Kaiser Karl V. vertrat in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch einmal den Anspruch des Universalherrschers über ...
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Kaiser Karl V. vertrat in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch einmal den Anspruch des Universalherrschers über die ganze Christenheit. Dieses traditionsbewußte Selbstverständnis wurde durch die europäischen Konflikte der Zeit zutiefst in Frage gestellt. Als Herrscher „zwischen den Zeiten“ war Karl V. deshalb weder ein „mittelalterlicher“ noch ein „moderner“ Monarch. Das Buch zeigt die ganze Vielschichtigkeit dieses Kaisers und seiner Zeit. Luise Schorn-Schütte ist Professorin für Neuere Geschichte an der Universität Frankfurt/Main. In der Reihe C.H.Beck Wissen liegt von ihr vor: „Die Reformation“ (bsr 2054).
Luise Schorn-Schütte
KARL V. Kaiser zwischen Mittelalter und Neuzeit
Verlag C.H.Beck
Notker Hammerstein zum 3.10.2000
Mit 4 Abbildungen und 2 Karten
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Schorn-Schütte, Luise: Karl V. : Kaiser zwischen Mittelalter und Neuzeit / Luise Schorn-Schütte. – Orig.-Ausg. – München : Beck, 2000 (C.H. Beck Wissen in der Beck’schen Reihe ; 2130) ISBN 3 406 44730 9
Originalausgabe ISBN 3 406 44730 9 Umschlagentwurf von Uwe Göbel, München © C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung (Oscar Beck), München 2000 Druck und Bindung: C. H. Beck’sche Buchdruckerei, Nördlingen Printed in Germany
Inhalt I. Einleitung ....................................................................
7
II. Biographische Prägungen und Persönlichkeit ......... 1. Biographisches......................................................... 2. Selbstdarstellung und Persönlichkeit .......................
10 10 18
III.Der Kaiser und Europa – der Kaiser in Europa...... 1. König von Spanien................................................... 2. Kampf der Dynastien oder Mächtekonflikt? ............ 3. Kaiser und Papst ...................................................... 4. Aufstand in Gent ......................................................
24 24 32 39 44
IV. Der Kaiser und das Reich – der Kaiser im Reich .... 1. Frömmigkeit und Luthersache ................................. 2. Der Kaiser und die protestantischen Stände............. 3. Konzil, Schmalkaldischer Krieg und Interim........... 4. Ungehorsam oder ständisches Widerstandsrecht? ...
47 48 54 61 70
V. Rückzug: Ein Kaiser dankt ab .................................. 1. Fürstenopposition im Reich ..................................... 2. Reichstag zu Augsburg 1555 ................................... 3. Resignation und Rückzug ........................................
75 75 79 81
VI. Kaisermemoria in Deutschland................................. 1. Konfessionelle Geschichtsschreibung seit Ranke .... 2. Mittelalterlicher Kaiser oder frühabsolutistischer Herrscher?........................ 3. Aktuelle Forschungsfragen ......................................
84 84
Zeittafel .............................................................................
91
Glossar ..............................................................................
93
Literaturverzeichnis.........................................................
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86 88
5
Abbildungsverzeichnis.....................................................
104
Register .............................................................................
105
I. Einleitung Im Sinne der gemeinsamen Erinnerung war Kaiser Karl V. ein europäischer Herrscher: Als König von Spanien, Herzog von Burgund und (bis 1522) Erzherzog von Österreich war er zwischen 1519 und 1556 zugleich Kaiser des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation. Schaut man auf die Landkarte jener Jahrzehnte, so wird verständlich, warum der noch junge Kaiser mit der Überheblichkeit des Zwanzigjährigen seinen Wahlspruch wählte: plus ultra, d.h. ,über alles andere hinaus strebend’. Die Fülle der Macht, die der Kaiser in seiner Person verband, bedeutete zugleich eine Fülle von Problemen. In ihrer explosiven Mischung allerdings überstiegen diese das übliche Maß. Nicht nur, daß die spanischen Stände die Innenund Außenpolitik ihres Königs mit Unzufriedenheit verfolgten, auch mit den Ständen des Reichs hatte der Kaiser zu kämpfen. Hier wie dort ging es um die Klärung der zeitgenössischen Machtfrage: War der Kaiser/König oder waren die Stände als „Vertretung des Landes“ die eigentlichen Herrschaftsträger? Die Historiker haben diese Auseinandersetzungen als erste Stufe auf dem Weg zum modernen Staat bezeichnet; je nach Sichtweise wurde Karl V. dann als mittelalterlicher oder als Kaiser beschrieben, der den Weg in die Moderne geebnet habe. Hinzu trat das allmählich alles dominierende Problem der Glaubensspaltung, das in Wittenberg 1517 seinen Anfang genommen hatte. Die ernsthafte Sorge des Kaisers um die Bewahrung der Einheit der Christenheit entsprang seinem ganz spezifischen Herrscherverständnis, wonach er der weltliche Hirte der Christenheit zu sein habe (Brandi 1937, Bd. 1, S. 424). In der zeitgenössischen Diskussion wurde diese Sichtweise als Verteidigung des Prinzips der monarchia universalis charakterisiert. Karl fand damit auch unter den Altgläubigen keineswegs nur Sympathien: Der sehr alte Konflikt mit dem Papst um den Vorrang der weltlichen vor der geistlichen Zentralgewalt in der damaligen Christenheit lebte wieder auf. 7
Lediglich angesichts der Türkengefahr, die als Bedrohung aller Christen durch die Ungläubigen empfunden wurde, konnten so tiefgreifende Gegensätze überdeckt werden. Schließlich spitzte sich der Gegensatz zu Frankreich zum Dauerkonflikt zu: Einem derart umfassenden Herrschaftsanspruch konnte sich der französische König nur verweigern. Erneut begegnen wir hier dem Problem der Charakterisierung der kaiserlichen Herrschaftsführung: Handelte es sich bei der Auseinandersetzung zwischen dem Habsburger und dem französischen König um einen Dynastienkonflikt, oder kann hier der Beginn moderner europäischer Außenpolitik vermutet werden, sozusagen der Anfang des Kampfs um die Hegemonie? Die Existenz dieser offenen Forschungsfragen, die eigentlich Fragen nach den Kriterien historischen Urteilens sind, verweist uns auf eine durch Konfession und Nation unterschiedene Kaisermemoria: In der deutschen Tradition gilt die Regierungszeit des Kaisers als Zeit der konfessionellen Spaltung, die die nationale Einheit in weite Ferne schob. Für die Spanier dagegen ist „Karl der Schöpfer der modernen staatlichen Einheit“ (Seibt 1990, S. 10). In der französischen Erinnerung gilt seine Regierungszeit als Behinderung der französischen Ostexpansion, und in der niederländischen Tradition wird der Kaiser als der „letzte gemeinsame Herrscher, der [...] die südlichen und nördlichen Provinzen zusammenbrachte“ (Seibt ebd.), betrachtet. Die Auflösung derart festgeschriebener Deutungsmuster ist nur sehr allmählich und mit Behutsamkeit möglich. An ihre Stelle werden sicher nicht die unerschütterlichen Einsichten darüber treten, „wie es eigentlich gewesen“ (L. v. Ranke). Historiker bleiben Zeitgenossen, und auch die gegenwärtige historische Forschung folgt zeitgebundenen Leitbildern. Diese Einsicht macht historische Forschung keineswegs überflüssig. Es wird lediglich deutlich, daß sie der – jeder Generation zustehende – Versuch ist, ihre eigene Vergangenheit neu zu konstruieren. Die Sichtung der angehäuften Generationendeutungen ist Gegenstand historischen Forschens; damit ist die 8
Notwendigkeit und Legitimität des wissenschaftlichen Umgangs auch mit solch fernen Zeiten, wie es das 16. Jahrhundert für den Leser des beginnenden 21. Jahrhunderts unzweifelhaft darstellt, formuliert. Das hier vorliegende Büchlein zielt auf solche Verständigung über die europäischen historischen Grundlagen der Gegenwart. In seinem Aufbau folgt es den skizzierten Forschungsfragen; es löst sich deshalb wiederholt vom chronologischen, Vollständigkeit anstrebenden Muster einer Biographie.
II. Biographische Prägungen und Persönlichkeit 1. Biographisches Am 24. Februar des Jahres 1500 wurde Karl in Gent geboren: Er war Enkel des Kaisers Maximilian I. (1459–1519), Sohn des Herzogs v. Burgund Philipp, genannt der Schöne (1478– 1506) und der Prinzessin von Aragon und Kastilien Johanna (1479–1555). Im gleichen Jahr starb sein Vetter Michael (*1498), zukünftiger Erbe der spanischen Kronen ebenso wie derjenigen von Portugal; die Erbfolge ging an Karls Mutter über. Seitdem war klar, daß Karl in nicht allzu ferner Zukunft Erbe der spanischen Reiche werden würde. Und da er von seinem Vater die österreichischen Besitzungen des Hauses Habsburg übernehmen würde, zeichnete sich schon in seinen ersten Lebensjahren ab, welch bedeutende Machtfülle auf den Heranwachsenden wartete. Der frühe Tod des Vaters (1506) und die Gemütskrankheit der Mutter führten Karl recht rasch in die politische Verantwortung. Bereits 1515 hatte er in Burgund die Herrschaft übernommen, jener Verbindung von reichen Landschaften, die wir Heutigen nur noch als Niederlande, Belgien, Elsaß, Lothringen, Luxemburg, Savoyen und die Provence kennen. 1516 übertrug man dem jungen Prinzen auch in Spanien die Regentschaft für beide Reiche. Er nahm sie für seine immer weniger einsatzfähige Mutter bis zu deren Tod (1555) wahr. Nach dem Ermessen der Zeit trat der junge Karl diese Aufgaben wohlgerüstet an. Sein erster Lehrer – er erhielt ihn im Alter von 9 Jahren – war Adrian von Utrecht (1459–1523), ein gelehrter burgundischer Theologe, damals Dekan der Kirche St. Peter in Löwen. Wie etliche seiner Generation hatte er seine Prägungen durch die „Brüder vom gemeinsamen Leben“ erfahren, die zu jener Frömmigkeitsbewegung des ausgehenden Mittelalters gehörten, die als devotio moderna bezeichnet wird und Frömmigkeit als Lebenshaltung, nicht als dogmatische Lehre verstanden wissen wollte. Über diesen Lehrer scheint auch Karl der devotio moderna nahe gekommen zu 10
sein: Seine „wesenhafte Frömmigkeit kann wohl nur hier ihre Wurzeln haben“, formulierte der Biograph der dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts, K. Brandi (Brandi 1937, Bd. 1, S. 41). Selbst wenn die Skepsis jüngerer Historikergenerationen angebracht erscheint, ob Karl ebenso wie sein Lehrer ein wirkliches Devotenleben überhaupt hätten führen mögen (Seibt 1990, S. 28) – schließlich wurde Adrian von Utrecht Kardinal, im Winter 1521/22 gar Papst –, so ist doch der enge Kontakt mit dieser Reformbewegung für den späteren Kaiser entscheidend geworden. Die eigentliche politische Erziehung des jungen Prinzen, die zudem eine Einführung in die Sitten und Gebräuche des Hofes umfaßte, lag in den Händen vornehmlich adliger spanischer und niederländischer Herren, allen voran Wilhelms von Croy, Herrn von Chievres (1458–1521). Seit 1509 war er Gouverneur und erster Kämmerer des angehenden Königs, vom kaiserlichen Großvater Maximilian dazu berufen. In dessen engerer Umgebung hatte er als Rat und Kammerherr, zudem als Ritter des Goldenen Vlies bereits seit gut zehn Jahren gedient. Chievres’ Zugehörigkeit zum altburgundischen Adel prägte seine politische Philosophie, sofern dieses große Wort hier zulässig ist: Der Dienst am Hofe des Herrschers bedeute keineswegs das Ende ständischen Selbstverständnisses und Selbstbewußtseins. Diese Haltung hat er an seinen Schützling weitergegeben. Sie äußerte sich im Bemühen des burgundischen Adligen, stets den Ausgleich mit den benachbarten großen Mächten England und Frankreich zu suchen, um den Bestand des jungen Herrschaftsgebildes, das seine Einheit zunächst der herrschenden Dynastie verdankte, zu sichern. Im Gegensatz dazu stand die Position der herzoglichen Tante Margarethe von Österreich, verwitwete Erzherzogin von Savoyen (1480–1530), die nach dem Tode Philipps des Schönen mit der mütterlichen Betreuung der fast elternlosen Kinder ihres Bruders (lediglich Karls Bruder Ferdinand (15031564) wuchs beim Großvater Ferdinand (1452–1516) in Spanien auf) in deren ersten Lebensjahren ebenso betraut worden war wie mit der Regentschaft im Herzogtum Burgund. Ihre 11
Option war eine engere Anlehnung an England, einerseits vermutlich in der Hoffnung, den Einfluß des altburgundischen Adels am Hofe und auf die Regentschaft zu vermindern, andererseits um den für das Herzogtum wichtigen Handel mit den Engländern zu stabilisieren. Karl hat diese Spannungen selbstverständlich kennengelernt, eine souveräne Entscheidung für die eine oder andere Seite aber war von einem kaum Fünfzehnjährigen nicht zu erwarten. Trotz seiner Parteinahme für die Adelsfronde, die sich 1514 gegen die Regentin gebildet hatte, blieb seine Zuneigung zur Tante ungebrochen. Wohl auch deshalb hat er sie in späteren Jahren (seit 1522) mit der Statthalterschaft im niederländisch-burgundischen Herzogtum betraut. Umgekehrt war auch Margarethe ihrem königlichen Neffen sehr zugetan, eine Sympathie, die sich zudem, was nicht selbstverständlich ist, aus dynastischer Solidarität speiste (Seibt 1990, S. 37f.). Historiker aller Generationen und Couleur haben ihre Klugheit und ihren politischen Verstand gerühmt. Ihr Eingreifen in die europäische Politik, das mit dem Abschluß des sogenannten „Damenfriedens von Cambrai“ (1529) ein Ende der Konflikte zwischen Deutschland, Frankreich und Spanien bewirken sollte, war bemerkenswert, obwohl der Frieden nicht hielt. Ob es wirklich von Bedeutung war, daß in Karls Biographie neben der Tante noch seine Schwester Maria (1505–1558), verwitwete Königin von Ungarn, und schließlich seine natürliche Tochter Margarete von Parma (1522–1586) eine über das Private hinausgehende Funktion erfüllten (so Seibt 1990, S. 44), abgesehen natürlich von der offensichtlich glücklichen Rolle, die seine Ehefrau, Isabella von Portugal (1503–1539), in seinem Leben einnahm? Es scheint, daß diese Tatsache nicht das Ungewöhnliche, sondern das Selbstverständliche bestätigt: die zentrale Funktion der adligen „Hausmutter“ neben derjenigen des adligen „Hausvaters“ (in seiner Rolle als Landesvater) auch und gerade am Hof des 16. Jahrhunderts, der sich in seinen Strukturen erst zu finden begann. Mit der feierlichen Proklamation seiner Volljährigkeit im Ständesaal des Brüsseler Hofs am 5.1.1515 trat Herzog Karl 12
in das Licht zunächst der niederländisch-burgundischen politischen Öffentlichkeit. Der junge Herrscher formte seine politische Umgebung zwar neu, aber nicht anders als seine Vorgänger; eine Hofordnung von 1515 gibt Zeugnis davon. Zusammen mit Adrian von Utrecht und dem Großkanzler Jean Sauvage, Seigneur d’Escaubecq (1455–1518), einem gelehrten flandrischen Rat, bildete Chievres den engsten Rat, während zum weiteren Rat alle Ritter des Ordens vom Golden Vlies gehörten. Als Neunjähriger war der burgundische Erbprinz zum Oberhaupt des Ordens ernannt worden, und er schien sich mit dieser Gemeinschaft zu identifizieren, denn das Ordenszeichen findet sich stets, wenn auch am Rande, in seinen Portraits. Diese Mitgliedschaft stellte Beziehungen her zu einer ritterlich geprägten Vereinigung von Männern sozialer Führungsgruppen seines Herzogtums. An deren Ordensideale war Karl durch seinen Großkämmerer Chievres herangeführt worden; ritterliche Lebensweise im Turnier und eine tapfere Lebensführung gehörten hinzu. Anders als die spätmittelalterlichen Mönchsorden oder die religiöse Aufbruchbewegung der devotio moderna waren „Ritterorden wie der vom Goldenen Vlies im Spätmittelalter ein neues gesellschaftliches Führungsinstrument für die sich festigenden Nationalmonarchien und zugleich ein neuer Weg der Selbstdarstellung einzelner Mitglieder der ,Familie des Königs’“ (Seibt 1990, S. 40/41). Nach dem Tode des spanischen Großvaters Ferdinand (23.1.1516) und seiner Proklamation zum spanischen König in Brüssel (13.3.1516) reiste Karl über England nach Spanien, wo er im September 1517 eintraf. Erstmals nach Jahren sahen sich die Brüder Karl und Ferdinand wieder. Der jüngere hatte sein bisheriges Leben vornehmlich in Spanien zugebracht, er war vom spanischen Großvater als heimlicher Nachfolger ,aufgebaut’ worden. Wie konnte sich das Verhältnis zwischen beiden entwickeln? Im Interesse der dynastischen Geschlossenheit hatte stets Einvernehmen darüber bestanden, daß Ferdinand Spanien verlassen sollte, wenn Karl als König dieses Land betreten würde (Brandi 1937, Bd. 1, S. 71). Denn die Gefahr, daß sich adlige Gruppierungen für den im Lande auf13
gewachsenen Prinzen und gegen den als landfremd empfundenen neuen König bilden würden, war groß und sollte vermieden werden. Die Brüder haben diese keineswegs leichte Aufgabe offensichtlich mit gemeinsamem Taktgefühl und getragen von der klaren Akzeptanz der Erbfolgeregelungen weitgehend reibungslos gemeistert. Verabredungsgemäß reiste Ferdinand nach einigen gemeinsamen Monaten in Spanien in das niederländisch-burgundische Herzogtum, um den älteren Bruder zu vertreten. Erst im Jahr der Hochzeit Ferdinands mit der Prinzessin Anna von Ungarn (1503–1547), also 1521, kamen die Brüder in den sogenannten Brüsseler Verträgen überein, dem Jüngeren die österreichischen Herzogtümer (Ober- und Niederösterreich, Kärnten, Steiermark und Krain) in voller landesherrlicher Gewalt zu überlassen. In allen übrigen Funktionen sollte der Jüngere den Älteren vertreten. Wie schon im Verhältnis zur Tante Margarethe trug nun auch im Verhältnis zum Bruder das dynastische Prinzip der Solidarität. Eheschließungen dienten in den Fürstenfamilien des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit der Absicherung von Herrschaft und der dynastischen Stabilisierung. Doch war dieses Prinzip keineswegs nur dort gebräuchlich, es galt auch im Bürgertum, unter den wohlhabenden Bauern und im niederen Adel. Das Gelingen einzelner Ehen unterlag demnach weit anderen Kriterien, als sie für die Menschen des 20. Jahrhunderts gelten. Es war deshalb auch ganz selbstverständlich gewesen, für den noch jungen Karl Eheverbindungen zu planen, die allein der dynastisch-politischen Vernunft folgten. Letztlich aber kamen sie alle nicht zustande. Die Verlobung mit seiner minderjährigen englischen Cousine Maria Tudor (1516–1558), Tochter Heinrichs VIII. (1491–1547), hatte Karl zwar 1522 noch einmal bestätigt; angesichts der Notwendigkeit aber, die Eheschließung auch als Geldquelle für den beabsichtigten Italienfeldzug zu nutzen, konnte Karl auf die noch kindliche Braut nicht länger warten. Deshalb warb er um die wohlhabende und schöne Isabella v. Portugal, auch sie seine Cousine. Eine Verbindung mit ihr war zudem aus innenpolitischen Gründen hochwillkommen. Nach langem Bemühen er14
folgte am 10.3.1526 die Trauung in Sevilla. Das Brautpaar hatte Glück: Was als dynastisches Kalkül begonnen hatte, führte in eine, so hat es den Anschein, gelingende Ehe, die von wechselseitigem Respekt und allmählich wachsender Zuneigung getragen wurde. Seine ersten drei Ehejahre verbrachte das Paar in Granada, 1527 wurde der Thronfolger Philipp, 1528 die älteste Tochter Maria geboren. Seit den 1530er Jahren zwangen die politischen Pflichten den Kaiser zur häufigen Abwesenheit. In einer sehr viel später formulierten Instruktion an seinen Sohn Philipp (4./6.5.1543) bezeichnete er es als wichtige Bedingung für eine gute Herrscherehe, daß die gemeinsame Zeit nie zu lange währen sollte (Seibt 1990, S. 96). Die Menschen des 20. Jahrhunderts würden das vermutlich als Rationalisierung charakterisieren. Aber hatte sie nicht ihr Recht, wenn die Beteiligten damit zufrieden waren? Der Tod seiner Frau – sie starb am 1.5.1539 wenige Tage nach der Totgeburt ihres siebten Kindes – bewegte den Kaiser tief. An seinen Bruder schrieb er kurz danach: „Er habe bei diesem großen und höchsten Verlust keinen anderen Trost als ihr gutes und katholisches Leben und ihren heiligmäßigen Tod. Er tue alles, sich in den Willen Gottes zu fügen, den er gebeten habe, sie zu sich in sein Paradies zu nehmen, wo sie nun gewißlich weile“ (Brandi 1937, Bd. 1, S. 362). Und um der Trauer Raum zu geben, zog er sich für mehrere Tage in ein Hieronymitenkloster bei Toledo zurück. Zu Recht ist jüngst auf die Parallele zu seiner eigenen Todeserwartung hingewiesen worden: In unmittelbarer Nähe zum Hieronymitenkloster Yuste verbrachte Karl seine letzten Lebensjahre. Vermutlich war es die Verbindung von Armut (im Sinne der Franziskaner) und Eremitendasein, von Seelsorge, Meditation und Studium, was ihn an diesem Orden anzog – wir können darüber nur spekulieren. Was bleibt, ist der Eindruck einer ernsthaften Persönlichkeit, zumindest in diesen sehr persönlichen Grenzerfahrungen fern aller kaiserlicher Stilisierung, fern damit auch seines übermütig-jugendlichen Wahlspruchs: plus ultra. 15
Karl V., Portrait 1548, Gemälde von Tizian
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Isabella von Portugal, Bildnis von Tizian
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2. Selbstdarstellung und Persönlichkeit Wie nähern sich Zeitgenossen, wie Historiker einem Kaiser? Das Problem der parteiischen Färbung aller Berichte über einflußreiche, mächtige Persönlichkeiten stellt sich selbstverständlich auch bei der Würdigung Karls V. Die Fülle der Berichte der Zeitgenossen wird ergänzt durch die Fülle der historiographischen Deutungen durch die nachfolgenden Generationen, die zudem in zwei feindlichen Lagern auftreten: die antikaiserliche Propaganda und Geschichtsschreibung ist ebenso umfangreich wie die prokaiserliche. Karls Herrschaftsübung wirkte polarisierend. Das kann nicht erstaunen angesichts der konfessionellen Verwerfungen seit dem ersten Drittel des 16. Jahrhunderts, angesichts der außenpolitischen Polarisierungen, durch die seine Regierungszeit geprägt war, angesichts schließlich des „übergroßen Wirkungsbereiches“ (E. Schulin 1999), den er auszufüllen hatte und dessen regionale Identitäten nicht in einer überregionalen Einheit aufgehen konnten, geschweige denn aufgehen wollten. Wenn auch die Herrschaftspraxis polarisierende Wirkung hatte, die Persönlichkeit des Kaisers besaß sie ganz offensichtlich nicht! Folgen wir dem Bericht des Venezianischen Gesandten aus dem Jahre 1525, dann zeichneten den Kaiser Bescheidenheit, Gerechtigkeit und eine sichtbar ernst gemeinte Religiosität aus. „Im Grunde seines Wesens ist er schwermütig, aber nicht temperamentlos, und seine ganze Veranlagung entspricht dieser Gesamthaltung. Er ist ein sehr religiöser Mensch, sehr gerecht, frei von jedem Laster und nicht, wie andere junge Leute der Wollust ergeben, er kennt auch sonst keine anderen Vergnügungen“ (Kohler, Quellen, 1990, S. 114). Bemerkenswert erscheint dem Berichterstatter, daß der Kaiser nur hin und wieder auf die Jagd gehe, „selten genug“, wie er schreibt. Auch gemessen am zeitgenössischen Ideal des höfischen Lebensstils schien der Kaiser maßvoll: ausufernde Lebensformen waren ihm – mit Ausnahme seiner Eßgewohnheiten – fremd, das traditionale Ritterideal lag ihm näher als die beginnende Hofkultur seiner eigenen Zeit. 18
Diese positiven Züge finden sich in mehreren Berichten auch der folgenden Jahre; sie trafen einen offensichtlich wahren Kern. In den zeitgenössischen Berichten fehlen allerdings auch die negativen Charakterzüge nicht. Der Kaiser wird als verschlossen beschrieben, als unnahbar, spröde und nachtragend, was sich auf seine politischen Entscheidungen u.a. in der Auseinandersetzung mit den deutschen Protestanten als konfliktverschärfend erwies. „Er erweist sich als wenig leutselig und eher schnell zugeknöpft als großzügig, daher ist er nicht übermäßig beliebt [...]. Wie [...] sein Beichtvater [...] sagte, behält der Kaiser ihm einmal zugefügte Beleidigungen im Gedächtnis und kann sie nicht so leicht vergessen“ (Kohler, ebd., S. 115). Diese Eigenschaften verschärften sich im Laufe der Jahre, möglicherweise auch als Folge der Enttäuschung und Resignation, die den Kaiser in seinen letzten Regierungsjahren zeichneten. Karl wurde nicht altersweise, ganz im Gegenteil. Nach Berichten aus seinen letzten Lebenstagen verschärfte sich seine Haltung gegenüber den Protestanten, den Ketzern, wie er sie nun nur noch nannte, zu einer Unbarmherzigkeit, die in den Tagen der direkten.Konfrontation beim Kaiser unbekannt gewesen war. „Ich bitte ihn und bürde es ihm auf“, so schrieb Karl in seinem letzten Brief an seinen Sohn Anfang September 1558, „mit aller Inständigkeit und Dringlichkeit und wie ich es nur kann und wie es meine Pflicht ist: ich befehle es ihm als sein liebender Vater und um des Gehorsams willen, den er mir schuldig ist, als Wichtigstes und Hauptsächliches, daß die Ketzer vernichtet und bestraft werden mit allem nur möglichen Nachdruck der Gewalt, ohne Ausnahme und ohne Barmherzigkeit [...], und zu meiner größten Entlastung und Beruhigung.“ Aus diesen Sätzen spricht Enttäuschung über die Vergeblichkeit seiner Ausgleichs- und Reformbemühungen, die Verletzung also desjenigen, der sich mißverstanden sieht. So viel Schärfe im Urteil läßt auch auf Einsamkeit und fehlenden Austausch mit einem als gleichrangig akzeptierten Partner schließen. Daß der Kaiser diese Kommunikation, das Nachdenken über Herrschaftsübung und -praxis gerade in seinen letzten Lebensjahren suchte, zeigt 19
Karl V. über das Feld bei Mühlberg reitend, Gemälde von Tizian
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Karl V., Portrait mit Dogge, Gemälde von Tizian
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die Notiz seines nächtlichen Vorlesers, Guillaume van Male († 1560), die von der Vorliebe des Kaisers für die Psalmen des Alten Testaments als der christlichen Herrschafts- und Tugendlehre zeugt. „Häufig haben wir in den Psalmen gelesen, und der klare Geist des König David hat den Kaiser immer wieder neu angeregt“ (Reiffenberg, 1843, Nr. 44 vom 5.5.1551). Sehr bewußt hat der Kaiser versucht, das Bild zu prägen, das sich die Zeitgenossen von ihm machten. Das war Herrschertradition, nichts Illegitimes, von der Umgebung und den Untertanen des Kaisers vielmehr erwartet. Neben der Hofhistoriographie und der Formulierung seiner Autobiographie nutzte der Kaiser zielgerichtet die Möglichkeiten der zeitgenössischen Malerei. Es ist durchaus angebracht, diese Funktionalisierung der bildenden Kunst als Propaganda zu bezeichnen. Auch das Bild der Historiker des 20. Jahrhunderts ist damit bis zu einem gewissen Grad durch Karl selbst bestimmt. Die besondere Rolle, die der venezianische Malerfürst Tiziano Vecellio (um 1488–1576) in dieser Selbstinszenierung spielte, begann erst in der Mitte der dreißiger Jahre des 16. Jahrhunderts. 1533 fertigte Tizian eine Kopie des von J. Seisenegger erstellten Bildnisses des Kaisers mit einer Ulmer Dogge, die den Kaiser von der Kunst des Venezianers überzeugte. Wenig später ernannte er ihn zum Ritter des goldenen Sporn; diese soziale Aufwertung erleichterte ihm den Umgang am kaiserlichen Hof. Anläßlich der Augsburger Reichstage 1547/48 und 1550/51 begegneten sich Kaiser und Künstler persönlich und über einen längeren Zeitraum. Hier entstand das berühmte Reiterbild, das den Kaiser nach der Schlacht bei Mühlberg, dem Sieg über die Protestanten im Reich, darstellte. Im Selbstverständnis des Kaisers und seiner Umgebung erschien Karl hier als defensor fidei, als Verteidiger des Glaubens. Aber der Kaiser wirkt erschöpft, sein Gesicht drückt nicht Siegesfreude oder Kampfgeist aus, sondern ist gezeichnet von den Anstrengungen der vergangenen Jahre, von der Energie, die er aufbringt, um den Ritt zu vollenden. Weder 22
Menschen sind zu sehen noch Fahnen und Kanonen: Die ganze Darstellung ist auf den Kaiser, seinen Gesichtsausdruck konzentriert. Auch die kaiserlichen Insignien stehen im Hintergrund. „Ohnehin wird alle Beigabe durch die schlichte Kleidung verdrängt. Jeder Vergleich, auch wenn man von der Kunst Tizians dabei absieht, hebt die Bilder Karls weit über die seiner europäischen Standesgenossen [...]. Wie unendlich überlegen wirkt all jenen gegenüber der blasse Karl mit seinen sensiblen Händen, dem Tizian alle Ausdruckskraft in die Augen legte“ (Seibt 1990, S. 35). Und eben darin bestand das Selbstverständnis des Kaisers: Die Verteidigung des Glaubens war Aufgabe des „ersten Fürsten der Christenheit“. Tizian gab dem Anspruch zu einem Zeitpunkt seinen künstlerischen Ausdruck, an dem die Realisierungschancen des politischen Konzepts der monarchia universalis, der Universalmonarchie, immer unwahrscheinlicher wurden. War es Weltferne, die den Kaiser an jenem Konzept festzuhalten veranlaßte?
III. Der Kaiser und Europa – der Kaiser in Europa Gerade die Jugend des burgundischen Herzogs und spanischen Königs weckte die Hoffnungen zahlreicher Zeitgenossen. Am bekanntesten ist der Karl gewidmete Fürstenspiegel des ,Humanistenfürsten’ Erasmus von Rotterdam (um 14661536) aus dem Jahr 1516. In betonter Abkehr von den burgundischen Ritteridealen, zu denen sich der junge König als Oberhaupt des Ordens vom Goldenen Vlies bekannte, formulierte der niederländische Gelehrte Erziehungsregeln für einen christlichen Fürsten. Es war ein Aufruf an den jungen Herrscher, Konflikte auf friedlichem Wege zu bewältigen. In seiner Vorstellung sollten die christlichen Fürsten eine christliche Gemeinschaft, die res publica christiana, bilden, deren Grundsatz die Friedenswahrung zu sein hatte. Erasmus stand nicht allein mit seiner Erwartung: Zu Beginn des 16. Jahrhunderts gab es eine weitgespannte Debatte unter Europas Humanisten über den Wert und die Möglichkeiten des Friedens und der religiösen Toleranz (Seibt 1990, S. 92; Guggisberg 1984). Ob Karl von diesen Diskussionen berührt wurde, ist unbekannt. Aber sein plus ultra signalisierte politischen Gestaltungswillen. Seine Ideale waren die ritterlichen, zu denen aber auch die Wahrung des Friedens zählte. Karl hat dies in seinen berühmten Reflexionen von 1525 (Brandi 1937, Bd. 1, S. 189f.) selbst formuliert, zugleich aber hinzugesetzt: „Das ist etwas Schönes auszusprechen, aber schlecht zu haben, denn jeder weiß, daß man ihn [den Frieden, d. Verf.] ohne Zustimmung des Feindes nicht haben kann“ (Brandi 1937, Bd. 1, S. 190). 1. König von Spanien Das aktuelle Aufgabenfeld für Karl war zunächst Spanien. Dies erforderte eine Politik des Ausgleichs und der Befriedung im Innern, mit deren Hilfe das in großen Teilen des Adels 24
vorhandene Mißtrauen gegen den neuen, landfremden König zu beseitigen war. In der Forschung werden diese Bemühungen Karls als Teil des von ihm allmählich aufgebauten „politischen Systems“ charakterisiert (Lutz 1982), mit dessen Hilfe er die Vielzahl und Vielfalt der räumlich weit voneinander getrennten Herrschaftskomplexe zusammenzubinden versuchte. Gegensätzlich bleibt bislang die Wertung der Bemühungen. Während der Kölner Historiker P. Rassow die universalistischen Aspekte dieser Politik herausgestellt hat, deren Wurzeln im Mittelalter lägen (Rassow 1932; 1957), wiesen sowohl K. Brandi als auch die Wiener und Konstanzer Historiker H. Lutz (1964) und H. Rabe (1971) darauf hin, daß sich das politische Instrumentarium Karls auch als dasjenige eines „frühabsolutistischen Herrschers“ (Rabe 1982, S. 162) bezeichnen lasse. Die beiden hierfür geltend gemachten Kriterien: Zurückdrängung der Stände einerseits und Intensivierung der herrschaftlichen Zentralverwaltung andererseits müssen angesichts eines gewandelten Blickwinkels der Historiker neu gewichtet werden. Denn worin bestand das Zurückdrängen der Stände, und was blieb von der Intensivierung der Zentralverwaltung, wenn man nach deren Durchsetzungsvermögen gegenüber der adligen bzw. städtischen Basis fragt? Seit Beginn seiner Regierungszeit bestand Unmut unter den altspanischen Adelsfamilien darüber, daß Karl einige nichtspanische Berater am Hof mit heimischen Gütern belehnt hatte (Brandi 1937, B. 1, S. 74f.). Der Ärger äußerte sich auf der ersten Versammlung der Stände Kastiliens (Cortes), die nach dem Regierungsantritt des neuen Königs 1517/18 in Valladolid tagte. Gemäß nicht nur spanischer, sondern gesamteuropäischer Tradition hatte der König zu schwören, daß er die hergebrachten Rechte und Privilegien der Stände wahren werde; als gleichberechtigte Antwort darauf mußten die Stände (hier in Gestalt der Cortes als Vertreter von Adel, Geistlichkeit und Städten) dem neuen König huldigen, womit sie ihren Gehorsam dokumentierten. Karl absolvierte beides: am 5.2.1518 seinen Eid, am 7.2.1518 empfing er die ständische Huldigung. Auf den Ständeversammlungen der übrigen Teil25
reiche (Aragon und Katalonien) wiederholte sich dieser Vorgang in den folgenden Wochen. Für alle sichtbar hatte er damit den traditionellen Vertragscharakter der Herrschaftsübung auch und gerade im Königreich Spanien bestätigt. Hinweise auf eine Ablehnung dieser Legitimitätsgrundlage durch Karl hat es nie gegeben. Strikt eingebunden in die politischen Ordnungsvorstellungen seiner Zeit, war auch für ihn unbestritten, daß Herrschaft an ständische Beteiligung gebunden war. Dazu gehörte andererseits, daß ein christlicher, d. h. Gott gehorsamer Herrscher von seinen Untertanen gleichfalls Gehorsam erwarten durfte. Nicht die Begründung (früh-)absolutistischer Herrschaftsübung war das Thema jener Zeit – auch der Zeitgenosse Machiavelli (1469–1527) hat Herrschaft nicht als absolute legitimiert –, sondern der Umfang der Herrschaftsübung, die der pater patriae, d.h. der Herrscher als Landesvater, für sich in Anspruch nehmen durfte. Die Stände in Valladolid überreichten ihre Forderungen in 88 Artikeln, in denen allgemeine und konkrete Mißstände zur Sprache kamen (Brandi 1937, Bd. 1, S. 76). Sie betrafen Unregelmäßigkeiten im Gerichtswesen, Probleme im kirchlichen Abgabenwesen ebenso wie bei der Vergabe geistlicher Ämter. Damit wurde die Forderung verbunden, auch weltliche Ämter/Pfründen (u.a. am Hof) nur an heimische Adlige zu vergeben. Auch sollte die Sprache am Hof und diejenige des Königs Spanisch sein. Schließlich forderten die Stände, regelmäßig einberufen zu werden. Zwei Strukturprobleme der spanischen Gesellschaft des frühen 16. Jahrhunderts wurden damit angesprochen: zum einen die ungeklärten Verhältnisse zwischen geistlicher und weltlicher Herrschaftsübung – ein Problem mithin, das die spanische Gesellschaft keineswegs allein bewegte; zum anderen das Verhältnis zwischen heimischem Adel und landfremden Amtsträgern, die im Umkreis des Königs erhebliche politische Macht auszuüben begannen. Auch dieses Problem ist kein spezifisch spanisches gewesen, selbst wenn es sich durch die langen Abwesenheiten des Königs verschärft darstellte. Was sich hier artikulierte, war ein Strukturwandel in der 26
Herrschaftsübung. Den vornehmlich adligen Ständen drohte das unbestrittene Recht der Beteiligung an Herrschaft genommen zu werden und zwar durch Kompetenzverlagerung auf neue soziale Führungsgruppen, die aufgrund der Amtsvergabe vom König abhängig waren. Im Spanien der frühen zwanziger Jahre zeichnete sich dies ab; deshalb wuchs der Protest, deshalb auch war die Forderung nach Regelmäßigkeit der ständischen Sitzungen zentral: Eine Institutionalisierung ständischer Mitregierung sollte damit durchgesetzt werden. Seit dem Tod des Kaisers Maximilian (12.1.1519) verschärfte sich das Problem der inneren Machtbalance weiter. Da die Chancen des jungen Königs groß waren, die Kaiserwürde zu erhalten, stellte sich die Frage nach der Vereinbarkeit von königlicher und kaiserlicher Herrschaftsübung. Mußte nicht notwendigerweise das Interesse des spanischen Königreichs vor dem Anspruch des Kaisertums zurückstehen? Über die Möglichkeiten einer Verbindung beider Interessen entstand sogleich eine rege öffentliche Diskussion, die zwischen den Vertretern des Königshofs und den Vertretern der Stände vor allem Kastiliens geführt wurde. Sie war ein Streit um die zeitgenössische Kaiseridee. Gewichtige politische Denker der Zeit haben sich darin zu Wort gemeldet. Selbst die Ratgeber des Königs waren nicht einer Meinung. Der Kern der Frage lautete: Hat das Kaisertum einen legitimen universalen Anspruch, weil es die Einheit der Christenheit bewahren soll, oder handelt es sich um die Rechtfertigung von Expansionsbestrebungen? Geht es um das weltliche imperium oder um die sakrale monarchia universalis? Der Kaiser und sein seit dem 15.10.1518 amtierender Großkanzler Mercurino Gattinara (1465–1530) betonten die sakrale Bedeutung der Universalmonarchie. Demgegenüber warnten der Hofprediger des Königs Antonio de Guevara (1486–1546), sein späterer zeitweiliger Beichtvater Pedro de Soto (1495–1560), Mitglied der damals führenden spanischen Philosophenschule an der Universität von Salamanca, und deren ,Haupt’ Francisco de Vitoria (ca. 1485–1546) vor der imperialen Verführung der universalen Kaiseridee. In ihrer Sicht 27
ging es darum, die Grundsätze einer theologisch fundierten Herrschaftsethik zu reformulieren, was zudem im Rahmen der spanischen Kolonialpolitik dringend erforderlich war (H. Lutz 1964, S. 27f.). Vitoria betonte die Gleichwertigkeit aller politischen Bildungen innerhalb der Christenheit. Mit Verweis auf die Staatslehre des Thomas v. Aquin (1224–1274) bestritt er jede theologische oder rechtliche Legitimation der monarchia universalis, sofern sie als imperium auftrete. In inhaltlicher Verbindung dazu entstand Vitorias Argumentation, die den nicht-christlichen Bewohnern der neuen Welt, den neuen Untertanen des spanischen Königs also, unveräußerliche natürliche Rechte zuerkannte. Sie besaßen ein eigenes Verfügungsrecht über ihren Körper, d.h. persönliche Freiheit (Pagden 1987, S. 81). Die Eroberung Amerikas konnte deshalb nur gerechtfertigt sein, wenn die Ureinwohner diese Rechte durch eigene Handlungen verwirkt hätten. Der Kaiser hat diese bemerkenswert differenzierten Argumentationen seines zeitweiligen Beichtvaters gewiß gekannt. Und wohl deshalb war Karl mit den spanischen Eroberern einig im Bewußtsein, rechtmäßig zu handeln, denn ihm und vielen anderen ging es nicht um Zerstörung. Eroberung hieß Anerkennung sozialer Gemeinschaften, die die Ureinwohner gebildet hatten. In der Theorie ging man sogar von der Duldung nichtchristlicher Herrschaftsordnungen aus. Das Konzept der monarchia universalis vertrug sich damit sehr gut, denn Bekehrung zum Christentum war ja keineswegs untersagt. Auch deshalb betonte der Kaiser, anders als Vitoria, die Legitimität der Universalmonarchie. Sie umfasse ein geistliches und ein weltliches Aufgabenfeld, in beiden habe der Kaiser für das Wohl aller zu sorgen. Der Universalmonarch sei protector und advocatus ecclesiae, deshalb müsse er den Krieg gegen die Ungläubigen ebenso führen, wie er die Kirchenreform zu betreiben und die Ketzer zu verfolgen habe. Seine Begründungen standen in der langen Tradition alttestamentlicher Kontinuitätsvorstellungen, der Kaiser sah sich als Friedenskaiser, als katechon, der den Zerstörer der Welt aufhalte. Nach Gottes Gebot müsse die Vielzahl menschlicher 28
Herrschaften unter einem Herrscher zusammengeführt werden; deshalb sei die Existenz der einen Monarchie gewollt, die Vielzahl der Herrscher dagegen Folge der Erbsünde (Bosbach 1988, S. 13 u.ö.). In seiner Proklamation vor den Cortes in La Coruña hatte Karl diese Gedanken am 20.4.1520 angedeutet (Rassow 1957, S. 17f.), er wollte die Diskussionen um die Unvereinbarkeit von spanischem Königtum und Kaisertum im positiven Sinne beenden. Knapp vier Wochen später verließ er das keineswegs befriedete Land mit seinen engsten Beratern bereits wieder in Richtung Niederlande. Daß es kurze Zeit darauf (29.7.1520) zum offenen Ausbruch einer Ständerevolte kam mit dem erklärten Ziel, die Wahrnehmung spanischer Interessen durch die spanischen Stände selbst zu sichern, war angesichts dieses Problemdrucks nicht verwunderlich. Innere Gegensätze zwischen den am Aufstand beteiligten Gruppen und das militärische Übergewicht der vom Statthalter des Königs Adrian von Utrecht zusammengezogenen Truppen führten schließlich zum Scheitern der Erhebungen. Von einer Befriedung im Sinne des Ausgleichs der vielfältigen und berechtigten Forderungen der ständischen Opposition konnte selbst am Ende der Regierungszeit Karls kaum gesprochen werden. Als er im Sommer 1522 nach Spanien zurückkehrte, ging es zunächst um die Bestrafung der Aufständischen; er selbst verkündete am 2.11.1522 in Valladolid die Urteile. Neben der Todesstrafe für die Anführer wurden für weitere Beteiligte auch mildere Urteile ausgesprochen; die umfangreichen Güterkonfiskationen aber trafen die beteiligten Adelsund Stadtbürgerfamilien empfindlich. Das labile Gleichgewicht, das seitdem in Spanien zwischen König und Ständen bestand, läßt sich kaum als Zurückdrängung der ständischen Beteiligungsansprüche charakterisieren, zumindest nicht solange Karl regierte. In einer Thronrede, die er vor den Cortes im Juli 1523 hielt, entwickelte er ein Programm patriarchalischer Herrschaftsübung: Schutz der katholischen Religion, Verteidigung der Rechte des Landes im Innern und nach außen. Die Aufgaben der Cortes charakteri29
sierte er dabei als selbstverständliche Teilhabe am Reformprozeß im Lande (Brandi 1937, Bd. 1, S. 180). In den folgenden Jahren bemühte er sich als Antwort auf die ständischen Unruhen (bis 1529 war Karl ohne Unterbrechung im Lande) um den Aufbau einer funktionierenden spanischen Zentralverwaltung. Erste Ansätze dazu gab es bereits aus den Zeiten seiner Großeltern, die sich aber nicht als besonders effektiv erwiesen hatten. Es muß deshalb festgehalten werden, daß auch Karls Anstrengungen nur mühsam vorankamen. Das Nebeneinander von Kompetenzen in regionalen und ständischen Gremien sowie in solchen Gremien, die der Zentrale zuarbeiten sollten, unterscheidet sich in der fehlenden Vermittlung zu den Betroffenen nicht von entsprechenden Strukturen, die in den letzten Jahren auch für andere europäische Regionen beschrieben worden sind. Das spanische Königreich war eine ständisch strukturierte Herrschaftsordnung; alle Bemühungen, deren Funktionieren zu verbessern, stellten den akzeptierten Grundkonsens nicht in Frage. Niemand vertrat diese Position klarer als der König selbst: In der Kontroverse um die Kaiseridee betonte er die Traditionslinie, in der die monarchia universalis stehe. Die Kontroversen der Zeit, sowohl diejenigen um die Strukturen ständischer Herrschaft, als auch diejenigen um das Konzept der Universalmonarchie, waren Auseinandersetzungen innerhalb eines von allen akzeptierten Rahmens, den die Historiker gerne als traditional bezeichnen. Unterschiedliche Positionen erweisen sich deshalb als graduelle Abweichungen innerhalb eines Grundkonsenses, nicht aber als Kontroversen zwischen mittelalterlicher und frühmoderner Staatlichkeit! Nicht nur für die politiktheoretischen, innerspanischen Diskussionen spielte die Verbindung zwischen Kaiseridee und Kolonialreich eine Rolle; die spanischen Besitzungen in Übersee erhielten in der Regierungszeit Karls V. auch eine wachsende Bedeutung als ökonomische Absicherung seiner Europa umgreifenden Herrschaftsübung. Für ihn waren die Überseegebiete in dieser Funktion wichtig; deshalb war er an der Fähigkeit ihrer Verwaltung, Abgaben und Erträge einzufordern, 30
sehr interessiert. Die Probleme, die sich aus der rücksichtslosen Ausbeutung und Eroberung der Kolonialgebiete für deren Leistungsfähigkeit, ja Überlebensfähigkeit ergaben, waren dem Kaiser allerdings sehr bewußt; die skizzierten innerspanischen Diskussionen prägten und sensibilisierten ihn. Die Überseepolitik während seiner Regierungszeit zielte deshalb darauf, Kompromißlösungen zwischen den Interessen der spanischen Siedler und derjenigen der Ureinwohner durchzusetzen. Während der Versammlung der Cortes 1520 in La Coruña ergriff Karl die Initiative: Das umstrittene System der Encomienda, durch das die Indios zu harter körperlicher Arbeit zwangsverpflichtet werden konnten, wurde verändert. Die Ureinwohner sollten nurmehr mit ihrem Einverständnis zu bestimmten Arbeiten herangezogen werden können, die spanischen Kolonialbeamten mußten auf diese Art der Verwendung der Indios gänzlich verzichten. Die Kritik des Dominikanerpaters Bartolomé de las Casas (1474–1566) führte bereits 1518 zur Reform der Verwaltung der Gebiete in Übersee, indem ein kollegiales System mit einem eigenen Sekretär in Sevilla eingerichtet wurde. Dieses wurde 1524 zum Indienrat (Consejo Real y Supremo de las Indias) erhoben. Dennoch erwies sich die Durchsetzung der Reformgesetze als äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich; viele der spanischen Eroberer, allen voran Hernán Cortés (1485–1547), hielten sich schlicht nicht an die Vorgaben. Dem konnte die spanische Krone (insbesondere der Indienrat) nicht jahrelang untätig zusehen. Der Kaiser berief deshalb 1539 eine Kommission, vor der die verschiedenen Positionen zur Lösung der sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Überseegebiete vorgetragen wurden. Nach diesen „Disputationen von Valladolid und Barcelona“ von 1542/43 wurden die Vorgaben von 1520 erneuert und verschärft (Leyes nuevas); insbesondere verbot man die erbliche Encomienda. Der nun an Heftigkeit noch zunehmende Widerstand der Encomenderos in den Kolonialgebieten war Ursache gravierender sozialer und wirtschaftlicher Krisen in den beiden Vizekönigtümern Peru und Neu-Spanien. Sie zwangen den Kaiser, bereits im Oktober 31
1542 das Erblichkeitsverbot der Encomiendas wieder aufzuheben, so daß die zentrale Bestimmung der „Neuen Gesetze“ hinfällig wurde. Dennoch gelang es in den folgenden Jahren, die Zwangsmaßnahmen gegenüber den Indios einer stärkeren Kontrolle durch die königliche Verwaltung zu unterwerfen. Damit wurde dem Anliegen des Kaisers entsprochen, das er in der Augsburger Instruktion von 1548 nachdrücklich formuliert hatte: Die Anerkennung eines natürlichen Rechts auch für die Indios führt zum Schutz ihrer rechtmäßigen Ordnungen vor Willkürmaßnahmen durch die spanischen Eroberer. 2. Kampf der Dynastien oder Mächtekonflikt? Spätestens seit der Niederlage des französischen Königs Franz I. (1494–1547) bei der Kaiserwahl 1519 wurde der Gegensatz zwischen den Häusern Valois (der Herrscherdynastie Frankreichs) und Habsburg (der Herrscherdynastie Österreichs) zum Dauerthema der europäischen Machtbeziehungen im 16. Jahrhundert. „Er geriet zu einem militärischen und ideologischen Dauerkonflikt, der erst 1559, nach fünf Kriegen ein Ende fand“ (Kohler, Reich, 1990, S. 8). In der Abwehr der Bedrohung durch die Osmanen waren sich französische und habsburgische Überlegungen zur Stärkung einer Universalmonarchie noch im Vorfeld der Kaiserwahl sehr nahegekommen. Auch die europäische Öffentlichkeit betrachtete diese Ideen bei aller Kritik insbesondere aus dem Kreis der spanischen Philosophenschule von Salamanca (s.o. S. 27) mit Sympathie. Nach der Wahl Karls zum Kaiser allerdings entfaltete das universale Herrschaftskonzept eine antifranzösische Stoßrichtung, die zur Polarisierung in Europa maßgeblich beitrug. Praktische geopolitische Grundlage der monarchia universalis war nach der Vorstellung des Kaisers und seines Großkanzlers Gattinara zum ersten die Kaiserwürde und zum zweiten die Herstellung einer „Landbrücke [...] zwischen den spanischen, italienischen und deutschen Herrschaftsbereichen der Habsburger auf Kosten Frankreichs, das solcherart auf die Stellung einer zweitrangigen Macht in Europa zurückgewor32
fen worden wäre“ (Rabe 1991, S. 224f.). Es ist einsichtig, daß dies den französischen Unwillen hervorrief. Darüber hinaus ging es dem französischen König darum, die Niederlage bei der Kaiserwahl durch territoriale Gewinne an anderer Stelle auszugleichen. An eine Abtretung der oberitalienischen Gebiete war deshalb nicht zu denken. Statt dessen erhob er seinerseits Ansprüche auf die 1512 an Spanien verlorenen Teile des Königreichs Navarra. Machterweiterung war also auch für Frankreich maßgebliche Handlungsmaxime. Den ersten Schritt in die skizzierte Richtung tat der Kaiser mit der Eroberung Mailands im November 1521; bis zum Mai 1522 hatte er ganz Oberitalien in seiner Hand. Allerdings wechselte der militärische Erfolg rasch: Im Sommer 1524 konnten die Franzosen Teile Oberitaliens wieder zurückerobern. Bemerkenswert war zudem, daß die kaiserlichen Erfolge in den italienischen Mittel- und Kleinstaaten einen „antihabsburgischen Patriotismus“ entstehen ließen, der sich in der öffentlichen Meinung als profranzösische Stimmung äußerte (Rabe 1991, S. 225; Kohler, Reich, 1990, S. 10). Dennoch gelang den kaiserlichen Truppen am 25. Geburtstag Karls der entscheidende Sieg bei Pavia. Der französische König geriet in kaiserliche Gefangenschaft. Der Sieg traf den Kaiser unerwartet. Seine Reaktion war sehr verhalten, alle Feiern am Hof wurden untersagt, er selbst begab sich als Zeichen religiöser Demut auf eine Wallfahrt zu einem der großen Wallfahrtsorte Spaniens: Unserer Lieben Frau von Guadalupe. Wenige Wochen vor dem Sieg seiner Truppen hatte sich der Kaiser in einer Denkschrift selbst Rechenschaft über seine bisherigen Erfolge und möglichen Ziele abgelegt; er war zu einem eher zurückhaltenden Urteil gekommen (Seibt 1990, S. 90f.). Nun hatte die Realität die Pläne überholt. Seine nachdenklichen Äußerungen aber signalisieren, wie wichtig dem Kaiser ein militärischer Erfolg zur Wahrung seines Nachruhms, seiner Ehre war! „[...] und indem ich sehe und fühle, daß die Zeit vergeht“, schrieb Karl nieder, „und daß wir bald vergehen mit ihr, und da ich nicht so vergehen möchte ohne eine rühmliche Erinnerung an mich 33
zurückzulassen, und da das, was heute verloren wird, morgen nicht zurückzugewinnen ist, und da ich bisher nichts geleistet habe, das zur Ehre meiner Person gereicht, was so lange hinausgeschoben zu haben ich recht zu tadeln wäre – aus all diesen Ursachen und vielen anderen würde ich keinen Grund sehen, der mich hinderte, etwas Großes zu tun“ (Brandi 1937, Bd. 1,S. 191). Der Erfolg und damit der Ruhm hatten sich eingestellt; anders als sein Großkanzler Gattinara sah der Kaiser nun aber keinen Grund mehr, den Besiegten allzusehr zu demütigen. Während Gattinara mit Konsequenz die Verwirklichung des imperialen Anspruchs der Universalmonarchie verfolgte und deshalb auch eine Auflösung der französischen Monarchie in Kauf genommen hätte, überwog beim Kaiser ebenso wie bei den burgundischen und spanischen Adligen seiner Umgebung die ständische und dynastische Solidarität. Der Kompromißfrieden, der dem französischen König angeboten wurde, war zwar immer noch hart, aber es war ein Angebot zur endgültigen Beilegung der Konflikte. Es wird an dieser Stelle deutlich, welche Unterschiede im Verständnis des Konzeptes der monarchia universalis zwischen Kaiser und Kanzler bestanden. In der Forschung ist die hier beschriebene Reaktion des Kaisers stets als Zaudern gedeutet worden. Konsequenter aber erscheint es, sie als Reaktion desjenigen zu deuten, der die sakrale Gestalt der Universalmonarchie in den Vordergrund stellte. Diese wies dem Kaiser die Funktion des Hirten für die ganze Christenheit zu, gebot also gegenüber dem Besiegten den Schutz des guten Herrschers: „Denn erlittenes Unrecht zu verzeihen, halte ich für größer, als es zu rächen; außerdem ist das Rächen die Sache Gottes“, so formulierte Karl selbst in einer späteren Rede (September 1528, Zitat nach Kohler, Quellen, 1990, S. 137). Wohl auch in diesem Sinne war es Karl bei seinen Reflexionen vor Pavia um die Führung eines ,guten Krieges’ gegangen. Der Konflikt mit Frankreich bestätigt die Annahme, daß es aus der Sicht des Kaisers um einen Konflikt der Dynastien ging, der schließlich auch mit deren spezifischen Mitteln bei34
gelegt werden sollte. Trifft diese Aussage zu, dann kann von einem „Europa nationaler Mächte“ im Zeitalter Karls V. noch nicht gesprochen werden. Franz I. hat den Friedensschluß, der ihm in Madrid am 14.1.1526 vorgelegt wurde, trotz aller Verbindlichkeit als äußerst hart empfunden. Er akzeptierte ihn zwar, widerrief ihn jedoch nach seiner Freilassung sogleich. Damit war er hinfällig geworden. Getragen von der antihabsburgischen Opposition in Europa gelang es dem französischen König, mit dem Papst, dem Herzog von Mailand, Venedig und Florenz einen Verteidigungsbund (Heilige Liga von Cognac 22.5.1526) zu schließen. Der Kaiser behielt dennoch die Oberhand: Im „Damenfrieden von Cambrai“ vom 3.8.1529 (s.o. S. 12) einigte man sich auf die Aufgabe aller gegenseitigen Restitutionsansprüche. In Zukunft sollte eine Verständigung über den Weg der Heiratspolitik erreicht werden, auch dies ein Zeichen dafür, daß es dem Kaiser nicht um unerbittliche Machtpolitik im Sinne seines Kanzlers Gattinara ging. Aber auch der Frieden von Cambrai war keine Dauerlösung, die Konflikte um die Vorherrschaft in Europa gingen weiter. Daß sie zunächst ein wenig in den Hintergrund traten, war auch darauf zurückzuführen, daß das Vordringen der Osmanen eine gemeinsame Gefahr für das christliche Europa darstellte. Diese Auseinandersetzung mit dem osmanischen Reich trug für den Kaiser andere Züge als der Kampf um die Hegemonie mit dem französischen Königshaus. Denn hier ging es um den Kampf mit den „Abgewichenen vom Glauben“; damit klingt das Kreuzzugsmotiv an, das für Karl stets ein dominantes gewesen und geblieben ist. In einem Brief vom August 1522, also zu Beginn seines Kaiser- und Königtums, schrieb er an einen burgundischen Adligen zur Erklärung seiner militärischen Absichten gegen die Türken: „[...] und um immer mehr zu beweisen, daß wir niemals einen anderen Wunsch gehabt haben als unsere Kräfte gegen diese gottlosen Ungläubigen einzusetzen, sind wir zu dem Schluß gelangt und haben befunden, und zwar als erster Fürst der Christenheit, als wahrer 35
Beschützer und Verteidiger des hl. Glaubens und der christlichen Religion, als Anwalt und ältester Sohn unserer Mutter, der hl. Kirche, bei Unterbleiben und Rücknahme jeder Ausflucht, in Erfüllung unserer Pflicht und in Anbetracht dessen, daß wir dies Gott, der uns so große Gnaden und Wohltaten erwiesen hat, schuldig sind, ihm zu Hilfe zu kommen und in aller Eile für diese große Gefahr und Not Vorsorge zu treffen und uns zu befleißigen, daß jene Insel [...] erhalten bleiben, verteidigt und von diesen ungläubigen Feinden und Tyrannen befreit werden möge“ (Kohler, Quellen, 1990, S. 102). Diese Ausführungen faßten in Kürze Programm und Selbstverständnis der sakralen Kaiseridee zusammen: Zu ihr gehörten Beschützung und Verteidigung des Glaubens gegen die Ungläubigen in allererster Linie. Da sich die Ungläubigen zudem von einem Tyrannen beherrschen ließen, wurde die Legitimität des Krieges nur noch verstärkt; denn damit folgte der Kaiser dem Gebot des alten Testamentes ebenso wie den Traditionen der antiken Herrschaftslehre. Der Gegner des Kaisers, Süleyman der Prächtige (1494– 1566), Sultan des osmanischen Großreichs von 1520 bis 1566, verfolgte seinerseits einen „heiligen Krieg“ gegen den Westen Europas, einen Krieg, den sein Vater Selim I. (1467/ 70–1520) mit der Eroberung des Ostmittelmeeres bereits begonnen hatte. Erhebliche Beeinträchtigungen des für die europäischen Wirtschaftsbeziehungen unverzichtbaren LevanteHandels waren die Folge. Süleyman griff bis nach Belgrad (1521) und Ungarn aus (Schlacht bei Mohács 1526) und etablierte die türkische Seeherrschaft bis Rhodos (1522), Algier und Tunis (1531). Spanische und ungarische Interessen und damit beide habsburgische Brüder waren betroffen. Den Kampf auf dem Lande überließ Karl ausschließlich dem Bruder Ferdinand, er selbst führte den Kampf gegen sie auf dem Meer – allerdings mit wechselndem Erfolg. Diese Zuordnung von Verantwortung belastete das Verhältnis der Brüder sichtlich (Rassow 1957, S. 35 f.). Denn seitdem 1526 Ferdinand durch Erbfall König von Böhmen und Ungarn geworden war, hatte sich seine Machtbasis unabhän36
gig vom kaiserlichen Bruder gefestigt. Zudem hatte sie auch außerhalb des Reichs eine Basis gefunden, denn das ungarische Königreich gehörte nicht zum Reichsverband. Waren also Ferdinands politische Wünsche für den Bruder nicht einfach mehr zu überhören, so verlangte die wie selbstverständliche Verteilung der Abwehrlasten gegen die Osmanen ein großes Maß an Duldsamkeit auf Seiten Ferdinands. Trotz erheblicher Zurückhaltung der Reichsstände bei der Bewilligung der Hilfen für die Türkenabwehr gelang es dem Bruder des Kaisers, der türkischen Belagerung der Stadt Wien unter ihrem Sultan Süleyman vom 26.9. bis 25.10.1529 standzuhalten. Nach dem Sieg über ein türkisches Heer bei Loebersdorf in der Nähe von Wien (19.9.1532) trat eine gewisse Entspannung ein. Der Vertrag von Großwardein, geschlossen am 38. Geburtstag Karls zwischen ihm, Ferdinand und dem von den Türken eingesetzten ungarischen Gegenkönig Johann Zápolya (1487–1540) beruhigte die Konflikte in Ungarn und stärkte zudem die ungarische Abwehr gegen die Osmanen. Mit Hilfe seines Erfolgs in Tunis (Juli/August 1535) unterstützte der Kaiser die Abwehrkämpfe des Bruders allerdings deutlich. Der Sieg über den Barbareskenfürsten Chaireddin Barbarossa (um 1460–1546), der seit 1533 als KapitänPascha die türkische Flotte führte, brachte das erst kurz zuvor von den Türken eroberte Tunis zurück in die kaiserliche Hand. Die Barbareskenflotte wurde erbeutet, die Hafenfestung La Goleta besetzt und angeblich 20 000 christliche Sklaven befreit. Die kaiserliche Seeherrschaft über das Mittelmeer war wiederhergestellt, sie dauerte gut 40 Jahre. Der Angriff auf Algier (Oktober 1541), den zentralen Stützpunkt des Barbarossa allerdings, den der Kaiser gegen alle Bedenken seiner militärischen und zivilen Berater durchsetzte, geriet zu einer grandiosen Niederlage. Schlechte Wetterverhältnisse im Spätherbst führten zum Untergang von 150 Schiffen. Trotz des Tuniserfolges blieben die Osmanen im Mittelmeer präsent. Kehren wir noch einmal zurück zum Sieg von Tunis. Er war auch deshalb ein besonderer Erfolg des Kaisers, weil er 37
damit zugleich die französische Bündnispolitik traf. Denn ungeachtet des Friedens von Cambrai hatte Franz I. neue Bündnispartner gegen den Kaiser gesucht und in Gestalt eben jenes Barbareskenfürsten auch gefunden. Damit war ein anfangs nur mittelbares Bündnis mit den Türken geschlossen. Der Sieg des Kaisers wirkte an dieser Stelle allerdings kontraproduktiv: Nach Tunis ließ der Sultan sich auf ein Bündnis mit Frankreich ein, das 1536 als Handelsabkommen zustande kam, tatsächlich aber ein Offensivbündnis gegen den Kaiser darstellte und den Türken die französischen Seehäfen als Stützpunkte öffnete. In zwei weiteren Kriegen (1536–38 und 1542–44) wurde der Konflikt zwischen den beiden Dynastien weitergeführt, bis er endlich im Frieden von Crepy (September 1544) zu einem Ende kam, das zumindest für die Regierungszeit Karls definitiv war. Neben wichtigen territorialpolitischen Veränderungen (Verzicht des französischen Königs auf sein Bündnis mit dem Sultan; alle kaiserlichen Eroberungen in Frankreich wurden wieder zurückgegeben, Savoyen blieb bei Frankreich, dagegen verzichtete Franz I. auf alle Ansprüche an Flandern, Artois und Italien) verliehen vor allem die geheimen Nebenabsprachen dem Friedensschluß seine weiter reichende Bedeutung. Franz I. nämlich hatte die Aufgabe seiner Blockadepolitik im Reich zugesagt. Dies sollte dazu beitragen, die Beendigung des Religionskampfs notfalls auch mit Waffengewalt gegen die Protestanten durchzusetzen! Damit war es Karl V. gelungen, den französischen König sowohl von seinen türkischen als auch von den potentiellen protestantischen Verbündeten zu lösen. Diese Stoßrichtung macht deutlich, wie weit der Kaiser von der Verwirklichung seiner universalen Kaiseridee entfernt war, wie stark ihn allerdings deren Inhalte noch immer bestimmten: Die Verwirklichung des religiösen Friedens im Reich war ebenso Ziel der sakralen Kaiseridee wie die Abwehr der ,Ungläubigen’.
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3. Kaiser und Papst Karls Kaiseridee hatte, wir haben das erläutert, sakralen Inhalt: Der Kaiser verstand sich als Schutzherr der Christenheit und leitete daraus den Anspruch einer monarchia universalis ab. Mußte er damit nicht notwendigerweise mit dem geistlichen Schutzherrn der Christenheit zusammenstoßen, dem Papst? Dieses Dauerthema europäischer Geschichte des Mittelalters war nämlich auch zu Beginn des 16. Jahrhunderts keineswegs gelöst. Seit den Reformkonzilien des 15. Jahrhunderts war die innerkirchliche Autorität des Papsttums deutlich in Frage gestellt. Die Reformbewegungen des späten Mittelalters zielten auf eine Reform an Haupt und Gliedern, wobei der Akzent sehr wohl auf der Reform des Hauptes lag. Die tiefgreifende Verweltlichung der Geistlichen wurde insbesondere in der unmoralischen Lebensführung der Päpste und der Verwicklung der Kurie in internationale Finanzgeschäfte scharf angegriffen. Als Herr des Kirchenstaats allerdings blieb der Papst mit den politischen Konflikten des beginnenden 16. Jahrhunderts verbunden. Da er an der politischen Ordnung Italiens, dem Zankapfel zwischen Frankreich und dem Kaiser, beteiligt war, wurde das Papsttum selbst unter solchen Päpsten, denen dies widerstrebte, in den Kampf um die monarchia universalis hineingezogen. In jenen entscheidenden Jahren vom Ende des 15. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts war das Papsttum nicht in der Lage, seine eigentliche Aufgabe als geistliche Führungskraft des Christentums wahrzunehmen. Zu einem wirklichen Konflikt mit dem Anspruch des Kaisers konnte es aufgrund der mangelnden geistlichen Glaubwürdigkeit gar nicht kommen. Zu Konflikten um konkrete politische Entscheidungen kam es aber durchaus, insbesondere, wenn der Kaiser zu stark zu werden drohte. Deshalb hing für Karl V. viel von seinem persönlichen Verhältnis zu den jeweiligen Inhabern des Stuhles Petri ab. Mit der Wahl Adrians von Utrecht, des langjährigen Erziehers und politischen Beraters des Kaisers, zum Papst Hadrian VI. im Jahre 1521 schien eine glückliche Konstellation gege39
ben. In einem Glückwunschschreiben an den frisch Gewählten formulierte Karl: „Wir halten für gewiß, daß Gott selbst diese Wahl gemacht hat“ (Brandi 1937, Bd. 1, S. 143). In ihrer Kritik an den unglückseligen Verhältnissen in der Kirche waren sich Hadrian und der Kaiser einig. Klare Worte fand der Papst im Rückblick auf die Amtszeiten seiner Vorgänger: „Das Laster an der Kurie [sei] so selbstverständlich geworden, daß die damit befleckten nicht einmal mehr den Gestank der Sünde wahrgenommen hätten“ (Rabe 1991, S. 150). Aber auch gegen die nach seiner Meinung „gefährliche lutherische Sekte“ im Reich sollte entschlossen gehandelt werden. Zugleich benannte er die Sünden der Kurie als Ursache der Ketzerei: Indem man jene beende, werde auch diese beseitigt. In pastoralen Schreiben an den Kaiser betonte er die Notwendigkeit von Verhandlungen mit Frankreich und legte Karl seine Sorge vor der Gefahr durch die Ungläubigen ans Herz. Die Mahnung zum Frieden allerdings hatte keinen Erfolg. Weder der Kaiser noch der französische König wollten sich darauf einlassen. Die Sorge vor einem Bündnis Frankreichs mit den .ketzerischen’ Protestanten im Reich brachte im August 1523 selbst diesen pastoralen Papst in ein politisches Bündnis gegen Frankreich. Sein überraschender Tod nur wenige Wochen später (14.9.1523) setzte einem vielversprechenden Reformbeginn ein rasches Ende. Sein Nachfolger Clemens VII. (1478–1534) war von den Reformnotwendigkeiten zwar überzeugt, verfolgte aber in schlechter Tradition die politischen Anliegen seiner Familie, der Medici, weit intensiver als seine pastoralen Pflichten. Für theologische Diskussionen interessierte er sich kaum. Sehr rasch wurde deutlich, daß Clemens – vielleicht aus Gründen der Machtbalance – der französischen Seite mehr zuneigte als der kaiserlichen. Seine Einbindung in die Heilige Liga von Cognac (1526) dokumentierte diese Parteinahme deutlich. Der Kaiser hat diese Koalition als Belastung des Friedens in der Christenheit mit den Mitteln der Diplomatie und in öffentlicher Stellungnahme scharf attackiert: „Der Papst handle nicht wie ein Vater, sondern wie ein Feind der Kirche, nicht 40
wie ein Hirte, der er zu sein vorgebe, sondern wie ein Wolf“ (Rabe 1991, S. 304). Dennoch wolle der Kaiser in der heiligen Kirche leben und sterben. Er beschwöre ihn deshalb, „die Waffen niederzulegen in einer Zeit, wo der Erzketzer Luther sich erhoben und jegliche Spaltung in der Christenheit ängstlich zu vermeiden sei“ (Brandi 1937, Bd. 1, S. 208). Auch das Kardinalskollegium ließ der Kaiser im Dezember 1526 auffordern, den Papst vom Kampf gegen den Kaiser, „das vornehmste Glied der Kirche“ (Brandi ebd.), abzuhalten. Falls der Papst nicht einlenken wolle, sollten die Kardinale ein allgemeines Konzil ausschreiben, um die Christenheit zu stärken. Es war der erfahrene Rat des Kanzlers Gattinara, der den Kaiser in seiner moderaten Haltung dem Papst gegenüber bestärkt hatte. Eine Verschärfung der Lage durch die Aufnahme eines kirchenpolitischen Kampfes zwischen den beiden Schutzherren der Christenheit wäre für die kaiserlichen Interessen nur schädlich geworden. Auch deshalb richtete sich die militärische Strategie Karls nicht gegen den Papst. Es ging vielmehr darum, ihn zum Einlenken zu bewegen. Gewiß waren es aber nicht allein politische Rücksichtnahmen, die Karl V. bewegten. Seine starke Einbindung in die Institution der Kirche, als deren vornehmstes Glied er sich bezeichnete, ist offenkundig. Damit ordnete er sich selbst ein in die Gemeinschaft der Christen, innerhalb derer er zwar eine herausgehobene Stellung beanspruchte, aber keine unbegrenzten Herrschaftsrechte! In den zeitgenössischen Diskussionen um die Stellung der weltlichen Herrscher gegenüber der institutionalisierten Gemeinschaft der Gläubigen war diese Position richtungsweisend. In der Tat standen die Möglichkeiten, den Papst politisch umzustimmen, nicht schlecht angesichts weitreichender Forderungen seiner französischen Verbündeten in Italien. Der berüchtigte Sacco di Roma (6.5.1527) aber zerstörte derartige Annäherungen zunächst gründlich. Die aus Schweizern und Deutschen zusammengesetzten kaiserlichen Truppen in der Lombardei waren lange Wochen ohne Bezahlung geblieben, sie wurden immer unkontrollierbarer. Der verzweifelte Ver41
such des deutschen Oberbefehlshabers Georg von Frundsberg (1473–1528), sie zu disziplinieren, scheiterte. Das Heer marschierte durch die Toskana auf Rom zu, um sich plündernd und raubend an den Reichtümern der Ewigen Stadt schadlos zu halten. Der Papst flüchtete in die Engelsburg, wo er zunächst sicher war. Am 7.6.1527 mußte er aber auch dort kapitulieren und wurde von den kaiserlichen Truppen gefangengesetzt. Der Kaiser behandelte ihn mit Achtung; bald wurde der Kirchenstaat wieder hergestellt, und der Papst erhielt seine Freiheit zurück. Der Sieg des Kaisers über Frankreich 1529 führte im Vorfeld des Friedens von Cambrai Karl V. und Clemens VII. in einem Sonderfrieden von Barcelona (29.6. 1529) schließlich doch zusammen. Wie zum Zeichen der endgültigen Aussöhnung zwischen weltlicher und geistlicher Autorität krönte ihn Clemens VII. am 22.2.1530 in Bologna zunächst zum König von Spanien und zwei Tage später, an seinem 30. Geburtstag, zum Kaiser. Zu Recht ist diese letzte Kaiserkrönung durch einen Papst „als Ausdruck des universalistischen Herrschaftswillens des Kaisers wie der tiefen Bindung dieses Kaisertums an die römische Kirche“ (Rabe 1991, S. 306) charakterisiert worden. Der Kaiser selbst hatte diese Einbindung, wir haben es zitiert, mit dem Bild des „ersten Fürsten der Christenheit [...] des Anwalt und ältesten Sohn unserer Mutter, der hl. Kirche“ umschrieben. In den letzten Amtsjahren des Papstes nahm die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Kaiser insbesondere in der Konzilsfrage stetig zu. In einem Treffen zur Jahreswende 1532/33 in Bologna formulierten beide ein gemeinsames Schreiben, in dem die baldige Eröffnung eines Konzils zur Lösung der Glaubensfragen im Reich in Aussicht gestellt wurde. Für die päpstliche Seite war diese Formulierung sehr weitgehend: Über Jahrzehnte hatten sich die Vorgänger von Clemens VII. vor der Zusage einer solchen Kirchenversammlung gescheut. Entscheidend war vermutlich die Formulierung der kaiserlichen Gesandten, wonach der Papst ein Konzil nicht zu fürchten brauche, „da Seine Majestät der Kaiser mehr Wert 42
auf den Frieden in der Welt und in Italien lege, als auf die allzeit unberechenbare Haltung eines allgemeinen Konzils“ (Brandi 1937, Bd. 1, S. 239). Das Konzil kam zwar auch jetzt nicht zustande, aber der Kaiser hatte erstmals eine päpstliche Absichtserklärung erhalten. Ihm lag daran trotz der gegenteiligen Formulierungen seiner Diplomaten sehr viel! Noch eine weitere Frage war Gegenstand der kaiserlichpäpstlichen Gespräche: das Ehescheidungsbegehren des englischen Königs Heinrich VIII. Auf Drängen des Kaisers sicherte der schwankende Papst zu, daß eine solche tiefgreifende Verletzung des Sakraments der Ehe nicht akzeptiert werden könne. Sicherlich ging es Karl auch im Sinne der dynastischen Solidarität um den Schutz seiner Tante Katharina von Aragon (1485–1536), der Ehefrau des englischen Königs, die durch eine kirchlich vollzogene Scheidung in ihrer Ehre zutiefst verletzt worden wäre. Ebenso ernst aber war es dem Kaiser um die klare Haltung des Papstes in der von Kirchenkritik ohnehin bedrängten Zeit. Daß er sich damit die Gegnerschaft des englischen Königs zuzog, hat der Kaiser bewußt in Kauf genommen. Der Schutz der Kirche, so hat dies P. Rassow beurteilt (1957, S. 42), war eine höhere Pflicht als das Bündnis mit dem englischen Verwandten. Im September 1534 starb Clemens VII. Sein Nachfolger Papst Paul III. (1468–1549) stand allen kirchlichen Reformbemühungen, insbesondere den Konzilsplänen, sehr aufgeschlossen gegenüber. Auch an seinem Willen zur politischen Neutralität bestand wenig Zweifel. Während seines Aufenthalts in Rom zu Ostern 1536 nahm der Kaiser die Gelegenheit wahr, vor Papst und Kardinalen in einer mehr als einstündigen Rede seine Haltung zu Frankreich, zum Konzil und zur Frage eines Kriegs gegen die Türken zu skizzieren. Er hatte die Rede selbst verfaßt, entsprechend verblüfft waren seine Berater über soviel Unabhängigkeit. Karl sprach bewußt nicht von einem universalen Herrschaftsanspruch des Kaisers. Vielmehr betonte er seine Distanz zu jenem Begriff der Universalmonarchie, der in der zeitgenössischen Diskussion eine so große Rolle spielte: 43
„Einige sagten, daß ich ein Universalmonarch zu sein versuche, Monarco del mundo und meine Gedanken und meine Werke zeigen, daß ich das Gegenteil bin“ (Seibt 1990, S. 127). Diese Formulierung war in all ihrer Unbestimmtheit keine endgültige Absage an das Konzept der monarchia universalis: Der Kaiser nahm in seinen Formulierungen Rücksicht auf seine Zuhörer. Indem er aber in der Rede die Verbindungen Frankreichs zu den Türken und den Protestanten ansprach und verurteilte, wurde doch deutlich, was das Gerüst seiner Politik ausmachte. Ein König, der wie der französische im Bündnis mit Ketzern und Ungläubigen gegen den Kaiser handelte, ließ die innerchristliche Disziplin außer acht. „Damit enthüllte Karl jedoch sein politisches Koordinatensystem, denn was anderes ist Universalmonarchie?“ (Seibt 1990, S. 127f.). 4. Aufstand in Gent Den Konflikt mit den spanischen Ständen hatte Karl 1522 als Auseinandersetzung um ihre Teilhabe an der Herrschaftsübung verstanden und zu beantworten versucht. In den Niederlanden stand diese Auseinandersetzung unter den besonderen Bedingungen einer durch ein wohlhabendes städtisches Bürgertum geprägten ständischen Gesellschaft noch bevor. Schon seit dem Ende des 15. Jahrhunderts hatten die burgundischen Herzöge als Landesherren wachsenden Einfluß auf die Zusammensetzung der Magistrate in den Städten Flanderns und Brabants nehmen können. Das entsprach einer allgemeinen Begrenzung der ständischen regionalen Autonomie, des territorialen Partikularismus, der in den Niederlanden sehr viel ausgeprägter existierte als in anderen Regionen jener Zeit. Dennoch blieb ein stolzes Selbstbewußtsein insbesondere des städtischen Bürgertums, das sich gegen alle Versuche des Landesherrn richtete, ihre Autonomie weiter zu begrenzen. Die Forderung nach Zahlung einer allgemeinen Abgabe (Bede) in Höhe von 300 000 Gulden zur Finanzierung des 44
Kriegs gegen Frankreich, die die Statthalterin Maria von Ungarn, Schwester des Kaisers, 1537 erhoben hatte, war durch die Generalstände bewilligt worden. Allein die Stadt Gent weigerte sich, ihren Anteil daran zu begleichen. Das traf die Finanzkassen der Statthalterin empfindlich, weil ganz Ostflandern als Umland der Stadt nicht zahlte. Der aktuelle Finanzstreit verwies auf tieferliegende soziale und wirtschaftliche Probleme des flandrischen Städtetums, speziell der Stadt Gent. Denn von der sinkenden Bedeutung der Tuchindustrie war auch das sehr differenzierte Handwerkswesen betroffen. Die sozialen Gegensätze innerhalb der Stadt wuchsen, der Druck der Statthalterin von außen verschärfte die Spannungen. 1538 hatte Maria ihrem Bruder geschrieben, daß es nunmehr darum gehe, „ob Eure Majestät Herr oder Diener sein wird.“ Der offene Aufruhr, der anläßlich der Ernennung des neuen Magistrats 1539 ausbrach, zeigte, wie eng die innerstädtischen Spannungen mit dem Beharren auf der städtischen Autonomie gegen den Landesherrn verknüpft waren. Der ganze Zorn der Zünfte (als Vertreter des Handwerks) richtete sich gegen den von der Statthalterin eingesetzten Magistrat. Damit war der Kaiser selbst angegriffen. Der dringenden Bitte seiner Schwester, diesen Ungehorsam zu beenden, folgte der Kaiser im Februar 1540. Angesichts der internen städtischen Gegensätze fiel es Karl nicht schwer, den Aufruhr niederzuschlagen. Die Anführer wurden hart bestraft, die Autonomie der Stadtverfassung noch weiter eingegrenzt. Der Konflikt um Gent, der in den zwanziger und dreißiger Jahren des Jahrhunderts Parallelen in anderen niederländischen Städten hatte, zeigt, wie gering die Durchsetzungsfähigkeit zentraler Herrschaft auch in diesen Regionen der habsburgischen Länder unter Karl tatsächlich war. Der konkrete Konflikt konnte zwar mit harter Hand beendet werden, aber er war ja nicht der einzige. Es blieben zudem die Strukturprobleme ständischer Herrschaftsorganisation. Wenn wie in Gent die traditionellen städtischen Führungsgruppen wirtschaftliche und soziale Probleme nicht mehr zu bewältigen vermochten, geriet sehr rasch das ganze Herrschaftssystem 45
unter Druck – sogleich stellte sich die Frage nach seiner Rechtmäßigkeit (Legitimität). Karls Politik in den Niederlanden zielte darauf, das traditionale Patriziat zu stützen, um die Frage nach der Legitimität gar nicht erst aufkommen zu lassen. Damit allerdings stützte er auch jene Gruppen, die ihren ständischen Anteil an der Gesamtherrschaft nachhaltig einforderten. Auch wenn die Bedingungen in Spanien und in den Niederlanden deutliche Unterschiede aufwiesen, bleibt doch festzuhalten: Weder dort noch hier ging es um das Zurückdrängen mittelalterlicher Herrschaftsformen, die gar einem frühen Absolutismus unter Karl hätten weichen sollen. Der Grundkonsens über das Miteinander ständischer Herrschaftsübung hatte Bestand, dessen Differenzierung war das aktuelle Thema aller Politik.
IV. Der Kaiser und das Reich – der Kaiser im Reich Für das protestantische deutsche Geschichtsbewußtsein war Karl V. der große Gegenspieler des Wittenberger Reformators Martin Luther (1483–1546). Daß dies eine sehr eingeschränkte nationale Perspektive war, die in ihrer Zeit durchaus Parallelen bei anderen Nationen hatte, ist der gegenwärtigen Forschung bewußt. Auch für die Zeitgenossen im Reich war der unerschrockene Luther im übrigen eine Persönlichkeit, auf der je nach sozialer oder regionaler Bindung große Hoffnungen lagen, wenn es um die Veränderung der unfrommen Kirche ging. Für den Kaiser aber war die Religionsfrage im Reich in den Anfangsjahren seiner Regierungszeit ohne eigentliche Bedeutung, er hatte in der Tat andere Sorgen. Und der Wittenberger Professor war ihm, nachdem er ihn überhaupt zur Kenntnis genommen hatte, eher lästig. Das lag nicht an einem Desinteresse des Kaisers an den Fragen der Kirchenreform und dem Ernst der Frömmigkeit bei Klerikern und Laien. Im Gegenteil: Karl war sicherlich ein Herrscher, für den gelebte Frömmigkeit und seine Verantwortung als christlicher Fürst eine ernstzunehmende Aufgabe darstellten. Aber er war ein traditioneller Christ. Veränderungen sollten, wenn überhaupt, nur in den vorhandenen Bahnen geschehen. Aber sind traditionelle Christen weniger ernsthafte Christen? Sein Traditionsbewußtsein (oder war es eher Beharrungsvermögen?) zeigte sich selbstverständlich auch angesichts der politischen Probleme des Reichs, die sich als Dauerkontroverse um das Verhältnis zwischen den Reichsständen und dem Kaiser fassen lassen. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts waren die Forderungen nach einer Reichsreform nicht mehr verstummt. Die Zeitgenossen erhofften sich „von diesem junge[n] edle[n] teutsche[n] Blut“, wie Luther nach der Wahl des Kaisers formulierte (Seibt 1990, S. 18), neuen Schwung bei der Bewältigung der aufgestauten Probleme des beginnenden Jahrhunderts. 47
Die Verzahnung von Reichs- und Kirchenreform wurde zum Signum der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Damit waren die deutschen Probleme europäische Probleme. Ihnen konnte der Kaiser sich, wie er schließlich selbst erkannte, nicht durch Desinteresse entziehen, zumal sein kaiserliches Selbstverständnis die Schutzherrschaft für die ganze Christenheit umfaßte. 1. Frömmigkeit und Luthersache Über die Frömmigkeit des Kaisers ist in den bisher vorliegenden großen Biographien bemerkenswert wenig reflektiert worden. Dies ist einerseits auf die Quellenlage zurückzuführen, andererseits gewiß auch ein Stück konfessioneller Befangenheit. Denn die Beschreibung von Frömmigkeit war zwischen den Konfessionen bis weit in unser Jahrhundert hinein eine umstrittene Sache. Wir wissen von den frühen Kontakten des jungen Prinzen mit der Reformbewegung der devotio moderna; ebenso wissen wir von der Faszination, die die spanischen Hieronymiten auf den jungen König ausgeübt haben. Wir wissen von der Übereinstimmung zwischen Papst Hadrian und dem jungen Kaiser in ihrer Kritik an der verdorbenen Lebensführung des hohen Klerus, der Kirchenführung insgesamt. Und wir wissen von der kirchentreuen Lebensführung des Kaisers als Ehemann (seine natürlichen Kinder wurden vor der Heirat mit Isabella oder nach deren Tod geboren) sowie des Kaisers als Gemeindeglied, wenn es um die Teilnahme an Wallfahrten, Gebeten, Gottesdiensten u.a.m. ging. In den Augen der Zeitgenossen war der Kaiser also durchaus ein frommer Mann, einer, der den standardisierten Anforderungen der Kirche nach einem Gott wohlgefälligen Leben insbesondere im Vergleich mit seinen fürstlichen Vettern in ausgeprägtem Umfang nachkam. Auch Luther hat den Kaiser als frommen Mann bezeichnet; und dieses Urteil war von der steten Achtung gekennzeichnet, die der Reformator dem Reichsoberhaupt zeitlebens entgegenbrachte: „Wir haben einen frommen Kaiser. Er hat einen Keil im Herzen, es hab’ ihn 48
ihm dreingesteckt, wer da will. Er ist fromm und still. Ich halt, er rede in einem Jahr so viel als ich an einem Tag“ (Luther, WA, Tischreden 9.6./12.7.1532). Zur Frage nach der Frömmigkeit des Kaisers gehört aber auch seine Auffassung vom Kaisertum als Schutzherr, als weltlicher Hirte der Christenheit. „Unlöslich hingen ihm sein weltliches und sein geistliches Amt mit verwandter Heiligkeit ineinander, [...] universales Kaisertum und hergebrachte weltumfassende Orthodoxie [im Sinne von Rechtgläubigkeit, d. Verf.]“, so hat Karl Brandi den Zusammenhang treffend charakterisiert (Brandi 1937, Bd. 1, S. 268f.). Dieses Amtsverständnis stellte die Verbindung her zwischen persönlicher Kirchentreue, die des Kaisers Frömmigkeit war, und seiner politischen Zielsetzung angesichts der stärker werdenden kirchenkritischen, schließlich reformatorischen Strömungen im Reich und in Europa. Der Kaiser hielt es für seine Pflicht in dem ihm von Gott anvertrauten Amt, die Einheit der Christenheit zu wahren. Etliche, auch schroffe Kritikpunkte an der Praxis der Kirche konnte er deshalb akzeptieren, auch dafür sorgen, daß diese Mißstände abgestellt wurden. Völlig indiskutabel aber mußte ihm die grundsätzliche Infragestellung der Autorität des Papstes, des Konzils und der Kirchenväter erscheinen, die von Luther anläßlich seiner Befragung in Worms 1521 unüberhörbar für die ganze Christenheit vorgetragen worden war. Am 28.6.1519 war Karl zum Kaiser gewählt worden. Daß dazu die Fugger einen außerordentlich hohen finanziellen Beitrag geleistet hatten, war bereits den Zeitgenossen bekannt. Fast eine Million Goldgulden waren aufzubringen gewesen, das meiste davon zur Bezahlung von Gratifikationen für die sieben Kurfürsten und deren Räte. Die Rechnungsbücher der Fugger weisen noch heute die Summen aus, die für diese Zwecke als Bargeld an den spanischen König verliehen wurden. Aber nicht nur diese – inoffiziellen – finanziellen Voraussetzungen der Wahl mußten geschaffen werden, es waren auch politische Verhandlungen zur Formulierung der sogenannten Wahlkapitulation zu führen, und zwar vor der Krö49
nung des Gewählten, da er jene vor der feierlichen Handlung zu unterschreiben hatte. Erst im Anschluß an die Unterzeichnung erfolgte die Huldigung durch die Reichsstände. In den bereits kurz nach der Wahl am 3.7.1519 in Barcelona ausgehandelten Text der Wahlkapitulation war die Verpflichtung zum Schutz der Religion und des Reichs in den traditionellen Formulierungen aufgenommen worden. Sehr rasch wurde sie zum Gegenstand weiterer Verhandlungen zwischen Kaiser und Reichsständen. Im Vorfeld des bereits für Januar 1521 nach Worms einberufenen Reichstags hatte Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen (1482–1556) dem Kaiser die Zusage abgenommen, den vom Papst gebannten Wittenberger Theologieprofessor und Augustinereremiten Martin Luther vor den Reichstag zu laden, um ihn über seine kirchenkritischen Äußerungen zu verhören. Diese Forderung, die der Kaiser schließlich unter Belastung seines Verhältnisses zum Papst im Interesse einer Harmonie mit den Reichsfürsten erfüllte – konnten diese doch nicht zuletzt auf die aufgewühlte öffentliche Meinung im Reich verweisen –, war mehr als ungewöhnlich: Sie entsprach nicht dem geltenden Reichsrecht! Denn der päpstlichen Verdammung Luthers (15.7.1520) hätte ohne weiteres die Reichsacht folgen müssen. Zahlreiche Reichsfürsten aber drängten auf ein eigenes Verfahren zur Urteilsfindung auf der Ebene des Reichs. Dies war in allererster Linie Ausdruck des Mißtrauens gegenüber der Fairneß des Ketzerprozesses gegen Luther in Rom. Es zeigte zudem den Verfall der Autorität des Papstes im Reich. Schließlich aber wurde mit der Durchsetzung des Verfahrens deutlich, daß das traditionelle Verhältnis von Reich und Kirche in Frage gestellt war; infolgedessen stand das Selbstverständnis des Reichs selbst auf dem Prüfstand. „Damit trat zum ersten Mal die verfassungspolitische Sprengkraft der causa Lutheri ans Licht“ (Rabe 1991, S. 234). Eine Mitbestimmung der Reichsstände über die zunächst nur aufgeschobene Verhängung der Reichsacht wollte Karl selbstverständlich vermeiden; damit hätte er sogleich seine Autorität als Reichsoberhaupt in Frage gestellt. Offensichtlich 50
aber hatte er die ständische Entschlossenheit unterschätzt, sich in der Luthersache den kirchenpolitischen Handlungsspielraum nicht einengen zu lassen. Zwei kaiserliche Ediktsentwürfe, in denen die Stände gegen Luther und seine Anhänger sogleich festgelegt gewesen wären, wurden abgelehnt. Zur Vermeidung des nicht ungefährlichen Konflikts mit den Reichsständen gestand der Kaiser schließlich die mit dem sächsischen Kurfürsten ohnehin vereinbarte Ladung des Wittenbergers zu einem Verhör vor dem Reichstag unter Zusicherung freien Geleits zu. Die Entscheidung über die Reichsacht wurde vom Ausgang des Verhörs abhängig gemacht. Selbst wenn der Kaiser das kirchenpolitische Gewicht der Luthersache geringer einschätzte als die Mehrheit der Reichsstände – für ihn war der Augustinereremit ein gebannter Ketzer –, so blieb er doch in der Verfahrensweise korrekt: Den Vorschlag einer Verhaftung Luthers in Worms soll er mit der knappen Bemerkung zurückgewiesen haben, daß er nicht auch wie sein Vorgänger Sigismund (1368–1437) schamrot werden wolle (Seibt 1990, S. 61). Jener Vorgänger nämlich hatte den böhmischen Reformator Jan Hus (um 1370–1415) in Konstanz ungeachtet der Zusicherung freien Geleits verhaften lassen. Schon am 17.4.1521 wurde Luther zum ersten Mal verhört – nicht während einer offiziellen Reichstagssitzung, sondern im Bischofshof, der Wohnung des Kaisers für die Dauer des Reichstags. Gewiß nicht ohne Absicht war damit der reichsrechtliche Status dieser Befragung offen gehalten. Für die Beantwortung der zweiten der beiden ihm vorgelegten Fragen erbat sich Luther Bedenkzeit, so daß das Verhör am 18.4.1521 seine entscheidende Wendung nahm. Die Begegnung des kursächsischen Theologieprofessors mit dem deutschen Kaiser fand also nicht vor dem Reichstag statt – Geschichtsmythen sind langlebig –, aber um ein als historisch zu bezeichnendes Ereignis handelte es sich zweifellos, nicht nur aus der Sicht protestantischer Geschichtsschreibung. Sie war das sichtbare Dokument dafür, daß die Reichsstände sich dem Kaiser und damit auch dem Papst gegenüber behauptet hatten. Sie war weiterhin Zeichen dafür, daß der Kai51
ser wie widerstrebend auch immer die breite Kirchenkritik in Deutschland ernst nehmen mußte und dies auch tat. Luthers Auftritt am zweiten Tag war, so berichten die Augenzeugen, fest und deutlich. Die an ihn gerichtete Frage, ob er bei seinen veröffentlichten Meinungen bleiben wolle, beantwortete er differenziert, aber eindeutig mit „ja“. Für den Fall allerdings, daß er aus der Schrift selbst widerlegt werden könne, werde er als erster seine Schriften verbrennen. Seine Darstellung des Papstes als „Antichrist“, die er bereits in seinen Schriften begründet hatte, waren für die Zeitgenossen in ihrer metaphysischen Verankerung klar: Das war der grausame Tyrann, der das Ende der Zeiten ankündigte (Seibt 1990, S. 62). Kaiser Karl selbst argumentierte mit dieser Figur, als deren katechon (Verhinderer) er sich verstand. Allerdings wäre es ihm nicht in den Sinn gekommen, den Papst als diesen Tyrannen zu bezeichnen! Sowohl die Berufung auf das Schriftprinzip als auch die direkte Papstkritik führten zum Kern des lutherischen Anliegens: Kirchenväter, Konzilien und der Papst können irren; was sich als Kirche hierauf gründet, ist fehlbar wie alles Menschliche. Ob Luther annahm, daß diese Fundamentalkritik vom Kaiser, der sich selbst als Schutzherrn der Christenheit verstand, aufgenommen werden würde, ist nicht bekannt. Signale aus dem Umkreis des Kaisers an den kursächsischen Kanzler Gregor Brück (1483–1557) scheint es allerdings gegeben zu haben: Der Kaiser habe dafür plädiert, daß ein so gelehrter Mann wie Luther, an dessen Schriften auch er selbst interessiert sei, mit Milde behandelt werde, damit er wieder in die Kirche aufgenommen werden könne (Lutz 1979, S. 169 ff). War dies ein Zeichen der Bereitschaft, auf die tiefgreifende Kritik einzugehen? Am Morgen des 19.4.1521 trat der Kaiser mit einer in der Nacht eigenhändig verfaßten Stellungnahme vor die Reichsstände. Die nicht zu erschütternde Kritik Luthers an den Traditionen und Institutionen der Kirche hatte ihn getroffen, er fühlte sich selbst in seinem Schutzamt angegriffen. Ein Eingehen auf den Wittenberger war undenkbar, die Antwort 52
hieß: Verteidigung und Bewahrung der als richtig befundenen Tradition. Mit dem Hinweis auf die Verankerung in der langen dynastischen Tradition, in der er stand, begannen seine Ausführungen: „Ihr wißt, ich stamme ab von den allerchristlichsten Kaisern der edlen deutschen Nation [...], die alle bis zum Tod treue Söhne der römischen Kirche gewesen sind; immer Verteidiger des katholischen Glaubens.“ Deshalb sei es seine Pflicht, diesen Glauben zu schützen: „Aus diesem Grund bin ich fest entschlossen, alles aufrechtzuerhalten, was meine Vorgänger und ich bis zur Stunde aufrechterhalten haben, besonders aber, was meine Vorgänger verordnet haben.“ Nicht ein einzelner „Bruder“, wie Karl ausdrücklich sagt, könne in den Fragen des Glaubens Autorität sein: „denn es ist sicher, daß ein einzelner Mönchsbruder irrt mit seiner Meinung, die gegen die ganze Christenheit ist sowohl während der vergangenen tausend und mehr Jahre als auch in der Gegenwart – dieser Ansicht nach wäre die ganze Christenheit immer im Irrtum gewesen und würde es noch heute sein.“ Dieser Zustand ist aber nicht allein für ihn, den Kaiser, unerträglich; die Reichsstände sind davon in gleicher Weise betroffen: „denn es wäre eine große Schande für mich und für Euch, die Ihr die edle und berühmte Nation von Deutschland seid, die wir durch Privileg und besonderen Vorrang eingesetzt sind als Verteidiger und Schützer des katholischen Glaubens, wenn in unserer Zeit nicht allein Ketzerei, sondern auch nur Argwohn von Ketzerei oder Verminderung der christlichen Religion aufbricht durch unsere Nachlässigkeit.“ Die konkrete Schlußfolgerung an dieser Stelle ist klar: Luther soll als ein „notorischer Häretiker“ verfolgt werden, er, Karl, sei nicht bereit, noch einmal mit ihm zu sprechen. Bei diesem Vorgehen bittet er die Stände dringend um Unterstützung, wozu sie kraft Vertrag verpflichtet seien: „Euch aber ersuche ich, daß Ihr Euch in dieser Sache als gute Christen erweist, wie Ihr es ja zu tun gehalten seid und es mir versprochen habt“ (Rabe 1991, S. 238f. und Seibt 1990, S. 73f.). Damit sprach der Kaiser die Wahlkapitulation an: Nicht nur er hatte Pflichten, auch die Stände mußten ihre Verpflichtun53
gen ernst nehmen! Das Grundthema der folgenden Jahrzehnte ist angeschlagen, die kaiserliche Religionspolitik forderte die reichsständische Solidarität ein. Wie weit aber mußte diese Verpflichtung gehen, wo war die Grenze der Treuepflicht gegenüber dem Kaiser erreicht? Die Sache des Glaubens wurde zum Prüfstein der ständischen Verfassung des Alten Reichs. Glaubensfragen wurden zu politischen Fragen und diese zu Glaubensfragen. Selbst wenn diese Funktionalisierung von Religion immer möglich war, mit dem Reichstag zu Worms hat sie eine bis dahin nicht gekannte Sprengkraft gewonnen. 2. Der Kaiser und die protestantischen Stände Am 8.5.1521 unterzeichnete der Kaiser das Wormser Edikt, mit dem die Reichsacht über Luther verhängt wurde. Die noch auf dem Reichstag verbliebenen Stände – die mit der Luthersache sympathisierenden Stände, und das waren die meisten, waren bereits abgereist – erklärten, daß das Edikt ihre Zustimmung finde und deshalb sogleich vollzogen werden solle. Eben dies aber erwies sich als sehr problematisch: Die reformatorische Bewegung hatte bereits soviel Zustimmung und Anhänger gefunden, daß sie selbst durch die Reichsacht nicht mehr unterdrückt werden konnte. Zudem gab es unter den Reichsständeri etliche, die sich neutral verhalten wollten oder es ablehnten, das Edikt aktiv durchzusetzen. Zu diesen gehörte bekanntermaßen der sächsische Kurfürst, der Luther kurzerhand auf die Wartburg entführen ließ, um ihn auf diese Weise weiteren Verfolgungen zu entziehen. In dieser Situation wurde der kaiserlichen Ordnungsmacht deutlich vor Augen geführt, wie gering ihre Sanktionsmöglichkeiten im Reich waren. Die Dringlichkeit einer politischen Reform des Reichs, seit dem ausgehenden Mittelalter als Reichsreform immer wieder gefordert, war mit Händen zu greifen. Der Wormser Reichstag hat ihr den Boden bereitet. Bereits in der Wahlkapitulation war der Kaiser verpflichtet worden, „ein loblich ehrlich regiment mit fromen [...] redli54
chen personen Teutscher nation“ einzusetzen (Rabe 1991, S. 241). Die Absicht der Reichsstände war es dabei auch gewesen, die ohnehin schwache kaiserliche Macht weiter zurückzudrängen. In Worms wurde diese Zusage von der Mehrheit der Reichsstände eingefordert. Man verlangte ein Reichsregiment als Organ ständischer Herrschaftsbeteiligung im Reich. Der Kaiser dagegen hat „vom Anfang seiner Regierung bis zu seiner Abdankung die Idee der Monarchie vertreten und in deren Verwirklichung sein politisches Ziel gesehen, also auch eine Reichsreform gewiß nur in diesem Sinne akzeptiert“ (Angermeier 1982, S. 550). Es war deshalb nicht verwunderlich, daß sich auf dem Wormser Reichstag die Auseinandersetzungen darüber, wie das Reichsregiment zu verstehen und entsprechend zu gestalten sei, über drei Monate hinzogen. Der Kompromiß zeigt, daß sich der Kaiser keineswegs zurückdrängen ließ. Gewiß kam ihm dabei die gekonnte Verhandlungsführung seiner Räte ebenso zugute wie die häufig gespaltene Haltung der Reichsstände. Und auch andere Teile der Reichsreform, die in Worms in Gang gesetzt wurden (Bildung von Reichskreisen, Aktivierung des Reichskammergerichts, Neuordnung des Reichsaufgebots mit Hilfe der Reichsmatrikel) waren wirkungsvoll. Das neue Reichsregiment (mit Sitz in Nürnberg, seit 1524 in Eßlingen) bestand aus 22 Personen (Regimentsräte); den Vorsitz hatte der Statthalter des Kaisers. Diesen und vier der Räte bestellte der Kaiser selbst, die übrigen benannten die Stände nach einem genau festgelegten Modus, der alle Stände berücksichtigte. Die Kurfürsten wurden besonders verpflichtet: Je einer von ihnen sollte im Wechsel jeweils drei Monate beim Regiment anwesend sein. Die Amtsfunktion des Regiments galt nur für die Abwesenheit des Kaisers. Sobald er wieder ins Reich zurückgekehrt war, sollte es bis zum nächsten Reichstag als sein Beratungsgremium fungieren. Die Aufgaben des Gremiums waren sehr umfassend: Neben der Entwicklung einer einheitlichen Rechts- und Münzordnung ging es um die Formulierung einer Straf rechtsordnung (peinliche Halsgerichtsordnung), auch außenpolitische Befugnisse wur55
den ihm übertragen. Allerdings waren alle wichtigeren Entscheidungen an die Zustimmung des Kaisers gebunden. Trotz der relativen Stärke des kaiserlichen Elements wurde das Reichsregiment keine effektive Regierung im Interesse einer Zentrierung der Herrschaft beim Kaiser. Dazu waren einerseits seine Kompetenzen, niedergelegt in der Regimentsordnung von 1521, zu unklar, andererseits die Partikularinteressen der mächtigen Reichsstände zu stark, zum dritten die Position des Statthalters nicht rasch genug gestärkt. Der Kaiser hatte zwar schon in Worms seinen Bruder Ferdinand für dieses Amt in Aussicht genommen, ihn auch bei den Erbgesprächen Anfang 1522 in Brüssel mit der Statthalterschaft im Reich betraut, aber in ausdrücklicher Bindung an das Reichsregiment. Um die Wahl Ferdinands zum römischen König, die ebenfalls vereinbart war und die Ferdinands Position gegenüber den Ständen und in der Zusammenarbeit mit dem Regiment erheblich gestärkt hätte – wäre damit doch deutlich geworden, daß er der präsumtive Nachfolger des Kaiser war –, kümmerte Karl sich in den langen Jahren seiner Abwesenheit vom Reich (1522–1530) nur mäßig. Das Reichsregiment also hatte nur geringe Resonanz. Seine Maßnahmen gegen rechtswidriges Verhalten einiger Reichsstände wurden als unzumutbar zurückgewiesen, ebenso verschiedene finanz- und wirtschaftspolitische Vorschläge. Insbesondere aber die Religionsmandate erwiesen sich als undurchführbar. Die wachsende Bedeutung der Religionsfrage im Reich stärkte weder den Kaiser noch die Stände insgesamt, da der Gegensatz zwischen Reformationsanhängern und -gegnern wuchs. Aber sie führte zur Intensivierung der Auseinandersetzungen um die ständischen Rechte im Reich insbesondere gegenüber dem Kaiser. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Kaiser und Reichsständen spitzte sich zur Frage nach dem Verhältnis zwischen den protestantischen Ständen und dem Kaiser zu. Einen dafür folgenreichen Kompromiß formulierten die Stände auf dem Reichstag zu Speyer 1526. Erneut hatte der ferne Kaiser durch seinen Bruder die hier versammelten 56
Stände zur strikten Einhaltung des Wormser Edikts ermahnt. Zugleich verweigerte er allen Beschlüssen des Reichstags in Religions- und Glaubensfragen seine Zustimmung, da diese Fragen grundsätzlich nur auf einem Konzil zu beraten seien, über dessen Einberufung er sich bald mit dem Papst verständigen werde. Die Antwort aller Stände war ein Reichstagsbeschluß, in dem die Unmöglichkeit der Durchführung des Wormser Edikts betont wurde, so daß es jedem Reichsstand bis zu einem zu erwartenden Konzil freistehe, mit dessen Formulierungen so umzugehen, wie er es gegenüber Gott und dem Kaiser verantworten könne. Mit dieser Feststellung wurde erstmals eine eigene ständische Verantwortung in Glaubensdingen beansprucht, die sich auch gegen die Entscheidungen des Reichstags und des Kaisers richten konnten! Die Folge dieses Beschlusses war keineswegs eine Beruhigung der Religionskonflikte, sondern deren Verschärfung im Reich. Auf dem bereits drei Jahre später einberufenen zweiten Speyrer Reichstag (1529) sollte der Beschluß von 1526 mit Hilfe einer kaiserlichen Proposition aufgehoben werden. In dem interkurialen Ausschuß, der darüber zu beraten hatte, waren die Gegner der Reformation in der deutlichen Mehrheit. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen mit den der Reformation nahestehenden Reichsständen, die in der berühmten „Protestation“ der evangelischen Stände (vom 19.4. 1529) gipfelten, der bis heute der Name der Protestanten zu verdanken ist. Zum ersten sei es nicht rechtmäßig, den 1523 einhellig beschlossenen Reichstagsabschied mit Hilfe eines Mehrheitsentscheids wieder aufzuheben. Zum zweiten dürfe in Zukunft in Glaubenssachen ein Mehrheitsentschluß keine Gültigkeit mehr beanspruchen, denn: „in den Sachen Gottes Ehre und unser Seelen Heil und Seligkeit belangend ein jeglicher für sich selbst vor Gott stehen und Rechenschaft geben muß“ (Rabe 1991, S. 321). Unterzeichner der Protestation waren fünf Reichsfürsten (Sachsen, Hessen, BrandenburgAnsbach, Braunschweig-Lüneburg, Anhalt) und die Gesandten von 14 evangelischen Reichsstädten. Sie erhielt die Form einer feierlichen Appellation an Kaiser und Konzil, nachdem 57
die katholische Reichstagsmehrheit den Vorschlag des Ausschusses ohne größere Veränderungen mit Mehrheitsbeschluß in das Reichstagsvotum aufgenommen hatte. Protestationen von Gruppierungen des Reichstags, die überstimmt worden waren, gab es schon lange. Das Neue der Protestation von 1529 lag darin, daß Kaiser und Reichstag das Recht bestritten wurde, in Glaubensfragen auch nur gegen die Meinung eines einzigen Reichsstands zu entscheiden. Damit war nicht die Glaubensfreiheit aller Individuen gemeint, es ging ausschließlich um die Entscheidungsfreiheit jedes einzelnen Reichsstands. Ständisches Recht richtete sich gegen die Autorität der Kirche und den Herrschaftsanspruch des Kaisers als Schirmherrn der Christenheit, deren Einheit er zu wahren hatte! Ob damit bereits das Ende des Reiches als eines „heiligen Nachbarschaftsverbandes“ (Seibt 1990, S. 109) gekommen war, kann bezweifelt werden, denn protestantische wie katholische Stände bauten fest auf ein Konzil und damit auf eine Überwindung der Glaubensspaltung. Aber der auf seiner Schutzfunktion beruhende Herrschaftsanspruch des Kaisers, der seine Kaiseridee stützte, war nachhaltig in Frage gestellt. Es liegt auf der Hand, daß die Protestierenden von nun an um ihre eigene Sicherheit besorgt sein mußten, denn das von ihnen in Anspruch genommene Recht wurde von der reichsständischen Mehrheit einschließlich des Kaisers als Mißachtung des Mehrheitsbeschlusses verstanden, und das wurde mit der Reichsacht bedroht. Im unmittelbaren Anschluß an den Reichstag von Speyer, Ende April 1529 also, schlossen Kursachsen, Hessen, Straßburg, Nürnberg und Ulm ein erstes, geheimes Defensivbündnis. Parallel dazu versuchten sie, den Kaiser von ihrer Verhandlungsbereitschaft zu überzeugen. Dies allerdings gelang nicht, Karl lehnte alle Vermittlungsgespräche ab. Die Bemühungen der evangelischen Reichsstände, wirksame Verteidigungsbündnisse zu schließen, intensivierten sich erneut. Solche Pläne waren allerdings auch innerhalb des protestantischen Lagers (unter Politikern, Theologen und Juristen) umstritten. Die schon seit den frühen zwanziger Jahren 58
geführte Debatte um die Existenz eines ständischen Widerstandsrechts verdichtete sich noch einmal, ohne allerdings zu einem allseitig akzeptierbaren Ergebnis zu führen; wir kommen darauf zurück. Um so überraschender war deshalb im Winter 1529/30 die Einladung des Kaisers zum Reichstag nach Augsburg. Vermutlich stammte der versöhnlich formulierte Text vom Kanzler Gattinara. Der Reichstag solle die Möglichkeit bieten, „alle Meinungen zu einer einigen christlichen Wahrheit zu vergleichen und alles, so zu beiden Teilen nicht recht ausgelegt oder behandelt ist, abzutun“ (Brandi 1937, Bd.l, S. 263). Ganz offensichtlich hatte der Kaiser nach jahrelanger Fehlinterpretation verstanden, wie grundlegend die Veränderungen in Deutschland zu werden drohten, und mühte sich, die Konstellationen zu verstehen. Entscheidend für diesen Lernprozeß waren vermutlich Gespräche, die er mit einem der wichtigsten Berater seines Bruders, dem Trienter Kardinal Bernhard Cles (1485–1539) geführt hatte (Rabe 1991, S. 329). Auch theologische Kompromißbereitschaft wurde beim Kaiser vermutet: Im Gespräch mit seiner Schwester Maria, die ihn von Innsbruck nach Augsburg begleitete, soll er sich gegen die Verteufelung der Lehren Luthers gewandt haben. Es gehe offensichtlich doch nur um äußerliche Dinge zwischen den Parteien (Seibt 1990, S. 111). Ebenso neu wie diese Diskussionsbereitschaft war die Tatsache, daß der Kaiser die Lösung dieser schweren Aufgabe von den Verhandlungen auf einem Reichstag erwartete, „der damit eben jene Funktion einer Nationalversammlung erhielt, wie sie der Kaiser 1524 und wieder 1526 strikt abgelehnt hatte“ (Rabe 1996, S. 329). In den kommenden Jahren verfolgte der Kaiser auch nach dem Scheitern des Augsburger Reichstags diese Linie bis hin zur Forderung nach einem allgemeinen Konzil konsequent weiter. Einen Eindruck dieses Engagements vermittelt der Brief Karls an Papst Clemens VII., den er noch vom Reichstag in Augsburg schrieb: „In einem Wort, man erkennt in Allen [Ständen] den Wunsch nach einer andern bessern Ordnung, als der gegenwärtigen. Deshalb schien es [...], daß es das nothwendige 59
und wahre Heilmittel sein werde, ihnen besagtes Concil [...] anzubieten“ (Kohler, Quellen, 1990, S. 167). Daß er mit seiner Einschätzung der theologischen Gegensätze als äußerliche deren Tiefe unterschätzte, ist deutlich. Dennoch begann die theologische Grundsatzdebatte, die der Kaiser ausdrücklich erbeten hatte, nicht ganz ohne Aussicht auf Erfolg. In Zusammenarbeit mit lutherischen Theologen und Juristen erarbeitete Philipp Melanchthon (1497–1560) während des Reichstags die Confessio Augustana (= CA), die dem Kaiser am 25.6.1530 vorgelegt wurde. Die von einer katholischen Theologenkommission erarbeitete Begutachtung des Texts geriet zu einer klaren Ablehnung. Zwar gab der Kaiser sie zur Bearbeitung noch einmal an die Theologen zurück, akzeptierte dann aber die gekürzte Fassung als Confutatio, die am 3.8.1530 in seinem Namen vor dem Reichstag verlesen wurde. Da die evangelischen Stände nun ihrerseits die katholische Verteidigung ablehnten, kam es Mitte August zu Vermittlungsbemühungen, an denen die in beiden Lagern vertretenen Humanisten einen wesentlichen Anteil hatten. Aber auch diese scheiterten. Um sich wenigstens nicht ohne jeden Erfolg trennen zu müssen, führten die beiden Seiten noch darüber Verhandlungen, ob es Möglichkeiten geben konnte, die Anhänger des Augsburger Bekenntnisses politisch zu dulden. Das aber hätte die reichsrechtliche Duldung zweier Bekenntnisse, den Verzicht auf die Einheit der Religion festgeschrieben. Eine solche Wendung ging dem Kaiser zu weit, denn damit wäre sein Anspruch auf Universalität des Kaisertums beendet gewesen. Angesichts der Kooperationsbereitschaft des Reichstags bei der Bewilligung der dringend erforderlichen Türkenhilfe ließ Karl im November 1530 die aus seiner Sicht ohnehin nicht mehr fruchtbaren Religionsverhandlungen abbrechen. Mit Hilfe der verbliebenen katholischen Reichsstände – die protestantischen hatten den Reichstag bereits verlassen – wurde das Wormser Edikt wieder in Kraft gesetzt. Alle reformatorischen Veränderungen sollten in Zukunft als Landfriedensbruch bewertet werden. Damit wurde die Reformation kriminalisiert. 60
Der „rechtliche Krieg“ gegen die reformatorischen Bewegungen hatte begonnen. 3. Konzil, Schmalkaldischer Krieg und Interim Es kann nicht erstaunen, daß die Antwort der protestantischen Stände in der intensivierten Suche nach Partnern für ein Verteidigungsbündnis gegen den Kaiser bestand. Im Februar 1531 wurde in Schmalkalden ein entsprechender Bundesvertrag geschlossen: Der Schmalkaldische Bund war gegründet. Zu ihm gehörten neben Kursachsen und Hessen eine Reihe norddeutscher Fürsten und Städte, aber auch einige bedeutendere süddeutsche Reichsstädte, u.a. Straßburg. Auch dieses Bündnis war entstanden aus der Gemengelage von religiösem und ständischem Selbstbehauptungswillen gegen den kaiserlichen Zentrierungswunsch, der seinerseits christliche Schutzverpflichtung und weltlichen Herrschaftsanspruch aufs engste ineinander verwoben hatte. Auch das katholische Bayern stand deshalb für eine gewisse Zeit dem Bund und dessen Stoßrichtung gegen eine habsburgische Vorherrschaft nahe, ferner war er ein interessanter Partner für alle Gegner des Kaisers außerhalb des Reichs (u.a. Dänemark und Frankreich). Karl V. sah sich deshalb gezwungen, in der Religionsfrage zumindest ein Stillhalten zu vereinbaren. Der sogenannte „Nürnberger Anstand“ vom Juli/August 1532 besiegelte eine zeitlich begrenzte Duldung der Protestanten im Reich. Auf die weitreichenden Vorstellungen der evangelischen Stände während der Verhandlungen am Rande des Regensburger Reichstags von 1532 (Parität der Reichsstände beider Glaubensrichtungen bis zur Entscheidung eines Konzils auf deutschem Boden) wollte der Kaiser sich aber nicht einlassen. Denn darin sah er das rechtlich sanktionierte Ende der Einheit des christlichen Reichs. Der Kompromiß sah deshalb nur die Wiederaufnahme der evangelischen Reichsstände in den Schutz des Landfriedens vor; die letzte Entscheidung über das Miteinander sollte einem Generalkonzil vorbehalten bleiben. Der rechtliche Krieg gegen die Protestanten fand also zu61
nächst ein Ende. Selbst wenn dieser Kompromiß schmal erscheint: Der Kaiser hatte sich erstmals, wenn auch nur zeitlich begrenzt, auf einen Weg eingelassen, der nicht an Acht und Bann festhielt. Die Gegensätze zwischen Kaiser und Reichsständen waren weiter gewachsen, dennoch blieben beide Seiten bis in die Mitte der vierziger Jahre des Jahrhunderts im Kern bereit, nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen. Für den Kaiser bestand dieser Weg seit dem Reichstag zu Worms in der Einberufung eines Generalkonzils. Lange Jahre hatte er sich dieser Lösung verweigert, nicht zuletzt aus Rücksichtnahme auf den Papst. Dessen Sorgen vor der Reformwirkung einer solchen Kirchenversammlung hatten reale und historische Hintergründe, über die sich der Kaiser nicht einfach hinwegsetzen wollte. Auch wenn sich der seit 1534 regierende Papst Paul III. (1468–1549) solchen Plänen nicht mehr grundsätzlich widersetzte, blieb der Weg dorthin schwer und lang. Die Einberufung eines Konzils war, so hatte der Papst in den Gesprächen der Jahre 1532/33 immer wieder betont, nicht möglich ohne die Zustimmung des französischen Königs. Aber auch die protestantischen Stände mußten zustimmen. Auf die im Februar 1533 von einer päpstlich-kaiserlichen Gesandtschaft überbrachten Konzilsbedingungen reagierten die Evangelischen nach langen Verhandlungen zwischen Theologen und Politikern einschränkend-positiv: Man akzeptiere trotz aller Bedenken, weil man nicht am Scheitern des so notwendigen Treffens schuldig sein wolle. So scheiterte die Initiative denn auch am Einspruch der französischen Seite, die kein Interesse an einer Beilegung der reichsständischen Opposition hatte. Der Kaiser aber hielt an seinen Konzilsplänen eisern fest. Im persönlichen Einsatz überzeugte er Papst und Kurie während seines Besuchs in Rom Ostern 1536 von der Notwendigkeit eines Konzils. Und Paul III. berief das Konzil tatsächlich für den 23.5.1537 nach Mantua ein. Diesmal waren die protestantischen Stände keineswegs sogleich bereit, der Einladung zu folgen. Intensive Verhandlungen, zuletzt auf der Tagung 62
der evangelischen Stände in Schmalkalden im Februar 1537, in denen es u.a. um die Fragen ging, ob der Besuch des Konzils die Anerkennung des Papsttums bedeutete und ob man ein Recht zur Verteidigung gegen Konzilsbeschlüsse habe, die der heiligen Schrift widersprächen, führten endlich zur Ablehnung der Teilnahme. Da Frankreichs Zustimmung ebenfalls nicht zu erreichen war, scheiterte auch dieses Projekt. Karls Ausdauer an dieser Stelle wurde getragen von der breiten Hoffnung unter den Christen, daß trotz aller Widerstände ein Konzil endlich die Einheit der Christenheit wiederherstellen könne. Die katholischen Reichsstände drängten den Kaiser sogar, weitere Schritte zu tun. Auf dem Reichstag von 1541 in Regensburg kam es zu einem gemeinsamen Beschluß aller Stände, wonach beim Scheitern eines Generalkonzils die deutschen Religionsgegensätze auch auf einem Nationalkonzil oder einem Reichstag beigelegt werden könnten. Diese energische Bereitschaft beeindruckte den Papst. In zähen Verhandlungen konnte ihn der Kaiser kurz darauf dazu veranlassen, erneut ein Konzil einzuberufen, und zwar nach Trient, das damals zum Reich gehörte. Damit war eine zentrale Forderung der deutschen Reichsstände erfüllt. Im Frieden von Crepy hatte der Kaiser schließlich auch dem französischen König die Zusage zur Teilnahme an einem Konzil abverlangt. Dessen Einberufung zum 15.3.1545 stand nichts mehr im Wege. Der Kaiser erwartete von dieser Kirchenversammlung viel, weil er sicher war, daß die Reform der Institution Kirche vor den dogmatischen Auseinandersetzungen stehen werde. Schon in den Gesprächen vor der Einberufung des Augsburger Reichstags hatte sich gezeigt, daß diese Einschätzung des Kaisers trügerisch war. Den streitenden Parteien ging es nicht um äußerliche Dinge; die Reform der Kirche mußte scheitern, sobald deutlich wurde, daß der Begriff von Kirche nicht mehr konsensfähig war. Die Position von Papst und Konzil war seit Luther in Frage gestellt, eine Einigung darüber hätte nicht mehr nur eine formale Einigung über Reformen äußerlicher Natur, sondern eine Einigung in theologischen Grundsatzfra63
gen sein müssen. Es gelang dem Kaiser zwar, das Nebeneinander beider Gegenstände als Verhandlungsstrategie durchzusetzen, damit konnte aber eine Verurteilung protestantischer Positionen nicht von vornherein verhindert werden. Die Teilnahme der evangelischen Reichsstände blieb mithin zweifelhaft. Tatsächlich erwies sich auf dem Reichstag in Worms im Frühjahr 1545, daß die protestantischen Stände das Konzil unter den Bedingungen von Trient rundweg ablehnten. Sie taten dies vor allem aufgrund von Glaubensüberzeugungen, nicht zuletzt aber auch, weil der militärische Schutz durch den Schmalkaldischen Bund das Beharren auf ständischen Positionen erleichterte. Der Kaiser dagegen beharrte auf einer prinzipiellen Anerkennung des Konzils durch die evangelischen Reichsstände; die Verhandlung von Religionsfragen wäre dann nicht mehr Aufgabe des Reichstags, sondern des Konzils gewesen. Dieser Gegensatz blockierte den gesamten Verlauf des Reichstags. Als er Anfang August 1545 zu Ende ging, war mehr als deutlich, daß eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen den protestantischen Ständen und dem Kaiser nahegerückt war. In der Tat hatte der Kaiser seit Mai 1545 den Krieg gegen die in seinen Augen rebellischen evangelischen Stände fest geplant (Rabe 1991, S. 392). Die außenpolitischen Voraussetzungen waren durch die Friedensschlüsse mit Franzosen und Türken gegeben, die Finanzierung des Unternehmens aufgrund der steigenden Einnahmen des Kaisers aus Amerika und durch die päpstlichen Zusagen gesichert, der Papst dadurch in den Krieg gegen die protestantischen Stände eingebunden. Vor einem Religionskrieg im Reich aber warnten nicht nur sein Bruder Ferdinand, sein Statthalter im Reich, und seine Schwester Maria, Statthalterin in den Niederlanden, auch der Kaiser selbst wollte einen Religionskrieg vermeiden! Denn es war ihm klar, daß ein Krieg des Kaisers auch nur gegen Teile des Reichs, die protestierenden Stände, die kaiserliche Autorität beschädigen würde. „Das Ehrwürdige am Kaisertum er64
trug, nein es forderte sogar bewaffnete Wahrung der Reichsdisziplin gegen einzelne; aber keinen Krieg des Kaisers gegen das Reich“ (Seibt 1990, S. 164). Der Krieg, der unvermeidbar schien, war kein Kreuzzug gegen die Protestanten. In den Augen des Kaisers war es vielmehr ein Waffengang, um den Schmalkaldischen Bund und damit die politisch organisierte ständische Macht des Protestantismus im Reich zu vernichten. Über die Ziele seiner Kirchenpolitik nach einem erhofften Sieg war sich der Kaiser kurz vor dem Ausbruch der Kämpfe noch keineswegs im klaren. An seine Schwester Maria schrieb er am 9.6.1546, daß es darum gehe, die evangelischen Stände „zu einigermaßen erträglichen Bedingungen zu nötigen, durch die man, wenn man schon nicht mehr damit erreicht [...] verhindern kann, daß alles unwiderruflich verloren geht“ (Kohler, Quellen 1990, S. 324). Gerade ein so verstandener Krieg des Kaisers gegen ständischen Ungehorsam konnte nicht ohne Bündnispartner im Reich selbst geführt werden. Deshalb bemühte sich Karl V. mit Erfolg um entsprechende Partner – nicht nur aus den Reihen der katholischen Reichsstände. Die Verbindung, die in der Geschichtsschreibung gewiß am nachdrücklichsten diskutiert wurde, war diejenige mit dem protestantischen Fürsten Moritz von Sachsen (1521–1553). Dem Kaiser war es gelungen, den jungen Fürsten gegen die Zusage der Kurwürde seines Vetters, des Kurfürsten Johann Friedrich (1503–1554), aus dem protestantischen Lager abzuwerben. In der protestantischen Geschichtsschreibung war Moritz seitdem der „Judas von Meißen“. Zudem konnte der Kaiser die beiden jungen protestantischen Fürsten Hans von Küstrin (1513– 1571) und Albrecht Alkibiades von Brandenburg-Kulmbach (1522–1557) zur normalen Fürstenbesoldung für kaiserliche Dienste anwerben. Mit Bayern hatte er zwei Tage nach der Eröffnung des Regensburger Reichstags einen Vertrag geschlossen, in dem wohlwollende Neutralität zugesichert wurde. Demgegenüber blieben die schmalkaldischen Bundesverwandten zu lange untätig. Neben innerbündischen Konflikten 65
und Mißtrauen gegenüber den eigenen Führern, denen man Eigenmächtigkeiten im eigenen Interesse unterstellte, fehlte es vor allem an der Bereitschaft, größere finanzielle Mittel zum Bündnis beizusteuern. Erst Mitte Juni 1546 begannen einige der protestantischen Stände mit der Anwerbung von Truppen. Am 20.7.1546 wurde über Sachsen und Hessen die Reichsacht mit der Begründung verhängt, sie hätten den Braunschweigisch-Wolfenbüttelschen Herzog unter Verletzung des Landfriedens angegriffen. Obwohl reichsrechtlich tragfähig, war diese den Krieg auslösende Handlung des Kaisers vornehmlich darauf gerichtet, eine Solidarisierung der übrigen Reichsstände mit den Geächteten zu verhindern. Ohne dieses Ziel hätte der Kaiser den Angriff auf den Herzog sicher nicht zum Anlaß eines Krieges genommen. Obgleich Karl den Krieg möglichst rasch nach Hessen und Sachsen tragen wollte, gelang dies aufgrund des Engagements der süddeutschen Verbündeten der beiden geächteten Reichsfürsten nicht. Erst das Eingreifen der päpstlichen Truppen in Oberdeutschland und der gemeinsame Angriff der böhmischen Truppen und der Truppen des sächsischen Fürsten Moritz auf Kursachsen brachten den Erfolg für die kaiserliche Seite. Am Ende des Jahres 1546 hatten sich die protestantischen Stände Oberdeutschlands dem Kaiser gegen Zahlung erheblicher Kontributionssummen unterworfen. Den Sieg über die Schmalkaldischen Bundesverwandten in Mittel- und Norddeutschland erreichte der Kaiser schließlich in der Schlacht bei Mühlberg an der Elbe (24.4.1547); Kurfürst Johann Friedrich geriet in kaiserliche Gefangenschaft. Zwar waren die Schmalkaldischen Truppen im Norden keineswegs geschlagen – ein kaiserliches Heer wurde bei Drakenburg an der Weser sogar im Mai noch deutlich besiegt –, aber die Gefangennahme des Kurfürsten gab dem Kaiser die Möglichkeit, auf dem Verhandlungswege weitere Zugeständnisse zu erreichen. Am 19.6.1547 ergab sich schließlich auch Landgraf Philipp von Hessen (1504–1567) in der Hoffnung, damit seine Freiheit zu bewahren. Aber auch er wurde gefangengesetzt. Allein die an ihrem Widerstand festhaltenden norddeutschen 66
Reichsstände (Städte und Territorien) wurden vom Kaiser nicht weiter bekämpft. In der Annahme, daß auch sie sich einer politischen Neuordnung im Reich unterwerfen würden, verzichtete der Kaiser auf weitere, kostspielige Kriegszüge. Eine weise Entscheidung war dies sicher nur bedingt. Ganz und gar nicht weise jedenfalls war die Behandlung der beiden gefangengesetzten Reichsfürsten. Das reichsständische Selbstbewußtsein wurde dadurch erheblich getroffen, mit der sicherlich nicht beabsichtigten Folge wachsender Solidarität der Reichsstände untereinander, unabhängig von ihrer Glaubensüberzeugung. Wieder einmal ging es um das Recht der ständischen „libertät“ gegen die kaiserliche „monarchia“. Die politische und religiöse Neuordnung des Reichs, die dem Kaiser nun möglich war, bereitete unter diesen Voraussetzungen erhebliche Probleme. Um die Dinge in die Wege zu leiten, blieb Karl ein ganzes Jahr lang in Augsburg. Daß die Stellung des Kaisers hervorgehoben bleiben sollte, war erklärte Absicht Karls. Dessen Stellung zu den unterworfenen und verbündeten Reichsständen sollte in Gestalt einer Liga, also eines Reichsbundes, gestaltet werden, letzte Entscheidungen darüber wollte Karl durch einen Reichstag formuliert wissen. Vermutlich war dies keine glückliche Absicht, denn Reichstage hatten schwerfällige Verfahrensweisen, vor allem aber war keine Entscheidung gegen das Votum der Stände möglich! Die kaiserlichen Bundespläne wurden den Gesandten der Stände im Juli 1547 überreicht. Sie waren so weitreichend, daß das Kräfteverhältnis im Reich nachdrücklich zugunsten des Kaisers und in Europa zugunsten der Habsburger verschoben worden wäre. War es verwunderlich, daß die ständische Opposition zunächst darauf setzte, alle weiteren Entscheidungen zu verzögern? Auf dem für September 1547 nach Augsburg einberufenen Reichstag (später als geharnischter Reichstag bezeichnet) wurde die Bundessache neben der Religionsfrage zum entscheidenden Thema. Trotz der starken Stellung des Kaisers und trotz seiner erklärten Absichten kam es nicht zu der von ihm erwarteten straffen Bundeslösung. Was war der Grund? 67
Ausschlaggebend war die Interessenkollision zwischen kaiserlichen und habsburgisch-dynastischen Ansprüchen – der Kaiser gab seiner Dynastie den Vorzug. Angesichts der herkömmlichen Eigenständigkeit der habsburgischen Niederlande hätte deren Einbindung in einen zentral geordneten Reichsbund nicht zuletzt die dynastische Handlungsfähigkeit der Habsburger stark beeinträchtigt. Um dies zu vermeiden, schlugen die Statthalterin Maria und ihre Räte einen Einzelvertrag zwischen dem Reich und den Burgundischen Landen vor. Der Kaiser akzeptierte diese Bedenken und gab damit zugleich seine Absichten eines zentral organisierten Reichsbundes auf. Als „Burgundischer Vertrag“ wurde die relative Selbständigkeit der Niederlande am 26.7.1548 festgeschrieben, die Verhandlungen zur Bundessache auf dem Reichstag liefen sich fest, weil der Kaiser das Interesse daran verloren hatte. Nicht einmal eine gemeinsame Vorlage der Stände kam zustande. Eine Reaktion des Kaisers darauf gab es schon gar nicht mehr. Immerhin gelang die Festigung der Position des Reichskammergerichts und damit die Erleichterung der Rezeption des römischen Rechts auf Reichsebene. Als weitaus schwieriger erwies sich die Neuordnung der religiösen Landschaft im Reich. Das Konzil, nach Bologna verlegt, fiel als Entscheidungsinstitution aus; im Februar 1548 hatte der Papst die Verhandlungen bis auf weiteres ausgesetzt. Die Religionsfrage – und hier zunächst die Konzilsfrage – wurde also zum Thema des Reichstags. Die Reichsstände, insbesondere die weltlichen, äußerten recht uneingeschränkt ihre Vorstellungen dazu. Vor allem könne der Papst nicht länger das Haupt einer solchen Kirchenversammlung sein. Vielmehr habe er sich deren Beschlüssen zu unterwerfen. Zudem müßten die evangelischen Theologen an den Beratungen der protestantischen Reichsstände teilnehmen können. Es war vorhersehbar, daß die katholischen Reichsstände diesen Forderungen nicht zustimmen würden. Nach mehrwöchigen Verhandlungen lagen dem Kaiser schließlich uneinheitliche Bedenken der einzelnen Reichstagskurien vor. Diese Uneinigkeit 68
mußte er nutzen, um seine eigenen Vorstellungen durchzusetzen. Nach massivem kaiserlichem Druck und zähen Verhandlungen erklärten die Reichsstände am 24.10.1547 schließlich ihr Einverständnis mit der kaiserlichen Vorlage, wonach der Religionsstreit vor ein allgemeines Konzil in Trient gebracht werden sollte. Der Kaiser hatte sich durchgesetzt, die Stände waren, wenn auch widerstrebend, gefolgt. Die religiösen Verhältnisse im Reich aber blieben bis zur Wiedereröffnung des Konzils unklar. Der Kaiser sah sich in dieser Situation gefordert, eine Übergangslösung, eine interimistische Ordnung, herzustellen. Offensichtlich schon vor Beginn des Augsburger Reichstags hatte er eine Kommission katholischer Theologen eingesetzt, die Entwürfe für Reformen der Kirche und die Voraussetzungen zur Duldung der Protestanten erarbeiten sollte. Alle Teilnehmer vertraten einen strikten Kurs im Verhältnis zu den Protestanten, wesentliche Anliegen der anderen Seite, insbesondere eine Berücksichtigung der inzwischen entwickelten eigenen Formen der Kirchenordnung, waren nicht vorgesehen. Solcher Rigorismus hätte eher das Gegenteil einer Versöhnung heraufbeschworen, deshalb setzte der Kaiser Anfang 1548 eine zweite Kommission ein, der nicht nur vermittlungsbereite katholische Theologen angehörten, sondern mit dem Hofprediger des brandenburgischen Kurfürsten Johann Agricola (1492–1566) auch ein vermittlungsbereiter Protestant. Der nun vorgelegte Text war ein durchaus ernstzunehmender Versuch, ein möglichst weitreichendes Entgegenkommen der katholischen Seite mit den unverzichtbaren Grundlagen der Glaubenslehre der protestantischen Seite zu verbinden. Dazu gehörten neben der Priesterehe vor allem der Laienkelch, d. h. die Vergabe des Abendmahls mit Brot und Wein auch an Laien. Gegen den Widerstand der katholischen Stände aber konnte der Kaiser das Interim nicht als eine für beide Teile verbindliche religiöse Grundlage durchsetzen; unter diesen gab es etliche, denen das Religionsgesetz nicht weit genug ging. Die Fassung, die der Reichstag im Mai 1548 als Vorlage des Kaisers akzeptierte, sollte deshalb nur für die Protestanten gültig sein. 69
Offensichtlich ist den protestantischen Ständen diese Einschränkung verschwiegen worden. Damit aber geriet das Interim in die „gefährliche Nähe eines diskriminierenden Sondergesetzes für – oder besser: gegen – die Protestanten“ (Rabe 1996, S. 338). An anderer Stelle ist das Ganze sogar als „konfessionelle Diktatur“ (Seibt 1990, S. 170) bezeichnet worden. Bei den Protestanten brach denn auch ein Sturm der Entrüstung los, der sich zum aktiven Widerstand gegen die kaiserliche Religionspolitik bis in den letzten Winkel des Reichs hinein entfaltete. Lediglich in den süddeutschen Reichsstädten konnte der Kaiser als Stadtherr durchsetzen, daß das Interim zusammen mit weitreichenden Verfassungsänderungen in Kraft trat. Widerstand gab es allerdings auch in diesen Regionen. Das ohnehin gespannte Verhältnis zwischen Kaiser und Ständen erhielt neuen Zündstoff. Dies geschah nicht zuletzt aufgrund der Wiederbelebung der Debatte um das Recht auf Widerstand gegen einen tyrannischen Kaiser, wie sie bereits in den ausgehenden zwanziger Jahren geführt worden war. 4. Ungehorsam oder ständisches Widerstandsrecht? In der Auseinandersetzung um die Herrschaftsansprüche des Kaisers hatte die Religionsfrage zur Intensivierung des reichsständischen Selbstbewußtseins beigetragen. In all seinen Herrschaftsbereichen übernahm Karl sein Amt zu einem Zeitpunkt, an dem entsprechende Konflikte bereits an Dynamik gewonnen hatten. Neue Probleme waren dies nicht, eine mittelalterliche Wurzel der Diskussionen ist unverkennbar. Schon seit dem 14. Jahrhundert war die Frage umstritten, ob Bündnisse der Stände gegen den Kaiser/König als Lehnsherrn zulässig seien. Formale Einigkeit bestand darüber, daß deren Zielrichtung den Kaiser/König stets ausnehmen müsse, sofern er nicht selbst an dem Konflikt beteiligt sei; denn alle Stände hatten Treue geschworen (Treuevorbehalt). Dies galt für die spanischen Stände ebenso wie für die burgundischen, für die böhmischen ebenso wie für die Reichsstände. Im Zuge des 70
Konflikts um die Durchsetzung des Wormser Edikts wurde diese Frage für diejenigen Reichsfürsten aktuell, die der reformatorischen Bewegung zuneigten. Dem sächsischen Kurfürsten hatte der Kaiser abverlangt, alles zu tun, „damit des Luthers lere und handlung abgethun und nit weiter ausgebrait werde“ (Des kursächsischen Rates, 1899, S. 223). Offensichtlich gab es Pläne Karls V., dem Sachsen bei Nichterfüllung die Kurwürde zu entziehen. In dieser bedrohlichen Situation wurden die Wittenberger Theologen vom kursächsischen Rat Georg Spalatin (1484–1545) um ein Gutachten gebeten, ob es ein Recht oder gar eine Pflicht „des christlichen Fürsten [gebe], sein Territorium gegen einen Angriff wegen der Religion zu schützen.“ Schon auf diese erste Anfrage gaben die Theologen eine differenzierte Antwort. Während Johannes Bugenhagen (14851558) und Nikolaus von Amsdorf (1483–1565) das ständische „Recht der Gegenwehr“ (Widerstandsrecht) auch in Fragen der Religion uneingeschränkt anerkannten, lehnten Martin Luther und Philipp Melanchthon dies, wenn auch mit unterschiedlichen Begründungen, ab. Aktualität erhielten die Gutachten erst 1529 wieder, als der Kaiser während des Reichstags zu Speyer in einem „Mandat an die protestierenden Stände“ feststellte, daß die Minderheit einem Beschluß der Reichstagsmehrheit auch in Glaubensdingen zu folgen habe. Nicht nur das Verfahren des Kaisers empörte die „protestierenden Stände“: Gerade der Kaiser müsse denjenigen, die anderer Meinung waren, zumindest Gehör einräumen, argumentierten Melanchthon und Philipp von Hessen (15041567) gleichermaßen. Auch in der Sache standen sich zwei deutlich unterschiedene Positionen gegenüber. Noch einmal wurden die Wittenberger Theologen um Stellungnahme gebeten; Bugenhagens Votum (vom 29.9.1529) ergänzte die juristische durch eine theologische Sichtweise. Aus der Sicht der Stände war das Kaisertum eine Funktion mit begrenzten Kompetenzen, folglich mit begrenztem Gehorsamsanspruch. Selbstverständlich waren die Reichsstände durch ihren Huldigungseid verpflichtet zu gehorchen, aber 71
diese Pflicht ging nur soweit, wie deren Erfüllung kein höherwertiges Recht verletzte. Als ein solches galt in den Argumenten, der protestantischen Juristen, die sich dabei sowohl auf die Traditionen des Lehnsrechts als auch des römischen Vertragsrechts beriefen, das Naturrecht, ferner das göttliche Recht in Gestalt des Alten und des Neuen Testaments. Das hieß konkret: Die Gehorsamspflicht und damit die Pflicht zur Unterordnung der Stände beruht auf der Huldigung, ist also nicht naturgegeben. Deshalb erstreckt sie sich auch nicht auf alle Lebensbereiche. Die erwarteten Leistungen müssen zumutbar sein, sie dürfen höheren Pflichten nicht zuwiderlaufen. Das Anknüpfen an den Vertragscharakter des Verhältnisses zwischen Kaiser und Reichsständen begründete zudem die Auffassung, daß die Stände Obrigkeiten aus eigenem Recht seien (magistratus inferiores), gegenüber denen der Kaiser als magistratus superior zwar eine eigene Herrschaftsübung beanspruchen könne, diese aber in der skizzierten Weise klar begrenzt sei. Dieser Argumentationsrichtung arbeitete Bugenhagen mit seiner theologischen Rechtfertigung der Gehorsamsverweigerung bzw. des Rechts zu aktivem Widerstand zu. Nach seiner Auffassung ist alle obrigkeitliche Gewalt von Gott eingesetzt (Römer 13). Indem sie die Frommen schützt und die Bösen straft, hilft sie, die Schöpfungsordnung zu bewahren. Aber auch diese Obrigkeit ist in ihrer Gewalt begrenzt, in Sachen, die das Wort Gottes betreffen, ist sie kein Richter (Böttcher 1991, S. 23 f.). Ein christlicher magistratus inferior (Unterherr bei Bugenhagen) nimmt die Gehorsamspflicht gegen den christlichen Oberherrn (magistratus superior) besonders ernst, aber in dem, was Gott gehört, hat er ihm nicht gehuldigt. Wenn nun der Oberherr seine Gewalt gegen Gott und Gottes Wort richtet, verliert diese ihre Legitimation, sie hört auf, obrigkeitliche Gewalt zu sein. Auch der Kaiser argumentierte nicht in den Kategorien unbegrenzten Herrschaftsrechts. Seine Auffassung der monarchia universalis gehörte ebenso in eine vorreformatorische Tradition wie die Rechtfertigung des Widerstandsrechts durch 72
die Stände. Als Schutzherr der Christenheit war der Kaiser festgelegten Geboten verpflichtet, von denen allerdings die eigennützigen Ansprüche einzelner Stände zurückzutreten hatten. Gerade weil der Kaiser die monarchia universalis als wahren Willen Gottes interpretierte, die Vielzahl der Stände und Herrschaften aber als Ausdruck des Sündenfalls, zog er die Grenze zwischen legitimem Widerstand und illegitimem Ungehorsam an anderer Stelle als die Reichsstände. Beide aber, Stände und Kaiser, blieben dem frühneuzeitlichen Selbstverständnis von Herrschaftsübung verbunden: Nicht Befehl und Gehorsam, sondern wechselseitige Treueverpflichtung waren die entscheidenden Kategorien politischen Handelns. In der Frage, was als unzumutbare Forderung durch die Stände zurückgewiesen werden konnte, eröffneten sich durch die Religionsfrage allerdings neue Abgrenzungsprobleme. Denn was als Unrecht in Glaubenssachen anzusehen sei, war aufgrund des unterschiedlichen Glaubensverständnisses dem Grundkonsens entzogen. Hier entstanden Ausschließlichkeitsansprüche in der Wahrheitsfrage. Protestantische Theologen wie Bugenhagen oder Amsdorf verließen den traditionellen Argumentationsrahmen politischer Herrschaft nicht: Im Verhältnis zum Kaiser war auch für sie der einzelne Landesherr nicht Untertan, sondern Unterherr. Eine vollständige Einhelligkeit der Meinungen gab es allerdings im protestantischen Lager ebensowenig wie unter den altgläubigen Ständen. Die Vorstellungen des Nürnberger Ratsschreibers Lazarus Spengler z.B. (1479–1534) stützten eher die Auffassung des Kaisers als die der protestierenden Stände. Für ihn waren die Reichsfürsten zwar Obrigkeiten gegenüber ihren eigenen Untertanen, nicht aber im Verhältnis zum Kaiser (Böttcher 1991, S. 16f.). Für die Rolle des Kaisers im Reich waren diese Auseinandersetzungen von großer Bedeutung. Das gilt entsprechend für die Bewertung des Kaisertums Karls V.: Immer weniger einsichtig wird die Gegenüberstellung spätmittelalterlicher Herrscher einerseits, frühabsolutistischer Kaiser andererseits. Kai73
ser wie protestantische Stände argumentierten im Rahmen der als gut befundenen zeitgenössischen Traditionen der Herrschaftslegitimation. Das gilt für Bugenhagen ebenso wie für Spengler, für Kaiser Karl V. ebenso wie für den Landgrafen Philipp von Hessen. Ebensowenig wie der Kaiser eine von allen Bindungen gelöste Herrschaft anstrebte, waren die protestierenden Reichsstände Revolutionäre’, die mit dem Vorhandenen brechen wollten. „Weder der sächsische noch der brandenburgische noch der hessische Fürst verstanden sich im Glauben oder im Widerstandsdenken als Neuerer“ (Böttcher 1991, S. 25f.).
V. Rückzug: Ein Kaiser dankt ab Am Ende des geharnischten Reichstags von 1547/48 war der Kaiser auf dem Gipfel seiner Macht: Die Schmalkaldener hatte er besiegt, das Konzil zumindest einberufen, das Interim als Übergangslösung in der Religionsfrage vom Reichstag verabschiedet. Warum gelang die Festigung dieses Sieges nicht? Bereits vier Jahre später stand der Kaiser einer geschlossenen Abwehrfront der Reichsstände in Gestalt des Fürstenbunds gegenüber (1552), und der Versuch, das Interim durchzusetzen, blieb ein grandioser Fehlschlag. Der Zwangscharakter der Religionspolitik trug zu einer Solidarisierung der protestantischen Kräfte im Reich bei, wie er nach der Niederlage des Schmalkaldischeh Bundes nicht mehr für möglich gehalten worden war. Ständische und konfessionelle Opposition fügten sich zum Widerstand selbst bei solchen Fürsten zusammen, die noch kurz zuvor Verbündete des Kaisers gewesen waren. 1. Fürstenopposition im Reich Eine für Karl gefährlich werdende Gestalt erhielt diese Opposition im Bündnis der protestantischen Fürsten, das seit 1550 unter der Führung des Markgrafen Hans von Küstrin immer weitere Kreise zog. Neben Herzog Albrecht von Preußen (1490–1568) und Herzog Albrecht von Mecklenburg (14861547) schlossen sich im Mai 1551 in Torgau noch der sächsische Kurfürst Moritz und der junge hessische Landgraf Wilhelm (1532–1592) an. Damit wird ein gewichtiger Motor des Bündnisses deutlich: die Befreiung des seit 1547 gefangengehaltenen Landgrafen Philipp. Die unversöhnliche Haltung des Kaisers gegenüber dem hessischen Fürsten vergiftete das Klima zusätzlich. Moritz, der wegen seiner undurchsichtigen Haltung im Schmalkaldischen Krieg unter den protestantischen Fürsten einen schweren Stand hatte, war nunmehr sächsischer Kurfürst. Er stellte sich selbst an die Spitze des Bündnisses und kehrte sein Verhandlungs- und militärisches 75
Geschick diesmal gegen den Kaiser. Auf sein Drängen hin wurde in der Torgauer Vereinbarung König Ferdinand als Gegner ausgenommen; auf diese Weise konnte er später in der Tat als Vermittler fungieren. Seine Schlagkraft gewann das innerdeutsche Bündnis durch die Allianz mit Frankreich. Am 15. Januar 1552 unterzeichneten die Beteiligten ihre militärische Kooperation im Vertrag zu Chambord. Explizites Bündnismotiv war die Verteidigung gegen die „viehische Servitut“ des Kaisers, der die ständische Freiheit und die Religion unterwerfen wollte (Seibt 1990, S. 187). Die Zusagen allerdings, die die deutschen Bündnispartner dem französischen König Heinrich II. (1519–1559) machten (Übertragung der Bischofsstädte Metz, Toul und Verdun) entbehrten jeder rechtlichen Grundlage: „Reichsrechtlich gesehen war der Vertrag von Chambord Landesverrat“ (Rabe 1991, S. 434). Obgleich der Kaiser gewarnt worden war, hatte er die Bedrohung nicht ernst genug genommen. Als im Februar des Jahres der französische König in Lothringen einfiel und zugleich der sächsische Kurfürst nach Oberdeutschland und schließlich Tirol zog, drohte Karl, der sich in Innsbruck aufhielt, gefangengenommen zu werden. Nur mit Mühe, ohne Geld, ohne Truppen und ohne die Hilfe seines Bruders, der in strikter Neutralität verharrte, konnte er nach Villach fliehen. Offensichtlich hatten auch seine Gegner nicht mit einer solchen Entwicklung gerechnet. Denn Kurfürst Moritz soll bemerkt haben, daß er gar keinen Käfig gehabt hätte, „um einen so großen Vogel zu fangen“ (Seibt ebd.). In dieser Lage blieb dem Kaiser nichts anderes übrig, als auf die von den Fürsten angebotenen Verhandlungen einzugehen. Dies tat er nicht in Person, sondern bat seinen Bruder Ferdinand als Vermittler. Die Forderungen der Gegenseite gingen weit und waren für den Kaiser fast unannehmbar: Freilassung des Landgrafen Philipp, Abschluß eines allgemeinen Friedens im Reich, Abstellung aller ständischen Beschwerden, soweit sie sich auf die Regierungsweise des Kaisers bezogen, Gewährung eines dauernden Religionsfriedens 76
im Reich. Trotz seiner bedrängten Lage lehnte der Kaiser diese Forderungen über Monate rundheraus ab. Es bedurfte langer Verhandlungen und der ausdauernden Geduld des kaiserlichen Bruders, um schließlich eine Einigung zustande zu bringen. Der Religionsfriede sollte wiederum nur bis zum nächsten Reichstag gelten, die ständischen Beschwerden wollte der Kaiser in eigener Kompetenz beseitigen. Am 15.8.1552 wurde der Passauer Vertrag nach weiterem Zögern schließlich doch von beiden Seiten ratifiziert. Die Wirkung, die diese Entwicklungen auf das Ansehen des Kaisers im Reich hatten, war äußerst negativ. Ein Kaiser auf der Flucht vor rebellischen Fürsten – das war ein Bild, das in den Augen der Zeitgenossen (und nicht nur in deren) die kaiserliche Autorität nachhaltig schwächte. Auf der anderen Seite hatte der Fürstenaufstand die geistlichen Reichsstände von der Notwendigkeit überzeugt, einem Religionsfrieden in jedem Falle zuzustimmen, selbst wenn die katholische Kirche im Reich nicht sogleich wieder in ihre alten Rechte eingesetzt werden konnte. Im Interesse eines Ausgleichs näherten sich die konfessionsverschiedenen Stände einander an, die Stellung des Kaisers wurde dadurch weiter geschwächt. König Ferdinand hatte diese Zwangsläufigkeiten längst akzeptiert. Nur der Kaiser wehrte sich gegen alle pragmatischen Lösungen und beharrte auf der Wahrung seiner tiefsten Überzeugungen. Und diese bestanden in der „Unantastbarkeit der Würde des Kaisertums und seiner Verpflichtung zum Schutz der römischen Kirche“ (Rabe 1991, S. 438) – mit anderen Worten in der Wahrung der Werte der monarchia universalis. Der Krieg gegen den französischen König, den der Kaiser unmittelbar nach dem Passauer Vertrag mit Hilfe der inzwischen wieder um ihn versammelten Truppen eröffnete, um die Franzosen aus Lothringen zu verdrängen, wirkt wie ein letzter Versuch, wenigstens im europäischen Rahmen wieder Herr der Entscheidungen zu werden. Aber auch dieses Unternehmen mißlang. Die Belagerung der bestens verteidigten Festung Metz scheiterte am einbrechenden Winter; im Januar 1553 brach Karl den Feldzug ab, und die Lothringer Bischofsstädte 77
blieben zunächst französisch. Nicht nur die militärische Niederlage beschädigte das Ansehen des Kaisers weiter; es kam hinzu, daß er zur Durchführung dieses Kampfes ein Bündnis mit dem als Landfriedensbrecher wenig geachteten Markgrafen Albrecht Alkibiades von Brandenburg geschlossen hatte. Dies war eine Mißachtung der Normen, auf denen das reichsständische Selbstbewußtsein ruhte. Sie wog fast so schwer wie der Versuch, die ständische „übertat“ zu begrenzen. Selbst wenn die Niederlage vor Metz einige Monate später durch Siege in Italien (1554) militärisch wieder ausgeglichen zu sein schien; selbst wenn durch die Hochzeit seines Sohnes Philipp mit der englischen Königin Maria (1516–1558), der stets katholisch gebliebenen ältesten Tochter Heinrichs VIII., am 6.7.1553 eine Wendung der europäischen Politik im Sinne der kaiserlichen Universalmonarchie möglich schien – die persönliche Resignation des Kaisers zeichnete sich immer deutlicher ab. Seine Religionspolitik im Reich schien gescheitert, das Interim war zu den Akten gelegt. Die ständische Opposition war lebendig, die Stellung des Kaisers weiter umstritten. Die französische Rivalität existierte ungebrochen, der Papst blieb mißtrauisch, ein solider Partner im Interesse der Einheit der Christenheit wurde gerade der letzte zu Lebzeiten Karls regierende geistliche Oberhirte Paul IV. (1476–1559) nicht. Aber auch ein Kaiser entscheidet nicht allein nach politischen Kriterien. Karl war persönlich erschöpft und aufgrund seiner Gicht nach den Maßstäben damaliger medizinischer Kenntnisse schwer krank. Was entsprach einer Persönlichkeit, die wie der Kaiser hohe Maßstäbe an die eigene Amtsführung legte, mehr, als sich zurückzuziehen? In seinen Augen war dies vermutlich kein Scheitern, es war vielmehr die unerschütterliche, manche würden sagen starre Konsequenz, die er bei der Umsetzung seines Herrschaftskonzeptes stets gezeigt hatte. Ein Kaiser, der sich selbst treu blieb – vielleicht wird dieses Urteil der Situation zumindest im persönlichen Sinne gerecht.
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2. Reichstag zu Augsburg 1555 Die Vorbereitung und der Verlauf des Reichstags zu Augsburg 1555 bestätigen solche Deutungen. Über die beiden zentralen Verhandlungsgegenstände – Religionsfrage und Reichsreform – waren sich Kaiser, König und Stände einig, nicht aber über die Verhandlungsweise und die Konsequenzen etwaiger Beschlüsse. Während Ferdinand als Realist den Passauer Vertrag als Ausgangspunkt auch weiterer Vereinbarungen mit den Ständen auf dem Reichstag betrachtete, wollte Karl V. die Bindung an den ungeliebten Vertrag in jedem Fall vermeiden. Die Wahrscheinlichkeit, daß trotz seiner Verweigerung Konzessionen an die Protestanten gemacht werden müßten, veranlaßte den Kaiser schließlich, Ferdinand mit der Leitung der Verhandlungen und umfassenden Vollmachten auszustatten. „Und um Euch den Grund offen zu sagen, wie es sich unter Brüdern gehört und mit der Bitte, nichts anderes dahinter zu suchen: es ist nur die Sache der Religion, bezüglich deren ich jene unüberwindlichen Bedenken habe“, heißt es zum Abschluß jener Vollmacht. Dies war noch nicht die Übertragung der Reichsregierung auf den römischen König, denn dazu hätte es, weil der Kaiser gewählt worden war, der Zustimmung der Wählenden, also der Stände, bedurft. Aber es war „Ausdruck einer extremen Abneigung des Kaisers, weiterhin Verantwortung für den Fortgang der Reichspolitik zu tragen“ (Lutz 1964, S. 415). Alle weiteren Schritte Karls waren danach auf die endgültige „Ablösung der Last“ gerichtet. Am 5.2.1555 eröffnete König Ferdinand den Augsburger Reichstag im Namen des Kaisers. In zähen, langwierigen Verhandlungen, die zumeist von den zum Reichstag abgeordneten Räten der Reichsstände geführt wurden, konnten nach über sieben Monaten die Beratungen über einen Religionsfrieden abgeschlossen werden. Als „Sieg der Politik über die Religion“ ist die Übereinkunft später charakterisiert worden (Angermeier 1982, S. 598) und das nicht zu Unrecht: Die Vereinbarung eines „Friedstandes“ (Art. 3 und 4 des Reichs79
abschieds) zwischen den Ständen des Augsburgischen Bekenntnisses und denjenigen, die der alten Kirche treu blieben, ruhte auf der Übereinkunft, die „religiöse Wahrheitsfrage“ im Interesse des friedlichen Zusammenlebens zunächst ruhen zu lassen. Damit waren konfessionelle Besitzstandswahrungen akzeptiert, die sich natürlich in weltlicher Herrschaft niederschlugen. Den Reichsständen stand das Recht der Wahl zwischen den Konfessionen zu; dem mußten sich die Untertanen fügen, oder sie konnten auswandern. In Reichsstädten sollten beide Konfessionen nebeneinander geduldet werden. Für die geistlichen Territorien galt der allerdings umstritten bleibende „geistliche Vorbehalt“, wonach geistliche Fürsten beim Konfessionswechsel ihre Territorien nicht ,mitnehmen’ durften, weil dies zu deren Säkularisierung geführt hätte. Die Freiheit der Religionsausübung des niederen Adels blieb auf den Reichsadel beschränkt. Am 21.9.1555 waren die Beratungen über den Religionsfrieden abgeschlossen, in den folgenden Tagen konnten auch noch die Reform der Kammergerichtsordnung und die Ausführungsordnung für den Landfrieden vereinbart werden. Am 25.9.1555 wurde der Reichsabschied veröffentlicht, als Augsburger Vertragswerk war er damit rechtswirksam. Dies geschah im Namen des Kaisers, in dessen Namen ja auch die Eröffnung des Reichstags stattgefunden hatte. Ferdinand dokumentierte darin seine Selbständigkeit gegenüber dem kaiserlichen Bruder; denn nur Stunden vor der Eröffnung der abschließenden Reichsversammlung war ein Bote des Kaisers aus Brüssel in Augsburg eingetroffen, um dem römischen König die bevorstehende Abdankung des Kaisers mitzuteilen. Sowohl die Übertragung der Kaiserwürde als auch der Reichsregierung sollte, so der Wunsch des Kaisers, noch während des laufenden Reichstags vollzogen werden, so daß der Reichsabschied im Namen Ferdinands erfolgt wäre. Für Karl V. war diese Lösung konsequent, denn er lehnte den Reichstagsabschied ab. Ein Widerspruch seinerseits hätte die notwendige Friedenslösung erneut in Frage gestellt; diese Verantwortung aber wollte er nicht mehr tragen. Religionsfrieden 80
und Landfrieden von 1555 beruhten auf einem anderen Reichsverständnis, als der Kaiser es vertrat. „Nicht mehr die Heiligkeit des Reiches als Nachbarschafts- und Friedensverband [...], sondern die Verbindlichkeit und die Fähigkeit dieses Reiches zu Kompromiß und Friedenswahrung warben für den Zusammenhalt“ (Seibt 1990, S. 208). Ferdinand behielt die Botschaft aus Brüssel für sich und schickte den Boten mit der Bitte zurück, der Kaiser möge seinen Beschluß noch einmal überdenken. Der Reichstag ging im Namen Karls V. zu Ende, im Namen eines Kaisers, der dieses nicht mehr sein wollte. 3. Resignation und Rückzug Nicht nur die Kaiserwürde wollte Karl V. ablegen, auch seine anderen Herrschertitel gab er ab. Bereits vier Wochen nach der Ankündigung seiner Abdankung als Kaiser übergab er am 25.10.1555 in einer von den Zeitgenossen eindrucksvoll beschriebenen Zeremonie im großen Schloß zu Brüssel die Herrschaft über die Niederlande an seinen Sohn Philipp. Dies geschah vor der ständischen niederländischen Öffentlichkeit. Die Familie des Kaisers war durch seine beiden Schwestern und seinen Neffen Ferdinand (1529–1595), Sohn des Bruders, vertreten. Rechenschaft gab der Kaiser vor allem über die Anstrengungen seiner Amtsgeschäfte; Dank stattete er seiner Schwester Maria ab, die eine gute Statthalterin gewesen sei; unter den politischen Zielen, die ein guter Herrscher zu erfüllen habe und um die er sich stets bemüht habe, erwähnte der Kaiser nachdrücklich die Abwehr aller Ketzerei. Und in einer sehr persönlichen Wendung fuhr er fort: „Vor allem hütet Euch vor jenen neuen Sekten [...]; und wenn die Ketzerei auch über Euere Gränzen eindringen sollte, dann zögert nicht, sie zu vertilgen [...]. Ich für mein Theil muss bekennen, daß ich mich zu mannigfachen Irrthümern habe verleiten lassen, sei es durch jugendliche Unerfahrenheit oder durch den Stolz des reifen Alters oder durch eine andere Schwäche der menschlichen Natur; aber ich erkläre, daß ich mein als wissentlich und 81
freiwillig Unrecht oder Gewalt geübt oder andere veranlasst oder ermächtigt habe“ (Kohler, Quellen, 1990, S. 467). Im Januar 1556 übergab Karl V. auch die Herrschaft über Spanien an seinen Sohn Philipp; und wieder geschah dies in Brüssel, nun vor Vertretern der spanischen Stände. Die Verhandlungen, die mit den Reichsständen zur Übertragung der Kaiserwürde an Ferdinand notwendig waren, zogen sich bis in den Februar 1558 hin. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kaiser das Reich lange verlassen und sich auf seinen Landsitz in der Nähe des Hieronymitenklosters Yuste in Spanien zurückgezogen. Im September 1556 war er nach Spanien abgereist, die Regierung im Reich nahm Ferdinand in absentia imperatoris wahr. Im Frühling 1558 wurde Ferdinand von den Reichsständen zum Reichsoberhaupt gewählt und feierlich eingesetzt; aber ein Kaiser, der wie er von drei protestantischen Reichsfürsten gewählt worden war, konnte und sollte nicht mehr vom Papst gekrönt werden. Dieser von den Zeitgenossen sehr wohl wahrgenommene Unterschied zur Einsetzung Karls V. wirft ein bezeichnendes Licht auf das sich wandelnde Verständnis vom Verhältnis zwischen Kaiser und Reich. Die Unabhängigkeit von Rom führte den Kaiser in eine andere Rolle: Nicht mehr als advocatus ecclesiae, Wahrer der christlichen Einheit und des Friedens, trat er auf, sondern als Schiedsrichter, als Vermittler zwischen gegensätzlichen konfessionellen Positionen (Seibt 1990, S. 208 f.). Dieses Verständnis des Amts konnte Karl V. nicht mittragen, es war nur folgerichtig, daß er sich zurückzog. Zwei Jahre hat Karl V. in seiner selbstgewählten Zurückgezogenheit noch gelebt. Wiederholte Besuche des Sohns und die Fragen um Rat waren selbstverständlich, aber diese Anteilnahme wurde langsam weniger. Der Gesundheitszustand des Kaisers verschlechterte sich rasch, wohl auch deshalb nahm seine Menschenscheu zu. Die Nähe der Mönche des Ordens der Hieronymiten hat ihn in den letzten Lebenstagen beruhigt, vielleicht getröstet. Am 21.9.1558 starb Karl, ehemals Kaiser des Heiligen Römischen Reichs deutscher Na82
tion, König von Spanien, Herzog von Burgund u.a. K. Brandi beschreibt ihn in seinen letzten Tagen als „Mann der tiefsten mittelalterlichen Frömmigkeit“ (Brandi 1937, Bd. 1, S. 551). Fromm war er wohl wirklich, aber war das in seiner Zeit besonders „mittelalterlich“?
VI. Kaisermemoria in Deutschland Die Urteile über Karl V. waren nie einhellig, sie sind es noch immer nicht. Das nimmt bei einem Menschen wie ihm, der als Zeitgenosse und durch sein Amtsverständnis zur Polarisierung geradezu herausforderte, nicht wunder. Konfessionelle Unterschiede haben das Bild zunächst verschiedenfarbig gezeichnet, mit der Entwicklung einer nationalen Geschichtsschreibung traten seit dem beginnenden 19. Jahrhundert nationale Varianten hinzu. Für die Historiker des ausgehenden 20. Jahrhunderts hat die damit verbundene Einsicht in die nicht auflösbare Zeitbindung aller historischer Forschung nichts Erschütterndes mehr. Dies war zu Beginn unseres Jahrhunderts anders, als in der „Krise des Historismus“ die Suche nach allgemein verbindlichen Normen für historisches Urteilen begann (Schorn-Schütte 1999). Inzwischen ist der Charakter historischer Aussagen als Konstruktion vergangener Wirklichkeit (Berger/Luckmann 141997; Searle 1997), die deshalb von jeder Generation neu vorgenommen werden muß, weithin akzeptiert, ohne daß damit ein erkenntnistheoretischer Alleinvertretungsanspruch verbunden werden müßte. Das Urteil über die Gestalt des Kaisers, das 500 Jahre nach seiner Geburt formuliert wird, kann von manchen Fehleinschätzungen Abstand nehmen, manche Linien fortführen, die in der Vergangenheit schon angedeutet wurden. 1. Konfessionelle Geschichtsschreibung seit Ranke Ebenso konfessionell gespalten wie das Reich war die Erinnerung an Karl V. gespalten von Anfang an. Im protestantischen Verständnis galt der Kaiser als starrer Gegenspieler des Reformators Luther; für die katholische Erinnerung hatte er zwar den Kampf gegen die Ungläubigen und die Ketzer geführt, im Kampf mit dem Papst aber zugleich die Grundlagen der universalen Kirche in Frage gestellt. Der Sacco di Roma 84
wurde zum Schreckensbild des weltlichen Zugriffs auf die geistliche Autorität des Papstes. In der durch den Kulturkampf des späten 19. Jahrhunderts erneut gespaltenen Gesellschaft des deutschen Kaiserreichs wirkten solche Deutungsmuster weiter. Die Darstellung, die der Berliner Historiker Leopold von Ranke (1795–1886) in den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts vorlegte, hatte sich dagegen nicht behaupten können. Auch Ranke war Protestant; aber sein Blick für die Wechselwirkung von politischer und religiöser Entwicklung im 16. Jahrhundert öffnete sein Verständnis für die Idee des Kaisertums, die Karl V. bewegte. Als Schutzherr der Christenheit mußte er für die Einheit der christlichen Kirche sorgen, der „Ursprung der Spaltung der Nation“ lag deshalb auch in Rankes Bewertung nicht beim Kaiser, sondern bei der verweltlichten Papstkirche. Daß Ranke die Überwindung der Spaltung als Aufgabe des nationalen Staats betrachtete, ließ ihn zu einem negativen Urteil über die Durchsetzungschancen der Kaiseridee kommen. Für die Generation der Rankenachfolger waren weder das Alte Reich noch der Kaiser noch dessen übernationale Kaiseridee eine Frage von wissenschaftlichem Belang. Die Traditionen, denen sich die Generation der Droysen, Treitschke, Sybel, Lenz und Marcks verpflichtet fühlten, waren diejenigen der protestantisch-brandenburgischen Staatsbildung, mit deren Hilfe die Einheit der Nation ohne, ja gegen das Reich doch noch gelang. Es ist nachvollziehbar, daß diese Geschichtsforschung an Karl V. kein Interesse zeigte. Die einzige Ausnahme war der Straßburger Historiker Hermann Baumgarten (1825–1893), der zwischen 1885 und 1892 eine dreibändige Monographie zu Karl V. vorlegte. Als scharfer Gegner Treitschkes gehörte der liberale Professor zu der Minderheit bleibenden Gruppe unter den protestantischen Historikern des Kaiserreichs, die nicht nur die Vorgeschichte der preußischen Monarchie als Weg zur staatlich-nationalen Einheit untersuchte, sondern weiterhin die Bedeutung des Alten Reichs anerkannte. Schon deshalb spielte in Baumgartens 85
Untersuchung das Verhältnis zwischen Kaiser und Reich eine gewichtige Rolle. 2. Mittelalterlicher Kaiser oder frühabsolutistischer Herrscher? Die Geschichtsschreibung in der Weimarer Republik blieb derjenigen des Kaiserreichs eng verbunden. Die konfessionelle Enge allerdings begannen die Historiker der jungen Republik allmählich zu überwinden. Ein gutes Beispiel dafür ist die Geschichtsschreibung zu Karl V. 1937 erschien der erste Band der großen Biographie des Göttinger Historikers Karl Brandi (1868–1946) zu Karl V. Bei der Erschließung der umfangreichen Überlieferung zu Karl (vor allem der politischen Korrespondenz) hatte er sich, angeregt durch seinen Straßburger Lehrer Baumgarten, seit Jahren mit Politik und Persönlichkeit des Kaisers befaßt. Seiner Ausbildung und persönlichen Prägung nach war Brandi Historiker des Kaiserreichs. Sein Verhältnis zur jungen Republik von Weimar ähnelte derjenigen Friedrich Meineckes (1862–1954): Auch Brandi wurde zum Vernunftrepublikaner. Sein Interesse an Karl V. war kein apologetisch-konfessionelles, obgleich Brandi überzeugter Katholik war. Von einer dezidiert katholischen Geschichtsschreibung hielt er nichts: Dafür spricht die Ablehnung des konfessionell gebundenen Lehrstuhls in Bonn, der ihm 1893 vom Hochschulreferenten im preußischen Kultusministerium Friedrich Althoff (1839–1908) angeboten wurde. Sein methodischer Zugang zur Geschichtsschreibung war derjenige der Mehrzahl seiner Generation: Für ihn bewegten die Persönlichkeiten die Geschichte, und als eine solche wollte er Karl V. in das Reformationszeitalter einordnen. Brandis zentrale These lautete: Die Politik Karls V. war geprägt von seiner „dynastischen Idee“, die zugleich seine Staatsidee als „dynastische Staatsraison“ ausmachte. Aus der Summe der von ihm ererbten Herrschaftstitel formte er ein überseeischeuropäisches Weltreich, das „auf der dynastischen Idee und der Einheit des Glaubens“ (Brandi 1937, Bd. 1, S. 13f.) be86
ruhte. Weil diese überregionale Einheit eine Form der Regierung brauchte, die die alten Formen ständischer Mitherrschaft ablöste, wirkte die dynastische Weltmachtpolitik „überraschend genug doch wieder in der Richtung der beherrschenden Idee des Jahrhunderts aufsteigender moderner europäischer Staaten“ (Brandi ebd.). Im Unterschied zu seinen auf den preußischen ,Normalweg’ ausgerichteten Fachkollegen skizzierte Brandi einen Weg in die Moderne, der vom Reichsgedanken Karls V. ausging. Dieser Interpretation widersprach 1932 Peter Rassow (18891961), damals Privatdozent in Breslau. Von dynastischer Staatsraison im Sinne Machiavellis könne bei Karl V. nicht gesprochen werden. Das Herrschaftsverständnis des Kaisers – seine Kaiseridee – beruhe auf der Existenz eines allumfassenden christlichen Weltreichs, das er in der konkreten Gestalt des ihm per Erbfall zugegangenen Konglomerats von Herrschaften zu regieren habe. Diese Vorstellung sei zutiefst mittelalterlichen Traditionen verbunden. Denn der Kaiser habe sich als Vogt der Christenheit bezeichnet, als pater ecclesiae, und diese Aufgabe teile er in spezifischer Weise mit dem Papst. „Denn in der kirchlichen Einheit war, begrifflich nicht geschieden, die bürgerliche Ordnung eingeschlossen, oder umgekehrt ausgedrückt, die politische Ordnung des Reiches, die er vertrat, war eine sakrale“ (Rassow 1942, S. 39). Für diese Zuordnung des Kaisers zum Mittelalter verwies Rassow auf den engen Zusammenhang von Religion und Politik auch über das Ende des 16. Jahrhunderts hinaus. Nicht zuletzt seine Studien bei Ernst Troeltsch in Heidelberg dürften Rassow an dieser Stelle bestärkt haben, denn auch für Troeltsch (1865–1923) setzte der Umbruch zur Moderne erst nach der Mitte des 17. Jahrhunderts ein. Diese Ferne des Kaisers war für Rassow eine entscheidende methodische Bedingung, um die Beschäftigung mit seiner Zeit überhaupt wissenschaftlich rechtfertigen zu können. „Geschichte ist die lebendige Beziehung einer vergangenen Epoche zu einer ihr grundverschiedenen Gegenwart“ (Erdmann 1962, S. 142). Mit dieser Formulierung wurde Rassows Distanz zu jeder Art historistischem 87
Relativismus deutlich, dessen Beunruhigung er in den Diskussionen der frühen zwanziger Jahre im Umkreis von Max Weber und Ernst Troeltsch kennengelernt hatte. 3. Aktuelle Forschungsfragen In der Kontroverse um den Kaiser des Mittelalters oder den Wegbereiter der modernen Staatsraison hat Rassows Deutung die religiös-sakrale Dimension von Herrschaft im 16. Jahrhundert wieder betont. Hier haben die Forschungen seit den sechziger Jahren, insbesondere diejenigen des Wiener Historikers Heinrich Lutz (1922–1986), angeknüpft. Nach seiner Interpretation hat die Gegenüberstellung von mittelalterlichem Universalismus und werdendem modernem Staat ausgedient. Was aber an deren Stelle treten könnte, bleibt auch nach den Arbeiten von Lutz eine offene Frage. Es sollte darum gehen, so schrieb er 1982, „die jeweils spezifische Mischung traditioneller und moderner Elemente im Selbstverständnis und im politischen System [...] und das allgemeine Vorangetriebenwerden der politischen Modernisierung’ Europas“ zu zeigen (Lutz, 31991, S. 148). Damit wird deutlich, daß die Forschung zu Karl V. Teil der großen Kontroversen um die Maßstäbe historischen Urteilens ist, die in den letzten zehn Jahren zur Relativierung des Modernisierungsparadigmas als ausschließlichem Maßstab historischer Entwicklung geführt haben. Verschiedene Felder vergangener historischer Realität müssen in diese Aufgabenstellung einbezogen werden. Dazu gehört die Untersuchung der politischen Herrschaftsstrukturen, mit deren Hilfe Karl V. die Vielzahl seiner Regimente zusammenzuführen versuchte. Die These von Horst Rabe, wonach die „Modernisierung im politischen System“ des Kaisers durch den „Ausbau der Zentralverwaltung in den einzelnen Ländern“ erfolgt sei (Rabe 1982, S. 163), wird angesichts der Oppositionsbewegung regional-ständischer Kräfte gegen solche Maßnahmen und im Lichte der Durchsetzungskraft zentraler Verfahrensmuster neu zu bedenken sein. Damit zeigt 88
sich als weiteres Forschungsfeld die Analyse der politischsozialen Kommunikation zwischen den beteiligten Führungsgruppen um den Kaiser/König einerseits und unter den ständisch-regionalen Eliten andererseits. Am Beispiel der Wirkung des Großkanzlers Gattinara und seiner ausgearbeiteten Konzeption einer monarchia universalis ist erst der Anfang auf diesem Feld gemacht worden. Noch immer ungeklärt ist u.a., wie stark die Rezeption des Machiavelli im Umkreis des Kaisers und unter den ständischen Eliten in seinen Herrschaftsbereichen tatsächlich gewesen ist. Daß es eine starke ständische Opposition mit entsprechender Legitimation von Widerstand bzw. Kritik an der Obrigkeit gegeben hat, ist in Umrissen bekannt. Ob diese Formen politischer Kommunikation (oder auch Sprache) als „traditionales“ oder „modernisierendes“ Element politischer Ordnung charakterisiert werden sollen, ist bislang gänzlich offen. Schließlich zeigt sich an dieser Stelle, welch bedeutende Rolle die Religion, die persönliche und/oder kirchliche Frömmigkeit des Kaisers ebenso wie der Zeitgenossen gespielt hat. Denn die große Debatte um das Recht und die Teilhabe an Herrschaft ist unauflösbar verknüpft mit dem sakralen Herrschaftsanspruch des Kaisers, dem das Bild des christlichen Herrschers entgegengehalten wird, dessen Machtanspruch auf der Figur des Vertrages und/oder des Bundes beruht. Neben der Funktion des Papstes ist an dieser Stelle auch die Bedeutung von Konzilien im Kirchenverständnis des Kaisers und seiner regionalen Kritiker und Partner zu bestimmen. Die Erinnerung an Karl V. ist alles andere als Heldenverehrung. Sie ist aber auch nicht die Demontage eines unumstrittenen Herrschers über das Europa des 16. Jahrhunderts. Sie ist der legitime biographische Zugang zu einer Zeit, in der der Wandel sicherlich besonders deutlich spürbar war. Das Festhalten an scheinbar Bewährtem ist in solchen Augenblicken ein sehr menschliches Mittel, den Wandel zu verarbeiten. Karl V. scheint dies ebenso getan zu haben wie die Mehrzahl seiner Zeitgenossen. Erst im Blickwinkel des Historikers zeigt sich, 89
wie langsam die Veränderungen wirksam wurden und durch die Zeit Distanzen schufen. Zeitenwenden sind Wandelzeiten, zumeist ohne radikale Umbrüche.
Zeittafel 1500 1515 1516 1519 1521 1521–1523 1521–1525 1522 1523–1534 1524 1526
1527–1528 1529
1530
Geburt Karls V. in Gent Regentschaft Karls in Burgund Regentschaft Karls in Spanien Ständerevolte in Spanien Tod Kaiser Maximilians I.; nachfolgend wird Karl V. und nicht Franz I, König von Frankreich, zum Kaiser gewählt Wormser Edikt: Reichsacht gegen Martin Luther Papst Hadrian VI. (= Adrian v. Utrecht, der langjährige Erzieher Karls V.) Erster habsburgisch-französischer Krieg in Oberitalien; 1525 Sieg der kaiserlichen Truppen in Pavia Ferdinand, der jüngere Bruder Karls, wird Erzherzog von Österreich Papst Clemens VII. Einrichtung des Indienrates für die Überseegebiete Friedensvertrag von Madrid, den Franz I. jedoch nach seiner Freilassung widerruft – „Heilige Liga von Cognac“, Verteidigungsbündnis zwischen dem französischen König, dem Papst, dem Herzog von Mailand, Venedig und Florenz Trauung von Karl V. und Isabella v. Portugal in Sevilla Sieg der Türken über die Ungarn in der Schlacht von Mohács (29.8.) Ferdinand wird durch Erbfall König von Böhmen und Ungarn Erster Reichstag zu Speyer: unter den reformatorischen Ständen des Alten Reichs formiert sich der Widerstand gegen den Kaiser Zweiter habsburgisch-französischer Krieg in Oberitalien und Neapel; Sacco di Roma Zweiter Reichstag zu Speyer; „Protestatio“ der reformatorischen Stände gegen den Reichstagsabschied Friedensvertrag von Cambrai: vorläufiges Ende der Konflikte zwischen den Häusern Habsburg und Valois, ausgehandelt unter maßgeblicher Beteiligung von Luise v. Savoyen und Margarethe v. Österreich („Damenfrieden“) Belagerung Wiens durch die Türken unter der Führung des Sultans Süleyman Krönung Karls V. durch Clemens VII. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation; letzte Kaiserkrönung durch einen Papst Reichstag zu Augsburg – Versuch einer Einigung in Glaubensfragen: „Confessio Augustana“ der Protestantischen
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1531 1532 1534–1549 1535 1536 1536–1538 1538
1539 1541 1542–1544 1542–1543 1543 1545–1563 1546–1547 1548
1550–1555 1551–1556 1552 1553 1555–1559 1555 1558
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Seite; „Confutatio“ als ablehnende Antwort der kaiserlichkatholischen Partei Schmalkaldischer Bund – Protestantisches Verteidigungsbündnis Türkenfeldzug Papst Paul III. Eroberung von Tunis Abkommen zwischen dem Sultan und dem französischen König – Schwächung der Position des Kaisers Dritter habsburgisch-französischer Krieg in Oberitalien; Waffenstillstand von Nizza Vertrag von Großwardein zwischen Karl V., Ferdinand und dem vom Sultan eingesetzten ungarischen Gegenkönig Johann Zápolya – vorläufige Beruhigung der Situation in Ungarn Tod Isabellas von Portugal Aufstand in Gent Niederlage der kaiserlichen Truppen gegen die Türken in Algier Vierter habsburgisch-französischer Krieg; Frieden von Crepy Neue Gesetze (Leyes nuevas) für die Überseegebiete Politisches Testament Karls V. Konzil zu Trient (1. Periode 1545–1547/48; 2. Periode 1551–1552; 3. Periode 1562–1563) Schmalkaldischer Krieg; 1547 Schlacht bei Mühlberg: Karl V. siegt über den Schmalkaldischen Bund „Geharnischter Reichstag“ zu Augsburg; Augsburger Interim Burgundischer Vertrag – relative Selbständigkeit der Niederlande Papst Julius III. Fünfter habsburgisch-französischer Krieg; Winter 1552/53 erfolglose Belagerung von Metz; Waffenstillstand in Vaucelles 1556; Friedensvertrag von Cateau-Cambresis 1559 Vertrag von Chambord: Opponierende Reichsstände verbünden sich mit dem französischen König Heinrich II.; Fürstenbund im Reich; Passauer Vertrag Hochzeit Philipps v. Spanien mit Maria Tudor, Königin v. England Papst Paul IV. Reichstag zu Augsburg; Augsburger Religionsfrieden Abdankung des Kaisers; Philipp, Sohn des Kaisers, wird Herzog v. Burgund und 1556 auch König v. Spanien Wahl Ferdinands I. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation; Tod Karls V. in Spanien
Glossar Absolutismus: Darunter versteht man eine monarchische Regierungsform, in welcher der Herrscher die unbeschränkte und ungeteilte Staatsgewalt ohne Mitwirkung ständischer Institutionen beansprucht. Der Fürst steht dabei als Träger der Souveränität über den Gesetzen („princeps legibus solutus“), bleibt aber an die Gebote der Religion, das Naturrecht und die Staatsgrundgesetze gebunden. Über die Interpretation absolutistischer Herrschaft gibt es seit längerem eine historische Forschungskontroverse. Adelsfronde: Damit bezeichnet man einen ständisch geprägten Aufstand des Adels gegen königliche Herrschaft. Acht: s. Reichsacht. Altes Reich: s. Heiliges Römisches Reich deutscher Nation. Bann: siehe Kirchenbann. Devotio moderna: Der Begriff [lat. ,neue Frömmigkeit’] bezeichnet eine religiöse Erneuerungsbewegung des 14./15. Jahrhunderts. Sie betonte statt der an äußere Formen gebundenen kirchlichen Frömmigkeit der Zeit die praktisch-erbauliche Betrachtung und mystische Versenkung des einzelnen in das Leben Jesu. Sie ging von den Niederlanden aus, fand dann aber in fast allen europäischen Ländern Eingang. Encomienda: Ursprünglich war die Encomienda in Kastilien eine Form der Grundherrschaft der Ritterorden. Während der spanischen Landnahme in der Neuen Weit entwickelte sie sich zu einem maßgeblichen Kolonisationsinstrument als Ersatz für die verbotene Versklavung. In rechtlicher Hinsicht war die Encomienda die Zuteilung von unterschiedlich großen Gruppen von Indianern an einzelne Eroberer mit dem Auftrag, Missionierung und Akkulturation zu gewährleisten. Dafür erhielten sie das Privileg, die von den Indios geschuldeten Tribute und Arbeitsleistungen für sich zu nutzen. Heiliges Römisches Reich deutscher Nation: Mit diesem Titel bezeichnet man das alte, 1806 aufgelöste Deutsche Reich, das seit 962 durch das Kaisertum Ottos I. mit der Tradition des Römischen Reichs verbunden war und als dessen Fortsetzung galt. Der Zusatz „deutscher Nation“ wurde erst im 15. Jahrhundert beigefügt und bezeichnete einschränkend die deutschen Teile des Reichsgebietes im Unterschied zu Italien und Burgund. Historismus: Allgemein die Auffassung der Geschichte als einer vom Menschen ins Werk gesetzten, unablässigen, alles erfassenden Veränderung seiner Lebenswelt und Kulturformen. Gegen die daraus abgeleitete Relativierung von Institutionen und Werten wurde der Begriff von Kulturkritikern im 19. Jahrhundert ins Feld geführt. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts bezeichnet man damit im engeren Sinn das Wissenschaftsverständnis der sogenannten „historischen Schule“: einer Gruppe von
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Altertumswissenschaftlern, Philosophen, Juristen, Philologen und Historikern, die aus der Erfahrung der Französischen Revolution und der dadurch ausgelösten Veränderungen in Deutschland ihre Gegenstände primär als geschichtliche, nämlich von Menschen gemachte und veränderbare auffaßten. Zu ihnen zählen W. v. Humboldt, C. v. Savigny, J. und W. Grimm, L. v. Ranke u. a. Humanismus: Der Humanismus war neben Renaissance und Reformation eine der großen Geistesbewegungen, die die Abwendung von mittelalterlichem Gedankengut ermöglichten und die Frühe Neuzeit eingeleitet haben. Die Humanisten griffen vor allem auf die antiken griechischen und lateinischen Vorbilder zurück, die als maßgeblich für alle Aspekte der Sprache, des Denkens und der Lebensführung begriffen wurden und an deren Werk man sich darum orientierte. Interim: Das Interim oder Augsburger Interim ist die auf dem Reichstag zu Augsburg 1548 verfügte vorläufige Regelung der kirchlichen Verhältnisse – bis zu einer endgültigen Klärung durch ein Konzil. Kirchenbann: Bezeichnung für Exkommunikation, d. h. für den Ausschluß eines Kirchenmitglieds aus der Gemeinschaft der Gläubigen. Konzil / Konzilsbewegung [lat./griech.: Synode]: Der Begriff Konzil bedeutet Versammlung’. In der katholischen Kirche bezeichnet man als Konzil ein kollegiales, nicht ständiges Organ der Kirchenleitung, auch Bischofsversammlung genannt, das den Bischof oder den Papst berät und aus Vertretern des Bistums zusammengesetzt ist. Kulturkampf: Bezeichnung für eine politische und gesellschaftliche Auseinandersetzung im Kaiserreich, die tiefe Gräben zwischen deutschen Katholiken und Protestanten aufriß. Kurfürsten: Im Alten Reich diejenigen Reichsfürsten, die zur Wahl des deutschen Kaisers berechtigt waren. Seit 1257 gab es sieben Kurfürsten (geistliche und weltliche): die Erzbischöfe von Mainz, Trier und Köln sowie der Pfalzgraf bei Rhein, der Herzog von Sachsen, der Markgraf von Brandenburg und der König von Böhmen. Kurwürde: s. Kurfürsten. Landfrieden: Im Alten Reich wurde das vom Kaiser oder König mit Gesetzeswirkung oder von den Ständen in Form einer Einung erlassene Friedensgebot zur Verhinderung der Fehde als Landfrieden bezeichnet. Maximilian I. verkündete 1495 den „Ewigen Landfrieden“, der bis 1806 in Kraft blieb. Lehnsherr: s. Lehnswesen. Lehnsleute: s. Lehnswesen. Lehnswesen: Mit dem Begriff eng verbunden ist der Begriff „Feudalismus“, der sich aber bis heute einer einheitlichen Bestimmung entzogen hat. Die Forschung grenzt im allgemeinen den Begriff Feudalismus insofern ab, als sie ihn zur Kennzeichnung gesellschaftlicher Strukturen verwendet, während das Wort Lehnswesen benutzt wird, wenn es um die auf dem Lehnsrecht beruhenden Institutionen geht. Entscheidend
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ist, daß das Lehnswesen auf personalen Beziehungen zwischen einem Lehnsherrn und seinem Lehnsmann (Vasall) basierte. In diesem System verpflichteten sich beide Seiten zu gegenseitiger Treue und, wenn auch in deutlicher hierarchischer Abhängigkeit, zu Diensten und Hilfeleistungen. Levante-Handel: Bezeichnung des Handels mit den Ländern des östlichen Mittelmeerraumes. Machiavelli / Machiavellismus: Niccoló Machiavelli (1469–1527) kann als führender politischer Theoretiker des beginnenden 16. Jahrhunderts bezeichnet werden. Insbesondere seine Schrift ,Il principe’ von 1513, in welcher er die Frage nach den Bedingungen erfolgreicher Politik stellte, ist weit rezipiert worden. Für Machiavelli ist die Erhaltung des Staates die zentrale Handlungsmaxime des Fürsten, welcher – im Notfall – auch von ethischen und moralischen Gesichtspunkten absehen könne. Unter Machiavellismus versteht man infolgedessen den Vorwurf an Machiavelli und (vermeintliche) Anhänger, eine über alle sittlichen Normen sich hinwegsetzende Machtpolitik zu vertreten. Osmanen: Die Türken im Osmanischen Reich. Pfründe [althochdt. aus lat. praebenda: ,Unterhalt’]: Ein Kirchenamt, das mit einer Vermögensausstattung (Land, Geldvermögen, laufende Einnahmen) verbunden ist. Reichsabschied (auch: Reichsrezeß): Gesamtheit der auf einem Reichstag gefaßten Beschlüsse. Sie besaßen den Status von Gesetzen für das Reich. Reichsacht: Ausschluß eines Rechtsbrechers aus der Gemeinschaft und dem Rechtsverband des Reichs mit Wirkung für das gesamte Reich. Davon betroffene Rechtsbrecher galten als ehr- und rechtlos und konnten bei ihrer Ergreifung getötet werden. Reichsfürsten: Wie die Kurfürsten gliederten sich auch die übrigen Reichsfürsten in eine geistliche und eine weltliche Untergruppe. Nach der Wormser Reichsmatrikel von 1521 gehörten zu den geistlichen Reichsfürsten vier Erzbischöfe (Magdeburg, Salzburg, Besan^on, Bremen) und 46 Bischöfe. Daneben nannte sie 24 weltliche Reichsfürsten. Geistliche und weltliche Reichsfürsten hatten Sitz und Stimme im Reichstag. Sie organisierten sich dort innerhalb des Reichsfürstenrates. Reichskammergericht: Das Reichskammergericht wurde 1495 auf dem Wormser Reichstag errichtet und hatte bis 1806 Bestand. Seit 1527 befand es sich in Speyer und ab 1690 in Wetzlar. Aus dem Zusammenhang der Gründung des Reichskammergerichts mit der Verkündung des „Ewigen Landfriedens von 1495“ erklärt sich seine vorrangige Aufgabe, Landfriedensbruch zu ahnden und damit dem bis dahin keiner höchstrichterlichen Sanktion unterworfenen mittelalterlichen Fehdewesen entgegenzutreten. Darüber hinaus war das Reichskammergericht in großem Ausmaß beanspruchte Appellationsinstanz nach endgültigen Entscheidungen landesherrlicher oder reichsstädtischer Gerichte, wo-
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durch eine weitgehende Territorialisierung der Gerichtsbarkeit im Alten Reich verhindert wurde. Reichskreise: Neben dem Reichstag waren bis zum Ende des 18. Jahrhunderts die Reichskreise die Institutionen, durch die die Reichsverfassung besonders wirksam blieb. Die erst sechs, dann zehn Reichskreise (seit 1500: fränkischer, bayerischer, schwäbischer, oberrheinischer, niederrheinisch-westfälischer und sächsischer Kreis; 1512 kamen noch der österreichische und der burgundische, der kurrheinische und der obersächsische Reichskreis hinzu) hatten zunächst die Funktion von Wahlbezirken. Im Verlaufe des 16. Jahrhunderts erhielt darüber hinaus ihre Funktion in der Verwaltung, Organisation und Verteidigung des Alten Reichs, in deren Mittelpunkt der Kreistag als Beratungs- und Beschlußgremium stand, immer größere Bedeutung. Reichsmatrikel: In der Reichsmatrikel wurden die militärischen und finanziellen Reichshilfen der Reichsstände festgelegt. Jeder Reichsstand hatte das durch Reichstagsbeschluß in der Reichsmatrikel bestimmte Kontingent zu stellen. Der Eintrag in die Reichsmatrikel galt als Indiz der oft umstrittenen Reichsunmittelbarkeit. Reichsstädte: Im Alten Reich nahmen die Reichsstädte unter den Reichsständen eine Sonderstellung ein, weil sich hier die Reichsunmittelbarkeit nicht auf Einzelpersonen bezog, sondern auf die Stadt als Ganzes, vertreten durch den Rat. Unter den Städten waren sie rechtlich herausgehoben dadurch, daß sie keinen andern Herrn hatten als den Kaiser und im Zuge der Herausbildung des Reichstages an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert dort ihre Mitgliedschaft sichern konnten. Reichsstände: Bezeichnung für die nur dem Kaiser unterstehenden Glieder des Alten Reichs, die in einem der drei Kollegien des Reichstags (Kurfürstenkollegium, Reichsfürstenrat und Reichsstädtekollegium) Sitz und Stimme hatten (Reichsstandschaft). Die R. mußten an den Reichstagen teilnehmen, Truppenkontingente zum Reichsheer stellen und die vom Reichstag bewilligten Reichssteuern aufbringen. Reichstag / Reichstagskurie: Der Reichstag war das bedeutendste und – zusammen mit dem Reichskammergericht und den Reichskreisen – dauerhafteste Ergebnis der sogenannten Reichsreform an der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert. Er trat bis 1653/54 in unregelmäßigen Abständen in wechselnden Reichsstädten zusammen. Das Einberufungsrecht hatte allein der Römische König und Kaiser, wenn auch unter Zustimmung der Kurfürsten. Die im Reichstag versammelten Reichsstände fanden sich in den drei Kurien des Kurfürsten-, des Reichsfürsten- und des Reichsstädterats zusammen. Ritterorden: Nach dem Ersten Kreuzzug entstanden die sogenannten Geistlichen Ritterorden. Sie verbanden karitative Aufgaben mit dem Pilgerschutz und dem militärischen Kampf gegen „Glaubensfeinde“. Seit dem 14. Jahrhundert entstanden auf fürstliche Initiative teilweise weltliche, teilweise kirchliche, oft kurzlebige Ritterorden für die Tür-
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ken- und Häretikerabwehr und zur Einübung des Adels in die ritterlichen Tugenden wie Treue, Loyalität, Mut, höfisches Benehmen. Römischer König: Im 11. Jahrhundert aufgekommene Bezeichnung für den noch nicht zum Kaiser gekrönten deutschen König. Maximilian I. begründete die Tradition, daß sich der regierende Herrscher „Kaiser“ (Erwählter Römischer König) nannte, sein zu Lebzeiten gewählter Nachfolger „Römischer König“. Römisches Recht / Rezeption: Das Römische Recht ist das Recht des antiken römischen Staates. Es wurde seit dem Mittelalter allmählich auch in andere Rechtstraditionen übernommen. Dabei spielte insbesondere die Rezeption des Römischen Rechtes an den Juristischen Fakultäten der Universitäten eine ausschlaggebende Rolle. Schmalkaldischer Bund: Nach der strikten Zurückweisung der Confessio Augustana auf dem Augsburger Reichstag 1530 antworteten die protestantischen Stände mit der Gründung eines Verteidigungsbündnisses, das 1531 in Schmalkalden geschlossen wurde. Zu ihm gehörten neben Kursachsen und Hessen bedeutende süddeutsche Reichsstädte. Schisma, Pl. Schismen [griech. ,Spaltung’]: Kirchenspaltung, besonders das Schisma von 1054, das die Spaltung zwischen der lateinischen und der orthodoxen Kirche vollendete und bis zum heutigen Tag andauert, sowie das große abendländische Schisma (1378–1417), bei dem sich zwei, dann sogar drei Päpste gegenüberstanden. Stände: s. Reichsstände. Wahlkapitulation: Im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit bezeichnete man als Wahlkapitulation einen schriftlichen Vertrag, durch den Wähler einem zu Wählenden Bedingungen für seine künftige Regierung stellten. Zentral waren sie im Bereich der Bischofswahlen. 1519 mußte Karl V. als erster Römischer Kaiser einer solchen Wahlkapitulation zustimmen. Die königlichen Wahlkapitulationen der Frühen Neuzeit waren Herrschaftsverträge, in denen zur Begrenzung der monarchischen Macht die Partizipation der Stände festgeschrieben wurde. Wormser Edikt: Mit dem Wormser Edikt wurde 1521 auf dem Reichstag zu Worms die Reichsacht über Martin Luther verhängt und darüber hinaus die Lektüre und die Verbreitung seiner Schriften verboten.
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Abbildungsverzeichnis Seite 16: Karl V., Portrait 1548 von Tizian, AKG Berlin Seite 17: Isabella von Portugal, Bildnis von Tizian, AKG Berlin Seite 20: Karl V. über das Feld bei Mühlberg reitend, Gemälde von Tizian, AKG Berlin Seite 21: Karl V., Portrait mit Dogge, Gemälde von Tizian, Bildarchiv Foto Marburg Umschlaginnenseite vorn: Herrschaftsraum Karls V. und Hausbesitz der Habsburger in Europa. Umschlaginnenseite hinten: Stammtafeln der Häuser von Frankreich, Burgund, Österreich, Spanien und England; nach: Brandi, Karl, Kaiser Karl V. Werden und Schicksal einer Persönlichkeit und eines Weltreiches, München 1937.
Register I. Personen Adrian v. Utrecht, s. Hadrian VI. Agricola, Johann (1492–1566) 69 Albrecht (1490–1568), Herzog v. Preußen 75 Albrecht Alkibiades, Markgraf v. Brandenburg-Kulmbach (15221557) 65, 78 Albrecht VII., Herzog v. Mecklenburg (1486–1547) 75 Althoff, Friedrich (1839–1908) 86 Amsdorf, Nikolaus v. (1483–1565) 71, 73 Anna v. Ungarn (1503–1547) 14 Bartolomé de las Casas (1474– 1566) 31 Baumgarten, Hermann (1825– 1893) 85, 86 Brandi, Karl (1868–1946) 11, 25, 83, 86, 87 Brück, Gregor (1483–1557) 52 Bugenhagen, Johannes (14851558) 71, 72, 73, 74 Chaireddin Barbarossa (um 14601546) 37,38 Chievres s. Croy Clemens VII., Papst (1478–1534) 35, 40, 42, 43, 59 Cles, Bernhard (1485–1539) 59 Cortes, Hernän (1485–1547) 31 Croy, Wilhelm v., Herr v. Chievres (1458–1521) 11, 13 David, König der Juden 22 Droysen, Johann Gustav (18081886) 85 Erasmus v. Rotterdam (um 14661536) 24
Ferdinand I., Kaiser (1503–1564) 11, 13, 14, 15, 36, 37, 56, 64, 76, 77, 79, 80, 81, 82 Ferdinand II., Kaiser (1529–1595) 81 Ferdinand V., der „Katholische“, König v. Aragon (1452–1516) 11, 13, 30 Franz I., König v. Frankreich (1494–1547) 32, 33, 34, 35, 38, 40 Friedrich der Weise, Kurfürst v. Sachsen (1482–1556) 50, 51, 54, 71 Frundsberg, Georg v. (1473–1528) 42 Fugger 49 Gattinara, Mercurino (1465–1530) 27, 32, 34, 35, 41, 59, 89 Guevara, Antonio de (1486–1546) 27 Habsburg 8, 10, 32, 36, 67, 68 Hadrian VI., Papst (1459–1523) 10, 11, 13, 29, 39, 40, 48 Hansv. Küstrin, Markgraf (15131571) 65, 75 Heinrich II., König v. Frankreich (1519–1559) 76, 77 Heinrich VIII., König v. England (1491–1547) 14, 43, 78 Hus, Jan (um 1370–1415) 51 Isabella v. Portugal (1503–1539) 12, 14, 15, 48 Johann Friedrich, Kurfürst v. Sachsen (1503–1554) 65, 66 Johanna, Königin von Kastilien und Aragon (1479–1555) 10
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Katharina v. Aragon (1485–1536) 43 Lenz, Max (1850–1932) 85 Luther, Martin (1483–1546) 41, 47, 48, 50, 51, 52, 53, 54, 59, 63, 71, 84 Lutz, Heinrich (1922–1986) 25, 88
Philipp II., König v. Spanien (1527–1598) 15, 19, 78, 81, 82 Rabe, Horst 25, 88 Ranke, Leopold v. (1795–1886) 8, 85 Rassow, Peter (1889–1961) 25, 43, 87
Machiavelli, Niccoló (1469–1527) 26, 87, 89, 95 Male, Guillaume de (t 1560) 22 Marcks, Erich (1861–1938) 85 Margarete v. Parma (1522–1586) 12 Margarethe v. Österreich (14801530) 11, 12, 14 Maria v. Österreich (1528–1603) 15 Maria v. Ungarn (1505–1558) 12, 45, 59, 64, 65, 68, 81 Maria Tudor, Königin v. England (1516–1558) 14, 78 Maximilian I., Kaiser (1459–1519) 10,11,27 Medici 40 Meinecke, Friedrich (1862–1954) 86 Melanchthon, Philipp (1497–1560) 60, 71 Michael, Prinz von Kastilien, Aragon und Portugal (14981500) 10 Moritz, Kurfürst v. Sachsen (1521–1553) 65, 66, 75, 76
Sauvage, Jean, Seigneur d’Escaubecq (1455–1518) 13 Seisenegger, Jakob (1505–1567) 22 Selim L, Sultan der Osmanen (1467/70–1520) 36 Sigismund, Kaiser (1368–1437) 51 Soto, Pedro de (1495–1560) 27 Spalatin, Georg (1484–1545) 71 Spengler, Lazarus (1479–1534) 73, 74 Süleyman der Prächtige, Sultan der Osmanen (1494–1566) 36, 37, 38 Sybel, Heinrich v. (1817–1895) 85
Paul III., Papst (1468–1549) 43, 62 Paul IV., Papst (1476–1559) 78 Philipp I., Landgraf v. Hessen (1504–1567) 66, 71, 74, 75, 76 Philipp der Schöne, Herzog v. Burgund (1478–1506) 10, 11
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Thomas v. Aquin (1224–1274) 28 Tiziano Vecellio (um 1488–1576) 22, 23 Treitschke, Heinrich v. (18341896) 85 Troeltsch, Ernst (1865–1923) 87, 88 Vitoria, Francisco de (um 1485– 1546) 27, 28 Weber, Max (1864–1920) 88 Wilhelm, Landgraf v. Hessen (1532–1592) 75 Zápolya, Johann, König v. Ungarn (1487–1540) 37
II. Sachen und Orte Adel 11, 12, 24, 25, 26, 27, 29, 34, 80 Adelsrevolte 12, 29, 30, 58 f., 7077, 93 Advocatus ecclesiae 28, 36, 42, 77, 82, 87 s. auch Defensor fidei Algier 36, 37 Amerika 28, 30, 64 Amtsträger 26 Anhalt 57 Aragon 10, 26 Artois 38 Augsburg 59, 67, 80 - Reichstag von 1530 59, 60, 63 - Reichstag von 1547/48 („geharnischter“) 22, 67, 69, 75 - Reichstag von 1550/51 22 - Reichstag von 1555 79, 80 Barcelona 42, 50 - Disputationen von (1542/43) 31 - Frieden von (29.6.1529) 42 Bayern 61, 65 Bede 44 Belgien 10 Belgrad 36 Böhmen 36, 70 Bologna 42, 68 Bonn 86 Brabant 44 Brandenburg-Ansbach 57 Braunschweig-Lüneburg 57 Breslau 87 Brüssel 12,80,81,82 Brüsseler Verträge (1521) 14 Bürgertum 44 Burgund 7, 10, 11, 12, 44, 68, 70, 83
Burgundischer Vertrag (26.7.1548) 68 Chambord, Vertrag von 76 Cambrai, Frieden von („Damenfrieden“ 1529) 12, 35 Cognac, Heilige Liga von 35, 40 Confessio Augustana 60 Confutatio 60 Cortes 25, 29, 31 Crepy, Frieden von (Sept. 1544) 38, 63 Dänemark 61 Defensor fidei 22, 29, 34, 35 f., 39, 48, 49, 50, 52, 53, 58, 61, 73, 85, 87, 89 s. auch Advocatus ecclesiae Deutschland, s. Reich, Heiliges Römisches Devotio moderna 10, 13, 48, 93 Drakenburg 66 Elsaß 10 Encomienda 31, 32, 93 England 11, 12, 13,43 Eßlingen 55 Flandern 38, 44 Florenz 35 Frankreich 8, 11, 12, 32, 33, 34, 38, 39, 40, 42, 43, 44, 45, 61, 62, 63, 64, 76, 78 Frömmigkeit 11, 15, 18, 47, 48, 49, 89 Frühabsolutismus 25, 26, 46, 73, 93 Fürstenbund 75 Geistlichkeit 25, 48 Gent 9, 44, 45 Geschichtsschreibung 8, 9, 18, 47, 51, 65, 84
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Glaubensspaltung 7, 8, 18, 57, 58 Göttingen 86 Granada 15 Großwardein, Vertrag von (25.2.1538) 37 Guadalupe 33 75, 89, 94 Habsburg 8, 10, 32, 36, 61, 67, 68 Hegemonie, europäische 8, 32, 35 Heidelberg 87 Herrscherverständnis 7, 8, 22, 23, 26, 28, 29, 32, 33, 34, 43, 47, 78, 84, 86, 87 s. auch Advocatus ecclesiae; Defensor fidei; Kaiseridee; Katechon Hessen 57, 58, 61, 66 Hieronymiten 15, 48, 82 Hofkultur 18 Hofordnung 13 Humanisten 24, 60, 94 Imperium 27, 28 Indienrat 31 Innsbruck 76 Interim 69, 70, 75, 78, 94 Italien 38, 39, 78 Kaiseridee 27, 30, 35, 36, 38, 39, 42, 48, 49, 52, 53, 55, 58, 64, 73, 77, 82, 85, 87 s. auch Advocatus ecclesiae; Defensor fidei; HerrscherVerständnis; Katechon Kaiserkrönung 42 Kaisermemoria 8, 84 Kaisertum 27 Kaiserwahl 32, 49 Kardinale 41 Kastilien 7, 10, 25, 27 Katalonien 26 Katechon 28, 52 Kirche 39, 40, 41, 42, 43, 47, 48, 49, 50, 52, 58, 63, 69, 77, 84, 85
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Kirchenstaat 39, 42 Köln 25 Kolonialpolitik 28, 30, 31 Konstanz 25, 51 Konzil 41, 42, 43, 49, 52, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 68, 69, Kreuzzug 35, 65 Kulturkampf 85, 94 Kurfürsten 49, 55, 94 Kursachsen 58, 61 La Corufia, Cortes von 1520 29, 31 Liga 67, 68 Loebersdorf, Schlacht bei (19.9.1532) 37 Löwen 10 Lombardei 41 Lothringen 10, 76, 77 Luxemburg 10 Madrid, Frieden von (14.1.1526) 35 Mailand 33, 35 Malerei 22 Mantua 62 Metz 76, 77, 78 Mohacs, Schlacht bei (29.8.1526) 36 Monarchia universalis 7, 23, 27, 28, 30, 32, 34, 38, 39, 43, 44, 60, 72, 73, 77, 78, 89 Mühlberg, Schlacht bei (24.4.1547) 22, 66 Navarra 33 Neu-Spanien 31 Niederlande 8, 10, 29, 44, 46, 68, 81 Nürnberg 55, 58 Nürnberger Anstand 61 Oberitalien 33 Österreich 7, 10, 32
Osmanen 32, 35, 37, 38, 43, 44, 64, 84, 95 - Reichstag 50, 51, 57, 58, 59, Papst 7, 39, 41, 50, 51, 52, 57, 64, 68, 78, 82, 85, 87 Passauer Vertrag (15.8.1552) 77, 79 Patriziat 46 Pavia, Schlacht bei (24.2.1525) 33, 34 Peru 31 Portugal 10 Propaganda 18, 22 Protestanten 19, 22, 38, 40, 47, 54, 56, 57, 58, 60, 61, 62, 64, 65, 66, 68, 69, 70, 71, 73, 74, 75, 79, 80, 82, 84 Protestation 58 Provence 10 Reformkonzilien 39 Regensburg 61, 63 - Reichstag von 1532 61 - Reichstag von 1541 63, 65 Reich, Heiliges Römisches deutscher Nation 37, 38, 47, 49, 50, 54, 55, 56, 58, 59, 61, 68, 73, 76, 77, 81, 82, 85, 87, 93 - Kaiser des 7 - Reichsacht 50, 51, 54, 58, 62, 66, 95 - Reichsaufgebot 55 - Reichsfürsten 50, 57, 67, 71, 82, 95 - Reichskammergericht 55, 68, 80, 95 - Reichskreise 55, 96 - Reichsmatrikel 55, 96 - Reichsrecht 50, 51, 54, 67, 70, 71, 72, 76, 78, 79, 80 - Reichsreform 47, 48, 54, 55, 76, 79 - Reichsregiment 55, 56 Reichsstände 47, 50, 51, 53, 54, 55, 56, 58, 60, 61, 62, 63,
65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 72, 73, 75, 76, 77, 79, 80, 82, 96 64, 67, 71, 96 Religionsfrage 50, 51, 53, 54, 5664, 68–73, 75, 76, 78, 79 Religionsfrieden 76, 77, 79, 80 Rhodos 36 Ritterideal 13, 18, 24 Rom 42, 43, 50, 62, 82 - Sacco di Roma 41, 84 Sachsen 57, 66 Salamanca, Schule von 27, 32 Savoyen 10, 38 Schmalkalden 61, 63 Schmalkaldischer Bund 61, 64, 65, 66, 75, 97 Sevilla 15, 31 Spanien 7, 8, 10, 11, 12, 13, 14, 24, 26, 27, 29, 30, 33, 42, 46, 70, 82, 83 Speyer 56 - Reichstag von 1526 56, 57 - Reichstag von 1529 58, 71 Staat, moderner 7, 30, 87, 88 Städte 25, 29, 44, 45, 57, 61, 70, 80 Stände 7, 25, 26, 27, 29, 30, 46, 54, 70, 82, 87, 88, 89 - evangelische 57 - Selbstverständnis 11 25, 26, 27, 29, 55, 57, 58, 70, 71, 72, 73, 78, 89 - spanische 44 - Ständerevolte 29, 30 s. auch Adel; Adelsrevolte; Geistlichkeit; Reichsstände; Städte Straßburg 58, 61, 85, 86 Tirol 76 Toledo 15 Torgau 75 Toskana 42
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Toul 76 Trient 63, 64, 69 Türken, s. Osmanen Türkengefahr 8, 35, 36, 37, 38, 40,60 Tunis 36, 37, 38 - Eroberung von (Juli/August 1535) 37 Ulm 58 Ungarn 36, 37 Valladolid 25, 26, 29 - Cortes von 1517/18 25, 26 - Disputationen von (1542/43) 31 Valois 32 Venedig 18, 22, 35 Verdun 76 Vertragscharakter frühneuzeitlicher Herrschaft 26, 30, 46, 53 f., 70, 71, 72, 73, 74, 79, 89 Villach 76
Vlies, Orden vom Goldenen 11, 13, 24 Wahlkapitulation 49, 50, 53, 54, 97 Wartburg 54 Widerstand 72 Widerstandsrecht 59, 70, 71, 74 Wien 25 - Belagerung von 37 Wittenberg 7, 50 Worms 49, 50, 54, 55, 64 - Reichstag von 1521 49, 50, 54, 55, 62 - Reichstag von 1545 64 Wormser Edikt 54, 57, 60, 71, 97 Yuste 15, 82 Zentralverwaltung 25, 30, 45, 56, 88