Hans-Josef Klauck
Judasein Jünger des Herrn
Judas Iskariot - in kirchlicher Tradition und religiösem Brauchtum, in Literatur und bildender Kunst ist dieser Jünger J esu zum scheinbar zeitlosen Inbegriff für Geldgier, Verrat, Subversion und n1enschliche Niedertracht geworden. Ist aber das Christentum überhaupt berechtigt, Judas als Ausbund des Bösen zu sehen, der wie ein Magnet menschliche Haß gefühle auf sich zieht? Hans-Josef Klauck, Professor für neutestamentliche Exegese in Würzburg, geht dieser Frage nach, indem er • alle einschlägigen neutestamentlichen Texte auf ihren historischen Quellenwert untersucht, • die apokryphe und legendarische Überlieferung einbezieht, • die verschiedenen gegenläufigen Judasbilder aus einer zweitausendjährigen Auslegungs- und Wirkungsgeschichte typisiert und auswertet, • die Traditions- und Wirkungs geschichte mit der historisch-kritischen Textanalyse konfrontiert. ,Eine umfassende Studie, die das traditionelle Judasbild nachhaltig verändern wird. "Ein interessantes Thema, viel und höchst unterschiedlich behandelt, eine detaillierte Information über das ganze einschlägige Schrifttum, eine methodisch ausgezeichnete Behandlung, und das alles in einer straffen und packenden Darstellung."
Rudolf Schnackenburg
IISBN 3-451-02111-01
HANS-JOSEF KLAUCK JUDAS - EIN JÜNGER DES HERRN
QUAESTIONES DISPUTATAE Begründet von KARL RAHNER UND HEINRICH SCHLIER Herausgegeben von HEINRICH FRIES UND RUDOLF SCHNACKENBURG
111 JUDAS - EIN JÜNGER DES HERRN
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Internationaler Marken- und Titelschutz: Editiones Herder. Basel
HANS-JOSEF KLAUCK
JUDAS EIN JÜNGER DES HERRN
HERDER FREIBURG . BASEL· WIEN
Der Bibliothek und dem Konvent St. Anna in München
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Klauc:k, Hans-.Josef: Judas - ein Jünger des Herrn / Hans-Josef Klauck. - Freiburg im Breisgau; Basel; Wien: Herder, 1987. (Quaestiones disputatae; 111) ISBN 3-451-02111-0
NE:GT
Alle Rechte vorbehalten - Printed in Germany © Verlag Herder Freiburg im Breisgau 1987 Herstellung: Freiburger Graphische Betriebe 1987 ISBN 3-451-02111-0
Vorwort
Josef Weiger, der Freund und Weggefährte Romano Guardinis in schweren Kriegs- und Nachkriegsjahren, hat im Vorwort zu seiner Betrachtung über Judas Iskariot bemerkt, eigentlich müsse Guardinis Name an der Spitze stehen. "Aber wer hätte den Mut, eine Arbeit über Judas den Verräter einem Freunde zuzueignen?" Die folgenden Seiten beschäftigen sich kritisch mit dem traditionellen Judasverständnis, aus dem eine solche Zurückhaltung entspringt. Wenn die Ergebnisse, zu denen wir gelangen werden, auch nur annähernd zutreffen, besteht für derartige Bedenken kein Grund. Ohne falsche Scheu widme ich deswegen diese Studie der vorzüglichen Bibliothek des Franziskanerklosters St. Anna in München, wo während eines Forschungssemesters der Grundstock des Manuskripts entstand. Ich möchte die Gelegenheit benutzen, den Trägern und Mitarbeitern dieser Institution für langjährige Hilfe ein aufrichtiges Wort des Dankes zu sagen. Danken möchte ich darüber hinaus meiner unermüdlichen Sekretärin, Frau Hannelore Ferner, die mit gewohnter Sorgfalt am Computer das Typoskript erstellte. Würzburg, im Juli 1986
Hans-lose! Klauck
7
Inhalt
Vorwort. . . . Abkürzungen
7 12
A. FRAGESTELLUNG
13
B. TYPEN DER DEUTUNG
17
§1 §2 §3 §4 §5 §6 §7
Verkörperung des Bösen . Symbolgestalt der Subversion Exponent des Selbstbehauptungswillens Unschuldiges Werkzeug .. Produkt der Sagenbildung . Projektion des Unbewußten Funktion der Erzählstruktur
17
19 21 24 27 28 30
C. DER NEUTESTAMENTLICHE TEXTBEFUND .
33
1. Die synoptische Überlieferung (traditio trip/ex) . . .
33
§ 8 Die Zwölferlisten (Mk 3,19 parr Mt 10,4; Lk 6,16) .
33
a) Zur Frage der Historizität 33 - b) Die Zugehörigkeit des Judas 38 - c) Der Beiname "Iskariot" 40 - d) nupuötOOVat 45
§ 9 Judas als Überläufer (Mk 14,10-11 parr Mt 26,14-16; Lk 22,3-6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
48
a) Frontwechsel (Markus) 48 - b) Dreißig Silberlinge (Matthäus) 50 - c) Besessen vom Satan (Lukas) 52 - d) Historische Fragen 53
§ 10 Die Ansage der Auslieferung (Mk 14,18-21 parr Mt 26,21-25; Lk 22,21-23) . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
55
a) Das Entsetzen der Jünger (Markus) 55 - b) Gespielte Ahnungslosigkeit (Matthäus) 59 - c) Am Tisch des Herrn (Lukas) 60
9
§ 11 Judas beim Abendmahl? . . . . . . . . . . . . . . . . ..
61
§ 12 Der Kuß bei der Verhaftung Jesu (Mk 14,43-46 parr
Mt 26,47-50; Lk 22,47-48). . . . . . . . . . . . . . . ..
64
a) "Den ich küssen werde ... " (Markus) 64 - b) "Sei gegrüßt, Meister" (Matthäus) 67 - c) "Judas, mit einem Kuß ... ?" (Lukas) 69
11. Das Johannesevangelium . . . . . . . . . . .
70
§ 13 Das Problem des Unglaubens (Joh 6,60-71)
70
a) Das Wunderwissen Jesu (V. 60-65) 71 - b) Krise im Zwölferkreis (V. 66-71) 74
§ 14 Der Betrugsverdacht (Joh 12,1-8) ...
77
§ 15 Judas beim letzten Mahl (Joh 13,1-30)
80
a) Die Fußwaschung (V. 1-20) 80 (V. 21-30) 83
b) Die
Entlarvung
§ 16 "Sohn des Verderbens" (Joh 17, 12b)
87
§ 17 Die Verhaftung Jesu (Joh 18,1-11) .
88
III. Die Sonderüberlieferungen vom Ende des Judas
92
§ 18 Der Selbstmord (Mt 27,3-10) . . . . . . . . . .
92
a) Erkenntnis und Verzweiflung (V. 3-5) 93 - b) Der Ackerkauf (V, 6-8) 96 - c) Ein Prophetenwort (V. 9-10) 98
§ 19 Der Unglücksfall (Apg 1,15-20) . . . . . . . . . . . . ..
101
a) Aus unserer Zahl ... (V. 16-17) 101 - b) Hakeldamach (V. 18-19) 102 - c) Schon David sagt ... (Y. 20) 105 - d) Zum Vergleich mit Matthäus 106 - e) Ein lukanisches Paradigma 108
§ 20 Die Krankheit (Papias) . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
110
a) Ein paradigmatischer Fall (V. I) 111 - b) Symptombeschreibung I (V. 2--4) 112 - c) Symptombeschreibung 11 (V. 5-6) 113 - d) Was übrigbleibt (V. 7-9) 114
§ 21 Das Ende des Gottlosen: Variationen eines Themas a) Nadan und Achikar 117 - b) Pheretime (Herodot) 117 c) Kassander (Pausanias) 118 - d) Antiochos IV. Epiphanes
10
116
(2 Makk) 118 - e) Herodes der Große (Josephus) 119 - f) Catull (Josephus) 120 - g) Ga1erius (Laktanz, Eusebius) 120
§ 22 Zur Historizität des Judastodes . . . . .
121
D. AUSSERKANONISCHE ZEUGNISSE
125
§ 23 Apostolische Väter . . . . . . . . . . . .
125
a) Hirt des Hermas 125 - b) Martyrium des Polykarp 126 c) Papias 126
§ 24 Neutestamentliche Apokryphen. . . . . . . . . . . . .. a) Petrusakten 127 - b) Johannesakten 128 - c) Thomasakten 128 - d) Ebionäerevange1ium 129 - e) Petrusevange1ium 130 f) Nikodemusevange1ium (Pilatusakten) 131 - g) Arabisches Kindheitsevangelium 132 - h) Bartholomäusevangelium 133
127
§ 25 Die Judaslegende . . . .
134
E. KONFRONTATIONEN
137
§ 26 Die ernüchternden Fakten § 27 Die problematischen Deutungen § 28 Das Chaos der Interpretationen .
137 140 142
F. EPILOG.
147
Bibliographie Register . . . .
148 155
11
Abkürzungen
Die Abkürzungen richten sich nach S. Schwertner, Abkürzungsverzeichnis der Theologischen Realenzyklopädie, Berlin 1976. Zusätzlich wurden eingeführt: EWNT - Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, I-lU, Stuttgart 1980-1983. ÖTK - Ökumenischer Taschenbuchkommentar, Gütersloh - Würzburg. SNTU - Studien zum Neuen Testament und seiner Umwelt, Reihe A, Linz.
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A. Fragestellung
In der Exposition seines erfolgreichen Romans "Die Künstliche . Mutter" von 1982 läßt der Schweizer Schriftsteller Hermann Burger seinen Helden, der soeben durch Fakultätsintrigen seine Privatdozentur verloren hat, in einem Selbstgespräch sagen: " ... ein Infarkt kam nicht in Frage, nein, ich gönnte diesen Judassen der Abteilung für Geistes- und Militärwissenschaften alles, nur nicht; einen Herzinfarkt als Alibi einer natürlichen Todesursache ihres für dreißig Silberlinge verratenen Nachwuchs-Germanisten." 1
Oder gehen wir, um ein weiteres Beispiel aus der Romanliteratur herauszugreifen, einen Schritt zurück ins Jahr 1760, als "Tristram Shandy" von Laurence Sterne zu erscheinen begann. Gleich im ersten Buch läßt der Autor den Vater der Titelfigur räsonnieren: "Ihren Sohn ... Würden Sie ihn um alles in der Welt JUDAS genannt haben? ... Würden Sie, Sir, wenn ein Jude als Pate den Namen für Ihr Kind vorgeschlagen und Ihnen gleichzeitig seine Börse angeboten hätte, würden Sie einer solchen Entwürdigung zugestimmt haben? ... wäre Ihr Sohn JUDAS genannt worden - die von diesem Namen so untrennbare Vorstellung von Schmutz und Verrat (hätte) ihn sein ganzes Leben wie sein Schatten begleitet und aus ihm trotz Ihres guten Beispiels, Sir, einen Geldgierigen und Schurken gemacht." 2
Zwei Texte, die für zahlreiche andere stehen mögen und die eine umfassende literarische Wirkungsgeschichte der Judasgestalt belegen. Der Name des Judas, den Hermann Burger metonymisch einsetzt, und die dreißig Silberlinge, die auch bei Laurence Sterne den Hintergrund bilden, wenn er von Geldgier und von der Börse eines Juden spricht, entfalten ein metaphorisches Potential, dessen Evokationskraft sich kaum ein Leser entziehen kann. H. Burger, Die Künstliche Mutter. Roman (Fischer Taschenbuch 5962), Frankfurt 1986, 16. 2 L. Sterne, Leben und Meinungen von Tristram Shandy, Gentleman. Dt. von O. Weith (Reclam Universal-Bibliothek 1441), Stuttgart 1982, 61 f (Hervorheb. im Orig.). 1
13
Ein solcher eher beiläufiger Befund dürfte noch aussagekräftiger sein als das Vorliegen von freien Nachschöpfungen, die sich die Judasthematik als Stoffwählen. 3 Auch an ihnen herrscht kein Mangel, obwohl sie, das muß man ehrlicherweise gestehen, nur in den seltensten Fällen höheren literarischen Ansprüchen genügen. Manches davon bewegt sich in dem breiten Feld zwischen Trivialität und Peinlichkeit. Besser noch, als es alle Judas- und Jesusromane vermögen, zeigt der Gebrauch seines Namens bei Burger und Sterne, wie tief Judas und seine Tat in unsere Sprech- und Denkgewohnheiten eingegangen sind und welche Assoziationen bevorzugt daran haften. Aber davon legt nicht nur die Literatur Zeugnis ab. Die bildende Kunst, sakrale wie profane, hat sich seiner angenommen, selten zu seinem Vortei1. 4 Besondere Hervorhebung verdient sein Eingehen in Magie und Brauchtum. Erinnert sei nur an das in manchen Gegenden übliche Judasjagen und Judasverbrennen an den Kartagen (immerhin schützen angekohlte Scheite aus dem Judasfeuer vor Blitzschlag und Brandgefahr).s Der Mittwoch als zweiter kirchlicher Buß- und Fasttag wird mit dem Judas"verrat", der sich an diesem Tage abgespielt habe, begründet.6 In Passionsspielen tritt Judas auf mit gelbem Mantel, rotem Haar und rotem Bart 7, hinkend, das Gesicht mit dem flackernden Blick höhnisch verzogen und die Finger um den ledernen Geldbeutel gekrallt. Eine ausufernde Legendenbildung versteht sich fast von selbst. 8 Nur ein Detail sei erwähnt, die Beschreibung seiner Höllenstrafen, die eher geeignet wäre, Mitleid Einige wenige Beispiele: L. N. Andrejev, Judas; F. Petruccelli, Memoiren; J. W T. Hart, Judas; N. Schwarzkopf, Judas; C. Roth, Iscariot; R. Morel, Judasevangelium; W Jens, Fall. Romanhaft im Grunde auch G. Buchheit, Judas. Vgl. zur Ergänzung und Bewertung den neueren Überblick von J. Imbach, Judas; ferner die Referate von G. Blöcker, Mensch; A. Büchner, Judas; J. Kornetter, Judasproblem; A. Luther, Jesus 29-48; A. Ages, Look. 4 Vgl. H. Leclerq, DACL VIII/I 24-277; W Porte, Judas; H. Jursch, Judas/Bild, bes. ihren Hinweis, daß manchmal "auf Bildern der Gefangennahme Jesu das Antlitz des Judas dem des Herrn zum Verwechseln ähnlich sieht" (Bild 571); das steht wohl in Beziehung zu der mohammedanischen Legende, die erzählt, Judas habe durch ein Wunder dieselbe Gestalt wie Christus erhalten und sei anstatt seiner gefangengenommen und gekreuzigt worden (bei W Creizenach, Judas 191 f). S Vgl. A. Wrede, HWDA IV 800-808, hier 806. Ferner A. Taylor, Judas/Burning; H. Martin, Curse. Besonders ergiebig ist W D. Hand, Dictionary, ein Lexikon volkstümlicher Ausdrücke, die mit dem Namen des Judas zusammengesetzt sind und oft bestimmte Bräuche spiegeln. 6 Vgl. S. Wieser, Judas 40; R. Arbesmann, RAC VII 510. 7 Vgl. P. F. Baum, Hair. B Vgl. in erster Linie die umfassende Studie von P. F. Baum, Legend. Daneben E. K. Rand, Lives; P. Lehmann, Judas. S. Anm. 5 und § 25. 3
14
zu erwecken (aber die Legende ist in mancher Hinsicht mitleidslos): Am Montag wird Judas durch die Luft gewirbelt, am Dienstag auf ein Nagelbett gefesselt, am Mittwoch in Teer gekocht und anschließend geröstet, am Donnerstag eisiger Kälte ausgesetzt, am Freitag nach Abziehen der Haut in Salz gerollt, den Samstag verbringt er in einem feuchten, stinkenden Gefängnis, nur am Sonntag ist ihm Ruhe von seinen Qualen gegönnt. 9 Man kann es Maximilian Harden gut nachfühlen, wenn er um die Jahrhundertwende aus jüdischer Sicht das bittere Fazit formuliert: "Von wilderem Haß noch als der Schuster Ahasver wird das Scheusal aus Kariot durch die Jahrtausende gehetzt; in jeder Osterwoche taucht sein fahles, verzerrtes Sündergesicht aus dem Dunkel und schändet das Gedächtnis der großen Passion: und noch hat kein Bibelkritiker ihn und kein Dichter aus der Verdammnis erlöst." 10
Offenkundig geht von Judas eine untergründige Faszination aus, die Faszination des Bösen, die ganz verschiedene Reaktionen hervorrufen kann: Entsetzen und Schrecken, Abwehr, aber auch Versuche des Verstehens, Versuche der Ent-"schuld" -igung im Sinne des Wortes, d.h. als Bestreiten des Vorliegens von echter Schuld, bis hin zur provozierenden Identifizierung mit Judas und seiner Tat. All diese und weitere Wege sind im Verlauf der Auslegungs- und Wirkungsgeschichte beschritten worden. Wir versuchen im folgenden als erstes, eine Typologie der verschiedenen Deutemodelle zu erstellen (§ 1-7). Die Abgrenzungen haben nur heuristischen und idealtypischen Wert. In der Praxis kommen Überlagerungen allenthalben vor. In einem zweiten Schritt verschaffen wir uns einen Überblick über die einschlägigen neutestamentlichen Texte (§ 8-22) und schließen daran einen Ausblick auf frühe außerkanonische Zeugnisse an (§ 23-24), der nicht zufällig wieder in die Judaslegende einmündet (§ 25). Wir werden rasch feststellen, daß der enormen Wirkung nur eine verhältnismäßig schmale Textbasis entspricht, die zudem belastet ist mit mannigfachen Problemen historischer und literarischer Art. Die Konfrontierung von Wirkungsgeschichte und Textbefund führt uns notwendig in einen hermeneutischen Konflikt, mit dem sich die Schlußreflexion (§ 26-28) beschäftigt. 9
10
Bei P. F. Baum, Rest 170 (nach einer irischen Legende). M. Harden, Judas 157.
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B. Typen der Deutung
§ 1 Verkörperung des Bösen
Dominierend dürfte ohne Zweifel immer jene Deutung gewesen sein, welche die neutestamentlichen Erzählungen vom schmählichen Verrat und vom gräßlichen Ende des Judas für historisch bare Münze nimmt, sie mit diversen legendären Details anreichert und so eine Inkarnation des Bösen in Menschengestalt vor unseren Augen erstehen läßt. Diese Traditionslinie l l hat einen kaum mehr zu überbietenden Höhepunkt gefunden in der vierbändigen Predigtsammlung "JUDAS Der Ertz-Schelm" aus der Feder des wortgewaltigen Augustinereremiten Abraham a Sancta Clara (Hans Ulrich Megerle, 1644-1709) in WienP Sie geht dem Leben des Judas anhand der Legenda aurea entlang J3 und wertet jede neue Episode für einen paränetischen Appell an die eigenen Hörer aus. Judas stammt aus dem gleichen Geschlecht wie der Antichrist (I 1). Unwissentlich bringt er - eine Anleihe bei der Ödipussage 14 - seinen eigenen Vater um (I 100f) und heiratet seine Mutter (I 124). Er macht einen schwachen Ansatz zur Umkehr und wird von Jesus in die Schar der Apostel aufgenommen (I 137). Aber bald schon bereichert er sich heimlich aus der gemeinsamen Kasse (I 174), erweist er sich als undankbarer LügAuf ihr bewegen sich die meisten Väter, mit Nuancierungen, vgL die Hinweise von D. Haugg, Judas 20-39. Am differenziertesten urteilt mit Abstand Origines, vgL S. Laeuehli, Interpretation. Es seien an thematischen Behandlungen (außerhalb der Schriftkommentare, wo sich die Diskussion zur Hauptsache abspielt) genannt: Johannes Chrysostomus, De proditione Iudae homiliae 1-2 (373-392 PG 49; vgL die beiden in ihrer Zuschreibung zweifelhaften Predigten 715-720 PG 50 und 687-690 PG 61); Ps.-Eusebius, De proditione Iudae (525-536 PG 86); Nestorius, In Iudam adversus haereticos (228-230 F. Loofs, Nestoriana, Halle 1905); Basilius Seleuc., In proditionem Iudae (1047-1053 PG 28). 12 S. die Bibliographie. Das Werk wurde trotz seines Umfangs in mehrere europäische Sprachen übersetzt, vgL J. G. Tasker, DCG I 913. 13 Im einzelnen aufgezeigt bei P. F. Baum, Legend 569-571; A. Büehner, Judas 39-41 ; s. u. § 25. 14 VgL dazu N. Reider, Legends; D. Sehendler, Judas. 11
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ner (1258 f) und Faulenzer (1313 f). Das Schlimmste, das er tut: "Judas der schlimme Hund verrath, verschwendt, verschächert, vergibt, verkaufft, verwirfft, vertändtlet, verhandlet den guldenen JEsum umb Silber" (11 116). Seine Reue kommt zu spät (111 408). Das Titelkupfer von Band I zeigt ihn am Baume hängend, umtanzt von sieben kleinen Teufeln.1 s Seine selbstverschuldete ewige Verdammnis steht außer Frage (IV 457). Er sitzt mit Luzifer zusammen in der allertiefsten Hölle (IV 5l9f).16 Ein besonders bedenklicher Zug dieser Form der Judasdeutung besteht darin, daß man fast unwillkürlich geneigt ist, die negativen Charakterzüge des Judas und seine Verbrechen global auf das jüdische Volk zu übertragen. Einen visuellen Beleg bieten mittelalterliche Judasdarstellungen, von denen Wilhelm Porte, selbst noch in manche Vorurteile verstrickt, in einer älteren kunsthistorischen Arbeit bemerkt: "Zumeist werden dem Judas verschiedene characteristische Merkmale des jüdischen Gesichtstypus in fast carricierter Übertreibung gegeben. Eine gekrümmte dicke Nase, wulstige Lippen, runzlige Haut, grobe Knochen, das sind beinahe durchgängig die Factoren, aus denen seine Physiognomie zusammengesetzt erscheint." 17
Auch für diese Tendenz finden sich in dem kultur- und frömmigkeitsgeschichtlich so ungemein reizvollen Werk des Abraham a Sancta Clara manche Ansätze, auch wenn sie, das sei der Gerechtigkeit halber hinzugefügt, nicht einseitig im Vordergrund stehen. Immerhin kommen Wucherjuden vor (I 12), der unwürdige Kommunionempfang des Judas gibt Anlaß, Fälle von angeblichem jüdischen Hostienfrevel aufzuwärmen (11 484), und Judas trägt die Schuld daran, wenn das jüdische Volk bis heute die verdiente Strafe wegen Gottesmord trifft (111 180-209). über Judas als Waffe im Arsenal des neuzeitlichen Antisemitismus wäre ein eigenes Buch zu Vgl. zu den bildlichen Darstellungen des Judastodes W. Porte, Judas 92-98; O. Goetz, Judas (BOf Abbildung und Besprechung des besagten Titelkupfers). 16 Dort, im Rachen Luzifers, befindet er sich auch bei Dante Alighieri, La Divina Com15
media, Inferno 31,143; 34,61: Ma lievemente a1 fondo che divora Lucifero con Giuda, ci sposo .,. "Quell'anima lassu che ha maggior pena", Disse il maestro, "e Giuda Scariotto, Che il capo ha dentro, e fuor le gambe mena ..... 17 W. Porte, Judas 59f. Auch bei L. N. Andrejev, Judas, ist er ein "rothaarige(r) und häßliche(r) Jude" (91), ein "Krake" mit "riesigen, unbeweglichen, trüben und gierigen Augen" (94).
18
schreiben. Jede Beschäftigung mit ihm muß sich auch dieser unheilvollen Folge des traditionellen Deutemusters stellen. Neben dem katholischen Prediger aus dem 17. Jh. darf als ein Exponent der gängigen Judassicht auf protestantischer Seite der Heidelberger Theologieprofessor Carl Daub gelten. Sein dreiteiliges Werk über "Judas Ischariot oder das Böse in Verhältniß zum Guten" von 1816-1818 18 führt er so ein: "Der Name, so dieser Schrift vorgesetzt worden, erinnert alle, die den Ruchlosen, der ihn führte, und das Verhältnis kennen, worin er stand, an ein Verbrechen, das seines Gleichen nicht gehabt hat, und auch nicht haben kann" (11). In Judas wird "die Sünde auf ihrem höchsten Gipfel", das "Böse in seinem scheußlichsten Ausbruch erblickt", in ihm vermochte das Böse "in seiner ganzen gräßlichen Gestalt geschichtlich zu erscheinen" (I 2f). "Ohne Mitleid und Erbarmen wendet sich schaudernd weg von ihm die Seele eines jeden" (121). Nach den markigen Worten zu Beginn benutzt Daub das Judasproblem nur noch als Aufhänger für spekulative Erörterungen über das Wesen von Gut und Böse. Schon Daubs zeitgenössische Gegner haben ihm, nach den Vorworten zu den einzelnen Teilen zu schließen, vorgeworfen, er hätte sich mehr mit der Exegese der einschlägigen Schriftstellen beschäftigen sollen und nicht nur mit der Philosophie.
§ 2 Symbolgestalt der Subversion Abraham a Sancta Clara kommt an einer Stelle überraschend auf jene wenigen gottlosen Leute zu sprechen, die Judas gar unter die Heiligen zählen. Sie haben "dessen verrätherisches Schelmstuck gut gehaissen, als habe er ausz purem Eyffer den HErrn JEsum verrathen, damit nur das menschliche Geschlecht, durch seinen Todt möchte erlöst werden" (IV 352). In den gnostischen Traditionsbereichen, die damit angesprochen sind, kommt es nicht nur zu Unschuldserklärungen für Judas, wie wir sie bevorzugt in der Neuzeit antreffen (§ 4), sondern mehr noch zur Idealisierung seiner Gestalt. Ihr wenden wir uns zunächst zu, da sie zeitlich gesehen das frühere Phänomen darstellt. Irenäus berichtet von einer Gruppe, die Kain, Esau, Korach und die Sodomiter verehrt und die von Judas sagt, "er habe allein die Wahrheit gekannt und das Geheimnis des Verrats vollendet; er habe 18
Vgl. die Bibliographie. Dazu K. Lüthi, Geschichte 89-93.
19
alles Irdische und Himmlische getrennt" 19. Judas übernimmt eine eminent positive Rolle im Drama der Erlösung. Das war offenbar niedergelegt in einem apokryphen Judasevangelium, das Irenäus diesen Judasverehrern zuschreibt, von dem uns aber keine Spuren überkommen sind. 20 Bei den Valentinianern verkörpert Judas nach Irenäus als der Zwölfte unter den Aposteln durch seinen Tod im zwölften Monat das Leiden des zwölften Äon.2! In dem anfänglichen Modell scheint die Erlösergestalt selbst unangetastet zu sein. Die Funktion des Judas besteht darin, gegen den massiven Widerstand der Weltmächte, die alles daransetzen, es zu verhindern, den Erlösungsvorgang in Gang zu bringen: "Weil die Mächte dieser Welt nicht wollten, daß Christus litte, damit nicht dem menschlichen Geschlecht durch seinen Tod Rettung verschafft würde, hat er Christus, um die Rettung des Menschengeschlechtes besorgt, verraten, damit die Rettung, welche durch die Mächte, die dem Leiden Christi entgegen waren, verhindert werden sollte, nicht gehindert werden könnte und somit durch das Leiden Christi die Rettung des Menschengeschlechtes nicht verzögert werden könnte." 22
Noch einen Schritt weiter geht eine andere Gruppe. Judas hatte als einziger erkannt, daß Jesus gar nicht der wahre Erlöser sei, sondern ein Betrüger, der sich gegen die Wahrheit stellt. Folglich schritt er zur Tat und betrieb aktiv die Vernichtung Jesu: Iren., Adv Haer I 31,1 (1242 Harvey): Et haec Judam proditorem diligenter cognovisse dicunt, et solum prae caeteris cognoscentem veritatem, perficisse proditionis mysterium: per quem et te"ena et coelestia omnia dissoluta dicunt. Aufgenommen u. a. bei Theodoret, Haer Fab Comp 1,15 (368B PG 83). 20 Vgl. neben Iren. ebd. noch Epiph., Pan Haer 38, 1,5 (63, 13f GCS 31 Holl): " ... eine kleine Schrift auf seinem Namen, die sie ,Evangelium des Judas' nennen"; Theodoret, a. a. O. : "Sie zitieren auch aus seinem (d. h. des Judas') Evangelium, das jene zusammengestellt hatten." Vgl. NTApo' I 228f; w: Bauer, Das Leben Jesu im Zeitalter der neutestamentlichen Apokryphen, Tübingen 1909, Repr. Darmstadt 1967, 175f. 21 Adv Haer I 3,3 (I 26 Harvey): "Dieses Leiden aber, das dem zwölften Äon widerfahren ist, werde, sagen sie, angezeigt durch den Verrat des Judas, welcher der zwölfte Apostel war, und weil er im zwölften Monat litt"; II 20,2 (I 322 Harvey): "Es soll, also sagen sie, das Leiden des zwölften Äon durch Judas angezeigt werden." 22 Vgl. Ps.-Tert., Adv Haer 2,6 (1404,22-28 CChr. SL 2 Kroymann): quia potestates huius mundi nolebant pati Christum, ne humano genere per mortem ipsius salus pararetur, saluti consulens generis human i tradidit Christum, ut salus, quae impediebatur per virtutes, quae obsistebant, ne pateretur Christus, impediri omnino non posset et ideo per passionem Christi non posset salus humani generis retardari (Übers. W. Foerster, BAW). Ebenso Filastr., Div Her Lib 34, 1f (232, 1-9 CChr. SL 9 Heylen): "Andere aber leiten ihre Häresie von dem Verräter Judas her, indem sie sagen, Judas habe ein gutes Werk vollbracht, als er den Erlöser überlieferte. Für uns nämlich wurde er, heißt es, der Urheber jeglichen rettenden Wissens. Durch ihn wurden uns die himmlischen Geheimnisse enthüllt. Die himmlischen Mächte nämlich wollten angeblich nicht, daß Christus leide. Sie wußten, daß er, wenn er leiden werde, den Menschen das Leben schenken werde. In diesem Wissen ... soll Judas den Erlöser ausgeliefert haben." 19
20
"Die dies behaupten, verteidigen auch Judas den Verräter. Sie sagen, daß er bewundernswert und groß sei wegen des Nutzens, den er sich rühmt, dem menschlichen Geschlecht gebracht zu haben. Einige nämlich meinen, daß dem Judas aus diesem Grund Dank zu sagen sei. ,Da Judas nämlich bemerkte', sagen sie, ,daß Christus die Wahrheit verkehren wollte, hat er ihn verraten, damit die Wahrheit nicht verkehrt werden könnte'."23
Judas wird insgesamt gesehen zum Urtyp des Gnostikers, der über das heilsnotwendige Wissen verfügt. Er durchschaut als einziger das vordergründige Spiel und stößt zu den wesentlichen Einsichten der gnostischen Mythologie vor. In der Wahl ihrer Heroen: die Schlange aus dem Paradies (Ophiten), Kain, Judas, legen diese gnostischen Gruppen unleugbar einen Zug zum Subversiven an den Tag. Sie entwerfen eine Gegenwelt zu dem, was in der Großkirche als orthodox gilt. Sie schlagen sich bewußt auf die Gegenseite. Das hat bereits Hans Jonas in seiner wegweisenden Gnosisstudie herausgestellt. 24
§ 3 Exponent des Selbstbehauptungswillens
Zu einem Helden und Retter des jüdischen Volkes wächst Judas heran in den Toledot Jeschu, einer polemisch verzerrten jüdischen Lebensbeschreibung Jesu, deren Anfänge nur schwer zu bestimmen sind (5. Jh.?, 11. Jh. ?25). Seit dem Mittelalter liegen in Handschriften und zunehmend auch in Drucken verschiedene Fassungen und Be23 Ps.-Tert., ebd. 2, 5f (1404,15-21): Hi qui hoc adsenmt, etiam Iudam proditorem defendunt, admirabilem illum et magnum esse memorantes propter utilitates, quas humano generi eontulisse iaetatur. Quidam enim ipsorum gratiarum aetionem Iudae propter hane eausam reddendam putant. Animadvertens enim, inqiunt, Iudas, quod Christus vellet veritatem subvertere, tradidit illum, ne subverti veritas posset. Vgl. auch Epiph., Pan Haer 38,3,3 (65, 19- 66,2 GCS 31 Holl): "Sie behaupten, weil Christus schlecht war, sei er von Judas ausgeliefert worden ... Sie loben den Kain und den Judas, wie gezeigt, und sagen: Deshalb hat er ihn ausgeliefert, weil er das gut Geordnete zerstören wollte." Vgl. die Aussage des Orig., Cels 3, 13 (213,9-11 GCS 2 Koetschau), die Ophianer (Verehrer der Paradiesesschlange) und Kaianer hätten sich von Jesus völlig losgesagt. 24 H. Jonas, Gnosis und spätantiker Geist I: Die mythologische Gnosis (FRLANT 51), 3. Aufl., Göttingen 1964, spricht vom "revolutionäre(n) Element der Gnosis" (214) und sagt von den Kainiten: Es ist "die pneumatische Bewertung des Kain, die wie ein Blitz in jeden unbefangenen Kenner der biblischen Erzählung fahren muß" (220). Trotz des Untertitels "Les adorateurs de Judas" behandelt J. Brun, Temoignage, nicht unser Phänomen, sondern bietet zeitkritische und geschichtsphilosophische Betrachtungen. 25 Für die Frühdatierung: S. Krauß, Neuere Ansichten über "Toldoth Jeschu", in: MGWJ 76 (1932) 586--603; 77 (1933) 44-61. Dagegen mit spätem Ansatz: B. Heller, Alter.
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arbeitungen vor. 26 Judas trägt dort den Namen Rabbi Jehuda 'isch Bartötä. Die Gelehrten seines Volkes rufen ihn zu Hilfe gegen Jeschu, der sich des verborgenen Gottesnamens bemächtigt hat und deshalb große Wunder tut. Auch Jehuda wird mit dem Geheimnis des Gottesnamens betraut.2' Deshalb kann er gegen Jesus zu einem Luftkampf antreten28 , der zunächst unentschieden verläuft, bis es Jehuda schließlich mit Hilfe eines ziemlich unappetitlichen Tricks gelingt, Jeschu seiner Wunderkraft zu berauben und zu überwältigen. 29 Aber aus der anschließenden Haft kommt Jeschu wieder frei. Bei seiner letzten Festnahme spielt wiederum Jehuda die Schlüsselrolle. Verkleidet schleicht er sich in die Schar der vermummten Jesusjünger ein und identifiziert Jeschu. 30 Die Häscher macht er auf ihn aufmerksam durch den bekannten Kuß.3! Als nach der Steinigung (!) 26 Wir folgen hier der Version bei G. Schlichting, Ein jüdisches Leben Jesu. Die verschollene Toledot-Jeschu-Fassung Tarn ü-mü'ad. Einleitung, Text, Übersetzung, Kommentar, Motivsynopse, Bibliographie (WUNT 24), Tübingen 1982, 52-187. Die Motivsynopse (230-266) ermöglicht eine rasche Orientierung über die Streuung bestimmter Motive in den diversen Druckfassungen. Vgl. dazu auch B. Heller, Judas; J. Guttmann, EJ IX 527f. 27 Perikope Nr. 150 (16,35-37): "Sie richteten ihr Augenmerk auf R[abbi] Jehudah 'isch Bartötä und befahlen ihm, in dieser Sache auf sie zu hören. Sofort trat R[abbi] J[ehudah] 'isch Bartötä in das Allerheiligste ein und lernte die Verbindung des Gottesnamens." 2B Nr. 158 f (17, 18-21): "Da hob der Gottlose seine ausgebreiteten Hände zum Himmel und flatterte und flog, wie ein Adler am Himmel fliegt. Alles Volk aber sah es und wunderte sich ganz außerordentlich. Sofort gaben die Gelehrten Israels dem R[abbi] J[ehudah] 'fisch] B[artötä] ein Zeichen, und auch er stieg empor ihm nach, überholte den Gottlosen und kam höher als er." Offensichtlich eine Parodie der Himmelfahrt, doch ist auch der "Luftkampf" zwischen Petrus und Simon in Act Petr 32 zu vergleichen. Er endet mit dem Absturz des Simon Magus, der sich dreimal das Bein bricht (NTAp04 II 217). 2. Nr. 161 (17,33-36): "Da stieg Jehudah zum Himmel empor wie am Anfang. Auch der Gottlose gürtete sich und stieg empor ihm nach, einmal wie das andere. Da handelte R[abbi] J[ehudah] an dem Gottlosen damit abscheulich, daß er Samen ausgoß und auf ihn fallen ließ, um ihn damit zu verunreinigen. So wurden sie alle beide unrein. Da fiel der Gottlose auf die Erde, und ihm blieb keine Kraft mehr, sich aufzustellen. Jehuda aber stieg nach seinem Willen herunter, und man fand keinen Schaden an ihm." 30 Nr. 212 (21,11-16): "Da machte sich R[abbi] J[ehudah] einen Rock aus Leinwand, wie ihn diese Gottlosen angezogen hatten, um den ganzen Tag und die ganze Nacht zu gehen, bis er endlich in der tiefsten Nacht zu ihnen kam. Kein Mensch erkannte ihn oder blickte ihn an, als er dorthin kam, denn der Rock war so [beschaffen], daß er ihm die Augen bedeckte. So ging er auf ihrer ganzen Wanderung, drei Tage und drei Nächte, mit ihnen, bis dem R[abbi] J[ehudah] ein helles Erkennungszeichen am Rock des Gottlosen selbst zukam. Nachdem er ihn erkannt und erblickt hatte, tat er gut daran, nach Jerusalem zurückzukehren. Die böse Schar aber wußte weder sein Kommen noch um sein Gehen." 31 Nr. 229f (22,20-25): "Als nun die böse Schar vollzählig mit Jeschu an den Fuß des Berges kam, da fiel Jehuda ihm um den Hals und rief mit lauter Stimme: ,Dies ist der Messias. Ihn wollen wir anbeten, und vor ihm wollen wir uns fürchten! Er ist unser Vater und unser König.' Da umarmte und küßte er ihn. Alle Gelehrten Israels sahen [es]
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der Leichnam leschus an keinem Holz hängen bleiben will, weil dieser zu Lebzeiten alles Holz beschworen hat, ihm nicht zu schaden, sorgt lehuda für Abhilfe, indem er einen gewaltigen Kohlstrunk herbeischleppt. 32 Damit niemand die Leiche stehlen und eine Auferstehung fingieren könne, schafft er sie in kluger Voraussicht des nachts fort und versteckt sie in seinem Garten, ohne jemandem davon ein Sterbenswörtchen zu sagen. 33 Das leere Grab wird entdeckt, die Auferstehungsverkündigung faßt Fuß und bringt die jüdischen Vertreter in Bedrängnis. Da weist lehuda triumphierend die Leiche vor und gibt sie zur Schändung preis. 34 Für christliche Ohren klingt das alles einigermaßen unerträglich. Aber es darf nicht vergessen werden, daß es zu einem großen Teil christlicher Druck war, der solche Reaktionen provozierte. Im verzweifelten Ringen um die eigene Identität greift eine unterdrückte Minderheit zu ungewöhnlichen Mitteln. Voll Stolz schreibt sie den Namen dessen auf ihre Fahnen, mit dem sie der ludenhaß immer wieder identifiziert, und bekennt sich zu seiner Tat. 35
und hörten Jehudahs Ruf, daß er es sei. Da erhoben sich die, die jenseits des Berges im Hinterhalt lagen, überfielen ihn und gaben ihm in ihrer mächtigen Wut einen heftigen Schlag voller Grausamkeit gegen einen Gott wie ihn." 32 Nr. 250 (24, 11 f): lehuda "lief schnell in seinen Garten und schnitt dort einen [Kohl-] Strunk ab, der [so] sehr dick war wie ein Holz. Daran hängten sie ihn." Hier wird anscheinend der Tod des Judas durch Erhängen aus Mt 27,5 auf Jesus verschoben. 33 Nr. 255 f (24, 27-30): Als alle fort sind, "kehrte R[abbi] J[ehudah] 'fisch] B[artötä] zum Grab zurück, nahm seinen Leichnam aus seinem Grabe heraus und machte sich mit dem Leichnam zu schaffen, bis er ihn in seinen Garten gebracht hatte. Dort begrub er ihn heimlich in einer Grube, die er unter einem Wasserkanal in seinem Garten für ihn hergerichtet hatte, so daß es keinem Menschen bekannt werden konnte. Auch enthüllte R[abbi] J[ehudah] sein Geheimnis keinem Menschen. Sogar seiner Frau und seinen Kindern verheimlichte er die Sache." 34 Nr. 272 (25,31 f): "Als sie noch zur Königin sprachen, kam R[abbi] J[ehudah] hinter ihnen her und bestätigte ihre Worte: Der Leichnam Jeschus sei in seinem Garten." Nr. 275 (25,36-39): "Sofort gingen die Gelehrten Israels in R[abbi] J[ehudahs] Garten, holten seinen Leichnam aus der Grube (,der) unter dem Wasserkanal hervor und banden die Locken seines Hauptes an den Schwanz eines Pferdes. So zerrten und schleiften und zogen sie ihn durch alle Gassen Jerusalems und brachten ihn, an den Schwanz des Pferdes gebunden, vor den Hof der Königin." 35 Vgl. B. Heller, Judas 36: "Sie rechtfertigten den vom Verfolger, vom Gegner Verdammten '" Aus dieser Umwertung erklärt sich der Judas in Tholdoth. Er wird zum sieghaften Nebenbuhler Jesu."
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§ 4 Unschuldiges Werkzeug
Dem geschärften historischen Bewußtsein der Neuzeit blieb es vorbehalten, das Tun des Judas zunehmend auf seine Plausibilität und psychologische Motivation hin zu hinterfragen. Vorauf ging dabei die Dichtung mit ihrem Recht zur freien Nachgestaltung und Nachempfindung. In Klopstocks "Messias" versucht Judas, die Aufrichtung der messianischen Herrschaft durch Jesus, der sich dagegen sträubt, herbeizuzwingen. Ein Traumgesicht gaukelt ihm die Möglichkeit vor, als Instrument zur Erreichung dieses Ziels den gezielten Verrat einzusetzen: "Sieh', der Messias verzieht mit seiner großen Erlösung Und mit dem herrlichen Reich, das er aufzurichten verheißen. Nichts ist den Großen verhaßter, als Nazareths König zu dienen. Täglich sinnen sie Tod' ihm aus. Verstelle dich, Judas, Thu', als wolltest du ihn in die Hand der wartenden Priester Ueberliefern, nicht, Rache zu üben, weil er dich hasset, Sondern, ihn nur dadurch zu bewegen, daß er sich endlich Ihrer langen Verfolgung müd' und furchtbarer zeige, Und, mit Schande, Bestürzung und Schmach sie zu Boden zu schlagen, Sein so lang erwartetes Reich auf Einmal errichte. 0, dann wärst du ein Jünger von einem gefürchteten Meister."'·
Oft zitiert wird ein Wort von Friedrich Hebbel (aus Skizzen zu einem geplanten Christusdrama) : "Judas war der allergläubigste. "37 Die historische Kritik hinkt hinterher, was man z. B. daran erkennt, daß Hermann Samuel Reimarus in seiner "Apologie", einem durch historischen Scharfblick seiner Zeit weit vorauseilenden Werk, in der Judasfrage in konventionellen Bahnen verbleibt. 38 Die Kritik bedient sich zunächst gleichfalls über weite Strecken hin der Methode psychologischen Sich-Einfühlens und Nacherzählens. Dabei wandeln sich allmählich die Konturen des Judasbildes zum Besseren.
3. F. G. Klopstock, Der Messias, 3. Gesang, Z. 627-637. Eine nicht ungeschickte exegetische Untermauerung dieser Position unternimmt 1836 G. Schollmeyer, Jesus und Judas, vgl. bes. 32-39.53.63-65. 37 Vgl. A. Büchner, Judas 66-68; M. Laros, Judas 659. 3. H. S. ReimalUs (1694-1768), APOLOGIE oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes. Hrsg. von G. Alexander, Bd. 1-11, Frankfurt/Main 1972, 11 164f: " ... gegen die Nacht begab er (Jesus) sich immer aus der Stadt, um verborgen zu seyn. Dieser von wenigen bemerkte Umstand erkläret, warum sie einen Verrähter unter seinen Jüngern nötig hatten, der ihnen den Ort seines nächtlichen Aufenthalts anzeigte ... So blieb ihnen nichts übrig, als Jesum in der Nacht zu ergreifen, und sich der angebotenen Verrähterey des Judas zu dem Ende zu bedienen."
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Der Blick soll unparteiisch und vorurteilsfrei werden 39 , es kommt echtes Mitleid mit Judas auf 40 • Den konsequenten Endpunkt dieser Entwicklungslinie bildet die Stilisierung des Judas zum unschuldigen Werkzeug, die sich aus den Quellen mittels historischer Kritik erheben lassen soll. Das sieht in einem der neu esten Versuche aus dem Jahre 1985 41 folgendermaßen aus: Jesus hatte beschlossen, das Schriftwort aus Jes 53,12 (vgl. Lk 22,37) zu erfüllen: Er wurde unter die Zahl der "Rebellen" gezählt (4l3). Deshalb gibt er seine bisherige pazifistische Grundeinstellung zum Schein auf und befiehlt seinen Jüngern, sich mit Schwertern zu bewaffnen (vgl. Lk 22,36). Zwei Schwerter reichen aus, nicht zum wirklichen Kampf, aber zur Vortäuschung einer kleinen Revolution (Lk 22,38). Mehr war nicht beabsichtigt. Nun muß aber jemand die Nachricht von dieser völlig neuen Entwicklung den jüdischen Autoritäten überbringen, um sie zum Eingreifen zu bewegen. Petrus lehnt empört ab: "Ich werde dich niemals verraten" (vgl. Mt 26,35). Es bleibt an Judas hängen, dem Jesus in aller Freundschaft (vgl. Joh 13,26) den Auftrag überträgt, indem er zugleich zur Eile drängt (Joh l3,27). "Judas n'est pas un monstre ou un demon, il n'est pas possede par Satan. 11 est, bien au contraire, le serviteur humble et fidele, l'ami affectueux" (415). Das zeigt er auch durch seine ehrlich gemeinten Worte und Gesten bei der Gefangennahme (416). Aber Judas hatte selbstverständlich erwartet, daß spätestens vor dem Hohen Rat die Szenerie von Dan 7 sich entfalten würde. Der Menschensohn eilt auf den Wolken des Himmels herbei (418). Das geschieht nicht. Judas unternimmt noch einen verzweifelten Versuch, Jesus freizukaufen, doch zu spät. Enttäuscht schleudert er das Geld, das er für die Apostel treu verwaltet hatte, in den Tempel. Sein Lebensmut 39 So ein Außenseiter aus dem 19. Jh., W. Weitling, Das Evangelium des armen Sünders. Hrsg. von W. Schäfer (Rowohlts Klassiker 274-276), Hamburg 1971, 33: "Nun wollen wir einen unparteiischen, vorurtheilsfreien Blick auf das Verhältniß des Judas Ischarioth zu Jesus werfen." 40 Vgl. ebd. 35 die Bemerkungen zur Kennzeichnung des "Verräters": "Armes zerdrücktes Judasherz !", und zu Joh 13,26: "Schlagt mich lieber ans Kreuz, wenn Ihr Märtyrer braucht für die gute Sache, aber reicht mir diesen abscheulichen Judasbissen nicht; denn ich könnte den Schmerz so wenig beherrschen als Judas, den er zu Verrath und Selbstmord trieb. 0 Jesus! wie grausam bist du in dieser für das Leben zweier Individuen so entscheidenden Stunde". Kurz: "Zwei Opfer bereiteten sich einander den Todeskelch" (37). 41 Vgl. zum folgenden H. Stein-Schneider, Recherche. Darauf beziehen sich die Seitenangaben in Klammern im Text. Ein vergleichbarer Ansatz u. a. schon bei P. Roue, Le Proces de Jesus. Etude historique et juridique, Paris 1924, 52 f. 70 f. Auf dichterischer Seite ähnlich Marcel Pagnol, vgl. A. Ages, Look 318-321.
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ist gebrochen (419). "Judas est totalement innocent" (421). Was nach seinem Tod an Erzählungen über ihn aufkommt, beruht auf einem ebenso grotesken wie tragischen Mißverständnis. Dieser Entwurf basiert auf einer eigenartigen Mischung von Vertrauen in die historische Zuverlässigkeit der Texte, insbesondere der Wortüberlieferung, und überwunden geglaubter rationalistischer Exegese. Die Möglichkeiten einer form- und redaktionsgeschichtlichen Betrachtung der Überlieferungsstücke werden nicht nur nicht genutzt, sondern souverän ignoriert. Anders wäre es auch nicht möglich, so unbekümmert zwischen den verschiedenen Evangelien hinund herzuspringen und einen harmonisierenden Querschnitt zu erstellen. Das sympathische, mit viel Engagement vorgetragene Anliegen in allen Ehren, aber ob auf diesem Wege eine historisch und theologisch befriedigende Lösung gefunden werden kann, bleibt auch am Endpunkt eines langen Weges, den diese Studie markiert, mehr als fraglich.
§ 5 Produkt der Sagen bildung
Sören Kierkegaard hat einmal scharfsichtig bemerkt: " ... nur daß es beinahe lächerlich ist mit Judas, so daß man versucht ist, aus inneren Gründen die geschichtliche Wahrheit zu bezweifeln, daß ein Jude, und das war Judas ja doch, daß ein Jude sich so wenig aufs Geld verstünde, daß er für 30 Silberlinge einen, wenn man so will, so ungeheuren Geldwert wie Jesus Christus veräußerte."42 Die ebenso stereotype wie unerfreuliche Anspielung auf die Geldgier des Judas und der Juden einmal beiseite gelassen, erscheinen die zaghaften Zweifel an der geschichtlichen Stimmigkeit bemerkenswert. Allerdings baut Kierkegaard das nicht weiter aus. Er benutzt vielmehr die - historische - Gestalt des Judas, um dem verweltlichten Christentum seiner Tage, das für ihn die Forderungen des Evangeliums längst verraten hat, einen Spiegel vorzuhalten. 43 Einer rein mythischen Erklärung der Judasgestalt hat David Friedrich Strauß den Boden bereitet, ohne diesen Weg selbst schon S. Kierkegaard, Der Augenblick. Aufsätze und Schriften des letzten Streits (Gesammelte Werke 34), Düsseldorf 1959,47 (Hervorheb. hier vorgenommen). 43 Vgl. S. Kierkegaard, Christliche Reden 1848 (Gesammelte Werke 20), Düsseldorf .1959,300: "Indes, freilich ist Judas der Verräter, im Grunde jedoch sind sie alle Verräter, nur tut Judas es als Einziger um des Geldes willen ... aber Ihn verraten, das hättest du dennoch getan." 42
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bis zu Ende zu gehen. 44 Am konsequentesten tun das John Mackinnon Robertson45 und William Benjamin Smith 46 • Da sie sogar den Jesus der Evangelien als bloße Historisierung eines zeitlosen Christusmythos ansehen47 , sind sie dazu gezwungen, das gleiche mit Judas zu tun und seine Historizität rundweg zu bestreiten. Die Ungeschichtlichkeit der Judasgestalt wird aber auch von Autoren vertreten, die in der Jesusfrage anders optieren. 48 Die Vorgehensweise sieht sich in der Regel sehr ähnlich: Die historischen Aporien der Texte werden scharf herausgearbeitet; man weist nach, welche Fülle von alttestamentlichen Motiven darin verarbeitet ist 49; positiv stellt man die paränetische Brauchbarkeit auch des ungeschichtlichen Judas heraus. Ins eigentliche Zentrum der Argumentation aber rückt noch ein anderer Gedanke: Der verräterische Judas des Evangeliums ist nichts anderes als eine Verkörperung des treulosen jüdischen Volkes. In ihm hat die Ablehnung Jesu durch das Judentum sich einen sinnfälligen Ausdruck geschaffen. In einem christlichen "Mysterienspiel" oder "Ritualdrama" seien "ungenannte Juden als des Gottes Feinde und Häscher aufgetreten"; aus einem einfachen "ein Jude" ging "der Name Judas" hervor. 50 In dieser Sicht ist der Gleichklang der Namen kein Zufall 5 !, die antisemitische Aktualisierung seiner 44 Vgl. D. F. Strauß, Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet. Bd. II, Tübingen 1836, Repr. Darmstadt 1969, 380-396. 45 J. M. Robertson, Jesus and Judas 1-56; ders., Die Evangelienmythen, Jena 1910, 108-112. 46 WB. Smith, Judas; ders., Ecce Deus. Die urchristliche Lehre des reingöttlichen Jesus, Jena 1911, 295-309. Vgl. mit weiteren Vertretern K. Lüthi, Geschichte 121-127, auch schon 97-100 (zu Strauß), 103-105 (zu Bruno Bauer) und 117-119 (zu Volkmar). 47 "Die Christusmythe" war der Titel eines Buches von Arthur Drews. Auch er lehnt die Historizität des Judas ab, vgl. A. Drews, Das Markus-Evangelium als Zeugnis gegen die Geschichtlichkeit Jesu, Jena 1921, 245-249. In genau die gleiche Richtung zielt S. Lublinski, Das werdende Dogma vom Leben Jesu (Der urchristliche Erdkreis und sein Mythos. Bd. II), Jena 1910, 145 f. 48 Vgl. G. Marquardt, Verrat; G. Schläger, Ungeschichtlichkeit; M. Plath, Gemeinde. 4' G. Marquardt, Verrat 48, entdeckt zusätzlich ein buddhistisches Motiv: Devadatta, ein Nebenbuhler Buddhas, habe Pate gestanden. so J. M. Robertson, Evangelienmythen (s. Anm. 45) 11Of; WB. Smith, Ecce Deus (s. Anm. 46) 308: "Daß Judas das jüdische Volk darstellt, wie es den Jesuskult verwirft, ist so naheliegend, es begegnet uns so gleichsam an der Schwelle der inneren Gedanken des Neuen Testamentes, daß es uns höchlichst wundernehmen könnte, daß jemand es übersehen hat." 51 A. Drews, Markus-Evangelium (s. Anm.47) 249: "Jetzt verstehen wir, warum der Verräter Judas heißt: als Vertreter des gesamten dem Messiasglauben der Jesusanhänger feindlichen Judenvolkes"; G. Schläger, Ungeschichtlichkeit 55-58; L. G. Levy, Judas 539: "On a voulu ainsi symboliser et rendre odieuse la conduite d'IsraeJ envers Jesus de Nazareth"; S. Lublinski, Dogma (s. Anm.47) 146: "Er wird Judas genannt,
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evangeliaren Charakterzeichnung kein beklagenswerter Irrtum, beides reicht vielmehr bis zu den ersten Anfängen hinab und war im Ansatz schon genau so intendiert. Arbeiten mit dieser Orientierung haben ihren zeitlichen Schwerpunkt in den Jahrzehnten vor und nach der Wende zum 20. Jahrhundert. Später ist es um sie stiller geworden. Die richtigen Beobachtungen bezüglich des Tendenzcharakters und der alttestamentlichen Färbung unserer Texte, die in ihnen stecken, bleiben der Exegese weiterhin aufgegeben.
§ 6 Projektion des Unbewußten
Von der Ungeschichtlichkeit des Judas geht auch Sidney Tarachow aus, in einem Beitrag mit dem vielsagenden Titel: "Judas, der geliebte Henker", der sich seinerseits teils auf ältere Arbeiten des Freudschülers Theodor Reik stützt. S2 Die Erklärung wird mit Hilfe der psychoanalytischen Theorie ein Stück weiter voran getrieben. Rein auf der Erzählebene weist die Beziehung von Judas und Jesus, wenn man an den Bissen beim Mahl Joh 13,26 und den Judaskuß denkt, "libidinöse Aspekte" auf (Tarachow 244), sie ist nicht frei von homosexuellen Tendenzen. Mit den Deuteworten beim Abendmahl (Mk 14,22.24) ernennt Jesus "seinen Liebling Judas zu seinem rituellen Mörder" (ebd. 246), rituell deswegen, weil mit dem Mord das symbolische Verzehren des Opfers verbunden ist. Liebe zeigt sich hier als orale Aggression. Das ganze Aggressionspotential wird damit aus der Jesusgestalt ausgelagert und auf Judas übertragen. Wenn es von Jesus heißt: "Größere Liebe hat niemand, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde" (Joh 15,13), kann man von Judas mit Fug und Recht sagen: "Größere Last kann kein Mensch einem anderen auflegen, als daß er ihn bittet, sein Henker zu sein" (ebd. 247). weil er durch dieses Synonym als Vertreter des gottesmörderischen jüdischen Volkes bezeichnet werden sollte"; vorsichtiger F. K. Feigei, Der Einfluß des Weissagungsbeweises und anderer Motive auf die Leidensgeschichte. Ein Beitrag zur Evangelienkritik, Tübingen 1910,50: "Mindestens darf man so viel behaupten, daß die Beziehung des Namens Judas Ischarioth zum Volk der Juden und vielleicht speziell der Juden Judäas zur Nachdunkelung des Verräterbildes beigetragen hat." Neigungen in dieser Richtung wieder bei H. L. Goldschmidt, Judasbild 25 f, und M. S. Enslin, Judas 137; letzterer zitiert 141 f selbst ein dazu passendes Wort von Rousseau: "de nier ce qui est, et d'expliquer ce qui n'est pas." Dagegen auch schon M. Plath, Gemeinde 18sf. .2 S. zu beiden Autoren die Bibliographie. Der analytischen Psychologie bedient sich auch D. Roquefort, Judas.
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Wenn man die Erzählebene verläßt und nach den psychischen Äquivalenten fragt, stößt man sehr rasch auf eine "Judas-ChristusIdentität: jede Figur verkörpert entgegengesetzte ambivalente Aspekte derselben Gottesgestalt und ambivalente Aspekte von IchAnteilen des Christen, die projiziert werden ... Das Judasproblem ist ein Problem der Ich-Spaltung. Das Jesus-Fragment nimmt die Strafe vom Vater an; das Judas-Fragment ist der Mörder Gottes" (ebd. 247 t). Judas gehört als der dunkle Schatten unabdingbar zur leuchtenden Christusgestalt. 53 Er steht aber auch für den Schattenanteil unserer eigenen Psyche. Er verkörpert, wie es in der Titelformulierung eines anderen, mehr an Jung orientierten Beitrags gesagt wird, "unser schattenhaftes Ich".54 Damit ist Judas für Christen prädestiniert zum Sündenbock schlechthin. Dunkle Aspekte des Gottesbildes, uneingestandene Ablehnung Christi, verdeckter Protest gegen die vorgegebene Sinn- urid Normenwelt, mangelnde Akzeptanz der eigenen Person und des eigenen Selbst, all das kann auf Judas und damit zugleich auch auf die Juden übertragen werden. Das führt schließlich dazu, daß seine Gestalt in der christlichen Legende immer mehr eingeschwärzt wird und satanische Züge annimmt. Das sagt nichts über Judas aus, sehr viel hingegen darüber, wieviel Christen zu verdrängen haben, in welchem Maße sie nach psychischer Entlastung suchen. 55 Die psychoanalytische Betrachtung der Jesus-Judas-Relation mündet an dieser Stelle ein in die Suche nach den tiefreichenden psychischen Ursachen für den stets latenten christlichen Antisemitismus. 56 Die psychodynamischen Interpretationen der Judasfigur wären an sich auf die Voraussetzung der Ungeschichtlichkeit nicht angewiesen. So wie eine historische Person im Rückblick von der frommen Legende überformt werden kann, so kann sie auch zum Katalysator von Aggressionen und mörderischen Projektionen werden. Das Postulat der Ungeschichtlichkeit würde außerdem methodisch gesehen die der psychoanalytischen bzw. tiefenpsychologi53 Vgl. T. Reik, Deutung 101: "Nur wenn wir Judas und Christus so als zwei uneinige Anteile an einer einzigen psychischen Individualität auffassen, verstehen wir, daß Ju. das nun die Verantwortung für die Neigungen und Tendenzen trägt, die man bei Christus nicht sehen wollte." 54 Vgl. G. Wehr, Judas 146. 55 Vgl. T. Reik, Deutung 123: "Wir verstehen es nun auch, wieso Judas, das verleugnete andere Ich Christi, gerade in solchen Zeiten mit Schmähungen überhäuft wurde, da der geheime Protest gegen die Kirche und das Christentum stärker wurde." 56 Dazu R. M. Loewenstein, Psychoanalyse des Antisemitismus (edition suhrkamp 241), Frankfurt 1968, 39f.
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schen Betrachtung inhärenten Grenzen überschreiten (eine Gefahr, der die tiefenpsychologische Hermeneutik leider allzu gerne erliegt). Einen wertvollen Beitrag leistet die psychodynamische Erklärung, das steht außer Frage, wo es darum geht, weshalb eigentlich Judas so gesehen und dargestellt wird, wie es bis heute meistens geschieht, und weshalb die Nennung seines Namens immer noch geheimes Erschauern auslöst.
§ 7 Funktion der Erzählstruktur
Auf die Exegese sind in den letzten Jahren starke Impulse von der strukturalen Erzählforschung und der Erzähltextanalyse ausgegangen. Diese Methode erweist ihre nicht zu unterschätzende Leistungsfähigkeit besonders bei der Arbeit mit narrativen Mikrotexten (Wundererzählungen, Gleichnisse z. B.) und Makrotexten (Evangelium, Apostelgeschichte). 57 Es bietet sich geradezu an, sie auch für die Erklärung der Erzählstücke über Judas nutzbar zu machen. Ganz vereinfacht ausgedrückt: Eine gute Erzählung braucht einen Helden, sie braucht um der inneren Dramaturgie willen auch einen Schurken. Je einfacher die Erzähltechniken, um so krasser die Gegensätze, um so strahlender der Held und um so verruchter der Bösewicht. Man sieht es an den ungeheuer erfolgreichen Reiseerzählungen Karl Mays (deren eine auch noch den Titel "Satan und Ischariot" trägt). Die psychologischen Charakterzeichnungen sind sehr simpel, fast primitiv. Es gibt nur Gute und Böse, Zwischentöne fehlen fast gänzlich. Aber die Dynamik dieser totalen Opposition erzeugt große erzählerische Spannung. Sollte Judas sein düsteres Charakterbild etwa einer erzähltechnischen Notwendigkeit verdanken? In einem sehr anspruchsvollen, wesentlich von Greimas inspirierten semiotischen Versuch hat sich Louis Marin dieser Frage angenommen. S8 Definitionen wie: Der Verräter ist "eine Figur der abwesenden Notwendigkeit im Funktionieren des strukturalen Modells, die einzige Figur der Freiheit, die sich die Strukturen erlauben könnten" (89), oder: "der Verräter ist an dem Punkt der Operator des 51 Vgl. als Beispiele H. J. Klauck, Die erzählerische Rolle der Jünger im Markusevangelium. Eine narrative Analyse, in: NT 24 (1982) 1-26, und die Beiträge in F. Hahn (Hrsg.), Der Erzähler des Evangeliums. Methodische Neuansätze in der Markusforschung (SBS 118/119), Stuttgart 1985. 58 Vgl. L. Marin, Semiotik. In die gleiche Richtung geht für eine Einzelepisode L. Panier, Mort.
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Austausches durch Neutralisation des Signifikanten" (123 f; Hervorheb. im Orig.), versteht man im Grunde erst, wenn man Vertrautheit mit dem gesamten Modell gewonnen hat, was eine sehr zeitraubende Sache ist und in der Darstellung für unsere Zwecke zuviel Platz erfordert. Soviel sei in Kürze angedeutet: Die Rolle des Judas läßt sich nicht auf eine einzige Position im Aktantenmodell festschreiben. Sicher ist er Opponent (Gegner) des Protagonisten Jesus, er erscheint aber auch als Adjuvant (Helfer), insofern er dazu beiträgt, daß der Plan, durch Sterben die Menschen zu retten, auch gelingt. Ja, wenn man seinen Beinamen 6 napaoLorov (der Ausliefernde, der Überlieferer) in seiner ganzen Tragweite versteht und akzeptiert, übernimmt er sogar die Funktion des Donators, des Schenkers, die sonst im evangeliaren Erzählmodell mit Gott besetzt wird. 59 Judas fungiert, kurz gesagt, als eine Art Joker innerhalb der Erzählstruktur, der dem, was mit unerbittlicher Notwendigkeit abläuft, das Moment des Zufälligen und Kontingenten unterlegen hilft. 60 In seiner Rolle kreuzen sich die transzendente Ereignisfolge (Gottes Erlösungswillen kommt zum Zug) und die immanente Ereignisfolge (ein Justizmord wird inszeniert). Die Möglichkeiten einer Erzähltextanalyse sind damit nur eben angedeutet. Die Frage nach der Historizität bleibt bei diesem Vorgehen methodisch ausgeklammert, was man an sich durchaus akzeptieren kann. Die Gefahr besteht wiederum darin, daß man die methodische Selbstbeschränkung unter der Hand in ein ontologisches Urteil umfunktioniert. Das reibungslose Zusammenspiel der narrativen Figuren verführt zu dem Wunsch, in der Textwelt zu bleiben, sie als das einzig Gegebene absolut zu setzen und die Taue zur extra-textuellen Realität zu kappen. An diesem Punkt deckt sich letztendlich der narrative Ansatz, wenn er vereinseitigt wird, mit dem psychodynamischen und mit dem mythischen. Die Exegese wird angesichts dieser Fülle von divergierenden, im Ergebnis teils unvereinbaren Zugängen nicht einfach für ein Modell optieren können. Sie muß in steter Auseinandersetzung mit den Texten ihren eigenen Weg suchen, kann von da aus aber auch in der Sache kritische Anfragen an Positionen richten, die sich in der Wirkungsgeschichte der Texte etabliert haben. In einer Hinsicht macht sie sich trotz ihrer höchst komplexen Methodik zum Anwalt 59 Auch K. Barth, KD III2 543, kann von einer ganz anderen Warte aus sagen, Gott habe "so gehandelt wie Judas gehandelt hat" (im Orig. gesperrt). 60 Vgl. L. Marin, Semiotik 91: "Es ist notwendig, daß der Verräter da ist, um das, was notwendig ist, zufällig und ungewiß (aleatorisch) zu machen" (Hervorheb. im Orig.).
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des "naiven" Lesers der Evangelien. Mit ihm zusammen wird sie immer wieder fragen, was sich denn von all dem Erzählten einigermaßen als historisch zuverlässig sichern läßt, selbst auf die Gefahr hin, damit auf Dauer zu ermüden. Die Verankerung in der Geschichte mit ihren konkreten Vollzügen stellt ein Spezifikum der jüdischchristlichen Offenbarung dar. Deshalb verbietet sich der oft so verführerisch scheinende Absprung in eine reine Hermeneutik des Existentiellen, des Mythischen, des Unbewußten oder der Narrativität.
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C. Der neutestamentliche Textbefund
I. DIE SYNOPTISCHE ÜBERLIEFERUNG
(TRADITIO TRIPLEX)
§ 8 Die Zwö/ferlisten (Mk 3, 19 parr Mt 10,4; Lk 6,16)
In der Perikope von der Einsetzung der Zwölf kommt bei allen drei Synoptikern der Name des Judas Iskariot vor. In allen drei Fällen steht er bezeichnenderweise an letzter, zwölfter Stelle, was sicher schon eine Wertung impliziert, und er ist jedesmal mit einem erläuternden Zusatz versehen. Die Texte stellen uns im wesentlichen vor vier Fragen: a) Wie ist es um die Historizität der Zwölf bestellt? b) Gehört Judas Iskariot in die ursprüngliche Zwölferliste hinein? c) Was bedeutet der Beiname "Iskariot"? d) Was besagt napa8t86vat in den erläuternden Zusätzen? a) Zur Frage der Historizität Das Judasproblem ist in mehrfacher Hinsicht unmittelbar tangiert von der vorgängigen Frage, inwieweit sich die Konstituierung des Zwölferkreises überhaupt auf den irdischen Jesus zurückführen läßt. Zweifel daran werden in der neueren Forschung immer wieder laut. Man argumentiert so: Der Zwölferkreis sei erst nachösterlich entstanden, als Antwort auf die Erscheinungen des Auferstandenen. Petrus habe nach der Protophanie, die ihm zuteil wurde, elf andere Jesusjünger zusammengerufen, um mit ihnen gemeinsam in Jerusalern den Kern des neuen Gottesvolkes zu bilden. 61 Unter dieser Voraussetzung aber entsteht sofort das neue Pro61 Vgl. zuletzt W. Simonis, Jesus von Nazareth. Seine Botschaft vom Reich Gottes und der Glaube der Urgemeinde, Düsse1dorf 1985,61-65.
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blem: Was soll dann die Erzählung vom Judas"verrat"? Sie stellt zweifellos die Achillesferse der genannten Hypothese dar. Ins Positive gewendet: "Die Überlieferung vom Verrat des Judas als ,einem der Zwölf" gibt "den sichersten Einstieg und das eigentliche signifikante Indiz für die Vermutung einer vorösterlichen Existenz des Kreises" 62 ab. Man 'hat im Gegenzug verschiedene Erklärungen erwogen: Tatsächlich habe historisch gesehen ein Jünger Jesus "verraten", aber in die Zwölferliste habe der Betreffende erst Eingang gefunden, als man dieses nachösterliche Gebilde in die Jesuszeit zurückprojizierte und so sekundär historisierte. 63 Oder Judas sei ein Mitglied des nachösterlichen Zwölferkreises gewesen, habe diesen aber rasch wieder verlassen, was als schwerer Verrat an der gemeinsamen Sache empfunden wurde. Möglicherweise habe er sogar der Gemeinde Schaden zugefügt. Einer solchen persona non grata konnte man in der Folgezeit alle möglichen weiteren Untaten zuschreiben. 64 Entsprechend müßte man die Nachwahl des Matthias Apg 1,15-26, falls man sie nicht für eine lukanische Fiktion hält, was aber auch der kritischen Exegese schwer fällt 6S, als unmittelbare Ergänzung der Lücke verstehen, die Judas erst in zeitlichem Abstand zumOsterereignis durch sein Weggehen gerissen-hat. Die faktisch vorhandene Begrenzung der Bedeutung der Zwölf auf die früheste Phase der nachösterlichen Gemeinde, die spätere Ergänzungswahlen überflüssig machte, versucht man mit weiteren hypothetischen Überlegungen zum Gang der ältesten Theologie- und Kirchengeschichte verständlich zu machen. 66 Es bleibt sehr die Frage, wo die historische Einbildungskraft stär62 W. Trilling, Zur Entstehung des Zwölferkreises. Eine geschichtskritische Überlegung, in: Die Kirche des Anfangs (FS H. Schürmann), Leipzig 1977,201-222, hier 208. 63 VgL P. Vielhauer, Gottesreich und Menschensohn in der Verkündigung Jesu (1957), in: ders., Aufsätze zum Neuen Testament (ThB 31), München 1965, 55-91, hier 70. 64 So W. Simonis, Jesus (s. Anm.61) 58f. Zuvor bes. G. Klein, Die zwölf AposteL Ursprung und Gehalt einer Idee (FRLANT 77), Göttingen 1961, 36 Anm. 140; W. Schmithals, Das kirchliche Apostelamt. Eine historische Untersuchung (FRLANT 79), Göttingen 1961, 58 f. Dagegen u. a. J. Roloff Apostolat - Verkündigung - Kirche. Ursprung, Inhalt und Funktion des kirchlichen. Apostelamtes nach Paulus, Lukas und den Pastoralbriefen, Gütersloh 1965, 158-161. 6' VgL A. Weiser, Die Nachwahl des Mattias (Apg 1,15-26). Zur Rezeption und Deutung urchristlicher Geschichte durch Lukas, in: G. Dautzenberg u. a. (Hrsg.), Zur Geschichte des Urchristentums (QD 87), Freiburg 1979, 97-110, hier 109: "Es besteht kein hinreichender Grund, die Historizität der Ersatzwahl des Mattias zu bestreiten. Die Tatsache, daß zwar Judas ersetzt worden ist, aber für den später ermordeten Jakobus (Apg 12,2) kein Ersatz geschaffen wurde, läßt erkennen: Im Bewußtsein der Urgemeinde hatten die Zwölf eine auf die Anfangszeit der Kirche begrenzte Funktion." 66 VgL W. Simonis, Jesus (s. Anm. 61) 91 f und passim.
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ker gefordert ist, bei dieser Konstruktion, die sich auf äußerst fragilen Grundlagen erhebt, oder bei der eher traditionellen Annahme, die an der vorösterlichen Entstehung des Zwölferkreises festhält und im Fall des Judas mit legendarischer und schriftgelehrter Übermalung eines vorgegebenen Sachverhalts rechnet. Es fällt nicht allzu schwer, die Konstituierung des Zwölferkreises im Kontext der Basileiabotschaft des irdischen Jesus zu verankern. 67 Beginnen wir mit Qumran. In der Sektenregel heißt es: "Im Rat der Gemeinschaft sollen zwölf Männer sein und drei Priester, vollkommen in allem, was offenbart ist aus dem ganzen Gesetz ... Wenn dies in Israel geschieht, dann ist der Rat der Gemeinschaft festgegründet in der Wahrheit für die ewige Pflanzung, ein heiliges Haus für Israel und eine Gründung des Allerheiligsten für Aaron" (lQS 8,1-6).
Der Zwölferkreis ist Zeichen für die hereinbrechende Endzeit. Es wird nicht ganz deutlich, ob die drei Priester zu den Zwölf hinzukommen oder ob sie aus dem Kreis der Zwölf genommen sind. Gehören die drei Priester zu den Zwölfen, wäre das eine frappierende Parallele zu dem Zwölferkreis um Jesus mit den drei herausgehobenen Bezugsgrößen Petrus, Jakobus und Johannes. Setzt man die drei Priester von den Zwölf ab, bleibt dennoch eine Parallele: Im Zwölferkreis ist Jesus abgesetzt von den Zwölfen. Die Zwölfzahl verweist in Qumran auf das Zwölf-Stämmevolk Israel. Allerdings bestand es damals nur noch aus zwei bis zweieinhalb Stämmen, die Nordstämme waren schon seit langem untergegangen. So drückt die Zwölfzahl die eschatologische Hoffnung aus, daß Israel in der Endzeit die Vollgestalt seiner zwölf Stämme wieder erlangen werde. Mit einem solchen Gremium erhebt die Gemeinde von Qumran den Anspruch, das wahre Israel der Endzeit darzustellen. Damit ist der apokalyptische Erwartungshorizont abgesteckt. Durch das Herbeirufen der Zwölf dokumentiert Jesus in einer prophetischen Zeichenhandlung 68 seinen umfassenden Willen, das eschatologische Israel in der Vollgestalt seiner zwölf Stämme als neues Gottesvolk um sich zu sammeln. Der Zwölferkreis dient neben den Wundern als weiteres sichtbares Zeichen für den Anbruch der Endzeit. Wenn wir auf dem Hintergrund dieser eschatologi.7 VgL des näheren H. J. Klauck, Die Auswahl der Zwölf (Mk 3, 13-19), in: Dienender Glaube 60 (1984) 351-354; T. Holtz, EWNT I 874-880 (mit Lit.); G. Schmahl, Die Zwölf im Markusevangelium. Eine redaktionsgeschichtliche Untersuchung (TIhSt 30), Trier 1974. • 8 VgL M. Trautmann, Zeichenhafte Handlungen Jesu. Ein Beitrag zur Frage nach dem geschichtlichen Jesus (FzB 37), Würzburg 1980, 167-233.
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schen Zeichensetzung die Notiz in Mk 3, 14 lesen: "Und er machte Zwölf, daß sie mit ihm seien", so will das besagen: Sie sollen von jetzt an Jesus auf allen seinen Wegen begleiten, damit er überall auf dieses Realsymbol hinweisen kann. Bei anderen Nachfolgern und Jüngern gab es eine gewisse Fluktuation. Die Zwölf brauchte Jesus als feste Bezugsgröße, als eine mitwandernde Illustration für die Nähe der Gottesherrschaft. Auf sie konnte er zeigen und seinen Hörern erklären: Seht, wir sind dabei, das Gottesvolk der Endzeit zusammenzuführen. Wenn wir so interpretieren, hatte der Zwölferkreis seine Aktualität vor allem im Wirken Jesu. Nach Ostern behalten die Zwölf eine temporäre Bedeutung in der Kemgemeinde in Jerusalem, treten aufs Ganze gesehen aber wieder zurück in den allgemeinen Kreis der Jünger und Jesusnachfolger. Sie werden vermutlich alle nach Ostern als Missionare gewirkt haben. Das trägt schon Markus in den Text ein, wenn er in Mk 3, 14 fin.15 die spezifische Aufgabe der Zwölf mit der Aussendung der Jünger ausgleicht und deshalb als weitere Zielangabe redaktionell einträgt: "Damit er sie aussende, zu verkündigen und Vollmacht zu haben, die Dämonen auszutreiben." Durch Verkündigung und Exorzismen verdoppeln die Zwölf das Wirken Jesu, d. h. nachösterlich gesehen, daß sie zu Missionaren werden. Abstützen kann man diese Sicht nicht nur aus Mk 3,13-19 mit Parallelen, sondern nach dem Kriterium der vielfachen Bezeugung oder des Querschnittsbeweises auch aus dem Q-Stoff, und zwar mit Hilfe des altertümlichen Logions Mt 19,28 par Lk 22,30: " ... ihr werdet auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten" (wenn Lukas in der Parallele nur noch von "Thronen" spricht, nicht mehr von "zwölf Thronen", so tut er das, weil er Judas ausschließen will; nach dem "Verrat" - man beachte die zeitliche Einordnung des Logions bei Lukas - kann Judas in eine solche Verheißung nicht mehr eingeschlossen sein 69 ). Wirkliche Schwierigkeiten bereitet nur ein Textdatum, und das ist die literarisch wohl älteste und bei Paulus auch einzige Erwähnung der Zwölf in 1 Kor 15,5, als Abschluß einer vorpaulinischen Glaubensformel: "Und er erschien dem Kefas, danach den Zwölfen." 6. Vgl. J. A. Fitzmyer, The Gospel According to Luke (AnchB 28128A), Garden City 1981/1985, 1419: "The omission reflects the difficulty the early church had in assigning a throne to the betrayer." Zu der hier vertretenen Sicht von Mt 19,28 par vgl. J. Dupont, Le logion des douze trones (Mt 19,29; Lc 22,28-30) (1964), in: ders., Etudes sur les Evangiles Synoptiques (BEThL 70), Löwen 1985,706-743; anders W. Trilling, Entstehung (s. Anm. 62) 213-220 (weitere Lit. im Nachtrag bei Dupont 743).
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Dürften es streng genommen nicht nur noch Elf sein, wie Lukas peinlich genau festhält 70, oder, wenn man - unzulässigerweise - mit Joh 20,24 harmonisiert, sogar nur Zehn, weil neben Judas auch Thomas fehlte 7l ? Ist das nicht doch ein Indiz dafür, daß sich der Zwölferkreis erst als Reaktion auf die Auferstehung herauskristallisierte?72 Ganz abgesehen von der Frage, ob man von der einen Stelle aus die gesamte evangeliare Tradition aushebein kann, gibt es durchaus andere Möglichkeiten, dem Befund einen Sinn abzugewinnen. (1) Werner Vogler rechnet in seiner Judasmonographie damit, daß der Zwölferkreis zur Zeit der Erscheinungen von 1 Kor 15 noch komplett war, daß Judas ihm also noch angehörte und somit zu den Erscheinungszeugen zählt. Die Tat des Judas stand "für die ersten Christen noch ganz im Schatten von dessen Funktion als Repräsentant des endzeitlichen Gottesvolkes" 73. Probleme kommen erst auf, als in späteren Traditionsschichten "ein den Verräter Jesu außerordentlich belastendes Judasverständnis vorlag" 74. Erst jetzt geschieht die nur scheinbar exakte Korrektur der Zwölfzahl in die Elfzahl. Das hängt eng zusammen mit Voglers eher verharmlosender Sicht der Tat des Judas (dazu später mehr), bleibt aber als Vorschlag zu diskutieren. (2) Nach der Apostelgeschichte haben die Ostererscheinungen mit der Himmelfahrt bereits ihren Abschluß gefunden, ehe sich der dezimierte Zwölferkreis durch Nachwahl des Matthias wieder ergänzt. Niemand zwingt uns aber, an dem offensichtlich konstruierten Geschichtsbild des Lukas festzuhalten. Es könnte sein, daß die Erscheinung vor den Zwölfen in der alten Glaubensformel zu einem Zeitpunkt nach Vollzug der Selbstergänzung gedacht war oder daß man sie sich gar nicht als einmaligen, sondern als sukzessiven Vorgang vorstellte, so daß auch Matthias Adressat einer Ostervision sein konnte, zwar spät, aber immer noch vor Paulus (1 Kor 15,8). Lk 24,9.33; Apg 1,26; 2, 14; vgL auch Mt 28, 16 und den sekundären Mk-Sch1uß Mk 16,14. 7. Vg1. A. Robertson -A. Plummer, A Critica1 and Exegetical Commentary on the First Epistle of St. Pau1 to the Corinthians (ICC), 2. Auf!., Repr. Edinburgh 1978, 336: "on1y ten were present, for both Judas and Thomas were away." 72 So H. Conzelmann, Der erste Brief an die Korinther (KEK 5), 12. Aufl., Göttingen 1981, 312, während J. Weiß, Der erste Korintherbrief (KEK 5), 9. AufL, Göttingen 1910, Repr. 1977, 350, annimmt, "danach den Zwölfen" (und Varianten) hätte im Urtext überhaupt gefehlt. 73 W Vogler, Judas 30. 74 Ebd. 25. 70
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Das ist zugegebenermaßen nur eine sehr vage Überlegung, aber doch wiederum nicht so vage, daß das weitgehende Schweigen der Forschung darüber ganz berechtigt wäre.1 S (3) Schon die ältere Kommentarliteratur trägt antike Beispiele dafür zusammen, daß man für Korporationen und Gruppen runde Zahlen beibehielt, auch wenn de facto ein numerisches Defizit bestand. Für römische Kollegien mit Amtsbezeichnungen wie Decemviri und Centumviri gilt, daß "deren eigentliche Zahl auch oft nicht voll war" 76. Xenophon berichtet von den Dreißig, die in Athen die Oligarchie etablieren. Einer von ihnen, Theramenes, wird hingerichtet (Hellenika II 3,56). Dennoch ist fast im nächsten Satz wieder von den Dreißig die Rede (II 4, 1) und wenig später von "Kritias und den übrigen Dreißig" (II 4,8). Zwei von ihnen, Kritias und Hippomachos, fallen in einer Schlacht (II 4, 19). Ersatz wird nicht geschaffen, was den Fehlbedarf auf drei erhöht. Desungeachtet lesen wir kurz darauf: "Am folgenden Tag saßen die Dreißig, wie man sich denken kann, völlig niedergedrückt und verlassen in der Ratsversammlung beieinander" (II 4,23).77 Das müßte eigentlich genügen, um eine ähnliche Lösung auch für 1 Kor 15,5 plausibel erscheinen zu lassen. Eben weil vorösterlich schon fest verankert, bleibt der Ausdruck "die ZwöIr' als Gruppenbezeichnung unverändert, auch wenn zeitweilig einer fehlen sollte.1 8 b) Die Zugehörigkeit des Judas Ein anderes Problem, mit dem vorstehenden verwandt, aber nicht identisch, besteht darin: Enthielt die älteste Zwölferliste schon den
Eine Ausnahme macht K. Dom, Judas 87 f. 7. C. F. G. Heinrici, Der erste Brief an die Korinther (KEK 5), 8. Aufl., Göttingen 1896,449. 77 Hinweis von W Bauer, Zur Einführung in das Wörterbuch zum Neuen Testament, in: ders., Aufsätze und kleine Schriften, Tübingen 1967, 61-90, hier 90. 78 In diesem Sinne U. Wilckens, Auferstehung. Das biblische Auferstehungszeugnis historisch untersucht und erklärt (Gütersloher Taschenbücher 80), Gütersloh o.J., 22: "So liegt es näher anzunehmen, daß die Zwölfzahl bereits durch eine vorösterliche Einsetzung dieses Kreises ein fester Begriff geworden war, so daß dann von der Erscheinung vor ,den Zwölf' gesprochen wurde, obwohl in Wirklichkeit nur elf zugegen waren, was die spätere Überlieferung dann auch durchgehend korrigiert hat"; C. Wolf/. Der erste Brief des Paulus an die Korinther. II: Auslegung der Kapitel 8-16 (ThHK VII/2), Berlin 1982, l66f: "Man kann aber ,die Zwölf auch bereits als vorösterlich feststehende Bezeichnung für diese Gruppe verstehen, so daß die Zahlenangabe in nachösterlicher Zeit keine abzählbare Größe bezeichnete"; H. J. Klauck, 1. Korintherbrief (Neue Echter-Bibel NT 7), Würzburg 1984, 109. 7'
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N amen des Judas Iskariot oder ist er erst später hineingekommen? Anlaß für diese Überlegung gibt das eigentümliche Schwanken der Überlieferung hinsichtlich der Namen der Zwölf. Klar erkennbar ist die Tendenz zur paarweisen Anordnung der Namen, die besonders bei Matthäus und in der Apostelgeschichte ins Auge fällt. In Mk 3,18-19 par Mt 10,4 folgt Judas Iskariot auf Simon Kananäus, der an elfter Stelle steht. Lukas gibt 6 Kavavat:o~ sprachlich und sachlich richtig mit "der Zelot" wieder (vgl. Lk 6,15; Apg 1,13).79 Aber bei ihm nimmt dieser Simon der Zelot den zehnten Platz in der Liste ein. Zwischen Simon Zelotes und Judas Iskariot ist in der lukanisehen Version ein "Judas, Sohn des Jakobus" eingeschoben, der auch in Apg 1,13 die Reihe der Elf beschließt. Ihn kennen Matthäus und Markus nicht. Sie bringen an zehnter Stelle den Thaddäus, der wiederum bei Lukas fehlt. Statt des Thaddäus führt Codex 0 einen Lebbäus auf. In einem Teil der syrischen Überlieferung fehlt in Mt 10,4 Judas Iskariot ganz; er ist ersetzt durch "Judas, der (Sohn) des Jakobus". Der Befund irritiert und gibt zu weitreichenden Überlegungen Anlaß. Ernst Haenchen leitet aus dem Schwanken der Namen die mit der Position von Vielhauer (s.o.) verwandte These ab, daß Judas zwar zum Jüngerkreis gehörte, aber nicht zu den Zwölf. 80 Bei seinem Eindringen in die Zwölferliste habe sein Name den eines anderen verdrängt, daher das Überangebot an Namen. Ganz anders sieht die Lösung von Oscar Cullmann aus. Ein zweiter Judas habe nie existiert, Judas, des Jakobus Sohn, sei "aus einer irrtümlichen Verdoppelung des Judas Iskariot entstanden" 81. Das basiert allerdings auf der Prämisse, daß der Beiname "Iskariot" von lateinisch sicarius abzuleiten ist, was sachlich dasselbe bedeute wie ST]Aro'tT]~ oder KavavhT]~ (ein Epitethon, das Cullmann aus der koptisch-sahidisehen Übersetzung von Joh 14,22 gewonnen hat). Die verschiedenen Beinamen für ein und dieselbe Person, Judas Iskariot, Judas Zelotes, Judas Kananites, ermöglichen erst ihre Duplizierung. Die Ableitung des Beinamens von sicariusist aber alles andere als sicher, dazu gleich mehr. Man wird dem Schwanken der Namen nicht mehr entnehmen können als dies, daß über die faktische Zugehörigkeit zum ZwölferM. Hengel, Die Zeloten. Untersuchungen zur jüdischen Freiheitsbewegung in der Zeit von Herodes I. bis 70 n. ehr. (AGJU 1), 2. Aufl., Leiden 1976, nf. 8. E. Haenchen, Der Weg Jesu. Eine Erklärung des Markus-Evangeliums und der kanonischen Parallelen (GLB), 2. Aufl., Berlin 1968, 137f. S.o. Anm. 58. 81 O. Cullmann, Apostel 222. 79
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kreis sehr früh schon erhebliche Unsicherheit herrschte. Das weist uns erneut auf das hohe Alter dieser Institution hin, die ihre aktuelle Bedeutung bald nach Ostern verloren hat. Der Name Judas war um die Zeitenwende ein gebräuchlicher und beliebter jüdischer Eigenname. Die neutestamentliche Schreibweise 'Iouoa(c;) stellt die gräzisierte Form des hebräischen Stammesnamenj'hudah dar.B2 Es haften daran von Hause aus, das gilt es festzuhalten, keinerlei pejorative Konnotationen. Im Gegenteil, der Name hat stolzen Klang, wenn man an den Stammvater und Jakobssohn denkt oder an einen Volkshelden der jüngeren Geschichte wie Judas Makkabäus. Angesichts der Verbreitung des Namens kann man aus dem - unsicheren! doppelten Vorkommen gewiß keine großen Schlüsse ziehen. Auch der Name Simon wird allein in der Zwölferliste zweimal verwendet: Simon Petrus und Simon der Zelot, ebenso der Name Jakobus: für den Zebedäussohn und für den Alphäussohn. Das übrige Neue Testament bietet genügend weitere Beispiele dafür, daß die eher spärlichen Eigennamen doppelt und dreifach vergeben sind. In der Zwölferliste ist der Name Judas Iskariot zu einhellig überliefert, als daß man ihn daraus eliminieren könnte. Wenn wir an der Konstituierung des Zwölferkreises durch Jesus festhalten, folgt daraus, daß sich die Spur des Judas bis in die Jesuszeit zurückverfolgen läßt. Er war ein Jünger des Herrn und "einer von den Zwölr' (Mk 14,10). c) Der Beiname "Iskariot" Unter den zahlreichen Vexier- und Rätselfragen, die uns das Neue Testament aufgibt, wird man der Deutung des Beinamens "Iskariot" einen vorderen Ehrenplatz einräumen müssen. Er liegt bei den Synoptikern in zweifacher Form vor, als 'IcrKapuhS in Mk 3, 19 par Lk 6,16 (vgl.Mk 14,10) und als 'IcrKapto)'t1lC; in Mt 10,4 (vgl. Mt 26, 14 par Lk 22,3). Ersteres ist mehr hebräisch empfunden, letzteres stärker gräzisiert. Hinzu kommen handschriftliche Varianten namentlich in Kodex D und bei den Lateinern: 1:Kaptco.S (D zu Mk 3,19 par Lk 6, 16) und 1:KaptroTIJC; (D zu Mt 10,4 und Mk 14, 10 par Mt 26, 14). Hier muß auch schon vorausgegriffen werden auf das Johannesevangelium, wo Codex D zu Joh 12,4; 13,2.26; 14,22 und bemerkenswerterweise auch Kodex ~* u.a. zu Joh 6,71 die Sonderlesart
82
Vgl. M. Limbeck, EWNT 11 483f; S. P. Carey, Judas 17-19.
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ano
Kapuro'tou/KapHIYCOU bieten. 83 Die Zahl der Etymologien ist Legion. Für unsere Zwecke genügt es, sie in drei große Gruppen zu ordnen: (1) geographische Herkunftsbezeichnung, (2) Zugehörigkeit zu den Zeloten, (3) Kennzeichnung der Judastat. 84 Vorausgeschickt sei noch, daß jede Etymologie in einer erbitterten Diskussion mit philologischen Argumenten verteidigt und abgelehnt wurde. Die Entscheidung scheint sich auf rein sprachlichem Gebiet nicht treffen zu lassen. Sie muß von der Sachfrage her fallen. (1) Geographische Herkunftsbezeichnung. Nach Jos 15,25 gab es in Judäa einen Ort namens Kerijot. Am 2,2 und Jer 48,24 lokalisieren einen gleichnamigen Ort im heidnischen Moab. An letzteren beiden Stellen übersetzt die LXX, die zu Jos 15,25 schweigt, mit Kaptro-9. Iskariot könnte also eine Transkription aus dem hebräischen 'isch qerijjotsein. Es hieße demnach "Mann aus Kerijot" oder "Kariot".85 Die Bildung wäre analog zu 2 Sam 10,6.8 zu sehen, wo die LXX für 'isch tob ("Leute aus Tob") I(Hffiß schreibt. Das ist auch das Verständnis, das den Varianten ano Kaptro'tou in 1(* und D (s.o.) zugrundeliegt, die aber nichts anderes als frühe Erklärungsversuche darstellen. Diese Ableitung ist sicher mit manchen Problemen verbunden. Wir wissen nicht, ob es im 1. Jh. n. Chr. einen Ort dieses Namens noch gab und wo er genau lag. Die Wortbildung folgt nicht den strengen Regeln der Grammatik, die solche singularischen Verbindungen an sich nur bei Stammesnamen kennt ("Leute aus Tob" 2 Sam 10,6.8 steht im Plural), nicht aber, wo es um ein Individuum geht. Sie reflektiert das Hebräische, nicht das gesprochene Aramäisch der Zeit J esu. Aber schlechthin zwingend sind alle diese Ein83
Ein ausführlicher Überblick unter Einbeziehung des Johannesevangeliums bei
W. Vogler, Judas 17-24. Vgl. auch M. Limbeck, EWNT II 491-493; F. H. Chase, Name;
E. Nestle, Name. Sehr viel differenzierter R. B. Halas, Judas 7-38. Nicht berücksichtigt werden hier aus seiner Klassifizierung folgende Deutungen: "aus dem Stamme Issachar" (11-13), "Mann aus Kartha" (19f), "Judas mit dem Leder" als Berufsbezeichnung oder Anspielung auf den Geldbeutel (21 f), Iskariot als Hinweis auf die Todesart (22 f). Entlegene Namensdeutungen referiert auch M. de longe, Judas 151. 85 Vgl. D. Haugg, Judas 76f; Bill. I 537f; l. A. Fitzmyer, Lk (s. Anm. 69) 620f: "The best explanation is still that it represents a Greek transcription of Hebrew ... ,a man from Kerioth"'. Andere geographische Ableitungen: F. Schulthess, Sprache 257 ("Mann aus Sychar" in Samaria); T K. Cheyne, EB(C) II 2624 ("Mann aus Jericho"). Vgl. noch H. Ingholt, Surname 159f: "man of ruddy complexion" (Rothaupt oder Rotschopf); A. Ehrman, Judas 573: "dyer" (Färber), weitergeführt von Y. Arbeitman, Suffix. Zur Väterexegese, die von der Ortsangabe ausgeht und damit allegorische Signifikationen verbindet, die in den späteren philologischen Versuchen wiederkehren, vgl. J. A. Marin, Les deux 349 f. 84
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wände nicht. Die Erklärung von Iskariot als "Mann aus Kerijot" bleibt im Bereich des Möglichen. Von der Sache her bietet sie manche Vorteile. Es handelt sich zunächst um eine neutrale Bezeichnung, die Judas anfangs nur von anderen Trägem des gleichen verbreiteten Namens unterscheiden soll, mehr nicht. Wir würden auch etwas über die Person des Judas erfahren: Er wäre, wenn die Etymologie stimmt, als Judäaer der einzige Nicht-Galiläer unter den Zwölfen. Mit aller Vorsicht kann man weiterfragen, ob das ihn bereits zu einer gewissen Sonderrolle in dem engeren Kreis um Jesus prädestinierte. Vielleicht lassen sich aus den Texten noch zwei Indizien erheben, die in die gleiche Richtung weisen. Markus bringt durchgehend die ältere hebräische Form 'IcrKaptcb-9. Vermutlich hat er noch "Mann aus Kariot" herausgehört und das in eines seiner bevorzugten theologischen Paradigmen eingeordnet. Sein Evangelium durchzieht ein schroffer Gegensatz zwischen Galiläa und Jerusalem. 86 Dabei ist Galiläa, die Heimat Jesu und seiner Jünger, durchgehend positiv besetzt als Ort der Heilungswunder und der Gottesreichspredigt. Dort sammelt Jesus seine Jünger um sich. Dort begegnet er ihnen nach dem Kreuzestod als der Auferstandene und schenkt ihnen die Gnade eines neuen Anfangs (Mk 16,7: "Er geht euch voran nach Galiläa, dort werdet ihr ihn sehen"). Jerusalem ist. ebenso konsequent negativ besetzt als Stadt der unerbittlichen Gegner, -als Ort von Jesu Leiden und Sterben. DOJ;1löst sich die Jüngergemeinde schmählich auf durch feige Flucht, Verleugnung und "Verrat". Jerusalem ist zugleich die Stadt, deren Untergang nahe bevorsteht (Mk 13,2: "Kein Stein wird auf dem anderen bleiben"). Judas gehört durch seine Herkunft und durch seine Tat auf die Seite des jesusfeindlichen Jerusalem und nicht zu Galiläa, der Heimstatt des Evangeliums. 87 Es fällt andererseits auf, daß gerade Matthäus nur die gräzisierte Fassung 'IcrKaptcbTT]~ kennt. Darin spiegelt sich möglicherweise sein eigenes Bemühen oder das Bemühen der judenchristlich geprägten Traditionen, mit denen er arbeitet; das dahin zielt, bei vollem Wis•• Vgl. E. Lohmeyer, Galiläa und Jerusalem (FRLANT 52), Göttingen 1936; W. Marxsen, Der Evangelist Markus. Studien zur Redaktionsgeschichte des Evangeliums (FRLANT 67), 2. Aufl., Göttingen 1959 (60: "Überspitzt ließe es sich wohl so ausdrücken: Markus will nicht zum Ausdruck bringen: Jesus hat in Galiläa gewirkt; sondern umgekehrt: wo Jesus gewirkt hat, da ist Galiläa"); w: Bösen, Galiläa als Lebensraum und Wirkungsfeld Jesu. Eine zeitgeschichtliche und theologische Untersuchung, Freiburg 1985, 262-274. • 7 Vgl. K. Lüthi, Problem 99.
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sen um die ursprüngliche Bedeutung des Namens aus bestimmten Gründen die judäische Herkunft des Judas eher zu verschleiern. Sie paßte nicht mehr in die Zeit, sie wurde für Judenchristen zu schwerem AnstOß.88 (2) Zugehörigkeit zu den Zeloten. Ein ingeniöser Vorschlag geht dahin, Iskariot abzuleiten von lateinisch sicarius. Das hängt mit sica, der Dolch, zusammen und bedeutet "Dolchmann", "Bandit". Es war die römische Bezeichnung für zelotische Gruppen mit ihren meuchelmörderischen Aktionen, wie wir von Flavius Josephus erfahren: "Diese sogenannten Sikarier waren allmählich zu einer gewaltigen Menge angewachsen. Sie führten kleine Dolche mit sich, die sich der Größe nach nicht viel von den persischen Akinaken unterschieden, aber gekrümmt waren wie die römischen sicae, woher auch die Banditen den Namen Sikarier erhielten. An Festtagen mischten sie sich, wie schon erwähnt, unter die Volksmenge, die von allen Seiten zum Gottesdienst in die Stadt strömte, und erdolchten so viel von den Andächtigen, als ihnen beliebte." 89
Zu dieser Terrorgruppe habe Judas anfangs gehört. Deswegen stehe er auch in der Zwölferliste neben dem Zeloten Simon. 90 Die Schwierigkeiten dieser Deutung sind beträchtlich. Die erforderliche Metathesis am Anfang des Wortes ist nur schwer nachzuvollziehen. Statt dessen mit einer Eliminierung des i-Lautes und Hinzusetzen von Aleph prostheticum zu argumentieren, hilft kaum weiter, da das Aramäische für sicarius über ein eigenes, anderes Lehnwort (siqar)verfügt. 91 Grundsätzlich müssen wir uns davor hüten, die Zustände aus den unruhigen Jahren vor Ausbruch des Jüdischen Kriegs, von denen Flavius Josephus spricht (die oben im Wortlaut zitierte Beschreibung gehört ins Jahr 52 n.Chr.), in die Jesuszeit zurückzuverlegen. Judas der Sikarier, das dürfte schlicht ein Anachronismus sein. (3) Kennzeichnung der Judastat. Sollte der Beiname dem Judas u. U. überhaupt erst nach seiner Tat beigelegt worden sein? Dann bietet sich die Möglichkeit an, Iskariot mit aramäisch scheqar = "täuschen" zusammenzubringen. Der Lügner, der Falsche, eben der W. Vogler, Judas 22-24. Jos., Ant 20, 185-187; Übers. nach H. C1ementz. 90 F. Schulthess, Sprache 255f; O. Cullmann, Apostel 219; F. Zehrer, Judasproblem 261; C. Daniel, Esseniens, zelotes et sicaires et leur mention par paronomie dans le N. T., in: Numen 13 (1966) 88-115, hier 92f; B. Celada, Nombre; J. Decroix, Geste. Bei J. Wellhausen, Das Evangelium Marci, 2. Aufl., Berlin 1909, der oft als Ahnvater genannt wird, steht zu lesen: "Aus sicarius kann er kaum entstanden sein" (23). 91 Vgl. mMakh 1,6; Levy III 518f; J. A. Marin, Les deux 351 f.
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"Verräter" Jesu, das würde der von diesem Stamm abgeleitete Name besagen. 92 Das sucht man noch abzusichern mit Hilfe der Qumranschriften, wo der Vorwurf der Falschheit und der Lüge eine bedeutende Rolle in der polemischen Auseinandersetzung spielt, und über den Targum zu Ps 55, der diesen Psalm, dessen Verse 13-15 sich auf den Judas" verrat" anwenden lassen 93 , auf Ahitofel, den Verräter Davids hin auslegt.94 In abgewandelter Form begegnet das gleiche Deutemodell bei J.Alfred Morin. Er versteht nach manchen Vorgängern 9S den Zusatz "der ihn auch überlieferte" in Mk 3,19 als wörtliche Übersetzung des Namens Iskariot. Dafür muß man auf die Wurzel sagar/sakar = "ausliefern" zurückgreifen. Das Hifil davon übersetzt die LXX mit napa8töOvat. Noch näher führen aramäische Belege an die Form Iskariot heran. Der Zuname heißt soviel wie "il-devait-le-livrer", was mit 6 Kai napt8roKEV aU't6v für des Aramäischen nicht mächtige Leser ganz korrekt wiedergegeben ist. 96 Diese zuletzt genannte These dürfte diejenige sein, die neben der geographischen Herleitung am meisten Beachtung verdient. Manche Bedenken bleiben aber. Der Zuname müßte unmittelbar nach Ostern gebildet worden sein und sich in seiner aramäischen Form sehr rasch festgesetzt haben. Das stellt uns vor die historischen Fragen nach Inhalt und Bewertung der Tat des Judas. Die These von der Entstehung des Zunamens Iskariot nach begangener Tat und d. h. zugleich nach Ostern würde sich eher aufdrängen, wenn auch Judas erst eine nach österliche oder gar eine erfundene Gestalt wäre, was die Vertreter dieser Ableitung (wie William Benjamin Smith) teils auch annehmen, mehrheitlich aber, wenn ich richtig sehe, nicht. Die verschiedenen Überlegungen greifen ineinander. Wenn wir an Judas als vorösterlichem J esusjünger festhalten, erscheint die Erklärung seines Namens als "Mann aus Kerijot" die plausibelste Lösung zu sein. 92 VgL C. C. Torrey, Name 58-62; ders., Studies in the Aramaie of the First Century A.D., in: ZAW 65 (1953) 228-247, hier 246f. • 3 "Denn nicht mein Feind schmäht mich, das wollte ich tragen; nicht mein Hasser tut groß wider mich, vor ihm wollte ich mich bergen. Nein, du, ein Mensch meinesgleichen, die wir zusammen süßer Gemeinschaft pflogen, zum Haus Gottes wallten im lauten Gedränge." 9. Vgl. B. Gärtner, Termini 4lf.60-67; aufgenommen von M. Limbeck, Judasbild 47-49. 95 Für die Wahl des Grundwortes vgl. WB. Smith (s. Anm. 46); für die Überlegung, ob nicht der erläuternde Zusatz in Mk 3, 19fin in Wahrheit eine Übersetzung sei, vgl. E. Hirsch, Frühgeschichte des Evangeliums. I: Das Werden des Markusevangeliums, Tübingen 1941, 21: "Was heißt hier das Kai? ... der Mann hat getan, was sein Name besagt" (operiert dann aber doch mit der Ableitung von sicarius). 96 J. A. Morin, Les deux 353-355.
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d) napaBtö6vCLL In den drei synoptischen Fassungen schließt die Zwölferliste mit einem erläuternden Zusatz, der sich auf Judas bezieht: Mt 10,4: 6 Kat napaBou~ a\Yt6v
Mk 3,19: ö~ Kat napeBroKEv a\Yt6v
Lk 6,16: EyevE'to
ö~
npoö6'tT]~
Am eindeutigsten ist die Aussage bei Lukas, der die im Neuen Testament seltene Vokabelnpoö6'tT]~ verwendet (nur noch Apg 7,52; 2 Tim 3,4). npoö6'tT]~ bedeutet "Verräter". Darin steckt eine klare Wertung der Judastat durch Lukas. Anders Markus und Matthäus. Sie gebrauchen das - im zweiten Bestandteil mit npoö6'tT]~ wurzelverwandte - Wort napaBtö6vat (119 Belege im Neuen Testament, davon 68 bei den Synoptikern). Zu den breitgestreuten Bedeutungen von napaBtB6vat gehören "übergeben", "aushändigen", "überliefern", "dahingeben". Die Konnotation "verraten", von der christlichen Tradition mit der Vokabel, bezogen auf Judas, sofort assoziiert, zählt eigentlich nur sehr am Rande zum Wortfeld hinzu. 97 Einen festen Haftpunkt hat napaBtB6vCLL in der Prozeß- und Gerichtssprache, was auch synoptische Texte außerhalb der Passionsüberlieferung erkennen lassen, z. B. Mk 13,9: "Sie werden euch den Synhedrien ausliefern"; Mt 5,25: "Sei gegenüber deinem Widersacher willfährig, sofort, solange du noch mit ihm auf dem Wege bist, damit dich der Widersacher nicht dem Richter übergibt und der Richter dem Gerichtsdiener und du ins Gefängnis geworfen wirst"; Mt 18,34 (im Gleichnis vom Schalksknecht) : "Und sein Herr wurde zornig und übergab ihn den Folterknechten, bis er die ganze Schuld bezahlt habe" (vgl. Apg 8,3; 28,161). . In den Dahingabeformeln der Briefliteratur ist davon die Rede, daß Jesus sich für uns dahingegeben hat (GaI2, 20), daß Gott ihn dahingegeben hat (Röm 8,32) oder daß er dahingegeben wurde (Röm 4,25), nämlich von Gott, der als logisches Subjekt des theologischen .7 Vgl. die Einträge bei Liddell-Scott 1308 s. v. 12; Passow II/1679 s. v. 2. Dazu w: Popkes, Christus traditus. Eine Untersuchung zum Begriff der Dahingabe im Neuen Testament (AThANT 49), Zürich 1967, 90-93: Die Bedeutung "verraten" wird auch im Klassischen erst vom Kontext her nahegelegt. Führend sind dabei die Momente "ausliefern" und "treu1os handeln", nicht aber "ein Geheimnis verraten". Gegen K. Barth, KD III2 535, ist es doch nur ein sprachlicher Zufall, daß napaot06vat auch für die Weitergabe von mündlichen Traditionen verwendet wird (1 Kor 11,23a; 15,3). Zur Kritik an seiner weitreichenden Konstruktion vgl. Popkes ebd. 240f Anm. 670; K. Lüthi, Geschichte 169-175.
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Passivs fungiert. Von hier aus verlaufen Querverbindungen zu den synoptischen Passionssummarien, die ebenfalls im Passiv gehalten sind (Mk 9,31; 1O,33b: "Und der Menschensohn wird den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten übergeben werden"). Daneben ist schon im dritten Passionssummarium Mk IO,33d par Mt 20,I9a ("und sie werden ihn den Heiden übergeben") und zunehmend in der Passionserzählung selbst 98 ein mehr prozeßtechnischer Sprachgebrauch zu beobachten, demzufolge Menschen die Subjektrolle bei der Auslieferung Jesu übernehmen. Sie übergeben ihn in die Hände der Behörden. Von diesem raschen Durchblick, der auf weitere traditionsgeschichtliche Differenzierungen verzichten muß, fällt bereits Licht auf die Verwendung von napa8t86vat für die Judastat. Es wird bei den Synoptikern über Judas "nie unter Absehung von seiner Tat gesprochen; Judas und sein Übergeben gehören eo ipso zusammen" 99. Das beginnt, wie oben gezeigt, beim ersten Auftauchen seines Namens in der Zwölferliste und hält sich in der Passionsgeschichte durch, und zwar so sehr, daß Judas einfach als 6 napa8t80\)~, der Auslieferer, unter Weglassung seines Eigennamens auftritt. 10o Wir können daraus (l) einen mehr historischen und (2) einen mehr theologischen Schluß ziehen: (1) Die Texte sehen das Tun des Judas als ein "Ausliefern" oder "Übergeben". Der Ausdruck "Verrat" ist eher geeignet, diesen Sachverhalt zu verstellen. Es handelt sich zunächst gewiß nur um ein Textphänomen, das es aber unbedingt zu respektieren gilt, wenn man überhaupt nach Ereignissen hinter den Texten zurückfragen will. (2) Ein theologisches Paradox ergibt sich daraus, daß die gleiche Tätigkeit des Übergebens einmal von Gott, der seinen Sohn dahingibt, oder von J esus, der sich selbst dahingibt, ausgesagt wird, zum andern aber von Judas und, weniger ausgeprägt, von anderen Menschen (Hoherpriester, Pilatus). Das dürfte so, wie es uns jetzt bei Markus entgegentritt, Ergebnis einer bewußten Reflexion sein. In sie sirid verschiedene Strömungen der sich einer einlinigen Herleitung widersetzenden napa8t86vat- Thematik eingegangen. Der Theologe im Evangelisten erkennt, daß sich und wie sich im gottMk 15,1.10.15 par Mt 27,2.18.26; Lk 23,25. W. Popkes, Christus (s. Anm. 97) 175. 100 Vgl. Mk 14,42.44 par Mt 26,46.48. Außerdem noch Mk 14,10-11 parr Mt 26,15-16; Lk 22,4.6; Mk 14,18.21 parr Mt 26,21(.23).24; Lk 22,21-22. Im Sondergut und in redaktionellen Erweiterungen Mt 26,25; 27,3-4; Lk 22,48. 98
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feindlichen Handeln von Menschen doch Gottes Pläne zur Rettung der Menschheit durchsetzen. Judas stellt in dieser Hinsicht einen besonders exemplarischen Fall dar. Diese Paradoxie, die seinem dialektischen Ansatz verständlicherweise sehr entgegenkommt, hat niemand schärfer gesehen und ausformuliert als Karl Barth, wenn er schreibt: "Der ganze Sinn des Apostolates, der Erwählung der zwölf Apostel, hängt daran, daß das geschieht. Und eben dieser im Rate Gottes als notwendig beschlossenen Überlieferung besonderer Faktor und Exponent ist der Apostel Judas Ischarioth ... Judas tut mit dem, was er will und vollbringt, was Gott getan haben will. Schon er und nicht der Pilatus ist der executor Novi Testamenti. Er ist mit seiner schnöden Preisgabe Jesu an dessen Feinde doch auch der Vollstrecker der Preisgabe, die Gott zugunsten des ihm feindseligen Menschen und so auch zu seinen Gunsten zu vollziehen beschlossen hat und die zu vollziehen er jetzt in Begriff steht." 101
Zu den ältesten napaot86vat-Stellen gehört der Beginn der Abendmahlsüberlieferung in 1 Kor 1l,23b: "In der Nacht, in welcher er ausgeliefert wurde (nape8i8e'to)." Wer liefert Jesus aus? Gott selbst (passivum divinum)? Judas? Beide zusammen? Die Diskussion in der Forschung wird kontrovers geführt 102; durchzusetzen scheint sich mehr und mehr die Ansicht, daß nur das heilsgeschichtliche Handeln Gottes in dem nape8i8e'to eingefangen sei!03. Zuzugeben ist, daß für Paulus, den Rezipienten des Traditionsstücks, die Gestalt des Judas nicht im Vordergrund steht. 104 Das bedeutet aber nicht, daß eine solche Reminiszenz nicht an der vorpaulinischen Einheit mit ihrem dezidierten Rückbezug auf die letzte Nacht vor Jesu Sterben haften könnte. Und es findet sich vielleicht im Kontext bei Paulus ein Moment dafür, daß er in dem nape8i8e'to auch menschliches Tun mitgehört hat. Die Korinther versündigen sich durch ihr leichtfertiges Verhalten gegen den Sinn der Stiftung des Herrn, sie werden schuldig an seinem Leib und Blut (1 Kor 11,27), so wie in der Nacht der Dahingabe Menschen, unter ihnen namentlich Judas, schuldig geworden sind an Jesus. 105 Wenn das zutrifft, gewinnt das Urteil an Stringenz: "Die ältesten n(apa8t86vat)-Stellen sind ... historisch K. Barth, KD II/2 511.558. Vg!. W. Popkes, Christus (s. Anm. 97) 205-211. 103 Vg!. W. Vogler, Judas 3lf. 104 So C. Wolff, I Kor (s. Anm. 78) 84. 105 Vg!. H. J. Klauck, Herrenmahl und hellenistischer Kult. Eine religionsgeschichtliche Untersuchung zum ersten Korintherbrief (NTA NF 15), 2. Auf!., Münster 1986, 304. 101
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wie überlieferungs geschichtlich mit der Nacht des Letzten Mahls verbunden. Auslieferung durch Judas wäre dann Urdatum des n(apaotöOvat). "106
§ 9 Judas als Überläujer 07 (Mk 14,10-11 parr Mt 26,14-16; Lk 22,3-6)
a) Frontwechsel (Markus) Markus leitet in 14,1-11 seine Passionsgeschichte mit Hilfe einer kunstvollen Komposition ein, die er durch Verschachtelung und redaktionelle Ausgestaltung von zwei Überlieferungseinheiten geschaffen hat. Die eine ist die apophthegmatische Erzählung von der Salbung in Bethanien, die andere eine Notiz über die Kontaktaufnahme des Judas mit den Gegnern Jesu. Judas tritt erst in V. 10 auf den Plan, wo Markus ihn redaktionell in Rückbindung an 3,13-19 und im Vorgriff auf 14,43 als "der eine von den Zwölfen" vorstellt, als den einen von den Zwölfen, der zu einer solchen Tat fähig war (der Versuch, "der eine" als "der erste" zu interpretieren und daraus abzuleiten, Judas sei in Wirklichkeit der princeps apostolorum gewesen, der Erste in der Zeitfolge und/oder Rangfolge, ehe ihm Petrus und andere diese Position streitig machten, blieb nur eine Episode innerhalb der Auslegungsgeschichte I08 ). Durch das redaktionelle Arrangement entsteht ein starker Kontrast zwischen der Salbungsgeschichte Mk 14,3-9 und dem rahmenden Bericht Mk 14,1-2.10-11. Die Salbungserzählung zeigtJesus im W. Popkes, EWNT III 45. Zum folgenden vgl. durchgehend neben den Synoptiker kommentaren die Monographien zur Passionserzählung: E. Linnemann, Studien zur Passionsgeschichte (FRLANT 102), Göttingen 1970; L. Schenke, Studien zur Passionsgeschichte des Markus. Tradition und Redaktion in Mk 14,1-42 (FzB 4), Würzburg 1971; G. Schneider, Die Passion Jesu nach den drei älteren Evangelien (BiH 11), München 1973; D. Dormeyer, Die Passion Jesu als Verhaltensmodell. Literarische und theologische Analyse der Traditions- und Redaktionsgeschichte der Markuspassion (NTA NF 11), Münster 1974; W. Schenk, Der Passionsbericht nach Markus. Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der Passionstraditionen, Gütersloh 1974, 185-189.206-215; D. P. Senior, The Passion Narrative According to Matthew. A Redactional Study (BEThL 39), Löwen 1975; T. A. Mohr, Markus- und Johannespassion. Redaktions- und traditionsgeschichtliche Untersuchung der Markinischen und Johanneischen Passionstradition (AThANT 70), Zürich 1982. 108 Vgl. die Auseinandersetzung zwischen A. Wright, Judas/Primacy; A. T. Robertson, Primacy; J. R. Harris, Primacy (spricht von älteren Zwölferlisten mit Judas an dritter oder sechster Stelle); dazu J. G. Tasker, DCG I 908; R. B. Ha/as, Judas 50-52. 106
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Kreis von Freunden, die Rahmenverse lassen uns einen Blick in die verschwörerische Runde seiner Feinde tun. Judas "ging weg zu den Hohenpriestern", heißt es in V. 10. Im Kontext symbolisiert das sein Sich-Distanzieren von der Jüngerschar um Jesus. Als negatives Pendant zu der Frau, die Jesus für das Begräbnis salbt, schlägt er sich auf die andere Seite und leiht dem Vorhaben, Jesus zu töten, seine Hand. Zugleich hat Markus V. 10f und V. 1 f aufeinander abgestimmt. Die Hohenpriester und Schriftgelehrten suchen nach einer Möglichkeit, Jesus zu ergreifen (i:~T]'tO\)V V. 1). Judas nimmt ihnen dieses Suchen ab und macht es. zu seiner eigenen Angelegenheit (i:~T]'t!;t V. 11). Die jüdischen Autoritäten sagen sich: nur nicht während des Festes (V. 2), Judas sucht nach einem günstigen Zeitpunkt (V. 11). Jene beschließen schon vorher, List anzuwenden (V. 1); dem fügt sich das geplante Vorgehen und das Geldangebot in V. 11 ein. Bei Markus folgt das Versprechen einer Belohnung erst auf die Bereitschaftserklärung, die von Judas kommt. Es ist also nicht deren Voraussetzung, sondern eine Reaktion darauf. Aus dem Text entsteht somit nicht der Eindruck, als sei Geldgier das treibende Motiv für Judas gewesen. Andererseits bleibt die Belohnung in ihrer Höhe unspezifiziert. Der Leser kann sie sich beliebig groß vorstellen. Aus der Gesamtabfolge von: Angebot zur Mithilfe durch Judas - Versprechen einer Belohnung durch die jüdischen Autoritäten - Suche nach einer passenden Gelegenheit durch Judas, ergibt sich dann doch ein Bild, das nahe an einen Menschenhandel heranreicht. Aber es bleibt angesichts der Nichterwähnung einer anfänglichen Motivation festzuhalten, daß Markus die Episode primär auf die beginnende Erfüllung der Passionssummarien abstellt. Am Schluß von V. 10 und V. 11 klingt jeweils leitmotivisch wieder das napaöt06vat auf. Der Verzicht auf Psychologisierung läßt die Beweggründe des Judas im Dunkel, leuchtet dafür aber "den theologischen Hintergrund seiner Handlung" um so heller aus und gibt zu verstehen, "daß die wirklichen Aktivitäten bei einem anderen, nämlich bei Gott liegen" 109.
109 J. Gnilka, Das Evangelium nach Markus II (EKK III2), Zürich-Neukirchen 1979, 229.
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b) Dreißig Silberlinge (Matthäus) Bei Matthäus ergreift Judas in 26, 15 das Wort und fragt die Hohenpriester direkt: "Was wollt ihr mir geben, und ich werde ihn euch ausliefern?" Erst hier wird das Motiv der Habgier als Grund für die Auslieferung unzweideutig formuliert. Matthäus hat das recht geschickt vorbereitet. Er läßt anders als Markus 14,4 nicht "einige (beliebige)" gegen die Verschwendung murren, die mit der kostbaren Salbe getrieben wird, sondern viel präziser "Jünger". Unter den Murrenden befindet sich, so will diese Änderung suggerieren, Judas. Aus tiefem Ärger über das Geschehen bei der Salbung heraus macht er sich auf den Weg zu den Hohenpriestern und sucht sich durch die Einkünfte, die er von ihnen erwartet, schadlos zu halten. no Die Reaktion der Hohenpriester beschreibt Mt 26, 15fin so: "Sie gaben ihm (ecr'tT]crav) dreißig Silberstücke." Hier gewinnt icr'tT]~t eine ganz eigentümliche Färbung. Anbieten, versprechen, aber auch zuwiegen, aufzählen, so lauten verschiedene Übersetzungsvorschläge. Matthäus zitiert aus Sach 11,12, wo die LXX liest: Kai eO"'tTJcrav 'tov ~tcr-96v ~06 'tPUl.Kov'ta apyupou~. Karl Elliger übersetzt nach der Masora: "Und sie wogen mir meinen Lohn dar, dreißig Silberlinge." 111 Den zeitgeschichtlichen Hintergrund für die prophetische Zeichenhandlung bildet der Vollzug des Schismas zwischen Jerusalem und Samaria. "Sie", das sind bei Sacharja die Schafhändler, im Klartext Vertreter der Oberschicht, die auf den endgültigen Bruch hinsteuern. Seinen zustehenden Lohn verlangt der Prophet in der Rolle des guten Hirten, der enttäuscht seinen Dienst quittiert. "Sie" versagen auch in dieser letzten Prüfung und beweisen ihre Unfähigkeit, wenn sie ihm nur lächerliche dreißig Silberlinge geben, so viel wie nach Ex 21,32 ein fremder Sklave wert ist 112. Die verschiedenen Umrechnungsversuche in heutige Währung allerdings sind nicht nur äußerst schwierig durchzuführen (soll man von bescheidenen 30 Mark ausgehen!13 oder auf der Basis der
R. H. Gundry, Matthew. A Commentary on His Literary and Theological Art, Grand Rapids 1982,519, überschreibt die Perikope: ,,Judas's Bargain to Betray Jesus as a Result of Jesus' Defending the Large Expenditure for His Anointing." 111 K. Eiliger, Das Buch der zwölf Kleinen Propheten 11 (ATD 25), 7. Aufl., Göttingen 1975, 160. 112 Vgl. R. Follet, Constituerunt 98 f, der eine sumerische Redewendung beibringt. Zur Zeit Jesu seien diese dreißig Silberlinge, so U. Holzmeister, Iudas 69 f, noch weniger als ein Sklavenpreis gewesen. 113 G. Baumbach, Judas 95. 110
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Gleichung 30 Silberlinge = 120 Denare = der Verdienst von ebenso vielen Arbeitstagen von stattlichen vier Monatslöhnen oder, wie auch gesagt wird, von einem ganzen Jahreseinkommen?), sie erscheinen angesichts der klaren Erzählintention auch unnötig und eher verwirrend. Es ist ein Spottgeld, für das Jesus verschachert wird, das wollen die dreißig Silberlinge besagen. Im Verlauf der Wirkungs geschichte der Texte haben gerade die dreißig Silberlinge unsterblichen Ruhm erlangt. Sie werden mit einer ausgedehnten Vorgeschichte und Nachgeschichte versehen. Abrahams Vater prägte sie für den Assyrerkönig. Sie nehmen einen verschlungenen Weg durch die biblische Geschichte. Nach mittelalterlichen Pilgerberichten verehrt man sie an verschiedenen Orten einzeln als Reliquien. 114 In der Einleitung haben wir ihre metaphorische Verwendung in einem Roman der Gegenwart kennengelernt. Gewonnen aber hat sie erst die matthäische Sonderüberlieferung aus einem nicht unproblematischen Umgang mit einer Zeichenhandlung im Sacharjabuch. Die bei Matthäus vollzogene Textrezeption setzt eine messianische und martyrologische Deutung der Hirtengestalt aus Sach 11 voraus 115 , die vermutlich von Sach 9,9 (vgl. Mt 21,5) und Sach 12,10 beeinflußt wurde, behält die Negativrolle der Führer bei und muß für Judas als Zuträger neuen Raum schaffen. Judas übernimmt partiell die Rolle des Propheten. Ob das dem Redaktor bewußt war und ob er es dahingehend auswerten will, daß Judas anstelle des Propheten, unwissend und wider eigenes Wollen, einen göttlichen Auftrag ausführt? Die Annahme erscheint um eine Spur zu kühn. Sicher signifikant hingegen ist die Beobachtung, daß Matthäus gegen die LXX (apyupoü~) und gegen Markus (apyupLOv) den Plural apyupLa, Silberstücke hat. Der Leser erlebt förmlich mit, wie dem Judas jedes dieser dreißig Geldstücke einzeln auf die Hand gezählt wird. 116 Eine an sich denkbare Anlehnung an Gen 37,28, wo die Brüder auf Anraten des Juda (37,26f) Josef für zwanzig Silberstücke an die Ismaeliter verkaufen, muß gegenüber der klaren Bezugnahme auf
Vgl. H. Leclercq, DACL VIII! I 278; P. Lehmann, Judas 294f; M. F. Mely, Deniers; G. F. Hill, Pieces. 115 Vgl. K. Eiliger, Sach (s. Anm. Ill) 165: "Der Hirt, der nach dem klaren Wortlaut des Textes die Geduld verliert und in voller Freiheit den Vertrag kündigt, auch souverän auf den Lohn verzichten kann, ist zum Märtyrer geworden." 116 D. P. Senior, Passion Narrative (s. Anm. 107) 47: "it denotes more accurately and vividly the ,counting out' of the individual pieces of silver to Judas as his pay for betraying the Messiah." 114
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Sacharja wohl zurückstehen. Die LXX hat an der Stelle nicht apyuptCl, sondern xpucrrov.
c) Besessen vom Satan (Lukas)
Am breitesten hat Lukas in 22,3-6 die Szene ausgestaltet. Die Annahme einer Sonderquelle der lukanischen Passionserzählung erweist sich für die Judasstoffe nicht als notwendig 1l7 , sie greift erst für Apg 1,15-26. Lukas streicht aus seiner Markusvorlage die Salbungsgeschichte (vgl. dafür Lk 7,36-50) und schafft eine neue Verbindung zwischen der allgemeinen Einleitung in 22, 1-2 (par Mk 14,1-2) und dem Auftreten des Judas. Sie stellt zugleich den auffälligsten Zug seiner Version dar: "Der Satan ging in Judas, der Iskariot genannt wird und einer aus der Zahl der Zwölf war, ein" (22,3). Daß Lukas Iskariot als Beinamen kenntlich macht und mit nahezu ungläubiger Entrüstung seine Zugehörigkeit zum Zwölferkreis unterstreicht, gehört mehr zu den ausschmückenden Details. Eine wesentliche Neuerung bringt die Erklärung der Tat des Judas als Werk des Satans ein. Der Satan macht den Menschen Judas zu seinem Werkzeug, allerdings nicht zu seinem willenlosen Werkzeug, wie es im Fall von dämonischer Besessenheit zuträfe. Judas bleibt für sein Handeln verantwortlich und wird von Lukas dabei behaftet (vgl. ähnlich Apg 5,3). Jede Entlastungsfunktion entfällt. Im Makrotext des Evangeliums greift Lukas mit 22,3 auf 4, 13 zurück: "Und nachdem der Teufel jegliche Versuchung beendet hatte, ließ er von ihm (Jesus) ab bis zum rechten Zeitpunkt (KCltp6<;;)." Der Kairos ist jetzt gekommen (vgl. 22,53), der Satan nimmt seine Aktivitäten wieder auf (ganz hat er sie nie eingestellt, wie die Exorzismen im Evangelium zeigen, aber Jesus blieb von seinen Attacken unbehelligt). Es finden jedoch keine neuen Versuchungen mehr statt. In der lukanischen Passionserzählung steht der Protagonist nie wirklich in Versuchung, ungehorsam zu werden. Er geht ergeben ins Leiden. Das Operieren mit Versuchungen hat sich als ungeeignete Taktik erwiesen. Satan bedient sich jetzt der Menschen, um Jesus direkt zu vernichten. H8 Im übrigen malt Lukas das Beratschlagen und Planen der Feinde 117 Anders F. Rehkopf, Die 1ukanische Sonderquelle. Ihr Umfang und Sprachgebrauch (WUNT 5), Tübingen 1959. 118 In dieser Richtung müssen die Beobachtungen von H. Conzelmann, Die Mitte der Zeit. Studien zur Theologie des Lukas (BHTh 17), 5. Aufl., Tübingen 1964,22.146.186, modifiziert werden.
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Jesu stärker aus ("er beriet mit ihnen" V. 4; "er stimmte zu" V. 6). Als Verhandlungspartner des Judas führt er neben den Hohenpriestern noch "Strategen" ein, die sich der Leser wohl als Hauptleute der Tempelpolizei denken soll.119 Sie werden für die Durchführung der Verhaftung gebraucht. Der Zusatz am Ende der Perikope "abseits vom Volk" unterstreicht noch einmal die Befürchtungen der Behörden, die sie zu einer solchen Nacht- und Nebelaktion zwingen. Es könnte damit aber auch die spezifisch lukanische Absicht verbunden sein, zu differenzieren zwischen dem irregeleiteten Volk und seinen verbrecherischen Führern. 12o Letztere sind bei Lukas ein hoffnungsloser Fall, sie gehören mit Judas zusammen in die gleiche Kategorie der Verlorenen. d) Historische Fragen "Seit hundertfünfzig Jahren stellt man historische Erwägungen darüber an, warum Judas seinen Meister verraten habe. Daß die Hauptfrage für die Geschichte aber die ist, was er denn verraten habe, ahnten wenige", so Albert Schweitzer in seinem genialen Abriß der Leben-Jesu-ForschungJ21 Die historischen Fragen, die bei den besprochenen Texten einsetzen, gehen in der Tat in zwei Richtungen: Was hat Judas "verraten", und warum hat er es getan? Wenn man überhaupt an der Geschichtlichkeit der Judasgestalt festhalten will, kann man solchen Fragen nicht ausweichen, nur muß man sie richtig formulieren, damit nicht im Ansatz schon falsche Ergebnisse präjudiziert werden. Falsch gestellt ist trotz Schweitzer insbesondere die Frage: Was hat Judas eigentlich "verraten"? Man sucht dann sogleich nach bestimmten Inhalten und verfällt z. B. auf das Messiasgeheimnis 12i, das Judas preisgegeben habe, oder auf das unerhörte Geschehen beim Abendmahl, das er ausplauderte 123 . Die Texte spreBilL II 631; J. A. Fitzmyer. Lk (s. Anm. 69) 1375. VgL H. Conzelmann, Mitte (s. Anm. 118) 136. 121 A. Schweitzer, Geschichte der Leben-Jesu-Forschung (2. AufL 1913) (Siebenstern Taschenbuch 77-80), 2. Aufl., Hamburg 1972,448. 122 A. Schweitzer, ebd. 449: "Der Verrat des Judas kann nicht darin bestanden haben, daß er den Gegnern den zur Verhaftung geeigneten Aufenthalt Jesu angab. Das konnten sie billiger haben, indem sie ihn durch Späher beobachten ließen ... Das Entscheidende ist aber die Preisgabe des Messianitätsgeheimnisses. Jesus starb, weil zwei seiner Jünger das Schweigegebot gebrochen hatten: Petrus, der das Messianitätsgeheimnis den Zwölfen zu Cäsarea Philippi kundtat; Judas Iskarioth, der es dem Hohenpriester zu wissen gab ... Man versteht den Verrat und die Verhandlung nur, wenn man sich klar ist, daß die Öffentlichkeit nichts vom Messianitätsgeheimnis ahnte." 123 H. Preisker, Verrat 154. 119
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ehen viel präziser von einem "Ausliefern" und bieten dafür auch eine Motivation, die so unplausibel, wie oft behauptet, gar nicht ist. Die Behörden wollen jedes Aufsehen vermeiden und Jesus zu einer Zeit und an einem Ort habhaft werden, wo die ganze Aktion unauffällig vor sich geht. Hinweise aus dem innersten Kreis um Jesus konnten sich für diesen Zweck als sehr hilfreich erweisen. 124 Damit ist noch nicht gesagt, daß dieses in sich stimmige Bild schon den historischen Sachverhalt richtig wiedergibt. Aber es sieht alles danach aus, als ob wir sehr viel weiter nicht mehr zurückgelangen können. Eine minimalistische Sicht der geschichtlichen Vorgaben hat neuerdings Werner Vogler eingebracht. Der sogenannte Judasverrat war nur ein Treuebruch, den aber nach Judas auch alle übrigen Jesusjünger bis hin zu Petrus begangen haben, wenn sie in der Passion Jesus nach und nach verlassen. Judas hatte nur das Pech, daß er der erste in der Reihe war. Das hat ihm in der späteren Tradition seinen schlechten Ruf eingetragen. 12S Hier wird man doch Fragezeichen anbringen. 126 Der Tat des Judas haftet etwas Exzeptionelles an, das man mit dem Versagen der anderen Jünger nicht einfach verrechnen kann: Schon terminologisch besteht ein Unterschied zwischen dem "Verleugnen" des Petrus und dem "Übergeben" des Judas. Wenn die spätere Überlieferung Judas durch Selbstmord enden sieht und Petrus umkehren läßt, sollte dahinter doch mehr stecken als die zeitliche Zufälligkeit, daß der eine der erste und der andere der letzte "Verräter" Jesu war. Der Erzählung von seinem Freitod dürfte, so viel sei vorausgreifend gesagt, zumindest doch dies zu entnehmen sein, daß Judas nicht wieder in den Kreis der Jesusjünger zurückkehrte. Er hat einen grundsätzlichen Bruch mit seiner Vergangenheit vollzogen. Wir wollen als historischen Kern der legendarischen Judasüberlieferung im Neuen Testament dies festhalten: Judas hat sich von Jesus abgewandt, äußerlich wie innerlich, und bei den Ereignissen um die Verhaftung Jesu in irgend einer Weise eine unrühmliche Rolle gespielt. Was er getan hat, unterscheidet sich qualitativ von dem Davonlaufen und -Versagen der übrigen Jesusjünger in der Passion.
Für im wesentlichen historisch zutreffend halten das z. B. W. Wrede, Judas 132, und M. Dibelius, Judas 276f. 12> W. Vogler, Judas 35 f. 12. Vgl. auch die Kritik in diesem Punkt von G. Strecker, ThLZ 110 (1985) 814-816, hier 815. 124
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Noch tiefer ins Dunkel geraten wir, wenn wir nach den Motiven fragen, die ihn zu seiner Tat bewegten,127 Hier scheint endgültig die Phantasie gefragt, die sich denn auch mit romanhaften Erfindungen nicht schwer tut. 128 Die Texte lassen uns weithin im Stich. Schon das älteste faßbare Motiv, die Bestechung, besagt nicht viel, da es bei Markus noch gar nicht recht deutlich wird und da sich außerdem kaum jemand bestechen läßt, dem nicht zuvor schon Zweifel an der eigenen Sache gekommen sind. Geiz und Habgier als treibende Beweggründe gehören zur legendarischen Einschwärzung des Judasbildes. Ebenso ist auszuschließen, daß er von Anfang an ein Heuchler, ein versteckter Betrüger oder gar ein verkappter Spitzel des Hohenrates 129 gewesen sei. Unabhängig von allem, was er geworden sein mag, war er zunächst einmal dies: ein Jünger des Herrn, wie die anderen ein treuer und loyaler Weggefährte Jesu. Am wenigsten spekulativ erscheint immer noch jene Erklärung, die seine innere Wandlung auf eine tiefe Enttäuschung vorgefaßter messianischer Erwartungen zurückführt. Diese Enttäuschung mußte um so akuter werden,je mehr sich die Dinge in Jerusalem zuspitzten, je unverkennbarer alles auf die Katastrophe zusteuerte und je weniger Hoffnung auf ein machtvolles Anbrechen des messianischen Reiches bestand. § 10 Die Ansage der Auslieferung (Mk 14,17-21 parr Mt 26,20-25; Lk 22,21-23)
a) Das Entsetzen der Jünger (Markus) Der Name des Judas kommt bei Markus in der ganzen Perikope 14,17-21 nicht vor. Dennoch ist durch die Kontextverbindungen, die namentlich über "einer der Zwölr' bzw. "mit den Zwölfen" in V.17.20 (vgl. 14,10.43) und über napao\.ö6vat in V.18.21 (vgl. 14,10.11.41.42.44) verlaufen, klargestellt, daß sie von ihm handelt. Die jetzige apophthegmatisch geprägte Erzähleinheit verdankt ihr Entstehen der Zusammenfügung von zwei selbständigen Traditions-
127 R. B. Halas, Judas 79-93, gibt einen Überblick, der in Resignation endet. Eine Phänomenologie des Verrates versucht G. Rovirosa, Traidor 132f. \28 Etwa: Judas sei wegen Maria von Magdala eifersüchtig gewesen auf J esus (Hinweise bei A. Büchner, Judas 56; J. Kometter, Judasproblem 553; M. Laros, Judas 659). 120 So E. Stauffer, Jesus. Gestalt und Geschichte (Dalp-Taschenbücher 332), Bern 1957, 86.
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stücken, nämlich (1) einer Voraussage der Treulosigkeit eines Jüngers in Anlehnung an Ps 41 und (2) einem davon unabhängigen Warn- und Wehespruch, der in V. 21 angehängt wird. Beide Überlieferungsstücke sind höchstwahrscheinlich nachösterlicher Herkunft 130, beide thematisieren schon im ersten Ansatz theologische Probleme, die man mit der Judasgestalt hatte. (1) Nach der Überleitung in V.17 umfaßt die erste Einheit V. 18-20 eine knappe Andeutung einer Mahlszene, die Ansage der Auslieferung in Form eines Amen-Wortes, die Reaktion der Jünger und eine Verstärkung der anfänglichen Aussage durch Jesus. V. 18 und V. 20 bilden eine Doppelung, so daß sich fragt, wo der ursprüngliche Überlieferungsbestand zu suchen ist, ob in V. 20 131 oder doch eher in dem Amen-Wort von V.18. Deutlich bleibt in jedem Fall die Bezugnahme auf Ps 41,10: "Ja, auch mein Freund, auf den ich vertraute, der mein Brot aß, hat sich wider mich erhoben." Psalm 41 gehört zu den Klageliedern, die von der passio justi sprechen. 132 Die Feinde haben sich schon längst gegen den Beter gewandt: Sie "reden Arges wider mich: Wann wird er sterben und sein Name vergehen?" (Ps 41,6). Noch mehr aber schmerzt es, wenn auch die letzten engen Freunde, mit denen man Tischgemeinschaft hielt, ins Lager der Gegner überschwenken. Wie eng diese Tischgemeinschaft tatsächlich war, illustriert V. 20 durch das gemeinsame Eintauchen in eine Schüssel, was auch dann gewahrt bleibt, wenn man das EV aus B C* nicht in den Text aufnimmt und nur Et~ 'to 'tPUßALOV liest. Für das Pro und Contra um den Paschacharakter des Abendmahls kann man daraus so gut wie nichts entnehmen. 133 Schon die Frage danach geht mit ihrer historisierenden Ausrichtung an der erzählerischen Intention des Textes vorbei. Die Geste des Eintunkens schafft eine Atmosphäre der Vertrautheit und gibt ein Zeichen liebender Nähe (vgl. Rut 2,14). 130 Das gesteht für V. 18 und V. 21 selbst R. Peseh, Das Markusevangelium II (HThK III2), Freiburg 1977, 352, zu. Er hält lediglich die Möglichkeit offen, ob V. 20 nicht einen Restbestand an authentischem Gut bietet. 131 D. Dormeyer, Passion (s. Anm. 107) 95-99, rekonstruiert die Vorlage so: V. 18ab.19.20, ersetzt aber in V. 20 "einer der Zwölf", das den Situationsbezug empfindlich stört, durch "einer von euch". Die erste Anspielung auf Ps 41 in V. 18cweist er Markus zu. Die Doppelung ist damit noch nicht aufgelöst. 132 Vgl. auch Ps 55,13-15 (s. Anm. 93). 133 Darum bemüht sich J. Jeremias, Die Abendmahlsworte Jesu, 4. Aufl., Göttingen 1967, 64f. Ebd. bemerkt er aus Anlaß des Einzelbechers oder Gemeinschaftsbechers, wo sich die gleiche Frage wiederholt, phantasievoll, im überfüllten Jerusalem der Paschazeit habe es gar nicht genug Geschirr für alle Festpilger gegeben.
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Das gleiche Psalmwort zitiert auch der verfolgte und bedrängte Beter in den Lobliedern aus Qumran: "Auch die, die mein Brot aßen, haben die Ferse gegen mich erhoben. Und es redeten Übles wider mich mit frevelhafter Lippe alle, die meinem Kreise verbunden waren. Und die Menschen meines Anhangs waren störrisch und murrten ringsum."134
Das Schändliche der Judastat erfährt von der Schrift her eine nachdrückliche Ausmalung. Daß Jesus sie im voraus ankündigt, dient einem apologetischen Zweck: Er ist mit vollem Wissen und aus freien Stücken in den Tod gegangen 135 und nicht etwa von finsteren Machenschaften gegen ihn überrascht worden. Ihm konnte auch nicht verborgen bleiben, was im Herzen eines seiner Jünger vor sich ging. Die Reaktion der Jünger in V. 19 schließlich fügt sich vorzüglich in das markinische Jüngerbild ein. €Ir; KU'ta €Ir;, einer nach dem andem, jeder reihum stellen sie die bestürzte und erschrockene Frage: I1TJ'tt Eyffi, doch nicht etwa ich? 136 Sie beinhaltet völlige Ungewißheit über die eigene Lage. Potentiell könnte jeder der Zwölf zum Verräter werden. Engste Gemeinschaft mit Jesus, die im Kontext ihren Höhepunkt findet im anschließenden Abendmahl, schützt nicht vor Abfall und Verrat. Hier zeichnet sich zum ersten Mal im Markusevangelium so etwas wie eine Erkennungsszene ab. Ausnahmsweise protestieren die Jünger nicht, sondern verhalten sich, als hätten sie gespürt, daß jeder von ihnen auf seine Weise zu einem solchen Tun fähig wäre. 137 (2) V.21 ist von der Form her mit Lk 17,1 f zu vergleichen. Beide Logien sind parallel aufgebaut, in je drei Teilen:
134 1QH 5,23-25. Statt dessen zieht F. C. Fensham, Bowl 260 f, den Tischsegen aus 1QSa 2, 18-20 heran: "So darf keiner seine Hand ausstrecken nach dem Erstling des Brotes und des Mostes vor dem Priester; denn er soll den Segen sprechen über dem Erstling des Brotes und des Mostes. Und er soll zuerst seine Hand ausstrecken nach dem Brot ... " Fensham meint, Judas habe, indem er zum gleichen Zeitpunkt wie Jesus die Hand ausstreckte, eine Anmaßung begangen. "By this deed he deliberately betrayed his intention to deny the leadership to Jesus Christ, the Messiah." Unhaltbar ist daran schon der vorausliegende historisierende Zugriff auf Mk 14,20. 135 Vgl. J. Gnilka, Mk II (s. Anm. 109) 239: "Christologisch stellt die Perikope heraus, daß Jesus freiwillig in den Tod geht." 136 Anders L. Schenke, Studien (s. Anm. 107) 230f, der überhebliche Selbstgewißheit herausliest: "Ich werde ganz gewiß nicht der Betreffende sein." Dagegen T. A. Mohr, Passion (s. Anm. 107) 166: "Das Betrübtsein der Jünger schließt ein Verständnis von 111]1;t tyro; im Sinne der Selbstüberhebung aus." 137 Vgl. H. J. Klauck, Rolle (s. Anm. 57) 13.
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Mk 14,21
Lk 17, 1f
Ansage
Der Menschensohn geht dahin, wie über ihn geschrieben steht,
Es ist unmöglich, daß keine Ärgernisse kommen,
Weheru!
wehe aber jenem Menschen, durch den der Menschensohn übergeben wird.
wehe aber dem, durch den sie kommen.
Drohwort
Besser wäre es für ihn, wenn er, jener Mensch, nicht geboren wäre.
Es nützte ihm mehr, wenn ihm ein Mühlstein um den Hals gebunden und er ins tiefste Meer versenkt würde ...
Ansage und Weheruf in Mk 14,21 greifen auf das Vokabular der Passionssummarien zurück. In Mk 9,31 ("Der Menschensohn wird in die Hände der Menschen übergeben") finden wir sogar das gleiche Wortspiel mit Mensch und Menschensohn. Der Weheruf selbst hat als Gattung im Alten Testament seinen Sitz im Leben in der Totenklage und geht von dort in die prophetische Scheltrede über. Im äthiopischen Henochbuch erscheinen Weherufe in Verbindung mit dem Leidensschicksal des Gerechten unter der eschatologischen Perspektive des Endgerichts : "Wehe euch, den Sündern, weil ihr die Gerechten verfolgt, denn ihr werdet dahingegeben werden und vom Frevel verfolgt werden, und sein (Gottes) Joch wird schwer auf euch lasten." 138 In der gleichen Schrift steht auch die Drohung, die Mk 14,21fin offenkundig aus der apokalyptischen Gedankenwelt entlehnt hat: "... wenn das Licht der Gerechten und Auserwählten erscheinen wird, denen, die auf dem Festland wohnen - wo (wird dann) die Wohnung der Sünder und wo der Aufenthaltsort derer, die den Herrn der Geister verleugnet haben, sein? Es wäre für sie besser, wenn sie nicht geboren wären." 139 Anders als in der griechischen Maxime, derzufolge es besser sei, nicht geboren zu werden, wenn man aber schon geboren ist, möglichst bald zu sterben (" Wen die Götter lieben, der stirbt jung"), resultiert der entsprechende Wunsch in der Apokalyptik nicht aus Überdruß am irdischen Leben, sondern aus Furcht vor dem bevoräthHen 95,7 (Übers. S. Uhlig, JSHRZ V/6). äthHen 38,2. vgl. 4Esr 4, 12; syrBar 10,6. Uneschatologisch Sir 23, 14. Rabbinisches bei Bill. I 989f. 138
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stehenden Gericht Gottes. Erst beim Endgericht macht Gott diese proleptisch ausgesprochene Drohung wahr. Wir haben es in V. 21 mit einem weiteren frühen Versuch zu tun, das Handeln des Judas theologisch aufzuarbeiten und zu deuten. Die Dialektik des Ineinanders von göttlichem Heilsplan und menschlichem Verschulden erscheint in äußerst kondensierter Form. Es muß so sein, der Menschensohn muß leiden, weil nur so der in der Schrift niedergelegte Wille Gottes in Erfüllung geht. Dennoch soll die ganze Wucht des Gerichtshandelns Gottes den Menschen treffen, der seine Hand dazu herleiht. Keinesfalls darf man in dieses Logion ein Wissen um das schmähliche Ende des Judas eintragen, das erst in späteren Sonderüberlieferungen geschildert wird (s. u. § 18-20). Nicht um sein irdisches Geschick dreht es sich, sondern um sein endzeitliches Schicksal beim letzten Gericht. Wie es ihm dort ergehen wird, bleibt bei aller Schärfe der Drohung doch dem Urteil Gottes vorbehalten. Niemand darf ihm vorgreifen. Auch die Gemeinde, die diesen Satz formulierte, kann es und darf es nicht tun. Sie kann nicht mit letzter Sicherheit definieren wollen, was mit Judas geschieht. b) Gespielte Ahnungslosigkeit (Matthäus) Matthäus hat in 26, 20-25 die Markus-Vorlage auf die Person des Judas hin zugeschnitten und im Austausch dafür die potentielle Verratsfähigkeit aller Jünger erheblich abgeschwächt. Deshalb streicht Matthäus in V. 21 "der mit mir ißt" aus Mk 14,18 fin und in V. 23 "einer der Zwölf" aus Mk 14,20b. Im gleichen Vers ändert er das Präsens "eintauchend" in die Aoristform "eingetaucht habend", ergänzt das Objekt "die Hand" und fügt am Ende hinzu: "Dieser wird mich übergeben". Damit ist der, der Jesus ausliefern wird, aus der Sicht Jesu und des Redaktors genau bezeichnet. Es kommt nicht irgend ein beliebiger aus der Tischgemeinschaft in Frage, sondern nur jener Bestimmte, der soeben mit Jesus die Hand in die Schüssel tauchte. 140 Die Jünger geraten in V. 22 in große Verwirrung, und sie reden Jesus mit "Kyrie", Herr an. Diese hoheitsvolle Anrede, die sich an ein Gottesprädikat des AT anlehnt und einen nachösterlichen christologischen Titel durchschimmern läßt, gebrauchen bei Matthäus nur die JÜnger.I 41 Vg\. W Grundmann, Das Evangelium nach Matthäus (ThHK I), 2. Auf\., Berlin 1971, 535. 141 Vg\. D. P. Senior, Passion Narrative (s. Anm. 107) 70f. 140
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Im Anschluß an V. 24, den Matthäus fast unverändert aus Mk 14,21 übernimmt, läßt Matthäus in V. 25 Judas selbst zu Wort kommen. Judas wiederholt die Jüngerfrage aus V. 22, verwendet aber als Anrede nicht Kyrie, sondern Rabbi. Schon diese von Mt 23,7 f her negativ besetzte Anrede, die nur Judas in 26,49 erneut für Jesus gebraucht, verdeutlicht seinen inneren Abstand vom Jüngerkreis und seine Ablehnung Jesu. Außerdem müßte er nach dem Erzählverlauf bei Matthäus bereits genau wissen, daß Jesus ihn durchschaut hat und niemand anders als ihn meint. Für ihn hätte es die verhaltene Bestätigung mit "Du sagst es" in V. 25fin (vgl. Mt 26,64; 27,11) nicht mehr gebraucht. Vielleicht ist ihr Sinn eher der, daß die anderen Jünger sie vernehmen und sich ihren Reim darauf machen können. Dafür spricht auch die Doppeldeutigkeit der Antwort "Du sagst es", die man vordergründig als "Ja" und als "Nein" interpretieren kann, auch wenn aus der Innenperspektive betrachtet ihr bejahender Sinn außer Frage steht. Die Unverfrorenheit, ja die "ungeheure Frechheit", die Judas an den Tag legt, indem er es wagt, jetzt noch "den Ahnungslosen zu spielen" 142, wirft auf seinen Charakter ein äußerst ungünstiges Licht. Damit tritt bei Matthäus zur Geldgier ein weiteres erschwerendes Moment hinzu. Der Redaktor -arbeitet eifrig an der Skizze des "Verräters" weiter. c) Am Tisch des Herrn (Lukas) Lukas hat nicht nur am stärksten gekürzt, er hat vor allen Dingen der ganzen Perikope einen anderen Platz zugewiesen, nicht vor dem Abendmahl wie bei Markus und Matthäus, sondern in unmittelbarem Anschluß daran. Bei Lukas folgt, die Ursprünglichkeit des Langtextes einmal vorausgesetzt143 , auf das Wort über den Kelch in 22,20 sofort das Jesuswort in 22,21: "Doch siehe, die Hand dessen, der mich ausliefern wird, ist mit mir auf dem Tisch." Danach bringt er in V. 22 den um sein Schlußstück verkürzten und auch im Anfangsteil überarbeiteten Weheruf aus Mk 14,21. Die Jünger richten keine Frage an Jesus, sondern geraten untereinander in Disput darüber, "wer von ihnen es wohl sei, der dieses tun wolle" (V. 23). Das be142 J. Schmid, Das Evangelium nach Matthäus (RNT I), 5. Aufl., Regensburg 1965, 360. 143 Zum Problem H. Schürmann, Lk 22, 19b-20 als ursprüngliche Textüberlieferung (1951), in: ders., Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zu den synoptischen Evangelien (KBANT), Düsse1dorf 1968, 159-192; J. A. Fitzmyer, Lk (s. Anm.69) 1387f.1405 f (Lit.).
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nutzt Lukas im weiteren Verlauf als Anknüpfungspunkt für den Rangstreit der Jünger und für die kleine Abschiedsrede Jesu (Lk 22,24-38). Durch die Umstellung kommt bei Lukas ein verstärkter paränetischer Zug in das Judasbild hinein. Judas hat soeben am Abendmahl teilgenommen, doch das hat ihm nichts eingebracht, es gibt ihm keine Heilsgarantie, es verschärft im Gegenteil nur das Maß seiner Schuld. Insgesamt vermeint man einen deutlichen Gemeindehintergrund zu verspüren. Die Gemeinde feiert das Herrenmahl (vgl. "auf dem Tisch" in V. 21 mit 1 Kor 1O,21b: "Ihr könnt nicht am Tisch des Herrn teilhaben und am Tisch der Dämonen"), aber sie weiß nicht, ob sie immer treu zu Jesus stehen wird. Jeder soll sich selbst befragen und sich prüfen, wenn er am Mahl teilnimmt (vgl. 1 Kor 11,27 f), ob er die Treue bewahrt. Er muß wissen, daß die Mahlgemeinschaft Konsequenzen hat und daß Pflichten daraus erwachsen. Das sakramentale Heil wird keinesfalls automatisch gewährt, und es schützt nicht vor Glaubensabfall. Streitereien in der Gemeinde verbieten sich eigentlich vom Herrenmahl her, obwohl sie traurigerweise immer wieder vorkommen (vgl. 1 Kor 11,18). Für den Umgang des Lukas mit Judas an dieser Stelle trifft am ehesten zu, was Margreth Plath ganz allgemein schreibt: "Ein weiterer Grund, aus dem die Wertlegung auf die Judasgeschichte zu verstehen sein dürfte, ist dadurch bedingt, daß der Verräter durch seine Gegenwart das letzte feierliche Mahl Jesu mit seinen Jüngern befleckt. Der mystische Nimbus, der bald dies heilige Abendmahl umstrahlt, läßt jeden verdammungswürdig erscheinen, der, als ein Unwürdiger daran teilnehmend, sich selber zum Gericht isset und trinkt. Für seine Sünde ist der Verrat des Judas gleichsam das Prototyp: Sie ist in ihrer ganzen Abscheulichkeit in seinem Verrat sinnbildlich dargestellt." 144
§ 11 Judas beim Abendmahl?
Damit aber stoßen wir auf ein Problem, das zu allen Zeiten die Gemüter bewegte. Hat Judas am Abendmahl teilgenommen? Hat er näherhin von dem Brot und von dem Kelch genossen, über die Jesus die Deuteworte sprach? Von Lukas her scheint sich die Frage gar nicht als solche zu stellen. Die Ansage der Tat des Judas in 22,2lf erfordert seine Anwesenheit während des ganzes Mahles von 22, 14-20. Zumindest die Tatsache, daß Lukas jenen Judas, von dem 144
M. Plath, Gemeinde 182.
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er in 22,3 selbst sagte, der Satan habe von ihm Besitz ergriffen, am Abendmahl teilnehmen läßt, müßte also wie oben mit den Worten von Margreth Plath angedeutet theologisch reflektiert werden. Im übrigen hat Lukas nachweislich umgestellt. Auch die Tischreden in 22,24-38 stehen nicht an ihrem ursprünglichen Platz. Um das zu erkennen, genügt ein simpler synoptischer Vergleich. Etwas anders sieht es bei Markus aus, dessen Akoluthie Matthäus übernimmt. In 14, 10f verläßt Judas den Jüngerkreis. Eigentlich braucht er nicht mehr aufzutreten, bis er in 14,43 zur Festnahme Jesu erscheint. Aber die Ansage seiner Tat, für die er unbedingt anwesend gedacht werden muß, geschieht erst in 14,17-21 in einem Mahlkontext, unmittelbar vor dem Einsetzungsbericht. Wann soll er nach dem Erzählverlauf wieder weggegangen sein, um die Verhaftungstruppe zu holen? Zwischen der Ansage seines Tuns und dem Segen über Brot und Wein (im Text zwischen 14,21 und 14,22)? Wenn schon so gefragt wird, muß die Antwort sicher lauten: Viel ungezwungener erscheint sein Weggehen nach dem Abschluß des Abendmahls (im Text nach 14,31), während des Aufbruchs nach Gethsemani oder während des Wartens dort (14,32). Ebenso sicher gehen wir mit solchen Fragen an den Anliegen der Texte vorbei. Nun liegt die Versuchung nahe, Joh 13 zur Hilfe zu nehmen, weil dort in V. 30 ausdrücklich der Weggang des Judas vom letzten Mahl berichtet wird: "Jener nahm nun den Bissen und ging sofort hinaus. Es war aber Nacht." Auf den Bissen werden wir weiter unten noch zurückkommen (s. § 15b). Hier interessiert vor allem der Zeitpunkt des Weggangs. Eine beliebte Lösung in der einschlägigen älteren Literatur sieht so aus: Judas hat zwar anfänglich am Mahl einschließlich der Fußwaschung teilgenommen, den Raum aber noch vor den Einsetzungsworten verlassen (was u. a. damit in Konflikt gerät, daß Brotsegen am Anfang und Bechersegen zum Schluß die ganze Mahlzeit eingerahmt haben). Den Einsetzungsbericht, der in Joh 13 fehlt, ergänzt man stillschweigend zwischen 13,32 und 13,33. An den eucharistischen Gaben habe Judas, so die Folgerung, keinen Anteil erhalten. Der Bissen aus Joh 13,26f gehöre lediglich zur Vorspeise oder zur Zukost des Paschamahls. 14s Daß dieses harmonisierende und rationalisierende Vorgehen unakzeptabel ist, bedarf kaum eines Kommentars. Wir müssen uns die Fragestellung und ihre Beweggründe genauer ansehen. Sie wird in der Regel verhandelt unter dem Stichwort "Ju14S
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Vgl. etwa M. Meinertz, Frage 385-388; D. Haugg, Judas 147-150.
daskommunion", und das zumeist bei katholischen Autoren. 146 Wenn man die Frage etwas anders formuliert, kommen sofort die tragenden Anliegen zum Vorschein. Im Originalton lautet sie etwa wie folgt: "Hat Judas sakrilegisch kommuniziert oder nicht?" Ist auch er "zum Priester des Neuen Bundes geweiht worden"? 147 Das heißt nun aber, daß es letztlich gar nicht um historische und exegetische Sachverhalte geht, sondern um dogmatische und pastorale. Den einen erscheint der Gedanke unerträglich, das Altarsakrament solle schon in seiner Einsetzungsstunde durch die Teilnahme eines Unwürdigen dermaßen profaniert worden sein. Die andern fügen sich in die Auskunft der Texte, namentlich der lukanischen Version, und gewinnen daraus ein abschreckendes Beispiel, das vor den Gefahren des unwürdigen Kommunizierens warnt. Dabei projiziert man in beiden Fällen ein vollentwickeltes kirchliches Eucharistieverständnis, das nicht frei ist von gewissen Einseitigkeiten, zurück in das Abschiedsmahl Jesu. Dadurch aber wird die prä-sakramentale Zeichenhandlung Jesu, zu der wir historisch gesehen bestenfalls noch durchstoßen können l48 , hoffnungslos überfrachtet. Das Problem der "Judaskommunion" ist ein Problem derer, die so fragen, nicht ein Problem der Texte, auch wenn es sich möglicherweise in der späteren Textüberlieferung schon sehr bald bemerkbar machtl 49 • Unter der Prämisse, daß der Zwölferkreis ins Leben Jesu zurückreicht und Judas dazugehört, spricht alles dafür, daß er selbstverständlich auch beim letzten Mahl, aus dessen Gesamtkontext die Gesten und Worte Jesu zu Brot und Wein nicht herausgebrochen werden dürfen, dabei war. VgL im Lit. Verz. die Arbeiten von S. Bernhard (bejahend aus kath. Sicht); L. C. Fil!ion, C. 10 Giudice, A. van der Heeren, P. Ketter, M. Meinertz, S. M. Pfeifer, A. Rücker, A. Spiteri, O. Undritz(entschieden bejahend aus prot. Sicht). VgL auch K. Hein, Judas 232, der zwischen einem "betrayal supper" und dem "Last Supper" unterscheidet. Weitere Informationen bei K. Lüthi, Geschichte 40f und Reg. s. v. "Teilnahme des Judas am letzten Mahl Jesu"; R. B. Halas, Judas 104-136. 147 D. Haugg, Judas 141. Auch der Ausdruck "Judaspriester" für Geistliche, die ihr Amt aufgeben oder sich schwer verfehlt haben, kommt in dem Zusammenhang vor. 148 Vgl. H. J. Klauck, Herrenmahl (s. Anm. 105) 329f; ders., Die Sakramente und der historische Jesus, in: WiWei 47 (1984) 1-11, hier 7f. 149 Der Kurztext in Lk 22, 17-19a gibt immer wieder Rätsel auf (s.o. Anm. 143). Er könnte aus dem Langtext entstanden sein, weil man eine "Judaskommunion" vermeiden wollte, so jedenfalls F. Hahn, Die alttestamentlichen Motive in der urchristlichen Abendmahlsüberlieferung, in: EvTh 27 (1967) 337-374, hier 358 Anm. 69: "Judas hätte sonst an der sühneschaffenden und bundesstiftenden Wirkung des letzten Mahles Jesu Teil bekommen, und das war für das Denken jener späteren Zeit eine unmögliche Vorstellung. Daher wurde der Text auf die eschatologischen Verheißungen V. 15-18 und auf den Brotritus mit Jesu Ankündigung seines Todes - so muß das isolierte Wort ,dies ist mein Leib' V. 19a verstanden werden - beschränkt." 146
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§ 12 Der Kuß bei der Verhaftung Jesu (Mk 14,43-46 parr Mt 26,47-50; Lk 22,47-48)
a) "Den ich küssen werde ... " (Markus) Die Perikope von der Verhaftung Jesu Mk 14,43-52 läßt sich ungeachtet der überlieferungsgeschichtlichen Lage vom erzählerischen Aufbau her in vier Abschnitte gliedern: die Festnahme Jesu V.43-46, der Schwertstreich V.47, ein Jesuswort V. 48-49, die Jüngerflucht V. 50-52. In dem uns interessierenden ersten Stück V. 43-46 steht Judas unverkennbar im Zentrum. Der Judaskuß beherrscht die Szene. Gehen wir zunächst am Text entlang: Die Kontexteinbindung gewährleistet das einleitende "Und sogleich, als er noch redete", im Griechischen eine Genitivus-absolutus-Konstruktion, die den Schluß der Gethsemani-Perikope aufnimmt. Dort hat Jesus ein weiteres Mal seine prophetische Gabe, alle Dinge vorauszusagen, bestätigt. In V. 42 kündigt er das Kommen des Judas an: "Seht, der mich Ausliefernde naht." In V. 43 ist Judas schon da, zusammen mit einem Aufgebot der jüdischen Tempelpolizei, die für Ordnung und Sicherheit im Tempelareal zuständig war und die dem Hohenpriester unterstand. Die Bewaffnung der Truppe zeigt, daß man Widerstand erwartet hat. V. 44 blendet erzählerisch geschickt zurück: "Es hatte der ihn Ausliefernde ein Zeichen mit ihnen verabredet, indem er sprach: ,Den ich küssen werde, der ist es. Packt ihn und führt ihn sicher weg'." Dieses "Programm", das Judas in der Rückblende entwirft, wird Schritt um Schritt realisiert, in V. 45 das Küssen, in V. 46 das Ergreifen ("und sie packten ihn") und in V. 53 schließlich das Wegführen ("und sie führten ihn weg"). Man sieht, daß V.44 auf den übergreifenden Erzählzusammenhang hin orientiert ist. Die Realisierung des ersten Programmpunktes in V. 45 bringt eine Steigerung und Intensivierung mit sich. q>tAEiv aus V.44 wird verstärkt zu KUTU
tionsgeschichtlichen Betrachtung stand? 150 Wohl kaum. Man könnte sich durchaus einen direkten Übergang von V. 43bc zu V. 46 denken. Das wäre der Form nach eine knappe Geschichtsnotiz, die nur besagt, daß Judas zusammen mit der Truppe kam, die Jesus ohne viel Aufhebens verhaftete. Judas hat ihnen anscheinend den Weg gewiesen, mehr nicht. Auf historischer Ebene ist die Funktion des gleichermaßen berühmten wie berüchtigten Judaskusses nicht leicht auszumachen. In den Toledot Jeschu z. B. (s. § 3) wird diese Schwierigkeit empfunden und folgender Sachverhalt konstruiert: Jesus und seine Jünger haben gleichaussehende Kapuzenmäntel an, die eine rasche Identifizierung nicht erlauben. Judas mischt sich im gleichen Gewand unter sie. l5l Sollte, wenn wir zum Neuen Testament zurückkehren, die Tempelwache Jesus wirklich nicht kennen? War wegen der Dunkelheit der Nacht ein solches Zeichen nötig? Oder will Judas sich immer noch listig verstellen, wenn er den Meister mit dem Zeichen der Ehrerbietung zwischen Lehrer und Schüler begrüßt? Das wäre angesichts der Horde in seiner Begleitung ein wenig aussichtsreiches Unterfangen. Beispiele für einen trügerischen Kuß hält das Alte Testament bereit. Der klassische Fall findet sich in den Thronfolgegeschichten. Joab holt sich auf folgende Weise den Oberbefehl über die Truppen Davids von Amasa zurück: "Und Joab sprach zu Amasa: ,Geht es dir gut, mein Bruder?' Und Joab ergriff mit der rechten Hand Amasa beim Bart, um ihn zu küssen. Amasa aber hatte nicht auf das Schwert acht gehabt, das Joab in der (anderen) Hand hatte; damit stieß er ihn in den Leib, so daß er seine Eingeweide zur Erde schüttete (vgl. Apg 1, 18). Er bedurfte keines zweiten (Stoßes), sondern er war (gleich) tot." 152
Offenbar braucht David den skrupellosen, aber erfolgreichen Soldaten und läßt ihn unbehelligt. Erst in seinem Vermächtnis an Salomo kommt er auf den Frevel zurück und fordert Strafe (die Texte seien 150 Bejaht wird die Frage von J. Gnilka. Mk II (s. Anm. 109) 267; G. Schneider, Passion (s. Anm. 107),48. Anders D. Dormeyer, Passion (s. Anm. 107) 145, der als älteste Tradition V. 43 b.46 ausgrenzt. 151 Vgl. G. Schlichting, Leben Jesu (s. Anm. 26) Nr. 212 (Text oben in Anm. 30) und Nr. 229: "Als nun die böse Schar vollzählig mit Jeschu an den Fuß des Berges kam, da fiel Jehuda ihm um den Hals und rief mit lauter Stimme: ,Dies ist der Messias. Ihn wollen wir anbeten, und vor ihm wollen wir uns fürchten! Er ist unser Vater und unser König.' Da umarmte und küßte er ihn." 152 2 Sam 20,9f; Übers. von H. W Hertzberg, Die Samuelbücher (ATD 10),5. AufL, Göttingen 1973, 305. Dort 306-308 auch zur Erklärung.
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vor allem deshalb ausführlicher zitiert, weil sich weitere Berührungspunkte mit der Matthäuspassion ergeben): "Sodann weißt du selbst, was mir Joab, der Sohn der Zeruja, angetan, wie er an den zwei Heerführern Israels, an Abner, dem Sohne Ners, und an Amasa, dem Sohne Jethers, gehandelt hat, wie er sie ermordet und so im Kriege vergossenes Blut zur Friedenszeit gerächt und unschuldiges Blut (vgl. Mt 27,4) an den Gürtel um meine Lenden und an die Schuhe an meinen Füßen gebracht hat. Du wirst nun nach deiner Weisheit handeln und seine grauen Haare nicht in Frieden ins Totenreich hinunterkommen lassen" (1 Kön 2,5t).
Ohne Rücksicht auf das Asylrecht läßt Salomo den Joab im Zelt des Herrn niedermetzeln, mit der Begründung: "Der Herr lasse sein Blut über sein eigenes Haupt kommen, weil er zwei Männer niedergestoßen, die gerechter und besser waren als er, und sie ohne Wissen meines Vaters David ermordet hat ... so komme denn ihr Blut über Joabs Haupt und über das Haupt seiner Nachkommen für alle Zeiten" (1 Kön 2,32f; vgl. Mt 27,25).
Den Kuß, den Esau in Gen 33,4 dem Jakob gibt, deutet die jüdische Tradition negativ: Esau wollte Jakob in den Hals beißen. 153 In Spr 27,6 heißt es: "Treuer gemeint sind Schläge vom Freunde, als freigebige Küsse des Feindes." IS4 Nichts hat die Entwicklung der Judasüberlieferung so sehr geprägt wie die schriftgelehrte Reflexion. Davon dürfte auch ~er Judaskuß betroffen sein. Wir gehen davon aus, daß in Mk 14,43-46 nur V. 43bc.46 zum ältesten Bestand gehört und V. 44f sekundär, aber wohl noch vor Markus 1ss als Deutungselement zugewachsen ist. Die Zielrichtung dieser Deutung liegt auf der Hand. Wer so heimtückisch handelt, für den gibt es keine Entschuldigung mehr. Judas hat nicht nur Jesus an den Hohen Rat "verraten", er hat vor allen Dingen alles verraten, was Jüngersein ausmacht. Er mißbraucht auf schreckliche Weise die menschliche Nähe zu Jesus, die ihm als einem der Zwölf gewährt war. 1S6 Zugleich läßt sich ein innergemeindlicher Background ausmachen, der den Stellenwert des Judaskusses erläutern hilft. Man prakBilL 1996; E. Nestle, Judaskuß 92f. Weiteres bei G. Stählin, ThWNT IX 139 Anm. 243. 155 Anders W Vogler, Judas 50, der beide Verse Markus zuweist, während D. Dormeyer, Passion (s. Anm. 107) 145, sie auf Markus (V. 44) und einen vormarkinischen Redaktor (V. 45) verteilt. 1S. Eine sehr viel positivere Sicht bei M. Limbeck, Judasbild 59. Als Zeichen der beginnenden Reue wertet den Kuß F. W Beleher, Comment. Zum Begrüßungskuß für den verehrten Rabbi vgL J. Döller, Judaskuß. 153
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tizierte in der Gemeinde nach dem Ausweis der Paulusbriefe sehr früh schon den "Heiligen Kuß" als Begrüßungsgestus unter christlichen Schwestern und Brüdern, wahrscheinlich auch im Rahmen des Herrenmahls.1 57 Das Entsetzen über die mißbräuchliche Verwendung des Kusses erfährt da, wo man ihn schon als geheiligten Ritus einstuft, noch eine Steigerung. Aber die Gemeinde erkennt sich darin auch selbst. Ist ihre Praxis ehrlich, stimmen äußerer Ausdruck und innere Haltung immer überein ? Kommt es nicht unter der Decke des gemeinsamen Tuns zu Treulosigkeit in den eigenen Reihen? Dieser kritische Akzent entspricht insbesondere der Erzählintention des Markus, der in den Jüngern, auch in Judas, im Guten wie im Bösen Paradigmen für seine Christen erblickt. Wir sehen somit den Judaskuß als eine legendarische Erweiterung einer älteren berichtenden Notiz an. Historisch konvergiert dieses Ergebnis mit dem, was zu Mk 14, 10ffestgestellt wurde. Judas hat im Zusammenhang mit der Verhaftung Jesu eine nicht ganz exakt bestimmbare, auf jeden Fall aber unglückliche Rolle gespielt, die sich von dem Davonlaufen und Versagen der übrigen Jünger qualitativ unterscheidet. Zu dem fatalen Kuß aber ist es nicht gekommen. b) "Sei gegrüßt, Meister" (Matthäus) In 26,47-50 bleibt Matthäus sehr eng beim Wortlaut der Markusvorlage. Die belangreichsten Änderungen bringt er in der Anrede ein, die Judas in V. 49 für Jesus gebraucht, und in der Reaktion Jesu, die Matthäus ohne Anhalt bei Markus in V. 50 ergänzt. Wieder wählt Judas wie in 26,25 die Titulierung mit "Rabbi", die zwar durch Mk 14,45 vorgegeben ist, aber bei Matthäus nicht in den Mund eines Jüngers gehört. Jünger sagen "Kyrie". Das unscheinbare Grußwort XatPE, das Matthäus einfügt, hat sein eigenes Gewicht. Bedenkt man, "daß dieser Gruß (seinem Sinn nach) einen Aufruf zur Freude darstellt, wirkt dieser hier wie purer Hohn" 158. Ob Matthäus auch schon vorausblickt auf die zweite Verspottung Jesu durch die römischen Soldaten in 27,29: "Sei gegrüßt, König der Juden"? Jedenfalls
157 1 Thess 5,26; I Kor 16,20b; 2 Kor 13,12; Röm 16,16. Vgl. dazu K. M. Hofmann. Philema hagion (BFChTh II/38), Gütersloh 1938; K. Thraede. Ursprünge und Formen des ,Heiligen Kusses' im frühen Christentum, in: JAC 11112 (1968/69) 124-180; ders., RAC VIII 505-519; H. J. Klauck, Herrenmahl (s. Anm. 105) 352-356. 158 W Vogler, Judas 64. Vgl. ebd. 71.
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ist die Liste der finsteren Charaktereigenschaften des Judas wie Habgier (26,15) und Dreistigkeit (26,25) damit um ein neues Glied erweitert. Der Begrüßung Jesu durch Judas mit "Sei gegrüßt, Rabbi" korrespondiert das Wort, das Jesus an Judas richtet: e-rUt:PE, t
So G. Baumbach, Judas 97. Vgl. F. Rehkopf, Mt 26,50 (mit ausführlicher Diskussion); weiteres bei G. Stählin, ThWNT IX 139 mit Anm. 241; B1-Debr-Rehkopf § 300 Anm. 3; D. P. Senior, Passion Narrative (s. Anm. 107) 125-127. 161 So WEItester, Freund 83 f. Auch W Spiegelberg, Sinn 342, ergänzt etwas, nämlich ,;taU,' Ecr,LV o. ä.", behält aber eine ironisch-verächtliche Sinngebung bei. G. Strecker, Der Weg der Gerechtigkeit. Untersuchung zur Theologie des Matthäus (FRLANT 82), 3. Aufl., Göttingen 1971, 182, ergänzt oloa ("Wozu du da bist, das weiß ich"). 162 Vgl. WEItester, Freund 86-88. 159 160
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c) "Judas, mit einem Kuß ... ?" (Lukas) Den Abschnitt Mk 14,43-46 hat Lukas in 22,47f auf zwei Verse zusammengezogen. "Der besagte Judas", was man als Rückverweis auf 22,3 verstehen kann, geht dem Verhaftungstrupp voraus. Er zeigt ihnen den Weg und führt sie an, im lokalen und wohl auch im geistigen Sinn. Lukas wird das in Apg 1,16 wieder aufnehmen: Judas "ist zum Wegführer geworden für die, die Jesus ergriffen haben". Die Verabredung eines Zeichens hat Lukas gestrichen (einige Handschriften, darunter D EHe <1>, tragen es am Schluß von V. 47 wieder ein). Judas nähert sich Jesus in der Absicht, ihn zu küssen. Ob der Kuß auch zustande kommt, bleibt offen. 163 Die Reaktion Jesu: "Mit einem Kuß lieferst du den Menschensohn aus?", kann man auch als Abwehr auffassen, die eine Annäherung verhindert. Oder soll man der Frage von V. 48 nicht eher entnehmen, daß Jesus mehr um Judas besorgt ist als um sich selbst? Legt er bei Lukas auch Judas gegenüber seine bekannte Sünderliebe und sein Erbarmen an den Tag, das sich in dem kleinen Heilungswunder von V. 51 selbst in dieser Stunde bewährt, das weder seine Henker (23,34) noch den mitgekreuzigten Verbrecher (23,43) ausschließt?164 Schwerwiegende Fakten sprechen dagegen. Das Wort aus 22,53 fin: "Jetzt ist eure Stunde und die Macht der Finsternis", ist nicht zuletzt an Judas adressiert, den der Satan zum Werkzeug erkoren hat (22, 3). Das Sterben des Judas in der Apostelgeschichte wird diese düstere Sicht noch unterstreichen. Die grenzenlose Barmherzigkeit des lukanischen Jesus hat ihre Grenzen, und zwar da, wo sie den zum "Verräter" (6, 16) gewordenen Judas tangiert. 165 Judas gleicht im Makrotext 163 Vgl. die kontroversen Auskünfte bei J. Ernst, Das Evangelium nach Lukas (RNT), Regensburg 1976, 610: "Es ist sicher unbegründet, aus der finalen Satzkonstruktion auf ein tatsächlich nicht ausgeführtes Begrüßungszeichen zu schließen. Lk hat lediglich erzählerisch die Gewichte anders gelagert"; G. Schneider, Das Evangelium nach Lukas (ÖTK mlt-2), Gütersloh-Würzburg 1977, 461: "Judas kommt als Anführer der Verhaftungstruppe (vgl. Apg 1, 16) und möchte J esus küssen. Doch J esus durchschaut seine Absicht und weist ihn zurück"; J. A. Fitzmyer, Lk (s. Anm. 69) 1450: "in the Lucan text we never learn whether he succeeded in kissing Jesus or not." 164 K. Lüthi, Problem 106f, eruiert bei Lukas eine Tendenz zur Aufhellung des Judasbildes. Man würde ihm in der Sache gerne folgen, wenn die Texte das hergäben. Abschwächend interpretiert auch A. Salas, Judas 195: " ... la teologia lucana ... estä dominada por un deseo de atemperar la malicia deI traidor." 16' Vgl. M. Lirnbeck, Judasbild 77: "Während Markus großen Wert auf die vorbehaltlose Intimität dieser letzten Begegnung von Judas und Jesus legte (1), zeichnet Lukas einen Jesus, dessen Entgegenkommen und Zuneigung Judas gegenüber wenigstens stockt ... Bedenkt man aber, wie sehr Lukas sonst im Passionsbericht Jesu Heilands-
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eher dem anderen Schächer von 23,39, der nicht bereut, sondern Jesus schmäht und folglich von der Zusicherung: "Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein", ausgeschlossen bleibt.
11. DAS JOHANNESEVANGELIUM
In älteren historisierenden Darstellungen und in romanhaften Entwürfen stößt man immer wieder auf die Meinung, zwischen dem Zebedäussohn Johannes und Judas habe es von Beginn an schwere persönliche Spannungen gegeben. In seinem Evangelium habe Johannes seinen alten Aversionen freien Lauf gelassen. So sei das erschreckende Judasbild entstanden, das uns im vierten Evangelium vor Augen tritt. 166 Diese Erklärung ist unzureichend, ja fast rührend in ihrer Hilflosigkeit, aber sie markiert sehr präzise ein Problem, das nach einer Lösung verlangt. Man kann es dem unbefangenen Leser nicht verübeln, wenn er aus den johanneischen Texten einen förmlichen Haß auf Judas herauszuspüren meint,167 Läßt sich bei Verzicht auf naive Historisierung dafür ein Grund angeben? Und zuvor: Aus welchen Einzelteilen setzt sich dieses Bild überhaupt zusammen?
§ 13 Das Problem des Unglaubens (Joh 6,60-71)
In Joh 6 ist ein vorsynoptischer Traditionszusammenhang gegeben. Die Textfolge ist die gleiche wie in Mk 6_8 168 : Brotwunder Seewandel Rückkehr der Volksmenge
Mk 6,30-44 Mk 6,45-52 Mk 6,53-56
Joh 6,1-13 Joh 6,16-21 Joh 6,22-25
liebe gegenüber den Sündern herausstellt ... wird man diese betonte Zurückhaltung Jesu doch nicht leicht nehmen dürfen. Für Lukas gilt Jesu Zuneigung dem Judas offensichtlich nicht mehr." 166 Z.B. F. Petruccelli, Memoiren passim; L. N. Andrejev, Judas 93-95. Vgl. R. Guardini, Der Herr. Betrachtungen über die Person und das Leben Jesu Christi, 13. Aufl., Würzburg 1964,416: "rein menschlich gesehen müßte er den Judas tödlich gehaßt haben". 167 Vgl. W Jens, Fall 29: "Wo immer sich eine Gelegenheit bietet -Johannes nutzt sie, um den Einen unter den Zwölfen als Kainskind zu zeichnen ... Und das wollte Johannes: Die Art und Weise, wie er sein Seelengemälde entwickelt, hat, so schien es uns, den Charakter einer Exekution." 16S Vgl. J. Becker, Das Evangelium nach Johannes (ÖTK IV/1-2), Gütersloh-Würzburg 1979/81, 217.
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Zeichenforderung Petrusbekenntnis
Mk 8,11-13 Mk8,27-33
Joh 6,30f Joh 6,67-71
Das Petrusbekenntnis bei Caesarea Philippi aus Mk 8,27-33 als Abschluß des Traditionskomplexes erscheint in Joh 6,67-71 in starker johanneischer Verfremdung. Sodann fällt auf, daß der Terminus "die Zwölr' bei J ohannes nur in 20,24 und dreimal an unserer Stelle (6,67.70.71) vorkommt. Von der Einsetzung der Zwölf hat Johannes nichts berichtet, er setzt aber die Kenntnis des synoptischen Zwölferkreises bei seinen Lesern voraus und bietet hier so etwas wie ein Äquivalent zu Mk 3, 13-19 parr. 169 Petrusbekenntnis und Zwölferlisten bilden somit die traditionsgeschichtliche Basis für die johanneische Eigenleistung in 6,60-71. a) Das Wunderwissen Jesu (V. 60-65) Ein Spezifikum der johanneischen Bearbeitung sind die schroffen Gegensätze, die Zug um Zug zutage treten. In 6,41 murren die Juden wider Jesus; der Jüngerkreis Jesu, sollte man meinen, hebt sich positiv von ihnen ab. Aber damit ist die Frontlinie zwischen Glaube und Unglaube noch nicht begradigt. Sie wird in einem weiteren Schritt in den Jüngerkreis hineinverlegt. Jesus erkennt (V. 61), daß "viele von seinen Jüngern" (V. 60) Anstoß nehmen an seinen Worten. Dieser _Anstoß ist Reaktion auf den Anspruch Jesu, in seiner Person das vom Himmel herabgekommene Lebensbrot zu verkörpern (6,50f)man kann statt dessen auch sagen: der himmlische Menschensohn zu sein, denn nach V. 62 wird der Aufstieg des Menschensohnes zum Himmel, der sich am Kreuz vollzieht, eine noch größere Zumutung an den Glauben stellen als seine Inkarnation in Jesus. Das eucharistische Redestück V. 52-58 bleibt dabei ausgeklammert, m. E. das überzeugendste Indiz dafür, daß eine redaktionelle Überarbeitung vorliegt.170 Den Jüngern nun, denen Herabkunft und Aufstieg des Menschensohnes teils zum unüberwindlichen Problem werden, gibt Jesus zu verstehen: "Aber es sind unter euch welche, die nicht glauben" (V. 64a). Es folgt in V. 64b eine der häufigen Regiebemerkun-
"9 Vgl. R. Bultmann, Das Evangelium des Johannes (KEK 2), 18. Aufl., Göttingen 1968,340 Anm. 3: "In gewissem Sinne ist aber 6,60-71 der joh. Ersatz für den synoptischen Bericht von der Berufung der Zwölf." 17. Was K. Lüthi, Problem 108, für Joh 6 vermutet: "Wenn dieses Kapitel dagegen als Eucharistiekapitel anzusehen ist, wäre Judas der, der die Eucharistie ohne Glauben genommen hat", könnte frühestens auf redaktioneller Ebene zutreffen.
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gen des Autors: "Denn es wußte Jesus von Anfang an, welche es sind, die nicht glauben, und wer es ist, der ihn ausliefern werde (6 napaorocrrov au't6v 171 )."
Noch ehe Judas namentlich überhaupt eingeführt ist, findet seine Tat Erwähnung. Der erläuternde Zusatz zum Namen aus den Zwölferlisten der Synoptiker erscheint hier in verabsolutierter Form. Die bloße Anspielung genügt, so tief ist das Wissen um den Vorgang und seine spätere Wertung schon in das Bewußtsein des Autors und seiner Leser eingegangen. Im Kontext illustriert die Person des Judas den Unglauben in seiner extremsten Form. Die Steigerung verläuft so: Unglaube der Juden - Unglaube von Jüngern - Unglaube eines Mitglieds aus dem Zwölferkreis. Aus dem Unglauben resultiert das Tun, die schändliche Auslieferung Jesu. Zu den besonderen Anliegen des Johannes gehört die Betonung des absolut sicheren Vorherwissens Jesu (V. 61.64). Wahrscheinlich greift der Evangelist das Theologumenon vom wunderbaren Wissen des Wundertäters aus der Semeiaquelle auf und gibt ihm eine überraschende neue Wendung, die in 2,23-25 am besten sichtbar wird: "Viele kamen zum Glauben (bdcrnmcrav) an seinen Namen, weil sie die Zeichen sahen, die er tat. Jesus selbst aber vertraute (t1dcr'tWcrEV) sich ihnen nicht an, denn er kannte alle und hatte es nicht nötig, daß irgend jemand ihn aufkläre über den Menschen. Denn er selbst wußte, was in dem Menschen war."
Mit Hilfe eines gekonnten Wortspiels stellt der Autor die Wunderüberlieferung in den Dienst verhaltener Wunderkritik. Gerade weil Jesus als Wundermann auch über Herzenskenntnis verfügt - im Alten Testament ein Privileg Gottes -, durchschaut er die Haltlosigkeit bloßen Wunderglaubens. Die Anwendung dieses christologischen Theologumenons auf die Tat des Judas entspringt apologetischen Zwängen, wie schon William Wrede pointiert herausgestellt hat: "Die Gegner der Gemeinde aber schmiedeten daraus eine Waffe." 172 Die Aufnahme einer so zwielichtigen Figur unter die engsten Begleiter scheint dem überlegenen Wissen Jesu zu widersprechen. Man kann das wenig später noch nachprüfen bei Kelsos, unter dessen Argumenten gegen das Christentum sich auch dieses findet:
171 p •• und K* lesen statt dessen: Ö IlEAMoV au'töv napa5t5övat. Diese Lesart bevorzugt W Vogler, Judas 95 mit Anm. 670, der eine Reihe von eigenwilligen textkritischen Entscheidungen trifft. 172 W Wrede, Judas 129.
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"Ein guter Feldherr, der viele Tausende befehligte, wurde niemals verraten, aber auch kein Räuberhauptmann, der selbst ein Schurke und Anführer von Erzschurken war, wenn sich seine Genossen Gewinn von ihm versprachen. J esus dagegen wurde von den Seinigen verraten; er hat sie also weder wie ein guter Feldherr befehligt, noch nach Täuschung seiner Jünger auch nur die Zuneigung, wie sie sozusagen einem Räuberhauptmann entgegengebracht wird, den Getäuschten einflößen können." 173
In seiner Verteidigung gibt Origenes zu bedenken: "Denn man könnte viele Geschichten von ,Fe1dherrn' sammeln, die von ihren Vertrauten ,verraten', und von ,Räuberanführem', die infolge der Untreue ihrer Leute ,gefangen genommen worden sind'. Aber gesetzt den Fall, es sei kein ,Feldherr' und kein ,Räuberhauptmann' verraten worden, wie soll dies den Vorwurf gegen Jesus begründen können, daß einer seiner Schüler an ihm zum Verräter wurde?" 174
Es folgen Beispiele für vergleichbare Vorgänge unter den Philosophen und in ihren Schulen. Um solchen und ähnlichen Vorwürfen im Ansatz schon zu wehren, insistiert der Johannesevangelist darauf, daß auch dieses Faktum seinen Platz im Gesamtplan Gottes findet (vgl. V. 65) und daß Jesus selbstverständlich darum weiß. Im Vergleich zu der synoptischen Ansage der Judastat Mk 14,17-21 parr besteht die Fortschreibung darin, daß sich dieses Wissen nicht erst in der Passion artikuliert, sondern "von Anfang an" da ist, d. h. vom Beginn der Jüngerschaft, vom Moment der Berufung an. Das Wissen des Präexistenten vom Uranfang aus Joh 1,1 an ist diesmal also nicht gemeint (vgl. vielmehr Joh 15,27; 16,4).175 Aber es wird auch nicht gesagt, daß für Judas der Glaubensanstoß erst aus der Brotrede resultierte. Sie markiert bei Johannes keine Etappe der inneren Biographie des Judas, sondern gibt nur Gelegenheit, ein feststehendes Judasbild zum ersten Mal vorzuführen. Judas hegt "von Anfang an" seine verbrecherischen Pläne. Das hat notwendig zur Folge: Es gibt in der Gestalt des Judas keine Entwicklung mehr. Damit geht Johannes einen wesentlichen Schritt über die Synoptiker hinaus, auch über Lukas, der in 22,3 die Zäsur zu Beginn der Passion setzt. Im synoptischen Aufriß bleibt genügend Raum für die historisch wahrscheinliche Annahme, daß Judas ein Jünger des Herrn war wie die anderen auch, bei Johannes existiert dieser Raum nicht mehr. Die Fronten sind gleich zu Beginn unverrückbar festgelegt. Cels 2,12 (140,17-23 GCS 2 Koetschau); Übers. BKV. Ebd. (140,24-28). 17' R. Bultmann, Joh (s. Anm. 169) 343 Anm. 3. Anders J. S. Billings, Judas 156. Verschiedene Deutungsvorschläge älteren Datums sammelt K. Lüthi, Geschichte 153.
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Johannes handelt sich dafür ein anderes Problem ein: Wie konnte Jesus einen solchen Menschen, den er völlig durchschaut hat, zu einem der Zwölf machen? Eine vordergründige Antwort im Sinne der späteren Erklärungen, etwa: Jesus habe in Judas noch Reste von Ehrgefühl entdeckt und ihm deshalb eine letzte Chance einräumen wollen -, eine solche vordergründige Antwort findet sich bei Johannes nicht. Seine eigene hintergründige Sicht deutet er in dem folgenden Textstück 6,66-71 an. b) Krise im Zwölferkreis (V. 66-71) Die Krise im Jüngerkreis hat zur Folge, daß viele Jünger wieder ihrer Wege gehen (V. 66). Es sieht so aus, als blieben nur noch die Zwölf zurück, an die Jesus in V. 67 das Wort richtet. Der implizite Gegensatz Juden vs Jünger wird abgelöst von der ebenfalls etwas verdeckten Opposition Jünger vs Zwölf, beides als Aktualisierung des Paradigmas Glaube vs Unglaube. Aber weil Judas, den V. 64 schon zu den Nicht-Glaubenden zählte, auch zu den Zwölf gehört, setzt sich mit ihm der Unglaube im Zentrum selbst fest. Mitten durch den Zwölferkreis geht noch einmal der gleiche Riß. Auf der einen Seite steht Petrus, der zu dem in dieser Situation geforderten Bekenntnis durchstößt (V. 68 f), auf der anderen Seite Judas mit seiner Tat, die V. 71b mit traditioneller Terminologie erneut heraushebt: "Denn dieser sollte ihn ausliefern." Das abschließende "einer aus den Zwölfen" V. 7lc bekräftigt das unerhörte Geschehen. Petrus und Judas, Bekenntnis und "Verrat" - sie "gehören viel näher zusammen als sich dies Bekenner und Verräter eingestehen wollen". Die Anwesenheit des Judas im Zwölferkreis "veranschaulicht gleichzeitig die Zerbrechlichkeit des Fleischgewordenen wie auch die Fragilität des Glaubens an ihn". 176 Daß Petrus sein Bekenntnis sprechen kann, ist eine Folge seiner vorgängigen Erwählung durch Jesus: "Habe ich nicht euch, die Zwölf, erwählt?" (V. 70b). Auch Judas war ein Erwählter, von ihm aber gilt die im Ton ungemein harte Fortsetzung: "Und doch ist von euch einer ein Teufel" (V. 70c). Nun mildert sich die Härte ein wenig, wenn man die traditionsgeschichtliche Herkunft dieses Attributs erkennt.I 77 Kurz nach seinem Messiasbekenntnis muß sich 17. H. Weder, Die Menschwerdung Gottes. Überlegungen zur Auslegungsproblematik des Johannesevangeliums am Beispiel von Joh 6, in: ZThK 82 (1985) 325-360, hier 347. 177 Vgl. R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium Ir (HThK IVI2), 2. Aufl., Freiburg 1977, 112f.
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Petrus in Mk 8,33 von Jesus "Satan" schelten lassen, weil er ihn vom Leiden abhalten will. Steht Judas also gar nicht wesentlich schlechter da als der synoptische Petrus? Zunächst gilt es zu konstatieren, daß eben doch eine Verschiebung erfolgt. Petrus wird entlastet auf Kosten des Judas. Er spricht nur noch das Bekenntnis, die harte Schelte steckt der andere ein. Eine grundsätzliche Nähe zwischen Judas und dem Teufel bzw. Satan stellt Johannes auch in 13,2.27 her (s. u. § 15). 8U'x,ßOAOC; gebraucht er neben 6,70 und 13,2 nur noch in 8,44, wo Jesus den Juden vorhält: "Ihr habt den Teufel zum Vater." Darin steckt massive Absicht: Die ungläubigen Juden haben ihren Repräsentanten in dem "Verräter" Judas, miteinander werden sie wortwörtlich "verteufelt". Mit dem Teufel, der "Menschenmörder" und "Lügner" genannt wird (8,44), teilen sie dessen mörderische und trügerische Pläne gegen Jesus. Hier ist die unheilvolle anti-judaistische Auswertung der Judasgestalt zumindest angebahnt. Von da aus erklärt sich wohl auch die eigentümliche Form, die Johannes dem Beinamen des Judas an drei Stellen gibt. Während Judas in 12,4 einfach 6 'IcrKupto)'tT]C; heißt und entsprechend der andere Judas, der Jakobussohn aus Lk 6, 16, in Joh 14,22 als "Judas, nicht der Iskariot" eingeführt wird, bieten 6,71a und 13,2.26 die komplexere Form: 'Io68uC; :Eil-Lu}VOC; 'IcrKuptoy[üu. Der Genitiv 'IcrKupto)'tou ist textkritisch nicht gesichert 178, andere Handschriften haben statt dessen 'IcrKuptw'TT]C;179, wobei auffälligerweise die Lesart in einer Handschrift von Stelle zu Stelle schwanken kann. Den Vorzug verdient durchgehend der Genitiv l80 , das andere ist Angleichung an die Normalform. Übersetzt heißt das: "Judas, Sohn des Simon Iskariot." 181 Der Beiname Iskariot kommt bereits seinem Vater Simon, von dem wir nur bei Johannes hören, zu. Eine vorschnelle historische Ableitung faßt das als treffende Zusatzinformation und als
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Nach The Greek New Testament 3 lesen ihn in 6,71: P" P" K' (K* hat ano Kapuro-
'tOll) B C L W'l'u.a.;in 13,2:AKLI'1 e TI 'l'und die Koine u.a.; in 13,26: K B C LXe TI2 'l' u. a., dazu jeweils Minuskeln, Übersetzungen und Väterzeugnisse. [7' In 6,71: K 1'1 TI und die Koine; in 13,2: p66 K B W X; in 13,26: p66 A K W D TI*,
wiederum zu ergänzen durch Minuskeln, Versionen und Väter. 180 Vgl. B. M. Metzger, A Textual Commentary to the Greek New Testament, London 1971, 215.239f.241. 18[ R. E. Brown, The Gospel According to John (AnchB 29129A), Garden City 1966170, 298 hält auch folgende Interpunktion für möglich: "Judas, Sohn des Simon, der Iskariot", tendiert aber doch dazu: "the adjective ,Iscariot' seems to be able to modify both Simon and Judas"; M. Limbeck, EWNT II 492, erwägt eine Fehlübersetzung. Zur Namensdeutung s. o. § 8c.
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Bestätigung für die geographische Erklärung des Ausdrucks auf. Schon der Vater habe ihn wegen der Herkunft aus dem betreffenden Ort getragen. 182 In Wirklichkeit geht diese Namensform auf eine tendenziöse Entstellung zurück, die auf der Fluchtlinie von 8,44 ("Ihr habt den Teufel zum Vater") liegt. Johannes will andeuten: Schon der Vater des Judas war nicht besser, das Unheil liegt in der Familie, es lastet wie ein Fluch über der ganzen Sippe l83 , und es wird schließlich auch das ganze Volk treffen, sofern es sich dem Glauben an Jesus Christus verschließt. Man wird es dem Verfasser zugute halten, daß er ernsthaft mit dem schweren Problem des empirisch erfahrenen Unglaubens und Widerstands gegen die christliche Botschaft ringt und dazu manches Wertvolle und Tiefe zu sagen weiß. Unglücklicherweise gerät Judas in dieses Kraftfeld hinein. Was mit ihm geschieht, macht Grenzen der johanneischen Theol-ogie schmerzhaft sichtbar. Verwirrung stiftet auch bis in die Exegese unseres Jahrhunderts hinein der Eindruck eines historischen Ablaufs, der bei Johannes mehr beiläufig zustande kommt, aber zur psychologisierenden Auffüllung geradezu einlädt. Das mag noch harmlos, um nicht zu sagen erheiternd wirken, wenn Johannes B. Bauer aus Anlaß unserer Stelle auf den Gedanken kommt: Judas "wird wohl unverheiratet gewesen sein. Sonst hätte es ihn doch wohl nach Hause zurückgezogen, als er etwa ein Jahr vor dem Leiden des Herrn zu zweifeln und nicht zu glauben begann (Joh 6,64-71)1"184 Bedenklicher wird die Angelegenheit schon, wenn Roman B. Halas den Übergang von 6,60-71 zu . 12,1-8, der nächsten Perikope, der wir unsere Aufmerksamkeit zuwenden müssen, so beschreibt: "A year of hypocrisy passes, and we see the maturing of the Apostle into a thief and a traitor." 185 Judas hatte, so Halas, ein ganzes Jahr Zeit, um seine schlimmen Eigenschaften zur vollen Reife zu bringen, und die ist jetzt, zu Beginn der Passion, gefordert. Allerdings muß man für diesen Exzess mehr den Ausleger haftbar machen als den Evangelisten, denn Johannes gibt einen anderen Fingerzeig, wie er die Einbindung von 12,1-8 in den Kontext verstanden wissen will. So F. Steinmetzer, Judas 17. '83 Vgl. W. Vogler, Judas 24. J. B. Bauer, Schicksal 212f. '8' R. B. Halas, Judas 64. Zurückhaltender, aber im Ergebnis ähnlich R. Guardini, Herr (s. Anm. 166) 415: "Vielleicht ist damals der Glaube im Herzen des Judas erloschen. Daß er dann nicht ging, sondern blieb, als einer von ,den Zwölfen', war der Beginn des Verrats." Auch die "psychologische" Studie von M. Büttner, Judas, basiert fast gänzlich auf einer naiven Lektüre des Johannesevangeliums, ebenso E. J. Meier, Judas 13-26. Vgl. noch H. E. Wunderlich, Judas 263f; F. W. Grosheide, Judas 13. '82
'8'
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§ 14 Der Betrugsverdacht (Joh 12,1-8)
In Joh 11,47-53 faßt das Synhedrium den Beschluß, Jesus zu töten. Jesus zieht sich zurück (11,54), man wartet gespannt, ob er zum bevorstehenden Paschafest nach Jerusalem kommen werde (11,550. In 11,57 schließt das elfte Kapitel mit der Notiz: "Die Hohenpriester und die Pharisäer hatten Anordnungen erlassen, wenn einer wisse, wo er sich aufhält, solle er es anzeigen, damit sie ihn ergreifen könnten." Wer von der synoptischen Passionsgeschichte herkommt, hat sofort das Empfinden: Hier wird Judas seine Rolle auf den Leib geschneidert. Somit dürfte es doch mehr als ein Zufall sein, wenn er in der nächsten Perikope 12,1-8 neben Jesus und Maria von Bethanien in der dritten Hauptrolle auftritt. 186 Wir haben in 12,1-8 die johanneische Version der Erzählung von der Salbung Jesu in Bethanien in Mk 14,3-9 par Mt 26,6-l3 vor uns. Auch die Salbung Jesu aus Lk 7,36-50 hat eingewirkt, namentlich auf V.3, evtl. indirekt auch auf die Namengebung (vgl. Lk 8,2; 10,38--42). Die Erwähnung des Lazarus in V. 1bund 2b dient der redaktionellen Verklammerung mit Joh 11,1--44. Von dort scheinen auch Martha und Maria (?) in unsere Perikope herübergeholt zu sein. Es zeichnet sich eine klare traditionsgeschichtliche Entwicklungslinie ab. Bei Markus und Matthäus bleibt die Hauptakteurin namenlos, bei Lukas ist sie eine gleichfalls namenlose Sünderin, bei Johannes bekommt sie den Namen Maria. Einwände machen bei Markus unbestimmte 'tive~, bei Lukas ist es der Pharisäer Simon, bei Matthäus sind es "die Jünger", bei Johannes erhebt diese Einwände Judas. Es tritt bei Johannes eine Tendenz ans Licht, die sich schon in der matthäischen Komposition abzeichnete (s.o. § 9b). Auch dort war ein innerer Zusammenhang zwischen der Salbung in Bethanien und dem so unverständlich scheinenden Tun des Judas angebahnt. Das Verlangen, namenlosen Akteuren bekannte Namen zu verleihen und aus den vorhandenen Figuren eine überschaubare erzählte Welt zu schaffen l87 , hat die evangeliare und vor allem die apokryphe Überlieferung tiefgehend bestimmt. 188 Obwohl das JohannesevangeBeobachtet von D. Haugg, Judas 97. Wie es auch bei J. N. Sanders, "Those whom Jesus Loved" (John xi.5), in: NTS I (1954/55) 29-41, hier 41, geschieht: Simon der Aussätzige in Bethanien (Mk 14,3) sei der Vater von Judas (vgl. Joh6, 71) und zugleich von Lazarus, Maria und Martha. Judas sei der ältere Bruder in dieser "Familie von Bethanien". Prägnant dennoch seine Formulierung ebd.: "He (Judas) is a masculine Martha gone wrong." 188 Dazu B. M. Metzger, Names for the Nameless in the New Testament, in: KYPIAKON (FS J. Quasten), Bd. I, Münster 1970,79-99. 18. 187
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lium - dies sei ausdrücklich zugestanden - in Einzelfällen durchaus zuverlässiges außersynoptisches Material bewahrt haben kann189 , scheint es angesichts dieses traditions geschichtlichen Gefälles wenig aussichtsreich, für unsere Stelle mit historischen Reminiszenzen zu rechnen 190 • Die Frage kann eigentlich nur sein, ob erst der Evangelist alle Namen eingetragen hat oder ob wenigstens Maria und Judas schon in einem vorevangeliaren Stadium eingebracht wurden. Vermutlich trifft Letzteres ZU 191 , obwohl die sprachlichen Argumente nicht restlos zwingend sind. Der Todesbeschluß des Synhedriums und die Salbung in Bethanien waren bereits in den vorjohanneischen Passionsbericht eingearbeitet, den der Evangelist aufnimmt. 192 In V. 4 heißt Judas anders als in 6,71; 13,2.26 nur 0 'Io"Kapuh'tT]C; (vgl. 14,22). Er wird weiter "einer von seinen Jüngern" genannt (das EK, das man bei Johannes erwartet, ist textkritisch sekundär), nicht "einer von den Zwölfen". Der Zusatz 0 IlEAACOV ao'tov napaotMvat steht ähnlich, nur mit einer präteritalen Verbform schon in 6,71b (in 6,64 nur als varia lectio). Im gegenwärtigen Kontext gewinnt das Partizip IlEAACOV an Intensität. Die geplante Auslieferung ist ein Vorgang, der - in 11,57 vorbereitet - das Geschehen bei der Salbung zeitlich umklammert. Durch den Einschub des Namens wird Judas in den Mund gelegt, was sich substantiell bereits in Mk 14,5 findet, jetzt aber in verkürzterund dadurch verschärfter Fassung erscheint: "Weshalb wurde dieses Salböl nicht für dreihundert Denare verkauft und (der Erlös dafür) den Armen gegeben?" (Joh 12,5). Die dreihundert Denare sind aus der Tradition der Salbungserzählungvorgegeben, ein Bezug zu den dreißig Silberlingen als "Judaslohn" in Mt 26,15 (die dreihundert Denare fehlen in der Wiedergabe der Salbung in Bethanien durch Matthäus, vgl. Mt 26,9) fällt deshalb aus. 193 So, wie der Vgl. H. J. Klauck, Sakramente (s. Anm. 148) 5f. Das tut R. E. Brown, Joh (s. Anm. 181) 453: "There is a better chance that the characters of Mary and Judas were originally part of the story and that their names were lost in the synoptic tradition." 191 Vgl. R. Schnackenburg, Joh II (s. Anm. 177) 461. Vgl. generell C. P. März, Zur Traditionsgeschichte von Mk 14,3-9 und Parallelen, in: SNTU 6-7 (1981/82) 89-112, hier 106-111. 192 Vgl. J. Becker, Joh (s. Anm.168) 532. 193 Die Legende (vgl. W Creizenach, Judas 178) macht aus der Verwandtschaft der Zahlen folgendes: Judas hat von allen Einnahmen zehn Prozent abgezweigt. Sein Anteil an den dreihundert Denaren als Gegenwert der Salbe ging ihm in Bethanien verloren. Er hält sich schadlos, indem er folgerichtig Jesus für zehn Prozent der Summe, nämlich dreißig Silberlinge, verkauft (darüber, daß Silberlinge mehr wert sind als Denare, muß man großzügig hinwegsehen). 189
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Einwand dasteht, wirkt er nicht einmal unplausibel 194, jedenfalls nicht so, daß man seinem Urheber schon deswegen charakterliche Vorwürfe machen sollte. Aber allein der Name und die Qualifikation durch "der ihn übergeben sollte" setzen ein negatives Vorzeichen. Für begriffs stutzige Leser fügt der Evangelist 195 in V. 6 erneut (vgl. 6,64) eine kommentierende Zwischenbemerkung bei, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig läßt und die dem Ganzen eine fatale Wendung gibt: "Das sagte er aber nicht, weil ihm an den Armen etwas lag, sondern weil er ein Dieb war und, da er die Kasse 196 führte, die Einkünfte beiseite schaffte." Zunächst die Frage: Woher hat der Evangelist das Wissen, daß Judas die Jüngerkasse verwaltete (er bringt es in 13,29 wieder an)? An sich ist eine solche Auskunft, daß es eine Jüngerkasse gab, noch wertneutral. Das ändert sich aber sehr rasch, wenn man hört, daß Judas für sie verantwortlich war, weil man damit sofort den "Verrat" um Geldes willen assoziiert. Ein wenig wirkt das Motiv von der Gemeinschaftskasse so, als habe jemand das Modell der urchristlichen Gütergemeinschaft aus Apg 2,44f; 4,32-35 in die Jesuszeit zurückprojiziert (vgl. Lk 8,3). Ob es echte historische Haftpunkte gibt, bleibt äußerst fraglich. 197 Die Betrauung des Judas mit dieser Kasse dürfte eine Extrapolation aus dem synoptischen Überlieferungsstück sein, das von einem Geldangebot der Behörden an Judas berichtet. Dieser Bestechungsversuch fehlt bei Johannes, er ist durch die andere Version von Judas als betrügerischem Kassenwart ersetzt. Die Grunddaten können schon in der vorevangeliaren Überlieferung entwickelt worden sein. Die entscheidenden Akzente setzt der Evangelist.i 98 Wieder ist sein Bestreben mit Händen zu greifen, den Judas"verrat" von seiner Koppelung an die Passionsgeschichte zu lösen und nach vorne hin zu verlängern. Immer schon hat sich Judas als Lügner, Betrüger und habgieriger Mensch erwiesen. Er stahl 19. Vgl. K. Lüthi, Problem 109: Judas entwickelt "Sätze einer ,bürgerlichen' Zweckethik". 195 Anders J. Becker, Joh (s. Anm. 168) 374, der V. 6 (und Teile aus V. 4) an die nachjohanneische Jüngerredaktion überweist. 19. yM.ocrcr61Collov im Sinne von "Kasse" viermal in 2 Chron 24,8.11 LXX (zur Sammlung von Beiträgen zum Tempelbau); auch bei Plut., Galba 16, I; Jos., Ant 6, I!. 197 Anders R. E. Brown, Joh (s. Anm. 181) 453: "John may weil be giving us historical information not preserved in the other Gospels by reporting that Judas kept the common funds." Mit viel Erzählfreude, aber wenig Sachkenntnis schmückt R. J. Bronikowski, Judas 270-273, das aus. 198 Auch A. Salas, Judas 203 f, fragt sich: "Responde esta explicaci6n deI evangelista a una realidad hist6rica?", und antwortet: "Es, pues, mucho mas 16gico suponer que el envangelista (sie), aludiendo a esa codicia deI traidor, intente buscar un motivo humano que justifique su traici6n."
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nach Kräften aus der gemeinsamen Kasse, die ihm anvertraut war, und besitzt in der konkreten Situation die Frechheit, heuchlerisch Fürsorge für die Armen vorzuschützen. Die Geldgier treibt ihn zu seinem Tun, Geldgier wird ihn zu Fall bringen. Der Verkauf Jesu um dreißig Silberlinge bei Matthäus und das betrügerische Verhalten, das ihm Johannes unterstellt, ergeben zusammengenommen ein Judasbild von ungeheurer Brisanz. Wenn in unseren Tagen ein Politiker sinngemäß sagt: Juden sollten den Eindruck vermeiden, immer dann gleich zur Stelle zu sein, wenn Geld im Kasten klingelt, ist er, bewußt oder nicht, selbst zum Opfer eines Stereotyps geworden, das Judas und die Juden zur Deckung bringt und als gemeinsames Merkmal Habgier diagnostiziert. Die Antwort Jesu in 12,7 richtet sich im Unterschied zu den anderen Versionen direkt an Judas: "Laß sie (gewähren)!" Die Fortsetzung stellt vor nahezu unlösbare philologische Probleme. Der Sinn sollte der gleiche sein wie bei Markus: Sie hat meinen Leib im voraus zum Begräbnis gesalbt. 199 Vom Erzählverlauf her stehen Judas und Maria in Opposition zueinander. Beide bereiten Jesu Tod vor, auf je verschiedene Weise. 20o Maria salbt liebevoll den Leib, der bald ein Leichnam sein wird. Judas ist dabei, aktiv auf die Festnahme Jesu hinzuwirken. Dabei ist der innere Grund für sein Tun paradoxerweise der, daß er die Notwendigkeit des Sterbens Jesu nicht einsehen kann. Sein erstes, negativ besetztes Auftauchen in 6,60-71 steht in Zusammenhang mit der Ankündigung des Aufstiegs des Menschensohnes, der sich am Kreuz ereignen wird (6,62). In 12,1-8 protestiert er auf der Erzählebene gegen die Verschwendung; unterschwellig protestiert er dagegen, daß man Jesus, auf den er messianische Hoffnungen (im Sinne von 6,15) setzte, zum Tode vorbereitet.
§ 15 Judas beim letzten Mahl (Joh 13,1-30) a) Die Fußwaschung (Y. 1-20) Das 13. Kapitel des Johannesevangeliums ist ein mehrschichtiger Text, an dem verschiedene Hände gearbeitet haben. Ohne eine Un-
199 R. Schnackenburg, Joh 11 (s. Anm. 177) 462f; C. P. März, Traditionsgeschichte (s. Anm. 191) 109f. 200 Vgl. J. Roloff, Das Kerygma und der irdische Jesus. Historische Motive in den Jesus-Erzählungen der Evangelien, Göttingen 1970, 222 f.
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terscheidung von drei Stufen: Vorlage - Evangelist - Jüngerredaktion, wird man kaum auskommen. 201 In der Perikope von der Fußwaschung 13,1-20 begegnet Judas zum ersten Mal in der hoffnungslos überfüllten Einleitung V. 1-3, wo sich die verschiedenen Bearbeitungsschichten auf engstem Raum überlagern (wie in 6,22-24). In V. 2 b heißt es in einem Genitivus absolutus: "Der Teufel hatte (ihm) schon ins Herz gegeben, daß er, Judas, Sohn des Simon Iskariot, ihn (Jesus) ausliefere.''202 Wenn wir zurückblicken, denken wir sofort an 6, 70c: "Und von euch ist einer ein Teufel." Was das genau bedeutet, wird hier gesagt. Das Teuflische an Judas besteht darin, daß er den Plan gefaßt hat, Jesu Vernichtung zu betreiben, und so das Bestreben der Kräfte des Bösen zu seinem eigenen macht. Als auslösender Faktor treten die Geschehnisse in Bethanien hinzu (12,1-8). Von V. 2 herkommend empfindet man einen Widerspruch, wenn man in 13,27a liest: "Und nach dem Bissen ging der Satan in jenen ein." Der Satan in V. 27 ist die gleiche Größe wie der Diabolus in V. 2. Wie können dann aber diese beiden Aussagen nebeneinander Bestand haben? Nun ist der vorhandene Gegensatz nur relativ, nicht absolut. Zwischen Eingeben eines Planes und Besitzergreifen besteht ein Unterschied. Dennoch wird in V. 27 vor-evangeliare Tradition vorliegen, während in V. 2b vermutlich sogar erst die Jüngerredaktion am Werk ist, obwohl man auch eine Zuweisung an den Evangelisten nicht mit letzter Sicherheit ausschließen kann. Die schwierige und stets umstrittene Scheidung zwischen Evangelist und Redaktion hat im übrigen für die Konturen des Judasbildes bei Johannes nicht den Stellenwert, wie man zunächst vielleicht vermuten möchte, weil die Redaktion zumindest in diesem Fall doch nur aufnimmt und verstärkt, was beim Evangelisten schon vorgegeben ist. Es folgt in 13,4-lOa die Fußwaschung mit der ersten, soteriologischen Deutung. Als Nachtrag wirkt schon auf den ersten Blick V. lOb-lI: ",Auch ihr seid rein, aber nicht alle'. Denn er kannte den, 201 VgL die Analysen von R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium III (HThK IV / 3),4. AufL, Freiburg 1982, 7-15; J. Becker, Joh (s. Anm. 168) 419-434; H. Thyen, Johannes 13 und die "Kirchliche Redaktion" des vierten Evangeliums, in: Tradition und Glaube. Das frühe Christentum in seiner Umwelt (FS K. G. Kuhn), Göttingen 1971, 343-356; M. Wilcox, The Composition of Joh 13,21-30, in: Neotestamentica et Semitica (FS M. B1ack), Edinburgh 1969, 143-156. 202 Nach dem Text in The Greek New Testament' und Nestle-Aland 26 , zu dem es zahlreiche Varianten gibt (s. o. Anm. 167 f). Ein Teil der Zeugen versucht, den Widerspruch zu 13,27 zu mildern und V. 2 so umzuschreiben, daß als Sinn herauskommt: Als der Teufel im Herzen beschlossen hatte, Judas solle Jesus ausliefern.
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der ihn ausliefern sollte. Deswegen sagte er: ,Ihr seid nicht alle rein'." Die kommentierende Zwischenbemerkung in V. 11 scheint auf 6, 64 zurückzugreifen. Der Ausspruch J esu über vorhandene und mangelnde Reinheit bezieht sich auf die abschließende Deutung der Fußwaschung in V. 10a: "Wer gebadet ist, hat es nicht mehr nötig, sich zu waschen, sondern er ist ganz rein." 203 Diese Zusage gilt den Jüngern, die durch die Fuß waschung zeichenhaft Anteil erhalten haben am erlösenden und rettenden Sterben Jesu. Sie gilt auch Judas. Jedenfalls wird er in der Vorlage nicht aus der Zahl der Jünger ausgesondert. Hier sieht sich der Evangelist zum Eingreifen gezwungen. Wie in 6,67-71 konstruiert er eine Opposition zwischen Judas und den übrigen Jüngern. Die Fußwaschung hat Judas widerstandslos über sich ergehen lassen, genutzt hat sie ihn nichts. Im Gegenteil, sie belastet sein Schuldkonto höchstens noch schwerer. In das nächste Textstück V. 12-20 ist eine zweite, paradigmatische Deutung der Fußwaschung eingearbeitet. Ging es in der ersten Deutung darum, daß die Jünger diesen Dienst der Fußwaschung annehmen sollen, so werden sie in der zweiten Deutung aufgerufen, einander selbst einen solchen Dienst zu erweisen. An die Stelle der tiefgründigen theologischen Symbolik treten klare, einfache Handlungsanweisungen. Diese zweite Deutung ist traditions geschichtlich gesehen fraglos die ältere. Es spricht indes manches dafür, die Verse 12-20 en bloc der Jüngerredaktion zuzuweisen. 204 Sie hat die in der Gemeinde bekannte ältere Deutung nachgetragen und mit synoptischen (Y. 16f.20) bzw. johanneischen Logien (V. 19, vgl. 14,29) aufgefüllt. Das läßt sich auch von dem uns besonders interessierenden V. 18 her begründen. Sein Wortlaut: "Ich spreche nicht über euch alle. Ich weiß, welche ich erwählt habe. Aber damit die Schrift erfüllt wird: ,Der mein Brot aß, hat wider mich seine Ferse erhoben'."
Direkter und wörtlicher als in dem synoptischen Gegenstück Mk . 14,20 wird aus Ps 41,10 zitiert, um die schändliche Verletzung der Tischgemeinschaft anzuprangern, die Judas sich zuschulden kommen läßt. Nun liest die LXX in Ps 41,10: Ü ecr3iffiv ap'tou~ 1-100, Joh 13, 18 hingegen: Ü 'tproYffiV J..LOU 'tüv ap'tov. Statt des Plural "Brote" 203 Ich lese an dieser Stelle den Kurztext ohne Ei !!1] 'tou~ 1t6oa~, vgl. R. Schnackenburg, Joh III (s. Anm. 201) 22-25. 204 Vgl. G. Richter, Die Fußwaschung im Johannesevangelium, in: ders., Studien zum Johannesevangelium. Hrsg. von J. Hainz (BU 13), Regensburg 1977,42-57.
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also der Singular "Brot" (wie in der Masora), statt ecr-9iro das intensivere 'tproyro (eigentlich: "zerbeißen", "zerkauen"). 'tproyro kommt bei J ohannes ansonsten viermal im eucharistischen Redestück 6,52-58 vor, wo es im Dienst eines realistischen Eucharistieverständnisses steht. Für 6,52-58 aber liegt der Verdacht auf redaktionelle Herkunft sehr nahe (s.o.). Wenn das richtig gesehen ist, dann bringt die Redaktion in V. 18 auch folgendes zum Ausdruck: Judas hat sich die eucharistische Gabe reichen lassen, in falscher Gesinnung. Das war eine weitere Teufelei von ihm. Implizit werden die Gemeindemitglieder vor einem solchen Verhalten gewarnt. Ein weiteres wichtiges Anliegen formuliert der V. 19. Selbstverständlich hat Jesus alles im voraus gewußt, auch das Faktum des Verrats (so schon 6,64.70f; 13,11). Das wird jetzt in Anlehnung an 14,29 in ein Jesuswort gekleidet. Für die angesprochenen Jünger, d. h. letztlich für die Christen, besteht kein Grund, an der Göttlichkeit Jesu Christi, die in dem eyro Ei~t am Versende aufklingt, zu zweifeln, nur weil er die Anwesenheit des "Verräters" im Jüngerkreis geduldet hat. b) Die Entlarvung (V. 21-30) In 13,21-30 verarbeitet der Evangelist eine Traditionsvariante zu Mk 14,17-21. Man erhält einen geschlossenen Sinnzusammenhang, wenn man V. 23 fund V. 28 f als Einschub des Evangelisten herausnimmt. Möglicherweise hat er auch an den jeweiligen Rändern eingegriffen. In V. 30a scheint Außffiv ouv 'to \Vro~iov eine nicht ganz gelungene Wiederaufnahme von V. 27 a zu sein, die das Dazwischenschalten von V. 28 f erforderlich machte. Ungemein wuchtig ist die Einleitung in V. 21 gestaltet: "Jesus wurde erschüttert im Geist und bezeugte und sprach ... " Es folgt im Jesuswort selbst eine der für Johannes charakteristischen Eröffnungen mit dem doppelten Amen: "Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, einer von euch wird mich ausliefern." Von der inneren Erschütterung Jesu sprechen auch zwei andere Stellen. In 12,27 rührt die Erschütterung vom bevorstehenden Leiden her. Im Lazaruswunder 11,33 ist damit die pneumatische Erregung des Wundertäters, der die Kraft in seinem Inneren freisetzt, angesprochen. Wenn man "und er bezeugte und sprach" miteinbezieht, geht man am besten von einer pneumatischen Erregung aus, die es Jesus ermöglicht, in prophetischer Schau 205 das Tun des Judas anzusagen. Zugleich kann 205
R. Bultmann, Joh (5. Anm. 169) 367: "Jesus redet als Prophet."
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tiefer Schmerz mitschwingen über den furchtbaren Treuebruch eines Jüngers, der sich selbst dem Verderben anheimgibP06 Die Jünger reagieren in V. 22 mit völliger Ratlosigkeit, sie sagen kein Wort. Wahrscheinlich ähnelte die Vorlage mehr Mk 14,19. Die Rückfrage der Jünger hat der Evangelist nach V. 25 fin transponiert und dem Lieblingsjünger in den Mund gelegt: "Herr, wer ist es?" Bereits in der Tradition lautet die Antwort V. 26, die mit Mk 14,20 parallel läuft : "Jener ist es, dem ich den Bissen eintunke und ihm geben werde." Nur ist dieser Eine jetzt zumindest für den Lieblingsjünger genau identifiziert. Aber auf dem Weg zu dieser exakten Kennzeichnung befand sich auch schon Matthäus. Das Erzählreferat über die entsprechende Handlungsweise Jesu schließt in V. 27a mit dem bedeutungsschweren Wort: "Und nach dem Bissen, da ging der Satan in jenen ein." Liegt hier die sogenannte "Judaskommunion" (s. o. § 11) vor? Haben wir einen weiteren, wenn auch negativen Hinweis auf ein sehr massives Eucharistieverständnis? Macht unwürdiger Eucharistiegenuß v~m Teufel besessen? Das ist jedenfalls die Meinung, wenn man davon spricht, Judas habe ein "satanisches Sakrament" empfangen. 207 Dieses Verständnis ist selbst für die Jüngerredaktion, wo sie am ehesten zutreffen könnte, in diesem Fall zu bezweifeln, erst recht für den Evangelisten. Einen ersten Fingerzeig gibt die Traditionsgeschichte : V. 27 a berührt sich mit Lk 22,3. Dort zeigt sich, daß das Eingehen des Satans in Judas gar nicht an das Mahl gebunden ist, sondern viel allgemeiner sein böses Handeln erklären will. Sodann bedeutet !J.E'tU 'to \/f{ü!J.iov nicht "mit dem Bissen", "durch den Bissen", "aufgrund des Bissens", sondern "nach dem Bissen". Die Relation ist zeitlich, nicht kausal, was das Zeitadverb 'tO'tE im gleichen Vers noch unterstreichpo8 Man kann außerdem zu einer Interpretation finden, die sich viel besser in die dualistische Entscheidungstheologie des Evangelisten einpaßt als die rein dämonologische. 209 Die Fußwaschung beim Mahl ist ein besonderes Zeichen inniger Vgl. W Vogler, Judas 106. Diese Formulierung bei W Wrede, Judas 136: "Der Bissen scheint eine magische Wirkung auf den Jünger zu üben. Es ist eine Art satanisches Sakrament. das Judas genießt." Aufgenommen von F. K. Feige!, Einfluß (s. Anm. 51) 95; R. Bultmann, Joh (s. Anm. 169) 368 Anm. 5; K. Lüthi, Problem 110. Mittelalterliche Bildwerke visualisieren den Vorgang: Als schwarzer Vogel, als kleines Tier oder in einer Miniaturausgabe seiner selbst geht der Teufel durch den Mund in Judas ein, vgl. W Porte, Judas 52-55. 208 Vgl. R. Schnackenburg, Joh III (s. Anm 201) 37 Anm. 94a. 20' Vgl. R. E. Brown, Joh (s. Anm. 81) 578. 206 207
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Liebe, was ein Vergleich mit einer Stelle aus "Josefund Aseneth" erhellen kann: ~
,,1 Und es sprach Aseneth zu Josef: ,Hierher, mein Herr, und komm hinein in unser Haus, denn ich bereitete unser Haus, und ein großes Mahl habe ich angerichtet. ' 2 Und sie faßte seine rechte Hand und führte ihn hinein in ihr Haus und setzte ihn auf den Thron des Pentephres, ihres Vaters, und brachte Wasser, zu waschen seine Füße. 3 Und es sprach Josef: ,Es komme doch eine der Jungfrauen und wasche meine Füße!' 4 Und es sprach zu ihm Aseneth: ,Mitnichten, mein Herr, da du mein Herr bist von jetzt an und ich deine Magd, wozu redest du dies, eine andere Jungfrau solle deine Füße waschen? Denn deine Füße sind meine Füße, und deine Hände sind meine Hände, und deine Seele ist meine Seele, und nie und nimmer wäscht eine andere dir die Füße.' 5 Und sie nötigte ihn und wusch seine Füße. Und es schaute Josef ihre Hände, und sie waren wie Hände des Lebens und ihre Finger fein wie Finger eines flink schreibenden Schreibers (vgl. Ps 45,2). Und danach faßte Josef ihre rechte Hand und küßte sie und Aseneth küßte sein Haupt und setzte sich zu seiner Rechten." 210
Gleiches gilt für das gemeinsame Eintauchen eines Bissens, das im Buch Rut eine tiefe Zuneigung anbahnen hilft: "Als es nun Essenszeit war, sprach Boas zu ihr: Komm her und iß mit und tunke deinen Bissen in den Essig. Da setzte sie sich zur Seite der Schnitter, und er reichte ihr geröstete Ähren, und sie aß sich satt und behielt noch übrig" (Rut 2,14).
Judas nimmt ohne Widerspruch die Fußwaschung und die Darreichung des Bissens, die das gemeinsame Eintauchen aus Ps 41, 10 und Rut 2, 14 noch einmal steigert, hin. Dadurch, daß er die Gesten der Liebe akzeptiert, ohne von seinen unheilvollen Plänen zu lassen, ist der Gipfel der Perfidie erreicht. Er hätte sich von dieser Liebe überwältigen lassen müssen. Er hat es nicht getan, er entscheidet sich anders, und durch diese Entscheidung ist er endgültig zur Beute und zum Werkzeug des Satans geworden. Eine solche Verstocktheit kann man nur noch teuflisch nennen. Nach diesem Höhepunkt eilt die Erzählung rasch ihrem Ende entgegen. Jesus befiehlt dem Judas geradezu: "Was du tun willst, das tue bald" (V. 27). Er wird von seinem Schicksal nicht überrascht, steht ihm nicht hilflos und eingeschüchtert gegenüber, sondern fordert es heraus, lenkt es und nimmt es selbst in die Hand. Diese Souveränität Jesu, der sich immer als der Situation überlegen erweist, 210
JosAs 20,1-5. Übers. nach C. Burchard, JSHRZ II 693f, adaptiert.
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dominiert nirgends so stark wie in der johanneischen Pass ionsgeschichte. Die Verse 28-29 haben erzählerisch gesehen die Funktion, Bedenken auszuräumen, die sich aus dem jetzigen Textarrangement ergeben. Man fragt sich: Warum ließen die anderen Jünger das alles tatenlos geschehen, warum hindert niemand Judas an der Ausführung seines Vorhabens? Die Antwort: Sie haben es mit Ausnahme des Lieblingsjüngers immer noch nicht gewußt. Es kommt zu einem Jüngermißverständnis, ein typisch johanneisches Stilmittel, das hier nicht sehr ausgeführt, aber doch angedeutet ist: Als Kassenwart (s. o. zu Joh 12,6) soll Judas, so vermuten die anderen, die letzten Einkäufe für das Fest tätigen, weil am Festtag selbst alle Läden geschlossen sind, oder er soll Almosen verteilen, weil man am Festtag erfahrungsgemäß sein Herz für die Armen entdeckt. 21l Mit dieser Ahnungslosigkeit muß man das Vorherwissen Jesu vergleichen, um den ganzen Abstand zu ermessen.2!2 "Jener ging sofort hinaus. Es war aber Nacht" (V. 30; vgl. Lk 22,53). Die Zeitangabe am Schluß der Einheit hat hohen Symbolwert. Sie verkoppelt die Gestalt des Judas mit dem Dualismus von Licht und Finsternis, der die erste Hälfte des Johannesevangeliums durchzieht. Judas verläßt den Jüngerkreis. Er geht hinaus aus dem Lichtkreis um Jesus, der in Person das Licht der Welt darstellt (Joh 8,12). Er begibt sich in den Herrschaftsbereich der Finsternis, um mitzuwirken an jener Tat, von der schon der Prolog sagt: "Und das Licht scheint in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht angenommen" (Joh 1,5; vgl. 1, lOt). Für Jesus steht die Nacht bevor, die sein irdisches Dasein zum Verlöschen bringt (9,4) und jene neue Form seiner Anwesenheit im Geiste notwendig macht, von der die folgenden Abschiedsreden sprechen. Judas irrt in der Nacht umher, in der man nach 11, 10 ins Stolpern gerät. "Das kurze Wort, mit dem der Bericht über den Weggang des Verräters schließt, sammelt noch einmal alle Dunkelheit dieses Geschehens in sich - ein wirkungsvoller Abschluß (vgl. 6,71), der für den Evangelisten aber nur zur dunklen Folie wird, von der sich das folgende Wort von der Verherrlichung J esu abhebt." 213 Geben wir wegen seiner poetischen, nicht wegen seiner theologischen Qualitäten abschließend zu Joh 13,30 noch dem syrischen Kirchenvater Cyrillonas das Wort:
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Dazu J. Jeremias, Abendmahlsworte (s. Anm. 133) 47-49. Vgl. J. Hecker, Joh (s. Anm. 168) 433. R. Schnackenburg, Joh III (s. Anm. 201) 38.
"Wer sah je ein so unerhörtes Gastmahl, bei dem der Habicht mit den elf Tauben speiste? Wer sah je ein so wunderbares Gastmahl, wo der Maulwurf, der Sohn der Finsternis, zugleich mit dem Adler teilnahm? ... Zur Abendzeit verließ Judas den Speisesaal, und es blieben zurück die Jünger in tiefem Frieden ... Es freute sich der Speisesaal darüber, daß die Finsternis von den Zwölfen gewichen und der Bock geflohen war ... Die Eule, die sich der Finsternis rühmte, verließ die Tauben und flog krächzend hinaus. Da wurde das Haus licht, in welchem die verborgene Sonne mit ihren Strahlen weilte; es freute sich, weil die verfluchte Natter aus ihm entwichen war." 214
§ 16 "Sohn des Verderbens" (loh 17, 12b)
Das "Gebet des scheidenden Gesandten" 215 in Joh 17 weist mehrere redaktionelle Zusätze auf. Dazu gehört V. 12b: "Und ich habe (sie) bewahrt, und niemand von ihnen ging zugrunde (a,nrot..E'to), nur der Sohn des Verderbens (a,nffit..da~), damit die Schrift erfüllt werde." Es wiederholt sich der gleiche Vorgang, der sich in 13, 10f auf der Ebene des Evangelisten abspielte. Dort haben alle Jünger an der Fußwaschung teilgenommen, alle sind rein - aber das kann nicht mehr aufrechterhalten werden angesichts dessen, was in 6,70 und 12,6 über Judas gesagt ist. Ebenso hier. Seine Bitte für die Jünger bzw. die Gemeinde in 17,6-13 begründet Jesus damit, daß er alle, die der Vater ihm gab, bewahrt habe (V. 12a). Das kann, wenn man an Judas denkt, nicht unwidersprochen bleiben. Also wird eine Ausnahmek1ause1 angefügt. Das Gesagte gilt nicht von Judas. Er ist verloren gegangen, er wurde ein Opfer des Verderbens. "Zugrundegehen" und "Verderben", ihrer Herkunft nach apokalyptisch gefärbte Termini 216, bedeuten nicht mehr und nicht weniger als endgültigen Heilsverlust, Versinken ins Nichts, in ewige Finsternis. Das wird nirgends sonst so unzweideutig ins Wort gefaßt wie hier. Der Hinweis auf die Schrifterfüllung V. 12fin führt zurück zu 13, 18b, wo das Zitat aus Ps 41,10 genauso eingeleitet wird: "Damit
214 Cyrillonas der Syrer, Erste Homilie über das Pascha Christi, bei S. Landersdorfer, BKV Vi 33 f.35. m Dieser Titel bei J. Becker, Joh (s. Anm. 168) 506. 216 Zu "Sohn des Verderbens" vgl. Jes 57,4 LXX; lQS 9,16.22: "Männer der Grube"; CD 6,15: "Söhne der Grube"; Mt 23,15: "Sohn der Gehenna".
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die Schrift erfüllt werde."217 Judas hat das Schriftwort vom treulosen Freund in die Tat umgesetzt. Sein Handeln ordnet sich dem in der Schrift niedergelegten göttlichen Willen unter, was ihn aber der Verantwortung keineswegs enthebt. Da der Vers auf die Judastat als schon vollzogen zurückblickt (Vergangenheitstempus), bewahrheitet sich mit der Schrift zugleich auch die Vorhersage Jesu, die in 13,18 in das Schriftwort eingekleidet wurde. Von den Hörern ist der Glaube gefordert, von dem 13,19 spricht. Aus dem Eintreffen des Vorhergesagten müssen sie erkennen, daß Jesus mit Recht von sich sagt "Ich bin", d. h., daß er mit Recht göttliche Würde beansprucht. "Sohn des Verderbens", so heißt in 2 Thess 2,3 der Antichrist. Daß dieser Sprachgebrauch in einem deuteropaulinischen Schreiben dem Urheber der Glosse in V. l2b bekannt war oder ihm aus gemeinsamer mündlicher Tradition überkommen sei, ist eher unwahrscheinlich. 218 Den gemeinsamen Background geben apokalyptische Erwartungen und Drohungen ab, die zu festen Titulierungen erstarrten. Immerhin kennt die johanneische Gemeinde die Erwartung des Antichristen, und sie sieht ihn in der Gegenwart, die dadurch als Endzeit qualifiziert ist, schon am Werk (1 Joh 2,18; 4,3). Daß man in dieser späten Schicht auch Judas als sein Werkzeug ansah, wie er ja auch Werkzeug des Teufels und Satans war (13,2.27), liegt im Bereich des Möglichen. Vergleicht man auf der Erzählebene das erste Worte Jesu über Judas in 6,70 und sein letztes in 17,12 miteinander, muß man sagen: "Eine so unheimliche Klammer um das Judaszeugnis kennen die Synoptiker nicht." 219
§ 17 Die Verhaftung lesu (loh 18,1-11)
Wie in der synoptischen traditio triplextritt Judas auch bei Johannes in der Verhaftungsszene zum letzten Mahl in Erscheinung. 220 Jesus zieht sich in 18,1 über den Kidronbach 221 in einen Garten zurück, 217 Vgl. R. E. Brown, Joh (s. Anm. 181) 760; R. Schnackenburg, Joh 111 (s. Anm. 201) 207. 218 Ganz von 2 Thess 2,3 her interpretieren B. Gärtner, Termini 59f; W Vogler, Judas 108 f; J. S. Billings, Judas 156. 219 K. Lüthi, Problem 108. Ob auch mit der "Sünde zum Tode" in I Joh 5, 16 Judas angesprochen sei, fragt L. J. van Holk, Judas 54 (eher unwahrscheinlich). 220 Vgl. dazu neben den Komm. bes. A. Dauer, Die Passionsgeschichte im Johannesevangelium. Eine traditionsgeschichtliche und theologische Untersuchung zu Joh 18, I - 19,30 (StANT 30), München 1972,21-61.242-246.280-284.312-314. 221 Nach 2 Sam 15,23 flieht David vor seinem aufständischen Sohn Abschalom über den Kidron-Bach. Das tragen in Joh 18,1 ein T. E. Glasson, Links; L. P. Trudinger,
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den wir ausnahmsweise ohne falscher Harmonisierung zu erliegen mit dem synoptischen Gethsemani gleichsetzen dürfen. In V. 2 trägt der Erzähler die Information nach, daß Judas "der Ausliefernde" um diesen öfter benutzten Versammlungsort wußte. Das ist verwandt mit der Notiz in Lk 22,39: Wie sie es gewohnt waren, ging Jesus mit seinen Jüngern zum Ölberg. Daraus resultiert als Effekt eine bessere Motivierung der Rolle des Judas, die, ob Zufall oder nicht, auch historisch am plausibelsten wirkt. Die Kenntnis des zeitweiligen Aufenthaltsorts ermöglicht eine rasche und ungehinderte Festnahme. In Lk 22,47 schreitet Judas dem Verhaftungstrupp voran und zeigt ihm den Weg. Das erscheint in Joh 18,3 in gesteigerter Form: Judas führt die Truppe an, und sie setzt sich zusammen aus einer römischen Kohorte (O"m:t:pa) und jüdischen Polizeikräften (un1lpE'tat). Dieses traute Miteinander von Römern und Juden unter dem Kommando des Judas ist historisch gesehen äußerst unwahrscheinlich und wird sich auch nicht durch einen irrtümlichen Umgang mit den römischen Dienstgraden (vgl. den Chiliarchen in 18,12) erklären lassen 222 • Damit bleibt nur eine symbolische Deutung. Römer und Juden repräsentieren die Gesamtheit des feindlichen Kosmos, der jetzt unter Führung des Widersachers zum letzten Angriff gegen Jesus ausholt. 223 Mit Judas, von dem der Satan Besitz ergriffen hat (13,27), rückt der "Fürst dieser Welt" an (14, 30b: "Denn es kommt der Fürst dieser Welt").224 Aber, so werden wir im Blick auf das Folgende fortfahren, an Jesus hat er keinen Teil (14, 30c), er wird hinausgeworfen werden (12,31), d. h. hier konkret rückwärts gehen und niederfallen (18,6). Daß die Truppe "Fackeln, Laternen und Waffen" dabei hat, paßt zur Situation. Es ist dunkel, und man erwartet Widerstand. Die Möglichkeit einer symbolischen Interpretation kann man deshalb
Links. Auch A, Dauer, Passionsgeschichte (s, Anm. 220) 23, meint dazu: "Das ist durchaus möglich", schränkt das aber ein auf die Tradition; vom Evangelisten sei es wohl nicht mehr erkannt worden. 222 Wie J. Blinzler, Der Prozeß Jesu, 4. Aufl., Regensburg 1969, 90-98, versucht. 223 Vgl. R. Schnackenburg, Joh III (s. Anm 201) 251 f; A. Dauer, Passionsgeschichte (s. Anm. 220) 27. 224 Noch direkter beziehen 14,30b auf Judas R. Schnacken burg, Joh III (s. Anm. 201) 99: "Vielleicht denkt der Evangelist ganz konkret an Judas, der bereits mit dem Verhaftungstrupp ,kommt"'; J. Becker, Joh (s. Anm. 168) 476: "Das kann konkret meinen, Judas als Werkzeug des Teufels (13,27) naht". Eine traditionsgeschichtliche Verwandtschaft mit Mk 14,4lf dürfte in der Tat gegeben sein, vgl. auch R. Bultmann, Joh (s. Anm. 169) 488 Anm. 1.
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nur als Frage aufwerfen. Die Waffen sind Waffen der Finsternis, und Lichter brauchen die Häscher, weil sie aus jener Nacht kommen, in die sich Judas nach 13,30 begeben hat. 225 Die Episode mit dem Judaskuß, die schon Lukas nur mit sehr viel Vorbehalten weitergab, ist bei Johannes bewußt gestrichen. Jesus gibt sich aus freien Stücken selbst zu erkennen durch sein machtvolles tyffi dilL (V. 5.8). Es bedarf des "verräterischen" Zeichens nicht. Ohne Jesu Einwilligung könnte ihm das ganze militärische Aufgebot nichts anhaben. Zur Eliminierung des Judaskusses hat aber auch die negative Stilisierung des Judas im Evangelium beigetragen. Einen Vertreter der satanischen Gegenmacht in so vertrauten Umgang mit Jesus treten zu lassen, mußte einfach unangemessen erscheinen. 226 Judas kommt selbst in 18,1-11 nicht mehr zu Wort, er wird auch "von J esus keines Wortes mehr gewürdigt" 227. Zum letzten Mal fällt sein Name am Schluß von V. 5: "Es stand aber da mit ihnen auch Judas, der ihn auslieferte." Der Satz wirkt einfach störend und funktionslos. Viel für sich hat die Vermutung, daß es sich um einen Rest der getilgten Kußszene handelt. 228 Aber der Evangelist sollte sich etwas dabei gedacht haben, wenn er dieses Rudiment stehen läßt. Vielleicht wollte er so noch einmal jene Entscheidung besiegeln, die Judas gefällt hat. Er hat sich auf die Gegenseite geschlagen. Zu ihr gehört er, mit ihr weicht er vor der im tyffi EillL aufblitzenden Würde des Gottessohnes zurück und fällt zu Boden (V. 6; vgl. 2 Kön 1,9-14), mit ihr wird er in der ewigen Nacht der Gottesferne versinken. 229 Mit dieser trostlosen Perspektive tritt Judas im Johannesevangelium von der Bühne ab, denn in Joh 19, llc: "Deshalb hat der größere Schuld, der mich dir ausgeliefert hat", geht es trotz des
Vgl. R. E. Brown, Joh (s. Anm. 181) 817: "Perhaps this is why Judas and his companions come bearing lanterns and torches. They have not accepted the light of the world, and so they must have artificiallight." 226 Dazu W Wrede, Judas 139: "Die intime Berührung Jesu durch ein solches Scheusal dürfte ihm als Entweihung des Heiligen erschienen sein." 227 W Vogler, Judas 113. 22. Vgl. R. Bultmann, Joh (s. Anm. 169) 493; J. Becker, Joh (s. Anm. 168) 542. Anders A. Dauer, Passionsgeschichte (s. Anm. 220) 36f. 229 Vgl. R. Bultmann, Joh (s. Anm. 169) 495. Eine andere Möglichkeit bei R. Schnakkenburg, J oh III (s. Anm. 201) 253: In 13, 18 f hatte Jesus die Ansage des Geschehens mit der Zweckangabe verbunden, die Jünger sollten, wenn es eintritt, daraus erkennen, daß die Selbstbezeichnung mit tyro EiJ.LL berechtigt ist. Hier in 18,5 spricht Jesus sein tyro ciJ.LL, und Judas bestätigt durch seine Anwesenheit die Richtigkeit der Vorhersage von 13, 18f und die Richtigkeit des damit erhobenen christologischen Anspruchs (s.o. zu 17,12b). 225
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nupuot06Vat nicht mehr um Judas. Der Singular ist generisch zu verstehen. Gemeint sind die jüdischen Autoritäten (vgl. Apg 3, 13), von denen Pilatus in 18,35c sagt: "Dein Volk und die Hohenpriester haben dich mir ausgeliefert (nuptoroKUV)." 230 Man könnte höchstens überlegen, ob sich auch hier die Bestrebung anbahnt, Judasgestalt und Judentum gleichzusetzen. Tendenzen, die sich bei den Synoptikern, namentlich bei Lukas, aber auch bei Matthäus und im Markusstoff, schon abzeichnen, sind im Johannesevangelium an einen logischen Endpunkt gelangt (womit auch gesagt ist, daß man diese Schrift nicht zu früh ansetzen darf). Zugleich werden sie eingespannt in den Gesamtrahmen der dualistischen Theologie des Evangelisten. Heraus kommt ein Judasbild von verheerenden Dimensionen. Der Betrachter kann sich nur mit Grausen abwenden. Die Schwarz-Weiß-Technik des Evangelisten verfügt nicht über Grautöne und Zwischentöne, sondern nur über extreme Gegensätze. Ein wesentlicher Bereich menschlicher Wirklichkeit aber spielt sich gerade in dieser Grauzone ab. Insofern muß man auch die oft beschworene paränetische Komponente der Judasdarstellung noch einmal hinterfragen. Aus dem Judas des Johannesevangeliums kann der Christ eigentlich nichts mehr lernen. Es bleibt im Grunde nur das Schreckbild: bloß nicht so werden wie er, bloß nicht den Glauben verlieren, dem Satan anheimfallen und des Heils für immer verlustig gehen. 231 Die Weltsicht des Johannesevangelisten neigt da, wo sie sich mit dem Phänomen des Unglaubens und des Widerstandes gegen die christliche Verkündigung auseinandersetzt, anthropologisch gesehen zur Unbarmherzigkeit. Betroffen sind davon nur in zweiter Linie der Kosmos (Joh 1,29; 3, 16f; 4,42; 6,51; 12,46f setzen doch beträchtliche Gegengewichte) und mehr am Rande in der Passionsgeschichte die Römer. In erster Linie trifft diese "Gnadenlosigkeit" Judas und die Juden. Man kann sicher aus der zeitgeschichtlichen Situation der johanneischen Gemeinde, die sich zeitweilig starkem jüdischem Druck ausgesetzt sah, das ein oder andere zur Aufhellung VgL A. Dauer, Passionsgeschichte (s. Anm. 220) 118. m Man vgL, was S. Wieser, Judas 4, in seinem geschmacklosen "Kreuzweg des Verräters" im Predigtton sagt: "Ich habe nur die eine Absicht und den einen Wunsch, in euch einen solchen Abscheu vor dem Menschen und Apostel Judas zu erwecken, daß ihr ein für allemal den heiligen Entschluß fasset, in euch jeglichen Judasgeist zu ertöten, in euch jede Ähnlichkeit mit der Judasgesinnung zu vernichten, die ludasseele zu has230
sen."
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beitragen. 232 Aber die Leistungsfähigkeit dieser Vorgehensweise ist begrenzt. Sie erspart uns nicht die Konfrontation mit der Sachfrage. Wir dürfen hier vor Korrekturen an der johanneischen Theologie nicht zurückschrecken. Wir müssen Einseitigkeiten und Gefahren als solche beim Namen nennen und uns um ein objektiveres Bild bemühen. Als späte Erben der Aufklärung kommen wir, ob wir wollen oder nicht, gar nicht daran vorbei, die Kriterien der historischen Wahrheit und der Humanität anzulegen und festzuhalten, was dem widerspricht. Die Alternative dazu sind gewollte theologische Paradoxien, wie sie Kar! Barths Behandlung der Judasproblematik auszeichnen. Mit ihrer Fortschreibung calvinistischer Prädestinationslehre bleibt sie trotz partieller Großartigkeit letztlich zutiefst unbefriedigend. 111. DIE SONDERÜBERLIEFERUNGEN VOM ENDE DES JUDAS
§ 18 Der Selbstmord (Mt 27,3-10)
Von den beiden neutestamentlichen Erzählungen über das Ende des Judas steht nur diejenige des Matthäus im Kontext der Passionsgeschichte des Evangeliums. 233 Matthäus arbeitet mit mündlichem Erzählstoff, den er mit weiteren biblischen Motiven und Texten anreichert. "Es gibt wenig evangelische Erzählungen, welche so bis in jede Einzelheit von alttestamentlichem Wort und Geist durchdrungen sind wie diese. Für den Gang der Geschichte wie für jedes ihrer einzelnen Motive läßt sich im AT ein Vorbild aufzeigen."234 Der Text gliedert sich in drei kleine Abschnitte. Nur in V. 3-5 tritt Judas selbst auf. In V. 6-8 beratschlagen die Hohenpriester, und in V. 9 f ist eine Metareflexion in Form eines Erfüllungszitats angehängt.235 Aus ihm sind die schon seit Mt 26,15 sattsam bekannten 232 VgI. K. Wengst, Bedrängte Gemeinde und verherrlichter Christus. Der historische Ort des Johannesevangeliums als Schlüssel zu seiner Interpretation (BThSt 5), 2. Aufl., Neukirchen 1983. 233 Vgl. dazu bes. die gründliche Studie von D. P. Senior, Fate. Ferner D. Haugg, Judas 167-174; W Vogler, Judas 65-70; P. Benoit, Tod; M. Limbeck, Judasbild 64-74; W Schwarz, Doppelbedeutung 227-230; W C. van Unnik, Death, und die Kommentare. 234 E. Lohmeyer - W Schmauch, Das Evangelium des Matthäus (KEK Sonderband), 4. Auf1., Göttingen 1967, 375. 235 Eine Reihe von Studien zu unserem Text ist vor allem an dem Erfüllungszitat interessiert: K. Stendahl, The School of St. Matthew and its Use of the Old Testament (ASNU 20), 2. Aufl., Lund 1968, 120-127.196-198; G. Strecker, Weg (s. Anm. 161) 76-82 (zur Auseinandersetzung mit Strecker D. P. Senior, Fate 399-402.420-425);
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dreißig Silberlinge herausgesponnen. Ihre Erwähnung bildet den roten Faden, der sich durch das Ganze durchzieht und die Erzählung zusammenhält, wie man in der folgenden Übersicht sogleich erkennt: V. 3: V. 5: V. 6: V. 7: V. 9: V. 10:
'ta 'tpulKov'tu apyuptU 'ta upyuptU 'ta upyuptU ... uu'tu e~ uu'twv 'ta 'tptUKOV'tU upyuptU uU'tu
Andere Worte, die wiederholt vorkommen, sind "Blut" (V. 4.6.8), "Preis" (V. 6.9) und "Acker" (V. 7.8[bis].10). Sie werden verschiedentlich in Beziehung zueinander gesetzt ("Blutgeld" V. 6; "Blutakker" V. 8). In der kunstvollen Verschlingung dieser Fäden vollzieht sich die narrative Transformation der dreißig Silberlinge in den Blutacker. Gehen wir diesem Prozeß unter besonderer Berücksichtigung der alttestamentlichen Assoziationen am Text entlang etwas nach. a) Erkenntnis und Verzweiflung (V. 3-5) In 27, 1 f geht der Synhedrialprozeß mit dem Todesbeschluß und der Übergabe Jesu an Pilatus zu Ende. Daran schließt 'tO'tE iörov in V. 3 unmittelbar an. Als Judas sieht, daß es zum Schlimmsten kommt, packt ihn auf einmal Verzweiflung über seine Tat. Aber in der Komposition steckt noch mehr als das. Nur die beiden Übergangsverse 27,1 f trennen das Ende des Judas von der Petrusverleugnung in 26,69-75. Das Nebeneinander der beiden Vorgänge ist an früherer Stelle anhand der Markusvorlage schon vorbereitet. Vor dem Abendmahl sagt Jesus seine Auslieferung an (Mt 26,20-25), nach dem Abendmahl die Verleugnung (Mt 26,31-35). Die Vorhersagen Jesu gehen bei Markus in der Regel unweigerlich in Erfüllung, gerade in der Passion. 236 Mit einer Ankündigung ist das bei Markus nicht geschehen, mit dem Weheruf über den Ausliefernden Mk 14,21 par Mt 26,24. Das war unbefriedigend. Außerdem konnte das Logion seine Bindung an das Endgericht verlieren und SpekulatioW. Rothfuchs, Die Reflexionszitate des Matthäus-Evangeliums. Eine biblisch-theologische Untersuchung (BWANT 88), Stuttgart 1969, 84-88; R. S. McConnell, Law and Prophecy in Matthew's Gospel. The Authority and Use of the Old Testament in the Gospel of St. Matthew (Theologische Dissertationen 2), Basel 1969, 129-133. 236 Zu diesem Phänomen H. J. Klauck, Rolle (s. Anm. 57) 11.
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nen über das irdische Geschick des Verräters und seine Bestrafung freisetzen. Matthäus nützt diese Möglichkeit aus und schließt so die Lücke, die er bei Markus verspürt. 237 Zugleich vervollkommnet er die Parallelführung von Petrus und Judas. Bei aller kompositorischen Parallelität bleibt doch ein Kontrast zwischen dem bitterlichen Weinen des Petrus (Mt 26,75), der sich nach Ostern rehabilitieren kann, und der endgültigen Handlungsweise des Judas. Für den Sinneswandel des Judas wählt Matthäus die Bezeichnung IlE'taI-U;A.TJ~Ei~. Ganz bewußt hat er IlE'tavoELv vermieden. Echte Reue und Umkehr gesteht er Judas nicht zu. "Judas empfindet seine Tat als Schuld und erliegt dieser Last; die Reue ... hat nicht die Kraft, die zerstörende Wirkung der Sünde zu überwinden." 238 Wenn Judas in V. 4 bekennt, er habe "unschuldiges Blut" ausgeliefert, und die Hohenpriester mit der höhnischen Zurückweisung "Sieh du zu" reagieren239 , blickt der Redaktor bereits voraus auf das Wort des Pilatus in 27,24: "Ich bin unschuldig am Blut dieses (Mannes), seht ihr zu", und den folgenschweren Ruf des Volkes: "Sein Blut (komme) über uns und unsere Kinder" (27,25). Im gleichen Atemzug ruft Matthäus das Jesuswort aus 23,35 ins Gedächtnis zurück: " ... damit über euch komme jegliches gerechte Blut ... vom Blut des gerechten Abel an". DkSchuldverhaftung wird ausgeweitet, innerhalb der Perikope von Judas auf die Hohenpriester, an deren Händen trotz verbaler Gegenwehr das Blutgeld kleben bleibt, im Evangelium von Judas auf das jüdische Volk. 240 Über dem Ganzen steht drohend der Satz aus Dtn 27,25: "Verflucht sei, wer sich bestechen läßt, einen unschuldigen Menschen zu töten. Und das ganze Volk soll sprechen: So sei es !" 241
Was in dieser Situation, alttestamentlich gesprochen, nötig wäre, steht in Dtn 21,7-9. Nach einem Sühnopfer sollen die Ältesten sprechen:
Vgl. D. P. Senior, Fate 375-381. O. Michel, ThWNT IV, 632. 23. Zu den beiden Wendungen Ti npö<; TJlLä<; und cru Ö'l'tl im Munde der Hohenpriester in V. 4 schreibt E. Lohmeyer, Mt (s. Arun. 234) 376, sehr tiefsinnig: "Die eine ist ein reines, fast vulgäres Hellenistisch, die andere fast ein Latinismus; es ist, als wollte der Erzähler, der in der Sprache der Bibel lebt und spricht, durch solche Fremdheit auch den Geist der Abtrünnigkeit charakterisieren, der aus den Hohenpriestern spricht." 240 Vgl. R. Walker, Die Heilsgeschichte im ersten Evangelium (FRLANT 91), Göttingen 1967, 71 f. 241 Auf diese Stelle legt W C. van Unnik, Death 53-57, besonderen Wert. 237 238
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",Unsere Hände haben dieses Blut nicht vergossen, und unsere Augen haben nichts gesehen. Vergib deinem Volk Israel, das du, 0 Herr, erlöst hast, und rechne unschuldig vergossenes Blut nicht deinem Volk Israel zu!' Dann werden sie der Blutschuld ledig. So sollst du das unschuldig vergossene Blut aus deiner Mitte wegschaffen, daß es dir wohl ergehe, wenn du tust, was dem Herrn gefällt."
Dazu aber kommt es in unserem Text aufgrund des Verhaltens der Hohenpriester gerade nicht. Das Blut bleibt ungesühnt. Daß Judas in V. 5 das Geld in den Tempel wirft, den Hohenpriestern vor die Füße, geht auf Sach 11,13 zurück: "Da sagte der Herr zu mir: Wirf ihn dem Schmelzer hin, den herrlichen Preis, den ich ihnen wert bin. Da nahm ich die dreißig Lot Silber und warf sie dem Schmelzer hin im Hause des Herrn."
Bei etwas anderer Lesung ergibt sich im Urtext statt "Schmelzer", "Gießer" (der Edelmetall für den Tempel einschmilzt) die Bedeutung: "Schatz", "Schatzhaus" , also: " ... ich warf sie in den Schatz im Hause des Herrn". In diesem Sinn wird die gleiche Stelle sofort in V. 6 weiterverwendet, wenn die Hohenpriester sagen, man könne das Blutgeld nicht in den Tempelschatz tun. Bei einer anderen Interpretation des hebräischen Konsonantentexts kommt die Übersetzung zustande, die das eigentliche Zitat in V. 10 für die betreffende Wendung bietet: "Und sie gaben sie (varia lectioich gab sie) für den Acker des Töpfers." Hier ist ein Erzähler am Werk, der mit diesen Möglichkeiten, die sich vom Hebräischen aus ergeben, geschickt umzugehen weiß. Nur ganz verhalten kommt der Selbstmord des Judas zur Sprache: "Und er ging hin und erhängte sich." Aber dieses Wenige genügt, um einen Fall von Selbstmord - eine vom Judentum verabscheute Todesart - aus dem Alten Testament zu evozieren. Ahitofel, der Ratgeber des Königs David (2 Sam 15,12), verrät seinen Herrn und schließt sich dem Aufstand Abschaloms an (2 Sam 15,31 ; 16,15.20-23), möglicherweise nicht ohne Grund, denn er war der Großvater der Batseba aus 2 Sam 11,2-5 (vgl. 23,34).242 Als er in einer wichtigen Frage mit seinem erfahrenen Rat nicht durchdringt (2 Sam 17,1-14), gibt er die gemeinsame Sache verloren und zieht für seine Person die Konsequenzen:
242 Zu 2 Sam 16,21 f (Ahitofe1 rät Abscha1om, vom Harem des David Besitz zu ergreifen) bemerkt deshalb H. W Hertzberg, Samue1bücher (s. Anm. 152) 288: "Nicht ausgeschlossen ist, daß Achithophel ... hierbei noch eine späte Rache für das auskostet, was David auf demselben Sektor seiner Familie angetan hat."
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"Als aber Ahitofel sah, daß sein Rat nicht ausgeführt wurde, sattelte er seinen Esel, machte sich auf und zog heim zu in seine Stadt, bestellte sein Haus und erhängte sich. Er starb und wurde in seines Vaters Grab begraben. " 243
Verrat an David, "Verrat" an Jesus, dem Davidssohn - Verräter, so lautet die Quintessenz, haben kein anderes Schicksal verdient. Erwähnt sei, ehe wir weitergehen, anhangweise noch die überraschende Erklärung, die Origenes für den Selbstmord des Judas gibt: Judas wollte Jesus im Tode zuvorkommen, um ihm in der jenseitigen Welt mit nackter Seele entgegenzutreten und vielleicht Verzeihung zu finden. 244 b) Der Ackerkauf (V. 6-9) Der Grund für den zögernden Umgang der Hohenpriester mit dem Geld in V. 6 findet sich sinngemäß in Dtn 23, 18: "Du sollst keinen Dirnenlohn und kein Hurengeld in das Haus des Herrn, deines Gottes, bringen auf irgend ein Gelübde hin; denn alle beide sind dem Herrn, deinem Gott, ein Greue!." Auch der "Verräter"lohn fällt unter diese Kategorie. Was in V. 8 steht, muß von der Sprachform her als typische Ätiologie angesehen werden. Es genügen zwei Vergleichsstellen :
Mt 27,8: Deshalb wurde jener Acker Gen 26,33: Deshalb wird dieser Ort 2 Sam 6,8: Und es wurde jener Ort
"Blutacker" genannt
bis auf diesen Tag.
"Eidbrunnen" genannt
bis auf diesen Tag.
"Riss Ussas" genannt
bis auf diesen Tag.
Ein vorhandener Name, der unter Umständen befremdet, verlangt nach einer Erklärung. Man erdenkt sich dazu eine Geschichte, aus der sich der Name fast zwingend ergibt. So wird in Mt 26,3-10 die
243 2 Sam 17,23 LXX. Vgl. zu Ahitofe1 und Judas bes. B. Gärtner, Termini 61-67. Jegliche Nähe bestreitet W. C. van Unnik, Death 49-51. 244 Origenes, Comm in Mt 117 (1767A PG 13): Exislimavil enim praevenire in morle morilurum Magislrum el occurrere ei cum anima nuda, ul confilens, deprecans, misericordiam mererelur.
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Bezeichnung "Blutacker" darauf zurückgeführt, daß das Landstück mit "Blutgeld" erworben ist. Nun bietet V. 7 dafür zwei andere Umschreibungen, zum einen eine Herkunftsangabe, zum andern eine Zweckangabe. Es war der "Acker des Töpfers", und bestimmt hat man ihn zur "Grabstätte für die Fremden". Hier kommen Gegebenheiten der Topographie Jerusalems ins Spiel, die Pierre Benoit verdienstvollerweise zusammengetragen hat 245 , auch wenn man den Schlüssen, die er daraus zieht, nicht immer folgen kann. Töpfer hatten ihre Werkstätten im Südosten der Stadt, in der Nähe des Hinnomtals. Über dem Hinnomtal liegt ein Schleier des Grauens und des Unheils, es schwebt gleichsam Blutgeruch darüber. Hier waren die Stätten alter Menschenopfer, hier hat man die Abfälle der blutigen Tempelopfer deponiert, hier legte man Begräbnisstätten an, darunter ein Massengrab für Arme oder für hingerichtete Verbrecher. Daß man in dieser Gegend ein Landstück findet, das einem Töpfer gehört, und daß man es in einen Friedhof für "Zugereiste" (wahrscheinlich für Heiden) umwandelte, erscheint verständlich. Wahrscheinlich hatte sich im Volksmund an dieser Stätte der Name "Blutacker" festgesetzt. Wir stoßen jedenfalls auf ein Element, das sich einer nahtlosen Rückführung auf alttestamentliche Vorgaben widersetzt. Sein Ursprung muß anderswo liegen, auch wenn sich daran wiederum weitere biblische Bezüge ankristallisiert haben, wie sofort zu zeigen ist. Halten wir vorher nur noch rasch fest, was Matthäus im Makrotext mit dieser Szene an Konnotationen verbindet. Für ihn geht daraus hervor, "daß die Oberen Israels ihrer Schuld am Blute Jesu nicht entgehen können. Sie gestehen sie wider Willen ein, ja, sie setzen der Schmach des Verräters und ihrer eigenen Blutschuld ein bleibendes Denkmal. "246 Wir können von hier aus den Blick weiterlenken auf eine andere Stelle, wo Matthäus eine ätiologische Sprachform wählt, diesmal um die Entstehung des ebenso hartnäckigen wie böswilligen Gerüchts über den angeblichen Diebstahl des Leichnams Jesu zu erhellen. Die jüdischen Autoritäten fassen den Beschluß, die Grabeswächter in diesem Sinn mit Silbergeld (ayopta) zu bestechen (Mt 28,12). Die Wachsoldaten nehmen die Silberstücke an und machen die entsprechende Aussage (28, 15a). Die Folge: "Und es wurde dieses Gerede unter den Juden ('Iou8aiot~) verbreitet bis auf den heuti245 246
P. Benoit, Tod 176-180. R. Walker, Heilsgeschichte (s. Anm. 240) 72.
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gen Tag"(28, 15b). Abgesehen von der Wendung "König der Juden" (Mt 2,2; 27,11.29.37) ist dies die einzige Stelle, wo 'Iouoai:ot, "Juden", bei Matthäus vorkommt. Nimmt man die Beobachtungen zusammen (das Silbergeld, die mit 27,8 vergleichbare Zeitangabe), muß man ernstlich fragen, ob schon Matthäus über die gemeinsame Schuldverhaftung hinaus rein sprachlich "Judas" und "die Juden" aneinander annähert. 247
c) Ein Prophetenwort (V. 9-10) Die Einleitung des Erfüllungszitats stellt uns gleich vor das Problem, daß eine Stelle, die offensichtlich aus Sacharja stammt, Jeremias zugeschrieben wird. Wußte Matthäus es nicht besser, hat er sich einfach vertan? Folgt er einer apokryphen, uns nur noch in Spu. ren zugänglichen Tradition? 248 Wie dem auch sei, fest steht, daß der Kontext wenigstens eine, wahrscheinlich mehrere Stellen aus dem Jeremiabuch anklingen läßt 249 : (1) Jer 32(39),6-10: Im Rahmen einer prophetischen Zeichenhandlung erwirbt Jeremia auf Gottes Geheiß hin von einem Verwandten einen Acker in Anatot: "Und ich kaufte Hanameel, dem Sohn meines Oheims, den Acker zu Anatot ab und hatte ihm siebzehn Lot Silber darzuwägen (LXX: EO"'tT!O"Il, vgl. Mt 26,15). Ich schrieb den Kaufbrief und versiegelte ihn, zog auch Zeugen zu und wog ihm das Silber auf der Waage dar."
Wir haben den Ackerkauf und das Silber, bei divergierenden Zahlen, es fehlt der Töpfer. (2) Jer 18,2-3: Zum Töpfer fällt sofort das Töpfergleichnis in Jer 18,1-12 ein, das in V. 2f so beginnt: "Mache dich auf und gehe hinab in das Haus des Töpfers; dort will ich dich meine Worte hören lassen. Und ich ging hinab in das Haus des Töpfers, und siehe, er arbeitete gerade auf seiner Scheibe."
Weitere Berührungspunkte sind nicht zu erkennen. Es heißt zwar in V. 4: "Wenn nun das Geschirr, das er aus dem Ton machte, ihm unter den Händen mißriet, so machte er wieder ein andres Geschirr daraus, wie es ihn gut dünkte", aber dies auf das Handeln Gottes an Judas zu deuten, scheint doch zu weit hergeholt. Im Höchstfall käme für Matthäus ein allgemeiner Bezug auf Gottes Gericht über Israel 2.7 248 2'9
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U. Luz, mündlich. So E. Lohmeyer, Mt (s. Anm. 234) 378f; G. Strecker, Weg (s. Anm. 161) 80f. Vgl. D. P. Senior, Fate 387-390.
in Frage. Für den Ackerkauf und für das Silber bietet das Töpfergleichnis keinen Anhalt. (3) Jer 19, 1-11: Der Herr trägt dem Propheten auf, einen tönernen Krug zu kaufen (V. 1), "ins Tal Ben-Hinnom am Eingang des Scherbentors" zu gehen und zu predigen (Y. 2). In seiner Predigt soll er unter anderem sagen: " ... weil sie diese Stätte mit dem Blute Unschuldiger gefüllt haben" (V. 4), d. h., weil sie dort Menschen- und Kinderopfer darbrachten (V. 5), bedroht sie Unheil. Es folgt in V. 6 eine Namensänderung: "Darum siehe, es kommen Tage, spricht der Herr, da wird man diese Stätte nicht mehr ,Tofet' und ,Tal Ben-Hinnom' nennen, sondern ,Mordtal'." Schließlich ist noch V. 11 einschlägig: "Und im Tofet wird man begraben müssen, weil sonst kein Platz zum Begraben ist." Die oben im Anschluß an Benoit skizzierten topographischen Gegebenheiten decken sich mit diesem Text (und sind zum Teil auch daraus gewonnen). Wir hören von unschuldigem Blut, von einer Umbenennung in "Mordtal", von einer Begräbnisstätte. Am Rande kann man auch an den Töpfer denken, wenn in V. 1 f vom irdenen Krug gesprochen und das Scherbentor - offenbar in der Töpfergegend gelegen - genannt wird. Ohne Frage weist dieser Text eine besondere Nähe zu Mt 27,3-10 auf. Matthäus führt Jeremias als Urheber eines Erfüllungszitats noch an einer weiteren Stelle an, und zwar in 2, 17, wo er genau wie hier beginnt: "damals wurde erfüllt". Zitiert wird im folgenden Jer 31, 15. Kontext ist der grausige Kindermord in Bethlehem. Der Gerichtsund Unheilsprophet Jeremia kommt bei Matthäus da zum Zuge, wo für unheilvolle Begebenheiten eine Einordnung in den göttlichen Heilsplan gesucht wird. 250 Nach dem Gesagten kann die Zuschreibung eines Sacharja-Zitats an Jeremia nicht mehr bloß befremden, auch wenn Fragen sicher bleiben. Die Stelle Sach 11, l2f hat in Mt 27,9b-10 eine Fassung bekommen, die sich sowohl von der LXX als auch von der Masora entfernt. Elemente aus dem Auftrag des Herrn in Sach 11,12 sind mit dem Bericht über die Ausführung durch den Propheten zu einem VgL D. P. Senior, Fate 397f; R. Gundry, Mt (s. Anm. 110) 557: "The naming of Jeremiah ... reflects Mathew's using Jeremiah as a prophet of woe in 2:17-18." In dieser Richtung auch W Rothfuchs, Erfüllungszitate (s. Anm. 235) 43 f. Mit einer midraschartigen Stichworttechnik sucht F. Manns, Mort 203, die verschiedenen Stellen zusam· menzubinden: ler 19,3f spreche von den Königen von Juda, 32,12 von allen anwesenden Juden als Zeugen des Kaufakts, Sach 11,14 von Juda und Israel; das habe den Überstieg zur Gestalt des Judas ermöglicht (?). 250
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einzigen Wort verschmolzen. Der "Hochgeschätzte", angesichts des elend niedrigen Lohns krasse Ironie, ist nicht mehr der Prophet in der Rolle des Hirten, sondern Jesus. An die Stelle der "Schafbändler" aus der Allegorie bei Sacharja treten nun die "Söhne Israels". Durch Umdeutung der Vorlage (s.o.) gelang es, das Zitat mit dem Erwerb eines Töpferackers im Kontext in Übereinstimmung zu bringen. Der Schluß "so wie mir der Herr aufgetragen hat" dürfte auf die Einleitung in Sach 11, l3a zurückgehen, die in eine stehende Ausführungs formel umgegossen wurde (vgl. Ex 40,16; Mt 26,19). Die überschüssige Erwähnung der "Söhne Israels" deutet an, wie Matthäus das Zitat versteht. Man muß dafür im Sacharjabuch noch einen Vers weiterlesen. Der Prophet zerbricht in 11,14 den Stab mit Namen "Verbindung"; genauso zerbricht der "brüderliche Bund zwischen Juda und Israel".251 Den noch schwerwiegenderen Bruch des Gottesbundes durch Israel prangert Matthäus an. Das Volk, vertreten zunächst durch Judas, dann durch die Hohenpriester, hat seinen wahren messianischen Hirten nicht wirklich "geschätzt". Er wurde abgelehnt und für einen Spottpreis verkauft. Mit dieser Schuld will Matthäus das Judentum konfrontieren. Hier ist nicht die Zeit und der Raum dafür, diese Israelsicht des Matthäusevangeliums weiter zu entfalten und kritisch zu hinterfragen. Was wir festzuhalten haben, ist die unerquickliche Nähe, die zwischen einem verengten Judasbild und einer nicht unproblematischen Wertung Israels im Evangelium in die Wege geleitet wird. An die Stelle Israels treten im bundestheologischen Entwurf des Matthäus die Heiden als das neue Gottesvolk. 252 Findet sich auch dafür in unserer Perikope ein Fingerzeig? Möglicherweise ja. Das Geld dient für den Erwerb eines Begräbnisplatzes für die Fremden (V. 7). Damit wird aber auch für die Heiden ein Platz in Jerusalem geschaffen. Das ist ein Zeichen für Gottes Bundestreue, wie es im Alten Testament der Ackerkauf des Jeremia in Anatot war (vgl. Jer 32,15.43 f: "Man wird Acker kaufen im Land ... in der Umgebung Jerusalems ... denn ich wende ihr Geschick, spricht der Herr").253 Wenn man sich die atemberaubende Technik vergegenwärtigt, mit der in der Erzählung vom Tod des Judas durch Erhängen alttestaVgl. M. Limbeck, Judasbild 73f. Vgl. dazu immer noch w: Trilling, Das wahre Israel. Studien zur Theologie des Matthäus-Evangeliums (StANf 10), 3. Aufl., München 1964. 253 Vgl. H. Frankemölle, Jahwebund und Kirche Christi. Studien zur Form- und Traditionsgeschichte des "Evangeliums" nach Matthäus (NfA NF 10), 2. Aufl., Münster 1984, 353. 251
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mentlicher Motive in Narration umgesetzt sind, und dazu noch die Tendenzen der Aussage bedenkt, erhebt sich die schwerwiegende Frage, was überhaupt noch als fester Kern bleibt. Ist die Grenze zur reinen Fiktion inzwischen nicht schon überschritten? 254 Wir kommen nach der Besprechung der Parallelüberlieferungen (§ 19-20) und einem Überblick über verwandte Texte (§ 21) darauf zurück (§ 22). § 19 Der Unglücksfall (Apg 1,15-20)
Bei Lukas steht der Bericht über das Ende des Judas innerhalb einer Petrusrede, die ihrerseits zur Perikope von der Nachwahl des Matthias Apg 1,15-26 gehört. 255 Es ist mit der Mehrzahl der Erklärer davon auszugehen, daß Lukas zwei Überlieferungs stücke miteinander kombiniert. Das eine handelt von Judas und steckt in den Versen 18-20, das zweite handelt von Matthias und ist in den Versen 23.25-26 erhalten. Der Grund für die Zusammenfügung liegt auf der Hand. Zwischen dem Ausscheiden des Judas und dem Nachrücken des Matthias besteht ein innerer Zusammenhang, der innerhalb der N achwahltradition in V. 25 fin wohl schon thematisiert war. Damit ist zugleich das Stichwort geliefert, das die Anbindung des anderen Traditionsstücks provozierte. Abgesehen von der Redeeinführung in V. 15, die vor allem wegen der symbolischen Zahl der Anwesendenca. 120, eine Verzehnfachung des Zwölferkreises - Interesse beansprucht, lassen sich drei kleine Sinnschritte voneinander abheben: (a) die Einleitung in V. 16f, (b) der erzählerische Rückblick in V. 18f und (c) die Schriftreflexion in V.20. a) Aus unserer Zahl (V. 16-17) Lukas sieht den Weg des Judas göttlichem Willen unterstellt, wenn er sein Schicksal in V. 16 als Erfüllung der Schrift interpretiert. Er nennt David, den Dichter der Psalmen, der in pneumatisch inspirier254 Vgl. F. W Beare, The Gospel according to Matthew, San Francisco 1981, 525: "The whole story is obviously fictional." 255 Vgl. K. Lake, Death; M. Wilcox, Judas-Tradition. Die Literatur zur Nachwahl des Matthias geht in der Regel auch auf den Judasabschnitt ein, vgl. u. a. A. Weiser, Nachwahl (s. Anm. 65); E. Nel/essen, Tradition und Schrift in der Perikope von der Erwählung des Matthias (Apg 1,15-26), in: BZ NF 19 (1975) 205-218; ders., Zeugnis für Jesus und das Wort. Exegetische Untersuchungen zum lukanischen Zeugnisbegriff (BBB 43), Köln 1976, 128-178. Weiteres ist aufgelistet bei G. Schneider, Die Apostelgeschichte I (HThK V/I), Freiburg 1980, 211f.
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ter Schau von Judas sprach. Damit blickt Lukas voraus auf die Psalmzitate in V. 20, namentlich auf das erste 256 , das mit dem Traditionsstück vorgegeben war. Die folgenden beiden Aussagen stellen eine Brücke zur lukanischen Passionsgeschichte her. Judas ist nach V. 16b "zum Wegführer für diejenigen geworden, die Jesus gefangennahmen". Das erinnert an die Verhaftungsszene, wo Judas bei Lukas denen vorausgeht (Lk 22,47), die Jesus ergreifen (22,54). In V. 17a heißt es von Judas: "Er war uns zugezählt." In Lk 22,3 fin wurde er so eingeführt: Er "war aus der Zahl der Zwölf".257 "Los dieses Dienstes" V. 17b als Umschreibung für die Zugehörigkeit des Judas zum Zwölferkreis - in lukanischer Sicht für sein Apostelsein - stammt aus der Nachwahltradition. Durch "Loswerfen" (V. 26) wird entschieden, wer "den Platz dieses Dienstes" (V. 25; Lukas fügt "und des Apostelamtes" aus eigenen Stücken hinzu) einnehmen wird. Die Übernahme dieser Wendungen nach V. 17b dient der redaktionellen Verklammerung der beiden Stücke. 258 b) Hakeldamach (V. 18-19) In V. 18 haben wir Tradition vor uns. Von seinem "Verräterlohn" (Lk 22,5) erwirbt Judas ein Landstück. Die dreißig Silberlinge aus Matthäus darf man hier selbstverständlich nicht eintragen. Die besorgte Frage mancher Ausleger, ob diese bescheidene Summe für einen Landkauf wohl reicht, ist an die Tradition und an Lukas gewiß nicht zu stellen. Für Landstück steht im Griechischen Xffipiov. Dem will man verschiedentlich einen etwas anderen Sinn unterlegen, etwa: Haus und Hof, Gehöft, Farm259 , einmal wegen E1ta\)AL~ im Psalmzitat V. 20, zum anderen, um ein Dach zu gewinnen, von dem Judas herabstürzen konnte. Aber im Blick auf den "Blutacker" von 256 VgL J. Dupont. Destinee 48-50. Hingegen will O. Betz, Servant 50 f, statt dessen wegen V. 18 (s. u.) Ps 37,24: "Wenn er (der Gerechte) schon strauchelt, er stürzt nicht vornüber", heranziehen, was nur sehr gezwungen geht. 257 Beobachtet von E. Haenchen, Die Apostelgeschichte (KEK 3), 16. Aufl., Göttingen 1977, 164. 25. So mit A. Weiser, Die Apostelgeschichte. Kapitel 1-12 (ÖTK V/I), GüterslohWürzburg 1981,67. Anders M. Wilcox, Judas-Tradition 447-452; E. Nellessen, Zeugnis (s. Anm. 255) 166f, die sich durch eine vermutete Parallele im palästinensischen Targum zu Gen 44,18 beeindrucken lassen. 25. E. Haenchen, Apg (s. Anm. 257) 164: "kleines Landgut"; G. Schneider, Apg (s. Anm. 255) 218; J. I. Munro, Death 236: "farm".
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V. 19 wird man grundsätzlich an der Bedeutung Grundstück, Feld festhalten. Ob das Grundstück bebaut war oder nicht, davon sagt der Text nichts. Ein Problem bildet sprachlich und sachlich nPTJviJc; yev6Ilevoc;, wörtlich eigentlich: "er wurde kopfüber", sinngemäß sicher: "er stürzte vornüber". Wie das geschah, ob er - am ehesten noch - von einem Dach stürzte260 , von einem Felsen261 oder in eine Grube 262 , bleibt der Phantasie überlassen. An einen "v:erunglückten Himmelfahrtsversuch" wie ActPetr 32 263 ist schwerlich gedacht; erst die spätere Legende gibt dafür Anhaltspunkte an die Hand. Versuche, npTJvf]c; einen anderen Sinn zu unterlegen, es z. B. wie npTJcrSetc; zu interpretieren und eine entzündliche Krankheit mit Schwellung des Körpers als Todesursache zu eruieren264 oder es durch Annahme einer Kette von Fehlübersetzungen an Mt 27,5 anzugleichen26s , überzeugen nicht. Die von Eberhard Nestle ins Spiel gebrachte Nähe zum Fluchwasserritual Num 5, 2lf.27 266 muß auf Papias eingeschränkt werden (s. u. § 20) und kann nicht die Erklärung von Apg 1, 18 bestimmen. Die Lösung gibt der Schriftbezug an die Hand, denn nPTJvf]c; führt uns zu Weish 4, 19. Die gottlosen Spötter, die den Gerechten in seinem Leiden bedrängen und verhöhnen, wird die verdiente Strafe treffen:
260 Bill. 11 595 verweist auf bHul56b: "Ein Heide sah, wie ein Mann vom Dach auf die Erde stürzte, so daß dessen Leib barst und die Eingeweide heraustraten." Aus dem AT vgl. noch 2 Chron 25, 12: "Weitere zehntausend (Edomiter) nahmen die Judäer lebendig gefangen, führten sie auf eine Felsenspitze und stürzten sie hinab, so daß sie alle zerschmettert wurden." 26', H. Conzelmann, Die Apostelgeschichte (HNT 7), 2. Aufl., Tübingen 1972, 29. 262 A. D. Knox, Death 290 (mit einer Textumstellung und einer fragwürdigen Deutung von tMK11CJEV gelangt er zu folgender Übersetzung: als Judas in die Mitte seines Grundstücks kam, stürzte er vornüber "in a pit"). 263 So K. Beyschlag, Herkunft und Eigenart der Papiasfragmente, in: StPatr 4 (1961) 268-280, hier 270 f Anm. 3. 26. So F. H. Chase, Acts 1,18; zustimmend J. R. Harris, Version 128-130; A. Harnack, ThLZ 37 (1912) 235-237; eher kritisch H. J. Cadbury, Lexical Notes on Luke-Acts. H. Recent Arguments for Medical Language, in: JBL 45 (1926) 190-209, hier 192f; vgl. Bauer WB 1390 (mit Lit.). 265 So J. W. Cohoon, Two Glosses on Goodspeed's Problems o[ New Testament Translation, in:JBL65 (1946) 403f, der nach unglaublichen Operationen für Apg 1,18 als Sinn herausbekommt: "the source may have said that Judas becoming insane hanged himself from a tree." Dagegen E. J. Goodspeed, A Reply, ebd. 405 f: "I suspect that Mr. Cohoon ... is laughing at us." 266 E. Nestle, Fate/Schicksal. Unwahrscheinlich auch der Vorschlag von J. D. M. Derrett, Miscellanea 133: ,,Judas is imagined as hanging head downwards, spontaneously bursting, like a particular class of denizen of Hell."
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"Sie werden hernach zu einem verachteten Leichnam werden, zum Gespött unter den Toten in Ewigkeit. Denn er (Gott) wird sie, die verstummt sind vor Schrecken, kopfüber (1tPTJvet~) stürzen und von ihrem Standort wegfegen. Bis auf den letzten Rest werden sie zugrundegerichtet werden. Sie werden in der Pein sein, und die Erinnerung an sie wird vergehen."
Zu ihrem Genus gehört Judas, der Jesus, dem Gerechten (Lk 23,47), nachstellte; ihr Schicksal hat ihn ereilt: Sein Kadaver besudelt die Erde; Spott und Schmach haften an seinem Namen; Gottes strafende Hand hat ihn "vornüber gestürzt" (so wie man in Israel Götzenbilder vom Sockel stürzt).267 Als Folge des Sturzes tritt ein grausiger Tod ein: Judas "barst mitten entzwei, und alle seine Eingeweide traten heraus" (V. 18bc; vgl. 2 Sam 20,10).268 Daß Frevler ein so schlimmes Ende nehmen, trifft zwar in der Realität in den wenigsten Fällen ZU269 , aber das hat noch nie jemand davon abgehalten, solche schauerlichen Todesarten in der fiktiven Erzählwelt auszumalen. Lukas bietet dafür selbst ein weiteres Beispiel in Apg 12,23: Den Herodes Agrippa 1., der sich göttliche Verehrung erweisen läßt, straft sofort ein Engel des Herrn; "er wurde von Würmern gefressen und starb".27° Im Anschluß an die Besprechung des Papiasfragments werden wir noch andere Vergleichstexte kennenlernen (s. u. § 21). Die Legende weiß zu erzählen, daß die Seele des Judas durch den Mund nicht entweichen konnte, weil Judas mit dem Munde Jesus geküßt hatte, und deshalb den Leib zum Zerplatzen brachte. 271 Eine kühne "allegorische" Erklärung gibt Karl Barth: "Auch diese Schilderung - deren Schrecklichkeit aller Erklärungen spottet, mit denen sie durch spätere Sage und auch durch spätere profane Vielwisserei z. T. noch vermehrt, z. T. auch gemildert worden ist - drückt offenbar aus: Judas ist aus sich selbst heraus zu Grunde gegangen; er ist an seiner eigenen inneren Unmöglichkeit - die C'J1tAayxva sind ja im Neuen Testament eben das Innerste des Menschen, indem dieses Innerste offenbar wurde - zu Schanden und zunichte geworden. Es konnte seine geschöpfliche Existenz
267 Nach F. K. Feigel, Einfluß (s. Anm. 51) 44, "dürfte für den tödlichen Fall noch Jes. 8, 14f. in Betracht kommen" (Jahwe als Stein des Anstoßes, über den viele straucheln, fallen und zerschmettert werden, vgl. Lk 2,34). 26. J. Herber, Mort, führt zunächst im Anschluß an E. Locard, Mort, medizinisches, dann" folkloristisches Vergleichsmaterial an. 269 Vgl. E. Bloch, Das Prinzip Hoffnung, Frankfurt 1970, 1300: "Die Welt ist voll geschlachteter Güte und voll reüssierender Verbrecher, mit langem, friedlichem Lebensabend." 270 Dazu mit wertvollen Parallelstellen A. Wikenhauser, Die Apostelgeschichte und ihr Geschichtswert (NTA VlIV3-5), Münster 1921, 398-401. 271 Vgl. W. Creizenach. Judas 182; O. Goetz, Judas 113.
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die Ungeheuerlichkeit des Widerspruchs, in den er sich verwickelt hatte, nicht mehr fassen und so mußte sie bersten wie eine entsicherte Handgranate." 272
Das ist im Grunde nichts anderes als eine existentiale Version der alten Legende. Der Exeget wird demgegenüber seine Aufgabe nicht zuletzt darin sehen, die in Apg 1,18 gewählte Darstellungsform historisch einzuordnen, sie dadurch verständlicher zu machen, aber zugleich auch in der theologischen Aussage zu relativieren und zu ,kritisieren. "Und es wurde allen Einwohnern Jerusalems bekannt" V. 19a verrät die Hand des Lukas (vgl. z. B. Apg 19,17), ebenso wenig später "in ihrer eigenen Sprache" (vgl. Apg 2,6.8.11), das auch die formale Rahmung durchbricht. So würde Petrus nicht zu seinen jüdischen Glaubensbrüdern sprechen, aber das gilt im Grunde für die ganze Rückblende V. 18-19. Was die Übertragung von Hakeldamach ins Griechische am Versende angeht, kann man darüber streiten, wer dafür verantwortlich zeichnet. Das kann vor Lukas schon geschehen sein. Als Grundbestand bleibt eine ätiologische Notiz, in der Formulierung mit Mt 27,8 vergleichbar: "So daß jener Acker Hakeldamach genannt wurde". Die Geschichte erklärt, wie es dazu kam, daß ein Grundstück den aramäischen Namen "Hakeldamach" trägt, was "Acker des Blutes" bedeutet (von haqel demd). Das Wort wird ins Griechische transkribiert und sprachlich richtig als "Acker des Blutes" erläutert. 273 c) Schon David sagt ... (Y. 20) Das erste Schriftzitat, das noch zur Vorlage gehört, stammt aus Ps 69,26: "Ihr Lagerplatz möge veröden, und niemand wohne in ihren Zelten." Die Textform folgt exakt weder der LXX noch der Masora, eine direkte Übersetzung aus dem Hebräischen erscheint aber nicht ausgeschlossen. Um die Anwendung auf Judas zu ermöglichen, ist der ganze Vers in den Singular gesetzt, und der Plural "Zelte" wurde gestrichen. 274 K. Barth, KD II/2 522. Vgl. H. P. Krüger, Zum Problem der Sprache Jesu, in: ZNW 59 (1968) 113-122, hier 116-118; ders., TRE III 603, Nicht sonderlich viel Resonanz fand der Versuch, Hakeldamach als "Ort des Schlafes" zu deuten, obwohl das sehr gut zu der Begräbnisstätte für Fremde in Mt 27,7 passen würde. Neigungen in dieser Richtung bei E, Lohmeyer, Mt (s. Anm. 234) 377; G. A, GalWs, Problemata 443 f. 274 Dennoch meint H. Sahlin, Tod 149, in einer postulierten aramäischen Vorlage sei "Behausung", "Zelt" im Sinn von 2 Kor 5, 1-3 von der Körperhülle des Judas ausgesagt. 272
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Ps 69 trägt im Psalmenkommentar von Hans-Joachim Kraus die Überschrift: "Das Leiden des eifernden Gottesknechtes. "275 Neben Ps 2~, mit dem er Verwandtschaft aufweist, ist Ps 69 zur Deutung des Leidensschicksals Jesu und zur Ausgestaltung der Passionsgeschichte herangezogen worden (vgl. Mk 15,36 parr mit Ps 69,22). Die Feinde und Verfolger des Beters im Psalm konnte man deshalb leicht mit den Feinden Jesu gleichsetzen, unter denen sich Judas hervortut. Im Psalmkontext stellt V. 26 einen Wunsch oder einen Fluch dar, den der Beter gegen seine Feinde schleudert. Apg 1,20 macht daraus implizit eine Feststellung. Gott hat gehandelt und hat die Verwünschung an Judas in Erfüllung gehen lassen. Inhaltlich werden Aspekte zur Geltung gebracht, die der bloße Ausdruck "Blutakker" schon in sich birgt. Angesichts der alttestamentlich-jüdischen Blutscheu versteht es sich auch ohne nähere Begründung von selbst, daß ein Ort mit einem solchen Namen im höchsten Maße als unrein gilt, daß er verödet daliegt und als Wohngebiet für Menschc;m nicht in Frage kommt. Das zweite Zitat aus Ps 109,8: "Sein Amt soll ein anderer übernehmen", wird nach der LXX geboten. Nur ist die Wunschform (Optativ) in eine Anweisung (Imperativ) umgewandelt. Im Original sprechen diesen Satz die Feinde des Beters, die ihm übelwollen276 , aber es ist sehr fraglich, ob Lukas das so gelesen hat. Die von ihm vorgenommene Anfügung des Verses steht im Dienst seiner redaktionellen Klammertechnik. Lukas bereitet damit die Nachwahl des Matthias vor. 277 Es zieht sich jetzt im Text ein roter Faden von "Los des Dienstes" V. 17 über "Aufsichts amt" V. 20 zu "Platz des Dienstes" V.25. d) Zum Vergleich mit Matthäus Zu Mt 27,3-10 steht Apg 1,15-20 in einem eigentümlichen Verhältnis von Distanz und Nähe. Die gleiche Person tritt auf, Judas. Es geht um sein Ende, das nicht auf normalem Weg erfolgt. Ein Feld oder Grundstück bekommt den Namen "Blutacker". Das Ganze wird der Schrift unterstellt und mit einem Schriftzitat abgeschlossen. Und dennoch ist alles anders: Bei Matthäus begeht Judas Selbst21>
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H. J. Kraus, Psalmen II (BK XV/2), 5. Aufl., Neukirchen 1978, 638. H. J. Kraus, ebd. 920f. Anders E. Schweizer, Apg 1,16-22. Er schreibt auch die Zitation von Ps 109,8 der
Tradition zu, weil sich über V. 18 im gleichen Psalm eine Brücke zum Fluchwasserritual und zu Papias ergebe. Aber ist das für Apg 1,18 schon gefordert?
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mord, er stirbt durch Erhängen. Bei Lukas scheint es sich um einen Unglücksfall zu handeln, Judas stürzt sich zu Tode. Bei Matthäus erwerben die Hohenpriester den Acker, bei Lukas kauft ihn Judas selbst. Bei Matthäus bekommt der "Blutacker" seinen Namen, weil er mit dem Blutgeld bezahlt wurde, bei Lukas, weil Judas auf dem Acker sein blutiges Ende fand. Matthäus zitiert Sacharja und Jeremia, Lukas zitiert aus zwei Psalmen. An Harmonisierungsversuchen älteren und neueren Datums, die in ihrer Hilflosigkeit manchmal schon rührend wirken, herrscht kein Mangel. 278 Die schlimmsten Widersprüche (wer kaufte den Acker? wie starb Judas?) werden meist auf folgenden Bahnen eliminiert: Man könne sagen, daß Judas den Acker kaufte, auch wenn es de facto die Priester mit seinem Geld getan haben. Judas bleibt "Stifter des Blutackers" 279. Erhängen und Todessturz brauchen sich nicht zu widersprechen. Judas kann das Erhängen überlebt und sich später zu Tode gestürzt haben, oder der Strick riß, die Schlinge rutschte ab, der Ast des Baumes brach und der Körper schlug auf einen spitzen Stein auf, was sein Zerbersten hinlänglich erklärt. 280 Hören wir als frappierendes Beispiel Johannes Evangelist Belser, lange Jahre Neutestamentler an der katholisch-theologischen Fakultät in Tübingen: "Judas erhängte sich am Morgen des Kreuzigungstages Jesu südlich von Jerusalem, im Hinnomtale, mittels eines Strickes an einem Feigenbaume; als er geendet, zerriß der Strick (oder der Ast, an welchem der Strick befestigt war); der entseelte Leichnam fiel herunter auf den Bauch; dieser barst mitten entzwei, und die Eingeweide wurden ausgegossen." 281 Beispiele bei K. Lake, Death 25-27; R. B. Halas, Judas 156-164. So mit einer Konjektur (€:K"tiaa·tQ) J. Sickenberger, Stifter. Einen anderen Einfall hat J. 1. Munro, Death 236: Es handelt sich um zwei ganz verschiedene Grundstücke. Die Hohenpriester haben einen Begräbnisplatz gekauft, Judas erwarb sich ein Landgut, wo er sich erhängte. Sein historisierendes Textverständnis einmal konzediert, läßt Munro doch die Frage offen, wie es mit der Aufteilung der dreißig Silberlinge für zwei solche Projekte aussah. Vgl. ferner J. M. Pfättisch, Besitzer; C. Sigwalt, Erläuterung. Hingegen stellt A. Schulz, Ursprung, die Widersprüchlichkeit in der Herleitung des Flurnamens überraschend scharf heraus. 280 Vgl. etwa J. Hofbauer, Judas 41; A. B. Gordon, Fate 98 f. Ausdrücklich verteidigt wird die Harmonisierung z.B. noch von R. Si/va, Judas. Weiteres bei D. Haugg, Judas 184f (referiert u. a., daß man den Absturz des Leichnams teils mit dem Erdbeben bei Tod oder Auferstehung Jesu zusammenbringt); K. Lüthi, Geschichte 42 f; G. A. Galitis, Problemata. Einen tabellarischen Überblick zu den verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten bietet E. Locard, Mort 127. 281 J. E. Belser, Die Geschichte des Leidens und Sterbens, der Auferstehung und Himmelfahrt des Herrn, Freiburg 1903, 318. Einen Konkurrenten hat der von Belser favorisierte Feigenbaum im übrigen an der Espe. Weil Judas sich an ihr erhängt habe, zittere sie bis heute aus Angst vor dem Gericht (0. Goetz, Judas 119). Ausführlich dazu A. Taylor, Gallows. 278 279
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Diese Harmonisierungsversuche gehören - hoffentlich - der Auslegungsgeschichte an. Es bleibt eine einzige fundamentale Übereinstimmung, die Flurnamenätiologie: ein Feld bei Jerusalem trägt die Bezeichnung Blutacker. Eine episodische Erzählung gibt den Grund dafür an. Ist von dieser schmalen Basis aus noch ein Überstieg in die Historie möglich? Wir kommen auf die Frage zurück (s. u. § 22). e) Ein lukanisches Paradigma Halten wir einen Augenblick ein, um uns zu fragen, welche Intentionen Lukas mit dem Traditionsstück verbunden haben kann. Auf die Spur führt uns "ungerechter Lohn" in V. 18. In Lk 16,9 ist die Rede vom" ungerechten Mammon". Lukas ordnet Judas in sein Lieblingsparadigma von Armut und Reichtum, Besitz und Besitzverzicht ein. 282 Zum echten Jesusjünger gehört hinzu, daß er alles verläßt (Lk 5,11.28), auf all seinen Besitz verzichtet (14,33), alles verkauft und den Erlös an die Armen verteilt (18,22). Die Jünger haben das Eigene (ta i8ta 18,28) völlig aufgegeben. Statt dessen geht Judas hin und erwirbt sich Eigentum. Sinnfälliger konnte er seine Loslösung von der Jüngerschaft und ihren Idealen kaum noch demonstrieren. 283 Im Geist Jesu und seiner Jünger praktiziert die Urgemeinde in Jerusalem die Gütergemeinschaft: "Die Besitzer von Grundstücken und Häusern verkauften sie, brachten den Besitz und legten ihn den Aposteln zu Füßen" (Apg 4,34f). Auch Barnabas "besaß einen Akker, den verkaufte er und brachte das Geld und legte es den Aposteln zu Füßen" (4,37). Judas handelt genau umgekehrt. Er geht von den Aposteln weg (1,25) und kauft sich ein Grundstück. Durch seine materielle Einstellung schließt er sich selbst aus dem Zwölferkreis und aus der christlichen Gemeinde aus. Dort gibt es für ihn keinen Platz mehr. In der Verlängerung dieser Linie sieht Lukas auch den Vers Apg 1,25: Judas verläßt den Ort seines Dienstes und geht fort "an seinen eigenen (i8wv) Ort". Die Kommentare deuten gern auf die Höl-
282 Dazu H. J. Klauck, Gütergemeinschaft in der klassischen Antike, in Qumran und im Neuen Testament, in: RdQ 11 (1982) 47-79; deTs., Die Armut der Jünger in der Sicht des Lukas, in: elar. 26 (1986) 5-47. 283 Vgl. L. T. Johnson, The Literary Function of Possessions in Luke-Acts (SBLDS 39), Missoula 1977, 179-181.
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le 284 , obwohl man sich durchaus auch eine Rückbindung an den Weggang des Judas zu den Hohenpriestern in Lk 22,4 und den damit verbundenen Standortwechsel vorstellen könnte 285 • Besser noch scheint es, die Aussage im jetzigen, von Lukas geschaffenen Kontext direkt an V. 18 f anzuschließen. Judas geht ganz wörtlich zu dem Ort, den er sich als Eigentum verschafft hat, zu seinem Grundstück, wo ihn das bekannte traurige Los erwartet. 286 Der Ausdruck "sein eigener Ort" bringt ihn wieder in Gegensatz zur Urgemeinde, wo keiner von den Besitzenden sagte, etwas sei sein Eigen (4,32; vgl. Lk 18,28). In 5,1-11 verstoßen Hananias und Saphira gegen Praxis und Geist der Gütergemeinschaft, indem sie einen Teil des Erlöses für ein Landstück (V. 3) zurückbehalten. Sie erleiden dafür einen jähen Tod. Diesen verderblichen Plan hat dem Hananias der Satan ins Herz gegeben (5,3), so wie er ja auch in Judas einging und ihn dazu antrieb, in schnöder Gewinnsucht Jesus zu verkaufen (22,3 t).287 Die Geld- und Besitzgier, die Lukas dem Judas unterstellt, verliert alles Oberflächliche, sie nimmt dämonische Züge an. In ihr sind die destruktiven Kräfte des Bösen selbst am Werk. Wer sich hemmungslos dem materiellen Erwerbsstreben hingibt, liefert sich Mächten aus, von deren Gefährlichkeit er anfangs nichts ahnt und die er auf Dauer nicht beherrschen kann. Sie werden ihn physisch und psychisch zugrunderichten, wie sie es mit Judas getan haben.
284 G. Schille, Die Apostelgeschichte des Lukas (ThHK 5), Berlin 1983, 85f: "Der verfehlte Ort ist die Hölle"; J. Roloff, Die Apostelgeschichte (NTD 5), Göttingen 1981,34: "in die Hölle"; A. Weiser, Apg (s. Anm. 258) 70: "das ewige Verderben"; O. BeIz, Servant 50: "Luke euphemistically refers to hell." Weitere Nachweise bei R. B. Halas, Judas l89f. 285 Vgl. S. Brown, Apostasy and Perseverance in the Theology of Luke (AnBib 36), Rom 1969, 84. Der ganze Abschnitt "The Apostasy of Judas" 82-97 ist für die lukanische Sicht sehr aufschlußreich. 2.' So L. T. Johnson, Function (s. Anm. 283) 181 f. 2.7 Die Parallelen zu Hananias und Saphira auf der einen und Judas auf der anderen Seite sind ausgezogen bei S. Brown, Apostasy (s. Anm. 285) 106f. Zur dämono10gischen Interpretation ebd. 85 f: "The earth1y reality by means of which Satan has won contral over Judas ist ,the mammon of iniquity' ... In p1edging himself to the mammon of iniquity Judas has in fact concluded a pact with Satan himse1f ... Finally demonic connotations are not absent from the use to which Judas puts his money." Die dämonologischen Implikationen der Geldthematik werden auch gesehen von K. Lüthi, Problem 100, und im Anschluß an ihn von W Vogler, Judas 87 f.
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§ 20 Die Krankheit (Papias)
An dieser Stelle müssen wir bereits den Rahmen des Neuen Testaments überschreiten und ein Fragment aus der frühchristlichen Literatur heranziehen, das ebenfalls das Ende des Judas zum Thema hat. Es handelt sich um ein Bruchstück aus den um 140 n. ehr. entstandenen "Fünf Bücher Auslegung von Herrenworten" des Bischofs Papias von Hierapolis, das in doppelter Brechung auf uns gekommen ist. Die griechischen Katenen zum Matthäusevangelium haben es aus dem Werk eines Apollinaris übernommen, womit wahrscheinlich der Exeget Apollinaris von Laodicea aus dem 4. Jh. n. ehr. gemeint ist, nicht der Apologet Apollinaris von Hierapolis aus dem 2. Jh. n. ehr. Dieser Apollinaris von Laodicea also zitiert Papias aus Anlaß der Auslegung von Mt 27,5, in der Absicht, den Matthäusbericht mit der Apostelgeschichte zu harmonisieren, was ihm auf dem Umweg überPapias leichter möglich schien. Zunächst seien Text 288 und Übersetzung 289 mit der Einleitungsnotiz des Tradenten vorgestellt (im Papiasfragment wurde um der besseren Zitierbarkeit willen eine Verszählung neu eingeführt): 'A1tOAWapiOlJ' OUK EVa1tE-9avE Tfi urxOVll 6 '1ouoUl;;, UAA' E1tEßÜO Ka-9atPE-9Ei~ 1tPO 'tOU U1t01tvtyfjvat. Kai 'tOU'tO OT]AOUcrW ai 'tmv U1tOcr'tOAroV 1tpU~Et~, ön ,,1tPT]VT]~ YEVOIlEVO~ EAUKT]crE IlEcrO~, Kai E~EXMT] 1tuv'ta 'tu cr1tAuyxva au'"COu". 'tOU'tO OE cra
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Text bei J. Reuss, Matthäus-Kommentare aus der griechischen Kirche aus Katenenhandschriften gesammelt und herausgegeben (TU 61), Berlin 1957, 47f (zwei Versionen); F X Funk - K. Bihlmeyer - W Schneemelcher, Die Apostolischen Väter (SQS lI/I), 2. Aufl., Tübingen 1956, 136f; E. Preuschen, Antilegomena. Die Reste der außerkanonischen Evangelien und urchristlichen Überlieferungen, 2. Aufl., Gießen 1905, 97 f. Bequem zugänglich bei K. Aland, Synopsis Quattuor Evangeliorum, 9. Aufl., Stuttgart 1976, 470. Wichtige ältere Arbeiten: T. Zahn, Papias von Hierapolis, seine geschichtliche Stellung, sein_Werk und sein Zeugnis über die Evangelien, in: ThStKr 39 (1866) 649-696, bes. 680-689; F. Overbeck, Ueber zwei neue Ansichten vom Zeugnis des Papias für die Apostelgeschichte und das vierte Evangelium, in: ZWTh 10 (1867) 35-74, bes. 39-54; A. Hilgenfeld, Papias von Hierapolis, in: ZWTh 18 (1875) 231-270, bes. 262-265. 289 Den Text mit Übersetzung bieten J. Kürzinger, Papias von Hierapolis und die Evangelien des Neuen Testaments (Eichstätter Materialien 4), Regensburg 1983, 104f, und U. H. J. Körtner, Papias von Hierapolis. Ein Beitrag zur Geschichte des frühen Christentums (FRLANT 133), Göttingen 1983,59-61. Wir folgen mit der obigen Übersetzung Kürzinger (adaptiert). 288
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TIir; K€<paf..:fjr; au'wü' J 'tU IlEV yup ßAE<papa 'trov 6
Von Apollinaris: Judas starb nicht, als er sich erhängte, sondern lebte noch weiter, da er abgenommen wurde, ehe er erstickte. Auch dies berichtet die Apostelgeschichte, daß "er kopfüber stürzte und mitten aufplatzte, so daß seine Eingeweide heraustraten". Deutlicher erzählt das Papias, der Schüler des Johannes, der im vierten Buch der Auslegung von Herrenworten sagt: "I Als ein erschreckendes Beispiel der Gottlosigkeit ging durch diese Welt Judas. 2 Er war an seinem Leib so angeschwollen, daß er da, wo ein Wagen noch bequem durchzufahren vermochte, nicht mehr hindurchgehen konnte, ja nicht einmal mit dem Umfang seines Kopfes. J Seine Augenlider schwollen, so sagt man, so sehr an, daß er überhaupt kein Licht mehr sah und man seine Augen selbst mit dem Spiegel des Arztes nicht zu sehen vermochte. 4 So tief lagen sie 'von der Außenfläche zurück. 5 Sein Schamglied war abstoßender und größer als alles, was schamlos ist; 6 von seinem ganzen Körper floß Eiter herab neben Würmern, die schon bei den natürlichsten Bedürfnissen quälten. 7 Als er dann nach vielen Qualen und Plagen, so sagt man, auf dem ihm gehörenden Grundstück gestorben war, blieb dieses bis zur Stunde wegen des Gestanks öde und unbewohnt. 8 Ja bis auf den heutigen Tag vermag niemand an dem Platz vorüberzugehen, ohne sich die Nase mit den Händen zuzuhalten. 9 So sehr verbreitete sich der Ausfluß von seinem Körper auch über die Erde."
a) Ein paradigmatischer Fall (V. 1) Gleich im Anfangsvers bringt Papias, der die Erzählung aus mündlicher Tradition aufnimmt, seine Wertung an: Als ein Paradigma (im Text: un60EtY/la) der Gottlosigkeit wandelt Judas durch die Welt. An ihm soll jeder Christ ablesen, welch schreckliches Schicksal den schweren Frevlern bevorsteht. Ein voraus liegender Selbstmordversuch ist nicht erwähnt. Die Vorlage des Papias wird darum so wenig wissen wie Apg I, 18 f. Falls Papias selbst das kanonische Matthäus111
evangelium kannte 290 und um den Selbstmord durch Erhängen Mt 27,5 wußte, ist er wie so viele nach ihm einfach additiv verfahren. Das Aufhängen mißglückte; was jetzt erzählt wird, hat sich danach abgespielt. Sichere Auskunft darüber konnte uns aber nur der Kontext des Fragments im Gesamtwerk des Papias, der verloren gegangen ist, geben. Die Geschichte selbst steht für sich und läßt harmonistische Tendenzen nicht erkennen. b) Symptombeschreibung I (V. 2-4) Der Leib des Judas schwillt dermaßen an, daß er nicht einmal mehr den Kopf durch ein Wagentor hindurch bekommt. 291 Betroffen sind davon auch seine Augenlider, was zu seiner Erblindung führt. Diese groteske Vorstellung erklärt sich verhältnismäßig einfach als Extrapolation aus der in Apg 1,18 verarbeiteten Tradition. Das schwierige nPTJvT]~ y€v61l€vo~ ("vornüber stürzend") wird bei Papias in V. 2 durch ein ähnlich klingendes Wort mit einer ganz anderen Bedeutung ersetzt: nPTJO'-9€i~ (Part. Aor. Pass. von ntllnpTJllt, anschwellen).292 Die interne Logik von Apg 1,18 erfährt damit eine scheinbare Verbesserung. Ein derartiges Anschwellen kann leicht zum Platzen und zum Ausgießen der Eingeweide führen. Des weiteren haben auf die Ausgestaltung Schriftmotive eingewirkt. Die vorlukanische Tradition zitiert in Apg 1,20a aus Ps 69,26. Im gleichen Psalm findet sich zwei Verse zuvor ein anderer Fluch über die Feinde des Beters: "Ihre Augen mögen sich verfinstern, daß sie nicht mehr sehen, und ihre Lenden laß immerdar wanken" (Ps 69,24). Ersteres tritt im Papiasfragment in V. 3 f ein. Die Schwellung verursacht ein Zuwachsen der Augen. David Friedrich Strauß möchte darüber hinaus schon für Apg 1,18 zusätzlich den davorstehenden Vers Ps 69,23 auswerten, wo es heißt: "Der Tisch vor ihnen möge zur Schlinge werden, und ihre Opfergelage zum Fallstrick." Judas habe den "Verräter"lohn dazu benutzt, sich bei Tisch So U. H. J. Körtner, Papias (s. Anm. 289) 144.204f. Das wird im Interesse einer Angleichung an Apg 1,18 verkannt in der anderen Version bei Ps.-Oecumenius, Comm in Act 2 (S8A PG 118): Judas sei mit einem Wagen zusammengestoßen und von ihm zerquetscht worden, so daß seine Eingeweide heraustraten. Vgl. F. Barth, Tod lISf. 292 T Zahn, Papias (s. Anm. 288) 688, setzt deshalb sogar ein 7tE7tp"O'IJ.EVO\; ("aufgeschwollen") als ursprüngliche Lesart für Apg 1,18 an. Dagegen mit Recht F. Overbeck, Ansichten (s. Anm. 288) SOf. Auch J. R. Harris, Judas 498, möchte textkritisch vorgehen und ersetzt 7tP"VTJ\; durch 7tp"O'-9Ei\;. Zu vergleichbaren Versuchen von der Semantik aus s. o. Anm. 264. 290
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bis zum Platzen vollzustopfen 293 - aber das scheint doch zu weit hergeholt. Als tragfähig erweist sich eher die Heranziehung von Num 5,21 f.27. 294 Die der Untreue verdächtigte Ehefrau soll das Fluchwasser trinken. Der Priester sagt ihr die Eidesformel vor: "Der Herr mache deinen Namen zum Fluch- und Schwurwort unter deinem Volke, indem er deine Hüfte schwinden und deinen Leib anschwellen läßt, und dieses fluchwirkende Wasser dringe in deine Eingeweide, daß der Leib anschwelle und die Hüfte schwinde."
Ist der Tatbestand der Untreue erfüllt, tritt die beschriebene Folge ein. Das Wasser "dringt zu bitterem Weh in sie ein, so daß ihr der Leib anschwillt und die Hüfte schwindet" (V. 27). Das konnte man auf Judas übertragen: Er hat Untreue begangen. Auf ihm ruht Gottes Fluch, was man an seinem Körper ablesen kann. Problematisch bleibt der verschiedentlich vorgeschlagene Rekurs auf Ps 109,18: "Er zog den Fluch an wie ein Gewand - so dringe er wie Wasser in sein Inneres und wie Öl in seine Gebeine", woraus man u. U. als Krankheitsbild Wassersucht ableiten kann, die den Körper zum Aufdunsen bringt. Apg 1,20b führt zwar Ps 109,8 an, aber wir hatten oben gemeint, hier sei lukanische Redaktion am Werk. Man müßte V. 20b entweder doch zur vorlukanischen Tradition ziehen oder die Papiasversion direkt von der Apostelgeschichte abhängig sein lassen, was sich aus verschiedenen Gründen nicht empfiehlt. Aber es fragt sich, ob wir Ps 109,18 überhaupt noch brauchen. Zu dem anderen Material, das uns zur Verfügung steht, kommt noch die Topik solcher Erzählungen hinzu, die u. a. auch Anschwellungen und entzündliche Prozesse vorsieht (s. u. in § 21 e Jos., Ant. 17,169). c) Symptombeschreibung 11 (V. 5-6) Die besonders anstößige Vergrößerung des Schamglieds in V. 5 gehört zwar noch als weiteres Beispiel in die mit V. 2 begonnene Ausmalung der Anschwellung des Körpers, ist aber auch mit V. 6 nicht nur syntaktisch, sondern auch sachlich zusammengebunden 293 Angedeutet bei D. F. Strauß, Leben Jesu (s. Anm. 44) 11 510; ausgeführt in ders., Das Leben Jesu für das deutsche Volk bearbeitet (1864), 22. Auf!., Leipzig 1914, Bd. 11 305: Judas "habe, vermutlich weil er sich vorher an seinem Tische von dem Verrätersolde recht dick gemästet, aus dem geborstenen Leibe alle Eingeweide ausgeschüttet". Dagegen argumentiert D. Tabachovitz, Tod 45 f. 294 Zum folgenden s. o. Anm. 266.277.
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durch die Erwähnung der "natürlichen Bedürfnisse". Es bleibe dahingestellt, inwieweit damit frühere sexuelle Verfehlungen insinuiert werden sollen. Auch bei Herodes dem Großen fängt die Krankheit bei den Geschlechtsteilen an (s. u. in § 21 e Jos., Ant. 17,169), und sie erzeugt bei ihm und anderen großen Schurken immer wieder Würmer (s. u. in § 21 d 2 Mall 9,9). Würmerfraß gilt im Alten Testament neben dem Feuer als Strafe für die Gottlosen: "Und sie werden hinausgehen und die Leichen der Menschen anschauen, die von mir abgefallen sind; denn ihr Wurm wird nicht sterben, und ihr F~uer wird nicht erlöschen, und sie werden ein Abscheu sein für alles Fleisch" (Jes 66,24; zit. in Mk 9,48); "Wehe den Heiden, die sich wider mein Volk erheben, der allmächtige Herr wird sie strafen am Tage des Gerichts, dem Feuer, den Würmern ihr Fleisch überliefern, daß sie heulen vor Schmerz bis in Ewigkeit" (Jdt 16,17).295 Aber Würmer sind auch das Schicksal, das jeden Menschen nach seinem Tod ereilt: "Und stirbt der Mensch, so ist sein Besitz Moder und Maden, Geschmeiß und Gewürm" (Sir 10,11). Zugrunde liegen Beobachtungen, die man beim Verwesungsprozeß des menschlichen Körpers gemacht hat, teils auch bestimmte Krankheitsverläufe. Bei besonders schlimmen Frevlern vollzieht sich, so eine volkstümliche Ansicht, die Dekomposition des Leichnams als göttliche Strafe schon zu Lebzeiten. 296 Sie verfaulen bei lebendigem Leib, wie es im Sacharjabuch in einem Fremdvölkerorakel den Feinden Israels angedroht wird: "Dies aber ist der Schlag, den der Herr gegen alle Völker führt, die wider Jerusalem gezogen sind: Er wird ihr Fleisch faulen lassen, während sie noch auf ihren Füßen stehen; die Augen verfaulen ihnen in ihren Höhlen und die Zunge verfault ihnen im Mund" (Sach 14,12). d) Was übrigbleibt (V. 7-9) Die Todesart erscheint in V. 7 - abgesehen davon, daß sie schmerzlich war - merkwürdig unbestimmt. Aber die Rede vom "Gestank" in V. 7 und vom "Ausfluß" in V. 9 deutet doch auf eine Variante zu dem Zerplatzen in Apg 1, 18 hin. Der Körper des Judas löst sich förmlich auf und imprägniert den Erdboden, der den unerträglichen Geruch auf Jahre und Jahrzehnte hinaus nicht mehr los wird. Man vermißt bei Papias eine Berücksichtigung der Flurnamen29' Vgl. nochJes 14,11; 51,8; 1 Makk2,62; Sir 7, 17; 19,3; dazu U. H. J. Körtner, Papias (s. Anm. 289) 138f, der vor allem die apokalyptische Komponente hervorhebt. 29. Vgl. P. Benoit, Tod 171 Anm. 2.
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ätiologie, die wir als festen Kern von Apg 1, 18 par Mt 27,8 erkannt hatten. Aber Spuren davon sind noch in V. 7 f aufbewahrt. So haben wir in Y. 7 ein Grundstück (xwpiov), das Judas gehört (t8wv) und auf dem er stirbt. Bei "bis zur Stunde" (Y. 7) und "bis auf den heutigen Tag" (V. 8) legt sich der Gedanke an Ewe; 1:fje; crTlIlEPOV in Mt 27, 8 nahe. Aber man braucht deswegen nicht mit einer Benutzung des Matthäussonderguts durch Papias - obwohl er es gekannt haben dürfte - zu rechnen. 297 Die ätiologische Formel steht auch in Apg 1,18, wenn auch ohne Zeitangabe. Aber diese war leicht aus den alttestamentlichen Vorbildern wie Gen 26,33 und 2 Sam 6,8 (s.o. § 18b) oder aus dem ganzen Duktus des Gedankengangs zu ergänzen. Es bleibt festzuhalten, daß der Name "Hakeldamach" fehlt. Das dürfte auf eine Loslösung der Erzählung von Jerusalemer Lokaltraditionen und von juden christlichem Milieu hindeuten. Den Kern von V. 7-9 aber bildet das traditionelle Zitat aus Ps 69,26 in Apg 1,20a: "Seine Behausung soll öde werden, und niemand soll da sein, der darin wohnt." Der bloße Ausdruck "Blutacker" vermochte bei Heidenchristen kein solches Entsetzen mehr hervorzurufen, das eine solche Reaktion glaubhaft genug erscheinen ließ. Deshalb läßt man ihn fallen und versieht die Feststellung aus Apg 1,20 a mit einer neuen Begründung. Die liefert jetzt der Gestank, den die zerplatzte Leiche des Judas verursacht hat. Man kann kaum an dem Ort vorübergehen (V. 8), geschweige denn dort seine Wohnung nehmen. Dabei verhält es sich so, daß, wie wir noch sehen werden, in verwandten Erzählungen (§ 21) der Gestank die letzte Zerfallsphase des lebenden Körpers begleitet. Es handelt sich um ein Krankheitsphänomen. Das erscheint hier in gesteigerter Form. Die Geruchsbelästigung überdauert den Tod, sie haftet auf immer an dem letzten Aufenthaltsort des Judas. Der Gestank und die Leere, die daraus resultiert, sie sind das letzte, was von Judas zurückbleibt. Und als Reaktion bleibt der Abscheu der Menschen. Sie halten sich die Nase mit Händen zu (V. 8), nicht nur, wenn sie vorbeigehen an jenem Ort, auch dann, wenn sie diese ebenso farbige wie ekelerregende Erzählung über ihn hören, ja schon wenn sein bloßer Name fällt. Man fühlt sich unwillkürlich an die letzten Worte in Franz Kafkas "Prozeß" erinnert: ",Wie ein Hund!', sagte er, es war, als sollte die Scham ihn überleben." 298 297 Wie es T Zahn, Papias (s. Anm. 288) 688, tut; dagegen F. Overbeck, Ansichten (s. Anm. 288) 48 f. 298 F. Kafka, Der Prozeß. Roman (Gesammelte Werke 2) (Fischer Taschenbuch), Frankfurt 1976, 194.
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Das Papiasfragment beruht auf einer selbständigen Fortentwicklung jener Tradition, die in einer älteren Fassung in Apg 1,16-20 Eingang fand. Gesteigert worden sind in erster Linie die grausigen Details. Als Opfer von wollüstigen Rachephantasien rückt Judas mit seiner Person und seinem Geschick endgültig ins Zentrum ein. Die Ätiologie ist zurückgenommen, die Erzählung hat sich zur Personallegende verselbständigt. Der Schriftbeweis fehlt formal gesehen. Dennoch hat die Umsetzung von Schriftmotiven die Entstehung der neuen Erzählzüge überhaupt erst ermöglicht. Hinzu kommt als zweite treibende Kraft das Vorbild, das andere Berichte über das bittere Ende verhaßter Größen der Geschichte boten. Dem Bearbeiter der Judastradition dürfte vor allem 2 Makk 9, 5-10 vorgeschwebt haben, evtl. auch das Ende Herodes' des Großen in der Fassung, die Flavius Josephus ihm gibt. Dazu soll im nächsten Paragraphen eine kleine Textsammlung geboten werden. Sie ist als Hilfe für den Leser gedacht, der die entsprechenden Ausgaben möglicherweise nicht immer zur Hand hat. Empfohlen wird, bei der Lektüre einmal die eigenen Reaktionen aufmerksam zu überprüfen.
§ 21 Das Ende des Gottlosen: Variationen eines Themas
Im folgenden sind in Auswahl einige Texte zusammengestellt, deren Verwandtschaft mit den legendarischen Entfaltungen der Tradition vom Tod des Judas schon beim bloßen Lesen ins Auge fällt. Von einer festen Gattung zu sprechen, wäre wohl verfrüht. Aber bestimmte feste Erzählmuster zeichnen sich ab. 299 Wir brauchen uns für unsere Zwecke nicht sonderlich um die Unterscheidung von Dichtung und Wahrheit zu bemühen. Das Verhältnis der legendarischen zu den historischen Zügen schwankt von Text zu Text und ist im Einzelfall nicht immer exakt zu bestimmen. So starb, um nur ein Beispiel herauszugreifen, Antiochus IV. Epiphanes (s. u. d) auf einem Feldzug an einer unspektakulären Krankheit. In anderen Fällen fehlt die Kontrollmöglichkeit. Uns genügt hier die "erzählte Welt", die unabhängig vom Wirklichkeitsbezug durch das Ensemble der Texte konstituiert wird.
299 Ausführlich dazu W. Nestle, Legenden vom Tod der Gottesverächter, in: ARW 33 (1936) 246-269 (geht ebd. 263 auch auf Judas ein).
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a) Nadan und Achikar Wir beginnen mit der Erzählung vom weisen Achikar, dem Ratgeber der assyrischen Könige, die sich, wiewohl außerbiblischen Ursprungs, großer Beliebtheit in jüdischen und christlichen Kreisen erfreute. Ihre Anfänge reichen ins 7. Jh. v. Chr. hinauf. Die älteste erhaltene Textform in den Elephantine-Papyri stammt aus dem 5. Jh. v. Chr. 30o Achikar zieht seinen Neffen Nadan als Nachfolger heran, handelt sich aber als Dank bloß eine lebens bedrohende Intrige ein. Nach der Rehabilitierung Achikars erreicht den verräterischen Nadan die verdiente Strafe (vgl. Tob 14,10). Sie sieht in einer späten Textform so aus: Und als Nadan diese Rede seines Onkels angehört hatte, schwoll er sofort an und wurde wie eine aufgepumpte Blase. Und seine Glieder schwollen, seine Beine, seine Füße, seine Seite. Er wurde zerrissen, sein Bauch platzte auseinander und seine Eingeweide wurden zerstreut. Er ging zugrunde und starb. Sein Ende war Zerstörung, und sein Weg führte in die Unterwelt. 301
b) Pheretime (Herodot) Pheretime, die Frau von König Battos III. und zeitweilige Herrseherin von Kyrene (6. Jh. v. Chr.), rächt den Tod ihres Sohnes Arkesilaos und führt mit ägyptischer Hilfe einen schrecklichen Vernichtungsfeldzug gegen die schuldige Stadt Barka. Die Männer läßt sie rings um die Mauer auf Pfähle spießen, den Frauen die Brüste abschneiden und sie längs der Mauer aufstecken. Wegen ihrer exzessiven Rachsucht trifft sie schließlich die Strafe der Götter: Aber auch Pheretimes Lebensende war nicht glücklich. Sobald sie nämlich von dem Rachezug gegen Barka nach Ägypten zurückgekehrt war, starb sie eines schlimmen Todes: Noch zu Lebzeiten wimmelte ihr Körper von Maden. Tatsächlich bringt zu übertriebene Rachsucht den Neid der Götter. Rache von solcher Art und Größe nahm Pheretime, des Battos Gemahlin, an der Stadt Barka. 302
300 Vgl. zu den Einleitungsfragen J. M. Lindenberger, Ahiqar, in: J. H. Charlesworth (Hrsg.), The Old Testament Pseudepigrapha II, Garden City 1985, 479-493. 301 Die Übersetzung folgt der christlich beeinflußten arabischen Version in APOT II 776 (ebd. weitere Varianten). Bei Lindenberger 498 (s. die vorige Anm.) fehlt ein Äquivalent. Die frühe Fassung aus Elephantine, die er zugrunde legt, bricht vor der Bestrafung Nadans ab. J. R. Harris, Judas 490f.498f, erblickt im Schicksal Nadans das literarische Vorbild für Apg 1,18. 302 Herod., Hist 4,205; Übers. nach J. Feix, TuscBü (mit einer Korrektur im Schlußsatz: "des Battos Gemahlin", nicht "des Battos Tochter" wie Feix übersetzt).
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c) Kassander (Pausanias) Der makedonische Königssohn und Diadoche Kassander (355-298 v. ehr.) läßt nach Alexanders Tod seinem Haß gegen Alexander den Großen freien Lauf. Er sorgt dafür, daß Olympias, Alexanders Mutter, vom Heer umgebracht wird. Die Söhne Alexanders vergiftet er eigenhändig. Aber das bringt ihm und seinen Söhnen kein Glück: Aber auch er selbst sollte sein Leben nicht auf angenehme Weise beenden. Die Wassersucht ergriff ihn und verursachte, daß Würmer in ihm entstanden, während er noch lebte. Philipp, sein ältester Sohn, wurde, nachdem er noch nicht lange die Herrschaft übernommen hatte, von einer auszehrenden Krankheit gepackt und hinweggerafft. Antipater, der nächste Sohn, ermordete seine Mutter ... So wollte einer der Götter von Kassander die Vergeltung einfordern. 303
d) Antiochos IV. Epiphanes (2 Makk) Der Seleukide Antiochos IV. Epiphanes, König des syrischen Diadochenreiches, der sich in der Sicht des zweiten Makkabäerbuchs als unerbittlicher Peiniger und Unterdrücker des jüdischen Volkes profiliert hat, stirbt einen entsprechend bitteren Tod: 9 I Zu jener Zeit aber war Antiochos gerade aus den Gebieten in Persis in aufgelöster Ordnung abgezogen ... 4 In seinem Sinn gereizt, glaubte er auch die Unbill derer, die ihn zur Flucht getrieben hatten, an den Juden rächen zu sollen. Deshalb wies er seinen Wagenlenker an, ohne jede Unterbrechung der Fahrt die Reise zu vollenden, während doch für ihn die Stunde des himmlischen Gerichts gekommen war. In seiner Überheblichkeit nämlich sprach er so: "Aus Jerusalem werde ich, sobald ich dort bin, ein Massengrab der Juden machen." 5 Aber der alles überschauende Herr, Israels Gott, schlug ihn mit einem unheilbaren und unsichtbaren Schlag. Kaum hatte jener seinen Satz beendet, da ergriffen ihn heilloser Schmerz in den Eingeweiden und bittere Marter in den Organen. 6 Das war vollkommen gerecht, weil er die Eingeweide anderer mit vielen und fremdartigen Martern gepeinigt hatte. 304 7 Er aber ließ keineswegs ab von seinem Hochmut, sondern war noch immer von Überheblichkeit erfüllt, schnaubte in seinem Herzen Feuer gegen
303 Paus., Graec Descr IX 7,3f. Text nach W. H. S. Jones, LCL. Vgl. noch Lukian, Alex 59, über seinen Intimfeind, den Schwindelpropheten Alexander von Abonoteichos: "Übrigens starb dieser schändliche Mensch ... auf eine höchst jämmerliche Weise an einem Krebsschaden; das eine Bein faulte ihm nach und nach bis an die Hüfte ab, und er konnte sich der Würmer, die daraus hervorwimmelten, kaum erwehren" (Übers. C. M. Wieland); ferner Plut., Sulla 37,3f. 304 Vgl. 2 Makk 7,1-42.
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die Juden und befahl, die Fahrt noch zu verschärfen. Da geschah es, daß er von dem rasend dahinrollenden Wagen stürzte und in schwerem Sturz alle seine Glieder zermartert wurden. 8 Er, der soeben noch gemeint hatte, er könne den Wogen des Meeres gebieten kraft seiner übermenschlichen Prahlerei, der da glaubte, er könne die Höhe des Gebirges mit der Waage abwägen 305 , er stürzte zu Boden, wurde auf einer Bahre mitgeführt und zeigte so allen sichtbar Gottes Macht, 9 indem sogar aus den Augen 30 • des Gottlosen Würmer aufwimmelten und das Fleisch des Lebenden in Schmerz und Pein zerfiel, der von ihm ausgehende Geruch aber das ganze Heer mit Fäulnisgestank belästigte. IOUnd den, der kurz zuvor vermeint hatte, er könne nach den himmlischen Sternen greifen 307 , vermochte niemand mehr zu transportieren wegen der unerträglichen Geruchsbelästigung ... 28 Der Mörder und Gotteslästerer endete sein Leben unter den schlimmsten Qualen, wie er sie anderen angetan hatte, in der Fremde, im Gebirge, auf die elendeste Weise. 308
e) Herodes der Große (Josephus) Kaum weniger dramatisch, aber zugleich auch weniger legendarisch und mehr einem tatsächlichen schweren Krankheitsverlauf angepaßt erscheint das Sterben des großen Herodes, wie es Flavius Josephus schildert: 168 Des Herodes Krankheit nahm übrigens immer mehr zu, und Gott züchtigte ihn offenbar für seine Freveltaten. Denn ein langsames Feuer verzehrte ihn, das jedoch äußerlich nicht die Glut verriet, mit der es seine Eingeweide durchwühlte. 169 Dazu kam ein heftiges Verlangen, etwas zu nehmen, dem zu widerstehen unmöglich war. Weiterhin gesellten sich zu der Krankheit Geschwüre in den Eingeweiden, und besonders quälten ihn grausame Schmerzen in den Därmen. Die Füße waren ebenso wie der Unterleib von einer wässerigen, durchscheinenden Flüssigkeit aufgetrieben, und an den Geschlechtsteilen entstand ein fauliges Geschwür, welches Würmer erzeugte. Wenn der Kranke sich aufrichtete, litt er an quälender Atemnot, und der Gestank des Atems machte ihm ebenso viele Beschwerden als das angestrengte Atemholen. Endlich wüteten in fast allen Gliedern seines Körpers Krämpfe, die ihm eine unwiderstehliche Kraft gaben. 170 Die Wahrsager, welche sich auf die Deutung solcher Heimsuchungen verlegten, waren der Meinung, Gott habe dem König für seine Bosheit diese schwere Strafe zuerkannt. 309
Vgl. Jes 40,12; 2 Makk 5,21. Andere Lesart: "aus dem Körper". 307 Vgl. Jes 14,12-15. 308 2 Makk 9,1.4-12.28; Übers. C. Habicht, JSHRZ 1/3. 309 Jas., Ant 17,169-170; Übers. nach H. C1ementz. Kürzer Jas., Bell1,656. Nach dem gleichen Muster ist das Ende des Judenfeindes Apion gestaltet, vgl. Jas., Ap 2,143. 305
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f) Catull (Josephus)
Die Wellen, die der Jüdische Krieg weit in die Diaspora hinein schlägt, benutzt Catull, römischer Prokonsul für das Gebiet KretaKyrene (73-74 n. Chr.), um reiche Juden umzubringen und sich an ihrem Vermögen zu bereichern. Er bringt in Rom fingierte Anschuldigungen vor, von denen Flavius Josephus persönlich tangiert ist (Bell 7,448). Kaiser Vespasian durchschaut das Ränkespiel, läßt Catull jedoch straffrei ausgehen. Dennoch findet Josephus ein Ventil für seine persönlichen Rachegelüste : 451 Catull aber widerfuhr damals dank der großen Milde der Herrscher nicht mehr, als daß er die Feststellung seines Unrechts hinnehmen mußte. Doch nicht lange darauf wurde er von einer schwierigen und unheilbaren Krankheit ergriffen und starb unter gräßlichen Umständen. Es wurde nämlich nicht allein der Körper gepeinigt, vielmehr befiel die Krankheit schwerer noch seine Seele. 452 Er wurde durch Wahnvorstellungen umgetrieben und schrie ununterbrochen, er sähe die Schatten der von ihm ermordeten Menschen vor sich stehen. Da er sich nicht mehr in der Gewalt zu haben vermochte, sprang er vom Lager auf, so als ob man ihn foltere und Feuer auf ihn zutrage. 453 Das Übel nahm immer schneller zu, bis ihm infolge von Fäulniserscheinungen die Eingeweide aus dem Leib brachen, und so schließlich sein Tod eintrat - ein Beweis wie kaum ein anderer, daß die Vorsehung Gottes den Übeltätern gerechte Strafe auferlegt.3JO
g) Galerius (Laktanz, Eusebius) Den Schluß in unserer Beispielreihe bildet der römische Kaiser und Christenverfolger Galerius (250-311 n. Chr.). Über seine entsetzliche Todeskrankheit handeln Laktanz in seiner thematisch einschlägigen Schrift De Mortibus Persecutorum ("Über die Todesarten der Verfolger") und Eusebius an zwei Stellen. Aus der verhältnismäßig ausführlichen Beschreibung bei Laktanz seien nur folgende wenige Sätze angeführt: 7 ... Es bilden sich Würmer im Leibe. Der Geruch dringt nicht bloß durch den Palast, sondern verbreitet sich über die ganze Stadt. Und kein Wunder, denn bereits hatten sich die Ausgänge des Mters und Harns vermengt. 8 Er wird von Würmern zerfressen, und unter unerträglichen Schmerzen löst der Leib sich in Fäulnis auf ... 10 ... Der untere Teil hatte nicht mehr die Gestalt der Füße, sondern war nach Art von Schläuchen aufgetrieben und auseinandergegangen. 311
310 311
Jos., Bell 7,451-453; Übers. nach Michel-Bauemfeind. Aus Lakt., Mort Persec 33,1-11; Übers. A. Hartl, BKV.
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Die Version in der Kirchengeschichte des Eusebius ist viel kürzer gehalten als der Bericht des Laktanz, zugleich weniger dokumentarisch und stärker typisiert. Sie wird in vollem Umfang geboten: 16,3 Es ereilte ihn eine von Gott verhängte Strafe, welche an seinem Körper anhub und ihm schließlich ans Leben griff. 4 Inmitten der Teile, die man nicht nennen mag, bildete sich plötzlich eine eiternde Entzündung, sodann ein tiefliegendes, fistelartiges Geschwür. Dadurch wurden unheilbar seine innersten Eingeweide zerfressen. Eine zahllose Menge von Würmern wuchs daraus hervor, und ringsum verbreitete sich Leichengeruch ; denn die ganze Masse des Körpers hatte sich infolge der Völlerei schon vor der Erkrankung in einen Fettklumpen verwandelt, der nun faulte und seiner Umgebung einen unerträglichen und ganz schauerlichen Anblick bot. 5 Von den Ärzten wurden die einen, die den über alle Maßen abscheulichen Gestank schlechthin nicht zu ertragen vermochten, niedergemacht, die anderen, die für die um und um aufgeschwollene und unrettbar verlorene Masse des Körpers kein Heilmittel finden konnten, erbarmungslos hingerichtet. J12
§ 22 Zur Historizität des ludastodes
Auf welcher Palette die grellen Farben gemischt wurden, mit denen die christliche Tradition das schreckliche Ende des Judas sukzessive ausmalt, sollte nach diesem Überblick deutlich sein. Wir müssen nun auf die bislang ausgeklammerte Frage zurückkommen, wie es überhaupt um den historischen Kern der Tradition vom Tod des Judas bestellt ist. Daß diese Frage mehr als bloßes akademisches oder antiquarisches Interesse für sich beansprucht, kann man schon an einer Argumentationsfigur in den älteren theologischen Entwürfen zur Judasfrage ablesen. Man erfährt dort, daß Rettung für Judas durchaus im Bereich des Möglichen gelegen hätte, daß ihm seine Schuld hätte vergeben werden können, wäre da nicht der in Verzweiflung begangene Selbstmord. Erst diese Verzweiflungstat besiegelt sein ewiges Schicksal und perpetuiert seine Schuld. 313 Zunächst können wir einige kräftige Schnitte vornehmen. Ihnen fällt als erstes die Papiasversion zum Opfer. Sie erklärt sich zur 312 Euseb., Hist Eccl VIII 16,3-5; Übers. P. Haeuser. Parallelüberlieferung bei Euseb., Vit Const I 57. In Hist Eccl V 16, 13 f weiß Eusebius aus zweiter Hand zu berichten: Von den Stiftern und Propheten des Montanismus hätten Montanus und Maximilla sich aufgehängt wie der "Verräter" Judas, Theodot sei nach einem Aufstieg zum Himmel auf die Erde geschleudert worden und elend zugrundegegangen. 313 Vgl. R. B. Ha/as. Judas 191: "Had not Judas despaired, he would have been saved regardless of treason"; dafür beruft sich Halas auf Augustinus, Johannes Chrysostomus und Leo den Großen. Ebenso J. Weiger. Judas 44.
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Gänze als sekundäre Ausweitung aufgrund von Schriftmotiven und bekannten erzählerischen Topoi. Im Vergleich zu Papias wirkt die in Apg 1,18 verarbeitete Tradition zwar sehr zurückhaltend, aber für sich betrachtet trifft sie das gleiche Verdikt. Es ist ein Schriftbezug zu erkennen (Weish 4,19), und es liegt bei aller Knappheit doch schon das Bestreben vor, durch Schilderung eines schaurigen Endes zu zeigen, wie die gerechte Strafe den Frevler ereilt. Übrig bleibt als Todesart der Selbstmord durch Erhängen in Mt 27,5, der in der Tat ungemein nüchtern, mit einem einzigen Wort nur referiert wird. Wir haben außerdem als einzigen substantiellen Berührungspunkt zwischen Mt 27,3-10 und Apg 1,15-20 die Flurnamenätiologie, die um die Bezeichnung "Blutacker" kreist. Man kann nun hingehen und daraus folgenden Sachverhalt konstruieren: Im Bewußtsein der Jerusalemer Urgemeinde war das Wissen um den Blutacker fest verankert, ebenso seine Verbindung mit Judas. Christen der ersten Stunde haben dem Ort diesen Namen beigelegt, als Stätte des Todes und/oder des Grabes des Judas, bzw. sie haben den Namen, wenn es ihn vorher schon gab, als ungemein passend empfunden angesichts des dort sich vollziehenden Geschehens. Als Todesart käme der vergleichsweise unspektakuläre Selbstmord in Frage. Wie gesagt, so könnte man argumentieren, und es wäre angesichts unseres fragmentarischen Wissens vermessen, eine solche Möglichkeit vor der Hand auszuschließen oder gar Hohn und Spott über diese Annahme auszugießen. 314 Aber es sprechen doch letztlich zu viele Erwägungen dagegen. Auch das Erhängen in Mt 27,5 ist aus der Schrift gewonnen, nämlich aus 2 Sam 17,23. Auch der Selbstmord kann sich als verachtete Todesart schon dem Wunsch verdanken, die göttliche Strafe möglichst umgehend und sichtbar zum Zuge kommen zu lassen. Es ist auch nicht ganz belanglos, daß die Parallelüberlieferung von einem Selbstmord nichts zu wissen scheint. Wenn er als historisches Faktum feststeht, kann man das 314 An der Historizität des Selbstmords halten z. B. fest P. Benoit, Tod 18Of; J. Bauer, Schicksal 212f. Unentschieden W Schwarz, Doppelbedeutung 230: "Auch wird man die Historizität des Todes des Judas durch Erhängen weder beweisen noch bestreiten können"; J. Roloff, Apg (s. Anm. 284) 31: "Da dieser Blutacker die einzige Konstante in allen drei Erzählungen (?) ist, besteht guter Grund zu der Annahme, daß er in irgendeinem Zusammenhang mit Judas gestanden hat, ja daß er der Ort seines Todes oder seines Grabes gewesen ist. Vielleicht war er ein Schindanger, auf dem sich Judas erhängt hat. Aber wie das Motiv seiner Tat, so bleibt auch sein Lebensausgang letztlich im Dunkel." Meist geht man dabei von der Matthäusversion aus, anders etwa F. Barth, Tod 120-124, der Apg 1, 18 als historisch favorisiert.
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völlige Auseinanderdriften der beiden Versionen kaum noch verstehen. Der Blutacker wird seinen Namen schon im jüdischen Volksmund besessen haben, lange ehe Christen auf den Gedanken kamen, mit dem Abscheu erregenden Ort Geschichten über Judas und seinen abscheulichen "Verrat" zu verknüpfen. Über das weitere Schicksal des Judas, insbesondere über seinen Tod, wissen wir also historisch gesehen nichts. Ich sehe nicht recht, wie man aufgrund der Texte, die uns zur Verfügung stehen, zu einem anderen Urteil kommen will. Nur hat dieses Urteil selbst wieder historische Voraussetzungen und Konsequenzen. Es setzt voraus, daß auch die Gemeinde, die solche Geschichten erzählt, von Judas in Wirklichkeit nichts mehr weiß. Er ist völlig aus ihrem Gesichtsfeld verschwunden. Das erklärt sich am ehesten so: Sein Bruch mit der Jesusbewegung war endgültig. Judas ist nach Ostern nicht mehr zurückgekehrt. Das unterscheidet ihn von den anderen Jüngern, die auf ihre Art gleichfalls versagt hatten, sich aber gefallen ließen, daß der Auferstandene die zerbrochene Gemeinschaft wiederherstellte. Judas war damit für die Gemeinde "gestorben". Sein dauernder Abfall ist gleichbedeutend mit seinem geistigen Tod. Er lebt nur noch als Chiffre, als negative Symbolfigur im kollektiven Gedächtnis fort. So kann sich die erzählerische Phantasie ungehindert von äußeren Fakten frei entfalten. Wo soviel spekuliert wird wie in der Judasfrage, sei auch uns eine Spekulation erlaubt: Wenn Judas Jeiusalem unverzüglich verlassen hatte und in seine Heimat zurückgekehrt war, brauchte er seinerseits mit Christen für den Rest seines Lebens nichts mehr zu tun zu haben. Vielleicht hat er getreu den Überlieferungen seines Volkes weitergelebt bis zu einem undramatischen Lebensende. Wie er die gemeinsame Zeit mit Jesus und die Geschehnisse in Jerusalem innerlich verarbeitet hat, bliebe selbst dann sein Geheimnis und ein Rätsel dazu. Im Ganzen gilt: Wir wissen es nicht.
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D. Außerkanonische Zeugnisse
Eine Durchsicht der Apostolischen Väter und der Apokryphen auf die Judasfrage hin führt zu einem eher mageren Ergebnis. Am interessantesten ist im Grunde die auch zeitlich teils recht früh anzusetzende provokative Judasdeutung der Gnosis. Darüber wurde bereits in § 2 gehandelt. Wir können uns im folgenden mit einem raschen Überblick begnügen. 31S
§ 23 Apostolische Väter
a) Hirt des Hermas Zwei nicht sonderlich klare Anspielungen, über die man geteilter Meinung sein kann, finden sich im Hirten des Hermas, und zwar im dritten Teil mit den Gleichnissen. In Herrn sim VIII 6,4 deutet der angelus interpres die verdorbenen und wurmzerfressenen Stäbe auf "die Abtrünnigen und Verräter (1tpoö6'tat, vgl. Lk 6,16) der Kirche", die keine Buße tun und von denen das Leben weicht. Das gleiche geschieht bei der Deutung des schwarzen Berges in IX 19,1. Von ihm stammen "Abtrünnige, Lästerer des Herrn und Verräter der Knechte Gottes". Für sie gibt es keine Möglichkeit zur Buße mehr, sondern nur noch den Tod. Judas wäre hier der Prototyp für jene "Verräter", die in der bedrängten Kirche des Verfassers auftreten. Sie können nicht mehr umkehren, selbst wenn sie wollten, so wenig wie Judas es nach Mt 27,3-5 vermochte. 316 Aber es gibt zu denken, daß Martin Dibelius in seinem Kommentar zu beiden Stellen den Namen des Judas überhaupt nicht erwähnt. 317 Vgl. teils ausführlicher D. Haugg, Judas 39-44; R. B. Halas, Judas 43-47; W. Vogler, Judas 119-134. 316 So W. Vogler, Judas 120, wohl im Anschluß an D. Haugg, Judas 40f. 317 M. Dibelius, Die Apostolischen Väter IV: Der Hirt des Hermas (HNT Ergänzungsband), Tübingen 1923, 596.628. 3lS
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b) Martyrium des Polykarp Sehr viel deutlicher ist eine Stelle im Brief der Gemeinde von Smyrna über den Märtyrertod ihres Bischofs Polykarp. Entdeckt wurde der Bischof von seinen Verfolgern, weil ein Sklave aus seinem Haushalt auf der Folter ein Geständnis ablegte. "Es war unmöglich, daß er (Polykarp) verborgen blieb, da die, die ihn verrieten, Hausgenossen waren"; aber zugleich mit seinem Verbrennungstod, der ihn zum Gefährten Christi macht, "soll diejenigen, die ihn verrieten, die gleiche Strafe wie Judas ereilen".318 Zwei Dinge sind daran besonders bemerkenswert: Eindeutiger als im Hirten des Hermas wird das Denunziantentum in der Kirche, das sich in Verfolgungszeiten zum Existenzproblem auswuchs, mit der als Verrat entstandenen Judastat zusammengebracht (allerdings bleibt dabei die beklagenswerte Situation des unfreiwilligen Zuträgers, der erst auf der Folter spricht, eigentümlich ausgeblendet). Man kennt ferner Traditionen über den schlimmen Tod, mit dem Judas für sein Tun büßen mußte. 319 c) Papias Von Papias stammt nicht nur die ausführlichste Version des Judastodes (§ 20). Der Bischof von Hierapolis geht auch an einer anderen Stelle in den erhaltenen Fragmenten seines Werks auf Judas ein. Voran steht ein apokryphes Herrenwort, das die überaus wunderbare Fruchtbarkeit im messianischen Reich schildert: "Es werden Tage kommen, da werden Weinstöcke wachsen, ein jeder einzelne mit zehntausend Reben ... und an jeder einzelnen Traube mit zehntausend Beeren, und jede einzelne Beere wird gepreßt fünfundzwanzig Metreten Wein geben ... " Papias kommentiert das kurz und sorgt für einen apophthegmatischen Abschluß: ,,,Das ist glaubhaft für die Glaubenden. Und als der Verräter', so sagt er (Papias), ,nicht glaubte und die Frage stellte: Wie soll derartiges zustandegebracht und vom Herrn bewirkt werden? - da habe der Herr gesagt: Sehen werden es jene, die dahin gelangen werden'."32o MartPo1yk 6,2 (2,35-39 SQS NP 3 Knopf-Krüger). R. H. Gundry, Mt (s. Anm. 110) 552, überschreibt schon Mt 27,3-10: "The Dreadfu1 End of Judas: An Examp1e That Warns Against Treachery in the Church During Persecution." 320 Haec autem credibilia sunt credentibus. Et Iuda, inquit, proditore non credente et interrogante: Quomodo ergo tales geniturae a domino perficientur? dixisse dominum: Videbunt, qui venient in illa. Text nach Iren., Adv Haer V 33,3f, mit Übers. bei 318
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Das fällt, möchte man zunächst meinen, gegenüber dem anderen Fragment in § 20 erheblich ab. Doch hat auch diese Stelle ihren eigenen Reiz. Judas wird nicht nur mit dem stereotypen Epitheton ornans "Verräter" belegt, er steht vor uns auch als notorischer Zweifler und Nörgler, als Ungläubiger. Vor allem bezweifelt er die chiliastischen Zukunfts erwartungen, die dem Bischof Papias so teuer waren. Das mag ein Grund sein, warum Papias auf Judas so besonders schlecht zu sprechen ist. 321
§ 24 Neutestamentliche Apokryphen
Da eine chronologische Abfolge der neutestamentlichen Apokryphen nur schwer zu erstellen und durchzuhalten ist, orientieren wir uns mehr an den Gattungen. Wir behandeln als erstes die Acta-Literatur und wenden uns dann den apokryphen Evangelien, genauer gesagt ihren spärlichen Resten zu. a) Petrusakten In den Petrusakten (ca. Ende des 2. Jh. n. eh.) hält Petrus eine Anklagerede gegen den Teufel und seine Tücke. In einem Durchblick durch die biblische Geschichte zeigt er auf, wo überall der Teufel seine Ränke gesponnen hat. Dabei hält er ihm u. a. vor: "Du hast meinen Mitschüler und Mitapostel Judas gezwungen, gottlos zu handeln, daß er verriet unseren Herrn Jesus Christus, der dich dafür notwendigerweise strafen muß." 322
Inspiriert scheint diese Äußerung von Stellen wie Lk 22,3 und Joh l3,27.
J. Kürzinger, Papias (s. Anm. 289) 94f (auch in den Sammlungen von Funk und Preusehen in Anm. 288). Parallelüberlieferung bei Hipp., Comm in Dan 4,60. Vgl. dazu U. H. J. Körtner, Papias (s. Anm. 289) 50-52.97-104; K. Beyschlag, Herkunft (s. Anm. 263) 269. m Vgl. U. H. J. Körtner, Papias (s. Anm. 289) 144. 322 ActPetr 8. Übers. NTAp0 4 II 199; Text I 55,30 - 56, 1 Lipsius: tu Iudam condiscipu[um et coapostolum meum coegisti inpiae agere, ut traderet dominum nostrum Iesum Christum, qui de te poenas exigat necesse est.
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b) Johannesakten In den Johannesakten erwähnt nur das gnostische Tanzlied, das möglicherweise eine eigene Traditionsgeschichte hinter sich hat, an einer Stelle kurz den "Verräter", unter Verzicht auf den Eigennamen. Es heißt in ActJoh 96: "Dein Gott bin ich, nicht der des Verräters." 323 Man muß das zurückbinden an die Einleitung in ActJoh 94: Jesus stimmt den Hymnus an, "bevor er von den gesetzlosen Juden, denen ihr Gesetz von einer gesetzlosen Schlange gegeben ist, ergriffen wurde". Sie werden jetzt durch Judas vertreten. Angeredet mit Du ("Dein Gott") ist als sein Gegenpol der Gnostiker. Fragen kann man sogar, ob hier nicht der Gott des Alten Testaments, der "jüdische" Schöpfergott, als "Gott des Verräters" abqualifiziert werden soll.324 Dieses gleichfalls zutiefst gnostische Bestreben hätte in dem Fall den Sieg davongetragen über die in anderen gnostischen Kreisen zu beobachtende Aufwertung der Judasgestalt (vgl. § 2). c) Thomasakten In den Thomasakten (ca. 3. Jh. n. Chr.) wird zwar gleich zu Beginn der Apostel Judas Thomas, der Zwillingsbruder und zeitweilige Doppelgänger des Herrn, von Jesus für drei Pfund Silber in die Gefangenschaft verkauft (ActThom 2). Dennoch muß man mit aller Deutlichkeit festhalten, daß sich Judas Thomas auch durch noch so komplizierte Vertauschungen von Rollen keinesfalls mit Judas Iskariot identifizieren läßt. 325 Dagegen sprechen auch die beiden Stellen im Text, wo Judas Iskariot wirklich vorkommt. (1) Das ist einmal ActThom 32. Ein Drache, der einen jungen Mann getötet hat, entpuppt sich in einer Rede als Personifikation des Bösen, als die Schlange, die seit der Verführung Evas und der Anstiftung Kains zum Brudermord - ähnlich wie in den Petrusakten - ihr Unwesen in der Weltgeschichte treibt. In diesem Rahmen bekennt der Drache auch: "Ich bin der, welcher Judas entzündete und erkaufte, Christus dem Tode zu überliefern." 326 Der Apostel befiehlt dem Drachen daraufhin, das Gift aus der Bißwunde wieder auszusaugen. Die Folge ist: 323 Vgl. E. Junod -J. D. Kaestli, Acta Iohannis (CChr. Series Apocryphorum 1), Turnhout 1963, 207,17: -9EO<; d~l croO, ou ,00 npo06,ou. 324 Ebd. 653, im vorzüglichen Kommentar. 325 Gegen K. Beyschlag, Judas 652. 326 Übers. NTAp04 11 322; Text 11/2 149,16-18 Bonnet.
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"Der Drache schwoll an: barst und starb, und sein Gift und seine Galle wurden herausgeschüttet. Und an dem Orte, wo sein Gift ausgeschüttet wurde, entstand eine große Kluft, und der Drache wurde verschlungen." 327
Der Apostel gibt Order, die Kluft aufzufüllen, Häuser darüber zu errichten und so eine "Wohnung für die Fremden" zu schaffen. Ein Anklang an das Ende des Judas scheint nicht ausgeschlossen, zumal terminologische Berührungspunkte vorliegen. 328 Das würde von der Sache her besagen, daß zwischen Judas und den Verkörperungen des Bösen eine Art Wahlverwandtschaft vorliegt. (2) Die zweite Stelle in ActThom 84 ist als eine paränetische Warnung vor den Gefahren der Habgier angelegt: "Enthaltet euch ... auch des Diebstahls, welcher Judas Iskariot anlockte und dann zum Erhängen brachte." 329 Hier hat vor allem J oh 12,6 Pate gestanden. Das vom Neuen Testament her vorgegebene Judasbild wird nirgends überschritten. d) Ebionäerevangelium330 In einem Bruchstück aus dem juden christlichen Ebionäerevangelium (erste Hälfte des 2. Jh. n. ehr.), das Epiphanius aufbewahrt hat, erzählt Jesus selbst im Haus des Simon Petrus in Kafarnaum von der Berufung des Zwölferkreises : "Als ich vorüberging am See von Tiberias, erwählte ich Johannes und Jakobus, Söhne des Zebedäus, und Simon und Andreas und Thaddäus und Simon, den Zeloten, und Judas Iskariot. Auch dich, Matthäus, der du an der Zoll stätte saßest, rief ich, und du folgtest mir. Ich will, daß ihr zwölf Apostel seid zum Zeugnis für Israel." 331
Nur acht Jünger von zwölfen werden aufgezählt. Judas Iskariot erscheint an siebter Stelle, aber wie in der synoptischen Zwölferliste Mt 10,1-4 parr, die im Verein mit den Jüngerberufungen aus Mt Übers. ebd.; Text 150,18-21. Vgl. in der LXX schon Bel et Draco 27. Vgl. K. Beyschlag, Herkunft (s. Anm. 263) 273 f, der aber überzieht. Kritisch U. H. J. Körtner, Papias (s. Anm. 289) 141. Sehr zuversichtlich J. R. Harns, Judas 509: "Here, then, we have the idea of Judas as the poisonous snake clearly enunciated." 329 Übers. NTApo' II 342; Text 11/2 200,1-3. 330 Vgl. zu den apokryphen Evangelien C. Tischendorf, Evangelia Apocrypha, 2. Aufl., Leipzig 1876, Repr. Hildesheim 1966; M. R. James, The Apocryphal New Testament, Oxford 1924, Repr. 1955; A. de Santos Otero, Los Evangelios Apocrifos (BAC 148), 5. Aufl., Madrid 1985 (hat den unschätzbaren Vorteil, daß auch die Texte geboten werden). Diese drei Ausgaben werden im folgenden zitiert als: Tischendorf, James, Santos Otero. Zu Einleitungsfragen vgl. zusätzlich P. Vielhauer, Geschichte der urchristlichen Literatur. Einleitung in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Väter (GLB), 2. Aufl., Berlin 1978, 641-648.653-656. 33\ Santos Otero 50; NTApo' I 102. 327
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4,18-22 und 9,9 das Vorbild für diesen Text abgibt, mit Simon Zelotes zusammen. Die Besonderheiten erklären sich hinreichend aus dem Interesse, das in der judenchristlichen Evangelienschrift dem Matthäus als Traditionsträger gilt. e) Petrusevangelium Das erhaltene Bruchstück des Petrusevangeliums (ca. Mitte des 2. Jh. n. ehr.) beginnt mitten in der Leidensgeschichte und bricht nach der Auferstehung ab. Nach Ausweis seines Restbestands verarbeitet das Petrusevangelium Stoffe aus den vier kanonis.chen Evangelien, die ihm nicht nur literarisch, sondern auch mündlich aus kirchlich-katechetischem Gebrauch überkommen sind, und stützt sich namentlich auf das Matthäussondergut. 332 Die synoptischen Erwähnungen des Judas liegen im Evangelienaufriß sämtlich früher als unser Fragment, das erst mit der Händewaschung einsetzt, mit Ausnahme der Judas-Tod-Tradition Mt 27,3-10, von der aber im Petrusevangelium jede Spur fehlt. Dieses Schweigen wäre für sich genommen noch nicht so belangreich, fände sich nicht gegen Ende hin folgende Notiz: "Wir, die zwölf Jünger des Herrn, weinten und trauerten, und ein jeder ging, trauernd über das Geschehene, zu seinem Haus zurück." 333 Zwölf Jünger - also auch Judas? Gelangen wir hier in ein frühes Stadium der Evangelientradition zurück, wo man von einem angeblichen Judas "verrat" noch gar nichts wußte? Dieser extremen Vermutung, die mit der sonstigen Abhängigkeit des Petrusevangeliums von den kanonischen Evangelientraditionen nicht recht harmonieren will, hat Werner Vogler zu Recht widersprochen, wertet selbst aber die Stelle als Beleg für seine These, Judas habe auch nach Ostern noch zum Zwölferkreis gehört. 334 Auch das bleibt äußerst fraglich. Zum einen hat sich uns diese Sicht der Judasgestalt aus den neutestamentlichen Texten nicht bestätigt. Zum andern ist es angesichts der Datierung und der traditionsgeschichtlichen Voraussetzungen dieser Schrift sehr unwahrscheinVgl. L. Vaganay, L'Evangile de Pierre (EtB), Paris 1930, 43-82. Anders J. Denker, Die theologiegeschichtliche Stellung des Petrusevangeliums. Ein Beitrag zur Frühgeschichte des Doketismus (EHS.T 36), Bern-Frankfurt 1975, 56 f.77 u. Ö., der Unabhängigkeit des Petrusevangeliums von den kanonischen Evangelien annimmt. 333 Ev Petr 14/59: ·HJ.1EI~ OE ol ooooEKa J.1a~hrtai 'tOU Kupiou €KAaioJ.1EV Kai €A.U1tOUJ.1E1}a Kai ~Kacr'to~ A.U1tOUJ.1EVO~ 'to crUJ.1ßav U1tTJMUYTJ Ei~ 'tOV oIKOV au'tou (Santos Otero 393; NTApo4 I 124). 334 Vgl. W Vogler, Judas 128. 332
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lieh, daß gerade sie gegen die kanonischen Evangelien historisch zuverlässige Überlieferungen bewahrt haben soll. Wie erklärt sich dann aber die Zwölfzahl an der besagten Stelle, die auf die Rückkehr der Jünger ins heimatliche Galiläa nach der Auferstehung (Mt 28, 16) zurückgreift und eine Ostervision nach Art von Joh 21 vorbereitet? Entweder liegt Gedankenlosigkeit vorm bzw. ein Operieren mit der runden Zahl Zwölf wie in 1 Kor 15,5 (s. § 8 a)336. Oder wir müssen damit rechnen, das bewußt eine Entlastung des Judas angestrebt ist. Über seinen Selbstmord, den der Kompilator aus dem Matthäusevangelium kennen sollte, breitet er den Mantel des Schweigens. In 7/26 f versucht er offenbar, auch das Versagen der anderen Jünger in der Passion zu kaschieren (die Jünger fliehen nicht aus der Stadt, sondern verbergen sich, weil sie gesucht werden "als Übeltäter und solche, die den Tempel anzünden wollten"; fastend, trauernd und weinend verbringen sie in ihrem Jerusalemer Versteck die Zeit bis zum Sabbat). Mehr Sicherheit in dieser Frage wäre aber nur zu gewinnen, wenn wir den ganzen Text zur Verfügung hätten und nicht nur das eine Bruchstück. f) Nikodemusevangelium (Pilatusakten)
Mit dem Nikodemusevangelium, in das die etwas älteren Pilatusakten (4./5. Jh. n. ehr.) integriert sind, wenden wir uns einigen apokryphen Texten zu, deren Ausführlichkeit schon als Zeichen für ihre späte Entstehung gewertet werden kann. Wir führen sie an, weil wir uns mit ihnen der Rückkoppelung des biblischen Befundes an die Wirkungsgeschichte, von der wir ausgegangen sind, nähern. Die Pilatusakten bieten zum Selbstmord des Judas durch Erhängen aus Mt 27,5 folgende legendarische Erweiterung 337 : "Und er ging weg in sein Haus, um sich einen Strick aus Binsen zu machen und sich daran aufzuhängen, und er fand seine Frau, die da saß und in einer Pfanne einen Hahn am Herdfeuer röstete vor dem Verzehr. Er sprach zu ihr: ,Auf, Frau, besorge mir Binsen (für einen Strick); ich will mich aufhängen, wie ich es verdiene.' Seine Frau aber sprach zu ihm: ,Warum sagst du solche Worte?' Und Judas sagte ihr: ,Wisse in Wahrheit, daß ich ungerechterweise mei-
33S VgL M. G. Mara, Evangile de Pierre (SC 201), Paris 1973, 209:" ... peut s'expliquer par une meprise de l'auteur (ou du copiste) qui pour lors ne pensait pas a Judas." 336 Letzteres ist die Lösung von L. Vaganay, EvPetr (s. Anm. 332) 339; auch M. G. Mara, ebd. (s. die vorige Anm.). 337 VgL Tischendorf 290; James 116.
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nen Lehrer Jesus den Übeltätern ausgeliefert habe, damit Pilatus ihn tötet. Er wird aber am dritten Tage auferstehen, und dann wehe uns.' Und seine Frau sprach zu ihm: ,Rede und denke nicht so. So gut dieser Hahn, der auf dem Feuer vor sich hinröstet, krähen kann, so gut wird Jesus auferstehen, wie du sagst.' Und sogleich mit ihren Worten schüttelte jener Hahn seine Flügel und krähte dreimal. Da war Judas mehr denn je überzeugt, machte sich sofort den Strick aus Binsen und erhängte sich, und hauchte so seine Seele aus."
g) Arabisches Kindheitsevangelium Das späte, aber zeitweilig weit verbreitete arabische Kindheitsevangelium bringt einen Zyklus von Erzählungen aus der Kinderzeit Jesu, die z. T. der Kindheitserzählung des Thomas entnommen sind. Zum reichhaltigen Sondergut gehört die Episode Nr. 35, die uns einen aufschlußreichen Blick in die - erdichtete - Kindheit des Judas tun läßt: "Es lebte dort eine andere Frau, deren Sohn wurde vom Satan gequält. Sein Name war Judas. Sooft der Satan ihn anfiel, biß er alle, die sich ihm näherten. Und wenn er niemanden in seiner Reichweite fand, biß er sich in seine eigenen Hände und andere Glieder."
Die Mutter hört von Maria und Jesus. Sie bringt ihren Sohn zu ihnen. Der Jesusknabe spielt gerade mit anderen Kindern: "Judas, der besessene, näherte sich und begab sich auf die rechte Seite Jesu. Dann wurde er, wie es zu geschehen pflegte, vom Satan attackiert und wollte den Herrn Jesus beißen, vermochte es aber nicht. Trotzdem fügte er der rechten Seite Jesu Schmerz zu, und Jesus fing an zu weinen. Plötzlich fuhr der Satan aus jenem Knaben aus, in Gestalt eines tollen Hundes. Und dieser Knabe ... war Judas Iskariot, der ihn (Jesus) an die Juden ausliefern sollte. Die Stelle, die Judas verletzte, war dieselbe, die später die Juden (!) mit einer Lanze durchbohrten." 338 Lateinische Version bei Tischendorf 199f: Alia ibidem mulierdegebat, cuiusfilius a satana vexabatur. Hic, Iudas nomine, quotiescumque satanas ille eum corripiebat, omnes qui ad eum appropinquabant mordebat, atque si neminem iuxta se inveniebat suas ipse manus et caetera membra mordebat. Audiens ergo mater huius miseri famam herae Mariae etfilii eius Iesu surrexit acfilium suum Iudam secum ad dominam Mariam deduxit. Interim Iacobus et loses dominum Iesum infantem abduxerant, ut cum caeteris infantibus luderent: ac domo egressi consederant, et cum eis dominus Iesus. Accessit Iudas daemoniacus et ad dextram Iesu consedit: tum a satana, ut fieri solebat, infestatus dominum Iesum mordere voluit, sed non potuit, tamen latus Iesu dextrum percussit, unde hic fiere coepit. Extemplo exivit ex puero illo satanas fugiens, cani rabido similis. Hic autem puer, qui Iesum percussit et ex quo satanas forma canis exivit, erat Iudas Ischariotes, qui illum Iudaeis prodidit; et idem eius latus, in quo percusserat eum Iudas, Iudaei lancea confixerunt. Vgl. Santos Otero 329.
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Der Antagonismus zwischen Judas und Jesus erscheint zurücktransponiert bis in die Kinderzeit. Was Matthäus und Lukas nur für Jesus tun, seine Wirksamkeit durch Kindheitsgeschichten nach vorne hin zu verlängern, wird jetzt für Judas nachgeholt. Schon der Knabe, nicht erst der Erwachsene (Lk 22,3; Joh 13,27) ist vom Satan besessen. Schon er fügt Jesus Schaden zu. Er muß beißen, weil der Dämon, der ihn besessen hält, "hündische" Eigenschaften hat, was sich beim Ausfahren zeigt. Der Jesusknabe vertreibt durch seine Anwesenheit den Satan, aber nicht endgültig. Er ist unverletzlich, aber nicht völlig. Die schmerzende Stelle trifft in der Passion die von Juden geführte Lanze. Der Satan, Judas und die Juden bilden in diesem bemerkenswerten Erzählstück ein Trio, das erfolgreich gegen Jesus kooperiert. h) Bartholomäusevangelium In koptischen Texten vom 5. Jh. n. ehr. an, die sich wenigstens teilweise einem apokryphen Bartholomäusevangelium zuordnen lassen 339, ist ein auffälliges Interesse an der Judasgestalt zu konstatieren. Einiges sei herausgehoben: (1) Judas steht schon bei den Brotwundern des Evangeliums abseits. Er ist nicht würdig, sich dem Fleische Jesu zu nahen, und wird deshalb vom Verteilen des Brotes an die Menge ausgeschlossen. 340 (2) Es ist die Frau des Judas gewesen, die ihren Mann zum Verrat und zur Annahme des Blutgeldes bewogen hat. Deshalb lehnt das sieben Monate alte Kind des Josef von Arimatäa sie als Amme ab. 341 (3) Seiner Frau hat Judas nicht nur den "Verräter"lohn gebracht, sondern zuvor schon das Armengeld, das er aus der gemeinsamen Kasse abzweigte (es zeigt sich in diesen beiden Bruchstücken eine gehörige Portion Frauen- und möglicherweise auch Ehefeindlichkeit). 342 (4) Der Satan überredet Judas dazu, sich zu erhängen, indem er
Vgl. Santos Otero 536-572; James 166-186. James 148; F. Haase, Apostel und Evangelisten in den orientalischen Überlieferungen (NTA IXll-3), Münster 1922, 277. 341 NTApo 4 I 373f; James 149. 342 Bei F. Haase, Apostel (s. Anm. 340) 278; auch in einem Codex der Pilatusakten bei Tischendorf 290. 339
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ihm die vergebliche Hoffnung einflößt, Jesus werde sich seiner erbarmen und ihn bei der Höllenfahrt mit den anderen Seelen wieder heraufbringen. 343 (5) Tatsächlich bleiben in der Hölle nur drei Verdammte zurück, Judas, Kain und Herodes. Alle anderen hat Christus befreit. 344 (6) Andreas hat die Hölle besucht und mit Judas gesprochen. Dieser wurde deshalb nicht mit herausgeführt, weil er vor seinem Selbstmord den Teufel angebetet hat. 345
§ 25 Die Judaslegende
Die meisten Zeugnisse, die wir in § 23 und § 24 besprochen haben, hängen vom N euen Testament ab und führen nicht wesentlich über die dortigen Judastraditionen hinaus. Wo die Texte in ihrer Kürze Wertungen erkennen lassen, teilen sie die negative Sicht der Evangelienredaktoren, evtl. mit Ausnahme des Petrusevangeliums. Neue inhaltliche Aussagen, die sich nicht oder nur auf großen Umwegen aus den neutestamentlichen Berichten herleiten lassen, bieten erst die späten Apokryphen (§ 24 f-h). Sie füllen nicht nur den vorgegebenen Rahmen mit neuem Material auf (Judastod in den Pilatusakten), sondern erweitern sie in zwei Richtungen: Sie beziehen die Kindheit des Judas (arabisches Kindheitsevangelium) und sein Schicksal nach dem Tode, sein an die Hölle Gefesseltsein (Bartholomäusevangelium) mit ein. Daß es sich durchweg um legendarische Fortschreibungen handelt, liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Diskussion. Die Entwicklung verläuft auf die Ausbildung einer vollständigen Judaslegende hin, die sein ganzes Leben umfaßt, den Schwerpunkt aber unter Einarbeitung von Märchen- und Mythenstoffen auf die vom Neuen Testament nicht abgedeckte Vorgeschichte legt. Paull Franklin Baum hat die mittelalterlichen Judaslegenden in allen ihren Verzweigungen intensiv erforscht und aus zahlreichen Versionen einen Normaltyp rekonstruiert, der in seinen wesentlichen Zügen in die Legenda aurea einging und auf diesem Weg für Abraham a Sancta Claras vierbändiges Judaswerk (§ 1) den Leitfaden abgab. Damit schließt sich der Kreis. Als letzter Text sei deshalb im Bei D. Haugg, Judas 42. NTApo' I 374. VgL F. Haase, Zur Rekonstruktion des Bartholomäusevangeliums, in: ZNW 16 (1915) 93-112, hier 100. 3" James 472; D. Haugg, Judas 42. 3.3
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Anschluß an Baum der Regeltyp der Judaslegende, für die sich vom 11. Jh. an weiteste Verbreitung nachweisen läßt, dargeboten 346: Judas war der Sohn jüdischer Eltern, die in Jerusalem lebten. Der Name seines Vaters war Reuben, der Name seiner Mutter Cyborea. Eines Nachts träumte Cyborea, daß sie empfangen sollte, und daß ihr Kind dazu bestimmt war, das ganze jüdische Volk zu zerstören. In großer Angst erzählte sie Reuben ihren Traum. Der riet ihr, solchen Dingen keine Beachtung zu schenken, sie kämen vom bösen Geist. Nach entsprechender Zeit aber wurde ein Sohn geboren. Die Erinnerung an den Traum kehrte wieder, und aus Furcht, er möchte wahr werden, wurde das Kind Judas in einer kleinen Kiste auf See ausgesetzt. Wind und Wogen brachten ihn zu der Insel Skariot, von der er seinen Namen hat. Die Königin der Insel, die keine Kinder hatte und nach einem jungen Prinzen ausschaute, der auf dem Throne nachfolgen sollte, entdeckte das Kind, das sehr hübsch war. Sie ließ im Land die Nachricht verbreiten, daß sie schwanger war, und ließ Judas heimlich von Ammen versorgen, bis sie ihn als ihr eigenes Kind ausgeben konnte. So wurde Judas in königlicher Manier aufgezogen, als Erbe des Königreiches. Aber nach einiger Zeit bekam die Königin selbst einen Sohn vom König. Die bei den Kinder wuchsen zusammen auf, doch dauerte es nicht lange, da kam die Bosheit, die in der Natur des Judas lag, an die Oberfläche. Oft schlug er und mißhandelte auf andere Weise seinen vermeintlichen Bruder. Trotz der Verweise der Königin fuhr er fort, den wahren Prinzen zu malträtieren, bis ihm schließlich in einem Anfall von Ärger die Königin seine irreguläre Herkunft bekannt machte. Im Zorn darüber, das erfahren zu müssen, ergriff Judas die erstbeste Gelegenheit, seinen Bruder zu töten. Dann schaffte er sich aus Furcht vor den Folgen auf ein Schiff und floh nach Jerusalem. Dort sicherten ihm seine höfischen Manieren und seine bösen Neigungen einen Platz im Gefolge des Pilatus. Eines Tages schaute Pilatus in den Garten seines Nachbarn und wurde von einem unwiderstehlichen Verlangen nach einer Frucht, die er dort sah, gepackt. Judas versprach, sie ihm zu besorgen. Der Garten aber und die Frucht waren, ohne daß er es wußte, Besitztum seines eigenen Vaters Reuben. Ehe es ihm gelang, die Frucht zu pflücken, erschien Reuben. Es folgt Streit, der sich zu einem Kampf entwikkelte, und schließlich wurde Reuben erschlagen. Da es keine Zeugen für den Mörder gab, hieß es, Reuben sei plötzlich gestorben, und Judas nahm mit der Zustimmung des Pilatus die verwitwete Cyborea zur Ehe, mit ihrem Haus und ihrem Eigentum. Die Neuvermählte war äußerst unglücklich und seufzte oft. Als ihr Gatte 346 Nach P. F. Baum, Legend 482 f, aus dem Englischen übersetzt. Eine Zusammenfassung gibt auch W. Creizenach, Judas 196f. Zur Verbreitung in den verschiedenen Sprachen vgl. P. Lehmann, Judas; G. Schepss, Judas; A. Büchner, Judas 11-16; V. [stnn, Version; G. A. Megas, Judas; J. E. Gillet, Traces; R. Foulche-Delbosc, Legende; A. D'Ancona, Leggenda; D. Bergamaschi, Guida 297-301; C. G. N. de Vooys, Legenden 155-165. S.o. Anm. 4-9.
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sie eines Tages nach dem Grund ihrer Trauer fragte, erzählte sie genug von ihrer Geschichte, um Judas in die Lage zu setzen, sein doppeltes Verbrechen des Vatermordes und des Inzestes zu erkennen. Beide wurden von großer Reue erfüllt, und auf den Vorschlag Cyboreas hin beschloß Judas, zu Jesus zu gehen, um Verzeihung und Vergebung zu suchen. Er wurde sehr bald ein bevorzugter Jünger, und wurde zum Kassenwart der Zwölf gewählt. Aber wiederum setzte seine böse Natur sich durch, und er verriet den Meister an die Juden für dreißig Silberstücke. Danach empfand er wieder Reue, gab das Geld zurück und erhängte sich.
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E. Konfrontationen
Ereignis - Deutung - Legende, in diesen Dimensionen hat sich uns auf den voranstehenden Seiten das Judasproblem dargestellt. Es ist an der Zeit, einige Linien zu bündeln und nach Bewertungsmaßstäben zu fragen. Dabei gehen wir konzentrisch vor, von der Mitte zur Peripherie hin. Am Anfang steht die Besinnung auf das, was sich als Kerngehalt historisch-kritisch sichern läßt (§ 26). Dazu ist in einem weiteren Schritt in Relation zu setzen, was sich innerhalb des Neuen testaments in einem mehrschichtigen Überlieferungsprozeß daraus entwickelt hat (§ 27). Schließlich muß der neutestamentliche Befund in seiner Differenziertheit mit den mannigfachen Deuteversuchen konfrontiert werden, die sich im Verlauf einer zweitausendjährigen Auslegungs- und Wirkungsgeschichte nach und nach etabliert haben und die keineswegs nur der Erhellung des Textes dienen, sondern ihn oft genug auch zu überlagern und zu verstellen drohen (§ 28).
§ 26 Die ernüchternden Fakten
Was wir historisch gesehen über Judas wissen, ist sehr, sehr wenig, aber doch etwas mehr als nichts. Zur völligen Resignation besteht kein Grund. Fassen wir thetisch zusammen, was sich uns aus den Textbetrachtungen an Konturen ergab: (1) Judas stammte aus Judäa. Wenn man seinem Namen "Judas" überhaupt eine Information entnehmen will, dann höchstens die, daß er aus einer traditions bewußten Familie kam, die ihrem Sohn den beliebten und verbreiteten Patriarchennamen gab. Der Beiname "Iskariot" verweist auf die geographische Herkunft und dient als Unterscheidungsmerkmal. Jesus hat Judas in seine Nachfolge berufen und ihn als einen der Repräsentanten des endzeitlichen ZwölfStämme-Volkes Israel in die Zahl der Zwölf aufgenommen. Während der letzten Tage in Jerusalem und im Zusammenhang 137
mit der Verhaftung Jesu spielte Judas eine undurchsichtige Rolle. Offenbar hat er sich von Jesus abgewandt und auf irgendeine, sei es auch noch so unscheinbare Weise dazu beigetragen, daß die nächtliche Verhaftung Jesu am vertrauten Aufenthaltsort, ohne viel Aufsehen zu erregen, gelang. Was ihn zu dieser Verhaltensweise motivierte, liegt für uns im Dunkeln. Wahrscheinlich waren enttäuschte messianische Erwartungen ein Grund, das scheint jedenfalls die am wenigsten vorbelastete Vermutung zu sein, die sich auch in den Kontext der Zeit am besten einfügt. Geldgier oder Habsucht fallen als Motive historisch gesehen jedenfalls aus. Seinen Bruch mit der Jesusbewegung betrachtete Judas als endgültig, ohne daß damit, das muß betont werden, auch eine Abwendung vom Gott Israels oder vom Glauben seines Volkes verbunden wäre. Judas ging seiner Wege und kehrte im Unterschied zu den anderen Angehörigen des Zwölferkreises nach Ostern nicht mehr zurück. Die christliche Gemeinde verlor ihn in kürzester Zeit völlig aus dem Auge. Nur das Faktum seines Weggangs und ein vages Wissen um die näheren Umstände blieben in der Erinnerung haften. Wann und wie er wirklich gestorben ist, wußte niemand mehr. Nur deshalb konnten sich um seine Gestalt und seinen Tod so viele erfundene Geschichten ranken. (2) Dieses Ergebnis wirkt sicher ungemein ernüchternd 347, gleichgültig, von welcher Seite man an es herangeht. Aber es ist eine Aufgabe der historisch-kritischen Exegese, in solche Ernüchterung zu führen. Das hat nichts mit purer Faktengläubigkeit oder historischem Positivismus zu tun, das sind wir schlicht der intellektuellen Redlichkeit und dem Respekt vor der Geschichte schuldig. Nur in der Geschichte, nicht neben ihr oder über ihr vollzieht sich das Heilsgeschehen. Die Nüchternheit, die hier gefordert ist, hilft theologische Fehlentwicklungen abbauen, sie verhindert aber auch das Aufkommen von falscher Romantik. Es mag überraschen, daß im Vorstehenden gar nicht der Versuch gemacht wurde, Judas von jeglicher Verfehlung freizusprechen. Mir scheint ein solches Bemühen, so ehrenwert seine Beweggründe sind, falscher Romantik zu entspringen, die einer besonnenen Sichtung der Texte nicht standhält. Daß angesichts der späteren schweren Verzerrungen eine Rehabilitierung des Judas gefordert werden muß, steht außer Frage. Sie kann aber nicht wirk347 Man kontrastiere damit, was noch D. Haugg, Judas 190 f, als historisches Resümee festhält.
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lich gelingen, wenn in ihrem Interesse mit falschen oder unhaltbaren Voraussetzungen operiert wird. Man sollte Judas wie jedem Menschen das Recht zugestehen, sich gegen Jesus zu entscheiden. Wenn wir einen solchen, für den gläubigen Betrachter sicher schmerzlichen Schritt nicht gleich in das mythologische Raster des Kampfes zwischen Gott und Satan einspannen, verliert er seinen numinosen Schrecken. Wir können ihn eher nachvollziehen, uns offener damit auseinandersetzen und eine fundiertere Aufarbeitung der Gesamtproblematik anstreben. Was immer im konkreten Fall geschehen sein mag, gehandelt hat nicht ein dämonischer Unhold, sondern ein Mensch, zu dessen Wesen es gehört, zu suchen und zu irren - zu irren selbst da, wo er nach bestem Wissen und Gewissen zu urteilen glaubt. Das Verhalten von Menschen erscheint uns oft unbegreiflich, weil wir nicht in das Herz des anderen schauen können (oder, modern gesprochen, in sein Unbewußtes). Ins Herz sieht nur Gott. Sicher liegt über der Tat des Judas ein Schleier des Geheimnisses, den wir nicht lüften können und wollen. Aber es ist das Persongeheimnis eines Menschen, der vor seinem Gott steht. (3) Wenn das skizzenhafte historische Bild, das wir erarbeitet haben, einer Auffüllung bedarf, dann gerade nicht an den Stellen, an denen die Tradition einsetzt, sondern an dem Punkt, den sie normalerweise ausspart. Es müßte viel stärker ins Bewußtsein treten, daß Judas ein Jünger des Herrn war, nicht weniger berufen und nicht weniger begeistert als die anderen Jünger und die übrigen Zwölf. Eine erzählerische Auffüllung verlangte jene gemeinsame Zeit mit Jesus, über die wir aus den Texten generell nur sehr unzureichend informiert sind, auch was andere Gestalten als Judas angeht. Mit gewohntem Scharfsinn hat Origenes diese Lücke erspäht. Nach ihm hat Judas ernsthaft und aus tiefstem Herzen an Jesus geglaubt. Jesus setzte seinerseits große Hoffnungen in ihn. Das Vertrauen, das Jesus und die restlichen Jünger Judas entgegenbrachten, hat er stets gerechtfertigt. Mit ihnen ist er ehrlich entrüstet über das Ansinnen der Mutter der Zebedäussöhne (Mk 10,41 spricht davon, daß die Zehn unwillig wurden - eine Zahlenangabe, die Judas einund die beiden Zebedäussöhne ausschließt). Noch in der letzten Stunde hält keiner der übrigen Zwölf Judas für fähig, einen Verrat zu begehen (Mk 14, 18), was dem Charakter, den er zuvor an den Tag gelegt haben muß, ein gutes Zeugnis ausstellt. 348 34. Aus den Schriftkommentaren zusammengestellt von S. Laeuchli, Interpretation 255f.
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Auch wenn manche Exegesen gezwungen wirken, es bleibt bewundernswert, wie Origenes gegen den herrschenden Trend einen Freiraum offenhält für eine positivere Sicht des Judas, die zugleich der historischen Wahrheit ein wesentliches Stück näher kommt. Theologie und Kirche hätten gut daran getan, öfter und entschiedener auf Origenes zu hören, nicht nur in diesem Punkt.
§ 27 Die problematischen Deutungen
(1) Die Überlieferung hat schon innerhalb des Neuen Testaments andere Wege beschritten. Die ältesten Erkiärungsversuche können wir an dem Begriff nupu8t86Vat, verstanden als ausliefern, überliefern, und an dem prophetischen Warn- und Weheruf in Mk 14,21 festmachen. Beides fügt sich zu einer Gesamtdeutung zusammen, die streng theologisch ausgerichtet bleibt und nicht zuletzt aus diesem Grund am ehesten noch akzeptable Züge aufweist. Die Gerichtsdrohung in Mk 14,21 beruht auf der Übernahme apokalyptischer Sprachmuster und steht der Sache nach unter einem eschatologischen Vorbehalt. Diesen Vorgriff auf das Endgericht muß Gott erst noch einlösen, und es steht bei ihm, ob er es und wie er es tut. Der Terminus "Ausliefern" thematisiert ein theologisches Paradox, das in der Gestalt des Judas auf die Spitze getrieben wird. Zur Debatte steht das nicht auflösbar dialektische Ineinander von göttlichem Willen und menschlichem Tun. Was Gott bewirken will, das Ausliefern seines Sohnes, der durch seinen Tod am Kreuz die Welt erlöst, setzt ein Mensch in freier Entscheidung in die Tat um. Wir stehen vor kaum zu bewältigenden denkerischen Problemen. Aber gerade so ist das Geheimnis, das Judas schützend umgibt, theologisch ausformuliert und vor der Schwarz-Weiß-Malerei kirchlicher Orthodoxie ebenso bewahrt wie vor dem Zugriff eines platten Rationalismus. Nichts ist in diesem Fall verhängnisvoller als die vermeintlich einfachen Lösungen. (2) Aber dieser anspruchsvolle Ansatz wurde nicht durchgehalten. Er war zu schwierig, zu abstrakt, nicht handfest genug. Man hat ihn verwässert mit Hilfe von Psychologie und Mythologie. Das Charakterbild des Judas verdüstert sich bei den Synoptikern durch psychologisierende Einträge mehr und mehr. Aus dem Ausliefern wird der schmähliche, von langer Hand geplante "Verrat". Als treibendes Motiv diagnostiziert man Geldgier. Für einen Spottpreis 140
verschachert Judas den Herrn an die jüdischen Autoritäten. Der Judaskuß, wie fast alle erzählerischen Ausschmückungen der Judastradition dem Alten Testament entlehnt, muß herhalten, um die Perfidie des "Verräters" noch zu steigern. Matthäus läßt ihn zuvor schon mit offenem Hohn agieren. Bei Lukas meldet sich ein mythologisches Erklärungsschema zu Wort: Der Satan flüstert Judas ein, was er zu tun hat. Zugleich rücken Judas und die jüdischen Autoritäten (bei Lukas) bzw. Judas und das jüdische Volk (bei Matthäus) immer enger zusammen. Sein Handeln fällt auf sie alle zurück. Den konsequenten Endpunkt dieser verschiedenen Linien bildet das Johannesevangelium. Schon zu einem frühen Zeitpunkt zeichnet sich bei Johannes der heimliche Unglaube des Judas ab. Daß er bei Jesus bleibt, ist pure Heuchelei und entspringt der Gewinnsucht. Die Möglichkeiten, sich durch Unterschlagung aus der gemeinsamen Kasse zu bereichern, hat er noch nicht voll ausgeschöpft. Alle Zeichen der Liebe Jesu beeindrucken ihn nicht mehr. Er gehört auf die Gegenseite, zu den Juden, zum Kosmos, zur personifizierten Macht des Bösen, und zwar wesensmäßig. Er ist ein Teufel, und der Satan hat von ihm Besitz ergriffen. Das verbindet ihn mit seinem Volk, das bekanntlich (Joh 8,44) den Teufel zum Vater hat. Das narrative "Glanzstück" der neutestamentlichen Judasüberlieferung findet sich im Sondergut bei Matthäus und Lukas. Judas wird von der gerechten Strafe Gottes ereilt, er stirbt einen ehrlosen, ja wie die zweite Version hinzuzufügen weiß - gräßlichen Tod. Die Bausteine dieser Konstruktion können wir noch recht gut identifizieren. Neben das Alte Testament als schier unerschöpfliche Fundgrube treten ergänzend Erzählungen vom schrecklichen Ende der Gottlosen aus jüdisch-hellenistischer Überlieferung. Der einzige Anhaltspunkt in der Realität, das Vorhandensein eines Schindangers in der Nähe Jerusalems, hat aller Wahrscheinlichkeit nach im Ansatz mit Judas überhaupt nichts zu tun. (3) Das Gesagte stimmt bedenklich im Sinn des Wortes: Man kommt nicht daran vorbei, ernsthaft darüber nachzudenken. Wir können die neutestamentlichen Berichte über Judas Iskariot nicht mehr unbesehen und ungeprüft übernehmen, ohne dem historischen Judas, mag er getan haben, was er wolle, schweres Unrecht zuzufügen. Ein erster Schritt zu seiner Rehabilitierung besteht im Bewußtmachen dessen, was im neutestamentlichen Überlieferungsprozeß mit ihm geschehen ist. Dabei bedeutet Rehabilitierung nicht notwendigerweise Freispruch von jeglicher Schuld, wie oben schon ausge141
führt. Es genügt schon, sein Tun auf ein verstehbares und historisch plausibles Maß zurückzuführen. Es bleibt dann immer noch Raum genug für eine streng theologische Interpretation, die Judas in dem Spannungsfeld von göttlicher Erwählung und freier menschlicher Willensentscheidung beheimatet sieht. Was sollen wir mit all den anderen farbigen und bunten, aber tendenziösen Erzählungen tun? Ein beliebter Ausweg besteht darin, ihren kerygmatischen und paränetischen Gehalt herauszustellen. Sie wollen eine Glaubensaussage nahebringen (z. B. das göttliche Vorherwissen Jesu illustrieren) und den Leser möglichst drastisch vor der Gefahr des Glaubensabfalls warnen. Aber dieses Erklärungsmodell hat, wiewohl sicher nicht ohne jeden Wert, doch seine Grenzen. Der Preis, der gezahlt wird, ist strekkenweise zu hoch. Buhmänner aufzubauen und den Teufel an die Wand zu malen, und das noch auf Kosten eines Menschen, der zur Chiffre erniedrigt wird, so etwas sollte christliche Paränese eigentlich nicht nötig haben, oder sie muß sich fragen lassen, ob sie das Attribut "christlich" noch verdient. In dieser Hinsicht wird im übrigen bis heute gesündigt. Der Fall Judas stellt uns vor die Gewissensfrage, wie wir eigentlich in unseren Moralpredigten vorgehen, mit welchen Paradigmen wir sie illustrieren. Wo wir mit den Schlagworten "kerygmatisch" und "paränetisch" nicht mehr weiterkommen, hilft nur ein im besten Sinn "kritischer" Umgang mit den Texten. Kritik bedeutet nicht Destruktion, sondern Einsatz von Unterscheidungsgabe und Fingerspitzengefühl. Um die Fähigkeit zum Unterscheiden geht es. Zentrales muß vom Peripheren geschieden werden, Historisches vom Legendarischen, Früheres vom Späteren, Akzeptables vom Problematischen. Exegese und Verkündigung haben die Aufgabe, Hörer und Leser des Evangeliums in eine solche differenzierende Betrachtung der Judastexte einzuüben. Dabei ist manchmal die Frage mehr als die Antwort. Viel wäre schon gewonnen, wenn es gelänge, auf breiter Front ein entsprechendes Problembewußtsein zu schaffen.
§ 28 Das Chaos der Interpretationen
Chaos mag als ein starkes Wort erscheinen, aber wie anders soll man das Panorama widerstrebender Meinungen bezeichnen, das sich in Teil B vor unseren Augen entrollte und dem die folgenden Textanalysen weitere widersprüchliche Stellungnahmen hinzuzufügen wuß142
ten? Eine wichtige Einsicht ergibt sich jedoch aus der Konfrontierung der verschiedenen Deutemodelle mit dem Textbefund. Es zeigt sich: Sie haben fast alle irgendwo im neutestamentlichen Überlieferungsprozeß einen Anhaltspunkt, aber sie nehmen so gut wie nie den gesamten Prozeß in seiner Differenziertheit wahr. Entweder projizieren sie alle Daten auf eine einzige Fläche und verlieren darüber die Tiefenschärfe, oder sie isolieren einzelne Beobachtungen und geben sie für das Ganze aus. Man muß ihnen aber zugestehen, daß der innere Grund für ihre Disparatheit in der nicht widerspruchsfreien Entwicklung des Judasbildes innerhalb des Neuen Testaments zu suchen ist. (1) Die herkömmliche Sicht, die Judas als Ausgeburt des Bösen betrachtet, läßt sich von der Endstufe der neutestamentlichen Traditionen den Rahmen vorgeben. Die von den Tradenten und Redaktoren den Stoffen mitgegebene Psychologisierung und Mythologisierung macht sie sich voll und ganz zu eigen und baut sie weiter aus, erzählerisch durch die Erfindung von neuen Legenden über Judas, paränetisch in furchteinflößenden Predigten und Katechesen über seine Gestalt. Als Mensch war Judas immer schon ein Schuft mit einem bodenlos schlechten Charakter. An ihm kann man ablesen, was passiert, wenn man dem Teufel den kleinen Finger reicht. Mit wollüstigem Schaudern läßt man seine verschiedenen Todesarten Revue passieren und stellt ihnen ebenbürtige Schilderungen seiner Höllenstrafen an die Seite. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß es der geballte Haß ist, der den Legenden über Judas die zweifellos vorhandene innere Dynamik verleiht. Mit entwaffnender Naivität räumt Margreth Plath dies für das Neue Testament ausdrücklich ein: "Noch ein religiös-praktisches Bedürfnis darf endlich nicht vergessen werden, dem die Judasgeschichte entgegenkommt: das Bedürfnis des Hasses für nicht wenige die erwünschteste, ja vielleicht die einzige Form, ihre Liebe zu dem Herrn zu beweisen; ehrlichen Haß gegen die Verräter und Feinde Jesu vermag mancher noch aufzubringen, dem es schwer werden würde, seine Liebe zum Herrn durch die Nachfolge in der von ihm geforderten Gesinnung der Sanftmut, Herzensreinheit, Friedfertigkeit zu betätigen." 349
Es stellt der Religion der Liebe kein gutes Zeugnis aus, wenn sie immer wieder solche Haßobjekte braucht. Ehrlicher Haß gegen die Verräter und Feinde Jesu - das betrifft nicht nur Judas, das erinnert fatal an jene explosive Mischung von Christentum und Antisemitis349
M. Plath, Gemeinde 182f.
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mus, die sich periodisch in Pogromen gegen die jüdischen Minderheiten Luft verschaffte. Wir stoßen damit erneut auf ein Kernproblem der Judasfrage, das unmittelbare praktische Folgen hat. Den Haß auf den "Verräter" Judas überträgt man auf das jüdische Volk und legitimiert damit feindselige Verhaltensweisen bis hin zu blutigen Verfolgungen. Wenn irgendwo, so ist an diesem Punkt eine einschneidende Kurskorrektur dringend geboten. Der Haß auf Judas muß schon deswegen abgebaut werden, damit er nicht weiterhin einen Haß auf das Judentum unterschwellig nährt. Es sei dazu ein ganz konkreter Vorschlag unterbreitet: Man möge sich doch in Zukunft ganz bewußt davor hüten, vom "Verräter" Judas zu sprechen, oder da, wo es unumgänglich scheint, "Verräter", "verraten", "Verrat" zumindest in Anführungszeichen zu setzen und möglichst in einer Fußnote zu erläutern, daß damit nicht die geschichtliche Wirklichkeit, sondern nur eine fragwürdige Interpretation frühchristlicher Autoren eingefangen wird. (2) Es ist für sich betrachtet kein schlechtes Zeichen, daß im Verlauf der Theologie- und Geistesgeschichte gegen das übermächtig scheinende negative Judasbild immer wieder mehr oder minder entschieden Widerspruch eingelegt wurde. Nur zeichnen sich die Gegenentwürfe ihrerseits durch große Einseitigkeiten aus. Das gilt in eklatanter Weise von der Heroisierung des Judas in gnostischen Gruppen, es gilt abgestuft auch von seiner Heldenrolle in den Toledo! Jeschu. Inwiefern ist hier überhaupt noch eine hermeneutische Rückkoppelung an das Neue Testament möglich? An der jüdischen Legende läßt sich aufzeigen, daß sie recht geschickt bei Nullstellen und Lücken der evangeliaren Berichte den Hebel anzusetzen versteht. Ähnliches darf für die Gnosis vermutet werden, wo ein entsprechender Nachweis aufgrund der schmalen Textbasis schwer fällt. Ohne über die entsprechende Methodik zu verfügen, stößt man mehr intuitiv zum Postulat durch, unseren neutestamentlichen Zeugnissen müsse eine ganz anders aussehende Judastradition und eine ganz anders geartete Realität vorausliegen. Die historisch-kritische Analyse der Texte kann nicht nur aufzeigen, wo die richtig angesetzte Frage auf den Irrweg gerät, sie vermag auch der Protesthaltung, aus der solche radikalen Gegenpositionen hervorgehen, einen ganzen Teil ihrer subjektiven Überzeugungskraft zu entziehen. (3) Von Schwierigkeiten und Unklarheiten der Texte, die mit ihrer Genese zusammenhängen, gehen auch die neuzeitlichen Versuche aus, die Rolle des Judas anders und neu zu definieren. War er 144
nur unschuldiges oder notwendiges Werkzeug? Erwies er Jesus einen letzten Freundschaftsdienst? Muß er nicht selbst als Opfer gelten? Wir haben dazu oben unter dem Stichwort "falsche Romantik" schon das Nötigste gesagt. Keiner dieser Versuche konnte sich durchsetzen, keiner wird es in Zukunft tun. Es kann nicht gelingen, weil die Basis nicht stimmt. Die Fragestellung ist zwar vom historischen Bewußtsein der Aufklärung inspiriert, aber sie geht an den Texten vorbei. Besser als dieses Zuviel-Wissen ist ein offenes Eingeständnis dessen, was uns rätselhaft bleibt. Wenn die schlimmsten Fehlentwicklungen ausgemerzt sind, können wir es uns durchaus leisten, Fragen, die wir nicht beantworten können, bewußt offen zu halten. Keine Antwort ist immer noch besser als eine falsche Antwort. Als extremstes Ergebnis historischer Kritik steht die Behauptung der Ungeschichtlichkeit des Judas im Raum. Vermeintlich löst man damit theologische und sachliche Probleme der Texte, faktisch schafft man neue Schwierigkeiten, von denen die dann fast notwendig sich ergebende Annahme, Judas sei nur eine Personifikation des christusfeindlichen jüdischen Volkes, nicht die geringste ist. Das Gros dieser Deutungen stammt aus einer Zeit, wo der Historismus in seiner vollen Blüte stand. Entdeckerfreude und übergroßes Vertrauen in das neugewonnene methodische Instrumentarium haben zu exponierten Thesen geführt, die sich im Rückblick als haltlos erweisen. Alle Versuche, sie wiederzubeleben, können wir mit großer Gelassenheit zur Kenntnis nehmen. Ihnen wird aus inneren Gründen nicht mehr Erfolg beschieden sein. Es ist schade, daß sich die psychodynamische Interpretation der Judasgestalt in ihren Anfängen aufs Glatteis der extremen historischen Skepsis hat locken lassen und daß die narrative Analyse Gefahr läuft, die alten Fehler unter neuen Vorzeichen zu wiederholen. Von diesem unnötigen Ballast befreit, hat die psychodynamische Betrachtung uns durchaus einiges zu sagen (ihr darf der narrative Ansatz ein Stück weit subsumiert werden, da auch die Erzählforschung mit narrativen Universalien rechnet, die in archetypischen Konstellationen der menschlichen Psyche verankert sind). Wir brauchen die Psychodynamik im Grunde nicht für die Durchleuchtung der Judasgestalt oder für die Problematisierung des Verhältnisses zwischen Judas und Jesus. In dieser Richtung sind mangels gesicherter Daten keine Ergebnisse zu erwarten, nicht einmal solche von rein heuristischem Wert. Wir brauchen die Psychodynamik, um uns selbst zu verstehen, um unsere kollektiven und 145
individuellen Reaktionen auf Judas zu durchschauen. Nach d~m bekannten Sündenbockmechanismus haben wir auf Judas übertragen, was an Aggressionen, Mordgelüsten, Habsucht und Glaubenszweifeln ins uns selber steckt. Wir müssen lernen, in der Fratze, die wir an die Wand gezeichnet haben, unsere eigenen Züge zu entdecken. Dann erst wird es uns möglich sein, Judas Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. 3so
350 Wenn R. Guardini, Herr (s. Anm. 166) 418, schreibt: "Uns selbst enthüllt Judas. In dem Maße versteht man ihn christlich, als man ihn aus den bösen Möglichkeiten des eigenen Herzens heraus versteht, und Gott bittet, Er möge den Verrat, in den wir immer wieder gleiten, nicht sich verfestigen lassen", so klingt das sehr ähnlich. Aber es besteht in der Sache ein wesentlicher Unterschied. Guardini bezieht sich auf den "historischen Judas", wir hingegen ausschließlich auf das falsche Bild, das wir uns von ihm gemacht haben. Was Judas angeht, täte eine Auswertung des alttestamentlichen Bilderverbots not.
146
F. Epilog
Carl Daub (s. § 1) gibt in seinem Judaswerk emphatisch zu verstehen: Unter allen Menschen ist Judas "der einzige, über welchen das Urthei1 der Verdammniß ... ausgesprochen werden kann, und sogar muß" 351. In die gleiche Kerbe schlägt der orthodoxe Lutheraner Ernst Wi1he1m Hengstenberg (1802-1869): "Judas ist der einzige Mensch, von dem wir mit Sicherheit wissen, daß er ewig verdammt ist." 352 Das ist zwar, wiewohl nur zwei Vertreter zu Wort gekommen sind, die vorherrschende Meinung in der traditionellen Theologie. 353 Doch muß am Schluß unserer Studie dazu ein entschiedenes Nein gesagt werden. Gott sei Dank wissen wir es auch von Judas nicht, und das ist gut so. Dieses Urteil steht uns nicht zu, das hat Gott sich vorbehalten. Und keine menschliche Instanz kann verbindlich festlegen, wo das Erbarmen und der universale Heilswillen Gottes, die im erlösenden Sterben Jesu Christi geschichtlich greifbare Gestalt gewonnen haben, an ihre endgültige Grenze stoßen. Auch wenn es diese Grenze gibt, ihr Verlauf wird nicht von uns definiert, und das ist ein einziges Glück. Wie aber steht es mit dem Vorschlag, Judas heiligzusprechen und unter die Schar der Märtyrer aufzunehmen? 354 Er vermag in seiner bewußt provozierenden Zielsetzung sicher anregend zu wirken und verhärtete Fronten aufzubrechen. Doch bildet er letztlich nur die Kehrseite der gleichen Medaille. Vom wirklichen Sachverhalt dürfte er ungefähr so weit entfernt sein wie das Verdammungsurteil. Wir sollten Judas so akzeptieren und respektieren, wie er uns bei einer kritischen Sichtung der Texte entgegentritt: als einen Jünger des Herrn, verstrickt in einen tiefen Widerspruch, der jederzeit der unsrige werden kann. 351 C. Daub, Judas I 20. Vgl. I 16: Seine Schuld ist "die einzige, die als unvertilgbar gedacht werden muß". 352 Bei K. Lüthi, Geschichte 109. S. o. Anm. 13. 353 Aber glücklicherweise nicht die einzige, vgl. H. Wagner, Judas 30-37; H. Gollwitzer, Botschaft. 354 So die fingierte Hauptperson, der Franziskanerpater Berthold B., bei W Jens, Fall.
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Bibliographie
Die Bibliographie beschränkt sich auf Spezialbeiträge zur Judasfrage. Es fehlen also z.B. Evangelien- und Actakommentare, Studien zur Passionsgeschichte, Jesusbücher etc., obwohl sich dort oft Beiträge zum Thema finden. Lexikonartikel sind in Auswahl aufgenommen. In der Bibliographie enthaltene Arbeiten werden in den Anmerkungen nur mit Verfassernamen und Kurztitel zitiert. Die übrige Sekundärliteratur ist in der jeweiligen Anmerkung vollständig nachgewiesen. Mit einem * versehene Titel konnten trotz mancher Bemühungen nicht am Original überprüft werden. Sie sind aus Literaturlisten, bibliographischen Hilfsmitteln u. ä. übernommen (Angaben ohne Gewähr). Abraham a Saneta Clara (Hans-Ulrich Megerle, 1644-1709), JUDAS Der Ertz-Schelm, Für ehrliche Leuth, Oder: Eigentlicher Entwurff, und Lebens-Beschreibung desz Isc(h)ariotischen Böszwicht, Teill-4, Salzburg 1686, 1689, 1692, 1695. - Neuausgabe (sehr unbefriedigendO als: Sämmtliche Werke, Bd. 1-7, Passau 1835/36. A. Ages, Pagnol's New Look at Judas, in: RUO 35 (1965) 314-322. L. N. Andrejev, Judas Ischariot, in: ders., Die sieben Gehenkten - Lazarus - Judas Ischariot. Deutsch von J. Tinzmann - S. Geiger (Rowohlts Klassiker 15), Hamburg 1957, 89-142. Y. Arbeitman, The Suffix of Iscariot, in: JBL 99 (1980) 122-124. F Barth, Der Tod des Judas Ischarioth, in: ThZS 11 (1894) 108-124. K. Barth, Die Bestimmung des Verworfenen, in: ders., KD II/2 498-563. J. B. Bauer, Judas' Schicksal und Selbstmord, in: BiLi 20 (1952/53) 210-213. P. F Baum, The Mediaeval Legend of Judas Iscariot, in: PMLA 31 (1916) 481-632. -, Judas's Red Hair, in: JEGP 21 (1922) 520-529. -, Judas' Sunday Rest, in: MLR 18 (1923) 168-182. G. Baumbaeh, Judas - Jünger und Verräter Jesu, in: ZdZ 17 (1963) 91-98. F W Beleher, A Comment on Mark 14,45, in: ET 64 (1952/53) 240. P. Benoit, Der Tod des Judas, in: ders., Exegese und Theologie. Gesammelte Aufsätze (KBANT), Düsseldorf 1965, 167-181 = La mort de Judas, in: Synoptische Studien (FS A. Wikenhauser), München 1954, 1-19. D. Bergamasehi, Giuda Iscariota nella leggenda, nella tradizione e nella bibbia, in: ScS 15 (1909) 292-303.423-435.574-580. S. Bemhard, War Judas der Verräter bei der Einsetzung der heiligen Eucharistie gegenwärtig?, in: ZKTh 35 (1911) 30-65. -, Nochmals über die Frage von der Gegenwart des Verräters bei der Einsetzung der hl. Eucharistie, in: ZKTh 36 (1912) 411-416. A. M. Besnard, Judas bouc emissaire des apötres? Un compagnon dangereusement semblable, in: BTS 158 (1974) 8f. O. Betz, The Dichotomized Servant and the End of Judas Iscariot. (Light on the dark passages: Mt 25,51 and parallel; Acts 1,18), in: RdQ 5 (1964) 43-58. K. Beysehlag, Franz von Assisi und Judas Iskariot, in: ThLZ 85 (1960) 849-852.
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154
Register
I. STELLEN
(in Auswahl) 1. Altes Testament Gen 26,33 33,4 37,28
96115 66 51
Num 5,21f.27
103 113
Dtn 21,7-9 23,18 27,25
94f 96 94
Jos 15,25
41
Rut 2,14
5685
2 Sam 6,8 10,6.8 15,23 16,2lf 17,23 20,9f
96115 41 88 221 95 242 95 f 122 65 104
1 Kön 2,5f.32f
66
2 ehr 24,8-11 25,12
79 196 103 260
Jdt 16,17
114
2 Makk 9,1-28
Jes 53,12 66,24
25 114
Jer 18,2-4 19,1-11 32(39),6-10 48,24
98 99 98 41
114 116 118f
Am 2,2
41
Ps 37,24 41,10 55,13-15 69,23 f 69,26 109,8 109,18
102 256 56f 82f 85 87f 44 56 132 112 105 f 112 115 106113 113
Sach 11,12 11,13 11,14 14,12
Spr 27,6
66
50f 9599f 99 250 100
114
Weish 4,19
103 f 122
Sir 10,11 37,2
114 68
2. Jüdisches Schrifttum Qumran lQS 8,1-6 lQSa 2,18-20 lQH 5,23f
35 57 134 57
aethHenoch 38,2 95,7
Flavius Josephus Ant 17, 169f 113f 119 Ant 20,186f 43 11930 • Ap 2,143 Bell 7,451-453 120
58 58
Joseph und Aseneth 20,1-5 85
Rabbinica mMakh 1,6 bHu156b
43" 103 260
Toledot Jeschu ed. Schlichting 21-23 65 144
3. Griechisch-römisches Schrifttum Herodot Hist 4,205 Lukian AIex 59
117 118'03
Pausanias Graec Descr IX 7, 3f
118
Plutarch Galba 16,1 Sulla 37,3f
79 196 118'03
Xenophon Hell II 4,23
38
155
4. Neues Testament Mt 2,17 5,25 10,4 18,34 19,28 20,13 22.12 2~ ..\'i 26.0-13 26,9 26,14 26,15 26,20-25 26,25 26,35 26,47-50 26,49 26,50 27,lf 27,3-10
27,3 27,4 27,5 27,6 27,7 27,8 27,9f 27,10 27,25 27,29 28,15
Mk 3,14f 3,19 8,33 9,31 10,33 13,2 13,9 14,1 f 14,3-9 14,4 14,5 14,10f 14,17-21 14,18 "14,19 14,20
156
14,21 99 45 39f45129 45 36 68 68 94
77 78 40 5068789298 59f 93 59f 67f 25 67f 6067 67 93 92-101 106-108 122 125 127319 130 93 6693f 23 32 93 95 103 110 112122131 9395f 9397 100 939698105115 92f 98-100 95 6694 67 97f
36 39f 44f 4871 75 46 58 46 42 45 48f 52 4877 50 78 48f 556267 55-59 62 73 83 55f 5784 55f 57 134 82 84
14,22 14,43-46 14,43 14,45 16,7
Lk 4,13 6,15 6,16 7,36-50 16,19 17,lf 22,3-6 22,3
22,4 22,5 22,19f 22,2lf 22,30 22,36-38 22,39 22,47 22,53
loh 1,5 2,23-25 6,41 6,52-58 6,60-71 6,60-65 6,62 6,64 6,66-71 6,70 6,71 8,44 11,33 11,57 12,1-8 12,4 12,5 12,6 12,7 12,27 13,1-20 13,2
55 56"0 58 60 62 93 140 2862 64-6769 4855626466 6466f 42
52 39 40 45 69 75 125 5277 108 57f 52f 40 52 62 69 73 84 102 109 127 133 53109 102 60 63 14• 60f 36 25 89 69f 89 102 5269
86 72 71 71 83 70-7680 71-74 7180 7lf 74 78f 82f 71 74-7682 71 74f 81 83 87f 40 71 74f 77 187 7883 75f 141 83 77f 76-81 40 7578 78 7986f 80 83 80-83 40757881 88
13,lOf 13,12-20 13,18f 13,21-30 13,26 13,27
13,28f 13,29 13,30 14,22 14,30 15,13 17,12 18,1-11 18,1 18,2f 18,5 18,6 18,35 19,11
Apg 1,13 1,15-26 1,15-20
8lf 87 82f 82 f 87 f 9022• 83-87 25 28 40 62 75 7884 25 62 75 81 83-85 88f 127 133 8386 79 62838690 39f 7578 89 28 87f 88-91 88f 89 90 89 91 90f
1,25 4,32 4,34f 4,37 5,3 12,33
39 3452101 101-109 116 122 101 6910lf 102 106 102-105 106277 108 l1lf 115 117'01 122 103 105 111 102 105f 112f 115 102 106 108f 79109 79108 108 52109 104
1 Kor 10,21 11,23 15,5
61 47 36-38 131
2 Thess 2,3
88
1,15 1,16 1,17 1,18
1,19 1,20
5. Neutestamentliche Apokryphen Johannesakten 96
128
Petrusakten 8 32
Arabisches Kindheitsevangelium 35 132f
127 22 28 103
Bartholomäusevangelium div. Frag. 133f
Thomasakten 32f 84
128f 129
Ebionäerevangelium =NTApo' 1/102 129f
Nikodemusevangelium (Pilatusakten) = Tischendorf 290 l3lf 134 Petrusevangelium 14/59 130f 134
6. Frühchristliches Schrifttum Cyrillonas der Syrer Erste Homilie ... 86 f Epiphanius Pan Haer 38,1,5 20 20 Pan Haer 38,3.3 21 23 Eusebius Hist Eccl V 16, 13f Hist Ecc1 VIII 16,3-5 Filastrius Div Haer Lib 34,lf
121 312 121
20 22
Hirt des Hermas Sim VIII 6,4 Sim IX 19, I
125 125
Irenäus Adv Haer I 3,3 Adv Haer I 311 Adv Haer II 20,2 Adv Haer V 33, 3f
2021 19f 2021 127320
Laktanz Mort Persec 33,1-11
120
Martyrium des Polykarp 6,2 127
Origenes Cels 2,12 73 21" Cels 3,13 Comm in Mt 117 96 Papias Judasfragmente
103 110-116 127f
(Ps.-)Tertullian Adv Haer 2,6f
20f
Theodoret Haer Fab Comp 1,15
20 19120
(Ps.)-Oecumenius Comm in Act 2 112201
11. AUTOREN Abraham a Sancta Clara: Judas 17-19 134 148 Ages, A.: Look 14' 25 41 148 Aland, K.: Synopsis 110288 Andrejev, L.: Judas 14' 18 17 70 166 148 Arbeitman, Y.: Suffix 4JB' 148 Arbesmann, R.: RAC 146 Barth, F.: Tod 112201 122314 148 Barth, K.: KD 31" 45 97 47 92 104f 148 Bauer, J. B.: Schicksal 76 122314 148 Bauer, W.: Einführung 38"; Leben Jesu 2020 Baum, P. F.: Hair 147 148; Legend 148 17 13 134f 148; Rest 15' 148 Baumbach, G.: Judas 50113 68 159 148 Beare, F. W.: Mt 101 25 • Becker, J.: Joh 70168 78 192 79 195 81'°1 86 212 87 215 89 224 90228 Belcher, F. W.: Comment 66 156 148
BeIser, J. E.: Geschichte 107 Benoit, P. : Tod 92 23 ' 97 99114296 122' 14 148 Bergamaschi, D.: Guida 135346 148 Bernhard, S.: Judas/Frage 63 146 148 Besnard, A. M.: Judas 148 Betz, 0.: Servant 102"6 109284 148 Beyschlag, K.: Herkunft 103 26' 127320 129328 ; Judas 128325 148 Billings, J. S.: Judas 73 175 88218 149 Blinzler, J.: Prozeß 89 222 ; LThK2 149 Blöcker, G.: Mensch 14' 149 Bloch, E.: Prinzip 10426 ' Bobichon, M.: Celui 149 Bösen, W.: Galiläa 4286 Bronikowski, R. J.: Judas 79 197 149 Brown, R. E.: Joh 75 181 78 190 79 197 84209 88217 90'" Brown, S.: Apostasy 10928'1287 Brun, J.: Temoignage 21 24 149
157
Buchheit, G.: Judas 14' 149 Büchner, A.: Judas 14' 17 13 2437 55 128 135"· 149; Judasproblem 149 Büttner, M.: Judas 76'85 149 Bulgakov, S.: Judas 149 Bultmann, R: Joh 71'·' 73'" 83 205 84207 89224 90"8/229 Burger, H.: Mutter 13 Cadbury, H. J.: Notes 103 26• Carey, S. P.: Judas 4082 149 Celada, B.: Nombre 43.0 149 Charlesworth, J. H.: Pseudepigrapha 117'00 Chase, F. H.: Acts 1,18 103'·' 149; Name 41 8' 149 Cheyne, T. K: EB(C) 41 8' 149 Cohoon, J. W.: Glosses 103'·' Conzelmann, H.: Apg 103'·'; 1 Kor 3772 ; Mitte 52"8 53 120 Cox, W. A.: Judas 149 Creizenach, W.: Judas 14' 78'" 104271 13534• 149 Cullmann, 0.: Apostel 39 43. 0 149 D'Ancona, A.: Leggenda 13534• 149 Danie!, c.: Esseniens 43 90 Dante Alighieri: Divina Commedia 18'· Daub, c.: Judas 19 147 149 Dauer, A.: Passionsgeschichte 88 220 8922 1/223 90228 91 230 Decroix, J.: Geste 43.0 149 Denker, J.: Stellung 130332 Derrett, J. D. M.: Miscellanea 103'·· 149 Dibelius, M.: Hermas 125; Judas 5412• 149 Dickey, H. B.: Judas 149 Döller, 1.: Judaskuß 66"· 149 Dormeyer, D.: Passion 48'07 56 131 65"066'" Dorn, K.: Judas 38" 149 Drews, A.: Markus-Evangelium 27.7151 Dupont, 1.: Destinee 102"· 149; Logion 36·' Ehrman, A.: Judas 41"' 149 Eiliger, K: Sach 49 51''' Eltester, W.: Freund 68 '611 '.' 149 Enslin, M. S.: Judas 28" 149 Ernst, J.: Lk 69'·' Fascher, E.: RGG' 150 FeigeI, F. K: Einfluß 28" 84207 1042•7 Fensham, F. c.: Bow157'34 150 FilIion, L. c.: Judas 63"· 150 Fitzmyer, J. A.: Lk 36·' 41 8' 53 119 60'" 69'·' Follet, R.: Constituerunt 50112 150 Foulche-Delbosc, R: Legende 135 34• 150 Frankemölle, H.: Jahwebund 100'" Funk, F. X.: Väter 110'88 127"0
158
Gärtner, B.: Iscariot 150; Judas 150; Termini 44" 88 218 96243 150 Galitis, G. A.: Problemata lOS'" 107280 150 Gillet, J. E.: Traces 13534• 150 Giraldo, R N.: Judas 150 Giudice, C. 10: Judas 63'46 ISO Glasson, T. E.: Links 88 221 150 Gnilka, J. : Mk 49'0' 57 13 ' 65"0 Goetz, 0.: Judas 18" 104271 107'8' ISO Goldschmidt, H. L.: Judasbild 28" 150 Gollwitzer, H.: Botschaft 147'" 150 Goodspeed, E. J.: Reply 103'·' Gordon, A. B.: Fate 107'80 ISO Griffin, C. S.: Judas ISO Grosheide, F. W.: Judas 76'8' ISO Grundmann, W.: Mt 59 140 Guardini, R: Herr 70'.· 76'8' 146"0 Gundry, R: Mt 50"0 99 250 126319 Guttmann, J.: EI 22'· 150 Haase, F.: Apostel 133'"'''' ; Rekonstruktion 134'44 Haenchen, E.: Apg 102257125' ; Weg 39 Hahn, F.: Erzähler 30"; Motive 63'49 Halas, RB.: Judas 41 8• 48' 08 55 127 63'46 76 107"8 109'8' 121'13 125'" 150 Hand, W. D.: Dictionary 14' ISO Harden, M.: Judas 15 150 Harnack, A.: ThLZ 103'64 Harris, J. R: Judas 112292 117'0' 129"8 ISO; Primacy 48'08; Version 103'64 Hart, J. W. T.: Judas 14' 150 Haugg, D.: Judas 17" 41 8' 62 14' 63"7 77'8. 9223 ' 107'80 125315131 • 134'43/345 138347 ISO Heeren, A. van der: Judas 63'4. ISO Hein, K: Judas 63'" 150 Heinrici, C. F. G.: 1 Kor 387• Heller, B.: Alter 21" 150; Judas 22'· 23" ISO Hengel, M.: Zeloten 397• Hengstenberg, E. W. 147 Herber, J.: Mort 104'·8 ISO Hertzberg, H. W.: Samuelbücher 65'" 95'42 Heyraud, L.: Judas 150 Hilgenfeld, A.: Papias 11028• Hili, G. F.: Pieces 51'14 150 Hirsch, E.: Frühgeschichte 44" Hofbauer, J.: Judas 1072•0 ISO Hofmann, K. M.: Philema 67 157 Holk, L. J. van: Judas 88 219 151 Holtz, T.: EWNT 35.7 Holzmeister, U.: Iudas 50'12 151 Imbach,J.:Judas 14'151 Ingholt, H.: Surname 41"' 151 Istrin, V.: Version 135'46 151
James, M. R.: Apocryphal NT 129330 131 337 133339/341 13434' Jens, W.: Fall 14370167147354 151 Jeremias, J.: Abendmahlsworte 56 133 86 211 Johnson, L. F.: Function 108283 109286 J onas, H.: Gnosis 21 24 Jonge, M. de: Judas 41 84 151 Junod, E.: Act Joh 128323 /324 Jursch, H.: Judas/Bild 144 151 Kaestli, J. D.: Act Joh 128323/324 Kafka, F.: Prozeß 115 Ketter, P.: Judaskommunion 63 146 151 Kierkegaard, S.: Augenblick 2642 ; Reden 2643 Klauck, H. J.: Armut 108"'; Auswahl 35 67 ; Gütergemeinschaft 108 282 ; Herrenmahl 47 105 63 148 67 157 ; 1 Kor 38 78 ; Rolle 30 57 57 137 93 236 ; Sakramente 63 148 78 189 Klein, G.: Apostel 3464 Klopstock, F. G.: Messias 24 Knox, A D.: Death 103 262 151 Körtner, U. H. J.: Papias 110289 112290 114'" 127320/321 129328 Kornetter, J.: Judasproblem 143 55 128 151 Kraus, H. J.: Psalmen 106 Krauß, S.: Ansichten 212' Kroon, J.: Judas 151 Krüger, H. P.: ProblemITRE 105 273 Kürzinger, J.: Papias 110'" 127 320 Laeuchli, S.: Interpretation 17 11 139348 151 Lake, K.: Death 1012" 107278 151 Lapide, P. E.: Verräter 151 Laros, M: : Judas 2437 55 128 151 Lec1erq, H.: DACL 144 51 114 151 Lehmann, P.: Judas 148 51 114 135 346 151 Uvy, L. G.: Judas 27'1 151 Limbeck, M.: EWNT 40" 41 83 75 181 151; Judasbild 4494 661" 69 165 92 233 100251 151 Lindenberger, J. M.: Ahiqar 117300/301 Linnemann, E.: Studien 48 107 Locard, E.: Mort 104268 107 280 151 Loewenstein, R. M.: Psychoanalyse 29" Lohmeyer, E.: Galiläa 42 86 ; Mt 92 234 94 239 98 248 105 273 Lublinski, S.: Dogma 27 47/'1 Lüthi, K.: Geschichte 19 18 27 46 45 97 63 146 73 175 107 280 147'" 151; Problem 42 87 69 164 7p70 79 194 84207 88 219 109287 151 Luther, A: Jesus 143 151 März, C. P.: Traditionsgeschichte 78 191 80 199 Manns, F.: Mort 99 250 151 Mara, M.G.: Evangile 131'351336
Marin, L.: Semiotik 30 f 151 Marquardt, G.: Verrat 27 48/49 152 Martin, H.: Curse 14' 152 Marxsen, W.: Evangelist 42 86 McClain, R. 0.: Judas 152 McConnell, R. S.: Law 93'" Megas, G. A: Judas 135 346 152 Meier, E. J.: Judas 76 185 152 Meinertz, M.: Frage 62 145 63 146 152 Mely, M. F.: Deniers 51 114 152 Metzger, B. M.: Commentary 75 180 ; Names
77 188 Michel, 0.: ThWNT 94238 Mohr, T. A: Passion 48 107 57 136 Moore, T. S.: Judas 152 Morel, R.: Judasevangelium 143 152 Morin, J. A: Les deux 41 85 43 91 44 152 Munro, J. 1.: Death 102259 107279 152 N ellessen, E.: Tradition 101'''; Zeugnis 101''' 102 258 Nestle, E.: Fate 103 152; Judaskuß 66153 152; Name 41 83 152; Schicksal 103 152 Nestle, W.: Legenden 116299 Overbeck, F.: Ansichten 110288 112292 115 297 Page, G. A: Diary 152 Pagnol, M.: Judas 25 41 152 Panier, L.: Mort 30 58 152 Pesch, R.: Mk 56 130 Petruccelli, F.: Memoiren 143 70 166 152 Pfättisch, J. M.: Besitzer 107 279 152 Pfeifer, S. M.: Apostel 63 146 152 Plath, M.: Gemeinde 27 48 28'1 62 143 152 Plummer, A: 1 Kor 37 71 152 Popkes, W.: Christus 45 97 46 99 47 102 ; EWNT 48 106 Porte, W.: Judas 144 18 1'117 84207 152 Preisker, H.: Verrat 53 123 152 Preuschen, E.: Antilegomena 110288 127320 Rand, E. K.: Lives 148 152 Rehkopf, F.: Sonderquelle 52 117 ; Mt 26,50 68 160 152 Reider, N.: Legends 17 14 152 Reik, T.: Evangelium/Deutung 28f 152 Reimarus, H. S.: Apologie 24 Reuss, J.: Matthäus-Kommentare 110288 Richter, G.: Fußwaschung 82 204 Robertson, A: 1 Kor 37 71 Robertson, AT.: Primacy 48 108 152 Robertson, J. M.: Evangelienmythen 2745/50; Jesus and Judas 27 45 152 Roloff, J.: Apg 109284 122314 ; Apostolat 3464 ; Kerygma 80 200
159
Roquefort, D.: Judas 28 52 152 Roth, c.: Iscariot 14' 152 Rothfuchs, W.: Erfüllungszitate 93 23S 99 250 Roue, P.: Proces 25 41 Rovirosa, G.: Traidor 55 127 152 Rücker, A: Cyrill 42 146 152 Sahlin, H.: Tod 105 '74 153 Salas, A: Judas 69164 79198 153 Sanders, J. N.: Those 77'8' Santos Otero, Ade: Evangelios 129330/331 130'" 13233 • 133'" Schendler, D.: Judas 17 14 153 Schenk, W.: Passionsbericht 48'°' Schenke, L.: Studien 48'°' 57'36 Schepss, G.: Judas 135'46 153 Schille G.: Apg 109'84 Schläger, G. : Ungeschichtlichkeit 2748/51 153 Schlichting, G.: Leben Jesu 22" 65'" Schmahl, G.: Zwölf 35" Schmauch, W.: Mt 92 '34 Schmid, J.: Mt 60'41 Schmidt, K.: RE' 153 Schmithals, W.: Apostelamt 34'4 Schnackenburg, R.:Joh 74 177 78'9' 80'99 8po, 82103 84' °8 86113 88117 89123/ 224 90"9 Schneider, G.: Apg IOP" 102"9; Lk 69'63; Passion 48'°' 65"° Schollmeyer, G.: Jesus und Judas 2436 153 Schürmann, H.: Lk 22,19b-20 60'4' Schu1thess, F.: Sprache 41 8' 43 90 153 Schulz, A: Ursprung 107179 153 Schwarz, W.: Doppelbedeutung 92133 122'14 153 Schwarzkopf, N.: Judas 14' 153 Schweitzer, A: Geschichte 53 Schweizer, E.: Apg 1,16-22 106177 153 Senior, D. P.: Fate 48'0' 51"' 59'41 68 16°; Passion Narrative 92133/ 13 ' 94137 98 '49 99"° 153 Sickenberger, J.: Stifter 107179 153 Sigwalt, c.: Erläuterung 107" 9 153 Silva, R: Judas 107'80 153 Simonis,W.: Jesus 33 61 3464/66 Smith, W. B.:Ecce Deus 27461'°; Judas 27 4'44 153 Spiegelberg, W.: Sinn 68 16' 153 Spiteri, A: Frage 63'46 153 Stählin, G.: ThWNT 66'54 68 160 Stauffer, E.: Jesus 55 119 Steinmetzer, F.: Judas 76'81 153 Stein-Schneider, H.: Recherche 25 f 153 Stendahl, K.: School 9223S Sterne, L.: Tristram Shandy 13 Strauß, D. F.: Leben (kritisch) 26 f 113193 ; Leben (für das Volk) 112f
160
Strecker, G.: ThLZ 55'16; Weg 68 16 ' 92 23S 98148 Tabachovitz, D.: Tod 113193 153 Tarachow, S.: Judas 28f 153 Tasker, J. G.: DCG 17" 48'° 8 153 Taylor, A: Burning 14' 153; Gallows 107181 153; Judas 14' 153; ,,0 Du" 153 Thraede, K.: RAC 67 157 ; Ursprünge 67'57 Thümmel, H. G.: Judas 153 Thyen, H.: Johannes 13 8po, Tischendorf, C.: Evangelia 129330 131 337 132338 133'41 Torrey, C. c.: Name 4491 153; Studies 4491 Trautmann, M.: Handlungen 35 68 Trilling, W.: Entstehung 3461 36'9; Israel 100' " Trudinger, L. P.: Links 88 '11 153 Undritz, 0.: Judas 63'4' 153 Unnik, W. C. van: Death 92133 9414' 96143 153 Vaganay, L.: EvPetr 130331 131'36 Vasto, Lanza deI: Guida 153 Vielhauer, P.: Gottesreich 346' 39; Geschichte 129330 Vogler, W.: Judas 37 41 8' 43 88 47'°' 5466'" 67 158 72171 76'8' 84106 88 118 90117 92133 109'8' 125315/316 130 153 Vooys, C. G. N. de: Legenden 135'46 154 Wagner, H.: Judas 147'" 154 Walker, R: Heilsgeschichte 94140 97146 Weder, H.: Menschwerdung 74176 Wehr, G.: Judas 29 54 154 Weiger, J.: Judas 7 121''' 154 Weiser, A: Apg 102"8 109'8'; Nachwahl 34" IOP" Weiß, J.: 1 Kor 3771 Weitling, W.: Evangelium 25'9/40 Wellhausen, J.: Mc 43 90 Wengst, K.: Gemeinde 92'31 Whittaker, F. R: Fate 154 Wieser, S.: Judas 146 9p31 154 Wikenhauser, A: Apostelgeschichte 104170 Wilckens, u.: Auferstehung 38'8 Wilcox, M. : Composition 81'°' ; Judas-Tradition IOP" 102" 8 154 Wolff, C.: 1 Kor 38'· 47'°4 Wrede, A.: HWDA 14' 154 Wrede, W.: Judas 54'14 72171 84'°' 90116 154 Wright, A: Judas/Primacy 48'°8 154 Wunderlich, H. E.: Judas 76'·' 154
Zahn, T.: Papias 110'88 112191 11519' Zehrer, F.: Judasproblem 43 90 154