Hans-Dieter Kübler Interkulturelle Medienkommunikation
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Hans-Dieter Kübler Interkulturelle Medienkommunikation
Hans-Dieter Kübler
Interkulturelle Medienkommunikation Eine Einführung
III VSVERLAG
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten
© VS Verlag für Sozialwissenschaften I Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Barabra Emig-Roller I Eva Brechtel-Wahl VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz: www.text-plus-form.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Ten Brink, Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-18229-2
Inhalt
Vorwort .................................................................................................................... 7 1 Definitionen und Dimensionen .................................................................. 9 1.1 Medien international- internationale Medienkommunikation .............. 9 1.2 Kultur: Multikulturalität - Interkulturalität - Transkulturalität ........... 18 2 2.1 2.2 2.3
Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung ................................ Modernisierung - geschichtliche Entwicklung ........................................ GlobaIisierung - Globalität - ,Glokalisierung' - Globalismus ............... Mediengesellschaft - Informationsgesellschaft Wissensgesellschaft - Netzwerkgesellschaft ............................................ 2.4 Zivilgesellschaft und Global Governance .................................................
23 23 28
3 3.1 3.2 3.3
65 65 71
Analytische Zugänge des Medien(systemslvergleichs ........................ Prämissen und Ansätze des Vergleichs: die Welt als ganze ................... Prämissen und Ansätze des Vergleichs: Subglobale Reichweiten ......... Prämissen und Ansätze des Vergleichs: Funktionen und Leistungen ...................................................................................................... 3.4 Prämissen und Ansätze des Vergleichs: (Medien)Trends, Genres und Inhalte .......................................................................................
33 60
74 87
4 Konzepte und Methoden des Vergleichs ................................................ 99 4.1 Was wie vergleichen? Zur Theorie und Methode der Komparatistik .......................................................................................... 99 4.2 Wirklichkeitsreduktion und -selektion .................................................... 104 4.3 Datenrecherche, -rekonstruktion und -vergleich .................................... 109 5 5.1 5.2 5.3 5.4
Empirische Methoden und Komparatistik ........................................... Befragung ..................................................................................................... Beobachtung ................................................................................................. Inhaltsanalyse .............................................................................................. Fazit ...............................................................................................................
113 113 114 114 116
6
Literatur ........................................................................................................ 117
Vorwort
Wohl keine andere Branche ist derart international ausgerichtet und trans-
national verwoben wie die Medienbranche, und zwar nicht erst seit dem Aufkommen und der Verbreitung des Internets in den letzten Jahrzehnten. Denn Medien sind einerseits wirtschaftlich gehandelte und kommerziell hergestellte Produkte bzw. Waren, wie sie andererseits in ihren Inhalten und Symbolen sämtliche gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen und Handlungen widerspiegeln, mithin stets eine doppelte Beschaffenheit und Funktionalität verkörpern. Diese Internationalität gilt mindestens seit Beginn der Phase so genannter Massenkommunikation Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts; vor allem der Film transnationalisierte sich seit den 1920er Jahren mit der Entstehung und raschen Dominanz von Hollywoods Traumfabrik. Andere Sparten wie die Unterhaltungsmusik, Comics, Hörfunk und Fernsehen folgten. Dass diese Internationalität meist recht einseitig war (und vielfach noch ist), sich Hegemonien und Abhängigkeiten herausbildeten und jeweils aus nationaler Warte bekämpft wurden, darf keineswegs verkannt werden. Aber die Durchdringung und Überwindung von Grenzen mittels medialer Botschaften und Wirklichkeitsentwürfe kennzeichnen ebenfalls die Errungenschaften der so genannten Moderne und Postmoderne, und diese Tendenzen halten bis heute zumal für die unterentwickelten, vielfach autoritär oder autokratisch regierten Regionen der Welt an. Vor allem das transterritoriale, omnipräsente Internet, das Netz der Netze oder das Hypermedium per se (und wie all diese künstlichen Attribute lauten) lässt sich trotz aller Regulierungs- oder gar Zensurversuche nicht an Grenzen stoppen, überwindet oder umgeht administrative Hürden und elektronische Barrieren, da seine User immer wieder Lücken, Schlupflöcher und neue Wege entdecken, besser: selbst generieren. So ist die phantastische Idee der UNESCO zu Beginn der 1980er Jahre namens" Viele Stimmen - eine Welt" mit ihm fast schon alltäglichen Realität geworden, selbst wenn derzeit noch immer wieder harsche Rückschläge vorangetrieben werden und die bislang noch drängenden ungleichen Verteilungs- und Zugangschancen weiter bestehen. Spätestens seit den 1960er Jahren orientierte sich die bundesdeutsche Kommunikations- und Publizistikwissenschaft vielfach um: Sie verabschiedete sich von ihrer geisteswissenschaftlich-normativen, oftmals ideologischen Vergangenheit und mutierte in eine empirisch ausgerichtete Sozialwissenschaft,
8
Vorwort
vielfach auch in übereifrigerAnpassung an die angloamerikanischen Vorbilder (wie etwa die Kritische Theorie und die ihr folgende kritische Medienwissenschaft tadelten). Immerhin war damit die Perspektive für internationale Ansätze, Methoden und Befunde eröffnet, aber sie blieben meist implizit, wenig expliziert. Erst eigentlich seit der Jahrhundertwende - mit der wachsenden öffentlichen Debatte über die voranschreitende Globalisierung einerseits und mit der massiven Präsenz und den zunehmenden Potentialen des Internet, des so genannten Web 2.0, nach der Erholung aus der Krise der New Economy seit 2000, andererseits - werden vergleichende Fragestellungen, globalisierte Perspektiven und komparatistische Vorgehensweisen verstärkt und vor allem explizit angegangen, werden Mediensysteme in ihren strukturellen und faktischen Dimensionen verglichen, relativ klassifiziert und sogar Skizzen eines Weltmedien- oder Weltkultursystems entworfen. Mit analytischen Termini wie Inter- und Transkulturalität werden Erkenntnis- und Untersuchungsoptionen über die wachsende Verwobenheit und Penetrierung von Kultur und Medien, und zwar sowohl innergesellschaftlich, in die diversen Ethnien, (Sub)Kulturen, Milieus und Szenerien hinein, als auch über tradierte soziokulturelle Grenzziehungen hinaus anvisiert und heuristisch erprobt. Dazu sind noch viele wissenschaftlich-analytische wie auch empirisch-praktische Unternehmungen erforderlich. Dieses Bändchen versteht sich daher in der Tat als Einführung, als Sondierung des thematischen, theoretischen und methodischen Terrains; deshalb werden viele Begriffe geklärt, paradigmatische Originaltexte dokumentiert und theoretische wie methodologische Überlegungen angestellt. Entstanden als Einstiegs-Modul für den Master-Studiengang "Informationswissenschaft und -management" an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) mit dem Schwerpunkt "Interkulturalität und Medien" soll es nach mehrfacher Erprobung und Überarbeitung nun einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden - hoffend, dass die inzwischen begonnene internationale wie auch sozial- und kulturwissenschaftliche Ausrichtung der Kommunikations- und Medienwissenschaft bereichert, motiviert wird und interessierte Studierende eine Handreichung für eigene Forschungen und Studien bekommen. Hamburg, im März 2011
Hans-Dieter Kübler
1
1.1
Definitionen und Dimensionen
Medien international- internationale Medienkommunikation
Mediale Kommunikation Mediale Kommunikation bzw. Medienkommunikation' ist ein recht amorpher und diffuser, daher komplexer Analysebereich, der interdisziplinär betrachtet und beforscht wird. Seine elementaren Komponenten sind
Zeichenkomplexe wie Texte, Töne- und Bilderfolgen, Grafiken und diverse Kombinationen daraus, die zum einen immaterielle Bedeutungs- und Symboldimensionen haben - heute auch als content bezeichnet -, zum anderen materielle Ausdrucks- oder Präsentationsdimensionen wie Buchstaben, Schriften, Noten, Zeichnungen, Grafiken, Tabellen etc. brauchen, um sich realisieren zu können; sie werden in technischer Hinsicht als Kanäle bzw. Codes bezeichnet; mediale Figurationen (Mittel/Vermittler), um die Zeichen über Raum und Zeit hinweg zu vermitteln, also zu speichern, zu transportieren und zu verbreiten, wozu neben Bildern und Grafiken insbesondere die Schrift fungiert; im Laufe der Kulturgeschichte, besonders seit Erfindung der Drucktechnik Mitte des '5- Jahrhunderts, sind neue, leistungsstärkere und komplexere 1 In der deutschen Medienforschung gibt es einen kleinen Disput darüber, welcher der beiden Begriffe angemessener ist, weshalb beide Verwendungen zu finden sind: nämlich Mediatisierung undJoder Medialisierung, um die Expansion und fortschreitender Durchdringung sämtlicher Lebensbereiche durch Medien zu kennzeichnen: Die einen - etwa Friedrich Krotz (2007) - verweisen darauf, dass in der internationalen.. vor allem englisch-
sprachigen Medienforschung der Terminus ,Mediation" bzw. "Mediatization" gebräuchlich ist, die anderen - etwa W. Schulz (2008, 32) - argumentieren dagegen,. dass Mediatisierung im Deutschen bereits besetzt ist, nämlich durch ,Mediation' als Konfliktschlichtung, aber auch durch Mediatisierung in historischem Kontext, nämlich als Herstellung der Reichsunmittelbarkeit zahlreicher Kleinstaaten durch den Reichsdeputationshauptschluss 1806. Zusammenfassend und mit Systematisierungsvorschlägen: Meyen (2009). Unverfänglicher sind daher Medien- oder mediale Kommunikation, um sich auch von dem früheren Begriff der Massenkommunikation abzugrenzen. Sie ist für eine bestimmte Phase der Massenmedien (etwa von 18)0 bis 1970) vorbehalten, da mit der Digitalisierung die Dualität von personaler, privater Kommunikation und öffentlicher, technisch vermittelter Massenkommunikation aufgehoben ist und besagte Konvergenz aller Kommunikationsformen - mit Ausnahme der unmittelbar direkten" dialogischen Form ohne jegliche technische Unterstützung - voranschreitet (Kübler 20(0).
Hans-Dieter Kübler, Interkulturelle Medienkommunikation, DOI 10.1007/978-3-531-92904-0_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Definitionen und Dimensionen
Techniken entwickelt worden bis hin zur heutigen Mikroelektronik, Teleund Satelliten-, Computer- und Internet-Technologie, die die so genannten digitalen Medien verkörpern und für ihre Generierung und Steuerung (Computer)Programme brauchen, so dass Medien, die heute nicht mehr nur individuell handhabbare Kommunikationsinstrumente wie Stift, Feder und Papier ete. sind, sondern neben technischen Geräten und ihrer gewerblichen Fertigung industrielle Organisationen (wie Verlage, Sendeunternehmen bzw. Medienkonzerne, Provider) und technisch-kommunikative Infrastrukturen (wie Sendeanlagen, Kabel- und Satelliten-Netze), die von gesellschaftlichen Verhältnissen und rechtlichen Rahmenbedingungen konstituiert werden und vor allem die öffentliche, publizistische Kommunikation herstellen. Für sie haben sich inzwischen vielfältige Berufssparten herausgebildet und professionalisiert, von den ,Content'-Produzenten (wie Autoren, Journalisten, Werbetexter) über Techniker (wie Drucker, Setzer; Toningenieure) und Kreative (wie Kameraleute, Musiker, Designer) bis hin zu Managern und ökonomisch Planenden. Seit der Verlegung der ersten Übersee-Telegrafiekabel Mitte des 19. Jahrhunderts, später auch der Telefonkabel sorgen diese Netze für die breite Entgrenzung der medialen Kommunikation über nationale und auch kontinentale Grenzen hinweg, wie es zuvor mit der Versendung von Büchern und Printprodukten nur begrenzt möglich war. Weiter beschleunigt und verbreitet wird diese Entwicklung durch die Entdeckung der Funkwellen, der Radiophonie, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die später auch Fernsehsignale übertragen. Sie werden ergänzt durch die rasante Innovationen in der Raumfahrt und der Satellitensysteme. Vollends optimiert werden die Verbreitungssysteme durch die Verknüpfung all dieser Netze durch das Internet und seine Anwendungen in den j'Oer Jahren des 20. Jahrhunderts. Mit dem WWWwird das Internet seit den 90er Jahren visuell, damit multimedial und für private und ökonomische Nutzung sowie für deren Kommunikationsoptionen disponibel. Diese Optionen verstärken und multiplizieren sich noch seit der Jahrtausendwende und werden daher - werbewirksam - Web 2.0 bezeichnet. Mit diesen medientechnischen Innovationen gehen auch gesellschaftliche Veränderungen einher, ohne damit eindeutige Kausalitäten zu postulieren. Eher sind wechselseitige Dynamiken am Werke, die immerhin die Relevanz der Medienanstöße für den gesellschaftlichen Wandel unterstreichen. Anfangs, zumal zur Beginn der Technisierung der Kommunikation durch den Druck, verläuft die Entwicklung sehr gemächlich; erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts
Medien intemational- internationale Medienkommunikation
11
kommt es zur Beschleunigung, die sich mit dem 20. Jahrhundert noch enorm erhöht, zunächst in eine immense Vielfalt der Medien mündet. Mit der so genanten Digitalisierung Ende des 20. Jahrhunderts kündigt sich unter der binären Norm des Computers die Konvergenz der medialen Formen und Codes, so dass sich das digitale Gerät zum Universal- oder Hypermedium entwickelt. Im groben Überblick lässt sich die gesamt Entwicklung wie folgt darstellen: Archaische Gesellschaften:
Reformation
Aufkla,.ng
Feudalismus
Handschrift
erste Mecltanisierungen (z. B. Block-Druck)
Industrialisierung BI/rg
Ca. 1880 ff.: Autotypie Linotype
Ca. 1925. HörfunkjR.adio
1986: Internet
Ca. 1935/1952 ff.:
1990:WWW
Entstehung von
Visualisi.erung
Fernsehen
Vertriebsstruk-
Ca. 1830 ff.: Fotografie 1895 Kino
1965 ff.: Sate1litenfem-
Telekommunikation:
1978: Video/ Kabelfernsehen
dische Erscheinungsweisen
Massenpresse
scher Telegraf Ca. 1858 ff.: Überseekabel Ca. 1875: Telefon 1500 1600 1700
1800
1900
Ca. 1980: PC
1983: CD-Player
sehen Ca. 1840: elektri-
1400
1920 ff.: Kino als Massenereignis
Digitalisierungl Vernetzung Weltinftmn.tWnsgesellsdl.jt
Druck: Ca. 1450: Buchdruck Flugblätter 1609 Zeitung 1682 Zeitschrift
turere z.B.Messen ab 18. Jh. perio-
Ca. 1835ff. Rotationsdruck:
Demokra.tisienmg MilssenkommunikatWn
Ca. 1995: Multimedia
Bis 2001: 1. Intemet-Hype Seit ca. 2007: Web 2.0
2000
Quelle: Schrape (1996) zit. nach Süss (2004, 55), eigene Erweiterungen und Überarbeitungen
Die technischen Infrastrukturen verlangen jeweils erheblichen Kapitaleinsatz, der zunächst von privaten Finanziers (wie den Fuggem für die Post), dann allmählich auch vom Staat bzw. von staatsnahen Organisationen (wie Post; Militär) aufgebracht wird: etwa für Telegrafie, Telefon, Rundfunk (Hörfunk! Fernsehen), Raumfahrt/Satellit, Verkabelung. Inzwischen haben sich wieder weitgehend privatwirtschaftliche Konzernstrukturen durchgesetzt, die kommunikativen Infrastrukturen sind "dereguliert" und haben weltweit Konzentrationsprozesse unter den Betreibern über nationale Grenzen hinweg ausgelöst. Verbreitung und Vernetzung von Kommunikation sind tendenziell
12
Definitionen und Dimensionen
auf transterritoritale Expansion (bis ins Weltall hinein) angelegt, so dass von ihnen jeweils mächtige Schübe der Internationalisierung oder auch Globalisierung ausgehen.
Ebenso drängen die privatwirtschaftlichen Vermarkter der Inhalte nach übernationaler Verbreitung ihrer meist teuren Produktionen, wie es in den USA seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts die Filmstudios in Hollywood und die mit ihnen später liierten Radio- und Fernsehstationen vorgemacht haben: Je teurer eine Produktion,. umso größer und vielfältiger muss ihre Vermarktung ausgerichtet sein. So bilden sich schon seit Beginn der Phase der Massenkommunikation - zunächst beim Film - symptomatische Marktgrößen und Reichweiten heraus: die so genannten US-Majors für die möglichst weltweit verbreiteten Mainstream-Streifen in den Kinos, heute auch Block-
busters genannt. Daneben behaupten sich nationale Produktionsformen im Buchmarkt, bei der Presse, bei Hörfunk und Fernsehen für die begrenzten,. auch sprachlich fixierten,. nationalen Märkte sowie unabhängige, kleine Produzenten - auch Independents genannt - für subnationale Marktnischen und spezielle Publika. Je wirtschaftlich schwächer die Produzenten sind, umso marginaler die Produktions- und Verbreitungsmöglichkeiten in der Regel, unerwartete Ausnahmen inbegriffen. Medienmärkte Entsprechend unterschiedlich konstituieren sich die jeweiligen Medienmärkte, schon in ihren territorialen Ausmaßen: nämlich als vornehmlich national aber auch lokal und regional schließlich auch kontinental und global. Die globalen Dimensionen haben in den letzten Jahrzehnten enorm zugenommen und sich verstärkt; treibende Faktoren sind vor allem die digitalen Medien, die keine territorialen Grenzen mehr haben, sondern weltweit in Netzen - Internet und Satellit - verbreitet werden und verfügbar sind. Ihre Potentiale führen letztlich zur besagten Konvergenz aller Medienformate, also zur Auflösung überkommener, materieller Formen, vom Druck bis hin zum Fernse-
hen. Auf dem digitalen Bildschirm bzw. Display sind sie alle darstell- und abrufbar. Allerdings bilden die nationalen Kulturen und Sprachen (oder gar subnationale, regional-ethnische Dialekte) nach wie vor gewisse Barrieren für die
Medien international- internationale Medienkommunikation
13
lnternationalisierung der Medienmärkte. Inzwischen fungiert das Englische als modeme, weithin anerkannte und genutzte Lingua franca (auch trotz aller nationaler oder gar nationalistischer Widerstände, wie sie z. B. von französi-
scher Seite angestrengt werden). Diese Entwicklungen machen sich zum einen besonders im Internet bemerkbar, zum anderen auch bei Film und Fernsehen, wo sich etwa kleinere oder auch mehrsprachige Ländern keine teuren Synchronisationen in die Landessprache(n) mehr leisten können oder wollen. Außerdem weist der Medienmarkt gegenüber anderen Märkten noch essentielle Besonderheiten auf: Inkonsumabilität von Medienprodukten Medienprodukte sind Waren des Alltags, aber sie lassen sich nicht physisch verbrauchen, sie sind inkonsumabeL daher fortdauernd präsent und für weitere Verwertungen verfügbar. Dies wird auch als "Nichtrivalität im Konsum" bezeichnet (Beyer/Cari 2008, 17). Zwar können ihre Inhalte veralten, inaktueil werden oder sich - etwa in den Wissenschaften - als überholt und falsch herausstellen, aber - angemessen gespeichert und verfügbar gehalten (etwa in Bibliotheken und Datenbanken) - verschwinden sie nicht und können als solche weiter rezipiert werden, sofern ihre materiellen Träger (Papier, Zelluloid, Magnetband, Silikonplatte etc.) nicht verrotten. Die Wertschöpfungskette kann daher mehrere Stationen umfassen, wie sie etwa bei Spielfilm signifikant eingespielt ist: zunächst die Kinoaufführung (bzw. das Downlaoding aus dem Netz) , dann die Fernsehausstrahlung, dann DVD, heute auch oft schon früher die Online-Diffusion; daneben das Merchandising (Vermarktung von Details) und diverse Rechteauswertung und immer wieder Wiederaufführungen als Nostalgie-Offerten bzw. Remakes. lnsofern muss es für Medienprodukte andere Parameter als etwa den Verzehr oder die materielle Haltbarkeit geben, um etwa den Preis zu kalkulieren. Genannt werden neben der Attraktivität und Aktualität der Grad der Aufmerksamkeit, den sie jeweils erzielen (Franck 1998). Die unverbrauchbaren Medieninhalte können vielfach modelliert, verbreitet, modifiziert und transformiert werden; ihre Unverbrauchbarkeit begünstigt geradezu Mehrfachverwertungen, Variationen und überterritoriale
Verbreitungen. Voraussetzung dafür ist eine gewisse Standardisierung oder gar Uniformierung und (national)kulturelle lndifferenz - wie sie wiederum erstmals nachhaltig die Majors Hollywoods durchgesetzt haben und bis heute betreiben. Dafür bedarf es kapitalintensiver, technischer und marktbezogener Dominanzen, die zu unterschiedlichen GeWichtungen von Medienkulturen, von Main Streams bis hin Marginalisierungen oder gar Diskriminierungen,
führen können.
14
Definitionen und Dimensionen
Dualität der Märkte PrivatwirtschaftIich organisierte Medien - und das ist weltweit die überwiegende Mehrzahl - verkaufen sich stets auf zwei Märkten: dem Wememarkt und dem Publikumsmarkt. Diese beiden Märkte bedingen sich gegenseitig; Medien sind so genannte "Kuppe1produkte" (Kiefer 200,5, 32:1): Das Publikum ist gemeinhin an den Inhalten - dem content - interessiert, aber nicht bereit (oder nicht gewohnt), den eigentlich erforderlichen Preis (nach Kosten) zu bezahlen und nimmt die Werbung als Beiprodukt und Preisminderung ,in Kauf', (Inzwischen sind audt etliche Rezipienten an ihr als zusätzliche Orientierung oder ästhetische Komponente interessiert)
Die Werbung und die inserierenden Anbieter brauchen die Medien als Verbreiter (Distnöuteure) für ihre ,Botsdlaften~ für sie ist das Publikum Adressat Inte ,..,...
Eigene Darstellung
oder Zielgruppe, um durch die Werbung
Kaufhandlungen zu stimulieren oder zumindest imagebezogene Einstellungen zu
lancieren. Die Medienproduzenten bzw. deren Werbe- und Marketingabteilungen erfinden und produzieren Medien, die für die Verbreitung von Werhebotschaften passend sind,. aber um ihrer Inhalte willen gekauft und rezipiert werden. Schon '1926 erkannte der erste deutsche ZeitungswiBsenschaftler, Karl Btlcher (1847-1930), in Leipzig: ",[D]durch die ganze Presse hin [hat] die Zeitung den Ola.rakter einer Unternehmung [...], welche Anzeigenraum als Ware produziert die nur durch einen redaktionellen Teil absetzbar wird" (Bfi.cher 1926, 21).
Ambivalenz: Wirtschafts- und/oder Kulturgut Als weitere Besonderheit der Medien wird betont.. dass Medienprodukte erklärtermaßen nicht nur Wirtsc:haftsgüter smd - also gleich wie alle anderen Waren" wie es meist die Medienökonomie (Beyer/Carl 2008, 12) sieht -, sondern auch Kulturgüter, die zumal in demokratisch verfassten Ländern das Menschen- bzw. Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit und damit eine öffentliche Aufgabe erfüllen. Deshalb werden sie gemeinhin nicht aussdiließlich dem Markt überlassen, sondern stehen unter verfassungsrecht-
Medien intemational- internationale Medienkommunikation
15
licher und (kultur)politischer Obhut und werden finanziell - direkt oder indirekt - unterstützt. In der Bundesrepublik Deutschland ist es der Art. 5 Grundgesetz (GG), fiir Europa gilt die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), in dessen Art. 10, Abs. 1 das Recht auf freie Meinung und auf Information als Konkretisierung der Gedankenfreiheit des Art. 9 EMRK bestimmt ist. Die Vereinten Nationen (UN) haben bereits '948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) beschlossen; in deren Art. '9 Abs. 2 ist das Recht jedermanns auf freie Meinungsäußerung fixiert, das die Freiheit einschließt, ohne Rück-
sicht auf Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut jeder Art in jeder beliebigen Form sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben. Allerdings kommt dieser völkerrechtlichen Regelung im Gegensatz zur europäischen keine unmittelbare, innerstaatliche Rechtswirkung zu. Doch ein Verstoß gegen diese Rechte ist völkerrechtswidrig (Fechner 2003, 528 ff., lio4 ff.). Diese besondere verfassungsrechtliche Position und herausragende Funktionszuteilung werden innerstaatlich, etwa in der Bundesrepublik Deutschland, von etlichen Rechten im einzelnen unterstützt (z. B. Auskunftsrecht der Journalisten gegenüber staatlichen Instanzen, Regelungen für die betriebliche Mitbestimmung [so genannter Tendenzschutz], Urheberrecht, Informantenschutz, steuerliche Vergünstigungen), die hier nicht im Detail dargestellt werden können. Außerdem werden die Marktpositionierung und mögliche -ausdehnung der Medien von Seiten staatlicher Instanzen (etwa dem Kartellamt) überwacht, um bei Fusionen und Übernahmen Monopolisierungen von Märkten zu verhindern und so die Vielfalt inhaltlicher Tendenzen und Meinungen zu gewährleisten. Da der Markt die öffentlichen Aufgaben der Medien nicht allein aufrechterhalten oder bewirken kann, existieren neben den privat-
wirtschaftlichen etliche anders gelagerte Organisations- und Geschäftsmodelle, um seine Konditionen zu disziplinieren oder zu ergänzen: der öffentlich-rechtlicher Rundfunk als staatsferner Gesellschaftsrundfunk mit weitgehender Autonomie, (zivil)gesellschaftlichen Aufsichtsgremien und Gebührenfinanzierung für die Bereitstellung der Rundfunkstruktur, nicht für die konkreten Programme (wie etwa in der Bundesrepublik: ARD und ZDF sowie in Großbritannien: BBq; Staatlich (bzw. von staatlichen Instanzen) organisierte oder weitgehend beeinflusste Medien, vornehmlich ebenfalls beim Rundfunk (wie früher in Frankreich und Italien, aber insbesondere in autoritären oder gar totalitären Regimen) bzw. Teilformen davon, finanziert direkt durch öffentliche Finanzen (wie etwa in Deutschland der Auslandsrundfunk "Deutsche Welle" in Köln
16
Definitionen und Dimensionen
oder die Wochen-Zeitung "Das Parlament" von der Bundeszentrale für politische Bildung) oder indirekt durch Steuernachlässe und Vergünstigungen (wie z. B. geringer Mehrwertsteuersatz bei Büchern); Gemeinnützige Organisationsformen, heute meist zivilgesellschaftlicher Form, etwa durch Stiftungen organisiert, durch indirekte Subventionen und Steuernachlässe von Seiten des Staates begünstigt, wie etwa die public radios in den USA; Privatwirtschaftliche, im klassischen Sinne genossenschaftliche Modelle, ebenfalls zivilgesellschaftlich ausgerichtet, etwa Kollektivbesitz der Rezipienten oder Leser, gefördert durch steuerliche Abschreibungen (wie etwa bei der "taz"). Trotz solcher Organisationsalternativen und Marktreglernents schreiten die internationale Konzentration und Machtzusammenballung bei wenigen großen Konzernen, die sich aller Medienbereiche bemächtigen und auch in anderen Branchen aktiv oder sogar dominant sind, rasant voran; vollständige Daten darüber liegen allerdings nicht vor, so dass hier nur die zehn größten Medienkonzerne der Welt und in Deutschland aufgeführt werden können. Einige von ihnen verfügen weltweit über Budgets in der Höhe von kleineren Nationalstaaten. Dabei sind auch Querverbindungen zu anderen Geschäftssegmenten wie etwa bei Vivendi (Frankreich) zu beobachten. Als Motoren und Moderatoren der Globalisierung haben die Konzerne wirtschaftliche und meinungsbildende Macht. Den aktuellen Herausforderungen, ihre Geschäftssparten der Old Economy mit denen der New Economy, also der so genannten Informations- und/oder digitalen Wirtschaft, zu verbinden, begegnen sie durch Umstrukturierungen, Kooperationen oder Fusionen mit Spezialanbietern (Werbevermarkter) oder gewachsenen Plattformen (z. B. MySpace, YouTube):
Welt-2009
Die zehn gröSten Medienkonzeme in Deutschland - 2009
The Walt Disney Company
BerteLsmann AG
(Burbank/USA) € 25,917 Mrd.
(Gü_loh) € 15,364 Mrd.
Comcast Corp.
ARD
(Philadelphia/U5A) € 25,635 Mrd.
(München/Berlin) €6,385 Mrd.
News Corp. Ltd. (New YorkjUSA) € 21,812 Mrd.
ProSiebenSat.l
Die zehn größten Medienkonzeme der
1.
2.
3.
(Unterföhring) €2,761 Mrd.
Medien intemational- internationale Medienkommunikation
17
4.
Viacom Inc./CBS Corp. (New York/USA) € 19,095 Mrd.
Axel Springer AG (Bedin/Hamburg) €2,612 Mrd.
5.
Tirne Warner [ne. (New York/USA) € 18,487 Mrd.
Georg von Holtzbrinck GmbH (Stuttgart) €2,200 Mrd.
6.
Sony Entertainment (TokyolJapan ) €16,Q89 Mrd.
Huber! Burda Media Holding GmbH &0 Co (Offenburg) €2,078 Mrd.
7.
Bertelsmann AG (Gütersloh/Deutschland) € 15,364 Mrd.
Bauer Media Group (Hamburg) €2,064 Mrd.
8.
Vivendi S. A. (paris/Frankreidt) € 11,954 Mrd.
ZDF (Mainz) €2,049 Mrd.
9.
NBC Universal Ine. (New York/USA) € 11,067 Mrd.
Verlagsgroppe Weltbild GmbH (Augsburg) €1,653 Mrd.
10.
Cox Enterprises lne. (Atlanta/USA) € 10,539 Mrd.
WAZ Mediengroppe (Essen) €1,255 Mrd.
Quelle: IfM'
Offensichtlich ist, dass die deutschen Medienkonzerne weitaus kleiner sind als ihre global operierenden Wettbewerber, obwohl Deutschland der größte Medienmarkt in Europa ist (Berger 2008). Nur die Bertelsmann AG mit ihren Geschäftsfelder RTL-Gruppe, "Direct-Group" (Buch- und Musik-Gubs sowie Online-Shops), Presse (Gruner & Jahr), Arvato (Medien- und Kommunikationsdienstleistungen) und Buch-Verlage (vor allem Random House) kann auf internationalem Parkett mithalten. Kritisch anzumerken ist an dieser Aufstellung, dass die öffentlich-rechtlichen Medienanstalten, die ARD als Arbeitsgemeinschaft öffentlich-rechtlicher 2 "Für das Ranking der weltweit größten Medienkonzerne werden Medienkonzerne als Untemehmen definiert, deren strategischer Fokus auf der Inhalte-Produktion in den Bereichen Print, Tv;. Film und Internet liegt. Da manche US-amerikanische Kabelnetzbetreiber maßgeblich auf die Verbreitung von Programminhalten einwirken und selbst als Inhalteproduzenten auftreten.. finden diese sich im Ranking der Medienkonzeme wieder. Ein gesondertes Ranking berücksichtigt internationale Onlin.e-Konzerne. Datenbanken zu Distributoren wie Te1ekommunikations- und Infrastukturanbietern" Kabeln.etzbetreibem und Finanzinvestoren sind im Aufbau." (zit. Institut für Medien- und Kommunikationspolitik Berlin,. Medien-
datenbank [medadb.eu]).
18
Definitionen und Dimensionen
Rundfunkanstalten mit neun Landesrundfunkanstalten, zentraler Programmplanung und Nachrichtenproduktion in München und Hamburg für das Erste Fernsehprogramm, sowie das ZDF als zentralisierte Fernsehanstalt in Mainz
unter der Obhut der Länder, deren wirtschaftliches Agieren aufgrund ihres öffentlich-rechtlichen Status vergleichsweise beschränkt ist, unmittelbar mit privatwirtschaftlichen Konzernen verglichen und in einem Ranking platziert werden.
1.2
Kultur: Multikulturalität - Interkulturalität - Transkulturalität
Kultur
Was Kultur ist bzw. sein sollte - darüber sind zumal in Deutschland ganze Bibliotheken voll geschrieben worden und werden immer wieder Diskussionen geführt; auch Kontroversen, seien sie unterschwellig oder seien sie explizit,
werden nach wie vor ausgetragen. Normative Maßstäbe (etwa entlang den traditionellen Werten des "Schönen, Guten, Wahren"), überzogene Erwartungen ("Kulturfähigkeit des Menschen'1 und ideologische Setzungen schwingen stets mit. Geschuldet sind sie nicht zuletzt historischen Konstellationen, als euphorische Ansprüche an die so genannte deutsche "Kulturnation" seit Beginn des 19. Jahrhunderts (Romantik), die das Ausbleiben einer Staatsnation bis zur Reichsgründung 1871 und bis zur deutschen Wiedervereinigung im 20. Jahrhundert kompensieren mussten: So wird zu Beginn des 20. Jahrhunderts von konservativer, pessimistischer Kulturphilosophie (z. B. Ferdinand Tönnies [1855-1936], Arnold Gehlen [1904-1976]) der Gegensatz zwischen Kultur - als die geistige, emotionale und idealistische Seite menschlicher Lebenstätigkeit - und Zivilisation - als die technologische, lebenserhaltende und materiell-zweckgebundene Seite - betont und ideologisch aufgeladen (was etwa in angelsächsischen und französischen Sprachräumen unverstanden
bleibt) (Müller-Funk 2010). Die in den 60er Jahren viel beachtete Kritische Theorie der Frankfurter Schule (Wiggershaus 1989) beansprucht für die Kultur das Authentische, Utopische, Aufklärerische und Künstlerische und setzt sie in Opposition zur ideologischen, zweckbestimmten und kommerziellen "Massenkultur" oder auch "Kulturindustriei: wozu sie auch die Medien reclmet: "Die Kulturindustrie hat sich entwickelt mit der Vorherrschaft des Effekts, der handgreiflichen Leistung, der technischen Details übers Wer~ das einmal die Idee trug und mit dieser liquidiert wurde. Indem das Detail sich emanzipierte, war es
Kultur: Multikulturalität - Interkulturalität - Transkulturalität
19
aufsässig geworden und hatte sich, von der Romantik bis zum Expressionismus, als ungebändigter Ausdruck, als Träger des Einspruchs gegen die Organisation aufgeworfen. Die harmonische Einzelwirkung hatte in der Musik das Bewusstsein des Formganzen, die partikulare Farbe in der Malerei die Bildkomposition, die psychologische Eindringlichkeit im Roman die Architektur verwischt. Dem macht die Kulturindustrie durch Totalität ein Ende. Während sie nichts mehr kennt als die Effekte, bricht sie deren Unbotmäßigkeit und unterwirft sie der Formel, die das Werk ersetzt. Ganzes und Teile schlägt sie gleichermaßen [...]" (Horkheimer/
Adorno '969, '33). "Kulturindustrie ist willentliche Integration ihrer Abnehmer von oben. Sie zwingt auch die jahrtausendelang getrennten Bereiche hoher und niederer Kunst zusam-
men. Zu ihrer beiden Schaden. Die hohe wird durch die Spekulation auf den Effekt um ihren Ernst gebracht; die niedrige durch ihre zivilisatorische Bändigung um das ungebärdig Widerstehende, das ihr innewohnte, solange die gesellschaftliche
Kontrolle nicht total war .[...] neu an der Kulturindustrie ist der unmittelbare und unverhüllte Primat der ihrerseits in ihren typischsten Produkten genau durchgerechneten Wirkung. Die Autonomie der Kunstwerke, die freilich kaum je ganz rein herrschte und stets von Wirkungszusammenhängen durchsetzt war, wird von der Kulturindustrie tendenziell beseitigt, mit und ohne den bewussten Willen der Verfügenden" (Adomo '9'70, 60 f.).
In pragmatischer Verallgemeinerung werden heute zur Kultur sowohl die vielfältigen Fähigkeiten des Menschen gezählt, sich an die Umwelt aktiv anzupassen. sie zu gestalten und zu verändern (womöglich sie auch zu bedrohen und zu zerstören), wozu insbesondere die kognitiven, symbolisch-kommunikativen. planerischen. kreativen und handwerklichtechnischen Eigenschaften befähigen, als auch die dabei generierten immateriellen wie materiellen Objektivalionen des menschlichen Handeins gerechnet, die geistigen. symbolischen Produkte wie die physischen. technischen. Die früher ebenso gepflegte Gegenüberstellung von Natur und Kultur wird in einer weitgehend kultivierten. zivilisierten Welt obsolet, sie ist auch unlogisch, "wenn der evolutionäre Schritt der Menschwerdung [als vernunftbegabtes, symbol- und werkzeugschaffendes, sprechendes Wesen] mit der Kulturfähigkeit als natürliche Anlage begründet wird" (Greverus, '98:3,344).
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Definitionen und Dimensionen
Mit der seit den '97"er Jahren wachsenden sozialwissenschaftIichen und auch ethnologische Orientierung der Kulturforschung wird die normative, wenn nicht elitäre Bestimmung von Kultur zunehmend in Frage gestellt; der Kulturbegriff nähert sich dem der Zivilisation immer stärker an: Alltagskultur, Subkultur, Routinen und Gewohnheiten kommen als alternative Begriffe und vor allem Untersuchungsbereiche auf. Kultur wird als reflektierte oder auch habitualisierte Lebensweise begriffen und durch das Schlagwort pragmatisiert, "Kultur ist: WIE man lebt". Vor allem die von Max Weber (1864-1920) begründete, so genannte verstehende Soziologie, die sich auch als phänomenlogische und konstruktivistische versteht, beschäftigt sich mit der Soziologie und Kultur des Alltags (Hammerich/Klein 1978): "Die Aufdringlichkeit und Unausweichlichkeit des Alltags bedingen, dass er als Anspannung und nervenaufreibende Routine empfunden wird. Im Alltag konstituiert sich Gemeinsamkeit in dem Sinn, dass seine Realität auch für den jeweils
anderen eine vergleichbare Gültigkeit beansprucht und sich ihm auf eine ähnliche Weise darstellt" (Weyergraf/Rytlewski. '983, 20).
Entsprechend werden die (Massen)Medien nicht mehr nur als kulturbedrohend oder -zerstörend erachtet, sondern von Seiten der Rezipienten als wichtige Faktoren und Fixpunkte ihrer alltäglichen Kommunikation, von Seiten der Produzenten sogar als kulturelle oder gar künstlerische Produktionen, mindestens als Objektivationen kulturellen Handeins gesehen. Gefragt wird von diesen Perspektiven aus nach den Funktionen und Dysfunktionen, die Medien und ihre Produkte im jeweiligen Handlungskontext wahrnehmen: etwa für das Publikum Funktionen der Information, Orientierung, Unterhaltung, Entspannung, aber auch der Ablenkung, Desorientierung, Illusionierung, Kompensation und des Eskapismus. In den USA (und später auch hier zu Lande) hat sich dafür seit den '970er Jahren (mit früheren Wurzeln bis in die 30er Jahre hinein) eine neue Forschungsrichtung, der so genannte Uses-and-Gratifications-Approach - zu deutsch: Nutzenansatz - herausgebildet, wonach die Medien und ihre Produkte empirisch daraufhin untersucht werden, welche Gratifikationen (Belohnungen) oder zumindest positive Erwartungen sie erfüllen, aber auch welche Enttäuschungen und Fehlfunktionen sie bewerkstelligen (Schenk 2007; Schweiger 2007). Eine sich inzwischen etablierende Medien(kultur)wissenschaft formuliert daher für die "Medienkultur" folgende Erkenntnisperspektiven (gegenüber früheren, eher entgegen gesetzten Wertungen):
Kultur: Multilrulturalität - Interkulturalität - Transkulturalität
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.,Medienkultur lässt sich als ein medienwissensc:haftlidtes Konzept betradrten, zum einen die Medien hinsichtlUh ihrer Kultur bildenden Aspekte und zum anderen die Kultur im Hinbliclc. auf ihre Prägung dunh die Medien und auf ihre mediale Organisiertheit zu erforschen. M[edienkultur] geht bei der Untersuchung der Medialität der einzelnen Medien von der Zeicltenhaftigkeit und der Textualität der Medienprodukte aus. Sie thematisiert ebenso Aspekte der Intermedia1ität wie der Interkulturalität sowie den Umgang seitens der Produzenten wie der Rezipienten mit den Medien..." (Hkkethier 2006, s. 177)
Multikulturalität Je genauer man alltägliche Lebensweisen und -welten (als sinnha:fte Reflexionen alltäglicher Handlungen) betrachtet umso weniger lassen sie sich unter einem Etikett zusammenfassen: die EINE (früher: nationale) Kultur löst sich in viele Nationale Kullur kulturelle Ersdteinungsweisen und -formen auf (auch wenn konservative Politik immer nom an einem einheitlichen Kulturbegriff festhalten will und ihn sogar als "Leitkultur" überhöht): Kinder-, Jugend-, Frauen-, Altenund Migrantenkulturen werden identifiziert, meist auch nom mit weiteren Unterteilungen in diverse kulturelle Milieus. Pauschal lassen sie sich als Multikulturalität bezeidmen. Geschuldet sind ihre Entstehung und AusMullikulturalitat prägung Eigene Darstellung
zum einen der steigenden sozialen und kulturellen Heterogenität in den modernen Gesellschaften und ihrer voranschreitenden Pluralisierung und Individualisierung (Bec:k 1986, 121 ff.), etwa den wachsenden Klüften zwischen Arm und Reich,. zwischen den Generationen" zwischen Bildungse1iten und Bildungsfemen" zwischen den sozialen Schlcltten etc. zum anderen der gestiegenen und weiter steigenden Migration zumal in die reicheren Gesellschaften der nördlichen Halbkugel hinein, wodurch diverse Bevölkerungskontingente unterschiedlicher Religionen, sozialer Entwicldungen und Lebensweisen,. Normen und Werte unmittelbar aufeinander treffen" miteinander, mit einigem Respekt leben müssen" aber sich auch vermischen.
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Definitionen und Dimensionen
Interkulturalität
Innerhalb, aber auch jenseits der nationalen (meist politischen) Grenzen geraten diese Kulturen - genauer: die Individuen und Gruppen mit ihren je-
weils speziellen kulturellen Prägungen - in Kontakt miteinander, tauschen sich untereinander aus, passen sich an oder grenzen sich ab, vollziehen mithin Assimilationen oder Differenzen, die von kulturvergleichenden Forschungen untersucht und begründet wird: Diese Interkulturalität (oder interkulturelle Kommunikation) repräsentiert sich mithin auf zwei Ebenen: auf der ersten als (begrenzt) eigenständige, abgrenzbare und sich selbst identifizierende Kultur und auf der zweiten als vielfältige Kontakte, Dialoge und Annäherungen, aber auch als Behauptungen und Abgrenzungen der einen Kultur von und zu der anderen. Transkulturalität
Solch säuberliche Trennung ist in der Realität unmöglich und widerspricht immer stärker der wachsenden wechselseitigen Durchdringung von Kultur(en), nicht zuletzt durch die immens sich verbreitenden Kommunikationswege und Medien. Deshalb plädieren kulturell forschende Medienwissenschaftler dafür, den Terminus der Transkulturalität zu verwenden. Damit sollen die vielfältige Durchdringungen, ihre mächtige Dynamik und ihre vielfältigen Modellierungen jenseits abgegrenzter, überkommener Kulturverfassungen angezeigt werden: Kultur ist heute wechselseitig beeinflusst, vielfältig, multiethnisch und stark differenziert nach Milieus, Lebensformen und Lebensstilen, die über
Lokalitäten hinweg bestehen, sie ist mediatisiert, vernetzt und spiegelt sich in unzähligen medialen Objektivationen wider (Hepp/Löffelholz, 2002, '4 ff.).
2
Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
2.1
Modernisierung - geschichtliche Entwicklung
Moderne Gesellschaften sind im Wandel, und zwar sicherlich in immer schnellerem Tempo als frühere Formationen, womit bereits eines ihrer essentiellen Kennzeichen beschrieben ist, auf das sich viele Zeitgenossen verständigen können. Denn worin und wohin sich Gesellschaften wandeln, ist nicht so einfach und einhellig zu charakterisieren, ist sogar vielfach umstritten. Und sicherlich lassen sich solche Transformationen nicht einheitlich für alle Länder und sozialen Konstellationen dieser Welt festlegen, zumal sich viele in unterschiedlichen Entwicklungsstadien und historischen Formationen befinden. Als pauschale Metapher lässt sich dafür der Begriff der Modernisierung anführen. Damit ist eine (implizit optimistische) Entwicklungsrichtung angezeigt, mit der einige positive Merkmale assoziiert werden: "Fortschritt der Freiheit" (Georg Wilhelm Friedrich Hegel) Aufklärung (Immanuel Kant, Jürgen Habermas) Technisierung und Verwissenschaftlichung Säkularisierung und Rationalisierung als wachsende Vernunftorientierung (MaxWeber) steigende Produktivität, Rationalisierung im ökonomischen Sinn, Spezialisierung funktionelle Differenzierung und wachsende strukturelle Komplexität (Talcott Parsons) Materialisierung, Ökonomisierung, Bürokratisierung wachsender Wohlstand und steigende soziale Sicherheit (durch Sozialstaat) Dieses insgesamt linear-positive Modell geschichtlicher Entwicklung wird nicht uneingeschränkt geteilt. Ihm gegenüber existiert - allerdings eher im alltäglichen Verständnis - ein vage zirkuläres Modell, das eher kreisförmige Entwicklungen, wenn nicht gar grobe Wiederholungen mindestens in strukturelle Hinsicht unterstellt ("Alles schon mal da gewesen. Kommt alles wieder").
Hans-Dieter Kübler, Interkulturelle Medienkommunikation, DOI 10.1007/978-3-531-92904-0_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
In allgemeinen Begriffen des Wandels gesellschaftlicher Formationen hat sich eingebürgert.. eine fortschreitende Entwicklung von der Agrargesellschaft übe, die Industriegese1lschaft und die DienstIeistungsgesellschaft hin zur Informations- und/oder Wissensgese1lschaft anzunehmen: Techn~ogisierung
und VerwissenschaftJichung
Strukturelle KomplexHAt und funktionale Ausdlrrerenzlerung
Eigene Darstellung
Dabei ist davon auszugehen: Diese Formationen lösen sich nicht sukzessive nacheinander ab, sondern überlappen sich weithin" so dass sich bis gegenwärtig Segmente undIod.er Komponenten jeder Phase in den nächst folgenden finden. Allerdings verändern sich Produktions- und Lebensweisen entsprechend den nachfolgenden Optionen: So gibt es in den hoch entwickelnden Gesellschaften nach wie vor agrarische Selct:oren. Bauern und Produzenten landwirtschaftl:iche:
Produkte, aber sie haben ihre Produktionen weithin durch den Einsatz von Maschinen und rationellen Methoden industrialisiert, chemisiert, nutzen modeme Dienstleistungen und Kommunikationsmöglichkeiten., sind
Modernisierung - geschichtliche Entwicklung
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vernetzt und setzen Mikroelektronik ein. Entsprechend ändern sich ihre Lebens- und Produktionsweisen. Dabei gibt es natürlich unterschiedliche Entwicklungsniveaus, der nostalgische Charme entsteht dort, wo etwa die
Landwirtschaft oder das Handwerk dem generellen Entwicklungsniveau hinterher hinken wie in Europa etwa in den südlichen und östlichen Regionen. Allerdings sind dort die Diskrepanzen zu den hoch entwickelten Zentren und Citys dementsprechend größer als in weitgehend nivellierten Ländern (Castells 2001; 2002; 2003). Für Entwicklungsanstöße und -schübe sind jeweils diverse Faktoren und Ursachen - etwa geografische, klimatische, wirtschaftliche, soziale, kulturell-ethnische, mentale ete. - verantwortlich. Aufgabe der jeweiligen historischen Rekonstruktion und des zeitgenössischen Vergleichs ist es, ihren Anteil und ihre Gewichtung herauszuarbeiten, wobei diese Klassifizierungen nicht zuletzt von den zugrunde liegenden theoretischen Konzepten beeinflusst sind. Als erste Nation, die sich in das Industriezeitalter hinein entwickelte und daher einen vergleichsweise frühen Take-off noch im späten 18. Jahrhundert hatte, gilt England aufgrund seiner Insellage, der Konzentration seiner Rohstoff- und Industriekerne und seines schon früh entfalteten, ansatzweise demokratischen, aber zentralistischen Regimes. Deutschland firmiert infolge seiner kleinstaatlichen Struktur, der Rivalität zwischen Preußen und Österreich, seiner großen rückständigen landwirtschaftlichen Regionen und der einhergehenden feudalistischen Beharrungspotentiale als "verspätete Nation/~ die erst mit der kleindeutschen Reichsgründung 1871 unter Preußens bzw. Bismarcks Führung, also fast 100 Jahre später als Engiand, den Einstieg in die Industrialisierung schaffte. Seit etwa Mitte des 20. Jahrhunderts wird darüber diskutiert, welche gesellschaftlichen Formationen die klassische Industriegesellschaft ablösen bzw. in sich aufheben. Etiketten und Attribute dafür kursieren zuhauf und wechseln auch entsprechend den jeweiligen Konjunkturen. Insbesondere sind von Belang, welche ökonomischen Parameter dafür angelegt werden und wie weit sie exakt zu ermitteln bzw. von einander zu unterscheiden sind; eingebürgert haben sich mindestens zwei Beredmungsmodalitäten,
die auch kombiniert werden können: nämlich welche ökonomischen Sektoren welchen Umsatzanteil zum Bruttoin-
landsprodukt beitragen: neben dem ersten Sektor, der Landwirtschaft, und dem zweiten, der klassischen Industrieproduktion, ist als dritter der der Dienstleistungen (mitunter als vierter der der Information- und Wissensproduktion) ausgewiesen worden;
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
•
in welchen der ökonomischen Sektoren wie viele Menschen gewerblich beschäftigt sind und ihren Lebensunterhalt dort verdienen; damit zusammenhängend auch: welche Berufe bzw. Professionalisierungen überwiegen und wie die Qualifikationen bzw. die Arbeitskrä:ftepotentiale dafür aussehen.
Der grobe Trend lässt sich - ungeachtet der jeweiligen Entwicklungen in einzelnen Ländern. Nationen und auch Branchen - so darstellen:
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Entwicklung von der Agrar- zu r Informalionsgesell schafl und e p<x;hale Umwälzunge n _ Besc häftigun gsve rteilun g
Quelle: Müllert 19ß2,. ,51
Je nach solchen Berechnungen sind Gesellschaften wie die USA,. Japan oder auch andere schon in den 19,5Oer Jahren als Dienstleistungsgesellschaften definiert worden,. weil etwa der Großteil des Bruttoinlandsprodukts :nicht mehr in den traditionellen Industrien erwirtschaftet wird und/oder weil die Mehrheit der Beschäftigten in Dienstleistungsunternehmen arbeiten. Doch die dafür
Modernisierung - geschichtliche Entwicklung
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angewendeten Kriterien sind nie ganz eindeutig gewesen und einhellig akzeptiert worden; außerdem sind immer wieder spezielle Entwicklungen zu konstatieren, weshalb solche Kategorisierungen stets umstritten sind (Kübler 200<}).
Angesichts der fortschreitenden Rationalisierung der Produktion durch Mechanisierung, Chemisierung, Automatisierung und endlich Computerisierung, also angesichts der Erhöhung der Produktivität durch den immer geringeren Einsatz menschlicher Arbeitskraft, des so genannten Humankapitals, ist auch wiederholt die Frage gestellt worden, ob der Menschheit, mindestens der in den hoch entwickelten Gesellschaften, die gewerbliche, ökonomisch relevante und/oder bezahlbare Arbeit ausgeht, die Tendenz zu mehr Freizeit und Muße gehe, mithin eine Freizeitgesellschaft entstehe. Die andauernden hohen Proporionen (gewerblich) arbeitsloser Menschen. die in jeder konjunkturellen Krise ansteigen und damit eine unausweichliche, strukturelle Arbeitslosigkeit darstellen, deuten in diese Richtung. Auf der anderen Seite bleiben viele gesellschaftlich notwendige Arbeiten - etwa in der Bildung, sozialen Betreuung, Pflege, in Naturschutz, Gesundheit und Kultur - ungetan, weil die Gesellschaften in ihrer gegenwärtig wirtschaftlichen Verfasstheit nicht in der Lage sind, diese Arbeiten in den ökonomischen Wertschöpfungskreislauf produktiv zu integrieren. Deshalb favorisieren viele theoretische Konzepte vagere Begriffe wie post- oder nachindustrielle Gesellschaft. Damit zeigen sie nur Fortentwicklungen über die klassische industrielle Phase (also etwa von 1800/50 bis 1950) hinaus an, ohne sich festzulegen, welche Richtung sie nimmt. In der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008/09 sind die wirtschaftlichen Potentiale der materiellen Industrieproduktion - nun also Realwirtschaft gekennzeichnet - gegenüber den nur immateriellen Wertschöpfungen von Finanz- und Informationswirtschaft sogar wiederentdeckt und aufgewertet worden, weshalb die zuvor vielfach gehätschelten Attribute und Prognosen einer mehr und mehr virtuellen Wertschöpfung ins Hintertreffen geraten. Dienstieistungs- und/oder Informationsgesellschaft Seit der Expansion von Mikroelektronik, Computer und Netzwerken ist der Begriff der Informationsgesellschaft aufgekommen. Ihren semantischen Ursprung nimmt sie nicht ohne Grund in Japan schon in der Mitte der 1960er Jahre. Dort beschrieb Tadao Umesao den soziologischen Wandel in Analogie zur Evolution, in einer Art Stufentheorie. Auf der dritten Stufe erfolgt nach Agrarkultur und Industrie die "Industrialisierung des Geistes'~ bei der die Gestaltung und Verbreitung von Symbolen - nicht zuletzt durch modeme Massenmedien wie Radio, Fernsehen und neue Informationstechnologien - zur
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
zentralen gesellschaftlichen Aktivität und zum Leitprinzip der Gesellschaft avanciert. Dieses Stadium kennzeichnet er mit dem Begriff "Joho Sangyo Ron" (Informationsindustrie[n]), der in den folgenden Jahren in Japan einige Male aufgegriffen und auch in empirischen Studien illustriert worden ist, aber über Japan hinaus noch kaum Resonanz gefunden hat. Kohyuma erweiterte das Konzept - auch in Kenntnis der amerikanischen Debatten um die post-industrielle Gesellschaft - und kreierte nun "Johoka Shakai" (Informationsgesellschaft) als "eine Gesellschaft, die aus der Industriegesellschaft entsteht, aber durch eine Informationsrevolution und die zentrale Bedeutung der Informationsverarbeitung gekennzeichnet ist" (Hensei 1990, 48). Dabei fokussiert man sich vor allem auf die technologischen Entwicklungen, wie sie besonders mit der Mikroelektronik und der Computertechnologie vorangetrieben werden, sowie auf die einhergehenden Veränderungsprozesse und auf wirtschaftliche Potentiale. Einen Wandel in eine neue Form von Dienstleistungs- oder gar Freizeitgesellschaft (wie anderswo) erwartet man nicht, vielmehr betont man die Rationalisierung von Arbeit und die Einsparung von Energie, ohne dass industrielle Produktion und Arbeit ihren vorherrschenden Stellenwert verlieren würden (Steinbicker 2001, 18). 1980 nimmt Youichi Ito den Begriff "Johoka Shakai" erneut auf und ergänzt ihn um aktuelle Tendenzen. etwa durch die differenziertere Betrachtung der Segmentierung von Information, die durch die Expansion und Diversifizierung der Massenmedien entsteht bzw. ermöglicht wird. Seither kursiert der Terminus international, inspiriert und legitimiert viele industriepolitische Programme und veranlasst auch die Vereinten Nationen und ihre Untergliederung UNESCO auf so genannten "information summits" in Genf (2003) und in Tunis (2005) die Teilhabe aller Menschen an den Optionen der Informationstechnologie zu fordern und Benachteiligung unter dem Schlagwort des "digital divide" (Marr/Zillien 2010) einzudämmen (www.itu.int/wsis/index. html) (siehe auch unten).
2.2
Globalisierung - Globalität - ,Glokalisierung' - Globalismus
Ebenfalls seit den 1980er Jahren verbreitet sich das Schlagwort von der Globalisierung (eng!. "gIobalization"), das sowohl positiv besetzt ist, nämlich als wachsende Interaktion oder gar Integration der Welt mindestens in wirtschaftlicher Hinsicht, aber auch darüber hinaus, als es auch negativ (von Globalisierungsgegnern) verwendet wird, nämlich als steigende wirtschaftliche Dominanz der hoch entwickelten Länder und damit als wachsende Abhängigkeit, wenn nicht
Globalisierung - Globalität - ,Glokalisierung' - Globalismus
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Ausbeutung der ärmeren Regionen und Länder durch Intensivierungen und Effizienzsteigerungen der finanziellen und ökonomischen ,world govemance'. Vorläufer des Begriffs lassen sich bereits seit Mitte des 20. Jahrhunderts finden: Erstmals im wirtschaftswissenschaftlichen Sinn soll ihn Theodore Levitt (1925-2006), ein deutscher Emigrant und ehemaliger Professor an der Harvard Business School, '98:3 in dem Artikel" The Globalization ofMarkets" in der Harvard Business Review gebraucht haben. In den öffentlichen Debatten wird er vielfach eindrucksvoll, aber analytisch unscharf mit dem der Informationsgesellschaft verknüpft, um damit noch kraftvoller das vorgeblich Neue der gegenwärtigen Entwicklung zu unterstreichen. Doch trotz aller verbaler Emphase (oder vielleicht gerade deswegen) "existiert [bis heute] weder über den konkreten Inhalt dieses so prominenten Konzeptes, noch über die Ursachen oder Konsequenzen der damit bezeichneten Phänomene Einigkeit" (Beisheim/Walter '997; '53; Betz 2005, 8). Vielmehr werden jeweils nach Belieben diese oder jene Entwicklung, diese oder jene Novität, aber auch dieses oder jenes Problem und dafür jeweils mehr oder weniger stichhaltige und plausible Indikatoren angeführt. Einige seien aufgezählt: Primär wird unter Globalisierung die wachsende wirtschaftliche Verflechtung, also der gestiegene Austausch von Kapital, Investitionen, Waren und auch Arbeitskräften verstanden, allerdings vorzugsweise zwischen den westlichen Staaten und denen der nördlichen Halbkugel, also der entwickelten Industrieländer und den so genannten Schwellenländern, wie sie etwa in der WTO, der OECD und der EU organisiert sind. Die südlichen und armen Länder sind darin meist nicht einbezogen, mindestens kaum mehr als früher. Diese Prozesse sind aber auch schon in den 1960er Jahren registriert und damals unter dem Begriff der (wachsenden) Interdependenz beschrieben worden: Manche Forscher weisen auch darauf hin, dass es sich um einen kontinuierlichen Prozess handelt, den man seit der Entdeckung Amerikas und der anschließenden kapitalistische Durchdringung der Welt beobachten kann (Scholte 2000), mithin Globalisierung prinzipiell nichts abrupt Neues darstellt. Allenfalls das Tempo und die Intensität der Integration haben sich in besagten Regionen und in bestimmten Sektoren erhöht. Die Fokussierung auf die Wirtschafts- und Warenverflechtung ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass für diese Interaktionen harte, einigermaßen verlässliche Daten über längere Zeiträume vorliegen, die man unschwer vergleichend in ihren EntWicklungen aufeinander abbilden kann. Dazu gehören etwa:
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung • • • • • •
Wachstum des Welthandels Wachstum der ausländischen Direk:tinvestitionen Zunahme globaler Untemehmenskooperationen Zunahme der Global Players (Transnationale Konzerne. TNK) Globalisienmg der Finanzmärkte Ungleidwerteilung globaler Res80U1'CE!11 (als eine der Ursachen des globalen HoruIe1.). Weltwirtschaftswachstu m
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aU8: Wildpedia (Nutzungsredrte eingeräumt) Legende: Rew.es Wachstum der We1twirtsdulft von 19SO-2OO6, Prognose von 2OO'J bis 2012 (schwarze Unie: 5-jahrlid\er laufender Durchschnitt)
Als wirksame Faktoren der Beschleunigung und Verdichtung globaler Beziehungen werden die elektronischen Informations- und Kommunikationstedmiken erachtet, die auch als Mechanismen globaler Vemetzung apostrophiert werden. Sie bewerkstelligen den ständigen, rasanten Austausch von Daten und. Informationen. worin vielfach die wirtschaftlichen
Giobalisierung - Globalität - ,Glokalisierung' - Globalismus
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Interaktionen heute bestehen: Kapital und Geld haben sich längst in virtuelle Werte verwandelt, mit denen die Finanzmärkte beschickt, Investitionen getätigt und Rechnungen beglichen werden. Innovationen, Baupläne und Anleitungen zirkulieren als so genannte ,Blaupausen' um den Globus, wissenschaftliche Erkenntnisse und Innovationen werden ebenfalls als E-Papers verbreitet, Verträge und Kooperationsvereinbarungen werden
am Bildschirm oder via Live-Video-Konferenz abgeschlossen. Die Medien selbst, ihre Programme und Inhalte, sind zu globalen Waren geworden, die sowohl auf dem Medien- als auch auf dem Werbemarkt gehandelt werden. Daher agieren in diesen Branchen mächtige, multimediale und global agierende Konzerne, die großenteils die globale Medienkultur mindestens in ihrem maßgebenden Mainstream verkörpern und bestimmen.
Aus eher soziologischer Sicht wird gefragt, wie sich im Zuge der Globalisierung diverse Verteilungen neu ausrichten: etwa die der natürlichen Ressourcen und ihrer Ausbeutung, die Teilhabe an den Entwicklungsoptionen (etwa der Verteilung von Kapital und Investitionen, des Handels, der Verkehrsströme, des Aufbaus der Infrastruktur, des Bildungs- und Gesundheitssystems, des Profitierens von öffentlichen wie privaten Entwicklungsprogrammen), aber auch die Betroffenheit und die Verschärfung von globalen Risiken (wie die des Klimawandels, der Vernichtung natürlicher Ressourcen), das Bevölkerungswachstum, die Migration (vor allem von Arbeitskräften), die Involvierung in Krisen und Kriegen und die Verteilung des allgemeinen Wohlsstands, und zwar in Weltmaßstab wie auch innergesellschaftlich. Aus all diesen Indikatoren werden sowohl die Positionen wie die Entwicklungschancen einzelner Länder und Regionen mit den bekannten Klassifikationen nach (höher entwickelten) Industrie-, heute auch Informationsgesellschaft, Schwellenland, unterentwickeltes Land (früher "Dritte Welt") errechnet sowie Chancen des Tempos und der Richtung der Entwicklung prognostiziert. Dabei steht schon lange fest, mindestens seit dem ersten Bericht des Club of Rome über die "Grenzen des Wachstums" von 1972 (MeadowslMeadows 1972; 1973), dass für die zeitgemäße Klassifizierung eines Landes und die Bestimmung seines Wohlstandes allein harte ökonomische Indikatoren wie die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts und die bloßen Wachstumsraten nicht mehr ausreichen, ja sogar verzerrte Repräsentanzen erzeugen.
Noch vager bzw. ,weicher' sind Aspekte der symbolischen und kulturellen Integration von Welt, wie sie bereits mit den Begriffen der Inter- und Transkulturalität angesprochen worden sind. Längst berichten die Medien
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung weltweit über aktuelle Ereignisse, wenn auch - wie etwa die internationale Nachrichtenforschung und ihre Identifikation von Nachrichtenfaktoren zeigt (Schulz 2009) - mit deutlich unterschiedlichen Gewichtungen, was die Aufmerksamkeit für Regionen, Themen und Personen anlangt. Wie selbstverständlich beziehen wir Nachrichten und Reports aus den entlegensten Winkeln der Erde in unser Alltagsdenken ein, freuen uns oder leiden mit den globalen Stars aus allen Sparten des Showbusiness und anderen celebrities; wir haben vielfach bizarre Detailkenntnisse über dieses und jenes, breit verstreut auf der Welt, und ,kennen' uns aus über dieses und jenes,
oftmals mehr als über die Dinge und Prozesse, die in unsere unmittelbaren Umgebung existieren und passieren. Wir leben gewissermaßen bereits in einer "wahrgenommenen, reflexiven WeltgesellschaftlI, die der Münchener Soziologe UIrich Beck "Globalität" (Beck 1997, 28) nennt und als "Vielheit ohne Einheit" umschreibt: "transnationale Produktionsformen und Arbeitsmarktkonkurrenz, globale Berichterstattung in den Medien.. transnationale Käuferboykotts, transnationale Lebensformen, als ,global' wahrgenommene Krisen und Kriege, militärische und friedliche Nutzung von Atomkraft, Naturzerstörung usw. a11 dies (und vieles andere) seien Phänomene der IIGlobalitäe', die empirisch in die Frage gewendet werden müsse, "wie und inwieweit die Menschen und Kulturen der Welt sich in ihren Differenzen aufeinander bezogen wahrnehmen und inwieweit diese weltgesellschaftliche Selbstwahrnehmung verhaltensrelevant wird" (Ebd.). 1L
-
Just das Wechselspiel zwischen Vielheit, Differenz, Vereinheitlichung oder gar Hegemonialisierung beschreibt das zentrale Problem der vergleichenden Kulturforschung: Angeprangert wird auf der einen Seite die wachsende Dominanz einer indifferenten, wohlfeilen, globalen Kommerz-Kultur, die um des Profits und der breiten Akzeptanz willen auf Show, Effekte, Skandale, Sensationen, Seichtheit, Trivialität und billige Angepasstheit setzt und oft mit Pars-Pro-Toto-Schlagwörter wie Boulevardisierung (angemessener: Broadwayisierung, McDonaldisierung, Musicalisierung etc.)
illustriert wird. Auf der anderen Seite wird - etwa oft von der Grass-RootPerspektive aus - davon geschwärmt, dass gerade mit den interaktiven, weltweit nutzbaren Medien (z. B. Samisdat-Zeitungen, Piratenradios, Blogs, I-Pods) autochthone, originäre, oft randständige oder marginalisierte Kulturen über ihr internes Fortbestehen hinaus die Chance bekämen, sich via MedienöffentIichkeit, Web und anderen nicht kommerziellen Kanälen
Mediengesellschaft - Informationsgesellschaft - Wissensgesellschaft
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Gehör und Gesicht zu verschaffen und dadurch ihre kreative Andersartigkeit beleben und verbreiten zu können (Neuberger/Quandt 2010). Dieser gleichzeitige (dialektische) Prozess wird auch mit dem Schlagwort der GlokalisieTung (Beck '997, 90) bezeichnet: Mit den entstehenden transnationalen, sozialen Bindungen und Räumen werden zugleich lokale Kulturen in der "globalen Medienkultur" (Hartmann 2006) überhaupt erst wahrnehmbar und aufgewertet (Beck '997, 30). Dazu das jeweils passende politisch-strategische Handeln ("think global, act loeal") zu entwickeln, um das "Lokale als Aspekt des Globalen" zu verstehen (Ebd.) und nicht nur einer simplen anti-globalistischen Aversion zu verfallen" die die Globalisierung für alle negativen Entwicklungen anklagt und die Beck als "Globalismus" geißelt, darum bemühen sich zahlreiche, so genannte zivilgesellschaftliche Initiativen und Gruppen. Denn ",Globale Kultur' kann nicht statisch, sondern nur als ein kontingenter und dialekti-
scher (und gerade nicht ölronomistisch, auf seine scheinbar einsinnige Kapitallogik reduzierbarer) Prozess verstanden werden - nach dem Muster ,Glokalisierung", in dem widersprüchliche Element in ihrer Einheit begriffen und entschlüsselt werden.
In diesem Sinne kann man von Paradoxien ,glokaler' Kulturen sprechen" (Beck 19'17,91).
2.3
Mediengesellschaft - Informationsgesellschaft Wissensgesellschaft - Netzwerkgesellschaft "Die Zukunft ist negativ besetzt; an der Schwelle zum 21. Jahrhundert zeichnet sich das Schreckenspanorama der weltweiten Gefährdung ab: die Spirale des Wettrüs-
tens, die unkontrolIierte Verbreitung von Kernwaffen.. die strukturelle Verarmung
der Entwicklungs1änder, Arbeitslosigkeit und wachsende soziale Ungleichgewichte in den entwickelten Ländern, Probleme der Umweltbelastung, katastrophennah operierende Großtechnologien geben die Stichworte, die über Massenmedien ins öffentliche Bewusstsein eingedrungen sind. Die Antworten der Intellektuellen spiegeln nicht weniger als die der Politiker Ratlosigkeit. Es ist keineswegs nur Realismus, wenn eine forsch akzeptierte Ratlosigkeit mehr und mehr an die Stelle von zukunftsgerichteten Orientierungsversuchen tritt. Die Lage mag objektiv unübersichtlich sein. Unübersichtlich ist indessen auch eine Funktion der Handlungsbereitschaft, die sich eine Gesellschaft zutraut. Es geht um das Vertrauen der westlichen Kultur in sich selbst" (Habermas 1985, 143)'
Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
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So diagnostiziert der letzte Vertreter der Kritischen Theorie, der im Jahre 2009 80 Jahre alt gewordene Philosoph, Jürgen Habermas, die allgemeine Lage und Stimmung bereits 1984 und nennt sie die "neue Unübersichtlichkeit" (Habermas '985). Sie dürfte seither nicht geringer geworden sein, selbst wenn sich einige Entwicklungen nach der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts anders darstellen und andere wie illrich Beck (1997) selbstgewiss, aber ebenso vage vom Aufbruch in die "Zweite Moderne" bzw. in die "reflexive Modemisierung" schwärmen und damit die Überwindung der Ersten, also der Industrialisierung mit all ihren positiven, aber auch negativen Folgen, avisieren.
Anschaulicher ist es, wenn man dem anhaltenden Wandel mit all seiner Rasanz und Komplexität ein scheinbar generalisierbares Etikett zuschreibt, das gewissermaßen als Paradigma steht. Meist wird allerdings nicht der Beweis dafür angetreten, wie paradigmatisch dieses Attribut tatsächlich ist. Einschlägig sind etwa die Bezeichnungen: Mediengesellschaft Informationsgesellschaft Wissensgesellschaft Netzwerkgesellschaft (sieht man von anderen wie Dienstleistungs-, Konsum-, Erlebnis- und/oder Risikogesellschaft ab). Die genannten sollen kurz porträtiert werden: Mediengesellschaft Seit etwa den 1980er Jahren - in Deutschland tobte gerade der Streit um die Verkabelung der Republik und die Einführung des privatkommerziellen Rundfunks (Hörfunks und Fernsehens) - findet der Begriff der ,Mediengesellschaft' "unter dem Eindruck eines international sich abzeichnenden entsprechenden Gesellschaftswandels" - so der Schweizer Kommunikationswissenschaftier illrich Saxer (1998, 532) - "zumindest in mit Medien stärker befassten Fachkreisen" Eingang, muss sich aber gegen andere ebenso totale Charakterisierungen wie "Freizeitgesellschaft" (Horst W. Opaschowski '983), "Erlebnisgesellschaft" (Gerhard Schulz '992), "Risikogesellschaft" (illrich Beck 1986) oder auch "Informations-" und/oder "Kommunikationsgesellschaft" (Steinbicker 2001) behaupten. "Mediengesellschaften# - so "in einem ersten terminologischen Zugriff" - sind "moderne Gesellschaften", I,in denen Medienkommunikation, also über techni-
Mediengesellschaft - Informationsgesellschaft - Wissensgesellschaft
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sehe Hilfsmittel realisierte Bedeutungsvermittlung, eine allgegenwärtige und alle Sphären des gesellschaftlichen Seins durchwirkende Prägekraft entfaltet, ein so genanntes soziales Totalphänom.en (Marcel Mauss) geworden ist Medienkommunikation tritt in diesen auf drei Ebenen auf: nämlich erstens gesamtgesellschaftlich, namentlich auf der Ebene der Institutionen (Makrolevel), zweitens auf der Ebene der Organisationen (Mesolevel) und drittens auf der Ebene der konkreten individuellen und kollektiven Vennittlungsprozesse (Mikrolevel). Sie ist zudem nationalwie weItgesellschaftlich präsent und entwickelt überall dort ein überaus vielfältiges Leistungsvermögen" (Saxer '99B, 533)'
Die Allgegenwart der Medien und ihre Durchdringung aller Lebensbereiche, von der Arbeitswelt bis zum privaten Heim, von der Politik bis zur Wirtschaft,
vom Sport bis zur Kultur, werden inzwischen mit den künstlichen Termini Medialisierung und/oder Mediatisierung gefasst, wobei man sich in der Verwendung der beiden bekanntlich uneins ist: Als Medialisierung bezeichnet W. Schulz (2008, 3'). "Veränderungen. die auf eine Wechselwirkung zwischen dem Wandel der Medien und dem gesellschaftlichen Wandel zurückgehen". Und er hält diesen Begriff für besser als den der Mediatisierung, weil er "exklusiver" sei, "also nicht in dieser oder ähnlicher Form in anderen fachlichen bzw. wissenschaftlichen Zusammenhängen vorkommt" (Ebd., S. F; siehe auch Meyen 20"9)' Für die Medialisierung politischer Handlungsfelder wird auch noch das Attribut Mediendemokratie oder auch - polemisch - Mediokratie verwendet (Meyer 2001; Schuster 2004; Marcinkowski/pfetsch 20"9). Im Einklang mit dem englischen Gebrauch - mediation, mitunter auch Mediatization - bevorzugen andere Autoren den Begriff der Mediatisierung für dieselben Phänomene; der Erfurter, jetzt Bremer Kommunikationswissen-
schaftIer F. Krotz (200]) hat dazu mehrere Studien vorgelegt. Sie verdeutlichen erneut, dass sich mediale, digitale Strukturen in sämtliche Lebensbereiche eingraviert und diese partiell neu strukturiert haben und dies auch weiterhin tun. Umgekehrt machen sich die Menschen die digitalen Optionen nach ihren Bedürfnissen und in den jeweils anliegenden Situationen so zu Nutze, dass sie oftmals ihren ursprünglichen Charakter und ihre von außen implementierten Funktionen erweitern, zumindest differenzieren. Daher lassen sich Alltag und menschlichen Beziehungen fast kaum noch ohne mediatisierte Transformationen vorstellen, weshalb auch von so genannten "Domestizierungsprozes-
sen" (in nicht ganz glücklicher deutscher Übersetzung gesprochen wird [Röser wO]; Röser u. a. 2010]).
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
Krotz plädiert dafür, die alten Konzepte der Kommunikation und Medienrezeption zu verabschieden, und schlägt daher folgende Dreiteilung von Kommunikation vor:
1. mediatisierte interpersonale Kommunikation: Bei ihr kommunizieren zwei Menschen medial vermittelt miteinander, etwa per SMS und Instant Messenger, per Bildtelefon (Handy), Skype, E-mails oder im Intemetchat. Diese Kommunikationsformen ermöglichen, dass Menschen über Raum und (geringe) Zeit hinweg ,Gespräche' führen, auch wenn sie gegenüber der unmittelbaren personalen Kommunikation Wahrnehmungseinschränkungen in Kauf nehmen oder spezifische Ausdrucksformen wie die Schrift entwickeln müssen.
2. Kommunikation mit Massenmedien: Hier produzieren im allgemeinen mehrere - in der Regel dafür professionalisierte - Menschen im Rahmen eines Unternehmens Medieninhalte (Content), die als allgemein adressierte, standardisierte Kommunikate präsentiert und von so genannten Publika rezipiert werden. Der Terminus Massenkommunikation trifft allerdings nicht mehr die zunehmend differenzierten Vorgänge der Aneignung und Rezeption, die selbst Modalitäten inter- und intrapersonaler Kommunikation generieren. Außerdem fächern sich die Trägermedien insofern weiter aus, als
auch die digitalen wie Internet, Handy, MP3 dafür genutzt werden können. Dabei geraten die klassischen Medien wie Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk, Film und Fernsehen in neue Kontexte oder sogar in Metamorphosen wie all die so genannten E- bzw. OnIine-Versionen illustrieren. Online-Zeitungen beispielsweise haben längst ein anderes Aussehen, andere Formen, aber auch andere Inhalte, bieten andere, zumal vielfältigere Nutzungsformen, verändern und beschleunigen den Nachrichtenfluss und verknüpfen sich noch enger mit zusätzlichen, eigentlich supra-medialen Offerten wie Werbung, Konsum, Tourismus, Partnerschaft, Spiel etc. Für diese vielfältigen Mixturen schlägt Krotz den Oberbegriff allgemein adressierte, standardisierte Kommunikation vor, der freilich auch nur diverse Segmente, beileibe nicht das vielfältige Gesamt umfasst. 3. Die dritte, im wesentlichen neue Kommunikationsform, die durch die Digitalisierung und Vemetzung ermöglicht wird, bezeichnet Krotz als interaktive Kommunikation. (Auch diese Bezeichnung befriedigt nicht, ist doch jede Kommunikation auf die eine oder andere Weise, gänzlich oder eingeschränkt interaktiv, d. h. symbolisches Handeln zwischen Kommunikationspartnern, weshalb manche Definitionen von Kommunikation
Mediengesellschaft - Informationsgesellschaft - Wissensgesellschaft
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Interaktion als eines der essentiellen Merkmale von Kommunikation erachten [Merten 1977, Kübler 2003]) Gemeint ist medial ermöglichte Interaktion, damit eigentliche parasoziale Interaktion - vor allem im Vergleich zur direkten, sinnlich vielfältig realisierbare Interaktion/Kommunikation. Sie simuliert solche Interaktionen, indem der User mit technischen Geräten und deren Programmen (sowie den - möglicherweise - dahinter agierenden Individuen) handeln, eingreifend kommunizieren kann, wie dies etwa beim Computerspiel der Fall ist: "Interaktive Kommunikation lässt sich [...] als Simulation eines Gesprächs [oder einer Handlung, HDK] begreifen, in der Computer und Mensch zusammenwirken und wechselweise präsentative und rezeptive Beiträge leisten - wobei man allerdings nicht sagen kann, dass der Computer etwas ,verstehe oder etwas ,präsentieren will~;
seine Antworten werden nur so interpretiert" (Krotz 2007, 8 f.). Offensichtlich sind aII diese Begriff1ichkeiten noch nicht trennscharf und valide genug, entsprechend haben sie sie auch nicht völlig durchgesetzt. Und ständig werden neue generiert bzw. eingeführte neu besetzt. Sie alle signalisieren eher das Bemühen der Kommunikationswissenschaft, die sich mit Digitalisierung und Vernetzung ergebenden Fusionen und Konvergenzen, Überlappungen und Ausdifferenzierungen der ehedem klar separierten Medien mit einigermaßen eindeutig zuschreibbaren Funktionen und Nutzungsformen eher tentativ denn kategorial zu klassifizieren und theoretisch abzuklären, wobei die schnellen, auch unübersichtlichen technischen Entwicklungen stets zu neuen Einordnungen und funktionellen Attributierungen zwingen (SchweigerIBeck 2010). Informationsgesellschaft Wie unter 2.1. schon angerissen, hat der inzwischen inflationär gebrauchte Begriff der "Informationsgesellschaft" verschiedene semantische und analyti-
sche Wurzeln und rekurriert auch in seinen diversen Ursprungsregionen - vor allem Japan, USA, Frankreich, Großbritannien, Deutschland - auf verschiedene Entwicklungen der jeweiligen Wirklichkeit, wobei jeweils (informations-) technologische Komponenten und die (einhergehenden) Veränderungen der gesellschaftlichen Arbeit - allerdings mit unterschiedlicher Bewertung - maßgeblich sind. In Sozialwissenschaften und Ökonomie machen schon Anfang der 1960er Jahre Zeitdiagnosen auf den Strukturwandel in der Beschäftigung, den Qualifikationsanforderungen und auf die Entstehung einer so genannten "Infor-
Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
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mationswirtschaft" aufmerksam. In seiner Pionierstudie The Production and Distribution of Knowledge in the United States (1962) sucht der österreichischamerikanische Ökonom Fri12 MachIup (1902-1983) das ökonomische Potential der sich anbahnenden "Wissenswirtschaft" anhand ihres Anteils am Bruttosozialprodukt ("industry approach") und an den Beschäftigten ("oeeupation approach aufzuzeigen - zwei Parameter, die seither immer wieder für die Relevanz und das Wachstum des so genannten quartären Sektors herangezogen werden. Für Machlup zählt dazu die gesamte Produktion und Vermittlung von Wissen, von der Erziehung in der Familie, der Ausbildung in Betrieben bis hin zu sämtlichen Bildungsanstalten, Forschungsinstituten, Kommunikationsmedien, aber auch Druckereien, Informationstechnologien und -dienstleistungen. Für die empirische Analyse unterteilt er zwischen den Informationsproduzenten ("transformers, transporters, processors, interpreters, analysers, and original ereators of communication of all sorts") und ll
)
den Informationsnutzern, worunter er nur solche Berufe fasst, deren Tätigkeit
hauptsächlich darin besteht, Information zu (be)nutzen und zu verbreiten. Darunter rechnet er auch Postboten, nicht aber Ärzte, womit auf einige Abgrenzungsprobleme hingewiesen ist. Für die USA kalkuliert er, dass bereits 1958 29 % des Bruttosozialprodukts auf die gesellschaftlichen Aufwendungen für Wissen entfielen. Im Jahre 1900 rechnen erst 11 % der Beschäftigten zu den so genannten wissensproduzierenden Berufen, 1959 bereits 32 %. Allerdings unterstellt MachIup keinen gründlichen Strukturwandel, sondern will nur den Anteil und Beitrag der Wissenswirtschaft in Relation zu den anderen Sektoren messen. Die gründliche Transformation diagnostizieren dann Daniel Bell (1919-2011) und Peter F. Drucker (1909-2005) in den 1960er und 197"er Jahren, die Machlups Arbeit als Quelle für empirisches Material heranzogen. Auch in den 197"er Jahren überarbeitet Mare Porat in seiner Dissertation (1976) den Ansatz MachIups und führt in Kooperation mit Michael R. Rubin eine umfangreiche Studie zur US-amerikanischen Wirtschaft mit der Fragestellung durch, welchen Anteil der nationalen Wertschöpfung die Produktion, Verarbeitung und Distribution informationsartiger Güter und Dienstleistungen generieren (PoratIRubin 1977). Dabei werden im Gegensatz zu Machlup nur Tätigkeiten und Aktivitäten berücksichtigt, die sich eindeutig als ökonomische bemessen lassen, so dass die Erziehungsarbeit der Eltern, aber auch die Weiterbildung von Arbeitskräften unbeachtet bleiben. Außerdem wird neben der eigentlichen Wissenswirtschaft, die als 11primärer Informations-
sektor" firmiert und die unmittelbare, auf dem Markt gehandelte Produktion und Vermittlung von Information und Wissen umfasst, ein "sekundärer In-
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formationssektor" vorgeschlagen, der all die informationsbezogenen Aktivitäten einschließt, die innerhalb anderer Branchen geleistet werden. Dazu zählt beispielsweise Marketing und Werbung in der Konsumindustrie. Nach PoratlRubin ('977) lassen sich '967 46 Prozent des US-Bruttosozialprodukts dem gesamten Informationssektor zurechnen, dabei entfallen 25 Prozent auf den ersten und 2.1 Prozent auf den sekundären Informationssektor, wobei die Grenzziehung nicht immer eindeutig ist. Immerhin folgern die Autoren daraus, dass die USA schon damals eine informationsbasierte Wirtschaft haben. Allerdings lösen sich die Prognosen über das künftige Wachstum sowohl von Machlup als auch von Porat/Rubin in den folgenden Jahren nicht uneingeschränkt ein: Seit den '97"er Jahren bis Mitte der '9Boer Jahren, so eine Nachfolgestudie von M. R. Rubin und M. T. Huber ('986), ist die Wissensökonomie laut Machlup nach einem kurzen Anstieg nicht mehr weiter gewachsen. Der "primäre Informationssektor" nach Porat/Rubin (''D7) muss zwischen '967 und '972 sogar einen - wenn auch geringfügigen - Rückgang verzeichnen (Rubin! Taylor '98,). Dennoch hat sich das Konzept, einen Informationssektor auszuweisen, dafür den Anteil des Bruttosozialprodukts sowie der Beschäftigen zu errechnen und damit den Grad der Informationsbasierung abzuschätzen, schnell durchgesetzt und wird seither wiederholt angewendet. So wird bereits '978/79 eine einschlägige Studie für die OECD-Mitgliedsstaaten durchgeführt (OECD '98,), die 2002 und 2005 fortgeschrieben wird (OECD 2002; 2005 zit. nach Rohrbach 2008, 89). Für Deutschland erfolgt eine Langzeitstudie Mitte der '99oer Jahre, der zufolge der Anteil der Beschäftigten im Informationssektor von ,8 Prozent '950 auf 4D Prozent in '980 und schließlich auf 5' Prozent in '995 gestiegen ist (Dostal'995; Steinbicker 2001, '7). Den Entwicklungsstand von '5 Mitgliedsländern der "alten" Europäischen Union hin auf dem Weg zur Informationsgesellschaft erkunden die Mainzer Kommunikationswissenschaftler Jürgen Wilke und Eva Breßler (2005) durch eine Sekundärauswertung der Eurobarometer-Umfragen zwischen '9'D und 200' hinsichtlich der Ausstattung und Nutzung repräsentativ ausgewählter Haushalte mit Medien, und zwar mit Kabel-, Satelliten- und Digitalfernsehen, PC, Internet, CD-Rom und Mobiltelefon. Sie werden als einschlägig signifikante Indikatoren ausgewählt. Dabei stellt sich heraus, dass in allen Ländern gewisse Fortschritte bei Ausstattung und Nutzung gemacht worden sind, aber Unterschiede bestehen und diese beträchtlich sind. Bei den Informationstechnologien sind die skandinavischen und die Beneluxländer am weitesten, während die europäischen Kernländer - Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Österreich - nur durchschnittliche Werte aufweisen können:
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
Rangfolgen der EU-Länder in Informationstechnologim Rangfolgen in Infonnationstechnologien
Länder der EU N iederlande
Belgien Luxemburg Deutschland Dänemark Schweden
Osterrcich
"'bd-
Slltelli-
Digital-
femse-
ttnfernsehen
femse-
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12 10 5 11 2 3
1 10
9 6
7
",n 1 2 3
• 5 6 7
I' 5 2
• 6
1
",n
Com-
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•
CDROM
1 5 3 9
Inter-
n« 2 11
5
Mobiltelefon
3 10
•
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1 8
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•
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9
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12 11 3
15 1
I'
I.
I.
I.
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7
6
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12
7
7
12
10
Spanien
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11
11
Griechenland Italien
I.
8 15 10
15
15 8
12 10 15
6 \3
11
I'
•
\3 8
9 15 Quelle: etgene Darstellung nach Eurobarometer
\3
• 9
11 15 5
Für diese Differenzen lassen sich diverse Ursachen anführen: 1. die GröBe der Länder und der Bevölkerungen bzw. die daraus resultierende Bevölkerungsdichte: In kleineren Ländern lässt sich schneller und eher eine hohe Penetration mit Medien erreichen als in fl.ächenmäßig größeren; 2. die Wirtsc:haftskraft, von der die für die Etablierung der InformationsgeseUsehaft erforderlichen Ressourcen (Kapital, Technologien. Nachfrage) abhängen; 3. unterschiedlich entwickelte Infrastrukturen bzw. unterschiedlich frühzeitig und intensiv betriebene Politiken für die Informationsgesellschaft., die ihrerseits wieder an den Bedarf verfügbarer finanzieller Mittel gebunden sind;
Mediengesellschaft - Informationsgesellschaft - Wissensgesellschaft
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4. Mentalitätsunterschiede, nationale Traditionen und (kultur-)soziologische Besonderheiten (Ebd., 86). Nach 2001 werden diese Infrastruktur-Daten nicht mehr einheitlich von der EU erhoben, so dass es keine akzeptablen Vergleichsmöglichkeiten mehr gibt. Bislang geht auch die EU davon aus, dass die Diskrepanzen zwischen den Ländern nicht automatisch, im Laufe der Zeit verschwinden, mithin ein anhaltender Digital Divide bestehen bleibt (Ebd., 89) Daher ist es unverständlich, dass die EU in den folgenden Förderperioden ihre Fördermaßnahmen weg von Infrastrukturinvestitionen hin zu mehr operativen Maßnahmen verlagert, "die den Übergang zur Informationsgesellschaft in der öffentlichen Verwaltung, in Bildungseinrichtungen sowie in kleinen und mittleren Unternehmen (I<MU) fördern" (EU-Nachrichten 2002, 7; zit. nach Wilker/Breßler 2005, 89) Eine differenziertere Kalkulation stellt Daniela Rohrbach (2008) in ihrer Dissertation an. Auf der Grundlage von Daten der OECD und anderer errechnet sie die Entwicklung der Anteile der Erwerbstätigen sowie der Bruttowertschöpfung des so genannten Wissenssektors für 19 Länder der OECD zwischen 1970 und 2002. Dieser wird definiert als das "Aggregat der industrien, deren hauptsächliche ökonomische Funktion es ist, die Güter und Dienstleistungen im Wertschöpfungsprozess des Wissens herzustellen" (Ebd., 90). Zu ihm zählen Tätigkeiten und Geschäftsfelder in 1. Wissensproduktion, d. h. Aktivitäten zur Entwicklung neuen Wissens 2. Wissensinfrastruktur, d. h. Aktivitäten zur Herstellung der medientechnischen Infrastruktur und der zugehörigen Dienstleistungen 3. Wissensmanagement, d. h. Aktivitäten zur Erfassung, Verarbeitung und Verwaltung von Wissen 4. Wissensverbreitung, d. h. Aktivitäten zur Kommunikation und Vermittlung von Wissen (Ebd.).
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung Pro<:entantcil Erwerbstätige (Headcounts) im Wissenssektor an der Gesamtwinsch2ft n2ch Ländern (beob2Chtete Werte) und im Länderdurchschnitt (Tota1), t 970-20023
Abbildung 1:
- - AUS
30% _
28% _ _
-
AUT -
DNK _
ESP
FR
-
GER -
ITA
-
JAP
26% -':'- NL _ 24% --O- SWE -
_
GRC - i l -LUX
NOR _
UK
CAN _ _ _ _ _ _ _ _ _ _- , FIN
PRT
~ USA
,,% 20%
,,% ,,%
~:!:~:;;:;I"
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,,% 1 00 ~~~~~~~~TT~~~rT~~~~~
1970
197$
1980
Quelle: Rolubach 2008, 9J Hinweise: AUT, CAN, JM UK: Al:wIh1 OECD, eigene Berechnungen
"" de~
1990
""
"'"
Stellen; UK: An2;1Ihl deJ: Angestellten. Quelle:
Bei den Erwerbstätigen ist der Trend eindeutig; er zeigt kontinuierlidl. nach oben: Der Anteil der Beschäftigten im Wissenssektor zu allen Beschäftigten wächst zwischen IgJO und 2002 von etwa 14 auf knapp 24 Prozent. Im Jahr 1999 sind durchsdulittlich 22,5 Prozent der Erwerbstätigen in den untersuchten Volkswirtschaften im Wissenssektor besc:häftigt. An der Spitze und damit weit über den Durchschnitt rangieren das Vereinigte Königreich (UK: ~1 %), Schweden (SWE, >6-9 %1 die Nieder1ande (NL, ,6,8 %1 Australien (AUS, '5,1 %1 Frankreich (FR: 2.4.9 %) und Finnland (FIN: 2.4.3 %). Im Mitte1feld zwischen 20 und"" Prozent!iegenKanada (CAN"JA %), Luxemburg (LUX) und Norwegen (NOR: je 2.),0 %), Dänemark (DNK: 22,7 %), Japan GAP: 22,6 %, 1998), Deutschland (GER,. 2.2,.2 %) und Italien (ITA: 2.l,8 %). Die letzte Gruppe mit weniger als 20 Prozent bilden die USA (~8 %1 ÖSterreich (AUT, 18,6 %), Spuoien (ESP, 18,5 %) und Griechenland (GRC, 15,7 %). Der Fall USA mag überraschen, gelten sie doch als Pioniere in der Transformation zur Informations- und Wissensgesellschaft. Offenbar werden dort (wie auch in Italien) nur Vollzeitpositionen
Mediengesellschaft - Informationsgesellsffiaft - Wissensgesellschaft
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anerkannt - womit auch signalisiert wird, dass die BeredmungsgrundIagen längst noch nicht einheitlich sind. Einen ähnlichen Trend verzeichnen auch die Wachstumsraten des Anteils des Wissenssektors am Bruttoinlandsprodukt seit den 19]Oer Jahren: Abbildung 2:
Prozentantcil Bruttowertschöpfung des Wissenssektors an der Gesamtwirtschaft nach Ländern (beobachtete Wette) und im Länderdurchschnitt (fotal), 1970-2002
ALTr W% - - AUS _ DNK ~ ESP
28%
CAN
~ FIN
-'"
-
GER -
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-
JAP
- .:.--NL PRT
_
-e-USA
-
NOR ---+- NZ UK Total
26% _
24% _
n%
-
1970
GRC
- + - LUX
~ SWE
197~
1980
1985
'990
199~
2000
Quelle: Rohrbach 2008, 95 Hinweise: AUS, FR, GRc, NL, NOR, NZ, Sm, USA: jährlich nachgewidttete Las~ Kettenindizes, andere: fest gewid11ete Laspeyres Indizes; AUS, NZ, PRT, SWE: laufende Preise, CAN: 1997 -100, FD\I::waD -100. Quelle: DECD, eigene Berechnungen
Allerdings differieren die Entwicklungsverläufe in den Ländern erheblich. Außerdem vollziehen sich Richtungen und Schwerpunkte vielfach unterschiedlich (s. a. Castel1s 2001j 2002; 200). Berücksichtigt man ferner die Entwic:klungsraten der übrigen drei Sektoren" stellt sich heraus, dass in keiner der untersuchten Volkswirtschaften der Informations- und WlSSenSsektor den größten Anteil an der Wertschöpfung der Gesamtwirtschaft einnimmt. Unterteilt man den Informations- und Wissenssektor in die genannten Segmente, so behauptet in den 1990er Jahren die Wissensverbreitung in den 19 OECD-Ländern mit 9,59 Prozent der Gesamtbesdtäftigung oder 43 Prozent
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
innerhalb des Informations- und Wissenssektor den größten Anteil, zumal zu ihm die schon seit den 197"er Jahren beschäftigungsintensiven und dann noch wachsenden Bereiche ,Medienindustrie' und ,Bildung' zählen. Auf 7,46 Prozent der Gesamtbeschäftigung (32 Prozent im Informations- und Wissenssektor) kommt Ende der 1990er Jahre das Segment des Wissensmanagements, worunter vor allem professionelle Untemehmensdienstleistungen wie Beratungs-,
Vermittlungs- und Kommunikationsdienstleistungen zählen. Sie verkörpern den dynamischsten Bereich in den 19 OECD-Ländern und verzeichnen im betrachteten Zeitraum daher ein nahezu dreifaches Wirtschaftswachstum. Das Segment ,Wissensinfrastruktur~ d. h. die Industrien zur Herstellung und Pflege der technischen Rahmenbedingungen, macht im Jahre 1999 im Mittel knapp fünf Prozent der Gesamtbeschäftigung aus, verliert aber im gesamten Zeitraum anteilig. Während 197" 6,7 Prozent der Beschäftigung im Ländermittel durch diese Industrien und drunit die zweitgräßte Gruppe gestellt werden, überholen sie gegen Ende der 1990er Jahre die ,Wissensmanager'. Insbesondere in Deutschland ist ein überproportionaler Rückgang zu verzeichnen. Schließlich das letzte Segment, das als das wichtigstes und markanteste für den gesellschaftlichen Wandel und die Entstehung neuer Industriebranchen gilt: die Produktion neuen Wissens. Jedoch ist sein Beitrag zur Gesamtbeschäftigung mit 042 Prozent im Ländermittel äußerst gering und eigentlich zu vernachlässigen. Zwar verdoppelt sich der Anteil der Beschäftigten in den drei Jahrzehnten, bleibt aber trotzdem das schwächste Segment. So erweisen sich nach diesen Berechnungen die betrachteten OECDGesellschaften an der Schwelle zum neuen Millennium allenfalls als "Wissensvermittlungsgesellschaften'~ zutreffender wohl als Informationsvermittlungsgesellschaften zumal von instrumentellem und ökonomisch verwertbarem Wissen, das vor allem in wirtschaftlichen und industriellen Kontexten verwaltet, angewendet und vermarktet wird, wie es der überproportionale Zuwachs des Management-Segments abbildet. Zwar sind die Trends eindeutig, aber noch in keiner Gesellschaft, die wohl die reichsten und am weitesten fortgeschrittenen auf der Welt sind,. überflügeln die Anteile der Informationsund Wissens sektor in der Bruttowertschöpfung und der Beschäftigtenzahlen die drei traditionellen Wirtschafts sektoren, wie das Erreichen des Stadiums "Informations- und Wissensgesellschaft' bekanntlich definiert wird. Deshalb sei, so D. Rohrbach (2008), das Prädikat noch unangemessen; vielmehr dauere es noch "etwa weitere 30 Jahre [...], bis die heutigen hoch technologisierten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften voll entwickelte Wissensgesellschaften sein werden" (Ebd., 98).
Mediengesellschaft - Informationsgesellschaft - Wissensgesellschaft
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Wissensgesellschaft Fließend und uneinheitlich sind die Übergänge bzw. Abgrenzungen zwischen Informations- und Wissensgesellschaft (knowledge society) nach wie vor: Während manche Beobachter in letzterer ein fortgeschrittenes und damit meist wohl auch höheres, mutmaßlich: humaneres Stadium gesellschaftlicher Evolution erkennen wollen, halten andere ihre Bezeichnung für eine unnötige Spezifizierung, die sich im internationalen Gebrauch nicht durchsetzen werde.
So zitiert etwa die Enquetekommission des Deutschen Bundestags in ihrem Schlussbericht zum Thema "Globalisierung" zustimmend die Unterscheidung von Nico Stehr (2001, 10) und verleiht ihr damit quasi-offizielle Anerkennung: "Der Begriff der ,Wissensgesellschaft' befreit sich von der technologischen Verengung des Informationsbegriffs und verweist darüber hinaus auf die komplexen sozialen Kontexte allen Wissens. Er markiert daher einen qualitativen Bedeutungszuwachs des Wissens in allen Gesellschaftsbereichen. Wissen wird insgesamt zum Organisations- und Integrationsprinzip und damit zur zentralen Problemquelle der modernen Gesellschaft" (Deutscher Bundestag 2002, 259 f.).
Doch weder der Informations- noch der Wissensbegriff sind systematisch und hinlänglich an bestimmte Kontexte gebund"", sondern lassen sich jeweils von der eingenommenen Perspektive aus unterschiedlich definieren: Zweifelsohne befördern die enorme Entwicklung und Verbreitung der so genannten neuen Informations- und Kommunikationstechnologie", also Computer und Netze, die Debatte und Analytik um den Informationsbegriff, ohne für ihn bislang eine überzeugende und konsensuell zu vereinbarende Definition zu finden. So weist die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestag zum Thema "Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" (Deutscher Bundestag 1998, S. 38) bereits daraufhin, dass (auch) "Information ein subjekt- und kontextrelatives Phänomen ist" und es "keine allgemein akzeptierten Ansatz
[gibtj, um Wissen und Information als Input oder Output quantitativ zu erfassen" (Ebd., S. 38). Noch rigoroser wird in einem Sondervotum der Arbeitsgruppe der (damaligen) Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Enquete konstatiert, der Begriff Informationsgesellschaft habe "sich in den letzten Jahren immer mehr zu einer entleerten Formel entwickelt, zur begrifflich beliebig
füllbaren Hülse". Denn selbst in den USA werde heute "nicht mehr ernsthaft behauptet, dass Information zur bedeutendsten Ressource und zum wichtigsten Sektor in der Volkswirtschaft geworden sei". Demnach seien allen Hochrechnungen über den Anteil von Beschäftigten in der Informationswirtschaft
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
ein "hohes Maß an Beliebigkeit" zu bescheinigen, weshalb sich die amerikanisehe Volkwirtschaftslehre von solchen Kalkulationen und ihren Folgerungen über den gesellschaftlichen Wandel inzwischen verabschiedet habe (Ebd., 114) Dennoch kursiert das Schlagwort von der Informationsgesellschaft unbeirrt weiter und wird mehr oder weniger selbstverständlich, gewissermaßen als Rahmenlabel, genutzt; weniger häufig und selbstverständlich findet sich das der Wissensgesellschaft, zumal in internationalen Diskursen. Beide hängen davon ab, wie man die Kerngrößen - Information bzw. Wissen - definiert und welche Berechtigung und Reichweite man ihnen zur Otarakterisierung einer gesellschaftlichen Formation bzw. einer Entwicklungsstufe einräumt (Kübler/Elling 2004; Kübler 2009; Engelhardt/Kajetzke 2010). Erstmals verwendet und theoretisch begründet hat den Terminus Wissensgese//schaft - so eine vorsichtige wissenshistorische Rekonstruktion (Stehr 1994, 14 f.; 26 f.) - der amerikanische Politikwissenschaftler Robert E. Lane (1966) in einem Aufsatz über den angeblichen Niedergang irrationaler und ideologischer Positionen - mithin in einem ganz anderen, nämlich ideengeschichtlichen und damit recht eingeengten Verständnis. Denn noch mit dem technokratischen Optimismus der 1960er Jahre diagnostiziert Lane einen Bedeutungszuwachs wissenschaftlichen Wissens und prognostiziert eine erhöhte Rationalität und Wissenschaftlichkeit gesellschaftlicher Entscheidungen. Danach sollen sich so genannte Wissensgesellschaften dadurch auszeichnen, dass ihre Mitglieder ,,(a) ihre Vorstellungen vom Menschen, von der Natur und der Gesellschaft bis ins Tiefste zu ergründen versuchen; (b) (möglicherweise unbewusst) objektiven, der Realität angemessenen Standards
folgen und die Forschung nach den Regeln wissenschaftlicher Beweisführung
betreiben; (c) für diese Forschungstätigkeit einen beachtlichen Teil ihrer Ressourcen aufwen-
den und daher über umfangreiche Kenntnisse verfügen; (d) vorhandenes Wissen in dem Bemühen sammeln.. organisieren und interpretieren, um aus zweckdienlichen Gründen auf dieses Wissen zurückgreifen zu können;
(e) dieses Wissen sowohl zur Erläuterung (vielleicht sogar Änderung) als auch Verwirklichung ihrer eigenen Werte und Zielvorstellungen verwenden" (Stehr 1994,26).
Damit sind viele Erwartungen formuliert, die damals angesichts der schon von Max Weber prognostizierten Entzauberung der Welt, mithin der fortschreitenden Rationalisierung, die man insbesondere dem Fortschritt der Wissenschaf-
Mediengesellschaft - Informationsgesellschaft - Wissensgesellschaft
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ten, auch der Sozialwissenschaften und ihrer wachsenden Durchdringung viele Lebensbereiche zugeschrieben, gehegt hat und etwa von Rolf Kreibich (1986) im Terminus "Wissenschaftsgesellschaft" zusammengefasst worden sind. Sicherlich haben sie sich in vielen gesellschaftlichen Segmenten ganz oder ansatzweise durchsetzen können; aber ebenso wird - ob als Reaktion oder als Relikt - vielfach der Anstieg von Irrationalismen beobachtet, die etwa die Rationalität und Planbarkeit von gesellschaftlichen Prozessen untergraben. Beispielsweise wird vielfach befürchtet, dass das autonome wissenschaftliche Wissen gegenüber spezieller, organisierter und meist auch kommerzieller Wis-
sensproduktion in den Kultur-, Rechts-, Wirtschafts- und Gesundheitssystemen an Relevanz, zumindest an Dignität und Anerkennung verliert (Willke '998; Maasen 2009)' Doch dabei dürfte es sich allerdings um jeweils unterschiedliche Wissensformen, mindestens -wertigkeiten hande~ die zunächst herausgearbeitet, wenigstens typisierend kategorisiert werden müssen.
Exkurs: Information und Wissen Information Zum Allerweltssynonym für Transport, Inhalt, Struktur, Währung, Zeichen, Stimulus oder Vehikel von Kommunikation (die selbst wieder unterschiedlich definiert wird, mit einer Spannweite von Austausch bis hin Verständigung) ist bekanntlich Information längst geworden und wird auch so genutzt (Knoblauch 2010). Daher wird der Begriff unentwegt thematisiert, euphemistisch deklamiert oder scheinwissenschaftlich deklariert, denn alle vermeinen zu verstehen, was er bedeutet, und kaum einer fragt mehr nach. Und in dieser Allerweltssemantik kann er in fast alle Kontexten reüssieren, von der Technik/Kybernetik bis hin zur Linguistik, von der Soziologie und Psychologie bis hin zur Kommunikations- oder gar zu einer sich inzwischen behauptenden Informationswissenschaft. Daher seien seine gängigen Versionen einmal aufgelistet, ohne sie zu geWichten und zu bewerten: Information ([Iat. ,informatio'] meint ursprünglich in Form bzw. Gestalt bringen, formen, bilden, ist daher verwandt mit deutschen Bildungsbegriff) und:
firmiert für syntaktisch angeordnete, relational auf Sachverhalte bezogene Daten ist jener Anteil einer Nachricht, der für den Empfänger unerwartet und über-
raschend ist (C. E. Shannon/W. Weaver '949; '976)
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung misst die Wahrscheinlichkeit oder Unwahrscheinlichkeit eines Ereignisses, ungeachtet seiner jeweilige Relevanz (Entropie) ist Hdie Reduktion von Ungewissheit aufgrund von Kommunikationsprozessen"
(G. Wersig 1971; 1973) ist weniger als Wissen,. denn Wissen schließt subjektive Dimensionen des Nutzers wie ErfahrungeI\t- Emotionen, soziale Kompetenzen ein ll
wird dennoch. definiert als "Wissen in Aktion (R. Kuhlmann 1995; 2004) ist eine allgemein relevante Neuigkeit (ähnlich wie Nachricht) ist vorgeblich objektive, mindestens sachliche, dokumentarische Abbildung von
Realität wird gleichgesetzt mit Inhalt (content) ist nicht Unterhaltung (E. Klaus 1996) ist nonfiction, Dokumentation, Sachverhalt verbleibt - anders als andere Waren - auch beim Austausch beim Urheber/ Verbreiter
kann unendlich kopiert, verbreitet und benutzt werden kann nicht ,verbraucht' werden, veraltet nur, wird nur obsolet und trivial kann für andere Nutzer wieder neu sein, bleibt also relativ (auch in der Re-
dundanz) hat unterschiedliche Werte (bzw. Preise), die sich nach Relevanz bzw. Redundanz, nach Novität bzw. Bekanntheit, nach Aktualität und Novität, aber auch
nach anderen Kriterien (wie Prestige e!c.) richten Bekanntlich lassen sich Informationen nicht nur über Sprache wahrnehmen und rezipieren, vielmehr über alle menschliche Sinne - die Semiotik bietet dafür den neutralen Begriff des Zeichens an, das ja im Kern eine triadische Relation von Syntax, Semantik und Pragmatik darstellt. Daher sind alle Bemühungen, Information zu objektivieren und in stochastischen Definitionen zu fassen - wie etwa die vermeintliche messbare Verringerung von Ungewissheit (Wersig 1m1, 74) - unzureichend (Weingarten 1990)' Denn Ungewissheit lässt sich ebenso wenig abstrakt und objektiv bestimmen (oder man muss ihre Semantik auf eine bestimmte eindeutige Relation beschränken), vielmehr ergibt sie sich in kontingenten und subjektiven Kontexten: Was für den einen ungewiss ist, scheint für den anderen klar und selbstverständlich zu sein, d. h. die jeweilige Kriterien variieren und können sogar das Subjekt selbst täuschen. Außerdem werden auch Informationen aufgenommen oder erzeugt, die irritieren, verunsichern, irreleiten und belasten. Schließlich sind Informationen mit wertenden und emotionalen Komponenten verknüpft. Der Prozess des Informierens bzw. Informiertwerdens und der Tatbestand des Informiertseins
Mediengesellschaft - Informationsgesellschaft - Wissensgesellschaft
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lassen sich also nicht auf Gewissheiten im Sinne von ausschließlich kognitiven Parametern beschränken. Inzwischen wird sogar darüber spekuliert, dass mit immer mehr Information die Ungewissheit wächst (Bolz 2000) - wobei allerdings zu fragen ist: welcherart und wessen Ungewissheit das ist. Umgangssprachlich ausgedrückt, sind Informationen Mitteilungen, vorgetragene Gedanken, Gespräche, persönliche Bekanntschaften, Eindrücke,
Erfahrungen, Erlebnisse - wobei heute stets zwischen direkten, unmittelbar erfahrbaren und medial vermittelten unterschieden werden muss. All diesen Kommunikationsak:ten wohnen Informationen inne - genauer formuliert: aus
ihnen generieren Individuen Informationen bzw. sie konstruieren mit ihnen Informationen. Somit lassen sich Informationen als konstruktive, möglichst kognitiv ausgerichtete, immaterielle Erzeugnisse bzw. Phänomene ansehen, die aber erst entstehen, sich aktualisieren, wahrnehmen und verarbeiten lassen, wenn sie rezipiert, d. h. wahrgenommen, angeeignet und auch auf gewisse Weise aktualisiert werden. Und diese Rezeption ist jeweils ein subjektiver Prozess, der von individuellen Dispositionen, Motivationen, Interessen und Relevanzen gesteuert wird. Information ist also weder etwas objektiv Vorgegebenes, wie es die von Nachrichtentheorie und Naturwissenschaftlich inspirierten "Akkumulationsmodelle" (Gödert 2000) glauben machen wollen, noch ist sie allein ein subjektiver, kontingenter Prozess, wozu sich radikale
Konstruktivisten mit ihrer Ignoranz der objektiven Welt verstiegen haben (Schmidt 1994). Es sind vielmehr permanente, letztlich nie abgeschlossene und eindeutige Prozesse der Vermittlung, der Emanation und Produktion kognitiver Konstrukte. Geht man von einem solch aufgeklärt oder gemäßigt konstruktivistischen Informationsbegriff aus, lässt er sich weder umstandslos auf unilineare Re-
lationen reduzieren noch einfach quantitativ vermessen. Es wundert daher nicht, dass der Informationsbegriff in zweckrationalen Kontexten eher auf die materiellen Komponenten wie die Träger, Leitungen, Netze, Medien oder auf
schlichte Wirkungsverhältnisse reduziert wird. Dadurch wird vermeintliche Klarheit und Eindeutigkeit erzielt, freilich meist um den Preis der Ignoranz des eigentlich unhintergehbaren Subjekts. Wissen Über den Wissensbegriff wird ungleich gründlicher nachgedacht als über den Informationsbegriff. Schließlich ist er eine essentielle Kategorie vieler Wissenschaften, insbesondere von Philosophie, Lerntheorie, Psychologie, aber auch von Soziologie, neuerdings auch von den Neurowissenschaften (Knoblauch 2010). Wissen lässt sich nicht ohne menschliches Subjekt denken. Wenn
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Computer oder Datenbanken Wissen attestiert wird, dann geschieht dies in gedankenloser, metaphorischer Übertragung. Allerdings sind wiederum die Grenzen zu Erkenntnis, Erfahrun~ Bewusstsein, aber auch zu Fähigkeit und Kompetenz fließend und definieren sich aus diversen Perspektiven unterschiedlich. Elementar betrachtet, impliziert Wissen eine zeitliche Dimension, nämlich Dauer, Kontinuität und Konstanz kognitiver Prozesse: Wissen hat, erwirbt, behält und nutzt man. Außerdem beinhaltet Wissen Wertungen meist impliziter Art: Man behält, erinnert, verwendet, was wichtig ist, was ihm Gedächtnis bleibt (Spinner '994): Beileibe nicht alles, was gehört, gesehen, erfahren, mithin als Nachricht und Information empfangen wird, wird als Wissen gewertet, sondern wird ignoriert, kurz behalten oder vergessen. Mithin wird es in bestimmte, höher- und minderwertige Wissenskategorien einsortiert. Nicht allem, was gewusst wird, liegen Informationen - zumindest nicht explizite und intendierte - zugrunde; denn Wissen kann sich auch aus Intuition, Introspektion, Erfahrung, informelles Lernen, Nachahmung, Gewohnheiten ete. ergeben. Ein zwingender, vor allem exklusiver Zusammenhang zwischen Information und Wissen existiert mithin schwerlich. eher handelt es sich um sich überschneidende Bereiche. Solche Unklarheiten oder eben nur kontingente Verbindungen fallen auf, wenn in diversen Disziplinen - von der Informatik bis hin zur Informationswissenschaft - unterschiedliche Definitionen von Wissen und Information und deren Verhältnis zueinander betrachtet werden: Mal soll Information eine spezielle Teilmenge von Wissen umfassen, mal beschreibt sie handlungsbestimmende und zweckrational geformte Äußerungen desselben, mal ist sie im Sinne der Logik eine "Eigenschaft von Eigenschaften" (Dittmar 2004, 108 f.). Jedenfalls befriedigen vermeintlich evidente und pragmatische Definitionen wie "Information ist Wissen in Aktion (Kuhlen '995, 34) nur vordergründig. Information kann ein Teil des Wissens werden, muss aber nicht, wie umgekehrt vieles Wissen nie als Information geäußert, verbreitet und weitergegeben wird. Ihre wechselseitigen Formungen lassen sich also nicht abstrakt bestimmen, sondern ergeben sich wiederum situativ und kontingent, in der Kommunikation von Menschen miteinander. Wenn sich Wissen grundsätzlich nicht ohne Subjekt denken lässt, sind Annahmen, Wissen ließe sich objektiv speichern und managen, wie sie mit der Verbreitung von Rechnern und mit den einhergehenden Konzepten des Wissensmanagements kursieren, fraglich. Der Preis solcher "Erweiterungen" (Kuhlen '99', 340) ist in jedem Falls wiederum eine Entspezifizierung und Aufweichung des Wissensbegriffs. Er verliert damit seine konstruktivistische und kommunikative Substanz und wird vermeintlich objektiviert. Natürlich ll
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kann er im übertragenen, fast metaphorischen Sinne gebraucht werden und steht dann für materielle Daten und ihre syntaktischen Vernetzungen; aber das Risiko seiner Hypostasierung ist ständig gegeben. Außerdem fällt eine zweite Diskrepanz zwischen den Disziplinen auf: Die aktuelle informationswissenschaftliche Debatte über Wissen und Wissensmanagement nimmt die wissenssoziologischen Diskussionen und Erkenntnisse nicht zur Kenntnis, wie umgekehrt die Wissenssoziologie sich noch nicht in jene einbringt und ihre Prämissen geltend macht (Maasen ZOQ9): Wissen ist daher gegenwärtig eine ebenso vage und diffuse Kategorie wie die der Information.
Solche Prämissen gelten auch für Begriffe wie Weltwissen, Karl Poppers Wissensebenen (1973), das Wissen einer Gesellschaft, einer Kultur oder das kollektive Wissen, das auch mit dem kulturellen oder kollektiven Gedächtnis einer Gesellschaft (Halbwachs 1985) gleichgesetzt wird (Spinner 1994). Auch die makrosoziologische Frage, wie Wissen in der Welt, über die verschiedenen Gesellschaften verteilt wird und welche Strukturen und Mechanismen für die eher ungleiche Verteilung verantwortlich sind (Schiller 198{) - eine Frage, die in der anhaltenden, meist euphemistischen Globalisierungsdiskussion viel zu wenig gestellt, geschweige denn hinreichend erforscht wird -, rekurriert unvermeidlich auf einen abstrakten, subjektfernen Wissensbegriff. Demnach muss man seine semantische Spannweite zwischen angestrebter analytischer Präzision und vielfältigem übertragenem Gebrauch gewärtigen; sie signalisiert in jedem Fall den kommunikativen Bedarf gegenüber diesem Begriff und lässt die Verunsicherung ahnen, die sich jeweils mit der Wirklichkeit, ihrer Vorstellung und deren jeweils zureichenden Beschreibungen ergeben. Schon die erste Medienkritik übrigens, nämlich die von Platon im berühmten Phaidros-Dialog, rang mit der Dichotomie von subjektiver Aneignung und Verfügung einerseits und der medialen Materialität andererseits, mit jenem prinzipiellen Unterschied also, der heute in jenen Gleichsetzungen oftmals ignoriert zu werden droht. Denn mit der möglichen Auslagerung und Konservierung von Wissensbeständen in objektivierbare Speicher - wie damals in der Schrift - wird nicht das Wissen selbst, sondern eben nur sein material-medialer Niederschlag, seine objektivierbaren Komponenten, fixiert: "Nicht [...] für das Gedächtnis, sondern nur für die Erinnerung erfandest du ein Mittel'~ lautet der grundsätzliche Tadel an der Schrift, der weniger als erste Kulturkritik, denn als originäre medientheoretische Präzision verstanden werden kann.
"Und von der Weisheit bringst du deinen Lehrlingen nur den Schein bei, nicht die Sache selbst" (zit. nach Weingarten 1989, 29; Hörisch ZOOl, 108) - womit ebenfalls schon auf potenzielle Folgen unbegrenzter Vervielfältigung und auf die damit einhergehenden Vorstellungen vermeintlicher Gewissheit hingewie-
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sen wird. Die Schrift und mit ihr alle anderen inzwischen verfügbaren Zeichen- bzw. Mediensystemen sind demnach Techniken und Mittel, die Wissen in seinen materialen Substraten speichern und repräsentieren können, nicht
aber selbst Wissen enthalten (sondern eben allenfalls Informationen). Mittels menschlicher Wahrnehmung (Lesen), kognitiver (Re)Konstruktion, Verarbeitung und Deutung werden diese Substrate aktiviert und aktualisiert, wieder individuell verfügbar gemacht, freilich nie in einem simplen Abbild-Modus, sondern stets als subjektive Leistungen und Perspektivierungen, mit Eigensinn und individueller Besonderheit. Gleichwohl verkörpern diese materiellen Reservoirs dadurch Tradition, kulturelle Kontinuität, kollektives Gedächtnis, überlieferbare und überlieferte Geschichte, ermöglichen Wissenschaft, Bibliotheken und heute Datenbanken. Trotz all dieser Unklarheiten und Widersprüche sind an die ,Wissensgesellschaft' vielfältige, meist hoch gezogene oder sogar euphorische Erwartungen herangetragen worden. Ein "dritter gewaltiger Paradigmenwechsel in der Geschichte der Menschheit" sei damit unumkehrbar eingeleitet (Miegel 2.001; zit. nach Bittlingmayer, 2001, 15). "Die Zeit der rauchenden Schlote, der Massenproduktion und monotonen Handarbeit ist vorbei, die Zukunft gehört der Wissensverarbeitung, den intelligenten und sauberen Jobs. Demnach befinden wir uns inmitten eines Strukturwandels, an dessen Ende die Wissensgesellschaft das Industriezeitalter abgelöst haben wird, so wie jenes einst die Agrargesellschaft verdrängte'~ prophezeit etwa Jeanette Hoffmann (2001, 3), damals Leiterin des Verbundprojektes "Internet und Politik" am Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin. Nach nur einigen wenigen Jahren weiterer Entwicklung dürfte die Prognose nicht mehr so optimistisch ausfallen; in jedem Fall müsste sie für Regionen und Länder der Welt, die sich in verschiedenen Stadien und Graden der Entwicklung befinden, erheblich differenziert werden; eher überwiegen die Ungleichzeitigkeit und damit auch die vielfältigen Diskrepanzen der Entwicklung denn die implizierte Gleichförmigkeit und homogene Universalität. Zwei Erwartungen, die mit der Entwicklung zur Wissensgesellschaft meist selbstverständlich unterstellt werden, überprüft der Bielefelder Soziologe Uwe Bittlingmayer: nämlich die eine, dass sich "Wissensgesellschaften [...] durch eine bereits durchgesetzte Leistungsgerechtigkeit - insbesondere im Bildungssystem - sowie durch gesamtgesellschaftlich gestiegene Handlungsoptionen auszeichnen". Und die andere Erwartung ist, dass diese [erweiterten Handlungsoptionen] mittelfristig zu einer Nivellierung sozialer Ungleichheit führen, weil Wissen durch alle Schichten diffundiere und die sozialen Akteure
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über Konzepte wie ,lebenslanges', ,lebensbegleitendes' oder ,selbstgesteuertes Lernen' Methoden zur individuellen Nutzung des gesellschaftlichen Optionszuwachses an die Hand bekommen" - alles Prognosen und Zuschreibungen, die in den einschlägigen Diskursen zuhauf und freihändig verteilt werden (Bittlingmayer 2001, 15). Nach Durchsicht wichtiger Trends und Parametern kommt Bittlingmayer jedoch zu dem Ergebnis: Weder hat beispielsweise die Bildungsexpansion zu einer durchgreifenden Chancen- oder Leistungsgerechtigkeit beigetragen, noch sind durch die Produktionssteigerungen der letzten Jahrzehnte Phänomene sozialer Ungerechtigkeit verschwunden. Die Gesellschaften, die auf Konkurrenz- und Marktmechanismen als zentrale Vergesellschaftungsinstanzen aufbauen, produzieren systematisch sozial ungleiche Lebenslagen und Lebenschancen. Zwar werden diese seitens der Politik zum Teil durch Maßnahmen der Umverteilung abgefedert, aber an dem grundsätzlichen Mechanismus der Ungleichheitsproduktion hat sich seit zweihundert Jahren nur wenig geändert (Bittlingmayer 2001, 22) - und dieses Urteil gilt nicht nur national, sondern auch für die OECD-Länder, aber erst recht im globalen Maßstab, also im Verhältnis der Länder der nördlichen Hemisphäre zu denen der südlichen. Drastisch und unerwartet bestätigt haben diese Disparitäten für den Bildungsbereich die PISA-Studien seit 2001, bei denen das deutsche Bildungssystem verheerend schlechte Leistungen zeitigt und sich wie schon früher, nun aber im international vergleichenden empirischen Maßstab, gänzlich unterschiedlichen Bildungscilancen attestieren lassen muss. Daher greift Bittlingmayer die Polarsierung Theodor W. Adornos (1979) vom 16. deutschen Soziologentag 1978, nämlich "Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft?'~ erneut auf und wendet sie auf die jüngsten Gegebenheiten an: "Nach dem Stand der technologischen Entwicklung [können] Gesellschaften heute als Wissensgesellschaften bezeichnet werden [...], nach dem Stand der ökonomischen und politischen Struktur noch immer als kapitalistische" (Bittlingrnayer 2001, 22). Netzwerkgesellschaft Das derzeit theoretisch wie sachlich-empirisch am weitesten reichende Konzept für die gegenwärtige Gesellschaftsformation - zumal im globalen Maß-
stab - ist das des amerikanischen Stadtsoziologen Manuel Castells, da es zugleich erforderliche Differenzierungen als auch globale Strukturen herausarbeitet. Es erschien Ende der 1990er Jahre in drei Bänden,: nämlich der erste mit dem Titel The Rise of the Network Sodety (1996; dt. 2001), in dem die Grundzüge der so genannten informationellen Gesellschaft, die Revolution der In-
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
formationstechnologie, die globale informationelle Wirtschaft, Strukturen von Netzwerkunternehmen, die Transformation von Arbeit und Beschäftigungsverhältnissen, die Entstehung einer "Kultur der realen Virtualitäe' und end-
lich ihre Kulmination im Befund der Netzwerkgesellschaft dargestellt werden; der zweite, The Power of Identity (1997; dt. 2002), der dem subjektiven Pendant, nämlich dem Selbst und den neuen sozialen Bewegungen, gewidmet ist, die im Widerstreit mit der instrumentellen und universalistischen Ordnung der Netzwerke stehen; und endlich der dritte mit dem Titel The End of Millenium (1998; dt. 2003), der verschiedene Analysen versammelt zum Zusammenbruch des Sozialismus und der so genannten zweiten Welt, zum "Niedergang der vierten Welt'~ also zum Schicksal der peripheren Länder der ehemaligen Dritten Welt ebenso wie zu den peripheren Gebieten in den Metropolen, zur globalen. organisierten Kriminalität, zum Aufstieg der so genannten Tigerstaaten im asiatisch-pazifischen Raum und endlich zur Einigung Europas. Abschließend führt Castells die breit spannenden Stränge seiner Studien zu einer Zeitdiagnose am Beginn des 21. Jahrhunderts zusammen, um aufzuzeigen und zu belegen, warum und wie das Zeitalter des "InformationalismusJ' begonnen hat bzw. die Netzwerkgesellschaft sich global zu etablieren beginnt (Steinbicker 2001, 80 ff.; siehe auch Castells 2005). Seit Ende der 1960er Jahre sieht Castells die Industriegesellschaften in einem fundamentalen Wandel zu informationellen Gesellschaften und dadurch ein neues Zeitalter heraufziehen. Dieses charakterisiert er in dezidierter Abgrenzung zur Theorie des Postindustrialismus von Alain Touraine und Daniel Bell als postindustrielles Informationszeitalter (Hepp 2004, '79 f.), da sich "die Quellen der Produktivität und der Macht auf direkte Weise aus der Erzeugung von Wissen und aus der Kontrolle und Verarbeitung von Information"
(Castells '9% 122) speisen. Im Mittelpunkt des Informationszeitalters stehen unterschiedliche Netzwerke; dafür verantwortlich sind im wesentlichen drei voneinander unabhängige Entwicklungsschübe:
1. die Revolution der Informationstechnologien. beginnend mit der Entwicklung und Verbreitung der elektronischen Datenverarbeitung, später des Computers und des Internets. Sie erzeugen nicht Wissen per se, wie es vielfach fälschlich heißt, sondern ermöglichen die rationelle Verarbeitung von Information, ihre effiziente Verbreitung, Speicherung und Wiederverwen-
dung, mithin generieren sie immer leistungsfähigere, billigere und produktivere Kreisläufe von Fortschritt, Wissensakkumulation, Management und Technologie, so dass Wissen permanent auf Wissen einwirken kann
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(,..the action of knowledge upon knowledge" Castells 1996, 13 ff.). Damit erhöhen sich enorm die Dynamik der Entwicldung, aber auch das Zirkulationstempo von Finanz- und Warenströme rund um den Globus sowie die Zyklen der Konjunkturen. Die Wertschöpfung beruht nicht mehr nur auf materieller Produktion, sondern audl- und zunehmend - auf Innovation.. intellektueller Marktbeherrsdlung, Management und dienstleistenden Zusatzprodukte: "Information processing is focused on improving the tedlnology of information processing as a source of productivity" (Ebd., S. 17). Folgende Informationsströme haben sich zwischen 1982 und 1990 als absolut größte herausgestellt:
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Quelle: Caste118 2001, 436
Im Gegensatz zum etwas simplen Sequ.enzkonzept der post-indusbiel1en Gesellschaft betrachtet Castells den gesellschaftlichen Wandel differenzierter: nämlich nicht als linearen Übergang zu einer anderen Art wirtschaftlicher Produktion, sondern als Durchdringung sämtlicher Tätigkeiten und
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
Reproduktionsformen mit neuen Technologien, zumal informationsverarbeitender Modalität, und dadurch entstehen überall, gewissermaßen schleichend, strukturelle Transformationen traditioneller Konstellationen. So implementiert etwa auch die Landwirtschaft solche Komponenten, zunächst mechanisch-automatisierende Maßnahmen, dann chemische und inzwischen auch digitale Hilfsmittel; sie wandelt sich dadurch grundlegend und wird so gegenüber archaischeren Formen der Lebensmittelerzeugung hochproduktiv, aber auch gegenüber älteren Stadien bedrohlich überlegen, wie etwa die bereits enorm verzerrte ,Arbeitsteilung" zwischen der nördliche und südlichen Agrarproduktion auf der Erde belegt. 2. Diese Veränderungen - primär durch die Informationstechnologien - erwirken gerade nach den Rohstoff- und Energie-Krisen in den '970er Jahren eine umfassende Restrukturierung des Kapitalismus in den '98oer Jahren, gewissermaßen eine neue Modifikation als so genannter "globaler informationeller Kapitalismus" (und sie tun es seither mit ständig hektischeren Ausschlägen und Hypes immer wieder, bis in die erste Dekade des 21. Jahrhunderts hinein): InformationeIl ist er insofern, als es Unternehmen, Regionen und Staaten gelingt, mit wissensbasierten Innovationen und Produkten ihre Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und damit auf den globalen Märkten zu reüssieren. Und global ist er darüber hinaus, da sämtliche Komponenten von Produktion und Distribution - also Kapital, Arbeit und Rohstoffe ebenso wie Management, Information, Technologie und Märkte - global organisiert sind bzw. werden müssen. Beide Aspekte hängen untrennbar miteinander zusammen und schaffen so eine neues globales Wirtschaftssyslern. Seine Konturen lassen sich erkennen: etwa an der massiven Steigerung des Außenhandels seit den 1980er Jahren, an der immer engeren Verflechtung von Unternehmen und Branchen über den Globus hinweg und an der steigenden Entkoppelung von Kapitalströmen und nationalen Ökonomien, von internationalen Finanzmärkten und realen Produktionswirtschaften mit diversen Entwicklungsgraden - für deren Interaktionen weltweite digitale Informations- und Kommunikationsnetze unabdingbar sind. Beispielhaft dafür sind etwa die Exporte von Informationen aus den Vereinigten Staaten in wichtige Weltregionen und -zentren, schon im Jahre '994:
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Quelle: Castells :wal" 4'7
3. Den dritten grundlegenden Wandel sieht CasteUs in - eher vage - formulierten soziologischen und kulturellen Veränderungen: etwa im Aulkommen neuer, sozialer Bewegungen" die sich auf spezielle, aber global ausgreifende Probleme - etwa den Klimawandel- konzentrieren und sich nidlt mehr in das vorgegebene institutionelle Gefüge von Politik und Administration einpassen, mithin neue Formen von govern.ance verlangen; Daneben eröffnen sidl. aber auch neue Spaltungen der Gesellschaften" etwa zwischen profitierenden" aktiven Eliten und abgehängten, ausgegrenzten, peripheren Populationen (preka:riaten). Außerdem. ergeben sich in einer umfassenden, immer lauter und greller werdenden Welt imaginäre, symbolische Repräsentationen via Medien, die Caste1ls als "Kultur realer Virtualität" bezeichnet. Neben ihr verschwinden zusehends die autochthonen" regionalen und lokalen Kulturen bzw. ziehen sich in nidlt im Rampenlicht der Medien stehenden Nischen zurück: "All messages of a11 kinds become enclosed in the mediturt. because the medium has become so comprehensive, so diversifi.ed" so malleable, that it absorbs in the same multimeda text the whole of human experience, past, present, and the future" (Castells 1996, .373)· Doch diese neuen Systeme digitaler Repräsentation integrieren die Publika nur an der Oberfläche,. tatsächlich differenzieren sie sie kulturell und sozial aus, etwa nach dem Grad der (lnter)Akt:ivität bei Gebrauch und Nutzung von Medien, aber sicherlich wohl aw:n nach der Finanzkraft und dem "kulturellen Kapital" (Bourdieu 1982.) der Rezipienten.
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
Neue Informationstechnologien, wissensbasierte, vernetzte Mechanismen des weltweiten Wirtschaftens, deregulierte, weitgehend sich selbst steuernde Märkte, davon abgekoppelte globale Finanznetzwerke, flexible, schnell agierende, innovative Netzwerkunternehmen, vernetzte Governance politischer Administrationen und informeller Organisationen, aber auch nur lose verbundene Gruppen und Initiativen, hochgradige Individualisierung, poröse Wertsysteme und volatile Gruppenbildung in der Gesellschaft, der indes unweigerlich wachsende Spaltungen zwischen Profiteuren und Verlierern des sozialen Wandels nicht existenziell bedrohlich werden, IIthe informational city" als Prototyp moderner, funktionaler Lebensweise mit einem steigenden Angebot virtueller, symbolischer Optionen wie überhaupt expandierende mediale Repräsentationssysteme, die weltweit Szenerien, Themen, Trends und Figuren zirkulieren lassen - das sind nach Castells markante Kennzeichen der heraufziehende "Netzwerkgesellschaft" im "Informationszeitalter Sie wird nicht mehr zentral von Individuen und Kollektiven, seien sie Unternehmen, Gruppierungen, Klassen, Institutionen ete., getragen von ihren Interessen, Bedürfnissen, Entscheidungen und Konflikten, gesteuert, sondern von "networks, made up of a variety of subjeets and of organizations, relentlessly modified as networks adapt to supportive networks and market struetures" (Castells 1996, 198). Allerdings bezieht Castells weder das Mediensystem noch die soziale Spaltung systematisch in seine ökonomische Konzeption ein, sondern belässt es eher bei kulturkritischen Einschätzungen, so dass sein Entwurf der Netzwerkgesellschaft insgesamt eher homogen ausfällt und die wachsenden strukturellen Widersprüche in, besonders aber zwischen den Gesellschaften nicht als unabdingbare Merkmale erkennt. Diese recht nivellierende Metaphorik von Informationstechnologie und Netz als anonyme Triebfedern des gesellschaftlichen Wandels ist wohl die entscheidende theoretische Schwäche des umfangreichen und materialreichen Werkes Castells, das eigentlich nur einen formalen Bezugsrahmen für die vielen, lose verbundenen Dimensionen und Aspekte deskriptiv aufzeigt. Es ist auch schon als "Weltsozialkunde" (zit nach Steinbicker 2001, 102) charakterisiert worden und lässt sich grafisch so darstellen: lJ •
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60 2.4
Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung Zivilgesellschaft und Global Governance
All diese Transformationen rufen wiederholt Diskussionen und Konzepte darüber hervor, wie sich (post)moderne Gesellschaften organisieren und steuern. Haben sich mit der Moderne, also nach dem Feudalismus, mit der Etablierung moderner Wirlschaftsform und parlamentarischer Demokratie, das Gegen-
über von Staat (als legitimierte Regelungsmacht) und Gesellschaft (als sich möglichst frei entwickelnde, dynamische Gruppen- und Beziehungsgeflechte, wozu auch der Markt gehört) sowie das Gegenüber von Öffentlichkeit und Privatheit (Habermas 2001) herausgebildet, so scheint sich angesichts der steigenden Komplexität, des erhöhten Regelungsbedarfs und der fortschreitender Ausdifferenzierung weiterer Segmente dazwischen eine neue Sphäre, eine Art
dritter Sektor, zu schieben, der strukturierter ist als die Gesellschaft als ganze und auch mehr Regelungsverantwortung für bestimmte Aufgaben übernimmt, zugleich aber informeller, konkreter und kollektiv verantwortlicher agiert als der traditionelle Staat. Es sind herkömmlicherweise Vereine, Verbände, Vereinigungen, inzwischen aber auch viele Initiativen und Bewegungen, die oftmals - wie z. B. green peace, attac u. a. - inter- oder transnational ausge-
richtet sind und dort als NGOs (non governmental organizations) bezeichnet werden. Diese Entwicklung bezeichnet man inzwischen in Anlehnung an die klassische antike Demokratie als Zivilgesellschaft (griech.: politik" koinonia; lat.: societas civilis): "Gemeinhin meint Zivilgesellschaft eine Vielfalt gesellschaftlicher Gruppen, Initiativen und Bewegungen.. die weitgehend unabhängig von staatlichen, parteipolitischen oder privat-wirtschaftlichen Institutionen wirken. Die Zugehörigkeit zu diesen gesellschaftlichen Gruppen ist freiwillig, die Organisationsstruktur demokratisch. Achtung der allgemeinen Menschenrechtel Toleranz gegenüber anderen Meinungen und Wertvorstellungen.. Anerkennen der Grundsätze des bürgerlichdemokratischen Gesellschaftsmodells und des demokratischen Rechtsstaats gehören ebenfalls zu den zivilgesellschaftlichen Prinzipien. Auch ein konsequentes Agieren nach dem Legalitätsprinzip und eine aus der Akzeptanz des staatlichen Gewaltmonopols resultierende unbedingte Gewaltlosigkeit in den eigenen Handlungsansätzen bilden den gemeinsamen Nenner, der die Zivilgesellschaft einerseits von rechtsextremen Strukturen abgrenzt, sie andererseits aber auch von revolutionär-antifaschistischen Politikkonzepten unterscheidet (Kolb 2000) ll
Solche Organisationen und Vereinigungen, die das zivilgesellschaftliche Engagement von Bürgern - in den USA auch Kommunitarismus (z. B. Etzioni 1998)
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genannt - koordinieren, ziel- und aufgabenspezifisch orientieren und damit politikfähig machen, agieren in demokratische Staaten unter einem rechtlichen Rahmen (z. B. Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit), der in der Verfassung garantiert wird und sogar - nach der Intention vieler politischer Kräfte - erweitert werden muss. Deshalb werden solche Erweiterungen als weitere Dimension, ja als Qualität von Entwicklung von Gesellschaften erachtet, und sie wird mit den Werten wie Zivilisierung und Demokratisierung spezifiziert. Gemessen wird sie auch am Grad der Partizipation aller Bürger an gesellschaftlichen Entscheidungen (wie etwa an der Zahl und Qualität von Volksentscheiden). Für die Medien - hier spezifiziert für die deutschen - existieren ähnliche Strukturen und Organisationen, die als vom Staat geschützte Einrichtungen und Aufgaben der Selbstkontrolle und -verpflichtung firmieren. Sie werden immer wichtiger: einerseits infolge der (wachsenden) inter- bzw. transnationalen Verflechtungen und Reichweiten der Medien, wie es insbesondere das Internet kennzeichnet. (Als frühe Beispiele können schon gelten: etwa der Kartellvertrag der drei großen europäischen Nachrichtenagenturen, nämlich Havas (Frankreich), Wolffs Telegrafisches Bureau (WTB) (Deutschland) und Reuters Telegram Company (Großbritannien), zu der später die amerikanischen Assoeiated Press hinzugezogen wurde, im Jahr 187" über die Aufteilung der Welt in drei bzw. vier Einflusszonen, für die jeweils eine Agentur das exklusive Recht der Nachrichtensammlung und -verbreitung zugestanden bekam (Wilke 1991; 2002., 335). Oder die Kopenhagener Wellenkonferenz von 1948, auf der die Senderfrequenzen für den Hörfunk nach dem 2. Weltkrieg neu verteilt wurden (Dussel 2004); andererseits wegen der verfassungsrechtlich garantierten Meinungs- und Medienfreiheit, die dem staatlichen Handeln enge Grenzen setzt und deshalb die Eigeninitiative der Medien fördert, um etwa im Jugendschutz, aber auch bei sonstigen normativen Entscheidungsräume die Grenzen der Medienfreiheit selbst zu fixieren und zu überwachen: so etwa durch den Presserat, den Werberat, die freiwilligen Selbstkontrollen bei Film, Fernsehen, Online-Spielen und Internet-Providern. In den USA sind dadurch strenge Regelungen für das Internet verhindert worden ("information freedom act"); in vielen Free-ware- und Open-Source-Plattformen sorgen die einschlägigen communities für die Einhaltung der Standards und sanktionieren Tabuverletzungen (Regeln des Netikette) (Donges/Puppis 2010).
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
ln einem weiteren Sinn werden all diese Vorkehrungen und Aktivitäten zum politischen Handeln, d. h. zur Steuerung und Regelung, oder auch zum Management gesellschaftlicher Prozesse gezählt, selbst wenn sie auch nicht mehr ausschließlich vom Staat und der Regierung (Govemment) ausgeführt werden. Deshalb ist in den Sozialwissenschaften dafür inzwischen der breite, aber auch unscharfe Terminus der Governance eingeführt worden, mit dem sämtliche dieser neuen kollektiven und/oder formellen Lenkungsformen umrissen werden. Governance umfasst "das Gesamt aller nebeneinander bestehenden Formen der kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalte: von der institutionalisierten zivilgesellschaftlichen Selbstregelung über verschiedene Formen des Zusammenwirkens staatlicher und privater Akteure bis hin zu hoheitlichem Handeln staatlicher Akteure" (Mayntz 2004, 66 zit. in Brosda :wo8, 16{)
Geschuldet ist die inzwischen vielfache, auch unklare Verwendung des Begriffs folgenden Entwicklungen: 1. Veränderungen bzw. Erweiterungen der Regelungsbedarfe und -strukturen über die staatlichen Kompetenzen hinaus und unter Einbeziehung nichtstaatlicher, zivilgesellschaftlicher Organisationen und Akteure in diversen gesellschaftlichen HandlungsfeIdern; diese Entwicklungen werden auch mit dem Schlagwort ,government by society' oder eben zivilgesellschaftliches Handeln umschrieben; 2. Entwicklung und Etablierung von Entscheidungs- und Regelungsstrukturen in trans- und internationalen Dimensionen, die nicht mehr von den Nationalstaaten, auch nicht von ihren diversen Zusammenschlüssen und
Kooperationen wie EU, G-8, G-20, WTO, NAFTA (Nordamerika), UNASUR (Südamerika), aber auch nicht von den UN allein bestritten werden können; wird auch als "govemment without government" gekennzeichnet;
3. Zunahme und wachsende Bedeutung von strukturellen Verflechtungen politischer und gesellschaftlicher Entscheidungen auf verschiedenen Ebenen, auch zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren, auch als "multilevel government" bezeichnet, in Europa etwa: regionale-nationale-
supranationale Ebenen sowie Wirtschaftskonzerne. Für inter- und supranationale Dimensionen wird entsprechend von Global Governance gesprochen, die mit der Globalisierung, also mit den multiplen Verflechtungen unzähliger Bereiche und Aktivitäten, immer wichtiger, komplexer, aber auch regelungsbedürftiger werden. Und da es für die inter- und
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supranationalen Dimensionen keine Weltregierung (global government) gibt, sieht man von den geringen Koordinationskompetenzen der UN und ihrer Suborganisationen ab, müssen Regelungen und Entscheidungen in vielfältigen Strukturen und mit den jeweils involvierten Akteuren getroffen werden. Daher geht ,global governance' über den angestammten Begriff der internationalen Politik weit hinaus und umfasst als dynamisches, ständig wandelndes Aufgabenfeld vor allem Folgendes: 1. die Suche nach Lösungen für supranationale bzw. globale, anhaltende, strukturelle und grenzüberschreitende Probleme wie z. B. Klimawandel, Wachstum der Weltbevölkerung, Energieressourcen etc.; 2. die Entwicklung neuer politischer Strukturen zur Lösung dieser Probleme, wobei neben formellen auch informelle Regelungen ebenso wie das Verhältnis von staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren von Bedeutung sind; 3. die Platzierung und Zuordnung von Aufgaben auf verschiedenen Ebenen und die Verteilung von Verantwortlichkeiten bzw. Kompetenzen auf diverse Institutionen und Akteure; 4. die Konzeption und Entwicklung dafür geeigneter, interdisziplinärer, traditioneller Ressorts und übergreifender Strukturen. Es ist offensichtlich, dass auch die Medien sowohl bei der nationalen als auch bei der global governance relevante Parts spielen, und zwar gleich auf mehrfache Weise: einmal müssen ihre eigenen, also die medienspezifischen Strukturen, Rechte und Grenzen - zumal angeSichts ihrer transnationalen Konzentration und Ausrichtung - transnational geregelt werden, wie schon umrissen wurde; für das Internet, etwa für die Vergabe von Domains, ist dafür ICANN (Internet Corporation für Assigned Names and Numbers) eine signifikante Organisationsform für informelle, von den User getragene Regelungen (DongeslPuppis 2010, 85 f.); zum anderen thematisieren und verbreiten die Medien globale und transnationale Themen und Aufgabenfelder, die bearbeitet und geregelt werden müssen, drittens identifizieren sie diverse Regelungsdefizite in allen gesellschaftlichen Bereichen und motivieren Akteure und Organisationen zum zivilgesellschaftlichen, globalen Engagement und schließlich ermöglichen sie allen Beteiligten die Kommunikation und Diskussion über besagte Aufgaben und Problemfelder.
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Trends gegenwärtiger Gesellschaftsentwicklung
50 kommen den Medien gleich mehrfache Funktionen zu, weshalb auch inzwischen von Media Coveranee (Brosda 2008, 5. 364 ff.) gesprochen wird: Denn Medien sind Reglungsfelder, konkrete, aber auch symbolisch handelnde Akteure, Multiplikatoren, aber auch Anstifter und Beobachter aller anderen gesellschaftlichen, kollektiven und/oder konkreten Regelungsbedarfe und Regelungen.
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Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleichs
All diese inter- und transnationalen Entwicklungen und Globalisierungsprozesse haben den Bedarf nach einer entsprechend inter- und transnational ausgerichteten Medienforschung wachsen lassen, die sich inzwischen in einigen respektablen Rand- und Lehrbüchern (Repp u. a. 2005; Thomaß 2007; Melischek u. a. 2008) niederschlägt; mindestens soll sie die national ausgerichtete Medienforschung ergänzen. Denn mit der Ausbreitung und Intensivierung besagter Dynamiken, die unweigerlich vor sich gehen, dürfte sie mehr und mehr die jeweils nationale Sichtweise überlagern. Dadurch werden die Untersuchungsgegenstände gewiss nicht einfacher und überschaubarer, eher ist das Gegenteil der Fall. Grundlegende Perspektive ist die des Vergleichs, der Komparatistik; allerdings muss präzise festgelegt, was auf welchem Niveau wie mit welche Kategorien und welcher Reichweite verglichen werden soll. Zwar muss man sich zunächst vergegenwärtigen, dass jede sozialwissenschaftliche Erkenntnis letztlich vergleichend vorgeht - etwa im Vergleich von Vorher und Nachher, von der Experimental- und der Kontroligruppe, im Verhältnis von Stichprobe und Grundgesamtheit etc. (Schulz 2008, 19) -, doch ergeben sich Unterschiede und Schwerpunkte, ob vergleichende Erkenntnisinteressen explizit und vorrangig sind oder gewissermaßen nur unvermeidlich und implizit anfallen. Vergleichende Ansetzungen sind in ihrer Qualität, Reichweite, Intensität, Ergebnisorientierung natürlich von vielerlei Prämissen, Ansätzen und Aspekten abhängig, von denen folgende aufgeführt werden sollen: 3.1
Prämissen und Ansätze des Vergleichs: die Welt als ganze
Primär prägt den Vergleich, wie Gesellschaft oder Welt als ganze gesehen werden, m. a. W.: welches soziopolitische Modell und welche maßgebliche Konstituenten den Vergleichsperspektiven zugrunde liegen. So zeugt es von unterschiedlichen ,Weltsichtweisen', wenn man ihre Strukturen vorrangig als (einigermaßen nivellierte) Netzwerke sieht oder als hierarchische Dependenz-
Hans-Dieter Kübler, Interkulturelle Medienkommunikation, DOI 10.1007/978-3-531-92904-0_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleichs
verhältnisse mit Welt- und Super-, Mittelmächten und abhängigen Staaten bzw. Regionen, wie sie etwa in überkommenen Theorien von Imperialismus, Kolonialismus und anderen Hierarchiemodellen konzipiert sind (Krotz 2005). Auch
die Einteilung während des Kalten Krieges in Erste und Dritte Welt, wobei dann die (meist ungenannte) Zweite die des beargwöhnten Sozialistischen und/oder Sowjetischen Blocks war, ist einem bestimmten Weltbild geschuldet. Heute signalisiert die G 8 (für die mächtigsten westlichen Industriestaaten) ähnliche Abstufungen in der Welt. Ihr exklusiver Kreis ist mit Russland auf G 9 und mit den so genannten "Schwellenländern" (wobei sich fragt, welches Land wie lang auf der "Schwelle" steht oder ob womöglich die Industriestaaten angesichts sinkender Wachstumsraten bei ihnen und steigenden bei anderen auf die [welche?] "Schwelle" zurückfallen) auf G 20 erweitert worden. Verantwortlich dafür sind gemeinhin wirtschaftliche Potentiale, mitunter auch noch militärische (wobei diese sich auch ergänzen). Würden etwa andere wie kulturelle oder soziale Errungenschaften zählen, dürften sich die Wertigkeiten durchaus verschieben. So rangiert etwa bei den PISA-Studien keines der mächtigsten Länder an der Spitze, und auch bei anderen weichen' Indikatoren erreichen die USA und Russland keine vorderen Plätze, vielmehr sind es eher die kleinen und in der Weltöffentlichkeiten peripheren wie z. B. FinnlancL die bei den Bildungs- und Kulturleistungen reüssieren. Kulturimperialismus
Die Medien sind in solche Hierarchisierungen und Dominanzen entsprechend eingespannt. Sie fungieren als Exponenten, Transporteure, Legitimationen des so genannten, oftmals kritisierten "Kulturimperialismus", wobei insbesondere der US-amerikanischen Kulturindustrie solche Hegemonie-Intentionen vorgeworfen werden. Als Protagonisten gelten die amerikanischen Medienkonzerne, die so genannten Majors der Film- und Medienindustrie. Für die modeme Informations- und Kommunikationstechnologien werden sie ergänzt
(oder auch verdrängt) durch informationstechnologische Weltkonzerne wie Microsoft, Apple, Google, Amazon, e-bay, Facebook, früher auch IBM (Schiller 1<J84), die auch schon als "digitale Supermächte" (Evsan 2009, 103 ff.) apostrophiert werden: "Das erste und offensichtlichste Argument für den Ansatz des Kulturimperialis-
mus ist der Reichtum an Indizien dafür, dass westliche (oder sogar amerikanisch.e) Kulturgeschmäc:ke und -praktiken weltweit angenommen werden. Egal welchen Indikator man heranzieht, von Kleidung bis zu Lebensmitteln, von Musik bis zu
Die Welt als ganze
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Film und Fernsehen oder Architektur (die Liste wird nur davon beschränkt, was man noch als ,kulturell' ansehen möchte), man kann die schiere, massive Präsenz von westlichen Kulturgüte~ -praktiken und -stilen (mit ,westlichen' sind hier vor allem nordamerikanische und westeuropäische gemeint) in jedem besiedelten Gebiet der Welt nicht einfach ignorieren. [...] Wenn wir uns die ,Weltkultur' ansehen,. wie sie sich in ihrer unmittelbarsten Form präsentiert - in Form der Distribution kultureller Produkte und Texte -, dann erscheint uns die Betrachtung der kulturellen Globalisierung als ein Kulturimperialismus am überzeugendstenH , so der britische Medien- und Kulturforscher John Torolinson [('997), hier: 2002, S. '42 ff.)]
Dependenz und/oder Zentrum-Peripherie Etwas pragmatischer oder weniger strukturpolitisch ausgerichtet silld Ansätze, die von einer (wie immer gearteten) Weltgesellschaft, einer dazu gehörigen Weltwirtschaft und einem Weltinformations- und -kommunikationssystem ausgehen. Für die Regionen und Länder werden Grade der (Unter)Entwicklung registriert, die aus vielfältigen Faktoren herrühren: aus endogenen wie etwa den Rohstoffvorräten, das Klima. der geografischen Lage, der Bevölkerungsverteilung, der Infrastruktur ete., aber auch aus exogenen wie der Integration in die Weltwirtschaft, den Welthandel und ihre dafür erforderlichen komplementären Optionen, zumal im Verhältnis zu den Industrienationen. Dafür lässt sich die Welt auch in Zentren und Peripherien einteilen (die sich auch in den einzelnen Kontinenten und Regionen wiederfinden). Berechnet werden sie nach Graden der Vernetzung bzw. Integration in die Infrastruktur des Welthandels bzw. der Desintegration oder auch der freiwilligen Dissoziation (Krotz 2005, 29). Insbesondere die Theorie der Netzwerkgesellschaft (Castells 2001; 2002; 2003) sieht bekanntlich neue Netzwerke zwischen den Mega-Cities gerade auch in unterentwickelten Staaten und Schwellenländern entstehen, die sich mit den High-Tech-Zentren der hoch entwickelten Regionen verkoppeln und so transnationale Interaktionen und Infrastrukturen jenseits der bestehenden nationalen Grenzen herausbilden:
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Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleid1s
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Systemtheorie: Weltgese11sdt.aft und WeltkommunikatiOlUlsystem Eigentlidl nur als "We1tgese11schaft" kann sich die funktional-strukturelle Systemtheorie von Niklas Luhmann (l927-1998) Gesellschaft vorstellen. da es sich bei Gesellschaft um das umfassendste Sozialsystem handelt und sie alle Kommunikationen einschließt Außerhalb der Gesellschaft gibt es keine Kommunikation. Entsprechend hat Gesellschaft keine Territorialgrenzen" sondern es gibt nur Grenzen der Kommunikation. In ihnen definieren sidl. funktionale Systeme nadl. ihren speziellen Kommunikationsmodalitäten und den sich daraus ergebenden Grenzen zur Umwelt "Eine Gesellschaft kann als funktional differenziert bezeichnet werden. wenn sie ihre wichtigsten Teilsysteme im Hinblick auf spezifisdle Probleme bildet die dann in den jeweils zuständigen Funktionssystemen gelöst werden müssen" (Luhmann ~8z. 34)
Die Gesellschaft ist dasjenige soziale System, das die grundlegenden Komplexitätsreduktionen der realen Welt vornimmt und. institutionalisiert Dadurch setzt sie Prämissen für das Operieren aller anderen sozialen Systeme. Soziale Systeme definieren sich in ihrer Differenz zur Umwelt; sie sind autopoietisch. seIbstreferenliell und. konstituieren Sinn. Kommunikationen und. Gedanken realisieren sich im Medium des Sinns, dessen Form die Unterscheidung zwischen reaVmäglich oder aktuell/potentiell ermöglicht. Auf dieser abstrakten Ebene sind soziale Systeme außer Gesellschaft jene der Interaktion und der
Die Welt als ganze
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Organisation, auf weniger abstrakter Ebene lassen sich konkretere Teilsysteme wie Wirtschaft, Kultur, Familie und Medien ausweisen. Elemente der Gesellschaft und der Teilsysteme sind jeweils Kommunikationen und ihre je spezifischen funktionalen Leistungen. Menschen (psychische Systeme und Körper) gehören nicht zur Gesellschaft, sie sind die Umwelt des sozialen Systems. Allerdings bezieht sich Gesellschaft auf Menschen wie auf Systeme in der Umwelt (Baraldi u. a. 1997, S. 63) Diese sehr abstrakte Theorie muss hier nicht weiter ausgebreitet werden Da sie indes Anspruch auf Universalität erhebt, und zwar "Anspruch auf ausschließliche Richtigkeit, auf Alleingeltung und in diesem Sinne auf Notwendigkeit" (Luhmann 1987, 34; Leschke 2003, 215), so auch weltweit rezipiert bzw. auf diverse Felder der Sozialwissenschaften angewendet wird und insbesondere in der deutschen Kommunikationswissenschaft zu einem mächtigen, mitunter auch schon fast dogmatischen Paradigma avanciert ist (Willke 1996, 1; Kohring 2004, 187), ist sie hier knapp und fragmentarisch erwähnt worden (sie auch Weber 2003, 202 ff.). Kritisch wird gegen sie eingewendet, dass sie unhistorisch, fern jeder Wirklichkeitsreferenz und damit keiner empirischen Analyse zugänglich sei. Zudem habe es sich als problematisch herausgestellt, Systeme, auch Mediensysteme, als autonom zu charakterisieren (Thomaß 2007,14). Der Systembegriff wird aber in den Kommunikations- und Medienwissenschaften vielfach verwendet, jedoch meist diesseits des Verständnisses und des Anspruchs Luhmanns, nämlich als das strukturelle und funktionale Gefüge von Medien, ihren Organisationsformen und Leistungen, gemeinhin bezogen auf die anderen Teilsysteme, etwa das ökonomische, politische, kulturelle, und geformt von rechtlichen Rahmenbedingungen. Dann lässt sich auch vom Mediensystem einer Region oder eines Landes sprechen, das mit anderen verglichen oder gar in eine TypolOgie eingefügt wird (s. u.). Weltinformation.- und -kommunikation.ordnung Von den Vereinten Nationen (UN) und ihrer kulturpolitischen Suborganisation UNESCO gingen immer wieder Bestrebungen aus, die ungleiche Verteilung der und die Partizipation an den Informations- und Kommunikationsströmen auf der Welt, die Disparitäten von Nachrichtenagenturen und Medienkonzernen und die damit einhergehende Benachteiligung der damaligen, so genannten Dritten Welt zu beseitigen, mindestens abzumildern. Als Ziel wurde jeweils eine neue Informations- und Kommunikationsordnung ausgerufen. Allerdings sieht diese je nach Interesse unterschiedlich aus: Die kommunikationspolitisch überlegene Staaten des Westens, vor allem die USA, verstanden
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Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleichs
und verstehen unter dem allseits propagierten "free flow of information" die Aufrechterhaltung, wenn nicht Bestärkung des ungleichen Status quo, also die Zementierung ihrer Übermacht, während die in den 1960er und '970er Jahren erstarkenden, so genannten blockfreien Staaten unter Führung des damaligen Jugoslawiens eine annährend ausgeglichene Struktur und damit eine Einschränkung des westlichen Übergewichts erreichen wollten. Im Herbst '980 legte eine "internationale Kommission zum Studium der Kommunikationsprobleme" unter dem Vorsitz des Kanadiers Sean MacBride ihren Bericht"Viele Stimmen - eine Welt" ("Many Voices - one World") an die UNESCO (19B') vor, in dem die erste grundsätzliche Empfehlung lautet: "Alle Einzelpersonen und alle Völker haben ein unveräußerliches Recht auf besse-
res Lehen, das, auf nationaler wie globaler Ebene, ein soziales Mindestmaß gewährleisten muss. Dies erfordert die Steigerung von Kapazitäten und die Beseitigung eklatanter Ungleichheiten: diese Mängel können die soziale Harmonie, ja selbst
den Weltfrieden bedrohen. Der Übergang von Benachteiligung und Abhängigkeit zu Selbstvertrauen und Chancengleichheit muss sich schrittweise vollziehen. Da die Kommunikation mit allen Aspekten des Lebens eng verflochten ist, liegt es auf
der Hand, dass das Schwergewicht auf dem schnellen Abbau und letztendlich der L
LL
Beseitigung der bestehenden ,Kommunikationsbarrieren liegen muss (UNSECO 1981, )21).
Ähnliches hatte die UNESCO bereits 1978 in ihrer Deklaration "New World of Information and Communication Order" (NWICO) beschlossen. Nachdem die westliche Position mehrmals überstimmt worden war, verließen mächtige Geldgeber wie die USA und Großbritannien die UNESCO und trieben sie damit in eine existentielle Krise. Seither hält sich die UNESCO vom brisanten medienpolitischen Terrain weitgehend fern; stattdessen engagiert sie sich in der wenig umstrittenen internationalen Medienentwicklungshilfe, etwa mit dem Projekt "International Programme foT the Development of Communication" (IPDC), das weltweit unabhängige und pluralistisch ausgerichtete Medien fördert, demokratische Strukturen und Prinzipien stärken will, nicht zuletzt auch durch die Unterstützung so genannter "community media'; also regionaler Netzwerke (Kleinsteuber 2008, 166). Mit der Verbreitung des Internets und seinen zumindest anfangs signifikanten Schwerpunkten in den USA, Europa und den asiatischen Schwellenländer befasst sich die UN erneut mit Informations- und Kommunikationsproblemen, diesmal unter dem Schlagwort des digital divide, also der Spaltung der Welt infolge der ungleichen Ausbreitung und der Benachteiligung beim Zugang
Subglobale Reichweiten
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des und zum Internet. Auf den so genannten Weltgipfeln zur Informationsgesellschaft ("World Summits on the Information Society") in Genf (2003) und in Tunis (2005) bekommen vor allem viele global tätige NGOs (nongovermental organisations) die Chance, ihre meist idealistischen Forderungen zur Beseitigung des digital divide (Marr 2005; Zillien 2009; Marr/Zillien 2010) und zu Verbesserung der informationstechnologischen Infrastruktur und Zugänglichkeit vorzutragen. Etliche einschlägige Deklarationen sind verfasst und propagiert worden. Ihre Aussichten auf Verwirklichung in absehbarer Zeit werden von Experten aber skeptisch beurteilt (Donges/Puppies 2010).
3.2
Prämissen und Ansätze des Vergleichs: Subglobale Reichweiten
Unterhalb des umfassendsten Analyseniveaus ,Welt', das unweigerlich recht abstrakt ausfallen muss und (aus der Sicht der jeweils anderen) einseitig oder gar tendenziös geraten kann, lassen sich etliche andere Ansatz- und Vergleichsebenen ansetzen: etwa die der Kontinente oder "Weltregionen" (Thomaß 20CYJ, 210 ff.), die der Nationalstaaten, aber auch die subnationaler Territorien, auch als Regionen bezeichnet, sofern ihnen gesetzgeberische und kulturpolitische Kompetenzen obliegen, wie das vielfach in Bundesstaaten der Fall ist. Mediensysteme in Weltregionen Ob sich für einen Kontinent oder für eine Weltregion pauschal ein einigermaßen konsistentes und analytisch überschaubares Mediensystem konzeptualisieren lässt, hängt natürlich von den Graden der Homogenisierung und Integration der jeweiligen realen Strukturen in Wirtschaft, Politik, Recht, Kultur, Kommunikation und Medien ab. Sie sind bei einern bundessstaatlichen System wie bei den USA, bei einem Staatenbund wie der EU mit supranationalen Strukturen und Kompetenzen von Europäischer Kommission und Parlament eher gegeben als bei kaum oder nur vordergründig integrierten oder sogar feindseligen Kontinenten wie in Afrika oder im Nahen Osten. Analytisch ist noch zu berücksichtigen, ob und welche Daten jeweils zur Verfügung stehen, um überhaupt Vergleiche anstellen zu können. In dieser Hinsicht liegen für integrierte Systeme wie die USA und Europa ungleich mehr und ergiebigere Anhaltspunkte vor als für andere Weltregionen. Ferner spielt natürlich auch der Grad der analytischen Distanz bzw. Nähe eine maßgebliche Rolle für das Abstraktionsniveau und die Perspektive. So liegen für das südliche Afrika nur ganz wenige Studien vor, die meist auf Schätzungen beruhen (Brüne 2007, 323). Und wohl nur aus westlicher Sicht lässt sich überhaupt ein
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Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleichs
solch pauschaler Blickwinkel wählen, der vermutlich für einen Südafrikaner oder einen Einwohner von Eritrea oder Niger undenkbar ist. H
Ob ein identifizierbarer IlKommunikationsraum Europa (Kleinsteuberl
Rossmann 1994; Siebenhaar 1994; Erbring 1995) oder gar eine "europäische Öffentlichkeit" mit den damit implizierten Anforderungen bereits existieren, wird diskutiert, und die Antwort darauf hängt wiederum von der gewählten Perspektive ab. Mit der EU-Gesetzgebung gibt es rechtlichen Rahmenreglungen wie die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMKR), und die europäische Medienpolitik auf der Grundlage von EG- und EU-Verträge mit seiner Fundierung der Dienstleistungsfreiheit kümmert sich nicht nur um grenzüberschreitendes Fernsehen, elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, betreibt nicht nur massive Forschungs- und Subventionspolitik für informationstechnologische Innovationen und Infrastrukturen, sondern greift auch mittlerweile nachhaltig in die nationale Medien- und Kulturpolitik ein. Aus deutscher Sicht sind immer wieder Konflikte und Dissonanzen darüber aufgeworfen worden, ob Medien eher Kultur- oder eher Wirtschaftsgüter sind, wie sich etwa bei der Rundfunkgebühr für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der Buchpreisbindung oder jüngst bei der Digitalisierung urheberrechtlich geschützter Bücher durch Google exemplifizieren lässt. Die europäischen Kommission - früher der EG, heute der EU - und ihre Referate haben inzwischen eine Vielzahl von Publikationen veröffentlicht, vorzugsweise Bestandsaufnahmen und Maßnahmenkataloge, etwa das berühmte Grünbuch "Fernsehen ohne Grenzen", das der '989 folgenden gleichnamigen EG-Richtlinie über grenzüberschreitendes Fernsehen vorausging (EG '984), sowie weitere Grünbücher zur Medienkonzentration (EU 1992), Telekommunikationspolitik (1994/95), zum Jugendschutz (EU '996), zur Informationsgesellschaft (EU 1996) und zur Konvergenz (EU 1997). Ferner hat die EU-Kommission etliche Vergleichstudien und Trendanalysen angeregt, ermutigt oder gar unterstützt (Thomaß 2007<, 223 f.). Insofern lässt sich eine Art institutionalisierte europäische Öffentlichkeit als rechtlicher, politischer und analytischer Rahmen annehmen. Ob (und letztlich auch wie) sie allerdings von den europäischen Bürgern als kommunikatives Interaktionsforum wahrgenommen wird, ist eine zweite Frage und sie dürfte auch in den Regionen Europas unterschiedlich beantwortet werden. Denn die Zahl und Resonanz der explizit europäischen Medien sind gering (und inzwischen sogar schon wieder ein Stück weit renationalisiert): Für das Fernsehen sind es Euronews, Eurosport, MTV und Arte, im Printsektor nur die Wochenzeitung European Voice, Online etwa W'WW.Europa.digital.de. Eher agieren
Subglobale Reichweiten
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die großen Medienkonzerne wie Bertelsmann, Vivendi, Murdoch, Berlusconis Mediaset u. a. europaweit, als european mediaplayer, standardisieren zwar aus ökonomischer Sicht ihre Angebote durch Mehrfachauswertung, passen sie aber jeweils in die nationalen Mediensysteme und Kulturgefüge ein, so dass die Titel und Programme jeweils auch als nationale firmieren können. Allerdings werden diese Strategien vorzugsweise für die größeren Medienmärkte
realisiert, während die kleineren und weniger lukrativen Länder weitgehend standardisiert bedient werden. Für die Präsenz Europas als Thema in den Medien weist die Forschung hingegen aus, dass oft europäische Aspekte und Kontexte aufgegriffen werden und auch die Medien wechselseitig aufeinander reagieren (Ebd., 221). Allerdings dürfte es auch dabei etliche Diskrepanzen von Relevanz und Aufmerksamkeit zwischen den Ländern der EU geben, die längst noch nicht hinreichend erkundet sind. Nationale Mediensysteme im Vergleich Ungleich häufiger und konkreter werden nationale Mediensysteme verglichen - trotz der beschriebenen Globalisierung, der transnationalen Aktionsradien und Verflechtungen der Medienkonzerne. Insofern hängt die Forschung längst den realen Entwicklungen hinterher. Für solche Vergleiche werden sämtliche verfügbaren Indikatoren herangezogen: Beginnend bei der jeweiligen Geschichte, Entwicklung und kulturellen Tradition, über die rechtlichen Regelungen und Strukturen, die ökonomischen Daten wie die Zahl und Größe der Konzerne und Verlage, die Konzentration, Investitionen, Umsä12e und Anteile der Märkte und das Werbeaufkommen, die Zahl, Qualifikation und Entlohnung der darin Beschäftigten, die Dichte und Reichweite der einzelnen Medien, die technische Infrastruktur, Diffusion und Geräteausstattung der Haushalte, die medienspezifischen Aufwendungen bis hin zu jeweiligen NUl2ungsgewohnheiten und Erkenntnisse über Wirkungszusammenhänge in den einzelnen Ländern.
Deutschland ist nicht nur infolge seiner Bevölkerungszahl von über 80 Mio. Einwohner der größte Medienmarkt in Europa - 2007 entfielen auf die geschätzten 540 Mrd. USD für Gesamteuropa 55 Mrd. USD auf Deutschland, davon rund 35 Prozent auf den Printsektor (Zeitungen und Zeitschriften), gut 20 Prozent auf den Fernsehmarkt, danach folgt das Internet mit überproportionalen Wachstumsraten (www.promedia-berlin.de); außerdem gilt der deutsche Medienmarkt auch als der differenzierteste: Mit seiner stark regionalisierten und lokalisierten Zeitungslandschaft (über 400 Titel und einer Auflage von über 27 Mio. Exemplaren), der dualen und zudem föderalen Rundfunkstruktur zwischen öffentlich-rechtlichen und privatkommerziellen Anbietern, darun-
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Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleichs
ter die beiden großen: die RTL-Gruppe von Bertelsmann und der ProSiebenSAT.l-Media AG, sowie vielen kleineren Anbietern, mit neun Landes- und drei bundesweiten Rundfunkanstalten (ZDF, Deutschlandradio, Deutsche Welle), einer dichten, weit aufgefächerten Struktur für Buchproduktion und -handel, einem noch intakten Kinoangebot und zahlreichen Online-Providern - wiewohl die Konzentrationsprozesse in den einzelnen Medienbranchen, aber
auch quer zu ihnen unaufhaltsam weiter voranschreiten und um die Pluralität besagter Angebotsstrukturen fürchten lassen (Schrag 2007). Eine so stark regionalisierte Medienstruktur haben eher zentralistische
Staaten wie Frankreich, England, Spanien und Italien mit einer starken Hauptstadtpresse nicht aufzuweisen. Generell weist Europa etwa ein starkes Gefälle der Zeitungsdichte, die in Auflage pro Tausend Einwohner gemessen wird, von Nord nach Süd auf: Norwegen steht mit 626 Tageszeitungsexempiaren je 1000 Einwohner an der Spitze, Deutschland mit 308 liegt im oberen Mittelfeld, während Italien mit nur "4 eher am Ende rangiert (Thomaß 2OO7C, 214). Vergleichbare, jeweils angemessene Daten müssten auch für die anderen Medien ausgewiesen werden. Sicherlich lassen sich auch unterhalb der nationalen Dimensionen Vergleiche anstellen: etwa in subnationalen, regionalen Untergliederungen, wie sie sich etwa bei den deutschen Bundesländern anbieten, aber auch noch darunter, wenn etwa Ballungszentren für Medienproduktionen um Attraktivität, Standortvorteile und Subventionen buhlen. In Deutschland zählen dazu etwa die Großstadtregionen Berlin, Haroburg, Köln und München, danach noch Leipzig (als die ehemalige deutsche Veriagsstadt), Frankfurt und Stuttgart, die nach '945 mit der deutschen Teilung Standorte für viele Leipziger Verlage geworden sind.
3.3
Prämissen und Ansätze des Vergleichs: Funktionen und Leistungen
Politisch-ideologische Vergleiche von Mediensystemen Unabhängig territorialer Referenzen und mithin aus abstrakter Perspektive werden Mediensysteme bzw. -modelle und ihre funktionalen Erfordernisse
bzw. Leistungen konzeptualisiert und miteinander verglichen. Mit solchen Modellen lassen sich symptomatische Charakteristika, etwa ihre Dynamik, Transformation und vor allem ihre Leistungen für andere Teilsysteme - z. B.
das wirtschaftliche und politische - präziser konturieren. Zweifelsohne spielen auch jeweils normative Aspekte bzw. Zuweisungen von Seiten der anderen Teilsysteme hinein. Die konkreten Medienrealitäten dienen dann meist nur als mehr oder weniger passende Anschauungsbeispiele.
Funktionen und Leistungen
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So stellen etwa demokratische Prinzipien wie Meinungsfreiheit, Volkssouveränität, Willensbildung, wechselseitige Gewaltenteilung, Sozialstaatsgebot, Mehrheitsprinzip, soziale Marktwirtschaft, Eigentumsgarantie, Rechtsstaat-
lichkeit, Transparenz und Verantwortbarkeit von Entscheidungen bestimmte, überprüfbare Anforderungen an das Mediensystem. Sie werden in der Regel als liberales, pluralistisches und/oder demokratisches Mediensystem - die Attribute wechseln - gekennzeichnet. In ihm ist Meinungs- und Presse- bzw. Medienfreiheit verfassungsrechtlich garantiert, den Medien werden gewisse Sonderrechte eingeräumt, damit sie ihre Funktionen der Information, Orientierung,
Kritik und Kontrolle ausüben können. Oft werden ihnen sogar indirekte (Steuernachlässe) oder direkte Subventionen gewährt, das Eigentum ist breit unter Privatleuten gestreut, seine mögliche Konzentration wird staatlich überwacht oder gar beschränkt, neben privatrechtlichen Eigentumsverhältnissen existieren oft gemeinnützige (public) und öffentliche Organisationsformen für Medien. Diesem Demokratiemodell steht - als simpler Gegenpol- ein autokratisches, monolithisches, bisweilen auch totalitäres Modell gegenüber, das gemeinhin einer exogenen, einseitigen und expliziten ideologischen, politischen Funktionsbestimmung unterworfen ist, die vom Staat oder von einer Partei oder einem fusionierten Partei-Staat ausgeübt wird. Gemeinhin wird offene oder versteckte Zensur ausgeübt, die vor jeder Veröffentlichung greift und im Geheimen operiert. Sie kann auch religiös und/oder weltanschaulich überhöht sein und damit einem gewissen Fundamentalismus frönen. Verstöße gegen die Beschränkungen werden strafrechtlich geahndet. Das Eigentum an den Medien haben darin der Staat oder die Partei. Auch bei diesem Modell wechseln die Attribute, je nach historischem Kontext. In der amerikanischen Theoriebildung ist es etwa seit Hannah Arendts (2008) Konzept totalitärer Herrschaft üblich, faschistische und stalinistische Diktaturen mindestens formal als totalitäre Regime gleichzusetzen, und so werden dann auch vielfach ihre Medienstrukturen betrachtet. Eingehendere historische Betrachtungen markieren hingegen signifikante Differenzierungen. Sie ergeben sich ferner außer aus Traditionen, Entwicklungen und anderen Besonderheiten aus technischen Gegebenheiten. So sind heutige autoritäre Regime längst nicht mehr in der Lage, komplette Medien-Zensur und kommunikative Abschottung ihrer Bevölkerung auszuüben, wie das etwa in China, Nordvietnam, Iran und anderswo erstrebt wird,
da mit dem Internet und den Handys sich immer wieder kommunikative Schlupflöcher öffnen, die die Zensurbehörden nicht alle und sofort verschließenkönnen
Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleid1s
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ndas mediterrane oder polarisiert-pluralistische Modell (Italien" Spanien. Portugal, Griechenland und Frankreich); das nord- und zentra1europäische oder demokratisch-korporative Modell (Schweden,. Norwegen.. Dänemark, Finnland" Niederlande, Belgien" Österreich, Schweiz ) das nord-atlantische oder h"bera1e Modell (USA., Kanada, Großbritannien" Irland, Kanada)." Ob diese Typisierung plausibel und. genügend trennscharf ist. entscheidet sich wiederum an der jeweils gewählten Perspektive und der Re1evanzzuerkennung für die diskriminierenden Kriterien.
Funktionen und Leistungen
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Transnationale Unternehmen bzw. Konsortien Ungeachtet der bzw. über die territorialen Grenzen und nationalen Selbstverständnisse hinweg operieren längst die großen Medienkonzerne (s.o.); allenfalls als Marketingstrategien passen sie sich noch gewissen nationalen Gepflogenheiten an. Außerdem sind sie gemeinhin in fast allen Medien tätig, mithin erossmedial aufgestellt und pflegen zudem Konvergenzen sowohl horizontaL etwa in der Fusion vom herkömmlichen Medien mit dem InternetFernsehen, als auch vertikal: etwa von der Herstellung materialer Träger wie Papier, CD, über Druckereien bis hin zu den Redaktionen, dem Vertrieb und Handel. Prototyp für all diese Formationen ist jeweils die Bertelsmann AG, Europas und Deutschlands größter Mediengigant (s. u.). Die britische Soziologin Leslie SkIair geht sogar von einer "transnationalen kapitalistischen Klasse" (2002, 121 f.) aus; sie "sieht" - allgemein formuliert "ihren Auftrag darin, die Bedingungen zu organisieren, unter denen ihre Interessen und die Interessen des Systems im globalen und lokalen Kontext vorangebracht werden können'~ und teilt sie in folgende vier Gruppen ein: "das transnationale kapitalistische Unternehmensmanagement und ihre angeschlossenen lokalen Gesellschaften (die Unternehmensfraktion); Bürokraten und Politiker der Globalisierungsstaaten (die staatliche Fraktion); Globalisierungsfachleute (die technische Fraktion) Handel und Medien (die Konsumfraktion)."
Damit sind Strukturen und Interaktionen umrissen, die von verschiedenen Teilsystemen aus wahrgenommen und für bestimmte Interessenlagen und Funktionen zusammenwirken, wie sie etwa der Politik, der Administration! Bürokratie und dem mächtigen Lobbyismus in Brüssel (Schlagwort: "Eurokraten") oftmals unterstellt werden. Positiv lassen sie sich als funktionale Formen der so genannten Governanee - auch jenseits der rechtlichen Instanzen und Verantwortlichkeiten - beschreiben; unter kritischen Vorzeichen war auch schon einmal von einem administrativ-politisch-industriellen Komplex die Rede, da solch aufwendige Infrastrukturmaßnahmen wie etwa die modeme Netzwerk- und Medientechnologien und ihre horrenden Investitionen weder allein von der Privatwirtschaft noch ausschließlich von der öffentlichen Hand aufgebracht werden können. Solche komplexe Geflechte von ,vested interests' lassen sich analytisch von außen kaum mehr hinreichend durchschauen, so dass jeweils nur vage Anhaltspunkte vorliegen.
Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleid1s
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Vorderhand betreiben die Medienkonzerne ihre welt- und europaweite Mark:tentwicldungen. Für BerteIsmann stellt sich die europa-, wenn nicht weltweite Ausdehnung inzwischen so dar: Bertelsmann auf einen Blick
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Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleichs
Mit der RTL-Gruppe, an der Bertelsmann über eine Holding mit insgesamt 89,8 Prozent beteiligt ist, ist seit dem Jahr 2000 der größte Rundfunkanbieter in Europa entstanden, der in nahezu allen wichtigen europäischen Ländern direkt und indirekt (über Beteiligungen) präsent ist. Er ist mit einem Umsatz von knapp 5,8 Mrd. € (2008) und knapp 30 Prozent an Bertelsmanns Mediengeschäften die "cash cow des Konzerns, auch wenn die darüber realisierten Werbeeinnahmen sehr konjunkturanfällig sind. Der Zeitschriftenverlag Gruner & Jahr ist 2009 mit weltweit rund 15.000 Mitarbeitern (davon ca. 4.000 in Deutschland) auf 28 nationalen Märkten aktiv, darunter neben fast allen europäischen Ländern auch in den USA, China, Mexiko und elf weiteren Ländern. Er weist damit unter den vier größten deutschen Zeitschriftenkonzernen das massivste internationale Engagement auf (Beck u. a. 2010. 135, 186). Außerdem setzt Bertelsmann damit nach wie vor primär auf die überkommenen Massenmedien, nicht so sehr auf die zeitgemäßen und zukunftsträchtigen OnlineMedien. Über die unterschiedlichen Strategien im Konzern ist es in den letzten Jahren schon mehrfach zu Kontroversen gekommen (vgl. Böckelmann/Fischler 20"4; Demirovic u. a. 2007). An Gruner & Jahr in Hamburg ist Bertelsmann zu 74,8 Prozent beteiligt, die restlichen 25,1 Prozent gehören der Hamburger Verlegerfamilie Jahr. Von seinen knapp 2,8 Mrd. € (2008) Umsatz erzielt Gruner & Jahr mehr als die Hälfte außerhalb Deutschlands. Wie die Struktur eines solch europaweiten Marktes und der Beteilungen aussieht, zeigen folgende Grafiken: ll
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Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleid1s
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Quelle: Media Perspektiven Basisdaten (2010), 32
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Funktionen und Leistungen
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Allein schon an den verbreiteten Titeln lässt sich erkennen, dass viele in diversen Ländern mehrfach vermarktet werden; ein reger Austausch von Titeln,. Formaten und Inhalten,. von Ex- und Importen findet dabei statt. Lizenzvergaben und -einkäufe, so genannte joint ventures und andere Formen der Beteiligung sind an der Tagesordnung. Den örtlichen Verlagen und Redaktionen sind allenfalls noch jeweils landesspezifische Adaptionen vorbehalten. So entsteht gewissermaßen auf dem Sektor der Publikums- und Unterhaltungspresse konzernintern eine (nivellierte) europäische oder gar weltweite Öffentlichkeit, die in der Ähnlichkeit und Vielfachvermarktung der Produkte manifestiert. Medien- und Branchenvergleiche Präziser noch, weil vergleichsaffiner fallen Vergleiche einzelner Medienbranchen bzw. Medienformen aus, da sich hierbei exaktere, konkrete Vergleichsdimensionen ergeben bzw. erheben lassen. Allerdings können die vorfindlichen Konzernstrukturen dazu quer liegen. Dafür einige Beispiele: Wenn man Zeitungslandschaften von Staaten - etwa der großen Industrienationen Europas - miteinander vergleicht, dann sind verschiedene Traditionen,. regionale Reichweiten, wirtschaftliche Entwicklungen,. strukturelle Gegebenheiten, aber auch Märkte und Nutzungsgewohnheiten von Belang: Zentralstaaten wie Frankreich, Italien,. Spanien haben eine andere, nämlich auf die Hauptstadt konzentrierte Zeitungsstruktur als förderative Staaten. Boulevardzeitungen haben sich eher in Ländern mit einer hohen Zeitungsdichte wie Großbritannien und Deutschland entwickelt, andere Staaten kennen diesen Typus kaum. Spezielle Zeitungen wie Sport- oder Finanzzeitungen finden sich ebenfalls nur in bestimmten Ländern. Die so genannte Gratiszeitung, die anders als die überkommenen Anzeigenblätter noch Rudimente redaktioneller Rubriken aufweist, meist im modernen, handlichen Tabloidformat erscheint und an verkehrlichen Knotenpunkten in den Städten ausliegt, gilt den Verlegern in den meisten europäischen Länder als Rettungsanker für die anhaltende Krise der Tageszeitungen (sinkende Nachfrage, sinkende Auflage, sinkende Werbeeinnahmen) - nur nicht denen in Deutschland, die sich gegenseitig bei einschlägigen Initiativen hart bekriegen (Arnold 2009). Mit seinem üppigen, differenzierten Fernsehmarkt, zumal von öffentlichrechtlichen, großenteils werbefreien Programmen,. lässt der deutschen Fernsehmarkt kaum Raum für Pay-TV-Angebote, die in anderen Ländern mit großenteils kommerziellen Sendern und stark werbebelasteten Programmen als Alternativen reüssieren (Berger 2008). Die Buchpreisbindung - so heißt es vielfach - hat Deutschland eine breite, weit diversifizierte Verlags- und Buchhandlungsstruktur beschert und garan-
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Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleid1s
tiert sie auch weiterhin,. bis zu - wie Kritiker meinen - einem völlig übersättig-
tem Buchmarkt mit der weltweit relativ höchsten Zahl von Neuerscheinungen pro Jahr - über 80.000 Titel-, die gleichwohl immer noch ihre Käufer und Leser finden. Andererseits erfreuen sich etwa die skandinavischen Staaten einer ungleich höheren Dichte und Qualität öffentlicher Bibliotheken. zumsl der Staat diese gesetzlich garantiert. In Deutschland sind Kulturausgaben ,freiwillige' Leistungen der öffentlichen Hand, deren Höhe damit sehr konjunktur- und entscheidungsanfällig ist.
Auch die Verteilung und Nutzung von Online-Medien, primär des Internets, stellt sich in der Welt, aber auch in Europa trotz des vergleichsweise hohen wirtschaftlichen Niveaus und der Subventionspolitik in der EU noch sehr unterschiedlich dar, wie bereits gezeigt wurde. Nach wie vor liegen die skandinavischen und kleineren Länder im Norden an der Spitze. während der Süden Europas und auch die großen Staaten nachrangig rangieren. Weltweit holen die Schwellenländer auf und überflügeln die ehemalige TechnologieSupe:r:madlt USA. wie eine aktuelle Übersicht über die Zahl der Internetnutzer, die Volumina der Netznutzung und damit den Rang der ,Internet-Nationen' darstellt:
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Quelle: Spiegel. Nr. n. 10. August 2009. :76
6
Funktionen und Leistungen
8S
Aus der Perspektive der Nutzung, der Verbreitung von Internet und des jeweiligen Zuwachses ergeben sich etwa folgende Rangordnungen. Dabei muss jeweils bedacht werden, dass die Art der Erhebungen, der Messungen und der gewählten Indikatoren kaum jeweils identisch sind. es sich also jeweils um Nährungswerte handelt: Tabelle 5: Weltregionen und Imernemutzung 20/0
Regionen
Onll>'lO· Anteil am globa· Nul2ungszunahme Penetratlon (' . 1 ten Dat enfluss ("'01 2000· 2009 (' . 1
Nordamerika
74.2
Deutsch~nd
14.6
.,,, .,,.
05,9
3,2
European Union
63,'
18,5
+231
Auslraliei'V Ozeanien
50,'
',2
... 175
Europa gesamt
52,0
24,1
.2"
Laleinamerikal Kariblk
30,5
10,3
..891
Mittlerer Osten
28,3
3,3
.. 1649
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19.4
42.6
.",
Afrika
6,6
3,'
... 1392
Quellen: Nie/sen Online, Imernetworldstats (Stond: 312010) Quelle: Schrape 2010, 125
Faktoren und Gründe für Diskrepanzen und Abweichungen lassen sich viele finden und müssen empirisch validiert werden: von unterschiedlichen Mentalitäten und Alltagsgewohnheiten bis hin zu nationalstaatlichen Förderungsprogrammen, Bildungsniveaus und finanziellen Direktsubventionen, von Witterungsverhältnissen bis wirtschaftliche Strukturen" von kulturellen Eigentüml:ichkeiten bis hin Disproportionen der Ausgaben privater Haushalte. Kommunikative Segmente und Themen zum Vergleich Kommunikationswissenschaftlich spezifische Vergleiche lassen sich durchführen" wenn die in der Medienforschung gemeinhin betrachteten und konzipierten Segmente und Analysefelder in Betracht gezogen werden. Aus
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Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleichs
ökonomischer Sicht sind es vornehmlich die Segmente der Medienproduktion und -distribution, aus kommunikations- und medienwissenschaftlicher Perspektive ergeben sich darüber hinaus noch etliche andere, die sich etwa aus der Konzeptualisierung von (Massen)Kommunikation etwa nach Branchen der Produktion (Kommunikator), Verbreitung, Vermittlung, Inhalte, Medien und Rezeption rubrizieren lassen. Beispielsweise sind in dem Lehrbuch von B. Thomaß (2007a) folgende Segmente - allerdings wenig systematisch - aufgeführt:
Kmnmunikationspolitik - als das "politisch motivierte und intendierte Handeln, das sich auf die Organisation, Funktionsweise, die Ausgestaltung sowie die materielle und personelle Situation der Massenmedien" - heute auch auf die digitalen Medien - "bezieht" (K1einsteuber '996, '7; Th01naß 2007d,42)· Politische Kommunikation als "Nachrichten- und Informationsfluss/~ "der den politischen Prozess strukturiert und ihm Bedeutung gibt" (Thomaß 2oo7e, 5W Schulz 2008); vor allem wird darunter die politische public relations, strategische Kommunikation wie die wachsende Selbstinszenierung von Politik und deren Medien- und Öffentlichkeitsbeeinflussung sowie die Wahlwerbung verstanden. Public Service Broadcasting als die angesichts der fortschreitenden Kommerzialisierung weltweit wachsende Bewegung, Rundfunk gemeinnützig, fern von kommerziellen Verwertungsinteressen, etwa als Stiftung, Publikumseigentum, öffentlich-rechtliche Anstalt, zu organisieren, um so unabhängige, nicht marktgebundene Information, Bildungs- und Kulturangebote für die gesellschaftlich-öffentliche Kommunikation bereitzustellen; sie dürfte künftig durch Initiativen via Internet (audio- und videofiles, podcasts, blogs) abgelöst werden. Medienrezeption als zunächst deskriptive, aber auch vergleichende Erhebungen zu Medienausstattun~ -reichweite, -auswahl, -nutzun~ -aneignung und -wirkung: Sie werden einerseits als quantitative Daten von der marktorientierten Publikums- und Konsumforschung (auch als Mediaforschung bezeichnet, z. B. Leserfrequenzen, Ratings beim Fernsehen) erhoben, wie sie Medienunternehmen, vor allem Werbeagenturen und -treibende, aber auch politische Instanzen anfordern und finanzieren; andererseits werden von der akademischen Forschung komplexere Ansätze insbesondere für die Medienaneignung und für -wirkungen entwickelt, um sowohl funktionale wie kausale Zusammenhänge im Kontext des Lebensvollzugs zu ergründen als auch längerfristige Beziehungsgefüge der Medienrezep-
(Medien)Trends, Genres und Inhalte
87
tion - etwa Einführungs- und Gewöhnungsprozesse - aufzuzeigen. Diese Daten und Befunde münden in eine umfassende Beschreibung und Komparatistik von Medienrezeption als Bestandteile von Mediensystemen ein. Journalismuskulturen als Erforschung der "Wechselbeziehungen zwischen Journalismus und seinem jeweiligen kulturellen Kontext" (z. B. der Interaktion zwischen journalistischer und politischer Kultur) sowie als Ergründung der Existenz und der Elemente einer lIIuniversellen' Journalismuskultur", ihrer Identitäten, aber auch ihrer Differenzen (Hanitzsch 2007,
1154).
Andere dort aufgeführte Themen sind Pressesysteme, Medienkonzentration, Gendering (KlausILünenborg 2007), Medientechniken; teils sind sie hier, an anderer Stelle, schon thematisiert worden.
3.4
Prämissen und Ansätze des Vergleichs: (Medien)Trends, Genres und Inhalte
Wann immer von Weltmedienkultur (Hepp 2005) oder Weltöffentlichkeit (Luhmann 1996) oder Ähnlichem gesprochen wird, dann wird vorderhand weniger an strukturelle und funktionelle Zusammenhänge gedacht als an die evidenten Phänomene der Medienkommunikation, mithin an (Medien)Trends oder Kampagnen, an Genres, Stars und Figuren, an Formate und Inhalte. Von ihnen hat man weltweit den Eindruck, dass sie sich - zumal auf niedrigem Niveau - angleichen oder eben von den trans- und internationalen Medienkonzernen gewissermaßen auf dem geringsten, gemeinsamen LeveL stets mit
Blick auf höchstmögliche Rendite und justiert auf einen wie immer fixierten Mainstream, produziert und verbreitet werden: Deshalb ist auch von "globaler Massenkultur" (Hall '994, 1~ HeppILöffelholz 2002, '5; Hartmann 2006), transkultureller Popularkultur (Renger 2002) oder - etwas abfälliger - von Disneyisierung oder McDonalidisierung die Rede, um diese Standardisierungen oder Uniformierungen auf niedrigem Niveau plakativ zu kennzeichnen. Ins-
besondere die von Großbritannien ausgehenden, inzwischen sich weltweit als kritisches, "inter- oder transdisziplinäres Projekt" (Hepp/Winter 2006; Hepp u. a. 2009) ausbreitenden und verstehenden "Cultural Studies" haben sich um solch vergleichende, interpretative (Medien)Kulturforschung gekümmert und vermitteln in vielen Fallstudien substantielle Einblicke in die Globalisierung wie Popularisierung von Medienkulturphänomenen.
Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleichs
88
Einige signifikante Beispiele für Globalisierungstrends und -phänomene seien hier aufgeführt: Hollywoods Kino und Film - das erste weltweite Massenmedium Wohl schwärmte bereits im 18. Jahrhundert Johann Wolfgang von Goethe von einer ,Weltliteratur' und verstand darunter nicht zuletzt die (seine) Weimarer
Klassik; doch das erste weltweit verbreitete Massenmedium war unzweifelhaft seit etwa den 1920er Jahren der Film und das Kino Hollywoods. Zunächst startete der Film etwa ab 1895 in diversen europäischen Ländern als nationales Medium auf Jahrmärkten und Hinterzimmern von Läden und Kneipen, ja um die Jahrhundertwende und danach waren die europäischen Filmindustrien von Frankreich, Italien, Dänemark und Deutschland sogar führend. Um 1900 sollen sie sogar auf dem US-Markt einen Marktanteil um 50 Prozent gehabt haben, wohingegen amerikanische Filme in Europa kaum vertreten waren (Bakker 2003, 7 f.; Lang/Winter 2006, 129). Die wirtschaftlichen Einbußen des Ersten Weltkriegs schwächten die europäische Filmindustrie beträchtlich, während die im kalifornischen Hollywood angesiedelten Studios mit ihrem bald herausgebildeten Studio-System nun zur Eroberung des internationalen Filmwelt ansetzen konnten, "to seil America to the world with American motion pictures wie der Slogan schon in den 1920er Jahren lautete (Troumphour 2002.). Neben einer rigorosen Bindung von Regisseuren und Schauspielern an das jeweilige Studio avancierte zum unbestrittenen Erfolgsrezept die konsequente Marktausrichtung; d. h., von festen Stäben wurden nur noch Filme produziert, die vom - möglichst weltweiten Publikum goutiert wurden. Dafür setzte man bereits Marktforschung ein und auch schon serielle Fertigung, nämlich die Mehrfachverwertung eines bewährten Rezeptes mit erfolgreichen plots, Dramaturgien, Szenen und Figuren wurde erprobt. In wenigen Jahren eroberten die sieben USA-Majors den Weltmarkt des Films, in Deutschland über 90 Prozent in den Jahren vor 1933, und sie haben ihre Hegemonie - außer in wenigen Ländern, etwa Indien, China - bis heute nicht mehr abgegeben, obwohl sie kaum noch in amerikalJ ,
nischen Besitz sind:
Die Majors der US-Filmproduktion gegenwärtig:
(Medien)Trends, Genres und Inhalte
89
Filmstudios
Multinationale Unternehmen als Eigner
Universal
Vivendi (Frankreich)
Paramount Pictures
VIS
20th Century Fox
News Corporation (Australien)
WamerBors.
Time Wamer (USA)
Wal.Disney
Wal. Disney (USA)
Columbia Pictures
Sony (Japan)
Metro Goldwyn Mayer
(Mehrheitseigner ist der amerikanische Investor Kirk K.ekorian)
Quelle: LangIWinter 2006, '30
Zwar produzieren die USA gegenwärtig nur noch etwa 20 Prozent der weltweit 3.000 bis 4.000 jährlichen Spielfilme, davon entfallen etwa ein Drittel auf die Majors, während die anderen von so genannten "lndependents" hergestellt werden; aber die auch als "block busters" bezeichneten Verkaufsschlager spielen in vielen europäischen Ländern immer noch einen Großteil der Umsätze ein, in Deutschland zeitweise über 80 Prozent (Ebd.). Nur durch vielfältige nationale Fördermaßnahmen der Politik und des Fernsehens haben die nationalen Filmindustrien wieder aufgeholt und können sich mindestens auf ihren eigenen Märkten, inzwischen auch auf einigen anderen in Europa einigermaßen behaupten. Aber ihr Export in die USA ist meist immer noch die Ausnahme. Außerdem sind die amerikanischen Konzerne nach wie vor führend, wenn es um die konsequente Ausschlachtung der Verwertungskette der Filme und ihre Promotion durch Merchandising (Bücher, Utensilien, Kampagnen, Spielwaren etc.) geht - Strategien, die inzwischen unerlässlich sind und mitunter mehr einbringen als die Aufführungen der Filme. Denn ein Spielfilm wird heute nicht nur in Kinos verbreitet, darüber hinaus wird er im Fernsehen (Pay- und Free TV), auf DVD, als Video- und Computerspiel, inzwischen
auch via Internet vermarktet, und die diversen Verbreitungsphasen werden inzwischen ganz unterschiedlich, auch länder- und titelspezifisch terminiert. Neben den wirtschaftlichen Dimensionen sind auch immer wieder inhaltliche Konsequenzen des Hollywoodsystems, also bestimmte Prägungen und Sehmuster, diskutiert worden: "Das dominante Muster des Hollywoodfilms ist [...] die romantische Paarbeziehung. Die Beziehungen hielten sich zwar im üblichen Rahmen [...]. Dennoch fand die Handlung meist in ungewöhnlichen Milieus statt, die Paarbeziehung war ro-
Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleichs
90
mantisch, ungewöhnlich, exotisch [...]. Zugleich geht dieses Bedürfnis aber nicht allzu weit. Es hält sich im Rahmen des entgegengesetzten Bedürfnisses nach dem netten jungen Mädchen und dem sauberen, anständigen jungen Mann [... ]. Die ro-
mantische Liebe ist zwar als ,außergewöhnlich' definiert, schlägt sich aber dennoch genügend im Verhalten nieder, um identifikationsfähig zu sein. Die romantische Liebe ist als Norm- und Wertmuster genügend institutionalisiert - d. h. sie wird in
ihrer ,Außergewöhnlichkeit' genügend geglaubt -, um dem Zuschauer als ,normal' und ,realistisch' zu erscheinen. Insofern ist sie das dominante Thema der auf breite Amortisation angewiesenen Unterhalhmgsindustrie, die Basis generalisierter Re-
zeptivität" (Prokop '9'JO, 124 f.). Schon '947 glaubte der Publizist und Kulturkritiker, Siegfried Kracauer (1889'966), in seiner epochalen, "psychologischen" Filmgeschichte "Von Caligari bis Hitler" (1947, dt. 1958) die Mechanismen, die bei der Rezeption von Hollywood Filmen wirksam sind, zu erkennen: "Man hat gelegentlich gesagt, dass Hollywood Filme auf den Markt bringe, die den Massen vorenthalten, wonach sie wirklich verlangen. Dieser vielfach geäußerten
Ansicht zufolge tragen Hollywood-Filme zur Abstumpfung und Irreführung eines Publikums beL das sich diese Ware sowohl durch seine eigene Passivität als auch durch eine betäubende Reklame aufschwatzen lässt. Dennoch sollte man den
schädlich ablenkenden Einfluss der von Hollywood gelieferten Massenunterhaltung nicht überschätzen. Denn wer auf diesem Instrument spielen will.. bleibt doch immer auf dessen besondere Eigenschaften angewiesen [...]. Hollywood kann es sich gar nicht leisten, spontane Publikumsreaktionen unberücksichtigt zu lassen. Allgemeine Unzufriedenheit äußert sich in schrumpfenden Kasseneinnahmen. und da wirtschaftliche Gewinne eine Lebensfrage für die Filmindustrie sind, muss sie etwa eintretenden Geschmackswandlungen so weit wie möglich Reclmung tragen. Gewiss, das amerikanische Publikum wird mit Filmen beliefert, für die Hollywood eine Nachfrage erst hervorruft; auf längere Sicht aber sind es die Anspruche der Konsumenten selbst, die das Wesen der Hollywoodfilme bestimmenIL (Kracauer
'958,7)
Diese Dialektik, welche Einflüsse und Prägungen sich wie auswirken, wird von der Kritik jeweils unterschiedlich gesehen: Max Horkheimer (1895-1973) und Theodor W. Adorno (1903-1969), die Vertreter der Kritischen Theorie, argumentieren in ihrer "Dialektik der Aufklärung" (1944) fast zur selben Zeit etwa entgegengesetzt:
(Medien)Trends, Genres und Inhalte
91
"Das Prinzip gebietet, ihm [dem Konsumenten, HDK] zwar alle Bedürfnisse als von der Kulturindustrie erfüllbare vorzustellen, auf der anderen Seite aber diese Bedürfnisse vorweg so einzurichten, dass er in ihnen sich selbst nur noch als ewi-
gen Konsumenten, als Objekt der Kulturindustrie erfährt. Nicht bloß redet sie ihm ein, ihr Betrug wäre die Befriedigung, sondern sie bedeutet ihm darüber hinaus, dass er, sei's wie es sei, mit dem Gebotenen sich abfinden müsse. [...]. Kulturindustrie bietet als Paradies denselben Alltag wieder an. Escape und elopment sind von vornherein dazu bestimmt, zum Ausgangspunkt zurückzuführen. Das Vergnügen befördert die Resignation, die sich in ihm vergessen will" (HorkheimerjAdorno 1969,150).
Comics - ein universelles Medium auf Welteroberung Ein universelles Medium ganz eigener Art, nämlich die Comics oder Comicstrips, sind ebenfalls in den USA entstanden (Fuchs/Reitberger 1978). Zwar lässt sich die Tradition der Bildergeschichte bis in archaische Zeiten zurückverfolgen, etwa bis zur vorschriftlichen Höhlenmalerei oder die religiösen Glas- und Mosaikfenster in den Kirchen, und in Deutschland bildeten sich mit den "Fliegenden Blättern" Mitte des "9' Jahrhunderts und Wilhelm Buschs (1832-19°8) Bildergeschichten unzweifelhaft gewisse Vorformen. Doch zum speziellen, eigenständigen Medium wurden die Comics erst, als sie Ende des "9' Jahrhunderts als so genannte strips in die New Yorker (Sonntags)Zeitungen gerieten, um die Leser an die beiden konkurrierenden Blätter der Konzerne Pulitzer und Hearst zu fesseln. Danach wurden sie von Walt Disney ("9°"-"966) als Zeichentrickfilme kreiert und vermarktet, sodann auch in Broschüren, Büchern, Zeitungen und Zeitschriften, aber auch als eigenständige Blätter und Hefte mit verschiedenen Formaten publiziert. Später entstanden Alben und weiterhin Zeichentrickund Animationsfilme, so dass sie quer durch alle Medien kursierten und dies bis heute tun. Ihre intermediäre Position zwischen Film und Literatur wollte man zeitweise in der Bezeichnung "Buchfi1m" (Dolle-Weinkauff "990, 61) ausdrücken, die sich aber nicht durchsetzen konnte. Bereits in den "930er Jahren wurden Disneys Figuren als Merchandising-Produkte verbreitet, so dass etwa Mickey Mouse bis "950 über 5.000 Artikel figurierte, andere Figuren brachten es sogar noch höhere Quoten (Reitberger "992, 60). Besonders nach dem Zweiten Weltkrieg, mit der Befreiung Europas durch die amerikanischen Truppen, haben sich die formalen Comic-Elemente - nämlich die vielfältige Integration von Text und Bild, die Erzählung einer Handlung! Geschichte in einer Folge von Einzelbildern (Panels), markante bis komische (funnies), oft auch Tieren entlehnten Figuren und ihre serielle Reproduk-
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Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleichs
tion - und ihre populären Helden fast weltweit verbreitet und neben den bekannten medialen Ausprägungen auch nationale Kreationen hervorgebracht, die ihrerseits wieder exportiert und imitiert wurden. Längst haben sie sich vom Status des einfältigen Kindermediums emanzipiert und haben - selbst wenn der Zenit ihrer Popularität und Kreativität derzeit überschritten zu sein scheint - spezielle, vielfältige Popularkulturen hervorgebracht, mit der nahezu jedes Thema und jeder Stoff verarbeitet werden können, die überall verstanden und in andere Kontexte etwa von Werbung und Kunst (z. B. popart) integriert werden. Bis heute agiert der Disney-Konzern als einer der größten Medienkonzerne der Welt. In künstlerischer Hinsicht haben sich in Belgien und Frankreich kreative Hochburgen formiert. In den letzten Jahrzehnten sind die Comics westlicher Art durch japanische Manga ergänzt worden, die auch in vielen europäischen Ländern eine neuerliche Hochkonjunktur ausgelöst und die Variationsvielfalt der Bildergeschichten enorm erweitert haben (Brunner 2010). Produktions- und Distributionsprinzp: Serialität Mehrfach ist es schon angeklungen: den Medien als kontinuierlich oder gar periodisch erscheinende Öffentlichkeitsprodukte eignet eine gewisse Serialität als gezielte Wiederholung oder Variation des Gleichen, Eingespielten und Erfolgreichen (Geisenfeid "994). Bei der Presse sind es die Fortsetzungsromane oder die regelmäßigen Kolumnen, beim Film sind es Reihen mit ähnlichen Geschichten, Szenerien, gleichen Figuren (z. B. die Snow-Ball-Comedies der "930er und "940er Jahre), sobald sich ein Genre oder Produkt als erfolgreich herausgestellt hat, beim Fernsehen sind es explizit die Serien, daneben gibt es aber auch Fortsetzungen, Folgen, Staffeln, Mehrteiler und Reihen, alle anderen Medien (Buch, Tonträger etc.) - gerade auch die neuen digitalen - kennen ebenfalls solche Mehrfachauswertungen, die Reproduktion des (Immer)Gleichen, das Spekulieren auf Bewährtes und die Wiedererkennbarkeit des Vertrauten und Bekannten. Serien sind prinzipiell unendlich, werden nur bei Erfolglosigkeit abgebrochen, und sollen die Rezipienten regelmäßig an das Medium bzw. Produkt binden. Möglichst soll die Rezeption der Serie so in ihren Alltag implantiert werden, dass sie ein Teil dessen Rhytlunus wird. Neben der periodischen Erscheinungsweise ist dafür vor allem die rationelle, ökonomische Produktionsweise verantwortlich, die die mehrfache, möglichst komplette Ausbeutung der geistigen und materiellen Ressourcen - vom der Idee bis zur Kulisse - vorsieht und sich damit gegen die Singularität und Autonomie der Kunst als kommerzielles Gegenmodell etabliert (Hickethier "99").
(Medien)Trends, Genres und Inhalte
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Namentlich das Fernsehen hat die Serialität fast vollständig realisiert und intensiviert. Ihr steht allerdings die Ereignisorientierung als Live-Medium entgegen, aber oftmals wird sie in den seriellen Programm-Rahmen - etwa bei Politik und Sport - eingefügt. Mit der Fernsehserie für fiktionale Handlungen bis hin zur Daily, also der täglichen Ausstrahlung, die ursprünglich als so genannte Soap-Opera von den Werbesendungen des Radios kopiert und übernommen wurde, ist eine bis heute populäre, eigene Gattung kreiert worden, die insbesondere dem kommerziellen Fernsehen optimale Auslastung der Ressourcen, geringe Kosten, größtmögliche Zuschauerbindung und geeignete Werbeumfelder bis hin zur Dramaturgie des abrupten Abbruchs (cliff hanger) beschert. Neben vielen Vorläufern startete der Serientypus seinen weltweiten Eroberungsfeldzug im kommerziellen Fernsehen der USA Anfang der '980er Jahre mit "Dallas", dem pompösen Melodram und perfiden Intrigenspiel steinreicher Ölmagnatenfamilien in Texas. Über die Gefühlswelten, die "DaUas" evoziert, mutmaßt die niederländi-
sche Medienforscherin Ian Ang, die inzwischen zu einer der profiliertesten und produktivsten Protagonistinnen der "Cultural Studies" zählt, in ihrer Studie von '986: "Abschließend können wir also sagen.. dass das Vergnügen an Dallas in der Wahr-
nehmung von Ideen besteht, die in die Vorstellungswelt der Zuschauer hineinpassen. Die Zuschauer können sich in Dallas ,verlieren', weil das Programm eine Gefühlsstruktur symbolisiert, die sich mit einer der Möglichkeiten verbindet, in der sie dem Leben begegnen. Und insoweit, als die Phantasie eine grundlegende Kom-
ponente unserer psychologischen Welt darstellt, ist das Vergnügen an Dallas - als besondere historische Symbolisierung - weder eine Kompensation für die vorgebliche Farblosigkeit des alltäglichen Lebens, noch eine Flucht vor diesem Leben, sondern eine Dimension dieser alltäglichen Existenz. Denn nur durch die Phantasie, die immer subjektiv ist, wird die ,objektive Wirklichkeie aufgenommen: ein Leben ohne Phantasie gibt es nicht" (Ang '986, 99 f.).
Damit formuliert Ang eine andere, dem Zuschauer positiv zugewendete Sichtweise auf die Rezeption und Psychologie der Aneignung der Serie, als es die frühere Kulturkritik getan hat (s.o.). In fallstudienartige Rezeptionsanalysen kann sie zeigen, dass die Zuschauer auch beim hoch emotionalisierten Serien-
geschehen kritische bis zynische Distanz walten lassen und nicht in naive Sentimentalität mit ihren Helden und deren Schicksale verfallen.
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Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleichs
Die neuen Mitmachmedien: sodal web, communitie. und blog. Schon die Erfindung des Drucks Mitte des 15. Jahrhunderts, erst recht aber die Entwicklung periodischer Massenmedien, Zeitungen und Zeitschriften seit dem 17. und 18. bis hin zur Massenpresse im 19. Jahrhundert, verlangten wirt-
schaftliche Ressourcen, den Einsatz von Kapital für Maschinen, Menschen und Räume, für Material und ideell-inhaltliche Arbeiten, den Aufbau von Vertrieb und Verkauf. Insofern bildeten sich bald spezielle Manufakturen - Offizine, das sind Werkstätten mit angeschlossenem Verkaufsraum -, später Industrien zur Produktion heraus; sie beförderten Arbeitsteilungen und Spezialisierun-
gen für bestimmte Tätigkeiten (papierproduktion, Druck, Setzerei, Binderei), die sich dann als bestimmte Berufe professionalisierten. Erst Mitte des 19. Jahrhundert formierte sich die ideelle Produktion auf breiter Basis im so genannten "redaktionellen Journalismus" (Brosda 2008, 128). Davor war Schreiben eher die freiberufliche Angelegenheit von Schriftstellern, zufällig vor Ort anwesenden Korrespondenten und anderen Schreiberlingen. Mit der ständig wachsenden Ausdifferenzierung der Medienindustrie und ihrer anhaltenden Technisierung bis heute wachsen Kapitalbedarf und wirtschaftliches Risiko, so dass die so genannten Marktzutritte für (Print)Medien immer schwieriger und ihre Schwellen immer höher werden. Diesen ökonomischen Kautelen stehen die fast überall geschützte Meinungs- und Äußerungsfreiheit jedes Einzelnen gegenüber, das Bestreben und die Garantie, sich nicht nur privat und direkt, sondern auch über die jeweils verfügbaren Medien zu äußern. Deshalb lassen sich in der Geschichte bis heute immer wieder Bestrebungen finden, diese Ansprüche einzulösen und dafür auch für oder gar jenseits des Marktes Realisierungsoptionen zu entwickeln: Dazu lassen sich bereits Ambitionen der Autoren der Aufklärung, aber auch während der Klassik rechnen, eigene Periodika - etwa Friedrich Klopstocks (1724-1803) "Gelehrtenrepublik" - zu gründen und über Subscribenten- bzw. Pränumeranten-Werbung zu vertreiben, um sich so von den Verlagen unab-
hängig zu machen. Nachhaltig berühmt wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts Bertolt Brechts (1898-1965) Forderungen (1932) nach einer Demokratisierung der Radiotechnik, zur "Umfunktionierung des Rundfunks": "Der Rundfunk ist aus einem Distributionsapparat in einen Kommunikations-
apparat zu verwandeln. Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem.. das heißt, er wäre es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusend~ sondern auch zu empfangen,
also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht
(Medien)Trends, Genres und Inhalte
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zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen [...]. Durch immer fortgesetzte, nie aufhörende Vorschläge zur besseren Verwendung der Apparate im Interesse der Allgemeinheit haben wir die gesellschaftliche Basis dieser Apparate zu erschüttern, ihre Verwendung im Interesse der wenigen zu diskutieren [...]. Sollten Sie dies für utopisch halten, so bitte ich Sie, darüber nachzudenken, warum es utopisch ist L1
(Brecht '932; '9'J2, 3' ff.). Zuvor schon experimentierten die frühen sozialistischen Staaten mit der Einrichtung so genannter ,Volkskorrespondenten', also von Laienjournalisten, die
von der Basis der ,sozialistischen Produktions- und Lebensweise' berichten sollten - aus der Sicht von Systemkritikern ein besonders raffiniertes Spitzelsystem der allmächtigen Partei, für andere immerhin halbherzige BestrebungeIl- die ,sozialistische' Presse nicht nur von der Partei aus zentral zu lenken, sondern auch sie als kollektives Informations- und Kollektivierungsinstrument einzusetzen. Brechts Forderungen sind Anfang der '970er Jahre für die Videoentwicklung von Hans Magnus Enzensberger in seiner so genannten "Baukastentheorie der Medien" aktualisiert und - wie auch vielleicht zu Unrecht kritisiert wurde - technisch vereinfacht worden: "Zum ersten Mal in der Geschichte machen die Medien die massenhafte Teilnahme
an einem gesellschaftlichen und vergesellschafteten produktiven Prozess mög-
lich. dessen praktische Mittel sich in der Hand der Massen selbst befinden. Ein solcher Gebrauch brächte die Kommunikationsmedien.. die diesen Namen bisher zu Unrecht tragen, zu sich selbst. In ihrer heutigen Gestalt dienen Apparate wie das Fernsehen oder der Film nämlich nicht der Kommunikation.. sondern ihrer Verhinderung. Sie lassen keine Wechselwirkung zwischen Sender und Empfänger zu: technisch gesprochen, reduzieren sie den feedback auf das systemtheoretisch
mögliche Minimum. Dieser Sachverhalt lässt sich aber nicht technisch begründen. Im Gegenteil: die elektronische Technik kennt keinen prinzipiellen Gegensatz von
Sender und Empfänger [...]. Die technische Differenzierung von Sender und Empfänger spiegelt die gesellschaftliche Arbeitsteilung zwischen Produzenten und Konsumenten wider, die in der Bewusstseins-Industrie eine besondere politische
Zuspitzung erfährt. Sie beruht letzten Endes auf dem Grundwiderspruch zwischen herrschenden und beherrschten Klassen (das heißt zwischen Monopolkapital und Monopolbürokratie auf der einen und abhängigen Massen auf der anderen Seite)" (Enzensberger '9'70, '59 ff.)
In der Zusammenfassung von Ist und Soll-Zustand stellt Enzensberger schematisch gegenüber:
96
Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleichs
Repressiver Mediengebrauch
Enumzipatorischer Mediengebrauch
Zentral gesteuertes Programm
Dezentralisierte Programme
Ein Sender, viele Empfänger
Jeder Empfänger ein potentieller Sender
Immobilisierung isolierter Individuen
Mobilisierung der Massen
Passive Konsumentenhaltung
Interaktion der Teilnehmer, feedback
Entpolitisierungsprozess
Politischer Lemprozess
Produktion durch Spezialisten
Kollektive Produktion
Kontrolle durch Eigentümer oder Bürokraten
GeseUschaftliche Kontrolle durch
Selbstorganisation
Quelle: Enzensberger '979, '73
In den 197"er und 19Boer Jahren gründeten sich viele Bewegungen zur praktischen und politischen Medienarbeit, um mit Foto, Film und Video Medien von unten zu produzieren (Schell 2003). So genannte Piratenradios, die (zunächst) illegal ohne Lizenz sendeten, machten von sich reden. Inzwischen sind sie vielfach als public radios und open channels legalisiert. In Deutschland setzten bei der flächendeckenden Verkabelung und der Einführung des kommerziellen Rundfunks reformerische Kräfte durch, dass ,offene Kanäle' für Hörfunk und Fernsehen eigene Sendeplätze bekamen und entsprechend subventioniert werden (Kamp 1989; Jarren u. a. 1994). Inzwischen ist die Euphorie über Laienproduktionen und -sendungen längst verflogen - oder die Ambitionen haben sich in die digitalen, interaktiven Medien verlagert. Deren technischen Optionen scheinen nun erstmals all die lang gehegten und erprobten Konzeptionen nach Mitmach-Medien, Laienproduktion, Aufhebung der Sender- und Empfängerrolle, unmittelbare Dialogfähigkeit und Öffentlichkeiten von unten zu verwirklichen; neu sind diese Visionen - wie
gezeigt - nicht, nun aber insbesondere mit dem so genannten Web 2.0, dem "Mit-Mach-Medium" per se, aber auch mit dem multimedialen, intemetfähigen Handy direkt machbar, ja für viele schon selbstverständlich. Schon setzen professionelle Medien wie etwa das Boulevardblatt BILD Laienreporter für die Beschaffung von Sensationsfotos und Erlebnisberichten ein und hofieren den so genannten User-generated Content - angeblich, um die Leser an dem Blatt zu beteiligen und damit seine Authentizität zu erhöhen, für Kritiker aber auch, um den grassierenden Voyeurismus und die kursierende Katastrophenneugier anzustacheln, aber ebenso um billig an makabre und
intime Schnappschüsse und selbstentblößende Artikel zu kommen. Auf den
(Medien)Trends, Genres und Inhalte
97
sozialen Plattformen wie YouTube, FlickR und Facebook präsentieren sich die User nahezu hemmungslos mit all ihren Vorzügen und Nachteilen, doch sie stellen auch unzählige selbst gemachte Fotos und Videos ein. Sie erzeugen gewissermaßen viele zusätzliche Facetten kommunikativer Öffentlichkeit und ergänzen damit zumindest die überkommene, auch filternde Dominanz der etablierten, professionellen Medien - auch als gate keeping apostrophiert -, wenn sie sie nicht aufheben (Quandt/Schweiger 2008; Neuberger/Quandt 2010) Gerade in kritischen Situationen (Krisen, (Bürger)Kriegen, Entführungen, Katastrophen, Unfälle etc.) und unter Zensurbedingungen autoritärer Regime haben sich inzwischen (Web)Blogs als neue journalistische Berichterstattungsform - auch mittels Foto und Video - herausgebildet. Ursprünglich als elektronisches Tagebuch entstanden und auch heute noch so vielfach zur privaten Verlautbarung genutzt, produzieren Journalisten sie als authentische, unmittelbare Berichterstattung oder stellen sie Laien als persönliche Erlebnisschilderung her - die Grenzen werden fließend. In kürzer, begrenzter Form sind sie inzwischen auch als Twitter, dem Kurznachrichtendienst oder Microblog, sowie als SMS via Handy gebräuchlich. Mittlerweile gibt es unzählige, bereits auch thematisch oder ressortspezifische Blogs, die bereits wieder die etablierte Ressorteinteilung reproduzieren. Insbesondere die diversen Media WWWatchdogs (Fengler 2008), wovon es in Deutschland etwa nur bildblog mit derzeit rund 40.000 Besuchern pro Tag als nennenswertes Beispiel gibt (Ebd., 157), erweisen sich als kritische, interventorische Begleiter der Medienöffentlichkeit und haben dieser erstmals beachtliche kritische Korrektive beschert. Viele Redaktionen nehmen sie auch so wahr und steigern dadurch Sorgfalt und Qualität ihrer Arbeit, andere integrieren sie geschickt in ihre Online-Offerten als Marketingstrategie und Erhöhung der Publikumsbindung. Daher dürfte die inzwischen vielfach diskutierte Frage, ob der Laien- oder Bürgerjournalismus eines Tages den professionellen Journalismus überflÜSSig macht oder eben nur eine endlich realisierbare, partizipatorische und erfreuliche, aber letztlich systemisch unerhebliche Ergänzung darstellt, aus verschiedenen Blickwinkel noch länger diskutiert werden: "Mit dem Internet wächst die Notwendigkeit, Journalismus-, Öffentlichkeits- und Medientheorie zu integrieren [...]. Der Strukturwandel der Öffentlichkeit wird durch die neue Medientechnik ausgelöst, deren Potenzial in der Institutionalisierung sozial erschlossen wird. Das Auftauchen neuer Medien ist ein ambivalenter Prozess, in dem einerseits Probleme gelöst, andererseits Folgeprobleme aufgeworfen werden. Für diese Probleme sind - wie schon in der aktuellen Öffentlichkeit der traditionellen Massenmedien - auch im Internet Vermittler erforderlich, die
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Analytische Zugänge des Medien(systems)vergleichs sie bearbeiten. Neben dem professionell-redaktionellen Journalismus gibt es im Internet allerdings mit Laien (als Kommunikatoren und Anbieter) sowie technische Hilfen (Suchmaschinen ete.) neue Akteure, die ebenfalls Vermittlungsleistungen
erbringen können. Für den Journalismus stellt sich damit die Frage, wie er sich im Verhältnis zu partizipativer und technisierter Kommunikation im Internet positioniert" (Neuberger 2008, 36).
4
Konzepte und Methoden des Vergleichs
4.1
Was wie vergleichen? Zur Theorie und Methode der Komparatistik
Grundform wissenschaftlicher Erkenntnis ist der Vergleich,. behauptet bekanntlich der KommunikationswissenschaftIer W. Schulz (2008a, '9), und zwar werden Vergleiche evoziert durch Informationsgewinne (oder Beseitigung von Ungewissheiten) zwischen Vorher und Nachher, zwischen verschiedenen Populationen und Untersuchungsfelder, indem darüber Daten und Erkenntnisse in Forschungsprozessen gewonnen und in Beziehung gesetzt werden. Sie können entweder theoretisch-explorativ, meist mit Unterstützung von Daten und Erkenntnissen anderer, oder - in den Sozialwissenschaften häufiger empirisch vorangetrieben werd"", wodurch neue Daten, Befunde und damit Einsichten generiert werden. Insofern ist alle Sozialwissenschaft letztlich komparatistisch und mithin auch die Kommunikations- und Medienwissenschaft, sofern sie sich als Sozialwissenschaft versteht. Allerdings ist diese grundsätzliche Komparatistik meist implizit, unausgesprochen oder auch methodisch unüberlegt und unterscheidet sich von expliziten Vergleichsbestrebungen. In der Alltagssprache warnt man gern davor, Äpfel mit Birnen, also Unvergleichbares miteinander zu vergleichen. Dabei gibt es just für diese Fruchtsorten eine auf der Hand liegende, wenig abstraktere Vergleichsebene, nämlich Obst allgemein oder gar Kernobst im Besonderen. Will heißen: Bei Vergleichen müssen Vergleichsziele, -ebenen und -objekte klar definiert sein, um sie sinnvoll und ergiebig anstellen zu können. Aus der Rhetorik wird dafür der Begriff des "tertium comparationis'~ "das Dritte des Vergleichs" entlehnt. Mit ihm sind die Bezugsgrößen gemeint, in denen möglicherweise unterschiedliche Sachverhalte oder Gegenstände verglichen werden können, soweit sie in der jeweils gewählten Perspektive in ihnen aufgehoben sind. Da soziale Wirklichkeit überaus komplex und in sich verwoben ist, muss sie für alle wissenschaftliche Erkenntnis reduziert, pointiert, ausgewählt, wenn nicht vereinfacht werden, können mithin nur jeweils entsprechend modellierte Ausschnitte von ihr verglichen und erforscht werden. Die Systemtheorie spricht von der erforderlichen Reduktion von Komplexität. Denn nur solch kontrollierte Reduktionen lassen sich mit den empirisch-analytischen Methoden erkunden, entweder mit dem Anspruch der (statistischen) Repräsentativität, der explo-
Hans-Dieter Kübler, Interkulturelle Medienkommunikation, DOI 10.1007/978-3-531-92904-0_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
100
Konzepte und Methoden des Vergleichs
rativen Fallstudie oder der dezidierten qualitativen Typik oder Exemplarität. Deshalb muss man sich bei diesen gedanklich-analytischen Prozessen so weit wie möglich Rechenschaft ablegen und klar darüber sein, was wie ausgewählt und modellhaft disponiert wird. Ein Beispiel: Will man ein Mediensystem mit einem anderen bzw. das Mediensystem eines Landes mit dem eines anderen vergleichen, wird es an-
gesichts ihrer Komplexität kaum gelingen, dies in toto zu tun. Schon eine Auswahl ist es, sich auf die Rundfunksystem zu konzentrieren, aber auch dies fällt bei der Vielzahl von Sendern und Strukturunterschieden schwer. Daher könnte es sich anbieten, nur die Produktionsstruktur und das Konzept der Nachrichten zu vergleichen, weil dieses Genre nach wie vor der Kern des publizistischen Selbstverständnisses einer Rundfunkstation darstellt, sofern sie nicht gänzlich auf Entertainment und Werbung ausgerichtet ist. Dafür haben sich einige essentielle Kategorien wie Neutralität, Sachlichkeit, Vollständigkeit und Pluralität eingespielt, die etwa in der anhaltenden Debatte um journalistische Qualität diskutiert werden (Beck u. a. 2010, 15 ff.). Für sie müssen jeweils angemessene, überprüfbare Operationalisierungen gefunden werden, damit sie analytisch ermittelt werden können. Vergleicht man nicht nur Struktur und Programmatik der Nachrichten, sondern die tatsächlichen Sendungen, bedarf es eines vergleichend-inhalts analytischen Vorgehens zumindest über einen plausiblen Zeitraum hinweg, um einigermaßen valide Aussagen treffen zu können. Jeweils muss anschließend überprüft und dargelegt werden, wie diese spezielle Analysen - gewissermaßen als pars pro toto - mit dem übergeordneten Erkenntniszielen, nämlich zwei Mediensysteme miteinander zu
vergleichen, zusammengeführt werden können, wofür sie tatsächlich stehen und worüber sich infolge der Spezifik und Begrenztheit keine verantwortbaren Aussagen getroffen werden können.
Was wie vergleichen? Zur Theorie und Methode der Komparatistik
101
Eigene Darstellung
Listet man möglidte Vergleidlsdimensionen und -ziele auf..1assen sich für die Kommunikations- und Medienforschung folgende nennen,. wobei ihre Ansatzhöhe und entsprechend ihre Ergiebigkeit unterschledlich ausfallen:
1. Geopolitische Vergleiche: Gemeinhin werden die Mediensysteme einzelner Staaten/Länder oder auch von Regionen dargestellt (wie sie in unzähligen etwa auch im ulnternationalen Handbuch Medien" des Hans-Bredow-Instituts [Hamburg], vorgenommen werden [ThomaJl2007[). Dabei bleiben die Vergleiche implizit, werden gewissermaßen im Kopf des Lesers konstruiert Will man explizite Vergleiche vornehmen, dürfte sich die Ansatzebene ,Land' oder gar (supranationale) ,Region' häufig als zu komplex" multifaktoriell und damit als unvergleichlich erweisen,. da kein Land einem anderen unmittelbar gleicht und viele unterschiedliche Faktoren in Tradition. Geografie, ethnischer Zusammensetzung, Kultur, Ökonomie, Politik" Mentalität und damit auch in seinem Mediensystem aufweist. Noch komplexer, unübersichtlicher und zwangsläufig unvollständiger und tendenziöser fallen Darstellungen ganzer Kontinente bzw. uWeltregionen" mit impliziten Vergleichsansätzen aus ('Thomaß 200']a). Daher müssen relationa1e Größen entwickelt werden: etwa die Zahl von Zeitungs1esern, Fernsehgeräten, Intemetanschlüssen pro Einwohner, wenn es etwa um die Medienverbreitung und -reichweite geht; Strukturen. Kompetenzen und Funktionen von Aufsichtsgremien; Konzentrations-
HLänderberidl.ten'~
102
Konzepte und Methoden des Vergleichs
grade in den einzelnen Medienbranchen, ihre Anteile an den jeweiligen Medien(segment)märkten hinsichtlich Medienverfassung und -vielfalt; justierte, jeweils zu aktualisierende Mediennutzungsdaten, wenn Zeitbud-
gets, finanzielle Aufwendungen, Zuwendungsraten und möglicherweise gar Grade der Medienkulturation erarbeitet werden sollen etc. (etwa: entwickeln die Rezipienten andere Nutzungsverhalten, wenn es flatrates gibt, als bei zeitlich limitierten Aufwendungen 7). Diese so genannte Soziometrie hat auch für die Medienforschung viele Relationsgrößen entwickelt, die aber jeweils daraufhin überprüft werden müssen, was sie wie korrekt
messen und worin sie einigermaßen vergleichbar sind. 2. Zeitvergleiche: Neben räumlichen Gegebenheiten lassen sich auch zeitliche Phasen vergleichen, allerdings auch nicht ohne methodische Vorbehalte: Die Geschichtswissenschaft stellt sie für vergleichsweise weite Zeiträumen ("Epochen") an, meist mit der Methode der analytischen, interpretierenden Rekonstruktion aus Quellen und Daten. Sie ist sich dabei meist bewusst, dass keine Epoche der anderen gänzlich gleicht, vielmehr wiederum allenfalls bestimmte Segmente oder Faktoren vergleichbar sind, um Ähnlichkeiten oder - eher - Unterschiede zu eruieren. Auch hierbei muss jeweils geklärt werden, welche Reduktionen oder Fokussierungen vorgenommen werden. Sozialwissenschaftliche Zeitvergleiche beziehen sich gemeinhin auf kürzere Zeitspannen und beschränken sich auf die (wechselseitige) Einflussnahme weniger Variablen. Insbesondere vielfältige Überlegungen zu Medienwirkungen (Schenk 2007) sind in Zeitreihen üblich, denn gemeinhin wird ein Zustand 0 mit einem Zustand 1 oder mehreren Zuständen verglichen und gefragt, welche Veränderungen stattgefunden haben und welche davon auf Medieneinflüsse zuriickzuführen sind. Dies geschieht etwa bei der Einführung eines neuen Mediums, friiher z. B. des Fernsehens, heute bei Internet, Handyetc., aber auch bei Studien zu Meinungs-, Einstellungs- und Verhaltensänderungen, z. B. hinsichtlich des Einflusses von medialen Gewaltdarstellungen (Kunczik/Zipfel 2006). Die gesamte Werbeforschung ist auf solch zeitliche Veränderungen ausgerichtet, da sie belegen muss und will, ob und wie Werbeimpulse auf Kognition, Emotion und/oder Handeln der Rezipienten! Konsumenten wirken (Zurstiege 2007). 3. Funktionale bzw. kategoriale Vergleiche: Geht es einerseits um größere gesellschaftliche Zusammenhänge, in die Medien einbezogen sind, lassen sich Funktionsgefüge vergleichen; andererseits empfehlen sich bei spezielleren Fragestellungen auch kategoriale Komparationen. Für erstere sind etwa
Was wie vergleichen? Zur Theorie und Methode der Komparatistik
103
(ideal)typische Konstellationen zwischen politischen Systemen und Mediensystemen gebräuchlich, etwa für das autoritäre, das totalitäre und das demokratische Modell und ihre Konsequenzen für die Medienverfassungen. Beliebt sind auch Fragen, welchen Einfluss Medien auf die Demokratisierung eines Landes haben, wobei die demokratiespezifischen Kriterien jeweils expliziert werden müssen, oder umgekehrt: wie viel Medienfreiheit ein Regime aufbieten muss, dass demokratische bzw. pluralistische Medien entstehen. Letzteres ist eine Frage nach Strukturen, Funktionen und Akteuren der Medienpolitik (Puppis 2007; Marcinkowski/pfetsch 20"9)' Konkreter in diesem Kontext sind beispielsweise Vergleichsstudien über unterschiedliche Konzepte von Nachrichten, wie sie etwa im Nachkriegseuropa mit der Verbreitung des angloamerikanischen Neutralitätsgebots und der Trennung von Nachricht und Kommentar aufgekommen sind. Solche Maximen galten zuvor z. B. in Deutschland nicht und haben das Verständnis von Nachrichtenproduktion und Zeitungsmachen gravierend verändert (Schönbach 1977, Wilke 19134). 4. Normvergleiche: Unmittelbar anschließen lassen sich Normvergleiche, da bei ihnen Normen, Maßstäbe, Zielvorgaben oder ganze ethische Kataloge miteinander verglichen werden und gefragt wird, welchen Einfluss sie auf Medienkonstellationen und -produktionen haben. Allgemeinverbindliche Normen werden in Verfassungen, Gesetze und Regelungen gefasst, ethnische Grundsätze in Konzepte und Codices mit Appellcharakter. Die Medien als wesentliche Faktoren von Öffentlichkeit, Kultur und Meinungsbildung unterliegen vielen solcher Regelungen und Anforderungen; sie lassen sich als Dokumente auf der Textebene miteinander vergleichen; erst aber ihre eingehende Interpretation - auch Exegese genannt - und natürlich ihre Umsetzung in die Medienrealitäten geben Aufschluss über ihre Wirksamkeit, sonst sind sie hehre, aber unverbindliche Prinzipien und können zu inflationären Phrasen verkommen (Schicha/Brosda 2010). So zählt etwa zum Kodex für demokratische Medien, dass sie Vielfalt und Pluralität in Information, Meinungen und Positionen garantieren. Denn nur aus solch heterogenen Angeboten könne der mündige Bürger seine Meinung frei und möglichst unabhängig bilden, lautet die dernokratietheoretische Begründung. Wie es um diese Vielfalt in den Inhalten bestellt ist, können nur empirische Inhaltsanalysen eruieren, die auf Normvergleiche referieren und dafür operationable Kriterien entwickeln. 5. Inter- und intramediale Vergleiche: Je nach Fragestellung und Erkenntnisinteresse können Medien als ganze, aber auch ihre Ressorts, Genres, Rubriken,
104
Konzepte und Methoden des Vergleichs
Textsorten miteinander verglichen werden, und zwar dann jeweils noch bezogen auf ihre kommunikativen Dimensionen wie Produktion, Verbreitung/Diffusion/Vertrieb, Rezeption und Nutzung. Dabei ergeben sich zeitgeschichtliche und technikbezogene Schwerpunkte, die nur exemplarisch angedeutet werden können: Erst allmählich formten sich Nachrichten, Berichte und andere Textformen in den Zeitungen heraus und lösten sich von der Alltagsnarrativik; der Zeitungsroman entwickelt eine andere Erzählstruktur als der Buchroman;
bis sich der Film vom Theater löste, bedurfte es erhebliche Befreiungsversuche und technischer Innovationen;
Radio und Fernsehen entfalten mit Hör- und Fernsehspiel eine spezielle Dramaturgie, die sich von der des Theaters unterscheidet; Dokumentarfilm und Wochenschau sind die Vorläufer für alle Informationssendungen im Fernsehen; Hörbücher werden anders ,rezipiert' als die Lektüre gedruckter Bücher; Video- und Onlinespiele unterscheiden sich erheblich in ihrer Dramaturgie und Interaktionsoption von anderen audiovisuellen Formaten; erst allmählich emanzipieren sich Online-Zeitungen von ihren gedruckten Vorbildern; mit dem sodal web und den communities kristallisieren sich ungeahnte Kombinationen von privater, personaler und öffentlicher, medialer Kommunikation heraus ete.
4.2
Wirklichkeitsreduktion und -selektion
Soziale Wirklichkeit lässt sich selten als ganze analytisch erfassen; dann muss sie schon so klein gewählt sein, dass sie einer so genannten Vollerhebung zugänglich ist - beispielsweise wenn in einer Stadt die Lokalredakteure befragt oder die Schülerzeitungen untersucht werden. Entsprechend gering ist die Reichweite der Erkenntnisse, nämlich nur beziehbar auf die gewählte Population. Man spricht dann auch von einer Fallstudie; sie kann angebracht sein, um überhaupt Anhaltspunkte für ein Untersuchungsgebiet zu finden oder um das methodische Instrumentarium auszuprobieren. Bei ersterer wird gern das Attribut ,explorativ' hinzugefügt, da Fallstudien auch zu Vorbereitung umfänglicherer Studien mit größerer Daten- und Erkenntnisreichweite dienen.
Wirklichkeitsreduktion und -selektion
105
Oder die Methoden werden in einem so genannten Pretest ausprobiert, bevor dann eine größere Studie ins ,Feld geht', sprich: realisiert wird. Quantitative Verfahren: Repräsentativität Gemeinhin muss für die Erkenntnisinteressen und das Untersuchungsgebiet eine Auswahl getroffen werden; sie wird Stichprobe genannt. Ihre Auswahlmodalitäten müssen - zumindest einigermaßen transparent und plausibel geWährleisten, dass sie die ganze, nicht zu erfassende Untersuchungseinheit oder Grundgesamtheit (z. B. alle Bundesbürger zwischen '4 bis 49 Jahren [die für Medien und Werbung interessanteste Zielgruppe], oder für alle Jugendliche mit Migrantenhintergrund zwischen '4 und 18 Jahren in Deutschland) abbildet. Das wird dann repräsentativ" genannt. Für die repräsentative Auswahl nutzt man mathematische Überlegungen bzw. statistische Verfahren: Die eine Auswahl wird nach dem Zufallsprinzip vorgenommen, die andere ist eine gezielte Auswahl. Bei ersterer muss man gewährleisten, dass jedes Element der Grundgesamtheit prinzipiell die gleiche Chance hat, in die Stichprobe zu gelangen, um so eine unvoreingenommene Auswahl zu realisieren. Bei der gezielten Auswahl werden im Vorfeld für die Untersuchung und das Erkenntnisinteresse relevante Indikatoren in der Grundgesamtheit und deren Proportionen festgelegt, und es muss Gewähr geboten werden, dass sich diese in demselben Verhältnis in der Stichprobe wiederfinden. Das wird Quotierung genannt. Hinter diesem Verfahren steht mithin die Prämisse, dass sich soziale Wirklichkeit vornehmlich in quantitativen Relationen abbilden lässt, primär in Häufigkeit (wie viele? wie häufig?), dann auch in komplizierteren Korrelationen, also in der Verknüpfung mehrerer Variablen. Wie groß die Stichprobe gewählt wird, d. h. wie viele Personen (Probanden) für Repräsentativität stehen, ist allerdings nicht nur eine mathematische Entscheidung. Auch ökonomische Gesichtspunkte - Kosten für eine Studie - und Zufälle - wie viele sind tatsächlich in der zur Verfügung stehenden Zeit erreicht worden? - sind ebenfalls von Belang. Verzerrungen lassen sich nachträglich durch so genannte GeWichtungen ausgleichen - ein Verfahren, das nicht unumstritten ist. Inzwischen hat sich bei Befragungen eine ungefähre Fallzahl von etwa 1.000 Personen als ausreichend eingespielt.
3 Mit diesem Begriff wird viel Schindluder zumal in der veröffentlichten Darstellung getrieben; offensichtlich soll dieses Attribut das Prestige und den Wert von Daten und Befunden aufwerten. So wird häufig und gern dieses Attribut hinzugefügt, ohne die unentbehrlichen
Bezugsgrößen zu nennen. Das Mindeste ist anzufügen: ,repräsentativ wofür?', also die Grundgesamtheit für die Stichprobe zu nennen; sonst ist die Aussage wertlos.
106
Konzepte und Methoden des Vergleichs
Statistische Wahrscheinlichkeitsrechnungen haben ergeben, dass bei größeren Stichproben kaum mehr unentdeckte Abweichungen auftauchen. Bei Befragungen, also bei der Untersuchung von Personen, greift man auf die so genannten soziodemografischen Indikatoren (also Alter, Geschlecht, Bildungsstand, Beruf, Einkommen, Wohnort ete.) zurück und geht davon aus, dass mit ihnen wichtige soziale Merkmale von Menschen erfasst sind, die sich auch auf ihre Meinungen, Einstellungen, Handlungsweisen, Lebensstile und sonstige, nicht unmittelbar abrufbare Phänomene - auch als ,weiche' bezeichnet - auswirken. Dass sich mit ihnen freilich nur Ausschnitte individueller Persönlichkeit und Identität erfassen lassen, ist inzwischen den meisten Sozialforschem bewusst. Sie kombinieren daher heute immer mehr solcher Variablen und identifizieren ihre Schnittmenge, auch clustering genannt, generieren daraus - je nach theoretischer Konzeption - Habitusgefüge, Lebensstile, Milieus ete., nicht zuletzt auch durch immer aufwendigere und leistungsfähigere Computerprogramme. Doch es bleiben letztlich statistische Konstruktionen, die den Menschen äußerlich bleiben und sie nicht in ihrer individuellen Besonderheit erklären können. Eines der am meisten genannten und auch von Werbung, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit verwendeten Milieufeld für die bundesdeutsche Gesellschaft ist das des Heidelbergers Sinus-Instituts Sociovision. Es verbindet Indikatoren der "sozialen Lage" auf der Y-Achse mit solchen der so genannten "Grundorientierungen" auf der X-Achse und konstruiert mit der Identifikation von Kumulierungen diverse Milieus; diese werden mit attraktiven Etiketten gekennzeichnet, um so die Heterogenität der bundesdeutschen Gesellschaft zu illustrieren:
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WlI'ldichkeitsreduktion und -selektion
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Mo_udll iftIIIl Quelle: http-Jtwww.sociavision.deJloesungenlsinus-milieus.html
Qualitative Verfahren: Exemplaritllt Die genannten Beschränkungen der quantitativen Verfahren haben seit etwa der 19j'Oer Jahre zur Entwicklung qualitativer Methoden geführt. Dabei wurde auf frühere.Anstöße etwa von Max Webers ",verstehender Soziologie" oder des so genannten HWerturteilsstreit" in der Soziologie der 1960er Jahre zurückgegriffen. Auch Korrespondenzen zu den interpretativen,. hermeneutischen Verfahren in den Kultur- und Geisteswissenschaften sind aktualisiert worden; von ihnen wird beispielsweise ein Film (oder ein anderes geistiges Produkt) nicht zunächst in seine zentralen Elemente zerlegt, sondern erst einmal als ganzes Werk betrachtet und in seinen immanenten Gefüge erschlossen. Als solches gilt er/es als Zeugnis für seinen Kontext, die zeitgeschichtlichen Konstellationen, die Genre- und Stoffentwicklung, die Filmtechnologie, das Schaffen seiner Urheber, um rrux einige Beziehungen zu nennen. Sie alle werden als Qualitäten betrachtet, die exemplarisch für andere stehen und so die Einzigartigkeit und Ganzheitlichkeit des Produkts ausmachen.
108
Konzepte und Methoden des Vergleichs
Vor allem Individuen sind individuelle Entitäten sui generis, aber zugleich auch typische Repräsentanten ihres sozialen Umfelds, der zeitgeschichtlichen Konstellationen, der kulturellen Kontexte etc. Insofern firmieren sie für das zu untersuchende Ganze in ihrer jeweiligen Identität und Individualität; sie sind damit exemplarisch. Wie sehr und wie zuverlässig sie dies tun, darüber entfachten sich wiederholt heftige Diskussion (die inzwischen wieder abgeklungen sind). Sie entzündeten sich besonders an der Zahl der zu untersuchenden Individuen bzw. Probanden, was ja wiederum eine quantitative Kategorie darstellt und nicht ins qualitative Konzept passt: Die extreme Position nehmen auf der einen Seite die ein, die einen Probanden, also n - 1, für ausreichend halten, da dessen Exemplarität so viel gesellschaftliche Qualität ausdrückt (denn das Subjekt sei jeweils auch ein Produkt seiner Umwelt und Zeit) wie mehrere Probanden; die anderen verlangen mindestens ein annähernd stichprobenartiges Spektrum (Baacke/Kübler 1989; Mikos/Wegener 2005; AyaßIBergmann 2006).
Methodische Synergie Inzwischen werden die Positionen kaum mehr kontrovers gesehen, mit Ausnahme weniger dezidierter Protagonisten; vielmehr werden die Vorzüge beider Methodentypen respektiert und sie im Forschungsprozess kombiniert. Denn auch die quantitativ vorgehenden Forscher haben erkannt, dass ihre Instrumente oftmals die Untersuchungsfragen nicht zureichend ausschöpfen und ihre Forschungsinstrumente nicht genügend geeicht sind, sofern sie das Untersuchungsfeld nicht im Vorfeld genügend inspizieren. Als wichtiger Grund dafür werden die wachsende Pluralisierung der Lebensverhältnisse und die Individualisierung der Lebensstile in modernen Gesellschaften erachtet, die sich zumal im Vergleich noch multiplizieren. Deshalb wird postuliert, dass die Forschenden wie Ethnologen bei fremden Kulturen erst einmal ihr Untersuchungsfeld explorativ erkunden müssen. Um solch ethnologische Sensibilisierungen, d. h. um tastende, reflexive Sondierungen im soziokulturellen Feld, bemühen sich heute die meisten Sozialforscher. Und dafür eignen sich qualitative Erhebungsmethoden mit offenen Fragestellungen und sich erst zu entwickelnden Instrumente ungleich besser als quantitative. Vor allem nehmen sie die Probanden als Partner des Forschungsprozesses ernst und respektieren sie, weil ja nur sie Auskunft über ihre speziellen Perspektiven und sinnstiftende Konstruktionen geben können und ihnen damit sozialen Sinn verleihen. Solche ,Semantiken' müssen in die inhaltliche Ausrichtung der Instrumente - etwa bei Befragungen, Beobachtungen und Inhaltsanalysen - einbezogen werden, um nicht nur die Prämissen und Perspektiven der
Datenrecherche, -rekonstruktion und -vergleich
109
Forschenden zu reproduzieren. Abermals potenziert sich diese Problematik bei inter- und transkulturellen Vergleichen, so dass jeweils vor einem möglichen ,cultural bias' gewarnt wird. Außer zur explorativen Erkundung des Untersuchungsfeldes und zur transkulturellen Justierung der Forschungsinstrumente bieten sich qualitative Methoden auch an, um das quantitativ vermessene Forschungsfeld zu
vertiefen und zu konkretisieren. Quantitative Verfahren messen den Untersuchungsbereich nur nach groben Häufigkeiten und Proportionen; sie vermitteln damit vornehmlich ein deskriptives Bild der Sachverhalte; Korrelationen und komplexere statistische Verfahren ermitteln Konditionen und Wechselbeziehungen von Variablen. Tiefer gehende Zusammenhänge und erst recht Erklärungen können sie kaum liefern. Dafür kommen qualitative Verfahren in Betracht, die allerdings exemplarisch vorgehen müssen und allenfalls typische Befunde eruieren. Daher haben sie aus Sicht quantitativer Forscher nur geringe Reichweite und Verallgemeinerungsfähigkeit. So müssen sich im Grunde beide Seiten behelfen oder sich mit Annäherungen an das Optimum zufrieden geben, ohne das Ideal der Vollständigkeit oder gar Objektivität gänzlich zu erreichen. Daher werden heute die meisten, mindestens die ambitionierten Studien mit einer Kombination von Methoden, zumal quantitativer und qualitativer Art, durchgeführt, die auch Triangulation genannt wird. Ihre intelligente, ergiebige Konzipierung spiegelt bereits die Qualität der Studie und die methodologische Kompetenz ihrer Urheber wider.
4.3
Datenrecherche, -rekonstruktion und -vergleich
Viele, wohl die meisten globalen und transnationalen Medienbereiche sind einer unmittelbaren, empirischen Erforschung nicht zugänglich - es sei denn, es bilden sich internationale Forschungskonsortien, die, unterstützt mit öffentlichen Forschungsgeldern, sich eines Themas annehmen. Solche Studien sind etwa hinsichtlich der Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen (vgl. das laufende Eu-Kids-Projekt [www.eukidsonIine.de]). der Gewaltproblematik oder auch der Lernerfolge mit Medien von internationalen Organisationen wie der UNESCO und der EU-Kommission angestoßen worden und werden künftig sicherlich zunehmen und noch wichtiger werden. Für einzelne Vorhaben ist man in der Regel darauf angewiesen, bereits erhobene Daten (oder auch empirische Befunde) zu recherchieren, sie auf ihre
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Konzepte und Methoden des Vergleichs
Validität und Vergleichstauglichkeit hin zu überprüfen und für die eigene Fragestellung sekundäranalytisch auszuwerten. Dabei stellen sich folgende prinzipielle Fragen:
Validität: Messen sie überhaupt die Sachverhalte, die sie vorgeben? Und wie lässt sich dies überprüfen? Seriosität: Wer hat die Daten und Ergebnisse für welchen Zweck erhoben? Wie transparent sind die Erhebungsverfahren, wie vertrauenswürdig sind ihre Urheber bzw. Verbreiter? Daten, die etwa Medienkonzerne und Marktforschungsinstitute meist nur fragmentarisch publizieren, dienen eher dem eigenen Marketing als der unvoreingenommenen Information und Abbildung. Vergleichstauglichkeit: Sind die jeweiligen Parameter bekannt? Gibt es für die gewählten Vergleichsdimensionen Daten aus den anvisierten Untersuchungsbereichen ? Und sind diese mit denselben Parametern erhoben bzw. gemessen? Dazu zählt auch - ganz banal -, dass sie sich auf denselben Zeitraum beziehen, zumindest dass sich unterschiedliche Zeitpunkte in ihrer Aussagekraft ermessen lassen. Lassen sich diese Fragen nicht befriedigend beantworten, verbietet sich ein direkter Vergleich; allenfalls können verfügbare Daten gegenübergestellt werden - mit dem Vorbehalt, dass sie sich nicht für einen unmittelbaren Vergleich eignen, allenfalls Annäherungen erlauben Daten werden vor allem für ökonomisch relevante Sachverhalte gesammelt; dies tun vor allem die einschlägigen internationalen Organisationen: weltweit etwa die UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation), die sich auch für Medien und Kommunikation für zuständig sieht, seit 1999 Daten sammelt und in jährlich erscheinenden Statistical Yearbooks (seit 1999) publiziert. Viele Datensätze finden sich auch in den International KfJ!I Facts-Berichten der international tätigen IP(Internet Protocol)-Gruppe, und zwar für Fernsehen (jährlich) und Radio sowie Internet (unregelmäßig). Für die Printmedien stellt der jährlich publizierte Bericht World Press Trends, der von der World Association of Newspapers herausgegeben wird, die umfangreichste Datensammlung dar. Statistiken zur Internetnutzung werden außerdem von verschiedenen international tätigen Marktforschungsinstituten zur
Verfügung gestellt, allerdings nicht immer und nicht vollständig publiziert Für Europa wurde 1993 auf Beschluss des Europarates die Europäische Audiovisuelle Informationsstelle in Straßburg gegründet, die sich um die Harmonisierung der Datenerhebung und -erfassung in Europa bemüht. Sie gibt seit 1994 ein Sta-
Datenrecherche, -rekonstruktion und -vergleich
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tistisches Jahrbuch heraus. Allerdings sind die verfügbaren Daten längst noch nicht vollständig und in jeder Hinsicht vergleichbar. Eine European Media Research Group, in der Medienforscher aus verschiedenen europäischen Ländern kontinuierlich zusammenarbeiten, bemüht sich insbesondere um die noch vielfach vernachlässigten Daten der Mediennutzung (Hasebrink 2007, "49; Hasebrink/Herzog 2009; Welker/Wünsch 2010; Kaczmirek/Raabe 2010).
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Empirische Methoden und Komparatistik
Viele Untersuchungsgebiete, die verglichen werden sollen, sind zumal für
akademische Forscher und Forscherinnen nicht unmittelbar zugänglich, schon wegen der Entfernung, oft aber auch, da privatwirtschaftliche Unternehmen, wie die Medien mehrheitlich sind, ihre Karten nicht gänzlich offen legen; außerdem reicht die Rezeption in die Privatsphäre jedes einzelnen hinein, und auch sie ist nur selten direkt zugänglich. So bleibt man zumal bei komparatistischen Vorhaben oftmals auf indirekte Untersuchungsverfahren angewiesen, wie bereits am wichtigen Beispiel der Datenrecherche und -rekonstruktion illustriert wurde. Dazu zählen auch Analysen und Auswertungen von Dokumenten, wissenschaftlicher Literatur und von bereits erhobenen Interviews. Sie müssen wiederum mit intelligenten, transparenten Schritten aufeinander bewgen und in ihren Aussagen wechselseitig geprüft werden, um so ein dichtes, verlässliches Netz von Befunden spannen zu können. Direkte Methoden der komparatistischen Analyse sind die der empirischanalytischen Sozialforschung allgemein (Diekmann 2010; Brosius u. a. 2009), nur muss jeweils der bereits thematisierte Aspekt des Vergleichs und des cultural bias berücksichtigt werden. 5.1
Befragung
Die am häufigsten eingesetzte Methode in den Sozialwissenschaften und auch in den Kommunikations- und Medienwissenschaften ist die Befragung in ihren vielfältigen Ausprägungen. Dabei ist stets zu bedenken: Befragungen geben nie die unmittelbare Wirklichkeit, sondern immer nur die von den Probanden gesehene und artikulierte Wirklichkeit wieder. Diese Einschränkung wiegt umso schwerer, je intensiver persönliche oder gar tabuisierte Sachver-
halte erfragt werden. Dabei wirken das soziale Klima oder die soziale Gruppe oft genug im Sinne sozialer Erwünschtheit, d. h. die Antworten geben eher erwünschtes bzw. sozial anerkanntes Verhalten denn tatsächliches wieder.
Deshalb muss der Forschende erkennen und wissen, welches Verhalten und welche Werte in dem jeweiligen soziokulturellen Kontext wie gesehen und bewertet werden
Hans-Dieter Kübler, Interkulturelle Medienkommunikation, DOI 10.1007/978-3-531-92904-0_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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In technischer Hinsicht muss sich die vergleichende Befragung eher auf Erhebungen mit medialer Unterstützung stützen, also auf schriftliche Fragebogen, heute - weil billiger - eher auf Telefon- und/oder Online-Interviews. Mündliche Interviews sind eher die Seltenheit, sie werden eher im qualitativen Segment für einzelne, so genannte Tiefeninterviews oder bei Experten für Hintergrundrecherchen oder für Zukunftsprognosen (so genannte Delphi-Studien) durchgeführt. Großflächige quantitative Befragungen - auch Umfragen oder surveys genannt - können meist nur von internationalen Forscherteams bzw. -agenturen mit breiter finanzieller Unterstützung durchgeführt werden, da sie recht aufwendig und teuer sind.
5.2
Beobachtung
Will man soziales Verhalten unmittelbar, ohne Rekonstruktion des Agierenden, erkennen, muss man es beobachten. Dies geschieht von der Medien- und Kommunikationswissenschaft etwa in den Redaktionen für die Produktionsforschung, in Rezeptionssituationen für die Rezeptionsforschung. Allerdings muss jeweils der Einfluss vergegenwärtigt bzw. kontrolliert werden, den der teilnehmende Forscher auf Verhalten und Situation ausübt. Man rechnet damit, dass es gewisse Gewöhnungseffekte gibt und der/die Handelnde/n zu ihren üblichen Verhaltensweisen zurückkehren. Grundsätzlich wird jedes Verhalten mit dem eines anderen verglichen, bei vergleichenden Medienstudien dürfte sich das Interesse eher auf vergleichbare kulturelle, ethnische, nationale Unterschiede ausrichten. Dabei lässt sich das Verhalten freilich nicht unmittelbar vergleichen, sondern nur die Protokolle und Dokumente, die über das Verhalten angefertigt worden sind. Mithin finden auch hierbei Komplexitätsreduktionen und Rationalisierungen statt, die durch die Dokumentation bewirkt werden. Zugleich erleichtert die kategoriale Dokumentation, d. h. die Fixierung des Verhaltens nach bestimmten im Protokoll festgehaltenen Kriterien, die Vergleichbarkeit. Diese Kategorien werden nach der entsprechenden Fragestellung und dem jeweiligen Erkenntnisinteresse ausgerichtet und hernach entsprechend ausgewertet.
5.3
Inhaltsanalyse
Will man etwas über die von den Medien verbreiteten Inhalte, Formen und
Genres erfahren, muss man sich der empirischen Methode der Inhaltsanaly-
Inhaltsanalyse
115
se bedienen (Rössler 2010). Zunächst ist sie ein Sammelbegriff für vielfältige Perspektiven und Zugänge auf Medieninhalte. Prinzipiell dient sie dazu, die naiven Wahrnehmungen von Medieninhalten, die jeder Mensch hat, zu systematisieren, zu kontrollieren oder zu rationalisieren und damit einer wissenschaftlichen Überprüfung zugänglich zu machen. Dementsprechend ist über die Modalitäten viel diskutiert worden, wiederum auch unter dem Vorzeichen von Quantität und Qualität, zumal sich die Inhalte nicht gänzlich quantitativ erfassen lassen bzw. jeweils eine Portion Subjektivität bei ihrer Wahrnehmung und Aneignung mitspielt: Dies geschieht schon bei der Entwicklung analytischer Kategorien, dann bei der Erhebung und Registratur der so kategorisierten Inhaltssegmenten, schließlich erst recht bei der Auswertung der Daten. Hermeneutische Interpretation und weitgehend formale, heute auch mittels Computerprogrammen automatische Analyse von Inhaltselementen stehen sich mithin gegenüber, wobei abermals Erkenntnisinteressen, aber auch die Größe des Inhaltscorpus darüber entscheiden, welche Methode man wie anwendet. Nicht zuletzt fällt die Beschaffenheit des Untersuchungsgegenstandes ins Gewicht: Einen schlichten Textcorpus von Zeitungsartikeln analysiert man anders als ein audiovisuelles Zeichengefüge bei Film und Fernsehen, eine Fotostrecke in einer Illustrierten ebenfalls anders als eine Website. Jeweils müssen dafür Kategorien und Instrumente justiert werden, wofür es zwar einige Vorbilder oder auch Rezeptanleitungen gibt, aber die Arbeit im Detail selbst gemacht werden muss. Will man inhaltliche Tendenzen von Medien vergleichen - etwa die von Qualitätszeitungen in verschiedenen Ländern zu einem globalen Ereignis oder die nationalen Adaptionen einer international vermarkteten Fernsehserie -, müssen Vergleichsmaßstäbe konstruiert werden, mit denen Vergleiche möglich sind. Dabei geht es nicht ohne Komplexitätsreduktionen oder ohne die Fokussierung auf wesentliche Aspekte. Hat man sich klargemacht, in weichem Verhältnis sie zum Ganzen stehen, lässt sich auch ihre Verallgemeinerbarkeit abschätzen. Banal, aber entscheidend kann schon allein die Definition und Festlegung der Stichprobe sein, da Medien ja gemeinhin unaufhörlich produzierende Symbolsysteme sind. Eine fixe Repräsentativität der Inhalt gibt es nicht, nur eine relative, da die Produktion nach der Erhebung und Auswertung weiterläuft und die Befunde schon veraltet sein können, wenn sie ausgewertet werden. Die Schnelllebigkeit und Volatilität des Internet verschärfen diese Einschränkungen noch. Daher muss man sich vornehmlich auf die Entdeckung und Beschreibung längerfristiger inhaltlicher Tendenzen und/oder formaler
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116
bzw. methodischer Kontinuitäten und Konventionen konzentrieren, die Medieninhalte im allgemeinen ausmachen, nicht aber auf spezielle inhaltliche Details. Jene können im Kulturvergleich wieder recht unterschiedlich ausfallen bzw. müssen erst einmal als solche identifiziert werden, bevor sie etwa dem konkreten Medienprodukt zugeschrieben werden.
5.4
Fazit
Vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung ist gewiss nicht einfach, ja sie potenziert noch die Probleme, die man bei Studien hat, die sich nicht auf Vergleiche konzentrieren, obwohl - wie erwähnt - in allen sozialwissenschaftlichen Studien komparatistische Gesichtspunkte implizit angelegt sind. Aber vergleichende Medienforschung ist notwendig, wird immer erforderlicher, da - wie gezeigt - Medien längst in transnationalen und -kulturellen Dimensionen operieren, schon auf weltweite Vermarktung angelegt sind und in ihren Strukturen immer internationaler werden. Dadurch wird national ausgerichtete Medienforschung zunehmend anachronistisch, mindestens unvollständig und muss sich dem Postulat der Transkulturalität und Globalität stellen, auch wenn sie sich dadurch mehr methodische Probleme einhandelt. Hilfreich für ihre Konzeption und Überprüfung sind Fall- und Pilotstudien, die erst nach gewisser Sicherheit und Angemessenheit in größere Vergleichsstudien einmünden. Dafür sind auch akademische Qualifikationsarbeiten gut geeignet.
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