig auf die internationale Ebene übertragen lassen, andererseits die Konstitutionalisierungsdebatte die idealistischen Interpretationen des Normenbestandes substantiell erneuern. Deshalb wird im 2. Teil der Arbeit auf den Begriff der Verfassung, seine Geschichte und seinen Bezug zum Staat eingegangen (2. Kapitel). Die Auseinandersetzung mit dem Begriff der Verfassung soll insbesondere einen Beitrag zur Klärung der Frage leisten, inwiefern sich eine Konstitutionalisierung im Völkerrecht von einer bloßen Verrechtlichung der internationalen Beziehungen unterscheiden kann. Das Verfassungsdenken jenseits des Staates hat aber auch Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre der Völkerbundzeit (3. Kapitel) und kann sich auf Wurzeln der Konstitutionalisierungsidee in Naturrecht und Aufklärung stützen (4. Kapitel). Die Konstitutionalisierungsdebatte knüpft daran an, unterscheidet sich aber auch qualitativ von ihren Vorläufern, weil sie sich auf empirische Veränderungen in der Völkerrechtsordnung beziehen kann. Die zweite grundlegende Erwägung lautet, dass eine für die Rechtswissenschaft relevante Konstitutionalisierungsthese in dogmatischen Begriffen des Völkerrechts Ausdruck finden muss, die sich als Abbilder von Merkmalen des Verfassungsrechts verstehen lassen. Wenn sich die Theorie auf diese Weise in der Dogmatik verfestigt, rechtfertigt sie den Paradigmenwechsel im Völkerrechtsverständnis, den sie nahe legt. Im 3. Teil der Arbeit ist daher auf das juristische System konzentriert anhand
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1. Kapitel
verschiedener Referenzbereiche zu fragen, inwieweit sich die These der Konstitutionalisierung in der allgemeinen Dogmatik des Völkerrechts nachvollziehen lässt. Für die Herausbildung einer hierarchisch übergeordneten Vorrangordnung sind daraufhin insbesondere die völkerrechtlichen Fundamentalnormen sowie die UNO-Charta zu untersuchen (5. Kapitel). Neben der Hierarchisierung im Völkerrecht ist für die Konstitutionalisierung auch die Objektivierung, d. h. die Herausbildung einer objektiven universellen Ordnung zum Schutz von Gemeinschaftsgütern, zentral. Sie ist auf der Ebene der allgemeinen Dogmatik als Frage der völkerrechtlichen Quellenlehre aufzugreifen (6. Kapitel). Für die Hierarchisierung und die Objektivierung ist der Wertecharakter bestimmter Normen ein wichtiges Argument. Es ist in diesem Zusammenhang also auch die Validität des auf den Charakter des Völkerrechts als Werteordnung gestützten Arguments weiter zu prüfen. Sollen Hierarchisierung und Objektivierung Elemente der Konstitutionalisierungslehre bilden, so ist auch darauf zu achten, dass der Vorrang und die konsensunabhängige Geltung bestimmter Normen tatsächlich effektiv sind. Schließlich wirft der Legitimitätsbedarf der internationalen Ordnung, der sich aufgrund der beschriebenen Verselbständigungstendenzen ergibt, für Vertreter einer konstitutionellen Sichtweise auch die Frage auf, wie die Bindung der Ausübung von Hoheitsgewalt jenseits des Staates an grundlegende verfassungsrechtliche Standards dogmatisch begründet werden kann (7. Kapitel). Während im 3. Teil der Arbeit Ansätze, die aus einem konstitutionellen Völkerrechtsverständnis heraus entwickelt worden sind, einer kritischen Analyse unterzogen werden sollen, werden im 4. Teil Überlegungen zu einer Prinzipienlehre des pluralistischen Verfassungsrechts jenseits des Staates angestellt. Sie beruhen auf der dritten Leiterwägung dieser Arbeit, dass eine Konstitutionalisierungsthese, die auf die Rekonstruktion der Völkerrechtsordnung insgesamt als Verfassungs- und oberste Werteordnung in der Tradition des europäischen Konstitutionalismus zielte, eine Überinterpretation des Normbestandes bedeutete. Die Konstitutionalisierung stützt sich weniger auf starke Normbehauptungen, sondern schafft Begründungslasten. Ihre besonderen Entstehungsbedingungen im Völkerrecht der Gegenwart und ihre Wirkungsweise im völkerrechtlichen Diskurs gilt es zu analysieren und dogmatisch und theoretisch einzuordnen. Angestrebt wird also kein Versuch einer Gesamtkonzeption zur Konstitutionalisierung des Völkerrechts, sondern eine Auseinandersetzung mit den Bedingungen völkerverfassungsrechtlichen Argumentierens als Aussage über den Stand einer Konstitutionalisierung im Völkerrecht. Im abschließenden 8. Kapitel
Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese
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wird dazu die Herausbildung objektiver Normen in Auseinandersetzung mit Erkenntnissen der konstruktivistischen IB-Forschung als Entstehung allgemeiner Rechtsgrundsätze mit materiellem Verfassungscharakter aufgegriffen. Während die Einordnung als allgemeine Rechtsgrundsätze der Kennzeichnung des Entstehungsprozesses dieser nichtreziproken Normen dient, soll ihre Qualifikation als Rechtsprinzipien die Grundlagen für ihre Anwendung bestimmen und die Möglichkeit einer Konstitutionalisierung in der Rechtsanwendung jenseits starrer Normhierarchien sowie einer an Legitimitätskriterien orientierten Entscheidung von Kollisionsfragen aufzeigen.
2. Teil Voraussetzungen und Vorläufer
Im 2. Teil der Arbeit ist nun zunächst begriffsanalytisch zu klären, inwiefern sich die Rede von der Konstitutionalisierung im Völkerrecht auf einen tradierten Verfassungsbegriff beziehen lässt (2. Kapitel). Zwar ist der Begriff der Verfassung aus bestimmten Perspektiven mit dem des Staates systematisch verschränkt. Jedoch gibt es schon in der Völkerbundzeit Vorläufer verfassungsrechtlichen Denkens im Völkerrecht (3. Kapitel). Schließlich beziehen sich die völkerrechtlichen Konstitutionalisten selbst auf Wurzeln in Naturrecht und Aufklärung (4. Kapitel).
2. Kapitel: Der Begriff der Verfassung, seine Geschichte und sein Bezug zum Staat Die Kontextualisierung der Verfassung im Staat ist Gegenstand vor allem der Beiträge von Verfassungsrechtlern zur Konstitutionalisierungsdiskussion.1 Wie im 1. Kapitel gezeigt, zielt die Konstitutionalisierungsdiskussion nicht einfach auf eine Übertragung des gesamten Programmes westlicher Verfassungsstaatlichkeit auf die Völkerrechtsordnung.2 Ein auf den demokratischen Rechtsstaat bezogener emphatischer Ver1
S. zuletzt die Beiträge von D. Grimm, U. Preuss, M. Loughlin und R. Wahl in: P. Dobner/M. Loughlin (Hg.), The Twilight of Constitutionalism?, 2010, S. 3, 23, 47, 220. 2
S. auch B.-O. Bryde, in: Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.), Die Zukunft in einer globalisierten Welt, 2006, S. 88 (91) m. N., sowie die differenzierten Darstellungen verschiedener Ansätze zur Übertragung des Verfassungsbegriffs auf das Völkerrecht bei W. Kälin, recht Sonderheft (2005), S. 42 (43 ff.); O. Diggelmann/T. Altwicker, ZaöRV 68 (2008), S. 623 (632 ff.).
T. Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 231, DOI 10.1007/978-3-642-24884-9_2, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
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fassungsbegriff verkörpert im Zeitalter der Globalisierung aber eine tradierte normative Erwartungshaltung. Die sich aufdrängende Frage ist, wie sie sich bei schwindender Bedeutung einzelner Staatsverfassungen als Rahmenordnungen aufrechterhalten lässt.3 Angesichts der bereits dargelegten inhaltlichen Überschneidung nationaler und internationaler Rechtsnormen kann die Hypothese einer wechselseitigen Beeinflussung von staatlicher Verfassungstradition und Völkerrecht, die auch das Selbstverständnis der Akteure des Völkerrechts nicht unberührt lässt, als Ausgangspunkt der Untersuchung dienen.4 In diesem Sinne lässt sich möglicherweise die Begriffsgeschichte der Verfassung auf internationaler Ebene fortschreiben. Zugleich könnte die Internationalisierung und Transnationalisierung der Verfassungsidee zu einer neuen Perzeption der internationalen Ordnung führen,5 die sich, wie im 3. Teil der Arbeit zu untersuchen sein wird, auch auf die allgemeine Dogmatik des Völkerrechts auswirkt. Vollzieht man die historischen Entwicklungslinien des Verfassungsbegriffs nach, so zeigt sich dessen Wandelbarkeit (A.). Dennoch werden die Begriffe Staat und Verfassung in der staats- und verfassungsrechtlichen Literatur teilweise systematisch verknüpft (B.).
A. Vom antiken zum modernen Verfassungsbegriff Unabhängig davon, ob es sich bei dem jeweiligen Verfassungsbegriff um einen deskriptiven oder normativen Begriff handelt, ist sein Wirkungs3
S. zur Kontextualisierung der Verfassung im Staat auch R. Wahl, in: P. Dobner/M. Loughlin (Hg.), The Twilight of Constitutionalism?, 2010, S. 220 (234 ff.); zur Kritik am Mehrebenenkonstitutionalismus als normativistisch und legalistisch M. Loughlin, Der Staat 48 (2009), S. 1 (17 ff.); ders., in: P. Dobner/ ders. (Hg.), The Twilight of Constitutionalism?, 2010, S. 47 (63 ff.). 4 Eine Verbindung zwischen der innerstaatlichen Konstitutionalisierung und der Konstitutionalisierung im Völkerrecht lässt sich ziehen, wenn man beides als Phänomene der Migration konstitutioneller Werte begreift, vgl. M. Moran, in: S. Choudhry (Hg.), The Migration of Constitutional Ideas, 2006, S. 233. 5 Vgl. zum Spannungsverhältnis von Sozialgeschichte und Begriffsgeschichte R. Koselleck, Begriffsgeschichten, 2006, S. 9 ff.; theoretisch zum kognitivistischen und zum konstruktivistischen Aspekt der Begriffsgeschichte C. Fraas, in: M. Wengeler (Hg.), Deutsche Sprachgeschichte nach 1945, 2003, S. 48; zu einem sozialkonstruktivistischen Verständnis der Verfassungsdiskussion in der Völkerrechtslehre O. Diggelmann/T. Altwicker, ZaöRV 68 (2008), S. 623 (642 ff.).
Begriff der Verfassung
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bereich durch die Reichweite der Ordnungsvorstellungen beschränkt, die die politische Philosophie entwickelt.6 Fehlen Vorstellungen von einer Ordnung im anspruchsvollen Sinne, die über ein konkretes Gemeinwesen hinausgehen, so bleibt auch der Verfassungsbegriff auf dieses Gemeinwesen beschränkt.
I. Antikes Griechenland Das Ordnungsdenken der antiken Griechen bezieht sich auf den Stadtstaat der Polis. Im 6. Jahrhundert vor Christus ist zentraler Begriff dieses Denkens die Eunomie.7 Eunomie bedeutet sehr allgemein eine gottgewollte „Wohlordnung“, die sich in gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen, politischen Institutionen und in der Wirkungskraft ethischer Grundsätze zeigt.8 Konkreter ist der gegen Ende des sechsten oder Anfang des fünften Jahrhunderts auftretende Begriff der Isonomie. Die Idee der „Gleichheitsordnung“ zielt auf vermehrte politische Teilhabe der Bürger an der Herrschaft über die Polis. Das Ausmaß der Teilhabe wird zum Differenzierungskriterium und ermöglicht die Bildung von Verfassungstypen: Königtum, Aristokratie und Politie mit ihren negativen Abweichungen Tyrannis, Oligarchie und Demokratie.9 Die Differenz von guter und schlechter Verfassung beruht bei Aristoteles auf dem Gegensatz zwischen Polis (im Sinne von Stadt, Öffentlichkeit, Allgemeinheit) und Oikos (dem Haus, der Privatheit, der Besonderheit), zwischen Allgemein- und Partikularinteresse. Das Eindringen von Oikos-Kategorien in die Welt des Politischen ist ein Anzeichen für deren Zersetzung, da politische Herrschaft nicht nach dem paternalistischen, dem despotischen Muster organisiert werden darf.10 Gute Verfassung ist die, in der sich der Mensch als zoon politikon, als politisches
6
S. zu Universalismus und Partikularismus als Paradigmen einer Philosophie des Völkerrechts seit der Antike A. von Bogdandy/S. Dellavalle, IILJ WP 2008/3. 7 Dazu und zum Folgenden H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfas2 sung, 2002, S. 1 (5 ff.). 8
Vgl. C. Meier, in: R. Koselleck (Hg.), Historische Semantik und Begriffsgeschichte, 1978, S. 193 (196). 9 Vgl. Aristoteles, Politik IV, 1289 a 26, Begriffe nach der Übersetzung von 2 O. Gigon, 1973, S. 137. 10 W. Kersting, Gesellschaftsvertrag, 1994, S. 3 f.
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Lebewesen in der Sorge um das Allgemeine in der politischen Gemeinschaft, der pluralistischen und diskursiven koinonia politike entfaltet.11 Dem Begriff der Politeia kommen neben der für das Dreiverfassungsschema relevanten Bedeutung als Teilhabe des Einzelnen an der Polis im Sinne des Bürgerrechts („gute Demokratie“) noch zwei weitere Bedeutungen zu: Er bezeichnet auch die Gesamtheit und Gemeinschaft der Bürger, die sich im Staat konkretisiert („Bürgerschaft“), sowie die Ordnung, unter der die Bürger im Staat leben, und die Form der Herrschaftsausübung („Verfassung“). Allmählich erhält der Begriff der Politeia auch eine über die Bedeutung von „Bürgerschaft“ und „gute Demokratie“ hinausgehende normative Komponente im Sinne einer „rechtmäßigen Ordnung“ schlechthin.12 Aristoteles definiert Politeia als „Ordnung des Staates hinsichtlich der Fragen, wie die Regierung aufgeteilt ist, welche Instanz über die Verfassung entscheidet und was das Ziel jeder einzelnen Gemeinschaft bildet“. Die Gesetze seien „getrennt von den Vorschriften, die die Verfassung charakterisieren“, und gäben „die Richtlinien, nach denen die Regierenden zu regieren und Übertretungen abzuwehren“ hätten.13 Sie müssten sich nach der Verfassung richten.14 Primär erfasst die Politeia bei ihm „ein System der Magistraturen“ mit der Ordnung der leitenden Magistratur an der Spitze15 und nicht die gesamte gesellschaftliche und staatliche Formstruktur mit einem gesetzlichen Rahmen.16 Aufgrund dieses Bedeutungsakzentes auf der Ämterorganisation ist die geläufige Übersetzung von Politeia mit Verfassung nicht unproblematisch. Die Übersetzungsproblematik wird
11 Vgl. J. Isensee, JZ 54 (1999), S. 265 (268) – „Nicht das Individuum ist vollkommen, sondern der Staat.“ 12 C. Meier, in: R. Koselleck (Hg.), Historische Semantik und Begriffsgeschichte, 1978, S. 193 (211 ff.). S. auch H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Ver2 fassung, 2002, S. 1 (6) sowie W. Pauly, Stichwort „Verfassung”, HRG V, 1998, Sp. 698 (699). 13 Aristoteles, Politik IV, 1289 a 15, zitiert nach der Übersetzung von Gigon (s. Fn. 9); vgl. auch III, 1275 a 38 und 1278 b 8. 14 Aristoteles, Politik IV, 1289 a 14. 15 O. Gigon, Aristoteles/Politik (s. Fn. 9), S. 303; G. Stourzh, in: F. EngelJanosi u. a. (Hg.), Fürst, Bürger, Mensch, 1975, S. 97 (102); H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (8). 16
So aber K. Loewenstein, Verfassungslehre, 42000, S. 127 f. mit Fn. 1.
Begriff der Verfassung
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dadurch verschärft, dass Politeia im Gegensatz zu Verfassung ein Begriff ausschließlich der Staatstheorie und nicht des Staatsrechts ist.17 Aus staatstheoretischer Perspektive untersucht Aristoteles die Situation der griechischen Städte des fünften und vierten Jahrhunderts vor Christus. Den (Stadt-)Staat betrachtet er als höchste Schöpfung in der Hierarchie menschlicher Gemeinschaftsformen. Als eine Vielzahl von Geschlechtsverbänden ist der Staat Naturgegebenheit und echter Organismus.18 Weil Ordnungsvorstellungen in einem anspruchsvollen Sinne jenseits der Polis gar nicht existieren,19 erfährt hier die entwicklungsmäßig enge Verknüpfung der Begriffe „Verfassung“ und „Staat“ ihre Vorprägung.20 Sie findet ihren verkürzten Ausdruck in einem Zitat des Aristoteles: „Wer untersuchen will, welches das Wesen und die Eigenschaften der verschiedenen Verfassungen sind, muß zuerst nach dem Staate fragen, was er wohl sein mag.“21
II. Rom Der auf das Gemeinwesen bezogene Begriff der Verfassung findet keine direkte Entsprechung in der antiken lateinischen Sprache. Insbesondere meint constitutio niemals die gesamte Verfassung des Gemeinwesens, sondern immer nur einen einzelnen Erlass.22 Bei Cicero werden jedoch 17
H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (8); s. auch O. Gigon, Einleitung zur Politik des Aristoteles (s. Fn. 9), S. 29; C. Meier, in: R. Koselleck (Hg.), Historische Semantik und Begriffsgeschichte, 1978, S. 193 (200). 18 O. Gigon, Einleitung zur Politik des Aristoteles, 1973, S. 7 (18); H. 2 Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 2002, S. 1 (9). 19 Die universalistische stoische Philosophie ist weniger Rechtslehre und politische Philosophie als Individualethik und Pflichtenlehre: H. Hofmann, JZ 56 (2001), S. 1 (3). Zu Aristoteles’ Brief an Alexander mit der Vision eines Weltstaates mit Verfassung, Regierung und ohne Krieg s. S. Stern, Aristotle and the World State, 1968; O. Höffe, IZPh 2 (1997), S. 218 – es handelt sich wohl um eine Fälschung. 20 H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (9). 21 Aristoteles, Politik III, 1275 a 30, Übersetzung von Gigon (s. Fn. 9), S. 103. 22 Z. B. „constitutio Antoniniana“ (vgl. Ulp. D. 1, 4, 1, 2); s. dazu H. Grziwotz, Verfassungsverständnis der römischen Republik, 1985, S. 36; D. KyriazisGouvelis, JöR 39 (1990), S. 55 (58).
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vier Elemente der constitutio als Verfassung erkennbar: Autorität kraft Alter und Bewährung, gesellschaftliche und staatsorganisatorische Kräfte ausbalancierendes Gleichmaß (aequabilitas), freiheitswahrende Funktion und dauerhafte Beständigkeit (firmitudo).23 Cicero wird von manchen als erster wahrer Konstitutionalist im modernen Sinne verstanden.24 Allerdings hat er mit dieser Verwendung von constitutio soweit ersichtlich keine Nachfolger gefunden.25 In der römischen Kaiserzeit werden alle Formen und Arten gesetzlich wirkender Vorschriften der Kaiser unter dem Oberbegriff der constitutiones zusammengefasst. Der Unterschied zur Bezeichnung als lex ist dabei mehr stilistischer als rechtlicher Natur: Constitutio findet eher bei älteren Rechtsquellen Anwendung und bringt ein höheres Maß an Autorität zum Ausdruck.26 Mit der Wendung rem publicam constituere ist eine ausgeprägte Vorstellung von Verfassung nicht verbunden.27 Der Ausdruck wird synonym mit in formam redigere verwandt, gebräuchlich ist auch die Formulierung rem publicam restituere.28 Constituere bezeichnet die Schaffung jeden Rechts,29 nicht nur spezifischen Verfassungsrechts, constitutio die jeweilige Form der Anordnung des geschaffenen Rechts, hat aber auch ein organisatorisches Element.30 Rem publicam constituere meint neben der Schaffung einer Verfassung zugleich auch die Errichtung des staatlichen Gemeinwesens,31 so dass Verfassung und Gemeinwesen ununterscheidbar bleiben. Die Aufgabe, einem Gemeinwesen eine neue Ord23 Cicero, De republica I 45, ed. cit., S. 92; vgl. H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (12). Zur Verwendung von constitutio und constituere bei Cicero i. S. von Verfassung und Verfassunggebung s. auch H. Grziwotz, Verfassungsverständnis der römischen Republik, 1985, S. 318 m. N. und G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 31913, S. 506. Bei Jellinek findet sich an der genannten Stelle auch das relativ häufig zitierte Diktum, es sei der Begriff der Verfassung im materiellen Sinne, der zuerst im Altertum erkannt wurde. 24 D. Johnston, in: R. Macdonald/ders. (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 3 (16). 25 26 27 28
H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (14). H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (12). D. Kyriazis-Gouvelis, JöR 39 (1990), S. 55 (58).
H. Grziwotz, Verfassungsverständnis der römischen Republik, 1985, S. 317 m. N. 29 H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (11). 30 H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (13) m. N. 31 H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (11); W. Pauly, Stichwort „Verfassung“, HRG V, 1998, Sp. 698 (699).
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nung zu geben oder eine unsichere wieder zu festigen, wird zunächst außenpolitisch verstanden,32 erst später gewinnt die Sicherung von Eintracht und innerem Frieden den gleichen Stellenwert.33 Während der mehrere Menschenalter dauernden Krise des römischen Staates wird die Wendung zunächst nicht im Sinne eines grundlegenden Neubaus des Gemeinwesens oder einer Verfassunggebung verstanden, sondern als das Bestreben, die öffentlichen Angelegenheiten (wieder) ins Lot zu bringen.34 Mit Verfassung übersetzt werden könnte status rei publicae,35 eine Wendung, die Cicero bei der Beurteilung der staatlichen Verhältnisse36 deskriptiv im Sinne einer Zustandsbeschreibung aufgreift, aber auch als Oberbegriff der einzelnen Staatsformen Demokratie, Aristokratie und Monarchie gebraucht.37 Zentraler Begriff der römischen Staatsphilosophie ist der mos maiorum.38 Er enthält alle das öffentliche Leben betreffenden Grundsätze über die Zuständigkeiten der Staatsorgane, die Regeln ihres Handelns und das Verhältnis zwischen Amt und Amtsträger, d. h. die Ämterordnung schlechthin.39 Der durch die mores maiorum im Bereich der römischen Staatsorganisation vermittelte normativ wirkende Traditionszusammenhang lässt sich mit den Begriffen der Sitte oder des Gewohnheitsrechts nur schwer erfassen40 und soll hier nicht näher untersucht 32 So kann der siegreiche Feldherr im Krieg den Bestand des Staatswesens sichern: Liv. 2, 43, 6 („rem publicam sustinuit“). 33 Erste Ansätze schildert Liv. 4, 10, 8 für das Jahr 443 v. Chr. S. zu dieser Entwicklung H. Grziwotz, Verfassungsverständnis der römischen Republik, 1985, S. 317 m. w. N. 34 H. Grziwotz, Verfassungsverständnis der römischen Republik, 1985, S. 317 ff. m. N. 35 So auch H. Grziwotz, Verfassungsverständnis der römischen Republik, 1985, S. 19 mit Fn. 8. 36 Cicero, De republica, II 2, ed. cit., S. 96. 37 Dieser Oberbegriff erweist sich häufig als eine Übersetzung des griechischen Politeia, s. H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (13). Der Terminus wird auch von anderen Autoren im zuständlichen Sinne verwandt, z. B. von Tacitus, auch mit dem Genitivattribut „civitatis“; vgl. dazu W. Suerbaum, Vom antiken zum frühmittelalterlichen Staatsbegriff, 1977, S. 105 f. mit Fn. 76. 38 C. Meier, Res publica amissa, 1997, S. 54; H. Mohnhaupt, in: ders./D. 2 Grimm, Verfassung, 2002, S. 1 (10). 39 H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (10). 40 H. Grziwotz, Verfassungsverständnis der römischen Republik, 1985, S. 266 f., 281. Es handelt sich um Überlieferung, Herkommen, die „Summe der
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werden. Jedoch darf der traditionalistische Charakter der mores maiorum nicht zu dem Missverständnis führen, ihre Regeln wären statisch. Vielmehr ist ein besonderes Kennzeichen der römischen Verfassung ihr Prozesscharakter, den bereits Polybios hervorhob.41 Inwieweit bei den Römern tatsächlich eine Vorstellung von „Verfassung“ existierte, ist streitig,42 für verschiedene zeitliche Phasen des Römischen Reiches unterschiedlich zu beurteilen und soll hier nicht im Einzelnen vertieft werden. Nicht nachweisbar ist die Idee einer über den römischen Staat hinausgreifenden Verfassungsordnung. Vielmehr sahen die Römer in ihrem eigenen Weltreich den universus orbis.43
III. Mittelalter Zu Ende des 11. Jahrhunderts beginnt, ausgehend von Bologna, in Europa die Rezeption des römisch-kanonischen Rechts, ein halbes Jahrhundert später auch die Verbreitung der Werke des Aristoteles im lateinischen Westen.44 Dieser Einfluss erklärt die Funktion von constitutio und status als Schlüsselbegriffe der mittelalterlichen Lehre über den Staat wie auch die Auseinandersetzung mit dem aristotelischen Dreiverfassungsschema. Bei Thomas von Aquin bezeichnen politia, status und republica Formen der Herrschaftsgestaltung und damit die Staatstypen der aristotelischen Einteilung.45 Status entwickelt aber auch eine über die Klassifizierung hinausgehende Bedeutung im Sinne von (materieller) Herrschaft und wird damit annähernd synonym zu regimen oder povon den Vätern und Vorvätern gemachten Erfahrungen“, das „Alte, Ausprobierte, Bewährte“, „Lebensbilder […] und Leitwerte[…] der Vergangenheit“, um ein Dogma erst im vorletzten und letzten Jahrhundert der Republik, s. C. Meier, Res publica amissa, 1997, S. 54 f. 41 Polybios, Historiae, 6. 19, 13-14, ed. cit., S. 258 f., 265; vgl. H. Grziwotz, Verfassungsverständnis der römischen Republik, 1985, S. 18. 42 S. einerseits H. Grziwotz, Verfassungsverständnis der römischen Republik, 1985, S. 311 et passim, andererseits P. Grimal (Hg.), Fischer Weltgeschichte, Bd. 6, Der Hellenismus und der Aufstieg Roms. Die Mittelmeerwelt im Altertum II, 1978, S. 322. 43 Kaiser Augustus lässt den gesamten Erdkreis – „universus orbis“ – aufzeichnen, vgl. Lukas 2, 1. 44
H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (14); W. Pauly, Stichwort „Verfassung“, HRG V, 1998, Sp. 698 (699 f.). 45 H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (15) m. N.
Begriff der Verfassung
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tentia.46 Eine Sonderstellung nimmt Gregor von Toulouse (Gregor Tholosanus, 1540-1597) ein. Während er bei der Verwendung von status der aristotelischen Staatsformenlehre folgt und dabei die Ämterordnung als Element der Staatsorganisation in den Vordergrund rückt,47 gebraucht er constitutio im Sinne des gesellschaftlichen und staatlichen Gemeinwesens als einer Ordnung, in die der einzelne Mensch gestellt ist und an der er zugleich Anteil hat.48 Mit diesem umfassenden Begriffsverständnis kommt er der modernen Verfassungskonzeption nahe, allerdings nur in einem deskriptiven Sinne.49 Im Übrigen dominiert die Verwendung von constitutio in der Singularund Pluralform als rechtstechnischer Begriff des römischen Rechts für die einzelnen kaiserlichen Gesetzgebungsformen,50 zu übersetzen etwa mit ‚kaiserlicher Erlass‘. Häufig jedoch entspricht die Bezeichnung der mittelalterlichen Kaisergesetze als constitutiones in den modernen Editionen der Monumenta Germaniae Historica (MGH) in der Abteilung Constitutiones nicht der Quellensprache. So führt etwa die Goldene Bulle von 135651 nicht diese Selbstbezeichnung, wurde aber von der Reichsstaatslehre seit dem 17. Jahrhundert unbestritten als die erste lex fundamentalis des Reiches eingestuft.52 An einigen Stellen findet sich jedoch die Bezeichnung constitutio und betont dann stets die besondere Unverbrüchlichkeit, Geltungsdauer und Würde bestimmter kaiserlicher Privilegien und Rechtsgarantien.53 Als Rechtsregeln von grundsätzli-
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W. Mager, Zur Entstehung des modernen Staatsbegriffs, 1968, S. 32, 37; 2 H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 2002, S. 1 (16). 47 Petrus Gregorius Tholosanus, De republica libri sex et viginti, in duos 1 tomos distincti, tomus I, 1609 ( 1578), S. 3; Liber I, Cap. I, nr. 13. 48 Petrus Gregorius Tholosanus, De republica (s. Fn. 47) 4; Liber I, Cap. 1, nr. 16. 49 H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (17). 50 H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (19). Die Selbstbezeichnung constitutio tragen etwa das „Privilegium minus“ für Österreich von 1156, der Reichsspruch über die Mainzölle von 1157 und der Mainzer Reichslandfriede von 1235. 51 Die Goldene Bulle vom 10. Januar/25. Dezember 1356, abgedruckt in: D. Willoweit/U. Seif, Europäische Verfassungsgeschichte, 2003, S. 71 ff. 52 H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (18). 53 Etwa in Cap. VIII, XI, XVII, D. Willoweit/U. Seif, Europäische Verfassungsgeschichte, 2003, S. 87, 91, 95. S. zu der besonderen Feierlichkeit und dem höheren Rang, der hiermit zum Ausdruck kommt, B.-U. Hergemöller, Der Nürnberger Reichstag von 1355/56 und die „Goldene Bulle“ Karls IV., 1978,
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cher Bedeutung für das Gemeinwesen und seine Herrschaftsstruktur ist den alteuropäischen Staatsgrundgesetzen eine höhere Geltungskraft zugeschrieben. Sie können nicht einseitig vom Monarchen geändert werden, sondern sind „auf ewig gewährt“ (Art. 1 der Magna Charta Libertatum)54 und „ewig gültig“ (Art. 30 der Goldenen Bulle Andreas’ II. von Ungarn)55.56 Durchgehende Aussagen über die Verknüpfung dieser Merkmale mit dem Terminus constitutio sind jedoch nicht möglich. So führte etwa die Constitutio criminalis Carolina von 1532 ursprünglich nicht diese Bezeichnung, die auch erst wesentlich später gebräuchlich wurde.57 Wie constitutio bezeichnet auch institutio vorrangig den Vorgang der Herrschereinsetzung und den Prozess der Organisation des staatlichen Gemeinwesens. Die Verwendung der beiden Begriffe kann davon abhängen, wer an diesen Akten beteiligt ist. Ist es das Volk oder jedenfalls eine menschliche Gewalt, so wird das Wort constitutio gebraucht, soll eine Herrschereinsetzung jedoch einer Instanz jenseits menschlichen Vermögens, göttlicher Gewalt, zugeschrieben werden, so kommt institutio zur Anwendung.58 Mangels einer dem neuzeitlichen Staat vergleichbaren Herrschaftsorganisation existiert im Mittelalter weder eine modernen Vorstellungen entsprechende Staatsverfassung noch die Idee einer solchen. Wenn mit Bezug auf die sogenannten Staatsgrundgesetze von mittelalterlichem Konstitutionalismus gesprochen wird, so darf dies nicht über die kontraktuelle und punktuelle Natur dieser Doku-
S. 457 f. unter Angabe weiterer Textstellen; H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, 2 Verfassung, 2002, S. 1 (19). 54 „in perpetuum“: Magna Charta Libertatum vom 19. Juni 1215, D. Willoweit/U. Seif, Europäische Verfassungsgeschichte, 2003, S. 3 (4). 55 „in perpetuum valitura“: Die Goldene Bulle Andreas’ II. von Ungarn, 1222, D. Willoweit/U. Seif, Europäische Verfassungsgeschichte, 2003, S. 26 (32). 56 U. Seif, Einleitung, in: D. Willoweit/dies., Europäische Verfassungsgeschichte, 2003, S. XI. 57 H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (19). Zur sprachlichen Verwendung von „constitutio“ innerhalb der Reichsgesetzgebung s. auch A. Erler, Stichwort „Konstitution“, HRG II, 1978, Sp. 1119. 58 H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (20). Dagegen stellt K. Stern, Staatsrecht I, 21984, § 3 I 1 die institutio als historisch gewachsen, kontingent, vorübergehend der constitutio als Verfassung im modernen Sinne gegenüber, ohne allerdings für eine solche Verwendung historische Quellennachweise anzugeben.
Begriff der Verfassung
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mente hinwegtäuschen. Sie sind als Sphärenabgrenzungen zwischen Vertragspartnern konzipiert und nicht als bürgerliche Freiheitsrechte.59 Die Etymologie des deutschen Wortes „Verfassung“ lässt sich bis in das Jahr 1346 zurückverfolgen. Der offensichtlich früheste Nachweis stammt in der Form von „virfazsunge“ aus einer Urkunde vom 21. Dezember 1346, die eine Einigung der Herren von Falkenstein, Hanau und Eppstein mit den Reichsstädten Frankfurt, Friedberg und Gelnhausen über die Kompetenzen eines Schiedsgerichts wiedergibt.60 Verfassung meint hier Absprache, Vereinbarung oder gütliche Beilegung.61 Auch in anderen Urkunden bezeichnet der Begriff eine durch Vertrag oder schiedsrichterlichen Spruch zustande gekommene Vereinbarung, daneben bedeutet er seit dem 15. Jahrhundert auch Textabfassung und zusammenfassung. In diesem Zusammenhang ist Verfassen im ausgehenden Mittelalter auch eine Tätigkeit des neuen Ordnens und Gestaltens des überkommenen Rechtsstoffes.62
IV. Neuzeit In der frühen Neuzeit setzt sich die Tradition fort, Rechtszustände im Bereich der Herrschaftsorganisation punktuell zu fixieren.63 Um die
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K. Stern, Staatsrecht I, 21984, § 3 I 1 b); C. Link, Herrschaftsordnung und Bürgerliche Freiheit, 1979, S. 179 f.; U. Scheuner, in: W. Hennis u. a. (Hg.), Regierbarkeit, 1980, S. 102 (120); H. O. Meisner, Verfassung, Verwaltung, Regierung in neuerer Zeit, 1962, S. 5 f.; E. Schmidt-Aßmann, Verfassungsbegriff, 1967, S. 50; W. Pauly, Stichwort „Verfassung“, HRG V, 1998, Sp. 698 (700); s. 5 auch M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 1972, S. 809 – „Paktieren von Fall zu Fall“ (Herv. i. O.) und dazu H. Quaritsch, Staat und Souveränität, 1970, S. 181. 60 Die herrn von Falkenstein, von Hanau und von Eppstein auf der einen, und die Reichsstädte Frankfurt, Friedberg und Gelnhausen auf der andern seite schließen eine Übereinkunft von der phalbürger wegen, 21.12.1346, abgedruckt in: J.F. Böhmer (Hg.), Codex Diplomaticus Moenofrancofurtanus: Urkundenbuch der Reichsstadt Frankfurt I, Frankfurt a. M. 1836, S. 607 f. 61 W. Pauly, Stichwort „Verfassung“, HRG V, 1998, Sp. 698; H. Mohnhaupt, 2 in: ders./D. Grimm, Verfassung, 2002, S. 1 (22). 62 H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (22 ff.) mit Zitaten und Nachweisen. 63 W. Pauly, Stichwort „Verfassung“, HRG V, 1998, Sp. 698 (700). Beispiele für Reichsgrundgesetze aus dieser Zeit sind der Augsburger Religionsfrieden,
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Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert wird in Deutschland auch der Begriff lex fundamentalis gebräuchlich64 und tritt in Konkurrenz zu ‚Verfassung‘. Übernommen wurde der neue Begriff aus dem Frankreich des Ancien Régime, wo bereits um 1576 die Lex Salica65 nach Begriff und Rang als wichtigste der lois fondamentales des Königreichs eingestuft worden war.66 Merkmal der leges fundamentales ist ihr eindeutiger und ausschließlich rechtlicher Gehalt in Bezug auf das durch Herrscher und Stände bestimmte Staatswesen. Sie umfassen aber zahlreiche verschiedene Regelungsformen auf den Ebenen des Reiches, der Territorien und Kreise. Es handelt sich um Wahlkapitulationen, Reichsabschiede, Landesordnungen, Kreisabschiede und Privilegien. Anhand des zur Verfügung stehenden Quellenmaterials lassen sich dogmatische Elemente der leges fundamentales herausarbeiten, die auch der zeitgenössischen Lehre entsprechen.67 Verfasser und Adressaten dieser Urkunden sind weitgehend der Herrscher und die Stände. Durch sie wird das Verhältnis zwischen diesen beiden rechtlich fixiert. Rechtsform ist zumeist der Vertrag. Von Anfang an werden die leges fundamentales nur als Gesetze im uneigentlichen Sinn aufgefasst, die ihrer wahren Natur nach als Verträge zu gelten haben.68 Zweck und Inhalt dieser Verträge sind einerseits die Begrenzung der Herrschermacht und andererseits die Sicherung der Ständerechte. Den leges fundamentales kommt entsprechend ihrem Inhalt und ihrer Bezeichnung ein höherer Rang der Dauerhaftigkeit und Unverbrüchlichkeit vor allen anderen normativen Quellen zu.69 Die dogmatische Kernfrage der leges fundadie Reichsexekutions- und Reichskammergerichtsordnung (1555) und der Westfälische Frieden (1648). 64 Bekannt ist der Begriff schon vor 1600, s. Nachweis bei G. Oestreich, in: R. Vierhaus (Hg.), Herrschaftsverträge, Wahlkapitulationen, Fundamentalgesetze, 1977, S. 45 (61). 65 Die Loi salique enthielt den Ausschluß der weiblichen Thronfolge und das Verbot der Veräußerung von Krongut, H. Hofmann, in: ders., Recht – Politik – Verfassung, 1986, S. 261 (275). 66 H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (62 f.). Die dortige Zeitangabe (um die Wende zum 16. Jahrhundert) ist wohl missverständlich. In Frankreich war der Begriff der „lois fondamentales“ an die Stelle der „anciennes loix du Royaume“ getreten, s. G. Oestreich, in: R. Vierhaus (Hg.), Herrschaftsverträge, Wahlkapitulationen, Fundamentalgesetze, 1977, S. 45 (61). 67 H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (63). 68 C. Link, Herrschaftsordnung und Bürgerliche Freiheit, 1979, S. 181 m. w. N. 69 C. Link, Herrschaftsordnung und Bürgerliche Freiheit, 1979, S. 182.
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mentales war ihre Bindungskraft auch gegenüber dem Souverän, durch die sie sich von den leges civiles unterschieden. Dadurch, dass die leges fundamentales auch den Herrscher einer ihm übergeordneten Norm unterstellten, machten sie auch den alle Beteiligten und Mitglieder des Gemeinwesens rechtlich übergreifenden Staat erkennbar. Begründet wurde diese Bindungswirkung mit dem tatsächlichen oder fiktiven Vertragscharakter der leges fundamentales. Mit der dogmatischen Vertragskonstruktion wurde verhindert, dass der absolutistische römischrechtliche Satz princeps legibus solutus auch für die Fundamentalgesetze gilt.70 Als pacta fundamentalia nehmen die leges fundamentales vielmehr an der Verpflichtungskraft des allgemeinen naturrechtlichen Satzes pacta sunt servanda teil.71 Anfang des 17. Jahrhunderts beginnt die staatsrechtliche Literatur, sich intensiv mit der Frage zu beschäftigen, welcher der klassischen Staatsformen des Dreiverfassungsschemas das Reich zuzuordnen sei. Für den Zustand, die Staatsform bzw. den staatsförmlichen Zustand des Reiches wird hier zumeist der Begriff status gebraucht.72 In dieser Diskussion nimmt die Schrift von Samuel von Pufendorf De statu Imperii Germanici eine zentrale Stellung ein.73 Pufendorf qualifizierte das Reich nicht mehr als Staat, sondern als „irregulare aliquod corpus, & monstro simile“ und als „systema plurium citivatum foedere nexarum“, „Mittelding zwischen Staat und Staatenbund (Konföderation)“.74 Damit wird der Begriff des status unabhängig von dessen Staatsqualität auf das Reich angewandt.75 Der Begriff Verfassung findet Anwendung mit Bezug nicht nur auf das Reich, sondern auch auf kleinere Organisationseinhei70
H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (63 f.); W. Pauly, Stichwort „Verfassung“, HRG V, 1998, Sp. 698 (700). 71 C. Link, Herrschaftsordnung und Bürgerliche Freiheit, 1979, S. 182. 72 H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (66 f.). 73 Sie wurde 1667 unter dem Pseudonym Severini de Monzambano Veronensis veröffentlicht: Pufendorf unterscheidet zwei Status-Elemente, die Staatsform und die materiellen Bedingungen des Landes. Beide Elemente machen den Gesamtzustand des Landes aus und gehen in den deutschen Begriff „Verfas2 sung“ ein, vgl. H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 2002, S. 1 (70). 74 S. von Pufendorf (Severini de Monzambano Veronensis), De statu Imperii Germanici, 1667, Cap. 6 § 9, ed. cit., S. 198 ff. Die Interpretation von „systema civitatum“ als Staatenbund (Konföderation) stammt von A. Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte des Heiligen Römischen Reiches, 1967, S. 83, mit Fn. 74. 75 A. Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, 2001, S. 99 mit Hinweisen zum vorbehaltlosen Gebrauch des Verfassungsbegriffs mit Bezug auf das nichtstaatliche Reich in der Literatur des 20. Jahrhunderts.
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ten wie Städte, Bünde, Reichskreise, aber auch Fürstenhäuser.76 Dem entspricht es, dass Verfassungen im materiellen Sinne und die Vorformen von Verfassungsurkunden zuerst im lokalen Bereich entstanden sind.77 In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts setzte eine Verschriftlichung des Rechtsverhältnisses zwischen Herrscher und Landständen ein, zumindest dort, wo die Stände ihre Position hatten bewahren können.78 Die wichtigsten Gegenstände solcher Regelungen in den Texten, die Territorialherrschaft und Landstände betreffen, sind die Sicherung der Ständeprivilegien und die Ordnung der „Regierung“ bzw. des „Regiments“.79 Für den angelsächsischen Sprachgebrauch ist schon seit Ende des 16. Jahrhunderts die Tendenz festzustellen, dass der Ausdruck „Constitution“ sich zum Kollektivsingular entwickelt, der auch die Summe der „constitutions“ bündelt.80 Im 18. Jahrhundert wird eine Entwicklung erkennbar, die leges fundamentales als geschlossene Regelungsmaterie zu betrachten und aus dieser Gesamtschau eine deutsche Staatsverfassung zu konzipieren.81 Emer de Vattel begreift die verschiedenen Fundamentalgesetze in ihrem Zusammenwirken als „das grundlegende Reglement, welches die Art und Weise der Ausübung der öffentlichen Gewalt bestimmt“, und bezeichnet diesen Inbegriff als „Verfassung des Staates“.82 In ihr zeige sich die:
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H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (53 ff.). G. Stourzh, in: R. Vierhaus (Hg.), Herrschaftsverträge, Wahlkapitulationen, Fundamentalgesetze, 1977, S. 294 (319). S. auch H. O. Meisner, Verfassung, Verwaltung, Regierung in neuerer Zeit, 1962, S. 7 f. 78 G. Oestreich, in: R. Vierhaus (Hg.), Herrschaftsverträge, Wahlkapitulationen, Fundamentalgesetze, 1977, S. 45 (50 ff.); H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (76 f.). 79 H. Mohnhaupt, in: ders./D. Grimm, Verfassung, 22002, S. 1 (76). 80 G. Stourzh, in: R. Vierhaus (Hg.), Herrschaftsverträge, Wahlkapitulationen, Fundamentalgesetze, 1977, S. 294; R. Koselleck, Begriffsgeschichten, 2006, S. 377 ff. 77
81 S. J. J. Moser, Teutsches Staatsrecht I, 1737; J. J. Schmauß, Corpus iuris gentium academicum, 1730, Vorrede sowie dazu W. Pauly, Stichwort „Verfassung“, HRG V, 1998, Sp. 698 (701); H. Hofmann, in: ders., Recht – Politik – Verfassung, 1986, S. 261 (276). 82 H. Hofmann, in: ders., Recht – Politik – Verfassung, 1986, S. 261 (278); ders., JöR 51 (2003), S. 1 (6); ders., FS Häberle, 2004, S. 157 (158).
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„Form, unter der eine Nation in ihrer Eigenschaft als politischer Körper handelt, wie und durch wen das Volk regiert werden soll, welches die Rechte und Pflichten der Regierenden sind. Diese Verfassung stellt im Grunde nur die Ordnung auf, nach der eine Nation sich vornimmt, gemeinschaftlich für die Erlangung der Vorteile arbeiten zu wollen, derentwegen die politische Gemeinschaft errichtet ist.“83 Eine wesentliche Wirkungsbedingung für diese Zusammenfassung der vielen alten leges fundamentales zu einer lex fundamentalis liegt in der Hochschätzung der ordnenden Systematik beim Begreifen und Gestalten der Welt in der Epoche der Aufklärung.84 Bemerkenswert ist, dass dieser frühe Begriff der modernen Verfassung in Verbindung mit den Termini „Staat“ und „Nation“ auftritt.85 Moderne Verfassungen im anspruchsvollen Sinne entstehen realiter aber erst mit den Revolutionen des 18. Jahrhunderts in Nordamerika86 und Frankreich87, zeitgleich mit dem „modernen Staat“.88 Diese revolutionären Verfassungen sind, unabhängig von ihrem konkreten Inhalt, ihren spezifischen Regelungen und ihrer äußeren Form, durch fünf Merkmale gekennzeichnet, die für die moderne Vorstellung von Verfassung charakteristisch sind. Diese Zusammenstellung von Kriterien unter Verzicht auf die Merkmale des konkreten Inhalts und der äußeren Form soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Ruf nach Verfassung seit dem 18. Jahrhundert gerade auch einer geschriebenen Verfassung gilt, die inhaltlich bestimmten, mit dem bürgerlich-liberalen Zweck korrespondierenden Vorstellungen entspricht. „Verfassung“ ist für die konsti83
E. de Vattel, Le Droit des Gens ou Principes de la loi Naturelle, 1758, Liv. I Chap. III, §§ 27, 29; vgl. schon C. Wolff, JN, VIII, §§ 393, 1041-1062; ders., Grundsätze des Natur- und Völkerrechts, 1754, §§ 984, 1043, 1044, 1107. 84 H. Hofmann, FS Häberle, 2004, S. 157 (158). 85 H. Hofmann, FS Häberle, 2004, S. 157 (159). 86 Unabhängigkeitserklärung der 13 Vereinigten Staaten, Virginia Bill of Rights (beide 1776), Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika (1787). 87 Erklärung der Menschen und Bürgerrechte vom 26. August 1789, Verfassung von 1791. 88 H. Hofmann, in: ders., Recht – Politik – Verfassung, 1986, S. 261 (278); E. Schmidt-Aßmann, Verfassungsbegriff, 1967, S. 33 unter Bezugnahme auf die zeitliche Bestimmung des „Modernen Staates“ durch H. Krüger, Allgemeine 2 Staatslehre, 1966, S. 2 ff. Zeitlich zwischen diesen beiden Ereignissen liegt die polnische Konstytucja vom 3. Mai 1791, die allerdings weder eine revolutionäre noch eine bürgerliche Verfassung ist, H. Hofmann, ibid., S. 279 m. w. N.
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tutionelle Bewegung des 17. bis 19. Jahrhunderts auch ein politischer Kampfbegriff89 und enthält damit auch die beiden für die Konstitutionalisierungsidee im Völkerrecht kennzeichnenden Dimensionen der Perspektive und der Vision. Verfassung meint Gesetz über die Herrschaft selbst, nicht nur bestimmte vom Herrscher erlassene Gesetze, wie es eine häufige Bedeutung von constitutio im Sinne eines (kaiserlichen) Erlasses ist.90 Zuallererst ist sie Gesetz, das heißt, sie erhebt normativen Geltungsanspruch.91 Die Verfassung regelt politische Herrschaft umfassend92 und zentral,93 stellt die gesamte Staatsgewalt in eine rechtliche Grundordnung94 und erfasst somit mehr als nur Teilbereiche einer als umfassend verstandenen Herrschaftsbefugnis.95 Sie ist allen politischen Verhältnissen zugrunde liegendes Staatsgrundgesetz.96 Herrschaft wird durch die Verfassung nicht nur in ihrer Ausübung geregelt, sondern überhaupt erst begründet. Die 89
P. Badura, Stichwort „Verfassung“, EvStL II, 31987, Sp. 3737 (3741). J.-F. Aubert, La Constitution, 1991, S. 20 f. arbeitet als mit constitutionalisme verbundene Ideen heraus: geschriebenes Gesetz, Verfassungsurkunde; Gleichgewicht der Mächte; Ursprung der Macht: souveraineté nationale; Vorrang vor dem einfachen Gesetz. Ähnliche Zusammenstellung wie hier im Text durch Grimm in verschiedenen Varianten, s. etwa D. Grimm, in: G. Schuppert u. a. (Hg.), Europawissenschaft, 2005, S. 177 (185 f.) m. w. N. 90 D. Grimm, JZ 50 (1995), S. 581 (582); s. auch Text zu Fn. 50. 91 D. Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte, 1988, S. 13; ders., HStR I, 3 2003, § 1 Rn. 58. 92 D. Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte, 1988, S. 12; ders., HStR I, 3 2003, § 1 Rn. 36; H. Hofmann, FS Häberle, 2004, S. 157 (158). Der mit der Verfassung verbundene Anspruch umfassender Regelung entspricht der Etymologie des Wortes, das sich auf „fassen“, mhd. „vazzen“, ahd. „fazzon“ mit der Bedeutung „ergreifen, fangen; einfassen; zusammenpacken, aufladen; kleiden, schmücken“ zurückführen lässt. 93 D. Grimm, Die Zukunft der Verfassung, 1991, S. 34 f.; C. Link, Herrschaftsordnung und Bürgerliche Freiheit, 1979, S. 179; U. Scheuner, in: W. Hennis u. a. (Hg.), Regierbarkeit, 1980, S. 102 (118). 94
K. Stern, Staatsrecht I, 21984, § 3 I 1 c). Anders die von Bismarck ab 1850 vertretene sogenannte Lückentheorie, nach der in staatsrechtlichen Fällen, die in der Verfassung nicht vorgesehen sind, die Regierung das Recht habe, nach eigenem Dafürhalten zu handeln. S. dazu W. Pauly, Stichwort „Verfassung“, HRG V, 1998, Sp. 698 (704). 96 D. Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, 62009, S. 1; D. Grimm, HStR I, 32003, § 1 Rn. 58; C. Link, Herrschaftsordnung und Bürgerliche Frei2 heit, 1979, S. 179; K. Stern, Staatsrecht I, 1984, § 3 I 1 b). 95
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Verfassung legitimiert Herrschaft, anstatt sie nur zu modifizieren.97 Die Verfassung gründet den Staat auf den Konsens des Volkes kraft der Lehre von der Volkssouveränität.98 Diese Organisation der Gesellschaft durch die Verfassung basiert auf einer vernunftgeleiteten Entscheidung. Die (geschriebene) Verfassung baut auf wissenschaftlich-theoretischen Erkenntnissen auf,99 orientiert sich an bestimmten Prinzipien und bildet ein geschlossenes System.100 Sie löst damit auch vorgegebene, menschlicher Bestimmung entzogene göttliche Regeln ab.101 Ihre sozialphilosophische Grundlage ist die Theorie vom Gesellschaftsvertrag.102 Über die bloße Organisation der Herrschaft hinaus konstituiert die Verfassung ein politisches Gemeinwesen,103 regelt nicht nur Teilbereiche des öffentlichen Lebens des Staates, sondern schafft eine den gesamten Staat umfassende Ordnung.104 Sie ermöglicht Einheit und Aktionsfähigkeit des Staatsganzen durch eine rechtliche Ordnung.105 Die Verfassung enthält Rechtsbindungen des Herrschers zugunsten aller Untertanen, nicht nur wie zuvor zwischen Vertragspartnern, also in der Regel zwischen dem
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D. Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte, 1988, S. 12; ders., Zukunft der Verfassung, 1991, S. 31 (34), ders., JZ 50 (1995), S. 581 (583); ders., HStR I, 3 2003, § 1 Rn. 36; ders., FS Badura, 2004, S. 145 (150); H. Hofmann, FS Häberle, 2004, S. 157 (158). 98 U. Scheuner, in: W. Hennis u. a. (Hg.), Regierbarkeit, 1980, S. 102 (120). 99 K. Stern, Staatsrecht I, 21984, § 3 I 1 c). Zwischen der Volkssouveränität und dem Vernunftprinzip besteht ein potentieller Widerspruch. Im Zweifel muß sich die vernunftgeleitete Entscheidung einer verfassunggebenden Gewalt unterordnen, vgl. P. Badura, HStR VII, 1992, § 163 Rn. 1. 100 H. Grziwotz, Verfassungsverständnis der römischen Republik, 1985, S. 37; U. Scheuner, in: W. Hennis u. a. (Hg.), Regierbarkeit, 1980, S. 102 (118 f.). 101 P. Badura, Stichwort „Verfassung“, EvStL II, 31987, Sp. 3737 (3738); D. Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte, 1988, S. 11 ff.; ders., Die Zukunft der Verfassung, 1991, S. 31, 36 ff. ders., JZ 50 (1995), S. 581 (583). 102 D. Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte, 1988, S. 11, 16 ff.; ders., HStR I, 32003, § 1 Rn. 18. 103 U. Preuß, in: ders. (Hg.), Zum Begriff der Verfassung, 1994, S. 7 (11). 104 H. Schambeck, FS Kelsen, 1971, S. 211 (216). 105 C. Link, Herrschaftsordnung und Bürgerliche Freiheit, 1979, S. 179; U. Scheuner, in: W. Hennis u. a. (Hg.), Regierbarkeit, 1980, S. 102 (120); K. Stern, 2 Staatsrecht I, 1984, § 3 I 1.
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Fürsten und machtvollen gesellschaftlichen Gruppen, die über herrschaftswichtige Leistungen verfügen.106 Der emphatische Charakter dieser Verfassungsvorstellung kommt paradigmatisch in Art. 16 der Französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789 zum Ausdruck, der lautet: „Toute société, dans laquelle la garantie des droits n’est pas assurée, ni la séparation des pouvoirs déterminée, n’a point de constitution.“ Ihr grundlegender und umfassender Charakter entspricht ihrem revolutionären Ursprung und unterscheidet sie zugleich von der Konzeption der Verfassung als Verrechtlichung, Formung und Begrenzung von Herrschaft in Deutschland und England.107 In der revolutionären Verfassungstradition Amerikas und Frankreichs bedeutet Verfassung auch Ruptur und Neubegründung. Während die Verfassung in den USA das komplexe Geflecht des Politikums aber erst konstituiert, verschaffen die Konstitutionen im französischen politischen Leben der in der Gestalt der Nation präexistenten politischen Einheit der Staatsbürgernation nur verschiedene institutionelle Ausdrucksformen und geben ihr zuweilen auch eine bestimmte soziale Stoßrichtung.108 Die Vorstellungen in Deutschland bleiben nicht unbeeinflusst von dem revolutionären Geschehen. Im Gefolge des Erlasses moderner Konstitutionen im westlichen Ausland verliert der Begriff „Konstitution“ in Deutschland seine alte Bedeutung als Kaisergesetz und wird synonym für „Verfassung“ oder „Verfassungsvertrag“, „Regierungsform“ oder „Grundgesetz“ gebraucht, ohne diese Ausdrücke aber völlig zu verdrängen. Im Gegensatz zu ihren amerikanischen und französischen Vorbildern bleibt die „Konstitution“ aber von ihrem gesetzlichen Ausdruck verschieden, indem sich der Begriff auf den politischen Zustand des Staates bezieht oder normativ als Sammelbegriff für verschiedene, durch einen gemeinsamen Gegenstand verbundene Normen steht.109 Deutlich wird das mit einem Zitat von P. J. A. Feuerbach: „Die Gesetze, welche die Verfassung bestimmen, heißen die (positiven) Grundgesetze
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D. Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte, 1988, S. 12; ders., Die Zukunft der Verfassung, 1991, S. 35; ders., JZ 50 (1995), S. 581 (583); ders., HStR I, 3 2003, § 1 Rn. 36. 107 Zur Unterscheidung von herrschaftsbegründender und herrschaftsformender Verfassung C. Möllers, in: A. von Bogdandy/J. Bast (Hg.), Europäisches 2 Verfassungsrecht, 2009, S. 227 (229 ff.). 108 U. Preuß, in: ders. (Hg.), Zum Begriff der Verfassung, 1994, S. 7 (24). 109
D. Grimm, in: H. Mohnhaupt/ders., Verfassung, 22002, S. 100 (107 f.).
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(leges fundamentales): der Inbegriff derselben die Constitution“.110 Zur Bezeichnung des vom Staatsrecht determinierten Zustandes entwickelt sich auch der Begriff „Verfassung“, der nichtnormative Elemente allmählich, wenn auch nicht völlig, abstößt.111
V. Zwischenfazit In der Geschichte des Verfassungsbegriffs entfalten sich verschiedene Verständnisse, die in der modernen juristischen, d. h. normativen Begriffsbildung kulminieren. Zieht man diesen anspruchsvollen Verfassungsbegriff heran, so werden die Warnungen verständlich, mit der Verwendung des Begriffs der Verfassung würden bestimmte Erwartungen an die rechtliche Ordnung geweckt, die jenseits des Staates nur schwer zu erfüllen seien. Aus dieser Warte ist Verfassung kein beliebig transponierbares und disponibles Konstruktionselement und die verfassungsstaatlichen Garantien lassen sich nicht ohne Weiteres auf nichtstaatliche oder entstaatlichte Machtträger übertragen.112 Daneben zeigt die Analyse der Begriffsgeschichte aber zahlreiche dahinter zurückbleibende oder abweichende Vorstellungen. Derartige Assoziationen können für die Bildung einer juristischen Begrifflichkeit von Verfassung und Konstitutionalisierung im Völkerrecht letztlich nicht ausschlaggebend sein. Dennoch ist die Auseinandersetzung mit den Konnotationen von Verfassung in der Begriffsgeschichte gewinnbringend, da sie eine juristische Begriffsbildung vermeiden helfen kann, die zu falschen Erwartungen führen würde. Die Analyse der Merkmale vormoderner Verfassungsbegriffe verschiedener Epochen legt Elemente frei, die in der gegenwärtigen Diskussion um ein internationales Verfassungsrecht herausgearbeitet wurden: Die rechtliche Ordnung des Gemeinwesens und Gewährleistung von Kontinuität durch die Verfassung, ihre hohe Autorität, ihre freiheitswahrende Funktion und ihr Vorrang, aber auch der Prozesscharakter der Verfassung. Der emphatische Verfassungsbegriff westlicher Tradition kann der Konstitutionalisierung jenseits des Staates daher zwar ein
110
P. J. A. Feuerbach, Anti-Hobbes, 1798, Bd. 1, S. 34. D. Grimm, Zukunft der Verfassung, 1991, S. 31 (36); ders., FS Badura, 2004, S. 145 (146). 112 P. Badura, EvStL II, Stichwort „Verfassung“, 31987, Sp. 3738, 3758; J. Isensee, HStR II, 32004, § 15 Rn. 16. 111
118
2. Kapitel
normatives Ideal vermitteln, wirkt aber angesichts der Defizite in der Selbstbegründung des Völkerrechts eher wie eine Kontrastfolie. Einer Verfassung mit umfassendem Charakter, die Herrschaft zuallererst begründet und ein politisches Gemeinwesen konstituiert, fehlt jenseits des Staates und Phänomenen regionaler Integration wie der EU die Grundlage. Macht und Herrschaft werden in den internationalen Beziehungen nicht erst durch das Recht begründet, sondern bedürfen vielmehr der Begrenzung durch das Völkerrecht. Die Verwirklichung der Volkssouveränität steht außerhalb des Staates vor konzeptionellen wie tatsächlichen Schwierigkeiten. Der Umstand, dass die herrschaftsbegründende, revolutionäre Verfassungstradition in Frankreich und den Vereinigten Staaten und die herrschaftsformende Verfassungstradition des deutschen Konstitutionalismus in keinem prinzipiellen Widerspruch stehen,113 verdeutlicht, dass die Konzepte der Konstitutionalisierung und des Konstitutionalismus nicht ausschließlich Verrechtlichung von Herrschaft in Überwindung der Politik bedeuten. In keinem seiner Ursprungsländer erschöpfte sich der moderne Konstitutionalismus in der Idee der Begrenzung der Staatsmacht. In England wird damit das moderne parlamentarische Kabinettsystem verbunden, in Frankreich die Beseitigung der ständischen Ordnung und Errichtung des egalitären nationalen Staatsbürgertums. Das amerikanische System versucht, liberale Machtbegrenzung und demokratische Mehrheitsgesellschaft miteinander zu vereinbaren. Im Deutschland des 19. Jahrhunderts ist die konstitutionelle Bewegung eng mit der nationalen, demokratischen und sozialen Frage verknüpft. Danach ist es zwar nicht unzutreffend, die Verfassung auf die Begrenzung und Formung politischer Herrschaft mittels rechtlicher Gestaltungen und Einrichtungen zu reduzieren.114 Die Philosophie des Konstitutionalismus oder des constitutionalism berührt aber tiefere Schichten des Politischen. Sie ist der Inbegriff der theoretischen Erkenntnisse, praktischen Erfahrungen und normativen Ideen über die angemessene, vor al113
C. Möllers, in: A. von Bogdandy/J. Bast (Hg.), Europäisches Verfassungs2 recht, 2009, S. 227 (237 f.). 114
Zum Kern des Constitutionalism als Beschränkung der Macht durch das Recht s. J. E. Lane, Constitutions and Political Theory, 1996; W. Waluchow, Stichwort „Constitutionalism“, in: E. Zalta (Hg.), The Stanford Encyclopedia of Philosophy, 2004, http://plato.stanford.edu/archives/spr2004/enries/consti tutionalism (geprüft am 18.5.2010); vgl. zum vielfältigen Bedeutungsgehalt des „constitutionalism“ auch N. Dorsen/M. Rosenfeld/A. Sajó/S. Baer, Comparative Constitutionalism, 2003, S. 10 ff.
Begriff der Verfassung
119
lem auch rechtliche Form der politischen Ordnung.115 Als solche ist sie vom Staat ablösbar.116
B. Koppelung des Begriffs an den Staat in der deutschen Staatsrechtslehre Anders als zum Teil unterstellt,117 zielt die Konstitutionalisierung bei den meisten Autoren nicht auf einen Weltstaat,118 sondern auf eine „Gemeinwohlgemeinschaft“,119 die dem Völkerrecht ein interindividuelles Begründungselement hinzufügt, ohne auf die zwischenstaatliche Grundstruktur zu verzichten.120 Von Weltstaatsutopien121 unterscheidet sich die Konstitutionalisierungsidee auch dadurch, dass sie auf den völkerrechtlichen Strukturen und Instrumenten aufbaut und versucht, diese dem Verfassungsrecht anzunähern,122 ohne aber eine globale Zwangsbefugnis vorzusehen.123 Die Anwendung der Verfassungsterminologie auf das Völkerrecht durch Vertreter der Konstitutionalisierungslehre setzt also voraus, dass die Ablösung des Verfassungsbegriffs 115
U. Preuß, in: ders. (Hg.), Zum Begriff der Verfassung, 1994, S. 7 (26 f.).
116
U. Preuss, in: P. Dobner/M. Loughlin (Hg.), The Twilight of Constitutionalism?, 2010, S. 23 (44 ff.). 117
K. Ladeur/L. Viellechner, AVR 46 (2008), S. 42 (48).
118
C. Tomuschat, in: UN (Hg.), International Law on the Eve of the Twenty-first Century, 1997, S. 37; B. Bryde, in: R. Macdonald/D. Johnston, Towards World Constitutionalism, 2005, S. 103 (104); A. Rosas, in: H. Brunkhorst/M. Kettner (Hg.), Globalisierung und Demokratie, Wirtschaft, Recht, Medien, 2000, S. 151 (172 ff.); J. Habermas, Konstitutionalisierung, 2004, S. 133 ff.; A. Peters, FS Delbrück, 2005, S. 535 ff.; I. Pernice, FS Tomuschat, 2006, S. 973 ff.; B. Fassbender, The United Nations Charter as the Constitution of the International Community, 2009, S. 161. S. zur Diskussion um eine kosmopolitische Verfassung ohne Weltstaat auch J. Habermas, in: P. Niesen/B. Herborth (Hg.), Anarchie der kommunikativen Freiheit, 2007, S. 406 (442 ff.) m. w. N. 119
A. Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 35 ff. et passim; M. Kotzur, AVR 42 (2004), S. 353 (372). 120
Vgl. A. Paulus, ZaöRV 67 (2007), S. 695 (699, 706).
121
D. Held, Democracy and the Global Order, 1995, S. 231 ff.; O. Höffe, 2 Demokratie im Zeitalter der Globalisierung, 2002. 122 123
Zusammenfassend A. Emmerich-Fritsche, Weltrecht, 2007, S. 591 f. Vgl. H. Steiger, Der Staat 42 (2003), S. 249 (257).
120
2. Kapitel
vom Staat zulässig ist. Das Verhältnis von ‚Staat‘ und ‚Verfassung‘ ist dabei durchaus vielschichtig (I.). Unter den Lehren, die die Begriffe systematisch koppeln, lassen sich grundsätzlich, auch losgelöst von der Debatte um die EU, zwei Konzeptionen unterscheiden. Eine etatistische Lehre stellt den Staat der Verfassung systematisch voran. Maßgeblich dafür sind Vorstellungen von Einheit und Repräsentation (II.). Daneben wird Verfassung in einem anspruchsvollen Sinne aber auch mit dem Argument an den Staat gekoppelt, nur im modernen Staat finde sich ein adäquater Regelungsgegenstand für eine Verfassung. Für diese Denkrichtung ausschlaggebend sind legitimationstheoretische Erwägungen (III.).
I. Dimensionen des Verhältnisses von ‚Staat‘ und ‚Verfassung‘ Historische Aussagen über das zeitliche Verhältnis der Entstehung von Staat und Verfassung sind nicht ohne Weiteres möglich, sondern setzen eine Definition sowohl von ‚Staat‘ als auch von ‚Verfassung‘ voraus. Beide Begriffe sind in ständiger Bewegung, so dass in der Frage nach dem Verhältnis von Staat und Verfassung das grundsätzliche Problem anachronistischer Begriffsbildung in verschärfter Form angesprochen ist.124 Die Siedlungsgemeinschaft der Polis entspricht weder unserer heutigen Vorstellung vom Staat125 noch der von Gesellschaft,126 während die Beschreibung des Gemeinwesens durch Aristoteles durchaus einen noch heute gebräuchlichen deskriptiven Verfassungsbegriff erkennen lässt. Andererseits bestanden Staaten als historische Gebilde schon, ehe geschriebene Verfassungen als normative Texte erlassen wurden. Zutreffend ist aber auch, dass der moderne Staat zunächst nichts anderes war als der Entwurf einer Verfassung, die an die Stelle einer älteren Ordnung treten sollte, so dass es zumindest zweifelhaft ist, ob der moderne Staat als Typus älter ist als der Entwurf von Verfassun-
124
S. zur geschichtlichen Gebundenheit des Begriffes ‚Staat‘ schon O. Brunner, Land und Herrschaft, 51965, S. 111 ff.; C. Schmitt, in: ders., Verfassungsrechtliche Aufsätze aus den Jahren 1924-1954, 31985, S. 375. C. Möllers, Staat als Argument, 2000, S. 214 ff. bezeichnet die Ansicht, die Entstehung des Staates sei mit der Herausbildung des frühneuzeitlichen Gewaltmonopols verknüpft, als herrschend (m. w. N.). 125 So auch E.-W. Böckenförde, FS Gmür, 1983, S. 7. 126 W. Kersting, Gesellschaftsvertrag, 1994, S. 6, 8.
Begriff der Verfassung
121
gen für den modernen Staat.127 In den Verfassungen und Rechteerklärungen des 18. Jahrhunderts ist überhaupt noch nicht von einem Staat die Rede.128 Umgekehrt spricht einiges für die Sichtweise, dass ein konstitutionsfähiger Gegenstand als Voraussetzung für die Umsetzung der modernen Idee von Verfassung erst mit der Entstehung des modernen Staates als neuem Herrschaftsverband im Kontinentaleuropa des 17. Jahrhunderts vorhanden war.129 Empirisch lässt sich feststellen, dass die Existenz von Verfassungsrecht und die Staatlichkeit von Gemeinwesen auf der Ebene unterhalb der Nationalstaaten häufig miteinander einhergehen.130 Deutsche und österreichische Bundesländer131 sowie die Kantone der Schweiz132 haben Staatsqualität und eigene Landesverfassungen, während französische Regionen weder über Staatlichkeit noch über Verfassungsrecht verfügen. Dazwischen sind Staaten einzuordnen, die wie Italien und Spanien für bestimmte Regionen Autonomiestatute vorsehen. Über die historische und empirische Dimension hinaus werden aber in Teilen der deutschen Staatslehre Staatlichkeit und Verfassung logischsystematisch aufeinander bezogen. Sollte sich dies als zutreffend erweisen, so erübrigte sich die Frage nach Verfassung im Völkerrecht, könnte Konstitutionalisierung im Völkerrecht nicht mehr bezeichnen als Verrechtlichung. Jedenfalls ist die Idee eines überstaatlichen Verfassungsrechts wegen der Assoziation von Verfassung mit Staatlichkeit Aversionen ausgesetzt, die sich eigentlich gegen einen Weltstaat richten.133 Es heißt, die Idee von einer vorverfassungsmäßigen Staatlichkeit habe ihren Ursprung im Weiterbestand des Deutschen Staates über wechselnde Verfassungsordnungen hinweg.134 Die Frage nach der Kontinui127
G. Haverkate, Verfassungslehre, 1992, S. 41. H. Brunkhorst, Leviathan 30 (2002), S. 530 (537). 129 D. Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte, 1988, S. 24; ders., HStR I, 3 2003, § 1 Rn. 5; ders., FS Badura, 2004, S. 145 (149, 156); J. Isensee, Das Volk als Grund der Verfassung, 1995, S. 58 mit Verweis auf Alexis de Tocqueville, L’ancien régime et la Revolution, Paris 1856 für die französische Revolution von 1789. S. auch Text und Nachweise bei Fn. 88. 130 W. Hertel, Supranationalität als Verfassungsprinzip, 1999, S. 60. 131 Zum Verhältnis von Landesverfassungsrecht und Staatlichkeit grundlegend W. Graf Vitzthum, VVDStRL 46 (1988), S. 7; für Österreich B.-C. Funk, VVDStRL 46 (1988), S. 57. 132 G. Schmid, VVDStRL 46 (1988), S. 92 ff. 133 Vgl. B. Fassbender, FS Isensee, 2007, S. 71 (79). 128
134
C. Möllers, Staat als Argument, 2000, S. 262.
122
2. Kapitel
tät des Staates könne überhaupt nur gestellt werden, wenn der Staat mehr oder etwas anderes sei als eine Hervorbringung der Verfassung.135 Auffallend daran ist, dass einerseits, abgesehen vielleicht vom französischen, auf die Nation bezogenen Verfassungsverständnis,136 vor allem in Teilen der deutschen Staatsrechtslehre der Verfassungsbegriff mit dem Staat verknüpft wird. Die rechtsvergleichende Perspektive lässt hingegen vermuten, dass Verfassungsrecht auch ohne theoretisch entwickelten Staatsbegriff möglich ist. Paradebeispiel für solche Verfassungsrechtssysteme sind England und die Vereinigten Staaten.137 Andererseits findet die Vorstellung von einem Verfassungsrecht im Völkerrecht bei deutschen Völkerrechtlern besonderen Anklang, und wird dies damit begründet, dass sie zumeist auch als Staatsrechtslehrer wirken.138 Besonders gut nachvollziehbar wird dieser Zusammenhang, wenn man von einem Verständnis der Ordnung des Grundgesetzes als gelebtes materielles Verfassungsrecht ausgeht.139 Ein solches Verständnis lässt sich immerhin leichter auf die internationale Ebene übertragen als eine auf eine einzige umfassende Verfassungsurkunde konzentrierte Vorstellung. Im Hinblick auf die Europäische Union geht die weit überwiegende Ansicht mittlerweile dahin, dass die Union als nichtstaatliches, supranationales Gebilde verfassungsfähig ist.140 Die Argumente, mit denen die Verfassung an den Staat gekoppelt wird, bedürfen indes noch einer genaueren Untersuchung, die die zuweilen apodiktisch vorgebrachte Koppelung von Staat und Verfassung141 relativieren wird.
135 136
E.-W. Böckenförde, GS Schnur, 1997, S. 137 (146). U. Preuß, in: ders. (Hg.), Zum Begriff der Verfassung, 1994, S. 7 (25).
137
S. für einen europäischen Vergleich I. Pernice, VVDStRL 60 (2001), S. 148 (156 ff.). 138 S. zu den Gründen für die Anhängerschaft der völkerrechtlichen Konstitutionalisierungsidee in Deutschland S. Kadelbach/T. Kleinlein, GYIL 50 (2007), S. 303 (310 ff.). 139
Vgl. P. Dupuy, RdC 297 (2002), S. 1 (230); H. Ruiz Fabri/C. Grewe, FS J. Gautron, 2004, S. 189 (200 f.). 140
Nachweise zum Meinungsstand bei C. Möllers, in: A. von Bogdandy/J. Bast (Hg.), Europäisches Verfassungsrecht, 22009, S. 227 (240 ff.) mit Fn. 78, 79. 141 P. Kirchhof, in: Vertretung der Europäischen Kommission in der Bundesrepublik Deutschland (Hg.), Europäisches Forum, 1994, S. 57 (59): „Wo kein Staat, da keine Verfassung“. Bei diesem Beitrag handelt es sich allerdings um eine nicht vor Fachpublikum gehaltene Rede.
Begriff der Verfassung
123
II. Der Staat vor der Verfassung Eingängige Formulierungen von Vertretern der Ansicht, die den Staat vor der Verfassung sieht, lauten: Der Staat sei „Gegenstand“ und „Voraussetzung“ der Verfassung.142 Ohne vorhandene oder sich abzeichnende Staatlichkeit sei eine Verfassung nicht möglich:143 „Wo kein Staat, da keine Verfassung, und wo kein Staatsvolk, da kein Staat.“144 Wird der Begriff der Verfassung in dieser Weise an den des Staates gebunden, so ist damit auch zum Ausdruck gebracht, dass der Staat mehr oder etwas anderes sein soll als ein Produkt der Verfassung.145 Die zitierten Äußerungen stehen in scharfem Kontrast zu dem Diktum Häberles, es gebe nur so viel Staat wie die Verfassung konstituiere.146 Die etatistische Position betrifft zunächst das Verhältnis von Staatsverfassung und Staat und wurde auf die Staatsverfassung hin entwickelt. Der dabei angenommene Voraussetzungsbezug kann jedoch nicht ohne Folgen für Verfassungsrecht jenseits des Staates sein.147
142 143
J. Isensee, HStR II, 32004, § 15 Rn. 1. P. Kirchhof, HStR II, 32004, § 21 Rn. 69; vgl. ders., FS Graßhof, 1998, S. 3
(8). 144
P. Kirchhof, in: Vertretung der Europäischen Kommission in der Bundesrepublik Deutschland (Hg.), Europäisches Forum, 1994, S. 57 (59). Im Gegensatz dazu steht die Begriffsbildung Kirchhofs in HStR VII, 1992, § 183. Dort anerkennt er eine „im Entstehen begriffene europäische Staatenverfassung“ (Rn. 43). 145 E.-W. Böckenförde, GS Schnur, 1997, S. 137 (146). 146 P. Häberle, Verfassungslehre als Kulturwissenschaft, 21998, S. 620. S. auch A. Arndt, NJW 16 (1963), S. 24 (25): „In einer Demokratie gibt es an Staat nicht mehr, als eine Verfassung zum Entstehen bringt.“ P. Kirchhof, HStR VII, 1992, § 183 Rn. 35 hält dem entgegen, die Vorstellung, „ein ungebundener Wille würde einen Staat oder eine Staatsverfassung durch ‚Staatsvertrag‘ oder Verfassunggebung hervorbringen“, sei „weltfremd“ und habe „den Staat nicht begriffen“. 147 Die Ausführungen Isensees in HStR II, 32004, § 15 unter der Überschrift „Staat und Verfassung“ (Vorauflagen: HStR I, § 13) stehen im Wesentlichen nicht im Zusammenhang mit Konstitutionalisierungsphänomenen jenseits des Staates (s. aber Rn. 15 f. in der 3. Aufl.), sondern beziehen sich auf den Untersuchungsgegenstand „Staatsverfassung“ (so auch die Interpretation von W. Hertel, Supranationalität als Verfassungsprinzip, 1999, S. 55 im Gegensatz zu A. Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, 2001, S. 102). S. auch J. Isensee, FS Mikat, 1989, S. 705; ders., FS Stern, 1997, S. 1239, 1263 mit Fn. 83; 3 ders., HStR II, 2004, § 15: Hier zeigt sich eine gewisse Flexibilität im Umgang mit dem Verfassungsbegriff, die aber nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass
124
2. Kapitel
Im Verhältnis zur Verfassung soll der Staat die „Natur der Sache“ sein148 und „apriorische Strukturen“ bilden.149 Zu diesen Strukturen sollen ethische, kulturelle und soziale Voraussetzungen gehören sowie die Staatsbegriffe, Leitbilder und Ordnungsmodelle, die universal in der Staatenwelt herrschen, regional die Verfassungshomogenität der Staatengruppen des Westens begründen oder aber gerade einer nationalen Tradition entspringen.150 Der Verfassunggeber finde seinen Gegenstand und die konkreten Inhalte erst, wenn ein Staatsgebiet und ein Staatsvolk sich tatsächlich abzuzeichnen begännen, eine Idee des Staates diskutierbar werde und ein Zusammenhalt in der Verfasstheit erreichbar sei.151 Der Staat wird als nicht verfügbare, objektive Größe verstanden. Die verfassunggebende Gewalt ist nicht nur an diese objektiven Faktoren gebunden, sondern wird auch selbst als der Gemeinwille eines Volkes objektiviert.152 Diese Bewusstseinsgesamtheit steht im Gegensatz zu einem Willen der vielen und soll durch bestimmte geistige, sittliche und kulturelle Vorstellungen und Überzeugungen geprägt sein.153 Die Ansicht kann theoriegeschichtlich auf die naturrechtliche Lehre vom Doppelvertrag (1.), aber auch auf postnaturrechtliche Konzeptionen zurückbezogen werden, die Verfassung als Gesetz des Staates betrachten (2.). Ihre aktuelle Ausformung in der deutschen Staats- und Verfassungslehre lässt sich in die Lehre von den Verfassungsvoraussetzungen einbetten (3.). Mag die Ausgestaltung des Staats- und Verfassungsmodells deutliche Unterschiede aufweisen und die theoretische Tradition bei gegenwärtigen ‚Etatisten‘ nur angedeutet sein, so zeigen sich hier doch Parallelen und lassen sich daher allgemeine Einwände gegen die Lehre vom Staat vor der Verfassung formulieren (4.).
ein bestimmtes Verfassungsverständnis aufrechterhalten wird, für das es auf den Staat ankommt. 148 J. Isensee, HStR II, 32004, § 15 Rn. 20. 149 J. Isensee, HStR II, 32004, § 15 Rn. 195. In Rn. 192 heißt es aber, Staat und Verfassung seien „einander zugeordnete […] Größen“. 150 J. Isensee, HStR I, 21995, § 13 Rn. 3; jetzt abgeschwächt ders., HStR II, 3 2004, § 15 Rn. 20; pointiert H. Quaritsch, FS Jeserich, 1994, S. 355 (366). 151 P. Kirchhof, HStR II, 32004, § 21 Rn. 69. 152 P. Kirchhof, HStR VII, 1992, § 183 Rn. 28; ders., HStR II, 32004, § 21 Rn. 24; J. Isensee, HStR II, 32004, § 15 Rn. 133. Man beachte die Parallele zu Hegels Vorstellung vom Staat als „Wirklichkeit der sittlichen Idee“: Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, § 257, Tz. 241. 153 E.-W. Böckenförde, Verfassunggebende Gewalt, 1986, S. 27.
Begriff der Verfassung
125
1. Die Lehre vom Doppelvertrag im deutschen Naturrecht Nähert man sich Fragen der Verfassungstheorie gedanklich von der Freiheit des Individuums, so ist ein Staat ohne Verfassung, die die Vereinigung der atomistischen Individuen bewirkt, an sich gar nicht denkbar,154 ist rechtliche Verfasstheit vielmehr Voraussetzung der Staatlichkeit. Mit einer kontraktualistischen politischen Philosophie ist eine Stellung des Staates vor der Verfassung nur vereinbar, wenn man die Lehre vom Doppelvertrag einbezieht. Nach dieser Konzeption liegt die Staatsbildung vor der Verfassunggebung.
a) Kontraktualistische politische Philosophie In der Tat bezieht sich Isensee in seinen Ausführungen zu „Staat und Verfassung“ im Handbuch des Staatsrechts auf den Doppelvertrag. Er stellt die Unterscheidung von pactum unionis und pactum subiectionis dar, für die er auf Samuel von Pufendorf zurückgreift.155 Nach dieser Konzeption verlassen die Individuen zunächst den Naturzustand, indem sie sich im Wege wechselseitiger Verträge aller mit allen, zusammengefasst im pactum unionis, zum nationalen Verband zusammenschließen, um sodann zur Wahrung ihrer gemeinsamen Belange eine Herrschaftsorganisation zu schaffen und sich ihr zu unterwerfen. Bei Isensee ist der pactum unionis der „Rütlischwur“, durch den die staatliche Einheit als nationale Solidargemeinschaft zustande kommt. Sie geht der Frage nach Organisation und Verfassung voraus.156 Der dem Zusammenschluss nachfolgende Konstitutions- und Unterwerfungsakt wird als pactum subiectionis bezeichnet. Dieser zweite Vertrag ist ideengeschichtlich betrachtet der ältere, sein Vorläufer ist der feudalständische pactum subiectionis des Mittelalters.157
154
Ähnliche Überlegungen bei G. Haverkate, Verfassungslehre, 1992, S. 40 f. J. Isensee, HStR II, 32004, § 15 Rn. 122 mit Verweis auf S. Pufendorf, De iure natureae et gentium libri octo, 1698, Lib. VII Cap. II §§ 7 ff. S. zum Doppelvertrag etwa auch G. Achenwall/J. Pütter, Elementa Iuris Naturae, 1750, §§ 655 ff.; ed. cit., S. 211 ff. 156 J. Isensee, HStR II, 32004, § 15 Rn. 124; vgl. ders., Das Volk als Grund der Verfassung, 1995, S. 92 f. 157 I. Maus, Zur Aufklärung der Demokratietheorie, 1994, S. 46. 155
126
2. Kapitel
Einige Autoren erweitern den Doppelvertrag zu einem Dreivertragsschema,158 das gegen Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland gebräuchlich ist. Hier wird zusätzlich zwischen dem pactum ordinationis mit der Festlegung der Regierungsform und dem pactum subiectionis (oder auch pactum submissionis), dem Unterwerfungsvertrag, unterschieden.159 Dieses Mehrvertragsschema, das von Neukantianern unter Hinzufügung eines pactum receptionis zur Bindung nachfolgender Generationen auch zum Viervertragsschema ausgebaut wird,160 ist ein Spezifikum des deutschen Naturrechts gegenüber dem Kontraktmodell der klassischen neuzeitlichen politischen Philosophie des Gesellschaftsvertrages.161 Mit der Lehre vom Gesellschaftsvertrag werden sozial- und politikphilosophische Konzeptionen bezeichnet, die die rationale Grundlage der institutionellen gesellschaftlichen Ordnung und die Legitimationsbedingungen politischer Herrschaft in einer hypothetischen, zwischen freien und gleichen Individuen in einem wohldefinierten Ausgangszustand geschlossenen Vertrag erblicken und damit die allgemeine Zustimmungsfähigkeit zum fundamentalen normativen Gültigkeitskriterium erklären.162 Der zuerst bei Vattel ausgehend von den Zwecken, „derentwegen die politische Gemeinschaft errichtet ist“,163 inhaltlich definierte Begriff der modernen Verfassung wurzelt in dieser 158
Pufendorf selbst unterscheidet drei Verträge in De iure natureae et gentium libri octo, Lund 1672, Liber VII, § 2, s. J. Isensee, Das Volk als Grund der Verfassung, 1995, S. 87 mit Fn. 229. 159 Zu diesem Schema: D. Grimm, in: H. Mohnhaupt/ders., Verfassung, 2 2002, S. 100 (101). 160 W. Kersting, Gesellschaftsvertrag, 1994, S. 241. Nachweise zum Mehrvertrag auch bei D. Klippel, Politische Freiheit und Freiheitsrechte im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, 1976, S. 44 mit Fn. 61. 161 W. Kersting, Gesellschaftsvertrag, 1994, S. 218. Abweichend davon wird Hobbes als Sonderfall gegenüber den zweistufigen Vertragskonzeptionen angesehen von I. Fetscher, Einleitung zu Thomas Hobbes: Leviathan oder Stoff, Form und Gestalt eines bürgerlichen und kirchlichen Staates, 132006, S. XXVI, ihm folgend R. Saage, Herrschaft, Toleranz, Widerstand, 1981, S. 295 f. mit Fn. 200. Saage ordnet den Doppelvertrag dem „fortgeschrittenen Kontraktualismus“ zu, R. Saage, Vertragsdenken und Utopie, 1989, S. 48. Diese Sichtweise wurde zuerst geprägt von O. Gierke, Althusius, 1902, S. 76. 162 Definition in Anlehnung an W. Kersting, Gesellschaftsvertrag, 1994, S. 16 f., dessen Begriffsbildung allerdings auch die hier nicht relevanten moralphilosophischen Konzeptionen einbezieht. 163 E. de Vattel, Le Droit des Gens ou Principes de la loi Naturelle, 1758, Liv. I Chap. III, § 27, ed. cit., S. 40 f.
Begriff der Verfassung
127
Vorstellung von der freien, von einer Nutzenkalkulation bestimmten politischen Assoziation mittels eines Gesellschaftsvertrages.164 Man kann die aufklärerische Epoche der Verfassungsgeschichte geradezu als die Zeit der „Verfassung im Zeichen des Gesellschaftsvertrages“ bezeichnen,165 obgleich der Gesellschaftsvertrag als regulative Idee mit der Verfassung selbst nicht gleichgesetzt werden darf.166 Das mehrstufige Kontraktmodell tritt in der Darstellung der Gesellschaftsvertragstheorie oft hinter die Konzeptionen von Hobbes,167 Locke168 und Rousseau169 zurück. Diese Autoren, wie auch Kant,170 kennen bei allen Unterschieden im Einzelnen nur einen einzigen Gesellschaftsvertrag, mit dem uno actu Vergesellschaftung und Herrschaftsetablierung vollzogen werden.171 Der Doppelvertrag findet sich ansatzweise schon im antiken Griechenland172 und Rom,173 in mittelalterlichen Schriften, in der Neuzeit unter anderem bei Johannes Althusius174 und eben Pufendorf, später im jüngeren deutschen Naturrecht des 18. Jha
164
H. Hofmann, JZ 54 (1999), S. 1065 (1073); ders., FS Häberle, 2004, S. 157
(159). 165
E. Schmidt-Aßmann, Verfassungsbegriff, 1967, S. 57. D. Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte, 1988, S. 19; ders., Zukunft der Verfassung, 1991, S. 31 (34); ders., HStR I, 32004, § 1 Rn. 18. Auch sind Verfassungsverträge – als bestimmte Form von Verfassungen – keine Gesellschaftsverträge, da jene anders als diese keine theoretische Konstruktion zur Rechtfertigung von Herrschaft darstellen, C. Möllers, in: A. von Bogdandy/J. Bast 2 (Hg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2009, S. 227 (13). 167 Thomas Hobbes, Leviathan, 1651; ders., De Cive, 1642. 168 John Locke, Two Treatises of Government 1690, dt. Ausgabe 2004. 169 J.-J. Rousseau, Du contrat social, Amsterdam 1762, abgedruckt in: ders., Politische Schriften, Bd. 1, 1977, S. 59-208. 170 Kant lehnt den Typus des Unterwerfungsvertrages lapidar ab: I. Kant, Reflexionen zur Rechtsphilosophie, Reflexion 8049, ed. cit., S. 593; s. dazu C. Langer, Reform nach Prinzipien, 1986, S. 58 ff. 171 W. Kersting, Gesellschaftsvertrag, 1994, S. 216, 221. 172 J. Gough, The Social Contract, 21957, S. 2. 173 H. Hofmann, in: ders., Recht – Politik – Verfassung, 1986, S. 93 (94) mit Verweis auf Dig. 1, 3, 2 (Demosthenes) und Dig. 1, 4, 1 pr. (Ulpian). 174 J. Althusius, Politica Methodice Digesta, 11603, 21610, 31614; vgl. O. Gierke, Althusius, 1902, S. 76, 99 und Zusatz 329 N. 10. 166
128
2. Kapitel
Jahrhunderts etwa bei P. J. A. Feuerbach175 und schließlich im deutschen Vormärz.176
b) Staat und Verfassung im Mehrvertragsschema In dem Argumentationsmuster von Vereinigung, Herrschaftseinsetzung und Herrschaftsunterwerfung, das dem deutschen naturrechtlichen Kontraktualismus zugrunde liegt, wird der Begriff der Verfassung mit Bezug auf den pactum subiectionis oder, in der dreigliedrigen Variante des Vertragsschemas, auf den pactum ordinationis verwandt.177 Nicht einheitlich gesehen wird dagegen die Ebene im Schema, auf der der Staat in Erscheinung tritt. Nach einer Darstellung enthält schon der pactum unionis die Übereinkunft, den Naturzustand zu verlassen und sich zum Staat zusammenzuschließen, während der pactum ordinationis nur noch die Regierungsform festlegt.178 Der Herrschafts- und Unterwerfungsvertrag setzt dann den Staat bereits als existent voraus. Als Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung verbleibt die Gehorsamspflicht auf der einen, das Versprechen von Sicherheit und guter Regierung auf der anderen Seite.179 Abweichend davon wird zum Teil aber auch zwischen dem pactum unionis als eigentlichem Gesellschaftsvertrag und dessen anschließender Festigung mit der vertraglichen Staatsgründung im pactum ordinationis unterschieden.180 Der Herrschafts- und Unterwerfungsvertrag nähert sich dem Gesellschaftsvertrag an, wenn er nicht nur die Bedingungen der Herrschaftsausübung festlegt, sondern auch die Herrschaftsetablierung regelt.181 Diese Unterschiede in der Darstellung mögen darauf zurückzuführen sein, dass im einen Fall der Akzent auf dem Staatsvolk, der Nation liegt, im anderen Fall aber die Staatsgewalt gemeint ist, die der Gesellschaft gerade gegenübertritt. Damit gerät die übliche Unterscheidung zwi175
P. J. A. v. Feuerbach, Anti-Hobbes, Bd. 1, Erfurt 1798. W. Kersting, Gesellschaftsvertrag, 1994, S. VIII f. 177 D. Grimm, in: H. Mohnhaupt/ders., Verfassung, 22002, S. 100 (101); J. Isensee, Das Volk als Grund der Verfassung, 1995, S. 88; W. Kersting, Gesellschaftsvertrag, 1994, S. 227, 235, m. N.; anders C. Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 62 – weder pactum unionis noch pactum subiectionis, sondern Vertrag zwischen politischen Einheiten. 178 D. Grimm, in: H. Mohnhaupt/ders., Verfassung, 22002, S. 100 (101). 179 J. Gough, The Social Contract, 1957, S. 3. 180 W. Kersting, Gesellschaftsvertrag, 1994, S. 231. 181 J. Gough, The Social Contract, 21957, S. 3. 176
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schen Staat und Gesellschaft mehr oder weniger deutlich in das Blickfeld. Darauf kommt es hier aber nicht an. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass in den Verfassungen des 18. Jahrhunderts von einem Staat noch gar nicht die Rede ist. Entscheidend ist vielmehr, dass die gegenwärtige Verfassungslehre, die Verfassung nur als Staatsverfassung anerkennen will, von der Mehrvertragskonzeption die Vorstellung übernehmen kann, dass vor der Verfassung die Einheit des Staatsvolkes liege.
c) Kritik der Mehrvertragslehre Am deutlichsten zeigen sich die Konsequenzen der Mehrvertragskonzeption im Vergleich mit den Entwürfen von Rousseau und Kant, in deren Zentrum jeweils nur ein Vertrag steht. Die Gesellschaft des pactum unionis der deutschen Naturrechtslehre hat sich der Souveränität begeben, die der vertraglich geeinigten Gemeinschaft nach Rousseau notwendigerweise zukommt.182 Rousseau steht demgegenüber für die emanzipatorische Intention des Vertragsgedankens und seine freiheitlichen Grundlagen.183 Für Kant ist der Abschluss des Gesellschaftsvertrages keine Frage der Klugheit, sondern ein Gebot der praktischen Vernunft. Der fiktive184 Gesellschaftsvertrag konstituiert uno actu ein souveränes, allgemein gesetzgebendes Volk und eine in dieser Gesetzgebung vereinigte Rechtsgesellschaft, vor der nur der Naturzustand liegt.185 Das Vernunftrecht Kants steht zu Gesellschaft und Staat in einem inneren Verhältnis und erzeugt beide in derselben logischen Sekunde durch einen contractus originarius, „der als rechtliche Konstitutionsbedingung der societas civilis com imperio zugleich auch deren rechtliche Kontinuitätsbedingung ist.“186 Dem kontraktualistischen Gedanken wohnt in diesem Sinne ein demokratisches Telos inne.187
182
W. Kersting, Gesellschaftsvertrag, 1994, S. 232. J.-J. Rousseau, Gesellschaftsvertrag, ed. cit., S. 67, 71; vgl. W. Kersting, Gesellschaftsvertrag, 1994, S. 152. 184 Die Vertragsidee fungiert als „Probierstein der Rechtmäßigkeit eines jeden öffentlichen Gesetzes“: I. Kant, GTP, ed. cit., VI, S. 153 185 W. Kersting, Gesellschaftsvertrag, 1994, S. 243. 186 W. Kersting, Gesellschaftsvertrag, 1994, S. 244. 187 W. Kersting, Gesellschaftsvertrag, 1994, S. 219 mit Fn. 2. 183
130
2. Kapitel
Soll das mehrstufige Vertragsmodell mehr sein als ein Entstehungsmodell für den Staat,188 soll es ein heuristisches Prinzip enthalten, so bedeutet es demgegenüber keine Präzisierung, sondern einen konzeptionellen Rückschritt. Das auch noch von Neukantianern anscheinend unkritisch rezipierte und sogar noch weiter untergliederte Schema verhindert die Entfaltung der demokratischen Implikationen des Vernunftrechts, verschließt sich dem „westlichen Radikalismus der Rechte“,189 der gedanklichen Möglichkeit einer Herrschaft der Gesetze, die über die Klugheit hinausgehen, aber nicht von einem universalen Staat geschaffen und durchgesetzt werden, und der Idee einer Zivilgesellschaft ohne Staat.190 Es ist ein kontraktualistisch an sich widersinniges Mittel, die demokratische Implikation der kontraktualistischen Argumentation auszublenden,191 indem es die Bildung und die Ausgestaltung der Gesellschaft voneinander abkoppelt. Dadurch wird die Fortwirkung der Vertragsidee im Sinne einer prozeduralisierten deliberativen Teilhabe als gesellschaftlicher Gestaltungsidee verhindert. Wenn sich Isensee also präventiv gegen den Vorwurf verwahren muss, mit dem Rekurs auf den Staat vor der Verfassung den Staat gegen die Demokratie auszuspielen,192 so ist dies auch Ausdruck davon, dass die Unterscheidung von Vereinigung und Unterwerfung strukturell gegen eine vernunftrechtlich begründete Demokratie als fortwirkender Ordnungsidee gerichtet ist.193 Damit übereinstimmend versteht eine etatistische Demokratietheorie194 wie sie im Handbuch des Staatsrechts zum Ausdruck kommt, Demokratie als Verfassungsprinzip nicht so sehr von
188 Zum genetischen Vertragsmodell s. R. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, 2010, S. 92. 189 N. Luhmann, Gesellschaftsstruktur und Semantik, 1989, S. 39. Die Wendung wird hier in Bezug auf Christian Wolff gebraucht, der im Anschluss an Pufendorf den Vorrang der Verpflichtung (officium, obligatio) vor dem Recht herausstellt. S. auch D. Klippel, Politische Freiheit und Freiheitsrechte im deutschen Naturrecht des 18. Jahrhunderts, 1976, S. 46: „Demnach erscheint es als unzulässig, die Lehre vom Sozialvertrag verallgemeinernd als ‚emanzipative Kategorie‘zu bezeichnen.“ 190 P. Capps, in: N. Tsagourias (Hg.), Transnational Constitutionalism, 2007, S. 17 (27 f.). 16
191
W. Kersting, Gesellschaftsvertrag, 1994, S. 219, Fn. 2. J. Isensee, HStR I, 32004, § 15 Rn. 19 f. S. dazu auch H. Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 32 (1999), S. 241 (251). 193 S. auch I. Maus, Zur Aufklärung der Demokratietheorie, 1994, S. 52. 194 Begriff von H. Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 32 (1999), S. 241 (257). 192
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der Teilhabe individueller Bürger als Citoyens und ihren Rechten her, sondern bestimmt sie als „organisch-formales Formprinzip“ des Staates.195 Danach kommt es nicht primär auf die Beteiligung der Bürger an, sondern auf die staatlichen Entscheidungsträger, die durch eine ununterbrochene demokratische Legitimationskette auf das Volk als Gesamtheit der Staatsbürger rückführbar sein muss.196 Zugleich limitiert die Einmaligkeit des Unterwerfungsaktes die Fortwirkung der Vertragsidee und ihres demokratischen Telos für die überstaatliche Ebene. Sie erlaubt hier nur zweistufige Kontraktmodelle im Sinne einer Kombination von Staatsvertrag und Staatenvertrag, schließt aber einstufige Modelle aus, die das überstaatliche Recht auch als Recht der Individuen ansehen.197
2. Postnaturrechtliche Konzeptionen des vorrechtlichen Staates a) Verfassung als Gesetz des Staates Im 19. Jahrhundert macht sich zunehmend eine Tendenz bemerkbar, die Verfassung nicht mehr als Vertrag zu interpretieren, sondern als ein Gesetz des souveränen Staates. Damit geht der Staat der Verfassung zwangsläufig voraus. Die Interpretation der Verfassung als Gesetz ermöglicht es, über das aus Sicht der genetischen Vertragslehre fehlerhafte Zustandekommen der oktroyierten Verfassungen der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts hinwegzusehen.198 Bedeutsam für die Vorstellung vom Staat vor der Verfassung ist vor allem, dass diese Interpretation der Verfassung als Gesetz eine scheinbare Vereinigung von Volks- und Fürstensouveränität im Begriff der Staatssouveränität erlaubt.199 Paradigma der Staatssouveränität ist aber die Unterwerfung freier Subjekte unter einen ihnen fremden, mit überlegenen Zwangsmitteln ausgestatteten, dem 195
E.-W. Böckenförde, HStR II 32004, § 24 Rn. 83, 35 ff.; J. Isensee, HStR V, 2000, § 118 Rn. 70. 196 E.-W. Böckenförde, HStR II 32004, § 24 Rn. 11 ff.; ders., HStR II 32004, § 34 Rn. 16 ff. 197 Ein einstufiges Vertragsmodell findet sich bei: C. Beitz, Political Theory and International Relations, 1979; ein zweistufiges Modell bei O. Höffe, De2 mokratie, 2002, S. 308 f. (vgl. auch ders., in: G. Schönrich/Y. Kato (Hg.), Kant in der Diskussion der Moderne, 1996, S. 489); J. Rawls, The Law of Peoples, 1999; T. Franck, The Power of Legitimacy, 1990, S. 221. 2
198 199
D. Grimm, in: H. Mohnhaupt/ders., Verfassung, 22002, S. 100 (123 f.). H. Hofmann, FS Häberle, 2004, S. 157 (165).
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Verfassungsgesetz vorausgehenden und durch dieses nur beschränkten Willen. Volkssouveränität hingegen verlangt demgegenüber die prozedurale Willensbildung verschiedener, aber rechtsgleicher Subjekte als Akt der Selbstbindung freier und gleicher Bürger.200 Die Auffassung der Verfassung als Gesetz des vorrechtlichen Staates erfährt durch das Scheitern der bürgerlichen Revolution 1849 und den preußischen Verfassungskonflikt starken Auftrieb. Mit der Reichsgründung 1871 wird sie ganz herrschende Meinung.201 Das Verfassungsgesetz wurde von der Staatsgewalt her gedeutet, nicht umgekehrt die Staatsgewalt von der Verfassung her. Ihren sinnfälligen Ausdruck findet diese Staatsorientierung in der Bezeichnung rechtswissenschaftlicher Darstellungen als „Staatsrecht“ anstelle von „Verfassungsrecht“.202 Der staatsrechtliche Positivismus ging davon aus, dass die Verfassung ebenso ein Produkt des Staates sei wie jedes andere Gesetz. Nach diesem Verständnis konnte es keinen prinzipiellen, qualitativen Unterschied zwischen Verfassung und einfachem Gesetz geben. Die Differenz besteht nach Laband nur in der verstärkten „formellen Gesetzeskraft“ der Verfassung, das heißt in dem rein formalen Merkmal erschwerter Abänderbarkeit.203
200
H. Brunkhorst, Leviathan 30 (2002), S. 530 (537). H. Hofmann, FS Häberle, 2004, S. 157 (165); A. Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, 2001, S. 100. 202 D. Grimm, in: H. Mohnhaupt/ders., Verfassung, 22002, S. 100 (133 f.). An die programmatische Funktion dieses Titels knüpft das von Isensee und Kirchhof herausgegebene „Handbuch des Staatsrechts“ an. Dazu H. Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 32 (1999), S. 241 (248). 203 P. Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches II, 41901, S. 34 ff., 66; dazu M. Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts, Bd. II, 1999, S. 341 ff. 201
Begriff der Verfassung
133
b) Selbstbindung des Staates in der Verfassung Georg Jellinek204 knüpft an das spätkonstitutionelle Primat des Staates vor dem Verfassungsrecht205 seine Selbstverpflichtungslehre.206 Obgleich bei dem liberalen Jellinek das Volk nicht vollständig der Staatsgewalt unterworfen ist, die Individuen vielmehr zugleich Pflicht- und Rechtssubjekte sind und die Staatsgewalt auf der „Volksüberzeugung von ihrer Rechtmäßigkeit“ beruhen muss,207 bleibt der Staat, nicht die demokratische Verfassung freier Bürger, Ausgangspunkt seines Denkens.208 Die Rechtsbindung des Staates beruht auf seiner einseitigen Rechtsetzung.209 „[A]n sich betrachtet Macht“, wird der Staat durch seine „Selbstbindung“ zur „rechtlich beschränkten Macht“.210 Den vorrechtlichen Staat bilden zur Verbandseinheit zusammengefasste staatliche Willensverhältnisse oder Herrschaftsverhältnisse.211 Der Staat ist anorganisches Willenssubjekt.212 204
Jellinek wird auch für die Gleichzeitigkeit von Verfassung und Staat zitiert: A. Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, 2001, S. 100. Die in der dort zitierten Stelle (Die Lehre von den Staatenverbindungen, 1882, S. 266) in Bezug genommene ‚erste Verfassung‘ ist allerdings als „etwas Factisches wie der Staat selbst“ zu verstehen, sie lässt sich „juristisch“ nicht „construieren“. Das wesentliche Moment im Begriffe des Staates ist nach Jellinek, „daß er Ordnung ist und eine Ordnung vor der Ordnung ist ein Widerspruch in sich selbst.“ (a. a. O., S. 266). Im selben Sinne ders., Allgemeine Staatslehre, 31913, S. 505. 205 J. Kersten, Georg Jellinek und die klassische Staatslehre, 1999, S. 451. 206 G. Jellinek, Die rechtliche Natur der Staatenverträge, 1880, S. 14 ff.; ders., Die Lehre von den Staatenverbindungen, 1882, S. 34 ff.; ders., Allgemeine Staatslehre, 31913, S. 367 ff.; ders., Gesetz und Verordnung, 1887, S. 198 ff.; 2 ders., System der subjektiven öffentlichen Rechte, 1905, S. 195 ff. Darauf bezieht sich J. Isensee, wenn er betont, dass die Beziehung von Staat und Recht „im erheblichen Maße Selbstbindung“ sei: J. Isensee, HStR VII, 1992, § 162 Rn. 29; vgl. ders., HStR I, 32003, § 15 Rn. 1 ff.; ders., Stichwort „Staat“, StLex V, 7 1989, Sp. 133 (150 f.). 207 G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 31913, S. 406, 408, 424. Dazu C. Schönberger, in: S. Paulson/M. Schulte (Hg.), Georg Jellinek: Beiträge zu Leben und Werk, 2000, S. 3 (25 f.). 208 J. Kersten, Georg Jellinek und die klassische Staatslehre, 1999, S. 10. 209 G. Haverkate, Verfassungslehre, 1992, S. 103. 210 G. Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 21905, S. 194. 211 G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 31913, S. 180. 212 G. Jellinek, Gesetz und Verordnung, 1887, S. 195; vgl. J. Kersten, Georg Jellinek und die klassische Staatslehre, 1999, S. 10.
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Als historischer Tatbestand hinter der Lehre von der Selbstbindung des vorrechtlichen Staates lässt sich das Phänomen der Verrechtlichung des monarchischen Staates mit gewissen rechtsfreien Restbeständen ausmachen.213 Ihr Anspruch geht indes über die Erklärung von konstitutioneller Monarchie und oktroyierter Verfassung im deutschen Konstitutionalismus hinaus und zielt auf ein Grundproblem des modernen Verfassungsstaates überhaupt, die Rechtsbindung politischer Herrschaft.214
c) Staat als politische Einheit Zieht man eine „etatistische“ Traditionslinie der postnaturrechtlichen Begründungen für politische Herrschaft von Jellinek bis in die aktuelle Staatsrechtslehre,215 so darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Staatsbegriffe Jellineks und der gegenwärtigen „etatistischen“ Staatsund Verfassungslehre nicht identisch sind. Letztere begreift den Staat nicht wie Jellinek als anorganisches Willenssubjekt, sondern an Carl Schmitt orientiert als „politische Einheit“.216 Auch für Schmitt ist es „nicht so, dass die politische Einheit erst dadurch entsteht, dass eine ‚Verfassung gegeben‘ wird. Die Verfassung im positiven Sinn enthält nur die bewusste Bestimmung der besonderen Gesamtgestalt, für welche die politische Einheit sich entscheidet.“ Dieses Verhältnis von Staat und Verfassung ergibt sich schon aus Schmitts Definition der Verfassung als Entscheidung über Art und Form der politischen Einheit, nicht aber über deren Bildung und Fortbestand, womit der Bestand der faktischen Einheit schon vorausgesetzt wird.217 213
C. Möllers, Staat als Argument, 2000, S. 263. J. Kersten, Georg Jellinek und die klassische Staatslehre, 1999, S. 412 f. 215 J. Kersten, Georg Jellinek und die klassische Staatslehre, 1999, S. 10, 412 f., 444 ff. Kersten zeigt neben der Tradition der etatistischen Selbstbindungslehre aber auch eine „konstitutionelle“ Tradition auf, die bis zu Dieter Grimm reicht (S. 449 ff.). 216 J. Kersten, Georg Jellinek und die klassische Staatslehre, 1999, S. 10 mit Verweis auf J. Isensee, HStR I, 21995, § 13 Rn. 64; ders., HStR VII, 1992, § 162 Rn. 11 ff.; E.-W. Böckenförde, Staat als sittlicher Staat, 1978, S. 12 ff.; ders.; in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 344 (344 ff.); kritisch H. Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 32 (1999), S. 241 (251). 217 C. Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 21. S. dazu E.-W. Böckenförde, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 344 (352) mit Fn. 14. Nicht damit vereinbar ist Schmitts Bundesstaatsbegriff. Der Bundesstaat als politische Einheit wird 214
Begriff der Verfassung
135
Die vorrechtliche politische Einheit ist vor allem durch gemeinsame Sprache, gemeinsame geschichtliche Schicksale, Traditionen und Erinnerungen bestimmt.218 Sie ist bis zur Identität gesteigerte Homogenität.219 Weil die Unterscheidung von Freundschaft, d. h. relativer Homogenität innerhalb des Staates, 220 und Feindschaft dichotomisch ist, kann sie eine Öffnung des Staates und eine Abkoppelung der Verfassung vom Staat nicht einordnen. Auf die Unstimmigkeiten in Schmitts Vorstellungen zur politischen Einheit ist bereits frühzeitig hingewiesen worden.221 Die Doppeldeutigkeit betrifft gerade das zentrale Problem der Offenheit und Gestaltbarkeit des Gegensatzes von Freund und Feind, seine Substantialität oder Okkasionalität, die Frage, ob der Feind der „Andersgeartete“ oder nur der „Antagonist“ ist.222 Insofern nimmt es nicht wunder, dass die Einheitskonzeptionen heutiger „Etatisten“ als bloße „Leertitel“, als „Chiffre für eine mögliche antipluralistische Stoßrichtung“223 kritisiert werden.
durch den Bundesvertrag, d. h. die Verfassung, erst konstituiert (a. a. O., S. 63 f.); vgl. I. Pernice, AöR 120 (1995), S. 100 (110). 218 C. Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 231. Homogenität findet sich als Bedingung für Staat und Verfassung auch schon bei John Stuart Mill angedeutet, mit einem besonderen Akzent auf dem gemeinsamen Nationalbewusstsein (J. S. Mill, Betrachtungen über die repräsentative Demokratie, 1861, ed. cit., S. 242. S. dazu I. Pernice, AöR 120 (1995), S. 100 (106)). 219 C. Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus 3 1961, S. 14. Zu Einheit und Homogenität bei C. Schmitt s. auch R. Voigt, in: ders. (Hg.), Mythos Staat: Carl Schmitts Staatsverständnis, 2001, S. 35 (45 f.). 220 C. Schmitt, Der Begriff des Politischen, 1932, S. 30. Vgl. E.-W. Böckenförde, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 344 (346 f.). 221 Heller kritisiert die Inhaltsleere von Schmitts Politikbegriff: H. Heller, Politische Demokratie und soziale Homogenität, 1928, S. 35 (37) – „Schmitts Freund- und Feindunterscheidung“ „dreht sich“ „im Zirkel; denn ohne das Epitheton politisch weist jenes Gegensatzpaar nichts spezifisch Politisches auf.“ 222
H. Hofmann, Legitimität gegen Legalität, 31995, S. 137, 140 f., m. N. aus dem Werk Schmitts im Anschluss an K. Löwith, Der Okkasionelle Dezisionismus von C. Schmitt, 1935, S. 104 ff. Letztlich spielt Schmitt nach Hofmann „gegen die inhaltsleere Legalität des positivistischen Normativismus bald die effektive Dezision eines existierenden Willens, bald den Begriff substanzhafter Legitimität aus“ (a. a. O., S. 141). 223 H. Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 32 (1999), S. 241 (256).
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2. Kapitel
3. Staatlichkeit als Element der Lehre von den Verfassungsvoraussetzungen a) Die Lehre von den Verfassungsvoraussetzungen Der Staat als Verfassungsvoraussetzung in der gegenwärtigen deutschen Staatsrechtslehre ist ein Element der Lehre von den Verfassungsvoraussetzungen.224 Diese Lehre wurde von Herbert Krüger entwickelt225 und von verschiedenen Autoren in unterschiedlichen Zusammenhängen aufgegriffen.226 Dementsprechend breit ist das Spektrum der Beispiele für in der Literatur genannte Verfassungsvoraussetzungen: Geld, Menschenbild des Grundgesetzes, Marktwirtschaft, eine Person, Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse.227 Die Kategorie der Verfassungsvoraussetzung soll die gesellschaftlichen Bedingungen erfassen, die für das Funktionieren der Verfassungsordnung unerlässlich sind, diejenigen Umstände, die die Umsetzung oder Wirksamkeit der (Gesamt-)Verfassung bedingen, ohne selbst ausdrücklich von der Verfassung normiert worden zu sein, die realen oder rechtlichen Faktoren der Rechtsgeltung oder Rechtswahrnehmung, die Umwelt- und Umfeldfaktoren der Verfassung, die als Grundsätze, Leitideen, Institutionen oder tatsächliche Umstände in Erscheinung treten.228 Die mit der Bildung der Kategorie der Verfassungsvoraussetzung suggerierte einheitliche Konzeption konnte die Lehre bislang allerdings nicht entwickeln. Zum Teil wird explizit zwischen rechtlichen und tatsächlichen Verfassungsvoraussetzungen unterschieden.229 Folglich sind 224
Dazu C. Möllers, Staat als Argument, 2000, S. 256 ff.; ders., VVDStRL 68 (2009), S. 47 (51 f.). 225 H. Krüger, FS Scheuner, 1973, S. 285; vgl. J. Isensee, Das Volk als Grund der Verfassung, 1995, S. 92 mit Fn. 238. In ihrer ursprünglichen Form darf die Lehre auch als Gegenbewegung zur angeblichen ‚Rechtsstaatsintrovertiertheit‘ der deutschen Verfassungslehre verstanden werden, s. E. Forsthoff, Der introvertierte Rechtsstaat, 1976, insb. S. 183. 226 S. u. a. D. Murswiek, Risiken der Technik, 1985, S. 103 (106); C. Waldhoff, Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Steuergesetzgebung, 1997, S. 89 ff.; J. Isensee, HStR V, 1992, § 115 Rn. 105 f.; P. Kirchhof, HStR VII, 1992, § 183 Rn. 35; ders., FS Isensee, 1998, S. 51; BK-Vogel/Waldhoff, Vorbem. z. Art. 104a115, 2003, Rn. 285. 227 Beispiele bei C. Möllers, Staat als Argument, 2000, S. 257 m. N. 228 C. Möllers, Staat als Argument, 2000, S. 257 m. N. zu den einzelnen Definitionsansätzen. 229 D. Murswiek, Risiken der Technik, 1985, S. 104; P. Kirchhof, HStR II, 3 2004, § 21 Rn. 65.
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nicht alle Verfassungsvoraussetzungen normativ verankert. Nur die normativen Voraussetzungen lassen sich als verfassungsrechtliche Schutzgüter oder Schutzobjekte durch Auslegung ermitteln, die faktischen Voraussetzungen hingegen rechtfertigen sich über die Funktionalität der Verfassung.230
b) Staat als Verfassungsvoraussetzung Die Vorstellungen davon, in welcher Weise der Staat eine Verfassungsvoraussetzung ist, unterscheiden sich bei verschiedenen Autoren und bleiben teilweise diffus. Der Rückgriff auf Staatlichkeit als subsumtionsfähigem Grundsatz231 soll nicht nur im Wege der Auslegung des Verfassungstextes erfolgen. Vielmehr soll Staatlichkeit als vorkonstitutioneller Begriff der Allgemeinen Staatslehre selbst konstitutive Funktion für die Interpretation des Grundgesetzes haben.232 Zentral für das Dogma ist die Ermöglichung der Rechtsgeltung erst durch den Staat.233
aa) Bedeutung des Staates für Verfassunggebung und Fortbestand der Verfassung Nach der Lehre vom Staat als Verfassungsvoraussetzung ist schon Verfassunggebung nicht möglich, wenn nicht bereits eine irgendwie geartete politische Einheit besteht, die bestimmt, wer zur Teilnahme an ihr befugt ist.234 Vor der Schaffung einer Verfassung müsse eine durch eine gewisse Homogenität gekennzeichnete Gemeinschaft bestehen, die ein 230
C. Möllers, Staat als Argument, 2000, S. 259. H. Krüger, FS Scheuner, 1973, S. 285 (297). 232 Zur Gegenüberstellung dieser beiden Ansätze und zur Kontroverse bei der VDStRL-Tagung 1990 s. J. Kersten, Georg Jellinek und die klassische Staatslehre, 1999, S. 343, 347. 233 E.-W. Böckenförde, FS Adolf Arndt, 1969, S. 53 (76); ders., Der Staat als sittlicher Staat, 1978, S. 15; H. Krüger, FS Scheuner, 1973, S. 285 (293 f.); J. Isen2 3 see, HStR I, 1995, § 13 Rn. 69; ders., HStR II, 2004, § 15 Rn. 1 – im Staat „erreicht“ die Verfassung „Geltung und Wirksamkeit“; P. Kirchhof, HStR II, 32004, § 21 Rn. 65; vgl. C. Möllers, Staat als Argument, 2000, S. 263. 231
234
E.-W. Böckenförde, GS Schnur, S. 137 (144) in Abgrenzung zu J. Isensee, 2 HStR I, 1995, § 13 Rn. 1 ff., der eher zu einer rechtlichen Einheit von Staat und Verfassung tendiere, und grundsätzlich zu K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 201995, § 1 II, der von politischer Einheitsbildung als stetem Prozess ausgehe.
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2. Kapitel
„Mindestmaß an Konstitutionsfähigkeit“235 gewährleiste, kurz: unverfasste Staatlichkeit.236 Die Bedeutung dieser vorverfassungsmäßigen Einheit soll sich aber nicht in dieser für den einmaligen Akt der Verfassunggebung relevanten historischen Dimension erschöpfen. Ein einigendes Band, eine homogenitätsverbürgende Kraft, die der Verfassung „vorausliegt“ und den Staat als politische Einheit erhält, soll Bedingung und Möglichkeit von Verfassungsrecht überhaupt sein.237 Rechtsbildung durch den Staat habe ihre Grundlage in der Nation und ist an natürliche, wirtschaftliche und kulturelle Vorgegebenheiten für die Menschen gebunden, die als Garant des im Kern gleichbleibenden und nur in Einzelaussagen entwicklungsoffenen Rechts vom Staat zu bewahren sind.238 Die politische Sphäre muss beim Staat und den staatlichen Organen konzentriert werden. Diese Behauptung der Notwendigkeit des Monopols des Politischen durch den Staat zieht sich wie ein roter Faden durch das staatsrechtliche Werk Carl Schmitts,239 hier in Abgrenzung zu den Spannungen und Kräften240 in der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Sphäre.241 Es geht dabei um die Bewahrung der politischen Einheit als Macht- und Friedenseinheit mit Gewaltmonopol nach innen.242 Verfassungstranszendente Staatlichkeit wird so zu einem Synonym für Zentralität und Einheitlichkeit.243 Die Lehre von der Vorrechtlichkeit des Staates in der deutschen Staatsrechtslehre wurde als Reformulierung der Selbstverpflichtungstheorie 235
P. Kirchhof, HStR II, 32004, § 21 Rn. 69. 236 J. Isensee, HStR V, 1992, § 115 Rn. 105 f. S. auch H. Krüger, FS Scheuner, 1973, S. 285 (293): „[D]er Entschluß zur Staatlichkeit“ „liegt“ „vor der Verfassung“ und hat „seinen Sitz außerhalb derselben“. 237
J. Isensee, HStR V, 1992, § 115 Rn. 105 f. Wortlautidentisch findet sich der erste Teil des Satzes bei E.-W. Böckenförde, FS Adolf Arndt, 1969, S. 53 (76). 238 Vgl. H. Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 32 (1999), S. 241 (254). Dabei soll aber nicht ausgeschlossen werden, dass die Verfassung auch ihrerseits auf den Staat einheitsfördernd einwirkt, s. J. Isensee, Das Volk als Grund der Verfassung, 1995, S. 93. 239 S. nur C. Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 214. 240
3
Formulierung in Anlehnung an W. Weber, Spannungen und Kräfte, 1970. 241 Vgl. E.-W. Böckenförde, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 344 (358). 242 E.-W. Böckenförde, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 344 (352). 243 H. Lietzmann, in: J. Gebhardt u. a. (Hg.), Demokratie, Verfassung und Nation, 1994, S. 72 (88).
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Georg Jellineks bezeichnet.244 In ihren Vorstellungen von Einheit erinnert sie jedoch auch an Carl Schmitt. Mit dem subsumtionsfähig gedachten Grundsatz der Staatlichkeit werden Wertentscheidungen verknüpft, deren Formulierung auch als Ausdruck des demokratischen Formprinzips des Staates245 verstanden werden könnte.246 Der „Grundsatz aller Staatlichkeit“ ist für Krüger: „Was alle angeht, muss von allen erledigt werden, und diese Erledigung muss allen zum Nutzen gereichen.“247 Isensee führt unter der Überschrift „Anknüpfung der Verfassung an die staatliche Einheit“ aus, dass nationale Konsistenz eine dauerhafte Funktionsvoraussetzung der Demokratie sei, weil sie das Mindestmaß an politischer Einheit, an Homogenität und Solidarität gewährleiste, dessen die politische Willensbildung nach dem Mehrheitsprinzip bedürfe.248 Staatlichkeit und Demokratie werden so anscheinend austauschbar:249 Das Staatsvolk als substantielle Einheit ist Grundlage von Staat und Verfassung und gewährleistet zugleich demokratische Homogenität im Sinne der oben im Zusammenhang mit dem Doppelvertrag beschriebenen etatistischen Demokratietheorie. Die Gründe für die Koppelung von Staat und Verfassung liegen aber bereits vor demokratietheoretischen Erwägungen. Die Vorstellung, der vorrechtliche Staat könne die Verfassung zu- oder ablegen wie Kleider, die eine Figur machen,250 ist nur nachvollziehbar, wenn dieser Staat eine mehr oder wenige beliebige 244
C. Möllers, Staat als Argument, 2000, S. 261. Begründet wird dies mit der Ähnlichkeit der Formulierung bei Jellinek und bei K. Stern, Staatsrecht I, 21984, § 1 II 1. 245 E.-W. Böckenförde, HStR II, 32004, § 24 Rn. 83, 35 ff.; J. Isensee, HStR V, 2 2000, § 118 Rn. 70. 246 Zum Verhältnis von Staatsbegriff und Demokratie s. C. Möllers, Staat als Argument, 2000, S. 422 ff. 247 H. Krüger, FS Scheuner, 1973, S. 285 (297). Der erste Teil der Sentenz ist die freie Übersetzung des lateinischen „Quod omnes tangit, ab omnibus approbetur.“, das dem Justinianischen Vormundschaftsrecht entstammt (Cod. Just. 5, 59, 5, 2) und in den regulae iuris Bonifaz’ VIII. sanktioniert ist (H. Hofmann, in: ders., Recht – Politik – Verfassung, 1986, S. 93 (96), Fn. 17). 248 J. Isensee, Das Volk als Grund der Verfassung, 1995, S. 92. Die Gleichsetzung von Staatlichkeit und Demokratie ist auch bei P. Kirchhof, in: Vertretung der Europäischen Kommission in der Bundesrepublik Deutschland (Hg.), Europäisches Forum, 1994, S. 57 (59) angelegt. 249 Zum Zusammenhang zwischen Staatsbegriff und Demokratie: C. Möllers, Staat als Argument, 2000, S. 422 ff. 250 Vgl. H. Hofmann, JZ 54 (1999), S. 1065 (1066) mit Fn. 18.
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Machtorganisation ist. Jede Form der Herrschaft lässt sich schließlich theoretisch auf den Willen des Staatsvolkes als pouvoir constituant zurückführen.251
bb) Normative Schlussfolgerungen Die beschriebene staatliche Einheit kann von innen durch die Macht der Verbände, von außen durch Globalisierung, Internationalisierung und supranationale Hoheitsgewalt bedroht werden.252 Die Lehre vom Staat als Verfassungsvoraussetzung beschränkt sich jedoch nicht auf eine Beschreibung der Bedrohungslage für die Verfassung durch die Auflösung der Staatlichkeit. Sie leitet daraus vielmehr handfeste Rechtsfolgen ab. Der Staat soll sich aus Gründen der Selbsterhaltung aus ungeschriebenem Notrecht über die Verfassung hinwegsetzen können. Das Gemeinwohl, die Gewaltenteilung und die Volkssouveränität werden als vorverfassungsmäßige Ideen der Verfassung vorgeordnet, Ziele und Aufgaben des Staates primär aus seiner Existenz als solcher entwickelt.253 Wegen der normativen Folgerungen, die sie aus der Behauptung der Voraussetzung vor allem für deren Fehlen oder drohenden Wegfall ableitet, ist die Lehre von den Verfassungsvoraussetzungen überhaupt und damit auch das Dogma vom Staat als Verfassungsvoraussetzung dem Vorwurf ausgesetzt, die Kategorien der Beschreibung der Bedingungen von Recht und des Inhalts von Rechts zu vermengen.254
4. Kritik der Lehre vom Staat vor der Verfassung Die Lehre vom Staat vor der Verfassung wird als Ausweg aus einem Zirkel dargeboten, der strenggenommen keiner ist. Die Zirkularität von
251
So schon C. Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 94 f. S. H. Krüger, FS Scheuner, 1973, S. 285 (295 ff.) – Gefährdung der Staatlichkeit durch den Einfluss von Gewerkschaften; ähnliche Wahrnehmung einer Bedrohungslage, allerdings bezogen auf die Verfassung und ohne Rekurs auf den Staat: G. Burdeau, Der Staat 1 (1962), S. 389 (398 ff., insb. 395 f.). 253 Die Reichweite der Konzeption zeigt in seiner Besprechung anhand von Nachweisen aus dem Handbuch des Staatsrechts auf: H. Schulze-Fielitz, Die Verwaltung 32 (1999), S. 241 (251 f.). 254 So zutreffend C. Möllers, Staat als Argument, 2000, S. 263; vgl. auch N. Petersen, ZaöRV 64 (2004), S. 429 (432). 252
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unverfasster Staatlichkeit und Verfassung lässt sich auf Hegel zurückführen,255 wurde aber unabhängig von diesem Ursprung in der Literatur immer wieder angesprochen.256 Der Zirkel soll darin bestehen, dass das Volk schon vorab verfasst sein müsse, damit es sich eine neue Verfassung geben könne. Handlungsfähig sei das Volk nur, wenn es organisiert sei, vor allem, wenn es über Repräsentanten verfüge, die in seinem Namen sprechen und handeln könnten. Organisation und Repräsentation aber machten das Wesen einer Verfassung aus.257 Das Staatsvolk als schon vorhandene Einheit sanktioniere die Verfassung, andererseits konstituiere die Verfassung erst die Einheit des Staatsvolkes,258 der Staat sei Rechtsquelle und Rechtsgebilde zugleich, ziehe sich in einer „Münchhausiade“ „an seinem eigenen Rechtszopfe aus dem Sumpfe“.259 Bei diesem Problem der Rechtsbindung des Staates handelt es sich genau besehen aber nicht um ein Phänomen der Zirkularität, sondern der Vermittlung von Faktizität und Normativität. Zwischen der VorVerfassung und der Verfassung besteht ein qualitativer Unterschied, der nur dann verschwindet, wenn man Verfassunggebung eben im Hegelschen Sinne als Ausdruck des Volksgeistes objektiviert. Als scheinbarer Ausweg aus dem Zirkel wird seine zeitliche Auflösung angeboten: Eine irgendwie geartete politische Einheit müsse bereits vor der Verfassung bestehen, die bestimmt, wer zur Teilnahme an der Verfassunggebung befugt ist.260 Der zunächst unverfasste Staat gibt den Anstoß zur Verfassunggebung, deren Ergebnis, die Verfassung, später wiederum dem Staat seine Form, seine Legalität und seine Legitimität 255
G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821, § 273, Tz. 280 f. Hegel erklärt die Frage für sinnlos, wer die Verfassung machen solle, weil sie voraussetze, „daß keine Verfassung vorhanden, somit ein bloßer atomistischer Haufen von Individuen beisammen sei. Wie ein Haufen, ob durch sich oder andere, durch Güte, Gedanken oder Gewalt, zu einer Verfassung kommen würde, müßte ihm überlassen bleiben, denn mit einem Haufen hat es der Begriff nicht zu tun. – Setzt aber jene Frage schon eine vorhandene Verfassung voraus, so bedeutet das Machen nur eine Veränderung, und die Voraussetzung einer Verfassung enthält es unmittelbar selbst, daß die Veränderung nur auf verfassungsmäßigem Wege geschehen könne.“ (Herv. i. O.). 256 F. J. Stahl, Die Philosophie des Rechts, 2. Bd./2. Abt. 51876, § 147, S. 533 ff.; H. Heller, Staatslehre, 1934, S. 278. 257 J. Isensee, Das Volk als Grund der Verfassung, 1995, S. 47. 258 E.-W. Böckenförde, GS Schnur, 1997, S. 137 (144). 259 P. Kirchhof, HStR I, 21995, § 19 Rn. 20, der hier G. Radbruch, Einführung in die Rechtswissenschaft, 1910, S. 23 zitiert. 260 E.-W. Böckenförde, GS Schnur, 1997, S. 144.
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verleiht.261 Diese Aussage reicht über eine historische Kurzformel zu den vorrechtlichen Voraussetzungen des Rechts nicht hinaus.262 Es ist offenkundig, dass das Recht und insbesondere auch das Verfassungsrecht von tatsächlichen Voraussetzungen abhängen, die sie selbst nicht zu bewirken vermögen.263 Dies gilt nicht nur für die Entstehung des Rechts, sondern auch für seine dauernde Wirksamkeit. Es ist daher eine fortdauernde Aufgabe, die politische Einheit und rechtliche Ordnung zu erhalten.264 Eine demokratische und rechtsstaatliche Verfassung bleibt nicht von selbst wirksam. Verfassungsrecht als nicht sanktioniertes Recht hängt in seiner Wirksamkeit vielmehr von komplexen Voraussetzungen ab.265 Daraus ergibt sich ein wissenschaftsstrategischer Einwand gegen die so verstandene Lehre vom Staat vor der Verfassung. Die Entwicklung des Staates vom überkommenen souveränen, in sich geschlossenen Nationalstaat zum international verflochtenen und supranational eingebundenen Staat findet ihre Entsprechung in dem Verlust der bisherigen Reichweite der Staatsverfassung.266 Sieht man nun eine Herausforderung für die Rechtswissenschaft gerade darin, dass der Staat irreversible Auflösungstendenzen zeigt, so ist es nicht geboten, die Wirkungsbedingungen von Verfassungsrecht mit der Chiffre „Staat“ zu versehen.267 Vielmehr gilt es, die Möglichkeiten von Verfassungsrecht auch jenseits des historisch zumindest teilweise überholten Phänomens Nationalstaat 261
P. Kirchhof, HStR II, 32004, § 21 Rn. 27. Ähnlich E.-W. Böckenförde, GS Schnur, 1997, S. 137 (144). S. auch U. Steiner, Verfassunggebung, 1996, S. 34 ff. 262 C. Möllers, Staat als Argument, 2000, S. 262. Auch als historische Chiffre ist sie indes nicht frei von Anfechtungen, vgl. nur H. Heller, Staatslehre, 1934, S. 164 f.: „Weder das Volk noch die Nation dürfen als die gleichsam natürliche Einheit angesehen werden, die der staatlichen Einheit vorgegeben wäre und sie selbsttätig konstituierte. Oft genug war es […] umgekehrt die staatliche Einheit, welche die ‚natürliche‘ Einheit des Volkes und der Nation erst gezüchtet hat.“ 263 E.-W. Böckenförde, in: ders., Recht, Staat, Freiheit, 1991, S. 92 (112): „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann …“. 264 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, 201995, § 1 II. 265 H. Hofmann, JZ 54 (1999), S. 1065 (1066) mit Fn. 18. 266 K. Hesse, in: E. Benda u. a. (Hg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 21994, S. 3 (17). 267 Ähnliche Kritik bei H. Hofmann, JZ 54 (1999), S. 1065 (1066) mit Fn. 18; A. Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, 2001, S. 102; I. Pernice/F. Mayer, RTD eur. 36 (2000), S. 623 (625); M. Kumm¸ in: P. Dobner/ M. Loughlin (Hg.), The Twilight of Constitutionalism?, 2010, S. 201 (203).
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auszuloten. Andernfalls müssen Ausführungen zur Verfassung jenseits des Staates eher vage bleiben.268 Hinzu kommt ein substantieller Kritikpunkt. Die Lehre vom Staat vor der Verfassung bleibt eine Begründung für die systematische Koppelung von Staat und Verfassung und für die dargestellten weitreichenden argumentativen Folgerungen aus der vor der Verfassung liegenden Staatlichkeit schuldig. Böckenförde stellt in diesem Sinne klar, dass die Formel „avant la constitution c’est ne pas rien“ als demokratische Legitimationstheorie von Staat und Verfassung richtig sei und nur dann unzutreffend werde, wenn sie als Erklärung der Wirklichkeit und der realen Bedingungen für das Entstehen und den Bestand von Staat und Verfassung genommen werde.269 Dennoch wird die von der „etatistischen Schule behauptete empirisch-historische Vorgängigkeit des Staates“ „unmerklich in eine begrifflich-logische Vorgängigkeit des Staates vor der Verfassung umgemünzt“.270 Die erforderliche Begründung vermag weder die untersuchte Anbindung an die Doppelvertragslehre noch eine andere theoriegeschichtliche Anknüpfung zu leisten. Lässt sich aber nicht begründen, dass der Staat der Verfassung begrifflich-logisch vorausgeht, so ist der Weg für Verfassungsrecht jenseits des Staates nicht versperrt. Soll Staatlichkeit eine Abbreviatur für die außerrechtlichen Funktionsvoraussetzungen von Recht sein, so ist auch das Verhältnis dieser Verfassungsvoraussetzung zu allen anderen heikel: ,Staat‘ müsste ein Oberbegriff für alle diese Einzelvoraussetzungen sein.
III. Moderner Staat als Regelungsgegenstand und Legitimationsvoraussetzung der Verfassung Neben der Ansicht, die den Staat vor der Verfassung sieht und aus diesem Grund den Begriff der Verfassung auf den Staat bezieht, gibt es eine Auffassung, die Staat und Verfassung als untrennbar aufeinander be-
268
So die Ausführungen von J. Isensee, HStR II, 32004, § 15 Rn. 15 f. unter der Überschrift „Transnationaler Überschuß der verfassungsstaatlichen Ideen“. Zu einem reduzierten, „konzeptionellen“ Verfassungsbegriff für das Völkerrecht s. M. Scheyli, Konstitutionelle Gemeinwohlorientierung, 2008, S. 191 ff. 269 270
E.-W. Böckenförde, GS Schnur, 1997, S. 137 (144). A. Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, 2001, S. 101.
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zogen versteht.271 Statt um den Staat vor der Verfassung geht es darum, dass eine legitime Verfassung nur im und durch den von ihr begründeten Staat möglich ist. Verfassung wird dabei als eine historische Errungenschaft verstanden, die sich kaum von ihren historischen Rahmenbedingungen eben des modernen Staates lösen lässt. Sie wird definiert als ein im Wege politischer Entscheidung zustande gekommenes Gesetz, das die Einrichtung und Ausübung politischer Herrschaft einer kohärenten und umfassenden Regelung zuführt.272 Der notwendige Bezug zum Staat zeigt sich, wenn man die politische Herrschaft als konzentrierte Ausübung von Hoheitsgewalt (1.) und die politische Entscheidung als Akt der Selbstbestimmung der Bürger eines Staates versteht (2.). Unter dieser Prämisse ist nur der Staat ein konstitutionsfähiger Gegenstand und kann nur im Staat oder in zumindest staatsähnlichen Verbänden die Legitimität einer Verfassung im Vollsinn gewährleistet werden.273 Diese Vorstellung verengt den Verfassungsbegriff indes stark auf bestimmte historische Beispiele der Verfassungsentstehung (3.).
1. Konzentrierte öffentliche Gewalt als Regelungsgegenstand von Verfassungen a) Verfasste Hoheitsgewalt im abgeschlossenen Territorialstaat Für Dieter Grimm ist Verfassung die Antwort auf eine ganz bestimmte historische Regelungsaufgabe. Die Verfassung regelt die Ausübung einer konzentrierten öffentlichen Gewalt, wie sie zuerst in der Zeit des Absolutismus geschaffen oder zumindest angestrebt und mehr oder weniger erfolgreich realisiert wurde.274 Nur die öffentliche Gewalt, wie sie im modernen Staat von der Gesellschaft getrennt und funktional auf politische Herrschaft spezialisiert ist,275 ist ein „konstitutionsfähiger
271 Für diese Ansicht ist es ausdrücklich nicht relevant, ob der Staat der Ver2 1 fassung notwendig vorgeht, wie von J. Isensee in HStR I, 1995 ( 1987), § 13 Rn. 3 1, 26 ff. vorgestellt, D. Grimm, HStR I, 2003, § 1 Rn. 36, Fn. 30. 272 D. Grimm, FS Badura, 2004, S. 145 (148). 273 S. zuletzt D. Grimm, in: P. Dobner/M. Loughlin (Hg.), The Twilight of Constitutionalism?, 2010, S. 3; ähnlich P. Dobner, ibid., S. 141 (143 ff.). 274
D. Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte, 1988, S. 29; ders., Die Zukunft der Verfassung, 1991, S. 37 f. 275 D. Grimm, Die Zukunft der Verfassung, 1991, S. 429.
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Gegenstand“,276 ein Objekt, das der einheitlichen Regelung in einem auf die Einrichtung und Ausübung von Herrschaft spezialisierten Gesetz zugänglich ist.277 Das Bedürfnis, die Ausübung der öffentlichen Gewalt zu normieren, entstand mit dem Ende absoluter Fürstengewalt.278 Anders als für die Vertreter der These von der Vorrechtlichkeit des Staates, ist der Voraussetzungsbezug hier rein historisch und funktionell. Er zieht keine unmittelbaren normativen Folgerungen nach sich. Im Zeitalter der Nationalstaaten waren öffentliche Gewalt und Staatsgewalt identisch.279 Eine supranationale öffentliche Gewalt, die überstaatliches Recht ohne Rücksicht auf die Staatsgewalt hätte durchsetzen können, existierte nicht.280 Der umfassende Geltungsanspruch der Verfassung war territorial begrenzt281 und davon abhängig, dass die Staatsgrenze das Territorium gegen fremde Herrschaftsakte wirksam abschirmte.282
b) Maßstabsfunktion des historisch bedingten Verfassungsbegriffs Grimm erscheint es durchaus möglich, dass der Staat als Grundeinheit einer neuen politischen Ordnung bestehen bleibt, aber, so wie er anfänglich noch nicht alle Herrschaftsrechte an sich gezogen hatte, künftig nicht mehr alle Herrschaftsrechte besitzen wird.283 Die Existenzberechtigung politischer Einheiten lasse sich nicht ohne Rücksicht auf die Aufgaben beurteilen, deren Lösung von ihnen erwartet werde. Bezogen darauf habe der Nationalstaat, verstanden als politische Einheit, die ihre inneren Angelegenheiten autonom regelt, seine Zeit hinter sich.284 Die Staatsverfassung kann ihren Regelungsanspruch ungeschmälert nur ge276
D. Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte, 1988, S. 11 ff.; ders., Die Zukunft der Verfassung, 1991, S. 31, 37 f., ders., JZ 50 (1995), S. 581 (583); ders., 3 HStR I, 2003, § 1 Rn. 5; 408 f. S. auch J. Isensee, Das Volk als Grund der Verfassung, 1995, S. 58. 277 D. Grimm, in: G. Schuppert (Hg.), Europawissenschaft, 2005, S. 177 (185). 278 D. Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte, 1988, S. 24 f.; ders., HStR I, 3 2003, § 1 Rn. 7. 279 D. Grimm, in: G. Schuppert u. a. (Hg.), Europawissenschaft, 2005, S. 177 (187). 280 D. Grimm, HStR I, 32003, § 1 Rn. 87 f. 281 D. Grimm, FS Badura, 2004, S. 145 (155, 164). 282 D. Grimm, HStR I, 32003, § 1 Rn. 39. 283 D. Grimm, FS Badura, 2004, S. 145 (156). 284 D. Grimm, JZ 50 (1995), S. 581 (590).
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genüber der öffentlichen Gewalt erfüllen, die nach wie vor vom Staat ausgeübt wird.285 Sollen aber die Überlebenschancen des Konstitutionalismus im 21. Jahrhundert samt der Übertragbarkeit auf supranationale Einheiten geprüft werden, so empfiehlt es sich für Grimm, an einem anspruchsvollen Verfassungsbegriff festzuhalten, wie er in der Entstehungsgeschichte des modernen Konstitutionalismus vorgezeichnet ist.286 Diesen Maßstab zugrunde gelegt, fehlt es auf Weltebene bislang an einem konstitutionsfähigen Gegenstand, der dem Zugriff durch eine Verfassung offen stünde. Vielmehr erinnert das vielfältige Bild unverbundener Herrschaftszentren und Rechtsquellen an vorstaatliche, mittelalterliche Zustände.287 Die Ausübung von Hoheitsgewalt durch internationale Organisationen ist daher nur der Verrechtlichung, nicht aber der Konstitutionalisierung zugänglich.288 Als konstitutionsfähiger Gegenstand jenseits des Staates kommt grundsätzlich allein die Europäische Union in Betracht, die über eine große Zahl von Hoheitsrechten und eine dichte Organisationsstruktur verfügt.289 Diese Betonung der Notwendigkeit eines konstitutionsfähigen Gegenstandes durch Grimm darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es hier nicht der moderne Staat ist, der die Verfassung prägt, sondern dass Ausgangspunkt der Verfassung die Menschen- und Bürgerrechte als die demokratische und rechtsstaatliche Konsensgrundlage des Staates sind.290 Diese Grundlage erlaubt auch keinen argumentativen Rückgriff auf einen Staat vor der Verfassung.291
285
D. Grimm, in: G. Schuppert u. a. (Hg.), Europawissenschaft, 2005, S. 177
(187). 286
D. Grimm, HStR I, 32003, § 1 Rn. 57; ders., in: G. Schuppert u. a. (Hg.), Europawissenschaft, 2005, S. 177 (190). 287 D. Grimm, HStR I, 32003, § 1 Rn. 101; ders., FS Badura, 2004, S. 145 (166); ders., in: G. Schuppert u. a. (Hg.), Europawissenschaft, 2005, S. 177 (188). 288 D. Grimm, in: G. Schuppert u. a. (Hg.), Europawissenschaft, 2005, S. 177 (187). 289 D. Grimm, FS Badura, 2004, S. 145 (165), ders., in: G. Schuppert u. a. (Hg.), Europawissenschaft, 2005, S. 177 (188). 290 D. Grimm, Leviathan 32 (2004), S. 448 (451); ders., Stichwort „Verfassung“, StLex V, 71989, Sp. 633 (636 f.); zu dieser Interpretation Grimms s. auch J. Kersten, Georg Jellinek und die klassische Staatslehre, 1999, S. 451 m. w. N. 291 D. Grimm, Die Zukunft der Verfassung, 1991, S. 429.
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2. Demokratische Legitimation der Verfassung nur im Staat Die Maßstabsfunktion des historisch gebundenen Verfassungsbegriffs ist nicht auf den Regelungsgegenstand selbst beschränkt, sondern soll sich auch auf das Legitimitätsniveau der Staatsverfassung beziehen. Nur im Staat sind die tatsächlichen Voraussetzungen für die Legitimation politischer Herrschaft im Wege der Rückbindung der Verfassung an einen Akt bürgerlicher Selbstbestimmung gegeben. Diese Sichtweise wird prononciert ebenfalls von Dieter Grimm vorgetragen, aber auch von anderen Staatsrechtslehrern vertreten.
a) Demokratische Legitimation als an den Staat gebundene Errungenschaft Moderne Verfassungen lösten als ranghöheres Recht durch Schrankenziehung und Organisation die Aufgabe, die außerhalb der Gesellschaft angesammelte politische Macht mit der auf individuelle Freiheit gegründeten Sozialordnung kompatibel zu machen.292 Es sei die Errungenschaft des Konstitutionalismus, politische Herrschaft mit dem Instrument der Verfassung auf den Konsens der Beherrschten zurückzuführen und zugleich die Freiheit der Beherrschten zu schützen.293 Demnach gehöre es zu einer Verfassung im vollen Sinn des Begriffs, dass sie auf einen Akt zurückgehe, den das Staatsvolk setze oder der ihm zumindest zugerechnet werde und in dem dieses sich selbst mit politischer Handlungsfähigkeit ausstatte.294 Die Volkslegitimation des Konstitutionsaktes und die darin zum Ausdruck kommende Selbstbestimmung der Bürger über Form und Inhalt ihrer politischen Einheit295 sei zugleich Kriterium der Abgrenzung des (Bundes-) Staates von internationalen Organisationen und von Staatenverbünden.296 Der völker292
D. Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte, 1988, S. 30 f.; ders., Die Zukunft der Verfassung, 1991, S. 31 (47). 293 D. Grimm, in: G. Schuppert u. a. (Hg.), Europawissenschaft, 2005, S. 177 (185). 294 D. Grimm, JZ 50 (1995), S. 581 (586) mit Verweis auf E.-W. Böckenförde, Verfassunggebende Gewalt, 1986, S. 11 ff.; ders., HStR I, 32004, § 22 Rn. 5 ff.; H. Steinberger, VVDStRL 50 (1991), S. 9 (23), insb. Fn. 46; H.-P. Schneider, HStR VII, 1992, § 158 Rn. 25 ff.; H. Rupp, AöR 120 (1995), S. 269 ff. 295 D. Grimm, JZ 50 (1995), S. 581 (586). 296 D. Grimm, HStR I, 32003, § 1 Rn. 100; ders., FS Badura, 2004, S. 145 (166); ders., JZ 50 (1995), S. 581 (590). Dabei soll allerdings nicht ausgeschlossen sein, dass eine Verfassung im Vollsinn des Begriffs aus einem völkerrechtlichen
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rechtliche Vertrag soll gerade nicht Ausdruck der verfassunggebenden Gewalt des Volkes, sondern heteronom bestimmt sein, weil die demokratischen Komponente fehle,297 die Zurechnung zum Volk als Legitimationsquelle ausgeschlossen sei.298 Die Möglichkeit, eine internationale Organisation durch Rückführung auf den Willen der Bürger der Vertragsstaaten299 zu legitimieren, wird damit ausgeschlossen. Die verfassunggebende Gewalt des Volkes wird dabei nicht als Gemeinwille oder Bewusstseinsgesamtheit,300 sondern als Akt der Selbstbestimmung der Bürger verstanden. Auch wenn ihre Funktionsweise im Einzelnen unbestimmt bleibt, ist sie demokratische Entscheidung nach demokratischen Entscheidungsprinzipien. Darauf, dass damit eine Mehrheitsentscheidung gemeint ist, weisen Äußerungen Grimms in anderem Zusammenhang hin.301 Anders als bei der etatistischen Lehre vom Staat vor der Verfassung liegt hier ein eher pluralistisches Demokratiemodell zugrunde.302 Die Zuordnung der verfassunggebenden Gewalt zum Volk nach dem Grundsatz der Volkssouveränität erfordert nicht nur ein demokratisches Verfahrens der Verfassungserzeugung, sondern zugleich eine demokratischer Struktur der Verfassungsordnung selbst.303 Ist eine politische Einheit auf das Volk als Souverän rückführbar, so hat ihre Rechts-
Vertrag hervorgehen kann. Das setzt aber nach Grimm voraus, dass die Gründungsstaaten mit dem Abschluss des Gründungsvertrages die verfassunggebende Gewalt für die neugegründete politische Einheit aus der Hand geben und auf diese selbst übertragen: D. Grimm, HStR I, 32003, § 1 Rn. 100; ders., in: G. Schuppert u. a. (Hg.), Europawissenschaft, 2005, S. 177 (190). 297 D. Grimm, HStR I, 32003, § 1 Rn. 99 m. w. N. 298 D. Grimm, FS Badura, 2004, S. 145 (165); vgl. C. König, DÖV 1998, S. 268 (272). 299 Für die Europäische Union vgl. nur I. Pernice, VVDStRL 60 (2001), S. 149 (167). 300 P. Kirchhof, HStR II, 32004, § 21 Rn. 24. S. dazu Text bei Fn. 152. 301 D. Grimm, Das Risiko Demokratie, in: Die Zeit v. 10.8.1990, Nr. 33, S. 34. S. auch H.-P. Schneider, HStR VII, 1992, § 158 Rn. 49. Kritisch zur Anordnung der Verfassung durch Mehrheitsentscheid J. Isensee, Das Volk als Grund der Verfassung, 1995, S. 50. 302 S. dazu D. Grimm, in: E. Benda u. a. (Hg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 21994, S. 599 (604), Rn. 10. 303
H.-P. Schneider, HStR VII, 1992, § 158 Rn. 33. Auf dieser – hier unausgesprochenen – Erwägung beruhen auch die Ausführungen von D. Grimm, JZ 50 (1995), S. 581 (587 ff.) zu den Bedingungen europäischer Demokratie.
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ordnung einen eigenen Geltungsgrund. Der Zusammenhang der Begriffe Verfassung und Staat ist insofern nur ein vordergründiger. Im Mittelpunkt steht der Zusammenhang von Verfassung und der sich dadurch und danach selbst bestimmenden Körperschaft der Mitglieder.304 Die Staatlichkeit eines Gemeinwesens bedingt seine demokratische Funktionalität und ist damit Voraussetzung für die Legitimation von Verfassung. Kollektive Identität und gemeinsame Sprache als Voraussetzung der Diskursfähigkeit werden als Voraussetzungen demokratischer Entscheidung, Anwendung der Mehrheitsregel und Übung von Solidarität gesehen.305 Im Unterschied zu der Position, die den Staat vor der Verfassung sieht, werden diese Faktoren hier zwar als nur langsam zu schaffen angesehen,306 sie werden aber nicht dazu verwandt, eine voluntaristische Staatsbürgernation im Wege der Objektivierung von Verfassungsvoraussetzungen auszuschließen. Es zeigt sich hier eine gewisse Nähe zu einem US-amerikanischen Verfassungsverständnis, das sich gegenüber dem Völkerrecht allerdings skeptischer zeigt. In der USamerikanischen Literatur wird einem „europäisch“ konnotierten international constitutionalism der amerikanische democratic, national constitutionalism gegenübergestellt.307 Die Bindung des demokratischen Gesetzgebers an völkerrechtliche Normen des Menschenrechtsschutzes und die Ausübung der Staatsgewalt wird in der „europäischen“ Konzeption als Stärkung der konstitutionellen Idee verstanden. Dagegen ist aus der Perspektive des viel stärker politischen amerikanischen Verfassungsverständnisses kein Raum für in der Verfassung nicht vorgesehene Restriktionen des demokratischen Willens der Bevölkerung. In dieser Sichtweise verwischt die Unterscheidung zwischen bindendem Völkerrecht und Verfassungsvergleichung.308
304
H. Hofmann, JöR 51 (2003), S. 1 (10). D. Grimm, JZ 50 (1995), S. 581 (587 ff.). 306 D. Grimm, JZ 50 (1995), S. 581 (590) 307 S. P. Kahn, Chi. JIL 1 (2000), S. 1; J. Rubenfeld, The Wilson Quarterly 27 (2003), S. 22. 305
308 Vgl. S. Choudhry, in: ders. (Hg.), The Migration of Constitutional Ideas, 2006, S. 1 (8).
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b) Volkssouveränität als realer Ausgangspunkt legitimer Rechtsordnung und als Gründungsmythos Grimms zentrale Legitimationsidee ist die Begründung der rechtlichen Verfassung einer politischen Einheit als Akt der Volkssouveränität. Legitimation soll durch eine der Etablierung eines Gemeinwesens vorangehende, historisch-reale Zustimmung vermittelt werden. Die Gründungssituation, der constitutional moment, soll für die integrierende und identitätsstiftende Kraft von Verfassungen, ihre Akzeptanz als legitime Ordnung entscheidend sein.309 Grimm verweist zwar auf Luhmann310 und die durch die Verfassung ermöglichte Reflexivität des Rechts, die die Hervorbringung und Anwendung des einfachen Rechts regelt.311 Indem er aber für die Legitimation der Verfassung die tatsächliche Rückführung auf das Volk verlangt, widerspricht er einer Autopoiesis des Rechts durch die Verfassung. Hasso Hofmann hingegen sieht die Lehre von der verfassunggebenden Gewalt des Volkes bereits zum Gründungsmythos verblasst, der die Rechtfertigung der Verfassung durch sich selbst verhüllt.312 Verfassung als nicht mehr hintergehbare, letzte, einheitliche und exklusive Grundlage einer positiven Rechtsordnung313 bedarf demnach eines Ursprungsmythos, der dem Mythos von der verfassunggebenden Gewalt des Volkes im nationalen Bereich jedenfalls vergleichbar ist und in derselben Weise die ideelle Homogenität des Rechts stiftet.314 Anders als bei Grimm ist die verfassunggebende Gewalt nicht mehr tatsächliche Legitimationsbasis, sondern dient der Invisibilisierung der Selbsterzeugung und -begründung des Rechts. Die naheliegende Alternative einer Rechtfertigung über Inhalte und Rechtspraxis wird nicht aufgegriffen, obgleich Hofmann das Projekt eines einheitlichen Verfassungsdokuments für Europa theoretisch im Zeichen der Ablösung des Verfassungsbegriffs vom Begriff des (National-)Staates und der Lösung des Verfassungsgedankens vom Mythos der verfassunggebenden Gewalt des Volkes sieht.315
309
D. Grimm, Leviathan 32 (2004) 4, S. 448, 455 ff.; vgl. B. Ackerman, Yale LJ 99 (1989), S. 453 ff.; ders., We the People, Bd. 1, 1991, Bd. 2, 1998. 310 N. Luhmann, Rechtssoziologie, 31987, S. 213 ff. 311 D. Grimm, JZ 50 (1995), S. 581 (584). 312 H. Hofmann, FS Häberle, 2004, S. 157 (168). 313 H. Hofmann, JZ 54 (1999), S. 1065 (1074). 314 H. Hofmann, JZ 54 (1999), S. 1065 (1074); ders., FS Häberle, 2004, S. 157 (170); FS Häberle, 2004, S. 157 (170). 315 H. Hofmann, JöR 51 (2003), S. 1 (3).
Begriff der Verfassung
151
c) Symbolisch-ästhetische Dimension der Verfassung bislang nur im Staat Für Ulrich Haltern ist die Legitimationsleistung von Verfassungen nicht allein funktional, und das heißt: rational, zu erfassen. Er stilisiert den Gründungsmythos zur Grundlage der symbolisch-ästhetischen Dimension, die ein Verfassungstext notwendigerweise haben muss. Verfassunggebung soll das übliche, häufig revolutionäre Ursprungsereignis des Rechts sein. Die Wirkmächtigkeit des Verfassungstextes hängt davon ab, dass er mit einem „Opfer“ verbunden sei, „welches zunächst auf den Körper gezeichnet und dann in den Verfassungstext eingeschrieben“ werde.316 Auf diese Weise wird Verfassung zum Sinnreservoir einer politischen Gemeinschaft,317 zum Gedächtnis für den Sinn jener Ideen, denen Verfassungen ihre Entstehung verdankten und die als historische Erfahrung ihren Text prägten.318 Bislang sei der so begründete Glaube an das Recht ausschließlich innerhalb der Erfahrung des Staates lokalisiert.319 Haltern setzt nicht das Individuum an den Ausgangspunkt der Legitimation von Recht, sondern betont den kollektiven Charakter des Volkssouveräns.320 Im Gewande eines kulturjuristischen Ansatzes tritt bei ihm eine geradezu romantische321 Vorstellung kollektiver Identität und des Mythos als Schlüssel zum Legitimationsproblem auf. In einem mit „Völkerrecht und Liebe“ betitelten Aufsatz stellt er klar, dass es seinem kulturtheoretischen Ansatz nicht darum geht, wie das Recht tatsächlich in einem Gemeinwesen operiert. Vielmehr soll es sich um ein
316
U. Haltern, AöR 128 (2003), S. 511 (548). U. Haltern, AöR 128 (2003), S. 511 (526); ders., in: R. Elm (Hg.), Politik und Kulturen im Globalisierungsprozeß, 2003, S. 429 (435). 318 U. Haltern, AöR 128 (2003). S. 511 (525). 319 U. Haltern, in: A. von Bogdandy/J. Bast (Hg.), Europäisches Verfassungsrecht, 22009, S. 279 (316). 320 U. Haltern, AöR 128 (2003), S. 511 (544) m. w. N. 321 In der Sicht der Romantik folgt die Verfassung dem Gesetz des geschichtlichen Wachsens und Werdens: „Mit und in der Geschichte der Nation muß die Verfassung, wenn sie nicht eine bloße Komödie sein soll, organisch emporwachsen, wie ein lebendiger Baum, der, das innerste Mark in immergrünen Kronen dem Himmel zuwendend, sich selber stützt und hält und den Boden beschirmt, in dem er wurzelt.“ (J. v. Eichendorff, Politischer Brief (1832), ed. cit., S. 345, 359). 317
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2. Kapitel
„Bündel von Glaubenssätzen“ über die Herrschaft des Rechts handeln.322 Glaubenssätze lassen sich empirisch nicht widerlegen.323 Doch lässt sich dem Glauben an die Kraft des Opfers der Glaube an die von Haltern gering geschätzte324 Wirkungsmacht der Ideen auf die menschliche Vernunft325, der Betonung des partikularen Kollektivs326 die Hoffnung auf eine universelle Entfaltung der Werte der Aufklärung entgegenhalten.
3. Historische Bedingtheit der revolutionären Verfassungsidee Die dargestellte Verfassungsvorstellung ist stark vom historischen Beispiel der revolutionären Verfassungen in Nordamerika und Frankreich geprägt. Anders als die Vorstellung vom Staat vor der Verfassung knüpft sie damit nicht an den Doppelvertrag an, sondern an das diesen Revolutionen zugrunde liegende frühneuzeitlich-aufklärerische Modell eines Sozial- und Herrschaftsvertrages.327 Das Modell konzentrierter und dann nach dem Gewaltenteilungsprinzip funktionell aufgeteilter öffentlicher Gewalt bezeichnet ein Ideal, das niemals vollständig realisiert werden konnte. Jede Wirklichkeit muss demgegenüber defizitär erscheinen.328 Zäsur und Revolution werden auf diese Weise geradezu zur 322
U. Haltern, in: R. Elm (Hg.), Politik und Kulturen im Globalisierungsprozeß, 2003, S. 429 (434). 323 Plausibel erscheint aber doch der Kritikpunkt von N. Petersen, ZaöRV 64 (2004), S. 429 (444), Haltern überschätze die Bedeutung mythologischen Einflusses auf die Gesellschaft. 324 U. Haltern, in: R. Elm (Hg.), Politik und Kulturen im Globalisierungsprozeß, 2003, S. 429 (436): „Die abstrakte Idee allein kann nicht zum Fundament einer neuen Ordnung werden, sondern nur dann, wenn Menschen für sie Opfer zu bringen bereit sind.“ 325 J. Habermas, Faktizität und Geltung, 1998, S. 609 – „[D]ie Prinzipien der Verfassung werden in unserem Gemüt keine Wurzeln schlagen, bevor sich nicht die Vernunft ihrer orientierenden, ihrer zukunftsweisenden Gehalte vergewissert hat.“; ablehnend U. Haltern, in: R. Elm (Hg.), Politik und Kulturen im Globalisierungsprozeß, 2003, S. 429 (456): „Eine politische Gemeinschaft ist nicht nur eine Organisationsstruktur zur Hervorbringung und Anwendung von Vernunft. Ihre Basis ist vielmehr der Wille.“ 326 U. Haltern, in: R. Elm (Hg.), Politik und Kulturen im Globalisierungsprozeß, 2003, S. 429 (440). 327 H. Hofmann, JöR 51 (2003), S. 1 (18 f.). 328 Ähnliche methodische Kritik (gegenüber anderen) bei J. Isensee, HStR I, 3 2004, § 15 Rn. 12.
Begriff der Verfassung
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Voraussetzung der Verfassunggebung. Nur die revolutionäre Situation habe Gelegenheit geboten, die Ideen der Sozialphilosophie des Gesellschaftsvertrages unmittelbar in geltendes Recht umzusetzen.329 Tief greifende Zäsuren seien bis heute häufigste Ursache für Verfassungsschöpfungen.330 Verfassung wird damit zu einem exklusiven Begriff,331 Legitimation durch Bewährung oder nachträgliche und fortdauernde Affirmation ausgeschlossen. In der von Grimm aufgegriffenen Verfassungsidee des Konstitutionalismus, die unter der Prämisse der Selbststeuerungsfähigkeit der Gesellschaft und der Trennung von Staat und Gesellschaft steht,332 sind wohlfahrtsfördernde Aktivitäten ursprünglich nicht berücksichtigt.333 Nach dem bürgerlichen Sozialmodell hatte der Staat nur die Aufgabe, die Freiheitssphären der Individuen gegeneinander abzugrenzen und die Grenzen gegen Verletzungen zu sichern, andererseits Kooperationsmöglichkeiten zu eröffnen und die Erfüllung freiwillig eingegangener Verpflichtungen zu gewährleisten.334 Sozialgestaltung und Absicherung des Einzelnen gegenüber lebensbedrohlichen Risiken, denen er selbst nicht begegnen kann, wurden erst später zu Staatsaufgaben.335 Grimm geht es, wenn er dieses Verfassungskonzept hochhält, um die Frage demokratischer Legitimation. Erst recht, muss man daraus schließen, ist die Loslösung der Verfassung des umverteilenden Sozialstaates von eben diesem Staat problematisch.336 Kann aber der Verfassungsbegriff nicht so weit von den Bedingungen seiner Entstehungszeit abgelöst werden, dass er noch sinnvolle Dienste zu leisten vermag, so bleibt für Grimm nur der Schluss, dass Verfassungen zu einem Mittel pervertiert sind, das Macht verschleiert, indem es vorgibt, sie zu bändigen.337 Die von ihm skizzierte Maßstabsfunktion der bürgerlichen Verfassung ist indes begrenzt. Das Untersuchungser329
D. Grimm, HStR I, 32003, § 1 Rn. 9, S. 18. D. Grimm, HStR I, 32003, § 1 Rn. 55 (mit Verweis auf Bruce Ackerman). 331 C. Möllers, in: A. von Bogdandy/J. Bast (Hg.), Europäisches Verfassungsrecht, 22009, S. 227 (231). 332 D. Grimm, Deutsche Verfassungsgeschichte, 1988, S. 26 ff.; ders., Die Zukunft der Verfassung, 1991, S. 403. 333 D. Grimm, Die Zukunft der Verfassung, 1991, S. 397. 334 D. Grimm, Die Zukunft der Verfassung, 1991, S. 401. 335 D. Grimm, Die Zukunft der Verfassung, 1991, S. 411 ff. 336 In diesem Sinne ist der Hinweis auf die Voraussetzungen der Solidarität zu verstehen: D. Grimm, JZ 50 (1995), S. 581 (590). 337 D. Grimm, AöR 97 (1972), S. 489 (494). 330
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2. Kapitel
gebnis kann nur lauten, dass keine Verfassung im Vollsinn zu finden ist, wo auch kein Staat ist.338 Damit ist nicht in Abrede gestellt, dass das im Nationalstaat erreichte Maß an Partizipation und Rechtsförmigkeit einen Bezugspunkt für die Bewertung von Internationalisierungsphänomenen und die Legitimation der Ausübung von Hoheitsgewalt jenseits des Staates bildet. Die Vorstellung von einer konzentrierten Hoheitsgewalt wird schon der Pluralität der Hoheitsgewalten im Staat nicht gerecht, sofern es sich um einen Bundesstaat handelt. Selbst im Einheitsstaat ist aber die konzentrierte Hoheitsgewalt gegenüber realen Phänomenen der Pluralität und der Verschränkung von Staat und Gesellschaft eine empirisch nicht zu bestätigende Zuspitzung. Teilverfassungen und Verfassungsebenen in einem Verfassungsverbund können vor diesem Verfassungsbegriff nur als Rückkehr zur vorrevolutionären Pluralität der leges fundamentales und als endgültiger Verzicht auf das vernunftrechtlich-aufklärerische Modell republikanischer Selbstbestimmung erscheinen.339
C. Zwischenfazit: Wandelbarkeit und Offenheit des Verfassungsbegriffs Die beiden Konzeptionen, die den Verfassungsbegriff logisch–systematisch auf den Staat beziehen, sind mit immanenten Problemen konfrontiert und wissenschaftsstrategischen Einwänden ausgesetzt. Für die etatistische Lehre, die den Staat der Verfassung voranstellt, sind apriorische Vorstellungen von Einheit und Repräsentation maßgeblich. Sie lässt sich theoriegeschichtlich auf die naturrechtliche Lehre vom Doppelvertrag, aber auch auf verschiedene postnaturrechtliche Konzeptionen zurückbeziehen, die Verfassung als Gesetz des präexistenten Staates betrachten. Ihre aktuelle Ausformung in der Lehre von den Verfassungsvoraussetzungen bleibt eine Begründung für die normativen Konsequenzen schuldig, die sie aus der vor der Verfassung liegenden Staatlichkeit zieht. Auflösungserscheinungen des Nationalstaates lassen es zudem als wissenschaftsstrategisch ungünstig erscheinen, gerade die 338
Vgl. D. Grimm, JZ 50 (1995), S. 581 (590); P. Badura, Stichwort „Verfassung“, EvStL II, 31987, Sp. 3737 (3758); ders., in: J. Schwarze (Hg), Verfassungsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit, 1998, S. 63 (65); J. Isensee, HStR II, 32004, § 15 Rn. 16. 339
H. Hofmann, FS Häberle, 2004, S. 157 (171).
Begriff der Verfassung
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Wirkungsbedingungen der Verfassung mit der Chiffre „Staat“ zu versehen. Der wissenschaftsstrategische Einwand trifft auch das Verständnis der Verfassungsstaatlichkeit als historischer Errungenschaft, das aus legitimationstheoretischen Erwägungen die Verfassung an den Staat koppelt. Mit der Anknüpfung an die Idee vom Gesellschaftsvertrag und ihrer Umsetzung in revolutionären Ereignissen setzt Grimm dabei einen starken Akzent zugunsten einer Verfassungstradition, die nur einen von zwei Typen von Verfassung repräsentiert. Neben der herrschaftsbegründenden Verfassung als Ausdruck der Selbstbestimmung der Nation, die in Nordamerika 1776 und in Frankreich 1791 Realität wird, besteht die englische und deutsche Tradition der herrschaftsformenden und -begrenzenden Verfassung. Das Herrschaftssubjekt wird hier als legitim vorausgesetzt und seine Machtausübung durch die Verfassung verrechtlicht.340 Mit der Überbetonung der revolutionären Verfassungstradition gerät der Aspekt der Verrechtlichung von Herrschaft als Element von Verfassung ins Hintertreffen. Die revolutionäre, herrschaftsetablierende Verfassung ist aber historisch eher der Ausnahmefall. Verrechtlichung von Herrschaft kann dabei, auch das zeigt die Geschichte, weder die Überwindung der Politik bedeuten noch Fragen demokratischer Legitimation dauerhaft ausklammern. Dieser Überlegung wird in den folgenden Kapiteln weiter nachzugehen sein. Letztlich kommt es darauf an darzulegen, welchem Verfassungsverständnis man folgt.341 Dann spricht nichts dagegen, den Begriff auch
340
Diese beiden Traditionen stellt pointiert dar: C.Möllers, in: A. von Bogdandy/J. Bast (Hg.), Europäisches Verfassungsrecht, 22009, S. 227 (229 ff.); s. außerdem H. Arendt, Über die Revolution, 1963, S. 183 ff.; U. Preuß, in: ders. (Hg.), Zum Begriff der Verfassung, 1994, S. 7 (11 ff.), I. Pernice, VVDStRL 60 (2001), S. 148 (159); H. Brunkhorst, Solidarität, 2002, S. 84 ff., H. Vorländer, 2 Die Verfassung, 2004, S. 15 ff; D. Grimm, in: G. Schuppert u. a. (Hg.), Europawissenschaft, 2005, S. 177 (190) – der herrschaftsbegründenden Tradition fehle das herrschaftsformende Element nicht, sie vereine vielmehr beides – Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, so dass der rechtsstaatliche Verfassungsbegriff im Verhältnis zum demokratischen kein Aliud, sondern ein Minus darstelle. 341 Vgl. N. Walker, in: P. Dobner/M. Loughlin (Hg.), The Twilight of Constitutionalism?, 2010, S. 291 (292 ff.) – mit einer Übersicht zu Ansätzen für einen „post-state constitutionalism“: nominale Definitionen; Abstellen auf entweder formelle oder materielle Merkmale; „essentialism“, der eine feststehende Bedeutung des constitutionalism unterstellt; Grimms Ansatz als „culturalism“ sowie ein epistemischer Ansatz, der constitutionalism als „scheme of intelligibil-
156
2. Kapitel
außerhalb des Nationalstaates zu verwenden342 und insbesondere als Ausdruck der mit der Verfassungssemantik verknüpften normativen Erwartungshaltung, die Frage nach verfassungsrechtlichen Elementen und Strukturen im Völkerrecht zu formulieren.
ity … a comprehensive way of seeing, understanding and acting in the world“ betrachtet (Loughlin). 342
f.).
S. auch M. Morlok, Stichwort „Verfassung“, EvStL, 2006, Sp. 2556 (2562
3. Kapitel: Vorläufer der Konstitutionalisierungslehre in der europäischen Völkerrechtslehre Die völkerrechtliche Konstitutionalisierungslehre findet bei europäischen Völkerrechtlern seit der Völkerbundzeit bedeutende Vorläufer.1 Ein beachtlicher Teil der Völkerrechtslehre nach dem Ersten Weltkrieg steht für eine völkerrechtliche Modernisierungsbewegung, deren Themen heute zum Teil Elemente der Konstitutionalisierungslehre bilden: die Kritik des Souveränitätsbegriffs,2 die Völkerrechtssubjektivität des Individuums,3 die Staatengleichheit und die Einstimmigkeitsregel auf internationalen Konferenzen,4 die Konsensbegründung des Völkerrechts,5 die Renaissance des Naturrechts,6 das Primat des Völkerrechts,7 die Staatenverantwortlichkeit8 und die Feststellung von Tendenzen zur Beschränkung der Immunität. Vertreter eines konstitutionellen oder gemeinschaftsorientierten Verständnisses des Völkerrechts beziehen sich heute in besonderem Maße auf Hans Kelsen (A.), Hersch Lauterpacht (B.), Alfred Verdross (C.) 1 S. zu den Phasen („temps d’analyse“), in denen das Völkerverfassungsrecht besonderes Interesse findet, H. Ruiz Fabri/G. Grewe, FS Gautron, 2004, S. 189 (192 ff.). 2
U. a. Politis, Morellet, Nippold, Borchard, Butler, Brierly, Dupuis, Fauchille, Krabbe, Schücking, Fischer Williams, Le Fur, Strupp, Morellet. S. den Überblick bei J. Garner, RdC 35 (1931-I), S. 609 (698 ff.), m. N. Für eine der Solidarität verpflichtete Völkerrechtsordnung und ein entsprechendes Selbstverständnis der Wissenschaft s. V. Bruns, ZaöRV 1 (1929), S. 1. 3 4
U. a. Politis, Lauterpacht. U. a. Schücking.
5
U. a. Fischer Williams, Brierly, Lauterpacht, Nelson, Kelsen, Duguit, Krabbe, Salvioli, Verdross. 6
V. a. Le Fur, Brierly, Lauterpacht.
7
U. a. Kunz, von Bar, Nelson, W. Kaufmann, Stammler, Beling, Le Fur, Krabbe, Duguit. 8
U. a. de Visscher, Dupuis, Eagleton.
158
3. Kapitel
und Georges Scelle (D.).9 Ihre Bedeutung für das Selbstverständnis der europäischen Völkerrechtswissenschaft wird dadurch unterstrichen, dass ihnen eigene Symposien in der Reihe „The European Tradition in International Law“ des European Journal of International Law gewidmet wurden.10 Sie alle zielen mit theoretisch anspruchsvollen Gesamtkonzeptionen des Völkerrechts auf die Überwindung der Begründung des Völkerrechts mit dem Staatenkonsens, wie sie im 19. Jahrhundert vorherrschend geworden war, und eine Relativierung der staatlichen Souveränität. Kennzeichnend ist eine Verselbständigung der Doktrin gegenüber der realen Entwicklung internationaler Organisationen, die durch den Völkerbund und später die Vereinten Nationen entscheidende Impulse erhält. Die Beschäftigung mit diesen Autoren, die maßgebliche Ideen in der Völkerbundzeit entwickelten, als möglichen Vorläufern der völkerrechtlichen Konstitutionalisierungslehre ist ideengeschichtlich aus drei Gründen von besonderem Interesse. Zunächst war während der Völkerbundepoche durchaus auch der im 2. Kapitel erörterte etatistische 9
Vgl für Scelle, Kelsen und Lauterpacht A. Somek, University of Iowa Legal Studies Research Paper, No. 09-25, S. 3 ff.; für Verdross: A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 178. Eine den erörterten Autoren verwandte Sichtweise ist etwa auch für Walther Schücking prägend. Vgl. zu den Gemeinsamkeiten von Wiener Schule und pazifistischer Schule R. Kolb, GYIL 50 (2007), S. 201 (228 f.). Schücking steht für einen „kritischen Idealismus“ (W. Schücking, Staatenverband, 1912, S. 275 f.), demzufolge der Völkerbund als Verwirklichung von Kants Traum einer Weltgemeinschaft erscheinen darf (ders., RdC 20 (1927-V), S. 349 (353)). Er wendet sich gegen eine rein deskriptive, dogmatische und historische Behandlung des Völkerrechts und zielt auf die Erforschung des – naturrechtlichen – Zustandes der Dinge wie er sein soll. Obgleich das Zweite Haager Abkommen noch keine „Verfassung eines politischen Gemeinwesens“ sei, ordnet Schücking die Haager Schiedsgerichtsbarkeit als Weltstaatenbund ein (ders., Staatenverband, 1912, S. 146, 69 ff.). Die Pazifisten Schücking und Hans Wehberg zielten auf eine „Sozialisierung“ des Völkerrechts, die zu einer universellen, demokratisch institutionalisierten Rechtsgemeinschaft mit Weltparlament, unmittelbarer internationaler Verwaltung und friedlicher Streitbeilegung führen sollte (ders., Staatenverband, 1912, S. 282 ff.; 3 ders./H. Wehberg, Die Satzung des Völkerbundes, 1931, Bd. 1, S. VI, 162 ff.). S. zu Schücking F. Bodendiek, Walther Schückings Konzeption der internationalen Ordnung, 2001, S. 116 ff.; zu Wehberg C. Denfeld, Hans Wehberg (18851962), 2008, S. 75 ff. 10
Außerdem beschäftigen sich Symposien mit Dionisio Anzilotti (EJIL 3 (1992), S. 92 ff.), Charles de Visscher (EJIL 11 (2000), S. 871 ff.), Alf Ross (EJIL 14 (2003), S. 653 ff.) und Max Huber (EJIL 18 (2007), S. 69 ff.).
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
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Verfassungsbegriff wirksam. Gleichwohl entspinnen sich die zeitgenössischen Auseinandersetzungen weniger zwischen den Vertretern eines etatistischen und eines kosmopolitischen Verfassungsbegriffs als vielmehr zwischen den Anhängern eines souveränitätsorientierten Völkerrechtsverständnisses und denjenigen, die das Völkerrecht als eine übergreifende universelle Rechtsordnung verstanden. Des weiteren hat das Völkerrecht gerade mit der Gründung des Völkerbundes 1919 sowie dann mit der Schaffung der Vereinten Nationen 1945 und schließlich der Revitalisierung dieser Organisation nach Ende des Kalten Krieges entscheidende Weichenstellungen erfahren. Sie verleihen der optimistischen Vermutung eine gewisse Plausibilität, dass der Wandel des Völkerrechts zu einer Verfassungsordnung im kosmopolitischen Sinne trotz aller Rückschläge eine gewisse Eigendynamik gewonnen hat.11 Schließlich zielen Kelsen, Lauterpacht und Verdross mit unterschiedlichen Akzenten auf die Konstruktion des Völkerrechts als geschlossenem System mit einer zentralen Rolle der Rechtsprechung, wie sie auch für ein konstitutionelles Völkerrechtsverständnis in der modernen Völkerrechtstheorie kennzeichnend ist. Während Kelsen absoluten Werten und einer moralischen Aufladung des Rechts skeptisch gegenübersteht, stellt sich Verdross in die Tradition des christlichen Universalismus. Seine Ideen sind grundlegend für das Verständnis des Völkerrechts als „Werteordnung“ und damit für die im 1. Kapitel dargestellten wertekonstitutionellen Ansätze. Scelle dagegen versteht das Völkerrecht unmittelbar als Ausdruck und Instrument der Solidarität. Damit bietet auch er einen Anknüpfungspunkt für ein konstitutionelles Völkerrechtsverständnis, das die Bindungswirkung völkerrechtlicher Normen mit der sozialen Notwendigkeit für das Funktionieren der internationalen Beziehungen begründet.12 Auf verschiedene Weise sehen die genannten Autoren die Aufgabe juristischer Theorie und Dogmatik in der Stärkung der Völkerrechtsordnung. Dabei akzentuieren sie das Verhältnis von Recht und Politik und die Bedeutung des Rechts unterschiedlich. Sie eint das Bestreben, die internationalen Beziehungen möglichst vollständig dem Recht zu unterwerfen. In ihren Texten entfalten sie aber eine unterschiedlich ausgeprägte Sensibilität für politische Antagonismen in der Staatengesellschaft.
11 12
Vgl. C. Cronin, in: J. Habermas, The Divided West, 2004, S. vii (xii).
G. Dahm/J. Delbrück/R. Wolfrum, Völkerrecht, 21989, Bd. I/1, S. 41 ff.; A. Peters, U.I. LR 2008, S. 239 (252); vgl. S. Kadelbach, ZaöRV 67 (2007), S. 599 (599 f.).
160
3. Kapitel
A. Hans Kelsens „reine“ Völkerrechtslehre und sein kosmopolitisches Projekt Hans Kelsens kosmopolitisches Projekt gilt als Inspirationsquelle der Idee einer Konstitutionalisierung der Völkerrechtsordnung.13 Seine völkerrechtstheoretischen Arbeiten bereiten die Grundlage für dieses Projekt und sind unter anderem Anknüpfungspunkt für Lauterpacht und Verdross.14 Zugleich sind sie von bestimmten epistemologischen Prämissen abhängig, die ihren Erklärungswert für Konstitutionalisierungsphänomene im modernen Völkerrecht beschränken. Kelsens Kritik der Ideologisierung und Moralisierung des Rechts bietet einen Anknüpfungspunkt für kritische Autoren.15 Seine monistische Völkerrechtstheorie auf der Grundlage neukantianischer Epistemologie ist indifferent gegenüber der Entwicklung der Weltorganisation, hat aber Konsequenzen für die Völkerrechtsfähigkeit des Individuums (I.) und ist Voraussetzung für das kosmopolitische Projekt einer Friedensstiftung, vor allem durch die internationale Rechtsprechung (II.). Die Bedeutung Kelsens als Vorläufer der Konstitutionalisierungslehre ergibt sich demnach vor allem aus seiner Auseinandersetzung mit überkommenen, souveränitätsbezogenen Begriffen der Völkerrechtslehre, die die Perspektive für eine internationale Gerechtigkeitsordnung eröffnet (III.).
I. Monismus auf der Grundlage neukantianischer Epistemologie 1. Theoretische Grundlagen des Monismus Kelsens monistische Rechtskonzeption steht und fällt mit der neukantianischen Erkenntnislehre.16 Seine Völkerrechtstheorie ist als „reine“ Rechtslehre vom Marburger Neukantianismus geprägt, setzt sich aber
13
B. Fassbender, FS Tomuschat, 2006, S. 763 (782).
14
Für eine frühe Zusammenfassung von Kelsens Völkerrechtstheorie s. H. Lauterpacht, Pure Science, 1933, CP II, S. 404 (419 ff.). 15
M. Koskenniemi, in: S. Cheng (Hg.), Law, Justice and Power, 2004, S. 46 (insb. S. 61); s. auch D. Kennedy, The Dark Sides of Virtue, 2004; vgl. J. von Bernstorff/I. Venzke, Ethos, Ethics and Morality in International Relations, EPIL 2008, Ms. S. 2 f. 16
D. Zolo, EJIL 9 (1998), S. 306 (323).
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
161
in ihrem kategorischen Wertrelativismus davon ab.17 Im System der Reinen Rechtslehre ist die Grundnorm wie die gesamte Rechtsordnung nur eine Annahme.18 Die angenommene Rechtsordnung fungiert als Deutungsschema, mit dem ein tatsächliches Geschehen als Rechtsverletzung oder Rechtsbefolgung interpretiert wird, und der juristischen Methode kommt gegenstandserzeugende Bedeutung zu.19 Hinter dem Recht gibt es keinen absoluten und unbestrittenen Begriff von universellen Werten und von Gerechtigkeit.20 Vielmehr konstituiert die im Kopf des Juristen vollzogene Anwendung der apriorischen juristischen Sollenskategorie auf empirisch verifizierbare Normen das Recht als Sollensordnung. Der Akt der Annahme und die damit verbundene Wahl einer epistemologischen Hypothese ist eine persönliche Entscheidung des Einzelnen und Ausdruck unterschiedlicher Weltanschauungen:21 Ein Anarchist etwa wird nicht das Deutungsschema der Rechtsordnung benutzen, sondern das der Machtbeziehungen.22 Machtordnung und Rechtsordnung erscheinen deshalb als alternative Deutungsschemata: Der Staat ist als Macht die Effektivität der Rechtsordnung und als Ordnung die Rechtsordnung selbst.23 Der Staat als Macht hinter dem Recht, als ein Wesen, das innerstaatlich und international Macht in Missachtung der Rechtsordnung ausüben kann, wird auf diese Weise für die Rechtswissenschaft hinwegdefiniert.24
17 H. Dreier, Kelsen, 21990, S. 33 ff., 56 ff.; H. Kelsen, Allgemeine Staatslehre, 1925, S. 27 ff., insb. S. 44. 18
Indes wird der hypothetische Charakter der Grundnorm nicht konsequent durchgehalten, sondern die Grundnorm teilweise mit Regeln des positiven Rechts identifiziert, vgl. F. Rigaux, EJIL 9 (1998), S. 325 (328) m. N. 19
Daraus folgt der sogenannte rechtstheoretische Solipsismus: Die Annahme der Rechtsordnung vermittelt jedem einzelnen Juristen ein Deutungssche1 2 ma. H. Kelsen, RR, 1934, S. 134 f.; vgl. H. Dreier, Kelsen, 1990, S. 34 ff.; D. Zolo, EJIL 9 (1998), S. 306 (306 ff.); J. von Bernstorff, Glaube an das universale Recht, 2001, S. 70; M. Koskenniemi, Gentle Civilizer, 2002, S. 240; A. Jakab, ZaöRV 64 (2004), S. 1045 (1047). 20 21 22 23 24
H. Kelsen, ASIL Proc. 35 (1941), S. 70 (70 ff.). H. Kelsen, Souveränität, 1920, S. 314 ff. H. Kelsen, General Theory of Law and State, 1949, S. 413. H. Kelsen, Law and Peace, 1948, S. 69 f.
Vgl. H. Bull, in: R. Tur/W. Twining (Hg.), Essays on Kelsen, 1986, S. 321 (336). Zum Verhältnis von Wirksamkeit und Geltung als Frage nach dem Ver-
162
3. Kapitel
Die Theorie, dass die Wahl der Methode den Gegenstand erzeugt, ist in Kelsens Völkerrecht Grundlage der monistischen Konzeption von Völkerrecht und Landesrecht: Die Anwendung einer einheitlichen, der juristischen Methode erzeugt einen einheitlichen Gegenstand.25 Über die tatsächliche Gestaltung der Beziehungen zwischen Völkerrecht und innerstaatlichem Recht sagt sie als rechtstheoretische Konstruktion nichts aus, die Alternative von Dualismus und Monismus hat keine empirische Bedeutung.26 Soll dem Völkerrecht Rechtsqualität zukommen, sollen weiterhin Völkerrecht und innerstaatliches Recht denselben Gegenstand, das menschliche Verhalten,27 haben und gibt es schließlich keine beide überwölbende höhere Ordnung, so seien Widersprüche nur zu vermeiden, wenn beide als einheitliche Rechtordnung aufgefasst würden. Das hiermit eingeführte Postulat der Widerspruchsfreiheit28 folgt wiederum aus der Einheitlichkeit der Methode.29 Kelsen formuliert zwei Varianten des Monismus: den Monismus mit Primat des Völkerrechts und den Monismus mit Primat des staatlichen Rechts. Zwischen den beiden Teilrechtsordnungen des Völkerrechts und des staatlichen Rechts besteht jeweils ein Delegationszusammenhang. Die übergeordnete Ordnung setzt eine Instanz ein, die ermächtigt wird, Normen mit Geltung für den Geltungsbereich der nachgeordneten Teilrechtsordnung zu erzeugen.30 Nimmt man ein Primat des staatlichen Rechts an, so liegt die Delegation in der Anerkennung des Völhältnis von Macht und Recht bei Kelsen s. V. Gerhardt, Rechtstheorie Beiheft 5 (1984), S. 485. 25
H. Kelsen, Souveränität, 1920, S. 123; ders., RR, 11934, S. 153; ders., General Theory of Law and State, 1949, S. 363, 373. 26
Vgl. T. Öhlinger, in: S. Paulson/M. Stolleis (Hg.), Hans Kelsen, 2005, S. 160 (161); A. Jakab, ZaöRV 64 (2004), S. 1045 (1048); A. Somek, EJIL 18 (2007), S. 409 (422). Anders offensichtlich A. Bleckmann, Rechtstheorie Beiheft 5 (1984), S. 337, der Kelsens Lehre als Darstellung des geltenden Völkerrechts versteht. 27
H. Kelsen, Souveränität, 1920, S. 124 ff.; ders., RdC 42 (1932-IV), S. 121 (178); ders., Principles, 1952, S. 402. 28
S. zur Unüberwindbarkeit des generellen Normwiderspruchs durch Interpretation H. Kelsen, Allgemeine Theorie der Normen, 1979, S. 178 f. 29
Vgl. A. Jakab, ZaöRV 64 (2004), S. 1045 (1049); zur Kritik der These von der Widerspruchsfreiheit s. H. L. A. Hart, in: ders., Essays in Jurisprudence and Philosophy, 1983, S. 309; dazu wiederum A. Somek, EJIL 18 (2007), S. 409 (426 ff.). 30
H. Kelsen, ZaöRV 19 (1958), S. 234 (234 f.).
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
163
kerrechts durch den Einzelstaat,31 im Fall des Völkerrechtsprimats dagegen in der völkerrechtlichen Anerkennung effektiver Rechtsordnungen als Staaten („Prinzip der Effektivität“).32 Die Entscheidung für ein Primat des Völkerrechts folgt politischen und ethischen Erwägungen.33 Aus rechtstheoretischer Perspektive sind beide Hypothesen zum Vorrang gleichwertig.34 Die Delegation des staatlichen Rechts durch das Völkerrecht, die Ableitung der Geltung der bedingten Norm aus der bedingenden Norm, hat dann wiederum eine rein epistemologische Bedeutung und ist mit keiner Aussage über die Machtkonzentration verbunden. Kelsens Lehre ist auch hier nicht empirisch richtig oder falsch – sie ist aufgrund ihrer epistemologischen Voraussetzungen so unangreifbar wie für die Betrachtung realer Machtverhältnisse35 oder des Selbstverständnisses von Diplomaten als Staatenvertreter oder Akteure des Völkerrechts irrelevant.36 In die monistische Konzeption verwoben ist die Vorstellung, dass dem Völkerrecht eine Beschränkung seiner unmittelbaren Anwendbarkeit auf Staaten nicht inhärent ist.37 Die Völkerrechtsfähigkeit des Individuums soll aus der monistischen Konzeption folgen,38 ist aber zugleich 31
H. Kelsen, Staatslehre, 1925, S. 121 ff.; ders., ZaöRV 19 (1958), S. 234 (235
ff.) 32
H. Kelsen, Staatslehre, 1925, S. 126 f.; ders., ZaöRV 19 (1958), S. 234 (238
ff.) 33
H. Kelsen, RR, 21960, S. 343 ff.
34
H. Kelsen, Souveränität, 1920, S. 102 ff., 151 ff., 314 ff.; ders., RdC 14 (1926-IV), S. 231 (312); ders., General Theory of Law and State, 1949, S. 387 f., ders., Principles, 1952, S. 446 f.; ders., ZaöRV 19 (1958), S. 234 (248). S. aber auch ders., RR, 11934, S. 68. Anders J. L. Kunz, Völkerrechtswissenschaft und reine Rechtslehre, 1923, S. 83 ff. 35
H. Bull, in: R. Tur/W. Twining (Hg.), Essays on Kelsen, 1986, S. 321 (336); A. Carty, EJIL 9 (1998), S. 344. 36
Abweichend davon begründet Kelsen zeitweise den Vorrang des Völkerrechts mit dessen grundsätzlich unbeschränktem Geltungsbereich. Der Geltungsbereich des staatlichen Rechts werde dagegen durch das Völkerrecht beschränkt, das den einzelstaatlichen Rechtsordnungen erst ihre Gültigkeit verleihe und das etwa im Bereich des Staatsbürgerschaftsrechts, des Fremdenrechts und des Minderheitenrechts wachsenden Einfluss auf den sogenannten domaine réservé habe: H. Kelsen, RdC 42 (1932-IV), S. 121 (138 ff., 182 ff.). 37 38
H. Kelsen, RdC 14 (1926-IV), S. 231 (284).
D. Zolo, EJIL 9 (1998), S. 306 (313 f.). Die Völkerrechtsfähigkeit ist dabei nicht mit subjektiven Rechten gleichzusetzen. Kelsen ordnet subjektive Rechte
164
3. Kapitel
ein Argument für sie, weil ja vorausgesetzt wird, dass es keinen Unterschied in der Natur des Gegenstandes von Völkerrecht und staatlichem Recht gibt. Kelsen schließt auch die aktive Völkerrechtsfähigkeit des Individuums, also die Beteiligung an der völkerrechtlichen Rechtsetzung, nicht grundsätzlich aus.39 Dies darf als gleichermaßen progressiv gelten wie die Idee der individuellen Verantwortlichkeit,40 ist doch die rechtliche Aufwertung des Individuums ein wichtiges Element der aktuellen Konstitutionalisierungslehre.
2. Einheit von Völkerrecht und Landesrecht Da der Staat bei Kelsen als personifizierte Rechtsordnung vorgestellt wird,41 lässt sich auch die universale Gesamtrechtsordnung als Weltstaat denken, ohne dass dies einen Staat im politisch-institutionellen Sinne mit Rechtsetzungs- und Rechtsdurchsetzungsorganen, eine Weltgesellschaft oder eine universelle Wertegemeinschaft voraussetzen würde.42 Die Weltgemeinschaft der civitas maxima ist als Personifikation der Universalrechtsordnung die Parallele zur Personifikation der innerstaatlichen Rechtsordnung im Staat. Sie ist bei Kelsen keine organisatorische, sondern eine erkenntnismäßige Einheit.43 Zwischen Staat und internationaler Ordnung besteht bei Kelsen daher kein qualitativer Unter
als mögliches, aber nicht notwendiges Instrument der Rechtstechnik ein. S. zur Kritik Kelsens am Begriff der subjektiven Rechte S. Hammer, in: S. Paulson/M. Stolleis (Hg.), Hans Kelsen, 2005, S. 176. 39
H. Kelsen, RdC 14 (1926-IV), S. 227 (286).
40
H. Kelsen, Cal. LR 31 (1943), S. 530; ders., Peace Through Law, 1944, S. 71 ff. 41
S. zu Kelsens Lehre von der „Identität“ von Recht und Staat A. Somek, OJLS 26 (2006), S. 753. 42
H. Kelsen, Souveränität, 1920, S. 249 ff.; vgl. H. Lauterpacht, Pure Science, 1933, CP II, S. 404 (419 f.); J. von Bernstorff, Glaube an das universale Recht, 2001, S. 97 f. 43 H. Kelsen, RR, 11934, S. 153; ders., in: Authority and the Individual, 1937, S. 210 (216); vgl. A. Rub, Hans Kelsens Völkerrechtslehre, 1995, S. 531.
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
165
terschied.44 Sein Minimalismus erlaubt es, auch dort ein funktionierendes Rechtssystem anzunehmen, wo es an Organisation fehlt.45 Wie das staatliche Recht versteht Kelsen auch das Völkerrecht als Zwangsordnung.46 Damit ist für den Rechtscharakter einer Norm die Anordnung einer Sanktion entscheidend.47 Im Völkerrecht als primitiver Rechtsordnung wird Zwang dezentral im Wege der Selbsthilfe unter den Staaten ausgeübt.48 Unrechtsfolgen sind Repressalie und Krieg.49 Nach der Doktrin vom bellum iustum können Kriege illegal oder legal sein. Im ersten Fall sind sie Völkerrechtsverletzungen, im zweiten Fall Sanktionen. Führen Staaten legale Kriege, so handeln sie als Vollstreckungsorgan der internationalen Gemeinschaft.50 Diese Lehre ist für Kelsen nur eine mögliche Interpretation des Völkerrechts, aber die einzige, nach der das Völkerrecht Recht im Sinne einer (primitiven) Zwangsordnung ist. Die Präferenz für diese Interpretation ist wiederum „politisch“ motiviert, Kelsen hält aber die Annahme, dass der Krieg als Sanktion des Völkerrechts gelten kann, außerhalb der Rechtswissenschaft für wohlbegründet.51 Seine Abschaffung sei solange zwecklos, wie nicht ein anderer internationaler Zwangsakt an seine Stelle treten könne.52 Als Zwangsordnung ist das Recht für Kelsen ein unbegrenztes Medium sozialer Steuerung, ein Zwangsapparat, dem für sich kein politischer oder ethischer Wert zukommt, dessen Wert vielmehr von einem dem 44
H. Kelsen, Souveränität, 1920, S. 273 f.; ders., RdC 14 (1926-IV), S. 227 (319, 245); ders., RdC 42 (1932-IV), S. 121 (132 f.); ders., Peace Through Law, 1944, S. 34 ff. 45
A. Somek, EJIL 18 (2007), S. 409 (414).
46
H. Kelsen, Souveränität, 1920; S. 70, ders., RdC 42 (1932-IV), S. 121 (134); ders., U. Chi. LR 75 (1941), S. 75 (79 ff.); vgl. F. Rigaux, EJIL 9 (1998), S. 325 (334) m. w. N. in Fn. 49; J. Kammerhofer, LJIL 22 (2009), S. 225 (227 ff.). 47
H. Kelsen, RR, 11934, S. 25 f.; vgl. F. Rigaux, EJIL 9 (1998), S. 325 (342); D. Zolo, EJIL 9 (1998), S. 306 (314) m. w. N. in Fn. 28. 48
H. Kelsen, Souveränität, 1920, S. 258; s. auch ders., International Order, 1935, S. 12 ff., 15 – „vendetta system“; zur mangelnden Plausibilität des Völkerrechts als Zwangsordnung s. H. Bull, in: R. Tur/W. Twining (Hg.), Essays on Kelsen, 1986, S. 321 (322 ff.). 49 50 51 52
H. Kelsen, Z.ö.R. 12 (1932), S. 481 (568); ders., Principles, 1952, S. 33 ff. H. Kelsen, Principles, 1952, S. 25. H. Kelsen, Law and Peace, 1948, S. 54 f.; ders., RR 21960, S. 322. H. Kelsen, International Order, 1935, S. 21.
166
3. Kapitel
Recht transzendenten Zweck abhängt.53 Kelsen misst damit dem Völkerrecht nicht per se einen höheren Wert zu als dem staatlichen Recht. Seine Fortschrittsgläubigkeit zeigt sich aber in der Annahme, das Völkerrecht – als im Hinblick auf territorialen Geltungsbereich wie Regelungsgegenstände potentiell universales Recht – könne im internationalen Bereich eine ähnlich friedenstiftende Funktion übernehmen wie das staatliche Recht im Inneren.54 Völkerrechtlicher Vertrag und innerstaatliches Gesetz werden weitgehend parallelisiert. Der völkerrechtliche Vertrag führe wie ein innerstaatliches Gesetz eine partikulare Herrschaftsordnung herbei, die Unterschiede zwischen beiden seien nicht prinzipieller, sondern gradueller Natur.55 Die Staaten agieren bei der Erzeugung des Vertrages als Teil eines völkerrechtlichen Legislativorgans. Dieses zusammengesetzte Organ errichtet durch den Vertragsschluss eine partikuläre überstaatliche Völkerrechtsordnung, die unabhängig vom aktuellen Willen der Vertragsparteien Geltung beansprucht. Ihre verpflichtende Kraft kann sich auch auf am Entstehungsvorgang unbeteiligte Individuen und dritte Staaten erstrecken.56 Als Beispiel für Dritte belastende Verträge betrachtet Kelsen das Servitut, bei dem durch Vertrag eine lokalisierte Verpflichtung geschaffen werde, die im Falle des Gebietsübergangs auf einen anderen Staat als Rechtspflicht auf diesen übergeht, obgleich er an der Schaffung nicht beteiligt war. Daneben ordnet Kelsen die Gründung eines neuen Staates durch zwei oder mehrere andere Staaten mit bestimmten vertraglichen Schranken zulasten des neu gegründeten Staates als echten völkerrechtlichen Vertrag zulasten Dritter ein. Das Gleiche soll für den internationalen Rechtshilfevertrag (vgl. Art. 10, 17 Abs. 3 VBS) gelten, der Zwangsakte in Reaktion auf erlittenes Unrecht durch selbst nicht unmittelbar verletzte, aber zur Rechtshilfe verpflichtete 53
H. Kelsen, RR, 11934, S. 28 ff.; vgl. A. Somek, EJIL 18 (2007), S. 409 (414). Vgl. zur Inanspruchnahme von Kelsen für eine materialistische Umdeutung des auf die Weltebene transponierten Rechtsbegriffs bei M. Hardt/A. Negri, Empire, 2002, S. Buckel, in: H. Brunkhorst/R. Voigt (Hg.), Rechts-Staat, 2008, S. 269 (273 ff.). 54
H. Kelsen, AJIL 37 (1943), S. 397 (402); vgl. J. von Bernstorff, Glaube an das universale Recht, 2001, S. 69, 101; ders., in: H. Brunkhorst/R. Voigt (Hg.), Rechts-Staat, 2008, S. 167 (177). 55
H. Kelsen, RITD 10 (1936), S. 253 (270). Partikulares Recht ist auch die UNO-Charta: H. Kelsen, Principles, 1952, S. 347 f. 56 H. Kelsen, RITD 10 (1936), S. 253 (271 ff.); vgl. J. von Bernstorff, Glaube an das universale Recht, 2001, S. 157.
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Staaten legitimiert.57 Als weitere Beispiele nennt Kelsen Territorialverträge, Gründungsverträge internationaler Organisationen und Änderungen dieser Verträge auf der Grundlage einer Mehrheitsentscheidung sowie multilaterale Verträge, denen eine überwiegende Mehrheit von Staaten als Vertragsparteien angehört und die auf einen Wandel der Weltordnung abzielen.58 Seine Drittwirkungslehre beruht auf der Annahme eines einheitlichen Rechtssystems mit Vorrang des Völkerrechts, das als Verfassungsordnung eine entsprechende Vertragswirkung vorsieht.59 Nach dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet es Kelsen als eine charakteristische Tendenz des modernen Völkerrechts, dass das Konsensprinzip zunehmend beschränkt wird, und bezieht sich damit auf ein wesentliches Element auch der Konstitutionalisierungsthese. Verträge, die dritten Staaten Verpflichtungen auferlegten, seien allgemein und in ständig wachsendem Ausmaß anerkannt.60 In der Reinen Rechtslehre hat der Begriff der Verfassung zusammen mit der von Adolf Merkl übernommenen Lehre vom Stufenbau der Rechtsordnung eine zentrale Bedeutung. Die Stufenbaulehre wiederum soll der heute populären Vorstellung von Mehrebenensystemen zugrunde liegen.61 Allgemein versteht Kelsen unter Staatsverfassung den letzten positivrechtlichen Grund für die Geltung des positiven innerstaatlichen Rechts.62 Dieser Begriff lässt sich auch auf das Völkerrecht und damit auf die civitas maxima übertragen.63 Im allgemeinen Völkerrecht entspricht das Gewohnheitsrecht dem innerstaatlichen Verfassungsrecht, da es die Erzeugung von niederrangigem Vertrags- bzw. Gesetzesrecht regelt. Es ist deshalb im Stufenbau der Rechtsquellen dem Vertragsrecht übergeordnet.64
57 58
H. Kelsen, Prager Juristische Zeitschrift 14 (1934), Sp. 419. H. Kelsen, Principles, 1952, S. 344 ff.
59
Vgl. H. Ballreich, Stichwort “Treaties, Efect on Third States”, EPIL IV, 2000, S. 945 (947 f.). 60 61
H. Kelsen, Principles, 1952, S. 344 ff. S. zum „Multilevel“ Constitutionalism 1. Kapitel C. I.
62
H. Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre, 21923, S. XV; vgl. zu den Verfassungsbegriffen Kelsens R. Alexy, in: S. Paulson/M. Stolleis (Hg.), Hans Kelsen, 2005, S. 333. 63
S. auch H. Kelsen, RR, 21960, S. 222 sowie die Konstruktionsversuche bei J. Kammerhofer, International Legal Theory 12 (2006), S. 5 (40 ff.). 64
H. Kelsen, RR, 11934, S. 129 f.; ders., RITD 10 (1936), S. 253 (262).
168
3. Kapitel
Allein die Annahme der civitas maxima bedeutet eine Relativierung des Staates in seiner behaupteten Differenz gegenüber anderen Gebietskörperschaften und Vereinigungen innerhalb seiner Grenzen.65 Kelsen selbst bezeichnet die Auflösung des Souveränitätsdogmas als ein wesentliches Ergebnis der Reinen Rechtslehre. Der in Vermengung von naturwissenschaftlich-kausaler und juristisch-normativer Betrachtungsweise gewonnene etatistische Souveränitätsbegriff sei ein Hindernis für die technische Fortbildung des Völkerrechts.66 Die Theorie sei zwar gegenüber der organisatorischen Ausgestaltung der Weltrechtsordnung indifferent, sie entlarve aber die Trugschlüsse der „politischen Ideologie des mit dem Dogma der Staatssouveränität operierenden Imperialismus“, nehme ihnen den Schein von logischen Beweisen und reduziere sie zu politischen Argumenten, denen mit gleichartigen Gegenargumenten begegnet werden könne.67 Kelsen ebnet den Weg für seine eigene Vision einer zentralisierten Völkerrechtsordnung, indem er Rechtsbegriffe wie die Souveränität dekonstruiert und ihre rein rechtstheoretischen Bedeutungen freilegt. Seine Vision steht auf der Grundlage seiner Rechtstheorie, soll aber nicht als deren normative Konsequenz verstanden werden.68 Die Organisation der Menschheit ist für Kelsen vielmehr ein moralisches Ideal, höchste sittliche Idee.69
65
H. Lauterpacht, Pure Science, 1933, CP II, S. 404 (421); s. auch H. Kelsen, 1 RR, 1934, S. 135, 153. 66
H. Kelsen, RR, 11934, S. 153 f.
67
H. Kelsen, ZaöRV 19 (1958), S. 234 (248); vgl. H. Brunkhorst, in: R. Kreide/A. Niederberger (Hg.), Transnationale Verrechtlichung, 2008, S. 30 (42). Kelsen selbst definiert „Souveränität“ zunächst als Nicht-Ableitbarkeit einer Rechtsordnung. Auf der Grundlage des Primats des Völkerrechts ist dann nur das Völkerrecht souverän (Souveränität, 1920, S. 10). Später versteht er unter Souveränität die Völkerrechtsunmittelbarkeit, „the legal authority of the States under the authority of international law“ (Peace Through Law, 1944, S. 35). S. zu Kelsens Souveränitätsbegriff auch S. Oeter, in: H. Brunkhorst/R. Voigt (Hg.), Rechts-Staat, 2008, S. 283. 68 A. Somek, EJIL 18 (2007), S. 409 (418). Zum Verhältnis von Erkenntnistheorie und Politik in Kelsens Völkerrechtslehre s. J. von Bernstorff, Glaube an das universale Recht, 2001, S. 9; A. Jakab, EJIL 64 (2004), S. 1045; B. Fassbender, FS Tomuschat, 2006, S. 763 (777 ff.). 69 H. Kelsen, RdC 14 (1926-IV), S. 231 (314); ders., Souveränität, 1920, S. 205.
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
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II. Friede durch Rechtsprechung Es ist eine im Werk Kelsens wiederkehrende optimistische Vermutung, dass das Recht als auf Zwang aufgebautes soziales System sich in der historischen Entwicklung zunehmend zentralisiert.70 Zentralisation ist in der Terminologie Kelsens keine rechtsformale, sondern eine rechtsinhaltliche, keine rechtstheoretische, sondern eine politische Frage.71 Das Ausmaß der Zentralisierung einer Rechtsordnung ergibt sich aus dem Verhältnis von den für das ganze Territorium zu den für nur einen lokalen Teilbereich geltenden Normen (statische Bedeutung) sowie aus der Verteilung der Zuständigkeiten zur Setzung und Durchsetzung der Normen (dynamische Bedeutung).72 Staatliche und internationale Rechtsordnung unterscheiden sich in ihrem Zentralisierungsgrad.73 Als primitives Recht verfügt das Völkerrecht zwar über die Elementarfunktionen einer Rechtsordnung, Legislative, Judikative und Exekutive. Sie werden aber dezentral über die Einzelstaaten als Organe der Völkerrechtsordnung ausgeübt.74 In der Evolution des Völkerrechts zu einer zunehmend zentralisierten Ordnung unterscheidet Kelsen drei Phasen: Eine Frühphase, eine Zwischenphase und eine Endphase. Den Völkerbund und die Vereinten Nationen ordnet er als Versuche ein, von der frühen zur mittleren Phase zu gelangen.75
1. Rechtsprechung als Avantgarde der Zentralisation Als plausibelsten ersten Evolutionsschritt zur Zentralisierung der internationalen Ordnung betrachtet Kelsen eine internationale obligatorische Gerichtsbarkeit.76 Die Zentralisierung der Rechtsetzungsfunktion 70
H. Kelsen, Law and Peace, 1948, S. 48 ff., 56 ff.; vgl. D. Zolo, EJIL 9 (1998), S. 306 (311) m. w. N. in Fn. 17. 71
H. Kelsen, Souveränität, 1920, S. 258, 273 f.
72
H. Kelsen, in: Authority and the Individual, 1937, S. 210 (217 ff.); ders., General Theory of Law and State, 1949, S. 308 ff. 73
H. Kelsen, Staatslehre, 1925, S. 164; RR, 11934, S. 153 f.; ders., in: Authority and the Individual, 1937, S. 210 ff.; ders., RR, 21960, S. 328. 74
H. Kelsen, RR, 11934, S. 118 f., 121, 134; vgl. J. von Bernstorff, Glaube an das universale Recht, 2001, S. 96. 75 76
H. Kelsen, Law and Peace, 1948, S. 51.
H. Kelsen, International Order, 1935, S. 30; ders., ASIL Proc. 35 (1941), S. 70 (74 ff.).
170
3. Kapitel
und, als höchste bekannte Evolutionsstufe der Rechtsordnung, auch die zentrale Bewirkung von Sanktionen durch gemeinsame Organe sollen der Zentralisierung der Untersuchung und neutralen Entscheidung bei behaupteten Rechtsverletzungen nachfolgen.77 Weil Mehrheitsentscheidungen international bislang nur für Gerichte anerkannt seien, dürfte sich gegen ein Gericht anstatt einer Weltregierung als Hauptinstrument internationaler Reform weniger Widerstand richten.78 Kelsen zieht auch die Parallele zur Entwicklung des nationalen Rechts; auch dort sei die Rechtsanwendung vor der Rechtsetzung zentralisiert worden.79 Diese Parallele soll aber nicht bedeuten, dass die Zentralisation der internationalen Ordnung zwangsläufig auf einen zentralistischen Weltstaat im organisatorischen Sinne hinausläuft,80 auch wenn einige Formulierungen in diese Richtung weisen.81 Die internationale Rechtsprechung ist bei Kelsen von entscheidender Bedeutung für die Fähigkeit des Völkerrechts, Frieden in den internationalen Beziehungen zu stiften.82 Diese Einschätzung zeigt sich schon darin, dass in seinem Entwurf für einen Nachfolgepakt zur Völkerbundsatzung 33 Artikel einem künftigen Gerichtshof gewidmet sind, aber nur jeweils ein Artikel dem Rat und der Plenarversammlung.83 In der beschränkten Rolle der Rechtsprechung im Völkerbund sieht Kelsen letztlich auch den Grund für dessen Scheitern.84 Dem Einwand der Unvollständigkeit des internationalen Rechts, das keine geeignete Grundlage für eine umfassende obligatorische Gerichtsbarkeit biete, hält Kelsen entgegen, dass eine rechtliche Entscheidung 77
H. Kelsen, U. Chi. LR 9 (1941), S. 75 (93 ff.); ders., AJIL 37 (1943), S. 397
(400). 78 79
H. Kelsen, AJIL 37 (1943), S. 397 (399). H. Kelsen, AJIL 37 (1943), S. 397 (400).
80
C. Leben, EJIL 9 (1998), S. 287 (293), s. etwa H. Kelsen, Peace Through Law, 1944, S. vii, 9 ff. 81
H. Kelsen, 14 (1926-IV), S. 231 (319, 324, 326); ders., RR, 11934, S. 135; RdC 1953-III, S. 170, 200; ders., RR, 21960, S. 328. 82
H. Kelsen, RdC 42 (1932-IV), S. 121 (126 ff.); ders., Peace Through Law, 1944, S. 56 (58); s. auch O. Pfersmann, Revue française de droit constitutionnel, 16 (1993), S. 761 (776 ff.). 83
H. Kelsen, Peace Through Law, 1944; vgl. C. Leben, EJIL 9 (1998), S. 287
(291). 84 H. Kelsen, ASIL Proc. 35 (1941), S. 70 (78 ff.); ders., Peace Through Law, 1944, S. 49; ders., Law and Peace, 1948, S. 145 ff., insb. S. 151 ff.
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
171
immer möglich sei. Die Behauptung einer Lücke im Recht sei vielmehr Ausdruck des Wunsches, das Rechtssystem zu ändern.85 Eine objektive Unterscheidung zwischen rechtlichen und politischen Streitigkeiten nach dem Konflikt inhärenten Kriterien hält Kelsen für unmöglich.86 Aus der Sicht einer Rechtslehre, die Recht und Politik als alternative Deutungsschemata ansieht, ist dies nur konsequent. Kelsen wendet sich auch gegen ein Argument, das einem Einwand gegen eine Konstitutionalisierung des Völkerrechts oder einer Teilordnung durch internationale Gerichtsinstitutionen verwandt ist:87 In Abwesenheit eines Rechtsetzungsorgans, das das Recht reformieren könnte, sei auch eine umfassende obligatorische Gerichtsbarkeit nicht realisierbar. Auch die Entwicklung des nationalen Rechts habe, wie das römische Recht und das angloamerikanische Recht zeigten, historisch gesehen zunächst bei den Gerichten gelegen. Das Recht habe sich aus Gewohnheit und Vereinbarungen entwickelt, weil es die Gerichte in ihren konkreten Entscheidungen allmählich und unmerklich den tatsächlichen Bedürfnissen angepasst hätten.88 Für die Berücksichtigung der Einzelfallgerechtigkeit habe ein Gericht mit obligatorischer Zuständigkeit einen größeren Spielraum als nur fakultativ angerufene Gerichte.89 Die Durchsetzung der Gerichtsentscheidungen möchte Kelsen einem dem Völkerbundrat ähnlichen Organ anvertrauen. Da eine zentrale Exekutive utopisch erscheint, soll die Durchsetzung durch andere Staaten unter der Führung einer Verwaltungsbehörde erfolgen, die Resolutionen mit Mehrheit annimmt.90
2. Bedeutung der Interpretation des Rechts Die Bedeutung, die Kelsen der Rechtsprechung zumisst, steht intuitiv in einem gewissen Widerspruch dazu, dass die Reine Rechtslehre keine eigene Interpretationslehre im Sinne einer Methodenlehre enthält. Gerade weil Kelsen aber die Interpretation als rechtsschöpferischen Akt 85
H. Kelsen, AJSoc. 46 (1941), S. 571 (576).
86
H. Kelsen, AJIL 37 (1943), S. 397 (401, 403); vgl. auch ders., Peace Through Law, 1944, S. 32; ders., Law and Peace, 1948, S. 159 ff. 87 88 89 90
S. 1. Kapitel A. II. 2. a) bb), bei Fn. 163. H. Kelsen, AJSoc. 46 (1941), S. 571 (574 f.). H. Kelsen, AJSoc. 46 (1941), S. 571 (578).
H. Kelsen, AJSoc. 46 (1941), S. 571 (578 f.); ders., AJIL 37 (1943), S. 397 (398 f.).
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3. Kapitel
betrachtet,91 setzt er auf die Unabhängigkeit, Erfahrung und Gewissenhaftigkeit der Richter und ihre Professionalität im Umgang mit dem Recht.92 Im Erzeugungszusammenhang des Rechts von der Verfassung bis zum Vollstreckungsakt, den die Stufenbaulehre als kontinuierliche Konkretisierung versteht, hat die Norm die Funktion, einen Rahmen für ihre denkbaren Anwendungen zu schaffen und zur Wahl einer Rechtsanwendung innerhalb dieses Rahmens zu ermächtigen.93 Dabei gibt es keine objektiv richtige Interpretation. Recht ist vielmehr, was das Gericht letztlich entscheidet.94 Kelsen geht von der Gleichwertigkeit der Auslegungsmethoden aus und gelangt so dazu, dass es einen Überlappungsbereich der Übereinstimmung zwischen der Anwendung dieser Methoden gibt und in der Regel eine Mehrheit von epistemisch gleichwertigen Auslegungen möglich ist. Die kognitive Rechtswissenschaft kann nur die Grenzen möglicher Auslegung aufzeigen. Eine weitergehende Konkretisierung hält Kelsen auf objektiver Grundlage für nicht möglich. Die Interessenabwägung bezeichnet er als Formulierung des Problems, dessen Lösung sie verspreche.95 Die ‚richtige‘ Auslegung zu ‚finden‘ sei eine politische Entscheidung und ein schöpferischer Akt, vermittelt nicht durch das positive Recht, sondern durch soziale Werte. Das schränke die Rechtssicherheit ein, erlaube es aber auch, das Recht an gewandelte Umstände ohne förmliche Gesetzesänderung anzupassen.96 Weil es keinen eindeutigen Inhalt des Rechts gibt, kommt es darauf an, dass der Richter als authentischer Interpret im Einzelfall eingesetzt ist.97 91
Rechtsanwendung ist immer zugleich Rechtschöpfung. Instruktiv zu Status und Funktion der Interpretationslehre bei Kelsen H. Dreier, Kelsen, 21990, S. 145 ff.; s. auch C. Landauer, EJIL 14 (2003), S. 767 (776 ff.). 92
H. Kelsen, AJSoc. 46 (1941), S. 571 (577); vgl. zu Kelsen und der „Berufsethik“ der Völkerrechtler J. von Bernstorff, in: H. Brunkhorst/R. Voigt (Hg.), Rechts-Staat, 2008, S. 167 (182 ff.). 93
H. Kelsen, RR, 21960, S. 347.
94
H. Kelsen, RR, 11934, S. 96 f.; ders., AJSoc. 46 (1941), S. 571 (574 f.); ders., AJIL 37 (1943), S. 397 (401); ders., RR, 21960, S. 242 ff. 95
H. Kelsen, RR, 21960, S. 350.
96
H. Kelsen, Law of the United Nations, 1951, S. xiii f.; ders., RR, 21960, S. 346 ff.; vgl. zur Interpretation als politischem Akt bei Kelsen M. Koskenniemi, Gentle Civilizer, 2002, S. 248. 97
H. Kelsen, Law of the United Nations, 1951, S. xv.
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173
Trotz des „politischen“ Charakters der Normkonkretisierung soll die ordnungstiftende Funktion des Völkerrechts in der gerichtlichen Praxis aufrechterhalten werden. Kelsen erkennt also in der einzelfallbezogenen Anwendung des Rechts ein irrationales Moment, vertraut aber doch auf die spezifische Rationalität der Richterschaft, ohne diese erklären zu können.98 Die grundsätzliche Unterscheidbarkeit von Rechtsetzung und Rechtsanwendung und damit auch von Recht und Politik ist damit aufgehoben,99 obgleich Recht und Politik in der Reinen Rechtslehre kategorisch unterschieden werden. Es ist der blinde Fleck von Kelsens Theorie, dass er die Rechtserkenntnis nicht als sozialen Akt gesehen und sich nicht dem Problem der Interpretenmacht und der Analyse juristischer Argumentation gestellt hat.100 Gerade im Völkerrecht, in dem die Rechtsprechung die Avantgarde der Zentralisation bilden soll, zeigt sich hier ein Desiderat. Es richtet sich zugleich an die Konstitutionalisierungslehre, für die die zunehemende Bedeutung internationaler Gerichte ein wichtiger Anknüpfungspunkt ist. Sehr fraglich ist auch, ob sich der von Kelsen angenommene „Rahmen“ möglicher Auslegungen wie von ihm angenommen objektiv und ex ante bestimmen lässt, ob er also die Grenzen der Interpretation extern bestimmen kann.101
III. Zusammenfassung und Bedeutung für die Konstitutionalisierungslehre Die Vision, die Kelsen für die Entwicklung der internationalen Gemeinschaft aufzeigt, ist durch eine zunehmende Zentralisierung gekennzeichnet, für die die Rechtsprechungsorgane unabdingbar sind. Diese „Zentralisation“ des Völkerrechts ist anders verlaufen als von Kelsen vorgesehen, weil sich eine Verdichtung des Völkerrechts um viele verschiedene „Kerne“ ergeben hat. Sie wird von der modernen Kon98
Vgl. J. von Bernstorff, in: H. Brunkhorst/R. Voigt (Hg.), Rechts-Staat, 2008, S. 167 (178 ff.); zum inneren Zusammenhang zwischen der Reinheit des Rechts und der Autonomie des juristischen Berufsstandes s. M. Koskenniemi, Gentle Civilizer, 2002, S. 247. 99
Vgl. auch H. Brunkhorst, in: R. Kreide/A. Niederberger (Hg.), Transnationale Verrechtlichung, 2008, S. 30 (47) mit Hinweis auch auf Merkls Lehre vom Stufenbau. 100 101
Vgl. A. Somek, OJLS 26 (2006), S. 753 (767 f.).
Sog. Sanderscher Stachel; s. dazu A. Somek, in: S. Paulson/M. Stolleis (Hg.), Hans Kelsen, 2005, S. 58 (65 ff.).
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3. Kapitel
stitutionalisierungslehre als Binnenkonstitutionalisierung internationaler Organisationen und Regelsystem aufgegriffen. Kelsens Monismus mit Völkerrechtsprimat will aber jedenfalls in seiner letzten Fassung keine Theorie der Konstitutionalisierung sein.102 Er zielt eher darauf, durch die Destruktion fortschrittshemmender Rechtsbegriffe die Perspektive für eine wirksame Weltrechtsordnung überhaupt zu eröffnen. Es ist charakteristisch für Kelsens Arbeit, dass er es als Aufgabe der Theorie ansieht, Begriffsverengungen aufzulösen und mögliche Interpretationen aufzuzeigen, um dann eine mehr oder weniger deutliche Sympathie für die Interpretation zu offenbaren, die eine wirksame Weltrechtsordnung in statu nascendi erkennen will. Die Bildung eines Weltstaates als Weltorganisation ist eine „unendliche Aufgabe“.103 Diese Herangehensweise ist der die Konstitutionalisierungsthese kennzeichnenden Durchdringung von Perspektive und Vision nicht unähnlich. Von ihr unterscheidet sich Kelsen durch seinen Skeptizismus gegenüber einer Moralisierung des Rechts. Er betrachtet indes die Beachtung des Selbstbestimmungsrechts der Völker bei Grenzfragen und im Minderheitenschutz sowie eine politische und wirtschaftliche Homogenität zwischen den Staaten als tatsächliche Bedingungen eines dauerhaften Friedens im Recht.104 Weiter setzt er auf Völkerverständigung, auf eine Nivellierung kultureller Unterschiede und auf den Bedeutungsverlust nationaler Zugehörigkeitsgefühle.105 Als konstruktivistischer Überschuss muss die Doktrin vom bellum justum gelten. Sie dient dazu, den Rechtscharakter der Völkerrechtsordnung als Zwangsordnung zu begründen. Der Krieg als Sanktion ist aber eine Individuen einschließlich der nicht verantwortlichen Zivilbevölkerung ohne Unterschied treffende Kollektivstrafe106 und kann von 102
H. Kelsen, ZaöRV 19 (1958), S. 234 (245); ders., RR, 21960, S. 342; vgl. T. Öhlinger, in: S. Paulson/M. Stolleis (Hg.), Hans Kelsen, 2005, S. 160 (167); aber auch U. Thiele, in: H. Brunkhorst/R. Voigt (Hg.), Rechts-Staat, 2008, S. 347 (349, 351). Kritisch zu dieser Zurückhaltung H. Brunkhorst, in: R. Kreide/A. Niederberger (Hg.), Transnationale Verrechtlichung, 2008, S. 30 (44 f., 50), der sie auf ein deduktivistisch verengtes Verständnis von Begründung bei Kelsen und im Wiener Neopositivismus der 1920er Jahre zurückführt. 103
H. Kelsen, Souveränität, 1920, S. 320; vgl. zur Bedeutung Kelsens für das positive Völkerrecht auch P. De Visscher, Revue internationale de philosophie 35 (1981), S. 530. 104 105 106
H. Kelsen, AJSoc. 46 (1941), S. 571 (571 f.). H. Kelsen, Souveränität, 1920, S. 320. Vgl. D. Zolo, EJIL 9 (1998), S. 306 (316).
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Großmächten missbraucht werden.107 Die Indifferenz des Rechts gegenüber politischen und ethischen Wertentscheidungen wird hier besonders deutlich. Sie steht im Gegensatz zur Hoffnung Kelsens, dass “[w]hatever is considered ‘just’ in the sense of international morality has at least a tendency of becoming international ‘law’.”108 Eine primär auf die Sanktionsandrohung gestützte Rechtswirkung entspricht auch nicht der modernen konstitutionellen Konzeption des Völkerrechts.
B. Hersch Lauterpacht und das Völkerrecht als richterliche Praxis Hersch Lauterpachts Völkerrechtslehre ist einer viktorianischen Tradition des Liberalismus, des Kosmopolitismus und der Rationalität verpflichtet.109 Zugleich steht die Völkerrechtstheorie des Kelsen-Schülers unter dem Einfluss von dessen Reiner Rechtslehre.110 Im Anschluss an Kelsen betrachtet Lauterpacht das Völkerrecht als geschlossenes System von Normen, dessen Anwendung nicht durch politische Interessen der Staaten ausgeschaltet werden darf,111 und fügt eine Theorie richterlicher Argumentation und Entscheidungsfindung hinzu. Außerdem versucht er, die Lehren Kelsens für das Naturrecht zu öffnen. An die Stelle eines radikalen Wertrelativismus tritt bei ihm die Vorstellung vom Völkerrecht als universellem Recht der Menschheit auf der Grundlage des Naturrechts.112 Dafür besinnt er sich auf die grotianische Tradition im Völkerrecht als einer Tradition des Idealismus und des Fortschritts.113 107
H. Kelsen, Peace Through Law, 1944, S. 19 ff.; D. Zolo, EJIL 9 (1998), S. 306 (321). 108
H. Kelsen, Law and Peace, 1948, S. 38.
109
Vgl. M. Koskenniemi, Gentle Civilizer, 2002, S. 406 ff.; kritisch zum formalistischen Ansatz Lauterpachts A. Carty, Baltic YBIL 7 (2007), S. 83 (85). Einen Überblick über das Werk Hersch Lauterpachts gibt C. W. Jenks, BYBIL 36 (1960), S. 1. 110
I. Scobbie, EJIL 8 (1997), S. 264 (265).
111
H. Lauterpacht, Function, 1933, S. 3 f., 9 ff.; vgl. hierzu: M. Koskenniemi, From Apology to Utopia, 2005, S. 52 f.; J. von Bernstorff, Glaube an das universale Recht, 2001, S. 100. 112
H. Lauterpacht, Human Rights, 1950, S. 145; ders., Pure Science, 1933, CP II, S. 404 (423 ff.). 113
H. Lauterpacht; BYBIL 23 (1946), S. 1.
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Auf dieser Grundlage betrachtet er die Menschenrechte und Grundfreiheiten als eine der wichtigsten Säulen der Charta-Organisation.114 Das Wesen des Rechts sieht er in seiner Interpretation und Anwendung in einer aufgeklärten Völkerrechtspraxis.115 Das Völkerrecht ist bei Lauterpacht letztlich naturrechtlich begründet und wird mit dem innerstaatlichen Privatrecht parallelisiert (I.). Garant der Vollständigkeit und Motor der Fortentwicklung des Völkerrechts ist die internationale Rechtsprechung (II.). Lauterpacht befasst sich mit der Stellung des Individuums im Völkerrecht und ist dabei dem ethischen Postulat einer Weltföderation verpflichtet, er beschäftigt sich mit der Anerkennung von Staaten und dem Status von Völkerbundsatzung und UNO-Charta und greift dabei Fragestellungen auf, die von konstitutioneller Bedeutung für die Völkerrechtsgemeinschaft sind (III.). Seine Bedeutung für die Konstitutionalisierungslehre folgt aus seinem naturrechtlich verwurzelten und zugleich systematischen Völkerrechtsverständnis sowie aus der Reflexion der Funktionsweise des Rechts in der internationalen Gemeinschaft (IV.).
I. Völkerrecht als modernes Naturrecht und „Higher Private Law“ 1. Völkerrecht als primär naturrechtlich begründete Ordnung Die Negation des Naturrechts hält Lauterpacht nicht für einen Wesenszug von Kelsens Reiner Rechtslehre, sondern für eine Hinzufügung, die vor allem auf Kelsens relativistische und säkulare Weltanschauung zurückzuführen sei.116 Die Trennung von Rechtswissenschaft und moralischer Weltanschauung ist für Lauterpacht kein notwendiges methodisches Postulat.117 Er vertritt eine schwache naturrechtliche Position, nach der zwar nicht Gesetze nichtig sein sollen, die im Widerspruch zum Naturrecht stehen, wohl aber die Bildung und Interpretation des positiven Rechts anhand naturrechtlicher Ideen erfolgt. Die Art und Weise richterlicher Entscheidungsfindung im Spannungsverhältnis von Regelbindung und Ermessen, Rechtssicherheit und materieller Gerechtig 114 115 116 117
H. Lauterpacht, Human Rights, 1950, S. 147 ff. Vgl. M. Koskenniemi, Gentle Civilizer, 2002, S. 399. H. Lauterpacht, Pure Science, 1933, CP II, S. 404 (423). H. Lauterpacht, Pure Science, 1933, CP II, S. 404 (423 ff.).
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tigkeit, Stabilität und Wandel finde bei Kelsen, der sie für Politik hält, nicht ausreichend Berücksichtigung. In der Anwendung der Rechtsnormen auf den konkreten Fall sei das positive Recht offen für naturrechtliche Einflüsse. Dass eine Delegation des positiven Rechts in das Naturrecht möglich sei, zeigten Verweise ins Naturrecht, die sich im positiven Recht vieler Staaten fänden. Ein solcher Verweis lässt sich auch in Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut sehen.118 Jedenfalls sei die rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Dynamik des Rechts, dem Prozess seiner Schaffung und Anwendung, genauso wichtig wie die logische Analyse der existierenden Rechtsmaterialien.119 Gegen den Völkerrechtspositivismus wendet Lauterpacht ein, dass er offensichtlichen Unzulänglichkeiten des Völkerrechts die Autorität von aus der Natur der internationalen Gesellschaft abgeleiteten Rechtsregeln verleihe.120 Das bloße Fortschreiben dieser Unzulänglichkeiten sei gar unwissenschaftlich, weil nicht fortschrittlich.121 Vielmehr komme es auf eine graduelle Realisierung des ethischen Postulats einer Interessen- und Funktionsgemeinschaft an.122 Stärker als bei Kelsen soll in Lauterpachts Formulierung der Ursprungsnorm des Völkerrechts dessen Objektivität und Unabhängigkeit gegenüber dem Staatenkonsens zum Ausdruck kommen. In Anlehnung an die Ursprungshypothese für das innerstaatliche Recht eines Verfassungsstaates, dass der Wille des Staates, wie er in der Verfassung zum Ausdruck komme, befolgt werden müsse, lautet die völkerrechtliche Ursprungsnorm: „voluntas civitatis maximae est servanda“. Sie bezieht sich auf die civitas maxima als einen „super-State of law“, den die Staaten durch die Anerkennung der Bindungswirkung des Völkerrechts als über den nationalen Souveränitäten stehendes Recht anerkannt haben.123 Lauterpachts Verständnis des Völkerrechts als letztlich naturrechtlich begründeter Ordnung folgt einer zeitgenössisch geprägten Interpretation von Grotius’ De Jure Belli ac Pacis. Sie ist weniger eine kritische Re118 119 120 121
Vgl. H. Lauterpacht, BYBIL 23 (1946), S. 1 (23). H. Lauterpacht, Pure Science, 1933, CP II, S. 404 (424 ff.). H. Lauterpacht, Function, 1933, S. 5 f. H. Lauterpacht, Economica 37 (1932), S. 301 (320).
122
H. Lauterpacht, Function, 1933, S. 522; s. auch ders., H. Lauterpacht, Economica 37 (1932), S. 301 (318). 123 H. Lauterpacht, Function, 1933, S. 421 ff; ders., RdC 62 (1937-IV), S. 99 (151 f.).
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konstruktion von Grotius’ Lehre als vielmehr die Konstruktion eines liberalen Völkerrechtsverständnisses, das sich auf eine mögliche Grotius-Interpretation zurückführen lässt.124 In dieser Interpretation begründet Grotius’ Naturrechtslehre eine Tradition des Idealismus und des Fortschritts,125 die für Lauterpacht normative Grundlage des Völkerrechts ist. Zu den dafür relevanten Merkmalen der Grotianischen Völkerrechtslehre zählt für Lauterpacht die Unterwerfung der Gesamtheit der internationalen Beziehungen einschließlich des Rechts zum Krieg und des Selbsterhaltungsrechts unter die rule of law. Das Naturrecht, das Grotius als unabhängige Völkerrechtsquelle anerkenne, finde im zeitgenössischen Völkerrecht über Art. 38 Abs. 3 des Statuts des StIGH Eingang in das positive Recht. Grundlage allen Naturrechts sei wiederum die soziale Natur des Menschen. Als entscheidend für die Affinität Lauterpachts zu Grotius erscheint, dass dieser dem Geist des Pazifismus verpflichtet ist, das Individuum als letzte Einheit allen Rechts anerkennt und die Staaten mit den dahinter stehenden Individuen identifiziert. Lauterpacht hofft auf eine Wiederbelebung des Völkerrechts als „common law of mankind“, in dessen Mittelpunkt das Individuum steht. Davon sei die Gegenwart noch weit entfernt, aber es sei bereits ein erfolgreicher Versuch in diese Richtung zu erkennen.126
2. Privatrechtsanalogie Lauterpacht argumentiert in Ablehnung eines souveränitätsorientierten Völkerrechtsverständnisses gegen eine Sonderstellung des Völkerrechts als Rechtsordnung der Staaten. Er parallelisiert das Völkerrecht aber mit dem innerstaatlichen Privatrecht und nicht mit dem öffentlichen oder Verfassungsrecht. Der Vergleich mit dem Privatrecht legt für ihn die Unterordnung der Staaten als Rechtsubjekte unter objektive Normen und nicht nur eine lockere Willenskoordination nahe.127
124
Vgl. auch I. Scobbie, EJIL 8 (1997), S. 264 (268).
125
H. Lauterpacht, BYBIL 23 (1946), S. 1 (48 ff.); s. auch ders., Human Rights, 1950, S. 103 ff. 126 127
H. Lauterpacht, BYBIL 12 (1931), S. 31 (62).
Vgl. demgegenüber etwa Georg Jellinek, der gegen die Privatrechtsanalogie argmentiert und das Völkerrecht aufgrund „derselben angeblichen Mängel […]“ mit dem Staatsrecht vergleicht: G. Jellinek, Die rechtliche Natur der Staatenverträge, 1880, S. 32 ff., Zitat auf S. 37; s. dazu J. von Bernstorff, in: S. Paulson (Hg.), Georg Jellinek, 2000, S. 183 (190 ff.).
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Privatrechtlichen Charakter hat das Völkerrecht für Lauterpacht, weil die Staaten als Rechtssubjekte im Verhältnis der Koordination und nicht der Subordination stehen. Auch die Unterscheidung nach der Interessentheorie deute auf einen privatrechtlichen Charakter hin, da Staateninteressen aus Sicht der internationalen Gemeinschaft individuelle Interessen seien. Interessen von Staaten unterschieden sich nur graduell und nicht kategorisch von Interessen anderer Kollektive und von Individuen, weil auch hinter den Handlungen eines Staates und seiner Organe Handlungen von Menschen stünden.128 Staateninteressen würden zwar vom Völkerrecht aufgenommen und bewertet, bilden aber nicht seine formale Quelle und Letztbegründung. In Lauterpachts liberalem Verständnis dienen die den Staaten zugeordneten Interessen vor allem der Befriedigung wirtschaftlicher Bedürfnisse, nicht aber sind sie Interessen von „öffentlichem“, höherem, absolutem Wert.129 Missverständlich wäre es, das Privatrecht als Recht über den Rechtssubjekten, das Völkerrecht dagegen als Recht zwischen ihnen zu verstehen. Sowohl das Privatrecht als auch das Völkerrecht sind externe Verhaltensregeln, die, sobald sie formal als Recht existieren, unabhängig vom Parteiwillen sind und über den Rechtssubjekten stehen. Auch Staaten seien unter Umständen an Rechtsnormen gebunden, an deren Entstehung sie nicht beteiligt waren. Zwar stünden sie untereinander im Verhältnis der Koordination, aber diese Koordination setze logisch voraus, dass sie einem höheren Recht untergeordnet seien.130 Mit der Analogie zum Privatrecht soll also gerade nicht der überstaatliche Charakter des Völkerrechts relativiert werden, den moderne konstitutionelle Lehren betonen. Das Völkerrecht ist vielmehr „a Higher Private Law“.131
II. Funktionen der internationalen Rechtsprechung Der internationale Richter ist bei Lauterpacht die zentrale und strukturbestimmende Institution des Völkerrechts. Für eine Rechtsgemeinschaft sei eher ein gesetzgebendes Organ als der Richter verzichtbar.132 Seine Theorie der internationalen Gerichtsbarkeit setzt sich aus drei 128 129 130 131 132
H. Lauterpacht, Private Law, 1927, S. 71 ff. H. Lauterpacht, Private Law, 1927, S. 50 f. H. Lauterpacht, Private Law, 1927, S. 82. H. Lauterpacht, Private Law, 1927, S. 81. H. Lauterpacht, Function, 1933, S. 424 f.
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Elementen zusammen. Sie geht materiell von der Vollständigkeit des Rechts und prozedural von der Unmöglichkeit einer Unterscheidung a priori zwischen gerichtsförmig entscheidbaren und nicht entscheidbaren Fragen aus. Außerdem nimmt sie eine Pflicht des Richters an, seine Entscheidung in der Anwendung des bestehenden Rechts zu treffen, aber auch bewusst die Entwicklung des Völkerrechts zu fördern.133
1. Garant der Vollständigkeit des Rechts Lauterpacht geht im Gegensatz zu Kelsen nicht nur von einer formellen Vollständigkeit des Völkerrechts durch eine Auffangregel wie der sogenannten Lotus-Formel134 aus. Die Lückenlosigkeit des Rechts beruht bei ihm nicht nur auf der Annahme, dass völkerrechtlich alles erlaubt sei, was nicht ausdrücklich verboten werde, sondern bedeutet materielle Vollständigkeit. Der Richter, der über den konkreten Fall zu entscheiden hat, versucht, die Einheit, Konsistenz und Effektivität des Völkerrechts insgesamt herzustellen.135 Er erfüllt seine Aufgabe unter Rückgriff auf allgemeine Rechtsgrundsätze, Analogien und die moralischen Zwecke des Rechts.136 Allgemeine Rechtsgrundsätze i. S. von Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut (Art. 38 Abs. 3 StIGH -Statut), die als modernes Naturrecht verstanden werden,137 haben für die Entscheidungsfindung in unklaren Fällen eine wichtige Funktion.138 Mit seinem Rechtsbegriff folgt Lauterpacht der Lehre vom Stufenbau des Rechts, die in der englischen Übersetzung sinnfällig als doctrine of the gradual concretization of the law bezeichnet wird. Danach kristallisieren abstrakte Rechtsregeln allmählich, beginnend bei der Verfassung als grundlegendstem und abstraktestem Regelkörper, und endend mit 133
S. Rosenne, AJIL 55 (1961), S. 825 (835); G. Fitzmaurice, BYBIL 59 (1979), S. 1 (6 ff.). 134 135
StIGH Lotus, PCIJ Ser. A, No. 10, 1927, No. 9, S. 18. H. Lauterpacht, Function, 1933, S. 85 ff.
136
H. Lauterpacht, Function, 1933, S. 101; ders., FS Verzijl, 1958, S. 196 (205). Nicht zu Unrecht wurde Lauterpacht als völkerrechtlicher Vorläufer von Ronald Dworkin eingeordnet, s. M. Koskenniemi, From Apology to Utopia, 2005, S. 53. 137
H. Lauterpacht, Function, 1933, S. 53 f.; ders., BYBIL 23 (1946), S. 1 (23); ders., Human Rights, 1950, S. 115. 138 H. Lauterpacht, Private Law, 1927, passim; ders., Development, 1958, S. 158 ff.
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dem durch ein Gerichtsurteil, eine Verwaltungsentscheidung oder eine Parteivereinbarung gestalteten individuellen Rechtsverhältnis. Der Prozess der Rechtschöpfung ist also mit der Gesetzgebung nicht abgeschlossen, sondern setzt sich in der richterlichen Entscheidungsfindung fort.139 Lauterpacht geht ausführlich auf die Art und Weise der Rechtschöpfung in der Anwendungssituation des Richters ein. Eine Lücke im Recht ist danach nur vorläufig. Sie besteht nicht darin, dass das Recht keine Antwort geben würde, sondern dass das vorläufige Ergebnis der Regelanwendung als unbefriedigend empfunden wird. Sofern er nicht durch eine klare und unmissverständliche Regel des positiven Rechts eingeschränkt ist, fühlt sich der Richter dann gezwungen, auf allgemeinere Regeln zurückzugreifen. Die Frage, ob Richter Recht setzen oder vorfinden, erscheint als irreal.140 Im kantischen Sinne versteht Lauterpacht die Freiheit richterlichen Entscheidens nicht als Freiheit vom bestehenden Recht, sondern als Freiheit von rein subjektiven Neigungen. Das Postulat des government by laws, not by men sei ein Ideal, das aber niemals ganz verwirklicht werden könne, weil das Recht durch Menschen mit ihren Gefühlen und ihrem Willen erklärt werde. Die richterliche Rechtschöpfung wird durch das vorgegebene Recht begrenzt, wenn auch nicht völlig determiniert. Im Völkerrecht bewege sie sich zwischen „judicial idealism“ und „claims of State sovereignty“. Hier gebe es einerseits wegen der im Vergleich zum staatlichen Recht geringeren Regelungsdichte stärkere Anreize für kreatives richterliches Ermessen, andererseits bestehe eine Kontrolle in der freiwilligen Natur internationaler Gerichtsbarkeit.141 Das Ergebnis sei ein bewusster oder unbewusster Kompromiss zwischen diesen beiden Faktoren. Die dabei notwendige Unparteilichkeit des Richters versinnbildlicht Lauterpacht als Priesterschaft.142 Auf der Grundlage der so begründeten Vollständigkeit des Völkerrechts und einer Untersuchung der Praxis internationaler Gerichte nimmt 139
H. Lauterpacht, Pure Science, 1933, CP II, S. 404 (410 f.); ders., Function, 1933, S. 255 f. 140
Für die Bindungswirkung der Urteile greift Lauterpacht indes auf den einmal erteilten staatlichen Konsens zurück, dessen Inhalt die Gerichte nur feststellen. 141 142
H. Lauterpacht, Function, 1933, S. 102 ff.
H. Lauterpacht, Function, 1933, S. 232 – “a sense of priesthood in the service of an idea transcending any particular interest”.
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Lauterpacht an, dass ein non liquet nicht zulässig sei.143 Dies ist, wie auch die Verneinung von per se nicht gerichtsfähigen Streitigkeiten,144 Ausdruck des Bestrebens, die internationalen Beziehungen möglichst vollständig dem Recht zu unterwerfen.145
2. Motor der Fortentwicklung des Völkerrechts Die internationale Rechtsprechung dient nicht nur der friedlichen Streitbeilegung im Einzelfall, sondern soll in Abwesenheit einer internationalen Legislative die Weiterentwicklung des Völkerrechts fördern.146 Daraus ergibt sich auch die Rolle des Richters, zur Entwicklung des Völkerrechts beizutragen.147 Frieden, verstanden als juristische Metapher für die Einheit des Rechtssystems, ist bei Lauterpacht ein rechtliches Postulat, dem durch die richterliche Methode Rechnung zu tragen ist.148 In der 1958 erschienenen Sammlung „The Development of International Law by the International Court“ untersucht Lauterpacht die Rechtsprechung von StIGH und IGH unter dem Gesichtspunkt der richterlichen Methode und Funktion im Spannungsverhältnis zwischen „judicial caution“ und „judicial legislation“.149 Lauterpacht stellt vier Anknüpfungspunkte für die rechtsetzende Tätigkeit des IGH dar. Neben der Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze zählen dazu Schlussfolgerungen aus parallelen Entwicklungen in anderen Bereichen des Völkerrechts, die Niederle143
H. Lauterpacht, Function, 1933, S. 17 et passim; ders., FS Verzijl, 1958, S. 196. 144
S. dazu H. Morgenthau, Die internationale Rechtspflege, ihr Wesen und ihre Grenzen, 1929, S. 37 ff.; vgl. O. Jütersonke, JHIL 8 (2006), S. 181. 145
S. zur Kritik E. H. Carr, The Twenty Year’s Crisis, 1919-1939, 21946, S. 178 ff. – eine gerichtsförmige Streitbeilegung internationaler Streitigkeiten sei in Abwesenheit einer anerkannten Gemeinwohlvorstellung der internationalen Gemeinschaft unmöglich; vgl. dazu auch A. Carty, Baltic YBIL 7 (2007), S. 83 (101 ff.) und die Reaktion Lauterpachts auf diese Kritik H. Lauterpacht, Professor Carr on International Morality, Ms. 1941, CP II, 1975, S. 67. 146
H. Lauterpacht, Development, 1958, S. 3 ff.
147
H. Lauterpacht, Development, 1958, S. 6 f.; vgl. S. Rosenne, AJIL 55 (1961), S. 825 (833). 148 149
H. Lauterpacht, Function, 1933, S. 438.
S. H. Lauterpacht, Development, 1958, Überschriften des zweiten und dritten Teils.
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gung von Grundsätzen in Abwesenheit allgemeiner völkerrechtlicher Regeln sowie die Ermöglichung von Regelabweichungen zur Flexibilisierung.150 Zur Entwicklung des Völkerrechts soll die Methode des „law behind the cases“151 beitragen. Der Richter soll nicht nur ein fallentscheidendes Argument nennen, sondern eine erschöpfende Begründung seiner Entscheidung geben, die auf alle für den Fall relevanten Rechtsfragen eingeht und auch über den konkreten Fall hinausreicht.152 Im Gutachtenverfahren soll der IGH von sich aus (proprio motu) die Untersuchung bestimmter Umstände anstellen, wenn eine Frage nur abstrakt gestellt wird, um eine möglichst lebensnahe und brauchbare Antwort zu geben.153 Mit diesen Überlegungen können sich Autoren auseinandersetzen, die der internationalen Gerichtsbarkeit heute eine Rolle bei der Konstitutionalisierung zutrauen. Die Rolle, die der Rechtsprechung bei Lauterpacht zugleich für den einzelnen Fall wie für das Recht an sich zukommen soll, ignoriert aber ein Stück weit die Zerfaserung des Völkerrechts in zahlreiche partikulare Vertragsregime und gegenüber dem allgemeinen Völkerrecht abweichende Rechtsverhältnisse.154 Sie geht für das zeitgenössische Völkerrecht vielmehr von statischen allgemeinen Grundsätzen und einem Mangel an konkreten Regeln aus.155 Die Umkehrung der gradual concretization of the law, die unternommen wird, wenn der Einzelfallentscheidung auf abstrakterer Ebene eine Bedeutung zukommen soll, ist 150 H. Lauterpacht, Development, 1958, S. 7, 156 f., 158 ff., 330 f. Lauterpacht zeigt hier ein kantisches Verständnis von der Souveränität der Staaten, die durch die Unterwerfung unter ihre Pflichten in der Rechtsprechung verwirklicht wird. 151
H. Lauterpacht, Development, 1958, S. 3 ff.
152
H. Lauterpacht, Development, 1958, S. 37 ff., IGH South-West Africa – Voting Procedure, Advisory Opinion, Sep. Op. Lauterpacht, ICJ Rep. 1955, S. 91; IGH Norwegian Loans, Diss. Op. Lauterpacht, ICJ Rep. 1957, S. 34 (35 f.); IGH Guardianship of Infants, Sep. Op. Lauterpacht, ICJ Rep. 1958, S. 79 (89); IGH Interhandel, Diss. Op. Lauterpacht, ICJ Rep. 1959, S. 95 (119); w. N. zum Begründungsgebot bei I. Scobbie, EJIL 8 (1997), S. 264 (278); zur Kritik s. R. Jennings, Introduction, in: A. Zimmermann u. a. (Hg.), The Statute of the International Court of Justice, 2006, S. 3 (11 f. ), para. 25. 153
IGH Hearings of petitioners, Advisory Opinion, Sep. Op. Lauterpacht, ICJ Rep. 1956, S. 35 (35 ff.). 154 155
Vgl. I. Scobbie, EJIL 8 (1997), S. 264 (284). H. Lauterpacht, Function, 1933, S. 73 f.
184
3. Kapitel
rechtslogisch möglich. Lauterpacht verbindet die Vorstellung vom Stufenbau des Rechts mit einer Argumentationstheorie, nach der die Entscheidung des Richters zumindest teilweise objektivierbar und nicht allein „politisch“ ist. Diese Objektivierbarkeit der Argumentation ist die Voraussetzung für eine über das konkrete Rechtsverhältnis hinausgehende Bedeutung der Einzelfallentscheidung. Dabei fällt auf, dass Lauterpacht in seinen wissenschaftlichen Arbeiten von einem relativ homogen zusammengesetzten internationalen Gericht ausgeht, wie es der StIGH noch war.156
III. Verfassungsfragen der internationalen Gemeinschaft Nach dem Zweiten Weltkrieg sieht Lauterpacht den internationalen Menschenrechtsschutz als Kern der Verfassung der Welt.157 Er hat das Vertrauen in die unmittelbare Wirkung der liberalen und humanistischen Tradition verloren158 und zielt nun auf effektivere Institutionen zum Schutz der Individuen und zur Kontrolle der Staaten.159 Dabei konzentriert er sich insbesondere auf die Menschenrechte und wirksame Instrumente zu ihrem Schutz auf universeller und regionaler Ebene (1.).160 Stets präsent bleibt dabei das Ziel einer supranationalen Weltföderation als letztes Postulat der politischen Organisation der Menschheit (2.).161
156
S. Rosenne, AJIL 55 (1961), S. 825 (830 f.).
157
Vgl. H. Lauterpacht, RdC 70 (1947-I), S. 5; ders., Human Rights, 1950, S. 463. Die prozessuale und materielle Rechtsstellung des Individuums im Völkerrecht, einschließlich der Gewährleistung von Grundrechten, war schon vor der Auseinandersetzung mit Grotius ein Grundthema in Lauterpachts Werk, s. etwa H. Lauterpacht, Private Law, 1927, S. 305 f.; ders., RdC 62 (1937-IV), S. 99 (215 ff.); ders., Development 1958, s. S. 173 ff., vgl. die Analyse von I. Scobbie, EJIL 8 (1997), S. 264 (266). 158
Vgl. M. Koskenniemi, Gentle Civilizer, 2002, S. 398.
159
Vgl. J. E. Nijman, The Concept of International Legal Personality, 2004, S. 299. 160
S. v. a. H. Lauterpacht, Human Rights, 1950; vgl. A. Simpson, LQR 120 (2004), S. 49. 161
H. Lauterpacht, Human Rights, 1950, S. 46.
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
185
1. Stellung des Individuums Lauterpacht betrachtet die Individuen und nicht die Staaten als Grundlage allen Rechts einschließlich des Völkerrechts.162 Das Völkerrecht kann folglich auch Individuen berechtigen und verpflichten.163 Demnach entspricht die Sonderstellung der Staaten als einzigen Völkerrechtssubjekten nicht den Tatsachen des internationalen Lebens, sondern bildet ein doktrinäres Prokrustes-Bett.164 Es gilt für Lauterpacht anzuerkennen, dass die Handlungen von Staaten und ihrer Organe Handlungen von Menschen sind.165 Den „metaphysischen“ Staat zwischen die Individuen und das Völkerrecht zu schieben, schwäche die Anwendung der allgemeinen Rechtsgrundsätze und ethischer Standards.166 Die UNO-Charta, die für Lauterpacht bahnbrechende Bedeutung hat,167 konstituiere den Einzelnen als Völkerrechtssubjekt.168 Eine Relativierung des Status der Staaten im Völkerrecht ergibt sich für Lauterpacht etwa auch aus der tripartiten Struktur der ILO und aus der Rolle von nicht-staatlichen Akteuren in den Vereinten Nationen und in anderen internationalen Organisationen.169 Lauterpacht belässt es aber nicht bei einer formalen Anerkennung der Völkerrechtsfähigkeit des Individuums, sondern insistiert auf der Notwendigkeit, Menschenrechte rechtlich zu definieren und zu schützen.170
162
H. Lauterpacht, Private Law, 1927, S. 71 ff.; ders., LQR 64 (1948), S. 97 (112, 118). 163 H. Lauterpacht, BYBIL 21 (1944), S. 58 (64); ders., LQR 64 (1948), S. 97 (97 ff., 105 ff.); ders., International Law – The General Part, CP I, S. 1 (141). Zu Lauterpachts Einfluss auf die Formulierung von Art. 6 des Statuts für den Internationalen Militärgerichtshof Nürnberg und die Aufnahme der Verbrechen gegen die Menschlichkeit s. A. Vrdoljak, EJIL 20 (2009), S. 1163 (1186). Zum Subjekt als „Quelle“ des Rechts bei Lauterpacht s. J. E. Nijman, The Concept of International Legal Personality, 2004, S. 321 f. 164 165 166 167 168
H. Lauterpacht, Private Law, 1927, S. 73 ff. H. Lauterpacht, Private Law, 1927, S. 72. H. Lauterpacht, RdC 62 (1937-IV), S. 99 (209). H. Lauterpacht, Human Rights, 1950, S. 3. H. Lauterpacht, International Law – The General Part, CP I, 1970, S. 1
(143). 169 170
H. Lauterpacht, LQR 64 (1948), S. 97 (114 ff.).
A. McNair, ICLQ 10 (1961), S. 3 (4); A. Vrdoljak, EJIL 20 (2009), S. 1163 (1169).
186
3. Kapitel
Die einschlägigen menschenrechtlichen Bestimmungen der UNOCharta, Art. 1 Nr. 3 und Art. 55 lit. c, versteht er nicht als bloße Programmsätze, sondern als durchsetzbare Rechte von Individuen und Pflichten der Staaten und der Vereinten Nationen insgesamt zur Achtung, Förderung und Sicherung der Menschenrechte. Das Interventionsverbot des Art. 2 Nr. 7 UNC legt er eng aus.171 Der Menschenrechtskommission räumt er auf der Grundlage des Effektivitätsprinzips die Kompetenz ein, Individualbeschwerden anzunehmen, zu untersuchen und gegebenenfalls alle Maßnahmen unterhalb der Interventionsschwelle zu ergreifen.172 Die als Generalversammlungsresolution 217 (III) angenommene Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 kritisiert Lauterpacht wegen ihrer irreführenden Sprache. Sie suggeriere mit ihren Formulierungen, dass den Staaten echte Pflichten auferlegt würden, ist aber in Wirklichkeit unverbindlich.173 Lauterpachts eigener Vorschlag für eine Bill of Rights, die mit 2/3-Mehrheit in der Generalversammlung angenommen werden soll (Art. 27) enthält echte Rechtsgewährleistungen und sieht einen Human Rights Council vor, der Petitionen annehmen, Untersuchungskommissionen einsetzen, Untersuchungen durchführen und ein Rechtsgutachten beim IGH anfordern kann (Art. 22 ff.).174 Sein Streben nach einer wirkungsvollen institutionellen Lösung zum Schutz der Menschenrechte wird hier deutlich.175 Zwar sei die innerstaatliche Demokratie eine wesentliche Bedingung menschlicher Freiheit, sie biete aber keine absolute Garantie dafür. Deshalb sei die Freiheit im überstaatlichen Völkerrecht zu gewähren.176 Für den Staat sieht Lauterpacht keine Rechtfertigung und billigt ihm keinen Anspruch auf Gehorsam zu, wenn er nicht ein Instrument zur Sicherung der Wohlfahrt des einzelnen Menschen ist.177 Zweck des Staates sei, die Interessen von Individuen zu sichern und ihnen die Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft in Freiheit zu ermöglichen.178 Wenn ein Staat seine Autonomie in der Behandlung sei171
H. Lauterpacht, Human Rights, 1950, S. 145 ff.
172
H. Lauterpacht, Human Rights, 1950, S. 229 ff.; ders., State Sovereignty and Human Rights, Ms. 1950, CP III, 1977, S. 416 (420 ff.). 173 174 175 176 177 178
H. Lauterpacht, Human Rights, 1950, S. 421. H. Lauterpacht, Human Rights, 1950, S. 313 ff., 325 ff. Vgl. M. Koskenniemi, Gentle Civilizer, 2002, S. 398. H. Lauterpacht, Human Rights, 1950, S. 123. H. Lauterpacht, Human Rights, 1950, S. 80. H. Lauterpacht, Human Rights, 1950, S. 68.
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
187
ner Staatsangehörigen missbrauche, werde die Kompetenz des Völkerrechts, das Individuum zu schützen, vollständig wiederhergestellt. Die humanitäre Intervention ist daher trotz fehlender Praxis ein rechtliches und politisches Prinzip der internationalen Gemeinschaft,179 das die Exklusivität des innerstaatlichen Bereichs beendet.180 Mit der Ausrichtung des Völkerrechts auf das Individuum und der Relativierung des staatlichen domaine réservé arbeitet Lauterpacht Aspekte heraus, die wichtige Elemente der Konstitutionalisierungsthese sind.
2. Völkerrechtsgemeinschaft Lauterpacht schließt sich auch Kelsens Angriff auf das Souveränitätsdogma an.181 Beim Versuch, den Monismus anhand der Praxis der Staaten und Gerichte nachzuweisen, deckt er indes Widersprüche auf, die ihm das Völkerrecht als unvollkommenes Recht erscheinen lassen.182 Dennoch ist auch für Lauterpacht bereits die vorhandene Völkerrechtsgemeinschaft eine Weltgemeinschaft auf der Grundlage eines Völkerrechts, das nicht den vorübergehenden Interessen einzelner Staaten, sondern den Staaten in ihrer Gesamtheit dient.183 Die Gemeinschaft ist nicht Bedingung, sondern Wirkung des Rechts.184 In Auseinandersetzung mit einer ‚realistischen‘ Perspektive auf die internationalen Beziehungen entfaltet Lauterpacht das aufgeklärte Selbstinteresse der Staaten, das kurzfristige Partikularinteressen einzelner Staaten zugunsten langfristiger Interessen zurückstellt, als Grundlage und Antriebskraft einer internationalen Zusammenarbeit. Eine so verstandene Moral der Staaten lege die Anerkennung und Stärkung der rule of law in den internationalen Beziehungen sowie der Beschränkung der Souveränität im Interesse einer gerechten und angemessenen Entwicklung der zwischenstaatlichen Beziehungen nahe.185 Begünstigt wer179 180 181 182 183 184 185
H. Lauterpacht, RdC 62 (1937-IV), S. 99 (238 ff.). H. Lauterpacht, BYBIL 23 (1946), S. 1 (19 ff.). H. Lauterpacht, Private Law, 1927, S. 43 ff. H. Lauterpacht, RdC 62 (1937-IV), S. 99 (127 f.). H. Lauterpacht, Function, 1933, S. 431. H. Lauterpacht, RdC 62 (1937-IV), S. 99 (191).
H. Lauterpacht, Professor Carr on International Morality, Ms. 1941, CP II, 1975, S. 67 (89); ders., On Realism, Ms. 1953, CP II, 1975, S. 52 (59), s. auch ibid., S. 65: “In the realm of human action ideas are facts. Revolt against injustice and prejudice is a fact. Projects of improvement are a fact. As such they
188
3. Kapitel
de diese Perspektive dadurch, dass in Demokratien doppelte moralische Standards für den innerstaatlichen und den internationalen Bereich auf Ablehnung stießen. Demokratie sei zwar nicht die beste Staatsform für eine langfristig orientierte Außenpolitik. Allerdings könnten offen immoralische Akte im vorgeblichen nationalen Interesse, die in einer Demokratie der weiteren Öffentlichkeit zur Kenntnis gelangen, ein Ausmaß an Empörung hervorrufen, das eine gewählte Regierung nicht überstehen werde.186 In einer effektiven internationalen Ordnung verweigert das Völkerrecht einem staatlichen Rechtssystem, das bestimmte materielle Gerechtigkeitsstandards vermissen lässt, die Anerkennung.187 Diese Überlegungen sind Ausgangspunkt seiner dogmatischen Kritik der Anerkennungslehre, die in den Vorschlag einer Kollektivierung der Anerkennung mündet.188 Damit stellt er Überlegungen an, die als Beitrag zur Konstitutionalisierung des zwischenstaatlichen Systems verstanden werden können. Neuere Entwicklungen bei der Anerkennung von Staaten sind schließlich ein häufig genanntes Element der völkerrechtlichen Konstitutionalisierung seit den 1990er Jahren. Aber auch die Lehre von der konstitutiven Anerkennung mit einer Anerkennungspflicht zielt bereits auf eine Begrenzung der Politik auf eine beschränkte Ermessensausübung. Ein Anerkennungsverbot ist auf eine stärker geordnete internationale Ordnung hin ausgerichtet, in der sowohl Menschenrechte als auch Verfassungsprozesse durch internationale Garantien wirksam geschützt werden.189 Eine allmähliche Annäherung an das rational begründete letzte Postulat einer politischen Organisation der Menschheit, die supranationale Weltföderation, kann durch die schrittweise Übernahme grundlegender Prinzipien des Föderalismus erreicht werden, etwa die unmittelbare Bindung der Individuen an das Völkerrecht als dem Recht der Weltfö-
must assuredly play a part – not as an infinite ideal, but in our time. Let us study them, all of them, whether they be projects of world federation, or of the constitution of the world, or of the revision of the Charter.” 186
H. Lauterpacht, Professor Carr on International Morality, Ms. 1941, CP II, 1975, S. 67 (74 f.). 187
H. Lauterpacht, Pure Science, 1933, CP II, S. 404 (427).
188
H. Lauterpacht, Recognition in International Law, 1948; vgl. M. Koskenniemi, Gentle Civilizer, 2002, S. 398. 189
Vgl. H. Lauterpacht, Recognition in International Law, 1948, S. 434 f.
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
189
deration. Darin sieht Lauterpacht sogar den tieferen Sinn der Völkerrechtssubjektivität des Individuums.190 Die Vereinten Nationen sind für Lauterpacht die rechtliche Organisation der internationalen Gemeinschaft.191 Mit verfassungsrechtlichen Fragen dieser Organisation ist er als Richter am Internationalen Gerichtshof befasst.192 Schon für den Völkerbund lehnt er den Versuch ab, die Satzung als Vertrag konstitutionellen Typs außerhalb des Vertragsrechts zu stellen und aus dieser Einordnung Folgen abzuleiten. Zwar sind die Völkerbundsatzung und der Kellogg-Briand-Pakt „documents constituting the fundamental charter of the international society“, weil sie seiner Ansicht nach positive Verpflichtungen zur Achtung und aktiven Aufrechterhaltung des Weltfriedens enthalten.193 Diese Einordnung ändert indes nichts daran, dass auch für die Völkerbundsatzung die allgemein gültigen Grundsätze des Vertragsrechts Anwendung finden. Im Verhältnis untereinander können die Vertragsstaaten durch Art. 20 VBS vertraglich ohne Weiteres den Charakter der Völkerbundsatzung als „higher law“, das Vorrang gegenüber früheren wie späteren vertraglichen Verpflichtungen genießt, begründen. Die Völkerbundsatzung unterscheidet sich dadurch aber nicht kategorisch von anderen völkerrechtlichen Verträgen. Für Lauterpacht haben vielmehr alle völkerrechtlichen Verträge insofern rechtsetzenden („law-making“) Charakter als er spätere konfligierende Verträge nach allgemeinem Völkerrecht als nichtig betrachtet. Im Interesse der Einheit des Rechts sei die Vertragsschlussfähigkeit entsprechend eingeschränkt.194 Das hier offensichtliche systematische Verständnis des Völkerrechts ist auch kennzeichnend für die konstitutionelle Völkerrechtslehre.
190
H. Lauterpacht, LQR 64 (1948), S. 97 (111); ders., State Sovereignty and Human Rights, Ms. 1950, CP III, S. 416 (426 ff.). 191
L. Oppenheim, International Law, hg. v. Hersch Lauterpacht, Bd. 1: Peace, 81955, S. 420. 192
S. insb. IGH South-West Africa – Voting Procedure, Advisory Opinion, Sep. Op. Lauterpacht, ICJ Rep. 1955, S. 90 (115 ff.); IGH Hearings of petitioners, Advisory Opinion, Sep. Op. Lauterpacht, ICJ Rep. 1956, S. 35 (48 f.). 193 194
H. Lauterpacht, Political Quarterly 3 (1932), S. 174 (175).
H. Lauterpacht, BYBIL 17 (1936), S. 54; vgl. auch ders., RdC 62 (1937IV), S. 99 (308 ff.).
190
3. Kapitel
IV. Zusammenfassung und Bedeutung für die Konstitutionalisierungslehre Lauterpacht geht von Kelsens Reiner Rechtslehre aus und wendet sich dem Naturrecht zu. Damit steht er für eine moralisch-naturrechtliche Völkerrechtstradition. Der Verfassungsterminologie misst Lauterpacht für das Völkerrecht keine Bedeutung bei. Nicht zuletzt sein Engagement für den institutionalisierten Menschenrechtsschutz und die Kollektivierung der Anerkennung nach dem Zweiten Weltkrieg lassen ihn aber als einen Vorläufer der Konstitutionalisten erscheinen. In beiden Instituten zeigen sich die inhaltliche Verknüpfung zwischen dem Völkerrecht und den innerstaatlichen Rechtsordnungen sowie die Ausrichtung des Völkerrechts auf materielle Gerechtigkeitsgehalte. Was Lauterpacht weiter auszeichnet, ist seine Beschäftigung mit der Rolle des internationalen Richters als eines Pflichtsubjekts und mit einer Theorie richterlicher Argumentation, die ihn für die Völkerrechtslehre nach der Postmoderne anschlussfähig macht.195 Sein Versuch, die Grenzen der Objektivität der Entscheidung auszuloten, berührt unmittelbar die Frage nach dem Stellenwert des Rechts in den internationalen Beziehungen.196 Vorläufer der Konstitutionalisierungslehre ist er damit auch insofern, als er im internationalen Richter eine Institution für die Fortentwicklung des Völkerrechts als universeller Gerechtigkeitsordnung sieht. Das Völkerrecht versteht er als nicht nur formell lückenlos, sondern auch materiell vollständig. Sein Völkerrechtsverständnis ist systematisch nicht nur in einem formellen Sinne, sondern er zielt mit der Methode des „law behind the cases“ auf die materielle Einheit des Völkerrechts.197 Die Völkerrechtsgemeinschaft ist für Lauterpacht eine auf die rule of law gegründete Weltgemeinschaft, die in den Vereinten Nationen auch eine rechtliche Organisation ausbildet, aber darüber hinaus dem Postulat einer supranationalen Weltföderation verpflichtet ist. Zunächst begründet aber die naturrechtliche Verwurzelung des Völkerrechts seine relative Unabhängigkeit gegenüber dem Staatenkonsens und seine Ausrichtung auf das Individuum. Darin lässt sich eine Paral195
S. M. Koskenniemi, Gentle Civilizer, 2002, S. 353 ff.
196
S. zur Bedeutung Lauterpachts für die „grotianische Tradition“ in den Internationalen Beziehungen R. Jeffery, EJIR 12 (2006), S. 223. 197 Vgl. diesbezüglich für eine Gegenüberstellung von Lauterpacht mit Kelsen P. Jessup/R. R. Baxter, AJIL 55 (1961), S. 97.
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
191
lele zu der von der Konstitutionalisierungslehre wahrgenommenen Autonomisierung des Völkerrechts durch seine Entwicklung zu einer „Werteordnung“ sehen. Lauterpachts theoretische Reflexion des Rechtsfortbildungsprozesses und seine Einsicht in die Funktion des Rechts scheinen späteren substanzbezogenen Wertvorstellungen sogar überlegen.
C. Alfred Verdross zwischen Neukantianismus und Naturrecht Verdross’ Völkerrechtstheorie in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg steht zunächst unter dem Einfluss der Reinen Rechtslehre seines Lehrers Hans Kelsen,198 aber auch der national-romantischen Gesellschaftslehre seines Kollegen an der Wiener Universität Othmar Spann.199 Er befasst sich mit der aristotelischen Erkenntnistheorie, den Spätscholastikern Vitoria und Suárez sowie der Gegenstandsphilosophie Geysers, Husserls und Nicolai Hartmanns200 und wendet sich einer materialen naturrechtlichen Rechtsphilosophie zu.201 Vor diesem Hintergrund versucht er, ein überstaatliches Völkerrecht zu begründen, das die christliche Idee von der gegliederten Einheit der Menschheit verkörpert. Die Abkehr von den Positionen der Reinen Rechtslehre und die Zuwendung zu einer werteorientierten Betrachtung des Völkerrechts zeigt sich in den Konzeptionen von Grundnorm und Delegationszusammenhang (I.), im Wandel des Verfassungsbegriffs, den er als erster auf das Völkerrecht überträgt (II.), und in der Bedeutung, die er den allgemeinen Rechtsgrundsätzen zumisst (III.). Verdross bleibt dabei ein begriffsund systemorientiertes, auf die Konstruktion eines Gesamtentwurfes 198
S. zur Lehrer/Schüler-Beziehung Kelsen/Verdross A. Verdross, in: N. Grass (Hg.), Selbstdarstellungen, 1952, S. 201; E. Wiederin, in: S. Paulson/M. Stolleis (Hg.), Hans Kelsen, 2005, S. 222 (230) mit Fn. 37. 199
A. Carty, EJIL 6 (1995), S. 78 (87). Zusammenfassend zu Verdross’ Verfassungsbegriff zuletzt B. Fassbender, FS Isensee, 2007, S. 73 (76 ff.). 200
S. dazu A. Verdross, in: N. Grass (Hg.), Selbstdarstellungen, 1952, S. 201
(204). 201
Nachgezeichnet bei H. Köck, ÖZöR 42 (1991), S. 31 (34 ff.); zusammenfassend auch A. Verdroß-Droßberg, in: E. Sauer (Hg.), Forum der Rechtsphilosophie, 1950, S. 9. S. zu Verdross als Naturrechtler auch A. Truyol y Serra/R. Kolb, Doctrines sur le fondement du droit des gens, 2007, S. 123 ff.
192
3. Kapitel
zielendes Forschungsinteresse erhalten. Für seine objektiv-universalistische und monistische Völkerrechtstheorie gibt es Anknüpfungspunkte etwa bei Othmar Spann, aber auch bei den spanischen Scholastikern Vitoria und Suárez. Die überstaatliche Verfassung ist anstelle des Staatenkonsenses objektiv-universelle Grundlage des Völkerrechts (IV.). Ebenso dialektisch, wie sich sein Rechtsverständnis zwischen Naturrecht und positivem Recht bewegt, ist Verdross’ Vorstellung von der Völkerrechtsgemeinschaft (V.). Mit der Ausdehnung der in den Vereinten Nationen organisierten Staatengemeinschaft stellt sich für ihn das Problem des Verhältnisses zwischen der universellen Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft und den Verfassungen internationaler Organisationen (VI.). Verdross ist mit seinen Arbeiten zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ein wichtiger Vorläufer der wertekonstitutionellen Ansätze innerhalb der Konstitutionalisierungslehre. Zugleich bietet sein Werk einen Anknüpfungspunkt für die Einordnung der Charta als Verfassung der internationalen Gemeinschaft (VII.).
I. Grundnorm und Normendelegation zwischen Begriffslogik, Rechtsempirie und Ethik Im Anschluss an Merkl betrachtet Verdross das Recht als Stufenbau und bezieht das Völkerrecht in die Stufenordnung mit ein.202 Die Schichtung der Normen versucht er aber auch induktiv anhand des positiven Rechts, mit der „Rechtserfahrung“ nachzuweisen.203 Der Delegationszusammenhang stützt sich auf den Inhalt des positiven Rechts und gewinnt damit eine empirische Dimension, ohne zum Ausdruck von Machtverhältnissen zu werden. Gleichzeitig wandelt sich der Charakter der Delegation von einem rein formalen Delegationszusammenhang zu einem inhaltlich über den grundlegenden Charakter begründeten Vorrang und erhält dadurch eine wertende Dimension. Auch die Grundnorm ist für Verdross zunächst nicht nur Frucht theoretischer Erwägungen, sondern wird auch durch die Erfahrung der
202 203
A. Verdross, Einheit, 1923, S. 130 ff.
A. Verdross, ARWP 18 (1925), S. 413 (422); ders., Einheit, 1923, S. VIII f., 86 mit Fn. 1. Verdross bezieht sich dabei auf Johann Jacob Moser: A. Verdross, Z.ö.R. 3 (1922), S. 96 (101); ders., RdC 16 (1927-I), S. 251 (260). Vgl. auch W. Schiffer, Lehre vom Primat, 1937, S. 250.
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
193
Staatenpraxis bezeugt.204 In seiner Haager Vorlesung von 1927 hält Verdross die Grundnorm hingegen nicht mehr für verifizierbar und lehnt daher den Versuch ab, sie induktiv zu ermitteln.205 Die Grundnorm des (Völker-)Rechts ist keine Hypothese, sondern ein Axiom, das als absoluter ethischer Wert begründet werden müsse.206 Bei Kelsen war die Wahl der Grundnorm Ergebnis einer politisch und ethisch begründeten Entscheidung. Die ethische Dimension der Grundnorm bedeutet bei Verdross demgegenüber, dass sie nicht mehr gewählt, sondern aus der unveränderlichen Gerechtigkeit deduziert wird. Darin wird erkennbar, dass sich Verdross im Laufe der zwanziger Jahre zunehmend von den methodischen Prämissen Kelsens entfernt und eine naturrechtliche Grundlegung des Völkerrechts sucht.207 Verdross möchte Kelsens neukantianische Rechtstheorie in analoger Weise fortdenken wie in der Philosophiegeschichte an Kants Erkenntnislehre angeknüpft worden ist. Die Grundnorm soll sich nicht wie das Kantische „Bewusstsein überhaupt“ und der „reine Wille“ in der Philosophie Vaihingers in bloße fictiones falsi auflösen,208 sondern in Anknüpfung an Hegel und Teile der Marburger Schule objektiviert wer-
204
A. Verdross, Verfassung, 1926, S. 32; ders., RdC 16 (1927-I), S. 251 (285 f.). Unklar bleibt allerdings, inwiefern die Norm pacta sunt servanda Grundlage auch des Völkergewohnheitsrechts sein kann. Das ist dann möglich, wenn man das Völkergewohnheitsrecht mit der klassischen Konsenstheorie als stillschweigenden Vertragsschluss interpretiert. In seinem späteren Überblick zu Entstehungsweisen und Geltungsgrund des Völkergewohnheitsrechts (A. Verdross, ZaöRV 29 (1969), S. 635) lehnt Verdross die Verankerung des Völkergewohnheitsrechts in der Grundnorm pacta sunt servanda ab. 205
A. Verdross, RdC 16 (1927-I), S. 251 (280 f.).
206
A. Verdross, RdC 16 (1927-I), S. 251 (282 ff.); vgl. F. Durante, ÖZöR 42 (1991), S. 59 (62 f.). 207
S. dazu A. Truyol y Serra, EJIL 6 (1995), S. 55 (57). Noch deutlicher wird die Zuwendung zum Naturrecht dann in A. Verdross, RdC 30 (1929-V), S. 275 (303) und RdC 52 (1935-II), S. 195; s. dazu E. Engelberg, RGDIP 46 (1939), S. 37 (48). 208
Verdross bezieht sich hier auf H. Vaihinger, Die Philosophie des Als-ob: System der theoretischen, praktischen und religiösen Fiktionen der Menschheit 5/6 auf Grund eines idealistischen Positivismus, 1920. Vaihingers neukantianische Philosophie des „als ob“ sieht von Bogdandy als rechtstheoretische Grundlage von Tomuschats internationaler Rechtsgemeinschaft, die aber eher pragmatischidealistischen Rechtsüberzeugungen entspringt, A. von Bogdandy, Harv. ILJ 47 (2006), S. 223 (227); ders., FS Tomuschat, 2006, S. 703 (707).
194
3. Kapitel
den.209 Obgleich Verdross die modernen wertekonstitutionellen Ansätze beeinflusst hat, geht er damit offenkundig von einem anderen Wertverständnis aus.210 Die Möglichkeit dazu sieht Verdross in einem „objektiven pantheistischen oder theozentrischen Idealismus“. Verdross leitet die Verbindlichkeit des Völkerrechts nun aus der Annahme des Satzes pacta sunt servanda als explizit überpositiver naturrechtlicher Grundnorm her.211 Später modifiziert er diese Grundnorm dahin, dass die allgemein anerkannten gewohnheitsrechtlichen Regeln und die anderen als verbindlich anerkannten Rechtsnormen zu befolgen seien. Das Völkerrecht befinde sich in einer Übergangsperiode von einem durch Staatenverträge geschaffenen Recht zu einem „droit mondial s’imposant à tous“.212 Schließlich erweitert Verdross die naturrechtliche Grundnorm zum Grundsatz der bona fides213 und erklärt die universelle Moral zur Grundlage des Völkerrechts.214 Das Problem der Grundnorm soll durch die Ermittlung bestimmter allgemeiner Grundsätze auf der Grundlage der philosophischen Anthropologie gelöst werden.215 Später wird der Rechtswert der Würde des Menschen hier ausdrücklich eingereiht.216 In diesem wertebasierten Völkerrechtsverständnis zeigen sich Parallelen zur Werteorientierung in der Konstitutionalisierungslehre. Verdross versucht, deduktive und induktive Begründungen der Grundnorm zu vereinen. Dies, wie die zahlreichen philosophischen Anknüpfungen, ist kennzeichnend für seinen versöhnlichen, aber zuweilen auch
209 210
A. Verdross, Verfassung, 1926, S. 2 f. S. 1. Kapitel A. I. 3.
211 A. Verdross, Verfassung, 1926, S. 3, 22, 27 ff. Vgl. auch W. Grewe, Epochen, 21988, S. 711; R. Walter, in: ders./C. Jabloner/K. Zeleny (Hg.), Hans Kelsen und das Völkerrecht, 2004, S. 37 (42). Grewe verwechselt wohl das Erscheinungsjahr der „Einheit“ (1923) mit dem der „Verfassung“ (1926). 212
A. Verdross, RdC 30 (1929-V), S 275 (289, 328).
213
A. Verdross, JBl 73 (1951), S. 559; ders., Revue hellénique de droit international 5 (1952), S. 17 = ders., FS Laun, 1953, S. 29. Die ursprüngliche Fassung mit dem Satz „pacta sunt servanda“ ist sein „letzter geistiger Tribut an den Voluntarismus und Positivismus“, s. S. Verosta, FS Verdross, 1960, S. 21. 214 215 216
A. Verdross, RdC 16 (1927-I), S. 251 (251 ff.). A. Verdross, FS Wehberg, 1956, S. 385 (385, 388).
A. Verdross, AVR 4 (1953), S. 129 (136 f.); s. auch ders., FS Kelsen, 1971, S. 276 (282).
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195
eklektizistischen Wissenschaftsstil.217 Man kann darin auch einen „hegelianischen Kunstgriff“ sehen: Die Erkenntnis des vorgegebenen Naturrechts kann nur durch die Analyse des positiven Rechts gelingen, zugleich aber setzt die Erkenntnis des positiven Völkerrechts die Einsicht in das Naturrecht voraus. Das eigentliche Erkenntnisobjekt Völkerrecht liegt dann in der dialektischen Aufhebung der Dualität von gesetztem Völkerrecht und christlichem „Menschheitsrecht“.218 Zur vollen Erfassung des positiven Völkerrechts sei es notwendig, sowohl die Ideen zu ergründen, die dem Faktum des Völkerrechts zugrunde lägen, als auch die Handlungen zu erforschen, in denen sich jene auswirkten. Erst durch ihre Synthese entstehe das positive Völkerrecht.
II. Wandel des Verfassungsbegriffs In einem im Jahre 1921 erschienenen Aufsatz führte Alfred Verdross den Verfassungsbegriff im Kontext des Völkerrechts ein.219 Er definiert die staatliche Verfassung als oberste aus Rechtsnormen bestehende staatliche Grundordnung, die logisch vorausgesetzt werden muss, um den Staat als Rechtsperson zu konstituieren und um dem Recht des Staates einen Rechtsgrund zu geben, aus dem es seine normative Kraft herleitet.220 Wesentlich für diese Vorstellung ist, dass alles Recht formal in der Verfassung Grund und Rechtfertigung findet.221 Ein Verfassungsrecht, das allein aufgrund seiner hierarchischen Stellung als oberste Norm oder Normengruppe, als Verfassung im rechtslogischen oder rechtssystematischen Sinne definiert wird, findet sich als „Analogon“ 217
Vgl. B. Simma, FS Verdross, 1980, S. 22 (34 f.). Ähnlich die Argumentation: A. Verdross, FS Wehberg, 1956, S. 385 (393 f.). 218
J. von Bernstorff, Glaube an das universale Recht, 2001, S. 136 unter Verweis auf A. Verdross, FS Kelsen, 1931, S. 354 (358). 219
A. Verdross, NiemeyersZ 29 (1921), S. 65; vgl. B. Fassbender, Col. JTL 36 (1998), S. 529 (541). Die Feststellung, der Begriff des „droit constitutionnel international“ sei durch das Werk von B. Mirkine-Guetzévitch, Droit constitutionnel international, 1933, geprägt, bezieht sich auf die internationalen Bezüge des staatlichen Verfassungsrechts: H. Ruiz Fabri/C. Grewe, FS J. Gautron, 2004, S. 189. Mirkine-Guetzévitch grenzt seinen Begriff ausdrücklich von Verdross und Scelle ab, a. a. O., S. 7 f.; s. auch ders., RdC 38 (1931-IV), S. 311; ders., RdC 45 (1933), S. 673 (674). 220 221
A. Verdross, JBl 45 (1916) 471 (473). A. Verdross, JBl 45 (1916) 471 (483).
196
3. Kapitel
zur Staatsverfassung auch im Völkerrecht.222 Anders als bei Kelsen ist bei Verdross die Verfassung aber nicht unbedingt von der nicht-positivrechtlichen Grundnorm zu unterscheiden, bildet die Völkerrechtsverfassung vielmehr zugleich die Grundnorm.223 Die sogenannte Völkerrechtsverfassung besteht zunächst aus den Völkerrechtsnormen, die den sachlichen, räumlichen und zeitlichen Geltungsbereich der staatlichen Rechtsordnungen gegeneinander abgrenzen.224 Insofern ist sie nicht nur Verfassung des Völkerrechts, sondern mittelbar auch Verfassung der Staatsrechtsordnungen und damit Verfassung des einheitlichen Rechtssystems überhaupt.225 Außerdem enthält die Völkerrechtsverfassung bei Verdross Normen über das Verfahren der Rechtsetzung und die Rechtsquellen des sonstigen Völkerrechts. Neben Staatsverträgen und dem völkerrechtlichen Gewohnheitsrecht soll die „internationale Gerechtigkeit“ subsidiäre Rechtsquelle sein, die überall dort eingreifen soll, wo Staatsverträge und Gewohnheitsrecht noch keine Regelung enthalten,226 und damit das Völkerrecht für naturrechtliche Einflüsse öffnet. Diesen rein formalen Verfassungsbegriff entwickelt Verdross weiter zu einer naturrechtlich begründeten Verfassungsgemeinschaft sowie einer historisch-politischen Verfassungsidee.
222
A. Verdross, NiemeyersZ 29 (1921), S. 65 (71, 83 f.); ders., ZVR 12 (1923), S. 405 (412); ders., Einheit, 1923, S. 59; ders., Verfassung, 1926, S. V. 223 A. Verdross, NiemeyersZ 29 (1921), S. 65 (83 f.); ders., Einheit, 1923, S. 126. Zuvor hatte Verdross indes eine einheitliche Grundnorm im Sinne einer monistischen Ursprungsnormentheorie gefordert: A. Verdross, Kriegshandlung, 1920, S. 43. 224
A. Verdross, Einheit, 1923, S. 134. So auch noch später A. Verdross, RDISDP 32 (1954) 3, S. 219 (221). Weitere Beiträge Verdross’ zur zeitgenössischen Diskussion um das Verhältnis von Völkerrecht und Landesrecht: A. Verdross, ZVR 8 (1914), S. 329 – hier noch Monismus mit Primat des staatlichen Rechts; ders., Schweizerische JuristenZeitung 17 (1920) S. 247; ders., FW 22 (1920), S. 259. S. auch ders., in: N. Grass (Hg.), Österreichische Rechts- und Staatswissenschaften der Gegenwart in Selbstdarstellungen, 1952, S. 201. Diese rechtslogisch begründete Völkerrechtsverfassung wird von Vertretern des konkreten Ordnungsdenkens als tautologische Verdopplung und Hypostasierung kritisiert, die für die Begründung einer konkret existierenden politischen Einheit völlig bedeutungslos sei; vgl. C. Schmitt, Verfassungslehre, 1928, § 7; G. A. Walz, Völkerrecht und staatliches Recht, 1933, S. 136. S. aber auch W. Schiffer, Lehre vom Primat, 1937, S. 217 ff.; H. L. A. Hart, Concept, 21994, S. 236. 225
226
A. Verdross, Einheit, 1923, S. 126.
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
197
Mit der Zuwendung zum Naturrecht geht eine Veränderung der Begrifflichkeit vom völkerrechtlichen Verfassungsrecht und seiner Stellung im Recht einher. An die Stelle des Begriffs „Völkerrechtsverfassung“ tritt die Bezeichnung als „Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft“.227 In der so betitelten Schrift von 1926 wird nun der grundlegende Charakter des Verfassungsrechts als Merkmal eines materiellen Verfassungsbegriffs betont. Die Verfassung der Völkerrechtsgemeinschaft ist nach wie vor eine Art allgemeiner Teil des Völkerrechts228 und eine Kompetenzordnung, die die Zuständigkeiten der Staaten regelt und begrenzt.229 Verfassungsrecht in diesem Sinne besteht aus Gewohnheitsrecht und einigen multilateralen Verträgen wie dem Briand-KelloggPakt von 1928.230 Die Verfassungsgrundsätze können zwar in demselben Verfahren wie alle anderen Völkerrechtsnormen geändert werden. Aufgrund ihres grundlegenden Charakters kommt dem Verfassungsrecht aber doch ein höherer Rang zu, da es die Voraussetzung der Erzeugung der anderen Völkerrechtsnormen bildet.231 Der Verfassungsbegriff bezieht nun auch Wertinhalte ein.232 Verfassungsrechtliche Normen der Völkerrechtsgemeinschaft seien die Verpflichtung zur Achtung der Gebietshoheit und der politischen Unabhängigkeit fremder Staaten, das Gewaltverbot (Art. 2 Nr. 4 UNC), die Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung (Art. 2 Nr. 3 UNC), das Gebot von Treu und Glauben (Art. 2 Nr. 2 UNC) sowie weitere Charta-Bestimmungen. Aber auch der Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen233 sollte zu einem wichtigen Bestandteil der Verfassung der universellen Staatengemeinschaft werden können, sobald er allgemein angenommen sein würde.234
227
S. einerseits A. Verdross, NiemeyersZ 29 (1921), S. 65 (83); ders., Einheit, 1923, S. 126; andererseits ders., Verfassung, 1926, S. V. 228
A. Verdross, Verfassung, 1926, S. V.
229
A. Verdross, Einheit, 1923, S. 134; ders., Verfassung, 1926, S. 163 ff. Zum Begriff der Kompetenz bei Verdross s. B. Conforti, EJIL 6 (1995), S. 70. 230
Briand-Kellogg-Pakt v. 27.8.1928, Fontes III/2, S. 959; A. Verdross, Völ2 kerrecht, 1950, S. 74. 231
A. Verdross, Quellen, 1973, S. 21.
232
Zusammenfassend zum Wandel des Verfassungsbegriffs bei Verdross: E. Suy, FS Bernhardt, 1995, S. 267 (268 f.). 233
Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen v. 1.7.1968, BGBl. II1974, S. 786. 234
A. Verdross, Quellen, 1973, S. 31 ff.
198
3. Kapitel
Zum notwendigen Verfassungsrecht soll unter anderem das ius cogens gehören.235 Es wird schließlich als die Norm definiert, die darüber Auskunft gibt, ob dem Inhalt anderer völkerrechtlicher Normen bestimmte Grenzen gezogen sind.236 Die Staaten dürfen keine Verträge schließen, die contra bones mores sind. Verdross definiert zur Konkretisierung dieser Grenze ein ethisches Minimum der internationalen Gemeinschaft, das dem Staat die Funktionen der Erhaltung von Recht und Ordnung zwischen den Staaten, die Verteidigung gegen fremde Angriffe, die Sorge um das Wohl der Bevölkerung und den Schutz der Staatsangehörigen im Ausland zuschreibt. Auf dieser Grundlage entwickelt er einen Katalog von Verträgen, die als unmoralisch und daher nichtig anzusehen seien. Die Nichtigkeitsgründe beziehen sich dabei alle auf eine exzessive Einschränkung der ethisch definierten Grundfunktionen der Staaten.237 Das Interesse Verdross’ an der Rechtsfigur des ius cogens ist nicht nur seiner Wendung zum Naturrecht zu verdanken. Vielmehr enthält es einen wichtigen Impuls durch die Frage der Rechtsgültigkeit der Verträge von Versailles, die die zeitgenössische Völkerrechtswissenschaft beschäftigte und für Verdross zeitlebens von Bedeutung war.238 Werteorientierung und politische Position des österreichischen Völkerrechtlers greifen hier ineinander, es zeigt sich eine Koinzidenz von Werten und Interessen. Das rechtfertigt für sich allein selbstverständlich kein Misstrauen gegenüber einem moralisch begründeten Rechtsverständnis, veranschaulicht aber doch die im 1. Kapitel erörterte Problematik des wertekonstitutionellen Ansatzes. Weiterhin greift Verdross die historisch-politische Dimension des Verfassungsrechts auf. In der Entwicklung des modernen Völkerrechts wurde die aus grundlegenden Normen der Völkerrechtsgemeinschaft bestehende Verfassung immer umfassender, sowohl im Hinblick auf ihre geographische Ausdehnung als auch auf die Komplexität des Regelungsgehaltes.239 Die Verfassungsgrundsätze der modernen Staatenge235 A. Verdross, Völkerrecht, 51964, S. 20 f. – ius cogens als Verfassungsgrundsätze der internationalen Gemeinschaft. 236
A. Verdross, Quellen, 1973, S. 21. In den früheren Aufsätzen zum ius cogens aus den Jahren 1937 und 1966 wird das ius cogens dagegen nicht zu einem internationalen Verfassungsrecht in Bezug gesetzt, s. A. Verdross, AJIL 31 (1937), S. 571; ders., AJIL 60 (1966), S. 55. 237 238 239
A. Verdross, AJIL 31 (1937), S. 571 (574 ff.). B. Simma, EJIL 6 (1995), S. 33 (51) mit Fn. 85. B. Fassbender, Col. JTL 36 (1998), S. 529 (542).
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
199
meinschaft seien zeitgleich mit der Herausbildung der modernen Staatlichkeit entstanden. Als ursprüngliche Normen beruhten sie weder auf förmlichen Staatsverträgen noch auf völkerrechtlicher Übung, sondern auf einem formlosen Konsens, durch den bestimmte Rechtsgrundsätze als rechtsverbindlich anerkannt würden. Diese Verfassungsgrundsätze seien kein bloß hypothetisches, sondern ein dem Völkergewohnheitsrecht und dem förmlichen Vertragsrecht tatsächlich zugrunde liegendes Normengebilde.240 Ihren ersten urkundlichen Niederschlag fänden sie in den Dokumenten des Westfälischen Friedens als Grundlage des ius publicum europeum.241 Mit diesem sich wandelnden Verfassungsbegriff bietet Verdross also verschiedene Anknüpfungsmöglichkeiten für die Verwendung der Verfassungsterminologie im Völkerrecht.
III. Funktion der allgemeinen Rechtsgrundsätze Dass Verdross die Völkerrechtstheorie für eine naturrechtliche Wertphilosophie öffnet, zeigt sich auch darin, dass er die „internationale Gerechtigkeit“ in die Rechtsquellen des Völkerrechts einbezieht. Die Ausprägung der Rechtsidee im positiven Recht stellten die allgemeinen Rechtsgrundsätze dar. Verdross widmete der Begründung der allgemeinen Rechtsgrundsätze als selbständiger Rechtsquelle und deren Nachweis in der internationalen Praxis nicht weniger als 30 Untersuchungen, in denen er zwischen seiner nunmehr naturrechtlichen Grundhaltung und seiner realistischen Völkerrechtsbetrachtung zu vermitteln suchte.242 Dabei zielt er vor allem darauf, die Behauptung zu widerlegen, positives Völkerrecht könne nur durch Staatenkonsens entstehen.243 Nach der erweiterten Grundnorm nehmen die allgemeinen Rechtsgrundsätze die höchste Stellung im Stufenbau des internationalen 240
A. Verdross, Quellen, 1973, S. 20 f.
241
A. Verdross, Quellen, 1973, S. 18 f.; ders./B. Simma, Universelles Völker3 recht, 1984, § 75 f. 242 A. Verdross, RDI 13 (1934), S. 484 (485) – „théorie intermédiaire, synthétique [… qui] ne se contente pas d’une source unique, mais entend combiner l’une et l’autre, la raison et la volonté“ (Herv. i. O.); vgl. B. Simma, FS Verdross, 1980, S. 22 (35). 243 A. Verdross, FS Kelsen, 1931, S. 354 (356); vgl. B. Simma, FS Verdross, 1980, S. 22 (37).
200
3. Kapitel
Rechts ein, treten aber hinter speziellere Normen zurück. Die völkerrechtliche Grundnorm müsse daher lauten: „Souveräne und teilsouveräne Rechtsgemeinschaften, verhaltet Euch in Euren gegenseitigen Beziehungen nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, soweit sich nicht im internationalen Verkehre besondere, von jenen Grundsätzen abweichende, gültige Normen herausgebildet haben.“244 Konkrete Rechtsätze, die im Widerspruch zu den allgemeinen Grundsätzen stehen, büßen aber ihre Geltung ein.245 Die Grundnorm hat demgegenüber keine selbständige Bedeutung mehr.246 Richtiger ist es nun, von einem Gefüge von Rechtsgrundsätzen, statt von einer Grundnorm zu sprechen.247 Während Verdross die allgemeinen Rechtsgrundsätze ursprünglich als positives Recht einordnete, das unter dem Einfluss naturrechtlicher Vorstellungen entstanden und zur Anerkennung gelangt sei,248 unterscheidet er später drei Arten allgemeiner Rechtsgrundsätze:249 Grundsätze, die unmittelbar aus der Rechtsidee folgen (wie der Satz, dass jede Rechtsnorm einen vernünftigen Inhalt haben müsse, und der Grundsatz des guten Glaubens), im positiven Recht nicht ausgedrückte, aber implizit mit bestimmten positiv-rechtlichen Institutionen wie dem Vertrag gegebene Prinzipien und schließlich im positiven Recht der Kulturvölker anerkannte Grundsätze. Die Rechtsidee wird hier zur Grundlage der Geltung des Völkerrechts.250 Zugleich zeigt sich hier ein werteorientiertes Völkerrechtsverständnis, von dem aus sich Entwicklunglinien zu Vertretern der Konstitutionalisierungslehre ziehen lassen.
244
A. Verdross, FS Kelsen, 1931, S. 354 (362); vgl. auch ders., FS Wehberg, 1956, S. 385 (394); ders., Völkerrecht, 51964, S. 24 f. 245 246 247
A. Verdross, RdC 52 (1935-II), S. 195 (205 f.). Vgl. W. Schiffer, Lehre vom Primat, 1937, S. 248. A. Verdross, Völkerrecht, 51964, S. 25.
248
A. Verdross, RDI 7 (1931), S. 446 (450 ff.); ders., FS Kelsen, 1931, S. 354 (363 f.). 249 250
A. Verdross, RdC 52 (1935-II), S. 195 (204 f.). A. Verdross, RdC 52 (1935-II), S. 195 (195 ff.).
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
201
IV. Gemäßigter Monismus Zur Begründung seiner monistischen Völkerrechtstheorie greift Verdross auf die Gesellschaftslehre Othmar Spanns und die christliche Naturrechtslehre, aber auch auf die Theorie der modernen Physik, deren einheitliches Weltbild mit dem einheitlichen juristischen Weltbild verglichen werden könne,251 die Rechtslogik und die „Rechtserfahrung“ zurück. Entsprechend der universalistischen Gesellschaftslehre Othmar Spanns, die sich gegen Rationalismus, Liberalismus, Materialismus und Marxismus wendet, soll Ausgangspunkt der Völkerrechtstheorie nicht der Staat, sondern die Menschheit als ursprüngliche Ganzheit sein.252 Verdross überträgt die „ganzheitliche“ Gesellschaftslehre Spanns, nach der das Verhältnis der Teilganzen untereinander niemals ein unmittelbares ist, sondern immer den Umweg über die Ganzheit nimmt,253 auf die Staatengesellschaft. Das Völkerrecht stellt sich dementsprechend nicht als zwischenstaatliches, sondern als überstaatliches Recht dar. Staaten könnten niemals unmittelbar, sondern nur als Glieder einer ihnen übergeordneten Ganzheit in Verkehr treten, sofern nicht ein Staat den anderen unterwirft.254 Die Einheit des Rechts folgt dann auch daraus, dass das Völkerrecht sich nur durch das Zwischenglied der Staatsverfassungen verwirklichen kann. Die sogenannte Völkerrechtsverfassung kann nur durch das Medium der Staatsverfassungen und über die Mitwirkung staatlicher Verfassungsorgane Völkerrecht zur Entstehung bringen, ein vom Staatsrecht unabhängiges Völkerrecht ist unmöglich.255 Verdross kommt daher zunächst zu dem Ergebnis, dass die Völkerrechtsverfassung über den staatlichen Rechtsordnungen, das sonstige Völkerrecht aber unterhalb der staatlichen Verfassungen stehe.256 Seine objektiv-universalistische Völkerrechtstheorie sieht Verdross auch im Einklang mit der universalistischen christlichen Lehre vor allem von Vitoria und Suárez.257 Von dieser klassischen Lehre übernimmt er die 251 252 253 254
A. Verdross, Einheit, 1923, S. V. A. Verdross, ARWP 18 (1925), S. 413 (414 ff.). O. Spann, Gesellschaftslehre, 1923, S. 548. A. Verdross, ARWP 18 (1925), S. 413 (424 ff.); ders., Verfassung, 1926, S. 7
f. 255 256 257
ff.
A. Verdross, ARWP 18 (1925), S. 413 (428 ff.). A. Verdross, Einheit, 1923, S. 134. A. Verdross, ARWP 18 (1925), S. 413 (418); ders., Verfassung, 1926, S. 23
202
3. Kapitel
universalistische Konzeption des Völkerrechts, die im Staat einen Teil einer größeren Gemeinschaft sieht und die Existenz eines allen Staaten gemeinsamen Rechts annimmt.258 Die Idee der „unité morale du genre humain“ gilt ihm als „vérité morale“,259 die Geltung des überstaatlichen Völkerrechts stützt sich eher auf die Idee der ursprünglichen Einheit der christlich-abendländischen Menschheit als auf eine im Entstehen begriffene moderne Weltgemeinschaft.260 Anders als bei Kelsen hat danach auch das positive Völkerrecht einen seinen Vorrang begründenden höheren Wert als das positive staatliche Recht, weil seine Existenz der Rechtsidee entspricht.261 Gegen eine staatenindividualistische Völkerrechtskonzeption wendet Verdross auch ein, der Satz pacta sunt servanda könne nicht selbst auf den Willen der Staaten zurückgeführt, sondern müsse vorausgesetzt werden.262 Einen bei den Staaten gewählten Ausgangspunkt der Völkerrechtstheorie versucht er als „subjektivistisches Naturrecht“ abzutun. Nur der Universalismus könne das „Recht der Erfahrung“ im „unverfälschten Zustande“ erfassen und das „natürliche Weltbild“, wie es die „Erfahrung“ darbietet, wiederherstellen.263 Anders als Kelsen lehnt Verdross eine Wahlmöglichkeit zwischen Völkerrechtsprimat und Primat des staatlichen Rechts ab. Dabei stützt er sich außer auf die höhere Wertigkeit des Völkerrechts vor allem mit dem sogenannten Revolutionsargument auf die „Rechtserfahrung“: Ohne die Annahme des Primats zumindest einer völkerrechtlichen Norm sei die Weitergeltung der Staatsverträge nach dem Untergang einer Verfassung nicht zu erklären.264 Später gibt Verdross die Vorstellung auf, dass sich die staatliche Verfassung zwischen die Völkerrechtsverfassung und das übrige Völkerrecht schiebe.265 Dafür ist wohl insbesondere die Erwägung ausschlaggebend, dass das unter Mitwirkung der Staatsverfassungen gebildete Völkerrecht nicht in derselben Weise aufgehoben oder geändert werden könne 258 259 260
Zusammenfassend F. Durante, ÖZöR 42 (1991), S. 59 (63). A. Verdross, RdC 30 (1929-V), S. 275 (278). A. Verdross, FS Kelsen, 1931, S. 354 (358, 364).
261
A. Verdross, RdC 30 (1929-V), S. 275 (423); vgl. W. Schiffer, Lehre vom Primat, 1937, S. 257. 262
A. Verdross, ARWP 18 (1925), S. 413 (420); ders., Verfassung, 1926, S. 31 f.
263
A. Verdross, ARWP 18 (1925), S. 413 (422); vgl. ders., Einheit, 1923, S. 137. 264 265
A. Verdross, Verfassung, 1926, S. 16 f. A. Verdross, Verfassung, 1926, S. 33 f.
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
203
wie das staatliche Recht.266 Die Rangfolge soll nun generell so lauten, dass das Völkerrecht über dem staatlichen Recht steht, und zwar im Sinne eines gemäßigten oder mehr oder weniger stark gegliederten Monismus auf der Grundlage des Primates des Völkerrechts.267 Dieser gemäßigte Monismus berücksichtigt, dass innerstaatliche Gerichte vorläufig auch völkerrechtswidriges innerstaatliches Recht anwenden, während internationale Gerichte nur das Völkerrecht anwenden und gegebenenfalls die Aufhebung völkerrechtswidrigen innerstaatlichen Rechts anordnen können.268 Er lässt sich als Versuch einer Versöhnung zwischen universalistischer und staatenindividualistischer Völkerrechtskonzeption verstehen269 und entspricht der „in Gott gegründeten sittlichen Idee der sich in eine Vielfalt von Staaten zergliedernden einheitlichen Menschheit“.270
V. Völkerrechtsgemeinschaft Verdross leitet die Völkerrechtsgemeinschaft weder aus einer internationalen Kultur- und Interessengemeinschaft ab, noch begründet er die Einheit des Rechtssystems mit einer autoritativen Zentralgewalt. Anders als bei Kelsen fallen für Verdross Rechtsordnung und Rechtsgemeinschaft nicht zusammen. Jedoch soll jede positive Rechtsordnung nur in Bezug auf den tatsächlichen Handlungszusammenhang einer Rechtsgemeinschaft gelten, da ihre Positivität gerade „in ihrer stufenförmigen Erfüllung durch tatsächlich gesetzte Rechtsakte“ bestehe. Umgekehrt sei jede Rechtsgemeinschaft nur der raum-zeitliche Ausdruck eines Rechtsnormensystems und werde jede einzelne Handlung
266
S. schon A. Verdross, Einheit, 1923, S. 135 und dazu B. Simma, FS Verdross, 1980, S. 22 (32). 267
A. Verdross, RDISDP 32 (1954), S. 219 (221): „théorie du monisme modéré ou complexe“; ders., Völkerrecht, 51964, S. 113; ders./B. Simma, Universelles 1 Völkerrecht, 1976, S. 67. S. zum gemäßigten Monismus Verdross’ A. Brodherr, Alfred Verdross’ Theorie des gemäßigten Monismus, 2005. A. Verdross, Völkerrecht, 1937, S. 40 betont die Verschiedenheit der Völker und hebt den Wert des Volkstums hervor. 268 269 270
A. Verdross, RDISDP 32 (1954), S. 219 (221 ff.). Vgl. B. Simma, EJIL 6 (1995), S. 33 (40 f.). A. Verdross, FS Kelsen, 1931, S. 354 (358).
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3. Kapitel
erst durch dieses zur Rechtshandlung.271 Das Völkerrecht sei folglich nicht das Erzeugnis, sondern Erzeuger der Völkerrechtsgemeinschaft und auch des möglichen Tatbestandes einer Zentralinstanz.272 Verdross nimmt auf dieser Grundlage eine sich vorbereitende „internationalisation de l’exécution“ an, nachdem die „internationalisation de la justice“ bereits fast vollendet sei.273 Vertragschließende Staaten betrachtet er als zusammengesetztes Organ der Völkerrechtsgemeinschaft, als Element einer überstaatlichen Organisation.274 Unabhängig von dieser Verknüpfung der Staaten durch positive Völkerrechtsnormen und damit von geschichtlichen Wandlungen besteht die durch die Grundnorm gestiftete Gemeinsamkeit der Rechtsvoraussetzungen für die gesamte Menschheit. Die Einheit der universellen Rechtsordnung ist sozialethisches Postulat. Auch in der Konzeption der Völkerrechtsgemeinschaft zeigt sich damit Verdross’ dialektischer Ansatz. Die Idee der Völkerrechtsgemeinschaft und ihre schrittweise Realisierung im positiven Völkerrecht hält er als Grundlage der dialektischen Ermittlung des Völkerrechts auseinander.275 In tatsächlicher Hinsicht hegt Verdross Zweifel an einer wirklichen Integration der Völkerrechtsgemeinschaft, da Art. 2 Nr. 4 UNC den ideologisch verhüllten Machtkampf zwischen den Weltmächten nicht verhindern könne. Als Haupthindernis gegen eine Integration der Staatengemeinschaft betrachtet er das tatsächliche Fehlen einer obligatorischen Gerichtsbarkeit. Insbesondere nach Inkrafttreten der Menschenrechtspakte von 1966 zeige sich, wie verhängnisvoll es sich auswirke, dass eine verbindliche Auslegung völkerrechtlicher Verträge scheitere.276 Die Lösung der Probleme der internationalen Gemeinschaft, insbesondere die Schaffung des Weltfriedens und die Entwicklung der Dritten Welt, hält Verdross nur auf der Grundlage des Naturrechts für möglich.277
271 272 273 274
A. Verdross, Verfassung, 1926, S. 6 f. A. Verdross, Verfassung, 1926, S. 9 f. A. Verdross, RdC 30 (1929-V), S. 275 (481). A. Verdross, Verfassung, 1926, S. 48.
275
A. Verdross, FS Kelsen, 1931, S. 354 (358); s. auch noch ders./B. Simma, 1 Universelles Völkerrecht, 1976, § 21. 276
A. Verdross, Österreichische Zeitschrift für Außenpolitik 19 (1979), S. 263
(269). 277 A. Verdross/H. Koeck, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Structure and Process, 1983, S. 17 (42).
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205
VI. Verfassung der universellen Völkerrechtsgemeinschaft und Verfassungen internationaler Organisationen Die Organisation der Staatengemeinschaft, zunächst im Völkerbund und dann in den Vereinten Nationen, wirft die Frage nach dem Verhältnis zwischen der Verfassung der universellen Völkerrechtsgemeinschaft und den Verfassungen dieser internationalen Organisationen auf. In der Rückschau kennzeichnet Verdross die Satzung des Völkerbundes als erste völkerrechtliche Verfassungsurkunde.278 Zunächst betrachtet er den Völkerbund aber nur als die umfassendste Teilgemeinschaft der Völkerrechtsgemeinschaft, sieht in der Völkerbundsatzung aber eben doch nur partikuläres Völkerrecht.279 Die materielle Verfassung der Staatengemeinschaft umfasst zwar zunächst neben dem Gewohnheitsrecht auch einige multilaterale Verträge, die UNO-Charta bleibt in diesem Zusammenhang aber zunächst unerwähnt. Sie wird später als Verfassungsurkunde der Staatengemeinschaft, als Verfassung im formellen Sinne anerkannt.280 Zur Verfassung der universellen Staatengemeinschaft wird die Charta aufgrund ihrer beinahe vollständig erreichten Universalität.281 Die Wertgrundlagen, die die Ziele der internationalen Gemeinschaft bestimmen, kämen in der Präambel und in Art. 1 UNC zum Ausdruck.282 Weiterhin zeichne sie sich dadurch aus, dass sie Vorrang vor allen anderen Vertragspflichten beanspruche (Art. 103 UNC283), eigene Regeln über ihre Abänderung vorsehe (Art. 108 f. UNC) und im Gegensatz zu anderen multilateralen Verträgen zahlreiche bewaffnete Konflikte überdauere. Sie setze aber nach ihrer Präambel und nach Art. 38 des IGHStatuts das frühere Völkerrecht als weiter geltend voraus, soweit es
278
A. Verdross, Quellen, 1973, S. 21.
279
A. Verdross, Verfassung, 1926, S. 96 f. S. A. Verdross, Völkerrecht, 21950, S. 74 ggü. 41959, S. 83, 424; 51964, S. 136. 280
281 282 283
A. Verdross, Quellen, 1973, S. 21. A. Verdross, RdC 83 (1953-II), S. 1 (7).
E. Suy, FS Bernhardt, 1995, S. 267 (269 f.) kritisiert, dass Verdross der Beziehung zwischen sich widersprechenden Vertragsverpflichtungen keine Aufmerksamkeit widme und Art. 20 VBS/Art. 103 UNC nicht erwähne. Daran ist richtig, dass diese Bestimmungen nur schwer in die Stufenbau-Theorie zu integrieren sind, die nichts über das Verhältnis kollidierender Verträge aussagt, vgl. auch C. Rousseau, RGDIP 39 (1932), S. 133 (136).
206
3. Kapitel
durch sie nicht abgeändert worden sei.284 Deshalb soll die Charta weiterhin den Normen der ungeschriebenen Verfassung der universellen Völkerrechtsgemeinschaft unterworfen sein, da sie auf der Grundlage dieser Verfassung beschlossen worden sei. Folglich sei sie durch ständige, als Recht anerkannte Übung oder durch formlosen Konsens auch außerhalb von Art. 108 und 109 UNC abänderbar.285 Das gemeinsam mit Simma verfasste Lehrbuch „Universelles Völkerrecht“ unterscheidet zwischen der Verfassung der nichtorganisierten Staatengemeinschaft und der Verfassung der Vereinten Nationen.286 Zur ersteren gehörten der Grundsatz der bona fides, die Grundsätze zur Völkerrechtssubjektivität sowie alle weiteren Normen über die Entstehung des positiven Völkerrechts.287 Die Geltung der Verfassungen der Vereinten Nationen und anderer internationaler Organisationen beruhe auf der Verfassung der universellen Staatengemeinschaft, da sie in einem von ihr geregelten Verfahren des Völkergewohnheitsrechts weitergebildet werden könnten, obgleich die Verfassungen dieser Organisationen ein anderes eigenes Verfahren für ihre Änderung vorsähen. Darin komme der Vorrang der Verfassung der universellen Staatengemeinschaft zum Ausdruck.288 Der universellen Völkerrechtsgemeinschaft fehlten originäre Verfassungsnormen über die Berufung von eigenen völkerrechtlichen Organen, da diese nur durch Kollektivverträge geschaffen werden könnten. Die Anwendung des Völkerrechts obliege den von den Staaten und anderen souveränen Rechtsgemeinschaften direkt oder indirekt bestellten Organen wie auch den Organen der UN.289 Darüber hinausgehend wird die Charta in der Konstitutionalisierungsdiskussion schließlich zur Verfassung der internationalen Gemeinschaft, die das allgemeine Völkerrecht integrieren soll.290
284
A. Verdross, Völkerrecht, 51964, S. 136.
285
A. Verdross, Völkerrecht, 51964, S. 535; ders./B. Simma, Universelles Völkerrecht, 11976, S. 161, 260. 286 A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, 11976, S. 71 ff., 80 ff. 287
A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, 11976, S. 71; dies., Uni3 verselles Völkerrecht, 1984, § 75. 288 289 290
A. Verdross, ZaöRV 29 (1969), S. 635 (653). A. Verdross, Quellen, 1973, S. 31. S. 1. Kapitel A. II. 1. a).
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
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VII. Zusammenfassung und Bedeutung für die Konstitutionalisierungslehre Verdross geht wie Lauterpacht von Kelsens Reiner Rechtslehre aus und wendet sich dem Naturrecht zu, steht allerdings für ein explizit christliches Naturrecht. Im Gegensatz zu Lauterpacht knüpft er nicht bei Grotius an, sondern bei Vitoria und Suárez. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze nehmen im Werk Verdross’ eine zunehmend wichtige Bedeutung ein. Sie sind wie das Völkergewohnheitsrecht und das Vertragsrecht eine Quelle des Völkerrechts. Während diese in der dialektischen Völkerrechtsauffassung Verdross’ aber vor allem die Gestaltungsformen für eine reale Integration der internationalen Gemeinschaft bilden, stehen jene eher für die naturrechtliche Rechtsidee. Die Überstaatlichkeit des Völkerrechts begründet Verdross auf verschiedene Weise. Seine vielfältigen Anknüpfungen in anderen Wissenschaften zeugen von Verdross’ breitem Interesse, fördern aber nicht unbedingt die Anschlussfähigkeit, weil sie nicht kumulativ die Begründung eines überstaatlichen Völkerrechts tragen können. Dem Völkerrecht ist bei Verdross anders als bei Kelsen ein letztlich mit der größeren Nähe zum Naturrecht begründeter höherer Wert inhärent, der seinen Vorrang erklärt. Die UNO-Charta wird bei Verdross schließlich zu einer Verfassung, deren universelle Reichweite aber unbestimmt bleibt und die in das allgemeine Völkerrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze eingebettet ist.291 Erst in der von Simma besorgten dritten Auflage des Lehrbuchs „Universelles Völkerrecht“ wird sie als zentrale Verfassungsgrundlage der gesamten Völkerrechtsordnung eingeordnet.292 Die Verfassung der Staatengemeinschaft ist demnach durch Gründung der UNO von der nicht organisierten Form zur organisierten internationalen Gemeinschaft („Verfassung der Vereinten Nationen“) umgestaltet worden. Nachdem nahezu alle Staaten Mitglieder der Vereinten Nationen seien, sei sie zur Grundordnung des universellen Völkerrechts aufgerückt. Die Präambel wird dahingehend gedeutet, dass das bisher geltende allgemeine Völkerrecht in die neue universelle Ordnung der Charta eingegliedert werde. Aus dieser Sonderstellung der 291 Differenziert zum Verhältnis von Charta und allgemeinem Völkerrecht A. Verdross, International Affairs 30 (1954), S. 342. 292
A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, 31984, § 91. Das neue Verhältnis von Charta und allgemeinem Völkerrecht findet Ausdruck in der Gliederung des Lehrbuchs, bleibt aber im Übrigen ohne normative Konsequenzen. Insoweit kritisch B. Fassbender, FS Isensee, 2007, S. 71 (78 f.).
208
3. Kapitel
Charta werden in der Konstitutionalisierungsdiskussion, wie im 1. Kapitel dargestellt, weitreichende normative Konsequenzen gezogen, die Verdross und Simma vermeiden. Während Verdross’ Verfassungsverständnis zunächst formal und am westfälischen System orientiert bleibt, wird Verdross vor allem als ein Schrittmacher des ius cogens-Gedankens zu einem Vater der wertekonstitutionellen Ansätze. Die Bedeutung, die der Rechtswissenschaft für den Wandel völkerrechtlicher Paradigmen zukommen kann, zeigt der Weg, den das ius cogens in die Wiener Vertragsrechtskonvention auch auf der Grundlage von Vorschlägen Alfred Verdross’ genommen hat.293
D. Georges Scelle als Völkerrechtler der école réaliste Scelle fasst das Recht als Instrument des sozialen Fortschritts auf. In diesem Verständnis wurzeln seine Kritik am Souveränitätsbegriff und die Bedeutung, die er dem Völkerrecht zuspricht. Nicht die Einheit der Erkenntnis, wie bei Kelsen, vermittelt die Einheit der Rechtsordnung. Diese wird vielmehr dadurch hergestellt, dass alles Recht, und das Völkerrecht in besonderem Maße, Ausdruck der Solidarität ist. Scelle will den wissenschaftlichen Nachweis einer monistischen Weltgesellschaft der Individuen auf der Grundlage der Solidarität und des Rechts erbringen. Dazu entwickelt er eine voraussetzungsvolle Theorie, nimmt von der lex lata des positiven Völkerrechts aber nur am Rande Kenntnis.294 Er entfaltet auf der Grundlage eines soziologischen (I.) und pluralistischen (II.) Begriffs vom Recht, das im Droit des gens seine Einheit findet (III.), föderale Vorstellungen (IV.) und sieht ein internationales Verfassungsrecht vor (V.). Die Analyse dieser Elemente seiner Völkerrechtstheorie erlaubt ein Beurteilung seiner Bedeutung für die Konstitutionalisierungslehre der Gegenwart (VI.).
293 294
Vgl. E. Benvenisti, ZaöRV 67 (2007), S. 585 (586). H. Thierry, EJIL 1 (1990), S. 193 (197).
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
209
I. Soziologischer Rechtsbegriff Scelle identifiziert das Wesen des Rechts mit der Objektivität sozialer Tatbestände: „Ubi societas, ibi ius“.295 Entsprechende Theorien wurden mit dem beginnenden 20. Jahrhundert zunächst für das Verwaltungsund Verfassungsrecht entwickelt. In Frankreich ist der Verfassungsrechtler Léon Duguit eine zentrale Figur für die Schule des réalisme.296 Die dieser Schule verpflichteten Autoren297 begründen ein objektives, vom Willen der Staaten unabhängiges Völkerrecht, das nicht in erster Linie als Normenkomplex, sondern als gelebte Ordnung verstanden wird. Sie wenden sich damit gegen die zeitgenössisch herrschenden positivistischen Geltungsbegründungen in Frankreich und Deutschland, die an den Staatswillen anknüpfen.298
1. Droit objectif Zwischen Machtrecht und der Gleichsetzung von Recht und Gerechtigkeit findet Scelle einen an Duguit angelehnten objektiven Rechtsbegriff, der auf „soziale Tatsachen“ rekurriert.299 Unmittelbar dem fait social entspricht nur das natürliche oder dynamische Recht jeder Gesellschaft, das sogenannte objektive Recht (droit objectif). Es geht aus dem biologischen Gesetz der menschlichen Existenz hervor.300 Anders als bei Duguit werden die Regeln des Zusammenlebens nach Scelle nicht auch durch den menschlichen Willen oder das Rechtsgefühl, sondern 295
G. Scelle, APD 2 (1932), S. 83 (100).
296
Duguit selbst entwickelte zum Völkerrecht eine bloße Skizze: L. Duguit, 2 2 Traité de droit constitutionnel, Bd. 1, 1921, S. 557 ff.; Bd. 2, 1923, S. 98 ff. 297
Zur Bedeutung Duguits für das Völkerrecht s. G. Scelle, APD 2 (1932), S. 83. Zum Wirken Politis’ als engagiertem und international angesehenem Politiker und Diplomat der Völkerbundzeit s. R. Holsti, AJIL 36 (1942), S. 475 ff.; M. Koskenniemi, Gentle Civilizer, 2002, S. 305 f. Zur Vereinnahmung Duguits durch den italienischen Faschismus und den deutschen Nationalsozialismus s. J. M. Kelly, A Short History of Western Legal Theory, 1992, S. 356. 298
M. Réglade, RGDIP 37 (1930), S. 381 (384 f.).
299
L. Duguit, Traité de droit constitutionnel, Bd. 1, 31927, S. 65 ff. Ausführlich dazu W. Schiffer, Lehre vom Primat, 1937, S. 58 ff.; vgl. Auch N. Kasirer, Can. YBIL 24 (1986), S. 372 (376 ff.). 300 G. Scelle, APD 2 (1932), S. 83 (104); ders., Précis I, 1932, S. 3; ders., RdC 46 (1933-IV), S. 331 (335); ders. Précis II, 1934, S. 2.
210
3. Kapitel
kausalgesetzlich vermittelt.301 Allein das Bewusstsein dieser Notwendigkeit lasse normative Regeln als soziale Imperative entstehen.302 Scelle setzt den fait social mit Solidarität gleich, blendet dabei aber die soziale Realität des Konflikts aus.303 Unter Solidarität versteht er im Anschluss an Durkheim und Duguit den wechselseitigen, durch Gleichartigkeit oder Arbeitsteilung bewirkten, materiellen und geistigen Zusammenhalt zwischen Individuen und Kollektiv, der die Erfüllung vitaler Bedürfnisse gewährleistet.304 Auch wenn sich das droit objectif dynamisch aus den sich in konkreten Gesellschaften ergebenden Notwendigkeiten und nicht aus der überzeitlichen Ratio ableitet,305 weist es epistemologisch mit dem Bezug auf objektive Notwendigkeiten naturrechtliche Züge auf306 und übernimmt auch die Rolle des Naturrechts als Maßstab für das positive Recht. Vorstellungen von der Gemeinwohlorientierung des Völkerrechts in der Konstitutionalisierungslehre finden hier einen Anknüpfungspunkt.
301
G. Scelle, APD 2 (1932), S. 83 (101 f.); ders., Précis I, 1932, S. 2 f. S. zur Gegenüberstellung von Duguit und Scelle auch W. Schiffer, Lehre vom Primat, 1937, S. 104 ff. 302 G. Scelle, Précis I, 1932, S. 3 f. Unklar bleibt, wie allein aus dem gesetzmäßigen Tatsachenverlauf Handlungsnormen abgeleitet werden sollen. So auch der Einwand der zeitgenössischen Kritik (mit jeweils verschiedenem rechtstheoretischen Hintergrund): L. Le Fur, RdC 54 (1935-IV), S. 5 (96, 98); W. Schiffer, Lehre vom Primat, 1937, S. 105 f.; H. Kelsen, Recht und Kompetenz, 1987, S. 21 f. 303
H. Thierry, EJIL 1 (1990), S. 193 (207).
304
G. Scelle, Précis I, 1932, S. 2 f.; ders., APD 2 (1932), S. 83 (87). Ein expliziter Hinweis auf Durkheim fehlt, vgl. auch A. Wüst, Georges Scelle, 2007, S. 130 ff. In die Nähe der „radikalen“ Solidaristen Alain (Émile Chartier) und Léon Bourgeois rückt Scelle H. Thierry, EJIL 1 (1990), S. 193 (194). 305 306
G. Scelle, RdC 46 (1933-IV), S. 327 (336).
So etwa von H. Kelsen, Recht und Kompetenz, 1987, S. 4. Differenziert A. Wüst, Georges Scelle, 2007, S. 136 ff. – Fortführung der Naturrechtstradition mit soziologischer Begrifflichkeit. S. auch H. Thierry, EJIL 1 (1990), S. 192 (199); J. L. Kunz, AJIL 52 (1958), S. 85 – Verwandtschaft zum „Volksgeist“ der historischen Rechtsschule Savignys.
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
211
2. Droit positif Die Verbindlichkeit des durch Gewohnheit, Gesetz und Rechtsprechung geschaffenen307 positiven Rechts beruht auf seiner Übereinstimmung mit dem objektiven Recht. Bis zum Beweis des Gegenteils gilt es als Übersetzung der sozialen Notwendigkeiten („hypothèse du bien légiféré“).308 Diese für das praktische Funktionieren des Rechtssystems notwendige Hypothese wird nicht näher begründet, ist aber der Angelpunkt für die Geltungsbegründung des positiven Rechts. So wenig begründbar sie erscheint, so unwiderleglich ist sie doch in ihrer Ausgestaltung bei Scelle, weil ihre Entkräftung einen Nachweis des objektiven Rechts erfordern würde.309 Positives Recht, das im Widerspruch zum objektiven Recht steht, sogenanntes anti-juridisches Recht, soll zwar nicht per se nichtig sein, aber revolutionäre Umwälzungen auslösen, die ein positives Recht herbeiführen können, das besser mit dem objektiven Recht im Einklang steht.310 Vielschichtig ist die Bedeutung der Sanktion für Scelles Rechtsbegriff. Einerseits soll das Fehlen einer Sanktion den Rechtscharakter nicht beeinträchtigen, weil etwa das gesamte Organisationsrecht ohne Sanktionen auskomme.311 Andererseits ist das positive Recht zwangsweise mit der sozialen Sanktion bewehrt, soweit es mit dem droit objectif übereinstimmt.312 Der Rechtsbegriff ist aber dennoch nicht untrennbar mit der Sanktion verknüpft. Vielmehr wird die Geltung des positiven Rechts mit der vermuteten Übereinstimmung mit dem droit objectif begründet. Daraus die Kritik abzuleiten, Scelle könne entgegen seinen eigenen Prämissen nicht auf die Machtbegründung des Rechts verzichten, geht indes fehl.313 Er nimmt von der Gewalt nur Kenntnis, um sie dem Recht
307
G. Scelle, Précis I, 1932, S. 6 f.
308
G. Scelle, Précis I, 1932, S. 5; ders., RdC 46 (1933-IV), S. 331 (349 f.); ders., Précis II, 1934, S. 298; s. auch ders., APD 2 (1932), S. 83 (105). 309
Vgl. die Kritik, es handele sich nicht um eine Hypothese, sondern um eine unwiderlegliche Fiktion H. Kelsen, Recht und Kompetenz, 1987, S. 19. 310
G. Scelle, Précis I, 1932, S. 5.
311
G. Scelle, Précis I, 1932, S. 22. Es deutet sich hier an, wie soziologischobjektivistische Ansätze die Sichtweise beeinflussen, dass Recht nicht nur aus Verpflichtungen besteht, sondern Erlaubnisse, Empfehlungen, Anreize, Orientierungen usw. einbezieht, vgl. A. Pellet, Austral. YBIL 12 (1992), S. 22 (25 f.). 312 313
G. Scelle, RdC 46 (1933-IV), S. 331 (349). So aber W. Schiffer, Lehre vom Primat, 1937, S. 103 ff., passim.
212
3. Kapitel
zu unterwerfen, oder soweit ihr Wirken mit der Solidarität vereinbar und für die soziale Organisation unverzichtbar ist.314
II. Pluralistischer Rechtsbegriff Jede Gesellschaft besitzt ihr eigenes Rechtssystem und ist damit dem Recht unterworfen.315 Gesellschaft ist jede Gemeinschaft von Individuen, zwischen denen nicht notwendig ein räumlicher oder dauerhafter Zusammenhalt bestehen muss, die aber durch das Band der Solidarität miteinander verbunden sind.316 Keine Gesellschaft ist homogen, vielmehr enthalten Gesellschaften Untergruppen und sind Teil größerer Gruppierungen. Gesellschaften sind daher immer „un milieu social composé, ou […] ‘intersocial’.“317 Die größte aller menschlichen Gemeinschaften von Individuen, die société internationale globale ou œcuménique,318 besteht aus einer Vielzahl von sich überlagernden Gemeinschaften mit ihren jeweiligen Rechtsordnungen, beginnend mit der Familie, über Gewerkschaften, Gemeinden, Regionen, nationale Zusammenschlüsse und Gruppierungen, Kirchen, Parteien, bis zu den besonderen oder regionalen internationalen Gruppierungen und der Weltgemeinschaft.319 Daraus ergibt sich eine Weltgemeinschaft mit „Myriaden“ von Rechtsordnungen.320 Dieses Verständnis einer pluralistischen Rechtsordnung der monistischen Weltgesellschaft ist vor dem Hintergrund des Spannungsverhältnisses
314 315
G. Scelle, Précis I, 1932, S. IX; vgl. auch ibid., S. 24. G. Scelle, APD 2 (1932), S. 83 (104); vgl. ders., FS Wehberg, 1956, S. 324
(325). 316 G. Scelle, APD 2 (1932), S. 83 (90); s. auch ders., FS Carré de Malberg, 1933, S. 501 (506 f.). 317
G. Scelle, RDI 15 (1935), S. 7 (13), Herv. i. O.
318
G. Scelle gebraucht den Begriff „œcuménique“ in seiner ursprünglichen Bedeutung als der gesamten (bewohnten) Erde im Sinne des griechischen „oikoumenê“. 319
G. Scelle, Précis I, 1932, S. 28 f.; ders., FS Carré de Malberg, 1933, S. 501 (507 f.); ders., Manuel de droit international public, 1948, S. 17 f. 320
Vgl. A. Cassese, EJIL 1 (1990), S. 210 (211): „myriad legal orders“.
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
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zwischen Konstitutionalisierung und Fragmentierung321 von besonderem Interesse.
1. Kategorien internationaler Gesellschaften Scelle unterscheidet drei Kategorien internationaler Gesellschaften: Zwischenstaatliche, überstaatliche und außerstaatliche.322 Zwischenstaatliche Gesellschaften (sociétés inter-étatiques) sind unter Umständen nur episodische Gemeinschaften von Staatsangehörigen verschiedener Staaten, die durch wirtschaftlichen Austausch begründet werden und die nicht über eigene Institutionen oder gemeinsame Organe verfügen. Sie vor allem sind Gegenstand des Völkerrechts als zwischenstaatlichem Recht und der klassischen Völkerrechtsdoktrin.323 Wo es in der zwischenstaatlichen Gesellschaft an Institutionen fehlt, greift Scelle auf das viel zitierte Konstrukt des dédoublement fonctionnel zurück.324 Auf der internationalen Ebene ist die Kriegsführung zur Verwirklichung des Völkerrechts ein Beispiel für das dédoublement fonctionnel in der Exekutive. Als Beispiele des dédoublement fonctionnel aus dem innerstaatlichen Bereich nennt Scelle den französischen préfet und den maire, die zugleich für das Departement oder die Gemeinde und für den französischen Staat tätig sind. Aus den zwischenstaatlichen Gesellschaften können allmählich überstaatliche Gesellschaften (sociétés superétatiques) mit gemeinsamen Institutionen entstehen. Dann wird das Phänomen des dédoublement fonctionnel durch eigens geschaffene Institutionen ersetzt.325 Die Entwicklung gehe oft davon aus, dass gemeinsame Organe für spezielle Zwecke geschaffen würden, und führe dann dazu, dass umfassendere überstaatliche Organisationen entstünden. Als zeitgenössische Beispiele für eine funktional begrenzte überstaatliche Gesellschaft wird die Fern321
S. 1. Kapitel C. II. 2.
322
G. Scelle, APD 2 (1932), S. 83 (95); ders., Précis I, 1932, S. 49 ff.; ders., RDI 15 (1935), S. 7 (21 ff.). 323
G. Scelle, Précis I, 1932, S. 50.
324
G. Scelle, Précis I, 1932, S. 43; ders., RdC 46 (1933-IV), S. 327 (426 f.); ders., Précis II, 1934, S. 10; ders., RDI 15 (1935), S. 7 (24 f.); ders., FS Wehberg, 1956, S. 324 (331). Zum unzureichenden Erklärungswert des dédoublement fonctionnel für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit s. A. Cassese, EJIL 1 (1990), S. 210 (219). 325
G. Scelle, FS Carré de Malberg, 1933, S. 501 (515).
214
3. Kapitel
meldeunion, für eine umfassendere Gesellschaft der Völkerbund genannt. Letzterer sei zwar als phénomène superétatique einzuordnen, nicht aber als föderativer super-Etat, die höchste Evolutionsstufe überstaatlicher Gesellschaften. Außerstaatliche Gesellschaften (sociétés extra-étatiques) unterscheiden sich von den beiden anderen Phänomenen dadurch, dass sie nicht die Organe der Staaten für sich dienstbar machen und auch nicht die Tendenz zum Überstaat in sich tragen. Wichtigste zeitgenössische Beispiele sind die katholische Kirche und die Arbeiterinternationale.
2. Relativierung des Staates Der Staat als die am stärksten integrierte, umfassendste und am besten organisierte politische Gesellschaft unterscheidet sich für Scelle von anderen Rechtsgemeinschaften nur durch historisch kontingente Besonderheiten.326 Diese Relativierung des Staates, die auch für die Konstitutionalisierungsthese anschlussfähig ist, fügt sich in die Kritik der école réaliste am traditionellen Staatsbegriff, die den Staat als pure Abstraktion entlarven möchte: Die „Realität“ sind etwa für Duguit die Individuen, die staatliche Gewalt ausüben.327 So wenig innerstaatlich die Fiktion des Staates als souveränem Leviathan328 dem soziologischen Befund der Existenz von Regierenden und Regierten entspricht, so wenig erfasst die Rede von Staatsperson und Staatengesellschaft im Völkerrecht die Realität der internationalen Beziehungen.329 Scelle erfasst die gesamte Rechtswirklichkeit, einschließlich des Handelns der Staatsorgane, als interindividuelle Beziehungen. Staaten haben keine Rechtspersönlichkeit (personnalité morale), nur das Individuum ist sujet de droit. Das gilt auch für das sogenannte Droit des gens.330 Auch die société interétatique ist daher keine „Staatengesellschaft“, sondern eine Gesellschaft von Individuen.331 Die Staaten geraten damit nicht aus dem Blickfeld der The326 327 328
G. Scelle, Précis I, 1932, S. 33, 82 f.; ders., RdC 46 (1933-IV), S. 331 (346). L. Duguit, Traité de droit constitutionnel, Bd. 1, 1921, S. 515. Vgl. A. Wüst, Georges Scelle, 2007, S. 163.
329
G. Scelle, RdC 46 (1933-IV), S. 331 (343); ders., RDI 15 (1935), S. 7 (8 f., 10 ff.). 330
G. Scelle, APD 2 (1932), S. 83 (88); ders., Précis I, 1932, S. 42. S. zu Scelles Verständnis der Rechtspersönlichkeit J. E. Nijman, The Concept of International Legal Personality, 2004, S. 192 ff. 331
G. Scelle, Précis I, 1932, S. 28 f.
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
215
orie, verlieren aber ihre Scharnierfunktion.332 Dem Selbstbestimmungsrecht der Völker scheint Scelle dabei keinen besonderen Wert beizumessen. Er steht dem Phänomen des Kolonialismus eher neutral gegenüber.333
III. Einheit des Rechts im Droit des gens Das Droit des gens ist das Recht der größten aller menschlichen Gemeinschaften von Individuen, ein universelles, allumfassendes Recht, das Recht schlechthin („le Droit tout court“), das alle Gliederungen des Rechts, die sich überlagernden innerstaatlichen, zwischenstaatlichen, überstaatlichen und außerstaatlichen Rechtssysteme umfasst.334 Für die Zuordnung zum internationalen Recht zählt allein, dass eine Situation dem milieu juridique internationale zuzurechnen ist, weil sie Angehörige verschiedener Staaten betrifft.335 Da Scelle die gesamten internationalen Beziehungen als interindividuelle Beziehungen versteht, wird die Unterscheidung zwischen Völkerrecht (als Recht der zwischenstaatlichen Beziehungen) und internationalem Privatrecht (als Recht grenzüberschreitender privater Rechtsverhältnisse) zur fiktiven Systematisierung innerhalb des einheitlichen Droit des gens:336 „En réalité, de même qu’une société nationale est une, une société internationale est une, et le Droit international est un.“ Das Problem des Verhältnisses zwischen Droit des gens und innerstaatlichem Recht stellt sich für Scelle primär als Verhältnis zwischen zwei Gesellschaften und nur sekundär als Verhältnis der in diesen Gesellschaften gebildeten Normen.337 Stehen die innerhalb des Staates geltenden Normen im Widerspruch zu den in der internationalen Gemeinschaft geltenden, dann setzen sich diese entweder durch und das staatliche Recht verliert seine Geltung, oder aber die internationale Gemeinschaft löst sich auf.
332 333 334 335 336 337
G. Scelle, FS Carré de Malberg, 1933, S. 501 (509). G. Scelle, Manuel de droit international public, 1948, S. 212 ff. G. Scelle, Précis II, 1934, S. 6. G. Scelle, APD 2 (1932), S. 83 (93). G. Scelle, Précis I, 1932, S. 45 (Herv. i. O.). Vgl. H. Kelsen, Recht und Kompetenz, 1987, S. 47.
216
3. Kapitel
Die effektive Verwirklichung der universellen Solidarität kann aber Vorrang vor partieller Solidarität, einschließlich der nationalen Solidarität, beanspruchen. Die internationale Rechtsordnung „absorbiert“ dann entgegenstehende Normen, modifiziert sie oder hebt sie ipso facto auf. Die Solidarität der übergeordneten Gemeinschaft ist zugleich biologisches Gesetz der partikularen Gemeinschaft.338 Es zeigt sich hier, dass dem Völkerrecht eine besondere soziale Wertigkeit inhärent sein soll. Da die Absorption des innerstaatlichen Rechts durch das Völkerrecht noch nicht Wirklichkeit ist, reduziert sich die Einheit des Rechts bei Scelle auf den einheitlichen soziologischen Rechtsbegriff, der für das Recht jeder Gesellschaft gilt. Aus der Einheit dieses Rechtsbegriffs wird dann ohne Weiteres auf die Einheit aller positiven Rechtssysteme geschlossen.339 Dennoch ist die Einheit des Rechts im Droit des gens eine Vorstellung, die der Idee von einer einheitsstiftenden Verfassungsordnung bei modernen Konstitutionalisten verwandt ist.
IV. Föderalismus Die Übereinanderordnung menschlicher Gemeinschaften führt automatisch zu dem universellen Phänomen des fédéralisme juridique pur oder inorganique.340 Als rechtliches Phänomen ist das föderale Prinzip damit bereits Realität. Als politisch-soziales Evolutionsgesetz enthält es aber auch eine Vision.341 Der Föderalismus versöhnt zwei zunächst unvereinbar erscheinende Bedürfnisse. Einerseits gewährleistet er Autonomie und Freiheit untergeordneter Gesellschaften in der Verwirklichung partikulärer Solidarität. Andererseits ermöglicht er Ordnung und Sicherheit durch eine gewählte Autorität, verwirklicht übergreifende Solidarität, Frieden und Sicherheit zwischen Gemeinschaften, die in ständigem
338
G. Scelle, Précis I, 1932, S. 31; ders., RdC 46 (1933), S. 331 (351 ff., 452 f.); ders., Précis II, 1934, S. 6; ders., RDI 15 (1935), S. 7 (20). 339
Vgl. schon die Kritik bei H. Heller, Die Souveränität, 1927, S. 96 – „konfundiert“ die Einheit „des“ Rechtssystems mit der konkreten Einheit „eines“ Rechtssystems; W. Schiffer, Lehre vom Primat in der neueren Literatur, 1937, S. 129 f.; H. Kelsen, Recht und Kompetenz, 1987, S. 58. 340 341
G. Scelle, Précis I, 1932, S. 32, 190; ders., APD 2 (1932), S. 83 (108).
G. Scelle, RGDIP 36 (1931), S. 521 (523). Zusammenfassend zur Föderalismustheorie Scelles: M. Mouskhély, FS Scelle, 1950, S. 397.
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
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Kontakt stehen.342 Weil er der Verwirklichung der Solidarität im Gleichgewicht zwischen partikularen und weiter ausgedehnten Gesellschaften dient, ist der Föderalismus eine Konstante in der Entwicklung menschlicher Gesellschaften. Die stetige Ausdehnung des Phänomens intersozialer Solidarität führt zu einem fédéralisme universel.343 Dieses dynamische Verständnis eines universellen Föderalismus verdient vor dem Hintergrund des modernen Mehrebenenkonstitutionalismus und der Vorstellungen vom Prozesscharakter der Konstitutionalisierung besondere Beachtung. Bei zunehmender Intensität der betreffenden intersozialen Beziehungen und wachsender sozialer Integration tritt für Scelle zu der Hierarchie der Normen eine entsprechende Hierarchie der Kompetenzen, und der fédéralisme juridique pur wandelt sich zu einem fédéralisme institutionnel. Scelle beschreibt die Entwicklung als „une superposition de stratifications fédérales de plus en plus étendues aboutissant finalement à une organisation mondiale de la Société du Droit des gens“.344 Die ungeschriebenen Regeln föderaler Organisation enthalten Grundsätze für das Verhältnis von übergeordneter zu untergeordneter Einheit. Danach werden die Kompetenzen so verteilt und fortwährend angepasst, dass der unteren Ebene Autonomie verbleibt, die übergeordnete Ebene aber Normen durchsetzen kann, die dem Gemeininteresse entsprechen.345 Als bereits bestehende Erscheinungsformen betrachtet Scelle in Erweiterung der traditionellen Lehre Verwaltungsunionen, Staatenkonföderationen und föderale Staaten.346 Auch der Völkerbund ist eine organisation fédérale, ein zwar noch loses überstaatliches föderatives System, aber mit einer Entwicklungstendenz zu festeren überstaatlichen Organisationsformen.347 Er sei ein bescheidener Ansatz zu wachsender Solidarität,348 seine Entwicklung zu einer politischen Gesellschaft nach dem Evolutionsgesetz des Föderalismus aber zwangsläufig. Sein Modell der 342
G. Scelle, Précis I, 1932, S. 188.
343
G. Scelle, RGDIP 36 (1931), S. 521 (523); ders., Précis I, 1932, S. 188; ders., Précis II, 1934, S. 86, 293. 344
G. Scelle, Manuel élémentaire de droit international public, 1943, S. 193 (Herv. i. O.). 345
G. Scelle, RGDIP 36 (1931), S. 521 (525 f.); ders., APD 2 (1932), S. 83 (108 f.). 346 347 348
G. Scelle, Précis I, 1932, S. 207 ff. G. Scelle, Précis I, 1932, S. 246 ff. G. Scelle, RGDIP 30 (1923), S. 116.
218
3. Kapitel
internationalen Verfassung versteht sich nicht als Utopie, sondern als auf Fakten basierende Voraussage.349
V. Internationales Verfassungsrecht Als entscheidender Begriff von Scelles gesamtem System des Völkerrechts gilt das Droit constitutionnel international.350 Jede intersoziale Gemeinschaft, auch die universelle Gemeinschaft des Droit des gens, beruht wie integrierte und insbesondere staatliche Gemeinschaften auf einem Bestand konstitutiver Regeln.351 Das internationale Verfassungsrecht verzichtet auf formelle Verfassungsmerkmale (1.), definiert Kompetenzen (2.) und nimmt wegen seiner grundlegenden Bedeutung eine übergeordnete Stellung ein (3.). Die Ausgestaltung der Verfassungsfunktionen ist dabei den Grundrechten unterworfen (4.).
1. Verzicht auf formelle Merkmale Scelles Verfassungsbegriff ist weder an die Niederschrift in einer Verfassungsurkunde noch an den Staat gebunden. Verfassungsrecht kann sowohl in gesetzlichen als auch in völkervertraglichen Normen enthalten sein.352 Statt an den Begriff des Staates ist der Verfassungsbegriff nur an den der politischen Gesellschaft geknüpft.353 Dass die Form der Verfassung und ihre Effektivität variieren, schließt die Existenz von Verfassungsrecht für keine Gesellschaft aus.354 Im zwischenstaatlichen Bereich blieben die Verfassungsprinzipien Gewohnheitsrecht. Wenn sie sich im Vertragsrecht wieder fänden, so als Wiedergabe von Gewohnheitsrecht.355
349
A. Wüst, Georges Scelle, 2007, S. 242.
350
Vgl. C. Schmitt, Die Wendung zum diskriminierenden Kriegsbegriff, 1938, S. 14. 351 352 353 354 355
G. Scelle, Précis II, 1934, S. 7. G. Scelle, FS Carré de Malberg, 1933, S. 501 (504 f.). G. Scelle, FS Carré de Malberg, 1933, S. 501 (505). G. Scelle, Précis II, 1934, S. 11. G. Scelle, RdC 46 (1933-IV), S. 327 (422).
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2. Verfassung als Kompetenzordnung jeder Gesellschaft Wie in jeder Rechtsordnung regelt auch im Droit des gens das Verfassungsrecht als Kompetenzordnung die Ausübung der Verfassungsfunktionen (a)). Der Begriff der Kompetenz ist dabei weit zu verstehen (b)). Scelle ordnet auch die Völkerbundsatzung als Kompetenzordnung ein. Außer dem Begriff der Verfassung findet auch der der Konstitutionalisierung im innerstaatlichen wie im internationalen Bereich Anwendung (c)).
a) Wahrnehmung der Verfassungsfunktionen in jeder Gesellschaft Die Festlegung der Kompetenzen der Rechtssubjekte ist Hauptinhalt des internationalen Verfassungsrechts.356 Gegenstand der Kompetenzen in jeder Gemeinschaft sind die Verfassungsfunktionen als die notwendig in jeder Gesellschaft zu erfüllenden sozialen Funktionen der Rechtsetzung, der Rechtsprechung und der Rechtsdurchsetzung (élaboration de la règle de droit, contestation juridictionnelle, exécution sanctionnaire).357 Jede Gesellschaft besitze daher eine Verfassung im juristischen Sinne, die diese für die fortwährende Existenz und den Fortschritt der Gesellschaft wesentlichen Funktionen regele.358 Normes constitutives ou constitutionnelles sind diejenigen Normen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer bestimmten Gesellschaft als Grundlage aller anderen prescriptions normatives et constructives anerkannt werden, weil sie für das Leben einer Gesellschaft und ihren Fortschritt wesentlich sind. Verfassungsrecht sei grundlegender, aber auch stabiler als anderes Recht. Auf seine Verletzung folgten in der Regel politische und soziale Katastrophen.359 Die institutionelle Ausgestaltung der Verfassungsordnung in verschiedenen Gesellschaften kann sehr unterschiedlich ausfallen und teilweise 356 357
G. Scelle, RdC 46 (1933-IV), S. 327 (422). G. Scelle, FS Carré de Malberg, 1933; ders., RdC 46 (1933-IV), S. 327
(423). 358
Mit der Übertragung der grundlegenden Funktionen jedes staatlichen Rechtssystems auf das Völkerrecht (G. Scelle, RdC 46 (1933-IV), S. 327 (428 ff.)) knüpft Scelle an deutsche Autoren wie Kaltenborn an, die diese Funktionen auf internationaler Ebene verneinen, oder Bergbohm, Heilborn und Ullmann, die sie dort erkennen, aber ihre unterschiedliche Funktionsweise herausstellen; s. A. Cassese, EJIL 1 (1990), S. 210 (220) m. N. 359
G. Scelle, Précis II, 1934, S. 4 f.
220
3. Kapitel
überhaupt nicht vorhanden sein. Die Verfassung sei Ausdruck der politischen Psychologie eines Volkes und seines „way of life“.360 Ein zumindest rudimentärer Bestand an Verfassungsnormen sei für jede Gesellschaft wesensnotwendig.361 Im anarchischen Völkerrecht sind traités-lois legislative Akte. Völkerrechtlicher Gesetzgeber ist dabei jeder Mensch, der zuständig ist, völkerrechtlich wirksame Rechtshandlungen vorzunehmen, durch die eine völkerrechtliche Rechtsregel zustande kommt. Der völkerrechtliche Gesetzgebungsakt hat innerhalb der jeweiligen Gemeinschaft einen „effet global et unitaire“.362 Scelle nimmt eine drittwirkungsbegründende Gesetzgebungsfunktion der traités-lois an.363 Er bezieht sich dabei insbesondere auf Verträge, die wie die Gründungsverträge internationaler Organisationen ein besonderes „intersoziales Milieu“ schaffen und damit auch die Außenbeziehungen dieses Milieus regeln. Die Drittwirkung des traité-loi wird mit seiner Übereinstimmung mit dem Droit objectif und damit der sozialen Solidarität und deren impliziter oder expliziter Anerkennung durch die internationale Gemeinschaft begründet. Ihre Reichweite soll aber auch von der relativen politischen Macht der Vertragsstaaten und gleich lautendem Völkergewohnheitsrecht abhängen.364 Grundlage der Drittwirkung ist eine Sicht auf das Völkerrecht, nach der objektive Normen nicht auf dem Parteiwillen, sondern auf der solidarischen Existenz beruhen.365 Die Wahrnehmung der Rechtsetzungsfunktion durch Staatsverträge bedeutet, dass jene nur unzureichend auf Veränderungen in den internationalen Beziehungen reagieren kann. Das führt zu Spannungen wie den Auseinandersetzungen um die Pariser Friedensverträge.366 Die Institutionen des Völkerrechts müssten über die Geschmeidigkeit verfügen, die eine Anpassung oder gar eine fortwährende Neuschöpfung erlaubten. Vor allem im Völkerrecht berühre die clausula rebus sic stantibus
360 361
G. Scelle, FS Wehberg, 1956, S. 324 (326). G. Scelle, FS Carré de Malberg, 1933, S. 501 (505); ders., Précis II, 1934,
S. 7 f. 362 363 364 365 366
G. Scelle, Précis II, 1934, S. 346 ff. G. Scelle, Précis I, 1932, S. 52 f.; ders., Précis II, 1934, S. 370. G. Scelle, Précis II, 1934, S. 374 f. Vgl. H. Ballreich, FS Bilfinger, 1954, S. 1 (13). Vgl. O. Diggelmann, Anfänge, 2000, S. 213.
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
221
die Rechtsnormen und verlange eine Revision.367 Den dogmatischen Schlüssel für einen „peaceful change“ durch Vertragsrevision bot Scelles Interpretation des Art. 19 VBS über die Nachprüfung unanwendbar gewordener Verträge und solcher internationaler Verhältnisse, deren Aufrechterhaltung den Weltfrieden gefährden könnte.368 An der internationalen Rechtsprechung kritisiert Scelle, dass sie Regierungsakte nur unzureichend der Rechtskontrolle unterwerfe. Als hinderlich erweise sich hier, dass die Beurteilung von Regierungsakten nicht als Urteil über die Regierenden wahrgenommen werde, sondern aufgrund des tradierten Staats- und Souveränitätsverständnisses als Urteil über den ganzen Staat und die Nation.369 Auch die Rechtsdurchsetzung erscheint Scelle defizitär. Als rechtliche Sanktionen betrachtet Scelle weniger Repressalien und Retorsionen als die öffentliche Meinung.370 Die reziproke Rechtsdurchsetzung entspreche nicht der Struktur des objektiven Rechts, das nicht bilateralisierbar ist. Krieg ist nur eine Sanktion, soweit er sich als internationale Polizeiaktion darstellt, die nicht im Interesse eines einzelnen Staates, sondern als Anliegen der internationalen Gemeinschaft, berechenbar und nach rechtlichen Kriterien erfolgt.371 Scelle erkennt aber die Tendenz, dass in den Gesellschaften jenseits des Staates und insbesondere in den überstaatlichen Gesellschaften Institutionen entstehen und sich eine Kompetenzabgrenzung herausbildet.372 Auch die Völkerbundsatzung ist Verfassung in diesem Sinne, weil sie verschiedene überstaatliche Institutionen errichtet, die dazu bestimmt sind, die legislativen, exekutivischen, judikativen und administrativen Funktionen der neuen Gesellschaft zu erfüllen.373 Als „le type le plus
367
G. Scelle, Précis II, 1934, S. 4 f.
368
G. Scelle, Théorie juridique de la révision des traités, 1936. S. dazu L. Kopelmanas, JDI 88 (1961), S. 350 (352 ff.); A. Wüst, Georges Scelle, 2007, S. 205 ff. 369 370
G. Scelle, Précis I, 1932, S. 61. G. Scelle, Précis I, 1932, S. 59 f.
371
G. Scelle, Précis I, 1932, S. 63 ff.; vgl. O. Diggelmann, Anfänge, 2000, S. 214 f. 372 373
G. Scelle, Précis II, 1934, S. 11; vgl. ders., RdC 46 (1933-IV), S. 331 (690). G. Scelle, Précis I, 1932, S. 256.
222
3. Kapitel
poussé de la technique législative collective et super-étatique“ bezeichnet Scelle die internationalen Arbeitskonferenzen.374
b) Begriff der Kompetenz Die Verfassung ist demnach in erster Linie Kompetenzordnung. Kompetenz ist bei Scelle der Gegenbegriff zur subjektiven Rechtsmacht des Individuums und zur Souveränität des Staates. Sie ist eine von den Bedürfnissen des Gemeinwesens abhängige Funktion des Individuums als im privaten, öffentlichen und Völkerrecht maßgeblichem Akteur.375 Der menschliche Wille könne niemals aus sich selbst heraus Recht schaffen, sondern nur vermittelt durch das Recht, das unabhängig von ihm gelte, bestimmte Folgen herbeiführen, die sich nach Art und Umfang seiner Kompetenz richteten.376 In der zeitgenössischen französischen Staatsrechtslehre steht der Begriff der Kompetenz für die Ablehnung subjektiver Rechte des Staates und die vollständige Unterwerfung des Staates unter das Recht.377 Der Kompetenzbegriff bei Scelle bewegt sich zwischen Ermächtigung, Verpflichtung und Effizienzgarantie.378 Die durch die solidarité sociale verliehene Kompetenz von Staatenvertretern als Individuen im Völkerrecht steht im Gegensatz zu einer originären staatlichen Souveränität. Die unbeschränkte Kompetenz-Kompetenz als die Fähigkeit, über ihre Kompetenz allein selbst zu bestimmen,379 könnte nur eine umfassende und isolierte Gesellschaft380 oder aber die universelle Einheitsgesell-
374
G. Scelle, RdC 46 (1933-IV), S. 331 (490). Über die ILO veröffentlichte Scelle eine umfassende Monographie: G. Scelle, L’Organisation Internationale du Travail, 1930. 375
A. Wüst, Georges Scelle, 2007, S. 209. S. zu den unterschiedlichen Formulierungen des Kompetenzbegriffs bei Scelle: G. Scelle, Précis I, 1932, S. 7 f.; ders., RdC 46 (1933-IV), S. 327 (366 f.); ders., RDI 15 (1935), S. 7 (8); ders., FS Wehberg, 1956, S. 324 (326 f.). 376 377 378
G. Scelle, Précis I, 1932, S. 11 ff. C. Rousseau, RGDIP 37 (1930), S. 420 (427). A. Wüst, Georges Scelle, 2007, S. 224.
379
Zum Begriff der Kompetenz-Kompetenz s. G. Scelle, RdC 46 (1933-IV), S. 327 (372). 380
G. Scelle, Précis I, 1932, S. 78.
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223
schaft beanspruchen.381 Scelle betrachtet Kompetenzen nicht primär unter dem Gesichtspunkt der Machtbegrenzung, obgleich er an der Völkerbundsatzung kritisiert, dass dort die Gewalten nicht klar getrennt seien. Das gilt insbesondere dort, wo die im staatlichen Bereich von eigenen Organen ausgeübten Funktionen nur im Wege des dédoublement fonctionnel von Staatenvertretern wahrgenommen werden können. Scelle muss hinnehmen, dass Staatenvertreter nationale Interessen verfolgen, während sie als internationale Organe handeln, und kann diese Fälle nicht nach Rechtskriterien von denen abgrenzen, wo sie stattdessen Werte oder Interessen der internationalen Gemeinschaft verfolgen.382 Mit Vertretern der Konstitutionalisierungslehre der Gegenwart teilt er indes die Perspektive auf die Wahrnehmung von Verfassungsfunktionen im Völkerrecht und in internationalen Organisationen.
c) Konstitutionalisierung des Völkerbundes Der Charakter der Völkerbundsatzung als Kompetenzordnung ist Ausgangspunkt für Scelles Position in der Diskussion um die domestic jurisdiction clause des Art. 15 Abs. 8 VBS. Scelles Position in der Auseinandersetzung um die Auslegung des hier erstmals in das Völkerrecht aufgenommenen Begriffs der domestic jurisdiction leitet sich aus seiner Lehre von den Kompetenzen ab. Art. 15 VBS sah ein obligatorisches Streitschlichtungsverfahren beim Völkerbundrat für alle Streitfragen vor, die keiner gerichtlichen oder schiedsgerichtlichen Regelung unterlagen. Eine Ausnahme davon bestimmte Art. 15 Abs. 8 VBS für den Fall, dass eine Angelegenheit betroffen war, die in die ausdrückliche staatliche Zuständigkeit fällt. Scelle argumentiert hier, auch eine „exklusive“ staatliche Kompetenz sei vom Völkerrecht verliehen und unterliege in ihrer Ausübung daher der vollständigen Kontrolle durch den Völkerbundrat. Der Versuch, mit Art. 15 Abs. 8 VBS einen völkerrechtlich nicht kontrollierbaren Bereich politischen Ermessens zu definieren, sei daher abzulehnen.383 Mit diesem Argument greift Scelle ein Element auf, das auch für die Konstitutionalisierungsthese wichtig ist, die Verneinung eines genuinen domaine réservé. 381
G. Scelle, RGDIP 30 (1923), S. 116 (123); ders., RdC 46 (1933-IV), S. 327
(486). 382 383
Vgl. A. Cassese, EJIL 1 (1990), S. 210 (219).
G. Scelle, RDILC 14 (1933), S. 365 (386); s. auch A. Wüst, Georges Scelle, 2007, S. 213 ff.
224
3. Kapitel
Neben dem Begriff der Verfassung findet sich bei Scelle auch der Begriff der constitutionnalisation. Er bezeichnet hier die explizite oder implizite Akzeptanz der Handlungen der Regierenden durch die Regierten und die Rückkehr zu einem normalen Verfahren im Anschluss an außergewöhnlichen Situationen, in denen die Ausübung der Verfassungsfunktionen weder in einem Dokument noch gewohnheitsrechtlich gewährleistet ist. Damit ist im Inneren die Etablierung einer neuen Rechtsordnung nach revolutionären Umwälzungen gemeint, im internationalen Bereich die Beendigung bloßer de facto-Situationen.384 Scelles Forderung nach einer constitutionnalisation des Völkerbundes zielt auf eine Abgrenzung der Kompetenzzuweisungen an die Organe des Völkerbundes, auf eine Stärkung der Völkerbundversammlung und auf eine Demokratisierung im Sinne einer Vertretung nicht der Regierungen, sondern der Völker in den Völkerbundorganen.385 In einem Parlament der Völker soll sich die Zahl der Abgeordneten pro Mitgliedstaat an der jeweiligen Bevölkerungsgröße orientieren.386 Außerdem ist eine Verwaltungskommission als Exekutivorgan vorgesehen.387 In diesem Zusammenhang kontrastiert Scelle eine verfassungsmäßige Ausgestaltung mit klaren konstitutionellen Garantien einer Zuständigkeitsordnung mit einem bloßen Vertrag.388 Jedoch verfasst die Völkerbundsatzung für Scelle keine politische Gemeinschaft.389 Als Werk der Diplomatie sei sie nicht Verfassungsschöpfung, nicht einmal eine „Charte des Nations“, sondern ein Vertrag (traité).390 An der Ausgestaltung des Völkerbundes kritisiert er insbesondere 384 385 386
G. Scelle, Précis I, 1932, S. 23 f.; ders., RDI 15 (1935), S. 7 (27 ff.). G. Scelle, Le Pacte des Nations, 1919, S. 375 ff. G. Scelle, PD 31 (1921), S. 273 (279).
387
G. Scelle, Le Pacte des Nations, 1919, S. 101 ff. Scelle untersucht aber nicht grundlegend die Erfüllung der sozialen Funktionen in der traditionellen internationalen Gemeinschaft und im Völkerbund bzw. den Vereinten Nationen, vgl. A. Cassese, EJIL 1 (1990), S. 210 (214). 388
G. Scelle, PD 31 (1921), S. 273 (277).
389
G. Scelle, PD 31 (1921), S. 273 (277): „C’est une ‘Ligue exclusive’ et non une Communauté politique, c’est un gouvernement arbitraire et non constitutionnel.“ 390
G. Scelle, PD 31 (1921), S. 273 (276). Herv. i. O. Die Formulierung „Charte des Nations“ enthält wohl eine Anspielung auf die gering geschätzte französische Charte constitutionnelle, die seit 1814 verfassungsrechtliche Grundlage des restaurierten Königreichs Frankreich war.
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225
die Begrenzung auf bestimmte Mitgliedstaaten, das Ungleichgewicht zwischen den beteiligten Staaten, die Einrichtung des Völkerbundrates und der Bundesversammlung als beschränkte oder für alle Mitglieder offene diplomatische Konferenzen anstelle von stabilen „Verfassungsorganen“, die der Satzung den Charakter eines synallagmatischen Vertrages und nicht den einer Kompetenzordnung verleihe. Wegen des Fehlens einer klaren Kompetenzzuweisung an Rat und Versammlung komme es zu einer Vermischung der gesetzgebenden und der vollziehenden Funktion.391
3. Vorrang des Verfassungsrechts Entsprechend seiner grundlegenden Bedeutung nimmt das Verfassungsrecht gegenüber dem übrigen positiven Recht eine übergeordnete Stellung ein.392 Die unterschiedliche soziale Wertigkeit juristischer Normen begründet im Verhältnis verschiedener völkerrechtlicher Verträge ein hierarchisches Verhältnis. Hierarchisch übergeordnet sind die Normen, die Ausdruck gesteigerter sozialer Solidarität und damit näher an der Verwirklichung des Droit objectif sind (traités-lois constitutifs).393 Sie verdrängen andere Normen (traités-lois ordinaires). Die größere soziale Solidarität zwischen den Mitgliedern unterscheidet also eine Verfassung von einem Vertrag.394 Damit begründet nicht der formale Verfassungscharakter der Normen ihren hierarchischen Vorrang, sondern die größere soziale Solidarität, die mit ihnen verbunden ist.395 Wichtigstes Beispiel für den Vorrang des Verfassungsrechts ist das Verhältnis der Völkerbundsatzung zu anderen völkerrechtlichen Verträgen. Art. 20 Abs. 2 VBS bestimmt, dass ein Mitglied des Völkerbundes, das vor seinem Eintritt in den Bund Verpflichtungen übernommen hat, die mit den Bestimmungen der Satzung unvereinbar sind, die Pflicht hat, unverzüglich Maßnahmen zur Lösung dieser Verpflichtungen zu ergreifen.396 Scelle interpretiert die Bestimmung dahingehend, dass Verträge 391 G. Scelle, PD 31 (1921), S. 273 (276): „la confusion du législatif et de l’exécutif étant la négation de la légalité, et la pratique des évocations la négation de la justice“. 392 393 394 395 396
G. Scelle, FS Carré de Malberg, 1933, S. 501 (506). G. Scelle, Précis II, 1934, S. 412 f. G. Scelle, Précis II, 1934, S. 413. E. Suy, FS Bernhardt, 1995, S. 267 (271). Zum Vorrang nach Art. 20 VBS s. auch G. Scelle, RDI 15 (1935), S. 7 (19).
226
3. Kapitel
von Völkerbundmitgliedern mit Drittstaaten nichtig sind, soweit sie im Widerspruch mit Verpflichtungen aus der Völkerbundsatzung stehen.397 Gegen eine auf den Wortlaut gestützte Interpretation der Bestimmung im Sinne einer bloßen Verhandlungspflicht zur Bereinigung der konfligierenden völkervertraglichen Verpflichtungen398 argumentiert er unter anderem mit dem Charakter der Satzung als Grundlage einer neuen globalen internationalen Organisation.399
4. Grundrechte und Stellung des Individuums Die Ausgestaltung der Verfassungsfunktionen ist den Grundrechten unterworfen,400 deren Theorie Scelle aus der Unterscheidung zwischen Regierenden und Regierten entwickelt. Die Grundrechte werden zunächst als Beschränkung der Kompetenzen der Regierenden, als negative Kompetenznormen verstanden.401 Sie binden die Legislative und auch den Verfassunggeber. Zwar ist die Gesetzgebung mit der „Übersetzung“ sozialer Tatsachen und des objektiven Rechts in positives Recht betraut. Weil aber die Vitalität der Gesellschaft davon abhängt, dass der Einzelne nach Vollkommenheit strebt, muss dem Einzelnen auch ein gewisses Maß an Autonomie und persönlicher Freiheit verbleiben. Die Grundrechte des Einzelnen gehen der menschlichen Gesellschaft aber nicht im Sinne unveräußerlicher Rechte voraus.402 Vielmehr entspricht das in den Grundrechten zum Ausdruck kommende Gleichgewicht von Autonomie und Einbindung den sozialen Tatsachen des Droit objectif. Kollektive Rechte dienen dabei der Befriedigung von Bedürfnissen der Individuen, die nur im Kollektiv möglich ist. Sie sind also nur ein Aspekt der Individualrechte.403 Neben der Kompetenzbeschränkung kommt den Grundrechten auch eine positive Dimension
397
G. Scelle, Précis II, 1934, S. 414 f.
398
So etwa der Kommentar von Schücking und Wehberg für Verpflichtungen im Verhältnis zu Drittstaaten mit Ausnahme des Deutschen Reiches: W. Schücking/H. Wehberg, Die Satzung des Völkerbundes, 21924, S. 665 f. 399 400 401 402 403
G. Scelle, Précis II, 1934, S. 412 ff. G. Scelle, Précis II, 1934, S. 14. G. Scelle, RdC 46 (1933-IV), S. 327 (423). G. Scelle, Précis II, 1934, S. 12, 16. G. Scelle, Précis II, 1934, S. 13.
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zu, weil sie der Verwaltung und der Exekutive im Hinblick auf den Schutz der Freiheiten Handlungspflichten auferlegen.404 Im internationalen Recht finden sich wie in innerstaatlichen Verfassungen Rechteerklärungen. Dazu zählt Scelle einerseits im positiven Recht verankerte Rechtekataloge, Konventionen und Verträge, die die individuellen Freiheiten garantieren. Als Beispiele nennt er Teil XIII des Versailler Vertrages,405 der in der Abschnittsüberschrift und in Artikel 427 eine internationale Charta der Rechte und Pflichten der Arbeiter enthalte, nicht näher bezeichnete allgemeine Artikel und Bestimmungen in der Präambel der Völkerbundsatzung sowie die Präambeln weiterer Friedensverträge. Andererseits zählt Scelle aber auch wissenschaftliche Ausarbeitungen etwa des Institut de Droit international als Ausdruck der zivilisierten Welt zu diesen Rechteerklärungen. Zu den Dokumenten der internationalen Verfassungsordnung gehören auch Minderheitenschutz- und Mandatsverträge.406 Als individualistische Elemente fänden sich im Völkerrecht weiterhin das Recht auf Leben einschließlich der Asylgewährung und der humanitären Intervention, das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Bewegungsfreiheit (Sklavereiverbot), die Freiheit wirtschaftlicher Betätigung und des Eigentums, das Petitionsrecht und die Wahl der Staatsangehörigkeit.407 Darin, dass Scelle die Ausgestaltung der Verfassungsfunktionen den Grundrechten unterwirft, zeigt sich, dass die juristische Verbannung der subjektiven Rechte keinen politischen Antiindividualismus bedeutet. Vielmehr ist die Theorie der individuellen und kollektiven Freiheiten bei Scelle Grundlage des Droit des gens.408 Scelles Konzeption hebt sich vielmehr von den anderen Ansätzen dadurch ab, dass sie die Individuen zu den alleinigen Subjekten des Völkerrechts erklärt und jede Rechtsbeziehung zwischen Angehörigen verschiedener Staaten dem Droit des gens zuordnet.409
404 405 406 407 408 409
G. Scelle, RdC 46 (1933-IV), S. 327 (423). Art. 387-427. RGBl. 1919, S. 687. G. Scelle, RdC 46 (1933-IV), 327 (423 f.); ders., Précis II, 1934, S. 187 ff. G. Scelle, Précis II, 1934, S. 42 ff., 55 ff., 63 ff., 110 ff., 136 ff. G. Scelle, Précis II, 1934, S. 15. H. Kelsen, Recht und Kompetenz, 1987, S. 40.
228
3. Kapitel
Die Kritik, in seinem „funktionalistischen Utopia“ bleibe für die Selbstbestimmung des Individuums kein Raum,410 ist daher zunächst nur nachvollziehbar, soweit sie auf die Unterordnung des Individuums unter die sozialen Tatsachen zielt. Dagegen ist der Schutz des Individuums gegenüber der Ausübung von Regierungsgewalt, gegenüber der Tyrannei des Staates eines von Scelles Themen schlechthin. Seine idealistische Konzeption der sozialen Tatsachen, die Vermutung für die Übereinstimmung des positiven Rechts mit dem objektiven Recht führt aber doch dazu, dass der exklusiven Völkerrechtssubjektivität des Individuums bei Scelle eher symbolische als rechtliche und praktische Bedeutung zukommt.411
VI. Zusammenfassung und Bedeutung für die Konstitutionalisierungslehre Der Stellenwert, den Scelle der Beschränkung von Macht durch Verfassungsrecht einräumt, ist als ebenso ambivalent zu beurteilen wie sein Kompetenzbegriff. Einerseits zieht sich das Thema der Kontrolle von Macht durch Recht durch sein Werk und begründet unter anderem eine an die internationale Gerichtsbarkeit gerichtete Forderung. Andererseits entwirft er aber auch eine harmonische Vision politischer Herrschaft, in der auch reine Machtpolitik zunächst als Ausdruck sozialer Effizienz erscheint. Das Problem der Legitimation von Herrschaft und die Frage nach der Reichweite der Rechtsetzungshoheit sozialer Autoritäten verdeckt Scelle, indem er den Rechtszwang als soziologische Tatsache beschreibt. Dieser wohl unauflösbare Widerspruch zwischen Scelles Anspruch auf politische Liberalität und dem technokratischen Ideal einer Maximierung sozialer Effizienz412 zeigt sich auch im Droit des gens. Es zielt auf den Schutz des Individuums nur vor dem Staat, nicht aber vor den sozialen Tatsachen, die idealistisch interpretiert werden. Bestimmend für Scelles szientistisches Völkerrechtsverständnis ist die implizite Annahme eines ständigen Fortschritts der Menschheit.413 410
M. Koskenniemi, Gentle Civilizer, 2001, S. 331 ff.; ders., EJIL 16 (2005), S. 113 (117). 411
Vgl. auch W. Friedmann, The Changing Structure of International Law, 1964, S. 233 f. 412 413
S. dazu A. Wüst, Georges Scelle, 2007, S. 225. A. Wüst, Georges Scelle, 2007, S. 248.
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
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Mit dieser These einer Zunahme internationaler Solidarität steht und fällt aber auch seine gesamte Völkerrechtstheorie. Außerdem beschränkt die nicht lösbare Frage nach der objektiven Ermittlung des fait social den praktischen Wert seiner Konzeption. Welche rechtliche Gestaltung am ehesten Solidarität verwirklicht, kann er nicht außer Streit stellen. Es zeigen sich hier strukturelle Ähnlichkeiten zu modernen „policy approaches“ im Völkerrecht wie insbesondere der Schule von New Haven.414 Vorläufer der Konstitutionalisierungslehre ist Scelle damit vor allem mit der Vorstellung, das Völkerrecht sei vor allem Instrument zur Verwirklichung des Gemeinwohls. Für die moderne Völkerrechtstheorie im Zeitalter der Globalisierung anschlussfähig ist Scelle vor allem durch seine pluralistische Konzeption von Myriaden des Rechts. Die école réaliste ist über Scelle hinaus für ein konstitutionelles Völkerrechtsverständnis bedeutsam. Der lange Zeit in Frankreich lehrende chilenische IGH-Richter Alejandro Alvarez knüpft einerseits wie Scelle an Duguit an,415 andererseits bezieht er seine Positionen auf die konstruktive Rolle des Richters.416 Insbesondere bestimmte Arten von Verträgen meist politischen Charakters wie Friedensschlüsse, rechtsetzende Vereinbarungen und Statuten von internationalen Organisationen seien schöpferisch und dynamisch zu interpretieren. Hier zeigt sich die Anhängerschaft Alvarez’ an die Lehre Duguits vom fait social.417 In seiner Dissenting Opinion zur Entscheidung des IGH über Vorbehalte zur Völkermordkonvention ordnet Alvarez die Völkermordkonvention als den sozialen Tatsachen entsprechendes droit international nouveau und als Teil der Verfassung der internationalen Gemeinschaft ein und begründet dies mit ihren materiellen und formellen Verfassungsmerkmalen.418 Alvarez’ dynamisches Verfassungsverständnis wiederum hat An414
Vgl. auch M. Koskenniemi, EJIL 1 (1990), S. 4 (11).
415
A. Alvarez, Le droit international américain, 1910, s. dazu C. Landauer, LJIL 19 (2006), S. 957. 416
A. Alvarez, La codification du droit international, 1912, S. 160, 137 ff.
417
U. Scheuner, ZaöRV 13 (1950), S. 556 (567 f.). Vgl. auch J. L. Kunz, AJIL 55 (1961), S. 951 (956); C. Landauer, LJIL 19 (2006), S. 957 (964 ff.); L. Obregón, LJIL 19 (2006), S. 983 (994 ff.); K. Zobel, LJIL 19 (2006), S. 1017 (1020). 418
IGH Reservations, Advisory Opinion, Diss. Op. Alvarez, ICJ Rep. 1951, S. 15 (49 ff.); s. auch IGH Admission to the United Nations, Advisory Opinion, Ind. Op. Alvarez, ICJ Rep. 1948, S. 67 (68) sowie zum „droit international nouveau“ A. Alvarez, in: Transactions of the Grotius Society 15 (1929), S. 35; ders., Le nouveau droit international et sa nouvelle méthode d’étude d’après les
230
3. Kapitel
hänger auch in der modernen konstitutionellen Völkerrechtslehre gefunden.419
E. Zwischenfazit: Tendenzen der Völkerbundzeit und Konstitutionalisierungslehre Die Einordnung der europäischen Völkerrechtler Kelsen, Lauterpacht, Verdross und Scelle als Vorläufer der Konstitutionalisten bedarf der Differenzierung. Gemeinsamkeiten und Unterschiede, vor allem in der Auseinandersetzung mit den Defiziten des Völkerrechts, zeigen sich einerseits zwischen den einzelnen Autoren, andererseits bei der Gegenüberstellung der Autoren der Zwischenkriegszeit mit modernen Konstitutionalisten. Prägendes gemeinsames Element der an die Wiener philosophische Schule anschließenden Autoren ist das Verständnis des Völkerrechts als System. Die Verfassung des Völkerrechts steht als Symbol für die Einheit dieses Systems.420 In Abwesenheit eines globalen Gesetzgebers dient ein systematisches Verständnis des Völkerrechts als ein Mittel für seine Weiterentwicklung. Die systematische Betrachtung leitet Völkerrechtler bei der Suche nach anwendbaren Normen, ermächtigt sie zur Lückenfüllung, zur Vertragsauslegung, zur Entscheidung von Normkonflikten und zur Entwicklung und weiteren Festigung des Systems.421 Insbsondere für moderne Konstitutionalisten sind darüber hinaus die inzwischen weiterentwickelte Gemeinschaftsorientierung und die institutionelle Ausdifferenzierung als Aspekte der Autonomisierung dieses Systems zentral.422 In dieser Weiterentwicklung der Doktrin spiegelt sich das im 1. Kapitel erörterte Phänomen eines inhaltlichen Wandels der Völkerrechtsordnung von einer bloßen Koordinations- zu einer Kooperationsordnung.
données de sa reconstruction, 1934; ders., Le droit international nouveau, 1959. W. Samore, AJIL 52 (1958), S. 41 – überblicksartig zum „New International Law“ Alvarez’; K. Zobel, LJIL 19 (2006), S. 1017 (1023). 419
S. B. Fassbender, UN Security Council Reform, 1998, S. 131 ff.
420
Allgemein zur Einheit des Völkerrechts als System P.-M. Dupuy, RdC 297 (2002), S. 9. 421 422
Vgl. E. Benvenisti, GYIL 50 (2007), S. 393 (393). Vgl. R. Kolb, GYIL 50 (2007), S. 201 (210 ff.).
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
231
In Abwesenheit einer organisatorisch-institutionell-politischen Einheit beruht die objektive universelle Ordnung auf der Einheit der Erkenntnis (Kelsen), der Einheit der Werte im christlichen Naturrecht (Verdross) oder der Solidarität (Scelle), oder ist dem internationalen Richter anvertraut (Kelsen, Lauterpacht). Die Unsicherheit über ein soziales Substrat der internationalen Gemeinschaft prägt auch die moderne konstitutionelle Lehre, die teilweise von einer bloßen Rechtsgemeinschaft, teilweise von einer Interessengemeinschaft ausgeht, sich teilweise aber auch auf eine Weltbevölkerung ohne Demokratie bezieht.423 Die wachsende globale Interdependenz, die die Rolle der Staaten als Akteure einschränkt, kann vor allem Scelles Theorie der Vielzahl menschlicher Gemeinschaften und Rechtsordnungen bruchlos als Ausdruck zunehmender Solidarität aufnehmen. Mit verschiedenen Akzenten im Einzelnen und auf der Grundlage unterschiedlicher Rechtsbegriffe wird Verfassung von Kelsen, Lauterpacht, vom frühen Verdross und von Scelle jenseits des Staates als Grundordnung der auf Kooperation beruhenden Staatengemeinschaft verstanden, nicht aber, wie teilweise in der modernen Konstitutionalisierungslehre, als Ausdruck einer obersten Werteordnung in der Tradition des europäischen Konstitutionalismus. Zugleich steht die Verfassungsidee bei modernen Konstitutionalisten als Symbol für den Eigenwert des Rechts in den internationalen Beziehungen, durchaus auch in einer disziplinären Abgrenzung von einer Instrumentalisierung des Völkerrechts durch eine am Machbaren orientierte Politikwissenschaft. In dieser Neigung zur Abgrenzung kann man jedenfalls oberflächlich eine gewisse Parallele zur Reinen Rechtslehre erkennen. Unterschiedlich sind auch die Vorstellungen von einer Vorrangordnung. Während sich Kelsen auf eine formale Stufenordnung bezieht, gelangt Verdross zu einer wertgebundenen Vorrangordnung, die die Reichweite des positiven Völkerrechts begrenzt, und versteht Scelle Vorrang als Ausdruck höherer sozialer Wertigkeit. Auf die in der Konstitutionalisierungslehre vertretenen Vorstellung von Hierarchien wird noch einzugehen sein. Bei den Autoren der Zwischenkriegszeit wie bei den modernen Konstitutionalisten wird die Tendenz erkennbar, als obersten Bezugspunkt des Völkerrechts nicht mehr die einzelnen Staaten, sondern die dem Gemeinwohl aller Mitglieder verpflichtete Völkerrechtsgemeinschaft zu
423
Vgl. A. von Bogdandy, FS Tomuschat, 2006, S. 703 (712 ff.) m. N.
232
3. Kapitel
sehen.424 In diesem Zusammenhang ist die Bedeutung zu verstehen, die Kelsen, Lauterpacht und Scelle den Menschenrechten und der Völkerrechtsfähigkeit des Individuums beimessen. Die Völkerrechtsverfassung steht dabei auch für die Autonomie des Völkerrechts gegenüber der staatlichen Souveränität. Im Hinblick auf das Verhältnis von Völkerrecht und staatlichem Recht dominiert unter den progressiven Autoren der Zwischenkriegszeit ein monistisches Verständnis, das vor allem die formelle Einheit des Rechts begründet. Für die Konstitutionalisierungsthese ist gerade die zunehmende Übernahme von Inhalten des nationalen (Verfassungs-)Rechts in das Völkerrecht zentral, die zu einer gestuften und pluralistischen Verfassungsordnung führt. Bei Lauterpacht und Verdross werden Lücken im Völkerrecht mit allgemeinen Rechtsgrundsätzen unter anderem durch Rückgriff auf das staatliche Recht gefüllt. Dagegen nimmt die Konstitutionalisierungslehre vor allem das Phänomen in den Blick, dass das Völkerrecht im Sinne einer Nebenverfassung das staatliche Verfassungsrecht ergänzt. Ein hierarchisches Verständnis der internationalen Gemeinschaft lässt Staaten nur dann als legitime Akteure erscheinen, wenn sie grundlegende völkerrechtliche Verpflichtungen beachten und umsetzen.425 Angesichts der als defizitär empfundenen internationalen Organisation wird an die tradierte Vorstellung von den Staaten als Organen der Völkerrechtsordnung weiter angeknüpft. Das gilt etwa für die Beschreibung internationalen Handelns als rudimentäre Wahrnehmung von Verfassungsfunktionen auch jenseits des Staates. Ein Strang der Konstitutionalisierungsdebatte bezieht sich vor allem darauf, dass die immer dichtere Normerzeugung durch eine wachsende Zahl inter-, trans- und supranationaler Organgewalten einen dringlichen Bedarf demokratischer Inklusion auch jenseits der Staatsgrenzen begründet. Für Kelsen und seine Zeitgenossen, deren Werk am Anfang des Wandlungsprozesses steht, war dieser Aspekt der Beschränkung der Ausübung von Hoheitsgewalt jenseits des Staates noch kein Thema.426
424
S. etwa A. Peters, in: J. Klabbers/dies./G. Ulfstein (Hg.), The Constitutionalization of International Law, 2009, S. 153 (155) – “The constitutionalist approach offers a new foundation for the view that the ultimate international legal subjects are individuals, as has already been espoused by Georges Scelle and others.” (Fn. ausgelassen). 425 426
A. von Bogdandy, Harv. ILJ 47 (2006), S. 223 (235).
H. Brunkhorst, in: R. Kreide/A. Niederberger (Hg.), Transnationale Verrechtlichung, 2008, S. 30 (49).
Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre
233
Vor allem im Rahmen der Konstitutionalisierung der WTO durch die Reform des Streitbeilegungsmechanismus erfährt die Rolle der Rechtsprechung für die Fortentwicklung des Völkerrechts als Gemeinwohlordnung wieder eine kritische Aufmerksamkeit. Insbesondere bei Kelsen und Lauterpacht ist erkennbar, dass maßgeblicher Akteur für die weitere Integration oder Zentralisation der internationalen Rechtsgemeinschaft der internationale Richter ist. Hierin zeigt sich die in der Zwischenkriegszeit dominante Vorstellung von der friedensstiftenden Wirkung einer Verrechtlichung der internationalen Beziehungen. In der Konstitutionalisierungslehre und der Lehre von der internationalen Gemeinschaft wird dagegen, wie bei Scelle, die Wahrnehmung sowohl der judikativen wie auch der legislativen und exekutiven Verfassungsfunktion auf internationaler Ebene untersucht. Dennoch ist der Ausbau der internationalen Gerichtsbarkeit für die Konstitutionalisierungslehre ein besonders wichtiges Element. In methodischer Hinsicht fällt bei den untersuchten Völkerrechtlern auf, dass sie sich eingehend mit klassischen Autoren und auf theoretischer Ebene mit dem Rechtscharakter des Völkerrechts beschäftigen. Damit stehen sie in einem gewissen Kontrast zur Konstitutionalisierungslehre der Gegenwart, die sich häufig vor allem auf das positive Recht, darin deutlich werdenden Tendenzen und die Völkerrechtsdogmatik konzentriert, Bezugnahmen auf ideengeschichtliche Vorläufer aber meist nur andeutet. Kelsen bezieht sich auf Wolff, Lauterpacht auf Grotius und Verdross auf Vitoria sowie Suárez. In diesen unterschiedlichen Referenzen bilden sich die verschiedenen Grundkonzeptionen der Autoren ab, vor allem die unterschiedlichen Naturrechtsvorstellungen von Lauterpacht und Verdross. Kelsen versteht auch das Völkerrecht als Zwangsordnung, während bei Lauterpacht der Kern des Rechts in seiner Interpretation und Anwendung in einer aufgeklärten Völkerrechtspraxis zu liegen scheint. Verdross dagegen stellt das Völkerrecht in dialektischer Vermittlung zwischen positivem Recht und christlichem Menschheitsrecht vor. Auch Scelle zeigt ein ausgeprägtes Bewusstsein für die Bedeutung, die der Verwurzelung in einer bestimmten rechtsphilosophischen Schule zukommt. Unterschiedlich ausgeprägt ist auch die Sensibilität für das Verhältnis von Recht und Politik. Bei Kelsen und Lauterpacht wird ein Verständnis deutlich, nach dem Recht und Politik einerseits in einem gegensätzlichen Verhältnis zueinander stehen, andererseits aber doch bewusst dem Richter die Entscheidung „politischer“ Fragen überlassen wird. Bei Verdross dagegen scheint auch der Gegensatz von Recht und Politik dialektisch aufgelöst zu werden, geht jedenfalls in seinem versöhnlichen
234
3. Kapitel
Wissenschaftsstil auf. Scelle wiederum instrumentalisiert das Recht unmittelbar für den sozialen Fortschritt. Kelsen, Lauterpacht, Verdross und Scelle ist trotz einer von zahlreichen Konflikten geprägten internationalen Realität die Annahme einer dem Recht innewohnenden fortschreitenden Verwirklichungstendenz gemeinsam. Bei Scelle geht das Recht vollständig darin auf, während bei Kelsen die Theorie dieser Hoffnung nur Raum verschafft, sie aber nicht zu tragen vermag. Lauterpacht wiederum arbeitet auf der Grundlage seines naturrechtlichen Verständnisses die fortschrittliche Dynamik des Rechts heraus. Damit trifft sie alle die „realistische“ Kritik, vor allem Gedankengebäude zu entwerfen. Tatsächlich zeigt sich aber, dass sich von den zentralen Autoren der Zwischenkriegszeit vorweggenommene Tendenzen zum Teil verwirklicht haben. Das Völkerrecht hat sich auch nach dem im positiven Recht dokumentierten Selbstverständnis jedenfalls teilweise von einem zwischenstaatlichen zu einem überstaatlichen Recht entwickelt, in dessen Mittelpunkt das Individuum steht. Man kann diese Autoren daher als Begründer des Völkerrechtsverständnisses ansehen, auf das sich 1945 die UNO-Charta als Kooperationsvölkerrecht stützt. Auf der Grundlage der Charta-Ordnung zeigen sich auch die Phänomene, die Gegenstand der Konstitutionalisierungsthese sind: Eine offene Staatlichkeit, in der Staatsverfassungen zu Teilverfassungen innerhalb eines trans- und supranationalen Verfassungsnetzwerks werden, eine Internationalisierung des pouvoir constituant, ein jedenfalls emergentes Völkerrechtsprinzip demokratischer Inklusion und die Verwandlung der Menschenrechte in ein Weltbürgerrecht in dem Sinne, dass Menschenrechtsverletzungen, Rechtlosigkeit und politische und soziale Ungerechtigkeiten die Weltgesellschaft insgesamt betreffen.427 Die Autoren der Zwischenkriegszeit sind, wie die Gegenüberstellung zeigt, Vorläufer der Konstitutionalisten also insbesondere im Hinblick auf die Autonomisierung und Stabilisierung des Völkerrechts, weniger im Hinblick auf den Aspekt einer völkerrechtlichen Nebenverfassung.
427 Vgl. H. Brunkhorst, in: R. Kreide/A. Niederberger (Hg.), Transnationale Verrechtlichung, 2008, S. 30 (53 ff.).
4. Kapitel: Wurzeln der Konstitutionalisierungsidee in Naturrecht und Aufklärung
Vertreter der Konstitutionalisierungsthese und ihre Vorläufer beziehen sich auf klassische Autoren des christlichen und rationalistischen Naturrechts sowie der Aufklärung. Im folgenden widmet sich die Suche nach Wurzeln der Konstitutionalisierungsidee daher fünf Autoren, die jedenfalls mittelbar eine besonders nachhaltige Rezeption erfahren haben. Unter den Naturrechtslehrern sind dies die spanischen Spätscholastiker Francisco Vitoria (A. I. 1.) und Francisco Suárez (A. I. 2.), als Vertreter einer rationalistischen Naturrechtsphilosophie Gottfried Wilhelm Leibniz (A. II. 1.) und Christian Wolff (A. II. 2.) sowie schließlich Immanuel Kant (B.). Die Konstruktion einer Völkerrechtsverfassung kann an die in ihren Entwürfen vorgesehenen Figuren eines totus orbis, einer communitas humani generis, einer civitas dei, einer civitas maxima oder eines Bundes der Völker anknüpfen. Wegen möglicher Parallelen zwischen diesen Figuren mit einer völkerrechtlichen Verfassungsordnung sind im Rahmen dieser Arbeit zunächst die Vorstellungen der genannten Autoren von einer anspruchsvollen universellen Ordnung von Interesse. Außerdem soll sich das Augenmerk auf die Begründung, Stellung und Funktion des Völkerrechts in dieser Ordnung richten. Den spanischen Scholastikern Vitoria und Suárez gleicht der protestantische Niederländer Hugo Grotius in seinen Vorstellungen von der Völkerrechtsordnung insgesamt. Er erscheint als ihr Transformator, der sie mit protestantischen und säkularen Vorstellungen vereinbar macht (A. I. 4.). Kants Theorie des Völkerrechts kann als Fortsetzung und zugleich radikale Erneuerung Leibniz’ und Wolffs gelten. Betrachtet man die hier untersuchten Autoren im Zusammenhang mit den im 3. Kapitel behandelten Vorläufern der Konstitutionalisierungslehre in der europäischen Völkerrechtslehre, so lassen sich die Momente des Wandels und der Kontinutität in den idealistisch-universellen Völkerrechtskonzeptionen beurteilen (C.).
236
4. Kapitel
A. Bezüge der Konstitutionalisierungsidee zum Naturrecht Zunächst lassen sich ganz allgemein zwei Berührungspunkte zwischen einem konstitutionellen Verständnis der Völkerrechtsordnung und der Naturrechtslehre feststellen. Bezeichnet Konstitutionalisierung vor allem eine Entwicklung zu einem überstaatlichen Gemeinschaftsvölkerrecht, so kann man darin eine Integration naturrechtlicher Inhalte in das positive Völkerrecht sehen.1 Die Idee etwa von der Verpflichtung der Staaten auf das Gemeinwohl, die sich gleichsam in seinen Dienst stellen sollen, zeigt sich im Naturrecht wie in der modernen konstitutionellen Völkerrechtslehre. Kennzeichnend für die älteren naturrechtlichen Anschauungen bis ins 19. Jahrhundert ist, dass sie zwar die Selbständigkeit und die beherrschende Stellung der Staaten anerkennen, aber auf der Bindung an höhere, vom Staatswillen unabhängige Grundsätze des Rechts, der Einordnung der Staaten in eine auf bestimmten Rechtsauffassungen beruhende Gemeinschaft der Nationen und der Anerkennung bestimmter Rechte und Pflichten der Individuen im internationalen Recht bestehen.2 Die Konstitutionalisierung im Völkerrecht zeigt hier eine Parallele zur staatlichen Verfassunggebung: Auch die moderne Verfassungsidee speist sich aus überzeitlichem Vernunftrecht und verknüpft implizit oder explizit Naturrecht und Volkssouveränität.3 Neben dieser inhaltlichen Anknüpfung lässt sich eine strukturelle Parallele im Verhältnis von Verfassung und einfachem Recht einerseits und Naturrecht und positivem Recht andererseits ausmachen. Das Vorrang beanspruchende Verfassungsrecht tritt an die Stelle des gegenüber dem positiven Recht vorrangigen Naturrechts,4 die interne Hierarchisierung von übergesetzlichem Verfassungsrecht und einfachem Recht ersetzt die
1
Vgl. C. Tomuschat, AVR 33 (1995) S. 1 (7 f.); J. Kokott, FS Schweizerischer Juristenverein, 2000, S. 3 (14); D. Thürer, ZaöRV 60 (2000), S. 557 (598); B. Fassbender, EuGRZ 30 (2003), S. 1 (5); N. Krisch, Der Staat 43 (2004), S. 267 (278). 2
U. Scheuner, ZaöRV 13 (1950), S. 556 (573).
3
J. Gebhardt, in: A. Kimmel (Hg.), Verfassungen als Fundament und Instrument der Politik, 1995, S. 9 (22); s. auch G. Stourzh, Wege zur Grundrechtsdemokratie, 1989, S. 56; G. Biaggini, ZSR NF 119 (2000), S. 445 (472). 4
Zur Hierarchisierung von Naturrecht und positivem Völkerrecht u. a. bei Suárez, Grotius und Vattel s. E. Jouannet, Emer de Vattel et l’émergence doctrinale du droit international classique, 1998, S. 31 ff.
Wurzeln in Naturrecht und Aufklärung
237
externe Hierarchisierung von Naturrecht und positivem Recht.5 Ins positive Recht übertragene naturrechtliche Inhalte sollen auch nach dem konstitutionellen Völkerrechtsverständnis den besonderen Anspruch der positiven Normen legitimieren, in die diese Inhalte aufgenommen werden.6 In der Geschichte der Idee eines universellen Völkerrechts, die die Konstitutionalisierungslehre aufgreift, lassen sich zwei wirkmächtige Entwicklungslinien unterscheiden: Auf der einen Seite die metaphysischchristliche Tradition einer gottgewollten überstaatlichen Ordnung und auf der anderen Seite, individualistisch gewendet, die Figur des Kontrakts.7 Beide Motive stehen nicht unbedingt in einem Gegensatz. Für die universalistischen Implikationen des christlichen Naturrechts, das sich mehr oder weniger unmittelbar auf die christliche Offenbarung stützt, sind die Spanier Francisco Vitoria und Francisco Suárez grundlegend (I.). Demgegenüber verbindet die rationalistische Konzeption ontologische Annahmen über die soziale Natur und eine Vorstellung von der Vervollkommnung des Menschen in der universellen Gemeinschaft mit einem kontraktualistisch gestützten Verständnis des menschlichen Vernunftgebrauchs (II.). Christliches wie rationalistisches Naturrecht kennzeichnet dabei ein inhärenter Universalismus.
I. Spanische Scholastik in der Schule von Salamanca Die Bedeutung der spanischen Spätscholastik für die Theorie des Völkerrechts ist Gegenstand einer lange währenden und nicht abgeschlossenen wissenschaftlichen Auseinandersetzung.8 Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden ihre Vertreter als Vorläufer Grotius’ (1583-1645) kaum wahrgenommen, im vergangenen Jahrhundert aber dann zu den eigentlichen Begründern der modernen Völkerrechtswissenschaft erklärt.9 Diese Überhöhung ist vor dem Hintergrund der 5
N. Luhmann, RJ 9 (1990), S. 176 (186); vgl. M. Neves, Zwischen Themis und Leviathan, 2000, S. 82 f. 6 7
Vgl. J. Kokott, FS Schweizerischer Juristenverein, 2000, S. 3 (5). A. von Bogdandy/S. Dellavalle, IILJ 2008/3, S. 37 ff.
8
Wirkungsgeschichte bei W. Preiser, FS Schätzel, 1960, S. 373; P. Haggenmacher, in: Actualité, 1988, S. 27. 9 Dezidierte Position bei J. Brown Scott, Spanish Origin, 1932; vgl. W. Grewe, Epochen, 21988, S. 175.
238
4. Kapitel
Hoffnungen zu verstehen, die in den Völkerbund als neue Weltgemeinschaft gesetzt wurden.10 Bleibenden Ausdruck findet dieser Zusammenhang darin, dass ein Suárez-Zitat in eine bronzene Tafel im Sitzungssaal des Sicherheitsrates im für den Völkerbund errichteten Genfer Palais der Vereinten Nationen gegossen wurde:11 „…[h]umanum genus quantumvis in varios populos et regna divisum, semper habet aliquam unitatem non solum specificam, sed etiam quasi politicam et moralem […] [q]uapropter licet unaquaeque civitas perfecta […] sit in se communitas perfecta […] nihilominus quaelibet illarum est etiam membrum […] huius universi prout genus humanum spectat…“.12 Die in diesem wohl berühmtesten aller Suárez-Zitate angesprochene quasi-politische Einheit der Weltgemeinschaft wird nach dem Ersten Weltkrieg als Anknüpfungsmöglichkeit für die Völkerbundidee verstanden.13 Auch heute werden die Vereinten Nationen als institutionelle Verwirklichung der seit Vitoria und Suárez im christlichen Geiste vorausgesetzten rechtlichen und politischen Einheit aller Nationen gesehen.14 In der spanischen Spätscholastik haben Vorstellungen von einer Weltgemeinschaft zwar nicht ihren Anfang, der vielmehr in der Antike, etwa in der von Cicero überlieferten stoizistischen Anthropologie zu suchen ist,15 wohl aber finden sie dort einen expliziten ideengeschichtli10
W. Janssen, Anfänge, 1965, S. 51.
11
Darauf weisen hin: A. Verdross, FS Kelsen, 1971, S. 276 (278); ders./H. Koeck, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Structure and Process, 1983, S. 17 (21). 12
De legibus ac Deo legislatore, II, c. 19, n. 9. Die Übersetzung nach de Vries lautet: „[Das] Menschengeschlecht, wie sehr es auch in verschiedene Völker und Reiche geteilt ist, [bildet] doch immer eine gewisse Einheit, […] und zwar nicht nur eine biologische Einheit, sondern auch die Einheit einer gleichsam politischen, durch das Sittengesetz geforderten Gemeinschaft. […] Zwar ist jeder selbständige [Staat] in sich eine vollkommene Gemeinschaft. Trotzdem ist jeder dieser [Staaten], sofern er zum Menschengeschlecht gehört, ein Glied dieser Gesamtgemeinschaft.“ (s. ed. cit., S. 67). 13
S. etwa H. Beuve-Méry, Théorie des Pouvoirs Publics, 1928, S. 78; vgl. W. Janssen, Anfänge, 1965, S. 51. 14 15
J. Habermas, Konstitutionalisierung, 2004, S. 164.
Die Stoiker wollten in der gesamten Menschheit eine einzige überdimensionale Gesellschaft sehen, für die es eine einzige Rechtsordnung geben sollte. Dabei sahen sie aber von den Staaten ab, vgl. J. Soder, Suárez und das Völkerrecht, 1973, S. 230 m. N.; A. Truyol y Serra, Grundsätze, 1947, S. 52; W. Grewe,
Wurzeln in Naturrecht und Aufklärung
239
chen Bezugspunkt. Zentrale Idee ist, dass allen Völkern Rechte und Pflichten nach dem ius gentium zukommen.16 Vitoria und Suárez stehen für einen holistischen Kosmopolitismus, dessen Grundgedanke in der Auffassung besteht, dass naturrechtliche Normen in einer von Staaten dominierten Welt zur globalen Anwendung kommen. Obgleich weder Vitoria noch Suárez die Idee einer Weltgemeinschaft systematisch entfaltet, ist sie prägend für die Rezeption ihrer Völkerrechtslehre.17 Im Umgang mit scholastischen Texten ist indes besondere Vorsicht angezeigt. Verallgemeinerungen sind problematisch, weil die Argumentation ganz auf den Kontext der konkret abgehandelten Frage bezogen ist.18 Ihre Denkfiguren können zwar systematisierend erfasst und herausarbeitet, nicht aber extrapoliert werden, weil dies dem stark kontextabhängigen scholastischen Argumentieren nicht gerecht würde.
1. Francisco Vitoria Aussagen zur Völkerrechtslehre Francisco Vitorias (1483?-1546) lassen sich vor allem den Relectiones De Indis, De jure belli und De potestate civili sowie seinem Thomas-Kommentar entnehmen.19 Eine eng an diesen Texten orientierte Interpretation muss gegenüber vielen Auslegungen aus dem 20. Jahrhundert, die stark von zeitgenössischen Ideen beeinflusst sind, gewisse Abstriche machen. Dennoch bleibt die Ausgestaltung, die die Orbisidee bei Vitoria gefunden hat (a)), wie auch die Art und Weise, mit der Vitoria die Völkerrechtsordnung in Anlehnung an das innerstaatliche Recht konstruiert und so auch eine Rechtsstel-
Epochen, 21988, S. 173; P. Haggenmacher, in: Actualité, 1988, S. 27 (45). S. auch I. Ruiz Moreno, El derecho internacional y Francesco Suárez, 1950, S. 356 ff. m. N. zu Vorstellungen von – regionalen – internationalen Gemeinschaften in der Antike, auch im alten Indien und China sowie bei den Irokesen und den Araukanern. 16
A. Verdross/H. Koeck, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Structure and Process, 1983, S. 17 (21). 17
J. Soder, Völkergemeinschaft, 1955, S. 60 bezeichnet sie als „Mittelpunkt” von Vitorias gesamtem Völkerrecht. 18 19
Vgl. P. Haggenmacher, in: Actualité, 1988, S. 27 (45).
Die Textbasis von Vitorias Theorie des ius gentium hat zusammengestellt: D. Deckers, Gerechtigkeit und Recht, 1991, S. 344. Zum thomistischen Naturrecht als Grundlage einer umfassenden universellen Rechtsordnung s. R. Williams, The American Indian in Western Legal Thought, 1990, S. 96.
240
4. Kapitel
lung der Ureinwohner Amerikas zu begründen vermag (b)), für eine verfassungsrechtliche Deutung des Völkerrechts im Zeitalter der Globalisierung von Interesse (c)).
a) Die Orbisidee Eine häufig für die Orbisidee zitierte Stelle aus Vitorias Staatslehre lautet: „[J]us gentium non solum habet vim ex pacto et condicto inter homines, sed etiam habet vim legis. Habet enim totus orbis, qui aliquomodo est una respublica, potestatem ferendi lege aequas et convenientes omnibus, quales sunt in jure gentium. Ex quo patet quod mortaliter peccant violantes jura gentium, sive in pace sive in bello. In tamen rebus gravioribus, ut est de incolumitate legatorum, neque licet uni regno nolle teneri jure gentium; est enim latum totius orbis auctoritate.“20 Diese Orbisfigur bildet im Werk Vitorias einen festen Bezugsrahmen. Sie wird jedoch zum Teil nur andeutungsweise erwähnt und ist in ihrer Bedeutung häufig rein faktisch, bezeichnet schlicht die ganze Welt im geographischen Sinne. Selten finden sich hingegen Passagen, in denen totus orbis eine moralische Person bezeichnet.21 Dies ist damit zu erklä20
De potestate civili, n. 21, ed. cit., S. 191 f.: „Das Völkerrecht ist nicht nur aufgrund von Vertrag und Übereinkunft gültig, sondern hat sogar Gesetzeskraft. Es hat nämlich die ganze Welt, die in gewisser Weise ein einziges Gemeinwesen bildet, die Vollmacht, Gesetze zu erlassen, die gerecht und angemessen für alle sind; solche liegen im Völkerrecht vor. Daraus erhellt, dass diejenigen eine Todsünde begehen, die die Rechtssatzungen der Völker verletzen – mag dies im Frieden oder im Kriege geschehen. In schwerwiegenderen Angelegenheiten, wie im Fall der Unversehrtheit der Gesandten, darf sich ein einzelnes Reich nicht seiner Bindung an das Völkerrecht verweigern; dies wurde nämlich auf Beschluss der ganzen Welt erlassen.“ (Übersetzung nach J. Stüben, in: U. Horst u. a. (Hg.), Francisco de Vitoria: Vorlesungen I (Relectiones), 1995, S. 157). S. zur Orbisidee aber auch De Indis, II, vor n. 1. 21
P. Haggenmacher, in: Actualité, 1988, S. 27 (39, 44) m. N. S. etwa De potestate Ecclesiae prior, I, n. 12; De potestate ecclesiastica relection secunda, n. 10. Zur Deutung des Orbis als moralische Person s. A. Truyol y Serra, Grundsätze, 1947, S. 51; A. Miaja de la Muela, REDI 18 (1965), S. 341 (355); J. Verhoeven, in: Actualité, 1988, S. 97 (101); J. Doyle, in: K. White (Hg.), Hispanic Philosophy in the Age of Discovery, 1997, S. 45 (51). Als moralische Person werden in der kanonistischen Rechtssprache Wirklichkeiten wie Staat und Familie bezeichnet, vgl. J. Soder, Suárez und das Völkerrecht, 1973, S. 225.
Wurzeln in Naturrecht und Aufklärung
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ren, dass Vitorias Weltgemeinschaft vor allem naturalis societas, natürliche und nach dem Naturrecht notwendige Gesellschaft und Gemeinschaft aller Menschen ist.22 Als vorgegebene Ordnung ohne institutionelle Realität unterscheidet sie sich von modernen Staatenzusammenschlüssen.23 Ein verallgemeinerbarer Gehalt als Grundlage für Folgerungen über die von Vitoria jeweils untersuchten Themen hinaus kann ihr nicht zukommen.24 Nicht ausdrücklich beantwortet Vitoria die Frage, wer in der Völkergemeinschaft Träger der Herrschaftsgewalt sein soll.25 Die von dem Dominikaner vorgesehene Weltregierung ist göttlichen Ursprungs.26 Er verneint Weltherrschaftsansprüche a priori. Der Erdkreis hat auctoritas, aber keine potestas.27 Weder ist der Kaiser Herr des Erdkreises noch hat der Papst die volle universelle Jurisdiktionsgewalt in weltlichen Dingen.28 Jedoch kann sich die weit entfernte und unfühlbare Instanz29 der Weltgemeinschaft eine institutionelle Ordnung schaffen, eine Weltregierung erscheint zumindest als Möglichkeit.30 Die Sanktionierung der Gesetze wird aber durch die einzelnen Staaten bewirkt, die für die Gemeinschaft handeln und für sie einen gerechten Krieg führen.31 Die 22
De Indis, III, n. 1; vgl. A. Dempf, Staatsphilosophie, 1937, S. 46; W. Grewe, Epochen, 21988, S. 174; J. Soder, Völkergemeinschaft, 1955, S. 69. 23
A. Dempf, Staatsphilosophie, 1937, S. 21; P. Haggenmacher, in: Actualité, 1988, S. 27 (46); J. Cruz Cruz, in: A. Fidora u. a. (Hg.), Lex und Ius, 2010, S. 301 (303). 24 25
P. Haggenmacher, in: Actualité, 1988, S. 27 (44 ff.). J. Soder, Völkergemeinschaft, 1955, S. 64.
26
De potestate civili, n. 11, ed. cit., S. 167 f.: „Optimum ergo regnum est unius, sicut totus orbis ab uno principe et domino sapientissimo gubernatur.“ 27
A. Miaja de la Muela, REDI 18 (1965), S. 341 (355 ff.); vgl. A. Truyol y Serra, Grundsätze, 1947, S. 52. 28 29
De Indis II, n. 1, 3. P. Haggenmacher, in: Actualité, 1988, S. 27 (46).
30
De potestate civili, n. 14, ed. cit., S. 180; De jure belli, n. 9. A. Dempf, Staatsphilosophie, 1937, S. 44; R. Hernandez, Francisco de Vitoria, 1995, S. 174 unter Berufung auf De protestate civili, n. 14, ed. cit., S. 178 f.; A. Truyol y Serra, Grundsätze, 1947, S. 54. 31
De jure belli, n. 1: „Probatur septimo ex fine et bono totius orbis.“ Zum Krieg bei Vitoria s. A. Ortiz-Arce/P. Marino, in: Actualité, 1988, S. 81. Zum Interventionsrecht nach Vitoria s. R. Hernandez, Francisco de Vitoria, 1995, S. 180 f.
242
4. Kapitel
kraft des ius gentium mit dem Kriegsrecht ausgestatteten Fürsten sind nicht nur dem Wohl ihrer Staatsbürger, sondern auch dem Wohl der Weltgemeinschaft verpflichtet.32 Darauf stützt sich die These, bei Vitoria erschienen die Staaten bzw. souveränen Fürsten als Organe des Orbis.33 Darin eine Vorwegnahme der Scelleschen Idee eines dédoublement fonctionnel zu sehen, betont den Blickwinkel des 20. Jahrhunderts aber wohl allzu sehr.34 Bemerkenswert ist aber doch, dass die Fürsten in den Dienst des ius gentium gestellt werden. Mit dem Verweis auf Vitoria können sich Vertreter der Konstitutionalisierungslehre und ihre Vorläufer daher von einem staatsvoluntaristischen Völkerrecht abgrenzen. Der Orbis als Weltgemeinschaft ist zugleich Gemeinschaft von Staaten, Völkern, Nationen und von Individuen.35 Die Einordnung des Individuums in den Staat und zugleich in die Weltgemeinschaft soll nicht bedeuten, dass der Einzelne nur vermittels seines Staates Glied der Weltgemeinschaft ist.36 In der Relectio de Indis argumentiert Vitoria im Wesentlichen mit den zu konvertierenden Seelen37 und befasst sich mit den 32
De potestate civili, n. 13, ed. cit., S. 168. S. dazu auch J. Brown Scott, Catholic Conception, 1934, S. 33. 33 A. Truyol y Serra, Grundsätze, 1947, S. 74. Vgl. auch J. Brown Scott, Catholic Conception, 1934, S. 41 ff., 79 f. mit Hinweis auf die Parallele Staat – Orbis, Strafgewalt – Kriegsrecht. 34
Vgl. P. Haggenmacher, in: Actualité, 1988, S. 27 (38). Explizite Bezugnahme auf Scelle bei A. Miaja de la Muela, REDI 18 (1965), S. 341 (356, 363). Genau genommen ist die Parallelisierung auch sachlich unzutreffend (s. die Darstellung der Völkerrechtslehre Scelles im 3. Kapitel). 35 P. Haggenmacher, in: Actualité, 1988, S. 27 (41 ff.). Die Stelle ComSTh, II-II, q. 57, art. 3 n. 3, Beltrán III, S. 15 ist in den verschiedenen Manuskripten, die auf Vorlesungsmitschriften von Studenten beruhen, unterschiedlich wiedergegeben: Einmal heißt es: „Konsens aller Völker und Nationen“, in einem anderen Manuskript: „Konsens der ganzen Welt“, J. Soder, Völkergemeinschaft, 1955, S. 54 (mit Bezug auf De Indis, III, n. 1: „Primus titulus potest vocari naturalis societatis et communicationis“). Von einer gestuften Organisation der Völker in Staaten und Weltgemeinschaft scheint dagegen A. Truyol y Serra, Grundsätze, 1947, S. 51 auszugehen. 36 37
So aber J. Brown Scott, Spanish Origin, 1932, S. 280.
P. Haggenmacher, in: Actualité, 1988, S. 27 (56). J. Soder, Völkergemeinschaft, 1955, S. 51 scheint aus De Indis zu schließen, dass Vitoria die Indianer als „Völkerrechtssubjekte“ betrachtet. Diese These mit juristischer Bedeutung zu versehen, setzte jedoch eine klarere Konzeption des ius gentium als Völkerrecht bei Vitoria voraus. Auch J. Brown Scott, Catholic Conception, 1934, S. 65
Wurzeln in Naturrecht und Aufklärung
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Beziehungen zweier Gesellschaften mit unterschiedlichen Kulturen.38 Auch die „Barbaren“, die indigenen Einwohner Amerikas, sind nicht rechtlos, sondern vielmehr in privater und öffentlicher Hinsicht wahre Eigentümer wie die Christen.39 Dagegen stehen in der Relectio de jure belli die Staaten im Vordergrund.40 Im Nebeneinander von Menschenund Staatengemeinschaft liegt ein innovatives Element der Orbisidee bei Vitoria und Suárez.41 Zugleich zeigt sich darin eine gewisse Unentschlossenheit. Sie entspringt einem geschichtlichen Kontext, in dem sich eine Pluralität säkularer moderner europäischer Staaten allmählich herauszubilden beginnt und in dem die mit dem politischen Universalismus verbundene Vorstellung von der Einheit des Gottesvolkes in den Hintergrund gedrängt wird.42 Zwischen totus orbis und respublica christiana besteht ein offenkundiger Gegensatz. Vitoria dahin zu interpretieren, dass bei ihm die internationale Gemeinschaft aller Nationen „ohne Rücksicht auf Geographie, Rasse oder Religion an die Stelle der Christenheit“ getreten sei,43 hieße, seinen dem christlich-mittelalterlichen Weltbild verhafteten geistesgeschichtlichen Standort zu verkennen.44 Bemerkenswert ist aber doch, interpretiert die Beziehungen zwischen Spaniern und Indianern als zwischenstaatliche Beziehungen, gestützt auf ein Wortlautargument (und leider ohne Nachweis). Das ist insofern folgerichtig, als auch für Brown Scott Vitoria den Begriff des zwischenstaatlichen Völkerrechts zuerst geprägt hat, ders., Spanish Origin (vgl. Fn. 53). 38
A. Anghie, S & LS 5 (1996), S. 321 (331) = ders., Imperialism, Sovereignty and the Making of International Law, 2005, S. 16. 39
De Indis I, insb. n. 19. Vitoria setzt sich hier mit Einwänden auseinander, die sich daraus ergeben können, dass die Barbaren in Todsünde lebten, Ungläubige oder Ketzer zum Vernunftgebrauch nicht in der Lage oder Wahnsinnige seien. Kritisch dazu H. Mechoulan, in: Actualité, 1988, S. 11 (15 ff.). 40 41
J. Verhoeven, in: Actualité, 1988, S. 97 (121). S. Nachweise in Fn. 15.
42
L. Legaz Lacambra, REDI 1 (1948), S. 11 (14); W. Janssen, Anfänge, 1965, S. 53; A. Truyol y Serra, Grundsätze, 1947, S. 15. W. Grewe, Epochen, 21988, S. 33 ff., 163 ff.; B. Fassbender, in: I. Erberich u. a. (Hg.), Frieden und Recht, 1998, S. 21 ff. 43 44
J. Brown Scott, Spanish Origin, 1932, S. 280.
Vgl. J. Höffner, Christentum und Menschenwürde, 1947, S. 243 f./342 m. N.; W. Grewe, Epochen, 21988, S. 175 f.; H. Mechoulan, in: Actualité, 1988, S. 11 (15). Zuweilen scheint Vitoria Menschheit und Christenheit auch gleichzusetzen, vgl. De potestate civili n. 14, ed. cit., S. 178 f. Für J. Soder, Völkerge-
244
4. Kapitel
dass er in De Indis auf der Grundlage eines universellen ius gentium argumentiert, das der natürlichen Anschauung bei allen Völkern entspricht,45 dem Gesetzeskraft zukommt und das auch die legitime Herrschaft der Ureinwohner Amerikas rechtlich anerkennt.46 In der Auseinandersetzung mit der Rechtmäßigkeit eines Strafkrieges von Christen gegen „Barbaren“ bezieht Vitoria die Rechtspositionen der Indios mit ein und entwickelt ein Programm der Mäßigung und des Ausgleichs.47 Gleichwohl räumt er den Spaniern ein weitgehendes Reise- und Aufenthaltsrecht sowie das Recht ein, Handel zu treiben und Naturschätze in den Provinzen der indianischen „Barbaren“ auszubeuten und den christlichen Glauben zu predigen und zu verkünden.48 Die Zwiespältigkeit Vitorias ergibt sich daraus, dass er einerseits christliche Herrschaftsansprüche a priori und entsprechende weltliche Forderungen ablehnt, andererseits die Möglichkeiten der Mission und damit des kirchlichen Einflusses auf die indigenen Einwohner Amerikas bewahren möchte.49 Das universelle ius gentium ist gegenüber den kulturellen Unterschieden zwischen Spaniern und den Indianern indifferent und gewährleistet eine formale Gleichheit. Den Ureinwohnern des amerikanischen Kontinents ist mit einem Recht auf freien Handel in
meinschaft, 1955, S. 63 ist die Beschränkung auf die Christenheit mit der Formulierung maior christianorum in völkerrechtlicher Hinsicht nebensächlich. Ihre Bedeutung sei eine rein politische; hätte Vitoria den Gedanken anders gefasst, so hätte er allzu utopisch geklungen. Die Beschränkung auf die Christenheit hält aufgrund der Argumentation Vitorias mit der ursprünglichen Ungeteiltheit des Menschengeschlechts ebenfalls für belanglos: A. Miaja de la Muela, REDI 18 (1965), S. 341 (354). Nach A. Truyol y Serra, Grundsätze, 1947, S. 54 könne sich alles, was Vitoria hier über Christen schreibe, auf den gesamten Orbis erstrecken, da es zur weltlichen Ordnung gehöre und kein Zusammenhang mit der Religion bestehe. 45
De indis III, n. 2, 1. These.
46
De Indis, III, n. 3; ComSTH II-II, q. 57, a. 3, n. 5; zusammenfassend zum ius gentium bei Vitoria A. Rubin, NILR 39 (1992), S. 5 (20 ff.); zur Bedeutung von ‚ius‘ und ‚dominium‘ grundlegend A. S. Brett, Liberty, Right and Nature, 1997, S. 124 ff. 47
Vgl. G. Cavallar, DZPhil 53 (2005), S. 49 (53 ff.); kritisch dagegen die Gesamtbewertung bei H. Mechoulan, in: Actualité, 1988, S. 11 (25 f.). 48 49
De Indis III, n. 2, 3, 9.
Vgl. J. Fisch, Die europäische Expansion und das Völkerrecht, 1984, S. 215.
Wurzeln in Naturrecht und Aufklärung
245
Spanien nicht gedient, so dass die Reziprozität im universellen ius gentium letztlich doch vor allem den Spaniern nützt.50
b) Entwicklung der Lehre vom ius gentium in Anlehnung an das innerstaatliche Recht Die These, Vitoria habe den modernen Begriff vom Völkerrecht als zwischenstaatlichem Recht begründet, stützt sich im Wesentlichen auf seine Abwandlung der Definition des ius gentium des römischen Juristen Gaius („quod vero naturalis ratio inter omnes homines constituit, id apud omnes populos peraeque custoditur vocaturque ius gentium, quasi quo iure omnes gentes utuntur”).51 Vitoria hatte die Wendung inter omnes homines durch inter omnes gentes ersetzt: „Quod naturalis ratio inter omnes gentes constituit, vocatur ius gentium.“52 Dieser Abweichung in der Formulierung wurde in der Nachfolge von Ernest Nys große Bedeutung beigemessen.53 Auch wenn es sich dabei nicht um einen bloßen lapsus calami handeln muss, spricht doch einiges dafür, dass Vitoria, wollte er dem Wort ius gentium eine neue Bedeutung zukommen lassen, dies wahrscheinlich doch deutlicher zum Ausdruck brächte. Indes erscheint das ius gentium nirgends ausschließlich als zwischenstaatliches Recht, es ist vielmehr das allen Staaten gemeinsame Recht 50
J. Fisch, Die europäische Expansion und das Völkerrecht, 1984, S. 216 f.; A. Anghie, S & LS 5 (1996), S. 321 (326); vgl. B. Bowden, JHIL 7 (2005), S. 1 (8 ff.). Die Kritik Anghies zielt weiterhin (S. 327 ff.) darauf, dass in das ius gentium im Zusammenhang mit Fragen der Souveränität und des Kriegsrechts Normen christlichen Ursprungs wieder eingeführt werden. Zu Gegenseitigkeit und Einseitigkeit als Möglichkeiten der europäischen Expansion s. J. Fisch, Die europäische Expansion und das Völkerrecht, 1984, S. 4 ff., 9 ff. 51
Zur Entwicklung des Begriffs des ius gentium von den Institutionen des Justinian I, 2, 1 und den Institutionen des Gaius, I, 1 sowie den Digesten, 1, 1, 9 bis zu Vitoria s. P. Haggenmacher, in: Actualité, 1988, S. 27 (57 ff.); Herv. TK. 52 53
De indis III, n. 2, 1. These; Herv. TK.
E. Nys, Les origines du droit international, 1894, S. 11; Nachweise der an der Debatte um die Bedeutung des Formulierungswandels beteiligten Autoren bei W. Grewe, Epochen, 21988, S. 46 mit Fn. 37, 38; W. Janssen, Anfänge, 1965, S. 11; J. Soder, Völkergemeinschaft, 1955, S. 66 sowie A. Truyol y Serra, Vitoria en la perspectiva de nuestro tiempo, in: Relectio de Indis, Madrid, 1967, S. CXLVII mit Fn. 5. Neuere Stellungnahme im Sinne der Zwischenstaatlichkeit der Völkerrechtskonzeption Vitorias: J. Courtine, Naissance du droit naturel moderne, 1999, S. 137.
246
4. Kapitel
und zwischenstaatliches Recht zugleich.54 Hätte Vitoria einen neuen Begriff geprägt, so wäre diese Innovation sicherlich auch schon von seinen Zeitgenossen in irgendeiner Weise aufgegriffen worden.55 Da Vitorias Begriff vom ius gentium aber nicht auf zwischenstaatliche Normen in einem engen Sinne beschränkt ist, regeln sich danach auch die Beziehungen zwischen Volksgesamtheit und Staatsgewalt, umfasst in der Tradition Vitorias das natürliche Recht mit dem werdenden Völkerrecht auch das Verfassungsrecht.56 Vitoria entwickelt seine Völkerrechtslehre aus dem innerstaatlichen Recht. Daher ist die Deutung plausibel, dass Vitorias Ausführungen der systematische Versuch zugrunde liegt, die Eigenschaften des ius gentium unter Rückgriff auf das ius civile zu entwickeln.57 Grundlage für eine Übertragung der an das politische Gemeinwesen geknüpften Ordnungsvorstellungen auf die Weltgemeinschaft58 zur Begründung des Gesetzescharakters des ius gentium ist die Vorstellung des Erdkreises als aliquomodo una respublica. Dieser Zugang ist im Ausgangspunkt mit der Konstitutionalisierungslehre vergleichbar, die innerstaatliche Verfassungsvorstellungen auf die überstaatliche Ebene überträgt. Die Rechtsordnung des ius gentium wird in ihren Eigenschaften systematisch nach den Kriterien untersucht, die auch für das innerstaatliche Recht, das ius civile gelten sollen. Wie im ius civile findet sich auch im ius gentium eine Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht. Die Parallelen von ius civile und ius gentium betreffen vor allem die Geltungsbedingungen, aber auch die Konsequenzen des Rechtsversto-
54
J. Soder, Völkergemeinschaft, 1955, S. 127. Die Bezeichnung als internationales Privatrecht und zwischenstaatliches Recht bei Soder ist missverständlich, weil es nicht um ein Kollisionsrecht geht. Deutung wie hier auch bei P. Haggenmacher, in: Actualité, 1988, S. 27 (57). Differenziert auch A. Miaja de la Muela, REDI 18 (1965), S. 341 (342 f.). 55
P. Haggenmacher, in: Actualité, 1988, S. 27 (59 f.) – mit weiteren Argumenten. Demnach ist „inter omnes gentes“ mit „bei allen Völkern“ zu überset2 zen, s. W. Grewe, Epochen, 1988, S. 46. 56
Vgl. E. Reibstein, Völkerrecht I, 1957, S. 280 m. N.; F. Hafner/A. Loretan/C. Spenlé, in: F. Grunert/K. Seelmann (Hg.), Die Ordnung der Praxis, 2001, S. 123 (135). 57
J. Delos, La société internationale, 1929, S. 214; D. Deckers, Gerechtigkeit und Recht, 1991, S. 377 ff. 58
Ähnlich die Bewertung von J. Soder, Völkergemeinschaft, 1955, S. 65.
Wurzeln in Naturrecht und Aufklärung
247
ßes. Vitoria ordnet das ius gentium nicht eindeutig dem Naturrecht oder dem positiven Recht zu. Gleichwohl ist für ihn in der Nachfolge des Thomas von Aquin die Unterscheidung zwischen Naturrecht und positivem Recht dichotomisch. Dementsprechend versucht er, das ius gentium als zu beiden Rechtsarten gehörig zu charakterisieren.59 Ziel Vitorias bleibt die inhaltliche Identität von ius gentium und Naturrecht.60 Seinen Quellen nach ist das ius gentium aber positives Recht.61 Wo es sich nicht aus dem natürlichen Recht ableitet, soll die Übereinstimmung des größeren Teils der gesamten Welt, die Mehrheit der Menschen ausreichend sein, auch wenn andere, etwa die zu bekehrenden Seelen der Ureinwohner Amerikas, sich widersetzen sollten.62 Die Begründung für die Bindungswirkung des ius gentium präsentiert Vitoria als Corollarium auch aus dem vorangestellten Nachweis der Geltungskraft der staatlichen Gesetze.63 Diese Vorgehensweise entspricht seinem grundsätzlichen Vorgehen in der Relectio De Potestate Civili, in den Corollarien in Auseinandersetzung mit der Tradition gewonnene Erkenntnisse auf neue Fragen und Probleme anzuwenden.64 Die Geltungsbedingungen des ius gentium lassen sich der bereits zitierten Textstelle De potestate civili, n. 21 entnehmen. Kriterien für die Geltung des ius gentium sind die Rückführbarkeit auf den gesetzgeberischen Willen der Gemeinschaft des Orbis sowie die ihm innewohnende Gerechtigkeit und Angemessenheit. Beide Kriterien finden sich entsprechend in Vitorias Summenkommentar als Geltungsbedingungen für
59
Ius gentium mit naturrechtlicher Begründung: De Indis, III, n. 2. Ius gentium als (auch) auf eine stillschweigende Übereinstimmung gegründetes positives Recht: ComSTh II-II q. 57 a. 3 n. 2; ComSTh II-II q. 57 a. 3 n. 3; De potestate civili, n. 21, ed. cit., S. 191; De Indis III, n. 4. Zwischenstellung des ius gentium zwischen positivem und Naturrecht nach ComSTh II-II q. 66 a. 2 n. 5. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Vitoria kein systematisches Konzept eines ius gentium entwickelt, das auf formalen Kriterien beruht, vgl. L. Legaz Lacambra, REDI 1 (1948), S. 11 (23 f.). 60
H. Mechoulan, in: Actualité, 1988, S. 11 (13). Eine klare Ablösung des ius gentium vom Naturrecht wird erst Suárez leisten, s. P. Haggenmacher, in: Actualité, 1988, S. 27 (63). 61 62
ComSTh II-II, q. 57 Art. 3, q. 66 a. 2 n. 5. Vgl. De indis III, n. 4.
63
De potestate civili n. 21, ed. cit., S. 190 f. S. dazu P. Haggenmacher, in: Actualité, 1988, S. 27 (42). 64
R. Schnepf, Einleitung, 1992, S. 10.
248
4. Kapitel
eine lex im ius civile.65 Eine lex muss demnach nur beachtet werden, wenn sie von einer auctoritas iusta erlassen wurde, sie dazu dient, alle auf das bonum commune auszurichten, und sie ordnungsgemäß verkündet wurde.66 Das Gesetz muss mit anderen Worten von einer zuständigen Instanz in einem ordnungsgemäßen Verfahren erlassen worden sein und ist inhaltlich auf das Gemeinwohl festgelegt. Das ius gentium gilt als vom Orbis erlassen und ist damit wie das ius civile auf den gesetzgeberischen Willen einer auctoritas iusta zurückzuführen. Die Ausrichtung auf das Gemeinwohl zeigt sich darin, dass die erlassenen Gesetze leges aequas et convenientes omnibus sind. Damit sind die beiden ersten Geltungsbedingungen des ius civile für das ius gentium in entsprechender Weise erfüllt. Auf die ordnungsgemäße Verkündung geht Vitoria dagegen nicht ein. Für eine ausreichende Kenntnisnahmemöglichkeit könnte es aber ausreichen, dass der orbis als Gesetzgeber auftritt und somit alle Betroffenen von den Normen des ius gentium Kenntnis erhalten. Anders als mit Hilfe dieser Fiktion ließe sich das Kriterium der Verkündung kaum als erfüllt ansehen. Das mag ein Grund sein, warum es Vitoria beim ius gentium ausspart. Neben den Geltungsbedingungen von ius civile und ius gentium stimmen auch die Folgen einer Rechtsverletzung überein. Die Normen des ius gentium verpflichten wie alle anderen Gesetze im Gewissen und ihre Verletzung ist Sünde.67 65
ComSTh I-II q. 90 a. 2-4, Beltrán VI, S. 413 ff. Die Parallelen arbeitet heraus: D. Deckers, Gerechtigkeit und Recht, 1991, S. 379 ff. Eine Andeutung dieser Parallelität findet sich bei J. Soder, Völkergemeinschaft, 1955, S. 125. 66 67
ComSTh I-II q. 90 a. 2-4, Beltrán VI, S. 413 ff.
D. Deckers, Gerechtigkeit und Recht, 1991, S. 377 f.; P. Haggenmacher, in: Actualité, 1988, S. 27 (42). Nachweise für die Folgen der Verletzung von ius gentium: „moraliter peccant violantes jura gentium“ (De potestate civili 21, ed. cit., S. 191 f.). Für das ius gentium qua jure humano scripto: „… quia leges, ut multoties diximus, obligant in foro conscientiae“ (ComSTh II-II q. 57 a. 3 n. 3). Für das ius gentium non scriptum und das ius gentium scriptum, das noch nicht von allen in schriftlicher Form ratifiziert ist und nur einen Teil der Menschen verpflichtet: „Secundo dico, quod facere contra jus gentium et illud violare est illicitum, quia de se importat injuriam quae infertur et inaequalitatem quamdam.“ (ComSTh II-II q. 57 a. 3 n. 3). Für das ius civile: „Principum leges et constitutiones ita obligant ut transgressores in foro conscientiae culpae rei sint, …“ (De potestate civili n. 15, ed. cit., S. 181). „Ideo dico etiam quod leges civiles obligant su poena peccati et culpae aeque ac leges ecclsiasticae.“ (De potestate civili n. 15, ed. cit., S. 183). „Ideo sicut lex divina habet vim abligandi ad culpam, ita et lex humana.“ (De potestate civili n. 17, ed. cit., S. 185).
Wurzeln in Naturrecht und Aufklärung
249
Wie im innerstaatlichen ius positivum unterscheidet Vitoria auch im ius gentium zwischen privatem und öffentlichem Recht. Der Zusammenhang zwischen den Vorgaben für das Verfassungsrecht der einzelnen Staaten und dem Völkerrecht wird vor allem durch das Naturrecht hergestellt. Das doppelte ius positivum, unterteilt in privates Recht zwischen einzelnen Personen etwa in Form von Verträgen und öffentliches Recht in Form von Gesetzen, kannte schon Thomas von Aquin.68 Für Vitoria gibt es analog zum doppelten ius positivum auch ein doppeltes ius gentium. 69 Nach Truyol y Serra ist das in De potestate civili, n. 21 enthaltene Prinzip der universellen Verpflichtung nur auf das internationale öffentliche Recht anwendbar, nicht aber auf das internationale Privatrecht.70 Gemeint ist damit die Unterscheidung zwischen eigentlichem Völkerrecht und internationalem Privatrecht.71 Mit der universellen Zustimmung im Orbis werden die condicta publica im ius gentium verbindlich. Die Unterscheidung wird zwar nicht näher erläutert oder gar mit Beispielen versehen. Es ist aber davon auszugehen, dass das private Recht sich mit dem Teil des ius gentium deckt, der nicht als zwischenstaatliches Recht, sondern als gemeinsames Recht der Staaten bezeichnet wird. Bei den Römern hatte ius gentium im weiteren Sinne das gemeinsame Recht der zivilisierten Völker bedeutet, das sowohl das öffentliche als auch das Privatrecht umfasste, und im engeren Sinne das Recht, das für die Beziehungen der Römer zu Ausländern galt.72
c) Einordnung und Bedeutung für die Konstitutionalisierungslehre Von zeitloser Bedeutung ist Vitoria vor allem deshalb, weil er auf der Grundlage der Gemeinschaft des Orbis für eine grundlegende rechtliche Stellung der Ureinwohner Amerikas argumentiert und dabei vom innerstaatlichen Recht auf ein Recht schließt, das auch im erweiterten 68
Thomas von Aquin, II-II, q. 57, art. 1; Vitoria, ComSTh, II-II, q. 57, art. 2. Dazu D. Deckers, Gerechtigkeit und Recht, 1991, S. 369. 69
ComSTh, II-II, q. 57, art. 3, n. 3, S. 15: „Supposito quod duplex est ius gentium, sicut duplex est ius positivum, ut diximus supra in articulo secundo. Quoddam est ius positivum ex privato pacto et consensu, et quoddam ex pacto publico. Ita de jure gentium diciums, quod quoddam factum est ex communi consensu omnium gentium et nationum.“ 70 71 72
A. Truyol y Serra, Grundsätze, 1947, S. 52. J. Brown Scott, Catholic Conception, 1934, S. 190. E. Nys, Introduction, 1917, S. 10 f.
250
4. Kapitel
Raum eines neu entdeckten Kontinents gelten soll. Neu ist die konsequente Anwendung der verschiedenen Titel für die Begründung der Herrschaft und die Anwendung von Gewalt auf die Situation in Amerika sowie die Einführung von rein völkerrechtlichen Titeln, die mit Religionsfragen nichts zu tun haben.73 Weil das Völkerrecht wie das ius civile seine Grundlage im Naturrecht hat, ist es in den Dienst am Menschen gestellt, und zwar trotz der mit dem Völkerrecht verbundenen Untergliederung der Menschheit in Staaten.74 Die Parallelen zwischen innerstaatlichem ius civile und ius gentium, ihre gemeinsame Ausrichtung auf das Naturrecht und der Gesetzescharakter des ius gentium, der sich auf die Autorität des Erdkreises stützt, begründen seine Distanz gegenüber dem Willen der Staaten. Daran kann insbesondere eine wertebegründete Konstitutionalisierungslehre anknüpfen. Zudem wird das Recht für Antworten auch auf neue Fragen in Anspruch genommen.
2. Francisco Suárez Suárez (1548-1617) bildet in den Kapiteln 17 bis 20 des zweiten Buches De legibus einen klaren Begriff vom ius gentium inter se als positivem Recht zwischen den Staaten.75 Der neue Einteilungsgrund wird zwar nicht ausdrücklich als Abkehr vom bisherigen Schema gekennzeichnet, aber doch vorausgesetzt (a)).76 Weil man als letzte Konsequenz dieser Ablösung des Völkerrechts vom Naturrecht durchaus einen absoluten Staatsvoluntarismus sehen kann,77 stellt sich die Frage, inwieweit bei dem scholastischen Autor Suárez die Völkerrechtsordnung trotz der neuen Begriffsbildung eine den Staaten vorgegebene und damit ihrer
73 74
J. Fisch, Die europäische Expansion und das Völkerrecht, 1984, S. 212. Vgl. J. Cruz Cruz, in: A. Fidora u. a. (Hg.), Lex und Ius, 2010, S. 301 (307
f.). 75
Sie wurden erst in die endgültige Druckfassung von 1612 eingefügt, während entsprechende Ausführungen in älteren Manuskripten fehlen, s. L. Pereña Vicente, REDI 7 (1954), S. 59 (61 f.). Zur Bedeutung Suárez’ für die Völkerrechtstheorie s. J. Soder, Suárez und sein Werk, 1965, S. 12; W. Onclin, La souveraineté de l’État, 1950, S. 289 mit Hinweisen zur Bewertung durch Lorimer, Kosters, Brown Scott, Lawrence und Oppenheim. 76
J. De Vries, in: Francisco Suárez, Ausgewählte Texte zum Völkerrecht, 1965, S. VI. 77
J. Courtine, Naissance du droit naturel moderne, 1999, S. 147.
Wurzeln in Naturrecht und Aufklärung
251
Willkür entzogene Ordnung bleibt (b)). Die Antwort auf diese Frage erlaubt zugleich eine Einordnung Suárez’ im Verhältnis zu Vitoria (c)).
a) Suárez’ Begriff des ius gentium Zuerst bei Suárez lässt sich ein Begriff vom Völkerrecht nachweisen, der das ius gentium als positives Recht einordnet und innerhalb des ius gentium gemeinsames internes Recht (ius gentium intra se) und zwischenstaatliches Recht (ius gentium inter se) als eigentliches Völkerrecht unterscheidet.78 Anders als die römischen Juristen und die zeitgenössischen Moraltheologen grenzt Suárez ius gentium und ius naturale klar voneinander ab. Im Gegensatz zu Vitoria, der dem Gesetzescharakter des ius gentium nur ein Corollarium widmet, ist dessen Natur für Suárez eine zentrale Frage. Naturrecht und ius gentium unterscheiden sich in ihrer Geltungsgrundlage. Während das Naturrecht dem Menschen vorgegeben ist und unmittelbar seinem Wesen entspricht, wird das ius gentium erst vom Menschen geschaffen.79 Im Unterschied zum ius gentium kommt dem ius naturale innere Notwendigkeit kraft Natur der Sache zu. Die Vorschriften des ius gentium sind konkreter als die des Naturrechts und können von diesem nicht im Wege der Schlussfolgerung als Erkenntnisakt abgeleitet werden. Sie bedürfen vielmehr einer Setzung durch einen menschlichen Willensakt.80 Das Naturrecht als notwendiges Recht ist im Gegensatz zum ius gentium unveränderlich und uneingeschränkt universell.81 Aufgrund seiner Nähe zum Naturrecht nimmt das ius gentium aber eine Zwischenstellung zwischen ius naturale und ius humanum ein.82 Anders als das innerstaatliche ius civile, das sowohl geschriebenes als 78
P. Haggenmacher, in: Actualité, 1988, S. 27 (63). Zu Suárez’ Begriff des ius gentium im Vergleich mit Thomas von Aquin s. auch M. Lutz-Bachmann, in: A. Fidora u. a. (Hg.), Lex und Ius, 2010, S. 465. 79
De legibus, lib. II, cap. 17, n. 8; vgl. J. Soder, FS Schätzel, 1960, S. 453 (456); ders., Suárez und sein Werk, 1965, S. 13. 80
Vgl. C. Noreña, in: K. White (Hg.), Hispanic Philosophy in the Age of Discovery, 1997, S. 257 (268). 81 82
De legibus, lib. II, cap. 19, n. 2.
De legibus, lib. II, cap. 17, n. 1. Die Zwischenstellung entspricht der alten Einteilung des römischen Rechts, das das ius gentium in die Mitte zwischen Naturrecht und bürgerlichem Recht stellte, vgl. J. De Vries, in: Francisco Suárez, Ausgewählte Texte zum Völkerrecht, 1965, S. V.
252
4. Kapitel
auch ungeschriebenes Recht enthält, besteht das ius gentium nur aus ungeschriebenen gewohnheitsrechtlichen Regelungen, die Gesetze aller oder fast aller Nationen sind.83 Wie das Naturrecht gilt es grundsätzlich für die gesamte Menschheit.84 Es steht dem Naturrecht nach Regelungsgegenstand und Inhalt so nahe, dass es aus sich heraus für alle annehmbar ist85 und man Suárez zufolge sagen kann, es sei unter dem Antrieb der Natur (instigante natura) entstanden.86 Hinzu kommt, dass das ius gentium nicht durch einen überstaatlichen Willen im eigentlichen Sinne gesetzt, sondern allmählich durch die Übereinstimmung der Völker gebildet und im Nachhinein als Recht erkannt wird.87 In diesem sukzessiven Entstehungsprozess deutet sich ein Element der Richtigkeitsgewähr an, das auch für die moderne Begründung des Völkergewohnheitsrechts Bedeutung hat. Anders als Vitoria ordnet Suárez also die Erzeugung des ius gentium somit nicht der Einheit der Weltgemeinschaft selbst zu, sondern dem Zusammenwirken der einzelnen Völker.88 Das schließt jedoch die Deutung nicht aus, dass die Staaten hier für die Weltgemeinschaft handeln.89 Gegenüber dem ius civile ist das ius gentium nur erschwert abänderbar.90 Als von allen Völkern gemeinsam und mit der Autorität aller ge83 84 85 86
De legibus, lib. II, cap. 19, n. 6. De legibus, lib. II, cap. 19, n. 6. De legibus, lib. II, cap. 19, n. 9. De legibus, lib. II, cap. 19, n. 3; cap. 20, n. 1.
87
De legibus, lib. II, cap. 20, n. 1 f.; J. Courtine, Naissance du droit naturel moderne, 1999, S. 156 ff.; A. Verdross, FS Schätzel, 1960, S. 505 (507). Die von Courtine für diese Aussage zitierte Stelle De legibus, lib. II, cap. 19, n. 6 betrifft zunächst die Abgrenzung von ius gentium und ius civile. Als ungeschriebenes Recht ist das Völkerrecht positives Recht im weiteren Sinne, vgl. J. De Vries, in: Francisco Suárez, Ausgewählte Texte zum Völkerrecht, 1965, S. VI. Zu den Gemeinsamkeiten von und Unterschieden zwischen ius gentium und ius naturale s. auch P. Mesnard, Philosophie Politique, 1951, S. 656. Zum Gewohnheitsrecht bei Suárez s. J. Brown Scott, Catholic Conception, 1934, S. 212-235. 88
J. Courtine, Naissance du droit naturel moderne, 1999, S. 147.
89
So L. Legaz Lacambra, REDI 1 (1948), S. 11 (42). Entsprechend die Interpretation bei J. Soder, FS Schätzel, 1960, S. 453 (464). In diesem Sinne wäre das jus gentium „Derecho superinternacional“, vgl. T. Andrés Marcos, El superinternacionalismo de Suárez, 1950, S. 369, 379, der bei Suárez einen einheitlichen Gesetzgeber des Völkerrechts sieht, die, in Staaten und Völker untergliederte, organische „supernación humana“. 90
De legibus, lib. II, cap. 20, n. 9.
Wurzeln in Naturrecht und Aufklärung
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setztes Recht kann das eigentliche, zwischenstaatliche ius gentium auch nicht ohne Zustimmung aller außer Kraft gesetzt werden. Entscheidende materielle Schranke der Änderung des ius gentium ist aber seine Verpflichtung auf das irdische bonum commune.91 Daher ist es doch richtig zu sagen, dass Suárez an den naturrechtlichen Grundlagen auch des Völkerrechts festhält,92 obgleich er den positivrechtlichen Charakter des ius gentium herausstellt.
b) Ius gentium und Weltgemeinschaft Grundlage für Suárez’ ius gentium ist eine in Staaten gegliederte communitas humani generis. Sie ist doppelte Gesellschaft der Menschheit und der souveränen Nationen.93 Die Auseinandersetzung mit der Natur der Weltgemeinschaft an der bereits zitierten Stelle in Kapitel 19 n. 9 des zweiten Buches De legibus dient Suárez der Beantwortung der Frage nach den Eigenschaften des ius gentium. Kein Staat, obgleich communitas perfecta, ist vollständig selbstgenügend, sondern Mitglied einer größeren Gemeinschaft der gesamten Menschheit und auf gegenseitige Hilfe angewiesen. Daher ist ein über die staatliche Rechtsordnung hinausreichendes Recht erforderlich, und obgleich das ius naturale diesem Bedürfnis weitgehend entspricht, bedarf es des ius gentium.94 Als Grundlage des ius gentium wirkt die Orbisidee bei Suárez fort. Er gründet die internationale Gemeinschaft auf Erwägungen der Moral (ob moralem necessitatem) und der Zweckmäßigkeit (ad melius esse maioremque utilitatem).95 Unmittelbare Ursache der Völkergemeinschaft ist die gegenseitige Abhängigkeit der Staaten, ihre tiefer liegende Grund-
91 De legibus, lib. II, cap. 20, n. 8. A. Klug, Rechts- und Staatslehre, 1958, S. 151; vgl. J. Courtine, Naissance du droit naturel moderne, 1999, S. 148 ff. m. N. 92
Ebenso J. Soder, Suárez und sein Werk, 1965, S. 14.
93
L. Pereña Vicente, REDI 7 (1954), S. 59 (89 f.) mit Bezug auf De legibus, lib. III, cap. 7, n. 6; lib. III, cap. 2, n. 5; lib. III, cap. 4, n. 7. 94 95
J. Brierly, Suárez’s Vision, 1950, S. 361 f.
De legibus, lib. II, cap. 19, n. 9; De legibus, lib. III, cap. 2, n. 6; C. Noreña, in: K. White (Hg.), Hispanic Philosophy in the Age of Discovery, 1997, S. 257 (268).
254
4. Kapitel
lage aber die Natur des Menschen als animal sociabile.96 Vom Staat unterscheide sich die Weltgemeinschaft dadurch, dass sie für den Menschen nicht existenznotwendig, keine absolute Forderung seiner Natur sei.97 Mit dieser Unterscheidung löst sich auch ein scheinbarer Widerspruch zwischen Suárez’ Staatsauffassung als communitas perfecta und der Existenz einer Weltgemeinschaft auf, der in der völkerrechtlichen Literatur zu Suárez, namentlich von Barcia Trelles98 und Brierly,99 behauptet wurde. Wenngleich die internationale Gemeinschaft für den Menschen anders als der Staat nicht existenznotwendig ist, führt sie doch zu größerer Wohlfahrt und größerem Nutzen. Dies widerspricht der Annahme einer ausreichenden Erfüllung der notwendigen Bedürfnisse im Staat nicht. Vielmehr ermöglicht Suárez eine Vorstellung von relativer Souveränität, die Verpflichtung souveräner Staaten durch Normen einer überstaatlichen Gemeinschaft ohne Einbuße der Souveränität.100 Zuweilen soll die Weltgemeinschaft aber doch eine echte Notwendigkeit darstellen. Die Weltgemeinschaft ist nicht nur eine biologische, sondern auch eine quasi-politische und moralische Einheit.101 Ihre gemeinsame Grundlage ist das natürliche Gebot der gegenseitigen Liebe und Hilfsbereitschaft.102 Die biologische Einheit gründet sich allein auf die Zugehörigkeit aller Menschen zur selben Gattung; schon durch ihre gemeinsame
96
J. Soder, Suárez und das Völkerrecht, 1973, S. 227 f. mit Bezug auf De legibus, lib. I, 3, 20; lib. III, cap. 1, n. 3; Defensio fidei, cap. 3, n. 1, 7; cap. 3, n. 2, 6. J. Brierly, Suárez’s Vision, 1950, S. 362. 97
Vgl. J. Soder, Suárez und das Völkerrecht, 1973, S. 229 mit Bezug auf Defensio fidei, cap. 3, n. 1, 4; cap. 3, n. 1, 7. 98 99
C. Barcia Trelles, RdC 43 (1933-I), S. 389 (462 ff.). J. Brierly, Suárez’s Vision, 1950, S. 362.
100
A. Klug, Rechts- und Staatslehre, 1958, S. 144. Vgl. N. Brieskorn, in: H. Justenhoven/J. Turner (Hg.), Rethinking the State in the Age of Globalisation, 2003, S. 143 (159) mit Verweis auf Defensio fidei, IV, 7, 6; W. Onclin, La souveraineté de l’État, 1950, S. 287; H. Rommen, Staatslehre, 1926, S. 290; J. Soder, Suárez und sein Werk, 1965, S. 16; ders., Suárez und das Völkerrecht, 1973, S. 235 ff. 101
De legibus, lib. II, cap. 19, n. 9: „habet aliquam unitatem non solum specificam sed etiam politicam et moralem.“ 102
De legibus, lib. II, cap. 19, n. 9: „… quam indicat naturale praeceptum mutui amoris et misericordieae, quod ad omnes extenditur, etiam extraneios, et cujuscomque nationis.“
Wurzeln in Naturrecht und Aufklärung
255
rationale Natur gehören alle Menschen einer Gemeinschaft an.103 Die quasi-politische und quasi-moralische Einheit kommt dagegen erst durch das Völkerrecht zustande. ‚Politisch‘ ist bei Suárez im aristotelischen Sinne der Gegenbegriff zu ‚natürlich‘. Der natürliche Mensch und der Mensch in der Polis stehen für verschiedene Existenzmöglichkeiten. Die Formulierung unitas quasi politica lässt sich daher so interpretieren, dass die Menschheit in ihrer Gesamtheit jenseits der Staaten eine weitere staatsähnliche Einheit bildet. Entscheidende Parallele zwischen der staatlichen und der überstaatlichen, quasi-staatlichen Einheit ist, dass auch zwischen deren Gliedern ein gemeinsames übergeordnetes Gesetz und Recht existiert, das Völkerrecht.104 Die Rechtsentstehung im Staat findet eine Entsprechung in der quasi-staatlichen Einheit des Menschengeschlechts: „Nam sicut in una civitate vel provincia consuetudo introducit ius, ita in universo humano genere potuerunt iura gentium moribus introduci.“105 Darin zeigt sich eine Übereinstimmung mit Vitoria. Auch Suárez argumentiert, indem er Strukturen aus dem Staat auf die Ebene der Menschheit überträgt.106 Allerdings lässt sich bei Suárez keine systematisch vergleichende Untersuchung finden. Als staatsähnlich lässt sich auch die quasi-moralische Einheit der Menschheit verstehen. Die Übersetzung mit ‚gleichsam durch das Sittengesetz geforderte Gemeinschaft‘107 ist missverständlich. Unter moralischer Einheit ist keine gemeinsame Ethik zu verstehen, gemeint sind vielmehr vom Menschen geschaffene „gemeinsame Bande“. Diese Bande sind insbesondere juristischer Natur und formen eine Rechts- oder moralische Person. Als persona moralis werden in der kanonischen Rechtssprache Staat, Familie und ähnliche menschliche Gemeinschaften bezeichnet.108 Der Staat bildet bei Suárez eine solche moralische Per-
103 104
De legibus, lib. I, cap. 6, n. 8. J. Soder, Suárez und das Völkerrecht, 1973, S. 224.
105
De legibus, lib. II, cap. 19, n. 9. Die Übersetzung nach Schätzel, ed. cit., S. 67, lautet: „Denn wie in einem einzelnen Staate oder einer Provinz die Gewohnheit Recht schafft, so konnten auch im ganzen Menschengeschlechte durch Gewohnheit völkerrechtliche Normen eingeführt werden.“ 106
B. Hamilton, Political Thought, 1963, S. 109.
107
Übersetzung von J. De Vries, in: Francisco Suárez, Ausgewählte Texte zum Völkerrecht, 1965, S. 67. 108 J. Soder, Suárez und das Völkerrecht, 1973, S. 225; vgl. ders., FS Schätzel, 1960, S. 453 (464).
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4. Kapitel
son.109 Dahinter bleibt die Gemeinschaft der Menschheit als unio quasi moralis zurück, die der an anderer Stelle erwähnten von Menschen zusammengeschlossenen oder eingerichteten Gemeinschaft entspricht. Diese überstaatliche Einheit der Menschen, die durch irgendein Recht vereinigt werden und die nach Aristoteles ein morale vinculum besitzt,110 ist wie der Staat Ausdruck der inneren Natur des Menschen.111 Suárez deutet die reale Konstruktion der Weltgemeinschaft als Zusammenschluss der Staaten an, wenn er ausführt, dass die Gemeinschaft des Staates zu einem Reich erweitert werden könne.112 Auf allen Ebenen der Verfassung menschlicher Gemeinschaft, abgesehen von der Familie, ist der Konsens unter den Menschen konstitutiv.113 Dieser Konsens ist aber zugleich Ausführung eines göttlichen Planes.114 Eine Besonderheit bei Suárez ist die Figur des Quasi-Foedus. Suárez versteht ihn, anders als später Christian Wolff, nicht als Fiktion und normative Hypothese der Vernunft, sondern als stillschweigenden Konsens in Abwesenheit einer ausdrücklichen Zustimmung der Weltgemeinschaft.115 Von einer Dominanz des Staatenpluralismus und einer voluntaristischen Tendenz bei Suárez zu sprechen116 geht daher zu weit. Vielmehr stellt sich Suárez’ Konstruktion der Weltgemeinschaft als Versuch einer Synthese dar. Er blickt realistisch auf die pluralistische Staatenwelt und betont doch
109
Defensio fidei. cap. 3, n. 2, 11: „persona mixta seu ficta unius communitatis seu civitatis humanae“, vgl. De legibus lib. I, cap. 6, n. 17. Suárez verwendet allerdings nicht den Ausdruck „persona moralis“, sondern stattdessen die Bezeichnungen „persona mystica seu politica“ oder „persona ficta“. 110
De legibus, lib. I, cap. 6, n. 19: „Communitas humanitus congregata, seu inventa, quae dicitur esse coetus hominum, qui aliquo jure sociantur.“ 111 112 113
De legibus, lib. I, cap. 6, n. 18. De legibus, lib. III, cap. 1, n. 3. De legibus, lib. III, cap. 2, n. 2, 4, 5; lib. III, cap. 3, n. 1; lib. III, cap. 4, n.
2. 114
N. Brieskorn, in: H. Justenhoven/J. Turner (Hg.), Rethinking the State in the Age of Globalisation, 2003, S. 143 (157 f.) mit Bezug auf De legibus, lib. I., cap. 7, n. 4; lib. I, cap. 11, n. 4, 7; lib. III, cap. 2, n. 3; lib. III, cap. 3, n. 1. 115
De legibus, lib. III, cap. II, n. 6; vgl. F. Cheneval, ARSP 85 (1999), S. 563 (572 f.) mit Fn. 53. 116 J. Brierly, Suárez’s Vision, 1950, S. 362 f.; J. Delos, La societé internationale, 1929, S. 264.
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die notwendige Einheit einer internationalen Gemeinschaft mit einer organischen Weltverfassung.117 Auch wenn er einen Weltstaat schlicht für nicht praktikabel hält, ist Suárez der Gedanke eines obersten Organs der Staatengemeinschaft wohl nicht grundsätzlich fremd. Den Staaten stehe es frei, auf den Krieg als Mittel der Rechtsdurchsetzung zu verzichten und eine überstaatliche Entscheidungsstelle mit Zwangsgewalt einzusetzen.118 Außerdem führt er aus, dass es der Vernunft, dem Gemeinwohl der Menschheit und daher auch der Gerechtigkeit widerspreche, wenn Streitigkeiten zwischen den Souveränen nur durch Krieg entschieden werden könnten.119 Indes sieht Suárez durchaus auch die großen Schwierigkeiten bei der praktischen Durchführung eines organisierten Schiedsgerichtswesens, die sich daraus ergeben, dass ein Schiedsgericht nur im Einverständnis der streitenden Parteien tätig sein kann, was wiederum eine Folge der Souveränität der einzelnen Staaten ist.120 Jedenfalls aber beschränkt sich die internationale Organisation, soweit Suárez sie andenkt, auf eine Schiedsgerichtsbarkeit, sieht weder eine internationale politische Autorität noch ein Weltgericht vor.121
c) Einordnung Der Unterschied zwischen Vitoria und Suárez wird zuweilen zu stark betont. Weder Vitoria noch Suárez fasst einen universellen Weltstaat ernsthaft ins Auge,122 Vitoria appelliert schlicht häufiger an die Autori117
C. Noreña, in: K. White (Hg.), Hispanic Philosophy in the Age of Discovery, 1997, S. 257 (268); L. Pereña Vicente, REDI 7 (1954), S. 59 (92). Demge2 genüber akzentuiert die Interpretation von W. Grewe, Epochen, 1988, S. 226 die Gründung des Völkerrechts auf den Konsens der Staaten. 118
De legibus, lib. II, cap. 19, n. 8. Vgl. auch De bello, sect. 6, n. 5. De Caritate, d. 13, S. 4, n. 5 (XII, 744): „necesse est, ut [potestas puniendi injurias] sit in supremo principe reipublicae laesae, cui alius subdatur ratione delicti“. S. A. Verdross, FS Schätzel, 1960, S. 505 (507). 119
De bello, sect. 6, n. 5.
120
Vgl. De bello, sect. 6, n. 6. Zum Ganzen: A. Klug, Rechts- und Staatslehre, 1958, S. 142 f. 121
J. Doyle, in: M. Janis/C. Evans (Hg.), Religion and International Law, 1999, S. 103 (111). 122
De legibus, lib. II, cap. 19, n. 5; lib. III, cap. 2, n. 5; lib. III, cap. 4, n. 7; De bello, sect. 6, n. 6; De triplici virtute, tract. I, disp. 9, sect. 6, n. 17 (De fide, lib.
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4. Kapitel
tät des Weltkreises.123 Für beide wie für ihre Hörer und Leser aber war dieses Argument aus dem mittelalterlichen Universalismus heraus vertraut.124 Ähnlich wie bei Vitoria sind bei Suárez die Staaten dem Gemeinwohl der Weltgemeinschaft verpflichtet: Die kriegerische Strafgewalt der Staaten wird in den Dienst des bonum commune gestellt.125 Suárez findet zu einer grundlegenden Unterscheidung zwischen ius gentium intra se und ius gentium inter se, die für die spätere Völkerrechtslehre prägend ist. Obgleich zwischenstaatliches Recht, bleibt das ius gentium inter se inhaltlich der Weltgemeinschaft verpflichtet. Allerdings verschiebt sich gegenüber Vitoria die Begrifflichkeit des ius gentium von einem überstaatlichen Recht des Weltkreises zu einem zwischenstaatlichen Recht.
3. Zwischenfazit Für ein Verständnis des Völkerrechts als Verfassungsordnung im Zeitalter der Globalisierung ist die spätscholastische Vorstellung vom ius gentium als universellem Recht interessant. Bei Vitoria ist es ein Recht des Ausgleichs, das auch den Indios wesentliche Rechtspositionen sichert. Das ius gentium, dessen Status in Auseinandersetzung mit der Überlieferung begründet wird, wendet er auf neue Konflikte zwischen alter und neuer Welt an. Auch im Zeitalter der Globalisierung hängt die Möglichkeit des Rechts, wesentliche Rechtspositionen zu sichern und den Ausgleich der Interessen zu moderieren, nicht zuletzt von der Kreativität der Juristen im Umgang mit der Überlieferung des Normbestandes ab. Das ius gentium ist bei Vitoria nicht nur zwischenstaatliches, sondern auch überstaatliches Recht. Dagegen wird der Begriff des ius gentium von Suárez auf das positive zwischenstaatliche Recht zugespitzt. Im Nebeneinander von Staatenpluralismus und holistischer Weltordnung zeigt sich darin eine Innovation des christlichen Natur-
9, cap. 6, n. 17); H. Rommen, Staatslehre, 1926, S. 288; J. Soder, Suárez und das Völkerrecht, 1973, S. 230. Manche Interpretationen des 20. Jahrhunderts betonen, dass der Weltstaat zumindest nicht Suárez’ System widerspräche: L. Legaz Lacambra, REDI 1 (1948), S. 11 (20); J. Soder, Suárez und das Völkerrecht, 1973, S. 231 m. N.; N. Brieskorn, H. Justenhoven/J. Turner (Hg.), Rethinking the State in the Age of Globalisation, 2003, S. 143 (144, 159 f.). 123 124 125
J. Courtine, Naissance du droit naturel moderne, 1999, S. 153 ff. m. N. J. Brierly, Suárez’s Vision, 1950, S. 364. De bello, sect. 4, n. 3 ff.
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259
rechts gegenüber universalistischen Konzeptionen der Antike. Zugleich offenbart sich ein die internationalen Beziehungen prägendes Spannungsverhältnis. Ein weiteres Problem des christlichen Universalismus ist, dass sich die Differenz zwischen Christenheit und Menschheit stringent nur in der globalen christlichen Missionierung auflösen ließe. An dieser Stelle mag eine Wurzel des Misstrauens gegenüber universalistischen Konzeptionen zu finden sein, denen vorgeworfen wird, dass ihnen eine strukturelle Diskriminierung zugunsten des Westens zugrunde liege.126 Hier trifft die Konstitutionalisierungslehre also bereits ein tradierter Einwand.
4. Rezeption bei Hugo Grotius Jedenfalls soweit es um Vorstellungen zur Völkerrechtsordnung insgesamt geht, gilt Hugo Grotius zu Recht vor allem als Vermittler und Transformator der spanischen Völkerrechtslehre im späten Renaissance-Humanismus.127 Als Autoritäten führt der Protestant vornehmlich die Rechtsüberzeugungen der griechisch-römischen Antike oder der beiden Testamente an.128 Für die Säkularisierung und Modernisierung des Naturrechts steht die berühmte etiamsi daremus-Passage in der Vorrede von De jure belli ac pacis.129 Die nicht religiöse, sondern ontologische Grundlage des Völkerrechts ist die soziale Natur des Menschen.130 Gegenüber den überwölbenden universellen Prinzipien gewinnt die Ableitung aus der Praxis an Bedeutung. Die begriffliche Klarheit, zu der Suárez für das ius gentium gefunden hat, wird bei Grotius nicht fortgeführt. Bei ihm ist das ius gentium weder vom Naturrecht noch vom gemeinsamen Recht der Staaten abgegrenzt.131 Seine Bedeutung gründet sich vor allem darauf, dass er die Vorstellung vom Völkerrecht als einer gegebenen, aber nicht hierarchischen Rechtsord126
Vgl. A. Anghie, Imperialism, Sovereignty and the Making of International Law, 2005, S. 13 ff.; A. von Bogdandy/S. Dellavalle, IILJ WP 2008/3, S. 40. 127
J. Brown Scott, Catholic Conception, 1934, S. 127; H. Hofmann, in: M. 3 Stolleis (Hg.), Staatsdenker, 1995, S. 52 (72); s. zum Einfluss der „Magni Hispani“ auf Grotius auch A. Dufour, in: F. Grunert/K. Seelmann (Hg.), Die Ordnung der Praxis, 2001, S. 351. 128 129 130 131
W. Jaeschke, DZPhil 56 (2008), S. 277 (285). De jure belli ac pacis, Prolegomena, S. 33, ed. cit. De jure belli ac pacis, Prolegomena, S. 33, ed. cit. H. Hofmann, in: M. Stolleis (Hg.), Staatsdenker, 31995, S. 52 (72).
260
4. Kapitel
nung ohne zentralen Souverän aufrechterhält und dabei die internationalen Beziehungen auf der Grundlage der wirkmächtigen Parallelisierung von Individuen und Völkern in ihrer Gesamtheit dem Recht unterordnet.132 Die synoptische Darstellung des Völkerrechts dient auf der Grundlage einer Theorie einer Rechtsgemeinschaft ohne Zentralorgan dem Versuch Grotius’, die globale Gemeinschaft einem Staat anzunähern, in dem das Recht durch rechtliche Verfahren durchgesetzt wird.133 Das Recht systematisiert er als Ordnung von Sanktionen und als gesetzliche Legitimierung und Limitierung von Gewalt.134 Beim Kriegsrecht geht Grotius anders als Vitoria und Suárez nicht von einer den Staaten übergeordneten Instanz aus, in deren Dienst die Staaten gestellt werden.135 Neben der Sorge für ihren Staat obliegt den Königen aber eine allgemeine Sorge für das „menschliche Geschlecht“.136 Nach dem Naturrecht setze die Bestrafungsgewalt zwar eine überlegene Stellung voraus. Zwischen Staaten ergibt sie sich aber schon daraus, dass der Delinquent sich durch sein Delikt unter den anderen Staat stellt. Die Befugnis zur Bestrafung kommt dabei nicht nur dem Verletzten, sondern jedem anderen zu.137 Nach dem Naturrecht sei es jedem Staat nicht nur erlaubt, seine eigenen Rechte durchzusetzen, sondern auch die der anderen Staaten. Insgesamt verdeutlicht der Vergleich von Grotius mit Vitoria und Suárez, warum das grotianische Völkerrechtsverständnis als Alternative zum Realismus und zum kosmopolitischen Universalismus gilt.138
132
S. insb. H. Grotius, De iure belli ac pacis, Prolog., n. 18, 22, ed. cit., S. 18 ff., 19 f.; H. Lauterpacht, BYBIL 23 (1946), S. 1 (19 ff.) m. N.; H. Hofmann, in: M. Stolleis (Hg.), Staatsdenker, 31995, S. 52 (73); C. Weeramantry/N. Berman, Am.U. ILR 14 (1999), S. 1515 (1516 f.). 133 134
W. Schiffer, The Legal Community of Mankind, 1954, S. 37. H. Hofmann, in: M. Stolleis (Hg.), Staatsdenker, 31995, S. 52 (74).
135
So aber die Interpretation von W. Schiffer, The Legal Community of Mankind, 1954, S. 34, s. lib. II, cap. XX, n. 44.1. Das setzt eine wechselseitige Befassung der Staaten mit der Beurteilung des Verhaltens der anderen voraus; ibid., S. 40. 136
De jure belli ac pacis, lib. II, cap. XX, n. 44, ed. cit., S. 357.
137
De jure belli ac pacis, lib. II, cap. XX, n. 3, S. 327; n. 40, ed. cit., S. 354 f.; cap. XXV, n. 1, ed. cit., S. 404. 138 Vgl. H. Bull/B. Kingsbury/A. Roberts (Hg.), Hugo Grotius and International Relations, 1990.
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261
II. Philosophie des Rationalismus Wurzeln der Konstitutionalisierungslehre finden sich auch in der Philosophie des Rationalismus. Als bedeutender Versuch der Konstruktion einer universellen überstaatlichen Ordnung, einer Weltgemeinschaft auf der Grundlage des rationalen Naturrechts, gilt die civitas maxima bei Christian Wolff, auf die sich etwa Hans Kelsen bei der Begründung des Primats der Völkerrechtsordnung bezieht. Die Lehren Christian Wolffs sind beeinflusst von Leibniz (1.).139 Von dessen Civitas dei zieht sich eine Traditionslinie metaphysischer Weltstaatsbegründung zu Wolffs civitas maxima (2.) und zu Kants Weltrepublik nach Tugendgesetzen (B.).140
1. Gottfried Wilhelm Leibniz Leibniz’ (1646-1716) Völkerrechtsverständnis zeigt sich vor allem im ausführlichen Vorwort (Praefatio) des von ihm herausgegebenen Codex juris gentium diplomaticus141 und in seinem Briefwechsel mit dem Abbé Saint-Pierre.142 Grundlage des Naturrechts ist die Civitas dei (a)), das Naturrecht wiederum bildet die Grundlage des ius gentium voluntarium (b)). Weltliches Gegenstück zur Civitas dei ist das Heilige Römische Reich (c)). Leibniz’ hier entwickelter Pragmatismus steht nicht im Widerspruch zu seiner Metaphysik (d)). Obgleich Leibniz an den gewachsenen Strukturen des Heiligen Römischen Reiches festhält und die Ordnung der Staatenwelt bei ihm keine überstaatliche Verfassungs-, sondern allenfalls eine Gleichgewichtsordnung bildet, ist er aufgrund
139
S. Kadelbach, ARSP 71 (1997), S. 178 (182).
140
F. Cheneval, ARSP 85 (1999), S. 563; ders., Philosophie in weltbürgerlicher Bedeutung, 2002. 141
Eine Fortsetzung, die Mantissa codicis juris gentium diplomatici, erschien 1700. Es handelt sich bei den beiden recht heterogen aus Heiratsverträgen, Kriegserklärungen, Manifesten, Friedensverträgen, Waffenstillstandsvereinbarungen u. ä. zusammengesetzten Publikationen um eine der frühesten internationalen Vertrags- und Dokumentensammlungen. Zugleich enthalten sie eine Sammlung des Reichsrechts. Zur zeitgenössischen Rezeption der Urkundensammlung s. R. Otto, Studia Leibnitiana, 35 (2003), S. 162, zu ihren Quellen s. ders., Studia Leibnitiana 36 (2004), S. 147. 142 S. Jean-Jacques Rousseau, Auszug aus dem Plan des Ewigen Friedens des Herrn Abbé de Saint-Pierre, 1713/61.
262
4. Kapitel
seines im Hinblick auf das Reich entwickelten relativen Souveränitätsverständnisses für das moderne Mehrebenendenken anschlussfähig (e)). Als Leibniz’ Antagonist gilt Samuel Pufendorf, der seinerseits für das Reich Überlegungen zu einem permanenten Rat der Gesandten (stabile consilium), zu Konföderationen und zu einem Staatensystem anstellt, in dem auf gewisse Souveränitätsrechte verzichtet wird, der aber die tradierte magna communitas zumindest teilweise verwirft.143
a) Civitas dei Leibniz versteht die Theologie als Teil der Jurisprudenz.144 Auf oberster Stufe einer universalen Rechtsstruktur findet sich die Civitas dei.145 Die Civitas dei oder civitas maxima146 ist bei Leibniz zunächst die von Gott gestiftete, aufrecht erhaltene und regierte Gesellschaft aller vernünftigen Wesen. Dieser voluntaristische Entwurf tritt später hinter eine stärker vergeistigte und moralisierte Konzeption zurück, in der die Vernunft einen universalen Vernunft„staat“ aller geistigen Wesen mit Gott als aufgeklärtem Herrscher konstituiert. Der göttliche Wille bleibt hier zwar in der göttlichen Herrscherfigur präsent,147 geht aber in einer metaphysischen universellen Vernunftordnung auf. Als Beziehungsstruktur der Vernunftwesen ist die Civitas dei immer schon vorhanden, Ausdruck der ewigen Wahrheit des Vernunftrechts.148 Gott als Herrscher des Universums und die Unsterblichkeit der Seelen vorausgesetzt, lasse sich annehmen, die Menschen lebten in der besten aller möglichen Welten.149 Oberstes göttliches Gesetz ist die Ausrich143
Vgl. G Cavallar, DZPhil 53 (2005), S. 49 (59) m. N.
144
De Arte Combinatoria, ed. cit., S. 168, 190; Nova Methodus discendae docendaeque Jurisprudentiae, ed. cit., S. 294; vgl. F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 61; W. Schneiders, Studia Leibnitiana 9 (1977), S. 1 (7, 18); H. Welzel, 4 Naturrecht, 1962, S. 146. 145
Vom Naturrecht, ed. cit., S. 414 ff.
146
Leibniz verwendet synonym zu Civitas dei die Bezeichnung Civitas maxima, vgl. F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 71 m. N. 147
Discours de métaphysique, § 35, ed. cit., S. 80, § 36, ed. cit., S. 90.
148
CJGD, Praefatio, ed. cit., S. 63; vgl. F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 63 ff., 72. An anderer Stelle ist indes auch von der respublica optima als von Menschen zu errichtendem Weltstaat (AA, VI, 1, S. 445) und auch als bloß regulativer Idee die Rede, vgl. W. Schneiders, Studia Leibnitiana 9 (1977), S. 1 (8, 11). 149
CJGD, Praefatio, ed. cit., S. 63.
Wurzeln in Naturrecht und Aufklärung
263
tung der Gesellschaft auf das höchste Glück der Menschen:150 Gerechtigkeit ist die „Liebe des Weisen“,151 Liebe wiederum bedeutet, das Glück des anderen in sein eigenes zu verwandeln.152 Leibniz’ Glücksbegriff zielt auf eine unendliche Serie von Satisfaktionen.153 Das Spannungsverhältnis, das zwischen diesem progressiven Glücksbegriff und der metaphysischen Lehre von der bestmöglichen Welt entsteht, wird Kant dahin auflösen, dass die beste Welt nicht als aktuelle, sondern als zu schaffende menschliche Rechtsgemeinschaft gedacht werden muss.
b) Natur- und Völkerrecht Leibniz’ Lehre von der Civitas dei ist das notwendige philosophische Fundament seines Naturrechts als Normensystem, weil die Natur allein aufgrund ihrer Vergänglichkeit keine absolute Norm des Rechts bilden könne.154 Das Naturrecht enthält die Grundprinzipien des Rechts überhaupt. Leibniz bringt es in einen direkten Begründungszusammenhang mit der christlichen Offenbarung.155 Er unterscheidet nicht zwischen Naturrecht und Moral,156 wohl aber differenziert er zwischen dem auf der rationalen Struktur der Welt beruhenden Natur- und Völkerrecht einerseits und dem ius voluntarium (ius civile und ius gentium voluntarium) andererseits. Zwar ist Grundlage des gesamten ius voluntarium das Naturrecht.157 Dennoch beruht es auf Gewohnheit oder Setzung durch eine übergeordnete Autorität. Das ius gentium voluntarium als außerstaatliches Recht wurzelt im stillschweigender Konsens der 150
Discours de métaphysique, § 36, ed. cit., S. 92.
151
„[J]ustitia est caritas sapientis“; vgl. W. Schneiders, ZfPhF 20 (1966) S. 607 (625 ff.); E. Wolf, in: W. Totok (Hg.), Leibniz, 1966, S. 465 (468 ff.); K. Huber, Leibniz, 1951, S. 41; P. Riley, Leibniz’ Universal Jurisprudence, 1996, S. 141 ff. 152
CJGD, Praefatio, ed. cit., S. 61.
153
Zum Leibnizschen Glücksbegriff A. Heinekamp, Das Glück als höchstes Gut in Leibniz’ Philosophie, m. w. N. s. dort insb. S. 118. 154
Brief an Placcius v. 25.6.1695, zit. v. F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 75.
155
CJGD, Praefatio, ed. cit., S. 63; vgl. F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 90; W. Schneiders, ZfPhF 20 (1966), S. 607, 640; H.-P. Schneider, Justitia Universalis, 1967, passim. 156
J. W. Jones, BYBIL 22 (1945), S. 5; K. Kausch, Christian Freiherr von Wolff, 1929, S. 36; W. Schneiders, ZfPhF 20 (1966), S. 607 (611). 157 CJGD, Praefatio, ed. cit., 74: „Basis igitur juris faecialis inter Gentes ipsum naturae jus est“.
264
4. Kapitel
Fürsten.158 Völkerrechtliche Verträge wie Leibniz sie im Codex juris gentium diplomaticus zusammenstellt, treten nun unter freien Völkern „an die Stelle der Gesetze“. Außerdem dienen sie ander-en, nicht unmittelbar durch sie gebundenen Völkern als Muster und können als Präzedenzfall normgebend wirken.159 Für Leibniz hat das Völkerrecht grundsätzlich privatrechtlichen Charakter, besondere völkerrechtliche Normen können aber dem öffentlichen Recht zuzuordnen sein. Diese Einordnung beruht auf einer Abgrenzung von Privatrecht und öffentlichem Recht nach den Grundsätzen der sogenannten Interessentheorie.160 Völkerrechtliche Beziehungen zwischen den Staaten seien demgemäß grundsätzlich nach den Regeln des Privatrechts zu beurteilen, weil im Verkehr zwischen Völkern jeder Staat im Verhältnis zum anderen ein Individualinteresse verfolge. Nähmen mehrere Staaten allerdings Rechtshandlungen vor, die über das Individualinteresse hinaus gleichzeitig auch unmittelbar einem gemeinsamen öffentlichen Interesse dienen sollten, so gehörten diese Rechtshandlungen sowohl dem privaten wie dem öffentlichen Recht an.161 Diese Unterscheidung bietet Vertretern der Konstitutionalisierungslehre einen Anknüpfungspunkt, die für ‚gemeinschaftliche‘ Völkerrechtsnormen einen besonderen Status reklamieren.
c) Civitas dei und Heiliges Römisches Reich Die begrifflich klare Trennung zwischen ius civile als innerstaatlichem und ius gentium voluntarium als außerstaatlichem Recht kann Leibniz letztlich nicht konsequent durchhalten, weil in den Strukturen des Heiligen Römischen Reiches die Grenze zwischen dem innerstaatlichen und dem außerstaatlichen Recht nur schwer zu bestimmen ist. Der Staat ist unum per accidens.162 Als Völkerrechtssubjekte kommen für Leibniz auch Souveräne in Betracht, die innerhalb des Staates eine höhere Autorität anerkennen müssen. Im Vorwort zum Codex juris gentium diplo158
CJGD, Praefatio, ed. cit., S. 63 f.
159
Excerpta ex epistola VI. calendarium martii 1693, IV, 5, N. 3, 30; vgl. G. Hartmann, FS von Jhering, 1892, S. 1 (61). 160
Praefatio tabulae juris, ed. cit., S. 782. Zur Interessentheorie s. H. Wolff/ O. Bachof/R. Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 1, 121999, § 22 Rn. 24. 161
De Legum rationibus inquirendis, Titulus I. De Justitia et Jure, ed. cit., S. 2780. 162
Brief an Arnauld v. 28.11./8.12.1686, ed. cit., S. 76.
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maticus kommt ein relativer und teilbarer Souveränitätsbegriff zum Ausdruck.163 Leibniz’ politisch-religiöses Ideal ist ein alle christlichen Staaten umfassendes irdisches Universalreich als irdisches Pendant zum metaphysischen Gottesstaat. In diesem christlichen Weltstaat ist die gesamte Christenheit durch die Bande der conscientia und reverentia, aber auch der vis zusammengefasst.164 Der universelle Gottesstaat ist der Idealtypus der aufgeklärten absolutistischen Monarchie, weil in seinem Zentrum der Wille und die Vernunft des vollkommenen Gottes stehen. Als irdisches Gegenstück dazu hat auch die christliche Weltrepublik einen monarchisch-hierarchischen und autoritären Charakter.165 Nichtsdestotrotz ist die weltliche Autorität der christlichen Religion verpflichtet, die die Ausübung der Staatsgewalt beschränkt.166 Leibniz gibt damit die philosophische Begründung für eine Politik des christlichen Universalismus, wie er im zeitgenössischen Heiligen Römischen Reich einen freilich auch für ihn selbst unvollkommenen Ausdruck findet. Das Heilige Römische Reich ist für Leibniz „die Enklave der Civitas dei in dieser Welt“.167 In Anknüpfung an die mittelalterliche Stellvertreterlehre 163
CJGD, Praefatio, ed. cit., S. 74 f.; Entretien de Philarete et d’Eugene, ed. cit., S. 299 sowie E. Cassirer, Natur- und Völkerrecht, 1919, S. 206; G. Hartmann, FS von Jhering, 1892, S. 1 (56 f.); P. Riley, Introduction, in: Leibniz, Political Writings, 1988, S. 1 (2, 27); J. W. Jones, BYBIL 22 (1945), S. 1 (4); H.-P. Schneider, in: A. Heinekamp u. a. (Hg.), Leibniz und Europa, 1993, S. 139 (149); A. Robinet, Majesté et souveraineté, 1994, S. 631 f.; J. Nijman, IILJ WP 2004/2. Mit dem Problem der Souveränität befaßt sich vor allem die unter dem Pseudonyom Caesarinus Fürstenerius veröffentlichte Schrift „De jure suprematus ac legationum principum Germaniae“ von 1677. Ziel der im Dienst des Hauses Braunschweig-Lüneburg verfassten Schrift war es zu zeigen, dass deutsche Fürsten der großen deutschen fürstlichen Häuser genauso souverän seien wie die Könige von Frankreich und Spanien. 164
De jure suprematus ac legationum principum Germaniae, ed. cit., S. 18. S. dazu E. Ruck, Die Leibniz’sche Staatsidee, 1909, S. 34. 165
F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 65, 73; W. Schneiders, Studia Leibnitiana 9 (1977), S. 1 (24). 166 Vgl. De jure suprematus ac legationum principum Germaniae, ed. cit., S. 126 ff., S. 132 ff. 167
S. etwa Observations sur le Projet de paix perpétuelle; F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 112 f., 125 (Zitat auf S. 113); J. Nijman, IILJ WP 2004/2, S. 44; vgl. H.-P. Schneider, in: M. Stolleis (Hg.), Staatsdenker in der frühen Neuzeit, 3 1995, S. 197 (200); H. Stehle, in: A. Heinekamp u. a. (Hg.), Leibniz und Europa, 1993, S. 11 (31); anders W. Schneiders, Studia Leibnitiana 9 (1977), S. 1 (7,
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4. Kapitel
sieht Leibniz in christlicher Kirche und Reich von Papst und Kaiser in klar getrennter Kompetenz verwaltete Reichsvikariate der Civitas dei.168 Der Universalismus der Kirche gilt in der Leibnizschen Verschränkung von Ekklesiologie und Reichslehre auch für das Reich.169 Allerdings knüpft sich an das Reich als Stellvertreterstaat der Civitas dei nur mittelbar ein universeller Anspruch. Wahrhaft universell ist nur der transzendentale Gottesstaat. Auf das Reich wird dieser Anspruch übertragen, weil sich dessen Legitimität letztlich nur aus seiner Funktion als weltlicher Stellvertreter für die Civitas dei ableitet.170 Weltimmanent bedeutet dieser Anspruch für Leibniz eine gewisse Vorherrschaft des Heiligen Römischen Reiches in Europa und über den Rest der Welt sowie eine besondere Stellung im Kampf gegen die ‚Ungläubigen‘.171 Leibniz hält somit an einer auf der christlichen Offenbarung basierenden Rechtsstruktur fest, die nicht wirklich universell ist172 und die der respublica christiana innerhalb der Völkerrechtsgemeinschaft eine spezielle Stellung einräumt.173
25), demzufolge Leibniz sich gehütet hätte, die Norm der res publica optima im Sinne der Civitas dei in irgendeinen ausdrücklichen und direkten Bezug zur geschichtlichen Wirklichkeit zu setzen. 168 De jure suprematus ac legationum principum Germaniae, ed. cit., S. 126 f. Vgl. F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 104; P. Riley, Introduction, in: Leibniz, Political Writings, 1988, S. 1 (2) bezeichnet Leibniz’ Vorstellung anschaulich als „rationalized medieval system“; W. Schneiders, Studia Leibnitiana 9 (1977), S. 1 (21). 169 170
De jure suprematus ac legationum principum Germaniae, ed. cit., S. 15 f. Vgl. F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 197.
171
De jure suprematus ac legationum principum Germaniae, ed. cit., S. 16; vgl. F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 124; A. Robinet, Majesté et souveraineté, 1994, S. 632. Damit setzt er sich dem Vorwurf eines unterschwelligen europäischen Imperialismus aus, vgl. F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 127. 172 Die Idee einer geeinten Christenheit besteht für Leibniz auch nach der Reformation weiter. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang v. a. der Briefwechsel mit Bossuet; J. Zenz-Kaplan, Naturrecht, 1995, S. 91 ff.; F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 95 f.; P. Riley, Introduction, in: Leibniz, Political Writings, 1988, S. 1. 173
CJGD, Praefatio, ed. cit., S. 64 f.
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d) Ewiger Frieden und prästabilierte Harmonie Wenn es heißt, Leibniz habe sich vornehmlich der Aufgabe der Analyse und nicht der Synthese internationaler Ordnung gewidmet,174 so ist daran richtig, dass er sich nicht für das abstrakte Konstrukt eines europäischen Staates oder gar eines Weltstaates einsetzen, sondern den Frieden und das Gemeinwohl vielmehr durch die Vorherrschaft des Reiches befördern wollte. Leibniz ist kein Utopist.175 Der ewige Friede in einem weltumfassenden Staat erscheint ihm als unerreichbares Ziel.176 Mit dem Codex juris gentium diplomaticus verfolgt Leibniz das Ziel der Abwehr französischer Ansprüche auf das Reich und stützt sich dabei nicht auf Metaphysik, sondern auf positives Recht, auf Verträge und Garantien.177 Das Reich, obgleich Enklave der Civitas dei in der Welt, ist aber bei Leibniz nicht das Modell einer universellen Friedensordnung. Leibniz verfasste keine Schrift zur philosophischen Begründung eines Friedens für alle Zeiten durch eine Weltverfassung, bei ihm sorgt das ius gentium vielmehr nur für eine gewisse Humanisierung des Krieges.178 Das Projet pour rendre la paix perpétuelle en Europe des Abbé SaintPierre179 lehnt er als bloße Fiktion ab.180 Mit der metaphysischen Vor174
P. Schrecker, Amerikanische Rundschau 3 (1947), S. 114 (119).
175
Zur Verknüpfung von politischem Realismus und Naturrecht bei Leibniz s. J. Nijman, IILJ WP 2004/2, S. 5. 176 177
CJGD, Praefatio, ed. cit., S. 50 f. P. Riley, Introduction, in: Leibniz, Political Writings, 1988, S. 1 (32).
178
C. Roldán, Leibniz’ Einstellung zum Projekt des ewigen Friedens, 1994, S. 249. Die Grundhaltung Leibniz’ wurde – und wird – teilweise auch optimistischer eingeschätzt, vgl. nur die im von der Gottfried-Wilhelm-LeibnizGesellschaft herausgegebenen zweibändigen Tagungsband „Leibniz und Europa: VI. Internationaler Leibniz-Kongreß“, Hannover 1994 versammelten Beiträge. 179
S. J.-J. Rousseau, Auszug aus dem Plan des Ewigen Friedens des Herrn Abbé de Saint-Pierre, 1713/61. 180
Brief an De Grimarest v. 4.6.1712; Observations sur le Projet de paix perpétuelle, ed. cit.; Brief an Rémond v. 27.1.1715; Brief an Varignon v. 7.2.1715; Brief an Saint-Pierre v. 2.10.1716; Brief an Saint-Pierre v. 19.10.1716; Brief an Widow v. 30.10.1716. Anders C. Roldán, Leibniz’ Einstellung zum Projekt des ewigen Friedens, 1994, S. 250: Leibniz werfe Saint-Pierre vor, das Heilige Römische Reich wieder auferstehen zu lassen. Roldán beruft sich für diese These auf den Brief an Widow v. 30.10.1716 und an De Grimarest v. 4.6.1712. An beiden Stellen scheint es Leibniz aber vielmehr darum zu gehen, das Utopische an Saint-Pierres Projekt zu unterstreichen, als sich vom Reichsgedanken zu distan-
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4. Kapitel
stellung von der besten aller Welten stoßen sich diese skeptische Haltung gegenüber einem Projekt des ewigen Friedens und die Billigung des Krieges als Mittel der Politik nur vordergründig. Leibniz’ Metaphysik ist eine Dynamik eigen, die sich mit der Ausschaltung des Krieges nur schwer verbinden lässt.181 Zentral für seine Philosophie ist die sogenannte Monadenlehre und die Annahme einer prästabilierten Harmonie. Eine Monade ist dabei im System der prästabilierten Harmonie eine dynamische Einheit von Substantialität und Strukturalität. Zwischen Substanz und Struktur besteht eine Dialektik der Wechselwirkungen.182 In dieser Vorstellung ist wahre Einheit durch Vielfalt gekennzeichnet, gehört Chaos als potentieller Widerpart von Ordnung grundsätzlich zum pluralen Universum. In der von Gott eingerichteten bestmöglichen Welt impliziert die erwünschte Vervollkommnung der Monaden zugleich ein Konkurrenzverhältnis zwischen ihnen und ist mit Unruhe verbunden.183 Überträgt man diese Annahmen auf das Staatengefüge, so erscheint es als fortwährend pulsierende Staatenwelt.184 Endziel bleibt zwar die pax universalis christiana, doch kann diese aufgrund der Unvollkommenheit des Menschen keine universelle Einheit im Sinne eines Weltstaates bedeuten.185 Der ewige Frieden ist daher für Leibniz allenfalls als Gleichgewicht der Mächte denkbar.186 Bezeichnend für seine Vorstellung von Ordnungstiftung mit den Mitteln des Krieges ist sein Plan, die von Ludwig XIV. ausgehende französische Aggression auf Ägypten
zieren. Als praktische Alternative zu Saint-Pierres Projekt schlägt Leibniz auch eine zentrale europäische Bank vor, um den Frieden mit monetären Mitteln zu befördern, s. Brief an Saint-Pierre v. 4.4.1715, ed. cit., S. 57. 181
V. Valentin, Geschichte des Völkerbundgedankens, 1920, S. 13.
182
Monadologie, §§ 9 f.; s. zur Monadenlehre auch P. Riley, Leibniz’ Universal Jurisprudence, 1996, S. 51 ff. 183
Confessio philosophi. Vgl. J. Merle, in: O. Höffe (Hg.), Immanuel Kant: 2 Zum ewigen Frieden, 2004, S. 31 (41). 184
P. Nitschke, in: J. Bellers (Hg.), Klassische Staatsentwürfe, 1996, S. 89 (100); ders., Leibniz und das Modell eines (europäischen) Sacrum imperium, 1994, S. 534 (537 f.). 185 186
Vgl. J. Zenz-Kaplan, Naturrecht, 1995, S. 113, 121.
A. Truyol y Serra, Leibniz et l’Europe, 1991, S. 333 f. In der LeibnizInterpretation ist streitig, ob die Gleichgewichtsvorstellung über eine bloße Ablehnung jeder Hegemonie hinausgeht oder lediglich ein Zugeständnis an einen englischen Briefadressaten ist, vgl. F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 110 m. N.
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umzulenken, der sich durchaus nicht als egoistisch im Sinne der Wahrung speziell europäischer und deutscher Interessen versteht187 und der als „großartigste[s] Beispiel eines weltpolitischen Traktats“ gerühmt wurde.188 Seine Jugendschrift De Arte Combinatoria189 zeugt von Leibniz’ Versuchen, eine strenge Methode zu finden, um auf vernünftige Weise Konflikte aller Art zu lösen. In ihr strebte er den Beweis der Lösungen von politischen Fragen seiner Zeit mit der geometrischen Methode an.190 Leibniz verteidigt die historisch gewachsenen internationalen Beziehungen auf der Grundlage des Heiligen Römischen Reiches gegen das davon losgelöste abstrakte Vernunftkriterium des Vertrages.191 Auf der Grundlage des Reiches, das in Verbindung mit der Kirche über Europa und den Rest der Welt einen geistigen und politisch-militärischen Führungsanspruch erhebt, entwickelte er eine Alternative zum unitarischen Weltstaat.192 Über den fortgesetzten Machtkämpfen der Nationen sollte die Harmonie einer europäischen Kulturgemeinschaft stehen, die mittels der Wissenschaft auch in andere fremde Länder getragen werden sollte.193 Ein absolutistischer Staat im Sinne Hobbes’ ist für Leibniz nur in seiner theologischen Maximierung als universeller Gottesstaat angemessen, weil nur Gott die Vollkommenheit besitzt, die der absolute Herrscher haben muss.194 187
Consilium Aegyptiacum, 1670-1672; AA, IV, 1, S. 215 – dt. Ausgabe: hg. v. Onno Klopp, Hannover 1864. 188
H. Gollwitzer, Geschichte des weltpolitischen Denkens, Bd. 1, 1972, S.
184. 189
De Arte Combinatoria, ed. cit., S. 163.
190
A. Giuculescu, Der Friedensgedanke bei Kant und bei Leibniz, 1994, S. 261 (262). 191
De jure suprematus ac legationum principum Germaniae, ed. cit., 1677, S. 15 f.; Rezension von: Discursus de Suprematu adversus Caesarinum Fürstenerium, 1687, ed. cit., S. 412; F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 121, 198 f. 192
S. Fn. 171.
193
In diesem Zusammenhang sind auch Leibniz’ Vorschläge zur Gründung internationaler wissenschaftlicher Akademien zu sehen. S. C. Roldán, Leibniz’ Einstellung zum Projekt des ewigen Friedens, 1994, S. 251; H. Stehle, in: A. Heinekamp u. a. (Hg.), Leibniz und Europa, 1993, S. 11 (25); J. Zenz-Kaplan, Naturrecht, 1995, S. 110 ff. 194 De jure suprematus ac legationum principum Germaniae, ed. cit., S. 60; CJGD, Praefatio, ed. cit., S. 65.
270
4. Kapitel
e) Einordnung Leibniz entwickelt bemerkenswert pragmatische Vorstellungen zur Weltpolitik, nicht die Idee einer Weltverfassung.195 Ein Missverständnis wäre es, ihn dahin zu verstehen, dass der Föderalismus, wie er in der Reichsidee Ausdruck findet, bei ihm ein Verfassungsprinzip für Europa oder gar für eine darüber hinaus reichende Ordnung bildet.196 Der Weltstaat bleibt rein metaphysisch, der wirkliche Universalismus ist transzendental.197 Dennoch lässt sich in Leibniz’ auf das Heilige Römische Reich bezogenen Vorstellungen einer geteilten Souveränität eine Wurzel des Mehrebenendenkens moderner Konstitutionalisten sehen. Im Hinblick auf Wolff und Kant hat die Leibnizsche Lehre von der Civitas dei eine wichtige Bedeutung als Konzeption eines weltstaatlichen Reiches der Moral und des Rechts, dem der Mensch als Vernunftwesen angehört. Leibniz hat wie keiner vor ihm die universellen Implikationen des modernen Rationalismus herausgearbeitet. Er hat aber die Bürger der Vernunftrepublik Gott als dem höchsten vernünftigen Wesen und aufgeklärtesten aller Universalmonarchen unterworfen. Im Werk Leibniz deuten sich zwei Entwicklungslinien an: Einerseits die Konzentration auf die naturrechtliche Vernunftbegründung des Völkerrechts, das etwa bei Christian Wolff als ius gentium necessarium und voluntarium exponiert wird, andererseits das zunehmende Verständnis des Völkerrechts als positives Recht.198 Über den Einfluss, den Leibniz
195
S. auch E. Naert, La pensée politique de Leibniz, 1964, S. 71. Dagegen befindet es Cheneval für „nicht notwendig“, ja „sogar inadäquat“, zwischen politischem Internationalismus und kulturellem oder religiösem Kosmopolitismus zu unterscheiden, weil die Naturrechtslehre einen rechtlichen Kosmopolitismus begründe, der ganz offensichtliche politische Konsequenzen habe (F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 123). Indes scheint diese Trennung im disparaten Werk Leibniz’ vorgezeichnet. 196
Dazu tendiert P. Nitschke, Leibniz und das Modell eines (europäischen) Sacrum imperium, 1994, S. 534. Diese These könnte an ein Zitat in den „Observations sur le Projet de paix perpétuelle“, ed. cit., S. 38, anknüpfen: „Je trouve que M. l’Abbé de S. Pierre a raison de considérer l’Empire comme un modèle de la Société Chrestienne.“ Dieses Zugeständnis an Saint-Pierre darf jedoch nicht über Leibniz’ grundlegende Einwände gegen sein Projekt hinwegtäuschen (s. o., S. 269). 197 198
Vgl. auch E. Naert, La pensée politique de Leibniz, 1964, S. 73.
S. etwa J. J. Moser, Grund-Sätze des jetzt-üblichen europäischen VölckerRechts in Fridens-Zeiten, 1750; ders., Versuch des neuesten europäischen Völ-
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auf Wolff ausübte, erschließt sich seine Bedeutung für eine Vorstellung vom Völkerrecht als Verfassungsordnung.
2. Christian Wolff In der Völkerrechtsliteratur und der Wissenschaft von den internationalen Beziehungen wird aus idealistischer wie realistischer Perspektive die Figur der civitas maxima immer wieder in Bezug genommen199 und auch als Verfassung eines internationalen Gemeinwesens bezeichnet200 oder mit der Generalversammlung der Vereinten Nationen in Verbindung gebracht.201 Sie ist zwar nicht allein auf Christian Wolff (16791754) zurückzuführen,202 hat bei ihm aber eine detaillierte Ausgestaltung erfahren. Wolff entfaltet in seiner Philosophia practica universalis eine universelle Normenwissenschaft, die Recht und Moral vereint.203 In dem Buch Ius gentium methodo scientifica pertractatum, das in erster Auflage 1749 in Ergänzung seines achtbändigen Ius naturae erschien, entwickelt er die Konstruktion der civitas maxima. Ihre Darstellung an dieser Stelle lässt ihre Funktion nicht eben als sehr klar und verständlich erscheinen. Deshalb bedarf sie einer näheren Erläuterung (a)). Sie ist zwar wohl durch die Notwendigkeit motiviert, in einem rationalistiker-Rechts in Friedens- und Kriegs-Zeiten, 10 Bde., 1777 ff.; vgl. W. Jaeschke, DZPhil 56 (2008), S. 277 (284). 199
B. Paradisi, Civitas Maxima: Studi di storia del diritto internazionale, 2 Bde., 1974; G. Schwarzenberger, Civitas maxima?, 1973. Zur Rezeption der civitas maxima in vergangenen Jahrhunderten s. K. Kausch, Christian Freiherr von Wolff, 1929, S. 39 ff.; K. Prigge, Civitas maxima, 1954. Nur in japanischer Sprache erschienen und daher dem Verfasser leider unzugänglich ist die Dissertation von Masaharu Yanagihara, Christian Wolffs Völkerrechtstheorie (übersetzter Titel), Tokio 1998. 200
F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 133; A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 144. 201
A. Verdross/H. Koeck, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Structure and Process, 1983, S. 17 (37). 202
S. nur oben, Fn. 146. Zu ihren Grundlagen im stoischen Weltstaat, in der societas christiana, der societas humana der Spätscholastik und der magna universitas Hugo Grotius’ s. W. Dzialas, Christian Wolffs Völkerrechtstheorie, 1956, S. 44 ff. 203
PPU, I, Praefatio. Vgl. F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 137 f.; K. Prigge, Civitas maxima, 1954, S. 15; s. auch schon die Kritik von D. von Ompteda, Literatur des Völkerrechts, 1785, § 95, S. 328.
272
4. Kapitel
schen Gedankengebäude eine Lücke zu schließen, bildet aber die Geltungsgrundlage für das ius gentium voluntarium (b)).204 Außerdem ist sie völkerrechtstheoretisch von Bedeutung, weil mit ihr die Figur des Quasi-Vertrages zur Legitimationsgrundlage für eine Weltverfassung gemacht wird (c)). Die Bedeutung ihrer fiktiven quasi-vertraglichen Grundlage erschließt sich aus den relevanten Passagen des Ius gentium, der Prefatio sowie den §§ 8-22 und 25 der Prolegomena, aber auch unter Heranziehung anderer Textstellen.205 Auf der Grundlage eines entsprechenden Verfassungsbegriffs lässt sich die civitas maxima als Weltverfassung deuten (d)). Sie ist damit für die Konstitutionalisierungslehre anschlussfähig (e)), auch wenn die Rezeption Wolffs vor allem durch die Umdeutung geprägt ist, die er durch Vattel erfahren hat (f)).
a) Die civitas maxima aa) Civitas maxima und Naturrecht Die Theorie von der civitas maxima ist Teil von Wolffs Völkerrechtslehre.206 Ius gentium necessarium sive naturale207 und ius naturae sind aus der Natur des Menschen ableitbar.208 Wolff übernimmt die aristotelische Vorstellung von den Stufen natürlicher Vergesellschaftung.209 Auf der Ebene der natürlichen Gemeinschaft aller Menschen ist die civitas maxima angesiedelt, das superlativische Epitheton maxima bezieht sich
204
JG, Prol., Anm. § 13; vgl. die Bewertungen bei E. Reibstein, Völkerrecht I, 1957, S. 505; ders., ZaöRV 15 (1953/54), S. 76 (101); D. von Ompteda, Literatur des Völkerrechts, 1785, S. 324; positiv gewendet bei K. Prigge, Civitas maxima, 1954, S. 42; H.-M. Bachmann, in: W. Schneiders (Hg.), Christian Wolff 1679-1754, 21986, S. 161 (168). 205
In § 1090 der Institutiones Juris Naturae et Gentium, einer 1750 erschienenen Zusammenfassung der groß angelegten neun Bände zum Natur- und Völkerrecht, wird die civitas maxima kurz dargestellt. 206
Zur Anknüpfung Wolffs bei Grotius s. die Vermutung bei D. von Ompteda, Literatur des Völkerrechts, 1785, S. 326. 207 208 209
JG, Prol., §§ 3 f.; ders., Inst., § 1088. JG, Prol., Anm. § 5.
H.-M. Bachmann, Die naturrechtliche Staatslehre Christian Wolffs, 1977, S. 120. Dieser Stufenbau findet sich in der Neuzeit auch bei Bodin, Althusius, Grotius und Pufendorf, s. O. von Gierke, Althusius, 1902, S. 21; E. Wolf, Große 4 Rechtsdenker, 1963, S. 279, 285 m. N.
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auf die größtmögliche Zahl von Menschen, die sie umfasst.210 Grundlage der Konstruktion der civitas maxima ist aber eine Gesellschaft der Staaten oder Nationen als moralischen Personen, so dass sie keinen homogenen Weltstaat bildet, der für die Einzelstaaten den Verzicht auf ihr Existenzrecht bedeutet,211 sondern einen Staatenstaat, eine Assoziation von Assoziationen.212 Die civitas maxima ist civitas, im Gegensatz zur bloßen societas.213 In der noch von Wolff autorisierten214 deutschen Übersetzung der Institutiones Juris Naturae et Gentium wird sie als der „grösseste Staat“ bezeichnet.215 Staatscharakter kommt nach der wolffschen Staatsdefinition Gemeinschaften zu, die allgemeine Ziele wie Sicherheit und materielle Wohlfahrt anstreben und dabei spezielle zwangsbewehrte Mittel einsetzen.216 Legt man diesen funktionalen Staatsbegriff zugrunde, sind die Staatlichkeit der civitas maxima und der Einzelstaaten keine Alternativen. Vielmehr kommt im Sinne einer geteilten Souveränität217 sowohl der civitas maxima als auch den Einzelstaaten Staatscharakter zu.218 In Parallele zur staatlichen Zwangsgewalt 210 211
JG, Prol., Anm. § 10. So aber O. Höffe, IZPh 2 (1997), S. 218 (224) in einer Nebenbemerkung.
212
JG, Prol., § 10, ed. cit., S. 13; vgl. F. Cheneval, ARSP 85 (1999), S. 563 (565); E. Reibsein, Völkerrecht I, 1957, S. 503; N. Onuf, Republican Legacy, 1998, S. 74 f. 213 JG, Prol., § 9; Inst. IV, I, § 1090. Anders N. Onuf, AJIL 88 (1994), S. 280 (285) (“Wolff’s text has us shuttling between societas and civitas, …”), der allerdings auch mit den Überschriften argumentiert, die nur in der englischen Übersetzung der Classics-Ausgabe, nicht in der photographischen Reproduktion der Ausgabe von 1764 abgedruckt sind. An Onufs Aussage ist richtig, dass bei Wolff die Verwendung der Begriffe societas und civitas nicht konsequent reflektiert ist. 214
K. Prigge, Civitas maxima, 1954, S. 11 mit Fn. 13.
215
Grundsätze, § 1090, ed. cit., S. 796. Joseph H. Drake übersetzt in der englischen Ausgabe der Reihe Classics of International Law mit „supreme state“. Zu weiteren Übersetzungsvorschlägen s. N. Onuf, Republican Legacy, 1998, S. 60 f. 216
JN, VIII, 1, §§ 4, 14; JG, Prol., § 9.
217
JG, Prol., §§ 13, 15; Inst., § 1090. Vgl. F. Cheneval, ARSP 85 (1999), S. 563 (565); K. Prigge, Civitas maxima, 1954, S. 36 f. 218
Anders N. Onuf, AJIL 88 (1994), S. 280 (292) – Übersetzung mit „Republik“/„republic“ oder „common wealth“; vgl. dazu F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 136 mit Fn. 225.
274
4. Kapitel
gegenüber dem Einzelnen besitzt die civitas maxima Zwangsgewalt gegenüber den einzelnen Nationen.219 Ebenso wie die staatliche Zwangsgewalt durch das Gemeinwohl beschränkt wird, ist auch die fiktive Zwangsgewalt der Gesamtheit der Nationen in der civitas maxima dem Zweck der civitas maxima verpflichtet.220 Grundlage der Vergesellschaftung ist die natürliche Vollkommenheitspflicht des Einzelmenschen,221 die Wolff von Leibniz übernimmt.222 Da die Vollkommenheit des Einzelnen lediglich Teil einer umfassenden Vollkommenheit aller Dinge sein kann, begründet die „oberste Wertnorm“223 der Vollkommenheitspflicht das Gebot, vertraglich Gesellschaften zu stiften.224 Erfüllt ist das Gebot erst, wenn in einem optimierten Vollkommenheitsstreben alle zweckrelevanten Handlungen aller Menschen und Gesellschaften in einer organisierten Weltgesellschaft miteinander koordiniert sind.225 Für Wolff impliziert die Vollkommenheitspflicht, dass nicht nur einzelne, partikulare Interessengemeinschaften gebildet werden, sondern dass von Natur aus eine Menschheitsgemeinschaft (societas magna) besteht.226 Weil die Vollkommenheitspflicht mit der historischen Staatenbildung nicht erfüllt ist, gilt sie nach Wolff
219 220
JG, Prol., § 13. JG, Prol., § 14 und Anm.
221
Inst., § 43. Zur natürlichen Vollkommenheitspflicht des Menschen bei Wolff s. W. Dzialas, Christian Wolffs Völkerrechtstheorie, 1956, S. 4 ff., 17 ff.; H.-M. Bachmann, Die naturrechtliche Staatslehre Christian Wolffs, 1977, S. 78, 2 118 ff.; ders., in: W. Schneiders (Hg.), Christian Wolff 1679-1754, 1986, S. 161 (161 f.); C. Schwaiger, Das Problem des Glücks, 1995, S. 95 ff. 222
A. Verdross/H. Koeck, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Structure and Process, 1983, S. 17 (35). Zu Wolff als Fortsetzer Pufendorfs s. dagegen A. Pagden, Constellations 7 (2000), S. 3 (12). 223
H.-M. Bachmann, Die naturrechtliche Staatslehre Christian Wolffs, 1977,
S. 79. 224
JN, VII, § 138. Zur Vervollkommnungspflicht als Grundlage für die Verpflichtung zur Unterstützung der Entwicklungsländer vgl. A. Verdross/H. Koeck, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Structure and Process, 1983, S. 17 (37). 225 226
PPU, II, § 72. JN, VII, § 142.
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auch für Völker und Staaten227 und ist damit ontologisch-naturteleologisches Fundament auch der civitas maxima.228 Das ius gentium necessarium erschöpft sich aber nicht in der Gesellschaftspflicht der Staaten. Der civitas maxima gehen vielmehr noch weitere naturrechtliche, an Staaten gerichtete Normen voraus, die Rechtsgleichheit der Staaten und die Gleichheit ihrer Pflichten229 sowie das Recht der civitas maxima zur Gewaltanwendung gegenüber Einzelstaaten.230 Insgesamt aber beschränkt sich das natürliche Völkerrecht auf einige wenige Grundsätze231 und hat vor allem die Funktion der Begründung seiner eigenen positivrechtlichen Überwindung.232 In seinem Zentrum steht also ein naturrechtliches Gebot des exeundum est e statu naturali. Daran knüpft sich die Deutung Kelsens, die naturrechtliche Grundlegung des Völkerrechts beschränke sich bei Wolff darauf, als juristische Hypothese oder Fiktion im Bereich des Rechts eine durch positive Satzung fortzubildende, inhaltlich zu erfüllende Rechtsordnung zwischen koordinierten Subjekten zu setzen.233 Auf der Grundlage dieses Verständnisses bietet Wolff eine Anknüpfungsmöglichkeit für eine Konstitutionalisierung des Völkerrechts, die sich nicht substantialistisch als Wertekonstitutionalisierung versteht, sondern sich formal definiert.
227
Inst., § 977; JG, cap. 1, § 27.
228
JG, Prol., § 9 sowie Anm. § 12, ed. cit., S. 5. Zur Vollkommenheitspflicht als Grundlage der civitas maxima s. auch F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 167 ff.; ders., ARSP 85 (1999), S. 563 (570 ff.) sowie W. Röd, Geometrischer Geist, 1970, S. 139. Zum Zusammenhang zwischen Ontologie, praktischer Philosophie und Naturrecht sowie der ontologischen und deontologischen Ordnung der Natur bei Wolff s. B. Winiger, Das rationale Pflichtenrecht Christian Wolffs, 1992, S. 129 ff. 229
JG, Prol., § 16 f. Die Lehre von den gleichen Rechten und Pflichten der Staaten ist eine eine Grundlage der Lehre von den Grundrechten der Staaten, s. A. Nussbaum, Concise History, 1950, S. 150. 230
JG, Prol., § 13.
231
Wolff nennt in Inst., § 1089 neben der Gleichheit und der Freiheit noch die Integrität vollkommener Rechte, die Selbstverteidigung, die Repressalie (Bestrafung begangenen Unrechts), Krieg. Der Gesellschaftspflicht entspricht das Recht, andere Völker verbindlich zu verpflichten. 232 233
JN, VII, § 138; vgl. N. Onuf, AJIL 88 (1994), S. 280 (283).
Vgl. H. Kelsen, Souveränität, 1920, S. 252; P. Guggenheim, Emer de Vattel und das Völkerrecht, 1959, S. XXII.
276
4. Kapitel
bb) Der fiktive Charakter der civitas maxima Die naturrechtliche civitas maxima wird von Wolff explizit als Fiktion gekennzeichnet.234 Ihre Grundlage ist ein fiktiver Vertrag zwischen den Staaten,235 so wie jegliche menschliche Gesellschaft und damit auch der Staat durch einen Vertrag von Menschen (pacto hominum) entsteht.236 Als rationalistische Konstruktion ist sie Grundlage einer alle Völker umfassenden Gemeinschaft more geometrico.237 Da die natürliche Vollkommenheitspflicht des Menschen letztlich auch die Bildung der civitas maxima vorschreibt, diese aber faktisch nicht existiert, soll sie präsumiert werden.238 Von den Fiktionen der moralischen Personen Individuum und Staat unterscheidet sie sich dadurch, dass ihr keine reale Einheit entspricht, wie das für die Einzelperson der Mensch und für den Staat eine politische Einheit ist.239 Zwar nimmt auch Wolff in naturrechtlicher Tradition die Existenz einer natürlichen Gemeinschaft aller Menschen an. Von dieser societas magna aber ist die Idee eines die gesamte Menschheit umfassenden Staates (civitas maxima), als Assoziation der Assoziationen zu unterscheiden.240 Wegen des Fehlens einer realen Entsprechung wird der rein konstruktive Charakter der civitas maxima besonders deutlich,241 bietet aber zugleich Anlass für die schon von Emer de Vattel ausgesprochene Kritik, Wolff vernachlässige die Faktizität der sich für unbeschränkt haltenden und von allen anderen tatsächlich unabhängigen Staaten.242 Indes ist die Klarheit, mit der Wolff 234 235 236 237 238
JG, Prol., Anm. § 21. JG, Prol., § 9. JN, VIII, § 4. W. Dzialas, Christian Wolffs Völkerrechtstheorie, 1956, S. 31. Vgl. W. Röd, Geometrischer Geist, 1970, S. 140.
239
Nach P. Onuf/N. Onuf, Federal Union, 1993, S. 13 soll aber eine sorgfältige Untersuchung nahelegen, dass die civitas maxima mehr sei als eine bloße Quelle oder Erfindung der Vernunft. Sie sei offensichtlich irdisch, konkret und nicht nur im metaphorischen Sinne sozial und besitze ihre eigene moralische Persönlichkeit. 240
Die civitas maxima ist nicht identisch mit der natürlichen Gemeinschaft aller Menschen, vgl. W. Röd, Geometrischer Geist, 1970, S. 139; K. Prigge, Civitas maxima, 1954, S. 32. 241
N. Onuf, Republican legacy, 1998, S. 96; W. Röd, Geometrischer Geist, 1970, S. 139. 242
E. de Vattel, Le Droit des Gens ou Principes de la loi Naturelle, 1758, Vorbemerkungen, ed. cit., S. 9. Schon Zeitgenossen und Schüler Wolffs befürch-
Wurzeln in Naturrecht und Aufklärung
277
den naturalistischen und den juristischen Personenbegriff unterscheidet, methodisch bemerkenswert.243 Für Wolff hat die Fiktion nur im Zusammenhang der logischen Konstruktion Bedeutung244 und wird als real nicht zu verwirklichen gekennzeichnet,245 so dass der Vorwurf der Realitätsferne ins Leere geht.246
cc) Die „demokratische“ Regierung der civitas maxima Die Fiktion der civitas maxima findet eine Fortsetzung in dem fiktiven rector civitatis maximae. Nach Wolff könne derjenige als Herrscher der civitas maxima betrachtet werden, der der Anleitung der Natur folge und nach dem richtigen Gebrauch der Vernunft bestimme, was die Nationen als ihr Recht betrachten sollten.247 Diese Regierung, der zugleich gesetzgebende und exekutive Gewalt zukommt, müssten die Völker als virtuellen Repräsentanten248 vernünftigerweise einsetzen.249 Sie soll eine Art demokratischer Regierung sein, da nach der Natur keine Nation einer anderen untergeordnet sei. Der von Wolff gewählte Ausdruck status quidam popularis und seine Übersetzung ins Englische mit „a kind of
teten, die einzelnen Staaten könnten in einem despotischen Überstaat ihrer Souveränität gänzlich beraubt werden. S. etwa auch D. von Ompteda, Literatur des Völkerrechts, 1785, § 94, S. 324. 243
JN, I, § 70.
244
W. Röd, Geometrischer Geist, 1970, S. 142. Der fiktive Charakter der civitas maxima bedeutet im Übrigen nicht, dass sie für Wolff nicht existierte; ihr kommt nur keine physische Existenz zu. 245
JG, Prol., § 19, ed. cit., S. 16. Es handelt sich nicht um einen Plan zur Organisation der Welt, vgl. W. Dzialas, Christian Wolffs Völkerrechtstheorie, 1956, S. 41 f. 246
Vgl. W. Schiffer, The Legal Community of Mankind, 1954, S. 78/319 mit Endnote 141. Diese Kritik ist aber auch in dem Buch von K. Prigge, Civitas maxima, 1954, der – soweit ersichtlich – einzigen zur civitas maxima Wolffs erschienen Monographie, zentral. 247
JG, Prol., § 21.
248
P. Onuf/N. Onuf, Federal Union, 1993, S. 13 mit Fn. 26. Darin Nachweise zur Idee der virtuellen Repräsentation im England und Amerika des späten 18. Jahrhunderts. 249
F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 195.
278
4. Kapitel
democratic government“250 darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass er nur eine Analogie des Verhältnisses Staat-Individuen auf der Ebene der civitas maxima-Einzelstaaten bezeichnet.251 Der status popularis einer zwischenstaatlichen Demokratie eröffnet also keine menschenrechtliche Perspektive. Den Ursprung der Souveränität sieht Wolff nicht in den einzelnen Staaten, sondern in deren Gesamtheit.252
b) Das ius gentium voluntarium als aus dem Begriff der civitas maxima abgeleitetes Recht Wolff konkretisiert die Parallele zwischen Einzelstaat und civitas maxima für die Mechanismen der Willensbildung bei der Setzung des ius gentium voluntarium. Wie im Staat als Wille des gesamten Volkes das betrachtet werden müsse, was der Mehrheit als das Beste erscheine, sei auch in der civitas maxima als Wille aller Nationen das zu verstehen, was als für die Mehrheit am besten erscheine.253 In der civitas maxima sei es nicht möglich, dass sich alle über die Erde verstreuten Nationen an einem Ort versammeln.254 Deshalb müsse als Wille aller das unterstellt werden, worauf sich alle verständigen müssten, wenn sie der Natur und der Vernunft folgten. Der Inhalt des ius gentium voluntarium ergibt sich im Wege der Deduktion aus dem Begriff der civitas maxima.255 Da das Naturrecht den Willen des Gesetzgebers bei der Gesetzgebung kontrolliere und Gesetze das Wohl des Staates fördern müssten,
250
Übersetzung von Joseph H. Drake, Wolff, Jus gentium methodo scientifica pertractatum, Vol. II, Reihe The Classics of International Law, Bd. 13, Oxford u. a. 1934. 251
Der Isomorphismus von Staat und Einzelperson steht in der Naturrechtstradition, vgl. W. Röd, Geometrischer Geist, 1970, S. 137. 252
JG, Prol., § 19.
253
JG, Prol., § 20, ed. cit., S. 7. Mit dieser Parallele weist Wolff darauf hin, dass auch der demokratischen Willensbildung im Staat ein fiktives Element innewohnt, weil der Mehrheitswille als der Wille des gesamten Volkes angenommen wird. S. zu Status und Charakter des ius gentium voluntarium auch A. Verdross/H. Koeck, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Structure and Process, 1983, S. 17 (35 ff.). 254
Die Vorstellung, dass sich die Repräsentanten der Nationen versammeln, ist Wolff offensichtlich fremd, vgl. N. Onuf, Republican Legacy, 1998, S. 98. 255
JG, Prol., Anm. § 12.
Wurzeln in Naturrecht und Aufklärung
279
sei der Inhalt dieser Gesetze hinreichend offensichtlich.256 Wolff setzt sie mit dem von den zivilisierteren (moratior) Nationen gebilligten Völkerrecht gleich257 und relativiert damit die mit dem status popularis der civitas maxima bezeichnete Rechtsgleichheit zugunsten einer Vorherrschaft europäischer Staaten.258 Trotzdem bleibt der Inhalt des ius gentium voluntarium unbestimmt, da Wolff ihm keine konkreten Normen zuordnet,259 und auch die Unterscheidung von ius gentium necessarium und voluntarium ist nicht durchweg klar.260 Das ius gentium voluntarium entspricht dem ius civile im Staat und steht im selben Verhältnis zum notwendigen Recht.261 Es ist ein vom natürlichen Völkerrecht abweichendes, an die menschlichen Bedingungen in der civitas maxima angepasstes Recht.262 Das Völkerrecht erschöpft sich aber nicht im ius gentium necessarium und voluntarium, sondern umfasst auch die partikularen Rechtsbereiche des ius gentium pactitium und des ius gentium consuetudinarium.263 Das auf ausdrücklichem Konsens beruhende Vertragsvölkerrecht vergleicht Wolff mit den Verträgen zwischen Privatpersonen auf der Grundlage des ius civile.264 Dagegen beruht das partikuläre Völkergewohnheitsrecht auf stillschweigender Übereinstimmung.265 Wolff ordnet diese Rechtsschichten des positiven Völkerrechts nicht explizit in einem hierarchischen Verhältnis an. Aus der Gleichstellung des ius gentium pactitium mit zivil-
256 257
JG, Prol., Anm. § 11. JG, Prol., § 20.
258
A. Verdross/H. Koeck, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Structure and Process, 1983, S. 17 (36). 259
K. Prigge, Civitas maxima, 1954, S. 52.
260
N. Onuf, AJIL 88 (1994), S. 280 (300); W. Röd, Geometrischer Geist, 1970, S. 139. Die Bezeichnung als ius gentium voluntarium ist insofern missverständlich, als das durch Deduktion gewonnene Recht nur scheinbar ‚freiwillig‘ ist und die Begriffsverwendung hier auch vom zeitgenössischen Gebrauch abweicht, demzufolge ius gentium voluntarium der Oberbegriff zu Völkervertrags- und Völkergewohnheitsrecht ist. 261 262 263
JG, Prol., Anm. § 22. JG, Prol., Anm. § 12 und Anm. § 21. Bei Grotius ist das ius gentium voluntarium Vertrags- und Gewohnheits-
recht. 264 265
JG, Prol., § 23. JG, Prol., § 24.
280
4. Kapitel
rechtlichen Verträgen zwischen Privatleuten lässt sich aber schließen, dass es dem ius gentium voluntarium untergeordnet sein soll.266
c) Heuristische Funktion des Quasi-Vertrages Die civitas maxima beruht bei Wolff auf einem fiktiven Vertrag, dessen Abschluss vernunftrechtlich geboten ist. Dem Element des QuasiVertrages, das auf verschiedenen Ebenen anzutreffen ist, kommt dabei eine die recta ratio konkretisierende heuristische Funktion zu, ohne die es im System Wolffs überflüssig wäre. Zusammen mit den ebenfalls naturrechtlich begründeten unveräußerlichen Rechten der Individuen und der Staaten verleiht die Kontraktidee der Weltordnung der civitas maxima Legitimität.267 Neben eine genetische Gesellschaftstheorie im aristotelischen Sinne tritt bei Wolff also der Versuch, die Form der einzelnen Vergesellschaftungsstufen vertragstheoretisch zu legitimieren.268
aa) Geltungsbedingungen für fiktive Verträge Wolff entwickelt die Figur des fiktiven Vertrages zunächst für privatrechtliche Gesellschaften. Dabei wird die Einwilligung einer Vertragspartei vermutet.269 Anhand des Beispiels der väterlichen Gesellschaft mit dem Quasi-Vertrag als Begründung des Vormundschaftsverhältnisses werden die drei Voraussetzungen für die Bindungswirkung des Quasi-Kontrakts erörtert. Der präsumierte Vertrag muss für beide Seiten nützlich sein, zur Annahme von reziproken Rechten und Pflichten führen, die bereits naturrechtlich geboten sind, und es darf eine reale Willenskundgebung nicht abgewartet werden können.
266
K. Prigge, Civitas maxima, 1954, S. 51. Vgl. H. Kelsen, Souveränität, 1920, S. 251. 267
Ins Leere geht Prigges Einwand, eine fehlende reale civitas maxima könne nicht einfach durch die Idee einer civitas maxima ersetzt werden, weil er die heuristische Funktion der vertragsbasierten Fiktion verkennt (K. Prigge, Civitas maxima, 1954, S. 53). Diesen Gesichtspunkt vermitteln auch Interpretationen nicht, die im Quasi-Vertrag schlicht eine stillschweigende Übereinkunft oder einen unterbewussten Vertragsschluss sehen, vgl. A. Nussbaum, Concise History, 1950, S. 151; M. Koskenniemi, From Apology to Utopia, 2005, S. 110. 268 269
F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 157. Inst., § 686.
Wurzeln in Naturrecht und Aufklärung
281
Um die Gleichheit natürlicher Rechte und Pflichten zu begründen, greift Wolff auf den fiktiven Charakter der moralischen Person zurück, weil der Hinweis auf ein allen Menschen gemeinsames Wesen den zu begründenden Maßstab für die Gleichheit gerade voraussetze.270 Es wäre für Wolff ein Zirkelschluß, die Behauptung gleicher Rechte und Pflichten darauf zu stützen, dass alle Menschen von Natur aus gleich seien.271 So wie die moralische Person von der natürlichen abstrahiert, wird auch der Naturzustand nicht eidetisch verstanden, sondern als methodische Abstraktion zur Begründung der elementaren Gleichheit und Freiheit der (moralischen) Personen.272 Für die Demonstration der Kontraktpflicht wird vorausgesetzt, dass die Menschen untereinander zur Erfüllung ihrer Vervollkommnungspflicht in eine dem Legitimationskriterium des Quasi-Vertrages genügende Konkretisierung dessen einwilligen müssen, was sie sich von Natur aus schulden. Durch den Quasi-Vertrag werden unvollkommene dann zu vollkommenen Pflichten und dürfen mittels Zwangsgewalt durchgesetzt werden.273
bb) Übertragung auf die civitas maxima und das ius gentium voluntarium Dieselben Geltungsbedingungen des fiktiven Vertrages begründen die Bindungswirkung des allgemeinen Gesellschaftsvertrages274 und sind damit Grundlage für die civitas maxima. Die im Erfordernis der Unmöglichkeit einer realen Willenskundgebung zum Ausdruck kommende Subsidiarität des fiktiven Vertrages ist für die civitas maxima als ge270 271 272
JN, I, § 78. JN, I, § 81. F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 142, 150, 192.
273
Inst., §§ 80 f. Der Unterschied zwischen vollkommenem und unvollkommenem Recht besteht bei Wolff gerade darin, dass vollkommenes Recht mit Zwangsgewalt durchgesetzt werden darf. Da es nicht darauf ankommt, dass tatsächlich ein institutionalisierter Zwangsmechanismus besteht, ist auch vollkommenes Naturrecht denkbar, s. H.-M. Bachmann, Die naturrechtliche Staatslehre Christian Wolffs, 1977, S. 115 ff. S. auch K. Prigge, Civitas maxima, 1954, S. 15 sowie M. Thomann, Le „Jus gentium“ de Ch. Wolff, 1972, S. XII. 274
Inst., § 836: „Societas in genere est pactum, vel quasi pactum de fine quodam conjunctis viribus consequendo.” Für K. Prigge, Civitas maxima, 1954, S. 34 führt das zu dem „merkwürdigen Ergebnis“, dass der „Weltstaatsvertrag mit der Vormundschaft über einen Waisenknaben, zu deren Übernahme der Vormund von Staats wegen angehalten“ werde, verglichen werde.
282
4. Kapitel
geben anzusehen, weil Wolff eine Versammlung aller Nationen nicht für möglich hält.275 Der Quasi-Vertrag ist aber nicht nur Grundlage der civitas maxima, sondern auch normativer Maßstab für das aus dem Begriff der civitas maxima abzuleitende ius gentium voluntarium.276 Wolffs Theorie vom ius gentium voluntarium ist vom Versuch bestimmt, das gesamte Recht auf eine gemeinsame normative Grundlage zu stellen.277 Vermittels des Quasi-Vertrages wird der letztlich in der menschlichen Vervollkommnungspflicht wurzelnde Imperativ zur positivrechtlichen Überwindung und Ergänzung des Naturrechts realisiert. Zugleich muss als Verstoß gegen die Menschlichkeit abgelehnt werden, was der societas magna widerstrebt.278 Verkürzt lässt sich somit sagen, die civitas maxima ist im kontraktualistischen Vernunftrecht Wolffs eine „regulative Idee“, mit deren Hilfe die völkerrechtlichen Normen zu formulieren sind.279 Wolff gibt also nicht einfach eine vernunftrechtliche Begründung des Naturrechts, wie sie etwa bei Grotius zu finden ist,280 vielmehr thematisiert und expliziert er als einer der ersten die kosmopolitischen Implikationen der Vertragstheorie.281 Mit der Supposition eines vernünftigen Konsenses zwischen den Menschen und Völkern findet er ein Gerechtigkeitskriterium als Grundlage der Übereinstimmung mit dem Naturrecht. Diese Interpretation steht im Gegensatz zu Deutungen, mit dem ius gentium voluntarium passe Wolff lediglich das Naturrecht opportunis-
275 276
JG, Prol., Anm. § 20. JG, Prol., Anm. § 12.
277
F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 181; M. Koskenniemi, From Apology to Utopia, 2005, S. 109: “Wolff’s voluntary law is a law between the fully natural and the fully consensual. It is a strategy of reconciliation. It is not apologetic as it maintains connexion with natural law maxims. The ‘interpretations and deductions’ are not arbitrary.” (Herv. i. O.). 278 279 280 281
JN, VII, § 143. W. Röd, Geometrischer Geist, 1970, S. 139. Grotius, De jure belli ac pacis, lib. I, cap. 1, sec. 10.
F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 132; ders., ARSP 85 (1999), S. 563 (575); G. Cavallar, DZPhil 53 (2005), S. 49 (51). Allgemein zur kosmopolitischen Dimension des konstruktiven Kontraktualismus, allerdings ohne Hinweis auf Wolff, W. Kersting, Gesellschaftsvertrag, 1994, S. 212 ff.
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283
tisch an den Staatenkonsens seiner Zeit an.282 Ein Missverständnis wäre es, Wolffs Hypothese von der civitas maxima als Plan für die Rekonstruktion der politischen Welt zu betrachten, sie gar als Vorgänger des Völkerbundes zu verstehen.283 Politisch gesehen geht die civitas maxima nicht über den status quo hinaus.284 An den Plänen etwa Saint Pierres, die ihm nicht unbekannt gewesen sein können, war Wolff gar nicht interessiert.285 Indes ist mit dem Kriterium der Vertragsgerechtigkeit ein jedenfalls abstrakter Maßstab gegeben, an dem sich die Realität messen lassen muss.
d) Die civitas maxima als Weltverfassung Als „Ursprungsidee des Völkerrechts“ bilden die naturrechtlichen Prinzipien, die der civitas maxima zugrunde liegen, die Gleichheit der Staaten, die Vollkommenheitspflicht und die Vertragsidee, eine naturrechtliche Verfassungsordnung.286 Weil Wolff die einzelnen Rechtsschichten in der civitas maxima hierarchisch anordnet, handelt es sich um die hierarchische Verfassung eines internationalen Gemeinwesens.287 Auf der obersten Stufe steht das ius gentium necessarium, darunter das 282
So A. Verdross/H. Koeck, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Structure and Process, 1983, S. 17 (36); s. auch K. Prigge, Civitas maxima, 1954, S. 47 – Wolffs natürliches Völkerrecht enthalte zahlreiche historisch-positive Institute des Völkerrechts und verleihe ihnen das „erhabene Gepräge eines ewig vorhandenen und gültigen unabänderlichen Rechts“. 283 284
Vgl. dazu A. Nussbaum, Concise History, 1950, S. 151 m. N. Aufschlussreich dafür ist die Textstelle JG, Prol., Anm. § 15.
285
A. Nussbaum, Concise History, 1950, S. 170 f.; s. auch E. Reibstein, ZaöRV 15 (1953/54), S. 76 (101). Anders K. Prigge, Civitas maxima, 1954, S. 59, der die Deutung der civitas maxima als rechtspolitisches Anliegen Wolffs für die schlüssigste Interpretation hält, aber eingestehen muss, dass es „keine ausdrückliche Bestätigung für diese Auslegung, geschweige eine Andeutung, ob er dieses Ziel für realisierbar hielt“, gibt (ibid., S. 60). 286
Vgl. H. Kelsen, Souveränität, 1920, S. 249 ff.; H.-M. Bachmann, Die naturrechtliche Staatslehre Christian Wolffs, 1977, S. 80. Dagegen ist K. Prigge, Civitas maxima, 1954, S. 83 der Ansicht, Wolff weise der civitas maxima positiven Charakter zu. Diese Interpretation ist eine Verkürzung. Der positive Charakter wird von Wolff lediglich dem Recht der civitas maxima, dem ius gentium voluntarium zugewiesen (s. o. b)). 287 F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 133; A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 144.
284
4. Kapitel
positive ius gentium voluntarium, darunter wiederum partikulares Völkervertrags- und Völkergewohnheitsrecht.288 Damit kommt der behaupteten Verfassung der civitas maxima auch ein wesentliches formelles Verfassungsmerkmal zu, der Vorrang. Dieses Verhältnis von civitas maxima zu den einzelnen Staaten versinnbildlicht die Parallele zu der Beziehung zwischen Vormund und Mündel. Wolff belässt es nicht bei der Annahme einer höchsten vernunftrechtlichen Verfassungsordnung auf universeller Ebene, sondern er gestaltet diese auch in einem konkreten Verfassungsmodell aus. Das verfassungsorganisatorische Element dieses Modells ist die Fiktion des rector civitatis maximae. Materiell ist die Verfassung der präsumierten Vertragsgemeinschaft der civitas maxima als Ausdruck der Vollkommenheitspflicht auf die allgemeinen Ziele der Sicherheit und der Wohlfahrt festlegt und auf die naturrechtlichen Menschenrechte verpflichtet.289 Den Verfassungscharakter der grundlegenden Ordnung in der civitas maxima hat Wolff selbst nicht herausgearbeitet, weil ihm kein zeitgenössischer Verfassungsbegriff zur Verfügung stand, der die Merkmale dieser souveränen Universalordnung wiedergegeben hätte. Das vernunftrechtliche Vertragsprinzip als Kriterium für die Schaffung des ius gentium voluntarium ist der Verfassung der civitas maxima immanent. Zugleich aber ist es Grundlage für die Fiktion der civitas maxima und damit deren Legitimationsidee. Damit spricht Wolff eine vertikale Völkerrechtskonzeption an. Es ist die Essenz der Wolffschen civitas maxima, dass dem Völkerrecht eine den Staaten übergeordnete, mit Zwang durchsetzbare und auf eine höchste Norm zurückführbare Rechtsstruktur zugewiesen wird.290
288
S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 134. Zum Vorrang des Naturrechts s. auch C. Thomann, in: M. Stolleis (Hg.), Staatsdenker der frühen 3 Neuzeit, 1995, S. 257 (262). 289 290
F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 189 f.
F. Cheneval, ARSP 85 (1999), S. 563 (578); ders., Philosophie, 2002, S. 200: „[Wolff] verbindet den kontraktualistisch-konföderalen, entwicklungstheoretisch-funktionalistischen und konstitutionalistisch-demokratischen Ansatz zu einer integralen Theorie der supranationalen Organisation“.
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285
e) Zusammenfassung und Bedeutung für die Konstitutionalisierungslehre Wolffs politischer Universalismus stellt sich als eine enttheologisierte Weiterentwicklung des Leibnizschen Gottesstaates dar. Zwar bleibt Wolff syllogistisch-deduktiv, seine Deduktion der normativen Prinzipien geht aber nicht von einem bestimmten Gottesbegriff aus, sondern von der methodischen Fiktion der moralischen Person und ihrer Vervollkommnungspflicht.291 An die Stelle der göttlichen Stiftung tritt der Vertrag als präsumtiv vernünftiger Konsens von Menschen und Völkern. Zur modernen Konstitutionalisierungslehre zeigen sich bei allen Unterschieden Parallelen. Dem im ius gentium necessarium enthaltenen Gebot der Überwindung des Naturzustandes im positiven Recht entspricht in gewisser Weise die von der Konstitutionalisierungslehre wahrgenommene und normativ gestützte Tendenz zur Verrechtlichung der internationalen Beziehungen. Die überstaatliche Ordnung der civitas maxima begründet Wolff rationalistisch mit der Vollkommenheitspflicht. Versteht man sie nicht nur als Konstrukt, sondern auch als regulative Idee, so lässt sie sich als Ausdruck eines hierarchischen Verfassungsverständnisses für die Weltgemeinschaft verstehen.
f) Rezeption durch Vattel Die Konstruktion der civitas maxima hat in der Folgezeit eine geringe Wertschätzung erfahren. Dies ist nicht zuletzt auf Emer de Vattel (17141767) zurückzuführen, der sich als Übersetzer des von ihm bewunderten Wolff verstand.292 Er übernimmt für sein als eine Art Diplomatenhandbuch konzipiertes Droit des Gens weite Teile der Wolffschen Lehre.293 Indes lehnt er die civitas maxima ab. An ihre Stelle tritt ein Gleichgewicht der Mächte in der société des nations294 der europäischen 291
F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 39, 196 f.
292
A. Verdross/H. Koeck, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Structure and Process, 1983, S. 17 (37). Zu den Grundlagen des Völkerrechts bei Vattel und seinem Bezug zu Wolff s. auch P. Guggenheim, Emer de Vattel und das Völkerrecht, S. XV ff.; W. Dzialas, Christian Wolffs Völkerrechtstheorie, 1956, S. 60 ff. 293
E. de Vattel, Le Droit des Gens ou Principes de la loi Naturelle, 1758, Vorbemerkungen, ed. cit., S. 8. Zu Wolff-Vattel s. N. Onuf, AJIL 88 (1994), S. 280 (282) mit Fn. 8; P. Onuf/N. Onuf, Federal Union, 1993, S. 15 f. 294
Die französische Bezeichnung des Völkerbundes kann man durchaus als bewusst mit Bezug zu Vattel und dessen Betonung der Souveränität der Staaten
286
4. Kapitel
Staaten. Die Idee eines equilibrium diskutiert zwar auch Wolff.295 Neu in Vattels Schrift ist aber die Vorstellung, dass die Staaten zwar rechtlich unabhängig, wohl aber moralisch gebunden sind und in der naturrechtlichen societas aequalis einer natürlichen Neigung zu Gleichgewicht und Ausgleich folgen.296 Die Idee der civitas maxima hält Vattel für unbefriedigend, weil sie nicht stark genug sei, um aus ihr ein universales und damit notwendigerweise für die souveränen Staaten maßgebendes Völkerrecht abzuleiten. Das Zusammenleben der Völker könne nicht verglichen werden mit den Verhältnissen im Staat. Zum Wesen der staatlichen Gesellschaft gehöre es, dass jedes Mitglied einen Teil seiner Rechte der Gesamtheit abzutreten habe, dass es eine Obrigkeit gebe, die allen Mitgliedern befehlen, ihnen Gesetze geben und ihre Befolgung erzwingen könne. Demgegenüber seien die souveränen Staaten völlig unabhängig voneinander. Eine weitere Verbindung der Völker zu einer staatlich organisierten civitas maxima sei weder erforderlich noch von der Natur gewollt.297 Ausgangspunkt ist also nicht mehr die ursprünglich ungeteilte Souveränität der Weltgemeinschaft, sondern der Staat. Den Begriff des freiwilligen Völkerrechts (ius gentium voluntarium) löst Vattel daher von der civitas maxima und akzentuiert ihn anders. Es soll sich dabei um dasjenige Recht handeln, das dadurch entsteht, dass einzelne Nationen ungerechte und verwerfliche Vorkommnisse dulden, weil sie ihnen keine Gewalt entgegensetzen, ohne die Freiheit irgendeiner Nation zu verletzen und die Grundlagen der natürlichen Gemeinschaft zu zerstören.298 Die heuristische Funktion, die dem Quasi-Vertrag bei Wolff als Grundlage der civitas maxima und des ius gentium voluntarium zukommt, gerät damit in den Hintergrund, das ius gentium voluntarium wandelt sich von einem überstaatlichen zu einem zwischenstaatlichen Recht. Damit deutet sich bereits in der Gegenüberstellung von Wolff und Vattel das Spannungsverhältnis zwischen einem eher staatsvoluntaristi-
gewählt verstehen, vgl. auch A. Verdross/H. Koeck, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Structure and Process, 1983, S. 17 (37). 295
JG, §§ 642-44, 646-51. S. dazu W. Schiffer, The Legal Community of Mankind, 1954, S. 70. 296
P. Onuf/N. Onuf, Federal Union, 1993, S. 5 ff.
297
Vgl. E. de Vattel, Le Droit des Gens ou Principes de la loi Naturelle, 1758, Vorbemerkungen, ed. cit., S. 9. 298 Vgl. E. de Vattel, Le Droit des Gens ou Principes de la loi Naturelle, 1758, Einleitung, § 21, ed. cit., S. 24 f.
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287
schen und einem eher auf die internationale Gemeinschaft bezogenen Völkerrechtsverständnis an. In diesem Spannungsverhältnis versucht die Konstitutionalisierungslehre zu vermitteln, indem sie vom zwischenstaatlichen Recht ausgeht, es aber mit der Perspektive und der Vision eines überstaatlichen Verfassungsrechts verbindet.
B. Kants Völkerrechtsphilosophie Für eine Rechtsordnung im anspruchsvollen Sinne jenseits der Staaten ist der Philosoph Immanuel Kant (1724-1804) eine zentrale Referenz.299 Seine Schriften werden als Grundlage etwa für die Institutionen der supranationalen Organisation300 und des ius cogens,301 des internationalen Menschenrechtsschutzes und des Freihandels302 in Anspruch genommen. Kants Friedensschrift, der Rechtslehre und anderen Schriften lassen sich verschiedene Elemente entnehmen, die für die Vorstellung von einem konstitutionalisierten Völkerrecht einen normativen Bezugspunkt bilden können. Neben der Begründung bestimmter minimaler Rechtspositionen eines jeden Individuums zählt dazu insbesondere Kants prozessbezogenes Verständnis einer Annäherung an den „ewigen Frieden“. Obgleich teilweise enigmatisch in ihrer äußeren Form eines Friedensvertrages wie in ihrem Inhalt, darf die Friedensschrift als einer der wirkmächtigsten Beiträge zum Problem der Weltverfassung überhaupt gelten. Im Folgenden sollen zunächst Bedeutung und Stellenwert der Friedensidee im Werk Kants geklärt werden (I.). Anschließend wendet sich die Untersuchung den drei Elementen einer Friedensordnung zu, denen 299
Vgl. für die völkerrechtliche Literatur V. Hackel, Kants Friedensschrift, 2000, S. 127 ff. 300
S. etwa A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, 31984, §§ 21, 41; B. Simma/A. Paulus, EJIL 9 (1998), S. 266 (274) – UNO als positiv-rechtliche Verwirklichung der Kantischen Ziele. 301
K. Ipsen, in: R. Merkel (Hg.), „Zum ewigen Frieden“, 1996, S. 290 (296 ff.); für die Vereinten Nationen s. O. Höffe, in: ders. (Hg.), Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden, 22004, S. 245. 302
So etwa durch E.-U. Petersmann. Kritisch zur Pauschalität dieser Kantrezeption P. Alston, EJIL 13 (2002), S. 815 (837) m. N. in Fn. 3; generell kritisch gegenüber der Vereinnahmung Kants für die positive Rolle des Handelsgeistes B. Arcidiacono, JHIL 8 (2006), S. 39 (81).
288
4. Kapitel
Kant die drei Definitivartikel der Friedensschrift widmet: Der republikanischen Staatsverfassung (II.), dem auf einem Bund freier Staaten gegründeten Völkerrecht (III.) und dem Weltbürgerrecht (IV.). Diese drei Elemente des Staats-, Völker- und Weltbürgerrechts wurden als dreifacher Verfassungsbegriff für eine globale Friedensordnung interpretiert.303 Sie bieten zugleich Anknüpfungspunkte für wichtige Elemente der Konstitutionalisierungslehre, die Interdependenz von Weltverfassung und innerstaatlichen Verfassungsordnungen, den Aufbau internationaler Organisationen sowie den Menschenrechtsschutz. Auf der Grundlage ihrer Analyse kann schließlich die Einordnung der Friedensschrift nicht als institutioneller Plan, sondern als normative politische Methodologie erörtert werden (V.). Sowohl die Abschnitte mit den Präliminar- und Definitivartikeln als auch der Anhang zur Friedensschrift sind damit für ein modernes Verständnis von Konstitutionalisierung von zentraler Bedeutung (VII.).
I. Friedensordnung und Völkerrecht im Werk Kants Das Thema einer dauerhaften internationalen Friedensordnung auf der Grundlage des Völkerrechts ist mit Kants Friedensschrift in besonderer Weise verbunden. Das zeigt allein ihre nachhaltige Rezeption.304 Der Gedanke des ewigen Friedens ist aber nicht nur Gegenstand der gleichnamigen Schrift, sondern an verschiedenen Stellen in Kants Werk zu finden.305 Schon in der Idee zu einer allgemeinen Geschichte in welt303
J. P. Müller, in: P. Blickle/R. Moser (Hg.), Traditionen der Republik, 1999, S. 239 (241 ff.); vgl. auch C. Covell, Kant and the Law of Peace, 1998, S. 168 ff.; P. Dobner, in: dies./M. Loughlin (Hg.), The Twilight of Constitutionalism?, 2010, S. 141 (156) – „… can be summarised as a multi-level system …“. 304
Aus Anlass des zweihundertjährigen Jubiläums der Schrift sind zahlreiche neue Werke hinzugetreten; s. die Nachweise bei P. Capps, EJIL 12 (2001), S. 1003 (1004) mit Fn. 4 f.; einflussreich etwa M. Doyle, Philosophy & Public Affairs 12 (1983), S. 205 ff., 323 ff. (Part 2); vgl. V. Hackel, Kants Friedensschrift, 2000 – Überblick zur Rezeption der Friedensschrift im Völkerrecht und der Völkerrechtslehre; E. Easley, The War over “Perpetual Peace”, 2004 – Ordnung der Interpretationsmuster in der Rezeption der Friedensschrift nach dem Stellenwert der Staatensouveränität; O. Eberl, Demokratie und Frieden, 2008 – ideengeschichtliche Analyse zur Rezeption der Friedensschrift, insbesondere im Hinblick auf die Rechtfertigung von Interventionen. 305
Zu den verschiedenen Dimensionen von Kants universalem Kosmopolitismus s. O. Höffe, DZPhil 55 (2007), S. 179.
Wurzeln in Naturrecht und Aufklärung
289
bürgerlicher Absicht von 1784 ist von einem Foedus Amphictyonum als einem Zustand die Rede, „der, einem bürgerlichen gemeinen Wesen ähnlich, so wie ein Automat sich selbst erhalten kann“.306 Die Schrift über den mutmaßlichen Anfang der Menschengeschichte von 1786 verbindet den immerwährenden Frieden mit der „Zusammenschmelzung der Völker in eine Gesellschaft“.307 In der Kritik der Urteilskraft von 1790 heißt es, die formale Bedingung für die Erreichung der Endabsicht der Natur sei: „diejenige Verfassung im Verhältnisse der Menschen untereinander, wo dem Abbruche der einander wechselseitig widerstreitenden Freiheit gesetzmäßige Gewalt in einem Ganzen, welches bürgerliche Gesellschaft heißt, entgegengesetzt wird.“ Dazu sei ein weltbürgerliches Ganzes, „d. i. ein System aller Staaten, die aufeinander nachteilig zu wirken in Gefahr sind, erforderlich.“308 Das dritte Stück der Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (1793) ist der Stiftung eines Reiches Gottes auf Erden gewidmet.309 Im Gemeinspruch führt Kant aus, ein „auf öffentliche Macht begleitete Gesetze, denen sich jeder Staat unterwerfen müßte, gegründetes Völkerrecht (nach der Analogie eines bürgerlichen oder Staatsrechts einzelner Menschen)“ und ein allgemeiner Völkerstaat entsprächen einer Maxime der moralisch-praktischen Vernunft. Dagegen sei ein „dauernder allgemeiner Friede, durch die sogenannte Balance der Mächte in Europa“ ein „bloßes Hirngespinst“.310 Mit der Friedensschrift ist eine Relativierung der Idee einer Weltrepublik verbunden.311 Kant lässt an ihre Stelle das „negative Surrogat“ eines Bundes zur Abwendung des Krieges, einen „Föderalismus freier Staaten“ treten. Die Frage nach der Einordnung des Völkerbundes und der 306
Siebenter Satz, ed. cit., VI, S. 42 f.
307
Mutmaßlicher Anfang der Menschheitsgeschichte, „Schluss-Anmerkung“, ed. cit., VI, S. 100. Dabei geht es Kant nicht um eine kulturelle Verschmelzung der Völker zu einem Weltvolk, sondern um die Schaffung eines Legitimationssubjekts, vgl. V. Hackel, Kants Friedensschrift, 2000, S. 65. 308
Kritik der Urteilskraft, § 83, ed. cit., V, S. 555.
309
Die Religion innerhalb der Grenzen der der bloßen Vernunft, ed. cit., IV, S. 125 ff. 310 311
GTP, ed. cit., VI, S. 171 f.
Anders die Interpretation von G. Cavallar, Pax Kantiana, 1992, S. 202, derzufolge schon im Gemeinspruch „[i]mplizit“ „konzediert“ werde, dass die Föderation keine Zwangsgewalt enthalte.
290
4. Kapitel
philosophischen Stringenz seiner Konstruktion steht im Zentrum der aktuellen Beschäftigung mit der Friedensschrift.312 Auch in der Rechtslehre ist für den „Völkerbund, nach der Idee eines ursprünglichen Vertrages“ „keine souveräne Gewalt (wie in einer bürgerlichen Verfassung), sondern nur eine Genossenschaft (Föderalität)“ vorgesehen; es handele sich um „eine Verbündung, die zu aller Zeit aufgekündigt werden kann, mithin von Zeit zu Zeit erneuert werden muß“.313
II. Republikanische Staatsverfassung Mit der Forderung, die „bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein“, die Kant im Ersten Definitivartikel der Friedensschrift als Voraussetzung für einen ewigen Frieden formuliert, bietet er nicht nur einen Anknüpfungspunkt für die „liberale“ These vom inneren Zusammenhang zwischen demokratischer Verfassungsordnung und äußerem Frieden, sondern auch für einen wesentlichen Strang der Konstitutionalisierungsdebatte, der sich den zunehmenden Anforderungen des Völkerrechts an die Ausgestaltung der inneren Ordnung von Staaten widmet.314 Zwischen Völkerrecht und innerstaatlicher Verfassung besteht für Kant eine wechselseitige Abhängigkeit. Einerseits ist das Problem der „Errichtung einer vollkommenen bürgerlichen Verfassung“ von dem „Problem eines gesetzmäßigen äußeren Staatenverhältnisses“ abhängig.315 Andererseits beruht die Friedfertigkeit auf dem auf312
S. zum Stand der Literatur: G. Cavallar, Pax Kantiana, 1992, S. 178 f.; G. Beestermöller, Die Völkerbundidee, 1995, S. 14 ff., 20 ff.; F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 582 f. Instruktiv O. Höffe, Völkerbund oder Weltrepublik?, in: ders. (Hg.), Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden, 22004, S. 109 m. w. N. 313
MdS, Erster Teil, Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, §§ 5362 und „Beschluß“, 1797, ed. cit., S. 466 f. (Herv. weggelassen). 314 M. Doyle, Philosophy & Public Affairs 12 (1983), S. 205 (206) et passim; ders., in: P. Kleingeld (Hg.), Toward Perpetual Peace, 2006, S. 201; kritisch J. Gowa, Ballots and Bullets, 1999. Zum demokratischen Frieden aus Sicht der Friedensforschung s. I. Fetscher, Modelle der Friedenssicherung, 1972, S. 53 ff.; J. N. Moore, Va JIL 44 (2004), S. 341 mit zahlreichen Nachweisen; weitere Literaturnachweise auf der Website der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung: http://www.hsfk.de/index.php?id=163 (geprüft am 18.5.2010). Zur Konstitutionalisierungsdebatte s. o., 1. Kapitel B.; N. Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip, 2009, S. 1 f. 315
Idee, ed. cit., VI, S. 41.
Wurzeln in Naturrecht und Aufklärung
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geklärten Selbstinteresse, setzt die Errichtung des Völkerrechts voraus, dass: „ein jeder Staat in seinem Inneren so organisiert werde, dass nicht das Staatsoberhaupt, dem der Krieg […] eigentlich nichts kostet, sondern das Volk dem er selbst kostet, die entscheidende Stimme habe, ob Krieg sein solle oder nicht“.316 Für ein dem demokratischen Prinzip verpflichtetes konstitutionelles Völkerrechtsverständnis stellt sich die Frage nach den legitimen Mitteln, mit denen der angestrebte demokratische Frieden erreicht werden kann. Fernando Tesón als exponierter Vertreter einer „liberalen“ Völkerrechtstheorie hat Kant im Wesentlichen als Grundlage für seine Rechtfertigung der humanitären Intervention zur Beförderung von Menschenrechten und „liberaler“ Demokratie herangezogen.317 Tesón fasst Kants Lehre dahingehend zusammen, dass die Beachtung von Menschenrechten und Demokratie die wichtigste Voraussetzung für die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Staaten im Völkerrecht sei.318 Ein von ihm ausgemachtes Spannungsverhältnis zwischen dem ersten Definitivartikel („Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein.“) und dem fünften Präliminarartikel („Kein Staat soll sich in die Verfassung und Regierung eines andern Staats gewalttätig einmischen.“) löst er zugunsten des ersten Definitivartikels auf.319 Es ist aber zu beachten, dass Kant zwischen Herrschaftsform und Regierungsart differenziert. Die Herrschaftsformen der Autokratie, der Aristokratie und der Demokratie unterscheiden sich nach den Personen, die die oberste Staatsgewalt innehaben. Die Regierungsart dagegen betrifft die Art, wie der Staat von seiner Machtvollkommenheit Gebrauch macht. Sie kann republikanisch sein, wenn Regierung und Ge-
316
GTP, ed. cit., VI, S. 170; s. auch Idee, ed. cit., VI, S. 46.
317
F. Tesón, A Philosophy of International Law, 1998; ders., Col. LR 92 (1991), S. 53. Zur Problematik einer auf Kant gestützten Rechtfertigung der humanitären Intervention s. einerseits K. Loewenstein, Political Reconstruction, 1946, S. 17 ff.; andererseits I. Maus, in: H. Brunkhorst (Hg.), Einmischung erwünscht?, 1998, S. 88. 318 319
F. Tesón, A Philosophy of International Law, 1998, S. 7 et passim.
F. Tesón, Col. LR 92 (1991), S. 53 (92 f.); vgl. auch F. Kambartel, in: M. Lutz-Bachmann/J. Bohman (Hg.), Frieden durch Recht, 1996, S. 240; R. Lillich, in: K. Dicke/K. Kodalle (Hg.), Republik und Weltbürgerrecht, 1998, S. 215 (222); V. Zanetti, in: C. Chwaszcza/W. Kersting (Hg.), Politische Philosophie der internationalen Beziehungen, 1998, S. 297 (306 ff.).
292
4. Kapitel
setzgebung getrennt sind, oder aber despotisch. Die strukturelle Friedensfreundlichkeit der republikanischen Verfassung als Regierungsart hängt bei Kant nicht von der Realisierung der demokratischen Herrschaftsform ab. Sie gilt vielmehr auch für die republikanische Regierungsform. Kant bezeichnet gerade keine empirische Herrschaftsform als einzig legitim320 und formuliert im Ersten Definitivartikel auch keine Rechtspflicht der Staaten zur Einführung der republikanischen Verfassung.321 Die Republik ist nach dem Ersten Definitivartikel zwar die beste Regierungsart für den Frieden innerhalb einer Gesellschaft, ihre positiven Auswirkungen auf den internationalen Frieden sind aber nicht mehr als akzessorisch.322 Demnach könnte das Einmischungsverbot im fünften Präliminarartikel vor allem auch den Fall betreffen, in dem gerade ein Staat geschützt werden soll, der noch keine Republik, aber immerhin auf dem Weg dorthin ist. Die These Tesóns und anderer steht im Widerspruch zum Leitgedanken der Friedensschrift, der Annäherung an den ewigen Frieden durch Entwicklung des Rechts im Wege der Reform, der schon im Titel „Zum ewigen Frieden“ anklingt.323 Ein dem Ideal nicht vollständig entsprechendes Recht enthält Ansätze zu dessen Verwirklichung.324 Es ist gerade kennzeichnend für den Gegenstand der Friedensschrift, dass Kant den Gegensatz zwischen der vernunftbegrifflichen Republik und der geschichtlichen Herrschaftsordnung reformistisch in einem zielgerichteten Prozess der freiheitsgesetzlichen Ordnung auflöst.325 Auch 320
ZeF, ed. cit., VI, S. 206 f.; vgl. W. Kersting, in: O. Höffe (Hg.), Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden, 22004, S. 87 (98 ff.). Anders R. Lillich, in: K. Dicke/ K. Kodalle (Hg.), Republik und Weltbürgerrecht, 1998, S. 215 (222) – „republikanisch“ bezeichne die liberale Demokratie. 321
Vgl. C. Covell, Kant, Liberalism, and the Pursuit of Justice in the International Order, 1994, S. 28. 322
B. Arcadiacono, JHIL 8 (2006), S. 39 (55).
323
Herv. TK. Zum Problem der Übersetzung dieses Titels s. B. Arcidiacono, JHIL 8 (2006), S. 39 (44). Über den Weg zum Frieden als zentralem Problemkreis des politischen Denkens bei Kant s. H. Saner, Kants Weg vom Krieg zum Frieden, 1967. Zum Verständnis der gegebenen als Prospekt auf die angezielte Verfassung, d. h. unter der Perspektive der Verwirklichung der apriorischen Prinzipien der Freiheit und Gleichheit s. C. Langer, Reform nach Prinzipien, 1986. 324 325
Vgl. V. Hackel, Kants Friedensschrift, 2000, S. 42, 186.
C. Beitz, Political Theory and International Relations, 1979, S. 82; W. Kersting, in: O. Höffe (Hg.), Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden, 22004, S. 87
Wurzeln in Naturrecht und Aufklärung
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kann nicht nur die Republik als auf einem Gesellschaftsvertrag beruhend gedacht werden.326 Tesón muss auf Aussagen zurückgreifen, die Kant in Bezug auf den Naturzustand zwischen den Staaten trifft. Die humanitäre Intervention lässt sich auf diese Weise moralisch, nicht aber rechtlich rechtfertigen.327 Nur im Naturzustand, der selbst ein Zustand der Ungerechtigkeit ist, kommt es Staaten zu, einseitig zu beurteilen, ob andere Staaten gerecht sind.328 Zentral für Kants Beitrag zur Lehre von den internationalen Beziehungen auf der Grundlage des Völkerrechts ist aber das aus dem kategorischen Imperativ abgeleitete Gebot, den rechtlosen Naturzustand zu verlassen.329 Mit dieser Interpretation der Friedensschrift lässt sich auch eine Konstitutionalisierungslehre verbinden, für die die Einhaltung der Chartaordnung mit dem Gewaltverbot des Art. 2 Nr. 4 UNC die Achtung einer Verfassungsordnung bedeutet.330
III. Weltverfassung und Friedensbund Der Zweite Definitivartikel zum ewigen Frieden trägt die Überschrift „Das Völkerrecht soll auf einen Föderalism freier Staaten gegründet sein.“ Damit verbindet sich die Frage, ob der von Kant für das staatliche Recht entwickelte Verfassungsbegriff auf den Friedensbund als negatives Surrogat einer Weltrepublik331 übertragen werden kann. Mit der
(105) m. N. Auch die Entwicklung zur Republik findet nach Kants Vorstellung im Wege allmählicher Reformen statt: ZeF, ed. cit., VI, S. 207 f. 326
V. Hackel, Kants Friedensschrift, 2000, S. 42.
327
P. Capps, EJIL 12 (2001), S. 1003 (1023). Tesón scheint hier nicht zu differenzieren. 328
MdS, Rechtslehre, § 60, ed. cit., IV, S. 473 f.; vgl. dazu auch B. Arcidiacono, JHIL 8 (2006), S. 35 (57 ff.). 329
MdS, Rechtslehre, § 61, ed. cit., IV, S. 474; vgl. P. Capps, EJIL 12 (2001), S. 1003 (1016 ff.) m. N. zur Bedeutung des kategorischen Imperativs für Kants Rechtslehre, S. 1009 mit Fn. 24. Zur moralischen Pflicht, auch den zwischenstaatlichen Naturzustand zu verlassen, s. MdS, Rechtslehre, Beschluß, ed. cit., IV, S. 478: „Nun spricht die moralisch-praktische Vernunft in uns ihr unwiderstehliches Veto aus: Es soll kein Krieg sein; weder der, welcher zwischen mir und dir im Naturzustande, noch zwischen uns als Staaten“ (Herv. i. O.). 330 331
S. etwa B. Simma, FYIL 9 (1998), S. 61 (65). ZeF, ed. cit., VI, S. 213.
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4. Kapitel
Abkehr von der positiven Idee der Weltrepublik in der Friedensschrift könnte auch der Verfassungsbegriff trotz des engen Zusammenhangs zur innerstaatlichen Ordnung für das Völkerrecht nicht mehr passen.
1. Kants Verfassungsbegriff Die (staatliche) Verfassung ist bei Kant ein System von Rechtsgesetzen, das mit dem rein normativen Staatsbegriff von einer „Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen“ identisch ist.332 Sie bildet nicht nur eine Grundordnung höherrangiger Normen, sondern umfasst dem zeitgenössischen Sprachgebrauch entsprechend die gesamte staatliche Rechtsordnung, den Bestand der Gesetze, der die Ordnung repräsentiert. Normative Grundlage dieser Ordnung ist der Staatsbürgervertrag über die Errichtung einer bürgerlichen Verfassung (pactum unionis civilis).333 Weil das Recht des Naturzustands bei Kant bereits grundlegende Ordnungsstrukturen enthält,334 kommt dem Gesellschaftsvertrag keine erst ordnungstiftende Funktion zu, er dient vielmehr nur der Organisation der Macht und damit dem Erhalt der Rechtsordnung. Dabei hat er keine historisch-empirische, sondern nur eine legitimatorische Bedeutung im Sinne eines „Probierstein[es]“335: Die Idee des Vertrages ist ein heuristisches Prinzip,336 an dem der vernünftige gesetzgebende Wille gemessen werden kann. Der sich im Staatsbürgervertrag manifestierende Kollektivwille ist bei Kant lediglich Ausdruck der auch schon im Individuum tätigen Vernunft. Kants Staatsbürgervertrag überwindet damit die Vorstellung von einer mit dem Vertragsgedanken verknüpften bloßen Gegenseitigkeitsordnung und wird damit zum Institut der Vereinbarung, deren Zweck die Befriedigung der gleichgerichteten Ver-
332
MdS, Rechtslehre, § 45; ed. cit., VI, S. 431; E. Schmidt-Aßmann, Verfassungsbegriff, 1967, S. 93; vgl. C. Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 62: „Verfassung“ „in einem absoluten“, nicht „positiven Sinne“. 333
GTP, ed. cit., VI, S. 143 f.; vgl. E. Schmidt-Aßmann, Verfassungsbegriff, 1967, S. 93 f. m. N. aus der Sekundärliteratur; K. Dodson, Proceedings, 1995, II, S. 753 (insb. 757). 334 335 336
S. dazu E. Schmidt-Aßmann, Verfassungsbegriff, 1967, S. 90. I. Kant, GTP, ed. cit., VI, S. 153.
GTP, ed. cit., VI, S. 153; G. Dulckeit, Naturrecht und positives Recht bei Kant, 1932, S. 41; E. Schmidt-Aßmann, Verfassungsbegriff, 1967, S. 95; F. Hespe, Proceedings, II, 1995, S. 773.
Wurzeln in Naturrecht und Aufklärung
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nunft ist.337 Der Urvertrag stellt eine Verbindung dar, „die an sich selbst Zweck ist“: „das Recht der Menschen unter öffentlichen Zwangsgesetzen“.338 Kant hat damit typische Vertragselemente in der Lehre vom Staatsvertrag durch die Vernunftgesetzlichkeit ersetzt.339
2. Der Völkerbund als „negatives Surrogat“ Der Völkerbund wird durch reale Verträge zwischen Staaten begründet, basiert zugleich wie der Staat auf der Idee eines ursprünglichen gesellschaftlichen Vertrages.340 Er ist aber eben keine Vereinigung, weil er auf der fortwährenden Zustimmung der Beteiligten beruht und ihm keine überstaatliche Zwangsgewalt zukommen soll, „nicht eine solche Verbindung, welche […] auf einer Staatsverfassung gründet, und daher unauflöslich ist“, sondern eine „Zusammentretung verschiedener Staaten“, die auf die Realisierung der „Idee eines zu errichtenden öffentlichen Rechts der Völker“ zielt.341 Statt auf den „Erwerb irgendeiner Macht des Staates“, also eine supranationale Hoheitsgewalt, zielt er lediglich auf die Erhaltung und Sicherung der Freiheit der Staaten, die sich dazu nicht öffentlichen Gesetzen und Zwang unterwerfen müssen.342 Damit geht er wohl nicht über einen wechselseitigen Nichtangriffs- und Verteidigungspakt hinaus.343 In moderner Terminologie könnte man ihn als ein Rechtsregime, möglicherweise auch als institutionellen Vertrag bezeichnen.344 Weil dem Friedensbund keine vereinigte souveräne Gewalt zukommt, stellt er keine Verfassungsordnung dar.345 337
E. Schmidt-Aßmann, Verfassungsbegriff, 1967, S. 96; H. Deggau, Aporien, 1983, S. 253; zur Bedeutung des Gesellschaftsvertrages bei Kant s. auch F. Hespe, in: D. Hüning/B. Tuschling (Hg.), Recht, Staat und Völkerrecht bei Immanuel Kant, 1998, S. 293. 338 339
GTP, ed. cit., VI, S. 144. E. Schmidt-Aßmann, Verfassungsbegriff, 1967, S. 96.
340
Vgl. H. Kraus, Kriegsführung, 1950, S. 8; G. Beestermöller, Die Völkerbundidee, 1995, S. 81. 341 342 343
MdS, Rechtslehre, § 61, ed. cit., VI, S. 475. ZeF, ed. cit., VI, S. 211. G. Geismann, ZfPhF 37 (1983), S. 363 (381).
344
J. Delbrück, in: K. Dicke/K. Kodalle (Hg.), Republik und Weltbürgerrecht, 1998, S. 181 (203). 345
MdS, Rechtslehre, § 54, ed. cit., IV, S. 467.
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4. Kapitel
Der Friedensbund tritt bekanntlich als „negatives Surrogat“346 an die Stelle eines Weltstaates. Auf der Grundlage der Analogie von Staaten mit einzelnen Menschen wäre nur der Völkerstaat als supranationaler Weltstaat folgerichtig.347 Dass die Konzeption des freiwilligen Friedensbundes aber nur scheinbar nicht stringent ist, lässt sich am überzeugendsten damit erklären, dass Kant die historische Existenz der Staaten einbezieht, einer konsequenten Friedenslogik folgt und das Selbstbestimmungsrecht achtet. Kant führt im Wesentlichen die folgenden Argumente an: Ein Weltstaat stehe im Widerspruch zum Begriff des Völkerrechts, der eine Vielzahl von Völkern voraussetze.348 Im Gegensatz zu den Individuen im vorstaatlichen Kontext befänden sich die Staaten nicht mehr im Naturzustand, sondern hätten nach innen bereits eine rechtliche Verfassung erreicht und damit ihre moralische Pflicht erfüllt, sich eine Verfassungsordnung zu geben. Deshalb dürften sie nicht in einen Überstaat gezwungen werden, sondern soll ein freiwilliger multilateraler Friedensbund hinreichen.349 Außerdem warnt Kant vor der Unregierbarkeit des Weltstaates, seiner Instrumentalisierung als eines „seelenlosen Despotismus“, dem der einzelne sich nicht mehr durch Auswanderung entziehen kann, und dem drohenden Zerfall in die Anarchie.350 Unter Einbeziehung der Existenz der Staaten ist der Friedensbund danach die zweitbeste Lösung, die sich nach der Vernunft ergibt.351 Das ist aber nicht als pragmatisches Zugeständnis zu verstehen.352 Vielmehr wollen die Staaten einen Völkerstaat „nach ihrer Idee
346
ZeF, ed. cit., VI, S. 213.
347
O. Höffe, in: ders. (Hg.), Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden, 22004, S. 109 (119 ff.); M. Lutz-Bachmann, in: ders./J. Bohman (Hg.), Frieden durch Recht, 1996, S. 25 (38 ff.), W. Jaeschke, DZPhil 56 (2008), S. 277 (288). 348
ZeF, ed. cit., VI, S. 209; vgl. die Zusammenstellung der Argumente bei F. Cheneval, ARSP 83 (1997), S. 175 (178 f.). 349 350
ZeF, ed. cit., VI, S. 211. ZeF, ed. cit., VI, S. 225.
351
V. Hackel, Kants Friedensschrift, 2000, S. 78 m. w. N.; vgl. O. Höffe, in: D. Hüning/B. Tuschling (Hg.), Recht, Staat und Völkerrecht bei Immanuel Kant, 1998, S. 233 (238). 352
So aber K. von Raumer, Ewiger Friede, 1953, S. 167; Z. Batscha/R. Saage, in: dies. (Hg.), Friedensutopien, 1979, S. 11 f.; H. Williams, Kant’s Political Philosophy, 1983, S. 255 ff.; O. Höffe, Kategorische Rechtsprinzipien, 1994, S. 274; I. Zwilling, in: J. Bellers (Hg.), Klassische Staatsentwürfe, 1996, S. 135 (143); W. Jaeschke, DZPhil 56 (2008), S. 277 (289).
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vom Völkerrecht durchaus nicht“.353 Kant anerkennt hier, dass die Souveränität der Staaten Ausdruck des allgemeinen Willens ihrer Bürger ist und dass die Staaten einem zwangsbewehrten Völkerrecht gar nicht zustimmen können, weil die Auflösung der Vereinigung zum Staat in einem Weltstaat dem ihnen selbst zugrunde liegenden ursprünglichen Vertrag widersprechen würde.354 Aus dem Zweck des Staates nach der Idee des ursprünglichen Vertrages folgt weiter, dass der Staat seine Bürger nicht als Mittel zu einem Krieg gebrauchen darf.355 Eine historische Rekonstruktion der Friedensschrift in Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Literatur, insbesondere J. G. Fichte,356 zeigt auf, dass für Kant ein mit Zwangsmitteln ausgestatteter Weltstaat notwendig zum Einsatz des Krieges als Zwangsmittel führt und damit keine Überwindung des zwischenstaatlichen Naturzustandes bedeuten kann.357 Die Ablehnung eines mit Zwang begründeten und zu erhaltenden Weltstaates ist daher auch Konsequenz eines rigorosen Verbots des Angriffskrieges, wie es in der Friedensschrift und der Rechtslehre zum Ausdruck kommt.358 Den Mangel an Rechtsgarantien, 353 ZeF, ed. cit., VI, S. 212 (Herv. TK); vgl. P. Kleingeld, European Journal of Philosophy 12 (2004), S. 304 (309) – Staaten in einen Statenstaat zu zwingen würde der grundlegenden Vorstellung vom Gemeinwesen als einer autonomen Einheit widersprechen; s. aber auch F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 595 – kein begrifflicher Widerspruch, sondern Widerspruch der Vernunft mit den absolutistischen Herrschern und ihrer Weigerung, sich einem inneren und äußeren gesetzlichen Zwang zu unterwerfen. 354 355
Ähnlich B. Arcidiacono, JHIL 8 (2006), S. 39 (61). V. Hackel, Kants Friedensschrift, 2000, S. 66 ff. m. w. N.
356
J. G. Fichte, Zum ewigen Frieden – Ein philosophischer Entwurf von Immanuel Kant, 1796; ders., Grundlage des Naturrechts nach Principien der Wissenschaftslehre, 1922. 357
F. Cheneval, ARSP 83 (1997), S. 175 (182 ff.) in Auseinandersetzung mit J. G. Fichte, Grundlage des Naturrechts nach Principien der Wissenschaftslehre, 2 1922, S. 366 ff. – sieht einen Bund mit Richter- und Durchsetzungsfunktion vor; F. Gentz, Über den ewigen Frieden, 1800; C. Garve, Abhandlung über die Verbindung von Moral und Politik, 1789; J. J. Rousseau, Jugement sur la paix perpétuelle, 1782. S. auch G. Cavallar, Pax Kantiana, 1992, S. 204 f. 358
ZeF, ed. cit., VI, S. 211; MdS, Rechtslehre, Beschluß, ed. cit., IV, S. 478; vgl. auch G. Geismann, ZfPhF 37 (1983), S. 363 (381). An der Einordnung des Friedensbundes als Föderation ohne Zwangsgewalt dürfte dann auch der Befund nichts ändern, dass Kant durchaus auch physischen Zwang als ultima ratio anerkennt: ZeF, ed. cit., VI, S. 210 f.; vgl. zu diesem Argument J. Delbrück, in: K. Dicke/K. Kodalle (Hg.), Republik und Weltbürgerrecht, 1998, S. 181 (206).
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der aus der Ablehnung einer supranationalen Zwangsgewalt folgt, versucht Kant bewusst durch seine natur- und geschichtsphilosophische Theorie des Vernunft-, Moral- und Rechtsfortschritts der Menschheit zu kompensieren.359 Alle Argumente führen Kant aber nur dazu, die Weltrepublik in hypothesi, d. h. im Hinblick auf ihre tatsächliche Realisierung, zu verwerfen, nicht aber in thesi als Vernunftidee.360 Mit dem Völkerstaat bleibt auch die oben dargestellte Vertragsidee normative Grundlage der zwischenstaatlichen Organisation. Epistemisch ist die Unterscheidung zwischen Vereinigung der Staaten zum Weltstaat und Staatenbund und damit zwischen einem einstufigen Vertragsmodell der Weltbürger und einem zweistufigen Modell aus Staatsvertrag und Staatenvertrag ohne Bedeutung, da der übereinstimmende vernünftige Wille der omnes et singuli in der Idee im Grunde dasselbe leistet wie der vereinigte Wille der universi.361 Die Möglichkeit der Verwirklichung des allgemeinen Menschenstaates bleibt deshalb unbedingter Maßstab allen rechtmäßigen staatlichen Handelns.362
359
Grundlegend insofern I. Kant, Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht, 1784; vgl. F. Cheneval, ARSP 83 (1997), S. 175 (186); P. Kleingeld, European Journal of Philosophy 12 (2004), S. 304 (313). S. zur Kritik an den naturteleologischen Prämissen von Kants Geschichtsphilosophie O. Höffe, Kategorische Rechtsprinzipien, 1994, S. 276; J. Habermas, KJ 28 (1995), S. 291 (297); I. Zwilling, in: J. Bellers (Hg.), Klassische Staatsentwürfe, 1996, S. 135 (146) – „Flucht“ in geschichtsphilosophische Spekulation. Cheneval, a. a. O., S. 191 f. dagegen möchte Kants „List der Natur“ als Vorverweis auf moderne Theorien funktionalistischer Integration sehen. S. zur Idee des Rechtsfortschritts bei Kant auch O. Höffe, Königliche Völker, 2001, S. 189 ff. Zu Kants Teleologie nicht als objektive Wahrheit über die Zukunft, sondern als regulative Idee zum Gebrauch der praktischen Urteilskraft vgl. M. Koskenniemi, in: R. Kreide/A. Niederberger (Hg.), Transnationale Verrechtlichung, 2008, S. 65 (83) mit Bezug auf Kritik der Urteilskraft, § 74, ed. cit., V, S. 510 ff. 360
ZeF, ed. cit., VI, 212; P. Kleingeld, European Journal of Philosophy 12 (2004), S. 304 (311); zur Interpretation dieser Begriffe in der Friedensschrift vgl. F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 599 m. N. 361
Vgl. G. Dulckeit, Naturrecht und positives Recht bei Kant, 1932, S. 41. Für Nachweise zu einstufigen und zweistufigen Vertragsmodellen s. 2. Kapitel, Fn. 197. 362
G. Geismann, ZfPhF 37 (1983), S. 363 (379).
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299
3. Vereinbarkeit supranationaler Hoheitsgewalt mit Kant? Für moderne Interpretationen Kants kann sich ein Gebot zur Begründung eines universalen Gewaltmonopols, das mit supranationaler Zwangsgewalt ausgestattet ist, aus dem Argument ergeben, dass nur so der Schutz der territorialen Integrität der Einzelstaaten und das Selbstbestimmungsrecht der Völker sichergestellt werden könne. Hier setzen etwa Carson, Höffe und Kersting an.363 Habermas’ Kant-Kritik von 1995 richtet sich gegen die Inkonsequenz, die sich gegenüber einem menschenrechtlich begründeten Rechtsbegriff aus einer Mediatisierung der Staatsbürger und einer mangelnden Garantie der Menschenrechte ergibt.364 Kant scheint in der Alternativität von Staaten- und Verfassungspluralismus einerseits und Weltstaat mit Weltverfassung andererseits gefangen zu sein, weil er Souveränität, im Gegensatz etwa zu Wolff, als absolut begreift.365 Das Vorbild der zentralistischen französischen Republik scheint Kant zu suggerieren, dass die Souveränität des Volkes unteilbar sei. Auch der Rousseausche Gesellschaftsvertrag begründet die Einheit von Staat und Verfassung, weil beide zugleich aus dem Willen des Volkes hervorgehen. Das Modell der Vereinigten Staaten von Amerika hätte dagegen die Perspektive einer föderalistisch verfassten Weltrepublik mit einer gestuften, als machtbegrenzend verstandenen Verfassungsordnung auf der Grundlage einer geteilten Souveränität eröffnen können.366 Kant erwähnt zwar die Staatsverfassung der 363
T. Carson, Social Theory and Practice 14 (1988), S. 173; O. Höffe, Kategorische Rechtsprinzipien, 1994, S. 266 ff.; ders., in: ders. (Hg.), Immanuel Kant: Zum Ewigen Frieden, 22004, S. 17; vgl. W. Kersting, Wohlgeordnete Freiheit, 1993, S. 46. 364
J. Habermas, KJ 28 (1995), S. 293 (303 ff.); W. Kersting, in: C. Chwaszcza/ders. (Hg.), Politische Philosophie der internationalen Beziehungen, 1998, S. 523 (539) – Kants Theorie müsse „von ihren längst obsolet gewordenen souveränitätstheoretischen Fesseln befreit werden“; s. auch P. Koller, in: R. Merkel/R. Wittmann (Hg.), „Zum ewigen Frieden“, 1996, S. 213 (220); J. NidaRümelin, ibid., S. 239 (247); M. Lutz-Bachmann, in: H. Brunkhorst (Hg.), Demokratischer Experimentalismus, 1998, S. 361 (375 ff.). Zu Habermas in diesem Zusammenhang s. wiederum I. Maus, in: P. Niesen/B. Herborth (Hg.), Anarchie der kommunikativen Freiheit, 2007, S. 350 (357 ff.). 365
S. die Definition des Staates: „Ein Staat ist […] eine Gesellschaft von Menschen, über die niemand anders, als er selbst, zu gebieten und zu disponieren hat.“ (ZeF, ed. cit., VI, S. 197). 366
Vgl. O. Höffe, Kategorische Rechtsprinzipien, 1994, S. 250 ff.; W. Kersting, in: ders., Recht, Gerechtigkeit und demokratische Tugend, 1997, S. 243 (269 f.); J. Habermas, KJ 38 (2005), S. 222 (224 f.).
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amerikanischen Staaten im Zusammenhang mit der Ablehnung eines Weltstaates und findet sprachlich mit der Wendung ‚Staatsverfassung der Staaten‘ zu einer gestuften Verfassungsstaatlichkeit, die er aber vor allem aus begrifflichen Gründen verwirft.367 In seiner AnthropologieVorlesung geht Kant auf das Heilige Römische Reich Deutscher Nation ein, das ein praktisches Beispiel für geteilte Souveränität darstellt.368 Dennoch gelangt er theoretisch nicht zu einer geteilten Souveränität einer komplexen Verfassungsordnung.369 Aus diesem Befund lassen sich Schlussfolgerungen für die Anforderungen an die Ausgestaltung internationaler Organisationen ableiten. Kant entwickelt zwar keine organisatorische Verkörperung seines Friedensvertrages und hält wohl auch eine Institutionalisierung nicht für erforderlich.370 Dennoch wird in der Politikwissenschaft mit der Kantischen Perspektive neben einer liberalen Staatenordnung vor allem die internationale Organisation verknüpft.371 Anknüpfen lässt sich daran, dass unter Beachtung der Einwände Kants gegen eine überstaatliche Zwangsgewalt diese in bestimmten Formen, die Kant nicht vorhersehen konnte, doch mit Kant vereinbar sein sollte. Dazu sind die beiden oben gewonnenen Einsichten zusammenzuführen, dass die jedenfalls vorläufige Ablehnung des Weltstaates mit Zwangsgewalt in einem absoluten Friedensgebot und der Achtung des Selbstbestimmungsrechts wurzelt und die fehlende Erörterung einer gestuften Souveränität wohl als zeitgebunden zu qualifizieren ist. Dann deutet sich an, dass sich Formen der Ausübung von Hoheitsgewalt, die nicht mit Krieg verbunden sind,372 mit der kantischen Idee vom Völkerbund vereinbaren lassen. Geht man 367
MdS, Rechtslehre, § 61, ed. cit., IV, S. 475.
368
AA XV S. 591. S. allerdings zu Deutungen, nach denen der Friedensbund durch allmähliche Erweiterung der französischen Republik zustande kommen soll, und zum Ansatz in der Versammlung der Generalstaaten im Haag (MdS, Rechtslehre, § 61, ed. cit., IV, S. 474 f.) V. Hackel, Kants Friedensschrift, 2000, S. 89. 369
In der Literatur werden zahlreiche alternative Lösungsvorschläge diskutiert. Ein Überblick findet sich bei V. Hackel, Kants Friedensschrift, 2000, S. 71 ff. 370 M. Doyle, Philosophy & Public Affairs 12 (1983), S. 205 (227); H. Williams, Kant’s Political Philosophy, 1993, S. 259; C. Covell, Kant and the Law of Peace, 1998, S. 96; a. A. P. Capps, EJIL 12 (2001), S. 1003 (1004). 371 372
J. Hsiung, Anarchy and Order, 1997, S. 179 ff.
Das Konzept der kollektiven Sicherheit mit gewaltsamen Sanktionen ist bei Kant nicht vorgesehen, vgl. E. Czempiel, Friedensstrategien, 21998, S. 125 ff.
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ferner davon aus, dass es für Kants Begriff vom Krieg nicht auf dessen jeweils zeitgebundene Erscheinungsformen ankommt, sondern auf die mit dem Krieg verbundene Willkür, die eigentlich unbeteiligte Individuen als bloße Untertanen zu seinen Opfern werden lässt, so bindet das die Ausübung von Hoheitsgewalt auch jenseits des Staates an die rule of law, verlangt eine Konstitutionalisierung jeder Hoheitsgewalt.
IV. Weltbürgerrecht Mit dem Weltbürgerrecht im Dritten Definitivartikel zum ewigen Frieden hat Kant eine Teilordnung eines von einem Weltstaat unabhängigen Weltverfassungsrechts vorweggenommen.373 Es hebt für eine bestimmte Situation die vollständige Mediatisierung des Einzelnen in seinem Staat auf. Dem einzelnen Fremden steht unmittelbar als Mensch und nicht als Staatsangehörigem ein Besuchsrecht zu, das Recht, auf fremdem Territorium nicht als Feind behandelt zu werden und nicht ausgewiesen zu werden, wenn daraus eine Bedrohung für Leib und Leben entstünde.374 Damit räumt das vom Völkerrecht unterschiedene sogenannte Weltbürgerrecht dem Einzelmenschen in begrenztem Umfang einen Rechtstitel gegen jeden fremden Staat ein. Anders als das Staats- und Völkerrecht beruht es nicht auf einer Vereinbarung, sondern ergibt sich unmittelbar aus der Tatsache des Nebeneinanders der Menschen auf begrenztem Raum.375 Wie der Friedensbund folgt es aus der historischen Existenz der Staaten, da es in einem Weltstaat auf der Grundlage eines ursprünglichen Vertrages keinen Platz hätte.376 Es wird von Kant in der Friedensschrift als eine „notwendige Ergänzung des ungeschriebenen Kodex, sowohl des Staats- als des Völkerrechts zum öffentlichen Menschenrechte überhaupt, und so zum ewigen Frieden“ eingeordnet. Das 373
J. P. Müller, FS Aubert, 1986, S. 133 (147 f.); ders., in: P. Blickle/R. Moser (Hg.), Traditionen der Republik, 1999, S. 239 (244). Im Gemeinspruch wird die weltbürgerliche Verfassung dagegen noch mit einem Weltstaat in Verbindung gebracht, ed. cit., VI, S. 169; vgl. auch V. Hackel, Kants Friedensschrift, S. 96. 374
ZeF, 3. Def.art., ed. cit., VI, S. 214; MdS, Rechtslehre § 62, ed. cit., IV, S. 476; s. zu Inhalt und Bedeutung des Weltbürgerrechts P. Kleingeld, Kantian Re2 view 2 (1998), S. 72 (74 ff.), u. vgl. E. Czempiel, Friedensstrategien, 1998, S. 118; J. P. Müller, in: P. Blickle/R. Moser (Hg.), Traditionen der Republik, 1999, S. 239 (249). 375 376
ZeF, ed. cit., VI, S. 214. ZeF, ed. cit., VI, S. 216 f.
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4. Kapitel
ius cosmopoliticum zielt auf die mögliche „Vereinigung“ aller Völker „in Absicht auf gewisse allgemeine Gesetze ihres möglichen Verkehrs“377 und ist Grundlage für die Entwicklung einer weltbürgerlichen Verfassung.378 Seine rechtliche Funktion ist es aber zunächst, den Naturzustand zwischen den Menschen vollständig zu beheben und die Einheit der Menschheit als universales Rechtsprinzip und Prinzip des Friedens einzuführen.379 Das Weltbürgerrecht wird als Kern des modernen Menschenrechtsschutzes angesehen.380 Gegen diese Einordnung als Grundlage der Menschenrechte wird eingewandt, dass es sich beim Weltbürgerrecht nur um ein rechtliches Minimum handele.381 Weitere Rechte wie das Gastrecht setzen bei Kant einen besonderen wohltätigen Vertrag voraus.382 Für eine limitierende Stoßrichtung des ius cosmopoliticum spricht auch, dass sich Kant damit von einer Rechtfertigung der Eroberung der Neuen Welt abgrenzen und auf den Schutz der Ureinwohner zielen kann.383 Seine Beschränkung auf das Besuchsrecht lässt sich aber womöglich historisch damit erklären, dass der Besuch in einem fremden Land der einzige Berührungspunkt mit dessen Hoheitsgewalt war. Anders als das Staatsrecht im Verhältnis Staat-Bürger knüpft das Weltbürgerrecht nicht an das Kriterium der Staatszugehörigkeit an, sondern an diese faktische Einflussnahmemöglichkeit des fremden Staates. In einer globalisierten Welt vervielfältigen sich diese grenzüberschreitenden faktischen Einflussnahmemöglichkeiten, wird die Legitimität staatlicher Herrschaft durch die sogenannten externen Effekte demokratischen Entscheidens herausgefordert. Neben Staaten üben auch internationale Organisatio377 378
MdS, Rechtslehre, § 62, ed. cit., IV, S. 476. ZeF, ed. cit., VI, S. 214; vgl. J. P. Müller, FS Aubert, 1986, S. 133 (146).
379
Vgl. K. Dicke, in: ders./K. Kodalle (Hg.), Republik und Weltbürgerrecht, 1998, S. 115 (121). 380
N. Bobbio, The Age of Rights, 1996, S. 122; J. P. Müller, in: P. Blickle/R. Moser (Hg.), Traditionen der Republik, 1999, S. 239 (244); S. Anderson-Gold, DZPhil 53 (2005), S. 97 (107 f.). 381
V. Hackel, Kants Friedensschrift, 2000, S. 97, 190 f. Weiter wird argumentiert, dass die Beschränkung auf das Gastrecht die Trennung der Staaten und Gesellschaften aufrechterhalten solle, vgl. C. Covell, Kant, Liberalism, and the Pursuit of Justice in the International Order, 1994, S. 31. 382 383
ZeF, ed. cit., VI, S. 213 f. B. Arcidiacono, JHIL 8 (2006), S. 39 (64 ff.).
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nen und multinationale Unternehmen vergleichbaren, nicht territorienbezogenen Einfluss auf Individuen aus. Diese faktischen Einflussmöglichkeiten in anderen Situationen als dem Besuch fremden Territoriums könnten in ähnlicher Weise in die Theorie integriert werden wie die historische Tatsache einer Vielzahl von Staaten. Ein vom Weltstaat begrifflich gelöstes Weltbürgerrecht lässt sich daher in erweiternder Interpretation auf jede Organisationseinheit übertragen, die den Anspruch erhebt, an globaler Normsetzung oder -durchsetzung teilzunehmen oder dies faktisch tut. Kants Modell einer globalen Friedensordnung lässt so Raum für Phänomene differenzierter, staatenübergreifender Regelungsansprüche. Es kann die Basis für eine Einheit des Rechts in elementaren Rechtspositionen des Individuums gegenüber fremder Hoheitsgewalt bilden. Kant geht aber auch von einem offenen Staatsbegriff aus: Staat ist überall dort, wo sich Menschen unter Rechtsgesetzen vereinigen.384 Das Wesentliche des republikanischen Staates ist nicht die Einheit seines Territoriums unter einer repräsentativen Gesetzgebung oder die Homogenität des Volkes als Grundlage der Rechtsgemeinschaft. Vielmehr ist der Begriff offen für die Vielzahl von Teilordnungen in einem fragmentierten Völkerrecht, die nicht territorial gebunden sind, sondern sich überschneiden und durchdringen und in denen sich Personen und Gruppen mit je spezifischen Regelungs- bzw. Repräsentationsbedürfnissen zusammenschließen.385 Sie alle müssen die von Kant an die Republik gestellten Bedingungen erfüllen.386 Die Unterscheidung von einem so verstandenen „staatlichen“ Verfassungsrecht und Weltbürgerrecht kann in der fragmentierten Völkerrechtsordnung der Gegenwart Grundlage eines Verfassungsrechts mit einem differenzierten Legitimitätsbegriff sein. Einerseits vermittelt innerhalb einer Vereinigung vor allem die republikanische Regierungsart Legitimität, andererseits verlangt das Weltbürgerrecht die Beachtung gewisser grundlegender Interessen derer, die nicht Angehörige der Vereinigung oder Teilordnung, ihrer Gestaltungsmacht aber faktisch ausgeliefert sind.
384
„Ein Staat (civitas) ist die Vereinigung einer Menge von Menschen unter Rechtsgesetzen“; MdS, Rechtslehre, § 45, ed. cit., IV, S. 431. S. aber auch die in Fn. 365 wiedergegebene Definition. 385
Vgl. J. P. Müller, in: P. Blickle/R. Moser (Hg.), Traditionen der Republik, 1999, S. 239 (246). 386 Vgl. J. P. Müller, in: P. Blickle/R. Moser (Hg.), Traditionen der Republik, 1999, S. 239 (248).
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4. Kapitel
V. Die Friedensschrift als normative politische Methodologie 1. Konstitutionalisierung als Prozess Das Völkerrecht ist für Kant in der Friedensschrift weder Naturrecht noch das positive bereits durch Verträge und Gewohnheit begründete zwischenstaatliche Recht seiner Zeit. Es geht ihm vielmehr um ein Friedensrecht, in dem sich die (transzendentale) Vernunft historisch real in der Sphäre öffentlichen Handelns verwirklicht.387 Der Friedenszustand ist bei Kant nicht mehr wie die Wolffsche civitas maxima kraft des Naturrechts bereits existent, sondern muss „gestiftet“ werden.388 Kant erklärt Grotius, Pufendorf, Vattel und andere Naturrechtslehrer zu leidigen Tröstern389 und trägt selbst eine „Rechtslehre vom Weltfrieden“390 vor, in der das Recht zum Instrument einer politischen Philosophie der internationalen Beziehungen wird. An die erkenntnistheoretisch vollzogene Destruktion eines naiven naturrechtlichen Völkerrechtsdenkens schließt sich ein philosophisch begründetes rechtspolitisches Programm.391 Dabei genügt es Kant zu zeigen, dass der ewige Friede möglich ist und daher ein moralisches Gebot sein kann.392 Auf dieser Grundlage kann eine offene, nicht programmatische Fortschrittsperspektive die regulative Idee des Gebrauchs der praktischen
387
G. Geismann, ZfPhF 37 (1983), S. 363 (367); V. Gerhardt, Kants Entwurf, 1995, S. 6. Das erklärt, warum einzelne Sätze der Metaphysik der Sitten sich nur unter Hinzunahme materialer, insbesondere anthropologischer Vorgaben erklären lassen. H. Kraus, Problem internationaler Ordnung, 1963, S. 8; C. Ritter, in: M. Stolleis (Hg.), Staatsdenker in der frühen Neuzeit, 31995, S. 332 (337). In der Rechtslehre, §§ 4 ff. ist das Völkerrecht als Staatenrecht das Recht zum Krieg im Naturzustand, das Recht im Krieg und das Recht nach dem Krieg. 388
ZeF, 2. Abschn., vor dem 1. Def.art., ed. cit., S. 203; vgl. dazu V. Gerhardt, Kants Entwurf, 1995, S. 92 ff. 389
ZeF, 3. Def.art., ed. cit., VI, S. 210. Vgl. dazu, insbesondere für eine Gegenüberstellung von Kant und Vattel, H. Steiger, in: M. Lutz-Bachmann/J. Bohman (Hg.), Frieden durch Recht, 1996, S. 140 (149 ff.). Wolff spart Kant offensichtlich von dieser Kritik aus, möglicherweise, weil er die heuristische Funktion des Quasi-Vertrages bei ihm gesehen hat. 390 391 392
G. Geismann, ZfPhF 37 (1983), S. 363. Vgl. K. Prigge, Civitas maxima, 1954, S. 70. M. Doyle, Philosophy & Public Affairs 12 (1983), S. 205 (228).
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Vernunft durch den Rechtsanwender sein.393 Kant will mit der Friedensschrift nicht so sehr einen institutionellen Plan zur Verwirklichung eines „Zwecks an sich“ darlegen, sondern eine normative politische Methodologie zur Verwirklichung der reinen Vernunft in der geschichtlichen Welt entwickeln, nicht die Vision eines künftigen Endzustandes entfalten, sondern die Grundsätze ergründen, die gewahrt werden müssen, wenn es überhaupt politischen Gestaltungsraum geben soll.394 An die Stelle des Krieges soll nicht der Weltstaat treten, sondern der Prozess des Rechts. Im Staat wird eine „allgemeine und fortdauernde Friedensstiftung“ nicht durch eine unauflösliche Staatsverfassung, sondern „gleichsam durch einen Prozeß“ angestrebt.395 Auch der ewige Friede zwischen den Staaten ist „keine leere Idee, sondern eine Aufgabe“, die „ihrem Ziele“ zwar nicht „sofort und mit Ungestüm“, aber doch „beständig näher kommt“.396 Völkerbund und Weltstaat währen zwar ewig und sind unumkehrbar, aber nicht definitiv, weil die Geschichte letztlich auf die innere ethische Vervollkommnung zielt, die mit der Errichtung einer Rechtsordnung als äußerer Zwangsordnung nicht abgeschlossen ist.397 Damit eröffnet Kant überhaupt erst die Perspektive für eine ‚Konstitutionalisierung‘ des Völkerrechts im Sinne einer geschichtlichen Entwicklung hin zu einer umfassenden Verfassungsordnung. In diesem Prozess könnten sowohl der Völkerbund der Friedensschrift, der lediglich die Verpflichtung bedeutet, Konflikte auf friedliche Weise zu behandeln, wie auch ein gemeinschaftlich verabredetes Völkerrecht mit freiwilliger Schiedsgerichtsbarkeit, aber noch ohne allgemeine Zwangsgewalt, wie im Gemeinspruch skizziert,398 Realisierungsschritte auf dem Weg zum Weltstaat als Ausdruck des Bestrebens nach innerer ethischer Vervollkommnung sein.399 393
Vgl. M. Koskenniemi, in: R. Kreide/A. Niederberger (Hg.), Transnationale Verrechtlichung, 2008, S. 65 (83). 394 S. dazu V. Gerhardt, Kants Entwurf, 1995, S. 91; F. Cheneval, Philosophie, 2002, S. 582 ff. 395 396 397 398 399
MdS, Rechtslehre, § 61 und Beschluß, ed. cit., IV, S. 474 f., 479. ZeF, ed. cit., VI, S. 233, 251. B. Arcidiacono, JHIL 8 (2006), S. 39 (68 ff.). GTP, ed. cit., VI, S. 169 f.
G. Geismann, ZfPhF 37 (1983), S. 363 (382); vgl. O. Höffe, in: D. Hüning/B. Tuschling (Hg.), Recht, Staat und Völkerrecht bei Immanuel Kant, 1998, S. 233 (241 f.).
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2. Verwirklichungsmöglichkeiten der formal bestimmten Vernunft Mit dem prozeduralen Verständnis der Friedensstiftung ist die zentrale Fragestellung der Friedensschrift angesprochen. Sie droht aus dem Blick zu geraten, wenn Kant mit anderen universalistischen Völkerrechtskonzeptionen gleichgesetzt wird. Eine Ausdehnung der aristotelischen Vorstellung von der Polis,400 die universalistische Tradition des Stoizismus und die christliche Idee der Menschheit gehen von der normativen Idee einer abstrakten, wertbezogenen und moralischen Einheit der Menschheit aus. Dagegen beruht die Einheit der Menschheit bei Kant nicht auf einem inhaltlich, sondern allein formal bestimmten Begriff der Vernunft als der Fähigkeit, durch autonomes Denken in verschiedenen Zusammenhängen permanent am Prozess der Gemeinwohlsuche mitzuwirken.401 Der Völkerbund ist nicht die substantielle Einheit der Weltgemeinschaft, sondern seine Gründung wird gerade antagonistisch durch die „ungesellige Geselligkeit“ des Menschen befördert. Damit bezeichnet Kant die Neigung des Menschen, sich zu Gesellschaften zusammenschließen, zugleich aber dazu zu tendieren, sich abzusondern und sich Versuchen der Disziplinierung durch die Gesellschaft zu widersetzen. Sie ist für Kant Instrument der teleologischen Natur. Die ersten „wahren Schritte“ geschähen deshalb aus der „Rohigkeit zur Kultur“, der Mensch sei getrieben durch „Ehrsucht, Herrschsucht oder Habsucht, sich einen Rang unter seinen Mitgenossen zu verschaffen, die er zwar nicht wohl leiden, von denen er aber auch nicht lassen könne“: Zwar wolle der Mensch „Eintracht“; aber die Natur wisse besser, was für seine Gattung gut sei, sie wolle „Zwietracht“.402 Auch die Völkerbundgründung müsste deshalb „selbst für ein Volk von Teufeln“ „auflösbar“ sein.403 Gerade die Disharmonie unter den Menschen fördert den Frie400
S. zum Weltstaat bei Aristoteles S. Stern, Aristotle on the World-State,
1968. 401
Vgl. J. P. Müller, in: P. Blickle/R. Moser (Hg.), Traditionen der Republik, 1999, S. 239 (246). 402
Idee, Vierter Satz, ed. cit., VI, S. 37 ff. (Zitate auf S. 37, 38); s. dazu A. Wood, in: D. Hüning/B. Tuschling (Hg.), Recht, Staat und Völkerrecht bei Immanuel Kant, 1998, S. 35. Zur Funktion des Widerstreits als Antrieb zu einer nur in der Idee vollständig erreichbaren Einheit im Werk Kants s. H. Saner, Kants Weg vom Krieg zum Frieden, 1967, S. 19 ff. 403
(221).
Vgl. ZeF, ed. cit., VI, S. 224; dazu R. Hesse, Kant-Studien 98 (2007), S. 218
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den, die Konflikte begründen die Notwendigkeit der republikanischen Verfassung und des Völkerrechts.404 Es gibt eine historische Dynamik der Rechtsentwicklung, die den Prinzipien des Rechts allmählich zur Geltung verhilft.405 Der Frage, wie sich dieser Prozess aufbauend auf Erkenntnissen der konstruktivistischen IB-Forschung in die völkerrechtliche Dogmatik integrieren lässt, wird im 8. Kapitel dieser Arbeit nachzugehen sein. Das moralische Gesetz verwirklicht sich durch die Person des moralischen Politikers. Im Anhang der Friedensschrift stellt Kant den moralischen Politiker dem politischen Moralisten gegenüber. Hier glaubt Kant den „Schlüssel zur Lösung des bisher ungelösten Rätsels“ zu finden, was denn zur Hoffnung auf den Ewigen Frieden berechtige, und er rekapituliert dazu die Grundfragen seiner praktischen Philosophie.406 Während sich der moralische Politiker der Verwirklichung der Moral in der Politik verpflichtet, formt sich der politische Moralist die Moral so, dass sie zu seiner an sophistischen Maximen der Staatsklugheit,407 nicht an der Vernunft orientierten Politik passt. Der moralische Politiker orientiert sich nicht nur am geltenden Recht, sondern auch an den zugrunde liegenden Rechtsprinzipien und an ethischen Grundsätzen.408 Seine Maxime ist das formale Prinzip des kategorischen Imperativs, wohingegen der politische Moralist sich am materiellen Prinzip orientiert, einen „Zweck“ als „Gegenstand der Willkür“ zu erreichen. An die Stelle der Moral tritt bei ihm die „Pseudoweisheit des Interesses“.409 Der kategorische Imperativ gibt nicht positiv den Inhalt der Maximen vor, sondern die Art und Weise, mit der sie bestimmt werden sollen.410 Nach nahezu allen Formulierungen, die sich dazu im Werk Kants finden, ist dies das Prinzip der Verallgemeinerbarkeit.
404
Vgl. C. Covell, Kant, Liberalism, and the Pursuit of Justice in the International Order, 1994, S. 33. 405 406
Vgl. V. Gerhardt, Kants Entwurf, 1995, S. 156. W. Jaeschke, DZPhil 56 (2008), S. 277 (290).
407
Kant nennt hier „Fac et excusa.“, „Si fecisti nega.“ und „Divide et impera.“, s. ZeF, ed. cit., VI, S. 236 f. 408
V. Gerhardt, Kants Entwurf, 1995, S. 168.
409
2
M. Castillo, in: O. Höffe (Hg.), Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden, 2004, S. 195 (203).
410 Vgl. M. Castillo, in: O. Höffe (Hg.), Immanuel Kant: Zum ewigen Frie2 den, 2004, S. 195 (211).
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4. Kapitel
Hannah Arendt fand Anhaltspunkte für ein angemessenes Verständnis genuin politischen Handelns in der Ästhetik der Kritik der Urteilskraft. Danach besteht das Wesen des Politischen in einer Kommunikation in praktischer Absicht unter den Bedingungen der Pluralität und der Humanität. Hier urteile der Mensch als „Mitglied einer Gemeinschaft“, die „Maxime der Urteilskraft“ ermögliche ihm, sich als „Mitglied einer Gemeinschaft“ zu begreifen.411 Im Beschluss der Rechtslehre heißt es, es sei: „nicht mehr die Frage“, „ob der ewige Friede ein Ding oder Unding sei, und ob wir uns nicht in unserem theoretischen Urteile betrügen, wenn wir das erste annehmen, sondern wir müssen so handeln, als ob das Ding sei, was vielleicht nicht ist, auf Begründung desselben, und diejenige Konstitution, die dazu die tauglichste scheint […] hinwirken“.412 Die Publizität ist ein Kriterium, mit dem überprüft werden kann, ob die Politik den moralischen Maximen folgt.413 Politik muss sich rechtfertigen, an das Recht appellieren, um ihre Ziele zu erreichen.414 Damit verträgt sich die private Ethik der Rechtschaffenheit des politischen Moralisten nicht, weil für ihn die Perspektive des Friedens letztlich nur ein Feigenblatt vor der organisierten Gewalt bildet, weil die Sophismen der Klugheit bei ihm insgeheim die Theorie im Rahmen der Praxis pervertieren.415 Kant definiert Politik als eine „ausübende Rechtslehre“416 und er setzt sich für das Völkerrecht gezielt mit der Antinomie zwischen Politik 411
H. Arendt, Das Urteilen, 1998, S. 17 ff., 94 ff.; vgl. auch M. Koskenniemi, Theoretical Inquiries in Law 8 (2007), S. 9 (32). 412
MdS, Rechtslehre, Beschluss, ed. cit., IV, S. 478.
413
ZeF, ed. cit., VI, S. 244 ff.; vgl. V. Hackel, Kants Friedensschrift, 2000, S. 123. 414
S. Nour, ARSP 90 (2004), S. 391 (397); vgl. I. Maus, Zur Aufklärung der Demokratietheorie, 1994, S. 127 f. 415
Vgl. M. Castillo, in: O. Höffe (Hg.), Immanuel Kant: Zum ewigen Frie2 den, 2004, S. 195 (201 ff.); vgl. zum Verhältnis von Theorie und Praxis zwischen den Staaten bei Kant M. Stolleis, Staatsraison, Recht und Moral in philosophischen Texten des späten 18. Jahrhunderts, 1972, S. 85, 94, 97 f. 416
ZeF, ed. cit., VI, S. 229; s. auch AA 8, S. 429 f., wo Kant einerseits die Unantastbarkeit des Rechts betont, andererseits aber sagt, dass sich der Übergang von den strikten „rechtlich-praktischen Grundsätzen“ auf „vorkommende Fälle“ nach „mittleren“ Grundsätzen, den „Regeln der Politik“ zu vollziehen habe.
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und Moral auseinander. Für die naive Verdrängung der Politik durch die Metaphysik kann er also nicht angeführt werden, wohl aber für die Zuversicht, dass das Verfahren des formalen Prinzips, das staatliche Verhalten nicht nach selbstgesetzten Zwecken, sondern nach einem allgemeinen Gesetz auszurichten, eine kontinuierliche Annäherung an den ewigen Frieden bewirken kann. Die zentral mit Kant in Verbindung gebrachte metaphysische Begründung des Völkerrechts als Alternative zur Politik, ein Verständnis der Verrechtlichung der internationalen Beziehungen als Depolitisierung,417 greift also zu kurz.418 „Constitution“ und „Discourse“ würden nach kantischem Verständnis keinen Gegensatz bilden,419 weil die Eröffnung des überstaatlichen Diskursraums gerade das Forum der Vervollkommnung der Freiheit sein kann.
VI. Zusammenfassung und Einordnung Kants Beitrag zur Begründung einer Weltgemeinschaft ist insbesondere im Hinblick auf zwei Aspekte bedeutsam. Einerseits entfaltet die formal bestimmte Vernunft ihre kosmopolitische Dimension. Insofern lassen sich die sogenannten Globalisten als Fortsetzung und Weiterentwick-
417
S. Schieder, EJIL 11 (2000), S. 663 (671) mit Bezug auf A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, 31984; A. Verdroß-Droßberg, in: E. Sauer (Hg.), Forum der Rechtsphilosophie, 1950, S. 9. S. auch B. Simma, EJIL 6 (1995), S. 33 (41); A. Carty, EJIL 11 (2000), S. 713 (715 f.). Zur Einordnung der kosmopolitischen Konstruktion als Versuch, die Moralität gegenüber der Politik zu privilegieren, S. auch D. Chandler, Political Studies 51 (2003), S. 332 (340); C. Mouffe, DZPhil 53 (2005), S. 69 (75). 418
Dieses in der Völkerrechtslehre dominante Verständnis der Kantischen Rechtslehre als rein metaphysisch und nicht-politisch ist wohl vor allem auf Fichtes Rezension der Friedensschrift und auf Hannah Arendt zurückzuführen. Fichte interpretiert den Anhang der Friedensschrift als „eine Menge treffend gesagter Wahrheiten, deren reifliche Beherzigung jeder wünschen muß“ (J. G. Fichte, Zum ewigen Frieden – Ein philosophischer Entwurf von Immanuel Kant, 1796, ed. cit., S. 91), und bringt sie damit in den Ruf eines naiven Moralismus (M. Castillo, in: O. Höffe (Hg.), Immanuel Kant: Zum ewigen Frieden, 2 2004, S. 195 (197)). 419
Vgl. zur Forderung „from constitution to discourse“ A. Paulus, in: I. Dekker/W. Werner (Hg.), Governance and International Legal Theory, 2004, S. 59 (93 ff.).
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4. Kapitel
lung verstehen.420 Aber auch die Konstitutionalisierungslehre kann, wie gezeigt, Kants Republikverständnis, Völkerrecht und Weltbürgerrecht weiterentwickeln. Andererseits widmet sich Kant mit der Friedensschrift der Frage der Verwirklichung eines dauerhaften Friedens im Prozess des Rechts. Daran kann die Idee der Konstitutionalisierung des Völkerrechts unmittelbar anknüpfen. Der Fortschrittsglaube Kants scheint im Optimismus fortzuwirken, das Recht könne den Willen der Staaten zunehmend binden. Er wird gestützt von einer sich entwickelnden kosmopolitischen Öffentlichkeit, die möglicherweise Defizite der naturteleologischen Geschichtsphilosophie Kantischer Prägung kompensieren kann. Kant ist auch für ein postmodernes Völkerrechtsverständnis anschlussfähig, das den Vernunftgebrauch subjektiviert und im Rechtsdiskurs die Möglichkeit der Suche nach Anerkennung verallgemeinerbarer Ansprüche sieht und „Constitutionalism“ als „Mindset“ und das Recht als Ausdrucksmittel des Diskursteilnehmers betrachtet.421 Wenn die Essenz der Friedensschrift in ihrem Anhang zu finden ist, dann bleibt für das Völkerrecht des zweiten Definitivartikels nur mehr die Funktion eines Blendwerks. Der Versuch, den ewigen Frieden unter Umgehung der Moral durch Vertragsschlüsse zu erreichen, ist dann nicht nur ein Umweg, sondern ein Abweg: Das Völkerrecht wird moralisch unterminiert.422 Völkerrechtliche Verträge können damit nur deklaratorisch das Gebot der kategorischen Vernunft wiedergeben. Eine andere Funktion könnte ihnen aber nach ihrer Dekonstruktion durch Kant auch zukommen, soweit sie als institutionelle Verträge oder Regimes die Rahmenbedingungen für einen Prozess des Rechts schaffen, in dem sich die kategorische Vernunft unter den Bedingungen des Diskurses und der Öffentlichkeit entfalten kann. 420
Überblick zu den „Globalisten“ D. Archibugi u. a. (Hg.), Re-Imagining Political Community, 1998; N. Bobbio, Diritto e potere: Saggi su Kelsen, 1992 (s. auch D. Zolo, EJIL 9 (1998), S. 306); A. Cassese, Il diritto internazionale nel mondo contemporaneo, 1984, S. 29; O. Czempiel, ZIB 3 (1996), S. 79; K. Dicke /K.-M. Kodalle (Hg.), Republik und Weltbürgerrecht: Kantische Anregungen zur Theorie politischer Ordnungen nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, 1998; J. Habermas, KJ 28 (1995), S. 293; ders., Die postnationale Konstellation, 1998; ders., Faktizität und Geltung, 1998; O. Höffe, Demokratie im Zeitalter der Globalisierung, 1999; vgl. S. Schieder, EJIL 11 (2000), S. 663 (669). 421
M. Koskenniemi, Theoretical Inquiries in Law 8 (2006), S. 9; ders., in: B. Puri/H. Sievers (Hg.), Terror, Peace, and Universalism, 2007, S. 122 (136). 422
Vgl. W. Jaeschke, DZPhil 56 (2008), S. 277 (291).
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C. Zwischenfazit: Wandel und Kontinuitäten der idealistisch-universellen Völkerrechtskonzeptionen Hinter den Bezugnahmen von Vertretern der Konstitutionalisierungsthese und ihren Vorläufern auf die spanische Spätscholastik, auf Philosophen des Rationalismus und auf Kant verbirgt sich mehr als eine normative Selbstvergewisserung in pauschaler Anknüpfung an eine lange Tradition. Die trotz aller Verschiedenheiten zwischen den dargestellten Autoren bestehenden Kontinuitäten über die Jahrhunderte werden besonders vor einer Kontrastfolie erkennbar: Gegenbild des vor allem bei Vitoria und Suárez, Wolff und Kant ausgeprägten Völkerrechtsverständnisses ist ein internationales Recht, an das die Staaten und Souveräne nur punktuell gebunden sind, wenn sie sich ihm freiwillig unterwerfen. Die erörterten Autoren der spanischen Spätscholastik, des Rationalismus und der Aufklärung entwickeln dagegen mit dem totus orbis, der communitas humani generis, der civitas dei, der civitas maxima und dem Bund der Völker eine anspruchsvolle überstaatliche Ordnung, die – in struktureller Parallele zur Konstitutionalisierungsidee − keinen Weltstaat bedeutet. Mit der Autonomie und dem umfassenden Charakter des Völkerrechts sind zugleich grundlegende Elemente eines vom Nationalstaat abgelösten und mit reduziertem Gehalt auf die überstaatliche Ordnung übertragenen Verfassungsbegriffs bezeichnet. Den Ursprung der Souveränität sehen die Vorläufer Kants stets auf der – unterschiedlich bezeichneten – überstaatlichen Ebene, begrifflich ist ihnen auch noch eine Teilung der Souveränität möglich. Die überstaatliche Ordnung hat einen mehr oder weniger ausgeprägten politischen Charakter, sie ist civitas, nicht nur societas. Ihre Begründung wandelt sich von einer holistischen civitas dei bei Leibniz zu einem individuellen Vernunftgebot, den Völkerbund zu stiften. Den Grund, warum Kelsen an Wolffs civitas maxima anstatt an Kants Völkerbund anknüpft, kann man indes darin sehen, dass Kant aufgrund eines substantiellen Verständnisses der Volkssouveränität, der staatlichen gegenüber der weltbürgerlichen Ordnung für Kelsen eine zu große Bedeutung zukommen lässt.423 Auffallend ist, dass es ein schon Vitoria und Suárez vertrautes Argument ist, das Völkerrecht aus dem innerstaatlichen Recht zu entwickeln. 423 Vgl. H. Brunkhorst, in: R. Kreide/A. Niederberger (Hg.), Transnationale Verrechtlichung, 2008, S. 30 (50); s. aber auch o., Fn. 353.
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4. Kapitel
Auch Wolff überträgt die Geltungsbedingungen für fiktive Verträge von privatrechtlichen Gesellschaften auf das Völkerrecht. Diese domestic analogy ist auch für die Konstitutionalisierungslehre charakteristisch, wenn eine Völkerrechtsverfassung als Ausdruck einer obersten Werteordnung in der Tradition des europäischen Konstitutionalismus gesehen wird. Ein Aspekt dieser Parallelisierung ist auch die Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Normen im Völkerrecht. Bei Leibniz liegt dem eine Unterscheidung nach der Interessentheorie zugrunde, die als Vorläufer der Differenzierung zwischen gemeinschaftsbezogenen und zwischenstaatlichen Normen im modernen Völkerrecht angesehen werden kann. Für die Einsicht in die tatsächliche wechselseitige Abhängigkeit von Staatsverfassung und Völkerrecht ist wiederum Kant eine zentrale Referenz. Das Spannungsverhältnis zwischen universeller Völkerrechtsordnung und partikularen Vorstellungen, zwischen Universalismus und Ethnozentrismus, zwischen Globalismus und Etatismus, mit dem moderne Vorstellungen von einer übergreifenden konstitutionellen Ordnung konfrontiert sind, deutet sich auch schon bei den klassischen Autoren an. Bei Vitoria und Suárez wird die Differenz zwischen Christenheit und Weltgemeinschaft nivelliert. Für Leibniz ist das Heilige Römische Reich Enklave der civitas dei. Besonders wichtig für die in dieser Arbeit entwickelte Konzeption der Konstitutionalisierung ist Kants prozessorientiertes Verständnis der Annäherung an den „ewigen Frieden“. Zwischen den Alternativen eines materiell bestimmten Naturrechts und eines positivistischen Völkerrechtsverständnisses eröffnet Kant die Perspektive eines formalen und prozeduralen Vernunftrechts. Bei ihm kondensiert die Grundlage für ein universelles Völkerrecht, das sich nicht auf nicht weiter begründbare substantielle Werte, sondern auf den formalen und prozeduralen Charakter des Rechts stützt. Er markiert damit zugleich die Herausforderung, vor der die bislang vor allem substantiell wertegeprägte Konstitutionalisierungslehre in der Völkerrechtstheorie steht, wenn sie als postkritische Theorie Bestand haben will. Für Kant ist wie schon für Wolff der wesentliche Gehalt des Vernunftrechts das Gebot des exeundum est e statu naturali. Kelsen wird die Formalisierung in der Reinen Rechtslehre neukantianisch radikalisieren. Bei ihm wie bei Lauterpacht wird im Vertrauen auf die Rationalität der Richterschaft aber auch das prozedurale Element des Vernunftgebrauchs erkennbar. Verdross dagegen versucht, zwischen einem materiell bestimmten, christlichen Naturrecht in der Tradition von Vitoria und Suárez und dem zeitgenössischen positiven Recht zu vermitteln.
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Als formales Kriterium des Vernunftgebrauchs lässt sich bei Leibniz und Wolff, aber auch schon bei Vitoria und Suárez die Figur des fiktiven Vertrages erkennen. Die mit dem Vertragsgedanken verbundene Vorstellung einer bloßen Gegenseitigkeitsordnung überwindet Kant dadurch, dass er in einem fiktiven Vertrag den Ausdruck einer kollektiven, aber schon im Individuum tätigen Vernunft sieht. Der Wandel der internationalen zu einer kosmopolitischen Ordnung ist auch mit Habermas besser prozedural als mit der Vorstellung von einem Gesellschaftsvertrag als definitiver Grundlage der Weltordnung zu verstehen.424 Der wesentliche Unterschied zwischen Kant und einer diskurstheoretischen Begründung des Rechts besteht darin, dass Kant fragt, was ein jeder von uns, ohne mit sich selbst in Widerspruch zu geraten, als allgemeines Gesetz für alle wollen kann. Die Diskurstheorie fragt danach, welche Normen und welche normativen institutionellen Einrichtungen von allen Betroffenen, wenn sie Teilnehmer einer speziellen Art der moralischen Argumentation wären, die Diskurs genannt wird, intersubjektiv verbindlich anerkannt würden.425 Sie lässt sich dahin verstehen, dass sie das Element des Vernunftgebrauchs und das im Kontraktprinzip wurzelnde intersubjektive Moment miteinander verbindet, sich der Vertragsfigur also nicht von einem normativen Individualismus her nähert, sondern sie als normatives Ideal des deliberativen Prozesses anordnet.426 Der Vertragsgedanke ist dann ein im Diskurs einzupassender Probierstein der Legitimität. Alle Institutionen, die beanspruchen, auf allgemein und reziprok gültigen Prinzipien zu beruhen, müssen diese Geltung allgemein und reziprok „verdienen“ und können sich nicht auf substanzielle Prinzipien des Richtigen und des Guten stützen.427 Setzt man das diskursive Paradigma zur Kontraktidee in Beziehung, so steht es der im 2. Kapitel erörterten Mehrvertragslehre diametral gegenüber. Während die Kumulation der Verträge den Gedanken der Reprä424
Vgl. C. Cronin, Editor’s Preface, in: The divided West, S. vii-xxi (ix).
425
S. Benhabib, DZPhil 55 (2007), S. 501 (508); vgl. A. von Bogdandy/S. Dellavalle, GLJ 10 (2009), S. 5 (20 ff.). 426
Vgl. W. Kersting, Gesellschaftsvertrag, 1994, S. 355. Bei Habermas wird die klassische Frage der Staatsbegründung nicht mithilfe eines kontraktualistischen Gedankenexperiments beantwortet, sondern als diskursive Praxis verstanden, die normativ geleitet ist, ohne Recht und Demokratie direkt aus moralischen Grundsätzen abzuleiten: J. Habermas, Faktizität und Geltung, 1998, S. 668; vgl. R. Forst, in: M. Brocker (Hg.), Geschichte des politischen Denkens, 2007, S. 757 (761). 427
Vgl. R. Forst, Das Recht auf Rechtfertigung, 2007, S. 128 ff.
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4. Kapitel
sentation akzentuiert, gewinnt mit der Verschiebung vom Kontrakt zum Diskurs das deliberative Moment an Bedeutung. Auf einer diskurstheoretisch inspirierten Grundlage, die sich von den im 2. Kapitel erörterten auf den Nationalstaat bezogenen Verfassungsvorstellungen abgrenzt, könnte sich das Völkerrecht, das sich von einem neutralen, zwischenstaatlichen Recht zu einem Recht für die Menschen entwickelt hat, als ein auf die Individuen rückführbares Recht konzipieren lassen.428 Die Legitimitätsvermittlung durch gemeinsame Werte, die von gemeinsamen Institutionen verwirklicht werden, offenbart dann Defizite beim demokratischen Input.429 Eine Konstitutionalisierungsidee, die nur die liberale, herrschaftsbeschränkende Verfassungstradition auf die internationale Ebene überträgt, muss sich letztlich auf Menschenrechte stützen, die nicht anders begründet werden können als dadurch, dass sie „von Natur aus“ gelten. Es bleibt gegenüber der republikanischen Verfassungstradition eine Legitimationslücke.430 Dass die internationale Ebene also auf Legitimationsflüsse aus den Verfassungsstaaten angewiesen ist, legt eine synthetische Mehrebenenperspektive auf Teilverfassungen im Staat und jenseits des Staates nahe, die diese Legitimationsflüsse einbeziehen kann.
428
S. indes J. H. H. Weiler, ZaöRV 64 (2004), S. 547 (558) – vormoderne Tiefenstruktur des Völkerrechts, das Menschen wie Wale oder Bäume behandele; T. Giegerich, GLJ 10 (2009), S. 31 (38). 429 430
Vgl. A. von Bogdandy, Harv. ILJ 47 (2006), S. 223 (235 f.). Vgl. J. Habermas, Konstitutionalisierung, 2004, S. 139 f.
3. Teil Konstitutionalisierung und allgemeine Dogmatik des Völkerrechts Für eine rechtswissenschaftliche Konstitutionalisierungslehre, die über eine Beschreibung von Phänomenen hinausgeht, ist entscheidend, dass sie die im 1. Kapitel dieser Arbeit als Autonomisierung des Völkerrechts und als Übernahme und Verstärkung von Verfassungsfunktionen bezeichneten Entwicklungen in der Dogmatik des Völkerrechts verankern kann. Zentrale Elemente dieser dogmatischen Dimension der Konstitutionalisierungsthese sind die Hierarchisierung völkerrechtlicher Normen, die Herausbildung einer objektiven universellen Ordnung zum Schutz von Gemeinschaftsgütern und die Rechtsbindung der Ausübung von Hoheitsgewalt jenseits des Staates. Diesen Referenzbereichen ist in den folgenden Kapiteln 5 bis 7 nachzugehen. Dabei wird zu untersuchen sein, ob sich hier eine konstitutionelle Sichtweise bewährt, ob also die Einordnung und Zusammenfassung dieser Phänomene gerade als Aspekte der Konstitutionalisierung oder als verfassungsäquivalent einen Mehrwert begründet.
5. Kapitel: Hierarchisierung im Völkerrecht Die Hierarchisierung des Völkerrechts gilt als wesentliches Element der Konstitutionalisierungsthese.1 Dem Völkerverfassungsrecht als mit dem relativ höchsten Rang und besonderer Festigkeit ausgestattetem Recht soll wie der staatlichen Verfassung ein Vorrang zukommen.2 Wie darge1
S. nur G. Biaggini, ZSR NF 119 (2000), S. 445 (473) m. N.
2
Vgl. B. Fassbender, in: H. Münkler/K. Fischer (Hg.), Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, Bd. III, 2002, S. 231 (241).
T. Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 231, DOI 10.1007/978-3-642-24884-9_3, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
315
316
5. Kapitel
stellt, sehen Vertreter der Konstitutionalisierungslehre die Grundlage einer derartigen Hierarchisierung häufig darin, dass gemeinsame Werte eine den Staaten übergeordnete Legitimationsinstanz bilden. Auf dogmatischer Ebene wird die Hierarchisierungsthese vor allem mit der Sonderstellung des ius cogens3 und der Verpflichtungen erga omnes sowie mit einem Verständnis der UNO-Charta als übergreifender Verfassungsordnung des Völkerrechts verknüpft.4 Im Folgenden gilt es zunächst, die verschiedenen Vorstellungen zu analysieren, die in der Völkerrechtslehre mit einer Hierarchisierung des Völkerrechts verbunden werden (A.). Anschließend kann untersucht werden, ob die sogenannten Fundamentalnormen, ius cogens und Verpflichtungen erga omnes, dogmatisch überzeugend und aussagekräftig als hierarchisch höherrangiges Verfassungsrecht eingeordnet werden können (B.). Im Hinblick auf das ius cogens sind dabei auch die besonderen Rechtsfolgen einzubeziehen, die sich an seine Verletzung knüpfen und die sich möglicherweise als spezifische Konsequenz eines verfassungsrechtlichen Vorrangs verstehen lassen (C.). Schließlich stellt sich die Frage, ob der UNO-Charta ein hierarchischer Vorrang zukommt, der sich als ‚verfassungsrechtlich‘ qualifizieren lässt (D.).
A. Verschiedene Vorstellungen von Hierarchisierung In der Völkerrechtstheorie wird eine graduelle Abstufung der Normativität des Völkerrechts auf unterschiedliche Weise erklärt (I.). Mit der Hierarchisierung des Völkerrechts werden im Wesentlichen zwei verschiedene Vorstellungen verknüpft.5 Zunächst ist damit das Phänomen 3
B. Fassbender, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 837 (845); A. Paulus, Nordic JIL 74 (2005), S. 297 (332); S. Oeter, FS Wildhaber, 2007, S. 499 (510); s. auch J. Frowein, RdC 248 (1994IV), S. 347 (355 ff.); A. Cassese, International Law, 22005, S. 198 ff. – sie ordnen das ius cogens als Verfassungsrecht ein. 4
Vgl. G. Jaenicke, Stichwort „International Public Order“, EPIL II, 1995, S. 1348 (1348 f.); S. Kadelbach, ZaöRV 64 (2004), S. 1 (11); D. Carreau, Droit international, 92007, S. 82 ff. – UNO-Charta und ius cogens als Fälle einer „‚super-légalité‘ internationale“. 5
Dagegen wird nicht mehr von einer Hierarchie der Quellen des Völkerrechts ausgegangen. Art. 38 IGH-Statut schreibt keine feste Anwendungshierarchie vor, sondern gibt vielmehr die Reihenfolge wieder, in der die Rechtsätze der einzelnen Quellen aufgrund ihres Spezialitätsverhältnisses in der Praxis an-
Hierarchisierung im Völkerrecht
317
einer relativen Normativität mit graduellen Abstufungen normativen Gewichts gemeint (II.).6 Die Konstitutionalisierungsthese bezieht sich demgegenüber vor allem auf eine bestimmte Form differenzierter Normativität, die Herausbildung einer grundlegenden Vorrangordnung vor dem übrigen zwischenstaatlichen Völkerrecht (III. 1.). Im Hinblick auf diese zweite Form der Hierarchisierung stellt sich die Frage nach Parallelen zum hierarchischen Vorrang innerstaatlicher Verfassungen (III. 2.).
I. Völkerrechtstheorien und relative Normativität Abhängig von der theoretischen Ausgangsposition stellt sich die Frage nach Hierarchien im Völkerrecht auf unterschiedliche Weise.7 Aus der Sicht einer Naturrechtslehre, die das positive Recht in der Eigenart des Menschen, in der Gerechtigkeit und Moral oder aber in der Vernunft gegründet sieht, drängt sich geradezu eine graduelle Normativität auf, da die den jeweiligen Normen zugeschriebenen Werte durchaus unterschiedlichen Rang haben können.8 Weder im klassischen Naturrecht noch in modernen Lehren ist indes die Vorstellung verbreitet, dass das Naturrecht Gültigkeitsvoraussetzung des positiven Rechts sei. Der Vor-
gewandt werden. Probleme ergeben sich hier aus der Entwicklung von Normen der einzelnen Quellen in der Zeit, wenn etwa nachträglich Völkergewohnheitsrecht entsteht, das einem Vertrag widerspricht. Die Lösung der Kollision kann nur einzelfallabhängig erfolgen. Vgl. H. Thirlway, in: M. Evans (Hg.), International Law, 22006, S. 115 (132 f.) sowie auch schon M. Akehurst, BYBIL 47 (1974-1975), S. 273 (274) m. N. zum Streit, ob Art. 38 IGH-Statut eine Hierarchie der Quellen vorsehe. Die ursprünglich vorgesehene Wendung „en ordre successif“ in Art. 38 StIGH-Statut wurde gestrichen, ohne dass sich klären ließe, aus welchem Grund. Durchaus plausibel ist, dass die Ordnung in Art. 38 IGH-Statut sich nach der Einfachheit des Nachweises richtet, vgl. L. Le Fur, RdC 54 (1935), S. 5 (212). Für den Vorrang des Völkergewohnheitsrechts als Rechtsquelle spricht, dass darin der Rechtssatz pacta sunt servanda enthalten ist. 6 S. zur Begriffsbildung P. Weil, AJIL 77 (1983), S. 413; U. Fastenrath, EJIL 4 (1993), S. 305; J. Tasioulas, OJLS 16 (1996), S. 85. 7
U. Fastenrath, EJIL 4 (1993), S. 305; ders., Lücken, 1991, S. 36 f.; J. H. H. Weiler/A. Paulus, EJIL 8 (1997), S. 545 (558 ff.). 8 Vgl. U. Fastenrath, EJIL 4 (1993), S. 305 (327 ff.); J. H. H. Weiler/A. Paulus, EJIL 8 (1997), S. 545 (560); U. Beyerlin, FS Steinberger, 2002, S. 31.
318
5. Kapitel
rang des Naturrechts folgt viel eher aus seinem Status als Ideal denn als Gültigkeitsmaßstab.9 Auch für ein positivistisches Verständnis ist die Relativität normativer Verbindlichkeit nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Der Gesetzespositivismus setzt Rechtssätze voraus, die von meta-rechtlichen, linguistischen Konventionen abhängen. Sie erfahren in unterschiedlichem Umfang die Zustimmung der Staaten, und ihnen kann in unterschiedlichem Maße Autorität zukommen. Der Inhalt der Rechtssätze ist in seinem normativen Gehalt also relativ.10 Nach der sogenannten Willenstheorie kann sich eine Differenzierung der Normativität daraus ergeben, dass der rechtsetzende Wille in seiner Stärke variiert und dementsprechend die Staaten unterschiedliche Instrumente wählen. Außerdem kann es in einem Rechtssystem mehrere Rechtsetzer geben, die mit unterschiedlicher Autorität ausgestattet sind. Generell ist für eine positivistische Völkerrechtstheorie die relative Normativität abhängig vom Grad der grundsätzlichen Zustimmung zu bemessen, die die Norm durch die Staaten erfahren hat.11 Nach der New Haven School als rechtssoziologischer Theorie hängt die Autorität von Verhaltenserwartungen einerseits davon ab, welches Maß an Zustimmung sie in einer Gesellschaft erfahren. Andererseits wird schon auf der Ebene der Entscheidung selbst zwischen konstitutiven und anderen Entscheidungen differenziert. Grundlegende politische Ziele, die sogenannten constitutive principles für die Verwirklichung der Menschenwürde, können sich über gewöhnliche geteilte Erwartungen der Parteien hinwegsetzen. Basic community policies haben danach Vorrang vor sonstigen shared expectations der Parteien. Diese Unterscheidungen zwischen „constitutive and other decisions“ sind aber Fragen relativer Betonung, nicht des Ausschlusses.12
9
Vgl. S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 130 ff.
10
U. Fastenrath, EJIL 4 (1993), S. 305 (315). Aus der Sicht kommunikationstheoretischer Ansätze in der IB-Theorie wird allerdings bezweifelt, dass die formale Unterscheidung zwischen verschiedenen hierarchischen Kategorien das graduell differenzierte Ausmaß erfassen kann, mit dem die Autorität der Rechtsregeln auf Entscheider einwirkt: F. Kratochwil, Rules, Norms, and Decisions, 1989, S. 41 f.; vgl. M. Kaplan/N. Katzenbach, in: R. Falk/S. Mendlovitz (Hg.), The Strategy of World Order, Bd. 2, 1965, S. 19 (34 ff.). 11 12
Vgl. I. Seiderman, Hierarchy in International Law, 2001, S. 273 f.
M. McDougal/H. Lasswell/M. Reisman, The World Constitutive Process of Authoritative Decision, in: M. McDougal/M. Reisman, International Law
Hierarchisierung im Völkerrecht
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Für den Rechtsrealismus kommt es dagegen vorrangig auf die Macht des einzelnen Richters oder sonstigen Entscheiders an, die variieren und den Entscheidungen damit unterschiedliche Wirkungsmacht verleihen kann. Aus kritischer Sicht überdeckt die Annahme fester Hierarchien eine grundlegende Uneinigkeit über Inhalt und Funktionen des Völkerrechts. Diese kann durch umstrittene Behauptungen der richtigen Interpretation des Rechts jedenfalls innerhalb des Rechts nicht abgemildert werden. Von einem externen kritischen Standpunkt aus soll der völkerrechtliche Diskurs zwischen den Polen Recht und Macht, Utopie und Apologie oszillieren. Entscheidend für diese Beobachtung sei indes nicht das statische Verhältnis zwischen den Polen, sondern die epistemologische Unsicherheit, die zur Selbstreferentialität, zur wechselseitigen Abhängigkeit der Pole und zur ständigen Umkehrung der Hierarchien führe. Recht bestehe eben nicht nur in der Anwendung der Hierarchien der Vergangenheit auf die Gegenwart. Die Überforderung rechtlicher Regeln durch die Komplexität der Realität, die Notwendigkeit eines Regel-/Ausnahmeschemas und die Verbindung von hartem Recht mit Billigkeitserwägungen unterminiere die Bestimmung des hierarchischen Status eines bestimmten Verhaltens.13 Für die verschiedenen Völkerrechtstheorien bedeutet Hierarchisierung im Ergebnis übereinstimmend eine graduelle Differenzierung der Normativität. Die Konstitutionalisierungslehre nimmt demgegenüber eine Sonderstellung ein, wenn sie dichotomisch zwischen Vorrang beanspruchenden ‚Verfassungsnormen‘ und sonstigen Normen des Völkerrechts unterscheidet.
II. Relative Normativität im positiven Völkerrecht Im positiven Recht finden sich verschiedene Beispiele relativer Normativität, da nicht alle zum System des Völkerrechts gehörenden Normen dasselbe Maß an Verbindlichkeit aufweisen. Die graduelle Differenzierung und Abstufung der Normativität bestimmter Rechtssätze im Völkerrecht hat verschiedene Formen entwickelt (1.) und wird insbesondere für einzelne Menschenrechte diskutiert (2.).
Essays, 1981, S. 191 (192); vgl. J. H. H. Weiler/A. Paulus, EJIL 8 (1997), S. 545 (559 f.) m. w. N. 13
M. Koskenniemi, EJIL 8 (1997), S. 566 (570 ff.).
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5. Kapitel
1. Formen graduell abgestufter Verbindlichkeit im Völkerrecht Die graduell abgestufte Verbindlichkeit völkerrechtlicher Normen und Normkomplexe kommt im positiven Recht in vielfältiger Weise zum Ausdruck. So können etwa Derogationsverbote für bestimmte Vertragsbestimmungen eine Hierarchie zwischen diesen und anderen, in der Situation des öffentlichen Notstandes abdingbaren Bestimmungen begründen.14 In diesem Sinne hierarchiebegründend können auch Kollisionsklauseln wie Art. 103 UNC sein, die den Vorrang eines Vertrages vor einem anderen mit demselben Gegenstand oder eines Vertragsregimes vor einem anderen beanspruchen.15 Wird eine strukturelle Hierarchie des Völkerrechts als Konsequenz dieser graduellen Abstufung der Normativität verstanden, so stellt sie sich als eine Vielfalt von Zwischenstufen zwischen den Extremen des ius cogens und des soft law dar.16 Mit dieser Relativierung von Normativität sind aber nicht ohne weiteres Konsequenzen im Falle eines Normkonflikts verknüpft. An die Vorstellung von einer abstrakten Hierarchie von Werten im Völkerrecht knüpfen verschiedene Autoren schon seit längerem hohe Erwartungen.17 Nach einer idealisierten Vorstellung soll a priori eine klare Abstufung von Werten bestehen, die im Voraus für alle tatsächli14
S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 27 ff.; D. Shelton, in: M. Evans (Hg.), International Law, 22006, S. 159 (174 f.); T. Koji, EJIL 12 (2001), S. 917; vgl. Art. 51 GK I, 53 GK II, 132 GK III, 149 GK IV; Art. 4 IPbpR, 15 EMRK, 27 AmMRK. Dagegen spricht aber, dass auch für derogierbare Menschenrechtsbestimmungen hohe Anforderungen an eine Derogation gestellt werden. Zudem sind die Gründe für Derogationsverbote vielfältig: Außer auf die grundsätzliche Bedeutung einer Gewährleistung kann ein Derogationsverbot auch auf die Tatsache zurückzuführen sein, dass die Beherrschung der Notstandssituation generell die Außerkraftsetzung des betreffenden Rechts nicht erfordert: HRC, General Comment 24, UN-Dok. CCPR/C/21/Rev.1/Add.6 v. 4.11.1994, para. 10; T. Giegerich, ZaöRV 55 (1995), S. 713 (773); I. Seiderman, Hierarchy in International Law, 2001, S. 70 ff., 275. Zudem kann die Einordnung als auch in Notstandssituationen nicht abdingbares Recht schlicht als Anerkennung einer besonderen Bedeutung bestimmter Menschenrechte gerade in Notstandssituationen verstanden werden, die nicht zugleich hierarchiebegründend sein muss: D. Shelton, Sask. LR 65 (2002), S. 301 (310 ff.). 15
S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 27 ff.; D. Shelton, in: M. Evans (Hg.), International Law, 22006, S. 159 (177 ff.). 16
D. Shelton, AJIL 100 (2006), S. 291 (292); R. R. Baxter, ICLQ 29 (1980), S. 549. 17
Vgl. E. McWhinney, United Nations Law Making, 1984, S. 167 f.
Hierarchisierung im Völkerrecht
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chen Situationen bestimmt, welcher Wert der wichtigste ist und den Vorzug verdient.18 Der Blick auf staatliche Rechtsordnungen offenbart indes, dass auch im innerstaatlichen Recht die Herausbildung einer derartigen ‚Werteleiter‘, obgleich theoretisch denkbar, praktisch kaum zu realisieren, da statisch und unflexibel ist.19 Das legt die Vermutung nahe, dass der Ausgleich der Werte stets einzelfallbezogen erfolgen und diesem Prozess besondere Aufmerksamkeit gelten muss.
2. Insbesondere: Relative Normativität der Menschenrechte In der Praxis wird die relative Normativität insbesondere für die Gewährleistung einzelner Menschenrechte erörtert.20 In den Menschenrechtspakten findet die Unterscheidung zwischen derogierbaren und nicht derogierbaren Vertragsbestimmungen ihren wichtigsten Anwendungsfall. Ihre Gewährleistungen lassen sich danach abstufen, ob sie mit einem Derogationsverbot belegt,21 zwar derogierbar, aber doch schrankenlos gewährleistet sind, oder aber Schranken der Gewährleistung oder sogar einschränkende Klauseln vorsehen, die es dem nationalen Recht erlauben, den Umfang der Gewährleistung zu bestimmen.22 Daneben wird der Vorrang bestimmter Kernmenschenrechte erörtert, die sich von anderen etwa dadurch unterscheiden, dass sie zugleich Regelungsgegenstand mehrerer Menschenrechtsverträge sind oder eine unmittelbare Verpflichtung begründen. Eine graduelle Abstufung der Normativität kann sich auch auf „logische“ Abhängigkeiten der Menschenrechte untereinander beziehen oder durch einen Basic Human Needs Approach begründet werden.23 Statt nach der Bedeutung für das 18 19
S. Kirchner, GLJ 5 (2004), S. 47 (53, 62). M. Kumm, ARSP Beiheft 104 (2005), S. 218 (220).
20
Ausführlich aus dogmatischer Perspektive J. Künzli, Zwischen Rigidität und Flexibilität, 2001. 21
Vgl. für den besonderen Rang nicht derogierbarer Normen EGMR Selmouni v. France [GC], No. 25803/94, ECHR 1999-V, S. 149 (181), para. 95. 22 23
D. Shelton, Sask. LR 65 (2002), S. 301 (316 f.).
T. Koji, EJIL 12 (2001), S. 917 (926) m. N. Vgl. auch Art. 20 Abs. 1 lit. b der Europäischen Sozialcharta v. 18.10.1961, BGBl. 1964-II, S. 1262. S. auch th CESCR, General Comment 12, Right to Adequate Food, 20 Sess., UN-Dok. th E/C.12/1999/5 (1999); IACHR, 85 Sess., Annual Report of the I/A Commission H.R., OR OEA/Ser.L/V.III.85 Dok. 9 (1984); ILO Declaration of Fundamental Principles and Rights at Work, ILM 37 (1998), S. 1233.
322
5. Kapitel
Individuum kann auch nach der Bedeutung für die internationale Gemeinschaft differenziert werden. Einen Anknüpfungspunkt bietet zudem die Unterteilung der Menschenrechte nach der ersten, zweiten und dritten Generation24 sowie in individuelle und kollektive Rechte.25 Die Betonung der Einheit, Unteilbarkeit und gegenseitigen Abhängigkeit menschenrechtlicher Gewährleistungen ist demgegenüber Ausdruck der Befürchtung, dass durch die Abstufung der Normativität weniger die höherrangigen Normen gestärkt als vielmehr die einfachen Normen geschwächt werden.26
3. Zwischenfazit Dieser Überblick zeigt, dass die Frage nach der relativen Normativität unmittelbar auch die Frage nach der Normativität des Völkerrechts überhaupt berührt. Mit der relativen Normativität können auf dieser Grundlage nicht ohne Weiteres besondere Rechtsfolgen verbunden werden. Insbesondere ist eine höhere Normativität nicht damit gleichzusetzen, dass dem betreffenden Rechtssatz Vorrang mit Verdrängungswirkung vor anderen Rechtssätzen zukommen kann. Vielmehr ist die Differenzierung der Normativität eine Grundlage der Argumentation, bietet die relative Normativität lediglich ein Argument für die Gewährung eines Vorrangs im Einzelfall. Sind verschiedene Grade der Normativität aber erst einmal unterschieden, so ist es naheliegend, daran im Recht der Staatenverantwortlichkeit anzuknüpfen, und Normen höherer Normativität an ein strengeres Regime der Verantwortlichkeit zu binden.27
24 25
Zuerst bei K. Vasak, UNESCO Courier 1977, Heft 11, S. 29. D. Shelton, Sask. LR 65 (2002), S. 301 (308 ff.).
26
S. insbesondere Vienna Declaration and Programme of Action on Human Rights (UN-Dok. A/CONF.157/23), para. 5: “All human rights are universal, indivisible and interdependent and interrelated. The international community must treat human rights globally in a fair and equal manner, on the same footing and with the same emphasis.” Vgl. auch HRC, General Comment 24, UN-Dok. CCPR/C/21/Rev.1/Add.6 v. 4.11.1994, para. 10 sowie allgemein P. Weil, AJIL 77 (1983), S. 413 (416 ff., 421 ff., 441). 27
380.
Vgl. B. Fassbender, UN Security Council Reform, 1998, S. 118 mit Fn.
Hierarchisierung im Völkerrecht
323
III. Überwindung des Koordinationscharakters im Völkerrecht Eine andere Vorstellung von Hierarchie im Völkerrecht verbinden Vertreter der Konstitutionalisierungslehre mit der Überwindung seines rein zwischenstaatlichen Charakters und der Herausbildung einer Vorrangordnung.
1. Herausbildung einer Vorrangordnung Die Unterscheidung von Rechtssätzen konstitutionellen Typs und anderen Rechtsätzen kann im Völkerrecht nicht auf den Normursprung gestützt werden. Es gibt keine eigenständige Rechtsquelle für völkerrechtliches Verfassungsrecht.28 Ein Vorrang könnte aber inhaltlich begründet werden, wenn sich das Völkerrecht trennscharf in ein Recht bloß zwischenstaatlichen Charakters und gemeinschaftsbezogenes Verfassungsrecht unterteilen ließe. (a)). Die Durchsetzung dieses Vorrangs durch zentrale Institutionen wäre demgegenüber aber jedenfalls defizitär (b)). Trotz der institutionellen Verfestigung des Menschenrechtsschutzes ist aber auch zweifelhaft, ob die Vorstellung von einem generellen Vorrang der Menschenrechte Plausibilität beanspruchen kann (c)).
a) Gemeinschaftswerte versus Staatenwerte Die mit der Konstitutionalisierung bezeichnete neue Entwicklung soll vor allem darin zu sehen sein, dass dem zwischenstaatlichen, koordinierenden Völkerrecht privatrechtlichen Charakters vorausgehende, hierarchisch übergeordnete Regeln eine Verfassungsordnung bilden. Anders als bei der oben erörterten relativen Normativität wird damit die Vorstellung von zwei Schichten des Völkerrechts verknüpft. Trotz einer zunehmenden Betonung der Gemeinschaftsinteressen im Völkerrecht29 kommt den Gemeinschaftswerten aber in der Praxis kein genereller Vorrang vor den Staatenwerten zu, wie etwa das Verhältnis von Immu28
D. Shelton, in: M. Evans (Hg.), International Law, 22006, S. 159 (159 f.); M. Milanović, Duke JCIL 20 (2009), S. 69 (74); vgl. auch ILC, Commentary on Article 17 of the draft articles on state responsibility, YBILC 1976-II/2, S. 73 (85 f.), para. 21. 29 B. Fassbender, Col. JTL 36 (1998), S. 529 (553); E. de Wet, Chapter VII, 2004, S. 97.
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5. Kapitel
nität und Völkerstrafrecht oder zwischen Souveränität und Selbstbestimmungsrecht oder Menschenrechten zeigt.30 Die Rechtsprechung zu diesen Konflikten darf als im Fluss bezeichnet werden.31 Es liegt daher nahe, dass das Verhältnis von Gemeinschafts- und Staatenwerten nicht abstrakt bestimmt werden kann. Wie dargestellt, wäre die Ableitung eines Vorrangs bestimmter Normen allein aufgrund ihrer Einordnung als materielles Verfassungsrecht oder als Gemeinschaftswerte methodisch unzulässig und in der Praxis auch missbrauchsanfällig. Auf theoretischer Ebene setzt eine Vorrangstellung des Gemeinschaftsvölkerrechts zudem einen trennscharfen Begriff des Gemeinschaftsinteresses voraus. Dabei ist in der Literatur schon umstritten, ob es ein sich von der Addition von Einzelinteressen der Staaten unterscheidendes Gemeinschaftsinteresse im Völkerrecht überhaupt gibt.32 Jedenfalls gibt es keine positivierte oder in der Lehre als verbindlich anerkannte Methode zur Feststellung von Gemeinschaftsinteressen.33 Das Gemeinschaftsinteresse beschreibt die spezifische Situation, in der jedes einzelne Mitglied der Rechtsgemeinschaft ein Interesse an der Erfüllung einer Verpflichtung durch jedes andere Mitglied der Gemeinschaft hat.34 Verträge, die sozialen oder humanitären Zwecken dienen, allen voran Menschenrechtsverträge, enthalten Standards, die jeder Staat auch unilateral realisieren könnte. Dass sie überhaupt Gegenstand eines völkerrechtlichen Vertrages werden, ist der Tatsache geschuldet, dass jede Vertragspartei ein Interesse daran hat, dass die anderen die gleiche Verpflichtung übernehmen.35 Das Gemeinschaftsinteresse, soll es sich nicht in Einzelinteressen auflösen, ist als rechtliches Interesse aller Staaten derivativ und konstrukti-
30
Vgl. A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 269; S. Villalpando, EJIL 21 (2010), S. 387 (415). 31 32 33
S. Nachweise unten bei C.II.4., C.II.5. So E. Klein, Statusverträge, 1980, S. 53 ff. C. Annacker, Durchsetzung von erga omnes Verpflichtungen, 1994, S. 34
f. 34 C. Annacker, Austrian JPIL 46 (1994), S. 131 (135 ff.); dies., Durchsetzung von erga omnes Verpflichtungen, 1994, S. 29 f. Vgl. auch K. Zemanek, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Structure and Process, 1983, S. 879; P. Hilpold, AVR 34 (1996), S. 376 (416 f.); I. Seiderman, Hierarchy in International Law, 2001, S. 128 f., 276. 35
B. Simma, Stichwort „Reciprocity“, EPIL IV, 2000, S. 29 (31).
Hierarchisierung im Völkerrecht
325
vistisch.36 Das Bedürfnis für ein solches Konstrukt nimmt mit der Öffnung der Staaten, der Überforderung der Kapazitäten der einzelnen Staaten mit den Regelungsaufgaben, die sich im Zeitalter der Globalisierung stellen, und durch die Ansätze zu einer globalen Zivilgesellschaft zu.37
b) Völkerrecht als „semi-vertikales“ System Das Bild von einer „Vertikalisierung“ des Völkerrechts ist insofern missverständlich, als es an einer institutionellen Verkörperung des Vorrangs der völkerrechtlichen Normen, die Ausdruck eines die Staateninteressen transzendierenden gemeinsamen Interesses sind, weitgehend fehlt. Vielmehr ist, abgesehen vom UN-Sicherheitsrat bei der Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit,38 auf universeller Ebene weiterhin von einer rechtlichen Gleichordnung der Akteure auszugehen.39 Allenfalls zutreffend ist es daher, von einem „semi-vertikalen“ System zu sprechen.40 Der Staatenkonsens über die hierarchische Höherordnung bestimmter Normen beruht gerade darauf, dass nicht zugleich Institutionen geschaffen werden, die die höherrangigen universellen Interessen der internationalen Gemeinschaft wahrnehmen und verteidigen. Den im Gemeinschaftsinteresse geltenden Völkerrechtsnormen steht daher eine weitgehend von den Staaten dominierte Infrastruktur gegenüber.41 Die Lücke zwischen dem Ausmaß, in dem die Verständigung auf bestimmte Werte gelingt, und der defizitären institutionellen Verkörperung ist nicht zufällig. Die Destillation fundamentaler Werte, die die Grenzen der Kulturen und Religionen durchdringen, ist sehr viel einfacher als die Verständigung auf Mechanismen für ihre Durchsetzung 36
M. Craven, EJIL 11 (2000), S. 489 (513 ff.).
37
Vgl. B. Simma, RdC 250 (1994-VI), S. 217 (234); A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 426 f. 38 39 40 41
S. dazu E. de Wet, Chapter VII, 2004, insb. S. 97 ff. A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 362. S. für das ius cogens: C. Rozakis, Concept of Jus Cogens, 1976, S. 24.
B. Simma, in: J. Delbrück (Hg.), Future of International Law Enforcement, 1993, S. 132 – „Prokrustes-Bett“ des Bilateralismus; ders., RdC 250 (1994-VI), S. 217 (248) – „Community interest on a bilateralist grounding“; D. Kritsiotis, EJIL 13 (2002), S. 961 (967) – „community of sovereign states“; E. de Wet, ICLQ 55 (2006), S. 51.
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5. Kapitel
schon innerhalb einer Kultur oder Zivilisation.42 Bleibt ein bestimmtes Gemeinschaftsinteresse vage formuliert und insbesondere der Weg zu seiner Verwirklichung unbestimmt, so ist es den Akteuren stets möglich, ihre eigenen Präferenzen in den weiten Formulierungen wiederzufinden.43 Die Verständigung auf bestimmte Werte gelingt häufig nur deshalb, weil Werte unbestimmt und allgemein sind und daher auch solchen Staaten zustimmungsfähig erscheinen, die eigentlich keine Veränderung wollen.44 Demgegenüber ist die Einrichtung von Institutionen, die über Wertkonflikte entscheiden können und dem einzelnen Staat damit Einfluss entziehen, vergleichsweise schwierig, weil die Staaten dazu die Deutungshoheit über bestimmte Werte aus der Hand geben müssen. Gegenwärtig gibt es etwa im Welthandels- und im Seerecht, wo verbindliche Streitbeilegungsmechanismen vorgesehen sind, einen hohen Institutionalisierungsgrad. Spezialisierte Gerichte wie das WTO-DSB haben indes Schwierigkeiten, die Regelungen ihrer speziellen Regime mit den Werten anderer Institutionen zum Ausgleich zu bringen.45 Es ist daher in einer fragmentierten Völkerrechtsordnung eine ganz entscheidende Frage, welche Institution welche Werte verwirklichen soll.46 Die schon klassische Kritik Prosper Weils an einer Konzeption relativer Normativität bezieht sich gerade auch auf die Inadäquanz dieses Völkerrechtsverständnisses, seine Diskrepanz zu einer Weltordnung, die tatsächlich durch das Nebeneinander von Staaten gekennzeichnet sei. In dieser Lage sei es Aufgabe des Völkerrechts, als normative Ordnung und Faktor sozialer Gestaltung die Koexistenz und die Kooperation der Staaten sicherzustellen. Eindringlich weist Weil auf die Gefahren hin,
42 A. Paulus, Nordic JIL 74 (2005), S. 297 (332 f.); vgl. J. Petman, FYIL 13 (2002), S. 328 (342). 43
J. Petman, FYIL 13 (2002), S. 328 (342); M. Koskenniemi, CRIA 17 (2004), S. 197 (206). 44
D. Georgiev, EJIL 4 (1993), S. 1 (10); J. Petman, FYIL 13 (2002), S. 328 (342), A. Paulus, Nordic JIL 74 (2005), S. 297 (332 ff.). 45
A. Paulus, in: I. Dekker/W. Werner (Hg.), Governance and International Legal Theory, 2004, S. 59 (75). 46
F. Orrego-Vicuña, FS Ress, 2005, S. 191 (192).
Hierarchisierung im Völkerrecht
327
die sich aus einer „dislocation of the normative structure of international law and the perversion of its functions“ ergeben können.47
c) Sonderstellung der Menschenrechte Das Argument des fehlenden institutionellen Elements für eine Vorrangordnung im Völkerrecht trifft für die Menschenrechte jedenfalls dort nur eingeschränkt zu, wo Menschenrechtsschutzverträge kollektive Überwachungsmechanismen eingerichtet haben. Die Konstitutionalisierungslehre betont, dass die Menschenrechte alle Gebiete des Völkerrechts übergreifen.48 Die Präambeln der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und des Zivilpaktes legen nahe, dass die Menschenrechte nicht vom Willen der Staaten abgeleitet, sondern vorgegeben und unveräußerlich sind. Am deutlichsten ist insoweit die Präambel der Amerikanischen Menschenrechtskonvention: “Recognizing that the essential rights of man are not derived from one’s being a national of a certain state, but are based upon attributes of the human personality, and that they therefore justify international protection.”49 Konzeptionelle Grundlage für einen generellen Vorrang der Menschenrechte ist danach die Annahme, dass der Gründung des Rechts im Konsens Schranken gesetzt sind. Teilweise wurde auch in den Vereinten Nationen ein genereller Vorrang der Menschenrechte vor anderen Normen behauptet.50 Danach würden 47
P. Weil, AJIL 77 (1983), S. 413 (442); vgl. auch ders., RdC 237 (1992-VI), S. 9 (273); D. Alland, Justice Privée et Ordre Juridique International, 1994, S. 368 ff. 48
Vgl. P.-M. Dupuy, GYIL 50 (2007), S. 375 (386 f.).
49
Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, GV Res. 217 A (III) v. 10.12.1948; Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte v. 19.12.1966, BGBl. 1973-II, S. 1534; Amerikanische Menschenrechtskonvention v. 21.11.1969, OAS Treaty Series No. 36, UNTS 1144, S. 123, ILM 9 (1970), S. 99. 50
UN Sub-commission on the Promotion and Protection of Human Rights, Globalization and Its Impact on the Full Enjoyment of Human Rights, preliminary report submitted by J. Oloka-Onyango and Deepka Udagama, UNDok. E/CN.4/Sub.2/2000/13, para. 63: “The primacy of human rights law over all other regimes of international law is a basic and fundamental principle that should not be departed from.” Weniger weitreichend, die Anwendung der Menschenrechte in Handelsfragen aber jedenfalls nicht ausschließend, ECOSOC,
328
5. Kapitel
die internationalen Menschenrechte eine Art Grundrechtsordnung für jede Art der Hoheitsausübung im weiteren Sinne, auch durch internationale Organisationen, bilden. Diese Position findet aber in der Staatenpraxis keinen Widerhall.51 Der Kontext der erwähnten Stellungnahmen zeigt durchaus auch, dass die Menschenrechte ein politisches Argument und Gegenstand der Auseinandersetzung zwischen den mit ihrer Wahrung betrauten und anderen internationalen Institutionen, aber auch zwischen den dort vertretenen Staaten sein können. Die Annahme eines abstrakten Vorrangs kann aber jedenfalls nur ein erster Schritt für die Verwirklichung der Menschenrechte sein.
2. Hierarchischer Vorrang und Verfassung Das Verständnis der Entstehung und Weiterentwicklung einer völkerrechtlichen Vorrangordnung als Konstitutionalisierung setzt weiter voraus, dass diese völkerrechtliche Vorrangordnung Parallelen zum Verfassungsrecht als innerstaatlicher Vorrangordnung aufweist. Die Positionen, die die Verfassung gegenüber einfachen Gesetzen einnehmen kann, veranschaulicht eine Gegenüberstellung der nordamerikanischen Verfassungsentwicklung mit dem deutschem Konstitutionalismus des 19. Jahrhunderts.52 Die den Vorrang begründende Distanz zwischen Verfassung und einfachem Gesetz wird in der US-amerikanischen als Beispiel einer herrschaftsbegründenden Verfassung im Sinne der im 2. Ka-
Statement on Globalization, para. 5 v. 11.5.1998, abgedruckt in: IHRR 6 (1999), S. 1176 sowie ECOSOC, Statement to the Third Ministerial Conference of the World Trade Organization v. 26.11.1999, UN-Dok. E/C.12/1999/9, para. 6; Commission on Human Rights, Effects of structural adjustment policies and foreign debt on the full enjoyment of all human rights, particularly economic, social and cultural rights, E/CN.4/RES/2000/821 v. 27.4.2000: “The exercise of the basic rights of the people of debtor countries to food, housing, clothing, employment, education, health services and a healthy environment cannot be subordinated to the implementation of structural adjustment policies and economic reforms arising from the debt”. Zurückhaltender sind die Vienna Declaration and Programme of Action on Human Rights (UN-Dok. A/CONF. 157/23, para. 4: „priority objective of the United Nations“) oder die Proklamation von Teheran (UN-Dok. A/CONF.32/41 (1968): „imperative“ duty of „the members of the international community“). 51 52
D. Shelton, AJIL 100 (2006), S. 291 (294). Vgl. R. Wahl, Der Staat 20 (1981), S. 485 (488 ff.).
Hierarchisierung im Völkerrecht
329
pitel eingeführten Unterscheidung besonders deutlich.53 Sie ist dort durch die Ausbildung einer spezifischen verfassungsändernden Gewalt auch institutionell ausgeformt. Entscheidend ist außerdem das historisch entwickelte sozialpsychologische Bewusstsein vom Nachrang der Gesetzgebung und der Begrenzung des Gesetzgebers. Im deutschen Konstitutionalismus wurden demgegenüber die Grundrechte dem bestehenden Recht zur Herrschaftsbegrenzung eingefügt, dem neu zu erlassenden Gesetzesrecht aber nicht rechtlich vor- oder übergeordnet. Die Verfassung überspannt hier nicht den gesamten politischen Konflikt, sie ist im Dualismus von Monarch und Parlament nicht gemeinsame und ausschließliche Grundlage ihrer jeweiligen Kompetenzen und Befugnisse. Verfassung in diesem Sinne kann nicht als umfassende rechtliche Ordnung verstanden werden, die auch die Instrumente ihrer Durchsetzung gleichsam in sich trägt. Nicht ausgeschlossen ist aber ein Verständnis, das in den inhaltlichen Prinzipien der Verfassung, insbesondere den Grundrechten, Direktiven für den politischen Prozess sieht. Im Vordergrund steht dabei die programmatisch-appellative Bedeutung der Verfassung, für die aber neben dem Rechtscharakter, der ihr eine besondere Autorität verleiht, auch ihre verbindliche Fixierung in der Verfassungsurkunde von Bedeutung ist.54 Völkerrechtliches Verfassungsrecht ähnelt auf den ersten Blick eher einer offenen, herrschaftsbegrenzenden, als einer geschlossenen, herrschaftsbegründenden Verfassungsordnung. Deshalb ist auf die Verfahren, die diese Verfassung verwirklichen sollen, besonderes Augenmerk zu richten. Eine hierarchische Überordnung des Verfassungsrechts setzt aber nicht zwangsläufig einen geschlossenen Charakter des Verfassungsrechts voraus. Vielmehr lassen sich die Normen, an die ein Rechtsetzungsorgan im Rechtsentstehungsprozess gebunden ist, als gegenüber dem von ihm gesetzten Recht logisch vorrangig verstehen. Die Vorstellung, dass das Verfassungsrecht entrenched, das heißt erschwert abänderbar ist, und einen gerichtsförmig durchsetzbaren Katalog von Grundrechten ent-
53
Das Beispiel Frankreichs zeigt demgegenüber, dass sich auch eine herrschaftsbegründende Tradition für lange Zeit ohne ausgeprägten Verfassungsvorrang entwickeln kann, s. C. Möllers, in: A. von Bogdandy/J. Bast (Hg.), Europäisches Verfassungsrecht, 22009, S. 227 (233). 54
S. zum Vorrang der Verfassung auch A. Peters, ZÖR 65 (2010), S. 3 (46 f.), die die Unterscheidung zwischen rigiden und flexiblen Verfassungen aufgreift, m. N.
330
5. Kapitel
hält, wird zudem von vielen Verfassungsordnungen geteilt.55 Es ist ein Charakteristikum des Idealtypus der Verfassung, als unterscheidungsfähiger Teil eines Normensystems Standards für die Geltung von Rechtsregeln zu setzen und auf diese Weise eine Normenhierarchie zu begründen.56 Wo dieser Ableitungszusammenhang aber fehlt, ist es problematisch, einen Nichtigkeit begründenden Vorrang im Kollisionsfall ableiten zu wollen.57 Die Differenzierung zwischen Verfassung und einfachem Recht als unterschiedlichen Normebenen setzt daher voraus, dass der Vorrang nicht der kontingenten Sicherung kontingenter Rechte dient, sondern die für die Rechtsgestalt des Gemeinwesens grundlegenden Entscheidungen erfasst.58 Ein solcher Vorrang im Sinne eines Ableitungszusammenhanges erhält im Verfassungsstaat durch die Ausbildung einer Verfassungsgerichtsbarkeit auch eine „praktische Pointe“.59 An einer derartigen funktionell-institutionellen Beziehung fehlt es im Völkerrecht auf universeller Ebene.60 Von Konstitutionalisierung in einem gehaltvollen Sinn, von einem Ableitungszusammenhang zwischen Verfassungsrecht und einfachem Recht lässt sich in Abwesenheit einer funktionell-institutionellen Beziehung zwischen einem Verfassungsgericht und den „politischen“ Rechtsetzungsorganen nur dann sprechen, wenn sich das formelle Verfassungsmerkmal des Vorrangs vor dem einfachen Recht und materielle Elemente aufeinander beziehen.
55
V. Jackson/M. Tushnet, Comparative Constitutional Law, 1999, S. 357. Die Verfassungsvergleichung zeigt aber, dass in verschiedenen Verfassungen die Verfestigung unterschiedlich ausgestaltet ist und auch fehlen kann; vgl. zu „Constitutionalism Without a Constitution?“ und „Constitutionalism Without Entrenchment?“ ibid., S. 357 ff., 413 ff. 56
B. Fassbender, UN Security Council Reform, 1998, S. 103; vgl. T. Meron, AJIL 80 (1986), S. 1 (8, 20 f.). 57
Vgl. D. Thürer, in: ders./J.-F. Aubert/J. P. Müller (Hg), Das Verfassungsrecht der Schweiz, 2001, S. 37 (49 f.), der sich hier auf L. Fuller bezieht. S. L. Fuller, The Morality of the Law, 1965; zusammenfassend zu diesem Aspekt bei Fuller: R. Summers, Lon L. Fuller, 1984, S. 1; s. weiter S. Kadelbach/T. Kleinlein, AVR 44 (2006), S. 235 (241). 58
H. Hofmann, in: ders., Recht – Politik – Verfassung, 1986, S. 261 (262 f.); A. Bianchi, EJIL 19 (2008), S. 491 (495) – gleichfalls mit Bezug auf Fuller. 59 60
Vgl. R. Wahl, Der Staat 20 (1981), S. 485 (502, 515). S. dazu oben, 1. Kapitel A. II. 2. a) cc) (1).
Hierarchisierung im Völkerrecht
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IV. Zwischenfazit Weder ist ein gemeinschaftsbezogenes Völkerverfassungsrecht inhaltlich klar abgrenzbar noch findet ein grundsätzlicher Vorrang von Gemeinschaftswerten gegenüber dem zwischenstaatlichen Recht in der Praxis Anerkennung. Der Vorrang von Normen mit dem grundlegenden Status des Verfassungsrechts erscheint im Völkerrecht vor allem als Begründungstopos in einer offen gehaltenen, abwägenden rechtlichen Argumentation. Der für das innerstaatliche Recht als verfassungsrechtlicher Vorrang gekennzeichnete Ableitungszusammenhang bedeutet demgegenüber vor allem, dass entgegenstehende Normen des einfachen Rechts derogiert werden. Die Vorstellung von einem verfassungsrechtlichen Vorrang von Gemeinschaftswerten im Völkerrecht ist danach nicht plausibel.
B. Fundamentalnormen als Verfassungsrecht Denkbar ist aber, auf der gefestigten dogmatischen Grundlage besonderer Normwirkungen, ein verfassungsrechtlicher Vorrang des beschränkten Kreises der sogenannten Fundamentalnormen. Die Fundamentalnormen untergliedern sich in verschiedenen Typen (I.). Für ihren Charakter als eine Kategorie völkerrechtlichen Verfassungsrechts werden verschiedene Gesichtspunkte angeführt. Zunächst ist denkbar, dass es sich jedenfalls bei diesen Normen von besonderem Gewicht um ein primär inhaltlich definiertes Verfassungsrecht ratione materiae handelt (II.). Möglicherweise sind diese Normen aber auch gerade durch eine besondere Normstruktur gekennzeichnet, die ihnen Vorrang im Kollisionsfall einräumt und es auch erlaubt, sie vom übrigen Völkerrecht abzugrenzen (III.).
I. Typen von Fundamentalnormen Die Herausbildung völkerrechtlicher Fundamentalnormen beginnt weit vor der Diskussion um die Konstitutionalisierung des Völkerrechts, wird aber zu ihr in Beziehung gesetzt.61 Dogmatische Erscheinungs61
Vgl. etwa R. Uerpmann, JZ 56 (2001), S. 565 ff.; D. Thürer/M. MacLaren, Schweizer Monatshefte 82 (2002) 11, S. 5; D. Thürer, in: S. Baldini/G. Ravasi
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5. Kapitel
formen der Fundamentalnormen sind insbesondere das ius cogens und Verpflichtungen erga omnes.62 Zwingendes Völkerrecht ist nach Art. 53 S. 1, 44 Abs. 5 WVK, aber auch nach allgemeinem Völkerrecht ein Nichtigkeitsgrund für völkerrechtliche Verträge, der an den Vertragsinhalt anknüpft. Durch die Nichtigkeitsfolge unterscheidet sich die Kollision einer zwingenden Norm mit einer Vertragsnorm grundlegend von den übrigen, in Art. 30 WVK geregelten Normkonflikten.63 In engem Zusammenhang mit dem zwingenden Völkerrecht stehen die Pflichten erga omnes, die der IGH kurz nach Unterzeichnung der WVK in einem berühmten obiter dictum im Barcelona Traction-Fall anerkannt hat. Sie schützen grundlegende Interessen, die der Staatengemeinschaft insgesamt geschuldet sind, so dass auch nicht konkret und unmittelbar durch ihre Verletzung betroffene Staaten gegenüber dem verantwortlichen Staat bestimmte Rechtsfolgen geltend machen können.64 Ein Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass im Fall der Verpflichtungen erga omnes als Konzept der Staatenverantwortlichkeit besondere Rechtsfolgen für den Fall der Verletzung der Fundamentalnorm angeordnet werden. Dadurch wer(Hg.), Humanitarian Action and State Sovereignty, 2003, S. 46; ders., AVR 41 (2003), S. 314 (319) – humanitäres Völkerrecht als minimale internationale Verfassungsordnung; A. Fischer-Lescano, ZaöRV 63 (2003), S. 717 (743 ff.); A. Peters, LJIL 19 (2006), S. 579 (598); E. de Wet, ICLQ 55 (2006), S. 51 (57 ff.); A. Bianchi, EJIL 19 (2008), S. 491 (494). S. zur Geschichte des zwingenden Völkerrechts L. Hannikainen, Peremptory Norms, 1988, S. 23 ff. 62
Viel diskutiert wurde auch das Konzept der international crimes. Letztlich übernahm es die ILC aber nicht in die Articles on State Responsibility (ASR), s. Fifth Report on State Responsibility, Special Rapporteur Roberto Ago, YBILC 1976-II/1, S. 3 (28 ff.); Art. 19 (2) der Draft Articles on State Responsibility (Part 1), von der ILC in erster Lesung am 25.7.1980 angenommen; Report of the ILC, UN General Assembly Offical Records, Supp. No. 10, UNDok. A/35/10 (1980), YBILC 1980-II/2, S. 30 (32); J. H. H. Weiler/A. Cassese/ M. Spinedi (Hg.), International Crimes of States, 1989; A. de Hoogh, Obligations Erga omnes and International Crimes, 1996; N. Jørgensen, The Responsibility of States for International Crimes, 2003. 63
S. dazu YBILC, 1966-II, S. 270, para. 2; vgl. M. Zuleeg, GYIL 20 (1977), S. 246 (248 ff.); R. Kolb, Théorie du ius cogens international, 2001, S. 150 ff. 64
IGH Barcelona Traction, ICJ Rep. 1970, S. 3 (32), para. 33; s. auch Namibia, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1971, S. 16 (56), para. 126; East Timor, ICJ Rep. 1995, S. 90 (102), para. 29; Genocide Case, Preliminary Objections, ICJ Rep. 1996, S. 595 (616), para. 31; Palestine Wall, Advisory Opinion, ICJ Rep. 2004, S. 136 (199 f.), para. 158.
Hierarchisierung im Völkerrecht
333
den die Reaktionsmöglichkeiten nicht unmittelbar betroffener Staaten erweitert. Normen des ius cogens haben dagegen eine „destructive capacity“, sie schränken die Gestaltungsmöglichkeiten der Staaten ein, weil sie die Nichtigkeit bestimmter von ihnen geschlossener Verträge bewirken.65 Für die Herausbildung einer einheitlichen Kategorie von Fundamentalnormen spricht, dass die Ausführungen des IGH zu den Verpflichtungen erga omnes nicht nur im Kontext des vorausgegangenen Urteils im Südwestafrika-Fall von 1966,66 sondern auch der Wiener Vertragsrechtskonferenz von 1969 zu sehen sind.67 Das obiter dictum des IGH in der berühmten Textziffer 33 der Barcelona Traction-Entscheidung mit der Wendung „obligations of a State towards the international community as a whole“ ähnelt der Formulierung in Art. 53 S. 2 WVK „accepted and recognized by the international community of States as a whole“.68 Gelegentlich wird die Barcelona Traction-Entscheidung auch im Zusammenhang mit dem ius cogens zitiert.69 Weder in der Rechtsprechung des IGH und anderer internationaler Gerichte noch in der völkerrechtlichen Literatur wird die Unterscheidung mit letzter Konsequenz durchgehalten.70 Der IGH leitet etwa aus der Unabdingbarkeit, einem mit dem ius cogens verknüpften Merkmal, den erga omnes-
65
B. Simma, RdC 250 (1994-VI), S. 217 (285 f.); vgl. C. Annacker, Durchsetzung von erga omnes Verpflichtungen, 1994, S. 38. 66
IGH South West Africa, Second Phase, ICJ Rep. 1966, S. 6 ff.; vgl. B. Bollecker-Stern, Le préjudice dans la théorie de la responsabilité internationale, 1973, S. 50 ff., insb. 68 ff.; O. Schachter, RdC 178 (1982-V), S. 9 (341); I. Sin2 clair, The Vienna Convention and the Law of Treaties, 1984, S. 213; B. Simma, RdC 250 (1994-VI), S. 217 (295); M. Byers, Nordic JIL 66 (1997), S. 211 (229) mit Fn. 68. 67
Dazu C. Tams, Erga omnes, 2005, S. 140; vgl. auch J. Klabbers, FS Bengt Broms, 1999, S. 149 (160) – erga omnes als Antwort auf die Frage nach der Bindung neuer Staaten und nichtstaatlicher Einheiten. 68
Vgl. I. Seiderman, Hierarchy in International Law, 2001, S. 124.
69
S. etwa T. O. Elias, The Modern Law of Treaties, 1974, S. 185; I. Sinclair, The Vienna Convention on the Law of Treaties, 21984, S. 213; L. Hannikainen, Peremptory Norms, 1988, S. 269 ff.; E. de Wet, ICLQ 55 (2006), S. 51 (59); dies., LJIL 19 (2006), S. 611 (616). 70 S. die Nachweise bei S. Kadelbach, in: C. Tomuschat/J. Thouvenin (Hg.), Fundamental Rules, 2006, S. 21 (26 ff.).
334
5. Kapitel
Charakter von humanitärem Völkerrecht ab.71 Die Völkerrechtskommission bezieht sich in den Art. 40 und 48 ASR auf beide Begriffe, ohne einen deutlichen Unterschied zwischen ihnen zu machen.72 Eine enge Verbindung besteht insofern, als es schwer einzusehen wäre, wenn in dem Fall, dass jeder Staat ein Interesse an der Normerfüllung hat (erga omnes), einige wenige Staaten inter se eine Abweichung vereinbaren können sollten.73 Die Durchsicht der Literatur offenbart aber auch, dass zum Verhältnis von ius cogens und den Verpflichtungen erga omnes von der Deckungsgleichheit74 über die Einordnung des ius cogens als Teilmenge der erga omnes-Verpflichtungen75 und umgekehrt der erga
71
IGH Palestine Wall, Advisory Opinion, ICJ Rep. 2004, S. 136 (199), para. 157; vgl. S. Kadelbach, in: C. Tomuschat/J. Thouvenin (Hg.), Fundamental Rules, 2006, S. 21 (36). 72 73
Vgl. J. Crawford, Foreword, in: C. Tams, Erga omnes, 2006, S. xiii f. D. Shelton, Sask. LR 65 (2002), S. 301 (323).
74
J. Crawford, Special Rapporteur to the ILC on State Responsibility, Third Report (with addenda), UN-Dok. A/CN.4/507 (2000), para. 106 (1) – „virtually coextensive“; H. Reimann, Ius cogens im Völkerrecht, 1971, S. 97; A. Gomez Robledo, RdC 172 (1981-III), S. 9 (158); L. Hannikainen, Peremptory Norms, 1988, S. 4 ff., 269 ff.; G. A. Christenson, Va JIL 28 (1988), S. 585 (611); B. Simma, FS Rosenne, 1989, S. 821 (825); C. Annacker, Durchsetzung von erga omnes Verpflichtungen, 1994, S. 49 f. – nach gegenwärtigem Stand inhaltliche Identität; vgl. A. de Hoogh, Austrian JPIL 42 (1991), S. 183 (205) m. N.; B. Simma, RdC 250 (1994-VI), S. 217 (300); M. C. Bassiouni, LCP 59 (1996), S. 63 (72); U. Pieper, Neutralität von Staaten, 1997, S. 388 f.; M. Byers, Nordic JIL 66 (1997), S. 211 (212, 236 f.); C. Dominicé, EJIL 10 (1999), S. 353 (358 f.); C. Tomuschat, RdC 281 (1999), S. 9 (87); H. Ress, Das Handelsembargo, 2000, S. 62; J. Pauwelyn, Conflict of Norms, 2003, S. 100. 75
YBILC 1998, Vol. II/2, S. 69 (para. 279), 76 (para. 326) (Special Rapporteur); vgl. YBILC 1998, Vol. I, S. 101 (para. 25), S. 104 (para. 49), S. 106 (para. 12), S. 117 (para. 10), S. 140 (para. 33); YBILC 1976, Vol. II/2, S. 107 (para. 17); G. Gaja, RdC 172 (1981-III), S. 271 (281); T. Meron, AJIL 80 (1986), S. 1 (11); S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 32 f.; C. Günther, Die Klagebefugnis der Staaten in internationalen Streitbeilegungsverfahren, 1999, S. 111 ff.; A. Pellet, EJIL 10 (1999), S. 425 (429); C. Tomuschat, RdC 281 (1999), S. 9 (87); J. Künzli, Zwischen Rigidität und Flexibilität, 2001, S. 74 f.; A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 413 ff.; P.-M. Dupuy, EJIL 13 (2002), S. 1053 (1074); L.-A. Sicilianos, EJIL 13 (2002), S. 1127 (1137); ILC, Fragmentation of International Law: Difficulties Arising From the Diversification and Expansion of International Law: Report of the Study Group of the International Law Commission, UN-Dok. A/CN.4/L.682 v. 13.4.2006, para. 404; E. de
Hierarchisierung im Völkerrecht
335
omnes-Verpflichtungen als Teilmenge des ius cogens76 bis zur bloßen Überlappung77 fast alle logisch denkbaren Positionen vertreten werden.78
II. Fundamentalnormen als Verfassungsrecht ratione materiae Eine Deutung der Sonderstellung der Fundamentalnormen als verfassungsrechtlicher Vorrang könnte darauf beruhen, dass sie sich als einheitliche Kategorie grundlegender Normen des Völkerrechts darstellen lassen. In diesem Sinne definiert Tomuschat eine Menschheitsverfassung ratione materiae als Normen zur Aufrechterhaltung kollektiver Interessen. Ius cogens und Verpflichtungen erga omnes, die als Sekundärrechtsnormen nur verschiedene Rechtsfolgen für den Fall der Normverletzung anordneten, bezögen sich auf dieselben Norminhalte. Die Unterscheidung zwischen ius cogens und obligationes erga omnes gehe häufig von einer falschen Problemvorstellung aus. Entscheidend sei demgegenüber die Anerkennung einer gewissen Zahl von Regeln zum Schutz grundlegender Werte durch verschiedene prozedurale Mechanismen.79 Dem Inhalt nach handelt es sich bei den Fundamentalnormen im Wesentlichen um in das Völkerrecht überführte ethische Elementarnormen, deren Anfänge bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts zurückreichen. Ihr Eingang in das Völkerrecht ist mit Ereignissen wie der Ächtung des Sklavenhandels, der Gründung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, den Haager Friedenskonferenzen sowie den Nürnberger Prozessen und Institutionen wie dem Völkerbund und später
Wet, ZaöRV 67 (2007), S. 777 (782); wohl auch C. Rozakis, Concept of Jus Cogens, 1976, S. 17 f. 76
Vgl. W. Kälin, BDGVR 33 (1994), S. 9 (12) mit Fn. 16.
77
R. Macdonald, Can. YBIL 25 (1987), S. 115 (138); J. Frowein, RdC 248 (1994-IV), S. 345 (405 f.); B. Simma, RdC 250 (1994-VI), S. 217 (300 f.); ILC, Kommentar zu Part Two, Chapter III ASR, para. 7, abgedruckt in: J. Crawford, ASR, 2002, S. 244; M. Ragazzi, Erga omnes, 1997, S. 190 ff. 78
S. auch die Nachweise bei A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 413 f. mit Fn. 376-378; C. Tams, Erga omnes, 2005, S. 146 mit Fn. 129131. 79
C. Tomuschat, RdC 281 (1999), S. 9 (86 ff.).
336
5. Kapitel
den Vereinten Nationen verknüpft.80 Als Beispiele für das ius cogens lassen sich grundlegende Verbote wie das Aggressionsverbot, das Verbot des Völkermordes und gravierender Menschenrechtsverletzungen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, im Grundsatz auch Kriegsverbrechen sowie die Kerngarantien des humanitären Völkerrechts, das Selbstbestimmungsrecht der Völker und der Schutz der Umwelt vor anhaltenden, schwerwiegenden Beeinträchtigungen anführen.81 Der IGH nannte im Barcelona Traction-Fall als Beispiele für erga omnesVerpflichtungen ebenfalls das Aggressionsverbot, das Völkermordverbot sowie die Grundsätze und Regeln, die die grundlegenden Rechte der menschlichen Person betreffen, einschließlich des Schutzes vor Sklaverei und Rassendiskriminierung.82
80
S. Kadelbach, ZaöRV 64 (2004), S. 1 (10 f.); für das ius cogens ders., Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 36 ff. 81
Vgl. I. Brownlie, Principles, 72008, S. 511; Restatement (Third) of the Foreign Relations Law of the United States, § 102, Reporters’ note 6, A. Verdross/ 3 B. Simma, Universelles Völkerrecht, 1984, § 527; A. Gomez Robledo, RdC 172 (1981-III), S. 9 (167 ff.); L. Hannikainen, Peremptory Norms, 1988, S. 317 ff.; S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 210 ff., I. Sinclar, The Vienna 2 Convention on the law of Treaties, 1984, S. 222 f. Von der ILC wurden als Beispiele zwingenden Rechts erwogen: das Gewaltverbot sowie das Verbot der Sklaverei, der Piraterie und des Völkermordes, Menschenrechte, Gleichheit der Staaten und Selbstbestimmungsrecht, vgl. Report of the Commission to the General Assembly, UN Dok. A/6309/Rev.1, YBILC 1966-II, S. 169 (248). S. auch den engen Katalog der ILC in den Articles on State Responsibility, Kommentar zu Art. 40 ASR, para. 4 ff., abgedruckt in: J. Crawford, ASR, 2002, S. 246 f.: Aggressionsverbot, Verbot der Sklaverei und des Sklavenhandels, Völkermordverbot, Rassendiskriminierungsverbot, Verbot der Apartheid, Folterverbot, grundlegende Regeln des im bewaffneten Konflikt anwendbaren humanitären Völkerrechts und Selbstbestimmungsrecht. Der Fragmentierungsbericht der ILC nennt als am häufigsten zitierte „Kandidaten“: Gewaltverbot, Selbstbestimmungsrecht, Völkermordverbot, Folterverbot, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Verbot der Sklaverei und des Sklavenhandels, Piraterieverbot, Verbot der Rassendiskriminierung und der Apartheid, Angriffe auf die Zivilbevölkerung (grundlegende Regeln des humanitären Völkerrechts): ILC, Fragmentation of International Law: Difficulties Arising From the Diversification and Expansion of International Law: Report of the Study Group of the International Law Commission, UN-Dok. A/CN.4/L.682 v. 13.4.2006, para. 374, m. N. 82 IGH Barcelona Traction, ICJ Rep. 1970, S. 3 (32), para. 34; s. auch IGH East Timor, ICJ Rep. 1995, S. 90 (102), para. 29 – Selbstbestimmungsrecht der Völker; Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1996, S.
Hierarchisierung im Völkerrecht
337
Problematisch für eine Einordnung des ius cogens als inhaltlich abgrenzbares Verfassungsrecht ist indes, dass sein Inhalt jenseits bestimmter Kernelemente umstritten geblieben ist.83 Dasselbe muss für erga omnes-Verpflichtungen gelten. Darüber hinaus erscheinen ihre Inhalte als zu disparat, um sie in einem gehaltvollen Sinn materiell als Verfassungsrecht einordnen zu können.84 Natürlich darf die Heranziehung eines materiellen Verfassungsbegriffs nicht dazu führen, dass man auf internationaler Ebene eine genaue Entsprechung der Inhalte von Staatsverfassungen sucht. Der Inhalt von ius cogens und erga omnesVerpflichtungen ist aber zu beschränkt, um die vielfältigen und komplexen Fragen zu regeln, die sich in der internationalen Ordnung stellen.85 Die Abgrenzung eines Verfassungsrechts ratione materiae ist daher auch für die Fundamentalnormen problematisch.
III. Gemeinsame Normstruktur als Abgrenzungskriterium Ein anderer Ansatz ist, die Abgrenzung der Fundamentalnormen als Verfassungsrecht mit ihrer besonderen Struktur zu begründen. Es ist ein wichtiges gemeinsames, jedenfalls notwendiges Identifikationskriterium von ius cogens und erga omnes-Verpflichtungen, dass sie die grundsätzlich bilaterale Struktur völkerrechtlicher Normen transzendieren. In der Literatur werden die Nicht-Bilateralisierbarkeit und die Nicht-Reziprozität von Verpflichtungen zuweilen gleichgesetzt,86 zumindest aber wird ihr Zusammenhang betont.87 Die beiden Begriffe las226 (257), para. 79 – grundlegende Regeln des humanitären Völkerrechts; Genocide Case, Preliminary Objections, ICJ Rep. 1996, S. 595 (615 f.), para. 31 f. – Völkermordverbot; Palestine Wall, Advisory Opinion, ICJ Rep. 2004, S. 136 (199), para. 155 ff. – Selbstbestimmungsrecht, bestimmte Verpflichtungen des humanitären Völkerrechts. 83
J. H. H. Weiler/A. Paulus, EJIL 8 (1997), S. 545 (559); vgl. K. Zemanek, FS Tomuschat, 2006, S. 1103 (1117). 84 S. Kadelbach/T. Kleinlein, AVR 44 (2006), S. 235 (253 f.); dies., GYIL 50 (2007), S. 303 (317); ähnlich A. L. Paulus, in: J. L. Dunoff/J. P. Trachtman (Hg.), Ruling the World?, 2009, S. 69 (89 f.). 85
C. Walter, GYIL 44 (2001), S. 170 (201); B. Fassbender, The United Nations Charter as the Constitution of the International Community, 2009, S. 165. 86 87
C. Tams, Erga omnes, 2005, S. 128 ff.
E. Decaux, La réciprocité en droit international, 1980, S. 62 – Abhängigkeit; R. Provost, BYBIL 65 (1994), S. 383 (453) – Kehrseite.
338
5. Kapitel
sen sich aber klar unterscheiden. Deshalb ist zunächst der jeweilige Bedeutungsgehalt von Bilateralität und Reziprozität unter Einbeziehung der jeweiligen Gegenbegriffe Kollektivität und Objektivität zu klären und das Verhältnis von Bilateralität und Reziprozität zu untersuchen (1.), bevor die Transzendierung der Bilateralität als gemeinsames Identifikationskriterium der Fundamentalnormen analysiert werden kann (2.).
1. Begriffsklärungen a) Bilateralität und Kollektivität von Verpflichtungen Bilateralität kennzeichnet die Pflichten- und Erfüllungsstruktur einer völkerrechtlichen Norm: Der Verpflichtung eines Staates entspricht die Berechtigung individualisierbarer Staaten, denen gegenüber erfüllt wird. Bilaterale Normstrukturen sind nicht auf bilaterale Verträge beschränkt. Auch multilaterale Verträge und Normen des Völkergewohnheitsrechts können sich in ein Bündel bilateraler Verpflichtungen aufspalten lassen,88 wenn die Erfüllung bilateralisierbar oder spaltbar ist. Ein Beispiel für bilateralisierbare Verpflichtungen sind die Pflichten aus der Diplomatenrechtskonvention zur Gewährung von diplomatischen Vorrechten und Befreiungen, die ein Empfangsstaat im Verhältnis zu den Entsendestaaten ut singuli erfüllt oder verletzt. Genauso kann etwa die Staatenimmunität nur individuell respektiert oder verletzt werden. Gegenstück dazu sind kollektive Verpflichtungen, deren Verletzung sich nicht auf das Verhältnis zu einem einzelnen Staat konzentriert, sondern das Kollektiv anderer Subjekte in seinen Rechten verletzt.89 Die Unterscheidung zwischen bilateralen und kollektiven90 Verpflich88
B. Simma, FS Rosenne, 1989, S. 821 (822) – “bundles of bilateral rights and obligations merely tied together in a multilateral instrument”; ILC, Kommentar zu Art. 42 ASR, para. 8; abgedruckt in: J. Crawford, ASR, 2002, S. 258; E. de Wet, ICLQ 55 (2006), S. 51 (55). Für eine Bestandsaufnahme im Recht der Verträge s. auch S. Rosenne, FS Jessup, 1972, S. 202. 89
Von „multipolaren Verträgen“ spricht A. Bleckmann, AVR 34 (1996), S. 218 (224 ff.). 90
Die kollektiven Verpflichtungen werden teilweise auch als multilaterale Verpflichtungen bezeichnet, s. etwa C. Dominicé, EJIL 10 (1999), S. 353 (354 ff.). Multilaterale Verträge müssen dann aber nicht zwangsläufig multilaterale Verpflichtungen enthalten. S. auch A. Bleckmann, AVR 34 (1996), S. 218 (226 ff.) – multipolare Verträge.
Hierarchisierung im Völkerrecht
339
tungen betrifft die Möglichkeit zur Geltendmachung einer Rechtsverletzung (standing), zur Anwendung von Gegenmaßnahmen, zu einer bilateralen Verständigung über eine Aussetzung der Verpflichtungen und zum Abschluss widersprechender späterer Verträge.91 Eine bilaterale Modifikation oder Suspendierung einer kollektiven Verpflichtung würde in die Rechte der anderen Rechtsträger eingreifen und damit gegen die pacta tertiis-Regel verstoßen (vgl. Art. 41 Abs. 1 lit. b, Art. 58 Abs. 1 lit. b WVK). Ein solches Verbot der inter se-Abweichung liegt für Verträge nahe, die eine Grundordnung schaffen.92
b) Reziprozität und Objektivität von Verpflichtungen Auch die Reziprozität bezeichnet ein Strukturelement internationaler Verpflichtungen. Es bezieht sich auf das Verhältnis der Verpflichtung eines Staates zu der eines anderen Staates. Aussagen über die Reziprozität oder Objektivität betreffen daher stets ein Verpflichtungspaar. Der Begriff der Reziprozität kennzeichnet synallagmatische Erfüllungsstrukturen. Positiv formuliert bedeutet Reziprozität quid pro quo und negativ gewendet inadimplenti non est adimplendum.93 Objektive Verpflichtungen bestehen demgegenüber absolut, unabhängig von einer Gegenpflicht. Reziprozität ist aber nicht nur ein rechtliches, sondern zugleich als soziales und politisches Phänomen94 eine Triebkraft für das Zustandekommen völkerrechtlicher Normen.95 Man kann also zwischen faktischer und normativer Reziprozität differenzieren. Während sich die faktische Reziprozität als Struktur der beteiligten Interessen auf eine tatsächliche Interaktion von Akteuren und Normen bezieht, trifft die normative Reziprozität oder Objektivität eine normative Aussage über die Abhängigkeit bestimmter Rechtspflichten von den Rechtspflichten
91
J. Pauwelyn, EJIL 14 (2003), S. 907 (908).
92
Vgl. StIGH Customs Régime Between Germany and Austria, PCIJ Ser. A/B No. 41, S. 56 (64); StIGH Oscar Chinn, PCIJ Ser. A/B, No. 63, Sep. Op. van Eysinga, S. 65 (80, 133 ff.); Sep. Op. Schücking, S. 149. 93
Vgl. R. Provost, BYBIL 65 (1994), S. 383 (389 ff.).
94
Vgl. B. Simma, Reziprozitätselement Verträge, 1973, S. 15 ff.; R. Provost, BYBIL 65 (1994), S. 383 (388). 95 B. Simma, Entstehung des Völkergewohnheitsrechts, 1970, S. 13; E. Decaux, La réciprocité en droit international, 1980, S. 10 f.
340
5. Kapitel
anderer.96 Innerhalb reziproker Strukturen ist die Erwartung, dass sich andere Staaten gleichermaßen verhalten werden, zentrales Motiv der Rechtsbefolgung. Fehlt es an der faktischen Reziprozität, so bedarf es anderer Triebkräfte, die die Normeinhaltung gewährleisten. Umgekehrt sind die zwischenstaatlichen Sanktionsmechanismen Erscheinungsformen reziproker Nachteilszufügung.97 Entstammen die von Staaten übernommenen völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht einem zwischenstaatlichen Austausch, sondern sind sie Ausdruck staatenübergreifender Solidarität, so wird dadurch der Mechanismus der faktischen Reziprozität aber nicht unbedingt vollkommen unterdrückt, sondern globalisiert. Die direkte Reziprozität do ut des wandelt sich zu einer generellen oder globalen Reziprozität.98 Darüber hinaus kann auch zwischen genetischer und funktionaler Reziprozität unterschieden werden. Die genetische Reziprozität betrifft die Entstehung völkerrechtlicher Normen. Dagegen bezieht sich die funktionale Reziprozität auf ihre Wirkungsweise, ohne dass mit dieser Differenzierung gemeint sein soll, dass die als Triebkraft bei der Normentstehung wirkende faktische Reziprozität nicht auch bei der Erfüllung der Verpflichtungen wirksam sein würde. Fragen der normativen Reziprozität oder Objektivität stellen sich schließlich bei der Anwendung von Normen, sowohl bei der ursprünglichen Anwendbarkeit als auch bei der Suspendierung und Aufhebung von Verpflichtungen. Die normative Unterscheidung zwischen Reziprozität und Non-Reziprozität bezieht sich auch auf den Mechanismus der Sanktionierung von Normverletzungen nach dem Prinzip tu quoque. Für nicht-reziproke Normen ist der tu quoque-Einwand ausgeschlossen. So steht etwa die Durchsetzung von Menschenrechten durch die Begehung von Menschenrechtsverletzungen als Gegenmaß-
96
Vgl. M. Craven, EJIL 11 (2000), S. 489 (503), der „legal reciprocity“ von „reciprocity concerned with the material fairness of the exchange“ und „reciprocity by the psychological content of ‘agreeing’“. 97
Vgl. B. Simma, Entstehung des Völkergewohnheitsrechts, 1970, S. 72; H. Neuhold, in: R. Wolfrum/V. Röben (Hg.), Developments of International Law in Treaty Making, 2005, S. 39 (50). 98
E. Decaux, La réciprocité en droit international, 1980, S. 61; P.-M. Dupuy, EJIL 13 (2002), S. 1053 (1071); L.-A. Sicilanos, EJIL 13 (2002), S. 1127 (1135). Aus politikwissenschaftlicher Perspektive unterscheidet zwischen spezifischer und diffuser Reziprozität: R. Keohane, IO 40 (1986), S. 1 (4 ff.).
Hierarchisierung im Völkerrecht
341
nahmen im Widerspruch zur raison d’être des Menschenrechtsschutzes.99
c) Verhältnis von Bilateralität und Reziprozität Nicht bilateralisierbare Verpflichtungen müssen nicht zwangsläufig auch nicht-reziprok sein. Dass zwischen der Abwesenheit von Bilateralität und Reziprozität keine Deckungsgleichheit besteht, zeigt die auf Fitzmaurice zurückgehende Unterscheidung zwischen integralen und interdependenten Verpflichtungen, die Bedeutung sowohl im Recht der Verträge als auch im Recht der Staatenverantwortlichkeit hat.100 Während integrale Verpflichtungen weder reziprok noch bilateralisierbar sind, besteht bei interdependenten Verpflichtungen eine faktische wie normative Reziprozität, obgleich sie nicht spaltbar sind. Sogenannte integrale Verpflichtungen begründen eine absolute Verpflichtungswirkung und nicht eine Bindung gegenüber einer anderen Partei.101 Zugleich sind sie nicht-synallagmatischer Natur und stehen außerhalb des Wechselspiels der Reziprozität.102 Beispiele sind das Gewaltverbot nach der UNO-Charta, der Schutz fundamentaler Menschenrechte, Bestimmungen humanitären Charakters zum Verbot von 99
R. Provost, BYBIL 65 (1994), S. 383 (397 ff., 444 f.); HRC, General Comment 15 (27), The Position of Aliens Under the Covenant, UN-Dok. CCPR/ C/21/Add.5/Rev.1 (1986), para. 1; EKMR Austria v. Italia (Pfunders), YB Eur Conv HR 4 (1961), S. 116 (138 ff.); EKMR Gericke v. Federal Republic of Germany, YB EurConv HR 8 (1965), S. 314 (320 f.) (waiver of claims); I/A Court H.R. Effect of Reservation on the Entry into Force of the American Convention (Articles 74 and 75), Opinión Consultiva, OC-2/82 v. 24.9.1982, Ser. A No. 2, S. 20-23; I/A Court H.R. Constitutional Court v. Peru, Urt. v. 24.9.1999, Ser. C No. 55, Rn. 31 ff.; I/A Court H.R. Ivcher-Bronstein v. Peru, Urt. v. 24.9.1999, Ser. C No. 54, Rn. 32 ff. 100
ILC, Second Report, YBILC 1957-II, S. 31, Art. 19; Third Report, YBILC 1958-II, S. 27 f., Art. 19, S. 54, para. 126. Die Unterscheidung wurde später von Fitzmaurices Nachfolger Waldock wieder aufgegeben: H. Waldock, Second Report on the Law of Treaties, UN-Dok. A/CN.4/156 mit Add. 1-3, YBILC 1963-II, S. 76 f. Dahinter steht die Kritik, dass es sich bei den integralen Verpflichtungen nicht um eine homogene Gruppe handele. Das gemeinsame, formale Merkmal ist aber eben die besondere Normstruktur, vgl. E. Decaux, La réciprocité en droit international, 1980, S. 58 f. 101 102
G. Fitzmaurice, Third Report, YBILC 1958-II, S. 28, Art. 19. L.-M. Sicilianos, EJIL 13 (2002), S. 1127 (1135).
342
5. Kapitel
Repressalien und andere zwingende Normen des allgemeinen Völkerrechts. Art. 60 Abs. 5 WVK schließt für die Verletzung solcher Vertragsbestimmungen, soweit sie humanitärer Art sind, insbesondere für Bestimmungen zum Verbot von Repressalien jeder Art gegen geschützte Personen, aus, dass ein Vertrag deshalb beendigt oder suspendiert wird. Dass die Erfüllung solcher Verpflichtungen nicht suspendiert werden kann, folgt aus ihrem kollektiven Charakter zusammen mit der pacta tertiis-Regel:103 Die Suspendierung würde notwendigerweise zugleich Dritte in ihren Rechten verletzen. Art. 50 Abs. 1 ASR schließt Gegenmaßnahmen aus, die auf die Verletzung integraler Verpflichtungen hinauslaufen. Derartige Verpflichtungen sind demnach weder bilateral zu erfüllen noch lässt ihre Verletzung die Reaktion eines anderen Staates nach dem Prinzip des quid pro quo zu. Wesentliches Merkmal der interdependenten Verpflichtungen ist demgegenüber, dass die Teilnahme aller Parteien Voraussetzung der Verpflichtungswirkung ist.104 Beispiele sind Abrüstungsverträge, Verträge über die Einrichtung nuklearfreier Zonen oder der Antarktis-Vertrag.105 Art. 20 Abs. 2 WVK ordnet für solche Verträge an, dass ein Vorbehalt der Annahme durch alle Vertragsparteien bedarf. Im Fall der erheblichen Verletzung einer derartigen Verpflichtung erlaubt Art. 60 Abs. 2 lit. c WVK allen Vertragsparteien außer dem vertragsbrüchigen Staat die Suspendierung des Vertrages. Die interdependenten Verpflichtungen werden dort dadurch bezeichnet, „dass der Vertrag so beschaffen ist, dass eine erhebliche Verletzung seiner Bestimmungen durch eine Vertragspartei die Lage jeder Vertragspartei hinsichtlich der weiteren Erfüllung ihrer Vertragsverpflichtungen grundlegend ändert.“ Nach dem darauf abgestimmten Art. 42 (b) (ii) ASR können alle anderen Staaten die Staatenverantwortlichkeit als verletzter Staat geltend 103
J. Pauwelyn, EJIL 14 (2003), S. 907 (924 f.). Für eine Ausweitung der in Art. 60 Abs. 5 WVK enthaltenen Regel auf andere objektive Verträge vgl. P. 2 Reuter, Introduction to the Law of Treaties, 1995, S. 201; T. Meron, The Humanization of International Law, 2006, S. 210 f. In diesem Sinn lässt sich auch IGH Namibia, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1971, S. 16 (55), para. 122 deuten, wo allerdings nicht explizit auf Art. 60 Abs. 5 WVK Bezug genommen wird. 104
S. zu dieser Unterkategorie der kollektiven Verpflichtungen: G. Fitzmaurice, Second Report, YBILC 1957-II, S. 36, 31 Art. 29 I (iii), 19 I (ii) b). 105 So die Beispiele der ILC, Kommentar zu Art. 42 ASR, para. 13 f., abgedruckt in: J. Crawford, ASR, 2002, S. 259 f.
Hierarchisierung im Völkerrecht
343
machen. Das Beispiel des Abrüstungsvertrages veranschaulicht, dass derartige Verpflichtungen zwar nicht bilateralisierbar, aber reziprok sind. Verletzt ein Staat Abrüstungsbestimmungen, sind zugleich und untrennbar alle anderen Vertragsparteien als verletzt anzusehen, gegen die sich die Waffen potentiell richten können. Dennoch rüstet jeder am Vertrag beteiligte Staat im Sinne genereller oder globaler Reziprozität jedenfalls auch deshalb ab, weil es alle anderen ebenfalls tun. Mit der faktischen Reziprozität korrespondiert die Anordnung normativer Reziprozität in Art. 60 Abs. 2 lit. c WVK. Nicht spaltbare Verpflichtungen sind hier also zugleich faktisch und normativ reziprok.
2. Transzendierung der Bilateralität als Identifikationskriterium Die Aufstellung abstrakter Kriterien für die Identifikation von Normen des zwingenden Völkerrechts wie auch der Verpflichtungen erga omnes hat sich als schwierig erwiesen. In der Literatur besteht aber weitgehend Einigkeit über einen bestimmten Kernbereich von Normen mit zwingendem Charakter und Verpflichtungswirkung erga omnes. Dem stehen einige Grenzfälle gegenüber. Als Grundlage für ihre gemeinsame Einordnung als normstrukturell abgrenzbares Verfassungsrecht soll im Folgenden für das ius cogens (a)) und erga omnes-Verpflichtungen (b)) das Identifikationskriterum der Überwindung bilateraler Strukturen untersucht werden.
a) Kriterien für die Feststellung zwingenden Völkerrechts aa) Bedeutung der Definition in Art. 53 S. 2 WVK Nach der Definition des Art. 53 S. 2 WVK ist eine zwingende Norm im Sinne der Vertragsrechtskonvention eine Norm, die von der internationalen Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit als eine Norm angenommen und anerkannt wird, von der nicht abgewichen werden darf und die nur durch eine spätere Norm des allgemeinen Völkerrechts derselben Natur geändert werden kann. Diese Definition wurde allerdings als unvollständig und zirkulär kritisiert.106 Da eine Verständigung auf materielle Kriterien nicht zu erreichen war, ist die Definition des ius cogens in Art. 53 WVK in der Tat bewusst formal gehalten. Die gefundene 106
S. etwa G. A. Christenson, Va JIL 28 (1988), S. 585 (594); B. Simma, RdC 250 (1994-VI), S. 217 (286 f.); I. Seiderman, Hierarchy in International Law, 2001, S. 40.
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5. Kapitel
Formulierung ist Ausdruck zweier Tendenzen auf der Wiener Vertragsrechtskonferenz. Einerseits sollte die Elastizität und Offenheit der Normkategorie gewahrt, andererseits sichergestellt werden, dass den Staaten nicht ohne ihre Anerkennung zwingendes Völkerrecht mit der scharfen Sanktion der vollständigen Nichtigkeit (Art. 44 Abs. 5, 71 WVK) aufgedrängt wird.107 Möglicherweise bedeutet der auf Art. 38 IGH-Statut Bezug nehmende Wortlaut einen Hinweis darauf, dass die Anerkennung eines Derogationsverbotes gerade mit den drei dort genannten Methoden nachgewiesen werden soll. Die Wendung „accepted and recognized“ in Art. 53 WVK wurde bewusst in Anlehnung an Art. 38 IGH-Statut formuliert.108 Anders als in Art. 38 IGH-Statut sind aber in Art. 53 WVK gerade keine weiteren Nachweiskriterien spezifiziert. Zudem bezieht sich Art. 38 IGH-Statut nicht auf die Anerkennung von Normen durch die internationale Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit und wirft selbst mehr Fragen auf, als er beantwortet. Die Definition lässt damit Raum für die Entwicklung einer Methodik der Ermittlung zwingender Völkerrechtsnormen.109 Dabei ist davon auszugehen, dass die Modifikationsregel des Art. 53 S. 2 WVK a. E. wohl nicht als Definitionsmerkmal verstanden werden kann, sondern vielmehr an dieser Stelle als unbewusste Übernahme aus Art. 50 der Draft Articles zu sehen ist.110 Das ius cogens-Prinzip gilt über die Vertragsstaaten der Vertragsrechtskonvention hinaus als völkergewohnheitsrechtlich anerkannt,111 so dass sich die Frage nach den Anerkennungskriterien auch für das allgemeine Völkerrecht stellt.
107
C. Rozakis, Concept of Jus cogens, 1976, S. 83.
108
Chairman of the Drafting Committee, UNCLT, Off. Rec., 1st session, 80th meeting of the Committee of the Whole. 109
Vgl. zu den Gründen für das Scheitern einer Inhaltsbestimmung des zwingenden Völkerrechts J. Sztucki, Ius cogens and the Vienna Convention on the Law of Treaties, 1974, S. 114 ff. m. N. 110
Vgl. C. Rozakis, Concept of Jus Cogens, 1976, S. 45 f.; S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 179 f. m. w. N. 111
S. Kadelbach Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 69 ff.; ders., in: C. Tomuschat/J. Thouvenin (Hg.), Fundamental Rules, 2006, S. 21 (34); kurz problematisiert bei T. Schilling, Jean Monnet WP 06/05, S. 43.
Hierarchisierung im Völkerrecht
345
bb) Identifikationsverfahren für das ius cogens Einen Anhaltspunkt für die Anerkennungskriterien geben die zum zwingenden Völkerrecht entwickelten Theorien. Die bislang angestellten theoretischen Untersuchungen sind der Frage gewidmet, wie sich einzelne Theorien des Völkerrechts zum ius cogens verhalten,112 belaufen sich auf eine Juxtaposition einzelner Erklärungsmodelle allein für das ius cogens, die jeweils nur spezifische Aspekte dieser Normkategorie herausgreifen,113 oder aber entwickeln eine allgemeine Dogmatik auf naturrechtlicher Grundlage.114 Die jeweilige Theorie des ius cogens erlaubt eine vorläufige Auswahl der in Betracht zu ziehenden Kandidaten für den Status des ius cogens.115 Unabhängig davon dürfte aber auf abstrakter Ebene Einigkeit darüber bestehen, dass zwingend nur solche Normen von grundlegender Bedeutung für die internationale Gemeinschaft sind, die im Zusammenhang mit einem ethischen Minimum im Völkerrecht stehen oder den ordre public der internationalen Gemeinschaft verkörpern.116 Grundsätzlich ist zwischen der allgemeinen Anerkennung der betreffenden Norm im Völkerrecht und ihrer kategorischen Einordnung als ius cogens zu unterschieden.117 In der Literatur wurden drei Identifika-
112
S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 130 ff.
113
Vgl. R. Kolb, Théorie du ius cogens international, 2001, S. 59 ff., der fünf verschiedene Ansätze als Haupttheorien des ius cogens vorstellt: ius cogens als naturrechtlich verwurzelt, als Verkörperung des ordre public international, als Verfassungsprinzipien, als hierarchisch übergeordnete Völkerrechtsnormen oder als Kollisionsregeln. Zwischen den einzelnen „Theorien“ gibt es starke Überschneidungen. Kolbs eigenes Konzept des ius cogens ist im römischen Recht, v. a. in seiner mittelalterlichen Rezeption, verankert (ibid., S. 181 ff.). Zu zwingendem Völkerrecht als internationale öffentliche Ordnung: A. Orakhelashvili, Peremptory Norms, 2006, S. 7 ff. 114
A. Orakhelashvili, Peremptory Norms, 2006; vgl. die Einordnung bei M. Byers, AJIL 101 (2007), S. 913. 115
Vgl. S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 176.
116
Vgl. auch die weite Konzeption des ius cogens bei R. Kolb, Théorie du ius cogens international, 2001, S. 208 auf der Grundlage der Koppelung von „utilitas publica“ und Derogationsverbot. 117
C. Rozakis, Concept of Jus Cogens, 1976, S. 54 – „double consent“; A. Orakhelashvili, Peremptory Norms, 2006, S. 36. Jedoch kann die Anerkennung einer Norm als zwingend auch Rückwirkungen auf die Feststellung ihrer allgemeinen Normgeltung haben, s. C. Dominicé, EJIL 10 (1999), S. 353 (357).
346
5. Kapitel
tionsverfahren unterschieden: das formale Anerkennungsverfahren nach Art. 53 WVK, die Anerkennung als ius cogens durch staatliche und internationale Gerichte118 sowie mehr oder weniger explizit naturrechtliche Begründungen für die Einordnung als ius cogens.119 Eine aussagekräftigere Einteilung des Meinungsstandes ergibt sich bei der Gegenüberstellung einer abstrakt-generellen Methode und eines kasuistischen Ansatzes.120 Sie beruht auf der Grundlage der Unterscheidung zwischen einem primär wertbezogenen, naturrechtlichen oder ordre publicModell zur Identifikation des ius cogens (1) und einem Art. 53 WVK konkretisierenden, auf die Anerkennung bestimmter Rechtsfolgen als Indiz für die Akzeptanz einer Norm als ius cogens gestützten, konsensualen Ansatz (2).121 (1) Wertbezogene und ordre public-Ansätze Für einen primär wertbezogenen Ansatz ist Kriterium der Einordnung als ius cogens die Bedeutung einer Norm, die sich aus ihrem Inhalt ergibt.122 Nach der Konzeption der WVK folgt diese Bedeutung nicht 118
T. Schilling, Jean Monnet WP 06/05, S. 43 – „ius cogens according to precedent“; s. zur „Bestimmung“ des ius cogens durch Gerichte auch P. Tavernier, in: C. Tomuschat/J. Thouvenin (Hg.), Fundamental Rules, 2006, S. 1 (5 ff.). Im für das zweite Verfahren (procedural test) als Beispiel genannten AlAdsani-Fall des EGMR ging es indes um Rechtsfolgen aus dem Verstoß gegen die zwingende Norm des Folterverbots, die zum unstreitigen Kern des ius cogens zählt. Als innovatives Element muss hingegen gerade die Rechtsfolgenbetrachtung gelten: EGMR Al-Adsani v. UK [GC], No. 35763/97, ECHR 2001XI, S. 79 (101 f.), para. 60 f. 119 Schilling benennt hierfür C. Tomuschat, RdC 241 (1993-IV), S. 197 (223); J. Carillo Salcedo, EJIL 8 (1997), S. 583 (592); A. Orakhelashvili, EJIL 16 (2005), S. 59 (62); M. C. Bassiouni, LCP 59 (1996), S. 63 (69). 120
A. Gomez Robledo, RdC 172 (1981-III), S. 9 (169 ff.).
121
Vgl. die Einteilung bei I. Seiderman, Hierarchy in International Law, 2001, S. 50. Je stärker konsensorientiert eine Position ist, desto eher erlaubt sie dem einzelnen Staat, der Rechtsbindung und dem zwingenden Charakter zu entgehen. In diesem Sinne etwa G. Danilenko, EJIL 2 (1991), S. 42 (65). Mehr „konstitutionell“ orientierte Ansätze betonen alternativ oder zugleich die Möglichkeit der Rechtsetzung durch die Mehrheit der Staaten und die Werteorientierung des ius cogens; vgl. W. Werner, in: N. Tsagourias (Hg.), Transnational Constitutionalism, 2007, S. 329 (334 ff.). 122
G. Abi-Saab, in: The Concept of Jus cogens in International Law, 1967, S. 7 (15); C. Tomuschat, RdC 241 (1993-IV), S. 195 (223); IGH Armed Activities
Hierarchisierung im Völkerrecht
347
mehr aus der strukturellen Bedeutung einer Norm für das internationale Rechtssystem (sogenannte Strukturnormen),123 sondern aus der Verkörperung eines fundamentalen Wertes des Gemeinschaftsinteresses.124 Das ius cogens verkörpert die fundamentalen Werte des internationalen on the Territory of the Congo (New Application: 2002), DRC v. Rwanda, Sep. Op. Judge ad hoc Dugard, ICJ Rep. 2006, S. 86 (89), para. 10; D. Shelton, Sask. LR 65 (2002), S. 301 (316 f.); A. Orakhelashvili, Peremptory Norms, 2006, S. 43 f. Für eine naturrechtliche Begründung des ius cogens s. auch D. Dubois, Nordic JIL 78 (2009), S. 133. 123
G. Schwarzenberger, RdC 87 (1955-I), S. 191 (326). Im Hinblick auf Strukturnormen wie pacta sunt servanda folgt die Unabdingbarkeit nicht aus ihrer Einordnung als ius cogens, sondern wird von der Rechtsordnung selbst vorausgesetzt. Gegen eine Einordnung der Norm pacta sunt servanda als zwingendes Völkerrecht i. S. von Art. 53 WVK spricht, dass auf diese Weise im Widerspruch zu Art. 30 WVK der grundsätzliche Vorrang der zeitlich früheren Vereinbarung begründet würde, s. W. Czapliński/G. Danilenko, NYIL 21 2 (1990), S. 3 (10); s. auch J. Crawford, Creation of States, 2006, S. 100. 124
ILC, Report on the Law of Treaties, draft article 15 (H. Lauterpacht, Special Rapporteur), YBILC 1953-II, S. 90 (154 f.); Document A/6309/Rev.1: Reports of the International Law Commission on the second part of its seventeenth session and on its eighteenth session, YBILC 1966-II, S. 169 (248): “It is not the form of a general rule of international law but the particular nature of the subject-matter with which it deals that may, in the opinion of the Commission, give it the character of ius cogens.”; ICTY, Trials Chamber Prosecutor v. Furundžija, No. IT-95-17/I-T (1999), Urt. v. 10.12.1998, ILM 38 (1999), S. 317 (349); I/A Commission H.R. Victims of the Tugboat “13 de Marzo” vs. Cuba, Report No. 47/96 v. 16.10.1996, Case 11.436, para. 79; Roach and Pinkerton, Resolution No. 3/87, Case 9647, para. 55; Mangas v. Nicaragua, Report No. 52/97 v. 18.2.1998, Case 11.218, para. 144; A. Verdross, AJIL 60 (1966), S. 55 (58); M. Virally, AFDI 12 (1966), S. 5 (21); G. Abi-Saab, in: The Concept of Jus cogens in International Law, 1967, S. 7 (13 ff.); G. Jaenicke, BDGVR 7 (1967), S. 77 (85 ff.); U. Scheuner, ZaöRV 27 (1967), S. 520 (525 f.); G. Zotiades, ÖZöR N.F. 17 (1967), S. 90 (109); E. Nicoloudis, La nullité de ius cogens, 1974, S. 43; M. Whiteman, Ga. JICL 7 (1977), S. 609 (625 f.); J. Frowein, Stichwort „Jus Cogens“, EPIL III, 1997, S. 65 (67); L. Hannikainen, Peremptory Norms, 1988, S. 4, 261; D. Klein, Yale JIL 13 (1988), S. 332 (351); A. Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, 1995, S. 844 ff.; R. Kolb, ZÖR 53 (1998), S. 69 (77, 92); K. Zemanek, MPYUNL 4 (2000), S. 1 (6 ff.); J. Pauwelyn, Conflict of Norms, 2003, S. 98. Der Begriff des ius cogens, den Kolb zugrunde legt, ist weiter und wird von ihm auf die Koppelung intérêt public/utilitas publica/indérogabilité gestützt: R. Kolb, RBDI 2003, S. 5 (9). Kolb versteht das ius cogens aber weniger als Gruppe von Fundamentalnormen, denn als „Rechtstechnik der Unabdingbarkeit“, die die Einheit rechtlicher Regime wahren soll.
348
5. Kapitel
Systems, die nicht von der Staatenpraxis und dem Konsens der Staaten abhängen sollen.125 Insbesondere das so verstandene ius cogens fügt sich in das im 1. Kapitel dargestellte Verständnis des Völkerrechts als „Werteordnung“. Maßstab für die Ermittlung der besonderen Bedeutung einer Norm als Ausdruck des Gemeinschaftsinteresses kann die moralische Qualität einer Norm, aber auch ihre Wertigkeit für den ordre public einer internationalen Gemeinschaft sein. Weder die Behauptung sozialer Bedeutung oder grundlegender Wichtigkeit einer Norm für das internationale System noch ihr moralischer oder ethischer Status können aber allein den zwingenden Charakter einer Norm begründen.126 Behauptungen dieser Art bleiben in einer pluralen Staatengemeinschaft stets umstritten. Deshalb wird das ius cogens auch als eine Verkörperung der herrschenden Sozialmoral eingeordnet.127 Aber auch die Feststellung der vorherrschenden moralischen Ansichten ist, insbesondere auf globaler Ebene, mit erheblichen Unsicherheiten behaftet. Zudem ist die darin zum Ausdruck kommende Wertigkeit einer Norm relativ und kann für sich nicht die kategorische Einordnung als ius cogens oder ius dispositivum begründen. Das ius cogens deckt sich auch nicht mit den grundlegendsten oder wichtigsten Normen des Völkerrechts: Staaten können etwa auf ihre Souveränität oder souveräne Gleichheit verzichten.128
125
StIGH Oscar Chinn, Sep. Op Schücking, PCIJ Ser. A/B, No. 63, S. 149; andeutungsweise auch schon StIGH Wimbledon, Diss. Op. Schücking, PCIJ, Ser. A No. 1, S. 43 (47); BVerfGE 18, S. 441 (448); A. McNair, Law of Treaties, 1961, S. 213; G. Jaenicke, BDGVR 7 (1967), S. 77 (92); A. Verdross, AJIL 31 (1937), S. 571 (572); ders., AJIL 60 (1966), S. 55 (58); A. Orakhelashvili, Peremptory Norms, 2006, S. 47 ff.; für ein ordre public-Modell des ius cogens: H. Mosler, RdC 140 (1974-IV), S. 1 (36). Ablehnung eines konsensgegründeten Ansatzes auch in United States Court of Appeals, Ninth Circuit Siderman De Blake v. Republic of Argentina and Others, Urt. v. 22.5.1992, ILR 103, S. 454 (471); I/A Commission H.R. Roach and Pinkerton, Resolution No. 3/87, Case 9647, I/A YBHR 1987, S. 260 (298), para. 55 – ordre public conception. 126
C. Rozakis, Concept of Jus Cogens, 1976, S. 44 ff.; kritisch auch: G. Christenson, Va JIL 28 (1988), S. 585 (592 ff.). 127
Vgl. A. Cassese, Self-Determination of Peoples, 1995, S. 174; A. Orakhelashvili, Peremptory Norms, 2006, S. 49; vgl. A. Bianchi, EJIL 19 (2008), S. 491 (495, 497 ff.). 128
L. Hannikainen, Peremptory Norms, 1988, S. 11.
Hierarchisierung im Völkerrecht
349
(2) Konsensgegründete Ansätze Demgegenüber orientiert sich ein zweiter Ansatz primär an der Anerkennung besonderer Rechtsfolgen des Verstoßes gegen ius cogens durch die Staaten. Danach kommt es wesentlich auf die Anerkennung eines Derogationsverbotes in der internationalen Gemeinschaft an.129 Legt man Art. 53 WVK in diesem Sinne aus, so enthält er auch keine petitio principii. Im positiven Recht fehlt es bislang allerdings an klaren Hinweisen auf die Anerkennung der zwingenden Natur einzelner Normen. Daher ist ein Rückgriff auf Indizien erforderlich.130 Zu solchen Indizien zählen das Verbot, abweichende Abkommen zu schließen, das tatsächliche Fehlen solcher abweichenden Abkommen oder ihre Nichtanerkennung durch Drittstaaten, ein ausdrücklicher Ausschluss der Kündigung oder Suspendierung einzelner Vertragsbestimmungen, das Verbot von Vorbehalten, eine verschärfte Haftung, die Nichtanerkennung von Rechtfertigungsgründen im Verletzungsfalle, die Häufigkeit, Art und Intensität von Protesten und Gegenmaßnahmen sowie verfahrensrechtliche Regelungen wie die Individualbeschwerde in Menschenrechtskonventionen als Form der vertraglich vorgesehenen actio popularis.131 Bestimmte Normen sind in derart qualifizierter Weise Gegenstand des Völkervertragsrechts und zugleich völkergewohnheitsrechtlich anerkannt. So erlaubt etwa das Gewaltverbot nach Art. 2 Nr. 4 UNC Ausnahmen nur, soweit sie in der Charta selbst, nämlich in Art. 43 und 51, anerkannt sind. Bestimmte menschenrechtliche Gewährleistungen sind auch im Falle eines öffentlichen Notstandes unabdingbar (s. Art. 4 IPbpR, Art. 15 EMRK, Art. 27 AMRK). Menschenrechtsverträge schließen zum Teil das Anbringen von Vorbehalten aus132 oder enthalten eine Verfolgungs- oder Auslieferungspflicht bei der Verletzung we-
129
Anders L. Hannikainen, Peremptory Norms, 1986, S. 207 ff.; M. Akehurst, BYBIL 47 (1974-75), S. 273 (285), die, obwohl die Formulierung des Art. 53 WVK das nicht nahe legt, das Erfordernis der Universalität nicht auf das Derogationsverbot beziehen, sondern es allein als Konkretisierung des Begriffs „Norm des allgemeinen Völkerrechts“ zu verstehen scheinen, vgl. dazu S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 177. S. auch M. Byers, Nordic JIL 66 (1997), S. 211. 130 131 132
Vgl. S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 178 f. S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 178 f. S. Nachweise in Fn. 241.
350
5. Kapitel
sentlicher Garantien.133 Bestimmte Rechte sind nach den vier Genfer Konventionen von 1949 „unter allen Umständen“ oder „jederzeit und überall“ zu gewährleisten.134 Wenn derartige Vertragsnormen zugleich im Völkergewohnheitsrecht anerkannt sind, spricht einiges dafür, dass sie ius cogens sind.135
cc) Zwischenfazit Die Bestimmung des ius cogens auf der Grundlage ihrer Wertigkeit und der Anerkennung durch die Staaten schließen einander nicht aus, sondern ergänzen sich.136 Schließlich bedarf auch die besondere Wertigkeit einer Norm der Akzeptanz. Ein Unterschied liegt in der Art und Weise, wie beide Ansätze versuchen, die behauptete Zirkularität des Art. 53 WVK zu überwinden. Diese Zirkularität wird in dem Versuch gesehen, absolute Schranken der Grundlegung des Völkerrechts im Konsens wiederum im Konsens zu verankern. Einerseits wird deshalb die Nichtigkeitsfolge aus überrechtlichen Werten oder sozialmoralischen Anschauungen deduziert, andererseits die Anerkennung der besonderen Rechtsfolge induktiv – und damit klarer nachvollziehbar – aufgrund von Indizien ermittelt. Um die Durchsetzung von Verträgen zu verhindern, die selbst oder deren Vollzug die gewohnheitsrechtlichen Rechte von Drittstaaten berühren, bedarf es der Doktrin des ius cogens nicht, da schon der generelle Ausschluss einer Drittwirkung von Verträgen (vgl. Art. 34 f. WVK) dafür ausreicht.137 Allein anhand des strukturellen Kriteriums der Überwindung der Bilateralität lässt sich das ius cogens jedenfalls nicht identi-
133
Art. 4 UN-Folterkonvention v. 10.12.1984, BGBl. 1990-II, S. 246; s. zu Sklaverei und Sklavenhandel Art. 99 SRÜ. 134
Gemeinsame Art. 1 GK I-IV; s. auch den gemeinsamen Art. 3 sowie Art. 75 Abs. 2 ZP I und Art. 4 Abs. 2 ZP II. 135
S. Kadelbach, in: C. Tomuschat/J. Thouvenin (Hg.), Fundamental Rules, 2006, S. 21 (29 ff.); T. Kleinlein, ERPL/REDP 18 (2006), S. 351 (352 f.); vgl. für einen induktiven Ansatz auch C. Focarelli, Nordic JIL 77 (2008), S. 429 (444 ff.). 136
L. Hannikainen, Peremptory Norms, 1988, S. 207; A. Orakhelashvili, Peremptory Norms, 2006, S. 44. 137
D. Shelton, AJIL 100 (2006), S. 291 (298).
Hierarchisierung im Völkerrecht
351
fizieren.138 Die vollständige Nichtigkeit entgegenstehender Verträge ist eine Rechtsfolge, die nicht ohne Weiteres aus der Verletzung der Rechte der internationalen Gemeinschaft oder dritter Staaten und der pacta tertiis-Regel folgt. Vielmehr bedarf sie einer besonderen Anerkennung und Begründung.
b) Identifikation von Verpflichtungen erga omnes Anders als das ius cogens hat die Kategorie der Verpflichtungen erga omnes weder in der Vertragsrechtskonvention noch in den Articles on State Responsibility ausdrücklichen Niederschlag gefunden. Wenngleich sich die Bezeichnung erga omnes in den ASR nicht mehr findet,139 so ist das Prinzip im Grundsatz doch durch sie anerkannt worden.140
aa) Bedeutung der Verpflichtungsstruktur erga omnes Die nicht-bilaterale Struktur der Verpflichtungswirkung erga omnes ist nicht offenkundig. Die Bezeichnung als ‚Verpflichtung erga omnes aus bestimmten Normen‘ anstatt als ‚erga omnes-Normen‘ soll zum Ausdruck bringen, dass mit der Verpflichtung erga omnes ein subjektives Recht korrespondiert.141 Dazu kann das Gemeinschaftsinteresse in der Weise fiktiv bilateralisiert werden, dass jeder Staat für sich als verletzt
138
Vgl. L. Hannikainen, Peremptory Norms, 1988, S. 207; s. aber zum Zusammenhang zwischen der Transzendierung bilateraler Strukturen und dem ius cogens-Charakter: G. Gaja, in: J. H. H. Weiler/A. Cassese/M. Spinedi (Hg.), International Crimes of State, 1989, S. 151 (158 f.); B. Simma, RdC 250 (1994-VI), S. 221 (300); A. Orakhelashvili, Peremptory Norms, 2006, S. 47. 139
Angenommen in Resolution der UN-Generalversammlung 56/83 v. 12.12.
2001. 140 Zum Verhältnis näher S. Kadelbach, in: C. Tomuschat/J. Thouvenin (Hg.), Fundamental Rules, 2006, S. 21 (35 ff.). 141
Vgl. ILC, Commentary to draft Art. 3 der ILC Draft Articles on State responsibility, YBILC 1973-II, S. 179 (182), para. 9; Commentary to Part II, Art. 5 (jetzt Art. 40), YBILC 1985 II/2, S. 25; Second report on State responsibility, by Roberto Ago, Special Rapporteur, YBILC 1970-II, S. 192 f., para. 46; IGH Reparation for Injuries, ICJ Rep. 1949, S. 174 (181 f.); aus der Literatur: C. Annacker, Durchsetzung von erga omnes Verpflichtungen, 1994, S. 29; A. de Hoogh, Obligations Erga Omnes, 1996, S. 19 ff.; A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 379 f.; C. Tams, Erga omnes, 2005, S. 101 f.
352
5. Kapitel
erscheint („Gegenseitigkeitstheorie“).142 Alternativ wird als Träger der den erga omnes-Verpflichtungen entsprechenden Rechte die internationale Gemeinschaft eingesetzt. Auf diese Weise kann die besondere Wirkung erga omnes innerhalb der bilateralen Struktur Staat – internationale Gemeinschaft erklärt werden. Soweit Staaten die Verletzung von erga omnes-Verpflichtungen geltend machen, handeln sie dann als Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft.143 Demgegenüber ordnet die objektive Theorie die Verpflichtungen erga omnes als Normen ein, die als öffentliches Recht erfüllt werden müssen, ohne dass dieser Pflicht ein subjektives Recht entspricht.144 Weder die Staatenpraxis noch rechtstheoretische Überlegungen lassen eine der beiden Ansichten als vorzugswürdig erscheinen.145 Gegen die letztgenannte Konzeption wird zu Recht eingewandt, dass ein objektives Verfahren zur Sicherstellung der Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Normen gerade fehlt.146 Indes dürfte die Unterscheidung vor allem von terminologischer Bedeutung sein, kommt doch der Annahme eines öffentlichen Rechts in den internationalen Beziehungen ein gewisser Symbolwert zu.
bb) Ermittlung von erga omnes-Verpflichtungen Zur Ermittlung von Normen mit erga omnes-Wirkung im allgemeinen Völkerrecht werden zwei grundsätzliche Herangehensweisen diskutiert, die sich beide auf Formulierungen des IGH in der Barcelona Trac-
142
ILC, Commentary to draft Art. 5 der ILC Draft Articles on State responsibility, YBILC 1985-II/1, S. 5 f.; M. Byers, Nordic JIL 66 (1997), S. 211 (232 f.); ders., Custom, Power and the Power of Rules, 1999, S. 195 ff. 143
Vgl. B. Simma, Reziprozitätselement Verträge, 1972, S. 161 ff.; C. Annacker, Austrian JPIL, 46 (1994), S. 131 (140 ff.); P. Coffman, GYIL 39 (1996), S. 285 (298); A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 380. 144
IGH Reservations, Advisory Opinion, Diss. Op. Alvarez, ICJ Rep. 1951, S. 46; vgl. C. Annacker, Durchsetzung von erga omnes Verpflichtungen, 1994, S. 63; dies., Austrian JPIL 46 (1994), S. 131 (138, 146 ff.); M. Ragazzi, Erga omnes, 1997, S. 190 ff.; nunmehr auch ILC, J. Crawford, First report on State responsibility, UN-Dok. A/CN.4/490/Add.4 (1998), S. 5, para. 109, S. 10-12, para. 123129. 145 146
C. Annacker, Austrian JPIL 46 (1994), S. 131 (147). A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 380 f.
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tion-Entscheidung zurückführen lassen.147 Als strukturelles oder objektives Kriterium für Pflichten erga omnes kommt die Transzendierung der Bilateralität im Verhältnis Staat – Staat in Betracht (1). Materielles oder normatives Definitionsmerkmal ist dagegen die Bedeutung einer Norm für die internationale Gemeinschaft (2). Vertreten wird aber auch eine Kombination beider Kriterien, und zwar als kumulative wie auch als alternative Voraussetzungen für Pflichten erga omnes (3) sowie eine funktionale Bestimmung der erga omnes-Verpflichtungen (4). Letztlich überzeugt aber eine Einordnung des erga omnes-Charakters als Kehrseite der Nicht-Bilateralisierbarkeit (5). (1) Strukturelle Definition Nach der strukturellen Definition sind Verpflichtungen erga omnes durch eine besondere Erfüllungsstruktur gekennzeichnet.148 Die Verpflichtung ist in ihrer Erfüllung nicht in bilaterale Beziehungen aufspaltbar und besteht unabhängig von einem Synallagma.149 Verpflichtungen dieser Art werden entweder gar nicht im Verhältnis der Staaten untereinander im Sinn eines zwischenstaatlichen Austausches realisiert (etwa Menschenrechte, ILO-Standards), oder die Verpflichtung bezieht sich auf ein zwischenstaatliches Verhalten, der Regelungsgegenstand (das Gemeinschaftsinteresse) erlaubt aber nur ein gleiches Verhalten gegenüber allen Parteien des Rechtsregimes (z. B. Demilitarisierung, Abrüstung, Schutz gemeinsamer Ressourcen).150 Gegen das Kriterium der Struktur zur Bestimmung von Verpflichtungen erga omnes wird eingewandt, es vertausche Ursache und Folge und sei zu sehr rechtstechnisch.151 Weiter heißt es, es sei zu weit, erfasse auch absolute Verpflichtungen wie Harmonisierungsverpflichtungen, 147
Zusammenfassender Überblick bei A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 381 f.; C. Tams, Erga Omnes, 2005, S. 128 ff.; andere Terminologie bei P. Coffman, GYIL 39 (1996), S. 285 (295 ff.). Zur Ambivalenz des Konzepts in der Barcelona Traction-Entscheidung s. auch J. Klabbers, FS Bengt Broms, 1999, S. 149 (163). 148
G. Arangio-Ruiz, Fourth Report on State Responsibility, UN-Dok.A/ CN.4/444/Ad. 1, S. 31 (1992). 149
C. Annacker, Austrian JPIL 46 (1994), S. 131 (146) m. w. N.; vgl. auch ICTY, Trials Chamber Prosecutor v. Kupreškić, No. IT-95-16-T, Urt. v. 14.1.2000, para. 519. 150 151
C. Annacker, Durchsetzung von erga omnes Verpflichtungen, 1994, S. 65. M. Ragazzi, Erga omnes, 1997, S. 202.
354
5. Kapitel
Bestrafungspflichten oder andere Verhaltenspflichten zur Ausgestaltung der internen Rechtsordnung, die nicht als erga omnes-Verpflichtungen angesehen werden.152 Umgekehrt sei das vom IGH in der Barcelona Traction-Entscheidung als Beispiel für eine erga omnes-Verpflichtung genannte Aggressionsverbot bilateralisierbar, weil sich die Gewaltanwendung notwendig gegen einen bestimmten Staat richte.153 Bei allen anderen genannten erga omnes-Normen bestehe immerhin die Möglichkeit, dass einzelne Staaten besonders betroffen sind (Art. 60 Abs. 2 lit. b WVK, Art. 42 (b) (i) ASR). Beim Völkermordverbot sei dies etwa für den Staat der Fall, über dessen Staatsangehörigkeit die Opfer verfügten.154 Die Beispiele des Aggressionsverbotes und des Völkermordes legen es nahe, die Normverletzung auf das jedenfalls faktisch betroffene Staatsgebiet oder Volk zu reduzieren. Mit einem derartigen naturalistischen Verständnis der Erfüllungsstruktur ist eine aus dem qualifizierten Gemeinschaftsinteresse an der Normbefolgung resultierende nicht-bilateralisierbare Komponente von vornherein ausgeschlossen.155 Indes ist die Frage nach der Verpflichtungsstruktur eine normative Frage. Wer als durch die Verletzung eines Unterlassungsgebotes verletzt zu betrachten ist, ist nicht allein tatsächlich im Sinne eines Kausalzusammenhangs festzustellen, sondern erfordert eine Wertung. Umgekehrt ist es gerade keine Voraussetzung objektiver Rechte, dass sie nicht zugleich auch bilateral funktionsfähig sind.156 Entscheidend ist, dass es ein über das allgemeine Interesse an der Rechtstreue aller Staaten hinausgehendes, anerkanntes Interesse nicht nur der unmittelbar in besonderer Weise betroffenen Staaten gibt.157 Dieses Interesse ist relativ, weshalb es der besonderen Anerkennung bedarf, bei welchen Normen die Rechtsfolge eines allgemeinen standing bestehen soll. Verträge dieses Charakters
152
C. Tams, Erga omnes, 2005, S. 133.
153
A. de Hoogh, Obligations Erga omnes, 1996, S. 54 f.; C. Tams, Erga omnes, 2005, S. 134. 154
C. Tams, Erga omnes, 2005, S. 135.
155
C. Annacker, Austrian JPIL 46 (1994), S. 131 (149); I. Seiderman, Hierarchy in International Law, 2001, S. 128. 156
A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 380; a. A. P. Coffman, GYIL 39 (1996), S. 285 (300 f.); C. Tams, Erga omnes, 2005, S. 156 f. 157 Vgl. zum rechtlichen Interesse aller Vertragsparteien an der Einhaltung multilateraler Verträge P. Jessup, A Modern Law of Nations, 1950, S. 154.
Hierarchisierung im Völkerrecht
355
sind zumindest nicht allein als Netzwerk bilateraler Beziehungen erklärbar.158 Allein aus der Existenz kollektiver Kontrollmechanismen zur Gewährleistung der Vertragserfüllung lässt sich noch nicht auf die kollektive Erfüllungsstruktur von Vertragspflichten schließen. Die Vertragsparteien können bei einem multilateralen Vertrag stets einen Mechanismus vorsehen, durch den die Parteien auf den Vertragsbruch einer Vertragspartei unabhängig von der Verletzung ihrer eigenen Rechte reagieren können. Beispiele sind etwa das Verfahren im Sicherheitsrat nach Kapitel VII der UNO-Charta bei Verletzung von Art. 2 Nr. 4 UNC, die Menschenrechtspakte mit ihren Kontrollorganen oder das internationale Arbeitsrecht der ILO mit der Verpflichtung zur Inkorporation in das staatliche Recht und ihren monitoring-Verfahren. Die multilaterale oder kollektive Natur der Vertragspflichten richtet sich aber nach dem Gehalt der Norm, der es rechtfertigen muss, dass die Norm einen wichtigen „Wert“ für die internationale Gemeinschaft verkörpert.159 (2) Materieller Ansatz Soll der erga omnes-Charakter einer Verpflichtung aber nach ihrer Bedeutung ermittelt werden,160 stellt sich das Problem, dass diese relativ, die Unterscheidung zwischen erga omnes und sonstigen Verpflichtungen aber kategorisch ist. Aufgrund ihrer anerkannten Bedeutung wären als erga omnes-Verpflichtungen das ius cogens und zusätzlich die Nor158 Die Qualifikation der Verpflichtungen aus Menschenrechtsverträgen durch den EGMR ist daher gegenüber der in der allgemeinen Bemerkung des Menschenrechtskomitees Nr. 24 präziser. Im General Comment 24 des HRC, para. 17 heißt es: “[S]uch treaties are not a web of inter-State exchanges of mutual obligations”, “[t]he principle of reciprocity has no place.” Demgegenüber formuliert der EGMR in Ireland v. the United Kingdom, Ser. A No. 25, S. 90, para. 239: “[The European Convention on Human Rights] comprises more than mere reciprocal engagements between Contracting States. It creates, over and above a network of mutual, bilateral understandings, objective obligations which in the word of the preamble benefit from a ‘collective enforcement’.” 159
C. Dominicé, EJIL 10 (1999), S. 353 (356). Umgekehrt schließt aber M. Craven, EJIL 11 (2000), S. 489 (506 f.) für die Völkermordkonvention von der Abwesenheit einer mit der Vertragsdurchsetzung betrauten Institution auf zumindest auch reziproke Strukturen. 160
Der IGH stellt im Mauergutachten auf den grundlegenden Charakter der Rechtsnormen ab: IGH Palestine Wall, Advisory Opinion, ICJ Rep. 2004, S. 136 (199), para. 157.
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5. Kapitel
men einzuordnen, die in der UNO-Charta, in der Praxis der UNOOrgane, in anderen, insbesondere universellen Verträgen, im allgemeinen Völkerrecht sowie in der Rechtsprechung des IGH als solche anerkannt sind.161 Diese Kriterien verstärken sich gegenseitig. Darüber hinaus ist ein indirekter Nachweis durch eine Analyse der Reaktionen auf die Verletzung der fraglichen Norm, ähnlich wie bei Art. 53 WVK, möglich.162 Außerdem wird versucht, die Unsicherheit bei der Identifizierung der Normen, die zur Kategorie der erga omnes-Verpflichtungen gehören sollen, durch einen Katalog von aus der Rechtsprechung des IGH gewonnenen Kriterien zu reduzieren, die teils indiziellen, teils strukturellen Charakter haben.163 Ein Teil der Lehre gründet die Annahme von erga omnes-Verpflichtungen insbesondere auf die Anerkennung besonderer Rechtsfolgen in der internationalen Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit.164 Der dagegen vorgebrachte Einwand, Universalität sei keine notwendige Voraussetzung der Verpflichtungen erga omnes,165 trifft nur dann zu, wenn man Verpflichtungen erga omnes partes nicht als eigenständigen Unterfall der Verpflichtungen erga omnes betrachtet. Das ist aber allein unter dem Gesichtspunkt der Erfüllungsstruktur unzutreffend. Während die obligationes erga omnes Verpflichtungen gegenüber allen Staaten der internationalen Gemeinschaft bzw. der internationalen Gemeinschaft selbst begründen, verpflichten obligationes erga omnes contractantes/ partes nur im Verhältnis zu einer Gruppe von Staaten. Selbst wenn man sie einbezieht, ist das Kriterium der Anerkennung damit nicht gegenstandslos. Es ist vielmehr dahingehend zu präzisieren, dass es auf die Anerkennung in der relevanten Gruppe von Staaten ankommen soll. Gewichtiger erscheint demgegenüber der Einwand, dass es einer Klarstellung bedürfte, wie die Anerkennung als Verpflichtung erga omnes zum Ausdruck kommen soll.
161
Zusammenstellung der Kriterien bei C. Tams, Erga omnes, 2005, S. 153 unter Rückgriff auf IGH East Timor, ICJ Rep. 1995, S. 90 (102), para. 29; Diss. Op. Weeramantry, ibid., S. 194 ff., 213 ff.; IGH Diplomatic and Consular Staff, ICJ Rep. 1980, S. 3 (31), para. 62; J. Delbrück, FS Jaenicke, 1998, S. 17 (31 f.). 162 163
C. Tams, Erga omnes, 2005, S. 154. M. Ragazzi, Erga omnes, 1997, S. 132 ff.
164
B. Simma, in: J. Delbrück (Hg.), Future of International Law Enforcement, 1993, S. 125 (133); A. de Hoogh, Obligations Erga omnes, 1996, S. 55 f. 165
A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 382.
Hierarchisierung im Völkerrecht
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(3) Kombinationen der Kriterien Setzt man kumulativ eine nichtbilateralisierbare Erfüllungsstruktur und eine besondere Bedeutung der Norm voraus, so kann zwar der Kreis der relevanten Normen enger gezogen werden, die Einwände gegen jedes der beiden Kriterien werden so aber nicht überwunden. Weitere Ansichten wollen alternativ entweder auf die Erfüllungsstruktur oder auf die Bedeutung einer Norm abstellen und räumen für beide Kriterien Staaten und Gerichten explizit einen Spielraum ein.166 Unterschiede zwischen der strukturellen und der materiellen Herangehensweise zeigen sich vor allem bei der Einordnung der Menschenrechte. Die auf materielle Kriterien gestützte enge Ansicht ordnet nur manchen Menschenrechten einen erga omnes-Charakter zu und kann sich dabei auf den Wortlaut der Barcelona Traction-Entscheidung stützen.167 Auf der Grundlage der Verpflichtungs- und Erfüllungsstruktur ist die Verpflichtung zur Beachtung der Menschenrechte dagegen schlechthin keine Verpflichtung gegenüber einem bestimmten Staat und daher nicht bilateralisierbar. (4) Funktionale Herangehensweise Eine funktionale Herangehensweise identifiziert demgegenüber Verpflichtungen erga omnes als die Normen, die ohne diese Einordnung nicht ausreichend durchgesetzt werden können.168 In funktionaler Hinsicht ist zwischen erga omnes-Verpflichtungen und ius cogens zu unterscheiden. Während erga omnes-Verpflichtungen funktional auf Fragen der Normbefolgung und Rechtsdurchsetzung bezogen sind und zu diesem Zweck für einen weiteren Kreis von Staaten das standing begründen, bezieht sich die Kategorie des ius cogens funktional primär auf die internationale Rechtsetzung.169 Aus dieser Perspektive ist ein Bedarf für erga omnes-Strukturen insbesondere dann anzunehmen, wenn einerseits wegen fehlender faktischer Reziprozität die Staatengemeinschaft vor allem altruistische Motive für 166
A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 383 ff.
167
Dazu ausführlich: I. Seiderman, Hierarchy in International Law, 2001, S. 131 ff. Die enge Ansicht zum erga omnes-Charakter der Menschenrechte vertritt etwa K. Oellers-Frahm, AVR 30 (1992), S. 28 (31 f.). 168
B. Bryde, BDGVR 33 (1994), S. 165 (169); P. Coffman, GYIL 39 (1996), S. 285 (301 ff.); N. Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip, 2009, S. 175 f. 169
P. Coffman, GYIL 39 (1996), S. 285 (301).
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5. Kapitel
Reaktionen auf Rechtsbrüche hat. Dies ist etwa beim Völkermordverbot, dem Verbot der Sklaverei oder der Rassendiskriminierung oder unter Umständen dem Schutz der Souveränität über natürliche Ressourcen, deren Verletzung sich auf die inneren Verhältnisse eines einzigen Staates beschränken kann, der Fall. Andererseits wird dieser Bedarf dadurch begründet, dass zwar kollektive Durchsetzungssysteme wie der UNO-Sicherheitsrat für das Gewaltverbot bestehen, aber dennoch „Durchsetzungslücken“ verbleiben oder die UNO-Ausführungsorgane gar nicht das Interesse der internationalen Gemeinschaft wahrnehmen.170 Dagegen wird eingewandt, die Ansicht laufe auf eine petitio principii hinaus, weil die Folge der Einordnung als erga omnes-Verpflichtung, die Rechtsinhaberschaft der internationalen Gemeinschaft, zugleich Voraussetzung dieser Einordnung ist.171 Jedenfalls kann aus dem bloßen Durchsetzungsdefizit nicht einfach auf den erga omnes-Charakter geschlossen werden. Der Kreis der erga omnes-Verpflichtungen wäre auf dieser Grundlage sehr weit zu ziehen, kehrte auf bewusster Gestaltung beruhende Defizite der Völkerrechtsordnung geradezu in ihr Gegenteil um und böte reaktionswilligen Staaten ein missbrauchsanfälliges Argument.172 (5) Erga omnes-Charakter als Kehrseite der Nicht-Bilateralisierbarkeit Entscheidender als die Gegenüberstellung von materiellem und strukturellem Anerkennungskriterium erscheint, dass beide Kriterien nur auf der Anerkennung in der internationalen Gemeinschaft beruhen. Die besondere, ein Netzwerk von bilateralen Verpflichtungen übersteigende Erfüllungsstruktur beruht auf dem besonderen Zweck der Norm, der wiederum auf Konsens beruht. Dieser Konsens drückt aus, dass ein über das allgemeine Interesse an der Befolgung der Rechtsordnung hinausgehendes anerkanntes Interesse anderer als unmittelbar betroffener Staaten an der Einhaltung einer Verpflichtung besteht. Auch die besondere Wichtigkeit einer Norm lässt sich nicht allein objektiv bestimmen, sondern bedarf der Absicherung im Konsens der Staaten und in der internationalen Gemeinschaft.
170 171 172
P. Coffman, GYIL 39 (1996), S. 285 (301 ff.). A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 384.
M. Akehurst, BYBIL 44 (1970), S. 1 (15); K. Sachariew, NILR 35 (1988), S. 73 (284); K. Oellers-Frahm, AVR 30 (1992), S. 28 (35).
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Genau genommen bilden die Nicht-Bilateralisierbarkeit und die Einordnung als erga omnes-Verpflichtung zwei Seiten einer Medaille: Die Nicht-Bilateralisierbarkeit bezieht sich auf die Primärnorm oder Verhaltensnorm, der Charakter als erga omnes-Verpflichtung dagegen auf das an die Rechtsverletzung anknüpfende sekundäre Rechtsverhältnis.173 Die Trennung zwischen Primär- und Sekundärrecht verdeutlicht, dass eine kollektiv wirksame Verletzung nicht ohne Weiteres die Zulässigkeit von Reaktionen aller, auch nichtbetroffener Staaten oder von Kollektivmaßnahmen begründet.174 Auch bei den erga omnes-Verpflichtungen ist die nicht allein bilaterale Normstruktur notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung. Besondere Rechtsfolgen, die an diese Struktur anknüpfen, bedürfen der Anerkennung durch die Staaten.175
3. Zwischenfazit Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sowohl das zwingende Völkerrecht als auch Verpflichtungen erga omnes Normen darstellen, die Ausdruck eines Staateninteressen transzendierenden Gemeinschaftsinteresses mit besonderen Rechtsfolgen sind. Dem ius cogens und den Verpflichtungen erga omnes liegt eine gemeinsame Normstruktur zugrunde. Ihre Erfüllung ist nicht bilateralisierbar. Die besondere Erfüllungsstruktur ist aber nur notwendige, nicht auch hinrei-
173 174 175
R. Provost, BYBIL 65 (1994), S. 383 (386 f.). Vgl. I. Seiderman, Hierarchy in International Law, 2001, S. 144.
Beispiele für Gegenmaßnahmen, die Staaten ergriffen, obwohl die Rechtsverletzung nicht unmittelbar sie selbst, sondern nur die internationale Gemeinschaft betraf, sind die Sanktionen gegen das südafrikanische Apartheidregime, denen sich auch sozialistische Staaten und die Mitglieder der G77 anschlossen, die Suspendierung der Mitgliedschaft Nigerias durch den Commonwealth aufgrund der Menschenrechtsverletzungen des Militärregimes oder die Sanktionen ostafrikanischer Staaten gegen Burundi nach einem Militärputsch: C. Tams, Erga Omnes, 2005, S. 207 ff. Diese Beispiele rela-tivieren die Kritik, solche Maßnahmen würden nur von einer kleinen Fraktion (westlicher) Staaten ergriffen (K. Sachariew, NILR 35 (1988), S. 273 (284); ILC, Kommentar zu Artikel 54 ASR, para. 5 f., abgedruckt in: J. Crawford, ASR, 2002, S. 305). Zur Beschränkung der Gegenmaßnahmen auf systematische und großflächige Verletzungen von erga omnes-Verpflichtungen s. C. Tams, Erga Omnes, 2005, S. 249 f.; zur dogmatischen Einordnung als Frage der Verhältnismäßigkeit s. N. Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip, 2009, S. 180.
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5. Kapitel
chende Voraussetzung der beiden Normkategorien und muss jeweils durch andere Kriterien ergänzt werden. Deshalb unterscheidet etwa Paulus das mit den Fundamentalnormen verknüpfte Recht der nicht-organisierten „internationalen Gemeinschaft“ vom zwischenstaatlichen Völkerrecht anhand verschiedener Elemente. Die international community as a whole fungiere als Rechtsetzungsorgan für das Recht zwingenden Charakters und/oder erga omnes-Verpflichtungen, wobei jeweils die Zustimmung ihrer essential components für die Normentstehung ausreiche. Außerdem gilt die internationale Gemeinschaft als das Rechtssubjekt, dem die Verpflichtungen aus dem Recht der internationalen Gemeinschaft geschuldet sind, und das einerseits nur über seine Mitgliedstaaten vermittelt handelt, andererseits in die Rechte der unmittelbar Berechtigten eintritt (Volk, Individuum etc.). Die Durchsetzung des Rechts der Gemeinschaft soll zunächst durch die Nichtigkeit entgegenstehenden Rechts erfolgen. Außerdem soll jedes einzelne Mitglied der Staatengemeinschaft berechtigt sein, in Kooperation mit anderen bei schweren Verletzungen solcher Rechte einzugreifen, auch wenn dadurch anderes einfaches Recht verletzt wird (Repressalienrecht). Weiter dient ihrer Durchsetzung die unmittelbare oder mittelbare Einwirkung des Völkerrechts auf das nationale Recht. Die Verletzung solcher Regeln soll jedem Staat ius standi vermitteln, so dass eine Art actio popularis ermöglicht wird. Außerdem ist der tu quoque-Einwand abgeschnitten, weil insoweit keine Reziprozität zugelassen ist. Gleichzeitig bilden die betreffenden Normen eine Grenze für jede Gegenmaßnahme.176 Derartige Versuche stehen im Gegensatz zu Ansätzen in der älteren Lehre, verschiedene Kategorien des Völkerrechts auf der Grundlage soziologischer und funktionaler Kriterien abzugrenzen. Maßgebliches Kriterium ist hier die Gegenwart des faktischen Reziprozitätsmoments in verschiedenen Bereichen des Völkerrechts, während die hier vorgenommene Unterscheidung sich auf die normative Reziprozität bezieht. Die völkerrechtssoziologischen Unterscheidungen geben die Realität aber nicht angemessen wieder, weil die faktische Reziprozität in unterschiedlichem Ausmaß das gesamte Völkerrecht prägt.177 Als Grundlage 176 177
A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 423 f.
W. Friedmann, The Changing Structure of International Law, 1964; ders., RdC 127 (1969-II), S. 91 ff. – Völkerrecht der Koexistenz, Völkerrecht der Zusammenarbeit; G. Schwarzenberger, The Frontiers of International Law, 1962, S. 9 ff.; ders., A Manual of International Law, 1967, S. 10 ff. – Recht der Macht, Recht der Gegenseitigkeit, Recht der Koordination; vgl. B. Simma, Stichwort
Hierarchisierung im Völkerrecht
361
einer kategorischen Unterscheidung ist sie daher ungeeignet, weil sie dem Grade nach variieren kann. Nachteil der an den Rechtsnormen und nicht an der Völkerrechtssoziologie orientierten kategorienübergreifenden Begriffsbildung der Fundamentalnormen wiederum ist, dass sie die spezifischen Rechtsfolgen der einzelnen Normen unklar werden lassen könnte. Sowohl beim ius cogens als auch bei erga omnes-Verpflichtungen bestehen Unsicherheiten in der Identifikation, die aus der Verknüpfung von materiellem Recht mit Sekundärnormen folgen. Daher ist eine separate Betrachtung der Kriterien für die Anordnung bestimmter Rechtsfolgen wichtig.178 Aufgrund des formalen Charakters des Art. 53 S. 2 WVK und des Fehlens klarer Kriterien für erga omnes-Verpflichtungen muss der Konsens über die Einordnung bestimmter Normen als ius cogens oder Verpflichtung erga omnes anhand der Anerkennung bestimmter Rechtsfolgen ermittelt werden, die für die jeweiligen Kategorien typisch sind. Andernfalls würde die von Art. 53 WVK geforderte Voraussetzung des Staatenkonsenses in der internationalen Gemeinschaft gerade über den zwingenden Gehalt, aber auch über den erga omnes-Charakter bestimmter Normen entwertet. Das spricht dagegen, ius cogens oder Verpflichtung erga omnes als einheitliche Kategorie eines völkerrechtlichen Verfassungsrechts abzugrenzen.
C. Verfassungsrechtlicher Charakter des ius cogens Wenn eine kategorienübergreifende Einordnung der Fundamentalnormen als Verfassungsrecht scheitert, könnte doch der besondere Charakter des Vorrangs von ius cogens dessen Sonderstellung als Verfassungsrecht begründen. Es ist unmittelbar plausibel, dass das ius cogens über dem bilateralen Vertrag steht, den es brechen kann.179 Sollen bei Ver-
„Reciprocity“, EPIL IV, 2000, S. 29 (33); ausführlich ders., Reziprozitätselement Verträge, 1972, S. 273 ff. m. w. N., u. a. bei Hoffmann und Virally. 178
Vgl. S. Kadelbach, in: C. Tomuschat/J. Thouvenin (Hg.), Fundamental Rules, 2006, S. 21 (28). 179
ICTY, Trials Chamber Prosecutor v. Furundžija, No. IT-95-17/1-T, Urt. v. 10.12.1998, ILM 38 (1999), S. 317 (349), para. 153; B. Simma, FS Verdross, 1980, S. 22 (46 ff.); M. Schweitzer, AVR 15 (1971/72), S. 197 (217 ff.); C. Rozakis, Concept of Jus cogens, 1976, S 19 ff.; S. Kadelbach/T. Kleinlein, AVR 44 (2006), S. 235 (252); A. Orakhelashvili, Peremptory Norms, 2006, S. 7 ff.
362
5. Kapitel
pflichtungen erga omnes alle Staaten eine Verletzung geltend machen können, so müssen die verletzten Normen Interessen schützen, die höher als das Individualinteresse des Verantwortlichen einzustufen sind.180 Da sich aber die besonderen Rechtsfolgen der erga omnes-Verpflichtungen im Recht der Staatenverantwortlichkeit zeigen, setzen sie eine Rechtsverletzung voraus. Das Individualinteresse, das den verantwortlichen Staat zur Verletzung einer völkerrechtlichen Verpflichtung erga omnes motiviert hat, kann daher rechtlich gar nicht anerkannt sein. Dennoch ist den erga omnes-Pflichten eine besondere Bedeutung nicht abzusprechen. Beide Normkategorien zeichnen sich durch ihr relativ hohes normatives Gewicht aus, das sich auch in den besonderen Rechtsfolgen einer Normverletzung zeigt. Dieses relativ höhere Gewicht als hierarchiebegründend zu qualifizieren, setzt allein voraus, dass man die besonderen Normwirkungen dieser Verpflichtungen auf der Ebene der Verantwortlichkeit als ausreichend gewichtig betrachtet, um eine Sonderstellung der Normen zu begründen.181 Es begründet aber nicht ohne Weiteres auch eine Verdrängungswirkung. Während sich bei erga omnes-Verpflichtungen der Vorrang auf dieses relativ höhere Gewicht beschränkt, lässt sich der Vorrang des ius cogens aufgrund der Nichtigkeitsfolge im Kollisionsfalle möglicherweise darüber hinausgehend als verfassungsartige Bindung der Staaten bei der Rechtsetzung an Normen einer übergeordneten Stufe verstehen.182 Dazu sind der besondere Charakter des Vorrangs von ius cogens (I.) und die besonderen Rechtsfolgen über das Vertragsrecht hinaus, bei seiner Verletzung (II.) zu untersuchen.
180
S. Kadelbach/T. Kleinlein, AVR 44 (2006), S. 235 (252).
181
J. Carrillo Salcedo, EJIL 8 (1997), S. 583 (592 f.); S. von Schorlemer, in: E. Klein (Hg.), Menschenrechtsschutz durch Gewohnheitsrecht, 2003, S. 238 – erga omnes-Verpflichtungen im übergeordneten, gemeinsamen Interesse; dagegen unter Zugrundelegung desselben Verständnisses: N. Matz, Wege zur Koordinierung völkerrechtlicher Verträge, 2005, S. 259; s. auch C. Maierhöfer, EuGRZ 29 (2002), S. 391 (396). 182
Für Höherrangigkeit des ius cogens: G. Tunkin, RdC 147 (1975-IV), S. 1 (98); G. Danilenko, EJIL 2 (1991), S. 42; U. Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, 1991, S. 227: rudimentäre Form einer Normenhierarchie; vgl. zu der hier getroffenen Gegenüberstellung auch ILC, Fragmentation of International Law: Difficulties Arising From the Diversification and Expansion of International Law: Report of the Study Group of the International Law Commission, UN-Dok. A/CN.4/L.682 v. 13.4.2006, para. 380, 408.
Hierarchisierung im Völkerrecht
363
I. Der besondere Charakter des Vorrangs von ius cogens Um die besondere Qualität des Vorrangs des ius cogens im Unterschied zu erga omnes-Verpflichtungen zu erfassen, ist zunächst die Reichweite dieses Vorrangs zu untersuchen (1.) und anschließend die Bedeutung der Nichtigkeitsfolge zu analysieren (2.).
1. Reichweite des Vorrangs von ius cogens Nach Art. 53 S. 1 WVK gilt der Vorrang des zwingenden Völkerrechts zunächst nur gegenüber widersprechenden Vertragsnormen. Diese Beschränkung des Vorrangs auf eine Rechtsquelle des Völkerrechts spricht gegen seine Bedeutung als übergeordnetes und gegenüber dem übrigen Recht klar abgrenzbares Verfassungsrecht. Indes ist die Nichtigkeitsfolge nach wohl einhelliger Überzeugung nicht auf das Vertragsrecht beschränkt, sondern umfasst auch das Völkergewohnheitsrecht,183 unilaterale Handlungen184 und Resolutionen des Sicherheitsrates185 sowie, nach einer singulär gebliebenen Entscheidung des Jugoslawiengerichts, auch entgegenstehende nationale Gesetzgebungs-, Verwaltungs- oder Rechtsprechungsakte.186 183
IGH Genocide Case, Preliminary Objections, Sep. Op. Judge ad hoc Lauterpacht, ICJ Rep. 1993, S. 407 (440), para. 100; ICTY, Trials Chamber Prosecutor v. Furundžija, No. IT-95-17/1-T, Urt. v. 10.12.1998, ILM 38 (1999), S. 317 (349), para. 153; EGMR Al-Adsani v. UK [GC], No. 35763/97, ECHR 2001XI, Joint Diss. Op. Rozakis et al., S. 111 (112 f.), para. 3; D. Shelton, Sask. LR 65 (2002), S. 301 (329); ILC, Fragmentation of International Law: Difficulties Arising From the Diversification and Expansion of International Law: Report of the Study Group of the International Law Commission, UN-Dok. A/CN.4/ L.682 v. 13.4.2006, para. 367; vgl. auch Restatement (Third) of the Foreign Relations Law of the United States, § 102 Comment k. 184 ILC, Guiding Principles applicable to unilateral declarations of States capable of creating legal obligations, YBILC 2006-II/2, S. 367, 8. Grundsatz. 185
IGH Genocide Case, Preliminary Objections, Sep. Op. Judge ad hoc Lauterpacht, ICJ Rep. 1993, S. 407 (440), para. 100; s. auch IGH Armed Activities on the Territory of the Congo (New Application: 2002), DRC v. Rwanda, Jurisdiction and Admissibility, Judgment, Sep. Op. Judge ad hoc Dugard, ICJ Rep. 2006, S. 86 (88 f.), para. 8. 186
ICTY, Trials Chamber Prosecutor v. Furundžija, No. IT-95-17/1-T, Urt. v. 10.12.1998, ILM 38 (1999), S. 317 (349), para. 155; s. auch A. Bleckmann, Völkerrecht, 2001, S. 108 f., para. 304 – Nichtigkeit innerstaatlicher Akte im Extremfall.
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5. Kapitel
Der über das Vertragsrecht hinausreichende Vorranganspruch des ius cogens lässt sich zunächst auf den Wortlaut des Art. 53 S. 2 WVK stützen. Die Formulierung „von der nicht abgewichen darf“ in der Legaldefinition des zwingenden Rechts erfasst auch andere Akte als Verträge. Daher ist die in Art. 53 S. 1 WVK geregelte Nichtigkeit des Vertrages nicht als abschließend zu verstehen. Vielmehr wird die Rechtsfolge der Nichtigkeit anderer als vertraglicher Völkerrechtsnormen lediglich im Kontext der Vertragsrechtskonvention nicht kodifiziert. Dafür, dass das ius cogens nicht nur auf die Schaffung eines Vorranges gegenüber dem Vertragsrecht angelegt ist, spricht auch die systematische Stellung des Art. 53 WVK. Das Verhältnis zwischen Verträgen ist in Art. 40, 41 und 59 WVK geregelt und nicht in Art. 53 WVK. Im Übrigen ist es schwierig einzusehen, warum eine Norm im einen Kontext sakrosankt sein soll und im anderen nicht.187 Ein Unterschied besteht allerdings darin, dass im Fall von Art. 53, 44 Abs. 5 WVK der gesamte Vertrag nichtig ist,188 während das ansonsten nur für die jeweilige Norm oder den jeweiligen Akt zutrifft. Da der generelle Vorrang des ius cogens in der Normenhierarchie allgemein anerkannt ist, lässt er sich überzeugend mit einem allgemeinen Rechtsgrundsatz begründen.189 Der Vorrang des ius cogens gegenüber dem Völkergewohnheitsrecht dürfte dabei von eher theoretischer Bedeutung sein. Es ist jedenfalls für das universelle Völkergewohnheitsrecht unwahrscheinlich, dass sich Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung in seinem Entstehungsprozess im Widerspruch zu zwingendem Recht entwickeln. Umgekehrt würde eine später entstehende zwingende Norm (vgl. Art. 64 WVK) wohl gleichzeitig eine Desuetudo hinsichtlich des eventuell relevanten Völkergewohnheitsrechts bedeuten, so dass es gar nicht erst zu einer Normkollision zwischen dispositivem Völkergewohnheitsrecht und zwingendem Recht kommen sollte. Die Anwendung des ius cogens-Prinzips auf unilaterale Handlungen folgt aus einem Erst-recht-Schluss.190 Nur bei Verträgen gilt, dass sie grundsätzlich, d. h. mit Ausnahme des Widerspruchs zu ius cogens, un187
J. Crawford, Creation of States, 22006, S. 102.
188
Vgl. aber zur Nichtigkeit nur der ius cogens verletzenden Vertragsbestimmung A. Cassese, International Law, 22005, S. 206. 189
W. Weiß, AVR 39 (2001), S. 394 (417); vgl. M. Bassiouni, Mich. JIL 11 (1990), S. 768 (817). 190 S. Kadelbach, in: C. Tomuschat/J. Thouvenin (Hg.), Fundamental Rules, 2006, S. 21.
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abhängig von ihrem Inhalt Rechtswirkungen entfalten. Deshalb sollte die Nichtigkeitsfolge bei einseitigen Akten, die im Widerspruch zu ius cogens stehen, erst recht greifen. Diese Schlussfolgerung vom Vertrag auf den einseitigen Akt ist indes nicht ohne Probleme. Während ein völkerrechtlicher Vertrag eine Schöpfung des Völkerrechts ist, können sich die Rechtsfolgen unilateraler Handlungen aus den nationalen Rechtsordnungen ergeben. Daher hängt es von den Auswirkungen des ius cogens auch auf das innerstaatliche Recht ab, ob der Akt nichtig ist.191 Die Delegitimierung entgegenstehender nationaler Gesetzgebungs-, Verwaltungs- oder Rechtsprechungsakte durch das ius cogens findet einen ersten Anknüpfungspunkt darin, dass 1984 die Südafrikanische Verfassung durch UNO-Organe für „null und nichtig“ erklärt wurde, weil sie gegen die zumindest weitgehend als ius cogens anerkannten Prinzipien der Charta verstieß.192 Nach Art. 139 Abs. 3, 193 Abs. 4, 194 Abs. 2 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18.4.1999193 dürfen Verfassungsänderungen zwingendes Völkerrecht nicht verletzen. Nationale Gerichte erkennen zunehmend den Vorrang des ius cogens vor innerstaatlichem Recht an, ohne dies allerdings zu erläutern.194 Im Furundžija-Fall maß das Jugoslawiengericht erstinstanzlich zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen dem ius cogens einen unmittelbaren Geltungsvorrang vor kollidierendem innerstaatlichem Recht bei.195 Das ius cogens hat das Verhältnis von inner191 T. Meron, AJIL 80 (1986), S. 1 (20 f.); ders., The Humanization of International Law, 2006, S. 206. 192 193
SR Res. 554 (1984), para. 1 f. sowie GV Res. 39/2 (1984), para. 1. AS 1999, S. 2556.
194
Vgl. A. Cassese, International Law, 22005, S. 208 – für spanische und argentinische Gerichte; E. de Wet, EJIL 15 (2004), S. 97 (112, 114); A. Paulus, in: J. Nijman/A. Nollkaemper (Hg.), New Perspectives on the Divide Between National and International Law, 2007, S. 216 (231) m. N. in Fn. 67; vgl. EuG Ahmed Ali Yusuf et al v. Rat u. Kommission, Rs. T-306/01, Slg. 2005, S. II-3533, Rn. 260 ff. – für das Recht der EU; s. aber auch United States Court of Appeals, Ninth Circuit Siderman De Blake v. Republic of Argentina and Others, Urt. v. 22.5.1992, ILR 103, S.454 (475); England, High Court, Queen’s Bench Division Al-Adsani v. Government of Kuwait and Others, Urt. v. 15.3.1995, ILR 103, S. 420 (431). 195
ICTY, Trials Chamber Prosecutor v. Furundžija, No. IT-95-17/1-T, Urt. v. 10.12.1998, ILM 38 (1999), S. 317 (349 f.), para. 155-157; vgl. E. de Wet, EJIL 15 (2004), S. 97 (98 f.).
366
5. Kapitel
staatlichem und Völkerrecht indes wohl nicht verändert. Daher ist die Direktwirkung zwingenden Völkerrechts im innerstaatlichen Bereich auf Anordnung eines internationalen Gerichts eine sehr zweifelhafte Konstruktion.196 Die unmittelbare Wirkung sollte vielmehr am selfexecuting character von Völkerrechtsnormen zu messen sein.197 Dass das ius cogens trotz der Vorrangregelung des Art. 103 UNC Vorrang auch vor der UNO-Charta beanspruchen kann,198 wird wohl nur im Fall von Resolutionen des Sicherheitsrates relevant.199 Die Charta als Bestandsaufnahme des bestehenden universellen Völkerrechts des Jahres 1945 und zugleich als Grundlage der weiteren Entwicklung des Völkergewohnheitsrechts sollte wohl insgesamt nicht in Konflikt zu zwingendem Völkerrecht stehen.200 Darüber hinaus leuchtet es ein, dass die UNO-Charta, die selbst ein Vertrag ist, keine Handlungen autorisieren können soll, die zwingendes Völkerrecht verletzen.201 Aufgrund des umfassenden, Nichtigkeit entgegenstehender Rechtsnormen begründenden Vorrangs des ius cogens gegenüber anderem Völkerrecht lässt sich dieser Rechtskörper demnach zunächst als eine eigenständige Geltungsebene im Völkerrecht verstehen.202
196
A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 353; S. Kadelbach/T. Kleinlein, AVR 44 (2006), S. 235 (253). 197
A. Paulus, Nordic JIL 74 (2005), S. 297 (319, 323).
198
IGH Genocide Case, Provisional Measures, Sep. Op. Judge ad hoc Lauterpacht, ICJ Rep. 1993, S. 407 (440), para. 100; E. de Wet, Chapter VII, 2004, S. 95; B. Fassbender, Col. JTL 36 (1998), S. 529 (589 ff.) – kritisch; s. aber ders., in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 837 (849). 199
ICTY, Appeals Chamber Prosecutor v. Duško Tadić, Urt. v. 15.7.1999, No. IT-94-1-A, para. 296, abgedruckt in: ILM 38 (1999), S. 1518; IGH Genocide Case, Provisional Measures, Sep. Op. Judge ad hoc Lauterpacht, ICJ Rep. 1993, S. 407 (440 f.), para. 100, 102 zum Völkermordverbot. Zahlreiche Beispiele für Sicherheitsratsresolutionen, die zwingendes Völkerrecht verletzen sollen, findet A. Orakhelashvili, Peremptory Norms, 2006, S. 423 ff.; ders., EJIL 16 (2005), S. 59 (71 ff.). 200
G. Watson, Harv. ILJ 34 (1993), S. 37; P.-M. Dupuy, MPYUNL 1 (1997), S. 3 (14); vgl. auch G. Schwarzenberger, FS Menzel, 1975, S. 241 (249). 201 202
G. Watson, Harv. ILJ 34 (1993), S. 1 (37). Vgl. A. Fischer-Lescano, ZaöRV 63 (2003), S. 717 (744).
Hierarchisierung im Völkerrecht
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2. Nichtigkeitsfolge bei Verletzung von ius cogens Das ius cogens als internationales Verfassungsrecht zu verstehen, ist insbesondere wegen dieser Rechtsfolge der Nichtigkeit widersprechender Völkerrechtsnormen zunächst plausibel.203 Es setzt dann als hierarchisch übergeordnetes Verfassungsrecht und als negative Kompetenznorm der internationalen Rechtsetzung Grenzen und dient als Maßstab für das einfache Recht.204 Es ist damit Verfassungsrecht im formellen, aber zugleich auch im materiellen Sinne, weil es grundlegende Normen der Staatengesellschaft und der internationalen Gemeinschaft verkörpert.205 Die Nichtigkeit entgegenstehender Normen ist nach diesem Verständnis Ausdruck des Vorrangs des in den objektiven Normen dieser internationalen öffentlichen Ordnung verkörperten Gemeinschaftsinteresses.206 Der Vorrang des zwingenden Völkerrechts erscheint als eine inhärente Überordnung im Sinne einer „kategorischen“ Hierarchie.207 Dieser Vorrang erfährt in Art. 66 lit. a WVK eine, allerdings auf ein Antragsrecht der Vertragsparteien eines möglicherweise gegen
203
Für das Argument, „streng genommen“ bestehe gar kein Hierarchie, da diese ja eine Koexistenz von vor- und nachrangigem Recht voraussetze, die gegen ius cogens verstoßende Norm aber keinerlei Wirkung entfalte und gar kein geltendes Recht sei: N. Matz, Wege zur Koordinierung völkerrechtlicher Verträge, 2005, S. 245 f. Für Matz lässt sich die Höherrangigkeit des ius cogens aber allgemeiner aus dessen „hervorgehobene[r] Stellung“ im Völkerrechtssystem ableiten (ibid., S. 246). 204
C. W. Jenks, BYBIL 30 (1953), S. 401 (436) – „principle which determines the validity of legislation governed by a rigid constitution“; vgl. M. Janis, Conn. JIL 3 (1988), S. 359 (363); A. Orakhelashvili, Peremptory Norms, 2006, S. 9 – „constraining the contractual capacity of legal persons“. 205
Vgl. für ein solches Verständnis T. Meron, AJIL 80 (1986), S. 1 (9); M. Byers, Nordic JIL 66 (1997), S. 211 (212, 219 f.); G. Biaggini, ZSR NF 119 (2000), S. 445 (473); B. Fassbender, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 837 (844); A. Peters, LJIL 19 (2006), S. 579 (598). 206
L. Hannikainen, Peremptory Norms, 1988, S. 207; C. Rozakis, Concept of Jus Cogens, S. 27 ff.; R. Maconald, Can. YBIL 25 (1987), S. 134; B. Simma, RdC 250 (1994-VI), S. 217 (288); J. Carrillo Salcedo, EJIL 8 (1997), S. 583 (587 ff.); A. Orakhelashvili, Peremptory Norms, 2006, S. 47; kritisch: G. A. Christenson, Va JIL 28 (1988), S. 596 ff. 207
A. Orakhelashvili, Peremptory Norms, 2006, S. 8; s. auch J. Pauwelyn, Conflict of Norms in Public International Law, 2004, S. 98 – Hierarchie „a priori“.
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5. Kapitel
zwingendes Völkerrecht verstoßenden Vertrages beschränkte, verfahrensmäßige Absicherung. Dagegen, dass die Nichtigkeitsfolge auf der Grundlage eines verfassungsrechtlichen Vorrangs zu erklären ist, spricht, dass die Rechtsfigur des ius cogens ursprünglich dem innerstaatlichen Privatrecht entnommen ist. Aus diesem Zusammenhang war es auch den Mitgliedern der ILC sowie den Staatenvertretern im Sechsten Ausschuss der Generalversammlung und auf der Wiener Konferenz vertraut.208 Das Privatrecht zeigt aber, dass zwingendes Recht hierarchisch auf derselben Ebene stehen kann wie dispositives Recht, weil sämtliche zwingende Vorschriften des Privatrechts auf der Ebene des Gesetzesrechts angesiedelt sind.209 Tatsächlich ist das ius cogens auf dieselben Quellen und Entstehungsweisen zurückzuführen wie das ius dispositivum. Insbesondere bildet es nicht die Quelle, die die Schaffung von Regeln des ius dispositivum autorisiert.210 Zwingendes Recht bildet allenfalls einen geringen Teil des völkerrechtlichen Rechtserzeugungsrechts, und der Rechtsquellenregel des Art. 38 IGH-Statut wird dieser Charakter im Allgemeinen nicht zugesprochen. Daher ist das ius cogens nicht wie Verfassungsrecht als höherrangiges Recht abgrenzbar, von dem das niederrangige Recht seine Gültigkeit ableitet. Für einen Verfassungscharakter sprechen auch nicht die Regeln für seine Abänderung. Zwar ist die Änderung nach Art. 53 S. 2 WVK a. E. nur durch eine spätere Norm des allgemeinen Völkerrechts derselben Rechtsnatur möglich, die Anforderungen für den Nachweis von ius cogens sind aber keineswegs klar und die Abänderung zwingenden Rechts ist auch nicht unbedingt gegenüber dem übrigen Völkerrecht erschwert.211 Daher ist es vorzugswürdig, das ius cogens-Prinzip als eine Kollisionsregel für Konflikte zwischen Normen auf gleicher Ebene zu begrei-
208
C. Rozakis, Concept of Jus Cogens, 1976, S. 47.
209
L. Alexidze, RdC 172 (1981-III), S. 219 (237); S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 183. 210
L. Hannikainen, Peremptory Norms, 1988, S. 12; S. Kadelbach/T. Kleinlein, AVR 44 (2006), S. 235 (253 f.); vgl. T. Meron, AJIL 80 (1986), S. 1 (8, 20 f.); M. Nettesheim, JZ 57 (2002), S. 569 (576). 211
Zur Paradoxie, dass die Voraussetzungen an den Nachweis umso geringer sind, je stärker die normative Kraft einer Regel ist, s. I. Seiderman, Hierarchy in International Law, 2001, S. 53; kritisch auch G. Gaja, RdC 172 (1981-III), S. 271 (287). Für nur erschwert nachweisbar hält ius cogens: M. Janis, Conn. JIL 3 (1987-1988), S. 359 (362).
Hierarchisierung im Völkerrecht
369
fen.212 Rechtslogischen Vorrang kann nur das ius cogens-Prinzip selbst als sekundäre Norm beanspruchen, nicht aber die einzelne zwingende Norm. Der besondere Status des zwingenden Rechts beruht weniger auf der Funktion des ius cogens-Prinzips als sekundärer Norm als auf den Inhalten der primären Normen, die es bilden.213 Diese Inhalte sind aber, wie gezeigt, zu disparat, um eine abgrenzbare Kategorie des Verfassungsrechts zu bilden. Zugleich sind die Inhalte so sehr auf einen minimalen Bestand zwingenden Rechts konzentriert, dass es selten tatsächlich auf eine Kollision mit dem ius cogens ankommen wird.214 Der Ansatz, zwingendes und dispositives Völkerrecht hierarchisch auf einer Ebene zu sehen und die Kollision über das ius cogens-Prinzip zu lösen, zielt wie die Hierarchisierungsthese auf die Einheit der Völkerrechtsordnung und kann funktional gesehen als eine alternative Dogmatik an ihre Stelle treten. Demnach liegt weder eine verfassungsrechtlichen Vorrang beanspruchende Kategorie von ius cogens und erga omnes-Verpflichtungen übergreifenden Fundamentalnormen noch ein verfassungsrechtlicher Vorrang des ius cogens nahe.
II. Besondere Rechtsfolgen bei Verletzung des ius cogens als Grundlage seines Verfassungscharakters Zu untersuchen bleibt aber, ob über einen Vorrang im Kollisionsfalle hinausgehende Rechtsfolgen des ius cogens seine Einordnung als verfassungsrechtliche Normkategorie rechtfertigen. Dass solche Rechtsfolgen nicht von der ILC selbst erörtert wurden, liegt an ihrem auf das Vertragsrecht beschränkten Mandat.215 Bei der Auseinandersetzung mit diesen besonderen Rechtsfolgen ist aber darauf zu achten, Ursache und Wirkung nicht zu vertauschen. Teilweise wird argumentiert, dass, sofern ein Rechtssatz zwingend sei, es eine künstliche Unterscheidung wäre, den verschiedenen Regeln und Prinzipien, die ihn verwirklichen 212
So auch U.Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, 1991, S. 227; W. Heintschel von Heinegg, in: K. Ipsen, Völkerrecht, 52004, Kap. 3, § 15 Rn. 45. Gegen ein hierarchisches Verständnis auch L. Alexidze, RdC 172 (1981-III), S. 219 (260 f.). 213
Den Vorrang des ius cogens stützt schon auf den Norminhalt: R. Macdonald, FS Schwarzenberger, 1988, S. 196 (204). S. auch H. Mosler, Stichwort „General Principles of Law“, EPIL II, 1995, S. 511 (518). 214 215
S. Kadelbach/T. Kleinlein, AVR 44 (2006), S. 235 (254). E. de Wet, EJIL 15 (2004), S. 97 (99) m. w. N.
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5. Kapitel
und ausgestalten, unterschiedliche Rechtswirkung zuzumessen.216 Mit diesem Argument werden aus dem absoluten Verpflichtungscharakter des ius cogens Rechtsfolgen deduziert, die nicht auf explizite Normen oder auf Staatenpraxis gestützt werden können.217 Darin bestätigt sich ein Stück weit eine Befürchtung Prosper Weils: “the assignment of a norm to the upper category, like the actions of the sorcerer’s apprentice, seems to provoke a chain reaction that may get out of control”.218 Im Folgenden soll gerade umgekehrt untersucht werden, ob sich aus inzwischen anerkannten Rechtsfolgen des ius cogens jenseits des Vertragsrechts ergibt, dass das zwingende Völkerrecht nunmehr als mit einem verfassungsartigen Vorrang ausgestattet eingeordnet werden kann. Diese Tendenzen wären dann Ausdruck davon, dass sich das ius cogens von einer bloßen Figur des Vertragsrechts zu einer besonderen Normenkategorie des allgemeinen Völkerrechts mit praktischen Auswirkungen entwickelt hat.219 Man könnte dann von einer Konstitutionalisierung des ius cogens sprechen. Sonderregeln für seine Verletzung zeigen sich im Recht der Staatenverantwortlichkeit und möglicherweise auch bei der Zulässigkeit diplomatischen Schutzes (1.). Mit der besonderen Qualität des Vorrangs von ius cogens könnten Sonderregeln der Jurisdiktionsbegründung (2.) sowie Restriktionen gegenüber Vorbehalten im Recht der Verträge (3.) und der Ausschluss der Immunität für Verletzungen des ius cogens erklärt werden (4.). Soweit die Verletzung von zwingendem Völkerrecht die Grundlage für die Zulässigkeit der humanitären Intervention bereiten soll, käme es dafür dagegen auf die Abwägung zweier zwingender Normen, des Gewaltverbots und etwa des Völkermordverbots, an (5.).220
216
A. Orakhelashvili, GYIL 45 (2002), S. 227 (257 f.); ders., Peremptory Norms, 2006, S. 81; vgl. für das Selbstbestimmungsrecht der Völker A. Cassese, Self-Determination of Peoples, 1995, S. 140. 217 218
Vgl. M. C. Bassiouni, LCP 59 (1996), S. 63 (65 f.). P. Weil, AJIL 77 (1983), S. 413 (430).
219
I. Seiderman, Hierarchy in International Law, 2001, S. 284; für die Menschenrechte: T. Meron, AJIL 80 (1986), S. 1 (14, 19). 220
Keine besondere Rechtsfolge, sondern ein Ergebnis der Vertragsauslegung mit dem Ziel, einen Konflikt mit zwingendem Recht zu vermeiden, ist die praktisch bedeutsame Einschränkung der Auslieferungspflicht, wie sie das Schweizerische Bundesgericht für einen Auslieferungsvertrag der Schweiz mit Argentinien angenommen hat: Schweizerisches Bundesgericht Lynas, BGE 101 Ia, S. 533 (540 f.); Bufano u. a., BGE 108 Ib, S. 408 (412); Sener, BGE 109 Ib, S. 64
Hierarchisierung im Völkerrecht
371
1. Sonderregeln im Recht der Staatenverantwortlichkeit a) Articles on State Responsibility der ILC Die Articles on State Responsibility der ILC sehen besondere Regeln der Staatenverantwortlichkeit für schwerwiegende Verletzungen (serious breaches) zwingender Normen des allgemeinen Völkerrechts vor. Eine Verletzung einer Norm des zwingenden Völkerrechts ist dann schwerwiegend, wenn sie eine grobe und systematische Nichterfüllung der Verpflichtung durch den verantwortlichen Staat bedeutet (Art. 40 Abs. 2 ASR). Art. 41 ASR verpflichtet die Staaten zur Zusammenarbeit, um solche Völkerrechtsverletzungen mit rechtmäßigen Mitteln zu beenden (Abs. 1), und verbietet ihnen in Einschränkung des Effektivitätsprinzips, Situationen als rechtmäßig anzuerkennen, die durch sie geschaffen worden sind, oder zu ihrer Aufrechterhaltung beizutragen (Abs. 2).221 Die Pflicht aller Staaten zur Nichtanerkennung ist vom IGH und in der Literatur an den erga omnes-Charakter der verletzten Pflicht geknüpft worden.222 Für ein Anerkennungsverbot gerade bei der Verletzung von ius cogens spricht aber, dass auch Drittstaaten nicht zur Konsolidierung von Maßnahmen beitragen dürfen, die dem ius cogens widersprechen. Das dürfte aber über den von Art. 41 Abs. 2 ASR angesprochenen Fall
(72); vgl. dazu IDI, New Problems of Extradition, AIDI 60-II (1983), S. 304 (306); T. Meron, The Humanization of International Law, 2006, S. 197. 221 S. zu Nichtanerkennung und ius cogens sowie der Einschränkung des Effektivitätsprinzips schon J. Dugard, Recognition and the United Nations, 1987, S. 137 ff.; J. Crawford, BYBIL 48 (1976-1977), S. 93 (148); für ein Anerkennungsverbot hinsichtlich der Präsenz Südafrikas im Mandatsgebiet IGH Namibia, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1971, S. 16 (54 ff.), para. 119, 122 ff.; vgl. J. 2 Crawford, Creation of States, 2006, S. 162 ff.; s. auch schon zahlreiche Resolutionen des Sicherheitsrates, Nachweise bei A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 351, in Fn. 93; Conference on Yugoslavia Arbitration Comission: Opinions on Questions Arising From the Dissolution of Yugoslavia, Opinion No. 10, ILM 31 (1992), S. 1525 (1526), para. 4 – “Recognition […] is […] a discretionary act […] subject only to compliance with the imperatives of general international law”. 222
IGH Palestine Wall, Advisory Opinion, ICJ Rep. 2004, S. 136 (199 f.), para. 155 ff. – Anerkennungsverbot aus erga omnes-Charakter abgeleitet; ablehnend Sep. Op. Higgins, S. 204 (216 f.), para. 38; s. auch schon IGH Namibia, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1971, S. 16 (56), para. 126; dazu auch A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 351 f.; D. Khan, FW 79 (2004) 3-4, S. 345 (368); A. Bianchi, EJIL 19 (2008), S. 491 (502).
372
5. Kapitel
von serious breaches hinaus gelten.223 Nach der Vorstellung der ILC begründet der grundlegende Charakter zwingender völkerrechtlicher Pflichten zusätzliche Rechtsfolgen für den Verletzerstaat wie für alle anderen Staaten, der erga omnes-Charakter führt demgegenüber dazu, dass alle Staaten berechtigt sind, die Verantwortlichkeit für die Verletzung von Verpflichtungen gegenüber der internationalen Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit geltend zu machen (vgl. Art. 48 ASR).224 Das Konzept des Art. 40 ASR, eine schwerwiegende Verletzung zwingenden Völkerrechts für die Anwendung der besonderen Rechtsfolgen des Art. 41 ASR zugrunde zu legen, ersetzt die Figur der vom ius cogens begrifflich zu unterscheidenden international crimes of states.225 Der Inhalt der besonderen Rechtsfolgen wie auch die Entstehungsgeschichte spricht also gegen einen Zusammenhang mit der besonderen Nichtigkeitsfolge des ius cogens. Weiterhin schließt Art. 26 ASR aus, dass die Anwendung der Rechtfertigungsgründe der Einwilligung (Art. 20 ASR), der Selbstverteidigung (Art. 21 ASR), der Anwendung von Gegenmaßnahmen (Art. 22 ASR), der höheren Gewalt (Art. 23 ASR), der Notlage (Art. 24 ASR) und des Notstandes (Art. 25 ASR) zum Ausschluss der Rechtswidrigkeit eines Aktes führt, der im Widerspruch zu einer Verpflichtung aus einer zwingenden Norm des allgemeinen Völkerrechts steht.226 Art. 26 ASR ist nach der Vorstellung der ILC Ausdruck des mit dem zwingenden Charakter einer Norm verbundenen Derogationsverbotes.227 Nach Art. 50 223 S. Kadelbach, in: C. Tomuschat/J. Thouvenin (Hg.), Fundamental Rules, 2006, S. 21 (38). Zum problematischen Verhältnis des Art. 41 Abs. 2 ASR zu Art. 16 ASR über die Beihilfe oder Unterstützung bei der Begehung einer völkerrechtswidrigen Handlung s. A. Gattini, EJIL 16 (2002), S. 1181 (1191 f.); A. Felder, Die Beihilfe im Recht der völkerrechtlichen Staatenverantwortlichkeit, 2007, S. 139 ff.; G. Nolte/H. P. Aust, ICLQ 58 (2009), S. 1 (16 ff.). 224
ILC, Kommentar zu Part Two, Chapter III ASR, para. 7, abgedruckt in: J. Crawford, ASR, 2002, S. 244 f. 225
Vgl. E. Wyler, EJIL 13 (2002), S. 1147; N. Jørgensen, The Responsiblity of States for International Crimes, 2003, S. xi ff. Part Two, Chapter III der Draft articles provisionally adopted by the Drafting Committee on second reading, UN-Dok. A/CN.4/L.600 v. 21.8.2000 bezog sich noch auf „serious breaches of essential obligations to the international community“. 226
Vgl. auch ILC, Kommentar zu Art. 45 ASR, para. 4, abgedruckt in: J. Crawford, ASR, 2002, S. 266 f. 227 ILC, Kommentar zur Art. 26 ASR, para. 4, abgedruckt in: J. Crawford, ASR, 2002, S. 188.
Hierarchisierung im Völkerrecht
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Abs. 1 ASR dürfen Gegenmaßnahmen zudem Verpflichtungen nicht berühren, die sich aus zwingenden Normen des allgemeinen Völkerrechts ergeben. Das tu quoque-Argument ist danach zur Rechtfertigung einer Verletzung von ius cogens ausgeschlossen.228 Insgesamt zeigt sich damit, dass die im Recht der Staatenverantwortlichkeit an den zwingenden Charakter einer Norm geknüpften Rechtsfolgen nicht speziell auf der Nichtigkeit von dem ius cogens widersprechendem Völkerrecht beruhen.229 Sie sind damit nicht Ausdruck einer Konstitutionalisierung des ius cogens im einleitend dargelegten Sinne.
b) Draft Articles der ILC zum diplomatischen Schutz Im ersten Bericht des ILC-Sonderberichterstatters Dugard zum diplomatischen Schutz war nicht nur eine grundsätzliche Rechtspflicht zur Ausübung diplomatischen Schutzes im Falle schwerwiegender Verletzungen von ius cogens vorgesehen (Draft Art. 4 Abs. 1), sondern auch ein entsprechendes innerstaatlich justiziables Recht des Einzelnen.230 Diese Vorschläge Dugards für eine progressive Weiterentwicklung des Völkerrechts stießen jedoch sowohl in der ILC als auch im Rechtsausschuss der Generalversammlung der Vereinten Nationen auf Ablehnung.231 Dugard hatte in dem Bericht auch eine Befassung mit der Frage angekündigt, ob im Falle der Verletzung von ius cogens ein Staat diplomatischen Schutz zugunsten eines Nichtstaatsangehörigen ausüben kann, wenn der Heimatstaat die Ausübung des Schutzes verweigert
228
Vgl. S. Kadelbach, in: C. Tomuschat/J. Thouvenin (Hg.), Fundamental Rules, 2006, S. 21 (34). 229
Vgl. S. Kadelbach, in: C. Tomuschat/J. Thouvenin (Hg.), Fundamental Rules, 2006, S. 21 (34). 230
First Report on diplomatic protection by Mr. John R. Dugard, Special Rapporteur, UN-Dok. A/CN.4/506, para. 74 ff. 231
UN-Dok. A/55/10, 155 ff.; B. Simma, Nordic JIL 70 (2001), S. 183 (209 f.). Konzeptionell kann gegen den Vorschlag eingewandt werden, dass nicht ersichtlich ist, warum bei der Verletzung von Normen des ius cogens nur der Heimatstaat, nicht aber jeder Staat zum Eingreifen aufgefordert sein sollte. Außerdem ist die in Draft Art. 4 Abs. 2 lit. a vorgesehene Einschränkung für den Fall vorrangiger Belange des Staates oder der Bevölkerung bei der Verletzung von ius cogens nicht nachvollziehbar. S. zur Kritik auch C. Storost, AVR 42 (2004), S. 411 (415); ders., Diplomatischer Schutz durch EG und EU?, 2005, S. 166 f.; E. Klein, FS Tomuschat, 2006, S. 361 (369).
374
5. Kapitel
hat.232 Dieses Recht war schon zuvor als im Völkergewohnheitsrecht anerkannt bezeichnet worden.233 Noch weitergehend heißt es im Restatement Third des American Law Institute, jeder Staat könne diplomatischen Schutz ausüben, wenn völkergewohnheitsrechtliche Menschenrechtsnormen verletzt seien.234 Eine hinreichende Staatenpraxis ist jedoch nicht erkennbar.235 Auch diese Vorschläge setzen keinen verfassungsartigen Vorrang des ius cogens voraus.
2. Sonderregeln der Jurisdiktionsbegründung Die Annahme einer universellen Jurisdiktion innerstaatlicher Gerichte für schwere Verbrechen wie Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit hat in letzter Zeit eine gewisse Verfestigung erfahren.236 Sie ist aber nicht auf das ius cogens beschränkt und eigentlich 232 UN-Dok. A/CN.4/506, para. 185. Zur Befassung mit der Frage kam es bislang nicht. 233
In diesem Sinne schon H. Thierry, RdC 222 (1990-III), S. 9 (105), der als Beispiele aber nur solche Gegenmaßnahmen nennt, die von vornherein völkerrechtlich zulässig sind (Retorsionen); J. Bröhmer, State Immunity and the Violation of Human Rights, 1997, S. 154 f., der zumindest eine entsprechende Tendenz erkennen will; vgl. auch J. Flauss, SZIER 13 (2003), S. 1 (22 f.) und J. Kokott, in: G. Ress/T. Stein (Hg.), Der diplomatische Schutz im Völker- und Europarecht, 1996, S. 45 (48 ff.), die mehrere dogmatische Ansätze vereint. 234
The American Law Institute, The Foreign Relations Law of the United States, Restatement of the Law, Third, Bd. 2 (1987), § 703 para. 2: “Any state may pursue international remedies against any other state for a violation of the customary international law of human rights.” 235
J. Kokott, in: G. Ress/T. Stein (Hg.), Der diplomatische Schutz im Völkerund Europarecht, 1996, S. 45 (60); zusammenfassend zu den Vorschlägen Dugards T. Kleinlein/D. Rabenschlag, ZaöRV 67 (2007), S. 1277 (1289). 236
ICTY, Trials Chamber Prosecutor v. Furundžija, No. IT-95-17/1-T, Urt. v. 10.12.1998, ILM 38 (1999), S. 317 (349 f.), para. 155; vgl. IGH Arrest Warrant, Diss. Op. van den Wyngaert, ICJ Rep. 2002, S. 3 (166 f.), para. 45 ff.; England, House of Lords Regina v. Bow Street Metropolitan Stipendiary Magistrate, ex parte Pinochet (“Pinochet 3”), Urt. v. 24.3.1999, per Lord Browne-Wilkinson, ILR 119, S. 136 (149); per Lord Millet, ibid., S. 229; Belgium, Court of First Instance of Brussels Re Pinochet, Entsch. v. 6.11.1998, ILR 119, S. 346 (356 f.) – für Völkerrechtsverbrechen; United States Court of Appeals for the District of Columbia Hugo Princz v. Federal Republic of Germany, Urt. v. 1.7.1994, Diss. Op. Judge Wald, ILM 33 (1994), S. 1483 (1500) – jedenfalls für ius cogens; Re-
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Angelegenheit des Völkerstrafrechts.237 Allein der Umstand, dass sich eine Streitigkeit auf die Frage der Einhaltung einer Norm zwingenden Charakters oder einer Verpflichtung erga omnes bezieht, begründet auch nicht die Jurisdiktion des IGH. Die Jurisdiktion des Gerichtshofs beruht vielmehr stets auf der Zustimmung der Parteien.238 Das wäre nur dann anders, wenn eine Norm zwingenden Charakters verlangen würde, dass ein Staat sich der Jurisdiktion des IGH für bestimmte Streitigkeiten unterwirft.239 Weder die universelle Jurisdiktion innerstaatlicher Gerichte noch die Jurisdiktion des IGH sind also im vorliegenden Kontext relevant.
3. Restriktionen gegenüber Vorbehalten als Ausdruck eines Vorranges Eine mögliche Folge des Vorrangs des ius cogens ist die Unzulässigkeit von Vorbehalten zu bestimmten Vertragsbestimmungen. Ein derartiger Ausschluss des opt-out könnte Konsequenz des verfassungsartigen Vorrangs bestimmter Normen sein.240 Zunächst ist es ein Anzeichen für die Anerkennung einer Vorrangordnung, dass Vorbehalte vor allem im Bereich des völkerrechtlichen Menschenrechtsschutzes, aber auch des Umweltrechts zunehmend auf Widerspruch der anderen Vertragsparteien stoßen. Zahlreiche Verträge schließen auch explizit aus, dass die Vertragsparteien Vorbehalte anbringen (vgl. Art. 19 lit. a WVK), weil ihre
statement (Third) of the Foreign Relations Law of the United States, § 404, commentary and Reporter’s Note 1; vgl. auch M. Bassiouni, Va JIL 42 (20012002), S. 82; A. Colangelo, Va JIL 47 (2006-2007), S. 149. 237
S. Kadelbach, in: C. Tomuschat/J. Thouvenin (Hg.), Fundamental Rules, 2006, S. 21 (26). 238
IGH East Timor, ICJ Rep. 1995, S. 90 (102), para. 29; Armed Activities on the Territory of the Congo (New Application: 2002), DRC v. Rwanda, Jurisdiction and Admissibility, Judgment, ICJ Rep. 2006, S. 6 (31 f.), para. 64. Art. 66 WVK war nach Art. 4 WVK in casu nicht anwendbar, ibid., para. 125. S. aber auch Joint Separate Opinion Higgins, Kooijmans, Elaraby, Owada und Simma, para. 67 – nicht offensichtlich, dass ein Vorbehalt gegen Art. IX der Völkermordkonvention über die Zuständigkeit des IGH nicht als mit Ziel und Zweck der Konvention unvereinbar anzusehen sein könnte. 239
Vgl. IGH Armed Activities on the Territory of the Congo (New Application: 2002), DRC v. Ruanda, ICJ Rep. 2006, S. 6 (33), para. 69; S. Kadelbach, in: C. Tomuschat/J. Thouvenin (Hg.), Fundamental Rules, 2006, S. 21 (33). 240
Vgl. L. Helfer, Loyola L.A. LR 37 (2003), S. 193 (227).
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5. Kapitel
Regelungen dem allgemeinen Interesse dienen.241 Darüber hinaus könnten Vorbehalte zu Vertragsbestimmungen verfassungsrechtlichen Charakters mit dem Ziel und Zweck des Vertrages unvereinbar sein (vgl. Art. 19 lit. c WVK). Zu untersuchen ist, welcher Zusammenhang zwischen der Unvereinbarkeit mit dem Ziel und Zweck des Vertrages und dem zwingenden Charakter der Norm besteht, zu der der Vorbehalt eingelegt werden soll. In der Diskussion um das Vorbehaltsregime der Vertragrechtskonvention, die auch von der ILC wieder aufgenommen wurde,242 sind zwei Aspekte zentral. Neben der Zuständigkeit der Kontrollorgane von Menschenrechtsverträgen für die Beurteilung der Zulässigkeit von Vorbehalten wird die Frage erörtert, ob die WVK-Regeln überhaupt einheitlich sowohl für bilateralisierbare als auch für kollektive Verträge,
241 J. Kokott, FS Schweizerischer Juristenverein, 2000, S. 3 (17 f.); M. Scheyli, AVR 40 (2002), S. 273 (281). Art. 9 Zusatzübereinkommen über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavereiähnlicher Einrichtungen und Praktiken v. 7.9.1956, BGBl. 1958-II, S. 203; Art. 21 Europäisches Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe v. 26.11.1987, BGBl. 1989-II, S. 946, 1996-II, S. 1115; Art. 24 Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen v. 9.5.1992 über Klimaänderungen, BGBl. 1993-I, S. 1783; Art. 18 Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht v. 22.3.1985, BGBl. 1988-II, S. 902; Art. 26 Basler Übereinkommen v. 22.3.1989 über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung, BGBl. 1995-II, S. 696; Art. 37 Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung in den von Dürre und/oder Wüstenbildung schwer betroffenen Ländern, insbesondere in Afrika, v. 14.10.1994, BGBl. 1997-II, S. 1471; Art. 37 Übereinkommen über die biologische Vielfalt v. 5.6.1992, BGBl. 1993-II, S. 1741, und Art. 39 Protokoll von Cartagena v. 29.1.2000 über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt, BGBl. 2003-II, S. 1506; Art. 120 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs v. 17.7.1998, BGBl. 2000-II, S. 1394; Art. 19 Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung (Ottawa-Übereinkommen) v. 18.9.1997, BGBl. 1998-II, S. 778. Zu den hohen Anforderungen an Vorbehalte zu Menschenrechtsverträgen s. E. Vierdag, NYIL 25 (1994), S. 119 (130 ff.) m. N. aus der Staatenpraxis. 242
In ihrer 46. Sitzung 1994 ernannte die ILC Alain Pellet zum Sonderberichterstatter für das Thema „The law and practice relating to reservations to treaties“, GAOR, 49th Sess., Supp. No. 10, S. 348. S. zum Stand der Arbeiten: http://www.un.org/law/ilc/.
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insbesondere Menschenrechtsverträge, anwendbar sein sollen.243 Die Diskussion um die universelle Anwendbarkeit des WVK-Regimes bezieht sich auf die besondere Erfüllungsstruktur menschenrechtlicher Verträge, die allein noch keinen Vorrang begründet.244 Nachzugehen ist aber auch den Kriterien für den Sinn und Zweck des Vertrages i. S. von Art. 19 lit. c WVK (a)). Einen Hinweis auf die Qualität des Vorrangs einer Norm, mit der ein Vorbehalt nicht vereinbar ist, kann auch die Rechtsfolge der Unzulässigkeit geben. Ein Verfassungsansatz wird als Rechtsfolge eines Einspruchs gegen einen nach Art. 19 WVK unzulässigen Vorbehalt für die betroffene Bestimmung annehmen, dass sie als zwischen den Parteien geltend anzusehen ist (b)).245
a) Kriterien für den Sinn und Zweck des Vertrages (Art. 19 lit. c WVK) Die Formel in Art. 19 lit. c WVK, nach der ein Staat einen Vorbehalt zu einem Vertrag anbringen kann, sofern er nicht mit dem Ziel und Zweck des Vertrages unvereinbar ist, zielt nach ganz überwiegender Meinung auf den „Geist“ des Vertrages, auf seine Effektivität oder Daseinsbe-
243
Zusammenfassend K. Korkelia, EJIL 13 (2002), S. 437.
244
Vgl. G. Fitzmaurice, BYBIL 33 (1957), S. 203 (278); B. Simma, Reziprozitätselement Verträge, 1972, S. 63; ders., FS Seidl-Hohenveldern, 1998, S. 659 (663); ders., RdC 250 (1994-VI), S. 217 (342 ff.); ders., AEL 4 (1995) 2, S. 153 (181 f.); M. Craven, EJIL 11 (2000), S. 489 (509). Gegen eine Unterscheidung zwischen Austauschverträgen und normativen Verträgen: C. Redgwell, in: J. P. Gardner (Hg.), Human Rights as General Norms and a State’s Right to Opt 2 out, 1997, S. 3 (18); vgl. auch A. Aust, Modern Treaty Law and Practice, 2007, S. 149 f.; zur Infragestellung der Anwendbarkeit der WVK-Bestimmungen auf Menschenrechtsverträge vgl. A. Pellet, in: O. Corten/P. Klein (Hg.), Droit des Traités, Bd. 1, 2006, Art. 19 Rn. 80 ff.; HRC, General Comment 24, UN-Dok. CCPR/C/21/Rev.1/Add.6 v. 4.11.1994, para. 17 – Anwendung der Art. 20 Abs. 4 und des gesamten Art. 21 WVK nicht sachgerecht; anders die Preliminary Conclusions of the International Law Commission on Reservations to Normative Multilateral Treaties Including Human Rights Treaties, Report of the International Law Commission on the work of its forty-ninth session, UN-Dok. A/52/10 (s. dazu A/RES/52/156), YBILC 1997-II/2, S. 56 f., welche die Art. 1923 WVK auf alle Verträge gleichermaßen anwenden möchten (para. 1), allerdings vorbehaltlich der Praxis und der Regeln, die Monitoring Bodies auf regionaler Ebene entwickelt haben (para. 12). 245
Vgl. A. Peters, EJIL 14 (2003), S. 1 (21); dies., LJIL 19 (2006), S. 579 (606).
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rechtigung oder den Vertragskern, den es zu erhalten gilt.246 Es stellt sich aber die Frage nach dem Verhältnis zu Art. 19 lit. a WVK, demzufolge ein Vorbehalt nicht angebracht werden kann, wenn der Vertrag den Vorbehalt verbietet. Nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte werden davon explizite wie implizite Verbote erfasst.247 Die Bestimmung implizit verbotener Vorbehalte gemäß Art. 19 lit. a WVK und mit dem Ziel und Zweck unvereinbarer Vorbehalte nach Art. 19 lit. c WVK erfolgt aber nach derselben Methode.248 Will man Art. 19 lit. a WVK nicht entgegen dem Wortlaut auf explizite Vorbehaltsverbote beschränken,249 so muss man Art. 19 lit. c WVK als regelungstechnisch nicht notwendige Regelung für Unzulässigkeitsgründe ansehen, die sich aus dem substantiellen Gehalt eines Vorbehaltes ableiten.
aa) Allgemeine Bemerkung des Menschenrechtskomitees Nach einer allgemeinen Bemerkung des Menschenrechtskomitees nach Art. 40 Abs. 4 IPbpR250 stellen jeder einzelne Artikel des Zivilpaktes und insbesondere ihr Zusammenspiel die Ziele des Paktes sicher. Mit dem Ziel und Zweck des Paktes nicht vereinbar seien Vorbehalte, die das zwingende Völkerrecht verletzten. Zwar erlaubten Verträge, die auf einem bloßen Austausch zwischen Staaten beruhen, den Vorbehalt der gegenseitigen Anwendung von Regeln des allgemeinen Völkerrechts. Bei Menschenrechtsverträgen jedoch, die Gewährleistungen zugunsten von Personen innerhalb der Hoheitsgewalt eines Staates enthalten, verhalte es sich anders. Demzufolge könnten Bestimmungen des Paktes, die Gewohnheitsrecht wiedergeben und erst recht solche, die zwingen-
246
A. Pellet, in: O. Corten/P. Klein (Hg.), Droit des Traités, Bd. 1, 2006, Art. 19 Rn. 195. 247
ILC, Reports of the Commission to the General Assembly, YBILC 1966II, S. 205, para. 10 sowie ILC, Tenth report on reservations to treaties, Special Rapporteur, UN-Dok. A/CN.4/558, Rn. 25 m. w. N. 248
C. Tomuschat, ZaöRV 27 (1967), S. 463 (471).
249
ILC, Tenth Report on reservations to treaties, Special Rapporteur Alain Pellet, UN-Dok. A/CN.4/558, Rn. 26. 250
HRC, General Comment 24, UN-Dok. CCPR/C/21/Rev.1/Add.6 v. 4.11.1994: Issues relating to reservations made upon ratification or accession to the Covenant or the Optional Protocols thereto, or in relation to declarations under article 41 of the Covenant, para. 7 f. S. dazu C. Redgwell, ICLQ 46 (1997), S. 390.
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den Charakter haben, nicht Gegenstand von Vorbehalten sein.251 Für dieses Argument kommt es nicht auf den Vorrang des ius cogens an, sondern darauf, dass Menschenrechtsabkommen in der Regel über Rechte der Vertragsstaaten hinaus Rechte der Menschen begründen. Über diese Rechte des Einzelnen sollen die Vertragsstaaten ähnlich wie bei den Gründungsverträgen internationaler Organisationen nicht dadurch frei verfügen können, dass sie Vorbehalte anbringen. Deshalb scheint eine Parallelwertung zu Art. 20 Abs. 3 WVK angezeigt, der das Anbringen von Vorbehalten bei Gründungsurkunden internationaler Organisationen erschwert.252 Zur allgemeinen Bemerkung des Menschenrechtskomitees gaben das Vereinigte Königreich, die Vereinigten Staaten und Frankreich Stellungnahmen nach Art. 40 Abs. 5 IPbpR ab.253 Das Vereinigte Königreich weist in diesem Zusammenhang auf den Unterschied zwischen der Entscheidung, keine vertragliche Verpflichtung einzugehen, und dem Versuch hin, die Geltung parallelen Völkergewohnheitsrechts zu verneinen.254 Für das ius cogens gehen die USA davon aus, dass ein Staat sich zwar nicht selbst von einer zwingenden Norm ausnehmen könne, daraus aber nicht folge, dass der Vorbehalt mit Ziel und Zweck des Vertrages unvereinbar sei.255 Man kann in diesen Stellungnahmen eine „somewhat artificial distinction between substance and compliance“ sehen.256 Wäre bei paralleler Geltung von Völkergewohnheitsrecht ein Vorbehalt zulässig, so könnte die Kodifikation aber jedenfalls keine Klarstellungsfunktion entfalten. Vor allem griffen aber die Kontrollmechanismen und Petitionsmöglichkeiten eines Vertragsregimes nicht, die sich nur auf die im Vertrag gewährleisteten Menschenrechte, nicht auf 251
Vgl. schon IGH North Sea Continental Shelf, ICJ Rep. 1969, S. 3 (38 f.), para. 63. 252
T. Giegerich, ZaöRV 55 (1995), S. 713 (728).
253
Die Dokumente sind abgedruckt in J. P. Gardner (Hg.), Human Rights as General Norms and a State’s Right to Opt out, 1997, S. 193 ff. (appendices IIIV). 254
Observation by the United Kingdom on General Comment Number 24 (s. Fn. 253), para 7. 255
Observation by the United States of America on General Comment Number 24 (s. Fn. 253), para. 2. 256
R. Higgins, in: J. P. Gardner (Hg.), Human Rights as General Norms and a State’s Right to Opt out, 1997, S. xv (xxviii); vgl. auch ILC, Tenth report on reservations to treaties, Special Rapporteur Alain Pellet, Add. 1, UN-Dok. A/CN.4/558/Add.1, para. 136.
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das Völkergewohnheitsrecht, beziehen.257 Gerade darin ist der Sinn und Zweck des Vertrages bei nicht-reziproken Vertragsbestimmungen zu sehen, die Gewohnheitsrecht oder sogar ius cogens wiedergeben.258 Menschenrechtsabkommen sollen einen für alle Staaten verbindlichen objektiven Mindeststandard festlegen, so dass Vorbehalte als Anomalie erscheinen. Aus ihrem deklaratorischen Charakter folgt, dass der Sinn des Abkommens gerade darin besteht, ungeschriebene Normen außer Zweifel zu stellen und durch Einbindung in den Kontrollmechanismus des Abkommens durchzusetzen. Nach dem Ziel und Zweck des Vertrages besteht daher kein legitimes Interesse an einem dauerhaften Vorbehalt.259
bb) Völkermordgutachten des IGH Als ergänzendes Auslegungsmittel kann weiter die vorangegangene Rechtsprechung des IGH im Völkermordgutachten herangezogen werden, Art. 32 WVK, Art. 38 Abs. 1 lit. d IGH-Statut. Der IGH hebt drei besondere Merkmale der Völkermordkonvention hervor: Die ihr zugrunde liegenden Prinzipien seien für die Staaten auch ohne die vertragliche Verpflichtung bindend,260 sie beanspruche universelle Geltung und 257
W. Schabas, Can. YBIL 32 (1994), S. 39 (56).
258
Vgl. L. Sucharipa-Behrmann, ARIEL 1 (1996), S. 67 (76) – Vertragsbestimmungen, die ius cogens enthalten, seien von Vorbehalten ausgeschlossen. 259 T. Giegerich, ZaöRV 55 (1995), S. 713 (742 ff.). S. auch schon IGH North Sea Continental Shelf, Sep. Op. Padilla Nervo, ICJ Rep. 1969, S. 4 (97): “No right is conferred to make unilateral reservations to articles which are declaratory of established principles of international law. Customary rules belonging to the category of jus cogens cannot be subjected to unilateral reservations.”; Diss. Op. Tanaka, ibid., S. 182: “in this case the reservation would in itself be null and void as contrary to an essential principle of the continental shelf institutions which must be recognized as jus cogens.”; Diss. Op. Judge ad hoc Sørensen, ibid., S. 248: “The acceptance of a reservation […] does not have the effect of depriving the Convention as a whole or the relevant article in particular of its declaratory character. […] Provided the customary rule does not belong to the category of jus cogens, a special contractual relationship of this nature is not invalid as such.”; vgl. dazu F. A. Mann, FS Scheuner, 1973, S. 399 (403). Vgl. auch ILC, Tenth Report on reservations to treaties, Special Rapporteur Alain Pellet, UN-Dok. A/CN.4/558, para. 99 – draft guideline 3.1.13. 260 S. zum deklaratorischen Charakter der EMRK auch EGMR Belilos v. Switzerland, Ser. A No. 132, Sep. Op. Meyer, S. 36: “The object and purpose of the European Convention on Human Rights is not to create, but to recognize,
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verfolge eine humanitäre Zielsetzung. Wegen dieser Zielsetzung finde kein individueller Austausch von Rechten und Pflichten zwischen Staaten auf der Grundlage eines vertraglichen Gleichgewichts statt, sondern seien die hohen Ideale, deren Ausdruck die Konvention sei, auf der Grundlage des gemeinsamen Willens der Parteien Grundlage und Maßstab für ihre Bestimmungen.261 Bei einem solchen Vertrag sei es nicht hinnehmbar, dass ein einzelner Staat die souveräne Vetomacht haben solle, einen Reservatarstaat von der im universellen Interesse liegenden Teilnahme am Vertrag auszuschließen. Allerdings ist der Gebrauch der Formel vom Ziel und Zweck des Vertrages im Urteilstext nicht einheitlich.262 Deutlich wird aber, dass die angeführten speziellen Merkmale der Völkermordkonvention aus Sicht des Mehrheitsvotums es eher erleichtern sollen, Vorbehalte anzubringen.263 Indes folgt die vom IGH entwickelte Lösung für die Zulässigkeit von Vorbehalten nicht ohne Weiteres aus diesen Merkmalen. Wenn der Vertrag keine individuellen Vor- und Nachteile bedeutet und man nicht von einem perfekten vertraglichen Gleichgewicht sprechen kann, dann ist es eher überraschend, dass ein Staat im Verhältnis zu manchen, aber nicht zu allen anderen Vertragsparteien als Partei anzusehen sein soll. Wenn das Interesse am Vertrag von gemeinsamer oder kollektiver Natur ist, dann sollte die Frage, inwieweit ein Staat als Vertragspartei anzusehen ist, kollektiv und nicht zwischen den Staaten ut singuli zu beantworten sein.264
rights which must be respected and protected even in the absence of any instrument of positive law. It is difficult to see how reservations can be accepted in respect of provisions recognizing rights of this kind. It may even be thought that such reservations, and the provisions permitting them, are incompatible with the ius cogens and therefore null and void, unless they relate only to arrangements for implementation, without impairing the actual substance of the rights in question”. 261
IGH Reservations, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1951, S. 15 (23, 24 ff.).
262
Nachweis zu den Varianten bei I. Buffard/K. Zemanek, ARIEL 3 (1998), S. 311 (314) mit Fn. 13-16. S. die Seiten 24, 21, 23, 27 des Urteils. 263 264
Vgl. D. W. Greig, Austral. YBIL 16 (1995), S. 21 (49).
M. Craven, EJIL 11 (2000), S. 489 (505 f.). Ohnehin nicht als „private Angelegenheit“ zwischen Staatenpaaren betrachtet das Anbringen von Vorbehalten die Joint Dissenting Opinion, die die Einstimmigkeitstheorie zugrundelegt: IGH Reservations, Advisory Opinion, Joint Diss. Op. Guerrero, McNair, Read und Hsu Mo ICJ Rep. 1951, S. 15 (41, 45 ff.).
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Eine gegensätzliche Argumentation, die auch nach Ende des Kalten Krieges für anschlussfähig gehalten wurde,265 findet sich im Sondervotum des Richters Alvarez zum Völkermordgutachten. Es habe eine quasi-revolutionäre Veränderung der internationalen Beziehungen stattgefunden, in deren Kontext multilaterale Menschenrechtsverträge als Bestandteile der Verfassung der internationalen Gemeinschaft erscheinen. Nur als unteilbares Ganzes dienten sie dem Allgemeininteresse. Deshalb könnten Beschlüsse der Generalversammlung, mit denen sie Legislativfunktionen wahrnehme, im Falle ihrer Ratifikation durch die große Mehrheit der Staaten, allen Staaten Verpflichtungen auferlegen. Daraus folgert Alvarez, dass Menschenrechtsverträge nicht unter Vorbehalt gestellt werden dürften, weil dies ihrer Gemeinwohlzielsetzung widerspräche. Jedenfalls aber müssten die Rechtswirkungen der Vorbehalte so gering wie möglich gehalten werden.266 Zu den multilateralen Verträgen, denen Alvarez in diesem Sinne gleichsam Verfassungscharakter für eine neue Völkerrechtsordnung zuerkennt, zählen Gründungsverträge universeller oder regionaler internationaler Organisationen, Verträge zur Regelung des territorialen Status einzelner Staaten, Konventionen, mit denen neue und wichtige Grundsätze des Völkerrechts aufgestellt werden sollen, sowie Konventionen, die soziale oder humanitäre Angelegenheiten zum Zweck der Verbesserung des Schicksals von Einzelpersonen regeln.267
cc) Nichtigkeit eines Vertragsvorbehalts unabhängig von Art. 19 ff. WVK In der Literatur wurde auch versucht, die Unzulässigkeit von Vorbehalten gegenüber Vertragsbestimmungen, die ius cogens wiedergeben, unabhängig von Art. 19 lit. c WVK abzuleiten. Die Ungültigkeit eines Vorbehalts folge daraus, dass er auf eine inter se-Abrede unter Verletzung des ius cogens hinauslaufen würde:268 Kein Staat kann sich durch einseitige Reservation einer Pflicht entledigen, der er auch durch einen 265 266
P. Hilpold, AVR 34 (1996), S. 376 (395). IGH Reservations, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1951, S. 15 (49 ff.).
267
IGH Reservations, Advisory Opinion, Diss. Op. Alvarez, ICJ Rep. 1951, S. 49 (51). 268
P. Reuter, FS Rosenne, 1989, S. 623 (625); A. Orakhelashvili, Peremptory Norms, 2006, S. 180 ff.; vgl. L. Lijnzaad, Reservations to UN-Human Rights Treaties, 1995, S. 182.
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Vertragsschluss nicht entgehen könnte.269 Vorbehalte sind indes gerade keine Verträge, sondern unilaterale Akte. Auch für diese gilt aber die Nichtigkeitsfolge.270 Gegen die Begründung der Nichtigkeit des Vorbehalts als einseitigem Akt spricht jedoch, dass das Anbringen des entsprechenden Vorbehalts das unabhängig von dem konkreten Vertrag bestehende ius cogens gar nicht tangiert, sondern lediglich die Begründung einer parallelen vertraglichen Verpflichtung ausschließt und die Einhaltung des zwingenden Rechts nicht dem Vertragsmechanismus unterwirft. Ob die Vertragspartei daran allerdings ein legitimes Interesse haben kann, ist eine Frage, die wohl eher Art. 19 lit. c WVK zuzuordnen ist. Relevant könnte die Nichtigkeit des Vorbehalts als einseitigem Akt aber dann sein, wenn sich ein Vertrag nur am Rande auf ius cogens bezieht und Art. 19 lit. c WVK deshalb doch nicht greifen sollte. Außerdem dürfte die Rechtsfolge der Nichtigkeit hier bedeuten, dass die den Vorbehalt anbringende Vertragspartei jedenfalls auch gegen ihren Willen an die betreffende Vertragsbestimmung gebunden sein dürfte, die zwingendes Völkerrecht wiedergibt.
dd) Zwischenergebnis Die Gründe für die Unzulässigkeit von Vertragsvorbehalten oder für die Annahmezuständigkeit sind zu komplex, als dass die Rechtsentwicklung hier einen Beleg für die Abgrenzbarkeit einer besonderen Schicht von Normen geben würde, die als mit verfassungsrechtlichem Vorrang ausgestattet anzusehen wäre. Auch soweit Vorbehalte zu Vertragsbestimmungen unzulässig sind, die zwingendes Völkerrecht wie-
269 S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 65 m. w. N. in Fn. 224; P. Hilpold, AVR 34 (1996), S. 376 (402); A. Orakhelashvili, Peremptory Norms, 2006, S. 183; vgl. A. Behnsen, Vorbehaltsrecht, 2007, S. 294 m. w. N. in Fn. 588. 270
ILC, Tenth report on Reservations to Treaties, Special Rapporteur Alain Pellet, Add. 1, UN-Dok. A/CN.4/558/Add.1, para. 131 ff.; s. auch schon S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 329 f.; weitere Nachweis s. o., Fn. 190 f. Offen geblieben in IGH Armed Activities on the Territory of the Congo (New Application: 2002), DRC v. Rwanda, ICJ Rep. 2006, S. 6 (33), para. 69, weil das Gericht keine Verletzung von ius cogens feststellte; vgl. auch Sep. Op. Judge ad hoc Dugard, ICJ Rep. 2006, S. 86 (86 f.), para. 3. Keine Stellungnahme dazu auch in IGH Legality of the Use of Force, Yugoslavia v. Spain, Provisional Measures, ICJ Rep. 1999, S. 761 (772), para. 32 f.; Legality of the Use of Force, Yugoslavia v. USA, Preliminary Objections, ICJ Rep, 1999, S. 916 (924), para. 24 f.
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dergeben, folgt das nicht daraus, dass ihm ein hierarchiebegründender, verfassungsartiger Vorrang eingeräumt wird, sondern daraus, dass derartige Vorbehalte in der Regel kaum mit dem Ziel und Zweck des Vertrages zu vereinbaren sein dürften.
b) Rechtsfolge der Unzulässigkeit von Vorbehalten Möglicherweise ergeben sich im Fall von ius cogens besondere Rechtswirkungen als Rechtsfolge der Unzulässigkeit eines Vorbehaltes, die die Einordnung des ius cogens als Verfassungsrecht stützen. Die WVK lässt die genaue Rechtsfolge eines unzulässigen Vorbehalts offen. Art. 20 Abs. 4 und 5 WVK enthalten ohne Differenzierung allgemeine Bestimmungen für die Rechtsfolgen von Vorbehalten. Art. 20 Abs. 5 WVK stuft die Nichtreaktion eines Vertragsstaates auf einen Vorbehalt nach Ablauf von zwölf Monaten als stillschweigende Annahme ein. Nach Art. 20 Abs. 4 lit. a, c WVK genügt eine einzige solche Annahme, um den beitretenden Staat ungeachtet seines Vorbehalts zur Vertragspartei zu machen. Theoretisch denkbar ist, dass eine Unterwerfungserklärung insgesamt ungültig ist, dass eine Bindung nur an den restlichen Vertrag ohne die mit dem Vorbehalt versehene Bestimmung eintritt oder aber, dass sich der Vorbehalt abtrennen lässt und der Staat auch an die Bestimmung gebunden ist, auf die sich der Vorbehalt bezog. Die Staatenpraxis zur Rechtsfolge von mit dem Ziel und Zweck eines Vertrages nicht zu vereinbarenden Vorbehalten ist weder konsistent noch sehr aufschlussreich. Teilweise wird von einem Ausschluss der Bindungswirkung ausgegangen, teilweise explizit festgehalten, dass ein Widerspruch zu einem Vorbehalt keinen Ausschluss der Bindungswirkung des Vertrages bedeutet, während ein Hinweis auf die Folge für die konkrete vom Vorbehalt betroffene Vertragsbestimmung fehlt, teilweise wird die Erklärung eines Vorbehalts schlicht als „unrechtmäßig“, „ungültig“, „nicht anerkannt“ oder als „nicht berechtigt“ bezeichnet, ohne dass überhaupt ein Hinweis auf die Rechtsfolge damit verknüpft würde.271 In der neueren Staatenpraxis zumindest der europäischen Staaten ist eine Tendenz erkennbar, bei Einsprüchen gegen Vorbehalte zu Menschenrechtsschutzverträgen zum Ausdruck zu bringen, dass der einen unzulässigen Vorbehalt anbringende Staat trotz des Vorbehalts voll an
271 C. Redgwell, in: J. P. Gardner (Hg.), Human Rights as General Norms and a State’s Right to Opt out, 1997, S. 3 (9 f.).
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die im Vertrag definierten Pflichten gebunden wird („Non-BenefittingAnsatz“).272 Während sich das Völkermordgutachten dahin interpretieren lässt, dass der IGH keinesfalls eine vertragliche Bindung eines Staates entgegen einem Vorbehalt annimmt, auch wenn dieser unzulässig sein sollte,273 sah der EGMR zunächst im Belilos-Fall einen unzulässigen Vorbehalt als von der Unterwerfungserklärung abtrennbar an.274 Neben dem Umstand, dass er sich überhaupt als für die Kontrolle von Vorbehalten zuständig betrachtete,275 ist bemerkenswert, dass der EGMR den Willen des beklagten Konventionsstaates Schweiz, die Konvention einzuhalten, über den Vorbehalt stellte.276 In beiden Punkten folgte der Gerichtshof den bereits zuvor in anderen Fällen geäußerten Rechtsansichten der Kommission.277 Nicht vollständig klar ist aufgrund der lakoni272
J. Klabbers, Nordic JIL 69 (2000), S. 179; ausführlich A. Behnsen, Vorbehaltsrecht, 2007, S. 65 ff., 168 ff. m. w. N. 273 274
IGH Reservations, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1951, S. 15 (26 f., 29). EGMR Belilos v. Switzerland, Ser. A No. 132.
275
S. zur Kontrollfähigkeit der Vertragsorgane auch Preliminary Conclusions of the International Law Commission on Reservations to Normative Multilateral Treaties Including Human Rights Treaties, Report of the International Law Commission on the work of its forty-ninth session, UN-Dok. A/52/10, YBILC 1997-II/2, S. 56 f., para. 4 ff. 276
EGMR Belilos v. Switzerland, Ser. A No. 132, S. 28, para. 60: “In short, the declaration in question does not satisfy two of the requirements of Article 64 [now Article 57] of the Convention, with the result that it must be held invalid. At the same time, it is beyond doubt that Switzerland is, and regards itself as, bound by the Convention irrespective of the validity of the declaration. Moreover, the Swiss Government recognised the Court’s competence to determine the latter issue, which they argued before it.”; S. Marks, in: J. P. Gardner (Hg.), Human Rights as General Norms and a State’s Right to Opt out, 1997, S. 35 (49). 277
EKMR Temeltasch (1982), DR 31, S. 120 – hier wurde erstmals die Befugnis der Vertragsorgane zur Kontrolle der Vorbehalte angenommen und auf die besondere, objektive und nicht-reziproke Natur der Konvention und die Existenz der Überwachungsorgane gestützt, s. dazu P. Imbert, ICLQ 33 (1984), S. 558; zu früheren Stellungnahmen des Rechtsberaters der Vereinten Nationen s. K. Korkelia, EJIL 13 (2002), S. 437 (446 ff.); EKMR France v. Turkey, Case 99940/82, YB EurConv HR 26-II (1983), S. 1 (31), para. 42: “It follows from the foregoing that the objective character of the Convention must also be respected in the case of a reservation […] concerning the enforcement machinery of the convention.”; EKMR Chrysostomos, Papachrysostomou and Loizidou v.
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schen Ausführungen des EGMR, ob die Abtrennung des Vorbehalts aus der Anwendung eines allgemeinen Grundsatzes oder aus der objektiven Auslegung des Willens der Schweiz folgen soll.278 In der Literatur wurde diese besondere Rechtsfolge als Konsequenz der besonderen Natur von Menschenrechtsverträgen eingeordnet.279 Später nahm der EGMR schlicht an, dass ein ungültiger Vorbehalt zur vollständigen Anwendung der Konvention führt, ohne den Willen des Reservatarstaates zu untersuchen.280 Dieser trägt demnach das Wirksamkeitsrisiko für seine Vorbehalte.281 Unter den Stellungnahmen zu dieser Abtrennungslösung (severability doctrine) war auch umstritten, ob nicht ein offenkundiger Widerspruch im Willen eines Staates liegt, einen Vertrag zu ratifizieren und zugleich auf einer unzulässigen Bedingung zu bestehen.282 Richtigerweise besteht Turkey (Admissibility), Application No. 15299/89, 15300/89 u. 15318/89, Entsch. v. 4.3.1991, YB EurConv HR 34-II (1991), S. 35. 278
S. Marks, ICLQ 39 (1990), S. 300 (312); vgl. L. Sucharipa-Behrmann, ARIEL 1 (1996), S. 67 (80), die auf den subjektiven Parteiwillen abstellt. 279
I. Cameron/F. Horn, GYIL 33 (1990), S. 69 (116); W. Schabas, Can. YBIL 32 (1994), S. 39 (74). 280
EGMR Weber v. Switzerland, Ser. A No. 177, S. 19 f., para. 38 f.; für einen Territorialvorbehalt s. EGMR Loizidou v. Turkey (Preliminary Objections), Ser. A No. 310, S. 26 ff., para. 71 f., 93 ff. Im Fall Chorherr, No. 13308/87, Ser. A No. 266B war der untersuchte Vorbehalt Österreichs dagegen konventionsgemäß. Wiederum anders lag der Sachverhalt in EGMR Fischer v. Austria, No. 16922/90, Ser. A No. 312, S. 19 ff., para. 41 ff. Hier bezog sich der Vorbehalt Österreichs nicht auf ein bei Unterzeichnung der Konvention oder bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunde geltendes (Art. 57 Abs. 1 bzw. Art. 64 Abs. 1 a. F. EMRK), sondern auf ein erst wesentlich später in Kraft getretenes Gesetz, wird also vom Vorbehalt nicht erfasst und damit auch nicht von der Kontrolle durch den EGMR ausgeschlossen. S. zur Vorbehaltspraxis des EGMR auch S. Åkermark, ICLQ 48 (1999), S. 479 (488). Kritisch zum restriktiven Ansatz des EGMR: Richter Matscher, s. EGMR Fischer v. Austria, No. 16922/90, Ser. A No. 312, Concurr. Op. Judge Matscher, S. 23 f. 281 282
Differenzierend D. W. Greig, Austral YBIL 16 (1995), S. 21 (58 ff.).
So D. W. Bowett, BYBIL 48 (1976-77), S. 67 (76); a. A. etwa B. Simma, FS Seidl-Hohenveldern, 1998, S. 659 (667). Jedenfalls für künstlich hält die Unterscheidung zwischen dem Bindungswillen und dem Willen, gewisse Vertragsbestimmungen im Verhältnis zum Reservatarstaat zu modifizieren, C. Redgwell, BYBIL 64 (1993), S. 243 (267). Analytisch zum bedingten Konsens der einen Vorbehalt anbringenden Vertragspartei R. Goodman, AJIL 96 (2002), S. 531 (536 ff.).
Hierarchisierung im Völkerrecht
387
ein Widerspruch wohl nur dann, wenn ein Vorbehalt mit Ziel und Zweck des Vertrages unvereinbar ist. Die Abtrennbarkeit des Vorbehalts kann daher jedenfalls dann nicht angenommen werden, wenn sich dessen Ungültigkeit aus der Unvereinbarkeit mit dem Ziel und Zweck des Vertrages ergibt.283 Auf der Grundlage dieser grundsätzlichen Trennungslösung ist aber auch denkbar, dass einem Reservatarstaat ausnahmsweise Vertrauensschutz gewährt wird. Dann ergibt sich im Einzelfall eine abweichende Risikoverteilung.284 Auf der Linie des EGMR, dass die Ungültigkeit eines Vorbehalts grundsätzlich zur Anwendung des gesamten Paktes ohne Berücksichtigung des Vorbehalts führt („Strasbourg Approach“)285, bewegt sich auch die einschlägige allgemeine Bemerkung des Menschenrechtskomitees.286 In ihren Stellungnahmen brachten Großbritannien, die USA und Frankreich auch dagegen Einwände vor. Es bestehe ein grundlegender Widerspruch zu dem in Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut niedergelegtem Grundsatz, dass internationale Übereinkünfte Regeln festlegen, die ausdrücklich anerkannt sind,287 die vom Menschenrechtskomitee angenommene Rechtsfolge werde von der Vertragsrechtskonvention nicht einmal in Betracht gezogen288 und aus dem Konsensprinzip folge, dass 283
Vgl. D. W. Bowett, BYBIL 48 (1976-1977), S. 67 (77). Im Fall EGMR Loizidou v. Turkey (Preliminary Objections), Ser. A No. 310, S. 30, para. 89 ergab sich die Unvereinbarkeit des Vorbehalts mit Ziel und Zweck des Vertrages dagegen aus der Unvereinbarkeit eines Vorbehalts ratione loci mit dem Charakter der Konvention als einem Instrument des europäischen ordre public zum Schutz der Individuen. 284 285
T. Giegerich, ZaöRV 55 (1995), S. 713 (774 ff.). Vgl. R. Lorz, Der Staat 41 (2002), S. 29 (42) m. w. N. in Fn. 56.
286
HRC, General Comment 24, UN-Dok. CCPR/C/21/Rev.1/Add.6 v. 4.11.1994, para. 18: “Rather, such a reservation will generally be severable, in the sense that the Covenant will be operative for the reserving party without benefit of the reservation.” Zustimmend R. Higgins, in: J. P. Gardner (Hg.), Human Rights as General Norms and a State’s Right to Opt out, 1997, S. xv (xxvii). Die Folge der Ungültigkeit eines Vorbehalts nimmt das Menschenrechtskomitee etwa auch in Rawle Kennedy v. Trinité and Tobogo, Communication No. 845/1999, CCPR/C/67/D/845/1999 an (para. 6.7). S. dazu aber auch die Joint Dissenting Opinion Ando, Bhagwati, Klein, Kretzmer. 287
Observation by the United Kingdom on General Comment Number 24 (s. Fn. 253), para. 14. 288 Observation by the United States of America on General Comment Number 24 (s. Fn. 253), para. 5.
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5. Kapitel
die Partei, deren Vorbehalt mit Ziel und Zweck des Vertrages unvereinbar ist, nur als Nicht-Partei angesehen werden könne.289 Mittlerweile ist indes auch auf universeller Ebene die Staatenpraxis nicht mehr zu vernachlässigen, die der severability doctrine folgt.290 Dagegen lässt sich allein damit, dass eine Vertragsbestimmung ius cogens wiedergibt, nicht ohne Weiteres eine auch vertragsgestützte Rechtsbindung entgegen dem Vorbehalt erklären. Problematisch ist, dass Staaten auf ihre Bindung gegen ihren Willen mit einem Rücktritt vom Vertrag reagieren können. Deshalb wurde vermittelnd als „verfassungsdogmatischer“ Lösungsansatz vorgeschlagen, den Vertragsorganen der Menschenrechtskonventionen die Kompetenz einzuräumen, verbindlich die Unzulässigkeit eines Vorbehaltes feststellen zu können, es aber den Vertragsstaaten zu überlassen, über die Rechtsfolge der Unzulässigkeit, Verzicht auf den Vorbehalt, Nachbesserung des Vorbehalts oder Rückzug aus dem Vertragsregime insgesamt zu bestimmen.291 Es zeigt sich hier aber gerade, dass Verträge wie die UNO-Charta und die Satzung des Europarates ein verfassungsartiges Rahmenwerk bilden, in dem sich die Staaten der Möglichkeit begeben haben, zwischen diesen Rechtsfolgen zu wählen. Diese Rechtsfolge stellt sich nicht als Ausdruck eines Vorrangs mit Verdrängungswirkung dar, sondern ist ein Ergebnis der Auslegung des Willens der einen Vorbehalt anbringenden Vertragspartei in ihrem Kontext (vgl. Art. 31 Abs. 3 lit. c WVK).
4. Ausschluss der (Staaten-)Immunität Ausdruck einer hierarchischen Überordnung des ius cogens könnte auch die neuere Rechtsprechung zur Staatenimmunität sein, sofern sie eine Immunitätsausnahme im Fall der Verletzung von ius cogens vorsieht. In diesem Zusammenhang wurde das Argument des zwingenden 289
Observation générale de la France (s. Fn. 253), para. 7.
290
S. dazu A. Orakhelashvili, Peremptory Norms, 2006, S. 191 f. Eine auf Annahme der Nichtigkeit deutende Staatenpraxis zeigte sich schon in der Reaktion auf Vorbehalte zu den Rotkreuzkonventionen von 1949, vgl. J. Frowein, FS Skubiszewski, 1996, S. 403 (408 ff.); ders., AJIL 101 (2007), S. 680 (682). Für eine widerlegliche Vermutung zugunsten der Abtrennbarkeit eines Vorbehalts zu Menschenrechtsverträgen R. Goodman, AJIL 96 (2002), S. 531 (555 ff.). 291
B. Simma, RdC 250 (1994-VI), S. 217 (348 f.); R. Lorz, Der Staat 41 (2002), S. 29 (43 f.) – Zitat; s. auch ILC, Second Report on Reservations to Treaties, A/CN.4/477/Add. 1, S. 79 ff., para. 231 ff., S. 86, para. 252.
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Charakters von Menschenrechten am häufigsten gebraucht.292 Die Debatte über eine Einschränkung der Immunität im Fall schwerwiegender Menschenrechtsverbrechen bildet einen Kristallisationspunkt der Konstitutionalisierungsdiskussion. Sie konfrontiert die Staatensouveränität, verkörpert im Grundsatz des par in parem non habet imperium, mit den materiellen Werten einer internationalen Gemeinschaft.293 Zwar legt die zunehmende Bedeutung der Menschenrechte und ihres auch völkerstrafrechtlichen Schutzes als Element der Entwicklung des Völkerrechts zu einer „Werteordnung“ (1. Kapitel A. I.) eine Einschränkung der Staatenimmunität nahe.294 Die grundsätzliche, völkerrechtspolitische Frage lautet aber, ob und inwieweit das institutionelle Defizit einer fehlenden obligatorischen Völkerrechtsgerichtsbarkeit durch Verfahren vor staatlichen Gerichten kompensiert werden kann und soll. Im Hinblick auf die Immunitätsgewährung ist de lege lata grundlegend zwischen der Staatenimmunität und der Immunität staatlicher Funktionsträger295 sowie zwischen der Immunität im Zivil- und im Strafverfahren und der Immunitätsgewährung ratione personae und ratione materiae zu unterscheiden.296 Jenseits dieser notwendigen Differenzierungen lassen sich übergreifende Begründungselemente für eine Ausnahme von der Immunitätsgewährung im Falle schwerer Völkerrechtsverletzungen finden, denen aber insbesondere in der internationalen Rechtsprechung noch kein durchgreifender Erfolg beschieden war.297 Den Argumenten, die an den tatbestandlichen Voraussetzungen der Immunitätsgewährung selbst ansetzen, stehen dabei weiter ausgreifende, grundsätzlichere Begründungsansätze gegenüber. Zu den erstgenannten Argumenten zählt die Annahme eines vorherigen Verzichts auf 292
Vgl. A. Bianchi, EJIL 19 (2008), S. 491 (499).
293
Vgl. C. Maierhöfer, EuGRZ 30 (2003), S. 545 (549 ff.); R. Wahl, in: P. Dobner/M. Loughlin (Hg.), The Twilight of Constitutionalism?, 2010, S. 220 (226 f.). 294
K. Ambos, JZ 54 (1999), S. 16 (21 f.); vgl. schon M. Bothe, ZaöRV 31 (1971), S. 246 (255 f.). 295
Zur Bedeutung dieser Unterscheidung A. Gattini, JICJ 3 (2005), S. 224 (238 ff.) m. w. N. 296 297
Zu den Unterscheidungen s. etwa X. Yang, BYBIL 74 (2003), S. 333.
S. für eine Darstellung der älteren Staatenpraxis (innerstaatliche Rechtslage und Rechtsprechung) zur Staatenimmunität und für Vorschläge für eine ius cogens-Ausnahme de lege ferenda J. Bröhmer, State Immunity and the Violation of Human Rights, 1997.
390
5. Kapitel
die Immunität im Fall schwerwiegender Völkerrechtsverletzungen,298 die aber sogleich dem Einwand ausgesetzt ist, kaum dem Staatenwillen entsprechen zu können.299 Zum Teil wird auch von fehlender Amtlichkeit als Voraussetzung der nur für acta iure imperii gewährten, relativen Immunität ausgegangen,300 was aber angesichts staatlicher Duldung oder gar Anordnung als artifiziell kritisiert wird301 und jedenfalls im Fall der Verletzung des Folterverbots einen Widerspruch zur Definition der Folter in Art. 1 Abs. 1 CAT („von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden
298
Court of First Instance of Leivadia Prefecture of Voiotia v. Federal Republic of Germany, No. 137/1997, Urt. v. 30.10.1997, vgl. I. Bantekas, AJIL 92 (1998), S. 765 (766); Areios Pagos Prefecture of Voiotia v. Federal Republic of Germany, Entsch Nr. 11/2000 v. 4.5.2000, vgl. AJIL 95 (2001), S. 198 (200); United States Court of Appeals for the District of Columbia Hugo Princz v. Federal Republic of Germany, Urt. v. 1.7.1994, Diss. Op. Judge Wald, ILM 33 (1994), S. 1483 (1497 ff.) – „waiver“ i. S. von § 1605 (a) (1) FSIA bei Verletzung von ius cogens als „import of international law“; gegen einen impliziten Immunitätsverzicht durch die CAT: United Kingdom House of Lords Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis and others ex parte Pinochet (“Pinochet 3”), Urt. v. 24.3.1999, per Lord Goff of Chieveley, ILM 38 (1999), S. 581 (602 ff.); per Lord Hope of Craighead, S. 626; per Lord Millett, S. 651; s. schon A. Belsky/M. Merva/N. Roht-Arriaza, Cal. LR 77 (1989), S. 365; kritisch M. Reimann, IPrax 15 (1995), S. 123 (126 f.); J. Bröhmer, State Immunity, 1997, S. 75 f., 190 ff.; C. Appelbaum, Einschränkungen der Staatenimmunität, 2007, S. 273 ff. 299
L. Caplan, AJIL 97 (2003), S. 741 (774); W. Cremer, AVR 41 (2003), S. 137 (143); T. Giegerich, in: C. Tomuschat/J. Thouvenin (Hg.), Fundamental Rules, 2006, S. 203 (230); vgl. J. Flauss, SZIER 10 (2000), S. 299 (309). 300
England, House of Lords Regina v. Bow Street Metropolitan Stipendiary Magistrate and Others, ex parte Pinochet Ugarte (“Pinochet No. 1”), Urt. v. 25.11.1998, per Lord Nicholls of Birkenhead, Lord Steyn and Lord Hoffman, ILR 119, S. 50 (51, 97 ff., 99 f., 103 ff., 107); United Kingdom House of Lords Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis and others ex parte Pinochet (“Pinochet 3”), Urt. v. 24.3.1999, per Lord BrowneWilkinson, ILM 38 (1999), S. 581 (594 f.); IGH Arrest Warrant, Diss. Op. Higgins, Kooijmans, Buergenthal, ICJ Rep. 2002, S. 3 (88), para. 85; vgl. A. Orakhelashvili, GYIL 45 (2002), S. 227 (236 ff.). 301
Vgl. England, House of Lords Regina v. Bow Street Metropolitan Stipendiary Magistrate and Others, ex parte Pinochet Ugarte (“Pinochet No. 1”), Urt. v. 25.11.1998, per Lord Slynn, Loyd, ILR 119, S. 50 (62); K. Ambos, JZ 54 (1999), S. 16 (23); A. Gattini, JICJ 3 (2005), S. 224 (234) m. w. N. in Fn. 41.
Hierarchisierung im Völkerrecht
391
Person […] verursacht“) bedeutet.302 Für eine gebietsbezogene Deliktsausnahme für im Forumsstaat begangene Verbrechen (foreign tort exception)303 sprechen dagegen sowohl Art. 11 der Europäischen Konvention über Staatenimmunität304 als auch Art. 12 des noch nicht in Kraft getretenen Übereinkommens der Vereinten Nationen über die gerichtlichen Immunitäten der Staaten und ihres Eigentums.305 Sie steht aber in einem gewissen Widerspruch zu der Annahme, dass bei der Verletzung von ius cogens gerade das Universalitätsprinzip Anwendung finden soll.306 Eine weitergehende völkergewohnheitsrechtliche Ausnahme im Fall schwerer Völkerrechtsverletzungen lässt sich trotz einiger in diese Richtung deutender Judikate insbesondere erstinstanzlich entscheidender nationaler Gerichte kaum nachweisen.307 302
Vgl. United Kingdom House of Lords Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis and others ex parte Pinochet (“Pinochet 3”), Urt. v. 24.3.1999, per Lord Millett, ILM 38 (1999), S. 581 (651). 303
United Kingdom House of Lords Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis and others ex parte Pinochet, Urt. v. 24.3.1999, per Lord Millett, ILM 38 (1999), S. 581 (651), Areios Pagos Prefecture of Voiotia v. Federal Republic of Germany, Entsch. Nr. 11/2000 v. 4.5.2000, vgl. AJIL 95 (2001), S. 198 (198 f.), KJ 33 (2000), S. 472 (472 ff.); EGMR Mc Elhinney v. Ireland [GC], No. 31253/96, Diss. Op. Caflisch, Cabral Barreto, Vajić, S. 51 (17 ff.); Corte di Cassazione, Sezioni unite civile Ferrini c. Republica federale di Germania, No. 5044, Urt. v. 11.3.2004, abgedruckt in Riv. 87 (2004), S. 539 (548 ff.), para. 10 sowie in ILR 128, S. 659 (englische Übersetzung); vgl. A. Bianchi, AJIL 99 (2005), S. 242 (246); P. De Sena/F. De Vittor, EJIL 16 (2005), S. 89; A. Gattini, JICJ 3 (2005), S. 224 (230 f.). Die Corte di Cassazione hat die FerriniRechtsprechung in Entscheidungen v. 29.5.2008 aufrecht erhalten, s. Urt. No. 14199; Beschl. No. 14201; vgl. C. Focarelli, AJIL 103 (2009), S. 122. 304
Europäische Konvention über Staatenimmunität v. 16.5.1972, BGBl. 1990-II, S. 34. 305
Übereinkommen der Vereinten Nationen über die gerichtlichen Immunitäten der Staaten und ihres Eigentums v. 2.12.2004, A/RES/59/38, derzeit von 28 Staaten (nicht aber Deutschland) unterzeichnet und von 10 Staaten bereits ratifiziert (Quelle: http://treaties.un.org; Stand: 18.5.2010). Das Übereinkommen enthält indes keine generelle Immunitätsausnahme für die Verletzung von ius cogens; s. zur Vorgeschichte in der ILC und eine möglicherweise regressive Wirkung der Konvention s. L. McGregor, ICLQ 55 (2006), S. 437 (437 ff.). 306 307
A. Gattini, JICJ 3 (2005), S. 224 (231).
Dagegen: England, Court of Appeal Al-Adsani v. Government of Kuwait (1996), ILR 107, S. 536 (542 ff.); United Kingdom House of Lords Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis and others ex parte Pi-
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5. Kapitel
Die Verweigerung der Staatenimmunität kann daher de lege lata als Gegenmaßnahme oder Repressalie gerechtfertigt sein,308 wenn sie auf die Beendigung der Völkerrechtsverletzung oder die Leistung von Reparationen zielt.309 Einer konstruktiven Volte bedürfte es dagegen, die zeitlich nachfolgende Gewährung von Immunität als Mitwirkung an der ius
nochet (“Pinochet 3”), Urt. v. 24.3.1999, per Lord Goff of Chieveley, ILM 38 (1999), S. 581 (599); EGMR Al-Adsani v. UK [GC], No. 35763/97, ECHR 2001-XI, S. 79 (103), para. 66; IGH Arrest Warrant, ICJ Rep. 2002, S. 3 (23 ff.), para. 56 ff.; Canada, Ontario Superior Court of Justice Bouzari and Others v. Islamic Republic of Iran, Urt. v. 1.5.2002, ILR 124, S. 427 (443 ff.), para. 63 ff.; BGH, Urt. v. 26.6.2003, III ZR 245/98, BGHZ 155, S. 279 = NJW 2003, S. 3488 = ILM 42 (2002), S. 1030; Canada, Ontario Court of Appeal Bouzari and Others v. Islamic Republic of Iran, Urt. v. 30.6.2004, ILR 128, S. 586 (605 f.), para. 90 ff.; United Kingdom House of Lords Jones v. Ministry of Interior of the Kingdom of Saudi Arabia (Secretary of State for Constitutional Affairs intervening), [2006] UKHL 26, [2007] 1 AC, S. 270, para. 16 f.; per Lord Bingham of Cornhill, S. 289 ff., para. 27 ff.; A. Gattini, JICJ 3 (2005), S. 224 (239) – für die funktionelle Immunität im Entstehen begriffen; umfassende Analyse bei T. Giegerich, in: C. Tomuschat/J. Thouvenin (Hg.), Fundamental Rules, 2006, S. 203 (213 ff.). Gegen eine völkergewohnheitsrechtliche Ausnahme zur Staatenimmunität bei Menschenrechtsverletzungen auch auf dem Gebiet des Forumsstaates C. Appelbaum, Einschränkungen der Staatenimmunität, 2007, S. 114 ff.; zu einer darüber hinausgehenden Ausnahme bei schweren Menschenrechtsverletzungen ibid., S. 183 ff. S. auch England, Court of Appeal Al-Adsani v. Government of Kuwait and Others, Urt. v. 21.1.1994, ILR 100, S. 465 (471) – „good arguable case“ für gewohnheitsrechtliche Immunitätsausnahme. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Einschränkung der Staatenimmunität durch die US-Gesetzgebung zur Terrorismusbekämpfung, s. dazu N. Novogrodsky, EJIL 18 (2007), S. 939 (946 ff.). Für eine „extreme“ Sichtweise (A. Gattini, JICJ 3 (2005), S. 224 (234), nach der die Immunitätsgewährung gar keine völkergewohnheitsrechtlichen Regel entspricht, sondern allein dem politischen Entscheidung jedes Staates obliegt, s. L. Caplan, AJIL 97 (2003), S. 741 (771) et passim; ähnlich M. Reimann, Mich. JIL 16 (1995), S. 403 (420) – „matter of changing practice, of degree, and of argument“; A. Orakhelashivli, GYIL 45 (2002), S. 227 (249); ders., Peremptory Norms, 2006, S. 333 ff. 308 M. Bothe, ZaöRV 31 (1971), S. 246 (252, 259 f.) m. w. N; J. Bröhmer, State Immunity, 1997, S. 159, 192 f.; T. Giegerich, in: C. Tomuschat/J. Thouvenin (Hg.), Fundamental Rules, 2006, S. 203 (232 ff.). 309
S. IGH Gabčikovo-Nagymaros, ICJ Rep. 1997, S. 7 (55), para. 83 ff. m. w. N.; vgl. Art. 49 Abs. 1 ASR; ablehnend C. Appelbaum, Einschränkungen der Staatenimmunität, 2007, S. 283 ff.
Hierarchisierung im Völkerrecht
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cogens-Verletzung anzusehen,310 entsprechende positive Verpflichtungen müssten ein Gebot zur Verletzungsverhinderung in anderen Staaten umfassen und auch insoweit den Rang von ius cogens beanspruchen können.311 In ihrer Bedeutung für die gesamte Völkerrechtsordnung nicht absehbar sind die Konsequenzen einer Doktrin, die die Staatenimmunität auf der Grundlage eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes bei gravierenden Menschenrechtsverletzungen als verwirkt ansehen will.312 Die Handhabung des Verwirkungsarguments setzte deshalb eine Konkretisierung in der Praxis voraus, die dann wohl auch eine gewohnheitsrechtliche Ausnahme begründen würde. Wird dagegen allgemein mit dem hierarchischen Vorrang des ius cogens argumentiert,313 so setzt dies eine Kollisionslage voraus, in der dieser 310
Court of First Instance of Leivadia Prefecture of Voiotia v. Federal Republic of Germany, No. 137/1997, Urt. v. 30.10.1997, vgl. I. Bantekas, AJIL 92 (1998), S. 765 (766); EGMR Al-Adsani v. UK [GC], No. 35763/97, ECHR 2001-XI, Diss. Op. Loucaides, S. 115 – Immunitätsgewährung im Zivilverfahren als Ausnahme vom Folterverbot; s. auch, allerdings mit Hinweis auf Art. 41 ASR Corte di Cassazione, Sezioni unite civile Ferrini c. Republica federale di Germania, No. 5044, Urt. v. 11.3.2004, abgedruckt in Riv. 87 (2004), S. 539 (546 ff.), para. 9 sowie die englische Übersetzung in ILR 128, S. 659 (668 ff.); J. Horowitz, Fordham ILJ 23 (1999), 489 (523); vgl. auch L. Caplan, AJIL 97 (2003), S. 741 (775 f.) mit Hinweis auf Art. 16-18 ASR. Zum Verhältnis von Art. 41 Abs. 2 ASR zu Art. 16 ASR s. Fn. 223. 311 Vgl. EGMR Al-Adsani v. UK [GC], No. 35763/97, ECHR 2001-XI, S. 79 (95 ff.), para. 38 ff. zur Reichweite der „positive obligations“. 312
J. Kokott, FS Bernhardt, 1995, S. 135 (148 f.); vgl. A. Bianchi, FS Cassese, 2003, S. 149 (177) sowie die Deutung in United States Court of Appeals, Second Circuit, Smith v. Socialist People’s Libyan Arab Republic, 101 F. 3d 239 (1996), ILR 113, S. 534 (540) mit Fn. 3, dass Judge Wald in seiner Diss. Op. im PrinczFall (Fn. 298) den Begriff „waiver“ i. S. von „forfeiture“ gebraucht habe. Ablehnend C. Appelbaum, Einschränkungen der Staatenimmunität, 2007, S. 277 ff. 313
EGMR Al-Adsani v. UK [GC], No. 35763/97, ECHR 2001-XI, Joint Diss. Op. Rozakis et al., S. 111 (111 ff.), para. 1, 4; Diss. Op. Loucaides, S. 115; IGH Arrest Warrant, Diss. Op. Al-Khasawneh, ICJ Rep. 2002, S. 95 (98), para. 7; Diss. Op. Van den Wyngert, ICJ Rep. 2002, S. 137 (155 ff.), para. 28; Court of First Instance of Leivadia Prefecture of Voiotia v. Federal Republic of Germany, No. 137/1997, Urt. v. 30.10.1997 – ein nichtiger Akt könne nicht Anknüpfungspunkt für das Privileg der Immunität sein, ex injuria jus non oritur, vgl. I. Bantekas, AJIL 92 (1998), S. 765 (766); United Kingdom House of Lords Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis and others ex parte Pinochet, Urt. v. 24.3.1999, per Lord Millett, ILM 38 (1999), S. 581 (651); Corte di Cassazione, Sezioni unite civile Ferrini c. Republica federale di
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5. Kapitel
Vorrang auch greifen kann. Solange mit dem zwingenden Charakter einer Völkerrechtsnorm noch nicht das Gebot verbunden ist, Verstöße gegen das Verbot strafrechtlich zu ahnden oder Opfern des Verstoßes zivilrechtliche Klagemöglichkeiten einzuräumen, besteht keine direkte Kollision.314 Eine konkrete Pflichtenkollision kann sich im Fall der VerGermania, No. 5044, Urt. v. 11.3.2004, abgedruckt in Riv. 87 (2004), S. 539 (546 ff.), para. 9 sowie in ILR 128, S. 659 (englische Übersetzung) – im ius cogens verkörperte substantielle Werte hier stärkeres Begründungselement als der formal höhere Rang des ius cogens, das Gericht neigt zu einer Abwägung der Werte; vgl. A. Bianchi, AJIL 99 (2005), S. 242 (244, 245 ff.); A. Gattini, JICJ 3 (2005), S. 224 (230) – ablehnend; P. De Sena/F. De Vittor, EJIL 16 (2005), S. 89 (insb. 100 ff.); Corte di Cassazione, Prima Sezione Penale, Mario Luiz Lozano, Urt. v. 24.7.2008, para. 6, vgl. die Wiedergabe bei A. Cassese, JICJ 6 (2008), S. 1077 (1083) – hier wird aber auch mit einer völkergewohnheitsrechtlichen Immunitätsausnahme im Fall völkerrechtlicher Verbrechen auf der Grundlage ihres ius cogens-Charakters argumentiert; M. Reimann, Mich. JIL 16 (1995), S. 403 (407); M. Karagiannakis, LJIL 11 (1998), S. 9 (19 ff.); A. Orakhelashvili, AJIL 96 (2002), S. 677 (682); ders., GYIL 45 (2002), S. 227 (255 ff.); I. Pingel, RGDIP 106 (2002), S. 893 (905); K. Bartsch/B. Elberling, GLJ 4 (2003), S. 477 (483 ff.); J. Bosch, Immunität und internationale Verbrechen, 2004, S. 107 f. (110); K. Reece Thomas/J. Small, NILR 50 (2003), S. 1 (19, 30); A. Bianchi, RGDIP 108 (2004), S. 63 (90 ff.) – auf der Grundlage der Rechtsverletzung des Forumsstaates im Fall der Verletzung von Verpflichtungen erga omnes; A. Orakhelashvili, EJIL 18 (2007), S. 955 (964) m. w. N. in Fn. 34; gegen den Formalismus einer Unterscheidung von „substance“ (etwa Folterverbot) und „procedure“ (Immunität) auch L. McGregor, EJIL 18 (2007), S. 903 (911 f.). Vgl. zu der an den besonderen Status bestimmter Menschenrechte als ius cogens anknüpfenden Argumentation auch C. Appelbaum, Einschränkungen der Staatenimmunität, 2007, S. 252 ff. 314
United Kingdom House of Lords Jones v. Ministry of Interior of the Kingdom of Saudi Arabia (Secretary of State for Constitutional Affairs intervening), per Lord Hoffman, [2006] UKHL 26, [2007] 1 AC, S. 270 (292 ff.), para. 43 ff., ILR 129, S. 629; Canada, Ontario Superior Court of Justice Bouzari and Others v. Islamic Republic of Iran, ILR 124, S. 427 (443), para. 62; A. Zimmermann, Mich. JIL 16 (1995), S. 433 (438); M. Ruffert, NILR 48 (2001), S. 171 (188); H. Tigroudja, RBDI 34 (2001), S. 526 (540); H. Fox, The Law of State 1 2 Immunity, 2002, S. 524 f.; 2008, S. 150 ff.; C. Tams, AVR 40 (2002), S. 331 (341 ff.); vgl. F. De Vittor, Riv. 85 (2002), S. 573 (600); C. Maierhöfer, EuGRZ 29 (2002), S. 391 (396 f.); M. Rau, GLJ 3 (2002), para. 14 mit Bezug auf IGH Genocide Case, Preliminary Objections, Diss. Op. Kreca, ICJ Rep. 1996, S. 658 (765), para. 101; L. Caplan, AJIL 97 (2003), S. 741 (771 f.); W. Cremer, AVR 41 (2003), S. 137 (162 f.); O. Dörr, AVR 41 (2003), S. 201 (215); E. Voyiakis, ICLQ 52 (2003), S. 297 (321); D. Akande, AJIL 98 (2004), S. 407 (414); E. de Wet, EJIL 15 (2004), S. 97 (109); A. Bianchi, AJIL 99 (2005), S. 242 (247); A. Gattini, JICJ
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395
letzung des Folterverbotes aus Art. 1 Abs. 1 CAT indes zwischen dem Immunitätsanspruch und der grundsätzlichen Pflicht zur Strafverfolgung aus Art. 5, 7 CAT315 sowie dem einklagbaren Recht auf gerechte und angemessene Entschädigung nach Art. 14 CAT316 ergeben.317 Weiter wird argumentiert, die Immunitätsgewährung stelle eine Verletzung des Anerkennungsverbotes nach Art. 41 Abs. 2 ASR dar, wenn sie dazu führe, dass dadurch eine Situation anerkannt und verfestigt werde, die durch die Verletzung einer zwingenden Norm geschaffen worden sei.318 Man wird jedoch nicht in jeder Immunitätsgewährung zugleich eine solche Anerkennung sehen können, die zudem eine fortwährende Verletzung voraussetzt.319 Jedenfalls müssten auch die an die Verletzung der primären ius cogens-Norm anknüpfenden Sekundärpflichten selbst den Status zwingenden Völkerrechts haben, um Vorrang gegenüber der Immunität als Völkergewohnheitsrecht beanspruchen zu können.320 Die Rechtsfolge müsste dann konsequenterweise in der Nichtigkeit der
3 (2005), S. 224 (236 f.); C. Tomuschat, RGDIP 109 (2005), S. 51 (57 ff.); T. Giegerich, in: C. Tomuschat/J. Thouvenin (Hg.), Fundamental Rules, 2006, S. 203 (227); a. A. A. Orakhelashvili, Peremptory Norms, 2006, S. 340 ff. – dem ius cogens inhärente Konsequenzen im Recht der Staatenverantwortlichkeit, in der Reparationspflicht, in der Jurisdiktionsbegründung und in der Verfolgung internationaler Verbrechen. 315
United Kingdom House of Lords Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis and others ex parte Pinochet (“Pinochet 3”), Urt. v. 24.3.1999, per Lord Browne-Wilkinson, ILM 38 (1999), S. 581 (590, 594); vgl. auch A. Orakhelashvili, AJIL 96 (2002), S. 677 (682). 316
W. Cremer, AVR 41 (2003), S. 137 (163 ff.); O. Dörr, AVR 41 (2003), S. 201 (216); a. A. C. Tams, AVR 40 (2002), S. 331 (348). Zur Reichweite von Art. 14 CAT s. Canada, Ontario Superior Court of Justice Bouzari and Others v. Islamic Republic of Iran, Urt. v. 1.5.2002, ILR 124, S. 427 (438 ff.), para. 43 ff.; Canada, Ontario Court of Appeal Bouzari and Others v. Islamic Republic of Iran, Urt. v. 30.6.2004, ILR 128, S. 586 (602 ff.), para. 72 ff.; Conclusions and Recommendations of the Committee against Torture: Canada, 7 July 2005, CAT/C/CR/34/CAN; C. Hall, EJIL 18 (2007), S. 921. 317
S. allgemein zu einer vorrangigen Pflicht zur Ausübung einer universellen Jurisdiktion auch A. Orakhelashvili, GYIL 45 (2002), S. 227 (262 ff.). 318
A. Orakhelashvili, EJIL 18 (2007), S. 955 (963 f.); vgl. A. Bianchi, RGDIP 108 (2004), S. 63 (92). 319 320
A. Gattini, JICJ 3 (2005), S. 224 (236). Zweifelnd C. Tams, AVR 40 (2002), 331 (342).
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5. Kapitel
Immunitätsregel bestehen, so dass der Immunitätsvorbehalt auf allen Ebenen der Jurisdiktionsausübung weitgehend leer liefe.321 Das Verständnis vom Vorrang des ius cogens, das dem Versuch einer Begründung der Immunitätsausnahme zugrunde liegt, wird nur bei einigen Autoren explizit deutlich. Die Argumentation mit dem hierarchischen Vorrang des ius cogens ist nur der formale Ausdruck der Idee einer effektiven Durchsetzung des substantiellen Gehalts der Werte des Gemeinschaftsinteresses.322 Dass es auf diese Wertung ankommt, zeigt sich auch darin, dass häufig verschiedene formale Argumente wie der Immunitätsverzicht oder der Vorrang des ius cogens, zum Teil auch nicht ganz widerspruchsfrei, kumulativ vorgebracht werden.323 Anknüpfungspunkt für diese Argumentation ist das Verbot der Anerkennung eines Zustandes, der durch eine schwerwiegende Verletzung von Verpflichtungen herbeigeführt wurde, die sich aus zwingenden Normen des allgemeinen Völkerrechts ergeben (vgl. Art. 41 Abs. 2 ASR). Auch dieses bezieht sich auf die Wirkung und die Durchsetzung einer Norm. Der relevante Konflikt wird auf diese Weise, obgleich es an einer Kollision konkreter Regeln fehlt, auf sich widersprechende Ziele in der Völkerrechtsordnung verlagert.324 Dem ius cogens kommt dabei die Bedeutung zu, bestimmten Werten einen Stellenwert zu verleihen, der dem der Staatensouveränität mit ihrer grundlegenden systemischen oder funktionalen Bedeutung in der internationalen Gemeinschaft äquivalent ist. Im Rahmen der Interpretation völkerrechtlicher Regeln soll dann eine Balance zwischen den Werten, die im ius cogens verkörpert sind, 321
EGMR Al-Adsani v. UK [GC], No. 35763/97, ECHR 2001-XI, Concurr. Op. Pellonpää, Bratza, S. 107 (108); BGH, Urt. v. 26.6.2003, III ZR 245/98, BGHZ 155, 279 = NJW 2003, 3488 = ILM 42 (2002), S. 1030; C. Tams, AVR 40 (2002), 331 (345); vgl. M. Reimann, IPrax 15 (1995), S. 123 (127). 322
Deutlich etwa bei A. Bianchi, Austrian JPIL 46 (1994), S. 195 (222); zur generellen Einordnung der Rechtsprechung vgl. ders., EJIL 19 (2008), S. 491 (501). 323
S. etwa Court of First Instance of Leivadia Prefecture of Voiotia v. Federal Republic of Germany, No. 137/1997, Urt. v. 30.10.1997, Auszug in Übersetzung nach L. Caplan, AJIL 97 (2003), S. 741 (769). 324 Vgl. ILC, Fragmentation of International Law: Difficulties Arising From the Diversification and Expansion of International Law: Report of the Study Group of the International Law Commission, UN-Dok. A/CN.4/L.682 v. 13.4.2006, para. 24 – Unterscheidung zwischen der Situation, in der eine Verpflichtung nur zulasten einer anderen erfüllt werden kann, und einem „policy conflict“.
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und der Staatensouveränität hergestellt werden.325 Auf diese Weise wird die Widerspruchsfreiheit der Völkerrechtsordnung wiederhergestellt, die teilweise auch unmittelbar als Argument angeführt wird.326 Darauf wiederum den verfassungsartigen Vorrang des ius cogens zu stützen, wäre zirkulär.
5. Grundlage für humanitäre Intervention Der Vorrang des ius cogens dient auch der Begründung der rechtlichen Zulässigkeit der einseitigen, ohne einen Beschluss des Sicherheitsrates durchgeführten, humanitären Intervention. Dabei wird die Bedeutung, die die humanitäre Intervention für eine konstitutionalisierte Völkerrechtordnung hat, durchaus gespalten beurteilt. Habermas betrachtete die Intervention der NATO-Staaten im Kosovo als entscheidenden Schritt weg von einer als veraltet angesehenen staatszentrierten Völkerrechtsordnung hin zu einer Weltverfassung, die auf der Vorstellung eines Weltbürgerrechts für jeden Menschen beruht.327 Zum Teil wird die Erlaubnis der Intervention jedenfalls dann im Zusammenhang mit der Konstitutionalisierung gesehen, wenn sie im Rahmen von sich entwickelnden konstitutionellen Strukturen regionaler Friedenswahrung stattfindet. Sie trägt demnach in Extremsituationen zur dezentralen Durchsetzung grundsätzlicher Verfassungsprinzipien bei.328 Damit wird an eine Tradition des europäischen Völkerrechts des 19. Jahrhunderts und letztlich an die christlich-naturrechtliche Überlieferung im Völkerrecht angeknüpft.329 Umgekehrt wird es aber gerade als Gefahr für ein 325
E. Voyiakis, ICLQ 52 (2003), S. 297 (319 ff.); vgl. „balancing of interests“ in IGH Arrest Warrant, Joint Sep. Op. Higgins, Kooijmans, Buergenthal, ICJ Rep. 2002, S. 3 (85), para. 75. 326
A. Bianchi, EJIL 10 (1999), S. 237 (260 f., 270 ff.); vgl. auch Lord Bingham of Cornhill, United Kingdom House of Lords Jones v. Ministry of Interior of the Kingdom of Saudi Arabia (Secretary of State for Constitutional Affairs intervening) [2006] UKHL 26, [2007] 1 AC 270 (278), para. 1. 327
J. Habermas, Bestialität und Humanität, in: Die Zeit v. 29.4.1999, S. 1, 6; vgl. zur Einordnung der humanitären Intervention als Aspekt einer Moralisierung des Völkerrechts, die ein Element der Konstitutionalisierung verkörpert, O. Diggelmann/T. Altwicker, ZaöRV 68 (2008), S. 623 (625). 328 329
J. Frowein, BDGVR 39 (2000), S. 427 (434, 443).
C. Hillgruber, Der Staat 40 (2001), S. 165 (191). Zur naturrechtlichen Wurzel des Nothilfearguments bei H. Grotius, 2. Buch, 25. Kap. VI, ed. cit., S. 406, 190.
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5. Kapitel
Kernelement des Konstitutionalisierungsprozesses angesehen, wenn das „Gewaltmonopol“ des Sicherheitsrates unterlaufen wird.330 In diesen Einordnungen und Bewertungen zeigen sich verschiedene Aspekte der Konstitutionalisierung, die Entstehung einer Werteordnung einerseits und ihre noch defizitäre Absicherung in überstaatlichen Organisationen. Zusammengefasst geht es um die Alternative zwischen dem Vorrang der Werte oder der Verfahrensregeln, die die Charta vorsieht.331 Die Anwendung zwischenstaatlicher Gewalt aus humanitären Gründen in besonderen Ausnahmesituationen zum Schutz von Nichtstaatsangehörigen332 verstößt zunächst gegen die abschließende Regelung des Gewaltverbots in Art. 2 Nr. 4, 51 UNC333 mit dem Ausschluss der Selbsthilfe jenseits der, auch kollektiven, Selbstverteidigung334 sowie gegen das gewohnheitsrechtliche Interventionsverbot.335 Dementsprechend lehnte der IGH die Figur der humanitären Intervention in seinen Urteilen zum Corfu Channel- und zum Nicaragua-Fall ab,336 schloss aber 1986 eine Weiterentwicklung des Völkerrechts nicht aus.337 Die Begründungen für eine Rechtsfigur der humanitären Intervention beziehen sich einerseits auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des 330
I. Liebach, Die unilaterale humanitäre Intervention, 2004, S. 114 m. N.; s. auch B. Simma, FYIL 9 (1998), S. 61 (65). 331
G. Nolte, ZaöRV 59 (1999), S. 941 (943).
332
S. zur Definition der humanitären Intervention auch U. Beyerlin, Stichwort „Humanitarian Intervention“, EPIL II, 1995, S. 926 (926 f.); C. Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 244 ff.; J. Holzgrefe, in: ders./R. Keohane, Humanitarian Intervention, 2003, S. 15 (18); ibid., S. 18 ff. zu den philosophischen Grundlagen. 333 U. Beyerlin, Stichwort „Humanitarian Intervention“, EPIL II, 1995, S. 926 (927); B. Simma, EJIL 10 (1999), S. 1 (2); A. Randelzhofer, Art. 2 (4), in: B. 2 Simma (Hg.), Charter Commentary, 2002, para. 55. Art. 2 Nr. 4 UNC enthält mit dem Gewaltverbot zugleich ein Verbot der gewaltsamen Intervention, O. Kimminich, AVR 33 (1995), S. 430 (434 f.); T. Schilling, AVR 35 (1997), S. 430 (435). 334
I. Brownlie, in: J. N. Moore (Hg.), Law and Civil War in the Modern World, 1974, S. 217 (219). 335
Vgl. D. Kritsiotis, Mich. JIL 19 (1998), S. 1005.
336
IGH Corfu Channel, ICJ Rep. 1949, S. 4 (35); Nicaragua, ICJ Rep. 1986, S. 14 (108), para. 207 ff., insb. 209, vgl. auch S. 134, para. 268. S. zur Rspr. des IGH: N. S. Rodley, ICLQ 38 (1989), S. 321. 337
D. Kritsiotis, Mich. JIL 19 (1998), S. 1005 (1013).
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399
Gewaltverbotes und seiner Ausnahmen und verstehen andererseits die Zulässigkeit der Intervention als Auflösung eines der Völkerrechtsordnung inhärenten Konflikts.338 Zunächst wird Art. 2 Nr. 4 UNC restriktiv ausgelegt. Danach soll eine Intervention aus rein humanitären Gründen nicht unter Art. 2 Nr. 4 UNC fallen, weil sie weder gegen die territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtet noch sonst mit den Zielen der UNO-Charta unvereinbar sei,339 sondern vielmehr gerade der Verwirklichung von Charta-Zielen (Art. 1 Nr. 3, 55 lit. c, 56 UNC) diene.340 Ausweislich der Entstehungsgeschichte ist der Wortlaut des Art. 2 Nr. 4 UNC aber nicht einschränkend zu verstehen.341 Auch spricht viel dafür, dass jede humanitäre Intervention die politische Unabhängigkeit beeinträchtigt.342 Soweit als Grundlage einer teleologischen Reduktion des Art. 2 Nr. 4 UNC der Bedeutungszuwachs der Menschenrechte seit 1945 angeführt wird,343 338
Weiter losgelöst von der lex lata sind die Beiträge von F. Tesón, Col. LR 1991, S. 53; ders., in: J. Holzgrefe/R. Keohane, Humanitarian Intervention, 3 2003, S. 93; ders., Humanitarian Intervention, 2005; M. Reisman, EJIL 11 (2000), S. 3. 339
J. Stone, Aggression and World Order, 1958, S. 43, 95; D. W. Bowett, SelfDefence, 1958, S. 31, 152; M. Reisman, in: R. Lillich (Hg.), Humanitarian Intervention and the United Nations, 1973, S. 167 (177); R. Lillich, in: J. N. Moore (Hg.), Law and Civil War in the Modern World, 1974, S. 229 (236 ff.); C. Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 245 ff. m. w. N.; K. 3 Ipsen, FW 74 (1999), S. 19 (21); F. Tesón, Humanitarian Intervention, 2005, S. 192 f.; dagegen A. Randelzhofer, Art. 2 (4), in: B. Simma (Hg.), Charter Com2 mentary, 2002, para. 35 ff.; M. Bothe, FS Dau, 1999, S. 13 (16 f.); C. Gray, International Law and the Use of Force, 22004, S. 32. 340
K. Ipsen, FW 74 (1999), S. 19 (20 f.); vgl. D. Geyrhalter, Regionalorganisationen, 2002, S. 147. 341
UNCIO VI, 304, 334 f.; I. Brownlie, International Law and the Use of Force by States, 1963, S. 265 ff.; C. Westerdiek, AVR 21 (1983), S. 383 (388); T. Farer, in: L. Damrosch/D. Scheffer (Hg.), Law and Force in the New International Order, 1991, S. 185 (190); U. Beyerlin, Stichwort „Humanitarian Intervention“, EPIL II, 1995, S. 926 (927); J. Delbrück, FW 74 (1999), S. 139 (150); D. Geyrhalter, Regionalorganisationen, 2002, S. 143 f.; A. Randelzhofer, Art. 2 (4), in: B. Simma (Hg.), Charter Commentary, 22002, para. 53. 342
C. Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 246 m. w. N. 343 C. Tomuschat, FW 74 (1999), S. 33 (34); J. Delbrück, FW 74 (1999), S. 139 (145); D. Thürer, AVR 38 (2000), S. 1 (7). Für eine feministisch-kritische Analyse der mit humanitären Interventionen seit den 1990er Jahren verknüpften
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5. Kapitel
steht dem entgegen, dass die Charta bereits in der Überzeugung abgefasst wurde, dass die Friedenssicherung Vorrang vor dem Menschenrechtsschutz haben soll. Trotz des zutreffenden Befundes, dass die Wahrung der Menschenrechte nicht länger innerstaatliche Angelegenheit i. S. von Art. 2 Nr. 7 UNC ist, hat sich seither kein entscheidender Wandel dieser Normsituation ergeben, der eine teleologische Reduktion des Gewaltverbotes rechtfertigen würde.344 Stellte man das Gewaltmonopol infrage, so würde man die UNO und damit gerade die Organisation schwächen, der maßgeblich die Aufwertung des Menschenrechtsschutzes zu verdanken ist.345 Das ursprünglich von der International Commission on Intervention and State Sovereignty (ICISS) entwickelte und von den Vereinten Nationen aufgegriffene Konzept der „Responsibility to Protect“ stützt sich im Wesentlichen auf ein gewandeltes Souveränitätsverständnis der Staatengemeinschaft, demzufolge die Staatensouveränität den Menschenrechten verpflichtet ist.346 Auf eine veränderte faktische Situation rekurriert das Argument, das „Gewaltmonopol“ des Sicherheitsrates setze auch voraus, dass dieser effektiv zur Friedenssicherung funktionsfähig sei, so dass bei einem Ausfall des Sicherheitsrates unter Umständen auch eine gewaltsame Intervention ohne seine Autorisierung rechtmäßig sein könne.347 Dahinter steht die Idee, dass die Befugnisse des Sicherheitsrates nur delegiert seien. Die Verfasser der Charta haben die Defizite des Kapitels VII indes gesehen und dennoch ein absolutes Verbot individueller Gewalt aufge-
„Narrative“ s. A. Orford, EJIL 10 (1999), S. 679; dies., Reading Humanitarian Intervention, 2003. 344
T. Farer, in: L. Damrosch/D. Scheffer (Hg.), Law and Force in the New International Order, 1991, S. 185 (190 ff.); D. Geyrhalter, Regionalorganisationen, 2002, S. 146; D. Klescewski, in: ders./S. Müller/F. Neuhaus (Hg.), Kants Lehre vom richtigen Recht, 2005, S. 143 (151). 345 346 347
M. Bothe, SZIER 10 (2000), S. 177 (181). Nachweise s. 1. Kapitel, Fn. 322.
J. Stone, Aggression and World Order, 1958, S. 96; M. Reisman, in: R. Lillich (Hg.), Humanitarian Intervention and the United Nations, 1973, S. 167 (171 ff.) – substitute or functional enforcement; R. Lillich, in: J. N. Moore (Hg.), Law and Civil War in the Modern World, 1974, S. 229 (239 f.); M. Reisman, AJIL 78 (1984), S. 642 (643); ders., Yale JIL 10 (1985), S. 279 (279 f.); in diesem Sinne auch, mit Bezug zur Staatenpraxis vor Gründung der UNO: S. Chesterman, Security Dialogue 33 (2002), S. 293.
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401
nommen,348 als Ausnahme aber Art. 51 UNC geschaffen.349 Die Geltung des Gewaltverbots in der Charta ist daher an keiner Stelle durch das Funktionieren des Friedenssicherungssystems bedingt.350 Eine Ausnahme wäre missbrauchsanfällig und würde den einflussreichen Staaten die Möglichkeit eröffnen, das populäre Ziel, gegen flagrante Menschenrechtsverletzungen vorzugehen, für einseitige Interventionen zu nutzen.351 Der abschließende Charakter des Charta-Systems kommt etwa auch in Art. 53 UNC zum Ausdruck,352 der die Durchführung von Zwangsmaßnahmen durch regionale Abmachungen der Autorität des Sicherheitsrates unterstellt. Die Anwendung des Kapitels VII zum Schutz der Menschenrechte ist zudem eine Neuerung, so dass das Argument des Versagens des Sicherheitsrates schon deshalb fehlgeht.353 Vertreten wird auch, Art. 51 UNC sei weit auszulegen354 oder im Wege des Analogieschlusses massiver Menschenrechtsverletzungen in Extremsituationen einem „bewaffneten Angriff“ gleichzusetzen.355 Gegen die Anwendbarkeit des Selbstverteidigungsrechts in internen Situationen sprechen indes der Ausnahmecharakter des Art. 51 UNC sowie der Umstand, dass es im internen Konflikt in der Regel keinen Vorgang gibt, der als vergleichbar deutlicher Auslöser für eine Aggression gegen eine Menschengruppe identifiziert werden könnte.356 Damit verwandt ist die auf einen allgemeinen Rechtsgrundsatz gestützte Überlegung, andere Staaten könnten unter Umständen zur Wahrung der Menschen348
U. Beyerlin, Stichwort „Humanitarian Intervention“, EPIL II, 1995, S. 926 (928). 349
UNCIO XII, 682; C. Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 246 m. w. N. 350 T. Farer, RdC 142 (1974-II), S. 291 (391 f.); J. Delbrück, FW 74 (1999), S. 139 (150); C. Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 245 f.; D. Geyrhalter, Regionalorganisationen, 2002, S. 144 f.; A. Randelzho2 fer, Art. 2 (4), in: B. Simma (Hg.), Charter Commentary, 2002, para. 54. 351 IGH Corfu Channel, ICJ Rep. 1949, S. 4 (35); O. Schachter, AJIL 78 (1984), S. 645 (649); D. Geyrhalter, Regionalorganisationen, 2002, S. 145. 352 353
J. Delbrück, FW 74 (1999), S. 139 (139 f.). C. Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 246 f.
354
Vgl. D. W. Bowett, Self-Defence, 1958, S. 95 f.; R. Wedgwood, AJIL 93 (1999), S. 828 (833). 355
Vgl. C. Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 257 ff.; D. Geyrhalter, Regionalorganisationen, 2002, S. 153 f., 166 ff. 356
G. Nolte, ZaöRV 59 (1999), S. 941 (949 f.).
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5. Kapitel
rechte oder des Selbstbestimmungsrechts Nothilfe leisten, wenn die Charta-Organe dazu nicht in der Lage sind.357 Die Konstruktion über die Nothilfe setzt voraus, dass den betroffenen Individuen und Kollektiven notwehrfähige subjektive Rechte zustehen, die auch nothilfetauglich sind. Die Völkerrechtssubjektivität des Individuums wird teilweise hinsichtlich der Inanspruchnahme von fundamentalen und zum ius cogens zählenden Menschenrechten anerkannt,358 teilweise wird auch die theoretische Eröffnung eines Rechtswegs als Voraussetzung eines subjektiven Rechts vorausgesetzt, der dann tatsächlich gerade gesperrt sein muss, damit Notwehr und Nothilfe erlaubt sind. Subjektive völkerrechtliche Rechtspositionen aus Menschenrechtsbestimmungen einschließlich des inneren Selbstbestimmungsrechts kommen dem Einzelnen, einer Gruppe oder einem Volk nach dieser Ansicht nur gegen einen Staat zu, der im Wege des Abschlusses eines Staatsvertrages entsprechende völkerrechtliche Rechtschutzmöglichkeiten eingeräumt hat.359 Unabhängig davon ist der Schluss von einem Notwehrrecht auf ein Nothilferecht keineswegs zwingend.360 Auch ist das generelle Bestehen eines Rechts auf Unterlassung fraglich, weil es an völkerrechtlicher Praxis dazu fehlt und die ILC die Frage in Art. 33 Abs. 2 ASR ausgeklammert hat.361 Abgesehen davon, dass die Gefahr konstruierter Nothilfe besteht, ist weiter problematisch, dass auf diese Weise Auswirkungen auf die von den Menschenrechtsverletzungen selbst nicht betroffene Zivilbevölkerung nicht gerechtfertigt werden können, da Notwehr grundsätzlich nicht auf Kosten Dritter stattfinden darf.362 Daneben wird mit der gewohnheitsrechtlichen Begründung einer Ausnahme zum Gewalt- und Interventionsverbot argumentiert,363 was anhand der Staatenpraxis unter der Charta mit den Präzedenzfällen OstPakistan 1971, Uganda 1979, Zentralafrikanische Republik 1979 und 357
K. Doehring, Völkerrecht, 22004, S. 448, Rn. 1015; J. Delbrück, FW 74 (1999), S. 139 (152 ff.) – nur für kollektive Maßnahmen. 358 359 360 361
K. Doehring, Völkerrecht, 22004, S. 448, para. 1015. T. Schilling, AVR 35 (1997), S. 430 (443 f.). G. Nolte, ZaöRV 59 (1999), S. 941 (950). Vgl. O. Dörr, JZ 60 (2005), S. 905 (909 f.).
362
D. Klescewski, in: ders./S. Müller/F. Neuhaus (Hg.), Kants Lehre vom richtigen Recht, 2005, S. 143 (152). 363
R. Lillich, Iowa LR 53 (1967), S. 325 (332 ff.); D. Schweigman, LJIL 6 (1993), S. 91 (94 ff.); A. Cassese, EJIL 10 (1999), S. 791; F. Tesón, Humanitarian 3 Intervention, 2005, S. 278.
Hierarchisierung im Völkerrecht
403
Kambodscha 1979, Liberia 1990, Nordirak 1991 und Kosovo 1999 aber nicht überzeugen kann.364 Die Staatenpraxis zeigt nämlich, dass Staatenvertreter sich in der Regel nicht auf die Doktrin der humanitären Intervention beziehen.365 Weiterhin wird versucht, eine Verletzung des Gewaltverbots auf der Ebene der Staatenverantwortlichkeit durch Notstand (vgl. Art. 25 ASR) oder als Gegenmaßnahme366 (vgl. Art. 22 ASR) zu rechtfertigen. Die humanitäre Intervention, auch unter Verletzung des Gewaltverbots, soll zugunsten von im konkreten Fall höherrangigen Werten und der kol364
S. auch I. Brownlie, International Law and the Use of Force by States, 1963, S. 339 ff.; U. Beyerlin, Stichwort „Humanitarian Intervention“, EPIL II, 1995, S. 926 (928); M. Bothe, FS Dau, 1999, S. 13 (15 f.); C. Tomuschat, FW 74 (1999), S. 33 (34); J. Delbrück, FW 74 (1999), S. 139 (150); G. Nolte, ZaöRV 59 (1999), S. 941 (945 f.); A. Randelzhofer, Art. 2 (4), in: B. Simma (Hg.), Charter Commentary, 22002, para. 55 m. w. N.; T. Franck, Recourse to Force, 2002, S. 139 ff. Zu den Vorzügen einer sich entwickelnden gewohnheitsrechtlichen Lösung aus völkerrechtspolitischer Sicht s. J. Stromseth, in: J. Holzgrefe/R. Keohane, Humanitarian Intervention, 2003, S. 232 (245 ff.); methodische Kritik bei O. Corten, EJIL 16 (2005), S. 803, M. Byers/S. Chesterman, in: J. Holzgrefe/R. Keohane, Humanitarian Intervention, 2003, S. 177 (187 ff.); J. Holzgrefe, in: ders./R. Keohane, Humanitarian Intervention, 2003, S. 15 (36 ff.). Zu methodischen Unterschieden zwischen klassischer Herangehensweise und Betonung des Prozesscharakters, in dem die einzelnen Stellungnahmen zueinander in Bezug gesetzt, gewogen etc. werden, s. T. Farer, in: L. Damrosch/D. Scheffer (Hg.), Law and Force in the New International Order, 1991, S. 185 (186). 365
T. Farer, in: L. Damrosch/D. Scheffer (Hg.), Law and Force in the New International Order, 1991, S. 185 (193 f.); D. Kritsiotis, Mich. JIL 19 (1998), S. 1005 (1014); IGH Nicaragua, ICJ Rep. 1986, S. 14 (109), para. 207. S. zur älteren Staatenpraxis T. Franck/N. Rodley, AJIL 67 (1973), S. 275 (277 ff.); A. Pauer, Die humanitäre Intervention, 1985, S. 155; Foreign and Commonwealth Office, Foreign Policy Document No. 148, BYBIL 57 (1986), S. 614 (619); C. Hillgruber, Der Staat 40 (2001), S. 165 (166 ff.); weiter O. Corten/P. Klein, 2 Droit d’ingérence ou obligation de réaction?, 1996, S. 177 ff.; P. Malanczuk, Humanitarian Intervention and the Legitimacy of the Use of Force, 1993, S. 17 ff.; S. Chesterman, Just War or Just Peace, 2001, S. 63 ff.; w. N. bei G. Nolte, ZaöRV 59 (1999), S. 941 (945 f.); P. Hilpold, EJIL 12 (2001), S. 437 (442 ff.); F. Harhoff, Nordic JIL 70 (2001), S. 65 (83 ff.). S. auch J. Stromseth, in: J. Holzgrefe/R. Keohane, Humanitarian Intervention, 2003, S. 232 (234 ff.) – Überblick zur völkerrechtlichen Rechtfertigung des Kosovo-Einsatzes durch die NATO-Staaten. 366 Für Gegenmaßnahmen unterhalb der Schwelle militärischer Gewalt J. Charney, AJIL 93 (1999), S. 834 (835).
404
5. Kapitel
lektiven Sicherheit einer ganzen Region gerechtfertigt sein.367 Nach Art. 26 ASR schließt die Anwendung der Rechtfertigungsgründe allerdings nicht die Rechtswidrigkeit eines staatlichen Verhaltens aus, das im Widerspruch zu einer Verpflichtung des zwingenden Völkerrechts steht.368 Damit ist sowohl die Berufung auf Notstand als auch die Einordnung als Gegenmaßnahme ausgeschlossen.369 Gegenmaßnahmen dürfen zudem nach Art. 50 Abs. 1 lit. a ASR nicht die Verpflichtung berühren, die Androhung oder Anwendung von Gewalt im Sinne der UNOCharta zu unterlassen. Dagegen wird eingewandt, dass wesentliche Unterschiede zwischen dem Notstand und dem Einverständnis (vgl. Art. 20 ASR) als Rechtfertigungsgründen bestehen. Nur die Derogation im Wege des Konsenses inter se stellt sich als die Schaffung einer neuen speziellen Regel und als Ergebnis eines Rechtsetzungsaktes dar. Deshalb soll nur sie, nicht aber die Berufung auf den Notstand, durch das zwingende Recht ausgeschlossen werden.370 Die ILC ordnet Art. 26 ASR aber gerade als Ausdruck des Derogationsverbotes ein.371 Das ist insofern konsequent, als im Falle des Notstandes einem anderen Gut der Vorrang eingeräumt wird, es die fragliche Regel des zwingenden Rechts jedenfalls konkret verdrängt. Der Unterschied zum Einverständnis als Rechtfertigungsgrund besteht darin, dass die Abweichung hier einseitig durch den handelnden Staat und nicht im Konsens vorgenommen wird. Der Wortlaut des Art. 53 S. 2 WVK „no derogation is permitted“ ist aber nicht auf eine Derogation durch Konsens inter se beschränkt
367
S. die Argumentation von R. Ergec als Counsel des Königreichs Belgien im Verfahren IGH Legality of Use of Force (Serbia and Montenegro v. Belgium), CR 1999/15, Oral Proceedings am 10.5.1999, S. 7; I. Seiderman, Hierarchy in International Law, 2001, S. 287; O. Spiermann, Nordic JIL 71 (2002), S. 523; K. Ipsen, FW 74 (1999), S. 19 (22 f.). 368
Jedenfalls für den Kosovo-Einsatz der NATO sieht die Voraussetzungen des Notstandes nach den ASR als nicht erfüllt an: M. Kohen, RBDI 32 (1999), S. 122 (136 f.). 369
Vgl. T. Schilling, AVR 35 (1997), S. 430 (438); B. Schöbener, KJ 33 (2000), S. 557 (574); a. A. K. Ipsen, FW 74 (1999), S. 19 (23) unter dem Vorbehalt des Proportionalitätsprinzips. 370 371
O. Spiermann, Nordic JIL 71 (2002), S. 523 (537 f.).
ILC, Kommentar zur Art. 26 ASR, para. 4, abgedruckt in: J. Crawford, ASR, 2002, S. 188.
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405
beschränkt372 und die Rechtsfolgen des ius cogens gelten allgemein für Verträge wie für einseitige Akte.373 Wird mit dem Konflikt zwischen dem Gewaltverbot und bestimmten Menschenrechten als dem Konflikt zweier ius cogens-Normen argumentiert,374 so stellt sich auch hier das Problem, dass es bei genauer Betrachtung an einem Normkonflikt fehlt, in dem der Vorrang des ius cogens greifen könnte. Die mit dem Status zwingenden Völkerrechts ausgestatteten Menschenrechtsnormen enthalten zwar ein Verletzungsverbot, aber kein Handlungsgebot zum Schutz oder zur Prävention,375 das mit dem Gewalt- und Interventionsverbot in Konflikt geriete. Im Einzelfall kann lediglich im Rahmen des Notstandes die bloße Höherbewertung bestimmter Güter in Abwesenheit einer konkreten Pflichtenkollision zum Ausschluss der Rechtfertigung führen. Ein darüber hinausgehendes Recht zur humanitären Intervention müsste selbst anerkannt sein.376 Auch der Status bestimmter Menschenrechte als ius cogens ist kein Rechtsprinzip, das ohne Weiteres ihre Durchsetzung durch Anwendung militärischer Gewalt fordert oder zumindest Gewalt legitimiert. Vielmehr ist zwischen der universellen Geltung der Menschenrechte und der Art und Weise ihrer Durchsetzung zu unterscheiden.377 Der zwingende Charakter des Gewaltverbots schließt seine Abwägbarkeit mit anderen höchsten Werten und Gütern zwar nicht grundsätzlich aus,378 die hohe Bedeutung der ius cogens-Normen für die internationale Gemeinschaft lässt es aber sehr fraglich erscheinen, dass ein Staat unilateral über eine Abweichung entscheiden können soll.379 Begibt man sich aber auf die Ebene der Abwägung von Werten,380 so ist 372 373
Vgl. J. Crawford, Creation of States, 22006, S. 102. S. o. bei Fn. 184, 190 f.
374
Aus einer policy-orientierten Perspektive D. Kritsiotis, Mich. JIL 19 (1998), S. 1005 (1042 ff.). 375 376
I. Seiderman, Hierarchy in International Law, 2001, S. 118. C. Gray, International Law and the Use of Force, 22004, S. 45 ff.
377
B. Schöbener, KJ 33 (2000), S. 557 (564); D. Klescewski, in: ders./S. Müller /F. Neuhaus (Hg.), Kants Lehre vom richtigen Recht, 2005, S. 143 (151). 378 379
O. Spiermann, Nordic JIL 71 (2001), S. 523 (538 ff.) m. w. N. Commentary (First Reading) on Article 33, YBILC 1980-II/2, S. 50, para.
37. 380 S. auch C. Tomuschat, FW 74 (1999), S. 33 (34 f.) – Güterabwägung zwischen der Wahrung elementarer Menschenrechte und der Unverletzlichkeit des staatlichen Territoriums unter strengen Voraussetzungen: Alle Verhandlungs-
406
5. Kapitel
auch zu berücksichtigen, dass das Gewaltverbot nicht nur dem Schutz der abstrakten Souveränität oder des Staatsgebietes als solchem dient, sondern auch dem Schutz der Menschen innerhalb und außerhalb eines Staates vor der „Geißel des Krieges“.381 Die Abwägung zwischen Staatensouveränität und Menschenrechtsschutz bringt damit gar nicht notwendig gegenläufige Ziele zum Ausgleich. Einen möglichst schonenden Ausgleich im Sinn einer praktischen Konkordanz382 kann es im Fall schwerster Menschenrechtsverletzung aus tatsächlichen Gründen ohnehin kaum geben.383
III. Zwischenfazit zur Abgrenzung von Fundamentalnormen als Verfassungsrecht Eine kritische Analyse der Rechtsfolgen, die dem ius cogens jenseits des Vertragsrechts zugesprochen werden, führt nicht zu einem Widerruf des in den Abschnitten B. und C. I. gefundenen Ergebnisses: Weder liegt eine verfassungsrechtlichen Vorrang beanspruchende Kategorie von ius cogens und erga omnes-Verpflichtungen übergreifenden Fundamentalnormen noch ein verfassungsrechtlicher Vorrang des ius cogens nahe. Die Bedeutung des ius cogens zeigt sich in diesem Zusammenhang weniger in seinem hierarchischen Vorrang mit Vernichtungswirkung, sondern vor allem in seiner Ausstrahlungskraft bei der Interpretation des Völkerrechts.384 Anstatt sich auf die hierarchische Überordnung des ius cogens und ihre mechanische Anwendung zu konzentrieren, kommt es in der Praxis auf die effektive Umsetzung der zugrunde liegenden Werte im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung des Kontextes385 möglichkeiten müssen ausgeschöpft sein, es muss sich um außerordentlich schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen handeln und es dürfen im Rahmen der Intervention nur adäquate Mittel eingesetzt werden. 381 382
G. Nolte, ZaöRV 59 (1999), S. 941 (942 f.). D. Blumenwitz, Politische Studien, Sonderheft 4/1999, S. 19 (30).
383
C. Tomuschat, in: L. Caflisch/T. Stein/ders. (Hg.), Eingriff in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten zum Zwecke des Menschenrechtschutzes, 2002, S. 5 (5 f.). 384
S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 342; ILC, Kommentar zur Art. 26 ASR, para. 3, abgedruckt in: J. Crawford, ASR, 2002, S. 187; IGH Armed Activities on the Territory of the Congo (New Application: 2002), DRC v. Rwanda, Sep. Op. Judge ad hoc Dugard, ICJ Rep. 2006, S. 86 (89), para. 10. 385
A. Bianchi, EJIL 19 (2008), S. 491 (504 f.).
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und auf die Berücksichtigung des besonderen normativen Gewichts im Rahmen abwägender Entscheidungen im Einzelfall an.386 Der Frage nach der Zulässigkeit und nach dem methodischen Rahmen für solche Abwägungsentscheidungen soll im letzten Kapitel dieser Arbeit nachgegangen werden. Der gemeinsame Nenner, unter dem sich die angesprochenen Fundamentalnormen, aber auch darüber hinausgehend, bestimmte Normen etwa im Bereich des Menschenrechtsschutzes fassen lassen, ist die Transzendierung der Bilateralität und die Überschreitung der zwischenstaatlichen Ebene.387 Der Versuch, diese negative Begriffsbildung durch eine positive zu ergänzen, begegnet Schwierigkeiten. Allein aus dem Umstand, dass die Verletzungswirkung nicht lokalisiert werden kann, folgt nicht, dass die Gemeinschaft der Staaten, alle Staaten oder zumindest alle Parteien eines völkerrechtlichen Vertrages als verletzt und als Wahrer der Rechtsordnung betrachtet werden dürfen. Dass dies vielmehr eine Wertung zugunsten eines Gemeinschaftsinteresses voraussetzt, hat sich bei der Auseinandersetzung mit den Kriterien für die Ermittlung von erga omnes-Pflichten gezeigt. Die Rechtsfolgen, die im positiven Recht aus der abweichenden Normstruktur gezogen werden, sind durchaus differenziert. Letztlich ist dieser Normbereich vor allem auch dadurch gekennzeichnet, dass diversen besonderen Rechtsfolgen ein institutionelles Defizit gegenübersteht. Dieses ergibt sich daraus, dass der Mechanismus der faktischen Reziprozität hier relativ schwach ausgeprägt ist, gleichzeitig aber dem Gemeinschaftsinteresse verpflichtete Institutionen fehlen, die dies auffangen könnten. Soll die Dynamik des Reziprozitätsprinzips in der Durchsetzung des Völkerrechts wirken, so setzt dies ein Element der Zwischenstaatlichkeit voraus: Nur dort, wo das Verhalten eines Staates und die Betroffenheit eines anderen Staates einander unmittelbar entsprechen, ist es überhaupt naheliegend, dass Staaten auf Rechtsverletzungen reagieren und nicht politische Rücksichtnahmen überwiegen lassen. Anders verhält es sich bei Interessen der internationalen Gemeinschaft. Eine fingierte Reziprozität hin-
386
T. Meron, AJIL 80 (1986), S. 1 (14); ders., The Humanization of International Law, 2006, S. 206. 387 Vgl. auch F. Horn, Reservations, 1988, S. 153 zum Begriff der „transcending treaties“.
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5. Kapitel
gegen birgt die stabilitätsbedrohende Gefahr des Missbrauchs, insbesondere durch mächtige Staaten als Instrument ihrer Außenpolitik.388 Völkerrechtssoziologisch betrachtet ist die Instrumentalisierung des Menschenrechtsarguments durch die Staaten zu anderen Zwecken geradezu systemimmanent, ansonsten räumen die Staaten guten Beziehungen zu anderen Regierungen oft einen höheren Stellenwert ein als Konflikten über Menschenrechte.389 Die verminderte Effizienz des Völkerrechts kann daher dort, wo reziproke Strukturen fehlen, nur durch die Schaffung von Institutionen ausgeglichen werden, die nach ihrer Aufgabe und ihrer Struktur Interessen der Gemeinschaft wahrnehmen. Eine Konstitutionalisierung ohne Institutionalisierung ist demgegenüber ein schwaches Konzept. Darüber kann und soll die Lösung des Verfassungsbegriffs vom Staat nicht hinwegtäuschen. Die Überwindung von Bilateralität und Reziprozität im faktischen Sinne kann aber als Gradmesser der Konstitutionalisierung dienen. Reziprozität als Ausdruck des bloßen Kompromisses wirkt vor allem in imperfekten Rechtssystemen, wo die formale Gleichheit aller Teilnehmer noch nicht vollständig verwirklicht ist. Ist die tatsächliche Gleichheit der Rechtssubjekte erreicht, so sind die Verpflichtungen nicht länger synallagmatisch und die Reziprozität wird aufgegeben. Die Verpflichtungen sind dann nicht mehr an die anderer Staaten geknüpft, sondern an den Fortbestand des Systems. Reziprozität bewegt sich demnach auf einer Skala von bilateralen Strukturen zum systemischen Niveau, wo Staaten bereit sind, Verpflichtungen zu übernehmen, wenn die Garantie besteht, dass das System die Auferlegung derselben oder ähnlicher Verpflichtungen für alle Staaten des Systems sicherstellt. Reziprozität ist demnach eine Übergangsphase, ein Instrument zur Herstellung vollständiger Gleichheit.390 Der Übergang von Reziprozität zur Gleichheit geht einher mit der Zentralisierung des Rechtssystems. In zentralisierten Systemen besteht viel weniger Bedarf für Reziprozität. Rechtsbeziehungen aus multilateralen Übereinkünften, die nicht als Vielzahl bilateraler Beziehungen interpretiert werden können, führen in
388
Vgl. R. Provost, BYBIL 65 (1994), S. 383 (454); kritisch auch C. Tomuschat, RdC 241 (1993), S. 195 (366); D. Alland, Justice privée et ordre juridique international, 1994, S. 370. 389 390
B. Bryde, BDGVR 33 (1994), S. 165 (172 f.). E. Decaux, La réciprocité en droit international, 1980, S. 9.
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der Regel mittelfristig zur Einrichtung institutionalisierter Systeme als Verkörperung einer normativen öffentlichen Ordnung.391 Ansätze für ein am Gemeinschaftsinteresse orientiertes Völkerrechtsverständnis zeigen sich in der Rechtsprechung zu den besonderen Rechtsfolgen bei der Verletzung von Fundamentalnormen und darüber hinaus allgemein von Normen mit nicht-reziproker Struktur. Zwar kann die Einordnung einer Norm als gemeinschaftsbezogen und nicht nur zwischenstaatlich nicht für sich selbst neue Rechtsfolgen begründen, aber diese Einordnung ist ein konstruktivistisches Element und Anknüpfungspunkt für einen die Zuweisung besonderer Rechtsfolgen nahe legenden Diskurs.
D. UNO-Charta als hierarchisch übergeordnete Verfassung Als eine Vorrangordnung verfassungsrechtlichen Charakters kommt neben den Fundamentalnormen vor allem die Charta der Vereinten Nationen in Betracht. Die Konstitutionalisierungsthese bezieht sich sowohl für die Beobachtung der Werteorientierung des modernen Völkerrechts als auch mit ihrer konstitutionellen Perspektive auf internationale Organisationen maßgeblich auf die UNO-Charta (1. Kapitel A. I., II.). Dogmatisch könnte sich ein Verständnis der Charta als vorrangige Verfassungsordnung auf die Änderungsbestimmungen Art. 108, 109 Abs. 2 UNC (I.) oder, wie häufiger argumentiert wird, auf die Vorrangklausel des Art. 103 UNC (II.) stützen. Als entscheidender Gesichtspunkt eines Vorrangs der Charta-Ordnung lässt sich schließlich deren Autonomie herausarbeiten (III.).
I. Änderungsbestimmungen in Art. 108, 109 UNC Teilweise wird der Vorrang der Charta als Verfassungsrecht auf die Änderungsbestimmungen in Art. 108 f. UNC gestützt. Die Möglichkeit, die Charta zu ändern, soll auf die in Art. 108, 109 Abs. 2 UNC vorgesehenen Modi beschränkt sein.392 Auf dieser Annahme des abschließen391 392
R. Provost, BYBIL 65 (1994), S. 383 (384 f.). So sahen es auch die Verfasser der Charta vor, s. UNCIO XIII, S. 709 f.
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5. Kapitel
den Charakters von Art. 108 f. UNC beruht die Vorstellung, dass die Charta im Sinn einer hierarchischen Überordnung im Stufenbau der Rechtsordnung den Staaten die Kompetenz verleiht, mit ihr zu vereinbarende Verträge zu schließen. Ein im Widerspruch zur Charta stehender Vertrag unter Mitgliedstaaten, der nach ihrem Inkrafttreten geschlossen wird, ist deshalb für Kelsen wegen des Verstoßes gegen Art. 108 f. UNC null und nichtig.393 Dagegen, dass die Änderungsbestimmungen einen Vorrang der Charta begründen sollen, spricht allerdings, dass die Charta danach mit „einer Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder der Vereinten Nationen einschließlich aller ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates“ geändert werden kann. Die Änderung ist damit gegenüber der in Art. 39 WVK vorgesehenen allgemeinen Regel einer Übereinkunft zwischen allen Vertragsparteien eher leichter möglich als erschwert, wie man das aber von einer Vorrang beanspruchenden Verfassungsordnung annehmen würde.394 Hinzu kommt, dass der ausschließliche Charakter der Änderungsbestimmungen in der Charta dort nicht klargestellt wird. Auch eine solche Bestimmung könnte indes nach Auffassung der Literatur durch einen neuen formlosen Konsens der Mitgliedstaaten jedenfalls dann abgeändert werden, wenn er von allen Mitgliedstaaten getragen wird. Dementsprechend wird die Änderung der Charta auch durch ständige, als Recht anerkannte Übung oder durch formlosen zwischenstaatlichen Konsens nach den allgemeinen Normen der Vertragsänderung für zulässig gehalten.395 Wird trotz entsprechender Praxis das Änderungsverfahren nach Art. 108 f. UNC für abschließend gehalten, so basiert dieses Argument auf dem Verfassungscharakter der Charta396 und kann nicht seinerseits einen verfassungsartigen Vorrang begründen.
393
H. Kelsen, The Law of the United Nations, 1951, S. 113; vgl. B. Fassbender, UN Security Council Reform, 1998, S. 138 ff. 394 395
A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 309 ff.
A. Verdross, Völkerrecht, 51964, S. 535; ders./B. Simma, Universelles Völkerrecht, 31984, § 275; W. Karl/B. Mützelburg/G. Witschel, Art. 108, in: B. Simma (Hg.), Charter Commentary, 22002, para. 12; J. Dehaussy, Article 108, in: J. Cot/A. Pellet/M. Forteau, La Charte, Bd. 2, 32005, S. 2191 (2212 ff.); vgl. auch IGH Namibia, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1971, S. 16 (22), para. 22 – zu Art. 27 Abs. 3 UNC. 396 B. Fassbender, UN Security Council Reform, 1998, S. 137 ff.
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II. Vorrangklausel des Art. 103 UNC Die Rekonstruktion der Völkerrechtsordnung auf der Grundlage der UNO-Charta als Weltverfassung stützt sich daher dogmatisch maßgeblich auf Art. 103 UNC, der eine hierarchische Überordnung der Charta über das sonstige Völkerrecht begründen soll.397 Für eine besondere Stellung dieser Vorrangklausel spricht ihre Anerkennung als absolute Vorrangklausel im Vertragsrecht (1.). Soll sie einen verfassungsrechtlichen Charakter der Charta begründen, müsste sie aber auch über das Vertragsrecht hinaus und gegenüber Drittstaaten Bedeutung haben (2.) und müssten die Konsequenzen des angeordneten Vorrangs von besonderer, verfassungsrechtlicher Qualität sein (3.). Es zeigt sich indes, dass die dem Art. 103 UNC beigemessene Bedeutung gerade Ausdruck verschiedener Grundverständnisse der Charta ist (4.).
1. Absoluter Charakter der Vorrangklausel im Vertragsrecht Art. 30 Abs. 1 WVK und Art. 30 Abs. 6 WVKIO erkennen Art. 103 UNC als generelle Regel an und gewähren ihm damit einen anderen Status als anderen genannten Vorrangklauseln, die lediglich relative Wirkung haben.398 Weil Art. 30 Abs. 1 WVK die lex posterior-Regel mit Blick auf Art. 103 UNC qualifiziert, hätte auch ein unter allen UNOMitgliedstaaten abgeschlossenes Abkommen nur dann Vorrang vor der Charta, wenn es Art. 103 UNC ausdrücklich ergänzen würde.399 Außerdem wird in einer Reihe von Verträgen und Dokumenten ausdrücklich oder implizit auf die Charta als Maßstab für den Vertragsinhalt und die Begrenzung des Anwendungsbereichs verwiesen. Explizite Bestim-
397
S. nur B. Simma, RdC 250 (1994-VI), S. 217 (258 ff.); E. de Wet, Chapter VII, 2004, S. 92 ff.; R. Macdonald, in: ders./D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 853 (862); B. Fassbender, ibid., S. 837 (847); J. Verhoeven, RdC 334 (2008), S. 9 (336) – „certainement un élément clef d’un dispositif ‘constitutionnel’ embryonnaire“ in Art. 103 UNC. 398 399
Vgl. YBILC 1966-II, S. 214 f.
J. Pauwelyn, Conflict of Norms, 2003, S. 339; M. Milanović, Duke JCIL 20 (2009), S. 69 (76); vgl. B. Fassbender, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 837 (848). Auch in der Friendly Relations-Deklaration wird dieser Vorrang anerkannt: Anhang zu GV Res. 2625 (XXV) v. 24.10.1970, Grundsatz von Treu und Glauben, Abs. 4.
412
5. Kapitel
mungen dieser Art sind etwa Art. XXI lit. c GATT,400 Art. 1 lit. c der Satzung des Europarates,401 Art. VI Abs. 2 des Brüsseler Vertrages,402 Art. 137 (ehem. 102) der Satzung der OAS,403 die Präambel der Charta der OAU,404 Art. 7 Nordatlantikvertrag405 sowie Art. 59 ASR.406 Diese Regelungen können als Ausdruck des Willens der Verfasser und Vertragsparteien verstanden werden, die Charta als mit einem Rang im Völkerrecht ausgestattet zu verstehen, der dem aus dem Staatsrecht bekannten übergeordnetem Rang einer innerstaatlichen Verfassung vergleichbar ist.
2. Reichweite von Art. 103 UNC a) Beschränkung auf das Vertragsrecht Soll der durch Art. 103 UNC angeordnete Vorrang verfassungsrechtlichen Charakter haben, so müsste er wie der Vorrang des ius cogens auch darüber hinaus gegenüber anderem Völkerrecht umfassend sein. Art. 103 UNC bestimmt nach seinem Wortlaut, dass die Verpflichtungen von Mitgliedstaaten aus der Charta Vorrang haben, wenn sich die Charta-Verpflichtungen und ihre Verpflichtungen aus anderen internationalen Übereinkünften widersprechen.407 Der angeordnete Vorrang gilt demnach nur gegenüber anderem Vertragsrecht, nicht aber gegenüber 400
Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (GATT) v. 15.4.1994, BGBl. 1994-II, S. 1625 – für Maßnahmen zur Erhaltung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit. 401
Satzung des Europarates v. 5.5.1949, BGBl. 1950-I, S.263.
402
„Brüsseler Vertrag“ (17.3.1948) in der Fassung der „Pariser Verträge“ (23.10.1954), BGBl. 1955-II, S.283. 403
Charter of the Organization of American States v. 30.4.1948, UNTS 119,
S. 3. 404
Charter of the Organization of African Unity v. 25.3.1963, UNTS 479,
S. 39. 405
Nordatlantikvertrag v. 4.4.1949, BGBl 1955-II, S. 289/293.
406
Vgl. R. Bernhardt, Art. 103, in: B. Simma (Hg.), Charter Commentary, 2002, para. 8; K. Osteneck, Die Umsetzung von UN-Wirtschaftssanktionen durch die Europäische Gemeinschaft, 2004, S. 318; J. Thouvenin, Article 103, 3 in: J. Cot/A. Pellet/M. Forteau, La Charte, Bd. 2, 2005, S. 2133 (2143); weitere 9 Beispiele bei D. Carreau, Droit international, 2007, S. 84. 2
407 S. zur Reichweite des durch Art. 103 UNC begründeten Vorranges die detaillierte Analyse bei R. Liivoja, ICLQ 57 (2008), S. 583.
Hierarchisierung im Völkerrecht
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dem Völkergewohnheitsrecht und den allgemeinen Rechtsgrundsätzen.408 Das Verhältnis der Charta zum Völkergewohnheitsrecht sollte an dieser Stelle bewusst nicht geregelt werden, zumal bei ihrer Ausarbeitung davon ausgegangen wurde, dass die Frage nach einem solchen Konflikt nur hypothetischer Natur sei.409 Demgegenüber wird zwar auch argumentiert, der Sinn und Zweck des Art. 103 UNC verlange auch einen Vorrang gegenüber Völkergewohnheitsrecht, weil völkergewohnheitsrechtliche Verpflichtungen häufig parallel zu inhaltlich identischen Vertragspflichten bestünden.410 Sowohl nach dem Stand des universellen Völkergewohnheitsrechts 1945 als auch nach heutigem Stand sollte aber ein Konflikt der Charta mit Völkergewohnheitsrecht ausgeschlossen sein, sofern es nicht um Resolutionen des Sicherheitsrates geht. Das Argument der Effektivität läuft damit jedenfalls teilweise leer. Wird mit dem inneren Zusammenhang von Art. 103 UNC und Art. 25 UNC und zugleich mit dem Verfassungscharakter der Charta argumentiert,411 so wäre es zirkulär, aus Art. 103 UNC wiederum auf den Verfassungscharakter der Charta zu schließen.412
408
D. Bowett, EJIL 5 (1994), S. 89 (92); R. Liivoja, ICLQ 57 (2008), S. 583 (602 ff.) – aufgrund ausführlicher Auseinandersetzung mit den Travaux Préparatoires, nachfolgender Praxis, Rechtsprechung und Lehre; J. Thouvenin, Arti3 cle 103, in: J. Cot/A. Pellet/M. Forteau, La Charte, Bd. 2, 2005, S. 2133 (2140 ff.), der sich mit der lex posterior-Regel und Art. 25 UNC aber zu vergleichbaren Ergebnissen kommt. 409
UNCIO XIX, S. 376, vgl. A. Toublanc, RGDIP 108 (2004), S. 439 (446 f.); zur Lösung eventueller Konflikte u. a. mit dem lex posterior-Grundsatz s. J. Thouvenin, Article 103, in: J. Cot/A. Pellet/M. Forteau, La Charte, Bd. 2, 32005, S. 2133 (2140 ff.). 410
M. Wood, The Hersch Lauterpacht Memorial Lectures: The UN Security Council and International Law, First Lecture: The Legal Framework of the Security Council, S. 19, para. 55; M. Milanović, Duke JCIL 20 (2009), S. 69 (78 f.). 411
R. Bernhardt, Art. 103, in: B. Simma (Hg.), Charter Commentary, 22002, para. 21; vorsichtig in diesem Sinne auch ILC, Fragmentation of International Law: Difficulties Arising From the Diversification and Expansion of International Law: Report of the Study Group of the International Law Commission, UN-Dok. A/CN.4/L.682 v. 13.4.2006, para. 345. 412 Ähnlich R. Liivoja, ICLQ 57 (2008), S. 583 (612) – „would be something from the repertoire of Baron Münchhausen“.
414
5. Kapitel
b) Bedeutung gegenüber Drittstaaten Dagegen ist umstritten, ob Art. 103 UNC auch für Verträge den Vorrang der Charta anordnen soll, die UNO-Mitgliedstaaten mit Drittstaaten abgeschlossen haben.413 Insoweit wäre der Vorrang der Charta nicht mehr allein auf den Konsens der Mitgliedstaaten zu stützen, sondern objektiv mit dem verfassungsrechtlichen Charakter der Charta zu begründen. Eine solche Wirkung widerspricht grundsätzlich dem res inter alios acta-Prinzip.414 Teilweise wird eine solche Ausnahme auf die travaux préparatoires, den universellen Anspruch der Ziele der Charta oder die quasi-gesetzgeberische Inanspruchnahme von Hoheitsgewalt gestützt.415 Gegen sie spricht aber eine Aussage, die das Expertenkomitee des Sicherheitsrates anlässlich des Beitritts der Schweiz zum Statut des IGH getroffen hat. Es ging dabei um die Reichweite der Verpflichtung aus Art. 94 UNC, der in seinem Absatz 1 die Verpflichtung zur Befolgung der Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs enthält. Das Komitee stellte fest: „de l’avis du Comité, les obligations des Membres des Nations Unies, aux termes de l’Article 94, comprennent les obligations complémentaires découlant des dispositions des articles 25 et 103 de la Charte, pour autant que ces dispositions peuvent se rapporter à celles de l’Article 94; à son avis aussi, les États qui deviennent parties au Statut sans appartenir aux Nations Unies […] deviennent liés par les obligations complémentaires découlant des articles 25 et 103 dans la 413
Dafür: H. Kelsen, The Law of the United Nations, 1951, S. 113 – wegen Art. 108 UNC sei Art. 103 UNC für Verträge zwischen den Mitgliedstaaten 3 ohnehin überflüssig; L. Goodrich/E. Hambro/A. Simons, Charter, 1969, S. 614; J. Barberis, Fuentes del derecho internacional, 1973, S. 117; H. Köck, FS Zemanek, 1994, S. 63 (91); B. Fassbender, UN Security Council Reform, 1998, 2 S. 113; R. Berhardt, Art. 103, in: B. Simma (Hg.), Charter Commentary, 2002, para. 18; J. Thouvenin, Article 103, in: J. Cot/A. Pellet/M. Forteau (Hg.), La Charte, Bd. 2, 32005, S. 2133 (2136 ff.); s. dagegen die Position der Schweiz zu Art. 30 Abs. 1 WVK, Vienna Conference on the Law of Treaties, Official Records, 1st Session (1968), 31st Meeting, S. 164, para. 9. 414
R. Macdonald, Austral. YBIL 20 (1999), S. 205 (213); vgl. J. Thouvenin, Article 103, in: J. Cot/A. Pellet/M. Forteau (Hg.), La Charte, Bd. 2, 32005, S. 2133 (2139). 415
C. W. Jenks, BYBIL 30 (1953), S. 401 (436); C. Tomuschat, BDGVR 28 (1988), S. 9 (15); L. Kopelmanas, L’organisation des Nations Unies, 1947, S. 242; A. McNair, Law of Treaties, 1961, S. 217; H. Lauterpacht, YBILC 1956 II, S. 156, para. 2, 5 f.
Hierarchisierung im Völkerrecht
415
mesure où ils se rapportent aux dispositions de l’article 94 (mais non autrement)…“.416 Eine selbständige Drittbindung durch Art. 103 UNC nimmt das Komitee damit ausdrücklich nicht an.
c) Interne Maßstabsfunktion der Charta Die Frage nach einem Vorrang der Charta gegenüber anderem Völkerrecht ist ein Aspekt der „makrokonstitutionellen“ Analyse der Charta als Verfassung der internationalen Gemeinschaft, die im Gegensatz zur „mikrokonstitutionellen“ Analyse steht. Diese betrachtet die Charta nur als Organisationsstatut der Vereinten Nationen,417 das deren Organe einrichtet und mit Kompetenzen ausstattet.418 Für den institutionsinternen Verfassungscharakter kommt es auf das Verhältnis der Charta zu dem durch ihre Organe, insbesondere den Sicherheitsrat, geschaffenen Sekundärrecht und auf ihr Verhältnis zu den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten an. Eine derartige interne Hierarchie zeigt sich etwa im Rahmen der Gebietsverwaltung durch die Vereinten Nationen für einen Teil des UN-Rechtssystems mit Bezug auf ein spezifisches Gebiet: An der Spitze der Normpyramide steht die UNO-Charta, darunter die auf ihrer Grundlage erlassenen Sicherheitsratsresolution (Res. 1244 vom 10.6.1999 für das Kosovo, Res. 1272 vom 25.10.1999 für Ost-Timor). Auf der Ebene darunter begründen die constitutional regulations eine Selbstbindung der auf dem Gebiet tätigen Unterorgane der Vereinten Nationen, darunter wiederum sind die von der Übergangsverwaltung erlassenen regulations und administrative directions einzuordnen.419
3. Konsequenzen des durch Art. 103 UNC angeordneten Vorrangs Soll die beschränkte Vorrangwirkung des Art. 103 UNC dennoch dogmatischer Anknüpfungspunkt für den Verfassungscharakter der Charta
416
Rep. UNO, No. 5, S. 330.
417
J. Kunz, AJIL 41 (1947), S. 119 (121); W. Friedmann, The Changing Structure of International Law, 1964, S. 153; H. Waldock, YBILC 1962, Bd. I, S. 242; N. D. White, SJICL 4 (2000), S. 281 (291 ff.). 418
P.-M. Dupuy, RdC 297 (2002), S. 1 (227 f.); vgl. auch N. Matz, Wege zur Koordinierung völkerrechtlicher Verträge, 2005, S. 251. 419
M. Ruffert, ICLQ 50 (2001), S. 613 (623).
416
5. Kapitel
sein, so müsste die Verfassungslesart die Nichtigkeit entgegenstehender Verträge begründen können.420 Der Wortlaut des Art. 103 UNC ist diesbezüglich unbestimmter als die Formulierung der Vorgängerbestimmung Art. 20 VBS, der zufolge die Satzung jedenfalls bestehende „Verpflichtungen und Einzelverständigungen aufhebt, die mit ihren Bestimmungen unvereinbar“ sind. Demgegenüber ist die Sprache der Charta sowohl in der deutschen Übersetzung als auch in den authentischen Sprachen (Art. 111 UNC), chinesisch („٣“),! französisch („prévaudront“), russisch („ɩɪɟɢɦɭɳɟɫɬɜɟɧɧɭɸ ɫɢɥɭ ɢɦɟɸɬ“), englisch („prevail“) und spanisch („prevalecerán“) für verschiedene Deutungen offen.421 Art. 103 UNC könnte durchaus auch eine Kollisionsregel sein, die die Geltendmachung der Staatenverantwortlichkeit ausschließt, wenn die UNO-Mitgliedstaaten in Ausführung von Verpflichtungen aus der Charta, insbesondere in Durchführung von Beschlüssen des Sicherheitsrates nach Kapitel VII, anderen vertraglichen Verpflichtungen nicht entsprechen können.422 Soweit es nur darum geht, einen Vorrang ab 420
In diesem Sinne H. Rolin, RdC 77 (1950-II), S. 305 (434); L. Oppenheim, 8 International Law, hg. v. Hersch Lauterpacht, Bd. 1: Peace, 1955, S. 895 f., para. 503a; A. McNair, Law of Treaties, 1961, S. 217 f., 221 – für spätere Verträge mit 3 Nichtmitgliedstaaten; G. Schwarzenberger, International Law, Bd. 1, 1957, S. 476; vgl. H. Kelsen, The Law of the United Nations, 1951, S. 114, 118; P. Guggenheim, Traité de Droit international public, 21967, Bd. 1, S. 273; J. Barberis, Fuentes del derecho internacional, 1973, S. 117; W. Karl, Vertrag und spätere Praxis, 1983, S. 70 – höherrangig im derogatorischen Sinne mit ungeklärter Rechtsfolge; R. Macdonald, FS Schwarzenberger, 1988, S. 196 (202); B. Fassbender, UN Security Council Reform, 1998, S. 103 f.; G. Biaggini, ZSR NF 119 (2000), S. 445 (459); vermittelnd R. Bernhardt, Art. 103, in: B. Simma (Hg.), Charter Commentary, 22002, para. 2, 15 ff.; vgl. K. Osteneck, Umsetzung von UN-Wirtschaftssanktionen, 2004, S. 323 m. w. N. in Fn. 1170; so wohl auch Schweizerisches Bundesgericht Nada gegen seco, Staatssekretariat für Wirtschaft, sowie Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) 1A.45/2007 v. 14.11.2007, BGE 133 II, S. 450 (460), para. 6.2 – Art. 103 UNC als Ausdruck einer „völkerrechtliche[n] Normenhierarchie“. 421
R. Bernhardt, Art. 103, in: B. Simma (Hg.), Charter Commentary, 22002, para. 2; a. A. E. Sciso, ÖZöRV 38 (1987), S. 161 (171) – Wortlaut spreche gegen Nichtigkeitsfolge. 422
N. Bentwich/A. Martin, Charter of the United Nations, 1950, S. 180; G. Haraszti, Problems of the Law of Treaties, 1973, S. 300 f. – früherer Vertrag „ineffective“ zwischen den Parteien eines späteren kollidierenden Vertrages, wenn diese dahin übereinstimmen; A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, 31984, § 641 – Parteien lediglich verpflichtet, den Normenkonflikt zu-
Hierarchisierung im Völkerrecht
417
initio der Charta unmittelbar auf deren vertragliche Bestimmungen zu stützen, sprechen eine Reihe von Argumenten gegen die Annahme, dass Art. 103 UNC einen hierarchischen Vorrang anordne.423 Die automatische Verdrängung von mit der Charta kollidierenden Vertragsnormen, die dem Grundsatz pacta sunt servanda widerspricht,424 wurde auf der Konferenz von San Francisco erwogen und verworfen,425 weil sie keine Voraussetzung für eine effektive Anwendung der Charta ist.426 Von einer Kollisionsnorm scheint auch das aktuelle Verständnis der ChartaOrgane auszugehen.427 Art. 103 UNC allein kann jedenfalls nicht die Einhaltung der Satzungsbestimmungen garantieren, da er lediglich das rechtliche Dürfen der Vertragsparteien beschränkt, nicht aber ihre völ-
gunsten der Pflichten aus der Charta aufzulösen; E. Sciso, ÖZöRV 38 (1987), S. 161 (169 f.) m. w. N. in Fn. 22; W. Czapliński/G. Danilenko, NYIL 21 (1990), S. 3 (16); S. Szurek, in: J. Cot/A. Pellet/M. Forteau (Hg.), La Charte, Bd. 2, 3 2005, S. 29 (39); V. Bore Eveno, RGDIP 110 (2006), S. 827 (846); K. Osteneck, Umsetzung von UN-Wirtschaftssanktionen, 2004, S. 323 – entgegenstehende Vorschrift bleibt grundsätzlich rechtwirksam, tritt nur im konkreten Konfliktfall zurück und wird dann in ihrer Anwendbarkeit suspendiert; D. Carreau, Droit international, 92007, S. 83; R. Liivoja, ICLQ 57 (2008), S. 583 (597); M. Milanović, Duke JCIL 20 (2009), S. 69 (76). 423
G. Fitzmaurice, Third report on the law of treaties, YBILC 1958-II, S. 20 (43), para. 86; K. Wolfke, PYIL 6 (1974), S. 145 (157); J. Sztucki, Ius cogens and the Vienna Convention on the Law of Treaties, 1974, S. 29, 40 f.; P. Cahier, in: A. Cassese (Hg.), Current Problems of International Law, 1975, S. 81 (102); E. Scizo, ÖZöRV 38 (1987), S. 161 (169 ff.); R. Macdonald, FS Schwarzenberger, 1988, S. 196 (198 f.); W. Czapliński/G. Danilenko, NYIL 21 (1990), S. 3 (16 f.) m. w. N.; S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, S. 28 m. w. N.; J. Mus, NILR 45 (1998), S. 208 (216); A. Paulus, Die internationale Gemeinschaft, 2001, S. 309; ders., in: I. Dekker/W. Werner (Hg.), Governance and International Legal Theory, 2004, S. 59 (66); A. Toublanc, RGDIP 108 (2004), S. 439 (452 f.); offen gelassen bei B. Simma, RdC 250 (1994-VI), S. 217 (261). 424
R. Macdonald, Austral. YBIL 20 (1999), S. 205 (213).
425
Bericht des Committee IV/2 der San Francisco Conference, Dok. 933, 13 U.N. Conf. Doc. 703, 707 (1945); UNCIO XIII, S. 604, 672. 426
K. Osteneck, Umsetzung von UN-Wirtschaftssanktionen, 2004, S. 313; A. Toublanc, RGDIP 108 (2004), S. 439 (453). 427
S. etwa SR Res. 670 v. 25.9.1990, die in Ziff. 3 die Mitgliedstaaten auffordert, die Resolution 661 v. 6.8.1990 ungeachtet der Rechte und Pflichten aus internationalen Übereinkünften und Verträgen anzuwenden, also nicht deren Nichtigkeit annimmt; W. Czapliński/G. Danilenko, NYIL 21 (1990), S 3 (17); A. Toublanc, RGDIP 108 (2004), S. 439 (452).
418
5. Kapitel
kerrechtliche Fähigkeit, der Charta widersprechende Verpflichtungen untereinander einzugehen.428 Ein systematisches Argument lässt sich aus der Wiener Vertragsrechtskonvention ableiten. Dort wurde eine Vorrangregelung zugunsten von Art. 103 UNC nicht etwa im Kontext der Bestimmungen über die Ungültigkeit von Verträgen (Art. 46 ff. WVK) aufgenommen, sondern im Zusammenhang mit den Regeln über die Anwendung zeitlich aufeinanderfolgender Verträge mit demselben Gegenstand in Art. 30 Abs. 1 WVK. Der Vorrang der Charta wird auf diese Weise als Ausnahme zum Vorrang der lex specialis (Art. 30 Abs. 2 WVK) und der lex posterior (Art. 30 Abs. 3, 4 WVK) eingeordnet.429 Dagegen spricht für das verfassungsrechtliche Verständnis, dass die Begründung einer Hierarchie durch Art. 103 UNC von den Staaten akzeptiert zu werden scheint.430
4. Bedeutung des Art. 103 UNC vor dem Hintergrund verschiedener Grundverständnisse der Charta Für das Verständnis der Charta als Vorrangordnung kommt es danach auf das zugrunde liegende Grundverständis der Charta an.431
a) Höherer Stellenwert für die soziale Solidarität Auf der Grundlage des objectivisme social Scelles kann man annehmen, dass der Charta im Verhältnis zu anderen Normen ein Hierarchie begründender höherer Stellenwert für die soziale Solidarität der Weltge-
428 K. Osteneck, Umsetzung von UN-Wirtschaftssanktionen, 2004, S. 313. Daran ändert auch Art. 30 Abs. 1 WVK nichts, s. YBILC 1964-II, S. 187, para. 9; M. Zuleeg, GYIL 20 (1977), S. 246 (252); vgl. A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, 31984, § 94. Dieser Vorbehalt kann jedenfalls einen der Charta widersprechenden Vertrag aller Mitgliedstaaten nicht an seiner Wirksamkeit hindern. 429
A. Toublanc, RGDIP 108 (2004), S. 439 (455); S. Kadelbach/T. Kleinlein, AVR 44 (2006), S. 235 (250); S. Hörmann, AVR 44 (2006), S. 267 (275). 430
B. Fassbender, UN Security Council Reform, 1998, S. 104; vgl. K. Osteneck, Umsetzung von UN-Wirtschaftssanktionen, 2004, S. 313; M. Akehurst, BYBIL 47 (1974-1975), S. 273 (277 f.) will hier das Quorum des Art. 108 UNC analog anwenden. 431
Zusammenfassend E. Suy, FS Bernhardt, 1995, S. 267.
Hierarchisierung im Völkerrecht
419
meinschaft zukommt.432 Nach dieser Lehre besteht ein innerer Zusammenhang zwischen der Regelung legislativer, judikativer und exekutiver Funktionen der Charta-Organe als Verfassungsfunktionen433 und dem Vorrang der Charta. Er wird dadurch begründet, dass der Charta eine hohe soziale Wertigkeit gerade deshalb zukommt, weil ihre Organe zur sozialen Solidarität in einer Gerechtigkeits- und Friedensordnung beitragen.434 Der Charta widersprechendes Recht würde früher oder später durch besser mit dem objektiven Recht im Einklang stehendes Recht abgelöst.435 Die Bedeutung der Vereinten Nationen für die Weltgemeinschaft könnte so die Stellung der Charta vor allem im Verhältnis zu anderen Verträgen geringerer sozialer Wertigkeit begründen, nicht so sehr im Verhältnis zu dem durch die Charta-Organe selbst geschaffenen Sekundärrecht. Allerdings müsste sich eine Einschränkung aus dem fragmentarischen Charakter der Charta ergeben. Bei der Definition von Werten und rechtlichen Standards beschränkt sie sich auf Frieden und Friedenserhaltung, Selbstbestimmungsrecht und Gleichheit der Staaten, gibt aber für sich allein wenig Auskunft über Ziele und Werte der internationalen Organisation und des internationalen Rechts.436 Die Bedeutung universeller Menschenrechte ergibt sich erst aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und den Menschenrechtspakten. Mit einem auf soziale Wertigkeit gestützten Vorrang lässt sich auch keine Zweiteilung des Völkerrechts in Verfassungsrecht und einfaches Völkerrecht begründen. Die soziale Wertigkeit ist vielmehr relativ und begründet eine Vielzahl von Vorrangkonstellationen zwischen verschiedenen Normen. Bei Scelle selbst ist der Begriff der Hierarchie zudem von begrenzter Bedeutung. Das hierarchische Prinzip grenzt er nicht zu anderen Kolli-
432
Vgl. P. Allott, EJIL 10 (1999), S. 31 (37 f.); M. Scheyli, AVR 40 (2002), S. 273 (280 f.) – Begründung des Vorrangs eines internationalen Verfassungsrechts mit der Ausrichtung am Gemeinwohl, Gemeinwohlorientierung als eigentlicher Legitimationsgrund für Hierarchie. 433 Vgl. G. Scelle, FS Carré de Malberg, 1933, S. 501 (511 f.); ders., RdC 46 (1933-IV), S. 327 (423); s. zu den Verfassungsfunktionen in der Charta auch die Nachweise im 1. Kapitel A. II. 1. 434
G. Scelle, RdC 46 (1933-IV), S. 327 (424); vgl. E. Suy, FS Bernhardt, 1995, S. 267 (271). 435 436
Vgl. G. Scelle, Précis I, 1932, S. 5. Vgl. E. McWhinney, United Nations Law Making, 1984, S. 167.
420
5. Kapitel
sionsregeln ab,437 sondern findet es etwa auch im Vorrang der lex specialis und der lex posterior.
b) Fortdauer und Durchsetzungsmacht der Institution im Gegensatz zum zeitlich begrenzten Vertrag Auf der Grundlage institutionalistischer Rechtstheorien beruht der Vorrang der UNO-Charta auf der Durchsetzung des in ihr verkörperten Verfassungsrechts durch die auf Dauer begründete Institution. Der Vorrang der Verfassung ist damit Ausdruck ihrer institutionellen Verstetigung. Sie lässt sich nicht so sehr im Verhältnis zwischen Verfassung und dem einfachen Recht der Institution verstehen,438 sondern im Verhältnis zum übrigen Recht außerhalb der Institution. Die Verfassung als Gründungsakt steht begrifflich im Gegensatz zum Vertrag. Sie kann also mit dem Vorrang der Vereinten Nationen als Teilordnung des Völkerrechts in Verbindung gebracht werden. Die so verstandene Verfassung der Institution der Vereinten Nationen findet sich aber nur teilweise in der UNO-Charta. Das Verhältnis zu den Sonderorganisationen ergibt sich vielmehr erst aus den Abkommen des Wirtschafts- und Sozialrates mit den Organisationen nach Art. 57, 63 UNC. Die wirkmächtige Welthandelsorganisation ist dagegen gar keine Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Grundlage für das Verhältnis beider Organisationen ist vielmehr ein Briefwechsel zwischen dem Generaldirektor der WTO und dem UNO-Generalsekretär.439 Für einen institutionell begründeten Vorrang der ChartaOrdnung ist zudem das Verhältnis zu anderen internationalen Organisationen durchaus problematisch.440 Das gilt insbesondere gegenüber Vorrang beanspruchenden regionalen Grundrechtsordnungen wie der EMRK. Dort lässt sich eine Tendenz feststellen, allgemeine Regeln des Völkerrechts, etwa über die Immunität, an der EMRK zu messen.441 437 438
So etwa C. W. Jenks, BYBIL 30 (1953), S. 401. S. R. Monaco, FS Rousseau, 1974, S. 153 (154 ff.).
439
Exchange of Letters constituting a global arrangement on cooperation, 29.9.1995, UNTS 1889, S. 590. 440 441
Vgl. dazu L. Helfer, Loyola L.A. LR 37 (2003), S. 193 (215).
C. Walter, ZaöRV 59 (1999), S. 961 (980 f.); E. de Wet, LJIL 19 (2006), S. 611 (617 f.); dies., ICLQ 55 (2006), S. 51 (60), s. etwa EGMR Waite & Kennedy v. Germany [GC], No. 26083/94, ECHR 1999-I, S. 393; McElhinney v. Ireland [GC], No. 31253/96, ECHR 2001-XI, S. 37; Fogarty v. the United
Hierarchisierung im Völkerrecht
421
Denkbar ist zwar, dass der EGMR Konflikte auf der Grundlage eines „functional bias“ gelöst hat, also nicht notwendigerweise den EMRKRechten einen höheren Rang einräumen wollte. Für die gegenteilige Annahme sprechen aber die häufigen Bezugnahmen auf den Verfassungscharakter der EMRK und ihre Rolle als Instrument einer europäischen öffentlichen Ordnung.442 Auffällig ist jedenfalls, dass der EGMR im Fall Behrami und Saramati, in dem es auf das Verhältnis von Charta und EMRK hätte ankommen können, Art. 103 UNC nicht erwähnt, obgleich sich die beklagten Staaten ausführlich auf den Vorrang der Charta stützten, sondern den Fall als Problem der Zurechnung an die Vereinten Nationen oder an Mitgliedstaaten bearbeitet.443 Aus den Befugnissen des Sicherheitsrates nach Kapitel VII könnte sich der Vorrang der UNO-Charta als Institution zumindest für den Bereich der Wahrung von Weltfrieden und internationaler Sicherheit ergeben.444 Für die Wirkungsmacht der Institution in diesem Bereich kommt es allerdings nicht allein auf das in der Charta angeordnete Monopol des Sicherheitsrates zur Legitimation von Gewaltanwendung außerhalb der Selbstverteidigung an. Zu berücksichtigen ist vielmehr, dass den Vereinten Nationen keine eigenen militärischen Mittel zur Verfügung stehen und der Sicherheitsrat de facto vom Verhalten der militärischen Großmächte bestimmt wird.445 Auch Peace-Keeping-Einsätze beruhen nach der Agenda for Peace auf Sondervereinbarungen mit den Staaten, deren
Kingdom [GC], No. 37112/97, ECHR 2001-XI, S. 157; s. aber auch EGMR AlAdsani v. UK [GC], No. 35763/97, ECHR 2001-XI, S. 79; für den Vorranganspruch der EMRK vgl. auch EGMR Slivenko v. Latvia (dec.) [GC], No. 48321/99, ECHR 2002-II, S. 467 und dazu G. Cohen-Jonathan/J. Flauss, AFDI 48 (2002), S. 675 (679 ff.). 442
E. de Wet, LJIL 19 (2006), S. 611 (618); s. zum Verhältnis von EMRK und konfligierenden völkerrechtlichen Normen in der Rechtsprechung des EGMR C. Janik/T. Kleinlein, GoJIL 1 (2009), S. 459 (496 ff.). 443
EGMR Agim Behrami and Bekir Behrami v. France und Ruzhdi Saramati v. France, Germany and Norway, No. 71412/01, 78166/01, Entsch. [GC] v. 31.5.2007; vgl. M. Milanović, Duke JCIL 20 (2009), S. 69 (84). 444 S. zur Bedeutung der Befugnisse des Sicherheitsrates für eine konstitutionelle Lesart der Charta C. Tomuschat, RdC 241 (1993-IV), S. 195 (256); J. Frowein, RdC 248 (1994-IV), S. 353 (355 ff.); ders., in: H. Jäckel (Hg.), Ist das Prinzip der Nichteinmischung überholt?, 1995, S. 10. 445 A. Paulus, in: I. Dekker/W. Werner (Hg.), Goverance and International Legal Theory, 2004, S. 59 (64 ff.).
422
5. Kapitel
Territorien oder Bevölkerungen betroffen sind.446 Der Schluss von der institutionellen Wirkungsmacht auf die normative Vorrangordnung ist danach nicht einfach zu begründen. Nahe läge dann am Ende auch der Umkehrschluss: Wenn das UN-System die internationale Sicherheit nicht garantieren kann, hat es auch rechtlich keine Vorrang- oder gar Bindungswirkung mehr.447
c) Grundlegende Entscheidungen Andere Auffassungen gehen von einem Vorranganspruch grundlegender Normen aus.448 Bei Jenks etwa ist das Vorrang begründende Hierarchie-Prinzip eines von mehreren Prinzipien zur Lösung von Normkonflikten. Von ihm werden beispielsweise Verträge erfasst, die den Charakter von international settlements haben. Historisch zählen dazu etwa das public law of Europe, die Völkerbundsatzung, aber auch die UNOCharta. Der auf den inhaltlichen Charakter von Verträgen gestützte Vorrang soll aber nicht allgemein bedeuten, dass Verträge allgemeinen Charakters wie Menschenrechtsverträge oder Kodifikationsverträge Verträge mit Regelungen technischen Charakters verdrängen können. Das würde zwar deren Effizienz fördern. Die Lösung von Kollisionen zwischen Normen mit allgemeinem Ziel- oder Prinzipiencharakter und konkreten technischen Bestimmungen allein durch eine Verdrängung der technischen Norm ist aber problematisch.449 Soll sich die verdrängende Vorrangwirkung auf den grundlegenden Charakter einer Norm stützen, so muss dieser für jede einzelne Bestimmung nachgewiesen werden. Die Charta enthält indes mit den Regelungen zu Unterzeichnung, Ratifizierung und Änderungen (Art. 108110 UNC) sowohl vertragstypische Bestimmungen als auch mit ihren Zielen und Grundsätzen (Art. 1, 2, aber auch Art. 55, 73, 74, 76 UNC) Bestimmungen normativen Charakters sowie ferner mit den Vorschriften zur Mitgliedschaft und zur Zusammensetzung, Funktionsweise und 446
UN-Dok. A/47/277 – S/24111, para. 43; vgl. G. Arangio-Ruiz, EJIL 8 (1997), S. 1 (1, 11). 447 448 449
Vgl. M. Glennon, Harv. JLPP 25 (2001), S. 539 (540 f.). Vgl. B. Simma, RdC 250 (1994-VI), S. 217 (260 f.).
C. W. Jenks, BYBIL 30 (1953), S. 401 (439 ff.). Jenks unterscheidet vom „hierarchic principle“ das „autonomous operation principle“ (ibid., S. 448 f.), demzufolge sich jede internationale Organisation zunächst an ihre eigene Verfassung gebunden sieht.
Hierarchisierung im Völkerrecht
423
zu den Befugnissen der Organe auch Bestimmungen verfassungsrechtlichen Typs.450 Dem Inhalt nach kommt wohl allenfalls den grundlegenden Aussagen der Charta über die Struktur der Staatengemeinschaft in Art. 2 UNC451 und den Regelungen über die militärische Gewalt, die ein Gewaltmonopol des Sicherheitsrates begründen, Verfassungscharakter zu. Als Vollverfassung der internationalen Gemeinschaft ist die Charta insgesamt zu fragmentarisch.452 Sie erscheint mehr als Verfassung der Vereinten Nationen und nicht der Weltgemeinschaft in abstracto. Sie ist nicht dafür geschaffen, alle internationalen Rechtsbeziehungen zwischen Staaten zu regeln, insbesondere nicht die bilateralen oder multilateralen Beziehungen außerhalb der UNO.453 Der Vorrang der Charta insgesamt lässt sich auf diese Weise daher kaum begründen. Es zeigt sich hier zudem, dass die Verfassungslesart des Art. 103 UNC zirkulär ist. Sie setzt den verfassungsrechtlichen Charakter der Charta schon voraus, um auf dieser Grundlage den verfassungsrechtlichen Vorrang mit Nichtigkeitsfolge zu begründen. Weder die erörterten Bestimmungen der Charta noch ihr Inhalt können für sich allein diese Nichtigkeitsfolge erklären.
III. Vorrang als Ausdruck von Autonomie Die verschiedenen Ansätze, die der Charta einen besonderen Status einräumen, knüpfen an theoretische Annahmen Aussagen über die Stellung und Wirkungsweise der Charta. Einen entscheidenden Aspekt erfassen die einzelnen inhaltlich orientierten Ansätze aus ihrer jeweiligen Perspektive: Die Charta gilt als die ethische und rechtliche Matrix für zwingende Normen des Völkerrechts,454 ihre Ziele und Grundsätze sind eine materielle Quelle der höchsten Werte der internationalen Ge-
450
N. Schrijver, MPYUNL 10 (2006), S. 1 (5).
451
Für Schwarzenberger sollen die Grundsätze des Art. 2 UNC konsensuales ius cogens bilden, an anderer Stelle wird aber das Recht internationaler Institutionen insgesamt als Verfassungsrecht eingeordnet G. Schwarzenberger, International Constitutional Law, 1976, S. 125 f. einerseits, S. 116 andererseits. 452 453 454
R. Uerpmann, JZ 56 (2001), S. 565. I. Seiderman, Hierarchy in International Law, 2001, S. 283.
P.-M. Dupuy, MPYUNL 1 (1997), S. 1 (11); vgl. auch R. Macdonald, FS Schwarzenberger, 1988, S. 196 (202).
424
5. Kapitel
meinschaft.455 Zwar beginnt die Geschichte des ius cogens schon früher,456 die Charta und die Vereinten Nationen bilden aber den entscheidenden rechtlichen und institutionellen Rahmen für die Weiterentwicklung der Grundlagen des Völkerrechts. Das rechtfertigt es, auch in Abwesenheit einer über die Friedenssicherung hinausgehenden Supranationalität, in Teilen von einer Konstitutionalisierung der Charta auszugehen, wo ihre Bestimmungen sich von Vertragsrecht zu unverfügbarem ius cogens entwickelt haben. Das gilt jedenfalls für das Gewaltverbot, das Selbstbestimmungsrecht, grundlegende Menschenrechte und die Hoheit über die natürlichen Ressourcen.457 Einige Probleme für eine verfassungsrechtliche Lesart der Charta, etwa ihr fragmentarischer Charakter, ihr Verhältnis zum ius cogens außerhalb der Charta, zu den Verfassungen anderer internationaler Organisationen, insbesondere auch regionalen Charakters,458 und zu den Verfassungen – mächtiger – Mitgliedstaaten lassen sich aus verschiedener theoretischer Perspektive unterschiedlich formulieren. Was sich aus normlogischer Sicht als Frage nach konkurrierenden Grundnormen darstellt, ist aus institutioneller Sicht ein Gesichtspunkt der Wirkungsmacht der Vereinten Nationen.459 Unter dem Begriff der Autonomie der durch die Charta geschaffenen Ordnung lassen sich diese Betrachtungsweisen zusammenführen. Entscheidender Gesichtspunkt eines Vorrangs der Charta-Ordnung ist demnach deren Autonomie. Hier wiederum ist es vor allem die Stellung der Charta und der Vereinten Nationen als selbständige Grundlage der Völkerrechtsentwicklung, die ihre besondere, autonome Stellung begründet. Die Entfaltung der in den Artikeln 1 Nr. 3, 55, 56, 62 und 68 UNC angelegten Inhalte hat wesentlich zu dem Klima beigetragen, in 455
S. Szurek, in: J. Cot/A. Pellet/M. Forteau (Hg.), La Charte des Nation Unies, 2005, S. 29 (45 f.). 456
S. o., Fn. 61.
457
Vgl. S. Szurek, in: J. Cot/A. Pellet/M. Forteau (Hg.), La Charte des Nation Unies, 2005, S. 29 (42 f.). 458
Der EGMR etwa hat den Vorrang der UNC vor der EMRK nach Art. 103 UNC bislang nicht bestätigt. Die UNC greift nicht per se in die Grundrechte des Einzelnen ein. Auch die Formulierung von Sanktionsresolutionen im Widerspruch zu internationalen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten ist nicht zwingend. S. D. Klein, FS Wildhaber, 2007, S. 237 (254). 459 Für Überlegungen zu einer doppelten Grundnorm im Völkerrecht s. R. Macdonald, FS Schwarzenberger, 1988, S. 196 (209 ff.).
Hierarchisierung im Völkerrecht
425
dem in den Vereinten Nationen das System des internationalen Menschenrechtsschutzes geschaffen worden ist. Diese Schutzmechanismen haben wiederum wesentlich zur Anerkennung des erga omnes-Charakters und teilweise auch des zwingenden Charakters von Menschenrechtsnormen beigetragen.460 Die Verfassungsfunktion der Charta ist daher weniger in ihrem hierarchischen Vorrang als vielmehr in der Katalysatorwirkung der Charta-Ordnung für die Entwicklung des Völkerrechts zu sehen.461
E. Zwischenfazit: Dogmatik und Argumentation im Völkerrecht Die Hierarchisierungsthese ist als Element einer allgemeinen Dogmatik, die einem konstitutionellen Völkerrechtsverständnis folgt, ungeeignet, bestimmte humanitäre Werte im Völkerrecht zu petrifizieren. Die Dogmatik kann das Fehlen gemeinschaftlicher Institutionen nicht kompensieren. Nicht nur ist die Behauptung eines Vorrangs von Gemeinschaftsinteressen, die sich in der Dogmatik abbilden soll, eine Übertreibung und zu weit reichende Reduktion der Komplexität völkerrechtlicher Normstrukturen. Vielmehr bereitet sie potentiell gar die Grundlage für eine Tarnung von Machtinteressen. Zudem kann das Verhältnis von Gemeinschafts- und Staatenwerten nicht abstrakt bestimmt werden, sondern zeigt sich konkret in der einzelfallbezogenen Rechtsanwendung. Auch finden sich weder hinreichende gemeinsame Merkmale von ius cogens und erga omnes-Verpflichtungen, um sie als einheitliche Kategorie völkerrechtlichen Verfassungsrechts einzuordnen, noch liegt ein verfassungsrechtlicher Vorrang des zwingenden Völkerrechts nahe: Ius cogens und Verpflichtungen erga omnes können weder ratione materiae noch auf der Grundlage ihrer Normstruktur aussagekräftig als homo460
E. de Wet, ICLQ 55 (2006), S. 51 (57); s. zum institutionellen Rahmen M. Nowak, Introduction to the International Human Rights Regime, 2003, S. 73 ff.; vgl. E.-U. Petersmann, FS Jaenicke, 1998, S. 313 (339): “The UN Charter has enhanced the modern renaissance of constitutionalism through its commitments to human rights and decolonization.” 461
Vgl. P.-M. Dupuy, MPYUNL 1 (1997), S. 1 (10 f., 31); J. Frowein, Stichwort „Jus cogens“, EPIL III, 1997, S. 65 (67); E. de Wet, ICLQ 55 (2006), S. 51 (59).
426
5. Kapitel
gene Gruppe von Fundamentalnormen zusammengefasst werden. Das ius cogens-Prinzip lässt sich am besten als eine Kollisionsregelung für Konflikte zwischen Normen auf gleicher Ebene verstehen. Die besonderen Rechtsfolgen, die jenseits des Vertragsrechts an die Verletzung zwingenden Völkerrechts geknüpft werden, rechtfertigen seine Einordnung als verfassungsrechtliche Normkategorie nicht. Des weiteren ist die besondere Stellung der UNO-Charta im Völkerrecht der Gegenwart weniger als Ausdruck eines hierarchischen Vorrangs zu sehen. Sie beruht vielmehr auf ihrer Katalysatorwirkung für die Entwicklung des Völkerrechts nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Vielfältigkeit der normativen Binnendifferenzierungen innerhalb der Völkerrechtsordnung bedeutet zugleich, dass die Einordnung der Hierarchisierung im Völkerrecht als Abbild eines Merkmals des Verfassungsrechts eine relativ weit gehende Vereinfachung voraussetzen würde. Vielmehr ist die Vorrangthese vor allem eine Grundlage der Argumentation, entbindet aber den nicht von einem Rechtfertigungszwang, der sich auf sie beruft. Das entspricht einem für das Völkerrecht adäquaten offenen Verfassungsverständnis, das das Augenmerk auf den Prozess der Verwirklichung der Verfassungsgrundsätze lenkt.
6. Kapitel: Völkerrecht als objektive universelle Ordnung zum Schutz von Gemeinschaftsgütern A. Universelle Normen im Völkerrecht Ein weiteres wichtiges Element einer der Konstitutionalisierungslehre verpflichteten allgemeinen Dogmatik des Völkerrechts ist die Begründung einer objektiven universellen Ordnung zum Schutz von Gemeinschaftsgütern. Der Zusammenhang zwischen der Entwicklung objektiver, konsensunabhängiger Normen im Völkerrecht und der Konstitutionalisierung ist ein dreifacher.1 Lässt sich über das ius cogens hinaus eine relevante Entwicklung objektiver Völkerrechtsnormen mit einer Tendenz zur Universalität nachweisen, so kann derartigen Normen erstens schon qua Universalität ein besonderer Status, eine konstitutionelle Bedeutung zukommen.2 Das Ausmaß universeller Regelungen im Völkerrecht und die Inhalte universeller Normen kennzeichnen die Konstitutionalisierung dieser Ordnung zweitens im Sinne einer Entwicklung von einer polynormativen zu einer systematischen Rechtsordnung.3 Während das traditionelle, polynormative Völkerrecht allein im Staatenkonsens wurzelt4 und daher fragmentarisch bleibt, sollen Normen konstitutionellen Charakters eine umfassende Bindungswirkung entfalten. Nach H. L. A. Hart wandelt sich das Völkerrecht von einem set of rules zu einem system of rules, wenn seine Regeln Staaten effektiv bin-
1
S. außerdem zur Entwicklung der Völkerrechtsordnung zu einer universellen Rechtsordnung als historischer Voraussetzung der Konstitutionalisierung M. Scheyli, Konstitutionelle Gemeinwohlorientierung, 2008, S. 33 ff. 2
Vgl. M. Forteau, in: R. Chemain/A. Pellet (Hg.), La Charte des Nations Unies, 2006, S. 121 (126); s. zu den Bedeutungsebenen der Universalität des Völkerrechts und den Herausforderungen für sie B. Simma, EJIL 20 (2009), S. 265. 3
T. Schilling bezeichnet die Generalisierung internationaler Normen zum Schutz individueller Rechte in Überwindung der traditionellen „Polynormativität“ des Völkerrechts (P. Weil, RdC 237 (1992-VI), S. 9 (219)) als second mode of constitutionalization: T. Schilling, Jean Monnet WP 06/05, S. 14 f., 30 ff. 4
Vgl. P. Weil, RdC 237 (1992-VI), S. 9 (219).
428
6. Kapitel
den, die nicht Partei des regelbegründenden Abkommens sind.5 Drittens schwächt die schwindende Bedeutung des Konsenses im Völkerrecht den souveränen Willen der Staaten und stärkt damit zugleich die Autonomisierung des Völkerrechts als Element der Konstitutionalisierung. Dabei symbolisiert die Verwendung der Verfassungsterminologie die Stärkung globaler Gemeinwohlbelange gegenüber Individualinteressen der Staaten, weil Verfassungen allgemein als Verkörperung des Gemeinwohls in Abgrenzung zur individuellen Sphäre gelten.6 Einen minimalen Kernbestand universellen Rechts bildet zunächst das universelle ius cogens.7 Es ist damit für die Konstitutionalisierungsthese nicht nur in der im 5. Kapitel erörterten vertikalen Dimension der Normordnung, der Hierarchisierung, relevant, sondern auch in der horizontalen Dimension einer objektiven universellen Ordnung. Nach Art. 53 S. 2 WVK wird zwingendes Völkerrecht „von der internationalen Staatengemeinschaft in ihrer Gesamtheit angenommen und anerkannt“. Dafür soll ausweislich der Entstehungsgeschichte der Wille einer sehr großen Mehrheit der Staaten ausreichen. 8 Die Bedeutung des ius cogens-Prinzips für ein universelles Völkerrecht besteht außerdem darin, dass sich einzelne Staaten nicht dadurch der Bindung an zwingendes Recht entziehen können, dass sie sich seiner Anwendung von Anfang an beharrlich widersetzen.9 Nach verbreiteter Ansicht ist die
5 6
H. L. A. Hart, Concept, 21994, S. 236 f. S. etwa U. K. Preuß, Chi. JIL 9 (2008), S. 17 (35 f.).
7
Vgl. zu regionalem ius cogens S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 203 f.; A. Orakhelashvili, Peremptory Norms, 2006, S. 38 ff. 8
M. K. Yasseen (Chair of the Drafting Committee), Vienna Conference on the Law of Treaties, Official Records, 1st Session (1968), 80th Meeting, S. 472; vgl. L. Hannikainen, Peremptory Norms, 1988, S. 210 ff.; S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 177 f.; A. Orakhelashvili, Peremptory Norms, 2006, S. 104 ff. 9
Vgl. M. Akehurst, BYBIL 47 (1974-75), S. 1 (23 ff.); G. Danilenko, EJIL 2 (1991), S. 42 (48 ff.) m. N.; I. Brownlie, Principles, 72008, S. 11 f.; T. Stein, Harv. ILJ 26 (1985), S. 457. Zur Anerkennung der persistent objector-Doktrin in der Rechtsprechung des IGH s. IGH Asylum case, ICJ Rep. 1950, S. 265 (277 f.); Fisheries case, ICJ Rep. 1951, S. 116 (131); North Sea Continental Shelf, ICJ Rep. 1969, S. 3 (38 f.), para. 63 – bezieht sich auf nachträgliche Distanzierung von der bereits entstandenen völkergewohnheitsrechtlichen Regel, vgl. M. Akehurst, BYBIL 47 (1974-75), S. 1 (25 f.).
Objektive universelle Ordnung zum Schutz von Gemeinschaftsgütern
429
persistent objector-Regel hier deshalb nicht anwendbar,10 weil sich im Rahmen des ius cogens-Prinzips gerade das Gemeininteresse gegenüber konfligierenden Interessen einzelner Staaten durchsetzen soll. Der persistent objection kommt aber in der Praxis keine besonders große Relevanz zu;11 in der Regel ist sie allenfalls ein vorübergehendes Phänomen12 und gleicht die Behandlung des persistent objectors in der internationalen Gemeinschaft der eines Rechtsbrechers an.13 In den 1980er Jahren wurde das Konzept insbesondere von US-amerikanischen Juristen in den Vordergrund gerückt, die sich um den westlichen Einfluss bei der Fortentwicklung des Völkerrechts sorgten.14 Echte Bedeutung hat die Möglichkeit zur persistent objection vor allem als Rückzugsoption für die Verhandlungstaktik.15 Das zwingende Völkerrecht enthält zudem nur einen minimalen Kernbestand universeller Normen. Deswegen kommt es für die Aussagekraft der Konstitutionalisierungsthese in diesem Zusammenhang vor allem darauf an, wie sich auf der Grundlage der Drittwirkung von Verträgen (B.) oder im Völkergewohnheitsrecht (C.) universelle Normen begründen lassen. 10
Restatement (Third) of the Foreign Relations Law of the United States, 1987, § 102; M. K. Yasseen (Chair of the Drafting Committee), Vienna Conference on the Law of Treaties, Official Records, 1st Session (1968), 80th Meeting, S. 472, para. 12; H. W. A. Thirlway, International Customary Law and Codification, 1972, S. 110; C. Rozakis, Concept of Jus Cogens, 1976, S. 78; L. Henkin, RdC 216 (1989-IV), S. 9 (60); J. Charney, AJIL 87 (1993), S. 529 (541 f.); M. Ragazzi, Erga omnes, 1997, S. 67 ff. m. w. N.; M. Byers, Nordic JIL 66 (1997), S. 211 (217); G. Dahm/J. Delbrück/R Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 22002, S. 627; A. E. Roberts, AJIL 95 (2001), S. 757 (784); I. Brownlie, Principles, 72008, S. 211 ff. S. aber auch den französischen Vorschlag auf der Wiener Vertragsrechtskonferenz: Eine Norm des ius cogens solle Staaten nicht entgegengehalten werden können, die ihren zwingenden Charakter nicht ausdrücklich anerkannt haben (abgedruckt bei O. Deleau, AFDI 15 (1969), S. 9 (19)); differenziert S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 196 ff. Teilweise wird der Ausschluss der persistent objection auch nicht nur auf das ius cogens bezogen, s. etwa C. Tomuschat, BDGVR 28 (1988), S. 9 (38); J. Charney, AJIL 87 (1993), S. 529 (541); H. Lau, Chi. JIL 6 (2005), S. 495 – für Menschenrechte. 11 12 13 14 15
D. Shelton, AJIL 100 (2006), S. 291 (304 f.). G. Abi-Saab, RdC 207 (1987-VII), S. 9 (181). J. Charney, AJIL 87 (1993), S. 529 (539). Vgl. H. Charlesworth, Austral. YBIL 11 (1984-1987), S. 1 (4). J. Charney, BYBIL 56 (1985), S. 1 (18, 22 f.).
430
6. Kapitel
B. Drittwirkung von Verträgen Ein wichtiges Element der Autonomisierung des Völkerrechts besteht für Vertreter der Konstitutionalisierungsthese darin, dass die Drittwirkung von Verträgen das Konsenserfordernis im Völkerrecht unterminieren kann.16 Die pacta tertiis-Regel ist Ausdruck der Souveränität und der Gleichheit der Staaten.17 Im Widerspruch zum Gleichheitsgedanken räumt sie aber sowohl Staaten mit überlegener Verhandlungsmacht als auch sogenannten Trittbrettfahrern eine allen anderen faktisch überlegene Stellung ein.18 Das wirft die Frage auf, ob und inwiefern sie in einem stärker gegenüber Gemeinwohlbelangen geöffneten Völkerrecht, in dem Staaten nicht mehr die einzigen Akteure sind, Modifikationen erfährt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Annahme einer Drittwirkung jedenfalls potentiell einen autoritären Charakter hat. Die mit ihr verbundene Verselbständigung vom Staatenkonsens kann daher nur dann mit einer Verfassungsordnung in einem anspruchsvollen Sinne verbunden werden, wenn gute Gründe den Verzicht auf das Zustimmungserfordernis legitimieren. Die Drittwirkungsproblematik ist eine klassische Fragestellung des Völkerrechts. In der älteren Literatur wird die als erga omnes-Wirkung bezeichnete Drittwirkung zum Teil aus dem jeweiligen Vertrag selbst heraus begründet19 und werden die Beispielsfälle für völkerrechtliche Verträge mit Drittwirkung nach deren Inhalten geordnet.20 Für bestimmte Vertragsinhalte wie das Verkehrsrecht, Territorialstatute, 16
Vgl. J. Frowein, RdC 248 (1994-IV), S. 345 (362); J. Delbrück, FS Jaenicke, 1998, S. 17 (19 ff.); A. Peters, LJIL 19 (2006), S. 579 (588 f.); A. Somek, University of Iowa Legal Studies Research Paper, No. 09-25, S. 28 f. 17
ILC, YBILC 1964-I, S. 68 ff., 192 ff., 245 ff.; Report of the Commission to the General Assembly, YBILC 1966-II, S. 169 (246); vgl. R. Wolfrum, Internationalisierung, 1984, S. 96 ff.; B. Simma, Cornell ILJ 19 (1986), S. 189 (201). 18
Vgl. C. Chinkin, Third Parties in International Law, 1993, S. 143; J. Ziemer, Das gemeinsame Interesse, 2000, S. 289. 19
A. McNair, FS Perassi, Bd. 2, 1957, S. 21; ders., Law of Treaties, 1961, S. 255 ff. 20 C. Rousseau, Principes généraux du droit international public, Bd. 1, 1944, S. 477 ff. – Ordnung der Beispielsfälle nach Vertragsinhalten: Statusverträge, Verträge über Flussregime und Eisenbahnen, Beistandspakte für den Fall des Angriffs eines Drittstaates; P. Guggenheim, Traité de Droit international public, 21967, Bd. 1, S. 97 ff.; zu Grund und Grenzen der pacta tertiis-Regel R. F. Roxburgh, International Conventions and Third States, 1917, S. 29 ff.
Objektive universelle Ordnung zum Schutz von Gemeinschaftsgütern
431
Grenzverträge und allgemein für lokal radizierte Verträge soll die Drittwirkung aber nach umstrittener Ansicht auch kraft Völkergewohnheitsrechts gelten.21 Auf ganz unterschiedlicher theoretischer Grundlage findet sich die Idee einer internationalen Gesetzgebungsfunktion auch bei Scelle und Kelsen (s. 3. Kapitel A., D.). In der neueren Diskussion wird eine Drittwirkung völkerrechtlicher Vertragsregime vor allem als Reaktion auf globale Herausforderungen verstanden und als notwendig begründet, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind (I.). Denkbar ist aber auch, die Drittwirkung im Gemeinwohlinteresse im Wege der Verallgemeinerung der für objektive Regime, institutionelle Verträge und die Fortgeltung von Menschenrechtsverträgen im Fall der Staatensukzession entwickelten Ansätze zu begründen (II.).
I. Drittwirkung mit Verpflichtungscharakter als Reaktion auf globale Herausforderungen Eine Reihe von Autoren versteht die Drittwirkung mit Verpflichtungscharakter als notwendige Reaktion auf globale Herausforderungen (1.) und definiert, mit Unterschieden im Einzelnen, eine besondere Kategorie von Verträgen, denen universelle Bedeutung zukommen soll. Sie werden als Weltordnungsverträge, public interest norms und Verträge mit Wirkung erga omnes bezeichnet. Die Gemeinschaftsinteressen, die sie verwirklichen sollen, lassen sich in gemeinsame Güter und gemeinsame Werte unterteilen und weiter systematisieren (2.). Für eine umfassende Bindungswirkung völkerrechtlicher Vertragsnormen zum Schutz globaler Gemeinschaftsinteressen hat die Völkerrechtslehre verschiedene dogmatische Begründungselemente entwickelt (3.). Das praktisch bedeutsamste Beispiel für einen möglichen Weltordnungsvertrag mit Drittwirkung ist die UNO-Charta (4.).
21
P. Guggenheim, Traité de Droit international public, 21967, Bd. 1, S. 98 ff. Die Behauptung eines entsprechenden Völkergewohnheitsrechts hat aber keine verbreitete Zustimmung gefunden. C. Rousseau etwa nimmt jenseits der Statusverträge nur eine politische Drittwirkung an, während G. Schwarzenberger die Drittwirkung mit estoppel oder acquiescence begründet: C. Rousseau, Principes généraux du droit international public, Bd. 1, 1944, S. 477 ff.; G. Schwarzenber3 ger, International Law, Bd. 1, 1957, S. 459 ff.
432
6. Kapitel
1. Notwendigkeit universeller Vertragsregime Das Bedürfnis nach einer Generalisierung völkerrechtlicher Normen hat im Wesentlichen zwei Ursachen. Zunächst folgt es daraus, dass bestimmte zuvor rein innerstaatliche Sachverhalte zum Gegenstand des Völkerrechts geworden sind (s. 1. Kapitel). Ist einmal anerkannt, dass bestimmte Fragen nicht mehr allein der innerstaatlichen Ausgestaltung überlassen bleiben sollen, so kann dies in Abwesenheit anderer, etwa regional oder funktional begründeter Differenzierungskriterien für generelle, möglichst universelle Standards sprechen. Insbesondere Menschenrechte erheben vor diesem Hintergrund intuitiv legitime Universalitätsansprüche.22 Der Ratifikationsstand der universell angelegten Menschenrechtsverträge fällt demgegenüber zurück.23 Bedeutsamer ist, dass sich aus den globalen Gefahrenlagen einer interdependenten Welt in tatsächlicher Hinsicht das Bedürfnis nach für alle verbindlichen Normen ergibt.24 Globale Herausforderungen bestehen etwa darin, den Abbau der Ozonschicht oder die globale Erwärmung aufzuhalten, gemeinsame Räume wie Tiefseeboden, Hohe See oder Antarktis zu bewahren oder Terrorismus, internationales organisiertes Verbrechen, illegalen Drogenhandel und Epidemien zu bewältigen. Hier sind für alle Staaten bindende Normen insbesondere deshalb not22
Vgl. die Präambel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, GV Res. 217 A (III) v. 10.12.1948, para. 7; s. zur Diskussion J. von Bernstorff, EJIL 19 (2008), S. 903 (916 ff.) m. N.; vermittelnd zwischen Universalität und Relativismus etwa J. Donnelly, HRQ 6 (1984), S. 400 (insb. 411). 23 Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes v. 9.12.1948, BGBl. 1954-II, S. 730: 141 Vertragsstaaten; Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung v. 7.3.1966, BGBl. 1969-II, S. 962: 174 Vertragsstaaten; Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte v. 19.12.1966, BGBl. 1973-II, S. 1534, S. 407: 167 Vertragsstaaten; Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte v. 19.12.1966, BGBl. 1973-II, S. 1570: 160 Vertragsstaaten; Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau v. 18.12.1979, BGBl. 1985-II, S. 647: 186 Vertragsstaaten; Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe v. 10.12.1984, BGBl. 1990-II, S. 246: 147 Vertragsstaaten (Stand: 18.5.2010; Quelle: http://treaties.un.org). 24
Für eine methodische Grundlegung eines Rechts der Gemeinschaft s. die Beiträge in C. Engel (Hg.), Methodische Zugänge zu einem Recht der Gemeinschaftsgüter, 1998; zur dem Völkerrecht zugeschriebenen Rolle s. nur den Titel der Haager Vorlesung von C. Tomuschat, RdC 281 (1999), S. 9: „International Law: Ensuring the Survival of Mankind on the Eve of a New Century“.
Objektive universelle Ordnung zum Schutz von Gemeinschaftsgütern
433
wendig, weil es das „Trittbrettfahrer-Phänomen“ bei sogenannten common pool resources zu bekämpfen gilt. Verständigt sich die Mehrzahl der Staaten etwa auf eine Regelung zum Schutz der Umwelt, können einzelne Staaten, die zu ihrem eigenen Vorteil davon abweichen, deren Effekt zumindest teilweise zunichtemachen.
2. Systematisierung von Gemeinschaftsinteressen im Völkerrecht Die Idee von Gemeinschaftsinteressen im Völkerrecht bietet zwar, wie im 5. Kapitel gezeigt, keine Grundlage für die Abgrenzung einer bestimmten Kategorie hierarchisch übergeordneten Verfassungsrechts. Sie könnte aber einen Ansatz für eine objektive, d. h. konsensunabhängige Normbegründung im Völkerrecht bieten. Zur Systematisierung lassen sich Gemeinschaftsinteressen im Völkerrecht in gemeinsame Güter und gemeinsame Werte unterteilen.25 Bei gemeinsamen Gütern hat der gemeinsame Charakter eine tatsächliche Grundlage. Sie kann – wie bei der Bewahrung von Weltfrieden und internationaler Sicherheit oder dem Schutz der Erdatmosphäre – in den grenzüberschreitenden Auswirkungen innerstaatlicher Aktivitäten liegen, oder aber darin, dass – wie beim gemeinsamen Erbe der Menschheit – internationalisierte Räume gemeinsam verwaltet werden. Gemeinsame Güter werden also vom Recht nicht nur vorgefunden und geschützt, sondern zuallererst auch geschaffen. Für gemeinsame Werte kommt es dagegen nicht auf eine faktische gemeinsame Grundlage an. Vielmehr ergibt sich das gemeinsame Interesse unmittelbar aus deren Anerkennung als gemeinsamer Wert. Beispiele sind die Biodiversität, indigene Kulturen, Menschenrechte oder das internationale Strafrecht, aber auch die Verteilungsgerechtigkeit zwischen entwickelten und Entwicklungsländern, die im Prinzip der gemeinsamen aber unterschiedlichen Verantwortlichkeit zum Ausdruck kommt. Innerhalb der gemeinsamen Güter lässt sich weiter differenzieren. Öffentliche Güter (public goods) sind solche gemeinsamen Güter, deren Nutzung weder ausschließlichen Charakter hat noch unter Bedingungen der Rivalität gewährt wird.26 Niemand kann vom Konsum eines globalen öffentlichen Gutes ausgeschlossen werden. Außerdem kann 25
Vgl. I. Feichtner, Stichwort „Community Interest“, in: MPEPIL, http:// www.mpepil.com, para. 13 ff. – mit einer ähnlichen Kategorisierung. 26 Ursprünglich P. A. Samuelson, Review of Economics and Statistics 36 (1954), S. 387 – „collective consumption goods“.
434
6. Kapitel
das globale öffentliche Gut von verschiedenen Personen zur gleichen Zeit konsumiert werden. Beispiele sind eine saubere und intakte Umwelt, der geostationäre Orbit, das elektromagnetische Spektrum, die Atmosphäre und Klimastabilität, stabile Finanzmärkte oder Frieden und Sicherheit. Sogenannte Allmendegüter (common pool resources/ common goods) wie die Fischbestände auf Hoher See werden dagegen mit der Nutzung durch einzelne Akteure verbraucht. Die beiden Konzepte der öffentlichen und der Allmende-Güter unterscheiden sich also dadurch, dass nur die common pool resources rivalisierend genutzt werden.27 Die Eigenschaft der ausschließlichen oder nicht-ausschließlichen Nutzung, die öffentliche Güter von sogenannten Klubgütern unterscheidet, ist demgegenüber nur teilweise naturgegeben oder von technischen Voraussetzungen abhängig, beruht im Übrigen als soziale Konstruktion auf politischen Entscheidungen und unterliegt durchaus auch dem Wandel. So kann etwa Wissen als privates oder öffentliches Gut ausgestaltet sein. Umgekehrt können gemeinsame natürliche Ressourcen zu privaten Gütern gemacht werden, etwa mittels Jagdlizenzen, Fischfangquoten oder Emissionslizenzen zum Schutz der Atmosphäre. Auf die globale Perspektive bezogen ist die Unterteilung des Globus in Staaten eine vergleichbare „Privatisierung“. Globale öffentliche Güter sind entsprechend solche Güter, deren Vorteile allen Ländern, Völkern, Generationen offen stehen sollen. Entsprechend der Grundlage ihrer öffentlichen Verfügbarkeit lassen sich drei Typen globaler öffentlicher Güter unterscheiden: Global natural commons wie die Atmosphäre und die Hohe See, global humanmade commons wie globale Netzwerke, internationale Regime, Normen und frei verfügbares Wissen sowie global policy outcomes or conditions wie der globale Friede, die Stabilität der Finanzmärkte und ein nachhaltiger Umweltschutz.28 Die globale Dimension gemeinsamer Güter gerät durch die wachsende Abhängigkeit der Staaten zunehmend in das öffentliche Bewusstsein. Die globalen Interdependenzen wiederum werden durch neue Technologien, die wirtschaftliche und politische Öffnung der Staaten, die Zunahme systemischer Risiken etwa für die Umwelt, das Klima oder die Finanzmärkte sowie durch internationale Regime befördert. Es ist da-
27
S. zum Begriffsverständnis E. Ostrom/R. Gardner/J. Walker, Rules, Games, and Common-Pool Resources, 1994, S. 6 ff. 28 I. Kaul/R. Mendoza, in: dies. et al. (Hg.), Providing Global Public Goods, 2003, S. 81 (84 ff., 95 f., 100).
Objektive universelle Ordnung zum Schutz von Gemeinschaftsgütern
435
von auszugehen, dass die besonderen Bedingungen der Nutzung gemeinsamer Güter wie auch die Abwesenheit einer faktischen gemeinsamen Grundlage von gemeinsamen Werten die Entstehungsbedingungen von universellen Normen zu ihrem Schutz beeinflussen.
3. Begründungsansätze für eine Drittwirkung a) Notwendigkeit umfassender Ordnungen als normatives Argument Zum Schutz globaler Gemeinschaftsgüter sollen Staaten auch ohne ihren Willen gebunden werden, um die Effizienz von Regimen zu steigern und das Trittbrettfahrerphänomen auszuschließen. Eine umfassende Bindungswirkung bestimmter Normen wird teilweise durch eine institutionelle Einbindung der Akteure in die Rechtsetzung internationaler Organisationen angestrebt. Außerdem nimmt der Sicherheitsrat für sich in Anspruch, abstrakt-generelle Regelungen zu treffen und auch NichtMitgliedstaaten der Vereinten Nationen zu adressieren. Wo es in elementaren Fragen an einem Staatenkonsens, der Ausdruck in universellen Konventionswerken gefunden hätte, und an geeigneten Mechanismen zur Einbindung aller Staaten fehlt, suchen schließlich Rechtsprechung und Doktrin verschiedene Wege zur Begründung universeller Normen und stellen auf diese Weise das Völkerrecht abstrakt in den Dienst eines überstaatlichen Gemeinwohls. Dazu wird in der neueren Literatur vorgeschlagen, auf der Grundlage einer Drittwirkung völkerrechtlicher Verträge umfassende Ordnungen im Sinne objektiv geltenden Rechts zu ermöglichen.29 In Abwesenheit eines Weltgesetzgebers gewinnt das schon ältere Argument, bestimmte Staaten müssten Regelungen auch mit einer Wirkung über den Kreis von Vertragsstaaten hinaus treffen können,30 neue Relevanz, wenn multilaterale Verträge zunehmend die Funktion eines Surrogats für die fehlende internationale Legislative übernehmen.31 Das Argument der Notwendigkeit allein reicht für die dogmatische Begründung einer Drittwirkung von Verträgen mit Verpflichtungscharak29
J. Delbrück, FS Jaenicke, 1998, S. 17 (insb. 20 ff.); G. Dahm/J. Delbrück/ R. Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 22002, S. 625 ff. 30
S. etwa A. McNair, FS Perassi, Bd. 2, 1957, S. 32 f.; ders., Law of Treaties, 1961, S. 271; C. Tomuschat, BDGVR 28 (1988), S. 9 (11). 31
C. Tomuschat, RdC 241 (1993-IV), S. 195 (240); B. Simma, RdC 250 (1994-VI), S. 217 (322 f.); G. Dahm/J. Delbrück/R. Wolfrum, Völkerrecht, Bd. 2 2 I/1, 1989, S. 52 ff.; Bd. I/3, 2002, S. 513 ff., 613.
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6. Kapitel
ter aber nicht aus.32 Allenfalls erleichtert eine wachsende internationale Interdependenz die Annahme einer Wirkung erga omnes de facto33 und damit auch die Begründung einer Rechtsbindung auf der Basis von acquiescence oder Gewohnheitsrecht. Vertreter einer konstitutionellen Sichtweise auf das Völkerrecht begründen eine rechtliche Drittwirkung indes gerade damit, dass es Gebiete des Völkerrechts gebe, in denen eine große Mehrheit der Staaten anerkannt habe, dass ein öffentliches Interesse im Spiel sei.34
b) Drittwirkung sogenannter Weltordnungsverträge Bestimmte völkerrechtliche Verträge haben besondere Eigenschaften, die Grundlage für eine Drittwirkung sein könnten.35 Mit dem Begriff des world order treaty werden eine Reihe solcher besonderer Merkmale verbunden:36 Weltordnungsverträge enthalten Regelungen, die das globale Gemeinwohl verkörpern, sie verfügen über eine quasi-universelle Mitgliedschaft und sind in der Struktur der in ihnen geregelten Rechte und Pflichten normativ nicht reziprok.37 Zu den globalen Gemeinwohlbelangen zählen etwa der Schutz der Menschenrechte und das Völker-
32
S. zur Notwendigkeit universeller Regelungen aber J. Charney, AJIL 87 (1993), S. 529 (530) et passim; ders., in: J. Delbrück (Hg.), International Lawmaking, 1997, S. 171 (176). Zum Argument der Notwendigkeit bei Vattel und Wolff s. die Nachweise bei D. Shelton, AJIL 100 (2006), S. 291 (292) mit Fn. 7. 33
Zur Wirkung erga omnes de facto N. Matz, Wege zur Koordinierung völkerrechtlicher Verträge, 2005, S. 258. Um eine de facto-Wirkung handelt es sich richtigerweise auch, wenn es Großmächten gelingt, ein von anderen Staaten akzeptiertes Regime zu schaffen, s. E. Klein, Statusverträge, 1980, S. 194 ff. 34
J. Frowein, in: J. Delbrück (Hg.), International Lawmaking, 1997, S. 101
(102). 35
A. Peters, LJIL 19 (2006), S. 579 (588 f.).
36
Der Begriff findet sich zunächst bei C. Tomuschat, RdC 241 (1993-IV), S. 195 (268 ff.). 37 Grundlegend zu globalen Interessen im Völkerrecht: C. W. Jenks, The Common Law of Mankind, 1958; G. Schwarzenberger, The Frontiers of International Law, 1962, S. 29; W. Friedmann, The Changing Structure of International Law, 1964; R.-J. Dupuy, RdC 165 (1979-IV), S. 9 (45 ff.) – droit relationnel et droit institutionnel. S. auch E. Riedel, in: J. Delbrück (Hg.), International Lawmaking, 1997, S. 61 (89) m. N.
Objektive universelle Ordnung zum Schutz von Gemeinschaftsgütern
437
strafrecht,38 der Schutz globaler Umweltgüter, legitimatorische Anforderungen an die Regierungsform der Staaten, die Einrichtung von Streitbeilegungsmechanismen und das Gewaltverbot. Für die Begründung einer Drittwirkung von Weltordnungsverträgen werden verschiedene inhaltliche wie prozedurale Voraussetzungen aufgestellt. Bei Tomuschat setzt die Bindung auch von Nichtvertragsstaaten an einen Weltordnungsvertrag voraus, dass der Vertrag der Konkretisierung von Grundsätzen dient, die von den Staaten als konstituierende Elemente der internationalen Ordnung angesehen werden und von entsprechend grundlegendem und allgemeinem Interesse sind. Sie können daher nur allgemeiner Natur sein, und für die Rechtsbindung sind die schon vor dem Vertrag bestehenden Rechtsbeziehungen weiterhin konstitutiv.39 In formeller Hinsicht müssten alle Staaten jedenfalls die Gelegenheit gehabt haben, am Entstehungsprozess mitzuwirken und auf universeller Ebene ihre Zustimmung zur endgültigen Formulierung der von den fraglichen Grundsätzen abgeleiteten Regeln gegeben haben. Darin komme die Zustimmung der internationalen Gemeinschaft zum Ausdruck, die an die Stelle der Zustimmung der einzelnen Staaten tritt.40 Ein solcher Vertrag habe aufgrund seiner sorgfältigen Vorbereitung mehr Gewicht als eine Resolution der Generalversammlung. Für die Begründung der Drittwirkung sind also zwei Elemente maßgeblich: Es bestand immerhin die Möglichkeit der Mitwirkung, und der Vertrag konkretisiert ohnehin bereits existierende universelle Grund-
38 S. aber A. Moravcsik, IO 54 (2000), S. 217 – Wirkung auf Nachfolgeregierungen maßgeblich, vgl. T. Moe, JLEO 6 (special issue) (1990), S. 213 (227). 39
C. Tomuschat, RdC 241 (1993-IV), S. 195 (269 ff.). Nicht eindeutig ist die quellentheoretische Zuordnung der so begründeten Normwirkung. Tomuschats Konzept der world order treaties wird von J. d’Aspremont, IILJ WP 2006/12, S. 23 dahin verstanden, dass diese Verträge einfacher in allgemeines Völkergewohnheitsrecht kristallisieren, weil sie grundlegende Interessen der internationalen Gemeinschaft schützen. Für U. Hingst, Auswirkungen der Globalisierung, 2001, S. 204 besteht der Sinn solcher Verträge in der Konkretisierung und Ausführung bestimmter gewohnheitsrechtlich geltender Grundprämissen der Völkerrechtsordnung. Der Vertrag als solcher begründe keine neuen Rechte und Pflichten für den Drittstaat, diese würden letztlich auf das dem Vertrag zugrunde liegende, gewohnheitsrechtlich geltende Ordnungsprinzip zurückgeführt, das durch das Vertragsrecht konkretisiert werde und dadurch seine (Allgemein-)Verbindlichkeit erhalte, ohne dass ausführlich in die Suche nach einer bestätigenden Praxis der Staaten eingetreten werden müsse. 40
S. zu diesem Aspekt J. Charney, AJIL 87 (1993), S. 529 (536).
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6. Kapitel
sätze des Völkerrechts.41 Die Verpflichtungswirkung für Drittstaaten bleibt auf dieser Grundlage inhaltlich allgemein. Die Nichtvertragsparteien soll aber eine Pflicht zur Kooperation für gemeinsame Schutzbemühungen treffen, wenn es zur Konkretisierung in Detail- und Verfahrensregeln kommt.42 Ähnlich sind die Voraussetzungen, die Delbrück und Wolfrum für nichtterritoriale Regelungsverträge mit erga omnes-Geltung benennen. Der Vertrag müsse ein klar definiertes internationales öffentliches Interesse bestimmen oder ein diesem Interesse dienendes hochrangiges Rechtsgut schützen.43 Außerdem müssten die Vertragsparteien die objektive Geltung des Vertrages beabsichtigt haben. An der Ausarbeitung des Vertrages müssten möglichst viele Staaten mitgewirkt haben, vor allem auch die von der Regelungsmaterie besonders betroffenen. Zudem müssten alle Staaten die Chance erhalten haben, an der Vertragserarbeitung teilzunehmen. Die Wirkung erga omnes beschränke sich auf die grundlegenden Regeln und Prinzipien. Das prozedurale Element der Beteiligungsmöglichkeit für alle Staaten tritt dabei stark hinter das inhaltliche Begründungselement zurück. Der Inhalt und nicht der Modus ihrer Entstehung soll bestimmten Normen öffentlichen Interesses eine erweiterte Wirkungskraft verleihen.44 Tomuschat selbst geht davon aus, dass im gegenwärtigen Völkerrecht kein Vertragswerk existiert, das die aufgestellten Voraussetzungen für einen world order treaty mit verpflichtender Wirkung auch für Nichtvertragsstaaten erfüllt. Nach der Rechtsprechung des IGH im Reservations-Fall weist die Völkermordkonvention aber immerhin Merkmale auf, die sie in die Nähe eines solchen Weltordnungsvertrages rücken. Ihr liegen Prinzipien zugrunde, die auch ohne vertragliche Verpflichtung als für alle Staaten bindend angesehen werden können. Außerdem wurde von der Generalversammlung und den Vertragsparteien die uni-
41
Die Bedeutung des prozeduralen Legitimationselements betont auch B. Oxman, in: J. Delbrück (Hg.), International Lawmaking, 1997, S. 108 (111). 42
C. Tomuschat, RdC 241 (1993-IV), S. 195 (271).
43
G. Dahm/J. Delbrück/R. Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 22002, S. 630 f. S. auch schon J. Delbrück, Ind. GLSJ 9 (2002), S. 401 (418). 44
G. Dahm/J. Delbrück/R. Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 22002, S. 626, vgl. auch J. Delbrück, FS Jaenicke, 1998, S. 17 (32 ff.); vgl. J. Brunnée, ZaöRV 49 (1989), S. 791 (794). Bei Delbrück ist die „Notwendigkeit“ Grundlage der Geltung des Völkerrechts, s. G. Dahm/J. Delbrück/R. Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 21989, S. 42 ff.
Objektive universelle Ordnung zum Schutz von Gemeinschaftsgütern
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verselle Geltung der Konvention beabsichtigt und verkörpern ihre Normen ein gemeinsames Interesse.45
c) Problem der Definition gemeinsamer internationaler Interessen Allerdings ist für die Begründung einer Drittwirkung zwischen einem gemeinsamen Interesse und der Kompetenz zu unterscheiden, dieses zu konkretisieren und die zu seinem Schutz erforderlichen Maßnahmen zu definieren.46 Das auf der Ebene der konkreten Regelung zurücktretende verfahrensbezogene Begründungselement ist für Delbrück/Wolfrum schon auf der vorgelagerten Ebene der Definition internationaler öffentlicher Interessen zu beachten.47 In einer heterogenen Staatenwelt hängt die Existenz eines internationalen öffentlichen Interesses davon ab, dass im Völkerrecht Verfahren existieren, die eine Konsensbildung darüber ermöglichen, was als internationales öffentliches Interesse gelten solle. Diese Verfahren erkennen Delbrück/Wolfrum in der internationalen Praxis, Regelungsverträge im internationalen öffentlichen Interesse in internationalen Organen, vor allem aber in ad hoc berufenen internationalen Foren auf breiter Basis unter größtmöglicher Beteiligung vorzubereiten und nach intensiver öffentlicher Debatte das Vertragsschlussverfahren förmlich einzuleiten.48 Selbst aus der universellen Anerkennung eines Zieles, das damit als Ziel erga omnes-Charakter erlangen würde, lässt sich nicht auf die erga omnes-Wirkung einzelner vertraglicher Regelungen zur Verwirklichung
45
IGH Reservations, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1951, S. 15 (23). Zum Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen v. 1.7.1968, BGBl. 1974-II, S. 786 als Beispiel für einen Weltordnungsvertrag s. B. Simma, RdC 250 (1994), S. 217 (332) mit Fn. 327; ders., in: W. Hummer (Hg.), Paradigmenwechsel, 2002, S. 45 (51); sowie schon A. Verdross, Quellen, 1973, S. 35. 46
E. Klein, Statusverträge, 1980, S. 207; N. Matz, Wege zur Koordinierung völkerrechtlicher Verträge, 2005, S. 257. 47 48
J. d’Aspremont, IILJ WP 2006/12, S. 11.
G. Dahm/J. Delbrück/R. Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 2002, S. 625 ff.; ähnlich J. Ziemer, Das gemeinsame Interesse, 2000, S. 257 ff., die darüber hinaus die Rolle von NGOs und der Veröffentlichungen unabhängiger Wissenschaftler und Journalisten betont; C. Feist, Kündigung, Rücktritt und Suspendierung, 2001, S. 111 f. Beispiele dafür sind die Stockholmer Konferenz, UN-Gipfel wie der Erdgipfel in Rio von 1992 oder die Konferenz zum Verbot von Landminen.
440
6. Kapitel
dieses Ziels schließen, die inhaltlich sehr viel weiter gehen.49 Ob die internationale Gemeinschaft bereit ist, eine Konkretisierungsbefugnis zu Lasten Dritter zu akzeptieren, ist eine eminent politische Frage.50 Dabei ist die bei gemeinsamen Gütern besondere Interessenstruktur zu berücksichtigen. Da ihre Nutzung, wie gezeigt, nicht exklusiv ist, ist die Entstehung einer geteilten Überzeugung von der Notwendigkeit, verantwortungsbewusst die Grundlagen der Nutzung dieser Güter für alle Nutzer zu erhalten, besonders voraussetzungsvoll. Zu bedenken ist aber auch, dass die Wahrnehmung und Qualifikation von Gütern wie auch die mit ihnen verknüpften Interessen nicht vorgegeben sein müssen, sondern jedenfalls zum Teil sozial konstruiert sind. Eine tragfähige normative Grundlage einer Drittwirkung kann daher der Gedanke eines Treuhandverhältnisses oder einer Geschäftsführung ohne Auftrag im öffentlichen Interesse der Staatengemeinschaft sein.51 Allein aus der Idee dieser Rechtsfiguren lässt sich indes eine rechtliche Drittwirkung nicht ableiten. Für eine universelle Bindung an bestimmte Normen scheint weniger deren Vertragscharakter als vielmehr der der Verabschiedung des Vertragstextes vorausgehende oder auch an ihn anschließende diskursive Prozess von Bedeutung. Im Folgenden wird daher auch der Frage nachzugehen sein, ob diesem eine selbständige normative Bedeutung zukommen kann, die dann im Verhältnis zu am Vertragsschluss selbst nicht beteiligten Staaten relevant werden würde.
4. Begründungsansätze für die Drittwirkung der UNO-Charta Unter den existierenden völkerrechtlichen Verträgen kommt vor allem die Charta der Vereinten Nationen als Weltordnungsvertrag mit Drittwirkung in Betracht. Die Frage nach einer dogmatischen Begründung für eine Bindungswirkung der Charta gegenüber Drittstaaten hat auch nach dem Beitritt der Schweiz und der damit erreichten (quasi-)universellen Mitgliedschaft mehr als nur theoretische Bedeutung. Die ChartaOrdnung erfährt eine Verfestigung, wenn sich ihre universelle Geltung unabhängig von Veränderungen in der Staatenwelt wie der Entstehung
49
N. Matz, Wege zur Koordinierung völkerrechtlicher Verträge, 2005, S. 257 f.; vgl. C. Tomuschat, RdC 241 (1993-IV), S. 195 (271). 50 51
Vgl. J. Klabbers, LJIL16 (2003), S. 201 (207).
E. Riedel, in: J. Delbrück (Hg.), International Lawmaking, 1997, S. 61 (90 ff.); J. Ziemer, Das gemeinsame Interesse, 2000, S. 287 ff.; vgl. B. Simma, Cornell ILJ 19 (1986), S. 189 (198).
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441
neuer Staaten oder dem immerhin denkbaren Ausschluss aus den Vereinten Nationen (Art. 6 UNC) begründen lässt. Vor allem aber ist die Bindung anderer Völkerrechtssubjekte als Staaten, also internationaler Organisationen, Individuen und Gruppen von Individuen, nur als Drittwirkung des Vertrages zu begründen.52 Konstruktiv bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten, eine universelle Wirkung der Charta unabhängig von einer universellen Mitgliedschaft zu begründen. Entweder sie folgt aus der Charta selbst (a)) oder sie wird vom Völkergewohnheitsrecht angeordnet (b)). Auf voraussetzungsvollen Annahmen beruht insbesondere die Theorie, die Drittwirkung der Charta finde ihre Grundlage in der Weltgemeinschaft (c)).
a) Besondere Qualität der Charta als Weltordnungsvertrag aa) Charta-Normen mit potentieller Drittwirkung (1) Überblick relevanter Charta-Normen Jedenfalls nicht alle Regelungen der Charta haben einen Inhalt, für den eine Drittbindung überhaupt in Betracht kommt. Zu verneinen ist das etwa bei der Bestimmung des Art. 17 Abs. 2 UNC über die Ausgabentragung. Daher ist für eine durch die Charta selbst bewirkte Drittwirkung an einzelne Bestimmungen anzuknüpfen. Die Charta enthält einerseits Bestimmungen über die Kontrolle von Drittstaaten. Die potentiell am weitesten reichende Bestimmung dieser Kategorie ist Art. 2 Nr. 6 UNC, demzufolge die Vereinten Nationen dafür Sorge tragen, dass Staaten, die nicht Mitglieder sind, insoweit nach den Grundsätzen des Art. 2 UNC handeln, als dies zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlich ist. Neben Art. 2 Nr. 6 UNC sind hier Art. 11 (Befassungskompetenz der Generalversammlung mit Weltfrieden und -sicherheit), Art. 14 (Empfehlung von Maßnahmen zur friedlichen Bereinigung jeder Situation), Art. 34 (Untersuchungsrecht des Sicherheitsrates), Art. 52 f. (regionale Abmachungen), Art. 99 (Hinweis des Generalsekretärs an den Sicherheitsrat) und Art. 107 UNC (Feindstaatklausel) zu nennen. Andererseits erlauben Charta-Bestimmungen auch, dass betroffene Nichtmitgliedstaaten an den Verfahren in den Charta-Organen beteiligt 52
S. Hsueh, L’Organisation des Nations Unies et les états non membres, 1953, S. 78; M. Forteau, in: R. Chemain/A. Pellet (Hg.), La Charte des Nations Unies, 2006, S. 121 (130 f.).
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6. Kapitel
werden. Art. 32 UNC sieht die Teilnahme an den Erörterungen des Sicherheitsrates auch für Streitparteien vor, die nicht Mitgliedstaaten der UNO sind. Nach Art. 35 Abs. 2 UNC können auch Nichtmitglieder die Aufmerksamkeit des Sicherheitsrates oder der Generalversammlung auf eine Streitigkeit lenken. Gemäß Art. 50 UNC können auch von Vorbeugungs- und Zwangsmaßnahmen besonders betroffene Drittstaaten den Sicherheitsrat konsultieren, und nach Art. 93 Abs. 2 UNC besteht auch für Staaten, die nicht Mitglieder der UNO sind, die Möglichkeit, Partei des IGH-Statuts zu werden. Diese Bestimmungen werden zum Teil als Vertragsregeln zugunsten Dritter betrachtet.53 Alle genannten Bestimmungen lassen sich aber durchaus auch so auslegen, dass sie nur für die Mitgliedstaaten der Charta bindend sind.54 Mit dem in Art. 92 UNC inkorporierten Art. 38 Abs. 1 lit. a IGH-Statut enthält die Charta zugleich eine Norm, die Ausdruck des reinen Konsensprinzips ist.55 (2) Bedeutung von Art. 2 Nr. 6 UNC Besonders relevant ist die Frage nach einer durch Art. 2 Nr. 6 UNC vermittelten Drittwirkung der in Art. 2 UNC enthaltenen Grundsätze der Vereinten Nationen. Da Art. 2 Nr. 6 UNC auch so ausgelegt werden kann, dass er nur eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten bedeutet,
53 H. Kelsen, The Law of the United Nations, 1951, S. 86; F. Berber, Völker2 recht, Bd. 1, 1975, S. 464. 54
S. für Art. 2 Nr. 6 UNC S. Hsueh, L’Organisation des Nations Unies et les états non membres, 1953, S. 78; N. Bentwich/A. Martin, A Commentary on the Charter of the United Nations, 1950, S. 14; L. Goodrich/E. Hambro/A. Simons, Charter, 31969, S. 58 f.; heute wohl h. M., vgl. J. Charney/G. Danilenko, in: L. F. Damrosch (Hg.), Beyond confrontation, 1995, S. 23 (40); B. Fassbender, UN Security Council Reform, 1998, S. 109, 113; A. Mahiou, Article 2, paragraphe 6, in: J. Cot/A. Pellet/M. Forteau (Hg.), La Charte des Nations Unites, 3 2005, S. 475 (479 f.); W. Graf Vitzthum, in: B. Simma (Hg.), Charter Commentary, 22002, Art. 2 (6), Rn. 19; K. Osteneck, Umsetzung von UN-Wirtschaftssanktionen, 2004, S. 304 f.; F. Seyersted, Common Law of International Organizations, 2008, S. 383. 55
S. Art. 38 Abs. 1 lit. a IGH-Statut: „internationale Übereinkünfte […], in denen von den streitenden Staaten ausdrücklich anerkannte Regeln festgelegt sind“. Dazu S. Hsueh, L’Organisation des Nations Unies et les états non membres, 1953, S. 78; M. Forteau, in: R. Chemain/A. Pellet (Hg.), La Charte des Nations Unies, 2006, S. 121 (134).
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bedarf eine Drittwirkung auf der Grundlage dieser Norm einer besonderen Begründung. Einen Anhaltspunkt könnte die Vorläuferbestimmung von Art. 2 Nr. 6 UNC in der Völkerbundsatzung bieten. Die Regelung in Art. 17 VBS ist allerdings wesentlich komplexer.56 Art. 17 Abs. 3 VBS sieht nur für einen bestimmten Fall vor, Art. 16 VBS über den Bündnisfall gegenüber einem Nichtmitgliedstaat ohne dessen Zustimmung anzuwenden. Dieser Fall ist dann gegeben, wenn ein Nichtmitgliedstaat nach Aufforderung durch den Völkerbundrat die Verpflichtung zur Streitbeilegung auf sich zu nehmen ablehnt und zum Krieg gegen ein Bundesmitglied schreitet. Teilweise wird diese Bestimmung sogar so ausgelegt, dass auch hier die Zustimmung des betroffenen Nichtmitgliedes vorausgesetzt ist57 und sie damit faktisch leerläuft. In seinem Gutachten zum Ostkarelienstreit stellte der StIGH fest: “States not members of the League […] are not bound by the Covenant”. Art. 17 VBS bildet demnach keine Ausnahme zum Grundsatz der Unabhängigkeit der Staa56
S. zur Problematik des Art. 17 VBS: E. Morpurgo, RDI 3 (1925), S. 177 und zur theoretischen Begründung von Art. 17 VBS die Nachweise bei J. Soder, Die Vereinten Nationen und die Nichtmitglieder, 1956, S. 265 f. Art. 17 VBS lautet (RGBl. 1919, S. 717 (735/737): „(1) Bei Streitfragen zwischen einem Bundesmitglied und einem Nichtmitglied oder zwischen Staaten, die Nichtmitglieder sind, werden der Staat oder die Staaten, die Nichtmitglieder sind, aufgefordert, sich für die Beilegung der Streitfrage den Bundesmitgliedern obliegenden Verpflichtungen zu unterwerfen, und zwar unter den vom Rat für gerecht erachteten Bedingungen. Wird dieser Aufforderung Folge geleistet, so gelangen unter Vorbehalt der Änderung, die der Rat für erforderlich erachtet, die Bestimmungen der Artikel 12 bis 16 zur Anwendung. (2) Zugleich mit dem Erlaß dieser Aufforderung eröffnet der Rat eine Untersuchung über die Einzelheit der Streitfrage und schlägt die Schritte vor, die er in dem besonderen Falle für die besten und wirksamsten hält. (3) Lehnt der so aufgeforderte Staat es ab, die Verpflichtungen eines Bundesmitglieds für die Beilegung der Streitfrage auf sich zu nehmen, und schreitet er zum Krieg gegen ein Bundesmitglied, so finden die Bestimmungen des Artikel 16 auf ihn Anwendung. (4) Weigern sich beide Parteien auf die Aufforderung hin, die Verpflichtungen eines Bundesmitglieds für die Beilegung der Streifrage auf sich zu nehmen, so kann der Rat alle zur Vermeidung von Feindseligkeiten und zur Schlichtung des Streites geeigneten Maßnahmen ergreifen und Vorschläge machen.“ 57 Nachweis bei R. Falk, The Status of Law in International Society, 1970, S. 199.
444
6. Kapitel
ten.58 Die Intention der Vertragsparteien des Versailler Vertrages mag eine andere gewesen sein, aber dieser Anspruch war weder rechtlich fundiert noch politisch erfolgreich.59 Die Teilnehmer der Konferenzen von Dumbarton Oaks und San Francisco jedenfalls gingen davon aus, dass der Zweck der Aufrechterhaltung von Weltfrieden und internationaler Sicherheit die Verpflichtung auch von Nichtmitgliedstaaten nach Art. 2 Nr. 6 UNC gebiete.60 Entstehungsgeschichtlich stellt Art. 2 Nr. 6 UNC einen Kompromiss zwischen dem völkerrechtlichen Konsensprinzip und einer zwangsweisen universellen Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen dar,61 so dass die travaux préparatoires für eine Drittwirkung sprechen. Die dogmatische Auseinandersetzung um Art. 2 Nr. 6 UNC betrifft vor allem die Reichweite einer Drittwirkung. Vertreten wird, Art. 2 Nr. 6 UNC beziehe sich nur auf Art. 2 Nr. 5 UNC,62 wofür insbesondere das entstehungsgeschichtliche Argument spricht, dass Art. 2 Nr. 5 und 6 UNC ursprünglich in einem Absatz zusammengefasst waren.63 Eine weitergehende Ansicht bezieht Art. 2 Nr. 6 UNC auf Art. 2 Nr. 3, 4 und 5 UNC.64 Noch umfassender wird die Bedeutung der Norm verstanden, wenn auch Art. 2 Nr. 2 UNC65 und damit alle Verpflichtungen 58 59
StIGH, PCIJ Ser. B, No. 5, S. 27. E. Klein, Statusverträge, 1980, S. 206.
60
Vgl. zu der Ansicht, Art. 2 Nr. 6 UNC sei kodifiziertes Gewohnheitsrecht und damit deklaratorisch, R. Falk, The Status of Law in International Society, 1970, S. 215. 61
R. Falk, The Status of Law in International Society, 1970, S. 201 ff.
62
A. Salomon, Le préambule de la Charte, 1946, S. 180 ff. S. dazu jetzt IGH Palestine Wall, Advisory Opinion, ICJ Rep. 2004, S. 136 (199), para. 156. Dort wird eine (gewohnheitsrechtliche) Verpflichtung, die Art. 2 Nr. 5 UNC entspricht, auf den 5. Grundsatz, Abs. 2 der Friendly-Relations-Deklaration gestützt. Es ist aber nicht sicher, ob sich der IGH der hier gezogenen Schlussfolgerungen bewusst war, dagegen spricht das Fehlen einer Begründung, vgl. auch M. Forteau, in: R. Chemain/A. Pellet (Hg.), La Charte des Nations Unies, 2006, S. 121 (153). 63
A. Mahiou, Article 2, paragraphe 6, in: J. Cot/A. Pellet/M. Forteau (Hg.), La Charte des Nations Unies, 32005, S. 476. 64
A. Ross, The Constitution of the United Nations, 1950, S. 33; J. Soder, Die Vereinten Nationen und die Nichtmitglieder, 1956, S. 278; P. Cahier, in: A. Cassese (Hg.), Current Problems of International Law, 1975, S. 81 (88 f.). 65
S. Hsueh, L’Organisation des Nations Unies et les états non membres, 1953, S. 79; U. Scheuner, FS Bilfinger, 1954, S. 371 (379).
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aus der Charta oder auch Art. 1 und die Präambel einbezogen werden.66 Das Argument für eine weite Auslegung ist teleologisch. Die Ziele der Charta seien so gewichtig, dass sie auch für die verbleibenden Nichtmitglieder und andere Völkerrechtssubjekte verbindlich sein müssten.67 Dagegen wird der Wortlaut des Art. 2 Nr. 6 UNC angeführt. Weiterhin spricht unter systematischen Gesichtspunkten gegen die weite Auslegung, dass sie die Unterscheidung zwischen Mitgliedstaaten und Nichtmitgliedstaaten der Vereinten Nationen nivelliert, die in der Bestimmung des Art. 6 UNC über die Möglichkeit eines Ausschlusses doch einen wesentlichen Anhaltspunkt findet,68 und sie die Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Mitgliedschaft illusorisch macht.69 Dieses systematische Argument spricht letztlich gegen eine echte Drittwirkung der Charta auf der Grundlage ihres Art. 2 Nr. 6 UNC überhaupt. Außer dem bei der Vorbereitung der Charta erhobenen Anspruch bedarf es dafür weiterer überzeugender Argumente.70
bb) Revolutionsartige Wandlung des Völkerrechts Manche Autoren begründen die universelle Bindungswirkung der Charta daher mit einer revolutionsartigen Wandlung des Völkerrechts.71 Dabei bleibt aber offen, wie die autoritative Bestätigung des revolutionären legislativen Anspruchs bei der Schaffung der Charta aussehen soll.72 Eine rein auf den Eintritt einer Revolution gestützte Begründung 66
Vgl. S. Hsueh, L’Organisation des Nations Unies et les états non membres, 1953, S. 79; R. Falk, The Status of Law in International Society, 1970, S. 205 f. 67 R. Macdonald, in: ders./D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 853. Für Art. 2 Nr. 6 UNC als Ausdruck einer funktionellen Notwendigkeit zur Wahrung des Weltfriedens s. auch R. Macdonald, Can. YBIL 25 (1987), S. 115 (127); vgl. H. Köck, FS Zemanek, 1994, S. 63 (80 ff.). 68 69
U. Scheuner, FS Bilfinger, 1954, S. 371 (378). R. Falk, The Status of Law in International Society, 1970, S. 207.
70
Vgl. P. Jessup, A Modern Law of Nations, 1950, S. 135, 168 – bislang nur politische Bedeutung der Charta für Drittstaaten, unter Hinweis auf den Wortlaut des Art. 2 Nr. 6 UNC. 71
A. Verdross, La comunità internazionale 2 (1947), S. 439 (445) – für Art. 2 Nr. 6 UNC; H. Kelsen, The Law of the United Nations, 1950, S. 110; J. Kunz, AJIL 41 (1947), S. 119 (123 ff.). 72
R. Falk, The Status of Law in International Society, 1970, S. 221 f.
446
6. Kapitel
löst sich vollständig vom Völkerrecht und stellt Machterwägungen in den Vordergrund.73 Das Argument vertauscht damit Ursache und Wirkung: Die Charta bindet nicht Dritte, weil sie revolutionär ist, sondern wäre revolutionär, wenn sie Dritte binden würde.74 Letztlich ist die Begründung der Drittwirkung mit einer revolutionsartigen Wandlung des Völkerrechts als nicht-normativer Ansatz aber ohnehin keine Erklärung, sondern eine bloße Beschreibung. Sie ist zugleich Ausdruck des Bestrebens, der Charta im Stufenbau der Völkerrechtsordnung einen herausgehobenen Platz zuzuweisen und liegt somit in der Logik der Reinen Rechtslehre.
cc) Verfassungscharakter der Charta Die Ablehnung der Revolutionsthese lässt aber noch Raum für die Argumentation, die Charta erhebe den Anspruch einer Verfassung. Einerseits wird argumentiert, die Annahme der Charta beruhe nicht einfach auf dem Konsensualprinzip, es handele sich vielmehr um einen Akt internationaler Verfassunggebung, der die Völkerrechtsordnung auf eine neue Grundlage stelle.75 Andererseits wird betont, dass die Charta als Verfassung in der internationalen Gemeinschaft Anerkennung gefunden habe.76 Die Betrachtung der Charta als Verfassung sei die bestmögliche Erklärung für den in Art. 2 Nr. 6 UNC erhobenen Anspruch77 und die Praxis
73
R. Falk, The Status of Law in International Society, 1970, S. 222.
74
M. Forteau, in: R. Chemain/A. Pellet (Hg.), La Charte des Nations Unies, 2006, S. 121 (140). Gegen das Revolutionsargument gibt es aber auch begriffliche Einwände: Im Bereich der internationalen Beziehungen kann es keine Revolution, sondern nur eine allmähliche Evolution geben, die etwa Grundlage für die Vorstellung von der Konstitutionalisierung ist. Eine revolutionäre Rechtsbildung setzt eigentlich eine bereits organisierte legislative Instanz voraus, s. U. Scheuner, FS Bilfinger, 1954, S. 371 (381). 75
B. Fassbender, Col. JTL 36 (1998), S. 529 (573 f.); ders., FS Isensee, 2007, S. 71 (80); ders., in: M. Loughlin/N. Walker (Hg.), The Paradox of Constitutionalism, 2007, S. 269 (286 ff.). 76 77
Vgl. R. Falk, The Status of Law in International Society, 1970, S. 217 ff.
Zugleich mit Bezug auf Art. 103 UNC: B. Fassbender, Col. JTL 36 (1998), S. 529 (593); s. auch J. Frowein, RdC 248 (1994-IV), S. 349 (357 f.); J. Crawford, in: H. Fox (Hg.), The Changing Constitution of the United Nations, 1997, S. 3 (11); R. Macdonald, Austral. YBIL 20 (1999), S. 205 (213). Gleichsetzung der
Objektive universelle Ordnung zum Schutz von Gemeinschaftsgütern
447
der Sicherheitsrates, auch Nichtvertragsparteien zu adressieren.78 Die Argumentation mit dem Verfassungscharakter ist dem Einwand ausgesetzt, dass hier begriffsjuristisch aus einer „conception a priori“79 Rechtsfolgen abgeleitet würden. Zwar begründeten der große Adressatenkreis der Charta, die quasi-universelle Mitgliedschaft und auch der Wille der Gründer und Mitgliedstaaten, mit der Charta die Grundlage und den Maßstab für alle völkerrechtlichen Beziehungen zu schaffen, den verfassungsähnlichen Charakter der Charta. Allein damit lasse sich aber begrifflich keine rechtliche Drittwirkung begründen, die die Unterscheidung zwischen Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern aufheben würde.80 In der Tat ist es, wie gezeigt, methodisch problematisch, auf der Grundlage besonderer Eigenschaften der Charta, weitere besondere Eigenschaften zu verbinden, die ebenfalls mit dem Verfassungsbegriff in Verbindung gebracht werden können.
b) Begründung der Drittwirkung mit Völkergewohnheitsrecht Denkbar ist aber, die Bindungswirkung auf eine gewohnheitsrechtliche (Sekundär-)Norm zu stützen, die außerhalb der Charta selbst steht und deren Wirkung erga omnes anordnet.81 Die u. a. von Forteau eingehend untersuchte Praxis lässt jedoch die Annahme einer solchen gewohnheitsrechtlichen Sekundärnorm nicht zu. Auch eine entsprechende opinio iuris ist nicht anzunehmen. Zwar beginnt die Praxis des Sicherheitsrates, Drittstaaten zu adressieren, bereits unmittelbar nach Gründung der Vereinten Nationen in der Behandlung der „spanischen Frage“ nach dem Ausschluss Spaniens aus der UNO im Februar 1946.82 Seit den 1970er Jahren richtet er ResolutiUN mit der allgemeinen Staatengemeinschaft mit der Begründung der QuasiUniversalität auch schon bei Q. Wright, AJIL 47 (1953), S. 372. 78
C. Tomuschat, AVR 33 (1995), S. 1 (17).
79
M. Forteau, in: R. Chemain/A. Pellet (Hg.), La Charte des Nations Unies, 2006, S. 121 (139). 80
S. Hörmann, AVR 44 (2006), S. 267 (272).
81
M. Forteau, in: R. Chemain/A. Pellet (Hg.), La Charte des Nations Unies, 2006, S. 121 (126). Vgl. schon U. Scheuner, FS Bilfinger, 1954, S. 380 – die Drittwirkung eines Vertrages könne nur durch eine höherrangige Rechtsnorm herbeigeführt werden. 82
SR Res. 7 (1946). S. dazu auch GV Res. 39(I) v. 12.12.1946 u. a. mit der Empfehlung zur Abberufung von Botschaftern und Gesandten an UN-
448
6. Kapitel
onen nach Kapitel VII an „alle Staaten“.83 Die Generalversammlung formuliert mit der Friendly Relations-Deklaration84 und den großen Resolutionen zur „Neuen Weltwirtschaftsordnung“85 Prinzipien, Rechte und Pflichten aller Staaten. Der Rechtsprechung des IGH lässt sich dazu nichts entnehmen.86 Dagegen geht die Rechtsprechung des Jugoslawiengerichts zum Teil davon aus, dass über Art. 2 Nr. 6 UNC Maßnahmen des Sicherheitsrates auch gegenüber Nichtmitgliedstaaten verbindlich sind.87
Mitglieder, aber auch GV Res. 386 (V) v. 4.11.1950 sowie R. Falk, The Status of Law in International Society, 1970, S. 228 ff. Zur weiteren Praxis: C. Tomuschat, RdC 241 (1993-IV), S. 199 (254 f.); J. Salmon, VN 1993, S. 10 (12); M. Forteau, in: R. Chemain/A. Pellet (Hg.), La Charte des Nations Unies, 2006, S. 121 (147); A. Mahiou, Article 2, paragraphe 6, in: J. Cot/A. Pellet/M. Forteau (Hg.), 3 La Charte des Nations Unies, 2005, S. 475 (476 ff.). 83
S. SR Res. 314 (1972) (Südrhodesien), Res. 418 (1977) (Südafrika), Res. 558 (1984) (Südafrika) und vgl. demgegenüber noch Res. 232 (1966), 253 (1968), 277 (1970) (alle Südrhodesien). Nach der Invasion Kuwaits durch den Irak erließ der Sicherheitsrat auf der Grundlage von Kapitel VII die Resolutionen 661 (1990) und 670 (1990), die dem Irak wirtschaftliche Sanktionen auferlegten und sich an „alle Staaten“ richteten. S. auch Res. 713 (1991) (Jugoslawien), Res. 757 (1992) (Serbien-Montenegro) sowie Res. 788 (1992) (Liberia). Zum Anspruch des UN-Sicherheitsrates, sich mit bindenden Entscheidungen an Drittstaaten zu wenden, s. C. Tomuschat, AVR 33 (1995), S. 1 ff.; A. Zimmermann/B. Elberling, VN 2004, S. 71 ff.; R. Lavalle, NILR 51 (2004), S. 411; K. Osteneck, Umsetzung von UN-Wirtschaftssanktionen, 2004, S. 301 m. w. N. in Fn. 1079-1083; E. de Wet, Chapter VII, 2004, S. 97; S. Talmon, AJIL 99 (2005), S. 175. 84
GV Res. 2625 (XXV) v. 24.10.1970.
85
GV Res. 3201 (S-VI) v. 1.5.1974; 3202 (S-VI) v. 1.5.1974; 32/174 v. 19.12. 1977; 34/138 v. 14.12.1979; 41/73 v. 3.12.1986. 86
Der Reparation for Injuries/Bernadotte-Gutachten bezieht sich ausschließlich auf die Rechtspersönlichkeit der Vereinten Nationen, s. Fn. 153. Das Namibia-Gutachten aus dem Jahre 1971 verneint eine Bindung von Drittstaaten an die Art. 24 f. UNC, nimmt aber eine Wirkung erga omnes der Beendigung des Mandats über Namibia und der Erklärung der südafrikanischen Präsenz in Namibia an, ohne die Rechtsgrundlage für diese erga omnes-Wirkung zu erläutern. Richtigerweise geht es hier um ein Problem der Beendigung des Mandatsvertrages, nicht um ein Problem, das sich speziell im Hinblick auf die Vereinten Nationen stellte, s. u. Text vor Fn. 201. 87 So die Trial Chamber des ICTY Prosecutor v. Milutinovic et al., No. IT99-37, Entsch. v. 6.5.2003, para. 51, 56, 62. Dagegen wurde für den mit SR Res. 827 (1993) verabschiedeten Art. 29 ICTY-Statut (vgl. auch para. 4 der Res.) die
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449
Entscheidend gegen eine gewohnheitsrechtliche Begründung der Drittwirkung von Charta-Normen spricht aber ihre fehlende Akzeptanz bei den Nichtmitgliedern. Das prominenteste Beispiel ist hier der autonome Nachvollzug der Schweiz vor 2002.88 Aber auch das Verhalten der Bundesrepublik Deutschland vor ihrem Beitritt zu den Vereinten Nationen im Jahre 197389 lässt nicht auf die Akzeptanz einer Ausnahme zum Grundsatz pacta tertiis nec nocent nec prosunt schließen.90 Auch wenn zwischen der Praxis des explizit autonomen Nachvollzuges und einer echten Rechtsbindung in tatsächlicher Hinsicht nur ein feiner Unterschied bestehen mag,91 so reicht dieser doch aus, um eine von einer Rechtsüberzeugung getragene Praxis der Anerkennung einer Drittwirkung verneinen zu können. Mögliche Vertrauenstatbestände als Grundlage einer Bindung sind durch die ausdrückliche Verwahrung gegen eine Rechtsbindung ausgeschlossen. Im Hinblick auf die Bindung internationaler Organisationen ist die Haltung der EU von Interesse. Die relevante Rechtsprechung des Gerichts erster Instanz geht davon aus, dass die EU nicht unmittelbar an die UNO-Charta gebunden ist, sondern nur mittelbar über die Unionsverträge, weil die Mitgliedstaaten sicherstellen wollten, dass sie auch dort nicht gegen die Charta verstoßen, wo sie Kompetenzen an die Gemeinschaft abgegeben haben.92 Dies zeigen insbesondere die Art. 347
Regel des Art. 35 WVK angewandt: ICTY, Appeals Chamber Prosecutor v. Tihomir Blaskic („Lasva Valley“), No. IT-95-14, Entsch. v. 29.10.1997, para. 26. 88
S. etwa zwei Berichte des schweizerischen Bundesrates zur Haltung des Schweiz in der Golf-Krise, abgedruckt bei L. Caflisch, SZIER 1 (1991), S. 513 (561 f.); M. Krafft/D. Thürer/J. Stadelhofer, Switzerland, in: V. GowllandDebbas (Hg.), National Implementation of United Nations Sanctions: A Comparative Study, 2004, S. 523 (526). S. zum Verhalten der Schweiz im Fall des Wirtschaftsboykotts gegen Süd-Rhodesien und des Waffenembargos gegen Südafrika R. Bindschedler, ZaöRV 28 (1968), S. 1; E. Klein, Statusverträge, 1980, S. 201 ff. m. N. 89 90
U. Beyerlin/W. Strasser, ZaöRV 35 (1975), S. 768 (806). E. de Wet, Chapter VII, 2004, S. 98.
91
M. Forteau, in: R. Chemain/A. Pellet (Hg.), La Charte des Nations Unies, 2006, S. 121 (149). 92
EuG Dorsch Consult v. Rat u. Kommission, Rs. T-184/95, Slg. 1998, S. II667, Rn. 74; EuG Ahmed Ali Yusuf et al v. Rat u. Kommission, Rs. T-306/01, Slg. 2005, S. II-3533, Rn. 242-257; EuG Yassin Abdullah Kadi v. Rat u. Kommission, Rs. T-315/01, Slg. 2005, S. II-3649, Rn. 192-207; bestätigt in EuG Chafiq Ayadi v. Rat, Rs. T-253/02, Slg. 2006, S. II-2139, Rn. 116; EuG Faraj Hassan
450
6. Kapitel
AEU und 351 AEU und entspricht auch der Auffassung der Kommission.93 Auch hier lässt sich also keine Praxis zur Begründung einer Bindung über eine Sekundärnorm nachweisen.
c) Grundlage der Drittwirkung in der Weltgemeinschaft Ein weiterer Ansatz, die Drittwirkung der Charta zu begründen, besteht daher darin, sie aus der Weltgemeinschaft insgesamt abzuleiten. Der Wandel von einer international society zur integrated community erlaube für die Charta eine Ausnahme von der pacta tertiis-Regel.94 In dogmatischer Hinsicht unterscheiden sich die Konstruktionen, mit denen die Wirkung der Charta auf Nichtvertragsstaaten begründet wird. Einerseits wird angenommen, als Ausnahme zum Verbot des Vertrages zulasten Dritter sei eine Majorisierung zulässig, weil sie dem Schutz und der Geschlossenheit der Gemeinschaft diene und der Natur der Staatenverhältnisse als Interdependenzordnung entspreche.95 Die Lehre von der internationalen Gemeinschaft sieht anerkannte gemeinsame Werte als Grundlage einer Drittwirkung.96 Eine letztlich naturrechtlich fundierte Konstruktion geht dagegen davon aus, dass die Nichtmitglieder der UNO gar keine „Dritten“ seien. Aufgrund der naturnotwendigen Gemeinschaftsverbundenheit aller Staaten und der Gemeinwohlorientierung der UNO verliere die Rechtsfigur des Vertrages zulasten Dritter hier ihren Sinn.97 Soll die Einordnung der Charta als Weltordnungsvertrag dagegen soziologisch fundiert werden, so ist zu berückv. Rat u. Kommission, Rs. T-49/04, Slg. 2006, S. II-52, Rn. 92 sowie EuG Leonid Minin v. Kommission, Rs. T-362/04, Slg. 2007, S. II-2003, Rn. 67. Aus der Literatur M. Kotzur, EuGRZ 33 (2006), S. 19 (24) m. w. N. S. nun EuGH Yassin Abdullah Kadi und Al Barakaat International Foundation, verb. Rs. C-402/5 P u. C-415/05 P, Slg. 2008, S. I-6351, Rn. 278 ff. 93
Vgl. EuG Yusuf, Rn. 210.
94
L. Oppenheim, International Law, hg. v. Hersch Lauterpacht, Bd. 1: 8 Peace, 1955, S. 928 f., para. 522a; R. Falk, The Status of Law in International Society, 1970, S. 228; vgl. auch B. Fassbender, UN Security Council, 1998, S. 149. 95
H. Ballreich, FS Bilfinger, 1954, S. 1 (19 ff., 23). Unter Rückgriff auf Rousseau hält Ballreich eine Bindung Dritter an Ordnungsbehauptungen dann für möglich, wenn sie am „allgemeinen Besten“ orientiert sind. 96 97
R. Macdonald, Can. YBIL 25 (1987), S. 115 (149).
Vgl. J. Soder, Die Vereinten Nationen und die Nichtmitglieder, 1956, S. 254 ff.
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451
sichtigen, dass die Einstellung der Vereinigten Staaten zum Völkerrecht (s. 1. Kapitel) die Stellung der Vereinten Nationen und ihrer Charta im letzten Jahrzehnt insgesamt eher geschwächt hat, insbesondere durch vom Sicherheitsrat jedenfalls zunächst nicht autorisierte Einsätze militärischer Gewalt. Letztlich ist der völkerrechtssoziologische Aspekt aber für eine effektive Drittwirkung entscheidend.
5. Zwischenfazit Demnach lässt sich aus der Notwendigkeit umfassender Ordnungen kein überzeugendes Argument für die Drittwirkung völkerrechtlicher Verträge gewinnen. Vielmehr scheinen der internationale Prozess in der Vorbereitungsphase des Vertrages wie auch die Reaktionen von Nichtvertragsparteien entscheidend für die Drittwirkung. Für die UNOCharta ist weder aus dem allgemeinen Völkerrecht und dem Charakter der gegenwärtigen Weltordnung noch aus der Charta selbst überzeugend ihre objektive Drittwirkung abzuleiten. Die Drittwirkung mit der Gemeinwohlverwirklichung durch die Charta zu begründen, ist denselben Einwänden ausgesetzt wie eine so begründete Drittwirkung sogenannter Weltordnungsverträge überhaupt.
II. Begründung einer Drittwirkung im Wege der Verallgemeinerung der für bestimmte Institute etablierten Begründungsansätze Dennoch ist es denkbar, eine Begründung in Parallele zu etablierteren Formen der Drittwirkung zu finden. Dogmatische Formen der Drittwirkung von Verträgen sind im modernen Völkerrecht vor allem das objektive Regime (1.), institutionelle Verträge (2.) und die Fortgeltung von Menschenrechtsverträgen im Fall der Staatensukzession (3.). In Auseinandersetzung mit diesen Fallgruppen und weiteren Fällen einer Drittwirkung in Rechtsprechung und Vertragspraxis (4.) soll der Versuch von Vertretern der Konstitutionalisierungsthese nachvollzogen werden, diese Begründungsansätze für die traditionellen Formen der Drittwirkung auf den weiteren Kreis der Verträge zu übertragen, die dem Wohl der internationalen Gemeinschaft dienen.98
98
Vgl. M. Fitzmaurice, MPYUNL 6 (2002), S. 37 (72) m. w. N. Zu diesem Ansatz der Übertragung s. auch J. Delbrück, FS Jaenicke, 1998, S. 17 (insb. 20
452
6. Kapitel
1. Objektive Regime a) Begriff Objektive Regime oder Statusverträge beziehen sich auf territoriale Sonderregime und Verträge, die sich mit Fragen der Zuordnung oder Ordnung eines Gebietes befassen. Neben dem Gebietsbezug ist aber auch die Verwirklichung eines Allgemeininteresses für den Begriff des Statusvertrages wesentlich.99 Zu den objektiven Regimen zählen die Internationalisierung von Wasserwegen, Flüssen und Gebieten, die Neutralisierung oder Demilitarisierung, Zessionsverträge, Grenzverträge, extraterritoriale Regime und Umweltschutzzonen.100 Klassisches Beispiel für einen Statusvertrag ist die Ålandkonvention von 1856.101 Weitere Beispiele finden sich im Tlatelolco-Vertrag über die Errichtung einer atomwaffenfreien Zone in Lateinamerika,102 dem Meeresbodenver-
ff.); G. Dahm/J. Delbrück/R. Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 2002, S. 613 ff. sowie A. Peters, LJIL 19 (2006), S. 579 (588 f.). 99
E. Klein, Statusverträge, 1980, S. 52 ff.; N. Matz, Wege zur Koordinierung völkerrechtlicher Verträge, 2005, S. 256; E. Riedel, in: J. Delbrück (Hg.), International Lawmaking, 1997, S. 61 (91). Abweichendes Verständnis bei C. Annacker, Austrian JPIL 46 (1994), S. 131 (143); dies., Durchsetzung von erga omnes Verpflichtungen, 1994, S. 59 – universelle objektive Regime (UNC, ius cogens), regionale objektive Regime (multilaterale Verträge, deren Verletzung notwendigerweise die Rechte oder die Erfüllung der Pflichten in den bilateralen Beziehungen aller anderen Parteien betrifft). Zur Bedeutung objektiver Regime im Rahmen der Staatenverantwortlichkeit s. Special Rapporteur W. Riphagen, Fourth Report on the content, forms and degrees of intenational responsibility, YBILC 1983-II/1, S. 9 (16 ff.). 100
YBILC 1964-II, S. 5 (26); S. Subedi, Land and Maritime Zones of Peace, 1996, S. 182 ff. 101
Convention on the Demilitarization of the Åland Islands v 30.3.1856, Martens NRG 15, S. 788. 102
Treaty for the Prohibition of Nuclear Weapons in Latin America and the Caribbean v. 14.2.1967, UNTS 634, S. 281; s. weiter den South Pacific Nuclear Free Zone Treaty (Treaty of Rarotonga) v. 6.8.1985, UNTS 1445, S. 177; Treaty on the Southeast Asia Nuclear Weapon-Free Zone (Bangkok Treaty) v. 15.12.1995, UNTS 1981, No. 33873; African Nuclear-Weapon-Free-Zone Treaty (Pelindaba Treaty) v. 11.4.1996, UN Dok. A/50/426, ILM 35 (1996), S. 698, in Kraft seit 15.7.2009, s. http://disar mament.un.org/TreatyStatus.nsf/ (geprüft am 18.5.2010); Treaty on a Nuclear-Weapon-Free Zone in Central Asia (Treaty of Semipalatinsk) v. 8.9.2006, in Kraft seit 21.3.2009, s. http://disarma ment.un.org/TreatyStatus.nsf/ (geprüft am 18.5. 2010).
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453
trag von 1971,103 dem Weltraumvertrag von 1967104 und dem AntarktisVertrag von 1959.105 Teilweise werden auch der Antarktis-Vertrag und das TiefseebodenRegime als Beispiele für das Institut des objektiven Regimes angesehen. Mit dem Antarktis-Vertrag106 wurde dem Bedarf nach einer völkerrechtlichen Sonderregelung entsprochen, der sich daraus ergab, dass keine anerkannten Souveränitätsansprüche auf das Territorium der Antarktis bestanden. Die in Art. X des Vertrages enthaltene Verpflichtung, im Einklang mit der Charta dafür zu sorgen, dass niemand entgegen den Grundsätzen und Zielen des Vertrages in der Antarktis tätig wird, wird zum Teil als third party obligation verstanden.107 Art. 137 Abs. 3 UN-Seerechtsübereinkommen über das Tiefseeboden-Regime ist wie eine objektiv geltende Regelung formuliert.108 Art. 137 Abs. 1 S. 2 SRÜ erlegt Drittstaaten aber keine Pflicht auf.109 Die Vorbereitungskommission des SRÜ hatte indes in Aufsehen erregender Weise die Auffassung vertreten, dass eine Ausbeutung der Schätze des Tiefseebodens nur in den vertraglich vorgesehenen Formen zulässig sei.110 103
Vertrag über das Verbot der Anbringung von Kernwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen auf dem Meeresboden und im Meeresuntergrund v. 11.2.1971, BGBl. 1972-II, S. 325. 104 Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper v. 27.1.1967, BGBl. 1969-II, S. 1968. 105
Antarktis-Vertrag v. 1.12.1959, BGBl. 1978-II, S. 1517. Bei Meeresbodenvertrag, Weltraumvertrag und Antarktis-Vertrag ist die objektive Wirkung allerdings umstritten, vgl. E. Klein, Statusverträge, 1980, S. 113, 118 ff.; J. Ziemer, Das gemeinsame Interesse, 2000, S. 220 ff.; U. Hingst, Auswirkungen der Globalisierung, 2001, S. 179. 106
Antarktis-Vertrag v. 1.12.1959, BGBl. 1978-II, S. 1517.
107
C. Feist, Kündigung, Rücktritt und Suspendierung, 2001, S. 100 ff.; kritisch dazu B. Simma, Cornell ILJ 19 (1986), S. 189; vgl. auch S. Brunner, in: F. Francioni/T. Scovazzi (Hg.), International Law for Antarctica, 1996, S. 103. 108
„Ein Staat oder eine natürliche oder juristische Person …“. Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen v. 10.12.1982, BGBl. 1994-II, S. 1799. 109 Zum third-party effect dieser Bestimmung s. R. Wolfrum, Die Internationalisierung staatsfreier Räume, 1984, S. 395 f. 110
Erklärung v. 30.8.1985, UN-Dok. LOS/PCN/72, abgedr. in: Indian JIL 25 (1985), S. 359 sowie GV Res. 40/63 v. 10.12.1985, 41/34 v. 5.11.1986, vgl. zu Art. 37, 139 SRÜ C. Feist, Kündigung, Rücktritt und Suspendierung, 2001, S. 116 ff.
454
6. Kapitel
Als Ausgleich für die Drittwirkung soll die Änderungsbefugnis der Vertragsparteien von der Mitwirkung betroffener Drittstaaten abhängen.111 Dieses sogenannte Kehrseitenargument kann vor allem als Versuch verstanden werden, die einseitige Inanspruchnahme von Regelungsmacht abzumildern. Vorliegend kommt es vor allem auf die Begründung für die Inanspruchnahme der Regelungsmacht selbst an. Sollte die Drittwirkung der Statusverträge mit ihrer Gemeinwohlfunktion zu begründen sein, so lässt sich dieser theoretische Zusammenhang möglicherweise von Verträgen mit Territorialbezug lösen und sich der konstruktive Ansatz auf andere Vertragstypen übertragen, die gleichfalls der Verwirklichung des Gemeinwohls dienen sollen.
b) Begründungen für die Drittwirkung objektiver Regime Die internationale Rechtsprechung, die Völkerrechtskommission in ihren Arbeiten zum Vertragsrecht und die Literatur bieten verschiedene Ansätze zur Begründung der Drittwirkung objektiver Regime. Im Rechtsgutachten der vom Völkerbundrat eingesetzten Juristenkommission zur Klärung des Rechtsstatus der Ålandinseln112 wird der im Interesse der europäischen Staaten geschaffene internationale Status der Demilitarisierung zur Begründung eines Anspruchs Schwedens und einer Verpflichtung Finnlands herangezogen.113 Schweden war nicht Vertragspartei der Ålandkonvention von 1856, und Finnland hatte 1856 als unabhängiger Staat noch gar nicht existiert. Den Charakter der Ålandkonvention als „droit public européen“/„European Law“ leitet die Kommission aus den politischen Bedingungen beim Vertragsabschluss, dem allgemeinen europäischen Interesse am Vertragsgegenstand, das sich aus der strategisch bedeutsamen Lage der Inseln ergibt, sowie dem
111
S. H. Waldock, YBILC 1964 II, S. 34 – zu Draft Article 63 Abs. 4; H. Mosler, RdC 140 (1973-III), S. 1 (236); E. Klein, Statusverträge, 1980, S. 245 f., 259 f. 112 Rapport de la Commission Internationale de Juristes chargée par le Conseil de la Société des Nations de donner un avis consultatif sur les aspects juridiques de la Question des Iles d’Aland, Société des Nations, Journal Officiel, Supplément Spécial No. 3, Octobre 1920, S. 3 (17 ff.). 113 S. dazu T. Modeen, Stichwort „Aaland Islands“, EPIL I, 1995, S. 1 f.; M. Ragazzi, Erga Omnes, 1997, S. 28 ff.
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Wortlaut der Präambel zum Vertrag ab.114 Schweden als Drittstaat seien zwar nicht ausdrücklich echte Vertragsrechte eingeräumt worden, es könne aber als unmittelbar an dem Abkommen interessierte Macht solange auf dessen Einhaltung bestehen, bis die Vertragsparteien es beendet haben. Sollten die Ålandinseln zu schwedischem Besitz werden, so wäre Schweden umgekehrt an die Bestimmungen aus dem Jahre 1856 gebunden. Dabei spielt auch eine Rolle, dass Schweden fortlaufend die Einhaltung des Abkommens eingefordert hatte und dies von den Vertragsparteien akzeptiert worden war. Finnland wiederum habe sich durch seine Unabhängigkeitserklärung von 1917 nicht einer Verpflichtung entziehen können, die ihm ein Abkommen von europäischem Interesse auferlege. Eine weitere Konsequenz aus dem besonderen Charakter des Abkommens und seiner europäischen Dimension sei, dass es nur durch einen Konsens der Vertragsstaaten abgeändert oder beendet werden könne. Diese Argumentation der Kommission lässt den Schluss zu, dass eine echte Drittwirkung der Ålandkonvention angenommen wird. Etwas anderes muss für den in diesem Zusammenhang auch zitierten115 Wimbledon-Fall des StIGH gelten. Die Bestimmung des Versailler Vertrages über den Nord-Ostsee-Kanal116 dient zwar der Sicherung des Zugangs zur Ostsee im Interesse aller Staaten. Es handelt sich nach dem StIGH um ein Regime mit Rechten und Pflichten für alle Staaten, unabhängig davon, ob sie Parteien des Versailler Vertrages waren.117 Das Gericht stützte seine Entscheidung aber auf gewohnheitsrechtliche Bestimmungen zur Neutralität. Deutschland würde sie im Verhältnis zu Russland durch die Gewährung der Durchfahrt eines englischen Handelsschiffes mit französischer Besatzung und beladen mit Munition, die für die polnische Regierung zum Gebrauch im polnisch-russischen 114
Para. 5 lautet: „Les hautes puissances contractantes voulant étendre à la mer Baltique l’accord si heureusement rétabli entre elles en Orient et consolider par là les bienfaits de la paix ont résolu …“. 115
J. Delbrück, FS Jaenicke, 1998, S. 17 (20); A. Peters, LJIL 19 (2006), S. 579
(588). 116
Art. 380 des Vertrages v. Versailles v. 28.6.1919, RGBl. 1919, S. 1264, lautet: „Der Kieler Kanal und seine Zugänge stehen den Kriegs- und Handelsschiffen aller mit Deutschland in Frieden lebenden Nationen auf dem Fuße völliger Gleichberechtigung dauernd frei und offen.“ 117
StIGH, PCIJ 1923 Ser. A. No. 1, S. 22 (28): „permanently dedicated to the use of the whole world“. Zur Interpretation M. Ragazzi, Erga Omnes, 1997, S. 26 f.; s. auch A. Böhmer, GYIL 38 (1995), S. 325 ff.
456
6. Kapitel
Krieg bestimmt waren, nicht verletzen. Die Frage der Drittwirkung von Verträgen blieb damit in jeder Hinsicht offen.118 Das Gutachten des IGH zum Status von Südwestafrika-Namibia aus dem Jahre 1950 lässt Schlüsse auf die Anerkennung der Figur des objektiven Vertrages nur in einer Separate Opinion zu. Die zu klärende Frage war, ob das vertraglich begründete Mandat des Völkerbundes durch dessen Auflösung beendet worden sei. Der IGH betont zwar, dass das Mandat im Interesse der Einwohner des Gebiets und der Menschheit im Allgemeinen als internationale Institution und „sacred trust of civilisation“ geschaffen worden sei.119 Bei der Begründung des Fortbestandes des Mandats vermeidet er aber allgemeine Aussagen zum objektiven Charakter des Mandatssystems und einer Wirkung erga omnes. Er stützt sich vor allem auf die fortwährende Anerkennung der Pflichten aus dem Mandatsverhältnis durch die Südafrikanische Union auch nach dem Ende des Völkerbundes und den Übergang der Stellung des Völkerbundes auf die Vereinten Nationen als Nachfolgeorganisation.120 In seiner Separate Opinion bezieht sich Richter McNair dafür allerdings auf den objektiven Charakter des Mandats und entwickelt eine öffentlich-rechtliche Theorie der Drittwirkung.121 In einem Grenzstreit zwischen El Salvador und Honduras ging der IGH nicht auf die von El Salvador vorgebrachte Argumentation ein, dass ein Gerichtsurteil des Central American Court of Justice von 1917 ein objektives Regime begründen könne.122 In der Entscheidung über ein Interventionsrecht Nicaraguas lehnte die Kammer zwar ein objektives Regime ab, erlaubte aber die Intervention auf der Grundlage einer „community of interests“ der Golfanrainerstaaten.123
118
So auch M. Fitzmaurice, MPYUNL 6 (2002), S. 37 (86 f.); anders A. McNair, FS Perassi, 1957, S. 21 (27 ff.). 119
IGH, ICJ Rep. 1950, S. 128 (132).
120
IGH, ICJ Rep. 1950, S. 128 (134 f.). S. zur Interpretation M. Fitzmaurice, MPYUNL 6 (2002), S. 37 (95 f.). 121
Sep. Op. McNair, ICJ Rep. 1950, S. 146 (153); E. Klein, Stichwort: „South West Africa/Namibia (Advisory Opinions and Judgments)“, EPIL IV, 2000, S. 491 (492 f.). 122
IGH Land, Island and Maritime Frontier Dispute (El Salvador/Honduras: Nicaragua Intervening), ICJ Rep. 1992, S. 351. 123 IGH Land, Island and Maritime Frontier Dispute (El Salvador/Honduras), Application to Intervene, ICJ Rep. 1990, S. 3 (105 ff.), para. 30 ff.
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457
Für die theoretische Begründung einer Sonderstellung objektiver Regime im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten lassen sich grundsätzlich zwei Ansätze unterscheiden; die Zustimmungstheorien und die öffentlich-rechtliche Theorie (public law theory).124 Die Figur des objektiven Regimes findet sich in den Berichten zum Vertragsrecht der ILCSonderberichterstatter Fitzmaurice und Waldock. Während die Konzeption von Fitzmaurice eher den Zustimmungstheorien zuzuordnen ist, ist der Vorschlag Waldocks stark von der öffentlich-rechtlichen Theorie geprägt. Beide Vorschläge fanden aber keinen Eingang in die Wiener Vertragsrechtskonvention.125 Fitzmaurice sieht etwa in der Nutzung einer internationalisierten Wasserstraße eine konkludente Zustimmung dritter Staaten zu einem dort etablierten Regime.126 Darüber hinaus nimmt er aber auch eine allgemeine völkergewohnheitsrechtliche Pflicht der Staaten an, die Folgen und Wirkungen rechtmäßiger und gültiger internationaler Akte, die andere Staaten vorgenommen haben und die keine Rechte dritter Staaten im Rechtssinne beeinträchtigen, zu respektieren und anzuerkennen.127 Diese beiden Begründungsansätze Fitzmaurices beziehen sich nicht auf den bestimmten Verträgen inhärenten Charakter oder die Realisierung eines öffentlichen Interesses.128 Bei Waldock setzt die Entstehung eines objektiven Regimes voraus, dass die Vertragsparteien die Absicht hatten, generelle Rechte und Pflichten hinsichtlich einer bestimmten Region, eines bestimmten Staates, Territoriums usw. im allgemeinen Interesse zu begründen. Aufgrund dieses stärker inhaltsbezogenen Begründungselements ist Waldocks Ansatz der öffentlich-rechtlichen Theorie zuzuordnen. Jedenfalls müssen aber diejenigen Staaten, denen die Gebietshoheit über das vom Vertrag betroffene Territorium zukommt, zu den Vertragsstaaten zählen 124 M. Fitzmaurice, MPYUNL 6 (2002), S. 37 (70 f.). Drei theoretische Ansätze unterscheidet B. Simma, Cornell JIL 19 (1986), S. 189 (192 ff.); ders., RdC 250 (1994-IV), S. 221 (359 ff.): Ausnahme von der pacta tertiis-Regel, „public law“ approaches, consent-based approaches. 125
Vgl. YBILC 1966-II, S. 230 f., YBILC 1974-II/1, S. 204, para. 30.
126
Vertreter der „Zustimmungstheorie“ ist auch P. Cahier, RdC 143 (1974III), S. 589 (660 ff.). 127 128
YBILC 1960-II, S. 69 (98), para. 71.
YBILC 1960-II, S. 69 (99), para. 72. Um unterscheiden zu können, welchen Verträgen aufgrund der von Fitzmaurice angenommenen allgemeinen Anerkennungspflicht eine Drittwirkung zukommt und welchen nicht, muss aber doch auf den Vertrag selbst abgestellt werden, s. H. Waldock, YBILC 1964-II, S. 5 (28), para. 6.
458
6. Kapitel
oder zumindest den das Regime schaffenden Vorschriften ausdrücklich zustimmen.129 Die öffentlich-rechtliche Theorie wurde vornehmlich von McNair entwickelt. Sie leitet die Bindungswirkung objektiver Regime gegenüber Dritten aus der Existenz eines allgemeinen Interesses am Vertragsgegenstand und einem speziellen Bezug der Vertragsparteien dazu ab. Dieser Ansatz lässt sich grundsätzlich unabhängig von der territorialen Radizierung eines Vertrages zur Begründung einer Drittwirkung heranziehen.130 Die Debatte um public interest norms im Völkerrecht kann hier anknüpfen.131 Mit dem Nachweis eines allgemeinen Interesses am Vertragsgegenstand ist indes noch nicht begründet, dass bestimmten Staaten die Kompetenz für eine Quasi-Gesetzgebung mit Wirkung auch für nicht beteiligte Drittstaaten zufällt.132 Grundlage dieser Kompetenz ist die Idee der Repräsentation. Sie hat in der früheren Rechtsprechung des IGH, im Nottebohm-Fall und im Gutachten zum Status von Südwestafrika, Anerkennung gefunden133 und wurde auch von der ILC erörtert.134 Die Legitimation der Repräsentanten soll sich aus dem Mehrheitsprinzip ergeben.135 Kriterien dafür, dass eine Gruppe von Staaten in legitimer Weise Regelungsmacht in Anspruch nimmt, sind auch die politische Homogenität des Kreises interessierter Staaten, zustimmende 129
YBILC 1964-II, S. 5 (26 f.); zusammenfassend zu Waldock C. Feist, Kündigung, Rücktritt und Suspendierung, 2001, S. 93 ff. 130
IGH International status of South West Africa, Advisory Opinion, Sep. Op. McNair, ICJ Rep. 1950, S. 146 (153 ff.); A. McNair, Law of Treaties, 1961, S. 259 ff. 131
S. etwa die Beiträge von B. Oxman, E. Riedel und K. Dicke in: J. Delbrück (Hg.), International Lawmaking, 1997, S. 21, 61, 145. Umgekehrt wird hier aber auch argumentiert, dass die Universalität von Normen deren öffentlich-rechtlichen Charakter begründen kann: B. Oxman, in: J. Delbrück (Hg.), International Lawmaking, 1997, S. 21 (21 ff., 60). 132
Diese beiden Aspekte führt als alternative Begründungsansätze für eine Drittwirkung noch an: A. McNair, FS Perassi, Bd. 2, 1957, S. 27 f. 133
IGH Reparation for Injuries, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1949, S. 174 (185); IGH Status of South West Africa, Advisory Opinion, Sep. Op. McNair, ICJ Rep. 1950, S. 146 (153). S. auch P. Reuter, RdC 103 (1961-II), S. 425 (445 ff., insb. 448 f.); zurückhaltender ILA, Report of the Thirty-Ninth Conference, Paris 1936, 1937, S. 333 (335 f.) – jedenfalls habe kein Staat das Recht, sich der Regelung einer Angelegenheit von gemeinsamem Interesse zu widersetzen. 134 135
YBILC 1964-I, S. 74 (Jimenez de Arechaga). Vgl. E. Klein, Statusverträge, 1980, S. 194.
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459
Reaktionen oder das Verstreichen einer längeren Zeit, ohne dass die getroffenen Regelungen angefochten würden.136 Für McNair ist die Repräsentationsidee ein Ansatz zur Bewältigung einer internationalen Situation, in der ein echtes Gesetzgebungsorgan noch fehlt.137 Nach dem gegenwärtigen Stand des Völkerrechts lässt sich indes nicht nachweisen, dass dieses Prinzips akzeptiert sei. Es wird zum Teil als Nachwirkung des alten europäischen öffentlichen Rechts verstanden, das durch eine im Vergleich zur heutigen Staatenwelt große Homogenität gekennzeichnet war.138 Die sogenannten Zustimmungstheorien neigen eher dazu, das objektive Regime als besondere Rechtsfigur abzulehnen.139 Selbst bei McNair setzt die Drittwirkung voraus, dass die Drittstaaten sie hingenommen haben (acquiescence).140 Für E. Klein besteht, sofern die übrigen Voraussetzungen für ein objektives Regime gegeben sind, immerhin eine Obliegenheit zum Protest.141 Unterbleibt eine Reaktion, so soll dies zum Verlust des Rechts führen, an der Definition des Allgemeinwohls zu partizipieren. Die potentielle objektive Wirkung wandelt sich dann in eine effektive Wirkung erga omnes.142 Dieser Ansatz steht zwischen der öffentlich-rechtlichen Theorie und den Zustimmungstheorien,143 weil er den Konsens der Drittstaaten an die geltend gemachte Befugnis der Vertragsparteien zu einer territorialen Regelung im Allgemeininteresse anknüpft.144
136 137
P. Reuter, RdC 103 (1961-II), S. 425 (450). A. McNair, Law of Treaties, 1961, S. 271.
138
Vgl. P. Cahier, RdC 143 (1974), S. 589 (730 f.); C. Feist, Kündigung, Rücktritt und Suspendierung, 2001, S. 99. 139
Vgl. M. Fitzmaurice, MPYUNL 6 (2002), S. 37 (71).
140
IGH International status of South West Africa, Advisory Opinion, Sep. Op. McNair, ICJ Rep. 1950, S. 146 (153); A. McNair, FS Perassi, Bd. 2, 1957, S. 24; ders., Law of Treaties, 1961, S. 259. 141
Zum Anknüpfungstatbestand für eine acquiescence s. in der Rspr. des IGH Fisheries case, ICJ Rep. 1951, S. 116 (138 f.); Temple of Preah Vihear (Cambodia v. Thailand), Sep. Op. Alfaro, ICJ Rep. 1962, S. 39 ff. 142
E. Klein, Statusverträge, 1980, S. 213.
143
Einordnung als „public law theory“ dagegen bei B. Simma, Cornell ILJ 19 (1986), 189 (198). 144
E. Klein, Statusverträge, 1980, S. 213 f. Weitergehend nimmt H. Mosler eine obligation to acquiesce an, die er mit dem Allgemeininteresse an der Auf-
460
6. Kapitel
c) Relevanz der Rechtsfigur Aus der Tatsache, dass in die Wiener Vertragsrechtskonvention keine Bestimmung über objektive Regime aufgenommen wurde, lässt sich nicht schließen, dass das Konzept ohne rechtlichen Bedeutungsgehalt ist. Die Ablehnung der Vorschläge Waldocks ist vornehmlich auf die Befürchtung zurückzuführen, dass sich die Großmächte auf der Grundlage einer solchen Bestimmung zum Weltgesetzgeber aufschwingen würden.145 Diese Besorgnis herrschte unter anderem in den Staaten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas bis zum Ende der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts vor. Seit den späten sechziger Jahren haben sich diese Staaten aber, die mittlerweile die Mehrheit in der Generalversammlung innehatten, als Befürworter objektiver Regime gezeigt. Sie sollen insbesondere der Regelung hoheitsfreier Räume oder der Schaffung von Friedenszonen dienen.146 Jedoch sind bislang weder klare Kriterien für das Vorliegen eines objektiven Regimes147 noch eine allgemein akzeptierte normative Begründung für dessen besondere Rechtsfolgen gefunden worden.148 So gut wie alle Ansätze greifen jedenfalls sekundär auf ein Konsenselement zurück, um die Vertragswirkung gegenüber dritten Staaten zu rechtfertigen.149 Eine überzeugende dogmatische Begründung für eine Drittwirkung ist damit über die Statusverträge nicht zu finden.150 Auch eine gewohnheitsrechtliche Anerkennung der Grundzüge objektiver Vertragsregime ist nicht anzunehmen. Dazu fehlt es eben an einem überzeugenden und anerkannten theoretischen Konzept sowie klaren Kriterien für die Anerkennung des objektiven Vertragsregimes, auf deren Grundlage sich eine kohärente Staatenpraxis entwickeln könnte.151 Die Wirkungen
rechterhaltung eines bestimmten Status begründet: H. Mosler, RdC 140 (1974IV), S. 1 (236). 145
S. die Stellungnahmen der ILC-Mitglieder zu Waldocks Artikelentwurf, YBILC 1964-I, S. 96 ff. 146 147 148
S. Subedi, Land and Maritime Zones of Peace, 1996, S. 179 f., m. N. S. Subedi, Land and Maritime Zones of Peace, 1996, S. 203. J. Ziemer, Das gemeinsame Interesse, 2000, S. 213.
149
Vgl. U. Hingst, Auswirkungen der Globalisierung, 2001, S. 192; für dispositive Verträge J. Crawford, Creation of States, 22006, S. 564. 150 151
J. Ziemer, Das gemeinsame Interesse, 2000, S. 215 f.
Vgl. auch N. Matz, Wege zur Koordinierung völkerrechtlicher Verträge, 2005, S. 259.
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eines objektiven Regimes hängen daher stark vom Einzelfall ab. Verallgemeinerungsfähige Aussagen über eine Drittwirkung vertraglicher Regelungen als Element einer Dogmatik der Konstitutionalisierung lassen sich daher aus der Rechtsfigur des objektiven Regimes nicht ableiten.
2. Institutionelle Verträge Institutionellen oder Gründungsverträgen kommt eine Drittwirkung zu, wenn die durch den Vertrag gegründete Organisation auch gegenüber Drittstaaten ohne Weiteres als Völkerrechtssubjekt gilt. Auch hier stellt sich die Frage, ob sich die Begründung dieser Drittwirkung auf eine Drittwirkung bestimmter Gemeinwohlnormen übertragen lässt. Im Reparation for Injuries/Bernadotte-Fall geht der IGH anders als die wohl heute herrschende Ansicht152 davon aus, dass den Vereinten Nationen eine objektive Rechtspersönlichkeit auch gegenüber Staaten außerhalb des Kreises der Gründungs- bzw. Mitgliedstaaten zukommt, ohne dass die Nichtvertragsparteien das anerkannt oder hingenommen haben müssten (recognition oder acquiescence). Allein mit der für andere Staaten bindenden Errichtung der Organisation werde die internationale Ordnung gestaltet.153 Zur Begründung führt der IGH aus, dass die Charta der Verwirklichung kollektiver Interessen der Vertragsstaaten154 und der Erfüllung bedeutender politischer Aufgaben zur Wahrung des Weltfriedens und der Sicherheit, der Völkerverständigung sowie der internationalen Zusammenarbeit in wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und humanitären Fragen diene.155 Grundlage der Argumentation des Gerichts ist also das in der UNO-Charta verkörperte Gemeinwohl.156
152
Vgl. E. Klein, in: W. Graf Vitzthum (Hg.), Völkerrecht, 32004, S. 265, Rn.
96. 153
IGH Reparation for Injuries, ICJ Rep. 1949, S. 174 (178, 185). Dieser Aspekt ist von der erga omnes-Wirkung einzelner (materieller) Vertragsbestimmungen des Gründungsvertrages zu unterscheiden. S. IGH Reparation for Injuries, Advisory Opinion, Diss. Op. Krylov, ICJ Rep. 1949, S. 218 f.; E. Klein, Statusverträge, 1980, S. 45 mit Fn. 1; M. Forteau, in: R. Chemain/A. Pellet (Hg.), La Charte des Nations Unies, 2006, S. 121 (151). 154 155 156
ICJ Rep. 1949, S. 174 (178). ICJ Rep. 1949, S. 174 (179). Vgl. J. Delbrück, FS Jaenicke, 1998, S. 17 (24).
462
6. Kapitel
Alternativ zur vom IGH gewählten Begründung der objektiven Rechtspersönlichkeit aus dem Gründungsvertrag selbst heraus (Willens- oder Vertragstheorie) ist eine Ableitung aus dem allgemeinen Völkerrecht denkbar (objektive oder Gewohnheitsrechtstheorie).157 Einige Autoren halten diesen auf den norwegischen Völkerrechtler Seyersted158 zurückgehenden Ansatz für überzeugender159 und interpretieren auch die Entscheidung des IGH in diesem Sinne.160 Für Seyersted hat der Gründungsvertrag eine allein limitierende Funktion, die auf das Verhältnis der Organisation zu den Mitgliedstaaten beschränkt ist.161 Internationale Organisationen müssen, ähnlich wie Staaten, auch nicht notwendig auf einem völkerrechtlichen Vertrag beruhen.162 Art. 6 WVKIO, demzufolge sich die Vertragsfähigkeit einer internationalen Organisation nach den entsprechenden Regeln der Organisation bestimmt, beruht dagegen auf der Vertragstheorie.163 In der Literatur ist umstritten geblieben, ob die Rechtspersönlichkeit internationaler Organisationen von einer Anerkennung abhängt.164 Eine aussagekräftige Praxis der Anerkennung oder Nicht-Anerkennung besteht, anders als 157
Vgl. B. Fassbender, ÖZöR 37 (1986), S. 17 (28 ff.); vorsichtig M. Sørensen, RdC 101 (1960-III), S. 1 (139); M. Bothe, ZaöRV 37 (1977), S. 122 (125). 158
F. Seyersted, Objective International Personality of Intergovernmental Organizations, 1963, insb. S. 47 ff.; ders., Ind. JIL 4 (1964), S. 233; ders., ÖZöR 34 (1983), S. 261; ders., Common Law of International Organizations, 2008, S. 380 ff. 159
C. Tomuschat, BDGVR 28 (1988), S. 9 (13); G. Arangio-Ruiz, EJIL 8 (1997), S. 1 (15); J. Crawford, in: H. Fox (Hg.), The Changing Constitution of the United Nations, 1997, S. 3 (9 f.). 160
J. Crawford, in: H. Fox (Hg.), The Changing Constitution of the United Nations, 1997, S. 3 (9 f.). 161
F. Seyersted, Common Law of International Organizations, 2008, S. 363
ff. 162
F. Seyersted, Ind. JIL 4 (1964), S. 233 (238 ff.).
163
Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen v. 21.3.1986, BGBl. 1990-II, S. 1415, nicht in Kraft, s. http://treaties.un. org, Stand: 18.5.2010; vgl. zur Position der ILC B. Fassbender, ÖZöR 37 (1986), S. 17 (38 ff.). 164
C. Amerasinghe, Institutional Law, 22005, S. 88 f.; zur Kritik der Reparation for Injuries-Entscheidung des IGH s. G. Schwarzenberger, International Law, Bd. 1, 31957, S. 128 f.; R. Bindschedler, AVR 9 (1961/1962), S. 377 (387 f.); ders., BDGVR 4 (1961), S. 1 (13).
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463
bei den Staaten, nicht.165 Immerhin ist eine Tendenz erkennbar, dass die tatsächliche Zahl beteiligter Staaten kein relevanter Faktor für die objektive Rechtspersönlichkeit ist.166 Eine pragmatische Lösung schlägt eine Vermutungsregel vor. Danach soll eine Vermutung dafür bestehen, dass einer Organisation Rechtspersönlichkeit zukommt, sofern nicht das Gegenteil gezeigt werden kann.167 Das kann dann der Fall sein, wenn die Gründungsstaaten explizit keine Rechtspersönlichkeit vorsehen wollten, aber auch dann, wenn die Gründung der Organisation mit Rechtspersönlichkeit betrügerische Zwecke verfolgt oder keinen wirklichen oder zumindest keinen legitimen Zweck verfolgt.168 Eine Übertragung der ohnehin singulär und umstritten gebliebenen Rechtsprechung des IGH zur Rechtspersönlichkeit einer internationalen Organisation aufgrund ihres Gründungsvertrages auf andere Verträge steht der besondere Charakter der mit der Schaffung einer internationalen Organisation verbundenen Drittwirkung entgegen: Die Rechtspersönlichkeit einer internationalen Organisation entfaltet gegenüber dritten Staaten eine bloße Tatbestands- oder Reflexwirkung.169 Sie müssen lediglich die Rechtspersönlichkeit akzeptieren, so dass gar nicht von einer echten Drittwirkung auszugehen ist.170
3. Menschenrechtsverträge in Sukzessionsfällen Eine besondere Form der Drittwirkung begründen Menschenrechtsverträge, wenn sie im Fall einer Staatensukzession auch den Nachfolgestaat binden. Die Bindung des Gebietsnachfolgers ist zwar nicht Ausdruck der Universalisierung, sondern knüpft daran an, wenn entsprechenden Verträgen ein dem universellen Völkergewohnheitsrecht vergleichbarer Status eingeräumt wird.171 Sie bedeutet aber eine Verfestigung und Ob165
C. Amerasinghe, Institutional Law, 22005, S. 87.
166
C. Amerasinghe, Institutional Law, 22005, S. 90.
167
J. Klabbers, International Institutional Law, 22009, S. 49 f.
168
C. Amerasinghe, Institutional Law, 22005, S. 90.
169
C. Tomuschat, BDGVR 28 (1988), S. 9 (13); J. Ziemer, Das gemeinsame Interesse, 2000, S. 200 f. S. aber auch schon S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 32 f. 170
Das Gleiche gilt im Übrigen für sogenannte Verfügungsverträge oder Realverfügungen, etwa Gebietszessionen von zwei oder mehr territorial zuständigen Staaten. 171
Vgl. C. W. Jenks, BYBIL 29 (1952), S. 105 (107, 142).
464
6. Kapitel
jektivierung bestimmter vertraglicher Verpflichtungen. Die Vertragsorgane der Menschenrechtsverträge gehen einhellig von einer Bindung des Nachfolgestaates an Verpflichtungen aus Menschenrechtsverträgen unabhängig von einer entsprechenden Erklärung oder Bestätigung der neuen Regierung aus, während Rechtsprechung und Literatur insgesamt zurückhaltender sind.172 Von der Rechtsprechung, den Vertragsorganen und der Literatur werden für diese Bindung verschiedene Begründungen angeführt.173 Nicht im engeren Sinne um eine Drittwirkung des Vertrages geht es, wenn der Übergang von Rechten und Pflichten darauf beruht, dass auch der Gebietsnachfolger an das allgemeine Völkerrecht gebunden ist.174 Auf der Grundlage einer gewohnheitsrechtlichen Bindung lassen sich Nachfolgerstaaten auch nicht in die Monitoring-Mechanismen und Schutzinstrumente der Menschenrechtssysteme einbinden. Diese sind zwar ein wesentlicher Aspekt der Menschenrechtsverträge, ihnen kommt aber gerade nicht der Status des allgemeinen Völkerrechts zu. Umstritten ist, ob im Fall einer Staatennachfolge hinsichtlich der vom Vorgängerstaat geschlossenen Verträge allgemein der Grundsatz der Kontinuität gilt.175 Dass das clean slate-Prinzip, demzufolge der Neustaat nicht an vertragliche Verpflichtungen des Vorgängers gebunden ist, jedenfalls bei multilateralen Verträgen legislativen Charakters keine 172
5th meeting of persons chairing UN human rights treaty bodies, s. Report of the secretary-general on Succession of States in Respect of International Human Rights Treaties, UN-Dok. E/CN.4/1995/80, S. 3 f., para. 10; UN-Dok. E/CN.4/1996/76, S. 3, para. 8; zur Praxis von ICRC und ILO s. M. Kamminga, EJIL 7 (1996), S. 469 (473 f.). 173
Vgl. zu dieser Problematik zusammenfassend T. Meron, The Humanization of International Law, 2006, S. 211 ff.; M. T. Kamminga, in: ders./M. Scheinin (Hg.), The Impact of Human Rights Law on General International Law (2009), S. 99. 174
Conference on Yugoslavia Arbitration Commission: Opinions on Questions Arising From the Dissolution of Yugoslavia, Opinion No. 1, ILM 31 (1992), S. 1494 (1496) – für das ius cogens; IGH Genocide Case, Preliminary Objections, Sep. Op. Weeramantry, ICJ Rep. 1996, S. 640 (645). 175 S. einerseits Art. 34 (sowie die Ausnahmen in Art. 16 ff. für „newly independent states“) der Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge v. 23.8.1978, UNTS 1946, S. 3, andererseits Restatement (Third) of the Foreign Relations Law of the United States, 1987, § 210 (3), Reporters’ Note 4. Die Wiener Konvention ist zwar 1996 in Kraft getreten, hat aber nur 22 Vertragsparteien (Stand: 18.5.2010; Quelle: http://treaties.un.org).
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465
Anwendung finden soll, wird in der Literatur aber schon lange vertreten.176 Die ILC dagegen hielt unter Abwägung aller Umstände eine Sonderregelung für rechtsetzende Verträge noch nicht für angemessen und übernahm daher den Gedanken der Bindung des Nachfolgestaates von universellen Verträgen oder Menschenrechtsverträgen nicht in den Entwurf für das Wiener Übereinkommen über die Staatennachfolge in Verträge.177 Der IGH hat bislang offen gelassen, ob für bestimmte Arten völkerrechtlicher Verträge oder Konventionen der Grundsatz der automatischen Nachfolge Anwendung findet.178 Indes ging schon der StIGH davon aus, dass das Privateigentum als wohlerworbenes Recht gegenüber dem Nachfolgestaat geltend gemacht werden könne.179 Für andere private Rechte wie die Menschenrechte müsste dies dann a fortiori gelten.180 Grundsätzliche Erwägungen legen eine Kontinuität der Bindung insbesondere an Menschenrechtsverträge im weiteren Sinne nahe, da die Wahrung der Menschenrechte gerade in der Übergangssituation prekär sein kann und deshalb eine Unterbrechung mit dem Ziel und Zweck des Vertrages nicht vereinbar sein dürfte.181 Die Menschenrechtskommission betonte in mehreren Resolutionen, dass Menschenrechtsverträgen eine besondere Natur zukomme, und rief Nachfolgestaaten dazu auf, gegenüber Depositaren zu bestätigen, dass sie weiterhin an Verpflichtungen aus Menschenrechtsverträgen 176
C. W. Jenks, BYBIL 29 (1952), S. 105 (142); C. De Visscher, Theory and Reality in Public International Law, 1968, S. 179. 177 Vgl. First Report on succession of States in respect of treaties, by Sir Francis Vallat, YBILC 1974 II-1, S. 1 (43 ff.); Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge v. 23.8.1978, UNTS 1946, S. 3. 178
IGH Genocide Case, Preliminary Objections, ICJ Rep. 1996, S. 595 (612), para. 23; vgl. auch Urt. v. 26.2.2007, dem dazu nichts zu entnehmen ist. 179
StIGH German Settlers, PCIJ Ser. B, 1923, No. 6, S. 36; s. zur doctrine of acquired rights D. O’Connell, State Succession in Municipal Law and International Law, Bd. 1, 1967, S. 244 ff. 180
R. Mullerson, Va JIL 33 (1993), S. 299 (319); ders., ICLQ 42 (1993), S. 473 (491); T. Kammminga, EJIL 7 (1996), S. 469 (472 f.); dagegen M. Craven, BYBIL 68 (1997), S. 127 (157 f.). 181 C. W. Jenks, BYBIL 29 (1952), S. 105 (109); IGH Genocide Case, Preliminary Objections, Sep. Op. Weeramantry, ICJ Rep. 1996, S. 640 (649 ff.); Sep. Op. Shahabuddeen, ibid., S. 634 (635 f.), der annimmt, dass die anderen Vertragsparteien den Nachfolgestaat so zu behandeln haben wie den Vorgänger und dass das vertragliche Band durch eine Entscheidung des Nachfolgerstaates vervollständigt wird.
466
6. Kapitel
gebunden seien.182 Menschenrechts- und humanitäre Verträge begründen eine Verpflichtung gegenüber der internationalen Gemeinschaft, die an deren Fortbestand im Fall der Staatennachfolge auch ein besonderes Interesse hat.183 Zum Teil wird die besondere Natur der Menschenrechtsverträge in ihrer Ähnlichkeit zu dinglichen Rechten gesehen. Der Vorstellung, dass bestimmten Verträgen im Sukzessionsfalle ein dinglicher Charakter zukommt,184 entsprechen die Art. 11, 12 des Übereinkommens über die Staatennachfolge in Verträge.185 Die ILC führt in ihrem Bericht an die Generalversammlung dazu aus, dass, wegen des rechtlichen Nexus zwischen Vertrag und Territorium, der Nachfolgestaat nicht eigentlich als Drittstaat anzusehen sei und sich daher auch nicht auf Art. 35 WVK über Verträge zu Lasten von Drittstaaten solle berufen können.186 Menschenrechtsverträge erhalten einen vergleichbar radizierten Charakter dadurch, dass sie vertragliche Rechte der Bevölkerung auf dem Gebiet einer Vertragspartei begründen.187 Aus der Sicht des Menschenrechtskomitees besteht eine lang etablierte Praxis, dass dieser Schutz mit dem Gebiet übergeht und der Bevölkerung erhalten bleibt, unabhängig von 182
UN Commission on Human Rights, Res. 1993/23, 1994/16, 1995/18; zusammenfassend zu den Maßnahmen der Vertragsorgane: Report of the secretary-general on Succession of States in Respect of International Human Rights Treaties, UN-Dok. E/CN.4/1996/76. 183
Vgl. IGH Genocide Case, Preliminary Objections, Sep. Op. Weeramantry, ICJ Rep. 1996, S. 645 ff. Weeramantry betrachtet die menschenrechtlichen Verpflichtungen nicht als Souveränitätsbeschränkung und sieht darin auch keine wirkliche Belastung für Neustaaten. S. zum Argument des Gemeinschaftsinteresses auch R. Mullerson, Va JIL 33 (1993), S. 299 (317); G. Bunn/J. Rhinelander, Va JIL 33 (1993), S. 323 (349). 184
Vgl. A. McNair, Law of Treaties, 1961, S. 256.
185
Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge v. 23.8.1978, UNTS 1946, S. 3. 186
ILC, Report of the Commission to the General Assembly, YBILC 1974 II-1, S. 157 (204), para. 30. 187
HRC, General Comment 26: Continuity of obligations v. 8.12.1997, Tz. 4; IGH Genocide Case, Preliminary Objections, Sep. Op. Weeramantry, ICJ Rep. 1996, S. 640 (652); M. Kamminga, EJIL 7 (1996), S. 469 (482 ff.); vgl. E. Klein, FS Jeanicke, 1998, S. 165 (167); R. Wolfrum, Diskussionsbeitrag, BDGVR 35 (1996), S. 347 f.; A. Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge, 2000, S. 576 – mit dem Hinweis auf Konkordate als Vorläufer für diese Art von Verträgen.
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einem Regierungswechsel, einer Dismembration in mehrere Staaten, einer Staatennachfolge oder jeder nachfolgenden Maßnahme des Vertragsstaates, die ihr die Rechte entziehen soll.188 Auch für die Berufungskammer des Jugoslawiengerichts ist die automatische Staatennachfolge in multilaterale Verträge, die im weiteren Sinne einen humanitären Charakter haben, Stand des Völkerrechts.189 Dafür, dass die Bindung des Gebietsnachfolgers an vom Vorgänger geschlossene Menschenrechtsverträge durch eine gewohnheitsrechtliche Nachfolgeregelung bewirkt wird, spricht die Praxis der Staatensukzessionen der neunziger Jahre mit dem Zerfall der UdSSR und Yugoslawiens, der Teilung der Tschechoslowakei und der Rückgabe Hong Kongs an China aber nur bedingt.190 Insbesondere ist die Praxis der GUS-Staaten nicht homogen, und Hong Kong stellt wohl in jeder Hinsicht einen Sonderfall dar. Teilweise sind die neuen Staaten den betreffenden Verträgen ausdrücklich beigetreten, teilweise haben sie überhaupt keine Handlungen unter den Verträgen vorgenommen.191 Für die Bindung von Nachfolgestaaten an die EMRK wird in der Literatur auch mit der Idee eines gemeineuropäischen Grundrechtsschutzes und dem Status der EMRK als Teil einer europäischen öffentlichen Ordnung argumentiert.192 Die Kommission stützte dagegen im Fall der Auflösung der ehemaligen Tschechoslowakei die Nachfolge Tschechi188
HRC, General Comment 26: Continuity of obligations v. 8.12.1997, Tz. 4; zur Praxis des Menschenrechtskomitees s. A. Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge, 2000, S. 545 ff. 189
ICTY, Appeals Chamber Prosecutor v. Mucic et al. („Celebici“), No. IT96-21, Entsch. v. 20.2.2001, para. 111-113. 190 Dafür aber M. Kamminga, EJIL 7 (1996), S. 469 (482); zurückhaltender O. Schachter, Va JIL 33 (1993), S. 253 (259); M. Shaw, FYIL 5 (1994), S. 34 (84) – „one is on the verge of widespread international acceptance“; B. Simma, RdC 250 (1994-VI), S. 217 (357 f.) – noch im Fluss; J. Chan, ICLQ 45 (1996), S. 928 (936) – „too early“; ablehnend M. Herdegen, FS Tomuschat, 2006, S. 899 (906, 910); vgl. auch D. Vagts, Va JIL 33 (1993), S. 275 (289 f.), sowie U. Fastenrath, BDGVR 35 (1996), S. 9 (33 f.) – Verbot des Rückfalls hinter einmal erreichten Stand der Rechtskultur. 191 S. zur Staatenpraxis A. Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge, 2000, S. 549 ff.; ders., in: M. Kohen (Hg.), Secession, 2006, S. 208 (219); überblicksartig zur Staatenpraxis auch T. Schweisfurth, BDGVR 35 (1996), S. 49 (142 ff.). 192 D. Frank, Verantwortlichkeit, 1999, S. 143; zur Praxis unter der EMRK s. A. Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge, 2000, S. 562 ff.
468
6. Kapitel
ens und der Slowakei in die Verpflichtungen aus der EMRK in erster Linie auf die Anerkennungserklärungen der beiden Nachfolgestaaten.193 Es gibt also Anzeichen für eine Verfestigung der Menschenrechtsverträge im Sukzessionsfalle, die allerdings noch kein Völkergewohnheitsrecht begründen.194 Die Analyse der Drittwirkung von objektiven Regimen, institutionellen Verträgen und von Menschenrechtsverträgen bei der Staatensukzession bietet danach keinen geeigneten Anknüpfungspunkt für eine verallgemeinerbare theoretische Begründung der Drittwirkung von Verträgen, die einem überstaatlichen Gemeininteresse dienen.
4. Weitere Fälle einer Drittwirkung In der Rechtsprechung zu Gebieten mit einem besonderen Status, die keine objektiven Regime sind, und zur Mandatsverwaltung (a)) sowie in der Vertragspraxis nach dem Zweiten Weltkrieg (b)) finden sich aber womöglich andere verallgemeinerbare Begründungselemente für eine Drittwirkung.
a) Gebiete mit besonderem Status und Mandatsverwaltung in der Rechtsprechung Im Fall betreffend die 1815 begründeten Freizonen von Hochsavoyen und dem Bezirk Gex kam der StIGH zu dem Ergebnis, dass der Schweiz als Vertragspartei echte vertragliche Rechte zustünden. Nur obiter dicta stellte er fest, dass eine Vertragsbestimmung zum Vorteil eines dritten Staates mit der Absicht vereinbart worden sei, dem Drittstaat ein Recht einzuräumen.195 An dieses Recht war auch Frankreich 193
EKMR Brezny v. Slovakia, No. B. 23131/93, Entsch. v. 4.3.1996, DR 85, S. 65 (78 f.). Die Anerkennungserklärung bewirkt nach Art. 9 der Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge v. 23.8.1978, UNTS 1946, S. 3, für sich allein aber noch keine Rechtsnachfolge. Sowohl Tschechien als auch die Slowakei ratifizierten die EMRK am 18.3.1992. 194 Der IGH ist im Völkermordfall von einem Fortbestand der SFRY ausgegangen und hat die Frage nach einer Doktrin der automatischen Sukzession in Menschenrechtsverträge damit vermieden: IGH Genocide Case, Preliminary Objections, ICJ Rep. 1996, S. 595; vgl. R. Higgins, FS Suy, S. 691 (696). 195 StIGH Free Zones of Upper Savoy and the District of Gex, Judgment of June 7th, 1932, PCIJ 1932, Ser. A/B No. 46, S. 147 f. Anders wohl noch der Beschluss aus dem Jahre 1929, Free Zones of Upper Savoy and the District of
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als Gebietsnachfolger Sardiniens nach dem Vertrag von Turin gebunden, weil es Teil einer Regelung im europäischen öffentlichen Interesse ist.196 In Anknüpfung an das Namibia-Gutachten des IGH von 1971 wurde vorgeschlagen, die Bedeutung des Dogmas der erga omnes-Wirkung auf das Recht der internationalen Organisationen und der Verbindlichkeit ihrer Beschlüsse zu beschränken.197 Das Gutachten wird aber auch so interpretiert, dass sich die angenommene erga omnes-Wirkung nicht auf die Bindungswirkung einer Sicherheitsratsresolution für Nichtmitglieder der Vereinten Nationen bezieht.198 Vielmehr soll sie im Sinne der Barcelona Traction-Entscheidung die Staatenverantwortlichkeit betreffen, die durch die Verletzung der Verpflichtung zum Rückzug aus Namibia durch Südafrika oder die Verpflichtung zur Nichtanerkennung der Rechtmäßigkeit von Südafrikas fortwährender Präsenz durch andere Staaten begründet wird.199 Beide Interpretationen überzeugen nicht, wenn man die relevanten Textpassagen200 vor dem Hintergrund zweier Sondervoten liest. Richtigerweise geht es im Namibia-Gutachten von 1971 allein um ein Problem der Beendigung des Mandatsvertrages, nicht um ein Problem, das sich speziell im Hinblick auf die Vereinten Nationen stellte.201 Gex, Order of August 19th, 1929, PCIJ Ser. A, No. 22, S. 20, wo wohl von einer „stipulation pour autrui“ ausgegangen wird. Die gewählten Formulierungen sind zwar sehr zurückhaltend, die Auffassung der die Begründung tragenden Mehrheit erschließt sich aber auch aus den opinions des Richters Negulesco (ibid., S. 38) und des französischen ad hoc Richters Dreyfus (ibid., S. 43). Vgl. zur Interpretation E. de Archéga, AJIL 50 (1956), S. 338 (342 f.). Die prinzipielle Möglichkeit, in einem Vertrag zugunsten Dritter ein Recht einzuräumen, anerkannte der StIGH auch schon im Case Concerning Certain German Interests in Polish Upper Silesia, PCIJ, Ser. A No. 7 (1926), S. 29. 196
Vertrag von Turin zwischen Frankreich und Piemont-Sardinien v. 24.3. 1860, Martens NRG 16 (2), S. 539. 197
J. Müller, ZSR Beiheft 25 (1997), S. 45 (56) unter Berufung auf IGH Namibia, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1971, S. 16 (56). 198 199
GV Res. 2145 (XXI) v. 27.10.1966, SR Res. 276 (1970). Nachweise zur Lit. bei C. Tams, Erga Omnes, 2005, S. 108.
200
IGH Namibia, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1971, S. 16 (58), para. 133; S. 56, para. 126. 201 IGH Namibia, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1971, S. 16 (56). Das Sondervotum Ammoun argumentiert mit der Unteilbarkeit des Status, ibid. S. 73, das Sondervotum de Castro mit der absolut wirkenden, einer Eigentümerstellung
470
6. Kapitel
b) Vertragspraxis nach dem Zweiten Weltkrieg Möglicherweise trägt aber die Vertragspraxis nach dem Zweiten Weltkrieg die These einer Drittwirkung zumindest bestimmter völkerrechtlicher Verträge. Art. 218 f. SRÜ, die die Durchsetzung mariner Umweltschutzvorschriften im Interesse der Staatengemeinschaft durch den Hafenstaat regeln, erfassen zwar potentiell auch die Schiffe, die unter der Flagge von Nichtvertragsparteien fahren, dürften aber von den völkergewohnheitsrechtlichen Jurisdiktionsregeln gedeckt sein. Zur Durchführung der Seerechtskonvention wurde 1995 das UNAbkommen zum Schutz von weitwandernden Fischarten (Fish Stocks Agreement, FSA) verabschiedet,202 das dem Prinzip der Internationalisierung und Institutionalisierung von Erhaltung und Bewirtschaftung der Fischbestände folgt. Es enthält eine Reihe von Bestimmungen mit Drittstaatsbezug.203 Art. 8 Abs. 4 FSA lautet: “Only those States which are members of such an organization or participants in such an arrangement, or which agree to apply the conservation and management measures established by such organization or arrangement, shall have access to the fishery resources to which those measures apply.” Entgegen dem Wortlaut „States“ soll die Regelungen nach einer Ansicht nur die Parteien des FSA betreffen,204 nach anderer Ansicht dagegen eivergleichbaren Rechtsstellung der UN, ibid. S. 219. S. auch P. Cahier, in: A. Cassese (Hg.), Current Problems of International Law, 1975, S. 81 (99 f.); E. Klein, Statusverträge, 1980, S. 204; M. Forteau, in: R. Chemain/A. Pellet (Hg.), La Charte des Nations Unies, 2006, S. 121 (152); s. aber auch T. O. Elias, The Modern Law of Treaties, 1974, S. 61; J. Klabbers, FS Bengt Broms, 1999, S. 149 (167) – “marriage between the Charter and the erga omnes argument is not a very happy liaison”. 202
Übereinkommen v. 4.8.1995 zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und Beständen weit wandernder Fische, BGBl. 2000-II, S. 1022. S. dazu E. Franckx, Tulane JICL 8 (2000), S. 49; J. Ziemer, Das gemeinsame Interesse, 2000, S. 187 ff.; vgl. dazu C. Feist, Kündigung, Rücktritt und Suspendierung, 2001, S. 118 ff. 203 Zweifel an der Gemeinwohlorientierung der Regelungen im FSA thematisiert Vitzthum: Es handele sich um ein Instrument zur Ausdehnung des Einflussbereichs der Küstenstaaten über die 200-Meilen-Zone hinaus zulasten der Hochseefischerei: W. Graf Vitzthum, Diskussionsbeitrag, in: J. Delbrück (Hg.), International Lawmaking, 1997, S. 117. 204
E. Franckx, Tulane JICL 8 (2000), S. 49 (63).
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471
ne echte Verpflichtung von Drittstaaten begründen.205 Art. 33 Abs. 2 FSA des Abkommens ist in seinem Regelungsansatz Art. 2 Nr. 6 UNC vergleichbar: “States Parties shall take measures consistent with this Agreement and international law to deter the activities of vessels flying the flag of non-parties which undermine the effective implementation of this Agreement”.206 Eine gewisse Verbreitung haben mittlerweile Handelsverbote gegenüber Nichtvertragsparteien erlangt, die eine faktische Drittwirkung begründen.207 In jüngerer Zeit wurde die Frage nach einer Drittwirkung des
205
C. Feist, Kündigung, Rücktritt und Suspendierung, 2001, S. 120.
206
Art. 17 FSA begründet eine gewisse Drittwirkung von subregional or regional fisheries management organizations, bleibt aber konsensbegründet. Art. 21 FSA enthält zwar eine Ausnahme zum Flaggenstaatsprinzip, ist aber in seiner Wirkung auf die Vertragsstaaten des FSA beschränkt (ebenso E. Franckx, Tulane JICL 8 (2000), S. 49 (65)). Art. 23 FSA regelt die Kompetenzen des Hafenstaates im Rahmen des völkergewohnheitsrechtlich Zulässigen. 207
S. etwa Art. 4 des Montrealer Protokolls über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen, v. 16.9.1987, BGBl. 1988-II, S. 1014; Art. 4 Abs. 5 des Basler Übereinkommens über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung, BGBl. 1994-II, S. 2704; Art. X CITES (Convention on Intenational Trade in Endangered Species of Wild Flora and Fauna, Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen v. 3.3.1973, BGBl. 1975-II, S. 777). S. auch die Drittstaatenregelung in der Konstitution und Konvention der Internationalen Fernmeldeunion vom 22.12.1992, BGBl. 1996-II, S. 1306. Art. 51 der Konstitution lautet: „Alle Mitglieder behalten sich für sich selbst und für die anerkannten Betriebsunternehmen das Recht vor, die Bedingungen festzusetzen, unter denen sie Fernmeldeverkehr mit einem Staat zulassen, der nicht Mitglied der Union ist. Wenn eine von einem solchen Staat ausgehende Nachricht von einem Mitglied angenommen wird, muß sie weitergeleitet werden; soweit dafür Fernmeldeübertragungswege eines Mitglieds in Anspruch genommen werden, gelten für diesen Verkehr die zwingenden Bestimmungen dieser Konstitution, der Konvention und der Vollzugsordnungen sowie die normalen Gebührensätze.“ Vgl. auch die Vorschriften in Abrüstungsverträgen, die etwa die Unterstützung von Nichtvertragsparteien bei der Entwicklung, Lagerung und dem Gebrauch von gewissen Waffentypen verbieten, etwa Art. 1 Abs. 1 lit. c des Ottawa-Übereinkommens, Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung v. 18.9.1997, BGBl. 1998-II, S. 779.
472
6. Kapitel
Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs208 eingehend diskutiert. Art. 12 Abs. 2 des Römischen Statuts knüpft die Ausübung der Gerichtsbarkeit für den Fall, dass das Verfahren aufgrund einer Überweisung durch einen Staat oder ex officio durch den Chefankläger eingeleitet wird, alternativ an die Mitgliedschaft/Zustimmung von Territorial- oder Täterstaat an. Die getroffene Regelung ermöglicht es, auch Angehörige von Staaten, die weder dem Statut beigetreten sind noch sich ad hoc der Zuständigkeit des Gerichts unterworfen haben, vor das ICC zu bringen. Es reicht aus, wenn der Territorialstaat die Zuständigkeit des Gerichtsstaates anerkannt hat. Diese Regelung stellt nach Ansicht der amerikanischen Delegation einen Verstoß gegen den pacta tertiis-Grundsatz dar und begründet gleichsam das Universalitätsprinzip.209 Sie stützt sich aber auf andere, traditionell anerkannte Anknüpfungspunkte für die Jurisdiktionsgewalt. Für Genozid, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gilt zudem ohnehin völkergewohnheitsrechtlich das Prinzip universeller Jurisdiktion.210 Die Übertragung der Jurisdiktionsgewalt eines Konventionsstaates auf ein vertraglich geschaffenes internationales Gericht, das diese sodann anstelle der dem Gericht beigetretenen Staaten ausübt, stellt daher keine Drittwirkung dar.211 Auch eine Drittwirkung von Art. 13 lit. b des Römischen Statuts über die Verfahrenseinleitung durch den Sicherheitsrat wurde behauptet. Die Bestimmung kann sich aber auf die oben angeführten Erwägungen und zusätzlich auf die Befugnisse des Sicherheitsrates nach Kapitel VII der Charta stützen, auf deren Grundlage sogar Ad-hoc-Gerichte geschaffen werden konnten. Nichtvertragsstaaten werden durch das Römische Statut keine Kooperationspflichten auferlegt.212 In der Diskussion um das Römische Statut haben sich die Staaten wie die Literatur auf die Dis-
208
Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs v. 17.7.1998, BGBl. 2000-II, S. 1394. 209 Vgl. D. Scheffer, Cornell ILJ 32 (1999), S. 529 (532 f.); ders., AJIL 93 (1999), S. 12 (17 ff.). 210
U. Hingst, Auswirkungen der Globalisierung, 2001, S. 285.
211
S. Williams/W. Schabas, in: O. Triffterer (Hg.), Commentary on the Rome Statute of the International Criminal Court, 22008, Art. 12 Rn. 15. 212
U. Hingst, Auswirkungen der Globalisierung, 2001, S. 287 ff. Umfassend zu Fragen der Drittwirkung des Römischen Statuts T. Steinberger-Fraunhofer, Internationaler Strafgerichtshof und Drittstaaten, 2008, die eine völkerrechtlich unzulässige Drittwirkung i. E. klar verneint.
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473
kussion, ob eine echte Drittwirkung zulässig wäre, gar nicht erst eingelassen.
5. Zwischenfazit Den objektiven Regimen und institutionellen Verträgen sowie der Sonderrolle von Menschenrechtsverträgen im Fall der Staatensukzession lässt sich keine verallgemeinerbare theoretische Begründung für die Drittwirkung von Verträgen entnehmen, die einem überstaatlichen Gemeininteresse dienen. Auch haben Rechtsprechung und Vertragspraxis keine klaren Kriterien für eine Wirkung erga omnes von Verträgen entwickelt.213 Sie wird zum Teil als Nachwirkung des alten europäischen öffentlichen Rechts verstanden,214 zum Teil aber eben doch als Anerkennung der Notwendigkeit objektiver Geltung von Verträgen im internationalen öffentlichen Interesse.215 Es ist aber ohne Weiteres davon auszugehen, dass fast alle Staaten der internationalen Gemeinschaft die Aussage bestreiten würden, sie könnten durch eine internationale Rechtsregel gebunden sein, die sie nicht in irgendeiner Form akzeptiert haben.216 Auch auf normativer Ebene konnte keine überzeugende Begründung für eine Drittwirkung gefunden werden, die potentiell autoritären Charakter hat.
C. Universalisierung im Völkergewohnheitsrecht Möglicherweise bietet aber das Völkergewohnheitsrecht eine tragfähigere Grundlage für die Herausbildung universeller Gemeinwohlnormen. Es gilt als wichtigste Quelle des universellen Rechts217 und gibt 213
M. Ragazzi, Erga Omnes, 1997, S. 18 ff.; G. Dahm/J. Delbrück/R. Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 22002, S. 625; für objektive Regime auch N. Matz, Wege zur Koordinierung völkerrechtlicher Verträge, 2005, S. 259. 214 215
P. Cahier, RdC 143 (1974), S. 589 (730 f.). G. Dahm/J. Delbrück/R. Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 22002, S. 625.
216
J. Charney/G. Danilenko, in: L. F. Damrosch (Hg.), Beyond confrontation, 1995, S. 23 (24). 217
M. Guzman, Mich. JIL 27 (2005), S. 115 (116); ders./T. Meyer, in: R. Miller/R. Bratspies (Hg.), Progress in International Law, 2008, S. 197; vgl. B. Stern, Duke JCIL 11 (2001), S. 89; M. Koskenniemi, From Apology to Utopia, 2005, S. 389 f.; IGH Gulf of Maine, ICJ Rep. 1984, S. 246 (293), para. 90. Zu
474
6. Kapitel
nach verbreiteter Vorstellung Antworten auf globale Fragen in einer interdependenten Welt. Im Bereich des Menschenrechtsschutzes und des Schutzes globaler öffentlicher Güter soll ihm trotz des wachsenden Vertragsrechts Bedeutung zukommen.218 Allerdings erscheint das Völkergewohnheitsrecht zumindest in seiner traditionellen Konzeption auf den ersten Blick als vergangenheitsbezogener Rechtstypus für die zukunftsgerichtete Bewältigung gemeinschaftlicher Aufgaben als eher ungeeignet.219 Seine Entwicklung gilt in der Regel als zu langsam und zu wenig steuerbar,220 der Entstehungsprozess als zu passiv. Es fehlt ein formaler Mechanismus für Initiative und organisiertes Handeln,221 und die Kriterien für die Identifikation von Völkergewohnheitsrecht sind alles anderer als klar.222 Zudem sind völkergewohnheitsrechtliche Normen oft vage und mehrdeutig und entsprechen nicht dem Bedürfnis nach detaillierten Regeln. Jedoch nimmt etwa die Studie des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz zum völkergewohnheitsrechtlichen humanitären Völkerrecht das Völkergewohnheitsrecht als Instrument dynamischer Entwicklung in Anspruch:223 Seit Unterzeichnung der beiden Zusatzprotokolle von 1977 habe das Völkergewohnheitsrecht einen weitreichenden politischen Widerstand überwunden. Dieser richtete sich insbesondere gegen das ZP II, das einer wichtigen Gruppe von Staaten zu nahe am Inhalt des ZP I schien.224 Gerade dort, wo zu hohe „Transaktionskosten“ verhindern, dass detaillierte völkervertragsrechtliche Regelungen zustandekommen, können völkergewohnheitsrechtliche Normen unbestimm-
den Gegensätzen und Widersprüchen, die sich aus der Begründung genereller Normen des Völkergewohnheitsrechts wie konkrete konsensbasierte Normen für das Völkerrecht ergeben, s. M. Koskenniemi, a. a. O., S. 389 ff. 218
S. etwa C. G. Weeramantry, Universalising International Law, 2004, S. 220 ff. 219 Vgl. M. Nettesheim, JZ 57 (2002), S. 569 (576); E. Kontorovich, Wm and Mary LR 48 (2006), S. 859 (863). 220
B. Simma, RdC 250 (1994-VI), S. 217 (324); J. d’Aspremont, IILJ WP 2006/12, S. 22. 221 222
Vgl. D. Fidler, GYIL 39 (1996), S. 198 (219). N. Petersen, Am.U. ILR 23 (2008), S. 275 (276).
223
J. Henckaerts/L. Doswald-Beck (Hg.), International Committee of the Red Cross: Customary international humanitarian law, 2 Bde., 2005. 224
M. Bothe, YIHL 8 (2005), S. 143 (153 f.).
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475
tere rechtliche Verpflichtungen begründen.225 In solchen Fällen kann die internationale Rechtsprechung das Recht durch eine progressive Methode bei der „Ermittlung“ von Völkergewohnheitsrecht weiterentwickeln.226 Indes ist die Begründung universeller Gemeinwohlnormen im Völkergewohnheitsrecht nicht nur praktischen Hindernissen ausgesetzt, sondern entbehrt auch einer konsentierten theoretischen Grundlage. Die Theorie des Völkergewohnheitsrechts oszilliert zwischen der Begründung des Völkergewohnheitsrechts im konkreten Konsens (ascending pattern, apology) und dem Rekurs auf das universellen Naturrecht (descending pattern, utopia).227 Die folgende Untersuchung soll nicht den Inkonsistenzen gelten, die sich daraus ergeben, sondern Versuchen gewidmet sein, die universelle Geltung bestimmter Normen im Völkergewohnheitsrecht zu begründen. Dabei kann mit dem IGH mittlerweile davon ausgegangen werden, dass der Nachweis von Völkergewohnheitsrecht nicht die Zustimmung jedes einzelnen Staates zu einer konkreten Regel voraussetzt.228 Es kommt aber darauf an, dass das so dargestellte Völkergewohnheitsrecht auch effektiv ist und staatliches Verhalten unabhängig von seinem Inhalt beeinflusst.229 Grundsätzlich sind
225
M. Guzman/T. Meyer, in: R. Miller/R. Bratspies (Hg.), Progress in International Law, 2008, S. 197 (198). 226
E. Benvenisti, in: ders./M. Hirsch (Hg.), The Impact of International Law on International Cooperation, 2004, S. 85 (86 ff.); zum kreativen Aspekt der Feststellung von Völkergewohnheitsrecht s. auch schon A. Bleckmann, Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, 1982, S. 113 ff.; ders., FS Mosler, 1983, S. 89 (99 ff.); P. Haggenmacher, RGDIP 90 (1986), S. 5 (115); M. Koskenniemi, From Apology to Utopia, 2005, S. 470 m. N. 227
M. Koskenniemi, From Apology to Utopia, 2005, S. 410 ff.; zur Konsensbegründung des Völkerrechts und ihrer Kritik s. auch A. Orakhelashvili, ZaöRV 68 (2008), S. 69 (80 ff.). Überblicksartig zu Vitoria, Pufendorf, Wolff, Grotius, Gentili: L. C. Green, Can. YBIL 23 (1985), S. 3 (3 ff.). 228
IGH North Sea Continental Shelf, ICJ Rep. 1969, S. 3 (28, 38); Continental Shelf (Tunisia/Libya), ICJ Rep. 1982, S. 18 (74); Gulf of Maine, ICJ Rep. 1984, S. 246 (299); Frontier Dispute, ICJ Rep. 1986, S. 554 (565 f.); C. Tomuschat, RdC 241 (1993-IV), S. 195 (282) m. w. N. aus der Lit. 229
N. Petersen, Am.U. ILR 23 (2008), S. 275 (297 f.); vgl. D. Fidler, GYIL 39 (1996), S. 198 (228) m. N. – Völkergewohnheitsrecht darf sich nicht zu sehr von der politischen Realität entfernen.
476
6. Kapitel
Effektivität und Universalität von Rechtsnormen nicht ohne Weiteres zu vereinbarende Ziele.230 Unter den neueren Versuchen, universelle Normen im Interesse der internationalen Gemeinschaft zu begründen, lassen sich drei Ansätze unterscheiden: Zunächst modifiziert ein „modernes“ Verständnis die Voraussetzungen für den Nachweis von Völkergewohnheitsrecht mit dem Ziel, gewohnheitsrechtliche Normen auch bei offensichtlich widersprechender Praxis zu begründen (I.). Einen wichtigen Anknüpfungspunkt für die Dynamisierung des Völkergewohnheitsrechts bieten darüber hinaus insbesondere völkerrechtliche Verträge und Resolutionen etwa der UN-Generalversammlung (II.). Zum Teil werden völkergewohnheitsrechtliche Normen aber auf der Grundlage eines verfassungsrechtlichen Verständnisses des Völkerrechts auch offen im Wege der Deduktion gewonnen (III.). Alle diese Ansätze können nicht darüber hinwegsehen, dass bei den Normen zum Schutz der Menschenrechte und globaler öffentlicher Güter und über Maßstäbe guter Regierungsführung der für die Entstehung und Effektivität des zwischenstaatlichen Gewohnheitsrechts entscheidende Reziprozitätsmechanismus lediglich diffus ausgeprägt ist (IV.).
I. Bedeutung von objektivem und subjektivem Element für die Bildung von Völkergewohnheitsrecht 1. „Traditionelles“ und „modernes“ Verständnis Der Nachweis von generell oder gar universell geltenden Normen wird durch einen flexiblen Umgang mit den Voraussetzungen für den Nachweis von Völkergewohnheitsrecht erleichtert. In der Formulierung des Art. 38 Abs. 1 lit. b IGH-Statut („Gewohnheitsrecht als Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung“) ist die Unterscheidung von objektivem und subjektivem Element bei der Entstehung von Völkergewohnheitsrecht angelegt.231 Die als „klassisch“ und „modern“ gekennzeichneten Theorien zum Völkergewohnheitsrecht unterscheiden sich im Wesentlichen darin, dass die traditionelle Methode induktiv vorgeht und vor allem auf den
230 231
Vgl. E. Kontorovich, Wm and Mary LR 48 (2006), S. 859 (868 f.).
Nachweise zur Zwei-Elemente-Lehre in Rechtsprechung und Doktrin bei M. Koskenniemi, From Apology to Utopia, 2005, S. 410 mit Fn. 83.
Objektive universelle Ordnung zum Schutz von Gemeinschaftsgütern
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Nachweis einer sich allmählich entwickelnden Staatenpraxis zielt, während progressivere Ansätze Normen aus einer sich möglicherweise sehr rasch bildenden Rechtsüberzeugung deduzieren und die tatsächliche Praxis als nachrangig erachten.232 Hauptanwendungsfall der methodischen Erneuerung des Völkergewohnheitsrechts waren dabei die Menschenrechte.233 Weiterhin lässt sich zwischen dem hergebrachten Verständnis der opinio iuris als „Glaube an die Rechtmäßigkeit“ oder Bewusstsein der Rechtmäßigkeit234 und der Konzeption der Rechtsüberzeugung als normative Absicht, dass ein bestimmtes Verhalten als rechtmäßig angesehen werden soll, unterscheiden.235 Nach traditionellem Verständnis bezieht sich die opinio iuris unmittelbar auf die Praxis, beide stehen in einem synthetischen Verhältnis zueinander. Die als Willenselement verstandene opinio iuris steht dagegen neben der Praxis.236 Diese „Aggregation“ der
232 B. Simma/P. Alston, Austral. YBIL 12 (1992), S. 82 (88 ff.); A. E. Roberts, AJIL 95 (2001), S. 757 (758 f.); vgl. zu „klassischer“, „traditioneller“ und „moderner“ Definition des Völkergewohnheitsrechts H. Chodosh, Tex. ILJ 26 (1991), S. 87 sowie R.-J. Dupuy, FS Rousseau, 1974, S. 75 – „coutume sage et coutume sauvage“. Umfassend zu den verschiedenen Theorien des Völkergewohnheitsrechts A. Verdross, ZaöRV 29 (1969), S. 635; Gegenüberstellung von Voluntaristen und Objektivisten bei B. Stern, Duke JCIL 11 (2001), S. 89. 233
Vgl. B. Simma/P. Alston, Austral. YBIL 12 (1992), S. 82 (90 ff.); B. Simma, AEL 4 (1995) 2, S. 153 (213 ff.); T. Meron, The Humanization of International Law, 2006, S. 363; s. weiter die Nachweise bei T. Meron, Human Rights and Humanitarian Norms as Customary Law, 1989, S. 85 ff. 234 S. etwa Restatement (Third) of Foreign Relations Law of the United States, 1987, § 102 (2). Zum Kernproblem oder Paradox dieses klassischen Verständnisses, dass das u. U. Verhalten zugleich ein Bruch bestehenden Völkergewohnheitsrechts wie die Grundlage für eine neue Regel ist, und der Glaube an die Rechtmäßigkeit unzutreffend sein muss, s. IGH North Sea Continental Shelf, Diss. Op. Lachs, ICJ Rep. 1969, S. 218 (231) – „fiction“; G. Danilenko, GYIL 31 (1988), S. 9 (32); M. Mendelson, BYBIL 66 (1995), S. 177 (201 f.); M. Byers, Custom, Power and the Power of Rules, 1999, S. 130 ff.; J. Kammerhofer, EJIL 15 (2004), S. 523 (534 f.); J. Beckett, EJIL 16 (2005), S. 213 (234). 235
G. Danilenko, GYIL 31 (1988), S. 9 (31 ff.); M. Mendelson, BYBIL 66 (1995), S. 177 (180 ff.) m. N. für beide Positionen in der Rechtsprechung des IGH; ILA, ILA Rep. 2002, S. 712 (741); kognitive und voluntative Elemente sieht in der opinio iuris vereint P. Buzzini, RGDIP 106 (2002), S. 581 (600). 236
J. Becket, EJIL 16 (2005), S. 213 (231 f.); vgl. auch die Gegenüberstellung bei O. Corten, EJIL 16 (2005), S. 803 (804); M. Koskenniemi, From Apology to
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6. Kapitel
Elemente eröffnet jedenfalls theoretisch die Möglichkeit, dass ein relatives Defizit des einen Elements durch das andere Element kompensiert wird. Außerdem wird das Völkergewohnheitsrecht auf der Grundlage des voluntaristischen Verständnisses der opinio iuris nicht mehr induktiv, sondern durch Interpretation ermittelt, weil es aus dem äußeren Verhalten und den Verlautbarungen eines Staates auf seine normative Absicht schließt.237
2. Erweitertes Verständnis des Praxiselements Ein Ansatz, die Grundlage des Völkergewohnheitsrechts zu erweitern, besteht darin, das Praxiselement umfassend zu verstehen.238 Im Bereich des humanitären Völkerrechts fällt auf, dass die Studie des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz239 die Lücken, die sich aus den spärlichen vertraglichen Regeln für nicht-internationale Konflikte und der unvollständigen Ratifikation der Genfer Konvention und insbesondere ihrer Zusatzprotokolle ergeben,240 weitgehend schließen konnte.241 Das gelang, obgleich an einer induktiven Methode der Ermittlung von Völkergewohnheitsrecht festgehalten wurde.242 Jedoch musste dazu auf die tatsächliche Staatenpraxis von Quellen wie offiziellen Äußerungen von Staaten, Militärhandbüchern und Gerichtsentscheidungen zurückgeUtopia, 2005, S. 417 ff. – voluntaristisches Verständnis als konstitutiv, intellektualistisches Verständnis als deklaratorisch. 237
B. Simma, AEL 4 (1995) 2, S. 153 (217); s. zur Interpretationsbedürftigkeit staatlichen Verhaltens auch M. Koskenniemi, From Apology to Utopia, 2005, S. 434 ff. 238
Zum Verzicht auf das Praxiselement s. die Nachweise bei N. Petersen, Am.U. ILR 23 (2008), S. 276 (280 ff.). 239
J. Henckaerts/L. Doswald-Beck (Hg.), International Committee of the Red Cross: Customary international humanitarian law, 2 Bde., 2005. 240
J. Henckaerts, IRRC 87 (2005), S. 175 (177); T. Meron, The Humanization of International Law, 2006, S. 421. 241
Nicht aber andere „Lücken“ in den vertraglichen Regelungen des humanitären Völkerrechts, s. M. Bothe, YIHL 8 (2005), S. 143 (149 ff.); kritisch zur Methode Letter from John Bellinger III, Legal Adviser, U.S. Department of State, and William J. Haynes, General Counsel, U.S. Department of Defense to Dr. Jakob Kellenberger, President, International Committee of the Red Cross v. 3.11.2006, ILM 46 (2007), S. 514; s. dazu J. Henckaerts, IRRC 89 (2007), S. 473. 242 J. Henckaerts, IRRC 87 (2005), S. 175 (183 f.); F. Bugnion, SZIER 17 (2007), S. 165 (182).
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schlossen werden. Diese Methode ist auf dem Gebiet des humanitären Völkerrechts damit zu erklären, dass verlässliche Information über das Verhalten der Truppen im Feld aus naheliegenden Gründen selten zugänglich sind.243 Aber auch in anderen Regelungsbereichen des Völkerrechts, die wie die Menschenrechte oder der Umweltschutz stärker die innerstaatlichen Verhältnisse berühren, entwickelt sich kaum eine zwischenstaatliche Praxis.244 Für die Menschenrechte gilt, dass Staaten üblicherweise nicht auf ihre Verletzung durch andere Staaten reagieren, wenn nicht ihre eigenen Staatsangehörigen betroffen sind. Es fehlt daher an Handlungen mit zwischenstaatlicher Bedeutung.245 Deshalb wird vertreten, dass auch innerstaatliche Gesetzgebung und Gerichtsentscheidungen,246 interne Memoranden der Regierungen, Ministererklärungen vor dem Parlament usw.247 als Staatenpraxis anerkannt werden sollen. Stellungnahmen in Form von mündlichen Erklärungen und Memoranden sollen als Praxis des erklärten Inhalts und nicht nur als Praxis gelten, derartige Stellungnahmen abzugeben.248 Zur für die Bildung von Völkergewohnheitsrecht relevanten Praxis zählen demnach alle Akte und Unterlassungen, die Aufschluss über den Standpunkt eines Staates zu Inhalt oder rechtlicher Anerkennung entstehender Verhaltensregeln geben.249 243
J. Henckaerts/L. Doswald-Beck (Hg.), International Committee of the Red Cross: Customary international humanitarian law, Bd. 1, 2005, S. xxxii ff. 244
D. Fidler, GYIL 39 (1996), S. 198 (219 f.).
245
O. Schachter, International Law in Theory and Practice, 1991, S. 338; L. Henkin, RdC 216 (1989-IV), S. 13 (224). 246
G. Danilenko, GYIL 31 (1988), S. 9 (22 f.); M. Mendelson, RdC 272 (1998), S. 155 (199 f.); ILA, ILA Rep. 2002, S. 712 (728 f.). 247
R. Jennings/A. Watts, Oppenheim’s International Law, 91992, S. 26.
248
So die Mehrheit der Literatur, s. die Nachweise bei N. Petersen, Am.U. ILR 23 (2008), S. 276 (278 f.) m. N. in Fn. 8; G. Danilenko, GYIL 31 (1988), S. 9 (24); M. Akehurst, BYBIL 47 (1974-75), S. 1 (1 ff.); N. Onuf, AJIL 88 (1994), S. 556 (557); M. Mendelson, RdC 272 (1998), S. 159 (204 ff.); M. Byers, Custom, Power and the Power of Rules, 1999, S. 134; so auch IGH Nicaragua, ICJ Rep. 1986, S. 14 (97 ff.), para. 183 ff.; vgl. M. Byers, a. a. O., S. 135; ILA, ILA Rep. 2000, S. 712 (725); J. Henckaerts/L. Doswald-Beck (Hg.), International Committee of the Red Cross: Customary international humanitarian law, Bd. 1, 2005, S. xxxii; demgegenüber aber K. Wolfke, Custom in Present International 2 Law, 1993, S. 42. 249
G. Danilenko, GYIL 31 (1988), S. 9 (23). Zur Problematik von Rückschlüssen auf die opinio iuris bei einer negativen Praxis im Arrest Warrant-Fall
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6. Kapitel
Wer nur auf physische Akte abstellt,250 impliziert, dass Staaten nicht wirklich meinen, was sie sagen. Das kann nicht ohne Weiteres angenommen werden.251 Staaten können aber doch gelegentlich Anlass haben, solche Stellungnahmen nur aus taktischen Gründen abzugeben. Generell wird eine Rechtsüberzeugung umso besser dokumentiert, je kostenintensiver der Akt ist, in dem sie zum Ausdruck kommt.252 Gegenüber der Einbeziehung bloßer Verbalakte ist daher Zurückhaltung angezeigt, wenn Völkergewohnheitsrechts auch effektiv sein soll. Würden aber nur physische Akte als Staatenpraxis anerkannt, so führte dies zu einer nicht gerechtfertigten Besserstellung der großen und mächtigen Staaten,253 weil diese ganz andere Möglichkeiten als kleine Staaten haben, eine bestimmte Praxis sichtbar zu machen.254 Nicht alle Staaten haben allein die Kapazitäten, das Geschehen in der Welt zu beobachten und die Bildung von Völkergewohnheitsrecht oder ihre eigene Bindung daran zu steuern. In internationalen Foren der „parlamentarischen Diplomatie“255 ergeben sich dagegen bessere Beteiligungsmöglichkeiten für alle Staaten als im traditionellen Völkergewohnheitsrecht, da eine höhere Transparenz und Formalisierung gewährleistet ist.256 Von manchen Autoren wird das Verhalten der Staaten in multilateralen Foren als Staa-
s. IGH Arrest Warrant, ICJ Rep. 2002, S. 3 (24), para. 52 sowie die Kritik der Richterin ad hoc Van den Wyngaert (ibid., S. 137 (144 f.), para. 13) und der Joint Sep. Op. der Richter Higgins, Kooijmans und Buergenthal (ibid., S. 63 (84 ff.), para. 70 ff.); vgl. M. Koskenniemi, From Apology to Utopia, 2005, S. 431 f. m. w. N. 250
A. D’Amato, Concept of Custom, 1971, S. 88; K. Wolfke, Custom in Present International Law, 21993, S. 41 f.; vgl. ders., FS Vierdag, 1998 S. 31 (33). 251 252
M. Bothe, YIHL 8 (2005), S. 143 (156). A. Guzman, Mich. JIL 27 (2005), S. 115 (126, 151, 155).
253
M. Byers Custom, Power and the Power of Rules, 1999, S. 134; ders./S. Chesterman, in: J. Holzgrefe/R. Keohane, Humanitarian Intervention, 2003, S. 177 (193). 254
J. Charney, AJIL 87 (1993), S. 529 (538); J. E. Alvarez, Law-makers, 2005, S. 592. 255 256
Vgl. IGH South West Africa Cases, ICJ Rep. 1962, 319 (346).
J. Charney, in: J. Delbrück (Hg.), International Lawmaking, 1997, S. 171 (180 ff.).
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tenpraxis eingeordnet,257 andere sehen es als Ausdruck einer opinio iuris,258 zum Teil wird auch beides kombiniert. Soll das Völkergewohnheitsrecht dem Schutz der Individuen und dem globalen Gemeinwohl dienen, so liegt auch die Einbeziehung der Beiträge transnationaler Akteure und insbesondere von Nichtregierungsorganisationen in den Entstehungsprozess des Völkergewohnheitsrechts nahe. Diese Ansätze sind nicht neu.259 Für eine Öffnung der Entstehungsprozesse des Völkergewohnheitsrechts in diesem Sinne spricht aber auch, dass die Staaten zunehmend voneinander abhängig sind und die Trennung zwischen internationaler und innerstaatlicher Politik an Bedeutung verliert.260 NGOs können zu einer internationalen opinio iuris beitragen; im weltweiten Rechtsdiskurs kann ihr Beitrag offensichtlich nicht ignoriert werden.261 Die Beteiligung von Individuen und Privatpersonen an der Praxis, wie sie eine Mindermeinung vertritt,262 dürfte dagegen für die Herausbildung der hier interessierenden Nor-
257
Für Resolutionen der Generalversammlung: IGH Nicaragua, ICJ Rep. 1986, z. B. para. 193, 202 ff.; M. Akehurst, BYBIL 47 (1974-1975), S. 1 (5 f.); R. R. Baxter, RdC 129 (1970-I), S. 25 (70); H. W. A. Thirlway, International Customary Law and Codification, 1972, S. 58; dagegen A. D’Amato, Concept of Custom, 1971, S. 87 ff.; I. Brownlie, Principles, 72008, S. 6. 258
IGH Nicaragua, ICJ Rep. 1986, S. 14 (99 f.), para. 188; Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1996, S. 226 (254 f.), para. 70; B. Cheng, Indian JIL 5 (1965), S. 23 (39); A. D’Amato, Concept of Custom, 1971, S. 78 f. – als „element of articulation“; H. W. A. Thirlway, International Customary Law and Codification, 1972, S. 66 f.; vgl. B. Sloan, BYBIL 58 (1987), S. 39 (74 ff.); M. Akehurst, BYBIL 47 (1974-1975), S. 1 (37) – statements of belief „even if the State does not believe in the truth of the statement“; ablehnend etwa G. Danilenko, GYIL 31 (1988), S. 9 (37). 259
Zur Praxis der internationalen Organisationen s. YBILC 1950-II, S. 372; IGH Fisheries Jurisdiction (UK v. Iceland, ICJ Rep. 1974, S. 3 (26), para. 58; IGH Reservations, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1951, S. 15 (25) – Einbeziehung auch der Praxis des UN-GS als Depositar; ILA, ILA Rep. 2002, S. 712 (730). 260
I. Gunning, Va JIL 31 (1991), S. 211 (217 ff.), auch auf der Grundlage feministischer und afrozentrierter Ansätze. 261 S. Hobe, in: R. Wolfrum/V. Röben (Hg.), Developments of International Law in Treaty Making, 2005, S. 319 (328); vgl. IGH Arrest Warrant, Diss. Op. van den Wyngaert, ICJ Rep. 2002, S. 137 (154 ff.), para. 27 f. 262
L. Kopelmanas, BYBIL 18 (1937), S. 127 (149 f.); C. Ochoa, Va JIL 48 (2007), S. 119 (175 f.); vgl. M. Akehurst, BYBIL 47 (1974-75), S. 1 (53); s. demgegenüber M. Mendelson, RdC 272 (1998), S. 155 (203).
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6. Kapitel
men des Menschenrechtsschutzes und zum Schutz globaler Güter nicht vergleichbar relevant sein.
3. Custom on a Sliding Scale Für den sogenannten sliding scale approach bewegen sich Staatenpraxis und opinio iuris auf einer gleitenden Skala, ein Plus an Rechtsüberzeugung kann ein Minus bei der Staatenpraxis ausgleichen und umgekehrt.263 Der Grad der Austauschbarkeit beider Elemente richtet sich nach der destabilisierenden Wirkung eines bestimmten staatlichen Verhaltens für die Staatengemeinschaft, nach seiner moralischen Qualität und nach seiner Bedeutung für verbreitet anerkannte menschliche Werte,264 greift also die Anliegen eines konstitutionellen Völkerrechtsverständnisses auf. Besteht ein enger Bezug zu diesen Werten, so sind die Anforderungen an den Nachweis universeller Normen des Völkergewohnheitsrechts durch die höhere Flexibilität zwischen den beiden Elementen gelockert. Bei Kirgis wird der Gehalt der moralischen Werte nicht näher erläutert, Tasioulas beschränkt sich auf „coexistence“ und „cooperation“, während Roberts sich auf gemeinsame subjektive Vorstellungen von richtig und falsch bezieht, die von einer repräsentativen Mehrheit der Staaten in Verträgen und Deklarationen anerkannt worden sind.265 Universelles Völkergewohnheitsrecht, das mit der Idee einer internationalen Gemeinschaft verknüpft ist, kann dabei als Verfassungselement auch Staaten binden, die ihnen nicht zugestimmt oder sie sogar abgelehnt haben.266 263
F. L. Kirgis, AJIL 81 (1987), S. 146 (149); J. Tasioulas, OJLS 16 (1996), S. 85 (109 ff.); ähnlich A. E. Roberts, AJIL 95 (2001), S. 757 (774 ff.) „reflective interpretative approach“ in Anlehnung an J. Rawls und in Anwendung der „dimensions of fit and substance“ (R. Dworkin); s. dazu auch R. Müllerson, ARIEL 2 (1997), S. 341 (352 ff.) m. w. N. zu ähnlichen Differenzierungen. 264
F. L. Kirgis, AJIL 81 (1987), S. 146 (149); J. Tasioulas, OJLS 16 (1996), S. 85 (109 ff.); J. Wouters/C. Ryngaert, in: M. Kamminga/M. Scheinin (Hg.), The Impact of Human Rights Law on General International Law, 2009, S. 111 (128 ff.). Tasioulas führt den sliding scale approach auf die theoretische Grundlage der Lehre von Dworkin und das Verhältnis von „fit“ und „substance“ als Kriterien für die Akzeptanz von Interpretationen zurück. 265
J. Tasioulas, OJLS 16 (1996), S. 85 (122); A. E. Roberts, AJIL 95 (2001), S. 757 (778). 266
J. Tasioulas, OJLS 16 (1996), S. 85 (117). Bei Tasioulas wird dieser Zusammenhang mit Dworkins Begriffen „fit“ und „substance“ erklärt und das
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Nach dieser Interpretation besteht kein Widerspruch zwischen der Entscheidung im Nicaragua-Fall und im Nordseefestlandsockelfall oder im Fischereistreit oder auch dem Lotus-Fall des StIGH,267 in denen es auf der einen Seite um das Gewalt- und Interventionsverbot, auf der anderen Seite um das Äquidistanzprinzip oder Fischereirechte geht, deren Bezug zu den Idealen eines world public order eher gering ist. Auch in der Rechtsprechung des IGH deutet sich die Unterscheidung zwischen zwei Arten von Völkergewohnheitsrecht an. Im Gulf of Maine-Fall heißt es, das Völkergewohnheitsrecht umfasse einerseits eine begrenzte Zahl von Normen, die die Koexistenz und die unerlässliche Kooperation zwischen den Mitgliedern der internationalen Gemeinschaft sicherstellten, und andererseits Normen, deren Status als Teil der opinio iuris der Staaten im Wege der Induktion auf der Grundlage einer hinreichend umfassenden und überzeugenden Praxis festgestellt werden könne.268 Geht man davon aus, dass das Wesen des Völkergewohnheitsrechts darin liegt, legitimen Verhaltenserwartungen stabilisierend Ausdruck zu verleihen, so dient die Staatenpraxis letztlich nur dem Nachweis einer geteilten Rechtsüberzeugung.269 Je klarer die allgemeine Akzeptanz, desto weniger wichtig ist auf dieser Grundlage das objektive Element.270 Entsprechendes kann dann auch bei einer starken moralischen Verwur-
Gewohnheitsrecht als „interpretative concept“ verstanden (ibid., S. 111 ff.). Die „single right answer“-These Dworkins übernimmt Tasioulas aber nicht. Zur Kritik an Tasioulas, hier würden Normentstehung und -anwendung verschmolzen und Dworkin sei für eine Übertragung ins Völkerrecht ungeeignet, da er sowohl eine „dicke“, wertehomogene Gemeinschaft voraussetze als auch die Zentralität der Rechtsprechung und einen Prozess, der festlegte, welche Werte zum System gehören, s. J. Beckett, EJIL 12 (2001), S. 627 (insb. 633 ff.). 267 IGH North Sea Continental Shelf, ICJ Rep. 1969, S. 3; IGH Fisheries Jurisdiction (UK v. Iceland; FRG v. Iceland), ICJ Rep. 1974, S. 3, 175. 268
IGH Gulf of Maine, ICJ Rep. 1984, S. 246 (299), para. 111.
269
A. Guzman, Mich. JIL 27 (2005), S. 115 (122, 148 ff.); ders./T. Meyer, in: R. Miller/R. Bratspies (Hg.), Progress in International Law, 2008, S. 197 (206). Zur legitimen Erwartung ähnlichen Verhaltens in der Zukunft als Definitionselement des Völkergewohnheitsrechts s. auch ILA, Committee on Formation of Customary (General) International Law, ILA, Final Report: Statement of Principles Applicable to the Formation of General Customary International Law, ILA Rep. 2000, S. 712 (719). 270
M. Mendelson, RdC 272 (1998), S. 155 (327). Als Grundnorm des Völkerrechts formuliert Mendelson dementsprechend: “States should comply with the legitimate expectations of the international community.” (ibid., S. 184).
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6. Kapitel
zelung einer Norm271 oder der allgemein anerkannten Bedeutung für die internationale Gemeinschaft gelten.272
II. Universelles Völkergewohnheitsrecht aus multilateralen Verträgen und Foren Multilaterale Verträge und Foren können die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht dynamisieren und die individualistische Rechtsfortbildung durch einen kollektiven „organic process of custom-generation“ ersetzen,273 der auch für unbeteiligte Staaten zu Rechtswirkungen führen kann. Im Folgenden soll analysiert werden, wie die Kollektivierung des Rechtsbildungsprozesses eine Grundlage für die Entstehung universeller Normen im Gemeinschaftsinteresse bilden kann. Dazu werden multilaterale Verträge (1.) und Resolutionen der UN-Generalversammlung (2.) untersucht.
1. Verträge Eine Präzisierung und Dynamisierung der Entwicklung von Völkergewohnheitsrecht könnte sich insbesondere dann ergeben, wenn es einen Vertrag zum Ausgangspunkt nimmt.274 Gerade bei multilateralen, normativen Verträgen besteht ein starkes Interesse daran, das Trittbrettfahrer-Phänomen zu unterbinden.275 Diese Ausgangslage kann dazu füh271
O. Schachter, RdC 178 (1982-V), S. 9 (118); G. Buzzini, RGDIP 106 (2002), S. 581 (607). 272
Vgl. T. Meron, Human Rights and Humanitarian Norms as Customary Law, 1989, S. 113; C. Tomuschat, RdC 241 (1993-IV), S. 195 (198); R. Kolb, NILR 50 (2003), S. 119 (129) – für das humanitäre Völkerrecht, Menschenrechte, Gewaltverbot, Umweltvölkerrecht; O. Corten, EJIL 16 (2005), S. 803 (808, 814); T. Meron, The Humanization of International Law, 2006, S. 369, 379; s. auch M. Koskenniemi, Mich. LR 88 (1990), S. 1946 (1946 f., 1952). 273
Vgl. schon IGH South West Africa, Second Phase, Judgment,, Diss. Op. Tanaka, ICJ Rep. 1966, S. 250 (291 ff.); U. Scheuner, FS Mann, 1977, S. 409 (412); umfassend systematisierend G. Cahin, La coutume internationale et les organisations internationales, 2001, S. 271 ff. 274
Zusammenfassend zum Verhältnis von Vertrags- und Gewohnheitsrecht I. Sinclair, AIDI 66-I (1995), S. 195 (202 ff.). 275
M. Mendelson, RdC 272 (1998), S. 155 (313 f.).
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ren, dass unter bestimmten Voraussetzungen auf der Grundlage eines Vertrages mit großer Beteiligung wirklich universelles Völkergewohnheitsrecht entsteht, das auch Nichtvertragsparteien bindet. Zur Untersuchung dieses Rechtsbildungsprozesses sind die Grundlagen des Verhältnisses von Verträgen und Gewohnheitsrecht zu klären (a)) und ist die einschlägige Rechtsprechung zu analysieren (b)).
a) Grundlagen des Verhältnisses von Verträgen und Gewohnheitsrecht Art. 38 WVK anerkennt die Möglichkeit, dass eine vertragliche Bestimmung als ein Satz des Völkergewohnheitsrechts für einen Drittstaat verbindlich wird.276 Als eine logische Fortsetzung von Art. 38 ist Art. 43 WVK zu verstehen.277 Die Bestimmung sieht vor, dass die Ungültigkeit, Beendigung und Suspendierung eines Vertrages die Pflichten eines Staates nicht beeinträchtigen, die das Völkerrecht ihm unabhängig von diesem Vertrag auferlegt. Die klassische Lehre zum Verhältnis von Völkervertrags- und Völkergewohnheitsrecht findet sich bei dem amerikanischen Völkerrechtswissenschaftler Baxter. Vertragsbestimmungen können demnach deklaratorisch Völkergewohnheitsrecht wiedergeben, in Entstehung befindliches Völkergewohnheitsrecht kristallisieren, d. h. definieren und konsolidieren, oder eine übereinstimmende Praxis bewirken.278 Bei Baxter kann die Existenz eines multilateralen Vertrages 276
Grundlegend zum Verhältnis von Vertrags- und Gewohnheitsrecht: R. Baxter, RdC 129 (1970-I), S. 25; H. W. A. Thirlway, International Customary Law and Codification, 1972; N. Kontou, The Termination and Revision of Treaties in the Light of New Customary International Law, 1994; zusammenfassend I. Sinclair, AIDI 66 (1995) 1, S. 195 (202 ff.). S. zum Verhältnis von UN-Charta und parallelem Gewohnheitsrecht IGH Nicaragua, ICJ Rep. 1986, S. 14 (92), para. 172, S. 94 para. 176, S. 96 f. para. 181; IGH Oil Platforms, ICJ Rep. 2003, S. 161 (181 f.), para. 39 ff. Zu den Voraussetzungen der Entwicklung von Konventionsnormen zu Gewohnheitsrecht s. IGH North Sea Continental Shelf, ICJ Rep. 1969, S. 3 (41 ff.) – „fundamentally norm-creating character such as could be regarded as forming the basis of a general rule of law“; „very widespread and representative participation in the convention“, including „that of States whose interests were specially affected“; extensiveness and virtual uniformity of state practice evidencing „a general recognition that a rule of law or legal obligation is involved“ and „the passage of some time, short though it may be“. 277
K. Bannelier-Christakis, in: O. Corten/P. Klein (Hg.), Les Conventions de Vienne sur le Droit des Traités, Bd. 2, 2006, Art. 43 Rn. 6. 278
R. R. Baxter, BYBIL 41 (1965-66), S. 275 ff.; ders., RdC 129 (1970-I), S. 25 (36 ff.); vgl. auch K. Marek, RBDI 6 (1970), S. 44 (72 ff.); E. Jiménez de Aré-
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6. Kapitel
den Nachweis von Völkergewohnheitsrecht aber nicht abkürzen, stattdessen sind auch hier die üblichen Regeln für die Bildung von Völkergewohnheitsrecht anzuwenden.279 Allein der Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages trägt nicht ohne weiteres zur Entwicklung von Völkergewohnheitsrecht bei. Erweitert sich dann der Kreis der Vertragsstaaten, so wird der Nachweis von vertragsunabhängiger Praxis zunehmend schwierig. Als Baxter-Paradox wird daher das Phänomen verstanden, dass es dadurch nahezu unmöglich wird festzustellen, ob der Vertrag zu Völkergewohnheitsrecht geworden ist.280 Die Studie des IKRK zum völkergewohnheitsrechtlichen humanitären Völkerrecht geht davon aus, dass eine hohe Zahl von Ratifikationen auf den gewohnheitsrechtlichen Status des Vertragsinhalts hinweist, der aber anhand anderer Praxiselemente, insbesondere der Nichtvertragsparteien, bestätigt werden müsse. Wichtig sei auch, ob sich Vertragsstaaten im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten als gebunden betrachteten.281 Theoretisch lässt sich zwar beim subjektiven Element des Völkergewohnheitsrechts klar zwischen einer opinio obligationis conventionalis und der opinio iuris generalis unterscheiden.282 Nur wenn sich eine über den Vertragsbindungswillen hinausgehende Rechtsüberzeugung feststellen lässt, können Vertragsschluss und Ratifikation überhaupt als Ausdruck und Nachweis einer opinio iuris gelten.283 Oft ist aber gerade unklar, ob eine Vertragsbestimmung bestehendes Völkergewohnheitsrecht kodifizieren oder aber das Recht weiterentwickeln soll. Eine gechaga, RdC 159 (1978-I), S. 1 (9, 14 ff.). Überblick zu noch älterer Rechtsprechung und Lehre bei A. D’Amato, Harv. Int’l L. Club Bull 3 (1961-1962), S. 1. 279
R. R. Baxter, RdC 129 (1970-I), S. 25 (73). S. zur Kritik: A. D’Amato, AJIL 64 (1970), S. 892 (900 f.). 280
R. R. Baxter, RdC 129 (1970-I), S. 25 (73, 96); vgl. M. Villiger, Customary International Law and Treaties, 21997, S. 195 f.; IGH North Sea Continental Shelf, ICJ Rep. 1969, S. 3 (43 f.), para. 76. 281
J. Henckaerts/L. Doswald-Beck (Hg.), International Committee of the Red Cross: Customary international humanitarian law, Bd. 1, 2005, S. xliii ff.; M. Bothe, YIHL 8 (2005), S. 143 (162). 282
B. Cheng, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Structure and Process, 1983, S. 513 (532 f.); K. Wolfke, Custom in Present International Law, 21993, S. 70 – Verhalten nur für das gewohnheitsrechtliche Recht der Verträge relevant; M. Mendelson, RdC 272 (1998), S. 155 (324 f.). 283
H. W. A. Thirlway, International Customary Law and Codification, 1972, S. 85 ff.; U. Scheuner, FS Mann, 1977, S. 409 (421 ff.); IGH Nicaragua, ICJ Rep. 1986, S. 14 (98 ff.), insb. para. 188.
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wisse Erleichterung der Normfindung kann sich nach Baxter allerdings daraus ergeben, dass es für den Nachweis völkergewohnheitsrechtlicher Normen weniger auf die tatsächliche Einhaltung eines Vertrages als auf die mit dem Vertragsschluss dokumentierte Rechtsbehauptung ankommen soll.284 Selbst die Beteiligung einer überwältigenden Mehrheit der Staaten an einem Konventionswerk soll für sich genommen dessen universelle Bindungswirkung als Gewohnheitsrecht nicht begründen können. Das sei nur für grundlegende Normen humanitären Charakters denkbar, die den Staaten Grenzen auferlegen, um anarchische Zustände zu vermeiden.285 Nach Teilen der Literatur setzt dagegen jede Erstreckung der Bindungswirkung eines Vertrages auf dritte Staaten deren besondere Anerkennung voraus.286 Demgegenüber nimmt D’Amato für verallgemeinerbare Bestimmungen in bilateralen und multilateralen Verträgen an, dass sie alle Staaten bindendes Gewohnheitsrecht nicht erst durch allmähliche Übung und Akzeptanz schaffen, sondern sogleich „generieren“, weil sie unmittelbar als Nachweis herangezogen werden können.287 Dazwischen liegen die Auffassungen, nach denen Verträge zwar
284 285
R. R. Baxter, BYBIL 41 (1965-66), S. 275 (300). R. R. Baxter, BYBIL 41 (1965-66), S. 275 (286).
286
C. Rozakis, ZaöRV 35 (1975), S. 1 (34 ff.); U. Scheuner, FS Mann, 1977, S. 409 (420 f.); T. Schweisfurth, ZaöRV 45 (1985), S. 653 (662); K. Wolfke, Custom 2 in Present International Law, 1993, S. 68 ff.; vgl. auch P. Weil, AJIL 77 (1983), S. 413 (438 ff.). 287
A. D’Amato, Concept of Custom, 1971, S. 103 ff.; ders., AJIL 77 (1983), S. 281 (281 f.); ders., International Law, 1987, S. 123 ff. S. auch schon ders., Harv. Int’l L. Club Bull 3 (1961-1962), S. 1 (10) – Verträge als „precedents“ vor internationalen Gerichten schon mit dem ersten Vertrag zu einer bestimmten Frage. Argument ist u. a. die erhöhte Anpassungsfähigkeit eines so ermittelten Völkergewohnheitsrechts. Dabei bleiben die positiven Kriterien für die Verallgemeinerbarkeit unklar (s. dazu ders., Concept of Custom, 1971, S. 105 ff.). So auch die Kritik von K. Doehring, ZaöRV 36 (1976), S. 77 (84); B. in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Structure and Process, 1983, S. 513 (530); C. Tomuschat, RdC 241 (1993-IV), S. 195 (268). S. zur Kritik schon M. Akehurst, BYBIL 47 (1974-75), S. 1. Eine große Beteiligung hält bereits für ausreichend: P. Buzzini, RGDIP 106 (2002), S. 581 (611). Tomuschat geht davon aus, dass sich Gewohnheitsrecht dort beschleunigt bildet, wo Verträgen lediglich eine stützende Funktion im Verhältnis zu dem in den Grundprämissen der Völkerrechtsordnung verwurzelten Gewohnheitsrecht zukommt. Die indirekte Drittwirkung sei daher mit der Anerkennung fundamentaler Rechtsgüter verknüpft, setze
488
6. Kapitel
als Praxis gelten können, die opinio iuris aber hinzukommen müsse,288 oder nach denen keine grundsätzliche Vermutung für oder gegen die Wiedergabe von Völkergewohnheitsrecht in einem Vertrag bestehen soll. Ein Vertrag müsse vielmehr klar kommunizieren, dass die Parteien es für notwendig oder wünschenswert halten, bestimmte Regelungen in ein allgemeines rechtliches Regime zu überführen, das für alle bindend ist. Diese Botschaft sei umso lauter, je mehr Vertragsparteien ein Vertrag gewinnen könne, idealerweise sollten auch Nichtvertragsparteien das Regime gutheißen.289 Zum Teil wird auch gefordert, dass eine erkennbare Interessenlage, ein besonderes normatives Bedürfnis der Staatengemeinschaft vorliegt, damit Völkergewohnheitsrecht aus Verträgen entstehen kann.290
b) Rechtsprechung des IGH Auch der IGH macht im Nordseefestlandsockel-Fall die Bildung von Völkergewohnheitsrecht parallel zu einem Vertrag von besonderen Voraussetzungen abhängig. Danach ist die Bindung eines Nichtvertragsstaates durch Gewohnheitsrecht durchaus möglich, aber nicht ohne Weiteres darzulegen.291 Es muss sich bei dem Vertrag um einen traité-loi handeln (fundamentally norm-creating character),292 die Beteiligung an der Praxis muss weit verbreitet und repräsentativ sein und insbesondere die Staaten einschließen, deren Interessen in besonderer Weise berührt sind. Außerdem sollte die nachfolgende Praxis insbesondere auch der Nichtvertragsstaaten mit dem Vertrag übereinstimmen.293 Der IGH geht davon aus, dass es der Bildung einer neuen Norm des Völkergewohnheitsrechts unter Umständen nicht entgegensteht, wenn nur aber auch eine Beteiligungsmöglichkeit für alle Staaten voraus: C. Tomuschat, BDGVR 28 (1988), S. 9 (35 f.). 288
M. Akehurst, BYBIL 47 (1974-1975), S. 1 (49 ff.); M. Villiger, Customary 2 International Law and Treaties, 1997, S. 26 ff. 289
M. Mendelson, RdC 272 (1998), S. 155 (301, 327 f.); vgl. auch M. Guzman/T. Meyer, in: R. Miller/R. Bratspies (Hg.), Progress in International Law, 2008, S. 197 (207, 211). 290 291
K. Doehring, ZaöRV 36 (1976), S. 77 (86 f., 92 f.). IGH North Sea Continental Shelf, ICJ Rep. 1969, S. 3 (41), para. 71.
292
Vgl. R. R. Baxter, RdC 129 (1970-I), S. 25 (62); M. Mendelson, RdC 272 (1998), S. 155 (318 f.). 293
IGH North Sea Continental Shelf, ICJ Rep. 1969, S. 3 (41 ff.), para. 71 ff.
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eine kurze Zeit vergangen ist.294 Die Position des IGH wurde dahingehend zusammengefasst, dass eine weite und repräsentative Beteiligung an einer Konvention als Nachweis der opinio iuris und einer hinreichenden Staatenpraxis genüge.295 Betrachtet man aber die Argumentation des IGH in ihrem Zusammenhang, so lässt sich ihr keine allgemeine Vermutung dafür entnehmen, dass ein Vertrag Völkergewohnheitsrecht wiedergibt. Entscheidend sind der Charakter des Vertrages, sein Ziel und Zweck sowie die Umstände des Vertragsschlusses.296 Die Einordnung der Nicaragua-Entscheidung des IGH ist im Hinblick auf die Methode zur Feststellung von Völkergewohnheitsrecht umstritten geblieben. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der IGH hier formal an der traditionellen Lehre festhält, aber doch auf vereinfachtem Wege zum Nachweis von Völkergewohnheitsrecht gelangt. Die Verfestigung des in Art. 2 Nr. 4 UNC als vertragliche Verpflichtung formulierten Gewaltverbots stützt der Gerichtshof auf eine unter anderem in der Friendly Relations-Deklaration zum Ausdruck gekommene opinio iuris.297 Eine Ansicht versteht die Aussagen des IGH dahingehend, dass das festgestellte Völkergewohnheitsrecht nur für die Staaten bindend sei, die die fragliche Deklaration hingenommen haben (acquiescence), die Bindungswirkung dafür aber zeitlich unmittelbar eintrete.298 Dafür spricht, dass der IGH sich hauptsächlich auf die Praxis der Vereinigten Staaten und Nicaraguas konzentriert.299 Nach einer anderen Interpretation schwankt die Mehrheitsmeinung zwischen einem konsensbezogenen Verständnis des Gewohnheitsrechts, das den jeweiligen wertbezogenen gesellschaftlichen Kontext einbezieht, und einem Verständnis von Völkergewohnheitsrecht als universellen Normen der internationalen Gemeinschaft. Für ein universelles Verständnis spricht, dass der IGH auch das Verhalten anderer Staaten sowie eigene ältere Entscheidungen
294 IGH North Sea Continental Shelf, ICJ Rep. 1969, S. 3 (43); Sep. Op. Tanaka, ibid., S. 176; Sep. Op. Lachs, ibid., S. 230. 295
H. W. A. Thirlway, International Customary Law and Codification, 1972, S. 86 ff. mit Bezug auf IGH North Sea Continental Shelf, ICJ Rep. 1969, S. 3 (43), para. 73. 296 297 298 299
M. Mendelson, RdC 272 (1998), S. 155 (301). IGH Nicaragua, ICJ Rep. 1986, S. 14 (99 f.), para. 188. F. L. Morrison, AJIL 81 (1987), S. 160 (162). IGH Nicaragua, ICJ Rep. 1986, S. 14 (98 ff., 107, 109).
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und Kommentare der ILC zum Nachweis des Gewohnheitsrechts heranzieht.300 Auch in weiteren Fällen knüpfte der IGH an Vertragsrecht an, um paralleles Völkergewohnheitsrecht festzustellen. Bei verschiedenen Gelegenheiten nahm der Gerichtshof schon auf die Seerechtskonvention Bezug, obgleich sie noch nicht in Kraft getreten war.301 Dies ist zunächst dadurch gerechtfertigt, dass die Seerechtskonvention weitgehend eine explizite Kodifikation bestehenden Rechts darstellt, die unter universeller Beteiligung ausgehandelt worden ist. Hinzu kommt, dass während der Aushandlung der Seerechtskonvention an vielen Stellen breiter Konsens zum Ausdruck kam, ihre Verabschiedung aber zunächst an einzelnen Punkten scheiterte. Im Nuklearwaffengutachten hob der IGH die weitreichende Kodifikation des humanitären Völkerrechts und die Zahl der Ratifikationen der Verträge wie auch den Umstand hervor, dass die bestehenden Kündigungsklauseln nie in Anspruch genommen worden sind. Auf dieser Grundlage stellte er fest, dass die internationale Gemeinschaft mit einem vertraglichen Regelwerk ausgestattet sei, dessen Regeln mehrheitlich Völkergewohnheitsrecht geworden seien und die universell am stärksten anerkannten humanitären Grundsätze widerspiegelten.302
c) Zwischenfazit Vermittelnd wird man sagen können, dass es von verschiedenen Faktoren abhängt, wie sehr eine in einem Vertrag enthaltene Norm sich zu universellem Gewohnheitsrecht entwickeln kann. Neues Gewohnheitsrecht entsteht eher dann, wenn die Regel allgemeinen und nicht bloß spezifischen Interessen einzelner Staaten entspricht. Generell kann die 300
H. Charlesworth, Austral. YBIL 11 (1991), S. 1 (30 f.); G. A. Christenson, AJIL 81 (1987), S. 93 (insb. 96); J. Tasioulas, OJLS 16 (1996), S. 85 (102 f.). S. IGH Nicaragua, ICJ Rep. 1986, S. 14 (97, 100, 106 f.). 301
IGH Continental Shelf (Libya v. Malta), Application to Intervene, ICJ Rep. 1984, S. 3 (11), para 16; Continental Shelf (Libya v. Malta), ICJ Rep. 1985, S. 13 (29 f., 33 f.), para. 26, 33 f.; Nicragua, ICJ Rep. 1986, S. 14 (111 f.), para. 212, 214; Land, Island and Maritime Frontier Dispute (El Salvador/Honduras: Nicaragua intervening), ICJ Rep. 1992, S. 351 (588 f.), para. 383 f.; Maritime Delimitation in the Area between Greenland and Jan Mayen, ICJ Rep. 1993, S. 38 (59, 73 f.), para. 47 f., 80. 302 IGH Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1996, S. 226 (258), para. 82.
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Norm leichter zu Gewohnheitsrecht werden, wenn sie nicht in ein mehr oder weniger komplexes System von Normen eingebettet oder als mit anderen Regelungen verknüpfte Kompromisslösung entstanden ist. Außerdem gilt: Je weniger ausgeprägt der technische Charakter einer Norm ist, desto leichter wird sie verallgemeinerbar sein.303 Bedeutsam ist auch der Charakter der vertraglichen Verpflichtung selbst als Erlaubnissatz oder Verbot,304 da Unterlassenstatbestände ohne verbale Erklärungen häufig nur schwer einzuordnen sind. Damit ist die Bedeutung des vertragsinduzierten Völkergewohnheitsrechts als Quelle von Verboten im Bereich des Menschenrechtsschutzes und des Schutzes globaler Ressourcen aber beschränkt.
2. Resolutionen Im Ausgangspunkt schwieriger ist es, Resolutionen der Generalversammlung eine Relevanz für die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht zuzusprechen, geht man davon aus, dass sie unmittelbar keine Rechtsbindung bewirken. So kommt Generalversammlungsresolutionen nach dem Wortlaut der Charta jenseits von Budgetfragen keine externe Bindungswirkung zu (s. Art. 10-14 UNC). Auf der Konferenz von San Francisco wurde der Vorschlag der Philippinen, die Generalversammlung ausdrücklich mit legislativen Kompetenzen auszustatten, unzweideutig abgelehnt.305 Dennoch war die unmittelbare Rechtsbindung von Resolutionen der Generalversammlung später politisch kontrovers. Sie wurde von den Entwicklungsländern vor allem im Rahmen der Auseinandersetzung um eine Neue Weltwirtschaftsordnung favorisiert.306 Nicht zuletzt der Widerstand der USA gegen die Nicaragua303
J. Charney, Wash LR 61 (1986), S. 971 (983 f.). Dagegen sollte es den gewohnheitsrechtlichen Status einer Vertragsbestimmung nicht ohne Weiteres ausschließen, wenn ein Vorbehalt zu dieser Bestimmung ausdrücklich zugelassen wird, M. Mendelson, RdC 272 (1998), S. 155 (309 f.); s. aber IGH North Sea Contintental Shelf, ICJ Rep. 1969, S. 3 (38 f.), para. 63. 304
M. Byers, Custom, Power and the Power of Rules, 1999, S. 169.
305
UNCIO III, S. 536; UNCIO IX, S. 70. Überblicksartig zur Bindungswirkung von Resolutionen der Generalversammlung M. Mendelson, RdC 272 (1998), S. 155 (354 ff.). 306
G. I. Tunkin, in: W. Butler (Hg.); International Law and the International System, 1987, S. 5 (5 f.); s. auch die Untersuchung der einschlägigen Resolutionen durch den Schiedsrichter R.-J. Dupuy im Fall Texaco Overseas Petroleum Co. and California Asiatic Oil Company v. The Government of the Lib-
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6. Kapitel
Entscheidung des IGH dürfte der Grund dafür sein, dass den Resolutionen der Generalversammlung in der Literatur seither wenig Bedeutung für das Völkergewohnheitsrecht beigemessen wird.307 In jüngster Zeit kommt hinzu, dass die rechtsetzenden Aktivitäten des Sicherheitsrates in den Vordergrund getreten sind. In den „Armed Activities on the Territory of the Congo Cases“ ließ es der IGH allerdings damit bewenden, den gewohnheitsrechtlichen Charakter des Grundsatzes der permanenten Souveränität über natürliche Ressourcen anhand von drei Generalversammlungsresolutionen nachzuweisen.308 Selbst die Annahme, dass zumindest eine ganze Serie von Generalversammlungsresolutionen zu einem bestimmten Thema eine ausreichende Grundlage für eine gewohnheitsrechtliche Norm bilden könne, überzeugt nicht. Allein die Wiederholung eines an sich nicht bindenden Aktes schafft nicht die Überzeugung der Rechtsbindung.309 Selbst dann, wenn eine Resolution die Rechtsüberzeugung der Staatengemeinschaft zu dokumentieren scheint, muss das Abstimmungsverhalten der Staaten insbesondere bei einstimmigen Entscheidungen, aber auch im Konsensus-Verfahren, jedenfalls nicht allein von einer möglichen Rechtsüberzeugung geprägt sein.310 Dennoch wird man sagen können, dass Staaten die Empfehlungen der Generalversammlung im guten Glauben erwägen und die Generalversammlung über ihre Haltung informieren müssen.311 B. Cheng nimmt darüber hinausgehend sogenanntes instant customary law unter Verzicht auf das Element der consuetudo an, wenn sich in der Generalversammlung der Vereinten Nationen ein klarer staatlicher Konsens abzeichnet.312 Mit gewissen Einschränkungen wird eine nor-
yan Arab Republic, Award on the Merits, 19 January 1977, ILR 53 (1979), S. 389 (483 ff.). 307
Vgl. M. Byers/S. Chesterman, in: J. Holzgrefe/R. Keohane, Humanitarian Intervention, 2003, S. 177 (189 ff.). 308
IGH Armed Activities on the Territory of the Congo (DRC v. Uganda), Judgment, ICJ Rep. 2005, S. 168 (251 f.), para. 244. 309
Vgl. G. Danilenko, GYIL 31 (1988), S. 9 (26); J. Cardona Llorens, FS Vasak, 1999, S. 975 (989); J. Kelly, Va JIL 40 (2000), S. 449 (486 f.). 310
G. Arangio-Ruiz, RdC 137 (1972-III), S. 419 (431); S. Schwebel, ASIL Proc. 73 (1979), S. 301 (302). 311
IGH South West Africa – Voting Procedure, Sep. Op. Lauterpacht, ICJ Rep. 1955, S. 90 (118 ff.). 312 B. Cheng, Indian JIL 5 (1965), S. 23 (35 ff.); s. auch IGH South West Africa, Second Phase, ICJ Rep. 1966, S. 250.
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493
mative Bedeutung der Resolutionen auch von anderen Autoren, etwa für die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte als Konsens der internationalen Gemeinschaft, anerkannt.313 Bei der Bedeutung der Resolutionen für das Völkergewohnheitsrecht wird nach verschiedenen Kriterien zu differenzieren sein. Dementsprechend entwickelte Charney einen pragmatischen Ansatz zur Etablierung neuer Normen, die auch unabhängig von der Zustimmung einzelner Staaten universelle Geltung beanspruchen können.314 Dabei stuft er die Bedeutung der Debatten in diesen Foren anhand verschiedener Faktoren ab. Sie ist abhängig davon, wie deutlich den teilnehmenden Staaten war, dass die betreffende Regel eine Verbesserung, Kodifizierung, Kristallisierung oder progressive Weiterentwicklung des Völkerrechts darstellt. Von zentraler Bedeutung sind die Unterstützung, die die Regel erfahren hat, und die Beteiligung aller Interessengruppen. Erklärungen von Staaten außerhalb des Forums können hier ergänzende Bedeutung haben. Weiterhin können die vorbereitenden Aktivitäten und das interne Verfahren für die Wirkung von Resolutionen relevant sein.315 Zur Abgrenzung vom klassischen Völkergewohnheitsrecht spricht Charney von general international law.316 Multilaterale Foren wie die Generalversammlung erleichtern jedenfalls die Identifikation und Analyse, die Diskussion, Verfeinerung und Transformation sowie die Formulierung und Neudefinition von Rechtssätzen und können auf diese Weise auch zur Bildung von Völkergewohnheitsrecht beitragen.317 Das gilt insbesondere für Resolutionen wie die Friendly Relations-Deklaration, die das Recht deklaratorisch wiedergeben sollen.318 Darüber hinaus können sie Trends in der
313
L. Sohn, Wash LR 61 (1986), S. 1073 (1077); A. Cassese, International Law in a Divided World, 1986, S. 183 ff. 314
J. Charney, AJIL 87 (1993), S. 529 (insb. 543 ff.); s. auch IGH Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1996, S. 226 (254). 315
R. Higgins, in: W. Butler (Hg.); International Law and the International System, 1987, S. 21 (23). 316
Vgl. J. E. Alvarez, AJIL 100 (2006), S. 324 (332) m. w. N. zu besonderen Bezeichnungen für in internationalen Organisationen entstandenes Völkergewohnheitsrecht in Fn. 44. 317
J. Cardona Llorens, FS Vasak, 1999, S. 975 (984 ff.); C. G. Weeramantry, Universalising International Law, 2004, S. 227. 318
R. Higgins, Problems and Process, 1994, S. 24. Auf der Grundlage von Art. 85 UNC kann die Generalversammlung im Rahmen des Treuhandsystems
494
6. Kapitel
Entwicklung von Völkergewohnheitsrecht aufgreifen.319 Grundsätzlich besteht daher kein Unterschied in der Bedeutung von Generalversammlungsresolutionen für das Völkergewohnheitsrecht und der völkergewohnheitsrechtlich begründeten Drittwirkung von Verträgen. Beiden kann eine deklaratorische, kristallisierende oder generierende Funktion zukommen.320 Verträge verursachen aber zumindest potentiell höhere Kosten, weil ihre Verletzung Staatenverantwortlichkeit nach sich zieht, werden deshalb mit größerer Sorgfalt formuliert321 und sind als Staatenpraxis daher aussagekräftiger als Generalversammlungsresolutionen.322 Die Bezugnahme auf Resolutionen darf nicht zu einem Kurzverfahren für den Nachweis von Völkergewohnheitsrecht werden, der an die Stelle einer Auseinandersetzung mit der Praxis außerhalb der Generalversammlung als einem „Gewächshaus parlamentarischer Diplomatie“323 tritt. Ganz ohne solche short cuts wird man indes nie auskommen,324 weil eine wirklich detaillierte Analyse der Staatenpraxis und der mit Wirkung erga omnes über Territorium verfügen, vgl. IGH Namibia, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1971, S. 16 (50). 319
Vgl. IGH Namibia, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1971, S. 16 (31), para. 52; M. Lachs, FS Mosler, 1983, S. 493 (497); weitergehend R. Falk, AJIL 60 (1966), S. 782; J. Castañeda, Legal Effects of United Nations Resolutions, 1970. 320 G. Abi-Saab, RdC 207 (1987-VII), S. 9 (172 f.). Im Filartiga-Fall etwa wird das Folterverbot als Gewohnheitsrecht mit nicht ratifizierten Verträgen und mit Generalversammlungsresolutionen sowie mit innerstaatlichem Recht nachgewiesen (U.S. Cir. Court of Appeals, 2nd Cir. Filartiga v. Pena-Irala, ILM 19 (1980), S. 966 (972 ff.)). Ein weiteres Beispiel für den Nachweis von Völkergewohnheitsrecht sowohl aus rechtlich nicht verbindlichen Instrumenten als auch aus Verträgen ist der Vortrag Neuseelands vor dem IGH im Fall Request for an Examination of the Situation in Accordance with Paragraph 63 of the Court’s Judgment of 20 December 1974 in the Nuclear Tests (New Zealand v. France), CR 1995/20, Oral Proceedings am 12.9.1995: Die Ausführungen beziehen sich auf die Rio Deklaration, UNEP Draft Principles of Conduct, World Bank Operational Directive (1989), Noumea Convention und die Biodiversitätskonvention. 321
C. Tomuschat, BDGVR 28 (1988), S. 9 (21); ders., RdC 241 (1993-IV), S. 195 (270). Kritisch aber zu politisiertem Stil und Programmcharakter der in internationalen Organisationen verhandelten Verträge B. Simma, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Structure and Process, 1983, S. 485; differenziert J. E. Alvarez, Law-makers, 2005, S. 338 ff. 322 323 324
M. Byers, Custom, Power and the Power of Rules, 1999, S. 170. B. Simma/P. Alston, Austral. YBIL 12 (1992), S. 82 (89). J. E. Alvarez, Law-makers, 2005, S. 592.
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Nachweis einer opinio iuris sehr anspruchsvoll sind. Es wird daher jedenfalls situationsabhängig sein, ob eine Erklärung als Praxis gelten kann. In der Regel wird sie gegen eine tatsächliche Praxis getestet werden müssen,325 und ist eine schlichte Doppelverwertung einer Stellungnahme zugleich als Praxis und als Ausdruck der Rechtsüberzeugung zu vermeiden.326
3. Zwischenfazit In der Anknüpfung an multilaterale Foren und Konventionen spiegelt sich eine wesentliche Veränderung der internationalen Beziehungen, die für die Doktrin des Völkergewohnheitsrechts fruchtbar gemacht wird und zur Begründung universeller Normen dient. Die Lehre vollzieht diese Tendenz zur Zentralisierung der Rechtsbildung nach, indem sie sich bei der Feststellung von Völkergewohnheitsrecht vom Staatengeschehen ab- und den genannten Foren zuwendet.327 Insgesamt wird man hier aber keine breite Grundlage für die Entstehung einer systematischen Völkerrechtsordnung mit universellen und effektiven Normen zum Schutz von Gemeinschaftsinteressen finden können. Dagegen sprechen schon die Vielfalt der in der Literatur vertretenen Positionen und eine gewisse, gut nachvollziehbare Unentschlossenheit der Rechtsprechung. Möglicherweise lassen sich die hier aufgezeigten Prozesse, denen intuitiv normbildende Relevanz zukommt, dogmatisch überzeugender fassen. Dieser Frage wird im letzten Teil der Arbeit nachzugehen sein. Auch die mittlerweile unter dem Schlagwort „Fragmentierung“ diskutierte Vervielfältigung der für die Bildung von Völkergewohnheitsrecht unter den genannten Vorzeichen relevanten Foren hat in der Quellenlehre keinen Widerhall gefunden. Die Fragmentierung konterkariert indes die dargestellten Ansätze zur Feststellung universeller Normen. Keine Berücksichtigung findet auch die zunehmende Durchlässigkeit der Staaten und die Zunahme der sogenannten transnationalen Kommunikation. Auch hier könnte indes eine Anknüpfung für universelle Normen liegen, die noch zu erörtern sein wird.
325
G. Danilenko, GYIL 31 (1988), S. 9 (24); vgl. auch G. I. Tunkin, in: W. Butler (Hg.); International Law and the International System, 1987, S. 5 (12). 326 327
Vgl. M. Mendelson, RdC 272 (1998), S. 155 (206, 381). H. Charlesworth, Austral. YBIL 11 (1991), S. 1 (2, 31).
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III. Deduktion aus der ungeschriebenen Verfassung der internationalen Gemeinschaft Ein Ansatz in der Literatur zur Etablierung universellen Völkergewohnheitsrechts versucht, bestimmte völkerrechtliche Regeln aus der Verfassung der internationalen Gemeinschaft abzuleiten und entfernt sich damit am weitesten vom traditionellen Verständnis des Völkergewohnheitsrechts. Dabei soll der Charakter des Völkerrechts als Verfassungsordnung eine modifizierte Methode begründen, mit der ungeschriebenes Völkerrecht identifiziert wird. Das Konsenselement des Völkergewohnheitsrechts ist auf einen elementaren Konsens über die Grundstrukturen dieser Gemeinschaft reduziert, der jedenfalls durch einen einzelnen Staat nicht widerrufen werden kann.328 Tomuschat etwa zieht die Grundprinzipien der Völkerrechtsordnung (fundamental principles of international law) als „Verfassungsgrundlage“ für die Deduktion elementarer völkergewohnheitsrechtlicher Normen heran.329 Der IGH hatte im Corfu Channel- und im Reservations-Fall ähnlich argumentiert und grundlegende moralische Erwägungen als integrale
328
Zur schon älteren, insbesondere französischen objektiven Theorie des Völkergewohnheitsrechts vgl. B. Stern, Duke JCIL 11 (2001), S. 89. Nicht nur auf den Nachweis einer Staatenpraxis, sondern auch auf den grundlegenden Konsens verzichtet Tesón für die Erkenntnis von Völkergewohnheitsrecht bei Normen, die Ausdruck grundlegender moralischer Grundsätze sein sollen. Für die Begründung des Demokratieprinzips beruft er sich auf einen Vorrang des Naturrechts und seine Interpretation Mills, Kants, Lockes und anderer. Die Deduktion dürfe zwar den politischen Gesamtkontext nicht außer Acht lassen, könne aber sehr wohl ohne Nachweis einer Staatenpraxis und entsprechender opinio iuris, sogar bei entgegenstehender Staatenpraxis erlaubt sein. Außerhalb des Kernbereichs elementarer Normen, wo also sensible Abwägungen zwischen individuellen und öffentlichen Interessen vorgenommen werden müssen, sollen dagegen die traditionellen Methoden der Rechtsfindung angewandt werden. S. F. Tesón, ASIL Proc. 92 (1998), S. 126 (127 f.). 329
C. Tomuschat, RdC 241 (1993-IV), S. 195 (292 ff.); vgl. auch ders, in: R. Wolfrum/V. Röben (Hg.), Developments of International Law in Treaty Making, 2005, S. 401 (405 ff.); ähnlich T. Meron, Human Rights and Humanitarian Norms as Customary Law, 1989, S. 42, 68, 74; L. Henkin, International Law: Politics and Values, 1995, S. 31 – Verfassungsrecht der internationalen Gemeinschaft; s. weiter die Unterscheidung zwischen „consuetudine-fondamento“ (Praxis als Grundlage des Völkergewohnheitsrechts) und „consuetudine-fonte“ (Praxis als Quelle des Völkergewohnheitsrechts) bei R. Kolb, NILR 50 (2003), S. 119 (124 ff., 129) m. N.
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Elemente in die internationale Rechtsordnung einbezogen.330 Für das humanitäre Völkerrecht beziehen sich vergleichbare deduktive Ansätze auf die Martens’sche Klausel.331 Grundlage der Deduktion unter Verzicht auf das Praxiserfordernis ist hier letztlich die essentielle moralische Notwendigkeit gewisser Regeln des humanitären Völkerrechts. Verfassungsnormen in diesem Sinne sind solche Grundsätze des Völkerrechts, die axiomatisch oder zumindest von erhöhter Geltungskraft oder Beständigkeit sind und eine Deduktion anderer Normen erlauben.332 Die souveräne Gleichheit der Staaten und bestimmte gemeinsame Werte der Menschheit, die die Grundlage für die Deduktionen bilden, seien von den Staaten ausdrücklich oder stillschweigend anerkannt. Das Gewaltverbot, die Prinzipien des Umweltrechts zu grenzüberschreitenden Umweltverschmutzungen und ein Verbot des Einsatzes von Kernwaffen333 werden so auf den Verfassungsgrundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten zurückgeführt. Gemeinsame Werte der Menschheit (common values of mankind) sind danach Grundlage elementarer Menschenrechtsnormen wie des Schutzes menschlichen Lebens und körperlicher Unversehrtheit sowie des Diskriminierungs-, Folter- und Sklavereiverbots, des humanitären Völkergewohnheitsrechts, des Völkerstrafrechts und der Geltung der rule of law in den internationalen Beziehungen. Für ihre Geltung komme es auf eine Bestätigung durch opinio
330
IGH Corfu Channel, ICJ Rep. 1949, S. 4 (22): Ableitung aus „elementary considerations of humanity, even more exacting in peace than in war“; Reservations, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1951, S. 15 (23): Prinzipien der Konvention als „recognized by civilized nations as binding on States, even without any conventional obligation“. S. auch IGH Nicaragua, ICJ Rep. 1986, S. 14 (134), para. 267. Gegen den deduktiven Ansatz argumentiert G. Schwarzenberger, RdC 87 (1955-I), S. 195 (200 ff.); ders., International Law, Bd. 1, 31957, S. 4 ff.; s. auch ders., The Inductive Approach to International Law, 1965; ders., A Manual of 5 International Law, 1967, S. 21 ff. 331
IGH Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1996, S. 226 (257), insb. para. 78; A. Cassese, International Law, 22005, S. 160 f. 332
Vgl. R. Kolb, NILR 50 (2003), S. 119 (124 ff., 129). Die Vorstellung von diesen den Rechtsquellen vorausgehenden Verfassungsnormen, die Gegenstand eines formlosen Konsenses der Staaten sind, lässt sich über Mosler zu Verdross zurückverfolgen: A. Verdross, Quellen, 1973, S. 20; H. Mosler, The International Society as a Legal Community, 1980, S. 17 ff. 333 Der Beitrag ist älter als das Atomwaffengutachten des IGH Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1996, S. 226.
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6. Kapitel
iuris und Staatenpraxis oder durch vertragliche Bestimmungen nicht an. Auf diese Weise ergibt sich eine Schichtung von Normen. Je konkreter eine Regel, desto stärker ist sie in ihrem Inhalt von der tatsächlichen Staatenpraxis abhängig. Die erste Schicht bildet das Verfassungsrecht, die nächste die Normen, die unmittelbar aus diesem deduziert werden können. Die letzte Schicht besteht aus kontingenten Regeln wie den Bestimmungen über die Breite des Küstenmeeres, die Anknüpfungsmöglichkeiten für die Verleihung der Staatsangehörigkeit oder die Gewährung von absoluter oder nur relativer Immunität. Der Rechtsfindung im Wege der Deduktion konkreterer Normen aus abstrakten Prinzipien haftet jedoch eine gewisse Beliebigkeit an, sie ist für subjektive Anschauungen und Machtdeterminierung in besonderer Weise offen. Die Frage nach der Rechtsnormativität stellt sich auf jeder Konkretisierungsstufe erneut,334 weshalb das Konsenselement nicht ohne Weiteres auf abstraktere Ebenen verlagert werden kann. Der Inhalt der abstrakten Rechtssätze ist zudem in einer pluralen Welt umstritten, so dass es für Deduktionen oft an einer ausreichenden Grundlage fehlt.335 Auch stellt die Deduktion nicht sicher, dass die so begründeten Normen auch effektiv sind. Anzuerkennen ist zwar, dass die Existenz eines gemeinsamen Interesses die Bildung oder Änderung von Gewohnheitsrecht beschleunigen kann.336 Grundprinzipien haben daher als Ausdruck gemeinsamer Interessen eine stabilisierende Funktion in der Entwicklung des Völkergewohnheitsrechts.337 Es ist allerdings nicht ersichtlich, warum ein globaler Zweck als solcher diesen Effekt haben soll. Wohl kann die Einsicht in die globale Dimension die opinio iuris der Staaten befördern und die Vorstellung bewirken, dass es sich um eine dem allgemeinen Völkerrecht zugehörige Regel und nicht nur um
334
R. Wolfrum, in: H. Hattenhauer/W. Kaltefleiter (Hg.), Mehrheitsprinzip, Konsens und Verfassung, 1986, S. 79 (89). 335
Vgl. J. Kelly, Va JIL 40 (2000), S. 449 (458).
336
A. McNair, Law of the Air, 31964, S. 5; auch für gemeinsame Werte: M. Byers, Custom, Power and the Power of Rules, 1999, S. 164 f. S. auch die Argumentation von Byers für Australien im Nuclear Tests Case, Oral Arguments on Jurisdiction and Admissibility, ICJ Pleadings, Oral Arguments, Documents 1973 (1), S. 494 (502). 337
S. 28.
H. W. A. Thirlway, International Customary Law and Codification, 1972,
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Vertragsrecht handelt.338 Dies setzt indes voraus, dass das gemeinsame Interesse intersubjektiv als solches anerkannt und verstanden wird.
IV. Reziprozität in der Entstehung von Völkergewohnheitsrecht Wesentlich für die Effektivität eines anhand von Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung entwickelten Völkergewohnheitsrechts ist die Reziprozität des normbildenden Verhaltens. Dass eine zwischenstaatliche Praxis unter den Bedingungen der Reziprozität die Effektivität eines Rechtssatzes indiziert, ist eine Erkenntnis des soziologischen Positivismus (1.), die in neuerer Zeit von spieltheoretischen Ansätzen bestätigt wird (2.). Die durch den Reziprozitätsmechanismus auf der Grundlage einer von opinio iuris begleiteten Staatenpraxis begründete Vermutung der Fairness und Ausgeglichenheit ist eine innere Rechtfertigung für die Bindung von Staaten, die sich nicht an der Praxis beteiligt haben, aber auch keine persistent objectors sind.339 Die Untersuchung wird bestätigen, dass die Bedeutung dieses Mechanismus für die Effektivität eines so begründeten Völkergewohnheitsrechts dagegen spricht, dass sich der Schutz von Menschenrechten und globaler gemeinsamer Güter ohne Weiteres überzeugend auf diese Begründungselemente des Völkergewohnheitsrechts stützen können.340 Insbesondere im Bereich der Menschenrechte ist offenkundig, dass verlautbarte Rechtsüberzeugungen und reale Praxis voneinander abweichen.
1. Soziologischer Positivismus Der Prozess der Bildung von Völkergewohnheitsrecht lässt sich als Abfolge von claim und response darstellen.341 Zunächst erhebt ein Staat oder erheben mehrere Staaten mit ihrem Verhalten den ausdrücklichen oder stillschweigenden Anspruch, dass dieses Verhalten einem Recht 338
J. d’Aspremont, IILJ WP 2006/12, S. 23; vgl. J. Brunnée, ZaöRV 49 (1989), S. 791 (800, 807). 339
C. Tomuschat, RdC 241 (1993-IV), S. 195 (291).
340
Vgl. E. Benvenisti, in: ders./M. Hirsch (Hg.), The Impact of International Law on International Cooperation, 2004, S. 85 (88 ff.). 341
Vgl. zum Schema von „claim“ und „response“ ursprünglich M. S. McDougal/N. A. Schlei, Yale LJ 64 (1955), S. 648; M. S. McDougal et al., Studies in World Public Order, 1960, S. 773 f.
500
6. Kapitel
oder einer Pflicht im Verhältnis zu einem Staat oder zu mehreren Staaten entsprechen soll.342 Die anderen Staaten reagieren darauf mit ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis, mit Bestätigung oder Nachahmung, aber auch mit Zurückweisung oder Distanzierung. Aus diesem fortwährenden Prozess entstehen Regeln, werden sie verstärkt oder verworfen.343 Dabei ist das Verhalten der agierenden wie der reagierenden Staaten von der Erwartung der Reziprozität geprägt. Der Rechtserzeugungsprozess antizipiert bewusst die Gegenseitigkeit im einmal geltenden Völkergewohnheitsrecht. Zunächst muss ein Staat, der durch sein Verhalten einen Anspruch formuliert, damit rechnen, dass der gleiche Anspruch auch gegen ihn selbst geltend gemacht wird.344 Für die Bildung von Völkergewohnheitsrecht ist sein Verhalten insbesondere dann aussagekräftig, wenn ein reziprokes Verhalten der anderen Staaten gleichfalls seine Eigeninteressen berührt. Mit Zustimmung oder Protest der anderen Staaten ist wiederum nur zu rechnen, wenn die jeweilige Verhaltensweise jedenfalls abstrakt auch die Interessen des anderen Staates tangiert.345 Diese operative Gegenseitigkeitserwartung wird von manchen Autoren mit einer zweiteiligen opinio iuris aufgegriffen, die sich aus einer normativen Absicht des Handelnden Staates, der sein Verhalten für verallgemeinerbar hält, und der (positiven) Reaktion der internationalen Gemeinschaft zusammensetzt.346 Das wechselseitige Interesse der beteiligten Staaten kann Triebkraft für eine Beschränkung der Handlungsfreiheit der Staaten durch Verrechtlichung sein, wenn die daraus resultierenden Nachteile durch die Vorteile 342
M. Mendelson, FS Virally, 1991, S. 373; ders., RdC 272 (1998), S. 155
(190). 343
Vgl. J. Beckett, EJIL 16 (2005), S. 213 (235 f.); H. Meijers, NYIL 9 (1978), S. 3 (6 ff.). 344
B. Simma, Entstehung des Völkergewohnheitsrechts, 1970, S. 51 f.; ders., Stichwort „Reciprocity“, EPIL IV, 2000, S. 29 (30); vgl. auch E. Decaux, La réciprocité en droit international, 1980, S. 118; G. Danilenko, GYIL 31 (1988), S. 9 (15); vgl. ders., Law-Making in the International Community, 1993, S. 75 ff.; M. Byers, Custom, Power and the Power of Rules, 1999, S. 90 ff. 345 346
B. Simma, Entstehung des Völkergewohnheitsrechts, 1970, S. 54 ff.
H. W. A. Thirlway, International Customary Law and Codification, 1972, S. 55 f.; H. Thirlway, BYBIL 61 (1990), S. 1 (42 ff.); J. Beckett, EJIL 16 (2005), S. 213 (235 f.). Die opinio iuris ersetzt gar durch das Moment des Vertrauensschutzes J. P. Müller, Vertrauensschutz im Völkerrecht, 1971, S. 92 ff.; vgl. auch A. Bleckmann, ZaöRV 36 (1976), S. 374 (401 f.).
Objektive universelle Ordnung zum Schutz von Gemeinschaftsgütern
501
zumindest aufgewogen werden, die sich aus der gleichen Zurückhaltung der anderen Staaten ergeben.347 In diesen Fällen ist die Reziprozität nicht nur als genetische Reziprozität Triebkraft der Entstehung des Völkergewohnheitsrechts, sondern als funktionale Reziprozität zugleich Triebkraft der Effektivität des so entstandenen Rechts. Die Begründung des Völkergewohnheitsrechts in der Interaktion der Staaten stellt sicher, dass sich im Völkergewohnheitsrecht ein tatsächliches Einverständnis der Staaten spiegelt348 und es nicht bloße Rhetorik darstellt. Je mehr die Eigeninteressen der beteiligten Staaten tangiert werden, desto stärker kann die Schrittmacherrolle der Gegenseitigkeit für das Völkergewohnheitsrecht sein. Für Normen des zwischenstaatlichen Verkehrs lässt sie sich gut nachvollziehen. Ein Staat wird etwa als Empfangsstaat Gesandte in der Erwartung gut behandeln, dass auch seine eigenen Gesandten in den anderen Staaten ein entsprechender Status gewährt wird. Dagegen gibt es für die Gegenseitigkeitsmotivation dort keinen Ansatzpunkt, wo es nicht um einen Ausgleich einander gegenüberstehender Ansprüche geht und staatliche Eigeninteressen nennenswert weder im positiven noch im negativen Sinne berührt werden. Eine die Gegenseitigkeitsmotivation befördernde Interessenstruktur findet sich weder bei öffentlichen Gütern noch bei gemeinsamen Werten. Sogenannte Allmendegüter (common pool resources/common goods) werden dagegen unter Bedingungen der Rivalität genutzt, diese Rivalität erzeugt aber keine Reziprozität, die ohne weiteres die Normbildung zugunsten einer langfristigen Erhaltung des Gutes begünstigen würde. Indes ist die völlige Abwesenheit der Reziprozitätsmotivation tatsächlich sehr selten.349 Bei der Achtung, dem Schutz und der Gewährleistung von Menschenrechten gegenüber eigenen Staatsangehörigen und beim Schutz globaler öffentlicher Güter ist sie allerdings von eher geringer Bedeutung. Die Interaktion von claims and tolerances fehlt bei der Erfüllung 347 348 349
B. Simma, Entstehung des Völkergewohnheitsrechts, 1970, S. 59. M. Mendelson, RdC 272 (1998), S. 155 (190 f.).
B. Simma, Entstehung des Völkergewohnheitsrechts, 1970, S. 64 ff.; die Bedeutung des Reziprozitätselements bei der Entstehung und Geltung genereller Gewohnheitsrechtsnormen zieht in Zweifel R.-F. Unger, Völkergewohnheitsrecht, 1978, S. 42 et passim. Stattdessen bezieht er sich auf das Konzept der communis opinio iuris, ohne dessen völkerrechtssoziologische Relevanz zu erörtern. Letztlich kommt es ihm v. a. auch darauf an, dass von der faktischen nicht auf eine normative Reziprozität geschlossen werden kann (ibid., S. 56 f.; s. zur Terminologie 5. Kapitel B. III. 1. b)).
502
6. Kapitel
menschenrechtlicher Verpflichtungen, die nicht zwischen den Staaten stattfindet, sondern für jeden Staat in seinem internen Bereich.350 Normen zum Schutz globaler öffentlicher Güter haben zumindest kurzfristig einen überstaatlichen, jedenfalls nicht unmittelbar auch zwischenstaatlichen Charakter, weil die Interessenlage hier auf kurze Sicht nicht von Staaten-, sondern von globalen Interessen gekennzeichnet ist. In beiden Fällen setzt eine Reaktion anderer Staaten mehr oder weniger altruistische Motive voraus. Werden etwa Menschenrechtsverletzungen in einem Staat publik, müssen andere Staaten zu der Überzeugung gelangen, dass sie es sich „leisten“ können, ihre Beziehungen zu einem bestimmten Staat zu gefährden, indem sie altruistisch für Belange des Menschenrechtsschutzes eintreten. Soll der Reziprozitätsmechanismus die Effektivität des Völkergewohnheitsrechts sicherstellen, so kann der Praxisbegriff hier nicht beliebig auf Verbalakte erstreckt werden, sondern nur auf solche, die zumindest derartige „Kosten“ verursachen.
2. Spieltheoretische Ansätze Die Bedeutung der Gegenseitigkeitserwartung bestätigen auch die komplexer angelegten spieltheoretischen Erklärungsansätze zur Bildung von Völkergewohnheitsrecht.351 Reziprozität gilt auch für spieltheoretische Ansätze als grundlegendes Prinzip des Völkergewohnheitsrechts.352 Rational Choice-Ansätze untersuchen die Umstände, in denen die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht wahrscheinlich ist.353 Das Hirschjagd- (Stag Hunt) Spiel354 etwa bildet die spezifische Reziprozitätser350
B. Simma/P. Alston, Austral. YBIL 12 (1992), S. 82 (99).
351
Vgl. E. Swaine, Duke LJ 52 (2002), S. 559 (587). Dabei ist allerdings zu beachten, dass die neueren spieltheoretischen Ansätze sich in dem Ausmaß unterscheiden, in dem sie dem Völkerrecht Normativität beimessen. S. dazu überblicksartig N. Petersen, JITE 165 (2009), S. 71 (72 ff.). Zur Stabilität von Sekundärnormen s. P. Verdier, Va JIL 42 (2002), S. 839 (863 ff.). 352
F. Parisi/N. Ghei, Cornell ILJ 36 (2003), S. 93 (122).
353
E. Swaine, Duke LJ 52 (2002), S. 559 (564); zu den Grenzen dieses Ansatzes s. ibid., S. 582 ff. 354 Zwei Jäger lauern im Wald. Zusammen planen sie, einen Hirsch zu erlegen. Dies kann ihnen nur gelingen, wenn sie kooperieren. Sollte nun aber ein Hase vorbeikommen, könnte jeder von ihnen sich auf die Hasenjagd verlegen. Einen Hasen kann auch jeder alleine erlegen. Geht man davon aus, dass beide Jäger Hirsch zum Abendessen vorziehen, ist es im Interesse beider Jäger, sich auf die Hirschjagd zu konzentrieren.
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503
wartung als Triebfeder der Entstehung von Völkergewohnheitsrecht ab, weil es hier für den Bindungswillen darauf ankommt, dass eine ausreichende Zahl von Staaten sich gleichermaßen verhält.355 Während beim sogenannten Gefangenendilemma356 das einseitige Ausscheren aus Sicht des Einzelnen die Präferenzordnung anführt, ist es bei der Hirschjagd die wechselseitige Kooperation.
a) Berücksichtigung der Wiederholbarkeit des Spiels Die Modelle für das Völkergewohnheitsrecht beziehen sich vor allem auf nichtkooperative Spiele wie das Gefangenendilemma und Modifikationen desselben.357 Für die Entwicklung einer Reziprozitätserwartung auf der Grundlage des Gefangenen-Dilemmas ist es notwendig, die Wiederholung des Spiels einzubeziehen (sogenanntes iteriertes Gefangenendilemma)358 und für die Verhaltensmotivation, neben dem unmittelbaren Vorteil aus dem jeweils eigenen Verhalten, auch den aus der Reaktion der anderen Staaten einzubeziehen.359 Völkergewohnheitsrecht entsteht dann aus wiederholten Transaktionen zwischen Akteurspaaren.360 Wichtig ist dabei die Möglichkeit unendlicher Wiederholung, da es bei einer endlichen Zahl von Wiederholungen zu einer kooperationshemmenden Antizipation des für das letzte Spiel erwarteten Verrats
355
E. Swaine, Duke LJ 52 (2002), S. 559 (614).
356
Untersuchungshäftlinge werden verdächtigt, es liegen aber nur Indizien vor, die für die Verurteilung wegen eines kleineren Vergehens ausreichen. Wenn keiner der Verdächtigen gesteht, werden beide wegen des kleinen Vergehens verurteilt. Belastet hingegen einer den anderen und schweigt der andere, so wird der Verräter freigelassen, während der andere zu einer höheren Strafe verurteilt wird. Sind beide geständig, wird das Strafmaß reduziert. Das „Dilemma“ ist dadurch gekennzeichnet, dass es für jeden Spieler unabhängig vom Verhalten des anderen vorteilhafter ist zu defektieren, beiderseitige Defektion aber ungünstiger ist als wechselseitige Kooperation. 357
J. L. Goldsmith/E. Posner, U.Chi. LR 66 (1999), S. 1113; E. Swaine, Duke LJ 52 (2002), S. 559 (574); G. Norman/J. Trachtman, AJIL 99 (2005), S. 541 (548); dies., U.I. LR 2008, S. 127 (130); A. Guzman, Mich. JIL 27 (2005), S. 115 (122). 358 359 360
S. dazu R. Axelrod, Die Evolution der Kooperation, 62005. G. Norman/J. Trachtman, AJIL 99 (2005), S. 541 (571). E. Kontorovich, Wm and Mary LR 48 (2006), S. 859 (919).
504
6. Kapitel
kommt.361 Faktoren, die die Entstehung effizienten Gewohnheitsrechts fördern, sind weiterhin die häufige Interaktion zwischen den Mitgliedern der Gruppe, eine gewisse Homogenität und vor allem die abwechselnd reziproke Rollenverteilung.362 Alternierende Rollenverteilung und Reziprozität schließen strategische und opportunistische Manöver aus und werden daher von Vertretern spieltheoretisch angeleiteter Ansätze mit dem Rawls’schen veil of ignorance in Verbindung gebracht.363 Im zwischenstaatlichen Bereich fehlt es häufig an dieser strukturellen Reziprozität, weil die Rollenverteilung etwa zwischen potentiellen Aggressoren und tendenziellen Opferstaaten nicht beliebig alternieren kann.364 Bei den Menschenrechten fehlt es schon an der Zwischenstaatlichkeit. Die Staaten A und B haben keine konkurrierenden Interessen bezüglich der Behandlung ihrer jeweiligen Staatsangehörigen.365
b) Multilaterale Kooperation unter den Bedingungen diffuser Reziprozität Insbesondere eine multilaterale oder gar universelle Kooperation ist wegen der höheren Koordinationskosten zunächst eher unwahrscheinlich.366 Die Aussichten für eine multilaterale Kooperation als Grundlage genereller völkergewohnheitsrechtlicher Normen verbessern sich aber durch Effekte, die sich aus der Verknüpfung verschiedener Sektoren der internationalen Beziehungen ergeben. Sie lassen sich auch mit einer spieltheoretischen Perspektive erfassen und bestätigen Annahmen des Neofunktionalismus.367 Die Reziprozitätserwartung bezieht sich hier
361
G. Norman/J. Trachtman, U.I. LR 2008, S. 127 (133), vgl. das sogenannte chain store paradox. 362
Vgl. E. Kontorovich, Wm and Mary LR 48 (2006), S. 859 (889).
363
F. Parisi/N. Ghei, Cornell ILJ 36 (2003), S. 93 (116); E. Kontorovich, Wm and Mary LR 48 (2006), S. 859 (893) m. N. 364 365
E. Kontorovich, Wm and Mary LR 48 (2006), S. 859 (902). E. Kontorovich, Wm and Mary LR 48 (2006), S. 859 (919 f.).
366
J. L. Goldsmith/E. Posner, U.Chi. LR 66 (1999), S. 1113 (1130 ff.); vgl. auch G. Norman/J. Trachtman, AJIL 99 (2005), S. 541 (555 f.) m. w. N. 367 G. Norman/J. Trachtman, AJIL 99 (2005), S. 541 (560 ff.); dies., U.I. LR 2008, S. 127 (147 ff.).
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auf das Völkerrecht als holistisches System.368 In den Mittelpunkt rückt das Phänomen, dass Staaten weniger in Erwartung einer spezifisch reziproken Gegenleistung kooperieren, als in der Erwartung einer generellen Einlösung in der Zukunft im Sinne einer stochastischen Reziprozität.369 Aus politikwissenschaftlicher Perspektive unterscheidet Keohane zwischen spezifischer und diffuser Reziprozität. Während spezifische Reziprozität den Austausch von Einheiten äquivalenten Wertes in zeitlich beschränkter Sequenz bezeichnet, kann bei diffuser Reziprozität auch eine Gruppe als Austauschpartner betrachtet werden und die zeitliche Ausdehnung der Wechselseitigkeit großzügiger sein. Spezifische Reziprozität erfordert ein bilaterales Gleichgewicht zwischen bestimmten Akteuren, diffuse Reziprozität betrifft dagegen das allgemeine Gleichgewicht in einer Gruppe und bedeutet die Einhaltung allgemein anerkannter Verhaltensstandards. Sie setzt verpflichtende Normen voraus, um Trittbrettfahrer auszuschließen und findet sich nur in kooperativen internationalen Regimen unter Beteiligung von Ländern mit starken gemeinsamen Interessen.370 Einzelne Staaten beteiligen sich im Fall der generellen oder diffusen Reziprozität nur, weil sich die anderen insgesamt auch beteiligen. Umgekehrt kann die Verletzung der einzelnen Regel das ganze Rechtssystem untergraben, wenn die Berufung des Verletzerstaates auf das Völkerrecht im Sinne einer stabilisierten Verhaltenserwartung für die Zukunft unglaubwürdig wird.371 Der Reputationsverlust, den dieser Staat als Sanktion erfährt, liegt in der Abnahme der Erwartung der anderen Staaten, dass der normverletzende Staat in Zukunft völkerrechtliche Normen befolgt. Dadurch sinkt die Fähigkeit des normverletzenden Staates, in Zukunft mit anderen Staaten zusammenzuarbeiten oder Zugeständnisse in Verhandlungen zu erzielen. Diese Sanktion ist besonders wirksam, da sie nicht von kollektivem Vorgehen abhängt und keine Kosten verursacht.372
368
G. Norman/J. Trachtman, AJIL 99 (2005), S. 541 (567); M. Guzman/T. Meyer, in: R. Miller/R. Bratspies (Hg.), Progress in International Law, 2008, S. 197 (217). 369
F. Parisi/N. Ghei, Cornell ILJ 36 (2003), S. 93 (108); vgl. F. Parisi, Eur J Law Econ 9 (2000), S. 99. 370 371 372
R. Keohane, IO 40 (1986), S. 1 (4 ff.). G. Norman/J. Trachtman, U.I. LR 2008, S. 127 (128).
A. Guzman, Mich. JIL 27 (2005), S. 115 (134 ff.); M. Guzman/T. Meyer, in: R. Miller/R. Bratspies (Hg.), Progress in International Law, 2008, S. 197 (202 ff.); s. auch A. Guzman, How International Law Works, 2008, S. 71 ff., 190 ff.
506
6. Kapitel
Diese generellen Auswirkungen eines Reputationsverlustes vermitteln einen starken Anreiz für die Normbefolgung,373 der aber davon abhängt, wie die Staaten die Bedeutung künftiger Zusammenarbeit einschätzen.374 Die Länge des shadow of the future hängt vom Horizont der maßgeblichen Entscheider ab, und damit von Faktoren wie Regierungswechseln, Wahlperioden und dem Beharrungsvermögen der Bürokratie.375 Die Normbefolgung trägt sich nur dann selbst, wenn die beteiligten Staaten hinreichend „geduldig“ sind.376
c) Völkergewohnheitsrecht als Kommunikationsmittel Das sich entwickelnde Völkergewohnheitsrecht kann als Informationsträger und Kommunikationsinstrument dazu beitragen, dass ein nach Effizienzkriterien optimales Gleichgewicht erzielt wird. Da den Staaten nicht nur die Alternativen Erfüllung und Nichterfüllung offen stehen, sondern eine Reihe von Möglichkeiten des Mehr oder Weniger bei der Erfüllung besteht, ergeben sich auch eine Vielzahl möglicher Gleichgewichte. Unter diesen Umständen hat ein mögliches stabiles Gleichgewicht, das die Aufmerksamkeit der Spieler auf sich zieht, hohe Chancen der Durchführung. Solche stabilen Gleichgewichte beruhen auf Koordination durch Diplomatie und andere Kommunikationswege oder gerade auch auf völkergewohnheitsrechtlichen Sätzen.377 Diese haben zumindest indizielle Bedeutung für die Interessenlage, deren tatsächliche Aufklärung nur beschränkt möglich ist.378 Foren wie die Generalversammlung oder auch der Sicherheitsrat, die gemeinsame Anliegen ansprechen, schaffen focal points und sind Grundlage einer andernfalls unmöglichen
373
G. Norman/J. Trachtman, AJIL 99 (2005), S. 541 (543); vgl. E. Swaine, Duke LJ 52 (2002), S. 559 (606, 626). 374
M. Guzman/T. Meyer, in: R. Miller/R. Bratspies (Hg.), Progress in International Law, 2008, S. 197 (201). 375 376 377 378
G. Norman/J. Trachtman, U.I. LR 2008, S. 127 (128, 146 f.). G. Norman/J. Trachtman, U.I. LR 2008, S. 127 (140). G. Norman/J. Trachtman, U.I. LR 2008, S. 127 (134). E. Swaine, Duke LJ 52 (2002), S. 559 (608).
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unmöglichen Kooperation.379 Ist aber einmal ein Gleichgewicht gefunden, besteht wenig Interesse, es wieder zu verschieben.380 In bestimmten Situationen ist der Anreiz, sich abweichend zu verhalten, für einen einzelnen Staat aber umso größer, je stärker die anderen sich an bestimmte Regeln binden und je stärker der Schutz des Gutes ist.381 Diese einem Kartell vergleichbare Struktur ergibt sich beim Schutz sogenannter common goods, wo die Erhaltung der Ressourcen die allen zur Verfügung stehenden Ressourcen sichert. Unter bestimmten Umständen kann multilaterales Völkergewohnheitsrecht auf spieltheoretischer Grundlage aber sogar einfacher darzustellen sein als bilaterale Regeln. Das ist etwa dann der Fall, wenn mit zunehmender Beteiligung der Nutzen der Kooperation für jeden einzelnen Staat steigt und das Interesse an abweichendem Verhalten dementsprechend sinkt, wie das etwa beim Verbot des gewaltsamen Gebietserwerbs der Fall ist. Multilaterale Kooperation wird auch dort begünstigt, wo es starke Netzwerkeffekte gibt, wie etwa bei gemeinsamen Technologiestandards. Ein abweichender Staat macht sich hier zum Außenseiter.382
3. Zusammenfassung Die Herausbildung von Völkergewohnheitsrecht mit nicht primär zwischenstaatlichem, sondern überstaatlich-gemeinwohlorientiertem Charakter ist aus Sicht des soziologischen Positivismus wie auch der neueren spieltheoretischen Ansätze prekär. Der überstaatliche Charakter schränkt die Wirkungsweise des Reziprozitätsmechanismus hier ein. Auf spieltheoretischer Grundlage ist zwar nicht implausibel, dass das Völkergewohnheitsrecht staatliches Verhalten beeinflusst.383 Eine Theorie des Völkergewohnheitsrechts ist für rational choice-Ansätze aber nur dann überzeugend, wenn sie das Völkergewohnheitsrecht als Instrument zur Förderung staatlicher Interessen versteht, das nicht ausschließlich dem Gemeinwohl verschrieben ist.384 Gemeinwohlinteressen 379 M. Chinen, Mich. JIL 23 (2001), S. 143 (172); vgl. J. Morrow, IO 48 (1994), S. 387 (408 ff.). 380
E. Swaine, Duke LJ 52 (2002), S. 559 (620).
381
E. Swaine, Duke LJ 52 (2002), S. 559 (622); G. Norman/J. Trachtman, AJIL 99 (2005), S. 541 (550). 382 383 384
G. Norman/J. Trachtman, AJIL 99 (2005), S. 541 (542, 547). G. Norman/J. Trachtman, AJIL 99 (2005), S. 541 (562 ff.). E. Swaine, Duke LJ 52 (2002), S. 559 (596 f.).
508
6. Kapitel
wie der globale Umweltschutz, die sich nur auf lange Sicht auf staatliche Interessen auswirken, werden vom shadow of the future im Zweifel nicht erfasst, um durch den Mechanismus der Reziprozität effiziente völkergewohnheitsrechtliche Normen zu entwickeln. Die Bedingungen einer lediglich diffus ausgeprägten Reziprozität reichen nicht aus, um das Trittbrettfahrerphänomen effektiv zu unterbinden.
D. Zwischenfazit: Defizite des Völkerrechts als objektiver Gemeinwohlordnung Die dogmatischen Begründungen für die Herausbildung einer objektiven universellen Ordnung zum Schutz von Gemeinschaftsgütern im Völkerrecht können eine umfassende Drittwirkung von Gemeinwohlnormen jenseits des inhaltlich sehr beschränkten ius cogens nicht tragen. Auch als dogmatische Konstruktion ist die Drittwirkung von Verträgen nur relevant, wenn sie, zumindest für einen besonderen Kreis von Verträgen, auch akzeptiert wird. Die bloße Behauptung einer rechtlichen Drittwirkung würde den politischen Charakter in Anspruch genommener Regelungsmacht verharmlosen oder müsste die Steuerungsfähigkeit des Völkerrechts gering einstufen. Weder in der Rechtsprechung noch in der Vertragspraxis finden sich verallgemeinerbare Kriterien für die objektive Wirkung von Verträgen mit einer konstitutionellen Bedeutung für die internationale Gemeinschaft. Auch die Funktion der UNO-Charta als objektiver Grundlage des universellen Völkerrechts ist aus völkerrechtssoziologischer Sicht Zweifeln ausgesetzt. Das Völkergewohnheitsrecht erweist sich nur bedingt als geeigneter Rechtskörper zur Bewältigung globaler Herausforderungen, weil es in seiner Effektivität maßgeblich auf dem Reziprozitätsmechanismus beruht. Es stellt sich daher die Frage, wie die eingeschränkte Schrittmacherrolle der Reziprozität kompensiert werden kann, um eine „tragedy of the commons“ durch eine allein individuell rationale Nutzenoptimierung385 im Völkerrecht zu vermeiden. Dieser Befund schwächt die Tragfähigkeit einer Konstitutionalisierungsthese, die sich auf den status quo der Völkerrechtsordnung bezieht 385
G. Hardin, Science 162 (1968), S. 1243 ff. mit Bezug zur wachsenden Weltbevölkerung aus ökologischer Sicht; s. auch ders., Science 280 (1998), S. 682.
Objektive universelle Ordnung zum Schutz von Gemeinschaftsgütern
509
und ihm einen Charakter zuschreibt, der einer systematisch entwickelten Verfassungsordnung signifikant ähnlicher sein soll als das traditionelle, polynormative Völkerrecht. Die Tendenzen der Objektivierung sind insgesamt eher divergent, betreffen verschiedene Bereiche des Völkerrechts und unterschiedliche Quellen. Auch entbehren sie einer gemeinsamen theoretischen Grundlage oder Lehre von Gemeinschaftsinteressen im Völkerrecht, die die Objektivierung tragen würde. Die Rede von einer Konstitutionalisierung der Völkerrechtsordnung überhaupt würden sie also kaum rechtfertigen. Sie legen aber doch eine Überprüfung nahe, ob nicht ein alternatives, offeneres, argumentations- und diskursbezogenens Verfassungsverständnis dogmatisch überzeugender gefasst und auf Konstitutionalisierungsphänomene im Völkerrecht angewandt werden könnte. Darauf wird im 4. Teil dieser Arbeit einzugehen sein.
7. Kapitel: Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt im Völkerrecht
Ein wesentliches Element der Konstitutionalisierung ist die Verselbständigung der Völkerrechtsordnung gegenüber den Staaten. Deren zunehmende Einbindung in die Entscheidungsprozesse in internationalen Institutionen (1. Kapitel A. II.), ihr Verlust an autonomer Gestaltungsmacht konfrontiert das Völkerrecht mit Legitimitätserwartungen, die sich im Staatenkonsens als Grundlage des traditionellen Völkerrechts nicht erschöpfen. Ein Verständnis des Völkerrechts als Verfassungsordnung muss im Sinne einer ‚Selbstbegründung‘ des Völkerrechts (1. Kapitel A. III. 1) weitere Begründungselemente der Legitimität im Völkerrecht selbst finden, weil die Ausübung von Hoheitsgewalt an sich rechtfertigungsbedürftig erscheint.1 Das Legitimitätsargument zielt hier nicht darauf, die Geltung des Völkerrechts infrage zu stellen, sondern dient als Grundlage für Überlegungen, wie aus einer konstitutionellen Perspektive die Völkerrechtsordnung gestärkt werden kann (A.).2 Aber auch aus dem staatlichen Verfassungsrecht werden konstitutionelle Parameter auf das Völker1
Vgl. P. Allott, in: J.-M. Coicaud/V. Heiskanen (Hg.), The Legitimacy of International Organizations, 2001, S. 69 (70); ders., The Health of Nations, 2002, S. 342 ff. – zur Erklärung und Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt durch internationale Organisationen auf der Grundlage einer Theorie des Konstitutionalismus; S. Besson, in: J. L. Dunoff/J. P. Trachtman (Hg.), Ruling the World?, 2009, S. 381 (384). 2
Zu Recht kritisch gegenüber dem Begriff der Legitimität M. Koskenniemi, Associations 7 (2003), S. 349 (356 f., 372) – der Legitimitätsdiskurs habe ideologischen Charakter und erhebe die Ergebnisse der empirischen Politikwissenschaft in den Rang normativer Autorität, Legitimität als Ersatz-Normativität; ders., in: R. Kreide/A. Niederberger (Hg.), Transnationale Verrechtlichung, 2008, S. 65 (73 ff.) – Legitimität als Ersatz-Normativität; J. Crawford, ASIL Proc. 98 (2004), S. 271 (272) – “I do not believe that lawyers should abandon the tools of their trade and set themselves up as general philosophers or as the custodians of legitimacy.” S. zum Verhältnis von Legitimität und Legalität im Hinblick auf Forderungen der G 77 aber auch schon R.-J. Dupuy, RdC 165 (1979-IV), S. 9 (135 ff.).
512
7. Kapitel
recht übertragen, die die Völkerrechtsordnung einem Rechtfertigungszwang aussetzen (B.). Schließlich stellt sich aus dieser Perspektive de lege lata die dogmatische Frage, inwieweit auf der Grundlage der internationalen Menschenrechte dogmatisch überzeugend Schranken der Ausübung von Hoheitsgewalt durch internationale Organisationen begründet werden können. Eine wirksame rechtliche Verpflichtung internationaler Organisationen zur Einhaltung und Verwirklichung menschenrechtlicher Standards ist ein wichtiger legitimitätsstiftender Faktor. Mit der Fragestellung, inwieweit internationale Organisationen objektiv an bestimmte Standards gebunden sind, knüpft dieses Kapitel hier auch an das vorherige an (C.). In bestimmten Fällen bieten aber auch die menschenrechtsvertraglichen Bindungen, denen die Mitgliedstaaten unterliegen, einen Ansatz zur Durchsetzung von Standards im Zusammenhang mit dem Handeln der Organisation (D.).
A. Legitimität der Ausübung von Hoheitsgewalt jenseits des Staates Auf der Grundlage einer Auseinandersetzung mit dem Konzept der Legitimität (I.) lässt sich der Legitimitätsbedarf des Völkerrechts analysieren (II., III.) und können Strategien zur Verbesserung der Legitimität der Völkerrechtsordnung erörtert werden (IV.). Im Sinne der im 1. Kapitel getroffenen Unterscheidung zwischen Konstitutionalisierung als Perspektive und Vision soll dabei die Perspektive der Konstitutionalisierunglehre nicht den Blick auf bestehende Legitimationsdefizite durch eine verfassungsrechtliche Deutung des status quo verstellen. Vielmehr soll die Konstitutionalisierungsidee eine Vision für die Stärkung der Legitimität des Völkerrechts vermitteln.
I. Das Konzept der Legitimität Der Begriff der Legitimität ist vielschichtig.3 Soweit er sich auf die Rechtfertigung von Herrschaft bezieht, steht ein empirischer oder so-
3
3 Zur Genese des Begriffs s. N. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 1978, S. 27 ff.
Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt
513
ziologischer Legitimitätsbegriff einem normativen Begriff gegenüber.4 Der vor allem mit Max Weber in Verbindung gebrachte empirische Begriff der Legitimität bezieht sich auf die faktische Anerkennung von Herrschaft.5 Für den normativen Begriff hingegen kommt es auf die Begründung eines Autoritätsanspruchs, auf die Anerkennungswürdigkeit von Normen an.6 Dazwischen liegt ein Verständnis, das sich auf die Befolgungswahrscheinlichkeit von Normen bezieht und dafür abstrakte Kriterien aufstellt.7 Ein vom verfassungsrechtlichen Denken geprägtes Völkerrechtsverständnis, das der Verfassungslesart ein kritisches Potential entnimmt, geht von einem normativen Legitimitätsbegriff aus. Legitimität ist danach eine Kategorie neben Legalität und tatsächlicher Wirksamkeit, an deren Maßstäben eine Rechtsordnung gemessen werden kann.8 Dabei ist zwischen substantialistischen und prozeduralistischen Denkweisen zu unterscheiden. Erstere sind mit dem Problem konfrontiert, objektive Wertungen begründen zu müssen. Ein an diesen „Werten“ orientiertes Völkerrecht erscheint danach im Vergleich zu einem rein zwischenstaatlichen Recht per se als besser legitimierte Ordnung. In einer pluralen Welt sind substantielle gemeinsame Werte aber schwer zu definieren. Auch kann die Übereinstimmung mit allgemeinen ethischen Grundsätzen, die in einem bestimmten Kernbereich unbestritten sein mögen, zu nebulöser Rhetorik und zum bloßen Legitimitätssurrogat verkommen (s. 1. Kapitel A. III. 2.). Ein prozeduralistisches Völkerrechtsverständnis bezieht sich dagegen auf verfahrens- und beteiligungsbezogene Kri4
D. Bodansky, AJIL 93 (1999), S. 596 (601); N. Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip, 2009, S. 7 f.; S. Kadelbach, in: S. Vöneky u. a. (Hg.), Legitimation ethischer Entscheidungen im Recht, 2008, S. 147 (151 ff.). 5
M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 51972, S. 16 ff.
6
Vgl. J. Habermas, PVS-Sonderheft 7 (1976), S. 39; A. von Bogdandy, ZaöRV 63 (2003), S. 853 (865); N. Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip, 2009, S. 8. 7
N. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 31978, S. 28 f.; T. Franck, AJIL 82 (1988), S. 705 (706); ders., The Power of Legitimacy, 1990, S. 16 (209 ff.); M. Kumm, EJIL 15 (2004), S. 907 (908 f.) – normative Kriterien für die innerstaatliche Befolgung des Völkerrechts; s. aber auch H. Kelsen, General Theory of Law and State, 1949, S. 117 f. – Prinzip der Legitimität als de iure-Geltung des Rechts, solange es nicht durch die Rechtsordnung, der es angehört, selbst aufgehoben wird. 8 N. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, 31978, S. 239 ff.; A. Peters, Elemente einer Theorie der Verfassung Europas, 2001, S. 515.
514
7. Kapitel
terien.9 Die Bereitstellung entsprechender Verfahren stellt gleichfalls eine Herausforderung für das Völkerrecht dar, jedoch scheint ein prozeduralistisches Verständnis insgesamt besser in der Lage, mit der pluralen Struktur der Weltgesellschaft umzugehen. Daneben wird zwischen Input- und Output-Legitimität unterschieden.10 Die Output-Legitimität eines Systems wird durch die Effizienz und Effektivität ihrer Problemlösungskapazität und ihre Gemeinwohldienlichkeit vermittelt.11 Hier sind auch an grundlegenden Menschenrechten als zentralem Gerechtigkeitswert orientierte Legitimitätskonzepte einzuordnen, soweit es nicht gerade um die grundrechtlich geschützte Selbstbestimmung im Wege politischer Beteiligung geht.12 Die Input-Perspektive ist nicht mit der Legitimation durch Verfahren gleichzusetzen. Vielmehr kann die durch ein Verfahren vermittelte Legitimität einerseits input-orientiert auf der Verwirklichung von Selbstbestimmung beruhen, andererseits output-orieniert darauf, dass es die Aussicht auf rationale Entscheidungen erhöht.13 Beide Aspekte lassen sich sowohl als Fragen der Partizipation als auch der Deliberation verstehen.14 Sowohl aus der Input- als auch aus der Output-Perspektive 9
Vgl. die Überblicke bei N. Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip, 2009, S. 8 f.; S. Kadelbach, in: S. Vöneky u. a. (Hg.), Legitimation ethischer Entscheidungen im Recht, 2008, S. 147 (152). 10
Die Unterscheidung zwischen Input- und Output findet sich in der klassischen Systemtheorie bei D. Easton, A Systems Analysis of political Life, 1965; G. A. Almond/G. B. Powell, Comparative Politics: System, Process and Policy, 2 1978; zur Input- und Output-Legitimität s. F. Scharpf, Demokratietheorie zwischen Utopie und Anpassung, 1970, S. 21 ff.; ders., in: U. Beck (Hg.), Politik der Globalisierung, 1998, S. 228 (242 f.); ders., Regieren in Europa, 1999, S. 16 ff. S. auch die Gettysburg Address Abraham Lincolns von 1863: „government of the people, by the people, for the people“, die die Input-Legitimität, die Output-Legitimität und die soziale Legitimität anspricht (A. Lincoln, ed. cit., S. 405). 11 Vgl. S. Cassese, Rivista trimestrale di diritto pubblico 52 (2002), S. 323 (331 f.); F. Scharpf, Regieren in Europa, 1999, S. 20 ff.; A. van Aaken, „Rational Choice“ in der Rechtswissenschaft, 2003, S. 288 ff. 12
S. für ein solches Konzept A. Buchanan, Justice, Legitimacy, Self-Determination: Moral Foundations of International Law, 2004, S. 289 ff. 13 14
Vgl. N. Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip, 2009, S. 10 f.
Vgl. die Diskurstheorien, die teils mehr die partizipativ-emanzipatorische, teils mehr die deliberativ-rationalistische Seite betonen: J. Habermas, Faktizität und Geltung, 1998, S. 349 ff. – „Die deliberative Politik gewinnt ihre legitimierende Kraft aus der diskursiven Struktur einer Meinungs- und Willensbildung,
Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt
515
ergeben sich für Vertreter der Konstitutionalisierungsthese Anforderungen an das Völkerrecht. Insbesondere lässt sich die Verpflichtung des Völkerrechts auf die Verwirklichung bestimmter ‚Werte‘ als Anforderung an seine Output-Legitimität reformulieren.
II. Konsens als Grundlage der Legitimität der Völkerrechtsordnung Klassische Grundlage des Völkerrechts ist seine Begründung mit dem Konsens der Staaten.15 Für die Mindestanforderungen an eine zwischenstaatliche Ordnung, die den Achtungsanspruch ihrer Rechtssubjekte begründen und die Regeln des zwischenstaatlichen Verkehrs festlegen, ist der Staatenkonsens eine plausible Begründung.16 Auch soweit das Völkerrecht Instrument zur Verwirklichung innerstaatlich legitimierter Entscheidungen im zwischenstaatlichen Verhältnis ist, bildet der Staatenkonsens ein tragfähiges Fundament seiner Legitimität.17 Die Begründung der legitimen Geltung mit dem tatsächlichen Staatenkonsens, der im Hinblick auf das allgemeine Völkerrecht auch nur schwer nachgewiesen werden kann,18 ist aber schon für das klassische Völkerrecht nicht immer zureichend.19 Soll die Bindung an den tatsächlichen Konsens mit normativer Bedeutung ausgestattet sein, so setzt sie stets die Freiheit und Gleichheit der Partner voraus. Daher ist der Konsens als Legitimationsgrundlage schon dann durch asymmetrische Ver-
die ihre sozialintegrative Funktion nur dank der Erwartung einer vernünftigen Qualität ihrer Ergebnisse erfüllen kann.“ (Zitat S. 369, Herv. i. O.); ders., Die Einbeziehung des Anderen, 1996, S. 277 ff.; J. Cohen/C. Sabel, ELJ 3 (1997), S. 313 – „directly-deliberative polyarchy“; J. Cohen, in: A. Hamlin/P. Pettit (Hg.), The Good Polity, 1989, S. 17; D. Miller, in: D. Held (Hg.), Prospects for Democracy, 1993, S. 74. 15
S. etwa V. Röben, Außenverfassungsrecht, 2007, S. 39 ff.
16
S. Kadelbach, in: S. Vöneky u. a. (Hg.), Legitimation ethischer Entscheidungen im Recht, 2008, S. 147 (164); vgl. A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, 31984, § 77, 519. 17
Auf dieser Grundlage: W. M. Reisman, in: R. Wolfrum/V. Röben (Hg.), Developments, 2005, S. 15 ff.; R. Wolfrum, FS Neuhold, 2007, S. 471 (474). 18 19
J. H. H. Weiler, ZaöRV 64 (2004), S. 547 (557).
Kritisch zum Staatenkonsens als Grundlage der Legitimität des Völkerrechts auch A. Buchanan, Justice, Legitimacy, Self-Determination, 2004, S. 301 ff.
516
7. Kapitel
handlungssituationen gestört, wenn politisch und wirtschaftlich mächtige Staaten bei bilateralen Verträgen einseitig Vertragsgestaltungsmacht in Anspruch nehmen.20 Zudem ist die konzeptionelle Trennung zwischen einem zwischenstaatlichem Vertrag und der Umsetzung im innerstaatlichen Bereich unbefriedigend. Kein Sachverhalt ist rein zwischenstaatlich und ohne Konsequenzen für Individuen im innerstaatlichen Bereich. Hinter „nationalen“ Interessen stehen vielmehr bestimmte interne sozio-ökonomische Interessen.21 Erklärungsbedürftig ist auch der Fortbestand der Bindungswirkung trotz tatsächlich schwindenden Konsenses. Der pacta sunt servanda-Grundsatz schließt die demokratisch begründete Revision völkerrechtlicher Verpflichtungen grundsätzlich aus.22 Selbst ein diktatorisches Regime kann internationale Verpflichtungen mit Bindungswirkung auch für demokratisch legitimierte Nachfolgeregierungen begründen.23 Der Staatenkonsens ist abgesehen davon auch immer dann eine unangemessene Grundlage, wenn die innerstaatliche Verfassungslage selbst nicht legitim erscheint.24
III. Zunehmender Legitimationsbedarf der Völkerrechtsordnung Im modernen Völkerrecht ist der Staatenkonsens als Grundlage der Legitimität erst recht überfordert.25 Ein wachsender Legitimitätsbedarf ergibt sich daraus, dass sich der Wirkungskreis des Völkerrechts und der internationalen Institutionen entscheidend ausgedehnt, die Regelungsdichte zugenommen und die Regelungsmaterien an Diversität gewon20
J. H. H. Weiler, ZaöRV 64 (2004), S. 547 (554 f.).
21
J. H. H. Weiler, ZaöRV 64 (2004), S. 547 (556); vgl. A. Moravcsik, IO 51 (1997), S. 513. 22
C. Fulda, Demokratie und pacta sunt servanda, 2002, mit Fallbeispielen auf S. 150 ff.; R. Wolfrum, FS Neuhold, 2007, S. 471 (474 f.). 23
Zur Problematik von sogenannten odious debts s. C. Paulus, ZaöRV 68 (2008), S. 391 sowie zusammenfassend T. Kleinlein, AVR 44 (2006), S. 405 (406 ff.). 24 25
D. Bodansky, AJIL 93 (1999), S. 596 (610).
S. zur Inadäquanz des Staatenkonsenses, aber auch des Konsenses demokratischer Staaten und der globalen Demokratie als Grundlage der Legitimität globalen Regierens A. Buchanan/R. O. Keohane, Ethics and International Affairs 20 (2006), S. 405 (412 ff.).
Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt
517
nen haben. Völkerrechtliche Normen etwa im Bereich des Menschenrechtsschutzes, des Kulturgüter- und Umweltschutzes, der Gesundheitsvorsorge, des Bildungswesens, des Wirtschaftsrechts oder des Finanzwesens betreffen Materien, die früher nahezu ausschließlich dem domaine réservé der Staaten zugerechnet wurden. Deshalb ist das moderne Völkerrecht nicht nur, wie die Konstitutionalisierungsthese betont, dem Individuum verpflichtet, sondern determinieren Völkerrecht und von den Staaten geschaffene internationale Organisationen auch in zunehmendem Maße die Lebenswelt der Menschen. Auch die Eingriffsintensität des Völkerrechts hat damit zugenommen. Als bloße Theorie der Selbstbindung ist der Staatenkonsens hier keine geeignete Grundlage mehr, weil die betroffenen Individuen sich unmittelbar gerade nicht international selbst gebunden haben.26 Der zunehmende Legitimationsbedarf der Völkerrechtsordnung wird durch die Ausübung von Hoheitsgewalt jenseits des Staates (1.), die Verschiebung von Handlungsspielräumen im Verhältnis von internationalen Organisationen und Staaten (2.) und die Betroffenheit der Individuen durch das Völkerrecht und die überstaatliche Ausübung von Hoheitsgewalt begründet (3.). Bei aller Vielfalt in der fragmentierten Landschaft internationaler Organisationen lassen sich hier doch einige übergreifende Aussagen treffen.
1. Ausübung von Hoheitsgewalt jenseits des Staates Internationale Organisationen und Regime üben in neuen Verfahren der Rechtsetzung und -umsetzung (vgl. 1. Kapitel A. II. 2. b)) gegenüber Staaten und Individuen Hoheitsgewalt jedenfalls in einem weiten Sinne aus. Sie wirken nicht nur bei der Verabschiedung verbindlicher Standards wie Luftverkehrsvorschriften nach Art. 37 i. V. mit 54 ICAO27 und Rechtsverordnungen nach Art. 21 WHO-Satzung28 oder Art. III.
26
Vgl. D. Bodansky, AJIL 93 (1999), S. 596 (606); L. Helfer, Loyola L.A. LR 37 (2003), S. 193 (196 f.). 27
Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt (Chicago Convention) v. 7.12.1944, BGBl. 1956-II, S. 411. 28
Satzung der Weltgesundheitsorganisation v. 22.7.1946, BGBl. 1974-II, S. 45. Die praktische Anwendung der Vorschrift ist zumindest quantitativ bislang begrenzt, s. J. Aston, Sekundärgesetzgebung, 2005, S. 142.
518
7. Kapitel
A Ziff. 6 IAEO-Satzung,29 sondern auch durch die Annahme von Resolutionen und Empfehlungen sowie die Ausarbeitung völkerrechtlicher Verträge immer stärker steuernd auf die nationale Rechtsordnung ein.30 Eine weitgehend geräuschlose Sekundärgesetzgebung beruht auf einer stillschweigenden oder ausdrücklichen Zustimmung der Mitgliedstaaten und bewirkt doch eine starke Gemeinschaftsdisziplin, durch die die Mitgliedstaaten eingebunden werden.31 Starke Steuerungswirkung entfalten auch neue, flexiblere Verfahren der intergouvernementalen Vereinbarung gemeinsamer Handlungsmaßstäbe durch die Methode „offener Koordinierung“, wie etwa im Bologna-Prozess im Bereich der Hochschulen.32 In deformalisierter Weise entstandene Standards werden unter Umständen ohne Weiteres in „hartes“ nationales Recht umgegossen.33 Auf informale Weise üben internationale Organisationen dadurch Einfluss auf innerstaatliche Rechtsordnungen aus, dass sie Anreizstrukturen schaffen oder bei der Vergabe von Krediten Konditionalitäten vorsehen. Das veranschaulicht etwa die Praxis der Codex Alimentarius-Kommission oder der Weltbank.34 Um es auf einen Punkt zu bringen: Internationale Organisationen sind nicht nur Arenen der
29
Satzung der Internationalen Atomenergie-Behörde v. 26.10.1956, BGBl. 1957-II, S. 1357. 30
Vgl. C. F. Amerasinghe, Principles of the Institutional Law, 22005, S. 160 ff.; N. White, The Law of International Organizations, 22005, S. 158 ff.; K. Sommermann, FS Tomuschat, 2006, S. 1051 (1053 f.). 31
D. Leive, International Regulatory Regimes, 1976; D. Shelton, in: dies. (Hg.), Commitment and Compliance, 2000, S. 1 (12); J. E. Alvarez, Lawmakers, 2005, S. 217 ff. – für Codex Alimentarius, ICAO Standards and Recommended Practices, ILO Recommendations, IAEA Standards, FAO, UNEP Prior Informed Consent Regime, WTO Soft Law, World Bank Guidelines, IMF Konditionalitäten; J. Aston, Sekundärgesetzgebung, 2005, S. 125 ff., 180 ff. – Untersuchung für Weltpostverein, ICAO, ILO, WHO, FAO, UNESCO, WMO, ITU, IMO. Dort (S. 166 ff.) ist auch die Unterscheidung zwischen unmittelbar verbindlicher Außenrechtsetzung, Verfahren der stillschweigenden Zustimmung („Opting-out“), Verfahren der ausdrücklichen Zustimmung („Contracting-in“) und Rechtsetzung durch Verweisung aufgezeigt. 32
S. die Bologna Declaration v. 19.6.1999, http://www.bologna-berlin 2003.de/pdf/bologna_declaration.pdf (geprüft am 18.5.2010). 33
Für ICAO SARPs s. T. Buergenthal, Law-Making in the International Civil Aviation Organization, 1969, S. 101 ff.; J. E. Alvarez, Law-makers, 2005, S. 258. 34
J. H. H. Weiler, ZaöRV 64 (2004), S. 547 (559).
Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt
519
Staatengemeinschaft, sondern wirken selbst und mit weitreichender Bedeutung rechtsgestaltend.35 Zwar sind die Organe internationaler Organisationen nur in geringem Umfang mit Befugnissen ausgestattet, die ihren Rechtsakten unmittelbare rechtliche Durchgriffswirkung auf den Einzelnen vermitteln. Dazu sind auf universeller Ebene etwa unter Umständen der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen36 oder der Internationale Strafgerichtshof (vgl. Art. 4 des Römischen Statuts) in der Lage. Ein weiteres Beispiel für die unmittelbare Wirkung internationaler Hoheitsgewalt ist die Bestimmung des Flüchtlingsstatus durch den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) in Staaten, die ihm diese Funktion übertragen haben.37 Die World Intellectual Property Organisation (WIPO) trägt nach verschiedenen Systemen Immaterialgüterrechte ein, die unmittelbare Wirkungen für Individuen nach sich ziehen, von den Staaten aber suspendiert werden können.38 Die Einordnung dieser Prozesse als Ausübung von Hoheitsgewalt ist aber nicht auf rechtsverbindliches Handeln beschränkt. Die Ausübung von Hoheitsgewalt durch internationale Organisationen lässt sich als Herrschaft im politischen Verbund, dem Verständnis Max Webers folgend, als die „Chance“ verstehen, „für einen Befehl bestimmten Inhalts 35 J. E. Alvarez, AJIL 100 (2006), S. 324 (333); kritisch A. D’Amato, in: R. Wolfrum/V. Röben (Hg.), Legitimacy, 2008, S. 83 (92) – “International institutions are top-down, exclusive circle-regimes, superimposed upon the globe”; zu einem progressive Funktionalismus und dem Modell der bloßen Agora als zwei Leitbildern internationaler Organisation s. J. Klabbers, IOLR 2 (2005), S. 277. 36
K. Schmitz, Durchgriffswirkung von Maßnahmen der UN, 2003, S. 99 ff., 167 ff. – Nichtigerklärung der südafrikanischen Verfassung durch Res. 554 und 556 (1984), Erfüllung von Ordnungsaufgaben im „failed state“ (Kambodscha, Somalia, Bosnien-Herzegowina, Ost-Timor), Verantwortlichkeit nichtstaatlicher Einheiten für Verletzungen des humanitären Völkerrechts (Somalia, Angola), verfahrensrechtliche Vorschriften des ICTY/ICTR. Die „targeted sanctions“ des Sicherheitsrates nach den Res. 1267 (1999), 1333 (2000) und 1390 (2002), 1521 (2003), 1572 (2004) oder 1636 (2005) werden dagegen über die Mitgliedstaaten umgesetzt, vgl. T. Bruha, AVR 40 (2002), S. 383 (392); M. Wagner, ZaöRV 63 (2003), S. 879 (899 ff.); G. Biehler, AVR 41 (2003), S. 169 ff. S. zu Legitimitätsfragen um den Sicherheitsrat auch J. Frowein, FS Eitel, 2003, S. 121. 37
S. dazu M. Alexander, International Journal of Refugee Law 11 (1999), S. 251; E. Odhiambo Abuya/G. Mukundi Wachira, NILR 53 (2006), S. 171; M. Kagan, Journal of Refugee Studies 19 (2006), S. 45; M. Smrkolj, GLJ 9 (2008), S. 1779. 38
S. dazu K. Kaiser, GLJ 9 (2008), S. 1597.
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7. Kapitel
bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden“.39 Für die Ermittlung des Legitimitätsbedarfs kommt es nicht so sehr auf die unmittelbare Rechtsverbindlichkeit als vielmehr auf die komplexen Wirkungszusammenhänge zwischen Steuerungssubjekten, -objekten, -medien und -instrumenten an.40 Entscheidend ist die Fähigkeit zur Bestimmung über die Freiheit und die Möglichkeiten des Einzelnen.41 Dieses Modell berücksichtigt die enorme Bereitschaft von Behörden und Gerichten, etwa Musterabkommen oder Richtlinien zu folgen, weil sie den einzig verfügbaren Weg transnationaler Koordinierung darstellen.42 Politikorientierte Ansätze erfassen die Wirkung nichtbindender Entscheidungen internationaler Organisationen, insbesondere der Generalversammlung der Vereinten Nationen, auf die Entwicklung des Völkerrechts.43 Die Bedeutung nichtbindender Instrumente liegt hier aber vor allem in der Funktion, die ihnen mit Bezug auf bindende Völkerrechtsnormen zukommt. Die Einbindung der Mitgliedstaaten tritt noch stärker hervor, wenn man den Rechtsbegriff im institutionellen Sinne über Verhaltens- und Kompetenznormen hinaus erweitert und Sprechakte einbezieht, die rechtliche Aussagen über Zustände und deren Bewertung sowie gültige Darlegungen von Ordnungen, Anreizen und Zwecken treffen.44
2. Verschiebung der Handlungsspielräume Die Einbindung der Staaten zeigt sich schon in den Aushandlungsprozessen der Gründungsverträge internationaler Regime. Zwar kann die 39
M. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 51972, S. 28.
40
Vgl. E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ord2 nungsidee, 2004, S. 18 f. 41
Vgl. A. von Bogdandy/P. Dann/M. Goldmann, GLJ 9 (2008), S. 1375 (1381 ff.) mit Hinweis auf M. Barnett/R. Duvall, in: dies. (Hg.), Power in Global Governance, 2005, S. 1; A. von Bogdandy, GLJ 9 (2008), S. 1909 (1913); A. von Bogdandy/M. Goldmann, IOLR 5 (2008), S. 241 (261 ff.). 42
M. Goldmann, in: S. Boysen u. a. (Hg.), Netzwerke, 2007, S. 225 (228 f.).
43
R. Higgins, The Development of International Law through the Political Organs of the United Nations, 1963; O. Y. Asamoah, The Legal Significance of the Declarations of the General Assembly of the United Nations, 1966; R. A. Falk, AJIL 60 (1966), S. 782. 44 I. F. Dekker/R. A. Wessel, in: I. F. Dekker/W. G. Werner (Hg.), Governance and International Legal Theory, 2004, S. 215.
Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt
521
‚soziale Integration‘ der Staaten in internationalen Organisationen den Einfluss weniger mächtiger Staaten auch stärken, die andernfalls nicht einmal die Auswahl des Gegenstandes von Vertragsverhandlungen beeinflussen könnten.45 Das mit dem Konsenserfordernis verbundene Einstimmigkeitsprinzip hat sogar zur Folge, dass bevölkerungsmäßig kleinen Staaten ein überproportionaler und undemokratischen Staaten ein unter Legitimationsgesichtspunkten kontraproduktiver Einfluss zukommt.46 Bei Vertragsregimen wie etwa dem Seerechtsübereinkommen oder der WTO muss der einzelne Staat das Ergebnis von Vertragsverhandlungen aber en bloc akzeptieren, weil das Fernbleiben von den jeweiligen Regimen keine reale Option darstellt.47 Dagegen sind Staaten im Vorteil, die über überlegene Ressourcen an Personal und Sachkunde verfügen oder als wichtiger Geldgeber über ihren Beitrag zum Haushalt einer internationalen Organisation Druck ausüben können. Ihnen bietet sich die Möglichkeit, in hegemonischer Weise hinter der Fassade internationaler Organisationen auf Rechtserzeugungsprozesse Einfluss zu nehmen und ökonomische, soziale und kulturelle Bedingungen auf internationaler Ebene gestalten. Sie üben externen Einfluss aber etwa auch dadurch aus, dass sie den Eliten von Entwicklungsländern unter Umgehung einer internen demokratischen Kontrolle politische Macht zuspielen.48 Es geht also weniger darum, dass die Bedeutung der Staaten generell schwinden würde, als darum, dass das moderne Völkerrecht durch eine neue Unübersichtlichkeit gekennzeichnet ist. Prägend für den gesteigerten Legitimationsbedarf der internationalen Ordnung ist weiterhin der Ermessensspielraum für politische Entscheidungen in internationalen Organisationen und Vertragsstaatenkonferenzen. Die Konsensbegründung mit einem Gründungs- oder Rahmenvertrag wird dort zu einer nur noch formellen Stütze der Legitimität, wo auf überstaatlicher Ebene Ermessensspielräume für politische Entscheidungen eröffnet werden, die sich nicht mehr konkret an Maßgaben
45
J. E. Alvarez, Law-makers, 2005, S. 283; ders., AJIL 100 (2006), S. 324
(332). 46
Vgl. T. Franck, Fairness in International Law and Institutions, 1995, S. 479 f., 482 – „unfairness of discursive process“. 47 48
J. H. H. Weiler, ZaöRV 64 (2004), S. 547 (557).
T. Pogge, World Poverty and Human Rights, 22008, S. 118 ff.; S. Anderson-Gold, DZPhil 53 (2005), S. 97 (98).
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7. Kapitel
staatlicher Entscheider rückbinden lassen.49 Das Erfordernis der Umsetzung in innerstaatliches Recht ändert hier oft nichts daran, dass die maßgebliche Willensbildung in der internationalen Organisation und nicht im nationalen Parlament stattfindet.50 Kriterien für den Grad der Verselbständigung einer internationalen Organisation können hier unter anderem die (Un-)Widerruflichkeit ihrer Kompetenzen, die staatliche Kontrolle über die Ausübung der Hoheitsgewalt sowie die Einordnung der Kompetenzen als ausschließlich oder konkurrierend sein.51 Ein wichtiger Indikator ist auch die Integrationsdichte auf internationaler Ebene. Im Hinblick darauf lässt sich zwischen globalen Koordinierungsnetzwerken wie den G8 mit minimaler Institutionalisierung, aber großem Einfluss, technischen Organisationen wie dem Weltpostverein mit weitreichenden Befugnissen, die aber auf politisch nicht kontroverse Bereiche beschränkt sind, und Organisationen wie UNO, WTO, IWF und Weltbank unterscheiden, deren Mandat sich auf zentrale politische oder wirtschaftliche Fragen erstreckt.52 Für diese Unterscheidung sind normativ-institutionelle Gesichtspunkte wie die Organzusammensetzung, das Abstimmungsverfahren oder die unmittelbare Wirksamkeit von Regeln und Entscheidungen sowie sozio-empirische Faktoren wie die politische, wirtschaftliche und kulturelle Reichweite und das Ausmaß des gemeinsamen Interesses relevant.53 Internationale Organisationen handhaben ihr Instrumentarium dynamisch und dehnen ihr Mandat tendenziell aus. Die Rückführung ihres Handelns auf die zuvor erteilte Zustimmung zum Gründungsvertrag kann sich auf eine Fiktion beschränken, wenn man sich etwa die dynamische Interpretation von Kapitel VII der Charta durch den Sicherheitsrat vor Augen führt.54 Eine Grundlage dafür bietet das Certain Expenses-Gutachten des IGH. Danach ist eine Maßnahme der Organisation schon dann nicht ultra vires, wenn sie der Erfüllung einer der – eher offen formulierten – Aufgaben der Vereinten Nationen in ange49
D. Bodansky, AJIL 93 (1999), S. 596 (604); S. Kadelbach, in: S. Vöneky u. a. (Hg.), Legitimation ethischer Entscheidungen im Recht, 2008, S. 147 (164). 50 51 52 53 54
Vgl. R. Wolfrum, FS Neuhold, 2007, S. 471 (475). Vgl. D. Sarooshi, International Organizations, 2005, S. 29. D. Held, Democracy and the Global Order, 1995, S. 109 ff. Vgl. E. Stein, AJIL 95 (2001), S. 489 (494 f.).
J. Aston, Sekundärgesetzgebung, 2005, S. 28 f.; an der Konsensbegründung festhaltend aber F. Orrego-Vicuña, FS Ress, 2005, S. 191 (198 f.).
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messener Weise dient.55 Restriktiver ist der Ansatz des IGH im Atomwaffengutachten im Hinblick auf die Kompetenzen der WHO.56 Beispiele für die dynamische Fortentwicklung der Aufgaben sind auch das neue strategische Konzept der NATO sowie die Übernahme neuer, legislativer Funktionen und eine weite Interpretation des Begriffs der Friedensbedrohung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.57 Im Umweltvölkerrecht werden Vertragsstaatenkonferenzen (Conference of the Parties, COP, und Meeting of State Parties, MOP) explizit beauftragt, das vertragliche Rahmenwerk progressiv weiterzuentwickeln. Sie treffen dazu Mehrheitsentscheidungen, durch die zusätzliche Staatenpflichten oder sogar Pflichten von Individuen und Unternehmen begründet werden, und die keinen Spielraum bei der Umsetzung lassen.58 Das im Vergleich zum innerstaatlichen Recht häufig weniger konkrete Völkervertragsrecht wird auch durch internationale Streitbeilegungsmechanismen wie insbesondere das Dispute Settlement Body der WTO entscheidend und mit weitreichenden Konsequenzen für die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten weiterentwickelt.59
55
IGH Certain expenses, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1962, S. 151 (168); vgl. auch Reparation for Injuries, ICJ Rep. 1949, S. 174 (180 ff.). 56
IGH Nuclear Weapons in Armed Conflict, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1996, S. 66 (75 ff.), para. 20 f., 26 – mit der Unterscheidung zwischen der Rechtmäßigkeit des Einsatzes von Nuklearwaffen und den Auswirkungen dieses Einsatzes auf die Gesundheit und mit dem Argument der Stellung der WHO im UN-System; in diesem restriktiveren Sinne auch StIGH Jurisdiction of the European Commission of the Danube, Advisory Opinion, PCIJ Ser. B, No. 14, S. 64; vgl. J. Klabbers, International Institutional Law, 22009, S. 70 m. w. 2 N.; kritisch N. White, The Law of International Organizations, 2005, S. 98 ff. – „revisionism“; s. dazu nunmehr auch J. Klabbers, MPUNYL 13 (2009), S. 1. 57
R. Wolfrum, FS Neuhold, 2007, S. 471 (477); vgl. G. Ress, FS Zeidler, Bd. 2, 1987, S. 1775 (1779) – „Vertrag auf Räder“ gesetzt; M. Baumbach, Vertragswandel und demokratische Legitimation, 2008. 58
S. etwa Art. 2 Abs. 9 f. des Montrealer Protokolls v. 16.9.1987 über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen, BGBl. 1988-II, S. 1014; D. Bodansky, AJIL 93 (1999), S. 596 (609); R. Churchill/G. Ulfstein, AJIL 94 (2000), S. 623; E. Hey, NYIL 34 (2003), S. 3 (28 ff.); J. Brunnée, in: R. Wolfrum/V. Röben (Hg.), Developments, 2005, S. 101; G. Handl, ibid., S. 127; R. Wolfrum, FS Neuhold, 2007, S. 471 (476 f.). 59
R. Wolfrum, FS Neuhold, 2007, S. 471 (479); vgl. M. Krajewksi, JWT 35 (2001), S. 167 (170 f.); R. Howse, in: J.-M. Coicaud/V. Heiskanen (Hg.), The Legitimacy of International Organizations, 2001, S. 355 (374 ff.).
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7. Kapitel
Die Kontrolle internationaler Organisationen durch ihre Mitgliedstaaten wird auch dadurch erschwert, dass Entscheidungen von den Sekretariaten und Exekutivorganen der Organisationen vorbereitet und sodann in Ausschüssen erörtert werden, in denen nicht alle Mitgliedstaaten vertreten sind. Durch Plenarorgane, die oft nicht effektiv arbeiten, können sie dann kaum kontrolliert werden.60 Die Unübersichtlichkeit nimmt zu, wenn der Entscheidungsprozess an externe Sachverstandsträger delegiert wird, wie im Fall der WTO an die Codex AlimentariusKommission oder der Kooperation zwischen Interpol und dem UN Security Council Counter Terrorism Committee. Die Verselbständigung der Expertenkomitees gegenüber normativen, politischen Kriterien ließe sich nur durch Kontrollorgane einfangen, die ihrerseits in der Lage sind, die Anwendung des wissenschaftlich-technischen Sachverstandes jedenfalls nachzuvollziehen.61
3. Betroffenheit von Individuen Als Kehrseite der Ausübung von Hoheitsgewalt im weiten Sinne durch internationale Organisationen hat die Völkerrechtsordnung auch zunehmend bedeutsame Implikationen für nichtstaatliche Akteure.62 Zwar sind internationale Organisationen wie ausgeführt nur selten mit Befugnissen ausgestattet, die ihren Rechtsakten unmittelbare rechtliche Durchgriffswirkung auf den Einzelnen vermitteln. Auch die faktische Betroffenheit kann aber, abhängig unter anderem von der Rolle, die für den jeweiligen Mitgliedstaat bei der Umsetzung verbleibt, einer unmittelbaren Wirkung im Rechtssinne durchaus gleichkommen.63 Das hat nicht zuletzt die jedenfalls bis Anfang der 90er Jahre des letzten Jahr60 61
J. Wouters/B. De Meester/C. Ryngaert, NYIL 34 (2003), S. 137 (180 ff.). Vgl. J. von Bernstorff, GLJ 9 (2008), S. 1939 (1947 f.).
62
Vgl. D. Bodansky, AJIL 93 (1999), S. 596 (606); T. Stein, ZaöRV 64 (2004), S. 563 (566); J. H. H. Weiler, ZaöRV 64 (2004), S. 547 (550); K.-P. Sommermann, FS Tomuschat, 2006, S. 1051 (1053 f.), R. Wolfrum, FS Neuhold, 2007, S. 471 (475). 63
Vgl. A. von Bogdandy, GLJ 9 (2008), S. 1909 (1917) – betrachtet eine ausschließliche Konzentration des öffentlichen Rechts auf Akte, die Individuen unmittelbar binden, als überholt; vgl. auch das Pershing-Urteil des BVerfG zu Art. 24 Abs. 1 GG, BVerfGE 68, S. 1 (94) – Art. 24 Abs. 1 GG sei nicht zu entnehmen, dass eine Übertragung von Hoheitsrechten immer nur dann anzunehmen sei, wenn der Einrichtung eine Durchgriffsbefugnis gegenüber einzelnen eingeräumt werde.
Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt
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hunderts unzureichende Berücksichtigung der Auswirkungen von Strukturanpassungsprogrammen internationaler Organisationen auf die menschenrechtliche Situation in den betroffenen Ländern veranschaulicht.64 Neuere Entwicklungen in den Vereinten Nationen seit den neunziger Jahren bringen beträchtliche unmittelbare Auswirkungen auf den Lebensbereich des Einzelnen mit sich. Werden internationale Strafgerichte wie die für Ruanda und das ehemalige Jugoslawien auf der Grundlage von Resolutionen des Sicherheitsrates errichtet, so ist die Einhaltung von Verfahrensgarantien sicherzustellen.65 Die menschenrechtliche Problematik von UN-Sanktionsprogrammen beschäftigen Literatur und Rechtsprechung. Ihre Wirkung ist dann besonders weitreichend, wenn Sanktionsregime global wirken und entterritorialisiert sind. Im Bereich der smart sanctions, die zumindest faktisch unmittelbar auf diejenigen Privatpersonen durchgreifen, deren Namen sich auf den sogenannten Schwarzen Listen befinden, erscheint die effektive Gewährleistung echter subjektiver Menschenrechte als notwendig.66 Als potentielle Menschenrechtsverletzer kommen die Vereinten Nationen insbesondere in Betracht, wenn sie zu Zwecken des Peace-Keeping und des Peace-Enforcement, etwa in Namibia, Kambodscha oder Somalia, Truppen einsetzen67 oder übergangsweise Gebiete wie Osttimor oder das Kosovo verwalten. Die lokal gewichtigsten Auswirkungen zeigt die Übernahme von Hoheitsgewalt durch internationale Organisationen bei der Übergangsverwaltung in Post-Konflikt-Szenarien68 auf
64
R. Hofmann, BDGVR 42 (2007), S. 1 (16) m. w. N. in Fn. 51.
65
S. dazu A. Reinisch, ÖZöR 47 (1995), S. 173; weiter für „(quasi)-judicial decisions E. de Wet, in: R. Wolfrum/V. Röben (Hg.), Developments of International Law in Treaty Making, 2005, S. 183. 66 I. Cameron, Nordic JIL 72 (2003), S. 159 (183); vgl. zur Problematik auch J. Frowein, FS Tomuschat, 2006, S. 785. Zusammenfassend zu den Rechtsgrundlagen EuGH Yassin Abdullah Kadi und Al Barakaat International Foundation, verb. Rs. C-402/5 P u. C-415/05 P, Slg. 2008, S. I-6351, Rn. 11 ff. Die individuellen Sanktionen veranschaulichen aber die Legitimitätsproblematik, s. dazu G. Abi-Saab, in: R. Wolfrum/V. Röben (Hg.), Legitimacy, 2008, S. 109; E. de Wet, ibid., S. 131. 67 68
Vgl. M. Zwanenburg, LJIL 11 (1998), S. 229.
Zur Entwicklung der „International Territorial Administration“ von Danzig bis zum Kosovo als Entwicklung zu einer Übergangsverwaltung mit einer von einem Staat nicht unterscheidbaren „Souveränität“ s. D. Smyrek, Inter-
526
7. Kapitel
der Grundlage des Kapitels VII der UNO-Charta.69 Hier sind Menschenrechtsverletzungen bei der Ausübung von Polizeigewalt, im Rahmen von Untersuchungshaft, bei der Behandlung von Minderheiten, aber auch bei der demokratischen Beteiligung der Bevölkerung nicht nur denkbar, sondern Realität.70 Besonders weitreichend ist die Hoheitsgewalt, die der United Nations Transitional Administration in East Timor (UNTAET) und der United Nations Interim Administration in Kosovo (UNMIK) anvertraut wurde.71 Die UNTAET wurde durch die Resolution 1272 (1999) des Sicherheitsrates sogar mit der „overall responsibility for the administration of East Timor“ ausgestattet und mit der Ausübung von „all legislative and executive authority, including the administration of justice“ betraut.72
nationally Administered Territories – International Protectorates?, 2006, S. 57 ff., 170 f. 69
Das Treuhandsystem der UNC findet nach Art. 78 UNC auf UN-Mitglieder keine Anwendung. S. dazu B. Kondoch, J.C. & S.L. 6 (2001), S. 245 (254 ff.). Umfassend zur internationalen Gebietsverwaltung C. Stahn, The Law and Practice of International Territorial Administration, 2008; R. Wilde, International Territorial Administration, 2008; insbesondere zu Legitimitätsfragen C. Stahn, IOLR 2 (2005), S. 9; zur Beachtung der Menschenrechte und zu deren Kontrolle R. Hofmann, FS Bothe, 2008, S. 123. 70
S. etwa die Jahresberichte der Ombudsperson Institution in Kosovo, verfügbar unter http://www.ombudspersonkosovo.org/ (geprüft am 18.5.2010). 71 S. zur UNTAET B. Kondoch, J.C. & S.L. 6 (2001), S. 245; M. Benzing, MPYUNL 9 (2005), S. 295; zur UNMIK J. Friedrich, MPYUNL 9 (2005), S. 225. 72
SR Res. 1272 (1999), para. 1. Die Übergangsverwaltung beruht in beiden Fällen auf den Befugnissen des Sicherheitsrates aus Kapitel VII UNC (vgl. Annex 2 = UN-Dok. S/1999/649 v. 2.6.1999, para. 3.), entbehrte aber nicht der Zustimmung der jeweiligen Territorialstaaten Bundesrepublik Jugoslawien und Indonesien; vgl. Chapeau Punkt 9 i. V. m. Annex 2 der SR Res. 1244. S. aber B. Knoll, GLJ 8 (2007), S. 39 (42) – Ausübung von Hoheitsgewalt habe keine Grundlage in einem internationalen Übereinkommen. M. Ruffert, ICLQ 50 (2001), S. 613 (616) nimmt unter Heranziehung von UN-Dok. S/1999/649 v. 7.6.1999 mit Annex, Military-Technical Agreement of Kumanovo, UN-Dok. S/1999/682 v. 15.6.1999 acquiescence an; J. Frowein, FS Rudolf, 2001, S. 43 (44) geht zutreffend von einer ausdrücklichen Zustimmung der Bundesrepublik Jugoslawien aus. S. das Agreement between the Republic of Indonesia and the Portuguese Republic on the question of East Timor v. 5.5.1999, abgedruckt im Bericht des UN-GS v. 5.5.1999, UN-Dok. A/53/951 = S/1999/513. Die Zustimmung ist dabei zwar praktisch bedeutsam, nicht aber rechtlich notwendig,
Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt
527
Ein weiteres Beispiel für eine lokal umfassende Hoheitsgewalt einer internationalen Organisation sind international verwaltete Flüchtlingslager. Das gilt insbesondere für langfristig angelegte development camps. Sie ähneln kleinen Städten mit Schulen, medizinischer Versorgung und weiteren Merkmalen einer grundlegenden Infrastruktur, die von einem Netzwerk internationaler Akteure unter der Kontrolle des UNHCR bereitgestellt werden.73 Den internationalen Organisationen kommt damit zumindest eine de facto-Souveränität über die Flüchtlinge zu.74
4. Zwischenfazit Internationale Organisationen üben Hoheitsgewalt in einem weiten Sinne aus und haben dadurch in nicht zu vernachlässigendem Umfang unmittelbar Einfluss auf die Situation von Individuen. Dabei dienen sie nicht nur dem Gemeinwohl, sondern können im Einzelfall auch Rechtsbrecher sein oder jedenfalls in rechtfertigungsbedürftiger Weise die Freiheit von Gesellschaften und Einzelnen einschränken.75 Die geschilderten neuen Phänomene und Situationen stellen die Legitimität der Völkerrechtsordnung zwar vor neue Herausforderungen und begründen für Vertreter der Konstitutionalisierungslehre einen Verfassungsbedarf. Gleichzeitig bestehen aber die alten Strukturen fort.76 Deshalb ist es zu undifferenziert, nach der Legitimität der Völkerrechtsordnung schlechthin zu fragen. Es sollte vielmehr nach der jeweiligen Wirkungsweise und Reichweite des internationalen Rechts unterweil Kapitel VII eine ausreichende Rechtsgrundlage darstellt, J. Frowein, FS Rudolf, 2001, S. 43 (44). 73
R. Wilde, Yale Human Rights & Development L.J. 1 (1998), S. 107; ders., AJIL 95 (2001), S. 583 (584). 74
S. auch die umfassende soziologische Studie zur Beachtung von Menschenrechten und Flüchtlingsrecht in Kenia und Uganda durch den UNHCR und andere Organisationen G. Verdirame/B. Harrell-Bond, Rights in Exile, 2005. 75
Zur gewandelten Wahrnehmung internationaler Organisationen s. J. Klabbers, in: J.-M. Coicaud/V. Heiskanen (Hg.), The Legitimacy of International Organizations, 2001, S. 221 (222 ff., 236 ff.); J. E. Alvarez, AJIL 100 (2006), S. 324 (339 ff.); aus politikwissenschaftlicher Sicht M. Barnett/M. Finnemore, in: M. Barnett/R. Duvall (Hg.), Power in Global Governance, 2005, S. 161; zur traditionellen Perzeption vgl. D. Kennedy, Cardozo LR 8 (1987), S. 841. 76
Vgl. J. Crawford, International Law as an Open System, 2002, S. 17 ff.
528
7. Kapitel
schieden werden.77 Zudem kompliziert die Fragmentierung des Völkerrechts die Legitimitätsfrage, weil sie die Herausbildung genereller Standards erschwert und Fragen der Interaktion von Teilsystemen mit unterschiedlichem Mitgliederbestand und unterschiedlichen Legitimierungsstrukturen aufwirft.78 Das im 2. Kapitel erörterte Legitimationsmodell der holistisch verstandenen Volkssouveränität lässt sich darauf nicht übertragen. Andere Akteure mögen eine vergleichbare Wirkungsmacht wie internationale Organisationen entfalten, etwa transnationale Unternehmen. Sie unterscheiden sich von internationalen Organisationen aber dadurch, dass sie nicht primär dem Gemeinwohl verpflichtet sind.79 Das bedingt, dass sie für einen öffentlich-rechtlichen, verfassungsrechtlichen Ansatz im Völkerrecht jenseits von Drittwirkungsüberlegungen im Hinblick auf die Menschenrechte80 kein geeigneter Gegenstand sind. Bei hybriden zwischenstaatlich-privaten Arrangements ist demnach eine differenzierte Betrachtung für öffentliche und private Beteiligte angezeigt.
IV. Strategien zur Verbesserung der Legitimität der Völkerrechtsordnung Auf den gesteigerten Legitimationsbedarf wurde mit verschiedenen Vorschlägen zur Verbesserung der Legitimität der Völkerrechtsordnung reagiert. Ein nahe liegender Ausgangspunkt ist ein duales Verständnis der Legitimationsstrukturen in einem Mehrebenensystem. Dabei handelt es sich um ein im Kontext der EU erprobtes Modell, das in seinen Grundzügen auch allgemein für die Völkerrechtsordnung Anwendung finden kann. Die Legitimität der völkerrechtlichen Ebenen wird danach einerseits unmittelbar durch die internationalen Strukturen, andererseits
77
J. H. H. Weiler, ZaöRV 64 (2004), S. 547 (551 f.); vgl. J. Delbrück, Ind. GLSJ 10 (2003), S. 29 (43). 78
S. Kadelbach, in: S. Vöneky u. a. (Hg.), Legitimation ethischer Entscheidungen im Recht, 2008, S. 147 (150); s. zum Demokratiedefizit fragmentierter Internationalisierung J. Bast, Soziale Welt Sonderband 18 (2009), S. 185. 79 80
C. Tomuschat, RdC 281 (1999), S. 1 (92).
A. Emmerich-Fritsche, AVR 45 (2007), S. 541; allgemein A. Clapham, Human Rights Obligations of Non-State Actors, 2006.
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529
mittelbar durch die staatliche Ebene vermittelt.81 Zur Verbesserung der Legitimität lässt sich entsprechend auf staatlicher (1.) wie auf internationaler Ebene (2.) ansetzen. Beide Ansätze stehen theoretisch nicht im Verhältnis der Alternativität, sondern können sich durchaus ergänzen.82 Anders wäre es auf theoretischer Ebene nur, wenn man die Lösung der Legitimitätsprobleme in einem Weltstaat, der eine Auflösung der Nationalstaaten bedingt, oder aber in der Rückentwicklung zum abgeschlossenen Nationalstaat als beherrschbarem Raum suchen würde.83 In der Praxis, wenn es darum geht, wer über die verfassungsmäßigen Grenzen der Ausübung von Hoheitsgewalt jenseits des Staates entscheidet, kann es dagegen durchaus zu Friktionen zwischen dem innerstaatlichen und dem internationalen Konstitutionalismus kommen. Der Stellenwert der innerstaatlichen und der internationalen Prozesse hängt unter anderem vom Verständnis der governance-Strukturen jenseits des Staates ab (s. 1. Kapitel C.).84 Sieht man sie mit Anne-Marie Slaughter primär als transnationale Netzwerke mit maßgeblicher Beteiligung der nationalen Exekutiven, so steht die Verantwortlichkeit der nationalen Eliten gegenüber der Bevölkerung im Vordergrund.85 Nimmt man dagegen die Akkumulation von Gestaltungsmacht in internationalen Organisationen oder die Vielfalt der Akteure verstärkt in den Blick, so gewinnt die Gestaltung der Rechtsetzungsprozesse jenseits des Staates selbst an Relevanz.86
81
Vgl. S. Kadelbach, in: S. Vöneky u. a. (Hg.), Legitimation ethischer Entscheidungen im Recht, 2008, S. 147 (166 f.). 82
Vgl. A. Peters, in: J. Klabbers/dies./G. Ulfstein (Hg.), The Constitutionalization of International Law, 2009, S. 263 (264 ff.) – „two-track model“ mit „statist track“ und „individualist track“. 83
Vgl. S. Marks, in: J.-M. Coicaud/V. Heiskanen (Hg.), The Legitimacy of International Organizations, 2001, S. 47 (52 ff.); J. Delbrück, Ind. GLSJ 10 (2003), S. 29 (37); vgl. zu den völkerrechtsskeptischen Ansätzen E. A. Young, Texas ILJ 38 (2003), S. 527 (544); J. L. Goldsmith/E. Posner, The Limits of International Law, 2005, S. 13; weitere Nachweise bei R. Wolfrum, in: ders./V. Röben (Hg.), Legitimacy, 2008, S. 1 (2 f.) mit Fn. 6 f., der den Bezug zu Carl Schmitt herstellt. 84
Vgl. S. Marks, in: J.-M. Coicaud/V. Heiskanen (Hg.), The Legitimacy of International Organizations, 2001, S. 47 (54 ff.). 85 86
A. Slaughter, A New World Order, 2004, S. 257.
Vgl. etwa T. Franck, Fairness in International Law and Institutions, 1995, S. 477 ff.
530
7. Kapitel
1. Anpassungen auf staatlicher Ebene Verbesserungen auf staatlicher Ebene können zunächst dadurch erzielt werden, dass die Demokratisierung der Staaten gefördert wird. Je höher das Niveau demokratischer Legitimation in der Summe der beteiligten Staaten, desto tragfähiger ist auch der Staatenkonsens. Auch für demokratische Staaten verschiebt sich aber das innerstaatliche Machtgefüge zugunsten der Exekutive. Die Ausarbeitung von Verträgen ist in der Regel Sache der Regierungen, während Parlamente ausgehandelte Verträge nur als Ganzes annehmen oder ablehnen können.87 Eine Möglichkeit zur Abhilfe besteht in der Stärkung der Kontroll- und Beteiligungsrechte des Parlaments gegenüber der Exekutive bei außenpolitischen Entscheidungen im Sinne einer innerstaatlichen Demokratisierung der Außenpolitik.88 Darüber hinaus kann die parlamentarische Repräsentation und Mitwirkung in der internationalen Politik durch interparlamentarische Institutionen gefördert werden.89 Die erweiterten Beteiligungsmöglichkeiten zielen auch auf eine Kontrolle der Organe internationaler Organisationen selbst, die sie veranlassen soll, sich innerhalb ihres Mandats zu halten.90 Die Möglichkeiten einer Legitimitätssteigerung durch Modifikationen im innerstaatlichen Verfassungsrecht dürfen aber nicht überschätzt werden. Langfristig könnte der bloße Schutz des nationalen demokratischen Souveräns91 vor der internationalen Sphäre zu kurz greifen. Es
87
D. Schindler, FS Seidl-Hohenveldern, 1998, S. 611 (616); J. Wouters/B. De Meester/C. Ryngaert, NYIL 34 (2003), S. 137 (177 ff.). 88
D. Wirth, Am.U. JILP 9 (1993), S. 171 – für das Umweltvölkerrecht; P. Goldmann, Cornell ILJ 27 (1994), S. 631 – für die US-Handelspolitik; D. Bodansky, AJIL 93 (1999), S. 596 (611); K.-P. Sommermann, FS Tomuschat, 2006, S. 1051 (1060 ff.). 89
B. Habegger, Parlamentarismus in der internationalen Politik, 2005; S. Marschall, Transnationale Repräsentation in parlamentarischen Versammlungen, 2005. Schon länger zurück liegt der Appell des Europäischen Parlaments, die Organstruktur der WTO um eine parlamentarische Versammlung zu erweitern, s. Pt. 23 der Entschließung A4-320/96 v. 13.11.1996 zur Welthandelsorganisation, ABl. 1996 C 362/152; Pt. 36 und 57 der Entschließung A4-403/97 v. 15.1.1998 zu transatlantischen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen. 90 91
R. Wolfrum, FS Neuhold, 2007, S. 471 (481).
J. Isensee, JZ 50 (1995), S. 421 (422); P. Stephan, Chi. JIL 1 (2000), S. 237; J. Rubenfeld, The Wilson Quarterly 27 (2003), S. 22 (34 ff.); E. A. Young, Texas ILJ 38 (2003), S. 527 (542 ff.); U. Haltern, JZ 62 (2007), S. 537; Versuch einer
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gilt zu berücksichtigen, dass die viel beschriebenen Auflösungserscheinungen der Staatlichkeit, die Desintegration der nationalen Gesellschaften, Fluktuation und Migration diesen Legitimationsweg grundsätzlich schwächen. Außerdem lassen sich die traditionellen Mechanismen der Legitimationsbeschaffung staatlicher Organe, die auf sachlicher Bindung und formaler Rechenschaftspflicht beruhen, nur mit Schwierigkeiten auf die Funktionsbedingungen internationaler Verhandlungssysteme abstimmen, weil diese Verhandlungsspielräume Flexibilität und die Fähigkeit zum Kompromiss voraussetzen.92 Die Verlagerung von Entscheidungskompetenzen auf die überstaatliche Ebene muss umgekehrt nicht unbedingt einen Legitimationsverlust bedeuten. Vielmehr kann der effektive Umgang mit grenzüberschreitenden sozialen Problemen Legitimität vermitteln, während die externen Effekte staatlicher Entscheidungen demokratisch schwer zu legitimieren sind.93 Auch die der politischen Globalisierung voranschreitende Finanz- und Wirtschaftsglobalisierung lässt sich wohl am besten auf internationaler Ebene einfangen.
2. „Konstitutionalisierung“ internationaler Entscheidungsstrukturen als Strategie Deshalb sind Vorschläge zur Verbesserung der Legitimität internationaler Entscheidungsstrukturen im Wege der „Konstitutionalisierung“ im Sinne einer Stärkung und Weiterentwicklung verfassungsrechtlicher Elemente im Recht internationaler Organisationen von besonderem Gewicht. Die Vorschläge für die Steigerung der Legitimität internationaler Organisationen umfassen die Schaffung von Kontrollgremien, die Einbeziehung von NGOs und anderen nichtstaatlichen Akteuren sowie Vermittlung zwischen den Ebenen: M. Kumm, EJIL 15 (2004), S. 907; ders., in: S. Choudhry (Hg.), The Migration of Constitutional Ideas, 2006, S. 256. 92 93
U. Volkmann, AöR 127 (2002), S. 575 (596 ff.).
Vgl. A. von Bogdandy, ZaöRV 63 (2003), S. 853 (856 ff.); T. Stein, ZaöRV 64 (2004), S. 563 (565). Allerdings sind multilaterale Ansätze nicht per se legitim, vgl. J. E. Alvarez, EJIL 11 (2000), S. 393. S. auch M. Zürn, Regieren jenseits des Nationalstaates, 1998, S. 237 f.; I. M. Young, Inclusion and Democracy, 2000, S. 246 ff.; M. Kumm, EJIL 15 (2004), S. 907 (922 ff.); C. Joerges; JCMS 44 (2006), S. 779 (789 ff.); R. Keohane/S. Macedo/A. Moravcsik, IILJ WP 2007/4 – u. U. Förderung der innerstaatlichen Demokratie durch multilaterale Institutionen unter den Gesichtspunkten Beschränkung von Partikularinteressen, Individual- und Minderheitenrechte und kollektive Deliberation.
532
7. Kapitel
die Förderung der Transparenz, aber auch die Einrichtung von parlamentarischen Versammlungen, Direktwahlen oder Wahl- oder Teilhaberechten von Interessengruppen.94 Strukturveränderungen auf internationaler Ebene sind aus naheliegenden Gründen aber tendenziell schwieriger zu erzielen als in einzelnen Staaten. Insbesondere globale demokratische Institutionen einer „kosmopolitischen Gemeinschaft“95 oder eine nach föderalen Prinzipien schrittweise aufzubauende Weltrepublik96 müssen als empirisch aussichtslos gelten. Unrealistisch ist insbesondere die Wahl internationaler Versammlungen durch Völker, die selbst kein nationales Parlament wählen dürfen.97 Die Idee der Errichtung globaler parlamentarischer Gremien ist denn auch nicht neu.98 Eine Weltregierung ist aber auch schon seit Kant dem Verdacht ausgesetzt, sich zur umfassenden Despotie zu entwickeln.99 Die Möglichkeit realistischer Verbesserungen der Legitimation hängt auch vom zugrunde liegenden Demokratiebegriff ab.100 Die fehlende soziale Integration der Weltgemeinschaft bedeutet jedenfalls aus der Input-Perspektive eine Herausforderung für die Solidarität einer Minder94
Vgl. den Überblick bei L. Helfer, Loyola L.A. LR 37 (2003), S. 193 (232 ff.); E. Stein, AJIL 95 (2001), S. 489 (531 f.). 95
D. Archibugi, in: ders/D. Held (Hg.), Cosmopolitan Democracy, 1995, S. 121; D. Held, Democracy and the Global Order, 1995, S. 267 ff. 96
2
O. Höffe, Die Zukunft der Demokratie im Zeitalter der Globalisierung, 2002, S. 229 ff.
97 Vgl. B.-O. Bryde, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 103 (119). 98
W. Schücking, Der Staatenverband der Haager Konferenzen, 1912, S. 298 ff.; H. Wehberg, Grundprobleme des Völkerbundes, 1926, S. 83 f.; G. Clark/L. 3 B. Sohn, World Peace through World Law: Two Alternative Plans, 1966, S. 19 ff. – mit einem Vorschlag zur Revision von Art. 9 ff. UNC; R. Falk/A. Strauss, Stan. JIL 36 (2000), S. 191. 99 100
S. 4. Kapitel B. III. 2.
Vgl. einerseits U. Volkmann, AöR 127 (2002), S. 575 (609) – kritisch gegenüber einer zu affirmativen Anpassung des Demokratiebegriffs an die vorgefundene Realität; andererseits S. Marks, in: J.-M. Coicaud/V. Heiskanen (Hg.), The Legitimacy of International Organizations, 2001, S. 47 (64 f.) – kritisch gegenüber der Beschränkung des Demokratieverständnisses auf die im Nationalstaat realisierte Form mit Betonung des politischen Charakters der Frage nach dem Bedeutungsgehalt der Demokratie. Die Übertragbarkeit der Demokratie auf die internationale Ebene schließt gar aus: A. Pellet, in: R. Wolfrum/V. Röben (Hg.), Legitimacy, 2008, S. 63 (66 f.).
Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt
533
heit, die eine Mehrheitsentscheidung unabhängig von ihrem Inhalt akzeptieren soll, und damit auch für die Demokratietheorie.101 In der einen oder anderen Weise muss die internationale Gemeinschaft das Legitimationssubjekt des Völkerrechts sein, obgleich es an einer politischen Weltgemeinschaft fehlt102 und die Konstitutionalisierung auch nicht auf die Etablierung einer res publica zielt.103 Hält man die innerhalb der Staaten getroffenen demokratisch legitimierten Entscheidungen für eine nicht mehr ausreichende Legitimationsgrundlage, so muss man eine internationale Staatengemeinschaft oder eine kosmopolitische Gemeinschaft der Individuen oder Kombinationen beider in den Blick nehmen.104 Geht man davon aus, dass die in Staaten gegliederte internationale Gemeinschaft letztlich eine Gemeinschaft der Individuen ist, wäre dafür nicht nur eine tendenzielle Stimmenwägung der Staaten nach ihrer Bevölkerungsgröße entscheidend, sondern vor allem ein Konsens darüber, dass die Minderheit die Mehrheitsentscheidung akzeptiert.105 Die Frage ist dann, wie das Legitimationssubjekt konstruiert wird, wenn nicht allein eine kosmopolitische Moral Grundlage für die Schaffung von Rechten und Pflichten sein soll.106 Die Konzeption einer kosmopolitischen Gemeinschaft erlaubt die Inklusion von in der politischen Gemeinschaft des Staates systematisch ausgeschlossenen Gruppen wie Minderheiten und Migranten.107 Als zentrales Defizit gilt der fehlende universelle Demos. Jenseits des Staates und von regionalen Integrationsgemeinschaften existiert weder ein homogenes Volk im eth101
Vgl. etwa D. Schindler, FS Seidl-Hohenveldern, 1998, S. 611 (619); D. Bodansky, AJIL 93 (1999), S. 596 (615 f.); zur Kritik an einem „volksdemokratischen“ Verständnis B.-O. Bryde, Staatswissenschaften und Staatspraxis 5 (1994), S. 305 ff. 102
A. Paulus, FS Lapidoth, 2008, S. 193 (195 f.).
103
Vgl. J. Habermas, Konstitutionalisierung, 2004, S. 138 sowie die Nachweise im 2. Kapitel, Fn. 118 f.; s. aber für eine Gegenüberstellung von „expressiver“ und repräsentativer Demokratie C. Möllers, in: R. Kreide/A. Niederberger (Hg.), Transnationale Verrechtlichung, 2008, S. 160. 104
Vgl. N. Krisch, EJIL 17 (2006), S. 247 (253 ff.).
105
D. Bodansky, AJIL 93 (1999), S. 596 (615 f.) m. N.; A. Paulus, FS Lapidoth, 2008, S. 193 (204). 106 107
A. Paulus, FS Lapidoth, 2008, S. 193 (195).
Vgl. T. Franck, Fairness in International Law and Institutions, 1995, S. 480 ff.; zentral bei A. Linklater, The Transformation of Political Community, 1998.
534
7. Kapitel
nisch-kulturellen Sinne108 noch im weiteren Sinne einer Zivilgesellschaft oder eines Einflusses der Bürger auf den politischen Prozess.109 Es fehlt die „dichte kommunikative Einbettung“, die durch eine gemeinsame politische Kultur mit gemeinsamen Wertorientierungen und Gerechtigkeitsvorstellungen ermöglicht wird.110 Schwierig ist die Übertragung der Demokratie auf den Kontext jenseits des Nationalstaates insbesondere auch dann, wenn man auf ein bestimmtes Ensemble von Institutionen abstellt, das sich so nur im Staat wiederfindet.111 Sollen im Sinn eines unitarischen Legitimationsmodells ausschließlich Wahlen Legitimität vermitteln, so würde das umfassende Anpassungen bedingen. Angesichts der Fragmentierung der Landschaft internationaler Organisationen wäre wohl auch eine Vielzahl von Wahlen durch unterschiedlich zu definierende Kreise von Betroffenen notwendig. Die optimistischste Perspektive kann daher ein Modell pluralistischer Legitimation eröffnen, das auch andere Partizipationsformen als Wahlen einbezieht, die jenseits des Staates besser zu realisieren sind.112 Das gilt insbesondere dann, wenn man die legitimierende Kraft des demokratischen Verfahrens nicht so sehr in der Partizipation und Willensäußerung, sondern mit einem diskurstheoretischen Verständnis von Demokratie in der allgemeinen Zugänglichkeit eines deliberativen Prozesses sieht, der die Erwartung auf rational akzeptable Ergebnisse begründet.113 Hier ist in erster Linie die Beteiligung von Nicht-Regierungs108
Vgl. J. Isensee, in: ders. (Hg.), Europa als politische Idee und als rechtliche Form, 21994, S. 103 (133); P. Kirchhof, HStR VII, 1992, § 183 Rn. 33, 39, 52 et passim; C. Hillgruber, JZ 57 (2002), S. 1072 (1078 f.); s. dazu J. H. H. Weiler, FS Everling, 1995, S. 1651. 109 Vgl. R. Dahl, in: I. Shapiro/C. Hacker-Cordón (Hg.), Democracy’s Edges 1999, S. 19; J. H. H. Weiler, ZaöRV 64 (2004), S. 547 (548); P. Stephan, Chi. JIL 1 (2000), S. 237; J. Goldsmith/E. Posner, The Limits of International Law, 2005, S. 205 ff. 110 111
J. Habermas, Die postnationale Konstellation, 1998, S. 91 (164). U. Volkmann, AöR 127 (2002), S. 575 (599).
112
S. auch United Nations, We the peoples: civil society, the United Nations and global governance: Report of the Panel of Eminent Persons on United Nations–Civil Society Relations (Cardoso Report), UN-Dok. A/58/811 v. 11.6. 2004, para. 37; vgl. zu unitarischem und pluralistischem Legitimationsmodell als Grundlage für den Ausbau des Kooperationsvölkerrechts A. von Bogdandy, ZaöRV 63 (2003), S. 853 (873 ff.). 113
J. Habermas, Die postnationale Konstellation, 1998, S. 91 (166). S. zu deliberativer Demokratie und global governance D. Held, Democracy and the
Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt
535
organisationen zu nennen,114 die de lege lata im Umweltvölkerrecht am weitesten entwickelt ist.115 Als problematisch wird aber deren segmentärer Charakter und fehlende Repräsentativität angesehen:116 NGOs berufen sich selbst und werden nicht eingesetzt. Ihre gesellschaftliche Grundlage haben sie meist in den Industriestaaten des „Nordens“ und dort in der Mittelschicht. Sie sind auch nicht gegenüber der Bevölkerung verantwortlich, für die zu sprechen sie in Anspruch nehmen.117 Außerdem konzentrieren sie sich häufig auf eine isolierte Thematik. Die Beteiligung von NGOs, Universitäten, Forschungseinrichtungen und transnationalen Konzernen wurde daher auch als Demokratisierungssurrogat gesehen,118 kann aber auch als assoziative Form der De-
Global Order, 1995; J. Bohman/W. Regh (Hg.), Deliberative Democracy, 1997; K. D. Wolf, Neue Staatsräson, 2000, S. 196 ff.; J. Dryzek, Deliberative Democracy and Beyond, 2002, S. 115 ff. 114
S. L. Gordenker/T. Weiss, in: T. Weiss/L. Gordenker (Hg.), NGOs, the UN, and Global Governance, 1996, S. 17; W. Hummer, BDGVR 39 (1999), S. 45; S. Hobe, in: R. Wolfrum/V. Röben (Hg.), Developments, 2005, S. 319; B. Bryde, Der Staat 42 (2003), S. 1 (8 ff.); A. Lindblom, Non-Governmental Organisations, 2005, S. 28 ff. – mit einem an Habermas orientiertem Diskursmodell; umfassend zur Stellung der NGOs: S. 119 ff.; zur Rolle von NGOs im UN-System s. die Beiträge in P. Willetts (Hg.), ‘The Conscience of the World’, 1996; vgl. auch P. Nanz/J. Steffek, in: P. Niesen/B. Herborth (Hg.), Anarchie der kommunikativen Freiheit, 2007, S. 87. Kritisch gegenüber der Anwendbarkeit des Konzepts deliberativer Demokratie jenseits des Nationalstaates I. Maus, ibid., S. 350 – keine egalitäre Beteiligung der Bürger an Entscheidungen. 115
S. etwa Art. XI Abs. 7 lit. a CITES (Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Flora and Fauna), Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen v. 3.3.1973, BGBl. 1975-II, S. 777; Art. 10 Abs. 5 des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (AarhusÜbereinkommen) v. 25.6.1998, BGBl. 2006-II, S. 1251; vgl. S. Charnovitz, AJIL 100 (2006), S. 348 (369 f.). 116
J. Bolton, Chi. JIL 1 (2000), S. 205 (217); K. Anderson/D. Rieff, Global Civil Society 2004/5, S. 26 (29 ff.); T. Stein, ZaöRV 64 (2004), S. 563 (564 f.); S. Charnovitz, AJIL 100 (2006), S. 348 (365); kritisch gegenüber dem Einfluss von NGOs auch IGH Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion, Sep. Op. Guillaume, ICJ Rep. 1996, S. 226 (287 f.), para. 2; Diss. Op. Oda, ibid., S. 335 f. para. 8. 117 118
A. Lindblom, Non-Governmental Organisations, 2005, S. 33. J. Delbrück, Ind. GLSJ 10 (2003), S. 29 (40).
536
7. Kapitel
mokratie verstanden werden,119 obgleich sie die Legitimitätslücke jedenfalls nicht für sich allein schließen kann. Denkbare Wege zur Verbesserung der Legitimität von NGOs sind etwa eine anhand nachprüfbarer Kriterien stattfindende Akkreditierung oder eine Beteiligung an der Sekundärrechtsetzung nach dem Muster des Wirtschafts- und Sozialausschusses im Institutionengefüge der Europäischen Gemeinschaft (Art. 300 Abs. 2, 301 ff. AEU).120 Die NGOs müssen dazu selbst vor allem unabhängig und transparent sein.121 Die Legitimitätsvermittlung durch Beteiligung der transnationalen Zivilgesellschaft kann auf neue technische Möglichkeiten der Kommunikation setzen. Es bedarf aber auch einer normativen Konzeptualisierung der pluralen Zivilgesellschaft. Ein Ansatzpunkt kann darin gesehen werden, dass die zivilgesellschaftliche Beteiligung Grundlage der Herstellung von Konsens und zugleich der individuellen Emanzipation ist. Sie bietet eine Arena, in der der Einzelne Öffentlichkeit herstellen kann.122 Demokratisches Regieren jenseits des Nationalstaates setzt nach diesem Verständnis keine großen Gemeinsinnreservoirs voraus und ist imstande, das erforderliche Maß an Gemeinsinn zu generieren.123 Im Gegensatz zu integrativen Ansätzen, die zivilgesellschaftliche Beteiligung als Moment der Legitimität internationaler Organisationen und des Völkerrechts verstehen, wurde der zivilgesellschaftliche Protest im Sinne eines „genetischen Rechtspluralismus“, aber auch als zweiter „Instaurationsmechanismus“ des Weltrechts neben das Völkerrecht gestellt.124 Massendemonstrationen sowie Protest- und Boykottaktionen
119
Vgl. P. Hirst, Associative Democracy, 1994; G. F. Schuppert, in: A. Klein/ R. Schmalz-Bruns (Hg.), Politische Beteiligung und Bürgerengagement in Deutschland, 1997, S. 114. 120
S. zu weiteren Vorschlägen, dem Legitimitätsdefizit abzuhelfen: ILA, Accountability of International Organisations: Final Report, ILA Rep. 2004, S. 164; E. Stein, AJIL 95 (2001), S. 489 (531 ff.); G. Gaja, Second Report on Responsibility of International Organizations, UN-Dok. A/CN.4/541 (2004). 121
S. Charnovitz, AJIL 100 (2006), S. 348 (367).
122
M. Kaldor, Int’l Aff.(London) 79 (2003), S. 583 (586 ff.); zur schwachen Weltöffentlichkeit als „strong public in the making“ s. H. Brunkhorst, Solidarität, 2002, S. 203 ff.; ders., Millennium 31 (2002), S. 675. 123 124
M. Zürn, Regieren jenseits des Nationalstaates, 21998, S. 240.
A. Fischer-Lescano, Globalverfassung, 2005, S. 67 ff.; vgl. auch das Demokratieverständnis von F. Müller, Demokratie zwischen Staatsrecht und Weltrecht, 2003.
Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt
537
der transnationale Zivilgesellschaft können aber auch als für eine globale „contestatory democracy“ relevante Faktoren aufgefasst werden.125 Legitimitätsvermittelnd können nach dem Vorbild einer Konstitutionalisierung der Komitologie126 unter Umständen auch Deliberationsforen von Experten sein.127 Eine unabhängige Expertokratie128 und die Qualität ihrer Deliberation129 sind wichtige Faktoren für die Gewährleistung von Output-Legitimität. Dazu kommt es auf die Zusammensetzung und Interaktion der Komitees, die Offenheit der Agenden, den Zugang der betroffenen sozialen Akteure, den Pluralismus unter den Experten, Rechtsschutzmöglichkeiten und safeguard procedures, die Aufsicht durch nationale und übernationale Parlamente sowie die Eröffnung von Ausstiegsoptionen, wo Konflikte unlösbar sind, an.130 Die Konstitutionalisierungslehre sollte daher besonders ertragreich sein, wenn sie sich einerseits konkret den vielfältigen internationalen Prozessen zuwendet und andererseits Erkenntnisse der politischen Theorie verstärkt einbezieht. Damit kann sie zugleich auf die bereits erörterte (1. Kapitel C. II. 3.), aus der Warte des Global Administrative Law formulierte Kritik reagieren, sie sei zu sehr holistisch angelegt, und die Frage der Rechtfertigungsbedürftigkeit von Herrschaft umfassender aufgreifen als der verwaltungsrechtliche Ansatz. Die Verfassungsrechtslehre hält dafür geeignete Parameter bereit.
125 S. zur „contestatory democracy“ P. Pettit, Republicanism: A Theory of Freedom and Government, 1997; für die Anwendung auf globaler Ebene s. L. Quill, Liberty after Liberalism, 2006 und vgl. A. Peters, in: J. Klabbers/dies./G. Ulfstein (Hg.), The Constitutionalization of International Law, 2009, S. 263 (270). 126
C. Joerges/J. Neyer, ELJ 3 (1997), S. 273.
127
Vgl. I. Johnstone, AJIL 102 (2008), S. 275 – zur Deliberation als legitimitätsstiftendem Faktor bei legislativen und adjudikativen Akten des UNSicherheitsrates. 128 129 130
Vgl. F. Scharpf, Regieren in Europa, 1999, S. 23 ff. C. Joerges, EUI WP LAW 2005/12, S. 14.
C. Joerges, in: ders./E. Vos (Hg.), EU Committees: Social Regulation, Law and Politics, 1999, S. 311 (326 ff.); ders., EUI WP LAW 2005/12, S. 27.
538
7. Kapitel
B. Parameter der Rechtfertigung von Herrschaft im Völkerrecht Die Ausübung von Herrschaft im Völkerrecht ist, auch wenn das Bild bei näherer Betrachtung sehr vielschichtig ist, im Grundsatz in ähnlicher Weise rechtfertigungsbedürftig wie staatliche Herrschaft. Schon die Auseinandersetzung mit den Vorschlägen für eine Verbesserung der Legitimität des Völkerrechts hat gezeigt, dass sich das Modell demokratischer Verfassungsstaatlichkeit auf internationaler Ebene nicht einfach fortschreiben lässt. Dennoch können die Parameter des staatlichen Verfassungsrechts, die ins Völkerrecht übernommen werden, einen Maßstab für die Ausübung von Hoheitsgewalt auch jenseits des Staates bilden. Das gilt grundsätzlich jedenfalls dort, wo internationale governance mit innerstaatlicher Regierung vergleichbar ist.131 Mit der Verschiebung von Handlungsspielräumen weg von staatlichen Regierungen und vor allem den Parlamenten hin zu governance-Phänomenen und der zunehmend unmittelbaren Betroffenheit des Individuums wird im Hinblick auf den Legitimationsbedarf diese Ähnlichkeit begründet, obgleich die institutionellen Strukturen vom Bauplan des modernen Verfassungsstaates abweichen.132 Föderalismus (I.), rule of law (II.) und Demokratie (III.) vermitteln als Leitgedanken des Verfassungsrechts staatlicher Hoheitsgewalt Legitimität. Ihre Projektion auf die völkerrechtliche Ebene wird von einem wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse geleitet, teilweise handelt es sich um emergente, teilweise auch um etablierte völkerrechtliche Normen. Während die Vorstellung von einem globalen Föderalismus vor allem eine Rahmenstruktur der universellen Ordnung bietet, begründen rule of law und Demokratie auch für Teilbereiche des Völkerrechts einen Rechtfertigungszwang und können Maßstab für seine Fortentwicklung und Ausgestaltung sein. Soweit diesen Parametern Normcharakter zukommt, adressieren sie Völkerrechtssubjekte, faktisch vor allem die Staaten als Rechtsetzungsorgane der internationalen Gemeinschaft beim Abschluss völkerrechtlicher Verträge und bei der Schaffung von Orga-
131 Vgl. J. H. H. Weiler, ZaöRV 64 (2004), S. 547 (550); R. Wolfrum, FS Neuhold, 2007, S. 471 (480). 132
S. für eine Analyse des Demokratieprinzips, der Gewaltenteilung, der rule of law, der Rechtsstaatlichkeit sowie von Staaten- und Menschenrechten als Verfassungsprinzipien der westlichen Verfassungstradition im Völkerrecht A. Paulus, in: J. Dunoff/J. Trachtman (Hg.), Ruling the World?, 2009, S. 69 (87 ff.).
Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt
539
nisationen und Strukturen. Ihrer dogmatischen Einordnung geht das 8. Kapitel dieser Arbeit nach.
I. Föderalismus Eher theoretische Bedeutung als Analysebegriff kommt dem von der begrifflichen Verschränkung mit dem (Bundes-)Staat gelösten föderalen Paradigma zu, das ein Erklärungsmodell für die Verteilung von Hoheitsgewalt auf verschiedene Funktionsträger bietet.133 Der Analyse dienen sowohl Modelle von Mehrebenensystemen (1.) als auch die Idee von einem Strukturprinzip der Subsidiarität (2.).
1. Abstrakte Mehrebenensysteme Föderale Strukturen sind für das Völkerrecht zunächst eine innerstaatliche Angelegenheit.134 Das Leitbild des Bundesstaates lässt sich aber zu einem Mehrebenensystem abstrahieren und beispielsweise für die Lösung von Problemen der Kompetenzverteilung heranziehen. Jenseits einer schlichten Übertragung bundesstaatlicher Kategorien ist der Föderalismus als Parameter Ausdruck eines allgemeinen Erkenntnisinteresses. Der Gegensatz zwischen partikulären Interessen der Mitglieder und dem gemeinsamen, von dem Bund oder der Organisation zu verfolgenden Gesamtinteresse ist bei internationalen Organisationen und Bundesstaaten anzutreffen. Deshalb wird die Auslegung von Gründungsverträgen im Lichte föderaler Strukturen schon seit längerem erwogen.135 Mit dem Grundmodell eines gestuften Aufbaus der Ordnungssysteme mit globaler, regionaler und nationalstaatlicher Ebene, der auf
133
Vgl. H. Bülck, VVDStRL 21 (1964), S. 1; A. von Bogdandy, Supranationaler Föderalismus, 1999, S. 9 f., 61 ff.; P. Dann, Parlamente im Exekutivföderalismus, 2004, S. 8 ff.; K. Nicolaidis/R. Howse (Hg.), The Federal Vision: Legitimacy and Levels of Governance in the United States and the European Union, 2001. 134
R. Lane, Stichwort „Federalism in the International Community“, EPIL II, 1995, S. 375. 135 Vgl. I. Seidl-Hohenveldern, FS Leibholz, Bd. 1, 1966, S. 795; G. Ress, ZaöRV 36 (1976), S. 227 (251).
540
7. Kapitel
das Individuum ausgerichtet ist, lassen sich gegenläufige Tendenzen der Einflussnahme erfassen.136 In der Perspektive des Multilevel Constitutionalism tritt der ursprünglich politikwissenschaftliche Begriff des Mehrebenensystems teilweise an die Stelle des föderalen Paradigmas, um mit diesem assoziierte zentralistische Tendenzen auszuschließen.137 Konzeptionen, die das Völkerrecht als Werteordnung verstehen, die den Staaten auch ohne oder gegen ihren Willen Verpflichtungen auferlegen kann und der internationalen Ebene ein beachtliches Maß an Autonomie gegenüber den einzelnen Staaten gewährt, lassen sich allgemein als minimalistisches föderalistisches Verständnis im Sinne eines Mehrebenensystems deuten. In ihm sind die Werte des Völkerrechts und insbesondere der UNO-Charta auch für die interne Rechtsordnung relevant.138
2. Subsidiarität und Komplementarität Dem Begriff der Subsidiarität zuzuordnen sind die Begrenzung der lokalen und personalen Reichweite des Völkerrechts und ein den Staaten verbleibender Ermessensspielraum.139 Im traditionellen zwischenstaatlichen Völkerrecht findet das Subsidiaritätsprinzip zur Verteilung von Hoheitsgewalt auf verschiedene Ebenen grundsätzlich keine Anwendung. In einem normativen Diskurs über die Aufgaben und Grenzen des modernen Völkerrechts könnte das Strukturprinzip der Subsidiarität aber an die Stelle des Prinzips der Souveränität treten.140 Dieser Wandel würde den Abbau des innerstaatlichen domaine réservé aufgrei136
D. Thürer, in: ders./S. Kux (Hg.), GATT 94 und die Welthandelsorganisation, 1996, S. 41 (43 ff.). 137
Vgl. S. Kadelbach, VVDStRL 66 (2007), S. 7 (11).
138
A. von Bogdandy, Harv. ILJ 47 (2006), S. 223 (231 f.) – vorsichtig über C. Tomuschat. 139
U. Fastenrath, in: D. Wyduckel (Hg.), Subsidiarität als rechtliches und politisches Ordnungsprinzip in Kirche, Staat und Gesellschaft, 2002, S. 475 (480 ff.); s. auch IGH Right of Passage over Indian Teritory (Merits), ICJ Rep. 1960, S. 6 (43 f.) – Vorrang regionalen Völkergewohnheitsrechts vor den allgemeinen Regeln; zum Begriff s. auch A. Føllesdal, The Journal of Political Philosophy 6 (1998), S. 190; für die internationalen Menschenrechte P. Carozza, AJIL 97 (2003), S. 38. 140 I. Feichtner, Stichwort „Subsidiarity“ in: MPEPIL, http://www.mpepil. com, para. 16.
Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt
541
fen und ihm zugleich Maßstäbe vorgeben. Das Subsidiaritätsprinzip steht im Zusammenhang mit dem Demokratieprinzip, das die größtmögliche Nähe zu den Betroffenen gebietet,141 und dem Prinzip der verantwortlichen Regierungsführung, die auf unterer Ebene leichter zu realisieren ist. Internationale Regelungen und insbesondere die überstaatliche Ausübung von Hoheitsgewalt kommen danach nur in Betracht, wenn Problemlösungen auf dieser Ebene effizienter zu erreichen sind. Die Vorstellung, dass internationale Verträge der Lösung von Problemen mit transnationaler oder globaler Dimension dienen, kommt in der Präambel der Klimarahmenkonvention zum Ausdruck. Sie zeigt sich dann auch im Grundsatz der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten.142 Die Funktion der EMRK als Mindeststandard, der nationale Gewährleistungen auf regionaler Ebene nur ergänzt, kommt auch in der Auslegungsregel des Art. 53 EMRK zum Ausdruck. Auf dieser Grundlage könnte die Subsidiarität ein entstehender allgemeiner Rechtsgrundsatz sein.143 Das Prinzip der Subsidiarität oder Komplementarität wurde aber auch als Verfassungsprinzip der UNO-Charta angesehen, nach dem sich das Verhältnis zwischen UNO und Regionalorganisationen gemäß Kapitel VIII für die Streitbeilegung bestimmen lässt (Art. 33, 52 UNC).144 Art. 33 Abs. 1 i. V. mit Art. 37 Abs. 1 UNC wird das Prinzip der Subsidiarität im Rahmen der friedlichen Streitbeilegung entnommen. Es besagt, dass zunächst die streitenden Parteien aufgerufen sind, die zwischen ihnen bestehenden Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln selbst beizulegen.145 Im Rahmen der Anwendung von Art. 52 Abs. 2 bis 4 UNC ist streitig, ob den Regionalorganisationen bei der friedlichen Streitbeile141
BVerfGE 89, 155; vgl. A. Paulus, FS Lapidoth, 2008, S. 193 (194).
142
Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen v. 9.5.1992, BGBl. 1993-II, S. 1783, s. den sechsten Erwägungsgrund der Präambel sowie Art. 3 Abs. 1. 143
Vorsichtig angedeutet bei A. Paulus, FS Lapidoth, 2008, S. 193 (211 f.).
144
Für eine Interpretation der Charta und insbesondere von Art. 2 Nr. 7 UNC als Verfassungsrecht unter Rückgriff auf die Leitmotive des historischen US-Föderalismus s. A. Perez, Tex. ILJ 31 (1996), S. 353; für die Behauptung eines Vorrangs des universellen gegenüber dem regionalen Völkerrecht und dessen Vorrang gegenüber bilateralen Verträgen s. D. Carreau, Droit international, 9 2007, S. 98 ff. 145
S. dazu im Einzelnen C. Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 129 ff. sowie W. Hummer/M. Schweitzer, Art. 52, in: B. Sim2 ma (Hg.), Charter Commentary, 2002, para. 103.
542
7. Kapitel
gung Priorität gegenüber den Vereinten Nationen zukommt, oder ob die allgemeinen Zuständigkeiten des Sicherheitsrates aufgrund von Art. 24 Abs. 1 UNC unberührt bleiben müssen.146 Auch hier wird Kapitel VIII unter Rekurs auf den Wortlaut „angebracht“ in Art. 52 Abs. 1 UNC ein Subsidiaritätsgrundsatz entnommen, so dass die Priorität nur gilt, solange eine effektive Streitbeilegung auf regionaler Ebene nicht ausgeschlossen ist.147 Im Rahmen der friedlichen Streitbeilegung kann demnach von einer gestaffelten Subsidiarität ausgegangen werden.
II. Rule of law Der rule of law kommt im Völkerrecht eine normative Bedeutung zu. Es lassen sich Einzelelemente eines international geteilten Verständnisses von der Bedeutung der rule of law auf internationaler und innerstaatlicher Ebene ausmachen (1.). Demgegenüber sind die Tradition des Rechtsstaats, des État de droit und der rule of law durchaus verschieden, was indes eine synthetische Konzeption der rule of law nicht ausschließt (2.). Im Vergleich zum tradierten Verständnis der rule of law zeigt die völkerrechtliche rule of law jedenfalls gewichtige Defizite (3.).
1. Anhaltspunkte für ein international geteiltes Verständnis Die rule of law war in jüngster Zeit Gegenstand verschiedener internationaler Resolutionen. Im Schlussdokument des Reformgipfels der Vereinten Nationen vom Juni 2005 wird sie als auf nationaler wie internationaler Ebene wichtige Voraussetzung für nachhaltiges Wirtschaftswachstum, nachhaltige Entwicklung und die Bekämpfung von Armut 146
S. U. Beyerlin, Stichwort 91: „Regionalabkommen“, in: R. Wolfrum (Hg.), Handbuch Vereinte Nationen, 1991, S. 673 (678), para. 15 f.; C. Walter, Vereinte Nationen und Regionalorganisationen, 1996, S. 144 ff. m. N. und mit einem Vorschlag zur Lösung der Problematik im Rahmen von Art. 36 Abs. 1 und Art. 37 Abs. 2 UNC; W. Hummer/M. Schweitzer, Art. 52, in: B. Simma 2 (Hg.), Charter Commentary, 2002, para. 97 ff. Das Schlagwort in diesem Zusammenhang lautet: „try OAS/OAU first“. 147
R. Pernice, Die Sicherung des Weltfriedens, 1972, S. 87 f.; s. zur Subsidiarität auch R. Escher, Friedliche Streiterledigung, 1985, S. 34 ff.; W. Hummer/M. 2 Schweitzer, Art. 52, in: B. Simma (Hg.), Charter Commentary, 2002, para. 108 ff.; R. Macdonald, in: ders./D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 853 (864 f.).
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und Hunger erwähnt. Das Dokument betont die enge Verknüpfung und gegenseitige Verstärkung des Schutzes und der Förderung aller Menschenrechte, der rule of law und der Demokratie. Die rule of law sei wesentlich für die friedliche Koexistenz und Kooperation unter den Staaten. Als Schritte zu ihrer Realisierung werden die Förderung von Vertragsbeitritten, die Bekämpfung der Diskriminierung von Frauen und die Förderung der Geschlechtergleichheit sowie allgemeine technische Unterstützung genannt.148 Einen Hinweis auf das international geteilte Verständnis vom Gehalt der rule of law geben die Stellungnahmen von immerhin 14 Staaten im Bericht des Generalsekretärs im Zusammenhang mit den gegenwärtigen Beratungen des Rechtsausschusses der Generalversammlung über die rule of law auf innerstaatlicher und internationaler Ebene.149 Sie zeigen eine weitreichende Kohärenz. Dabei ist zwischen der Bedeutung auf nationaler und auf internationaler Ebene zu unterscheiden.150 Auf nationaler Ebene werden die Korruptionsbekämpfung, eine funktionieren148
2005 World Summit Outcome, GV Res. 60/1 v. 16.9.2005, para. 119, 134. S. auch schon den Bericht des Generalsekretärs UN Dok. S/2004/616 v. 23.8.2004, The Rule of Law and Transitional Justice in Conflict and Post Conflict Societies; dazu und zu anderen relevanten UN-Dokumenten s. T. Fitschen, MPYUNL 12 (2008), S. 347. Aufschluss über die Bedeutung der rule of law in den Vereinten Nationen geben auch die mit „The rule of law at the national and international levels“ betitelten Resolutionen der Generalversammlung UNDok. A/RES/61/39 v. 4. Dezember 2006, A/RES/62/70 v. 6. Dezember 2007, A/RES/63/128 v. 11. Dezember 2008 und A/RES/64/116 v. 16. Dezember 2009. Zur Bedeutung der rule of law in der Praxis des Sicherheitsrates s. J. M. Farall, United Nations Sanctions and the Rule of Law, 2007, S. 18 ff. 149
UN-Dok. A/62/121 v. 11.7.2007, The rule of law at the national and international levels: comments and information received from Governments – Report of the Secretary-General mit Stellungnahmen von Österreich, Ägypten, Finnland, Frankreich, Deutschland, Kuwait, Libanon, Libyen, Liechtenstein, Mexiko, Niederlande, Qatar, Schweden, USA. Für einen umfassenden Tätigkeitsbericht der Vereinten Nationen zur rule of law s. UN-Dok. A/63/64 v. 12.3.2008, The rule of law at the national and international levels – Report of the Secretary-General. S. dazu S. Barriga/A. Alday, MPYUNL 12 (2008), S. 380 (396 ff.). Für eine übergreifende Perspektive auf die „internationalisierte“ rule of law s. A. Nollkaemper, HJRL 1 (2009), S. 74; für eine Übertragung der Kerngehalte der rule of law von der innerstaatlichen auf die völkerrechtliche Ebene s. S. Beaulac, EUI WP MWP 2007/14. 150
S. zur beschränkten Bedeutung eines im innerstaatlichen Kontext entwickelten Verständnisses der rule of law für die internationalen Beziehungen D. Zolo, in: P. Costa/ders. (Hg.), The Rule of Law, 2007, S. 3 (40 ff.).
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7. Kapitel
de Strafrechtspflege zur Vermeidung von Straflosigkeit, Rechtsschutz durch eine unabhängige Justiz und eine effektive und gleichmäßige Rechtsdurchsetzung sowie die Rechtsbindung der Regierungsgewalt als Elemente der rule of law genannt, aber auch der enge Zusammenhang mit Demokratie und Menschenrechten sowie der allgemeinen humanitären Situation hervorgehoben. Eine besondere Bedeutung soll der rule of law daher gerade in Post-Konflikt-Situationen und bei der Gewährleistung von transitional justice zukommen. Der enge Zusammenhang mit Demokratie und Menschenrechten gilt den Stellungnahmen zufolge auch für die internationale Ebene. Die rule of law habe als Grundlage der internationalen Beziehungen Querschnittscharakter, sei Voraussetzung für Frieden und Sicherheit und integraler Bestandteil nachhaltiger Entwicklung. Auf internationaler Ebene soll die rule of law Ausdruck im Gewaltverbot und im Grundsatz friedlicher Streitbeilegung finden.151 In materieller Hinsicht werden für die internationale Ebene darüber hinaus vor allem der Schutz der Menschenrechte, die internationale Strafrechtspflege auf der Grundlage einer universellen Ratifikation des Römischen Statuts, die Verantwortlichkeit der Staaten für den Umweltschutz sowie eine gute Regierungsführung (good governance) und Verantwortlichkeit (accountability) der Vereinten Nationen, aber auch die souveräne Gleichheit der Staaten und das Selbstbestimmungsrecht der Völker auf der Grundlage der UNO-Charta als Elemente der rule of law hervorgehoben. Die kritische Situation des IGH als Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen findet besondere Erwähnung. Daran knüpft sich die Forderung nach einer umfassenderen Unterwerfung der Staaten unter seine Zuständigkeit. Aber auch der Aspekt der Gewährung effektiver Rechtsbehelfe der Staaten vor internationalen Institutionen ist von besonderem Interesse. Kritisch gesehen werden zudem die Rechtsschutzmöglichkeiten im Zusammenhang mit Anti-Terrormaßnahmen der Vereinten Nationen. Wesentlich für die rule of law ist weiterhin die Einhaltung und Umsetzung völkerrechtlicher Verträge, die durch monitoring-Verfahren gefördert werden kann, sowie die Sicherstellung der Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen. Die Unterzeichnung und Ratifikation der be-
151 Für eine Untersuchung zu einem Grundsatz gerichtlicher Kontrolle s. E. de Wet, NILR 47 (2000), S. 181.
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stehenden Vertragswerke sei zu fördern wie die fortschreitende Kodifikation und progressive Weiterentwicklung des Völkerrechts. Für die internationale Ebene haben zuvor schon die Aspekte der Annahme völkerrechtlicher Verträge und der gerichtsförmigen Streitbeilegung als Teil der rule of law Anerkennung gefunden.152 Die rule of law ist auch Gründungsprinzip verschiedener internationaler Organisationen.153 Im Sinne einer Rechtsbindung der Ausübung staatlicher Regie152
ILC, Draft Declaration on Rights and Duties of States, UN-Dok. A/CN.4/2 (von der Generalversammlung nicht angenommen, vgl. GV Res. 596 (VI) v. 7.12.1951) – Staatengemeinschaft als Rechtsgemeinschaft, Herrschaft des Rechts und Gerechtigkeit als wesentlich für die Herstellung von Frieden und Sicherheit in den zwischenstaatlichen Beziehungen; Praämbel zur FriendlyRelations-Deklaration (GV Res. 2625 (XXV) v. 24.10.1970) – überragende Bedeutung der UNO-Charta in der Förderung der rule of law unter den Staaten, Bedeutung für Weltfrieden und Sicherheit; GV Res. 44/23 v. 17.11.1989 – Ausrufung der „United Nations Decade of International Law“; „Agenda for Peace“ des UN-GS (UN-Dok. A/47/277 – S/24111 v. 17.6.1992) – nimmt nur einmal auf die innerstaatliche rule of law Bezug und erwähnt den IGH nur kurz; Präambel Vienna Declaration and Programme of Action of the World Conference on Human Rights (UN-Dok. A/CONF.157/23 v. 25.6.1993); „Agenda for Democratization“ (UN-Dok. A/51/761 v. 20.12.1996) – fordert vorsichtig zur Einhaltung der rule of law in den zwischenstaatlichen Beziehungen auf, bezieht sich aber nur auf internationale Gerichte; Millennium Report des UN-GS („We the people: The role of the United Nations in the 21st century, Report of the Secretary-General“, UN-Dok. A/54/2000 v. 3.4.2000) – eindringliche Aufforderung zur Unterstützung der rule of law auf internationaler Ebene; „Millennium Declaration“ (GV Res. 55/2 v. 8.9.2000, para. 9) – Mitgliedstaaten nehmen sich vor, die Achtung der rule of law auf der Ebene internationaler wie nationaler Angelegenheiten, insbesondere im Hinblick auf Frieden, Sicherheit und Abrüstung, zu stärken; Security Council Summit Declaration on Ensuring an Effective Role for the Security Council in the Maintenance of International Peace and Security, Particularly in Africa, Annex to UN-Dok. S/RES/1318 (2000) v. 7.9.2000 – Verbindung mit den Menschenrechten. 153
Satzung des Europarates v. 5.5.1949, BGBl. 1950-I, S. 263 – die rule of law ist Teil des gemeinsamen Erbes der Mitgliedstaaten (Art. 1), Ziel der Organisation (Art. 3) und Bedingung der Mitgliedschaft (Art. 8); Nordatlantikvertrag v. 4.4.1949, Präambel; s. auch die Präambel zum „Brüsseler Vertrag“ v. 17.3.1948 i. d. F. der „Pariser Verträge“ v. 23.10.1954, BGBl. 1955-II, S. 283; Art. 2 EU; Praämbel der Charter of the Organization of American States i. d. F. v. 1967, UNTS 119, S. 3, UNTS 721, S. 324; Präambel des Constitutive Act of the African Union v. 11.7.2000, OAU Dok. CAB/LEG/23.15; vgl. J. Delbrück, in: ders. (Hg.), Die Konstitution des Friedens als Rechtsordnung, 1996, S. 293 (295) – rule of law als den internationalen Organisationen inhärentes Rechtsprinzip; s.
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7. Kapitel
rungsgewalt hat sie seit dem Ende des Kalten Krieges auch auf regionaler Ebene Ausdruck gefunden.154 In der Entwicklungspolitik der Weltbank hat sich ein vielfältiges Verständnis der rule of law etabliert, das unter anderem die Aspekte eines institutionellen Rahmens für Entwicklung, der substantiellen Reform des Zivilrechts, der Justizreform, der Korruptionsbekämpfung und der integrativen Armutsbekämpfung umfasst.155 Einzelnen Elementen der rule of law kommt in verschiedenen Bereichen wie den Menschenrechten, der Entwicklungszusammenarbeit und der internationalen Sicherheit eine unterschiedliche Bedeutung zu.156
2. Wurzeln der rule of law Die rule of law hat in England, Nordamerika, Deutschland („Rechtsstaat“) und Frankreich („État de droit“) verschiedene Wurzeln, die allesamt europäisch sind.157 Die markanteste Unterscheidung ist zwischen der englischen Verfassungsidee von Parlamentssouveränität und rule of law einerseits und der kontinentaleuropäischen Rechtsstaatsidee andererseits zu treffen. Das von Albert Venn Dicey geprägte rechteorientierte Verständnis der rule of law in England zielt vor allem auf den Schutz des Individuums vor willkürlichem Missbrauch der Exekutivmacht und zur rule of law in internationalen Organisationen auch S. Chesterman, AJCL 56 (2008), S. 331 (350 ff.). 154 KSZE, Document of the Copenhagen Meeting of the Conference on the Human Dimensions of the CSCE v. 29.6.1990, ILM 29 (1990), S. 1305; KSZE, Charter of Paris and Supplementary Documents to give Effect to Certain Provisions of the Charter v. 21.11.1990, ILM 30 (1990), S. 190; Präambel Arab Charter on Human Rights, adopted by the League of Arab States, 15.9.1994, HRLJ 18 (1997), S. 151. 155
A. Santos, in: D. Trubek/ders. (Hg.), The New Law and Development, 2006, S. 253 (266 ff.) m. N., der vor allem die dabei auftretenden Widersprüche („‘hodge-podge’ conception of the rule of law“) kritisiert und diese Ambivalenzen als Grundlage für die Immunisierung gegen Kritik trotz enttäuschender Ergebnisse begreift. S. zu den Bedeutungen der rule of law in der Entwicklungszusammenarbeit auch R. Kleinfeld, in: T. Carothers (Hg.), Promoting the Rule of Law Abroad, 2006, S. 31 (34 ff.). 156
S. Chesterman, AJCL 56 (2008), S. 331 (343 ff.). S. auch die Nachweise im 1. Kapitel, Fn. 325. 157 Zu den Wurzeln der rule of law in der Antike und im Mittelalter s. B. Tamanaha, On the Rule of Law, 2004, S. 7 ff.
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ist durch strikte Legalität, Gleichheit vor dem Recht mit umfassender Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte und durch ihre Verwurzelung in der englischen Verfassungstradition gekennzeichnet.158 Die Gerichte sind als rechtsschöpfende Organe Hüter individueller Freiheit, der Schutz der „liberties of the English“ soll gerade durch die uneingeschränkte Parlamentssouveränität gewährleistet werden. Für die kontinentale Vorstellung vom Rechtsstaat sind dagegen Gewaltenteilung und Verfassungsbindung auch des Parlaments zentral.159 Die Unterschiede in den Traditionen und gegenwärtigen Ausprägungen der rule of law schließen es aber nicht aus,160 eine aussagekräftige synthetische Konzeption zu entwickeln.161 Der rechtsvergleichend ermittelte kleinste gemeinsame Nenner kann in der Bindung an Verfassung und Gesetz, in der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes durch unabhängige und unparteiliche Gerichte und im Recht auf ein faires Verfahren gesehen werden.162 Für die Gesetzesbindung ist als Mindeststandard international anerkannt, dass die Rechtsnormen allgemeingültig, dauerhaft, sprachlich bestimmt und auf zugängliche Weise veröffentlicht sein müssen und nicht rückwirkend Pflichten auferlegen dürfen.163 Der Unterschied zwischen Staaten und überstaatlicher Hoheits-
10
158 A. V. Dicey, Introduction to the study of the law of the constitution, 1965. 159
E. Santoro, in: P. Costa/D. Zolo (Hg.), The Rule of Law, 2007, S. 153 (insb. 160 ff.) m. N. 160
S. für eine Taxonomie mit den Kriterien institutionell – substantiell, instrumenell – intrinsisch: A. Santos, in: D. Trubek/ders. (Hg.), The New Law and Economic Development, 2006, S. 253 (256 ff.). 161 Für eine synthetische, „konstruktivistische Interpretation“ der rule of law, die auf den historischen „Erfahrungen“ in England, Nordamerika, Deutschland und Frankreich aufbaut und die Garantie individueller Rechte in den Mittelpunkt stellt, s. D. Zolo, in: P. Costa/ders. (Hg.), The Rule of Law, 2007, S. 3; B. Tamanaha, On the Rule of Law, 2004, S. 114 ff. betont die Elemente des government limited by law, formal legality und rule of law, not man. 162
D. Merten, ZÖR 58 (2003), S. 1 (15 ff.). Zur rule of law in China s. R. Heuser, ZaöRV 64 (2004), S. 723; W. Shu-Chen, in: P. Costa/D. Zolo (Hg.), The Rule of Law, 2007, S. 615; L. Feng, ibid., S. 633; W. Zhenmin/Li Zhenghui, ibid., S. 647; allgemein zur rule of law und „asiatischen Werten“ A. Ehr-Soon Tay, ibid., S. 565; zu Afrika C. Petit, ibid., S. 467; zur rule of law im Islam R. Bahlul, ibid., S. 515. 163 N. MacCormick, JZ 39 (1984), S. 65 (68); K. König, FS Quaritsch, 2000, S. 123 (135); D. Merten, ZÖR 58 (2003), S. 1 (18).
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gewalt ist danach kein prinzipieller. Entscheidend ist vielmehr, dass im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten die Frage nach der Einhaltung der Kompetenzen und des anwendbaren Rechts gestellt werden kann.164
3. Defizite der internationalen rule of law In der Literatur wird als Defizit einer internationalen rule of law vor allem festgestellt, dass die internationale Rechtsordnung einer übergreifenden politischen Autorität und Zwangsgewalt entbehrt.165 Das Recht als Grundlage der internationalen Beziehungen erodiert, wenn sich mächtige Staaten in Verfolgung einer „Realpolitik“ über das Recht hinwegsetzen.166 Unter dem Gesichtspunkt der Kohärenz und Konsistenz des Systems als Teil der rule of law ist auch die Fragmentierung des Völkerrechts mit einer „Proliferation“ von Institutionen und Gerichten problematisch.167 Für die Vereinten Nationen weisen die Entstehungsgeschichte der UNO-Charta, die vor dem Hintergrund des stärker der rule of law verpflichteten Völkerbundes zu verstehen ist, und die Formulierungen in Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 3 UNC auf einen Kompromisscharakter im Hinblick auf die rule of law hin. Der Sicherheitsrat ist vor allem als politisches Organ konzipiert,168 dessen Kompetenzen zu den anderen Organen nicht nach dem rechtsstaatlichen Gewaltenteilungsprinzip abgegrenzt sind und der zugleich legislativ, exekutiv und judikativ tätig wird.169 Aus konstitutioneller Sicht ist an den Befugnissen des Sicherheitsrates zum Schutz der Menschenrechte auch problematisch, dass es sich dabei eben um bloße Befugnisse und nicht um eine verpflichtende Aufgabe des Sicherheitsrates handelt.170 Auch wird der rechtsstaatlichen Forderung nach einer effektiven und praktisch kon-
164
J. Delbrück, in: ders., Die Konstitution des Friedens als Rechtsordnung, 1996, S. 293 (295). 165 A. Watts, GYIL 36 (1993), S. 15 (23); I. Brownlie, FS Wang Tieya, 1994, S. 91 (93); P. Kunig, GS Grabitz, 1995, S. 325 (326); ders., JURA 19 (1997), S. 337 (342). 166 167
B. Tamanaha, On the Rule of Law, 2004, S. 128. B. Tamanaha, On the Rule of Law, 2004, S. 132.
168
S. schon H. Kelsen, The Law of the United Nations, 1951, S. 294; M. Forteau, in: J. Cot/A. Pellet/ders., La Charte, Bd. 1, 32005, S. 111 (112 ff.). 169 170
Vgl. J. Salmon, RBDI 34 (2001), S. 549 (555 ff.). W. Kälin, recht Sonderheft (2005), S. 42 (48).
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trollierbaren Bindung politischer Organe an das Recht nicht entsprochen.171 Ein Ausdruck der rule of law lässt sich immerhin ansatzweise in den Kompetenzfestlegungen der Charta und der Verpflichtung auf die Ziele und Grundsätze der Organisation finden. Die Praxis der Vereinten Nationen scheint bis in die 1990er Jahre indes wenig der rule of law verpflichtet zu sein, wie etwa der flexible Umgang mit den Bestimmungen über das Abstimmungsverfahren im Sicherheitsrat gemäß Art. 27 UNC, die nur formale Einhaltung des Art. 19 UNC über das Stimmrecht bei Beitragsrückstand oder die Beteiligung insbesondere von Befreiungsorganisationen entgegen der in Art. 11 Abs. 2, 32 und 35 Abs. 1 UNC enthaltenen Beschränkung auf Nichtmitgliedstaaten zeigen.172 Das Verständnis der rule of law auf internationaler Ebene zielt vor allem auf die Verrechtlichung von Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten untereinander oder zwischen Mitgliedstaaten und einer internationalen Organisation173 und folgt damit einem schon mit dem Völkerbund verknüpften Verständnis. Auch die realistische Kritik, dass es utopisch sei, den Machtfaktor in den internationalen Beziehungen zu ignorieren, wurde schon in der Völkerbundzeit formuliert.174 Die rule of law steht im Gegensatz zur rule of power und ist anders als etwa das Rechtsstaatsprinzip des deutschen Grundgesetzes vor allem ein formales Prinzip. Als Beispiel für die Verwirklichung dieses Verständnisses von der Herrschaft des Rechts lässt sich vor allem der Streitschlichtungsmecha171
B. Martenczuk, Rechtsbindung und Rechtskontrolle, 1996, S. 145.
172
J. Delbrück, in: ders. (Hg.), Die Konstitution des Friedens als Rechtsordnung, 1996, S. 293 (296 ff.). 173
S. A. Watts, GYIL 36 (1993), S. 15. Repräsentativ für den interdisziplinären Forschungsansatz zur Verrechtlichung sind die Beiträge in einem von Judith Goldstein herausgegebenen Sonderband der Zeitschrift International Organization: „Legalization and World Politics“. Grundsätzlich wird daran kritisiert, dass ein politikwissenschaftlicher Rechtsbegriff in die Rechtstheorie übertragen werden soll. Das diene der normativen Verfestigung des politischen Realismus in der Tradition von Hans Morgenthau, des normativen Arguments vom Primat der Politik in von der Politik als politisch bestimmten Fällen. S. M. Koskenniemi, in: M. Byers (Hg.), The Role of Law in International Politics, 2001, S. 17 (29); vgl. A. Fischer-Lescano/P. Liste, ZIB 12 (2005), S. 209 (220); M. Finnemore/S. Toope, IO 55 (2001), S. 743 – u. a. Kritik am zu engen Rechtsbegriff. Zur Diskussion in Deutschland s. M. List/B. Zangl, in: G. Hellmann u. a. (Hg.), Die neuen Internationalen Beziehungen, 2003, S. 361. 174
S. 3. Kapitel, Fn. 145.
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7. Kapitel
nismus der WTO anführen, der sich von einem Forum flexibler diplomatischer Verhandlungen zu einer obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit mit einem ständigen, unabhängigen Streitschlichtungsorgan fortgebildet hat. Die Entscheidungen sind nicht mehr vom Konsens der Mitgliedstaaten abhängig, seit sie als angenommen gelten, solange die Vertragsparteien nicht einstimmig etwas anderes beschließen (Art. 16.4 DSU). Problematisch für die Akzeptanz der rule of law ist, dass sie teilweise synonym für Liberalismus und Kapitalismus steht oder als westliches Konzept gilt.175 Verrechtlichung allein ist auch nicht mit einer Konstitutionalisierung gleichzusetzen (s. 1. Kapitel A. II. 2.). Sie darf weder als tatsächlich wirksame Grundlage internationaler Beziehungen noch als legitimitätsstiftender Faktor überstrapaziert werden. Der formale Charakter der rule of law176 beschränkt auch ihre Bedeutung für die Legitimität des Völkerrechts, solange die Inhalte des Rechts selbst nicht auf andere Weise legitimiert sind. Die rule of law hat vor allem eine Komplementärfunktion. Einen eigenständigen Rechtfertigungszwang begründet demgegenüber insbesondere das Erfordernis der effektiven Rechtskontrolle, vor allem auch der Individualrechtsschutz.
III. Demokratie In Ansätzen ist auch das demokratische Paradigma zum Rechtsgestaltungskriterium im Völkerrecht geworden. Die Herausbildung völkerrechtlicher Maßstäbe für die Legitimität von Staatsgewalt ist eine Entwicklung in der Epoche der Vereinten Nationen, die seit Beginn der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts besondere Beachtung findet und zentrales Element der Konstitutionalisierungsthese ist.177 Wenn internationale Organisationen innerstaatliche Demokratie fordern und fördern, begründen sie damit mittelbar einen Rechtfertigungsbedarf
175
Vgl. B. Tamanaha, On the Rule of Law, 2004, S. 4 f., 32 ff., 73 ff., 136.
176
S. auch A. Watts, GYIL 36 (1993), S. 15 (41); zur Unterscheidung zwischen formalen und substantiellen Gehalten der rule of law s. B. Tamanaha, On the Rule of Law, 2004, S. 91 ff. 177
Auch zuvor war das Völkerrecht nicht vollends blind gegenüber der Legitimität von Staatsgewalt. Zur Verurteilung von Nazi-, faschistischen und neofaschistischen Regimen s. GV Res. 36/162 v. 16.12.1981; für Südafrika s. etwa GV Res. 38/99 v. 16.12.1983.
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hinsichtlich ihrer eigenen Strukturen, soweit die Auswirkungen ihrer Entscheidungen auf Gesellschaften und Individuen von vergleichbarer Relevanz sind. Dabei ist das Völkerrecht selbst nicht unbedingt demokratisch. Es geht davon aus, dass die Exekutive umfassende auswärtige Gewalt hat (Art. 7 Abs. 1 lit. a WVK). Innerstaatliches Recht bietet auch dann, wenn es demokratisch legitimiert ist, keine Rechtfertigung für die Nichterfüllung von Verträgen (Art. 27 WVK). Ein Staat kann sich auch nicht darauf berufen, dass die Zustimmung zu einem Vertrag seinem innerstaatlichen Recht, einschließlich des Verfassungsrechts widerspricht (Art. 46 WVK).178 Grenzveränderungen zur Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts sind nach dem gegenwärtigen Stand des Völkerrechts aus Gründen der Stabilität nur sehr schwierig herbeizuführen.179 Auch das Völkergewohnheitsrecht und das ius cogens sind in ihrer Bildung nur sehr mittelbar auf Selbstbestimmungsakte zurückzuführen. Ein völkerrechtliches Demokratieprinzip lässt sich aber sowohl auf das Menschenrecht auf politische Teilhabe und das Selbstbestimmungsrecht (1.) als auch auf die internationale Praxis von Resolutionen zur Demokratie, der Wahlbeobachtung, der für die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen aufgestellten Bedingungen, der von internationalen Organisationen geleisteten ‚Verfassungshilfe‘ und der Demokratiekonditionalität im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit (2.) stützen.
1. Menschenrecht auf politische Teilhabe und Selbstbestimmungsrecht als Anknüpfungspunkte für ein Demokratieprinzip im Völkerrecht Die UNO-Charta setzt eine demokratische Ordnung der Staaten nicht voraus.180 Da die Charta dort, wo sie Menschenrechte und Grundfreiheiten erwähnt (Art. 1 Nr. 3, 55 lit. c UNC), keine Menschenrechte spezifiziert, formuliert sie auch nicht explizit bürgerliche und politische Rechte. Die Vereinten Nationen wurden nicht als ‚demokratischer 178
Zu einer verfassungsfreundlichen Auslegung in dubio mitius vor allem bilateraler Abkommen im europäischen Raum s. S. Kadelbach/U. Guntermann, AöR 126 (2001), S. 563 (583 ff.). 179 180
J. Crawford, BYBIL 64 (1993), S. 113 (117 ff.).
Das Ansinnen, eine entsprechende Erklärung aufzunehmen, ist gescheitert, s. Report of Rapporteur of Committee I/1 to Commission I, June 13, 1945, in: United States Department of State (Hg.), The United Nations Conference on International Organization: Selected Documents, 1946, S. 490 (493).
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7. Kapitel
Club‘ konzipiert, sondern sollten dem Bedürfnis nach einem globalen Forum als Grundlage des Dialoges zwischen verschiedenen politischen und wirtschaftlichen Systemen, zwischen verschiedenen Kulturen und Religionen entsprechen. Die demokratische Zielsetzung klingt aber bei einem entsprechend weiterentwickelten Verständnis der jeweiligen Konzepte in mehreren Bestimmungen an, insbesondere im Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker (Art. 1 Abs. 2, Art. 55 UNC) und den verschiedenen Bestimmungen, die die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten ohne Diskriminierung fordern (Art. 1 Abs. 3, Art. 13 Abs. 1, Art. 76 lit. c UNC).
a) Menschenrecht auf politische Teilhabe Einen deutlicheren Ausdruck findet das Erfordernis demokratischer Legitimation von Staatsgewalt in den universellen, im Rahmen der Vereinten Nationen entstandenen, und den regionalen Menschenrechtspakten.181 Die wichtigsten Menschenrechtsverträge enthalten ein Bürgerrecht auf Beteiligung am politischen Leben. Zu nennen sind hier insbesondere Art. 25 IPbpR,182 Art. 3 ZP 1 EMRK183 und Art. 23 ACHR,184 die in diesem Zusammenhang auch ein Recht auf freie Wahlen nennen. Zurückhaltender ist Art. 13 AChPR,185 der das Wahlrecht nicht ausdrücklich nennt. Jedenfalls nach dem Ende des Kalten Krieges besteht auch kein ernsthafter Zweifel mehr daran, dass ein Einparteiensystem
181
S. zur Legitimität von Staatsgewalt, insbesondere mit Blick auf die prodemokratische Intervention, auch B. Roth, Governmental Illegitimacy in International Law, 1999. 182
UNTS 999, S. 171. für das Menschenrecht auf politische Beteiligung als Recht programmatischen Charakters dagegen noch H. Steiner, HRYB 1 (1988), S. 77. 183
Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten v. 20.3.1952, BGBl. 2002-II, S. 1072, cf. Art. 16 EMRK. 184
American Convention on Human Rights v. 22.11.1969, UNTS 1144, S.
123. 185
African Charter on Human and Peoples’ Rights v. 26.6.1981, ILM 21 (1982), S. 58: “the right to participate freely in the government of his country, either directly or through freely chosen representatives in accordance with the provisions of the law”.
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eine willkürliche Beschränkung des Rechts auf Teilnahme an öffentlichen Angelegenheiten darstellt.186 Ein effektives Wahlrecht setzt voraus, dass die informierte und freie Entscheidung der Wähler institutionell abgesichert und ein Bündel von Rechten gewährleistet ist. Daher besteht ein innerer Zusammenhang des Wahlrechts mit der Informationsfreiheit187 sowie der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit.188 Der Zusammenhang zwischen Menschenrechten und Demokratie wird aber auch darin deutlich, dass bestimmte Gewährleistungen Einschränkungen unterworfen sind, die in einer demokratischen Gesellschaft aus bestimmten Gründen notwendig sind (Art. 29 AEMR, Art. 14 Abs. 1, 21, 22 IPbpR, nicht aber Art. 19 IPbpR). Das deshalb durchaus voraussetzungsvolle Recht auf regelmäßige freie Wahlen dürfte noch nicht den Status universellen Völkergewohnheitsrechts erlangt haben.189
b) Interner Aspekt des Selbstbestimmungsrechts Anforderungen an eine demokratische Regierungsform lassen sich aber auch dem Selbstbestimmungsrecht der Völker entnehmen.190 Zum Selbstbestimmungsrecht findet sich eine gleichlautende Formulierung in Art. 1 IPbpR, in Art. 2 Vienna Declaration and Programme of Ac-
186
HRC, General Comment 25, UN-Dok. CCPR/C/21/Rev.1/Add.7, para. 17; HRC Bwalya v. Zambia, No. 314/1988, CCPR/C/48/D/314/1988, 48th Sess., 27.7.1993, para. 6.6. 187
HRC Gauthier v. Canada, No. 633/1995, para. 13.4.
188
HRC, General Comment 25, para. 25 f., vgl. Art. 19, 21, 22 IPbpR; vgl. J. Wouters/B. De Meester/C. Ryngaert, NYIL 34 (2003), S. 137 (156). 189
D. Schindler, FS Seidl-Hohenveldern, 1998, S. 611 (622); M. Zambelli, AJP/PJA 10 (2001), S. 667; D. Richter, in: R. Grote/T. Marauhn (Hg.), EMRK/GG, 2006, Kap. 25 para. 4; C. Pippan, in: E. Riefler (Hg.), Popper und die Menschenrechte, 2007, S. 119 (145 ff.); a. A. M. Reisman, AJIL 84 (1990), S. 866 (867) – gewohnheitsrechtlicher Status von Art. 21 AEMR; C. Cerna, NYU JILP 27 (1995), S. 289 (291); s. auch N. Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip, 2009, S. 91 ff. – kein striktes Menschenrecht auf Demokratie im ungeschriebenen Völkerrecht, aber Legitimitätsprinzip als allgemeiner Rechtsgrundsatz; s. auch IGH Nicaragua, ICJ Rep. 1986, S. 14 (131), para. 258 f. 190
P. Thornberry, ICLQ 38 (1989), S. 871; ders., in: C. Tomuschat (Hg.), Modern Law of Self-Determination, 1993, S. 101; J. Crawford, BYBIL 64 (1993), S. 113 (116).
554
7. Kapitel
tion191 und in der Friendly Relations-Deklaration192 sowie in Art. 20 AChPR und im Grundsatz VIII der Schlussakte von Helsinki.193 Sie lautet: “All peoples have the right of self-determination. By virtue of that right they freely determine their political status and freely pursue their economic, social and cultural development.” In seiner internen Dimension betrifft das Selbstbestimmungsrecht das Verhältnis zwischen der Bevölkerung und ihrer Regierung.194 Es handelt sich um ein fortbestehendes Recht, das nicht ein für alle Male ausgeübt werden kann. Das kommt im präsentischen Wortlaut „all peoples have the right“ zum Ausdruck, der in einer ursprünglichen Textfassung noch „all peoples shall have the right“ lautete.195 Es gewährleistet jedenfalls die Wahl einer Verfassung und verlangt die mehrheitliche Billigung der Regierungsform, aber auch die Möglichkeit einer Verfassungsänderung sowie Schutz vor Tyrannei und Unterdrückung. Eine einmal ge-
191
Vienna Declaration and Programme of Action of the World Conference on Human Rights, UN-Dok. A/CONF.157/23 v. 25.6.1993. 192 Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Cooperation among states in Accordance with the Charter of the United Nations, GV Res. 2625 (XXV) v. 24.10.1970, 5. Grundsatz. Zur Entwicklung des Selbstbestimmungsrechts, das zunächst mit dem Dekolonisierungsprozess verknüpft war, s. D. Thürer, Das Selbstbestimmungsrecht der Völker, 1976, S. 15 ff.; D. Brühl-Moser, FS Wildhaber, 2007, S. 969 (972 ff.). 193
Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) v. 1.8.1975, ILM 14 (1975), S. 1292. 194
D. Thürer, Das Selbstbestimmungsrecht der Völker, 1976, S. 47 ff.; A. Cassese, in: L. Henkin (Hg.), The International Bill of Rights, 1981, S. 92 (99); D. Brühl-Moser, FS Wildhaber, 2007, S. 969 (975). S. zum äußeren und inneren Selbstbestimmungsrecht als Teil des Völkergewohnheitsrechts A. Cassese, Selfdetermination of Peoples, 1995, S. 67 ff. 195
Die Formulierungsänderung erfolgte in der Working Party in the 3rd Committee of the GA, s. A/C.3/SR.668; E. Schwelb, Some aspects of the International Covenant on Human Rights of December 1966, in: A. Eide/A. Schou (Hg.), International Protection of Human Rights, 1968, S. 103 (111); A. Cassese, The Self-Determination of Peoples, in: L. Henkin (Hg.), The International Bill of Rights, 1987, S. 98; M. Nowak, CCPR Commentary, 2005, Art. 1 CCPR para. 18; C. Pippan, in: E. Riefler (Hg.), Popper und die Menschenrechte, 2007, S. 119 (132).
Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt
555
wählte Regierung darf daher auch kein gewaltsames oder autoritäres Regime sein.196 Streitig ist, ob das Selbstbestimmungsrecht darüber hinaus der Bevölkerung das Recht gewährt, über die Regierungsführung, insbesondere durch freie Wahlen und Referenden, zu bestimmen.197 Es wäre dann zugleich Abwehrrecht gegen den eigenen Staat, das Völker und Gruppen in ihrer Identität schützt, und Recht auf Teilhabe an politischen Entscheidungen.198 Dafür lässt sich anführen, dass die Feststellung des genuinen Wunsches der Bevölkerung Voraussetzung auch für den externen Aspekt des Selbstbestimmungsrechts ist, freie Wahlen also vorausgesetzt werden.199 Betont wird auch der systematische Zusammenhang zwischen Selbstbestimmungsrecht, Menschenrechten und Demokratie.200 Dieser innere Zusammenhang allein lässt aber nicht auf eine Verschmelzung der selbständigen Gewährleistungsgehalte schließen.201 Gegen ein solches Verständnis wird auch eingewandt, dass es kaum als allgemein akzeptiert angesehen werden könne.202 Die jährlichen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen unter dem Titel „Universal realization of the right of peoples to self-determination“ beziehen sich stets auf das externe Selbstbestimmungsrecht,203 während
196
Vgl. S. Wheatley, ICLQ 51 (2002), S. 225 (230); M. Nowak, CCPR Commentary, 22005, Art. 1 CCPR para. 34; N. Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip, 2009, S. 87 ff. 197
F. Capotorti, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Structure and Process, 1983, S. 977 (990); A. Rosas, in: C. Tomuschat (Hg.), Self-Determination, 1993, S. 225 (249); U. Fink, JZ 53 (1998), S. 330 (338); S. Wheatley, ICLQ 51 (2002), S. 225 (230 f.). 198 J. Salmon, VN 1993, S. 14; D. Brühl-Moser, FS Wildhaber, 2007, S. 969 (975); vgl. auch HRC, General Comment 12, para. 4, 6 sowie die von einem entsprechenden Verständnis zeugenden Umsetzungsberichte der Staaten; zit. bei S. Wheatley, ICLQ 51 (2002), S. 225 (231 f.); C. Pippan, in: E. Riefler (Hg.), Popper und die Menschenrechte, 2007, S. 119 (132). 199
A. Rosas, in: C. Tomuschat (Hg.), Self-Determination, 1993, S. 225 (239); IGH Western Sahara, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1975, S. 12 (32), para. 55. 200
T. Franck, AJIL 86 (1992), S. 46 (79 f.); J. Salmon, in: C. Tomuschat (Hg.), Self-Determination, 1993, S. 253 (267); P. Thornberry, ibid., S. 101 (134 ff.). 201
N. Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip, 2009, S. 86 f.
202
C. Tomuschat, in: A. Rosas/J. Helgesen (Hg.), The Strength of Diversity, 1992, S. 27 (39 f.). 203
S. zuletzt GV Res. 64/149 v. 18.12.2009 (ohne Abstimmung).
556
7. Kapitel
die sogenannten enhancing-Resolutionen zum Wahlrecht nicht auf das Selbstbestimmungsrecht Bezug nehmen.204 Die binnengerichtete Wirkung des Selbstbestimmungsrechts ist daher wohl begrenzt. Gleichwohl ist die Einwirkung internationaler Organisationen in den innerstaatlichen Bereich gerade unter dem Gesichtspunkt der Selbstbestimmung problematisch. Dort, wo die innerstaatlichen Verhältnisse Ausdruck interner Selbstbestimmung sind, muss auch die externe Einflussnahme als Ausdruck von Selbstbestimmung, und zwar als Selbstbestimmung des größeren Kollektivs der Mitglieder der betreffenden Organisation, gerechtfertigt werden.
2. Normative Bedeutung der internationalen Praxis Möglicherweise lassen sich konkretisierende Standards der internationalen Praxis entnehmen, die sich auf der Grundlage der erörterten Verträge entwickelt hat. Zu den dafür relevanten Elementen der Praxis internationaler Organisationen gehören die zahlreichen Resolutionen zur Demokratie (a)), die internationale Wahlbeobachtung (b)), die Demokratie als Mitgliedschaftsvoraussetzung in internationalen Organisationen (c)), die Verfassungshilfe (d)) und die Demokratiekonditionalität im Rahmen der Entwicklungskooperation (e)).
a) Resolutionen zur Demokratie Aufschluss über ein in den Vereinten Nationen geteiltes Demokratieverständnis könnten zunächst die zahlreichen Resolutionen geben, die ein Recht auf Wahlen proklamieren oder sich direkt auf die Demokratie beziehen.205 Das erste grundlegende Dokument ist in diesem Zusammenhang die Erklärung der Weltmenschenrechtskonferenz von Wien,206 204
S. zuletzt GV Res. 64/155 v. 18.12.2009 (ohne Abstimmung).
205
Ausführlich dazu Y. Beigbeder, International Monitoring, 1994, S. 100 ff. sowie N. Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip, 2009, S. 94 ff. S. auch die Zusammenstellungen bei C. Tomuschat, RdC 281 (1999), S. 1 (67); N. Petersen, Stichwort „Elections, Right to Participate in, International Protection“, in: MPEPIL, http://www.mpepil.com, para. 16 f.; J. Wouters/B. De Meester/C. Ryngaert, NYIL 34 (2003), S. 137 (144 ff.). 206
Wiener Erklärung der UN-Menschenrechtskonferenz von 1993 Vienna Declaration and Programme of Action, UN-Dok. A/CONF.157/23 v. 12.7.1993, ILM 32 (1993), S. 1661, sub. I.8.
Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt
557
die aber keine rechtliche Verpflichtung zur Demokratisierung formuliert207 oder den Inhalt des Demokratieprinzips konkretisiert. Die wahlbezogenen Resolutionen208 unterstreichen die Vorzüge freier und regelmäßiger Wahlen und thematisieren die Unterstützung, welche die UNO-Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Wahlen auf Anfrage leisten. Dagegen erwähnen sie den Begriff der Demokratie im Allgemeinen nicht, geben also auch keinen Aufschluss über ein von den unterstützenden Staaten geteiltes Demokratieverständnis. Die demokratiebezogenen Resolutionen der Generalversammlung beziehen sich im Wesentlichen auf die Unterstützung der Vereinten Nationen im Demokratisierungsprozess.209 Am weitesten reicht die Resolution 55/96.210 Sie benennt sechs Faktoren, die zur Stärkung der Demokratie beitragen 207
B. Bauer, Der völkerrechtliche Anspruch auf Demokratie, 1998, S. 238 f.; N. Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip, 2009, S. 101 f. 208
GV Res. 43/157 v. 8.12.1988 (ohne Abstimmung); GV Res 44/146 v. 15.11.1989 (ohne Abstimmung) – Auslassung von „distinct alternatives“; GV Res. 44/147 v. 15.11.1989 (Abstimmung 113-23-11) – “Respect for the principles of national sovereignty and non-interference in the internal affairs of States in their electoral processes”; GV Res. 45/150 v. 18.12.1990 (129-8-9) – Bestätigung der Bedeutung von UN-Unterstützung bei der Durchführung von Wahlen unter Wahrung der Souveränität; GV Res. 45/151 v. 18.12.1990 (111-29-11) – souveränitätsbezogene Gegenresolution zu Res. 45/150; GV Res. 45/199 v. 21.12.1990 „International Development Strategy for the Fourth UN Development Decade“ (ohne Abstimmung) – politische Freiheiten, Beachtung der Menschenrechte; GV Res. 46/143 v. 17.12.1991 „Developing human resources for development“ (ohne Abstimmung) – politische Freiheiten, Teilhabe der Bevölkerung, Beachtung der Menschenrechte; GV Res. 46/137 v. 17.12.1991 (134-413) – Bestätigung der Bedeutung von UN-Unterstützung bei der Durchführung von Wahlen unter Wahrung der Souveränität, aber Betonung des Ausnahmecharakters, Schaffung eines „focal point“ zur Wahlbeobachtung im Generalsekretariat; GV Res. 46/130 v. 17.12.1991 (102-40-13) – Gegenresolution; GV Res. 47/138 v. 18.12.1992 (141-0-20); GV Res. 47/130 v. 18.12.1992 (99-45-16) – Gegenresolution; GV Res. 48/131 v. 20.12.1993 (153-0-13); GV Res. 49/190 v. 23.12.1994 (155-1-12); GV Res. 50/185 v. 22.12.1995 (156-0-15); GV Res. 52/129 v. 12.12.1997 (157-0-15); GV Res. 54/173 v. 17.12.1999 (153-0-11); GV Res. 56/159 v. 19.12.2001 (162-0-8); GV Res. 58/180 v. 22.12.2003; GV Res. 60/162 v. 16.12.2005 (173-0-1); GV Res. 60/164 v. 16.12.2005 (110-6-61); GV Res. 62/150 v. 18.12.2007 (182-0-2); GV. Res. 64/155 v. 18.12.2009. 209
S. GV Res. 51/31 v. 6.12.1996, 53/31 v. 23.11.1998; 61/226 v. 22.12.2006 – alle betitelt: „Support by the United Nations system of the efforts of Governments to promote and consolidate new or restored democracies“. 210
GV Res. 55/96 v. 4.12.2000, para. 1.
558
7. Kapitel
sollen: Schutz der Menschenrechte, rule of law, freie und faire Wahlen, Beteiligung der Zivilgesellschaft am Willensbildungsprozess, nachhaltige Entwicklung und good governance. Die Millennium Declaration betont den Zusammenhang zwischen Freiheit und demokratischen Teilhaberechten und enthält in Abschnitt V Absichtserklärungen, die Demokratie zu fördern und die Kapazität der UN-Mitgliedstaaten zur Demokratisierung zu stärken.211 Im Schlussdokument des Reformgipfels der Vereinten Nationen vom Juni 2005 wird die Demokratie als universeller Wert eingeordnet, der aber nach mehreren Modellen zu verwirklichen sei.212 Auch die Menschenrechtskommission hat sich mit der Förderung des Rechts auf Demokratie bzw. der Förderung und Konsolidierung der Demokratie befasst.213 In diesem Zusammenhang stehen auch die Resolutionen, die die Stärkung der Teilhabe der Bevölkerung, Billigkeit, soziale Gerechtigkeit und Nichtdiskriminierung als wesentliche Grundlagen der Demokratie einordnen.214 Die Menschenrechtskommission hat demokratische Anforderungen aber auch unmittelbar auf die internationale Ordnung projiziert. In den betreffenden Resolutionen heißt es, dass zu einer demokratischen und gerechten internationalen Ordnung auch transparente, demokratische, gerechte und verantwortliche internationale Institutionen in allen Bereichen der Zusammenarbeit gehörten, insbesondere in Umsetzung der Grundsätze voller und gleicher Beteiligung in den betreffenden Entscheidungsmechanismen.215 Offen bleibt dabei gerade, welche die Maßstäbe für eine volle und gleiche Beteiligung sind, und insbesondere, ob sie auf die souveräne Gleichheit der Staaten oder die Repräsentation der Bevölkerungen zielen.
211 GV Res. 55/2 v. 8.9.2000, United Nations Millennium Declaration, para. 6, 24 f. 212
2005 World Summit Outcome, GV Res. 60/1 v. 16.9.2005, para. 135.
213
Commission on Human Rights resolutions 1999/57, 2000/47, 2001/41, 2002/46. 214 215
Commission on Human Rights resolutions 2002/34, 2003/35.
Commission on Human Rights resolutions 2000/62, 2001/65, para. 3 lit. (g), 2002/72, para. 4 lit. (g) und 2003/63, para. 4 lit. (g) – alle betitelt: „Promotion of a democratic and equitable international order“.
Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt
559
b) Wahlbeobachtung Möglicherweise lässt sich ein international geteiltes Verständnis von den Anforderungen an eine demokratische Regierungsführung der Praxis internationaler Wahlbeobachtung entnehmen. Weder die Vereinten Nationen noch eine andere internationale Organisation haben nach ihrem Gründungsvertrag einen Auftrag zur Wahlbeobachtung. Wenn sie dennoch Standards für die Begründung von Staatsgewalt voraussetzen und dies durch Wahlbeobachtungsmissionen dokumentieren, dann begründet dies für sie selbst einen Rechtfertigungsbedarf jedenfalls dort, wo sich ihre Hoheitsgewalt so sehr verdichtet hat, dass sie in ihren Wirkungen der Staatsgewalt gleichkommt. Wahlbeobachtungen werden heute von den Vereinten Nationen, aber auch von Regionalorganisationen und Nichtregierungsorganisationen durchgeführt.216 Aus der Analyse der Wahlbeobachtungsmissionen der Vereinten Nationen lassen sich Elemente eines Standards für demokratische Wahlen, wenn auch kein universell gültiges Modell für den Wahlprozess ableiten. Danach muss die Möglichkeit zum Aufbau von und zur Beteiligung in politischen Parteien bestehen. Soweit eine öffentliche Kontrolle der Medien existiert, muss gewährleistet sein, dass die politischen Parteien die Gelegenheit haben, ihre Positionen in den Medien zu vermitteln. Die Wahl muss von einem unabhängigen Rat oder einer unabhängigen Kommission überwacht werden. Bei allen Abweichungen im Detail lässt sich bei der Durchführung international beobachteter Wahlen ein hohes Maß an Kongruenz im Hinblick auf den normativen Gehalt freier und fairer Wahlen feststellen.217 Jedoch finden Wahlbeobachtungen häufig in den turbulenten Umständen einer Umwälzungssituation statt, in der von einer funktionierenden Demokratie als allge-
216
J. Crawford, BYBIL 64 (1993), S. 113 (123). Zu den wahlbezogenen Aktivitäten von UN, OAS, OSZE, Europarat, EU und Commonwealth s. auch Y. Beigbeder, International Monitoring, 1994, S. 119 ff.; zu NGOs s. D. Stoelting, Stan. JIL 28 (1992), S. 371 (422 f.); Y. Beigbeder, International Monitoring, 1994, S. 270 ff. Die European Commission for Democracy through Law („Venice Commission“) hat einen Code of Good Practice in Electoral Matters entwickelt, vgl. J. Wouters/B. De Meester/C. Ryngaert, NYIL 34 (2003), S. 137 (148 ff.). Auch das Commonwealth Secretariat hat bei Wahlbeobachtungen und der Vorbereitung von Wahlen in unabhängigen Staaten des Commonwealth eine aktive Rolle gespielt, s. J. Crawford, BYBIL 64 (1993), S. 113 (124) m. N. Fn. 48. 217
M. Reisman, Pace YBIL 4 (1992), S. 1 (6 f.).
560
7. Kapitel
meiner Rahmen für die Wahlen gerade nicht die Rede sein kann.218 Maßstäbe für ein völkerrechtliches Demokratieprinzip werden durch die Praxis der Wahlbeobachtung daher kaum begründet.
c) Bedingung der Mitgliedschaft in Organisationen Wird die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen durch Struktursicherungsklauseln an die Einhaltung innerstaatlicher demokratischer Standards geknüpft, so erhöht sich dadurch die Legitimität der kollektiven Entscheidungsprozesse.219 Die Präambel des Nordatlantikvertrages220 bezieht sich unter anderem auf dem Grundsatz der Demokratie. Art. 3 der Satzung des Europarates221 legt zusammen mit der Präambel das Demokratieprinzip als Mitgliedschaftsvoraussetzung fest. Für die EU gehört die Demokratie nach Art. 49 Abs. 1, 2 EU zu den Beitrittsvoraussetzungen.222 Die Mitglieder der OAS sind nach der Präambel und Art. 3 der Satzung auf die Demokratie verpflichtet.223 Nach Art. 9 können bestimmte Mitgliedschaftsrechte suspendiert werden, wenn eine demokratisch gewählte Regierung gestürzt worden ist. Der Gründungsvertrag der Afrikanischen Union führt in Art. 3 lit. g und 4 lit. m die Förderung bzw. Beachtung demokratischer Prinzipien und 218 219 220 221 222
M. Reisman, Pace YBIL 4 (1992), S. 1 (8 f.). K. Sommermann, FS Tomuschat, 2006, S. 1051 (1057 ff.). Nordatlantikvertrag v. 4.4.1949, BGBl. 1955-II, S. 289/293. Satzung des Europarates v. 5.5.1949, BGBl. 1950-I, S. 263. S. zu NATO, Europarat und EU A. Duxbury, Nordic JIL 73 (2004), S.
421. 223
Charter of the Organization of American States v. 30.4.1948, konsolidierte Fassung, ILM 33 (1994), S. 981. S. auch OAS General Assembly Resolution 1080: „Santiago Commitment to Democracy and the Renewal of the InterAmerican System“, AG/RES.1080 (XXI-0/91) v. 5.6.1991, para. 1. Die Quebec Declaration v. 22.4.2002, para. 5 (Declaration of Quebec City, http://www. summit-americas.org/iii_summit.html, geprüft am 18.5.2010) sieht vor, dass jede nicht verfassungskonforme Änderung oder Störung der demokratischen Ordnung ein unüberwindbares Hindernis für die Teilnahme der Regierung am „Summit of the Americas process“ darstelle. Art. 21 der Inter-American Democratic Charter sieht die Möglichkeit einer Aussetzung des Mitwirkungsrechts in der OAS für den Fall nicht verfassungskonformer Änderungen oder Störungen der demokratischen Ordnung vor (Inter-American Democratic Charter v. 11.9.2001, OAS GA, OEA/ser.P/AG/Res. 1 (XXVIII-E/01), draft OAS GA res 1838, ILM 40 (2001), S. 1289).
Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt
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Institutionen als Ziel und Grundprinzip der AU an.224 Art. 30 enthält einen Mechanismus zum Schutz vor gewaltsamen Regierungsumstürzen. Nach Art. 4 lit. h und j ECOWAS-Vertrag gehören die Beteiligung an der Regierungsführung und die Förderung der demokratischen Staatsform zu den fundamentalen Grundsätzen der ECOWAS.225 Die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen ist dagegen nicht abhängig vom demokratischen Charakter der Staatsgewalt. Gemäß Art. 4 Abs. 2 UNC wird ein Staat auf Empfehlung des Sicherheitsrates durch Beschluss der Generalversammlung in die Vereinten Nationen aufgenommen. Nach einem Gutachten des IGH sind die in Art. 4 Abs. 1 UNC genannten Aufnahmekriterien der Staatlichkeit, des friedliebenden Charakters, der Übernahme der Verpflichtungen aus der Charta, der Fähigkeit zur Erfüllung dieser Verpflichtungen und der Wille dazu, abschließend.226 Ein völkerrechtliches Demokratieprinzip muss daher, soweit es sich auf die Bedingungen der Mitgliedschaft in Organisationen stützt, vor allem an die Gemeinsamkeiten regionaler Standards anknüpfen.
d) Verfassungshilfe Die im 1. Kapitel als Konstitutionalisierungsphänomen eingeordnete Verfassungshilfe, die die internationale Gemeinschaft vor allem in PostKonflikt-Situationen leistet, könnte ebenfalls Rückschlüsse auf ein in 224
Constitutive Act of the African Union v. 11.7.2000, UNTS 2158, S. 3.
225
Treaty of ECOWAS v. 24.7.1993, ILM 35 (1996), S. 660. S. auch Art. 58 Abs. 2 lit. g zur Unterstützung auf Anfrage bei der Abhaltung freier Wahlen. S. zu den Regionalorganisationen auch J. Wouters/B. De Meester/C. Ryngaert, NYIL 34 (2003), S. 137 (159 ff.); N. Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip, 2009, S. 107 ff. 226
IGH Admission to the United Nations, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1948, S. 57 (62, 65). Zur Zuständigkeit von Sicherheitsrat und Generalversammlung s. IGH Competence of Assembly, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1950, S. 4 (10). Die Anträge von Bulgarien, Ungarn und Rumänien auf UN-Mitgliedschaft wurden vom Westen unter anderem deswegen blockiert, weil diese Staaten ihre Verpflichtungen aus den Friedensverträgen hinsichtlich der Menschenrechte und der Grundfreiheiten nicht erfüllt hatten und ein Gutachten des IGH zur Errichtung eines Tribunals nach den Verträgen zur Streitbeilegung in Fällen von Menschenrechtsverletzungen ignorierten, IGH Interpretation of Peace Treaties, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1950, S. 65. Vgl. J. Dugard, Recognition and the United Nations, 1987, S. 58.
562
7. Kapitel
den Vereinten Nationen geteiltes Verständnis von demokratischer Regierungsführung erlauben. Von den Vereinten Nationen unterstützte Maßnahmen der Verfassungshilfe und des regime building etwa in Libanon, Afghanistan, Burundi oder der Demokratischen Republik Kongo sowie der internationalen Gebietsverwaltung wie in Bosnien-Herzegowina zielten darauf, demokratische Regierungsstrukturen zu etablieren.227 Obgleich die demokratische Regierungsform, wie ausgeführt, kein formelles Aufnahmekriterium für die Vereinten Nationen ist, haben die international überwachten Prozesse der Staatenbildung in Osttimor oder Montenegro doch sichergestellt, dass diese Staaten demokratisch waren.228 Aber auch hier gilt, dass aufgrund der Außnahmesituation, an die Prozesse des regime building anknüpfen, und den jeweils sehr speziellen verfassungsrechtlichen Regelungen, die internationale Dokumente vorsehen, Verallgemeinerungen und Rückwirkungen auf eine konkrete Normen zu demokratischer Regierungsführung, die sich auch auf internationale Organisationen beziehen, gering sind.
e) Demokratiekonditionalität im Rahmen der Entwicklungskooperation Im Rahmen der Entwicklungskooperation macht die EU Menschenrechts- und Demokratiestandards zur Grundlage der Zusammenarbeit.229 Sie sind mit der Vertragssuspendierung (vgl. Art. 60 WVK) sanktioniert. Für einen universellen Maßstab relevanter sind die good governance-Auflagen der Weltbank. Nach Art. III Abschn. 5 lit. b, Art. IV Abschn. 10 des Weltbank-Abkommens230 hat die Bank aber politische oder andere nicht wirtschaftliche Momente oder Überlegungen außer Acht zu lassen. Daher soll trotz der engen Verknüpfung von ökonomischen und politischen Strukturen bei Fragen der good governance die jeweilige Regierungsform für sich genommen ausdrücklich kein Gesichtspunkt sein, der für die good governance-Konditionalität 227
J. d’Aspremont, L’Etat non démocratique en droit international, 2008, S. 75 ff. m. N. 228
A. Peters, in: J. Klabbers/dies./G. Ulfstein, The Constitutionalization of International Law, 2009, S. 263 (276). 229 230
S. die Nachweise im 1. Kapitel, Fn. 325.
Abkommen über die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank) v. 1./22.7.1944, UNTS 2, S. 134; UNTS 606, S. 294; BGBl. 1952-II, S. 664.
Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt
563
entscheidend ist.231 Wegen ihres engen Bezugs auf die wirtschaftliche Entwicklung ist eine Rückwirkung der Standards auf die Organisation selbst begrenzt.
3. Zwischenfazit Die Verwirklichung demokratischer Standards der Staatsgewalt wirkt sich, sofern sie eine weit verstandene auswärtige Gewalt einschließt, positiv auf die durch die staatliche Ebene vermittelte Legitimität des Völkerrechts aus. Aus den Anforderungen, die das Völkerrecht an die staatliche Ordnung stellt, ergeben sich aber kaum konkrete Rückwirkungen für die der Völkerrechtsordnung selbst inhärenten Legitimitätsstandards.232 Im Zentrum der Anforderungen stehen freie und regelmäßige Wahlen und der Schutz der gesellschaftlichen Prozesse, in denen die für eine Demokratie als Entscheidungsgrundlage notwendige Meinungsbildung stattfindet.233 Wahlen sind als Legitimitätsmoment für universelle und sektoral fragmentierte internationale Organisationen aber nur schwer zu realisieren. Eher anzusetzen wäre bei einer entstehenden globalen Zivilgesellschaft. Demokratie in einem weiten Sinne als kollektive Selbsterledigung eigener Angelegenheiten, als Legitimation von Machtausübung durch die von ihr Betroffenen, als Teilhabe an zu treffenden Entscheidungen,234 kurzum ein menschenrechtliches Verständnis als Selbstbestimmung Gleicher235 ist zur Vermeidung tiefgreifender Widersprüche ein Desiderat, das sich an die Völkerrechtsordnung richtet. Vor diesem Hintergrund erweist sich möglicherweise ein Gedanke als zielführend, der jüngst für die demokratische Legitimation der Staatsgewalt im Völkerrecht herausgearbeitet wurde. Die Demokratie ist danach ein von allen Völkern und Nationen zu erreichendes gemeinsames 231
I. F. Shihata, World Bank Legal Papers, 2000, S. 245 (270 f.).
232
S. allerdings für eine entsprechend weite Auslegung des in Art. 25 IPbpR garantierten Beteiligungsrechts A. Peters, in: J. Klabbers/dies./G. Ulfstein (Hg.), The Constitutionalization of International Law, 2009, S. 263 (300). 233
Kritisch S. Marks, The Riddle of All Constitutions, 2000, S. 52, 74 f. – „low intensity democracy“, die bestehende Machtverhältnisse verfestige. 234 235
Vgl. U. Volkmann, AöR 127 (2002), S. 575 (586).
R. Dahl, Und nach der Revolution?, 1975, S. 49 ff.; B.-O. Bryde, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 103 (117).
564
7. Kapitel
Ideal, ein „teleologisches Prinzip“.236 Für die Völkerrechtsordnung liegt als Telos jedenfalls die Beseitigung der Inkongruenz zwischen „Betroffenheit“ und „Herrschaftsbeteiligung“ nahe.
IV. Zwischenfazit zu den Parametern der Rechtfertigung von Herrschaft im Völkerrecht Föderalismus, rule of law und Demokratie finden in unterschiedlicher Weise Ausdruck im positiven Recht. Während der Föderalismus vor allem Analysebegriff für Strukturen im positiven Recht ist, beginnen Elemente der rule of law auf internationaler Ebene auch für diese selbst Anerkennung zu gewinnen. Eine Norm demokratischer Regierungsführung jenseits des Staates ist dagegen vor allem auf eine Übertragung völkerrechtlicher Anforderungen an die Staatsgewalt angewiesen, deren Bedeutungsgehalt selbst beschränkt ist. Gerade die Ausübung des Wahlrechts als Grundlage demokratischer Regierungsführung lässt sich nicht ohne Weiteres auf die Legitimierung internationaler Organisationen übertragen. Eine allein auf die rule of law gestützte zunehmende Verrechtlichung der internationalen Zusammenarbeit ist unter Legitimitätsgesichtspunkten indes problematisch. Sie rekurriert allein auf die Herrschaftsbegrenzung durch das Recht. Die originäre Ausübung von Hoheitsgewalt jenseits des Staates kann sie für sich allein aber nicht begründen. Im Gegenteil sind die langfristigen Bindungen, die der Übergang von der rule of power zur rule of law auf internationaler Ebene begründen kann, ist die damit bewirkte Verstetigung in besonderer Weise rechtfertigungsbedürftig. Damit ist ein Aspekt angesprochen, den die Rede von der Konstitutionalisierung nicht voreilig übergehen darf.
C. Dogmatische Begründung der Menschenrechtsbindung internationaler Organisationen Unter dem Gesichtspunkt der Output-Legitimität kommt der Verpflichtung internationaler Organisationen auf den Schutz und die Verwirklichung von Menschenrechten, zugleich ein wesentliches Element 236 Vgl. C. Pippan, in: E. Riefler (Hg.), Popper und die Menschenrechte, 2007, S. 119 (159 f.); N. Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip, 2009.
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der Konstitutionalisierungslehre, eine wichtige Funktion zu.237 Die international bereits gewährleisteten Grundrechte sollten unter Einschluss ihrer programmatischen Dimension auch bei der Erarbeitung und Weiterentwicklung völkerrechtlicher Vertragswerke in Bereichen wie Wirtschaft, Umwelt und Technologie konsequenter und systematischer berücksichtigt werden.238 Die auf internationaler Ebene geschaffene Hoheitsgewalt kann nicht als uneingeschränkt benevolent gelten, sondern muss durch adäquate und möglichst konkrete menschenrechtliche Standards eingefangen werden. Das Völkerrecht würde dann Hoheitsgewalt jenseits des Staates nicht nur konstituieren, sondern auch legitimieren, rechtfertigen und begrenzen. Die Einbeziehung der Menschenrechte etwa in das WTO-Streitschlichtungssystem steht aber noch aus.239 Insgesamt sind die Ergebnisse der Diskussion darüber, wie weit internationale Organisationen an die Menschenrechte gebunden sind, zumindest unter praktischen Gesichtspunkten immer noch unbefriedigend.240 Als zentraler Einwand gegen eine Konstitutionalisierungsthese, die das Völkerrecht als gemeinschaftsbezogene „Werteordnung“ beschreibt, gilt die fehlende Selbstbindung der UNO.241 Im Folgenden wird daher der Frage nachgegangen, inwieweit internationale Organisationen bereits de lege lata menschenrechtlichen Bindungen unterliegen. Die Bindung internationaler Organisationen an menschenrechtliche Standards kann sich aus den vertraglichen Bindungen ergeben, denen sie unmittelbar unterliegen (I.) oder in die sie im Wege der Nachfolge eintreten (II.), aus einer Selbstbindung internationaler Organisationen (III.) oder aber aus der Bindung an das allgemeine Völkerrecht (IV.). Diese Bindung ist wie die Völkerrechtssubjektivität notwendige Vor237
Vgl. S. Gardbaum, in: J. L. Dunoff/J. P. Trachtman (Hg.), Ruling the World?, 2009, S. 233 (251). 238
G. Biaggini, ZSR NF 119 (2000), S. 445 (474).
239
A. Clapham, Human Rights Obligations of Non-State Actors, 2006, S. 161 ff. 240
G. Biaggini, ZSR NF 119 (2000), S. 445 (460); E.-U. Petersmann, EJIL 13 (2002), S. 621 ff.; P. Alston, EJIL 13 (2002), S. 815; E.-U. Petersmann, EJIL 13 (2002), S. 845; s. aber auch G. Hafner, FS Delbrück, 2005, S. 307 (309) – “[t]he theoretical answer is very clear”; s. auch S. Schlemmer-Schulte, BDGVR 41 (2003), S. 149 (195) – eine Bindung internationaler Organisationen an das allgemeine internationale Recht werde in der Praxis nicht anerkannt; m. N. 241
W. Kälin, recht Sonderheft (2005), S. 42 (48).
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aussetzung für eine adäquate Aufgabenerfüllung auf internationaler Ebene (V.). Dass eine Bindung der überstaatlichen Ebene nur in Ansätzen erkennbar ist, stellt historisch gesehen keine Ausnahmeerscheinung dar. Ein vergleichbares Phänomen ist in bundesstaatlichen Verfassungsordnungen zu beobachten. Sowohl die Verfassung der Vereinigten Staaten von 1787 als auch die schweizerischen Bundesverfassungen von 1848 und 1874 begnügten sich jedenfalls zunächst mit einer nur sehr rudimentären grundrechtlichen Einbindung der Bundesgewalt.242 Auch bei den Unionsgrundrechten war es ein langer Weg von den ersten Ansätzen in der Rechtsprechung des EuGH bis zu einer rechtsverbindlichen Grundrechtecharta.
I. Vertragliche Bindungen In der Regel binden menschenrechtliche Verpflichtungen im Völkervertragsrecht nur die Staaten. Der Beitritt zu den einschlägigen Konventionen steht nur Staaten, nicht aber internationalen Organisationen offen. Deren traditionellem Selbstverständnis entspricht es, vor allem als Initiatoren von Menschenrechtsverträgen aufzutreten, wie dies neben der UNO etwa die ILO, die OAS oder die heutige Afrikanische Union tun. Grundsätzlich bieten aber die Auslegung der Gründungsverträge (1.) und die von internationalen Organisationen selbst geschlossenen Verträge (2.) einen Anknüpfungspunkt für die Begründung ihrer Bindung an menschenvertragsrechtliche Standards.
1. Gründungsverträge Obwohl nicht Vertragspartei, sondern Kreation des Gründungsvertrages, unterliegt eine internationale Organisation den Regelungen dieses Vertrages über das Verhältnis zwischen Organisation und Mitgliedstaaten und die Kompetenzverteilung.243 Nach Art. 1 Nr. 3, 55 lit. c UNC ist es etwa Aufgabe der Vereinten Nationen, die Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte zu fördern. Die hier formulierten rechts-
242 243
G. Biaggini, ZSR NF 119 (2000), S. 445 (460) mit Fn. 79. P. Reuter, Droit des traités, 31995, S. 102, para. 169; Art. 9 DARIO.
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verbindlichen244 Menschenrechtsverpflichtungen adressieren aber die Organisation nicht unmittelbar. Das ist damit zu erklären, dass die Möglichkeit von Menschenrechtsverletzungen durch die Vereinten Nationen selbst bei der Vertragsentstehung nur bedingt präsent war.245 Nimmt man den Wortlaut der Charta aber ernst, dann lassen sich ihr zumindest letzte Grenzen für das Verhalten der Vereinten Nationen entnehmen: Beispielsweise würde die Anordnung von Sanktionen durch den Sicherheitsrat, die Probleme humanitärer Art schafft und nicht löst, die den Lebensstandard senkt, gesundheitliche Probleme verursacht und der Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte abträglich ist, Art. 1 Nr. 3, 55 UNC verletzen.246 Allerdings ist die normative Bedeutung dieser Grenzen in der Praxis sehr vage. Eine Bindung an Menschenrechte lässt sich aber möglicherweise im Wege der Auslegung auch dort annehmen, wo sie nicht explizit vorgesehen ist. Eine nach funktionalistischem Verständnis primär der Effektivität der Organisation verpflichtete Interpretation der Gründungsverträge zieht internationalen Organisationen kaum effektive menschenrechtliche Schranken (a)). Dagegen legt eine Orientierung am Willen der Gründungsstaaten eine Bindung an menschenrechtsvertragliche Standards durchaus nahe (b)). Auf der Grundlage eines konstitutionellen Verständnisses von Gründungsdokumenten ist sie sogar von zentraler Bedeutung (c)).
a) Auslegung von Gründungsverträgen unter dem Paradigma des Funktionalismus Im Völkerrecht stellen die Gründungsverträge internationaler Organisationen schon aufgrund ihres in der Regel weit gefassten Wortlauts besondere Anforderungen an ihre Auslegung.247 Es gilt die Natur der Organisation, die von den Gründern vorgesehenen Ziele und die eigene 244
Vgl. IGH Namibia, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1971, S. 16, para. 31.; dazu N. Rodley, ICLQ 38 (1989), S. 321 (324); IGH Diplomatic and Consular Staff, ICJ Rep. 1980, S. 3, para. 91. 245
A. Reinisch, AJIL 95 (2001), S. 851 (857).
246
Commission on Human Rights, The adverse consequences of economic sanctions on the enjoyment of human rights: Working paper by Mr. Marc Bossuyt v. 21.6.2000, UN-Dok. E/CN.4/Sub.2/2000/33, S. 8, para. 24 ff.; s. auch B. Fassbender, IOLR 3 (2006), S. 437 (468 f.). 247
O. Schachter, FS Kelsen, 1964, S. 269 (274).
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Praxis der Organisation zu berücksichtigen.248 Dies hat Rechtsprechung und Literatur veranlasst, eine spezielle „verfassungsrechtliche“ Methode der Auslegung jedenfalls für Normativbestimmungen von Gründungsverträgen anzuwenden.249 Im Vordergrund steht, die rechtliche Grundlage dafür zu schaffen, dass die Organisation effektiv ihre Aufgaben erfüllen kann.250 Wegen der erschwerten Abänderbarkeit von Gründungsverträgen, die häufig den Konsens aller Vertragsstaaten voraussetzt, bedarf es anderer Evolutionsprozesse, um das Überleben der Organisation auf Dauer zu sichern. Das ist der Hintergrund für die besondere Bedeutung der dynamischen Interpretation.251 In Entscheidungen des StIGH, IGH, ICTY, WTP, DSB und von Menschenrechtsorganen wird immer wieder auch die Praxis der Organisation selbst als „spätere Übung bei der Anwendung des Vertrages, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht“ i. S. von Art. 31 Abs. 3 lit. b WVK herangezogen.252 Das führt tendenziell zu einer Stärkung der Organisation im Verhältnis zu ihren Mitgliedstaa248
IGH Nuclear Weapons in Armed Conflict, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1996, S. 66 (75), para. 19 m. w. N. aus der Rspr. des IGH; vgl. K. Zemanek, ZaöRV 24 (1964), S. 453 (456 f.); kritisch M. Leibiger, Die souveränitätsfreundliche Auslegung im Völkerrecht, 2005, S. 151 f. 249
S. etwa IGH Reparation for Injuries, ICJ Rep. 1949, S. 174 (180 ff.); Effect of awards, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1954, S. 47 (57); Certain expenses, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1962, S. 161 (167 ff.). Eine Ausnahme ist der IMCO Maritime Safety Committee-Fall, in dem der IGH nicht teleologisch, sondern wortlautorientiert auslegte: IGH Maritime Safety Committee of the InterGovernmental Maritime Consultative Organization, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1960, S. 150. S. auch IGH South West Africa, Sep. Op. de Visscher, ICJ Rep. 1950, S. 128 (189); vgl. G. Ress, Stichwort „Interpretation“, in: B. Simma (Hg.), Charter Commentary, 22002, S. 13 (15). 250
S. etwa die Argumentation in IGH Application for Review of Judgement No. 273 of the United Nations Administrative Tribunal, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1982, S. 325 (347), para. 45. 251
E. Hexner, FS Kelsen, 1964, S. 119 (insb. 129 ff.); B. Sloan, Pace YBIL 61 (1989), S. 61 (116 ff.); C. F. Amerasinghe, BYBIL 65 (1994), S. 175 (195 f.) m. w. N.; J. Jackson, AVR 41 (2003), S. 435 (443); B. Fassbender, FS Tomuschat, 2006, S. 763 (777); G. Ress, Stichwort „Interpretation“, in: B. Simma (Hg.), Charter Commentary, 22002, S. 13 (15 f.). 252
Nachweise bei G. Ress, Stichwort „Interpretation“, in: B. Simma (Hg.), Charter Commentary, 22002, S. 13 (27 ff.); J. E. Alvarez, Law-makers, 2005, S. 88; ähnlicher Text: ders., in: J. Coicaud/V. Heiskanen (Hg.), The Legitimacy of International Organizations, 2001, S. 104.
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ten.253 Die Bedeutung der travaux préparatoires tritt demgegenüber zurück.254 Die verfassungsmäßige, teleologische und dynamische Interpretation der Gründungsdokumente ist auch mit der WVK vereinbar, wenn das Kriterium des Ziels und Zwecks entsprechend gehandhabt wird.255 Eine primär der Effektivität und Wandlungsfähigkeit internationaler Organisationen verpflichtete Interpretationsmethode hat dazu geführt, dass es kaum einen Fall gibt, in der die Handlungen von Organen der Vereinten Nationen ultra vires erklärt worden sind.256
b) Wille der Gründungsstaaten Orientiert man sich demgegenüber am Willen der Gründungsstaaten, so findet sich dort nach Treu und Glauben (Art. 31 Abs. 1 WVK) durchaus ein Anknüpfungspunkt für die vertragliche Bindung internationaler Organisationen an menschenrechtliche Standards. Grundsätzlich kann vermutet werden, dass die Staaten eine internationale Organisation in dem Willen gründen, sie dem Völkerrecht zu unterwerfen. Das allgemeine Völkerrecht findet danach Anwendung auf die Handlungen der Organe, soweit nicht speziellere Regeln wie die im Gründungsvertrag dem widersprechen.257 Die Annahme kann auch für wesentliche Normen menschenrechtlicher Verträge gelten. Wollen die Mitgliedstaaten allerdings eine Bindung ausschließen, so ist ihnen das in den Grenzen des ius cogens und der erga omnes-Verpflichtungen möglich. Auf diese
253
J. E. Alvarez, Law-makers, 2005, S. 91 f.; gering bewertet bei IGH Certain expenses, Advisory Opinion, Sep. Op. Spender, ICJ Rep. 1962, S. 182 (184). 254
Vgl. IGH Competence of Assembly, Advisory Opinion, Diss. Op. Alvarez, ICJ Rep. 1950, S. 4 (17 f.); IGH Certain expenses, Advisory Opinion, Sep. Op. Spender, ICJ Rep. 1962, S. 151 (185, 197). S. zur Bedeutung der travaux préparatoires bei der Auslegung von Gründungsverträgen von internationalen Organisationen C. F. Amerasinghe, BYBIL 65 (1994), S. 175 (200 ff.); J. E. Alvarez, Law-makers, 2005, S. 95 ff. 255
M. Rama-Montaldo, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 493 (511). 256
G. Ress, Stichwort „Interpretation“, in: B. Simma (Hg.), Charter Commentary, 22002, S. 16 f., 28; vgl. G. Hafner, FS Delbrück, 2005, S. 307 (308). 257
G. Cahin, La coutume internationale et les organisations internationales, 2001, S. 514; G. Hafner, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 585 (606).
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7. Kapitel
Weise lässt sich die eingeschränkte Rechtsbindung des Sicherheitsrates bei einem Handeln nach Kapitel VII stringent erklären.258 Grundsätzlich können die Mitgliedstaaten einer internationalen Organisation deren Bindung nur im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten, nicht aber im Außenverhältnis zu Drittstaaten effektuieren.259 Bei menschenrechtlichen Verpflichtungen ist die Situation aber dann nicht anders als bei einem zwischenstaatlichen Menschenrechtsvertrag mit seiner besonderen Normstruktur. Sie sind Verpflichtungen erga omnes partes zugunsten betroffener Individuen.
c) „Constitutionalism“ Eine auf das Individuum konzentrierte Verfassungsperspektive legt es nahe, in der Einhaltung der Zuständigkeitsordnung auch ein eigenständiges Legitimationselement zu sehen.260 Anders als der Funktionalismus, der die Grundlage für eine dynamische Auslegung bildet, rückt eine der rule of law verpflichtete konstitutionelle Betrachtung internationaler Organisationen deren rechtliche Bindung gegenüber Mitgliedstaaten und Individuen in den Mittelpunkt261 und verlangt, dass das Verhalten der Organisation auch vorhersehbar ist. Das Gründungsdokument einer internationalen Organisation hat als Verfassung danach nicht nur herrschaftsbegründende, sondern auch eine herrschaftsbegrenzende Funktion.262
258
Zusammenfassend J. Frowein/N. Krisch, Introduction to Chapter VII, in: B. Simma (Hg.), Charter Commentary, 22002, S. 701 (711) m. N. in Fn. 93 f.; H. P. Aust/N. Naske, ZÖR 61 (2006), S. 587 (601) m. N. 259
A. Bleckmann, ZaöRV 37 (1977), S. 107 (119 f.).
260
Ähnlich B. Fassbender, UN Security Council Reform, 1998, S. 134 – Begründung mit constitutionalism; vgl. ILA, Accountability of International Organisations: Final Report, ILA Rep. 2004, S. 179 – „principles of constitutionality and institutional balance“; J. E. Alvarez, Law-makers, 2005, S. 73 – Auslegung mit dem Argument der Demokratie, aber in Fn. 32 nur Beispiele für Reformvorschläge. 261
A. Reinisch, GYIL 44 (2001), S. 270 (294 f.); ähnlich insoweit J. Klabbers, IOLR 1 (2004), S. 31 (32); A. Orakhelashvili, EJIL 16 (2005), S. 59 (60). 262
Vgl. zu dieser Unterscheidung C. Möllers, in: A. von Bogdandy/J. Bast 2 (Hg.), Europäisches Verfassungsrecht, 2009, S. 227 (229 ff.) m. w. N.
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Für das System der Vereinten Nationen werden die Gründungsdokumente, insbesondere die UNO-Charta und ihrer Begleitinstrumente, als Verfassung betrachtet, die nicht nur die Staaten bindet, sondern auch diejenigen, die mit der Verwaltung des Systems betraut sind, also die internationale Organisation, etwa die Vereinten Nationen selbst und ihre Programme, Fonds und ausführenden Organe. Auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die beiden Menschenrechtspakte seien Teil des Rechts der Vereinten Nationen, das nicht nur in herkömmlicher Weise Staaten bindet, sondern auch in verfassungsrechtlicher Weise die Organisation selbst. Schon die Verfasser der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wollten die Bindung an Menschenrechte offensichtlich nicht auf Staaten beschränken. Das lässt sich den Art. 2 und 28 AEMR entnehmen, aber auch den individuellen Formulierungen etwa in Art. 3 und 6 AEMR.263 Art. 2 Abs. 2 AEMR verbietet Unterscheidungen aufgrund der politischen, rechtlichen oder internationalen Stellung des Landes oder Gebietes, dem eine Person angehört, ohne Rücksicht darauf, ob es unabhängig ist, unter Treuhandschaft steht, keine Selbstregierung besitzt oder irgendeiner anderen Beschränkung seiner Souveränität unterworfen ist, bezieht sich also nicht nur auf die Staatsgewalt. Nach Art. 28 AEMR hat jeder Mensch auch Anspruch auf eine internationale Ordnung, in der die in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte angeführten Rechte und Freiheiten voll verwirklicht werden. Diese verfassungsrechtliche Argumentation, die die UNO-Charta und ihre Begleitinstrumente als Verfassung versteht, bindet alle Akteure im UN-System an die konkreten Menschenrechtsstandards der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und der Menschenrechtspakte. Dazu deutet sie aber die einschlägigen Rechtsnormen um. Weder die internationalen Menschenrechtsverträge noch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte wurden von den Vereinten Nationen oder ihren Mitgliedstaaten als Verfassung der Vereinten Nationen entworfen.264 Die verfassungsrechtliche Wirkung dieser Normen ist also weniger theoretische Begründung für ihre Bindung gegenüber der Organisation selbst als vielmehr eine zu begründende These. Der Versuch etwa, den Zivilpakt als autoritative Interpretation der menschenrechtlichen Charta-
263 264
B. Fassbender, IOLR 3 (2006), S. 437 (470).
B. Kondoch, in: N. White/D. Klaasen (Hg.), The UN, human rights and post-conflict situations, 2005, S. 19 (36).
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Bestimmungen zu deuten,265 hat weder bei Regierungen noch bei Gerichten Anklang gefunden.266 Der materielle Verfassungscharakter der Charta-Ordnung als rechtlicher Rahmen für die Ordnung der internationalen Gemeinschaft insgesamt, die mit höherem Rang ausgestattet ist, wird dennoch auch für die Bindung anderer internationaler Organisationen als den Vereinten Nationen, etwa der WTO, herangezogen.267 Die Wirkung dieses höherrangigen Rechts dürfe nicht dadurch verloren gehen, dass in bestimmten Situationen nicht Staaten, sondern andere internationale Organisationen handeln. Deshalb trete ihr vertraglich-konsensualer Charakter zurück und werde vom konstitutionellen Charakter überschattet.268 Sowohl der hierarchische Vorrang als auch die objektive Wirkung der Charta sind aber, wie in den vorausgehenden Kapiteln gezeigt, nicht einfach zu begründen. Auch hier gilt also, dass die Bindungswirkung der Charta auf eine nachvollziehbare Wertung gestützt, aber noch nicht mit einer dogmatisch tragfähigen Begründung versehen wird.
2. Von internationalen Organisationen geschlossene Verträge Internationale Organisationen sind zwar in der Regel zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge befähigt, bislang aber nicht Vertragsparteien von Menschenrechtsverträgen geworden. Im Fall etwa der EMRK fehlte es bis zur Ratifikation des 14. Zusatzprotokolls zur EMRK überhaupt an der Aufnahmefähigkeit, da die Mitgliedschaft im Europarat allein auf Staaten beschränkt war.269 Art. 48 Abs. 1 IPbpR sieht gleichfalls nur Staaten als Vertragsparteien des Zivilpaktes vor. Die Vereinten Nationen schließen aber Verträge, die Menschenrechtsklauseln enthalten, etwa Verträge mit den jeweiligen Territorialstaaten 265
L. Sohn, Am. Univ. LR 32 (1982), S. 1 (16); vgl. T. Meron, Human Rights and Humanitarian Norms as Customary Law, 1989, S. 81 ff. m. w. N. 266
M. Zwanenburg, LJIL 11 (1998), S. 229 (234).
267
Kritisch N. White, in: ders./D. Klaasen (Hg.), The UN, human rights and post-conflict situations, 2005, S. 1 (7). 268 269
C. Schreuer, FS Zemanek, 1994, S. 223 (237).
Art. 59 EMRK wird durch das Protokoll Nr. 14 zur EMRK v. 13.5.2004, in Kraft seit dem 1.6.2010 (Quelle: http://conventions.coe.int; CETS-No. 194), um einen Absatz 2 ergänzt, nach dem die EU der EMRK beitreten kann. Art. 6 Abs. 2 EU enthält eine Rechtsgrundlage für den Beitritt der „neuen“ EU zur EMRK (ABl. C 115 v. 9.5.2008, S. 1).
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über den Einsatz von Truppen oder die Einrichtung von internationalen Verwaltungen.270 Das „Model Status-of-Forces Agreement for Peacekeeping Operations“ und das „Model Agreement between the United Nations and Member States Contributing Personnel and Equipment to United Nations“ können als Anerkennung der dort genannten Menschenrechtsstandards durch die Vereinten Nationen zumindest für den betroffenen militärischen Bereich angesehen werden.271 UNMIK hat mit dem Europarat ein Abkommen geschlossen und sich verpflichtet, einen Bericht zur Umsetzung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten zu unterbreiten und sich den üblichen, für Mitgliedstaaten geltenden Überwachungsmaßnahmen zu unterwerfen. Ein weiteres Abkommen betrifft die Einhaltung der Europäischen Folterkonvention.272 Relevante menschenrechtliche Beschränkungen internationaler Organisationen können sich demnach im Einzelfall aus ihren eigenen vertraglichen Bindungen durchaus ergeben. Diese Möglichkeit ist de lege ferenda für viele internationale Organisationen ein erwägenswerter Beitrag zur Verbesserung der Legitimität vor allem dann, wenn sie auch die Unterwerfung unter die üblichen Kontrollverfahren umfasst.273 Ihre Bedeutung ist indes immer nur punktuell 270 Status of Forces Agreements (SOFAs), Status of Missions Agreements (SOMAs), participation agreements, rules of engagement (ROE). 271
UN-Dok. A/45/594 (1990); UN-Dok. A/46/185 (1991) mit der Standardklausel im Annex, para. 28 (abgedruckt in: M. Bothe/T. Dörschel (Hg.), UN Peacekeeping – A Documentary Introduction, 1999, S. 59 ff., 75 ff. sowie bei D. Shraga, in: L. Condorelli u. a. (Hg.), Les Nations Unies et le droit international humanitaire, 1996, S. 317 (324 f.) mit Fn. 16); A. Reinisch, AJIL 95 (2001). S. 851 (855). 272
Council of Europe, Agreement between the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo and the Council of Europe on Technical Arrangements Related to the Framework Convention for the Protection of National Minorities v. 30.6.2004, verfügbar unter http://www.unhcr.org/refworld /docid/441821b44.html (geprüft am 18.5.2010); vgl. R. Hofmann, FS Delbrück, 2005, S. 347 (353 ff.); ders., BDGVR 42 (2007), S. 1 (19); Council of Europe, Agreement between the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo and the Council of Europe on Technical Arrangements Related to the European Convention for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment v. 23.8.2004, verfügbar unter http://www.cpt.coe. int/documents/srb/2004-08-23-eng.pdf (geprüft am 18.5.2010). 273 Zu verfahrensrechtlichen Aspekten der Rechtskontrolle von Organen der Staatengemeinschaft de lege lata s. A. Reinisch/U. A. Weber, IOLR 1 (2004), S. 59; A. Reinisch, BDGVR 42 (2007), S. 43. Zu den Vorbehalten gegenüber einer
574
7. Kapitel
und situationsbezogen. Klare, allgemeine und situationsübergreifende Standards, wie sie beim Beitritt zu Menschenrechtspakten gelten würden, hätten einen größeren Einfluss auf den Organisationsalltag, weil sie in den internationalen Bürokratien besser „internalisiert“ werden können. Die Besonderheiten internationaler Organisationen, ihre Unterschiede zum Staat, verlangen im Einzelfall eine Anpassung des materiellen Gehalts der Vertragsbestimmungen. Dem kann durch Vorbehalte und Erklärungen Rechnung getragen werden. Auch die Integration in die Überwachungsmechanismen ist eine Herausforderung, die Modifikationen erfordern würde.
3. Zwischenfazit Weder über die Auslegung der Gründungsverträge noch auf der Grundlage von Verträgen, die internationale Organisationen selbst geschlossen haben, lässt sich bislang dogmatisch überzeugend eine effektive Bindung an Menschenrechte ableiten. Klare rechtliche Standards würden die faktische „Internalisierung“ der Menschenrechte in den Organisationsapparaten fördern, umgekehrt kann gerade eine solche Internalisierung zur Weiterentwicklung der Menschenrechte beitragen. Hier zeigt sich eine Wechselwirkung zwischen Fakt und Norm, der noch nachzugehen sein wird.
II. Nachfolge in völkerrechtliche Verpflichtungen der Mitgliedstaaten Führt die Auslegung von Gründungsverträgen allein kaum zu dem Ziel, eine menschenrechtliche Bindung zu begründen, so kann sich dieses Ergebnis aus der Nachfolge der Organisation in menschenrechtliche Verpflichtungen der Mitgliedstaaten ergeben. Eine solche Nachfolge ist möglicherweise mit einer Analogie zur Staatennachfolge zu begründen (1.). Nach der sogenannten Hypothekentheorie gehen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten dagegen – wie eine Hypothek mit dem Eigentum – zusammen mit den übertragenen Kompetenzen auf die Organisation über (2.). Die Bindung der Organisation als Nachfolgerin kann sich aber auch aus einem allgemeinem Rechtsgrundsatz ergeben, hinter dem
Beteiligung internationaler Organisationen an internationalen Übereinkommen s. F. Morgenstern, Legal Problems of International Organizations, 1986, S. 34 f.
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die Erwägung steht, dass sich die Staaten nicht kollektiv den Verpflichtungen entziehen können sollen, die jeden Einzelnen treffen (3.).
1. Analogie zur Staatennachfolge In Analogie zur Staatennachfolge sollen internationale Organisationen mit der tatsächlichen Funktionsübernahme auch in die rechtlichen Verpflichtungen ihrer Mitgliedstaaten einrücken, die mit den übernommenen Funktionen im Zusammenhang stehen.274 Der Analogieschluss von Staaten auf internationale Organisationen ist ein in der Literatur besonders häufig genannter Anwendungsfall der Analogie im Völkerrecht.275
a) Verschiedene Anknüpfungsmöglichkeiten für eine Analogie Allerdings bietet das Wiener Übereinkommen über die Staatennachfolge in Verträge276 mehrere Anknüpfungsmöglichkeiten für eine Analogie. Eine Auffassung möchte die Regelung in Art. 16 des Übereinkommens, demzufolge der Nachfolgestaat nicht an Verträge seines Vorgängers gebunden ist, auf die Gründung internationaler Organisationen übertragen. Diese Sonderregelung für newly independent states i. S. von Art. 2 Abs. 1 lit. f beruhe zwar auf dem Grundsatz der Selbstbestimmung, sei aber dennoch übertragbar, weil die Handlungsfähigkeit internationaler Organisationen schwerer wiege als die Furcht vor einer „Flucht in die internationale Organisation“. Die Staaten lösten sich allenfalls faktisch, nicht aber rechtlich aus ihren vertraglichen Verpflichtungen, sofern nicht die Vertragspartner damit einverstanden sind.277 274
A. Bleckmann, ZaöRV 37 (1977), S. 107 (119); P. Pescatore, L’ordre juridique des Communautés Européennes, 21973, S. 147 f.; ders., CML Rev. 16 (1979), S. 615 (637 f.); ders., FS Wiarda, 1988, S. 441 (450 f.) – Anwendung der Grundsätze der Staatennachfolge; D. Frank, Verantwortlichkeit, 1999, S. 140 ff.; H. Schermers/M. Blokker, International Institutional Law, 42003, § 1574. 275
A. Verdross, Völkerrecht, 51964, S. 397; A. Bleckmann, ZaöRV 37 (1977), S. 107 (113 ff.); W. Wengler, Völkerrecht, Bd. 1, 1964, S. 1284 ff.; U. Fastenrath, Lücken im Völkerrecht, 1991, S. 138; G. Dahm/J. Delbrück/R. Wolfrum, Völ2 kerrecht I/1, 1989, S. 81; S. Vöneky, Die Fortgeltung des Umweltvölkerrechts in internationalen bewaffneten Konflikten, 2001, S. 342. 276
Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge v. 23.8.1978, UNTS 1946, S. 3. 277
M. Zuleeg, GYIL 27 (1984), S. 367 (377).
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7. Kapitel
Das Argument drohender Handlungsunfähigkeit dürfte allerdings bei der Übernahme vertraglicher Verpflichtungen zur Achtung und zum Schutz der Menschenrechte nicht ausschlaggebend sein. Zudem bestehen, wie gezeigt, gerade bei Menschenrechtsverträgen Anzeichen für ihre Verfestigung im Sukzessionsfalle.278 Deswegen hält eine andere Ansicht eine Analogie zur Art. 31 über die Rechtsfolgen der Fusion für überzeugender. Sie möchte den Grundsatz der Vertragskontinuität, auf dem Art. 31 beruht, auch auf die Konstellation der Organisationsgründung beziehen. Begründet wird diese Analogie mit dem bona fides-Grundsatz und der Stabilität internationaler Vereinbarungen.279 Ratio des Verpflichtungsübergangs ist sowohl bei der Gründung oder dem Beitritt zu einer internationalen Organisation als auch bei der Staatennachfolge der Schutz Dritter vor Veränderungen im Rechtsbestand, auf die sie keinen Einfluss haben. Zwischen beiden Fällen besteht aber ein grundlegender Unterschied. Während internationale Organisationen von ihren Mitgliedstaaten nur spezifische Funktionen übernehmen, geht im Verhältnis zwischen Gebietsvorgänger und Gebietsnachfolger die Hoheitsgewalt vollständig über. Anders als bei einer Fusion bleibt hier jedenfalls auch der Mitgliedstaat als Pflichtenträger und Haftungssubjekt vorhanden.280 Durch die Gründung der internationalen Organisation erleidet der Mitgliedstaat auch keine Statusminderung oder Einschränkung seiner völkerrechtlichen Handlungsfähigkeit.281
b) Sonderfall Territorialverwaltung Anders verhält es sich möglicherweise im Fall der Territorialverwaltung durch eine internationale Organisation, wie etwa im Kosovo. Dann könnte im Sinne der oben (6. Kapitel B. II. 3.) erörterten Sonderstellung von Menschenrechtsverträgen im Sukzessionsfalle eine Bindung der Organisation als eine Art vorübergehender Gebietsnachfolgerin mit einer Analogie zur Staatennachfolge gut begründet werden. Die Über-
278 279
S. die Nachweise im 6. Kapitel B. II. 3. S. die Nachweise in Fn. 274.
280
Vgl. K. Osteneck, Umsetzung von UN-Wirtschaftssanktionen, 2004, S. 215; C. Tomuschat, in: H. von der Groeben/J. Schwarze, EU-/EG-Vertrag, 6 2004, Art. 281 EG para. 55. 281
K. Osteneck, Umsetzung von UN-Wirtschaftssanktionen, 2004, S. 219 f.
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gangsverwaltung hat einen klaren territorialen Bezug, während die ursprüngliche Staatsgewalt jedenfalls faktisch stark zurücktritt.282 Darüber hinaus würde die Parallele mit der einer Staatenfusion aber voraussetzen, dass das gesamte Staatsgebiet von der internationalen Verwaltung erfasst wird. In der Regel wird daher die internationale Territorialverwaltung eher mit der Situation des Art. 15 über die Nachfolge in Bezug auf Teile von Staaten (Zession) zu vergleichen sein, als mit der des Art. 31 über die Fusion. Dann wäre die internationale Organisation als Gebietsnachfolger nur an diejenigen Verträge gebunden, die sie selbst abgeschlossen hat.
2. „Hypothekentheorie“ Die zweite Begründungsvariante wird in der deutschsprachigen Literatur als „Hypothekentheorie“ bezeichnet. Sie lautet, dass die Staaten zusammen mit Kompetenzen auch die einschlägigen Bindungen an internationale Organisationen übertrügen, denen sie bei der Ausübung dieser Kompetenzen unterliegen. Die Staaten könnten nicht mehr Rechte übertragen, als sie selbst haben (nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet), und könnten sich auch nicht durch die Gründung einer internationalen Organisation den ihnen auferlegten völkerrechtlichen Verpflichtungen entziehen (res transit cum suo onere).283 Diese Vorstellung von einem akzessorischen Übergang von Rechtsbindungen mit der Übertragung von Hoheitsgewalt ist konstruktiven wie praktischen Einwänden ausgesetzt.
282
C. Stahn, ZaöRV 61 (2001), S. 107 (139); ders., MPYUNL 5 (2001), S. 105 (163); M. Bothe/T. Marauhn, in: C. Tomuschat (Hg.), Kosovo and the International Community, 2002, S. 217 (237); R. Wilde, Yale Human Rights & Development L.J. 1 (1998), S. 107 (119 ff.) – Bindung des UNHCR an die Menschenrechtsverträge des Gebietsstaates beim Betrieb von Flüchtlingscamps; für UNMIK s. HRC, Concluding Observations: Serbia v. 14.8.2006, UN Dok. CCPR/C/UNK/CO/1, Tz. 4. 283
Vgl. für die EMRK: D. Frank, Verantwortlichkeit, 1999, S. 148 f.; für die Bindung der EG P. Pescatore, CML Rev. 16 (1979), S. 615 (637 f.); vgl. A. Bleckmann, ZaöRV 37 (1977), S. 107 (118); ders., Die Bindung der Europäischen Gemeinschaft an die Europäische Menschenrechtskonvention, 1986, S. 113.
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a) Konstruktive Einwände Konstruktiv ist die Hoheitsgewalt, die internationale Organisationen ausüben, nicht identisch mit der Hoheitsgewalt der Mitgliedstaaten, so dass im technischen Sinne schon nicht von einer Übertragung von Hoheitsgewalt auszugehen ist.284 Zwar ist etwa die Hauptverantwortung des Sicherheitsrates für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht eine von den Mitgliedstaaten delegierte Kompetenz285 und spricht der Wortlaut von Art. 24 Abs. 1 UNC auch für diese Konstruktion. Richtigerweise werden die Befugnisse des Sicherheitsrates als Charta-Organ aber allein durch die Charta konstituiert und verliehen.286 Kein Staat der Welt könnte für sich allein reklamieren, die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit wahrzunehmen. Die besonderen Befugnisse des Sicherheitsrates nach Art. 24 Abs. 2 UNC i. V. mit den Kapiteln VI, VII, VIII und XII stünden ihm originär gar nicht zu. Andere Formen der oben beschriebenen Hoheitsausübung im weiteren Sinne beruhen ohnehin nicht auf einer Kompetenz„übertragung“ auf eine internationale Organisation. Im Rahmen des Völkervertragsrechts ist die Akzessorietät von Kompetenz und Kompetenzschranke auch nicht begründbar. Sie ist an eine Rechtsfigur des Sachenrechts mit absoluter Wirkung angelehnt.287 Gründungsverträge internationaler Organisationen sind dagegen völkerrechtliche Verträge relativen Charakters, auf die das Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge grundsätzlich Anwendung findet (vgl. Art. 5 WVK). Ein Gründungsvertrag einer internationalen 284
Für die EG C. Tomuschat, BK, Zweitbearbeitung, 1981, Art. 24 para. 17, 62; K. Osteneck, Umsetzung von UN-Wirtschaftssanktionen, 2004, S. 225 m. w. N.; S. Hörmann, AVR 44 (2006), S. 267 (273 f.) m. w. N.; s. zur Übertragungskonstruktion für das GG aber T. Flint, Die Übertragung von Hoheitsrechten, 1998. 285
R. Degni-Segui, Article 24, paragraphes 1 et 2, in: J. Cot/A. Pellet/M. 3 Forteau, La Charte, Bd. 2, 2005, S. 879 (883 f.). S. die Stellungnahme des Vertreters von Brasilien im Sicherheitsrat während der Debatte über die Einrichtung des ICTY, UN-Dok. S/PV.3175, S. 6 f., zit. in: D. Sarooshi, The United Nations and the Development of Collective Security, 1999, S. 45; vgl. zum verwandten Argument, das Gewaltmonopol des Sicherheitsrates hänge von dessen Funktionsfähigkeit ab, 5. Kapitel C. II. 5. 286
2
Vgl. J. Delbrück, Art. 24, in: B. Simma (Hg.), Charter Commentary, 2002, para. 11. 287
K. Osteneck, Umsetzung von UN-Wirtschaftssanktionen, 2004, S. 224.
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Organisation ist nicht schon per se nichtig, soweit er im Widerspruch zu bereits bestehenden Vertragspflichten der Vertragsstaaten steht.288 Das lässt sich nur für zwingendes Völkerrecht begründen, weil der dem ius cogens widersprechende Gründungsvertrag nach Art. 53 WVK nichtig wäre.289 Art. 53 WVK bestimmt nicht, dass internationale Organisationen unmittelbar an ius cogens gebunden sind.290 Aus der Nichtigkeit eines Gründungsvertrages, der einer internationalen Organisation dem ius cogens widersprechende Kompetenzen einräumen würde, folgt allein noch nicht, dass die Organisation an das ius cogens gebunden ist. Bemerkenswerterweise sieht auch Art. 53 S. 2 WVKIO keinen eigenständigen Beitrag internationaler Organisationen zur Entstehung des ius cogens vor.291 Diese Lücke könnte man als Kehrseite ihrer fehlenden Bindung verstehen. Diese Bindung internationaler Organisationen an das ius cogens erschließt sich nur, wenn man das zwingende Recht als objektive Verpflichtungen und Teil eines internationalen ordre public versteht.292 Alternativ oder ergänzend dazu lässt sich auch unterstellen, dass die Gründerstaaten internationaler Organisationen im Zweifel keinen nichtigen Gründungsvertrag abschließen wollen und deshalb entsprechende Kompetenzschranken zumindest implizit vorsehen.293 Diese Vermu288
YBILC 1966-II, S. 169 (270), para. 2; vgl. R. Kolb, Théorie du ius cogens international, 2001, S. 150 ff. 289
Vgl. A. Orakhelashvili, EJIL 16 (2005), S. 59 (60).
290
S. dazu aber ILC, YBILC 1982 II-2, S. 1 (56), UN-Dok. A/CN.4/SER.A/ 1982, Add. 1 (Part. 2); H. Schermers/M. Blokker, International Institutional Law, 42003, § 1335; J. Klabbers, ICLQ 53 (2004), S. 455 (456); A. Orakhelashvili, EJIL 16 (2005), S. 59 (60); D. Frank, FS Wildhaber, 2007, S. 237 (251); EuG Ahmed Ali Yusuf et al. v. Rat u. Kommission, Rs. T-306/01, Slg. 2005, II-3533, para. 280; Yassin Abdullah Kadi v. Rat u. Kommission, Rs. T-315/01, Slg. 2005, S. II-3649, para. 229. 291
Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen v. 21.3.1986, BGBl. 1990-II, S. 1415; vgl. dazu A. Lagerwall, in: O. Corten/P. Klein (Hg.), Droit des Traités, Bd. 2, 2006, Art. 53/1986 Rn. 3. 292 293
S. 5. Kapitel B. III. 2. a) bb) (1)
S. für die EU M. Kotzur, EuGRZ 33 (2006), S. 19 (24); s. auch F. Hoffmeister, EWS 9 (1998), S. 365 (366) – Bindung der EU an das Völkergewohnheitsrecht im Außenverhältnis aufgrund eines dem EGV entnommenen Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit; D. Frank, Verantwortlichkeit, 1999, S. 145 f.
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tung kann aber unter Umständen auch weiter reichen und nicht nur die Verletzung von ius cogens betreffen, lässt sich doch in der Regel unterstellen, dass sich Vertragsstaaten durch Gründung einer internationalen Organisation gerade nicht ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen entziehen wollen.294
b) Praktische Schwierigkeiten Der konstruktive Einwand, dass im technischen Sinne nicht von einer „Übertragung“ von Hoheitsgewalt auszugehen sei, ist aber nicht von allein theoretischer Bedeutung. Vielmehr ergeben sich im Rahmen der Tätigkeit internationaler Organisationen Konstellationen, auf die das die Staaten bindende Völkerrecht nicht zugeschnitten ist. Wenn etwa die Vereinten Nationen im Rahmen von friedenswahrenden Einsätzen militärisch unter eigener Kommandogewalt tätig werden, so können sich daraus neue Risikolagen ergeben, auf die etwa die Normen der EMRK, die einzelne teilnehmende Staaten bindet, nur modifiziert anwendbar sein sollten. Dagegen ist eine internationale Übergangsverwaltung grundsätzlich in einer ähnlichen Situation wie ein Staat, und sollte die besondere Krisensituation im Rahmen des Rekurses auf Notstandsklauseln im Einzelfall Berücksichtigung finden können. Die Anwendung der Hypthekentheorie würde bedeuten, dass internationale Organisationen kumulativ den verschiedenen völkerrechtlichen Bindungen unterworfen sein würden, die für die einzelnen Mitgliedstaaten bestehen. In praktischer Hinsicht wird dagegen eingewandt, dass diese Kumulation der Bindungen die Handlungsfähigkeit internationaler Organisationen stark einschränken könnte.295 Indes würde dieser Aspekt im Bereich der Menschenrechte gerade für einen besonders qualifizierten Schutzstandard sorgen, so dass hier nicht die Kumulation der Bindungen an sich, sondern ihre situative Angemessenheit problematisch ist. Demgegenüber könnte die Begründung der Bindungswirkung mit der bloßen Vermutung, dass sich Vertragsstaaten durch Gründung einer internationalen Organisation gerade nicht ihren menschenrechtlichen 294 295
Vgl. A. Bleckmann, ZaöRV 37 (1977), S. 107 (119).
K. Osteneck, Umsetzung von UN-Wirtschaftssanktionen, 2004, S. 225; S. Hörmann, AVR 44 (2006), S. 267 (274); vgl. S. Schlemmer-Schulte, BDGVR 41 (2003), S. 149 (195) mit Fn. 125 – fraglich, ob der kleinste gemeinsame Nenner oder der höchste Standard gelte.
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Verpflichtungen entziehen wollen, Praktikabilitätserwägungen durchaus berücksichtigen. Allerdings wäre für diese Lösung die Beurteilung der Praktikabilität einer Bindung der Organisation durch die Mitgliedstaaten maßgebend, die im Hinblick auf den Menschenrechtsschutz eher defensiv ausfallen könnte.
3. Allgemeiner Rechtsgrundsatz der Bindung bei Funktionsnachfolge Eine andere Begründung beruft sich daher auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass sich ein Rechtssubjekt nicht selbst seiner Rechtspflichten dadurch entledigen kann, dass es ein neues Völkerrechtssubjekt schafft.296 Folglich müssten internationale Organisationen den Völkerrechtsverpflichtungen ihrer Mitgliedstaaten unterliegen.297 Denkbar ist danach auch, an einen teilweisen Funktionsübergang anzuknüpfen: Mitgliedstaaten und internationale Organisation können Verpflichtungen dann gemeinsam tragen und die Erfüllung gemeinsam oder arbeitsteilig bewerkstelligen.298 Der Ansatz ist der „Hypothekentheorie“ im Hinblick auf Konstruktion und Ergebnisse überlegen: An die Stelle der zweifelhaften Vorstellung von der „Übertragung“ einer dinglich belasteten Kompetenz tritt ein an die Funktionsnachfolge knüpfender allgemeiner Rechtsgrundsatz. Mit dieser Anknüpfung an die Funktion ist auch ausgeschlossen, dass völkerrechtliche Bindungen der Staaten auf Situationen übertragen werden, auf die sie nicht zugeschnitten sind. Doch findet ein solcher Rechtsgrundsatz in der Vertragspraxis nur bedingt Anerkennung, obgleich auch der IGH davon ausgeht, dass mit den Funktionen auch die zugehörigen Pflichten und Verantwortlichkeiten übergehen.299 Ein Anwendungsfall war die Stellung der EG im GATT vor der Uruguay-Runde. Die Quasi-Mitgliedschaft der EG im GATT stützte sich allein auf eine Funktionsübernahme in den Bereichen Zoll und Handel. Seit der Dillon-Runde von 1960/61 hatte die EG 296
F. Morgenstern, Legal Problems of International Organisations, 1986, S. 32; vgl. P. Reuter, Droit des traités, 31995, S. 108, para. 180. 297
A. Reinisch, AJIL 95 (2001), S. 851 (858); D. Shelton, Sask. LR 65 (2002), S. 301 (306 f.); vgl. A. von Bogdandy, GLJ 9 (2008), S. 1909 (1923). 298
C. Schreuer, FS Zemanek, 1994; S. 223 (249); a. A. S. Schlemmer-Schulte, BDGVR 41 (2003), S. 149 (195) in Fn. 125 – Rechtsnachfolge nur ausnahmsweise bei vollständiger Kompetenzübertragung nach Abschluss des Gründungsvertrages. 299
IGH Reparation for Injuries, ICJ Rep. 1949, S. 174 (179).
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in allen GATT-Organen mit Ausnahme des Budget-Ausschusses teilgenommen und wurde de facto als Vertragspartei behandelt.300 Obgleich ein solcher Übergang von Rechtspflichten auf die EU in Art. 351 Abs. 1 AEU nicht vorgesehen ist, betrachtete der EuGH die Gemeinschaft als an die GATT-Bestimmungen gebunden, weil sie nach dem EG-Vertrag die Kompetenzen im Bereich des GATT übernommen hatte.301 Hierbei ist aber zu berücksichtigen, dass die Mitgliedstaaten die EG an die Rechte und Pflichten des GATT haben binden wollen und das Auftreten der EG anstelle der Mitgliedstaaten als stillschweigender völkerrechtlicher Beitritt der EG zum GATT angesehen werden konnte.302 Sämtliche Beteiligte, die EG selbst, deren Mitgliedstaaten sowie die anderen Vertragsparteien des GATT haben unmissverständlich und konsequent ihren Willen zum Ausdruck gebracht, die EG als de factoPartei des GATT behandeln zu wollen. Die EG war zudem von ihrer Gründung an in das GATT-System eingebunden, alle ihre Mitglieder waren von Anfang an GATT-Vertragsparteien, und sie stellt in mehrfacher Weise ein Mittel zur Verfolgung der Ziele des GATT dar. Dazu sind weitreichende Funktionen für praktisch den gesamten Bereich des GATT von den Mitgliedstaaten auf die EG übergegangen. Diese Besonderheiten erlauben Verallgemeinerungen für die Figur Rechtsnachfolge in die Verträge nur mit Vorsicht.303 300
E. Petersmann, in: M. Hilf u. a. (Hg.), The European Community and the GATT, 1986, S. 23 (37 ff.). 301 EuGH International Fruit, Rs. 21-24/72, Slg. 1972, S. 1227; Schlüter, Rs. 9/73, Slg. 1973, S. 1157; Nederlandse Spoorwegen, Rs. 38/75, Slg. 1975, S. 1439 (1449 f.); Dürbeck, Rs. 112/80, Slg. 1981, S. 1120; SPI und SAMI, Rs. 267-269/ 81, Slg. 1983, S. 827. Fediol, Rs. 70/87, Slg. 1989, S. 1830 f.; Nakajima, Rs. C69/89, Slg. 1991, S. I-2178; Deutschland v. Rat, Rs. C-280/93, Slg. 1994, S. I4973; Portugal v. Rat, Rs. C-149/96, Slg. 1999-I, S. 8395; vgl. auch EuG Yassin Abdullah Kadi v. Rat u. Kommission, Rs. T-315/01, Slg. 2005, S. II-3649, Rn. 198 ff. 302 A. Bleckmann, Die Bindung der Europäischen Gemeinschaft an die Europäische Menschenrechtskonvention, 1986, S. 79. 303
C. Schreuer, FS Zemanek, 1994, S. 223 (230). Der Gedanke der Funktionsnachfolge steht auch hinter den Entscheidungen des EuGH in den spanischen Fischereifällen. Hier führt die Funktionsnachfolge aber gerade dazu, dass ein Vertrag der Mitgliedstaaten unangewendet bleibt: EuGH Burgoa, Rs. 812/79, Slg. 1980, S. 2787 (2807, 2815), para. 24; Arbelaiz-Emazabel, Rs. 181/80, Slg. 1981, S. 2961 (2982), para. 30; Tome and Yurrita, Rs. 180 und 266/80, Slg. 1981, S. 2997 (3016 f.), para. 19; R. Churchill/N. Foster, ICLQ 36 (1987), S. 504 (509 ff.); C. Schreuer, FS Zemanek, 1994, S. 223 (239), beide m. w. N.
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Im Hinblick auf die EMRK wurde die Konstruktion einer unmittelbaren Bindung nur von der Europäischen Kommission aufgegriffen, die im Verfahren Watson and Belmann vor dem EuGH argumentierte, dass die EMRK nach ihrer Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten auch für die Gemeinschaft verbindlich sei.304 Die Bindung der Europäischen Union an die Menschenrechte, die heute im Kern denen der EMRK entsprechen, ist vielmehr das Ergebnis eines langen Prozesses richterlicher Rechtsfortbildung innerhalb des Unionsrechts, in dem die EMRK nur als Rechtserkenntnisquelle herangezogen worden ist.305 Anders als beim GATT betrifft die völkerrechtliche Bindung an Menschenrechtsstandards nicht nur einen bestimmten Kompetenz- und Funktionsbereich, sondern grundsätzlich jede Form der Ausübung von Hoheitsgewalt.306 Mit einer Funktionsnachfolge kann nicht erklärt werden, dass internationale Organisationen dort gebunden sein sollen, wo sie mehr können als Staaten, also Funktionen wahrnehmen, die ursprünglich nicht solche der Staaten waren.307 Ein Beispiel dafür sind Friedenseinsätze der Vereinten Nationen auf der Grundlage von Kapitel VII. Aber auch der Grundrechtsschutz in der Beziehung zwischen internationalen Organisationen und ihren Arbeitnehmern lässt sich nicht ohne Weiteres stringent mit einer Nachfolge erklären.
304
Vgl. EuGH Watson and Belmann, Rs. 118/75, Slg. 1976, S. 1186 (1194). Vgl. zur Sukzession in die EMRK auch D. Frank, Verantwortlichkeit, 1999, S. 146 ff. m. w. N. 305
EuGH Internationale Handelsgesellschaft, Rs. 11/70, Slg. 1970, S. 1135; Nold, Rs. 4/73, Slg. 1974, S. 507; Rutili, Rs. 36/75, Slg. 1975, S. 1232; Hauer, Rs. 44/79, Slg. 1980, S. 3727; H. Schermers, CML Rev. 27 (1990), S. 249 (252 f.) m. w. N. 306
Zur Übertragung der für das GATT entwickelten Kriterien auf die UNOCharta s. C. Schreuer, FS Zemanek, 1994, S. 223 (234) auf von Art. 133 EGV a. F. Dabei war gerade streitig, ob die Durchführung von Embargos Aufgabe der EG oder der Mitgliedstaaten war. Durch Art. 301 EG/Art. 215 AEU ist das mittlerweile geklärt. 307
Vgl. auch S. Schlemmer-Schulte, BDGVR 41 (2003), S. 149 (195) mit Fn. 125 – typischerweise würden zusätzliche parallele Kompetenzen geschaffen, finde keine transfer of powers statt.
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4. Zwischenfazit Auch die Annahme einer Nachfolge internationaler Organisationen in menschenrechtliche Verpflichtungen ihrer Mitgliedstaaten vermag demnach nicht zu überzeugen. Für die Analogie zu einzelnen Regeln über die Rechtsfolgen der Staatennachfolge fehlt es an einer hinreichenden Vergleichbarkeit. Die sogenannte Hypothekentheorie überzeugt weder konstruktiv noch praktisch und ein allgemeiner Rechtsgrundsatz der Bindung bei Funktionsnachfolge hat bislang keine allgemeine Anerkennung gefunden.
III. Selbstbindung der internationalen Organisation an Menschenrechte Es gibt aber auch Anknüpfungspunkte für eine Begründung der Bindung internationaler Organisationen an Menschenrechte als Selbstbindung.
1. Bindungswirkung einseitiger Erklärungen Eine Selbstbindung durch eine einseitige Erklärung ist auch internationalen Organisationen grundsätzlich möglich. Sie setzt den Willen des erklärenden Völkerrechtssubjekts voraus, sich durch eine eindeutige und bestimmte Erklärung völkerrechtlich zu verpflichten, die sich auf ihr eigenes Verhalten bezieht. Außerdem muss die Bindungsabsicht deutlich erklärt und die Erklärung öffentlich abgegeben werden sowie das erklärende Organ zuständig sein. Dem betroffenen Völkerrechtssubjekt muss die Möglichkeit offen stehen, von der fraglichen Willensäußerung Kenntnis zu nehmen. Das „Versprechen“ muss dem Betroffenen auf eine Weise zur Kenntnis gebracht werden, die die rechtliche Bindung und den subjektiven Bindungswillen für den Empfänger hervortreten lässt.308 Das Versprechen wird demnach in bilateralen Beziehungen abgegeben und entfaltet auch dort seine Bindungswirkung.
308
Vgl. V. Degan, Sources of International Law, 1997, S. 276 f.; D. Frank, Verantwortlichkeit, 1999, S. 150; allgemein zu den Voraussetzungen einer Bindungswirkung einseitiger Erklärungen: W. Fiedler, GYIL 19 (1976), S. 35 (59 ff.); ders., Stichwort „Unilateral Acts in International Law“, in: EPIL IV, 2000, S. 1018 (1021 f.). Überblicksartig zu einseitigen Akten internationaler Organisa-
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Im Hinblick auf Verpflichtungen, die nicht dem Interesse bestimmter Staaten, sondern dem Gemeinwohl entsprechen, ist fraglich, auf wessen Kenntnisnahmemöglichkeit es ankommen, wer Adressat einer Verpflichtungserklärung sein soll. Die Bindungswirkung setzt zumindest ein weiteres Völkerrechtssubjekt voraus, das auf die Erklärung vertraut.309 Im Fall von menschenrechtlichen Verpflichtungen könnten dies die betroffenen Individuen sein. Allerdings werden sie nicht schon dadurch zu Völkerrechtssubjekten, dass eine einseitige Erklärung eines Völkerrechtssubjekts an sie gerichtet wird. Der Staatengemeinschaft können Erklärungen adäquat zur Kenntnis gebracht werden, wenn sie in der Generalversammlung der Vereinten Nationen verlautbart werden, wie die Erklärung Frankreichs 1974 zu seinen Atomversuchen, oder wenn sie auf internationalen Pressekonferenzen abgegeben werden. Dabei ist es möglich, dass eine Erklärung öffentlich und erga omnes abgegeben wird, aber nur im Verhältnis zu den betroffenen Völkerrechtssubjekten ihre Bindungswirkung entfaltet, wenn der Bezug zu einer konkreten rechtlichen oder faktischen Situation erkennbar wird.310 Ähnliches dürfte auch für die Selbstbindung an menschenrechtliche Standards gelten. Auf der Grundlage der Selbstbindung lässt sich etwa die Bindung der EU an den materiellen Teil der EMRK schon durch die feierlichen Erklärungen ihrer politischen Organe von 1977 und des Parlaments von 1989 erklären.311 Auch die Vereinten Nationen und ihre Organe binden sich in besonderen Bereichen ihrer Tätigkeit selbst an Menschenrechte. Der Sicherheitsrat knüpft die Mandate von Friedensmissionen an die Einhaltung von Menschenrechtsstandards. Nach der Resolution 1244
tionen M. Virally, in: M. Bedjaoui (Hg.), International Law, Achievements and Prospects, 1991, S. 241. 309
W. Fiedler, Stichwort „Unilateral Acts in International Law“, in: EPIL IV, 2000, S. 1018 (1021). 310 S. dazu YBILC 2006-II/2, S. 367; IGH Nuclear Tests (Australia v. France), Judgment, ICJ Rep. 1974, S. 253 (266 ff.), para. 38 ff., insb. S. 269, para. 50. Dabei kann dahinstehen, ob die Interpretation der Erklärungen Frankreichs durch den IGH im konkreten Fall zu überzeugen vermag, s. zur zeitgenössischen Kritik in der Literatur: W. A. Kewenig, FS E. Menzel, 1975, S. 323. S. weiter Frontier Dispute, ICJ Rep. 1986, S. 554 (573 f.). 311
Gemeinsame Grundrechtserklärung des Europäischen Parlaments, des Rats und der Kommission v. 5.4.1977, ABl. 1977, Nr. C 103/1; Erklärung der Grundrechte und Grundfreiheiten des Europäischen Parlaments v. 12.4.1989, ABl. 1989, Nr. C 120/51; C. Schreuer, FS Zemanek, 1994, S. 223 (248).
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(1999) des Sicherheitsrates gehört es zu den Aufgaben der internationalen Zivilpräsenz im Kosovo, die Menschenrechte zu schützen und zu fördern.312 Eine Selbstverpflichtung sehen auch die Verordnungen (Regulations) der Besonders Beauftragten des Generalsekretärs für die Übergangsverwaltungen im Kosovo und in Osttimor vor. Im Übrigen wird die Bindung an die wichtigen internationalen Menschenrechtspakte in den Verordnungen des Besonderen Vertreters des Generalsekretärs (Special Representative of the Secretary General, SRSG) sichergestellt.313 Diese Verordnungen erscheinen funktional als eine Verfassung und werden in den UNMIK-Dokumenten auch ausdrücklich so bezeichnet.314 Der Vorrang der anwendbaren Menschenrechte vor den
312
Tz. 11 lit. (j).
313
Überblick zu den anwendbaren Menschenrechtsstandards http://www. unmikonline.org/regulations/unmikgazette/02english/Eirs/hri.htm (geprüft am 18.5.2010). Das “Constitutional Framework for Provisional Self-Government in Kosovo” (UNMIK/REG/2001/9 v. 15.5.2001) bestimmt in Kapitel 3, dass “[t]he Provisional Institutions of Self-Government shall observe and ensure internationally recognized human rights and fundamental freedoms”, darunter AEMR, EMRK, IPbpR, ICERD, CEDAW, CRC, European Charter for Regional or Minority Languages und Council of Europe’s Framework Convention for the Protection of National Minorities. Sie sind nach Chapter 3.3 unmittelbar anwendbar. In Regulation 1999/24 v. 12.12.1999 werden in die anwendbaren international anerkannten Menschenrechtsstandards auch der IPwskR und die CAT einbezogen. Sie wird im UNMIK Office of the Legal Advisor auch als Bindung des SRSG selbst ausgelegt (R. Everly, GLJ 8 (2007), S. 21 (23) unter Bezugnahme auf ein im November 2004 geführtes Interview). In Ergänzung dazu hat der SRSG für das Kosovo ein Übereinkommen mit dem Europarat unterzeichnet und auf diese Weise die Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten und die Europäische Anti-Folterkonvention in das im Kosovo anwendbare Recht inkorporiert (Nachweise unter I. 2. in Fn. 272). Der Special Chamber of the Supreme Court on Constitutional Framework Matters dienen nach Kapitel 9.4.11 mit dem Constitutional Framework auch die inkorporierten Menschenrechte als Prüfungsmaßstab, die UNMIK Regulations des Special Representative of the Secretary-General sind aber nicht Prüfungsgegenstand. Das ist auch die Auffassung im UNMIK Office of the Legal Adviser (R. Everly, a. a. O., S. 24 unter Bezugnahme auf im November 2004 und im Mai 2006 geführte Interviews). 314
S. das in UNMIK/REG/2001/9 v. 15.5.2001 enthaltene „Constitutional Framework for Provisional Self-Government in Kosovo“; vgl. M. Ruffert, ICLQ 50 (2001), S. 613 (622).
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UNMIK-Verordnungen kann aus Section 4.3 der Verordnung 2000/ 38315 geschlossen werden. Dort heißt es, “… the Ombudsperson Institution may provide advice and make recommendations to any person or entity concerning the compatibility of domestic laws and regulations with recognized international standards”.316 Vereinzelt haben örtliche Gerichte eine Kontrolle von Akten des SRSG (regulations, administrative directions und executive decisions, internationale Übereinkünfte) auch anhand von internationalen Menschenrechtsstandards durchgeführt.317 Anders als die Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrates für das Kosovo enthielt das UNTAET-Mandat in Resolution 1272 (1999) nicht die Aufgabe des Schutzes und der Förderung der Menschenrechte.318 Zwar sahen die UNTAET-regulations eine Bindung der Ausübung öffentlicher Gewalt in Osttimor an Menschenrechtsstandards vor,319 nicht aber 315
UNMIK/REG/2000/38.
316
Herv. TK. S. dazu auch C. Stahn, MPYUNL 5 (2001), S. 105 (156 ff.) sowie den Bericht der European Commission for Democracy Through Law (Venice Commission), Opinion on Human Rights in Kosovo: Possible Establishment of Review Mechanisms, Opinion no. 280/2004, Dok. Nr. CDL-AD 2004/033 und dazu G. Nolte, FS Tomuschat, 2006, S. 245. Nachdem schon eine Ombudsperson Institution bestanden hatte, wurde im März 2006 mit Regulation 2006/12 (geändert durch UNMIK/REG/2007/3) ein Human Rights Advisory Panel zur formlosen Kontrolle von Menschenrechtsstandards eingeführt, das Empfehlungen an den SRSG richten kann (Sections 14, 17.1). 317
Nachweise bei R. Everly, GLJ 8 (2007), S. 21 (25 ff.).
318
S. SR Res. 1244 (1999), para. 10 einerseits, SR Res. 1272 (1999), para. 2 andererseits. Mit der Verpflichtung „to secure and promote human rights“ aus SR Res. 1272 (1999) argumentiert aber C. Stahn, MPYUNL 5 (2001), S. 105 (158 f.). 319
Nach Section 2 der UNTAET Regulation 1999/1 v. 27.11.1999 war die Ausübung von Hoheitsgewalt an internationale Menschenrechtsstandards gebunden, insbesondere die AEMR, den IPbpR, IPwskR, ICERD, CEDAW, CAT, CRC. Section 3 sah vor, dass bestimmte innerstaatliche Gesetze nur anwendbar sind, wenn sie mit diesen Standards, dem UNTAET-Mandat in der SR Res. 1272 (1999) und den regulations des Übergangsverwalters übereinstimmen. S. aber Section 1.1 der Regulation 2001/2: “In order to […] protect the inalienable human rights of the people of East Timor including freedom of conscience, freedom of expression, freedom of association and freedom from all forms of discrimination, there shall be a Constituent Assembly to prepare a Constitution for an independent and democratic East Timor.”
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eine gerichtliche Kontrolle der regulations anhand von Menschenrechtsstandards, vgl. Section 5.1 der Regulation 2000/11. Nach Section 4 der Regulation 1999/1 blieben vielmehr alle regulations in Kraft „until repealed by the Transitional Administrator or superseded“. Sowohl die Resolutionen des Sicherheitsrates als auch die Verordnungen der Besonders Beauftragten können für den jeweiligen Bereich als Versprechen einer Bindungswirkung nach außen, das heißt gegenüber dem betroffenen Territorialstaat und zugunsten der betroffenen Bevölkerung entfalten. Eine allgemeine Bindung der Vereinten Nationen an die genannten Menschenrechtsstandards lässt sich aus diesen Erklärungen aber nicht begründen. Schon keine Außenwirkung entfalten demgegenüber die „Rules of conduct for peacekeepers“ des Department for Peacekeeping beim Generalsekretär sowie das „United Nations Civilian Police Handbook“ und das „UN Military Observers Handbook“ von 1995, die jeweils die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte als Anhang enthalten. Hier fehlt es an einem klar erkennbaren Willen, gegenüber anderen Völkerrechtssubjekten gebunden zu sein.320 Auch die Erklärung des UN-Generalsekretärs von 1999, dass die fundamentalen Grundsätze und Regeln des humanitären Völkerrechts auf die Streitkräfte anwendbar seien, die unter dem Befehl und der Kontrolle der Vereinten Nationen stünden, stellt Binnenrecht der Vereinten Nationen dar und begründet keine einseitige Verpflichtung der UN mit Verpflichtungscharakter nach außen, zu der der Generalsekretär nach Art. 97 ff. UNC auch gar keine Kompetenz besäße.321 Gleichermaßen ist die Erklärung des Generalsekretärs einzuordnen, die Bindung des Jugoslawiengerichts an international anerkannte Menschenrechtsstandards und insbesondere an Art. 14 IPbpR sei „axiomatisch“,322 wenn man unterstellt, dass ihr eine mehr als deklaratorische Bedeutung zukommen sollte.
320
Vgl. C. Schreuer, FS Zemanek, 1994, S. 223 (242 f.).
321
UN Secetrary-General’s Bulletin on the Observance by United Nations Forces of International Humanitarian Law, UN-Dok. ST/SGB/1999/13 v. 6.8.1999, abgedruckt in ILM 38 (1999), S. 1656; s. dazu L. Condorelli, FS AbiSaab, 2001, S. 495; H. Schermers/N. Blokker, International Institutional Law, 4 2003, § 1577; R. Hofmann, BDGVR 42 (2007), S. 1 (15). 322 Report Pursuant To Security Council Resolution 808 v. 3.5.1993, UNDok. S/25704, para. 106.
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2. Gedanke des widersprüchlichen Verhaltens Im Gegensatz zur einseitigen Erklärung setzt die Anwendung des Estoppel-Prinzips ein Vertrauen spezifischer Art voraus. Es ist damit noch stärker als die einseitige Erklärung an konkrete Umstände gebunden und zur Begründung einer allgemeinen Bindung an governanceStandards kaum geeignet.323 Das Verbot des venire contra factum proprium kann aber mit einem anderen Anknüpfungspunkt für eine Menschenrechtsbindung internationaler Organisationen fruchtbar gemacht werden.324 Viele internationale Organisationen (wie die UNO, die ILO, die OAS, die heutige Afrikanische Union) treten als Initiatoren internationaler Konventionswerke auf.325 Es wäre daher widersprüchlich, wenn sie selbst nicht an entsprechende Standards gebunden wären wie die Staaten (vgl. auch Art. 2 Nr. 2 UNC, Grundsatz von Treu und Glauben).326 Das Argument der Widerspruchsfreiheit findet sich im Effect of awards-Gutachten des IGH zur Begründung der Pflicht der Vereinten Nationen, ein Verwaltungsgericht einzurichten, vor dem arbeitsrechtliche Streitigkeiten mit ihrem Personal beigelegt werden können. Die Pflicht wird dort darauf gestützt, dass es kaum mit dem erklärten Ziel der UNO-Charta vereinbar sei, die Freiheit und die Gerechtigkeit zugunsten des Einzelmenschen zu fördern, wenn die Vereinten Nationen selbst für die Beilegung von Streitigkeiten mit ihrem Personal keinen Rechtsweg eröffneten.327 Unklar bleibt bei einer Begründung der Bindung mit dem Gedanken des widersprüchlichen 323
Vgl. W. Fiedler, GYIL 19 (1976), S. 35 (66 f.). Zu den Voraussetzungen des Estoppel-Prinzips: J. P. Müller, Vertrauensschutz im Völkerrecht, 1971, S. 9 ff.; R. Kolb, La bonne foi en droit international public, 2000, S. 359 ff. 324
Zum Verhältnis des Verbot widersprüchlichen Verhaltens und des Estoppel-Prinzips s. R. Kolb, La bonne foi en droit international public, 2000, S. 357 ff. 325
N. White/D. Klaasen, in: dies. (Hg.), The UN, human rights and postconflict situations, 2005, S. 1 (7); S. Kadelbach/T. Kleinlein, AVR 44 (2006), S. 235 (256). 326
Vgl. R. Murphy, RICR 82 (2000), S. 953 (964); B. Kondoch, in: N. White/ D. Klaasen (Hg.), The UN, human rights and post-conflict situations, 2005, S. 19 (36); B. Fassbender, IOLR 3 (2006), S. 437 (445 ff.); für den UNHCR R. Wilde, Yale Human Rights & Development L.J. 1 (1998) S. 107 (116); für die UNO und die Bindung des Sicherheitsrates E. de Wet, Chapter VII, 2004, S. 195 ff. 327 IGH Effect of awards, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1947, S. 47 (57); daran anküpfend A. Reinisch, BDGVR 42 (2007), S. 43 (88).
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7. Kapitel
Verhaltens allerdings, in welchem Umfang eine Bindung bestehen muss, um in der Praxis einen Selbstwiderspruch zu vermeiden.
IV. Bindung der Organe internationaler Organisationen an das allgemeine Völkerrecht Eine Bindung an menschenrechtliche Standards kann sich ferner daraus ergeben, dass Menschenrechte Teil des allgemeinen Völkerrechts sind. Zwar ist die Völkerrechtssubjektivität internationaler Organisationen allein keine überzeugende Grundlage für ihre Bindung an das allgemeine Völkerrecht (1.). Die Bindung internationaler Organisationen als von den Staaten verschiedenen Völkerrechtssubjekten kann aber einerseits darauf beruhen, dass sie selbst Gewohnheitsrecht geschaffen oder zu seiner Entstehung zumindest beigetragen haben (2.). Andererseits sollen sie auch an das von den Staaten geschaffene Völkergewohnheitsrecht gebunden sein, auf dessen Entwicklung sie, ähnlich wie Neustaaten, selbst keinen Einfluss haben nehmen können (3.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die in der Theorie klare Unterscheidung in der Praxis nicht leicht durchzuführen sein kann.
1. Völkerrechtssubjektivität als Grundlage der Bindung an das allgemeine Völkerrecht In der Rechtsprechung internationaler Gerichte wird von der Völkerrechtssubjektivität internationaler Organisationen auf deren Bindung an das allgemeine Völkerrecht geschlossen. Der IGH begründet diese Bindung in seinem Gutachten über die Auslegung des Übereinkommens zwischen der WHO und Ägypten vom 20.12.1980 mit der Völkerrechtssubjektivität, wenn er ausführt, internationale Organisationen seien Völkerrechtssubjekte und als solche an das sie verpflichtende allgemeine Völkerrecht gebunden. Diese Argumentation wählt auch Richter Fitzmaurice in der Dissenting Opinion zum Namibia-Gutachten des IGH.328 Ähnliche Begründungen finden sich bei nationalen Gerich328
IGH Interpretation of the Agreement of 25 March 1951 between the WHO and Egypt, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1980, S. 73 (89 f.), para. 37: “[I]nternational organizations are subjects of international law and, as such, are bound by any obligations incumbent upon them under general rules of international law”; zustimmend Sep. Op. El-Erian, ibid., S. 168; American Law Institute (Hg.), Restatement (Third), The Foreign Relations Law of the United
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ten329 und in der Literatur.330 Mit seiner vorsichtigen Formulierung einer Bindung an das „sie verpflichtende“ Völkergewohnheitsrecht lässt der IGH aber offen, um welche Normen es sich dabei handelt. Begrifflich bestimmt die Völkerrechtssubjektivität nur, wer Träger von Rechten und Pflichten sein kann, nicht aber, dass bestimmte Rechtssätze auch anwendbar sind.331 Soll die – partielle – Völkerrechtssubjektivität über die Normadressaten bestimmen, so müssten die Völkerrechtssätze für sich selbst grundsätzlich adressatenlos sein. Diese Schlussfolgerung wird aber offensichtlich nicht gezogen.332 Es mutet zunächst pragmatisch an, wenn formuliert wird, dass internationale Organisationen als gekorene Völkerrechtssubjekte nicht über dem Recht stehen könnten, das sie geschaffen haben.333 Doch ist damit eine bestimmte Vorstellung von der Einheit des Völkerrechts verknüpft.334 Unabhängig von der Debatte um die Einheit oder FragmenStates, 1982, § 223: “Subject to the international agreement creating it, an international organization has […] (b) the rights and duties created by international law or agreement.”; IGH Namibia, Advisory Opinion, Diss. Op. Fitzmaurice, ICJ Rep. 1971, S. 16 (294): “[T]he Security Council has no power to abrogate or alter territorial rights […]. This is a principle of international law that is as wellestablished as any there can be, – and the Security Council is as much subject to it (for the United Nations is itself a subject of international law) as any of its individual member States are.”; H. Schermers/N. Blokker, International Institutional Law, 42003, §§ 1339, 1579; A. Reinisch, AJIL 95 (2001), S. 851 (858); D. Shelton, Sask. LR 65 (2002), S. 301 (307). 329
S. etwa Suprema Corte di Cassazione, Nacci v. Bari Institute, Urt. v. 8.6.1994, ILR 114, S. 544 – international organisations “are subject to the same rules of international law, with customary and treaty, that govern relations between states”. 330
J. Sánchez Patrón, AMDI 6 (2006), S. 793 (805).
331
A. Bleckmann, ZaöRV 37 (1977), S. 107 (108 ff.); J. Klabbers, Interna2 tional Institutional Law, 2009, S. 39. 332
S. zu diesem Argument A. Bleckmann, ZaöRV 37 (1977), S. 107 (110).
333
G. Cahin, La coutume internationale et les organisations internationales, 2001, S. 513; M. Bothe/T. Marauhn, in: C. Tomuschat (Hg.), Kosovo and the International Community, 2002, S. 217 (237); H. Schermers/N. Blokker, Inter4 national Institutional Law, 2005, § 1574; vgl. auch M. Byers, Nordic JIL 66 (1997), S. 211 (231), demzufolge das Recht jeder Gesellschaft grundsätzlich auf alle ihre Mitglieder anwendbar sein muss. 334 Eine ähnliche Vorstellung von der Unteilbarkeit des Völkerrechts liegt der Entscheidung der Trial Chamber des ICTY im Fall Simic et al. zugrunde: ICTY, Trial Chamber Simic et al., No. 95-9-P.T., v. 27.7.1999, para. 42 – “It is a trite
592
7. Kapitel
tierung des internationalen Rechts lässt sich aber festhalten, dass das Völkerrecht jedenfalls keine einheitliche Rechtsordnung bildet, in der Rechtsnormen sich vergleichbar mit dem innerstaatlichen öffentlichen Recht grundsätzlich an alle Völkerrechtssubjekte richten.335 Eine solche Einheit des Rechts setzt mehr voraus als Widerspruchsfreiheit. Sie entspräche einer vollständig konstitutionalisierten, systematischen Völkerrechtsordnung, würde dann aber auch nur auf Verfassungsnormen zutreffen können, die jede Form der Ausübung von Hoheitsgewalt binden. Das allgemeine Völkerrecht richtet sich zwar grundsätzlich an alle Staaten, lässt aber wie im Fall des persistent objectors doch Ausnahmen zu. Auch wenn die Rechtsfigur der persistent objection eher theoretische Bedeutung hat, ist es zu voraussetzungsvoll, eine Einheit zu unterstellen, die über die Widerspruchsfreiheit hinausgeht. Dem entspricht, dass der IGH im Reparation for Injuries-Fall auf mögliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Völkerrechtssubjekten hingewiesen hat336 und sich auch im WHO-Gutachten nur auf das internationale Organisationen verpflichtende Völkergewohnheitsrecht bezieht.
2. Eigener Beitrag internationaler Organisationen zur Bildung von Völkergewohnheitsrecht Internationale Organisationen prägen in vielfältiger Weise die Entstehung des Völkergewohnheitsrechts, beschleunigen und vereinfachen diesen Prozess.337 In der Theorie lässt sich dabei zwischen der von Rechtsüberzeugung getragenen Praxis der internationalen Organisation selbst und der Staatenpraxis innerhalb dieser Organisation unterscheiden. Soweit internationale Organisationen aus eigenem Recht handeln, sind sie grundsätzlich in der Lage, zur Praxis beizutragen. In seinem Gutachten zu den Vorbehalten zur Völkermordkonvention bezog der that the International Tribunal is bound by customary international law”. Das ICTY geht hier von seiner Befugnis aus Art. 1 seines Statuts aus, bestimmte Personen, die für im Hoheitsgebiet des ehemaligen Jugoslawien begangene schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht verantwortlich sind, strafrechtlich zu verfolgen. Aus der Anwendung des auch völkergewohnheitsrechtlichen humanitären Völkerrechts schließt er dann auf seine Bindung an eventuelle völkergewohnheitsrechtliche Beweisverwertungsverbote. 335 336 337
S. Hörmann, AVR 44 (2006), S. 267 (271). IGH Reparation for Injuries, ICJ Rep. 1949, S. 174 (178).
S. ausführlich 6. Kapitel C. II. sowie G. Cahin, La coutume internationale et les organisations internationales, 2001, S. 27 ff.
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IGH daher neben der Staatenpraxis auch die Praxis des UN-Generalsekretärs als Depositar zahlreicher multilateraler Verträge ein, um das Gewohnheitsrecht zu Vertragsvorbehalten zu bestimmen.338 Der ILC zufolge kann die Praxis internationaler Organisationen als Nachweis von Völkergewohnheitsrecht in den Beziehungen von Staaten zu internationalen Organisationen betrachtet werden.339 In der Literatur wird nun die Ansicht vertreten, dass die Zuordnung einer Praxis zu einer internationalen Organisation oder den in ihrem Rahmen handelnden Staaten exklusiv sei: Die Praxis sei entweder der Organisation oder aber den Staaten zuzurechnen, nicht aber beiden zugleich.340 Eindeutig als Praxis der Organisation ist dann jedenfalls die Praxis der Sekretariate anzusehen. Dagegen ist es schwierig, etwa eine Resolutionspraxis der Generalversammlung eindeutig zuzuordnen. Wird hier abgestimmt, so lässt sich das Abstimmungsverhalten auf jeden einzelnen Staat zurückführen. Anders verhält es sich, wenn das Konsensusverfahren Anwendung findet. Dennoch ist auch dann eine Einordnung als Beitrag aller Staaten, die sich nicht in geeigneter Weise distanziert haben, nicht ausgeschlossen. In der Praxis werden sich die Beiträge der Organisation und der Staaten aber in den Plenarorganen nicht klar trennen lassen, weil die zu verabschiedenden Resolutionen in der Regel von den Sekretariaten oder nicht repräsentativen Ausschüssen vorbereitet werden und die Organisation dabei den organisatorischen Rahmen bildet. Vorzugswürdig dürfte es daher sein, in gewissen Fällen eine mehrfache Zurechnung zuzulassen, wenn sich ein Organ einer internationalen Or-
338
IGH Reservations, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1951, S. 15 (25); Joint Diss. Op., ibid., S. 34 ff. 339
Report of the International Law Commission to the General Assembly, UN-Dok. A/1316, YBILC 1950-II, S. 364 (372), para. 78. 340
R. Higgins, AIDI 66-I (1995), S. 251 (260 f.) – Unterscheidung danach, ob eine selbständige Willensbildung der internationalen Organisation existiert, oder alternativ danach, wie weit Einfluss oder Kontrolle der Mitgliedstaaten reicht, sei nicht möglich, weil die internationale Organisation eine Einheit darstellt; I. Shihata, AIDI 66-I (1995), S. 291 – Abgrenzung des Handelns als Staatenvertreter vom Handeln als Funktionär der Organisation, keine Haftung für letzteres; M. Mendelson, RdC 272 (1998), S. 155 (201 f.); vgl. auch I. Gunning, Va JIL 31 (1991), S. 211 (221 ff.); J. Klabbers, in: E. Cannizzaro/P. Palchetti (Hg.), Customary International Law on the Use of Force, 2005, S. 179 (181 ff.).
594
7. Kapitel
ganisation aus Staatenvertretern zusammensetzt.341 Betrachtet man Verlautbarungen in internationalen Organisationen als Ausdruck einer relevanten Praxis, so kann diese insbesondere dann auch der internationalen Organisation zugerechnet werden, wenn sie als Ausdruck einer überwältigenden Mehrheit anzusehen ist und das Verhalten eines Organs der Organisation darin erkennbar wird. Innerhalb der exekutiven Praxis der Organisation selbst ist zwischen solchen Akten, die dem Binnenrecht der Organisation zuzuordnen sind, und solchen zu unterscheiden, die das Verhältnis zu den Mitgliedstaaten betreffen. Im organisationsinternen Bereich kann sich eine Gewohnheit zunächst im Interorganverhältnis und im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten entfalten, im Einzelfall auch gegenüber Individuen. Für andere internationale Organisationen wird diese Praxis zum normativen Maßstab erst durch einen Vergleich.342 Normative Bedeutung hat zunächst nur die konforme Praxis mehrerer Organisationen.343 Außerhalb dieses Binnenbereichs ist zwischen spezifischen Verhaltensweisen internationaler Organisationen und solchen Verhaltensweisen zu unterscheiden, die auch Staatenverhalten sein können. Hier tragen Staaten wie Organisationen zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht bei. Soweit Staaten und internationale Organisationen in ihren Handlungsmöglichkeiten zu vergleichen sind, lassen sich dem von Rechtsüberzeugung getragenen Verhalten der einen Kategorie von Völkerrechtssubjekten normative Vorgaben für die andere Kategorie entnehmen, insbesondere kann ein Defizit bei der Praxis internationaler Organisationen durch ein hohes Maß an Kohärenz bei der Staatenpraxis kompensiert werden und, praktisch bislang wohl weniger relevant, auch umgekehrt. Sicher wird man davon ausgehen können, dass die Praxis internationaler Organisationen, die über das Binnenverhältnis zu den Mitgliedstaaten hinausreicht, in noch stärkerem Ausmaß in Verlautbarungen als in tatsächlichem Verhalten im klassischen Sinne besteht. Einseitige Erklärungen, die selbst nur eine konkret beschränkte Bindungswirkung ent341
Vgl. auch ILC, Second Report on responsibility of international organizations by Mr. Giorgio Gaja, Special Rapporteur, UN-Dok. A/CN.4/541, para. 6, 44. 342 Diese vergleichende Perspektive nehmen die grundlegenden Werke zum institutionellen Völkerrecht ein, die daraus allgemeine Regeln abzuleiten versuchen, s. nur H. Schermers/N. Blokker, International Institutional Law, 42003. 343
Vgl. zur Bildung von organisationsinternem und organisationsübergreifendem Völkergewohnheitsrecht im Bereich des Haftungsrechts K. Schmalenbach, Die Haftung Internationaler Organisationen, 2004, S. 576 ff.
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falten, können so ein Anknüpfungspunkt für die Herausbildung von Völkergewohnheitsrecht sein. Diese Form der Praxis ist gerade auch im Bereich der Menschenrechte besonders relevant, soweit es um ohne verbale Erklärungen nur schwer einzuordnende Unterlassenstatbestände geht. Es zeigt sich hier, dass sich die beiden Elemente des Völkergewohnheitsrechts, Praxis und opinio iuris nur mit Anpassungen auf internationale Organisationen übertragen lassen. Der Reziprozitätsmechanismus, der der Bildung von Völkergewohnheitsrecht zugrunde liegt, funktioniert bei internationalen Organisationen jedenfalls anders als im zwischenstaatlichen Verhältnis. Eine relevante Reaktion auf eine in der Praxis dokumentierte Rechtsbehauptung einer Organisation (claim) lässt sich in der Regel wohl nur bei den Mitgliedstaaten beobachten. Umgekehrt ist dagegen denkbar, dass eine internationale Organisation auf in der Praxis dokumentierte Rechtsbehauptungen sowohl von Mitgliedern als auch von Nichtmitgliedern reagiert. Das Verhältnis zwischen Organisation und Mitgliedstaaten unterliegt aber offensichtlich anderen Gesetzen als das Verhältnis zwischen Staaten als souveränen Gleichen. Im letzten Kapitel dieser Arbeit wird zu untersuchen sein, inwiefern sich die Beiträge internationaler Organisationen unter anderem im Bereich des Menschenrechtsschutzes als konstitutiv nicht für die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht, sondern für die Bildung allgemeiner Rechtsgrundsätze heranziehen lassen und welche normativen Konsequenzen sich daraus wiederum für die Schrankenziehung gegenüber internationalen Organisationen ergeben.
3. Bindung an sonstiges geeignetes Völkergewohnheitsrecht Die Staaten werden nach wie vor als die dominanten Schöpfer des Völkergewohnheitsrechts angesehen. Das gilt sowohl für das vertragsunabhängige wie auch für das Völkergewohnheitsrecht, das sich im Zusammenhang mit dem Völkervertragsrecht entwickelt. Entsprechende Verträge werden ganz überwiegend von den Vertretern der Staaten ausgehandelt, von den Staaten ratifiziert und durch nachfolgende Praxis inhaltlich näher bestimmt und gegebenenfalls auch weiterentwickelt.344 Die Bindung internationaler Organisationen an etabliertes Völkergewohnheitsrecht, zu dessen Entstehung nicht sie selbst, sondern nur die Staaten eine eigene von Rechtsüberzeugung getragene Praxis beigetra344
R. Hofmann, BDGVR 42 (2007), S. 1 (2 f.).
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7. Kapitel
gen haben, ist aber schwierig zu begründen. Für das Gewohnheitsrecht gilt wie für völkerrechtliche Verträge, dass die Funktionsnachfolge die Bindung einer internationalen Organisation an menschenrechtliche Verpflichtungen ihrer Mitgliedstaaten nur bedingt begründen kann. Dass internationale Organisationen an das universelle Völkergewohnheitsrecht gebunden sind, soweit dies mit ihren besonderen Eigenschaften vereinbar ist, wird indes nicht ernsthaft bestritten und in der Regel vorausgesetzt.345 Soweit internationale Organisationen Staaten gleichen, sollen sie auch an universelles Völkergewohnheitsrecht gebunden sein, wie dies ein Staat wäre.346 Nicht selbstverständlich ist aber die Begründung für diese Bindung. Die Funktionsnachfolge hat sich schon für den Übergang vertraglicher Bindungen nur als bedingt tragfähig erwiesen. Nicht recht klar ist etwa die Begründung des EuGH für eine Bindung der EU an das Völkergewohnheitsrecht. In der Entscheidung Poulsen und Diva Navigation heißt es, dass die Befugnisse der Gemeinschaft unter Beachtung des Völkerrechts auszuüben seien. Aus diesem Grund sei die Bestimmung einer Verordnung, die Gegenstand der Vorlagefrage war, im Lichte des einschlägigen Völkerrechts auszulegen.347 Diese Aussage lässt sich auf die Auslegungsregel des Art. 31 Abs. 3 lit. c WVK stützen. Im Fall Racke verweist der EuGH auf diese Entscheidung und folgert weiter, dass die Gemeinschaft die Regeln des Völkergewohnheitsrechts beachten müsse und diese Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung seien.348 345
Restatement (Third) of the Foreign Relations Law of the United States, 1987, § 223: “Subject to the international agreement creating it, an international organization has […] the rights and duties created by international law or agreement.”; zweifelnd aber N. White, in: ders./D. Klaasen (Hg.), The UN, human rights and post-conflict situations, 2005, S. 1 (7). 346
M. Virally, JDI 99 (1972), S. 501 (509 f.); vgl. F. Morgenstern, Legal Problems of International Organizations, 1986, S. 4 f., 32; M. Shaw, International Law, 62008, S. 1309 f.; B. Kondoch, in: N. White/D. Klaasen (Hg.), The UN, human rights and post-conflict situations, 2005, S. 19 (36) – Bindung and das Völkergewohnheitsrecht mutatis mutandis; vgl. A. Reinisch, Global Governance 7 (2001), S. 131 (135), C. Tomuschat, in: H. von der Groeben/J. Schwarze, 6 EU-/EG-Vertrag, 2004, Art. 281 EG para. 40. 347 EuGH Poulsen und Diva Navigation, C-286/90, Slg. 1992-I, S. 6019 (6052), para. 9. 348
EuGH Racke, Rs. C-162/96, Slg. 1998-I, S. 3655 (3704), para. 45 f. Im Fall Opel Austria, Rs. T-115/94, Slg. 1997-II, S. 39 hatte das EuG dagegen den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes, nicht den völkerrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben angewandt.
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Ohne nähere Begründung geht der EuGH damit aber einen Schritt über die zitierte Entscheidung hinaus, wenn nun die Ungültigerklärung einer Gemeinschaftsverordnung auf die Verletzung von völkergewohnheitsrechtlichen Regeln gestützt werden soll.349 Hinter der Rechtsprechung des EuGH steht die Erkenntnis, dass die EU kaum international Verträge schließen könnte, wenn sie das allgemeine Völkerrecht nicht anerkennen und anwenden würde.350 In ähnlicher Weise angemessen erscheint es, wenn der EuGH die sachlichen Regelungsbefugnisse der EU in Analogie zur Jurisdiktion der Staaten kraft Völkerrechts bestimmt.351 Auch die Anwendbarkeit des völkerrechtlichen Interventionsverbots auf die EU stellen EuGH und EuG als solche nicht infrage. Es bleibt aber offen, ob es im Völkerrecht eine derartige Regel überhaupt gibt, weil ihre Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt sein sollen.352 Entscheidendes Begründungselement für eine Bindung dürfte daher allein die tatsächliche Vergleichbarkeit internationaler Organisationen mit den Staaten sein, für die, wie oben dargestellt, viele Anknüpfungspunkte bestehen. Zu den signifikanten Besonderheiten der internationalen Organisationen zählt aber, dass sie weder ein eigenes Territorium noch im Sinne der Staatsangehörigkeit eigene Gemeinschaftsangehörige besitzen,353 grundsätzlich intergouvernemental strukturiert sind und nicht über eine umfassende Souveränität, sondern nur über eine funktionell beschränkte Zweckbestimmung verfügen. Wenn für internationale Organisationen aus diesem Grund gewisse Modifikationen gegenüber Staaten erlaubt sein sollen,354 ergeben sich daraus auch Unsicherheiten darüber, wie weit diese reichen sollen. Zu den Bereichen des allgemeinen Völkerrechts, die jedenfalls teilweise unabhängig von der Eigenschaft als Staat oder internationale Organisa-
349 350
Vgl. Schlussanträge GA Jacobs, Slg. 1998-I, S. 3659 (3679), para. 76. P. Eeckhout, External Relations of the European Union, 2004, S. 324.
351
EuGH Kramer u. a., Rs. 3, 4 und 6/76, Slg. 1976, S. 1279 (1311), para. 30/33. 352
EuGH Ahlström u. a. v. Kommission, verb. Rs. 89, 104, 114, 116, 117 und 125 bis 129/85, Slg. 1988, S. 5193 (5244), para. 21; EuG, Gencor Ltd. v. Kommission, Rs. T-102/96, Slg. 1999, S. II-743 (788), para. 103. 353
Vgl. C. Schönberger, Unionsbürger, 2005, S. 155 ff. – dauerhaftes Aufenthaltsrecht in dem jeweiligen Gebiet als Kriterium für ein Angehörigkeitsverhältnis. 354
R. Kolb, NILR 50 (2003), S. 119 (129 f., 133 ff.).
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7. Kapitel
tion sind, zählen das Vertragsrecht355 und bestimmte Fragen des Rechts der Verantwortlichkeit. Der IGH wandte 1971 das in Art. 60 Abs. 3 WVK zum Ausdruck kommende Völkergewohnheitsrecht auf die Beendigung des Mandats von Südafrika über Südwestafrika durch die Generalversammlung der Vereinten Nationen an.356 Die UNO entschädigte, einer fortwährenden Praxis folgend, Geschädigte des UNOCEinsatzes im Kongo nach den Grundsätzen, die auch als allgemeine Rechtsgrundsätze anerkannt sind.357 Dem Sonderberichterstatter Gaja zufolge bedürfen Abweichungen bei den Zurechnungsregeln für völkerrechtswidriges Verhalten von Staaten und internationalen Organisationen der Rechtfertigung.358 Im Hinblick auf die Menschenrechte dürften die Unterschiede zwischen Staaten und internationalen Organisationen grundsätzlich dort nicht ins Gewicht fallen, wo in vergleichbarer Weise Menschenrechtsverletzungen drohen. Die unbefriedigende dogmatische Grundlage für eine Bindung an „fremdes“ Völkergewohnheitsrecht fällt tatsächlich nicht so sehr ins Gewicht. Internationale Organisationen akzeptieren in der Praxis ihre Unterwerfung unter das allgemeine Völkerrecht.359 Weil internationale Organisationen am Entstehungsprozess von völkerrechtlichen Verträgen mitwirken, erscheint auch ihre Bindung an vertragsbasiertes Völkergewohnheitsrecht gut begründbar. Zwar haben die Staaten in der Tat als vertragsschließende Parteien einen dominierenden Einfluss auch auf das sich aus dem Vertrag entwickelnde Gewohnheitsrecht. Internationale Organisationen beeinflussen die Prozesse aber in vielfältiger Weise. Sie wählen die Verhandlungsgegenstände aus und stellen den Konferenzrahmen bereit. Während des Redaktionsprozesses kommt Ihnen die Expertenrolle und die Sekretariatsfunktion zu und sie stellen schließlich, nach der Ratifikation, die Vertragsbefolgung sicher.360 Sie geben einen stabilen Rahmen (iteration), vermindern die Transaktions355
P. Manin, AFDI 32 (1986), S. 454; vgl. G. Cahin, La coutume internationale et les organisations internationales, 2001, S. 515 f. 356
IGH Namibia, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1971, S. 16 (46 f.), para. 94.
357
G. Cahin, La coutume internationale et les organisations internationales, 2001, S. 515 m. N. 358
ILC, Second Report on responsibility of international organizations by Mr. Giorgio Gaja, Special Rapporteur, Dok-Nr. A/CN.4/541, para. 5. 359 360
J. Sánchez Patrón, AMDI 6 (2006), S. 793 (815).
J. E. Alvarez, Law-makers, 2005, S. 273 ff.; vgl. J. Cardona Llorens, FS Vasak, 1999, S. 975 (993 ff.).
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kosten, verbessern die Normbefolgung (self-enforcing behaviour in der Spieltheorie, das u. a. auf Pfadabhängigkeiten beruht) und eröffnen Spielräume durch die Verknüpfung verschiedener Themen (issue linkage).361 Unter Rückgriff auf den Gedanken des widersprüchlichen Verhaltens sollen sie daher in geeigneten Fällen auch gebunden sein, steht eine Unterscheidung der Völkerrechtssubjekte in Staaten und internationale Organisationen einer Bindungswirkung des „fremden“ Völkergewohnheitsrechts jedenfalls nicht entgegen.
4. Zwischenfazit Eine Bindung internationaler Organisationen an die Menschenrechtsstandards, die Teil des allgemeinen Völkerrechts sind, lässt sich dort begründen, wo internationale Organisationen in einer mit den Staaten vergleichbaren Position sind, Menschenrechte verletzen zu können. Wo die Beiträge zur Bildung von Völkergewohnheitsrecht, die von Staaten und internationalen Organisationen stammen, nicht strikt zu trennen sind, betrifft die Bindung nicht „fremdes“ Gewohnheitsrecht und ist deshalb grundsätzlich auch die Relevanz des Reziprozitätsmechanismus für die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht, wie sie im 6. Kapitel analysiert wurde, gewahrt. Insgesamt hat dieser Begründungsansatz aber den Nachteil, dass der völkergewohnheitsrechtliche Standard des Menschenrechtsschutzes hinter dem völkervertraglichen zurückbleibt und in seinem Bedeutungsgehalt eher vage und umstritten ist.
V. Bindung als Voraussetzung einer adäquaten Aufgabenerfüllung Neben der Vergleichbarkeit internationaler Organisationen mit den Staaten lässt sich für ihre Bindung an menschenrechtliche Standards ein normativer Gesichtspunkt anführen, der in anderem Zusammenhang entwickelt worden ist. Er ergänzt die Begründung mit dem Verbot des Selbstwiderspruchs und konkretisiert den notwendigen Umfang der Menschenrechtsbindung. Die Bindung an menschenrechtliche Stan-
361
B. Bryde, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 103 (111); differenziert J. E. Alvarez, Law-makers, 2005, S. 338 ff.; R. Higgins, The development of international law through the political organs of the United Nations, 1963; s. auch R. Sabel, Procedure at International Conferences, 1997.
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7. Kapitel
dards wie ihre effektive Kontrolle ist für eine adäquate Aufgabenerfüllung internationaler Organisationen in ähnlicher Weise Voraussetzung wie ihre Rechtspersönlichkeit. Zwar ist die Rechtssubjektivität internationaler Organisationen keine unmittelbar hinreichende Grundlage der Rechtsbindung. Bindung und Kontrolle beruhen aber letztlich auf denselben Erwägungen wie die Rechtspersönlichkeit internationaler Organisationen, die sie unbeteiligten Drittstaaten entgegenhalten können. Im Reparations/Bernadotte-Fall zog der IGH die Prinzipien der Notwendigkeit und der Funktionalität heran, um damit die Rechtspersönlichkeit der Vereinten Nationen als Grundlage ihrer Fähigkeit zu begründen, Schadensersatzansprüche geltend zu machen.362 Die praktische Notwendigkeit der Bindung an bestimmte Verfassungsstandards bei der Ausübung von Hoheitsgewalt insbesondere dort, wo diese massive Auswirkungen auf das Leben Einzelner hat, und eine effektive Kontrolle ihrer Einhaltung dient in entsprechender Weise ihrer inneren Rechtfertigung. So lassen sich Ansätze zu einem „impact-based“ reasoning363 bei der Begründung der menschenrechtlichen Bindung als eine Umkehrung der Reparations-Rechtsprechung verstehen. In beiden Fällen begründet die funktionale Notwendigkeit eine gewisse Objektivierung des Völkerrechts. Während sich nach der Entscheidung des IGH Drittstaaten die Rechtspersönlichkeit der Vereinten Nationen entgegenhalten lassen müssen, wird hier die Geltung bestimmter Normen auf internationale Organisationen erstreckt. Die Umkehrung besteht darin, dass sich die Argumente der Notwendigkeit und der Funktionalität für die internationale Organisation hier als beschränkend und nicht als ermächtigend auswirken. Sie reflektiert die doppelte Tradition des Konstitutionalismus, die herrschaftsbegründende und die herrschaftsbegrenzende Verfassungsdimension, die sich einander nicht ausschließen, sondern miteinander zu vereinbaren sind. Hinter der Umkehrung verbirgt sich auch ein gewandeltes Bild von internationalen Organisationen. Die Paradigmen der Funktionalität im Dienste der Staaten und der Einbindung von Staaten werden um das Paradigma der good governance und der accountability ergänzt. Dadurch wird das Verhalten internationaler Organisationen und das auf sie bezogene Staatenverhalten vorhersehbar und zugunsten von Frieden
362 363
IGH Reparation for Injuries, ICJ Rep. 1949, S. 174.
C. Jochnick, HRQ 21 (1999), S. 56; vgl. F. Mégret/F. Hoffmann, HRQ 25 (2003), S. 314 (321).; J. Cerone, in: N. White/D. Klaasen (Hg.), The UN, human rights and post-conflict situations, 2005, S. 42 (44 f.).
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601
und Wohlfahrt als Ziele der internationalen Organisation stabilisiert.364 Dies ist in der Entscheidung des IGH auch schon angelegt, in der es heißt, “the rights and duties of an entity such as the [United Nations] Organization must depend upon its purposes and functions as specified or implied in its constituent documents and developed practice.”365 Nichtsdestotrotz bleibt eine Konkretisierung der aus diesem Argument ableitbaren Menschenrechtsbindung ein für die Praxis internationaler Organisationen wichtiges Desiderat.
D. Möglichkeiten zur Sicherstellung von Standards über die Mitgliedstaaten Es bestehen aber Schwierigkeiten, die Verantwortlichkeit internationaler Organisationen in einem geeigneten Rechtsweg geltend zu machen.366 Neben der Bindung internationaler Organisationen selbst ist daher die fortwährenden Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten von Interesse. Soweit sie Vertragsparteien der Menschenrechtskonventionen sind und dieser Begründungsweg gangbar ist, führt er schon de lege lata zu einer Möglichkeit, die Vertragsorgane der Menschenrechtsverträge zu befassen. Er ist grundsätzlich alternativ, aber auch kumulativ zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen zu sehen. Deshalb ist die „Flucht aus der Verantwortlichkeit“ auch kein zwingendes Argument gegen die objektive Rechtspersönlichkeit internationaler Organisationen.367 Dogmatisch lässt sich die Sicherstellung von Standards in bestimmten Fällen durch eine Verhaltenszurechnung an die Mitgliedstaaten realisieren (I.). Denkbar ist aber auch eine Verantwortlichkeit von Staaten im Zusammenhang mit der Handlung einer internationalen Organisation (II.). Schließlich sind die Mitgliedstaaten im Grundsatz auch bei der Umsetzung von Rechtsakten der Organisation an ihre Verpflichtungen aus Menschenrechtsverträgen gebunden (III.).
364
G. Hafner, FS Delbrück, 2005, S. 307 (313 f.).
365
IGH Reparation for Injuries, ICJ Rep. 1949, S. 174 (180), Herv. TK; vgl. für die Wahrung von Weltfrieden und internationaler Sicherheit M. Zwanenburg, LJIL 11 (1998), S. 229 (234). 366
G. Hafner, FS Delbrück, 2005, S. 307 (309); vgl. A. Reinisch, International Organizations Before National Courts, 2000. 367
S. schon F. Seyersted, Ind. JIL 4 (1964), S. 233 (240 ff.).
602
7. Kapitel
I. Zurechnungsfragen Die Einhaltung von Standards in internationalen Organisationen lässt sich auch dadurch sicherstellen, dass ihr Verhalten ihren Mitgliedstaaten zugerechnet wird. Der IGH hat im Lockerbie-Fall das – nicht besonders nachdrücklich vorgetragene, aber immerhin angedeutete – Argument des Vereinigten Königreichs weitgehend ignoriert, die Klage Libyens betreffe in der Sache vom Sicherheitsrat angeordnete Sanktionen und müsse sich daher gegen den Sicherheitsrat und nicht gegen die Mitglieder des Sicherheitsrates einzeln oder in ihrer Gesamtheit richten.368 Folglich konnte sich das Vereinigte Königreich nicht hinter dem organizational veil der Vereinten Nationen verstecken. In der Literatur wird bei Zurechnungsfragen in zwei Schritten vorgegangen. Zunächst wird untersucht, ob ein Verhalten den Mitgliedstaaten zugerechnet werden kann, anschließend geprüft, ob dieses Verhalten des Mitgliedstaates eine Pflichtverletzung darstellt.369 Dies steht im Einklang mit der Definition der völkerrechtswidrigen Handlung eines Staates nach Art. 2 ASR und einer internationalen Organisation nach Art. 4 der Draft Articles zur Verantwortlichkeit internationaler Organisationen (DARIO).370 Danach liegt eine Völkerrechtsverletzung eines Staates bzw. einer internationalen Organisation dann vor, wenn eine Handlung oder ein Unterlassen ihm bzw. ihr nach dem Völkerrecht zugerechnet werden kann und die Verletzung einer rechtlichen Verpflichtung des Staates bzw. der Organisation darstellt. Für den EGMR ist im Fall Behrami und Saramati die Zurechnung bei der Frage relevant geworden, ob die Jurisdiktion der beklagten Konventionsstaaten nach Art. 1 EMRK gegeben ist.371 Durch die internati368
IGH Lockerbie (Libya v. UK), Preliminary Objections, ICJ Rep. 1998, S. 9 (23 f.), para. 37 f.; vgl. J. Klabbers, in: J.-M. Coicaud/V. Heiskanen (Hg.), The Legitimacy of International Organizations, 2001, S. 221 (239 f.). 369
D. Frank, Verantwortlichkeit, 1999, S. 204 ff.
370
Draft articles on responsibilities of international organizations, Report of the International Law Commission on its sixty-first session, UN-Dok. A/64/10 (2009), S. 19 ff., para. 50. S. ILC, First report on responsibility of international organizations by Mr. Giorgio Gaja, Special Rapporteur, UN-Dok. A/CN.4/532 v. 26.3.2003, para. 39. Art. 4 DARIO gilt als Wiedergabe gesicherten Völkergewohnheitsrechts, s. P. Bodeau-Livinec/G. Buzzini/S. Villalpando, AJIL 102 (2008), S. 323 (326). 371
EGMR Agim Behrami and Bekir Behrami v. France und Ruzhdi Saramati v. France, Germany and Norway, No. 71412/01, 78166/01, Entsch. [GC]
Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt
603
onale Sicherheitspräsenz im Kosovo (KFOR) und die Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen im Kosovo (UNMIK) geschädigte Individuen klagten gegen Konventionsstaaten, die an der Tätigkeit der NATO und der Vereinten Nationen vor Ort beteiligt waren. Die Große Kammer des EGMR untersuchte zunächst, ob das Verhalten innerhalb des vom Sicherheitsrat mit der Resolution 1244 erteilten Mandats lag.372 In einem zweiten Schritt rechnete der EGMR die Verantwortlichkeit für die Maßnahmen der KFOR und das Unterlassen von UNMIK, die Gegenstand der Klage waren, den Vereinten Nationen zu,373 um in einem dritten Schritt festzustellen, dass er ratione personae nicht zuständig sei, ein den Vereinten Nationen zurechenbares Verhalten zu überprüfen.374 Die Zurechnung zu den Vereinten Nationen ist im Fall des Verhaltens von UNMIK als Unterorgan des Sicherheitsrates unproblev. 31.5.2007; s. dazu K. Watson, Tulane JICL 16 (2007/2008), S. 575; P. Lagrange, RGDIP 112 (2008), S. 85; G. Hafner, FS Bothe, 2008, S. 103; A. Breitegger, ICLR 11 (2009), S. 155; H. Krieger, Journal of International Peacekeeping 13 (2009), S. 159; M. Milanović/T. Papić, ICLQ 58 (2009), S. 267. 372
Kritisch dazu A. Sari, HRLR 8 (2008), S. 151 (163); A. Orakhelashvili, AJIL 102 (2008), S. 337 (341). 373
S. U. Erberich, Auslandseinsätze der Bundeswehr und Europäische Menschenrechtskonvention, 2004, S. 61 ff. – zu Fragen der Zuordnung nationaler Kontingente bei UN-Aktionen und NATO-Operationen; K. Schmalenbach, Die Haftung Internationaler Organisationen, 2004, S. 101 ff. – zur Organleihe, S. 205 ff., 249 f. – zu UNEF I und II; M. Zwanenburg, Accountability of Peace Support Operations, 2005, S. 51 ff. – Verhaltenszurechnung bei friedenshaltenden Maßnahmen; ILC, Second Report on responsibility of international organizations by Mr. Giorgio Gaja, Special Rapporteur, UN-Dok. A/CN.4/541, para. 32 ff. 374
EGMR Agim Behrami and Bekir Behrami v. France und Ruzhdi Saramati v. France, Germany and Norway, No. 71412/01, 78166/01, Entsch. [GC] v. 31.5.2007, insb. para. 121 ff. Der EGMR hat die Entscheidung bislang in den Entscheidungen Kasumaj v. Greece, No. 6974/05, Urt. v. 5.7.2007, Gajic v. Germany, No. 31446/02, Urt. v. 28.8.2007 und Berić and Others v. Bosnia and Herzegovina, No. 36357/04 u. a., Urt. v. 16.10.2007, ECHR 2007-XI, bestätigt; sie ist auch Grundlage der Entscheidung United Kingdom House of Lords R (Al-Jedda) v. Secretary of State for Defence, ILM 47 (2008), S. 607 (612 ff., para. 5 ff. – per Lord Bingham of Cornhill; 627 ff., para. 65 ff. – per Lord Rodger of Earlsferry; 638, para. 124 – per Baroness Hale of Richmond; 641 ff., para. 140 ff. – per Lord Brown) – Bspr. von A. Breitegger, ICLR 11 (2009), S. 155; F. Messineo, NILR 56 (2009), S. 35; s. weiter District Court of the Hague, HN v. Netherlands (Ministry of Defence and Ministry of Foreign Affairs), First Instance Judgment 265615, 2008, para. 4.8, ILDC 1092.
604
7. Kapitel
matisch (vgl. Art. 5 DARIO). Aber auch für die Maßnahmen der KFOR soll eine solche Zurechnung dem EGMR zufolge möglich sein, weil für den Einsatz der KFOR nur das operative Kommando delegiert wurde, während dem Sicherheitsrat die letzte Entscheidungsbefugnis und Kontrolle verblieb. Die Entscheidung des EGMR ist in der Literatur vor allem in dogmatischer Hinsicht kritisiert worden. Die komplexen Fragen der Zurechnung und der Jurisdiktion nach Art. 1 EMRK können hier nicht abschließend behandelt werden. Hervorgehoben seien aber die folgenden Punkte: Die Frage der Verhaltenszurechnung ist sowohl für die Begründung der Jurisdiktion eines Konventionsstaates als auch für die Feststellung einer konventionsstaatlichen völkerrechtswidrigen Handlung relevant. Eine in die Zuständigkeit des EGMR fallende völkerrechtswidrige Handlung setzt eine Bindung des betreffenden Mitgliedstaates an die EMRK und dazu einen „jurisdictional link“ zwischen den Klägern und den beklagten Staaten voraus.375 Für die Jurisdiktion ratione loci der beklagten Mitgliedstaaten kommt es nach den in der Banković-Entscheidung entwickelten Kriterien darauf an, dass das Gebiet des Kosovo unter der effektiven Kontrolle der internationalen Zivil- und Sicherheitspräsenz stand.376 Bei der Zurechnungsfrage im Rahmen der Jurisdiktionsbegründung ratione personae zieht der EGMR die einschlägigen Draft Articles der ILC heran, deren rechtlichen Status er nicht infrage stellt.377 Damit werden die Zurechnungskriterien zur Begründung der Jurisdiktion ratione personae eines Konventionsstaates und für eine völkerrechtswidrige Handlung gleichgesetzt.378 In der Sache weicht der EGMR aber dann doch von Art. 6 DARIO ab, 375
A. Sari, HRLR 8 (2008), S. 151 (158); vgl. den Beklagtenvortrag des Vereinigten Königreichs und Deutschland EGMR Agim Behrami and Bekir Behrami v. France und Ruzhdi Saramati v. France, Germany and Norway, No. 71412/ 01, 78166/01, Entsch. [GC] v. 31.5.2007, para. 112 bzw 103 und 107. 376
EGMR Banković and Others v. Belgium and Others (dec.) [GC], No. 52207/99, ECHR 2001-XII, S. 333 (355), para. 71; Agim Behrami and Bekir Behrami v. France und Ruzhdi Saramati v. France, Germany and Norway, No. 71412/01, 78166/01, Entsch [GC] v. 31.5.2007, para. 70. 377 EGMR Agim Behrami and Bekir Behrami v. France und Ruzhdi Saramati v. France, Germany and Norway, No. 71412/01, 78166/01, Entsch. [GC] v. 31.5.2007, para. 121. 378
S. aber zu den unterschiedlichen Bedeutungsgehalten des Begriffs der „jurisdiction“ in unterschiedlichen Kontexten M. Milanović, HRLR 8 (2008), S. 411 (417 ff.).
Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt
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der die Zurechnung bei einer Organleihe regelt. Während Art. 6 DARIO eine effektive Kontrolle über das konkrete Verhalten selbst verlangt,379 lässt der EGMR letztlich eine Befehlskette genügen, die dem Sicherheitsrat die Letztverantwortung und Kontrolle vermittelt („ultimate authority and control“).380 Nicht in Betracht zieht der EGMR eine parallele Zurechnung des Verhaltens an Staat und internationale Organisation, wie sie im Falle der Organleihe nicht ausgeschlossen ist.381 Mit dieser Lösung wäre im Einzelfall bei nationalen Truppenkontingenten unter UNO-Kommando, die dabei Organe der Mitgliedstaaten bleiben, doch eine Rechtskontrolle durch den EGMR zu begründen.382 Eine parallele Haftung wurde aber bislang in der Literatur überwiegend nur bei einem gemeinsamen Kommando angenommen.383 Die den EGMR leitende Absicht und policy consideration war wohl, die Autorität des Sicherheitsrates und die Effektivität des universellen Systems kollektiver Sicherheit nicht zu unterminieren.384 Nicht im Vordergrund scheint dagegen die materielle Rechtsfrage gestanden zu haben, wie die menschenrechtlichen Stan-
379
Report of the International Law Commission on its sixty-first session, UN-Dok. A/64/10 (2009), S. 63, 65. 380
EGMR Agim Behrami and Bekir Behrami v. France und Ruzhdi Saramati v. France, Germany and Norway, No. 71412/01, 78166/01, Entsch. [GC] v. 31.5.2007, para. 135; vgl. P. Bodeau-Livinec/G. Buzzini/S. Villalpando, AJIL 102 (2008), S. 323 (327 f.); H. P. Aust, in: G. Nolte (Hg.), Peace Through Law, 2009, S. 13 (35 f.). 381
Vgl. ILC, Second Report on the Responsibility of International Organizations by Giorgio Gaja, Special Rapporteur, UN-Dok. A/CN.4/541 (2004), S. 3 para. 6 ff.; S. 20, para. 42. Im Sechsten Ausschuss haben sich Staaten dazu unterschiedlich geäußert, ibid., para. 44; P. Bodeau-Livinec/G. Buzzini/S. Villalpando, AJIL 102 (2008), S. 323 (328); H. P. Aust, in: G. Nolte (Hg.), Peace Through Law, 2009, S. 13 (36). S. aber auch Report of the International Law Commission on its Fifty-sixth Session, UN-Dok. A/61/10 (2004), S. 111 – „either […] or“; A. Sari, HRLR 8 (2008), S. 151 (159); R. Hofmann, BDGVR 42 (2007), S. 1 (29) hält eine parallele Zurechnung durch Art. 6 DARIO für „wohl implizit“ ausgeschlossen. 382
A. Sari, HRLR 8 (2008), S. 151 (160).
383
Vgl. K. Schmalenbach, Die Haftung Internationaler Organisationen, 2004, S. 249 f. 384 A. Sari, HRLR 8 (2008), S. 151 (170); H. P. Aust, in: G. Nolte (Hg.), Peace Through Law, 2009, S. 13 (36).
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7. Kapitel
dards der EMRK – unter Berücksichtigung der Ausnahmesituation vor Ort – gewährleistet werden.
II. Verantwortlichkeit von Staaten im Zusammenhang mit der Handlung einer internationalen Organisation Art. 57-61 DARIO sehen eine Reihe von Fällen vor, in denen Staatenverantwortlichkeit für ein Verhalten einer internationalen Organisation begründet wird.385 Zu denken ist dabei in Parallele zu Art. 16-18 ASR zunächst daran, dass ein Staat einer internationalen Organisation Beihilfe leistet oder Unterstützung gewährt (Art. 57 DARIO), eine internationale Organisation bei der Begehung einer völkerrechtswidrigen Handlung leitet und kontrolliert (Art. 58 DARIO) oder sie dazu nötigt (Art. 59 DARIO). Subsidiär kommt auch die Haftung eines Staates für eine völkerrechtswidrige Handlung einer internationalen Organisation in Betracht, wenn er diese Verantwortlichkeit anerkannt oder gegenüber der geschädigten Partei einen entsprechenden Vertrauenstatbestand geschaffen hat (Art. 61 DARIO). Vor allem aber begründet Art. 60 DARIO die Verantwortlichkeit eines Staates, der eine völkerrechtliche Verpflichtung dadurch umgeht, dass er sich einer internationalen Organisation bedient und sich ihre einschlägigen Kompetenzen zunutze macht. Der Staat haftet dann für völkerrechtswidrige Handlungen der Organisation, die, als Handlung des Staates gedacht, eine Verletzung der fraglichen Verpflichtung darstellen würden. Die internationale Organisation ist hier also nur „vorgeschoben“.386 Der Kommentierung der ILC zufolge erfordert der Umgehungstatbestand keine spezifische Absicht. Die Kompetenzbegründung soll nicht auf Integrationsgemeinschaften beschränkt sein und auch Funktionen der Organisation betreffen, die der Staat selbst gar nicht
385
Report of the International Law Commission on the work of its sixtyfirst session, UN-Dok. A/64/10 (2009), S. 158 ff.; s. J. d’Aspremont, IOLR 4 (2007), S. 91 (98 ff.). 386 Vgl. J. Salmon, AIDI 66-I (1995); S. 336 (340, 343 f.); D. Frank, Verantwortlichkeit, 1999, S. 204 ff.; vgl. auch EKMR M. & Co. v. Deutschland, Entsch. v. 9.2.1999, No. 13258/87, EuGRZ 17 (1990), S. 200; EGMR Waite & Kennedy v. Germany [GC], No. 26083/94, ECHR 1999-I, S. 393 (410), para. 67; Bosphorus v. Ireland [GC], No. 45036/98, ECHR 2005-VI, S. 107 (157 f.), para. 154.
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hat. Als Beispiel für möglicherweise umgangene Verpflichtungen nennt die ILC insbesondere Menschenrechtsverträge.387 Diese Haftung von Mitgliedstaaten ist mit dem Problem konfrontiert, dass wohl noch kein Völkergewohnheitsrecht existiert, das eine Mitverantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für Organisationsakte klar begründet oder ausschließt.388 Die Bindung an die EMRK umfasst nach Ansicht der Literatur ein über den Zeitpunkt der Gründung bzw. des Beitritts zu einer internationalen Organisation hinaus fortbestehendes Kontrollgebot, das mit gehöriger Sorgfalt (due dilligence) zu erfüllen ist.389 Nach Art. 1 EMRK sichern die Vertragsparteien allen ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen die Konventionsrechte zu. Während diese Übersetzung wie auch die französische Fassung („reconnaissent“) auf die primär abwehrrechtliche Funktion der Konventionsrechte abzielt, zeigt der englische Wortlaut von Art. 1 EMRK („shall secure“), dass die effektive Wahrung der Rechte den Mitgliedsstaaten auch aktive Maßnahmen abverlangen kann.390 Der EGMR ist zurückhaltend gegenüber der Entwicklung einer „general theory of the positive obligations which may flow from the Convention“.391 Gleichwohl entnimmt er in ständiger Rechtsprechung den Konventionsrechten im jeweiligen Einzelfall eine Handlungsverpflichtung der Vertragsstaaten, die Rechte gegen nichtstaatliche Beeinträchtigungen zu schützen.392 Die Mitglied387
Report of the International Law Commission on the work of its sixtyfirst session, UN-Dok. A/61/10 (2006), S. 163 ff.; für eine weitergehende Verantwortlichkeit im Fall des Missbrauchs der Völkerrechtssubjektivität einer internationalen Organisation J. d’Aspremont, IOLR 4 (2007), S. 91 (101 ff.). 388
P. Klein, Responsabilité, 1998, S. 430 ff.; D. Frank, Verantwortlichkeit, 1999, S. 257 ff.; A. Geslin, RGDIP 109 (2005), S. 539 (548); grundlegend zur mittelbaren Haftung im Völkerrecht M. Hartwig, Die Haftung der Mitgliedstaaten für Internationale Organisationen, 1993, S. 56 ff. 389
J. Salmon, AIDI 66-I (1995), S. 336 (340); D. Frank, Verantwortlichkeit, 1999, S. 325 ff.; I. Cameron, Nordic JIL 72 (2003), S. 159 (168); C. Walter, AöR 129 (2004), S. 39 (56 f., 68 ff.). 390
M. Holoubek, Grundrechtliche Gewährleistungspflichten, 1997, S. 45 ff.; L. Zwaak, in: P. van Dijk u. a. (Hg.), Theory and Practice of the European 4 Convention on Human Rights, 2006, S. 1 (13). 391
EGMR Plattform „Ärzte für das Leben“ v. Austria, No. 10126/82, Ser. A No. 139, S. 12, para. 31. 392 EGMR X and Y v. the Netherlands, No. 8978/80, Ser. A No. 91, S. 11, para. 23; unter Verweis auf EGMR Airey v. Ireland, No. 6289/73, Ser. A No. 32, S. 17, para. 32 f. (betrifft allerdings den effektiven Zugang zu einer vorhandenen
608
7. Kapitel
staaten könnte damit auch bei der Gründung internationaler Organisationen eine Art „Garantenstellung“ treffen,393 die eine „mittelbare Wirkung“ der EMRK begründet.394 Der Übertragung von Hoheitsrechten an eine internationale bzw. supranationale Organisation steht es nicht entgegen, dass diese selbst nicht an die EMRK gebunden ist. Die Effizienz der EMRK verlangt auch nicht, dass der „Schleier“ der juristischen Person insoweit „durchstoßen“ werden müsste.395 Stattdessen liegt es an den Mitgliedstaaten, die grundsätzlich in der Gestaltung ihrer internationalen Beziehungen möglichst frei sein sollen,396 im Gründungsvertrag und durch ihr späteres Verhalten in der internationalen Organisation sicherzustellen, dass die Gewährleistungen der Konvention „practical and effective“397 bleiben.
Verfahrensregelung). Zur Freiheitsbeeinträchtigung durch Private in der jüngeren Rspr. EGMR Storck v. Germany, No. 61603/00 (Sect. 3), ECHR 2005-V, S. 111 (141), para. 102; umfassend zur Rspr. A. Mowbray, The Development of Positive Obligations under the European Convention on Human Rights by the European Court of Human Rights, 2004; mit Verweis auf den Definitionsversuch in EGMR Gül v. Switzerland, No. 23218/94, Rep. 1996-I, fasc. 3, Diss. Op. of Judge Martens S. 178 (180), para. 7: “Negative obligations require member States to refrain from action, positive to take action.”; C. Dröge, Positive Verpflichtungen der Staaten in der Europäischen Menschenrechtskonvention, 2003. 393
R. Hofmann, BDGVR 42 (2007), S. 1 (29).
394
I. Cabral Barreto, FS Caflisch, 2007, S. 55 (56). Die Unterlassungskonstruktion versucht, allerdings nicht überzeugend, zu vermeiden P. Schäfer, Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention durch Europäisches Gemeinschaftsrecht und dessen Vollzug, 2006, S. 170 ff. Er bezieht sich stattdessen auf das an die Mitgliedstaaten gerichtete Verbot, durch ein eigenes Verhalten zu ermöglichen, dass sich konventionswidrige Handlungen gegenüber den ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen als Grundrechtsverletzungen realisieren. Soll dieses Verbot nicht auf ein Verbot der Beteiligung an internationalen Organisationen und deren Ausstattung mit Kompetenzen hinauslaufen, kann es aber doch nichts anderes bedeuten als das Unterlassen adäquater Schutzmechanismen. Vgl. für die Erwägung einer Schutzpflichtenkonstruktion auch C. Janik, EHRC 9 (2008), S. 1390 (1392). 395
Vgl. dazu A. Bleckmann, ZaöRV 37 (1977), S. 107 (118); V. GowllandDebbas, ICLQ 43 (1994), S. 55 (91). 396 397
J. Bröhmer, EuGRZ 33 (2006), S. 71 (73).
S. zu dieser Formulierung EGMR Soering v. UK, No. 14038/88, Ser. A. No. 161, S. 17, para. 33; zur einschlägigen Rspr. des EGMR I. Caral Barreto, FS
Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt
609
Zunächst ist beim Abschluss späterer Verträge mit gehöriger Sorgfalt sicherzustellen, dass bereits bestehende menschenrechtsschutzvertragliche Pflichten eingehalten werden können. Dazu hat ein daran beteiligter Mitgliedstaat bei der Ausarbeitung der Satzungsverträge gegebenenfalls darauf hinzuwirken, dass einerseits entsprechende materielle Direktiven für die Organisation, andererseits adäquate Kontrollmöglichkeiten zu deren Einhaltung aufgenommen werden.398 Damit endet die Verantwortung eines Mitgliedstaates aber nicht.399 Vielmehr hat er auch im Rahmen seiner Mitwirkungsmöglichkeiten in den Organen der Organisation darauf zu achten, dass nicht durch die Einschaltung der Organisation seine menschenrechtlichen Bindungen unterlaufen werden.400 Anknüpfungspunkt für die Verantwortlichkeit eines Mitgliedstaates kann also auch die Beteiligung an der Beschlussfassung sein. Dies zeigt der Fall Matthews zur Vereinbarkeit der Nichtbeteiligung Gibraltars an den Wahlen zum Europäischen Parlament mit Art. 3 des Zusatzprotokolls Nr. 1 zur EMRK.401 Hier knüpft der EGMR die Verantwortlichkeit des Vereinigten Königreiches an den Abschluss des Vertrages von Maastricht sowie an die konstitutive Mitwirkung am „Beschluss und Akt zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordne-
Caflisch 2007, S. 55; zu diesem Aspekt auch CESCR, GC No. 14 (2000), para. 39. 398
D. Frank, Verantwortlichkeit, 1999, S. 284; vgl. auch schon H. Golsong, Das Rechtsschutzsystem der Europäischen Menschenrechtskonvention, 1958, S. 67. 399
Der Beitritt ist vielmehr Anknüpfungspunkt für eine fortbestehende Verantwortlichkeit, s. für die EMRK S. Winkler, Der Beitritt der Europäischen Gemeinschaften zur Europäischen Menschenrechtskonvention, 2000, S. 171 f.; C. Walter, AöR 129 (2004), S. 39 (62). 400
Für den IPwskR und die Verhängung von Wirtschaftssanktionen durch den UN-SR: CESCR General Comment 8, The relationship between economic sanctions and respect for economic, social and cultural rights, UN-Dok. E/C.12 /1997/8 v. 12.12.1997, para. 8; I. Cameron, Nordic JIL 72 (2003), S. 159 (168). 401
Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten v. 20.3.1952, BGBl. 1956-II, S. 1880.
610
7. Kapitel
ten des Europäischen Parlaments“402 auf der Grundlage von Art. 138 Abs. 3 EWG-Vertrag.403 Aufgrund der Beteiligung an der Beschlussfassung können etwa auch die Mitglieder des Sicherheitsrates haften, die zwar an das Sonderrecht der Charta gebunden sind, denen aber dadurch in der Regel nicht konkret vorgeschrieben wird, wie sie eine bestimmte Sachfrage zu entscheiden haben.404 Aus der eingeschränkten Rechtsbindung des Sicherheitsrates wird man nicht ableiten können, dass weitergehende Rechtsbindungen der Mitglieder des Sicherheitsrates bei der Beschlussfassung per se dem Vorrang der Charta nach Art. 103 UNC widersprächen.405 Allerdings respektiert der EGMR auch mit Blick auf das Abstimmungsverhalten der Mitglieder des Sicherheitsrates die Hauptverantwortung des Gremiums für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Entsprechend schränkt er im Fall Behrami und Saramati seine Zuständigkeit ein, um die Wahrung von Frieden und Sicherheit durch die Vereinten Nationen nicht zu gefährden.406 Unabhängig davon würde sich die Haftung des Mitgliedstaates hier aber auf die vorhersehbaren Folgen der Beschlüsse der Organisation begrenzen.407
III. Bindung der Mitgliedstaaten bei Umsetzung und Vollzug Mehrere Entscheidungen des EGMR und auch schon der EKMR stützen dagegen die Anwendbarkeit ratione materiae der EMRK auf die Umsetzung des Aktes einer internationalen Organisation durch einen Konventionsstaat. Auch der Menschenrechtsausschuss geht davon aus, 402
Beschluss 76/787/EGKS, EWG, Euratom v. 20.9.1976, BGBl. 1977-II, S.
734. 403
EGMR Matthews v. the United Kingdom [GC], No. 24833/94, ECHR 1999-I, S. 251 (266), para. 34. Denkbar wäre auch, an die Verweigerung der Eintragung in das Wahlregister anzuknüpfen (s. Rn. 7). 404
D. Frank, FS Wildhaber, 2007, S. 237 (254 f.); ausführlich ders., Verantwortlichkeit für die Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch internationale Organisationen, 1999, S. 211 ff. 405
T. Schilling, ZaöRV 64 (2004), S. 343 (346 ff.).
406
EGMR Agim Behrami and Bekir Behrami v. France und Ruzhdi Saramati v. France, Germany and Norway, No. 71412/01, 78166/01, Entsch. [GC] v. 31.5.2007, para. 149. 407
R. Hofmann, BDGVR 42 (2007), S. 1 (29).
Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt
611
dass er auf der Grundlage von Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls dafür zuständig ist, Individualbeschwerden ohne Weiteres unabhängig davon entgegenzunehmen, dass die behauptete Rechtsverletzung in Umsetzung von Verpflichtungen nach der UNO-Charta erfolgt sein soll.408 In seiner Boivin-Entscheidung vom September 2008 stellt der EGMR klar, dass es stets eines direkten oder indirekten Dazwischentretens des beklagten Konventionsstaates bedarf, um den Anwendungsbereich der EMRK zu eröffnen.409 Im Fall M. & Co. war Anknüpfungspunkt der Vollstreckungsbefehl deutscher Behörden, mit dem ein Urteil des EuGH vollstreckt werden sollte. Die EKMR sah darin einen Akt des beklagten Konventionsstaates Deutschland, ohne dass sie darauf einging, dass diesem kein Ermessensspielraum bei der Umsetzung verblieb. Sie anerkannte aber, dass das Erfordernis, in jedem Einzelfall vor der Umsetzung eine Kontrolle der Rechtmäßigkeit durchzuführen, mit der Idee einer Kompetenzübertragung an internationale Organisationen nicht zu vereinbaren ist.410 In den Fällen Waite & Kennedy und Beer & Reagan bestand der Hoheitsakt i. S. von Art. 1 EMRK darin, dass deutsche Arbeitsgerichte aller Instanzen arbeitsgerichtliche Klagen der Kläger als unzulässig abgewiesen hatten. Diese Urteile waren mit der Immunität der European Space Agency begründet worden. Der EGMR 408
HRC Sayadi & Vinck v. Belgium, No. 1472/2006, CCPR/C/94/D/1472/ 2006, para. 7.2, 10.6 f.; s. aber auch die in den Ind. Op. vertretenen abweichenden Positionen. 409 EGMR Boivin, Entsch. v. 9.9.2008, No. 73250/01, S. 7; s. dazu C. Janik, EHRC 9 (2008), S. 1390; zur Boivin-Entscheidung und der nachfolgenden Rechtsprechung s. weiter C. Janik, ZaöRV 70 (2010), S. 127. Über diese Konstellation war bis dahin vom EGMR nicht entschieden worden, weil im Fall Senator Lines die Klage bereits aus anderen Gründen unzulässig war: EGMR Senator Lines GmbH v. Austria et al. (dec.) [GC], No. 56672/00, ECHR 2004-IV. Weitere Nachweise zu Entscheidungen, in denen diese Frage offen bleiben konnte, bei C. Walter, AöR 129 (2004), S. 39 (61) mit Fn. 63. Nicht verallgemeinerungsfähig sollte die Entscheidung der EKMR CFDT c. Communautés européennes et leurs Etats membres (collectivement et individuellement) v. 10.7.1978, DR 13, S. 231 (235) sein, s. dazu D. Frank, Verantwortlichkeit, 1999, S. 223 ff. S. aber auch EKMR Heinz v. Austria et al., Entsch. v. 10.1.1994. Weitere Nachweise einschlägiger Kommissionsentscheidungen bei C. Walter, AöR 129 (2004), S. 39 (56) mit Fn. 44; P. Schäfer, Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention durch Europäisches Gemeinschaftsrecht und dessen Vollzug, 2006, S. 65 ff. 410 EKMR M. & Co. v. Deutschland, Entsch. v. 9.2.1990, No. 13258/87, DR 64, 138.
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7. Kapitel
betrachtete die Gewährung von Immunität an internationale Organisationen als wichtige Voraussetzung für ihre reibungsfreie Arbeit ohne Intervention einzelner Regierungen. Sie stelle daher eine Beschränkung des Art. 6 Abs. 1 EMRK dar, die einem legitimen Zweck diene und unter der Bedingung mit Art. 6 Abs. 1 EMRK vereinbar sei, dass angemessene alternative Mechanismen zum Schutz der Konventionsrechte bestünden.411 Im Fall Bosphorus schließlich war der erforderliche Hoheitsakt eines Konventionsstaates die Pfändung eines Flugzeugs durch die irischen Behörden in Anwendung der Sicherheitsratsresolution 820 (1993) und der EG-Verordnung 990/93. Der EGMR sieht hier eine Vermutung begründet, dass ein Umsetzungsakt mit der EMRK vereinbar ist, wenn dabei nur völkerrechtliche Verpflichtungen aus der Mitgliedschaft in einer internationalen Organisation erfüllt werden, die Grundrechte in einer der Konvention zumindest ebenbürtigen Weise schützt. Dieser ebenbürtige Schutz muss sowohl hinsichtlich der materiellen Gewährleistungen als auch hinsichtlich der Kontrollmechanismen zur Sicherstellung der Einhaltung bestehen. Wenn die Umstände eines konkreten Falles den Schutz der Konventionsrechte als offenkundig unzureichend erscheinen lassen würde, könne die Vermutung zugunsten der Vereinbarkeit mit der EMRK widerlegt werden. In diesem Fall habe die Funktion der Konvention als Verfassungsinstrument der europäischen öffentlichen Ordnung im Bereich der Menschenrechte Vorrang gegenüber dem Interesse an einer internationalen Zusammenarbeit.412 Die Vermutung gilt aber nur, soweit beim Umsetzungsakt kein Gestaltungsspielraum besteht.413 Ob die Voraussetzungen für eine Vermutung der Konventionskonformität bestanden, überprüft der EGMR anhand der Standards der Europäischen Gemeinschaft, nicht aber der Vereinten Nationen und unterstellt dabei, dass es im Rahmen der EU für den
411
EGMR Waite & Kennedy v. Germany [GC], No. 26083/94, ECHR 1999-I, S. 393 (409 ff.), para. 63, 68. S. auch EGMR Beer and Regan v. Germany [GC], No. 28934/95, Urt. v. 18.12.1999, para. 53, 57 f. 412
EGMR Bosphorus v. Ireland [GC], No. 45036/98, ECHR 2005-VI, S. 107 (157 ff.), para. 152 ff. 413 Im Fall EGMR Cantoni v. France, No. 45/1995/551/637, Rep. 1996-V, fasc. 20, S. 1614 bestand ein solcher Umsetzungsspielraum.
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613
Grundrechtsschutz nicht relevant ist, wenn die EU ihrerseits in Umsetzung des Beschlusses einer internationalen Organisation handelt.414
IV. Zwischenfazit Eine „Flucht“ in die Gründung internationaler Organisationen kann demnach schon dadurch verhindert werden, dass die Mitgliedstaaten in der Verantwortung für die Erfüllung ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen bleiben, auch wenn sie Kompetenzen übertragen. Mit der Garantenstellung der Mitgliedstaaten allein lassen sich menschenrechtliche Standards in internationalen Organisationen aber deshalb nur bedingt effektiv realisieren, weil sie sich auf vorhersehbare Rechtsverletzungen beschränkt. Ein einheitlicher Standard der good governance und des Menschenrechtsschutzes, an den sich die Organisation selbst halten muss, kann demgegenüber gerade auch der Effizienz der internationalen Organisation dienen. Dies wird deutlich, wenn man die Vorteile einer zentralen Rechtskontrolle auf der Ebene der Organisation selbst mit der Rechtsunsicherheit vergleicht, die durch eine dezentrale Rechtskontrolle entsteht. Die gegenwärtige Rechtslage ist dabei durchaus verbesserungsbedürftig. Es wird nicht ausreichen, für internationale Organisationen ein „Human Rights Mainstreaming“ zu betreiben, sondern es gilt, das zunehmende Bewusstsein der Wirkungsmacht internationaler Organisationen mit inhaltlich klaren Standards und effektiven Kontrollmechanismen aufzugreifen.
E. Zusammenfassung Die Autonomisierung der Völkerrechtsordnung und die Entstehung stärker integrierender Regime als zentrale Elemente einer konstitutionellen Perspektive auf das Völkerrecht begründen einen differenziert zu beurteilenden Legitimitätsbedarf. An vielen Stellen genügt der Staatenkonsens unter legitimationstheoretischen Gesichtspunkten als Grundlage des Völkerrechts nicht mehr. Auch der Verweis auf die Verwirklichung von Gemeinschaftsinteressen ist zu pauschal. Die Ausübung von 414
EGMR Bosphorus v. Ireland [GC], No. 45036/98, ECHR 2005-VI, S. 107 (159 ff.), para. 159 ff.; s. dazu F. Hoffmeister, AJIL 100 (2006), S. 442 sowie insbesondere D. Frank, FS Wildhaber, 2007, S. 237 (248).
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7. Kapitel
Hoheitsgewalt jenseits des Staates führt zu einer Verschiebung der Handlungsspielräume im Verhältnis von Staaten und internationalen Organisationen und begründet eine zunehmende Betroffenheit von Individuen. Diese Phänomene erfordern Strategien zur Verbesserung der Legitimität, soll die Konstitutionalisierungslehre auch eine Vision in der Tradition des Konstitutionalismus vermitteln. Auch hier ist im Einzelnen zu differenzieren. Grundsätzlich sind aber Anpassungen auf staatlicher und internationaler Ebene naheliegend. Im innerstaatlichen Bereich geht es vor allem darum, das Verhältnis zwischen den staatlichen Gewalten neu auszutarieren. Auf internationaler Ebene sind Verbesserungen realistischerweise vor allem auf der Grundlage eines Modells pluralistischer Legitimation und eines diskurstheoretischen Verständnisses von Demokratie vorstellbar. Paradigmen der Rechtfertigung staatlicher Herrschaft finden im Völkerrecht Resonanz. Das gilt vor allem für die rule of law, weniger für das Demokratieprinzip auf internationaler Ebene. Der Föderalismus ist dagegen vor allem Parameter und Analyserahmen für ein konstitutionelles Mehrebenensystem der Wissenschaft. Die dogmatische Grundlage einer effektiven Bindung internationaler Organisationen an konkrete menschenrechtliche Standards ist weniger gefestigt, als dass aus der Bindung an Menschenrechte ein entscheidendes Element der Legitimität internationaler Organisationen abgeleitet werden könnte. Das funktionalistische Moment ist daher gegenüber konstitutionellen Überlegungen im Zusammenhang mit internationalen Organisationen jedenfalls für die Praxis nach wie vor dominant. Die Verwirklichung von Gemeinschaftsinteressen, die den Ansatzpunkt sowohl für Überlegungen zur Hierarchisierung als auch zur objektiven Wirkung des Völkerrechts bilden, ist zugleich Grundlage des funktionalistischen Paradigmas in der Lehre von den internationalen Organisationen. Damit ist die Frage nach der Rechtfertigung der Herrschaftsausübung durch internationale Organisationen aber nur unzureichend beantwortet.
F. Hierarchisierung und Objektivierung in Empirie und Dogmatik des Völkerrechts Die vielfältigen Phänomene, die als Ausdruck einer Hierarchisierung und Objektivierung des Völkerrechts verstanden werden, entziehen sich der synthetischen Konzeption als Herausbildung einer Verfas-
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sungsordnung. Zwar lassen sich die empirisch feststellbaren Phänomene im Sinne einer Autonomisierung des Völkerrechts interpretieren. Auch stehen die beobachtete Entwicklung des Völkerrechts zu einer Werteordnung und die qualifizierten Verrechtlichungsprozesse in internationalen Organisationen und Regelsystemen in einem Zusammenhang mit der besonderen Qualität bestimmter Normen. Jedoch verändert sich das Völkerrecht nicht in der Weise, dass eine homogene Kategorie von Normen sich vom übrigen Völkerrecht abscheidet und die Qualität von Völkerverfassungsrecht annimmt. Derartige Abstraktionen entfernen sich von der Komplexität der völkerrechtlichen Normstrukturen, die sich nur punktuell weiterentwickeln und verschieben. Die Vielfalt dieser Veränderungen und die relative Offenheit der Entwicklungen müsste eine Dogmatik der Konstitutionalisierung integrieren. Sie müsste diskursive Prozesse auf internationaler Ebene in einer Form aufzugreifen, die zugleich den Eingang neuer Wertvorstellungen in das Völkerrecht und die prekäre Grundlage daraus abgeleiteter Schlussfolgerungen für die Entscheidung konkreter Streitfragen herausstellt. Konstitutionalisierung ist dann nur eine Leitidee, mit der unterschiedliche und auch weiterhin differenziert zu betrachtende Phänomene gestufter Normativität und systematischer Integration in der Völkerrechtsordnung verbunden werden. Dazu ist auch der Zusammenhang zwischen Dogmatik und zugrunde gelegtem theoretischem Völkerrechtsverständnis offen zu legen. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die konstitutionelle Sichtweise weder kritisches Potential noch epistemischen Mehrwert bietet, sondern im besten Fall zu einer leeren Begrifflichkeit, im schlechtesten Fall zu einem Rechtfertigungstopos für beliebige Machtinteressen verkommt.
4. Teil, Überlegungen zu einer Prinzipienlehre des pluralistischen Verfassungsrechts jenseits des Staates 8. Kapitel: Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze A. Problemstellung Die Herausforderung für die allgemeine Dogmatik des Völkerrechts, die sich nach den bisherigen Betrachtungen stellt, ist eine vierfache. Zunächst richtet sich an die völkerrechtliche Quellenlehre das Desiderat, die vielfältigen argumentativen Prozesse zu integrieren, die in internationalen Foren stattfinden. Zweitens muss die Quellenlehre berücksichtigen, dass die Bedeutung der Reziprozität als Triebkraft der Normentstehung und -verwirklichung im Völkerrecht dort begrenzt ist, wo sich Interessen nicht unmittelbar einzelnen Staaten zuordnen lassen. Deshalb taugt das Reziprozitätsprinzip nur bedingt als soziologisches Erklärungsmuster für die Wirkungsweise völkerrechtlicher Normen mit materiell verfassungsrechtlicher Qualität. Darin liegt zunächst ein Schwachpunkt in der Konstitutionalisierungsthese: Sie verfehlt, wenn sie nicht mit Zurückhaltung entwickelt wird, die defizitäre institutionelle Struktur der Völkerrechtsordnung, in der Gemeinschaftsinteressen nur unzureichend verkörpert und ungeschriebene Normen über die innerstaatliche Regierungsführung selten effektiv sind. Zugleich soll die Völkerrechtsdogmatik die von konstitutionellen Ansätzen beschriebenen besonderen Normwirkungen aufgreifen. Dazu gilt es, drittens die Hierarchisierung (s. 5. Kapitel) sowie viertens die Objektivierung (s. 6. Kapitel) völkerrechtlicher Normen samt der normativ angestrebten umfassenden Bindung der Ausübung von Hoheitsgewalt (s. 7. Kapitel) in überzeugenden dogmatischen Begriffen abzubilden. Der Mechanismus, in dem Normen materiell verfassungsrechtlichen Charakters mit Bedeutung über den Kreis der Parteien eines völkerT. Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 231, DOI 10.1007/978-3-642-24884-9_4, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
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8. Kapitel
rechtlichen Vertrages hinaus entstehen und fortentwickelt werden, hängt wohl weniger mit der Reziprozität vorgegebener rationaler Interessen als mit der Konstruktion von Identitäten im internationalen Diskurs zusammen.1 Die hier entstehende Normativität ist quellentheoretisch am besten als Herausbildung allgemeiner Rechtsgrundsätze (Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut) mit verfassungsrechtlichen Merkmalen zu verstehen. Die Bindung von Staaten an bestimmte Normen konstitutionellen Typs ohne ihre Zustimmung lässt sich als normative Wirkung internationaler Diskursforen konzipieren und den allgemeinen Rechtsgrundsätzen zuschreiben. Auch die Bindung internationaler Organisationen wird mit allgemeinen Rechtsgrundsätzen überzeugender begründet als mit dem Völkergewohnheitsrecht. Sowohl bei der Normentstehung als auch bei der objektiven Normwirkung ist das Verständnis der Normen als allgemeine Rechtsgrundsätze eine dogmatische und konstruktive Alternative zu einem modernen Verständnis des Völkergewohnheitsrechts. Allerdings ist die „Rechtsquelle“ der allgemeinen Rechtsgrundsätze nicht abschließend dadurch definiert, dass ihr bestimmte verfassungsrechtliche Normen zugeordnet werden. Die Bedeutung einer Hierarchisierung im Völkerrecht liegt, wie bereits dargestellt, weniger in der Herausbildung einer abstrakten Stufenleiter von Werten, aus der sich konkrete Rechtsfolgen ableiten lassen, als in der besonderen Ausstrahlungswirkung bestimmter Normen. Sie zeigt sich vor allem bei mittelbaren Normkollisionen und soll hier im rechtstheoretischen Sinn als Prinzipienwirkung verstanden werden. Die Fragen der Ermittlung allgemeiner Rechtsgrundsätze (Art. 38 lit. c IGH-Statut) und der Prinzipienwirkung völkerrechtlicher Normen im rechtstheoretischen Sinne sind dabei zunächst zu trennen. Zwischen beiden, zwischen der Normentstehung im Kontext der internationalen Politik und der Anwendungssituation des Rechts, besteht aber eine Wechselwirkung, die hier als reflexiver Prozess beschrieben werden soll: Recht und Politik sind ineinander verschränkt und die politische Auseinandersetzung findet ihre Fortsetzung im rechtlichen Diskurs. Außerdem kommt es wie gezeigt darauf an, dass die Möglichkeit besteht, bestimmte Rechtsprechungsergebnisse politisch zu korrigieren. Die bisherigen Untersuchungen legen nahe, dass für die Völkerrechtsordnung ein offenes, prozeduralistisches Verfassungsverständnis adäquat ist (vgl. 5. Kapitel A. III. 2.; 6. Kapitel D.; 7. Kapitel F.). Demnach 1
S. zur Konstitutionalisierung des Völkerrechts in kollektiven Lernprozessen J. Habermas, Konstitutionalisierung, 2004, S. 113; ders., in: P. Niesen/B. Herborth (Hg.), Anarchie der kommunikativen Freiheit, 2007, S. 406.
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kommt es darauf an, die Verfassung als ein dynamisches System zu verstehen, in dem Rechte angesichts veränderter gesellschaftlicher Lagen stets neu interpretiert und ausgestaltet werden können, in einer Art und Weise, dass die Adressaten zugleich die Autoren des Rechts bleiben.2 In diesem Sinne versteht auch die Diskurstheorie die Verfassung als fortgesetztes Projekt, in dem die verfassungsmäßigen Grundrechte im Zeitablauf in den Institutionen der Gesetzgebung und der Rechtsprechung verwirklicht werden, die wiederum als deliberative Verfahren organisiert und durch die Öffentlichkeit kontrolliert werden.3 Das folgende Kapitel wendet sich damit der dogmatischen Rekonstruktion des Phänomens der Konstitutionalisierung zu, ohne ein dogmatisches Luftschloss zu errichten. Dazu wird zunächst auf den Normbildungsprozess und die objektive Bindungswirkung der allgemeinen Rechtsgrundsätze eingegangen (B.), um anschließend nach dem Prinzipiencharakter dieser Normen im rechtstheoretischen Sinne zu fragen, dem vor allem bei Kollisionslagen im fragmentierten Völkerrecht Bedeutung zukommt (C.).4
B. Allgemeine Rechtsgrundsätze als Rechtsquelle ungeschriebener Normen über die Ausübung von Hoheitsgewalt Ungeschriebenen Normen über die Ausübung von Hoheitsgewalt durch Staaten und internationale Organisationen sind von nicht primär zwischenstaatlicher, sondern über- oder innerstaatlicher Bedeutung. Sie den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und nicht dem Völkergewohnheitsrecht zuzuordnen, reflektiert, dass der Reziprozitätsmechanismus als Triebkraft der Normentstehung hier wie gezeigt nur eingeschränkt funktioniert. Die verschiedenen Kombinationen von Staatenpraxis und opinio iuris sind hier nur bedingt aussagekräftig für die Entstehung von Normen, die in ihrer Erfüllungsstruktur nicht zwischenstaatlich sind. 2
Vgl. K. Günther, in: A. Honneth (Hg.), Schlüsseltexte der kritischen Theorie, 2006, S. 199 (203). 3 4
C. Cronin, in: J. Habermas, The Divided West, 2004, S. vii (ix f.).
Vgl. zu der hier vorgenommenen Unterscheidung zwischen allgemeinen Rechtsgrundsätzen im Zusammenhang mit der Normentstehung und der Prinzipienwirkung im rechtstheoretischen Sinne auch G. J. H. van Hoof, Sources, 1983, S. 134, 148 ff. – Prinzipien im materiellen und im prozeduralen Sinne.
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8. Kapitel
Jedoch können bei der Analyse des Entstehungsprozesses von Rechtsgrundsätzen eines konstitutionellen Typs auf der internationalen Ebene Erkenntnisse konstruktivistischer Forschung in den Internationalen Beziehungen berücksichtigt werden. Danach sind die Identitätsbildung von Staaten und internationalen Organisationen als legitimen Akteuren in einem intersubjektiven Prozess und die diskursive Verstrickung für die Normbildung und -befolgung von entscheidender Bedeutung. Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut nennt als Rechtsquelle „die von den Kulturvölkern anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze“.5 Diese allgemeinen Rechtsgrundsätze lassen sich in drei Gruppen unterteilen: Neben Rechtsgrundsätzen, die den staatlichen Rechtsordnungen entnommen werden, erfasst Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut auch Grundsätze, die ihren Ursprung in den internationalen Beziehungen selbst haben oder aber jeder Rechtsordnung schlechthin immanent sind.6 Als dritte Gruppe der jeder Rechtsordnung schlechthin immanenten Rechtsgrundsätze lassen sich Meta-Prinzipien oder notwendige Grundsätze, wie etwa der Grundsatz pacta sunt servanda und sogenannte Grundsätze der Rechtslogik wie der lex specialis- oder der lex posteriorGrundsatz, zusammenfassen.7 5
Zur Bedeutung von Art. 38 IGH-Statut über die Festlegung des vom IGH anwendbaren Rechts hinaus s. M. Bogdan, Nordic JIL 46 (1977), S. 37 (41); W. Weiß, AVR 39 (2001), S. 394 (395). 6 D. P. O’Connell, International Law, 21970, S. 13; O. Schachter, RdC 178 (1982-V), S. 9 (79 ff.); H. Mosler, The International Society as a Legal Community, 1980, S. 122 ff.; ders., Stichwort „General Principles of Law“, EPIL II, 2 1995, S. 511 (511). I. Brownlie, Principles, 72008, S. 15 ff. – mit der Unterscheidung zwischen „general principles of law“ und „general principles of international law“; letztere sind „primarily abstractions from a mass of rules and have been so long and so generally accepted as to be no longer directly connected with state practice“ (ibid., S. 19). S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 102; W. Weiß, AVR 39 (2001), S. 394 (398 f.) fassen die beiden letztgenannten Gruppen zusammen; auf die letztgenannte Gruppe beschränkend V. D. Degan, Sources of International Law, 1997, S. 73 – „logical preconditions of law“. Überblick zur Literatur bei J. Lammers, GS van Panhuys, 1980, S. 53; s. zu den zahlreichen Definitionen allgemeiner Rechtsgrundsätze M. Bassiouni, Mich. JIL 11 (1990), S. 768 (770 ff.). 7
J. Pauwelyn, Conflict of Norms, 2003, S. 125 f. kommt auf diese Weise zur Unterscheidung von vier Kategorien allgemeiner Rechtsgrundsätze. H. Mosler, ZaöRV 36 (1976), S. 6 (42) benennt rechtslogische Grundsätze als vierte Gruppe, aber nur als Konzession an sowjetische Völkerrechtslehren, die es schwer hätten, etwas anderes als Begriffe ohne materiellen Inhalt im Rahmen
Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze
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Anknüpfungspunkte für materielle Verfassungsprinzipien des Völkerrechts lassen sich grundsätzlich sowohl in den staatlichen Rechtsordnungen (I.) als auch – auf der Grundlage einer Auseinandersetzung mit der konstruktivistischen IB-Lehre – auf der internationalen Ebene (II.) finden. Allgemeine Rechtsgrundsätze entfalten auf dieser Grundlage eine Bindungswirkung, die auch einen objektiven Charakter haben kann (III.).
I. Den staatlichen Rechtsordnungen entnommene allgemeine Rechtsgrundsätze Allgemeine Rechtsgrundsätze, die den staatlichen Rechtsordnungen entstammen, erschließen für das Völkerrecht die „reichere Erfahrung“ der nationalen Rechtsordnungen.8 Grundsätzlich lässt sich vermuten, dass Regelungsgehalte, die sich innerhalb verschiedener Staaten bewährt und die dort Zustimmung erfahren haben, angemessen sind. In der Praxis lassen sich den staatlichen Rechtsordnungen entnommene allgemeine Rechtsgrundsätze allerdings eher im regionalen Kontext der EU und der Rechtsprechung des EuGH und weniger in der Rechtsprechung des IGH finden (1.). Die „Übertragung“ der Grundsätze in das Völkerrecht setzt voraus, dass dafür im internationalen Recht ein Anknüpfungspunkt besteht (2.), der den Einsatz der Methode wertender Vergleichung mit normativen Konsequenzen (3.) erlaubt. Tendenzen der Konstitutionalisierung führen zu strukturellen Veränderungen in der Völkerrechtsordnung, die es erleichtern, mit diesem Ansatz Normen verfassungsrechtlicher Qualität im Völkerrecht zu gewinnen.
der allgemeinen Rechtsgrundsätze anzuerkennen (a. a. O., S. 46). Zur Unterscheidung von formalen und axiologischen Rechtsgrundsätzen s. A. von Arnauld, in: K. Riesenhuber/K. Takayama (Hg.), Rechtsangleichung, 2006, S. 247 (248 f.). 8
K. Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 190 (205 f.); H. Mosler, FS Verdross, 1971, S. 381 (404, 410); vgl. A. Verdross, FS Guggenheim, 1968, S. 521 (525); s. zu den Möglichkeiten der rechtsvergleichenden Methode für das Völkerrecht im Zeitalter der Globalisierung auch M. Delmas-Marty, U.T. JILP 3 (2006), S. 44.
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8. Kapitel
1. Praxis internationaler Gerichte Der IGH hat nur äußerst sporadisch allgemeine Rechtsgrundsätze als Grundlage seiner Entscheidungen herangezogen und diese dann auch nur kurz begründet.9 Gründe für diese Zurückhaltung mögen die Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Grundsätze sein, aber auch die bereits erörterte institutionelle Stellung des IGH. Der Ansatz, Grundsätze staatlicher Rechtsordnungen als Quelle völkerrechtlicher Verfassungsgrundsätze heranzuziehen, knüpft aber an die Verfassungsgeschichte der Europäischen Union an. Das Recht der EU kann als Beispiel für die Entwicklung einer Rechtstechnik genommen werden, durch die die Verfassungstraditionen und internationalen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten in die Rechtsordnung einer internationalen Organisation selbst aufgenommen werden. Die Rechtsprechung des EuGH greift in verschiedenen Bereichen auf Rechtsfiguren aus dem staatlichen öffentlichen Recht der Mitgliedstaaten zurück.10 Insbesondere verdanken die europäischen Grundrechte ihr Dasein einem Rekurs der Rechtsprechung des EuGH auf die den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen.11 Um ein bestimmtes Unionsgrundrecht nachzuweisen, ist es nicht erforderlich, dass jeder Mitgliedstaat jedes Grundrecht in der richterrechtlich entwickelten Form in seine Verfassung aufgenommen hat.
9
S. etwa IGH Corfu Channel, ICJ Rep. 1949, S. 4 (18); IGH Effect of awards, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1954, S. 47 (61); IGH North Sea Continental Shelf, ICJ Rep. 1969, S. 3 (48), para. 88; IGH Application for Review of Judgement No. 158 of the United Nations Administrative Tribunal, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1973, S. 166 (181), para. 36. Vgl. E. de Wet, Chapter VII, 2004, S. 87 ff. Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut hat der IGH in seiner gesamten Rechtsprechung überhaupt nur viermal erwähnt: A. Pellet, Article 38, in: A. Zimmermann u. a. (Hg.), The Statute of the International Court of Justice, 2006, para. 248 m. N. in Fn. 663; s. auch T. Franck, in: R. Wolfrum/V. Röben (Hg.), Developments of International Law in Treaty Making, 2005, S. 417 (419 f.) m. w. N. 10 11
S. dazu T. Tridimas, The General Principles of EC Law, 22006, S. 4 ff. S. dazu die Nachweise im 1. Kapitel, Fn. 154.
Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze
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2. Notwendigkeit eines Anknüpfungspunktes im Völkerrecht Allgemeine Rechtsgrundsätze sind nicht nur subsidiär heranzuziehen, wenn Völkervertrags- und Völkergewohnheitsrecht „lückenhaft“ sind,12 sondern auch dann, wenn auf deren Grundlage eine rechtliche Entscheidung durchaus möglich ist.13 Ihre Anwendung setzt eine wertende Entscheidung über ein Regelungsbedürfnis im Völkerrecht voraus.14 Freilich ist ein sicherer Anhaltspunkt für die Übernahme einer Norm in das Völkerrecht dann gegeben, wenn das Völkerrecht und seine Strukturen schon für sie sprechen, sie durch Rechtsvergleichung also nur noch bestätigt zu werden braucht.15 Darüber hinaus wurde gefordert, es müsse eine Rechtsüberzeugung in dem Sinne nachweisbar sein, dass das allgemeine Völkergewohnheitsrecht keine bestimmten Verhaltensregeln entwickelt habe, eine Frage aber rechtlich regelungsbedürftig und die Regelung nicht notwendig im Wege der Rechtsetzung zu finden sei.16 So weit wird man aber nicht immer gehen müssen, obgleich sich das Regelungsbedürfnis selbstverständlich nicht allein aus einem als unbefriedigend empfundenen Zustand des Völkerrechts ergeben kann.17 In der Literatur wird auch vorgeschlagen, die wertende Entscheidung über den Anknüpfungspunkt am Kriterium der Angemessenheit zu orientieren: Die Anwendung des fraglichen Grundsatzes auf internationaler Ebene muss dermaßen angemessen erscheinen, dass ein Staat, der sich abweichend verhält, zumindest das Bewusstsein haben müsste, dass möglicherweise eine Norm entgegensteht.18 Die Übernahme der allge12
So aber O. Schachter, International Law in Theory and Practice, 1991, S. 49 ff.; L. Henkin, RdC 216 (1989-IV), S. 9 (61). 13
A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, 31984, § 607; E. de Wet, Chapter VII, 2004, S. 80 – „gaps in the law or ambiguities“. 14
W. Wengler, Völkerrecht, Bd. 1, 1964, S. 368; M. Bogdan, Nordic JIL 46 (1977), S. 37 (39). 15
Vgl. A. Bleckmann, Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, 1982, S. 143. 16
W. Wengler, Völkerrecht, Bd. 1, 1964, S. 368.
17
M. Bogdan, Nordic JIL 46 (1977), S. 37 (39) mit Fn. 8; vgl. aber J. Kokott, FS Bernhardt, 1995, S. 135 (144, 148 f.) – die beiden primären Rechtsquellen des Völkerrechts müssten nicht unbedingt unergiebig sein, vielmehr reiche es aus, wenn sie „falsche Wertungen“ vornähmen bzw. richtige nicht berücksichtigten. 18
Vgl. H. Thirlway, BYBIL 61 (1990), 1 (112 f.); E. de Wet, Chapter VII, 2004, S. 81; vgl. auch R. Quadri, RdC 113 (1964-III), S. 237 (350) – allgemeine Rechtsgrundsätze müssten bereits „latent“ im Völkerrechtssystem enthalten sein.
624
8. Kapitel
meinen Rechtsgrundsätze in das Völkerrecht beruht demnach auf der Erwägung, dass sie der Struktur der Völkerrechtsordnung angemessen und zu seiner Ergänzung unentbehrlich ist.19 Ein ausreichender Anknüpfungspunkt wurde auch dann bejaht, wenn die Völkerrechtsordnung eine bestimmte Materie durch Rechtsnormen so stark und umfassend geregelt hat, dass sie ohne Rücksicht auf die Bindung des einzelnen Staates an einzelne Normen generell in den Zuständigkeitsbereich der Völkerrechtsordnung fällt.20 Dieses Verständnis begünstigt die Begründung von Bindungen internationaler Organisationen als gekorenen, durch völkerrechtlichen Vertrag zuallererst gegründeten Völkerrechtssubjekten. Sie erschwert dagegen die Begründung völkerrechtlicher Normen, die in den innerstaatlichen Bereich hineinwirken und dort Anforderungen an die Regierungsführung stellen. Ein vermittelnder Ansatz läuft für aus dem innerstaatlichen Recht entnommene Rechtsgrundsätze wohl darauf hinaus, dass sich das Kriterium der Regelungsbedürftigkeit dem der Übertragbarkeit innerstaatlich anerkannter Grundsätze auf die Völkerrechtsordnung annähert. Je mehr sich die internationale Ordnung mit Tatbeständen befasst, die bisher dem innerstaatlichen Recht überlassen waren, desto besser lassen sich diesem auch allgemeine Rechtsgrundsätze für das Völkerrecht entnehmen.21 Ein durch staatliche Verfassungsgrundsätze zu erfüllendes Regelungsbedürfnis besteht demnach insbesondere dort, wo sich Völkerrecht und staatliches Verfassungsrecht strukturell ähneln, im Völkerrecht aber dem staatlichen Recht entsprechende Normen fehlen. Damit ist auf zwei Ebenen eine vergleichende Herangehensweise gefordert:22 Auf der einen Ebene ist ein Strukturvergleich zwischen internationalem Recht und nationalen Rechtsordnungen, auf der anderen Ebene der Vergleich verschiedener nationaler Rechtsordnungen geboten. Bei dieser Herangehensweise rechtfertigt es der im 7. Kapitel beschriebene Verfassungsbedarf, geeignete allgemeine Rechtsgrundsätze aus dem 19
K. Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 190 (214).
20
A. Bleckmann, in: E. Klein (Hg.), Menschenrechtsschutz durch Gewohnheitsrecht, 2003, S. 29 (34). 21 22
R. Bernhardt, ZaöRV 24 (1964), S. 431 (447 f.).
Anders K. Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 190 (197) – „Allerdings kann die Rechtsvergleichung uns nicht sagen, inwieweit das System der Völkerrechtsordnung eine Rezeption rechtsvergleichend ermittelter Grundsätze gestattet.“ Im Ergebnis stellt aber auch Hailbronner einen Strukturvergleich an, wenn er verlangt, dass die „Grundsätze der Struktur der Völkerrechtsordnung angemessen und zu seiner Ergänzung unentbehrlich sind“.
Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze
625
Staatsverfassungsrecht heranzuziehen. Die strukturellen Parallelen von Völkerrecht und staatlichem öffentlichen Recht nehmen in dem Maße zu, in dem der zwischenstaatliche Charakter der Völkerrechtsordnung zugunsten einer Gemeinwohlorientierung zurückgedrängt wird und die Integrationsdichte steigt.23 Insbesondere das Binnenrecht internationaler Organisationen gleicht strukturell (als in eine Normenhierarchie eingeordnet und in der Regel erzwingbar) und inhaltlich dem staatlichen Verfassungs-, Verwaltungs- und Verfahrensrecht.24 Da internationale Organisationen, wie dargestellt, Hoheitsgewalt im weiteren Sinne ausüben, betrifft die strukturelle Parallele zum Staatsverfassungsrecht indes nicht mehr nur ihre Binnenordnung. Über eine zwischenstaatliche Kooperation hinaus können sich auch Über- und Unterordnungen ergeben. Außerdem wird die Mediatisierung des Einzelnen im Völkerrecht dadurch aufgeweicht, dass private Akteure durch das Völkerrecht direkt berechtigt und verpflichtet werden25 oder aber zumindest faktisch in vergleichbarer Weise betroffen sind. Eine Strukturangleichung zwischen Völkerrecht und staatlichen Rechtsordnungen hat auch insofern stattgefunden, als das Völkerrecht etwa im Bereich des Umweltschutzes mittlerweile öffentliche Interessen verkörpert, die ihm lange Zeit unbekannt und den Normen des nationalen Rechts vorbehalten waren.26 Die Anwendung von im Wege der Verfassungsvergleichung gewonnenen Verfassungsgrundsätzen auf internationale Organisationen wäre daher plausibel.27 Diese Annahme greift auf der Ebene der Rechtsquellenlehre ein zentrales Anliegen der Konstitutionalisierungsidee auf, Elemente der Verfassungstheorie auf das internationale System insgesamt oder auf internationale Organisationen zu übertragen. 23
Zum letztgenannten Aspekt s. K. Zemanek, ZaöRV 24 (1964), S. 453 (458
f.). 24
G. Ress, ZaöRV 36 (1976), S. 227 (244) m. w. N.; K. Zemanek, ZaöRV 24 (1964), S. 453 (454 f.); E. de Wet, Chapter VII, 2004, S. 91; vgl. W. Friedmann, AJIL 57 (1963), S. 279; K. Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 207 (224); H. Mos2 ler, Stichwort „General Principles of Law“, EPIL II, 1995, S. 511 (521 f.). 25
W. Weiß, AVR 39 (2001), S. 394 (409).
26
Vgl. noch A. Bleckmann, Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, 1982, S. 146 f. 27
Für eine strikte Trennung der Wissenschaft vom Verfassungsrecht der internationalen Gemeinschaft und der Verfassungsvergleichung spricht sich dagegen aus: B. Fassbender, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 837 (838).
626
8. Kapitel
Diese Konstitutionalisierungstendenzen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Völkerrecht weiterhin keine umfassende interindividuelle Rechtsordnung bildet, und dass besondere arbeitsteilig funktionierende Organe der Gesetzgebung, Exekutive, Judikative mit umfassender Kompetenz fehlen.28 Bei der Ermittlung allgemeiner Rechtsgrundsätze anhand von in den Staaten allgemein anerkannten Grundsätzen ist auf die besonderen Umstände und Anforderungen des Völkerrechts Rücksicht zu nehmen.29 Auch handgreifliche Unterschiede zwischen den Strukturen des internationalen Rechts und den staatlichen Rechtsordnungen sind indes kein Anlass, die Übertragung von Grundsätzen von vornherein auszuschließen. Vielmehr muss auch eine Anpassung sorgfältig geprüft werden.30 Die Beurteilung der strukturellen Vergleichbarkeit von Völkerrecht und staatlichen Rechtsordnungen ist auch im konkreten Fall zwangsläufig vom Vorverständnis des Völkerrechts als Gesamtrechtsordnung abhängig und damit umstritten. Sie dürfte aber umso leichter zu plausibilisieren sein, je enger im zu untersuchenden Zusammenhang Völkerrecht und innerstaatliches Recht verzahnt sind. Das wiederum ist insbesondere dort der Fall, wo das Völkerrecht im innerstaatlichen Bereich besonders gewichtige Auswirkungen hat. Gerade dort besteht auch der durch die zu Beginn dieser Arbeit erörterte Autonomisierung des Völkerrechts begründete ‚Verfassungsbedarf‘. Dieser Verfassungsbedarf erlaubt eine Übernahme verfassungsrechtlicher Normen in das Völkerrecht aber nur, wenn sie sich im Wege der Rechtsvergleichung belastbar darstellen lassen.
3. Methode der wertenden Vergleichung a) Belastbarkeit der rechtsvergleichenden Methode Ähnlich wie der EuGH die europäischen Grundrechte und Verfassungsgrundsätze entwickelt hat, ließe sich die Geltung der Menschen-
28 29
K. Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 190 (196 f.). H. Mosler, Stichwort „General Principles of Law“, EPIL II, 21995, S. 511
(519). 30
A. Bleckmann, Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, 1982, S. 149; E. de Wet, Chapter VII, 2004, S. 85; vgl. H. Thirlway, RdC 294 (2002), S. 265.
Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze
627
rechte,31 der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie auch für andere internationale Organisationen begründen.32 Wie im 1. Kapitel (A. II. 2. a)) dargestellt, ist die Ausgangsposition des EuGH für die Etablierung allgemeiner Rechtsgrundsätze, insbesondere verfassungsrechtlicher Qualität, aber sehr viel günstiger als die anderer internationaler Gerichtshöfe und Gerichte. Die Rechts- und Verfassungsvergleichung steht unabhängig davon vor methodischen Herausforderungen, die die Erwartungen an einen den Verfassungen der Welt extrahierten universellen Standard der Menschenrechte, des Rechtsstaates und der Demokratie begrenzen. Es ist offenkundig, dass die Verfassungsvorstellungen in den verschiedenen Regionen der Welt im Vergleich zu den (west)europäischen Verfassungsstandards wesentlich heterogener sind.33 Es 31
Vgl. H. Mosler, Stichwort „General Principles of Law“, EPIL II, 21995, S. 511 (511 ff.); D. Thürer, ZaöRV 60 (2000), S. 557 (599); ders., AVR 41 (2003), S. 314 (324). 32
Grundlegend zur Bedeutung der Rechtsvergleichung für das Völkerrecht: H. Mosler, FS Verdross, 1971, S. 381 ff.; s. auch K. Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 190; G. Ress, ZaöRV 36 (1976), S. 227; M. Bothe, ZaöRV 36 (1976), S. 280; W. E. Butler (Hg.), International Law in Comparative Perspective, 1980; aus neuerer Sicht und mit Bezug zur „Konstitutionalisierung in transnationalen Beziehungen“: C. Walter, in: J. Oebbecke (Hg.), Nicht-normative Steuerung in dezentralen Systemen, 2005, S. 205. Auf relevante Unterschiede zwischen Europa- und Völkerrecht weist hin: W. Weiß, AVR 39 (2001), S. 394 (410 f.) – größere methodische Freiheit des EuGH als Rechtsprechungsorgan einer „Integrationsgemeinschaft“. Eine a. A. betont die historische gegenüber der vergleichenden Perspektive. Ideen wie die Menschenrechte, die zunächst in staatlichen Rechtsordnungen entwickelt wurden, würden auf das internationale Recht übertragen und entwickelten sich dort in ähnlicher Weise wie im staatlichen Recht. Sie seien der Quelle des Völkergewohnheitsrechts zuzuordnen: L. Ferrari-Bravo, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Structure and Process, 1983, S. 715 (716 ff.). 33
A. von Arnauld, in: K. Riesenhuber/K. Takayama (Hg.), Rechtsangleichung, 2006, S. 247 (257). Während der Blockdichotomie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde wegen der tiefgreifenden Unterschiede zwischen kapitalistischen und kommunistischen, aber auch zwischen autokratischen und demokratischen Staaten eine selbständige Bedeutung der allgemeinen Rechtsgrundsätze neben Vertrags- und Gewohnheitsrecht überhaupt verneint, so u. a. von H. Kelsen, Principles of International Law, 11956, S. 393 f.; G. Tunkin, FS Verdross, 1971, S. 523 (524 ff.); ders., Völkerrechtstheorie, 1972, S. 236. Für die sowjetische Doktrin mussten allgemeine Rechtsgrundsätze nicht nur den nationalen Rechtssystemen, sondern zugleich auch dem Völkerrecht zu eigen, also mittels Vertrag oder Gewohnheitsrecht in das Völkerrecht übernommen worden sein. Vgl. zu den Positionen, die eine selbständige Bedeutung der allgemei-
628
8. Kapitel
besteht daher die Gefahr der Beliebigkeit oder Willkür bei der Auswahl des Materials, und es drohen „schiefe“ Rechtsvergleiche.34 Damit ein notwendigerweise reduziertes Verständnis nicht zu einem Trugbild wird, sind Sensibilität gegenüber der Differenz und ein bewusster Umgang mit der soziokulturellen Einbettung des Rechts Voraussetzungen des Vergleichens.35 Diesen Schwierigkeiten kommt immerhin etwa die Zusammensetzung des IGH entgegen, die eine Vertretung der großen Kulturkreise und der hauptsächlichen Rechtssysteme der Welt gewährleistet (Art. 9 IGH-Statut).36 Bei der Ermittlung von allgemeinen Rechtsgrundsätzen im Wege des Rekurses auf verschiedene Rechtsordnungen ist aber ein wertendes Element unvermeidlich, selbst wenn es um die Formulierung relativ bescheidener Standards gehen soll. Daher dürfte es schwierig sein, allein im Wege der Verfassungsvergleichung völkerrechtliche Standards für die Ausgestaltung staatlicher Verfassungen und darüber hinaus für die Ausübung jeglicher Hoheitsgewalt zu begründen. Dies gilt, obgleich das Verhalten der Staaten im Inneren die par excellence für Rechtsvergleichung im Völkerrecht geeignete Konstellation ist, da ja – anders als bei der private law analogy – eben das Verhalten verglichen wird, das
nen Rechtsgrundsätze als Rechtsquelle ablehnen, B. Vitanyi, RDGIP 86 (1982), S. 48 (56 ff.). 34
C. Walter, in: J. Oebbecke (Hg.), Nicht-normative Steuerung in dezentralen Systemen, 2005, S. 205 (221 ff.). 35
G. Frankenberg, Harv. ILJ 26 (1985), S. 411 – kritische „(De)Konstruktion“ des verfassungsvergleichenden Diskurses; S. Baer, ZaöRV 64 (2004), S. 735 – zu interkultureller und intersubjektiver Kompetenz als Voraussetzung der Verfassungsvergleichung; s. auch N. Dorsen/M. Rosenfeld/A. Sajó/S. Baer, Comparative Constitutionalism, 2003, S. 1 ff.; G. Frankenberg, I.CON 4 (2006), S. 439 – mit dem methodischen Vorschlag eines „layered narrative“; A. Tschentscher, JZ 62 (2007), S. 807 – mit dem Vorschlag einer „dialektischen Methode“ der Rechtsvergleichung im öffentlichen Recht unter bewusstem Verzicht auf die Fiktion eines „neutralen Standpunkts“; R. Hirschl, in: S. Choudhry (Hg.), The Migration of Constitutional Ideas, 2006, S. 39 – zu methodologischen Problemen der Auswahl. Grundsätzliche Zweifel an der Möglichkeit der rechtsvergleichenden Methode angesichts der Vielzahl der heranzuziehenden staatlichen Rechtsordnungen schon bei L. Kopelmanas, RGDIP 43 (1936), S. 285 (294); H. Kelsen, The Law of the United Nations, 1951, S. 533; C. Chaumont, RdC 129 (1970-I), S. 333 (460 f.). 36
Kritisch M. Bogdan, Nordic JIL 46 (1977), S. 37 (50).
Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze
629
Gegenstand der Regelung ist37 und somit der Analogieschluss vom Individuum auf den Staat entfallen kann. Der Grund für einen Vorbehalt gegenüber der Verfassungsvergleichung als Rechtserkenntnisquelle ist, dass die Regelung des Verhältnisses von Staat und Individuum offensichtlich in den einzelnen Staaten viel stärker konkret-historisch bedingt ist als die Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen Individuen38 und die staatliche Souveränität hier besonders stark berührt ist. Außerdem stellen sich Fragen der Übertragbarkeit von der vergleichsweise stark integrierten staatlichen auf andere Formen der Ausübung von Hoheitsgewalt. Ein denkbarer, obgleich problematischer und schwierig zu handhabender Ansatz knüpft an die in Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut formulierte Beschränkung auf bei „den Kulturvölker[n] anerkannte[…]“ allgemeine Rechtsgrundsätze an. Er sieht darin einen im Völkerrecht selbst definierten Grundstandard für die in einer Rechtsgemeinschaft anzuerkennenden menschlichen Grundwerte.39 Dabei handelt es sich um eine
37
M. Bothe, ZaöRV 36 (1976), S. 280 (296); anders C. Tomuschat, RdC 281 (1999), S. 9 (336 f.) – unmittelbarer Rückgriff auf allgemeine Rechtsgrundsätze möglich, aber nicht sehr ergiebig. 38
M. Bothe, ZaöRV 36 (1976), S. 280 (296); N. Dorsen/M. Rosenfeld/A. Sajó/S. Baer, Comparative Constitutionalism, 2003, S. 3. S. aber für eine Globalisierung des innerstaatlichen Verfassungsrechts M. Tushnet, Va JIL 49 (2009), S. 985. 39
Vgl. A. Kiss, in: J. Delbrück (Hg.), International Lawmaking, 1997, S. 103 (103 f.); K. Hailbronner, ibid., S. 105 (105 f.) – „‘civilized’ in the sense of complying with a regime which was developed by a large number of states engaged“; D. Thürer, ZaöRV 60 (2000), S. 557 (601). Ähnlich M. Herdegen, ZaöRV 64 (2004), S. 571, (581): „selektive Betrachtung nationaler Rechtssysteme“, „Referenzgrundlage auf Rechtsordnungen mit einem Mindestmaß an menschenrechtlichen Gewährleistungen (über das ius cogens hinaus) und einen funktionsfähigen Schutz durch eine unabhängige Gerichtsbarkeit [beschränkt]“. H. Thirlway, BYBIL 61 (1990), S. 1 (124) verbindet die Formulierung mit einem gewissen Entwicklungsstand der heranzuziehenden Rechtsordnungen. Vgl. dagegen für die Einbeziehung aller souveränen Staaten, unabhängig von ihrem politischen System und dem Entwicklungsstand ihrer Volkswirtschaft: H. Bokor-Szegö, in: M. Bedjaoui (Hg.), International Law: Achievements and Prospects, 1991, S. 213 (214 f.); A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, 3 1984, § 602 – jedenfalls alle Mitglieder der UNO und der anderen universellen Organisationen.
630
8. Kapitel
Neuinterpretation der Klausel,40 die den Umgang mit disparaten nationalen Rechtsordnungen ermöglichen soll und die sich bewusst vom kolonial geprägten Hintergrund ihrer Entstehung41 absetzen muss. Sie verbietet eine Einschränkung hinsichtlich der bei der Bildung allgemeiner Rechtsgrundsätze zu berücksichtigenden Staaten. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz muss zwar nicht in jeder einzelnen staatlichen Rechtsordnung zu finden sein, er muss jedoch in einer repräsentativen Mehrheit der Staaten Anwendung finden, die die Hauptrechtssysteme der Welt einschließt.42 Die normative Bedeutung des durch Vergleich gefundenen Ergebnisses besteht dann insbesondere darin, auch Staaten zu binden, die entsprechende, für den „Zivilisationsstand“ des Völkerrechts relevante Verträge nicht ratifiziert haben. Völkerrecht und innerstaatliches Verfassungsrecht stehen in ihrer Entwicklung in einer Gegenseitigkeitsbeziehung, die auf diese Weise methodisch aufgegriffen wird. Die mit der Ermittlung allgemeiner Rechtsgrundsätze verbundene Gefahr einer Hegemonie westlicher Rechtskultur,43 die gerade durch die problematische Klausel der „Kulturvölker“ in das Bewusstsein des Rechtsanwenders gerufen wird, verlangt, dass die gefundenen Rechtsgrundsätze unter diesem Gesichtspunkt gesondert überprüft werden. Der noch näher ausgeführte Prinzipiencharakter der allgemeinen Rechtsgrundsätze, der Begründungslasten schafft, sollte einer ‚Rechtshegemonie‘ zudem entgegenwirken.
40
Zu einer Textstufenanalyse der Klausel im Häberleschen Sinne, die sich auf Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut, Art. 7 Abs. 2 EMRK und Art. 15 Abs. 2 IPbpR stützt: W. Weiß, AVR 39 (2001), S. 394 (406). 41
S. zur Entstehungsgeschichte von Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut G. J. H. van Hoof, Sources, 1983, S. 135 ff. 42
M. Bothe, ZaöRV 36 (1976), S. 280 (292); M. Bogdan, Nordic JIL 46 (1977), S. 37 (46) unter Rückgriff auf die Rechtsfamilien bei R. David/J. Brierley, Major Legal Systems in the World Today, 21978, S. 21 ff.; A. Bleckmann, Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, 1982, S. 140; M. Bassiouni, Mich. JIL 11 (1990), S. 768 (812); A. Pellet, Article 38, in: A. Zimmermann u. a. (Hg.), The Statute of the International Court of Justice, 2006, para. 258; vgl. Art. 9 IGH-Statut, in dem von den „großen Kulturkreise[n] und de[n] hauptsächlichen Rechtssysteme[n] der Welt“ die Rede ist; vgl. auch M. Sørensen, RdC 101 (1960-III), S. 1 (23). 43
Zum Völkerrecht als „hegemonic technique“ im Gegensatz zur „legal technique“ s. M. Koskenniemi, CRIA 17 (2004), S. 197; vgl. zum ähnlichen Vorwurf der Sowjetunion J. Brierly, in: The Basis of Obligation in International Law, 1958, S. 366 (367).
Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze
631
b) Bezugspunkt des Vergleiches Auf methodischer Ebene ist umstritten, ob die allgemeinen Rechtsgrundsätze nur die Grundprinzipien oder nicht auch die Details der nationalen Rechtsinstitute und Rechtssätze umfassen können. Nach der weitergehenden Auffassung, der auch der EuGH zu folgen scheint, kann in das internationale Recht alles übernommen werden, was den nationalen Rechtsordnungen gemeinsam ist. Dazu zählen auch Details und selbst Einzelfallentscheidungen, die nicht Ausdruck von Gerechtigkeitserwägungen zu sein brauchen, sondern sich auch auf reine Zweckmäßigkeitsüberlegungen beziehen können. Für diesen problemorientierten Ansatz spricht, dass auch völlig unterschiedliche Normen mit einem unterschiedlichen Maß an Abstraktion funktional äquivalent sein können. Im Völkerrecht ist der Rechtssatz dann so zu bilden, dass er unter den Bedingungen der Völkerrechtsordnung seine Funktion erfüllt.44 Bieten die verschiedenen staatlichen Rechtsordnungen unterschiedliche Lösungen für ein Problem an, dann kann zur Analyse des sich auch im Völkerrecht stellenden Problems auf die Rechtsordnung zurückgegriffen werden, die das Problem am umfassendsten und am tiefgreifendsten untersucht hat.45 In der Literatur wird verlangt, dass der fragliche Grundsatz in den staatlichen Rechtsordnungen auch effektiv durchgesetzt werden müsse, um als allgemeiner Rechtsgrundsatz anerkannt zu werden.46 Nimmt man diese Voraussetzung ernst, dürfte der Nachweis eines in nahezu allen Ländern effektiv verwirklichten Grundsatzes kaum jemals gelingen.47 Indes lässt die Weite der zu ermittelnden Grundsätze einen Spielraum nicht nur beim Verständnis, sondern auch bei der tatsächlichen Umsetzung in den verschiedenen staatlichen Rechtsordnungen zu.48 Die formale Anerkennung eines Grundsatzes in einer Rechtsordnung sollte auch mehr zählen als die Fälle seiner Verletzung, auch wenn sie
44 Vgl. A. Bleckmann, Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, 1982, S. 136 f. 45
A. Bleckmann, Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, 1982, S.
142. 46
M. Bothe/G. Ress, in: W. E. Butler (Hg.), International Law in a Comparative Perspective, 1980, S. 49 (51). 47 48
E. de Wet, Chapter VII, 2004, S. 84.
R. Bernhardt, ZaöRV 24 (1964), S. 447; K. Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 207 (210); E. de Wet, Chapter VII, 2004, S. 84.
632
8. Kapitel
dadurch den Charakter eines Lippenbekenntnisses erhält.49 Jedenfalls können die Grundsätze staatlicher Rechtsordnungen nur in sehr allgemeiner Weise übernommen werden.50 Ihre spezifische Ausprägung muss nicht notwendigerweise übertragbar sein. Vielmehr kann es ausreichen, dass die zugrunde liegenden Ideen und Werte in den meisten Rechtsordnungen verkörpert sind, während das Verfahren zu ihrer Verwirklichung einem einzelnen oder mehreren Systemen entnommen werden kann.51 Die Unschärfe des Vergleiches bringt es aber mit sich, dass die normativen Konsequenzen beschränkt sind, die sich daraus ableiten lassen.52 Eine effektive Garantie der Grundrechte und die Gewaltenteilung, wie sie Art. 16 der Französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte als notwendigen Verfassungsbestandteil formuliert, sollen in diesem Sinne aus den modernen Staatsverfassungen als allgemeine Grundsätze i. S. von Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut für die Ausübung von Hoheitsgewalt abgeleitet werden können. Dabei kann es sich nicht um eine bloße Übertragung, wohl aber um eine Leitlinie handeln, die die Unterschiede zwischen den Ebenen in Betracht zieht.53 Auf der Grundlage, dass zahlreiche Verfassungstexte von Staaten in verschiedenen Teilen der Welt demokratische Anforderungen formulieren, wurde in der Literatur auch das demokratische Prinzip als allgemeiner Rechtsgrundsatz i. S. von Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut eingeordnet.54 Bezogen auf die Standards der Ausübung von Hoheitsgewalt dürfte sich ein im Wege der Rechtsvergleichung gewonnener Standard auf die Elemente beschränken, die die Staaten auch auf internationaler Ebene anerkennen (s. o., 7. Kapitel). Die rule of law ist danach vor allem eine 49
Vgl. R. Bernhardt, ZaöRV 24 (1964), S. 431 (447).
50
IGH International status of South West Africa, Advisory Opinion, Sep. Op. McNair, ICJ Rep. 1950, S. 146 (148) – Übernahme nicht „‘lock, stock and barrel’, ready-made“ (für das staatliche Privatrecht). 51
H. Mosler, FS Verdross, 1971, S. 381 (404); K. Zemanek, ZaöRV 24 (1964), S. 453 (463); E. de Wet, Chapter VII, 2004, S. 86. 52
Für eine Einschätzung dieser Methode vgl. auch M. Kotzur, Rechtstheorie 39 (2008), S. 191 (214 ff.). 53 54
T. Giegerich, GLJ 10 (2009), S. 31 (45).
J. Ibegbu, Right to Democracy in International Law, 2003, S. 111; kritisch C. Pippan, EJIL 15 (2004), S. 213 (217); zur Demokratie als teleologischem Prinzip und allgemeinem Rechtsgrundsatz s. N. Petersen, Demokratie als teleologisches Prinzip, 2009, S. 59 ff.
Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze
633
formale Gesetzesbindung der Herrschaftsausübung und die Demokratie folgt dem Verständnis der Verantwortlichkeit und der Rückbindung von Entscheidungen. Sucht man nach detaillierteren Regelungen, dann sind die Verfassungen der Staaten bereits sehr disparat.
II. Den internationalen Beziehungen entnommene Rechtsgrundsätze Es ist aber nicht geboten, allgemeine Rechtsgrundsätze des Völkerrechts ausschließlich unter Rückgriff auf innerstaatlich entwickelte Rechtsgrundsätze zu ermitteln.55 Auch den internationalen Beziehungen selbst entnommene Rechtsgrundsätze sind allgemeine Rechtsgrundsätze i. S. von Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut (1.). Die Entstehung konstitutioneller Normen dieser Kategorie lässt sich auf der Grundlage konstruktivistischer Ansätze in den Internationalen Beziehungen verstehen (2.).
1. Den internationalen Beziehungen entnommene Rechtsgrundsätze als allgemeine Rechtsgrundsätze i. S. von Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut Der EuGH greift für die Ermittlung allgemeiner Rechtsgrundsätze im Recht der EU auch auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten zurück, die sie insbesondere im Rahmen des Europarates übernommen haben. Sie bilden die verfassungsrechtliche Rahmenordnung, die die Mitgliedstaaten und die Union selbst einhalten müssen (Art. 6 und 7 EU). Der Ansatz zeigt eine gewisse Nähe zu der Methode, völkerrechtliche Rechtsgrundsätze den internationalen Beziehungen selbst zu entnehmen. Damit sind nicht nur Grundsätze gemeint, die sich aus der „Natur“ oder der Struktur der internationalen Rechtsgemeinschaft ergeben, sondern vor allem auch von den Staaten auf internationaler Ebene allgemein anerkannte Grundsätze.56
55 56
K. Zemanek, YBWA 19 (1965), S. 199 (208).
H. Mosler, Stichwort „General Principles of Law“, EPIL II, 21995, S. 511 (523). S. auch A. Verdross, FS Guggenheim, 1968, S. 521 (525 f.); A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, 31984, §§ 606, 639; H. Thirlway, BYBIL 61 (1990), S. 1 (114 f.); B. Simma/P. Alston, Austral. YBIL 12 (1992) S. 82 (102); vgl. J. Lammers, GS van Panhuys, 1980, S. 53 (58 f.); G. J. H. van Hoof, Sources, 1983, S. 144 f.; M. Bassiouni, Mich. JIL 11 (1990), S. 768 (769, 772 ff.) –
634
8. Kapitel
Der Wortlaut des Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH ist insoweit offen. Beide Ermittlungsmethoden knüpfen mit dem Rekurs auf das innerstaatliche Recht bzw. auf die internationalen Beziehungen letztlich an einen impliziten Konsens der Staaten an57 und entsprechen damit dem Wortlaut des Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut („die […] anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätze“).58 Auch teleologisch ist eine Einschränkung nicht geboten.59 Werden allgemeine Rechtsgrundsätze aus den internationalen Beziehungen selbst gewonnen, so trägt dies dem evolutionären Charakter des internationalen Rechts Rechnung.60 Ursprünglich war die Anknüpfung an das innerstaatliche Recht deshalb besonders bedeutsam, weil zunächst nur auf diese Weise verlässlich und
die Mehrheit der Wissenschaftler sei dieser Ansicht; S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 201; G. Gaja, Stichwort „General Principles of Law“, in: MPEPIL, http://www.mpepil.com, Rn. 17 ff., 32 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des IGH; explizit a. A. H. Strebel, ZaöRV 36 (1976), S. 301 (339, 342) – fehlende Kompetenz der zur UN-Generalversammlung entsandten Delegationen, innerstaatlicher Charakter der allgemeinen Rechtsgrundsätze; M. Bogdan, Nordic JIL 46 (1977), S. 37 (43) – „Ein solches Lippenbekenntnis zu einer bestimmten Rechtsidee kann kaum in einen allgemeinen Rechtsgrundsatz umgewandelt werden“. Für eine Systematisierung der verschiedenen Ansätze bei der Ermittlung allgemeiner Rechtsgrundsätze in der Geschichte der Doktrin s. B. Vitanyi, RGDIP 86 (1982), S. 48; H. Lauterpacht, YBILC 2 (1953), S. 155 – allgemeine Rechtsgrundsätze als Abbild internationaler Moral. B. Simma, in: W. Kewenig (Hg.), Die Vereinten Nationen im Wandel, 1975, S. 79; A. Verdross/B. 3 Simma, Universelles Völkerrecht, 1984, § 519 – Rechtsquellen des Art. 38 IGH-Statut als Ausdruck einer einzigen Rechtsquelle, der Rechtsüberzeugung der Staaten. Sie bestimmen nur das Verfahren, mit dem diese Rechtsüberzeugung festgestellt werden kann; R. Wolfrum, in: H. Hattenhauer/W. Kaltefleiter (Hg.), Mehrheitsprinzip, Konsens und Verfassung, 1986, S. 79 (89 f.). 57
M. Bassiouni, Mich. JIL 11 (1990), S. 768 (786); B. Simma/P. Alston, Austral. YBIL 12 (1992) S. 82 (105); E. de Wet, Chapter VII, 2004, S. 82. Entsprechend ist wohl auch die Formulierung „expression of the universal legal conscience“ zu interpretieren, s. K. Zemanek, YBWA 19 (1965), S. 199 (208 f.). 58
A. A. etwa M. Bothe, ZaöRV 36 (1976), S. 280 (282), demzufolge sich der Wortlaut nur auf innerstaatlich entwickelte Grundsätze bezieht. 59
J. Lammers, GS van Panhuys, 1980, S. 53 (67); für das Wortlautargument auch W. Weiß, AVR 39 (2001), S. 394 (400). 60
G. J. H. van Hoof, Sources, 1983, S. 138 f.; M. Bassiouni, Mich. JIL 11 (1990), S. 768 (777); M. Bos, GYIL 20 (1977), S. 9 (42); W. Weiß, AVR 39 (2001), S. 394 (413 f.); E. de Wet, Chapter VII, 2004, S. 82.
Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze
635
objektiv allgemeine Rechtsgrundsätze ermittelt werden konnten.61 Obgleich das Redaktionskomitee für das Gerichtshofstatut bei der Formulierung des Art. 38 IGH-Statut zunächst jene Rechtsgrundsätze im Auge hatte, die in foro domestico anerkannt sind,62 lässt sich den ProcèsVerbaux keine explizite oder implizite Beschränkung auf innerstaatlich anerkannte Rechtsgrundsätze entnehmen.63 Die Entstehungsgeschichte ist zudem nur von nachrangiger Bedeutung für die Auslegung des Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut (vgl. Art. 32 WVK).64 Mittlerweile bieten indes die Veränderungen in der Entstehung von Völkerrecht, die durch internationale Organisationen bewirkt worden sind und gemeinhin dogmatisch mit veränderten Anforderungen an die Annahme von Völkergewohnheitsrecht erfasst werden,65 einen Anknüpfungspunkt für die Annahme allgemeiner Rechtsgrundsätze. Die Methode, allgemeine Rechtsgrundsätze i. S. von Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut aus ihrer internationalen Anerkennung zu gewinnen, ist dabei als eine Alternative zu neueren Ansätzen bei der Ermittlung des Völkergewohnheitsrechts zu verstehen.66 Das Gewohnheitsrecht als die klassische Rechtssatzform des Völkerrechts der bloßen Koexistenz kommt ganz überwiegend individualistischen staatlichen Interessen entgegen, wie es das Beispiel der raschen Entstehung von Gewohnheitsrecht zum Festlandsockel veranschaulicht.67 Wie für die Menschenrechte gilt auch für die rule of law und das Demokratieprinzip, dass sich das 61
B. Simma/P. Alston, Austral. YBIL 12 (1992) S. 82 (102); B. Simma, AEL 4 (1995) 2, S. 153 (224 f.). 62
A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, 31984, § 606; vgl. auch M. Bos, GYIL 20 (1977), S. 9 (33 ff.); ausführlich zur Entstehungsgeschichte von Art. 38 StIGH-Statut V. D. Degan, Sources of International Law, 1997, S. 46 ff. 63
Permanent Court of International Justice (Hg.), Advisory Committee of Jurists, Procès-Verbaux of the Proceedings of the Committee, June 16th-July 24th 1920, with Annexes, 1920; vgl. J. Lammers, GS van Panhuys, 1980, S. 53 (66). Zum ambivalenten Verständnis allgemeiner Rechtsgrundsätze im Redaktionskomitee als von den Staaten anerkannten Normen und als Naturrecht s. G. J. H. van Hoof, Sources, 1983, S. 139 ff. 64 65
N. Petersen, Am.U. ILR 23 (2008), S. 275 (307). Vgl. nur J. E. Alvarez, AJIL 100 (2006), S. 324 (332 f.).
66
B. Simma/P. Alston, Austral. YBIL 12 (1992) S. 82 (101 f.). S. dazu auch J. Delbrück, SZIER 11 (2001), S. 1 (26 ff.). 67 B. Simma, in: W. Kewenig (Hg.), Die Vereinten Nationen im Wandel, 1975, S. 79 (85 f.).
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8. Kapitel
für einen Nachweis von Gewohnheitsrecht nach traditionellen Kriterien erforderliche Element einer zwischenstaatlichen Praxis im Grunde nur ergeben wird, wenn Staaten zur Durchsetzung solcher Standards intervenieren.68 Allgemeine Rechtsgrundsätze dagegen können durch Anerkennung unter Umständen in Situationen entstehen, wo sich Gewohnheitsrecht deshalb nur schwierig feststellen lässt, weil Normen dort, wo die Reziprozität als Wirkungsbedingung des Völkergewohnheitsrechts schwach ausgeprägt ist, zwar gemeinhin zumindest verbal akzeptiert, aber auch häufig verletzt werden.69
2. Bedeutung von Identitätswandel und Verstrickungsprozessen für konstitutionelle Normen Die Genese konstitutioneller Normen als allgemeinen Rechtsgrundsätzen losgelöst vom Mechanismus zwischenstaatlicher Reziprozität lässt sich in kooperativer Auseinandersetzung mit konstruktivistischen Ansätzen in der Wissenschaft von den internationalen Beziehungen erklären. Das bedeutet weder, dass ungeschriebenes völkerrechtliches Verfassungsrecht nicht auch als Gewohnheitsrecht ausgebildet werden kann, noch, dass sich die Bedeutung des politikwissenschaftlichen Konstruktivismus auf die Normenkategorie der allgemeinen Rechtsgrundsätze beschränken würde.70 Die Konstitutionalisierung im Völkerrecht ist aber in besonderem Maße abhängig von der Macht der Diskurse und der Formung intersubjektiver Identitäten in der verbalen Interaktion. 68 Vgl. B. Simma/P. Alston, Austral. YBIL 12 (1992) S. 82 (98 f.) – für die Menschenrechte; N. Petersen, Am.U. ILR 23 (2008), S. 275 (286). Zur Interaktion im Zusammenhang mit dem anerkannten Kontroll- und Mitspracherecht von Staaten und internationalen Organisationen bei der Erfüllung von Menschenrechtsverpflichtungen („droit de regard“) und im Bereich des Fremdenrechts vgl. Simma/Alston, a. a. O., S. 98 f.; B. Simma, FS Zemanek, 1994, S. 95 (106); T. Schilling, Jean Monnet WP 06/05, S. 30. 69
Mit Blick auf Menschenrechte B. Simma/P. Alston, Austral. YBIL 12 (1992), S. 82 (102), die auf eine Aussage des Committee on the Formation of Customary International Law des American Branch of the International Law Association über das Gewaltverbot Bezug nehmen (Bericht v. 19.1.1989, The Role of State Practice in the Formation of Customary and Jus Cogens Norms of International Law, S. 10). 70
Vgl. T. Risse, IO 54 (2000), S. 1 (11 ff.) – Vereinbarkeit einer anspruchsvollen rational choice-Theorie mit einem moderaten Sozialkonstuktivismus, weil beide sich auf unterschiedliche Formen sozialer Interaktion beziehen und bestimmte Phänomene erklären.
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Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Verhältnis von Macht und Recht vom normativen Selbstverständnis der staatlichen Akteure nicht unberührt bleibt und deshalb keine deskriptiv zu erfassende Konstante ist. Trotz ihrer Dominanz in den internationalen Beziehungen sind die etablierten Machtverhältnisse allein daher nicht ein für allemal der hermeneutische Schlüssel zu den Rechtsverhältnissen.71
a) Grundthese des Konstruktivismus Die Grundthese des Konstruktivismus lautet, dass Präferenzen, Interessen und Identitäten in den internationalen Beziehungen nicht oder jedenfalls nicht nur vorgegeben sind, sondern dass fundamentale Annahmen über die internationale Politik Konstrukte sind. Das gilt für die „Anarchie“ zwischen den Staaten, die „nukleare Bedrohung“, das „Sicherheitsdilemma“, aber auch für die „Gemeinschaft der westlichen Staaten“ oder die „Länder der Dritten Welt“. Sie alle resultieren aus transnationalen sozialen Beziehungen, denen bestimmte Ideen, Normen und Identitäten zugrunde liegen.72 Auch das Selbsthilfesystem und die Machtpolitik zwischen den Staaten folgen nicht logisch oder kausal aus der anarchischen Struktur der Staatenwelt. Sie gehen vielmehr aus Prozessen hervor, sind „Institutionen“ und keine Wesensmerkmale der Anarchie. Anarchie ist in den Worten Alexander Wendts „was die Staaten daraus machen“.73 Das Selbstverständnis, die „Identität“ eines Staates und seiner internationalen Vertreter hat einen relationalen Charakter, ist sozial konstruiert und bildet die Grundlage von „Interessen“. Transnationale Akteure werden in und durch Interaktion untereinander geformt oder konstruiert,74 auch der Staat wird als homo sociologicus vorgestellt. Ein besonderes Interesse des Konstruktivismus gilt den Fragen, wie Normen entstehen, wodurch sie staatliches oder auch nichtstaatliches Verhalten beeinflussen und welche Normen sich unter welchen Bedingungen durchsetzen.75 Unter Normen werden auf transnationaler Ebe71
J. Habermas, Konstitutionalisierung, 2004, S. 148.
72
Vgl. U. Menzel, Zwischen Idealismus und Realismus, 2001, S. 219 f.; grundlegende Kritik: M. Zehfuss, Constructivism in International Relations, 2002. 73 74 75
A. Wendt, IO 46 (1992), S. 391. M. Finnemore, National Interests in International Society, 1996, S. 5. Vgl. U. Menzel, Zwischen Idealismus und Realismus, 2001, S. 219 ff.
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8. Kapitel
ne intersubjektiv geteilte Erwartungen eines angemessenen Verhaltens verstanden. Sie geben Anlass zur Rechtfertigung von Verhalten und ziehen Kommunikation unter den Akteuren nach sich.76 Aufgrund ihres Interesses an den Prozessen der sozialen Konstruktion von Interessen greifen die Internationalen Beziehungen hier auf die politische Theorie, auf Untersuchungen zur Entstehung von Moralvorstellungen, zur sozialen Konstruktion von Realität und zur symbolischen Interaktion, vor allem aber auf die Sprechakt-, Kommunikations- und Argumentationstheorie zurück.77 Jenseits des strategischen Verhaltens kann danach zwischen eher unbewussten Prozessen der Norminternalisierung und bewussten Argumentationsprozessen unterschieden werden.78 Obgleich Normen nach diesem Verständnis nicht notwendigerweise Rechtsnormen sind, lassen sich der theoretische Ansatz des Konstruktivismus und die darauf aufbauende empirische Forschung auch für die Entstehung ungeschriebenen Völkerrechts fruchtbar machen (b)). Die konstruktivistische Forschung hat sich aber auch der zunehmenden Einhaltung von Normen als einem Verstrickungsprozess gewidmet. Im Bereich der ungeschriebenen völkerrechtlichen Normen, die als Verfassungsrecht die Identität der staatlichen und überstaatlichen Akteure definieren, erweist sich ein reflexives Verständnis von Normgenese und Staatenverhalten als nützlich (c)).
b) Konstruktivismus und Normgenese In der konstruktivistischen Forschung wurde ein Stadienmodell der Normbildung entwickelt, das den Lebenszyklus der transnationalen Ausbreitung von Normen beschreibt.79 Dabei werden die drei kriti-
76
M. Finnemore/K. Sikkink, IO 52 (1998), S. 887 (892).
77
M. Finnemore/K. Sikkink, IO 52 (1998), S. 887 (913) m. N.; M. Zehfuß, ZIB 5 (1998) S. 109 – unterschiedliches Verständnis von Intersubjektivität bei Wendt und Onuf/Kratochwil: Während bei Wendt die Schaffung von intersubjektiver Bedeutung auf dem Austausch von symbolischen Handlungen beruht, verstehen Onuf und Kratochwil sie als auf Sprechhandlungen zurückgehend. H. Müller, in: K. Fierke/K. E. Jørgensen (Hg.), Constructing International Relations, 2001, S. 160; L. Lose, ibid., S. 179; s. etwa N. Onuf, Harv. ILJ 26 (1985), S. 385 (397 ff.). 78 79
T. Risse, IO 54 (2000), S. 1 (2 ff.).
M. Finnemore/K. Sikkink, IO 52 (1998), S. 887 (895 ff.); vgl. U. Menzel, Zwischen Idealismus und Realismus, 2001, S. 221 ff.
Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze
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schen Schwellen der Normentstehung, der Normverbreitung und der Norminternalisierung unterschieden.
aa) Normentstehung Zur Entstehung von Normen können nicht nur exogene staatliche Interessen, sondern auch die Aktivitäten von „Normunternehmern“ wie NGOs führen, die die Aufmerksamkeit auf bestimmte Themen lenken, diese Themen zuallererst schaffen. Überzeugung soll dabei einen Prozess kennzeichnen, in dem die moralische Einsicht staatlicher Akteure in einem Diskurs mit Normunternehmern eine Norm generiert. Empirische Studien verweisen dagegen stärker auf öffentlichen Druck und sozialen Zwang durch blaming and shaming-Aktivitäten. Danach stellen sich die Aktivitäten von Normunternehmern als Gegenmachtbildung dar, nicht aber als Interessenwandel.80 Als empirisch wichtig für die Normentstehungsprozesse hat sich aber auch erwiesen, dass die normativen Berufungsgrundlagen und institutionellen Rahmenbedingungen der Normgenerierung beeinflusst werden. In transnationalen interaktiven Prozessen kann die Normgenerierung dadurch befördert werden, dass sich die Argumentationsstruktur hin zu eher verallgemeinerungsfähigen Prinzipien verschiebt, die den Bedingungen rationaler Diskurse entsprechen. Universalistische Rechts- und Gerechtigkeitsvorstellungen können so zu Fluchtpunkten des Diskurses werden. Überzeugt werden in diesen Prozessen zwar vor allem verhandlungsschwache Akteure, gegen bereits erbrachte Überzeugungsleistung kann aber erfahrungsgemäß auch der Einsatz von Macht wenig bewirken.81 Auch wenn sich empirisch „Inseln der Überzeugung“ im „vermachteten Alltagsgeschäft“ internationalen Regierens unterscheiden lassen,82 scheint das kommunikative Rationalitätspotential auf internationaler Ebene insgesamt sehr begrenzt.83 Vorbedingungen für argumentative 80 Vgl. N. Deitelhoff, in: P. Niesen/B. Herborth (Hg.), Anarchie der kommunikativen Freiheit, 2007, S. 26 (27 f.). 81
N. Deitelhoff, in: P. Niesen/B. Herborth (Hg.), Anarchie der kommunikativen Freiheit, 2007, S. 26 (31 ff.) – am Beispiel der Verhandlungen über das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs. 82
N. Deitelhoff, in: P. Niesen/B. Herborth (Hg.), Anarchie der kommunikativen Freiheit, 2007, S. 26. 83 Zu den Grenzen der Empiriefähigkeit eines auf die Theorie kommunikativen Handelns gestützten Forschungsprogramms in den Internationalen Beziehungen s. H. Müller, in: P. Niesen/B. Herborth (Hg.), Anarchie der kom-
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8. Kapitel
Rationalität sind nach Habermas die Fähigkeit zur Empathie, eine „gemeinsame Lebenswelt“ mit einer geteilten Kultur, einem gemeinsamen System von als legitim erachteten Normen und Regeln und einer sozialen Identität von Akteuren, die in der Lage sind, miteinander zu kommunizieren und zu handeln.84 Jenseits des Staates und von Phänomenen regionaler Integration fehlt es jedoch an Rahmenbedingungen, die etwa die Gleichberechtigung der Gesprächspartner und die Freiheit, Zwangs- und Herrschaftslosigkeit des Diskurses sicherstellen und die Diskursbereitschaft sowie die Offenheit des Diskurses fördern würden. Habermas’ Verständnis der gegenwärtigen Weltordnung beruht daher, auch als Konsequenz seines anspruchsvollen Demokratieverständnisses, größtenteils auf Faktizität ohne diskursiv vermittelte Geltung und damit auf Prämissen, die dem Realismus in den Internationalen Beziehungen entnommen sind.85 In den auf das kommunikative Handeln aufbauenden Ansätzen in den Internationalen Beziehungen wird dementsprechend teilweise der Anspruch auf eine eigenständige Handlungstheorie aufgegeben und das verständigungsorientierte Argumentieren (arguing) sowie das strategische Verhandeln (bargaining) als Varianten einer „Logik der Angemessenheit“ vorgestellt.86 Strategische Handlungsorientierung und verständigungsorientiertes Handeln lassen sich nicht immer trennen.87 Werden Argumente strategisch eingesetzt, so bedeutet das auch nicht, dass sie keinen unabhängigen Einfluss hätten. Vielmehr kann auch die Heuche-
munikativen Freiheit, 2007, S. 199 (214 ff.); vgl. zur Gegenüberstellung von Idealtyp und Empirie N. Deitelhoff/ders., RIS 31 (2005), S. 167, für ein Modell der „rhetorical coercion“ anstelle von „persuasion“ s. R. R. Krebs/P. T. Jackson, EJIR 13 (2007), S. 35. 84
J. Habermas, Theorie des kommunikativen Handelns, 1981, Bd. 2, S. 208
f. 85
J. Habermas, Konstitutionalisierung, 2004, S. 117, 124; vgl. C. Humrich, in: P. Niesen/B. Herborth (Hg.), Anarchie der kommunikativen Freiheit, 2007, S. 383 (384, 388 f.); s. aber auch J. Habermas, KJ 38 (2005), S. 222 (227 f.). 86 H. Müller, EJIR 10 (2004), S. 395 (396, 410 ff.); vgl. B. Herborth, in: P. Niesen/ders. (Hg.), Anarchie der kommunikativen Freiheit, 2007, S. 147 (152 ff.); T. Risse, IO 54 (2000), S. 1 (14 ff.) – reduzierte Anforderungen an verständigungsorientiertes Argumentieren in der Weltpolitik. 87 S. zur „strategic social construction“ M. Finnemore/K. Sikkink, IO 52 (1998), S. 887 (888).
Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze
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lei eine zivilisierende Wirkung entfalten.88 Akteure mit ursprünglich strategischen Motivationen müssen sich immer wieder auf Prozesse des Argumentierens einlassen, um auf Verhandlungen Einfluss nehmen zu können. Sie müssen Wahrhaftigkeit und Offenheit gegenüber dem „besseren Argument“ jedenfalls demonstrieren und verstricken sich auf diese Weise argumentativ. Deshalb ist es nicht notwendig, die Handlungsorientierung der Verhandlungsparteien zu bestimmen, um nachzuweisen, dass Argumentieren den Verlauf von Verhandlungen beeinflusst.89
bb) Normverbreitung und Norminternalisierung Emergente Normen können im Völkerrecht, in den Regeln multilateraler Organisationen oder in einer bilateralen außenpolitischen Praxis „institutionalisiert“ werden. In der Phase der Normverbreitung kann es dazu kommen, dass andere Staaten das normative Verhalten der Vorreiter imitieren. Motive dafür können die internationale Reputation in einem Prozess der Sozialisation von Staaten und der Ausbildung einer Identität in der internationalen Gemeinschaft sein, aber auch der Druck der anderen Staaten insbesondere in der Region. Die Normen werden befolgt, weil Staaten zeigen wollen, dass sie sich der sozialen Umgebung angepasst haben, oder aber sie ändern ihre Einstellung oder ihr Verhalten, um die unangenehme Erfahrung von Unstimmigkeiten zu reduzieren. Werden Normen schließlich internalisiert, so werden sie als selbstverständlich genommen. Sie sind dann sehr wirkmächtig, aber auch kaum wahrnehmbar. Sie sind nicht mehr Gegenstand der politischen Debatte 88
Vgl. J. Elster, in: K Arrow u. a. (Hg.), Barriers to Conflict Resolution, 1995, S. 236 (250 ff.) – anhand von verfassunggebenden Versammlungen. 89
T. Risse in: P. Niesen/B. Herborth (Hg.), Anarchie der kommunikativen Freiheit, 2007, S. 57 (71 f.). Vergleichbare Prozesse der Normgenese können auch innerhalb der Bürokratie internationaler Organisationen unter zunehmender Einbeziehung von Mitgliedern der Zivilgesellschaft, Aktivisten und anderen politischen Akteuren in transnational advocacy networks stattfinden. Die Abfolge von Programmen und Fortschrittsberichten kann in eine „Bürokratisierung der Rhetorik“ münden. Zunächst wird die Rhetorik zu bestimmten Themen komplexer, dann werden etwa Finanzierungsprogramme und Strukturen um die Rhetorik herum entwickelt. Institutionen wie etwa die Weltbank können nicht einfach ad infinitum die immer selben nichtssagenden Phrasen wiederholen, s. M. Totaro, Va JIL 48 (2008), S. 719 (744 ff.) – am Beispiel von „participatory development“ in der Weltbank.
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8. Kapitel
und finden sich in der normativen Haltung des Personals der staatlichen oder internationalen Bürokratie wieder.
c) Behavioristischer Konstruktivismus und Normgenese als reflexiver Prozess Die konstruktivistische IB-Theorie versteht sich als Reaktion auf rational choice-Ansätze, als kritische Ergänzung oder als Gegenargument zur positivistischen Logik des Konsequentialismus.90 Das zeigt sich unter anderem darin, dass sie sich der empirischen Erfassung und Erklärung des Phänomens widmet, warum Staaten sich im Widerspruch zu ihrem scheinbar vorgegebenen Staateninteresse an bestimmte völkerrechtliche Normen halten.91 Hier geht es aber nicht darum, sich für eine der Theorien zu entscheiden, sondern die schwierige Genese und die prekären Wirkungsbedingungen bestimmter konstitutioneller Normen in Auseinandersetzung mit Modellen des Konstruktivismus zu plausibilisieren und dabei aus der beschränkten Reichweite dieser Modelle zu lernen und die Diffizilität von Konstitutionalisierungsprozessen abzuschätzen. Sikkink und Risse etwa haben ein Spiralmodell entwickelt, das die zunehmende Einhaltung von Menschenrechtsnormen aufgrund der Verstrickung von Staaten in einen deliberativen Prozess beschreibt: Repressive Staaten, die gegen Menschenrechte verstoßen, könnten in einer Art Zangenbewegung von transnationalen Akteuren und innerstaatlichen 90
H. Müller, ZIB 1 (1994), S. 15; ders., in: K. Fierke/K. E. Jørgensen (Hg.), Constructing International Relations, 2001, S. 160; A. Wiener, in: P. Niesen/B. Herborth (Hg.), Anarchie der kommunikativen Freiheit, 2007, S. 173 (178 f.); s. auch die Gegenüberstellung von Rationalismus und Sozialkonstruktivismus bei N. Deitelhoff, Überzeugung in der Politik, 2006, S. 52 ff. In der Verhaltenssteuerung liegt der Schwerpunkt des Interesses der meisten interdisziplinären Arbeiten zu Recht und Politik, vgl. A. Fischer-Lescano/P. Liste, ZIB 12 (2005), S. 209 (209 f.). 91
Konstruktivismus und die amerikanische Theorie transnationaler Rechtsprozesse sind sich insoweit nicht unähnlich, vgl. H. Koh, Neb. LR 75 (1996), S. 181; ders., Houston LR 35 (1998), S. 623; R. Goodman/D. Jinks, Duke LJ 54 (2004), S. 621; J. E. Alvarez, Duke LJ 54 (2005), S. 961 sowie die Nachweise bei M. Totaro, Va JIL 48 (2008), S. 719 (728 f.) mit Fn. 30 – wichtige Rolle nichtstaatlicher Akteure („transnational advocacy networks“) in Prozessen der Norminternalisierung; F. Hanschmann, in: S. Buckel u. a. (Hg.), Neue Theorien des Rechts, 22008, S. 375 (390); Überblick zu den Compliance-Theorien bei M. Burgstaller, Theories of Compliance with International Law, 2005.
Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze
643
Oppositionsgruppen dermaßen unter Druck gesetzt werden, dass sie eine schrittweise Durchsetzung der Menschenrechte auf lange Sicht kaum verhindern können.92 Während die rechtsverletzenden Regierungen zunächst die Gültigkeit völkerrechtlicher Menschenrechtsnormen bestreiten und sich nicht interessiert am Dialog mit ihren Kritikern zeigen, konzedieren sie unter wachsendem Druck die Gültigkeit der Norm und bestreiten nur noch die Zulässigkeit bestimmter Norminterpretationen und widersprechen der Behauptung von Rechtsverletzungen im Einzelfall.93 Eine Verrechtlichungstendenz ist den Menschenrechten immanent: Sie entspringen elementaren erlittenen Unrechtserfahrungen und sind auf diese Weise historisch gewachsen, enthalten aber zugleich Ansprüche, die in die Zukunft weisen. Über kurz oder lang tauchen einmal erhobene Menschenrechtsforderungen dann in einer rechtlich kodifizierten Form auf, und eine Aufhebung bereits verrechtlichter Menschenrechtsansprüche findet erfahrungsgemäß nicht mehr statt.94 Die Konzentration auf Fragen der Verhaltenssteuerung durch Recht führt dazu, dass die Bedeutung sozialer Lernprozesse im Diskurs auf die Anpassung an inhaltlich vorbestimmte Normen reduziert wird.95 Die erwarteten Argumentationsvorgänge sind immer schon funktional bezogen auf die Durchsetzung inhaltlich substantialisierter Normen. Damit wird der kommunikativen Rationalität ihr prozeduraler Charakter und ihr kritisches Potential genommen.96 Indes führt jede als Reaktion auf eine Norm vorgenommene Handlung zu einer Veränderung dieser Norm, im Normumfeld und bei dem Akteur als Produkt dieses Normumfeldes.97 Kollektive Lernprozesse basieren gerade auf der prin92
T. Risse/S. C. Ropp/K. Sikkink (Hg.), The Power of Human Rights: International Norms and Domestic Change, 1999; T. Risse/A. Jetschke/H. P. Schmitz, Die Macht der Menschenrechte, 2002; T. Risse, in: E. Klein/C. Menke (Hg.), Menschheit und Menschenrechte, 2002, S. 41. 93
T. Risse, IO 54 (2000), S. 1 (28 ff.).
94
E. Riedel, in: C. Starck (Hg.), Rights, Institutions and Impact of International Law according to the German Basic Law, 1987, S. 197 (200 f.); R. Lorz, in: E. Klein/C. Menke (Hg.), Menschheit und Menschenrechte, 2002, S. 105 (106 f.). 95
B. Herborth, in: P. Niesen/ders. (Hg.), Anarchie der kommunikativen Freiheit, 2007, S. 147 (166 f.). 96
B. Herborth, in: P. Niesen/ders. (Hg.), Anarchie der kommunikativen Freiheit, 2007, S. 147 (152 ff.). 97
N. Onuf, EJIL 5 (1994), S. 1 (18 f.).
644
8. Kapitel
zipiellen Umstrittenheit von Geltungsansprüchen.98 Neben den „behavioristischen“ Ansätzen wurden in der konstruktivistischen Theorie von den internationalen Beziehungen daher auch Ansätze zu einer reflexiven Perspektive entwickelt:99 Einerseits sei das Staatenverhalten eine Reaktion auf internationale Normen und finde eine diskursive Normvermittlung als soziale Praxis statt. Andererseits werde aber die Bedeutung und (Re-)Konstruktion der Normbedeutung durch die soziale Praxis der Normvermittlung bedingt und die Struktur der Weltpolitik dadurch verändert und würden auf diese Weise die Grundsätze der rule of law, der Demokratie sowie der Grund- und Menschenrechte eingeführt.100 Damit gerät die doppelte Qualität von Normen als sozial konstruiert und handlungsleitend in den Blick,101 die Prozesse der Identitätsbildung und der Verstrickung als komplementär erscheinen lässt. Die Völkerrechtsbetrachtung von Brunnée und Toope stützt sich dabei außer auf die konstruktivistische IB-Theorie auch auf die Rechtstheorie Lon Fullers.102 Das Recht wird nicht als Instrument hierarchischer Kontrolle verstanden, sondern es wird geschaffen und geformt durch Interaktion. Normen oder Regeln sind nicht unmittelbar Ursache von Verhalten, sondern sie stellen Strukturen zur Verfügung, die Wahlmöglichkeiten und Argumente bieten, aber auch beschränken. In der Interaktion entwickelt sich Recht als verlässliche und stabile Verhaltenserwartung.103 Dieses reflexive Normverständnis lässt sich für die Herausbildung von allgemeinen Rechtsgrundsätzen des konstitutionellen Typs fruchtbar machen. Ein Prozess der Identitätsbildung und der argumentativen Verstrickung ist hier, in relativer Abwesenheit des Reziprozitätsmoments, grundlegend für Normativität. Dies ist für die im 7. Kapitel erörterten konstitutionellen Normen über die rule of law und eine demokratische 98
B. Herborth, in: P. Niesen/ders. (Hg.), Anarchie der kommunikativen Freiheit, 2007, S. 147 (167). 99 Zum Zusammenhang zwischen commitment und compliance im Völkervertragsrecht s. O. Hathaway, U.Chi. LR 72 (2005), S. 469. 100
I. Johnstone, AJIL 102 (2008), S. 275 (276).
101
A. Wiener, in: P. Niesen/B. Herborth (Hg.), Anarchie der kommunikativen Freiheit, 2007, S. 173 (185). 102
J. Brunnée/S. Toope, Col. JTL 39 (2000), S. 19 (43 ff.); dies., International Law FORUM, 3 (2001), S. 186 (187 f.); vgl. L. Fuller, The Morality of Law, 2 1969. 103
Vgl. auch A. Fischer-Lescano/P. Liste, ZIB 12 (2005), S. 209 (209 f.).
Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze
645
Regierungsführung der Fall, kann aber auch für andere Normen zutreffen, die dem Gemeinwohl der internationalen Gemeinschaft verpflichtet sind. Sie alle haben ihrer Struktur nach keinen zwischenstaatlichen Charakter. Insbesondere betreffen aber die Menschenrechte sowie Normen über die rule of law und eine demokratische Regierungsführung mit ihren Anforderungen an die Ausgestaltung der inneren Ordnung von Staaten und internationalen Organisationen deren Identität. Die sich hier abbildenden konstitutionellen Normen sind Gebote der Selbstrechtfertigung. Sie entsprechen einem gewandelten Selbstverständnis der Akteure und unterwerfen die Ausübung von Hoheitsgewalt Schranken, die sich aus dem menschenrechtlichen, dem rechtsstaatlichen und dem demokratischen Paradigma ableiten.104
d) Bedingungen der Anerkennung von Rechtsgrundsätzen auf internationaler Ebene Die Bedingungen für eine Anerkennung von Rechtsgrundsätzen auf internationaler Ebene sind zugegebenermaßen vage und bedürfen der Präzisierung.
aa) „Schwellenwert“ der Normativität Soweit StIGH und IGH sich auf allgemeine (Rechts-)Grundsätze bezogen haben, sind die Kriterien der Anerkennung wie auch die quellentheoretische Zuordnung unklar geblieben.105 Anknüpfungspunkte für 104
Vgl. Y. Onuma, EJIL 14 (2003), S. 105 (137 f.) – zur Verpflichtung kritisierter Staaten nach dem Abschlussdokument des Wiener KSZE-Folgetreffens v. 15.1.1989, zur Kritik Stellung zu nehmen und zusammen mit dem intervenierenden Staat eine Lösung zu suchen, EuGRZ 16 (1989), S. 85. 105
S. StIGH Factory at Chorzów, Merits, PCIJ Ser. A, No. 17, S. 29 – „any breach of an engagement involves an obligation to make reparation“ als „principle of international law, and even a general conception of law“; StIGH Electricity Company of Sofia and Bulgaria, PCIJ Ser. A/B No. 79, S. 194 (199) – „principle universally accepted“; IGH Corfu Channel, ICJ Rep. 1949, S. 4 (22) – „general and well recognized principles“: „elementary considerations of humanity“, „freedom of maritime communication“, „every State’s obligation not to allow knowingly its territory be used for acts contrary to the rights of other States“; IGH Asylum, Diss. Op. Castilla, ICJ Rep. 1950, S. 359 (378 f.) – “At the Montevideo Conference of 1933, the [asylum] principle was accepted by the United States of America following the development of the policy of President Franklin Roosevelt; and pursuant to the confirmation of juridical equality of
646
8. Kapitel
die Ermittlung von Rechtsgrundsätzen finden sich im völkerrechtlichen soft law,106 das der Formulierung und Reformulierung von Zielen und Politiken dient.107 Resolutionen und Deklarationen der Generalversammlung und anderer internationaler Institutionen werden häufig herangezogen, um ihre Verletzung als Völkerrechtsverletzungen zu verurteilen.108 Dabei ist zu berücksichtigen, dass den Staaten oft nur die Wahl der Annahme oder Ablehnung des gesamten Dokuments verbleibt, so dass sich aus der Zustimmung nicht auf die Akzeptanz aller in der Deklaration enthaltenen Prinzipien bei allen zustimmenden Staaten schließen lässt.109 Beschlüsse in internationalen Organisationen werden zuweilen auch voreilig gefasst.110 Vorbehaltserklärungen, spätere Proteste, fortlaufende Nichtbeachtung, abweichende Formulierungen in späteren Konventionen oder eine abweichende Entwicklung des Völkergewohnheitsrechts sind zu berücksichtigen.111
American States.”; IGH Right of passage over Indian territory (Preliminary Objections), ICJ Rep. 1957, S. 125 (142) – „rule[s] of law generally accepted“; “once the Court has been validly seized of a dispute, unilateral action by the respondent State in terminating its Declaration, in whole or in part, cannot divest the Court from its jurisdiction” als „rule of law generally accepted, as well as one acted upon by the Court in the past“; IGH South West Africa Cases, Preliminary Objections, ICJ Rep. 1962, S. 319 (408), Diss. Op. Jessup – Nachweis eines „principle of separation“ unter anderem mit Rekurs auf die Praxis der Staaten; IGH La Grand, ICJ Rep. 2001, S. 466 (503), para. 103: “the parties to a case must abstain from any measure capable of exercising a prejudicial effect in regard to the execution of the decision to be given” als „principle“ „accepted by international tribunals and likewise laid down in many conventions“. 106 W. Weiß, AVR 39 (2001), S. 394 (410). Mit Bezug auf die Erklärungen von Großmächten und die Prinzipien der Weltraumdeklaration: K. Zemanek, YBWA 19 (1965), S. 199 (207 ff.), s. dazu B. Simma, FS Zemanek, 1994, S. 95 (109 ff.). 107
B. Simma, AEL 4 (1995) 2, S. 153 (234 f.).
108
B. Simma/P. Alston, Austral. YBIL 12 (1992), S. 82 (92, 105) – für internationale Menschenrechte; vgl. O. Schachter, RdC 178 (1982-V), S. 9 (334 f.) – als Nachweiskriterien für Völkergewohnheitsrecht im Bereich der Menschenrechte. 109
Vgl. K. Zemanek, YBWA 19 (1965), S. 199 (209).
110
A. Bleckmann, Die Aufgaben einer Methodenlehre des Völkerrechts, 1978, S. 29. 111
K. Zemanek, YBWA 19 (1965), S. 199 (209 f.).
Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze
647
Der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte etwa ließ sich unmittelbar nicht die Anerkennung allgemeiner Rechtsgrundsätze entnehmen. Sie wurde ohne die Absicht angenommen, Recht zu setzen. Die Menschenrechtsverträge wiederum sind für sich allein nicht ausreichend universell, um alle wichtigen Gruppen der internationalen Gemeinschaft zu repräsentieren. Ohne weiteres ergibt sich auch aus der Kombination der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte mit multilateralen und regionalen Menschenrechtsverträgen nichts anderes.112 Auch in einem solchen Fall lässt sich aber der Identitätsbildung und Verstrickung normgenetische Bedeutung beimessen. Hard und soft law können etwa bei der Formulierung substantieller menschenrechtlicher Verpflichtungen normbildend in einer Weise zusammen wirken, dass Staaten in einen verhaltensrelevanten Rechtsdiskurs verstrickt werden und sie schließlich in nationalen Verfassungen und Gesetzen rezipieren und inkorporieren.113 Die im 7. Kapitel dieser Arbeit aufgeführten Diskussionen in internationalen Foren über Paradigmen der Rechtfertigung von Herrschaft im Völkerrecht und die von ihnen verabschiedeten Dokumente lassen sich als Diskurse deuten, in denen Rechtsnormen entstehen.114 Insbesondere für die rule of law ist der Prozess weiter fortgeschritten, während das föderale Paradigma vor allem als Analysebegriff der Wissenschaft von Bedeutung ist. Die Anforderung demokratischer Regierungsführung hat für die internationale Ebene bislang auch vor allem theoretische Bedeutung und bezieht sich vor allem auf die Legitimation von Staatsgewalt im Völkerrecht. Auf der Grundlage des vom Konstruktivismus in der IB-Theorie entwickelten reflexiven Verständnisses der Normgenese bleibt problematisch, den „Schwellenwert“ zu definieren, der erreicht sein muss, damit die dargestellten Prozesse einen allgemeinen Rechtsgrundsatz hervorgebracht haben. Es wird davor gewarnt, einem Menschenrecht, das in einem soziopolitischen Prozess kristallisiert, Rechtsqualität zuzusprechen, bevor dieser Prozess in eine Vertrags- oder völkergewohnheitsrechtliche Norm mündet. Bis dahin sei nur von einer angestrebten 112
Vgl. T. Schilling, Jean Monnet WP 06/05, S. 32 ff.
113
B. Simma/P. Alston, Austral. YBIL12 (1992), S. 82 (92, 105) – für internationale Menschenrechte; vgl. O. Schachter, RdC 178 (1982-V), S. 9 (334 f.) – als Nachweiskriterien für Völkergewohnheitsrecht im Bereich der Menschenrechte. 114
Zur Reichweite von für den internationalen Menschenrechtsschutz relevanten Generalversammlungsresolutionen s. die Nachweise bei A. Clapham, Human Rights Obligations of Non-State Actors, 2006, S. 101 f. mit Fn. 69.
648
8. Kapitel
Norm auszugehen, der nur symbolische Bedeutung zukomme. Die Rechtsqualität vorher zuzusprechen, würde das Staatenverhalten nicht stärker beeinflussen.115 Umgekehrt kann ein behauptetes Menschenrecht, das noch keinen Rechtsstatus erlangt hat, dennoch das Verhalten potentieller Pflichtsubjekte auf der Grundlage seiner ethischen Qualität beeinflussen.116 Verstrickungsprozesse können Verhalten steuern und Verhaltenserwartungen generieren, ohne dass der handelnde Akteur eine dahinter stehende Rechtsüberzeugung entwickelt.117 Vor der Frage nach der „kritischen Masse“ stehen Rechtsanwender aber auch, wenn es um die „Feststellung“ von Völkergewohnheitsrecht geht. Dann ist eine hinreichende Kumulation von Staatenpraxis erforderlich, die Ausdruck einer opinio iuris ist. Für die allgemeinen Rechtsgrundsätze tritt an die Stelle des Praxiselements die Verstrickung in den Diskurs. Es ist vor allem Aufgabe der Gerichte darzulegen, wann der Grad der Verstrickung ausreichend ist, um eine Rechtsnorm festzustellen. Die Offenheit der Ermittlungskriterien wird aber ein Stück weit dadurch aufgefangen, dass sich den allgemeinen Rechtsgrundsätzen verfassungsrechtlichen Charakters, wie zu zeigen sein wird, nur eine Prinzipienwirkung, aber nicht unmittelbar, d. h. ohne weiteren Begründungs- und Rechtfertigungsbedarf, eine Rechtsfolge für den Einzelfall oder ein konkretes Verhaltensgebot entnehmen lässt.118 Den mit dem Völkerrecht befassten nationalen und internationalen Gerichten kommt hier aber durchaus eine aktive und kreative Funktion zu, wie sie schon Hersch Lauterpacht betont hat. Es liegt unter Umständen bei den Rechtsanwendern, den Bedeutungswandel nachzuvollziehen, der sich in politischen Diskursen abbildet.119 Tatsächlich ist mit der zunehmenden Vielfalt und Bedeutung internationaler Gerichte, die ein wesentliches Element der Konstitutionalisierungsdebatte ist, in der 115 116
M. Totaro, Va JIL 48 (2008), S. 719 (722) – „constructo-positivism“. A. Sen, Cardozo LR 27 (2006), S. 2913 (2919 f.).
117
M. Totaro, Va JIL 48 (2008), S. 719 (744 ff.) – am Beispiel von „participatory development“ in der Weltbank; s. aber auch M. Finnemore/K. Sikkink, IO 52 (1998), S. 887 (916) – Bildung von Völkergewohnheitsrecht. 118 S. zum Zusammenhang zwischen der Allgemeinheit allgemeiner Rechtsgrundsätze und den Anforderungen an die rechtsvergleichende Ermittlung M. Bassiouni, Mich. JIL 11 (1990), S. 768 (812 ff.); M. Bothe, ZaöRV 36 (1976), S. 280 (287). 119
ff.).
Vgl. M. Koskenniemi, Oikeustiede-Jurisprudentia 18 (1985), S. 120 (141
Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze
649
Gesamtschau eine neue aktive Rolle der Gerichte insbesondere dort festzustellen, wo die anzuwendenden Normen vage oder widersprüchlich sind. Der traditionelle Ansatz wäre hier gemäß der LotusRechtsprechung des StIGH, nach einer klaren und ausdrücklichen Regel zu suchen, die die Souveränität der Staaten einschränkt, und bei Abwesenheit einer solchen Norm davon auszugehen, dass eine Vermutung zugunsten der Freiheit der Staaten eingreift.120 Dafür, dass der internationalen Rechtsprechung die Funktion zukommen soll, aktiv als Hüter von Gemeinschaftsbelangen zu wirken, sprechen Erkenntnisse der collective action theory. Danach bevorzugen Verträge, die von den Regierungen der Staaten ausgehandelt und abgeschlossen werden, kleinere Gruppen und deren Partikularinteressen innerhalb der Staaten überproportional.121 Internationale Gerichte können ein Gegengewicht dazu bilden und etwa auch „Skandalisierungsprozesse“ aufgreifen, wie das bislang allerdings nur in der Dissenting Opinion einer Ad hoc-Richterin der Fall war.122 Zugleich muss sichergestellt sein, dass die Möglichkeit politischer Korrektive besteht.123 Sobald aber den Gerichten eine aktivere Rolle ermöglicht wird, verlagert sich die Argumentationslast zu den Regierungen, die gemeinwohlorientierte Entscheidungen bewusst korrigieren wollen. In einem Wechselspiel von Gerichten und Staatenvertretern in internationalen Foren vollzieht sich also ein reflexiv verstandener Prozess der Normgenese. Um mit autoritativer Wirkung entscheiden zu können, müssen sich die Gerichte auf nachvollziehbare Kriterien berufen können. Rein formal ist dies in gleichem Maße wie bei der Feststellung von Völkergewohnheitsrecht durch zwei konstitutive Elemente gewährleistet. Es handelt sich hier um die Identitätsbildung als Äquivalent der opinio iuris und um die Verstrickung in die Normbefolgung, die an die Stelle der Praxis beim Völkergewohnheitsrecht tritt. Ähnlich wie die sogenannten sli-
120
StIGH Lotus, PCIJ Ser. A, No. 10, 1927; vgl. P. Sands, NYU JILP 33 (2000-2001), S. 527 (536 f.). 121
E. Benvenisti, Mich. LR 98 (1999), S. 167; ders., ZaöRV 67 (2007), S. 585 (591 ff.). 122 IGH Arrest Warrant, Diss. Op. Van den Wyngaert, S. 137 (153 ff.), para. 27 f. – für das Völkergewohnheitsrecht; vgl. zur Rechtsetzung durch Skandalisierung, Herbeireden und Beschwörung N. Luhmann, in: ders., Soziologische Aufklärung 6, 1995, S. 229 ff.; G. Teubner, RJ 15 (1996), S. 255; s. auch B. Rajagopal, International law from below, 2003. 123
Vgl. für die WTO 1. Kapitel A. II. 2. a) bb).
650
8. Kapitel
ding scales approaches zum Völkergewohnheitsrecht wird man sagen können, dass sich Identitätsbildung und Verstrickung auf einer Gleitskala bewegen. Die Bedeutung dieser Gleitskala zeigt sich beim Vergleich zwischen Staaten, deren innerstaatliche Verfassungsordnung den Leitbildern des Menschenrechtsschutzes, der rule of law und der demokratischen Selbstbestimmung mehr und weniger entsprechen. Während im ersten Fall das Moment der Identitätsdefinition dominiert, kommt es bei eher repressiven Staaten stärker auf Verstrickungsmomente an. Ist die faktische Verstrickung entsprechend massiv, kann ein Mangel an Rechtsüberzeugung die Rechtsbindung nicht ausschließen. Umgekehrt senkt eine anderweitig dokumentierte starke Rechtsüberzeugung die Anforderungen an den empirischen Nachweis der Verstrickung. Allgemeine Rechtsgrundsätze können demnach auch dadurch entstehen, dass die Staaten diesen im Rahmen internationaler Organisationen durch eine „solide Verbalpraxis“ Ausdruck verleihen.124 Von bloßen Lippenbekenntnissen kann dann nicht mehr die Rede sein.125 Die Verstrickungsmetapher soll demnach auch keine unfreiheitliche Assoziation wecken: Es ist der schon konstituierte Hoheitsträger, der sich verstrickt, weil er sich an seinen eigenen Lippenbekenntnissen messen lassen muss, sofern er sich nicht mindestens blamieren will, und er bleibt davon selbst nicht unberührt, sondern wandelt in der Verstrickung seine Identität, für welche die Einbindung in ein Geflecht von Verfassungsnormen konstitutiv wird. Die Verstrickungsmetapher bezieht sich damit vor allem auf die herrschaftsbeschränkende Funktion von Verfassungen. Hoheitsträger werden durch in Verstrickungsprozessen entstehende Normen nicht konstituiert, sondern limitiert und legitimiert. Mit dem Rekurs auf ein sich wandelndes Selbstverständnis der Akteure und der Verstrickung in einen Diskurs stellen allgemeine Rechtsgrundsätze auf ähnliche Kriterien ab wie eine „progressive“ Ermittlung von Völkergewohnheitsrecht mit gelockerten Anforderungen an das Element der consuetudo. Deshalb sind sie mit dem Einwand konfrontiert, 124
K. Ambos, AVR 37 (1999), S. 318 (333 f.); W. Cremer, AVR 41 (2003), S. 137 (156). 125 Vgl. A. Bleckmann, in: E. Klein (Hg.), Menschenrechtsschutz durch Gewohnheitsrecht, 2003, S. 29 (32) – Staaten im Interesse der effektiven Durchsetzung der Völkerrechtsordnung an den von ihnen geäußerten Rechtsauffassungen festhalten; M. Kotzur, in: E. Klein (Hg.), Menschenrechtsschutz durch Gewohnheitsrecht, 2003, S. 57 (62) – einmal in die Welt getreten mag das „window dressing“ von heute zur „opinio iuris“ von morgen werden.
Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze
651
es sei unwahrscheinlich, dass man dort einen anerkannten Rechtsgrundsatz annehmen könne, wo sich die Bildung von Gewohnheitsrecht noch nicht überzeugend begründen lasse.126 Jedoch ist es nicht implausibel, dass sich allgemeine Grundsätze feststellen lassen, obgleich sich konkrete gewohnheitsrechtliche Rechtssätze noch nicht gebildet haben. Es könnte sich um Grundsätze handeln, die noch nicht im normalen Rechtserzeugungsvorgang entwickelt werden konnten, weil keine ausreichende Zeit für eine kontinuierliche Praxis zur Verfügung stand, die aber gelten müssen, wenn die internationale Gemeinschaft sich nicht selbst negieren will.127 Der noch zu erörternde Prinzipiencharakter der allgemeinen Rechtsgrundsätze wäre dann Ausdruck einer Konstitutionalisierung in statu nascendi und des evolutiven Charakters dieser Normen. Daneben gibt es aber, wie im 6. Kapitel gezeigt, Normen weniger von zwischenstaatlicher als vielmehr von inner- und überstaatlicher Bedeutung, für deren Entstehungsvorgang die Staatenpraxis nur bedingt aussagekräftig ist. Zu ihnen zählen auch die im 7. Kapitel erörterten Paradigmen für die Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt. Hier sind primär die erörterten Prozesse der Identitätsbildung und der Verstrickung für die Stabilisierung von Verhaltenserwartungen relevant. Eine sich daran orientierende Staatenpraxis ist dagegen sekundäre Folge und nicht mehr konstitutiv für die Normbildung.128 Eine weitere normative Verfestigung bedeutet auch die Anerkennung der besonderen Rechtsfolgen, die mit einer Einordnung als ius cogens oder Verpflichtung erga omnes verknüpft sind (s. 5. Kapitel).129 Sie begründet die besondere relative Normativität der Fundamentalnormen in dem im 5. Kapitel beschriebenen Sinne. Auch hierfür kann, neben einer Staatenpraxis, die Ausdruck dieser Anerkennung ist, die besondere Qualität normativer Verstrickung von Bedeutung sein. So ist vorstellbar, dass sich der zwingende Charakter einer Norm bereits zu einer normativen Erwartungserhaltung verfestigt hat, bevor sich eine Staatenpraxis entwickelt, die den Rückschluss auf die Anerkennung der 126 O. Elias/C. Lim, NYIL 28 (1997), S. 3 (36); vgl. auch K. Hailbronner, ZaöRV 36 (1976), S. 190 (210); A. Pellet, Article 38, in: A. Zimmermann u. a. (Hg.), The Statute of the International Court of Justice, 2006, para. 254. 127
Vgl. H. Mosler, ZaöRV 36 (1976), S. 6 (44). Mosler zieht diese Einordnung dem Versuch vor, spontanes Gewohnheitsrecht anzunehmen. Als Beispiel nennt er das Verbot des Angriffs mit Massenzerstörungswaffen. 128
Vgl. A. Bleckmann, in: E. Klein (Hg.), Menschenrechtsschutz durch Gewohnheitsrecht, 2003, S. 29 (43). 129
L. Caflisch/A. Cançado Trindade, RGDIP 108 (2004), S. 5 (59).
652
8. Kapitel
Nichtigkeitsfolge zulässt. Das ist wiederum insbesondere bei Normen des ius cogens mit menschenrechtlichem Gehalt der Fall.130 Die Schwelle für die Bildung einer Rechtsnorm könnte auf dieser Grundlage mit dem but of course-Test beschrieben werden, den Franck für die Anerkennung allgemeiner Rechtsgrundsätze i. S. von Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut entwickelt hat. Eine legitime Rechtsnorm ist demnach dann anzunehmen, wenn die Interpretationsgemeinschaft von Regierungen, Richtern und Gelehrten sich hinter einem Grundsatz findet und ihn für anwendbar hält. Das lässt sich anhand von tatsächlichem Verhalten, aber auch anhand der Äußerungen von Richtern und Aussagen von Regierungsvertretern, Diplomaten und Gelehrten sowie der Analyse von Vertragsarchitekturen und -regimen ermitteln.131 Wird diese Schwelle erreicht, so kommt den Gegenständen dieser Diskurse Rechtsqualität zu und können sie als rechtliche Argumente in internationalen und nationalen Gerichten als Foren der Rechtsanwendung aufgegriffen werden.
bb) Bedeutung der kumulativen Anerkennung allgemeiner Rechtsgrundsätze in verschiedenen Kontexten Hegemonische Einflüsse im transnationalen Diskurs sind dann stärker beschränkt, wenn man eine Vielzahl von Foren einbezieht, die für die Normentwicklung relevant sein können. Globale Normen über die 130
Vgl. C. Focarelli, Nordic JIL 77 (2008), S. 429 (455 ff.) – „Promotional Rationale of Jus Cogens“ in der Rechtsanwendung durch die Gerichte im Hinblick auf die Entstehung neuen Völkergewohnheitsrechts. 131
T. Franck, in: R. Wolfrum/V. Röben, Developments of International Law in Treaty Making, 2005, S. 417 (423). Zur Ableitung allgemeiner Rechtsgrundsätze durch Generalisierung und Ableitung aus dem Völkervertrags- und Völkergewohnheitsrecht s. W. Weiß, AVR 39 (2001), S. 394 (409 f.). So auch noch A. Cassese, International Law in a Divided World, 1986, S. 174 mit dem Argument, andernfalls sei Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut bedeutungslos. Anders 2 jetzt A. Cassese, International Law, 2005, S. 188: Die Ableitungen aus dem Vertrags- und Gewohnheitsrecht („general principles of international law“) seien von den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts zu unterscheiden und bildeten keine eigenständige Rechtsquelle. Riphagen sieht hier eine doppelte Funktion allgemeiner Rechtsgrundsätze: Normen werden aus anderen Normen logisch abgeleitet und bilden zugleich ein Gegengewicht zu Normen aus anderen Rechtsquellen, vgl. W. Riphagen, General Principles of Law, in: A. Cassese/J. Weiler (Hg.), Change and Stability in International Law-Making, 1988, S. 33 (37).
Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze
653
Ausübung von Hoheitsgewalt mit internationaler, transnationaler und transzivilisatorischer Legitimität werden durch die Analyse der tatsächlichen Situationen, in denen Regeln und Prinzipien des Völkerrechts herangezogen werden, ermittelt. Für Yasuaki Onuma zählen dazu neben bilateralen Regierungsbeziehungen und den Organen internationaler Organisationen wie Generalversammlung, Menschenrechtsausschuss oder Sicherheitsrat auch nationale Parlamente, Medien, bilaterale Verhandlungen zwischen Privaten, Unternehmen, ethnischen Minderheiten und nationalen Regierungen.132 Die von Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut geforderte Anerkennung kann danach auch kumulativ auf internationaler Ebene und im innerstaatlichen Bereich gefunden werden.133 Diese Möglichkeit der Kumulation relativiert das vor allem aufgrund methodischer Schwierigkeiten isoliert für die den staatlichen Rechtsordnungen entnommenen allgemeinen Rechtsgrundsätze gefundene pessimistische Ergebnis. Grundsätze, die sich auf diese Weise doppelt begründen lassen, beziehen daraus einen besonderen Status und sind besonders schwer abänderbar. Impulse können dabei von der internationalen auf die innerstaatliche Ebene ausgehen, wenn völkerrechtliche Normen „internalisiert“ werden. Das Völkerrecht erweist sich hier als direktive Kraft für die Verfassungsentwicklung.134 Staatliche Verfassungen verweisen auf das Völkerrecht, etwa sind nach Art. 25 des Grundgesetzes die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes. Art. 39 der südafrikanischen Verfassung verweist auf internationales Recht und auf die legitime Möglichkeit der Rechtsvergleichung. Diese Rezeption und Inkorporation in nationalen Verfassun-
132
Y. Onuma, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 151 (186 ff.). 133 Die Methode der Rechtsanalogie, mit der aus einzelnen Rechtsinstituten des Völkerrechts und analogen Rechtsinstituten des nationalen Rechts fast aller Staaten ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Völkerrechts angeleitet wird, findet sich bei A. Bleckmann, VerfRiÜ 12 (1979), S. 5. S. auch ders., AVR 17 (1977), S. 161. Einige Autoren verlangen sogar, dass die allgemeinen Rechtsgrundsätze in beiden Rechtsordnungen zu finden sein müssen, s. etwa D. Anzilotti, Corso di diritto internazionale, Bd. 1, 41955, S. 106 ff.; P. Reuter, Droit international public, 1968, S. 56 ff.; A. Verdross, Quellen, 1973, S. 124; ders., FS Guggenheim, 1968, S. 521 (525). 134
D. Thürer, ZaöRV 60 (2000), S. 557 (598 f.).
654
8. Kapitel
gen und Gesetzen stärkt auch die Normativität ungeschriebenen Völkerrechts auf internationaler Ebene.135 Umgekehrt prägt das innerstaatliche Verfassungsrecht das Verhalten der internationalen Akteure. Die Herausbildung von allgemeinen Rechtsgrundsätzen über die Ausübung von Hoheitsgewalt im weiteren Sinne, die auf den verschiedenen Ebenen der Hoheitsausübung im Mehrebenenmodell relevant sind, wird dadurch gefördert, dass die Ebenen nicht beziehungslos nebeneinander stehen und Bindungen aus der einen Ebene auch für andere Ebenen Bedeutung haben. In der Literatur wird hier von einem „Schneeball-Effekt“ gesprochen.136 Im ebenenübergreifenden Diskurs können die Bindungen, denen die Hoheitsgewalt von Mitgliedstaaten einer internationalen Organisation unterliegt, auf die Ebene der Organisation als allgemeiner Rechtsgrundsatz übertragen werden. Staatenvertreter sind im inter- und transnationalen Diskurs niemals völlig frei, sondern unterliegen Bindungen aus den Verfassungen ihrer Staaten. Staaten, die aus der Binnenperspektive durch ihre Verfassungen konstituiert werden, verhalten sich nicht so, als dass es sich durch die Gleichsetzung mit einem individuellen Akteur oder mit dem Konstrukt des rationalen Individuums adäquat erfassen ließe. Das schlägt sich nicht nur in der Vertragspraxis nieder, sondern auch in ungeschriebenen Normen über die Ausübung von Hoheitsgewalt. In einem vielmaschigen Geflecht der internationalen Organisationen und Konventionen überlagern sich diese Bindungen. Die Bedeutung einer gewandelten Identität der Akteure und ihrer Verstrickung in Normbefolgungsprozesse bleibt aber nicht auf den jeweiligen Kontext beschränkt. Staaten sind nicht nur etwa an Menschenrechtskonventionen gebunden und übertragen Kompetenzen an internationale Organisationen, die selbst nicht Partei der entsprechenden Konventionen sind. Ihre gegenseitige diskursive Verschränkung rechtfertigt auch eine „intervertragliche“ Auslegung der Menschenrechtspakte, deren Gewährleistungen dann Ausdruck allgemeiner Rechtsgrundsätze sind. So hat der EGMR die Freiheitsrechte der EMRK in ständiger Rechtsprechung im Hinblick auf Schutzbereich und Einschränkungsmöglichkeiten durch Rückgriff auf die universellen Menschenrechtspakte in den verschie-
135
B. Simma/P. Alston, Austral. YBIL 12 (1992), S. 82 (92, 105) – für internationale Menschenrechte; vgl. O. Schachter, RdC 178 (1982-V), S. 9 (334 f.) – als Nachweiskriterien für Völkergewohnheitsrecht im Bereich der Menschenrechte. 136
T. Schilling, Jean Monnet WP 06/05, S. 55.
Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze
655
densten Sonderbereichen ausgelegt.137 Ein entsprechender Ansatz findet sich auch in der Wissenschaft. Auf diese Weise kann die Einhaltung von Verträgen, die auf der internationalen Ebene entweder überhaupt nicht oder doch nur durch Sachverständigenkommissionen oder sogar von Diplomaten überprüft wird, deren Entscheidungen überdies meist nicht verbindlich sind, einem echten Gerichtsverfahren unterworfen werden.138 Zu dem Prozess einer Verstrickung in Normen über legitime Herrschaftsausübung auf internationaler Ebene tragen auch die erörterten Vorgänge des Verfassungstransfers und der Verfassungshilfe, aber auch die Entwicklung von Anerkennungskriterien und die Erhebung von Verfassungsmaßstäben zu Leitkriterien staatlicher Außenpolitik bei. Je mehr sich dadurch die Standards in den einzelnen staatlichen Verfassungen angleichen, desto leichter wird nicht nur die Rechtsvergleichung, sondern desto zielorientierter kann sich auch der internationale Diskurs über entsprechende Normen gestalten. Durch die gegenseitige Befruchtung von internationalen und nationalen Normen ergibt sich eine tiefere und bedeutungsvollere Verpflichtung.139 Die dezentrale Struktur der Völkerrechtsordnung begünstigt aus dieser Perspektive eher, dass allgemeine Rechtsgrundsätze entstehen, als dass sie diesen Prozess hemmt, weil sie zu einer Kumulation der Rechtfertigungszwänge führt.
137
F. Matscher, FS Mosler, 1983, S. 545 (553 ff.); A. Bleckmann, in: E. Klein (Hg.), Menschenrechtsschutz durch Gewohnheitsrecht, 2003, S. 29 (35 f.); s. für die Meinungsfreiheit unter Rückgriff auf AEMR und IPbpR EGMR Glasenapp v. Germany, Ser. A, No. 104, S. 25, para. 48; für das Zwangsarbeitsverbot unter Rückgriff auf ILO-Konventionen EGMR Van der Mussele v. Belgium, Ser. A, No. 70, S. 16, para. 32; für Art. 8 EMRK Übereinkommen des Europarates über die Rechtsstellung nichtehelicher Kinder v. 15.10.1975, ETS No. 85 (obwohl vom beklagten Staat Frankreich nicht ratifiziert) EGMR Mazurek v. France, No. 34406/97 (Sect. 3), ECHR-2000-II, S. 1 (15), para 49. 138
A. Bleckmann, in: E. Klein (Hg.), Menschenrechtsschutz durch Gewohnheitsrecht, 2003, S. 29 (36). 139 N. Tsagourias, in: C. Warbrick/S. Tierney, Towards an International Legal Community, 2005, S. 211 (238).
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8. Kapitel
cc) Ius cogens als transzendental-pragmatisch begründete Diskursregel des Völkerrechts Sofern es darum geht, der Verbalpraxis auf internationaler Ebene eine über den Charakter von Lippenbekenntnissen hinausgehende Bedeutung beizumessen, kommt der äußeren Verhaltensform des Argumentierens eine empirische Bedeutung als Grundlage der Verstrickung in einen Diskurs zu. Die vor allem von Karl-Otto Apel, Jürgen Habermas und Robert Alexy entwickelte Diskurstheorie140 ist demgegenüber zunächst eine prozedurale Theorie der Gerechtigkeit141 in der Tradition Kants,142 aus der sich normative Vorgaben für die rechtliche Relevanz internationaler Diskurse entnehmen lassen könnten. Die Prozedur der Argumentation steht dabei im Gegensatz zu Verhandlungs- und Entscheidungsprozeduren der prozeduralen Theorien in hobbesianischer Tradition.143 Die Diskurstheorie versteht sich als Ausweg aus dem sogenannten Münchhausen-Trilemma, das sich ergibt, wenn man für alles, also auch für die Erkenntnisse, auf die man jeweils die zu begründende Auffassung zurückgeführt hat, wieder eine Begründung verlangt.144 Dann bleibt nur die Wahl zwischen einem infiniten Regress, einem logischen Zirkel in der Deduktion, weil man auf Aussagen zurückgreift, die vorher schon als begründungsbedürftig aufgetreten waren, oder einem Abbruch des Verfahrens. Der Abbruch der Begründungskette ist der Weg, den Kelsen mit der Wahl einer hypothetischen Grundnorm für das Recht gewählt hat. Die „hegelianische“, dialektische Aufhebung der
140
K.-O. Apel, in: ders., Tranformation der Philosophie, Bd. 2, 1973, S. 358; ders., Diskurs und Verantwortung, 21992; J. Habermas, in: ders., Moralbewußtstein und kommunikatives Handeln, 1983, S. 53; ders., Vorstudien und Ergänzungen zu einer Theorie des kommunikativen Handelns, 1984; ders., Erläuterungen zur Diskursethik, 1991; ders., Die Einbeziehung des Anderen, 1996; ders., Wahrheit und Rechtfertigung, 1999; R. Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, 1991. 141
M. Borowski, GYIL 44 (2001), S. 38 (49).
142
R. Alexy, Recht, Vernunft, Diskurs, 1995, S. 127 ff.; M. Borowski, GYIL 44 (2001), S. 38 (50). 143 144
R. Alexy, Recht, Vernunft, Diskurs, 1995, S. 129 f.
K. R. Popper, Logik der Forschung, 91989, S. 60 f. – Trilemma: Dogmatismus, unendlicher Regress, psychologistische Basis (d. h. die Annahme, dass man Sätze nicht nur auf Sätze, sondern etwa auch auf Wahrnehmungserlebnisse 5 gründen kann); H. Albert, Traktat über kritische Vernunft, 1991, S. 13 ff.
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Dualität von gesetztem Völkerrecht und christlichem „Menschheitsrecht“ bei Verdross ist dagegen Ausdruck des logischen Zirkels. Soll das Recht nicht offen in nicht hinterfragbaren Werten gründen, die die Begründungskette abbrechen würden, dann bleibt im Trilemma die eingangs im 1. Kapitel als Selbstbegründung des Völkerrechts erörterte Strategie einer Invisibilisierung der zirkulären Begründung zumindest für die Rechtspraxis. Dagegen ersetzt die Diskurstheorie die Forderung nach immer weiterer Begründung einer jeden Aussage durch eine Reihe von Anforderungen an die Begründungstätigkeit. Diese Anforderungen lassen sich als Regeln rationalen Diskutierens formulieren. Sie beziehen sich auf die Logik der Aussagen, aber auch auf das Verhalten der Sprecher.145 Dabei sind die Diskursteilnehmer selbst nicht idealisiert.146 Für das Problem der Begründung von Diskursregeln bieten sich verschiedene Wege an.147 Eine transzendental- oder universalpragmatische Begründung stellt bestimmte Regeln als Bedingung der Möglichkeit sprachlicher Kommunikation vor.148 Alexy formuliert in diesem Sinne vier Grundregeln: „Kein Sprecher darf sich selbst widersprechen.“ „Jeder Sprecher darf nur das behaupten, was er selbst glaubt.“ „Jeder Sprecher, der ein Prädikat F auf einen Gegenstand a anwendet, muss bereit sein, F auch auf jeden anderen Gegenstand, der a in allen relevanten Hinsichten gleicht, anzuwenden.“ Außerdem bedarf es der Regelung des Eintritts in Diskurse, einer 145 146
R. Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, 1991, S. 223. R. Alexy, Recht, Vernunft, Diskurs, 1995, S. 96 f.
147
Nach Alexy bieten sich neben der transzendental- oder universalpragmatischen Begründung zumindest drei weitere Wege für das Problem der Begründung von Diskursregeln an. Sie sind technische Regeln, wenn man sie als Regeln versteht, die Mittel für bestimmte Zwecke vorschreiben. Problematisch ist dabei, dass die Zwecke selbst wiederum der Begründung bedürfen. Eine empirische Begründung beruft sich dagegen darauf, dass bestimmte Regeln tatsächlich befolgt werden oder dass nach diesen Regeln erzeugbare Einzelergebnisse unseren tatsächlich vorhandenen normativen Überzeugungen entsprechen. Der Schluss von der Empirie auf die Vernünftigkeit einer Regel kann jedoch nur vorläufig sein. Eine als definitorisch bezeichnete Begründung beschränkt sich darauf, ein Regelsystem als Grundlage eines Sprachspiels vorzustellen und relativiert sich damit als Begründungsansatz selbst auf einen Vorschlag. S. R. Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, 1991, S. 225 ff.; vgl. M. Borowski, GYIL 44 (2001), S. 38 (53). 148
S. K.-O. Apel, in: ders., Tranformation der Philosophie, Bd. 2, 1973, S. 358 (395 ff.); J. Habermas, Vorstudien und Ergänzungen zu einer Theorie des kommunikativen Handelns, 1984, S. 353 ff.
658
8. Kapitel
Normierung der Freiheit des Diskutierens und der Abschirmung der Diskurse vor Zwang sowie der Regelung der Argumentationslast und Begründungsregeln.149 Die Prozesse der Normgenese im Völkerrecht sind demgegenüber offenkundig defizitär. Als im Völkerrecht verkörperter Minimalstandard universalpragmatischer Diskursregeln lässt sich das ius cogens als Bedingungen des Diskurses in der Völkerrechtsordnung verstehen.150 Damit reicht die Sonderstellung des ius cogens über seine besondere relative Normativität hinaus. Zudem ist das ius cogens auf diese Weise auch ohne Rückgriff auf universelle Werte begründbar. Der auf die Begründung von Diskursregeln beschränkte Universalismus ist nicht mehr materiell, sondern ein auf die Akteure des Völkerrechts bezogener Begründungsuniversalismus.151 Mit dem ius cogens sind aber die Bedingungen eines idealen Diskurses nicht abschließend erfassbar. Der ideale Diskurs ist vielmehr ideal in einer nicht erreichbaren Weise.152 Für eine Weiterentwicklung des Völkerrechts vermittelt das diskursive Paradigma dennoch Leitlinien. Es kommt darauf an, das institutionelle Setting so zu verändern, dass empirisch die Verstrickung in Diskurse gefördert wird und zugleich normativ grundlegende Anforderungen des demokratischen Prinzips jenseits des Staates berücksichtigt werden können. Erkenntnisse der IB-Forschung lassen Rückschlüsse darauf zu, unter welchen Bedingungen sich normative Erwartungen und Erwartungen der Normbefolgung in einer Art und Weise stabilisieren, dass ein allgemeiner Rechtsgrundsatz anzunehmen ist. Darüber hinaus stellt das Diskursideal ein normatives Leitbild dar, das nur dann bedeutungslos ist, wenn man auch die Möglichkeit eines Begründungsuniversalismus verneint. Die Idee der Verständigung ist eine regulative Idee für die Völkerrechtsordnung auch im Sinne eines anzustrebenden Ziels in der Rechtsanwendung.153 Auf diese Weise kann die zwischen Perspektive
149 150 151 152 153
R. Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, 1991, S. 233 ff., 361 ff. S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 167 ff. Vgl. zu diesem Begriff S. Benhabib, DZPhil 55 (2007), S. 501 (505 ff.). M. Borowski, GYIL 44 (2001), S. 38 (58).
Vgl. R. Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, 2002, S. 136 mit Verweis auf Kant 1781/1787: A 644/B 672 in Fn. 109: „Dagegen aber haben sie einen vortrefflichen und unentbehrlich notwendigen Gebrauch, nämlich den Verstand zu einem gewissen Ziel zu richten, in Aussicht auf welches die Richtungslinien aller seiner Regeln in einen Punkt zusammenlaufen.“
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und Vision vermittelnde Position der Konstitutionalisierungsidee aufgegriffen werden.
III. Bindungswirkung der allgemeinen Rechtsgrundsätze Die allgemeinen Rechtsgrundsätze begründen eine Bindungswirkung, die sowohl Staaten als auch internationale Organisationen erfasst.154 Für das System der Vereinten Nationen lässt sich dazu die im 5. Kapitel erörterte Rahmen- oder Verfassungsfunktion der UNO-Charta aufgreifen. Die Entwicklung der internationalen Menschenrechte auf der Grundlage der Charta, zu der die Vereinten Nationen wesentlich beigetragen haben, gibt Anlass zu legitimen Erwartungen, dass die Vereinten Nationen selbst entsprechende Standards beachten, wenn Maßnahmen unmittelbare Auswirkungen auf die Rechte und Freiheiten von Einzelmenschen haben (7. Kapitel C. III. 2.). Davon seien auch die Verfasser der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ausgegangen. Aus der Charta als „living instrument“ soll sich nach dem Abschluss zahlreicher universeller und regionaler Menschenrechtsverträge – Allgemeiner Erklärung der Menschenrechte, Völkermordkonvention von 1948, Antirassendiskriminierungskonvention von 1965, Menschenrechtspakte von 1966 – einerseits und der Ausübung von Hoheitsgewalt oder QuasiHoheitsgewalt durch die Vereinten Nationen andererseits eine Bindung an bestimmte Menschenrechtsstandards ergeben. Alle diese Elemente lassen sich schlüssig auch als Prozess des Identitätswandels deuten, der zur Herausbildung allgemeiner Rechtsgrundsätze führt. Die Bindung an die Menschenrechte bedeutet auch für den Sicherheitsrat eine Verpflichtung, die allgemeinen und besonderen Interessen, die bei einer Maßnahme im Spiel sind, abwägend in Ausgleich zu bringen.155 Das Argument der Völkerrechtssubjektivität als Grundlage der Bindung an das allgemeine Völkerrecht (7. Kapitel C. IV. 1.) kann auf der Grundlage des nun entwickelten Verständnisses von allgemeinen Rechtsgrundsätzen als Ergebnissen eines Identitätswandels und diskur154
Zur Bindung internationaler Organisationen an allgemeine Rechtsgrundsätze: H. Thirlway, BYBIL 67 (1996), S. 1 (13); H. Schermers/N. Blokker, International Institutional Law, 42003, S. 997; D. Sarooshi, International Organizations and Their Exercise of Sovereign Powers, 2005, S. 16; vgl. auch B. Cheng, in: ders. (Hg.), International Law: Teaching and Practice, 1982, S. 201 (220) – Bindung aller in einem Rechtssystem an allgemeine Rechtsgrundsätze. 155
B. Fassbender, IOLR 3 (2006), S. 437 (446 f.).
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siver Verstrickungsprozesse neu nachvollzogen werden. Es handelt sich um mehr als eine bloße konstitutionelle Umdeutung der UNO-Charta und ihrer Begleitinstrumente (vgl. 7. Kapitel C. I. 1. c)). Dazu ist es zusammen mit der Vorstellung zu lesen, dass die Bindung erforderlich ist, um eine adäquate Aufgabenerfüllung sicherzustellen. Hinzuzufügen ist, dass viele internationale Organisationen, wie die UNO, die ILO, die OAS, die OAU/AU und andere, selbst als Initiatoren internationaler menschenrechtlicher Konventionswerke auftreten. Soweit die normative Verstrickung an die Stelle des Konsenses tritt, ist die Bindungswirkung für Staaten und internationale Organisationen objektiv und damit von grundlegender Bedeutung für ein systemorientiertes konstitutionelles Völkerrechtsverständnis. Eine gewisse Drittwirkung kann sich auch daraus ergeben, dass das Verhalten einzelner Organisationen im Diskurs prägend auch für das Verständnis anderer Organisationen wird. Ihr Selbstverständnis, an Menschenrechte und Standards der Regierungsführung gebunden zu sein, entwickelt sich also erst aus einem Fremdverständnis, das von anderen Akteuren an sie herangetragen wird. Eine Drittwirkung allgemeiner Rechtsgrundsätze ist aber auch schon in Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut angelegt: Danach kommt es nur auf die Anerkennung durch alle zivilisierten Staaten an, so dass die als nicht zivilisiert geltenden Rechtsordnungen von vornherein aus dem Rechtsbildungsprozess ausscheiden, wohl aber dem ohne sie entstandenen Recht unterworfen sind.156 Die Landschaft der internationalen Organisationen ist vielfältig und fragmentiert. Es fehlt eine tragfähige gemeinsame rechtliche Basis. Ein Zusammenhang entsteht aber auf der Grundlage des bereits dargestellten Phänomens der Überlagerung von Rechtfertigungszwängen, jedenfalls durch die gemeinsame Mitgliedschaft der Staaten in verschiedenen internationalen Organisationen. Jedenfalls für die grundlegende Beachtung und Verwirklichung von Menschenrechten sowie der demokratischen und rechtsstaatlichen Regierungsführung ergibt sich daraus im Wege der Normdiffusion allmählich ein gemeinsamer Standard, der zunächst im Wege der Verfassungsvergleichung als Methode der Ermittlung allgemeiner Rechtsgrundsätze i. S. von Art. 38 Abs. 1 lit. c IGHStatut ermittelt werden kann. Ihre Grundlage ist die Vermutung, dass Staaten bei der „Übertragung“ von Hoheitsgewalt und der Verlagerung von Gestaltungsmöglichkeiten ihre eigenen verfassungsrechtlichen Standards im Grundsatz gewahrt wissen möchten. Ein im staatlichen Verfassungsrecht etablierter Grundsatz begründet jedenfalls einen 156
H. Ballreich, FS Bilfinger, 1954, S. 1 (10).
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Rechtfertigungszwang für eine internationale Organisation, deren Antwort freilich von der in den innerstaatlichen Rechtsordnungen gefundenen Ausgestaltungen abweichen kann.157 Methodische Schwierigkeiten im Nachvollzug dieser Prozesse für die Rechtsquelle der allgemeinen Rechtsgrundsätze führen aber dazu, dass die Belastbarkeit von Ergebnissen, die auch einen greifbaren Gehalt haben, prekär ist. Als entgegenkommender Effekt kann aber die Entfaltung eines internen Selbstverständnisses der Organisationen selbst als an grundlegende Standards gebunden verstanden werden. Ausgangspunkt dieser Entwicklung ist der Gründungsvertrag der jeweiligen Organisation.158
C. Prinzipiencharakter konstitutioneller Normen im Rechtsdiskurs Wie allgemeine Rechtsgrundsätze in der Anwendung und Auslegung des Völkerrechts Berücksichtigung finden können, lässt sich anhand des Prinzipiencharakters dieser Norm beschreiben. Als Prinzipienwirkung lässt sich auch die Wirkung bestimmter institutionenübergreifender Normen erklären. Sie sind Kollisionsprinzipien zur Steuerung von Normkonflikten im fragmentierten Völkerrecht und bewirken auch eine Ausstrahlung des Völkerrechts in das nationale Recht. Diente die quellentheoretische Einordnung der hier zu untersuchenden konstitutionellen Völkerrechtsnormen als allgemeine Rechtsgrundsätze der Beschreibung ihrer Entstehung in einem reflexiven Diskurs, so soll ihre Qualifikation als Rechtsprinzip und Optimierungsgebot (I.) ihre Funktionsweise in der Rechtsanwendung erfassen (II.).159 Die sowohl rechtsquellentheoretische als auch interpretationstheoretische Bedeutung der Einordnung konstitutioneller Normen als Rechtsgrundsatz und Prinzip bildet sich in der deutschen Sprache in den hier gewählten unterschiedlichen Begriffen ab, während in anderen Sprachen zwangsläufig doppeldeutige Termini wie „principles“/„principes“ im Englischen und Französischen Verwendung finden. Die Einordnung 157
Vgl. A. von Bogdandy, GLJ 9 (2008), S. 1909 (1917 f.).
158
S. auch A. von Bogdandy, GLJ 9 (2008), S. 1909 (1926 f.) – pluralistischer Ansatz für Konstitutionalisierung. 159
Zur Rezeption dieser Unterscheidung der verschiedenen Prinzipienverständnisse s. M. Andenas/S. Zleptnig, Tex. ILJ 42 (2007), S. 371 (376); A. van Aaken, Ind. GLSJ 16(2009), S. 483 (499).
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als Prinzip soll die unüberschaubare Reichweite der Argumentationen beschränken, die sich potentiell aus einer Entwicklung des Völkerrechts zu einer „Werteordnung“ ableiten lassen. Eine grundsätzliche Unterscheidung zwischen Gerichten als Foren der grundsatzgestützten Deliberation und der Gesetzgebung als interessenvermitteltem Prozess ist zwar zweifelhaft.160 Auch rechtliche Interpretation ist eine Suche nach intersubjektiver Bedeutung und nicht nach der ‚single right answer‘.161 Das gilt insbesondere im Völkerrecht, wo die Linien zwischen Nichtrecht, soft law und hard law nicht klar zu ziehen sind.162 In der Anwendungssituation entfaltet sich aber der Prinzipiencharakter der oben entwickelten allgemeinen Rechtsgrundsätze.
I. Qualifikation einer Völkerrechtsnorm als Prinzip Die wesentliche Bedeutung des Prinzipiencharakters einer Norm zeigt sich in der Abgrenzung von Regeln und Prinzipien (1.). Ob einer völkerverfassungsrechtlichen Norm Prinzipiencharakter zukommt, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln (2.).
160
S. A. Gutmann/D. Thompson, Democracy and Disagreement, 1996, S. 46 – beide prinzipiengeleitet; vgl. I. Johnstone, AJIL 102 (2008), S. 275 (282). S. zur Debatte um die sogenannte Sonderfallthese zum Verhältnis von juristischer Argumentation und praktischem Diskurs R. Alexy, Theorie der juristischen Argumentation, 21991, S. 426 ff.; K. Günther, Ratio Juris 6 (1993), S. 143. 161
Vgl. zur ‚single right answer‘-These R. Dworkin, Taking Rights Seriously, 1977, S. 81 ff. 162
I. Johnstone, AJIL 102 (2008), S. 275 (282); s. auch J. Brunnée/S. Toope, Col. JTL 39 (2000), S. 19 (43 ff.) – mit Rekurs auf Fuller; vgl. M. Borowski, GYIL 44 (2001), S. 38 (59). Zur Unterscheidung von Begründungs- und Anwendungsdiskurs s. aber K. Günther, Der Sinn für Angemessenheit, 1988, S. 25 ff.
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1. Relevanz der Prinzipienlehre und Bedeutung der Unterscheidung zwischen Regeln und Prinzipien a) Aussagen der Prinzipienlehre Die Prinzipienlehre wurde vor allem als Theorie der Grundrechte entfaltet, lässt sich aber auf das Völkerrecht übertragen,163 obgleich der IGH dazu tendiert, Regel und Prinzip synonym zu verstehen.164 Insbesondere fünf Aspekte wurden als Fragen der Prinzipientheorie aufgegriffen, zwischen denen ein mehr oder weniger ausgeprägter Zusammenhang besteht.165 Zunächst sieht ein klassisches Verständnis die Prinzipientheorie als Theorie der Struktur des Rechts und insbesondere des Verhältnisses von Recht und Moral.166 Stärker umstritten ist der zweite Aspekt, das Verständnis von Prinzipien als einer abgrenzbaren Kategorie von Normen, die von der Kategorie der Regeln unterschieden wer163
Die Unterscheidung zwischen Regeln und Prinzipien findet sich auch im Völkerrecht; s. H. Dillard, RdC 91 (1957-I), S. 445 (477 ff.) – Unterscheidungen zwischen Regeln, Prinzipien und Standards; O. Schachter, FS Kelsen, 1964, S. 269 (274 ff.) – Unterscheidung zwischen Regeln und Prinzipien nach dem Grad der Allgemeinheit; D. W. Greig, Austral. YBIL 9 (1985), S. 46 (51 f.); V. Lowe, in: M. Byers (Hg.), The Role of Law in International Politics, 2000, S. 207 (213 ff.); R. Kolb, NILR 53 (2006), S. 1. Zur Prinzipienwirkung im Verhältnis von Europarecht und nationalem Recht s. S. Kadelbach, Allgemeines Verwaltungsrecht unter europäischem Einfluß (1999), S. 51 ff. 164
IGH Gulf of Maine, ICJ Rep. 1984, S. 246 (288 ff.), para. 79: “the association of the terms ‘rules’ and ‘principles’ is no more than the use of a dual expression to convey one and the same idea, since in this context ‘principles’ clearly means principles of law, that is, it also includes rules of international law in whose case the use of the term ‘principles’ may be justified because of their more general and more fundamental character.”; IGH Reparation for Injuries, ICJ Rep. 1949, S. 174 (182): „the principle underlying this rule“; vgl. M. Mendelson, FS Jennings, 1996, S. 63 (80); A. Pellet, Article 38, in: A. Zimmermann (Hg.), The Statute of the International Court of Justice, 2006, para. 250. 165 R. Poscher, in: J.-R. Sieckmann (Hg.), Die Prinzipientheorie der Grundrechte, 2007, S. 59 (59 ff.). 166
R. Pound, Tulane LR 7 (1933), S. 475; J. Raz, Yale LJ 81 (1972), S. 823; R. Dworkin, Taking Rights Seriously, 1977, S. 22 ff., 53 ff.; ders., Law’s Empire, 1986, S. 65 ff., 254 ff.; H. L. A. Hart, Concept, 21994, S. 155 ff., 268 ff.; J.-R. Sieckmann, ARSP 78 (1992), S. 145 (156 ff.); R. Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, 1992, S. 117 ff.; s. für das Völkerrecht R. Kolb, NILR 53 (2006), S. 1 (7 ff.) – Prinzipien als allgemeine wertorientierte Argumente, als „Transformatoren“ moralischer und anderer Kategorien in das Rechtssystem, als Zwischenkategorie zwischen „Regeln“ und „vagen Ideen“.
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den muss.167 Mit der Differenzierung zwischen Regeln und Prinzipien werden drittens auch die unterschiedlichen Rechtstechniken der Subsumtion und des Abwägens verknüpft.168 Einflussreich ist viertens das Verständnis von Prinzipien als Argumenten im Rahmen juristischer Begründungen.169 Schließlich wird der Prinzipienbegriff auch für eine allgemeine dogmatische Aussage über die Struktur der Grundrechte herangezogen.170 Es ist geläufig, zwischen Regeln und Prinzipien zu unterscheiden, die Bedeutung dieser Differenzierung wird aber verschieden gesehen.171 Raz hebt hervor, dass Regeln spezifische Akte vorschreiben, Prinzipien dagegen unspezifische Handlungen. Die Unterscheidung zwischen Regeln und Prinzipien ist danach graduell und kennt viele Grenzfälle.172 Von Völkerrechtlern wurde angemerkt, dass Prinzipien immer dem Schutz eines kollektiven oder individuellen Gutes dienten, während Regeln grundsätzlich unmittelbar verhaltensbezogen seien.173 Nach einem anderen Verständnis sind Prinzipien die Gründe für das Bestehen 167
R. Alexy, ARSP Beiheft 25 (1985), S. 13 (19); ders., Theorie der Grundrechte, 1994, S. 71 ff.; vgl. R. Dreier, Rechtstheorie 18 (1987), S. 368 (378 ff.); ders., FS Maihofer, 1988, S. 87 (94). 168
J.-R. Sieckmann, Regelmodelle und Prinzipienmodelle des Rechtssystems, 1990, S. 18 ff.; R. Alexy, Ratio Juris 16 (2003), S. 433; K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 61991, S. 474 ff. 169
J. Esser, Grundsatz und Norm in der richterlichen Fortbildung des Privatrechts, 41990; J. Sieckmann, ARSP 78 (1992), S. 145 (151). 170
R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1994, S. 71 ff.; M. Borowski, Grund2 rechte als Prinzipien, 2007, S. 68 ff. 171
Vgl. M. Atienza/J. Ruiz Manero, FS Garzón Valdés, 1992, S. 109 (114 ff.); H. Ávila, Theory of Legal Principles, 2007, S. 8 ff. 172
J. Raz, Yale LJ 81 (1972), S. 823 (838); s. auch G. Christie, Duke LJ 1968, S. 649 (669); G. Hughes, Yale LJ 77 (1968), S. 411 (419). Als konstitutionelle Struktur des Völkerrechts bezeichnet den allgemeinen Charakter seiner Grundsatznormen R. Kolb, Can. YBIL 39 (2001), S. 69 (73 ff.). 173
N. Petersen, Am.U. ILR 23 (2008), S. 275 (302); ähnlich K. Zemanek, in: R. Macdonald/D. Johnston (Hg.), Towards World Constitutionalism, 2005, S. 401 (401 f.) – eine Rechtsregel schreibt ein bestimmtes Verhalten für bestimmte Umstände vor und ist durchsetzbar; ein Prinzip ist dagegen Ausdruck eines meta-rechtlichen Wertes; vgl. die Gegenüberstellung von Prinzipien und sozialen Normen bei N. Deitelhoff, Überzeugung in der Politik, 2006, S. 37 f. m. w. N.; zur Verhaltenssteuerung durch Prinzipien s. A. Jakab, Rechtstheorie 37 (2006), S. 49 (60).
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bestimmter Regeln, die eine einem gemeinsamen Ziel dienende Gruppe von Normen zusammenfassen.174 Bestimmte Theorien gehen davon aus, dass Regeln und Prinzipien eine logisch verschiedene Struktur hätten und dichotomisch zu unterscheiden seien. Besonders einflussreich sind die von Esser, Dworkin und Alexy getroffenen Unterscheidungen. Dworkin zufolge haben Regeln einen Alles-oder-Nichts-Charakter. Prinzipien dagegen ordnen keine bestimmte Rechtsfolge automatisch für den Fall an, dass bestimmte Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Sie stellen vielmehr Gründe zur Verfügung, die in eine bestimmte Richtung deuten, legen aber keine rechtlichen Konsequenzen fest, die automatisch eintreten, wenn die festgesetzten Bedingungen erfüllt sind. Ihnen ist die Dimension des Gewichts oder der Bedeutung eigen. Das zeigt sich im Kollisionsverhalten der Normen: Während zwei Regeln im Fall des Konflikts nicht zugleich Geltung beanspruchen können, können sich überschneidende Prinzipien zu einem Konflikt führen, der unter Berücksichtigung des relativen Gewichts jedes der Prinzipien entschieden werden muss.175 Esser und Dworkin ist die scharfe Trennung zwischen Regeln und Prinzipien gemeinsam. Sie unterscheiden sich aber dadurch, dass bei Esser ein Prinzip oder Grundsatz einen größeren Spielraum für den Richter bedeutet, während das Prinzip bei Dworkin gerade der Einengung des richterlichen Ermessensspielraums dient. Für Esser ist charakteristisch, dass er ethische Erwägungen ausschließt. Nach Dworkin dagegen gelten Prinzipien, weil sie gerecht sind.176 Bei Alexy ist der für die Unterscheidung von Regeln und Prinzipien entscheidende Punkt, dass Prinzipien Optimierungsgebote sind. Sie gebieten, dass etwas in einem relativ auf die rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten möglichst hohen Maße realisiert wird. Regeln werden dagegen entweder erfüllt oder nicht erfüllt. Prinzipien stellen Gründe dar, die durch gegenläufige Gründe ausgeräumt werden können, wäh174
N. MacCormick, Jur Rev 19 (1974), S. 217 (222); vgl. M. Virally, FS Guggenheim, 1968, S. 531 – Prinzipien als Normen von hohem Abstraktionsgrad mit Einfluss auf die Entwicklung des Völkerrechts. 175
R. Dworkin, Taking Rights Seriously, 1977, S. 24 ff. S. für auf Dworkin gestützte Ansätze im Völkerrecht K. T. Jackson, Law and Philosophy 12 (1993), S. 157 – Theorie internationaler Menschenrechte und ihrer regionalen Interpretation auf der Grundlage von Law’s Empire; J. Tasioulas, OJLS 16 (1996), S. 85; A. E. Roberts, AJIL 95 (2001), S. 757 – beide zur Theorie des Gewohnheitsrechts. 176
Vgl. A. Jakab, Rechtstheorie 37 (2006), S. 49 (49 f.).
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rend Regeln definitiv gelten.177 Auch insistiert Alexy, dass die Unterscheidung zwischen Regeln und Prinzipien qualitativ oder dichotomisch und nicht graduell ist.178 Als gewichtigster Vorbehalt bleibt nach einer Auseinandersetzung mit den Einwänden gegen Alexys Prinzipientheorie, dass die Unterscheidung letztlich überflüssig, weil ohne eigenständigen Erklärungswert sei. Prinzipien seien schlicht sehr wichtige allgemeine Regeln, deren besondere Bezeichnung nur rhetorische Bedeutung habe.179
b) Bedeutung für konstitutionelle Normen im Völkerrecht Im Kontext eines fragmentierten Völkerrechts sind die Abgrenzung von Regeln und Prinzipien nach ihrem Kollisionsverhalten und die Entwicklung einer besonderen Rechtstechnik, die daran anknüpft, also der zweite und der dritte Aspekt der Prinzipientheorie, von besonderem Interesse. Es wird daher zu zeigen sein, dass materielle Verfassungsnormen im Völkerrecht Prinzipien im Sinne von Optimierungsgeboten sind, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob Prinzipien tatsächlich zutreffend als Optimierungsgebote zu definieren sind. Unabhängig vom kategorialen Charakter der Unterscheidung zwischen Regeln und Prinzipien und einer Beschränkung von Prinzipien auf die Idee der Optimierung ermöglicht die Einordnung der hier zu erörternden Normen eines völkerrechtlichen Verfassungsrechts als Prinzipien im Sinne von Optimierungsgeboten wichtige Aussagen. Internationale Verfassungsnormen sollen als Rechtfertigungsgebote und Begründungspflichten wirken. Sie sind Ausdruck von Präferenzen und drücken ein 177
R. Alexy, ARSP Beiheft 25 (1985), S. 13 (19 ff.); ders., Theorie der Grundrechte, 1994, S. 87 ff. – unterschiedlicher „prima facie-Charakter“ von Regeln und Prinzipien. 178
R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1994, S. 75 ff. Vgl. zu den kanonischen Einwänden A. Jakab, Rechtstheorie 37 (2006), S. 49 (52 ff.); s. auch R. Poscher, in: J.-R. Sieckmann (Hg.), Die Prinzipientheorie der Grundrechte, 2007, S. 59 (65 ff.) – mit Kritik an der späteren Unterscheidung Alexys zwischen zu optimierenden Geboten und Geboten zu optimieren, die die ontologische Unterscheidung zwischen Regeln und Prinzipien präzisieren soll: S. 68 f. m. N.; F. Schauer, Iowa LR 82 (1997), S. 911 – verneint die Existenz von Rechtsprinzipien als distinktem Normtyp. 179
A. Jakab, Rechtstheorie 37 (2006), S. 49 (54 ff.); vgl. zur Auseinandersetzung mit den Einwänden auch M. Borowski, Grundrechte als Prinzipien, 22007, S. 105 ff.
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„ideales Sollen“ aus.180 Ihr Charakter als Optimierungsgebote ist für sie strukturprägend wie die Reziprozitätsidee für zwischenstaatliche Normen. Die Erfüllung orientiert sich am Prinzip der Optimierung und bemisst sich nicht primär daran, in welchem Umfang andere Staaten ihre korrespondierenden Pflichten erfüllen. Mit der Qualifizierung der Verfassungsnormen als allgemeine Rechtsgrundsätze und als Prinzipien kommen demnach zwei ihrer Besonderheiten zum Ausdruck. Für ihr Zustandekommen kommt es auf die Verstrickung in einen Diskurs anstatt auf eine reziproke Staatenpraxis an, ihre Wirkung orientiert sich an der Idee der Optimierung anstatt der Reziprozität. Eine Kollision von Optimierungsgeboten führt auch im Völkerrecht zu einer Abwägungssituation. Zwar sind Abwägungsvorgänge nur begrenzt rationalisierbar181 und mag es eine nicht gebotene Vereinfachung sein, dichotomisch zwischen den Rechtsanwendungsmethoden der Subsumtion und der Abwägung zu unterscheiden.182 Jedenfalls im Völkerrecht erhöht aber die Vorstellung von einer Abwägungssituation das Rationalitätspotential rechtlichen Entscheidens gegenüber einem Kollisionsrecht, das allein hierarchische Normbeziehungen und die lex specialis/lex posteriorRegeln kennt. Im Vergleich zu derartigen Alles-oder-Nichts-Lösungen bedeutet die Rechtsfolgenbestimmung im Wege der Abwägung eine Flexibilisierung.
2. Ermittlung des Prinzipiencharakters völkerrechtlicher Normen Die Analyse der Normstruktur muss im Wege der Auslegung erfolgen. Durch Auslegung ist daher zu ermitteln, ob die internationalen Menschenrechte, das Gebot demokratischer Regierungsführung und Elemente der rule of law als materielles Verfassungsrecht Optimierungsgebote sind.183 Wie bei den Grundrechten des Grundgesetzes bietet auch bei völkerrechtlichen Normen der Wortlaut wenig Anhaltspunkte für eine Einordnung als Regel oder Prinzip.184 Für die Qualifikation men180 181
Vgl. R. Alexy, Rechtstheorie Beiheft 1 (1979), S. 59 (80). S. Nachweise o., 1. Kapitel A. I. 3.
182
R. Poscher, in: J.-R. Sieckmann (Hg.), Die Prinzipientheorie der Grundrechte, 2007, S. 59 (70 ff.). 183
Vgl. A. Martineau, Revue du droit public de la science politique en France et à l’étranger 123 (2007), S. 991 (1008). 184 Vgl. M. Borowski, Grundrechte als Prinzipien, 22007, S. 114 ff. für die Grundrechte des Grundgesetzes.
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schenrechtlicher Normen als Prinzipien spricht es, wenn Schrankenbestimmungen vorgesehen sind und Beschränkungen verhältnismäßig sein müssen. Das ist bei den wichtigsten Menschenrechtspakten auf universeller und regionaler Ebene der Fall. So unterliegen etwa Eingriffe in die Abwehrrechte der EMRK dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.185 Für den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte bestimmt Art. 2 Abs. 1, dass jeder Vertragsstaat verpflichtet ist, unter Ausschöpfung aller seiner Möglichkeiten Maßnahmen zu treffen, um nach und nach mit allen geeigneten Mitteln die volle Verwirklichung der in diesem Pakt anerkannten Rechte zu erreichen. Art. 4 IPwskR erlaubt unter bestimmten Umständen Einschränkungen, deren Zweck es ist, das allgemeine Wohl in einer demokratischen Gesellschaft zu fördern. Die grundsätzliche Abwägbarkeit der gewährleisteten Rechte und damit ihre Prinzipienstruktur werden darin deutlich. Die Rechte nach dem Zivilpakt, die vor allem ein staatliches Unterlassen gebieten, sind dagegen nicht vom wirtschaftlichen oder politischen Fortschritt abhängig.186 Dennoch sind auch hier unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Beschränkungen möglich,187 die eine Prinzipienstruktur vermitteln. Auch die Rechtsnorm demokratischer Regierungsführung hat Prinzipiencharakter. In der Demokratietheorie werden ein klassifikatorisches Verständnis, nach dem die Unterscheidung demokratisch-undemokratisch dichotomisch ist, und ein komparativer Begriff unterschieden, demzufolge es ein Mehr oder Weniger an Demokratie geben kann.188 Demokratie als klassifikatorischer Begriff ist die durch die Verfassung im Allgemeinen und Minderheitsrechte im Besonderen beschränkte Herrschaft derjenigen Staatsorgane, deren personelle Besetzung auf der periodischen Wahlentscheidung der Mehrheit der Wahlbürger beruht. Der klassifikatorische Begriff von Demokratie ist damit holistischrepräsentativ. Beim komparativen Begriff dagegen lassen sich in der Theorie ein holistisches und ein individualistisches Verständnis unterscheiden. Für die komparativ-holistische Konzeption ist das Kriterium für ein Mehr oder Weniger an Demokratie die Unmittelbarkeit des Le185
C. Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 32008, S. 115 ff. m. N. 186
W. von Simson, FS Partsch, 1989, S. 47 (49).
187
HRC, General Comment 31, UN-Dok. CCPR/C/21/Rev.1/Add.13 v. 26.5.2004, para. 6. 188 Für die Unterscheidung s. A. von Bogdandy, FS Hollerbach, 2001, S. 363 (367 ff.).
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gitimationszusammenhangs, die Anbindung der Entscheidungsfindung an den Wahlkörper durch das Parlament oder Referenden. Dagegen betrachtet ein komparativ-individualistisches Konzept die Demokratie als Verwirklichung der Menschenwürde und der Selbstbestimmung des Einzelnen. Das klassifikatorische und das komparative Demokratieverständnis schließen sich nicht gegenseitig aus. Vielmehr baut der komparative Aspekt des Demokratiebegriffs insofern auf dem klassifikatorischen auf, als diese Dimension überhaupt erst erreicht wird, wenn die Voraussetzungen der anderen erfüllt sind. Das Recht auf allgemeine, freie, gleiche, konkurrenzbezogene und periodische Wahlen, wie es in Art. 25 IPbpR enthalten ist, stellt nach einer Ansicht kein Optimierungsgebot dar, sondern soll zur klassifikatorischen Dimension gehören.189 Indes ist es vorstellbar, dass es mehr oder weniger allgemeine, jedenfalls mehr oder weniger freie, gleiche, konkurrenzbezogene oder periodische Wahlen gibt. Auch die als Aspekt der klassifikatorischen Dimension genannten Grenzen der Herrschaftsausübung zur Wahrung der Möglichkeit des Machtwechsels, die Beschränkung durch die Verfassung und Minderheitsrechte können mehr oder weniger ausgeprägt realisiert werden und eröffnen eine Abwägungsmöglichkeit.190 Auch im Verhältnis zu (anderen) Menschenrechten steht die demokratische Partizipation und Repräsentation in einem Abwägungsverhältnis.191 Eine formal verstandene rule of law ist zunächst das Gegenteil der rule of power. Aber auch sie kann mehr oder weniger realisiert werden, indem etwa mehr oder weniger Rechtsschutz gewährt wird. Insbesondere wenn die rule of law mit materiell-rechtstaatlichen Gehalten aufgeladen wird, was für das gegenwärtige Völkerrecht aber nur im Ansatz erkennbar ist, kann sie Prinzipiencharakter entfalten.
189
Vgl. A. von Bogdandy, FS Hollerbach, 2001, S. 262 (370 f.); S. Wheatley, ICLQ 51 (2002), 225 (247) – „[e]lections either take place or they don’t“. 190
Vgl. N. Petersen, Stichwort „Elections, Right to Participate in, International Protection“, in: MPEPIL, http://www.mpepil.com, para. 19 ff.; ders., Demokratie als teleologisches Prinzip, 2009, S. 141 – teleologisches Demokratieprinzip als Prinzip im Alexy’schen Sinne, also ein Optimierungsgebot. 191
Vgl. die Gegenüberstellung von Demokratie und individuellen Menschenrechten bei A. Clapham, Human Rights Obligations of Non-State Actors, 2006, S. 548 ff. – Einschränkung individueller Menschenrechte, um sicherzustellen, dass so viel Deliberation wie möglich stattfindet.
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II. Wirkungsweisen konstitutioneller Prinzipien Bei der Analyse der Wirkungsweise völkerrechtlicher Normen als Prinzipien im Sinne von Optimierungsgeboten sind zwei Besonderheiten des Völkerrechts zu beachten, die sich aus seinem dezentralen Charakter ergeben. Zunächst ist die Situation der Rechtsanwendung, in der sich der prima facie-Charakter von Prinzipien, ihre Abwägbarkeit mit gegenläufigen Gründen, zeigt, nicht in ähnlicher Weise auf eine zentralisierte Gerichtsbarkeit fokussiert wie im staatlichen Recht. Vielmehr erfolgt die Rechtsanwendung häufig im Wege der Selbstbeurteilung oder dezentralen Beurteilung durch die Organe, Kontrollmechanismen, Gerichte oder Streitschlichtungsinstanzen internationaler Organisationen oder durch andere Staaten. Sodann sind kollidierende Prinzipien nicht wie im staatlichen Recht auf einen zentralen Gesetzgeber zurückzuführen, sondern wurzeln regelmäßig in unterschiedlichen Regimen des fragmentierten Völkerrechts. Vor diesem Hintergrund kann sich die Prinzipienwirkung in der Rationalisierung des Rechtsdiskurses und einer relativ offenen Definition von Grenzen für die Ausübung von Hoheitsgewalt entfalten (1.). Insbesondere können Prinzipien, wie es sich bislang in der Praxis nur andeutet, aber einem theoretischen Desiderat entspricht,192 als Kollisionsprinzipien im Verhältnis zwischen den verschiedenen Regimen des fragmentierten Völkerrechts wirken (2.).
1. Rationalitätspotential von Prinzipien a) Rationalisierung des Rechtsdiskurses und Verteilung von Begründungslasten Der Zusammenhang zwischen Rechtsdiskurs und Staatenverhalten ist eine zentrale Frage in den Internationalen Beziehungen und in der Völkerrechtstheorie.193 Während teilweise ein direkter Kausalzusammenhang angenommen und die prozedurale und kommunikative Funktion
192
Vgl. aus der Warte der Systemtheorie A. Fischer-Lescano/G. Teubner, Regime-Kollisionen, 2006, S. 170 f. 193
Ein Überblick über empirische Studien zum Zusammenhang zwischen dem Austausch normativer Argumente und dem Staatenverhalten findet sich bei C. Ulbert/T. Risse, Acta Politica 40 (2005), S. 351.
Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze
671
des Rechts betont wird,194 hegen realistische,195 rationalistische196 und kritische Ansätze Zweifel an der Beeinflussung oder sogar Erzwingung von Verhalten durch die Macht des rechtlichen Arguments. Der Rechtsdiskurs maskiert aus kritischer Sicht Ideologien und verschleiert „politische“ Entscheidungen.197 Ist er nicht offen für andere Perspektiven, so kann der Rechtsdiskurs zum Instrument der Hegemonie werden, weil hegemonische Konzeptionen des besseren Arguments internalisiert werden.198 Kritischen wie konstruktiv(istisch)en Ansätzen ist aber gemeinsam, dass sie die disziplinierende Wirkung der rechtlichen Argumentation anerkennen: Der rechtliche Diskurs lässt nur bestimmte Typen von Argumenten und Begründungsweisen zu.199 Im Hinblick auf ihre Funktion im Rechtsdiskurs lässt sich grundsätzlich zwischen Ordnungsprinzipien, Leitprinzipien und Rechtsprinzipien unterscheiden. Ordnungsprinzipien beruhen auf Abstraktionsleistungen der Wissenschaft und strukturieren das positive Recht. Leitprinzipien dagegen sind in Vertragstexten selbst enthalten. Sie üben eine Orientierungsfunktion im Hinblick auf das Verhalten der Vertragsparteien und für ihre weitere Konkretisierung aus, strukturieren den internationalen Diskurs, sind aber nicht mit Sanktionen bei abweichendem Verhalten verbunden. Rechtsprinzipien sind demgegenüber Rechtsnormen allgemeinen und grundlegenden Charakters. Wie andere Rechtsnormen dienen sie dazu, Verhalten als rechtmäßig oder nicht rechtmäßig zu qualifizieren.200 Sowohl Leitprinzipien als auch Rechtsprinzipien verteilen Begründungslasten im juristischen Diskurs: Wer 194
T. Franck, Fairness, 1995, S. 7; O. Schachter, International Law in Theory and Practice, 1991, S. 1 ff.; A. Chayes/A. Handler Chayes, The New Sovereignty, 1995, S. 118 ff.; J. Brunnée/S. Toope, Col. JTL 39 (2000), S. 19 (51). 195 196
S. nur H. Morgenthau, AJIL 34 (1940), S. 260. J. Goldsmith/E. Posner, The Limits of International Law, 2005.
197
M. Koskenniemi, From Apology to Utopia, 2005, S. 69, 559; D. Kennedy, GYIL 23 (1980), S. 353 (355); vgl. P. Trimble, Stan. LR 42 (1990), S. 811 (838). 198
Vgl. I. Johnstone, AJIL 102 (2008), S. 275 (281).
199
F. Kratochwil, in: M. Byers (Hg.), The Role of Law in International Politics, 2000, S. 35 (52); M. Koskenniemi, From Apology to Utopia, 2005, S. 67 ff.; vgl. I. Johnstone, AJIL 102 (2008), S. 275 (280). 200
Vgl. zu den hier getroffenen Unterscheidungen A. von Bogdandy, GLJ 9 (2008), S. 1909 (1910 ff.) sowie M. Koskenniemi, Oikeustiede-Jurisprudentia 18 (1985), S. 120 (129 ff.) mit der Unterscheidung zwischen einer normativen und einer deskriptiven Prinzipientheorie.
672
8. Kapitel
sich von einem Leitprinzip oder Rechtsprinzip entfernt, gerät in die Position sich im Recht rechtfertigen zu müssen. Der Unterschied zwischen Leitprinzipien und Rechtsprinzipien zeigt sich im Fluchtpunkt der Begründungstätigkeit. Nur bei Rechtspinzipien liegt er unmittelbar in der drohenden Sanktion, dass ein Verhalten als unrechtmäßig qualifiziert wird. Zur Rationalisierung des Rechtsdiskurses tragen Prinzipien auch bei, wenn sie im Rahmen der Auslegung von Regeln herangezogen werden. Dabei kommt es nicht auf ihren Charakter als Optimierungsgebot, sondern auf ihre Allgemeinheit an. Auch Prinzipien ordnen aufgrund ihres allgemeinen und grundlegenden Charakters nicht unmittelbar eine Rechtsfolge an und sind nicht konkret verhaltensbezogen. Steht die Wertung eines Prinzips im Konflikt mit einer Regel, so kann die Regel nicht einfach beiseite geschoben werden. Grundsätzlich hat vielmehr die Regel als konkretere Norm Vorrang vor einem in eine andere Richtung weisenden Prinzip.201 Regeln können sich aber explizit oder implizit auf Prinzipien beziehen202 oder können im Lichte der ihnen zugrunde liegenden Prinzipien interpretiert werden.203 Im Rahmen der Auslegung erlauben völkerrechtliche Regeln dem Rechtsanwender also einen Rückgriff auf die Prinzipienebene, ohne dass unter Missachtung dieser Regeln eine allgemeine ‚Abwägung von Werten‘ stattfinden würde. Wie im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Argumentation zur Rechtfertigung humanitärer Interventionen gezeigt (5. Kapitel C. II. 5.), ist zwischen unmittelbaren und mittelbaren Normkollisionen zu unterscheiden. Auch in der Situation einer mittelbaren Normkollision greift das Optimierungsgebot der Prinzipienebene, aber in den Grenzen der Auslegung der bestehenden Regeln. Trifft in einer solchen Situation eine ius cogens-Norm auf sonstiges Völkerrecht, so ist der Abwägungsvorgang klar durch das normative Gewicht des ius cogens vorgeprägt.204 Grundsätzlich kommt im Rahmen der Auslegung im ius cogens verkörperten Gütern ein starker Einfluss zu. Das ius cogens drängt im Rahmen der Auslegung stark darauf, dass ein
201 202
Vgl. R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1994, S. 121. R. Alexy, Rechtstheorie Beiheft 1 (1979), S. 59 (72 ff.).
203
J.-R. Sieckmann, Regelmodelle und Prinzipienmodelle des Rechtssystems, 1990, S. 141. 204
Vgl. T. Meron, AJIL 80 (1986), S. 1 (14).
Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze
673
Konflikt mit ihm vermieden wird (vgl. Art. 31 Abs. 3 lit. c WVK).205 Diese Ausstrahlungswirkung auf die Auslegung völkerrechtlicher Verträge bleibt seine wichtigste praktische Folge.206 Sie ist im Gegensatz zu seiner Funktion als Geltungsmaßstab keine hierarchiespezifische, sondern eine prinzipienspezifische Funktion des ius cogens.207 Aus dem hierarchischen Vorrang des ius cogens lässt sich die Vermutung ableiten, dass völkerrechtliche Verträge im Zweifel so zu interpretieren sind, dass sie ius cogens nicht verletzen.208 Darüber hinaus streben ius cogens-Normen aber als Prinzipien im Rahmen der Auslegung auf ihre optimale Verwirklichung. Diese Normwirkung ist Grundlage für die Entwicklung besonderer Rechtsfolgen bei der Verletzung von ius cogens jenseits der Vertragswirklichkeit, wie sie im 5. Kapitel (C. II.) erörtert wurden.
b) Verfassungsprinzipien als Gebote der Selbstrechtfertigung Anerkennt man die Rationalisierungsfunktion von Prinzipien im Rechtsdiskurs, so kann man allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die materiell als Verfassungsrecht einzuordnen sind, die herrschaftsbegrenzende Funktion des Verfassungsrechts zusprechen. Eine limitierende Funktion von Prinzipien und die oben erläuterte Flexibilisierung durch Prinzipien stehen entgegen dem ersten Anschein nicht in einem grundsätzlichen Widerspruch. Vielmehr ist die Flexibilisierung Grundlage einer effektiven Wirkung völkerrechtlicher Normen als materiellem Verfassungsrecht. Die mit dem Prinzipiencharakter verbundene Allgemeinheit dieser Normen bedeutet auch, dass sie faktisch erschwert abänderbar (entrenched)209 sind und allein dadurch eine Binnenkoordination des
205
M. Byers, Nordic JIL 66 (1997), S. 211 (218) m. zahlreichen w. N. in Fn.
35. 206
Vgl. S. Kadelbach, Zwingendes Völkerrecht, 1992, S. 342; vgl. E. Voyiakis, ICLQ 52 (2003), S. 297 (327 ff.); ILC, Kommentar zu Art 26 ASR, para. 3; abgedruckt in: J. Crawford, ASR, 2002, S. 187. 207
Vgl. zu dieser Unterscheidung A. Jakab, Rechtstheorie 37 (2006), S. 49
(64). 208 209
M. Milanović, Duke JCIL 20 (2009), S. 69 (71 f.) m. N.
Vgl. T. Schilling, Jean Monnet WP 06/05 S. 13. Dabei kommt es nicht auf den Vorrang einer Norm an, sondern auf den – relativen – Schutz einer Norm davor, durch eine andere Norm, die nicht von dem besonderen Typ ist, außer Kraft gesetzt zu werden. Im Deutschen könnte man von ‚relativer Verfestigung‘ sprechen.
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8. Kapitel
Rechts bewirken.210 Das lässt Prinzipiennormen auch in einem formellen Sinne als Verfassungsnormen erscheinen.211 Die erschwerte Abänderbarkeit bedeutet, dass in einem langwierigen Prozess einmal etablierte allgemeine Rechtsgrundsätze als Argumente schwer wieder zu beseitigen sind. Sie darf aber nicht dahin missverstanden werden, dass die Grundsätze in ihrem Bedeutungsgehalt, auf der Grundlage des oben beschriebenen reflexiven Prozesses, nicht einem Wandel im Diskurs unterliegen würden. Da die Entscheidungsfindung auf der Grundlage von Prinzipien nur begrenzt rationalisierbar ist, sind die Anforderungen an das rechtliche Verfahren groß, in dem dies geschehen kann. Die hier als Verfassungsprinzipien gekennzeichneten Prinzipien sind als Gebote der Selbstrechtfertigung nicht ohne Weiteres auch Interventionsgrundlage für andere Staaten, etwa im Sinne einer ‚demokratischen Intervention‘. Dieser Schritt bedürfte vielmehr einer weiteren Begründung auf zwischenstaatlicher Ebene. Aus der partiellen Ineffizienz einer Rechtsordnung folgt nicht einfach die Möglichkeit unilateraler Rechtsdurchsetzung im Hinblick auf diese Standards.212 Die als Gebote der Selbstrechtfertigung wirkenden völkerrechtlichen Standards als Kriterien für die Gestaltung der Außenpolitik heranzuziehen, setzt vielmehr einen Perspektivenwechsel voraus, der nicht immer ausreichend deutlich gemacht wird.213 Eher unbemerkt geraten nicht „liberale“ Staaten so in die Rolle von outlaw states, die außerhalb des Völkerrechts stehen 210
Für das Europarecht C. Möllers, in: A. von Bogdandy/J. Bast (Hg.), Europäisches Verfassungsrecht, 22009, S. 227 (265) unter Verweis auf M. Heintzen, EuR 29 (1994), S. 35 (36). Vgl. zu allgemeinen Rechtsgrundsätzen B. Cheng, General Principles, 1953, S. 393: “[T]he possibility of establishing rules in derogation of general principles of law must not be exaggerated. It may be compared to the theoretical omnipotence of the British Parliament to legislate except in order to make a woman a man, and a man a woman.” 211
Für Köck nehmen allgemeine Rechtsgrundsätze nach Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut als Reservoir an Grundsätzen, die aus dem innerstaatlichen Recht rechtsvergleichend ermittelt werden können, die Rolle einer Verfassung ein, „unter deren Schirm“ die einzelnen aus den verschiedenen Völkerrechtsquellen fließenden Normen ihren „spezifischen Platz“ fänden und die Grundlage eines „deduktiven Approach“ ist: H. Köck, FS Zemanek, 1994, S. 63 (74 ff.). 212
S. aber M. Reisman, EJIL 11 (2000), S. 3 (6 ff.) – unilaterale Rechtsdurchsetzung in Abhängigkeit von der (partiellen) Ineffizienz einer Rechtsordnung, gestützt auf die Anthropologie und „constitutive processes“. 213
Vgl. H.-J. Cremer, FS Steinberger 2002, S. 97 (113, 123 ff.) zu John Rawls’ Perspektivenwechsel von einer Völkergesellschafts-Vertragstheorie zur Gestaltung der Außenpolitik liberaler Völker.
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675
und nicht nur einem Rechtfertigungszwang, sondern auch Sanktionen und Interventionen ausgesetzt sind. Das Völkerrecht auf der Grundlage der UNO-Charta ist aber vor allem integrativ zu verstehen und bezieht grundsätzlich alle formell als Staaten erkennbare Organisationen ein, sofern sie denn „friedliebend“ sind (Art. 4 Abs. 1 UNC). Weil erst die Intervention zur Durchsetzung von unilateral in Anspruch genommenen Standards die Gefahr eines Missbrauchs begründet, richtet sich an ihre Begründung auch das Desiderat, sich mit dem Missbrauchseinwand auseinanderzusetzen. Allein aus dem Umstand, dass die Institutionalisierung der Wertebildung hinterherhinkt, kann nicht geschlossen werden, dass die Staaten die Freiheit zu ihrer Durchsetzung haben, auch wenn die Organe der UNO nicht beanspruchen können, alleinige Repräsentanten der Werte der internationalen Gemeinschaft zu sein.214 Die bloße Spannung zwischen dem Fehlen von Gemeinschaftsinstitutionen und der Anerkennung von Gemeinschaftswerten,215 die sich in einem institutionellen Defizit der Weltordnung niederschlägt, lässt zunächst nur auf ein Verfassungspotential schließen.216 Die Anwendung von Rechtsprinzipien ist in einem unilateralen Akt allein kaum möglich. Sie setzt vielmehr einen Anwendungsdiskurs zur Rechtsfolgenbestimmung voraus, in dem die unten erörterte Prinzipienwirkung der fraglichen Normen tragende Bedeutung hat. Ihre Allgemeinheit beschränkt daher die Möglichkeit, die Prinzipien einseitig zu konkretisieren und damit vor der Weltgemeinschaft unilaterale Interventionen zu rechtfertigen.217 Im Verhältnis zwischen den verschiedenen Teilsystemen des Völkerrechts untereinander können Prinzipien die Grundlage für einen Dialog der Gerichte und Streitbeilegungsmechanismen sein, die die Prinzipien in der Auseinandersetzung mit anderen Organen aufgreifen und für ihr jeweiliges Teilsystem adaptieren und im Kontext optimal berücksichtigen können. Zwar besagt die sogenannte Inkorporationsthese, dass jede
214 215
So aber M. Nettesheim, JZ 57 (2002), S. 569 (575). B. Simma, in: W. Hummer (Hg.), Paradigmenwechsel, 2002, S. 45 (48).
216
Vgl. M. Kotzur, JöR 55 (2007), S. 23 (27); G. Nolte, ZaöRV 59 (1999), S. 941 (943). 217
Die hier aufgestellten Anforderungen schließen aber nichtmilitärische Gegenmaßnahmen im Fall von Rückschritten im Demokratisierungsprozess, etwa im Fall von Militärputschen gegen legitime Regierungen, nicht aus. Vgl. auch A. Peters, in: J. Klabbers/dies./G. Ulfstein, The Constitutionalization of International Law, 2009, S. 263 (284).
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8. Kapitel
wenigstens minimal entwickelte Rechtsordnung notwendig Prinzipien enthält.218 Sobald abgewogen wird, sind Prinzipien zumindest naheliegend. Dennoch lässt sich die Herausbildung von Prinzipien als entscheidendes Element einer gewissen systemischen Integration der Völkerrechtsordnung begreifen. Mit der Stärkung der internationalen Rechtsprechung durch die Vervielfältigung der Streitbeilegungssysteme steigt auch die Notwendigkeit, Abwägungsentscheidungen zu treffen und dazu auf Prinzipien zurückzugreifen. Der Rekurs auf Prinzipien könnte den internationalen Richter zu einem maßgeblichen Akteur für die Integration und Zentralisation der Rechtsgemeinschaft machen, wie das Kelsen und Lauterpacht vorgesehen haben.
2. Kollisionsprinzipien Mit einem Verständnis der Verfassungsprinzipien des Völkerrechts als Kollisionsprinzipien kann die allgemeine Völkerrechtsdogmatik auf das Problem der externen Effekte (7. Kapitel A.) von innerhalb einzelner völkerrechtlicher Regime getroffenen (a)) sowie auch von formal innerstaatlichen Entscheidungen (b)) reagieren. Sie sind eine undemokratische Folgeerscheinung der Globalisierung. Völkerrechtliche Verfassungsprinzipien können hier aber jeweils als Kollisionsprinzipien wirken. Legitimitätsstiftende Momente finden auf diese Weise Eingang in die Dogmatik des völkerrechtlichen Kollisionsrechts zwischen einzelnen Regimen sowie zwischen Völker- und staatlichem Recht.
a) Steuerung von Normkonflikten zwischen einzelnen Regimen im fragmentierten Völkerrecht Für die Steuerung von Normkonflikten zwischen einzelnen völkerrechtlichen Regimen ist der potentielle Doppelcharakter von Normen als Regeln und Prinzipien relevant.219 Im Völkerrecht können Normen zugleich innerhalb einer Teilordnung strikte Regeln sein, während sie im Verhältnis zu anderen Regimen als Prinzipien das Gebot der optimalen Berücksichtigung begründen. Das zeigt etwa die Rechtsprechung des Appellate Body im Fall US – Shrimp/Turtle, die in der Literatur zum Teil als Ausformung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verstan218 219
R. Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, 2002, S. 121 ff.
Zum Doppelcharakter der Grundrechtsnormen als Regeln und Prinzipien s. R. Alexy, Theorie der Grundrechte, 1994, S. 122 ff.
Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze
677
den wird.220 Das Berufungsgremium geht jedenfalls davon aus, dass zwischen dem Recht eines WTO-Mitglieds, eine Ausnahme i. S. von Art. XX GATT geltend zu machen, und dem Recht der anderen WTOMitglieder auf Einhaltung der Grundprinzipien des GATT ein Ausgleich erfolgen muss. Findet eine Maßnahme eine vorläufige Rechtfertigung anhand der einzelnen Ausnahmetatbestände des Art. XX GATT, so erfolgt im Rahmen des sogenannten Chapeau ein Ausgleich zwischen dem Interesse des WTO-Mitglieds auf Verfolgung legitimer Schutzziele und dem Interesse der übrigen WTO-Mitglieder auf Einhaltung der GATT-Verpflichtungen mit der Maßgabe, dass beiden Interessen ein optimaler Ausgleich verschafft werden muss.221 Das deutet auf eine Gleichordnung der Verpflichtungen aus dem GATT und der Ausnahme der Chapeau-Regel hin.222 Die GATT-Verpflichtungen sind daher zunächst Regeln. Wenn sie aber in Ausgleich mit den in Art. XX GATT vorgesehenen Schutzzwecken zu bringen sind, wirken sie als Prinzipien. Im Shrimp/Turtle-Fall kollidierte das WTO-Recht mit Umweltschutzbelangen. Dort entwickelt das Ständige Berufungsgremium eine Pflicht zur Multilateralität: Wenn eine hoheitliche Entscheidung, die nach Art. XX GATT vorläufig gerechtfertigt ist, die wirtschaftlichen Interessen der Bürger anderer Staaten massiv berührt, dann müssen deren Interessen berücksichtigt werden, entweder mittels einer paktierten Lösung zwischen den betroffenen Staaten oder bei deren Scheitern durch „simulierte Multilateralität“.223 Diese Begründung prozeduraler Pflichten als notwendige Ergänzung materieller Verpflichtungen wurde als origi-
220
C. Tietje, EuR 35 (2000), S. 285 (291); A. Epiney, DVBl. 115 (2000), S. 77 (83 f.); M. Hilf, NVwZ 19 (2000), S. 481 (486); a. A. P. Mavroidis, JWT 34 (2000), S. 73 (79). 221
WTO AB United States – Import Prohibiting of Certain Shrimp and Shrimp Products, WTO-Dok. WT/DS58/AB/R v. 12.10.1998, para. 156, 159; s. auch WTO AB Brazil – Measures Affecting Imports of Retreaded Tyres, WTODok. WT/DS332/AB/R, v. 3.12.2007, para. 224. 222 G. M. Berrisch, in: H.-J. Prieß/ders. (Hg.), WTO-Handbuch, 2003, S. 139; vgl. J. Wiers, Trade and Environment in the EC and WTO, 2002, S. 291 f.; S. Puth, WTO und Umwelt, 2003, S. 297. 223
WTO AB United States – Import Prohibiting of Certain Shrimp and Shrimp Products, WTO-Dok. WT/DS58/AB/R v. 12.10.1998, para. 166 ff., 174 ff.
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8. Kapitel
neller Beitrag zur Fortentwicklung des demokratischen Prinzips und zur Konkretisierung von good governance gewertet.224 Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Kooperationspflicht bei der Inanspruchnahme der Ausnahmen aus Art. XX GATT im WTO-Recht nicht ausdrücklich vorgesehen ist225 und aus dem Diskriminierungsverbot des Chapeau von Art. XX GATT abgeleitet wird. Sie ist dem Appellate Body zufolge auch Ausdruck der praktischen Notwendigkeit einer Zusammenarbeit beim Schutz von grenzüberschreitenden Umweltgütern.226 Das Appellate Body hat indes nicht entschieden, dass Art. XX GATT eine eigenständige, vom ausdrücklichen Diskriminierungsverbot des Chapeau abstrahierende Pflicht begründe, Verhandlungen aufzunehmen.227 Zuweilen wird auch aus dem Umweltvölkerrecht eine allgemeine Kooperationspflicht im Rahmen des Art. XX GATT für den Fall abgeleitet, dass es um globalen grenzüberschreitenden Umweltschutz geht.228 Diese Argumentation ist aber nicht am GATT orientiert und führt dazu, dass das Umweltvölkerrecht besonders strenge Standards im Hinblick auf Kollisionen zwischen Handel und Umweltschutz begründet.229 224
A. von Bogdandy, KJ 34 (2001), S. 425 (435 ff.); ders., MPYUNL 5 (2001), S. 609 (666 ff.). 225
M. Hilf/S. Oeter, WTO-Recht, 2005, S. 594; M. Trebilcock/R. Howse, 3 The Regulation of International Trade, 2005, S. 537. 226
WTO AB United States – Import Prohibiting of Certain Shrimp and Shrimp Products, WTO-Dok. WT/DS58/AB/R v. 12.10.1998, para. 168; s. auch C. Tietje, EuR 35 (2000), S. 285 (293 f.); S. Puth, WTO und Umwelt, 2003, S. 334; M. Hilf/S. Oeter, WTO-Recht, 2005, S. 594. 227 R. Howse, Colum.J.Envtl.L. 27 (2002), S. 491 (507); M. Trebilcock/R. Howse, The Regulation of International Trade, 32005, S. 535. 228
B. Condon, The Existence of a Duty to Negotiate in the General Exceptions of GATT and GATS 2005. 229
S. zur Verhandlungspflicht im Zusammenhang mit Art. XX GATT und Art. XIV GATS in der WTO-Streitbeilegung auch WTO AB United States – Standards for Reformulated and Conventional Gasoline, WT/DS2/AB/R v. 26.4.1996, S. 27; Panel Report United States – Measures Affecting the Cross Border Supply of Gambling and Betting Services, WT/DS285/R (2005) v. 10.11.2004, para. 6.526 ff.; WTO AB United States – Measures Affecting the Cross Border Supply of Gambling and Betting Services, WT/DS285/AB/R (2005) v. 7.4.2005, para. 323 ff.; zur Verortung der Verhandlungspflicht sowie zu ihrem bloß prozeduralen oder ergebnisbezogenen Inhalt in Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung s. O. Akbar, Jean Monnet WP 03/07.
Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze
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Die Reichweite der Verhandlungspflicht und ihre Übertragbarkeit auf andere Situationen sind also durchaus beschränkt. Mit einer anderen dogmatischen Begründung lassen sich aber konstruktiv wie inhaltlich ähnlich überzeugende Ergebnisse erzielen. In der Kollision mit anderen Regimen wirken WTO-Normen unter Umständen nach Art. XX GATT als Prinzipien. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die abzuwägenden Prinzipien anders als im innerstaatlichen Recht von unterschiedlichen Normgebern stammen, ‚externe‘ Prinzipien aber über Art. XX in das WTO-Recht aufgenommen werden. Außer den jeweils regimebezogenen Normen, die im Verhältnis zu anderen Regimen ihren Charakter als Prinzipien entfalten, existieren die oben dargestellten Verfassungsprinzipien des Völkerrechts als zunehmend universelle und objektiv wirksame allgemeine Rechtsgrundsätze. Bei der Abwägung der verschiedenen Regimen entstammenden Prinzipien drängen sie ihrerseits auf optimale Verwirklichung. Ihr Gewicht wirkt sich dann zugunsten derjenigen Prinzipien aus, die dem Regime zugehören, das unter dem Gesichtspunkt der materiellen Verfassungsprinzipien der Menschenrechte, der rule of law und auch der Demokratie unter Berücksichtigung der jeweiligen externen Effekte als legitimer erscheint. Je höher der Standard eines Regimes, einer Organisation oder eines Staates im Hinblick auf diese Gesichtspunkte ist, desto größer ist tendenziell der Gestaltungsspielraum, den ihm das Völkerrecht, auch im Hinblick auf externe Effekte, belässt. Die Menschenrechte können dabei zugleich substantielle Abwägungsfaktoren sein und auf sekundärer Ebene die Abwägung zwischen den in verschiedenen Regimen verkörperten Werten steuern. Demokratie und rule of law sind dagegen in diesem Zusammenhang als Meta-Normen im Völkerrecht Legitimität vermittelnde Momente, die diese Abwägung auf sekundärer Ebene steuern können. Sie alle sind Prinzipien, die Abwägungsprozesse im Fall der Kollision materieller Prinzipien steuern. In diese Deutung fügt sich, dass der WTO Appellate Body im EC-Hormones I-Fall verantwortlichen, repräsentativen Regierungen einen besonderen Spielraum einräumte.230 Die Anwendung dieses Steuerungsmechanismus durch internationale Gerichte würde unterschiedliche Regime einem Vergleich ihrer Legitimitätsstandards aussetzen und möglicherweise einen Spiraleffekt induzieren, der die Standards allmählich anhebt. Die vom Appellate Body 230
WTO AB European Communities – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones), WTO-Dok. WT/DS26/AB/R v. 16.1.1998, para. 124 – „responsible, representative governments“; s. dazu R. Howse, Cornell ILJ 42 (2009), S. 223 (229).
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8. Kapitel
gewählte Prozeduralisierung zeigt zugleich einen Weg auf, Abwägungsentscheidungen innerhalb bestimmter Grenzen politischen Organen zu überlassen, weil die Abwägung ein funktionierendes Rechtssystem voraussetzt.231 Verrechtlichung und Konstitutionalisierung können so ermöglicht werden, ohne dass das auf den vergeblichen Versuch hinauslaufen müsste, den antagonistischen Charakter der „Politik“ zu überwinden. Die Konstitutionalisierung zeigt sich also nicht in einer Überwindung der Politik, sondern in der Entwicklung einer Verfassungsfunktion des Völkerrechts, die darin besteht, Konflikte zwischen einzelnen Regimen im fragmentierten Völkerrecht zu steuern.
b) Ausstrahlungswirkung ins nationale Recht Weitreichend sind die denkbaren Konsequenzen für eine Ausstrahlung der Prinzipien unmittelbar in die staatlichen Rechtsordnungen hinein. Abgesehen davon, dass auf allgemeine Rechtsgrundsätze etwa Art. 25 des deutschen Grundgesetzes Anwendung findet, könnten sie als Prinzipien selbst unmittelbare Wirkung beanspruchen.232 Diese würde den souveränen Staat als Ausdruck kollektiver Selbstbestimmung insoweit respektieren, als sie für die Abwägung mit kollidierenden spezifischen Wertungspräferenzen auf nationaler Ebene grundsätzlich offen bliebe. Die Kollisionslage zwischen Völkerrecht und staatlichem Recht stellt sich ähnlich dar wie die zwischen verschiedenen völkerrechtlichen Regimen oder zwischen diesen und dem allgemeinen Völkerrecht. Auch hier ist die Frage nach der Berücksichtigung der jeweils „anderen“
231
A. Fischer-Lescano, ZaöRV 63 (2003), S. 717 (735) mit Verweis auf N. Luhmann, Recht der Gesellschaft, 1993, S. 96 f.; P. Jessup, Transnational Law, 1956, S. 5, 35 ff. S. für den weitergehenden Vorschlag der „Defragmentierung“ des Völkerrechts durch die „verfassungsrechtliche“ Methode des Abwägens A. van Aaken, Ind. GLSJ 16 (2009), S. 483; dies., in: M. Jovanović/I. Krstić (Hg.), Human Rights Today – 60 Years of the Universal Declaration, 2010, S. 51. Dieser Ansatz traut internationalen Streitbeilegungsinstitutionen viel weiter reichende Entscheidungen zu, als der hier unterbreitete Vorschlag. Zur Legitimität internationaler Gerichtsinstitutionen s. A. von Bogdandy/I. Venzke, ZaöRV 70 (2010), S. 1. 232
Vgl. B. Simma/P. Alston, Austral. YBIL 12 (1992), S. 82 (102); D. Thürer, ZaöRV 60 (2000), S. 559 (598 f.) – Völkerrecht als direktive Kraft für die Verfassungsentwicklung.
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681
Rechtsordnung keine Frage der Alternativität.233 Dass ein Ausgleich möglich sein kann, zeigt etwa die Rechtsprechung des EGMR zum Beurteilungsspielraum der Konventionsstaaten („margin of appreciation“/„marge d’appréciation“).234 Wenn eine deutliche Konvergenz der Rechtsentwicklung in den Mitgliedstaaten festzustellen ist, wird der Gestaltungsspielraum der Konventionsstaaten im Hinblick auf die Gewährleistungen der EMRK eingeschränkt.235 Das lässt sich als nachträgliche Normkonkretisierung deuten (vgl. Art. 31 Abs. 3 lit. b WVK), aber auch als Konsequenz aus Legitimitätsüberlegungen. Der innerstaatliche demokratische Prozess, den die Einräumung eines „margin of appreciation“ respektiert, verliert als legitimitätsstiftendes Moment gegenüber einer faktischen Abstimmung der Konventionsstaaten, die sich in der Konvergenz der Rechtsentwicklung zeigt, an Bedeutung. Auch die für die WTO entwickelte Idee einer flexiblen rule-orientation anstelle der strikten rule of law236 lässt sich als Ausdruck einer Abwägung zischen WTO-Recht und innerstaatlichem Recht deuten. Auch im Verhältnis zwischen staatlichem Recht und Völkerrecht ist es denkbar, dass legitimitätsstiftende Verfassungsprinzipien auf sekundärer Ebene die Abwägung steuern. Die Antwort auf die Frage, wessen kollektiver und individueller Autonomie bei den demokratischen Prozessen auf verschiedenen Ebenen welche Bedeutung zukommt, ist dabei von der faktischen Reichweite der Ausübung von Hoheitsgewalt abhängig. Für die Entscheidung über Fragen des CO2-Ausstoßes etwa ist wegen des Zusammenhangs mit der globalen Erwärmung ein noch so demokratischer nationaler Entscheidungsprozess inadäquat.237
233
Für ein flexibles Modell zur Bestimmung des Verhältnisses von Völkerrecht und innerstaatlichem Recht auf der Grundlage von vier „principles of engagement“ s. M. Kumm, in: S. Choudhry (Hg.), The Migration of Constitutional Ideas, 2006, S. 256 (261 ff.); s. für eine Verhältnisbestimmung von internationalem und nationalem Verfassungsrecht durch Abwägung auch A. von Bogdandy, I.CON 6 (2008), S. 397. 234
EGMR De Wilde, Ooms and Versyp v. Belgium, No. 2832/66, 2835/66, 2899/66, Ser. A No. 12, S. 45, para. 93; kritisch zu dieser Rspr. J. Brauch, Colum.J.Eur.L. 11 (2005), S. 113 m. w. N. 235
EGMR Christine Goodwin v. the United Kingdom [GC], No. 28957/95, ECHR 2002-VI, S. 1 (26 ff.), para. 75 ff. 236 237
S. 1. Kapitel A. II. 2. b).
Vgl. M. Kumm, in: S. Choudhry (Hg.), The Migration of Constitutional Ideas, 2006, S. 256 (266 ff.).
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8. Kapitel
D. Einheit der Verfassung und Antagonismus im Diskurs Die Unterscheidung zwischen ihrer Qualität als allgemeine Rechtsgrundsätze und ihrem Prinzipiencharakter lenkt das Augenmerk auf den reflexiven Prozess der Verwirklichung und die besonderen Anwendungsbedingungen der erörterten materiellen Verfassungsnormen. Während der Reziprozitätsmechanismus für die Entstehung dieser Normen allenfalls eine untergeordnete Rolle spielt, kommen der Identitätsbildung von Staaten und internationalen Organisationen in einem intersubjektiven Prozess und ihrer diskursiven Verstrickung maßgebliche Bedeutung zu. In den ebenenübergreifenden Entstehungs- und Wirkungsbedingungen der allgemeinen Rechtsgrundsätze bildet sich das Phänomen einer zunehmenden Verschränkung der verschiedenen Ebenen des Rechts ab, auch wenn ihre Ermittlung mit methodischen Schwierigkeiten konfrontiert ist. Auf der Ebene der Rechtsanwendung schaffen Prinzipien Begründungslasten, deren normativer Gehalt nicht voreilig definiert werden darf. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze mit konstitutioneller Bedeutung sind Gebote der Selbstrechtfertigung. Soll die Berufung auf sie darüber hinaus legitimierende Wirkung haben, so müssen sie dazu in einem angemessenen Verfahren konkretisiert werden. Dabei erlaubt die Prinzipienwirkung eine Rationalisierung des Rechtsdiskurses in einer flexibleren Weise als der Versuch einer definiten Hierarchisierung von Normen. Entscheidend dafür ist vor allem die Ausstrahlungswirkung der Prinzipien. Zwar entfalten die Verfassungsprinzipien eine umfassende Bindungswirkung und sind damit auch Ausdruck von Objektivierungstendenzen im Völkerrecht. Ihre Unvollständigkeit im Hinblick auf konkrete Rechtsfolgen lässt aber ein offenes, pluralistisches und diskursives Verfassungsverständnis für das Völkerrecht als adäquat erscheinen. Es bietet die Grundlage für ein universelles Völkerrecht, das sich nicht auf nicht weiter begründbare substantielle Werte, sondern auf den formalen und prozeduralen Charakter des Rechts stützt. Die Konstitutionalisierung der Völkerrechtsordnung bietet für die Normerzeugung und die Normanwendung auch ein normatives Ideal. Das Zusammenspiel beider Mechanismen lässt sich als eine normative politische Methodologie verstehen, in der die Rechtsprechung normative Leitentscheidungen der Weltgesellschaft aufgreift und in kontradiktorischen Verfahren konkretisiert. Eine sich entwickelnde kosmopolitische Öffentlichkeit hat dabei eine doppelte Funktion. Einerseits regt sie Normentstehungsprozesse an, die zunächst in internationalen Foren der Rechtsetzung und schließlich durch die Rechtsprechung aufgegrif-
Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze
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fen werden können. Andererseits kontrolliert sie die internationale Rechtsetzung und Rechtsprechung. Angesichts der institutionellen Defizite der Völkerrechtsordnung sind die Bedingungen völkerverfassungsrechtlichen Argumentierens aber prekär. Dem Dialog der Rechtsprechungsorgane kommt dabei eine vergleichsweise hohe diskursive Qualität zu. Sie kann unter Umständen in gewissem Umfang Defizite auf der Ebene der Rechtserzeugungsinstitutionen kompensieren. Die institutionelle Vielfalt der Völkerrechtsordnung bietet die Grundlage für einen solchen Dialog. In der gegenwärtigen Völkerrechtsordnung könnte daher den internationalen, aber auch innerstaatlichen Gerichten, die mit dem Völkerrecht befasst sind, sowie dem Dialog zwischen diesen Instanzen in einem Mehrebenensystem eine maßgebliche Stellung zukommen. Sie wird allerdings durch die systemischen Defizite der internationalen Gerichtsbarkeit (1. Kapitel A. II. 2. a)) geschwächt. Eine auf die Bildung und Wirkung von Verfassungsrecht im Diskurs gestützte Vorstellung von der Konstitutionalisierung im Völkerrecht verneint die Möglichkeit einer dem Widerstreit entzogenen, übergreifenden Verfassungsordnung für die internationalen Beziehungen. Dennoch braucht sie die Suche nach Kohärenz im Recht nicht aufzugeben. Die Einheit des Rechts ist nicht vorgegeben und etabliert sich auch nicht allmählich von selbst. Als dem Recht intrinsisches Ideal ist die Widerspruchsfreiheit aber fortwährende Triebkraft für die Entfaltung und Weiterentwicklung der Völkerrechtsordnung im politischen und rechtlichen Diskurs. Sie ist stetige Referenz rechtlichen Argumentierens und bildet das formale Gegenstück zu den materiellen Verfassungsprinzipien des Völkerrechts, die ihrerseits Referenzwerte darstellen. Die hier entwickelten Verfassungsprinzipien sind Elemente der Sprache des Völkerrechts, in der zu diesem Zweck herausgefordert und bestritten wird. Erkennbare Anzeichen für eine Konstitutionalisierung im Völkerrecht sind die Aufnahme des Verfassungsvokabulars in den Diskurs und das damit verbundene Gebot der Selbstrechtfertigung in der Sprache des Völkerrechts. Mit diesem Vokabular enthält das Völkerrecht den Code, nach dem es, nicht linear, sondern reflexiv fortentwickelt wird – und fortwährend verstrickt. Durch die damit verbundene Verselbständigung und Dynamisierung des Völkerrechts unterscheidet sich das Phänomen der Konstitutionalisierung von einer bloßen Verrechtlichung als einem aus der Perspektive des Rechts ausschließlich durch exogene Faktoren gesteuerten Prozess.
Fazit
Gegenüber der Formel von einer Konstitutionalisierung des Völkerrechts erscheint die Formulierung „Konstitutionalisierung im Völkerrecht“ angemessener. Sie bringt zum Ausdruck, dass der Versuch, das Völkerrecht auf eine verfassungsrechtliche Grundlage zu stellen, nicht darauf zielt, das Völkerrecht insgesamt als Verfassungs- und oberste Werteordnung in der Tradition des europäischen Konstitutionalismus zu rekonstruieren. Ein verfassungsrechtliches Grundverständnis des Völkerrechts soll vielmehr vor allem bedeuten, dass der Legitimationsbedarf der gegenwärtigen Völkerrechtsordnung mithilfe konstitutioneller Parameter zu vermessen sind. Die Autonomisierung des Völkerrechts und die Entstehung völkerrechtlicher Nebenverfassungen sind aus dieser Perspektive durchaus ambivalent zu beurteilen. Einerseits bedeuten sie eine Stärkung des Völkerrechts und bilden die Grundlage für eine Beschränkung staatlicher Willkür. Die vorliegende Arbeit zeigt aber auch, dass diese als Konstitutionalisierung bezeichneten Phänomene im Völkerrecht selbst einen Verfassungsbedarf begründen, der sich mit Analysebegriffen des Verfassungsrechts erfassen lässt. Die Beobachtung einer Konstitutionalisierung ist also keine Feststellung, mit der die Auseinandersetzung beendet ist, sondern begründet erst die Notwendigkeit kritischer Debatte. „Verfassung“ an sich ist kein Argument. Eine Analyse des Völkerrechts mithilfe konstitutioneller Parameter kann unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung von Verfassungsfunktionen wie horizontaler und vertikaler Gewaltenteilung, Vorrang, Stabilität, Grundrechtsgewährleistung, Rechtskontrolle und Verantwortlichkeit erfolgen. Sie kann aber auch auf Figuren der Verfassungsdoktrin wie die Subsidiarität oder Komplementarität in Mehrebenensystemen, die rule of law und die demokratische Regierungsführung zurückgreifen. Zwar lässt sich das Modell demokratischer Verfassungsstaatlichkeit auf internationaler Ebene nicht einfach fortschreiben; dennoch können die Parameter des staatlichen Verfassungsrechts, die ins Völkerrecht übernommen werden, einen Maßstab für die Ausübung von Hoheitsgewalt auch jenseits des Staates bilden und Strategien zur Verbesserung der Legitimität der Völkerrechtsordnung inspirieren, die nicht auf einen Weltstaat hinauslaufen. Dadurch, dass die KonstitutioT. Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 231, DOI 10.1007/978-3-642-24884-9_5, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
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nalisierungsdebatte mittlerweile auch einen Bedarf demokratischer Inklusion jenseits der Staatsgrenzen thematisiert, den die immer dichtere Normerzeugung durch eine wachsende Zahl inter-, trans- und supranationaler Organgewalten begründet, unterscheidet sie sich am signifikantesten von ihren Vorläufern. Ein solches Verständnis der Konstitutionalisierung ist zugleich ausreichend offen, um Gegentrends wie die Fragmentierung und Deformalisierung des Völkerrechts sowie Befolgungsdefizite und die schwierige Integration einiger Staaten wahrzunehmen. Die vielfältigen Phänomene, die als Ausdruck einer Hierarchisierung und Objektivierung des Völkerrechts verstanden werden, entziehen sich indes einer synthetischen Konzeption als Entstehung einer Verfassungsordnung im formellen Sinne. Das Völkerrecht hat sich nicht in der Weise verändert, dass eine homogene Kategorie von Normen sich vom übrigen Völkerrecht abscheidet und die Qualität von Völkerverfassungsrecht annimmt. Die Hierarchisierungsthese ist als Element einer allgemeinen Dogmatik, die einem konstitutionellen Völkerrechtsverständnis folgt, auch ungeeignet, bestimmte humanitäre Werte im Völkerrecht zu petrifizieren. Die Dogmatik kann das Fehlen gemeinschaftlicher Institutionen nicht kompensieren. Auch kann die dogmatische Begründung für die Herausbildung einer objektiven universellen Ordnung zum Schutz von Gemeinschaftsgütern im Völkerrecht eine umfassende Drittwirkung von Gemeinwohlnormen jenseits des inhaltlich sehr beschränkten ius cogens nicht tragen. Da eine synthetisierende Konzeption als formelles Verfassungsrecht nicht zu überzeugen vermag, muss eine Dogmatik der Konstitutionalisierung gerade die Vielfalt der Veränderungen im Völkerrecht und die relative Offenheit der Entwicklungen integrieren. Sie muss diskursive Prozesse auf internationaler Ebene in einer Form aufgreifen, die zugleich den Eingang neuer Wertvorstellungen in das Völkerrecht und die prekäre Grundlage daraus abgeleiteter Schlussfolgerungen für die Entscheidung konkreter Streitfragen herausstellt. Deshalb erscheint ein offenes, pluralistisches und diskursives Verfassungsverständnis als für das Völkerrecht adäquat. Auf einer diskurstheoretisch inspirierten Grundlage muss sich das Völkerrecht, das sich von einem neutralen, zwischenstaatlichen Recht zu einem Recht für die Menschen entwickelt hat, als ein auf die Individuen rückführbares Recht konzipieren lassen. Die Legitimitätsvermittlung durch gemeinsame Werte, die von gemeinsamen Institutionen verwirklicht werden, offenbart demgegenüber Defizite beim demokratischen Input. Eine Verselbständigung der Verfassungsidee und von Elementen der Verfassungsdoktrin gegenüber dem demokratischen Verfassungsstaat
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muss darauf bedacht bleiben, dass sie das Völkerverfassungsrecht nicht als Verkörperung des Gemeinwohls so definiert, dass dabei die demokratische Inklusion und die Partizipation der betroffenen Individuen gegenüber der bloßen Verrechtlichung von Gemeinwohlbelangen ins Hintertreffen gerät. Das hier entwickelte Verständnis völkerrechtlicher Konstitutionalisierung bleibt daher der von Kant eröffneten Perspektive eines formalen und prozeduralen Vernunftrechts verpflichtet und stützt sich nicht auf nicht weiter begründbare substantielle Werte, sondern auf den formalen und prozeduralen Charakter des Rechts. Grundlage für die Bindung der Ausübung von Hoheitsgewalt durch Staaten und internationale Organisationen an konstitutionelle Normen sind dann intersubjektive Prozesse des Identitätswandels und der diskursiven Selbstverstrickung. Die so verstandene Konstitutionalisierung stützt sich weniger auf starke Normbehauptungen, sondern schafft Begründungslasten.
Zusammenfassung
Bei der Konstitutionalisierung im Völkerrecht und seinen Teilordnungen geht es im Kern darum, ob sie einen Grad an Objektivität erreicht haben, um wie eine Verfassungsordnung die Willensmacht einzelner Staaten zu begrenzen. Für Vertreter der Konstitutionalisierungsthese ist im Völkerrecht ein die Staateninteressen transzendierendes Gemeinschaftsinteresse der Menschheit anerkannt, setzen hierarchisch übergeordnete ‚Verfassungsprinzipien‘ dem bisher bindungslos gebliebenen Willen der Staaten Grenzen, verselbständigen sich internationale Organisationen gegenüber ihren Mitgliedstaaten und verbleibt den Staaten nicht länger ein genuiner domaine réservé. Auf der Grundlage dieser Beobachtungen versucht die völkerrechtliche Konstitutionalisierungslehre, das Völkerrecht auf eine verfassungsrechtliche Grundlage zu stellen. Die Plausibilität dieses Versuchs analysiert diese Arbeit. Zunächst ordnet sie die Phänomene, an die die völkerrechtliche Konstitutionalisierungsthese anknüpft. Die Analyse dieser Phänomene zeigt ein Spannungsverhältnis zwischen der ideengeschichtlich voraussetzungsvollen Vorstellung vom Völkerrecht als einer Verfassungsordnung und den vielfältigen realen Defiziten des Völkerrechts. Anhand der Begriffsgeschichte und von Ansätzen zu einer systematischen Verschränkung des Verfassungsbegriffs mit dem Staat wird deshalb weiter untersucht, wie sich der Begriff aussagekräftig auf die internationale Ebene übertragen lässt. Das Verfassungsdenken jenseits des Staates reicht weit hinter die aktuelle Konstitutionalisierungsdebatte zurück. Wissenschaftshistorisch lässt sich die Konstitutionalisierungsidee an idealistische Interpretationen des Völkerrechts anknüpfen, die auf entscheidende Weichenstellungen des 20. Jahrhunderts reagieren. Insbesondere steht sie in der Tradition fortschrittlicher Doktrinen der Völkerbundzeit. Offensichtlich sind deren internationalistische Projekte auch nach vielen Jahrzehnten nur bedingt erfolgreich, so dass sich die Frage stellt, welche Elemente heute die neue Grundlage der Konstitutionalisierungsthese bilden. Sowohl die aktuelle Lehre als auch ihre Vorläuferdoktrinen haben weit zurückreichende Wurzeln in der Philosophie des Naturrechts und der Aufklä-
T. Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 231, DOI 10.1007/978-3-642-24884-9_6, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
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rung, denen sich die Untersuchung ebenfalls widmet, um Kontinuitäten und Brüche aufzuzeigen. Soll die Konstitutionalisierungsthese für die Völkerrechtswissenschaft von Bedeutung sein, müssen die mit ihr verknüpften Phänomene auch in dogmatischen Begriffen des Völkerrechts Ausdruck finden, die sich als Abbilder von Merkmalen des Verfassungsrechts verstehen lassen. Deshalb werden in einem nächsten Schritt die Hierarchisierung und die Objektivierung des Völkerrechts als Elemente der allgemeinen Dogmatik einer kritischen Auseinandersetzung unterzogen sowie die dogmatischen Grundlagen einer umfassenden Bindung internationaler Organisationen an menschenrechtliche Standards analysiert. Die Bindung an Menschenrechte bildet ein wesentliches Element des aus der Verfassungsperspektive notwendigen Rahmens für die Rechtfertigung der Ausübung von Hoheitsgewalt im Völkerrecht. Die Arbeit findet schließlich einen vermittelnden Standpunkt, der zwar keine starken Normbehauptungen aufstellt, aber in der juristischen Argumentation zu beachtende Begründungslasten schafft. Sie erklärt die Genese konstitutioneller Normen als allgemeinen Rechtsgrundsätzen in kooperativer Auseinandersetzung mit konstruktivistischen Ansätzen in der Wissenschaft von den internationalen Beziehungen. Konstitutionalisierung ist danach vor allem ein Prozess des Identitätswandels und der Selbstverstrickung, in den Staaten und andere internationale Akteure eingebunden sind. Die Untersuchung zeigt, wie Standards der global governance und Normen zum Wohle der Weltgemeinschaft sowohl die notwendige Kohärenz des Rechts als auch die Pluralität der Weltgesellschaft berücksichtigen und von staatlichen und den – mittlerweile zahlreichen – internationalen Gerichten effektiv angewandt werden können.
I. Rekonstruktion der Konstitutionalisierungsthese als Völkerrechtskonzeption Die mit der Konstitutionalisierungsthese verknüpften rechtsempirischen Phänomene lassen sich auf zwei Begriffe reduzieren: Die Autonomisierung des Völkerrechts gegenüber den Staaten sowie die Übernahme und Verstärkung von Funktionen der staatlichen Verfassungen durch völkerrechtliche Normen. Die Autonomisierung der Völkerrechtsordnung zeigt sich einerseits im inhaltlichen Wandel des Völkerrechts von einer zwischenstaatlichen zu einer der Weltgemeinschaft und dem Einzelmenschen verpflichteten
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Rechtsordnung, andererseits in der in internationalen Organisationen und Regelsystemen stattfindenden Binnenkonstitutionalisierung. Gemeinschaftsinteressen und ethische Gehalte verkörpert das Völkerrecht etwa im Bereich des Menschenrechtsschutzes mit der damit verknüpften rechtlichen Aufwertung des Individuums, im Selbstbestimmungsrecht der Völker oder im Umweltvölkerrecht, in dem die Idee von wechselseitiger Abhängigkeit, geteilter Verantwortung und Solidarität Ausdruck gefunden hat. Aber auch unter der Konstitutionalisierung der WTO wird unter anderem deren Ausrichtung auf Gemeinschaftsinteressen und globale Belange verstanden. Binnenkonstitutionalisierung internationaler Organisationen bedeutet, dass die Mitgliedstaaten in die Verwirklichung gemeinsamer Interessen eingebunden werden. Kennzeichen solcher konstitutionalisierter Regelsysteme als qualifizierten Formen der Verrechtlichung sind eine gerichtliche Rechtsanwendung und eine thematische Rechtsumsetzung. In Anlehnung an die Rolle des EuGH für die Entwicklung der Europäischen Union wird in der Literatur vor allem für die WTO eine Verfassungsschöpfung im Wege gerichtlicher Rechtsanwendung diskutiert. Für die Entwicklung der Rechtsetzung und Rechtsumsetzung ist prägend, dass die völkerrechtliche Rechtsetzung nicht mehr eine allein zwischenstaatliche Angelegenheit ist und Mechanismen eines institutionalisierten Rechtsbefolgungsmanagements eingerichtet werden. Der Gebrauch der Verfassungsterminologie für bestimmte Regelsysteme suggeriert dabei institutionelle Dichte und Legitimität. Eine konstitutionelle Perspektive auf internationale Organisationen und Regelsysteme offenbart aber zugleich, dass es dem Begriff der Konstitutionalisierung an Konturen gegenüber der für sich bemerkenswerten ‚Institutionalisierung‘, etwa der WTO, fehlt. Charakteristisch für den Zugriff der Konstitutionalisierungslehre ist, dass sie sich zwischen den Dimensionen der Perspektive auf die lex lata und der Vision einer weiterentwickelten Weltrechtsordnung bewegt. Zwischen beiden Dimensionen vermittelt die Vorstellung vom Prozesscharakter der Konstitutionalisierung. Eine wertebasierte Konstitutionalisierungslehre interpretiert das gemeinschaftliche Völkerrecht als „Werteordnung“. Sie versucht dabei, eine Zwischenposition zwischen einem instrumentellen und deformalisierenden Umgang mit dem Völkerrecht und dem Normskeptizismus der kritischen Rechtstheorie einzunehmen. Problematisch ist die Offenheit und Unbestimmtheit der Werte sowie die Zunahme jedenfalls potentieller Wertekonflikte. Ein noch nicht gelöstes Spannungsverhältnis besteht jedenfalls zwischen klassischen Ordnungselementen des
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Völkerrechts und neuen Normgehalten, wie es sich etwa im Konflikt zwischen der Gewährleistung von Immunität als Ausdruck der souveränen Gleichheit der Staaten und dem Interesse an der Verfolgung schwerer Menschenrechtsverletzungen zeigt. Die Bezugnahme auf Werte erlaubt es, einer Entscheidung im Einzelfall Legitimität zu verleihen, zugleich aber die Entscheidung von Wertkonflikten für die Zukunft offen zu halten. Ein Element der Übernahme und Verstärkung von Funktionen der staatlichen Verfassungen durch völkerrechtliche Normen lässt sich als Herausbildung völkerrechtlicher Nebenverfassungen verstehen. Besonders deutlich ist der Abbau des domaine réservé im Bereich des Menschenrechtsschutzes. Auch das WTO-Recht wird als „second line of constitutional entrenchment“ verstanden. Weitere völkerrechtliche Anforderungen an die Legitimität staatlicher Regierungsgewalt lassen sich als Nebenverfassung verstehen, obgleich es hier an einer institutionellen Verkörperung fehlt. Ebenfalls ein Indiz für die Übernahme von Verfassungsfunktionen durch die internationale Ordnung ist es, wenn Staaten Verfassungsmaßstäbe als Leitkriterien ihrer Außenpolitik heranziehen. Die normativen Erklärungsmodelle des „Compensatory Constitutionalism“ und „Multilevel Constitutionalism“ zielen darauf, diese Phänomene in ihrer Gesamtheit mit einer Theorie mittlerer Reichweite zu erfassen. Als paradigmatische Perspektiven auf das Völkerrecht bilden sie eine Alternative zu Konzeptionen transnationaler Netzwerke. Diese Konzeptionen reagieren insbesondere auf neuartige governancePhänomene, die nicht vom Staat und seinen Institutionen, sondern von gesellschaftlichen und privaten Gruppen, Organisationen und Unternehmen getragen werden. Sobald aber die Frage nach einem normativen Konzept der Vernetzung gestellt wird, sind verfassungsrechtliche Fragen nach der Verantwortlichkeit und Rechtskontrolle von Netzwerken zu beantworten. Alternative Perspektiven auf Völkerrecht und transnationales Recht stellen außerdem die sogenannte Fragmentierung des Völkerrechts und die Entwicklung eines globalen Verwaltungsrechts in den Mittelpunkt. Zwischen Konstitutionalisierung und Fragmentierung als prägenden Entwicklungen der Völkerrechtsordnung besteht ein ambivalentes Verhältnis. Ein konstitutioneller Ansatz schließt es aber jedenfalls nicht aus, die Einheit des Völkerrechts in Kollisionsregeln zu finden. Für die Vorstellung von einem globalen Verwaltungsrecht ist die Annahme grundlegend, dass global governance als Regulierung und Verwaltungstätigkeit verstanden werden kann. Von einem verfassungsrechtlichen grenzt sich der verwaltungsrechtliche Ansatz ab, weil er das verfas-
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sungsrechtliche Denken im Völkerrecht mit der normativen Erwartung einer konzentrierten Hoheitsgewalt assoziiert.
II. Der Begriff der Verfassung, seine Geschichte und sein Bezug zum Staat In Auseinandersetzung mit der Entwicklung vom antiken zum modernen Verfassungsbegriff lassen sich Elemente freilegen, die auch in der gegenwärtigen Diskussion um ein internationales Verfassungsrecht herausgearbeitet wurden: Die rechtliche Ordnung des Gemeinwesens und Gewährleistung von Kontinuität durch die Verfassung, ihre hohe Autorität, ihre freiheitswahrende Funktion und ihr Vorrang, aber auch der Prozesscharakter der Verfassung. Erst in der Neuzeit kommt der bis heute prägende Verfassungsbegriff auf. Der emphatische Verfassungsbegriff der Revolutionsepoche bedeutet eher einen Kontrast zu den Kontexten jenseits des Staates, in denen der Verfassungsbegriff nun verwendet wird. Über die historische und empirische Dimension hinaus werden in Teilen der deutschen Staatsrechtslehre Staatlichkeit und Verfassung logisch-systematisch aufeinander bezogen. Eine etatistische Lehre stellt den Staat der Verfassung systematisch voran. Maßgeblich dafür sind Vorstellungen von Einheit und Repräsentation. Die Ansicht lässt sich theoriegeschichtlich auf die naturrechtliche Lehre vom Doppelvertrag, aber auch auf verschiedene postnaturrechtliche Konzeptionen zurückbeziehen, die Verfassung als Gesetz des präexistenten Staates betrachten. Ihre aktuelle Ausformung in der deutschen Staatsrechts- und Verfassungslehre lässt sich in die Lehre von den Verfassungsvoraussetzungen einbetten. Die Lehre vom Staat vor der Verfassung bleibt aber eine Begründung für die systematische Koppelung von Staat und Verfassung und vor allem für die aus der vor der Verfassung liegenden Staatlichkeit gezogenen weitreichenden Konsequenzen schuldig. Auflösungserscheinungen des Nationalstaates lassen es als wissenschaftsstrategisch ungünstig erscheinen, die Wirkungsbedingungen der Verfassung mit der Chiffre „Staat“ zu versehen. Daneben wird Verfassung in einem anspruchsvollen Sinne aber auch mit dem Argument an den Staat gekoppelt, nur im modernen Staat finde sich ein adäquater Regelungsgegenstand für eine Verfassung. Für diese Denkrichtung ausschlaggebend sind legitimationstheoretische Erwägungen. Auch wenn es nicht um den Staat vor der Verfassung, sondern um die Verfassung selbst als historische Errungenschaft geht, die sich
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kaum von ihren historischen Rahmenbedingungen eben des modernen Staates lösen lässt, gilt der wissenschaftsstrategische Einwand. Letztlich kommt es aber darauf an darzulegen, welchem Verfassungsverständnis man folgt. Dann spricht nichts dagegen, den Begriff auch außerhalb des Nationalstaates zu verwenden.
III. Vorläufer der Konstitutionalisierungslehre in der europäischen Völkerrechtslehre Die völkerrechtliche Konstitutionalisierungslehre, die sich seit dem Ende des Kalten Krieges entwickelt, findet bei europäischen Völkerrechtlern seit der Völkerbundzeit bedeutende Vorläufer. Hans Kelsen, Hersch Lauterpacht und Alfred Verdross zielen mit unterschiedlichen Akzenten auf die Konstruktion des Völkerrechts als geschlossenem System mit einer zentralen Rolle der Rechtsprechung, wie sie auch für ein konstitutionelles Völkerrechtsverständnis in der modernen Völkerrechtstheorie kennzeichnend ist. Georges Scelle dagegen versteht das Völkerrecht unmittelbar als Ausdruck und Instrument der Solidarität. Damit bietet auch er einen Anknüpfungspunkt für ein konstitutionelles Völkerrechtsverständnis, das die Bindungswirkung völkerrechtlicher Normen mit der sozialen Notwendigkeit für das Funktionieren der internationalen Beziehungen begründet. Prägendes gemeinsames Element der an die Wiener Schule anschließenden Autoren ist das Verständnis des Völkerrechts als System. Bei den Autoren der Zwischenkriegszeit wird wie bei den modernen Konstitutionalisten die Tendenz erkennbar, als obersten Bezugspunkt des Völkerrechts nicht mehr die einzelnen Staaten, sondern die dem Gemeinwohl aller Mitglieder verpflichtete Völkerrechtsgemeinschaft zu sehen. In diesem Zusammenhang ist die Bedeutung zu sehen, die Kelsen, Lauterpacht und Scelle den Menschenrechten und der Völkerrechtsfähigkeit des Individuums beimessen. Die Verfassung des Völkerrechts steht dabei als Symbol sowohl für die Einheit des Systems als auch für seine Autonomie gegenüber der staatlichen Souveränität. Für moderne Konstitutionalisten stehen dagegen die Verstärkung der Gemeinschaftsorientierung dieses Systems und die verfassungsrechtliche Grundlage für die Ausübung von Hoheitsgewalt jenseits des Staates als größte Herausforderungen im Mittelpunkt. Mit unterschiedlichen Akzenten im Einzelnen wird Verfassung von Kelsen, Lauterpacht, Verdross und Scelle jenseits des Staates als Grundordnung der auf Kooperation beruhenden Gemeinschaft verstanden, nicht aber, wie teilweise in der modernen
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Konstitutionalisierungslehre, als Ausdruck einer obersten Werteordnung in der Tradition des europäischen Konstitutionalismus. In Abwesenheit einer organisatorisch-institutionell-politischen Einheit stützt sich eine objektive universelle Ordnung auf die Einheit der Erkenntnis (Kelsen), die Einheit der Werte im christlichen Naturrecht (Verdross), die Solidarität (Scelle) oder ist dem internationalen Richter anvertraut (Kelsen, Lauterpacht).
IV. Wurzeln der Konstitutionalisierungsidee in Naturrecht und Aufklärung Unter den Wurzeln der Konstitutionalisierungsidee im Naturrecht lassen sich eine christliche und eine rationalistische Begründung unterscheiden. Für die universalistischen Implikationen des christlichen Naturrechts, das sich mehr oder weniger unmittelbar auf die christliche Offenbarung stützt, sind die Spanier Francisco Vitoria und Francisco Suárez grundlegend. Die beiden spanischen Spätscholastiker stehen für einen holistischen Kosmopolitismus, dessen Grundgedanke in der Auffassung besteht, dass naturrechtliche Normen in einer von Staaten dominierten Welt zur globalen Anwendung kommen. In ihren Konstruktionen der Weltgemeinschaft und in einigen Besonderheiten ihrer Völkerrechtstheorie zeigt sich eine wertbezogene Völkerrechtsordnung, die vom Staatswillen gelöst ist und auf einen Ausgleich zwischen Ungleichen im Zeitalter der Kolonisierung Amerikas durch Spanien zielt. Als bedeutender Versuch der Konstruktion einer universellen überstaatlichen Ordnung auf der Grundlage des rationalen Naturrechts gilt die civitas maxima bei Christian Wolff. Die Lehren Wolffs sind beeinflusst von Leibniz. Von dessen civitas dei zieht sich eine Traditionslinie metaphysischer Weltstaatsbegründung über Wolff zu Kant. Mit der Forderung, die „bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein“, die Kant in der Friedensschrift als Voraussetzung für einen ewigen Frieden formuliert, bietet er einen Anknüpfungspunkt für einen wesentlichen Strang der Konstitutionalisierungsdebatte, der sich den zunehmenden Anforderungen des Völkerrechts an die Ausgestaltung der inneren Ordnung von Staaten widmet. Kants Völkerbund tritt als „negatives Surrogat“ an die Stelle eines Weltstaates. Die hier scheinbar fehlende Stringenz lässt sich am überzeugendsten als Folge der Einbeziehung der historischen Existenz der Staaten und als Ausdruck einer konsequenten Friedenslogik und der Achtung des Selbstbestimmungsrechts deuten. Mit dem Weltbürgerrecht deutet sich bei Kant eine Auf-
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lösung der vollständigen Mediatisierung des Einzelnen in seinem Staat an. An die erkenntnistheoretisch vollzogene Destruktion eines naiven naturrechtlichen Völkerrechtsdenkens schließt sich bei Kant ein philosophisch begründetes rechtspolitisches Programm. Mit der Friedensschrift will Kant nicht einen institutionellen Plan zur Verwirklichung eines „Zwecks an sich“ darlegen, sondern eine normative politische Methodologie zur Verwirklichung der reinen Vernunft in der geschichtlichen Welt entwickeln.
V. Hierarchisierung im Völkerrecht Die Hierarchisierung des Völkerrechts gilt als wesentliches Element der Konstitutionalisierung. Zunächst bezeichnet Hierarchisierung das Phänomen einer relativen Normativität mit verschiedenen Abstufungen normativen Gewichts. Die Konstitutionalisierungsthese bezieht sich aber vor allem auf die Herausbildung einer grundlegenden Vorrangordnung vor dem übrigen zwischenstaatlichen Völkerrecht. Dem Völkerverfassungsrecht als mit dem relativ höchsten Rang und besonderer Festigkeit ausgestattetem Recht soll wie der staatlichen Verfassung ein Vorrang zukommen, auf dessen Grundlage es andere völkerrechtliche Normen verdrängen kann. Es zeigt sich aber, dass die Hierarchisierungsthese ungeeignet ist, bestimmte humanitäre Werte zu petrifizieren. Empirisch ist die Annahme eines grundsätzlichen Vorrangs von Gemeinschaftswerten gegenüber dem zwischenstaatlichen Recht jedenfalls nicht haltbar und die Dogmatik kann das Fehlen gemeinschaftlicher Institutionen nur bedingt kompensieren. Daher bereitet die Behauptung eines Vorrangs von Gemeinschaftsinteressen potentiell auch die Grundlage für eine Tarnung von Machtinteressen. Im Völkerrecht erscheint der Vorrang von Normen mit dem grundlegenden Status des Verfassungsrechts weniger als Kollisionsregel mit Verdrängungswirkung denn als Begründungstopos in einer offen gehaltenen, abwägenden rechtlichen Argumentation. Als Vorrang beanspruchende Verfassungsnormen im Völkerrecht kommen aber insbesondere die Normen des ius cogens und die Pflichen erga omnes in Betracht. Die Einordnung dieser Fundamentalnormen als eine Kategorie völkerrechtlichen Verfassungsrechts wird teilweise darauf gestützt, dass es sich jedenfalls bei diesen Normen um ein primär inhaltlich definiertes Verfassungsrecht ratione materiae handelt. Problematisch daran ist indes, dass der Inhalt sowohl des ius cogens als auch der erga omnes-Verpflichtungen jenseits bestimmter Kernelemente umstrit-
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ten geblieben ist. Darüber hinaus erscheinen die Inhalte einerseits als zu beschränkt, andererseits als zu disparat, um sie in einem gehaltvollen Sinn als materielles Verfassungsrecht einzuordnen. Auch auf der Grundlage ihrer gemeinsamen Normstruktur lassen sich die Fundamentalnormen nicht aussagekräftig als einheitliche Kategorie eines völkerrechtlichen Verfassungsrechts abgrenzen, dem im Kollisionsfall Vorrang mit Verdrängungswirkung zukommen würde. Zwar liegt dem ius cogens und den Verpflichtungen erga omnes eine gemeinsame Normstruktur zugrunde, weil ihre Erfüllung nicht bilateralisierbar ist. Diese besondere Erfüllungsstruktur ist aber nur notwendige, nicht auch hinreichende Voraussetzung der beiden Normkategorien und muss durch andere Kriterien ergänzt werden. Zudem sind die Vorrangfolgen von zwingendem Völkerrecht und Pflichten erga omnes verschieden. Auch für das ius cogens differieren sie funktional vom Vorrang der Verfassung. Das ius cogens ist auf dieselben Quellen und Entstehungsweisen zurückzuführen wie das ius dispositivum. Insbesondere bildet es nicht die Quelle, die die Schaffung von Regeln des ius dispositivum autorisiert. Daher ist das ius cogens nicht wie Verfassungsrecht als höherrangiges Recht abgrenzbar, von dem das niederrangige Recht seine Gültigkeit ableitet. Denkbar ist es durchaus auch, das ius cogensPrinzip als eine Kollisionsregel für Konflikte zwischen Normen auf gleicher Ebene zu begreifen. Auch die Debatte um die Rechtsfolgen des ius cogens, die über die Nichtigkeit von Verträgen hinausgehen (für das Recht der Staatenverantwortlichkeit, der Vorbehalte zu völkerrechtlichen Verträgen und der Staatenimmunität), ergibt nichts anderes, weil die Konstitutionalisierungsthese hier nur zirkulär sein kann: Die besonderen Rechtsfolgen werden aus hierarchischen Vorrang des ius cogens und dem (Verfassungs-)Postulat der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung abgeleitet und können daher nicht ihrerseits Grund für den verfassungsartigen Vorrang des ius cogens sein. Ähnlich verhält es sich mit der Begründung der humanitären Intervention aus derartigen Wertpräferenzen. Die Bedeutung des ius cogens zeigt sich in diesem Zusammenhang vor allem in seiner Ausstrahlungskraft bei der Interpretation des Völkerrechts. Der Vorrang der UNO-Charta ist nicht mit dem Verfassungsargument, sondern eher mit der Katalysatorwirkung zu erklären, die ihr für die weitere Entwicklung des Völkerrechts zukam. Art. 103 UNC ist jedenfalls nicht zwingend so zu verstehen, dass der dort angeordnete Vorrang der UNO-Charta gegenüber widersprechenden Verpflichtungen aus anderen internationalen Übereinkünften eine Nichtigkeitsfolge und damit einen verfassungsrechtlichen Vorrang der Charta begründen wür-
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de. Probleme für eine verfassungsrechtliche Lesart der Charta sind etwa ihr fragmentarischer Charakter, ihr Verhältnis zum ius cogens außerhalb der Charta, zu den Verfassungen anderer internationaler Organisationen, insbesondere auch regionalen Charakters, und zu den Verfassungen der Mitgliedstaaten.
VI. Völkerrecht als objektive universelle Ordnung zum Schutz von Gemeinschaftsgütern Ein Zusammenhang zwischen der Entwicklung objektiver, konsensunabhängiger Normen im Völkerrecht und der Konstitutionalisierung besteht insbesondere deshalb, weil Verfassungen allgemein als Verkörperung des Gemeinwohls in Abgrenzung zur individuellen Sphäre gelten. Die Verwendung der Verfassungsterminologie symbolisiert daher die Stärkung globaler Gemeinwohlbelange gegenüber Individualinteressen der Staaten. Dogmatische Formen der Drittwirkung von Verträgen sind im modernen Völkerrecht das objektive Regime, institutionelle Verträge, die Fortgeltung von Menschenrechtsverträgen im Fall der Staatensukzession, Verträge mit Wirkung erga omnes und sogenannte world order treaties. Die Analyse der klassischen Fälle vertraglicher Drittwirkung bietet aber keinen geeigneten Anknüpfungspunkt für eine verallgemeinerbare theoretische Begründung der Drittwirkung von Verträgen, die einem überstaatlichen Gemeininteresse dienen. Auch für die sogenannten Weltordnungsverträge gilt, dass ein globales Interesse allein nicht die formelle Geltung eines Vertrages zwischen allen Staaten begründen kann. Ob die internationale Gemeinschaft bereit ist, eine Konkretisierungsbefugnis zu Lasten Dritter zu akzeptieren, ist eine eminent politische Frage. Für eine universelle Bindung an bestimmte Normen scheint weniger deren Vertragscharakter als vielmehr der dem Vertragsschluss vorausgehende diskursive Prozess von Bedeutung zu sein. Auch das Völkergewohnheitsrecht erweist sich als Rechtskörper zur Bewältigung globaler Herausforderungen nur als bedingt geeignet, weil es in seiner Effektivität maßgeblich auf dem Reziprozitätsmechanismus beruht. Auch die neueren Versuche, universelle Normen im Interesse der internationalen Gemeinschaft zu begründen, können nicht darüber hinwegsehen, dass bei den Normen zum Schutz der Menschenrechte und globaler öffentlicher Güter und über good governance der für Entstehung und Effektivität des zwischenstaatlichen Gewohnheitsrechts entscheidende Reziprozitätsmechanismus lediglich diffus ausgeprägt ist.
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Dieser Befund schwächt die Tragfähigkeit der Konstitutionalisierungsthese, kennzeichnet aber ein Desiderat an das Völkerrecht im Zeitalter der Globalisierung und legt eine Überprüfung nahe, ob nicht ein alternatives, offeneres, argumentations- und diskursbezogenes Verfassungsverständnis dogmatisch überzeugender gefasst werden könnte.
VII. Rechtfertigung der Ausübung von Herrschaft im Völkerrecht Ein wachsender Legitimitätsbedarf des modernen Völkerrechts ergibt sich daraus, dass sich der Wirkungskreis des Völkerrechts und der internationalen Institutionen entscheidend ausgedehnt haben. Internationale Organisationen und Regime üben gegenüber Staaten und Individuen Hoheitsgewalt jedenfalls in einem weiten Sinne aus, der sich nicht auf rechtsverbindliches Handeln beschränkt. Weil die Staaten infolgedessen an autonomer Gestaltungsmacht verlieren, ist das Völkerrecht mit Legitimitätserwartungen konfrontiert, die sich im Staatenkonsens als Grundlage des traditionellen Völkerrechts nicht erschöpfen. Für ein Verständnis des Völkerrechts als Verfassungsordnung erscheint die Ausübung von Hoheitsgewalt an sich rechtfertigungsbedürftig. Auf der Grundlage eines dualen Verständnisses der Legitimationsstrukturen in einem Mehrebenensystem lassen sich Verbesserungen der Legitimität auf staatlicher Ebene sowie durch eine „Konstitutionalisierung“ und Demokratisierung internationaler Entscheidungsstrukturen erzielen. Im innerstaatlichen Bereich geht es vor allem darum, das Verhältnis zwischen den staatlichen Gewalten neu auszutarieren. Auf internationaler Ebene hängt die Möglichkeit realistischer Verbesserungen der Legitimation auch vom zugrunde liegenden Demokratiebegriff ab. Die optimistischste Perspektive kann ein Modell pluralistischer Legitimation eröffnen, das auch andere Partizipationsformen als Wahlen einbezieht, die jenseits des Staates besser zu realisieren sind. Orientierung bieten die konstitutionellen Parameter des Föderalismus, der rule of law und der Demokratie. Sie finden in unterschiedlicher Weise Ausdruck im positiven Recht. Während der Föderalismus vor allem Analysebegriff für Strukturen im positiven Recht ist, beginnen Elemente der rule of law auf internationaler Ebene auch für diese selbst Anerkennung zu gewinnen. Eine Norm demokratischer Regierungsführung jenseits des Staates ist dagegen vor allem darauf angewiesen, völkerrechtliche Anforderungen an die Staatsgewalt, deren Bedeutungsgehalt selbst beschränkt ist, auf die internationale Ebene zu über-
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tragen, was nicht ohne Weiteres zu realisieren ist. Eine allein auf die rule of law gestützte zunehmende Verrechtlichung der internationalen Zusammenarbeit ist unter Legitimitätsgesichtspunkten indes problematisch. Sie kann die originäre Ausübung von Hoheitsgewalt jenseits des Staates für sich allein nicht begründen. Für ein verfassungsrechtliches Verständnis der Völkerrechtsordnung muss die auf internationaler Ebene geschaffene Hoheitsgewalt durch adäquate und möglichst konkrete menschenrechtliche Standards eingefangen werden. Als Grundlage einer Bindung internationaler Organisationen an menschenrechtliche Standards de lege lata werden vertragliche Bindungen, denen internationale Organisationen unmittelbar unterliegen oder in die sie im Wege der Nachfolge eintreten, eine Selbstbindung oder aber das allgemeine Völkerrecht diskutiert. Diese Bindung ist wie die Völkerrechtssubjektivität notwendige Voraussetzung für eine adäquate Aufgabenerfüllung auf internationaler Ebene.
VIII. Materielle Konstitutionalisierung und Verfassungsgrundsätze Entstehende Normen des ungeschriebenen Völkerrechts über die Ausübung von Hoheitsgewalt sind quellentheoretisch am besten als Herausbildung allgemeiner Rechtsgrundsätze (Art. 38 Abs. 1 lit. c IGHStatut) mit verfassungsrechtlichen Merkmalen zu verstehen. Die Bindung von Staaten an bestimmte Normen konstitutionellen Typs ohne ihre Zustimmung lässt sich als normative Wirkung internationaler Diskursforen konzipieren und den allgemeinen Rechtsgrundsätzen zuschreiben. Auch die Bindung internationaler Organisationen wird als Bindung an allgemeine Rechtsgrundsätze überzeugender begründet als mit dem Völkergewohnheitsrecht. Die Bedeutung einer Hierarchisierung im Völkerrecht liegt weniger in der Bildung einer abstrakten Stufenleiter von Werten, aus der sich konkrete Rechtsfolgen ableiten ließen, als in der besonderen Ausstrahlungswirkung bestimmter Normen. Sie zeigt sich vor allem bei mittelbaren Normkollisionen und lässt sich im rechtstheoretischen Sinn als Prinzipienwirkung verstehen. Anknüpfungspunkte für materielle Verfassungsprinzipien des Völkerrechts bieten nach Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut grundsätzlich sowohl die staatlichen Rechtsordnungen als auch die internationale Ebene. Die „Übertragung“ von den staatlichen Rechtsordnungen entnommenen allgemeinen Rechtsgrundsätzen in das Völkerrecht setzt voraus, dass dafür im internationalen Recht ein Anknüpfungspunkt besteht, der den Einsatz der Methode wertender Vergleichung mit normativen Konse-
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quenzen erlaubt. Auch handgreifliche Unterschiede zwischen den Strukturen des internationalen Rechts und den staatlichen Rechtsordnungen sind kein Anlass, die Übertragung von Grundsätzen von vornherein auszuschließen. Die methodischen Schwierigkeiten des Verfassungsvergleichs bringen es jedoch mit sich, dass die normativen Konsequenzen beschränkt sind, die sich daraus ableiten lassen. Bei der Analyse des Entstehungsprozesses von Rechtsgrundsätzen eines konstitutionellen Typs in den internationalen Beziehungen selbst können Erkenntnisse der konstruktivistischen IB-Forschung berücksichtigt werden. Allgemeine Rechtsgrundsätze entfalten auf dieser Grundlage eine Bindungswirkung, die auch einen objektiven Charakter haben kann. Für die Herausbildung von allgemeinen Rechtsgrundsätzen des konstitutionellen Typs lässt sich vor allem ein reflexives Normverständnis fruchtbar machen. Die Normbildung und Verhaltensorientierung durch Prozesse der argumentativen Verstrickung und des Identitätswandels ist dort grundlegend für Normativität, wo Rechtsnormen die Identität der Akteure betreffen. Dies ist für die konstitutionellen Normen über Menschenrechte, die rule of law und eine demokratische Regierungsführung der Fall. Sie haben ihrer Struktur nach keinen zwischenstaatlichen Charakter, sondern betreffen mit Anforderungen an die Ausgestaltung der inneren Ordnung von Staaten und internationalen Organisationen deren Identität. Die sich hier abbildenden konstitutionellen Normen entsprechen einem gewandelten Selbstverständnis der Akteure und unterwerfen die Ausübung von Hoheitsgewalt Schranken, die sich aus dem menschenrechtlichen, dem rechtsstaatlichen und dem demokratischen Paradigma ableiten. Die Bedingungen für eine Anerkennung von Rechtsgrundsätzen auf internationaler Ebene sind aber zugegebenermaßen vage und bedürfen der Präzisierung. Das diskursive Paradigma vermittelt Leitlinien für eine Weiterentwicklung des Völkerrechts. Es kommt darauf an, das institutionelle Setting so zu verändern, dass empirisch die Verstrickung in Diskurse gefördert wird und zugleich normativ grundlegende Anforderungen des demokratischen Prinzips jenseits des Staates berücksichtigt werden können. Erkenntnisse der IB-Forschung lassen Rückschlüsse darauf zu, unter welchen Bedingungen sich normative Erwartungen und Erwartungen der Normbefolgung in einer Art und Weise stabilisieren, dass ein allgemeiner Rechtsgrundsatz anzunehmen ist. Darüber hinaus stellt das Diskursideal ein normatives Leitbild dar, das nur dann bedeutungslos ist, wenn man auch die Möglichkeit eines Begründungsuniversalismus verneint.
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Wie konstitutionelle allgemeine Rechtsgrundsätze in der Anwendung und Auslegung der Gründungsverträge internationaler Organisationen Berücksichtigung finden und eine institutionenübergreifende Wirkung entfalten können, lässt sich anhand des Prinzipiencharakters dieser Normen beschreiben. Sie sind Kollisionsprinzipien zur Steuerung von Normkonflikten im fragmentierten Völkerrecht und bewirken auch eine Ausstrahlung des Völkerrechts in das nationale Recht. Die Qualifikation konstitutioneller Völkerrechtsnormen als Rechtsprinzip und Optimierungsgebot soll unter Beachtung der Unterschiede zwischen Völkerrecht und innerstaatlichem Recht ihre Funktionsweise in der Rechtsanwendung erfassen und die unüberschaubare Reichweite der Argumentationen beschränken. Dass Prinzipien als Kollisionsprinzipien im Verhältnis zwischen den verschiedenen Regimen des fragmentierten Völkerrechts wirken können, deutet sich in der Praxis nur an, entspricht aber einem theoretischen Desiderat.
Summary: Constitutionalization in International Law Basically, constitutionalization in public international law suggests that international law and its suborders have reached a degree of ‘objectivity’ in order to limit state sovereignty like a constitutional order. For proponents of the constitutionalization thesis, public international law recognizes a common interest of humanity transcending state interests, hierarchically supreme ‘constitutional principles’ set boundaries to the hitherto unlimited will of states, international organizations become relatively independent of their member states, and states are no longer left with a genuine domaine réservé. On the basis of these observations, constitutional doctrine in public international law scholarship tries to put public international law on a constitutional foundation. This thesis analyses the plausibility of this attempt. First of all, it sorts the phenomena to which the constitutionalization thesis refers. The analysis of these phenomena shows a tension between ambitious imaginations of public international law as a constitutional order in the history of ideas and the diverse real deficits of public international law. In the light of the history of the concept and of approaches that systematically link the concept of constitution with the state, the thesis further examines how the concept can be meaningfully transferred to the international realm. Constitutional thought beyond the state reaches far behind the current debate on constitutionalization. In the history of science, the idea of constitutionalization ties in with idealistic interpretations of public inth ternational law that reacted to pivotal moments of change in the 20 century. In particular, the idea follows the tradition of progressive doctrine of the League of Nations era. Obviously, after many decades, their internationalist projects have turned out to be of limited success only. The question arises which elements constitute the new basis for the constitutionalization thesis. Both current scholarship and its forerunners have roots reaching far back to natural law philosophy and to the
T. Kleinlein, Konstitutionalisierung im Völkerrecht, Beiträge zum ausländischen öffentlichen Recht und Völkerrecht 231, DOI 10.1007/978-3-642-24884-9_7, © by Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., to be exercised by Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, Published by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
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philosophy of the Age of Enlightenment. This thesis also addresses these roots in order to identify continuities and ruptures. If the constitutionalization thesis is meant to be a significant contribution to public international law doctrine, the phenomena to which it refers must express themselves in concepts of public international law that can be understood as attributes of constitutional law. For this reason, the thesis, in a further step, critically examines the ‘hierarchization’ and the ‘objectivation’ of public international law as elements of a general doctrine and analyses the doctrinal foundations of a comprehensive obligation of international organizations to adhere to human rights standards. Adherence to human rights is an essential element in a framework for the justification of the exercise of authority in public international law, and this framework is obligatory for a constitutional perspective. Finally, the thesis reaches a conciliatory conclusion. It does not make strong normative assertions, but leads to burdens of justification that ought to be taken into account in legal discourse. The thesis explains the genesis of constitutional norms in the cooperative discussion of constructivist approaches in international relations theory. According to this account, constitutionalization is, above all, a process of changing identities and of normative self-entrapment in which states and other international actors are involved. The enquiry shows that standards of global governance and norms to the benefit of the global community may allow for both the necessary coherence of law and the plurality of the global society, and may be effectively applied by domestic and the numerous international courts that have come into existence by now.
I. A Reconstruction of the Constitutionalization Thesis as an International Law Perception The empirical phenomena that the constitutionalization thesis refers to may be reduced to two concepts: the autonomization of public international law vis-à-vis the states and the partial transfer of the functions of domestic constitutions to public international law and their international reinforcement. On the one hand, the autonomization of the public international law order becomes manifest in the substantive change of public international law from an interstate order to a legal order committed to the global community and the individual. On the other hand, it refers to
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the internal constitutionalization taking place in international organizations and sub-systems. Public international law epitomizes community interests and ethic contents, for instance in human-rights law (and in the enhanced legal status of the individual that correlates with it), in the right of nations to self-determination, or in environmental law. They are all evidence of the ideas of interdependence, shared responsibility and solidarity. But some also understand WTO constitutionalization as the orientation of the WTO towards community interests and global issues. The internal constitutionalization of international organizations means that the member states are involved in the implementation of common interests. These constitutionalized regimes as qualified modes of legalization are characterized by judicial application of the law and issueoriented implementation schemes. On the basis of the role the ECJ played in the development of the European Union, the literature discusses the initiation of constitutional developments by international courts, in particular for the WTO. Significantly, law-making in public international law is no longer an exclusively inter-state matter, and mechanisms of institutionalized implementation management have been established. The use of constitutional terminology for certain legal regimes suggests institutional density and legitimacy. At the same time, a constitutional perspective on international organizations and regimes reveals that the concept of constitutionalization lacks precision vis-à-vis the ‘institutionalization’ by example of the WTO, which is remarkable in itself. The approach of the constitutionalization theory typically oscillates between the dimensions of a perspective on the lex lata and a vision of a further developed global legal order. The idea that constitutionalization is a process mediates between these two dimensions. A value-based theory of constitutionalization interprets communitarian international law as a ‘value order’, and tries to define a position between an instrumental and deformalizing use of international law, on the one hand, and critical norm skepticism, on the other. Both the openness and indeterminacy of values and the increase of at least potential value conflicts are problematic. A tension so far unsolved exists at least between the classical paradigm of the international legal order and new contents. This tension may be exemplified by the conflict between the granting of immunity as an expression of the sovereign equality of states and the aim of putting an end to impunity for the perpetrators in case of grave breaches of human rights. Referring to values allows the
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bestowing of legitimacy on an individual decision, while the resolution of value conflicts for the future is left open. One element of the transfer of the functions of domestic constitutions to public international law and their international reinforcement may be understood as a development of international supplementary constitutions (völkerrechtliche Nebenverfassungen). This is particularly obvious with regard to the cutback of the domaine réservé by human-rights law. However, some also regard WTO law as a ‘second line of constitutional entrenchment’. Further public international law specifications for the legitimacy of state power may be conceived as supplementary international constitutions, despite their lack of institutional basis. Likewise, it is an indication for the transfer of constitutional functions to the international order that states use constitutional standards as guidelines for their foreign policy. ‘Compensatory Constitutionalism’ and ‘Multilevel Constitutionalism’ – as normative models of explication – aim at capturing these phenomena as a whole with a theory of medium reach. As paradigmatic perspectives on public international law, they constitute alternatives to concepts of transnational networks. These concepts particularly react to new phenomena of governance, which are not sustained by the state and its institutions, but by societal and private groups, organizations and corporations. Yet, as soon as one asks for a normative concept of networks, constitutional questions of accountability and legal control of networks must be answered. Further alternative perspectives on public international and transnational law focus on the so-called fragmentation of international law and on the development of a global administrative law. The relationship between constitutionalization and fragmentation – as two typical developments of the public international law order – is ambivalent. In the end, a constitutional approach does not prevent the search for the unity of international law in collision rules. For the idea of a global administrative law, the assumption is crucial that global governance can be understood as regulation and administration. The global administrative law approach disassociates itself from a constitutional approach because it understands constitutional law thinking in public international law as necessarily holistic.
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II. The Concept of Constitution, Its History and Its Relation with the State Analysing the development from the ancient to the modern concept of constitution reveals elements which have also been brought to light in the current discussion on an international constitutional law: giving the community a legal framework and continuity guaranteed by the constitution; the constitution’s high authority; its function to maintain freedom; and its supremacy, but also its procedural character. The actual concept of constitution emerges in the modern age only. The emphatic notion of the revolutionary era rather describes a contrast to the contexts beyond the state with regard to which the concept of constitution is now applied. Parts of German Staatsrechtslehre systematically entangle state and constitution beyond the merely historical and empirical dimensions. For an etatist doctrine relying on ideas of unity and representation, the state systematically precedes the constitution. In the history of theories, this view can be traced back to the natural law theory of a double social contract and to diverse post-natural law concepts which regard the constitution as a law of the pre-existent state. In its current shape, given to it in the German Staatsrechtslehre and constitutional law scholarship, it can be embedded into the doctrine of prerequisites of the constitution (Lehre von den Verfassungsvoraussetzungen). The doctrine of state preceding the constitution is at a loss for an explanation for the systematic coupling of state and constitution and, in particular, far-reaching consequences drawn from the state preceding the constitution. In the face of the nation state’s disintegration, it seems inappropriate in terms of scholarly strategy to label comprehensively the conditions for the efficiency of constitutions as ‘state’. Furthermore, some link an ambitious concept of constitution to the state, arguing that only the modern state is an adequate object of constitutional regulation. For this line of thought, legitimacy considerations are crucial. Even if this approach does not refer to the state preceding the constitution, but to the constitution itself as a historic achievement, the same caveat from the viewpoint of scholarly strategy applies. In the end, it is decisive to clarify which concept of constitution one wishes to apply. Then nothing prevents one from applying this concept beyond the nation state also.
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III. Precursors of the Constitutionalist Approach in European International Law Scholarship The constitutionalist approach to public international law, which has developed since the end of the Cold War, has significant precursors in European international lawyers since the League of Nations era. Hans Kelsen, Hersch Lauterpacht and Alfred Verdross, with different accentuations, aim at construing public international law as a closed system with a central role for the judiciary, as it is characteristic also for a constitutionalist approach in modern public international law theory. Georges Scelle, by contrast, regards international law as a direct expression and instrument of solidarity. Accordingly, he offers a point of contact for a constitutionalist approach which explains the normative force of public international law with its social necessity for the functioning of international relations. Characteristically, the authors affiliated to the Vienna School understand public international law as a system. Like modern constitutionalists, these authors of the inter-war period tend to regard single states no longer as the most important reference point for public international law. For them, the reference point of international law is rather the international community, which is committed to the common interest of all members. The importance which Kelsen, Lauterpacht and Scelle ascribe to human rights and to the individual’s status as a subject of international law is to be seen in this context. The constitution of public international law is thereby a symbol both for the unity of the system and for its autonomy vis-à-vis state sovereignty. Modern constitutionalists, by contrast, focus on strengthening the community orientation of this system and on the constitutional foundations for the exercise of authority beyond the state. With different accentuations in detail, Kelsen, Lauterpacht, Verdross and Scelle understand constitution beyond the state as a fundamental order for the community based on cooperation, but not – unlike some modern constitutionalists – as an expression of a pivotal order of values in the tradition of European constitutionalism. In the absence of an organizational-institutional-political unity, an ‘objective’ universal order is based on the unity of cognition (Kelsen), on the unity of values in the Christian natural law tradition (Verdross), on solidarity (Scelle), or is entrusted in the international judge’s care (Kelsen, Lauterpacht).
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IV. Roots of the Idea of Constitutionalization in Natural Law and Enlightenment Amongst the roots of the idea of constitutionalization in classic natural law, a Christian and a rationalistic foundation can be distinguished. For the universalist implications of Christian natural law – which are more or less directly based on Christian revelation – the Spaniards Francisco Vitoria and Francisco Suárez are fundamental. Both Spanish late scholastics stand for a holistic cosmopolitism, the basic idea of which is the view that natural law norms are to be applied globally in a statedominated world. In their construction of the global community and in some particularities of their theory of international law, one can see a value-based public international law order, which is detached from state will and aims at mediating between unequal’s in the age of America’s colonization by Spain. Christian Wolff’s civitas maxima counts as a significant attempt to design a universal order beyond the state on the basis of rational natural law. Wolff’s teachings are influenced by Leibniz. Leibniz’ Civitas dei is a starting point for a tradition of metaphysically founding the global state, including Wolff and Kant. With the claim that ‘the civil constitution of every state should be republican’, which Kant maps out in his writings on perpetual peace, he offers a point of contact for an important strand of the debate on constitutionalization, which refers to the increasing public international law specifications for the design of domestic orders of states. Kant’s league of nations (Völkerbund) replaces a global state as a ‘negative surrogate’. This apparent inconclusiveness may best be interpreted as a consequence of including the historical existence of states and as an expression of a consequent logic of peace and of respect for self-determination. With the law of world citizenship (Weltbürgerrecht), Kant hints at the possibility of abrogating the complete mediatisation of the individual in her state. Kant’s epistemologybased destruction of a naïve natural-law public international law thinking is followed by a philosophically founded political program for the development of the law. Kant’s essay on perpetual peace is not an institutional plan to realize an ‘end in itself’, but a normative political methodology for the realization of pure reason in the historical world.
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V. Hierarchization in Public International Law Hierarchization of public international law is regarded as a crucial element of constitutionalization. To begin with, hierarchization describes the phenomenon of a relative normativity with different graduations of normative weight. The thesis of constitutionalization, however, refers to the emergence of a fundamental order, supreme to other norms of inter-state public international law. Constitutional public international law as supreme law of a particular stability is deemed to be endowed with primacy like domestic constitutional law and the legal force to nullify other public international law norms. However, it becomes clear that the thesis of hierarchization is unable to petrify certain humanitarian values. Empirically, the assumption of an elementary supremacy of community values vis-à-vis inter-state law is untenable and legal doctrine can compensate for the lack of common institutions to a limited extent only. For this reason, the assertion of supreme community interests potentially offers the opportunity to camouflage the interests of strong powers. In public international law, the supremacy of norms with the fundamental status of constitutional law is not so much a collision rule with the effect of ruling out competing rules, but a basis for argumentation in an open, balancing legal reasoning. Still, in public international law, ius cogens and obligations erga omnes possibly are supreme constitutional norms. Some ground the qualification of these fundamental norms as a category of international constitutional law primarily on their quality as constitutional law ratione materiae. However, the problem with this approach is that the contents both of ius cogens and obligations erga omnes are controversial apart from certain core elements. Furthermore, these contents are too limited and too disparate to be qualified as ‘constitutional’ in a meaningful sense. Further, it is impossible to bestow a meaningful definition on fundamental norms on the basis of a common norm structure as a consistent category of international constitutional law, endowed with supremacy in case of conflict. Indeed, a common norm structure underlies ius cogens and obligations erga omnes because the performance of these obligations cannot be split up into pairs of bilateral interactions. However, this particular pattern of performance is only a necessary, but not a sufficient, prerequisite of both norm categories and needs to be complemented by additional criteria. Furthermore, the consequences of supremacy are different for peremptory norms and for obligations erga omnes. Even for ius cogens, these consequences functionally differ from
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the supremacy of a constitution. Ius cogens is traced back to the same sources and modes of formation as ius dispositivum. In particular, ius cogens is not the source which authorizes the creation of rules of ius dispositivum. For this reason, unlike constitutional law, ius cogens cannot be defined as supreme law from which a law of lower rank derives its validity. It is well possible to conceive the ius cogens principle as a rule of conflict between norms which work on the same level of hierarchy. Nothing else follows from the debate on the legal consequences of ius cogens beyond the nullity of treaties (in the law of state responsibility, with regard to treaty reservations and with regard to state immunity). The constitutionalization thesis can only be circular here. The particular legal consequences are derived from the hierarchical supremacy of ius cogens and the (constitutional) postulate of consistency of the legal order. Therefore, they cannot be, on their part, the reason for the constitution-like supremacy of ius cogens. Similarly, it is difficult to explain the legality of humanitarian interventions on the basis of such value preferences. The importance of ius cogens in this context most notably results from its impact on the interpretation of public international law. The supremacy of the UN Charter is not to be explained by the constitutionalist argument, but rather by the catalyst effect of the Charter for the further development of public international law. Article 103 of the Charter – which states that members’ obligations under the UN Charter override their obligations under any other treaty – is at least not necessarily understood in such a way as to nullify these other treaties in a constitution-like manner. Problems for a constitutionalist reading of the Charter are its fragmentary character, its relationship to ius cogens beyond the Charter, to the constitutions of other international organizations, particular of regional range, and to the members’ domestic constitutions.
VI. Public International Law as an ‘Objective’ Universal Order for the Protection of Collective Goods The development of ‘objective’ norms in public international law that are independent of consent relates to constitutionalization mainly because constitutions are generally seen as an epitomization of the general interest by contrast to the individual sphere. The use of constitutional
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terminology thus symbolizes the strengthening of the global commons vis-à-vis individual state interests. Legal doctrine distinguishes different kinds of treaties with a thirdparty effect of treaties in modern public international law: ‘objective’ regimes, institutional treaties, human-rights treaties in case of state succession, treaties with erga omnes effect and so-called world-order treaties. The analysis of classic examples of a third-party effect, however, does not offer a useful starting point for a generalizable theoretical foundation of a third-party effect of treaties that serve a common interest beyond the state. Even in the case of so-called world-order treaties, a global interest alone cannot be the formal foundation of a universally binding treaty. Whether the international community is ready to allow some states to concretize certain obligations to the detriment of third parties is an eminently political question. A universal obligation to respect certain rules seems to be based less on the character of a treaty than on the discursive process preceding the conclusion of the treaty. Customary international law is also only conditionally apt to cope with global challenges because its efficiency significantly depends on the mechanism of reciprocity. The more recent attempts at displaying universal norms in the interest of the international community cannot ignore that this mechanism of reciprocity is only diffusely developed with regard to norms for the protection of human rights and global public goods and with regard to standards of good governance. This finding weakens the capacity of the constitutionalization thesis, but describes a desideratum addressed at public international law in the age of globalization; it suggests a verification whether an alternative, more open understanding of constitution, related to argumentation and discourse, might be more convincingly accommodated in legal doctrine.
VII. Justification of the Exercise of Authority in Public International Law A growing demand for legitimacy in modern public international law results from the fact that the sphere of public international law and international organizations has been substantially enlarged. International organizations and regimes exercise authority vis-à-vis states and individuals at least in a broad sense, which is not restricted to legally binding acts. Since states lose autonomous power to shape their own policies, public international law is confronted with expectations of legiti-
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macy to which state consent as the foundation of traditional public international law is not a sufficient answer. According to a constitutionalist understanding of public international law, the exercise of authority needs to be justified. On the basis of a dual understanding of the legitimacy structures in a multilevel system, improvements of legitimacy may be reached both at the domestic level and by a ‘constitutionalization’ and democratization of international decision structures. In the domestic domain, the relationship between the different state organs needs to be rebalanced. On the international level, the realistic possibility of improving legitimation depends inter alia on the concept of democracy being applied. The most optimistic perspective is opened up by a model of pluralistic legitimation that includes modes of participation other than elections, which may be better realized beyond the state. The constitutional parameters of federalism, rule of law and democracy may offer orientation. In positive law, they find expression in different ways. Whilst federalism is primarily an analytical concept for structures in positive law, elements of the rule of law begin to be accepted on the international plane for this level itself. A norm of democratic governance beyond the state, by contrast, depends on the transfer of public international law specifications for state power (which are in themselves limited) to the international level, which is not easy to realize. A legalization of international cooperation that is exclusively based on the rule of law, however, is problematic in terms of legitimacy. It cannot justify the original exercise of authority beyond the state. For a constitutionalist understanding of public international law, the authority created on the international level must be captured by adequate and preferably concrete human-rights standards. As a basis for the de lege lata binding force of human rights for international organizations, the following possibilities are currently being discussed: treaty obligations of international organisations (either directly binding or binding by way of succession), self-imposed rules or general public international law. Like the legal personality of international organizations, adherence to human rights is a prerequisite for an adequate attainment of their ends.
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VIII. Substantive Constitutionalization and Constitutional Principles With regard to sources theory, emerging norms of unwritten public international law on the exercise of authority can be best understood as developing general principles of international law (allgemeine Rechtsgrundsätze, Article 38 para. 1 lit. c Statute of the ICJ) with constitutional attributes. The binding force of certain constitutional-type norms for states without their consent may be conceived as normative force of international discourse forums and ascribed to general principles. Their normative force for international organizations can also be explained more convincingly as a commitment to general principles than to customary international law. The significance of a hierarchization in public international law is to be seen less in the formation of an abstract hierarchy of values – from which concrete legal consequences could be derived – but rather in the special impact of certain norms. This impact is relevant in indirect norm collisions and may be conceived in terms of legal theory as the effect of principles (Prinzipien). Hence, the constitutional norms to be discussed in this chapter are principles in a double sense, both with regard to sources (general principles, allgemeine Rechtsgrundsätze) and to legal theory (principles, Prinzipien). According to Article 38 para. 1 lit. c Statute of the ICJ, substantive constitutional principles in public international law may be taken both from domestic legal orders and from the international plane. The ‘transfer’ of domestic general principles to public international law presupposes that there is a point of contact in international law which allows applying the method of critical legal comparison with normative consequences. Even palpable differences between the structures of international law and domestic legal orders do not exclude the transfer of principles at the outset. The methodological difficulties of constitutional comparison entail a limitation of normative consequences. The analysis of the genesis of general principles can take into account insights of constructivist international relations theory. On this basis, general principles deploy normative force of an ‘objective’ quality. For the emergence of general principles of a constitutional type, a reflexive concept of norms is particularly fruitful. The creation of norms and compliance induced by processes of argumentative self-entrapment and identity change is fundamental for normativity, where norms concern the identity of actors. This is the case for constitutional norms on human rights, the rule of law and democratic governance. According to their norm structure, they are not of an inter-state character, but – by
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specifying the design of the domestic orders of states and of the internal order of international organizations – they affect their identity. Constitutional norms emerging in these processes correspond to a changed self-conception of actors and subject the exercise of authority to limits which follow from the paradigms of human rights, democracy and the rule of law. Admittedly, the conditions for the acceptance of general principles on the international plane are vague and require specification. The discursive paradigm offers guidelines for the advancement of public international law. It will be crucial to change the institutional setting in order to enhance empirically self-entrapment in discourses and simultaneously to take into account the fundamental exigencies of the principle of democracy beyond the state. Insights of international relations theory suggest under which conditions normative expectations and expectations of norm compliance are stabilized in such a way as to allow one to suppose a general principle. Furthermore, the ideal of discourse offers a normative model which is of no relevance only if one denies the possibility of universal reasoning. The qualification of general principles (allgemeine Rechtsgrundsätze) as principles in terms of legal theory (Prinzipien) describes how they can be taken into account in the application and interpretation of treaties constituting international organizations, and how they can have a crossinstitutional effect. They are principles of collision to manage conflicts of norms in fragmented public international law and their effect spreads to the realm of domestic law. The qualification of constitutional norms in public international law as principles and optimization requirements is intended to grasp their functionality in the legal order with due regard to the differences between public international law and domestic law and to limit the otherwise unmanageable reach of reasoning. Legal practice cautiously indicates that principles can work as principles of collision between different regimes of fragmented public international law, and this corresponds to a theoretic desideratum.
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Verzeichnis der zitierten Ausgaben
Kant, Immanuel, Kritik der Urteilskraft, 1790, in: Werke, hg. v. Wilhelm Weischedel, Bd. 5, Darmstadt 1966, S. 237-620 Kant, Immanuel, Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, 1793, in: Werke, hg. v. Wilhelm Weischedel, Bd. 4, Darmstadt 1966, S. 649-879 Kant, Immanuel, Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, 1793, in: Werke, hg. v. Wilhelm Weischedel, Bd. 6, Darmstadt 1966, S. 127-172 Kant, Immanuel, Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf, 1795, in: Werke, hg. v. Wilhelm Weischedel, Bd. 6, Darmstadt 1966, S. 195-251 Kant, Immanuel, Die Metaphysik der Sitten, 1797, in: Werke, hg. v. Wilhelm Weischedel, Bd. 4, Darmstadt 1966, S. 309-634 Kant, Immanuel, Reflexionen zur Rechtsphilosophie, in: Gesammelte Schriften/Akademieausgabe, Bd. XIX (Abt. 3, Handschriftlicher Nachlass, Bd. 6): Handschriftlicher Nachlass, Moralphilosophie, Rechtsphilosophie und Religionsphilosophie, 3. Nachdruck der Ausgabe von 1934, Berlin 1971, S. 442-613 Leibniz, Gottfried Wilhelm, De Arte Combinatoria, 1666, in: (Akademie-Ausgabe), Reihe VI: Philosophische Schriften, Hg. LeibnizForschungsstelle Münster, Bd. 1: 1663-1672, Darmstadt 1930, S. 163-230 Leibniz, Gottfried Wilhelm, Nova Methodus discendae docendaeque jurisprudentiae, 1668, in: Sämtliche Schriften und Briefe (Akademie-Ausgabe), Reihe VI: Philosophische Schriften, Hg. Leibniz-Forschungsstelle Münster, Bd. 1: 1663-1672, Darmstadt 1930, 2. Nachdruck Berlin 1990, S. 259-364 Leibniz, Gottfried Wilhelm, Confessio philosophi, 1671 ff., in: Sämtliche Schriften und Briefe (Akademie-Ausgabe), Reihe VI: Philosophische Schriften, Hg. Leibniz-Forschungsstelle Münster, Bd. 3: 1672-1676, Berlin 1981 Caesarinus Fürstenerius (Leibniz), De jure suprematus ac legationum principum Germaniae, 1677, in: Sämtliche Schriften und Briefe (Akademie-Ausgabe), Reihe IV: Politische Schriften, Hg. Leibniz-Editionsstelle Potsdam, Bd. 2: 1677-1687, Berlin 1984, N. 1, S. 3-270 Leibniz, Gottfried Wilhelm, Entretien de Philarete et d’Eugene, 1677 ff., in: Sämtliche Schriften und Briefe (Akademie-Ausgabe), Reihe
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IV: Politische Schriften, Hg. Leibniz-Editionsstelle Potsdam, Bd. 2: 1677-1687, Berlin 1984, N. 5, S. 278-338 Leibniz, Gottfried Wilhelm, Vom Naturrecht, ca. 1678, in: Deutsche Schriften, hg. v. G. E. Guhrauer, Hildesheim 1966, S. 414-419 Leibniz, Gottfried Wilhelm, De Legum rationibus inquirendis, Titulus I. De justitia et jure, 1678 f., in: Sämtliche Schriften und Briefe (Akademie-Ausgabe), Reihe VI: Philosophische Schriften, Hg. Leibniz-Forschungsstelle Münster, Bd. 4: 1677 – Juni 1690, Teil C, Berlin 1999, N. 494, S. 2775-2780 Leibniz, Gottfried Wilhelm, Praefatio tabulae juris, 1685 ff., in: Textes inédits d’après les manuscrits de la Bibliothèque provinciale de Hanovre, hg. v. Gaston Grua, Bd. 2, Paris 1948, S. 782-785 Leibniz, Gottfried Wilhelm, Discours de Métaphysique/Metaphysische Abhandlung, 1686, übersetzt und mit Vorwort und Anmerkung, hg. v. Herbert Herring, 2. Auflage, Hamburg 1985 Leibniz, Gottfried Wilhelm, Brief an Arnauld v. 28.11./8.12.1686, in: Die philosophischen Schriften von Gottfried Wilhelm Leibniz, hg. v. C. I. Gerhardt, Bd. 2, Hildesheim 1960, S. 73-81 Leibniz, Gottfried Wilhelm, Rezension von: Discursus de Suprematu adversus Caesarinum Fürstenerium, 1687, in: Sämtliche Schriften und Briefe (Akademie-Ausgabe), Reihe IV: Politische Schriften, Hg. Leibniz-Editionsstelle Potsdam, Bd. 2: 1677-1687, Berlin 1984, N. 16, S. 409-424 Leibniz, Gottfried Wilhelm, Praefatio Codicis juris gentium diplomatici, 1693, in: Sämtliche Schriften und Briefe (Akademie-Ausgabe), Politische Schriften, Hg. Leibniz-Editionsstelle Potsdam, Bd. 5: 1692-1694, Berlin 2004, N. 7, S. 47-78 Leibniz, Gottfried Wilhelm, Brief an Placcius, 25. Juni 1695, in: Opera omnia, hg. v. Louis Dutens, Bd. 6: Philologicorum continuatio, Nachdruck der Ausgabe Genf 1768, Hildesheim u. a. 1989, S. 5456 Leibniz, Gottfried Wilhelm, „Projet d’article“, 1696, in: Textes inédits d’après les manuscrits de la Bibliothèque provinciale de Hanovre, hg. v. Gaston Grua, Bd. 1, Paris 1948, S. 376-378 Leibniz, Gottfried Wilhelm, Brief an De Grimarest v. 4.6.1712, in: Correspondance G. W. Leibniz Ch. I. Castel de Saint-Pierre, hg. v. André Robinet, Reihe Thesaurus de philosophie du droit, Paris 1995, S. 24-25; engl. Übersetzung in: Leibniz, Political Writings, hg. v. P. Riley, S. 183-184
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Leibniz, Gottfried Wilhelm, Monadologie, 1714, in: Monadologie und andere metaphysische Schriften, hg., übersetzt, mit Einleitung und Anmerkung versehen von Ulrich Johannes Schneider, Reihe Philosophische Bibliothek, Bd. 537, Hamburg 2002 Leibniz, Gottfried Wilhelm, Observations sur le Projet de paix perpétuelle, 1715, in: Correspondance G. W. Leibniz Ch. I. Castel de Saint-Pierre, hg. v. André Robinet, Reihe Thesaurus de philosophie du droit, Paris 1995, S. 34-44 Leibniz, Gottfried Wilhelm, Brief an Rémond v. 27.1.1715, in: Correspondance G. W. Leibniz Ch. I. Castel de Saint-Pierre, hg. v. André Robinet, Reihe Thesaurus de philosophie du droit, Paris 1995, S. 46 Leibniz, Gottfried Wilhelm, Brief an Saint-Pierre v. 7.2.1715, in: Correspondance G. W. Leibniz Ch. I. Castel de Saint-Pierre, hg. v. André Robinet, Reihe Thesaurus de philosophie du droit, Paris 1995, S. 30-32 Leibniz, Gottfried Wilhelm, Brief an Varignon v. 7.2.1715, in: Correspondance G. W. Leibniz Ch. I. Castel de Saint-Pierre, hg. v. André Robinet, Reihe Thesaurus de philosophie du droit, Paris 1995, S. 45 Leibniz, Gottfried Wilhelm, Brief an Saint-Pierre v. 4.4.1715, in: Correspondance G. W. Leibniz Ch. I. Castel de Saint-Pierre, hg. v. André Robinet, Reihe Thesaurus de philosophie du droit, Paris 1995, S. 54-60 Leibniz, Gottfried Wilhelm, Brief an Saint-Pierre v. 2.10.1716, in: Correspondance G. W. Leibniz Ch. I. Castel de Saint-Pierre, hg. v. André Robinet, Reihe Thesaurus de philosophie du droit, Paris 1995, S. 71-73 Leibniz, Gottfried Wilhelm, Brief an Saint-Pierre v. 19.10.1716, in: Correspondance G. W. Leibniz Ch. I. Castel de Saint-Pierre, hg. v. André Robinet, Reihe Thesaurus de philosophie du droit, Paris 1995, S. 91-93 Leibniz, Gottfried Wilhelm, Brief an Widow v. 30.10.1716, in: Correspondance G. W. Leibniz Ch. I. Castel de Saint-Pierre, hg. v. André Robinet, Reihe Thesaurus de philosophie du droit, Paris 1995, S. 93 Lincoln, Abraham, Selected speeches and writings, selected and annotated by Don E. Fehrenbacher, New York 1992
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Dokumentenverzeichnis A. Verträge I. Multilaterale Verträge Convention on the Demilitarization of the Åland Islands v. 30.3.1856, Martens NRG 15, S. 788 Vertrag von Versailles v. 28.6.1919, RGBl. 1919, S. 687 Satzung des Völkerbundes (Covenant of the League of Nations) v. 28.6.1919, RGBl. 1919, S. 717 Vertrag über die Ächtung des Krieges (Briand-Kellogg-Pakt) v. 27.8. 1928, RGBl 1929-II, S. 97, Fontes III/2, S. 959 Abkommen über die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank) v. 1./22.7.1944, BGBl. 1952-II, S. 664, UNTS 2, S. 134; UNTS 606, S. 294 Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt (Chicago Convention) v. 7.12.1944, BGBl. 1956-II, S. 411, UNTS 15, S. 295 Charta der Vereinten Nationen v. 26.6.1945, BGBl. 1973-II, S. 431 Statut des Internationalen Gerichtshofs (Statute of the International Court of Justice) in der Fassung v. 26.6.1945, BGBl. 1973-II, S. 505 Satzung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (Constitution of the Food and Agriculture Organization) v. 16.10.1945, BGBl. 1971-II, S. 1033, UNYB 1946-47, S. 693 Verfassung der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Constitution of the United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, UNESCO) v. 16.11.1945, BGBl. 1971-II, S. 471, UNTS 4, S. 275 Satzung der Weltgesundheitsorganisation (Constitution of the World Health Organization, WHO) v. 22.7.1946, BGBl. 1974-II, S. 43, UNTS 14, S. 185 Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation v. 9.10.1946 in der Fassung v. 25.6.1953, BGBl. 1957-II, S. 317, 1975-II, S. 2206, UNTS 15, S. 35, 466, S. 323, 958, S. 167
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tional Armed Conflicts, Protocol II) v. 8.6.1977, BGBl. 1990-II, S. 1637, UNTS 1125, S. 609 Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge (Vienna Convention on succession of States in respect of treaties) v. 23.8.1978, UNTS 1946, S. 3 Übereinkommen zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten auf dem Mond und anderer Himmelskörper (Agreement Governing the Activities of States on the Moon and Other Celestial Bodies, Moon Agreement) v. 5.12.1979, GV Res. 34/68, UNTS 1363, S. 3 Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women) v. 18.12.1979, BGBl. 1985-II, S. 647, UNTS 1249, S. 13 African [Banjul] Charter on Human and Peoples’ Rights v. 27.6.1981, OAU Dok. CAB/LEG/67/3 rev. 5; UNTS 1520, S. 217; ILM 21 (1982), S. 58 Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (United Nations Convention on the Law of the Sea) v. 10.12.1982, BGBl. 1994-II, S. 1799, UNTS 1833, S. 3 Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (Convention against Torture and Other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment) v. 10.12.1984, BGBl. 1990-II, S. 246, UNTS 1465, S. 85 Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht (Vienna Convention for the Protection of the Ozone Layer) v. 22.3.1985, BGBl. 1988-II, S. 902, UNTS 1513, S. 293 South Pacific Nuclear Free Zone Treaty (Treaty of Rarotonga) v. 6.8. 1985, UNTS 1445, S. 177 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen oder zwischen internationalen Organisationen (Vienna Convention on the Law of Treaties between States and International Organizations or between International Organizations) v. 21.3.1986, BGBl. 1990-II, S. 1415, ILM 25 (1986), S. 543 Montrealer Protokoll über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen (Montreal Protocol on Substances that Deplete the Ozone Layer) v. 19.9.1987, BGBl. 1988-II, S. 1014, 1999-II, S. 2183, UNTS 1522, S. 3 Europäisches Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (European Con-
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vention for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment) v. 26.11.1987, BGBl. 1989-II, S. 946, 1996-II, S. 1115, ETS No. 126 Basler Übereinkommen v. 22.3.1989 über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung (Basel Convention on Hazardous Wastes), BGBl. 1995-II, S. 696, UNTS 1673, S. 57 Übereinkommen über die Rechte des Kindes (Convention on the Rights of the Child) v. 20.11.1989, BGBl. 1992-II, S. 121, UNTS 1577, S. 3 Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen v. 9.5.1992 über Klimaänderungen (UN Framework Convention on Climate Change), BGBl. 1993-I, S. 1783, UNTS 1771, S. 107 Übereinkommen über die biologische Vielfalt (United Nations Convention on biological diversity) v. 5.6.1992, BGBl. 1993-II, S. 1741, UNTS 1760, S. 79 Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen (European Charter for Regional or Minority Languages) v. 5.11.1992, BGBl. 1998-II, S. 1314, CETS No. 148 Konstitution und Konvention der Internationalen Fernmeldeunion vom 22.12.1992 und Änderungen vom 14.10.1994 der Konstitution und der Konvention der Internationalen Fernmeldeunion, BGBl 1996-II, S. 1306 Treaty of ECOWAS v. 24.7.1993, ILM 35 (1996), S. 660 Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) (Agreement Establishing the World Trade Organization, Marrakesh Agreement) v. 15.4.1994, BGBl. 1994-II, S. 1625, UNTS 1867, S. 154 Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tariffs and Trade, GATT) v. 15.4.1994, BGBl. 1994-II, S. 1625, ABl. 1994 L 336/11, UNTS 1867, S. 187 Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten (Understanding on Rules and Procedures Governing the Settlement of Disputes, DSU) v. 15.4.1994, BGBl. 1994-II, S. 1749, UNTS 1869, S. 401 Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung in den von Dürre und/oder Wüstenbildung schwer betroffenen Ländern, insbesondere in Afrika (United Nations Convention to Combat Desertification in Countries Experiencing Serious Drought
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and/or Desertification, Particularly in Africa) v. 14.10.1994, BGBl. 1997-II, S. 1471, UNTS 1954, S. 3 Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten (Framework Convention for the Protection of National Minorities) v. 1.2.1995, BGBl. 1997-II S. 1408, CETS No. 157 Übereinkommen v. 4.8.1995 zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 über die Erhaltung und Bewirtschaftung von gebietsübergreifenden Fischbeständen und Beständen weit wandernder Fische (Agreement for the Implementation of the Provisions of the United Nations Convention on the Law of the Sea of 10 December 1982 relating to the Conservation and Management of Straddling Fish Stocks and Highly Migratory Fish Stocks), BGBl. 2000-II, S. 1022, UNTS 2167, S. 3, ILM 35 (1995), S. 1547 Treaty on the Southeast Asia Nuclear Weapon-Free Zone (Bangkok Treaty) v. 15.12.1995, ILM 35(1995), S. 635 African Nuclear-Weapon-Free-Zone Treaty (Pelindaba Treaty) v. 11.4. 1996, UN Dok. A/50/426, ILM 35 (1996), S. 698 Übereinkommen über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung (Ottawa-Übereinkommen, Convention on the Prohibition of the Use, Stockpiling, Production and Transfer of AntiPersonnel Mines and on their Destruction) v. 18.9.1997, BGBl. 1998-II, S. 779, UNTS 2056, S. 241 Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Aarhus-Übereinkommen, Convention on Access to Information, Public Participation in Decision-Making and Access to Justice in Environmental Matters) v. 25.6.1998, BGBl. 2006II, S. 1251, UNTS 2161, S. 447 Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (Rome Statute of the International Criminal Court) v. 17.7.1998, BGBl. 2000-II, S. 1394, UNTS 2187, S. 90 Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Cartagena Protocol on Biosafety to the Convention on Biological Diversity) v. 29.1.2000, BGBl. 2003-II, S. 1506, UNTS 2226, S. 208 Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean ei-
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nerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits (Partnership Agreement between the Members of the African, Caribbean and Pacific Group of States, of the one Part, and the European Community and its Member States, of the other Part, Cotonou Agreement) v. 23.6.2000, BGBl. 2002-II, S. 327, ABl. L 209 v. 11.8.2005, S. 27, L 287 v. 28. 10. 2005, S. 4, L 168M v. 21. 6. 2006, S. 33 Constitutive Act of the African Union v. 11.7.2000, UNTS 2158, S. 3 WTO-Beitrittsabkommen Chinas, WTO-Dok. WT/L/432 v. 23.11. 2001 Protokoll Nr. 14 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Änderung des Kontrollsystems der Konvention (Protocol No. 14 to the Convention for the Protection of Human Rights and Fundamental Freedoms, amending the control system of the Convention) v. 13.5.2004, BGBl. 2006-II S. 139, CETS No. 194 Übereinkommen der Vereinten Nationen über die gerichtlichen Immunitäten der Staaten und ihres Eigentums v. 2.12.2004, A/RES/59/38 Treaty on a Nuclear-Weapon-Free Zone in Central Asia (Treaty of Semipalatinsk) v. 8.9.2006, verfügbar unter http://disarmament.un.org /TreatyStatus.nsf/ Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Convention on the Rights of Persons with Disabilities) v. 13.12.2006, BGBl. 2008-II, S. 1419, UN Dok. A/61/611 Vertrag über die Europäische Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon v. 13.12.2007, ABl. Nr. C 306, S. 1, ber. ABl. 2008 Nr. C 1111, S. 56 u. ABl. 2009 Nr. C 290, S. 1 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. der Bekanntmachung v. 9.5.2008, ABl. Nr. C 115, S. 47; zuletzt geändert durch Vertrag von Lissabon v. 13.12.2007, ABl. Nr. C 306, S. 1, ber. ABl. 2008 Nr. C 1111, S. 56 u. ABl. 2009 Nr. C 290, S. 1
II. Bilaterale Verträge Vertrag von Turin zwischen Frankreich und Piemont-Sardinien v. 24.3. 1860, Martens NRG 16 (2), S. 539 Agreement between the Republic of Indonesia and the Portuguese Republic on the question of East Timor v. 5.5.1999, abgedruckt im Bericht des UN-GS v. 5.5.1999, A/53/951 = S/1999/513
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Agreement between the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo and the Council of Europe on Technical Arrangements Related to the Framework Convention for the Protection of National Minorities v. 30.6.2004, verfügbar unter http://www.unhcr.org/ref world/docid/441821b44.html (geprüft am 18.5.2010) Agreement between the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo and the Council of Europe on Technical Arrangements Related to the European Convention for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment v. 23.8.2004, verfügbar unter http://www.cpt.coe.int/documents/srb/2004-08-23-eng.pdf (geprüft am 18.5.2010)
B. Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen Resolution 39(I) v. 12.12.1946: Relations of Members of the United Nations with Spain Resolution 217 A (III) v. 10.12.1948: International Bill of Human Rights Resolution 386 (V) v. 4.11.1950: Relations of States Members and specialized agencies with Spain Resolution 596 (VI) v. 7.12.1951: Draft Declaration on Rights and Duties of States Resolution 2145 (XXI) v. 27.10.1966: Question of South West Africa Resolution 2625 (XXV) v. 24.10.1970: Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among states in Accordance with the Charter of the United Nations Resolution 3201 (S-VI) v. 1.5.1974: Declaration on the Establishment of a New International Economic Order Resolution 3202 (S-VI) v. 1.5.1974: Programme of Action on the Establishment of a New International Economic Order Resolution 3281 (XXIX) v. 12.12.1974: Charter of Economic Rights and Duties of States Resolution 32/174 v. 19.12.1977: Resources of the United Nations Habitat and Human Settlements Foundation Resolution 34/138 v. 14.12.1979: Global negotiations relating to international economic co-operation for development
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Resolution 36/162 v. 16.12.1981: Measures to be taken against Nazi, Fascist and neo-Fascist activities and all other forms of totalitarian ideologies and practices based on racial intolerance, hatred and terror Resolution 38/99 v. 16.12.1983: Measures to be taken against Nazi, Fascist and neo-Fascist activities and all other forms of totalitarian ideologies and practices based on racial intolerance, hatred and terror Resolution 39/2 v. 21.9.1984: Situation in South Africa Resolution 40/63 v. 10.12.1985: Law of the sea Resolution 41/34 v. 5.11.1986: Law of the sea Resolution 41/73 v. 3.12.1986: Progressive development of the principles and norms of international law relating to the new international economic order Resolution 43/53 v. 6.12.1988: Protection of global climate for present and future generations of mankind Resolution 43/157 v. 8.12.1988: Enhancing the effectiveness of the principle of periodic and genuine elections Resolution 44/146 v. 15.11.1989: Enhancing the effectiveness of the principle of periodic and genuine elections Resolution 44/147 v. 15.11.1989: Respect for the principles of national sovereignty and non-interference in the internal affairs of States in their electoral processes Resolution 44/23 v. 17.11.1989: United Nations Decade of International Law Resolution 45/150 v. 18.12.1990: Enhancing the effectiveness of the principle of periodic and genuine elections Resolution 45/151 v. 18.12.1990: Respect for the principles of national sovereignty and non-interference in the internal affairs of States in their electoral processes Resolution 45/199 v. 21.12.1990: International Development Strategy for the Fourth United Nations Development Decade Resolution 46/130 v. 17.12.1991: Respect for the principles of national sovereignty and non-interference in the internal affairs of States in their electoral processes Resolution 46/137 v. 17.12.1991: Enhancing the effectiveness of the principle of periodic and genuine elections Resolution 46/143 v. 17.12.1991: Developing human resources for development
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Resolution 47/130 v. 18.12.1992: Respect for the principles of national sovereignty and non-interference in the internal affairs of States in their electoral processes Resolution 47/138 v. 18.12.1992: Enhancing the effectiveness of the principle of periodic and genuine elections Resolution 48/131 v. 20.12.1993: Enhancing the effectiveness of the principle of periodic and genuine elections Resolution 49/190 v. 23.12.1994: Strengthening the role of the United Nations in enhancing the effectiveness of the principle of periodic and genuine elections and the promotion of democratization Resolution 50/185 v. 22.12.1995: Strengthening the role of the United Nations in enhancing the effectiveness of the principle of periodic and genuine elections and the promotion of democratization Resolution 51/31 v. 6.12.1996: Support by the United Nations System of the efforts of Governments to promote and consolidate new or restored democracies Resolution 52/129 v. 12.12.1997: UN role in enhancing elections and promoting democratization Resolution 53/31 v. 23.11.1998: UN support of efforts to promote and consolidate new or restored democracies Resolution 54/173 v. 17.12.1999: Strengthening the role of the UN in enhancing the effectiveness of the principle of periodic and genuine elections and the promotion of democratization Resolution 55/2 v. 8. 9.2000: Millennium Declaration Resolution 55/96 v. 4.12.2000: Promoting and consolidating democracy Resolution 56/83 v. 12.12.2001: Responsibility of States for internationally wrongful acts Resolution 56/159 v. 19.12.2001: Strengthening the role of the UN in enhancing the effectiveness of the principle of periodic and genuine elections and promotion of democratization Resolution 58/180 v. 22.12.2003: Strengthening the role of the United Nations in enhancing the effectiveness of the principle of periodic and genuine elections and the promotion of democratization Resolution 60/1 v. 16.9.2005: 2005 World Summit Outcome Resolution 60/162 v. 16.12.2005: Strengthening the role of the United Nations in enhancing the effectiveness of the principle of periodic and genuine elections and the promotion of democratization
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Resolution 60/164 v. 16.12.2005: Respect for the principles of national sovereignty and diversity of democratic systems in electoral processes as an important element for the promotion and protection of human rights Resolution 61/226 v. 22.12.2006: Support by the United Nations system of the efforts of Governments to promote and consolidate new or restored democracies Resolution 62/150 v. 18.12.2007: Strengthening the role of the United Nations in enhancing the effectiveness of the principle of periodic and genuine elections and the promotion of democratization Resolution 63/163 v. 18.12.2008: Universal realization of the right of peoples to self-determination
C. Resolutionen des Sicherheitsrates Resolution 7: The Spanish Question (26.6.1946) Resolution 232: Question concerning the situation in Southern Rhodesia (16.12.1966) Resolution 253: Question concerning the Situation in Southern Rhodesia (29.5.1968) Resolution 276: The Situation in Namibia (30.1.1970) Resolution 277: Question concerning the Situation in Southern Rhodesia (15.3.1970) Resolution 314: Question concerning the situation in Southern Rhodesia (28.2.1972) Resolution 418: South Africa (4.11.1977) Resolution 554: South Africa (17.8.1984) Resolution 556: South Africa (23.10.1984) Resolution 558: South Africa (13.10.1984) Resolution 661: Iraq-Kuwait (6.8.1990) Resolution 668: Iraq-Kuwait (6.8.1990) Resolution 670: Iraq-Kuwait (25.9.1990) Resolution 678: Iraq-Kuwait (29.11.1990) Resolution 713: Socialist Federal Rep. of Yugoslavia (25.9.1991) Resolution 757: Bosnia and Herzegovina (30.5.1992)
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Resolution 788: Liberia (19.11.1992) Resolution 794: Somalia (3.12.1992) Resolution 827: Tribunal (Former Yugoslavia) (25.5.1993) Resolution 929 (1994): on establishment of a temporary multinational operation for humanitarian purposes in Rwanda until the deployment of the expanded UN Assistance Mission for Rwanda (22.6.1994) Resolution 1078: The situation in the Great Lakes region (9.11.1996) Resolution 1244 (1999): on the situation relating Kosovo (10.6.1999) Resolution 1267 (1999): on the situation in Afghanistan (15.10.1999) Resolution 1272 (1999): on the situation in East Timor (25.10.1999) Resolution 1296 (2000): Civilians in armed conflict (19.4.2000) Resolution 1314 (2000): Children and armed conflict (11.8.2000) Resolution 1318 (2000): Security Council Summit: maintaining peace and security (7.9.2000) Resolution 1333 (2000): on the situation in Afghanistan (19.12.2000) Resolution 1373 (2001): Peace and security–terrorist acts (28.9.2001) Resolution 1390 (2002): The situation in Afghanistan (16.1.2002) Resolution 1422 (2002): United Nations peacekeeping (12.7.2002) Resolution 1455 (2003): Peace and security–terrorist acts (17.1.2003) Resolution 1487 (2003): United Nations peacekeeping (12.6.2003) Resolution 1521 (2003): Liberia (22.12.2003) Resolution 1526 (2004): Peace and security–terrorist acts (30.1.2004) Resolution 1540 (2004): Non-proliferation of weapons of mass destruction (28.4.2004) Resolution 1572 (2004): Côte d’Ivoire (15.11.2004) Resolution 1617 (2005): Peace and security–terrorist acts (29.7.2005) Resolution 1636 (2005): Middle East situation (31.10.2005) Resolution 1674 (2006): Protection of civilians in armed conflict (28.4. 2006) Resolution 1706 (2006): Sudan (31.8.2006) Resolution 1735 (2006): Peace and security–terrorist acts (22.12.2006) Resolution 1757 (2007): The situation in the Middle East (30.5.2007) Resolution 1822 (2008): Peace and security–terrorist acts (30.6.2008)
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D. Entscheidungen internationaler Gerichte I. Ständiger Internationaler Gerichtshof Verfügbar unter: http://www.icj-cij.org/pcij. 1. Entscheidungen in Streitsachen Case of the S.S. “Wimbledon”, August 17th, 1923, Series A – No. 1 The Case of the S.S. “Lotus”, September 7th, 1927, Series A – No. 10 Case concerning the Factory at Chorzów (Claim for Indemnity) (Merits), September 13th, 1928, Series A – No. 17 Case of the Free Zones of Upper Savoy and the District of Gex, Order of th August 19 , 1929, Series A – No. 22 Case of the Free Zones of Upper Savoy and the District of Gex, Judgment of June 7th, 1932, Series A./B. No. 46 Customs Régime Between Germany and Austria, Protocol of March 19th, 1931, Series A./B. – No. 41 The Oscar Chinn case: Judgment of December 12th, 1934, Series A./B. – No. 63 The Electricity Company of Sofia and Bulgaria Interim Measures of th Protection), Order of December 5 , 1939, Series A./B. – No. 79
2. Gutachtenverfahren Status of Eastern Carelia, Advisory Opinion of July 23rd, 1923, Series B No. 5 Advisory opinion given by the Court on September 10th 1923 on certain questions relating to settlers of German origin in the territory ceded by Germany to Poland, Series B No. 6 Jurisdiction of the European Commission of the Danube Between Gath latz and Braila, Advisory Opinion, December 8 , 1927, Series B. – No. 14
II. Internationaler Gerichtshof Verfügbar unter: http://www.icj-cij.org.
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1. Entscheidungen in Streitsachen Corfu Channel case, Judgment of April 9th, 1949, ICJ Rep. 1949, S. 4 Colombian-Peruvian Asylum case, Judgment of November 20th, 1950, ICJ Rep. 1950, S. 266 Fisheries case, Judgment of December 18th, 1951, ICJ Rep. 1951, S. 116 Anglo-Iranian Oil Co. case (jurisdiction), Judgment of July 22nd, 1952, ICJ Rep. 1952, S. 93 Case of the monetary gold removed from Rome in 1943 (Preliminary Question), ICJ Rep. 1954, S. 19 Case of Certain Norwegian Loans, Judgment of July 6th, 1957, ICJ Rep. 1957, S. 9 Case concerning right of passage over Indian territory (Preliminary Objections), ICJ Rep. 1957, S. 125 Case concerning the Application of the Convention of 1902 governing the Guardianship of Infants (Netherlands v. Sweden), Judgment of November 28th, ICJ Rep. 1958, S. 55 Interhandel Case, Judgment of March 21st, 1959, ICJ Rep. 1959, S. 6 Case concerning Right of Passage over Indian Territory (Merits), Judgment of 12 April 1960, ICJ Rep. 1960, S. 6 Case Concerning the Temple of Preah Vihear (Cambodia v. Thailand), Judgment of 15 June 1962, ICJ Rep. 1962, S. 6 South West Africa Cases, Preliminary Objections, ICJ Rep. 1962, S. 319 Case concerning the Northern Cameroons (Cameroon v. United Kingdom), Order of 11 January 1963, ICJ Rep. 1963, S. 3 South West Africa, Second Phase, Judgment, ICJ Rep. 1966, S. 6 North Sea Continental Shelf, Judgment, ICJ Rep. 1969, S. 3 Barcelona Traction, Light and Power Company, Limited, Judgment, ICJ Rep. 1970, S. 3 Appeal Relating to the Jurisdiction of the ICAO Council, Judgment, ICJ Rep. 1972, S. 46 Fisheries Jurisdiction (United Kingdom v. Iceland), Merits, Judgment, ICJ Rep. 1974, S. 3 Fisheries Jurisdiction (Federal Republic of Germany v. Iceland), Merits, Judgment, ICJ Rep. 1974, S. 175 Nuclear Tests (Australia v. France), Judgment of 20 December 1974, ICJ Rep. 1974, S. 253
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Nuclear Tests (New Zealand v. France), Judgment of 20 December 1974, ICJ Rep. 1974, S. 457 United States Diplomatic and Consular Staff in Teheran, Judgment, ICJ Rep. 1980, S. 3 Continental Shelf (Tunisia/Libyan Arab Jamahiriya), Judgment, ICJ Rep. 1982, S. 18 Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Application to Intervene, Judgment, ICJ Rep. 1984, S. 3 Delimitation of the Maritime Boundary in the Gulf of Maine Area, Judgment, ICJ Rep. 1984, S. 246 Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Jurisdiction and Admissibility, Judgment, ICJ Rep. 1984, S. 392 Continental Shelf (Libyan Arab Jamahiriya/Malta), Judgment, ICJ Rep. 1985, S. 13 Military and Paramilitary Activities in und against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits, Judgment, ICJ Rep. 1986, S. 14 Frontier Dispute, Judgment, ICJ Rep. 1986, S. 554 Land, Island and Maritime Frontier Dispute (El Salvador/Honduras), Application to Intervene, Order of 28 February 1990, ICJ Rep. 1990, S. 3 Questions of Interpretation and Application of the 1971 Montreal Convention arising from the Aerial Incident at Lockerbie (Libyan Arab Jamahiriya v. United Kingdom), Provisional Measures, Order of 14 April 1992, ICJ Rep. 1992, S. 3 Questions of Interpretation and Application of the 1971 Montreal Convention arising from the Aerial Incident at Lockerbie (Libyan Arab Jamahiriya v. United States of America), Provisional Measures, Order of 14 April 1992, ICJ Rep. 1992, S. 114 Land, Island and Maritime Frontier Dispute (El Salvador/Honduras: Nicaragua intervening), Judgment of 11 September 1992, ICJ Rep. 1992, S. 351 Maritime Delimitation in the Area between Greenland and Jan Mayen, Judgment, ICJ Rep. 1993, S. 38 Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Provisional Measures, Order of 13 September 1993, ICJ Rep. 1993, S. 325
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East Timor (Portugal v. Australia), Judgment, ICJ Rep. 1995, S. 90 Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide, Preliminary Objections, Judgment, ICJ Rep. 1996, S. 595 Gabčíkovo-Nagymaros Project (Hungary/Slovakia), Judgment, ICJ Rep. 1997, S. 7 Questions of Interpretation and Application of the 1971 Montreal Convention arising from the Aerial Incident at Lockerbie (Libyan Arab Jamahiriya v. United Kingdom), Preliminary Objections, Judgment, ICJ Rep. 1998, S. 9 Fisheries Jurisdiction (Spain v. Canada), Jurisdiction of the Court, Judgment, ICJ Rep. 1998, S. 432 Legality of Use of Force (Yugoslavia v. Spain), Provisional Measures, Order of 2 June 1999, ICJ Rep. 1999, S. 761 Legality of Use of Force (Yugoslavia v. United States of America), Provisional Measures, Order of 2 June 1999, ICJ Rep. 1999, S. 916 Aerial Incident of 10 August 1999 (Pakistan v. India), Jurisdiction of the Court, Judgment, ICJ Rep. 2000, S. 12 La Grand (Germany v. United States of America), Judgment, ICJ Rep. 2001, S. 466 Arrest Warrant of 11 April 2000 (Democratic Republic of the Congo v. Belgium), Judgment, ICJ Rep. 2002, S. 3 Armed Activities on the Territory of the Congo (New Application: 2002) (Democratic Republic of the Congo v. Rwanda), Provisional Measures, Order of 10 July 2002, ICJ Rep. 2002, S. 219 Oil Platforms (Islamic Republic of Iran v. United States of America), Judgment, ICJ Rep. 2003, S. 161 Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic Republic of the Congo v. Uganda), Judgment, ICJ Rep. 2005, S. 168 Armed Activities on the Territory of the Congo (New Application: 2002) (Democratic Republic of the Congo v. Rwanda), Jurisdiction and Admissibility, Judgment, ICJ Rep. 2006, S. 6 Case concerning Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia and Montenegro), Urt. v. 26.2.2007
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2. Gutachtenverfahren Admission of a State to the United Nations (Charter, Art. 4), Advisory Opinion, ICJ Rep. 1948, S. 57 Reparation for Injuries suffered in the service of the United Nations, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1949, S. 174 Competence of Assembly regarding admission to the United Nations, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1950, S. 4 Interpretation of Peace Treaties, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1950, S. 65 International status of South West Africa, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1950, S. 128 Reservations to the Convention on Genocide, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1951, S. 15 Effect of awards of compensation made by the U.N. Administrative Tribunal, Advisory Opinion of July 13th, 1954, ICJ Rep. 1954, S. 47 South-West Africa – Voting Procedure, Advisory Opinion of June 7th, 1955, ICJ Rep. 1955, S. 67 Admissibility of hearings of petitioners by the Committee on South West Africa, Advisory Opinion of June 1st, 1956, ICJ Rep. 1956, S. 23 Constitution of the Maritime Safety Committee of the Inter-Governmental Maritime Consultative Organization, Advisory Opinion of 8 June 1960, ICJ Rep. 1960, S. 150 Certain expenses of the United Nations (Article 17, paragraph 2, of the Charter), Advisory Opinion of 20 July 1962, ICJ Rep. 1962, S. 151 Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), Advisory Opinion, ICJ Rep. 1971, S. 16 Application for Review of Judgement No. 158 of the United Nations Administrative Tribunal, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1973, S. 166 Western Sahara, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1975, S. 12 Interpretation of the Agreement of 25 March 1951 between the WHO and Egypt, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1980, S. 73 Application for Review of Judgement No. 273 of the United Nations Administrative Tribunal, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1982, S. 325 Legality of the Use by a State of Nuclear Weapons in Armed Conflict, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1996, S. 66
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Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion, ICJ Rep. 1996, S. 226 Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, Advisory Opinion, ICJ Rep. 2004, S. 136
III. Internationaler Seegerichtshof Verfügbar unter: http://www.itlos.org. New Zealand v. Japan, Australia v. Japan, ITLOS Rep. 1999, S. 280 MOX Plant (Ireland v. UK), Provisional Measures, ITLOS Rep. 2001, S. 95
IV. Internationales Strafgericht für das ehemalige Jugoslawien Verfügbar unter: http://www.icty.org. Prosecutor v. Duško Tadić (Appeals Chamber), No. IT-94-1, Entsch. v. 2.10.1995 Prosecutor v. Tihomir Blaskic („Lasva Valley“) (Appeals Chamber), No. IT-95-14, Entsch. v. 29.10.1997 Prosecutor v. Furundžija (Trials Chamber), No. IT-95-17/1-T, Urt. v. 10.12.1998, ILM 38 (1999), S. 317 Prosecutor v. Duško Tadić (Appeals Chamber), Urt. v. 15.7.1999, No. IT-94-1-A, ILM 38 (1999), S. 1518 Simic et al. (Trial Chamber), No. 95-9-P.T., Entsch. v. 27.7.1999 Prosecutor v. Milutinovic et al. (Trial Chamber), No. IT-99-37, Entsch. v. 6.5.2003
V. GATT/WTO-Streitbeilegungsverfahren United States – Trade Measures affecting Nicaragua (Panel Report), GATT-Dok. L./6053, 13.10.1986 United States – Standards for Reformulated and Conventional Gasoline (Appellate Body Report), WT/DS2/AB/R, 26.4.1996, S. 27
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European Communities – Measures Concerning Meat and Meat Products (Hormones) (Appellate Body Report), WT/DS26/AB/R, 16.1.1998 United States – Import Prohibiting of Certain Shrimp and Shrimp Products (Appellate Body Report), WT/DS58/AB/R (Appellate Body Report), 12.10.1998 United States – Sections 301-310 of the Trade Act of 1974 (Panel Report), WTO-Dok. WT/DS152/R, 27.1.2000 United States – Gasoline (Panel Report), ST/DS2/AB/R, 29.1.2002 United States – Measures Affecting the Cross Border Supply of Gambling and Betting Services (Panel Report), WT/DS285/R (2005), 10.11. 2004 United States – Measures Affecting the Cross Border Supply of Gambling and Betting Services (Appellate Body Report), WT/DS285/AB/R (2005), 7.4.2005 Brazil – Measures Affecting Imports of Retreaded Tyres (Appellate Body Report), WTO-Dok. WT/DS332/AB/R, 3.12.2007
VI. Organe der Europäischen Menschenrechtskonvention Verfügbar unter: http://www.echr.coe.int. 1. Europäische Kommission für Menschenrechte Austria v. Italia (Pfunders), No. 788/60, Entsch. v. 11.7.1961, YB EurConv HR 4 (1961), S. 116 Gericke v. Federal Republic of Germany, No. 2294/64, Entsch. v. 23.9.1965, YB EurConv HR 8 (1965), S. 314 CFDT c. Communautés européennes et leurs Etats membres (collectivement et individuellement), DR 13, S. 231 (10.7.1978) Temeltasch v. Switzerland, No. 9116/80, DR 31, S. 120 (5.5.1982) France v. Turkey, No. 99940/82, Entsch. v. 6.12.1983, YB EurConv HR 26-II (1983), S. 1 Chrysostomos, Papachrysostomou and Loizidou v. Turkey (Admissibility), No. 15299/89, 15300/89 u. 15318/89, Entsch. v. 4.3.1991, YB EurConv HR 34-II (1991), S. 35 Heinz v. Austria et al., No. 21090/92, Entsch. v. 10.1.1994
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Brezny v. Slovakia, No. B. 23131/93, Entsch. v. 4.3.1996, DR 85, S. 65 M. & Co. v. Deutschland, Entsch. v. 9.2.1999, No. 13258/87, EuGRZ 1990, S. 200
2. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte De Wilde, Ooms and Versyp (“Vagrancy”) v. Belgium, No. 2832/66, 2835/66, 2899/66, Ser. A No. 12 (18.11.1970, 18.6.1971) Ireland v. the United Kingdom, Ser. A No. 25 (18.1.1978) Tyrer v. the United Kingdom, Ser. A No. 26 (25.4.1978) Marckx v. Belgium, Ser. A No. 31 (13.6.1979) Airey v. Ireland, No. 6289/73, Ser. A No. 32 (9. 10. 1979) Van der Mussele v. Belgium, Ser. A, No. 70 (23.11.1983) X and Y v. the Netherlands, No. 8978/80, Ser. A No. 91 (26.3.1985) Glasenapp v. Germany, Ser. A, No. 104 (28.8.1986) Rees v. the United Kingdom, Ser. A No. 106 (17.10.1986) Belilos v. Switzerland, Ser. A No. 132 (29.4.1988) Plattform „Ärzte für das Leben“ v. Austria, No. 10126/82, Ser. A No. 139 (21.6.1988) Soering v. the United Kingdom, No. 14038/88, Ser. A. No. 161 (7.7. 1989) Weber v. Switzerland, Ser. A No. 177 (22.5.1990) Cossey v. the United Kingdom, Ser. A No. 184 (27.9.1990) Chorherr v. Austria, No. 13308/87, Ser. A No. 266B (25.8.1993) Loizidou v. Turkey (Preliminary Objections), Ser. A No. 310 (23.3. 1995) Fischer v. Austria, No. 16922/90, Ser. A No. 312 (26.4.1995) Gül v. Switzerland, No. 23218/94, Rep. 1996-I, fasc. 3 (19.2.1996) Cantoni v. France, No. 45/1995/551/637, Rep. 1996-V, fasc. 20 (15.11. 1996) Matthews v. the United Kingdom [GC], No. 24833/94, ECHR 1999-I (18.2.1999) Selmouni v. France [GC], No. 25803/94, ECHR 1999-V (28.7.1999) Beer and Regan v. Germany [GC], No. 28934/95 (18.12.1999)
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Waite & Kennedy v. Germany [GC], No. 26083/94, ECHR 1999-I (18.12.1999) Mazurek v. France, No. 34406/97 (Sect. 3), ECHR 2000-II (1.2.2000) Al-Adsani v. the United Kingdom [GC], No. 35763/97, ECHR 2001-XI (21.11.2001) Fogarty v. the United Kingdom [GC], No. 37112/97, ECHR 2001-XI (21.11.2001) McElhinney v. Ireland [GC], No. 31253/96, ECHR 2001-XI (21.11. 2001) Banković and Others v. Belgium and Others (dec.) [GC], No. 52207/ 99, ECHR 2001-XII (12.12.2001) Slivenko v. Latvia (dec.) [GC], No. 48321/99, ECHR 2002-II (Auszüge) (21.1.2002) Christine Goodwin v. the United Kingdom [GC], No. 28957/95, ECHR 2002-VI (11.7.2002) Senator Lines GmbH v. Austria et al. (dec.) [GC], No. 56672/00, ECHR 2004-IV (10.3.2004) Storck v. Germany, No. 61603/00 (Sect. 3), ECHR 2005-V (16.6.2005) Bosphorus Hava Yolları Turizm ve Ticaret Anonim ùirketi v. Ireland [GC], No. 45036/98, ECHR 2005-VI (30.6.2005) Agim Behrami and Bekir Behrami v. France und Ruzhdi Saramati v. France, Germany and Norway, No. 71412/01, 78166/01, Entsch. [GC] v. 31.5.2007 Kasumaj v. Greece, No. 6974/05 (5.7.2007) Gajic v. Germany, No. 31446/02 (28.8.2007) Berić and Others v. Bosnia and Herzegovina, No. 36357/04 u. a., ECHR 2007-XI (16.10.2007) Boivin v. 34 Member States of the Council of Europe (dec.), No. 73250/ 01, ECHR 2008-.. (9.9.2008)
VII. Gerichtshof der Europäischen Union Verfügbar unter: http://curia.europa.eu.
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1. Gericht Opel Austria, Rs. T-115/94, Slg. 1997-II, S. 39 Dorsch Consult v. Rat u. Kommission, Rs. T-184/95, Slg. 1998-II, S. 667 Gencor Ltd. v. Kommission, Rs. T-102/96, Slg. 1999-II, S. 743 Ahmed Ali Yusuf et al v. Rat u. Kommission, Rs. T-306/01, Slg. 2005-II, S. 3533 Yassin Abdullah Kadi v. Rat u. Kommission, Rs. T-315/01, Slg. 2005-II, S. 3649 Faraj Hassan v. Rat u. Kommission, Rs. T-49/04, Slg. 2006-II, S. 52 Chafiq Ayadi v. Rat, Rs. T-253/02, Slg. 2006-II, S. 2139 Leonid Minin v. Kommission, Rs. T-362/04, Slg. 2007-II, S. 2003 Omar Mohammed Othman v. Rat u. Kommission, Rs. T-318/01, Urt. v. 11.6.2009
2. Gerichtshof Internationale Handelsgesellschaft, Rs. 11/70, Slg. 1970, S. 1135 International Fruit, Rs. 21-24/72, Slg. 1972, S. 1227 Schlüter, Rs. 9/73, Slg. 1973, S. 1157 Nold, Rs. 4/73, Slg. 1974, S. 507 Rutili, Rs. 36/75, Slg. 1975, S. 1232 Nederlandse Spoorwegen, Rs. 38/75, Slg. 1975, S. 1439 Watson and Belmann, Rs. 118/75, Slg. 1976, S. 1186 Kramer u. a., Rs. 3, 4 und 6/76, Slg. 1976, S. 1279 Burgoa, Rs. 812/79, Slg. 1980, S. 2787 Hauer, Rs. 44/79, Slg. 1980, S. 3727 Dürbeck, Rs. 112/80, Slg. 1981, S. 1120 Arbelaiz-Emazabel, Rs. 181/80, Slg. 1981, S. 2961 Tome and Yurrita, Rs. 180 und 266/80, Slg. 1981, S. 2997 SPI und SAMI, Rs. 267-269/81, Slg. 1983, S. 827 Ahlström u. a. v. Kommission, verb. Rs. 89, 104, 114, 116, 117 und 125 bis 129/85, Slg. 1988, S. 5193 Fediol, Rs. 70/87, Slg. 1989, S. 1830 Nakajima, Rs. C-69/89, Slg. 1991-I, S. 2178
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Poulsen und Diva Navigation, C-286/90, Slg. 1992-I, S. 6019 Deutschland v. Rat, Rs. C-280/93, Slg. 1994-I, S. 4973 Racke, Rs. C-162/96, Slg. 1998-I, S. 3655 Portugal v. Rat, Rs. C-149/96, Slg. 1999-I, S. 8395 Léon Van Parys NV/ Belgisch Interventie- en Restitutiebureau (BIRB), Rs. C-377/02, Slg. 2005-I, S. 1465 Yassin Abdullah Kadi und Al Barakaat International Foundation, verb. Rs. C-402/5 P u. C-415/05 P, Slg. 2008-I, S. 6351
VIII. Organe der Amerikanischen Menschenrechtskonvention 1. Interamerikanische Menschenrechtskommission Roach and Pinkerton, Resolution No. 3/87, Case 9647, I/A YBHR 1987, S. 260 Victims of the Tugboat “13 de Marzo” vs. Cuba, Report No. 47/96 v. 16.10.1996, Case 11.436 Mangas v. Nicaragua, Report No. 52/97 v. 18.2.1998, Case 11.218
2. Interamerikanischer Menschenrechtsgerichtshof Effect of Reservation on the Entry into Force of the American Convention (Articles 74 and 75), Opinión Consultiva OC-2/82 v. 24.9.1982, Ser. A No. 2 Constitutional Court v. Peru, Urt. v. 24.9.1999, Ser. C No. 55 Ivcher-Bronstein v. Peru, Urt. v. 24.9.1999, Ser. C No. 54 El Derecho a la Información sobre la Asistencia Consular en el Marco de las Garantías del Debido Proceso Legal, Opinión Consultiva OC-16/99 v. 1.10.1999, Ser. A No. 16
E. Entscheidungen innerstaatlicher Gerichte I. Belgien Court of First Instance of Brussels Re Pinochet, Entsch. v. 6.11.1998, ILR 119, S. 346
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II. Deutschland BGH, Urt. v. 26.6.2003, III ZR 245/98, BGHZ 155, S. 279, NJW 2003, S. 3488, ILM 42 (2002), S. 1030 BVerfG, Beschl. v. 7.4.1965, 2 BvR 227/64, BVerfGE 18, S. 441 BVerfG, Urt. v. 18.12.1984, 2 BvE 13/83, BVerfGE 68, S. 1 BVerfG, Urt. v. 12.10.1993, 2 BvR 2134, 2159/92, BVerfGE 89, S. 155
III. Griechenland Court of First Instance of Leivadia Prefecture of Voiotia v. Federal Republic of Germany, Nr. 137/1997, Urt. v. 30.10.1997, vgl. AJIL 92 (1998), S. 765 Areios Pagos Prefecture of Voiotia v. Federal Republic of Germany, Entsch. Nr. 11/2000 v. 4.5.2000, vgl. AJIL 95 (2001), S. 198
IV. Italien, Corte Suprema di Cassazione Sezioni unite civile Ferrini c. Republica federale di Germania, No. 5044, Urt. v. 11.3.2004, abgedruckt in Riv. 87 (2004), S. 539 sowie in ILR 128, S. 658 (englische Übersetzung) Prima Sezione Penale, Mario Luiz Lozano, Urt. v. 24.7.2008 – No. 31171/2008, ILDC 1085 (IT 2008) Urt. v. 29.5.2008 – No. 14199 (Dístomo), NVwZ 2008, S. 1100 Beschluss v. 29.5.2008 – No. 14201 (Dístomo), NVwZ 2008, S. 1101 Nacci v. Bari Institute, Urt. v. 8.6.1994, ILR 114, 544 (englische Übersetzung)
V. Kanada Judicial Committee of the Privy Council Edwards v. A. G. Canada, [1930] A.C. 124 (136) (P.C.) Ontario Superior Court of Justice Bouzari and Others v. Islamic Republic of Iran, Urt. v. 1.5.2002, ILR 124, S. 427
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Ontario Court of Appeal Bouzari and Others v. Islamic Republic of Iran, Urt. v. 30.6.2004, ILR 128, S. 586
VI. Niederlande District Court of the Hague, HN v. Netherlands (Ministry of Defence and Ministry of Foreign Affairs), First Instance Judgment 265615, 2008, ILDC 1092
VII. Schweizerisches Bundesgericht Lynas gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft und Eidg. Justiz- und Polizeidepartement, Urt. v. 12.12.1975, BGE 101 Ia, S. 533 Bufano u. a. gegen Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Urt. v. 3.11.1982, BGE 108 Ib, S. 408 Sener gegen Bundesanwaltschaft und Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement (Einsprache gemäss Auslieferungsgesetz), Urt. v. 22.3. 1983, BGE 109 Ib, S. 64 Nada gegen seco, Staatssekretariat für Wirtschaft, sowie Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) 1A.45/ 2007 v. 14.11.2007, BGE 133 II, S. 450
VIII. Vereinigtes Königreich 1. High Court, Queen’s Bench Division Al-Adsani v. Government of Kuwait and Others, 15.3.1995, ILR 103, S. 420
2. England, Court of Appeal Al-Adsani v. Government of Kuwait and Others, 21.1.1994, ILR 100, S. 465 Al-Adsani v. Government of Kuwait, 12.3.1996, ILR 107, S. 536
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3. House of Lords Jones v. Ministry of Interior of the Kingdom of Saudi Arabia (Secretary of State for Constitutional Affairs intervening), 14.6.2006, [2006] UKHL 26, [2007] 1 AC, S. 270, ILR 129, S. 629 Regina v. Bow Street Metropolitan Stipendiary Magistrate and Others, ex parte Pinochet Ugarte (“Pinochet No. 1”), 25.11.1998, ILR 119, S. 50 Regina v. Bartle and the Commissioner of Police for the Metropolis and others ex parte Pinochet (“Pinochet 3“), Urt. v. 24.3.1999, per Lord Browne-Wilkinson, ILM 38 (1999), S. 581, ILR 119, S. 136 R (Al-Jedda) v. Secretary of State for Defence, ILM 47 (2008), S. 607
IX. Vereinigte Staaten United States Court of Appeals, Second Circuit Smith v. Socialist People’s Libyan Arab Republic, 101 F. 3d 239, 26.11.1996 u. 10.2.1997, ILR 113, S. 534 United States Court of Appeals, Second Circuit Filartiga v. Pena-Irala, 30.6.1980, ILM 19 (1980), S. 966 United States Court of Appeals for the District of Columbia Hugo Princz v. Federal Republic of Germany, Urt. v. 1.7.1994, ILM 33 (1994), S. 1483 United States Court of Appeals, Ninth Circuit Siderman De Blake v. Republic of Argentina and Others, Urt. v. 22.5.1992, ILR 103, S. 454
Sach- und Personenregister Abwägung: 20, 90, 172, 405 ff. accountability: 53, 544, 600 acquiescence: 436, 459, 461, 489 Alexy, Robert: 656 ff., 665 f. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte: 186, 327, 419, 493, 571, 588, 647, 653, 659 Allgemeine Rechtsgrundsätze: 364, 619 ff. – bei Lauterpacht: 180, 182, 185 – bei Verdross: 199 f. Allmendegüter: 434, 501 Althusius, Johannes: 127 Alvarez, Alejandro: 229, 382 amerikanische Völkerrechtswissenschaft: 22 ff. Amicus Curiae-Verfahren: 14 Anerkennung von Staaten und Regierungen: 71 ff., 188, 655 Apel, Karl-Otto: 656 Aquin, Thomas von: 106, 247, 249 Arendt, Hannah: 308 Aristoteles: 101 ff., 120, 255 f., 306 Außenpolitik, Verfassungsmaßstäbe als Leitkriterien: 71 ff., 655 Autonomisierung des Völkerrechts: 7 ff. Baxter, R. R.: 485 ff. bellum iustum: 165, 174 Beurteilungsspielraum: 681
Bilateralität von Verpflichtungen: 338 f., 341 ff. Binnenkonstitutionalisierung: 27 ff. Böckenförde, Ernst-Wolfgang: 143 Bologna-Prozess: 518 bonum commune: 258 Brunnée, Jutta: 644 Charta der Vereinten Nationen, s. UNO-Charta Cicero: 103 ff., 238 civitas dei: 262 f. civitas maxima – bei Kelsen: 164 – bei Lauterpacht: 177 – bei Wolff: 272 ff., 278 ff., 283 ff. clausula rebus sic stantibus: 44 (Fn. 196), 220 Codex Alimentarius-Kommission: 83, 518, 524 Codex juris gentium diplomaticus: 261, 264 cohesive glue: 21, 90 Common Concern of Mankind: 11 common goods, s. Allmendegüter Common Heritage of Mankind: 10 f. common pool resources, s. Allmendegüter Conference of the Parties: 523 custom on a sliding scale: 482 ff.
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Charney, Jonathan I.: 493 Cheng, Bin: 492 f. Compensatory Constitutionalism: 77 ff. constitutio: 103 ff., 106 ff., 114 constitutional moment: 150 – Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs als ~: 42 – Individualisierung des Völkerrechts als ~: 15 – UNO-Charta als ~: 31 dédoublement fonctionnel: 213, 223, 242 Deduktion: 21, 496 ff., 656 Delbrück, Jost: 438 ff. Demokratie – ~ als Parameter: 550 ff. – ~ als Prinzip: 668 – ~-begriff: 532 ff. – etatistische ~theorie: 130 f., 139 – ~-konditionalität: 562 f. – Menschenrechts- und ~klauseln: 71 – völkerrechtliches ~prinzip: 69 Derogationsverbot: 320 f. Dicey, Albert Venn: 546 diplomatischer Schutz: 15, 373 f. Diskurstheorie: 313 f., 534 domaine réservé: 63, 223, 517, 540 domestic analogy: 312 Doppelvertrag, Lehre vom: 125 ff. Dreivertragsschema: 126 Drittwirkung von Verträgen: 430 ff. – ~ bei Kelsen: 166 f.
Sach- und Personenregister
– ~ bei Scelle: 220 – institutionelle Verträge: 461 ff. – Menschenrechtsverträge in Sukzessionsfällen: 463 ff. – objektive Regime/Statusverträge: 452 ff. – UNO-Charta, s. UNOCharta Droit objectif: 209 f., 220, 225, 226 Duguit, Léon: 209 f. Durchgriffswirkung des Völkerrechts: 52, 519, 524 Durkheim, Émile: 210 Dworkin, Ronald: 665 école réaliste: 209, 214 f., 229 f. Effektivität, Prinzip der: 163, 371 Elster, John: 64 EMRK: 14, 65, 420 f., 572, 602 ff. Entwicklungsvölkerrecht: 60 Entwicklungszusammenarbeit: 71, 546, 562 erga omnes-Verpflichtungen: 41, 332 ff., 371 f., 375, 425, 651 – Identifikationskriterien: 351 ff. erga omnes-Wirkung: 430 f. Erklärungen, einseitige: 584 ff. Esser, Josef: 665 Estoppel: 589 Etatismus: 123 ff. ethische Gehalte des Völkerrechts: 9 ff. Eunomie: 101 Europäische Menschenrechtskonvention, s. EMRK fait social: 209 f., 229
Sach- und Personenregister
Fassbender, Bardo: 31 Feuerbach, Paul Johann Anselm von: 116 f., 128 Fichte, Johann Gottlieb: 297 Fitzmaurice, Gerald: 457 Flüchtlingslager: 527 Föderalismus – als Parameter: 539 ff. – bei Kant: 289 f. – bei Lauterpacht: 188 f. – bei Scelle: 216 ff. forum shopping: 43 Fragmentierung des Völkerrechts: 43, 87 ff., 495, 523, 528, 548, 660, 676 ff. Franck, Thomas: 652 Französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte: 116, 632 Freihandel: 13, 37, 66, 68, 287 Friede durch Recht: 169 ff., 233 Friede, ewiger – bei Kant: 287 ff. – bei Leibniz: 267 ff. Frieden: 18, 31, 204, 216, 544 Frieden, Recht auf: 11 Friedensbedrohung: 14, 523 Friedensbund, s. Völkerbund bei Kant Friedenssicherung: 9, 30, 325, 397 ff., 421, 424, 433 f., 578, 610 Friendly Relations-Deklaration: 10, 448, 489, 493, 554 Fuller, Lon: 644 Fundamentalnormen: 21, 331 ff., 369, 406 ff. Funktionalismus: 52, 504, 567 ff., 596 Funktionsnachfolge: 581 ff.
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Geltungsbegründung des Völkerrechts: 55 ff., 200, 202, 209 Gemeinschaftsinteressen: 2, 9 ff., 15 ff., 18 ff., 28, 41, 59 f., 94, 323 ff., 325 ff., 347 f., 354, 359, 407 ff., 433 ff. Gemeinwohlorientierung des Völkerrechts: 9 ff., 12 ff., 25, 210, 236, 435, 508 f. general international law: 493 Generalversammlung der Vereinten Nationen: 30, 39 f., 271, 382, 442, 448, 506 – Resolutionen: 491 ff., 593, 646 Gerichtsbarkeit, internationale obligatorische – bei Kelsen: 169 ff. – bei Verdross: 204 Gerichtshof der Europäischen Union: 34 ff. Gesellschaftsvertragslehre, s. Kontraktualismus Geyser, Joseph: 191 Global Administrative Law: 91 ff., 537 global governance: 93 Globales Verwaltungsrecht, s. Global Administrative Law Goldene Bulle: 107 f. good governance: 544, 558, 562, 600, 613, 678 Grimm, Dieter: 144 ff. Grotius, Hugo: 177 f., 259 f. Grundnorm – bei Kelsen: 161 – bei Verdross: 192 ff., 200, 204 – UNO-Charta als ~: 57
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Habermas, Jürgen: 299, 397, 640, 656 Häberle, Peter: 123 Hartmann, Nicolai: 19, 191 Hayek, Friedrich A.: 66 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: 141, 193 Heiliges Römisches Reich: 264 ff., 300 Herrschaftsbegründung durch Verfassung: 49 ff. Herrschaftsbeschränkung durch Verfassung: 49 ff. Hierarchisierung im Völkerrecht: 317 ff., 617 Hofmann, Hasso: 150 Hoheitsgewalt: 144 f., 299 ff., 513 ff. Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen: 519 Humanitäre Intervention: 397 ff. Husserl, Edmund: 191 Hypothekentheorie: 577 ff. ICANN: 83, 91 ICSID: 14 f. ICTR, s. Internationales Strafgericht für Ruanda ICTY, s. Internationales Strafgericht für das ehemalige Jugoslawien Identitätswandel: 636 ff. Immunität: 18, 338, 388 ff. Indispensable Third PartyRule: 41 Individuum, Rolle im Völkerrecht: 14 f., 77 f., 517, 524 ff. – bei Kelsen: 163 f. – bei Lauterpacht: 185 f. – bei Scelle: 226 ff.
Sach- und Personenregister
Input-Legitimität: 514 institutio: 108 institutional managerialism: 48 f. Interessentheorie: 179, 264, 312 international legal process school: 48 f. Internationale Arbeitsorganisation (ILO): 9, 39, 46 f., 185, 222 Internationale Gemeinschaft: 11, 17, 31, 56, 58, 59, 75, 203 f., 231 ff., 253 f., 287, 345, 352, 356, 358, 360, 440, 476 Internationale Organisationen – Bedingungen der Mitgliedschaft: 560 f. – Bindung an Menschenrechte: 564 ff. – Gründungsverträge als living instruments: 50 – Gründungsverträge als Verfassungen: 28 ff., 570 ff. – Verantwortlichkeit: 602 ff. Internationale Strafgerichtsbarkeit: 43 Internationaler Gerichtshof: 38 ff., 90 Internationaler Strafgerichtshof: 42 f., 52, 519 Internationales Komitee vom Roten Kreuz: 9, 335 Internationales Strafgericht für das ehemalige Jugoslawien: 43, 52, 525 Internationales Strafgericht für Ruanda: 43, 52, 525 Interpretation, Rolle bei Kelsen: 171 f.
Sach- und Personenregister
Isensee, Josef: 125, 130, 139 Isonomie: 101 ius cogens: 80, 90, 287, 332, 428 ff., 651, 656 ff., 672 – bei Verdross: 198 – Identifikationskriterien: 343 ff. – Konstitutionalisierung: 370 – Rechtsfolgen der Verletzung: 367 ff. – verfassungsrechtlicher Charakter: 361 ff. – Vorrang: 363 ff., 673 ius gentium – bei Gaius: 245 – bei Suárez: 251 ff. – bei Vitoria: 245 ff. ius gentium consuetudinarium: 279 ius gentium necessarium: 275, 275 ius gentium pactitium: 279 ius gentium voluntarium: 263 f., 278 ff., 281 Jackson, John: 48 Jellinek, Georg: 133 f., 138 f., 178 (Fn. 127) Jenks, Clarence Wilfred: 28, 89, 422 Juridifizierung: 37 Jurisdiktion: 374 f. Kant, Immanuel: 127, 129, 287 ff., 532, 656 Kelsen, Hans: 79, 160 ff., 275, 410, 656, 676 Keohane, Robert O.: 505 Kollektivität von Verpflichtungen: 338 f. Kollisionsklauseln: 320 Kollisionsprinzipien: 676 ff. Kompetenzordnung
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– bei Scelle: 219 ff. – bei Verdross: 197 Kompetenzvölkerrecht: 17 Komplementarität: 540 ff. Konstitution: 116 Konstitutionalisierung: – als Leitidee: 615 – als Paradigma: 6 f. – als Perspektive und Vision: 5 f., 114, 174, 287, 512, 658 f. – als Prozess: 6 f., 304 ff. – als Rechtfertigungstopos für Machtinteressen: 615 – alternative Szenarien: 6 – Begriff: 1 f. – bei Scelle: 223 ff. – ~ des ius cogens: 370 – ~ internationaler Entscheidungsstrukturen: 531 ff. Konstitutionalisierungslehre – epistemischer Mehrwert: 615 – kritisches Potential: 61, 615 – Merkmale: 5 f. – Vorläufer in der europäischen Völkerrechtslehre: 157 ff. – wertekonstitutionelle Ansätze: 8 ff., 192, 346 ff. – Wurzeln in Naturrecht und Aufklärung: 235 ff. Konstitutionalismus: 147, 153 – in Deutschland: 118 Konstruktivismus: 637 ff. Kontraktualismus: 125 ff., 280 ff. Koordinierung, Methode der offenen: 518 Kosmopolitismus: 81, 92, 160 ff., 175, 239, 260, 282 Kratochwil, Friedrich: 19
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Kritische Rechtstheorie: 26 f., 160, 319 Krüger, Herbert: 136, 139 Lauterpacht, Hersch: 175 ff., 648, 676 Leges fundamentales: 110 ff. Legitimität der Völkerrechtsordnung: 58, 512 ff., 516 ff. Leibniz, Gottfried Wilhelm: 261 ff. lex: 104 lex mercatoria: 84 Liberalismus: 6, 13, 23, 25, 66, 68, 113, 118, 175, 201, 290 ff., 314, 550 Lotus-Formel: 42, 80 Luhmann, Niklas: 150 Magna Charta Libertatum: 108 Marburger Schule: 160, 193 f. margin of appreciation, s. Beurteilungsspielraum Martens’sche Klausel: 497 McNair, Arnold: 458 f. Meeting of the Parties: 523 Mehrebenenkonstitutionalismus: 77 ff. Mehrebenensystem: 78 f., 539 ff. Mehrheitsprinzip: 31, 167, 170, 247, 278, 458, 523 Menschenrechte: 13 ff., 63 ff., 287, 327 f., 463 ff. – als Prinzipien: 668 – Beitrag des IGH zur Entwicklung und Interpretation: 40 – ~ der dritten Generation: 11 f., 322 – Menschenrechts- und Demokratieklauseln: 71
Sach- und Personenregister
– Menschenrechtsverletzungen als Friedensbedrohung: 14 – relative Normativität: 321 f. – ~ und WTO: 68 Merkl, Adolf: 167, 192 Monadenlehre: 268 Monismus: – bei Kelsen: 160 ff. – bei Verdross: 201 ff. Monumenta Germaniae Historica: 107 Moralisierung des Völkerrechts: 22, 174 mos maiorum: 105 f. Münchhausen-Trilemma: 656 Multilevel Constitutionalism: 77 ff., 540 Nachvollzug, autonomer: 449 NATO: 523, 603 Naturrecht: 317, 397 – bei Lauterpacht: 176 ff. – bei Verdross: 196 f. – Bezüge der Konstitutionalisierungsidee zum ~: 236 ff. Nebenverfassung: 63 ff. – WTO-Recht als ~: 65 ff. Netzwerke, transnationale: 45, 82 ff. Neukantianismus: 160 ff., 193 New Haven, Schule von: 24 ff., 229, 318 Nichtregierungsorganisationen, NGOs: 47, 481, 531, 534 ff., 639 Normativität, relative: 319 ff. Nys, Ernst: 245 Objektive Regime: 452 ff. Öffentliche Güter: 433 f. Öffentlichkeit: 682 Onuma, Yasuaki: 653
Sach- und Personenregister
Optimierungsgebote: 665 ff. Orbisfigur: 240 ff., 253 ff. ordre public: 15, 346 ff. Output-Legitimität: 514 overall controll als Zurechnungsstandard: 44 (Fn. 196) pacta sunt servanda: 111, 194, 202 pactum ordinationis: 126 pactum subiectionis: 125 f. pactum unionis: 125 f. Paulus, Andreas: 360 pazifistische Schule: 158 (Fn. 9) Peace-Enforcement: 525 Peace-Keeping: 12, 525 Persistent objector: 429, 499, 592 Petersmann, Ernst-Ulrich: 65 f. Polis: 101 ff. Politik, Transzendierung der: 59 ff. politische Teilhabe, Menschenrecht auf: 552 f. Polybios: 106 Positivismus: 132, 177, 318 – soziologischer ~: 499 ff. precautionary principle: 44 (Fn. 196) Precommitment Theory: 64 Primat des Völkerrechts: 162 f. Prinzipien: 661 ff. – ~-begriff: 663 ff. Privatrechtsanalogie: 177 f. Project on International Courts and Tribunals: 33 f. public goods, s. öffentliche Güter
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Pufendorf, Samuel von: 111, 125, 262 rational choice: 23, 502 ff. Raz, Josph: 664 réalisme, s. école réaliste Realismus: 187, 260, 234, 319, 549, 640, 671 Rechtsbefolgungsmanagement: 46 f. Rechtsbegriff – Kelsens: 165 – Lauterpachts: 180 f. – Scelles: 209 ff. Rechtsetzung: 46 ff. Rechtsvergleichung: 626 ff. rector civitatis maximae: 277 regime building: 562 reine Rechtslehre: 160 ff. Resolutionen der Generalversammlung, s. Generalversammlung Responsibility to Protect: 70 f. Reziprozität – ~ in der Entstehung von Völkergewohnheitsrecht: 499 ff. – ~ von Verpflichtungen: 339 ff., 341 ff., 667 Risse, Thomas: 642 f. Rokeach, Milton: 19 Rousseau, Jean-Jacques: 127, 129 Rule of law: 542 ff., 669 Saint-Pierre (Abbé): 267, 283 Salamanca, Schule von: 237 ff. Sanktionen: 525 Scelle, Georges: 208 ff., 418 Scheler, Max: 19 Schmitt, Carl: 134 f., 138 f. Schücking, Walther: 158 (Fn. 9)
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Selbstbestimmungsrecht: 553 ff. Selbstrechtfertigung, Gebot der: 645 Selbstverpflichtungslehre: 133 f. Seyersted, Finn: 462 Sicherheitsrat der Vereinten Nationen: 14, 28, 30, 31, 39 f., 52 ff., 80, 325, 355, 363, 366, 435, 442, 446 f., 472, 492, 506 f., 522 f., 578, 602 ff. – Durchgriff auf den Einzelnen: 519 – Gewaltmonopol: 30, 398, 400 f., 421 f., 423 – Rechtsbindung: 53, 548 f., 569 f., 610, 659 – Rechtskontrolle: 53 f. Sikkink, Kathryn: 642 f. Simma, Bruno: 206 ff. Slaughter, Anne-Marie: 45, 529 societas magna: 274, 276 soft law: 85, 320, 646, 647, 662 Solidarität: 210, 216 Souveränität: 33, 70 f., 168, 187, 254, 257, 265, 430, 540 Spann, Othmar: 191, 201 Spieltheorie: 502 ff. Staat: 120 f. – als Verfassungsvoraussetzung: 136 ff. Staatengemeinschaftsinteresse: 9 ff. Staatenimmunität: 388 ff. Staatensukzession: 463 ff., 575 ff. Staatenverantwortlichkeit: 332, 371 ff. Staatssouveränität: 131
Sach- und Personenregister
status: 106 f., 111 Statusverträge: 452 ff. Stoizismus: 238, 306 structural bias: 88 Strukturanpassungsprogramme: 525 Stufenbau der Rechtsordnung – bei Kelsen: 167, 172 – bei Lauterpacht: 180 – bei Verdross: 192 Suárez, Francisco: 250 ff. – Rezeption bei Verdross: 191, 201 Subsidiarität: 540 ff Systemtheorie: 26, 56 Tesón, Fernando: 291 ff. Tomuschat, Christian: 193 (Fn. 208), 335, 437 f., 496 Toope, Stephen J.: 644 Toulouse, Gregor von: 107 tragedy of the commons: 508 traité-loi: 220, 225, 488 Transnational Legal Process: 87 Transnationale Unternehmen: 528 Truyol y Serra, Antonio: 249 turn to ethics: 22 Übergangsverwaltung: 525 f., 576 f. Umwelt(völker)recht: 10 UNHCR, s. Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen Universalismus: 159, 201 ff., 237, 243, 258 ff., 262, 265 f., 270, 285, 302, 306, 629 universelle Normen: 427 ff. UNO-Charta – als Verfassung: 29 ff., 446 f., 659 f.
Sach- und Personenregister
– bei Lauterpacht: 185 – bei Verdross: 197, 205 – Drittwirkung: 440 ff. – Vorrang: 29, 80, 205, 409 ff. Vaihinger, Hans: 193 Vattel, Emer de: 112 f., 126 f., 276, 285 venire contra factum proprium, Verbot des: 589 f. Verdross, Alfred: 191 ff., 657 Vereinte Nationen: 9 f. – bei Lauterpacht: 189 Verfassung – als Gesetz des Staates: 131 – ~ der Völkerrechtsgemeinschaft: 197 – Entlastungsfunktion: 59 f. – Etymologie: 109 – revolutionäre ~en: 113 – ~sfunktionen: 61 f. – ~spluralismus: 619 ff. – ~sschöpfung: 33 ff. Verfassungsbegriff: 99 ff. – antiker ~: 100 ff. – bei Kant: 294 f. – bei Kelsen: 167 – bei Scelle: 218 ff. – Bezug zum Staat: 99 ff. – der Neuzeit: 109 – im Mittelalter: 106 ff. – Koppelung an den Staat: 119 ff. – materieller ~: 15 ff., 197, 335 ff. – Übertragbarkeit: 117 Verfassungshilfe: 74 ff., 561 f., 655 Verfassungsprinzipien: 1 f., 17, 218, 670 ff. Verfassungstransfer: 655
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Verfassungsvoraussetzungen, Lehre von den: 136 ff. Verrechtlichung: 32 ff. – von Herrschaft: 118 Verstrickungsprozesse: 636 ff. Vertragsvorbehalt, unzulässiger: 42, 375 ff. Vitoria, Francisco: 239 ff. – Rezeption bei Verdross: 191, 201 Völkerbund bei Kant: 295 ff. Völkerbundsatzung – bei Lauterpacht: 189 – bei Scelle: 221 – bei Verdross: 205 Völkerbundzeit: 157 f. Völkergewohnheitsrecht: 473 ff., 595 ff. Völkerrechtsfähigkeit des Individuums – bei Kelsen: 163 f. – bei Lauterpacht: 185 f. – bei Scelle: 214, 227 Völkerrechtsfähigkeit internationaler Organisationen: 590 ff., 659 f. Völkerrechtsgemeinschaft – bei Lauterpacht: 187 ff. – bei Verdross: 203 Völkerrechtsverfassung: 196, 201 Volkssouveränität: 118, 131 f., 148, 150 Vollkommenheitspflicht: 274, 276, 281 ff. Vorrang: 231, 284, 315 ff. – der UNO-Charta, s. UNOCharta – der Verfassung: 117, 225 f. 236, 328 ff. – des ius cogens, s. ius cogens
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– des Unionsrechts: 34 Wahlbeobachtung: 559 f. Wahlen: 534 Waldock, Humphrey: 457 ff. Weber, Max: 513, 519 Weil, Prosper: 326 f., 370 Weltbank: 518, 546, 562 Weltbürgerrecht: 301 ff. Weltgemeinschaft, s. internationale Gemeinschaft Weltordnungsverträge: 436 ff. Wendt, Alexander: 637 Werteordnung – ius cogens als ~: 346 ff. – Völkerrecht als ~: 8 ff., 18 ff. Wertphilosophie: 19, 199 Wolff, Christian: 271 ff. Wolfrum Rüdiger: 438 ff. World Bank Inspection Panel: 14 World Intellectual Property Organisation: 519
Sach- und Personenregister
World Order Models Project: 24 f. world order treaties, s. Weltordnungsverträge WTO – Konstitutionalisierung: 12 ff., 35 ff., 48 f., 65 ff. – Ständiges Berufungsgremium (Appellate Body): 35 – Streitbeilegungsmechanismus: 35 ff. – Trade Review Mechanism: 47 – ~ und Menschenrechte: 68 – WTO-Übereinkommen als Verfassung: 31 f. Zentralisation: 169 Zivilgesellschaft: 25, 46 f., 130, 325, 534, 536 f., 558, 563 Zurechnung: 602 ff. zwingendes Völkerrecht, s. ius cogens