Daniel Kristen
Kommissar Schlott, der Greifer mit dem sechsten Sinn Kriminalroman layout by AnyBody
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Daniel Kristen
Kommissar Schlott, der Greifer mit dem sechsten Sinn Kriminalroman layout by AnyBody
Worte des Dankes vorweg erspare ich meinen Lesern natürlich nicht; es gibt nämlich einige Leute, die einen warmen Dank wirklich verdient haben. Also, ich danke: Trinity, Ariane, Eva, Tanja, Laura, Rachel, Barbara, René, Benjamin und natürlich meinem werten Kollegen MARC.
*** Dieses Buch ist Tanja Coenen gewidmet, die durch ihre konstruktive Kritik und ihren großen Spaß an dieser Art Lesestoff maßgeblich zur Entstehung und zum Gelingen des ersten Benno Schlott-Romanes der Welt beigetragen hat. ***
Inhalt Inhalt .....................................................................................3 Kapitel 1 Der Kommissar sieht hell und nimmt fest............................5 Kapitel 2 Der Kommissar telefoniert und fährt schnell......................10 Kapitel 3 Der Kommissar drückt einen Klingelknopf und nimmt ein Buch aus dem Regal ..........................................................16 Kapitel 4 Der Kommissar schaut auf die Speisekarte und sagt "Lecker!" .............................................................................22 Kapitel 5 Der Kommissar sieht Polizeiautos und guckt auf einen Bucheinband.......................................................................29 Kapitel 6 Der Kommissar funkt und knabbert Chips beim Fernsehen ............................................................................................35 Kapitel 7 Der Kommissar ermittelt weiter und kriegt eine bessere Laune ..................................................................................41 Kapitel 8 Der Kommissar redet mit Bello und macht einen Brief auf50 Kapitel 9 Der Kommissar bekommt eine Beule am Kopf und ist sauer ............................................................................................60 Kapitel 10 Der Kommissar macht geschickte Schnitte und sieht sich einen Dickdarm an..............................................................71 Kapitel 11 Der Kommissar wird geweckt und klebt einen Zettel an die Tür.......................................................................................83 Kapitel 12 Der Kommissar macht einen Zaun kaputt und tritt nochmal dagegen ..............................................................................98
Kapitel 13 Der Kommissar zeigt einen Mißstand auf und mag sein Essen nicht .......................................................................109 Kapitel 14 Der Kommissar zerquetscht eine Fliege und findet es doof, daß sie einen Fleck macht ...............................................119 Kapitel 15 Der Kommissar drückt einen falschen Knopf und sagt "Na sowas!".............................................................................130 Kapitel 16 Der Kommissar feiert und bekommt einen nassen Schuh ..........................................................................................144 Kapitel 17 Der Kommissar kauft ein und hat keine Zeit zum Essen.152 Kapitel 18 Der Kommissar fährt nach Hause und holt eine Schaufel ..........................................................................................161 Kapitel 19 Der Kommissar tritt in Hundescheiße und mag das nicht ..........................................................................................179 Kapitel 20 Der Kommissar ißt einen Schokoriegel und es geht nicht besser...............................................................................189 Kapitel 21 Der Kommissar fragt und schwitzt...................................202 Kapitel 22 Der Kommissar macht ein Spiel und danach was anderes ..........................................................................................211 Kapitel 23 Der Kommissar liest und will fangen gehen.....................224 Kapitel 24 Der Kommissar steigt aus dem Bad und ist ernstlich böse ..........................................................................................238 Letztes Kapitel Der Kommissar bereitet vor und kriegt ein Glück............246 Epilog ................................................................................255
Kapitel 1 Der Kommissar sieht hell und nimmt fest Kriminalhauptkommissar Benno Schlott saß an seinem Schreibtisch und starrte in seine Kristallkugel. Er wollte ersteinmal versuchen, den Mörder bequem zu fassen. Aber er sah nur sein eigenes verzerrtes Gesicht im Rund der Kugel. Nach einer halben Stunde, als er schon beinahe dösig war und schielte, gab er endlich auf. Der Kommissar lehnte sich in seinem bequemen Chefsessel zurück. Es war ein "Skrulleby" aus der "Tövelborg"-Serie, den er billig bei IKEA erstanden hatte. Es fehlten ein paar Schrauben, aber dafür war der Sessel ziemlich bequem und aus schwitzfreiem Kunstleder. Er schob sich seine Lieblings-CD in den Player, Schuberts "Unvollendete", die konnte man so schön mitsummen. Benno Schlott summte gerne mit. Seiner Ansicht nach war die "Unvollendete" Schuberts vollendetste Symphonie. Schlott fand dieses schwache Wortspiel total toll. Er hatte ein sehr komfortables Büro, denn er war der beste aller guten Kommissare in ganz Bad Salzfischbach und auch sonst irgendwo. Bad Salzfischbach war eine kleine Stadt in der Nähe von Bad Salzuflen. Der Kommissar fing alle Verbrecher, und das mit tollen und unkonventionellen Methoden. Schlott war nämlich ein esoterischer Kommissar, der nur ungern Zeugen befragte, sondern viel lieber den Kaffeesatz oder seine Kristallkugel. Zeugen redeten immer nur Blödsinn. Das waren doch alles Salatwichser und Quadratgeigen! Schlott zündete seine Pfeife an; er hatte sie vor einigen Jahren beim Martinszug heimlich vom Weckmann seines Sohnes abgemacht, und griff nach seinem Lieblingsbuch: Dem Reiseführer "Magisch reisen/Toscana". Heute war einfach der Wurm drin. Der Kommissar hatte am Morgen einen neuen Fall -5 -
übertragen bekommen, er mußte nun den gefürchteten Zigarrenmörder, der Leute mit vergifteten Zigarren umbrachte, suchen, finden und einsperren. Eben der übliche Quatsch. Die Opfer waren immer Frauen und immer Nichtraucherinnen, was mal wieder bewies, daß Raucher doch gesünder lebten. Es war schon toll: Der Mörder hatte allein letzte Woche 17 Frauen getötet und jeden Tag wurden es mehr. Benno Schlott bewunderte solche Kerle. Das waren noch richtige Draufgänger. Solche zu fangen sah der alte Hase Schlott für einen tollen Sport an. Dummerweise gab es noch keine einzige Spur. Die herkömmlichen Methoden der normalen Mordkommission hatten nichts gebracht, natürlich nicht; Schlott hatte Schuhe, die mehr Hirn besaßen als Justinian Wachsgurke von der Mordkommission 1, und auch Pendel, Kaffeesatz, Kristallkugel und Salatköpferücken blieben erfo lglos. "Die Nieten von der normalen Mordkommission, die sollte man wieder Strafzettel aufschreiben lassen in der Innenstadt. Meines Erachtens sind die doch der Riesenmißstand." Schlott hatte recht. Nun überlegte der Kommissar. Er war sehr klug und überlegte besser wie sonst wer auf der Welt. Aber ihm fiel nichts ein. Nein, es fiel ihm doch etwas ein: Er wollte eine letzte esoterische Methode anwenden, und wenn die nichts bringen sollte, dann mußte er seine Ermittlungsarbeiten eben etwas normalisieren (aber nur etwas, versteht sich) und, was ihn besonders schmerzte, seinen gemütlichen Sessel verlassen und richtig im Außendienst arbeiten. Benno Schlott konnte schuften wie die Pest, aber am liebsten im Büro. Der alte Fuchs stand auf, zog auf dem Boden ein Kreidepentagramm und legte in die Mitte zwei Frühlingszwiebelchen. Er wollte den Geist seines verstorbenen Hausarztes Doktor Bilbo Gleitcreme beschwören, der hatte ihm schon oft geholfen. Schlott konzentrierte sich und konzentrierte sich und konzentrierte sich... aber nichts. Heute wollte es einfach nicht klappen. Kein bißchen Kontakt. So ein dummer -6 -
Geist. Er war auch kein besonders guter Arzt gewesen. Immer mit Frauen im Bett. Kein Wunder, daß er ermordet wurde. Aus Eifersucht. Schlott hatte den Mörder selbst einfangen lassen. Gleitcremes sechste Ehefrau Corega. Nun, egal, es hatte nicht geklappt. Der Kommissar überlegte, was jetzt zu tun sei. Er zog seinen Trenchcoat an, setzte die Mütze auf und verließ das Kommissariat, es war das K2r. Schlott schlenderte zu seinem Wagen. Er hatte einen tollen Wagen; er war neu, rot, flach, schön und schnell. Er drehte den Zündschlüssel herum und fuhr los. Zur "Heiße-Hefe-Bar" in der Flinke-Finger-Straße. Da wollte Schlott eine Routineverhaftung durchführen. Dazu wählte er immer fünf Personen willkürlich aus, die er verhaftete und überprüfte. Mit etwas Glück konnte der Zigarrenmörder darunter sein, denn Bad Salzfischbach war keine sehr große Stadt, aber schön und gemütlich, außerdem gab es dort Sehenswürdigkeiten wie Heu. Mit gezogener Waffe stürmte er in die Bar, schoß die Einrichtung über den Haufen, brüllte wie eine durchgedrehte Urzeitnacktschnecke und nahm fünf Leute fest, die er mit Handschellen linken Arm an rechtes Bein fesselte, damit sie nicht flüchten konnten. Das machte er immer so, es war sozusagen seine Handschrift. Drei junge Frauen und zwei Männer mit bösen Gesichtern hatte er verhaftet. Wer so schaute, war bestimmt ein garstiger Mensch. Oder die beiden waren einfach sauer, weil sie verhaftet wurden, oder man hatte sie abgezockt, oder sie wollten gerade selber wen abzocken, oder sie fanden die Cocktails zu teuer oder Schlott zu unhöflich oder die Barfrau zu häßlich oder eine Routineverhaftung einfach zu umständlich und lästig. Das wäre zumindest zu verstehen gewesen; aber ein bißchen kleinschissig trotz allem. Heutzutage mußte man global denken. Das war wichtig. Der Kommissar dachte global. So global, daß er davon überzeugt war, daß sich sein Gehirn in knapp 24 Stunden einmal um sich selbst drehte. Schlott war immer bereit, eine Menge Unsinn zu glauben; nur -7 -
deshalb war er so unschlagbar in seinem Beruf. Das Wort "global" gefiel ihm. Er hatte es aus "Bild der Frau". "Bild der Frau" gefiel ihm auch, da waren viele Bilder drin und viele Frauen und gute Sachen fürs Selberstricken. Er stopfte die fünf Leute auf den Rücksitz seines Wagens, gefesselt mit den schon beschriebenen Hand-Fußschellen. Alle fünf murrten, aber das störte den Kommissar überhaupt nicht, er brauchte beim Fahren nur ein wenig transzendentale Meditation zu machen und ein leises "Ommmmm" zu brummen, und schon war er wieder ganz die Ruhe selbst. Er brüllte: "Klappe dahinten, sonst fehlen gleich einigen die Schneidezähne. Ich kann auch Gehirnpampe aus euren Köpfen machen, oder eure Eier zu Brei treten, falls ihr welche habt, ihr Schweißgesichter, ist das klar?" Das sagte der Kommissar aber nur zu vier Leuten, überhaupt hauptsächlich zu den Männern, denn die eine junge Frau gefiel ihm, und außerdem hatten ja Frauen gar keine Eier, höchstens mal im Einkaufskorb; Hühnereier nämlich. Zum Beispiel Samstag morgen auf dem Markt. Die eine Frau erinnerte ihn an eine Italienerin, die er einmal als Junge in der Toscana getroffen hatte. Sie hieß Alfons und war seine erste Jugendliebe. Ihre Eltern waren Germanophile gewesen und hielten Alfons für einen deutschen Mädchennamen. Man hatte ihnen wohl nicht die Wahrheit gesagt. Ach, das waren noch Zeiten gewesen. Damals hatte er noch keine Ahnung gehabt von magischem Reisen und Karma, aber schön war es trotzdem gewesen. Mit einem lauten Quietschen hielt der schnittige Wagen des Kommissars vor dem Polizeipräsidium. Benno Schlott rief nach seinem Assistenten Gertrud, einem jungen Spanier, dem es ähnlich ergangen war, wie Kommissar Schlotts Jugendliebe, nur hatte er das Problem halt mit einer Jungennamenverwechslung -8 -
(whow, das ist ein tolles Wort und sehr lang.). Gertrud konnte nur Spanisch, aber das machte nichts, denn Schlott sprach alle Sprachen von der Welt perfekt. "Furo fortón los Criminalos al el Caron par favor!" Das hieß, Gertrud solle die Kriminellen aus dem Auto abführen. "Ma non la signorita con l´ aro nevado!" Das hieß "Aber nicht die Dame mit dem schwarzen Haar!" Gertrud tat wie ihm befohlen wurde. Er war ein guter Assistent. Er folgte seinem Chef und tat alles, ohne nach dem 'Warum' zu fragen. Warum auch? Benno Schlott unterdessen ging zurück in sein Büro, legte unterwegs noch schnell die Putzfrau flach und nahm sich dabei vor, seiner Frau nichts davon zu erzählen. Kommissare taten nämlich immer sehr geheim und da war auc h ein esoterischer Kommissar keine Ausnahme. Im Büro befragte er dann ersteinmal seinen Kaffeesatz (Ballmayr, entkoffeiniert) und war enttäuscht. Der Kaffeesatz zeigte ihm an, daß keine der Personen vorbestraft und keine von ihnen der Zigarrenmörder war. Das ärgerte den transzendentalen Greifer und er beschloß, die vier trotzdem aus Wut noch eine Woche im Knast schmoren zu lassen; die junge Frau mit den dunklen Haaren wollte er freilassen, sich aber für ein Rendezvous ihre Adresse geben lassen, vielleicht. Ach nein, die hatte er ja sowieso gar nicht erst abführen lassen. Egal. Aber jetzt hatte er sich erstmal einen schönen Feierabend im Kreise seiner Lieben verdient. Ach ja, seine reizende Frau Milupa und sein süßes kleines Söhnchen Bello. Was er wohl machte, der kleine Räuber... Wenn Schlott sich richtig erinnerte, studierte er im sechsten Semester Medizin. Ach, er hatte einfach zu wenig Zeit für seine Familie. Aber jetzt kam er ja nach Hause. Er nahm sich vor, erst im zweiten Kapitel wieder zur Arbeit zu ge hen.
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Kapitel 2 Der Kommissar telefoniert und fährt schnell Am nächsten Morgen war Kommissar Benno Schlott schon früh im Büro: Keine zwanzig Minuten nach Dienstbeginn. Außer ihm, der immer nur Dienst kannte, fing hier keiner von den ganzen Versagern vor elf an zu arbeiten. Ein Mißstand war das! Kaum saß Schlott in seinem bequemen Chefsessel und hatte eine CD eingelegt (diesmal eine Oper von Mozart), da klingelte auch schon das dumme Telefon. Er ärgerte sich erstmal eine Weile und überlegte dann, was er machen sollte, besser gesagt: er kombinierte. Nur einfache Menschen überlegten und Schlott war ein sehr schwieriger Mensch, außerdem kombinierte jeder Kommissar. überall und immer. Vielleicht sollte er einfach abnehmen. "Vielleicht sollte ich einfach abnehmen." kombinierte er laut. Dann kombinierte er weiter: "Ach nein, ich habe ja schon mein Idealgewicht." Das verdankte Schlott übrigens Fernando Puffgabel, dem Hundetrainer seines Dackels Minuto. Wenn Hundeschule war, machte der alte Fuchs einfach alle Übungen mit. Das hielt fit und man bekam vom Apportieren ein kräftiges Gebiß. Nach dem zwölften Klingeln ging der Greifer dann einfach an den Apparat. Er hatte keine Lust mehr zum Kombinieren. "Hier ist der Herr Kriminalhauptkommissar Benno Schlott vom K2r, Mordkommission (esoterische Spezialeinheit). Hallo, wer spricht denn da?" "Es ist ein Mord geschehen!" sagte die Stimme am anderen Ende der Leitung. "Also, ich muß doch wohl mal bitten, ja? Beantworten sie gefälligst zuerst meine Frage, bevor sie durch eigenmächtige und vorschnelle Diagnosen die Ermittlungsarbeiten behindern, -1 0 -
sie schmierseifiger Odoakenfaschist. Wer ermordet ist und wer nicht, bestimmt Gott sei Dank immer noch unsere beliebte Rechtsmedizin, und natürlich ich mit meinem geweihten Kupferpendel. Also, noch mal von vorne: Wie heißen sie?" "Äh, Sammy Sparfilz." antwortete die Stimme. "Wie ich meiner Kristallkugel gerade entnehme, sind sie ein Mann männlichen Geschlechts, ist diese Information korrekt?" fragte der Kommissar weiter und blickte streng, um den Anrufer einzuschüchtern. Er wußte zwar, daß man ihn am anderen Ende der Leitung gar nicht sehen konnte, aber er war aus Prinzip nicht bereit, sich anders zu verhalten, bloß weil man ihm noch kein Bildtelefon bewilligt hatte. "Korrekt." sagte der Anrufer mit ärgerlicher Stimme. "Gut. Wenn tatsächlich ein Mord geschehen ist, dann müßte ja die Polizei bei ihnen sein. Ist die Polizei bei ihnen?" fragte Schlott messerscharf weiter. Er war nämlich sehr klug im Kombinieren. "Aber, ich rufe sie doch gerade erst..." stammelte der Mann am anderen Ende der Leitung noch wütender als zuvor. Der hatte echt keine Nerven, dieser Palettenkrämer! Sowas Undiszipliniertes! "Weichen sie verdammt noch mal nicht immer aus. Ich sollte sie mit meinem Messer erdrosseln lassen, sie Subjekt. Also, ist die Polizei bei ihnen, ja oder nein?" "Nein, noch ni..." "Na bitte, dann kann doch wohl schwerlich ein Mord geschehen sein, denn die Polizei ist immer zur Stelle bei einem Mord. Das muß sie nämlich, das ist ihre Pflicht, dazu ist sie schließlich da." rief der Supergreifer triumphierend in den Hörer, bevor er ihn energisch auf die Gabel prellte. "Pah, ich lasse mich von so einem Idioten doch nicht verscheißern. Ha!" sagte er und schaltete die CD wieder ein. -1 1 -
Später wollte der Kommissar vielleicht noch einmal den Fundort der letzten Leiche aufsuchen und nach Spuren abpendeln. Wie Schlott so dasaß und plante, kam Gertrud ins Zimmer gestürmt und rief aufgeregt :"Der Zigarrenmörder hat wieder zugeschlagen. Wir haben gerade einen Anruf von der Streife bekommen. Los kommen sie schnell! Wir müssen vor der Presse da sein und uns die Exklusivfotos sichern!" Er rief natürlich auf spanisch, aber der Autor nimmt sich einmal die Freiheit zu synchronisieren; wer's trotzdem noch mal auf Spanisch lesen möchte, bitte: "El muertero al cigarros à muertád ancora! Noi à recervado un callo da teléfón da la stripa justo. Alor, vendi snello! Noi musso essér là devàn la prensa para á síciare los fotós exclusívos!" "Was, wieder ein Mord? Ich komme!" rief Schlott in dem ihm eigenen kriminalistischen Eifer. Er sprang auf und zog sich seinen Trenchcoat an. Dazu setzte er seine Schiebermütze auf und war nun ganz unauffällig. Das heißt, er wäre unauffällig gewesen, wären nicht beide Kleidungsstücke grell orange und grün gestreift gewesen. Aber der Kommissar liebte natürliche, leuchtende Farben. Er hatte einen sicheren Geschmack. Das fand er gut und es war auch gut. Geschmack konnte man eben einfach nur haben oder nicht. Da gab's kein Vertun. Nun schnappte er sich noch seinen Tatortkoffer, und schon konnte es losgehen. Der Koffer enthielt eine Reisekristallkugel, ein praktisches Faltpentagramm, ein gedrehtes Kupferpendel, eine Wünschelrute, dazu noch einigen anderen Schnickschnack, den er im Esoterikfachhandel gekauft hatte und ein Playboyheft für eventuelle Wartezeiten im Dienstwagen. Playboy konnte der Kommissar nicht ausstehen, deshalb nahm er ihn für die Wartezeiten. Benno Schlott wartete nämlich nie; wenn es mal am Tatort nicht vorwärts ging wie er wollte, schoß er um sich und drohte mit Toten, wenn nicht sofort zügiger gearbeitet wurde. So war er eben. -1 2 -
Nun rannte der Bad Salzfischbacher Topgreifer zu seinem tollen neuen Wagen. Gertrud nahm er nicht mit, andere Leute störten ihn beim Ermitteln generell nur. Unterwegs legte er noch schnell die Putzfrau flach, die gar nichts dagegen machen konnte, so überrascht war die. Sie war nämlich noch neu im Revier. Der Kommissar war manchmal ein Macho und Sexist. Vor seiner Frau hatte er dann oft ein tierisch schlechtes Gewissen, wenn sie so dastand und unschuldig und unwissend im Suppentopf herumrührte, nur, um ihm was leckeres zu kochen, aber das störte ihn nicht. Benno Schlott stieg in sein schönes Auto und machte die Tür zu. So kam während der Fahrt keine Zugluft herein. Der Kommissar haßte Zugluft. In Zügen roch es nämlich immer irgendwie nach abgestandenen Zigarettenkippen, alten Fahrkarten und Schweiß. Ja, Benno Schlott roch das. Er war schließlich eine Spürnase und Spürnasen riechen alles, sogar das noch, was sie nicht riechen. Schlott gab Gas und fuhr los. Erst nach der dritten roten Ampel, die er hinter sich gelassen hatte, fiel ihm ein, daß er seinen Assistenten gar nicht nach der Adresse gefragt hatte, zu der er hinmußte. Er nahm sein schnittiges, aerodynamisch geformtes Handy mit den goldenen Initialen 'B.S.' und funkte Gertrud an, der im Präsidium gerade Schlotts Zierfischaquarium saubermachte. "Allo, Gertrud, senor Benno Schlott parlo!" Das war spanisch und hieß, daß da jetzt Benno Schlott sprach. Gertrud verstand das auch sofort, denn das Spanisch des Kommissars war ausgezeichnet, ganz akzentfrei. Er antwortete:" Allo, Chefe! Questà è lós? " Das hieß "Hallo, Chef! Was ist los?" Schlott funkte ihm zurück, daß er die Adresse brauchte, wo die Leiche war. Das dauerte eine Weile, weil dem Kommissar dummerweise das spanische Wort für Leiche entfallen war. Das hatte aber keine sprachtechnischen, sondern rein psychische -1 3 -
Ursachen. Der Kommissar hatte immer mit so vielen gräßlichen Morden zu tun, daß er nun Abwehrmechanismen zwischen sich einbaute und die Realität zu verdrängen versuchte. Das würde ihm sein Psychoanalytiker bei der nächsten Sitzung auch offenbaren, wenn er einen hätte. Aber Schlott hatte gar keinen Psychoanalytiker, wozu auch, er konnte ja selber Psychologie und außerdem war er ja wohl nicht bekloppt!. Gertrud funkte ihm zurück, daß die Leiche in der HerzogSparky- von-Mattenklott-Straße 47 im zweiten Stock links lag und es sich bei ihr um eine Frau Angina Sparfilz handelte. "Was? Angina Sparfilz? Dann hatte ihr Mann vorhin ja doch recht mit dem Mord! Sollte ich etwa falsch kombiniert haben? Na ja, Künstlerpech, ist mir doch gleich, ich mache nie was falsch. Nur manchmal. Sowas doofes, da kann man auch nichts machen, aber ich habe alles richtig gedacht." So rutschte es Benno Schlott vor Erstaunen auf Deutsch raus. Seine Pfeife rutschte ihm vor Erstaunen auch raus und hinterließ ein Brandloch auf seiner teuren gelben Filzhose. "Come par fàvor?" fragte Gertrud, der nichts verstanden hatte. Der Kommissar brüllte ihn auf spanisch an, er als scheiß Asylant solle verdammt noch mal ruhig sein, weil er gerade kombinierte und beendete das Funkgespräch. Das war vulgär und widerlich, aber dem Kommissar egal. Er war kein Ausländerfeind, das war auch als besonderes Kennzeichen in seine m Polizeiausweis vermerkt, deshalb durfte er ruhig mal derartig entgleisen. Was besseres fiel ihm halt gerade nicht ein. Er war aber trotz dieses Ausfalls völlig ruhig und entspannt geblieben, denn er hatte gerade transzendentale Meditation betrieben und danach war man grundsätzlich immer ruhig und entspannt; das mußte so sein. Auch wenn es nach außen nicht immer so aussah. Sonst könnte man sich die ganze Meditation ja auch gleich sparen. Der Kommissar überfuhr noch schnell zwei rote Ampeln und eine alte Dame, denn er war sauer, daß doch ein Mord passiert war und er es nicht erkannt hatte. Später sollte der Kommissar noch -1 4 -
saurer werden, denn er würde entdecken, daß die scheiß Oma seinen ganzen teuren Kühler vollgeblutet hatte und daß ihr Kopf, als er wegflog, auf den Kofferraum aufgeknallt war und eine Mordsbeule hinterlassen hatte. Aber jetzt fuhr er ersteinmal zur Herzog-Sparky- von-Mattenklott-Straße 47 und parkte seinen tollen Sportflitzer auf einem Behindertenparkplatz, auf dem unglücklicherweise vorher schon ein Wagen mit Fahrer gestanden hatte. Der Kommissar sah es zu spät und brummte: "Hmm, wenn der vorher nicht behindert war, dann isser's eben jetzt. Macht nichts. Man soll als Nichtbehinderter eben keine Behindertenparkplätze benutzen. Das ist der Denk zettel. Ha!" Dann stieg er über die unter seinem flotten Sportflitzer eingeklemmten Reste des anderen Wagens, glitschte auf denen des Fahrers beinahe aus und ging hoch in den zweiten Stock, um dort bei Sparfilz zu klingeln.
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Kapitel 3 Der Kommissar drückt einen Klingelknopf und nimmt ein Buch aus dem Regal Benno Schlott, Kriminalhauptkommissar vom K2r (Spezialeinheit) drückte den Klingelknopf in der zweiten Etage. Er wartete, aber nicht lange, denn bald wurde ihm geöffnet. In der Tür stand ein etwa vierzig Jahre alter Mann, der eine Brille trug und einen Anzug. Er sah aus, wie der Angehörige einer Ermordeten. "Guten Tag, Kriminalhauptkommissar Benno Schlott, Mordkommission (Spezialeinheit), K2r, von meinen Freunden auch Doc Schlott oder einfach nur Ben ge nannt. Aber sie sind nicht mein Freund, sie Stinkfresse. Aber sind sie vielleicht Herr Sparfilz?" sagte der Supergreifer und bemühte sich, wie sein großes Vorbild Stefan Derrick zu wirken. "Wie bitte?!" fragte der ein wenig nervös wirkende Mann zurück. In der Hand hielt er eine Zigarre und eine Flasche, auf der "Südamerikanischer Quetschkrötenextrakt" stand. Als er den Blick des Kommissars sah, steckte er beides schnell in die Hosentasche. Der Kommissar sah das natürlich, aber kümmerte sich nicht weiter darum. Jeder hatte eben seine kleinen Geheimnisse und hier ging es immerhin um Mord. Da durfte man sich nicht mit Kleinigkeiten aufhalten. "Tut mir leid, ich muß sie das fragen. Reine Routine, sie verstehen. Sie haben dadurch aber nichts zu befürchten. Also, nochmal, wie war ihr Name?" fragte Schlott routiniert. "Hanno Sparfilz. Mein Zwillingsbruder hat sie angerufen. Wissen sie, wir wohnen aus Kostengründen zusammen und haben uns aus Kostengründen auch die Frau geteilt. Sie sah gut aus und konnte auch für zwei kochen. Lecker Sachen aus der -1 6 -
Mikrowelle zum Beispiel. Und nun ist sie tot!" rief der Mann und weinte so sehr, daß der teure Trenchcoat und das noch teurere türkis-braune Seidenhemd des Kommissars ganz feucht wurden von den Spritzern (irgendwie hing ein Hauch von Zwiebel in der Luft. Ob diese Tränen gerade wohl echt gewesen waren...?). "Und sie vermuten, daß es der Zigarrenmörder war, der sie auf dem Gewissen hat?" fragte der Megaschnüffler, ganz in bester Derrick-Manier. "Da dürfte es wohl keinen Zweifel geben. Kommen sie, sehen sie selbst!" Sparfilz führte den Kommissar in die stilvoll eingerichtete Eigentumswohnung. Schlott grinste stillvergnügt. Das würde er mal wieder toll hinkriegen, so ein Fall war Routine für ein Bärenhirn wie ihn, hoffte er. Er wo llte sich gerade neben die Leiche knien, als ihm einfiel, daß er vergessen hatte, der Spurensicherung bescheid zu geben. Das war nicht so gut. Aber Benno Schlott wäre nicht Benno Schlott gewesen, wenn er nicht über solche kleinen Unregelmäßigkeiten gekonnt hinwegtäuschen hätte können (Achtung: super Satzbau!). Außerdem rief er sowieso nie die Spurensicherung, weil er immer alles selber machte. "Tja." sagte er und kniete sich neben die Leiche. Es handelte sich um eine etwa 30 Jahre alte Frau; wie Schlott schon an der gespreizten Stellung der Beine feststellen konnte, mußte es eine Blondine gewesen sein, denn, so wußte er als Frauentyp, Blondinen machten immer gleich die Beine breit, wenn man sie flachlegte. "Ihre Frau, bzw. die Frau ihres Bruders war blond, nicht wahr?" Schlott konnte Abkürzungen wie "bzw." toll aussprechen. "Nein, sehen sie doch mal auf ihre Haare, sie war brünett." sagte der Mann erstaunt. -1 7 -
"So, so, der Mörder versteht sein Handwerk. Durch die irreführende Stellung der Beine wollte er uns gla uben machen, die Dame sei blond. Ich muß sagen, es wäre ihm fast geglückt, nicht wahr?" Bei Ermittlungen sagte der Topgreifer immer 'nicht wahr', weil sein berühmter Kollege aus dem ZDF tat das auch immer. "Wäre das nicht eher ein Fall für die Spurensicherung oder die Rechtsmedizin, die Leiche zu untersuchen?" fragte Sparfilz, der offenkundig an Benno Schlotts Fähigkeiten zweifelte. Er hätte seine Zweifel mal lieber für sich behalten. Schlott wußte, daß er gut war. Er ließ nichts auf sich kommen. "So, so, wir haben wohl Angst vor dem Spitzengreifer der esoterischen Spezialeinheit der Kripo Bad Salzfischbach, was? Wir wissen wohl, daß Benno Schlott auch die beste Spurensicherung auf der ganzen Welt ist, wenn nicht gar in ganz Deutschland; aber nix da, ich untersuche jetzt die Leiche. Erst von Hand, dann mit meinem neuen esoterischen Tatortkoffer, nicht wahr? Der ist sehr nützlich und dabei noch formschön und elegant. Er wurde nämlich im Windkanal getestet und ist sogar für die Raumfahrt geeignet." Schlott knie te sich neben den Kopf der Leiche. Er kniff die Augen zusammen, denn er kombinierte wieder einmal. Dann kniff er nämlich immer die Augen zusammen. Im Mund der Toten steckte eine halb gerauchte, dicke Havannazigarre. Die Augen der Leiche waren weit aufgerissen und blutunterlaufen. Das sah ganz nett aus; es war zumindest ein guter Effekt, den man bei der Verfilmung dieses Buches auf keinen Fall außen vor lassen sollte. "Ha, ihre Frau ist erschossen worden, mein Herr, glatter Schädeldurchschuß, ziemlich großes Kaliber, der Befund ist eindeutig." sagte Schlott triumphierend. "Äh, aber ist das nicht eigentlich das Ohr, was sie da meinen?" -1 8 -
fragte der angehörige Mann der Verblichenen. Der Kommissar sah noch einmal genauer hin und mußte sich eingestehen, daß Sparfilz wohl recht hatte. Nun ja, jeder machte halt einmal einen Fehler. Die wahre Kunst bestand allerdings darin, den Fehler nicht zuzugeben. Diese Kunst beherrschte Benno Schlott fast ebensogut wie sein Pendel und seine magischen Salatköpfe. "Täuschungsmanöver des Täters, wirklich raffiniert, zugegeben. Er hat den Einschuß geschickt als Ohr getarnt. Ich wäre fast selbst drauf reingefallen. Aber es ist bestimmt ein Einschuß. Ich kann natürlich, um letzte Zweifel auszuräumen, auch noch mein Kupferpendel befragen, nicht wahr?" Schlott öffnete den Tatortkoffer, entnahm das Pendel und schwang es einige Male über dem Kopf der Toten hin und her. Dann kniff er die Augen zusammen und sprach: "Es ist ein Einschuß, aber vielleicht ist auch die Zigarre die Todesursache, immerhin haben wir es ja wohl mit dem Zigarrenmörder zu tun, nicht wahr. Die Einschußlöcher sind möglicherweise schon älter und stammen von einem Jagdunfall oder so. Ich werde meine Ermittlungsarbeiten jedenfalls auf beide Anhaltspunkte ausdehnen. Ich muß die Leiche dafür aber zur Obduktion mitnehmen. Ach, ehe ich es vergesse, wo ist eigentlich ihr Bruder, der uns angerufen hatte, nicht wahr?" Schlott blickte verschlagen, um Sparfilz vorsorglich gleich vom Lügen abzuhalten und hob mahnend den Zeigefinger. Dies war ein guter Psychotrick, den der Kommissar selbst erfunden hatte. Er war nämlich sehr klug und hätte auch beinahe ein Semester lang Psychologie studiert. Psychologie konnte er fließend. Den Trick nannte er "suggestive Mimik". Ja, der Kommissar war umfassend gebildet. Er kannte auch fast die gesamte Bibel auswendig. Zumindest die ersten Seiten der illustrierten Kinderbibel. "Oh, mein Bruder, der ist zur Stadtbücherei gefahren. Er hatte sich nämlich ein Buch geliehen und vorhin entdeckt, daß wir -1 9 -
dieses Buc h ja selbst auch besitzen, und sogar in einer schöneren Ausgabe. Da hat er es natürlich gleich zurückgebracht, wissen sie, wir sind in solchen Dingen sehr ordentlich. So ein Buch wollen ja andere auch noch lesen. Und wenn man das dann schon hat, wäre es eigentlich unfair, es trotzdem noch länger zu behalten, sie verstehen?" "Ist doch selbstverständlich, nicht wahr. Aber dürfte ich vielleicht fragen, um welches Buch es sich handelt?" Der Kommissar fragte geschickt, denn er wollte jede Spur verfolgen, und wäre sie noch so vage gewesen. Er war nämlich ein alter Fuchs, und sehr gerissen dazu. "Sie dürfen." antwortete Hanno Sparfilz höflich. Schlott fand das sehr entgegenkommend von ihm, denn tief in seinem Herzen hatte er fast befürchtet, Sparfilz würde nein sagen. Dann hätte der Kommissar sehen können, wo er seine Spur hernahm. "Gut. Um welches Buch handelt es sich?" "Um 'Der Heimatdoktor von Fichtenburg' von Fjodor Dostojewski; eins seiner späteren Werke, es ist ein Heimatschwank. Ein tolles Buch, es hat sogar einen Preis bekommen. Hier, sehen sie: 19,80 DM." Sparfilz zeigte Schlott das Preisschild am Buch und stellte das Werk ins Regal zurück. "Halt, einen Moment, ich muß das Buch leider beschlagnahmen, das wollte ich nämlich schon immer mal lesen, habe es aber nirgends gefunden. Außerdem könnte es eine Spur sein. Das werde ich später durch gezieltes Salatköpferücken mit meinem magischen Zirkel herausfinden. Gestatten?" Der Kommissar nahm das Buch mit Handschuhen wieder aus dem Regal und packte es in einen Klarsichtbeutel, damit man es leichter beobachten konnte. Das war Polizeimaßnahme. "So, jetzt muß ich aber gehen, sonst komme ich zu spät zum -2 0 -
Mittagessen in die Kantine. Ich nehme mir mal die Freiheit, mir ihre werte Frau Gemahlin mitzunehmen. Aber keine Angst, sie wird pünktlich zur Beerdigung zurück sein. Ha, ha, kleiner Scherz meinerseits, nicht wahr? Ich finde, mit Humor geht alles leichter, abgesehen natürlich von Uhrenreparieren und so, nicht wahr?" sagte Benno Schlott und warf sich die Leiche der Angina Sparfilz salopp über die rechte Schulter. Er verabschiedete sich höflich und winkte mit der Hand der Leiche. "Ein wirklich gut aussehender Mann, dieser Kommissar. Respekt, Respekt." murmelte Sparfilz anerkennend, während er Benno Schlott nachblickte. Der alte Fuchs ging zu seinem Wagen, wo er die Tote im Kofferraum verstaute und zündete sich eine neue Pfeife an. Was das mit dem Uhrenreparieren gesollt hatte, wußte er auch nicht, aber es klang vernünftig. "So, und nun ein gutes Mittagessen." sagte er noch und rieb sich den Bauch, bevor er davonbrauste.
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Kapitel 4 Der Kommissar schaut auf die Speisekarte und sagt "Lecker!" In der Kantine stellte sich der Kommissar, nachdem er sich ein Tablett genommen hatte, in die Schlange vor der Essenstheke. In der Kantine war Selbstbedienung angesagt. Der Kommissar fand, daß das ein Ärgernis war. Das änderte allerdings nichts an den Gegebenheiten. Vor ihm in der Schlange stand Kriminalhauptkommissar Abraham Mogelpilz von der Spurensicherung, ein guter Privatfreund der Schlotts, der auch Weihnachten immer dabeisein durfte, wenn die Familie Schlott unterm Baum ihre Geschenke austauschte. Dabei fielen immer Nadeln aus und versauten den Teppich. Mit einem Staubsauger ging das aber wieder weg; es machte bloß lästige Arbeit. Mogelpilz war ein echt korrekter Typ, der für Freunde auch mal fünfe zudrückte oder ein Auge gerade sein ließ. "Hallo, Abraham, schön, daß wir uns auch hier mal sehen. Tolle Überraschung." sagte der Kommissar. Er lächelte, denn er freute sich echt. Schlott war ein aufrichtiger Mensch, dem man es total ansah, wenn er sich mal nicht echt freute. Zum Beispiel, wenn Tante Nutella zu Besuch kam. Alle merkten, daß Benno Schlott sich nicht in Wirklichkeit freute, wenn sie kam, sondern nur so tat, weil er immer wenn sie wegschaute das Gesicht verzog und ihre feuchten Küsse abwischte. Nur Tante Nutella merkte das nie. Sie war eine wirklich dumme Person. Auch bei anderen Dingen. "Hallo, tolle Überraschung, Ben. Schön, daß wir uns auch hier mal sehen! Na, was macht Milupa? Wie steht's mit Bellos Studium und wie geht es Minuto, eurem süßen Dackel? Milupa ist wirklich eine tolle Frau, du hast echt Glück so lange mit ihr verheiratet sein zu dürfen, ahaha!" -2 2 -
Mogelpilz klopfte Benno freundschaftlich auf die Schulter. Es machte einmal kurz 'pffffff', als eins der aufblasbaren Schulterpolster des Kommissars seinen Geist aufgab. Aber wieso lachte der Typ so komisch. Hatte er was zu verbergen? Der Greifer würde das schon noch rausfinden. "Oh, da hat sich nicht viel geändert, seit du das letzte Mal bei uns warst. Aber schön, daß du fragst. Ja, du hast recht, Milupa ist wirklich eine tolle Frau. Sie hat echt Klasse und ist eigentlich auch immer freundlich zu mir, wenn ich mal zu Hause bin. Nur sie hat jetzt neue Schuhe, die gefallen mir nicht. Aber man muß ja nicht immer nur auf die Füße gucken, ihr Gesicht ist auch ganz nett. Und schließlich kann man sich seine Frau ja auch nicht malen, ha, ha, ha." "Ach ja, wie lang ist das doch schon her, daß ich das letzte Mal unter eurem Dach von Milupas köstlichen Bierplätzchen naschen durfte..." schwärmte Abraham Mogelpilz mit träumerischem Blick zur Kantinendecke, wo sich die Fliegen tummelten. "Schon bald drei Tage, wenn ich mich nicht irre. Und wie geht's selbst? Was macht Zewa, oder hast du inzwischen eine neue Freundin?" fragte der Kommissar. Er tat das gut, denn er war daran gewöhnt, Fragen zu stellen. "Oh, nein, immer noch Zewa. Hey, schau mal auf die Speisekarte, ich glaube heute gibt es dein Lieblingsessen, Ben." Schlott schaute auf die große Speisekarte über der Theke. Es gab jeden Tag nur ein einziges Gericht, aber dazwischen konnte man frei auswählen. Das war es, was der Polizeipräsident unter praktizierter Basisdemokratie verstand. "In der Tat. Kohlroulade mit Fischstäbchen und süß-saurer Senfsauce. Lecker! Ich glaube, das nehme ich. Wenn's schmeckt, dann ist Essen eine feine Sache." "Ich nehme das auch. Da sieht man's mal wieder, wie ähnlich wir uns sind. Sag mal, erinnerst du dich noch, wie wir früher -2 3 -
immer zusammen Beethoven gespielt haben? Hättest du nicht mal wieder Lust?" fragte Mogelpilz. "Klar erinnere ich mich. Ich hab' das letzte Mal zwar 0:12 verloren, aber ich hätte Lust. Hast du am übernächsten Samstag gegen 11 Uhr Zeit?" "Logisch, du kannst auf mich zählen." "Super, komm bei mir vorbei. So, aber jetzt muß ich schnell essen und dann den Zigarrenmörder fangen, er hat vorhin schon wieder zugeschlagen, der alte Mistkerl. Es ist eine Frau dabei gestorben. Tot." sagte Schlott und schob sein Tablett zur Kasse. Abraham Mogelpilz sah das natürlich sofort ein, daß die Zeit für den Greifer knapp bemessen war. Er mußte auch noch ein paar Spuren sichern und hatte selbst wenig Zeit. Jemand war in eine Schrottpresse geraten und zu einem Koffer verarbeitet worden. Alles voller Spuren, die gesichert werden mußten, was am Zustand des Toten aber nichts mehr änderte. Ein sehr stressiger und unnützer Job. Mogelpilz machte ihn gerne. Sie aßen noch zusammen und gingen dann nach einem herzlichen Abschied ihrer Wege, jeder in sein Büro. Schlott hatte das mit dem Keinezeithaben nur als Vorwand gesagt, weil er es mit der Angst zu tun bekam: Mogelpilz hatte im Gespräch behauptet, er und der Kommissar seien einander ähnlich. Aber das war totaler Scheißequatsch; in echt waren sie einander super unähnlich. Warum also log Schlotts Freund ihm plötzlich so achtkantig ins Gesicht? War er am Ende der Zigarrenmörder? Benno Schlott mußte es für möglich halten. Als Schlott in sein Büro kam, lag auf seinem Tisch die aktuelle Post vom Tage. "Hm, bestimmt wieder nur Scheiße!" sagte der Kommissar, setzte sich in seinen Skrulleby-Sessel und legte die Beine auf den Tisch. Eigentlich haßte er es, die Beine auf den Tisch zu legen, er -2 4 -
fand es flegelhaft und unbequem obendrein. Aber alle Kommissare machten das. Die im Film und sogar Detlef Sportfuß von der Fahndung. Also mußte ein Topgreifer wie er das auch machen. Aus dieser Zwickmühle hatte sich Schlott nun geschickt befreit, indem er künstliche Beine kaufte und die immer auf den Tisch legte. So konnte er sogar auf und ab gehen, wie das die Kommissare machen, die überlegen, und trotzdem hatte er gleichzeitig die Beine auf dem Tisch. Hier wird wieder einmal deutlich, was für ein über-Kommissar Benno Schlott war. Die Beine waren grün und glänzten lasziv, wenn Licht darauf fiel. Das war genau Benno Schlotts Stil; er fand sowas schön. "Diese Beine sind genau mein Stil; ich finde sowas schön." sagte er zu sich selber. Also, er legte die Beine auf den Tisch, schlug seine Beine unterm Tisch übereinander, zündete sich ein Pfeifchen an und öffnete die Post. Er fand, daß Post eigentlich nur was für Penner war, die sich kein Telefon leisten konnten. "Mal sehen... Meine Kartenlegerin hat den Stundensatz schon wieder erhöht, die alte Mistbiene... Ein Brief von Bello, er will 13.000 Mark für ein Praktikum in Neuseeland. Ha, das könnte ihm so passen. 12.950 bekommt er, keinen Pfennig mehr! Soll er doch selber zusehen wo er den Rest auftreibt. Soll halt jobben. Was ist das? Ein Brief, auf dem meine Anschrift mit Zeitungsbuchstaben geklebt ist. Das sieht aber unordentlich aus. Der Absender steht auch gar nicht drauf. So ein Mißstand. Na, der kann lange auf eine Antwort von mir warten. Anonyme Briefe beantworte ich grundsätzlich nicht. Unsauber geklebt ist das auch noch, der Klebstoff quillt hervor, das sieht total Scheiße aus. Mal sehen, was er schreibt: 'Sehr geehrter Herr Kommissar Schlott, Sie dreckiger Mistkerl sind mir auf der Spur. Ich bin der Zigarrenmörder. Ich habe Sie heute mittag mit einer Leiche und dem Dostojewski in ihr Auto steigen sehe n, oben von meiner Wohnung im zweiten Stock aus. Deshalb habe -2 5 -
ich schnell Ihre Frau entführt, an einem sicheren Ort aufbewahrt und diesen Brief geklebt. Alles in weniger als zwei Stunden, was, wie ich finde, Anerkennung verdient. Jetzt unterbreite ich Ihnen Forderungen: Wenn Sie ihre Frau lebend wiedersehen wollen, dann schicken Sie das Buch ununtersucht zurück an meine Privatadresse: Sammy & Hanno Sparfilz, Herzog-Sparkyvon-Mattenklott-Straße 47, 42008 Bad Salzfischbach. Keine Tricks und das Paket mit dem Buch bitte ausreichend frankieren. Vielen Dank! Mit freundlichen Grüßen, Ihr XY.' Sonderbares Schreiben. Milupa soll von einem Unbekannten entführt worden sein? Da muß ich doch mal zu Hause anrufen und hören, ob jemand drangeht." Der Kommissar kniff die Augen zusammen und suchte in seinem Notizbuch nach seiner Privatnummer, er wußte sie nicht auswendig, denn er konnte sich Zahlen sehr schlecht merken. Er wußte nicht einmal genau, wie alt er selber war. "Hmmm, mal sehen. Ah, hier ist die Nummer. 4...4...3...3...2...2. Aha, das Freizeichen. Mal abwarten." Benno Schlott wartete ab, aber niemand meldete sich. "So ein Mißstand. Wenigstens die Putzfrau müßte da sein und drangehen. Tut sie aber nicht. Das muß ich jetzt aber wirklich mal anprangern. Feiert sicher wieder krank, die faule Person. Ach ja, meine Frau ist wohl anscheinend wirklich entführt worden. Unerhört schlechte Organisation alles. Muß ich echt mal sagen, ganz spontan, das kann ruhig mal weh tun. Die Wahrheit tut immer weh." Wenn der Kommissar nachdachte, redete er oft mit sich selbst. Manchmal war er eben etwas schrullig. Aber was er überlegte war gut. Schlott beschloß, das Buch jetzt erst recht nicht zurückzuschicken, sondern statt dessen ein anderes, das genauso aussah. Er schickte Gertrud los, so ein Buch zu besorgen, während er selbst ersteinmal nach Hause fuhr und Spuren -2 6 -
sammelte. Er hatte keinen blassen Schimmer, wer der Zigarrenmörder sein konnte. Er hinterließ einfach nie Spuren; auch der Brief war perfekt gemacht. Man konnte nicht einmal sicher sagen, aus welcher Zeitung die Buchstaben waren. Beim Runtergehen zum Auto fiel Schlott ein, daß Angina Sparfilz immer noch im Kofferraum lag. Er brachte sie schnell in die Gerichtsmedizin, bevor sie anfing zu riechen und war dabei ziemlich verärgert, weil die Tote auf seiner Angelausrüstung gelegen und so die Spitze seiner neuen Karpfenrute zerbrochen hatte. Jetzt mußte er auf dem Nachhauseweg noch im Angelladen vorbeischauen. Aber die Leiche würde man obduzieren und das erfüllte den Kommissar mit Hoffnung. Vielleicht hatte der Mörder ja diesmal auf ihrer Haut einen Fingerabdruck hinterlassen. Schlott fuhr schnell, damit er schnell zu Hause war. Er war schnell zu Hause und schloß die Tür auf. Aber was war das? Die Tür war offen! So etwas verantwortungsloses. Da konnte doch weiß Gott wer ins Haus kommen! Die Tür hätte der Entführer aber nun wirklich zumachen können. Aber das war die erste Spur im Fall. Der Zigarrenmörder mußte ein sehr unordentlicher Mensch mit wenig ausgeprägtem Sicherheitsbewußtsein sein. Ein Polizist schied damit aus. Benno Schlott schrieb es schnell in sein Notizbuch. Er betrat nun das Haus und fand als erstes Wella Lustfisch, seine Putzfrau tot auf dem Boden, mit einer Zigarre im Mund. Der Kommissar machte einen neuen Strich in sein Notizbuch, für jede Tote befand sich schon einer darin. dieser war Nummer 19. Dann sah er sich die Zigarre an, dabei kniff er die Augen zusammen. Wieder eine Havanna, sicher auch wieder mit diesem exotischen Gift vergiftet. Es war ein so exotisches Gift, daß die Gerichtsmedizin sehr lange gebraucht hatte, um es als südamerikanischen Quetschkrötenextrakt zu identifizieren. Eigentlich schade um all die schönen, teuren Zigarren. Eine billigere Sorte als ausgerechnet Havannas hätte es doch zum Vergiften nun wirklich auch getan! Der Kommissar -2 7 -
packte die Putzfrau beiseite, denn sie lag ihm im Weg. Von seiner Frau gab es keine Spur, dafür war auf dem Flur ein dreckiger Gummistiefelabdruck, der eine Spur darstellen konnte. Ein Glück, daß Frau Lustfisch tot war, sie hätte den Abdruck sonst sicher längst beseitigt. Benno Schlott fotografierte ihn mit seiner Polaroid, die Milupa ihm zu seinem letzten Geburtstag geschenkt hatte, und klebte das Foto ins Notizbuch unter die Rubrik "Meine ersten Spuren vom Mörder". Dann nahm er die tote Putzfrau, stopfte sie in den Kofferraum, rief noch schnell die Spurensicherung an, vielleicht fanden die ja noch mehr, setzte eine Anzeige für eine neue Putzfrau auf und putzte zum Abschluß noch fix alles ordentlich und sauber, bevor seine Kollegen kamen, denn sie sollten von den Schlotts keinen schlechten Eindruck bekommen.
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Kapitel 5 Der Kommissar sieht Polizeiautos und guckt auf einen Bucheinband Als der Kommissar gerade wieder zu seinem tollen, schnellen Sportflitzer gehen wollte, um mit der Putzfrau in die Gerichtsmedizin zu fahren, da kam mit quietschenden Reifen die Spurensicherung an, gefolgt von einer Funkstreife mit Blaulicht und sehr ernsten Polizisten. Für Benno Schlott war es eine freudige Überraschung, als aus dem schönen, schwarzen Mercedes, der vorneweg fuhr, ausgerechnet sein Freund Abraham Mogelpilz stieg, denn der war ja bei der Spurensicherung. Der Greifer war jetzt erleichtert, weil Mogelpilz als Polizist nun doch nicht für einen Mörder infrage kam. Schlott machte noch etwas Small Talk mit ihm, erzählte einige neue Alzheimerwitze und erklärte ihm, was man mit Milupa und Frau Lustfisch angestellt hatte. Der Chef der Spurensicherung war auch echt betroffen, daß so schlimme Dinge seinem besten Freund und seiner Frau passierten und der Putzfrau natürlich, die davon jetzt aber nicht mehr viel mitbekam. Dann machte sich Mogelpilz an seine Arbeit und Schlott fuhr mit 250 Sachen zurück ins Revier, wobei der Fahrradfahrer glücklicherweise nur einen Kratzer in der Stoßstange hinterließ. Das war leider selten geworden, heute bei den Mountainbikes mit viel Metall und dicken Reifen dran. Oft sah die Stoßstange recht mitgenommen aus. Sie war der einzige Teil des Wagens, der noch nicht gepanzert war; aber das wollte der Greifer demnächst auc h noch ändern, dann konnte er noch rücksichtsloser fahren. Im Revier angekommen, brachte der Kommissar zuerst die Putzfrau weg. Dann beschloß er, von jetzt ab alles geheim zu machen, weil er sonst in Gefahr gewesen wäre, selbst dem Zigarrenmörder zum Opfer zu fallen. Da hatte er wirklich keine Lust für. Er erklärte sein Büro kurzerhand zum -2 9 -
Geheimbüro, sich zum Geheimkommissar und Gertrud zu seinem Geheimassistenten. Dann schloß er sich in sein Büro ein und und nahm den "Heimatdoktor von Fichtenburg" aus der Klarsichttüte. Er schob Schumanns G-Dur-Messe Opus 13 in HMoll von Anton Bruckner in den CD-Player, es war eine Oper für Solovioline, legte die Beine auf den Tisch, ging ein wenig auf und ab und sah sich dann den Bucheinband genauer an. Abgebildet waren eine blonde Krankenschwester in weißem Kittel und ein dunkelhaariger Mann mit Arztkittel und Stethoskop. Die Frau umarmte den Mann leidenschaftlich. Beide waren im Stil der 60er Jahre frisiert und das ganze Bild erinnerte an eins der alten gemalten Kinoplakate, wie zum Beispiel das von Casablanca. Im Klappentext stand, daß es sich hierbei um ein Bild aus einem ganzen Zyklus handelte, den Claude Monet extra als Illustration zu diesem Buch gemalt hatte. "Aha." sagte der Kommissar, als er den Einband lange genug betrachtet hatte. Er kniff die Augen zusammen und nahm seine brandneue Wünschelrute aus dem Futteral. Er richtete sie auf das Buch und spannte sie. Dann versenkte er sich in sich selbst und einen Doppelkorn in seine Kehle. Er wartete etwa zwei Minuten, bis die Wünschelrute ausschlug. "So, so, da haben wir es also. Das Buch enthielt früher eine Widmung auf der ersten Seite. Diese ist nun herausgetrennt und verbrannt worden. Die Unterschrift der widmenden Person ist mit dem Namen des Zigarrenmörders identisch. Ha! Ich wußte, daß es eine gute Wünschelrute ist! Hoffen wir, daß die Widmung mit Kugelschreiber geschrieben war, denn dann müßte sie sich auf der zweiten Seite durchgedrückt haben." Der Kommissar betrachtete die zweite Seite. Er sah noch einmal hin, er kniff die Augen zusammen, er schüttelte das Buch, er lauschte eine Weile daran. Dann sagte er: "Scheiße!" Nichts war zu sehen. Die widmende Person mußte mit Füller -3 0 -
geschrieben haben. Aber dann kam Schlott zum Glück ein Einfall, den er laut vor sich hin brummte: "Ich sollte doch nochmal zu den Brüdern Sparfilz fahren, vielleicht wissen die ja, was auf der ersten Seite stand. Dann kann ich sie auch noch fragen, wie sie die Tat entdeckt haben und wann. Das habe ich dummer Mensch nämlich vergessen, so ein Ärgernis aber auch. Und ich könnte sie auch fragen, ob sie für alle 19 Tatzeiten Alibis haben, da ist die Chance für nämlich sehr gering, dann könnte ich die vorläufig festnehmen und hätte was, was ich der Presse und meinem Chef präsentieren könnte. Whow, tolle Idee, Herr Benno Schlott!" Er sprang auf und eilte zu seinem Wagen. Auf halbem Wege, im ersten Stock des Polizeireviers, traf er auf den Polizeipräsidenten, wie er eine Putzfrau auf der Treppe flachlegte. Schlott sagte natürlich nichts, der Polizeipräsident war ja ein erwachsener Mann. Bibo Froschbräu vom Diebstahl sagte ja auch nichts dazu, daß der Polizeipräsident nachts in Wohnungen einbrach. Jeder hatte nun mal seine Hobbies, na und? Benno Schlott kam gerade rechtzeitig zu seinem Wagen, um zu verhindern, daß Bibo Froschbräu vom Diebstahl, volltrunken wie immer, den teuren Sportwagen aufbrach und mit ihm davonfuhr. Der Kommissar schimpfte ein wenig mit ihm, aber nicht sehr, denn er war der Ansicht, daß jeder sein Leben leben sollte, wie es ihm gefiel. Der Zigarrenmörder war dabei natürlich eine Ausnahme. Ausnahmen bildeten selbstverständlich auch Personen, die ihm ans Leder wollten, zum Beispiel Udo von Schlechten-Eltern, ein ganz kleinlicher Kollege von der ktU (für unsere nicht krimivertrauten Leser: ktU heißt 'kriminaltechnische Untersuchung'), der ihn, den Supermegagreifer doch glatt nur deshalb verhaften wollte, weil an seinen Autoreifen noch Kinderfetzen klebten. (Das kam von der Spielstraße, die er mit 220 genommen hatte) Der Kommissar hatte Grund zur Annahme, daß v. Schlechten-Eltern das nur tat, -3 1 -
weil Schlotts Frau sich im Supermarkt mal vor ihn gedrängelt hatte. Klar, daß ein Benno Schlott sowas nicht mit sich machen ließ. Er schob v. Schlechten-Eltern ganz cool einen Frauenmord unter und ließ ihn erstmal für die nächsten 15 Jahre im Kittchen verschwinden. Der Kommissar schob seine orange-grün gestreifte Kappe tief in die Stirn, daß die Glöckchen, die Milupa ihm als modisches Accessoire drangenäht hatte, nur so bimmelten, rückte sein großes goldenes Amulett, das die Form eines Benzinkanisters hatte, zurecht, (es sollte gegen Unfälle gut sein) schlug den Kragen des ebenfalls orange-grünen Trenchcoats hoch, um ganz geheim auszusehen und stieg in seinen roten, tollen Sportflitzer ein, der ihm Auto, Potenzsysmbol und Depot für angebissene Schokoriegel zugleich war. Der Kommissar aß nämlich am Steuer gerne Schokoriegel, nur leider fuhr er immer so schnell, daß er schon am Ziel war, bevor er seinen Riegel aufgegessen hatte. Auch jetzt war der Kommissar wieder mit 245 Sachen unterwegs und auch jetzt war er wieder ganz fix am Haus der Brüder Sparfilz. Er spurtete superschnell die Treppen hoch und drückte in Schallgeschwindigkeit den Klingelknopf, denn er wollte endlich mal wieder pünktlich Feierabend machen, auch wenn seine Frau entführt war. Ein geregeltes Arbeitsleben ging Schlott über alles. Er hatte eben seine festen Prinzipien. Nur diese Brüder Sparfilz ließen sich Zeit mit dem Öffnen. Ganz klar: ungewöhnliche Situationen verlangten nach ungewöhnlichen Methoden. Der Greifer öffnete ersteinmal seinen Tatortkoffer und entnahm ihm einen Mondstein, in den er sich meditativ versenkte. Das Funkeln des Steins zeigte ihm an, daß niemand zu Hause war. "Aha, der Vogel ist ausgeflogen." sagte Schlott, um dem Klischee Genüge zu tun. So sprachen nämlich alle TVKommissare, auch die von Derricks Konkurrenzsendern. Dann kniff er eiskalt die Augen zusammen und rannte die Tür -3 2 -
ein. Nun stand er im Flur der sparfilz'schen Wohnung und seine rechte Schulter tat ziemlich weh von der harten Tür. Aber sein sechster Sinn, den er nämlich auch hatte, sagte dem Kommissar, daß es im Badezimmer einen Arzneischrank mit Wundsalbe gab. Die nahm er sich dann auch erstmal schnell vor, danach ging es ihm schon viel besser. Er bemühte sich nun, ein Gesicht zu machen, wie jemand, der gar nicht da war. Tarnung war immer gut. Seine violetten Schnabelschuhe, die er trug, taten ein Übriges dazu, denn mit ihnen konnte man herrlich leise schleichen. Schlott sah sich in der Wohnung um. Er ging in das Arbeitszimmer von Sammy Sparfilz und durchstöberte seinen Schreibtisch. Er fand ein Adreßbuch, das er ersteinmal mitnahm, vielleicht war eine Spur darin. Dann sah er die neuesten Zeichnungen von Sparfilz auf dem Schreibtisch liegen, er war nämlich Comiczeichner, und ein ziemlich bekannter noch dazu. Sparfilz hatte Erfolgsserien kreiert, wie beispielsweise "Rüdiger, die lustig grüne Gallenblase und ihre Freunde" oder "Graf Gallenstein, der lustig grüne Gallenstein und seine Freunde". Er hatte dafür auch scho n einige Auszeichnungen bekommen (der bayerische Ministerpräsident verlieh ihm den Franziskanerorden und der Fürst von Liechtenstein erhob ihn in den Marktstand). Der Kommissar las die neuen Comics und mußte so heftig lachen, daß er sich in Zuckungen auf dem Boden wälzte und dabei zwei Bücherregale umriß, denn die Geschichten waren wirklich irre lustig. Danach ging er hinüber in Hanno Sparfilz' Arbeitszimmer. Er war Werbedesigner und -texter und in seiner Branche auch ziemlich gut. Von ihm war unter Anderem der Werbeslogan für Atompils ("Atompils. Das Bier, das so gut schmeckt, daß auch viele einigermaßen verwöhnte Biertrinker ein paar andere nicht ganz so gute Biermarken unter Umständen dafür stehenlassen würden."). Der Kommissar sah sich mit seiner großen Lupe auf dem Schreibtisch des Sparfilz- Bruders um. Er fand die neueste Ausgabe des Nachrichtenmagazins "Der -3 3 -
Spargel", die er konfiszierte, weil er den neuen "Spargel" noch nicht gelesen hatte und eine Zeitung, aus der Wörter und Buchstaben herausgeschnitten waren. "So eine schöne, neue Zeitung und so kaputt! Wer macht denn bloß sowas? Die könnte man doch noch weiterverleihen!" rief der Kommissar aus, denn sinnlose Vergeudung ärgerte ihn immer. Dann warf er sie zornesgeschüttelt in den Papierkorb. In diesem Arbeitszimmer aber, so meldete auch sein sechster Sinn, konnte man nicht weiter fündig werden. Schlott verließ es also und versuchte, noch schnell den Weg, den der Zigarrenmörder in die Wohnung genommen hatte, als er Frau Sparfilz umgebracht hatte, zu rekonstruieren. Da der Mörder keine Spuren hinterlassen hatte, packte der esoterische Greifer seine Reisekristallkugel aus, vollzog ein einfaches HellsichtsLevitationsritual und befragte dann, etwa 50 cm über dem Boden schwebend die Kugel, welchen Weg der Mörder in die Wohnung genommen hatte. Mit Schlüssel durch die Haustür klammerte er dabei aus, das machte nämlich kein Mörder; normalerweise nicht. Jedoch, zu seiner Verwunderung blieb die Kugel milchig und trübe. Dies ließ für Schlotts messerscharfen Verstand nur zwei Schlüsse zu: a) Die Kristallkugel war im Arsch, oder b) Der Mörder war ein Geist, der in der Wohnung materialisiert hatte. Der Kommissar konnte Möglichkeit a) sogleich eliminieren, denn wie er der Gebrauchsanweisung der Kristallkugel entnahm, waren auf dem guten Stück noch fast zwei Jahre Garantie. Benno Schlott grübelte, kratzte sich am Kinn und überlegte, in Kapitel 6 noch einmal alles abzuklären.
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Kapitel 6 Der Kommissar funkt und knabbert Chips beim Fernsehen Der Kommissar schwebte gerade gemütlich kreisend über dem Couchsessel der Brüder Sparfilz, da hörte er plötzlich Schritte im Flur, und eine Stimme, die sagte: "Hey, Hanno, wer hat denn unsere Tür eingetreten?" Eine andere Stimme, die von Hanno Sparfilz, antwortete: "Ich muß schon sagen, das ist hier eine ziemlich mißliche Angelegenheit, ich finde sowas ganz schön unfreundlich. Man macht keine fremden Türen kaputt. Auch wenn's weh tut, sowas muß mal irgendwie ganz ungeschminkt gesagt werden und so weiter!" Benno Schlott war wie Sie, lieber Leser, sich sicher denken können, total von den Socken, denn er hatte keine Lust, jetzt erwischt zu werden, weil doch alles was er tat unheimlich heimlich war. Von dem Gedanken, die Brüder erstmal zu verhaften war er inzwischen wieder abgekommen, denn auf freiem Fuß konnten sie ihm vielleicht ein paar Spuren geben, die er gebrauchen konnte und er hatte, wenn ihm mal langweilig werden sollte, zwei Leute, mit denen er sich beschäftigen konnte. Schon kamen die Brüder Sparfilz ins Wohnzimmer gepoltert, bis sie direkt vor dem Kommissar standen. Dieser vergaß vor Schreck sogar das Schweben und knallte neben der Couch nieder, tat sich aber nichts Schlimmes. Doch was war das: Weder Hanno, noch Sammy Sparfilz schienen den Supergreifer zu bemerken. Sie redeten ganz locker weiter und würdigten ihn keines Blickes. Jetzt fiel es dem Kommissar wieder ein: Er hatte ja Gott sei Dank, als er in die Wohnung kam, ein Gesicht gemacht, als wäre er gar nicht da. Und da er dieses Gesicht immer noch aufgesetzt hatte, fiel er auch tatsächlich niemandem auf. Da hatte er ja noch mal Glück -3 5 -
gehabt! Er rieb sich von seinem Sturz den rechten Arm, der tat etwas weh. Und nun bekam er auch noch super Geheiminformationen von den Brüdern geliefert, die sich nämlich über Sachen unterhielten, die Benno Schlott schon immer wissen wollte. Sammy sagte zum Beispiel: "Dieser Kommissar Schlott wird mir allmählich zu neugierig. Wenn er jetzt hier wäre und beispielsweise dahinten neben der Couch läge und sich von einem Sturz den Arm riebe, dann würde er sich sicherlich freuen zu hören, daß die Widmung auf der ersten Seite des Buches wie folgt lautete: 'Liebe Angina, dieses Geschenk ist ein Geschenk von mir an dich, das ich dir schenke. Es handelt sich um ein Buch. Es soll gut sein. Dein H. & S. S.'" "Ja." antwortete Hanno "Und er würde sicher auch gerne wissen, wer der Zigarrenmörder ist, der auch seine Frau entführt und die Putzfrau umgebracht hat und wie er, ohne ein Geist zu sein, das ist er nämlich nicht, in die Wohnung gekommen ist." Jetzt wurde der Kommissar ganz hellhörig und spitzte die Ohren. "Aber das sagen wir natürlich nicht, sonst wäre ja das Buch zu Ende!" sagten beide im Chor und enttäuschten Schlott damit ganz wahnsinnig. Danach wandten die zwei Brüder sich alltäglichen Gesprächen über das Putzen zu, die den Kommissar nicht weiter interessierten. Sammy fragte zum Beispiel: "Hast du an Schlotts Haustür auch alle Fingerabdrücke weggemacht?" "Klar, Mann! Aber hast du auch gründlich alle Spuren verwischt, die zu dem alten Bootshaus gleich um die Ecke am Guildo-Frittenfresser-Kai direkt an der Atlantikküste führen, wo die Braut von dem Schnüffler liegt?" fragte Hanno zurück (die wenigen Leser, die Deutschland auf der Landkarte kennen, werden nun vielleicht ihr Gesicht rümpfen und zu recht sagen, daß es in Deutschland gar keine Atlantikküste gibt. An diese Leser habe ich an dieser Stelle eine eindringliche Bitte: Könnt -3 6 -
Ihr nicht wenigstens ein einziges mal Eure kleinlichen Kritteleien für Euch behalten, wenn ihr ein gutes Buch lest!). So ging das noch eine Weile bei den Brüdern Sparfilz, sie redeten noch über Zigarren und südamerikanischen Quetschkrötenextrakt, aber Benno Schlott wurden solche Gespräche allmählich zu öde und deshalb ging er wieder aus der Wohnung, zurück zu seinem Wagen. Hier funkte er schnell eine Großfahndung für den ganzen Bad Salzfischbacher Raum heraus, in der er alle Hinweise über die Identität des Mörders, die er bisher bekommen hatte, zu einem detaillierten Gesamtbild zusammenfaßte. Das war immerhin einen Versuch wert. "Achtung, Achtung, an alle: Hier spricht Geheimkommissar Benno Schlott; Mordkommission, K2r (Spezialeinheit). Gesucht wird ein Mann, Alter unbekannt, trägt mindestens einen schmutzigen Gummistiefel, besitzt wahrscheinlich ein unordentliches Wesen und sein Vor- und Nachname beginnen mit "S". Sein Vorname kann aber auch mit "H" beginnen. Wer sachdienliche Hinweise hat, möge sie bitte meinem Geheimassistenten Gertrud mitteilen. Ende." Leider brachte die Fahndung rein gar nichts. Das war ein Mißstand. Der Kommissar beschloß, nun wieder zurück zum K2r zu fahren, um ersteinmal das Adreßbuch der Brüder Sparfilz unter die Lupe und das magische Kupferpendel zu nehmen. Er parkte seinen Wagen in der Feuerwehreinfahrt des Kripohauptquartiers, eilte die Treppen zu seinem Büro hoch und vögelte sich noch schnell die Putzfrau, die wieder überrascht war, obwohl sie sich langsam daran hätte gewöhnen müssen. Aber sie war vergeßlich von Natur her. In seinem Büro legte Schlott sich eine Sibelius-Symphonie auf, tat die Beine auf den Tisch und betrachtete sich das Adreßbuch von nahem. Es war in schwarzes Leder eingebunden und trug die irre originelle Aufschrift "Adressen". Toll! Der Kommissar öffnete es und fand gleich folgende Adresse unter -3 7 -
"B": Brühteufel, Titus Alte Aspiringasse 5 50678 Köln (Berufskiller) Das war natürlich für einen Kommissar von der esoterischen Spezialeinheit der Mordkommission eine einigermaßen interessante Sache, denn Berufskiller war ein sehr, sehr illegaler Beruf. Diesen Titus Brühteufel wollte er doch gleich einmal besuchen fahren, bei dem ließ sich sicher eine Spur für seinen Fall abstauben. Leute, die Schlotts Art kennen, werden wissen, daß man bei so einem Besuch wohl kaum mit Kaffee, Kuchen und Gesprächen übers Wetter rechnen konnte. "Ha, dem werde ich gleich mal was Blei zwischen die Glieder pusten und ihn ordentlich verhören. Das ist bestimmt der Zigarrenmörder, der im Auftrag der Brüder Sparfilz, die dann vielleicht der eigentliche Zigarrenmörder sind, sich aber nicht die Finger schmutzig machen wollen, den Zigarrenmörder spielt, oder so. Vielleicht hat er auch nix mit der Sache zu tun, aber ich kann ihn verhaften und er ist gut für meine Kriminalstatistik. Na, der kann mal was erleben, dieser pissige Kartoffelpirat!" Der Kommissar wollte schon in seinen orange-grünen Trenchcoat schlüpfen, der so ungeheuer gut zu dem türkisbraunen Seidenhemd und der gelben Filzhose paßte, da fiel ihm ein, daß er vielleicht doch erst noch das Kupferpendel befragen sollte. Er urteilte nämlich nie voreilig. Dafür war er weltbekannt. Zumindest in Bad Salzfischbach. "So, wenn das Pendel geradeaus pendelt, dann ist es der Mörder, wenn es quer pendelt, dann ist er's nicht." legte der Kommissar fest. Das Pendel schwang im Kreis. "Mistding!" rief Schlott und feuerte das Kupferpendel in eine -3 8 -
Ecke. Zum Glück fiel es weich auf eine tote Ratte. Was der Kommissar nicht wußte: In der Ratte war ein Minisender eingebaut, der den Kommissar für einen mysteriösen Geheimbund abhörte. Aber das ist ein anderer Fall, der jetzt völlig egal ist und nicht weiter in diesem Buch vorkommen wird. Die Ratte war gestorben, weil der Sender aus einem Metall war, das für Ratten absolut giftig ist, nämlich aus Plutonium. Fragen Sie bloß nicht warum, lieber Leser, manche Geheimbünde sind eben nun mal so, da kann man auch nichts dran machen. Aber keine Angst, der Kommissar wird jetzt nicht verstrahlt, daß ihm die Haare ausgehen oder so, denn er ist ja sehr klug und hat deshalb natürlich auch gelesen, wie man sich vor Plutonium schützt, in "Bild der Frau" bei seinem Friseur. Es war ganz einfach, man mußte nur aufpassen, daß man nie, nie, nie in die Nähe von Plutonium kam, dann konnte einem gar nichts passieren. Benno Schlott war ein vorsichtiger Mann und nahm sich solche Ratschläge immer zu Herzen. In "Bild der Frau" war auch ein Foto von einer Hausfrau gewesen, die sich gerade vor Plutonium schützte. Das war sehr interessant. Da sein verdammtes Kupferpendel nicht so wollte wie er, war Schlott ziemlich sauer geworden und mußte ersteinmal transzendentale Meditation betreib en, um wieder ruhig zu werden. Das klappte immer sehr gut, Schlotts Aszendent war nämlich Widder (nicht zu verwechseln mit seinem Assistenten, denn der war Steinbock.). Es klappte zumindest fast immer sehr gut, aber heute leider nicht. Es ging sogar total in die Hose. Wahrscheinlich wegen irgendeiner disharmonischen Sternenkonjunktion. Mit einem irren Aggressionsstau fuhr Schlott nach Köln, wo er den Killer auch antraf und kurzerhand über den Haufen schoß. In Notwehr natürlich. Erst später fiel ihm ein, daß er ihn vorher vielleicht doch besser noch verhört hätte. Nun war der Kommissar immer noch so klug wie vorher und deshalb noch wütender. Zu wütend, um heute nochmal zu -3 9 -
arbeiten; er hatte außerdem auch Feierabend. Der Kommissar fuhr nach Hause und wurde da noch mal wütender, denn es war keine Frau da, die ihm Essen kochen konnte. Er begnügte sich damit, statt eines Steaks beim Fernsehen Chips zu knabbern. Das Fernsehen regte Schlott noch mehr auf, denn Derrick fiel heute wegen einer Sondersendung aus, und das bloß, weil in Amerika das Pentagon mit irakischen Atomraketen bombardiert worden war. So weit weg! Das interessierte doch echt keine Sau! Jetzt kochte Schlott wirklich. Hätte er das doch besser beim Nachhausekommen gemacht, dann hätte er jetzt wenigstens eine warme Mahlzeit im Magen gehabt. Aber, das war klar, mit so einem Aggressionsstau konnte er nicht schlafen gehen. Er ging vor die Tür und trat den neuen Wagen seines Nachbarn Herrn Schmierfunzel mit Handkantenkarate total zu Einzelteilen zusammen. Erst beim Reingehen merkte er, daß er aus Versehen seinen eigenen Wagen kaputtgemacht hatte. So ein Scheißtag!
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Kapitel 7 Der Kommissar ermittelt weiter und kriegt eine bessere Laune Am nächsten Morgen war Benno Schlott sehr unausgeschlafen, weil er vor Wut und psychischer Unausgeglichenheit in der Tat kaum ein Auge zugetan hatte. Er wurde vom lauten Winseln von Minuto, dem Dackel der Familie Schlott geweckt. Normalerweise ging Milupa immer morgens Gassi mit ihm, aber die war ja dummerweise entführt. Also mußte der Kommissar selber mit ihm in den Park. Gut, daß heute Samstag war, da mußte er nämlich nicht ins Büro und konnte alles einmal ruhig angehen lassen. Er frühstückte ausgiebig, machte den Abwasch, denn er war emanzipiert, und ging dann mit Minuto hina us. Der Zigarrenmörder würde an diesem Wochenende fünf Morde begehen, aber Schlott würde davon erst am Montag im Büro erfahren, deshalb war er momentan unverzagt. Allmählich wurde seine schlechte Laune besser und er genoß die frische Frühlingsluft, sah den jungen Liebespaaren zu, die durch den Park flanierten und amüsierte sich, wie fast alle von ihnen in das große Schlagloch traten und in die Matsche fielen. Minuto apportierte dann für ihn noch sieben Maulwürfe, einen Krückstock und eine Brieftasche mit 500 Mark, was die Laune des Kommissars endgültig wiederherstellte. Er beschloß, nach dem Mittagessen seinen Wagen in die Reparatur zu bringen und die Rechnung irgendwie der ktU unterzuschieben, die stellten sich ohnehin immer so dumm an, daß das kaum ein Problem darstellen würde. Aber ein wenig hatte der Supergreifer schon ein schlechtes Gewissen, wenn er daran dachte, daß es seiner geliebten Frau vielleicht im Moment nicht ganz so gut ging wie ihm. Er beschloß deshalb, vielleicht doch etwas zu ermitteln, auc h wenn eigentlich Wochenende war. Zumindest konnte er mal die Nachbarn -4 1 -
befragen und mit seinem kleinen magischen Zirkel ein Salatköpferücken veranstalten. Wenn das nicht helfen sollte, konnte er immer noch neu heiraten. Zuerst ging er hinüber zu Dagobert Schmierfunzel, seinem Nachbarn zur linken. Er drückte den Klingelknopf und wartete bis Schmierfunzel öffnete. Er war ein mittelalter Mann mit einem Schnurrbart und Falten auf der Stirn (den Schnurrbart hatte er natürlich nicht auf der Stirn). "Hallo, Herr Kommissar Schlott, was wollen sie denn so früh am Tage?" fragte er freundlich. "Psst, ich bin jetzt in geheimer Mission unterwegs. Nennen sie mich bitte ab jetzt nicht mehr Herr Kommissar Schlott, sondern... äh... Herr Klebefrosch, damit etwaige Verfolger weiterfahren, weil sie denken, ich wäre jemand anders. Sie verstehen?" erklärte der Geheimkommissar. Er hatte sich zur Tarnung einen langen, dünnen Schnurrbart angeklebt, so einen wollte er sich aber später auch mal wirklich wachsen lassen, und er trug Hasenzähne im Mund und eine Plastikbrille ohne Gläser vor den Augen. "Ich verstehe vollkommen, Herr Klebefrosch." sagte Schmierfunzel. Er verpaßte nie einen Krimi im Fernsehen, sogar vor dem 'Großstadtrevier' schreckte er nicht zurück, von daher waren ihm solche Maßnahmen geläufig und er freute sich, einmal echter Polizei beim Ermitteln zusehen zu können; er hätte nur nicht erwartet, daß sie dabei einen Morgenmantel trug. "Also, Herr Schmierfunzel, die Sache ist folgende, nicht wahr: Meine Frau ist entführt worden. Personenbeschreibung: Brünett und trägt Schuhe mit hohen Absätzen. Können sie mir ein paar Tips geben, wer sie entführt hat und wo man sie hingebracht hat, nicht wahr?" fragte der Kommissar und spielte dabei mit den goldenen Quasten an seinem rosafarbenen Morgenrock. -4 2 -
"Keine Ahnung, ich kann ihnen nur sagen, daß die Beschreibung der vermißten Person ungefähr auf ihre Frau zutrifft. Wenn ihnen das weiterhilft, Herr Klebeschlott..." "Danke ihnen vielmals, aber so weit war ich auch schon. Und bitte nennen sie mich Klebefrosch, nicht Klebeschlott klar?" "Sonnenklar, Herr Kommissar Schlott." sagte Schmierfunzel hilfsbereit. Fast hätte der Kommissar dem Nachbarn noch seine dumme Fresse eingeschlagen wegen so viel Blödheit, aber er hatte jetzt keine Zeit, weil er weiter ermitteln mußte. Wie diese, so erwiesen sich auch alle folgenden Personenbefragungen als Schuß in den Ofen. Jetzt versuchte der Kommissar es mit seinem kleinen magischen Zirkel, der neben ihm noch aus Frau Biberkurbel, Herrn Quallenzüchter, Frau Drahtkuchen und Herrn Schildkrötentöter bestand. Sie waren ein eingespieltes Team, das auch entdeckt hatte, daß Salatköpferücken viel effizienter als Gläserrücken war. Der einzige Vorteil von Gläsern war, daß sie nicht so schnell welkten, ansonsten taugten sie nicht viel. Hinzu kam, daß auf den Zirkel eigentlich immer Verlaß war. Wenn man eine Séance brauchte, dann waren alle pfeilschnell zur Stelle. Das lag teils an fehlenden beruflichen Verpflichtungen (Napoleon Quallenzüchter war freiberuflicher Parfumtester und Sanella Drahtkuchen betrieb ein Schmuckgeschäft, das auf Zierbriketts und Schinkenbroschen spezialisiert war. Wie man sich denken konnte, hatte sie nie sonderlich viele Kunden zu bedienen), und teils an der Begeisterung fürs Übersinnliche (Frau Rowenta Biberkurbel war schon dreimal aus ihrem Beruf als Aktentaschenanstreicherin bei Adidas geflogen, weil sie für eine Séance kurzerhand die Arbeit hatte liegen lassen, und Mortimer Schildkrötentöter hatte schon einige Kunden in seinem Beruf als Physiotherapeut für Kübel- und Topfpflanzen verloren, weil er die Therapie für eine wichtige Beschwörung unterbrach). Schlott rief bei allen vieren an und sie waren wie üblich prompt -4 3 -
bereit zu kommen, auch wenn Herr Schildkrötentöter dringend einen Stechapfel hätte massieren müssen. Kurz darauf versammelten sie sich im Wohnzimmer des Kommissars, das für solche Zwecke angemessen mit mystischen Artefakten ausgestattet war, die selbstverständlich beachtliche Heil- und Zauberfähigkeiten besaßen. Die fünf Personen setzten sich an einen extra vorbereiteten runden Tisch, auf dem in einem Kreis das ganze Alphabet aufgemalt war, dazu noch drei Felder für "ja", "nein" und "vielleicht später". Nun begann die Séance. Herr Quallenzüchter wurde als Sprecher ausgewählt, der dem Geist die vorher besprochenen und auf einem Zettel aufgeschriebenen Fragen stellen durfte. Nun legten alle ihre Hände auf den Salatkopf und konzentrierten sich. Nach einer Weile fing der Salatkopf an zu zittern. "Ich glaube, wir haben Kontakt." flüsterte Benno Schlott. "Wer bist du?" fragte Herr Quallenzüchter den Geist. Der Salatkopf glitt von einem Buchstaben zum anderen und formte die Antwort: "Tja, das wüßtet ihr wohl gerne, was?" "In der Tat." antwortete Napoleon Quallenzüchter. "Hey, sehe ich richtig, daß das da ein Kohlkopf ist, mit dem ihr mich beschwört?" fragte der Geist zurück. "Ein Kopfsalat. Aber wir wüßten doch nun gerne, wie dein werter Name ist." "Erstaunlich, daß es funktioniert, das glaubt mir niemand, wenn ich das erzähle, echt. Äh, wie stehen die Chancen, daß ihr mir das abnehmt, wenn ich sage, daß ich Albert Einstein bin?" "Schlecht bis sehr schlecht." sagte Quallenzüchter in leicht unterkühltem Tonfall. "Na gut, ich heiße Olof Smörberg. Und wie heißt ihr?" "Nun, ich bin Napoleon Quallenzüchter, das ist Kriminalhauptkommissar Benno Schlott von der esoterischen Spezialeinheit der Mordkommission, K2r, da drüben sitzt -4 4 -
Sanella Drahtkuchen, der da ist Mortimer Schildkrötentöter und diese Dame heißt Rowenta Biberkurbel." Der magische Zirkel konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß es dem Geist am gebührenden Ernst und der erforderlichen Würde gebrach, die bei einer Beschwörung unabdingbar waren. Die meisten anderen Geister waren überdies eher depressiv und beschränkten sich in ihren Antworten auf das Wesentlichste, außerdem waren sie sonderbarerweise fast immer deutscher Herkunft. Dieser Geist schien nicht nur ein elender Schwätzer zu sein, sondern auch noch Schwede. Er vollbrachte sogar das Kunststück, während der Salatkopf seine Antworten in Buchstabenkombinationen umsetzte, noch so etwas, wie einen skandinavischen Akzent an den Tag zu legen. "Sagt mal, habt ihr Deutschen heute alle so bescheuerte Namen? Mann, seit dem 30-jährigen Krieg scheint sich doch so einiges verändert zu haben. Dann haben eure Frauen vielleicht auch keine so blasse Haut und keine gräßliche Zellulitis mehr? Ich sage euch, mit so einer was anzufangen, wenn die Schlacht vorüber war, das fiel mir echt nicht leicht, also ehrlich, mir ist da immer der Appetit vergangen. Und ungewaschen waren die auch noch! He, Frau Drahtkuchen, Frau Biberkurbel, wascht ihr euch eigentlich?" Herr Quallenzüchter hatte das Gefühl, daß ihm die ganze Sache langsam außer Kontrolle geriet. Er startete einen erneuten Versuch, sie wieder an sich zu reißen: "Sie waschen sich. Aber wir haben dich eigentlich gerufen, um etwas von dir zu erfahren; eine sehr wichtige Sache, bei der es um Leben und Tod geht. Ich gebe das Wort weiter an unseren Freund, Herrn Kriminalhauptkommissar Benno Schlott." Der Salatkopf entfaltete ein weiteres Mal rege Aktivität und ein weiteres Mal schien das Ergebnis nicht mit dem Gewünschten übereinzustimmen. "Das ist typisch für die Lebenden; wir Toten müssen immer -4 5 -
springen, wenn sie etwas wollen, aber kaum wollen wir mal ein bißchen was über das Diesseits wissen, da schalten sie auf stur. Ihr beantwortet jetzt ersteinmal meine Fragen, vorher erfahrt ihr gar nichts! Also, wie ist Frau Biberkurbel denn so im Bett?" Frau Biberkurbel, eine eher konservative Frau, errötete bei dieser Frage und auch Herrn Quallenzüchter reichte es allmählich. Er machte der Geschichte rasch ein Ende, indem er den Geist kurzerhand entließ. "Können wir uns nicht vorher aussuchen, wessen Geist wir beschwören? Dann wären wir vor solchen Überraschungen sicher." schlug Herr Schildkrötentöter vor. "Natürlich, das dürfte kein Problem sein, denke ich. Wir sollten aber eine Person nehmen, die über jeden Zweifel erhaben ist." meinte Benno Schlott. "Wie wäre es mit Ludwig van Beethovens Geist?" schlug Sanella Drahtkuchen vor. Alle erklärten sich gleich bereit und Herr Quallenzüchter begann damit, Beethovens Astralsphäre zu erspüren. Nach angespannten fünf Minuten verkündete er, daß nun ein Kontakt hergestellt sei. Der Kommissar stellte nun ohne Umschweife direkt seine erste Frage: "Ehrwürdiger Meister, könnt ihr mir vielleicht verraten, wer meine Frau Milupa Schlott entführt hat, und wo sie versteckt gehalten wird?" Die Antwort bestand nur aus einem Wort: "Hä?" Schlott wiederholte die Frage. Diesmal lautete die Antwort: "Ihr müßt lauter sprechen, ich finde mein Hörrohr nicht!" Schlott kam auch dieser Bitte nach. Diesmal antwortete Beethoven: "Ach, ihr fragt wohl wieder nach dem Manuskript zu meiner zehnten Symphonie, ich weiß nur noch, daß ich es unter der Matratze versteckt hatte, dann hat es aber wohl meine Putzfrau Frau Rama Wärmedeckel weggeräumt. Das ist das -4 6 -
Gleiche, was ich schon Herrn von Karajan vor sieben Jahren gesagt habe. Er steht übrigens gerade neben mir und winkt." Diese Antwort genügte, um auch Beethovens Geist rasch wieder zu entlassen. Natürlich hatte keiner daran gedacht, daß der Meister ja stocktaub war. Auch Fjodor Dostojewski erwies sich als Fehlschlag, er sprach nur russisch und war anscheinend gerade volltrunken. Nach zwei weiteren Fehlschlägen mit Theodor Heuss und Johanna von Orléans gab der Zirkel endlich entmutigt auf. "Du und deine Französischkenntnisse, Rowenta, die Jungfrau hat uns alles erzählt, aber du verstehst bloß, daß es was mit Fritten zu tun hat. Mann, oh Mann! Du warst wohl in der Baumschule!" regte sich Napoleon Quallenzüchter auf, der Aufregen auch gut konnte; aber nicht so gut wie Schlott natürlich, der allen Menschen in allen Dingen immer viel voraus war. "Laß nur, die heilige Johanna hat wirklich einen unverständlichen mittelalterlichen Dialekt gesprochen." besänftigte Kommissar Schlott, der dank transzendentaler Meditation über den Dingen stand und als Sprecher aller lebenden Sprachen der Welt eine kompetente Autorität war. Nach einem kleinen Kaffeekränzchen trennte sich der Zirkel dann und Benno Schlott beschloß, an sich heruntersehend, daß es angebracht sei, sich doch endlich einmal richtig anzuziehen, denn es war schon Nachmittag und der Kommissar trug immer noch seinen Morgenmantel, der sehr bequem war und obendrein fesch ausschaute. Heute entschied er sich, eine blaue Seidenhose mit Silberbommeln, ein besticktes hellgrünes Samthemd mit Goldtressen an den Schultern und eine schwarze Nietenlederjacke anzuziehen, dazu seine rosa Lackschuhe und eine übergroße weinrote Fliege mit draufgestickten lachenden Herzchen. Milupa hatte sie ihm zur Feier seiner 100. Leiche geschenkt. Er wählte noch seine Weißgoldkette mit dem großen geweihten Silberkreuz aus, denn die paßte besonders gut zu -4 7 -
seinem neuen Strohhut. Dann ging er vor die Tür, um die Zeitung reinzuholen. Dabei stieß er plötzlich auf eine Spur. Es war die von dreckigen Gummistiefeln. Wie er feststellte, handelte es sich um den gleichen Gummistiefelabdruck, den er vorher schon auf seinem Teppichboden entdeckt hatte. Die Spur war recht la ng und der Geheimkommissar ging ihr nach. Anscheinend hatte er die Spur am Vortag übersehen. Sie führte zur Atlantikküste, die einige Straßen weiter lag und immer Meeresrauschen machte, daß der Kommissar gut dabei schlafen konnte. Vor dem alten Bootshaus am Guildo-Frittenfresser-Kai endete die Spur abrupt. Benno Schlotts sechster Sinn merkte, daß sich jemand im Bootshaus aufhielt. Er stellte sich vor die Tür des Hauses und rief: "Achtung, hier ist der Geheimkommissar Benno Schlott. Ach nein, ich bin ja in geheimer Mission unterwegs. Also, hier ist der Herr Klebefrosch. Ich weiß, daß da jemand drin ist. Kommen sie ohne Waffe heraus, ich bin nämlich auch unbewaffnet und es wäre unspotlich, wenn sie so mir gegenüber im Vorteil wären!" Das war mal wieder reine Psychologie. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß der Benno Schlott da wirklich gut drin war. Aus dem Schuppen drang ein gedämpftes "Mmmmmm!". Es schien die Stimme einer Frau zu sein. "Sagen sie etwas Vernünftiges, oder gar nichts. Ich lasse ihnen eine Bedenkzeit. Ich gehe eine Wurst an der Imbißbude essen und sie denken nach, was sie mir sagen wollen und kommen dann unbewaffnet heraus." Erneut erklang ein dumpfes "Mmmmmm!", es klang wie jemand, der durch Stoff schrie, ja sogar fast wie seine eigene Frau. Aber die konnte unmöglich der Zigarrenmörder sein, sie hatte bei den meisten Morden ein Alibi, er hatte es schon mal überprüft; er war immer mißtrauisch, für ihn konnte jeder ein Mörder sein. Selbst sich hatte der Kommissar auf Alibis untersucht, aber er konnte für jede Tatzeit eine schriftliche -4 8 -
Bestätigung von Kriminalhauptkommissar Benno Schlott vorweisen, daß er nicht bei den Tatorten war, und der war immer ein sehr glaubwürdiger Zeuge. Schlott aß in aller Ruhe eine Currywurst und sah den Möwen und Frachtschiffen ein wenig zu. Dann sah er die Brüder Sparfilz aus dem Bootshaus rennen, sie hatten große Gewehre unter dem Arm und blickten sich hastig um. Diese Pfundskerle waren doch überall, wo sich eine Spur des Zigarrenmörders fand. Nicht, daß sie auf eigene Faust zu ermitteln versuchten. Er mußte mal ein ernstes Wörtchen mit ihnen reden, sonst waren sie vielleicht schneller am Ziel als er, der Superkommissar. Das ging nun wirklich nicht! Schlott beendete seine Mahlzeit und ging zum Bootshaus zurück. Noch einmal rief er, doch wieder hörte er nur ein gedämpftes "Mmmmmm!" "Jetzt reicht's mir aber, das kann man mit Herrn Kommissar Schlo... mit Herrn Klebefrosch nicht machen. Ich stürme nun das Bootshaus. Unbewaffnet!" Der Kommissar nahm Anlauf und rannte die Tür ein. Dabei tat er sich wieder einmal tierisch weh und wand sich zwei Minuten stöhnend am Boden, zu keiner Reaktion fähig und mit Schleiern vor den Augen, wegen dem Schmerz. Nach diesen zwei Minuten ging es besser und sein blitzscharfer Verstand teilte Benno Schlott mit, daß der Raum abgesehen von einer gefesselten und geknebelten Person leer war. Bei der Person handelte es sich um Milupa Schlott.
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Kapitel 8 Der Kommissar redet mit Bello und macht einen Brief auf Milupa hatte die Entführer auch nicht erkannt, sie hatten ihr immer die Augen zugehalten wenn sie da waren, und geredet hatten sie auch nicht. Aber das war nicht so schlimm für Benno Schlott, schließlich machte er ja die Ermittlungsarbeit und nicht seine Frau. Die buk dafür Bennos geliebte Bierplätzchen und kochte eine gute Ketchupsuppe. Bello wurde auch eingeladen und alle machten eine tolle Wiedersehensfeier mit Luftschlangen und Partystimmung. Benno Schlott fragte dabei seinen Sohn: "Du, Bello, was studierst du jetzt eigentlich?" "Diagnostische Gipswirtschaft, Daddy. Schon im 10. Semester." "Ach, ich dachte immer Medizin. Da schau her; wie man sich doch irren kann. Und wo studierst du?" "An der Freddy-Quinn-Universität in Finsterwalde." "So, so, nicht in München. Ach ja, ich werde wohl langsam alt. Ach nee, das kann ich mir in meinem Job ja gar nicht leisten. Also, ich werde wohl doch nicht alt. Und was kann man mit diagnostischer Gipswirtschaft so alles machen, später?" "Eigentlich kann man nur Professor für diagnostische Gipswirtschaft werden. Aber das ist auch ein guter Job und nützlich dazu." Als Benno Schlott das hörte, war er doch wieder beruhigt, daß die Zukunft seines Sohnes gesichert war und daß er etwas wirklich nützliches studierte. Vielleicht würde er ihm doch die ganzen 13000 Mark für das Praktikum in Neuseeland geben. Bello wollte dort die Gipsbauten der einheimischen Pygmäenstämme auf ihre Wetterbeständigkeit und Ameisenresistenz untersuchen und den Eingeborenen die -5 0 -
Vorteile von Moltofil erklären. Der Abend wurde noch sehr lustig und Milupa war ihrem Mann aufrichtig dankbar, daß er immer den Abwasch gemacht hatte, als sie entführt war. Benno log ihr vor, er hätte es gerne getan und lächelte sie dabei scheinheilig an. Nur über den Tod von Wella Lustfisch war sie echt betroffen, denn sie war immer eine gute Putzfrau gewesen, die sich auch mit 700 Mark brutto im Monat begnügt hatte. "Ich habe aber schon eine Anzeige aufgegeben, daß wir eine neue Putzfrau suchen. Wenn wir Glück haben, meldet sich bald eine. So lange muß eben unser Hausdiener Balisto v. Unten die Arbeit mit erledigen. Ich wünschte nur, er käme bald wieder aus dem Urlaub zurück. Zwei Wochen im Jahr halte ich persönlich für total übertrieben." In diesem Augenblick klingelte es auch schon an der Tür und als Bello hinging und öffnete, stand da eine etwa 50 Jahre alte Frau mit einem Damenschnurrbart, Zellulitis und einer Alditüte. "Guten Tag, ich bin Exquisa Hustenbeutel, ich komme wegen ihrer Anzeige." "Wegen was hat mein Vater sie denn angezeigt; wegen brutalen Serienmordes oder wegen esoterischen Raubmordes? Sie sehen mir ganz wie eine aus, die Leuten ihre Aura stiehlt." Bello, der es gewohnt war, bei seinem Vater immer das Schlimmste anzunehmen, fragte mißtrauisch nach. "Nee, junger Mann, Anzeige in der Zeitung, hier, in der 'Haus zeitung für Arbeitslose und Asoziale'; ich bin Putzfrau." Nun begann Bello zu verstehen und fragte: "Können sie denn überhaupt putzen, kochen und abwaschen?" "Aber selbstverständlich, so etwas habe ich sogar schon einmal selbst in meiner Wohnung gemacht, damals 1962, als der Putz von der Decke gekommen ist, da habe ich saubergemacht, in der Tat, ich erinnere mich noch als wär´s gestern gewesen. Es wurde einfach nicht von alleine wieder sauber, obwohl das Zeug -5 1 -
doch "Putz" heißt. Aber es hat nicht geputzt, sondern alles mußte ich machen. Es war wirklich ein dummer Putz." Die Putzfrau wurde eingestellt, sie verlangte zwar 5000 Mark im Monat plus Unfallversicherung, aber es stand außer Frage, daß sie ihr Geld wert war. Nun war der Abend vollständig gerettet. Am Sonntag machte Milupa dann zum Mittagessen auch noch Bennos geliebte gekochte Gurken mit Kümmelknödeln und Speck und am Montag war der Kommissar wieder so ausgeglichen, daß er gleich weitermachte, den Zigarrenmörder zu fangen. Die heißeste Spur war bisher der Dostojewski, deshalb beschloß der Superschnüffler, dem Verleger des Buches einen Besuch abzustatten, vielleicht war er ein Mitwisser. Das Buch war im renommierten Verlag 'Giftspätter und Quollenputz' erschienen, verdächtig war aber, daß dieser Verlag sich sonst auf Lexika und Enzyklopädien spezialisiert hatte. Überhaupt war alles sehr verzwickt und verworren an diesem Fall. Aber Benno Schlott wäre nicht Benno Schlott gewesen, wenn er den Zigarrenmörder nicht bis zum Ende dieses Buches hinter Schloß und Riegel gebracht hätte. Bevor der Kommissar aber losfuhr, machte er noch schnell die Polizeipost auf, die auf seinem Schreibtisch lag. Der Polizeipräsident schrieb ihm, daß der Zigarrenmörder am Wochenende fünf Frauen umgebracht hatte und daß Benno Schlott den Fall schnell klären sollte. "Arbeit, Arbeit, immer nur Arbeit!" murrte der Superpolizist, als er zu seinem Sportflitzer ging und unwirsch den Eimer der Putzfrau umtrat, der prompt dem Bundeskanzler auf den Kopf fiel, der gerade einen Wahlkampfbesuch im Präsidium machen wollte, um Parteifähnchen zu verteilen, die keiner haben wollte. Nun war der Kanzler naß und dreckig und ziemlich wütend. Das war aber dem Benno Schlott egal. Er hatte den Kerl sowieso nicht gewählt. Der Verlag Giftspätter und Quollenputz war in Oberflaging ansässig, einer bayerischen Kleinstadt. Von Bad Salzfischbach -5 2 -
bis nach Bayern war es zwar ein ganzes Stück, aber der Sportflitzer des Kommissars brauchte nur zwölf Minuten, so schnell war er und der Kommissar war sauer, weil er es wieder nicht geschafft hatte, den Schokoriegel aufzuessen. Dann war ihm noch in einer Kurve auf der Autobahn bei 280 Sachen der brennende Tabak aus der Pfeife geflogen und hatte ein Brandloch auf seiner neuen umbrafarbenen Rauhfaserhose hinterlassen. Das hatte er sich aber dann mit esoterischer Gedankenkraft wieder weggedacht. Als sich der Schnüffler allerdings auch noch bückte, um den Tabak wieder aufzusammeln, fetzte der Wagen in der nächsten Kurve die ganze Leitplanke und einen Wagen vom ADAC Pannenhilfsdie nst weg. Das hinterließ einen schönen Kratzer an der Stoßstange und das, wo der Wagen doch gerade erst in Reparatur gewesen war. Aber der sechste Sinn des Kommissars spürte, daß er auf der richtigen Spur war, bei seinen Ermittlungen, denn der Verleger hatte Dreck am Stecken, und das stimmte ihn wieder fröhlich. Als Schlott das Verlagsgebäude betrat, summte er sogar eine Melodie aus einer Operette von Beethoven vor sich hin. Doch dann wurde er vom Portier aufgehalten, der ihn fragte, was er denn wolle. "Geheimkriminalpolizei, esoterische Geheimspezialeinheit. Ich bin in geheimer Mission hier, also verpetzen sie mich bitte nicht, klar?" Um die Richtigkeit seiner Aussage zu untermalen, hielt er dem Portier noch seinen abgelaufenen Seniorenpaß von der Deutschen Bahn unter die Nase, denn seinen richtigen Polizeiausweis nahm er, um ihn zu schonen, nie aus seiner Schreibtischschublade heraus. Aber der einfältige Mensch hinter dem Tresen war auch so beeindruckt; wie alle anderen auch. Man mußte dazu nur das richtige Gesicht machen und vielleicht einen kleinen Zaubertrick vorführen, um sein Gegenüber abzulenken. Schlott führte synchron den Trick mit dem verknoteten Seil durch, er verfehlte seine Wirkung nicht. Ja, das -5 3 -
war eben Psychologie. Und Psychologie konnte der Kommissar wie kein Zweiter. "Was kann ich denn nun für sie tun, Herr Ohne IC/EC Zuschlag?" Herr Ohne IC/EC - Zuschlag, das war ein bombiger Tarnname! Und der stand sogar tatsächlich auf dem Ausweis drauf; ganz dick, in rot. "Ich möchte entweder zu Herrn Giftspätter oder zu Herrn Quollenputz." antwortete der Kommissar. "Herr Quollenputz hält gerade seinen Schönheitsschlaf, aber Herr Giftspätter wäre zu sprechen, er lernt nur im Moment den Buchstaben "S" aus seiner neuen Blockhausenzyklopädie auswendig." Ja, lieber Leser, das gibt es nur in Büchern oder Fantasy: Ein Portier, der, ohne auch nur einmal mit der Wimper zu zucken, das Wort "Enzyklopädie" richtig sagen kann. Aber solange dieses Buch sonst realistisch ist, hoffe ich als Autor, daß Sie, geneigter Leser (das hat nichts mit Schiefsein zu tun) darüber einmal gnädig hinweglesen können. Vielen Dank. "Gut, nicht wahr. Dann wollen wir doch mal sehen, was unser Vogel so treibt." sagte Schlott mit zusammengekniffenen Augen. Er war wieder ganz Kommissar. "Na ja, ich züchte Brieftauben, wenn sie das meinen." sagte der Portier und bewies damit, daß er von wahrer Kriminalkommissarssprache etwa soviel Ahnung hatte wie Kakerlaken von Nuklearphysik. Der Kommissar verdrehte nur kurz die Augen und ignorierte die Bemerkung geflissentlich. Er war ein Gentleman, der wußte, was sich gehörte. "Bitte sehr, das Büro von Herrn Amadeus Giftspätter. Wenn sie mich nun entschuldigen würden, Herr Wachtmeister." Herr Wachtmeister, pah! Gut, daß dieser Vollmilchschlaraffe -5 4 -
schnell das Weite gesucht hatte, sonst hätte der Kommissar ihn ernsthaft zur Ordnung rufen müssen. Wahrscheinlich hätte er ihn zur Strafe erst einmal zusammengeschossen und verhaftet. Benno Schlott klopfte energisch an die Tür zu Giftspätters Büro an und riß sie dabei gleichzeitig auf, daß sie aus den Angeln flog und auf den Boden schellte. Der Kommissar hatte Riesenkräfte. Wie ein blutrünstiger Koalabär. Amadeus Giftspätter, ein dünner Mann mit einer dicken Brille saß über ein Lexikon gebeugt am Schreibtisch und murmelte etwas vor sich hin. "Polizei! Alles hinlegen, keiner verläßt den Raum, Hände hinter den Kopf, Waffen weg!" brüllte der Geheimkommissar und zerschoß mit seiner Dienstwaffe zur Warnung die Schreibtischlampe. "Darf man fragen, was sie in meinem Büro machen? " fragte Herr Giftspätter, der sich getreu der Anweisungen auf den Boden gelegt und die Hände im Nacken gefaltet hatte. "Sein sie ruhig, das ist ein Verhör! Sie reden nur, wenn sie gefragt werden. Klar? Natürlich klar. Also, warum geben sie den 'Heimatdoktor von Fichtenburg' heraus, das ist doch ein Roman und kein Lexikon, nicht wahr?" "Nun, äh, Herr Kommissar, das ist so eine Sache. Wissen sie, meine Frau hatte das Manuskript damals in einer alten Truhe auf dem Speicher gefunden und sagte: "Du, Florestan, das ist so ein schönes Buch, das muß einfach veröffentlicht werden!" "Aber sie heißen doch Amadeus mit Vornamen." wunderte sich Schlott, denn seinem messerscharfen Verstand entging nie etwas. "Sehr richtig. Florestan ist unser Butler. Ja, und der sagte es mir, und ich machte meiner Frau dann zu Weihnachten die Freude, es herauszubringen. So kommt das. Kann ich jetzt wieder aufstehen?" "Halten sie den Mund, nicht wahr! Wenn hier jemand fragt, dann bin ich das und nicht sie! Kennen sie Hanno und Sammy -5 5 -
Sparfilz?" "Sparfilz 1.) Hanno. *12.4.1950, Bremen. Gymnasium, studierte dann Graphikdesign ebenda, 1977 Promotion, danach selbständig als Werbetexter und -graphiker. Lebt und arbeitet seit 1981 in Bad Salzfischbach (-›). 2.) Samuel (Sammy). *12.4.1950, Bremen. Gymnasium, studierte dann Kunst und Design ebenda, 1977 Promotion, danach selbständig als Zeichner und Graphiker. Lebt und arbeitet seit 1981 in Bad Salzfischbach. (-›). S. gilt als bedeutendster Comiczeichner des deutschsprachigen Raumes, zahlr. Auszeichn. u.a. goldener Silberbarren, Dauertiefpreis, Friesenpreis des dt. Buchhandels, Erhebung in den Marktstand, Franziskanerorden." "Aha, sie kennen sich also aus. Dann kennen sie die beiden sicherlich gut. So leid es mir auch tut, ich muß sie nun bitten, mitzukommen, sie sind eine heiße Spur. Wie der Dostojewski in die Hände der Brüder gekommen ist und wie sie ihn präpariert haben, das erzählen sie mir auf dem Revier, nicht wahr." sagte der Kommissar und legte dem noch immer am Boden liegenden Amadeus Giftspätter seine berühmt-berüchtigten HandFußschellen an. "Aber ich kenne die Brüder doch gar nicht persönlich, ich habe nur aus meiner Blockhausenzyklopädie zitiert, ich lerne nämlich gerade den Buchstaben ´S´ auswendig." "Ich habe ihnen schon zweimal gesagt, sie sollen nur reden, wenn sie gefragt werden. Sie sind vorläufig wegen Mitwisserschaft und Hinterziehung eines Buches verhaftet." Der Kommissar stopfte den Verleger in den Kofferraum und brauste davon. Diesmal dauerte die Heimfahrt über drei Stunden, denn der Kommissar steckte in einem großen Stau. Irgendein Vollidiot hatte eine Leitplanke weggefetzt, einen ADAC- Pannenwagen total plattgefahren und anschließend noch Fahrerflucht begangen. Für den armen Kommissar Schlott half nun weder die Hupe, die er pausenlos laut brüllend und mit -5 6 -
hochrotem Kopf betätigte, noch dichtes Auffahren und Drängeln. Er mußte den Stau durchstehen. Herr Giftspätter, der dauernd rief und gegen den Kofferraumdeckel trat, machte es ihm auch nicht gerade leichter. Wenigstens etwas Kooperation konnte man doch gegenüber der Polizei erwarten. Als er endlich am Unfallort angekommen war, wo es von Polizisten regelrecht wimmelte, griff er sich einen jungen Wachtmeister und meckerte ihn ersteinmal an: "Hey, du Quarkschnabel, weißt du wen deine dusselige Unfallsicherung über zweidreiviertel Stunden seiner Zeit gekostet hat? Na, weißt du's? Jaha, genau, Benno Schlott, dein großes Vorbild! Du pfeifst jetzt sofort deine Leute weg, sonst verhafte ich dich wegen Behinderung eines Vorgesetzten in Ausübung seiner Pflicht und lasse dich in meinem privaten Genlabor in drei weiße Ochsenfrösche mit sehr geringer Lebenserwartung umklonen!" "Aber, ich darf das gar nicht, das kann nur mein Vorgesetzter, Herr Aristoteles Hefterbacke machen. Ich darf noch nicht befehlen. Abgesehen davon fahren sie übrigens auf der falschen Straßenseite. Vielleicht haben sie sich ja schon gewundert, warum ihnen die Autos alle entgegenkommen." entgegnete dieser impertinente Jungpolizist. "Ha, auch noch frech werden, du Bullenschwein! Ich fahre, wo ich es für richtig halte. Schreib dir das mal ins Stammbuch! Und ob du wirklich keine Befehle geben darfst, werde ich später noch überprüfen; ich werde dazu vielleicht sogar eigens eine Soko einberufen. So lange muß ich dich als Beweisstück konfiszieren, ha, ha! Für den Fall, daß Herr Hefterbacke später leugnet." Schlott verpackte den Wachtmeister in einen Plastiksack mit Luftlöchern und warf ihn auf den Rücksitz seines Wagens. Er war berühmt für seine übergründliche Beweisführung, die vor jedem Gericht bisher immer bestanden hatte. Bislang hatte er alle Indizienprozesse gewonnen. Meist wurde das Indiz sogar zu lebenslänglich verurteilt. -5 7 -
Als der Kommissar endlich auf dem Präsidium ankam, nahm er Herrn Giftspätter mit ins Büro und verhörte ihn. Nach drei Stunden, in denen er immer wieder beteuerte, nichts über das Buch sagen zu können, spielte Schlott seinen letzten Trumpf aus: "Sehen sie sich das Buch doch einmal genau an. Fällt ihnen etwas auf?" Amadeus Giftspätter blätterte es durch und betrachtete es genau. Dann sagte er: "Hier sind auf verschiedenen Seiten einzelne Buchstaben unterstrichen, wenn man sie der Reihe nach liest, ergibt das die Worte 'Schauen Sie einmal auf den vorderen Buchdeckel, da ist ein Brief eingeklebt.' Schauen sie gleich mal nach, Herr Kommissar." Benno Schlott ließ sich nicht gerne Lösungen sagen, deshalb antwortete er mißmutig, er würde später vielleicht mal nachschauen; doch schon gleich darauf hatte er den Brief wieder vergessen. Manchmal war er ein richtiger Schussel. Nun ließ er aber erstmal Herrn Giftspätter frei, denn es gab leider keinen Grund mehr, ihn zu behalten, der Mörder war er wohl nicht. Schade eigentlich, obwohl sein sechster Sinn angeschlagen hatte. Sollte sich der Sinn wohl etwa geirrt haben? Man weiß es nicht. Der Kommissar ließ den Verleger nicht gehen, ohne ihn rund um die Uhr von seinem Assistenten Gertrud beschatten zu lassen, denn er war noch immer eine Spur. Giftspätters Personalausweis hatte Schlott vorsorglich ersteinmal eingezogen, des weiteren hatte er darauf verzichtet, ihm die Hand-Fußschellen abzunehmen, so daß Giftspätter linke Hand an rechten Fuß gefesselt blieb. Das dürfte es, dachte er, für Gertrud einfacher machen, an dem Verleger dranzubleiben. Natürlich hatte der Greifer auch Giftspätters Brieftasche dabehalten, von ihrem Inhalt würde er Milupa zum Essen einladen und sich vielleicht eine von Frau Drahtkuchens schicken Schinkenbroschen leisten. Aber ersteinmal ging er in die Kantine um mit dem Löffel eine ordentliche Erbsensuppe zu -5 8 -
verdrücken. Danach dachte es sich schon gleich viel klarer.
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Kapitel 9 Der Kommissar bekommt eine Beule am Kopf und ist sauer An der Theke in der Kantine war wieder einmal ein irres Gedränge. Alle Polizisten im ganzen Revier hatten jetzt Mittagspause und alle waren hungrig und gingen essen. In dem Gequetsche vor der Kasse fiel dem Kommissar das Tablett runter und auf die Füße des Polizeipräsidenten, der vor ihm stand. Nun hatte er die Schuhe voll mit Erbsensuppe und war sehr wütend. Schlott konnte alles gerade noch rechtzeitig auf den Bundeskanzler schieben, der hinter ihm in der Schlange stand, um Bürgernähe zu demonstrieren, so daß der den Ärger bekam. Der Kommissar stellte sich noch einmal an, um sich einen neuen Teller mit Suppe zu holen. Diesmal traf er seine alte Freundin und Kollegin, Kriminalhauptkommissarin Rexona Bürstenschnitt vom Betrugsdezernat, die auch gerade Erbsensuppe bestellte. "Na, sowas, Rexona, auch lang' nicht mehr gesehen! Was machst du so, wie geht's?" fragte der Kommissar und klopfte der Kollegin, die für den weiteren Verlauf dieses Buches nicht wichtig ist, so heftig auf die Schulter, daß ihr die ganze gerade erhaltene Erbsensuppe auf den Boden fiel, und das so ungünstig, daß der Vordermann darauf ausrutschte, hinfiel und beim Hinfallen wiederum seinem Vordermann aus Versehen zwischen die Beine trat. Dieser fiel auch und knallte voll in die Hacken des schwedischen Königs, der inkognito nach Deutschland gekommen war, um die Toten Hosen einmal live zu erleben und dem Bundeskanzler die Schau zu stehlen. Er brach sich dabei die Wirbelsäule und mußte ein halbes Jahr lang total im Gipsbett liegen. "Mist, die schöne Suppe! Oh, gut geht's, ich bin nur gerade hinter einem besonders großen Fisch her, einem Großbetrüger; -6 0 -
kann ihn aber nicht erwischen, weil er ins Ausland, genauer nach Bayern geflüchtet ist. Er heißt Amadeus Giftspätter und hat seine Frau gleich mehrfach betrogen. Dafür wird er seit zwei Jahren von unserem Dezernat und von Interpol gesucht." berichtete Rexona Bürstenschnitt. "Oh ja, der Interpol. Da war ich letzten Sommer mit meiner Frau. Schöne Gegend, nur ein bißchen viel Eis und kalt. Aber wir hatten uns ja Polkappen aufgesetzt, dann ging's mit der Temperatur; zumindest am Kopf. Hey, Moment, da fällt mir ein, diesen Amadeus Giftspätter hatte ich gerade eben verhaftet. Weit kann er noch nicht sein, ich habe nämlich darauf verzichtet, ihm die Fesseln abzunehmen; warte, ich bringe ihn dir schnell. Ich wußte doch, auf meinen sechsten Sinn ist Verlaß!" Sofort flitzte der Kommissar los, denn ein guter Greifer hat nie Pause. Dabei ließ er sogar seinen neuen Teller Erbsensuppe fallen, der unglücklicherweise den amerikanischen Vizepräsidenten, der in Bad Salzfischbach eine Zweitwohnung besaß und seine Frau gerade in die Polizeikantine zum Essen einladen wollte, voll am Kopf traf. Er wurde ohnmächtig und fiel zwei Jahre lang ins Koma. Als er wieder erwachte hielt er sich plötzlich für Lucrezia Borgia, vergiftete drei Männer und tauchte dann unter, wobei er sich eine neue Identität zulegte. Danach zog der ehemalige Staatsmann nach Frankreich und bekam als "Die frivole Closette" eine eigene Striptease-Show im "Moulin Rouge". Schlott schaffte es auch schnell, Giftspätter wieder einzufangen, Gertrud sagte ihm, daß er einem Taxifahrer aufgefallen war, weil er nicht bezahlen konnte, der hatte ihn nun auch gleich in seinem Taxi bis zum Eintreffen der Polizei eingesperrt. Schlott ging hin, nahm den Verleger, warf ihn sich über die Schulter und rannte zurück zum Revier, wo er ihn im Betrugsdezernat abgab. Mit dem Zigarrenmörder hatte er, wie sich dort herausstellte, in der Tat nicht das Geringste zu tun. -6 1 -
Aber der Kommissar hatte ganz nebenbei auf elegante Weise schon wieder einen Fall gelöst, wofür er vom Bundespräsidenten persönlich zum Ritter Sport geschlagen und in den Taxistand erhoben wurde. Es war nämlich der 500. Fall, den der Kommissar gelöst hatte, und da bekommt man als Polizist immer diese Ehre. Das war natürlich ein toller Erfolg für den Kommissar, aber seine Tugend bestand bekanntlich in Bescheidenheit und deshalb ließ er es sich nicht nehmen, den Fall mit dem Zigarrenmörder weiter zu bearbeiten, und auch sonst veränderte er sein Leben nicht, bis auf die Tatsache daß er fortan, zumindest zu Hause, eine Krone trug (er hatte sie sich aus einer von Minutos leeren Hundefutterdosen zurechtgesägt) und sich mit "edler Herr Kommissar" betiteln ließ, zumindest von seinen Untergebenen. Freunde und Verwandte durften natürlich weiterhin Benno oder Wuff zu ihm sagen (so nannte Minuto ihn nämlich immer). Der Kommissar beschloß nun, da er ja den Zigarrenmörder wieder nicht gefangen hatte, sich einmal die letzten fünf Tatorte anzuschauen. Wenn er den Strichen in seinem Notizbuch glauben konnte, hatte der Zigarrenmörder bisher 24 Frauen umgebracht. Benno Schlott schlenderte gemütlich zu seinem Wagen und zündete sich eine Pfeife an. 24 tote Nichtraucherinnen. Er hatte es doch immer gewußt: Nichtraucher lebten gefährlich! Diesmal vögelte er die Putzfrau nicht, sondern gab ihr nur einen Tritt in den Hintern, daß sie die Treppe runterflog. Das sah lustig aus und hatte noch den Vorteil, daß man sich dafür nicht immer ausziehen mußte. Nun setzte sich der Stargreifer gemütlich in die orthopädischen Ledersitze seines teuren Sportwagens. Es waren überdies noch Polizeisitze mit Frotteeaufsatz (das ist ein Wort mit vier Vokalen hintereinander!). Er wollte gerade einen Schokoriegel aufpacken, da erinnerte sich der alte Fuchs an die Pfeife, die er im Mund hatte. Schokoriegel und Pfeife, das waren ja gleich zwei Dinge auf einmal. Das ging nun wirklich nicht. Da mußte -6 2 -
ja eins von beiden aus dem Mund fallen. Aber das war ein kleines Problem für einen großen Geist. Schlott grinste nur kurz überlegen und kratzte sich am Ohr, dann hatte er die Lösung und steckte einfach den Schokoriegel mit in die Pfeife. Das schmeckte auch und so mußte er nicht immer angebissene Riegel im Wagen liegenlassen, sondern konnte sie überall bequem zu Ende rauchen. Außerdem enthielt eine Lila Pause sicher weniger Nikotin und Teer als sein russischer "Asthmakow extra stark". Der erste Tatort lag im Schubertpark, benannt nach dem großen Versicherungsvertreter Bert Schu, der wohl Bad Salzfischbachs berühmtester Sohn war und dessen Bild sogar schon einmal auf der Rückseite einer Briefmarke geprangt hatte. Man hatte hier auf einer Parkbank am Samstag Nachmittag die Leiche einer etwa 41-jährigen Frau gefunden, wie üblich mit einer dicken, halbgerauchten Havanna im Mund. Die Frau hatte man anhand ihres Führerscheins als die Meeresbiologin Dr. Chlorella Käsesarg identifiziert, die durch ihre Forschungen an der autokanibalistischen Grünwachsseegurke zu einiger Berühmtheit gelangt war. Die autokanibalistische Grünwachsseegurke lebt an den dunkelsten Stellen der Nordsee, wo wirklich kein anderes Leben mehr existierten kann. Sie ernährt sich ausschließlich von ihrem eigenen Körper und legt dabei meist einen so erstaunlichen Appetit an den Tag, daß sie in der Regel nicht älter wird als 34 Sekunden. Warum sie nicht schon vor rund 450 Millionen Jahren an ihrer eigenen Gefräßigkeit zugrunde gegangen ist, zählt bis heute zu den vielen großen Rätseln der Natur. Die Leiche von Chlorella Käsesarg wollte der Kommissar später eigenhändig sezieren. Er hoffte, daß er so weiterkommen würde. Als er am Tatort angekommen war, sah er sich ersteinmal nach Spuren am Boden um. Er ging den Tatort in einem fünf Meter langen Radius mit seiner Wünschelrute ab, die schon bald ausschlug. Schlott bückte sich und entdeckte ein -6 3 -
Gebiß, das am Boden lag. Es war eindeutig ein Herrengebiß, wie der Kommissar sofort feststellte, denn es befanden sich Reste von Herrentorte zwischen den Schneidezähnen. Es konnte also nur dem Täter gehören. Leider war kein Name eingraviert, sondern nur der Zahnarzt, der es hatte anfertigen lassen. "Wir sind in aller Munde. Zahnarztpraxis Dr. v. Zahn, Bad Salzfischbach." stand da. Dem Zahnarzt würde er mal einen Besuch abstatten. Aber erst, nachdem er die anderen Tatorte abgeklappert und die Leiche der Biologin seziert hatte. Des weiteren entdeckte Schlott die Handtasche der Toten auf der Bank. Die hatte die Spurensicherung im Eifer des Gefechts völlig übersehen. Und das, obwohl es eine sehr lustige Handtasche war, sie war nämlich tatsächlich in Form einer Hand gearbeitet. Der Kommissar setzte sich auf die Bank, um einmal den Inhalt der Tasche zu begutachten. Wie er erfreut feststellte, war die Bank eine Spende. Es war ein Messingschild daran befestigt, auf dem eingraviert war "Gespendet von Ballmayr. Ballmayr, der Kaffee, der heißt wie er schmeckt." Benno Schlott freute sich, weil er immer Ballmayr-Kaffee trank. So wußte er wenigstens, wo sein Geld hinkam, das er immer im Supermarkt dafür bezahlen mußte. Die Tasche enthielt einen Lippenstift (wasserfest und kußecht), einen Kamm, eine röhrchenförmige Schachtel Vitamintabletten, ein Portemonnaie mit 359 Mark, für die der Greifer beschloß, sich eine neue Bommel- und Rüschenbluse in seiner Lieblingsfarbe lindgelb zu kaufen, eine Flasche Weinessig, die neueste Ausgabe des Nachrichtenmagazins "Der Spargel" (auf dem Titel waren diesmal die Indianerhäuptlinge Red Bull und Flying Horse, die sich zu einem historischen Gipfeltreffen mit dem USPräsidenten trafen), sieben Rätselhefte, eine Dose Knackwürstchen und einen Weltatlas, dem Seite 43 fehlte. Alles in allem eine ganz normale Damenhandtasche. Der Kommissar beschloß, sie auch mitzunehmen und mit anklagendem Gesicht der Spurensicherung auf den Tisch zu legen, weil die sie ja -6 4 -
vergessen hatte zu sehen. Zufrieden setzte sich Schlott wieder in seinen Wagen und brauste zum nächsten Tatort. Diese Tatortbesichtigung war zumindest ein voller Erfolg gewesen. Wenn es so weiterging, dann würde der Zigarrenmörder bald hinter den wohlverdienten Gittern sitzen. Die nächste Leiche, es war die der Gefängniswärterin Gitta Stab war im Vorgarten des pensionierten Juristen Wigobert Mottenkiffer gefunden worden, der zuletzt als Richter am Leibgericht in Bad Salzuflen gearbeitet hatte. Seine Frau hatte die Tote gefunden, als sie etwas Gewürzspargel für Forelle im Lebkuchenmantel pflücken wollte. Die Leiche hatte blutunterlaufene Augen und in ihrem Mund steckte eine halbgerauchte Havannazigarre. Wie Benno Schlott so zur Bundesgartenschaustraße 36b fuhr, wo die Villa des Richters lag, fielen ihm zwei Dinge ein. Erstens: Er brauchte sich eigentlich gar nicht Geheimkommissar zu nennen, denn der Mörder ermordete ja nur Frauen und Nichtraucherinnen, und er war ein Mann und rauchte wie ein Schlot, oder, wie er scherzhaft zu sagen pflegte, wie ein Schlott, ha, ha; also war das alles unnötige Vorsicht. Ab sofort wollte er wieder nur Kommissar Schlott sein, und den Tarnnamen "Klebefrosch" konnte er auch an den Nagel hängen. Zweitens: Erstaunlich war, daß keine der Toten Anzeichen sexuellen Mißbrauchs aufwies. Schlott jedenfalls fielen eine Menge Sachen ein, die ein Mann mit einer noch warmen Frauenleiche anstellen konnte. Der Täter mußte ungewöhnlich frigide sein und Frauen aber trotzdem hassen. Obwohl er nicht viel mit ihnen machen konnte. Schlott notierte es. Vielleicht hatte es ja was zu bedeuten. Als er in die Bundesgartenschaustraße einbog, es war eine der besten Adressen in der ganzen Stadt, hier wohnten alle Reichen und Schönen, da war er ersteinmal schockiert. Er hatte es doch gleich gewußt, daß er diese Straße irgendwie kannte! Jetzt nahm er es ganz deutlich wahr: Das war -6 5 -
die Straße, in der er selber wohnte! Nur zu dumm, daß er sich Adressen nie merken konnte! Er sah in seinem Adreßbuch nach, und da stand es auch: Schlott, Milupa & Benno (ich) Bundesgartenschaustraße 23 42007 Bad Salzfischbach Tel.: 44 33 22 Und noch irgendwo hatte er den Namen dieser Straße gesehen. Die Augen des Kommissars verengten sich zu Sehschlitzen, als er kombinierte. Ha! Natürlich! Im Adreßbuch der Brüder Sparfilz. Er zog es aus seiner Hosentasche, die er immer dabei hatte, und blätterte. Da war es auch schon: Mottenkiffer, Wigobert Bundesgartenschaustraße 36b 42007 Bad Salzfischbach Tel.: 44 32 10 Das war ja ein Hammer! Es bestand ein direkter Zusammenhang zwischen den Sparfilz - Brüdern und dem Fundort der Leiche. Das rückte die Ermittlungen in ein ganz neues Licht. Wenn der Kommissar bloß gewußt hätte, in welches. Aber die Brüder waren auf jeden Fall verdächtig. Schlott telefonierte sofort mit dem Revier und beauftragte den Polizeipräsidenten, Hanno und Sammy Sparfilz beschatten zu lassen, und zwar von den besten Männern. Der Polizeipräsident erklärte sich bereit, Flötenschmalz und Ohrpuffer abzuordern, unter der Bedingung, daß der Kommissar ihm dafür Bierplätzchen mitbrachte. Er versprach es und dachte, wie gut es war, wenn man eine Frau hatte, die backen konnte. Remigius Flötenschmalz und Friedmund Ohrpuffer waren die beiden heimlichsten Männer der ganzen Polizei. Man nahm sie einfach nicht wahr, egal, was passierte. Überall war das so. Wenn sie in einer Schlange standen, zum Beispiel im Supermarkt, konnten -6 6 -
sie sicher sein, nie dranzukommen, weil alle sich, ohne sie überhaupt zu bemerken, vor sie vorschoben. Sie ließen deshalb alles einfach mitgehen, was auch nie auffiel. Wenn sie redeten, meinten immer alle Leute, Stimmen zu hören, aber nur ganz leise, so am Rande halt und total unverständlich. Die zwei Polizisten traten deshalb nebenbei im Dienste verschiedener Psychiater und Psychoanalytiker an belebten Straßen auf und redeten mit Leuten. Es funktionierte: Die Leute schrien dann immer so Sachen wie "Hilfe, ich höre Stimmen!" oder so, und begaben sich schlagartig in Therapie und Flötenschmalz und Ohrpuffer bekamen 20% Beteiligung am Umsatz, falls sie bei der Auszahlung nicht wieder mal übersehen wurden. Wenn sie einmal bemerkt werden wollten, beispie lsweise abends bei ihren Frauen im Bett, oder eben an Zahltagen, dann setzten sie sich riesige blinkende und hupende Hüte auf, die enorm viel Strom verbrauchten und sehr teuer in der Wartung waren, weil sie mit echten Flakscheinwerfern ausgestattet waren. Aber auch das half nur bedingt. Zum unauffälligen Beschatten waren sie deshalb wie geschaffen. Selbst Autos, in die sie stiegen, auch Ferraris mit breiten Quietschereifen wurden sofort vollkommen unauffällig. Nun aber zurück zum Kommissar. Er stieg aus seinem Wagen aus und ging zum Tatort Nummer zwei. Sein sechster Sinn sagte ihm gleich, wo die Leiche gelegen hatte, nämlich im Gemüsebeet, verborgen hinter einem Karottenbaum. Die Karotten waren gerade reif und Benno Schlott war ein großer Gemüseliebhaber. Er pflückte eine Karotte, entfernte routiniert die Schale mit dem Daumen und aß sie auf (die Karotte), als er die Fundstelle betrachtete. Es waren tiefe Eindrücke in der feuchten Erde zurückgeblieben, die von Gitta Stabs Körper stammten. Sie war sehr dick und schwer gewesen und deshalb hatten sich die ganzen Körperumrisse in den Boden gedrückt. Auf den ersten Blick gab es hier aber keine verborgene Spur. Zumindest keine, die offensichtlich war. Der Kommissar -6 7 -
brummte ein wissendes "So, so." als er den Tatortkoffer öffnete. Er entnahm einen Spirituskocher, einen Wasserkessel, ein Paket Ballmayr-Kaffee, entkoffeiniert, einen Kaffeefilter und Filtertüten, eine Kaffeekanne, einen Meßlöffel, ein Kaffeeservice und etwas Gebäck. Er kombinierte kurz und ging dann mit dem Wasserkessel zu Wigobert Mottenkiffers Gartenteich, wo er ihn mit Wasser füllte. Dann kochte er einen tollen Kaffee, der ihm mit Gebäck sehr gut schmeckte, wenn auch nicht ganz so gut wie sonst, weil er nämlich aus Versehen einen Molch mitgekocht hatte, der wohl mit in den Kessel geschlüpft war. Lieber Leser, es wird Ihnen sicher schon klar sein: Ein Kommissar wie Benno Schlott, der macht nicht einfach nur Kaffeepause, nein, was er auch tut, er tut es dienstlich. So auch hier. Als er den Kaffee ausgetrunken hatte, beugte sich Kriminalhauptkommissar Benno Schlott über den Kaffeefilter mit dem Kaffeesatz. Mit spitzen Fingern entfernte er erst den zerkochten Molch und versenkte dann alle seine sechs Sinne in den Kaffeesatz. In Trance las er daraus, daß beste kolumbianische Hochlandbohnen verwendet worden waren, die diesem edlen Kaffee sein unvergleichliches Aroma verliehen. Aber halt! Da war noch etwas. Aufgeregt bewegten sich die Augen des Kommissars hin und her, als er etwas sehr Erstaunliches aus dem Kaffeesatz las. Er beendete sofort danach seine Trance, denn in den gemahlenen Bohnen las er nicht nur eine verborgene Spur, sondern auch, warum der Zigarrenmörder mit Zigarren mordete und wie. Es handelte sich bei dem Mörder um einen Anhänger des peruanischen Tabakkultes von Nnguk, der seinem Tabakgott Frauenopfer darbrachte, wahrscheinlich, um möglichst schnell Hohepriester werden zu dürfen. Die Ritualmorde durften nur an Nichtraucherinnen, bzw. Nichtrauchern (bei weiblichen Hohepriester-Anwärtern) verübt werden, weil sie für den Tabakgott verlorene Seelen waren, (obwohl die Priester selbst auch nicht rauchen durften, wohl um Rauchanfängern nicht den kostbaren Tabak wegzurauchen) und -6 8 -
nur mit Havannazigarren, weil sie das Heiligste und Edelste an Tabak überhaupt waren. Die Frauen wurden in diesem speziellen Fall mit einem Lockstoff zu den Zigarren gelockt, der sie für weibliche Nichtraucher ungeheuer attraktiv machte. Beim Abbrennen der Zigarren wurde der Lockstoff neutralisiert und war anschließend nicht mehr nachweisbar. Der südamerikanische Quetschkrötenextrakt war ein geheiligtes Ritualgift, das blitzschnell wirkte, wenn man die Zigarre genau halb geraucht hatte. Wer zum Hohepriester des Tabakkultes von Nnguk ernannt wurde, gewann zusätzlich eine zweiwöchige Karibikkreuzfahrt und ein nagelneues Auto. Wieviele Frauen (oder Männer) man opfern mußte, war unterschiedlich, das wurde per Gotteslos entschieden. Das alles stand im Kaffeesatz und war eine echte Sensation. Der Kommissar notierte es schnell in sein Notizbuch und war froh, ein Rätsel schon mal gelöst zu haben. Aber noch etwas hatte im Kaffeesatz gestanden, nämlich, daß hinter der großen Wurzel des Zimtbaumes eine Taschenuhr lag, die der toten Gefängniswärterin gehört hatte, und die man nicht sofort sah, wenn man nicht wußte, wo sie war. Angespornt und befriedigt von der Erkenntnis, die er gewonnen hatte, schaute Benno Schlott hinter die große Wurzel und entdeckte dort auch wirklich die Taschenuhr. Sie war recht groß und in der Tat in Form einer Aktentasche gearbeitet, die ein großes Zifferblatt schmückte, mit Zeigern und Datumsanzeige. Eigentlich mehr eine Aktentaschenuhr, als eine Taschenuhr, aber das war im Grunde nebensächlich. Der Kommissar stand wieder auf, übersah aber dabei einen dicken, knorrigen Ast, der schon üppig Zimtstangen trug und stieß mit dem Kopf voll dagegen. Das war ein irrer Schmerz, der da kam und es entstand auch gleich eine dicke, häßliche Beule auf der Stirn und auch eine am Baum, denn Zimtbäume waren, abgesehen von der kenianischen Yoba-Yoba-Klette die einzigen Pflanzen, die bei Schlägen mit stumpfen Gegenständen, oder wie hier eben Köpfen, waschechte Hämatome bekommen -6 9 -
konnten. Kenianische Yoba-Yoba-Kletten schrien außerdem, wenn man sie pflückte und bluteten ganz furchtbar. Der Kommissar rieb sich vor Schmerz den Kopf und war schon wieder sauer.
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Kapitel 10 Der Kommissar macht geschickte Schnitte und sieht sich einen Dickdarm an Mit einer Taschenuhr, einer dicken Beule am Kopf und irrsinnigen neuen Erkenntnissen im Fall "Zigarrenmörder" fuhr der Kommissar mit 220 Sachen zum nächsten Tatort, dem dritten. Er fuhr aber vorher noch schnell auf einen Sprung nach Hause, denn er wohnte ja auch in der Bundesgartenschaustraße. Milupa war um diese Zeit sicher arbeiten, sie hatte neben ihrem Beruf als Mutter und Hausfrau noch einen anderen, nämlich beim Leibgericht in Bad Salzuflen als Gerichtsvollzieherin für Käsetorten und Marmorkuchen. Schlott wollte aber trotzdem vorbeischauen und einen guten Happen Hausgemachtes essen, im Kühlschrank war sicher noch was. Das war allemal besser als der Fraß in der Kantine. Er stieg die Stufen zu seiner hochherrschaftlichen Villa empor und erfreute sich dabei an den herrlichen Blumen im Vorgarten und dem kleinen Magnolienhain bei den Zierfischteichen; sie enthielten eine spezielle Art japanischer Kugelfische, die es auf der ganzen Welt nur noch hier in Benno Schlotts Garten gab. Im Kühlschrank war noch eine Tupperwarebox mit Waldmeisterpudding und ein Rest Karpfen in Rotweinsoße mit noch etwas Rotkohl und einem Kloß. Der Kommissar wärmte sich den Karpfen und aß gemütlich. Dabei telefonierte er mit seinem guten Freund Don Rodrigo Hüttenknödler, der in Argentinien eine Hazienda geerbt hatte und vor drei Jahren mit seiner Frau Donna Vienetta dorthin gezogen war. Milupa sah es nie gerne, wenn Benno stundenlang mit ihm nach Argentinien telefonierte. Obwohl Geld kein Problem war, war sie um die Telefonrechnung besorgt; aber Benno Schlott telefonierte trotzdem dreimal in der Woche mit ihm, immer, wenn Milupa nicht da war. So auch jetzt. Es war ein lustiges Gespräch über -7 1 -
das Wetter und der Kommissar hätte fast seine Arbeit darüber vergessen; er spielte mit seinem Freund zusammen auch noch eine Partie Telefonschach; da kam aber Frau Hustenbeutel, die neue Putzfrau und schmiß ihn raus, weil sie die Küche saubermachen mußte. Er ging zu seinem Wagen zurück und fuhr mit Highspeed zum nächsten Tatort. Die neue Tote hieß Alete Hefekoffer und war Studentin der Gartenbaumedizin gewesen. Sie lebte mit ihrem Freund Stanislaw Bratengeier zusammen in einer Zwanzigzimmerwohnung im Studentenwohnheim, die ihnen das Studentenwerk gestellt hatte. Wie der Kommissar beim Portier des Heims erfuhr, sollte es sich ursprünglich nur um eine Zweizimmerwohnung handeln, im Mietvertrag war aber irrtümlich von 20 Zimmern die Rede gewesen. Das Gericht gab nach einer Klage Alete Hefekoffer Recht und urteilte, daß ihr die im Vertrag zugesicherten 20 Zimmer zur Verfügung gestellt werden mußten. Daraufhin wurden die drei oberen Etagen des Wohnheims in eine einzige Wohnung mit 20 Zimmern umgebaut. Tag und Nacht, drei Monate lang wurde gehämmert und gebohrt, die anderen Mieter des Wohnheims waren außer sich, zum ersten, weil sie viel kleinere Wohnungen für den selben Mietpreis hatten, und zum zweiten, weil die meisten von ihnen in den vergangenen drei Monaten fast gar nicht geschlafen hatten. Es hagelte im Folgenden Bomben- und Morddrohungen auf Alete Hefekoffer und ihren Freund, was den beiden kräftig auf die Nerven ging. Kommissar Schlott befragte noch einige Wohnungsnachbarn und den Mann, der die Leiche gefunden hatte, den Studenten der Nuklearpädagogik Gutfried Münzjoghurt. Anschließend stand für ihn fest: Dies war keine Spur, hier war ein anderer Mörder am Werke gewesen. Folgendes sprach dafür: Zwar war die Leiche mit einer halbgerauchten Havanna im Mund gefunden worden, allerdings war es allgemein bekannt, daß Alete Hefekoffer eine gewohnheitsmäßige Zigarreraucherin war, die dicke Havannas bevorzugte. Weiter war es offensichtlich, daß -7 2 -
sich der Mund der Toten mit der Zigarre ungefähr anderthalb Meter vom restlichen Körper entfernt befand, was auf eine Bombe zurückzuführen war, die zuvor in der Wohnung detoniert war (andere wichtige Körperteile fand man hinter dem Sofa, an der Decke, im Schlafzimmer und an einigen anderen Orten). Bombenlegen war eindeutig nicht die Handschrift des Zigarrenmörders. Zu guter Letzt ergab ein Anruf in der Gerichtsmedizin, daß in der Zigarre keinerlei Spuren eines Giftes gefunden worden waren, sah man einmal von den Giften ab, die so eine Zigarre von Natur aus enthielt. Dies war eindeutig ein Fall für die ordinäre Mordkommission, damit konnte sich Benno Schlotts Lieblingsfeind, Kriminalhauptkommissar Justinian Wachsgurke herumärgern, der an keine esoterischen Phänomene glaubte und selbst die Ufoforschung für Humbug hielt. So einen Fall hatte er verdient. Benno Schlott indessen konnte gemütlich zu Tatort Nummer vier fahren. Tat er aber nicht, er fuhr total schnell dahin, mit 250 Sachen. Dem hatte der Kinderwagen, der von der Frau auf dem Zebrastreifen geschoben wurde, nicht viel entgegenzusetzen. Es machte nur kurz "flapp", als er vom Frontspoiler von Kommissar Schlotts Wagen plattgehobelt wurde. Zebrastreifen waren überhaupt eine dämliche Erfindung. Tatort Nummer vier lag auf dem Stadtfriedhof, wo die Nachtwächterin Konica Knochenwärmer - Butterlampe mit einer Havanna im Mund ihre letzte Ruhe gefunden hatte. Sie war ein stadtbekanntes Original gewesen und hatte es aus biologischen Gründen immer abgelehnt, Kleidung am Körper zu tragen. Sie sagte, die Tiere zögen sich ja auch nicht an, bevor sie hinausgingen, nicht einmal die Haustiere, von einigen Dackeln abgesehen. Ihre Marotte wurde von allen geduldet, so unrecht hatte sie ja auch gar nicht, außerdem war Konica Knochenwärmer - Butterlampe nicht häßlich, so daß vor allem Männer ihr Evakostüm meist als interessante Verbesserung ihres Äußeren ansahen. Mit der Zeit hatte sie sich zusätzlich ein -7 3 -
kleines Vermögen als Werbeträgerin für Antibiotika verdient, denn sie holte sich jeden Winter mindestens zwei saftige Lungenentzündungen und deshalb dauerte es auch nicht lange, bis führende Pharmakonzerne auf ihre zuverlässige Kundin aufmerksam wurden. Sie ließ sich nach langen Diskussionen dazu hinreißen, Armbinden mit dem Logo eines großen Chemiekonzerns zu tragen, allerdings mußten vorher auch unbemerkt einigen Waldtieren derartige Armbinden angelegt werden, um Konica Knochenwärmer - Butterlampe zu überzeugen, daß so etwas auch in freier Natur vorkam und ganz und gar nicht widernatürlich war. Tja, nun war sie tot und frostete in einem Kühlfach der Gerichtsmedizin. Aber der Greifer hätte sie beruhigen können: Da lag sie nicht schlecht. Schlott kannte den guten Gerichtsmediziner, weil er von dem Kommissar der beste Freund war. Aber Schlott mußte Spuren sammeln. Davon lebte er schließlich. Er parkte seinen Wagen in der Feuerwehreinfahrt der Friedhofskapelle und stapfte los zum Fundort der Leiche, Grab zehn in Reihe 48, Abschnitt 76. Sehr zum Ärger des Kommissars hatte Konicas Ehemann Eusebius Butterlampe, der es übrigens ebenfalls ablehnte, Kleidung zu tragen, hier schon einen Kranz zu ihrem Gedenken niedergelegt. Die Schleife trug die Aufschrift "Schade irgendwie, aber was soll man machen. In Liebe, Eusebius." Sowas dummes! Der Kranz konnte eventuelle Spuren verwischen, das konnte sich ein einigermaßen normaler Mensch doch denken! Aber vielleicht wollte Butterlampe ja gerade darauf hinaus. Vielleicht hatte er etwas zu verbergen, vielleicht war er der Mörder. Schlott veranlaßte sofort die Verhaftung des Witwers. (Eusebius Butterlampe leugnete beharrlich, wurde aber in Untersuchungshaft genommen und dort in den kommenden zehn Jahren einfach vergessen. Nach diesen zehn Jahren brach er zusammen und gestand den Eifersuchtsmord mittels einer -7 4 -
Bombe an seiner heimlichen Geliebten Alete Hefekoffer. Er bekam lebenslange Haft aufgebrummt, wurde aber nach einem Jahr wegen guter Führung entlassen, die Untersuchungshaft rechnete man ihm auch an. Er besuchte anschließend die Polizeischule, gewöhnte sich daran, Kleidung zu tragen, zog um nach Bad Salzuflen, wo er neu heiratete, stieg rasch zum Kommissar auf und wurde später sogar Bad Salzuflener Polizeipräsident, wo er viele spektakuläre Fälle löste und lösen ließ. Mit 98 Jahren starb er reich und berühmt im Kreise seiner Enkel und Urenkel.) Der Kommissar suchte den Matsch um den Tatort herum ab und konnte sofort einige verdächtige Abdrücke von Gummistiefeln sichern. Sie hatten die gleiche Größe und das gleiche Profil, wie die Stiefel, die schon im Zusammenhang mit Milupas Entführung aufgetaucht waren. "Aha." kommentierte Schlott seine Entdeckung. Aber diese Spur war ihm noch nicht genug. Er öffnete einmal mehr seinen esoterischen Tatortkoffer und entnahm ihm ein indisches Mandala, vor dem er eine Weile meditierte und einige einfachere Levitationsübungen vollzog. Etwa einen Meter über dem Boden auf- und abschwebend offenbarte sich ihm dann eine neue Dimension transzendentaler Erkenntnis. Sein Geist erahnte, daß hinter dem Grabstein eine Spur lag, die auf den Mörder oder jemand ganz anderen Hinweis geben konnte. Das war gut. Der Kommissar beendete seine Levitation und sah hinter den Grabstein. Dort lag tatsächlich eine Spur. Es war ein Ehering, der wohl Ringgröße 16 hatte, wie es aussah. Schlott kannte sich gut mit Ringen aus, denn er trug mehrere an jedem Finger und hatte nach einem anstrengenden Tag auch noch welche unter den Augen. Schlott trug natürlich nur Herrenringe und einen Hering. Wenn man genau hinsah, was der Kommissar auch tat, es war schließlich sein Beruf, immer gena u hinzusehen, dann konnte man einen Spruch erkennen, der in den Ring eingraviert war. Es -7 5 -
war ein Bibelzitat aus dem Matthäus - Evangelium, das lautete: "Mat. 25,22: Da trat auch herzu, der zwei Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Ze ntner anvertraut; siehe da, ich habe damit zwei weitere gewonnen." Nun, dieser Ring war vielleicht in der Tat eine Spur. Schlott wollte ein Foto von ihm machen lassen und es in die Zeitung setzen, versehen mit der Aufforderung, daß sich der Ringbesitzer bei der Polizei melden solle, um ihn abzuholen. Wer dann kam, war vielleicht der Mörder, aber er konnte auf jeden Fall getrost eingesperrt werden. Hauptsache man hatte was vorzuweisen für die Bilanz. Schlott wollte sofort zum Präsidium zurückflitzen, aber ihm fiel ein, daß er noch einen Tatort anzuschauen hatte. Das tat er auch sogleich. Die Leiche war diesmal Hormocenta Reifensuppe, die 81jährige Kellnerin im Striplokal "Hotel zur Post". Sie war nach getaner Arbeit noch einmal hinunter in den Keller des Lokals gegangen, um dort Kräuterschnaps zu brennen. Als sie nicht wieder zurückkehrte, war Chlodwig Traubenstämmer, der Besitzer des Ladens, der auch den Keller an Hormocenta Reifensuppe vermietet hatte, hinuntergegangen, um nach ihr zu sehen, aber er konnte nur noch ihren Tod feststellen. In ihrem Mund steckte eine halbgerauchte Havanna, die Augen waren blutunterlaufen. Eindeutig wieder südamerikanischer Quetschkrötenextrakt. Dieser war übrigens, wie Schlott im Pschyrembel nachgelesen hatte ein Gift, das Lungen ganz schnell hart machte wie Beton, so daß jegliche Atmungsaktivität im Keim verhindert wurde. Kein schöner Tod, fürwahr. Das "Hotel zur Post" hatte durchgehend geöffnet und bot auch tagsüber seine frivolen und die Frau herabwürdigenden Shows dar. Der Kommissar war ein anständiger Mann und ging deshalb nur mit äußerstem Widerwillen in das Lokal. Nachdem er sich ersteinmal zwei Stunden lang die Show angesehen hatte, natürlich ebenfalls mit äußerstem Widerwillen, entschied er sich, nun mal den Besitzer des Ladens, diesen dubiosen -7 6 -
Traubenstämmer zu verhören. Er fackelte gar nicht erst lange und ging sogleich zur der Tür mit dem Schild "PRIVAT!" Er zückte seine Waffe, eine 7-65er Smith & Wesson, die er liebevoll Loretta nannte (nach seiner Mutter, einer Topschützin der GSG 9, denn sie rauchte auch immer nach jedem Schuß, genau wie Schlotts Waffe. Allerdings zog seine Mutter Zigaretten Pulverqualm vor). Schlott blickte so diensteifrig und grimmig, wie er nur konnte und trat an mit einem lauten "Banzaiiiii!" die Tür ein. Vor ihm stand eine nackte Frau, die sich gerade umziehen wollte. Er war wohl in eine Garderobe oder so etwas eingedrungen. Wie peinlich! Wie konnte er sich da nur wieder rauswinden, ohne daß sein untadeliger Ruf in Mitleidenschaft gezogen wurde? Er war nämlich überall als Kavalier und Gentleman bekannt, der dazu sogar noch toll aussah. Aber Kommissar Schlott wäre nicht Kommissar Schlott gewesen, wenn ihm nicht gleich etwas eingefallen wäre. Locker ging er an der Frau vorbei und urinierte an den Paravant in der Ecke. Das war zwar unappetitlich, aber Sie mögen verzeihen, lieber Leser, der Kommissar tat es nun einmal. Was sollte man da machen? Ich als Autor kann jedenfalls nix dafür. Und außerdem hätte Schlott ja auch in die Ecke kacken können! Dann ging der alte Fuchs mit einem Pokerface im Gesicht wieder hinaus, wobei er die Frau noch ein wenig an delikaten Stellen begrabschte; aus Versehen tat er das aber nur. Endlich kam die Frage, auf die Schlott schon gewartet hatte. Die Frau fragte verdutzt: "Was sollte dieser Auftritt, wenn man fragen darf?" Mit gespieltem Erstaunen und Erschrecken zuckte Der Greifer zusammen und antwortete: "O je, ich muß mich in der Tür geirrt haben, eigentlich habe ich die Toiletten gesucht. Lassen sie die Sauerei wegmachen und schicken sie die Rechnung an Udo v. Schlechten - Eltern von der ktU. Der sitzt zwar zur Zeit im Gefängnis, aber lassen sie sich davon nicht stören. Es tut mir ja -7 7 -
soooo leiiid!" Tja, da hatte sich der schlaue Fuchs aber nochmal schnell aus der Affäre ziehen können. Aber diesmal hatte er dazugelernt und fragte lieber erst, wo der Chef residierte. Von der Barfrau erhielt er die Antwort, daß er gerade schon im richtigen Zimmer gewesen war und daß der Chef wohl gerade wieder die "lüsterne Moulinette" flachgelegt hatte, er nutzte nämlich die von ihm abhängigen Frauen total aus, was eigentlich an dieser Stelle eine ungeschminkte Sozialkritik erforderlich machen würde. Sowas kann man gar nicht deutlich genug anprangern und als Mißstand aufzeigen. Aber man kann den Mann verstehen. Immerhin war er ja auch nur ein Mann. Wahrscheinlich stand Traubenstämmer gerade hinter dem Paravant und zog sich an. Der Kommissar dankte und ging wieder zurück. Wie sollte er das nun wieder geradebiegen, eben mit dem Urinieren? Da half nur rohe Gewalt. Schlott stürmte in das Zimmer und brüllte: "Los, alle hinlegen sofort, sie werden jetzt gefesselt und als Beweismittel beschlagnahmt!" Er packte, nachdem er sie gefesselt hatte, die "lüsterne Moulinette" und Chlodwig Traubenstämmer zusammen in seinen Wagen und fuhr sie aufs Revier. Vorher kackte er noch in die Ecke. Nur so aus Trotz. Auf dem Revier fühlte Benno Schlott sich sicherer als auswärts, weil hier auch alle wußten, daß er, wenn er mal nicht gerade esoterisch ermittelte, den Verdächtigen schon mal kräftig in die Fresse schlug, damit sie redeten. Aber hier half das ausnahmsweise mal nicht: Aus Moulinette (ihr richtiger Name war Milka Tropenschüssel) und Traubenstämmer war nur herauszubringen, daß der Mörder wohl durchs Fenster eingestiegen war. Mehr wußten sie wohl wirklich nicht. Heute war der Kommissar aber gut gelaunt, er hatte ja auch schon so viele tolle Spuren, deshalb ließ er die beiden, nachdem er ihnen ihr Geld abgenommen hatte, frei und rief ihnen sogar noch einen Krankenwage n. Danach machte er sich daran, das zu tun, worauf er sich schon -7 8 -
den ganzen Tag gefreut hatte: Er ging in die Gerichtsmedizin, um dort zusammen mit seinem alten Freund, Professor Doktor Edding Prinzenrolle, der auch an der Prometheus Gallenraucher - Universität zu Bad Salzfischbach in forensischer Medizin dozierte, die Leiche von Chlorella Käsesarg zu sezieren. "Hallo Edding, altes Haus; na wie geht's uns denn heute? Was sagen deine Patienten, sind alle zufrieden?" Ja, auch ein Supermensch wie Kommissar Schlott riß manchmal platte Witze. Das war es auch überhaupt erst, was ihn zu einem wirklichen Supermenschen machte: Er war in allem ein totales Genie und war trotzdem im Umgang mit seinen Freunden tierisch locker drauf und einfach total unkompliziert, eben ein echter Kumpel geblieben. Beide lachten herzhaft über den kleinen Scherz und klopften sich freundschaftlich auf die Schultern. Dann holten sie die Leiche aus dem Kühlfach. Sie trug die Nummer 4711 am großen Zeh und war ziemlich blaß. "Cool, was, Benno? Ich habe mir immer ihre Meeresfilme im Fernsehen angeschaut, in "Speditionen im Tierreich", oder so ähnlich. Wirklich gut gemacht. Und nun: Ein Fall fürs Messer. Für unser Messer. Schneiden wir sie doch mal auf. Willst du anfangen, Ben?" "Au ja! So, Von unten her erstmal bis zum Brustkorb. Aha, hier brauchen wir dann die kleine Kreissäge, da ist Knochen. Gut. Tu' mal einstecken." sagte Schlott, dabei ganz fasziniert von seiner Arbeit. "Hier, ich hab' noch ein Butterbrot und heißen Kaffee. Tu' mal das eine Bein etwas beiseite, dann kann ich die Thermoskanne zwischen den Beinen festklemmen. Hmm, Leberwurstbrot; lecker. Aber ich muß sagen, wirklich eine schöne Leiche. Kaum gedunsen und riecht auch noch nicht sehr. Hier, willst du auch mal beißen Ben? Schmeckt echt prima!" bot Prinzenrolle an. "Au, gut, ich liebe Leberwurst. Leberwurst ist mein Metier. -7 9 -
Aber könntest du trotzdem jetzt die Kreissäge einstecken, ich muß das Brustbein durchsägen, sonst kommen wir nicht an die Lunge ran. Danke." "Geschickte Schnitte, die du am Unterleib gemacht hast Ben. Wollen wir uns nicht erstmal den Dickdarm ansehen? Vielleicht sind da irgendwelche Giftrückstände zu finden." schlug Edding Prinzenrolle vor. "Okay, dann zieh' du mit den Haken die Bauchdecke auseinander und ich seziere dann den Darm heraus und die Leber gleich mit. Oh, Mist, jetzt ist mir doch glatt dein Butterbrot in die Bauchhöhle gerutscht. Na, mal sehen, da muß man doch nach buddeln können. Ha, ich hab's schon wieder. Bißchen blutig, aber macht ja nichts, das Blut ist ja schon ganz geronnen. Ist jetzt eben ein Blutwurstbrot, ha, ha! Hier, willst du wieder beißen?" Prinzenrolle biß noch einmal ab, während er mit den Haken die Bauchdecke aufhielt. Der Zerfallsprozeß von innen hatte schon eingesetzt, man sah deutlich, daß Magen und Darm durch die Gasentwicklung anormal vergrößert und gedunsen wirkten, direkt aufgeblasen wie ein Bubblegum. Nun roch es auch ein wenig mehr. Aber die zwei Experten waren abgebrühte Hunde und sezierten ganz locker - flockig den Dickdarm und die Leber heraus. Schlott goß sich ein Käffchen ein, als er den Darm gegen das Licht betrachtete. "Hm, guter Kaffee, ehrlich. Deine Frau hat echt was drauf, Ed. Ja, man sieht es ganz deutlich, total hart, der Darm. Wie Beton. Das muß südamerikanischer Quetschkrötenextrakt sein. Der ist über die Lunge in die Blutbahn geraten und hat alles hart gemacht, aber erst nach der Gasentwicklung; durchs Blut geht's eben viel langsamer." diagnostizierte der Kommissar mit zusammengekniffenen Augen. "Ja, sehe ich genauso. Wenn er erst hart geworden wäre und dann gedunsen, dann wäre der Darm in tausend oder sogar in -8 0 -
hundert Scherben zersplittert. Ich werde noch schnell die Leber wissenschaftlich untersuchen. Wir sollten aber erst noch eins von den leckeren Pfefferminzteeplätzchen probieren, die meine Frau mir auch noch mitgegeben hat. Mit echter Pfefferminzlikörglasur. Das ist ein Geheimrezept aus dem Backbuch "Großmutters neueste Weihnachtsbäckerei von damals". Einfach toll!" Die beiden Kriminalisten aßen einige der Plätzc hen, wobei sie den Bauchraum der Leiche ziemlich vollkrümelten. Dann klemmte Prof. Dr. Edding Prinzenrolle die Leber unter sein forensisches Mikroskop. Er hatte es selbstgebastelt in seinem Laubsägeworkshop, den er bei der evangelischen Pfarrgemeinde mitmachte. Das forensische Mikroskop kann einen mit nur einem Blick feststellen lassen, woran ein Toter gestorben ist, denn es vergrößert nicht das gesamte Organ, sondern nur die darin enthaltenen Giftstoffe. Hier in dieser Leber wurde der Gerichtsmediziner fündig. "Ben, diese Leber ist eine Spur. Du solltest sie sofort beschlagnahmen und gut in einen Gefrierschrank einschließen. Mein forensisches Mikroskop zeigt mir nämlich genau die Giftkristalle, die über das Blut in die Leber gekommen sind. Der Mörder hat nicht den Quetschkrötenextrakt von irgendeiner südamerikanischen Quetschkröte genommen, sondern von einer, die sich vorher von peruanischen Quälteufeln ernährt hat. Peruanische Quälteufel sind die giftigsten Pilze der Welt. Sie nur anzusehen reicht, um sich die Augen total zu verätzen. Nur die südamerikanische Quetschkröte ist gegen dieses Gift immun. Und wenn sie den Pilz frißt, dann wird sie noch giftiger als normal. Wer mit diesem Gift umgebracht wird, der kann sein Testament machen! Er stirbt nämlich nicht in erster Linie an einer betonharten Lunge, bei ihm verwandelt sich das ganze Herz in Aluminium. Dieser Extrakt ist das giftigste aller giftigen Gifte. Man muß es in Phiolen aus brasilianischem Puffglas -8 1 -
aufbewahren, das vom Eingeborenenstamm der Metaphorischen Brillenindianer geblasen wird; das ist das einzige Material, was nicht von dem Gift angefallen wird. Leider ist das Gesamtbild der anderen Giftstoffe sehr unklar, kein Mensch weiß, woraus dieses Gift genau besteht, weil seine Atomverbrückungen äußerst inkonstant verlaufen und das ist schlecht." "Das ist ja ungeheuerlich. Wurden alle Frauen mit dieser Sorte Quetschkrötenextrakt umgebracht?" fragte der Kommissar, der wieder messerscharf kombinierte. "Nein, nur die letzten vier Opfer, Alete Hefekoffer können wir nicht mitzählen." antwortete Prinzenrolle. "Das ist ja unwahrscheinlich aufregend. Der Täter wird immer blutrünstiger und grausamer. Ja, ich glaube sogar, er steigert sich vor lauter Blutrunst in einen Wahn hinein." überlegte Schlott. Er wußte so Sachen mit Wahn und all sowas, weil er ja sehr gut Psychologie konnte. Und weiter bemerkte er: "Wir müssen ihn dingfest machen, unbedingt. Los, ich muß sofort raus und ermitteln! Ach nee, ich habe ja erstmal Feierabend. Na dann eben erst morgen. Macht auc h nicht viel. Ciao Alter, ich ruf' dich an." Der Kommissar verließ die Gerichtsmedizin und fuhr schnell nach Hause.
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Kapitel 11 Der Kommissar wird geweckt und klebt einen Zettel an die Tür Kommissar Schlott war am vergangenen Abend ziemlich spät aus der Gerichtsmedizin zurückgekehrt. Das Herz von Chlorella Käsesarg hatte sich übrigens tatsächlich, wie erwartet, in Aluminium verwandelt; das hatte Prinzenrolle dem Kommissar auf seinem Nachhauseweg noch per Polizeifunk mitgeteilt. Milupa hatte ein bißchen mit ihrem Mann geschimpft, weil er nur noch für seinen Fall lebte, wie sie meinte, aber nicht sehr, denn der Kommissar war ein großer Charmeur, der es verstand, sich Frauen um den Finger zu wickeln, ein Hundeblick genügte total. Außerdem freute sich Milupa auch, wenn ihr Mann nicht dauernd zu Hause war und die Bude zuqualmte mit seiner niemals ausgehenden Pfeife. Sie hatten dann noch miteinander geschlafen, im selben Bett, und es wurde eine tolle Nacht, weil beide sehr schön träumten. Am nächsten Morgen, früh um halb sieben, weckte Milupa ihren Mann aufgeregt. Minuto war auch dabei und kläffte ein lautstimmiges Hunde - Hallo. Er solle sofort aufwachen, sagte Milupa dem schläfernden Greifer. "Hmmwasistdenn?" grummelte der Kommissar total verschlurft. Milupa berichtete Benno Schlott, daß der Zigarrenmörder wieder zugeschlagen habe, und zwar direkt in der Nachbarschaft. Das Opfer sei eine gewisse Rheuma Gartenpustel, welche mit einem besonders giftigen Gift ermordet worden sei und Schlott solle sich das mal vorstellen: Das Herz der Toten sei ganz zu Aluminium geworden. Abschließend fügte Milupa hinzu, daß das ja wie im Krimi sei. "Oh, nein nicht schon wieder! Rheuma Gartenpustel sagtest -8 3 -
du? Na ja, vielleicht bekomme ich dann vom Nachlaßverwalter wenigstens die Bohrmaschine und die Heckenschere zurück, die ich ihr vor über einem Jahr geliehen habe." sagte Schlott und rieb sich seine verschlafenen Adleraugen. "Nachbarn, das sind doch alles Verbrecher. Leihe ihnen deine Bohrmaschine und schon schnappen sie nach deiner Heckenschere. Pah! Heutzutage wird geklaut wie die Raben. So weit ist es mit unserer Welt schon gekommen!" kalfaterte Benno Schlott mit verärgertem Bürgersinn. Milupa Schlott gestikulierte sehr wild und sagte, daß die Pressefritzen auch schon unten vor der Haustür der schlott'schen Villa stünden und wissen wollten, was der Kommissar zu unternehmen gedächte. Sie bat ihren Mann des weiteren, doch unbedingt etwas zu unternehmen, da die Wildpferde im Park durch den Rummel auch schon ganz verrückt würden und anfingen, den kunstvoll angelegten Orangenhain niedertrampelten. Sie bat den Kommissar, der noch müde gähnend im Bett ranunkelte, es wenigstens für die Orangenbäume zu tun. "Okay!" Schlott war mit einem Male wieder ganz der hellwache Kommissar. Verschlafenhe it kannte er auch gar nicht wirklich, das war alles nur Tarnung. Er sprang mit einem dynamischen Satz in seine Jeans mit den 70 cm breiten und mit Holzlatten verstärkten Hosenbeinen, die er selbst entworfen hatte, zog sich blitzschnell sein hautenges rosa Samthemd an und warf sein ebenfalls selbstentworfenes Sacco aus honigfarbenem Teppichboden darüber. Dann kämmte er sich die Pfeifenasche der vergangenen Nacht aus dem Haar, weil er auch im Schlaf immer rauchte, und putzte sich schnell die Zähne und schon sah er wieder topmodisch und elegant aus. Er ging vorbei an der elektrisch betriebenen, türkisfarbenen und mit einem künstlichen, aufgespießten Brathähnchen in der Hand huldvoll winkenden Abraham Lincoln - Gedenkstatue aus lackierter Bronze, die er seiner Frau mal aus New York mitgebracht hatte, -8 4 -
in die Vorhalle und von dort aus gemessenen Schrittes die marmorne Freitreppe zum Garten hinunter, wo ihn die Leute von der Presse schon gierig erwarteten. Schließlich war Schlott eine Berühmtheit und der Fall, den er bearbeitete war der spektakulärste in der ganzen Kriminalgeschichte. Gegen Benno Schlott war selbst Miss Marple nur Miss Marple, und das war nicht viel. Alle waren da, Leute vom "Spargel", vom "Sperm" und vom "Krokus", niemand wußte, warum diese Magazine so idiotische Namen trugen, aber auch die bekannten Fernsehjournalisten Götz Wecker und Nick Bommerlund waren zu erblicken. Und alle wollten mal mit Schlott reden, am besten exklusiv. Aber das ging natürlich nicht. Der Kommissar hatte ja nicht den ganzen Tag Zeit, außerdem hatte er schon einen Exklusivvertrag mit der "Blind" - Zeitung. Er gab also nur eine recht pauschale Erklärung ab, die wie folgt lautete: "Freunde, Menschen, Landsleute; liebe Kinderinnen und Kinder! Hier spricht Benno Schlott! Der Mörder ist sehr gefährlich, so schätzt ihn der Polizeipsychologe ein, und ich auch. Er mordet immer weiter. Heute haben wir übrigens ein Jubiläum zu feiern, schon 25 sind tot. Geht am besten mal in die Bundesgartenschaustraße 9, da ist nämlich noch eine Tote ermordet worden. Ihr hinterbliebener Mann, Bonifazius Gartenpustel, freut sich sicher schon darauf, der Presse sein Leid anvertrauen zu dürfen. Und trampelt bitte beim Verlassen meines Grundstückes nicht das ganze Gras platt, sonst hetze ich euch meine Wildpferde auf eure krummen Pressebuckel! Und paßt auch auf die Flamingos im Lustgarten und die Springböcke im Steingarten auf, ihr schmalzäugigen Zylinderkaskadeure! Und jetzt raus!" Die Presse entfernte sich und Benno Schlott ging ins Haus, um dort zu frühstücken. Er tat das meistens im Wintergarten, weil er es liebte, dort die Pfauen, die Affen und die Sukkulenten zu beobachten, die sich in den Bäumen tummelten. Danach fuhr er ins Präsidium, parkte den Wagen in der Feuerwehreinfahrt -8 5 -
und ging in sein Büro. Die oberste Treppe des ersten Stocks war aber dummerweise gerade von der Putzfrau mit Schmierseife eingewichst worden. Der Kommissar glitschte aus und verlor dabei seine Aktentasche. Die fiel unglücklicherweise dem Bundeskanzler auf den Kopf, der gerade die Treppe hochging, um der Putzfrau ein Autogramm von sich aufzunötigen. Er wurde ohnmächtig und verlor einen Zahn. Schlott nahm sich seine Aktentasche wieder und ging in sein Büro. Er legte sich Mahlers neunte Symphonie auf und relaxte ersteinmal bei einer selbstgebrühten Tasse Tee. Der Kommissar war kein ausgesprochener Teetrinker, er trank eigentlich so ziemlich alles, was mehr oder weniger flüssig war, vielleicht mal abgesehen von Lava, und konnte auch alles genießen und darüber meditieren. Schlott hatte keine Trinkkultur, er war Trinkkultur. Was er trank, wurde ganz automatisch Kultur, ja sogar Hochkultur, da konnte man gar nichts gegen machen. Heute würde er zum Zahnarzt gehen. Aber natürlich nicht wegen seiner schlechten Zähne, seine Zähne waren auch gar nicht schlecht. Sie waren ganz ausgezeichnet, wie alles an einem gepflegten Menschen. Nein, er wollte Doktor v. Zahn einen Besuch abstatten und ihn fragen, für wen er das Gebiß gemacht hatte, das sich im Park als Fundstück zugetragen hatte. Aber zuerst rie f er Flötenschmalz und Ohrpuffer an, um zu hören, was die Sparfilz - Brüder am Vortag und vor allem zur Tatzeit des letzten Mordes gemacht hatten. Flötenschmalz und Ohrpuffer saßen in ihren Beschattungsautos, als das Telefon klingelte. Flötenschmalz hob ab. "Hier ist Flötenschmalz von der Polizei. Hallo?" "Hallo, ist da jemand?" fragte der Kommissar. Wie schon erwähnt, waren Flötenschmalz und Ohrpuffer sehr unauffällig. Das galt auch fürs Telefon. Man hörte sie einfach nicht richtig, nur so als vages Flüstern, wenn man sich nicht mental genau auf sie einstellte. "Ja, hier ist Flötenschmalz von der Polizei." wiederholte -8 6 -
Flötenschmalz von der Polizei seelenruhig, der längst an solche Vorfälle gewöhnt war. "Haaallooo! Haaallooo! Ist denn da niemand?" fragte die Stimme des Kommissars zurück. Er hatte vergessen, sich mental auf Flötenschmalz und Ohrpuffer einzustellen. Aber nein, jetzt fiel es ihm wieder ein. Er stellte sich mental auf Flötenschmalz und Ohrpuffer ein und schon hörte er das Atmen am anderen Ende der Leitung. "Ah, entschuldigen sie, ich habe vergessen gehabt, mich mental einzustellen. Sind sie Flötenschmalz oder Ohrpuffer?" "Ich bin Flötenschmalz, guten Morgen Herr Kommissar Schlott." "Guten Morgen Herr Flötenschmalz. Was gibt's neues bei den Sparfilz - Brüdern? Wo waren sie gestern zur Tatzeit des letzten Mordes?" "Was, wo ich war?" fragte Flötenschmalz erstaunt. "Nein, wo die Brüder zur Tatzeit waren möchte ich wissen." korrigierte der Kommissar. "Oh, da habe ich gerade geschlafen. Kollege Ohrpuffer hatte da observiert. Ich gebe ihn ihnen mal eben." "Hallo, hier ist Ohrpuffer. Guten Morgen, Herr Kommissar Benno Schlott. Wie kann ich ihnen helfen?" "Guten Morgen, Herr Ohrpuffer. Ich möchte wissen, was die Brüder Sparfilz zur Tatzeit gemacht haben, gestern Abend meine ich." artikulierte Schlott seine Frage erneut. "Da sind sie in schwarzen Samtgewändern und mit Knoblauchketten und rituellen Kultzeichen behängt in die Villa des Ehepaars Gartenpustel in der Bundesgartenschaustraße Nummer neun eingestiegen." antwortete Ohrpuffer. "Haben sich die zwei irgendwie verdächtig verhalten, so daß man sagen könnte, sie kämen eventuell als Täter in Frage?" fragte der Kommissar zurück, der durch geschicktes Fragen -8 7 -
Details aus dem Vorfall herausfiltern wollte und auch dafür bekannt war, daß er sowas tat. "Na ja, sie haben Knoblauchketten, Samtkutten und Ritualzeichen getragen. Ich persönlich finde das eigentlich ziemlich verdächtig." "Nein, nein, Herr Ohrpuffer, ich finde das einfach nur modisch. Mystic - Look ist gerade 'in', ich trage sowas auch gerne zur Abwechslung; außerdem kann es auch sein, daß sie am Tatort nur selbst ermitteln wollten, um den Fall vor mir zu lösen und dann eine tolle Publicity zu haben. Ich habe immer Trittbrettfahrer an meinen Ermittlungen hängen, weil ich so berühmt bin. Es ist oft regelrecht zum Schlottern, ahaha. Hey, das war ein Wortspiel: Schlottern und Schlott, sie verstehen? Ein Scherz, ein Spiel mit meinem Namen. Mann, Ohrpuffer! Nun reißen sie sich doch zusammen und lachen! Das ist ein Befehl!" Ohrpuffer riß sich zusammen und lachte. "Gut so. Und wie haben sich die Brüder Zutritt zum Haus verschafft?" "Sie haben einfach geklingelt. Übrigens, Hanno trug eine Kiste Havannas in der Hand und Sammy eine Flasche südamerikanischen Quetschkrötenextrakt, wo noch draufstand 'NEU! Von Quälteufel - Quetschkröten - EXTRA GIFTIG.' Das macht doch stutzig." meinte Ohrpuffer. "Nein, klingeln, das tut normalerweise kein Mörder. Und was das andere angeht, ich rauche auch gerne mal eine gute Havanna in meiner Pfeife und der Quetschkrötenextrakt könnte eine Medizin sein. Ich glaube, die Brüder haben eine kranke Tante, stand mal in der Zeitung. Und Gifte können ja auch, wenn man nur wenig davon nimmt, echt heilen statt Leute tot zu machen. Nein, mit sowas könne n wir leider keinem Staatsanwalt kommen, der nimmt uns so auseinander. Wir brauchen handfeste Beweise. Aber trotzdem glaube ich, daß es die Brüder -8 8 -
Sparfilz waren. Es ist so eine Intuition von mir, und auf meinen sechsten Sinn, da ist Verlaß drauf. Wir haben nur leider nicht den geringsten Beweis gegen die Burschen. Nur ein paar Indizien, die vielleicht darauf hindeuten, aber leider nur vielleicht. Bleiben sie auf jeden Fall an den Brüdern dran. Ich zähl' auf sie." sagte Schlott ermutigend und legte auf. Als nächstes machte er mit seiner Polaroid - Kamera, die er in einem modernen zimtblütenfarben angestrichen hatte, ein Foto von dem Ehering, der auf dem Friedhof gelegen hatte, und schickte es an die Zeitung zum Veröffentlichen. Als Text schrieb er dazu: "Wer kennt diesen Ring? Sein Besitzer ist wahrscheinlich der Mörder. Der Besitzer kann den Ring abholen kommen beim Herrn Kriminalhauptkommissar Benno Schlott, esoterische Spezialeinheit der Mordkommission; K2r. Der Besitzer möge, wenn er den Ring holen kommt, bitte gleich einen Koffer mit den nötigsten Sachen mitbringen, dann muß er, bevor wir ihn ins Gefängnis tun, nicht mehr nach Hause, um die Sachen zu holen. Das wäre rücksichtsvoll und hilft uns, Arbeit und Steuergelder zu sparen. Danke. Gezeichnet: Herr Kriminalhauptkommissar Benno Schlott, Mordkommission (Spezialeinheit); K2r." Der Kommissar ging anschließend zur Praxis von Doktor v. Zahn. Vorher machte er aber noch einen Zettel an die Tür seines Büros: "Wegen Ring bei Gertrud (meinem fleißigen Assistenten) fragen. Bin im Moment nicht da. Gez. Herr Benno Schlott, Polizei." Benno Schlott raste wieder, Zwischenstation bei der Putzfrau machend, die Treppe hinunter und zu seinem tollen Sportflitzer, der noch immer in der Feuerwehreinfahrt stand. Er war aber mittlerweile vollkommen zugeparkt von drei großen Löschzügen der Berufsfeuerwehr, die hinter ihm standen und wie bescheuert hupten. Sie wollten wohl durch und löschen kommen, weil im Nebenflügel des Reviers ein Brand ausgebrochen war. Bei der ktU natürlich; typisch! Aber der -8 9 -
Kommissar ließ sich nicht gerne anhupen, erst recht nicht von Leuten, die ihn zuparkten. Er hatte eben ein sehr ausgeprägtes Rechtsempfinden. Er ging zum vordersten Löschzug, riß die Tür des Fahrerhauses auf und zerrte die Feuerwehrmänner raus, um sie mit Handschellen an einen Laternenmast zu fesseln. Dann trat er mit seinen schweren Plateausohlenstiefeln den Löschzug total zusammen, bis der Wassertank platzte und das Wasser nur so herumspritzte. Mit vorgehaltener Waffe zwang er dann die Fahrer der beiden anderen Züge dazu, zurückzufahren und anschließend vor ihm niederzuknien und sich zu entschuldigen. Endlich war der Weg wieder frei für ihn. Er stieg in seinen Wagen und brauste davon. Im Vorbeifahren schoß er noch ein paar Löcher in die Wassertanks und fuhr den Hydranten kaputt. Ha, jemanden einfach zuparken und sich dann noch beschweren; das konnte man vielleicht bei anderen Leuten machen, aber nicht beim Kommissar Schlott. Wenn man sich sowas gefallen ließ, dann tanzten einem bald alle auf der eigenen Nase herum. Mit 300 Stundenkilometern, schon fast der Spitzengeschwindigkeit seiner sportlichen Nobelkarosse, sauste der Kommissar durch die Einbahnstraße, in entgegengesetzter Richtung natürlich. Er fuhr diese Abkürzung immer, so sparte man gleich zwei Häuserblocks. Er zündete sich gemütlich ein Pfeifchen an und paffte los. Da er dabei nie das Fenster aufmachte, oder die Klimaanlage einschaltete, war der Innenraum des Wagens bald total vernebelt, so daß man nichts mehr erkennen konnte, außer waberndem Grau von Rauch. Aber Benno Schlott besaß ja seinen sechsten Sinn und so wußte er immer ungefähr, wo er hinfuhr. Doktor v. Zahn hatte seine Zahnarztpraxis in der Karl - Marx - Straße, gleich gegenüber der Friedrich - Engels - Gedenkstätte, mitten in der Fußgängerzone. Das störte den Kommissar aber nicht, denn er war es gewohnt, immer bis vor die Haustür zu fahren. Das tat er auch jetzt. Unten in dem Haus war eine Kleiderboutique, vor deren Eingang er parkte. Er stieg die -9 0 -
Treppen hoch bis zum dritten Stock, wo sich die Praxis befand. Dabei ließ er sich nicht von den blutbesudelten Beinen, die unter seinem Wagen hervorguckten, erschrecken, das hatte sicher nicht viel zu bedeuten, dachte er. Bestimmt wieder so ein Trick von einer Bürgerinitiative für Verkehrsberuhigung. Die hatten Schlott schon lange auf ihrer Abschußliste. Man konnte die Praxis unschwer am Türschild erkennen:
----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Dr. D. v. Zahn Zahnarzt Sprechstunden: tägl. 9-23 Uhr (auch an Sonn- und Feiertagen!) Alle Kassen, Privatpatienten und Barzahler am willkommensten! -----------------------------------------------------------------------------Dieser Doktor von Zahn mußte ein fleißiger Arbeiter sein. So lange Sprechstunden hatte der Kommissar wirklich noch nie gesehen. Er ging in die Praxis und wurde von der Sprechstundenhilfe (sie sah etwas übernächtigt aus) gebeten, sich noch ins Wartezimmer zu setzen, weil noch ein anderer Patient unter dem Bohrer lag. Schlott hätte jetzt natürlich nur seine Polizeimarke zücken müssen und zu sagen brauchen, daß er die Polizei war, und daß die Polizei niemals wartete, aber er -9 1 -
hielt es für besser, kein Aufsehen zu erregen, denn vielleicht war der Mörder gerade jetzt anwesend und merkte so, daß man ihm auf der Spur war. Deshalb maulte der Kommissar nicht, sondern setzte sich ins Wartezimmer. Er liebte es außerdem, den anderen Patienten ein bißchen Angst einzujagen. Er selbst hatte nie Angst vor irgendeinem Arzt, selbst bei seiner Blinddarmoperation hatte er noch auf dem OP - Tisch liegend gelächelt und einen Witz erzählt. Er trug zum Tarnen seines Aussehens eine Perücke seiner Frau, die sie einmal im Karne val getragen hatte. Abgesehen davon, daß es eine neongrüne Frauenperücke war, war er jetzt ganz unauffällig. Er hängte seinen zinnoberroten Zylinder mit eingebauter Spieluhr an den Garderobenhaken, ließ die Spieluhr noch kurz Mark Astors Tophit "Ri - ra - rutsch, wir fahren mit der Bahn" spielen und hängte dann sein Jackett aus Teppichboden auf den Haken darunter. Dann setzte er sich und polierte mit einem Taschentuch noch einmal seine violetten Plateausohlenstiefel, daß die Glöckchen an ihren Spitzen nur so bimmelten. Ersteinmal saß Schlott einfach nur da und dachte an Mode und sein Äußeres, auf das er immer sehr achtete. Dabei faßte er den Entschluß, sich einen Schnauzbart mit einen Meter langen, herunterhängenden Enden wachsen zu lassen. Das sah sehr modisch und chic aus und wenn er ihn dann noch türkis einfärbte, dann paßte er farblich überdies auch sehr gut zu seiner pastellrosanen Bauchbinde. Als er lange genug über Mode meditiert hatte, er war dabei ohne es zu merken in Levitation verfallen und schwebte fast eine Minute lang über seinem Stuhl, beschloß Kommissar Schlott, den anderen Patienten etwas Angst zu machen. Damit vertrieb er sich immer die Wartezeit beim Arzt. Er wandte sich an den jungen Mann, der direkt neben ihm saß und in einer Zeitschrift mit dem Namen "Hopfenbräujournal - Das Brauereifachmagazin" blätterte. "Entschuldigen sie meine Neugier mein Herr, aber weshalb sind sie denn hier?" -9 2 -
"Nichts besonderes, ich soll nur nochmal zum Durchsehen kommen. Wissen sie, ich habe vor vier Wochen drei Kronen bekommen." "Oh, Durchsehen. Das sagte der Zahnarzt zu meiner Schwester auch, und dann merkte er, daß sie eine Sepsis im linken unteren Weisheitszahn bekommen hatte. Der mußte raus und dann hat sich die ganze Wunde noch einmal entzündet und der Entzünd ungsherd hat sich auf sieben gesunde Zähne ausgebreitet. Eine sog. 'Fokalinfektion' war das. Der armen Frau mußten sie dann den halben Kiefer wegsägen und in langwierigen Prozeduren durch etwas Künstliches aus Hartgummi ersetzen. Ich sage ihnen, die Ärmste hat vielleicht gelitten. Und richtig sprechen kann sie bis heute noch nicht wieder, obwohl sie schon in zig Rehazentren war. Liegt an den Schmerzen, die sie dabei immer hat. Schlimme Sache, wirklich. Können sie mir glauben." Zu seiner Freude bemerkte der Kommissar, daß sein Nachbar etwas blaß um die Nasenspitze geworden war. Seine Reaktion beschränkte sich dann auch nur auf ein schwaches "Oh." Schlott hatte gar keine Schwester, bloß einen älteren Bruder und eine frühreife Nichte. Dummerweise kam jetzt scho n die übernächtigte Sprechstundenhilfe herein und sagte dem Kommissar, daß er nun ins Zimmer Nummer eins müßte. Schlott nahm im Hinausgehen noch schnell seine Brieftasche aus dem Jackett, um Diebstahl vorzubeugen, zog die Spieluhr im Zylinder erneut auf und ging dann in das ihm zugewiesene Zimmer. "Guten Tag, wo fehlt's uns denn?" fragte der Arzt, ein beleibter Mann mit weißem Kittel, der auch übernächtigt aussah. "Wo's ihnen fehlt weiß ich nicht, aber bei mir fehlt nichts. Dafür fehlt einem ihrer Patienten etwas, nämlich sein Gebiß, nicht wahr." antwortete der Greifer. "Ach, woher wollen sie das wissen?" fragte der Arzt. -9 3 -
"Da, sehen sie sich das mal an, nicht wahr." sagte Schlott und kniff die Augen zusammen. "'Deutsche Bundesbahn, Seniorenpaß. Ohne IC/EC Zuschlag.' Und, was habe ich damit zu tun?" Doktor v. Zahn war etwas irritiert. "Das ist ein Polizeiausweis, das sieht man doch. Ich bin Kriminalhauptkommissar Benno Schlott von der Mordkommission (Spezialeinheit). Esoterische Spezialeinheit um genau zu sein. Ich habe ein paar Fragen an sie, bezüglich des eben erwähnten Gebisses." sagte der Kommissar, nun etwas schroff, weil man ihn nicht gleich erkannt hatte. "Polizei, das ist etwas anderes. Wissen sie, ich bin in letzter Zeit etwas übernächtigt und schalte dann etwas langsamer, das kommt wegen der langen Sprechzeiten. Ich habe nämlich gebaut und muß meine Hypotheken abzahlen. Da muß man eben mal Überstunden machen, wenn man wieder auf einen grünen Zweig kommen will." Der Kommissar lächelte verständnisvoll. Er war eben ein sonniger Charakter, der niemandem lange böse sein konnte. Außerdem dachte er an den Kauf seiner Prachtvilla zurück. Danach war auch er fast einen Monat lang nicht ganz so flüssig gewesen wie vorher. "Ja klar, das verstehe ich sehr gut. So ein Haus, das kostet. Ich kenne das." antwortete er, um den Doktor an seinem Verständnis teilhaben zu lassen. Das tat nämlich immer gut fand Schlott. "Haus? Nein, nein, das muß ein Mißverständnis sein. Ich habe mir einen Straßenbahntunnel unter meinem Haus durchbauen lassen. Ich habe nämlich ausgerechnet, daß das pro Quadratmeter erheblich billiger kommt als ein neues Haus." sagte v. Zahn, offensichtlich sehr stolz auf seine Sparmaßnahme. "Einen Straßenbahntunnel? Und da wohnen sie drin? Ist das nicht sehr unbequem? Ich persönlich brauche schon einen -9 4 -
gewissen Wohnkomfort." entgegnete Benno Schlott. "Oh nein, ich wohne natürlich nicht darin, sondern weiter in meinem alten Haus. Ich habe den Tunnel nur bauen lassen, weil er billiger ist, als ein neues Haus." Der Doktor war belustigt. Anscheinend über den Kommissar Schlott, und das bloß, weil der nicht gleich verstanden hatte. Das war wiederum gar nicht schön. In dieser Hinsicht verstand der Greifer überhaupt keinen Scherz. Seine Miene verfinsterte sich und er schlug bloß nicht zu, weil der Arzt eine wichtige Spur war, die er noch brauchen konnte. Deshalb ging er abrupt zum Verhör über, ohne den Dialog noch weiter auf der bisherigen Konversationsebene zu vertiefen. "Gut," sagte er, "nun zur Zeugenbefragung. Ersteinmal bitte ihren vollen Namen fürs Protokoll. Sonst werden die Pfeifen von der ktU wieder stinkig, wenn die das Gebiß einfach so reingereicht bekommen." "Doktor von Zahn." "Ja, gut, Doktor ist klar. Und ihr Vorname?" "Ja, Doktor. Dr. Doktor v. Zahn. Ich heiße Doktor mit Vornamen. Mein Vater wollte nämlich schon immer, daß ich Arzt werde. Und weil ich nie ein besonders guter Arzt war, bin ich dann eben Zahnarzt geworden." erklärte v. Zahn. "Gut. Haben sie einen Zweitnamen?" "Ja, einen sehr schönen sogar: Do mestos. Nach dem alten griechischen Sagenhelden, der die siamesischen Zwillinge Pankreas und Meteosat ehelichte. Domestos bedeutet übersetzt in etwas so viel wie 'der Häusliche'. Und ich bin tatsächlich sehr häuslich. Deshalb habe ich ja auch gebaut." "Gut, dann hätten wir das. So, und nun schauen sie sich mal das Gebiß an und sagen sie mir, wem das gehört." sagte der Kommissar und reichte dem Zahnarzt das Gebiß. "Ah, das haben wir erst kürzlich anfertigen lassen, das kenne -9 5 -
ich. Es war für eine Frau Dr. Chlorella Käsesarg gemacht worden, der waren nämlich bei einem Tauchgang durch giftige Meeresgase alle Zähne rausgefallen. Diese Frau war Meeresbiologin, müssen sie wissen. Leider ist sie vor kurzem ermordet worden. Haben sie übrigens ihre Publikationen über die autokanibalistische Grünwachsseegurke gelesen? Toll sage ich ihnen. Im Ernst. Ein echter Durchbruch." Dieser Zahnarzt war zweifelsohne ein ziemlicher Schwätzer. "Ja habe ich. Und ich weiß auch, daß sie tot ist. Ich ermittle nämlich in diesem Fall, weil es ist ein schwerer Fall und da kann man niemand anders als mich dranlassen. Aber das Gebiß muß einem Mann gehört haben. Es sind eindeutig Spuren von Herrentorte zu finden, nicht von Damentorte, sowas gibt's ja auch gar nicht. Sogar die Weicheier von der ktU wären in der Lage, das einwandfrei nachzuweisen. Man braucht ja bloß mal, so wie ich es gemacht habe, am Gebiß zu lutschen. Hier, wollen sie versuchen?" "Nein, danke. Nicht nötig. Frau Käsesarg war sehr emanzipiert, das hatte sie mir mal erzählt. Frühe r hat sie sogar einmal als Dressman für Bademoden gearbeitet. Herrentorte war ihr Lieblingsessen. Ich wollte es ihr immer abgewöhnen, als ihr Zahnarzt, wegen des Zuckers, aber sie wissen ja, des Menschen Wille ist..." "Ja, ja, schon gut. Also, dieses Gebiß gehörte definitiv ihrer Patientin?" "Definitiv. Sowas merke ich mir. Wissen sie, Gesichter und so, die erkenne ich garantiert nicht wieder, aber Gebisse sofort. Das muß so eine Art Berufskrankheit von mir sein. Meine Frau schimpft auch schon immer mit mir, sie sagt dann immer: 'Doktor,' sagt sie, 'Doktor, du erkennst mich auch bloß immer dann, wenn ich gähne.' Damit übertreibt sie zwar etwas, das ist sicher klar, und wahrscheinlich meint sie es so ernst nun wieder auch nicht, außerdem hält sie sich beim Gähnen ja die Hand vor -9 6 -
den Mund, aber wissen sie, im Großen und Ganzen..." "Ja, ist schon okay, das ist eigentlich alles, was ich wissen wollte. Sie waren eine echte Hilfe, auch wenn es mir lieber gewesen wäre, wenn das Gebiß dem Täter gehört hätte. Vielen Dank. Ich werde dann mal wieder." wollte sich Benno Schlott schon verabschieden. Jedoch der Zahnarzt hielt ihn zurück. "Moment! Wenn sie schon mal hier sind, dann werde ich sie nicht gehen lassen, ohne daß ich mir mal ihre Zähne genauer angeschaut habe. So, lehnen sie sich mal zurück und entspannen sie sich. Es dauert nicht lange und tut überhaupt nicht weh." Der Kommissar wollte protestieren, aber gegen diesen energischen Mann, der fest entschlossen war, Geld zu verdienen, konnte er nichts ausrichten. Doktor v. Zahn sah sich die Zähne an und erschrak ein bißchen, denn statt einer herkömmlichen weißen Zahnbrücke trug der Kommissar am hinteren linken Unterkiefer eine in blau, rot und noch anderen bunten Smartiesfarben. Das kam auf Parties immer gut an und außerdem war es Schlotts eigenes Design, das er ab und zu gerne trug. Er nannte es "Partyzähne". Im Dunkeln konnten die Dinger auch leuchten. Sonst konnte der Doktor nichts feststellen, außer den letzten Spuren einer schon behandelten Zahnfleischmalaria die sich der Greifer bei einem Badeurlaub in den Württembergischen Alpen geholt hatte. Danach ließ er den Kommissar endlich gehen. Der war ziemlich sauer, er hatte nämlich so die Hälfte seiner Mittagspause verpaßt. Zur Rache schickte er ersteinmal eine Streife bei Dr. v. Zahn vorbei und ließ ihn wegen Unterschlagung eines Polizisten verhaften. Danach war Schlott zufrieden und kochte sich ersteinmal einen Lakritzkakao.
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Kapitel 12 Der Kommissar macht einen Zaun kaputt und tritt nochmal dagegen Nach einer kleinen Pause in seinem Büro fuhr der Schlott zum neuesten Tatort, nämlich der Villa von Rheuma Gartenpustel in der Bundesgartenschaustraße 9. Unterwegs nutzte der Kommissar die Zeit, um einen Schokoriegel halb zu verzehren, dabei Pfeife zu rauchen und sich zu wundern, warum schon zwei Morde in der Straße passiert waren, in der er selber wohnte. Vielleicht sollte es eine Warnung sein, daß Schlott nicht weiter ermitteln sollte. Sonst würde der Mörder wohl Milupa umbringen, denn die war eine Frau und Nichtraucherin. Zum Glück hatte der Mörder sie nicht umbringen können, als sie entführt war, denn da war sie ja geknebelt gewesen und so war es natürlich schwer, ihr eine Zigarre zwischen die Zähne zu klemmen, weil man an den Mund gar nicht ran konnte. Und freiwillig rauchen ging auch nicht, denn sie war gefesselt, so daß sie gar keine Zigarre hätte halten können. Danach steckte der Kommissar den halben Schokoriegel in die Pfeife und rauchte ihn wieder zu Ende. Ein ganzer Mann wie Kommissar Schlott ließ sich von solchen Warnungen aber einfach nicht warnen, nein noch mehr, er nahm sie nicht einmal richtig ernst. Deshalb fuhr er unerschrocken mit seinem esoterischen Tatortkoffer an den Tatort, fest entschlossen, dem Mörder den Spaß am Morden zu versauern. Benno Schlott wollte gerade vor dem Haus in der Bundesgartenschaustraße neun bremsen, da glitt sein teurer Sportwagen auf einer Bananenschale aus und rutschte seitkantig in den schmiedeeisernen Zaun, den man um die Villa gebaut hatte, damit jeder auch wußte, wo die Straße aufhörte und die Villa anfing. Für den Wagen war das kein Problem, denn er war gepanzert und hielt selbst einem Dauerbeschuß von SCAD -9 8 -
Raketen mühelos stand, aber der Zaun war danach hinüber. Den Kommissar ärgerte es trotzdem, obwohl sein Auto sich an dem Vorfall ja nicht weiter gestört hatte, weil er haßte Unfälle ohne Personenschäden. Die lohnten sich nämlich nicht aufzuschreiben. Das kam noch von seiner Zeit als Streifenpolizist, was er auch mal gewesen war, auch wenn man es ihm nicht mehr ansah. Heute bevorzugte er Karos. Damals mußte er sich ständig um so pillepalle - Unfälle kümmern, was er immer für einen schönen Mißstand erachtet hatte. Ärgerlich stieg Schlott aus und trat noch einmal gegen den Zaun. Um sich zu beruhigen, probierte er danach eine neue tibetanische Brumm - und Atemtechnik aus, von der er in "Bild der Frau" gelesen hatte. Man mußte so lange Druck auf der Lunge halten, bis man nicht mehr konnte und dann brummend ausatmen. Das sollte wie eine Katharsis wirken. Es klappte auch ganz toll. Der Kommissar parkte anschließend seinen Wagen ordentlich an einer Bushaltestelle und ging dann zur Villa. Er erwartete, daß Herr Gartenpustel wenigstens zu Hause war, aber sein Klingeln wurde auch nach fünf Minuten non stop nicht erhört. Also brach der schlaufüchsige Kommissar einfach das Türschloß auf, indem er mit seiner Dienstwaffe einmal durchschoß. Danach trat er die Tür beiseite und ging hinein. Holzspäne flogen rundum, so kräftig trat Schlott. Er kam in die mit modernen Bitumenplastiken von griechischen Sagenhelden, wie zum Beispiel den siamesischen Zwillingen Pankreas und Meteosat oder der Teppichweberin Mitropa ausgefüllte Vorhalle, von der aus sich eine noch recht frische Fußspur von dreckigen Gummistiefeln die Treppe hoch über die Galerie bis zum Fernsehzimmer zog. Vor dem Fernseher sah der Kommissar dann auch noch den Kreideumriß, den die Spurensicherung um die Leiche gezogen hatte, um sicherzustellen, daß sie ihren Aufenthaltsort beibehielt. Der esoterische Greifer blickte sich um und kombinierte. Ihm fiel auf, daß der Fernseher im Zimmer hypermodern war, er hatte -9 9 -
eine kombinierte Brat- und Bildröhre, man konnte sieben verschiedene Farben einstellen und er hatte zwei Lautsprecher, an jeder Seite einen, damit im Film auf diese Weise zwei Personen gleichzeitig sprechen konnten. Aber es fehlte die Fernbedienung. Sie war im ganzen Raum nicht zu finden. Benno Schlott hatte dazu drei ihm wahrscheinlich erscheinende Thesen. Erstens: Der Mörder hatte die Fernbedienung im Aschenbecher verbrannt, weil seine Fingerabdrücke darauf waren, der Haken hierbei war, daß es überhaupt keinen Aschenbecher gab und Asche enthielt er auch nicht (Achtung nicht - intellektuelle Leserschaft: Abstrakter Gedankengang des Autors!); zweitens: Die Tote war Fernbedienungskleptomanin und hatte die Fernbedienung einfach von sich selbst geklaut und dann an einen Hehler verschachert; und drittens: Vor ihrer Ermordung hatte Rheuma Gartenpustel ferngesehen und hatte versucht umzuschalten. Dabei verlor sie das Gleichgewicht auf der Couch und verschluckte aus Versehen bei dem Versuch, sich aufrecht zu halten, die Fernbedienung. Derzeit war die dritte Möglichkeit für Benno Schlott die wahrscheinlichste. Aber er hörte deshalb noch nicht auf, zu schnüffeln, denn sein sechster Sinn sagte ihm, daß irgend etwas in dem Raum nicht mit rechten Dingen zuging. Außerdem wurde er von vielen Leuten "Schnüffler" genannt und das wäre ja falsch gewesen, würde der Kommissar nicht tatsächlich schnüffeln. Er öffnete seinen Tatortkoffer und entnahm ihm die Reisekristallkugel ("Reisekristallkugel" bedeutet nicht, daß die Kugel aus Reisekristall besteht, sondern, daß es sich bei ihr um eine handliche Kristallkugel für die Reise handelte). Der Kommissar blickte hinein und stellte fest, daß hinter dem Picasso an der Wand ein Tresor verborgen war, und zwar ein echter "Heidtknacker 780"; das neueste Modell. Der war so sicher wie das Amen in der Kirche! Aber Benno Schlott war nicht umsonst ein Genie. Vor ihm war kein Tresor sicher, auch nicht der Sicherste; er knackte sie alle, denn er konnte Hellsehen machen. Und nun sah er mit seinem sechsten Sinn -1 0 0 -
hell, daß sich nicht nur sonderbare Dinge im Tresor versteckt hielten, die eigentlich für kein lebendiges Auge zum Sehen gedacht waren, sondern auch, daß die Kombination "Gunther mag sechseckige Blumen" lautete. Es handelte sich nämlich beim "Heidtknacker 780" um einen Safe mit Buchstabenkombination. Der Kommissar machte sich sogleich daran, den Tresor zu öffnen. Na ja, fast gleich, denn er war auch ein berüchtigter Kunstkenner, von dem keine Vernissage verschont blieb; und so betrachtete er ersteinmal den Picasso. Er war mit Wasserfarben auf Papier gemalt und zeigte einen alten Mann in Bermudas mit wehendem Bart in einem flotten Motorboot, im Hintergrund Miami Beach. Das Bild trug den Titel "Cruising Uncle Sam". Zweifellos ein Bild aus Picassos hellgrüner Periode. Das unterschied Pablo Picasso von der Frau des Kommissars. Die hatte nämlich seit ihrem 14. Lebensjahr nur eine rote Periode (Anmerkung: Nicht böse sein, liebe Leserinnen, aber den Kalauer konnte sich der hervorragende Autor dieses außergewöhnlichen Lesevergnügens leider nicht verkneifen. Er bittet vielmals Verzeihung. Bemühen Sie sich aber bitte trotzdem, besagten Witz lustig zu finden, der Autor selbst mag ihn ja schließlich auch. Danke.). Nachdem Schlott sich lange genug an dem Kunstwerk ergötzt hatte, beschlagnahmte er es als Beweisstück. Über der Couch in seinem Musikzimmer war nämlich gerade noch Platz für ein Beweisstück dieser Größe. Das traf sich gut. Dann schickte sich der Hypergreifer an, den Safe zu knacken. Die Kombination war ihm scheißegal, er schoß einfach fünfmal mit seiner kompetenten Dienstwaffe auf das Schloß und tatsächlich: Lautlos schwang die Tresortür auf. Dahinter verbarg sich in der Tat Erstaunliches und Ungeheures, was den Fall "Zigarrenmörder" in einem vollkommen neuen Licht erscheinen ließ. Zuerst war da ein Siegelring, der einen schwarzen Drachen zeigte und zwei darunter gekreuzte Zigarren, weiter eine Urkunde auf der stand: "Die eingeschworene n und wahrhaft -1 0 1 -
mystischen Erzwissensbehüter des heiligen Zirkels der erhabenen Priester des Tabakkultes von Nnguk gratulieren Ihnen, Frau Rheuma Gartenpustel. Sie haben sich Nnguk als würdig erwiesen; ihre sieben Ritualmorde an männlichen Nichttabakkauern waren echt toll. Sie sind jetzt Hohepriesterin. Außerdem zeigt sich Nnguk erkenntlich und schenkt ihnen einen nagelneuen Kleinwagen und eine zweiwöchige Kreuzfahrt durch die Karibik auf der 'MS Kreuzfahrtschiff' der Reederei (hier war anschließend per Hand das zweite "e" eingefügt worden) Backförmchen und Schneckenquetsch in Kiel. (Anm. des Autors: Der Name ist natürlich geändert, weil wegen der Schleichwerbung, die hier sonst von statten ginge.) Viel Spaß mit ihren Preisen und frohes Schaffen auch weiterhin, Ihre erhabene und weise Priesterschaft." Weiterhin enthielt der Safe Zeitungsausschnitte, die alle die Kautabakmorde von Bad Salzfischbach behandelten, und ein mumifizierter menschlicher Zeigefinger wohnte dem Tresor ebenfalls inne. Das alles war hochinteressant. Warum hatte der Zigarrenmörder eine Mitpriesterin auf dem Gewissen? Wem gehörte der Finger? Fragen über Fragen und keine Antworten. Dafür aber konnten die Kautabakmorde als gelöst betrachtet werden. Hier hatte sich Nnguk anscheinend schon nach sieben Opfern gefällig gezeigt und Rheuma Gartenpustel für würdig erachtet. Im oberen Fach des Safes entdeckte Schlott zu seiner großen Freude noch ein Bündel mit Geldscheinen, alles Tausender. Er zählte nach und kam auf 53000 Mark. Natürlich konfiszierte er die Scheine sofort als Beweismittel. Dafür konnte er sich einige Wünsche erfüllen. Als erstes würde er sich Castor Rippentreters 1056 Variationen über den Trauermarsch aus Mahlers erster Symphonie kaufen, die beanspruchten allein schon 294 CDs und kosteten ein Vermögen, das sie überhaupt nicht wert waren. Milupa würde er ein neues Brillantcollier kaufen und Bello sollte auch nicht leer ausgehen. Der Kommissar würde ihm mit Hilfe dieser 53000 Mark endlich die -1 0 2 -
Tonpfeife ersetzen, die er ihm vor zwölf Jahren aus dem Weckmann geklaut hatte und seitdem rauchte. Aber was konnte man mit den noch offenen Fragen machen, die im Zusammenhang mit dem mysteriösen Tresorinhalt aufgetreten waren? Benno Schlott meditierte kurz darüber und hatte schon die Lösung: Eine Séance mit seinem kleinen, aber erlesenen magischen Zirkel. Sein magischer Zirkel hatte schon letztes Jahr den Lebendbestatter vom Zentralfriedhof durch gezieltes Salatköpferücken einwandfrei als Milko Schummelblatt aus Hannover identifizieren können. Die Möglichkeiten einer gut aufgezogenen Séance waren in keinem Fall zu unterschätzen, auch wenn die letzte nicht ganz wunschgemäß verlaufen war. Der Kommissar beschloß, für den nächsten Morgen um neun Uhr seinen magischen Zirkel im Revier einzuberufen. Gertrud konnte dann auch noch mitmachen. Aber ersteinmal, stellte er fest, war noch ein Geheimnis in dieser Villa zu lösen, denn sein sechster Sinn meldete weitere Interferenzen im Gesamtkraftfeld der kosmischen Harmonie. Diese kamen aus einem der unteren Stockwerke und fühlten sich sehr nach Leiche an. Zur Abwechslung mal nach Männerleiche. Neugierig und etwas aufgeregt stieg Benno Schlott die Treppe hinunter, die in die Küche führte. Vor einer Leiche war der Kommissar immer etwas gespannt. Wie ein Kind vor der Weihnachtsbescherung. Von der Küche aus ging er durch die nächste Tür ins Schlafzimmer und vom Schlafzimmer aus in die direkt angrenzende hauseigene Räucherkammer. Hier traf er auf ein Bild des Schreckens: An einem Räucherhaken aufgehängt baumelte der sorgfältig ausgeweidete Bonifazius Gartenpustel in mildem Buchenholzrauch. Er war schon ganz goldbraun und roch, der Kommissar konnte sich nicht helfen, irgendwie verlockend. In seiner rechten geräucherten Hand klemmte ein scharfes Finnenmesser von der Art, wie auch der Kommissar eins hatte, um Fische, Hirsche und Elefanten auszuwaiden, die er im Urlaub gerne aus Sportsgeist erlegte. In einem Mülleimer -1 0 3 -
vor der Räucherkammer fand Schlott die Innereien des unglückseligen Mannes. Es waren, wie der Greifer feststellte, eindeutig keinerlei Anzeichen von Fremdeinwirkung festzustellen; Gartenpustel hatte sich ganz offensichtlich selbst das Leben genommen, indem er sich ausweidete und zum Räuchern in der Kammer aufhing. Ein weiß Gott tragischer und ungemütlicher Tod. Benno Schlott machte Gartenpustel vom Haken ab, schleppte ihn in den Kofferraum und wollte ihn mitnehmen, damit ihn die Gerichtsmedizin auch noch untersuchen konnte. Er duftete wirklich gut und der Kommissar bekam ziemlichen Hunger auf eine gute Räucherwurst. Gartenpustel erinnerte ihn an seine Kindheit, wo Schlott manchmal auf dem Bauernhof von seiner Oma Urlaub gemacht und mit seinem Freund Edding (dem heutigen Chef der Gerichtsmedizin) immer Würste aus der Räucherkammer stibitzt hatte. Die waren auch über Buche geräuchert gewesen. Außerdem hatten Edding und er damals höllisch viel gekifft und auch Oma Motorola Schlott ständig Gras und LSD ins Müsli getan. Selbst die Kühe auf ihrem Hof fraßen Gras. Es war eine Zeit voller flauer Power gewesen. Das war wohl Englisch und sollte "Blumenkraft" bedeuten.. Heute war aber auch noch Flauerpauer beim Benno Schlott. Der Kommissar verstaute Bonifazius Gartenpustel schnell im Kofferraum und wollte sich eilig daran machen, in seine Lieblingsmetzgerei zu fahren um sich dort ein paar Landjäger zu kaufen. Danach überlegte der Kommissar, würde er ersteinmal Feierabend machen. Den Toten konnte er auch bis morgen im Kofferraum lassen, Rauch konservierte bekanntlich, das wußte auch Benno Schlott. Gartenpustel war im Leben sehr groß gewesen, über zwei Meter, und als Leiche war er auch nicht viel kleiner und paßte deshalb nicht ganz in den winzigen Kofferraum von Schlotts Sportwagen. Die Beine schauten so noch etwas heraus als er losfuhr, das heißt, als er losfahren wollte. der verdammte Motor sprang nämlich nicht an. -1 0 4 -
"Ja, was ist denn das? Der verdammte Motor springt ja gar nicht an!" sagte der Kommissar erstaunt. Er stieg wieder aus, ging um den Wagen herum und gab ihm einen Tritt. Aber auch das half nichts. Der Wagen rührte sich keinen Millimeter vom Fleck. Dem Supergreifer blieb nichts anderes übrig, als mit dem Bus, der gerade vorbeikam, zur Metzgerei und nach Hause zu fahren. Zum Glück stand der Wagen ja an einer Bushaltestelle geparkt. Er stieg widerwillig in den Bus ein, denn als ausgesprochener Individualist haßte er Fahrzeuge, in denen man dazu verdammt war, neben seinen eigenen auch noch die Körpergerüche fremder Menschen zu ertragen. Und der Pöbel, der Bus fuhr, roch nicht gerade nach Flieder! Außerdem wurde er immer kontrolliert, und das wo er es ablehnte, Fahrkarten zu kaufen, weil die noch teurer waren als das viele Superbenzin, das sein Wagen auf einer vergleichbaren Strecke fraß. Dazu bekam man nicht mal einen anständigen Bordservice. Keinen Kaffee, kein Stück Kuchen, und was das Schlimmste war: Es herrschte striktes Rauchverbot. So ein Mißstand! Aber was blieb ihm nun anderes übrig, als gute Miene zum sauren Apfel zu machen. Der Kommissar setzte sich in die hinterste Ecke des Busses und neben ihn setzte sich gleich darauf eine dicke Oma mit Plastiktüten. Die sah aus wie eine Pennern. Menschen ohne Auto fand er überhaupt ganz schrecklich. Die waren für ihn wie eine Qualle ohne Füße oder ein Opossum. Der Bus rappelte und ruckelte und fuhr außerdem nur 60, und das auf einer schönen, breiten Straße, die man locker mit 300 nehmen konnte. Und der Umweg, den der Bus machte, war auch immens. Schlott mußte von der Bundesgartenschaustraße neun zur Bundesgartenschaustraße 23. Zu Fuß ein Weg von knapp 150 Metern, zur Metzgerei, die im Nachbarhaus Bundesgartenschaustr. 25 war, vielleicht von 160 Metern, der aber keine zwei Minuten dauerte; mit dem Bus war es ein Umweg von 45 Minuten über den Arthur - Bienenkern - Ring, den Tierfriedhof in der Melkfingerstraße und die -1 0 5 -
Mikrowellenallee. Und dann an der Haltestelle Castor Rippentreter - Straße geschah es: Zwei auffällig unauffällig gekleidete Herren stiegen ein und zückten, noch als die Türen geöffnet waren, ihre Kontrollausweise. Alle Schwarzfahrer nutzten diese Gelegenheit, um noch im letzten Augenblick aus den wie der Rachen einer Amöbe geöffneten Türen hinauszugleiten, nur der Kommissar war so eingeklemmt zwischen den blöden Tüten dieser widerlichen Penner - Oma, daß ihm jeder Fluchtweg versperrt war und er saß so blöde auf seiner Dienstwaffe, daß es ihm nicht mehr rechtzeitig gelang, sie zu ziehen, um sich den Weg hinaus freizuschießen. Da kamen sie auch schon, die Herren mit ihrem zynisch - herablassenden "Darf ich bitte mal ihren Fahrausweis sehen?". So eine dumme Floskel! Wenn man diese Frage einmal mit "Nein!" beantwortete, kümmerten die sich gar nicht darum. Der Kommissar hatte es schon ausprobiert. So etwas blasiertes, so ein Mißstand! Nun konnte ihn nur noch ein Wunder davor retten, erwischt zu werden. Ausgerechnet er, eine Person des öffentlichen Lebens, ein Idol, ein väterliches Vorbild, dem kleine Kinder hinterherliefen und zuriefen "Onkel Benno, schenk' uns ein Bonbon!" (das tat Schlott dann auch immer gerne, allerdings machte er sich immer einen Jux daraus, die Bonbons vorher in Rizinusöl zu tauchen). So ein Mensch sollte nun vor allen Leuten bloßgestellt werden! Wie peinlich! Auch wenn es nur dumme, einfache Leute waren, einfache Leute ohne Sportwagen. Es war trotzdem peinlich. Er hatte nur noch eine Möglichkeit: Er zückte eiskalt seinen abgelaufenen Seniorenpaß. Wenn der immer so gut als Polizeiausweis durchging, warum sollte er nicht auch zum Fahrausweis taugen? Da war der eine Kontrolleur schon beim Kommissar und stellte die obligatorische Frage "Darf ich bitte mal ihren Fahrausweis sehen?". "Oh bitte sehr." sagte Benno Schlott und lächelte cool. "Oh, Pardon, Herr Kriminalhauptkommissar Benno Schlott, -1 0 6 -
ich konnte ja nicht ahnen, daß sie eine Polizei sind. Mit Polizeiausweis ist das natürlich etwas anderes. Ein so berühmter Greifer fährt selbstverständlich umsonst." Was war denn das? Was sollte diese Scheiße? Man sah doch wohl deutlich genug, daß der Seniorenpaß kein Polizeiausweis war! Aber die Lösung war natürlich einfach und naheliegend, deshalb fand der Kommissar sie auch bald : Er hatte das gleiche Gesicht gemacht wie immer dann, wenn er Leuten den Paß als Polizeiausweis zeigte. Aus purer Gewohnheit. Also ein ich habe - einen - Polizeiausweis - Gesicht. Daran hatte es der Kontrolleur erkannt. Und da Benno Schlott nicht irgendein Polizist war, sondern ein öffentliches Interesse in Höchstperson, tat man ihm öfter einen Gefallen. Umsonstfahren war da noch das Mindeste. Einmal hatte ihm ein Fan sogar einen ausgewachsenen Thunfisch geschickt. Der hatte an Porto alleine fast 8000 Mark gekostet. Tja, er war eben beliebt, der Kommissar. Und er mochte leider keinen Thunfisch. Den hatte er damals Nachbars Katze geschenkt. Nach einer geschlagenen Dreiviertelstunde neben dieser Frau, der die Ungebildetheit nur so aus dem faltigen Makakengesicht sprang, war Schlott endlich wieder zu Hause bei seiner geliebten Milupa. Er machte sich einen Tee - Wodka - Grog und las dabei in dem Reiseführer "Magisch reisen/Toscana". Es war sein Lieblingsbuch. Seine Frau saß im Wohnzimmer vor dem prasselnden Kaminfeuer und bestickte gerade einen Lederumhang mit traditionellen Blumenmustern aus der Folklore. Der Kommissar wollte ihn nämlich am nächsten Morgen zur Séance ins Büro anziehen. Der Umhang war ebenfalls eine eigene Kreation und Landhausstil war ja dieses Jahr mal wieder angesagt. Wie Schlott so dasaß und trank, dabei lauschte er übrigens seiner Lieblingsmusik, Schuberts "Unvollendeter", da fiel ihm ein, daß er im Trubel der letzten zwei ereignisreichen Tage eine wichtige Spur ganz außer Acht -1 0 7 -
gelassen hatte: Er wollte am kommenden Tage auch den Dostojewski einmal gründlich untersuchen. Er bat Milupa, für ihn in dieser Zeit den defekten Sportwagen in die Werkstatt zu bringen. Seine Frau sagte, sie wolle es tun. Blöderweise hatte Schlott auch vergessen, in die Metzgerei zu fahren. Egal. Jetzt war ihm auch der Hunger auf Räucherwaren vergangen. Was sollte ein Mann wie er überhaupt mit so einem Scheiß? Als Benno Schlott den leckeren Tee - Wodka - Grog ausgetrunken hatte, rief er noch schnell Flötenschmalz und Ohrpuffer an, um zu hören, was die Brüder Sparfilz machten. Da gab es aber nichts neues, außer, daß sie eine schwarze Messe zelebrierten. Das war aber nicht verboten. Anschließend küßte er Milupa auf ihre rosigen, jugendlichen Wangen und sagte zu ihr: "Komm, Schatz, laß uns ins Bett gehen und ein wenig romantisch sein. Was hältst du davon?" Sie sagte, sie fände es toll, weil Romantik sei immer gut. Hier sieht der Leser, wie zärtlich und liebevoll auch so ein altes Rauhbein wie Benno Schlott manchmal sein konnte. Obwohl, Schlott war eigentlich immer lieb. Nur nicht, wenn man zu ihm nicht lieb war. Es wurde eine schöne, romantische Nacht und am nächsten Morgen war der Kommissar ausgeruht und glücklich.
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Kapitel 13 Der Kommissar zeigt einen Mißstand auf und mag sein Essen nicht Der Kommissar fuhr an diesem Morgen mit der geräumigen Limousine seiner Frau ins Revier, die immerhin auch 230 Spitze fuhr. Schlott fuhr natürlich die Höchstgeschwindigkeit voll aus, denn es war schon nach neun Uhr, und der magische Zirkel wartete sicher schon ungeduldig auf ihn, damit die Séance endlich beginnen konnte. Als er in die Feuerwehreinfahrt hineinfuhr und dort parken wollte, überfuhr er aus Versehen den Bundeskanzler, der gerade von der ausgebrannten ktU kam, wo er bei seiner Wiederwahl eine großzügige Spende für den Wiederaufbau versprechen wollte, nicht daran denkend, daß an diesem Tag Feiertag war und auch die ktU Feiertag machte, zum Glück für die Menschheit, wie der Kommissar hinzugefügt hätte. Der Kanzler wurde leicht verletzt und ziemlich wütend; vorher war er auch schon wütend gewesen, weil er den Weg von Berlin her umsonst gemacht hatte, aber jetzt wurde es noch schlimmer mit ihm. Benno Schlott stieg eilig die Treppen zum K2r hinauf, denn es wurde immer später, mit jeder Zeit, die verstrich. Wenn es nach ihm ging, konnte sich der Staat das Geld für den Wiederaufbau der ktU sparen, er bedauerte es nur, daß die Stümper, die diese Abteilung bevölkerten, bis auf einige rühmliche Ausnahmen, nicht mit verbrannt waren. Seiner Meinung nach lautete das Synonym für "Unfähigkeit" "ktU". In seinem Büro wartete tatsächlich schon der magische Zirkel. Alle waren komplett: Rowenta Biberkurbel, Sanella Drahtkuchen, die um den Hals das schönste Zierbrikett trug, das der Kommissar je gesehen hatte, Napoleon Quallenzüchter und Mortimer Schildkrötentöter, der einen riesigen Feigenbaum mitgebracht hatte. Ein Notfall, wie er erklärte. Der arme Baum -1 0 9 -
war total verspannt in den Blattachseln und die Blätter fielen ihm deshalb schon aus. Da konnte nur noch eine gezielte Physiotherapie helfen. Schlott sah das ein. Er war ein Baumfreund, hatte auch einen Aufkleber am Wagen, auf dem geschrieben stand "Ich bremse nur für Bäume!". Bloß Gertrud fehlte. Er war einfach nicht erschienen, und das, obwohl Benno Schlott ihn für heute herbestellt hatte, per Haftbefehl, um der Sache Nachdruck zu verleihen. Er war ferngeblieben, ohne sich krank zu melden oder zu entschuldigen. Nur ein Zettel von ihm lag auf dem Schreibtisch des Greifers, auf dem stand, daß niemand bisher nach dem Ehering gefragt hatte. Und ein PS stand dabei, wo draufstand, daß der Assistent des Kommissars keine Zeit hatte zu kommen, weil er sein schnelles rotes Motorboot aufs Trockendock legen mußte, es hatte ein Loch, durch das natürlicherweise im Wasser enthaltenes Ungeziefer wie zum Beispiel Wasserflöhe und Wasserratten hereindringen konnte ins Bootsinnere. Da konnte kein Haftbefehl was dran ändern. "Das ist aber ein ärgerlicher Mißstand, den ich hier einmal aufzeigen möchte. Ich hätte große Lust, die Fahndung einzuleiten nach diesem faulen Dreckskerl!" sagte der Kommissar, seinen Zorn nur mühsam zurückhaltend. Er war so verärgert, daß er ersteinmal was kaputt machen mußte, bevor er sich beruhigte. Er nahm deshalb die Kirchenglocke, die jemand wohl auf dem Flur vergessen hatte, und warf sie mit der vollen Wucht eines ungehemmten Zornes aus dem geschlossenen Fenster, das nur durch Zufall ganz blieb. Sie traf unten den Bundeskanzler, der es endlich geschafft hatte, unter Milupa Schlotts Wagen hervorzukriechen, der Auspuff hing ihm noch krumm im Gesicht. Aber von seinem Volltreffer bekam der Kommissar oben gar nichts mit, außer einem "Klong - Flatsch" (das ist ein lautmalerisches Geräusch für etwas, das auf etwas vermatschbares aufknallt und es vermatscht). Er sagte danach zu seinem Zirkel: "So, ich koche uns noch eben einen -1 1 0 -
guten Kaffee und dann kann's losgehen. Ich schlage vor, daß Rowenta heute unsere Sprecherin ist, ich habe ihr meine Fragen aufgeschrieben, schriftlich." Alle waren damit einverstanden und brummten zustimmend. Der Kommissar fing an, Kaffee zu bereiten. Währenddessen führten die vier Personen aus dem magischen Zirkel noch eine angeregte Konversation über die Wunder der Natur. Das taten sie immer, das alles gehörte irgendwie mit zum kosmischen Einklang. Eine alte Weisheit besagte schließlich auch, daß man ein Einklang sein mußte, um in die Natur einzudringen. So ähnlich stand es zumindest mal in einem Buch. Frau Drahtkuchen brachte die Unterhaltung in Fahrt, als sie von einem Naturfilm anfing zu erzählen, in dem es darum ging, wie die Wale vor 100 Millionen Jahren zurück ins Meer gewandert worden sind. Sie hatte dazu nach einigen Angaben eine Zeichnung von einem Landwal gemacht, wie er vor 150 Millionen Jahren wohl ausgesehen hatte. Man muß hier erwähnen, daß Sanella Drahtkuchen Hobby - Zoologin war. Alle bewunderten die Zeichnung und logen aus Höflichkeit, daß Frau Drahtkuchen viel Talent zum Zeichnen hätte. In Wirklichkeit hätte sie wahrscheinlich noch einem Strichmännchen ein Bein zuviel angemalt. Aber das wollte niemand verraten, weil es gar nicht nett gewesen wäre; und Esoteriker haben eine geradezu zwanghafte Nettigkeit an sich. Das kommt auch vom vielen Joghurt, das sie essen müssen. Nun war aber der Kaffee fertig und alle tranken. Den meisten schmeckte es auch, obwohl dem Kommissar das Kaffeepulver ausgegangen war und er zur Überbrückung dieser Lücke Sägemehl genommen hatte. Niemand hier war kleinlich genug, das anzuprangern. Esoteriker sind großherzige Leute, für die der gute Wille zählt und vielleicht noch das Karma. Das Karma vom Kaffee war trotz des Sägemehls in bester Ordnung. "So, nun laßt uns aber mal anfangen." schlug Napoleon Quallenzüchter vor. -1 1 1 -
"Gut. Aber diesmal bestimmen wir vorher, wessen Geist wir rufen. Hat jemand einen Vorschlag zu machen?" fragte Benno Schlott. "Äh, wie wär's mit Friedrich Schillers Geist. Der ist ernstzunehmen, spricht verständlich und dürfte wohl kaum schmutzige Fragen stellen." schlug Frau Biberkurbel vor. Der Vorschlag wurde vorbehaltlos angenommen und die Beschwörung begann. Der Raum wurde abgedunkelt und die fünf Okkultisten konzentrierten sich auf den Salat in der Mitte des Tisches. Frau Drahtkuchen hatte leider auf die Schnelle nur ein Büschel Feldsalat auftreiben können, aber auch wenn man Feldsalat selbst mit viel Wohlwollen kaum als "Kopf" bezeichnen konnte, zur Not ging es auch damit. Nach etwa drei Minuten erzitterten die feinen jungen Blättchen des Salates. Der Kontakt war hergestellt. "Bist du Friedrich Schiller, erhabener Geist?" fragte Frau Biberkurbel mit vor Pathos zitternder Stimme. Das zarte Pflänzchen rutschte nun von Buchstabe zu Buchstabe und formte eine Antwort: "Äh, ja, doch." Das klang zwar nicht so ganz überzeugend, aber wenn man bedachte, daß der Dichter schon bald 200 Jahre tot war, dann konnte man nachvollziehen, daß er ab und zu schon mal etwas neben sich stand. Außerdem logen Geister nicht. Sonst hätte man sich Séancen ja auch gleich sparen können. "Erhabener Geist, wir haben einige Fragen an dich; bist du bereit, sie zu beantworten?" richtete Rowenta Biberkurbel ihre Bitte, geschickt in eine Frage gekleidet an den verblichenen Dichter. Mit einem "Nein" war bei Verstorbenen ohnehin nicht zu rechnen, das wußten alle aus Erfahrung. Der Feldsalat bewegte sich wieder über den Tisch und formulierte die knappe Antwort: "Nein!" -1 1 2 -
Alle waren erstaunt und der Kommissar Schlott durchbrach das angespannte Schweigen, um sich Luft zu machen: "So eine lästige Situation." bemerkte er, vor Ärger und total geballter Wut bebend. Frau Biberkurbel, die auf eine derartige Antwort des Geistes natürlich nicht eingerichtet war, versuchte hastig nach einem Stück Treibholz in dem sie umgebenden Ozean der Hilflosigkeit zu angeln und probierte, Schiller schließlich doch zu überzeugen, die Fragen zu beantworten: "Soll ich die Fragen nicht vielleicht ersteinmal stellen?" "Na gut, ich war ja im Leben Humorist; nee, das heißt wohl irgendwie anders, äh, ja, auf jeden Fall war ich kein Unmensch glaube ich wohl. Also, schießen sie los. Aber ich muß hier mal klarstellen, daß wir Toten uns nicht länger von den Lebenden als Informationsquelle einfach nur ausbeuten lassen. Denn dazu waren wir immer gut, aber sonst wird die reale Existenz von Geistern und Visionen Verstorbener in den Medien einfach immer weggeleugnet und vertuscht. Aber wir werden uns das nicht mehr bieten lassen. Nur diesmal will ich noch Gnade vor Recht ergehen lassen. Nur noch dieses eine Mal noch! Also, ich höre!" Diese Antwort war klar und kategorisch. Irgend jemand hatte darauf im Dunkel sogar geklatscht. Zum Glück hatte aber niemand gemerkt, wer das war. Es war der Kommissar gewesen, der hatte etwas übrig für Freigeister wie Friedrich Schiller. Aber die Anderen brauchten nicht zu erfahren, daß er mit Schillers Ansichten sympathisierte, für die waren verstummte Geister einfach nur mißlich. Aber heute mußte man global denken und über die Grenzen sehen. Schlott tat das. Seine Umsicht und sein Verständnis waren bei seinen Freunden weltberühmt und legendär. Frau Biberkurbel formulierte nun leicht pikiert die Frage: " Äh, wem gehörte der mumifizierte Finger im Tresor von Frau Gartenpustel?" "Der gehörte einem gewissen Herrn Archimedes Brotkasten, -1 1 3 -
einem ehemaligen Geliebten von Frau Gartenpustel. Er hat ihr den Finger als Andenken geschenkt. Er war ein Erbstück noch von Brotkastens Großvater Ron op der Leber, der ihn einmal aus Ostasien mitgebracht hatte. Bitte die nächste Frage." Frau Biberkurbel wollte noch einwenden, daß sie nicht gemeint hätte, wem der Finger gehörte, sondern vielmehr, wem er einmal als Körperteil gedient hätte, aber das rucken des Feldsalates wirkte so kategorisch, daß sie es nicht wagte, und auch Benno Schlott nickte bestätigend, als sie die nächste Frage zu verlesen begann, was man im Dunkel aber gar nicht sehen konnte. "O werter Verstorbener, warum hat der Zigarrenmörder ausgerechnet eine Mitkultistin des Tabakkultes von Nnguk auf dem Gewissen?" In den Salat kam erneut Bewegung, als er von Buchstabe zu Buchstabe zu rutschen begann und so die Antwort Friedrich Schillers formte: "Öh, Konk urrenz vielleicht? Ich kenne diese Geheimpriesterschaften. Da kann keiner Priester werden, ohne daß nicht vorher ein anderer Priester über den Jordan geht. Der Zigarrenmörder hat offensichtlich zwei Fliegen in einen Topf geworfen, denn er hat auf diese Weise gleich ein Opfer für Nnguk; denn Hohepriester dürfen bei diesem Kult gar nicht rauchen, kommen so also als potentielle Opfer in Frage, und zusätzlich hat der Mörder eine freie Stelle im rituellen Gefüge geschaffen. Vielleicht verstanden sich die Mörder auch bloß nicht mit ihrer Mitkultistin, oder sie hat den Mördern ihren Priesterposten mißgönnt. Wäre alles möglich, bin ja auch nicht allwissend. Ach, wußten sie, daß ich zu Lebzeiten selbst einmal zwei Jahre lang Hohepriester des großen Eduscho war? Natürlich mußte ich da niemanden töten, es genügte damals noch, hundert Bonusmarken in ein Heft zu kleben und unter dem richtigen Kennwort an die Priesterschaft einzusenden. Dann kam man in die Hauptverlosung und wenn man Glück hatte, wurde man als nächster Hohepriester gezogen. Aber die Zeiten -1 1 4 -
haben sich wohl geändert und derart weihevolle Zeremonien sind plumpem Schund wie Blut - und Menschenopfern gewichen. Nun ja. War's das endlich mit den Fragen?" "Oh, ja, das war's, Herr Schiller, sie können jetzt wieder gehen. Und vielen Dank, das war eine wahrhafte Hilfe." Mit diesen Worten entließ Rowenta Biberkurbel den Geist. Danach verließ auch der magische Zirkel bald das Büro des Kommissars, denn keiner der vier Okkultisten hatte an diesem Tage viel Zeit, obwohl heute Buß - und Bettag war und niemand außer dem Kommissar arbeitete. Benno Schlott wußte nun immerhin, daß der Finger wohl keine Spur war, und er wußte jetzt auch, warum Rheuma Gartenpustel sterben mußte. Was noch fehlte, war eigentlich nur der Mörder. Darum wollte der Kommissar sich nach seiner wohlverdienten Mittagspause kümmern, dann wollte er den Brief im Dostojewski suchen. Das Dudelsackkonzert von Castor Rippentreter vor sich hinsummend ging Benno Schlott in die Kantine. Auf dem Weg dorthin traf er kurz den Bundeskanzler, der einen Kopfverband trug und ein Bein in Gips hatte. Er war gerade dabei, auf der eingeseiften oberen Treppenkante auszurutschen und hintenüber zu fallen. Schlott sah ihm einen Moment nach, schüttelte den Kopf und murmelte vor sich hin: "Manchmal übertreiben es die Leute auch. Man muß doch sein Glück nicht immerzu herausfordern." Heute war die Kantine ausnahmsweise einmal leer, was an einem Mittwoch höchst ungewöhnlich war. Wahrscheinlich lag es daran, daß heute Feiertag war. Die Theke war gar nicht besetzt und auch in den Kesseln blubberte es nicht. Selbst die Kantinenköchin schien heute Feiertag zu haben. "Ich scheine der einzige Mensch im Revier zu sein heute, abgesehen vom Bundeskanzler. Da muß ich mir wohl selber was kochen. Wie ärgerlich!" überlegte Schlott. Er besaß zum Glück einen Generalschlüssel für das ganze Revier, so daß er auch die Küche aufschließen konnte, um an die -1 1 5 -
Kochsachen zu kommen. Den Schlüssel hatte er mal vom Polizeipräsidenten geklaut und nachmachen lassen, davo n durfte aber niemand etwas erfahren, der Polizeipräsident konnte nämlich sehr, sehr böse werden, das war dann wirklich keine Freude. Der Kommissar ging hinein und nahm einen Topf heraus. Dann suchte er Lebensmittel. "Hmm, gar nichts Frisches im Hause? Kein Fleisch, kein Gemüse, keine frischen Kräuter? Sowas lästiges aber auch. Mal sehen, was überhaupt da ist. Ich glaube, da mache ich mir am besten eine Suppe. In Suppe kann man alles einschmeißen." Der Kommissar konnte dank seiner Superspürnase folgendes auftreiben: ein Glas Senf, eine Flasche Suppenwürze, einen halben Brühwürfel, Curryketchup, Salatdressing aus der Flasche, gefrorene Pommes Frites und die "Blind" - Zeitung vom Vortag. Schlott, der ein versierter Hobbykoch war, der aus jeder Notlage ein tolles Essen machen konnte, warf alles in den Topf und füllte den Rest mit Wasser auf. Das würde sogar für zwei Personen reichen, da konnte der Bundeskanzler auch noch mitessen, falls er noch immer im Revier war. Der Greifer ließ alles etwa 30 Minuten lang kochen und füllte die etwas merkwürdig erscheinende, nunmehr dickflüssige Sauce in eine Backform um sie im Ofen noch etwas mit den restlichen Pommes Frites zu überbacken. Er hatte nämlich nun die feine Idee, aus der Suppe einen lecker Auflauf zu machen. Während der Kommissar darauf wartete, daß es fertig wurde, fand er auf einem Küchentisch in der hintersten Ecke des Raumes, dort wo die Kakerlaken waren, ein Jerry - Cotton - Heft. Jerry Cotton las er nach "Magisch reisen" am liebsten. Auch jetzt gab es für ihn kein Entkommen, dieses alte, zerrissene Heft zog ihn an, wie eine Mutter ihr Kind nach dem Baden (das ist ein Wortspiel, das auf dem Doppelsinn des Wortes "anziehen" beruht. Leider muß man heutzutage sowas erklären, weil der durchschnittliche Leser es im allgemeinen verlernt hat, mitzudenken und deshalb die einfachsten Gags nicht mehr versteht. Ich finde das bedauerlich -1 1 6 -
und prangere es bei dieser Gelegenheit energisch an. Bitte beugen Sie nun schuldbewußt Ihr Haupt, wenn auch Sie nicht selbständig auf diesen Doppelsinn gekommen wären. Pfui, lieber Leser, pfui!). Mit schlafwandlerisch von sich gestreckten Armen steuerte der Kommissar auf den Krimi zu und begann, kaum hatte er ihn an sich gerissen, hemmungslos darin zu lesen. Nach zwei Stunden, auf Seite 131, fiel ihm plötzlich wieder sein Essen ein, als er einen beißenden Brandgeruch bemerkte, der dem Ofen entstieg. "Himmel, riecht das Scheiße!" rief er und las noch schnell das Kapitel zu Ende. "Da scheint vielleicht was schiefgelaufen zu sein mit der guten Mahlzeit. Ich werde durch eine Tatortbesichtigung herausfinden, was es ist." Mit zusammengekniffenen Augen und gezogener Dienstwaffe schlich Benno Schlott zum Ofen und öffnete ihn mit einem Ruck. Rauch quoll ihm entgegen und hätte sicher jedem anderen Menschen in den Augen gebrannt und ihn husten lassen, oder wenigstens gehörig erschreckt und in Sorge um das Gelingen seiner Mahlzeit geraten lassen, aber nicht so den Kommissar, der selber soviel und so starken Tabak rauchte, daß er an beißenden Rauch gewöhnt war und Rauchen nur für ein Zeichen von Wohlbefinden und Gelingen hielt und ihm so keine Gefahrenkomponente beimaß. "Hmm, lecker Rauch, das Essen scheint doch gut geworden zu sein. Wie positiv!" Mit Topfhandschuhen nahm Schlott die Jenaer Glasschüssel aus dem Backröhr, stellte sie auf einen Tisch und wartete, bis sich der Qualm verzogen hatte. Dabei reagierte allerdings der Rauchmelder des Reviers und schaltete die Sprinkleranlage ein. Es zischte und dampfte, als das Wasser auf das Essen des Kommissars sprühte. Dem Kommissar selber machte das Wasser nichts, denn heute trug er einen breitkrempigen -1 1 7 -
Gummihut und seinen neuen Lederumhang, der gut eingefettet war. Nach etwa fünf Minuten schaltete die Anlage sich ab, sie hatte wohl eingesehen, daß hier nichts zum Löschen da war. Jetzt konnte Schlott sein Essen erkennen, doch was er da sah, trieb dem sensiblen Mann fast die Tränen in die Augen: Das vorher sehr heiße Essen, das rot geglüht hatte, war durch die Schockabkühlung mit dem -80° C kalten Wasser total zu glänzender Keramik erstarrt! Da war nichts mehr zu machen, diesen Klumpen konnte man unmöglich durchschneiden. "So ein Mißstand! Keramik mag ich nicht! Das kann von mir aus der Bundeskanzler essen, oder die ktU, aber ich nicht. Die ganze viele Mühe umsonst!" Jetzt war der Kommissar wieder richtig sauer. Bevor noch ein Unglück passierte, machte er ganz schnell transzendentale Meditation, um wieder ruhig zu werden. Anschließend betrieb er noch eine Levitationsübung für Fortgeschrittene, sie bestand darin, um die Deckenlampe Schleifen zu fliegen. Das brachten eigentlich nur die Pendelnden Mönche des Singenden Zen Klosters in Rhambharadhmashandhra fertig und da auch nur die der obersten Bewußtseinsebene, die ganz viel Zen konnten; aber der Kommissar hatte den Bogen auch so recht gut raus, ganz ohne unnötigen Zen. Immer noch etwas mißmutig flog er dann in sein Büro, im Lotussitz versteht sich. Als er am Bundeskanzler vorbeiflog, der sich gerade von seinem Sturz erholt hatte, bekam der vor Schreck einen Herzinfarkt und fiel um. Er hatte nämlich nie an Levitation und ähnliche Dinge geglaubt. Benno Schlott bekam davon aber überhaupt nichts mit, denn er war in Gedanken schon beim "Heimatdoktor von Fichtenburg", den er gleich einmal gründlich untersuchen wollte.
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Kapitel 14 Der Kommissar zerquetscht eine Fliege und findet es doof, daß sie einen Fleck macht Im Büro lehnte sich der Kommissar in seinen Skrullebysessel zurück, legte in gewohnter Manier die Beine auf den Tisch und schmauchte sein Pfeifchen. Dabei hörte er eine Oper von Berwald. Er nahm sich den Dostojewski nun einmal gründlich vor. Im vorderen Buchdeckel sollte ein Brief eingeklebt sein, wie Giftspätter ihm gesagt hatte. Benno Schlott kniff die Augen zusammen und suchte. Die Tatsache, daß man so eigentlich viel schlechter sehen konnte, störte ihn herzlich wenig. Er wollte eben entweder richtig Kommissar sein, oder gar nicht. Und "richtig", das hieß so sein, wie Stefan Derrick und Leo Kress. Und ein richtiger Kommissar mußte eben auch die Augen zusammenkneifen. Nur bei Derrick entfiel das, weil seine Augen zu weit hervorquollen und nur von der Brille am rausfallen gehindert wurden. Der konnte da natürlich nicht kneifen mit; der konnte aber auch nichts dafür, daß man sich bei ihm sowas mit den Augen überlegt hatte, das lag bestimmt allein am doofen Drehbuch, wo man ihn so haben wollte. Schon bald wurde der Greifer fündig. Hinter einem Papier am vorderen Buchdeckel war tatsächlich etwas eingeklebt. Schlott trennte mit seinem orientalischen Krummsäbel, den er immer bei sich trug, vorsichtig das Papier an der einen Seite auf und zog dann mit einer Pinzette, denn er wollte ja keine Fingerabdrücke verfälschen, den besagten Brief heraus. Er existierte tatsächlich. "So, mal lesen, was drinsteht." sagte Schlott zu sich selbst. Er redete oft mit sich selbst, wenn er mal irgendwo alleine rumsaß, weil er eigentlich ein echter Gesellschaftstyp war, auch wenn er im Beruf irgendwie lieber allein arbeitete. Kollegen wollten immer besser sein als er und sahen nie ein, daß das unmöglich war. Es störte ihn bei seinen Selbstgesprächen nur, -1 1 9 -
daß er von sich selbst nie eine richtige Antwort bekam. Er hielt sich deshalb für einen ziemlich maulfaulen Stoffel. "Lieber Herr Kommissar. Ja, Sie haben richtig gehört, ich weiß, daß Sie ein Kommissar sind," stand im Brief, den Schlott sich selbst vorlas, "denn ich weiß, daß irgendwann die Polizei auf meine Spur kommen wird. Und wer sonst, außer einem echten Kommissar könnte diesen Brief finden? Ja, ich bin ein Frauenmörder und ein Ritualmörder noch dazu. Ich möchte Ihnen hier einen Hinweis darauf geben, wie mein Name ist, und ob ich vielleicht mehr als nur ein Mann bin. Ich halte mich nämlich selber für eine Gefahr und deshalb sollen Sie die Chance bekommen, mich aus dem Verkehr zu ziehen. Aber Sie sollen es schwer haben. Ich gebe Ihnen nun ein Rätsel auf. Wenn Sie die Lösungsworte richtig herausbekommen, dann wissen Sie, wieviele Personen ich bin und wie ich/wir heiße(n). Also, hier das Rätsel: Eine Person plus noch eine Person sind.... Personen. Wenn Sie, Herr Kommissar das gelöst haben, dann wissen Sie, wieviele mein Bruder und ich sind. Zum nächsten Rätsel: Das Schwein, in das man durch einen Schlitz Geld wirft heißt....schwein. Wenn Sie dieses Rätsel gelöst haben, dann wissen Sie die erste Silbe meines/unseres Nachnamens (wir sind nämlich Zwillinge und heißen gleich). Und das dritte Rätsel geht so: Ein Billardtisch ist in der Regel mit.... ausgelegt. Wenn Sie, verehrter Herr Kommissar dieses Rätsel gelöst haben, dann kennen Sie die letzte Silbe meines/unseres Nachnamens. So, nun können Sie uns festnehmen. Gezeichnet: Die Brüder XY." Als der Kommissar diesen Brief fertig gelesen hatte, da bildeten sich tiefe Sorgenfalten auf seiner Stirn. Er hatte hiermit die Chance in die Hand bekommen, den Mörder endlich hinter -1 2 0 -
Schloß und Riegel zu bringen, aber diese Rätsel hatten es wirklich in sich. Es würde weiß Gott kein leichtes Unterfangen werden, die richtigen Lösungen zu finden. Aber ein Schlott gab nie auf, ein Schlott verzweifelte auch nie. So machte der Kommissar ersteinmal ein wenig Selbstfindungsmeditation und konzentrierte sich danach auf die vertrackten Aufgaben des Mörders. Daß es sich um zwei Personen handelte, bekam er auch recht schnell durch sorgfältige Rechenarbeit mit dem Taschenrechner heraus, aber danach war er mit seinem Latein auch schon fast am Ende, denn dieses verfluchte Schweinerätsel war wirklich sauschwer. Was konnte das nur sein? Ein Münzschwein? Ein Schlitzschwein? Ein D - Markschwein? Oder vielleicht... ein Geldschwein? Ja, das klang am wahrscheinlichsten, fand der Kommissar. Er notierte das Wort "Geld" schon mal auf einem Zettel. Und dann die nächste Aufgabe. Schlott hatte in seinem Leben noch nie Billard gespielt, wie sollte er da bloß wissen, womit ein Billardtisch ausgelegt war? Er grübelte eine Weile darüber nach. War es vielleicht Linoleum? Oder Gras wie beim Fußball? Aber schließlich erschien ihm "Billardspielfeld" als einzig plausible Lösung. Er notierte "Billardspielfeld" hinter das Wort "Geld". "Also diese zwei Wörter sollen zusammen den Namen des Mörders, bzw. der Mörder ergeben. Also müßten es dann die Brüder Geldbillardspielfeld sein, nicht die Brüder Sparfilz, wie ich dachte. Sollte ich mich so vertan haben in meinen Ermittlungen? Na, das wollen wir doch erstmal überprüfen." Der Kommissar rief sogleich seinen Freund Detlef Sportfuß von der Fahndung zu Hause an und gab ihm den Auftrag, herauszufinden, wieviele Brüder Geldbillardspielfeld es in Deutschland gab. Zum Glück war er für seinen Freund Benno sofort bereit, ins Re vier zu fahren und den Computer zu befragen. Dank der überragenden Computertechnik, die das Revier hatte, und die jeden Winkel des Landes kannte, wie ihre eigenen Schaltkreise, war es Sportfuß möglich, Schlott schon -1 2 1 -
nach drei Minuten eine Auskunft zu erteilen: "Also, es gibt in ganz Deutschland niemanden dieses Namens. Höchstens eine Lancia Geldbillardkugel ist uns bekannt, die ist aber vor drei Jahren im Alter von 87 Jahren in der Uniklinik Bonn gestorben. Tut mir leid, Ben." Voll verärgert zerknüllte der Kommissar den Brief aus dem Dostojewski und stopfte ihn in die unterste Schublade seines polizeilichen Geheimschreibtischs. "Verdammtes Verbrecherpack! Die wollen mich doch nur verarschen und in die Irre führen. Das können sie von mir aus mit der ktU mache n, aber nicht mit mir! Mir hier falsche Rätsel aufgeben, das ist doch wohl das Allerletzte!" schimpfte er mit rotem Kopf, wobei sein Blutdruck auf 181:118 stieg. Dann öffnete er die Hauspost, die auch am Wochenende und an Feiertagen unerbittlich auf die Schreibtische der Polizisten flatterte, um dafür zu sorgen, daß immer ein Stapel unerledigter Briefe auf ihrem Tisch lag und ihnen das Gefühl nicht getaner Arbeit vermittelte. Der erste Brief war wieder einmal vom Polizeipräsidenten und er war auf dem roten Papier für die höchste Dringlichkeitsstufe geschrieben. Die Tatsache, daß der Polizeipräsident gewohnheitsmäßig mit roter Tinte schrieb, verhalf seinen dringenden Mitteilungen immer zu einer ganz besonderen Komponente des Ungewissen und der Kommissar mußte immer stundenlang daran herumkniffeln, was die vage erkennbaren Linien auf dem Papier denn nun schon wieder bedeuten mochten. Diesmal hieß es wohl, daß wieder zwei Leichen gefunden worden waren, an denen der Zigarrenmörder schuld war. Eine unter der Biene nkernbrücke in der City, sie war schon etwa eine Woche tot, schrieb der Präsident, und die andere im Sankt - Udo - Krankenhaus in der Melchior Speiseheber - Straße. Weiter stand in dem Brief, daß der Kommissar schnell zu den Tatorten fahren sollte, aber diesmal zusammen mit der Spurensicherung. Benno Schlott fuhr immer gerne zu neuen Leichen, das -1 2 2 -
machte ihm Spaß und wurde nie langweilig, aber die Spurensicherung mitzunehmen hatte er eigentlich keine Lust. Er hatte sich mittlerweile, seitdem er bei Angina Sparfilz die Spurensicherung vergessen hatte, so daran gewöhnt alleine zu ermitteln, daß er sich nur noch ungerne umstellte. Auch vorher schon hatte er die Spurensicherung nicht mitgenommen. Wenn er allein war, dann konnte auch niemand ihm gegenüber so tun, als ob er alles besser wüßte, was eigentlich alle immer gerne taten. Der Kommissar mochte solche Leute nicht. Er war der Ansicht, daß man doch einfach respektieren sollte, daß er der beste Polizist von der Welt war. Aber wenn der Polizeipräsident es wollte, dann war Schlott natürlich bereit, einmal über seinen Schatten hinwegzusehen. Aber seinen Freund Mogelpilz wollte er nicht mitnehmen, denn der war erstens auch Kriminalhauptkommissar, also gleichrangig mit Schlott, der ihn deshalb nicht herumkommandieren durfte, und außerdem war er einer seiner besten Freunde und beste Freunde kommandierte man nicht rum. Der Greifer beschloß aus diesem Grunde, Mogelpilz' Assistenten Inspektor Diogenes Backenbüßer mitzunehmen. Backenbüßer war nach Meinung von Benno Schlott so ziemlich der dümmste Mensch unter der Sonne, jedenfalls nach den Leuten von der ktU. Der würde sich sicher ruhig verhalten und wenn nicht, ließ er sich zumindest nach Herzenslust rumkommandieren. Der Kommissar wollte gleich bei ihm vorbeifahren, ohne damit Zeit zu verschwenden, ihn erst anzurufen. Er stieg in die bequeme Limousine seiner Frau und wollte gerade starten, da sah er, daß eine dicke Fliege im Auto herumbrummte. Das mochte Benno Schlott nicht, denn er fand, bei einem Auto sollte nur der Motor brummen. Er wollte diese Fliege gerade als einen verdammten Mißstand anprangern, da sah er, wie sie sich auf das Velourspolster des Beifahrersitzes setzte, bzw. stellte, weil Fliegen haben viel zu viele Beine, um sich setzen zu können. Schlott holte mit einem gezielten Handkantenschlag aus und schlug den lästigen Brummer einfach -1 2 3 -
so zu Brei. Wenn man ganz, ganz leise gewesen wäre, hätte man vielleicht ein "pfrrrtsch" hören können, das entstand, als die Fliegensuppe unter dem kaputtgeschlagenen Chitinpanzer hervorquoll. Unter einem Mikroskop hätte es auf jeden Fall furchtbar ekelig und kafkaesk ausgesehen. Wie gut, daß gerade kein Mikroskop in der Nähe war. Der Kommissar hatte aber trotzdem einen Schreck bekommen, denn das tote Insekt hatte auf dem hellbeigefarbenen Velourssitz einen dicken, schwarzbraunen Fleck hinterlassen. Sowas doofes. Wenn das Milupa sehen würde, dann würde die wieder zu einem tollwütigen Tier werden! Schlott kannte das zur Genüge, weil er oft Flecken machte. Glücklicherweise hatte er aber sofort eine Idee, die ihn aus dem Schlamassel ausbadete: Er nahm seinen orientalischen Krummsäbel und schnitt den Fleck einfach heraus. Dann warf er ihn aus dem Fenster. Den Kniff hatte er von seiner Großmutter Documenta gelernt. Documenta Schlott war eine sehr resolute Frau gewesen, die deshalb immer alle Flecken in der Familie wegmachen mußte. Alle Leute brachten ihr dauernd ihre schmutzige Wäsche zum Saubermachen, und das, obwohl Schlott noch eine zweite Großmutter hatte. Und wenn, was allerdings nur selten vorkam, alle Hausmittelchen und sogar Salpetersäure versagten, dann nahm sie immer eine große, scharfe Schere und schnitt den Fleck heraus. Sie nannte das "Fleckenschere". Nachdem der Kommissar wieder mal eine Situation mit Bravour gemeistert hatte, fuhr er endlich los, um Diogenes Backenbüßer abzuholen. Er wohnte in der Alten Glühweinstraße 4, zusammen mit seiner Freundin Baretta Puddingspalte, die ihm in Dummheit an nichts nachstand und deshalb auch blond war. Sie brachte es sogar fertig, ihren eigenen Namen falsch zu schreiben. Backenbüßer konnte seinen zwar richtig schreiben, aber nur, wenn man ihm diktierte. Schlott klingelte sturm als er ankam, und nach fünf Minuten öffnete der Inspektor ihm, herzhaft gähnend. Er war unrasiert, trug einen Morgenmantel und hatte ungeheuer wuscheliges -1 2 4 -
Haar; es war wohl ungekämmt. "Aha, schlafen, wenn andere Leute fleißig sind, Backenbüßer. Das könnte ihnen so passen. Aber nun ist das vorbei. Wir haben einen Mord und sie sind meine Spurensicherung. Der Polizeipräsident sagt nämlich, ich bräuchte das. Das stimmt natürlich nicht, aber ich will ihm seine Meinung nicht da so äh, na ja, wie man halt so schön dazu sagt, nicht wahr. Glotzen sie nicht so flitzpfeifig drein! Das Wort fällt mir halt jetzt nicht ein. Also los, vertrödeln wir keine Zeit!" Backenbüßer rieb sich die Augen und antwortete mit schlaftrunkener Stimme: " Wie, was, Mord? Aber ich bin doch noch gar nicht angezogen. Sie können doch nicht..." "Ich kann. Daß sie nicht angezogen sind, stört mich persönlich nicht im geringsten, ich bin ein liberaler Mensch und die Leiche sieht sie ohnehin nicht, die ist seit mindestens einer Woche tot. Also behindern sie meine Ermittlungen nicht und kommen sie mit. Sonst muß ich sie leider wegen Verschlafens eines Polizeidiens tes festnehmen lassen." "Aber mir ist kalt im Morgenmantel und außerdem hasse ich Leichen die schon lange tot sind. Die sehen irrsinnig scheußlich aus und riechen so schrecklich unangenehm." jammerte der arme Inspektor. "Na und? Niemand verlangt von ihnen, daß sie mit der Verblichenen schlafen sollen. Sie riechen übrigens auch nicht besonders angenehm, wenn ich das mal bemerken dürfte. Vor allem aus dem Mund. Und was den Morgenmantel angeht, ich kann ja wohl nichts dafür, wenn der so dünn ist, daß sie darin frieren. Das wird ihnen hoffentlich eine Lehre sein und sie werden sich demnächst einen dickeren kaufen!" fuhr Schlott ihn an. Dann schleifte er Backenbüßer in den Wagen und fuhr los. Im Wagen informierte er ihn über wissenswerte Details: "Also junger Mann, Tatbestand ist folgender, nur damit sie bescheid wissen: Leiche ist tot, ermordet. Wir müssen wissen warum. -1 2 5 -
Übrigens, sie liegt unter der Bienenkernbrücke in der City. Das ist eigentlich alles." An dieser Stelle folgt eine kurze Anmerkung zur Bienenkernbrücke: Die Bienenkernbrücke ist eine fünf Meter lange, vierspurige Autobahnbrücke, die unvermittelt in der Bad Salzfischbacher City steht. Ursprünglich sollte an dieser Stelle das Arthur - Bienenkern - Archiv für neuere Musikgeschichte erbaut werden, bena nnt nach dem berühmten Musiktheologen, allerdings waren gerade zu diesem Zeitpunkt von der Bundesregierung Sparmaßnahmen eingeläutet worden, und das der Stadt für ihr Bauvorhaben zur Verfügung gestellte Geld reichte, so errechneten Experten, nur noch für exakt fünf Meter vierspurige Autobahnbrücke. Dieses Projekt wurde dann schließlich auch unter dem Namen "Bienenkernbrücke" realisiert, und da steht sie nun, die Brücke. Sie wird einmal im Monat abgestaubt, denn es fahren keine Autos darüber, für einen Zubringer hatte das Geld nicht mehr gereicht. Aber sie erfüllt trotzdem einen edlen und wichtigen Zweck: Letzten Monat wurde sie unter Naturschutz gestellt, denn wie ein Team von Humanornithologen und Solarbotanikern entdeckt hatte, diente die Bienenkernbrücke seit neuestem einem Pärchen gelbbäuchiger Wacholderschluckspechte als Rastplatz auf ihrer anstrengenden Winterreise in eisfreie Naherholungsgebiete. Anmerkung Ende. Nachdem der Kommissar dem Inspektor die wichtigsten Fakten mitgeteilt hatte, herrschte ersteinmal Schweigen zwischen den beiden, welches Schlott auch noch zusätzlich forcierte, indem er seine Meditationscassette mit dem Geräusch tibetanischer Tempelglocken einlegte und auf volle Kraft drehte. Gegen diesen Krach hatte die zarte Stimme von Diogenes Backenbüßer einfach keine Chance. Das war auch gut so, denn Benno Schlott haßte Beifahrer, die krampfhaft zu kommunizieren versuchten. Nur mit seiner Frau führte er ab und an ein kleines Gespräch über Literatur oder Ausdruckstanz -1 2 6 -
während er fuhr. Die Glocken dröhnten diesmal so unglaublich, daß sich der Kommissar gar nicht dagegen wehren konnte, er mußte, ob er wollte oder nicht, einfach total abmeditieren. Das ging so weit, daß er eine richtig goldene Aura bekam und aus sich heraus zu schwingen und brummen begann. Es wirkte richtig unheimlich. Auch auf Backenbüßer, der schließlich beherzt den Cassettenrecorder abschaltete. Schlott war ihm dafür gar nicht so dankbar, denn er hatte selbst von seinem Meditationsanfall gar nichts mitbekommen, das ging alles irgendwie unbewußt vor sich und wurde anschließend verdrängt. Eben sehr psychologisch und esoterisch. Kurz darauf war das Polizistenduo auch schon an der Brücke angekommen und Benno Schlott sagte zu seinem Untergebenen: "So, ich ermittle jetzt und sie bleiben im Auto sitzen und halten die Klappe. Ich mache hier meine Arbeit und da dulde ich keine Störungen! Klar?" "Klar." "Was habe ich eben gesagt? Sie sollten doch die Klappe halten, Mensch!" "Ist gut, Chef." sagte Backenbüßer. "Sie sind ein elender Schwätzer. Wenn sie jetzt noch ein Wort sagen, dann ziehe ich sie auf der Heimfahrt hinter meinem Wagen her und veranstalte ein Zielschießen über meine Schulter hinweg aus dem Rückfenster. Mal sehen, ob ich sie treffe!" Der Kommissar war echt sauer geworden. Nach Extremmeditation war seine Psyche immer etwas angeschlagen. Er stieg aus und ging zur Bienenkernbrücke. Man konnte schon von weitem riechen, daß hier eine Leiche schon ziemlich lange lag. Man hatte sie wohl nur bisher nicht entdeckt, weil das Areal als Naturschutzgebiet umzäunt war, mit Stromdraht, der einem elektronische Schläge austeilte, wenn man dranfaßte und Tellerminen, die einen Meter über dem Boden vergraben waren. Der Kommissar mußte enttäuscht zur Kenntnis nehmen, daß -1 2 7 -
man alle Sicherungsvorrichtungen für die Polizei schon abgestellt hatte. Nur zu gerne hätte er den Sicherungskasten kaputtgeschossen und Backenbüßer durch das Minenfeld vorausgehen lassen. Schlott nahm seinen Tatortkoffer zur Hand und holte das Mandala heraus, in das er sich so lange versenkte, bis ihn der Verwesungsgeruch nicht mehr störte. Dann sah er sich die Leiche genau an. In ihrem Mund steckte wie immer eine halbgerauchte Havanna, die aber schon von Regen zerweicht und ganz krumm war. Die Tote wollen wir an dieser Stelle nicht näher beschreiben, aber sie sah schön ekelig aus. Würmer waren auch drin und grinsten ihr aus den Augenhöhlen. Der Greifer machte ein Foto von der Toten, was er sich dann später auf 53x31 cm vergrößern und über sein Bett hängen wollte. Er machte nämlich einen Fotozyklus mit dem Titel "Leichen meines Lebens", mit dem er auch an einem Fotowettbewerb teilnehmen wollte, den die Firma Zitter Sport unter dem Motto "Mein schöner Beruf" veranstaltete. Zu gewinnen gab es ein Jahresabo für Zitter Sport - Schokolade. Danach suchte der Kommissar den Tatort noch nach Spuren ab. Hinter einem Brückenpfeiler wurde er fündig: Dort hatte der Mörder eine leere Flasche südamerikanischen Quetschkrötenextrakt weggeworfen. Der Aufschrift nach war es noch die mildere Sorte ohne das Gift aus peruanischen Quälteufeln. Vielleicht waren Fingerabdrücke darauf. Schlott steckte die Flasche ein. Er trug natürlich keine Handschuhe, denn er war ein Profi. Nur Feiglinge hatten Angst, daß ihre Fingerabdrücke auf Beweismittel kamen. Sie fürchteten sich einfach davor, selbst unter Verdacht zu geraten. Ein Polizist wie Benno Schlott fürchtete sich nicht, denn alle wußten, daß er ein Ehrenmann war, den kein Wässerchen trüben konnte. Anschließend packte er die Leiche in einen Plastiksack und knallte sie neben sich auf den Beifahrersitz, ungeachtet dessen, daß dort schon Diogenes Backenbüßer saß. Der mußte sich eben etwas dünn machen. -1 2 8 -
Dieses verwöhnte Muttersöhnchen glaubte sicher, daß die Welt nur angenehme Überraschungen für ihn bereithielt. "So, Backenbüßer, dann können sie ja auf der Fahrt schon Spuren an der Toten sammeln. Aber öffnen sie den Müllsack gefälligst so, daß keine Leichensuppe auf die Polster kleckert und daß die Maden nicht herauskrabbeln können!" Bevor er wieder losfuhr, überlegte der Greifer, daß er doch ersteinmal Picknick machen sollte. An einem Feiertag mußte man auch genießen können. Er nahm den Freßkorb, den er immer dabei hatte, aus dem Kofferraum und eine Decke dazu und machte es sich ersteinmal unter der Bienenkernbrücke bequem. Mit Freude sah er, wie sich Backenbüßer im Wagen mit der Leiche abmühte und zwischendurch immer wieder mit spitzen Fingern Maden einfing, die sich selbständig gemacht hatten. Ihm stand der Ekel ins Gesicht gepreßt. Vielleicht war er doch manchmal etwas zu gemein zu dem armen Inspektor, überlegte Schlott schadenfroh schmunzelnd. Vielleicht aber auch nicht. Er biß herzhaft in eine Lammkeule. Später würde er dann ins Sankt - Udo - Krankenhaus zur nächsten Leiche fahren. Aber das hatte noch viel Zeit, ja sehr viel Zeit sogar...
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Kapitel 15 Der Kommissar drückt einen falschen Knopf und sagt "Na sowas!" Nach einem reichhaltigen Picknick entschied Kommissar Schlott, daß es doch allmählich Zeit war, den nächsten Tatort zu besichtigen, das Sankt - Udo - Krankenhaus. Es war schon nach 16.00 Uhr und eigentlich wäre jetzt Feierabend gewesen, aber es war ja überhaupt ein ganzer Feiertag, den er hatte. Und da er eigentlich gar nicht im Dienst war, konnte es dem Kommissar auch egal sein, ob er Schluß machte oder nicht. Er entschied sich für Weiterermitteln. Nicht, weil es ein Wettlauf gegen die Zeit war und Schlott verhindern wollte, daß der Zigarrenmörder noch mehr Frauen umbrachte, das war ihm eigentlich ziemlich gleichgültig, ja sogar beinahe scheißegal, sondern, weil er einen uralten Jagdinstinkt hatte, der bei ihm durchbrach. Einen Jagdinstinkt für Mörder und andere böse Leute, vielleicht auch für Kaninchen und Wildschweine, aber die hatten keine Polizei nötig, weil sie ja Ameisen hatten. Ameisen sind nämlich die Polizei des Waldes. Überdies mochte Benno Schlott Leichen. Beim Inspizieren von Tatorten kam man viel herum, war an der frischen Luft und lernte Leute kennen. Vor allem Schaulustige und solche, die immer wieder ihre Unschuld beteuerten und Alibis vorbrachten. Alibis mochte Schlott auch. Er hatte selbst drei Koffer voll davon. In allen Farben und mit kleinen Glöckchen dran. Nur dieser lästige Diogenes Backenbüßer, der inzwischen den Müllsack mit der Toten wieder zugeknotet hatte, ging ihm schwer auf die Nerven. Er brauchte gar nichts zu sagen, die bloße Anwesenheit genügte. Er beschloß, den Inspektor wieder nach Hause zu schicken und alleine ins Krankenhaus zu fahren. Er teilte ihm diesen Entschluß sogleich mit. "Backenbüßer, ich brauche sie nicht mehr. Sie können nach -1 3 0 -
Hause gehen. Ich fahre jetzt ins Sankt - Udo - Krankenhaus, zum anderen Tatort." "Oh, das ist gut, da liegt mein Zuhause ja auf ihrem Weg. Dann müssen sie nämlich keinen Umweg fahren." antwortete der Inspektor sichtlich erfreut über den unerwarteten Dienstschluß. Doch der Kommissar nahm ihm diese Freude sogleich wieder: "Ich sagte, sie können nach Hause gehen. Davon, daß ich sie etwa fahre, war nie die Rede. Außerdem brauche ich den Beifahrersitz für die Leiche. So, wie sie die da auf ihrem Schoß eingeklemmt haben, muß sie ja Quetschmale bekommen. Und sie wissen ja, Backenbüßer, daß das den Obduktionsbefund beeinträchtigt. Und das wollen wir ja beide nicht. Nicht wahr?" "Äh, nein. Aber ich wohne am anderen Ende der Stadt. Das dauert ja bis heute abend, bis ich wieder bei Baretta bin. Das können sie mir nicht antun, Herr Kriminalhauptkommissar Schlott. Und noch dazu im Morgenmantel." Der Kommissar schien ihn echt nicht fahren zu wollen. Aber der Inspektor hoffte noch auf sein weiches Herz, das weltbekannt war im Revier. "Na gut, steigen sie ein, aber in den Kofferraum. Vorne sitzt die Leiche und auf dem Rücksitz mein Picknickkorb. Sie sehen, es ist kein Platz. Aber der Wagen ist eine Limousine und hat einen großen Kofferraum. Sein sie froh, daß der Sportwagen in Reparatur ist. Da müßten sie sich den winzigen Kofferraum noch mit dem toten, und übrigens sehr lecker zubereiteten, Herrn Gartenpustel teilen und hätten danach auch noch Hunger auf etwas Geräuchertes." Benno Schlott war wieder guter Laune. Sonst machte er derart großzügige Angebote nicht. Aber ein gutes Essen in der freien Natur hebt natürlich die Stimmung ungemein. Ohne Zögern stieg Diogenes Backenbüßer in den Kofferraum und machte sorgfältig die Klappe hinter sich zu. Das hätte er nicht tun -1 3 1 -
sollen, denn das Schloß klemmte manchmal und dann konnte es Tage dauern, bis man wieder an den Inhalt des Kofferraumes kommen konnte. Auch diesmal ertönte das charakteristische Knirschen, mit dem der Mechanismus sich verklemmte. Schlott zeigte sich aber davo n unbeeindruckt, die Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß verzweifelte Versuche und Gewalt gar nichts brachten, dann blieb das Schloß nur stur. Man mußte einfach ein paar Tage warten, oder auch ein paar Wochen, und es dann vorsichtig nochmal probieren. Unbesorgt und ein Liedchen pfeifend fuhr der Kommissar los. Er hatte schon seine Gründe, warum der Picknickkorb auf dem Rücksitz stand und die Tote, sie war übrigens noch unidentifiziert und hatte keine Papiere dabei, auf den Beifahrersitz gebettet lag. Das Sankt - Udo - Krankenhaus lag in der Melchior Speiseheber - Straße und wurde von Nonnen geleitet. Evangelischen Nonnen allerdings. Die nächste Tote, es handelte sich um die reiche Geschäftsfrau Desuma Zauberkäse hatte a) ein Einzelzimmer auf Station fünf gehabt und b) gerade eine Gesichtstransplantation erfolgreich hinter sich gebracht. Sie hatte keine Hinterbliebenen, dafür aber ein beträchtliches Vermögen auf der hohen Kante, weshalb der Kommissar schnell ihr Testament, das in der Nachttischschublade auf ihrem Zimmer gelegen hatte und auf ihren Wellensittich Steiner - Bill ausgefertigt war, zu seinen Gunsten fälschte. Er sah sich gründlich im Zimmer der Verstorbenen um. Die Krankenhausleitung hatte Frau Zauberkäse wohl schon ins Kühlfach im Keller geschoben, so daß das Zimmer leer war. Schlott hoffte für die Krankenhausleitung, daß die Tote dabei nicht irgendwie verbogen oder sonstwie beschädigt worden war. Wenn doch, dann würde er sich, so überlegte er, nicht scheuen, das gesamte Personal zu verhaften und einzusperren. Ja, er konnte manchmal hart sein. Aber nur wer auch mal hart sein konnte, konnte es in dieser falschen und von Verlogenheit geprägten Welt noch zu etwas bringen. Auch wenn es oft bitter -1 3 2 -
war. Diesmal war es nicht bitter. Der Kommissar war zwar ein guter und edelmütiger Gentleman, aber er war trotzdem gerne auch mal gemein und brutal. Das gab dem Leben irgendwie Würze. Das Zimmer enthielt außer einem Bett noch einen Fernseher, ein Telefon, ein Radio, einen Nachttisch und entsetzliche Vorhänge mit Blumenmuster. Wie konnte man sowas nur an ein unschuldiges Fenster hängen! Wie schön hätten sich statt dessen poppig rosane Vorhänge mit blauen Sternchen und gelben Selleriestangen drauf gemacht! Aber Geschmack konnte man nun leider nicht im Sechserpack bei Aldi kaufen; entweder man hatte ihn, oder man hatte ihn nicht. Benno Schlott sah sich den Nachttisch einmal genauer an. Er kniff die Augen zusammen und zwirbelte seinen Schnurrbart. Er war inzwischen schon fast einen ganzen Meter lang, dazu schön seidig und mit herunterhängenden Enden. Genauso wie er sein sollte. Wenn Sie, lieber Leser, sich nun fragen sollten, wie der Bart so schnell wachsen konnte, wo sich doch der Supergreifer erst am Montag vorgenommen hatte, ihn sich wachsen zu lassen, dann sei Ihnen hier gesagt, daß der Kommissar als Esoteriker natürlich auch eine passende Bartwuchsmeditation kannte, die er dafür abends im Bett auch immer angewandt hatte. Das Krankenhausbett schien schon wieder frisch bezogen zu sein. Das war ja wohl die Höhe! Wo käme man denn da hin, wenn alle Tatorte vor dem Eintreffen der Polizei ersteinmal saubergemacht würden? Für Schlott war die Lösung ganz einfach: Man käme in den Knast, wegen Verfälschung eines Tatortes. Er merkte schon, wie er wieder ganz sauer wurde. Oh, diese Stationsschwester sollte schon einmal anfangen für einen raschen, schmerzlosen Tod zu beten! Die konnte was erleben, wenn er sie zwischen seine kriminalistischen Finger bekam. Und er würde sie zwischen die selben bekommen! Mit raschen Schritten bewegte sich der Kommissar auf die kleine Glaskabine zu, in der Stationsschwestern im allgemeinen hausten, um -1 3 3 -
Patienten und Besucher besonders effektiv verängstigen zu können. Stationsschwestern waren nämlich meist dick und unhöflich, hinzu kamen die Oberarme eines Sumuringers. Fast alle Frauen dieses Berufsstandes sahen so aus, was pseudopopulärwissenschaftliche Forscher zu der Annahme verleitete, daß diese Spezies nicht geboren sondern entweder geklont oder sogar zusammengebaut wurde. Die Erhärtung dieser These scheiterte bisher an der Verschwiegenheit der Ärztezunft. Die Chefärzte, in deren Hinterzimmern man sonderbare, wie Industriepressen anmutende Geräte fand, stellten sich unwissend und waren nicht bereit zu erklären, welchem Zweck die Maschinen dienten, und die übrigen Ärzte wußten sowieso nichts. Das sei hier nur am Rande bemerkt. Die Stationsschwester, sie hieß Kaloderma Korkenlunke saß in der Glaskabine und las die "Glücksrevue", als Benno Schlott vor Zorn schnaubend angewalzt kam. Das Glück würde dieser Person schon noch vergehen! "Wo ist das schmutzige Laken von der Toten Desuma Zauberkäse? Es ist ein Beweis, eine Spur, ein Indiz. Sie müssen es herausgeben, oder, oder, ach, sie werden schon sehen, was dann passiert!" Der Kommissar konnte manchmal so wütend sein, daß es echt nicht mehr schön war. Doch Kaloderma Korkenlunke war kaum beeindruckt. "Ach, dann sind sie wohl dieser Kommissar Klott, den man mir telefonisch angekündigt hat, nicht wahr?" fragte sie, ihre "Glücksrevue" nicht aus der Hand legend. "Schlott. Benno Schlott. Na, was ist nun mit dem Laken? Muß ich erst Guru Rama Shamdrabhats Teuflische Trance der Absoluten Wahrheit anwenden, die ungeübten Personen das Gehirn zu Mund und Nase herauspreßt, oder wollen sie jetzt gleich gestehen?" "Gestehen? Die Tote ist doch gar nicht auf ihrem Zimmer -1 3 4 -
ermordet worden, sondern im Diagnosezimmer der Abteilung für plastische Anästhesie. Die liegt zehn Meter weiter den Gang runter. Das Krankenzimmer ist weder ein Tatort, noch eine Spur, Herr Schmott." antwortete Oberschwester Kaloderma im strikten, vorwurfsvollen Ton, den so nur eine Krankenschwester hinbekommt. Wahrscheinlich lernte man sowas auch auf der Schwesternschule, dachte Schlott, der sich nur ungerne einen Tatort vorschreiben ließ. "Wo eine Leiche ermordet worden ist, das überlassen sie am besten immer noch der Polizei, und die bin ich. Übrigens, mein Name ist Schlott. S-c-h-l-o-t-t. Aber trotzdem, äh danke." Dieses "danke" fiel ihm wirklich schwer, aber Benno Schlott hatte Respekt vor starken Frauen. Seine Mutter war so ähnlich gewesen, sie verstarb leider viel zu früh. Ein Panzerkreuzer überfuhr sie im Pazifik, wo sie im Sommerurlaub als lebende Barriere für Greenpeace Wale schützen und die Durchfahrt zweier Panzerkreuzer verhindern wollte, deren Besatzung auf der Rettungsinsel, einem romantischen Atoll, benannt nach seinem Entdecker Fridolin Rettungs, Atomtests durchführte. Es klappte nicht, die Mutter des Starpolizisten wurde plattgefahren und an diesem Tag wurden gleich fünf neue Atome getestet; tragischerweise bekam keines von ihnen die Testnote "sehr gut". Gemessenen Schrittes ging Kriminalhauptkommissar Benno Schlott den Gang hinunter, bis zur Abteilung für plastische Anästhesie. Sie war an Feiertagen ohnehin geschlossen und jetzt prangte obendrein ein Polizeisiegel an der Tür, das die Streife, die am Vortag dagewesen war, dort festgepappt hatte, damit keine unbefugten Personen den Tatort betreten und ihre Drecktapsen dort hinterlassen konnten. Es war ein neuartiges Siegel, eines das gegen Fingerabdrücke immun war. Das half, kein unnötiges Beweismaterial zu schaffen. Ein Druck auf die Klinke genügte, um festzustellen, daß der Raum abgeschlossen war. Natürlich war der Kommissar dazu fähig, selbst Tresorschlösser mit einer Hutnadel in Sekundenschnelle -1 3 5 -
aufzubekommen, aber im Moment hatte er leider keine Hutnadel dabei. Deshalb trat er die Tür im Berserkerrausch einfach zu Sägemehl. Es war dunkel im dahinterliegenden Zimmer, denn es besaß keine Fenster. Im Dunkel fingerte der Greifer nach dem Lichtschalter und nach kurzem Suchen flammte ein grelles Neonlicht auf. Auf dem Boden lag ein Schuh, Größe 59 und jede Menge Zigarrenasche. Die Leiche selbst lag schon im Keller im Kühlfach um unnötiges Gammeln zu verhindern. In der Luft hing ein Geruch, der eindeutig der einer Havannazigarre war. "So, so, ein Schuh Größe 59. Wem der wohl gehört? Ich weiß eigentlich nur von einem mit so großen Füßen, dem Polizeipräsidenten. Aber der war nicht hier. Also muß der Schuh von jemand anderem sein. Vielleicht von der Toten. Das werde ich herausbekommen. Mal sehen, was es noch so hier im Raum gibt." Benno Schlott sah sich um. An der Wand stand eine medizinische Liege, so eine mit schwitzigem Kunstleder, dann stand ein Skelett in der Ecke, dem jemand eine Hose und eine Jacke angezoge n hatte und das ein Pappschild um den Hals trug mit der Aufschrift: "Ich war mit den Wartezeiten hier auch nicht zufrieden." Der Kommissar schmunzelte beim Lesen des Schildes, das war Humor, wie er ihn mochte, platt und direkt. Hinten in einer Ecke standen noch ein Telefon und ein Tisch, der stand unter dem Telefon. Dann waren noch Schränke an der Wand, in denen allerlei medizinisches Zeug war. Schlott konnte Medizin wie ein Arzt, deshalb kannte er sich auch mit den Sachen in den Schränken aus. Er öffnete eine Flasche mit einem Totenkopf darauf. "Aha, blaue Flüssigkeit. Oh, da ist ein Totenkopf drauf. Das heißt sicher, daß damit das Skelett sauber gemacht wird. Und was ist das da hinten im zweiten Schrank? "Kaliumzyanid" steht -1 3 6 -
drauf. Ich glaube, das verwendet man zum Kochen. Ja genau, ich erinnere mich, das ist Kochsalz. Was die hier wohl damit wollen? Sonderbar. Vielleicht für die Mittagspause. Na ja, mal wieder reinstellen in den Schrank." Als der Kommissar gerade die Flasche wieder reingestellt hatte, klingelte das Telefon. Einen Moment stutzte der Greifer, dann nahm er ab: "Ja, guten Tag, hier spricht der Herr Kommissar Schlott." meldete er sich. Am anderen Ende der Leitung ertönte eine zischende Stimme, sie war ganz eindeutig verstellt. "Herr Kommissar, sie sind uns auf der Spur. Das wollen wir jetzt aber doch nicht, haben wir uns überlegt. Wir bereuen auch den Brief inzwischen. Gut daß sie das Rätsel nicht gelöst haben, wo eigentlich was anderes, als Sie dachten, rauskommen sollte. Ja, sie haben es sicher schon erraten, wir sind's, der Zigarrenmörder. Wir wissen auch über alle ihre Schritte bescheid, denn wir lassen sie beschatten. Daher wissen wir, daß sie an einem Tatort sind. Unserem letzten, um genau zu sein. Ach ja, weshalb wir anrufen: Wir haben ihre Büroeinrichtung entführt, den Schreibtisch, die Stereoanlage, alles. Das sind jetzt Geiseln von uns. Und die bekommen sie nur zurück, wenn sie aufhören zu ermitteln, oder wenn sie 500000 Mark Lösegeld in kleinen Scheinen ohne Seriennummer per Post an die Brüder Sparfilz schicken, damit wir uns absetzten können und woanders weiter morden, bzw. opfern. Übrigens, wir sind nicht die Brüder Sparfilz, wie sie vielleicht denken könnten. Stimmt's, Sammy?" "Klar, Hanno. Har, har, har!" ertönte eine Stimme aus dem Hintergrund. Schlott war erschüttert. Er hing sehr an seiner Büroeinrichtung, vor allem an seinem polizeilichen Geheimschreibtisch, den er selber mit türkisfarbenem Glitterlack angestrichen hatte. Er hatte ihm sogar einen Namen gegeben, nämlich "Rippenknacker - Sam", nach dem Westernhelden. Aber das wußte niemand, weil es ihm als seriösem Polizisten -1 3 7 -
irgendwie peinlich war. Er fragte besorgt ins Telefon: "Haben sie denn auch die Geheimdokumente und die Geheimakten mitgenommen?" "Nein, das durften wir ja nicht, immerhin sind die Dinger ja geheim, denke ich. Steht schließlich dick genug auf den Aktendeckeln drauf." antwortete die Stimme des Entführers. Da war natürlich etwas dran. Es erleichterte den Kommissar sichtlich, daß wenigstens seine Unterlagen noch da waren. Er faßte neuen Mut und beschloß, die Forderungen der Entführer nicht zu erfüllen. Genau so wenig wie bei Milupas Entführung, wo er ja einen falschen Dostojewski hingeschickt hatte. Er sagte in den Hörer: "Wißt ihr was, Leute, das könnt ihr vielleicht mit jemand anders machen, mit der ktU, zum Beispiel, aber nicht mit dem Herrn Kommissar Schlott! Jawoll!" Danach legte er auf und widmete sich wieder seinen Ermittlungen. Nein, erstmal sah er sich um, wo sein Beschatter steckte. "Oh, was sehe ich denn da? Da schielt jemand wohl unter der Tür durch. Na sowas. Mal sehen, wer das ist." Mit Karacho riß Benno Schlott die Tür, die nach innen Aufging auf und sah tatsächlich einen Mann vor der Tür, einen erstaunt guckenden Beschatter. Beherzt packte er den Spion, schüttelte ihn erstmal ordentlich durch, daß ihm alle Sachen aus seinem Mantel flogen, nahm ihm dann noch die Brieftasche ab und steckte ihn in einen Sterilisator, den er auf die Stufe "total heiß" einstellte. Den Timer drehte er auf zwei Stunden. Da konnte dieser Galoschenfurzer mal eine Weile überlegen, ob es richtig war, die Kripo auszuschnüffeln. Bei 800° C würde dem sein Lachen ganz schnell wieder vergehen. Obwohl, gelacht hatte er eigentlich gar nicht. Aber das war egal. Schließlich ging es hier ums Prinzip. Der Kommissar mochte keine Schnüffler. In der Brieftasche dieses hinterhältigen Handlangers des Zigarrenmörders fand er 500 Mark, einen Personalausweis, der -1 3 8 -
ihn als Archimedes Wäschevogel auswies, wohnhaft Donald Gartenschlauch - Weg Nummer 3 im Stadtteil Bommelblum. Sein Beruf war Leuteerkenner und diskreter Beobachter, freiberuflich. Danach ermittelte der Hyperpolizist weiter und sah sich im Zuge dieser Ermittlungen einen weiteren Arzneischrank an. "Aha, da haben wir eine Flasche reinen Alkohol. Die nehme ich mal mit. Da habe ich so trübsinnige Patienten liegen sehen, denen könnte ich die an den Tropf anschließen, dann sieht die Welt schon gleich wieder viel besser aus. Aber nun sollte ich mir erstmal die Leiche bringen lassen, oder besser selber zu ihr hingehen. Sonst machen diese Metzger die auf dem Hertransport noch ganz kaputt. Ich kenne das." Doch bevor er zum Telefon greifen konnte und im Frostkeller anrufen, da fiel sein Blick auf eine grüne Flasche, die auf dem Tisch stand. Sie hatte keine Aufschrift, aber da der Kommissar ja auch ein verdammt fähiger beinahe - Arzt und Hobbychirurg war, wußte er, wie man mit unbekannten Medizinen umgehen mußte. Er setzte die Flasche an den Hals und nahm einen kräftigen Schluck. Dann wurde alles rosa vor seinen Augen und er hörte die Vögel zwitschern. Er tanzte ein paar Stunden lang singend durch die ganze Abteilung für plastische Anästhesie und verlobte sich mit dem Arzneischrank, bevor er schließlich mit einem letzten "Laria, faria, ho" auf den Lippen erschöpft einschlief. Ja, lieber Leser, der Kommissar hatte eine Flasche mit ungeheuer stark konzentrierter Suppenbrühe erwischt. Und die erzeugt bekanntlich rauschhafte Zustände, wenn man zuviel davon trinkt. Zehn Minuten später wachte Schlott wieder auf. Der Rausch war jetzt vorbei und er ging, sich zusammenreißend nach seiner ekstatischen Entgleisung hinunter zum Kühlraum. Auf dem Weg dahin kam er an einem Bett, das auf dem Flur stand vorbei, in dem der Bundeskanzler nach seinem Herzinfarkt lag, um auf eine andere Station umgelegt zu werden. Neugierig, wie er als Polizist nun einmal war, drückte der Greifer einen -1 3 9 -
roten Knopf an der Seite des Bettes, um zu sehen, ob dann etwas passierte. Es passierte etwas. Der Bundeskanzler wurde in hohem Bogen aus dem Bett katapultiert und krachte auf einen Servierwagen voll mit Krankenhausessen. Der fing an zu rollen und polterte mitsamt dem Kanzler die Wendeltreppe hinunter. Eilig verdrückte der Kommissar sich und tat schnell so, als wäre er an gar nichts schuld. Er flüsterte nur verwundert "Na sowas!". Im Kühlraum empfing ihn Doktor Leberlasche und führte ihn zu der Toten hin. An der Wand hingen ausgestopfte und gut präparierte Köpfe anderer Verstorbener, die den Angehörigen bei Bedarf als Souvenir vom teuren Dahingeschiedenen verkauft wurden. "Eine wirklich nette Idee." honorierte Schlott diesen geschäftstüchtigen Einfall. Die Tote nahm er diesmal nicht mit, sondern gab sie gleich zur Bestattung frei, weil er keine Lust hatte, noch mehr Leichen in die Gerichtsmedizin zu tragen. Er brach ihr nur schnell die Goldkronen aus den Zähnen. Der Schuh im Diagnosezimmer der plastischen Anästhesie mußte wohl tatsächlich von Desuma Zauberkäse stammen, ihre Füße waren so groß, daß das Kühlfach mit ihren sterblichen Überresten gar nicht ganz zu ging. Die großen Zehen von beiden Füßen guckten immer raus. Das war aber kein Wunder; als Geschäftsfrau lebte man halt auf großem Fuß. Anschließend erstand der Kommissar den Kopf eines etwa 80 jährigen Mannes, der zum Andiewandhängen auf ein Eichenholzbrett genagelt war. Er kostete nur 59 Mark. Den wollte er Milupa schenken, zum Hochzeitstag, denn sie hatte für originelle Geschenke immer etwas übrig. Dann fuhr er nach Hause, denn für heute hatte er die Arbeit satt. Im Wagen sah er, daß er die Flasche mit dem Alkohol noch in der Tasche hatte. Er hatte wohl vergessen, sie an einen Tropf anzuschließen. Da der Kommissar aber gerade so gute Erfahrungen mit einem lustigen Rausch gehabt hatte, vernachlässigte er einmal ganz sträflich seine Pflichten, die er -1 4 0 -
als Vorbild für die Gesellschaft hatte, und setzte einfach die Flasche kräftig an den Hals. Und das am Steuer! Aber er war ja selber die Polizei und durfte deshalb alles, was man eigentlich nicht durfte, weil ihn niemand bestrafen konnte, ohne es später zu bereuen. Deshalb ließen es auch alle von Anfang an bleiben. Der Alkohol war ganz rein und Schlott bekam davon erst rote Ohren, dann eine rote Nase und schließlich eine ungeheure Glocke. Er nahm alles nur noch von Ferne wahr, durch warme, braunrote Schleier und seine Reaktionsfähigkeit war so eingeschränkt, daß es sich für ihn eigentlich gar nicht mehr lohnte, überhaupt zu reagieren. Darum setzte er auch prompt den teuren, fast neuen Wagen seiner Frau an den nächsten Baum. Im Kofferraum sagte Diogenes Backenbüßer kurz "Autsch!", aber das hörte Schlott nicht, es war ihm auch egal. Der Wagen war Totalschaden. Der Baum auch. Irgendwie ärgerlich, Milupa würde sicher nicht begeistert sein das zu erfahren. Das mit dem Wagen natürlich, der Baum würde ihr wohl ziemlich gleichgültig sein. Aber egal, Hauptsache, die Flasche war noch ganz. Singend und trinkend torkelte der Hyperpolizist über Straßen und Kreuzungen. Er löste nebenbei noch drei weitere Unfälle aus, insgesamt mit sieben Toten, weil er mitten auf der Fahrbahn latschte, aber die Jungs von der Streife bekamen Angst, als sie sahen, daß es Schlott war, der die Stadt unsicher machte und wagten nicht, etwas gegen ihn zu sagen. Sie knüppelten lieber die Insassen der verunfallten Wagen zusammen wegen Verkehrsbehinderung. Nachts um eins kam der Kommissar dann endlich zu Hause an und seine Frau schimpfte ihn ganz doll. Das mit dem Wagen war wirklich mißlich. Aber nicht so doll, wie wenn er gesagt hätte, daß er am Feiertag arbeiten war, statt sich um die Familie zu kümmern. So dachte sie nur, daß er wieder mit seinen Freunden durch die Kneipen gezogen war und das war nichts besonderes. Denn wenn der Kommissar einmal nicht arbeitete, dann war er immer mit irgendwelchen Freunden unterwegs und -1 4 1 -
ließ sich vollaufen. Seine Frau sah ihn immer nur morgens und abends. Wahrscheinlich war das der einzige Grund, warum sie immer noch miteinander verheiratet waren. Es hatte einfach niemand die Gelegenheit dazu, dem anderen auf die Nerven zu fallen und für abartige Sexualpraktiken und Ledergeschichten war Milupas Mann dann in der Nacht auch viel zu erschöpft. So liebte man sich immer noch wie am ersten Tag; diesmal gab es aber keinen Sex im Bett, auch keinen konventionellen, denn der Kommissar war viel zu besoffen, um auch nur den Reißve rschluß seiner Hose zu finden. Morgen würde er ganz sicher nicht zum Dienst gehen, denn er würde bestimmt einen viel zu furchtbaren Kater haben. Und da war noch was. Oh ja, er hatte morgen Geburtstag, und einen runden noch dazu. Da gab es in Wirklichkeit auch gar keinen Dienst, aber eine Feier mit Kuchen und Geschenken und alle Verwandtschaft und die ganzen Freunde und die Polizei würden kommen. Sicher auch Tante Nutella und Oma Stracciatella. Auf diese beiden hätte Schlott gerne verzichtet, aber Nutella brachte ihm immer viel Geld mit und Stracciatella Magenpappel war immerhin Milupas Mutter und da mußte man mal höflich sein, weil diese Frau so nett gewesen war und ihre Gene so gemischt hatte, daß am Ende Milupa rauskam. Und bloß dafür mußte er ihr dann wohl bis an sein Lebensende dankbar sein. Objektiv betrachtet war es eigentlich gar keine besondere Leistung. Milliarden von Müttern bekamen jeden Tag Kinder, ohne daß wer dafür danke sagte. Nein, das war ein Mißstand, das würde er morgen ganz entschieden feststellen! Mit solchen und ähnlichen Gedanken schlief er dann schließlich ein, seiner Feier und dem 16. Kapitel entgegen. Erst im Traum fiel ihm ein, daß Diogenes Backenbüßer ja noch immer im Kofferraum eingesperrt war. Sicher lag er schon auf irgendeinem Schrottplatz, weil der Wagen abtransportiert worden war, aber das war dem Kommissar nun auch gleichgültig, daran konnte er am nächsten Tag immer noch denken. -1 4 2 -
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Kapitel 16 Der Kommissar feiert und bekommt einen nassen Schuh Als Benno Schlott am nächsten Morgen aufstand, hatte er in der Tat einen furchtbaren Kater, den er mit Aspirin zu bekämpfen suchte, mit mäßigem Erfolg. Aber er war so sozial, nicht zu vergessen, seinen Freund Abraham Mogelpilz anzurufen um ihm zu sagen, daß Diogenes Backenbüßer auf dem Sankt Franziskus - Autofriedhof im Kofferraum einer ehemals schicken Limousine lag. Danach mußte er die Feier zu seinem runden Geburtstag vorbereiten helfen. Er rührte für die fünfhundert Gäste, die kommen wollten, den ganzen Morgen lang Waldmeisterglibber an und half Milupa dabei, im Lustgarten unter der Jasminlaube ein üppiges Büffet herzurichten. Es sollte ein Fest im engsten Freundeskreis werden. Aber Geschenke bekam der Benno Schlott natürlich auch. Alles große Herzenswünsche, die er sich nur noch nicht selber erfüllt hatte, weil er hoffte, sie zu einem runden Geburtstag geschenkt zu bekommen. Da waren eine Kalaschnikow, die er sich als neue Dienstwaffe gewünscht hatte, ein Set zum Sonnenblumen züchten, ein modischer Seidenmantel mit rosanen und violetten Blumen auf hellblauem Grund, ein Nietenhalsband, eine neue Trockenhaube, eine Kiste Bohnerwachs extra mild, mit der sich der Kommissar die Haut pflegte (deshalb war er immer so schön rosafarben und knackig) und ein Starkstromaggregat mit zwei Kabeln. Damit wollte er Verbrechern drohen, denen ein Anreiz zu gestehen fehlte. Das Aggregat, vor allem die davon ausgehenden zwei unisolierten Kabel sollten helfen, diesen Anreiz zu schaffen. Es war ein ganz toller Geburtstag für den Kommissar, jedenfalls bis die ersten Gäste kamen. Diese Gäste waren ausgerechnet Tante Nutella -1 4 4 -
und Onkel Spulwurm. Onkel Spulwurm hieß eigentlich Biff Schmierbein, aber alle nannten ihn nur Onkel Spulwurm. Den Grund dafür wußte heute eigentlich nur noch Tante Nutella, aber da sie seit dreizehn Jahren nicht mehr mit Benno Schlott und seiner Frau sprach, würde dieser Grund wahrscheinlich auch weiterhin unbekannt bleiben, oder sogar noch länger. Es ärgerte die Schlotts sehr, daß Tante Nutella immer noch zu allen Feiern kam. Daß sie nicht me hr mit Benno Schlott und seiner Familie sprach, lag nicht daran, daß sie Krach miteinander hatten, sondern daß Nutella Schmierbein vor dreizehn Jahren ihr Hörgerät verspeist hatte, in der Annahme, es sei eine Cocktailolive, und seitdem war sie stocktaub. Sie konnte also nie hören, wenn jemand mit ihr redete. Deshalb antwortete sie auch nicht. Aber sie teilte feuchte Küsse aus und konnte für drei fressen. Onkel Spulwurm setzte sich und fiel gleich auf den ersten Partygag herein, den Bello, der extra aus Finsterwalde gekommen war, ausgeheckt hatte. Mit einem lauten "Pfrrtsch" zerquetschte Onkel Spulwurms Hintern eine Ansammlung von fünf Zwiebelchen, die gerade auf dem Stuhl lagerten. Er konnte gar nicht darüber lachen (der Onkel natürlich, nicht sein Hintern. Das wäre ja lächerlich, ein Hintern, der kann gar nicht lachen). Die anderen auch nicht, denn sie bekamen es gar nicht mit, weil gerade neue Gäste eintrafen und sie mit Empfangen beschäftigt waren. Es war Korbinian Lodenpendel mit seiner Verlobten Edeka, und Oma Stracciatella kam auch kurz darauf. Lodenpendel handelte in der Frische - Fische - Gasse mit Schmierlack und plastischer Getränkefarbe. Der Kommissar hatte ihn einmal wegen fünfundsiebzigfachen Mordes mit anschließender Auflösung der Leichen in eine m Säurebad zu lebenslänglich Knast verurteilt und daraus entstand später eine dicke Freundschaft. Da die Schlotts sehr offen waren und keine Vorurteile hatten, störte es sie überhaupt nicht, daß Lodenpendel sich zwar gebessert hatte, aber immer noch ein etwas krankhafter Kettensägenmörder war, der einen speziellen Haß -1 4 5 -
gegen Krankenhausköche hegte; sein Tatbereich fiel, seit er nur noch etwa eine Person im Monat umbrachte, aber ins Aufgabenfeld der normalen Mordkommission. Er brachte Benno Schlott eine Kuckucksuhr zum Umhängen mit, über die der Kommissar sich riesig freute, weil er so selten Geschenke mit Stil und Geschmack bekam. Er zog die Uhr gleich an. Sie paßte unglaublich gut zu seinem handgestrickten Oberhemd, seiner klassischen Weste aus Schweineborsten und seinem eng anliegenden Breitcord - Männerrock mit geschlitztem Bein. Nach und nach trafen alle Gäste ein, auch viele Freunde von der Polizei. Da waren der Polizeipräsident mit seiner Frau, Abraham Mogelpilz, Edding Prinzenrolle mit seinen vier Fraue n, weil er war Mormone, Nivea Hirselöffel vom Rauschgiftdezernat und noch viele, viele andere. Einige gute Freunde kannte Schlott nicht einmal. Die Stimmung war toll und alle hatten ihren Spaß. Tante Nutella und Onkel Spulwurm mußten gleich zu Anfang ein Wetttrinken mit Bello Schlott machen, wobei sie die zweite Runde nicht durchstanden, und Benno Schlott bestand während des Essens darauf, seine neue Trockenhaube auszuprobieren, und zwar an der Frau des Bundesministers für Geburtshilfe und Schwangerschaftsberatung, der prompt alle Haare vom Kopf wegbrannten. Da warf dann der Minister vor Wut mit einem vollen Aschenbecher nach dem Kommissar, der sich aber rechtzeitig ducken konnte, so daß der schmiedeeiserne Aschenbecher bloß Gertrud, Schlotts Assistenten, am Kopf traf. Alle amüsierten sich köstlich darüber, außer vielleicht Gertrud und die Frau des Ministers, die beide aus unterschiedlichen Gründen ohnmächtig wurden. Zu vorgerückterer Nachmittagsstunde mußte das Geburtstagskind dann noch eine Rede halten. Das hatte Schlott gar nicht gewußt, niemand hatte ihm davon etwas gesagt, es schien ein gemeiner Spontanentschluß zu sein, um ihn auflaufen zu lassen, aber er konnte Reden auch ganz super machen, ohne vorher ein Konzept zu schreiben. Er stand auf, klopfte an sein Glas und -1 4 6 -
begann: "Äh, meine lieben Freunde und Tante Nutella, ich freue mich heute riesig, daß ihr alle gekommen seid, zumindest alle, die heute da sind. Und ist das denn nix? Doch! Das ist tatsächlich etwas, wo doch die Zahl unserer Kriminalität immer weiter steigt und wo nur noch jeder dritte Bürger, der sich ins Auto setzt, auch wirklich am Ziel ankommt. Da kann man in der Tat froh sein, daß ihr noch alle lebt. Okay, bei Tante Nutella wäre das nicht ganz so tragisch, aber trotzdem, sie ist auch irgendwie eine Art Mensch. Onkel Spulwurm auch. Ich möchte nun auf jeden Fall noch, und das ist mir überhaupt das wichtigste, hier zu betonen, und das kann ich mit Fug und Recht tun, ohne gleich gesagt zu bekommen, daß ich besserwisserisch sei, was ich, wie ihr wißt, natürlich mitnichten bin, daß ich ohne eure tatkräftige Unterstützung, die ihr mir in so zahlreicher Form, ich brauche nur daran zu erinnern, wie damals, also auch auf die Gefahr hin, hier alte Kamellen auszugraben, was ich natürlich vermeiden will, weil eine solche Rede wie diese doch alle und nicht nur manche, die diese Geschichte vielleicht als einzige noch nicht kennen, beglücken soll. Deshalb und aus diesem Grunde kann ich an euch unmöglich die Bitte herantragen, auch wenn ich es, liebe Freunde und Tante Nutella, was meine Bescheidenheit, die ich mir in meinen langen Berufsjahren, die ja doch ganz entscheidend geprägt von Ruhm und Erfolg waren, beinahe fast ganz abgewöhnt habe, leider muß man dazu sagen, weshalb ich ganz besonders glücklich bin, heute ein seltenes Glück, nun ja, so selten allerdings dann nun auch wieder nicht, bei meinen zahlreichen Freunden, die immer für mich dagewesen sind, und auch heute noch ganz treu wie in alten Schul - und Studententagen, und mein Leben mir auf das Bestmögliche versüßt haben und auch jetzt und gerade heute noch aufs unermüdlichste versüßen, und das hoffentlich auch in Zukunft. Das war mir ein Herzenswunsch zu sagen, ich glaube, das mußte nach so vielen Jahren endlich auch mal raus. Vielen Dank, liebe Freunde, vielen Dank." -1 4 7 -
Ein tosender Applaus für diese gelungene Rede brandete durch die Massen der Besucher. Einige brachen in Tränen aus, andere, vor allem Frauen, fielen vor lauter Glück und Freude in Ohnmacht, während die Männer teilweise bis zur totalen Erschöpfung klatschten und völlig entkräftet mit dem Kopf auf ihre vollen Teller krachten. Flötenschmalz und Ohrpuffer, die auch da waren und vom Kommissar persönlich eine Beschattungspause verordnet bekommen hatten, weinten ganz besonders vehement, die Rede ihres Vorgesetzten mußte an ihr Innerstes gerührt haben, an längst verdrängt geglaubte Problematiken und Wunden. Doch durch diesen Begeisterungssturm flagellierte plötzlich ein grillender Schrei. Eine kafkaeske Atmosphäre entstand und beklemmliche Stille brach sich unter den Gästen bahn. Es war der Schrei der Köchin gewesen, die gerade einen neuen gebratenen Ochsen auftischen wollte, schon den vierten an diesem Tage, und dabei wohl eine Leiche entdeckt hatte. Sofort war Benno Schlott zur Stelle, wie üblich mit seiner Pfeife im Mundwinkel; keiner wußte, wo er die so schnell her hatte, aber wenn er ermittelte, dann steckte ihm immer die Pfeife im Mund. Er kniff die Augen zusammen, als er den im Lotusgarten beim tibetanischen Bergsee liegenden leblosen Körper der schlott'schen Hausdienerin Honda Lippentroll sah. In ihrem Mund steckte eine halbgerauchte Havanna, die noch nicht ganz erloschen war. Ihre Augen waren blutunterlaufen. Schon bald hatte sich eine Menschenmasse über der Leiche gebildet und neugierige Köpfe senkten sich bodenwärts, um besser zu gucken. Die meisten Anwesenden hielten das Ganze für eine gelungene Showeinlage, nur die Polizisten unter ihnen erkannten den Ernst der Sachlage sofort, und Milupa natürlich, die wußte, daß Honda Lippentroll solche Scherze niemals mitgemacht hätte. Nur über ihre Leiche, ha, ha. Mit einem Tortenheber in der Hand kämpfte sich Edding Prinzenrolle nun durch die Menge und rief: "Ben, wir müssen sie schnell -1 4 8 -
aufschneiden und nachsehen, ob das Herz schon ganz zu Aluminium ge worden ist. Wenn wir es noch in einem Zwischenstadium erwischen, dann ist es eine wichtige Spur, weil wir dann erkennen könnten, wie die Verwandlung vor sich geht und woraus der Quetschkrötenextrakt genau besteht, weil das weiß niemand. Später wäre kein Gift mehr, sondern nur noch Aluminium zu erkennen. Wenn wir wüßten, welche Giftstoffe der Quetschkrötenextrakt enthält, dann könnten wir ein Zeug zum Impfen herstellen und alle Nichtraucherinnen gegen das Gift immun machen. Dann würde der Mörder ganz schön in die Röhre gucken und du bräuchtest ihn nicht mehr fangen, weil er dann keinen Schaden mehr machen kann. Also los, Kumpel." Mit dem Tortenheber säbelte Prinzenrolle den Bauch der Leiche auf. Nun hielten die meisten Anwesenden die Sache für eine besonders gut gelungene Zaubertricksvorstellung, nur einige Ärzte und natürlich die Polizisten sahen, daß es echt war. Aber weil das alles abgebrühteste Kerle waren, hatten sie trotzdessen ihre Gaudi an den Vorsichgängnissen im Garten. Lodenpendel, der Kettensägenmö rder, verteilte gerade Autogramme von sich und bekam als Einziger von der ganzen Zuträglichkeit rein gar nichts mit. "Ben, halt' mal mit den Fonduegabeln die Bauchöffnung auseinander, dann kann ich reingreifen und das Herz von den Adern losbrechen. Danke." Kurz darauf hielt Edding Prinzenrolle das Herz von Honda Lippentroll in den Händen. Ein rauschender Applaus brach los und einige Gäste kamen nach vorne um sich für die schönste Zaubereishow in ihrem Leben zu bedanken. Da erhob der Kommissar, der immer wollte, daß Klarheit in der Welt herrschte und alle die Wahrheit gesagt bekamen, seine Stimme und sagte: "Was sie hier sehen ist alles echt. Die Frau ist tot und wurde gerade von Edding und mir auseinandergebaut. Hier ist nichts Show. Das ist die nackte Wirklichkeit, wie beim -1 4 9 -
Privatfernsehen. Kein Netz, kein Seil, kein doppelter Boden." Das hätte er nicht sagen sollen. Wieder wurden einige Frauen ohnmächtig und etwa 50 Mägen entleerten ihren Inhalt über die seltenen Orchideen im angrenzenden Chinesischen Garten der Schlotts. Danach brach eine Panik aus und alle rannten weg. Ein Gast, dessen Gesicht Schlott nicht erkennen konnte, goß ihm in der Panik noch den ganzen teuren Pottwallederschuh voll mit Bierbowle. Nun war er ganz naß. Die kostbaren Socken aus gesponnenem Spinnenseil auch. Selbst sein treuer Dackel Minuto hatte wohl Angst, zog sich winselnd in die Villa zurück und pißte anschließend auf einen der Perserteppiche in der Vorhalle. Genauer gesagt auf Ahmet, den fliegenden Teppich, den der Kommissar einmal für besondere Verdienste vom Sultan Ali Ben Zol aus Bananastan bekommen hatte. "Was diese Taschenschleimer nur haben, was Edding? Wenn's spannend wird, laufen sie weg. Also das ist mir echt zu hoch für mich." seufzte Schlott, der erkannt hatte, daß seine Feier nun ein vorzeitiges Ende gefunden hatte, weil der Zigarrenmörder wieder zugeschlagen hatte. Prinzenrolle stimmte ihm zu, erwähnte aber, daß die Ermittlungsarbeiten nun ungestört ablaufen konnten. Weiter sagte er: "Wir sollten gleich in die Gerichtsmedizin fahren. Der Vorgang ist tatsächlich noch nicht abgeschlossen gewesen, das Herz ist erst zum Teil Aluminium, wir können uns also noch die chemischen Vorgänge anschauen. Wir werden jetzt zusammen ein paar wissenschaftliche Untersuchungen durchführen und dann den Impfstoff machen. Das wäre ein Durchbruch in dem Fall. Komm, wir fahren. Je schneller, desto besser." Schlott gab Milupa noch einen Kuß, den sie erwiderte, sie bittend, Frau Lippentrolls Körper später noch bei der Gerichtsmedizin abzugeben und verabschiedete sich von seinem Sohn Bello, dann fuhr er mit seinem Freund los, ebenfalls ins Kriminalinstitut für forensische Medizin, wie es bei den -1 5 0 -
Fachleuten hieß, um dort ein paar spannende Entdeckungen zu machen. Prinzenrolles Wagen war auch sehr schnell, er hatte einen Atommotor mit richtigen Kernbrennstäben vorne drin.
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Kapitel 17 Der Kommissar kauft ein und hat keine Zeit zum Essen In der Gerichtsmedizin war einigermaßen viel los. Es waren viele neue Leichen reingekommen, in den letzten Tagen war fleißig gemordet worden, auch von anderen Mördern als vom Zigarrenmörder, die sich jetzt gewaltig anstrengten, um auch etwas Publicity abzukriegen. Da war beispielsweise der Buchdeckelmörder, der alte Omas und Opas mit scharfen Buchdeckeln schlitzte. Er war früher recht bekannt gewesen, war dann aber etwas aus dem Licht der Öffentlichkeit verschwunden, als der Zigarrenmörder mit einem Mordpensum auf den Plan trat, wo kein anderer mehr mithalten konnte. Aber mit diesen Bagatellmördern sollte sich ruhig Justinian Wachsgurke von der gewöhnlichen Mordkommission rumschlagen. Edding Prinzenrolle und den Kommissar störten die vielen Leute. Sie wollten, daß niemand mehr arbeitete und alle weggingen, damit sie in Ruhe forschen konnten. Der Gerichtsmediziner erzählte das auch seinen Kollegen und sagte, sie sollten jetzt die Leichen zusammenpacken und nach Hause gehen, weil sie nur lästig waren, zumindest im Moment. Murrend packten sie ein und trollten sich zum Ausgang, sie machten nämlich alle ihre Arbeit sehr gerne. Die Patienten hier meckerten nicht und waren nie undankbar, und wenn man statt des Blinddarms aus Versehen mal das Herz rausnahm, machte das auch nicht viel. Daß die Toten ab und zu unappetitlich waren und ganz schön stanken, das störte die Gerichtsmediziner dabei wenig, denn daran waren sie seit Jahren schon vom Kantinenessen gewöhnt. Verständlich, daß die Untergebenen des obersten Gerichtsmediziners ziemlich sauer waren, als sie so einfach nach Hause geschickt wurden. Einige fragten, ob sie -1 5 2 -
nicht wenigstens etwas Heimarbeit mitnehmen konnten, aber da wollte Prinzenrolle gar nichts von hören. Nach etwa fünf Minuten waren der Kommissar und sein Freund dann endlich alleine in der Gerichtsmedizin. Honda Lippentrolls Herz hatten sie in eine leere Zwibaktüte getan und in Schlotts Manteltasche mitgebracht. Milupa hatte versprochen, die ganze Leiche auch bald vorbeizubringen. Das konnte nur etwas länger dauern, weil Benno Schlotts Auto in der Werkstatt war und Milupas eigenes auf dem Schrottplatz. So mußte die arme Frau den Bus nehmen. Das wurde sicher nicht lustig, in dem Gedränge zu stehen mit einer ziemlich schweren Toten über der Schulter. Benno Schlott fühlte richtig mit, wo er doch Busse und Bahnen so haßte, daß er kotzen konnte dabei. "So, Ben, dann wollen wir das teure Organ doch mal auspacken und ein bißchen losforschen und sehen, woraus der Quetschkrötenextrakt besteht. Ich schlage vor, wir fangen mit dem Färbetest an." Der Kommissar nahm das Herz aus der Tüte und legte es auf einen Seziertisch. Edding Prinzenrolle bereitete unterdessen eine erste wissenschaftliche Untersuchung vor. Er stellte einen Kaffeefilter, in den er eine Filtertüte tat, auf einen ausgedienten Nachttopf, den er mit siamesischer Schlangensäure füllte. Nur Kaffeefilter und Nachttöpfe konnten dieser Säure standhalten. Warum wußte niemand, das war eben Chemie. Dann zückte er ein medizinisches Sägemesser und schnitt ein kleines, erst halb zu Aluminium gewordenes Stück aus der linken Herzkammer. Das nahm er und warf es in den Nachttopf. Es zischte. Das kam von der Säure, die am Herzen rumbrutzelte. Nun schüttete der Gerichtsmediziner oben in den Filter eine Tüte Haferflocken und goß dann eine Flasche Limo drüber. Die Limo tropfte durch den Filter in die Schlangensäure und wusch dabei aus den Haferflocken chemische Spurenelemente heraus, die mit der Herz - Säure - Suppe reagieren sollten. Nur Limo konnte die Spurenelemente herauswaschen, diese reagierten nämlich auf -1 5 3 -
Zitronen - und Kohlensäure. Unten im Nachttopf gab es ein Zischen und Puffen. Das dauerte etwa fünf Minuten an, dann war Ruhe. Der Gerichtsmediziner hob den Kaffeefilter ab und nahm mit einer medizinischen Zange das Stück vom Herzen heraus. Die heftige Reaktion hatte es in vier verschiedenen Farben eingefärbt: In pastelltürkis, in bie rflaschenfarben, in zartes rosa und in frühlingsgrün. "Diese vier Farben verraten uns, welche Fremdstoffe sich im Herzen befinden. Wir brauchen nur in der Tabelle hier unter den entsprechenden Farbtönen nachzusehen. Daneben stehen die Namen der Stoffe. Das sind dann auch höchstwahrscheinlich alle Giftstoffe, die der südamerikanische Quetschkrötenextrakt enthält und die daran beteiligt sind, daß das Herz sich nach und nach in Aluminium verwandelt und die Lunge in hartes Zeug." erklärte Edding seinem Freund Benno auf fachmedizinische Art. "Aha, hier, Ben, da haben wir's: Crysostomus Bügelwohners Aluminiummutator, Quälteufelsulfat - Salathalat, pakistanischer Lungenhartmacher Nr. III/b und destilliertes Quetschkrötensekret. Ich habe es mir fast gedacht. Diese vier Chemikalien sind im Quetschkrötenextrakt drinne und dran schuld, daß das Herz zu Aluminium wird, und davon vor allem wohl der Aluminiummutator, der sich wahrscheinlich nur im Herzen anreichern kann. Ob das alle Substanzen sind, das werden wir in dem nä chsten wissenschaftlichen Test, der Hühnersuppenelektrolyse feststellen und dann gegebenenfalls einen Impfstoff gegen das Gift machen." Der Grund dafür, daß alle diese Tests so lebensmittelhaltig klangen war, daß Prinzenrolle Chemie ohne Gift mit ganz natürlichen Stoffen propagierte. Das lag daran, daß er vier Frauen und etwa 19 Kinder, plus/minus zwei, hatte. Da kommt man schon mal ins Grübeln und will der nächsten Generation nicht auch noch das alte Gift überlassen, mit dem Daddy damals seine Leichen geprüft hat. In einer Generation gibt es nämlich sicher schon viel bessere Gifte. -1 5 4 -
Wie man hier sehen kann, funktioniert die Methode, es muß schließlich nicht immer gleich alles Chemie sein, was gut ist. Außerdem hat es den angenehmen Nebeneffekt, daß man ruhig mal von den Versuchssubstanzen naschen kann, wenn der kleine Hunger kommt. Man sah den beiden Kriminalisten richtig an, wie aufgeregt und gespannt sie waren. Es waren eben Männer, die für ihr Leben gerne Verbrecher einfingen und beim Gericht verpetzten, daß sie bestraft und in den Knast getan wurden. Gäbe es mehr von diesen Männern, dann könnte das Verbrechen ganz einpacken. Aber es gibt eben nur zwei, nämlich den Herrn Kommissar Schlott und den Edding Prinzenrolle, und so können wir nach wie vor das soziale Leben in seiner vollkommenen Vielfältigkeit betrachten und das ist ja auch was wert. Wer gafft schließlich nicht gerne, wenn ein Besoffener vor der Kneipe von jugendlichen Halunken zusammengetreten wird und wer freut sich nicht, wenn jemand dem großkotzigen Nachbarn den Porsche klaut und bei einem abgefeimten Crashrennen zu Scherben splattert. Wie gut, daß es nur einen Benno Schlott gibt! Als der Kommissar gerade die Suppenwürfel, das dehydrierte Birnenpulver und den elektrischen Lichtbogen holen wollte, klopfte es an der Tür. Das war sicher Milupa, dachten die beiden Forscher und riefen synchron "Herein!". Es war tatsächlich Milupa, aber sie brachte statt einer Leiche gleich zwei an: Die tote Honda Lippentroll und den geräucherten Bonifazius Gartenpustel, der nach wie vor lecker duftete. Lächelnd erklärte sie, daß Gieselher Klobenfresser, der Automechaniker, den Toten nach Hause zu den Schlotts gebracht hatte, weil der Kommissar ihn im kaputten Sportwagen vergessen hatte. Der umsichtige Mechaniker hatte ihn, wissend, daß Benno Schlott der weltbeste Greifer von Bad Salzfischbach war, nicht zum Fundbüro bringen wollen. Zum einen, weil er Aufsehen befürchtete, und zum anderen, weil er nicht wußte, ob -1 5 5 -
Gartenpustel vielleicht eine Geheimleiche war. Milupa hatte Klobenfresser zum Dank 50 Pfennig Trinkgeld zugesteckt und ihm einen ihrer köstlichen Blasenteekekse eingepackt, der von der Party noch übrig und schon ein wenig angebissen war. Schlott bedankte sich auch bei seiner Frau, merkte aber, wie Hunger in ihm aufkrebste, weil schon wieder alles nach Geräuchertem roch. Neben ihm hörte er ein Grummeln, das aus Prinzenrolles Magengegend kam. Ganz klar, er hatte auch Appetit bekommen und wollte essen. Die Frau des Kommissars verabschiedete sich schon bald wieder, denn sie wollte noch schnell eine Kleinigkeit spachteln gehen, wie sie sagte. Das war nur verständlich. Als sie verschwunden war, sah der Kommissar den Mediziner an und der Mediziner den Kommissar. Beiden ging das Gleiche durch den Kopf, oder viel mehr durch den Magen. Schließlich sagte Benno Schlott: "Du, Ed, ich geh' schnell zum Fleischer und hol' uns was, ja?" Das war Prinzenrolle wie aus der Seele gesprochen und er zögerte nicht, einzuwilligen. Indes wollte er die Hühnersuppenelektrolyse vorbereiten, es ga lt, nicht allzuviel Zeit zu verlieren, weil der Kommissar an seinem Geburtstag, noch dazu an seinem runden, mal vor 02.00 Uhr morgens Feierabend machen wollte. Er mußte auch noch zu Hause aufräumen helfen, sonst würde Milupa einen Anfall bekommen; sie war immer so dominant zu ihm in letzter Zeit. Ob das an den Wechseljahren lag? Als Benno Schlott zur Tür raus war, klingelte das medizinische Telefon, das auf einem alten Seziertisch, der nun als Zettelablage fungierte, stand. Das passierte selten, meist rief nur der Kommissar an, um nach einer Leiche zu fragen. Diesmal war es wohl jemand anders. Der Gerichtsmediziner nahm verwundert ab und meldete sich: "Hallo, hier spricht die Gerichtsmedizin im Keller vom Polizeirevier. Am Apparat ist Herr Prinzenrolle und mit wem spreche ich?" "Ja, hier sind die Entführer von den Büromöbeln von dem -1 5 6 -
Kommissar Benno Schlott. Der Portier hatte uns gesagt, daß der gerade bei ihnen ist. Hat der uns da etwa angelogen?" "Nein, aber der Herr Kommissar Benno Schlott holt gerade gute Würstchen beim Metzger ein und ist deshalb vorübergehend weg. Das ist außerdem wirklich ein sehr ungünstiger Augenblick, in dem sie da jetzt angerufen haben, denn wir sind gerade dem Mörder auf der Spur. Können sie vielleicht später nochmal anrufen, oder mir ihre Nummer petzen, daß sie der Herr Kommissar Schlott dann zurückruft?" fragte Edding ganz höflich, aber die Entführer schienen ihrerseits nicht sehr viel von Höflichkeit zu halten, denn sie sagten nur ganz knapp und sehr schroff: "Nein, können wir nicht, denn wir sind in der Telefonzelle im Gartenbaufachweg. Sagen sie dem Kommissar nur, wir würden anfangen, seine Möbel zu Kleinholz zu verbrennen, weil er unsere Forderungen bisher nicht erfüllt hat, der Sack. Außerdem hat er unseren Spion im Sterilisator gekocht. Das war richtig Scheiße von ihm!" Dann legten sie auf, ohne "tschüs" zu sagen und Prinzenrolle schüttelte entrüstet den Kopf, denn er legte viel Wert auf Charme und Anstand, den diese Entführer leider nicht besaßen. "Wenn das die neue Höflichkeit ist, dann aber gute Nacht, mein Abendland!" Benno Schlott war unterdessen auf dem Weg zurück zur Gerichtsmedizin und trug pfeifend eine Tüte mit leckeren Räucherwürstchenwaren in der Hand. Sie dufteten so gut, daß der Kommissar einen Ständer von bekam und noch mehr Hunger, und schließlich konnte er nicht mehr an sich halten, nahm ein Würstchen heraus und knackte herzhaft rein. Er wollte es ganz wegschmatzen, aber als er sich die Bißstelle einmal genauer ansah, da merkte er, daß sich die eben noch ungeordnet erscheinenden Fett - und Wurstteilchen zu einer eindeutigen Konstellation vor seinem sechsten Sinn zusammengesetzt hatten. Plötzlich realisierte er, was ihm jahrelang verborgen -1 5 7 -
geblieben war: Er konnte auch ganz leicht aus Würstchen hellsehen! Und in diesem Würstchen sah er etwas total Aufregendes, etwas, was ihm und seinem Freund die aufwendige Hühnersuppenelektrolyse total ersparen konnte. Dort stand das Rezept für den einzigen möglichen Impfstoff gegen den Quetschkrötenextrakt, und daß die von den beiden Kriminalisten gefundenen Stoffe sämtliche im Extrakt enthaltenen Stoffe waren, weil mehr gab es nicht. Daß es die einzige Möglichkeit für einen Impfstoff war, stand auch ganz deutlich in der Wurst. Schlott notierte sich die Rezeptur und biß nochmal genüßlich in das Räucherwerk drin rein. In der nun entstandenen Bißfläche stand, daß der Kommissar am Schluß den Mörder fassen würde. Das war uninteressant. Er wußte, daß er immer alle Mörder fing, sonst bräuchte er ja wohl gar nicht erst zu ermitteln. Auch wenn die Zeitungen dauernd in ihren Schlagzeilen Sachen fragten wie "Schon 30 Tote Frauen! Wird der Kommissar Schlott den Mörder fangen werden?" oder "Immer mehr tote Frauen! - Ist der Schlott dem neuen Tätertypen wohl gewachsen?" Aber die Zeitungen machten sich ständig alles spannender als es war. Die Leute wollten einfach Spannung und Unsicherheit haben. Wenn die Zeitungen jetzt beispielsweise schrieben "Schon 30 tote Frauen, aber der Benno Schlott, der wird den Mörder kriegen!", dann würde sicher niemand mehr diese Zeitung kaufen, nichtmal der Kommissar selbst. Nun biß Schlott noch einmal in die Wurst und sie war weg. Er war immer so gierig, daß er sogar die längste Wurst mit nur drei Bissen wegputzen konnte. Die Würste von seiner Oma zum Beispiel waren lä nger als ein Surfbrett gewesen. Als er wieder in der Gerichtsmedizin angekommen war, da erzählte Benno Schlott Edding gleich von seinem mystischen Erlebnis und gab ihm den Zettel, wo die Zutaten draufstanden für den Impfstoff. Er las ihn sich durch: "Hm, mal sehen... Waldmeistersirup, Natrium Bicarbonat, kohlensaures -1 5 8 -
Chlorsulfat, Rindermett, Alkohol (rein), Chlorophyllkonzentrat, Altbier. Klingt gut. Das wollen wir gleich sofort zusammenmixen, Zeit zum Essen ist später auch noch da. Ben, hol mal alle Zutaten, die hier draufstehen." Während Benno Schlott die Zutaten aus den Regalen holte, es waren Standardzutaten, die Prinzenrolle immer da hatte, erzählte der Gerichtsmediziner, daß die Entführer wieder angerufen hatten und was sie wollten. Schlott fand das mit dem Möbelverbrennen zwar schade, sagte aber, warum es ihm nicht mehr viel ausmachte: "Weißt du, Milupa hatte das mit der Möbelentführung auch mitbekommen und hat mir gleich zu meinem runden Geburtstag einen Gutschein geschrieben für neue Möbel, und zwar die gleichen wie die alten. Meine Frau weiß nämlich noch, wo man die alle herbekommt. Und mein Lieblingsfoto, die Großaufnahme der grünen Wasserleiche, die über meinem Schreibtisch hing, kann ich mir selber nochmal nachmachen lassen, ich habe zum Glück noch das Negativ in meinem Hobbykeller gefunden. Tja, die verdammten Entführer können sich ihre Forderungen an den Hut schminken. Wenn sie glauben, daß sie das mit mir machen könnten, dann... dann können sie das eben nicht!" Selbstzufrieden sah der Kommissar seinem Freund zu, wie er den Impfstoff mischte; er grinste sich dabei in den Bart wie ein Papiertiger. Schließlich war Edding fertig. Es war eine zähe, braune Masse, die in rhythmischen Abständen in Wallung geriet und dabei kleine Blasen bildete, die platzten und "!ffuP" machten (das ist "Puff!" rückwärts) und dabei ein blaues, nach Zitrusreiniger riechendes Gas auswarfen. "So, das wäre geschafft. Jetzt müssen wir nur eine geeignete Testperson finden und ihr das Zeug einimpfen. Was hältst du von der Klofrau, Ben, sie müßte, glaube ich, noch im Revier sein und Nichtraucherin ist sie auch. Komm, wir suchen sie." Benno Schlott war von dem Vorschlag lichterloh begeistert und beide machten sich daran, das Revier zu durchstreifen, auf -1 5 9 -
der Suche nach Mazola Seifenglonke, der kompetenten und fleißigen Klofrau des K2r.
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Kapitel 18 Der Kommissar fährt nach Hause und holt eine Schaufel Mazola Seifenglonke stand in gebückter Scheuerhaltung in der Herrentoilette des Reviers, um den Schmutz mit einer alten Klobürste zum Zwecke der öffentlichen Hygiene durch alle Kloschüsseln zu verteilen. Sie pfiff dabei einen historischen Karnevalsschlager aus dem 15. Jahrhundert. Rückwärts. Recht verwundert blickte sie sich um, als plötzlich die Tür aufging und die beiden Starspürnasen Benno Schlott und Edding Prinzenrolle vor ihr standen; solche Leute sah man in der Regel nie persönlich, wenn man nicht gerade in den Lauf ihrer Knarre blicken mußte, man durfte sie höchstens aus der Ferne bewundern; jetzt waren sie aber da und winkten fröhlich wie Pappkameraden. Sie erklärten ihr gleich, daß sie helfen konnte, Leben zu retten, indem sie sich als Testperson für den Impfstoff zur Verfügung stellte. Natürlich hatte die Klofrau in der Blind Zeitung von den Morden gelesen und es wurde ja auc h dauernd was im Fernseh durchgegeben. Erst neulich hatten sie im Frühstücksfunk die Bilder einiger Leichen gezeigt, die noch nicht identifiziert und Opfer des Zigarrenmörders waren. Der Kommissar hatte da noch selbst angerufen und den Leuten gesagt, wer die Toten waren, weil es stand in seiner Kristallkugel, die er zum Identifizieren benutzte und die log nie. Mazola Seifenglonke sah auch gleich ein, daß Lebenretten wichtig war, außerdem hoffte sie, auch mal in den Frühstücksfunk zu kommen, am liebsten um 20.15 Uhr, zur besten Sendezeit. Und so sagte sie, sie hätte Lust zum Impfen und ging mit. Sie wurde zwar etwas skeptisch, als sie sah, daß der Impfstoff in einer Suppentasse aufbewahrt wurde, aber sie vertraute den beiden besten Spürnasen von ganz Bad Salzfischbach, die immer gut Fälle lösten und deshalb nahm sie -1 6 1 -
an, daß alles seine Richtigkeit hatte. Da tat die Klofrau auch gut dran, denn wer Benno Schlott, wie Sie, geneigter Leser, etwas genauer kennt, der weiß, daß er nie etwas tut, was falsch ist. Sonst bekäme er nämlich ein schlechtes Gewissen und da hatte und hat er echt keine Lust zu. Mazola Seifenglonke krempelte den rechten Arm hoch und der Kommissar zog unter Edding Prinzenrolles Aufsicht die Spritze auf. Die Klofrau sah noch einmal auf, als der Impfstoff ein erneutes "!ffuP" hören ließ und ein weiteres blaues Gaswölkchen ausstieß. Dann fing Benno Schlott an zu impfen. Er impfte sehr schmerzlos und ohne Blutergüsse zu machen; wie gesagt, er konnte Medizin. Frau Seifenglonke war tapfer und gab keinen Ton von sich, als es doch etwas piekte. Sie schien den Impfstoff auch sonst gut zu vertragen. Doch jetzt kam der wichtigste Test, zu dem sich die tapfere Frau auch bereit erklärt hatte: Benno Schlott nahm eine vergiftete Zigarre aus seiner Indizienschacht el, (das war ein Schuhkarton mit der Aufschrift "sehr geheime Sachen!", in den er immer alle Indizien aus einem Mordfall reinwarf) die er nochmal nachträglich neu vergiftet hatte, zündete sie an und gab sie Mazola Seifenglonke zum Rauchen. Sie rauchte tapfer zu Ende und fiel nicht tot um, aber hustete, weil sie das Rauchen nicht gewöhnt war. Der Impfstoff schien ein voller Erfolg zu sein. Alle jubelten: Der Kommissar, Dr. Prinzenrolle und die Klofrau auch. Wie aus dem Nichts hielt Benno Schlott plötzlich drei Champagnergläser, einen großen Blumenstrauß für Mazola Seifenglonke und eine Flasche Bier in den Händen. Zaubern war nämlich eine große Leidenschaft von dem Kommissar, neben Volkstanz. Er war auch Mitglied im magischen Zirkel. Nur mit dem Erscheinenlassen von Champagnerflaschen hatte er noch Probleme. Es kam letzten Endes immer Bier heraus.) Der Greifer schenkte ein und alle tranken auf den ersten wirklichen Erfolg in diesem verzwickelten Mordfall. Doch wie die drei beim Feiern waren, da trug sich plötzlich eine Seltsamkeit zu: Allmählich verfärbte -1 6 2 -
sich die Haut von Frau Seifenglonke grünlich und ihre Beine wurden in der Gesamtproportion länger und bekamen Schwimmhäute an die Füße. Außerdem schrumpfte ihr Körper in seiner Gesamtheit zusammen. Das geschah unter wahnsinnig effektvoller grüner Rauchentwicklung und Hollywood hätte für einen ähnlichen Effekt sicher ein Vermögen ausgeben müssen. Aber dies ist ein Buch und da gibt es sowas umsonst, bzw. für einen viel zu geringen Kaufpreis, der diesem Werk in keiner Weise gerecht wird. "Was sagst du dazu, Ed? Ich bin zwar kein so guter Arzt wie du, aber wenn du mich fragst, dann hat unser Impfstoff massive Nebenwirkungen. Ich würde sagen, Mazola Seifenglonke mutiert gerade zu einem putzigen, kleinen Laubfrosch." bemerkte Schlott etwas verwundert. "Äh, ja, in der Tat. Das ist jetzt aber wirklich mißlich, muß ich schon sagen. Wie konnte sowas nur geschehen? Stand davon nix in deiner Wurst? Da müssen sich wohl die Zutaten in einer exothermen Reaktion zumindest teilweise in Theodor Quellmoos' Froschsuppe verwandelt haben, die Leute mit einer Chance von etwa 35% zu Laubfröschen machen kann. O Gott! Die arme, arme Frau Seifenglonke." Prinzenrolle war sichtlich geknickt und stellte lustlos sein Bier auf dem Bauch einer Leiche ab, die wohl jemand vergessen hatte wegzuräumen. "Eine Suppe, die Leute in Frösche verwandelt, gibt's das denn überhaupt?" Der Kommissar zeigte sich skeptisch, wie es sein Beruf verlangte. "Ja, natürlich. Das hat in den zwanziger Jahren mal ein findige r Zoohändler aus Wuppertal namens Theodor Quellmoos erfunden, als sogenannte Wetterfrösche gerade "in" waren, du weißt, die Frösche im Glas mit der kleinen Leiter. Er hat, um die Nachfrage zu befriedigen, allen seinen Mitarbeitern und -1 6 3 -
schließlich auch ahnungslosen Passanten, die an seinem Laden vorbeigingen, nach und nach dieses Zeug gegeben und sie dann als Frösche verkauft. Wäre heute wohl glatt ein Fall für dich, Ben. Irgendwann ist ihm dann wohl jemand dahinter gekommen und Quellmoos wurde zum Tode verurteilt. Sie haben ihn mit einer Pistole zusammen in einen Raum gesperrt, in dem den ganzen Tag Volksmusik lief. Nach 25 Stunden hat er sich schließlich selbst von der Tortour erlöst. So einen Tod wünsche ich weiß Gott keinem, außer deiner Tante Nutella." Nach diesem kurzen Vortrag seines Freundes war der Kommissar überzeugt und das Ergebnis der Froschsuppe konnte er sich ja auch mit seinen eigenen Augen angucken. Er war, wie sein Freund, richtig betroffen vom Schicksal der armen Klofrau. Sie hatte immer gut die Toiletten geputzt, deshalb waren sie nur selten ein wenig dreckig. Seine Trauer tat er auch kund: "Mann o Mann, die arme Frau Klofrau. Ich werde ihr ein schönes Terrarium kaufen, ihr immer viele Fliegen geben und sie in meinem Büro aufstellen. Oh je, wie tut mir das jetzt aber leid. Aber macht nichts. Außerdem werde ich sie ab jetzt Winnie Bügelfein nennen, das ist ein lustiger Name für einen Frosch." "Das ist wirklich sozial von dir; Ben, aber sie hat doch schon einen Namen, da braucht sie doch keinen neuen zu haben." warf Prinzenrolle ein. "Doch, Mazola Seifenglonke paßt einfach nicht zu einem Frosch. Außerdem kann ich meinen Fröschen so viele Namen geben wie's mir paßt, und du hast da dran gar nichts zu melden. Ärgere dich lieber zusammen mit mir darüber, daß es verdammt noch mal keinen richtigen Impfstoff gegen das Gift gibt. Jetzt muß ich den Mörder eben doch so fangen. Morgen besuche ich die Brüder Sparfilz nochmal und höre mir die neuesten Ermittlungsberichte von Flötenschmalz und Ohrpuffer an. So, und jetzt fahre ich nach Hause. Solltest du auch tun, wir haben uns unseren Feierabend mehr als redlich verdient; wir haben ihn sogar sehr redlich verdient. Ich gehe jetzt und esse unterwegs -1 6 4 -
meine Räucherwürstchenwaren. Winnie Bügelfein nehme ich mal in einem deiner Gläser mit, ja? Danke. Mach's gut alter Knabe, ruh' dich aus und laß dir deine Würstchen schmecken. Ach, wie ist das? Was hatte eigentlich die Obduktion von Angina Sparfilz letzten Freitag ergeben? Sag mal schnell, das ist wichtig." Diese wichtige Leiche hätte der Kommissar im Trubel der letzten Tage fast ganz vergessen. Aber wie sich zeigte wäre das gar nicht mal so schlimm gewesen, denn das einzig auffällige an ihr war eine Lebertätowierung, die eine Rose zeigte. Die Tätowierung innerer Organe war vor einigen Jahren der letzte Schrei in der High Society gewesen. Milupa hätte sich auch fast sowas machen lassen, aber dann sah sie den Sinn dieser Sache nicht so ganz ein und fand, das würde doch kaum die aufwendige Operation lohnen und so ließ sie es dann sein. Mehr interessante Informationen gab es bezüglich Angina Sparfilz nicht. Am morgigen Tag, erinnerte sich Schlott, war aber ihre Beerdigung. Da wollte er mal auftauchen und mit den Brüdern ein wenig im Klartext reden. Nun ging er aber erstmal nach Hause zu Milupa, die ihn wohl schon erwartete, weil er noch aufräumen mußte. So ein Mißstand. Am nächsten Morgen war es schon wieder Freitag und der Kommissar freute sich, obwohl er noch müde war, schon auf den Samstag, an dem er mit Abraham Mogelpilz eine Partie Beethoven spielen wollte. Das hatten sie bei ihrem Treffen in der Kantine verabredet. Und die beiden hielten sich immer an ihre Verabredungen. Milupa hatte die neuen Büromöbel schon geholt, noch in der Nacht, und auch der Sportflitzer ihres Mannes war repariert und stand blitzend und vor PS strahlend in der Tür. Das war der Vorteil wenn man berühmt war, so wie die Schlotts. Da machte schon mal ein Möbelhaus auch nachts auf und die Werkstatt arbeitete schneller (in Wirklichkeit habe ich als Autor natürlich einfach keine Lust, mehr Text als nötig mit diesen idiotischen Möbeln zu verschwenden, Hauptsache das -1 6 5 -
Buch wird schnell fertig und es finden sich genug Hackfressen, die es auch kaufen. Sie müssen es nicht lesen, nur kaufen; am besten gleich mehrmals). Die Möbel standen schon im Büro, sagte Milupa, die dafür von ihrem Mann ganz leidenschaftlich geküßt wurde, denn er war nicht von schlechten Eltern und auch die Ehe von den zweien war ziemlich gut. Benno Schlott nannte seine Frau auch noch "Schatz" anstatt wie sonst "Törtchen". Milupa hatte ihren Benno früher, als er noch Gewichtsprobleme gehabt hatte, immer "Hefeklößchen" genannt, aber dann hatte Schlott seine erfolgreiche Telefondiät gemacht und wurde superschlank. Bei seiner Telefondiät konnte er essen und essen soviel er wollte und nahm trotzdem anschließend gleich wieder gleich ab. Er ließ sich dreimal täglich von einem Freund anrufen, immer nach den Mahlzeiten, und konnte so, wenn er mit dem Essen fertig war, gleich ans Telefon gehen und abnehmen. Das hatte total gewirkt und der Kommissar blieb dabei sogar fröhlich und ausgeglichen und ohne lästiges Hungergefühl. Nun nannte ihn Milupa "Möhrchen". Wieso wußte keiner, aber irgendwie mußte sie ihren Mann ja schließlich nennen und Benno hieß er ja ohnehin schon. Nach einem gesunden Frühstück stieg der Kommissar voller Glücksgefühl in seinen geliebten Sportwagen, zündete sich ein Pfeifchen an und legte sich Castor Rippentreters Oper "Helmut und Melitta" auf. Sie ist sehr ergreifend und handelt von der Liebe des kaffeesüchtigen Helmut zur ketterauchenden Melitta und dem Scheitern ihres jungen Glücks an den Eßgewohnheiten der beiden. Melitta kann es einfach nicht ertragen, daß Helmut zu Fisch am liebsten Rotwein trinkt. Im vierten Akt erdolchen sich die beiden gegenseitig, sterben aber nicht, sondern bleiben querschnittsgelähmt und an den Rollstuhl gefesselt. Dank moderner Rehabilitationstechnik nimmt aber die Oper schließlich doch noch ein einigermaßen versöhnliches Ende: Helmut und Melitta lernen, mit ihrer Behinderung zu leben, treiben Behindertensport und am Schluß heiraten sie sogar: -1 6 6 -
Helmut seine ehemalige Englischlehrerin Frau Kammernagel und Melitta ihren italienischen Surflehrer Giancarlo Terracotta. Der Kommissar sah sich im Wagen um und stellte zu seiner Freude fest, daß sogar der schmierige gelbe Nikotinfilm, der vom vielen Rauchen kam, von den Armaturen und Scheiben entfernt worden war. Das war schön und ästhetisch obendrein. Gut gelaunt aß Schlott noch einen halben Schokoriegel, während er mit 250 Sachen die Einbahnstraße in entgegengesetzter Richtung nahm. Sein Ziel war der Zentralfriedhof, auf dem an diesem Tag Angina Sparfilz, geborene Saftlatte, in der Familiengruft ihrer Eltern beigesetzt wurde. Hanno und Sammy Sparfilz hatten weder Kosten, noch Mühen gescheut und alles nur Erdenkliche aufgefahren, um ihrer verblichenen Gattin die letzte Ehre zu erweisen. Da war ein weinender Feuerschlucker, eine Prozession von japanischen Bonsaigärtnern, die sehr teleund fotogen weinten, die Bad Salzfischbacher Symphoniker mit dem Domchor, die Mozarts Requiem in mittelalterlichen Kostümen aufführten und dabei weinten, dazu eine Pantomimentruppe, die das Requiem pantomimisch darstellte, zyklisch unterbrochen von ekstatischen Weinkrämpfen; ferner waren noch anwesend ein Zug aus 300 extra engagierten Kindern die weinen mußten, was das Zeug hielt, drei badische Winzer, die ihrem Beruf entsprechend besonders heftig weinten (in rot, weiß und rosé) und der Damenkegelverein "Feuchte Hummeln e.V.", der nur so vorbeigekommen war, aber von den anderen angesteckt ebenfalls in Tränen ausbrach. Das ganze Spektakel mußte die Brüder Unsummen gekostet haben, was aber den Kommissar, der etwas abseits stand und weinte, um nicht aufzufallen, nicht darüber hinwegtäuschen konnte, daß Angina Sparfilz mit ziemlicher Sicherheit auf das Konto ihrer beiden Männer ging. Schlott hatte nämlich zuvor mit Flötenschmalz und Ohrpuffer telefoniert und erfahren, daß sie fotografiert hatten, wie die zwei Brüder seine Büromöbel entführten. Das war ein erster Beweis für ihre Schuld und ein -1 6 7 -
guter Schritt hin auf ihre Verhaftung zu. Ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großer Schritt für Benno Schlott. Das Netz zog sich enger und der Kommissar wollte es noch enger und noch enger ziehen. Er war wie besessen bei der Sache. Noch ein Pfeifchen rauchend stand er hinter einem Grabstein und wartete, bis sich die Trauergemeinde allmählich auflöste. Er bemerkte am Rande, daß Hanno und Sammy Sparfilz nicht weinten, sondern sich ein Gläschen aus eine m mitgebrachten Flachmann einschenkten. Schließlich waren alle anderen schon zum Leichenschmaus ins Restaurant "Zum alten Försterhaus" vorgegangen und nur die Zwillinge standen noch an der Gruft und unterhielten sich angeregt über Kirschbaumveredelung. Da tauchte Benno Schlott auf, den die beiden Sparfilze mit seinem neuen, modischen Schnurrbart erst gar nicht erkannten. Aber der Kommissar gab sich zu erkennen, indem er direkt mit einem kniffligen Verhör loslegte. Verhören konnte Schlott wie kein anderer, auch wenn er Kaffeesatz gegenüber Zeugen und Verdächtigen bevorzugte. "So, so, ihr Galgenvögel. Na, habt ihr erreicht was ihr wolltet? Seid ihr jetzt froh, daß die Alte unter der Erde verrottet, nicht wahr?" fragte der Greifer und ließ bewußt einen drohenden Unterton in seiner Stimme mitklingen. "Ja, klar. Äh, ich meine nein, natürlich nicht, unsere arme Frau. Wie so etwas nur passieren konnte. Ehrlich." antwortete Hanno und war schon in die erste verbale Falle des alten Fuchses Schlott reingetappt, der aber dieses verräterische "Ja, klar." ganz clever ignorierte, gleichwohl er es natürlich zur Kenntnis genommen hatte. Und schon stellte er die nächste Falle. Er konfrontierte die Brüder direkt mit ihren Taten: "Zu Anfang habe ich den Mörder ja für einen Geist gehalten, aber jetzt ist mir klar, daß er nur nicht in die Wohnung eingedrungen war, weil er ohnehin dort wohnte. Stimmt's?" Triumphierend kniff er die Augen zusammen und klemmte die Tonpfeife in den rechten -1 6 8 -
Mundwinkel, daß ihm der Sabber die Backe runterlief. Ja, er war erregt; dann lief immer Sabber bei ihm. Es war violetter Sabber aus dem Zauberladen; dieser Trick hatte ihn viel Geld gekostet, machte aber Effekt. Doch die Zwillinge waren vorsichtig geworden und gaben dem Kommissar wieder Anlaß, an seiner Mördertheorie zu zweifeln. "Nein, wenn sie darauf anspielen, daß wir die Mörder sein sollen, dann muß ich sie enttäuschen, wir waren es nämlich nicht." Der Kommissar gab nicht auf: "Können sie das denn beweisen?" Das war die Frage, an der immer alle Lügengebäude zusammenbrachen, aber nicht so hier: "Natürlich, sonst würden wir es ja nicht behaupten. Ich habe meinen Bruder Hanno als Zeugen, daß ich es nicht war. Stimmt das, Hanno?" fragte Sammy seinen Bruder. "Ja, Sammy, das stimmt ganz genau. Ich bin der Zeuge, daß du das nicht warst." Benno Schlott gab nicht auf: "Na, dann waren das eben sie gewesen, Hanno Sparfilz!" Der Kommissar spuckte den Namen aus wie einen Bodensatz und punktete mit dem Zeigefinger auf den zweiten Sparfilzbruder. "Nein, ich war es auch nicht. Ich habe meinen Bruder Sammy zum Bezeugen, daß ich nicht im Mordfall mit drin bin. Stimmt das, Sammy?" fragte diesmal Hanno Sparfilz. "Ja, Hanno, das stimmt ganz genau." antwortete sein Bruder. Benno Schlott sah ein, daß seine polizeiliche Handhabe gegen die beiden noch nicht vorhanden war, weil sie ja in der Tat jeder ein Alibi hatten. Aber so schnell gab er nicht auf, auch wenn er jetzt das Feld erstmal räumte. Vielleicht waren die Alibis ja gekauft. Zu seinem Sportflitzer gehend rief er hinter den beiden -1 6 9 -
her: "Ich kriege euch noch, verlaßt euch da mal schön drauf!" Dann fuhr er mit 280 zurück zum Polizeirevier, noch einen Umweg über die Wasserpfeifenstraße machend, wo er in einem Zoogeschäft ein tolles Terrarium mit einer wunderbaren Einrichtung für Winnie Bügelfein erstand. Sogar ein kleiner Teich und ein pinkfarbener Kratzbaum gehörten zur Ausstattung. So komfortabel hatte es der kleine Frosch sicher nie gehabt, als er noch die Klofrau gewesen war. Allerdings hatte Mazola Seifenglonke wahrscheinlich auch noch nie zuvor ein Terrarium bewohnt. Der Kommissar hatte noch am vorigen Abend in einem medizinischen Fachbuch etwas darüber gelesen, wie Menschen sich in Frösche verwandeln konnten. Eigentlich war das nur sehr schwer möglich, aber es gab gewisse Anzeichen dafür, daß es mit Theodor Quellmoos' Froschsuppe klappen konnte. Sie enthielt einen besonders aggressiven Zelltransformer, der gezielt die menschliche DNA in Minutenschnelle komplett umschreiben konnte. So mutierten die menschlichen zu amphibischen Zellen. Überflüssige Biomasse wurde in grünen Rauch umgesetzt und exotherm abgestoßen. Vom Gelingen solcher Verwandlungen war nur selten die Rede, obwohl einige Ärzte von einer 35%-Chance sprachen, aber in diesem speziellen Fall hatte es offensichtlich funktioniert. Höchstwahrscheinlich enthielt der Impfstoff eine neue, höchst reaktive Verbindung von Theodor Quellmoos' Froschsuppe. Aber an einer derart raschen Verwandlung, da war sich Benno Schlott ganz sicher, waren wohl auf jeden Fall auch seine falsch gebündelten magischen Kräfte und Energien mit schuld. Irgend etwas ging immer schief, wenn er Champagner zaubern wollte. Das Ganze war zwar nur ein Trick, aber die astrale Kraft des Kommissars bündelte sich immer ganz besonders stark, wenn er sich übermäßig konzentrierte. Und dann geschahen oft die seltsamsten Sachen. Einmal zum Beispiel waren dem Stützkorsett seiner Frau lebende Schuhe gewachsen. Und das war zugegeben schon ziemlich seltsam... -1 7 0 -
Im Büro angekommen tat Schlott Winnie Bügelfein ersteinmal ins neue Terrarium und fing ihr drei dicke Brummer, die sie mit ihrer langen Klebezunge blitzschnell verspeiste. Dann meditierte er ein wenig, um seine kosmische Energie etwas zu beruhigen und zu entschärfen. Da klingelte plötzlich das Telefon. Dies war als einziges Einrichtungsstück ganz neu und vorher nicht in seiner jetzigen Form eine Büroeinrichtung gewesen. Es war nämlich ein telepathisches Telefon, dessen Klingeln man nicht akustisch wahrnahm, sondern direkt im Gehirn, als eine Art Gedanken. Dafür war es auch sündhaft teuer gewesen. Es war eine Sonderanfertigung des spanischen Hellsehers und Telepathen Don Rodriguez Costabrava, die extra für den Kommissar gemacht worden war und nur einmal auf der ganzen Welt existierte. Das Telefon hatte bloß einen kle inen Nachteil: Es funktionierte nicht. Aber sonst war es super. Benno Schlott, der auch ein ganz raffinierter Elektroniker war, hatte schnell eine normale Klingel angeschlossen und so klingelte das Telefon jetzt wenigstens konventionell. Genau das tat es gerade und der Kommissar ging dran. Es war sein Assistent Gertrud, der ihm berichtete, daß der Zigarrenmörder wieder einer Frau das Lebenslicht ausgelöscht hatte, diesmal der bekannten Kaffeetassentöpferin Electrola Hundekopf, die im Am Müllberg Nummer 42 wohnte. Dort hatte sie eine Villa, die sie zusammen mit ihrem Mann Donatello Hundekopf und ihren beiden Kindern Odomir und Traugott bewohnte. Benno Schlott besaß selbst eine ihrer Kaffeetassen. Sie war in einem geflochtenen Gittermuster gearbeitet und machte ihr kleines Manko durch einen hohen Grad an Ästhetik wett. Der Kommissar hatte tatsächlich zweimal versucht, aus der Tasse einen Kaffee zu trinken. Es funktionierte nicht, was wahrscheinlich an dem Gittermuster lag; um aus einer Fläche ein Gitter zu machen mußten aber nun mal Löcher drin sein und daran mangelte es Electrola Hundekopfs Tasse keineswegs. Benno Schlott packte sofort seinen esoterischen Tatortkoffer, -1 7 1 -
fing Winnie Bügelfein noch zwölf Brummer und machte sich auf den Weg zu seinem Wagen. Auf dem Weg hinunter stellte er noch der englischen Königin ein Bein, die ins Revier kam, weil sie ihre Krone hier vergessen hatte. Die Monarchin rasselte die Treppe runter und riß dabei die Putzfrau mitsamt ihrem Eimer mit sich. Der Kommissar blickte ihr nach und salutierte, wie es sich gehörte und rief ihr "God save the queen!" nach. Er wollte nämlich ein guter Engländer sein. Dann verließ er das Revier und setzte sich in den Wagen, der wie immer vor der Feuerwehreinfahrt geparkt war. Er wußte nicht, daß sich die Königin im Gesicht so schwer verletzt hatte, daß sie von nun an genauso aussah wie der Kronprinz, deshalb gab er ohne Reue Gas und fuhr los. Die Mülleimer, die zum Leeren auf dem Bürgersteig parkten, fetzte er mit der Stoßstange einfach beiseite, daß Funken entstanden. Er lenkte nie um Dinge herum, die keinen Schaden an dem gepanzerten Wagen hinterließen. Gerade wollte er sich eine neue Pfeife anzünden, da merkte er, daß sein Tabak alle war. Das war schlecht. Er hatte jetzt auch keine Lust, schon wieder einen Schokoriegel zu rauchen, das lag manchmal doch recht schwer auf der Lunge. Er bückte sich, um zu sehen, was er denn noch alles aus den Fußmatten zusammenkramen konnte. Ein ab und zu über ihm ertönendes "Bumm" zeigte ihm an, daß mal wieder jemand nicht aufgepaßt hatte, obwohl man deutlich sehen konnte, daß ein Auto kam, weil das Auto sehr rot und deshalb auch sehr sichtbar war. Auch wenn er, wie er mit einem kurzen Blick nach oben feststellte, gerade, momentan mit 265 km/h, über den Bürgersteig fegte, machte das keinen Unterschied. Was er an Laub und alten Blättern auf dem Boden fand, reichte nie und nimmer aus für eine ordentliche Pfeife. Der Mechaniker hatte den Wagen auch ziemlich gründlich ausgesaugt. Dummerweise hatte der Kommissar gerade jetzt ein anständiges Pfeifchen dringend nötig. Er war wohl mit der Zeit echt süchtig nach seiner Lungendröhnung geworden, oder -1 7 2 -
wenigstens abhängig. Das störte ihn aber nicht, er rauchte nämlich gerne. Wie diese Frauen auf den Zigarettenplakaten ja auch. Irgend etwas mußte er aber jetzt unbedingt in die Pfeife bekommen. Da fiel ihm ein, die Taschenuhr von Gitta Stab lag wohl noch hinten unter dem Rücksitz. Da drin war ja viel Platz, vielleicht war da was zu finden, was man rauchen konnte. Später wollte der Kommissar dann versuchen, daran zu denken, die Uhr in seine Indizienschachtel zu tun. Er fand tatsächlich etwas: Einen Stapel mit 100 Visitenkarten der Toten, gedruckt auf feinstes Bütten, einen Filzpantoffel und eine Tube Alleskleber. Das konnte man alles zusammenmischen und genüßlich schmauchen. Schlott tat das auch gleich. "Hmm, Stichtiefdruck, die Karten. Delikat." bemerkte er. Der Kleber war auch lecker würzig und zog rein und der Pantoffel hatte einen prima Filzgeschmack. Wie angesengtes Katzenfell. Wie er gerade so gemütlich rauchte, da fiel ihm plötzlich etwas unheimlich peinliches ein: Er hatte die Leiche von der Bienenkernbrücke, die in Milupas nun kaputtem Auto lag, bei seinem Besäufnis einfach so aus dem Wagen in den Straßengraben geschmissen, weil sie ihm lästig geworden war, und immer rüber zur Fahrerseite kippte. Außerdem war sie wohl nicht lustig gewesen und hatte gar nicht mitgetrunken, nichtmal nach polizeilicher Aufforderung. Das Ganze war dem strebsamen Kriminologen danach aber so furchtbar peinlich, daß es auch bisher gar nicht hier in diesem Buch gestanden hat. Das war der einzige Grund, warum diese Leiche in der Geschichte so lange vernachlässigt wurde, nicht etwa, weil der Autor bisher vergessen hatte, etwas über sie zu schreiben, was mit ihr los war, oder ob Prinzenrolle sie sich mal angeguckt hatte. Sowas passiert dem Autor nämlich nie, denn er ist gut im Schreiben und ein echter Fuchs, der sich alles merken kann, wie der Kommissar auch. Er vergißt nie was. "Hmm, das mit der toten Frau, das nenne ich aber mal echt einen großen Mißstand, den ich schnell vertuschen muß, so -1 7 3 -
peinlich ist mir das." überlegte Schlott. Er hatte auch keine Lust mehr, den Müllsack mit seinem geruchsintensiven Inhalt nun nachträglich noch zu holen und in die Gerichtsmedizin zu fahren, das waren immer solche Umstände. Er fuhr deshalb nochmal schnell nach Hause, holte eine Schaufel und vergrub die Tote neben der Straße. Er grub so tief, daß er dabei auf Öl stieß. Das war ihm aber egal, denn er mochte nur Olivenöl und das da war keins, sondern es stank und war schwarz. Dann fuhr er zur Villa der neuesten Leiche. Ihr Mann, bzw. ihr Witwer, Donatello Hundekopf, war gerade auf Geschäftsreise in der Schweiz, wo er Mundduschen für Leute mit 26 Zähnen verkaufte. Wie bekannt sein dürfte haben fast alle Schweizer nur 26 Zähne. Das kommt von der Bergluft. Deshalb essen sie auch so gerne Käse. Der ist leichter zu kauen. Der Kommissar mußte dem familienangehörigen Ehemann das früher oder später beibringen, daß Electrola Hundekopf nun hinüber war. Die Kinder wußten auch noch nichts. Schlott wollte es ein bißchen spannend machen, es sollte schließlich eine Überraschung werden. Aber darum wollte er sich später kümmern. Nun wollte er erstmal die lästigen Streifenpolizisten wegbekommen, die über alle Spuren trampelten und immer so taten, als hätten sie was zu tun, was sie aber in Wirklichkeit gar nicht zu tun haben sollten. An einem Tatort waren sie zum Beispiel total falsch. Solche Leute sollte man eigentlich nur den Verkehr regeln lassen. Desha lb rief Schlott durch das neue Megaphon, das er sich hatte auf seinen Wagen montieren lassen: "Achtung, Achtung! Hier spricht der erste Kriminalhauptkommissar der esoterischen Spezialeinheit der Mordkommission K2r. Herr Benno Schlott ist mein Name; und jetzt macht, daß ihr fortkommt, sonst werde ich euch alle an mein neues Starkstromaggregat anschließen, und dann sind die Sterne an euren Uniformen das einzige, was von euch übrig bleibt. Na, vielleicht noch eure Zähne, Zähne gehen erst bei 800° C kaputt; aber sonst sehe ich im wahrsten Sinne des -1 7 4 -
Wortes schwarz für euch." Danach grinste er noch, weil er wollte sehr bedrohlich wirken. Das war auch ein Psychotrick, den Schlott selbst erfunden hatte. Er konnte, wie bekannt sein dürfte sehr gut Psychologie. Er ließ auch nie einen Psychotest in seiner Frauenzeitung aus. Mit der Zeit hatte er sogar den Bogen rausbekommen, wie man eine besonders gute Psyche kriegen konnte. Man mußte nur in der Auflösung nachsehen, welche Antworten die meisten Punkte bekamen, die dann ankreuzen und schon hatte man den Test gewonnen. Nur fand es der Kommissar dumm, daß er dafür bisher nie einen Preis bekommen hatte und das, obwohl er alle Tests immer einschickte. Hier am Tatort verfehlte seine Psychologie ihre Wirkung aber nicht. In Wirklichkeit war Schlott ja ein herzensguter Mensch, der nie selbst jemanden unter Starkstrom setzen könnte. Sowas ließ er immer seinen Assistenten machen. Es dauerte aber nicht lange, da waren alle Polizisten verschwunden und der Kommissar hatte endlich seine Ruhe. Er hatte auch Hunger und suchte deshalb die ersten Spuren im Kühlschrank. Er fand keine, dafür aber was zu essen. Immerhin hatte die Streife die Leiche schon abholen lassen, das mußte er dann endlich mal nicht selbst besorgen. Diesmal waren sie mehr auf Zack gewesen als sonst. Das war positiv, irgendwie. Nach der kleinen Zwischenmahlzeit ging er dann zum Tatort. Es war die biologische Familiensauna. Hier hatte man die Tote gefunden. Genauer gesagt ein gewisser Johann Adalbert Knobelmoos, der Butler der Familie. Die Söhne Odomir und Traugott waren zur Tatzeit gerade in der Schule gewesen. Sie besuchten die Baumschule (benannt nach Remigius Baum, dem Erfinder des Baumkuchens, einem ganz berühmten Bad Salzfischbacher) für Brauereiwesen. Der Kommissar hatte sich schon immer gefragt, was man sich unter einem Brauereiwesen vorstellen sollte. Er vermutete, daß es sich dabei um dicke, schwitzende Leute handelte, die dauernd Bier tranken und -1 7 5 -
Brauereien besaßen. Er brannte schon darauf, die beiden Söhne zu verhören, sie würden die ersten echten Brauereiwesen sein, die er in seinem Leben kennenlernte. Toll. Aber nun mußte die Sauna nach Spuren untersucht werden. Den Butler hatte Hauptwachtmeister Waldmeister in die Besenkammer gesperrt, damit er nicht vor dem Verhör von jemandem beeinflußt werden konnte. Das war ausnahmsweise mal gute Polizeiarbeit gewesen, aber Benno Schlott befreite ihn jetzt und schickte ihn weg, er hatte keine Lust, den senilen Butler zu verhören, es war ihm zu doof. Waldmeister war etwas besser in seiner Intelligenz als die anderen Idioten von der Streife. Schlott hätte ihn schon längst zum Kommissar gemacht, wäre da nicht seine ein wenig abartige Angewohnheit gewesen, alle Zeugen und Toten noch am Tatort zu bestehlen. Wenn er das Diebesgut wenigstens, wie Schlott es immer tat, als Privatspende ausgegeben hätte. Na, es war halt niemand perfekt. Die biologische Familiensauna war ziemlich groß und hatte schöne Holzbänke. Sie war natürlich nicht ganz so toll, wie die Luxussauna des Kommissars, aber so viel Stil konnte man von anderen Leuten auch gar nicht erwarten. Auf der untersten Bank fand Schlott Aschereste von einer Zigarre, da mußte Electrola Hundekopf gelegen haben. Auf den Bodenbrettern fanden sich des weiteren nicht nur die üblichen Abdrücke von schmutzigen Gummistiefeln, sondern auch noch zwei Bonbonpapiere. Sie waren sorgsam zusammengedreht und in der Mitte geknickt. Diese Art der Faltung skizzierte sich der Greifer schnell in sein Notizbuch. Es war schon voller guter Spuren. Ja, der Kreis zog sich enger, der Mörder würde bald dort schmoren, wo er hingehörte: Hinter ein paar lustigen Gitterstangen im Hochsicherheitstrakt des Bad Salzfischbacher Gefängnisses. Aber da war noch etwas, was den Kommissar stutzig machte: Wie konnte der Mörder in die Sauna kommen? Es war keine Gewalteinwirkung an der Tür festzustellen, nur ein mannsgroßes Loch war in der hinteren Wand, das sich wohl -1 7 6 -
jemand mit einer Axt von außen her geschlagen hatte. Wenn das vielleicht der Mörder gewesen war, der so in die Sauna reinkam, dann mußte die Tote ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit gekannt haben und er mußte die Angewohnheit gehabt haben, immer so in die Sauna zu kommen, denn wenn Frau Hundekopf das zum ersten Mal erlebt hätte, dann wäre sie sicher abgehauen, weil sie die Angst bekommen hätte. Ja, das war ein guter Polizeigedanke vom Kommissar. So reagierten Leute auf Unvorhergesehenes. Nicht einmal Schlott wäre unter solchen Umständen cool auf der Stelle geblieben und er war nun wirklich ein furchtloser Mann und obendrein sehr schön anzuschauen, fand er. Die hypothetische Annahme, daß der Mörder durch ein durch Krafteinwirkung selbst erzeugtes Loch in die Sauna gekommen war, in Kombination mit der Tatsache, daß Electrola Hundekopf am Platz blieb und keine Anstalten machte zu fliehen, führte den Kommissar zu dem Schluß, daß der Mörder sein Opfer schon öfter auf gleiche Weise in der Sauna besucht hatte und daß er extremer Saunatürenphobiker sein mußte. Schlott kannte das von Milupa. Aufgrund eines traumatischen Erlebnisses in ihrer Kindheit bekam sie immer panische Angst und akute Erstickungsnot, wenn sie eine Saunatür passieren sollte. Die Schlotts hatten ihre Sauna deshalb mit einem Klappdach ausgerüstet, das einfach aufgeklappt wurde und durch das man Milupa mit einem Kran hinablassen konnte. Das funktionierte gut. Mit seinem selbst vergoldeten Handy, das er immer in der Innentasche seines selbst geschneiderten armlosen Polyestermantels mit styroporverstärkten Hüfteinlagen trug, rief er schnell Flötenschmalz und Ohrpuffer an und bat sie, herauszufinden, ob die Brüder Sparfilz Saunatürenphobiker waren. Dann fragte er die beiden, was die Brüder nach der Beerdigung ihrer Frau gemacht hätten. Dummerweise waren sie ihren Beschattern kurzzeitig entwischt, als die sich darum stritten, woran man Mettwurst von Cervelatwurst unterscheiden -1 7 7 -
konnte. Wenn man nicht alles selber machte! Der Kommissar beendete das Gespräch. Er wußte genau, worauf es bei einer guten Mettwurst ankam: Auf ordentlich Mett. Mett war wichtig. Ohne Mett war eine Mettwurst keine Mett- sondern bloß eine normale Wurst. Gleich darauf rief Gertrud ihn an und fragte, ob er mit der Tatortbesichtigung fertig wäre. Als Schlott meinte daß er so ziemlich fertig sei, da sagte sein Assistent, daß schon wieder eine neue Leiche ange fallen war, diesmal die Mürbeteigdesinfiziererin Camelia Vogelkocher. Der Greifer sagte, er würde sich das ansehen und legte auf. Da rief aber der Kuckuck aus seiner Umhängeuhr die vierte Nachmittagsstunde aus und der Kommissar hatte jetzt Feierabend. Für Überstunden, da hatte er heute keine Lust für.
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Kapitel 19 Der Kommissar tritt in Hundescheiße und mag das nicht Am nächsten Morgen wurde Benno Schlott sehr früh geweckt, obwohl Samstag war und Wochenende. An diesem Samstag wollte er mit seinem Freund Abraham Mogelpilz um elf Uhr drüben in der Sportanlage Beethoven spielen. Mit großen Schlägern, Mann gegen Mann. Aber der Kommissar wurde nicht etwa vom Wecker geweckt, auch nicht von Milupas zarter Hand, die ihm ein gutes Frühstück mit duftenden Croissants und Espresso, im Kaffeepott, stark, schwarz und mit viel Zucker, wie er ihn liebte, angedeihen ließ, sondern von der harten Pflicht, die rief. Diesmal in Form des Telefons, das klingelte. Die Schlotts hatten in jedem ihrer 34 Zimmer mindestens ein Telefon stehen, um immer erreichbar zu sein. Sie waren deshalb zu den Telekomkunden des Jahres gewählt worden. Sie zahlten soviel Telefongebühren, wie andere Leute Steuern; und das war ziemlich viel. Aber sie konnten es sich leisten, denn sie besaßen besonders viel Geld. Woher wußte niemand, aber das störte keinen, schließlich war ja die Hauptsache bloß, daß sie das Geld besaßen. Also, wie gesagt, das Telefon klingelte. Inzwischen schon seit einer ganzen Weile, und es hörte nicht damit auf, das dumme Mistding. Eine Zeitlang kombinierte der Kommissar, schließlich stand er auf und wankte schlaftrunken zum nach wie vor hartnäckig läutenden Telefongerät. Er hob ab: "Ja, hallo, hier spricht der Herr Benno Schlott in seinem Schlafzimmer." So meldete er sich. Seine Stimme war rauh und mißmutig, er hatte nie gute Laune, wenn man ihn nicht vorsichtig genug weckte; und die Nummer mit dem Telefon war nicht vorsichtig, die war Scheiße! Am anderen Ende der Leitung redete eine Frauenstimme. Sie schien älter als der Greifer zu sein und ein -1 7 9 -
unverkennbarer Dialekt war auch zu erkennen. Aber was die Frau sagte, war interessant. So interessant sogar, daß Milupa, wenn sie es gewußt hätte, bestimmt das Gespräch unterbrochen hätte, denn nur so wäre es vielleicht noch zu verhindern gewesen, daß ihr Benno schon wieder den ganzen Tag bei seinen Leichen verbrachte. Aber Milupa war nicht rechtzeitig am Telefon und die Frau sagte folgendes: "Ja, guten Morgen, Herr Kommissar. Hier spricht Frau Lada Stumpenzossel. Ich war Zeugin des Mordes an der armen Electrola Hundekopf. Wissen sie, junger Mann, ich habe immer bei ihr sauber gemacht und auch an dem Mordtag, weil der alte Butler kann nicht saubermachen, er hat zu gerade Arme, um in die Ecken zu kommen zum Wischen. Ich habe den Mörder ganz genau gesehen, glauben sie mir. Ich habe schon gestern immer versucht, sie im Büro anzurufen Herr Kommissar Schlott, aber da war nur ein Mann, der immerfort auf Spanisch redete und so habe ich dann ihre Privatnummer in Erfahrung gebracht. Das war nicht leicht, es ist ja eine Geheimnummer, wohl weil bei so wichtigen Kommissaren immer alles geheim sein muß, nicht wahr? Aber beim Einwohnermeldeamt habe ich sie dann doch gefunden. Außerdem steht sie ja auch im Telefonbuch, wenn auch klein gedruckt und in Klammern, wege n der Geheimhaltung. Ich mußte dem Beamten beim Amt dann aber noch 100 Mark Bestechungsgeld zufaxen." Benno Schlott war ganz perplex. Da war sie: Die Gelegenheit, auf die er schon die ganze Zeit wartete, seit ihm der Fall übertragen worden war. Eine Zeugin! Sie hatte den Mörder genau gesehen. Das war einfach phantastisch. Vor Freude machte der Kommissar einen Luftsprung und rutschte dabei auf dem Parkettboden aus, weil er bloß Socken trug. Er schlug kräftig auf den Hintern und bekam einen blauen Fleck. Dann bedankte er sich bei der Zeugin und ließ sich ihre Adresse geben. Sie wohnte in der Runde - Käse - Straße 290, siebzehnter Stock rechts. Er würde sie später zu sich aufs Revier bestellen, -1 8 0 -
damit man ein Phantombild vom Mörder machen konnte. Das würde er überall hinhängen lassen, in die Zeitungen bringen und in der Fußgängerzone als Flugblatt verteilen. Natürlich nicht selber. Dafür konnte Gertrud sich hinstellen, wenn er sich nicht einmal die Mühe machte, mit Leuten, die anriefen auf Deutsch zu sprechen. Das hätte er wenigstens tun können, auch wenn er gar kein Deutsch konnte. Immerhin guter Wille hätte sein müssen. Aber ihm konnte man das nachsehen; Schlott wollte auch nicht schmalstirnig sein. Der Kommissar sagte Milupa, die neben ihm im Bett gerade unauffällig wach geworden war, schnell guten Morgen und zog sich dann an. Den selbst entworfenen Pyjama aus Jeansstoff mit über dreißig verschiedenen Bügelfalten in symmetrischer Anordnung vertauschte er gegen ein Hemd aus Aalleder, Bermudas mit einem modischen dritten Hosenbein aus Thunfischhaut (eine Idee von Milupa) und eine Krawatte aus einer Efeuranke. Einer grünen Efeuranke. Die grün - weißen waren nämlich seit der letzten Saison schon wieder "out" und außerdem nicht so hautschonend. Dazu wählte er seine purpurfarbene Samtrobe mit der zwölf Meter langen Schleppe aus, die auf kleinen Rädern fuhr, damit man sie nicht ständig hochhalten mußte. Dann rief er schnell Mogelpilz an und sagte ihm, daß er erst am Sonntag Beethoven spielen konnte und daß es ihm leid täte. Mogelpilz sah das ein und Schlott tat es auch wirklich richtig leid, weil sonst hielt er immer alle Versprechen ein. Aber ein Mordfall ging vor. Das sah man ja auch so oft bei Derrick. Derrick war gut. Er benahm sich genau so, wie Schlott es mochte. Dazu war er sehr attraktiv und hatte schöne und gutmütige Augen, die ihm ständig aus dem Kopf zu fallen schienen. Ein toller Mann. Das sagte auch Milupa immer von ihm. So, aber jetzt wollte der Kommissar ersteinmal ins Revier fahren und dann die Zeugin Frau Stumpenzossel zu sich bestellen. Er sagte auch noch dem Polizeizeichner Herrn -1 8 1 -
Friedemann Würmerschmecker bescheid, er sollte seinen Phantomkoffer holen und zeichnen, was die Zeugin sagen würde, auch wenn Wochenende war. Der engagierte Zeichner erklärte sich sehr schnell bereit, denn er war Idealist und mochte außerdem immerzu Mörder zeichnen. Ein richtiger Enthusiast; genau die Sorte Mann, die der Greifer bei seinen schweißtreibenden Ermittlungen benötigte. Friedemann Würmerschmecker war natürlich nur der Künstlername des Polizeizeichners. Im wirklichen Leben hieß er genauso, aber er sagte es niemandem. Milupa überredete ihren Mann bevor er losfuhr noch dazu, ein gesundes Vitaminfrühstück zu essen und sie war sehr ärgerlich, daß sich bei ihm mal wieder alles nur um seinen Beruf drehte. Ein Ehekrach bahnte sich an. Schnell nahm Benno Schlott seinen blauen Cowboyhut vom Haken, setzte ihn auf und fuhr mit seinem Sportwagen davon. Im Polizeirevier arbeiteten an diesem Samstag noch einige andere unverbesserliche Spürnasen und so brauchte Schlott nicht alle Türen selber aufzuschließen. Als er schon fast in seinem Büro angekommen war, da kam ihm auf dem Gang der Bundeskanzler entgegen. Niemand wußte, warum er schon wieder im Revier war. Einen Arm trug er in Gips und unter seinem Anzug zeichnete sich der Umriß eines Herzschrittmachers ab. Hoch erfreut, ihn wiederzusehen, ging Schlott auf den hohen Staatsmann zu und schlug ihm freundschaftlich auf die linke Schulter. Etwas knirschte leise, anscheinend der Herzschrittmacher. War wohl irgendwie doch nicht so stabil gewesen wie gedacht. Der Kanzler wurde erst ganz weiß, dann ganz grün und dann kippte er um. Der Kommissar sah sich vorsichtig um, ob ihn auch keiner gesehen hatte, dann verschwand er lautlos im Büro. Das eben war wirklich ein peinlicher Mißstand gewesen. Der arme Bundeskanzler. Er hatte ihn noch schnell vor die Tür von Justinian Wachsgurke von der normalen Mordkommission -1 8 2 -
geschoben, er selbst wollte ja schließlich keinen Ärger bekommen. Auf dem Schreibtisch des Hyperpolizisten lag die aktuelle Polizeipost, die Glücksrevue und eine Nachricht von Gertrud, wo nochmal draufstand, daß noch jemand tot war, diese Camelia Vogelkocher, von der schon am Telefon die Rede gewesen war. Winnie Bügelfein döste zufrieden im Teich ihres Terrariums und war schon recht fett geworden von den Fliegen des Kommissars. Er fing ihr gleich noch zweihundert Stück, die sie mit ihrer langen Klebezunge wegputzte, ohne den Teich zu verlassen. Das Froschleben schien der ehemaligen Klofrau richtig zu gefallen. Da klingelte das Telefon. Es waren die Möbelentführer, die sagten, daß sie nun alle Möbel verbrannt hätten und immer noch einen Ermittlungsstop oder Geld wollten. Der Kommissar sagte, das wäre ein Pech für sie, weil sie ohne die Möbel keine Bedingungen mehr stellen konnten, und legte ganz cool auf, dann lächelte er noch total gemein; aus purer Bosheit. Auf einmal klopfte es an die Bürotür und Schlott wunderte sich, wer das sein konnte, denn die Zeugin war noch nicht dran. Er sagte herein, weil er dachte, daß es der Bundeskanzler sein könnte, der einen Notarzt verständigen wollte. Für diesen Fall hatte sich der alte Fuchs schon einen Scherz zurechtgelegt: Er wollte den Kanzler fragen, ob er sich ein Herz gefaßt hätte. Bei dem Gedanken dadran mußte er laut loslachen. Aber es war die Putzfrau. Sie wollte saubermachen, dafür war sie im ganzen Revier bekannt. Schlott sagte ihr, daß er im Moment kein sauberes Büro brauchen konnte, sondern vielmehr eine kreative Ruhe. Das konnte die Putzfrau gut verstehen, sie arbeitete auch lieber an Wochenenden, weil da niemand anwesend war, der sie störte. Sie erzählte weiter, daß sie zu Hause nie selber sauber machte, dort hatte sie eine Putzfrau, weil sie ihren Beruf auch so gerne nicht hatte, daß sie ihn noch mit nach Hause nahm. Um diese Putzfrau zu bezahlen, arbeitete sie im Revier. Der -1 8 3 -
Kommissar verstand das, auch wenn er seinen Beruf so sehr liebte, daß ihm das auch auf die Freizeit abfärbte. Zum Beispiel nannte er die Gespräche in der Familie "Verhöre" oder bezeichnete stehengebliebene Teller in der Küche als "Indizien für nachlässiges Walten im Haushalt". Staubsaugen war "Verwischen von Spuren mittels mechanischer Hilfen." Benno Schlott mochte die Putzfrau recht gern. Es war eine andere als die, die er immer die Treppe runtertrat oder flachlegte. Mit der hier konnte man sich einfach gut unterhalten, sie hatte auch promoviert in Philosophie, Physik und Germanistik. Er goß ihr eine Tasse Kafftee ein, ein selbstgemachtes Gemisch aus Kaffee und Tee und bot ihr einen Chlorophyllkeks an. Die Chlorophyllkekse hatte er selbst gebacken, es war ein sehr aufwendiges Rezept, vor allem, weil man den Teig in einem Hochofen bei 1193° C rotglühend ausbacken mußte. In einer Gesprächspause rief der Kommissar die Zeugin an und sagte ihr, sie könnte dann mal so gegen 14.00 Uhr ins Revier kommen. Danach redete er mit der Putzfrau weiter, die beiden fachsimpelten über Durchfallerkrankungen, und machte dabei sein Zierfischaquarium sauber. Es enthielt Piranhas und Silberfische, die alle immer Hunger hatten. Wie Winnie Bügelfein. Schlott war manchmal sehr tierlieb und fing dem grünen Frosch deshalb noch einen Brummer. Das war einer zuviel und der Frosch platzte, weil er zu dick geworden war. Schade. Über Frösche mußte Schlott wohl noch viel lernen. Aber zuerst entfernte er die Froschfetzen von der Terrarienscheibe, das sah nämlich nicht so schön aus, und setzte einen Gummisalamander in das Becken, den er mal als Preis in einer Tüte Wackelpudding gefunden hatte. Anschließend beschloß er, daß er nun genug mit der Putzfrau geredet hatte, begleitete sie nach draußen und betrieb danach noch etwas Levitation. Das verband er auch gleich mit etwas Nützlichem: Er flog unter der Zimmerdecke entlang und entfernte Spinnweben aus Ecken, wo der Staubsauger nicht mehr hinkam. -1 8 4 -
Anschließend sah er auf die Uhr und stellte fest, daß es noch immer viel Zeit war, bis Frau Stumpenzossel kam. Aber die würde er auch noch rumkriegen. Pfeifend ging er hinüber zum Friseur an der Ecke, zu Ken & Detlef. Das waren berühmte Prominentenfriseure, die schon Filmstars wie Telly Savallas und Meister Proper frisiert hatten. Schlott ärgerte sich schon lange darüber, daß seine Haare vorne zu kurz waren. Er hatte es auch mit Meditation und Heilsteinen nicht geschafft, sie ans Wachsen zu bekommen, ja er hatte sogar einen ganzen Tag unter einer Glaspyramide zugebracht, ohne Erfolg. Deshalb sollte nun die goldene Schere (auf Französisch "la chère d'or") von Ken & Detlef helfen. Er ging in den Laden und zeigte Ken, von dem er bedient wurde, die kurzen Haare. Der sah gleich ein, daß das mißlich war und Schlott gab ihm die Anweisung "Bitte länger schneiden!" Das klappte prima und dauerte gar nicht lange. Mit langer Löwenmähne verließ der Greifer anschließend den Salon und fühlte sich tierisch sexy, es war 13.55 Uhr. Als er die Straße überquerte, pfiffen ihm drei Frauen nach und er trat in Hundescheiße, als er sich umdrehte. Was für ein toller Nachmittag. Als der Kommissar in seinem Büro ankam, sah er, daß der Polizeizeichner auch schon da war und gerade den Piranhas im Aquarium einen Hühnerknochen zum Abnagen reinhielt. Einer der Fische biß ihm Daumen und Zeigefinger ab, Knochen reichten ihm nämlich nicht. Nun war alles voll Blut, das war ein ziemlicher Spaß. Nein, lieber Leser, war nur ein kurzer Scherz, natürlich blieb der Mann vollkommen heil. Schlott sagte ihm guten Tag und bot ihm ebenfalls etwas Kafftee an. "Da haben sie aber Glück gehabt, daß ihnen die Piranhas nicht Daumen und Zeigefinger abgebissen haben!" schmunzelte der Kommissar und beide lachten herzhaft über den Gag. -1 8 5 -
So waren Männer eben. Dann kam Frau Stumpenzossel. Benno Schlott goß ihr Kafftee ein und es konnte losgehen. "Frau Stumpenzossel, wie genau sah die Person aus, die der Mörder war?" fragte Schlott, der dabei die Augen zusammenkniff und an seiner Pfeife sog. "Also, erstmal hatte er ein schmales Gesicht mit spitzem Kinn, dann so lange, rote Haare, eine dicke Hornbrille, einen buschigen Schnurrbart, blaue, engstehende Augen, fast nur Sehschlitze, eine Narbe über der rechten Wange und einen Briefkasten unter dem Kinn, auf dem draufstand 'Nur für Ihren Arzt oder Apotheker'." Der Polizeizeichner arbeitete gewissenhaft nach den Angaben der Frau und hatte schließlich ein Phantombild fertig, das dem Mörder nach Frau Stumpenzossels Aussage bis aufs Haar glich. Der Kommissar war allerdings skeptisch, denn diese Angaben trafen alle nicht im Geringsten auf die Brüder Sparfilz zu. Er beschloß, ein wenig suggestiv nachzufragen: "Und sie sind ganz sicher, daß die Person, die sie gesehen haben wollen, wirklich so ausgesehen hat? Sie wissen ja, eine Falschaussage kann sie ebenfalls hinter Gitter bringen. Also, überlegen sie bitte noch einmal genau." Die Putzfrau der Familie Hundekopf gab nicht nach und beharrte darauf, daß der Mörder so aussah. "Ha, sie sind ein harter Brocken; aber es tut mir leid, diese Phantomzeichnung paßt mir nicht in mein Ermittlungsbild, so sehen die Personen, die ich unter Verdacht habe, nämlich gar nicht aus. Hier, das ist ein Foto der Brüder Sparfilz. Sie sind die Mörder. Sind sie sich nun immer noch sicher, daß ihr Zigarrenmörder anders aussah? Naaaa?" Der Kommissar fuchtelte zusätzlich drohend mit seiner Dienstwaffe und dem orientalischen Krummsäbel vor Lada Stumpenzossel herum. -1 8 6 -
"Ja, Herr Kommissar, tut mir leid, so sah die Person aus, die ich gesehen habe." antwortete die Zeugin. Sie war stur. Und weiter sagte sie: "Mein Mann war auch dabei, er kann's bezeugen." Das aber konnte einen alten Hasen wie Benno Schlott nicht täuschen. Er wußte, daß er sich nie irrte und deshalb mußte die Frau mitsamt ihrem Mann gelogen haben. Er rief seinen Assistenten Gertrud und befahl ihm, die Frau unauffällig im Gefängnis verschwinden zu lassen, wegen Zerstörung eines Ermittlungsbildes. Gertrud tat das. Danach schickte der Kommissar den Zeichner wieder nach Hause, zerriß das Phantombild und rief die Streife an, sie sollte eine Ringfahndung nach Lada Stumpenzossels Mann einleiten, ihn verhaften, einschüchtern und ihm einen ungelösten Mord anhängen. Das war gut für die Statistik und schaffte Schlott dazu ein Ärgernis vom Hals. Aber es änderte nichts daran, daß er nun unglaublich zornig war. So zornig, daß das Wasser im Aquarium anfing zu verdampfen, wenn er es nur anblickte; der Salamander wurde auch schon ganz nervös, obwohl er nur aus Gummi war. Der Greifer mußte sich irgendwie abreagieren. Als erstes machte er wieder transzendentale Meditation und dann wollte er zu einem Tatort fahren. An diesem Samstag waren, wie er in der Hauspost las, schon wieder drei neue Leichen hinzugekommen. Aber erstmal fuhr er zur toten Camelia Vogelkocher vom Vortag. Dann mußte er auch noch Electrola Hundekopfs Mann über den Tod seiner Frau informieren und die beiden Söhne verhören und zur Kartenlegerin wollte er auch mal wieder. Außerdem war ihm da so eine Idee mit Wigobert Mottenkiffer gekommen und einiges andere war auch noch zu erledigen. Vielleicht mußte er am Sonntag auch noch arbeiten und Mogelpilz wieder absagen. Das machte Schlott noch viel wütender, obwohl er ja eigentlich gerne arbeitete. Als er aus der Feuerwehreinfahrt düste mit seinem Sportwagen, da überfuhr er aus Versehen einen Opa, der sich gerade im Altersheim -1 8 7 -
anmelden gehen wollte. Egal, der hatte das Leben ohnehin schon hinter sich. Oh, wie war der alte Fuchs wütend! Die einzige Zeugin und dann so ein Fiasko. Der Verkehrspolizist an der Kreuzung konnte auch nur noch ein "Haaa..." herausbringen, da war Schlott auch schon über ihn hinweg gehobelt. Ha, nun sollte diese verdammte Leiche auch mal was erleben, und die Mörder erst recht. Der Kommissar zündete sich noch eine Pfeife an, sog den Rauch tief ein und blies ihn durch Nase und Ohren wieder heraus. Das beruhigte wenigstens etwas, vielleicht würde es gleich in Kapitel 20 noch etwas besser gehen. Na, mal sehen...
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Kapitel 20 Der Kommissar ißt einen Schokoriegel und es geht nicht besser Diesmal fuhr Schlott 320, das war so schnell, daß alle Schilder und Verkehrsteilnehmer nur als verwischte Schemen erschienen, wenn sie über das Dach und unter den Frontspoiler des sportlichen Flitzautos kamellt wurden. Aber durch den dichten Rauch, der mittlerweile den ganzen Wagen erfüllte, konnte der alte Fuchs das schöne Schauspiel gar nicht betrachten. Er sah ohnehin nie auf die Straße. Ein gepanzerter Sportwagen, der derartig schnell fuhr, ebnete sich halt immer seinen Weg. Der Wagen erzeugte aufgrund der Geschwindigkeit Zeitstrudel, die Schlotts Laune auch nicht gerade besserten. Der Kommissar nahm einen Schokoriegel aus dem Handschuhfach (es enthielt keine Handschuhe) und biß zornig hinein. Da war er auch schon in der Nebelteufelgasse Nummer 9 angekommen, wo die Tote lag, wie ein Anruf bei Gertrud ergab. Die Nebelteufelgasse war eine der ältesten Bad Salzfischbacher Straßen, sie entstammte dem vierzehnten vorchristlichen Jahrhundert, wo es nur Terracotta gab. Selbst die Häuser mußte man damals aus Terracotta machen. Das war sehr unbequem, weil man noch nicht wußte, wie man das Zeug brannte, deshalb kam es bei jedem Regenguß als Lehmsuppe wieder runter, das Geschirr wurde dreckig und man mußte ein neues Haus bauen. Klar, daß die Leute damals eigentlich immer mißmutig waren und voller Lehm. Heute sah man aber nichts mehr von der großen Geschichte der Nebelteufelgasse, denn nun war sie eine breite Hauptstraße, an der links und rechts Hochhäuser himmelan aus der rohen Erde starrten. Ein echtes Wohnghetto für Leute, die entweder nicht viel Geld hatten, oder lange Strecken am liebsten mit dem Fahrstuhl zurücklegten. Camelia Vogelkocher wohnte im 53. Stock, wo sie jetzt auch tot lag. Das -1 8 9 -
heißt, sie lag hoffentlich inzwischen nicht mehr da, denn die Streife war schon oben gewesen und hätte die Frau eigentlich mitnehmen sollen. Die Tote hatte zu Lebzeiten in einer Großbäckerei als Mürbeteigdesinfiziererin gearbeitet und lebte mit ihrem Mann Elmex Vogelkocher zusammen. Er hatte bayerische Eltern und deshalb einen so sonderbaren Vornamen. Benno Schlott nahm seinen esoterischen Tatortkoffer aus dem Wagen. Es ging aber nicht gleich, weil der Koffer irgendwo hängengeblieben war, was den Greifer wieder in unbändigen Zorn versetzte. Deshalb fluchte er so laut, daß die Leute aus den Fenstern schauten. Einige applaudierten und warfen Münzen herunter. Sie hatten da wohl was falsch verstanden und hielten es für eine Darbietung. Schlott sammelte das Geld ein, insgesamt 21,80 Mark, und drückte die Klingel der vogelkocher'schen Wohnung. Der Öffner summte sein ewig gleiches Lied und der Kommissar betrat den Hausflur. Er betätigte den Knopf, der dem Fahrstuhl bescheid gab, daß er kommen sollte. Das grüne Kontrollicht blinkte auch prompt auf, sonst geschah aber nichts. Das war schlecht. Der Kommissar wollte aber nicht die ganzen Stufen bis zum 53. Stock zu Fuß gehen. Was sollte er bloß machen? Schnell fiel ihm die Lösung ein. Er nahm seinen Tatortkoffer, öffnete ihn und zog die Broschüre "Fliegen leicht gemacht" von Abt Glockenklang heraus (es handelte sich hierbei übrigens nicht um eine Broschüre zur Herstellung lästiger Insekten). Glockenklang war Abt des Fliegenden Klosters in Nepal, das immer 10 Zentimeter über dem Boden schwebte; so hatten sich die findigen Mönche den Bau eines Fundamentes gespart. Der Abt galt als weltweit führend in Sachen Levitation. Schlott hatte alles, was er konnte, von ihm gelernt. Nun suchte er eine Levitationsübung heraus, die ihn in die Lage versetzte, sehr hoch zu fliegen. Es war eine schwierige und gefährliche Übung, aber Schlott war fest entschlossen, sie durchzuführen, um von außen fliegend in die Wohnung zu gelangen. Leider klappte es nicht. Der Kommissar -1 9 0 -
hatte wohl noch nicht die dafür notwendige Bewußtseinsebene erreicht, denn man mußte auf der 62. sein und Schlott war als deutscher Levitationsmeister aller Klassen gerade mal auf der 49. Ebene. Lediglich seine orthopädischen Korkstiefel schienen nach oben zu streben, das reichte aber nicht. Der Greifer ging zu Fuß. Als er im 53. Stock war, war er ziemlich außer Puste und so wütend wie das letzte Mal bloß, als er Titus Brühteufel in Köln über den Haufen geschossen hatte. Obwohl er geklingelt hatte, war die Wohnungstür zu. Wahrscheinlich hatte Herr Vogelkocher das Warten aufgegeben und sich wieder zurückgezogen. Das war unhöflich, das tat man nicht; erst recht nicht mit Benno Schlott. Er trat einfach, ohne ein zweites Mal zu klingeln die Tür ein und schlug anschließend noch mit seinem orientalischen Krummsäbel auf sie ein, bis sie nur noch feines Sägemehl war. Jetzt fühlte er sich etwas besser! "Was machen sie da, wenn man fragen darf?" fragte eine Stimme hinter seinem Rücken. Er drehte sich um und sah einen Mann, der wohl Herr Vogelkocher war. Der Kommissar hielt es für unnötig, die Frage zu beantworten, es war ja ganz deutlich zu sehen, was er machte: Er schlug eine Tür zu Sägemehl. Der dumme Mann brauchte doch nur hinzusehen! Also legte der Greifer gleich mit seinen Fragen los, die ihm auf den Nägeln brannten, weil sie eine Priorität hatten. "Haben sie den Mörder gesehen, Herr Vogelkocher?" "Nein, kein bißchen, ich weiß nur, daß es zwei waren. Es hatte geklingelt, ich habe aufgemacht, sah zwei Silhouetten vor der Tür stehen und dann hat mich auch schon einer K.O. geschlagen. Als ich aufwachte, da lag dann meine Frau tot auf dem Boden, mit blutunterlaufenen Augen und einer halbgerauchten Havanna im Mund; das sah ziemlich unschön aus, ehrlich." Die Ausführungen des Mannes waren gut. Aber Schlott fragte immer weiter, er ließ nie jemanden in Ruhe; deshalb war er ja auch der Allerbeste weit und breit. Er sagte immer, man müsse -1 9 1 -
die Frage hinter der Frage suchen. Was das wohl bedeutete? Der Kommissar hatte keine Ahnung, aber es klang schlau. "Das war der Zigarrenmörder, nicht wahr?" bohrte der gute Frager weiter nach. "Ja." war die knappe Antwort. "Halten sie es für möglich, daß andere Bewohner dieses Hauses den Mörder, bzw. die Mörder gesehen haben?" Das war eine Frage, die sich Schlott neu ausgedacht hatte. Darauf war er bisher gar nicht gekommen, daß jemand den Mörder hätte gesehen haben können. Aber es war immerhin möglich. "Ja, der Hausmeister, der immer unten sitzt und schaut, wer kommt und ob wer kommt. Der hat die zwei bestimmt gesehen." "Hausmeister? Welcher Hausmeister? Da unten war keiner." antwortete der Kommissar verblüfft, denn da unten war wirklich kein Hausmeister gewesen. Den hätte er gesehen und ihn sicher krankenhausreif geschlagen, weil der Fahrstuhl kaputt und Schlott sehr zornig war. Außerdem konnte der Kommissar bei seinen Ermittlungen keine Zeugen brauchen. Das gab nur Gerede. Ihm fiel in diesem Moment ein, daß er ja noch immer zornig war, sogar besonders zornig und das war viel. Schnell ging er auf den Balkon der Wohnung, machte Levitation, daß er zur Wohnung über der vogelkocher'schen flog, für die paar Meter reichte die Levitationskraft ganz prima, und schlug dort alle Fensterscheiben zu Brei. Sicher, lieber Leser, das war nicht sehr nett, aber sollte der Kommissar besser den armen Herrn Vogelkocher in die Beine schießen, daß das Blut nur so spritzt? Na also. Als Schlott damit fertig war, merkte er, daß er immer noch genauso wütend war wie vorher. Das mußte er ändern. Nun schoß er Herrn Vogelkocher mit einem triumphierenden -1 9 2 -
Geräusch, das er ausstieß und das ein Zeichen war dafür, daß er sich abreagierte, in die Beine. Das Blut spritzte durch die ganze Wohnung und das war ein toller Effekt. Benno Schlott vollführte einen Bluttanz, den er vom Stamm der Karaoke Indianer gelernt hatte. Vogelkocher war kraß zugerichtet, aber es war zum Glück nicht so schlimm wie es aussah, und der Greifer rief dem Verletzten netter weise einen Krankenwagen, steckte ihm noch 1000 Mark Schmerzensgeld zu und bedankte sich sehr höflich dafür, daß der Mann ihm als Ventil fü r eine große Wut gedient hatte. Bei allem Affekt war Benno Schlott eben immer korrekt und anständig. Das rechnete er sich selbst auch hoch an. Da Herr Vogelkocher alle seine Fragen beantwortet hatte, ging der Kommissar nun hinunter zur Kabine des Hausmeisters. Runter war das Treppensteigen ganz einfach, die Beine liefen fast wie von selbst, der Körper brauchte nur in die richtige Richtung zu steuern. Der alte Fuchs lief so schnell, daß er eine Minute früher unten ankam, als er oben losgegangen war. Wenn er jetzt kurz wartete, hatte er die Chance, sich selbst zu begegnen. Das war eben Relativität. Schlott mochte Relativität gerne, sie half ihm, Zeit zu sparen. Deshalb wartete er auch nicht auf sich. Und schließlich wußte er ja auch, wie er aussah. Nun stand der Greifer also vor der Glaskabine des Hausmeisters, die leer zu sein schien. Das hieß, leer war sie natürlich nicht, sie enthielt sogar recht viel. Da waren Monitore zur Überwachung, ein Tisch, auf dem das "Goldene Blatt" lag, eine gute Zeitschrift übrige ns, die der Kommissar auch abonniert hatte, weil da dauernd tolle Sachen von den Königen drin waren. Weiter befanden sich auf dem Tisch noch eine Thermoskanne, die Kaffee enthielt, wie der sechste Sinn des Kommissars gleich spürte, ein Tablett mit Croissants und ein paar Schälchen mit Marmeladensorten der verschiedensten Art. Es war auch noch ein Stuhl in der Kabine, so einer auf Rädern und für in alle Richtungen zu drehen. Nicht so schön, wie der -1 9 3 -
Skrulleby des Greifers, aber sicher auch ganz praktisch. Nur ein Hausmeister war nirgends zu sehen. Das war ein Fall, den Schlott sofort analysieren mußte. Er nahm einen Glasschneider aus seiner Jackentasche, den er noch aus seiner Zeit als Glaser hatte, als Polizeiglaser, versteht sich. Dann schnitt er ein Loch in die Scheibe, genau in den Umrissen seines Körpers, damit er auch gut durchkam. Dann ging er hinein und sein sechster Sinn meldete sofort "Achtung, Leiche!" Da sah der Kommissar auch schon zu Boden und entdeckte den gesuchten Hausmeister, der jetzt eine Le iche war. Schlott bückte sich und fühlte, ob der Tote noch warm war. Er war kalt. Ziemlich kalt sogar, die Totenstarre war auch schon eingetreten. Das stellte der Hyperpolizist immer durch seine selbsterfundene Fingerprobe fest. Da er ja auch Bärenkräfte hatte, so wie ein besonders starker Gorilla, oder sogar noch schlimmer, packte er immer die Leichen am Zeigefinger an und hob sie ganz in die Höhe. Wenn sie ihre Körperhaltung dabei nicht veränderten, dann waren sie schon in der Leichenstarre angekommen. Diese Leiche war schon seit gestern mittag gegen 12.36 Uhr tot, das war einwandfrei zu erkennen; es hatte nämlich ein Kampf, ein schlimmer Kampf stattgefunden, ein Kampf, bei dem es um Leben und Tod ging, und dabei war dem Hausmeister seine Uhr gegen die Tischkante geknallt und in tausend Scherben verzimpert. Das Uhrwerk war stehengeblieben und die Zeiger zeigten 12.36 Uhr an. Das harmonierte, wie Edding Prinzenrolle dem Kommissar etwas später sagen würde, auch mit der Todeszeit von Camelia Vogelkocher, die war auch so um die Mittagessenszeit gestorben. Der Hausmeister war sicher auch auf das Konto des Zigarrenmörders gegangen, aber er war nur eine Nebenleiche, die gemacht werden mußte, weil er wahrscheinlich die Mörder sonst hätte wiedererkennen können. Als Zeuge nämlich bei der Mordkommission. Man sah auch gleich, daß er nicht rituell umgebracht worden war, sondern, daß man ihn erst mit Chloroform betäubt und anschließend mit -1 9 4 -
einem Naßrasierer zu Tode rasiert hatte. Der Hausmeister, laut Personalausweis hieß er Ambrosius Kippenlutscher, hatte ein ganz blutiges Gesicht vom vielen Rasieren und Spuren von Rasierschaum waren auch da und um den Toten herum war alles silbern von stumpf gewordenen und ausgewechselten Rasierklingen, die nun nutzlos auf dem Boden verstreut einherlagen. Das sah so skurril aus, daß Schlott für seine Fotoserie mit den Leichen gleich ein Foto in Großaufnahme schoß. Das Zutoderasieren war eine südamerikanische Technik; ein gewandter Zutoderasierer vom Indiostamm der Teuflischen Fetzer brauchte nur etwa 30 Sekunden, um sein Werk auszuführen und bewegte seine Hände dabei so schnell, daß er mit ihnen oft bis in die weit entfernte Vergangenheit hineinreichte, wo er, ohne es zu merken, großen Schaden anrichten konnte. Das war auch Relativität. Ein Radio war auch in dem Raum, es war auch noch an. Wohl schon seit über 24 Stunden. Erst hatte Schlott es gar nicht bewußt gemerkt, weil nur so eine leise plätschernde Musik im Hintergrund lief, wohl Debussy oder etwas in der Art. Aber jetzt sprach eine Frau, die ansagte, daß sie gleich eine Oper von Wagner spielen wollten, der fliegende Händler oder etwas in der Art. Und dann spielten sie die Oper auch. Es war sehr laut, aber auch schön zum Anhören, dachten sich Schlotts Ohren. Der Kommissar summte gleich mit; er steckte auch das Radio ein, als Beweismittel versteht sich. Anschließend nahm er noch die Fingerabdrücke des toten Hausmeisters und ging dann wieder zu seinem Wagen. Dort funkte er nach Gertrud, und sagte ihm, er solle die Leiche abholen fahren oder jemanden schicken. Der Greifer hatte keine Lust mehr, dauernd tote Menschen umherzufahren. Das war auch unhygienisch, weil sich im Auto Bakterienstämme einnisten konnten. Das hatte zumindest Milupa gesagt. Der Kommissar konnte darüber aber nur lachen, er wußte, daß in der -1 9 5 -
teer- und nikotingeschwängerten Luft seines Wagens nur ein einziges Lebewesen existieren konnte, nämlich er selbst. Obst, das im Handschuhfach vergessen wurde, hielt sich noch jahrelang frisch. Gertrud wollte dem Toten Hausmeister einen Wagen vorbeischicken. Der Kommissar wollte nun noch zu Electrola Hundekopfs Mann fahren und ihn damit überraschen, daß seine Frau tot war. Die Söhne wollte er sich aus purer Neugierde auch vielleicht mal anschauen. Er fuhr los, mit quietschenden Reifen und mit einer Geschwindigkeit, die zwar noch keine Relativität war, aber schon sehr nahe daran. Es knallte, aber das war nicht die Schallmauer, sondern nur der Auspuff, aus dem eine Fehlzündung klotzte. Da klingelte auf einmal das Handy, das Schlott immer dabei hatte. Es war Flötenschmalz mit einer revolutionierenden Neuigkeit: "Herr Kommissar Benno Schlott, wir haben jetzt den Beweis, daß die Brüder Sparfilz gemeinsam in der Tat der Zigarrenmörder sind: Sie haben gerade die Geheimagentin Cola Quastensenkel in ihrem als Obstgarten getarnten Gemüsegarten umgebracht. Die Frau war berufsgemäß sehr heimlich, mußte immer alles tarnen, aber die Brüder Sparfilz waren verdammt geschickt. Wir haben alles mit einer Videokamera gefilmt, die wir als Kleinwagen getarnt hatten. Den ganzen Mord. Die beiden haben sich als als Apfelbäume getarnte Kohlköpfe verkleidet und ihr eine vergiftete, als Zigarette getarnte Zigarre hingelegt, als die Agentin gerade den Garten mit einer als Kofferradio getarnten Gießkanne goß. Dann hat sie geraucht, fiel tot um, und die Brüder haben um sie herum getanzt und lauter mystische Sachen gesungen. Ach, übrigens: Doktor Prinzenrolle sucht sie schon seit einer ganzen Zeit überall. Er hat, glaube ich, auch eine Spur für sie gefunden und, Herr Kommissar Schlott, sie hatten mal gefragt, ob die Brüder Sparfilz Saunatürenphobiker seien. Nun, was das betrifft: Wir haben keine Ahnung, das müssen sie schon selbst herausfinden, immerhin sind sie ein alter Fuchs." -1 9 6 -
Remigius Flötenschmalz war die ganze Zeit ganz nüchtern und spulte einfach seine Fakten ab. Der Kommissar war aber, wie man sich vorstellen kann ganz und gar nicht nüchtern, obwohl er nichts Alkoholisches getrunken hatte, sondern er war mit einem Mal ganz euphorisch und unglaublich glücklich geworden. Seine Wut war verpafft wie ein Rauchwölkchen aus seiner Pfeife, vorausgesetzt natürlich, es wäre je ein Rauchwölkchen seiner Pfeife entquollen. Die giftigen Qualmschwaden, die er produzierte, polterten in der Regel mit vernehmlichem Krachen zu Boden. Der Greifer bedankte sich kurz bei Flötenschmalz und ließ Ohrpuffer der Form halber noch schönste Grüße ausrichten. Dann legte er auf und warf vor Freude Kußhändchen in die Landschaft. Wie gut, daß das keiner sah, das war nämlich echt peinlich. Nun lenkte der Kommissar den Wagen rasant an den Straßenrand, beziehungsweise auf den Bürgersteig. Sechs Passanten später hatte er den ihn zum stehen gebracht. Es war dem alten Fuchs nämlich etwas eingefallen; es war noch was zu tun, um ein vollständiges Täterbild zu haben und abzurunden; er mußte noch ein paar Spuren klären. Mit Esoterik, versteht sich. Schlott nahm seinen Tatortkoffer hervor und entnahm ihm ein Beutelchen siamesischen Sisalsilbersand, ein Mittel, das auch die asiatischen Hellseher und Wahrsager mit überwältigenden Erfolgen seit mehreren Jahrhunderten gebrauchten. Schlott warf eine Handvoll davon in die Luft und sang dazu das Zauberlied von den acht lustigen Nilpferden. Daraufhin stieg der Sisalsilbersand immer wieder auf und ab und daraus konnte man lesen, was man wollte. Schlott war mal sechsfacher sächsischer Sisalsilbersandsehermeister geworden, obwohl er gar kein Sachse war. Es lag bloß daran, daß Sachsen so eine Meisterschaft machte und der Kommissar sechs mal hintereinander der einzige Teilnehmer war. Dann wurden die Meisterschaften eingestellt. Jetzt sah Schlott in den Sand, um der Frage nachzugehen, ob die Brüder Sparfilz -1 9 7 -
Saunatürenphobiker waren. Vielleicht wußte der Sand ja, was Flötenschmalz und Ohrpuffer nicht wußten. Diese blöden Anfänger! Der Sand aber sagte, er wisse es auch nicht, der Greifer solle die beiden mal in die Sauna einladen. Das "sagte" der Sand natürlich nicht richtig, er hatte ja gar keinen Mund; das gäbe auch überhaupt keinen Sinn, denn dann wäre der Mund dauernd voller Sand. Wer den Mund schon mal voll Sand hatte, der weiß, wie Scheiße das schmeckt. Aber für jemanden mit einem sechstem Sinn fühlte sich so eine Offenbarung ähnlich an wie etwas Gesagtes. Das ist schwer vorstellbar, man muß es wohl mal selbst erlebt haben. Benno Schlott wollte die Brüder Sparfilz für Sonntag um 14 Uhr einladen. Er rief sie gleich an, redete von geselligem Miteinander und lecker Essen, auch Kuchen und so weiter waren dabei im Spiel, aber sagte noch nichts von der Sauna, wegen des Überraschungseffektes. Hanno war am Apparat und sagte auch gleich zu, weil er freute sich immer auf Sachen, die umsonst waren. Der Kommissar hatte aber noch viel mehr Fragen an den weisen Sand und die nächste lautete wie folgt: "O weiser Sisalsilbersand, wie kommen die Brüder Sparfilz an Wigobert Mottenkiffers Adresse?" Der Sand antwortete, daß Wigobert Mottenkiffer der höchste Hohepriester von Nnguk war. Er allein durfte die heilige Netpac - Opferröhre bedienen, den Käffleflits aufkurbeln und das Gotteslos entscheiden lassen, wer Hohepriester werden durfte. Ach ja, Lose... Milupa Schlott, so erinnerte sich der Kommissar, auch wenn es nicht hierher gehören mochte, veranstaltete auch immer zu Weihnachten eine Wohltätigkeitslotterie zu Gunsten armer Menschen, die sonst zu arm waren, ein Los zu kaufen oder zu erwerben. Preise gab es keine zu gewinnen, aber dafür waren die Lose schließlich auch gratis. Das war ein netter Zug von seiner Frau. Zwei Fragen an den magischen Sisalsilbersand hatte der -1 9 8 -
Greifer mit dem sechsten Sinn noch: "Sage mir, o weiser Sisalsilbersand, warum die Sparfilz - Brüder nach so vielen Leichen noch immer nicht Hohepriester sind, wo andere Leute doch höchstens sieben Opfer darbringen mußten?" Die Antwort bestand aus zwei Möglichkeiten; die erste war, daß die Brüder im Grunde nur das Auto und die Kreuzfahrt bekommen wollten, dem Kult an sich hingegen nur mäßiges Interesse entgegenbrachten. Da war es natürlich ungleich schwerer, Hohepriester zu werden. Das klang logisch. Die zweite Möglichkeit, die der Sand nannte war, daß die Brüder schon längst Priester geworden waren, aber das Morden trotzdem nicht lassen konnten, weil sie sowieso schon einen Schaden hatten, der machte, daß sie nicht vom Töten abzulassen vermochten. Auch das war plausibel. Die letzte Frage an den silbrig glitzernden Sand war: "O weiser Sisalsilbersand, warum fanden sich bei Electrola Hundekopf sonderbare Bonbonpapiere; und was haben die schmutzigen Gummistiefelabdrücke zu bedeuten?" Sicher eine Frage, die auch Ihnen, lieber Leser, schon auf der Zunge gebrannt hat. Aber nun kommt die Antwort: Der Sand zeigte durch flimmern an, daß die Bonbonpapiere darauf zurückzuführen waren, daß Sammy Sparfilz ziemlich erkältet war und in solchen Fällen immer Hustenbonbons zu sich nahm. Dann zerknüllte er das Papier auf die Art, wie Schlott es in sein Notizbuch gemalt hatte, und auf die alle Psychopathen in der ganzen Welt Bonbonpapiere zerknüllten. Die schmutzigen Gummistiefel waren ein heiliges Zeremoniengewand beim Tabakkult von Nnguk. Sie standen symbolisch für die Tabakpflücker, die immerzu durch die Matsche laufen mußten, um den Rauchern für ihre Passion nur das Beste vom besten Tabak abzupflücken. Damit hatte Benno Schlott die wichtigsten Fragen geklärt. Er schnippte mit den Fingern und der siamesische Sisalsilbersand rieselte zurück in das Beutelchen, aus dem er gekommen war. -1 9 9 -
Was der Kommissar gar nicht gemerkt hatte in seiner meditativen Versenkung war, daß sich um ihn herum eine große Menschenmenge gebildet hatte, die die esoterische Wahrheitsfindung für die Zauberdarbietung eines Straßenkünstlers hielt. Schlott nutzte die Gelegenheit, um daraus Profit zu schlagen. Er nahm seinen modischen Hut ab, ging damit herum und kassierte ab. Dabei half er noch mit seiner Dienstwaffe etwas nach, wenn jemand Mucken machen wollte. Es kamen über 300 Mark zusammen, das freute den Greifer. Doch plötzlich bahnte sich ein Streifenpolizist einen Weg durch die Menge und beschwerte sich darüber, daß der Kommissar mit seinem Wagen ein paar Passanten weggefetzt hatte. Schlott wollte keine Umstände bekommen und log deshalb einfach: "War ich gar nicht; die lagen schon vorher da, die Penner." Der Polizist glaubte das nicht und wollte gleich kräftig Ärger machen. Er hatte aber nicht damit gerechnet, daß er Kriminalhauptkommissar Benno Schlott vor sich hatte, sonst hätte er sicher nichts gesagt, schließlich waren die Passanten auch nicht tot, sondern bloß schwer verletzt. Zumindest die meisten von ihnen. Aber der Polizist hatte wie gesagt keine Ahnung. Da hatte der Kommissar auch schon seine Polizeimarke gezogen, die hatte er nämlich auch, und gesagt, er sei die Polizei. Das glaubte der dumme Polizist aber nicht und bohrte mit lästigen und uninteressanten Fragen nach. Nun reichte es Benno Schlott aber wirklich! Da er jedoch wieder gute Laune hatte, wollte er keine übermäßige Gewalt anwenden. So nahm er nur einen afrikanischen Fetisch aus seinem Wagen heraus, er hatte immer einige Dutzend davon dabei, drückte ihn dem wichtigtuerischen Streifenkacker in die Hand und verfluchte den Polizisten und seine Familie nach allen Regeln der Kunst. Es sollte ein Rohrbruch passieren in seinem Haus, er sollte nicht befördert werden und die ganze Familie sollte Heuschnupfen bekommen bis in die siebte Generation. Es waren auch noch einige andere Sachen, die standardmäßig so -2 0 0 -
dazugehörten, in dem Fluch enthalten. Nun war es dem Streifenpolizisten natürlich klar geworden, daß es sich um den echten Benno Schlott handeln mußte, den er vor sich hatte, denn niemand anders konnte so gut verfluchen und Zauber machen wie er. Da wurde der Hüter des Gesetztes ganz blaß und begann sich zu entschuldigen, was aber zu spät war, weil der Fluch schon wirkte. Der Polizist begann zu niesen und sich die Nase zu putzen, das war der Heuschnupfen, den er bekommen hatte. Dann machte er sich ganz schnell aus dem Staub, wer konnte schließlich wissen, was der Kommissar noch alles tun würde. Schlott setzte sich unterdessen wieder in seinen Wagen, schmauchte noch ein Pfeifchen und fuhr zu Herrn Hundekopf und seinen beiden Söhnen.
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Kapitel 21 Der Kommissar fragt und schwitzt Herr Hundekopf war gerade von seiner Geschäftsreise zurückgekehrt und suchte schon nach seiner Frau. Das Polizeisiegel an der Saunatür hatte ihn wohl schon stutzig gemacht, aber noch nicht sehr, denn er wähnte seine Gattin offensichtlich noch unter den Lebenden. Schwarze Anzüge und Taschentücher waren noch nicht zum Einsatz gekommen. Knobelmoos, der Butler, war, soviel Schlott wußte, übereilt zu seiner Schwester nach Bad Salzuflen gefahren, der Tod seiner Chefin hatte ihn verdammt mitgenommen und er hatte dem Hausherren nichts gesagt. Wohl vergessen in der Aufregung, die Nullpfeife. Der Mann der Toten war sogar noch ziemlich vergnügt, er pfiff das Lied von der Gurke und den elf Bananen, das ist ein ebenfalls vergnügtes Lied, das aus Indien stammt, aber trotzdem ziemlich schwachsinnig ist, als er dem Kommissar auf sein Klingeln öffnete. Dieser trat diesmal ausnahmsweise mal ganz undienstlich auf, er tat nämlich so, als wollte er menschliche Wärme verbreiten. Betont léger ließ er den Stoff seiner Samtrobe über die Schultern fallen und den Hut mit der breiten Krempe hatte er tief in die Stirn gezogen. Seine Finger waren klebrig von einem Schokoriegel, den er gerade im Wagen verzehrt hatte, alles war voller Karamel. Das war sehr peinlich und Schlott hoffte, Herr Hundekopf würde ihm nicht die Hand geben; es war einfach widerlich klebrig. Es ertönte immer so ein saugendes Schmatzen, wenn er die Hand bewegte. Die Lage war mißlich, denn der frischgebackene Witwer kam gleich auf den Kommissar zu und drückte seine Hand wie ein Vollidiot, der nichts anderes gelernt hatte. Es matschte von Karamel und Hundekopfs Gesicht verzog sich. Er sagte aber nichts. Entweder war er höflich, oder er mochte Karamel. Schlott murmelte mit rotem Kopf "Entschuldigung, Karamel." -2 0 2 -
"Angenehm, Herr Karamel, mein Name ist Hundekopf. Donatello Hundekopf." antwortete der Witwer. "Nein, nein, sie haben da was falsch verstanden. Ich meinte, meine Hände seien klebrig von Karamel. Ich heiße nicht Karamel, sie Garderobenclown, sondern Schlott. Benno Schlott. Kriminalhauptkommissar, Mordkommission, esoterische Spezialeinheit, K2r. Ich habe eine Überraschung für sie: Ihre Frau ist tot. Gestorben." Das war für den Mann der Frau wirklich eine Überraschung, denn sowas war ihm nach einer Geschäftsreise noch nie passiert. Er mußte gleich nochmal nachfragen: "Meine Frau ist tot?" "Ja. Ermordet." Der Kommissar sprach das Wort "ermordet" auf die gleiche Weise aus, wie es Stefan Derrick immer tut. Mit überbetontem, langem "r", etwa wie "errrmorrrdet"; aber kein Zungenspitzen - "r". Das gab dem ganzen einen noch bedeutungsschwierigeren Klang. Hundekopf war ernsthaft betroffen, fing aber nicht zu weinen an, darüber war Schlott froh, denn sonst hätte er ihm eins seiner Taschentücher anbieten müssen, das verlangte die Höflichkeit. Aber er trennte sich nie gerne von ihnen, weil er immer sein Monogramm hineinstickte, in gotischer Schrift sogar, auch wenn es nur Papiertaschentücher waren. Der Kommissar war immer sehr eigen, in allen Sachen. Der Witwer setzte sich auf die Ledercouch, die daraufhin knarrte. "Hey, die muß man wohl mal wieder ölen, was? Ha, ha, ha, kleiner Witz von mir!" sagte Benno Schlott, um den armen Mann etwas aufzuheitern und schlug ihm herzhaft auf die brachiale Schulter. Wenn er guter Dinge war, sollten seine Mitmenschen es auch sein. Das war seine Philosophie. Aber Herr Hundekopf wurde nicht fröhlich, wahrscheinlich wollte er ersteinmal traurig sein. Wenn er jetzt bloß nicht noch zu weinen anfing. Die schönen, bestickten Taschentücher... Nein, er weinte nicht, er zündete sich einen Whiskey an. Das war jetzt der letzte -2 0 3 -
Schrei in der feinen Gesellschaft: "George Mac Drinker's Cool Burning Whiskey". Das war ein sehr starker Whiskey, der angezündet und brennend getrunken wurde. Damit er nicht, im wahrsten Sinne des Wortes, in der Kehle brannte, war er kaltbrennend und tat deshalb nicht weh. Burning Whiskey war eine sehr teure Angelegenheit, aber auch der Kommissar gönnte sich ab und zu einen. Das war etwas für Lunge und Leber zugleich. "Aber wenn es sie beruhigt, Herr Hundekopf, wir wissen inzwischen, wer der Zigarrenmörder ist. Ich denke, morgen können wir ihn, bzw. sie verhaften, es sind nämlich zwei Mörder. Zwillinge." Das hätte doch eigentlich genügen sollen, um den Mann der toten Frau fröhlich zu stimmen. Aber nein, er war immer noch nicht lustig geworden. Jeder andere Kommissar hätte nun seine Pflicht als getan angesehen, aber Herr Donatello Hundekopf hatte Glück, daß er eben nicht an jeden anderen Kommissar, sondern an Kriminalhauptkommissar Benno Schlott von der esoterischen Spezialeinheit (K2r) der Mordkommission der Kripo Bad Salzfischbach geraten war. Der wollte solange nicht gehen, bis Herr Hundekopf lachen würde, auch wenn es hier ziemlich überheizt war, so daß er in seiner schweren Robe ganz schön schwitzte. Er setzte sich zu ihm und schlug ihm erstmal nochmal freundschaftlich auf die Schulter, daß der Whiskey aus dem Glas schwappte und ein kaltes Brandloch auf der Hose des Hausherrn hinterließ. Dabei spritzte Der lustige Greifer den verwitweten Geschäftsmann mit einer Spritzblume an. Die war modisch, deshalb trug Schlott sie recht häufig. Jetzt war Herr Hundekopf ganz feucht im Gesicht und konnte gar nicht lachen. Was tat er statt dessen? Er wagte es doch glatt, ein Taschentuch vom Kommissar zu verlangen, bloß, um sich trocken zu machen. Das bißchen Wasser hätte doch aber wirklich auch an der Luft trocknen können! So ein Mißstand! Zähneknirschend gab Schlott dem Witwer das Tuch und der machte es gleich ganz -2 0 4 -
naß und sich dadurch ganz trocken. Das war der Saugeffekt. Nun klingelte aber ersteinmal das Handy von Benno Schlott und er mußte kurz seine Aufheiterungsbemühungen unterbrechen. Nach dem Telefonat wollte er aber selbstverständlich gleich weitermachen. Er fragte in den Hörer: "Ja, hallo, wer spricht denn dort mit mir?" Es war Edding Prinzenrolle, der ja wohl schon länger nach seinem guten alten Freund Schlott suchte. Er hatte aber auch wirklich sehr viel und sehr wichtiges zu sagen: Er sagte, daß er herausgefunden hatte, daß Wigobert Mottenkiffer der höchste Hohepriester des Tabakkultes war, das hatte er im Kriminalarchiv als eine alte Aktennotiz entdeckt, und er hatte die Verhaftung des Schurken sofort angeordnet. Der pensionierte Richter wurde wohl gerade in dem Moment aus seiner Villa von den besten Elitepolizisten der Stadt abgeführt, aber geheim, denn die Brüder Sparfilz sollten noch nichts davon erfahren, wegen Fluchtgefahr, die bei ihnen sogar verschärft bestand. Aber das war noch nicht alles: Auf einer leeren Flasche Quetschkrötenextrakt, auf der, die bei der Toten von der Bienenkernbrücke gefunden wurde, hatte Prinzenrolle eindeutig die Fingerabdrücke der Brüder Sparfilz entdeckt. Ein weiterer Beweis für ihre Schuld. Sie hatten sich dumm angestellt. Zwar hatten sie wohl Handschuhe getragen, Gummihandschuhe, aber es waren gebrauchte Handschuhe gewesen, die die Brüder einfach gewendet und nochmal benutzt hatten, so daß ihre Fingerabdrücke von innen nach außen kamen, denn innen hatten sie ja schon reingepackt, und diese Fingerabdrücke hatten sich dann von den Handschuhen durch Berührung der Quetschkrötenextraktflasche spiegelverkehrt auf sie übertragen; quasi als Abdrücke der Abdrücke. Das war ein weiterer schwerer Schuldbeweis für die Brüder und wenn nicht noch ein spannendes Showdown käme, dann wäre dieses Buch hier wohl schon bald am Ende. Zu guter letzt hatte der fleißige Gerichtsmediziner noch seinen Freund, den Polizeipsychologen -2 0 5 -
Michelangelo Brausepeter, nach einem Psychogramm der Brüder Sparfilz gefragt. Der Psychologe hatte sich daraufhin Handschriften der Brüder angesehen und sie analysiert und Freunde von Hanno und Sammy Sparfilz befragt, wie die beiden im Umgang mit Frauen so wären. Es war herausgekommen, daß sie echte Mörderpersönlichkeiten besaßen, total schizoid obendrein und daß sie sicher zumindest gerne einmal jemanden töten würden, so aus Hobby, aber noch wahrscheinlicher war es wohl, daß sie schon öfter getötet hatten. Mit einem Mal paßte einfach alles zusammen. Das Puzzle war gelöst und das Rätsel enträtselt, endlich stand der Mörder einwandfrei fest. Wo Edding nun gerade alle die Sachen sagte, fiel dem Kommissar auch noch ein weiteres Indiz ein, nämlich die Tatsache, daß er den Siegelring, den er in Rheuma Gartenpustels Tresor gefunden hatte, auch an den Fingern der beiden Brüder schon gesehen hatte. Natürlich nicht den selben Ring, aber zwei mit ihm identische. Diese Ringe waren die Erkennungszeichen der Tabakkultisten. Das stand mal in einem Buch, das Schlott gelesen hatte, im "Großen Kinderlexikon der Volksmusik". Er gratulierte Edding Prinzenrolle und legte auf. Nun war er nicht mehr nur glücklich nach diesem Anruf, nein, glücklich war er vorher schon gewesen. Jetzt war er sehr glücklich, mindestens. Das alles waren Beweise, was er eben erfahren hatte. Beweise die sogar den mißtrauischsten Staatsanwalt überzeugen würden. Ob die Brüder später im Verhör noch ihre Schandtaten gestanden oder nicht, das war nur noch eine Nebensache. Keine Nebensache war es für den Kommissar trotz allem, den armen Herrn Hundekopf aufzuheitern. All seiner großartigen Erfolge ungeachtet war der Superkommissar eben immer noch Mensch geblieben, ein Mensch mit einem großen Herzen für die Sorgen und Kümmernisse seiner Mitmenschen. Schließlich lebten doch alle in einer Welt. Dieser Spruch "Wir leben alle in einer Welt!" stand auch früher mal über seinem -2 0 6 -
Bett als Transparent. Das war, bevor er die farbenfrohen Leichenfotos dort aufgehängt hatte. "Herr Hundekopf, das waren gerade tolle, tolle Nachrichten vom Revier. Alles ist wieder im Lot, und ich denke sogar, daß ich es möglich machen kann, daß die Leiche ihrer Frau schon morgen zur Beerdigung freigegeben wird. Wenn das kein Anlaß zur Freude ist, was?" Das war gleich eine geballte Salve positiver Aussagen, dazu strahlte Schlott auch noch über seine zur Meditation gefalteten Hände noch zusätzlich positive Energien aus, die sicher nicht ohne Einfluß auf die Shakren des Witwers bleiben würden und er selber grinste wie ein Honigkuchen, um eine lebensbejahende Optik abzugeben. Aber no ch tat sich nichts. Oh je, da fiel dem Kommissar noch etwas ein: Er hatte gerade fast gar nicht mehr daran gedacht: Er mußte den Mann der gewaltsam Verblichenen noch danach fragen, ob die Tote die Brüder Sparfilz gekannt hatte. Aber er konnte natürlich nic ht wie beim normalen Verhör vorgehen, sonst wäre durch aufkommende Dienstlichkeit seine ganze bisherige Trauerarbeit, die er mit dem armen Mann geleistet hatte, für die Katze gewesen. Nein, das wollte der Kommissar nicht riskieren. Er wollte Psychologie anwenden. Wozu konnte er sowas denn schließlich! Das Ganze machte ihm, abgesehen vom Verlust eines Taschentuches, richtig Spaß. Hier konnte er sich und allen wieder einmal beweisen, daß er der Beste war auf allen Gebieten. Außerdem war Leutehelfen ja sein Beruf. Er entschloß sich, das Verhör als heiteres Ratequiz zu tarnen. Er nahm die Hand des Trauernden, drückte sie und sagte mit seiner lieblichsten, rosenblütengleichsten Leutetröstestimme: "Wissen sie, was meine Oma immer gemacht hat, wenn ich traurig war? Sie hat mich beiseite genommen und mit mir ein nettes, lustiges Rätselspiel gespielt. Das hat immer geholfen. Passen sie auf, wir machen das jetzt auch mal zusammen, auch wenn ich nicht ihre Oma bin. Ha, ha, ha, kleiner Scherz von mir für sie. Passen sie auf: Frage eins: -2 0 7 -
Kannten sie oder ihre selige Frau die Brüder Hanno und Sammy Sparfilz, nicht wahr?" Das "Nicht wahr?" war ihm einfach so rausgerutscht und er bedauerte es, weil es so dienstlich klang. Aber Donatello Hundekopf schien es nicht zu bemerken und erkundigte sich, ob es Preise zu gewinnen gäbe. Als der Kommissar ihm erklärte, daß sein Preis sein würde, nicht verhaftet und zwischen zwei unisolierte Starkstromkabel angeschlossen zu werden, da hatte der Mann der Frau es sonderbarerweise besonders eilig zu antworten: "Ja, meine Frau und ich, wir kannten die Brüder Sparfilz. Sie kamen öfter her, um mit ihr und mir in die Sauna zu gehen. Das war leider meist eine sehr teure Angelegenheit, denn beide sind extreme Saunatürenphobiker und hacken sich immer, um hereinzukommen, Löcher von außen in die Wand. Jedes Mal geht das so. Daran gewöhnt man sich aber mit der Zeit, auch wenn es erstmal etwas komisch wirkt." Das war es eigentlich schon, was Schlott hatte hören gewollt, es war ein weiterer Beweis dafür, daß Hanno und Sammy Sparfilz die vielen toten Frauen verschuldet hatten. Aber ein Kommissar läßt niemals locker, wenn er ein richtiger ist. Benno Schlott war ein richtiger. Zu seiner Freude stellte er auch fest, daß das "Quiz" Hundekopf tatsächlich etwas aufgeheitert hatte. Er fragte also weiter: "Wissen sie denn auch etwas von dem Mordtreiben ihrer sauberen Freunde?" Das war jetzt aber die falsche Frage gewesen, denn zu der Trauer um seine Frau gesellte sich nun noch der Schreck hinzu, daß die Hausfreunde in Wirklichkeit wohl ziemlich miesschweinige Mörderkerle waren. Donatello Hundekopf antwortete: "Was? Meinen sie damit etwa, daß die Brüder Sparfilz der Zigarrenmörder sind? Aber, die würden doch dann sicher nicht meine Frau und die Mutter meiner Söhne umbringen. Wir sind doch miteinander befreundet!" "Doch, lieber Herr Hundekopf, die Brüder Sparfilz sind die Mörder und ihre Frau haben sie auch umgebracht. Von der -2 0 8 -
Mutter ihrer Söhne weiß ich nichts. Kleiner Scherz, ha, ha, ha, ha. Ja, die Frau von ihnen ist sogar geopfert worden; geopfert für den finsteren Tabakkult von Nnguk. Freundschaft und Bindung scheinen den Brüdern nicht das Geringste zu bedeuten. Sagt auch der Polizeipsychologe und der wird das schon wissen, immerhin hat er studiert. Die Brüder haben ja auch ihre eigene Frau, Angina Sparfilz umgebracht. Bloß um noch bequem und schnell ein Opfer zu bekommen. Die beiden sind echt verdammt bekloppt. Das Schlimmste aber ist, man merkt es ihnen so im Gespräch gar nicht an. Auch ihre Werbung und ihre Comics sind voll gut und normal. Na ja, das ist es ja auch, woran man Bekloppte immer erkennt, daran, daß sie einen ganz normalen Anschein machen. So leid es mir tut, alter Junge, Hanno und Sammy Sparfilz haben ihrer Frau definitiv die Lampe des Lebens ausgeblasen." Jetzt war dieser Mann immer noch nicht fröhlich. Allmählich wurde auch Schlott sauer, er kam noch mehr ins Schwitzen. Was hatte er nicht alles versucht: Er hatte geredet, er hatte Energien gesendet, war positiv gewesen, hatte Quizshow mit dem Witwer gespielt und sogar eines seiner wertvollen Taschentücher geopfert. Doch Donatello Hundekopf war anscheinend ein absolut depressiver Typ, der sich vom Tod seiner Frau und der Entlarvung seiner Freunde als Mörder den ganzen Tag verderben ließ. Sicher, für den Kommissar selbst wäre das auch ein einigermaßen ärgerliches Mißgeschick gewesen, wenn jemand seine Frau Milupa Schlott ermordet hätte, und er hätte bestimmt auch nach zwei Tagen noch nicht wieder so herzlich lachen können, wie wir alle es so an ihm lieben, weil er seine Frau ja auch ganz schön lieb hatte. Aber im Notfall konnte man sich wenigstens bemühen, etwas Spaß zu verstehen, und sich dann eine neue Frau heiraten. Die Welt ging schließlich weiter. All seine Vorsätze, den dummen Mann zum lachen zu bringe n, waren jetzt verflogen, wie es der Rauch aus Schlotts Pfeife nie tat. Den mußte man anschließend zusammenfegen -2 0 9 -
oder entrümpeln. Der Supergreifer war kurz davor, Hundekopf eine Glasschüssel, die auf dem Couchtisch stand, ins Gesicht zu schlagen, ließ es dann aber sein, weil ihm die Schüssel gefiel. Statt dessen ließ er sie unauffällig unter seiner Robe verschwinden (eine Robe ist übrigens nicht das gleiche wie eine Robbe. Man kann aber natürlich auch aus Robben Roben machen; der Kommissar zum Beispiel fuhr im Urlaub gerne zum Robbenschießen nach Grönland. Er führte sich sowieso überall auf wie der letzte Henker. Umgekehrt kann man aus Roben aber auch Robben machen, wenn auch keine richtig funktionierenden. Ein interessantes Beispiel eigentlich, das aber leider nicht hierhin gehört). Der Kommissar wußte, daß, wenn er nicht gleich das Haus verließ und transzendentale Meditation betrieb, noch ein Unglück geschehen würde. Also verabschiedete er sich hastig von dem Witwer und ging zu seinem Wagen. Die Söhne zu befragen hatte er nun doch keine Lust mehr, das konnte ohnehin nicht viel ergeben, sie waren zur Tatzeit ja gar nicht da gewesen. Er ging also und machte Meditation und es ging bald wieder besser, so daß der Kommissar lässig ins nächste Kapitel rübermeditieren konnte.
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Kapitel 22 Der Kommissar macht ein Spiel und danach was anderes Am nächsten Morgen um 11.00 Uhr spielte Schlott dann doch mit Mogelpilz. Er hatte es ja versprochen. Natürlich verlor der Greifer wieder, sein Freund war immer besser gewesen. Nach seinem darauf folgenden obligatorischen Wutanfall wartete der Kommissar, daß die Brüder Sparfilz kamen, weil sie waren eingeladen. Um 14 Uhr waren sie dann da, mit einem großen Blumenstrauß für die Dame des Hauses, Milupa führte den Laufvogel gleich in den Lustgarten zu den Flamingos, und nahm ihm vorher noch die Blumen aus dem Gefieder, und einer Flasche "George Mac Drinker's Cool Burning Whiskey" für den Kommissar darselbst. Ja, sie hatten Manieren, die beiden. Schlott hatte zwar keine Manieren, aber saure Nieren. Die sollte es zu essen geben. Schlott mochte keine sauren Nieren; aber er aß ab und zu ganz gerne mal Sachen, die ihm nicht schmeckten. Der Greifer ließ sich durch die Geschenke natürlich nicht einschleimen und betrachtete die Brüder weiterhin aus objektiv distanzierter Sicht und als Mörder, die sie ja nun einmal waren. Es gab gleich das Essen, es kam an den Tisch, wurde von Milupa gebracht. Es war schön, sich bedienen zu lassen, denn wenn man sich bedienen ließ, brauchte man nicht selber arbeiten. Es wurde einiges belangloses Zeug geredet, der Kommissar sagte ganz offen, daß er Hanno und Sammy Sparfilz für die Mörder und für ganz schweinsohrige Fieskerle hielt, diese bestritten das aber deutlich und ließen sich die Mahlzeit schmecken. Es wurden auch Sachen gesagt wie "Oh, saure Nieren. Das ist ja mal was anderes." oder "Hmm, Chantré. Das ist mein Lieblingsweinbrand, weil nämlich der ist weich und rund im Geschmack." -2 1 1 -
Danach servierte Milupa Kaffee und Kuchen, es war ein selbstgebackener Salzteigkuchen, und der Kaffee hatte ein tolles Verwöhnaroma ohne Halbetasseneffekt. Das mundete allen, Schlotts Frau aß auch noch mal mit, obwohl sie wußte, was in dem Kuchen drin war. Der Greifer nannte die Brüder skrupelloses Mördergesindel und bot ihnen noch ein weiteres Stück Kuchen an, das sie gerne nahmen, man sah, wie es ihnen schmeckte. Doch dann kündigte der gerissene Fuchs Benno Schlott die besonderste Überraschung des ganzen Tages an: "So, liebe mordverdächtige Bestien, verehrtes Lumpenpack, meine liebe Milupa Schlott, nach diesem guten Essen wollen wir den Tag mit etwas total Besonderem beschließen: Mit einem Besuch in unserer Heimsauna mit offenem Kamin. Kommen sie bitte alle hinter mir mit!" Er ging zur Sauna hinüber, hinter ihm die Brüder Sparfilz und Milupa zum Schluß. Diesen Test wollte er, auch wenn Herr Hundekopf gesagt hatte, daß die beiden Schiß vor Saunatüren hatten, noch machen. Zeugen konnte man nie trauen. Der sechste Sinn des Kommissars sah, wie die Gesichter der Mörder blaß anliefen. Der Gedanke, gleich durch eine Saunatür gehen zu müssen, erschien ihnen als zutiefst gräßlich und furchterregend. Ja, die Falle würde zuknallen. Vorsichtig fragte Sammy: "Sauna, muß das denn sein? Ich schwitze so ungern und Hanno übrigens auch. Wie wäre es, wenn sie uns statt dessen lieber ihren Orangenhain zeigten, der in der ganzen Stadt Tagesgespräch ist?" Ha, das würde den Brüdern mal so passen! Da ließ sich der Kommissar erst gar nicht mit einwickeln. "Ach was, meine Saunakultur ist auch in der ganzen Stadt ein Tagesgespräch. Und wenn sie schon nicht saunen wollen, dann möchte ich ihnen wenigstens die vortreffliche Isolierung der Innenwände vorführen, da bin ich nämlich sehr stolz drauf, denn die habe ich selbst gemacht. Und die schönen Usambaraveilchen meiner Frau innen auf dem Fensterbrett sollten sie auch auf -2 1 2 -
keinen Fall verpassen. Es handelt sich um eine italienische Züchtung. Aus Nizza." Man hörte förmlich den Angstschweiß auf den Stirnen der beiden Brüder perlen. Schlott genoß es; Milupa stand etwas entfernt und lächelte leise vergnügt in ihren Bart hinein. Die Angst konnte sie den Mördern nachfühlen, sie besaß ja selbst eine Saunaportaphobie, wie man in der Fachsprache dafür sagte, und sie wußte, daß die Brüder Sparfilz keine Ahnung davon hatten, daß eine raffinierte Kranvorrichtung existierte, damit man durch das Dach einsteigen konnte. Hanno Sparfilz klammerte sich an den letzten rettenden Strohhalm und fragte: "Können wir nicht ein Loch in die Wand schlagen und dadurch einsteigen? Dann könnten wir auch gleich die Isolation quasi im Querschnitt bewundern. Was hielten sie davon?" Plötzlich hielt der Kommissar wieder seine brennende Pfeife in der Hand, denn nun wurde es wieder dienstlich. Keiner wußte, wo er die Pfeife so schnell wieder her hatte, er mußte sie schon brennend in der Tasche seines neuen Wellblech Trenchcoats gehabt haben, anders war das nicht zu erklären. Der Greifer hatte sie übrigens mit Edding rot angemalt. Er malte oft mit seinem Freund Edding Prinzenrolle irgendwelche Dinge an, das machte Spaß. Aber an der Pfeife sah rote Farbe ziemlich Scheiße aus. Er würde sie am Abend wieder entfärben, es ging doch nichts über Natur. "So, so, ein Loch in die Außenwand schlagen und da durchklettern. So wie bei Electrola Hundekopf, bevor ihr sie ermordet habt, was? Ha! Ich weiß ganz genau, daß ihr Saunaportaphobiker seid, nicht wahr; ihr habt eine Todesangst vor Saunatüren, ihr Gesindel. Hat irgendwas mit frühkindlichen Traumata zu tun, vielleicht seid ihr mal von einer Saunatür beim Spielen auf der Straße angefahren worden. Auf der Straße soll man ja auch gar nicht spielen. Ja, da guckt ihr, ich weiß bescheid, nicht wahr! Ich habe auch Beweise, daß ihr der Zigarrenmörder seid. Den letzten Mord, die Geheimagentin, ihr -2 1 3 -
wißt schon, den haben meine sehr heimlichen Beschatter auf Video gefilmt. Außerdem habe ich eure Fingerabdrücke auf einer Mordflasche Quetschkrötenextrakt, die unter der Bienenkernbrücke lag, sichern lassen, und ich habe ein Foto, nicht wahr, wie ihr meine Büromöbel entführt habt, und noch so einige andere Sachen. Mir ist außerdem aufgegangen, daß das Rätsel aus dem Dostojewski nicht "Geldbillardspielfeld", sondern "Sparfilz" ergibt. Denn das Schwein ist ein SPARschwein, und für Billard braucht man einen grünen FILZ. Ich habe mich in einem Billardzubehörgeschäft mit Fachleuten darüber unterhalten. Nach Feierabend. Außerdem habe ich noch viele, wenn nicht sogar etliche andere Beweise, nicht wahr; und ich habe einen schönen, fetten Haftbefehl für euch beantragt. Hanno Sparfilz, Sammy Sparfilz, sie sind vorläufig festgenommen, im Namen des Gesetzes, nicht wahr." Die Brüder waren wie vom Schlag geschlagen und starrten den Kommissar ungläubig an. Sie hatten ihn einfach unterschätzt. Das passierte Benno Schlott immer, denn kein Mensch hatte ein groß genuges Fassungsvermögen im Hirn, um zu ermessen, wie gut der Kommissar wirklich war. Doch die Paralysierung der beiden Zigarrenmörder hielt nicht lange genug an, um von Dauer zu sein. Als Benno Schlott in den Taschen seines Trenchcoats gerade intensiv nach den Handschellen suchte und bloß ein Foto von dem Ehering, den er auf dem Friedhof gefunden hatte, entdeckte, es hatte sich niemand auf die Zeitungsannonce gemeldet bisher, der Ring war wohl doch keine Spur vom Mörder, da sausten die sauberen Brüder wie vom Blitz getroffen vom Grundstück der Schlotts, sprangen mit Anlauf über den fünf Meter hohen Zaun und waren verschwunden. Der Kommissar sagte: "Mißstand!" und machte ein mieses Gesicht. Was sollte er jetzt tun? Er wollte zuerst einen Termin bei seiner Kartenlegerin ausmachen für Montag, vielleicht konnte die ihm helfen, aber sie war auf Wochen hin ausgebucht und -2 1 4 -
hatte auch keinerlei Verständnis dafür, daß dies ein Notfall war. So ein Mißstand. So ein gottverfluchter Mißstand aber auch! Er mußte die Fahndung einleiten, aber ganz schnell. Ach nein, die Streifenpolizisten stellten immer mehr Mist an, als sie Fälle lösten, und dann kam zu guter Letzt vielleicht auch noch die ktU zum Einsatz und spätestens dann war immer alles verloren und keine Spur mehr zu retten. Der einzige Mann, dem er vertrauen konnte bei der Fahndung, der war sein Freund Detlef Sportfuß. Vielleicht konnte der helfen. Die Brüder Sparfilz würden sich sicher baldmöglichst ins Ausland absetzen und dann hatte der Kommissar den Salat, dann konnte man sie nicht mehr so leicht finden, weil das Ausland war immer voller Versteckwinkel! Ausland war das Schlimmste, was einem Kommissar während der Ermittlungsarbeiten passieren konnte. Doch damit war sein Unglück noch nicht besiegelt: Dem leidgeprüften Spitzenpolizisten fiel ein, daß Detlef Sportfuß seit gestern im Urlaub war, zum Skilaufen in den Alpen, wie alle Leute, die Zeit dazu hatten und ein paar Skier. Die letzte Möglichkeit, die Schlott hatte, war nun noch die Esoterik. Er fing gleich an, Esoterik zu machen. Er ging in seinen Meditationsraum und beugte sich über die große Kristallkugel, ein sehr teures Stück aus echt Meißener Kristall, das früher einmal Merlin, dem berühmten Magier persönlich gehört hatte. Eine Firma für Zauberartikel hatte sie dem Zauberer der Sage zufolge als Werbegeschenk vermacht. Der Kommissar brummte ein paar mystische Formeln, woraufhin die Kugel in mattgrünem Licht erstrahlte, was sehr effektvoll war und ohne Strom funktionierte. Schlott hatte deswegen alle seine Privatgemächer mit Kristallkugeln als Lichtquelle ausgestattet. Zum Sparen. Man mußte dort, statt einen Schalter zu drücken, eben bloß mystisch brummen. Milupa mochte aber magische Lampen nicht, deshalb gab es in ihren und den gemeinsam genutzten Räumen hingegen bloß echtes Licht aus dem Kabel. Nachdem der Greifer genug vor der -2 1 5 -
Kugel meditiert hatte, konzentrierte er sich auf die Brüder Sparfilz und hatte sie bald gefunden: Mit eilig gepackten Reisetaschen und Skiern befanden sie sich am internationalen Bahnhof in Bad Salzfischbach und nahmen gerade den ICE nach Bad Oberbraubach in Österreich, einem großen Skigebiet um die beiden 2000er - Berge Tafelspitz und Trinkhorn. Sie flüchteten also nach Österreich und wollten dort über die Piste fetzen und sich einen Lenz machen. Aber wahrscheinlich wollten sie auch, wenn Gras über die Geschichte gewachsen war, wieder morden. So Leute mordeten immer. Nun war Eile geboten für den Kommissar. Der Zug sollte in einer halben Stunde abfahren. Hastig packte Benno Schlott seine Skier und einige Sachen zusammen, sagte Milupa, er müsse weg, die Brüder fangen, gab ihr einen feinen Kuß und stieg in den Wagen. In weniger als einer Minute war er auf dem Bahnsteig angekommen. Er hatte es einfach nicht für nötig gehalten, vor dem Bahnhof anzuhalten, sondern war bis auf den Bahnsteig mit dem Auto gefahren. Ab 300 km/h ebnete sich ein Wagen seinen Weg automatisch. Glücklicherweise hatte der Kommissar bei seiner Fahrt auch den Zugführer überfahren, wodurch sich die Abfahrt stark verzögerte, man mußte nämlich erst einen neuen bestellen, der fahren wollte, und die Reste des alten wegkratzen. So hatte der Greifer noch Zeit, dafür zu sorgen, daß sein roter Flitzer mit auf den Zug aufgeladen wurde, ohne ihn fühlte er sich nämlich einfach nackt. Als das geschehen war, besuchte er schnell noch die Bahnhofstoilette, klebte sich einen künstlichen Vollbart an und setzte eine von Milupas knallbunten Karnevalsperücken auf. Für eine Verkleidung im Notfall hatte Benno Schlott in allen seinen Kleidungsstücken eine Geheimtasche, die mit Tarnartikeln gefüllt war. Das hatte er sogar Derrick voraus. So war er getarnt, daß sich die Balken bogen und die Brüder Sparfilz nicht gleich merkten, daß er der Mann mit den Handschellen war, der kam und verhaften wollte. Erstma l mußte er sie überhaupt finden, denn der Zug war ein ganz besonders -2 1 6 -
langer mit vielen Schlafwagen, zwei Speisewagen, einem Kinowagen, einem Discowagen, einem Fitneßstudiowagen, zwei Supermarktwagen, einem Änderungsschneidereienwagen, einem Telefonzellenwagen und einem Eiscaféwagen. An jeder Station kamen außerdem noch mindestens zwei weitere Wagen hinzu. Natürlich hatten gerissene Leute, die die beiden Zwillingsbrüder garantiert waren, in einem solchen Zug tausende von Möglichkeiten, sich zu verstecken. Und wenn der Kommissar auf die Idee gekommen war, sich zu verkleiden, hatten die beiden sicher einen ähnlichen Einfall gehabt. Er konnte wohl kaum damit rechnen, sie unverkleidet und unter dem Namen Sparfilz anzutreffen. Ja, es lag ein gutes Stück Detektivarbeit, bzw. Kriminalhauptkommissarsarbeit vor Benno Schlott, denn ein rascher Blick in seine Reisekristallkugel zeigte ihm, daß im Moment auch die Esoterik ratlos war. Es war also konventionelle Arbeit angesagt. Zu allererst jedoch mußte es dem Kommissar überhaupt gelingen, in den Zug reinzukommen. Es stand nämlich ein Mann vor der Zugtür, wo alle Fahrkarten kontrollieren wollte, das war in Bad Salzfischbach so üblich. Schlott hatte keine Karte, weil er eine Polizei war, und die braucht sowas nicht. Der Mann fragte: "Haben sie eine Fahrkarte?" Der Kommissar sagte: "Nein, du Flachtassenschnorchler. Und frag' nicht so dämlich." "Dann brauche ich ihren Namen, und sie müssen mir sagen, bis wo sie fahren wollen. Dann mache ich ihnen eine Fahrkarte und die müssen sie mir abkaufen." bot der Mann an. Das war fair von ihm. Der Greifer beschloß, noch einmal davon abzusehen, diesen geldgeilen Klosettdeckelfaschisten von einem Schaffner niederzuschlagen, weil wegen dem Aufhebens, das er sonst erregt hätte. "Also, ja, ich heiße Herr Klebefrosch und möchte nach Bad Oberbraubach; am besten in der allerersten Klasse, mit Blick aufs Meer." gab der trickreiche Esoteriker an; so eine falsche -2 1 7 -
Identität war manchmal von Nutzen. "Klebefrosch. Und wie ist ihr Vorname?" Das war eine Frage, auf die Benno Schlott nicht gefaßt war. Er hatte nämlich nie daran gedacht, seiner zweiten Identität auch einen Vornamen zu geben. Herr Klebefrosch war bisher immer genug gewesen. Was mußte dieses Spülwassergesicht auch immerzu nachfragen. Der Kommissar war doch wohl nicht im Verhör; der wollte doch bloß eine Karte haben zum Fahren! Trotzdem konnte er noch einmal ein Platzen seiner Tarnung verhindern. "Oh, ich habe keinen Vornamen, ich heiße einfach nur Klebefrosch. Wieso weiß ich nicht genau, aber ic h glaube, es liegt daran, daß meine Eltern sehr fromme Katholiken waren, aber keinen Taufpaten für mich gefunden hatten nach meiner Geburt, und es so vorzogen, lieber gleich das ganze Taufen und Namengeben sein zu lassen, als mir einen Vornamen zu geben ohne den Segen von der Kirche." Das reichte dem Kontrollbeamten und er füllte einen Fahrschein für die allererste Klasse aus, mit Blick aufs Meer. Das kostete ein Vermögen, aber darüber sah der Kommissar bereitwillig hinweg, wenn er nur bequem reiste. Er würde die Fahrtkosten später ohnehin auf das Spesenkonto der ktU ausschreiben lassen, er war seit einigen Jahren sogar dazu übergegangen, seine Lebensmittel auf Kosten der ktU einzukaufen. Nie hatte jemand etwas davon gemerkt. Das war wirklich die dusseligste Truppe abgehalfterter Fußmattenkomiker, die man sich nur vorstellen konnte. Wenn der Kommissar wem was davon erzählt hätte, der hätte das wohl wahrscheinlich für Scheiß gehalten! Zu Zeiten von Udo v. Schlechten - Eltern war das so gewesen und daran hatte sich auch unter Fürchtegott v. d. Seite, dem neuen Chef, nicht das Geringste geändert. Der Kommissar betrat nun mit dem Fahrschein den luxuriösen -2 1 8 -
Zug, der sogar mit einem Kuhfänger ausgestattet war, aber nicht, wie bei den Westernloks vorne, sondern hinten, weil nämlich es gab in den Alpen eine besonders aggressive Sorte Kühe, die immer hinter dem Zug herlief und ihn beißen wollte. Das kam von dem Hormonüberschuß, den die Kühe mit der vom Bauern genmanipulierten Milch auftrinken mußten. Da konnten die nix gegen machen. Kühe sind halt doof. Aber dafür schmecken sie uns lecker. Zum Beispiel beim Mittagessen. Innen war der Zug auch sehr nobel, er hatte Schlafwagen, die Hotelzimmern in nichts nachstanden, sah man einmal davon ab, daß Hotelzimmer bei der Fahrt nicht ruckelten, und er war mit allem Komfort ausgestattet, den zu wünschen es gab. Schlott hatte das schönste Zimmer von allen, es war auch das allererste im Zug überhaupt, wenn man von der hinteren Haupteinstiegsluke aus zählte zumindest. Deshalb, weil es nicht nur das erste Zimmer der ersten Klasse, sondern das allererste der allerersten Klasse war trug es die Nummer 00, statt 01. Der Greifer packte gleich seine Sachen aus, nahm sich einen Drink aus der Minibar zu Gemüte und betrachtete seine schöne Aussicht durch das durchsichtige Fenster an der Wand. Dieser Schlafwagen war in der Tat sein Geld wert. Nur leider merkte Schlott recht schnell, daß er wenigstens einen Nachteil hatte: Durch seine Numerierung hielten ihn alle Leute für die Toilette, zumindest die blöden, und pausenlos ging die Tür auf, daß es ein regelrechtes Stelldichein war, und immer wieder mußte der Kommissar sich ein "Oh, Verzeihung, da habe ich mich wohl geirrt!" anhören. Als ein Mann dann auch noch an das kostbare Schlummerbett des Zimmers pinkelte, reichte es dem geduldigen Kommissar: Er schoß dem Kerl links und rechts die Ohrläppchen weg, trat ihn vor die Tür und schloß ab. Wenn er ehrlich war, hätte er diesem Nacktduscher am liebsten noch die Eier abgebissen. Nun hatte er aber die Ruhe und Einkehr, die er brauchte, um sich mental vorzubereiten. Er packte seinen esoterischen Tatortkoffer aus -2 1 9 -
und entnahm ihm einen persischen Kümmelkäse der absoluten mystischen Weisheit, der von alten persischen Wüstenmönchen unter Ausschluß der Öffentlichkeit bei Vollmond während des geheiligten Rituals von Al Khaselzer gebraut wurde. Er hatte eigentlich keine besondere Wirkung, aber er schmeckte dem Kommissar ganz ausgezeichnet; und das war schließlich die Hauptsache. Während er den Käse aß, schwebte Benno Schlott ein wenig im Zimmer umher und rauchte gleichzeitig seine Pfeife. Den Rauch blies er zum Bauchnabel wieder hinaus, das war eine alte buddhistische Atemtechnik, die den Geist reinigen und dazu lustig aussehen sollte. Als der Geist von dem Kommissar total sauber war, ging Benno Schlott in den Speisewagen, um was zu essen und dabei heimlich Leute zu befragen. Der Speisewagen war auch sehr adrett gestaltet, alles war in goldblond und zimtblau gehalten und auf jedem Tisch palmte ein dazu passendes Blumenb ukett auf. Benno Schlott setzte sich, natürlich ohne vorher zu fragen, an einen Tisch, wo eine Familie saß. Der Mann wollte einwenden, daß der Stuhl, auf dem der Kommissar saß, schon besetzt sei, aber Schlott erwiderte höflich, daß ihm das nichts ausmache. Der Ober kam und brachte Schlott die Speisekarte, dann ging er wieder. Nach einiger Zeit entschloß sich der Greifer, als Vorspeise ein "Creux de Vogens" auf "Enfois berlandaise" zu bestellen, als Hauptgang wählte er "Hormantes àquessées à la maison" an einem Spiegel von "Pourlette magnorale" mit passierten "Haureaulettes provencales". Als Dessert schließlich wollte er "Lognard antousse" auf "Poumelles brulées" nehmen, das hatte der Mann an Tisch sechs auch und es schien ihm zu schmecken. Der Ober kam wieder und nahm dem Kommissar die Speisekarte weg. Er wollte sie aber behalten, haute dem Ober auf die Finger und bestellte sein Essen. Dann dauerte es eine Weile. Der Kellner hatte sehr distinguiert dreingeblickt und war in der Küche verschwunden. Das konnte dauern, bis dann da -2 2 0 -
sein lecker Essen schließlich hervorkommen würde. So war das immer: je teurer, desto länger. Diese scheißvornehmen Freßläden, das waren doch alles Trödelvereine! Er befragte deshalb solange die Familie an seinem Tisch, er war ja nicht zu seinem Vergnügen hier. Um sich zu tarnen, hielt er sich bei der Unterhaltung den Blumenstrauß vom Tisch vors Gesicht. Niemand sollte unnötig sehen, daß der Zivilist Herr Klebefrosch hier Leute ausfragte. Er fragte: "Darf man fragen, wie sie heißen?" "Darf man fragen, wer sie sind?" kam die Antwort vom Vater der Kinder, die auch da waren und das Ehepaar zur Familie machten. Eines der Kinder quengelte pausenlos, weil Schlott auf seinem Platz saß. Und das, ohne daß das Kind vorher aufgestanden wäre. "Ich bin der Herr Klebefrosch und stelle heimliche Fragen, die niemand weitererzählen darf." antwortete Schlott, der sich raffiniert vor hütete, zu sagen, daß er Benno Schlott war, denn er wußte, worauf es bei einer Tarnung ankam: Man durfte nicht zeigen, daß man offiziell wer anders war, als der, der man eigentlich gar nicht war. Polizeihochschule, Semester Numero eins. "Gut. Ich heiße Gundofried Pollentasse. Und das da ist meine Familie." Benno Schlott mußte alles ganz sicher wissen. Er mußte unbedingt bei allen überprüfen, ob sie etwa die gesuchten Mörderbrüder waren. Eigentlich auch bei dem etwa fünfjährigen Mädchen. Deshalb fragte er: "So, so. Und wie heißt ihre Familie?" "Die heißt auch Pollentasse. Wir heißen alle Pollentasse." war die Antwort. Das klang zwar richtig, aber wie konnte der Kommissar bloß endgültig und vor allem definitiv wissen, daß diese Leute wirklich die waren, die zu sein sie vorgaben? Da gab es nur den -2 2 1 -
einen, den direkten Weg: "Kann ich bitte mal ihre Papiere sehen? Wissen sie, ich interessiere mich ungeheuer für Paßfotos. Paßfotos sind regelrecht mein Leben, kann man fast sagen, ha, ha. Da hat man immer was zu lachen, weil nämlich die Leute sehen da meist so bescheuert drauf aus, das glaubt man nur, wenn man's selbst gesehen hat. Urkomisch, sage ich ihnen!" Es klappte! Der Vater der Kinder, die Frau des Vaters der Kinder und die Kinder der Eltern, alle holten sie ihre Papiere heraus und zeigten sie her. Ihre Gesichter, die sie dabei machten, ließen zwar darauf schließen, daß sie Herrn Klebefrosch für völlig unzurechnungsfähig, oder zumindest für nicht ganz dicht hinter den Ohren hielten, aber das machte ihm nichts. Für einen harmlosen Irren gehalten zu werden war immer noch besser, als wenn sie ihn als den besten Polizisten der Welt erkannt hätten. Es bestand kein Zweifel, die Eltern und die Kinder waren echt. Dann konnte der Kommissar ja endgültig mit seiner brandheißen Frage herausrücken: "Sind ihnen hier im Zug eigentlich zwei Leute aufgefallen, die aussehen, wie Zwillinge? Ich frage nur rein interessehalber. Bin ja schließlich kein Polizist. Ha, ha, ha, kleiner Witz!" Frau Pollentasse, laut ihres Ausweises war ihr Vorname Chiquita, antwortete: "Ja, da wären die berüchtigten Häßler Zwillinge Alice und Ellen, die eine Tournee machen, die Jacobs - Sisters, die siamesischen Zwillinge Diethelm und Pankratius Pantoffelkeks, die Roggenbräu - Zwillinge und noch etwa 50 andere Zwillingspaare, die alle nach Bad Oberbraubach zum internationalen Zwillingskongreß fahren." Das konnte schwer werden, da die Brüder Sparfilz herauszufinden, aber er würde es als Superkommissar natürlich schaffen. Fürs erste reichten ihm aber diese Informationen und Schlott beschloß, in seinen Schlafwagen zu gehen und ersteinmal auszuschlafen, der Streß in den letzten Tagen mit den vielen Leichen und seinem runden Geburtstag hatte den strebsamen Polizisten doch ein wenig überanstrengt. Er aß noch -2 2 2 -
sein Essen, das sehr lecker war, und auch nach einer Weile mit Hilfe des Obers an seinen Tisch gekarrt kam, und dann ging er zum Bett hinein. Er schlief gut und lange und erwachte erst am nächsten Morgen und auch da erst, als er wirklich munter war. Das war um zehn Uhr.
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Kapitel 23 Der Kommissar liest und will fangen gehen Als am nächsten Morgen der Wecker des Kommissars krähte, da störte ihn das nicht. Er stellte ihn wie im Reflex ab und schlief noch ein wenig. Dann stand er auf, putzte sich die Zähne blank und pflegte seine Füße mit farbloser Schuhcreme. Das tat er immer, es war auch notwendig, denn er ging im Haus viel barfuß, und da man seine Füße nicht einfach so wegwerfen konnte, wenn sie unansehnlich geworden waren, sorgte man am besten dafür, daß es gar nicht erst so weit kam. Schlotts Füße waren noch schön ansehnlich. Er hatte auch mal eine Zeitlang als Fußmodell bei Scholl gejobbt. Danach las er ein wenig in seiner Anthologie "Schattendämmerung". Sie enthielt expressionistische Lyrik, die Schlott so sehr liebte. Es war eine wirklich gelungene Sammlung. Die meisten Gedichte darin hatte der Kommissar unter Pseudonym selbst geschr ieben. Es gab ein Gedicht, das gefiel dem Greifer so gut, daß er es sich häufig vor dem Spiegel vorlas. So auch an diesem Morgen. Es war vom Greifer unter dem Pseudonym Max Pechstein geschrieben worden und hieß "Der Teeweg": "I. Der erste wahre Gestalter, Entstammend bürgerlichen Kreisen, Wurde Zen - Mönch. Laß', liebe Mutter Wenn der glückliche Biber kräht Deinen Teetopf in der Küche. -2 2 4 -
Du aber wirst Teemönch, Ohne Ausnahme in Deiner Liebe Rührst Du den Schöpfeimer schöner zum Tee. II. Verkoste in Deinem Pavillon Tee und den Duft stiller Blumen, Den strengen Kodex Deiner Fischgerichte. Verkoste den Duft Deiner Fischgerichte, Tee und den strengen Kodex Stiller Blumen in Deinem Pavillon. Den strengen Tee in Deinem stillen Pavillon, Den Duft und den Blumenkodex Deiner Fischgerichte, verkoste den. III. Fließe in Deine Ausübung, Gestalte tiefes Mitempfinden, Du, Mönch, der den Brauch neu belebte. Dein Weg ist Blumen, Ist Tee und schimmernder Eimer, Darin Dein Teegerät erwacht. Dein Weg ebnet innere Stille, -2 2 5 -
Tuschebild des heiligen Berges, Da in Dir Geist und neuer Morgen erstrahlt." Wer Gedichte nicht mag, muß diese Stelle nicht lesen, sie ist nicht unbedingt notwendig zum weiteren Verständnis von der Handlung, es ist einfach nur ein tolles Gedicht, das der Kommissar gerne mochte, wenn er mal expressionistisch wurde. Zugleich war dieses Gedicht auch Zen und fernöstliche Kunst, und mit sowas auf den Lippen hoffte Benno Schlott, würde der Tag gut werden. Eine Hoffnung, die sich leider nicht ganz erfüllte. Als er in seine neuen Hosen schlüpfen wollte, da merkte der Greifer, daß die Hosenbeine über Nacht gewachsen waren, um mindestens drei Zentimeter. Die Erklärung dafür war einfach: Die Hose bestand aus naturbelassener Pflanzenfaser und war im Bad etwas feucht geworden. Und alles was Pflanze und feucht war, neigte nun einmal stark zum Wachsen. In diesem Falle war das mißlich, denn das raubte Schlott wertvolle Zeit zum Herumsuchen nach den Mördern. Nun mußte er in den Änderungsschneidereienwagen gehen, der ganz am anderen Ende des Zuges war. Erstmal wollte er aber frühstücken, denn er ließ sich als freier Mensch nicht von einer zu langen Hose vorschreiben, wohin er zuerst zu gehen hatte. Nun ging er halt in Unterhosen durch den Zug. Na und? War das vielleicht etwas anderes als..., als..., als eben etwas anderes? Na eben. Das Frühstück war lecker und reichhaltig, es gab Bananentoast, Walfischsalami, Brötchen in jung, mittelalt und alt, Milch in allen Farben, Marmelade in Aspik und noch so viele andere Sachen, auch konventionelle, so wie Safrancroissants und Kaffee im Blätterteigmantel. Aber das war öde, der Kommissar mochte es gerne ausgefallen. Seine Vorderzähne waren auch ausgefallen. Jetzt war dort eine Lücke; man sah sie aber nicht, denn sie war aufgefüllt mit neuen, -2 2 6 -
unechten Zähnen aus dem Zahnarztkatalog, aber das hatte noch niemand, auch nicht der Zahnarzt gemerkt, denn Schlott hatte sich die neuen Zähne in seinem kleinen Genlabor im Hobbykeller selbst aus einem Nährgelee herangezüchtet. Der Zahnarztkatalog hatte nur zur Vorlage gedient. Die Dinger sahen voll so aus wie die alten Zähne, waren dafür aber selbstreinigend und unzerbrechlich. Das sparte morgens beim Zähneputzen enorm viel Zeit, weil man einfach drumherumputzen konnte, und das war ein echter Vorteil. Benno Schlott nahm ein Croissant aus dem Korb und warf es einer dicken Dame mit einem kleinen Hund auf dem Arm an den Kopf. Ihm war einfach so danach. Leider war das Croissant vorschriftsmäßig gekrümmt und flog deshalb wie ein Bumerang einen großen Bogen und dem Kommissar wieder direkt vor die Füße, was ihn zwangsläufig als den Werfer entlarvte. Mein Gott, war das peinlich! Schlott vergaß es einfach ganz schnell wieder, dann mußte er sich nämlich nicht mehr länger schämen dafür. Aber der Kerl, der schämte sich ja sowieso nie. Für garnix! Alle Leute, die vorbeikamen, sahen, was ihn ärgerte, recht merkwürdig auf die Beine des Kommissars. Er wußte nicht genau, ob das an seiner Tätowierung lag, die ein Teddybärchen und ein kleines Kind mit Nuckel zeigte, oder vielleicht daran, daß er seine Beinhaare hennarot gefärbt hatte, oder, ob sie es schlicht und einfach bloß deswegen taten, weil seine Unterhose aus gelbem Latex war und vorne ein Vorhängeschloß trug. Aber von solchen Blicken ließ ein Mann wie er sich nicht irritieren. Nach dem opulenten Frühstück ging der Kommissar zur Änderungsschneiderei und sagte dem Mann hinter dem Ladentisch, er müsse die Hosenbeine kürzer machen, solle aber aufpassen, weil das Stoßband unten aus verchromtem Leichtmetall war. Der fleißige Mann fing gleich zu ändern an und der Greifer wartete daneben und schaute zu. Auf einmal hörte er, so aus dem Augenwinkel, wie die Ladentür geöffnet wurde und vier Füße das Geschäft betraten. -2 2 7 -
Zwillinge! durchfuhr es ihn. Auch wenn hier Kongreß war, es bestand immerhin die kleine Chance, daß es sich um die Mordbrüder handelte. Langsam drehte sich der Kommissar, alias Herr Klebefrosch, um und sah die neuen Kunden an. Der eine war groß und bärtig, der andere auch, sie sahen gleich aus, Zwillinge eben. Nein, sie sahen nicht aus, wie die Brüder Sparfilz, aber konnte man mit Sicherheit sagen, daß sie es nicht waren? Nein das konnte man nicht; man mußte es erst herausfinden. Und genau das gedachte der Kommissar in diesem Moment zu tun, und zwar mit List. Er sagte dem Änderungsmann, er solle weiter ändern und sich nicht stören lassen. Dann ging er zu den Zwillingen und zog sie kräftig an den Bärten und den Haaren. Beides hielt und schien echt zu sein. Die Brüder schrien, weil es sicher gehörig weh tat, mit soviel Kraft an den Haaren gezogen zu bekommen, wie der Kommissar aufgewandt hatte. Als es genug geschmerzt hatte, fingen die Zwillinge an, sich zu beschweren, aber Benno Schlott der allen immer die Wahrheit sagte, erklärte ihnen, daß er wegen zwei Mördern alle Zwillingspaare an Bord des Zuges kontrollieren mußte. Das verstanden die zwei natürlich und sie zeigten ein Verständnis dafür; das war auch gut, sonst hätte Schlott sie sicher zusammengeschlagen, oder ihnen gar ein kleines Pfund Blei durch die Rübe geblasen. Inzwischen hatte der Schneider die Hose schon fertig, er arbeitete schnell, und er gab sie dem in Unterhosen dastehenden Greifer, der sie anzog und sagte, er solle die Rechnung an Herrn Pollentasse schicken, weil er ein Freund sei, der immer alles für ihn zahlte. Okay, hier sagte der Kommissar ausnahmsweise mal nicht die Wahrheit, aber das war nur eine Notlüge. Benno Schlott konnte gar nicht selbst bezahlen, weil er hatte in seiner Unterhose ja gar keine Taschen für Geld drin. Er verließ den Änderungsschne idereienwagen wieder und begab sich in den Kinowagen. Es lief der Film "Spiel mir das Lied vom Kohl", ein Thriller mit Sean Kennedy und Jodie -2 2 8 -
Fenster. Der Kinowagen war aus zwei Gründen gut für Recherchen: Erstens, weil es dunkel war und so niemand was sehen konnte, wenn der Kommissar unauffällig suchte, und zweitens, weil Schlott spannende Thriller über alles liebte; sein ganzes Leben war schließlich wie ein Film und er mochte sein Leben. Thriller betrachtete er deshalb als eine Art Dokumentarfilme, die nur die Realität wiedergaben, außerdem dachte er, daß alle Menschen so lebten wie im Krimi oder wie er. Freundinnen seiner Frau, die erzählten, wie ihr Leben langweilig war und voll von gähnlichem Alltagstrott, riet er immer, sie sollten doch eben ein paar Mörder mehr fangen und verhören und reagierte mit totalem Unverständnis darauf, daß diese Frauen mit totalem Unverständnis auf seinen guten Vorschlag reagierten. Die Vorstellung hatte schon angefangen, aber es war noch Werbung auf der Leinwand, Werbung für ein lecker Eis, die Schlott hungrig machte. Er sah, daß sein Sitznachbar genau so ein lecker Eis in der Hand hielt, eben frisch gekauft. Er schlug den Mann K.O. und aß ihm schnell sein Eis weg. Es war wirklich gut. Als der Mann wieder zu sich kam, schob der Kommissar die Sache dem kleinen, etwa drei Jahre alten Mädchen unter, das vor dem Mann saß und auch so ein Eis hatte. Dann begann der Film und der Greifer ärgerte sich, daß der ehemals Niedergestreckte das Mädchen ausgerechnet so mit seinem Schuh versohlen mußte, daß er dabei mitten im Bild stand und daß das ganze Blut auf die Leinwand spritzte. Es war nämlich ein Sporenstiefel, den der Mann benutzte. Schließlich war dann wieder Ruhe und der Film gut zu sehen. Es war einer dieser billigen Thriller, die ga r nicht spannend waren und über die Schlott nur cool lächeln konnte, während er vorsichtig hinter dem Sessel hervorlinste, hinter dem er sich versteckt hielt, damit ihn der gräßliche Spaghettimörder mit dem blutverschmierten Irrsinnsgesicht bloß nicht entdeckte. Fast hätte Benno Schlott vergessen, daß er ja zum Ermitteln -2 2 9 -
hergekommen war. Es fiel ihm glücklicherweise aber dann doch noch rechtzeitig ein. Er spähte ersteinmal im Dunkeln nach allen anwesenden Zwillingspaaren, machte fünf aus und begann anschließend, sich an das erste heranzurobben. Die beiden saßen in Reihe neun und schienen rein äußerlich gesehen weiblichen Geschlechts zu sein. Davon ließ sich der Kommissar aber nicht irritieren; er hatte auch schon mal einen Mörder gefangen, der als Baum verkleidet in einem Linienjet in die innere Mongolei flüchten wollte. Man mußte einfach immer auf alles gefaßt sein, wenn man bei einer Eliteeinheit der Polizei war. Den Baum damals hatte er enttarnt, indem er ihn goß und wartete, daß er wuchs. Er tat es aber nicht, deshalb mußte er falsch gewesen sein; außerdem hatte das Gewächs sich kurz zuvor bei der Stewardess ein Lachsbrötchen und was gutes zu trinken bestellt. Für Bäume ein eher komisches Verhalten, sah man einmal von der von der fleischfressenden Bürstenmalve ab. Die Zwillinge hatten nichts gemerkt davon, daß ein Mann auf allen vieren an sie herangekrochen war, der so aussah, als wollte er ermitteln. Mit getarntem Blick sah Benno Schlott auf und sah die gebannten Gesichter der beiden, die auf das Geschehen im Film achtgaben. Nun sprang Schlott blitzartig auf, zog beiden an den Haaren und griff ihnen an die Brüste, um zu sehen, ob sie echt waren, oder bloß Luftballons, die sich durch ein "Peng" zu erkennen geben würden. Selbstverständlich war das rein dienstlich, denn privat war der Greifer ein Gentleman, der sowohl die Frauen, als auch ihr Recht, nicht am Busen angefaßt zu werden, voll respektierte. Diese Zwillinge hier waren eindeutig echte Frauen und nicht der Zigarrenmörder. Beide kreischten ganz erschrocken, aber alles ging so schnell, daß der Kommissar schon längst wieder weg war. Er hatte blitzschnelle Reflexe und war so schnell, daß man ihn beim Rennen gar nicht sehen konnte, man spürte bloß einen Lufthauch und es knallte, wenn die Luft hinter ihm wieder zusammenschlug. Während sich das erste Zwillingspaar noch wunderte, war er -2 3 0 -
schon zum zweiten gekrochen; es waren Leute, die mit Haaren total zugewachsen waren, sogar auf den Nasen wuchsen dichte Bärte. Alles sah schwer nach Tarnung aus. Die beiden stritten sich gerade lautstark darüber, wer denn so viel Popcorn aus der Tüte weggegessen hatte, und bewarfen sich dabei mit Eiskonfekt. Benno Schlott hatte Glück, er bekam zwei Stück Konfekt ab, die vor seinem Kopf niedergingen. Sie waren schon etwas angeschmo lzen, ansonsten schmeckten sie recht angenehm. Erstmal horchte der schlaue Kommissar auf die Stimmen der Brüder, aber er konnte beim besten Willen nicht sagen, ob es die richtigen Zwillinge waren; er hoffte es inständig, denn die Zeit lief ihm davon. An diesem Abend gegen 18.00 Uhr würde der Zug planmäßig in Bad Oberbraubach einlaufen. Das war in sechs Stunden. Beherzt sprang die Superspürnase auf und zog an allen Bärten und Haaren, die sich auf dem Kopf der beiden fanden, daß die Brüder sehr ärgerlich und verdutzt wurden. Natürlich war kein Haar davon echt. Aber die Brüder Sparfilz waren auch nicht darunter. Es handelte sich lediglich um zwei totale Glatzköpfe, die einmal mit Haaren angeben wollten. Sie waren jetzt sehr wütend, daß alle Leute sehen konnten, wie falsch die Haarpracht war. Aber der Kommissar war schon wieder weggesaust zum dritten Zwillingspaar, es schienen siamesische Zwillinge zu sein. Rein äußerlich zumindest. Sie trugen einen Doppelpullover und hatten eine Doppelpopcorntüte in den Händen. Neben ihnen saßen ihre Frauen, auch sie siamesische Zwillinge und zugleich Zwillingspaar Nummer vier. Zu erkennen waren sie an siamesischen Eheringen, die sie trugen. Spezialanfertigungen sicher. Diesmal robbte sich Benno Schlott, der geübte Kriminalhauptkommissar langsam und lautlos an die vier heran. Er hatte eine Schere in der Hand, mit der wollte er die Pullover in der Mitte durchschneiden und gucken, ob darunter auch immer noch alles so zusammengewachsen aussah, wie es äußerlich den Anschein hatte. Es war Vorsicht geboten, denn -2 3 1 -
den vieren schien der Thriller nicht besonders zuzusagen; sie sahen überall hin, nur nicht auf die Leinwand. Schlott mußte sehr vorsichtig sein, um nicht entdeckt zu werden; er blickte deshalb besonders getarnt. Die Zwillinge entdeckten ihn auch nicht, und so konnte Schlott bequem die Doppelpullover aufschneiden und darunter nachsehen. Der Befund war klar: die Zwillinge waren zumindest nicht siamesisch, denn sie hatten eindeutig getrennte Körper. Die Frauen ebenfalls. Jetzt mußte sich herausstellen, wer die vier waren, die vorgaben, etwas anderes zu sein. Es war ja klar, daß der Kommissar in dieser Hinsicht auf die Brüder Sparfilz hoffte, wobei dann noch zu klären gewesen wäre, wer die Frauen waren. Vielleicht auch die Brüder Sparfilz, die so clever gewesen waren, sich als vier Personen zu verkleiden. Das wäre natürlich besonders trickreich gewesen. Um nachzusehen, was hinter der Maskerade steckte, wandte Benno Schlott einen besonders raffinierten Trick an, der eine gute Psychologie war. Er sprang auf und rief: "Vorsicht, da oben! Ein UFO!" Die falschen siamesischen Zwillinge waren sehr überrascht und erschrocken und starrten an die Decke des Kinowagens, immer wieder "Wo? Wo?" fragend. In der Zeit zog der Kommissar ihnen unbemerkt die falschen Bärte aus, denn falsch waren sie, und den Frauen zog er die Perücken vom Kopf. So kam es, daß Benno Schlott rasch noch einen Fall von schwerem Betrug aufklärte, denn wie sich herausstellte, waren alle vier weder siamesisch, noch Zwillinge; sie waren nichtmal miteinander verwandt. Der ganze Grund für die Verkleidung war, daß sie auf dem internationalen Zwillingskongreß den ersten Preis für die originellste Zwillingskonstellation gewinnen wollten. Leider waren es aber nicht die Brüder Sparfilz. Die Betrüger wurden in Handschellen abgeführt und auf dem nächsten Bahnhof der Polizei übergeben. "Ich glaube, für diese sauberen Vögel ist die Reise erstmal zu Ende." kombinierte der Kommissar, wie der den Betrügern beim -2 3 2 -
Abgeführtwerden hinterhersah. Das letzte Zwillingspaar hatte in der Zwischenzeit den Kinowagen verlassen, wohl weil der Film nicht dolle und auch sonst im Kino nicht viel los war. Das Suchen hatte den Kommissar ganz schön Schweiß gekostet. Er roch total miserabel nach eingeschlafenen Achseln. Jetzt mußte er sich ersteinmal frisch machen. Er ging auf sein Zimmer und sah zu seiner Entrüstung, daß jemand an sein Bett gepinkelt hatte; wohl mal wieder so ein Idiot, der die Zimmernummer mit dem Klo verwechselt hatte. Schlott hatte vergessen, abzuschließen. "So ein elender Mißstand!" fluchte er, denn in den Nachttisch hatte man ihm sogar reingekackt. Er klingelte nach dem Zimmermädchen und sagte, sie solle den Schweinskram wegmachen. Er selbst ging indessen unter die Dusche. Auch wenn die Zeit knapp wurde, zum Duschen ließ er sich Zeit, er mußte ja sauber werden. Unter der Dusche las der Kommissar die aktuelle Tageszeitung, es war schon eine Alpenzeitung. Das Wasser war nicht warm genug, er regelte deshalb nach, bevor er sich einen Artikel über die stagnierende Milchproduktion in Nieder - Alpenbach reinzog. Die Zeitung war in der Landessprache, in Bayrisch, geschrieben, aber das machte dem Greifer nichts aus, er konnte ja alle Sprachen perfekt. Als er fertig war mit Lesen, da überlegte er sich, daß er eigentlich noch ein Bad nehmen könnte, das war urbequem und außerdem hatte er in der Entspannung und im warmen Wasser immer die besten Polizeiideen überhaupt. Er drehte also den Duschhahn zu und machte den von der Wanne an, so daß eine adäquate Temperatur herauskam, in der es sich gut baden ließ. Es stand eine Stereoanlage im Raum, um die hatte der Kommissar extra gebeten, weil er mußte immer Musik hören beim Baden, sonst fühlte er sich nicht richtig sauber hinterher. Diesmal wählte er etwas von Carl Orff aus, nämlich die Oper "Der Mond". Schlott war Opernfanatiker, Opern waren nicht nur Musik, sie waren auch schön. -2 3 3 -
Er war gerade an der Stelle angekommen, wo die Leute merkten, daß man den Mond geklaut hatte, die war besonders laut, es sangen viele Leute und Instrumente und Benno Schlott sang auch. Plötzlich meldete sein sechster Sinn Alarm. Mit der wasserfesten Fernbedienung stellte er auf Pause, die Musik war jetzt still. Hören konnte man nichts verdächtiges, sehen erst recht nicht, aber trotzdem war etwas da. Etwas, was bedrohlich war, etwas das näher kam und Mord im Sinn hatte. Ja, die ganze Luft erschien dem Greifer nun mit Mord erfüllt. Wahrhaftig, es war ganz klar, die Brüder Sparfilz hatten herausbekommen, daß der Kommissar den Zug mitbewohnte und wollten ihn jetzt aus dem Weg schaffen. Im Normalfall wäre das einfach lächerlich gewesen, aber jetzt war es ein ernstzunehmendes Problem: Benno Schlott lag splitternackt in der Badewanne, seine Dienstwaffe lag auf einem Stuhl im angrenzenden Wohnraum, war also unerreichbar, und einen schweren Gegenstand, den man als Waffe verwenden konnte, gab es auch nicht im Raum, nur einen nassen Badeschwamm. Da plötzlich hörte er, wie eine elektrische Zahnbürste vor der Badezimmertür aufjaulte. Man hörte es sofort: Dies war keine Zahnbürste, die jemand zum Putzen von schmutzigen Zähnen eingeschaltet hatte, die war eine Zahnbürste, die nur einem Zweck dienen sollte: Mord! Sie war geschaffen worden, um zu töten. Ein Werkzeug des puren Bösen in gnadenlosen Händen! Die perversen Brüder hatten sich eine besonders grauenhafte Art zu sterben für den Kommissar ausgesucht; er sollte ganz langsam zu Tode gebürstet werden. Aber Benno Schlott war nicht zum ersten Mal in einer solchen Situation. Vor einem Jahr zum Beispiel hatte er im Krankenhaus gelegen, weil er sich Fett hatte absaugen lassen, und sich außerdem noch einer Frischzellenkur unterziehen wollte. Er war ans Bett gefesselt gewesen, im übertragenen Sinne natürlich nur, und wußte nicht, daß im Krankenhaus ein Pfleger war, der immer gerne mal Patienten umbrachte. Dieser Pfleger kam dann zum Kommissar, -2 3 4 -
in der Hand eine Kirchenglocke, die so laut war, daß sie Leuten das Gehirn zu den Ohren herausquellen ließ, wenn man mit ihr klingelte. Der teuflische Pfleger selbst hatte Oropax in den Ohren, so daß er trotz der lauten Glocke immer ganz blieb. Schlott besann sich zum Glück gerade noch rechtzeitig, machte schnell Telekinese und ließ so die Glocke zum Fenster rausfliegen. Als sie unten auf dem Boden aufschlug bimmelte sie dummerweise noch ein letztes Mal bevor sie kaputtging, wobei insgesamt 272 Menschen, die in der Nähe waren, das Gehirn zu den Ohren herausgepreßt wurde; die ganze Straße war grau von zerborstenen Gehirnen, was super ekelig aussah, aber Hauptsache, der Kommissar war da nicht mit bei. Schlott aber hatte sich nämlich geistesgegenwärtig im richtigen Moment die Ohren zugehalten und Schwein gehabt, weil er total heile war und überlebte. Nun ging langsam die Tür auf und eine Person schaute um die Ecke: Es war das Zimmermädchen, das die Pisse und den vollgekackten Nachttisch weggemacht hatte! In Wirklichkeit aber handelte es sich um Hanno Sparfilz, der auf diese Weise Zugang zu allen Zimmern hatte. Er hatte sicher auch gesehen, wie der Kommissar vor dem Bad die Perücke und den falschen Bart abnahm, was ihn dann auf seine Spur gebracht hatte. Hinter ihm trat nun noch eine andere Person hinzu: Der Kellner von gestern Abend im Restaurantwagen! Verdammt, die hatten sich aber gut verkleidet, diese Brüder! "Guten Tag, Herr Kommissar. Na, das hätten sie wohl nicht gedacht, daß wir sie trotz ihrer Tarnung entdecken, nicht wahr?" Hanno Sparfilz lächelte breit und der Wahnsinn war gut an ihm zu erkennen. Der Kommissar funkelte ihn zornig an. Sparfilz hatte es gewagt, in dienstlichem Ton "nicht wahr" zu sagen. "Moment, sie werden nicht 'nicht wahr' sagen, das ist einzig und allein mir und Stefan Derrick, meinem guten Freund und Kollegen aus dem Fernsehen vorbehalten. Wenn jemand anders -2 3 5 -
das sagt, dann kann ich sehr zornig werden." Sammy Sparfilz, der Kellner sprach: "Versuchen sie es doch, Herr Kriminalhauptkommissar Benno Schlott. Werden sie nur zornig und überlegen sie mal, wer von uns gerade in der besseren Situation ist." Da hatte er leider recht. Der Kommissar war tatsächlich momentan in einer ziemlich mißlichen Lage und außerdem war es ihm peinlich, daß er nackt war. Zum Glück bedeckte der Schaum des Bades einen Teil seiner Blöße und vor allem seine Tätowierung am Bein. Sowas war längst aus der Mode. Heute malte man Tätowierungen bestenfalls noch mit Kugelschreiber auf. Krampfhaft überlegte Schlott, was er bloß tun sollte. Hanno Sparfilz schaltete die elektrische Zahnbürste eine Stufe höher, sie jaulte nun noch aggressiver ihr ewiges Lied vom Tod. "Ho, ho, Herr Kommissar! Das hätten wir uns nicht träumen lassen, daß wir Benno Schlott, der uns immer gejagt hat und uns böse war, mal in so einer Situation antreffen würden: Nackt in der Badewanne und uns auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Aber keine Angst: In kaum einer Stunde wird ihr Leiden vorbei sein. Und dann, dann werden wir weiter morden, immer weiter. Bloß noch vor ihrem Tode zur Information: Hohepriester sind wir schon längst. Schon als wir Wella Lustfisch, ihre alte Putzfrau geopfert hatten, sind wir aufgenommen worden. Unsere Mitpriesterin Rheuma Gartenpustel mußte sterben, weil sie uns den Posten nicht gönnte und weil wir sie nicht mochten. Aber wir haben Spaß bekommen am Töten, so daß wir immer weiter machen, alle Frauen, die wir finden, werden Nnguk geopfert. Das ist für uns wie ein Sport. Und eines Tages werden wir den Priesterorden anführen. Eines Tages werden wir die ganze Welt unterwerfen; und wer dann keine Comics und keine gute Werbung braucht, der wird zum Tode verurteilt, har, har." Mann! Das waren echt fiese Kerls! Hanno Sparfilz stürzte sich mit der Zahnbürste, die jetzt auf -2 3 6 -
der höchsten Stufe lief, auf den Kommissar, Sammy packte ihn an den Beinen, daß er sich nicht wehren konnte. Alles sah danach aus, als wie wenn dies Benno Schlotts letzter Fall sein und er mit den Füßen voran nach Hause zurückkehren würde. Aber dann kam alles doch noch ganz anders. Ist ja wohl logo. Der Benno Schlott, der gewinnt immer. Das ist sein Markenzeichen. Soviel darf schon mal verraten werden.
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Kapitel 24 Der Kommissar steigt aus dem Bad und ist ernstlich böse Sammy Sparfilz zog so wild an dem Kommissar seinen Beinen, daß sein Kopf immer wieder unter Wasser ging und Hanno bürstete am ganzen Kommissar herum in fanatischer Ekstase. Doch plötzlich, ganz plötzlich fiel Hanno Sparfilz ohnmächtig um. Sammy ließ Schlotts Beine vor Erstaunen einen Moment los, dann sagte er "Oooooh!" und fiel ebenfalls um. Ja, die Brüder hatten schwer gegessen am Vorabend und nun diese Aufregung, das war einfach zuviel gewesen für den Kreislauf der beiden. Benno Schlott erkannte die Situation sofort, sprang aus der Badewanne, zog sich an, nahm seine Waffe und wollte die Handschellen zücken, die er immer dabei hatte. Da fiel ihm ein: Die hatte er ja den falschen Zwillingen um die Hände gemacht. Nun hatte er keine mehr. Keine Handschellen natürlich; Hände waren in ausreichender Zahl vorhanden. Voller Beeilung ging der Greifer zur Eisenbahnpolizei und holte zwei Polizisten, die noch Handschellen hatten. Als sie aber ins Badezimmer kamen, waren die Brüder verschwunden. Sie hatten sich ziemlich schnell wieder aufgerappelt und waren geflüchtet. Es waren Zeugen vor der Tür, die anstanden, weil sie dachten hier wäre das Klo. Sie hatten gesehen, wie die Brüder auf das Zugdach geflüchtet waren. Der Kommissar lief hinterher, der Zug fuhr und auf dem Dach wehte viel Wind, der dem Superpolizisten das Leben schwer machte. Er wurde dauernd fast runtergeweht. Etwa zehn Meter vor ihm waren die Brüder. Immer noch blaß, aber wieder auf den Beinen. Schlott rief, sie sollten stehenbleiben, wegen dem Namen des Gesetzes, aber das machten die natürlich nicht. Nun war der Kommissar wieder der Jäger, die Welt war wieder in Ordnung und alles lief richtig -2 3 8 -
herum. Jetzt gab der Kommissar einen Warnschuß ab. Auf einer benachbarten Wiese fiel eine Kuh tot um, aber das merkte der Greifer nicht, sonst hätte er trotzdem kein schlechtes Gewissen bekommen. Er war auf fünf Meter an die Mörder rangekommen, er schoß nochmal. Ein Bauer fiel tot vom Trecker und der Trecker überfuhr zwei Pferde, die gerade miteinander Geschlechtsverkehr machten. Die Brüder schenkten dem Kommissar nur ein Lächeln. Nun schoß er auf Sammy. Der hatte eine kugelsichere Weste an und überlebte unverletzt. Mit Hanno war es das selbe. Da mußte Schlott sie wohl so fangen. Er jagte sie hin und her, immer auf dem fahrenden Zug entlang. Es kam ein Tunnel, alle drei legten sich hin, dann war der Tunnel zu Ende und die Jagd ging weiter. Eine Stunde ging das so, dann hatten die Brüder keine Lust mehr und sprangen vom Zug. Schlott wollte auch springen, dachte dann aber an sein Gepäck, das ohne ihn weiterfahren würde und ließ es bleiben. Er ging zurück in den Zug und betrank sich ersteinmal sinnlos. Es machte ihn als Spitzenpolizisten richtig betroffen, daß er so kurz vor dem Ziel gleich zweimal hintereinander versagt hatte. Dann, als der Zug schließlich in Bad Oberbraubach einlief, war er schon wieder halbwegs nüchtern, sein Superkörper baute Alkohol nämlich so schnell ab wie andere Leute Gehirnzellen. Er hatte später noch in Ruhe zu Ende gebadet und seine Kleidung gewechselt. Er trug nun die Jacke einer Gardeuniform des Spätbarock, dazu eine türkisfarbene Golferhose aus Tweed, eine Baseballmütze der L.A. Raiders, eine durchbrochene Bluse mit schwarzem Rosenmuster und Basketballstiefel, die bei jedem Schritt blinkten, weil sie eine rote Leuchtbirne drin hatten, zu der man durch ein Fensterchen an der Seite des Schuhs reinsehen konnte. Der Kommissar wollte sportiv wirken, was auch gut klappte. Rasiert hatte er sich auch noch und in seinen Schnurrbart Zöpfe geflochten wie Obelix, aber sogar noch viel zivilisierter. Der Bahnhof war voll mit Menschen, die andere Menschen -2 3 9 -
abholen wollten oder selbst wegfuhren und deshalb große Lederkoffer hinter sich herzogen; ja, überall war Leben und Gesellschaft. Reisefieber und Fernweh durchdünsteten die Lüfte. Um das Hinterteil des ICE war sonderbarerweise sogar besonders viel Leben, da waren Bahnbeamte, ein Sanitäter und viele Menschen. Sie schauten alle. Benno Schlott auch. Er war immer da, wenn es was zum Sehen gab. Er kam gerade noch rechtzeitig an, um zu sehen, wie die Brüder Sparfilz hinter dem Zug hervorsprangen und in der Menge untertauchten. So ein Mißstand! Ein Bahnbeamter erklärte dem Kommissar dann, daß die Brüder vom Zug gefallen sein mußten und daß der Kuhfänger, der wegen der aggressiven Alpenkühe hinten angebracht war, sie aufgefangen und bis Bad Oberbraubach mitgeschleppt hatte. Das war sicher unbequem gewesen und kalt, aber die Brüder waren Roßnaturen mit rohen Körpern, die unbeschadet davon geblieben waren. Jetzt konnte der Kommissar zusehen, wie er die hier in den Alpen einfangen würde. Hier war das schwieriger, weil es hier Berge zum hinter verstecken gab. Der alte Fuchs mietete sich erstmal ein Haus am Fuße des Trinkhorns, das sehr groß, teuer und romantisch gebaut war. Eine Woche kostete 43000 Mark, in Schilling ist das noch mehr, denn die österreichische Währung ist weniger wert, als die Mark; das nennt man eine Inflation. Benno Schlotts Traum war es schon als Kind, mal das Trinkhorn zu besteigen, wie im Jahre 1885 Alois Trink, nach dem der Berg auch benannt war. Er war damals auf dem Gipfel umgekommen, weil er oben mit unten verwechselt hatte. Das ist eine besondere Gefahr im Gebirge, vergleichbar mit dem Verwechseln von Norden und Süden in der Ebene. Man weiß irgendwann nicht mehr, wo oben und wo unten ist und man irrt ziellos umher, bis man verdurstet ist. Deshalb sagt einem jeder erfahrene Alpinist, man müsse immer einen -2 4 0 -
Pappfeil dabei haben. Das ist wie ein Kompaß, nur, daß der Pappfeil aufgestellt wird und einem oben und unten anzeigt. Man richtet ihn aus, indem man eine Münze in die Luft wirft. Die Fallrichtung der Münze ist immer Richtung unten. Der Pfeil wird in entgegengesetzter Richtung ausgerichtet, er zeigt also nach oben. Den Pappfeil kann man sich leicht aus einem Schuhkarton oder aus anderer Pappe zurechtschneiden, daher kommt auch sein Name. Der Kommissar beschloß deshalb, weil er schon immer darauf Lust hatte, die Mörderjagd mit einem Aufstieg aufs Trinkhorn zu verbinden. Ersteinmal rief er aber bei Milupa an und bat sie nachzukommen, weil es so einsam ohne sie war und weil einsam schlecht war für seinen kreativen Geist. Die liebende Frau des Kommissars versprach, mit dem Privatjet der Familie sofort zu kommen, weil sie hatte ihren Benno auch schon schmerzlich vermißt. Die Liebe war allerdings nicht der einzige Grund, warum Schlott seine Frau bei sich haben wollte: Er befürchtete ein neuerliches Attentat der Brüder Sparfilz, sobald sie herausbekommen haben würden, daß der Greifer der esoterischen Spezialeinheit auch noch hier war, anstatt sie an der Stelle suchen zu lassen, wo sie abgesprungen waren. So war es besser, wenn Milupa dabei war und aufpaßte. Wenn der Kommissar schlief, dann hätte ein Vulkan neben ihm ausbrechen können, er hätte es nicht gemerkt. Seine Frau hingegen hörte im Schlaf noch Staubflocken fallen und war deshalb ein gutes Wachpersonal und billiger als ein echter Nachtwächter obendrein. Außerdem konnte es gut sein, daß er sie noch als Lockvogel verwenden mußte. In einem esoterischen Bergsteigerladen kaufte sich der vom Alpenfieber gepackte Esoteriker eine ganze Ausrüstung fürs Besteigen von dem Trinkhorn. Das Schwere an diesem Berg war nicht seine Höhe, er war ein durchschnittlicher 2000er, es waren seine Felswende, die total glatt und absolut senkrecht waren, meist klebte auch noch gefrorenes Eis daran. Benno Schlott -2 4 1 -
kaufte ein mental betriebenes Gleitkissen aus rotem Samt, einen Alpentalisman aus Alter Liebe (das war wichtig bei Regen, wegen des Rostes, denn Alte Liebe rostet nicht), ein Amulett, das Steinschläge und Seilbruch verhindern sollte, und zwei Kilometer indisches Zauberseil mit dazu passender Flöte. Nun fuhr der Greifer zum Flugplatz, um seine Frau abzuholen. Er ließ sich Zeit, die Brüder entkamen ihm schon nicht. Sie würden zu ihm kommen und dann hätte er sie. Handschellen hatte er sich im Supermarkt auch nachgekauft. Er badete auch nicht mehr ohne seine Waffe. Ja, Vorsicht war die Mutter der Porzellanscherbe. Am Flughafen wartete der Jet der Familie schon auf Landebahn drei. Die Maschine war ein Erbstück von Milupas verstorbener Urgroßschwester Harmonika. Sie war Flugzeugbauerin gewesen und hatte sich auch selber eins gebaut. Doch nicht nur der Jet war am Flughafen, sondern auch die ganze Presse: Die seriöse Presse, die Regenbogenpresse und die Obstpresse; sie alle waren vertreten und das war ein Riesenmißstand. Schlott hatte sich darauf gefreut, ungestört zu sein, aber das Pack hatte wohl wieder mal die Telefonleitung der Schlotts angezapft. Der Kommissar war richtig verärgert; er winkte nach der Flughafenpolizei und befahl ihr, alle Pressefritzen vier Wochen lang in Quarantäne zu nehmen, zu desinfizieren und dann in den Knast zu stecken. Es dauerte nicht lange und der Flughafen war wieder wohltuend leer. Die Tür des Flugzeugs tat sich auf und Milupa entstieg ihm. Die Eheleute fielen sich unter Tränen in die Arme. Nicht wegen der Freude, die sie ganz zweifelsohne vielleicht auch verspürten, sondern, weil der rachsüchtige Journalistenpöbel vor seinem Abgang noch Reizgas versprüht und Zwiebelschalen auf der Gangway ausgelegt hatte. Als die zwei in der Skihütte ankamen, war es schon Abend und das Alpenglühen fing an. Das beruhte auf kleinen Leuchtpilzen, die auf den Felswänden wuchsen und ihre -2 4 2 -
Lichtenergie abends in fluoreszierendem grün abgaben. Ab 22.00 Uhr wurde aus diesem Grund auch immer die Warnglocke im Tal geläutet, denn um diese Zeit durfte kein Alpinist mehr auf den Bergen sein. Die Pilze waren in leuchtendem Zustand hoch radioaktiv und glühend heiß. Bleikristallglasscheiben schützten die Bewohner in ihren Häusern. Am folgenden Morgen konnte man wieder rausgehen ohne verstrahlt zu werden, weil die Halbwertzeit der freigesetzten radioaktiven Isotope sehr gering war. Bad Oberbraubach war die einzige Gemeinde der Welt, in der sogenanntes "verschärftes Alpenglühen" noch erlaubt war. In allen anderen Orten war dieses Schauspiel inzwischen absolut harmlos, man hatte das gefährliche Alpenglühen per Gemeindeerlaß kurzerhand bei schwerer Strafe verboten. Aber das harmlose Glühen war dafür natürlich nicht halb so eindrucksvoll, wie das echte. Das Ehepaar Schlott saß noch etwas am Fenster, um das Schauspiel zu betrachten und machte dann eine gute Lasagne zum Abendessen; die beiden aßen immer gerne drei warme Mahlzeiten am Tag und auch am Abend. Schließlich waren der Kommissar und seine Frau müde und gingen schlafen. Das Alpenglühen war auch vorbei, die Pilze hatten wohl keine Lust mehr zu leuchten. Um sicherzustellen, daß die Brüder Sparfilz keinerlei Mühe haben würden, in das Haus des Greifers einzudringen um ihn umzubringen, ließ Schlott die Tür über Nacht auf. Er nahm seine Dienstwaffe, die Kalaschnikow, die er zum Geburtstag bekommen hatte, mit ins Bett, ebenso ein Paar Handschellen, so daß es keine Schwierigkeit sein würde, die Mordbrüder zu verhaften und, ob nötig oder nicht, kampfunfähig zu schießen. Diesen Spaß wollte der Kommissar sich auf jeden Fall gönnen. Es wurde Nacht, es wurde Morgen und es wurde kalt im Haus, aber die Brüder Sparfilz ließen sich noch nicht blicken. So ein Mißstand! Den Tag nutzte Benno Schlott, um das Trinkhorn zu besteigen. Er knotete sich oben an das indische Seil und -2 4 3 -
spielte eine magische Melodie auf der Flöte. Das Seil entrollte sich und stieg langsam nach oben. Das war ein Schauspiel, wie man es auch in Bad Oberbraubach nicht jeden Tag sehen konnte. Bald hatten sich unten Leute gebildet, die bewundernd zu dem immer weiter in die Lüfte aufsteigenden Esoteriker blickten, der huldvoll lächelte, mystische Zeichen vor sich hin brummte und dann wieder flötend in die Menge grüßte. Nach zweitausend Metern war das Seil zu Ende, aber es lagen noch einige Meter bis zum Gipfel vor Benno Schlott. Nun packte er das mental betriebene Gleitkissen aus rotem Samt aus und konzentrierte sich darauf, bis es selbständig in der Luft schwebte. Nun stieg der Kommissar, in seiner Konzentration nicht nachlassend, selbst darauf und knotete das Seil los. Das Kissen trug ihn nun sanft zum Gipfel des Berges empor. Der Gipfel hatte eine Grundfläche von etwa 3 x 3 Metern und einen Rauminhalt von 12 Tassen Wasser. Er bot eine tolle Aussicht ins Tal, auf die Wolken und überall hin. Man konnte Vögel sehen, die flogen, Wolken, die zogen und kleine Menschen ganz tief unten, die ihren Tätigkeiten nachgingen. Die sah man aber nur, wenn man so gute Augen wie der Kommissar hatte. Bei ihm war das Berufsvoraussetzung, denn ein Kommissar, der nicht alles sieht, ist kein richtiger Kommissar. Plötzlich stutzte Benno Schlott: Da unten, ganz weit weg, fuhr ein Auto, ein schwarzes, und in dem Auto saßen zwei Männer; es waren die Brüder Sparfilz. Sie fuhren zu einem Laden, wo sie eine riesige, irre leistungsstarke elektrische Zahnbürste erwarben. Dann fuhren sie weiter und verschwanden hinter einem Hügel in der Ferne, bis sie weg waren. Sie wollten den Greifer also tatsächlich umbringen und hatten ein ungeheuer leistungsfähiges Mordwerkzeug eingekauft. Es war zu erwarten, daß sie es schon in der folgenden Nacht einsetzen würden. Mörderpersönlichkeiten konnten sich nie lange bis zum nächsten Mord gedulden. Wenn sie erstmal die notwendigen Utensilien besaßen, legten sie in der Regel gleich los. So ein Verhalten -2 4 4 -
hatte der Polizeipsychologe auch Hanno und Sammy Sparfilz attestiert. Als der Kommissar genug gegrübelt und meditiert hatte, machte er sich auf den Weg zurück ins Tal, auf die gleiche Weise, wie er auf den Berg hinaufgekommen war. die Leute unten applaudierten und waren froh, daß er wieder unverletzt ankam. Schlott beschloß sofort, die Alpenleute gern zu haben, sie konnten sich noch echt freuen und waren überhaupt sehr nett. Außerdem mußten sie immer Kühe melken und machten so frische Milch fürs Frühstück. Frühstück mochte Benno Schlott auch. Aber die Bad Salzfischbacher waren auch ein tolles Volk. Schlott kannte die ganze Welt, aber es gab nur einen Ort, wo er sich zu Hause fühlte: In Bad Salzfischbach. Genauer gesagt: In seinem Sessel von seinem Schreibtisch im Polizeibüro. Er beschloß, so schnell wie möglich dorthin zurückzukehren; deshalb wollte er die Mörder sofort in dieser Nacht fangen.
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Letztes Kapitel Der Kommissar bereitet vor und kriegt ein Glück Der Abend kam schneller, als der Kommissar gedacht hatte. Das lag wahrscheinlich an der Zeitverschiebung und am Nord Süd - Gefälle. Benno Schlott saß am Kamin und überlegte sich was. Er hatte allen Grund, in dieser Nacht Besuch von den Zigarrenmördern erwarten zu müssen. Er überlegte, daß er Milupa für diese Zeit ausquartieren würde, denn sie war Nichtraucherin und der Wirt vom "Almkrug" hatte ihm, als er gehört hatte, daß er Kommissar war, ganz aufgeregt erzählt, daß man eine Sennerin mit einer halbgerauchten Havanna im Mund tot auf der Alm gefunden hatte. Die Brüder konnten ihren Mordtrieb einfach nicht unterdrücken und so war auch Schlotts Ehefrau in Gefahr, ein Opfer zu werden. Der Greifer hatte zwar daran gedacht, Milupa als Lockvogel zu verwenden, aber der Kommissar war selber so gut, daß er keine anderen Leute zum Helfen brauchte; deshalb verwarf er den Gedanken wieder. Eine andere Überlegung von Benno Schlott war, gar nicht erst ins Bett zu gehen, sondern die Galgenvögel von vornherein im wachen Zustand zu begrüßen. Zur Sicherung, falls sein sechster Sinn einmal versagen sollte, stellte er einen mit Schokopudding gefüllten Eimer über die Haustür, der den Brüdern auf den Kopf fallen sollte, sobald sie die Tür etwas weiter öffneten. Alter Polizeitrick. Milupa verließ das Haus gegen 18.00 Uhr, perfekt als alter Mann verkleidet. Schlott, ein Meister der Maske, hatte aus Watte einen Vollbart improvisiert und seiner Frau einen umfunktionierten Wischmop als Perücke aufgesetzt. Dazu trug sie eine Lederhose, die der Kommissar aus dem schönen schwarzen Rindsleder der Fernsehcouch geschneidert hatte. So verkleidet, würde sie mit Sicherheit niemand mehr erkennen. -2 4 6 -
Der Greifer lud seine Waffe und legte sie neben den großen Ohrensessel, in dem er, von der Tür abgewandt, sitzen würde, so daß man nicht sehen konnte, daß jemand darin saß. Aus Stoff bildete er eine Puppe heraus, die er unter die Bettdecke legte, und der er noch einen Lachsack umband. Wenn nun die Verbrecher den vermeintlichen Kommissar anstoßen würden, so würde ein markantes Lachen ertönen, das den beiden eine lebendige Person vortäuschen sollte. Das war sehr raffiniert. Hoffentlich würde Schlott Glück haben. Anschließend machte er sich eine dampfende Kanne Tee mit Rum und nahm sein Lieblingsbuch, den Reiseführer "Magisch reisen/Toscana" zur Hand. Er wollte noch ein paar Powerzentren auswendig lernen. Es verging eine Weile, in der nichts passierte, dann fiel Schlott ein, daß es glaubwürdiger wirken würde, wenn er kein Licht anhätte. Das Alpenglühen brachte ohnehin genug Erleuchtung. Der Greifer trug um den Hals ein Amulett gegen Radioaktivität, so daß ihm das Alpenglühen, trotz leicht geöffneter Tür, nichts ausmachte. Diese Nacht arbeiteten die Pilze besonders intensiv, so daß es hell genug war, um Zeitung zu lesen, was Schlott dann auch tat, nachdem er das Buch weggelegt hatte. Wieder verging eine Weile, die Turmuhr schlug 2.00 Uhr. Langsam verlosch das Alpenglühen für diese Nacht. Jetzt war es stockdunkel, man konnte die Hand nicht mehr vor Augen sehen; das lag aber vor allem daran, daß Benno Schlott die Hand auf dem Schoß hatte. Die andere auch. Der Kommissar vergewisserte sich, daß die Kalaschnikow noch an ihrem Platz lag und war erleichtert, als er das kühle, glatte Metall unter seinen Fingern spürte; dafür nahm er die Hände aus dem Schoß. Kurz darauf meldete sein sechster Sinn Gefahr. Etwas später hörte man das leise Knarren der Holzstufen, die zur Haustür emporführten, es klang genauso, wie die Schritte von Leuten klingen, die eigentlich wollen, daß man ihre Schritte überhaupt nicht hört. Dann flüsterten Stimmen, für ein normales -2 4 7 -
menschliches Ohr unhörbar, aber der Kommissar hatte Supersinne, die auch dieses leise Zischeln noch wahrnahmen. Verstehen konnte er es aber nicht, er war schließlich auch nur ein Mensch und das Geräusch der wachsenden Bäume draußen irritierte ihn auch dabei. Kurz darauf quietschte die Tür in den Angeln und eine verwunderte Stimme zischte einer ins Dunkel der Nacht gehüllten Person zu: "Na sowas, offen!" Die Tür wurde weiter geöffnet, es pardauzte und ein zähes Schlibbern erklang, man hörte auch einen Körper zu Boden knirschen. Der Kommissar sprang auf wie ein Bandwurm, nahm seine Dienstwaffe und schaltete das Licht mit einem gezielten Schuß gegen den Schalter ein. Dann wirbelte er herum und sah folgendes: Hanno Sparfilz lag auf dem Boden, den Kopf in einem Eimer, umgeben von einer Puddingpfütze. Sammy Sparfilz war total erschrocken, als er den Kommissar erblickte und das Licht und den Schuß merkte und war gerade dabei, auf dem Pudding auszurutschen. Benno Schlott mußte, als er das sah, aufgekratzt vom vielen Teein, das er zu sich genommen hatte, laut loslachen und krümmte sich bald vor Lachen am Boden. Manchmal konnte er echt albern sein, eine richtige "Lachwurz´n", wie es im alpenländischen Dialekt hieß. Die Brüder rappelten sich schnell auf und nutzten die Gelegenheit, um zu flüchten, bevor der Kommissar zu lachen aufhörte. Das sah Schlott und wurde schlagartig ernst. Er sprang auf, schnappte sich seine Waffe und einen Patronengürtel zur Reserve und lief, um sich schießend, hinter den Brüdern her durch die Alpen. Die Mörder hatten einen guten Vorsprung und konnten beinahe so schnell rennen wie der Kommissar, der es schwer hatte, den Abstand zu ihnen zu verringern. Tote Kühe und Bauern säumten seinen Weg, er schoß immer noch voller Wut um sich. Sicher, am nächsten Morgen würde er sich bei einigen Familien für die Verluste der letzten Nacht entschuldigen müssen, oder er würde einfach -2 4 8 -
schnell nach Hause verschwinden. Das war ihm aber jetzt egal. Stundenlang ging die Jagd, durch Berge, Stollen, Tunnel, Täler; sogar einmal durch einen unterirdischen Bergfluß. Dieser Fluß floß mitten durch einen Berg, um ihn herum war ein grottenartiger Tunnel und zwei Boote zum Rudern waren am Tunneleingang. Die Brüder schnappten sich eins und ruderten los. Der Kommissar zog sich aus, sprang in den Fluß und schwamm barfuß hinterher. Boote waren was für Schwächlinge. Plötzlich tauchte vor seinem Boot ein riesiges Seeungeheuer auf, mit schleimiger Lederhaut und riesigen gelben Zähnen. Es wollte Benno Schlott fressen. Der aber verhielt sich geistesgegenwärtig und erzählte dem Monster so lange die schlechtesten Witze, die er kannte, bis es kotzte und wie der untertauchte. Das dauerte nicht sehr lange, die Witze, die der Greifer kannte, waren allesamt besonders Scheiße. Dann ging die Jagd weiter über enge Bergpässe. Niemand gab auf, was die Kondition anging waren sich die Mordbrüder und Schlott ebenbürtig wie ein Ei das andere. Es wurde schließlich elf Uhr morgens. Die zwei Zigarrenmörder verschwanden gerade hinter einem Hügel, der Kommissar lief hinterher. Doch was war das? Weg waren die beiden. Nichts war mehr zu sehen, als ein Alpenzirkus, der dort im Tal gastierte und gerade Vorstellung machte. Das konnte nur eins bedeuten: Hanno uns Sammy Sparfilz waren in den Zirkus gegangen, um in der Masse unterzutauchen. Das konnte man vielleicht mit Justinian Wachsgurke von der normalen Mordkommission machen, aber bei Benno Schlott war sowas bloß ein aussichtsloser Akt letzter Verzweiflung. Überlegen dreinblickend näherte sich der Kommissar schon der Kasse, fest entschlossen, auch durchzukommen, obwohl er kein Geld dabei hatte und Pantoffeln mit rosa Bärchen drauf trug. Die Frau an der Kasse machte Zicken. Sie wollte den Kriminalisten nicht dabei haben, so schien es; bloß, weil er kein Geld hatte. Aber Benno Schlott hatte keine Lust, sich deshalb als Bürger zweiter Klasse -2 4 9 -
behandeln zu lassen, außerdem war er viel stärker als die Zirkusfritte und es war ihm egal, daß sich die anderen Leute darüber entrüsteten, daß er der Frau den Kolben seiner Waffe über den Schädel gezogen hatte. Er beruhigte die Leute aber trotzdem: "Leute, keine Sorge, die Alte ist nicht tot, nur ohnmächtig. Glaube ich zumindest. Zirkusleute gibt es sowieso zuviel. Eine Seuche ist das. Die stellen mit ihren sperrigen Zelten nämlich alle Parkplätze zu!" sagte er. Die Leute wurden ruhiger und nutzten die Gelegenheit, um sich, ohne zu bezahlen, in den Zirkus zu klamausern. Einige fingen an, Benno Schlott deshalb zu feiern und hochleben zu lassen. Er sagte aber ganz cool, daß er nur da war, um im Zirkus Mörder zu fangen, die sich hier untergetarnt hatten, irgendwo in dem Kuppelzelt. Die Leute bekamen eine Angst und Kinder fingen an zu weinen. Dem Greifer wurde klar: Er mußte sie wieder beruhigen. "Nee, nee, Leute, ihr müßt euch da nicht wegen fürchten, ich bin der Kriminalhauptkommissar Benno Schlott von der esoterischen Spezialeinheit der Mordkommission (K2r) der Kriminalpolizei Bad Salzfischbach. In meiner Gegenwart wird es hier keinen Mord geben. Ihr könntet nirgendwo sicherer sein, als hier, da wo ich bin." Ja, das half. Ein Aufatmen ging durch die Menge und es wurde viel geraunt, aber gleich darauf verstummten die multiplen Stimmen wieder, weil nämlich es begann die Vorstellung. Zuerst trat der Zirkusdirektor auf und kündigte eine großartige Show mit Weltsensationen an, was aber absoluter Lügenflat war. Der Kommissar hatte selten eine größere Scheiße gesehen, als diese hier: Der Zirkusdirektor las seinen Text von einem Teleprompter ab und geriet dabei ins Stottern, weil die Wörter zu klein gedruckt waren, die Clowns versauten bei jedem Witz die Pointe, die Elefanten waren stockbesoffen und die Seehundnummer übertraf alles bisher dagewesene an -2 5 0 -
Stümperei: Von einem anständigen Seehund konnte man ja wohl erwarten, daß er keinen Reißverschluß auf dem Rücken trug und daß er die ihm angebotenen Fische nicht mit einem höflichen "Nein, danke." ablehnte. Der Dompteur war auch sichtlich verdutzt, weil nämlich man sowas halt eben nicht erwartete. Kunststücke konnten diese beiden kloppfotzigen Seehundeaffen auch nicht und sie unterhielten sich andauernd flüsternd darüber, wie sie unentdeckt abhauen konnten, ohne daß Schlott sie erkannte. Das konnten aber nur die Superohren des Kommissars wahrnehmen, der darauf erbost aufsprang und rief: "Was habt ihr verfluchten Mistviecher denn dagegen, daß ich euch sehe, hä?? Ihr glaubt wohl, ich könnte eure Nummer Scheiße finden, was? Und ich will euch was sagen: Recht habt ihr damit, ihr dreckigen Fischefresser!" Es war den Seehunden deutlich unangenehm, die ungeteilte Aufmerksamkeit des Greifers auf sich gelenkt zu haben. Sie sprangen auf die Flossen und rannten davon. Mit auf den Arm gestütztem Kinn und Pfeife im Mund überlegte der Kriminalist, was er von sowas halten sollte. Plötzlich traf ihn ein Geistesblitz: Das konnten nur die Brüder Sparfilz gewesen sein, die sich als Seehunde verkleidet hatten! Ganz schön clever, die Burschen, das mußte man ihnen lassen. Und ihr Verkleidungstalent hatten sie ja auch im Zug schon mal bewiesen. Schlott sprang in die Manege, schoß wild um sich, traf etwa zehn Leute schwer und holte außerdem die an Seilen unter der Decke zappelnden Trapezkünstler zurück auf den Boden. Trapeznummern hatte er noch nie ausstehen können. Dann lief er mit einem Zornesschrei auf den Lippen hinter den falschen Seehunden her. Die Brüder Sparfilz waren gerade dabei, in einem versteckten Winkel ihre Kostüme auszuziehen und gegen Elefantenkostüme auszutauschen. Für Benno Schlott allerdings war kein Winkel versteckt genug, er hatte ja einen sechsten Sinn. Sofort hatte er die Mordbrüder gefunden und stellte sie: "Achtung, Achtung! Ich mache darauf aufmerksam, -2 5 1 -
daß ihr beide nun gestellt seid und hier die Polizei persönlich redet. Mit mir und meiner Waffe ist nicht gut Kirschen essen! Ihr seid der Zigarrenmörder, der Unmengen von Frauen umgemordet hat. Hier habe ich moderne Handschellen, die wickle ich euch nun um die Finger. Dann fliegen wir zurück nach Bad Salzfischbach, dort wartet schon händereibend der Untersuchungsrichter und dann der Knast auf euch. Das habt ihr verdient, ihr rektalen Quargulanten. Ha!" Das "Ha!" war ziemlich triumphierend, aber diesen Triumph hatte der Benno Schlott mehr als nur wohl verdient. Den hatte der total verdient! Die Brüder Sparfilz aber ließen kleinmütig die Köpfe hängen und verliehen ihrem Zorn gebührend Ausdruck: "Was für eine mißliche Situation!", riefen die zwei synchron aus und: "So ein Salat, den wir da jetzt haben!". Es machte "klack" und noch einmal "klack" und Handschellen schlossen sich sportlich um die Handgelenke dieser wirklich üblen Mörder. Zurück nach Bad Oberbraubach nahmen die drei ein Polizeiauto, das zufällig vorbeigefahren kam. Jemand hatte im Zirkus zehn Leute und eine Trapezkünstlerbande niedergeschossen und da wollte das Auto hin. Der Kommissar war jetzt aber doch wichtiger, zum Zirkus konnte das Auto auch noch später. Benno Schlott durfte übrigens in aller Welt Verbrecher fangen, da hatte niemand was gegen, weil er so gut war. Er war ein internationaler Kommissar und alle fühlten sich durch seine Gegenwart aufs Höchste und Beste geschleimbeutelt. Die Brüder Sparfilz waren faire Verlierer, das mußte man ihnen lassen. Sie erkannten die Polizeiarbeit Schlotts als außerordentlich an und waren wirklich stolz, von ihm gefangen worden zu sein und nicht von irgend jemandem. Milupa war auch gebührend stolz auf ihren Ben, als sie aus ihrem Versteck zurückkam und hatte auch schon leckere Bierplätzchen zum Feiern gebacken. -2 5 2 -
Zuerst packte das Ehepaar aber eilig die Sachen zusammen, denn beide hatten Heimweh nach dem schönen Bad Salzfischbach, nach ihrer populären Heimat. Mit dem Privatjet ging es ganz schnell zurück, die Mörder wurden hinten in den Laderaum gesperrt. Als das Flugzeug auf dem Bad Salzfischbacher Flughafen landete, da war schon alles voll von Presse und Fernsehen, die alle erfahren hatten, daß der Zigarrenmörder endlich gefaßt war. Benno Schlott stieg aus. Eine normale Polizei bahnte sich den Weg durch die Menge und nahm Hanno und Sammy Sparfilz entgegen. Sie wurden in einen Panzerwagen geführt und in den Hochsicherheitstrakt des Stadtgefängnisses gebracht, wo man sie zur Sicherheit noch an einen riesigen Bleiklotz aus Hyperstahl kettete, damit sie nicht plötzlich verschwinden konnten. Der Kommissar kam die Gangway heruntergewunken und hob die Arme empor zu einer Siegerpose. Von überall her aus der Masse kamen mit Ultraschallgeschwindigkeit teure Blumen angeflogen, und sofort war der Greifer unter ihnen begraben. Freiwillige Helfer vom THW mußten ihn wieder ausbuddeln. Auf vergoldeten Händen trug man ihn dann zum Rathaus, wo der Oberbürgermeister ihn zum Schutzheiligen der Stadt ernannte und ihm einen Lorbeerkranz aus roten Rosen auf den Kopf machte. Das war ein toller Augenblick! Er durfte jetzt als weiteren Titel "Sankt Benno" heißen, sein Gesicht wurde ins Stadtwappen aufgenommen, eine Kirche wollte man ihm vielleicht auch weihen und weiter bei der Polizei mußte er auch arbeiten, um die Stadt zu beschützen. Bad Salzfischbach hatte dank dem Kommissar die niedrigste Kriminalitätsrate der ganzen Welt. Momentan lag sie bei drei Prozent unter null. Es gab zahllose Feste, auch wieder eins im Garten der Familie Schlott, und wieder waren alle eingeladen, auch Tante Nutella und Onkel Spulwurm. Edding Prinzenrolle, Schlotts bester Freund, vergoß vor Begeisterung einige Tränen und alle jubelten dem Kommissar zu. Das war für den Greifer einfach der -2 5 3 -
schönste Tag in dieser Woche und der schönste Tag im Leben der Stadt Bad Salzfischbach. In den Straßen und auf den Plätzen feierten die Bürger mit und der Greifer selbst hatte dafür gesorgt, daß ein Büffet auf dem Marktplatz aufgebaut wurde, ein Büffet für alle Stadtbewohner. Außerdem sprudelte einen Tag und eine Nacht lang bestes Dosenbier aus dem Rathausbrunnen und ans Rathaus ließ der alte Fuchs ein Bild von sich malen, auf dem er huldvoll lächelnd, eingehüllt in einen froschgelben Glorienschein, auf die Stadt herabblickte. Es war total kitschig und alle Bürger fanden das auch. Aber das machte nichts, es ging schließlich nur um die Message, die dieses Bild vermitteln sollte. Es ist die gleiche Message, die auch das Buch hier vermittelt. Und jetzt ist es fast zu Ende. Aber das macht nichts, weil man kann es ja nämlich gleich wieder von vorne lesen. So gut ist es. Ich finde es jedenfalls echt klasse, und ich muß es ja wohl wissen, weil nämlich ich der Autor bin!
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Epilog Zum Glück war ja der Kommissar, wie wir nun im ganzen Buch schon gesehen haben, ein Mensch, dem sein Ruhm nie zu Kopfe stieg, der immer nett und bescheiden blieb. Und so setzte er sich am folgenden Morgen, als alle Gäste gegangen waren, in den Wintergarten seines Hauses, ganz für sich alleine, um etwas Ruhe zu finden und damit Milupa ihn nicht fand, weil er sich mal wieder um den Abwasch drücken wollte. Nachdenklich stopfte er sich seine Pfeife, die ihn schon in so vielen Mordfällen wie eine alte Freundin begleitet hatte. Dann zündete er sie an, fütterte eine fleischfressende Giftorchidee mit ein paar Knochen und blickte in den jungen Morgen hinaus. Die Vögel zwitscherten vergnügt im Orangenhain. Warum mußten diese Scheißviecher bloß immer so einen Lärm veranstalten? Er stellte sich ja morgens auch nicht auf den Balkon und sang Opernarien! Die aufgehende Sonne tauchte den Horizont in ein prachtvolles rotes Glühen, während sie sich als gigantische flammende Scheibe über der erwachenden Welt präsentierte. Das sah an und für sich ganz nett aus, dachte Schlott. Dieser Mordfall war vielleicht der spektakulärste und unglaublichste gewesen, den er jemals gelöst hatte, aber er wußte: Sein letzter war es sicher nicht. Was würde noch auf ihn zukommen? Welche Überraschungen hielt der neue Tag für ihn bereit? Wer würde wen als nächstes wo, wann und warum umbringen? Es gab so viele Fragen, so viele Ungewißheiten, und alle liefen nur auf das Eine hinaus... ...ein weiteres Buch mit Kommissar Schlott!!!!!
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