Katharina Kalogerakis Innovative Analogien in der Praxis der Produktentwicklung
GABLER RESEARCH Forschungs-/Entwicklu...
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Katharina Kalogerakis Innovative Analogien in der Praxis der Produktentwicklung
GABLER RESEARCH Forschungs-/Entwicklungs-/InnovationsManagement Herausgegeben von Professor Dr. Hans Dietmar Bürgel (em.) Universität Stuttgart Professorin Dr. Diana Grosse, vorm. de Pay Technische Universität Bergakademie Freiberg Professor Dr. Cornelius Herstatt Technische Universität Hamburg-Harburg Professor Dr. Hans Koller Universität der Bundeswehr Hamburg Professor Dr. Martin G. Möhrle Universität Bremen
Die Reihe stellt aus integrierter Sicht von Betriebswirtschaft und Technik Arbeitsergebnisse auf den Gebieten Forschung, Entwicklung und Innovation vor. Die einzelnen Beiträge sollen dem wissenschaftlichen Fortschritt dienen und die Forderungen der Praxis auf Umsetzbarkeit erfüllen.
Katharina Kalogerakis
Innovative Analogien in der Praxis der Produktentwicklung Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Cornelius Herstatt
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Technische Universität Hamburg-Harburg, 2010
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Ute Wrasmann | Sabine Schöller Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2387-5
Geleitwort
V
Geleitwort Innovationen beruhen in der Regel auf Vorleistungen und dem hierbei generierten Wissen, welches im Zuge eines kreativen Aktes auf neue Art und Weise kombiniert wird. Ein grundlegender und viel versprechender Ansatz, Wissen aus verschiedenen Gebieten zusammen zu führen, um kreative Probleme zu lösen, ist die Nutzung von Analogien. Hierbei findet ein Wissenstransfer von einem Objekt oder einer Situation (= Quelle der Analogie) zu einem anderen Bereich statt. Anhand von zahlreichen Produkten lässt sich dieser Vorgang (ex post) anschaulich beschreiben. In der vorliegenden Arbeit geht Frau Kalogerakis der Frage nach, inwieweit Analogien auch ex ante systematisch identifiziert und damit für die praktische Innovationsarbeit nutzbar gemacht werden können. Dabei verfolgt sie die vier Ziele: 1. Darstellung methodischer Ansätze für einen systematischen Umgang mit innovativen Analogien in der Konzeptentwicklung. 2. Analyse des Zugangs zu innovativen Analogien sowie der Wirkung verschiedener Typen innovativer Analogien auf den Ablauf und das Ergebnis von Produktentwicklungsprojekten. 3. Empirische Überprüfung von Zusammenhängen, die zwischen Determinanten der Vielfältigkeit des Wissens sowie des Umgangs mit Wissen im Unternehmen, der Anwendung innovativer Analogien unterschiedlicher Distanz und der Innovativität der entwickelten Lösungen bestehen. 4. Ableitung von Empfehlungen, die Unternehmen den gezielten Einsatz innovativer Analogien ermöglichen. Aufbauend auf einer Darstellung von Anforderungen an die Konzeptentwicklung in den frühen Phasen der Innovation sowie speziellen Eigenschaften innovativer Analogien aus Sicht der kognitiven Psychologie stellt Frau Kalogerakis die Nutzung sog. innovativer Analogien als Problemlösungsstrategie in der Produktentwicklung dar und erläutert diese anhand von Beispielen aus unterschiedlichen Produktwelten. Hierauf basierend entwirft sie ein Vorgehensmodell, welches die systematische Anwendung innovativer Analogien in der Produktentwicklung unterstützen soll. Für die Suche nach Analogien erläutert sie verschiedene Ansätze und methodische Verfahren und bewertet diese im Hinblick auf deren Ergiebigkeit.
VI
Geleitwort
Um Rückschlüsse über Einflussfaktoren und Effekte der Analogieanwendung in Produktentwicklungsprojekten ziehen zu können, führte Frau Kalogerakis zwei empirische Untersuchungen durch. In einer ersten, explorativ angelegten Studie wertete sie 18 Interviews mit Designern und Ingenieuren aus unabhängigen Produktdesign- und Ingenieurunternehmen aus. Im Mittelpunkt dieser Interviews standen Klienten bezogene Entwicklungsprojekte, in denen Analogien kreativ genutzt wurden. In einer zweiten quantitativen Studie testete sie sieben Hypothesen zu Einflussfaktoren und Effekten innovativer Analogien auf Unternehmensebene, die sie zuvor basierend auf vorhandener Literatur abgeleitet hat. Die Ergebnisse ihrer beiden empirischen Untersuchungen belegen deutlich, dass die Verwendung innovativer Analogien in der Produktentwicklung einen wichtigen Beitrag zur Generierung innovativer wie erfolgreicher Produkte leisten kann. Dieser empirisch bestätigte Befund stellt eine wichtige Eigenleistung der Autorin dar und darf als bedeutender Erkenntnisgewinn betrachtet werden, denn bisherige Studien über die Verwendung von Analogien in der Produktentwicklung waren entweder experimentell angelegt oder beschränkten sich auf Fallstudien einzelner herausragender Unternehmen. Mittels ihrer quantitativen Studie führt Frau Kalogerakis jedoch erstmalig quantitative Befunde und Zusammenhänge zwischen Einflussfaktoren der Verwendung unterschiedlicher Analogietypen und deren Effekte auf Innovativität und Unternehmenserfolg auf, wobei sie nahe und ferne Analogien differenziert und diese noch groben Kategorien erweitert. Insgesamt zeigt sie auf, dass die untersuchten Einflussfaktoren, welche sich auf die Vielfältigkeit des Wissens im Unternehmen sowie den Umgang mit Wissen im Unternehmen beziehen, unterschiedliche Wirkungen auf die Verwendung verschiedener Analogieformen haben. Die Ergebnisse der Hypothesen-Überprüfung bestätigen dabei den vermuteten Zusammenhang zwischen der Transferdistanz der Analogie und dem Innovationsgrad der neu entwickelten Produkte bzw. des neu entworfenen Produktdesigns. Die Arbeit von Frau Kalogerakis ist in wissenschaftlicher Hinsicht äußerst relevant und auch für den „Innovationspraktiker“ interessant wie lesenswert.
Univ. Prof. Dr. Cornelius Herstatt
Vorwort
VII
Vorwort Diese Arbeit ist während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Technologie- und Innovationsmanagement der Technischen Universität Hamburg-Harburg entstanden. Sie befasst sich mit der Anwendung innovativer Analogien in den frühen Phasen der Produktentwicklung. Mit Hilfe innovativer Analogien kann Wissen aus verschiedenen Gebieten zusammen geführt werden, um kreative Probleme zu lösen. Diese Arbeit soll Unternehmen bei einem gezielten Einsatz innovativer Analogien in der Produktentwicklung unterstützen. Zum Gelingen dieser Arbeit haben viele Personen beigetragen. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Cornelius Herstatt. Sein Interesse am Thema der Arbeit verbunden mit zahlreichen Gesprächen über die behandelten Fragen stellen eine wesentliche Voraussetzung für die Entstehung dieser Arbeit dar. Insgesamt möchte ich ihm für seine Unterstützung sowie für die gewährten Freiräume danken. So konnte ich trotz der Geburt meiner Tochter und anschließender Elternzeit diese Arbeit in ihrer jetzigen Form abschließen. Als zweites danke ich Prof. Dr. Christian Lüthje für die Übernahme des zweiten Gutachtens sowie für die fachlichen Diskussionen, die für den Entwurf und die Auswertung meiner empirischen Untersuchungen sehr hilfreich waren. Drittens danke ich allen Designern und Ingenieuren, die sich an meinen beiden empirischen Untersuchungen beteiligt haben. Ohne ihre Bereitschaft, mir Auskünfte über ihre Arbeit in Interviews zu geben bzw. meinen Fragebogen zu beantworten, hätte die vorliegende Arbeit nicht entstehen können. Weiterhin danke ich allen Kollegen und Doktoranden mit denen ich während meiner Promotionszeit zusammenarbeiten konnte. Insbesondere danke ich auch Marc Schulthess für seine Hilfe bei der Durchführung der quantitativen empirischen Untersuchung.
VIII
Vorwort
Schließlich gilt ein besonderer Dank meiner Familie, die mir während der Entstehung dieser Arbeit beigestanden hat. Meinen Eltern danke ich für ihre kontinuierliche Förderung und Unterstützung. Diese Arbeit widme ich meinem Mann Christos und meiner Tochter Emma. Katharina Kalogerakis
Inhaltsverzeichnis
IX
Inhaltsverzeichnis ABBILDUNGSVERZEICHNIS ........................................................................................XIII TABELLENVERZEICHNIS .............................................................................................. XV ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS..................................................................................... XVII 1
EINLEITUNG .................................................................................................................. 1 1.1 PROBLEMSTELLUNG UND ZIELSETZUNG .......................................................................... 1 1.2 AUFBAU DER ARBEIT ...................................................................................................... 3
2
GRUNDLAGEN ............................................................................................................... 7 2.1 DER PRODUKTENTWICKLUNGSPROZESS .......................................................................... 7 2.1.1 Die frühen Phasen der Produktentwicklung ........................................................... 7 2.1.2 Anforderungen an die Konzeptentwicklung .......................................................... 9 2.2 ANALOGIEN AUS SICHT DER KOGNITIVEN PSYCHOLOGIE .............................................. 13 2.2.1 Der Analogiedenkprozess ..................................................................................... 14 2.2.2 Unterschiede beim Erkennen naher und ferner Analogien................................... 16 2.2.2.1 Der Wahrnehmungsansatz ................................................................................ 17 2.2.2.2 Der Produktionsansatz...................................................................................... 20 2.2.3 Negativer Transfer durch Fixierung ..................................................................... 21 2.3 INNOVATIVE ANALOGIEN IN DER PRODUKTENTWICKLUNG ............................................ 25 2.3.1 Innovative Analogien als Problemlösungsstrategie.............................................. 25 2.3.2 Beispiele ferner innovativer Analogien ................................................................ 28 2.3.2.1 Industrieübergreifende Analogien .................................................................... 28 2.3.2.2 Bionische Analogien ........................................................................................ 30 2.3.3 Fazit ...................................................................................................................... 31
3 SYSTEMATISCHE ANWENDUNG INNOVATIVER ANALOGIEN IN DER PRODUKTENTWICKLUNG............................................................................................... 33 3.1 DEFINITION DES PROBLEMS........................................................................................... 34 3.2 SUCHE NACH ANALOGIEN ............................................................................................. 37 3.2.1 Interne Suche nach Analogien .............................................................................. 38 3.2.1.1 Teamzusammenstellung ................................................................................... 38 3.2.1.2 Brainstorming Workshops ................................................................................ 39 3.2.1.3 Stimuli zur Überwindung von Fixierungen ...................................................... 42 3.2.2 Die Einbindung externer Personen in den Suchprozess ....................................... 46 3.2.2.1 Pyramid-Networking ........................................................................................ 47 3.2.2.2 Broadcasting ..................................................................................................... 50
X
Inhaltsverzeichnis
3.2.2.3 Knowledge Broker ........................................................................................... 52 3.2.3 Medienbasierte Analogiesuche ............................................................................. 56 3.2.3.1 Recherche im Internet ...................................................................................... 56 3.2.3.2 TRIZ basierte Software .................................................................................... 60 3.2.3.3 Bionische Kataloge und Datenbanken ............................................................. 61 3.3 VERIFIKATION UND BEWERTUNG DER ANALOGIEN........................................................ 64 4
EXPLORATIVE EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG ............................................... 69 4.1 ZIELSETZUNG ................................................................................................................ 69 4.2 FORSCHUNGSVORGEHEN ............................................................................................... 69 4.3 ALLGEMEINE ERGEBNISSE ............................................................................................ 71 4.4 TYPOLOGISIERUNG DER BEISPIELE ................................................................................ 75 4.4.1 Herleitung der Typologie...................................................................................... 75 4.4.2 Analogien derselben Produktkategorie ................................................................ 80 4.4.3 Analogien einer anderen Produktkategorie .......................................................... 81 4.4.4 Analogien aus Nicht-Produktbereichen ............................................................... 82 4.4.5 Zusammenfassung ................................................................................................ 83 4.5 EFFEKTE VON ANALOGIEN ............................................................................................ 83 4.5.1 Neuartigkeit der Lösung ....................................................................................... 83 4.5.2 Prozesseffizienz .................................................................................................... 86 4.5.3 Kommunikationseffekte ....................................................................................... 89 4.6 ZUGANG ZU ANALOGIEN ............................................................................................... 91 4.6.1 Ökonomische Anreize .......................................................................................... 92 4.6.2 Der Problemlösungsprozess ................................................................................. 94 4.6.3 Teamzusammenstellung ....................................................................................... 94 4.7 ZUSAMMENFASSENDE DISKUSSION ............................................................................... 95
5
QUANTITATIVE EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG ........................................... 101 5.1 ZIELSETZUNG .............................................................................................................. 101 5.2 HERLEITUNG DER HYPOTHESEN .................................................................................. 103 5.2.1 Einflussfaktoren der Analogieanwendung ......................................................... 103 5.2.1.1 Vielfältigkeit des vorhandenen Wissens ......................................................... 104 5.2.1.2 Umgang mit vorhandenem Wissen ................................................................ 109 5.2.2 Effekte der Analogieanwendung ........................................................................ 113 5.2.3 Darstellung des Gesamtmodells ......................................................................... 116 5.3 KONZEPTION DER EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNG ....................................................... 119 5.3.1 Datenanalysemethode......................................................................................... 119 5.3.2 Operationalisierung der Konstrukte ................................................................... 121
Inhaltsverzeichnis
XI
5.3.2.1 Unterscheidung reflektiver und formativer Konstrukte ................................. 121 5.3.2.2 Exogene Variablen .......................................................................................... 122 5.3.2.3 Endogene Variablen ........................................................................................ 124 5.3.3 Datenerhebung ................................................................................................... 125 5.4 ERGEBNISSE DER EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNG ........................................................ 127 5.4.1 Deskriptive Ergebnisse ....................................................................................... 127 5.4.2 Beurteilung der Güte der reflektiven Messmodelle ........................................... 128 5.4.3 Beurteilung der Güte der formativen Messmodelle ........................................... 134 5.4.4 Beurteilung der Güte des Strukturmodells ......................................................... 137 5.4.5 Ergebnisse der Hypothesenprüfung.................................................................... 142 5.5 DISKUSSION DER ERGEBNISSE ..................................................................................... 144 5.5.1 Verwendung von nahen Produktanalogien ......................................................... 145 5.5.2 Verwendung von fernen Produktanalogien ........................................................ 145 5.5.3 Verwendung von Nicht-Produkt Analogien ....................................................... 147 5.5.4 Limitierungen der Studie .................................................................................... 149 6
RESÜMEE .................................................................................................................... 151 6.1 NEUE WISSENSCHAFTLICHE ERKENNTNISSE ................................................................ 151 6.2 HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR DIE PRAXIS............................................................. 154 6.3 AUSBLICK ................................................................................................................... 158
LITERATURVERZEICHNIS............................................................................................. 161 ANHANG: KONSTRUKTE DER SCHRIFTLICHEN BEFRAGUNG ......................... 177
Abbildungsverzeichnis
XIII
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Aufbau der Arbeit ..................................................................................... 5 Abbildung 2: Modell des Innovationsprozesses ............................................................. 7 Abbildung 3: Neuheitsgrade von Innovationen ............................................................ 10 Abbildung 4: Unsicherheitsreduktion bei radikalen Innovationen ............................... 11 Abbildung 5: Der Analogiedenkprozess ....................................................................... 15 Abbildung 6: Systematischer Analogietransfer zur Innovation .................................... 33 Abbildung 7: Lösungsraum .......................................................................................... 35 Abbildung 8: Vorgehensweise des Pyramid-Networking ............................................. 48 Abbildung 9: Bewertung der Analogien ....................................................................... 67 Abbildung 10: Verschiedene Typen von Analogiedistanz ............................................ 78 Abbildung 11: Analogietransfertypen ........................................................................... 80 Abbildung 12: Neuartigkeit der Lösung ....................................................................... 84 Abbildung 13: Prozesseffizienz .................................................................................... 88 Abbildung 14: Forschungsmodell ............................................................................... 116 Abbildung 15: Unterscheidung formativer und reflektiver Messmodelle .................. 122
Tabellenverzeichnis
XV
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Produktentwicklungszeiten im Vergleich..................................................... 12 Tabelle 2: Übersichtsdarstellung der Interviews (Teil 1) .............................................. 73 Tabelle 3: Übersichtsdarstellung der Interviews (Teil 2) .............................................. 74 Tabelle 4: Zusammenfassende Darstellung der Hypothesen ...................................... 118 Tabelle 5: Ergebnis der Faktoranalysen ...................................................................... 130 Tabelle 6: Ladungen und t-Werte der reflektiven Indikatoren .................................... 131 Tabelle 7: Qualitätskriterien der reflektiven Konstrukte ............................................ 132 Tabelle 8: Überprüfung des Variance Inflation Factor................................................ 135 Tabelle 9: Gewichte und t-Werte der formativen Konstrukte ..................................... 137 Tabelle 10: Gütemaße des Strukturmodells ................................................................ 139 Tabelle 11: Effektstärken der exogenen Variablen...................................................... 140 Tabelle 12: Pfadkoeffizienten und t-Werte der Kontrollvariablen .............................. 141 Tabelle 13: Test der Hypothesen ................................................................................. 143
Abkürzungsverzeichnis
XVII
Abkürzungsverzeichnis AMOS CR D DEV F&E FI ISIC IT Lisrel NACE
NIH PDA PLS SIC SPSS SV VIF
Analysis Of Moment Structure Composite Reliability Deutschland Durchschnittlich erfasste Varianz Forschung und Entwicklung Finnland International Standard Industrial Classification Informationstechnologie Linear structural relations Nomenclature générale des activités économiques dans la Communauté européenne (Allgemeine Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft) Not-Invented-Here Personal Digital Assistant Partial Least Squares Standard Industrial Classification Statistical Package for the Social Sciences Schweden Variance Inflation Factor
1
Einleitung
1.1
Problemstellung und Zielsetzung
Es ist allgemein anerkannt, dass die Entwicklung innovativer Produkte zur Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens beiträgt. Insbesondere in Zeiten globaler Konkurrenz bieten innovative Produkte, die die Bedürfnisse der Kunden in höherem Maße erfüllen, einem Unternehmen die Chance, sich auf dem Markt zu profilieren. Neben der kontinuierlichen Verbesserung bereits bestehender Produkte kann es für das langfristige Überleben eines Unternehmens entscheidend sein, ob ihm die Entwicklung radikaler Innovationen – so genannter Durchbruchsinnovationen – gelingt. Gleichzeitig müssen die Innovationsprozesse möglichst effizient gestaltet werden, um Zeitvorsprünge gegenüber der Konkurrenz nutzen und die Kosten der Produktentwicklung gering halten zu können. Eine Strategie, diesen Herausforderungen gerecht zu werden, basiert auf der Erkenntnis, dass Innovationen zu einem großen Anteil auf bereits existierendem Wissen beruhen. Die Perspektive, dass Innovation aus einer Rekombination vorhandener Ideen und Lösungen entstehen, ist nicht neu. Bereits Schumpeter definierte Innovation bzw. die Entwicklung neuer Produkte und Prozesse als neuartiges Kombinieren zur Verfügung stehender Ressourcen.1 Selbst revolutionäre Technologien haben häufig evolutionäre Ursprünge. So zeigt beispielsweise Basalla, dass die Entwicklung einer Entkörnungsmaschine für Baumwolle Ende des 18. Jh., die Entstehung der ersten Dampfmaschinen und Verbrennungsmotoren sowie die Erfindung eines elektrischen Beleuchtungssystems durch Edison in ihren Auswirkungen radikal waren, jedoch auf bestehenden Technologien aufbauten.2 Die Wirkung eines neuen Produktes auf den Markt bzw. die Gesellschaft darf daher nicht aus den Umständen seiner Entstehung abgeleitet werden. Ein grundlegender und viel versprechender Ansatz, bestehendes Wissen zur Lösung eines Problems in einem neuen Kontext anzuwenden, ist die Arbeit mit innovativen Analogien. Bei einer innovativen Analogie findet ein Wissenstransfer von einem bekannten Objekt oder einer bekannten Situation (= Quelle der Analogie) zu einem aktuellen Problem bzw. zu einer aktuellen Entwicklungsaufgabe (= Ziel der Analogie) statt. Durch diesen Wissenstransfer wird das Ziel der Analogie verändert, bzw. entsteht als innovatives Produkt neu. 1 2
Vgl. Schumpeter (1934) S. 66. Vgl. Basalla (1988) S. 32-49.
2
Einleitung
Grundsätzlich können nahe von fernen Analogien unterschieden werden. Während sich bei einer nahen Analogie Quelle und Ziel des Wissenstransfers kontextuell nahe stehen, findet bei einer fernen Analogie ein Transfer zwischen Bereichen statt, die normalerweise keine oder nur wenige Verbindungen untereinander haben. Wird beispielsweise ein Verfahren zum Gefriertrocknen von Erbsen auf andere Arten von Lebensmitteln übertragen, so stellt dies eine nahe Analogie dar. Beim Transfer dieses Verfahrens auf die Konservierung von Blutkonserven handelt es sich dagegen um eine ferne Analogie. Ferne Analogien haben das Potential, zu besonders innovativen Lösungen zu führen, ihre Anwendung ist jedoch auch mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Erstens muss dem Entwicklungsteam Wissen aus entfernten Bereichen zur Verfügung stehen, zweitens muss die Relevanz dieses Wissens erkannt werden, und drittens muss eine aus einem analogen Bereich zu übertragende Lösung im Entwicklungsteam Akzeptanz finden. Für eine erfolgreiche Nutzung ferner innovativer Analogien müssen deshalb unter Umständen organisatorische, kognitive oder kulturelle Hemmnisse überwunden werden. Ziel dieser Arbeit ist es, neue Erkenntnisse zu gewinnen, durch die Unternehmen im gezielten Einsatz innovativer Analogien unterstützt werden können. Zum einen stellt sich die Frage, welche Faktoren die Anwendung ferner innovativer Analogien in der Produktentwicklung fördern. Zum anderen ist zu untersuchen, welche Effekte die Verwendung innovativer Analogien auf den Ablauf und das Ergebnis von Produktentwicklungsprojekten hat. Aus diesen Zielen ergeben sich die folgenden vier Anforderungen an diese Arbeit: 1. Darstellung methodischer Ansätze für einen systematischen Umgang mit innovativen Analogien in der Konzeptentwicklung. 2. Analyse des Zugangs zu innovativen Analogien sowie der Wirkung verschiedener Typen innovativer Analogien auf den Ablauf und das Ergebnis von Produktentwicklungsprojekten. 3. Empirische Überprüfung von Zusammenhängen, die zwischen Determinanten der Vielfältigkeit des Wissens sowie des Umgangs mit Wissen im Unternehmen, der Anwendung innovativer Analogien unterschiedlicher Distanz und der Innovativität der entwickelten Lösungen bestehen. 4. Ableitung von Empfehlungen, die Unternehmen den gezielten Einsatz innovativer Analogien ermöglichen.
Aufbau der Arbeit
3
Der aus diesen Anforderungen resultierende Aufbau der Arbeit wird im folgenden Abschnitt erläutert.
1.2
Aufbau der Arbeit
Der Aufbau der Arbeit ist Abbildung 1 zu entnehmen. Nach der Einleitung folgt ein Grundlagenkapitel, das zunächst allgemeine Zusammenhänge im Rahmen des Produktentwicklungsprozesses erläutert. Insbesondere werden die Bedeutung der frühen Phasen der Produktentwicklung sowie Anforderungen an die Konzeptentwicklung aus der Literatur abgeleitet. Es folgt die Darstellung von Analogien aus Sicht der kognitiven Psychologie. Grundlegende Eigenschaften von Analogien sowie mentale Prozesse und Barrieren, die im Rahmen der Analogieanwendung eine Rolle spielen, werden erläutert. Darauf aufbauend wird die Verwendung innovativer Analogien in der Produktentwicklung als eine Problemlösungsstrategie anhand mehrerer Beispiele aus der Literatur vorgestellt. Basierend auf den Ergebnissen des Grundlagenkapitels widmet sich das dritte Kapitel einem Vorgehensmodell, das die systematische Anwendung innovativer Analogien in der frühen Phase der Produktentwicklung unterstützen soll. Es werden drei aufeinander folgende Aufgaben unterschieden: (1.) Die Definition des Problems, (2.) die Suche nach Analogien und (3.) die Verifikation und Bewertung des Problems. Zu jeder Phase werden methodische Ansätze sowie grundlegende Vorgehensweisen vorgestellt. Den Schwerpunkt des Kapitels bildet die Suche nach Analogien. Dabei wird auf Möglichkeiten zur internen Suche nach Analogien, zur Einbindung externer Personen in den Suchprozess sowie zur medienbasierten Suche nach Analogien ausführlich eingegangen. Im vierten Kapitel wird eine explorative empirische Untersuchung vorgestellt, welche Interviews mit Designern und Ingenieuren aus unabhängigen Produktdesign- und Ingenieurunternehmen auswertet. Das Kapitel beginnt mit der Darstellung der Zielsetzung dieser Untersuchung sowie einer Erläuterung des Forschungsvorgehens. Danach werden die Ergebnisse der Untersuchung dargestellt. Begonnen wird mit allgemeinen Ergebnissen. Es folgt eine Typologisierung der in den Interviews beschriebenen Beispiele über die Anwendung innovativer Analogien in Produktentwicklungsprojekten. Anschließend werden Effekte der Verwendung innovativer Analogien aus den Ergebnissen der Interviews abgeleitet sowie Strategien des Zugangs zu innovati-
4
Einleitung
ven Analogien im Rahmen der Produktentwicklung analysiert. Das Kapitel schließt mit einer zusammenfassenden Diskussion der Ergebnisse. Das fünfte Kapitel beinhaltet eine quantitative empirische Untersuchung, bei der sieben Hypothesen über Einflussfaktoren und Effekte der Anwendung innovativer Analogien auf Ebene der befragten Industriedesignunternehmen anhand eines Strukturgleichungsmodells geprüft werden. Zunächst wird die Zielsetzung dieser Untersuchung erläutert. Anschließend werden die Hypothesen über Einflussfaktoren und Effekte der Analogieanwendung hergeleitet und in ein Gesamtmodell integriert. Dann erfolgt die Darstellung der Konzeption der empirischen Untersuchung. Die Datenanalysemethode wird vorgestellt, die Konstrukte der latenten Variablen werden operationalisiert, und das Vorgehen der Datenerhebung wird beschrieben. Im Anschluss werden die Ergebnisse der Studie dargestellt. Die deskriptiven Ergebnisse werden kurz präsentiert, dann folgt die Beurteilung der Güte der Messmodelle sowie des Strukturmodells. Schließlich werden die Ergebnisse der Hypothesenprüfung erläutert. Das Kapitel endet mit einer Diskussion der Ergebnisse. Das letzte Kapitel enthält ein Resümee der gesamten Arbeit. Diese zusammenfassende Betrachtung geht ein auf die im Rahmen dieser Studie gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse, auf Handlungsempfehlungen für die Praxis sowie auf Möglichkeiten einer weiterführenden Forschung.
Aufbau der Arbeit
5
Kapitel 1: Einleitung Kapitel 2: Grundlagen Der Produktentwicklungsprozess
Analogien aus Sicht der kognitiven Psychologie
Innovative Analogien in der Produktentwicklung Kapitel 3: Systematische Anwendung innovativer Analogien in der Produktenwicklung Definition des Problems
Suche nach Analogien
Verifikation und Bewertung
Kapitel 4: Explorative empirische Untersuchung Zielsetzung Vorgehen
Typologisierung der Beispiele
Effekte von Analogien
Zugang zu Analogien
Zusammenfassende Diskussion
Kapitel 5: Quantitative empirische Untersuchung Zielsetzung Herleitung der Hypothesen
Konzeption der Untersuchung: Datenanalysemethoden Operationalisierung Datenerhebung
Ergebnisse: Güte der Messmodelle Güte des Strukturmodells Hypothesenprüfung
Kapitel 6: Resümee Wissenschaftliche Erkenntnisse
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit
Handlungsempfehlungen für die Praxis
Ausblick
Diskussion der Ergebnisse
2
Grundlagen
2.1
Der Produktentwicklungsprozess
2.1.1 Die frühen Phasen der Produktentwicklung Die Entwicklung neuer Produkte ist eine Form der Innovation, die Unternehmen neben Prozess- oder Dienstleistungsinnovationen nutzen, um sich am Markt zu behaupten und wettbewerbsfähig zu bleiben. Unter Innovation im weiteren Sinne wird der gesamte Prozess von der ersten Idee für ein neues Produkt über dessen Entwicklung bis zu seiner Einführung am Markt verstanden.3 Der Begriff der Innovation muss daher vom Begriff der Invention (Erfindung) abgegrenzt werden. Die Invention ist zwar ein wichtiger, aber auch nur ein kleiner Teil des gesamten Innovationsprozesses. Der Innovationsprozess kann als ein Prozess mit verschiedenen aufeinanderfolgenden Phasen dargestellt werden. In Abbildung 2 ist ein Modell des Innovationsprozesses dargestellt, bei dem fünf Phasen der Innovation unterschieden werden. Der Prozess ist hier zur Vereinfachung sequentiell dargestellt. In der Praxis beinhaltet der Produktentwicklungsprozess auch Iterationen. Besonders hervorgehoben sind die ersten beiden Phasen – die Ideengenerierung und -bewertung sowie die Konzeptentwicklung und Produktplanung – sie stellen die frühen Phasen der Innovation dar. 4 frühe Phasen Phase I Ideengenerierung und -bewertung
Phase II Konzeptentwicklung u. Produktplanung
Phase III Systemdesign und Detailentwicklung
Phase IV Produkttests
Phase V Produktion und Markteinführung
Abbildung 2: Modell des Innovationsprozesses5
In der Phase I geht es zunächst darum, Innovationsgelegenheiten zu identifizieren. Hierbei spielen sowohl Erkenntnisse über bisher nicht befriedigte Kundenbedürfnisse als auch neue technologische Entwicklungen eine Rolle. Die Bewertung der generier3
4
5
Vgl. Garcia und Calantone (2002) S. 112; Hauschildt (1997) S. 19-22; Specht und Beckmann (1996) S. 15. Vgl. Verworn und Herstatt (2007). Diese Abgrenzung der frühen Phasen vom Rest des Entwicklungsprozesses wird von anderen Autoren in ähnlicher Weise vorgenommen. Vgl. Khurana und Rosenthal (1997) S. 105; Koen et al. (2001) S. 47; Schröder und Jetter (2003) S. 521; Ulrich und Eppinger (2004) S. 16 f. Eigene Darstellung in Anlehnung an Verworn und Herstatt (2007) S. 9. Vgl. auch Ulrich und Eppinger (2004) S. 14.
8
Grundlagen
ten Ideen für Innovationsprojekte sollte unter Beachtung der strategischen Ausrichtung des Unternehmens sowie des bestehenden Produktportfolios erfolgen. Am Ende der Phase steht eine Formulierung der Projektmission, welche den Zielmarkt, wirtschaftliche Ziele des Projektes sowie Rahmenbedingungen festlegt.6 Darauf aufbauend werden in Phase II Produktkonzepte entwickelt. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist der Aufbau eines möglichst tiefen Verständnisses der Bedürfnisse und Anforderungen der Kunden.7 In der Regel werden mehrere alternative Produktkonzepte entwickelt, von denen schließlich eines ausgewählt wird. In einem Produktkonzept wird annähernd beschrieben, welche Technologien verwendet werden, wie das Produkt funktionieren soll und wie es aussehen wird. Im Produktkonzept sollte prägnant dargestellt sein, auf welche Art und Weise das Produkt die zuvor ermittelten Kundenbedürfnisse erfüllt. Neben einer Skizze oder eines groben dreidimensionalen Modells gehört zu einem Produktkonzept daher auch eine kurze schriftliche Darstellung.8 Ein weiterer Bestandteil der zweiten Phase des Innovationsprozesses ist die Aufstellung von Plänen bezüglich zu produzierender Stückzahlen und Zielkosten sowie insgesamt die Planung des weiteren Entwicklungsprozesses inklusive eines Zeitplans bis zur Markteinführung.9 Am Ende der frühen Phasen steht die Entscheidung, ob das Projekt die zur Umsetzung benötigten Ressourcen erhält oder nicht. Der Übergang von den frühen Phasen zum weiteren Prozessverlauf lässt sich jedoch nicht immer scharf abgrenzen, da viele Projekte bereits in den frühen Phasen eine umfangreiche Finanzierung erfordern.10 Die frühen Phasen der Produktentwicklung haben eine besondere Bedeutung, da sie eine Hebelwirkung auf den Erfolg des gesamten Innovationsprozesses besitzen. Während der frühen Phasen sind die Einflussmöglichkeiten auf den weiteren Prozess und damit auf das Projektergebnis am größten. Aus Entscheidungen, die in den frühen Phasen der Innovation getroffen werden, resultieren der Großteil aller Produktlebenskosten, die meisten Termine des Projektes sowie ganz wesentlich die Qualität des Produktes.11 Gleichwohl scheinen viele Unternehmen noch einen großen 6 7
8 9 10 11
Vgl. Verworn und Herstatt (2007) S. 9; Ulrich und Eppinger (2004) S.13 f. Eine Übersicht über methodische Ansätze zur Einbindung von Kunden in den frühen Phasen der Innovation findet sich beispielsweise in Lüthje (2007). Vgl. Ulrich und Eppinger (2004) S. 98. Vgl. Verworn und Herstatt (2007) S. 9; Stockstrom und Herstatt (2008) S. 481. Vgl. Koen et al. (2001) S.49; Verworn und Herstatt (2007) S.8. Vgl. Verworn und Herstatt (2007) S.6; Kim und Wilemon (2002) S.269; Koen et al. (2001) S.46.
Der Produktentwicklungsprozess
9
Verbesserungsbedarf im Hinblick auf die Generierung von innovativen Produktkonzepten zu haben.12
2.1.2 Anforderungen an die Konzeptentwicklung Nach Cooper ist der wichtigste Erfolgsfaktor im Innovationsprozess die Entwicklung eines einzigartigen, überlegenen und von den Wettbewerbern abgegrenzten Produktes, welches die Bedürfnisse des Kunden besser als vergleichbare Produkte in einem guten Kosten-Nutzen Verhältnis erfüllt.13 Diese Aussage ist das Ergebnis einer Analyse von mehr als 2000 Entwicklungsprojekten für neue Produkte.14 Demnach ist es wichtig, dass das Produkt nicht lediglich gleichwertig mit Produkten der Wettbewerber ist. Ziel sollte es sein, ein Produkt zu entwickeln, welches auf eine besondere Weise die Bedürfnisse des Kunden erfüllt – besser als vergleichbare Produkte der Konkurrenz. Die Innovativität bzw. der Neuheitsgrad des Produktes scheint somit positiv auf den späteren Markterfolg zu wirken.15 Bezüglich des Neuheitsgrades einer Produktentwicklung wird häufig zwischen inkrementalen und radikalen Innovationen unterschieden. Bei einer inkrementalen Innovation wird ein bestehendes Produkt für einen bereits existierenden Markt unter Verwendung bekannter Technologien verbessert. Einen höheren Neuheitsgrad haben Innovationen, die sich entweder an neue Märkte wenden oder neuartige Technologien einsetzen. Diese Formen der Innovation stellen eine Zwischenstufe zwischen inkrementalen und radikalen Innovationen dar. In der Literatur werden solche Innovationen als wirklich neue Innovationen (“really new innovations“) bezeichnet.16 Von einer radikalen Innovation oder Durchbruchsinnovation spricht man dagegen erst, wenn die Befriedigung neuer Kundenbedürfnisse durch eine bisher in dieser Form noch nicht angewandte technologische Lösung erfolgt.17 Teilweise wird in solchen Fällen auch der Begriff der diskontinuierlichen Innovation verwendet. Radikale Innovationen sind sowohl bezüglich des Marktes als auch der Technologie
12
13 14 15 16 17
Die Ergebnisse der PDMA Best Practice Study 2003 zeigen, dass die Generierung von Ideen in den frühen Phasen der Produktentwicklung schlecht gemanagt wird. Das Vorgehen ist allgemein sehr unsystematisch. Vgl. Barczak et al. (2009) S. 9. Vgl. Cooper (2001) S. 59, 83. Vgl. Cooper (2001) S. 59. Vgl. hierzu auch die Meta-Analyse von Szymanski et al. (2007). Vgl. Garcia und Calantone (2002) S.122 f. Vgl. Herstatt (2006) S. 296 f.; Garcia und Calantone (2002) S.120-124; Reid und Brentani (2004) S.176; Veryzer (1998) S. 305-307.
10
Grundlagen
diskontinuierlich und wirklich neue Innovationen weisen entweder bezüglich des Marktes oder der Technologie Diskontinuitäten auf.18 Abbildung 3 veranschaulicht die Unterschiede zwischen den eben beschriebenen Neuheitsgraden einer Innovation.
neu
technologisch diskontinuierlich
radikal
inkremental
marktbezogen diskontinuierlich
alt
neu
Technologie
alt
Kundennutzen
Abbildung 3: Neuheitsgrade von Innovationen19
Inkrementale Innovationen dienen häufig der Steigerung der Effizienz und Qualität eines bestehenden Produktes. In Verbindung mit Verbesserungen des Herstellungsprozesses stellen inkrementale Innovationen eine wichtige Strategie zur Erhöhung der Zuverlässigkeit eines Produktes sowie zur Senkung seiner Kosten dar.20 Der Lebenszyklus eines etablierten Produktes kann jedoch mit dem Auftauchen eines radikal neuen konkurrierenden Produktes plötzlich zu Ende sein.21 Unternehmen, die einen großen Marktanteil an einer Produktgeneration besitzen, scheitern häufig, wenn sich ein anderes Unternehmen mit einer radikal neuen Technologie am Markt etabliert.22 Um langfristig im Wettbewerb bestehen zu können, ist es daher für ein Unternehmen wichtig, auch radikale Innovationen zu generieren. Radikale bzw. Durchbruchsinnovationen bieten einem Unternehmen die Möglichkeit, seine Wettbewerbsposition grundlegend zu erneuern und langfristiges Wachstum zu sichern.23 Im Rahmen der Konzeptentwicklung besteht daher die Anforderung, neben inkrementellen Innovationen auch Produkte mit einem hohen Innovationsgrad zu 18 19 20 21 22 23
Vgl. Veryzer (1998) S. 307; Garcia und Calantone (2002) S.123; Reid und Brentani (2004) S.176. In Anlehnung an Herstatt (2006) S. 297 und Veryzer (1998) S.307. Vgl. Utterback (1994) S. 217; Zirger (1997) S. 287-289. Vgl. Utterback (1994) S. 222. Vgl. Christensen (1997) S. 62-73; Utterback und Kim (1985) S. 121-133. Vgl. McDermott und O'Connor (2002) S. 424; O'Connor und Rice (2001) S. 95 f.; Leifer et al. (2001) S.102; Veryzer (1998) S. 305.
Der Produktentwicklungsprozess
11
entwickeln. Denn diese ermöglichen es dem Unternehmen, sich von der Konkurrenz abzugrenzen, langfristige Wettbewerbsvorteile zu erzielen und damit den Unternehmenserfolg dauerhaft zu sichern. Im Vergleich zu inkrementalen Innovationen ist die Entwicklung radikaler Innovationen üblicherweise durch eine hohe marktbezogene und technologische Unsicherheit gekennzeichnet. 24 Dieser Zusammenhang ist in Abbildung 4 dargestellt. Ziel sollte es sein, diese Unsicherheiten bereits in den frühen Phasen der Innovation zu reduzieren.
Radikale Innovation
hoch
Marktbezogene Unsicherheit
Inkrementelle Innovation niedrig niedrig
hoch
Technologische Unsicherheit
Abbildung 4: Unsicherheitsreduktion bei radikalen Innovationen25
Technologische Unsicherheiten betreffen die Umsetzbarkeit, Funktionsfähigkeit und Leistungsfähigkeit neuer Technologien sowie Unsicherheiten bezüglich der Produktionsprozesse. Die Entwicklungsdauer und die Entwicklungskosten abzuschätzen bzw. zu planen ist im Rahmen hoher technologischer Unsicherheiten problematisch.26 Marktbezogene Unsicherheiten beziehen sich auf Schwierigkeiten, die Bedürfnisse und Reaktionen der Kunden vorherzusagen. Da radikal neue Produkte in der
24 25 26
Vgl. McDermott und O'Connor (2002) S. 430; Veryzer (1998) S. 317. Übernommen mit Anpassungen aus McDermott und O'Connor (2002) S. 430. Vgl. Lettl (2004) S. 24; Leifer et al. (2001) S. 103.
12
Grundlagen
Regel Lernprozesse von den Kunden erfordern, können Adoptionsbarrieren und Akzeptanzrisiken insgesamt als hoch eingeschätzt werden.27 Radikale Innovationen benötigen in der Regel Entwicklungszeiten, die um ein Vielfaches länger sind als bei inkrementalen Innovationen.28 In Tabelle 1 sind Ergebnisse der 2003 PDMA Best Practice Studie bezüglich durchschnittlicher Entwicklungszeiten von Produkten mit unterschiedlichem Neuheitsgrad dargestellt. Man kann sehen, dass sich die Produktentwicklungszeiten insbesondere bei radikal neuen Produkten zwischen 1995 und 2004 deutlich reduziert haben. Danach werden Weltneuheiten 2004 im Durchschnitt um 42,5% schneller entwickelt als 1995. Kategorien von 1995
Kategorien von 2004
Durchschnitt 1995
Durchschnitt 2004
(in Wochen)
(in Wochen)
Weltneuheit
181
104
Weltneuheit
Neue Produktlinie
126
Bedeutende Verbesserungen
78
62
Höhere Innovativität
Inkremental
33
29
Inkremental
Tabelle 1: Produktentwicklungszeiten im Vergleich29
Der Bedarf nach kürzeren Entwicklungszyklen ergibt sich zum einen aus einem verschärften globalen Wettbewerb. Zum anderen ist er eine Folge der immer kürzer werdenden Produktlebenszyklen. So haben sich von der Mitte des 20. Jh. bis Ende des 20. Jh. die Produktlebenszyklen im Durchschnitt um 400% reduziert.30 Unter anderem hat der weite Ausbau bzw. die weite Verbreitung des Internet diesen Trend verschärft. In einer „e-world“ sind Informationen über neue Technologien, neue Anwendungen, neue Forschungsergebnisse sowie Produktbewertungen und Erfahrungsberichte von
27 28
29 30
Vgl. Lettl (2004) S. 28-31. Vgl. Tabelle 1 und Griffin (1997) S.31. Griffin hat empirisch gezeigt, dass die Produktentwicklungszeit mit der Neuheit des Projektes zunimmt. Entnommen aus Barczak et al. (2009) S. 7. Vgl. Cooper (2001) S. 10.
Analogien aus Sicht der kognitiven Psychologie
13
Anwendern praktisch für jeden zugänglich. Der Druck, möglichst schnell innovative Ideen zu finden, umzusetzen und an den Markt zu bringen, hat sich deutlich erhöht.31 Obwohl Innovationen mit einem hohen Neuheitsgrad tendenziell mit hohen Risiken verbunden sind und in der Regel deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen als inkrementelle Innovationen, ist auch hier eine möglichst kurze Entwicklungszeit erstrebenswert. Ein beschleunigter Entwicklungsprozess senkt die Entwicklungskosten und bietet strategische Vorteile. Wenn man als erster ein hoch innovatives Produkt am Markt etabliert, kann man von diversen Wettbewerbsvorteilen profitieren. Um hoch innovative Produkte in kurzer Zeit mit überschaubaren Risiken entwickeln zu können, muss ein Unternehmen auf bestehendes Wissen aus internen und externen Quellen zurück greifen. Es ist nicht erstrebenswert, bei jeder Innovation „das Rad neu zu erfinden“. Auch radikale Innovationen beruhen zu einem großen Anteil auf bereits existierendem Wissen, welches jedoch auf neue Art und Weise kombiniert wird. Vorhandenes Wissen stellt das Rohmaterial für die Generierung neuen Wissens dar.32 Eine wesentliche Herausforderung bei einer Innovation mit einem hohen Neuheitsgrad liegt darin, eine Verbindung zwischen Bereichen zu erkennen, die normalerweise nicht in Zusammenhang stehen.33 Welche Rolle innovative Analogien in diesem Zusammenhang spielen, wird in den folgenden Abschnitten erläutert.
2.2
Analogien aus Sicht der kognitiven Psychologie
Das Wort Analogie stammt vom griechischen analogía ab und bedeutet „Entsprechung, Ähnlichkeit, Gleichheit von Verhältnissen“.34 Analogien haben in verschiedenen Fachbereichen unterschiedliche Bedeutungen. So spricht man z.B. in der Biologie von einer Analogie, wenn verschiedene Arten Ähnlichkeiten von Funktionen und Verhaltensweisen aufweisen, aber keine gemeinsame Abstammung haben, und in der Sprachwissenschaft wird unter Analogiebildung die Bildung neuer Worte nach einem bereits vorhandenen Muster verstanden.35 Analogien können ganz allgemein zur Erklärung von Zusammenhängen, zur Lösung von Problemen oder für die Prognose zukünftiger Ereignisse verwendet werden.
31 32 33 34 35
Vgl. Stringer (2000) S. 71. Vgl. Hargadon (2002) S. 42. Vgl. Koestler (1964) S. 201 und Swan et al. (2002) S. 481. Vgl. Drosdowski (1993) S. 166. Vgl. Brockhaus (1996) S. 546 f.
14
Grundlagen
In den folgenden Abschnitten werden Erkenntnisse der kognitiven Psychologie über die Verwendung von Analogien dargestellt, die für das Verständnis von Analogien im Rahmen der Produktentwicklung von Bedeutung sind.
2.2.1 Der Analogiedenkprozess Die Fähigkeit zur Analogiebildung ist ein grundlegender kognitiver Mechanismus, der sich beim Menschen spontan in der frühen Kindheit entwickelt.36 Nach Hofstadter können Analogien sogar als zentraler Grundbaustein menschlichen Denkens angesehen werden, da es bei der Analogiebildung um das Denken in relationalen Mustern geht. So werden neu wahrgenommene Situationen im Gehirn automatisch mit vorhandenen Strukturen verglichen, um diese einzuordnen.37 Allgemein wird die Fähigkeit zur Analogiebildung als ganz wesentlich für die kulturellen Errungenschaften der Menschheit angesehen.38 In der kognitiven Psychologie wird üblicherweise zwischen der Quelle und dem Ziel der Analogie unterschieden. Nach Holyoak39 sind zwei Situationen analog, wenn sich diese über das Beziehungsmuster ihrer einzelnen Elemente ähneln, wobei die Elemente selbst nicht identisch sind. Das Wissen über den Quell-Bereich der Analogie ist in der Regel größer als das Wissen über den Ziel-Bereich, so dass bei einem analogen Transfer Wissen von der Quelle zum Ziel übertragen wird.40 Die Verwendung einer Analogie beinhaltet im Allgemeinen folgende kognitive Aktivitäten: 41 (1.) „Retrieval“ – Wissen aus einem anderen Gebiet als dem Zielbereich wird gesucht bzw. abgefragt. Diese Phase wird manchmal auch mit „Access“, also Zugriff auf analoges Wissen beschrieben. (2.) „Mapping“ – Elemente der Quelle werden analogen Elementen des Ziels zugeordnet. Es wird eine Zusammenstellung von systematischen Übereinstimmungen gebildet, um die Elemente von Quelle und Ziel einander zuzuordnen. Diese Zuordnung umfasst sowohl oberflächliche als auch strukturelle Ähnlichkeiten.
36
Vgl. Goswami (2001) S. 437 f. Vgl. Hofstadter (2001) S. 503 f. u. 535-537. 38 Vgl. Holyoak et al. (2001) S. 4-7. 39 Vgl. Holyoak (2005) S. 117. 40 Vgl. Holyoak (2005) S. 117. 41 Vgl. Gentner (1989) S.200; Holyoak et al. (2001) S.9; Holyoak (2005) S.117 . 37
Analogien aus Sicht der kognitiven Psychologie
15
(3.) „Transfer“ – Es wird Wissen von der Quelle zum Ziel der Analogie übertragen. Das Wissen im Zielbereich wird über Rückschlüsse aus dem Quellbereich angereichert. (4.) „Learning“ – Im Anschluss an den Analogiedenkprozess kann es zu einer Generalisierung von Zusammenhängen kommen. So können aus einem Analogiedenkprozess allgemeine Lösungsschemata entstehen. Diese vier Phasen bilden das Grundgerüst des Analogiedenkprozesses und sind in Abbildung 5 dargestellt. Teilweise werden in diesen Prozess noch Zwischenstufen eingefügt. So unterteilen z.B. Gentner et al. die Mapping-Stufe in zwei Phasen: einen ersten Abgleich und eine tiefer gehende Abbildung der Ähnlichkeiten. Und anstelle der hier beschriebenen Transfer-Phase unterscheiden sie zwischen den Phasen „adapting“ und „evaluating“. Sie gehen also davon aus, dass zunächst möglicherweise Anpassungen getätigt werden müssen, um Rückschlüsse auf das Ziel der Analogie ziehen zu können. Danach erfolgt dann eine Überprüfung der Stichhaltigkeit bzw. Güte der Analogie.42 Retrieval
Ziel neue Erkenntnisse
Mapping Transfer
Quelle
Learning Schema
Abbildung 5: Der Analogiedenkprozess43
Entscheidend für die weitere Arbeit ist, dass Analogieforscher aus dem Bereich der kognitiven Psychologie von einer bestimmten Abfolge von Phasen im Analogiedenkprozess ausgehen, die mindestens die oben dargestellten Phasen des „Retrieval“, „Mapping“ und „Transfer“ beinhalten. Die letzte Phase, das Lernen aus der Analogie, 42 43
Vgl. Gentner et al. (1993) S. 527. Vgl. Holyoak (2005) S. 118.
16
Grundlagen
ist nicht ein zwangsläufiger Prozess, sondern erfolgt in der Regel erst, nachdem mehrmals ähnliche Analogien gebildet wurden. So kann die Verwendung von Analogien beim Problemlöser auch zur Bildung eines generellen Lösungsschemas führen.
2.2.2 Unterschiede beim Erkennen naher und ferner Analogien „The search for analogies is, in itself, a problem-solving activity.“ 44 Eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Anwendung innovativer Analogien ist das Erkennen passender Analogien bzw. der Zugriff auf analoges Wissen aus anderen Bereichen. Wie im vorangegangenen Abschnitt dargestellt wurde, umfasst der Analogiedenkprozess mindestens die drei Phasen (1.) Retrieval, (2.) Mapping und (3.) Transfer. Man erkennt, dass Schwierigkeiten beim Retrieval sich zwangsläufig negativ auf den gesamten Analogieprozess auswirken. So ist nach Keane die wichtigste und am wenigsten verstandene Frage bei der zielgerichteten Anwendung von Analogien, wie eine passende Quelle für mögliche Analogien gefunden wird.45 Analogien können über die konzeptionelle Distanz zwischen ihrer Quelle und ihrem Ziel beschrieben werden. Forscher aus dem Bereich der kognitiven Psychologie, die den Prozess der Analogiebildung untersuchen, unterscheiden zwischen nahen und fernen Analogien46. Eine Analogie wird als nah47 bezeichnet, wenn Quelle und Ziel der Analogie demselben Bereich angehören. Im Gegensatz dazu stammen Quelle und Ziel einer fernen48 Analogie aus verschiedenen Gebieten. Es wird angenommen, dass die Aktivitäten des Retrieval und Mapping im Analogiedenkprozess bei nahen und fernen Analogien unterschiedlich ablaufen. Nahe Analogien basieren überwiegend auf oberflächlichen Ähnlichkeiten. Ferne Analogien hingegen werden auf der Basis von strukturellen Ähnlichkeiten gebildet. Quelle und Ziel einer fernen Analogie weisen in der Regel keine oder kaum oberflächliche Gemeinsamkeiten auf.49 Bei einer Analogie bestehen oberflächliche Ähnlichkeiten, 44 45 46
47
48
49
VanGundy (1981) S. 46. Vgl. Keane (1988) S. 53. Vgl. Gick und Holyoak (1980) S. 307; Keane (1987) S.30 f.; Vosniadou (1989) S.414 f.; Perkins (1997) S. 529-532; Ward (1998) S. 221. In der englischsprachigen Literatur werden nahe Analogien als „near“, „within domain“ oder „intra domain“ bezeichnet. In der englischsprachigen Literatur werden ferne Analogien als „far“, „between domain“ oder „inter domain“ bezeichnet. Vgl. Gick und Holyoak (1980) S. 348-350; Reeves und Weisberg (1994) S. 382.
Analogien aus Sicht der kognitiven Psychologie
17
wenn sich die Elemente von Quelle und Ziel der Analogie ähnlich sehen bzw. gleiche Eigenschaften haben. Von einer strukturellen Ähnlichkeit spricht man dagegen, wenn eine Beziehung zwischen Elementen der Quelle einer Beziehung zwischen Elementen des Ziels gleicht. Wobei die Ähnlichkeit der Strukturen unabhängig von einer Ähnlichkeit der Elemente selbst besteht.50 Wenn man z.B. den Fluss von Elektronen in einer elektrischen Leitung mit der Fortbewegung von Menschen in einem überfüllten U-Bahntunnel vergleicht, so bildet man eine ferne Analogie, die auf strukturellen Ähnlichkeiten beruht – den Beziehungen zwischen den Elementen. Da bei dieser Analogie die Elemente selbst – Elektronen und Menschen – keine Ähnlichkeiten aufweisen, beruht sie nicht auf oberflächlichen Ähnlichkeiten. Strukturelle Analogien können auch auf einer Ähnlichkeit in Beziehungen höherer Ordnung bestehen. Wenn man z.B. einen Widerstand in die elektrische Leitung einfügt, so wird der Fluss der Elektronen gebremst in Analogie zu einem engen Tor im U-Bahntunnel, welches die Fortbewegung der Menschen behindert.51 Wie sich die Unterschiede zwischen nahen und fernen Analogien auf das Finden passender Analogien auswirken, wird im folgenden Abschnitt beschrieben. Diese Zusammenhänge wurden in der kognitiven Psychologie anhand von Experimente untersucht, deren Ergebnisse im Folgenden vorgestellt werden.
2.2.2.1 Der Wahrnehmungsansatz Gick und Holyoak52, Gentner53 und auch Keane54 haben experimentell untersucht, unter welchen Bedingungen Analogien, die auf strukturellen Ähnlichkeiten beruhen und keine oberflächlichen Ähnlichkeiten aufweisen, von Menschen erkannt und angewendet werden können. Sie haben dabei beide einen Versuchsaufbau verwendet, der von Blanchette und Dunbar als „Wahrnehmungsansatz“ bezeichnet wird.55 Bei dieser Versuchsanordnung werden den Teilnehmern zunächst verschiedene Geschichten präsentiert, von denen eine oder mehrere eine Analogie zu einer später zu lösenden Problemstellung darstellen. Ziel und Quelle der Analogie werden in diesen Experimenten also vorgegeben. 50 51 52 53 54 55
Vgl. Blanchette und Dunbar (2000) S.108; Gentner (1989) S. 206-215. Vgl. Gentner und Holyoak (1997) S. 33; Holyoak (2005) S. 121. Vgl. Gick und Holyoak (1980). Vgl. Gentner (1989); Gentner et al. (1993). Vgl. Keane (1987). Vgl. Blanchette und Dunbar (2000) S. 109; im Englischen „reception paradigm“.
18
Grundlagen
So haben Gick und Holyoak56 in einem Experiment mit College Studenten untersucht, ob diese in der Lage sind, ferne Analogien, die auf strukturellen Ähnlichkeiten beruhen, zu erkennen und anzuwenden. Die Studenten wurden vor die Aufgabe gestellt, das von Duncker (1945) ersonnene Tumor-Problem zu lösen. Ein Doktor muss herausfinden, wie er mittels Strahlung einen Tumor zerstören kann, ohne das gesunde Gewebe zu schädigen. Eine hohe Intensität der Strahlung würde sowohl gesundes als auch krankes Gewebe zerstören und eine niedrige Intensität hätte gar keinen Effekt. Bevor die Studenten gebeten wurden eine Lösung für das Tumorproblem zu erarbeiten, wurden ihnen drei verschiedene Geschichten vorgestellt. Eine dieser Geschichten stellt eine strukturelle Analogie zum Tumorproblem dar. Es handelt sich in Anlehnung an eine Untersuchung von Duncker um die Geschichte von einem General, der eine Festung einnehmen will. Bei dieser Geschichte steht der General vor dem Problem, dass sich die gesamte Armee nicht sicher auf einer einzelnen Straße fortbewegen kann, aber zur Stürmung der Festung die Stärke der gesamten Truppe benötigt wird. Als Lösung dieses Problems teilt der General seine Armee in kleine Gruppen auf, die sich gleichzeitig auf verschiedenen Wegen der Festung näheren und sie dann mit gebündelter Kraft erobern. Es kann eine strukturelle Analogie zwischen dem Tumorproblem und dem Festungsproblem gezogen werden. In Analogie zur Strategie des Generals kann der Arzt die benötigte Strahlung in kleine Portionen aufteilen, die gleichzeitig von verschiedenen Richtungen auf den Tumor gesendet werden. In dem Tumor addieren sich dann die niedrigen Intensitäten der Strahlung zu einer hohen Intensität, die genug Kraft besitzt, um das kranke Gewebe zu zerstören. Oberflächliche Ähnlichkeiten zwischen den beiden Problemen gibt es nicht. Die überwiegende Mehrheit (75%) der Teilnehmer des Experiments waren in der Lage, die Analogie zwischen dem Tumor- und dem Festungsproblem richtig anzuwenden, wenn sie einen Hinweis erhielten, dass eine der vorgegebenen Geschichten hilfreich zur Lösung des Tumorproblems sein kann. Wenn die Teilnehmer aber keinen entsprechenden Hinweis erhielten, wurde die strukturelle Ähnlichkeit zwischen den Geschichten kaum als lösungsrelevant erkannt. Somit haben Gick und Holyoak gezeigt, dass Problemlöser oft daran scheitern, eine auf strukturellen Ähnlichkeiten zwischen der Quelle und dem Ziel beruhende Analogie zu entdecken, wenn keine oberflächlichen Ähnlichkeiten vorhanden sind. Die Teilnehmer konnten nach einem Hinweis auf die strukturelle Analogie zwischen den Geschichten korrekte 56
Vgl. Gick und Holyoak (1980) S. 307 f. u. 311; Holyoak (2005) S. 122 f.
Analogien aus Sicht der kognitiven Psychologie
19
Schlussfolgerungen ziehen. Ein spontanes Erkennen der Lösungsrelevanz der Festungsgeschichte stellte jedoch für die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer ein unlösbares Problem dar.57 Keane58 hat die Ergebnisse von Gick und Holyoak in einem weiteren Experiment bestätigt. Er arbeitete ebenfalls mit der Analogie zwischen Tumorzerstörung und Festungseinnahme. Um gleichzeitig das Erkennen naher Analogien zu testen, wurde eine Geschichte hinzugefügt, bei der ein Chirurg erfolgreich einen Gehirntumor behandelt. Die Quell-Geschichten wurden von den Teilnehmern des Experimentes 1-3 Tage vor Präsentation des Zielproblems studiert. Weil die Teilnehmer nicht wissen sollten, dass die beiden Teile des Experiments zusammenhängen, lagen die beiden Abschnitte zeitlich auseinander und wurden von verschiedenen Personen geleitet. Bei der Einweisung für den zweiten Abschnitt des Experiments wurden die Teilnehmer über die Bedeutung ferner Analogien unterrichtet und wurden explizit gebeten, zu versuchen das Problem über eine Analogie zu lösen. Wie zu erwarten war, entdeckte die große Mehrheit der Teilnehmer (88%) die nahe Analogie (Gehirntumor) und nur wenig (12%) die ferne Analogie (Festung). In einem weiteren Experiment hat Keane versucht, genauer zu spezifizieren was das Erkennen struktureller Analogien fördert. Dazu hat er zwei Variationen der GeneralGeschichte erzeugt. In der einen taucht das Wort Strahlung (engl. „ray“) mehrfach auf, es besteht also ein gemeinsames Element mit dem Chirurgen-Problem. In der zweiten Geschichte wurde dann Strahl durch ein semantisch ähnliches Wort ersetzt (engl. „laser-beam“). Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl ein semantisch gleiches als auch ein ähnliches Element das Erkennen struktureller Analogien stark fördert. Keane nutzte diese Erkenntnisse, um basierend auf der dynamischen Erinnerungstheorie von Schank (1982) ein Modell des Analogie-Erkennens zu entwerfen. Dabei wirken die semantischen Ähnlichkeiten als Zeiger, die das Erkennen der strukturellen Analogie fördern. Insbesondere kommt es dabei auf die Formulierung der Ziele und Zielobjekte bzw. ihrer Eigenschaften an. Je mehr oberflächliche Ähnlichkeiten erfolgreich erkannt werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, eine bestehende strukturelle Ähnlichkeit zu entdecken.59
57 58 59
Vgl. Gick und Holyoak (1980) S. 348; Holyoak (2005) S. 123. Vgl. Keane (1987) S. 31-33. Vgl. Keane (1987) S. 34-38.
20
Grundlagen
Gick und Holyoak erklären ihre Ergebnisse damit, dass das Hauptproblem beim Entdecken von Analogien die Überwindung kontextueller Barrieren ist. Potentielle Quellen für Analogien sind häufig in einem anderen Kontext als das Zielproblem kodiert. Solche kontextuellen Barrieren sind umso schwieriger zu überwinden, je weiter der Quell- und Zielbereich der Analogie von einander entfernt sind.60
2.2.2.2 Der Produktionsansatz Blanchette und Dunbar bezeichnen Experimente, die nach dem oben dargestellten Wahrnehmungsansatz aufgebaut sind, als sehr realitätsfern, da die Teilnehmer die Relevanz zuvor erfahrener Geschichten für die Lösung eines neuen Problems erkennen müssen.61 Beobachtungen von Wissenschaftlern zeigen, dass diese häufig Analogien bei ihrer Arbeit verwenden, die auf strukturellen Merkmalen beruhen. Wissenschaftler scheinen somit keine Schwierigkeiten zu haben, strukturelle Ähnlichkeiten zu erkennen und für ihre Arbeit zu nutzen.62 Blanchette und Dunbar schlagen daher einen anderen Experimentaufbau vor, den sie als Produktionsansatz bezeichnen. Bei diesem Vorgehen wird den Teilnehmern ein Zielproblem vorgestellt und sie werden gebeten, selbst Analogien zu generieren.63 In einem nach dem „Produktionsansatz“ aufgebauten Experiment von Blanchette und Dunbar hatten die Teilnehmer keine Schwierigkeiten Analogien zu verwenden, die auf strukturellen Ähnlichkeiten basieren. In dem Experiment wurde Studenten zunächst ein kontrovers diskutiertes politisches Problem präsentiert („zero deficit issue“). Anschließend wurde die eine Hälfte der Studenten gebeten, Analogien zur Unterstützung einer problembezogenen politischen These zu finden, und die andere Hälfte der Studenten wurde gebeten, Analogien zu finden, die gegen diese politische These sprechen. Wie vermutet, haben sich die Studenten nur wenig an oberflächlichen Ähnlichkeiten orientiert, sondern häufig strukturelle Ähnlichkeiten zur Bildung ihrer Analogien genutzt.64 Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass die Kodierung des Wissens eine entscheidende Rolle beim Erkennen von Analogien spielt. Nur wenn strukturelle Merkmale eines Problems bzw. einer Situation im Gedächtnis abgelegt sind, kann dieses Wissen zur 60 61 62 63 64
Vgl. Gick und Holyoak (1980) S. 349. Vgl. Blanchette und Dunbar (2000) S. 109. Vgl. Dunbar (1997) S. 474 f. Vgl. Blanchette und Dunbar (2000) S. 109; im Englischen „production paradigm“. Vgl. Blanchette und Dunbar (2000) S. 110-114.
Analogien aus Sicht der kognitiven Psychologie
21
Bildung struktureller Analogien genutzt werden. Die im Wahrnehmungsansatz vorgegebenen Geschichten scheinen nicht mit den benötigten strukturellen Merkmalen im Gedächtnis der Experimentteilnehmer gespeichert worden zu sein. Daher wurden die fernen Analogien im Experiment von Gick und Holyoak nur bei einer expliziten Aufforderung, strukturelle Gemeinsamkeiten zwischen den Geschichten zu suchen, entdeckt.65 Es ist anzunehmen, dass Wissen in einer natürlichen Umgebung reichhaltiger kodiert wird, als dies beim Lesen einer Geschichte im Rahmen eines Experiments der Fall ist.66 Bei der Bildung eigener Analogien wird man sich auf Zusammenhänge berufen, die man verstanden hat und für die entsprechende übergeordnete Strukturen selbst entwickelt wurden, bzw. im Gedächtnis mit übergeordneten Strukturen verankert sind. Die Art der Wissenskodierung im Gehirn scheint also einen entscheidenden Einfluss auf das Erkennen struktureller Analogien zu haben. Bereits Kinder können strukturelle Analogien bilden, jedoch sind diese öfter falsch als bei Erwachsenen, da ihr Wissen noch nicht ausreichend genau strukturiert ist.67 Mit der Bildung von Expertise in einem Bereich, wird das Wissen besser strukturiert und mit vorangegangenen Erfahrungen integriert. Experten können daher schneller Strukturen erkennen als Laien.68
2.2.3 Negativer Transfer durch Fixierung Bestehendes Wissen bildet die Grundlage zur erfolgreichen Anwendung von Analogien. Vorhandenes Wissen kann aber auch das Erkennen lösungsrelevanter Analogien behindern. In der kognitiven Psychologie wird daher zwischen einem positiven und einem negativen Transfer unterschieden. Ein positiver Transfer findet statt, wenn bestehendes Wissen erfolgreich zur Lösung eines neuen Problems eingesetzt wird. Von einem negativen Transfer spricht man dagegen, wenn bestehendes Wissen das Lernen neuer Fähigkeiten oder die Lösung neuer Probleme behindert.69 Eine Form des negativen Transfers, der in der Problemlösung und Innovation eine Rolle spielt, ist die Fixierung. Mit funktionaler Fixierung70 ist eine mentale Blockierung gemeint, bei der ein Gegenstand so stark mit seiner ursprünglichen Funktion 65 66 67 68 69 70
Vgl. Gick und Holyoak (1980) S. 343 u. 348. Vgl. Blanchette und Dunbar (2000) S. 119-121; Dunbar (2001) S. 325-329. Vgl. Dunbar (2001) S. 330; Vosniadou (1989) S. 434. Vgl. Casakin und Goldschmidt (1999) S. 154; Hofstadter (2001) S. 501. Vgl. Robertson (2001) S. 83; Chrysikou und Weisberg (2005) S. 1134; Di Vesta und Walls (1967). Im Englischen „functional fixedness“ oder „functional fixity“.
22
Grundlagen
verbunden ist, dass es einem Problemlöser nicht gelingt diesen Gegenstand in einem neuen Kontext zur Problemlösung einzusetzen.71 Der Effekt der funktionalen Fixierung wurde bereits 1945 von Duncker in mehreren Experimenten getestet.72 Die Teilnehmer eines seiner Experimente mussten mit vorgegebenen Gegenständen eine Kerze senkrecht an einer Tür befestigen. Gegeben waren drei Boxen, Reißzwecken, Streichhölzer und Bleistifte. Zur Lösung des Problems war es erforderlich, eine Box als Kerzenhalter zu verwenden, diese also von ihrer ursprünglichen Funktion zu entfremden. Es hat sich gezeigt, dass die Lösung von mehr Personen gefunden wurde, wenn die Boxen nicht mit Gegenständen gefüllt waren, also leer dargestellt wurden. Wenn die Boxen als Behälter dienten, fiel es den Problemlösern dagegen schwerer, diesen die Funktion Kerzenhalter zuzuweisen als wenn sie ohne Gebrauchsfunktion präsentiert wurden. Adamson hat diese Experimente zur funktionalen Fixierung mit einer größeren Anzahl von Teilnehmern wiederholt und ist zu den gleichen Ergebnissen wie Duncker gekommen.73 Ebenso haben Birch und Rabinowitz mit einer anderen Aufgabenstellung die Ergebnisse von Duncker zur funktionalen Fixierung bestätigt.74 Das Problem der Fixierung wurde in neueren psychologischen Untersuchungen wieder aufgegriffen.75 Eine Fragestellung die untersucht wird, ist der Zusammenhang zwischen Fixierung und Inkubationszeit. Unter Umständen kann ein Problem, welches nicht gleich gelöst werden kann, erfolgreich bearbeitet werden, nachdem der Problemlöser eine gewisse Zeit einer anderen Tätigkeit nachgegangen ist. Die Zeitspanne zwischen einem missglückten Versuch und einer später erfolgreichen Problemlösung wird allgemein als Inkubationszeit bezeichnet. Es gibt Theorien, nach denen das Gehirn in dieser Zeit unbewusst an der Problemstellung arbeitet. Diese Theorien sind aber umstritten und nur durch anekdotenhafte Beispiele belegt.76 Smith und Blankenship haben dagegen experimentell nachgewiesen, dass die Inkubationszeit Einfluss nimmt auf die Überwindung einer bestehenden Fixierung. Das Vergessen von irreführenden Informationen bereitet den Weg zu neuen Problemlösun-
71 72 73 74 75
76
Vgl. Mayer (1992) S. 57. Vgl. Duncker (1945) zitiert in Mayer (1992) S. 57-59 und Robertson (2001) S. 58 f. Vgl. Adamson (1952); Adamson und Taylor (1954) S. 122. Vgl. Birch und Rabinowitz (1951) S. 123. Vgl. Chrysikou und Weisberg (2005); Jansson und Smith (1991); Richard Marsh et al. (1999); Smith und Blankenship (1991); Smith et al. (1993). Vgl. Weisberg (1989) S. 44-47.
Analogien aus Sicht der kognitiven Psychologie
23
gen.77 Bereits Adamson und Taylor hatten in ihren Experimenten gezeigt, dass ein bestehender Fixierungseffekt mit der Zeit automatisch nachlässt.78 Smith und Blankenship haben versucht, den Zusammenhang zwischen einer bestehenden Fixierung und der Überwindung dieser nach einer Inkubationszeit in Experimenten mit Studenten nachzuweisen. Sie haben diesen Zusammenhang die „forgetting-fixation hypothesis“79 genannt. In einer ersten Reihe von vier Experimenten haben sie einen Inkubationseffekt nachgewiesen. Dieser trat unabhängig von den Aufgaben auf, die während der Inkubationszeit zur Ablenkung getätigt wurden.80 In einer späteren Versuchsreihe haben sie dann einen Zusammenhang zwischen der Überwindung einer absichtlich hervorgerufenen Fixierung und der Inkubationszeit gezeigt. Eine Verbesserung der Problemlösungsfähigkeit nach einer Inkubationszeit konnte nur in den Versuchsgruppen beobachtet werden, bei denen zuvor eine Fixierung nachgewiesen worden war.81 Weiterhin wurde in neueren Studien über Fixierungseffekte untersucht, ob ein Fixierungseffekt zu fehlerhaften Lösungen führen kann und ob es möglich ist, einen Fixierungseffekt durch Anweisungen zu unterbinden. Jansson und Smith sind diesen Fragen in drei Experimenten mit Maschinenbaustudenten höherer Semester nachgegangen.82 Die Teilnehmer der Experimente hatten eine Stunde Zeit, möglichst viele verschiedene Designs zu einer vorgegebenen Aufgabenstellung zu entwickeln. Bei jedem Experiment wurden die Teilnehmer in zwei Gruppen eingeteilt, wobei eine Gruppe jeweils vor dem Beginn der Aufgabe ein für die Problemlösung relevantes Beispieldesign gezeigt bekam. Im ersten Experiment war das Beispiel neutral, aber im zweiten und dritten Experiment hatte das Beispieldesign Eigenschaften, die nicht der Aufgabenstellung entsprachen, die also im Hinblick auf den Lösungsansatz fehlerhaft waren. Im dritten Experiment wurden die Studenten explizit darauf hingewiesen, diese irreführenden Eigenschaften nicht zu übernehmen. In allen drei Experimenten haben die Beispiele eine Fixierung bewirkt. Die Versuchsgruppen, die die Beispiele gezeigt bekamen, orientierten sich stark an diesen, auch wenn dies zu fehlerhaften Lösungen 77
78 79 80 81
82
Vgl. Smith und Blankenship (1989) S. 311-314; Smith und Blankenship (1991) S. 76-83; Finke et al. (1992) S. 149 u. 160; Anderson (2001) S. 273-276. Vgl. Adamson und Taylor (1954) S. 124. Smith und Blankenship (1989) S. 311. Vgl. Smith und Blankenship (1989) S. 311-314. Vgl. Smith und Blankenship (1991) S. 65-80. Eine Schwächung des Fixierungseffektes mit der Zeit wurde später auch von Richard Marsh et al. (1999) S. 99 u. 103 bestätigt. Vgl. Jansson und Smith (1991) S. 4-9. In einem vierten Experiment haben Jansson und Smith dann nachgewiesen, dass der Fixierungseffekt auch bei professionellen Ingenieurdesignern wirkt und nicht nur bei College Studenten. Vgl. ebd. S. 9-11.
24
Grundlagen
führte. Die im dritten Experiment ausgesprochene Anweisung, die fehlerhaften Eigenschaften nicht zu übernehmen, hat nicht zu einer Überwindung der Fixierung geführt. Marsh et al. haben in Experimenten, bei denen die Teilnehmer neue Wörter kreieren mussten, ebenfalls gezeigt, dass ein Fixierungseffekt nicht durch die Anweisung aufgehoben werden kann, die vorher in Beispielen dargestellten Informationen nicht zur Problemlösung zu verwenden. Personen, die vor der Aufgabenstellung mit Beispielen konfrontiert wurden, die lösungsrelevant waren, haben diese in ihre Lösungen eingebaut, obwohl sie wussten, dass sie das nicht durften. Das Kopieren vorher gesehener Muster geschah also unbewusst.83 Im Gegensatz dazu konnten die Teilnehmer der Experimente von Chrysikou und Weisberg ihren Fixierungseffekt durch die Anweisung überwinden, nichts von den Beispielen zu übernehmen. Erklärt wurden ihre abweichenden Ergebnisse damit, dass bei der Einweisung der Teilnehmer sehr viel Wert darauf gelegt worden war, dass alle Studenten die Aufgabenstellung und die Anweisungen verstanden haben.84 Es scheint also bei starker Konzentration auf die Aufgabenstellung möglich zu sein, sich nicht von irreführenden Beispielen zu Fehlern verleiten zu lassen. In den meisten Experimenten zur Fixierung wurden Problemstellungen verwendet, für die eine explizit richtige Lösung bekannt war. Smith et al. haben dagegen die Auswirkungen von fixierenden Beispielen bei Aufgaben getestet, in denen die Teilnehmer möglichst viele verschiedene kreative Ideen hervorbringen sollten.85 Die Teilnehmer ihrer Experimente mussten verschiedene Spielzeuge bzw. Fantasiefiguren frei entwerfen. Der Hälfte der Teilnehmer wurden jeweils vor der kreativen Aufgabe Beispiele präsentiert, die gemeinsame Elemente enthielten. So beinhalteten die Spielzeugbeispiele alle einen Ball, erforderten einen hohen Grad an körperlicher Aktivität und verwendeten elektronische Geräte. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die Teilnehmer, die die Beispiele vorher sahen, mit hoher Wahrscheinlichkeit Elemente der Beispiele in ihre Lösung übernommen haben. Die Beispiele hatten also einen fixierenden Effekt in dem Sinne, dass sie die Bandbreite der generierten Ideen reduzierten. Es ist deutlich geworden, dass ein negativer Transfer durch Fixierung verschiedene Auslöser haben kann: z.B. den Gebrauch eines Gegenstandes für eine bestimmten Zweck, die Wahrnehmung eines Gegenstandes mit einer bestimmten Funktion – oder 83 84 85
Vgl. Richard Marsh et al. (1999) S. 96-104. Vgl. Chrysikou und Weisberg (2005) S. 1138 u. 1143f. Vgl. Smith et al. (1993) S. 839-845.
Innovative Analogien in der Produktentwicklung
25
allgemeiner: die Betrachtung von Beispielen in schriftlicher oder grafischer Form. Eine Fixierung kann dazu führen, dass eine richtige Lösung zu einem vorgegebenen Problem nicht gefunden wird, oder dass die Kreativität eines Entwicklers eingeschränkt wird, da er in seinen Entwürfen unbewusst Eigenschaften vorher gesehener Beispiele übernimmt.
2.3
Innovative Analogien in der Produktentwicklung
Bisher wurden Anforderungen an die Entwicklung innovativer Produktkonzepte hergeleitet sowie grundlegende Charakteristiken des Umgangs mit Analogien aus Sicht der kognitiven Psychologie dargestellt. Im Folgenden sollen diese Erkenntnisse zusammen fließen. Es wird zunächst herausgearbeitet, welche Art von Analogie im Mittelpunkt der Untersuchung steht. Darauf aufbauend werden zwei spezielle Formen ferner innovativer Analogien, die in der Produktentwicklung verwendet werden, beschrieben: Industrieübergreifende Analogien und bionische Analogien.
2.3.1 Innovative Analogien als Problemlösungsstrategie Grundlegend für die Arbeit mit Analogien ist die Unterscheidung von erklärenden und innovativen Analogien.86 Mit Hilfe von erklärenden Analogien können Erkenntnisse über neue Situationen oder Probleme gewonnen werden, indem diese mit bekannten Sachverhalten verglichen werden, die eine strukturelle Ähnlichkeit aufweisen. Bei fehlendem Verständnis über eine Situation oder ein Problem liegt ein Vergleich mit bekannten Situationen oder Objekten nahe. Dieser erklärende Effekt von Analogien wird z.B. in der Konsumentenforschung aufgegriffen. Verschiedene Studien in diesem Bereich untersuchen den Einfluss, den in der Werbung verwendete Analogien auf das Konsumentenwissen ausüben, indem sie bekannte Produkte mit sehr neuen Produkten in Verbindung bringen. Die grundlegende Hypothese ist, dass Konsumenten Analogien zu schon bekannten Produkten ziehen, wenn sie mit einem für sie sehr neuen Produkt konfrontiert werden, um dessen Eigenschaften und Gebrauch zu verstehen.87
86 87
Vgl. Ward (1998) S. 221 f. Vgl. Gregan-Paxton et al. (2002); Gregan-Paxton und Roedder John (1997); Roehm und Sternthal (2001); El Houssi et al. (2005).
26
Grundlagen
Der Gebrauch erklärender Analogien ist auch in den Naturwissenschaften ein weit verbreitetes Phänomen. Klassische Beispiele naturwissenschaftlicher Entdeckungen deuten darauf hin, dass kreative Forscher häufig Analogien zur Bildung neuer Theorien über ihre aktuellen Forschungsergebnisse nutzen. So hat z.B. Johannes Kepler in seiner Arbeit über die Planetenbewegungen eine Analogie zwischen den interplanetaren Bewegungskräften (Ziel-Bereich) und dem Licht (Quell-Bereich) genutzt, um zu erklären, wieso die äußeren Planeten sich langsamer um die Sonne drehen als die inneren.88 Andere Beispiele grundlegender Theorien, die auf Analogien aufbauen sind das hydraulische System der Blutzirkulation sowie das Billard-BallModell von Gasen.89 Eine charakteristische Eigenschaft erklärender Analogien ist, dass mit ihrer Hilfe bekannte Zusammenhänge veranschaulicht werden. Bei innovativen Analogien wird dagegen etwas Neues geschaffen. Es findet ein Wissenstransfer von einem Objekt oder einer Situation (= Quelle der Analogie) zu einem anderen Bereich statt. Das Ziel der Analogie wird hierbei verändert, bzw. entsteht neu. Mittels innovativer Analogien kann Wissen aus einem Bereich zur Lösung von Problemen in anderen Bereichen genutzt werden.90 „A problem arises when a living creature has a goal but does not know how this goal is to be reached. Whenever one cannot go from the given situation to the desired situation simply by action, then there is recourse to thinking.”91 Auch die Konzeptentwicklung im Rahmen der Produktinnovation stellt einen Problemlösungsprozess dar.92 Anhand von Zielvorgaben sind alternative Lösungen zu entwickeln, und die aller Voraussicht nach beste gilt es auszuwählen. Beispielhaft verdeutlicht die Entwicklung des Sportschuhs Nike-Shox, wie innovative Analogien einen Beitrag zur Problemlösung im Rahmen eines Produktentwicklungsprojektes liefern können. Im Mittelpunkt des Innovationsprojektes bei Nike stand das Ziel, einen neuen Laufschuh mit optimaler Dämpfung zu entwickeln. Gleichzeitig sollte der Schuh haltbar und mit angemessenem Aufwand herstellbar sein, Stabilität beim Laufen gewährleisten und wenig wiegen. Im Laufe des Entwicklungsprozesses erkannten die Schuhdesigner bei Nike eine Analogie zu Dämpfungssystemen von Formel 1 Rennwagen. Die Stoßdämpfungssäulen der Rennwagen bestehen aus einem hochelastischen 88 89 90
91 92
Vgl. Gentner et al. (1997) S. 414 f.; Gentner und Markman (1997) S. 45 f. Vgl. Gick und Holyoak (1980) S. 307. Vgl. Gick und Holyoak (1980) S. 307 u. 346; Ward (1998) S. 221 f.; Anderson (2001) S. 249; Novick und Bassok (2005) S. 334. Duncker (1945) S.1 zitiert in Robertson (2001) S. 4 und Novick und Bassok (2005) S. 321. Vgl. Katila und Ahuja (2002) S. 1183 f.
Innovative Analogien in der Produktentwicklung
27
Schaum, der den Aufprall abdämpft und anschließend in seine ursprüngliche Form zurückfedert. Sowohl Material als auch Struktur der Stoßdämpfungssäulen konnten in den Nike-Shox Laufschuh übertragen werden.93 Bevor der Analogietransfer stattfand, war das Zielobjekt zwar über Anforderungen spezifiziert ( ein Laufschuh mit besonderen Dämpfungseigenschaften), aber seine konkrete Ausgestaltung wurde erst durch den Analogietransfer verwirklicht. Das Beispiel zeigt, dass ein Wissenstransfer, der auf einer innovativen Analogie zwischen sonst getrennten Bereichen basiert, zu einer sehr kreativen und erfolgreichen Problemlösung führen kann. Die Suche nach innovativen Analogien stellt eine heuristische94 Strategie zur Lösung kreativer Probleme dar. Der wiederholte Gebrauch von spezifischem Wissen zu dem Zweck, neue Probleme zu verstehen und zu lösen, verbessert die Fähigkeit, angemessen auf äußere Anreize mit bestimmten Eigenschaften zu reagieren. Problemlöser entwickeln Schemata, mit denen Schlüsselelemente eines Problems identifiziert und Lösungen gewonnen werden können.95 Schemata enthalten abstrakte Informationen, die mehrere Probleme eines bestimmten Typs gemein haben. Spezifische Informationen, mittels derer sich die Probleme eines Typs unterscheiden, werden ausgeblendet.96 Individuen und Gruppen, die schon oft ein bestimmtes Wissen transferiert haben, neigen dazu, neue Probleme einer abstrakten Problemlösungskategorie zuzuordnen. Sie können das Problem jetzt über die Anwendung genereller Schemata lösen.97 Schema basiertes Problemlösen unterscheidet sich von Analogie basiertem Problemlösen, das sich durch eine kontextuelle Einbindung des Quell-Wissens auszeichnet. In dieser Arbeit wird die Anwendung von Analogien als ein Prozess interpretiert, bei dem Problemlöser auf Wissen aus einer analogen Situation zugreifen und schließlich transferieren. Gemäß diesem Verständnis werden Analogien verwendet, um ein Zielproblem mit Wissen aus einem speziellen Quellbereich anzureichern, also nicht um das Problem mittels genereller Schemata zu lösen. Die Entwicklung des Nike-Shox Lauf93 94
95
96 97
Vgl. Herstatt und Kalogerakis (2005a) S. 26. Obwohl Heuristiken keinen Erfolg garantieren, führen sie doch mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Erfolg. Ein Vergleich zwischen Algorithmen und Heuristiken zur Problemlösung findet sich beispielsweise in Novick und Bassok (2005) S. 325 f. Vgl. Gick und Holyoak (1980) S. 350; Gick und Holyoak (1983) S. 6-9; Holyoak (2005) S. 118. Dass ein Analogietransfer zur Entstehung genereller Wissensstrukturen über bestimmte Problemtypen beitragen kann wurde bereits in Abschnitt 2.2.1 dargestellt. Vgl. Novick und Bassok (2005) S. 335. Vgl. Holyoak und Thagard (1995) S. 134 f.; Holyoak und Thagard (1989b) S. 243 u. 261 f.; Loewenstein et al. (1999) S. 587.
28
Grundlagen
schuhs ist ein Beispiel für einen kontextuell eingebundenen Wissenstransfer. Die Designer haben sich nicht auf abstraktes Wissen über vorteilhafte Lösungen von Stoßdämpfungsproblemen bezogen, sondern spezifische Lösungsprinzipien aus einem einzigen Bereich, nämlich dem der Rennwagen, übertragen. Es ist wichtig, zwischen diesen beiden Arten der Problemlösung zu unterscheiden. Wenn Analogien alle Arten von Wissenstransfer einschließen würden, gäbe es buchstäblich kein Problemlösen ohne Analogien – zumindest nicht im Rahmen der Entwicklung neuer Produkte. In einem so weit gefassten Konzept wären Analogien der allgegenwärtige und dominierende Lernmechanismus für eine Vielzahl von Zwecken. In dieser Arbeit wird die Innovation über Analogien jedoch ausdrücklich von schemabasiertem Problemlösen abgegrenzt.
2.3.2 Beispiele ferner innovativer Analogien Fernen Analogien wird eine stärkere Auswirkung auf die Innovativität bzw. Kreativität der neu entstehenden Lösungen zugesprochen als nahen Analogien. Während nahe Analogien dazu tendieren, einen Status Quo zu bewahren, haben ferne Analogien ein großes Potential bestehende Paradigmen zu verändern.98 Deshalb sollen letztere im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen. Dabei sind zwei Gruppen ferner innovativer Analogien von besonderem Interesse: 1.) 2.)
industrieübergreifende Analogien und bionische Analogien.
2.3.2.1 Industrieübergreifende Analogien Bei einer industrieübergreifenden Analogie stammt die Quelle der Analogie aus einer anderen Industrie als das Ziel der Produktentwicklung. Das oben beschriebene Beispiel der Entwicklung des Nike Shox Sportschuhs ist ein Beispiel für eine industrieübergreifende Analogie. Es wurde Wissen zwischen verschiedenen Industrien transferiert – von Rennwagen zu Sportschuhen. Der Transfer von Wissen und Technologien über Branchengrenzen hinweg wird teilweise in der Literatur als „CrossIndustry Innovation“99 bezeichnet. 98 99
Vgl. Perkins (1997) S. 532; Ward (1998) S. 222. Vgl. Kodama (1992) S. 76 f.; Gassmann et al. (2004) S. 1 f.; Enkel und Gassmann (2007) S. 1 f.; Cozzolino und Fortino (2007) S. 1538.
Innovative Analogien in der Produktentwicklung
29
Neben historischen Beispielen werden in der Literatur diverse aktuelle Beispiele von Wissenstransfers zwischen Industrien beschrieben, die zu Innovationen mit hohem Neuheitsgrad geführt haben. Zu den historischen Beispielen zählt die Erfindung des Buchdrucks in Analogie zu einer Weinpresse100 ebenso wie die Entwicklung der Massenfertigung im Automobilbau durch Ford. Durch die geschickte Kombination von Technologien, die bereits in Getreidespeichern, Brauereien, Gießereien, bei der Herstellung von Fahrrädern und Konserven sowie in der Fleischverarbeitung erfolgreich eingesetzt wurden, entwickelte Ford ein revolutionär neues Produktionssystem für den Automobilbau.101 Ein Beispiel für eine aktuelle industrieübergreifende Innovation, die auf einer fernen Analogie basiert, ist die Entwicklung des iDrive, einer innovativen Steuerungseinheit für die Elektronik in den Autos der BMW 7er Serie. Um eine einhändige intuitive und interaktive (haptische) Bedienung der Autoelektronik zu ermöglichen, wurde eine Analogie zu Joy-Sticks aus dem Medizinbereich genutzt. In den „Knopf“ des iDrive wurde eine Touch-Sense-Technologie integriert, die z.B. Chirurgen zur Steuerung von Operationsrobotern nutzen.102 Ein weiteres Beispiel stellt die Entwicklung einer neuen Bauchwandplastik zur Behandlung von Hernien (wie z.B. Leistenbrüchen) dar. Zur Überbrückung der Gewebeschwachstelle wird dem Patienten in der Regel ein Kunststoffnetz implantiert. Dieses Netz muss einerseits eine genügende Festigkeit aufweisen, darf aber nicht zu viel köperfremdes Material enthalten. Im Rahmen des Entwicklungsprozesses recherchierte die Firma Ethicon in anderen Branchen nach Analogien und wurde schließlich bei Automobilzulieferern fündig: Polster für Automobilsitze müssen ebenso wie Bauchwandplastiken leicht, elastisch und formgebend sein. Bei Automobilsitzen ist es üblich, diese Eigenschaften mittels Abstandsgewirken zu verwirklichen – Stoffe mit zwei textilen Außenseiten, die durch Abstandsfäden einerseits verbunden und andererseits auf Distanz gehalten werden. Diese dreidimensionale Struktur wurde von den Entwicklern bei Ethicon auf die Bauchwandplastik übertragen, wobei die verbindenden Gitter aus resorbierbaren Materialien gestaltet wurden.103 Ebenso wie bei der
100 101 102
103
Vgl. Perkins (1992) S. 238. Vgl. Hargadon (2003) S. 36-46. Vgl. Herstatt und Kalogerakis (2005a) S. 27. Andere Beispiele finden sich z.B. in Hargadon (2002, 2003) oder in Enkel und Gassmann (2007). Vgl. Herstatt und Engel (2006) S. 38 f.
30
Grundlagen
Entwicklung des Sportschuhs und des i-Drive ergibt sich die Lösung des Problems durch einen Wissenstransfer zwischen verschiedenen Industrien.
2.3.2.2 Bionische Analogien Analogien zur Natur bzw. zu lebenden Systemen werden ebenfalls in der Produktentwicklung eingesetzt. Die Nutzung solcher Analogien ist Gegenstand der Bionik. Mittels bionischer Analogien können innovative technische Produkte, Prozess und Systeme entwickelt und gestaltet werden. Das Quellwissen, welches bei bionischen Analogien genutzt wird, stammt aus Beobachtungen und Analysen der belebten Natur.104 Die Idee, Analogien zur Natur für die Entwicklung neuer Technologien bzw. Produkte zu nutzen, ist nicht neu. So wird zum Beispiel aus Konstruktionsskizzen von Leonardo da Vinci aus dem Jahre 1505 deutlich, dass er versucht hat, aus Beobachtungen des Vogelflugs Prinzipien für einen technischen Flugapparat abzuleiten.105 Durch die Arbeiten von Leonardo da Vinci inspiriert, baute im 17. Jahrhundert dann ein türkischer Gelehrter ein Fluggerät mit dem er vom Galata Turm in Istanbul über den Bosporus flog. Ende des 19. Jh. nutzte Otto Lilienthal schließlich eine Analogie zum Gleitflug der Störche, um den ersten erfolgreichen Flugapparat zu konstruieren.106 Weitere klassische Beispiele stellen die Entwicklung des Stacheldrahtes in Analogie zum Osagedorn sowie die Erfindung des Klettverschlusses in Analogie zur Klettenfrucht dar.107 Das Ziel der Bionik ist die Erfindung und Entwicklung technischer Produkte oder Prozesse bzw. soziotechnischer Systeme mit Hilfe von Wissen, welches aus der Beobachtung und Erforschung der belebten Natur stammt. Mit anderen Worten: Kern des bionischen Gedankenganges ist die Übertragung von Wissen aus biologischen Vorbildern auf technische Lösungen.108 Insofern kann die Bionik als eigenständige Wissenschaftsdisziplin angesehen werden, die quer zu den üblichen Einteilungen der Ingenieurwissenschaften steht.109 Die umfangreiche Literatur zur Bionik beschreibt 104 105 106 107 108 109
Vgl. Oertel und Grunwald (2006) S. 25; Nachtigall (2002) S. 4-6. Vgl. Nachtigall (2002) S. 8. Vgl. Knut Braun (2005) S. 1 f. Vgl. Oertel und Grunwald (2006) S. 20. Vgl. Oertel und Grunwald (2006) S. 25. Als eigenständiger Studiengang wird die Querschnittswissenschaft Bionik von der Hochschule Bremen angeboten. Seit dem Wintersemester 2003/ 2004 kann man dort den Bachelor-Studiengang Bionik absolvieren und seit Sommersemester wird der Master-Studiengang "Bionik / Lokomotion
Innovative Analogien in der Produktentwicklung
31
neben methodischen Herangehensweisen auch viele Beispiele von technischen Lösungen bzw. neuen Produkten, die auf bionischen Analogien beruhen.110 Ein aktuelles Beispiel für ein erfolgreiches Produkt, welches auf einer bionischen Analogie beruht ist der Schwimmanzug „Fastskin“ von Speedo. Dieser Schwimmanzug, der das Strömungsverhalten der Schwimmer deutlich verbessert, wurde von Speedo zu den Olympischen Spielen 2000 auf den Markt gebracht. Ziel der Entwicklung war es, die Oberflächenbeschaffenheit des Schwimmanzuges so zu verändern, dass sich der Widerstandswert des Schwimmers im Wasser verringert. Als erfolgsversprechend wurde eine Analogie zur Haut des Haies bewertet. Durch ihre rillenartige Oberfläche kanalisiert die Haut eines Haies turbulente Strömungen. Aufbauend auf Grundlagenforschungen zur Haihaut wurde der Schwimmanzug innerhalb von vier Jahren entwickelt. Nach Angaben von Speedo bringt der „Fastskin“ eine Wirbelwiderstandsminderung von 10 % gegenüber herkömmlichen Schwimmanzügen und das Nachfolgermodell „Fastskin II“ weitere 4 %.111
2.3.3 Fazit Die soeben dargestellten Beispiele zeigen, in welcher Bandbreite sehr innovative Produktlösungen durch den Transfer von Wissen und Technologien zwischen verschiedenen Industrien oder durch Übertragungen von Naturphänomenen in die Produktentwicklung entstehen können. Den Ausgangspunkt für einen solchen Transfer bildet das Erkennen einer industrieübergreifenden bzw. einer bionischen Analogie. In der Praxis stellt sich die Frage, wie ein Entwicklungsteam Zugriff auf relevantes Wissen aus anderen Industrien bzw. der Biologie erhält und wie es die Relevanz einer bestehenden Analogie erkennt. Der Transfer von Wissen- und Technologien zwischen Industrien ist mit Schwierigkeiten verbunden, weil in der Regel nur wenig Kontakt zwischen verschiedenartigen Industrien besteht. Ergebnisse der kognitiven Psychologie deuten darauf hin, dass ein gewisses Maß an Expertise in anderen Industrien nötig zu sein scheint, um ferne Analogien, die überwiegend auf strukturellen Ähnlichkeiten
110
111
in Fluiden" angeboten. Vgl. hierzu die Internetseiten bionik.fbsm.hs-bremen.de oder www.bionikzentrum.de. So werden zum Beispiel auf den Internetseiten des Bionik-Kompetenz-Netzes BIOKON (www.biokon.net) ca. 90 Bücher zum Themengebiet der Bionik aufgeführt. Außerdem konzentrieren sich die Zeitschriften Applied Bionics and Biomechanics (Woodhead Publishing), International Journal of Design and Nature (WIT Press) sowie das Journal of Bioinspiration & Biomimetics (IOP) auf Veröffentlichungen zur Bionik. Vgl. Herstatt und Kalogerakis (2005a) S. 27 f.
32
Grundlagen
beruhen, überhaupt erkennen zu können.112 Bei bionischen Analogien wäre ein entsprechendes Wissen über natürliche Vorbilder erforderlich. Weiterhin zeigen die Experimente zur funktionalen Fixierung, dass durch Erfahrung im Zielbereich der Problemlösung eine Fixierung auf schon bestehende bzw. nahe liegende Lösungen entstehen kann. In diesem Fall wird die Verknüpfung des aktuellen Problems mit Wissen aus entfernten Bereichen erschwert bzw. verhindert.113 Zusätzlich können Probleme aufgrund des „Not-Invented-Here“ Syndroms auftauchen. Nach Katz und Allen tendiert eine fest zusammengesetzte Projektgruppe dazu, sich im Besitz eines Wissensmonopols zu sehen, weswegen sie zum Nachteil ihrer Leistungsfähigkeit neue Ideen von außen ablehnt. Insbesondere Mitarbeiter, die längere Zeit an derselben Aufgabenstellung arbeiten, tendieren dazu, Gewohnheiten anzunehmen, die es ihnen schwer machen, neue Informationen von außen aufzunehmen und externe Expertise zu akzeptieren.114 Gemäß dem NIH-Syndrom würde die Eigenentwicklung dem Fremdbezug neuer Lösungen stets vorgezogen werden.115 Den großen Potentialen industrieübergreifender und bionischer Analogien stehen somit Hemmnisse entgegen, die dem Wissen und den Einstellungen der Projektteilnehmer entspringen. Ein Modell für einen systematischen Umgang mit Analogien, der solchen Barrieren begegnet, wird im Kapitel 3 vorgestellt. In den Kapiteln 4 und 5 werden dann anhand empirischer Untersuchungen Strategien entwickelt, die den Einsatz innovativer ferner Analogien, dessen Auswirkungen auf die Innovativität der entwickelten Lösung und damit den Projekterfolg fördern können.
112 113
114 115
Vgl. Abschnitt 2.2.2 Unterschiede beim Erkennen naher und ferner Analogien. Vgl. Abschnitt 2.2.3 Negativer Transfer durch Fixierung.
Vgl. Katz und Allen (1982) S. 7 und S. 16-18. Vgl. Hauschildt (1997) S. 123.
3
Systematische Anwendung innovativer Analogien in der Produktentwicklung
Obwohl Analogien in der Praxis häufig ad hoc und fast zufällig angewendet werden, ist es sinnvoll, den Ablauf des Analogietransfers zu systematisieren. Über einen systematischen Ansatz kann z.B. gewährleistet werden, dass die Suche weit genug reicht und im Unternehmen verfügbares Wissen effizient genutzt wird. Einen systematischen Analogietransfer zur Innovation kann man in vier Phasen unterteilen (siehe Abbildung 6).116
Definition des Problems
• Defintion von Anforderungen • Abstraktion des Problems • Identifizierung von Widersprüchen
Suche nach Analogien
• Entwicklung einer Suchstrategie • Einsatz von Methoden zur Aktivierung von Wissen
Verifikation und Bewertung der Analogien
• Vergleich mit vorher definierten Anforderungen • Beurteilung des Anpassungsbedarfs
Umsetzung des AnalogieTransfers
• Entwicklung im Unternehmen, mit Kooperationspartnern oder über Outsourcing
Abbildung 6: Systematischer Analogietransfer zur Innovation
Die Phasen (1) Definition des Problems, (2) Suche nach Analogien und (3) Verifikation und Bewertung der Analogien sind – bezogen auf den gesamten Innovationsprozess – der Konzeptentwicklung zuzuordnen. Die drei Phasen werden im Folgenden näher vorgestellt, wobei der Schwerpunkt auf der Darstellung verschiedener Strategien zur Suche innovativer Analogien liegt. In der vierten und letzten Phase wird der Analogietransfer schließlich umgesetzt und die Lösung ausgearbeitet. Das Produkt kann je nach Verfügbarkeit von Ressourcen im Unternehmen, mit Kooperationspartnern oder über Outsourcing entwickelt werden. Die Umsetzungsstrategie richtet sich unter anderem nach den Kompetenzen, die für die Umsetzung der Analogie erforderlich sind. Bei der Übertragung von Technologien aus weit entfernten Bereichen werden häufig Kompetenzen benötigt, die nicht im Unternehmen vorhanden sind und auch nicht in der vorgegebenen Zeit aufgebaut 116
Ähnliche Darstellungen des Prozesses finden sich in Herstatt und Kalogerakis (2005a) S. 29 sowie in Herstatt und Kalogerakis (2005b) S. 339-342.
34
Systematische Anwendung innovativer Analogien in der Produktentwicklung
werden können. In diesem Fall können Kooperationen helfen, die Innovation effizient umzusetzen. Kooperationen können auch erforderlich sein, wenn Schwierigkeiten mit bestehenden Patenten oder Schutzklauseln auftreten.
3.1
Definition des Problems
Es wird davon ausgegangen, dass Kundenbedürfnisse bereits ermittelt wurden und einige vorläufige Ziele des Produktentwicklungsprojektes feststehen.117 Dem Entwicklungsteam liegen also ausreichend Informationen vor, aus denen die Anforderungen an das zu entwickelnde Produkt abgeleitet werden können. Ziel der ersten Phase des Analogieinnovationsprozesses ist es, eine Definition des Problems zu erarbeiten, die es dem Entwicklungsteam ermöglicht, innovative Analogien aus fernen Bereichen aufzuspüren. Bei der Entwicklung von Produkten ist es üblich, komplexe Probleme zunächst in Teilprobleme aufzugliedern. Dies scheint auch für einen systematischen Analogietransfer sinnvoll. Die Abgrenzung von Teilproblemen kann nach unterschiedlichen Kriterien erfolgen. Eine gängige Methode ist die Aufteilung nach den Funktionen des zu entwickelnden Produktes über ein Funktionsdiagramm.118 Eine Aufgliederung in Teilprobleme kann sich aber auch an Aktivitäten oder Bedürfnissen des Anwenders ausrichten. Eine weitere grundlegende Methode in der Konstruktionslehre ist das Abstrahieren. Eine Abstraktion ist eine Verallgemeinerung erkannter Merkmale und hilft, einen übergeordneten Zusammenhang zu finden sowie die Komplexität eines Problems zu reduzieren. Eine Abstraktion sollte zum „Wesenskern der Aufgabe“ führen.119 Sie hat für die Suche nach innovativen Analogien eine besondere Bedeutung. Erst durch Reduzierung des Problems auf Kernfunktionen oder charakteristische Eigenschaften wird die Basis für Analogieschlüsse zu entfernten Bereichen gelegt.120 Je abstrakter das Problem definiert wird, desto weiter wird das Suchfeld für potentielle Analogien aufgespannt. Ein weites Suchfeld wiederum stellt die Grundlage für das Finden weit entfernter Analogien mit hohem Innovationspotential dar. Eine zu enge und detaillierte Problemdefinition schränkt die Kreativität ein. Allerdings wird das Ziel eventuell auch dann nicht erreicht, wenn durch eine zu weite und wenig spezifische Definition ein 117 118 119 120
Vgl. Ulrich und Eppinger (2004) S. 98-101. Vgl. Ulrich und Eppinger (2004) S. 101-103; Pahl et al. (2003) S. 106. Vgl. Pahl et al. (2003) S.73 und S. 205. Vgl. Perkins (1992) S. 245; Hill (1999) S. 7; Eversheim et al. (2003) S. 149.
Definition des Problems
35
sehr weiter Suchraum aufgespannt wird. Der Zusammenhang zwischen Abstraktionsgrad, Distanz der Analogie und Weite des Suchfeldes ist in Abbildung 7 dargestellt. Abstraktionsgrad des Problems
Distanz der Analogie
Weite des Suchfeldes
Abbildung 7: Lösungsraum121
Um einen angemessenen Abstraktionsgrad der Problemstellung zu erreichen, kann z.B. die Methode der progressiven Abstraktion eingesetzt werden. Bei diesem Verfahren wird im Analyseprozess mehrmals die Frage gestellt: „Worauf kommt es bei der gesuchten Lösung eigentlich an?“ Diese Frage hilft, das Problem auf seine wichtigsten Anforderungen zu reduzieren.122 Bei der Formulierung einer abstrakten Problemdefinition sollte darauf geachtet werden, dass diese lösungsneutral formuliert ist.123 Die Formulierung des Problems darf die Lösung nicht vorweg nehmen. Hilfestellung bei der Formulierung einer angemessenen Problemdefinition kann auch die Theorie des erfinderischen Problemlösens nach Altschuller liefern, die unter dem Namen TRIZ bekannt ist.124 Der russische Ingenieur Altschuller stellte in der Mitte des letzten Jahrhunderts bei seiner Arbeit im Patentamt fest, dass viele Patentanmeldungen ineffektive und schwache Lösungen beinhalten. Daraufhin begann er eine Theorie der
121
122
123 124
In Anlehnung an Herrlich (1988) S.35. Die von Herrlich für seine Dissertation entworfene Abbildung wird auch aufgegriffen von Zobel (1991) S.126 und Linde und Hill (1993) S. 59. Die Methode der progressiven Abstraktion wurde ursprünglich von Geschka konzipiert. Vgl. Geschka und Reibnitz (1983) S. 68-73; VanGundy (1981) S. 52-54; Schlicksupp (1998) S. 64-67. Vgl. Pahl et al. (2003) S. 209. Einführungen in die Theorie des TRIZ geben beispielsweise Orloff (2006); Terninko et al. (1998); Zobel (2007).
36
Systematische Anwendung innovativer Analogien in der Produktentwicklung
erfinderischen Kreativität zu entwickeln und veröffentlichte bereits 1956 drei grundlegende Ideen:125 1. Der Schlüssel zur Lösung von Problemen liegt in der Aufdeckung und Beseitigung des Systemwiderspruchs. 2. Taktiken und Methoden für die Lösung von Problemen (Erfindungsverfahren) können anhand der Analyse bedeutsamer Erfindungen aufgestellt werden. 3. Die Lösungsstrategie eines Problems muss sich auf Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung technischer Systeme stützen. Insgesamt analysierte Altschuller mehr als 40.000 Urheberscheine und Patente, die er als starke Lösungen aus einem Patentfonds von mehreren hunderttausend Einheiten auswählte. Als Ergebnis dieser Analyse extrahierte er 40 grundlegende Verfahren zur Lösung technischer Widersprüche.126 Technische Widersprüche sind so definiert, dass die Verbesserung eines Parameters in einem technischen System die Verschlechterung eines anderen Parameters herbeiführt. Neben technischen Widersprüchen werden von Altschuller auch physikalische Widersprüche analysiert. Beispiele für Problemdefinitionen mit charakteristischen Widersprüchen, die auf physikalisch-technischen Widersprüchen basieren sind: Î hohe Stabilität einer Verpackung bei geringem Gewicht Î starke Beschleunigung eines Autos bei geringem Treibstoffverbrauch Die Bestimmung von Widersprüchen nach der Methodik von Altschuller und anderen Wissenschaftlern, die seine Gedanken aufgegriffen und weiterentwickelt haben, erfolgt in der Regel über die Formulierung eines idealen Systems als Ziel der Produktentwicklung.127 Mit einem idealen System ist eine Lösung gemeint, die alle Anforderungen erfüllt und dabei möglichst nicht existiert. So würde z.B. ein idealer Hubschrauber lediglich aus einer Passagierkabine bestehen, aber alle Funktionen erfüllen, die von einem Hubschrauber erwartet werden. Das ideale System ist eine Fiktion, die in der Praxis niemals vollständig erreicht wird, die aber ein Leitbild vorgibt. Nachdem ein der Aufgabenstellung angemessenes ideales System formuliert wurde, ergeben sich technisch-physikalische Widersprüche, welche die Realisierung dieses Idealzustandes in der Praxis behindern. Durch die Identifikation solcher Widersprüche, 125 126 127
Die folgenden Formulierungen sind wörtlich übernommen aus Orloff (2006) S. 37. Vgl. Altschuller (1984) S. 86. Vgl. Helfman (1992) S. 253 f.; Linde und Hill (1993) S. 29 f.; Möhrle und Pannenbäcker (1997a) S.180; Zobel (2007) S. 12-20.
Suche nach Analogien
37
kann ein angemessenes Abstraktionsniveau der Problemstellung erreicht werden, welches die Identifikation ferner innovativer Analogien erleichtert bzw. überhaupt erst ermöglicht. 3.2
Suche nach Analogien
Nachdem das Problem abstrakt definiert wurde, beginnt die Suche nach Analogien. Dabei können verschiedene Methoden zur Aktivierung von Wissen eingesetzt werden. Die Wahl einer geeigneten Vorgehensweise richtet sich zum einen nach dem angestrebten Innovationsgrad der Lösung und zum anderen nach den vorhandenen Ressourcen im Projekt. Wird ein hoher Innovationsgrad angestrebt und sind entsprechende Projektressourcen verfügbar, bietet sich eine möglichst weite Suche an, da ferne Analogien ein höheres Innovationspotential als nahe Analogien haben. Schwierigkeiten bei der Suche nach innovativen Analogien wurden bereits im Grundlagenkapitel dieser Arbeit erörtert. Das Auffinden relevanter ferner Analogien beinhaltet ein komplexes Suchproblem, für das es keinen endlichen Algorithmus geben kann, der einen erfolgreichen Ausgang der Suche garantiert.128 Bei Strategien zur Suche nach Analogien handelt es sich daher um Heuristiken, die lediglich die Wahrscheinlichkeit erhöhen, möglichst effizient passende innovative Analogien zu entdecken. Die Entscheidungsfindung in der Realität basiert nicht auf vollkommener Rationalität.129 Neurophysiologische Grenzen der Informationsaufnahme, -verarbeitung und speicherung, eine begrenzte Verfügbarkeit von Ressourcen sowie eine hohe Komplexität der Umwelt machen es einer Person in der Regel unmöglich Entscheidungen unter vollkommener Information zu treffen. Nach der Theorie zur Entscheidungsfindung in Unternehmen von Cyert und March werden benötigte Informationen zunächst lokal gesucht, bevor der Suchkreis allmählich den Anforderungen gemäß erweitert wird.130 Auch bezüglich der Suche nach Analogien zur Lösungsfindung kann davon ausgegangen werden, dass zunächst lokal nach einer Lösung gesucht wird und dann der Suchradius nach und nach erweitert wird. Entsprechend wird im Folgenden zunächst dargestellt, wie das interne Wissen des Entwicklungsteams für die Suche nach innovativen 128 129
130
Vgl. Johnson-Laird (1989) S. 326 f. Nach dem Konzept der „bounded rationality“ von Simon. Vgl. Simon (1957) S. 61 ff.; Simon (1982); Simon (1996). Vgl. Cyert und March (1992) S. 10, 169 ff. und 175. Erstmals veröffentlicht wurde ihre Theorie 1963.
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Systematische Anwendung innovativer Analogien in der Produktentwicklung
fernen Analogien aktiviert werden kann. Anschließend wird erläutert, mit Hilfe welcher Ansätze gezielt externes Wissen in die Suche nach innovativen Analogien eingebunden werden kann.131 Dabei werden zwei unterschiedliche Herangehensweisen unterschieden: personenbasierte und medienbasierte Suchstrategien.
3.2.1 Interne Suche nach Analogien Bei der internen Suche wird versucht, innovative Analogien zur Lösung der vorher definierten Problemlösung zu finden, die auf Wissen basieren, welches bereits beim Entwicklungsteam vorhanden ist. Grundsätzlich fallen solche Ansätze unter den Begriff der Kreativitätstechniken. Mit Kreativitätstechniken sind Mittel und Methoden gemeint, die die kreative Leistung eines Individuums oder einer Gruppe steigern sollen. Im Rahmen dieser Arbeit geht es nicht um die Darstellung einer Vielzahl von Kreativitätsmethoden.132 Stattdessen soll diskutiert werden, welche Methoden und Ansätze einem Entwicklungsteam helfen können, einen positiven Transfer von Wissen aus entfernten Bereichen zu erreichen.
3.2.1.1 Teamzusammenstellung Bei der internen Suche steht die Aktivierung von Wissen im Mittelpunkt, über welches das Team bereits verfügt. Die Wissensstrukturen im Entwicklungsteam haben einen entscheidenden Einfluss auf den Verlauf der internen Analogiesuche. Es kann angenommen werden, dass die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, innovative ferne Analogien zu finden, wenn die Teammitglieder in unterschiedlichen Bereichen Expertise besitzen. So können industrieübergreifende Analogien nur gefunden werden, wenn Erfahrungen aus unterschiedlichen Industrien vorliegen, und für die Entdeckung bionischer Analogien ist es vorteilhaft, wenn sowohl biologische als auch technische Expertise im Team vorhanden ist. Allerdings ist es schwierig, vor dem Beginn der Lösungssuche zu prognostizieren, welche Expertise für die Lösung des Problems wahrscheinlich benötigt wird. Allgemein kann aber vermutet werden, dass heterogenes Wissen im Team vorteilhaft ist. Wenn mehrere Personen mit unterschiedlicher Erfahrung ein Problem vereint angehen, 131
132
Auch Ulrich und Eppinger unterscheiden in ihrem Modell zur Konzeptentwicklung zwischen einer internen und einer externen Suche zur Lösungsfindung. Vgl. Ulrich und Eppinger (2004) S. 100. Eine Übersicht über eine Vielzahl von Kreativtätsmethoden finden sich z.B. in Geschka und Reibnitz (1983); Knieß (1995); Schlicksupp (1998).
Suche nach Analogien
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ist der Suchraum für Analogien größer als bei einer einzelnen Person oder einem homogenen Team. Auf die Bedeutung der Teamzusammenstellung wird in den beiden empirischen Untersuchungen ausführlich eingegangen. Für die folgenden Abschnitte über die interne Suche nach Analogien wird angenommen, dass die Zusammenstellung des Entwicklungsteams bereits festgelegt wurde und dass dieses Team die zu lösende Entwicklungsaufgabe auf einem angemessenen Abstraktionsniveau definiert hat.
3.2.1.2 Brainstorming Workshops Eine grundlegende und weit verbreitete Methode, um kreative Lösungen aufzuspüren, ist die Durchführung eines Brainstormings.133 Die Methode des Brainstormings wurde in den 1930er Jahren von Alex Osborn entwickelt.134 In einem klassischen Brainstorming gibt es einen Moderator, der die Ideen aller Teilnehmer gut sichtbar (z.B. auf einem Flipchart oder an einer Metaplanwand) sammelt und darauf achtet, dass ein paar grundlegende Regeln beachtet werden. Hierzu zählen135: 1. 2. 3. 4.
Keine Kritik Aufgreifen und Weiterentwickeln der Ideen von anderen Teilnehmern Den Assoziationen freien Lauf lassen Quantität der Ideen vor Qualität
Ziel eines Brainstormings ist es, möglichst vielfältige Ideen zu sammeln. Eine Bewertung der Vorschläge findet erst in einer späteren Phase des kreativen Prozesses statt. Der Ideenfluss sollte auch nicht durch Scheinargumente, Phrasen oder non-verbale Kritik unterbrochen werden. Diverse Wissenschaftler haben die Effektivität und Effizienz von Brainstorming Sitzungen analysiert.136 Es wurde untersucht, ob es effektiver ist, ein Brainstorming in Gruppen durchzuführen oder einzelne Personen Ideen nach den Brainstorming Regeln generieren zu lassen und diese später zusammen zu führen. So haben mehrere wissen-
133 134 135
136
Vgl. Geschka (1983) S. 171 und 181. Vgl. Knieß (1995) S. 53. Vgl. Knieß (1995) S. 54; Schlicksupp (1998) S. 102-104; Geschka (1983) S. 171; Farr (1990) S. 208. Nach Sutton und Hargadon (1996) S. 685 wurde die Brainstorming Technik zwischen 1967 und 1994 in 208 Artikeln diskutiert.
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Systematische Anwendung innovativer Analogien in der Produktentwicklung
schaftliche Untersuchungen ergeben, dass in nominalen Gruppen137 mehr Ideen generiert werden als in Brainstorming Gruppensitzungen.138 Sutton und Hargadon zeigen jedoch, dass Brainstorming Gruppensitzungen ihre Berechtigung in den frühen Phasen des Innovationsprozesses haben. Basierend auf einer intensiven Studie des großen amerikanischen Innovationsunternehmens IDEO stellen sie dar, dass Brainstorming Sitzungen effektiv sein können, selbst wenn dort weniger Ideen erzeugt werden als in nominalen Gruppen.139 Bei IDEO werden Brainstorming Konferenzen regelmäßig im Rahmen von Produktentwicklungsprojekten veranstaltet, die für Klienten aus verschiedenen Branchen durchgeführt werden. Diese Brainstorming Konferenzen folgen fünf Regeln: (1.) Kritik zurück stellen, (2.) auf den Ideen der anderen aufbauen, (3.) nur eine Unterhaltung zurzeit, (4.) auf das Thema fokussiert bleiben und (5.) wilde Ideen zulassen.140 Bei einem Vergleich mit den oben dargestellten Regeln von Osborn’s klassischem Brainstorming fällt auf, dass die Regeln sich bezüglich der Zurückstellung von Kritik, dem Aufgreifen von Ideen anderer Teilnehmer sowie der Aufforderung frei zu assoziieren ähneln. Jedoch gibt es bei IDEO keine Regel, welche die Quantität an Ideen vor deren Qualität stellt. Bei IDEO scheint es wichtiger zu sein, dass die Teilnehmer des Brainstorming Workshops qualitativ hochwertige Ideen entwickeln, indem sie die Ideen der anderen Teilnehmer aufgreifen. Dies wird durch den Hinweis, dass nur eine Unterhaltung zurzeit stattfinden soll, und die Aufforderung, das Thema nicht aus den Augen zu verlieren, unterstützt. Für das Erkennen ferner innovativer Analogien bieten Brainstorming Workshops einen geeigneten Rahmen, da über Assoziationen zu Bemerkungen anderer Teilnehmer unter Umständen ferne Analogien erkannt werden, die bei einer isolierten Lösungsfindung nicht gefunden würden. Hargadon illustriert dies an einem Beispiel der Design- und Ingenieurberatung Design Continuum.141 Das Entwicklungsteam sollte bei einem Brainstorming eine Lösung für ein komplexes Ventil eines Gartengerätes finden. Zunächst erkannte eine Designerin eine Analogie zu Eigenschaften einer Munddusche.
137
138
139 140 141
Eine nominale Gruppe ist eine Ansammlung von Ideen, die unabhängig von der gleichen Anzahl von Individuen wie bei einer Gruppensitzung generiert wurden. Vgl. Taylor et al. (1958); Dunnette et al. (1963) und Bouchard und Hare (1970) zitiert in Farr (1990) S. 209 f. Vgl. Sutton und Hargadon (1996) S. 694-710. Vgl. Sutton und Hargadon (1996) S. 694. Vgl. Hargadon (2002) S. 66.
Suche nach Analogien
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Diese Idee wiederum regte einen anderen Designer an, einen weiteren ihm bekannten Ventilmechanismus zu erklären, den er vorher nicht als relevant erkannt hatte. Die Einführung eines alternativen Denkansatzes bzw. Rahmens durch ein Individuum kann Aspekte einer Situation hervorspringen lassen, die vorher nicht beachtet wurden. So können andere Teilnehmer des Workshops über Assoziationen neue Einsichten gewinnen. Bei Brainstorming Gruppensitzungen wird somit nicht lediglich das Wissen der Teilnehmer addiert, sondern es wird durch gegenseitige Assoziationen ein Mehrwert geschaffen. Neben diesem Vorteil von Brainstorming Workshops führen Hargadon und Sutton sechs Gründe für die Effektivität von Brainstorming Workshops bei IDEO auf, die einer verminderten Quantität an Ideen entgegenstehen. Die Durchführung einer Brainstorming Konferenz…142 1. ….unterstützt das organisationale Gedächtnis von Designlösungen; 2. … bereitet den Teilnehmern Spaß und gibt ihnen die Möglichkeit ihre Fähigkeiten weiter auszubauen; 3. … fördert die Einstellung der Mitarbeiter, dass es gut ist nach Hilfe zu fragen und anderen bei ihren Problemen zu helfen; 4. … bietet den Teilnehmern die Möglichkeit Prestige unter ihren Kollegen zu gewinnen; 5. … bietet Klienten einen sehr effizienten Weg, die Ideen mehrerer Entwickler gleichzeitig zu sammeln, und trägt zu einer positiven Wahrnehmung des Unternehmens durch den Klienten bei; 6. … kann den Klienten in Rechnung gestellt werden und trägt somit zur Bildung von Einkommen bei. Werden Brainstorming Konferenzen regelmäßig durchgeführt, so unterstützen sie die Bildung von Wissen über erarbeitete Produktlösungen im Unternehmen. Durch den Erfahrungsaustausch in einem Brainstorming wird das Wissen einzelner Teilnehmer im Unternehmen verteilt. Ergebnisse und Lösungsansätze aus vorangegangenen Projekten können in den Köpfen der Mitarbeiter weiter verfestigt werden. In einem Brainstorming Workshop wird also Wissen aufgebaut, das im Rahmen zukünftiger Entwicklungsprojekte an Bedeutung gewinnen kann.
142
Vgl. Sutton und Hargadon (1996) S. 695 ff.
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Außerdem wird durch die Analyse von Hargadon und Sutton deutlich, dass Brainstorming Konferenzen einerseits die Kultur bei IDEO prägen, andererseits aber auch von der offenen Kultur im Unternehmen profitieren. Eine kreative Stimulierung innerhalb einer Gruppe kann nur erfolgreich sein, wenn die Teilnehmer offen kommunizieren und ihr Wissen frei austauschen.143 Darüber hinaus kann die regelmäßige Anwendung von Brainstorming als eine der intuitiv-kreativen Methoden zur Ideenfindung die Entwicklung individueller kreativer Fähigkeiten fördern.144 Brainstorming Workshops werden grundsätzlich als sinnvoller Ansatz angesehen, um intern ferne innovative Analogien zu suchen. Sie dienen in einer ersten Runde der Analogiesuche dazu, die Ideen zu sammeln, die spontan in den Köpfen der Entwickler auftauchen, nachdem das Problem definiert wurde. Auch bei der Synektik145, einer Kreativitätstechnik bei der alle Phasen eines natürlichen Kreativitätsprozesses simuliert werden, erfolgt nach der Definition des Problems eine Sammlung spontan auftauchender Ideen. Diese Phase wird in der Synektik als Säuberungsaktion (engl. „purge“) bezeichnet.146 Die Entwickler bekommen hier die Möglichkeit, erste Ideen abzuladen. Es wird davon ausgegangen, dass sie dann unbefangener an der weiteren Lösungssuche teilnehmen können. In Rahmen eines Brainstorming Workshops wird darüber hinaus das gemeinsame Verständnis für das zu lösende Problem vertieft. Eventuell macht dieser Prozess auch deutlich, dass die Problemdefinition angepasst werden muss. Im folgenden Abschnitt wird diskutiert, wie die Effektivität von Brainstorming Workshops zur Analogiesuche durch geeignete Stimulierung gesteigert werden kann.
3.2.1.3 Stimuli zur Überwindung von Fixierungen Nach einem frei assoziativen Brainstorming zur Suche ferner innovativer Analogien kann versucht werden, das geistige Potential der Teilnehmer weiter zu stimulieren, um vorhandene Fixierungen147 zu überwinden. Experimente von Bonnardel und Marmèche148 deuten darauf hin, dass die Fähigkeit zur Verwendung ferner innovativer Analogien bei erfahrenen Designern durch die Präsentation von Beispielen aus anderen Bereichen als dem Zielbereich gesteigert werden kann. In einer ersten Studie 143 144 145 146 147 148
Vgl. Geschka (1983) S. 170. Vgl. Schlicksupp (1998) S. 100. Vgl. Gordon (1961). Vgl. Knieß (1995) S. 96 f.; Geschka (1983) S. 175. Auf die Bedeutung von Fixierungen wurde schon in Abschnitt 2.2.3 eingegangen. Vgl. N. Bonnardel (2000); Nathalie Bonnardel und Marmèche (2004).
Suche nach Analogien
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hat Bonnardel ein Experiment mit 10 Studenten der angewandten Kunst durchgeführt, die bereits Erfahrung im Produktdesign hatten. Die Studenten wurden in zwei Gruppen eingeteilt, und man hat ihnen die Aufgabe gestellt, einen Stuhl für ein Pariser CyberCafé zu entwerfen. Eine der Gruppen erhielt Beispiele von Objekten, die bei der Entwicklung eventuell hilfreich sein könnten. Dabei handelte es sich um zwei nahe Analogien (nomadischer Stuhl und Schaukelstuhl) sowie um zwei ferne Analogien (abstrakte Schriftzeichen und ein Kajak). Die Designer, die die Beispiele erhielten verwendeten im Lösungsprozess deutlich mehr unterschiedliche Quellen zur Lösungsfindung als die ohne Vorgaben (33 vs. 7). Außerdem war bei ihnen der Anteil an konzeptionell fernen Quellen deutlich höher: 19 von 33 vs. 1 von 7. 149 Die Stimulierung durch Beispiele, welche hier in Form von Begriffen präsentiert wurden, scheint die Verwendung von Analogien und insbesondere von fernen Analogien stark positiv beeinflusst zu haben. Um zu klären, welche Arten von Beispielen die Verwendung ferner Analogien besonders stimulieren, hat Bonnardel eine weitere experimentelle Studie zusammen mit Marmèche durchgeführt. An diesem Experiment nahmen sowohl 25 erfahrene Designer als auch 50 Psychologiestudenten (= ohne Designerfahrung) teil. Die Aufgabenstellung entsprach der vorangegangenen, aber diesmal wurden fünf verschiedene Gruppen eingeteilt:150 1. Keine Stimulierung 2. Verbale Präsentation von zwei nahen Beispielen (Bürostuhl und Schaukelstuhl) 3. Grafische Präsentation von zwei nahen Beispielen (Bürostuhl und Schaukelstuhl) 4. Verbale Präsentation von zwei fernen Beispielen (Kletterposition und Logo) 5. Grafische Präsentation von zwei fernen Beispielen (Mann in Kletterposition und Logo) Die Ergebnisse des Experiments zeigen, dass Laien weniger Quellen während ihres Entwurfsprozesses verwenden als Experten. Außerdem konnte ihre Kreativität durch die Präsentation von Beispielen nicht gesteigert werden, während die Experten durch die Präsentation von Beispielen in ihrer Lösungssuche beeinflusst werden konnten. Bei den Experten führte die Präsentation von nahen Beispielen zu einem Fixierungseffekt, wohingegen die Präsentation ferner Beispiele die Kreativität steigerte. Das Präsentationsformat (verbal vs. grafisch) scheint hierbei keine Rolle zu spielen. 149 150
Vgl. N. Bonnardel (2000) S. 507 f. Vgl. Nathalie Bonnardel und Marmèche (2004) S. 179 f.
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Bonnardel und Marmèche schlagen aufgrund ihrer Ergebnisse vor, erfahrene Designer bei ihrer Arbeit gezielt durch Beispiele zu stimulieren. Sie halten es für sinnvoll, Designern den Zugriff auf große Datenbanken zu gewähren, die viele Bilder und Begriffe enthalten, die potentiell als Analogie in der Entwicklung dienen können. Insbesondere sollten in so einer Datenbank Beispiele enthalten sein, die konzeptionell weit vom Zielbereich der aktuellen Aufgabenstellung entfernt sind.151 Die Vorgabe von Beispielen zur Steigerung der Kreativität ist ein Ansatz, der sich in mehreren Kreativitätstechniken widerspiegelt. So stellt z.B. Geschka mehrere Methoden der intuitiven sowie systematischen Konfrontation vor.152 Bei den Methoden der intuitiven Konfrontation wird der Problemlöser zufällig gewählten Begriffen oder Bildern gegenübergestellt. Als Reaktion auf die Wahrnehmung problemfremder Strukturen oder Vorgänge soll die Fähigkeit zur Bildung innovativer Analogien gesteigert werden. Zum einen kommt es zu kreativen Lösungen durch direktes Ableiten von Strukturen, Funktionen oder Elementen der gezeigten Beispiele und anschließendem Übertragen auf das Problem. Zum anderen können diese Beispiele assoziativ zu anderen entfernten Bereichen als Quelle innovativer Analogien führen. Die einfachste Methode dieser Gruppe ist die Reizwortanalyse.153 Bei dieser Methode wird die Problemlösungsgruppe mit problemfremden Worten konfrontiert. Die hierfür benötigten gegenständlichen Begriffe können z.B. aus Lexika oder Büchern zufällig entnommen werden. Zu den ausgewählten Gegenständen werden von der Gruppe charakteristische Merkmale wie Strukturen, Funktionsprinzipien und Gestaltausprägungen gesammelt. Diese Analyse kann helfen Ansatzpunkte für ferne Analogien zu finden. Als Abwandlung dieses grundlegenden Ansatzes der intuitiven Konfrontation können auch Bilder eingesetzt werden. Hierzu stellt Geschka zwei Ansätze vor:154 1. Die Verteilung unterschiedlicher Bildermappen unter den Teilnehmern, die diese allein durchgehen und analysieren. Ihre Ideen schreiben die Teilnehmer auf. Später wählt jeder Teilnehmer zwei Lösungsansätze aus, die er der Gruppe zur Diskussion vorstellt. 151 152 153
154
Vgl. Nathalie Bonnardel und Marmèche (2004) S. 184. Vgl. Geschka (1983) S. 174 ff.; Geschka und Reibnitz (1983) S. 29-51 und 73-92. Vgl. Geschka (1983) S. 174; Geschka und Reibnitz (1983) S. 30 f.; Schlicksupp (1998) S. 126-129; Knieß (1995) S. 103 f. Vgl. Geschka (1983) S. 174-176; Geschka und Reibnitz (1983) S. 42-48. Diese beiden Ansätze werden von Schlicksupp unter dem Begriff der „Visuellen Synektik“ zusammengefasst. Vgl. Schlicksupp (1998) S. 141-143; Knieß (1995) S. 101 f.
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2. Die Bilder werden vor der gesamten Gruppe an einer Leinwand präsentiert. Die Analyse der Bilder und die Sammlung von Ideen werden gemeinsam durchgeführt. Einen ähnlichen Ansatz verfolgen Industriedesigner, die mit selbst gestalteten Bilderalben („image albums“) arbeiten. In solchen Alben werden im Laufe der Jahre verschiedenste Bilder gesammelt, die als Anregung bei der kreativen Lösungssuche genutzt werden. Anstelle von selbst zusammengestellten Bilderalben werden teilweise auch Designmagazine durchgeblättert. Nakakoji et al. beschreiben beispielsweise wie ein Designer, der ein neues Konzept für einen Stuhl sucht, durch sein Bilderalbum blättert und am Bild einer Pflaumenblüte hängen bleibt. In Analogie zu diesem Bild entwirft er den Stuhl schließlich in einer runden Form ähnlich einer Schüssel.155 Auch in den Brainstorming Sessions von IDEO ist es Praxis, die Ideenfindung durch Konfrontation mit Gegenständen aus anderen Bereichen zu stimulieren.156 Hargadon und Sutton beschreiben, wie die Designer bei IDEO Sammlungen von Prototypen aus vorangegangenen Projekten und kuriose Gegenstände aus den unterschiedlichsten Bereichen anlegen. So wird z.B. von einem Designer berichtet, zu dessen Sammlung unter anderem 23 batteriegetriebene Spielzeugautos, 13 verschiedene Schlüsselkarten aus Hotels, eine batterielose Taschenlampe, 11 Prototypen von tragbaren Computern, 14 Prototypen von Dockingstationen, eine Sammlung von Zahnpastatuben, ein Fußball mit Flügeln und eine Skibrille gehören. Zur Stimulierung der Kreativität werden Gegenstände dieser Sammlungen zu Brainstorming Konferenzen mitgebracht. Teilweise werden Sammlungen von Gegenständen, zu denen mehrere Designer beigetragen haben, auch zentral zur Schau gestellt.157 Die bisher vorgestellten Methoden gehen von einer zufälligen Auswahl der stimulierenden Begriffe und Bilder aus. Es stellt sich die Frage, ob bessere Ergebnisse erzielt werden, wenn die Reizobjekte systematisch ausgewählt werden. Hierzu wurde 1980 am Battelle Institut ein methodischer Ansatz entworfen, der im Folgenden beschrieben wird.158 Nach der Formulierung des Problems werden bei der systematischen Reizobjektermittlung zunächst die wichtigsten Einflussfaktoren auf das Problem und die Lösung 155 156 157 158
Vgl. Nakakoji et al. (2000) S. 451-454. Vgl. Sutton und Hargadon (1996) S. 694. Vgl. Hargadon und Sutton (1997) S. 736. Vgl. Geschka und Reibnitz (1983) S. 78-88. Im Englischen wird dieser Ansatz „effective stimuli development“ genannt. Vgl. Geschka et al. (1981) S. 20-26.
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ermittelt. Zusätzlich werden die für jede Lösung geltenden Anforderungen und die Anforderungen an eine ideale Lösung bestimmt. Danach werden von jedem Teilnehmer aus einer umfangreichen Liste von Tätigkeitsfeldern sowie Lebens- und Erfahrungsbereichen fünf Bereiche ausgewählt, die er bezüglich möglicher Analogien als relevant erachtet. Die Vorschläge aller Teilnehmer werden zusammengefasst und in eine Spalte geschrieben. Zusammen mit den vorher ermittelten Einflussfaktoren ergibt sich eine Matrix, mit welcher die Relevanz der Analogiebereiche bewertet werden kann. Die relevantesten Analogiebereiche, dienen dann der Ermittlung von Reizwörtern. Es wird vorgeschlagen, dass die Teilnehmer ihre Reizwörter individuell auf Karten sammeln, welche anschließend vom Moderator in eine Liste von 15-20 möglichst unterschiedlichen Reizwörtern zusammengefasst werden. Diese Liste kann dann in der Reizwortanalyse oder bei einer visuellen Stimulierung eingesetzt werden. Insgesamt kann eine Stimulierung durch Begriffe, Bilder oder Gegenstände, die normalerweise nicht mit dem zu entwickelnden Produkt in Verbindung stehen, das Erkennen ferner innovativer Analogien positiv beeinflussen. Es liegen jedoch bisher keine Ergebnisse vor, ob eine systematische Auswahl der Reizobjekte sinnvoll ist und wie viele Reizobjekte präsentiert werden sollten.
3.2.2 Die Einbindung externer Personen in den Suchprozess Reicht das Wissen der unmittelbar am Projekt beteiligten Personen nicht aus, so kann die Suche schrittweise erweitert werden. Grundsätzlich lassen sich Ansätze zur externen Suche nach Analogien in personenbasierte Ansätze und medienbasierte Ansätze unterteilen. Basierend auf dieser Einteilung werden im Folgenden Strategien vorgestellt, mit deren Hilfe systematisch der Suchraum für innovative Analogien erweitert werden kann. Die gezielte Einbindung externer Personen stellt eine Strategie dar, die Wissensbasis des Entwicklungsteams zu erweitern, um einen größeren Suchraum für die Identifikation innovativer Analogien zur Verfügung zu haben. Verschiedene Ansätze der personenbasierten Suche können unterschieden werden, abhängig davon welche und wie viele Personen angesprochen werden. Als gegensätzliche Strategien sind das PyramidNetworking und das Broadcasting aufzufassen. Während beim Pyramiding sequentiell Experten angesprochen werden, wendet man sich beim Broadcasting mit der Problemstellung an eine große Zahl von Personen gleichzeitig. Als Alternative können mit der Suche nach innovativen Analogien auch Organisationen beauftragt werden, die sich in
Suche nach Analogien
47
einer Knowledge Broker Position befinden. Diese drei Ansätze zur Suche innovativer Analogien über externe Personen werden im Folgenden erläutert.
3.2.2.1 Pyramid-Networking Der Grundgedanke des Pyramid-Networkings ist, dass Personen, die sich mit einem bestimmten Thema auskennen, meist persönliche Beziehungen zu anderen Menschen pflegen, die über eine noch größere Expertise verfügen als sie selbst. Daher scheint ein sequentielles Vorgehen sinnvoll, bei dem man sich von Person zu Person weiterfragt, bis man eine Person mit ausreichender Expertise identifiziert hat. Experten in einem Bereich kennen darüber hinaus in der Regel Personen, die mit ähnlichen Problemen in anderen Anwendungsfeldern konfrontiert sind.159 Das Vorgehen beim PyramidNetworking wird in Abbildung 8 veranschaulicht. In dem dargestellten Beispiel wird die Suche mit der Person P1 begonnen. Bereits Person P3 hat eine sehr hohe Expertise im Zielbereich und kann auf eine Person P4 in einem analogen Bereich mit lösungsrelevantem Wissen verweisen. Auch im analogen Bereich benennen die befragten Personen jeweils eine andere Person mit größerer Expertise. Es ist auch denkbar, dass P3 auf verschiedene analoge Bereiche verweist, die dann parallel durchsucht werden. Eventuell kennt auch P6 weitere analoge Bereiche mit lösungsrelevantem Wissen.
159
Vgl. Prügel (2007) S. 14 f. und 26 f.; von Hippel et al. (1999) S. 49 f.
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Relative Expertise der einzelnen Personen (im Themengebiet)
P6
P3
sehr hoch
hoch
P5 P2
mittel
P4 P1 Zielbereich
Analoger Bereich
Abbildung 8: Vorgehensweise des Pyramid-Networking160
Die Idee des Pyramid-Networkings stammt aus der Lead-User Forschung. Erkenntnisse über die besondere Bedeutung von Lead-Usern in Innovationsprozessen gehen auf von Hippel (1988) zurück. Dieser hat mit dem Paradigma gebrochen, dass Innovationen immer in Unternehmen entstehen. Während der Durchschnittsanwender aufgrund funktionaler Fixierung und mangelnder Anreize in der Regel keine Innovationen hervorbringt, gibt es eine bestimmte Gruppe von Anwendern – sogenannte Lead User – die viel Zeit und Energie in die Weiterentwicklung von ihnen benötigter Produkte investieren. Nach von Hippel zeichnen sich Lead User durch zwei Eigenschaften aus. Zum einen haben sie Bedürfnisse bzw. Anforderungen an bestimmte Produkte lange vor dem Durchschnittsanwender. Zum anderen sind sie in einer Position, durch die sie stark von der Befriedigung dieser Bedürfnisse profitieren. Sie zeichnen sich also dadurch aus, dass sie bezüglich ihrer Anforderungen einen zukünftigen Trend anführen und dass sie ein hohes Problemlösungsinteresse haben.161 So werden beispielsweise in Extremsportbereichen wie dem Mountain-Biking Innovationen von Anwendern entwickelt. Abhängig von ihrer technischen Qualifika-
160 161
In Anlehnung an von Hippel et al. (1999) S. 50 und Prügel (2007) S. 27. Vgl. von Hippel (1988) S. 107; von Hippel (2005) S. 19-31.
Suche nach Analogien
49
tion setzen manche Mountain-Biker ihre innovativen Ideen sogar eigenständig in Prototypen um.162 Im Rahmen der Identifikation von Lead Usern beschreibt von Hippel den Ansatz des Pyramid-Networking, bei dem man sich entlang eines Netzwerks von Experten zu den Lead Usern an der Spitze des Zielmarktes vorarbeitet. Die Top Lead User eines Marktes können in der Regel ohne Probleme auf Experten in anderen Gebieten verweisen, die sich mit ähnlichen Problemen beschäftigen. Da sich diese Lead User bereits seit einer längeren Zeit mit der Suche nach einer Lösung ihres Problems beschäftigen, wissen sie häufig in welchen anderen Bereichen vergleichbare oder sogar extremere Ausprägungen ihres Problems auftreten.163 Beispielsweise konnte ein Entwicklungsteam, das im Rahmen der medizinischen Bilderkennung ein Verfahren zur Identifizierung besonders kleiner Tumore verbessern wollte, mittels Pyramiding analoge Bereiche mit fortschrittlicheren Lösungsansätzen als im Zielmarkt finden. In einem ersten Schritt wurden über sukzessive Interviews Lead User im Bereich der medizinischen Radiologie identifiziert. Deren Innovationen waren bereits besser als auf dem Markt erhältliche Lösungen. Zusätzlich konnten diese Lead User auf zwei analoge Bereiche verweisen, in denen eine noch größere Expertise bezüglich des Problems besteht: die Halbleiterindustrie und die militärische Mustererkennung.164 Lilien et al. haben die Anwendung der Lead User Methode bei dem innovativen Unternehmen 3M empirisch untersucht. Fester Bestandteil der Lead User Projekte, die analysiert wurden, war die Suche nach Lösungen außerhalb des Zielmarktes über den Pyramiding Ansatz. Im Vergleich mit Produkten, die nicht nach dem Lead User Ansatz entwickelt wurden, haben die Produkte aus Lead User Projekten einen signifikant höheren Neuheitsgrad. Sie wurden meist als Weltneuheit bewertet. Außerdem befriedigen sie die Kundenbedürfnisse auf besonders originelle und neue Art und erzielten einen höheren prognostizierten Marktanteil.165 Prügel hat die Effizienz des Pyramid-Networking zur Identifikation von Personen mit besonderen Eigenschaften empirisch analysiert. Der Großteil der von ihm befragten Personen verweist auf eine andere Person mit einem höheren Niveau an Expertise, so dass die Suche tatsächlich entlang einer pyramidenförmigen Struktur verläuft. Jedoch tritt diese aufsteigende Verweiskette nicht immer auf. Man kann sich also nicht sicher 162 163 164 165
Vgl. Lüthje et al. (2005) S. 961. Vgl. von Hippel (2005) S. 135; Lüthje und Herstatt (2004) S. 564. Vgl. von Hippel et al. (1999) S. 49 f. Vgl. Lilien et al. (2002) S. 1044 f. und 1055.
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sein, dass man sich mit dieser Methode wirklich zu der Person mit der höchsten Expertise vorarbeitet.166 Insgesamt beurteilt Prügel aber die Kontakteffizienz des Suchprozesses im Rahmen der Pyramiding-Methode als sehr hoch.167 Mittels einer multiplen Regressionsanalyse weist er Einflussfaktoren auf einen effizienten und erfolgreichen Verlauf der Pyramiding-Suche nach. Demnach sollte das soziale Netzwerk möglichst dicht und die benötigte Expertise in diesem heterogen verteilt sein. Weitere Einflussfaktoren sind die allgemeine Bekanntheit der gesuchten Person – eine isolierte Person kann mittels Pyramiding nicht identifiziert werden – sowie ein hohes persönliches Interesse der Auskunftsperson am Thema.168 Die Pyramiding Suchstrategie scheint für die Identifikation ferner innovativer Analogien sinnvoll anwendbar zu sein. Insbesondere ist der Ansatz vielversprechend, zunächst Lead-User im Zielmarkt zu identifizieren und diese dann nach Bereichen mit analogen Problemstellungen zu befragen, in denen sie Lösungen kennen bzw. vermuten, die besser sind als die zur Zeit im Zielmarkt existierenden. Pyramiding hat zudem als serielle Experimentations-Strategie den Vorteil, dass die Problemstellung im Laufe des Suchprozesses angepasst werden kann.169 Beispielsweise erkannte das Entwicklungsteam in dem oben dargestellten Beispiel der Suche besserer Bildgebungsverfahren zur Tumorerkennung während des Suchprozesses, dass als Ziel der Entwicklung nicht eine höhere Auflösung der Bilder, sondern ein effektives Verfahren zur Mustererkennung stehen sollte.170 Durch die sukzessive Befragung von Experten bietet sich laufend die Möglichkeit, neue Aspekte in die Suche zu integrieren. Das Produktentwicklungsteam begibt sich so auf einen Lernprozess, bei dem es sich das Suchfeld Schritt für Schritt erschließt.
3.2.2.2 Broadcasting Ein vom Pyramiding deutlich abweichender Ansatz ist das Broadcasting. Bei dieser Methode werden nicht sequentiell einzelne Personen angesprochen, vielmehr wird das Problem einer großen Anzahl von Personen gleichzeitig zugänglich gemacht. Zum
166 167 168 169 170
Vgl. Prügel (2007) S. 94. Vgl. Prügel (2007) S. 99. Vgl. Prügel (2007) S. 104. Vgl. Prügel (2007) S. 30. Vgl. von Hippel et al. (1999) S. 49 f.
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Beispiel kann die Problemstellung über spezielle Internetforen veröffentlicht werden.171 Lakhani et al. haben gezeigt, dass die Preisgabe von Informationen über ein schwieriges nicht gelöstes wissenschaftliches Problem an eine große Gruppe externer Personen eine sehr effektive Problemlösungsstrategie sein kann.172 In ihrer Studie haben sie die Broadcasting Suche für 166 wissenschaftliche Probleme von Forschungslaboren aus 26 verschiedenen Unternehmen über mehrere Jahre untersucht. Zu den Themenbereichen gehörten z.B. Agrochemie, Biotechnologie oder Pharmazeutika. Die Probleme wurden über die Internetseite InnoCentive.com veröffentlicht. Auf diesem Weg können über 80.000 unabhängige Wissenschaftler aus über 150 Ländern erreicht werden. Den Wissenschaftlern, die die beste Lösung eines Problems einreichen, werden von den ausschreibenden Unternehmen Preise versprochen, die in den untersuchten Fällen zwischen US$ 2.000 und US$ 105.000 lagen. Insgesamt wurden 29,5% der vorher nicht lösbaren Probleme einer Lösung zugeführt. 173 Ein wichtiges Ergebnis der Studie von Lakhani et al. ist, dass erfolgreiche externe Problemlöser – also die Gewinner der ausgeschriebenen Preise – häufig aus anderen Bereichen als dem Zielbereich des Problems stammten. Die erfolgreichen Problemlöser konnten Analogien zwischen ihrem wissenschaftlichen Gebiet und dem Bereich der Problemsteller ziehen und lösungsrelevantes Wissen übertragen. Lakhani et al. konnten sogar eine positive und signifikante Korrelation der Distanz zwischen dem Problemfeld und dem Expertengebiet des Problemlösers mit der Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Lösung des Problems feststellen.174 Das Broadcasting einer Problemstellung kann offenbar helfen, innovative ferne Analogien im Problemlösungsprozess zu nutzen. Bei einem gut durchgeführten Broadcasting ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass ein Experte aus einem fernen analogen Gebiet das Problem zur Kenntnis nimmt und eine Analogie zu ihm bekannten Lösungswegen erkennt. Auch das Unternehmen Procter & Gamble nutzt offene Netzwerke, um sich Lösungen für seine Produktentwicklungsprobleme von außen zu holen. Neben der Plattform InnoCentive, bei der die Lösung wissenschaftlicher Probleme im Vordergrund steht, nutzt P & G die Firma NineSigma, an deren Gründung es beteiligt war. NineSigma 171
172 173 174
Beispielsweise bieten die Unternehmen InnoCentive (innocentive.com) und Atizo (www.atizo.com) Broadcasting Dienstleistungen an. Vgl. Lakhani et al. (2007) S. 4. Vgl. Lakhani et al. (2007) S. 4 f. Vgl. Lakhani et al. (2007) S. 9 und 12.
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erstellt für die Probleme seiner Kunden technische Spezifikationen, die es dann in einem Netzwerk aus tausenden von potenziellen Lösungsanbietern auf der ganzen Welt verteilt. Nach Angabe von Huston und Sakkab hat P & G mit NineSigma über 100 Projekte durchgeführt, bei denen es in 45 % der Fälle zu einer weiteren Zusammenarbeit mit externen Lösungsanbietern kam. Von den Problemen, die P & G an InnoCentive übermittelte, wurden etwa ein Drittel gelöst.175 Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass das Broadcasting eines technischen oder wissenschaftlichen Problems über Netzwerke wie InnoCentive oder NineSigma eine erfolgsversprechende Strategie ist, mit externer Hilfe Lösungen zu finden. Man muss zwar zu einem gewissen Grad die Geheimhaltung eines Entwicklungsprojektes aufgeben, erhält dafür aber den Zugriff auf einen sehr großen Wissenspool. Darum ist Broadcasting eine wertvolle Option, um analoges Wissen aus anderen Bereichen aufzuspüren.
3.2.2.3 Knowledge Broker Zur effektiven Nutzung externer Ressourcen im Innovationsprozess können ferner unterschiedliche Arten von Intermediären eingesetzt werden.176 Als Intermediäre gelten Organisationen, die als Vermittler von externem Wissen in Kontakt mit einem Unternehmen treten. Sie stehen zwischen Quelle und Ziel bei einem Wissenstransfer und haben die Funktion, die Aufnahme von bisher nicht im Unternehmen vorhandenem Wissen zu ermöglichen bzw. zu erleichtern.177 Eine besondere Form von Intermediären stellen sogenannte „Knowledge Broker“ dar. Als „Knowledge Broker“ im Innovationsprozess werden von Hargadon Organisationen bezeichnet, die in vielen verschiedenen Bereichen arbeiten und ihre diversen Erfahrungen nutzen, um bestehendes Wissen neu zu kombinieren und auf diese Weise Innovationen zu generieren. 178 Mit einer intensiven Studie über die Ingenieur- und Designberatung IDEO, eines großen Innovationsunternehmens aus den USA, haben Hargadon und Sutton gezeigt, dass dieses Unternehmen, indem es Innovationsdienstleistungen verschiedenen Klienten aus diversen Branchen anbietet, in der Lage ist, Wissen zwischen sonst 175 176 177 178
Vgl. Huston und Sakkab (2006) S. 9 f. Vgl. Nambisan und Sawhney (2007) S. 110 f.; Chesbrough (2003) S. 40 ff. Vgl. Major und Cordey-Hayes (2003) S. 675. Vgl. Hargadon (2002) S. 43 . In dem Artikel von Hargadon und Sutton (1997) wird noch von „technology brokering“ gesprochen. In den darauf folgenden Arbeiten (Hargadon (2002, 2003)) wird das Phänomen dagegen allgemeiner als „knowledge brokering“ bezeichnet.
Suche nach Analogien
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getrennten Bereichen zu transferieren. Die Designer bei IDEO nutzen ihren Zugriff auf ein breites Spektrum an technologischen Lösungen, indem sie Analogien zwischen aktuellen Designproblemen und den ihnen bekannten Lösungen aus anderen Bereichen ziehen.179 Hargadon und Sutton haben beobachtet, dass Designer bei IDEO neue Lösungen vorschlagen, indem sie auf ähnliche Lösungen zurückgreifen, die sie von anderen Produkten kennen. Dieser Prozess der Verwendung innovativer Analogien wird bei IDEO selbst als Fremdbestäubung (engl. „cross pollination“) bezeichnet.180 Hargadon und Sutton führen 30 Beispiele von Produkten auf, die bei IDEO designt wurden und in denen Technologien aus anderen Industrien integriert wurden.181 Knowledge Broker sind also durch ihre Arbeit in verschiedenen Bereichen in einer besonders begünstigten Position, ferne Analogien für Innovationen zu nutzen. Nach Hargadon treten zum einen Ingenieur- und Designberatungen wie IDEO und Design Continuum als Knowledge Broker auf. Aber auch Unternehmensberatungen wie Andersen Consulting und McKinsey & Company agieren als Knowledge Broker. Außerdem können Knowledge Broker innerhalb großer multidivisionaler Unternehmen existieren wie z.B. die „Strategic Processes and Modeling Group“ von HewlettPackard.182 Die Funktion eines Brokers besteht ganz allgemein darin, den Fluss von Ressourcen zwischen ansonsten nicht verbundenen Gruppen oder Personen zu ermöglichen.183 Broker können als intermediäre Akteure bezeichnet werden, die Transaktionen zwischen anderen Akteuren erleichtern, die keinen Kontakt untereinander haben oder nicht genügend Vertrauen untereinander besitzen.184 In sozialen Netzwerken gibt es in der Regel Untergruppen, die nur wenig Kontakt untereinander haben. Solche unzureichenden Beziehungen beschreibt Burt als strukturelle Löcher im Netzwerk („structural holes“). Wer diese identifiziert und überbrückt, kann Wettbewerbsvorteile gewinnen.185 Knowledg Broker haben Zugriff auf solche strukturellen Löcher, da sie weitgehend getrennt arbeitende Untergruppen zusammenführen. Indem sie auf diese Weise Ideen
179 180 181 182 183 184 185
Vgl. Hargadon und Sutton (1997) S. 716. Vgl. Hargadon und Sutton (1997) S. 720 und 731. Vgl. Hargadon und Sutton (1997) S. 724. Vgl. Hargadon (2002) S. 47. Vgl. Burt (1992) S. 30 ff., Hargadon und Sutton (1997) S. 725. Vgl. Marsden (1982) S. 202. Vgl. Burt (1992) S. 2 und 18.
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Systematische Anwendung innovativer Analogien in der Produktentwicklung
von einem Bereich in einen anderen transferieren, wo diese bisher nicht bekannt sind, aber große Vorteile mit sich bringen, können sie bedeutende Innovationen einleiten.186 Ihre besondere Position erlangen Knowledge Broker, indem sie eine Vielfalt an schwachen Verbindungen („weak ties“) zu vielen verschiedenen Entwicklungsbereichen aufrecht erhalten, statt sich auf wenige starke Verbindungen zu konzentrieren.187 So hat z.B. IDEO Klienten in mehr als 40 Industrien. Enge Kontakte zu einzelnen Personen aus den entsprechenden Industrien sind nicht unbedingt nötig, da viele der von IDEO gesammelten Informationen über existierende technologische Lösungen aus den von ihnen selbst entwickelten Produkten stammen.188 Während eines Entwicklungsprojektes eignen sich die Designer von IDEO technologische Lösungen einer Industrie an, indem sie sich mit ihren neuen Klienten unterhalten und diese oder andere Akteure in der Industrie beobachten. Zusätzlich verschaffen sie sich schriftliche Informationen über die entsprechende Industrie, untersuchen bestehende Produkte der Industrie und führen Interviews mit Experten. Schließlich wird ihr Wissen über technologische Lösungen der Industrie gefestigt, indem sie selbst Produkte für diese Industrie entwerfen.189 Die besondere Fähigkeit von Knowledge Broker Organisationen, ferne innovative Analogien in ihrer Arbeit zu verwenden, beruht nicht nur auf ihrer speziellen Netzwerkposition, sondern auch auf dem Verhalten der einzelnen Mitarbeiter, die diese Position geschickt ausnutzen. Knowledge Broker Organisationen zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Mitarbeiter ständig bemüht sind, sich Wissen in neuen Bereichen anzueignen und dieses Wissen mit den Kollegen zu teilen. Die Mitglieder einer Knowledge Broker Organisation müssen folglich auch auf individueller Ebene als Knowledge Broker agieren.190 Wie eine Design- und Ingenieurberatung als Knowledge Broker im Innovationsprozess agiert, kann am Beispiel der Entwicklung des Reebok Pump Basketballschuhes verdeutlicht werden. 1988 erhielt Desing Continuum von Reebok den Auftrag, einen innovativen Sportschuh zu entwickeln. Die Design- und Ingenieurberatung entwarf darauf hin das Konzept des Reebok Pump, der an die individuelle Form des Fußes über Luftkammern in den Seiten des Schuhs angepasst werden kann. Zur Lösung des 186 187 188 189 190
Vgl. Hargadon (2002) S. 55. Die Bedeutung schwacher Verbindungen in sozialen Netzwerken erläutert Granovetter (1977). Vgl. Hargadon und Sutton (1997) S. 728 f. Vgl. Hargadon und Sutton (1997) S. 733. Vgl. Hargadon und Sutton (1997) S. 723 f.; Hargadon (2002) S. 72 f.
Suche nach Analogien
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vorgegebenen Problems wurden mehrere innovative Analogien genutzt. Zunächst hat ein beteiligter Designer, der in einem vorangegangenen Projekt mit aufblasbaren Schienen aus dem Medizinbereich gearbeitet hatte, erkannt, dass diese Technologie genutzt werden kann, um dem Träger eines Basketballstiefels eine größere Stabilität im Knöchelbereich zu gewähren. Ein anderer Designer im Team hat die Idee aufgegriffen und eine weitere Analogie aus dem Bereich der Medizintechnik gezogen: Infusionsbeutel können so angepasst werden, dass sie als Luftpolster im Schuh genutzt werden können. Andere Mitarbeiter von Design Continuum hatten Erfahrung mit medizinischen Diagnoseinstrumenten und erkannten, wie kleine Pumpen, Schläuche und Ventile dieser Instrumente genutzt werden können, um die Lufkammern im Schuh leicht mit Luft zu füllen, bzw. diese wieder frei zu geben.191 Die innovativen Analogien, die in diesem Projekt genutzt wurden, basierten auf Wissen aus vorangegangenen Projekten. Weil die Designer Erfahrung mit unterschiedlichen Problemen der Medizintechnik hatten, einem Bereich, der normalerweise nicht in Verbindung mit Sportschuhen gebracht wird, konnten sie mehrere ferne Analogien für die Produktinnovation nutzen. Es ist zu vermuten, dass den Mitarbeitern von Reebok solch ein Transfer nicht von selbst eingefallen wäre, da sie nur im Bereich der Sportausrüstung tätig sind und ihnen Projekterfahrung aus dem Medizinbereich fehlt. Die Vergabe eines Innovationsprojektes bzw. einer Lösungssuche an einen Knowledge Broker kann folglich für ein produzierendes Unternehmen mit der Absicht ferne innovative Analogien in der Produktentwicklung zu nutzen, als durchaus sinnvolle Strategie gelten. Auf diese Weise können dann – wie beim Reebok Pump Sportschuh – sehr kreative Lösungen entstehen, die großen Erfolg am Markt haben. Wenn also ein Unternehmen nach einer internen Lösungssuche keine ferne Analogie gefunden hat, die seinen Ansprüchen genügt, bietet es sich an, Knowledge Broker Organisationen mit der Lösungssuche zu beauftragen. Obwohl eine strategische Kooperation mit externen Innovationsdienstleistern (wie z.B. Ingenieurbüros, Industriedesigner oder Innovationsberater), die Merkmale eines Knowledge Brokers besitzen, demnach als effektive Strategie gelten kann, um über ferne Analogien zu hoch innovativen Produktlösungen zu kommen, ist dieses Vorgehen in Industrieunternehmen bisher nicht verbreitet. In den wenigen Fällen bei denen Aufgaben an externe Innovationsdienstleister vergeben werden, erfolgt dies häufig
191
Vgl. Hargadon (2002) S. 46, 48.
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Systematische Anwendung innovativer Analogien in der Produktentwicklung
kurzfristig bei akuten Problemen.192 Hier scheinen noch verborgene Potentiale zur Verbesserung des Innovationsprozesses industrieller Unternehmen zu liegen.
3.2.3 Medienbasierte Analogiesuche Im vorangegangenen Abschnitt wurden drei Ansätze zur personenbasierten Suche nach fernen innovativen Analogien vorgestellt. Eine alternative bzw. ergänzende Herangehensweise ist der Einsatz von Medien bei der Suche nach Analogien. Umfangreiches Wissen über existierende Lösungen aus anderen Bereichen kann z.B. in Publikationen aus Fachzeitschriften, Patentdatenbanken oder auch ganz allgemein in frei zugänglichen Veröffentlichungen aus dem Internet gefunden werden. Darüber hinaus existieren auch Kataloge und Datenbanken in denen biologische oder technische Lösungen bereits für die Analogiesuche aufbereitet wurden.
3.2.3.1 Recherche im Internet Mit Hilfe von Informationstechnologie kann explizites Wissen verteilt bzw. in Datenbanken zur späteren Verwendung abgelegt werden. Implizites an Personen gebundenes Wissen kann nicht direkt abgerufen werden. Jedoch kann auch eine Suche nach Experten über Informationssysteme erfolgen.193 Die zwei Hauptschwierigkeiten einer erfolgreichen Suche in elektronischen Medien liegen darin, die richtigen Suchbegriffe zu finden sowie den Umfang der Suche angemessen zu begrenzen.194 Dies gilt auch für eine Suche im Internet. Entscheidend für die Qualität der Ergebnisse ist zum einen die geeignete Formulierung der Suchanfrage und zum anderen, wo man sucht. Grundsätzlich kann man im Internet entweder in speziellen Webkatalogen (bzw. thematischen Verzeichnissen) oder über algorithmische Suchmaschinen recherchieren.195 Bei der Suche nach fernen innovativen Analogien über das Internet steht der Weg über diverse vorher nicht festgelegte Wissensgebiete im Vordergrund. Daher sollten Suchmaschinen eingesetzt werden, die vielfältige vorher nicht eingegrenzte Themengebiete auswerten. Eine Suche über Webkataloge scheint nicht geeignet.
192 193 194 195
Vgl. Staufer (2000) S. 9 und 236 f. Vgl. Markus (2001) S. 58. Vgl. Ulrich und Eppinger (2004) S. 106. Vgl. Weilenmann (2006) S. 26; Babiak (2001) S. 37-70.
Suche nach Analogien
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Jedoch können auch Universalsuchmaschinen nicht alle Informationen im Internet erreichen. Das sogenannte „Invisible Web“ oder „Deep Web“ ist um ein Vielfaches größer als das durch Suchmaschinen erreichbare Web.196 Shannon und Price unterscheiden vier verschiedene Arten von Webseiten, die über Suchmaschinen nicht erreichbar sind: das undurchsichtige Web („Opaque Web“), das private Web („Private Web“), das geschützte Web („Proprietary Web“) und das wirklich unsichtbare Web („Truly Invisible Web“).197 Das undurchsichtige Web könnte theoretisch von Suchmaschinen erfasst werden. Jedoch beschränken die Betreiber von Suchmaschinen die Tiefe der Suche, um Kosten einzusparen. Weitere Einschränkungen bestehen aufgrund der Länge der Intervalle nach denen die Seitenerfassung durch die Suchmaschinen aktualisiert wird. Außerdem können Webseiten nur erreicht werden, wenn von anderen Seiten auf sie gezeigt wird. Unverbundene Webseiten zu denen keine Verweise führen und über deren Existenz der Betreiber die Suchmaschine nicht informiert hat, können von einer Suchmaschine nicht erfasst werden. Das private Web umfasst Seiten, die von Suchmaschinen nicht gefunden werden sollen. Sie sind entweder durch Passwörter geschützt, verwenden die robots.txt Datei, um Suchmaschinen den Zugriff zu verwehren, oder beschränken die Indexierung der Seite durch ein Metatag. Das geschützte Web enthält kosten- oder registrierungspflichtige Angebote. Diese geschützten Seiten können von einer Suchmaschine ebenfalls nicht erfasst werden. Beim wirklich unsichtbaren Web handelt es sich um Seiten, die aus technischen Gründen nicht von einer Suchmaschine indexiert werden können. Als ein Beispiel werden dynamisch generierte Webseiten genannt. Bei der Klassifizierung von Suchmaschinen werden eigenständige Suchmaschinen von Meta-Suchmaschinen abgegrenzt. Meta-Suchmaschinen nehmen Suchanfragen entgegen und befragen dann gleichzeitig mehrere etablierte große Suchdienste. Die eintreffenden Antworten werden für den Anwender vor der Präsentation noch einmal aufbereitet. Meta-Suchmaschinen können also einen sehr viel größeren Umfang an Informationen und Dokumenten durchsuchen, sind jedoch von der Qualität der ihnen zugrunde liegenden Suchmaschinen abhängig. Außerdem ist zu beachten, dass bei 196 197
Vgl. Schellhase (2008) S. 78; Weilenmann (2006) S. 22. Vgl. Sherman und Price (2003) S. 293-297.
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Systematische Anwendung innovativer Analogien in der Produktentwicklung
großen Treffermengen aus Zeitgründen nicht alle Ergebnisse der angefragten Suchdienste entgegen genommen werden. Somit kann die Anfrage an eine einzelne Suchmaschine unter Umständen mehr Ergebnisse liefern als die Anfrage an eine MetaSuchmaschine. Zusätzlich ergeben sich Verluste an Genauigkeit, da Meta-Suchmaschinen mit den in den Ergebnislisten enthaltenen Metadaten und nicht mit den originären Webseiten arbeiten. Sie können folglich nur eingeschränkte Rankingmechanismen für die Aufbereitung der Treffer einsetzen.198 Die Ergebnisse, die man bei einer Suchanfrage erhält, hängen von deren Formulierung ab. Suchmaschinen können nur einzelne Wörter miteinander vergleichen und nicht auf deren unterschiedliche Bedeutungen Rücksicht nehmen.199 Um ferne innovative Analogien über Suchmaschinen im Internet zu finden, müssen die Suchbegriffe so gewählt werden, dass sie zu Inhalten aus verschiedenen Wissensbereichen führen. Dies kann erreicht werden, indem man die Problemstellung in einem angemessenen Abstraktionsgrad formuliert.200 Die Wahrscheinlichkeit Analogien über das Internet aufzuspüren, kann gesteigert werden, wenn in einem weiteren Schritt synonyme Fragestellungen verwendet werden. Von Bedeutung sind hierbei insbesondere Synonyme für die zentralen Grundprinzipien der Problemstellung. Wenn in einem Themenbereich zum Beispiel das Wort „Befestigung“ verwendet wird, so sind in anderen Bereichen eventuell die Wörter „Verbindung“ oder „Fixierung“ relevant. Synonyme können beispielsweise im Internet in frei zugänglichen Wörterbüchern gefunden werden.201 Der Suchkreis kann ebenfalls über die Sprache, in der die Anfrage in den Suchmaschinen formuliert wird, beeinflusst werden. So findet sich das größte Wissensangebot in englischer Sprache. Synonyme englische Formulierungen können über DeutschEnglische Wörterbücher202 gefunden werden. Ein besonders ansprechendes jedoch kostenpflichtiges Angebot zur Identifizierung englischer Synonyme ist das visuell aufbereitete Wörterbuch www.visualthesaurus.com. Bei dem Angebot der Firma Thinkmap werden die Beziehungen zwischen den Wörtern in gerichteten Graphen
198
199 200 201 202
Vgl. Schellhase (2008) S. 153-156; Babiak (2001) S. 62 f. Eine Übersicht über die wichtigsten Suchmaschinen und Meta-Suchmaschinen findet sich beispielsweise in Babiak (2001) S. 55; 64; Ellwein (2002) S. 71-82; Schlein (2003) S. 102-109 oder unter www.klug-suchen.de im Internet. Vgl. Babiak (2001) S. 120. Vgl. Kapitel 3.1 Definition des Problems. Siehe unter www.metager.de/asso.html oder www.openthesaurus.de. Beispielsweise über dict.leo.org.
Suche nach Analogien
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dargestellt. So werden die Unterschiede verschiedener Konzepte in einem Netzwerk sichtbar. Suchanfragen werden durch logische Verknüpfungen der gefundenen Synonymen und den ursprünglichen Wörtern der Problemdefinition gebildet. Der Ausschluss bestimmter Begriffe über den „-„ bzw. „NOT“ Operator kann für die Suche nach Analogien von großer Bedeutung sein. Auf diesem Wege ist es möglich, den Zielbereich der Problemstellung von der Suche auszuschließen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, ferne Analogien zu finden. Außerdem kann durch geschickte Maskierungen über Jokerzeichen die Suche erweitert werden.203 In der Regel werden allgemeine Anfragen in Suchmaschinen zur Identifizierung ferner Analogien eine so große Trefferzahl liefern, dass diese nicht im Detail ausgewertet werden können. Werden bei einer ersten schnellen Durchsicht der Ergebnisse Hinweise auf interessante Bereiche mit analogen Problemstellungen gefunden, so können diese in einem zweiten Schritt mittels einer gezielteren Anfrage genauer analysiert werden. Um mit einer großen Trefferzahl bei einer allgemeinen weiten Suchanfrage besser umgehen zu können, wäre ein automatisches Clustern der Ergebnisse nach Themenbereichen hilfreich. Für die Aufbereitung von Ergebnislisten anhand semantischer Kriterien werden bereits Softwarelösungen am Markt angeboten.204 Insgesamt steht über das Internet ein riesiger Bestand an Wissen zur Verfügung. Die im Internet bereitstehenden Informationen können wie oben beschrieben bei der Suche nach fernen innovativen Analogien erfolgreich eingesetzt werden. Bei der Analogiesuche im Internet ist jedoch zu beachten, dass große Qualitätsunterschiede bei den veröffentlichten Informationen bestehen. Die frei abrufbaren Informationen im Internet reichen von bewussten Falschinformationen bis hin zu hochwertigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen.205 Um dies zu berücksichtigen, kann die Suche nach Analogien im Internet bewusst auf wissenschaftliches Wissen oder eine bestimmte Art von Dokumenten – wie z.B. Patenten –eingeschränkt werden, indem spezielle Suchmaschinen oder Datenbanken im Internet verwendet werden. Wissenschaftliche Informationen können beispielsweise gezielt über Scirus (www.scirus.com) gesucht werden.
203 204 205
Vgl. Babiak (2001) S. 123 f. Beispielsweise von Wisenut (en.wisenut.com) oder Vivisimo (vivisimo.com ). Vgl. Ellwein (2002) S. 7.
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Systematische Anwendung innovativer Analogien in der Produktentwicklung
3.2.3.2 TRIZ basierte Software Die Theorie des erfinderischen Problemlösens nach Altschuller wurde bereits kurz im Kapitel 3.1 bei der Formulierung der Problemstellung vorgestellt. TRIZ umfasst mehrere Werkzeuge, die dem systematischen Erfinden dienen. Für die Transformation eines Ist-Zustandes in einen Soll-Zustand stehen unter anderem der Einsatz eines Kataloges mit Effekten und Erscheinungen verschiedener Disziplinen sowie 40 universelle Erfindungsverfahren zur Verfügung.206 TRIZ ermöglicht somit den Zugriff auf grundlegende Lösungsprinzipien, die in diversen Bereichen zum Einsatz kommen können. Schüler von Altschuller, die in die USA emigrierten, haben den TRIZ Ansatz weiterentwickelt und in Softwarelösungen umgesetzt. So entstanden der TECH OPTIMIZER der Firma Invention Machine sowie die INNOVATION WORKBENCH der Firma Ideation International Inc.207 Bereits 1998 beschrieben Möhrle und Pannenbäcker, wie der TECH OPTIMIZER 2.5 die Analogiesuche unterstützt, indem er die Suche in einer Sammlung von mehr als 2500 naturwissenschaftlichen Effekten und Erscheinungen mit Anwendungsbeispielen ermöglicht. Auch die Beispiele zu den 40 Erfindungsverfahren können Analogien stimulieren.208 Die Software wurde in den letzten zehn Jahren weiter ausgebaut.209 Im Januar 2009 hat die Firma Invention Machine das Softwarepaket „Goldfire 5.0“ herausgegeben. Zusätzlich zu den TRIZ basierten Methoden steht unter anderem auch eine Anwendung für semantische Gruppierungen recherchierter Dokumente zur Verfügung.210 Mittlerweile existieren neben Invention Machine und Ideation International weitere Anbieter von TRIZ basierter Software.211 Außerdem hat das belgische Unternehmen Creax eine frei zugängliche Datenbank ins Internet gestellt, in der nach Analogien gesucht werden kann.212 Im Vergleich zu einer Internetrecherche über universelle Suchmaschinen bieten TRIZ basierte Anwendungen einen gezielteren Weg für das Auffinden von Analogien. Jedoch steht einer höheren Präzision bei der Suche ein kleinerer Suchraum gegenüber. 206 207 208 209
210 211 212
Vgl. Möhrle und Pannenbäcker (1997a) S. 180 f.; Möhrle und Pannenbäcker (1997b) S. 233-235. Vgl. Hentschel (2004) S. 78; Zobel (2001) S. 23.; Möhrle und Pannenbäcker (1998a, 1998b). Vgl. Möhrle und Pannenbäcker (1998a) S. 30, 32. Nach Orloff (2006) S.321 stehen im Effekte Modul bereits mehr als 4400 Effekte aus unterschiedlichen Wissensbereichen. Vgl. die Angaben unter www.invention-machine.com (abgerufen am 16.06.09). Vgl. www.modern-triz-academy.com, www.creax.com oder www.trisolver.eu. Vgl. www.moreinspiration.com.
Suche nach Analogien
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Abzuwägen sind auch die Kosten der Softwarelizenzen und sowie Kosten für die Einarbeitung in die Software.
3.2.3.3 Bionische Kataloge und Datenbanken Bionische Analogien beinhalten den Transfer von Wissen aus dem Bereich der Biologie zu technischen Produkten. Ein Entwickler, der bionische Analogien nutzen möchte, braucht daher sowohl umfangreiches Wissen in der Biologie als auch Erfahrung in der Gestaltung technischer Produkte. Um den Zugriff auf biologisches Wissen für Ingenieure zu erleichtern, wurden von erfahrenen Bionikern Konstruktionskataloge mit Lösungsbeispielen aus der Natur zusammen gestellt. Hill213 hat einen Katalog zur systematischen Lösungsfindung aufgestellt, bei dem er sechs Analogieklassen unterscheidet. Diese Analogieklassen basieren auf den Grundfunktionen Formen, Wandeln, Übertragen, Speichern/Sperren, Trennen/Verbinden und Stützen/Tragen. In jeder Analogieklasse werden mehrere Beispiele für die Kategorien Stoff, Energie und Information dargestellt. Jedes Beispiel enthält eine Abbildung der biologischen Lösung sowie eine kurze Erläuterung der speziellen Funktion. So enthält der Katalog beispielsweise 48 Beispiele für das Übertragen von Stoffen. Sie reichen von der Körperbewegung eines Blutegels bis zur Luftzirkulation im Termitenbau. Ein systematischer Katalog für bionisches Gestalten wurde ebenfalls von Nachtigall214 aufgestellt. Dieser Katalog ist sehr umfangreich. Er umfasst in drei Bänden insgesamt 658 Seiten. Der erste Teil enthält 16 Kapitel in denen Elemente und Systeme der belebten Welt nach funktionellen Gesichtspunkten geordnet mittels Zeichnungen und Texten dargestellt werden. Im zweiten Teil finden sich Fotos mit Kurztexten, die nach funktionellen Gesichtspunkten in fünf Kapiteln gegliedert sind. Der dritte Band enthält Aufnahmen mit dem Rasterelektronenmikroskop zu den Themen Konstruktionen, Mikromorphologie und Größenordnungen. Die Suche nach Lösungen soll durch einen umfangreichen Index über alle drei Bände erleichtert werden. Vincent und Mann schlagen vor, TRIZ Softwarelösungen um bionisches Wissen zu erweitern. So könnte insbesondere die Effektdatenbank, um Lösungen aus der Biologie erweitert werden. Außerdem wird von ihnen vermutet, dass nach einer umfangreichen Analyse von Lösungsansätzen aus der Natur, die 40 erfinderischen Grundprinzipien 213 214
Vgl. Hill (1999) S. 115-188. Vgl. Nachtigall (2005).
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Systematische Anwendung innovativer Analogien in der Produktentwicklung
zur Überwindung technischer Widersprüche erweitert werden könnten.215 Einen ähnlichen Ansatz verfolgen Chakrabarti et al. Sie arbeiten an der Entwicklung einer Software mittels derer Entwickler beim systematischen Einsatz bionischer Lösungsansätze unterstützt werden sollen. Ihre Software IDEA-INSPIRE (2004) enthält eine Datenbank mit natürlichen und eine Datenbank mit künstlichen Systemen, die über eine besondere Sprache miteinander verknüpft sind. Im Fokus ihrer wissenschaftlichen Arbeit steht die Entwicklung eines semantischen Systems, über welches biologische und technische Lösungen sowie deren Funktionalität beschrieben werden können. Sie nutzen hierfür sieben elementare Konstrukte:216 1. Parts: Eine Gruppe physikalischer Komponenten und Schnittstellen, die das System sowie dessen Interaktion mit der Umwelt darstellen. 2. Zustand: Die Merkmale sowie deren Werte, die ein System während dessen Einsatzes zu einer bestimmten Zeit beschreiben. 3. Organ: Der strukturelle Kontext, der notwendig ist, um den physikalischen Effekt zu aktivieren. 4. Physikalischer Effekt: Die Naturgesetze, die die Veränderung bewirken. 5. Input: Energie, Information und Material, die benötigt werden um einen physikalischen Effekt zu aktivieren; Interpretation von Energie/Material Parametern bei einem Wechsel des Zustands im Zusammenhang mit einem Organ. 6. Physikalisches Phänomen: Eine Gruppe potentieller Veränderungen, die mit einem physikalischen Effekt für ein Organ und bestimmte Inputs assoziiert werden. 7. Aktion: Eine abstrakte Beschreibung oder Interpretation hohen Grades der Veränderung eines Zustandes, eines veränderten Zustandes oder der Schaffung von Input. Wie aus den Beschreibungen deutlich wird, stehen die elementaren Konstrukte in kausaler Beziehung zueinander. Jeder Datenbankeintrag wird mittels dieses Kausalmodells in zwei Formen beschrieben: in einer für den Menschen verständlichen Form und in einer für den Computer verständlichen Form. Mittels der Software können sich Entwickler über zufälliges Durchblättern der Lösungen stimulieren lassen oder systematisch über Aktionsbeschreibungen suchen. Eine Aktionsbeschreibung setzt sich 215 216
Vgl. Vincent und Mann (2002) S. 161 f. Vgl. Chakrabarti et al. (2005) S. 117.
Suche nach Analogien
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aus einem Verb, einem Nomen und einem Adjektiv zusammen. Beispielsweise könnten für die Aufgabe, Personen, deren obere Gliedmaßen behindert, sind das Essen zu erleichtern, folgende Aktionsbeschreibungen verwendet werden: (V = feed, N = solid, A = slow) oder (V = hold, N = solid, A = quick).217 Eine Alternative zum Einsatz bionischer Katalogen in Buchform bzw. speziell aufbereiteter Datenbanken stellt die algorithmische Suche in elektronisch verfügbaren biologischen Veröffentlichungen dar. Es besteht in der Biologie eine riesige Menge an öffentlichem Wissen, welches jedoch technischen Entwicklern und Designern in der Regel verschlossen bleibt, da es in der spezifischen Sprache der Biologie kodiert ist. Es wird somit eine Semantik benötigt, die die komplexen Systeme Natur und Technik verbindet.218 Rummel beschreibt einen Verfahrensansatz, bei dem zunächst die technische Aufgabenstellung in eine naturkompatible transformiert wird. Danach wird mittels dieser kodierten Problemstellung in biologischen Datenbanken gesucht. Abschließend müssen die gefunden biologischen Lösungsprinzipien in ein technisches Modell transformiert werden. Dies ist mit einer Dekodierung vergleichbar. Die verwendete Schnittstellensemantik wird nicht näher beschrieben, sondern als Beratungsleistung der Firma Bionic Solutions angeboten.219 Ebenso verfolgen Chiu und Shu den Ansatz, bionische Lösungsansätze über eine Recherche in biologischen Veröffentlichungen zu finden. Sie haben eine Methode entwickelt, die eine Verarbeitung der natürlichen Sprache verwendet, um relevante biologische Phänomene von bestehenden biologischen Wissensquellen zu extrahieren.220 Zunächst ermitteln sie erste Schlüsselbegriffe über eine funktionelle Aufgliederung der technischen Problemstellung, wobei sie sich auf Verben konzentrieren, weil diese Funktionalität besser vermitteln als Nomen. Da jedoch in den Ingenieurwissenschaften und der Biologie unterschiedliche Begriffe zur Beschreibung gleicher bzw. ähnlicher Sachverhalte verwendet werden, müssen die technischen Schlüsselbegriffe zunächst in biologisch relevante Terme übersetzt werden. Ein Biochemiker würde beispielsweise für die Suche nach Lösungsansätzen für Säubern („cleaning“) das Wort Verteidigen („defend“) verwenden, da in der Biologie eine Säuberung häufig als Verteidigungsmechanismus auftritt.221
217 218 219 220 221
Vgl. Chakrabarti et al. (2005) S. 123. Vgl. Rummel (2004) S. 40 f. Vgl. ebd. S. 42 f., www.bionicsolutions.de. Vgl. Chiu und Shu (2007) S. 45. Vgl. Chiu und Shu (2007) S. 46.
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Systematische Anwendung innovativer Analogien in der Produktentwicklung
Das Wort Verteidigen erscheint einem Ingenieur in der Regel nicht relevant für die Problemstellung des Säubern und diese beiden Begriffe sind auch nicht lexikalisch als Synonyme oder Antonyme verbunden. Um solchen Problemen zu begegnen, haben Chiu und Shu ein Verfahren entwickelt, biologisch relevante Begriffe für technische Schlüsselbegriffe automatisiert zu suchen. Dabei verwenden Sie zum einen die lexikalische Datenbank WordNet222, in der Hyperonyme (Oberbegriffe) und Hyponyme (Unterbegriffe) eines Wortes gesucht werden können. Zum anderen greifen sie auf elektronisch verfügbare Biologielexika zurück, um die biologische Bedeutung eines Begriffes zu bewerten.223
3.3
Verifikation und Bewertung der Analogien
Jede identifizierte Analogie sollte verifiziert und bewertet werden. Zur Verifikation der Analogie ist zunächst zu klären, ob das analoge System richtig verstanden wurde. Falsch interpretierte Analogien versperren den Weg zu einer korrekten Lösung des Problems. Über eine systematische Prüfung der potentiell brauchbaren Analogien sollten daher zunächst falsche Analogien aussortiert werden. Zusätzlich ist eine Bewertung der korrekten Analogien bezüglich ihrer Umsetzbarkeit notwendig. In einer Studie über die Wissenswiederverwendung in NASA-Projekten haben Majchrzak et al.224 gezeigt, dass ein zweistufiger Ansatz bei der Bewertung von Analogien zur Lösungsfindung vorteilhaft ist. In einem ersten kurzen Bewertungsverfahren wird geprüft, ob es lohnt die Idee weiter zu verfolgen (= Grobbewertung). Erst in einer zweiten Auswahlrunde werden die Ideen tiefgehend analysiert. In den von Majchrzak et al. untersuchten Projekten wurden bei der Grobbewertung der Ideen drei Kriterien überprüft: 1. Glaubwürdigkeit – Ist die Idee valide und reproduzierbar? 2. Relevanz – Besteht eine Analogie zwischen der Quelle und dem Ziel? 3. Anpassungsfähigkeit der analogen Lösung an das Zielproblem: Î Sind die Anpassungen innerhalb der Projektrestriktionen machbar? Î Wer könnte die Anpassungen vornehmen? In der Studie von Majchrzak et al. haben sich die Entwickler in der Regel auf „Metawissen“ bezogen, um die drei Kriterien der Grobbewertung zu bewerten. Metawissen 222 223 224
Im Internet unter wordnet.princeton.edu erreichbar. Vgl. Chiu und Shu (2007) S. 49-53. Vgl. Majchrzak et al. (2004) S. 182 ff.
Verifikation und Bewertung der Analogien
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ist Wissen über benötigtes Wissen, welches die Bewertung und Anwendung erleichtern soll. Hierzu gehören die Art und Quellen des Wissens. Insbesondere war den Entwicklern der Zugriff auf physische Produkte – wie Daten, Modelle und Prototypen – zur Bewertung der analogen Lösungen wichtig. Wobei es in einer ersten Grobbewertung meistens als ausreichend angesehen wurde, ob Metawissen überhaupt existiert und zugänglich ist. Eine detaillierte Auswertung erfolgte erst in einer späteren Phase. Für eine Grobbewertung der Analogien ist somit der Zugriff auf Metawissen über die Analogie noch nicht nötig, die Entwickler müssen nur wissen, ob es existiert und ob ein späterer Zugriff realistisch ist. In einer zweiten detaillierten Untersuchung wurde dann von den Entwicklern geprüft, ob die Analogien, die die Grobbewertung erfolgreich bestanden haben, wirklich so angepasst werden können, dass die Projektziele erreicht werden. In dieser Phase erfolgt somit die Auswertung des vorhandenen Metawissens. Verfügbare Daten, Modelle und Prototypen werden gründlich ausgewertet. Außerdem werden erste Gespräche mit Personen aus dem Quellbereich der Analogie sowie möglichen Adaptoren der Lösung vorgenommen.225 Dieser Ansatz entspricht in seinem grundsätzlichen Aufbau dem Ideentrichter („idea funnel“) von Wheelwright und Clark. Ihr Ansatz beruht darauf, dass die obere Öffnung des Trichters möglichst weit ist, die Verengung aber effektiv funktioniert. Wenige gute Ideen sollen herausgefiltert werden.226 Auch bei diesem Modell werden zwei Bewertungen durchgeführt. In einer ersten Bewertungsstufe wird die Vollständigkeit und die Einsatzbereitschaft der Ideen getestet, aber noch keine endgültige Entscheidung über die Durchführung der Idee getroffen. Einige Ideen werden aufgrund dieser Bewertung verworfen, während andere zur weiteren Verfeinerung, Verbesserung und Beurteilung im Trichter nach vorne wandern. Nur wenige Ideen werden einer richtig formalen Ideenbewertung unterworfen.227 Auch wenn der Anwendungskontext dieses Ideentrichters sich von dem vorher vorgestellten Ansatz unterscheidet, da es nicht um die Lösungssuche für ein Problem, sondern um die generelle Auswahl neuer Entwicklungsprojekte geht, die finanziert
225 226 227
Vgl. Majchrzak et al. (2004) S. 182 f. Vgl. Wheelwright und Clark (1992) S. 113. Vgl. Wheelwright und Clark (1992) S. 124 f.
66
Systematische Anwendung innovativer Analogien in der Produktentwicklung
werden, so kann doch der Schluss gezogen werden, dass ein zweistufiges Bewertungsverfahren viele Vorzüge mit sich bringt.228 In Abbildung 9 ist ein zweistufiges Bewertungsverfahren dargestellt, welches bei einer großen Zahl möglicher Analogien eingesetzt werden kann. Zunächst wird die Güte der Analogie bzgl. ihrer Glaubwürdigkeit, Relevanz und Anpassungsfähigkeit bewertet. Wenn zu diesem Zeitpunkt sehr viele Ideen bewertet werden müssen, ist nur eine begrenzte Informationsbeschaffung möglich. Jedoch scheint es vorteilhaft, bereits an dieser Stelle des Prozesses darauf zu achten, ob Informationen für eine Detailbewertung der Analogie zugänglich sind bzw. unter welchem Aufwand sie beschafft werden können. Wenn schließlich eine Detailbewertung der auf den Analogien basierenden Lösungsansätze erfolgt, werden umfangreichere Informationen berücksichtigt. An dieser Stelle erfolgt ein Abgleich mit den Projektzielen und die Lösungen werden bzgl. ihrer prognostizierten Marktattraktivität und anfallenden Kosten bei der Umsetzung der Analogie bewertet. Hierbei ist auch zu klären, ob die benötigten Kompetenzen für die Umsetzung der Analogie im Unternehmen vorhanden sind, oder ob sich eine Kooperation mit externen Partnern anbietet.
228
Vgl. zur Anwendung eines zweistufigen Ansatzes zur Ideenbewertung nach Wheelwright und Clark auch Alam (2003) S. 306. Dort werden in einer Grobbewertung 29 von 88 Ideen verworfen, weil sie nicht zum gegenwärtigen Geschäftsmodell des Unternehmens passten, nicht für den existierenden Markt brauchbar waren oder weil die benötigte Technologie zu ihrer Herstellung nicht verfügbar war.
Verifikation und Bewertung der Analogien
67
Grobbewertung: 1. Glaubwürdigkeit 2. Relevanz 3. Anpassungsfähigkeit Detailbewertung: 1. Erfüllung der Projektziele 2. Attraktivität für den Markt 3. Kosten der Umsetzung
Abbildung 9: Bewertung der Analogien
4
Explorative empirische Untersuchung
4.1
Zielsetzung
In der Literatur zum Innovationsmanagement gibt es bisher nur wenige Beiträge, die sich mit der Anwendung innovativer Analogien in realen Produktentwicklungsprojekten beschäftigen. Mit Hilfe einer explorativen Studie sollen daher grundlegende Zusammenhänge über die Verwendung von Analogien in Produktentwicklungsprojekten herausgearbeitet werden. Im Mittelpunkt der Studie steht die Analyse von Beispielprojekten, in denen Innovationen mit Hilfe von Analogien erzeugt werden. Über eine Typologisierung der Beispiele sollen Rückschlüsse auf Einflussfaktoren und Effekte der Analogieanwendung in Produktentwicklungsprojekten gezogen werden. Dabei steht zum einen die Frage im Mittelpunkt, welche Vorteile Unternehmen aus der Verwendung innovativer Analogien erlangen können. Zum anderen soll untersucht werden, über welche Mechanismen die verwendeten Analogien gefunden werden, bzw. welche Faktoren das Auffinden von brauchbaren innovativen Analogien fördern. Die Ergebnisse dieser explorativen Studie sollen Unternehmen erste Anhaltspunkte geben, wie Sie Analogien effektiver in ihrem Entwicklungsprozess einsetzen können. Außerdem kann erwartet werden, dass die Ergebnisse ein Grundgerüst für die Bildung von Hypothesen über Einflussfaktoren und Effekte der Anwendung innovativer Analogien in der Produktentwicklung liefern, die dann in einer quantitativen Untersuchung näher untersucht werden können.
4.2
Forschungsvorgehen
Die Stichprobe von Projekten wurde in einer Grundgesamtheit ausgewählt, in der man hohe Expertise bzgl. der Verwendung von Analogien erwarten kann: unabhängige Produktdesign- und Ingenieurunternehmen, die für Klienten aus mehreren verschiedenen Industrien arbeiten. Nach Hargadon sind solche Unternehmen in einer besonders privilegierten Position für die Anwendung von Analogien.229 Designer und Ingenieure, die häufig Projekte für Klienten in verschiedenen Industrien durchführen, bekommen einen Einblick in eine große Vielzahl von Wissensgebieten und sind daher sehr gut vorbereitet, um lösungsrelevante Informationen von einem konzeptionellen Gebiet in ein anderes zu übertragen. Außerdem sind sie Experten in der Design- und Produktentwicklung, da ihre Klienten die Lieferung hoch kreativer Lösungen oft innerhalb eines 229
Vgl. Hargadon (2002, 2003) sowie die Ausführungen im Abschnitt 3.2.2.3 über Knowledge Broker.
70
Explorative empirische Untersuchung
recht knappen Zeitfensters und mit nur begrenzter Finanzierung erwarten. Aus diesen Gründen wurden Unternehmen befragt, die Ingenieur- und Produktdesigndienstleistungen Klienten in verschiedenen Industrien anbieten. Die Stichprobe wurde beschränkt auf Unternehmen mit einem Minimum von vier Mitarbeitern, um sicher zu gehen, dass die Projekte von Teams und nicht von einzelnen Designern oder Ingenieuren bearbeitet wurden. Die Webseiten des deutschen Verbandes der Industriedesigner (www.vdid.de) stellt eine Datenbank mit Adressen und kurzen Unternehmensbeschreibungen zur Verfügung. Für zusätzliche Informationen wurden spezielle deutsche Designforen im Internet konsultiert.230 Die identifizierten Unternehmen wurden mittels Informationen von ihren eigenen Webseiten kurz bewertet, um sicher zu gehen, dass sie die Forschungskriterien erfüllen. Ingenieurunternehmen, die Dienstleistungen in der Produktentwicklung anbieten, wurden mittels eines ähnlichen Ansatzes gesucht. Insgesamt wurden 25 Unternehmen kontaktiert. Von diesen haben schließlich 13 einem Interview zugestimmt. Die Interviews wurden zwischen Januar und März 2005 durchgeführt. Um die ursprüngliche Stichprobe zu vergrößern, wurden zusätzlich skandinavische Industriedesigner im Dezember 2006 interviewt. Diese wurden von einem finnischen Designexperten ausgewählt, der einen guten Überblick über Designund Ingenieurberatungen in Finnland und Schweden besitzt. Der Experte wählte 8 Unternehmen aus, von denen fünf einem Interview zustimmten. Die Gesamtstichprobe umfasst damit 18 Design- und Ingenieurberatungsunternehmen, die Dienstleistungen in der Produktentwicklung Klienten aus verschiedenen Industrien anbieten. Das Größenspektrum reicht von großen internationalen Unternehmen wie IDEO bis zu kleinen Unternehmen mit 4-8 Mitarbeitern. Informationen über die Anwendung von Analogien bei Innovationsprojekten wurden mittels halbstrukturierter Tiefeninterviews gesammelt, die zum Großteil über Telefon abgehalten wurden. Die Gesprächspartner waren Designer und Ingenieure, die schon Erfahrung in der Leitung von Produktentwicklungsprojekten gesammelt hatten. Eine der interviewten Personen hatte eine Ausbildung in Informatik. Die Interviews begannen mit Fragen über das Unternehmen (z.B. angebotene Dienstleistungen, Industrien der Klienten) und den Gesprächspartner (z.B. Ausbildungshintergrund). Danach wurden die Entwickler gebeten, ihre generellen 230
Vgl. www.rankingdesign.com und www.red-dot.de.
Allgemeine Ergebnisse
71
Erfahrungen mit der Anwendung von Analogien in Produktentwicklungsprojekten zu beschreiben. (z.B. die Häufigkeit der Analogieverwendung). Um ein gemeinsames Verständnis über den Begriff Analogie zu erlangen, wurde die folgende Definition verwendet: Man spricht von einer Analogie zwischen zwei Objekten, wenn diese bezüglich bestimmter Aspekte Ähnlichkeiten– z.B. ähnliches Aussehen, ähnliche Funktionen oder ähnliche Strukturen – aufweisen, sich aber gleichzeitig in anderen Punkten unterscheiden. Bei der Produktentwicklung kann es über Analogien zu Erfahrungen aus vorangehenden Projekten oder Kenntnissen aus anderen Bereichen zu einem Transfer von Ideen, Funktionsprinzipien, Technologien oder ähnlichem kommen. Die Rekombination von Wissen aus vorher nicht in Verbindung stehenden Gebieten kann zu sehr innovativen Lösungen führen. Der Hauptteil der Interviews fokussierte dann auf jeweils ein Projekt, in dem Analogien eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung der neuen Produktlösung spielten. Die befragten Personen wurden gebeten, ein entsprechendes Projekt auszuwählen, in dem sie als Projektleiter involviert waren und an das sie sich gut erinnerten. Zunächst wurden die Analogien, die in dem jeweiligen Projekt angewendet wurden, von den Entwicklern beschrieben. Anschließend wurden detaillierte Fragen über Mittel und Wege gestellt, die das Team für den Zugriff auf die Analogien verwendete. Schließlich wurden die befragten Personen gebeten, die Effekte, die mit der Anwendung von Analogien in dem Projekt verknüpft waren, zu beschreiben und zu bewerten.
4.3
Allgemeine Ergebnisse
Insgesamt deuten die qualitativen Ergebnisse darauf hin, dass die Verwendung von Analogien ein weit verbreiteter Prozess in Design- und Ingenieurfirmen ist. Von den 18 interviewten Personen, haben 12 berichtet, dass sie innovative Analogien sehr oft bzw. regelmäßig verwenden. Daher hatten die Befragten auch keine Schwierigkeiten, verschiedene reale Beispiele von Analogie basiertem Wissenstransfer aus ihrem Unternehmen zu berichten. Die Designer und Ingenieure haben häufig angegeben, dass der Wissenstransfer von anderen Gebieten ganz wesentlich für ihre Arbeit in den meisten Entwicklungsprojekten ist. Zwei von drei Befragten, die für Ingenieurfirmen arbeiten, haben sogar angegeben, dass Unternehmen, die Dienstleistungen in der Produktentwicklung anbieten, überhaupt nur wettbewerbsfähig sind, wenn sie Analogien anwenden. Drei von 18 interviewten Personen konnten nicht die generelle Bedeutung von Analogien für das Projektportfolio ihrer Unternehmen erkennen und
72
Explorative empirische Untersuchung
nur ein Produktdesigner sagte, dass er Analogien eher selten verwendet. Diese Person argumentierte, dass nach seiner Erfahrung, die meisten technischen Spezifikationen schon determiniert sind, bevor externe Produktdesigner überhaupt in den Entwicklungsprozess involviert werden. In dieser Situation sei die Wahrscheinlichkeit, eine brauchbare Lösung in anderen Gebieten zu finden, die alle vorher festgelegten Spezifikationen erfüllt, eher gering. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Analogien ein zentrales Element kreativer Arbeit bei den meisten Design- und Ingenieurunternehmen, die in unterschiedlichen Branchen Produktentwicklungsprojekte durchführen, darstellen. Für Ingenieurunternehmen ist der Transfer von bestehendem Wissen auf ein neues Problem sogar ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Hargadon und Sutton (1997) hatten bereits mittels einer bei IDEO durchgeführten Ethnographie gezeigt, dass der Transfer technologischer Lösungen zwischen Industrien in gut überlegter und systematischer Form in herausragenden und großen Produktdesignunternehmen betrieben wird. Der generelle Befund der in dieser Arbeit präsentierten Studie unterstreicht die Bedeutung von Analogien als ein allgegenwärtiges Phänomen der Produktentwicklung – unabhängig davon, ob die Verwendung von Analogien absichtlich im Unternehmen gefördert wird oder nicht. Ein Überblick über die in den Interviews beschriebenen Projekte wird in Tabelle 2 und Tabelle 3 gegeben. Dort werden das Zielobjekt der Produktentwicklung sowie Zielbereich, Quellbereich und Inhalt des Analogietransfers aufgeführt.
Allgemeine Ergebnisse
Nr.
Tätigkeitsbereich des Unternehmens
73
Zielobjekt
Zielbereich
Quellbereich
Industriedesign
Mischpult
Audiotechnik
Autos
(D, < 10)
Transferiert wurden Gestaltungsprinzipien für die Anforderung an einen Anwendungsplatz, der den Überblick über eine Vielzahl von Knöpfen und Schaltern erfordert
Industriedesign
Lenkrasenmäher
(Land, Mitarbeiter) 1
2
(D, < 10)
Werkzeuge für Heim- und Garten
Autos
Transferiert wurde der Steuerungsmechanismus eines Autos Steuerrad und technische Umsetzung 3
Industriedesign
Mini-Akkuschrauber
(D, < 10)
Werkzeuge für Heim- und Garten
Werkezeuge aus der Steinzeit
Transferier wurden die Form und die Handhabung eines Faustkeils aus der Steinzeit das Werkzeug sollte klein sein und mit der Hand zu einer Einheit verschmelzen 4
5
Industriedesign
Gabelstapler
(D, ~ 30)
Transferiert wurde die schützende Form eines Eies zur Gestaltung der Fahrerkabine des Gabelstaplers
Technische Entwicklung
Geräteelektronik
(D, ~ 180) 6
Industriedesign (D, < 10)
Fahrzeuge
Medizintechnik
Natur
Lichttechnik
Transferiert wurde von Leuchtstoffröhren die Technik hohe Spannungen in einem Gerät geringer Größe zu erzeugen Cockpit eines großen Passagierflugzeugs
Flugzeuge
Autos
Transferiert wurden ergonomische Prinzipien der Sitzgestaltung 7
Industriedesign und technische Entwicklung (D, ~ 400)
8
9
„Common Wealth Games” Staffelstab
Sport
Audiotechnik
Transferiert wurden von der Antenne eines digitalen Radios 1.) die Form: ein Stab mit einer Schwellung in der Mitte 2.) die Funktionalität einer Anzeige mit Leuchtsignalen (Feldstärke der Radiofrequenz Herzschlag des Staffelläufers)
Technische Entwicklung
Mobilfunkanwendung für Tunnel
(D, ~ 30)
Transferiert wurde der Prozessor der Steuerungseinheit eines Mobilfunkmasten
Industriedesign und Technische Entwicklung
Kinderwagen
(D, ~ 45)
Mobilfunk
Kinderausstattung
Mobilfunk
(1.) Sport, (2.) Autos
Transferiert wurden (1.) Scheibenbremsen von Mountainbikes sowie (2.) Einzelradaufhängung und –federung von Autos
Tabelle 2: Übersichtsdarstellung der Interviews (Teil 1)
74
Explorative empirische Untersuchung
Nr.
Tätigkeitsbereich des Unternehmens
Zielobjekt
Zielbereich
Quellbereich
Gerät zur Reinigung zahnärztlicher Handstücke
Medizintechnik
(1.) Industrielle Reinigungstechnik
(Land, Mitarbeiter) 10
Industriedesign und Technische Entwicklung (D, ~ 45)
11
12
13
Transferiert wurde (1.) das Konzept eines pulsierenden Wasser/ LuftStrahls zur Reinigung sowie (2.) der Schließmechanismus hochwertiger Autotüren ( angelehnte Tür wird über Elektromotor vollständig geschlossen)
Industriedesign
Flaschenöffner
(D, ~ 10)
Transferiert wurde das Material und die Bewegung eines Metallabfallproduktes einer Schiffswerft
Industriedesign und technische Entwicklung
Bürostuhl
(D, ~ 60)
Transferiert wurden für die Gestaltung der Rückenlehne Ideen und Techniken zur Abstützung des menschlichen Körpers
Technische Entwicklung
Zugbildungsanalge
(D, ~ 200) 14
(2.) Autos
Industriedesign (SV, < 10)
Haushaltsbedarf
Möbel
Schiffswerft
(1.) Sport (2.) Medizintechnik
Schienenverkehr
----------------------
Transferiert wurde eine Lösung für konsistente Zeitmessung in verteilten Systemen Mobile-Commerce Anwendung
Mobilfunk
Natur
Transferiert wurde die Form eines Geckos sowie dessen Eigenschaft „haftende Füße“ auf ein elektronisches Gerät, welches hinter Werbepostern angebracht werden soll 15
Industriedesign (FI, < 10)
Regale und Schränke im Wohnbereich
Möbel
Möbel
Transferiert wurde aus der Verkaufsraumgestaltung die Technologie, Einrichtungsgegenstände an eine Leistenwand aus Aluminium zu hängen 16
Industriedesign
Boardcomputer
Autos
(FI, < 10)
Fernseh- und Audiotechnik
Transferiert wurden das Konzept und technische Details einer Fernbedienung (vorher waren Bildschirm und Tastatur zusammen) 17
18
Industriedesign
Pumpe
(FI, < 10)
Transferiert wurde Plastik als Material für das Gehäuse
Industriedesign
Röntgentisch
(FI, < 10)
Transferiert wurde der Zugmechanismus einer kleinen Fähre, die sich entlang eines Seils über eine Fluss zieht
Tabelle 3: Übersichtsdarstellung der Interviews (Teil 2)
Werkzeuge
Medizintechnik
----------------------
Schifffahrt
Typologisierung der Beispiele
75
Zwei der Projekte (13 und 17) mussten von der Auswertung der Ergebnisse ausgeschlossen werden, da die Beschreibung des Wissenstransfers nicht unter die in dieser Arbeit verwendete Definition von Analogien fällt.231 Stattdessen handelt es sich in den beiden Fällen um Beispiele Schema basierten Problemlösens. Die befragten Personen haben die Anwendung genereller Lösungskonzepte beschrieben, die als wiederkehrende Erfahrung unterschiedlicher Projekte entstanden sind. In Projekt 13 musste das Designunternehmen z.B. ein System für eine Zugbildungsanlage entwerfen. In so einer Anlage werden die einfahrenden Züge auseinander genommen und wieder neu zusammengesetzt. Die eintreffenden Waggons werden einzeln über einen Berg gerollt und treffen dann auf einen Fächer von Weichen, wobei jedes Gleis für einen neu zusammenzustellenden Zug steht. Eine wesentliche Herausforderung des Projektes war die Synchronisierung der dezentralen Computer an den Weichen. Die ITExperten des Entwicklungsteams hatten vorher in verschiedenen Projekten gearbeitet, bei denen verteilte Systeme auftraten und haben in der Zugbildungsanlage eine ServerStruktur sowie Synchronisationsalgorithmen übernommen, die sie vorher schon in anderen Projekten erfolgreich implementiert hatten. Obwohl die Experten ursprünglich das Lösungsprinzip in einem einzelnen Projekt erarbeitet hatten, war es mittlerweile zu einem allgemeinen Lösungsschema für die konsistente Zeitmessung in verteilten Systemen geworden.
4.4
Typologisierung der Beispiele
4.4.1 Herleitung der Typologie Eine zentrale Dimension zur Unterscheidung verschiedener Typen von Analogien ist die Transferdistanz. Die im Abschnitt 2.2.2 gegebene definitorische Unterscheidung zwischen nahen und fernen Analogien ist jedoch für eine Operationalisierung im Rahmen einer empirischen Untersuchung nicht ausreichend. Um klar zwischen nahen und fernen Analogien unterscheiden zu können, ist es erforderlich, die Grenzen zwischen den verschiedenen Bereichen zu definieren. Sonst kann das Konzept der nahen und fernen Analogien nur tendenzielle Aussagen bereitstellen. Dahl und Moreau haben in einer experimentellen Studie eine einfache dichotome Kategorisierung von Analogiedistanz verwendet. Eine Analogie wurde konzeptionell als nah angesehen, wenn das transferierte Wissen aus dem Zielbereich – in diesem 231
Vgl. Abschnitt 2.3.1.
76
Explorative empirische Untersuchung
Fall: aus dem Bereich Automobil-Accessoires/Befestigung stammt (z.B. ein Becherhalter). Jede Abbildung und Übertragung aus einem Nicht-Fahrzeug Bereich (z.B. Zahnarztlampe oder Hängemappe) wurde als ferne Analogie betrachtet.232 In einem ähnlichen Experiment haben Bonnardel und Marmèche professionelle und unerfahrene Designer einen neuen Stuhl für ein Café entwerfen lassen. In ihrer Studie wird eine Wissensdomäne durch eine Produktkategorie repräsentiert. Wissen über ein Produkt derselben Kategorie (z.B. Schaukelstuhl) wird als nah oder „intradomain“ bezeichnet und Wissen von nicht verwandten Kategorien (z.B. Klettern) als fern oder „interdomain“.233 In beiden Studien wird eine Analogie als nah bezeichnet, wenn Wissen aus dem vorher genau definierten Zielbereich des Problems verwendet wurde. Entsprechend wurden alle Wissensübertragungen aus Bereichen, die nicht mit dem Zielbereich übereinstimmen, als fern bezeichnet. Die Unterscheidung zwischen nahen und fernen Analogien konnte in den soeben zitierten Untersuchungen relativ einfach erfolgen, da es in beiden Fällen einen einheitlichen Zielbereich der Problemlösung gab, der vorher genau spezifiziert werden konnte. Schwieriger ist eine klare Unterscheidung zwischen nahen und fernen Analogien, wenn sowohl die Quellbereiche als auch die Zielbereiche zwischen den zu vergleichenden Fällen variieren. Einen Ansatz für eine genauere Unterscheidung zwischen nahen und fernen Analogien liefert Dunbar, der untersucht hat, wie Wissenschaftler der Molekularbiologie Analogien verwenden, indem er ihre Labordiskussionen verfolgte und auswertete. Gemäß Dunbar’s Perspektive setzt sich ein Gebiet aus Wissen über einen bestimmten Organismus zusammen. So enthält z.B. ein Gebiet Wissen über den HI-Virus und ein anderes Gebiet enthält Wissen über den Ebola Virus. Basierend auf dieser Unterscheidung kodierte er Analogien als „innerhalb eines Organismus“, „von einem anderen Organismus“ oder „nicht biologisch“.234 Auf diese Weise ermöglicht er es, Analogien mit verschiedenen Zielbereichen innerhalb der Molekularbiologie bezüglich ihrer Distanz zu unterscheiden. Außerdem erweitert er die dichotome Unterteilung in nah und fern um eine Stufe. Gemäß dieser Einteilung können drei verschiedene Abstufungen von Analogiedistanz unterschieden werden. Die vorliegende Arbeit untersucht innovative Analogien, die im Rahmen der Produktentwicklung verwendet werden. Um in einer empirischen Untersuchung zu den 232 233 234
Vgl. Dahl und Moreau (2002) S. 55 f. Vgl. Nathalie Bonnardel und Marmèche (2004) S. 178-180. Vgl. Dunbar (1997) S. 470 f.
Typologisierung der Beispiele
77
Einflussfaktoren und Effekten der Verwendung innovativer Analogien Gebrauch von der Analogiedistanz machen zu können, muss diese für den Kontext der Produktentwicklung operationalisiert werden. Entsprechend der soeben vorgestellten Konzepte wird auch in dieser Arbeit eine ordinale Skala für die Messung der Distanz zwischen Quell- und Zielbereich der Analogie verwendet. Ein zusammenhängendes Wissensgebiet wird als das Wissen definiert, welches für Entwicklung und Herstellung von Produkten einer bestimmten Produktkategorie charakteristisch ist. Gemäß Ratneshwar und Shocker formen alle Produkte, die bzgl. ihres Nutzens demselben Kontext angehören, eine Produktkategorie.235 Dabei werden breite Produktkategorien definiert (z.B. Sportausrüstung, Mobilkommunikation, medizintechnische Ausrüstung, Möbel) im Gegensatz zu schmalen Sub-Kategorien (z.B. Sportschuhe, Antennenmasten, chirurgische Instrumente, Betten), da sonst die Abbildung und der Transfer innerhalb einer Produktkategorie nur schwer als Analogie bezeichnet werden kann. Da jedoch eine generelle Definition von Produktkategorien nicht existiert, kann ein bestimmter Grad der Unschärfe nicht überwunden werden. Industrieklassifikationen wie z.B. ISIC, SIC oder NACE236 stellen einen guten Ansatzpunkt zur Einteilung von Produktkategorien dar, sind aber nicht konsistent genug bzgl. der Breite der Industrieklassen. Ähnlich wie bei Dunbar237 werden Analogien in dieser Arbeit bezüglich ihrer Distanz in drei Kategorien unterteilt. Wenn man beachtet, dass das Ziel des Analogietransfers immer eine neue Produktlösung ist, so kann die Analogie (1.) aus derselben Produktkategorie, (2.) aus einer anderen Produktkategorie oder (3.) aus einem produktfremden Bereich (z.B. der Natur) stammen. Analogien innerhalb einer Produktkategorie werden als nahe Produktanalogien bezeichnet. So stellt z.B. der Transfer eines bestimmten Gleitbelags von Skiern zu einem Snowboard eine nahe Produktanalogie dar, da sowohl Ski als auch Snowboards der Kategorie Sportbedarf angehören. In einer fernen Produktanalogie stammen Quell- und Zielobjekt von verschiedenen Produktkategorien. Der Transfer von Material und Form von Infusionsbeuteln in die
235 236
237
Vgl. Ratneshwar und Shocker (1991) S. 282 f.; Ratneshwar et al. (1996) S. 241. Die International Standard Industrial Classification (ISIC) wurde von den Vereinten Nationen entwickelt. Auf dieser Klassifikation baut die statistische Systematik zur Einteilung von Industriesektoren in der Europäischen Union (NACE) auf. Ein alternativer Ansatz, der in Nordamerika verwendet wird, ist die Standard Industrial Classification (SIC). Vgl. Dunbar (1997) S. 470 f.
78
Explorative empirische Untersuchung
Polsterung eines Sportschuhes238 basiert somit auf einer fernen Produktanalogie. In die Gruppe der fernen Produktanalogien fallen auch die im Abschnitt 2.3.2.1 dargestellten industrieübergreifenden Analogien. Bei einer Nicht-Produkt Analogie stammt das Quellobjekt aus einem produktfremden Bereich wie z.B. der Natur. Ein Beispiel für diesen Analogietyp ist der Transfer struktureller Merkmale der Haihaut für die Entwicklung eines neuen Schwimmanzuges.239 Auf bionische Analogien wurde bereits in Abschnitt 2.3.2.2 eingegangen. Die drei verschiedenen Typen von Analogiedistanz, die in dieser Untersuchung verwendet werden, sind in Abbildung 10 dargestellt. Die konzeptionelle Distanz zwischen Quell- und Zielbereich ist am größten für Nicht-Produktanalogien und am geringsten für nahe Produktanalogien.
(1) Nahe Produktanalogie: Quellobjekt und Zielobjekt der Analogie gehören der selben Produktkategorie an. (2) Ferne Produktanalogie: Quellobjekt und Zielobjekt der Analogie gehören verschiedenen Produktkategorien an. (3) Nicht-Produkt Analogie: Das Quellobjekt der Analogie stammt aus einem produktfremden Bereich.
Ski
Snowboard Gleitbelag
Sport
Sport
Infusionsbeutel
Basketballschuh
Medizintechnik
Material und Form
Haifisch Natur
Strukturelle Eigenschaften der Haut
Sport
Schwimmanzug Sport
Abbildung 10: Verschiedene Typen von Analogiedistanz
Um zu noch präziseren Aussagen über die Anwendung innovativer Analogien zu gelangen, wird für die Typologisierung der Beispiele eine zweite Dimension hinzugefügt: der Transferinhalt. Die Art von Wissen, welches tatsächlich transferiert wird, hat in der Forschung bisher nur wenig Beachtung erlangt. Eine Ausnahme bildet hier
238
239
Vgl. Hargadon (2003) S. 46-48. Die Entwicklung des Reebok Pump Sportschuhs wurde bereits in Abschnitt 3.2.2.3 beschrieben. Vgl. Herstatt und Kalogerakis (2005a) S. 27 f. Die Entwicklung des Schmwimmanzuges Fastskin von Speedo wurde bereits in Abschnitt 2.3.2 beschrieben.
Typologisierung der Beispiele
79
die Literatur zur Bionik, die deutlich den Umgang mit innovativen Analogien beschreibt. Hill240 unterscheidet beispielsweise vier Ebenen des Transfers, die sich bzgl. der Menge an Eigenschaften unterscheiden, welche das biologische Objekt (= Ziel der Analogie) und das technische Objekt (=Quelle der Analogie) gemeinsam haben. Ein Transfer kann (1) ein biologisches System als Ganzes oder in Teilen, (2) eine biologische Struktur oder (3) ein biologisches Prinzip beinhalten. Auf einer vierten Ebene kann ein biologisches System auch lediglich eine Inspiration für eine technische Lösung liefern. Eine andere einfachere Kategorisierung des Transferinhaltes wird von Braun genutzt. Er analysiert, ob natürliche Verkleidungen und Abdeckungen in der Architektur verwendet werden können. In diesem Kontext unterscheidet er zwischen dem Transfer von (1) Materialien, (2) Strukturen und (3) Funktionen.241 In dieser Arbeit wird die grundlegende Unterteilung zwischen Strukturen und Funktionen, die sowohl im Ansatz von Hill als auch im Ansatz von Braun zu erkennen ist, aufgegriffen und angepasst.242 Die Kategorie „Funktionen“ wird so definiert, dass sie den Transfer technologischer Lösungen und Funktionsprinzipien beinhaltet. Hierunter kann auch ein Transfer von Materialien fallen, wenn damit der Transfer funktioneller Eigenschaften einhergeht. Als zweite Kategorie des Transferinhalts wird „Struktur“ als der Transfer von Formen und Design-Anordnungen definiert. Diese beiden Kategorien des Transferinhaltes scheinen angemessen zu sein, um innovative Analogien aus Produktentwicklungsprojekten einzuteilen. Die Klassifikation der in den Interviews beschriebenen Analogiebeispiele wird in Abbildung 11 dargestellt. Im Folgenden werden die innovativen Analogien für jede der drei Kategorien analoger Distanz beschrieben.
240 241 242
Vgl. Hill (1999) S. 80 f. Vgl. Dirk Henning Braun (2004) S. 4-9. In der Physik wird auch zwischen strukturellen und funktionalen Analogien unterschieden. Vgl. Brockhaus (1996) S.547.
80
Explorative empirische Untersuchung
Transferdistanz
Transferinhalt
Selbe Produktkategorie
Technologische Lösung oder Funktionsprinzip
Andere Produktkategorie
5 8 15
16
18
NichtProduktbereich
10
9
2
12
Formen oder DesignAnordnungen
1 6
7
11
14
3
4
Transferdistanz nimmt zu
Abbildung 11: Analogietransfertypen
4.4.2 Analogien derselben Produktkategorie Zwei Beispiele (8 und 15) wurden von den Interviewpartnern beschrieben, in denen die Abbildung und der Wissenstransfer innerhalb derselben Produktkategorie stattfanden. Die Analogien dieser Kategorie können als nah eingestuft werden. In beiden Fällen war der Inhalt des Transfers eine technische Lösung. Im ersten Fall wurde ein Mikroprozessor und im zweiten Fall eine modulare Produktarchitektur übertragen. Innerhalb dieser Kategorie der Transferdistanz findet sich kein Beispiel für den Transfer von Formen oder Designanordnungen. Im Fall Nr. 8 mussten die Ingenieure eines Innovationsdienstleisters eine Mobiltelefonanwendung für Tunnel entwickeln. Einer der Ingenieure des Teams erinnerte sich an eine Lösung, die er in einem früheren Projekt entwickelt hatte. Das Team entschied sich, einen Prozessor wieder zu verwenden, der ursprünglich für die Steuerungseinheit eines in Sendemasten enthaltenen Verstärkers entwickelt wurde. Beide Projekte (Quelle und Ziel der Analogie) wurden für denselben Klienten ausgeführt und fallen innerhalb den Bereich des Mobilfunks.
Typologisierung der Beispiele
81
Beispiel 15 illustriert den Analogietransfer innerhalb der Produktkategorie Möbel. Die technische Lösung, Einrichtungsgegenstände an eine Leistenwand243 aus Aluminium zu hängen, wurde aus der Verkaufsraumgestaltung in die Wohnraumgestaltung übertragen. In Verkaufsräumen werden solche Leistenwände genutzt, um leicht die Verkaufsregale neu zu arrangieren. Durch die Übertragung des Konzeptes in die Wohnraumgestaltung ergibt sich hier eine neue Flexibilität bei der Anordnung von Regalen und Hängeschränken. Wie in Beispiel Nr. 8 hat der Technologietransfer von einem Produkt zu einem anderen Produkt desselben Klienten stattgefunden.
4.4.3 Analogien einer anderen Produktkategorie In sieben Fällen (2, 5, 9, 10, 12, 16 und 18) wurden technologische Lösungen oder Funktionsprinzipien aus einem anderen Produktbereich übertragen. Zum Beispiel wurden in einem Projekt, in dem ein Gerät zur Reinigung zahnärztlicher Handstücke (Schleifer, Bohrer, usw.) inklusive Sterilisation entwickelt werden sollte, zwei Analogien genutzt. Bei der Entwicklung einer Lösung für den Reinigungsmechanismus hat ein beteiligter Designer eine Analogie zu Hochdruckreinigungsgeräten gezogen, wie sie z.B. zur Gebäudereinigung eingesetzt werden. Der Designer hatte Erfahrung auf dem Gebiet durch ein früheres Entwicklungsprojekt. Das Funktionsprinzip eines pulsierenden Wasser-/ Luftstrahls wurde auf das neue Reinigungsgerät für zahnärztliche Handstücke übertragen. Eine zweite Analogie bildete die Basis für die Gestaltung der Tür des Reinigungsgerätes. In Analogie zu hochwertigen Autos wurde ein Schließmechanismus entwickelt, der die Tür über einen Motor fest schließt, wenn diese von Hand nicht korrekt geschlossen wurde bzw. nur angelehnt ist. Die Analogien 1, 6 und 7 stellen Beispiele des Transfers von Formen und DesignAnordnungen dar, die schon aus anderen Produktkategorien bekannt waren. Zum Beispiel bei der Entwicklung eines Staffelholzes für die „Common Wealth Games“ (Fall Nr. 7) haben die Designer auf Wissen eines früheren Projektes zugegriffen. Das Team hat die Form einer digitalen Antenne auf das Design des Staffelholzes abgebildet und übertragen. Die Antenne hatte die Form eines Stabes mit einer Schwellung in der Mitte auf der eine Anzeige montiert war, die über Lichtsignale die Stärke und Aktivität der empfangenen Radiosignale visualisierte. In Analogie zur Antenne wurde das Staffelholz als dünner Stab mit einer Verdickung in der Mitte gestaltet. Hier war 243
Im Englischen bekannt unter „slat wall“.
82
Explorative empirische Untersuchung
ebenso wie bei der Antenne eine Anzeige montiert. Die Anzeige hat allerdings keine Radiosignale abgebildet, sondern die Herzfrequenz der Person, die das Staffelholz gerade in der Hand hält.
4.4.4 Analogien aus Nicht-Produktbereichen Der Transfer von Objekten, die keine gegenwärtigen Produkte sind, wurde in vier Fällen berichtet (3, 4, 11 und 14). In allen vier Fällen beinhaltete der Transfer Formen und Design-Anordnungen. Die Stichprobe enthält keine Fälle, in denen eine technologische Lösung oder ein Funktionsprinzip von einem anderen Wissensgebiet als gegenwärtige Produkte transferiert wurde. Im Beispiel 4 war das Ziel des Projektes, eine Designstudie für einen Gabelstapler anzufertigen. Die Designstudie musste nicht in einem marktfähigen Produkt resultieren, sondern zielte darauf ab, ein neues Designkonzept für zukünftige Produktlinien zu liefern. Die Designer stellten sich am Anfang die Frage, was wirklich wichtig für den Fahrer des Gabelstaplers ist. Indem sie sich vorstellten, selbst in der Position des Fahrers zu sein, identifizierten die Designer das grundlegende Bedürfnis komfortabel und gut geschützt zu sitzen bei gleichzeitig bester Rundumsicht. Daraufhin wurde eine Analogie zum Ei als schützender Urform gezogen. Daher wurde die Fahrerkabine in der Form eines Eies mit gebogenen Scheiben entwickelt. Das Ziel des Projektes 14 war die Entwicklung eines M-Commerce Gerätes, welches sich an der Wand hinter Reklametafeln anbringen lässt. Dieses Gerät hat die Funktion, mit dem Mobiltelefon einer Person zu kommunizieren, die vor dem Plakat steht – z.B. um die Testfahrt mit einem neuen Auto anzubieten oder den Beitritt zu einer WerbeMailingliste anzupreisen. Als die Frage aufkam, wie das Gerät an der Wand befestigt werden sollte, wurde eine Analogie zu einem Gecko gezogen. Die grundlegende Form sowie die Design-Anordnung „haftender Füße“ wurden vom Gecko transferiert. Das Gerät erhielt weiche Gummifüße, um es an der Wand zu befestigen. Dies stellt keinen Transfer von Funktionsprinzipien dar, weil die Designer ihren Transfer nicht auf der physikalischen Funktionalität von Gecko Füßen basierten. Geckos können senkrecht an den Wänden hoch laufen, da sie Millionen kleinster Keratinhaare besitzen. Die anziehende Kraft wird „van der Waals“ Kraft genannt. Die Designer in diesem Projekt haben sich dagegen auf leicht wahrnehmbare Merkmale eines Geckos bei ihrem Analogietransfer gestützt und nur die Form der Zehen übertragen.
Effekte von Analogien
83
4.4.5 Zusammenfassung Insgesamt spiegelt die Klassifikation eine ungleichmäßige Verteilung der Fälle über die drei Kategorien der Transferdistanz wider. Die meisten Fälle (10 von 16) liegen in der Kategorie Analogietransfer zwischen verschiedenen Produktkategorien. Nur zwei Beispiele wurden als Analogietransfer innerhalb derselben Produktkategorie eingeteilt und vier Beispiele fallen in die Kategorie der Nicht-Produktanalogien. Aufgrund des explorativen Charakters der Studie sind die Möglichkeiten, generelle Schlüsse aus den Ergebnissen abzuleiten, offensichtlich begrenzt. Außerdem kann nicht ausgeschlossen werden, dass die interviewten Personen eine Tendenz zur Wahl ferner Analogien folgten, obwohl die Definition von Analogien zu Beginn der Befragung explizit auch den Wissenstransfer innerhalb von Produktkategorien umfasste. Jedoch deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die meisten Analogietransfere über die Grenzen von Produktkategorien hinweg stattfinden. Diese Bevorzugung von Analogien anderer Produktbereiche kann ein grundlegendes Prinzip widerspiegeln, das die Verwendung von Analogien im Rahmen von Beratungsprojekten steuert. Analogien werden pragmatisch ausgewählt, abhängig von den Zielen der involvierten Personen.244 Es ist nahe liegend, eine mittlere Analogiedistanz mit der Möglichkeit zu assoziieren, den Weg für signifikant neue Lösungen zu bereiten und gleichzeitig einen effizienten Problemlösungsprozess zu verfolgen. Sehr nahe oder sehr ferne Analogien liefern dagegen tendenziell Ergebnisse, die nur vorteilhaft bezüglich einer der beiden Effekte sind. Ausgehend von dieser Diskussion stellt sich die Frage, wie Analogiedistanz den Prozess und das Ergebnis von Produktentwicklungsprozessen beeinflusst.
4.5
Effekte von Analogien
4.5.1 Neuartigkeit der Lösung Weite Analogien werden über eine größere konzeptuelle Distanz zwischen ihrem Quell- und Zielbereich definiert als nahe Analogien. In einer experimentellen Studie mit Ingenieurstudenten haben Dahl und Moreau demonstriert, dass sowohl die Originalität des Designs als auch sein wahrgenommener Kundennutzen über die Anzahl von fernen Analogien, die im Designprozess verwendet wurden, erklärt werden 244
Vgl. Holyoak und Thagard (1997) S. 39; Holyoak und Thagard (1989a) S 296 u. 302f.; Mumford und Porter (1999) S.73.
84
Explorative empirische Untersuchung
können.245 Im Einklang mit ihren Ergebnissen kann man erwarten, dass neue Konzepte, die auf fernen Analogien beruhen, einen höheren Grad an Neuigkeit erreichen als jene, die nahe Analogien verwenden. Um diesen Zusammenhang zu verifizieren, wurden die Interviewteilnehmer gebeten, die Neuartigkeit der entwickelten Lösungen zu bewerten, die aus den berichteten Analogien entstanden sind. Gemäß dem explorativen Charakter dieser Studie wird eine dichotome Kategorisierung von Neuartigkeit verwendet. Es wird zwischen radikalen und inkrementalen Innovationen unterschieden. Die Befragten haben die Neuartigkeit der Lösungen von zwei Perspektiven bewertet: aus der Sicht ihres Klienten (Mikroebene) und aus der Sicht des Marktes (Makroebene).246 Die entwickelte Lösung konnte neu für den Klienten und / oder neu für den Zielmarkt sein. Abbildung 12 zeigt die Bewertungen der Interviewteilnehmer. Transferdistanz Selbe Produktkategorie
Transferinhalt
Technologische Lösung oder Funktionsprinzip
Andere Produktkategorie
5 8 16
15
18
NichtProduktbereich
10
9
2
12
Formen oder DesignAnordnungen
=
radikal neu für den Klienten und den Markt
1 6
=
radikal neu für den Klienten, aber nicht für den Markt
7
=
11
14
3
4
inkremental neu für den Klienten und den Markt
Abbildung 12: Neuartigkeit der Lösung
Die Abbildung zeigt, dass die zwei Fälle von Analogietransfer innerhalb derselben Produktkategorie zu inkrementalen Innovationen geführt haben. Die Lösungen sind 245 246
Vgl. Dahl und Moreau (2002) S. 57 f. Vgl. Garcia und Calantone (2002) S. 118 f.
Effekte von Analogien
85
weder sehr neu für den Klienten, noch stellen sie eine große Neuheit für den Zielmarkt dar. Ein Analogietransfer innerhalb derselben Produktkategorie läuft Gefahr, in neuen Konzepten zu münden, die sich kaum von alten Lösungen unterscheiden. Außerdem beinhalten solche Übertragungen die Gefahr, Geheimhaltungsvereinbarungen zu verletzen, insbesondere wenn der ehemalige Klient ein Wettbewerber des aktuellen Klienten ist. In ähnlicher Weise besteht bei nahen Analogien die Sorge, bestehende Patente zu verletzen. Daher ist es symptomatisch, dass in beiden Fällen von Produktkategorie internem Analogietransfer die bestehende Lösung (Quelle) und die neue Lösung (Ziel) für denselben Klienten entwickelt wurden. Die Mehrzahl der Analogietransfer Beispiele zwischen verschiedenen Produktkategorien (sechs von zehn) wurde als radikal neu auf Mikro- und Makroebene bewertet. Zwei der Lösungen waren radikal neu für den Klienten, aber nur inkremental neu für den Markt. Zwei andere Lösungskonzepte wurden als inkremental sowohl auf der Mikro- und der Makroebene gesehen. Gleichzeitig wurden neun von zehn Fällen dieser Distanzkategorie insoweit mit nützlich bewertet, als die Projektergebnisse von den Klienten direkt implementiert werden konnten. Insgesamt bestätigen diese Ergebnisse die Annahme, dass Analogien einer mittleren Distanz häufig zu sehr neuen und gleichzeitig praktikablen Lösungen führen. Dies kann auch erklären, warum die Mehrzahl der Beispiele, die in den Interviews beschrieben wurden, in die Kategorie der Produktkategorien übergreifenden Analogietransfere fällt. Wenn die Verteilung in der Stichprobe eine generelle Tendenz zum Transfer von Wissen zwischen verschiedenen Produktkategorien widerspiegelt, bestätigt dies auch die Auffassung, dass die Verwendung von Analogien durch pragmatische Überlegungen der Problemlöser gesteuert wird. Alle Beispiele von Nicht-Produktanalogien wurden als radikal neue Lösungen für die Klienten als auch für den Zielmarkt bewertet. Dies bestätigt wieder den vermuteten Zusammenhang zwischen Analogiedistanz und Neuartigkeit der Lösung. In zwei Beispielen (11 und 14) wurden ferne Analogien verwendet, um neue Lösungskonzepte innerhalb existierender Produktportfolios zu entwickeln. Die beiden anderen Projekte, in denen Nicht-Produktanalogien verwendet wurden, führten zu Designstudien, die den Weg zu komplett neuen Produktlinien ebneten. Allerdings waren die in diesen Projekten erarbeiteten Lösungen nicht direkt in marktfähige Produkte überführbar. Dies veranschaulicht wieder den zweischneidigen Charakter von fernen Analogien. Sie können zu sehr neuen, aber auch zu nicht direkt umsetzbaren Lösungen führen.
86
Explorative empirische Untersuchung
Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Verwendung von Analogien eine wichtige Rolle bei der Generierung neuer Lösungskonzepte spielt. In der Stichprobe von Design- und Ingenieurprojekten wurde die Mehrheit der Lösungen von der Mikround der Makroebene aus als radikal neu bewertet. Die Behauptung, dass eine größere Distanz zwischen Quell- und Zielgebiet zu einer höheren Neuartigkeit des resultierenden Designs führt, wurde für diese Auswahl an realen Produktentwicklungsprojekten bestätigt.
4.5.2 Prozesseffizienz Die wenig umfangreiche Literatur über Analogien im Kontext der Produktinnovation beschäftigt sich nur am Rande mit der Möglichkeit, über Analogien Entwicklungszeit zu verkürzen und Entwicklungskosten zu senken. Jedoch liegt ein Effizienzeffekt nahe, wenn man bedenkt, dass ein Analogietransfer im Kern die Verwendung bereits existierenden lösungsrelevanten Wissens beinhaltet. Der Transfer von bestehendem Wissen zwischen verschiedenen Wissensgebieten bedeutet häufig die Wiederverwendung lösungsrelevanten Wissens, welches ansonsten erst intern oder extern entwickelt werden müsste. Majchrzak et al. haben die Wiederverwendung von Wissen in Innovationsprojekten ergründet, indem sie sechs NASA-Projekte des Jet Propulsion Laboratory untersuchten. Sie haben in ihrer Untersuchung gezeigt, dass organisatorischer Druck bezüglich der Einhaltung von Kosten- und Zeitvorgaben NASA-Wissenschaftler dazu zwang, nach wieder verwendbarem Wissen in anderen Gebieten zu suchen. Je strenger die Vorgaben waren, Zeit und Geld zu sparen, bei gleichzeitiger Vorgabe bedeutender technischer Herausforderungen, desto eher tendierten die Teams dazu, Wissen aus früheren Projekten oder von anderen NASA-Laboren zu transferieren. 247 Ebenso haben in dieser Studie zwei befragte Personen explizit angegeben, dass der Transfer von Wissen aus anderen Projekten primär durch den Zwang ausgelöst wird, strikte Zeit- und Kostenbudgets der Klienten einzuhalten. Das Ausmaß, in dem Analogienutzung ein effizientes Problemlösen unterstützt, hängt davon ab, wie leicht das Wissen vom Quellgebiet angepasst werden kann, um die Anforderungen der aktuellen Problemstellung zu erfüllen. Lösungselemente, die von derselben Produktkategorie stammen (nahe Analogie) treffen häufig die Anforderun247
Vgl. Majchrzak et al. (2004) S. 178-187.
Effekte von Analogien
87
gen des Zielproblems ohne großen Aufwand. Die Anpassung lösungsrelevanten Wissens aus anderen Gebieten (ferne Analogie), erfordert dagegen oft aufwendige Entwicklungsarbeit. Man sollte daher erwarten, dass die Problemlösungseffizienz höher ausfällt, wenn die konzeptuelle Distanz zwischen Quellgebiet und Zielproblem abnimmt. Ein Problemlösungsprozess kann als effizient betrachtet werden, wenn er die vorher definierten Ziele mit gegebenen Ressourcen in der kürzest möglichen Zeit erreicht. Da Entwicklungskosten in Design-Beratungsprojekten hauptsächlich aus Arbeitskosten bestehen und da die Anzahl von Personen, die an einem Beratungsprojekt arbeiten häufig vorgegeben ist, sollte die Entwicklungszeit auch ein gültiger Indikator der Entwicklungskosten sein. Die Interviewteilnehmer wurden deshalb gefragt, ob der von ihnen beschriebene Analogietransfer mit einer Reduktion der Entwicklungszeit einherging. In beiden Beispielen naher Analogien, hat der Transfer bereits bestehender Lösungen offensichtlich geholfen, die Zeit zu reduzieren, die für die Entwicklung einer verlässlichen Lösung nötig war (siehe Abbildung 13). So wurde z.B. in Projekt 8 ein Prozessor, der in einem früheren Projekt entwickelt wurde, wieder verwendet. Dies hat zu einer Reduktion der Entwicklungszeit und damit auch der Entwicklungskosten geführt. Zusätzlich konnten bestehende Kontakte zum Hersteller des Prozessors genutzt werden.
88
Explorative empirische Untersuchung
Transferdistanz
Transferinhalt
Selbe Produktkategorie
Technologische Lösung oder Funktionsprinzip
Andere Produktkategorie
5 8 15
16
18
NichtProduktbereich
10
9
2
12
Formen oder DesignAnordnungen
=
1 6
7
11
14
3
4
Entwicklungszeit wurde reduziert
Abbildung 13: Prozesseffizienz
In der Kategorie von Analogien, die den Wissenstransfer über Produktbereiche voraussetzen, haben drei von zehn befragten Personen über Zeitersparnisse berichtet, die klar durch die Verwendung der Analogien entstanden sind. Dies zeigt, dass Effizienzeffekte nicht nur auf Analogietransfere innerhalb desselben Gebietes beschränkt sind. Nach den Aussagen der Interviewteilnehmer konnte eine Reduktion der Entwicklungszeit dadurch erreicht werden, dass Wissen und Erfahrungen aus vorangegangenen Projekten genutzt wurde. In diesen Fällen waren die Kompetenzen der Teammitglieder im Quell- und im Zielbereich ausreichend, um die Lösung anzupassen und zu übertragen. Allerdings konnten die interviewten Personen in sieben von zehn Fällen des Analogietransfers aus anderen Produktkategorien nicht die Erfahrung machen, dass über die Wiederverwendung bestehenden Wissens der Entwicklungsprozess beschleunigt wurde. In allen diesen Fällen wurden zusätzliches Wissen und zusätzliche Kompetenzen benötigt, um die anstehenden Modifikationen durchzuführen und die Lösung zu implementieren. Zum Beispiel hatte in Projekt 10 – der Entwicklung eines Reinigungsgerätes für zahnärztliche Handstücke – weder das Design- und Ingenieurunternehmen noch der Hersteller des Gerätes genügende Kompetenzen, um die Lösung eines
Effekte von Analogien
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pulsierenden Wasser- / Luftstrahls direkt umzusetzen. Der Aufbau benötigten KnowHows hat die Laufzeit des Projektes verlängert. Abbildung 13 zeigt, dass keine der Analogien aus einem produktfremden Bereich zu einer Reduktion der Entwicklungszeit beigetragen hat. Dies wiederum deutet darauf hin, dass die Analogiedistanz negativ mit der Wahrscheinlichkeit, Effizienzgewinne zu erzielen, verbunden ist. Allerdings ist es wichtig zu bemerken, dass die nicht erreichten Zeiteinsparungen nicht primär daraus resultieren, dass umfangreiche technologische Modifikationen der Lösungselemente nötig waren. Schließlich beinhaltete keine der vier Nicht-Produktanalogien den Transfer spezifischer technologischer Lösungen. Stattdessen wurden bei den weiten Analogien Formen und Design-Anordnungen übertragen. Diese Form der fernen Analogie ersetzt nicht direkt bestimmte Arbeiten im Prozess der Konzeptentwicklung und des Prototypenbaus. Stattdessen haben solche Analogien eine wichtige Rolle bei der Identifikation neuer Lösungsansätze. Die Analogie inspirierte die Teammitglieder und gab die Richtung vor, in der die Lösung liegen kann und war nicht so sehr selbst Teil der Lösung.
4.5.3 Kommunikationseffekte Kommunikation spielt eine wichtige Rolle beim kreativen Problemlösen. Forschung über Produktentwicklungsteams betont die grundsätzliche Bedeutung von Kommunikation, sowohl intern als auch extern, für eine Vielzahl von Determinanten des Projekterfolgs – etwa den sozialen Zusammenhalt und das Kooperieren der Teammitglieder.248 Es stellt sich die Frage, inwiefern der Rückgriff auf Analogien die Kommunikation bei der Produktentwicklung zu unterstützen und damit den Unternehmenserfolg zu steigern vermag. Dies betrifft sowohl die Kommunikation innerhalb des Produktentwicklungsteams, wie auch zwischen dem Produktentwicklungsteam und anderen in den Entwicklungsprozess involvierten Parteien – wie z.B. andere Unternehmensbereiche oder externe Partner. Wie in Abschnitt 2.3.1 dargestellt, können Analogien erklärender Art sein. Im Rahmen von Produktentwicklungsprojekten können erklärende Analogien ein gemeinsames Verständnis über die angestrebten Eigenschaften fördern. Forscher im Bereich Produktdesign haben schon lange argumentiert, dass die visuelle Abbildung der Ziellösung (z.B. Zeichnungen, virtuelle Simulation und physische Prototypen) wichtig ist, 248
Vgl. Kahn (2001) S. 315 u. 320 f.; Griffin und Hauser (1996) S. 193-195; Ancona und Caldwell (2007) S. 41 f.
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Explorative empirische Untersuchung
um eine zielgerichtete Kommunikation zwischen den Projektteilnehmern zu erreichen.249 Es wird daher vermutet, dass illustrativ erklärende Analogien, die das Problem veranschaulichen, ähnliche Kommunikationseffekte bewirken können. Sechs von 16 befragten Personen haben angegeben, dass Analogien ihrer Erfahrung nach häufig die Kommunikation im gesamten Entwicklungsprozess verbessern. Zwei der Interviewteilnehmer (4 und 14) haben sogar angegeben, dass die Verbesserung der Kommunikation der wichtigste Effekt der Analogieverwendung in ihrem Beispielprojekt war. Dies deutet darauf hin, dass im Rahmen der Produktentwicklung nicht nur innovative sondern auch erklärende Analogien eine wichtige Rolle spielen können. Das erste Beispiel bezieht sich auf die Entwicklung eines neuen Designkonzeptes für einen Gabelstapler (Nr. 4). Das Design basierte hier auf der Analogie zu einem Ei. Die interviewte Person hat angegeben, dass diese ferne Analogie aus einem produktfremden Bereich dem Team geholfen hat, sich während des gesamten Entwicklungsprozesses auf eine Kernidee zu fokussieren. Das zweite Beispiel ist das Projekt, in dem ein Gerät für eine Mobile-Commerce Anwendung entworfen wurde (Nr. 14). Im Rahmen erster Teamdiskussionen kam die Analogie zu einem Gecko auf. Die Füße des Tiers inspirierten den Befestigungsmechanismus des Gerätes, welches an glatten Wänden hinter Werbeplakaten platziert werden sollte. Indem diese Analogie eine bildliche Darstellung des Designs geschaffen hatte, unterstützte sie die kommunikativen Prozesse im Team. Nach Aussagen des interviewten Designers hat diese Analogie dem Team geholfen, „die Seele des Projektes“ zu fühlen. Das Projekt wurde intern auch „der Gecko“ genannt. Außerdem hat die Analogie zum Gecko die Kommunikation zwischen den Designern und am Projekt beteiligten Ingenieuren gefördert. So hat die Analogie den Designern geholfen, den für die Herstellung verantwortlichen Ingenieuren zu vermitteln, was am Designkonzept besonders wichtig ist und bei der Produktion unbedingt berücksichtigt werden muss. Verschiedene funktionale Bereiche eines Unternehmens entwickeln in der Regel besondere Subkulturen oder Gedankenwelten, die miteinander schwer zu vereinbaren sind und deshalb Kommunikationsproblemen untereinander haben.250 Als noch störungsanfälliger kann die Kommunikation zwischen verschiedenen Funktionsbereichen unterschiedlicher Unternehmen angesehen werden. Hier kann die Verwendung 249
250
Vgl. Ulrich und Eppinger (2004) S. 246-251; Kelley (2001) S. 7, 61 f. und 104-118; von Stamm (2008) S. 183-187; Roozenburg und Eekels (1995) S. 235-264; Dahl et al. (1999) S. 19. Vgl. Dougherty (1992) S. 179, 181 f. und 195; Schein (1996) S. 9 und 12; Griffin und Hauser (1996) S. 196.
Zugang zu Analogien
91
innovativer Analogien helfen, eine bessere Verständigung zu erreichen, indem die Analogien gemeinsame Bilder in den Köpfen der Beteiligten entstehen lassen. Folglich ist anzunehmen, dass Analogien besonders wertvoll für die Kommunikation zwischen Individuen mit unterschiedlichen Gedankenwelten, Sprachen und Aufgabenprioritäten sind. Die beiden Projekte 4 und 14 stellen Beispiele des Wissenstransfers von produktfremden Bereichen dar, sind also ferne Analogien. Beide Analogien beinhalten den Transfer von weit verbreitetem Wissen über Formen und Designanordnungen aus der Natur. Solche Analogien sind offenbar auch geeignet ein gemeinsames Verständnis in Designund Ingenieurprojekten aufzubauen. Um diesen kommunikativen Zweck zu erfüllen, muss die Analogie für eine große Zahl von Personen innerhalb des Teams und außerhalb des Teams leicht verständlich sein. Illustrative Analogien, die auf generellem Wissen aus produktfremden Bereichen beruhen, scheinen informativ genug zu sein, um die spezifischen Ziele eines Design- oder Ingenieurprojektes zu kommunizieren.
4.6
Zugang zu Analogien
Der Schritt des Zugangs zu einer Analogie bzw. das Erkennen einer Analogie im Analogiedenkprozess beinhaltet die Aktivierung von Informationen in einem oder mehreren Quellbereichen, um eine Lösung des Zielproblems zu erreichen.251 Ist der Quellbereich aktiviert, beginnt die Abbildung. In der Abbildungsphase versucht der Problemlöser, Übereinstimmungen zwischen den Elementen des Quell- und Zielbereichs zu finden.252 Die abbildenden und abgleichenden Aktivitäten ebnen den Weg für die Generierung von Rückschlüssen und die Entwicklung von Lösungen im Zielbereich. Diese kurze Beschreibung des Analogiedenkprozesses253 verdeutlicht noch einmal die entscheidende Rolle des Zugangs zu Analogien. Informationen aus einem Quellbereich, auf die nicht zugegriffen werden kann, können nicht auf das neue Problem abgebildet werden und können somit auch nicht zur Lösung des Problems im Zielbereich genutzt werden. Daher ist es von besonderem Interesse zu ergründen, wie Praktiker in Produktentwicklungsprojekten tatsächlich Informationen eines Quellbereichs aktivieren.
251 252 253
Vgl. Holyoak (2005) S. 117 f.; Mumford und Porter (1999) S. 72. Vgl. Holyoak et al. (2001) S. 9; Holyoak und Thagard (1997) S.35. Eine ausführlichere Darstellung befindet sich in Abschnitt 2.2.1.
92
Explorative empirische Untersuchung
Die Interviewteilnehmer wurden gebeten zu beschreiben, wie die Projektteams Zugang zum Wissen des Quellbereichs gefunden haben, den sie für die Analogie verwendeten. Die Ergebnisse zeigen, dass der Zugang in Abhängigkeit von der Analogiedistanz leicht variiert. In allen zwölf Fällen, die zu den Gruppen der Produktkategorie internen oder Produktkategorie übergreifenden Analogien gehören, wurde die Zugangsphase durch Wissen und Erfahrungen dominiert, die im Team schon vorhanden waren. Zum größten Teil haben die Designer und Ingenieure technologische Lösungen, Funktionsprinzipien oder Designanordnungen aktiviert, die sie in früheren Projekten entwickelt hatten. Nur in zwei Fällen stammte das bereits existierende Wissen aus Quellen, die nicht früheren Projekten zugeordnet werden können. Bei der Entwicklung eines Möbelkonzeptes (10) stammte das zur Lösung transferierte Wissen aus dem Kernkompetenzbereich des Klienten. Die Designer wurden auf die Möglichkeit zur Übertragung des Know-Hows aufmerksam, als sie zu Beginn des Projektes an einer Führung durch das Unternehmen des Klienten teilnahmen. Das zweite Projekt (18) hatte zum Ziel, einen Röntgenständer zu entwickeln. Hier profitierte das Team vom Wissen eines Designers, der in seiner Jugend einen Sommer lang auf einem kleinen Fährboot verbracht hatte. Er konnte den Steuerungsmechanismus eines Fährbootes, welches mit Hilfe langer Führungskabel ohne großen Steueraufwand kleine Flüsse überquert, auf die Steuerung eines Röntgentisches übertragen. Die Beispiele, die aus produktfremden Bereichen stammen, sind überwiegend durch die Verwendung von Wissen aus dem Bereich der Allgemeinbildung charakterisiert. Es geht um die Eigenschaften eines Eies, die Zehen eines Geckos oder um Werkzeuge aus der Steinzeit. Nur bei einer der vier fernen Analogien kann das verwendete Wissen nicht als Allgemeinwissen bezeichnet werden. In Projekt Nr. 11 ist der entwickelnde Designer zufällig bei einer Freizeitaktivität auf eine passende Analogie gestoßen. Bei einer Hafenrundfahrt wurde er durch Metallabfälle einer Werft inspiriert. Es gelang ihm, Material und Form ausgestanzter Metallnieten auf einen Flaschenöffner zu übertragen. Insofern können auch zufällige Begegnungen beim Auffinden von Analogien entscheidend sein.
4.6.1 Ökonomische Anreize Insgesamt zeigen die Interviews, dass eine starke Tendenz besteht, „lokales“ Wissen für innovative Analogien zu verwenden. Mit „lokalem“ Wissen ist Wissen gemeint, das die beteiligten Personen schon besitzen z.B. über Erfahrungen, die sie in
Zugang zu Analogien
93
vorangegangenen Design- und Ingenieurprojekten gesammelt haben. Die Tendenz, auf eigenes Wissen zurück zu greifen, passt zu den ökonomischen Anreizen, denen ein Produktentwicklungsteam ausgesetzt ist. Sowohl die Kosten der Analogieverwendung als auch Vorteile, die das Projektteam von dem Zugriff auf einen bekannten Quellbereich erwarten kann, können diesen Effekt erklären. Wenn Designer und Ingenieure auf ihr eigenes „lokales“ Wissen zur Problemlösung zurückgreifen, können sie Kosten vermeiden, die mit der Suche nach und dem Erwerb von neuem Wissen aus externen Quellen verbunden sind. Die Beschaffungskosten sind besonders hoch, wenn das benötigte externe Wissen schwer transferierbar ist, da es an bestimmte Personen und oder Situationen gebunden ist.254 Unbekannte lösungsrelevante Informationen sind häufig schwer transferierbar, da sie in den Kontext eines nicht vertrauten Quellgebietes eingebettet sind. Außerdem ist das Wissen, welches für innovative Analogien benötigt wird, häufig impliziter Natur. Das heißt, es ist nur unvollständig kodiert und mehrdeutig.255 Infolgedessen kann erwartet werden, dass Problemlöser, die kein eigenes Wissen in relevanten Bereichen haben, nur über eine geringe Aufnahmefähigkeit für neues externes Wissen verfügen.256 Mitglieder eines Projektteams werden potentiell transferierbares Wissen besonders wertschätzen, wenn sie das Gefühl haben, dass die Quelle des Wissens vertrauenswürdig ist. Offensichtlich muss die Vertrauenswürdigkeit eigenen Wissens nicht weiter geprüft werden. Die Prüfung externen Wissens kann dagegen mit hohem Aufwand verbunden sein. Auch haben Designer und Ingenieure zu bewerten, bis zu welchem Grad potentiell anwendbares Wissen angepasst werden muss, um die Anforderungen des Projektes zu erfüllen. Eine perfekte Übereinstimmung des analogen Wissens mit dem Zielproblem besteht nur selten.257 Die Bewertung der Formbarkeit lösungsrelevanter Elemente wird beschleunigt, wenn die Teammitglieder auf ihr eigenes Wissen und eigene Erfahrungen zurückgreifen. Somit trägt die Verwendung eigenen Wissens bei einem Analogietransfer zur Effizienz des Prozesses bei.
254
255 256
257
Vgl. von Hippel (1994) S. 430 f. und von Hippel (1998) S. 630 f. zu den Eigenschaften von „sticky information“. Vgl. Mascitelli (2000) S. 181-183; Polanyi (1966). Vgl. Cohen und Levinthal (1990) S. 128-135 und Tsai (2001) S. 998 u. 1002 f. zur Bedeutung von „absorptive capacity“. Vgl. Majchrzak et al. (2004) S. 180-184.
94
Explorative empirische Untersuchung
4.6.2 Der Problemlösungsprozess Abgesehen von ökonomischen Anreizen beeinflusst auch die Strukturierung des Problemlösungsprozesses den Zugriff auf bereits vorhandenes lösungsrelevantes Wissen. Entsprechend der Mehrheit der Antworten erfolgt der Zugang zu potentiell wertvollem Wissen in spontaner und zufälliger Weise. Die Suche nach Analogien findet größten Teils in informellen Teamdiskussionen statt, die in der frühen Phase eines Entwicklungsprojektes abgehalten werden. Nur fünf von 16 befragten Personen haben angegeben, dass sie Brainstormingsitzungen abgehalten haben, um viel versprechende Wissensgebiete zu identifizieren und nur eine Person hat über einen formal abgehaltenen Kreativitätsworkshop berichtet. In gleicher Weise hat keines der befragten Unternehmen Datenbanken zur systematischen Überprüfung von Wissensbereichen als Quelle wertvoller Analogien eingesetzt. Wenn der Wissenszugriff auf informelle und unsystematische Vorgehensweisen beschränkt ist, so ist es wahrscheinlich, dass das Denken der Problemlöser dem Weg mit dem geringsten Widerstand folgt. Das bedeutet, dass sie sich bei ihrer Suche nach wertvollem Wissen auf Wissenskonzepte fokussieren, mit denen sie vertraut sind und die leicht in ihrem Bewusstsein auftauchen.258 Auch der Weg des geringsten Widerstandes führt also zur bevorzugten Verwendung eigenen Wissens.
4.6.3 Teamzusammenstellung Die Dominanz lokalen Wissens verdeutlicht die wichtige Rolle, die die Teamzusammenstellung für die innovative Rekombination von Ideen mittels Analogien spielt. Wenn die Teams beim Zugriff auf potentielle Quellbereiche hauptsächlich auf ihre eigenen Erfahrungen zurückgreifen, so ist die Wissensbasis der Beteiligten für das Ergebnis des Analogieprozesses von großer Bedeutung. Die Projektleiter in dieser Stichprobe haben allerdings deutlich gemacht, dass sich die Zusammenstellung der Teams kaum gezielt nach den Erfahrungen von Mitarbeitern aus anderen Industrieoder Projektbereichen ausrichtet. Nur der aktuelle Zielbereich der Produktentwicklung wurde eventuell bei der Teamzusammenstellung berücksichtigt. Mehrere Befragte haben hierfür eine verständliche Erklärung abgegeben. Sie fanden es schwierig voraus zu sehen, welche entfernten Bereiche das Potential haben könnten, Lösungselemente für das Zielproblem zu liefern. Die interviewten Personen haben angegeben, dass die 258
Vgl. Ward (1998) S. 225.
Zusammenfassende Diskussion
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Analogien in ihren Projekten meistens erst nach einer sorgfältigen Definition und Abstraktion des Problems auftauchten, also mit anderen Worten erst nachdem das Team das Projekt gestartet hatte. Ein tiefes Verständnis der Aufgabe und eine Neudefinition auf abstrakter Ebene waren nötig, damit der Wissenstransfer überhaupt stattfinden konnte, unabhängig davon ob die Analogie weit oder fern war. Daher wählten die Projektleiter andere Kriterien, um ihre Teams zusammenzustellen wie z.B. die Vertrautheit der Mitarbeiter mit der Industrie des Klienten oder auch ihre Verfügbarkeit.
4.7
Zusammenfassende Diskussion
Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Studie, dass die Verwendung innovativer Analogien im Rahmen der Produktentwicklung ein verbreitetes Phänomen bei Industriedesign- und Ingenieurunternehmen ist, die für Klienten aus verschiedenen Industrien arbeiten. Die von Hargadon259 aufgestellte Vermutung, dass solche Unternehmen basierend auf ihren Projekterfahrungen Wissen zwischen sonst getrennten Bereichen transferieren, um Innovationen zu erzeugen, konnte bestätigt werden. Bisher basierte diese Erkenntnis auf Untersuchungen einzelner großer Industriedesignunternehmen in den USA. Mit der vorliegenden Studie konnte die empirische Basis, um 18 Unternehmen aus Deutschland und Skandinavien erweitert werden. Jedoch wurden bei dieser Untersuchung nicht nur industrieübergreifende Analogien betrachtet. Ebenso haben die befragten Designer und Ingenieure von innovativen Analogien berichtet, die innerhalb einer Produktkategorie oder von produktfremden Bereichen wie der Biologie gezogen wurden. Es hat sich gezeigt, dass für das Verständnis von fördernden Faktoren und Effekten der Analogieanwendung die Unterscheidung zwischen verschiedenen Arten von Analogien sehr wichtig ist. Zur Einteilung der Fallbeispiele wurde eine Typologie entwickelt, die auf den zwei Dimensionen Transferdistanz und Transferinhalt beruht. Die Transferdistanz beschreibt die Distanz zwischen Quelle und Ziel der Analogie und der Transferinhalt beschreibt die Art des Lösungselementes, welches von der Quelle zum Ziel übertragen wird. Alle Beispiele konnten einer Sechs-Felder Matrix mit diesen beiden Dimensionen zugeordnet werden.
259
Vgl. Hargadon (2002) S. 43; 46-49; 77-80 und Hargadon (2003) S.133-158.
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Auffällig war hier die ungleichmäßige Verteilung der Beispiele über die Felder der Matrix, wobei zwei der Felder leer blieben. Bei nahen Produktanalogien wurden nur Fälle berichtet, in denen eine Technologie übertragen wurde. Die Übertragung von Formen und Designanordnungen innerhalb einer Produktkategorie scheint entweder keine Rolle zu spielen oder ist so allgegenwärtig, dass die interviewten Personen diese nicht berichtenswert fanden. Bei der Anwendung von produktfremden Analogien sind dagegen keine Fälle eines Transfers von Technologien und Funktionsprinzipien aufgetaucht. Eine Erklärung hierfür kann sein, dass der Entwicklungsaufwand für solche Übertragungen in der Regel so hoch ist, dass sie nicht in den Rahmen der üblichen Projekte von Design- und Ingenieurunternehmen fallen, die Innovationsdienstleistungen anbieten. Die meisten der Fälle sind einer mittleren Analogiedistanz zugeordnet worden, also dem Transfer zwischen verschiedenen Produktkategorien. Obwohl verallgemeinernde Rückschlüsse aufgrund der geringen Zahl befragter Unternehmen nur unter Vorbehalt gezogen werden können, deuten die Ergebnisse doch auf bestimmte Vorzüge von Analogien mittlerer Distanz hin. Analogien zwischen verschiedenen Produktkategorien scheinen die Designer und Ingenieure zur Entwicklung sehr neuer Lösungen zu befähigen bei gleichzeitig akzeptablem Aufwand bezüglich Projektlaufzeit und Kosten. Die Auswertung der Analogiebeispiele hat einen Zusammenhang zwischen der Transferdistanz der Analogie und spezifischen Effekten der Analogienutzung aufgezeigt. Erstens scheint die Transferdistanz positiv die Neuartigkeit der entwickelten Lösung zu beeinflussen. Die Ergebnisse bestätigen somit experimentelle Studien aus dem Bereich der Produktentwicklung.260 Zweitens deuten die Ergebnisse dieser explorativen Studie darauf hin, dass die Analogiedistanz in einem Zusammenhang mit der erwarteten Dauer der Entwicklungsprojekte steht. Eine Verkürzung der Entwicklungszeit ist besonders dann wahrscheinlich, wenn die Problemlöser bestehende technologische Lösungen und spezifische Funktionsprinzipien anstelle von generellem Wissen über Formen oder Designanordnungen transferieren. Dieser Effekt ist besonders interessant, da sich die Forschung bisher hauptsächlich auf den Kreativitätseffekt von Analogien beschränkt hatte.
260
Vgl. Dahl und Moreau (2002) S. 57 f.
Zusammenfassende Diskussion
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Drittens zeigen die Interviewergebnisse, dass die Verwendung innovativer Analogien die Kommunikation sowohl innerhalb des Teams als auch zum Auftraggeber verbessern kann. Positive Effekte wurden hier bei Analogiebeispielen gefunden, die auf dem Transfer von Formen und Design-Anordnungen aus produktfremden Bereichen beruhen. Insgesamt kann aufgrund dieser Ergebnisse vermutet werden, dass die gezielte Wahl der Analogiedistanz jeweils bestimmte Effekte bewirken kann. Wenn z.B. ein Klient eines Innovationsdienstleisters eine Innovation mit einem hohen Neuheitsgrad anstrebt, könnte sich das Projektteam dazu entschließen, nach Analogien in entfernten Produktkategorien oder produktfremden Bereich wie der Natur zu suchen. Andersherum scheint die Beschränkung des Lösungsraums auf dieselbe Produktkategorie (in einem weiteren Verständnis) angebracht, wenn die Vorgaben an Zeit und Budget für das Entwicklungsprojekt stark beschränkt sind. Die in den beschriebenen Projekten verwendeten Analogien basierten überwiegend auf lokalem Wissen. Die Beispiele von geringer und mittlerer Analogiedistanz sind dadurch charakterisiert, dass sie in der Regel auf Erfahrungen und Wissen beruhen, die die beteiligten Ingenieure und Designer bereits vorher innerhalb oder außerhalb ihres Berufes erworben hatten. Das Wissen, welches als Grundlage für die fernen Nicht-Produkt Analogien genutzt wurde, kann dagegen in den meisten Fällen als Allgemeinwissen bezeichnet werden, welches jeder entsprechend gebildeten Person zur Verfügung steht. Die starke Tendenz, auf lokales im Team bereits verfügbares Wissen bei der Analogiebildung zurück zu greifen, kann auf dadurch beabsichtigte Effizienzgewinne zurück geführt werden. Zum einen erleichtert die Anwendung eigenen Wissens, die schnelle Bewertung der Umsetzbarkeit einer Lösungsidee, da der Problemlöser in diesem Fall auch kontextuelles Wissen besitzt („Wissen über Wissen“).261 Zum anderen vermeiden Problemlöser beim Rückgriff auf lokales Wissen Investitionen in die Identifikation und den Transfer externen Wissens. Dies ist vor allem dann vorteilhaft, wenn das in Frage kommende Wissen schwer transferierbar ist.262 Allerdings birgt die Beschränkung auf lokales Wissen bei der Analogiesuche auch die Gefahr, die Kreativität bei der Lösungssuche unnötig einzuschränken. Diesem Nachteil kann begegnet werden, indem versucht wird, die Spannweite und Heterogenität der 261 262
Vgl. Majchrzak et al. (2004) S. 183; Markus (2001) S. 83-87. Vgl. von Hippel (1994) S. 430 f.
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Explorative empirische Untersuchung
lokalen Wissensbasis auszuweiten. Hargadon und Sutton263 beschreiben in ihrer Arbeit mehrere Mechanismen, die die Wissensvielfalt in Designteams fördern. So kann z.B. ein weit reichendes Wissen im Projektteam gefördert werden über: Î Vermeidung einer starken Spezialisierung der Mitarbeiter, indem diese in Projekten eingesetzt werden, die aus ganz unterschiedlichen Industrien stammen und eine große Bandbreite technischer Probleme umfassen. Î Einsatz von Designern und Ingenieuren in wechselnden Konstellationen. Î Etablierung starker Normen, Wissen mit anderen zu teilen. Î Einstellung neuer Mitarbeiter aufgrund ihres Potentials neues bisher im Unternehmen nicht vorhandenes Wissen einzubringen. Die Tatsache, dass in dieser Stichprobe nur drei Designunternehmen angegeben haben, sie würden systematisch versuchen, neue Projekte in Industrien oder Technologiegebieten zu akquirieren, die sich von ihren bisherigen Projekten unterscheiden, deutet auf Verbesserungspotentiale hin. Jedoch ist die Wissensbasis eines Teams immer in gewisser Weise beschränkt, unabhängig davon in welchem Umfang Unternehmen die Wissensvielfalt fördern. Diese Schwachstelle einer Analogiesuche, die ausschließlich auf lokales Wissen zugreift, legt eine zweite ergänzende Strategie nahe. Den Teams sollten Anreize gegeben werden, auch externes Wissen in ihre Suche nach passenden Analogien einzubeziehen. In den Abschnitten 3.2.2 und 3.2.3 wurden personenbasierte und medienbasierte Ansätze zur systematischen Suche nach Analogien aufgezeigt. So kann mittels Pyramiding gezielt nach Experten in analogen Gebieten gesucht werden oder über Broadcasting das Problem einer großen heterogenen Menge an Personen gleichzeitig bekannt gegeben werden. Zu den medienbasierten Strategien zählt die Suche im Internet oder in speziell aufbereiteten Datenbanken nach fernen Analogien. Über die Eingabe von Suchanfragen mit ausgewählten Schlüsselbegriffen können in Katalogen mit explizitem Wissen aus diversen Bereichen analoge Lösungselemente gesucht werden. Allerdings wurden Datenbanken von den in dieser Studie befragten Designern und Ingenieuren als nicht brauchbar für die Identifikation von Analogien eingeschätzt. Es wurde kritisiert, dass Datenbanken keinen Mechanismus bereitstellen, um Wissen aus 263
Vgl. Hargadon und Sutton (1997) S. 732-740.
Zusammenfassende Diskussion
99
einem fremden Kontext heraus zu lösen. Die ihnen bekannten Software Tools waren offenbar nicht geeignet, das Auffinden oberflächlicher und struktureller Ähnlichkeiten zwischen Zielproblemen und Lösungen zu unterstützen, die in einem Wissensmanagementsystem kodiert sind. Diese Äußerungen ähneln den Schwierigkeiten, die Markus im Hinblick auf die Handhabung von Wissensmanagementsystemen beschreibt. Wenn Wissen von einer Person abgelegt wird, aber von anderen Personen wiederverwendet werden soll, besteht die Gefahr, dass Informationen nicht oder falsch verstanden werden. Insbesondere wenn sich die Personen, welche die Informationen speichern, von den suchenden Personen im Wissen stark unterscheiden, sind die Kosten der Erstellung von Datenbanksystemen sowie deren Anwendung zur Wiederverwendung von Wissen sehr hoch. Kompliziert wird der Umgang mit Datenbanken auch dadurch, dass verschiedene Personen gleiche Sachverhalte unterschiedlich benennen.264 Ebenso berichten die von Hargadon untersuchten Knowledge Broker Unternehmen bezüglich ihrer Erfahrung mit dem Aufbau von Wissensmangementsystemen, dass Ansätze zur Kodifizierung und Speicherung von Projektwissen ineffektiv sind.265 In Abschnitt 3.2.3 „Medienbasierte Analogiesuche“ wurden jedoch Ansätze beschrieben wie Analogien systematisch über elektronische Medien gesucht werden können. Hierbei standen nicht unternehmensinterne Wissensmanagementsysteme im Fokus, sondern der gezielte Einsatz von Internetrecherchen, TRIZ-Software sowie speziellen biologischen Datenbanken. Es wird angenommen, dass diese Strategien nach einer gewissen Einarbeitungszeit die Suche nach Analogien effektiv bereichern können. Bei der Bewertung der dargestellten und diskutierten Ergebnisse muss beachtet werden, dass diese auf eine explorative interviewbasierte Untersuchung zurück gehen, deren allgemeine Aussagekraft aufgrund der geringen Fallzahl beschränkt ist. Dieser qualitative Forschungsansatz wurde gewählt, um Zusammenhänge herzuleiten und Vermutungen aufzustellen. Weitere Forschung ist nötig, um den beobachteten Zusammenhang zwischen verschiedenen Analogietypen und ihren Effekten auf die Projektergebnisse sowie die Erkenntnisse über den Zugang zu innovativen Analogien zu validieren. Um diesen Ansatz weiter zu vertiefen, wurde daher eine zweite quantitative Untersuchung durchgeführt, die im folgenden Kapitel vorgestellt wird.
264 265
Vgl. Markus (2001) S. 75-81. Vgl. Hargadon (2002) S. 67.
5
Quantitative empirische Untersuchung
5.1
Zielsetzung
In der im letzten Abschnitt dargestellten qualitativen empirischen Untersuchung ist deutlich geworden, dass die Verwendung innovativer Analogien in der Praxis von Industriedesignern sehr verbreitet ist. Außerdem wurde die Vermutung bestätigt, dass Analogien von unterschiedlicher Distanz sich in ihren Auswirkungen auf die Kreativität der entwickelten Lösung unterscheiden. Bezüglich der Faktoren, die das Auffinden innovativer Analogien unterstützen, hat sich bereits in der qualitativen Studie gezeigt, welche große Rolle das lokal bei den entwickelnden Ingenieuren und Designern vorhandene Wissen spielt. In einem nächsten Schritt werden daher Hypothesen über Einflussfaktoren und Effekte innovativer Analogien getestet. Erstens soll ermittelt werden, ob die Verwendung von fernen innovativen Analogien einen stärkeren Effekt auf die Innovativität der entwickelten Lösungen und damit auch auf den Unternehmenserfolg hat als die Anwendung naher Analogien. Wie bereits in Abschnitt 2.3.2 dargestellt, kann man erwarten, dass ferne Analogien zu einer höheren Innovativität der entwickelten Lösung führen als nahe Analogien, da sie mit bestehenden Paradigmen brechen.266 Dieser Zusammenhang wurde experimentell von Dahl und Moreau bestätigt, und auch die Ergebnisse der vorangegangenen qualitativen Untersuchung deuten dies an.267 Ein starker Innovationsoutput sollte wiederum mit dem Unternehmenserfolg korrelieren.268 Darüber hinaus soll analysiert werden, wie das im Unternehmen vorhandene Wissen bzw. der Umgang mit diesem Wissen im Unternehmen den Gebrauch von innovativen Analogien beeinflusst. Da bei der Anwendung innovativer Analogien eine Verbindung zwischen vorher getrennten Wissensbereichen gezogen wird, kann nach den bisher vorliegenden Ergebnissen dieser Arbeit vermutet werden, dass die jeweils anzutreffende Vielfalt des im Unternehmen vorhandenen Wissens sowie der Umgang mit diesem Wissen den Grad der Distanz der verwendeten Analogien bestimmen. Erstens wird also erwartet, dass die Wahl innovativer Analogien im Problemlösungsprozess von der Vielfältigkeit des Wissens abhängt, welches im Unternehmen bereits vorhanden ist. Ein Unternehmen, das Wissen in diversen Bereichen besitzt, ist eher in der 266 267 268
Vgl. Perkins (1997) S. 532; Ward (1998) S. 222. Vgl. Dahl und Moreau (2002) S. 57 f. und die Ausführungen in Abschnitt 4.5.1. Vgl. Kleinschmidt und Cooper (1991) S. 242-250; Gatignon und Xuereb (1997) S. 85; Szymanski et al. (2007) S. 42-48.
102
Quantitative empirische Untersuchung
Lage, Wissen zwischen sonst getrennten Bereichen zu verbinden, als ein Unternehmen, das sich auf wenige Wissensgebiete spezialisiert hat.269 Zweitens ist anzunehmen, dass ein intensiver Wissensaustausch innerhalb des Unternehmens das Erkennen ferner Analogien fördert. Ein ungehinderter Austausch von Wissen erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das im Unternehmen verteilte Wissen verknüpft werden kann, und fördert somit die Bildung ferner Analogien. Darüber hinaus werden durch den Austausch von Wissen die Grundlagen für neues Wissen geschaffen. Drittens ist aber auch anzunehmen, dass der Versuch, die Suche nach neuen Lösungen auf im Unternehmen vorhandene Erfahrungen zu basieren, den Lösungsraum einschränkt. Ein bevorzugtes Lernen aus vergangenen Projekten sollte daher zu einer verstärkten Nutzung naher Analogien führen. Bisher sind die meisten Untersuchungen über die Anwendung von Analogien in Produktdesign und Entwicklung in der Form kontrollierter Experimente durchgeführt worden.270 Diese experimentellen Studien liefern wertvolle Erkenntnisse bezüglich der Verfahren zum Erkennen von Analogien und ihre Effekte auf die Originalität der entwickelten Lösungen. Belege aus realen Produktentwicklungsprojekten fehlen dagegen. Die Forschung, die sich mit der Anwendung von Analogien in realen Produktentwicklungsprojekten befasst, ist bisher auf ein paar qualitative Studien beschränkt.271 Mit Hilfe dieser Untersuchung sollen erstmals quantitative empirische Nachweise zu einigen Einflussfaktoren und Effekten innovativer Analogien in Produktentwicklungsprojekten erbracht werden. Als empirisches Feld werden ebenso wie in der vorangegangenen qualitativen Studie unabhängig arbeitende Industriedesignunternehmen gewählt, die – worauf die Ergebnisse der vorangegangenen Studie hindeuten – häufig mit Analogien arbeiten. Deshalb müssten die Einflussfaktoren und Effekte der Anwendung innovativer Analogien mittels quantitativer Verfahren in dieser Zielgruppe nachweisbar sein. Sieben Hypothesen über die Anwendung verschiedener Typen innovativer Analogien werden in dieser Untersuchung auf Unternehmensebene getestet. Die Bewertung der Hypothesen basiert auf den Antworten von 172 Industriedesignunternehmen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Im folgenden Abschnitt werden die sieben Hypothesen hergeleitet. Anschließend werden die Konzeption der empirischen 269 270 271
Vgl. Hargadon (2002) S. 46. Vgl. Nathalie Bonnardel und Marmèche (2004); Dahl und Moreau (2002); Linsey et al. (2007). Vgl. Hargadon (2002); Hargadon und Sutton (1997); Majchrzak et al. (2004).
Herleitung der Hypothesen
103
Untersuchung sowie ihre Ergebnisse vorgestellt. Im Abschnitt 5.5 erfolgt dann eine Diskussion der gewonnenen Erkenntnisse.
5.2
Herleitung der Hypothesen
Ziel dieser Untersuchung ist es, Einflussfaktoren und Effekte der Anwendung innovativer Analogien unterschiedlicher Distanz in Industriedesignunternehmen zu testen. Um dieses Ziel zu erreichen, werden zunächst in den beiden folgenden Abschnitten fünf Hypothesen bezüglich der Einflussfaktoren der Analogieanwendung und zwei Hypothesen bezüglich der Effekte der Analogieanwendung aus der Literatur hergeleitet.
5.2.1 Einflussfaktoren der Analogieanwendung Ein innovativer Analogietransfer beginnt mit der Suche nach relevanten Wissensgebieten. Der Zugriff auf Analogien setzt voraus, dass Informationen in einem oder mehreren Quellgebieten identifiziert werden, die eine Lösung für das Zielproblem liefern können. Der Zugriff auf lösungsrelevante Informationen spielt eine wichtige Rolle im Prozess der Analogieanwendung, da diese Phase den Ausgang aller nachfolgenden Schritte bestimmt.272 Ferne Analogien sind im Gegensatz zu nahen Analogien dadurch charakterisiert, dass sie kontextuell entfernte Bereiche verknüpfen. Damit ein Problemlöser Analogien zwischen kontextuell entfernten Bereichen erkennen kann, muss ihm als erste Voraussetzung dieses übergreifende Wissen in erforderlichem Umfang zur Verfügung stehen. Nahe Analogien setzen dagegen nur Wissen aus einem Anwendungsgebiet voraus. Das Vorhandensein relevanten Wissens reicht jedoch nicht aus, um brauchbare innovative Analogien anzuwenden. Der Problemlöser muss auch erkennen, dass das ihm zur Verfügung stehende Wissen für einen innovativen Analogietransfer nützlich ist. Es ist schwieriger, die Relevanz ferner Analogien, die vom Zielgebiet kontextuell entfernt sind, zu erkennen, als die Relevanz naher Analogien. Ferne Analogien basieren außerdem überwiegend auf strukturellen Ähnlichkeiten und haben keine oder nur wenig oberflächliche Ähnlichkeiten, die ein Erkennen erleichtern würden.273 272 273
Vgl. Abschnitt 2.2.1 Der Analogiedenkprozess. Schwierigkeiten beim Erkennen ferner innovativer Analogien wurden aus Sicht der kognitiven Psychologie bereits ausführlich in Abschnitt 2.2.2 und 2.2.3 dargestellt.
104
Quantitative empirische Untersuchung
Folglich ist anzunehmen, dass sowohl die Vielfältigkeit des im Unternehmen vorhandenen Wissens sowie der Umgang mit diesem Wissen die Verwendung innovativer Analogien beeinflusst. Aufgrund der oben beschriebenen Unterschiede zwischen nahen und fernen Analogien ist weiterhin zu vermuten, dass diese Faktoren auf die Verwendung ferner innovativer Analogien anders einwirken als auf die Verwendung naher innovativer Analogien.
5.2.1.1 Vielfältigkeit des vorhandenen Wissens Eine Voraussetzung für die Anwendung von fernen Analogien in der Produktentwicklung ist also der Zugriff auf Wissen aus anderen Bereichen als dem Zielbereich der Innovation. Wenn man neoklassischen Wirtschaftstheorien folgt, so müssten alle in der Produktentwicklung involvierten Personen quasi dieselben Informationen zur Verfügung haben. In diesem Fall würden unterschiedliche unternehmerische Leistungen nicht auf einer ungleichmäßigen Informationsverteilung basieren, sondern aus anderen Faktoren resultieren wie z.B. einer individuellen Risikoneigung.274 Dieser Annahme widerspricht jedoch die Österreichische Schule. Hayeks theoretischer Ansatz berücksichtigt, dass Informationen ungleichmäßig in der Gesellschaft verteilt sind. Verschiedene Personen besitzen individuell unterschiedliche Informationen, die es ihnen ermöglichen, Vorteile gegenüber anderen Personen zu realisieren.275 Diese Gedanken wurden von Kirzner in Theorien des Entrepreneurship integriert. Er argumentiert, dass verschiedene Menschen unterschiedliche Gelegenheiten zur Realisierung ökonomischer Erfolge entdecken, weil sich ihr zuvor erworbenes Wissen unterscheidet.276 Shane hat diese Debatte über die Bedeutung vorhandenen Wissens bei Unternehmern aufgenommen. Anhand von Fallstudien zeigt er, dass die geschäftlichen Gelegenheiten, die ein Unternehmer wahrnimmt, davon abhängen, welches Wissen er bereits besitzt.277 Wenn man die Theorien der Österreichischen Schule auf den Prozess des Analogietransfers überträgt, so gelangt man zu dem Schluss, dass das bei einem Produktentwicklungsteam bereits vorhandene Wissen, die Wahrscheinlichkeit, innovative Analogien zu entdecken, stark beeinflussen muss. Da nahe Analogien, in dem hier behandelten Zusammenhang, auf Wissen aus einer Produktkategorie basieren, sollte 274 275 276 277
Vgl. Khilstrom und Laffont (1979). Vgl. Hayek (1945) S. 521 f. Vgl. Kirzner (1973) S.65-69. Vgl. Shane (2000) S. 455-467.
Herleitung der Hypothesen
105
ihrem Entdecken ein vertieftes Wissen im Bereich des Zielproduktes förderlich sein. Die Anwendung ferner Analogien setzt dagegen Wissen in verschiedenen Bereichen voraus. Folglich sollte das Vorhandensein vielfältigen Wissens über sehr unterschiedliche Produktbereiche oder auch über Problemlösungsverfahren in der Natur die Wahrscheinlichkeit erhöhen, ferne innovative Analogien zu entdecken. Der begrenzende Einfluss des im Unternehmen bereits vorhandenen Wissens auf die Anwendung innovativer Analogien, könnte durch eine systematische Suche nach externen Informationsquellen relativiert werden. Allerdings deuten die Ergebnisse der qualitativen Studie darauf hin, dass es bei Industriedesign- und Ingenieurunternehmen keineswegs verbreitete Praxis ist, in der Phase der Ideengenerierung und Entwicklung von Lösungskonzepten systematisch nach externen Informationen (z.B. mit Hilfe von Datenbanken) zu suchen.278 Eine Suche nach externen Informationen kostet Zeit und ist vor allem dann aufwendig, wenn das benötigte Wissen nur in impliziter Form vorliegt.279 Implizites Wissen ist an die Erfahrung bestimmter Personen gebunden und verbal schwer transferierbar.280 Begrenzte Zeit und begrenzte Projektbudgets führen dazu, dass die Produktentwickler bei der Lösungssuche in der Regel nicht systematisch nach extern vorhandenen Informationen suchen, sondern stattdessen ihre innovativen Analogien hauptsächlich auf Wissen stützen, das sie schon besaßen, bevor sie mit der Lösungssuche begannen. Sollte ein Produktentwicklungsteam trotzdem systematisch nach externen Informationen zur Lösungsfindung suchen, kann erwartet werden, dass ein bereits vorhandenes vielfältiges Wissen den Erwerb neuen Wissens fördert. Nach dem, was über die Aufnahmefähigkeit für neues Wissen bekannt ist, erwirbt ein Team mit vielfältigem Wissenshintergrund leichter neues Wissen als ein homogenes Team.281 Die Aufnahme neuen Wissens fällt leichter, wenn man bereits über Wissen in dem Gebiet verfügt. Die Aneignung von Wissen kann als ein sich selbst verstärkender Prozess gesehen werden, bei dem neue Informationen mit bestehenden Strukturen im Gehirn verknüpft werden. Je passender die bereits vorhandenen Strukturen für das neue Wissen sind, desto leichter kann es aufgenommen werden.282
278 279
280 281 282
Vgl. Abschnitt 4.6. Zu „sticky properties“ von Informationen vgl. von Hippel (1994) S. 430 f. und von Hippel (1998) S. 630 f. Vgl. Polanyi (1966); Nonaka (1994) S. 16 f. Vgl. Cohen und Levinthal (1990) S. 128-135 und Tsai (2001) S. 998 u. 1002 f. Vgl. Seel (2003) S. 149-155 und 251; Cohen und Levinthal (1990) S. 129.
106
Quantitative empirische Untersuchung
Insgesamt wird daher vermutet, dass die Vielfältigkeit des Wissens, welches in einem Industriedesignunternehmen vorhanden ist, die Wahrscheinlichkeit erhöht, ferne Analogien zu entdecken und anzuwenden. Weiterhin wird angenommen, dass dieser Zusammenhang – abhängig von der Transferdistanz der verwendeten fernen Analogien – unterschiedlich stark ausgeprägt ist. In der vorangegangenen qualitativen Studie hat sich eine Unterteilung der fernen innovativen Analogien in ferne Produktanalogien und Nicht-Produkt Analogien als sinnvoll erwiesen.283 Diese Typologisierung wird hier aufgegriffen. Da Nicht-Produkt Analogien durch eine größere Transferdistanz gekennzeichnet sind als ferne Produktanalogien, sollte die Verwendung von Nicht-Produkt Analogien stärker von der Vielfalt des vorhandenen Wissens beeinflusst werden als die Verwendung ferner Produktanalogien. Ein sinnvoller Ansatz, die Wissensvielfalt in einem Unternehmen zu erfassen, ist die Abfrage der Vertrautheit der Mitarbeiter mit unterschiedlichen Erfahrungsbereichen. Für die Beurteilung der Wissensvielfalt im Unternehmen ist sowohl das Wissen relevant, welches die Mitarbeiter vor ihrem Beitritt zum Unternehmen erworben haben, als auch das Wissen, welches sie sich während ihrer Arbeit im Unternehmen aneignen.
Ausbildungsheterogenität Eine wichtige Wissensquelle der Mitarbeiter aus der Zeit, bevor sie im Unternehmen gearbeitet haben, ist ihre formelle Ausbildung. In mehreren empirischen Studien wurde bereits getestet, wie die Diversität organisationsdemografischer Merkmale auf die Gruppen- und Organisationsleistung wirkt.284 Jans führt 9 Studien auf, die die Ressourcenhypothese testen, welche auf der Annahme basiert, dass für kreative und innovative Problemlösungs- und Entscheidungsaufgaben eine organisationsdemografische Diversität vorteilhaft ist. Die Mehrzahl dieser Studien konnte einen positiven Zusammenhang zwischen der Heterogenität der Gruppe und ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit empirisch nachweisen. Als eine wichtige Variable zur Beschreibung der Diversität organisationsdemografischer Merkmale wird in diesen Studien die (Aus-)Bildungsheterogenität verwendet.285 Diese Untersuchungen werden hier aufgegriffen, indem angenommen wird, dass ein Entwicklungsteam, welches eine höhere Heterogenität
283
Vgl. Abschnitt 4.4. Jans (2006) hat in einer Metaanalyse 25 Studien aufgeführt und verglichen, die diesen Zusammenhang testen. 285 Vgl. Jans (2006) S. 22-25. 284
Herleitung der Hypothesen
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bzgl. der (Aus-)Bildungen seiner Mitglieder aufweist, ein höheres Potential hat, ferne Analogien zur Problemlösung zu verwenden. Erstens steigt mit der Diversität des Teams die Wahrscheinlichkeit, dass die in einem bestimmten Bereich benötigte Expertise im Team vertreten ist. Zweitens kann angenommen werden, dass Personen mit unterschiedlicher Ausbildung sich auch in ihrem Informationsverhalten unterscheiden. Infolge von Selbstselektion durch die Wahl des Studiengangs und Sozialisation während der Ausbildung sind bei Personen verschiedener Fachrichtungen nach Abschluss ihrer Ausbildung unterschiedliche individuelle Verhaltensweisen ausgeprägt.286 So unterscheiden sich z.B. Ingenieure und Betriebswirte in ihrem Informationsstil.287 Es ist anzunehmen, dass auch zwischen anderen Berufsgruppen Unterschiede in ihrem Informationsverhalten bestehen und ihnen daher unterschiedliche Quellen für ferne Analogien zur Verfügung stehen. Ein interdisziplinäres Team sollte daher nicht nur ein breiter gestreutes Wissen als ein fachlich homogenes Team haben, sondern auch Zugriff auf vielfältigere Informationen. Folglich wird vermutet, dass die Ausbildungsheterogenität der Mitarbeiter zur Diversität des im Unternehmen vorhandenen Wissens entscheidend beiträgt und auf diesem Wege die Verwendung ferner Analogien positiv beeinflusst. H1: Je heterogener die Mitarbeiter des Unternehmens bzgl. ihrer Ausbildung sind, desto stärker ist die Verwendung ferner innovativer Analogien im Unternehmen ausgeprägt. Dieser Zusammenhang ist bei Nicht-Produkt Analogien stärker als bei fernen Produktanalogien.
Diversität von Klienten und Projekten Die Vielfältigkeit des Wissens, welches Mitarbeiter bei ihrer Arbeit erwerben, hängt auch davon ab, wie unterschiedlich die Projekte sind, in denen sie arbeiten. Projekte können sich bzgl. der Industrien unterscheiden, für die ein neues Produkt entwickelt werden soll (z.B. Möbelindustrie, Automobilindustrie, Sportartikel), bzgl. der Art des Auftrages, der erfüllt werden soll (z.B. technische Entwicklung, Produktdesign, Systemdesign) oder bzgl. der angewendeten Technologien (z.B. Elektronik, Mechanik). Je vielfältiger die Projekte sind, die ein Unternehmen abwickelt, desto vielfältiger sollte das Wissen sein, das die Mitarbeiter bei ihrer Arbeit erwerben. 286 287
Vgl. Lüthje (2005) S. 211 und 373. Vgl. Lüthje (2005) S. 367-374.
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Quantitative empirische Untersuchung
Hargadon und Sutton haben basierend auf einer ethnographischen Fallstudie bei dem Innovationsunternehmen IDEO gezeigt, dass Unternehmen, die Klienten aus verschiedenen Industrien Dienstleistungen anbieten, die Rolle eines Wissensvermittlers annehmen können.288 Die Ergebnisse ihrer Untersuchung unterstützen die hier getroffene Annahme, dass die Vielfältigkeit der Projekte, die in einem Industriedesignunternehmen durchgeführt werden, mit der Anwendung ferner Analogien korreliert. H2: Je diverser die Klienten und Projekte des Unternehmens sind, desto stärker ist die Verwendung ferner innovativer Analogien im Unternehmen ausgeprägt. Dieser Zusammenhang ist bei Nicht-Produkt Analogien stärker als bei fernen Produktanalogien.
Externe Kontakte Häufige Kontakte zu verschiedenen externen Partnern können ebenfalls die Wissensvielfalt im Unternehmen erhöhen. Der Austausch von Informationen mit anderen Design- und Ingenieurunternehmen, mit Unternehmensberatern oder Forschungsinstituten trägt zu einem breiten Erfahrungsschatz der Mitarbeiter bei. Außerdem steigt durch regelmäßige Diskussionen von Problemen mit einer Vielzahl unterschiedlicher Personen oder Organisationen die Wahrscheinlichkeit, dass einer dieser externen Partner wertvolles Wissen zur Lösung eines aktuellen Problems beisteuern kann.289 Generell wird davon ausgegangen, dass die Fähigkeit eines Unternehmens, Informationen mit seiner Umwelt auszutauschen, einen positiven Einfluss auf seine Innovationsleistung hat.290 Folglich kann erwartet werden, dass die Häufigkeit verschiedenartiger externer Kontakte positiv auf die Verwendung ferner Analogien in Produktentwicklungsprojekten wirkt. H3: Je häufiger die Mitarbeiter des Unternehmens Kontakte zu unterschiedlichen externen Partnern pflegen, desto stärker ist die Verwendung ferner innovativer Analogien im Unternehmen ausgeprägt. Dieser Zusammenhang ist bei Nicht-Produkt Analogien stärker als bei fernen Produktanalogien.
288 289 290
Vgl. Hargadon (2002); Hargadon und Sutton (1997) sowie die Ausführungen in Abschnitt 3.2.2.3. Vgl. Hargadon und Sutton (1997) S. 733. Vgl. Rodan und Galunic (2004) S. 556; Damanpour (1991) S. 559 u. 568 f.; Woodman et al. (1993) S. 314.
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5.2.1.2 Umgang mit vorhandenem Wissen Die Bedeutung vorhandenen Wissens als Quelle ferner innovativer Analogien wurde bereits zu Beginn des vorangegangenen Unterkapitels „Vielfältigkeit des vorhandenen Wissens“ begründet. Es ist anzunehmen, dass neben der Vielfältigkeit dieses vorhandenen Wissens auch der Umgang mit diesem Wissen die Verwendung innovativer Analogien beeinflusst. Das Wissen eines Unternehmens ist ein schwer erfassbarer, aber dennoch sehr wichtiger Vermögenswert, da es das Unternehmen befähigt, entsprechende Gelegenheiten gewinnbringend zu nutzen.291 Um innovative Analogien zu identifizieren und anzuwenden, müssen zuvor unverbundene Teile dieses vorhandenen Wissens miteinander verbunden werden. Dies ist eine besondere Form der Ressourcenkombination. Als eine Voraussetzung für erfolgsversprechende Wissensrekombinationen sehen Galunic und Rodan ein ungehindertes Fließen von Wissen in einer Organisation.292 Diesem Ansatz folgend wird die Intensität des Wissensaustausches unter den Mitarbeitern als ein Einflussfaktor auf die Verwendung innovativer Analogien betrachtet. Die Ergebnisse der qualitativen Studie haben die besondere Bedeutung projektbasierten Wissens für das Erkennen ferner innovativer Analogien verdeutlicht. Darauf basierend wird als ein zweiter Einflussfaktor, der den Umgang mit vorhandenem Wissen bestimmt, die Orientierung der Mitarbeiter an vergangenen Projekten im Lösungsfindungsprozess untersucht.
Intensität des Wissensaustauschs Drei wichtige Eigenschaften von Wissen können herangezogen werden, um dessen Verwendbarkeit in Organisationen zu beurteilen: der Grad der Implizität bzw. Explizität des Wissens, seine Kontextspezifität und seine Verteilung.293 Anhand dieser drei grundlegenden Eigenschaften von Wissen wird im Folgenden die Annahme begründet, dass die Intensität, mit der Wissen zwischen den Mitarbeitern ausgetauscht wird, das Auffinden ferner Analogien positiv beeinflusst.
291
292 293
Vgl. Kogut und Zander (1992) S. 384 f.; Teece (1998) S. 55 u.62 f.; Grant (1996) S. 375; Gupta und Govindarajan (2000) S. 473. Vgl. Galunic und Rodan (1998) S. 1195. Vgl. Galunic und Rodan (1998) S. 1194.
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Quantitative empirische Untersuchung
Unter dem Grad der Explizität versteht man das Ausmaß, in dem Wissen kodifizierbar ist.294 Der Wissensaustausch zwischen F&E-Mitarbeitern und zwischen Industriedesignern besteht hauptsächlich aus nicht kodifiziertem Wissen. Dies kommt darin zum Ausdruck, dass dieser Wissensaustausch überwiegend auf persönlicher Kommunikation beruht.295 Durch einen regen Wissensaustausch zwischen den Mitarbeitern wird die Möglichkeit geschaffen, implizites Wissen zu externalisieren und damit seine Eignung für die Suche nach Analogien zu verbessern.296 Die Kontextspezifität bezieht sich auf die kontextuelle Einbindung des Wissens. So ist das implizite Wissen einer Person, welches sich hinter bestimmten Fähigkeiten wie beispielsweise Autofahren oder Tennis spielen verbirgt, an den Kontext der üblichen Durchführung dieser Fähigkeiten gebunden.297 Durch eine starke Kontextspezifität des Wissens wird dessen Rekombination bzw. dessen Transfer zu analogen Problemstellungen erschwert.298 Es kann erwartet werden, dass die persönliche Kommunikation dazu beiträgt, die Kontextabhängigkeit des ausgetauschten Wissens zu reduzieren und damit dieses Wissen für die Bildung ferner Analogien besser zugänglich zu machen. Die Kommunikation zwischen Individuen stellt einen Mechanismus dar, der neues Wissen hervorbringen kann.299 Erstens erhält der Sender in einem Kommunikationsprozess die Möglichkeit bei der Beschreibung seiner Erfahrungen und seines erworbenen Fachwissens, sein Wissen zu restrukturieren. Zweitens kann der Empfänger eventuell sein Wissen über die erhaltenen Informationen weiter ausbauen. Und drittens besteht die Möglichkeit, dass sich für den Sender durch Rückmeldungen vom Empfänger die Bedeutung seines Wissens verändert. Restrukturierungsprozesse beim Sender können schließlich auch dazu führen, dass Wissen auf einer höheren Abstraktionsebene gespeichert wird, was die Kontextspezifität des Wissens reduziert. Die Verteilung des Wissens bezieht sich auf das Ausmaß, in dem sich Wissen auf eine Person konzentriert bzw. auf verschiedene Personen verteilt ist.300 Eine Verteilung von 294 295
296 297
298 299 300
Vgl. Polanyi (1966); Nonaka (1994) S. 16 f. Vgl. Liu und Liu (2008) S. 430; Mascitelli (2000) S.190 f.; Hargadon (2002) S. 63-68 und die in Abschnitt 4.6.2 dargestellten Ergebnisse. Vgl. Nonaka (1994) S. 19. Vgl. Nelson und Winter (1982) S. 73. Zur Bedeutung des Kontextes beim Lernen und Problemlösen siehe auch Tyre und Von Hippel (1997) S. 71-81; Lave (1988) S. 169-171 und Elsbach et al. (2005) S.423 u. 426-428. Vgl. Galunic und Rodan (1998) S. 1197 Vgl. Liu und Liu (2008) S. 423 f. und Nonaka (1994) S. 15 u. 25. Vgl. Weick (1985) S. 293 f.
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Wissen ist auch dann gegeben, wenn es in einem System von Interaktionen enthalten ist, wie dies beispielsweise bei Personen der Fall ist, die zielgerichtet zusammenwirken, um eine komplexe Tätigkeit auszuführen.301 Ein intensiver Wissensaustausch zwischen den Mitarbeitern trägt potenziell dazu bei, dass das vorhandene Wissen gleichmäßiger verteilt wird. Gleichzeitig wird das im Team verteilte Wissen auch in jeder einzelnen Person akkumuliert, weshalb die individuelle Wissensvielfalt der Mitarbeiter ansteigt. Somit erhöht sich auf diesem Weg für jeden Mitarbeiter die Wahrscheinlichkeit, ferne innovative Analogien zu erkennen. Diese Effekte der Kommunikation lassen die Schlussfolgerung zu, dass durch eine hohe Intensität des Wissensaustausches sowohl für die Sender als auch die Empfänger von Informationen die Wahrscheinlichkeit zunimmt, Wissen zwischen entfernten Bereichen innovativ zu verknüpfen. Eine hohe Intensität des Wissensaustauschs steigert also insgesamt die Wahrscheinlichkeit, dass eine passende ferne Analogie von einem der Mitarbeiter zur Lösung eines aktuellen Problems entdeckt wird. Der Zugriff auf nahe Analogien hängt dagegen weniger stark vom Wissensaustausch zwischen den Mitarbeitern ab, da er nur Wissen aus einem Bereich voraussetzt und das Erkennen naher Analogien nicht einen so hohen Abstraktionsgrad des Wissens erfordert wie das Erkennen ferner Analogien. Weiterhin wird ebenso wie bei der Wirkung der Vielfältigkeit des vorhandenen Wissens auf die Verwendung ferner innovativer Analogien angenommen, dass die Intensität des Wissensaustausches stärker auf die Verwendung von Nicht-Produkt Analogien als auf die Verwendung von fernen Produktanalogien wirkt, da diese eine größere Transferdistanz beinhalten. H4: Je intensiver die Mitarbeiter des Unternehmens ihr Wissen untereinander austauschen, desto stärker ist die Verwendung ferner innovativer Analogien im Unternehmen ausgeprägt. Dieser Zusammenhang ist bei Nicht-Produkt Analogien stärker als bei fernen Produktanalogien.
Orientierung an vergangenen Projekten Eine wichtige Quelle innovativer Analogien ist das Wissen und die Erfahrung, die aus vorangegangenen Projekten stammen. Ein starkes Fokussieren auf interne Wissensquellen kann sehr effizient sein. Wie in der vorangegangenen qualitativen 301
Vgl. Weick und Roberts (1993) S. 362-366.
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Quantitative empirische Untersuchung
Studie gezeigt wurde, können einige unabhängige Industriedesign- und Ingenieurunternehmen nur die strengen Kosten und Zeitvorgaben ihrer Klienten erfüllen, weil sie für die Lösungsentwicklung Wissen aus vorangegangenen Projekten verwenden.302 Wer sich jedoch zu sehr auf vergangene Projekte verlässt, beschränkt den Lösungsraum auf gut bekannte und eher nahe Bereiche. Vorrangiges Streben nach Effizienz bei der Lösungsentwicklung wird die Industriedesigner dazu bringen, dem Pfad mit den geringsten Hindernissen zu folgen, und beim Lösungsentwurf Wissen zu bevorzugen, das leicht zugänglich und mit nur relativ geringem Aufwand anwendbar ist.303 Der Zugriff auf nahe Analogien ist im Allgemeinen mit geringeren Kosten verbunden als der Zugriff auf ferne Analogien, da Beispiele, die aus demselben Bereich stammen, häufig oberflächliche Ähnlichkeiten teilen. Ferne Analogien basieren dagegen oft nur auf strukturellen Ähnlichkeiten und sind somit schwieriger zu erkennen.304 Der Zugriff auf ferne Analogien, die auf strukturellen Ähnlichkeiten beruhen, ist besonders schwierig, wenn der Problemlöser eine Analogie aus einer vorgegebenen Menge von Beispielen erkennen muss. In Experimenten mit einem Wahrnehmungsansatz hat sich das Erkennen ferner Analogien, wenn die Teilnehmer keinen besonderen Hinweis erhielten, als unwahrscheinlich erwiesen.305 Im Gegensatz dazu werden ferne Analogien in Experimenten, die einem Produktionsansatz folgen, häufig ohne Probleme von den Teilnehmern eingesetzt. 306 Da der Versuch, Analogien zu vorangegangenen Projekten zu entdecken, dem Erkennen einer Analogie aus einer vorgegebenen Menge an Beispielen ähnelt, ist zu erwarten, dass Problemlöser, die sich stark an vorangegangenen Projekten orientieren, dazu tendieren, nahe und nicht ferne Analogien zu verwenden. Außerdem kann vermutet werden, dass dieser einschränkende Effekt für die Analogieanwendung, der durch eine starke Orientierung an vergangenen Projekten hervorgerufen wird, besonders dann auftritt, wenn kurz zuvor ein Projekt aus dem Bereich des aktuellen Problems durchgeführt wurde. Drohende Fixierungseffekten lassen erwarten, dass sich die Problemlöser unbewusst an dem nahen Beispiel orientieren werden, wenn dieses noch sehr präsent ist.307 Ein zeitnah im selben Bereich gelös302 303
304 305 306 307
Vgl. Abschnitt 4.5.2 Vgl. Ward (1998) S. 228 sowie die Ausführungen zum „psychologischen Trägheitsvektor“ von Altschuller (1984) S. 15 und Zobel (2006) S. 21 f. Vgl. Abschnitt 2.2.2. Vgl. Abschnitt 2.2.2.1. Vgl. Abschnitt 2.2.2.2. Vgl. Abschnitt 2.2.3.
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tes Problem kann einen fixierenden Effekt haben und den Zugriff auf ferne Analogien blockieren, selbst wenn ansonsten vielfältige Projekterfahrungen im Unternehmen vorliegen. H5: Je stärker sich die Mitarbeiter des Unternehmens bei der Lösungsfindung an vergangenen Projekten orientieren, desto stärker ist die Verwendung von innovativen Analogien zu anderen Produkten ausgeprägt. Dieser Zusammenhang ist bei nahen Produktanalogien stärker als bei fernen Produktanalogien.
5.2.2 Effekte der Analogieanwendung Neben den Faktoren, welche die Anwendung innovativer Analogien unterschiedlicher Distanz beeinflussen, sollen auch Effekte innovativer Analogien auf die Ergebnisse von Produktdesign- und Produktentwicklungsprojekten analysiert werden. Außerdem stellt sich die Frage, ob auch eine Auswirkung der Analogie auf die Gesamtleistung des Unternehmens nachweisbar ist.
Innovativität von Produktdesign und -entwicklung Diverse Fallbeispiele deuten darauf hin, dass die Verwendung von Analogien, insbesondere von fernen Analogien, zu sehr kreativen Lösungen führen kann.308 Die Rekombination von Wissen aus entfernten Bereichen scheint eine Methode zu sein, mit der radikale Innovationen entwickelt werden können. Ebenso lassen die im Kapitel 4 dargestellten Ergebnisse der qualitativen Untersuchung vermuten, dass ein positiver Zusammenhang zwischen der Distanz der Analogie und der Neuartigkeit der entwickelten Lösungen besteht.309 Es wird angenommen, dass sich dieser Effekt, der bisher auf Projektebene beschrieben wurde, auch auf Unternehmensebene widerspiegelt. Aufgrund dieser Annahmen sollte ein Unternehmen, welches der Verwendung ferner innovativer Analogien eine hohe Bedeutung beimisst und diese häufig in seinen Produktentwicklungsprojekten anwendet, insgesamt innovativere Lösungen entwickeln als ein Unternehmen, das sich auf nahe Analogien konzentriert. 308 309
Vgl. die in Abschnitt 2.3.2 aufgeführten Beispiele. Vgl. die Ausführungen über Zusammenhänge zwischen der Distanz der Analogie und der Innovativität der entwickelten Lösungen im Abschnitt 4.5.1 sowie die dort bereits beschriebenen Ergebnisse der experimentellen Studie von Dahl und Moreau (2002).
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Darüber hinaus wird vermutet, dass mit zunehmender Distanz zwischen dem Quellund dem Zielbereich einer innovativen fernen Analogie die Wahrscheinlichkeit wächst, eine besonders innovative Lösung zu entwickeln. Folglich wird angenommen, dass Nicht-Produkt Analogien allgemein zu innovativeren Lösungen führen als ferne Produktanalogien. H6: Je stärker die Verwendung ferner innovativer Analogien im Unternehmen ausgeprägt ist, desto innovativer sind die Leistungen des Unternehmens in Produktdesign und -entwicklung. Dieser Zusammenhang ist bei Nicht-Produkt Analogien stärker als bei fernen Produktanalogien.
Unternehmenserfolg Und schließlich wird angenommen, dass eine höhere Innovativität der im Unternehmen erzeugten Produktdesigns und Produktentwicklungen zu einem höheren Unternehmenserfolg führt. Ein positiver Einfluss der Produktinnovativität auf den Unternehmenserfolg wurde bereits für produzierende Unternehmen nachgewiesen. So haben beispielsweise Kleinschmidt und Cooper bei einer Untersuchung von 195 Produktinnovationen aus 125 verschiedenen Industrieunternehmen gezeigt, dass hoch innovative Produkte am erfolgreichsten sind.310 Ebenso ergab eine Studie von Gatignon und Xuereb, die auf Antworten von 393 Führungskräften aus dem Marketingbereich basiert, einen positiven Zusammenhang zwischen der Innovativität eines neuen Produktes und dessen Erfolg. In ihrer Studie setzt sich die Innovativität eines Produktes aus dem Neuheitsgrad des Produktes, dessen Unterschiedlichkeit zu Konkurrenzprodukten, dessen Nutzen für die Kunden und dessen relativen Kosten zusammen.311 Ein hoch innovatives Produkt, welches den Kunden besondere Vorteile bietet, kann sich über diese besonderen Produktmerkmale von Konkurrenzprodukten differenzieren. Folglich steigt die Wahrscheinlichkeit eines Markterfolgs.
310
311
Vgl. Kleinschmidt und Cooper (1991) S. 242-250. Insgesamt hat sich in der Studie von Kleinschmidt und Cooper ein U-förmiger Zusammenhang zwischen der Innovativität der entwickelten Produkte und verschiedenen Erfolgskennzahlen ergeben. Produkte mit einem mittleren Innovationsgrad schnitten am schlechtesten ab. Produkte mit einer sehr geringen Innovativität können dagegen aufgrund genutzter Synergieeffekte mit schon existierenden Lösungen in der Entwicklung und im Marketing auch sehr erfolgreich sein. Vgl. Gatignon und Xuereb (1997) S. 81 f. und S. 85.
Herleitung der Hypothesen
115
Die Innovativität neuer Produkte kann jedoch auch negative Wirkungen auf den Erfolg haben. Gründe hierfür liegen beispielsweise darin, dass Schwierigkeiten durch die Anwendung neuer Verfahren oder den Aufbau neuer Kompetenzen auftreten können, dass der Innovationsprozess schlecht gemanagt wird oder dass Fehler beim Marketing des neuen Produktes gemacht werden. Darüber hinaus werden sehr innovative Produkte eventuell nicht von den Kunden angenommen, wenn diese Risiken scheuen, die Anwendung der neuen Produkte größere Lernprozesse für die Kunden beinhalten oder diese eine stark ausgeprägte Loyalität zu bestehenden Angeboten haben.312 In einer Meta-Analyse von 32 Studien über den Zusammenhang zwischen der Innovativität neuer Produkte und ihrem Erfolg haben Szymanski et al. untersucht, woran es liegt, dass diese Studien zu teilweise widersprüchlichen Ergebnissen kommen. Die Ergebnisse der Meta-Analyse zeigen, dass stärkere positive Zusammenhänge zwischen der Innovativität neuer Produkte und ihrem Erfolg in den Studien nachgewiesen wurden, die durch folgende drei Merkmale gekennzeichnet sind: 1. Die Messung der Innovativität beinhaltet nicht lediglich die Neuheit, sondern auch die Bedeutung der Neuheit für den Kunden. 2. Die untersuchten Produkte sind nicht nur neu für das Unternehmen, sondern auch neu für den Markt. 3. Es wurden nur Produktinnovationen und keine Dienstleistungsinnovationen in der Untersuchung ausgewertet. In diesen Fällen wird im Durchschnitt eine Korrelation von 0,43 zwischen der Innovativität und dem Markterfolg der entwickelten Produkte erreicht.313 Es wird angenommen, dass der bei Industrieunternehmen beobachtete Zusammenhang zwischen der Innovativität und dem Erfolg neu entwickelter Produkte sich auf den Erfolg von Industriedesignunternehmen übertragen lässt. Wenn Industrieunternehmen Erfolg mit hoch innovativen Produkten haben, an deren Entwicklung unabhängige Industriedesignunternehmen beteiligt waren, so ist zu vermuten, dass dieser Erfolg auf die involvierten Industriedesigner zurück wirkt. Schließlich gründet sich die Existenz von Industriedesignunternehmen auf dem Erfolg, den ihre Klienten mit den von ihnen entwickelten Lösungen am Markt haben. H7: Je innovativer die Leistungen des Unternehmens in Produktdesign und -entwicklung sind, desto erfolgreicher ist das Unternehmen. 312 313
Vgl. Szymanski et al. (2007) S. 35-39. Vgl. Szymanski et al. (2007) S. 42-48.
116
Quantitative empirische Untersuchung
5.2.3 Darstellung des Gesamtmodells Im vorangegangenen Abschnitt wurden 7 Hypothesen zu den Einflussfaktoren und Effekten der Verwendung innovativer Analogien in Produktdesign und -entwicklung hergeleitet. Die Hypothesen ergeben zusammen ein Strukturgleichungsmodell, dessen Mittelpunkt die Verwendung innovativer Analogien unterschiedlicher Distanz bildet. Das Forschungsmodell ist in Abbildung 14 dargestellt. Jeder Pfeil steht für eine Hypothese. Die Hypothesen H1 bis H5 sagen voraus, dass die erfassten Einflussfaktoren unterschiedliche Wirkungen auf Analogien unterschiedlicher Distanz haben. In ähnlicher Weise wird in Hypothese H6 angenommen, dass die Unternehmensinnovativität von der Distanz der verwendeten Analogien abhängt. Einflussfaktoren Vielfältigkeit des Wissens Ausbildungsheterogenität der Mitarbeiter
Art der verwendeten Analogien
Diversität von Klienten und Projekten Externe Kontakte
Umgang mit Wissen Intensität des Wissensaustausches
Effekte
Nahe Produktanalogien
Ferne Produktanalogien
Innovativität von Produktdesign und -entwicklung
Unternehmens -erfolg
Nicht-Produkt Analogien
Orientierung an vergangenen Projekten
Abbildung 14: Forschungsmodell
Die Unterteilung der verwendeten innovativen Analogien in drei verschiedene Arten wurde aus der qualitativen Untersuchung übernommen, um verschiedene Abstufungen der Transferdistanzen zu berücksichtigen. Es werden unterscheiden:314 1. Nahe Produktanalogien (Quellobjekt und Zielobjekt stammen aus derselben Produktkategorie) 314
Vgl. Abschnitt 4.4.
Herleitung der Hypothesen
117
2. Ferne Produktanalogien (Quellobjekt und Zielobjekt stammen aus verschiedenen Produktkategorien) 3. Nicht-Produkt Analogien (Quellobjekt stammt aus einem produktfremden Bereich) Da es sich hierbei um eine kategoriale Einteilung der Analogien bzgl. des Merkmals ihrer Distanz handelt, ist eine direkte Umsetzung des Konstruktes Analogiedistanz innerhalb eines Strukturgleichungsmodells nicht möglich. Um die Unterschiedlichkeit dieser drei Typen innovativer Analogien zu analysieren, werden drei verschiedene Strukturmodelle berechnet und miteinander verglichen: Eines für die Verwendung naher Produktanalogien, eines für die Verwendung ferner Produktanalogien und eines für die Verwendung von Nicht-Produkt Analogien. Einen zusammenfassenden Überblick über alle sieben Hypothesen gibt Tabelle 4.
118
Quantitative empirische Untersuchung
Einflussfaktoren Vielfältigkeit des Wissens H1
Je heterogener die Mitarbeiter des Unternehmens bzgl. ihrer Ausbildung sind, desto stärker ist die Verwendung ferner innovativer Analogien im Unternehmen ausgeprägt.
H2
Je diverser die Klienten und Projekte des Unternehmens sind, desto stärker ist die Verwendung Dieser Zusammenhang ist bei Nichtferner innovativer Analogien im Unternehmen Produkt Analogien stärker als bei fernen Produktanalogien. ausgeprägt.
H3
Je häufiger die Mitarbeiter des Unternehmens Kontakte zu unterschiedlichen externen Partnern pflegen, desto stärker ist die Verwendung ferner innovativer Analogien im Unternehmen ausgeprägt.
Umgang mit Wissen H4
Je intensiver die Mitarbeiter des Unternehmens ihr Dieser Zusammenhang ist bei NichtWissen untereinander austauschen, desto stärker Produkt Analogien stärker als bei fernen ist die Verwendung ferner innovativer Analogien Produktanalogien. im Unternehmen ausgeprägt.
H5
Je stärker sich die Mitarbeiter des Unternehmens Dieser Zusammenhang ist bei nahen bei der Lösungsfindung an vergangenen Projekten Produktanalogien stärker als bei fernen orientieren, desto stärker ist die Verwendung von Produktanalogien. innovativen Analogien zu anderen Produkten ausgeprägt.
Effekte H6
Je stärker die Verwendung ferner innovativer Dieser Zusammenhang ist bei NichtAnalogien im Unternehmen ausgeprägt ist, desto Produkt Analogien stärker als bei fernen innovativer sind die Leistungen des Unterneh- Produktanalogien. mens in Produktdesign und -entwicklung.
H7
Je innovativer die Leistungen des Unternehmens in Produktdesign und -entwicklung sind, desto erfolgreicher ist das Unternehmen. Tabelle 4: Zusammenfassende Darstellung der Hypothesen
Konzeption der empirischen Untersuchung
5.3
119
Konzeption der empirischen Untersuchung
5.3.1 Datenanalysemethode Zunächst muss eine passende Datenanalysemethode gewählt werden, um das im vorangegangenen Abschnitt vorgestellte Forschungsmodell zu testen. In dem Forschungsmodell werden komplexe Kausalbeziehungen zwischen latenten315 Variablen aufgestellt. In den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften gilt es als Standard, solche Beziehungen über Strukturgleichungsmodelle zu prüfen.316 Strukturgleichungsmodelle werden als zweite Generation der Multivariaten Datenanalysemethoden bezeichnet und ermöglichen im Vergleich zu Verfahren der ersten Generation eine größere Flexibilität bei konfirmatorischen Hypothesentests.317 Ein Strukturgleichungsmodell umfasst neben einem Strukturmodell, in dem die kausalen Abhängigkeiten zwischen den latenten Konstrukten beschrieben sind, auch zwei Messmodelle. In einem exogenen bzw. endogenen Messmodell werden die Beziehungen zwischen den Indikatoren zur Erfassung der exogenen (unabhängigen) bzw. endogenen (abhängigen) latenten Variablen geprüft.318 Zur Berechnung solcher Strukturgleichungsmodelle werden in der Forschung zurzeit hauptsächlich zwei verschiedene Ansätze verwendet: die Kovarianz- und die Varianzstrukturanalyse mit latenten Variablen.319 Kovarianzbasierte Verfahren (Lisrel und AMOS) schätzen die Modellparameter über die Modellierung der Kovarianzmatrix der Modellindikatoren. Der von Wold entwickelte PLS-Ansatz ist dagegen ein varianzbasiertes Verfahren. Bei PLS (= Partial Least Squares) werden die Modellparameter in einem iterativen Prozess der Struktur der tatsächlichen empirischen Daten angepasst.320 Der Name PLS erklärt sich dadurch, dass im Algorithmus jeweils nur ein Teil des Modells betrachtet wird, der direkt durch die Kleinstquadratemethode geschätzt werden kann.321 Über eine sukzessive und iterative Schätzung werden Residualvarian-
315
316
317
318 319
320 321
Latente Variablen sind nicht unmittelbar beobachtbar und können daher empirisch nur über Indikatoren erfasst werden. Vgl. Huber et al. (2007) S. 1. Vgl. Jöreskog und Sörbom (1982) S. 404; W. W. Chin und Newsted (1999) S. 307 f.; Huber et al. (2007) S. 1. Vgl. Fornell (1982) S. 1-4. Multivariate Analysemethoden der ersten Generation sind z.B. die Faktoranalyse, die Diskriminanzanalyse oder die multiple Regression. Vgl. W. W. Chin und Newsted (1999) S. 307 f. Vgl. Hermann et al. (2006) S. 36; Backhaus et al. (2006) S. 341 u. 355. Vgl. Fornell und Bookstein (1982); W. W. Chin und Newsted (1999); Hermann et al. (2006); Albers und Hildebrandt (2006). Vgl. Fornell und Bookstein (1982); Fornell und Larcker (1981); Wold (1982a, 1982b). Vgl. Götz und Liehr-Gobbers (2004) S. 722.
120
Quantitative empirische Untersuchung
zen im Struktur- und Messmodell minimiert und die Varianz der endogenen Variablen, die durch die unabhängigen Variablen erklärt wird, maximiert.322 Bisher haben die kovarianzbasierten Modelle in der betriebswirtschaftlichen Forschung dominiert. Jedoch gewinnt der von Wold323 entwickelte PLS Ansatz immer mehr an Bedeutung. In der Literatur werden hauptsächlich drei Gründe für die zunehmende Verbreitung von PLS genannt:324 1. PLS bietet vielfältige Möglichkeiten für die Modellierung reflektiver und formativer Konstrukte. 2. PLS benötigt eine geringere Stichprobe als kovarianzbasierte Verfahren. Bereits mit 100 Probanden können komplexe Modelle geschätzt werden. 3. Im Gegensatz zu kovarianzbasierten Verfahren, die die MaximumLikelihood-Methode verwenden, wird bei PLS keine multivariate Normalverteilung der Daten vorausgesetzt. Da PLS weichere Annahmen zugrunde liegen als kovarianzbasierten Verfahren, wird es auch als Soft Modeling Verfahren bezeichnet.325 Die oben aufgeführten Vorteile des PLS-Verfahrens bieten jedoch gleichzeitig Ansatz zur Kritik. Die Güte des Strukturmodelles kann bei PLS nur anhand partieller Gütemaße bestimmt werden. Globale Gütekriterien wie bei kovarianzbasierten Verfahren existieren nicht.326 Für diese Untersuchung wurde als Datenanalysemethode PLS gewählt, da die zu analysierende Stichprobe n < 200 ist und zwei der latenten Variablen als formatives Konstrukt operationalisiert wurden. Auf die Operationalisierung der Konstrukte, das Vorgehen bei der Datenerhebung sowie die Größe der tatsächlich erzielten Stichprobe wird in den folgenden beiden Abschnitten eingegangen. Bei der Auswertung der Daten wurde mit dem Programm SmartPLS 2.0 von Ringle et al. gearbeitet.327
322 323 324
325 326 327
Vgl. WW. Chin (1998) S. 299-301; Fornell und Bookstein (1982). Vgl. Wold (1982a) S. 1-53. Vgl. Fornell und Bookstein (1982) S. 441-443; 449 f.; W. W. Chin und Newsted (1999) S. 314; Götz und Liehr-Gobbers (2004) S. 714; Huber et al. (2007) S. 9-13; Panten und Boßow-Thies (2007) S. 311f., 316-318. Vgl. Wold (1982a) S. 51-53; Tenenhaus et al. (2005) S. 160. Vgl. Panten und Boßow-Thies (2007) S. 317f. Ringle et al. (2005)
Konzeption der empirischen Untersuchung
121
5.3.2 Operationalisierung der Konstrukte 5.3.2.1 Unterscheidung reflektiver und formativer Konstrukte Das Strukturgleichungsmodell, welches in Abschnitt 5.2 hergeleitet wurde, umfasst 5 latente exogene Variablen und 3 latente endogene Variablen. Da die Variablen latent, also nicht direkt messbar sind, müssen sie operationalisiert werden. Durch die Operationalisierung der latenten Variablen ergeben sich die Messmodelle.328 Bei der Spezifizierung der Zusammenhänge zwischen Indikator und Konstrukt unterscheidet man zwischen formativen und reflektiven Zusammenhängen. Bei einem reflektiven Messmodell spiegeln die Indikatoren verschiedene Ausprägungen einer latenten Variablen wieder. Dies bedeutet, dass eine Veränderung des Konstruktes eine Veränderung aller Indikatoren bewirken sollte. In einem reflektiven Konstrukt wird somit eine hohe Korrelation der Indikatoren angenommen.329 In einem formativen Messmodell wirken dagegen die Indikatoren auf die Ausprägungen der latenten Variablen ein. Dies bedeutet, dass die Änderung eines Indikators eine Veränderung bei der Konstruktausprägung hervorrufen sollte. Bei formativen Konstrukten ist es möglich, dass die Änderung eines Indikators bereits eine Veränderung des Konstruktes hervorruft, auch wenn die anderen Indikatoren gleich bleiben. Da die Indikatoren im formativen Fall definierende Eigenschaften des Konstruktes darstellen, wird bei der Entfernung eines Indikators die Bedeutung des Konstruktes verändert.330 Die gegensätzliche Wirkrichtung zwischen Indikatoren und Konstrukt bei formativen und reflektiven Messmodellen ist in Abbildung 15 dargestellt. Die Entscheidung, ob ein Konstrukt reflektiv oder formativ operationalisiert wird, hat Auswirkungen auf die Beurteilung der Güte der Messmodelle331 und die Interpretation der Ergebnisse des Strukturgleichungsmodells.332
328
329 330 331 332
Als exogen bezeichnet man die unabhängigen Variablen und als endogen die abhängigen Variablen. Vgl. Götz und Liehr-Gobbers (2004) S. 716. Vgl. Götz und Liehr-Gobbers (2004) S. 718; Panten und Boßow-Thies (2007) S. 314. Vgl. Götz und Liehr-Gobbers (2004) S. 718; Panten und Boßow-Thies (2007) S. 314. Vgl. Abschnitt 5.4.2 und 5.4.3. Vgl. Albers und Hildebrandt (2006) S. 10-14.
122
Quantitative empirische Untersuchung
Formatives Messmodell
Reflektives Messmodell
Konstrukt
x1
…
x2
Konstrukt
xn
x1
x2
…
xn
Abbildung 15: Unterscheidung formativer und reflektiver Messmodelle333
In dieser Untersuchung werden für die exogenen Variablen sowohl reflektive als auch formative Konstrukte verwendet. Die endogenen Variablen sind alle reflektiv operationalisiert. In den folgenden beiden Abschnitten werden die Konstrukte der exogenen und endogenen Variablen näher beschrieben. Alle in dieser Untersuchung verwendeten Konstrukte beziehen sich auf Industriedesignunternehmen als Untersuchungseinheit. Die Variablen werden daher auf Unternehmensebene spezifiziert. Die Formulierungen, die zur Erfassung der latenten Variablen im Fragebogen verwendet wurden, sind im Anhang dargestellt.
5.3.2.2 Exogene Variablen Die Ausbildungsheterogenität wird mit Blau’s Heterogenitätsindex gemessen.334 Der Heterogenitätsindex von Blau bestimmt die kategorische Heterogenität, indem für jede vorhandene Kategorie ihr Anteil an der Gesamtmenge quadriert wird und die Summe dieser Quadrate von 1 subtrahiert wird.335 Bei einer vorgegebenen Anzahl an Kategorien erreicht die Heterogenität ihr Maximum, wenn sich die Elemente der untersuchten Gruppe gleichmäßig über alle Kategorien verteilen. Außerdem nimmt die Heterogenität mit der Anzahl der vertretenen Kategorien zu. Bezogen auf die Messung der Ausbildungsheterogenität in dieser Studie, folgt daraus, dass bei sehr heterogenen 333
334 335
Eigene Darstellung in Anlehnung an Hermann et al. (2006) S. 36 und Götz und Liehr-Gobbers (2004) S. 717. Vgl. Blau (1977) S. 78. Heterogenität = 1– Pi ²
¦ i
Konzeption der empirischen Untersuchung
123
Ausbildungshintergründen der Mitarbeiter der Heterogenitätsindex nah bei dem Wert 1 liegt und sich bei sehr homogenen Ausbildungen dem Wert 0 nährt. Es werden sechs Kategorien an Ausbildungsdisziplinen unterschieden: x Industrie- und Produktdesign x Sonstiges Design (z.B. Grafik-, Kommunikationsdesign) x Architektur x Technik/ Ingenieurwissenschaften x Naturwissenschaften x Andere Fachrichtungen Die Teilnehmer der Befragung sollten in Prozentzahlen angeben, wie viele ihrer Mitarbeiter, den einzelnen Ausbildungskategorien angehören. Die Einteilung der Ausbildungskategorien wurde daran ausgerichtet, welche Ausbildungen Mitarbeiter in Industriedesignunternehmen typischerweise haben können. Zur Erfassung der Vielfältigkeit von Klienten und Projekten wird ein formatives Konstrukt verwendet. Die Indikatoren des Konstrukts wurden von einer Skala abgeleitet, die Miller und Friesen zur Messung der Diversität von Produktlinien konzipiert hatten.336 Es werden vier Indikatoren verwendet, um das Konstrukt der Vielfältigkeit von Klienten und Projekten zu formen. In drei Indikatoren wird erfasst, wie stark sich die vom Unternehmen bearbeiteten Projekte bzgl. der Art der Aufträge (z.B. technische Entwicklung, Produktdesign, Systemdesign), der Branche/ des Fachgebietes der Auftraggeber (z.B. Möbelindustrie, Automobilindustrie, Hausgeräte) sowie der relevanten Technologiebereiche (z.B. Elektrotechnik, Maschinenbau, Automatisierungstechnik) unterscheiden. Als eine weitere Facette des Konstruktes wird die Frage einbezogen, für wie viele verschiedene Klienten die Unternehmen in den letzten fünf Jahren gearbeitet haben. Um die Häufigkeit und Vielfältigkeit der externen Kontakte des Unternehmens zu messen, wird auf die Arbeit von Faems, Van Looy und Debackere zurückgegriffen.337 Ihr formatives Messmodell erfasst die Häufigkeit der Kontakte mit unterschiedlichen externen Partnern. Die verschiedenen Facetten des Konstruktes spiegeln sich in verschiedenen Arten externer Partner wieder, mit denen Informationen ausgetauscht werden. Die Industriedesignunternehmen wurden gefragt, wie häufig sie Informatio336 337
Vgl. Miller und Friesen (1982) S. 21. Vgl. Faems et al. (2005) S. 242.
124
Quantitative empirische Untersuchung
nen mit externen Partnern eines bestimmten Typs austauschen. Als verschiedene Typen externer Partner werden (1.) Design- und Ingenieurberatungen, (2.) anderen Beratungen (z.B. Wirtschaftsberatungen und Architekturbüros), (3.) die Kunden ihrer Auftraggeber sowie (4.) Universitäten und Forschungseinrichtungen unterschieden. Als zusätzliche Facette des Konstruktes wird über einen fünften Indikator erfasst, wie sich die externen Partner des Unternehmens über die Welt verteilen. Die Intensität des Wissensaustauschs im Unternehmen wird über ein reflektives Konstrukt gemessen. Hierfür wurde eine Skala von Fischer, Maltz und Jaworski angepasst.338 Mit Hilfe von vier Indikatoren wird erfasst, für wie wichtig Informationsaustausch im Unternehmen angesehen wird, ob Informationsaustausch erwartet und gefördert wird und wie eng verschiedene Teams im Unternehmen miteinander kommunizieren. Zur Messung der Orientierung an vergangenen Projekten wird ebenfalls ein reflektives Konstrukt eingesetzt. Die verwendeten Indikatoren basieren auf einer von Marsh und Stock entworfenen Skala, die den Aufwand bzw. das Bemühen eines Unternehmens misst, Wissen zu speichern und wieder zu verwenden, das in vorangegangenen Produktentwicklungsprojekten aufgebaut wurde.339 Anhand von zwei direkt und zwei invers gestellten Fragen, sollten die Teilnehmer der Befragung bewerten, wie häufig in ihrem Unternehmen Wissen zwischen Projekten transferiert wird und wie gut der Transfer von Wissen aus vorangegangenen Projekten umgesetzt wird.
5.3.2.3 Endogene Variablen An zentraler Stelle im Forschungsmodell steht die endogene Variable Verwendung innovativer Analogien unterschiedlicher Distanz. Um die Verwendung der drei verschiedenen Analogietypen340 zu erfassen, werden drei verschiedene latente Variablen eingesetzt: (1.) „Verwendung naher Produktanalogien“, (2.) „Verwendung ferner Produktanalogien“ und (3.) „Verwendung von Nicht-Produkt Analogien“. Alle drei Variablen wurden reflektiv mittels jeweils zweier Indikatoren spezifiziert. So wurden 338 339 340
Vgl. Fischer et al. (1997) S. 68. Vgl. Sarah J. Marsh und Stock (2006) S. 436. Vgl. die Ausführungen im Abschnitt 5.2.3.
Konzeption der empirischen Untersuchung
125
zu jedem Analogietyp die Häufigkeit seiner Verwendung sowie die Bedeutung seiner Nutzung in den Projekten des Unternehmens abgefragt. Um sicher zu gehen, dass die Befragten verstehen, was mit den verschiedenen Typen der Analogiedistanz gemeint ist, wurde neben der oben aufgeführten Definition zu jedem Analogietyp ein Beispiel präsentiert.341 Zur Messung der Innovativität der befragten Unternehmen wurde eine reflektive Skala entwickelt, welche sich an zwei Konstrukte von Gatignon und Xuereb anlehnt, in denen sie die Radikalität einer entwickelten Lösung bezüglich der verwendeten Technologien sowie die Innovativität in Vergleich zu Wettbewerbsprodukten messen.342 Aus den von Gatignon und Xuereb verwendeten Indikatoren, die die Innovativität eines Produktes messen, wurden sechs reflektive Indikatoren zur Messung der innovativen Leistung eines Unternehmens abgeleitet. Darüber hinaus wird über einen siebten Indikator erfasst, wie die Unternehmen ihre Innovativität im Vergleich zu ihren Wettbewerbern einschätzen. Der Unternehmenserfolg wird reflektiv mit vier Indikatoren gemessen. Das Konstrukt wurde in ähnlicher Form bereits von Choi et al. in einer Studie über die Auswirkungen von Wissensmanagementstrategien verwendet.343 Es wird davon ausgegangen, dass sich eine positive Unternehmensleistung sowohl im allgemeinen Erfolg des Unternehmens, als auch in seinem Marktanteil, seiner Wachstumsrate und seiner Profitabilität widerspiegelt. Die befragten Personen wurden daher gebeten, ihr Unternehmen bezüglich dieser Punkte mit ihren Hauptkonkurrenten zu vergleichen.
5.3.3 Datenerhebung Als Grundgesamtheit der Befragung wurden alle Industriedesignunternehmen in Deutschland, Österreich und dem deutschsprachigen Teil der Schweiz gewählt. Es wurde in dieser Grundgesamtheit eine Vollbefragung angestrebt. Im Vorfeld der Befragung wurden 770 Industriedesignunternehmen identifiziert, von denen 617 aus Deutschland, 41 aus Österreich und 112 aus der Schweiz stammen. Die Identifizierung der Unternehmen erfolgte über Listen, die von Interessensverbänden der Industriedesigner im Internet veröffentlicht werden. Den Ausgangspunkt der Recherche bildete 341 342 343
Die dargestellten Beispiele und Erläuterungen sind ebenso wie die Fragen im Anhang abgebildet. Vgl. Gatignon und Xuereb (1997) S. 82 und 89. Vgl. Choi et al. (2008) S. 248. Ebenso verwendet Drew (1997) S. 432 f. ein Konstrukt zur Messung des Unternehmenserfolgs, welches sich aus Selbsteinschätzungen im Vergleich zu Wettbewerbern zusammen setzt.
126
Quantitative empirische Untersuchung
die unter www.industriedesign.de verfügbare Datenbank, auf die auch vom Verband der deutschen Industriedesigner344 verwiesen wird. Diese Datenbank wird als größte deutschsprachige Datenbank für die Suche nach Industriedesignern bezeichnet und enthält neben Unternehmen aus Deutschland auch österreichische und schweizer Unternehmen. Ergänzt wurde die Suche über die Swiss Design Association345 und dem Österreichischen Firmen-Portal hotfrog346. Eine ausführliche Internetrecherche sollte darüber hinaus eine möglichst vollständige Erfassung relevanter Unternehmen sicher stellen. Die Webseiten verschiedener nicht-kommerzieller Verbände, Organisationen und Interessensgruppen wurden nach noch nicht erfassten Unternehmen durchsucht.347 Schließlich dienten auch generische Suchterme in Internetsuchmaschinen wie z.B. Industriedesign oder Produktdesign der Identifizierung weiterer Firmen. Es folgte der Versuch, sicher zu stellen, dass alle identifizierten Unternehmen wirklich im Industriedesign aktiv sind. Darüber gaben die Internetdarstellungen der Unternehmen, soweit diese vorhanden waren, durch relevante Informationen Auskunft. Aus der so erzielten Stichprobe wurden dann alle Unternehmen entfernt, die ausschließlich in Designbereichen aktiv sind, in denen keine physischen (technologiebasierten) Produkte entwickelt werden – wie z.B. im Webdesign oder Unternehmensdesign. Ebenso wurden Architekturbüros aussortiert. Die Datenerhebung erfolgte mittels eines Fragebogens, der Mitte Februar 2008 zunächst in Papierform an die 770 identifizierten Industriedesignunternehmen verschickt wurde. Jedem Fragebogen lag ein persönlich adressierter Brief an den Geschäftsführer bzw. Leiter der Designabteilung bei, der die Befragten über den Zweck der Befragung aufklärte und ihnen als Anreiz für die Beantwortung des Fragebogens eine individualisierte Auswertung der Untersuchungsergebnisse sowie die Teilnahme an einer Verlosung anbot. Zwei Wochen nach dem Versand des Fragebogens wurde ein Erinnerungsschreiben versendet. Eine Woche später folgte eine Email mit einem Link zu einer Online-Version des Fragebogens.348 Von den ursprünglich 770 Fragebögen konnten trotz der vorangegangenen intensiven Recherche 76 nicht per Post zugestellt werden. Weitere 24 Unternehmen antworteten, dass sie nicht in die Stichprobe passen, da sie nicht oder nicht mehr im Bereich des 344 345 346 347 348
www.vdid.de www.swiss-design-association.ch www.hotfrog.at/Produkte/Industriedesign z.B. www.designer-profile.com; www.asid.de; www.agd.de; www.red-dot.de Die schweizer und österreichischen Unternehmen wurden von Marc Schulthess aus Bern über das Institut IMU-Innovation der Universität Bern kontaktiert.
Ergebnisse der empirischen Untersuchung
127
Industriedesigns tätig sind. Somit wurde die ursprüngliche Auswahl an 770 Unternehmen auf 670 Unternehmen reduziert. Insgesamt trafen 239 Antworten von unterschiedlichen Unternehmen ein. Das entspricht einer Bruttoantwortrate von 35,7%. Leider konnten nicht alle Antworten bei der Bewertung berücksichtigt werden, da es für die Untersuchung von elementarer Wichtigkeit war, dass die zentralen Fragen zur Verwendung innovativer Analogien beantwortet wurden. Antworten ohne vollständige Angaben in diesem Bereich wurden von der Analyse ausgeschlossen. Außerdem wurden die Antworten aussortiert, die von Unternehmen mit weniger als zwei Vollzeitmitarbeitern stammten bzw. die keine Angaben über die Mitarbeiterzahl enthielten, da für diese Unternehmen die zu messenden Konstrukte der Ausbildungsheterogenität und des Wissensaustauschs im Unternehmen nicht bewertbar sind. Zuletzt wurden noch zwei Antworten von Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern von der Analyse ausgeschlossen, da sie nicht in die Stichprobe passten. Insgesamt waren also nur 172 Antworten verwertbar. Dies ergibt als Rate an verwertbaren Antworten 25,7%, welche den Ansprüchen an Repräsentativität der Ergebnisse genügt.
5.4
Ergebnisse der empirischen Untersuchung
5.4.1 Deskriptive Ergebnisse Die deskriptiven Ergebnisse der Untersuchung deuten darauf hin, dass Industriedesignunternehmen regelmäßig innovative Analogien in ihren Produktentwicklungsprojekten verwenden. Die Häufigkeit der Analogieverwendung ergab auf einer siebenstufigen Likert-Skala (mit 1= sehr seltene Nutzung und 7 = sehr häufige Nutzung) folgende Durchschnittswerte: 5,12 (Standardabweichung = 1,6) für nahe Produktanalogien, 5,22 (Standardabweichung = 1,3) für ferne Produktanalogien und 4,49 (Standardabweichung = 1,7) für Nicht-Produktanalogien. Bei den 172 in der Stichprobe enthaltenen Unternehmen handelt es sich überwiegend um kleine Unternehmen. Ungefähr 50% der Unternehmen haben weniger als 5 Mitarbeiter und bei 34% der Unternehmen arbeiten nur zwischen 5 und 10 Personen. Somit haben nur 16% der Unternehmen 10 oder mehr als 10 Mitarbeiter. Dies entspricht jedoch der allgemeinen Situation von Designunternehmen.349
349
Die GFK Marktforschung GmbH hat 2002 für die International Forum Design GmbH 6882 Designfachleute zur Bewertung von Designwettbewerben befragt. Bezüglich der Anzahl der Mitarbeiter der befragten Unternehmen ergab sich folgende Struktur: 39% haben 1-5 Mitarbeiter,
128
Quantitative empirische Untersuchung
Fast alle Personen, die geantwortet haben sind ausgebildete Industriedesigner. Mit einer durchschnittlichen Berufserfahrung von 19 Jahren in Design- und Entwicklung von Produkten, sollten sie zur Beantwortung der Fragen ausreichend qualifiziert sein.
5.4.2 Beurteilung der Güte der reflektiven Messmodelle Über die Bewertung der Güte der Messmodelle soll eine gültige und zuverlässige Messung der latenten Variablen gewährleistet werden. Zur Beurteilung der Güte reflektiver Messmodelle ist es allgemein üblich, vier Gütemaße zu überprüfen:350 1. 2. 3. 4.
Unidimensionalität Indikatorreliabilität Konstruktreliablität Diskriminanzvalidität
Reflektive Skalen sollten zunächst auf ihre Unidimensionalität mittels einer explorativen Faktoranalyse überprüft werden. Für jedes der sieben reflektiven Konstrukte wurde daher in SPSS eine Hauptkomponentenanalyse durchgeführt. Als Abbruchkriterium wurde das Kaiser- Kriterium gewählt. Nach diesem Kriterium werden alle Faktoren extrahiert, deren Eigenwert größer 1 ist.351 Außerdem wurden die Faktorladungen betrachtet und Indikatoren, deren Absolutwert ihrer Ladung 0,4 unterschreitet eliminiert.352 Die Ergebnisse der Faktoranalysen haben dazu geführt, dass einige der Konstrukte angepasst werden mussten. So wurde beim Konstrukt Informationsaustausch der erste Indikator entfernt und beim Konstrukt Berücksichtigung von vorhandenem Wissen die beiden invers formulierten Indikatoren. Beim Konstrukt Innovativität mussten vier der sieben Indikatoren eliminiert werden. Eine Übersicht über die gestrichenen und beibehaltenen Indikatoren gibt Tabelle 5. Die Konstrukte Verwendung von Analogien und Unternehmenserfolg mussten aufgrund der Ergebnisse der explorativen Faktoranalyse nicht angepasst werden. Die weiteren Gütemaße werden mittels des PLS-Programmes bestimmt. Als erstes werden zur Bestimmung der Indikatorreliabilität die vom PLS-Algorithmus berechneten Faktorladungen betrachtet. Die Indikatorreliabilität zeigt den Anteil der
350
351 352
19% haben 6-9 Mitarbeiter, 15% haben 10-19 Mitarbeiter, 11% haben 20-49 Mitarbeiter, 15% haben 50 und mehr Mitarbeiter (k. A. = 2%). Vgl. GfK (2002) S. 35. Vgl. Götz und Liehr-Gobbers (2004) S. 727 f.; Homburg und Giering (1996) S. 8 u. 10 f.; Hulland (1999) S. 198-200. Vgl. Backhaus et al. (2006) S. 295. Vgl. Homburg und Giering (1996) S. 8 und 12.
Ergebnisse der empirischen Untersuchung
129
Varianz eines Indikators, der durch die zugrunde liegende latente Variable erklärt werden kann. Bei einer Faktorladung größer 0,7 kann mehr als 50% der Varianz eines Indikators auf die latente Variable zurückgeführt werden. Somit ist > 0,7 ein geläufiges Gütekriterium.353 In der Praxis werden aber auch Indikatoren verwendet, die eine geringere Ladung als 0,7 aufweisen. Jedoch sollten Indikatoren, deren Ladungen, den Wert von 0,4 unterschreiten, aus dem Messmodell entfernt werden.354 Die Ladungen der reflektiven Indikatoren sowie ihre Signifikanz werden in Tabelle 6 dargestellt. Die Gütemaße werden für die drei Strukturmodelle „Nahe Produktanalogie“, „Ferne Produktanalogie“ und „Nicht-Produkt Analogie“ angegeben. Die drei Strukturmodelle unterscheiden sich bezüglich der Indikatoren, die für das Konstrukt „Verwendung von Analogien“ eingesetzt werden. Im Modell „Nahe Produktanalogie“ wird die Verwendung von Analogien über die Bedeutung und Häufigkeit der Verwendung naher Produktanalogien gemessen. Dementsprechend werden in den anderen beiden Modellen die Variablen „Verwendung von fernen Produktanalogien“ bzw. „Verwendung von Nicht-Produkt Analogien“ eingesetzt.355 Beim Konstrukt Wissensaustausch sind bis auf eine Ausnahme die Ladungen aller Indikatoren in mindestens zwei der berechneten Modelle signifikant größer 0,7. Die Konstrukte „Orientierung an vergangenen Projekten“ und „Verwendung von Analogien“ haben in allen drei Modellen Indikatoren mit signifikanten Ladungen größer 0,7. Die Ladungen der Konstrukte Innovativität und Erfolg fallen etwas schwächer aus. Da jedoch alle Ladungen deutlich größer 0,4 und signifikant sind, werden keine weiteren Indikatoren aus dem Messmodell entfernt. Insgesamt wird die Indikatorreliabilität als akzeptabel eingestuft.
353
354 355
Vgl. Carmines und Zeller (1979) S.27; Götz und Liehr-Gobbers (2004) S. 727; Huber et al. (2007) S. 35. Vgl. Hulland (1999) S. 198. Vgl. die Ausführungen zum Aufbau des Forschungsmodells in Abschnitt 5.2.3 und zur Operationalisierung der Variablen „Verwendung von Analogien“ in Abschnitt 5.3.2.3.
130
Quantitative empirische Untersuchung
Konstrukt mit den Indikatoren
Ergebnis der Faktoranalyse
Wissensaustausch WI_1
Informationsaustausch wird für wichtig gehalten
entfernt
WI_2
Enge Kommunikation zwischen Projektteams
beibehalten
WI_3
Starke Förderung des Informationsaustausches
beibehalten
WI_4
Leiter der Projekte tauschen Informationen aus
beibehalten
Orientierung an vergangenen Projekten OR_1 Häufiges Verwenden von Wissen aus vergangenen Projekten OR_2
Seltene Nutzung von Wissen darüber, was in vergangenen Projekten funktioniert hat
beibehalten entfernt
OR_3 Fähigkeit Wissen zwischen Projekten zu transferieren
beibehalten
OR_4
entfernt
Verpassen von Möglichkeiten zum Wissenstransfer
Verwendung von Analogien (eigentlich drei Variablen: nahe Analogien, ferne Analogien, Nicht-Produkt Analogien) AN_1
Häufigkeit der Verwendung von Analogien
beibehalten
AN_2
Bedeutung der Verwendung von Analogien
beibehalten
Innovativität IN_1
Primär Weiterentwicklung bewährter Produkte und Prozesse
entfernt
IN_2
Große Menge an neuem technischen Wissen
beibehalten
IN_3
Revolutionär neue Technologien
entfernt
IN_4
Große Innovationssprünge der Auftraggeber
entfernt
IN_5
Veränderung der Wettbewerbsposition der Auftraggeber
entfernt
IN_6
Öffnung neuer Märkte für die Auftraggeber
beibehalten
IN_7
Innovativer als Hauptkonkurrenten
beibehalten
ER_1
Erfolgreicher als Hauptkonkurrenten
beibehalten
ER_2
Höherer Marktanteil als Hauptkonkurrenten
beibehalten
ER_3
Wächst schneller als Hauptkonkurrenten
beibehalten
ER_4
Profitabler als Hauptkonkurrenten
beibehalten
Erfolg
Tabelle 5: Ergebnis der Faktoranalysen
Ergebnisse der empirischen Untersuchung
131
Nahe Produktanalogie Konstrukt
Ferne Produktanalogie
Nicht-Produkt Analogie
Indikator
Ladung
t-Wert
Ladung
t-Wert
Ladung
t-Wert
WI_2
0,94
3,22*
0,73
2,45*
0,87
10,1*
WI_3
0,86
2,93*
0,69
2,21*
0,85
9,87*
WI_4
0,72
2,25*
0,96
2,25*
0,83
15,1*
Orientierung an verganganenen Projekten
OR_1
0,89
21,3*
0,77
4,58*
0,78
2,48*
OR_3
0,82
12,7*
0,93
9,14*
0,92
3,22*
Verwendung von Analogien
AN_1
0,86
17,7*
0,76
10,0*
0,83
19,7*
AN_2
0,85
17,2*
0,87
17,3*
0,89
28,0*
Innovativität
IN_2
0,70
7,09*
0,76
11,2*
0,74
10,9*
IN_6
0,62
5,12*
0,65
7,31*
0,71
11,1*
IN_7
0,83
12,0*
0,78
13,37*
0,74
13,4*
ER_1
0,90
25,7*
0,90
22,1*
0,89
22,8*
ER_2
0,63
3,77*
0,64
3,54*
0,64
4,20*
ER_3
0,64
4,80*
0,65
4,82*
0,65
5,62*
ER_4
0,65
5,69*
0,64
4,99*
0,65
5,77*
Wissensaustausch
Erfolg
* signifikant auf 0,05 Niveau (einseitiger t-Test) Tabelle 6: Ladungen und t-Werte der reflektiven Indikatoren
Die Beurteilung der Güte auf Konstruktebene ist von größerer Bedeutung als die Beurteilung der Güte auf Indikatorebene. Sie erfolgt über die Bewertung der Konstruktreliabilität. Ein reflektives Konstrukt kann als verlässlich beurteilt werden, wenn die ihm zugeordneten Indikatoren eine starke Beziehung untereinander aufweisen. Die Konstruktreliabiltät wird mittels der „internen Konsistenz“ (CR)356 des Konstruktes nach Werts, Linn und Jöreskog357 überprüft.
356
357
Andere Bezeichnungen für „interne Konsistenz“ sind Konvergenzvalidität, Faktorreliabilität, bzw. im Englischen Composite Reliability , vgl. WW. Chin (1998) S. 320; Götz und Liehr-Gobbers (2004) S. 727; Huber et al. (2007) S. 35. Vgl. Werts et al. (1974); WW. Chin (1998) S. 320.
132
Quantitative empirische Untersuchung
(5-I)
CR =
(¦ Oij ) 2 i
(¦ Oij ) 2 ¦ var(H ij ) i
i
Dieses Maß der internen Konsistenz soll Cronbach’s alpha überlegen sein, da es im Gegensatz zu Cronbach’s alpha nicht davon ausgeht, dass jeder Indikator gleichviel zu einer latenten Variable beisteuert. Stattdessen werden die tatsächlichen Indikatorladungen, die sich aus dem nomologischen Netzwerk ergeben, verwendet.358 Der Grenzwert für die Annahme eines Konstruktes wird bei CR > 0,7 angesehen.359 Wie aus Tabelle 7 deutlich wird, liegen die CR-Werte für alle drei reflektiven Konstrukte über dem Grenzwert von 0,7.
Konstrukt
Konstruktreliabilität > 0,7
DEV > 0,5
Q2 (Kommunalität) >0
Fornell-Larcker Kriterium
Wissensaustausch
(0,88; 0,84; 0,89)
(0,72; 0,65; 0,72)
(0,44; 0,30; 0,41)
erfüllt
Orientierung an vergangenen Projekten
(0,85; 0,84; 0,84)
(0,74; 0,73; 0,73)
(0,22; 0,21; 0,22)
erfüllt
Verwendung von Analogien
(0,85; 0,80; 0,85)
(0,73; 0,67; 0,74)
(0,48; 0,34; 0,45)
erfüllt
Innovativität
(0,76; 0,77; 0,78)
(0,52; 0,53; 0,54)
(0,09; 0,10; 0,10)
erfüllt
Erfolg
(0,80; 0,81; 0,81)
(0,51; 0,51; 0,52)
(0,22; 0,23; 0,23)
erfüllt
(nahes Analogiemodell; fernes Analogiemodell; Nicht-Produkt Analogiemodell) Tabelle 7: Qualitätskriterien der reflektiven Konstrukte
In einem weiteren Schritt wird die Diskriminanzvalidität überprüft. Die Diskriminanzvalidität gibt die Unterschiedlichkeit der Messung verschiedener Konstrukte mit einem Messinstrument an. Diskriminanzvalidität liegt vor, wenn die gemeinsame Varianz zwischen der latenten Variable und ihren Indikatoren größer ist als die gemeinsame Varianz mit anderen Variablen.360 Um dieses Kriterium zu erfüllen, 358 359 360
Vgl. Fornell und Larcker (1981); Hulland (1999) S. 199; WW. Chin (1998) S. 320. Vgl. Nunnally (1978) S. 245; Huber et al. (2007) S. 35. Vgl. Götz und Liehr-Gobbers (2004) S. 728.
Ergebnisse der empirischen Untersuchung
133
sollte zum einen die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) eines Konstruktes größer als 0,5 sein.361
¦O ¦ O ¦ var(H ) 2 ij
(5-II)
DEV =
i
2 i
i
i
i
Die durchschnittlich erfasste Varianz gibt Auskunft darüber, wie viel Varianz des Konstrukts durch die ihm zugeordneten Indikatoren erklärt wird. Wenn gilt DEV > 0,5, ist sichergestellt, dass der überwiegende Teil der Varianz erklärt wird und nicht auf den Fehlerterm entfällt.362 Laut Tabelle 7 liegt der DEV aller reflektiven Konstrukte über 0,5. Zusätzlich sollte nach Fornell und Larcker die DEV einer latenten Variable größer sein als jede quadrierte Korrelation dieser latenten Variable mit einer anderen latenten Variable im Untersuchungsmodell.363 Dies konnte für alle reflektiven Variablen in allen drei Untersuchungsmodellen bestätigt werden. Die im Modell verwendeten Konstrukte scheinen sich somit deutlich voneinander zu unterscheiden und können als separate Einheiten angesehen werden. Zusätzlich wird zur Beurteilung der Güte der reflektiven Messmodelle Stone-Geissers Q² 364 berechnet. (5-III)
ܳ ; = 1-
σೖ ாೕೖ σೖ ைೕೖ
Mittels Q² kann eine Aussage darüber getroffen werden, wie gut die latente Variable durch ihre Indikatoren rekonstruiert werden kann. Q² wird mittels einer BlindfoldingProzedur bestimmt, die während der Parameterschätzung systematisch einen Teil der Rohdatenmatrix als fehlend annimmt. Das Messmodell besitzt Vorhersagerelevanz, wenn der Wert von Q² über Null liegt, da dann die Summe der Residuen für das geschätzte Modell kleiner als die Summe der Residuen der trivialen Schätzung ist. Q² lässt sich einmal bezüglich der Kommunalität der Indikatoren und einmal bezüglich ihrer Redundanz bestimmen. Zur Beurteilung der Prognoserelevanz auf Konstrukt-
361
362
363 364
Im Englischen wird DEV mit AVE (= Average Variance Extracted) bezeichnet. Vgl. WW. Chin (1998) S. 321; Götz und Liehr-Gobbers (2004) S. 728. gl. Fornell und Larcker (1981) S. 45 f.; WW. Chin (1998) S. 321; Götz und Liehr-Gobbers (2004) S. 734. Vgl. Fornell und Larcker (1981) S. 46. Vgl. Huber et al. (2007) S. 37.
134
Quantitative empirische Untersuchung
ebene wird die kreuzvalidierte Kommunalität zu Grunde gelegt.365 Wie aus der Tabelle 7 ersichtlich ist, besitzen alle reflektiven Konstrukte ausreichende Prognoserelevanz. Insgesamt ist die Güte der reflektiven Messmodelle somit ausreichend, um eine gültige und zuverlässige Messung der latenten Variablen zu gewährleisten.
5.4.3 Beurteilung der Güte der formativen Messmodelle Die Gütemaße reflektiver Messmodelle dürfen nicht auf formative Messmodelle übertragen werden, da in formativen Messmodellen die Kausalrichtung umgekehrt ist. Bei einem formativen Konstrukt trägt jeder einzelne Indikator zur vollständigen Definition der latenten Variable bei.366 Eine sorgfältige Spezifizierung des Inhaltes der Konstrukte ist daher vor der Datenerhebung zwingend erforderlich. Im Gegensatz zu reflektiven Messmodellen, kann der Inhalt formativer Konstrukte nicht über eine explorative Faktoranalyse validiert werden. Eine Überprüfung auf Reliabilität ist bei formativen Indikatoren wenig sinnvoll, da keine Annahme darüber besteht, dass die Indikatoren kovariieren. Die Indikatoren eines formativen Konstruktes können sowohl positiv, negativ als auch gar keine Korrelation aufweisen.367 Jedoch kann ein hoher Grad linearer Abhängigkeit zwischen den Indikatoren eines formativen Konstruktes zu starken Verzerrungen der Parameterschätzungen führen. Bei hoher Multikollinearität der formativen Indikatoren ist der singuläre Einfluss eines Indikators im Messmodell nicht feststellbar und folglich würde die Varianz der Parameterschätzung gegen undendlich tendieren.368 Daher wird zur Beurteilung der Güte formativer Konstrukte die lineare Abhängigkeit ihrer Indikatoren geprüft. Eine Größe zur Beurteilung der Multikollinearität der Indikatoren ist der Variance Inflation Factor (VIF). (5-IV)
VIF =
ଵ ଵିோ;
Der VIF stellt den Kehrwert der Toleranz dar und basiert auf dem Varianzanteil eines Indikators, den die übrigen Indikatoren des Konstruktes erklären können. Zur Berechnung des VIF, muss zunächst mittels Regressionsanalysen in SPSS für jeden formati365 366 367
368
Vgl. WW. Chin (1998) S. 318; Huber et al. (2007) S. 37 f. Vgl. Abschnitt 5.3.2.1; Götz und Liehr-Gobbers (2004) S. 728 und Huber et al. (2007) S. 38. Vgl. WW. Chin (1998) S. 306; Diamantopoulos und Winklhofer (2001) S. 270 f.; Götz und LiehrGobbers (2004) S. 728. Vgl. Diamantopoulos und Winklhofer (2001) S. 272; Götz und Liehr-Gobbers (2004) S.729.
Ergebnisse der empirischen Untersuchung
135
ven Indikator sein korrigiertes R² berechnet werden. Als Faustformel gilt, dass der VIF einen Wert von 10 nicht überschreiten sollte. 369 Wie man in Tabelle 8 sehen kann, haben bei beiden formativen Konstrukten jeweils zwei der Indikatoren einen VIF von 1000. Dies ist nicht akzeptabel und deutet darauf hin, dass die jeweiligen Indikatoren sehr stark miteinander korrelieren. Es müssen beide formativen Konstrukte angepasst werden, um eine gültige Messung in PLS zu gewährleisten. Beim Konstrukt Diversität der Projekte steht der Indikator DI_1 für die Anzahl der unterschiedlichen Auftraggeber der letzten fünf Jahre und der Indikator DI_3 für die Unterschiedlichkeit der Branche bzw. des Fachgebietes aus dem die Projekte des Unternehmens stammen. Da der Indikatore DI_3 von stärkerer Bedeutung für die Definition des Konstruktes ist, wird DI_1 aus dem Konstrukt entfernt. Konstrukt mit den Indikatoren
VIF
VIF nach Anpassung der Konstrukte
Diversität der Projekte DI_1
Anzahl der unterschiedlichen Auftraggeber
1000
---------------
DI_2
Unterschiedlichkeit der Art der Aufträge
2,27
2,27
DI_3
Unterschiedlichkeit der Branche/ Fachgebiete
1000
1,96
DI_4
Unterschiedlichkeit relevanter Technologiebereiche
1,30
1,30
Externe Kontakte EX_1
Design- und Ingenieurberatungen
1,94
1,94
EX_2
Andere Beratungen
1,93
1,94
EX_3
Kunden der Auftraggeber
1000
---------------
EX_4
Universitäten
1000
1,63
EX_5
Globale Verteilung der Partner
0,95
0,85
Tabelle 8: Überprüfung des Variance Inflation Factor
Die Indikatoren, die beim Konstrukt „Externe Kontakte“ stark korrelieren sind der Austausch von Informationen mit den Kunden der Auftraggebern (EX_3) und der 369
Vgl. Huber et al. (2007) S.39; Götz und Liehr-Gobbers (2004) S.729.
136
Quantitative empirische Untersuchung
Austausch von Informationen mit Universitäten und Forschungseinrichtungen (EX_4). Der Indikator EX_4 wird beibehalten und EX_3 entfernt, da angenommen wird, dass die Vielfältigkeit des Wissens der Mitarbeiter stärker von Kontakten mit Universitäten als von Kontakten zu den Kunden der Auftraggeber abhängt. Die Werte des Variance Inflation Factor nach der Anpassung dieser beiden Konstrukte sind ebenfalls in Tabelle 8 wiedergegeben. Wie man sieht, liegen nach der Anpassung der Konstrukte alle VIF Werte deutlich unter 10 und sind somit akzeptabel. Zur Beurteilung der Güte der formativen Messmodelle können zusätzlich die durch das PLS-Programm ausgewiesenen Gewichte der Indikatoren sowie deren Signifikanz herangezogen werden. Die Gewichte der formativen Indikatoren dürfen jedoch nicht mit den Faktorladungen der reflektiven Indikatoren gleichgesetzt werden und haben oft geringere Werte als die Ladungen reflektiver Indikatoren.370 Ein relativ gering ausfallender Absolutwert der Gewichte darf nicht als Hinweis auf ein dürftiges Messmodell angesehen werden. Die Eleminierung eines Indikators aufgrund seines geringen Gewichtes im Messmodell führt zu einer Verfälschung des substantiellen Inhalts des betrachteten Konstruktes.371 Ebenso darf ein formativer Indikator bei einem niedrigen Signifikanzniveau nur elemeniert werden, wenn dies inhaltlich begründet wird.372 Die Gewichte der formativen Indikatoren sowie ihre Signifikanzen sind in Tabelle 9 dargestellt. Die Gewichte der Indikatoren und ihre Signifikanz geben Aufschluss über die Bedeutung der Indikatoren für das jeweilige Konstrukt. Es fällt auf, dass es hier starke Unterschiede bezüglich der Bedeutung der einzelnen Indikatoren gibt – innerhalb eines Konstrukts sowie zwischen den drei verschiedenen Analogiemodellen. Im Modell der nahen Produktanalogien erreicht keines der Gewichte Signifikanz. Die Bedeutung der Indikatoren ist daher insgesamt schwach und schlecht interpretierbar. Im Modell der fernen Produktanalogien erreichen drei der Indikatoren das 0,10 Niveau. Für das Konstrukt „Diversität der Projekte“ scheint die Unterschiedlichkeit der Projekte bezüglich ihrer Branche bzw. ihres Fachgebietes (DI_3) eine besondere Bedeutung im Modell der fernen Produktanalogien zu haben. Und bei den externen Kontakten sind in diesem Modell nur die Kontakte zu Design- und Ingenieurberatungen (EX_1) sowie zu Universitäten und Forschungseinrichtungen (EX_4) signifikant. Im Modell der NichtProdukt Analogien ist jeweils ein Indikator in jedem Konstrukt signifikant. So haben 370 371 372
Vgl. WW. Chin (1998) S. 307; Götz und Liehr-Gobbers (2004) S. 729. Vgl. Jarvis et al. (2003) S. 202. Vgl. Götz und Liehr-Gobbers (2004) S. 730.
Ergebnisse der empirischen Untersuchung
137
hier die Unterschiedlichkeit der Projekte bezüglich ihrer Art (DI_2) und Kontakte zu Universitäten und Forschungseinrichtungen (EX_4) einen besonderen Einfluss auf die latenten Variablen. Nahe Produktanalogie Konstrukt
Ferne Produktanalogie
Nicht-Produkt Analogie
Indikator
Gewicht
t-Wert
Gewicht
t-Wert
Gewicht
Diversität der
DI_2
0,79
1,39
0,47
1,29
0,89
6,65**
Projekte
DI_3
0,66
1,1
0,61
1,91*
0,19
0,85
DI_4
-0,32
0,44
0,15
0,37
0,04
0,18
EX_1
0,88
1,43
0,70
1,75*
0,40
1,55
EX_2
-0,17
0,49
-0,62
1,36
-0,33
1,15
EX_4
0,19
0,52
0,61
1,76*
0,88
3,74**
EX_5
-0,51
1,05
0,27
0,90
0,21
0,80
Externe Kontakte
t-Wert
* signifikant auf 0,10 Niveau (zweiseitiger t-Test) ** signifikant auf 0,05 Niveau (zweiseitiger t-Test) Tabelle 9: Gewichte und t-Werte der formativen Konstrukte
Schließlich sollte noch die Diskriminanzvalidität geprüft werden. Diskriminanzvalidität liegt vor, wenn die gemeinsame Varianz zwischen den latenten Variablen und ihren Indikatoren größer ist als die gemeinsame Varianz mit anderen Indikatoren. Bei einem formativen Messmodell wird die Diskriminanzvalidität erfüllt, wenn die Korrelationen der latenten Variablen einen geringeren Wert als 0,9 aufweisen.373 Im Modell der Nicht-Produktanalogien liegt die höchste Korrelation zwischen zwei latenten Variablen bei 0,40, im Modell der fernen Produktanalogien bei 0,36 und im Modell der nahen Produktanalogien bei 0,37. Somit ist die Diskriminanzvalidität auch bezüglich des formativen Messmodells erfüllt.
5.4.4 Beurteilung der Güte des Strukturmodells Nachdem die Prüfung der Messmodelle abgeschlossen ist, kann die Güte des Strukturmodells beurteilt werden. Ein wichtiger Indikator hierfür ist das Bestimmtheitsmaß R²
373
Vgl. Huber et al. (2007) S. 38; Hermann et al. (2006) S. 57.
138
Quantitative empirische Untersuchung
der latenten endogenen Variablen. R² gibt den Anteil der erklärten Streuung an der Gesamtstreuung wider und misst somit die Güte der Anpassung einer Regressionsfunktion an die empirisch gewonnenen Daten. Die Werte von R² sind zwischen 0 und 1 normiert, wobei ein hohes R² einen hohen Anteil der erklärten Streuung an der Gesamtstreuung angibt.374 In Tabelle 10 sind die Werte der Bestimmtheitsmaße der endogenen latenten Variablen für alle drei Analogiemodelle angegeben. Wenn man sich auf eine Beurteilung von Chin375 bezieht, so erreicht lediglich das R² der „Verwendung von Nicht-Produkt Analogien“ einen moderaten Wert. Jedoch lassen sich laut Backhaus et al. keine allgemein gültigen Aussagen darüber machen, welchen Wert ein R² erreichen muss, um als gut betrachtet zu werden. Vielmehr ist die Einstufung von der jeweiligen Problemstellung abhängig.376 Da die Verwendung von Analogien durch die aufgestellten Strukturmodelle möglichst umfassend erklärt werden sollte, sind für die Variablen der Verwendung der verschiedenen Analogietypen hohe R² Werte zu erwarten. Allerdings werden aufgrund der formulierten Hypothesen die stärksten Zusammenhänge für „Nicht-Produkt Analogien“ vorausgesagt. Wie zu erwarten, ist daher das R² der Verwendung von Nicht-Produkt Analogien am höchsten und erreicht auch einen allgemein akzeptierten Wert. Im Modell der nahen Produktanalogien wird so gut wie keine Streuung der Variable Innovativität durch die Verwendung von Analogien erklärt. Dies entspricht der Hypothese 6, nach der an dieser Stelle kein Zusammenhang erwartet wird. Ebenfalls in Einklang mit Hypothese 6 ist, dass das R² der Innovativität bei Nicht-Produkt Analogien höher ist als bei fernen Produktanalogien. Die Bestimmtheitsmaße der Variablen Innovativität und Erfolg sind nach Chin377 als niedrig einzustufen. Ihre geringe Größe kann aber dadurch erklärt werden, dass in den Modellen nicht versucht wird, die Einflussfaktoren dieser endogenen Variablen vollständig zu erfassen. Vielmehr ist die Verwendung von Analogien nur ein Faktor unter anderen hier nicht betrachteten Größen, die die Innovativität des Unternehmens beeinflussen. Ebenso ist die Innovativität nur ein Faktor neben anderen, der zur Erklärung des Unternehmenserfolgs herangezogen werden kann. Daher sind R² Werte zwischen 10 und 20 % bei diesen Variablen nicht ungewöhnlich und dürfen nicht als Schwäche des Modells interpretiert werden. So erreichen z.B. Birkinshaw et al. in 374 375 376 377
Vgl. Götz und Liehr-Gobbers (2004) S. 731; Panten und Boßow-Thies (2007) S. 322. Vgl. WW. Chin (1998) S. 323. Vgl. Backhaus et al. (2006) S. 97. Vgl. WW. Chin (1998) S. 323.
Ergebnisse der empirischen Untersuchung
139
ihrer Studie über die Zusammenhänge zwischen Industrie, Geschäftsstrategie und Unternehmensleistung für die Unternehmensleistung auch nur ein R² von 0,12.378 Konstrukt
R²
Q² (Redundanz)
Verwendung von Analogien
(0,19; 0,18; 0,29)
(0,13; 0,12; 0,21)
Innovativität
(0,01; 0,09; 0,16)
(0,00; 0,05; 0,09)
Erfolg
(0,14; 0,13; 0,13)
(0,05; 0,05; 0,05)
(nahes Analogiemodell; fernes Analogiemodell; Nicht-Produkt Analogiemodell) Tabelle 10: Gütemaße des Strukturmodells
Ein weiteres Kriterium für die Bewertung latenter endogener Variablen, die reflektiv gemessen werden, ist ihre Prognoserelevanz (Q²). Das Stone-Geisser-Kriterium Q² wurde bereits bei der Beurteilung der reflektiven Messmodelle eingeführt. Zur Beurteilung der Prognoserelevanz des Strukturmodells wird Q² nicht mittels der Kommunalitäten, sondern mittels der Redundanzen der Variablen berechnet. Die entsprechenden Werte von Q² für das Konstrukt Innovativität sind ebenfalls in Tabelle 10 angegeben. Ein Modell besitzt Vorhersagerelevanz, wenn Q² > 0 gilt, da dann die Summe der Residuen auf Basis der Modellparameter geringer ist als bei einer trivialen Schätzung. Abgesehen von der Variable Innovativität im Modell „Nahe Produktanalogien“ sind alle Q² Werte größer Null. Ein Wert von Null für die Prognoserelevanz der Innovativität ist allerdings im Einklang mit Hypothese 6, wonach kein Zusammenhang zwischen der Verwendung naher Produktanalogien und der Innovativität des Unternehmens vermutet wird. Somit ist die Prognoserelevanz aller Variablen ausreichend groß. Weiterhin lässt sich im Strukturmodell überprüfen, ob eine unabhängige (exogene) latente Variable einen substantiellen Einfluss auf eine abhängige (endogene) latente Variable hat. Der Einfluss einer exogenen auf eine endogene Variable kann mittels der Effektstärke f² ermittelt werden.379 (5-V)
f² =
ோ;ିோ;௫ ଵିோ;
378
Vgl. Birkinshaw et al. (1995) S. 647.
379
Vgl. Götz und Liehr-Gobbers (2004) S. 730 f.
140
Quantitative empirische Untersuchung
Bei der Effektstärke gelten Werte von 0,02; 0,15 bzw. 0,35 als Beurteilungsmaß dafür, ob eine exogene Variable einen geringen, mittleren bzw. großen Einfluss auf eine endogene Variable hat. Die Effektstärken der exogenen Variablen bezüglich der Verwendung von nahen Produktanalogien, der Verwendung von fernen Produktanalogien sowie der Verwendung von Nicht-Produkt Analogien sind in Tabelle 11 abgebildet. Nahe Produktanalogien
Ferne Produktanalogien
Nicht-Produkt Analogien
Exogene Variablen
f²
f²
f²
Heterogenität der Mitarbeiter
0
0
0,02
Diversität der Projekte
0
0,05
0,13
Externe Kontakte
0,04
0,04
0,07
Wissensaustausch
0,02
0,01
0,05
Orientierung an vergangenen Projekten
0,16
0,06
0,01
K1: Größe des Unternehmens
0
0,01
0
K2: Alter der Mitarbeiter
0
0,02
0
Tabelle 11: Effektstärken der exogenen Variablen
Die größten Effekte ergeben sich für die Wirkung der Orientierung an vergangenen Projekten auf die Verwendung naher Produktanalogien und für die Wirkung der Diversität der Projekte auf die Verwendung von Nicht-Produkt Analogien. Nach der oben aufgeführten Einteilung von Effektstärken können diese beiden Effekte als mittlere Werte beurteilt werden. Wohingegen die anderen feststellbaren Effekte eher als gering beurteilt werden müssen. Es lassen sich anhand der Effektstärke auch Bedeutungsrangfolgen der Variablen innerhalb eines Modells ablesen. So haben im Modell der Nicht-Produkt Analogien nach der Diversität der Projekte die externen Kontakte und der Wissensaustausch die meiste Bedeutung. Um die Güte des Strukturmodells besser bewerten zu können, wurden zwei Kontrollvariablen ins Modell integriert: die Größe des Unternehmens (K1) und das durchschnittliche Alter der Mitarbeiter (K2). Die Effektgrößen dieser Variablen sind ebenfalls in Tabelle 11 abgebildet. Die Kontrollvariablen haben keinen Effekt auf die
Ergebnisse der empirischen Untersuchung
141
Verwendung von nahen Produktanalogien und Nicht-Produkt Analogien. Ein sehr schwacher Effekt der Kontrollvariablen ist auf die Verwendung ferner Produktanalogien feststellbar. Die Pfadwerte der Kontrollvariablen sowie deren Signifikanz sind in Tabelle 12 dargestellt. Wie man hier sehen kann, sind die Kontrollvariablen nur im Modell der Verwendung ferner Produktanalogien signifikant. Nahe Produktanalogien
Ferne Produktanalogien
Nicht-Produkt Analogien
Pfad
t-Wert
Pfad
t-Wert
Pfad
t-Wert
K1: Größe des Unternehmens
0,00
0,06
0,11
1,99*
-0,02
0,24
K2: Alter der Mitarbeiter
0,00
0,03
-0,14
2,29*
-0,06
0,94
* signifikant auf 0,05 Niveau (zweiseitiger t-Test) Tabelle 12: Pfadkoeffizienten und t-Werte der Kontrollvariablen
Die Güte der Strukturgleichungsmodelle muss im Zusammenhang mit den aufgestellten Hypothesen gesehen werden. Es ist nicht verwunderlich, dass die Güte der Modelle für nahe Produktanalogien, ferne Produktanalogien und Nicht-Produkt Analogien stark voneinander abweichen. In den Hypothesen H1 bis H4 sowie bei H6 wurden die stärksten Zusammenhänge für die Anwendung von Nicht-Produkt Analogien vermutet. Wie zu erwarten, ist daher die Güte des Strukturmodells am größten, wenn man als zentrale Variable die Verwendung von Nicht-Produkt Analogien setzt. In diesem Fall werden ausreichend hohe Werte der Gütemaße R² und Q² erreicht und die Kontrollvariablen zeigen keinen Effekt (f²) sowie keine Signifikanz (t-Wert). In der Hypothese H5 wurde ein starker Zusammenhang zwischen der Orientierung an vergangenen Projekten und der Verwendung naher Produktanalogien vermutet. Zur Erklärung dieses Zusammenhangs sind die Gütemaße des Strukturgleichungsmodells der Verwendung naher Produktanalogien ausreichend. Wenn man als zentrale Variable die Verwendung ferner Produktanalogien setzt, so müssten laut den Hypothesen H1 bis H6 alle Zusammenhänge eine mittlere Stärke aufweisen. Deutlich zu erkennen ist in diesem Modell eine Abschwächung der R² Werte für die Verwendung von Analogien und der Innovativität im Vergleich mit dem „Nicht-Produkt Analogie Modell“. Diese schwächeren Zusammenhänge, die sich hier zeigen, entsprechen den Vermutungen, die in den Hypothesen aufgestellt wurden.
142
Quantitative empirische Untersuchung
In der Hypothese H7 wird unabhängig von der Art der verwendeten Analogie ein positiver Zusammenhang zwischen der Innovativität des Unternehmens und seinem Erfolg vermutet. Zur Beurteilung dieser Wirkung scheinen alle drei untersuchten Modelle geeignet.
5.4.5 Ergebnisse der Hypothesenprüfung Die Prüfung der aufgestellten Hypothesen erfolgt über eine Bewertung der Parameter des Strukturgleichungsmodells bezüglich ihrer Richtung, Signifikanz und Einflussstärke.380 In Tabelle 13 sind die Pfadwerte der Strukturgleichungsmodelle sowie deren t-Werte zur Bestimmung der Signifikanz der Pfade abgebildet. Da durch den PLSAlgorithmus keine Signifikanzmaße gebildet werden, wurden die t-Werte mit dem Bootstrapping Verfahren ermittelt. Beim Bootstrapping werden 500 Zufallsstichproben mit Zurücklegen aus den Daten gezogen, um 500 Schätzungen für jeden Parameter des Modells zu erhalten. Mittels der dabei generierten Standardfehler werden dann die tWerte der Parameter bestimmt. Die Hypothesen H1 bis H5 beziehen sich auf die Einflussfaktoren der Verwendung verschiedener Typen von Analogien. Betrachtet man die Pfadwerte dieser fünf Hypothesen und ihre Signifikanzen nur bei den Modellen für nahe Produktanalogien und für Nicht-Produkt Analogien, so können alle Hypothesen von H1 bis H5 angenommen werden. Die Ausbildungsheterogenität (H1), die Diversität der Projekte (H2), die Häufigkeit diverser externer Kontakte (H3) sowie eine hohe Intensität des Wissensaustausches (H4) zeigen einen signifikant positiven Einfluss auf die Verwendung von Nicht-Produkt Analogien im Unternehmen. Dies trifft jedoch nicht auf die Verwendung naher Produktanalogien zu. Im Gegensatz zu den anderen Hypothesen hat eine starke Orientierung an vergangenen Projekten (H5) einen signifikant positiven Einfluss auf die Verwendung naher Produktanalogien, jedoch keinen Einfluss auf die Verwendung von Nicht-Produkt Analogien.
380
Vgl. Panten und Boßow-Thies (2007) S. 323; Götz und Liehr-Gobbers (2004) S. 730.
Ergebnisse der empirischen Untersuchung
143
Nahe Produktanalogien
Ferne Produktanalogien
Pfad
t-Wert
Pfad
H1: Ausbildungsheterogenität
-0,07
0,93
0,05
0,72
0,14
2,07*
H2: Diversität der Projekte
-0,04
0,44
0,21
3,08**
0,32
4,33**
H3: Externe Kontakte
0,18
0,97
0,19
1,26
0,23
2,55**
H4: Wissensaustausch
-0,14
1,47
0,08
0,74
0,22
3,34**
H5: Orientierung an vergangenen Projekten
0,38
4,46**
0,22
3,32**
0,09
1,24
H6: Innovativität
-0,08
0,97
0,30
4,08**
0,40
5,51**
H7: Erfolg
0,37
6,55**
0,36
5,76**
0,35
5,45**
Hypothesen
t-Wert
Nicht-Produkt Analogien Pfad
t-Wert
* signifikant auf 0,05 Niveau (zweiseitiger t-Test) ** signifikant auf 0,01 Niveau (zweiseitiger t-Test) Tabelle 13: Test der Hypothesen
Um diese fünf Hypothesen auch für die Verwendung ferner Produktanalogien bestätigen zu können, müssten ihre Pfade in dem Modell der fernen Produktanalogien alle signifikant positiv sein. Außerdem müssten die Pfadwerte der Hypothesen H1-H4 schwächer sein als im Modell der Nicht-Produkt Analogien und der Pfadwert der Hypothese H5 müsste schwächer sein als im Modell der nahen Produktanalogien. Wie man in Tabelle 13 sehen kann, ist dies nur eingeschränkt der Fall, da die Pfadwerte der Hypothesen H1, H3 und H4 für ferne Produktanalogien nicht signifikant sind. Wie schon im vorangegangenen Abschnitt bei der Betrachtung der Effektstärken der exogenen Variablen deutlich wurde, sind die Diversität der Projekte und die Orientierung an vergangenen Projekten die stärksten Einflussfaktoren auf die Verwendung unterschiedlicher Analogietypen. Für diese beiden stärksten Einflussfaktoren können auch die Hypothesen bezüglich der Verwendung ferner Produktanalogien angenommen werden. Die Hypothesen H1, H3 und H4 können dagegen für ferne Produktanalogien nicht angenommen werden. Die Hypothesen H6 und H7 beziehen sich auf die Effekte der Anwendung von Analogien im Unternehmen. Sie können nach Tabelle 13 uneingeschränkt angenommen werden. Die Innovativität des Unternehmens wird signifikant positiv von der Verwendung ferner Produktanalogien und Nicht-Produkt Analogien, jedoch nicht von der Verwen-
144
Quantitative empirische Untersuchung
dung naher Produktanalogien beeinflusst. Wobei der Einfluss auf die Innovativität für Nicht-Produkt Analogien am stärksten ist. Dass der Einfluss der Verwendung von Nicht-Produkt Analogien auf die Innovativität des Unternehmens deutlich stärker ist als der Einfluss der Verwendung ferner Produktanalogien lässt sich auch an dem deutlich höheren R² für das ferne Analogiemodell ablesen.381 In der Hypothese H7 wurde ein positiver Einfluss der Innovativität des Unternehmens auf den Unternehmenserfolg vermutet. Diese Hypothese kann angenommen werden unabhängig davon, welches der drei Strukturgleichungsmodelle betrachtet wird.
5.5
Diskussion der Ergebnisse
In dieser empirischen Untersuchung wurde die Verwendung von Analogien unterschiedlicher Distanz in Industriedesignunternehmen analysiert. Als ein erstes Ergebnis kann festgestellt werden, dass Einflussfaktoren der Verwendung von Analogien in Abhängigkeit von der Analogiedistanz variieren. Die in dieser Untersuchung gewählte Unterteilung in nahe Produktanalogien, ferne Produktanalogien und Nicht-Produkt Analogien hat sich als brauchbar erwiesen, um diese Zusammenhänge nachzuweisen. Untersucht wurden Einflussfaktoren für die Verwendung dieser drei Arten innovativer Analogien sowie deren direkte Effekte auf die innovative Leistung des Unternehmens und ihre indirekten Effekte auf den Unternehmenserfolg. Es hat sich wie erwartet gezeigt, dass sich die Verwendung ferner innovativer Analogien positiv auf die Innovativität der vom Unternehmen entwickelten Designs und technischen Lösungen auswirkt. Außerdem wurde bestätigt, dass dieser Einfluss mit wachsender Distanz der Analogie zunimmt. Die innovative Leistung eines Industriedesignunternehmens begünstigt wiederum wie erwartet dessen Unternehmenserfolg. Es scheint somit für Industriedesignunternehmen erfolgsversprechend zu sein, möglichst innovative Ergebnisse anzustreben. Dies kann wiederum über einen vermehrten Einsatz ferner innovativer Analogien erreicht werden. Im Folgenden wird detaillierter auf die Erkenntnisse eingegangen, die aus dieser Untersuchung über die Verwendung von nahen Produktanalogien, fernen Produktanalogien und Nicht-Produkt Analogien gewonnen wurden. Abschließend wird auf die
381
Vgl. im vorangegangenen Abschnitt Tabelle 10: Gütemaße des Strukturmodells.
Diskussion der Ergebnisse
145
Eingrenzung der Aussagefähigkeit dieser Studie eingegangen, die bei der Beurteilung der Ergebnisse berücksichtigt werden sollte.
5.5.1 Verwendung von nahen Produktanalogien Wie vermutet, beeinflussen die Vielfältigkeit des im Unternehmen vorhandenen Wissens und die Intensität des Wissensaustausches nicht die Verwendung von nahen Produktanalogien. Bei nahen Produktanalogien wird Wissen innerhalb einer Produktkategorie transferiert. Es ist daher anzunehmen, dass anstelle von vielfältigem Wissen eine große Expertise im jeweiligen Fachgebiet diese Vorgehensweise fördert. Empirisch bestätigt wurde, dass die Verwendung naher Produktanalogien häufig mit einer starken Orientierung an vergangenen Projekten einhergeht. Daraus kann abgeleitet werden, dass die verwendeten nahen Produktanalogien auf eigenen Erfahrungen aus vorangegangenen Projekten basieren. Gleichzeitig ist dieses Ergebnis eine Bestätigung dafür, dass eine starke Orientierung an vergangenen Projekten die freie Entfaltung der Kreativität bei der Produktentwicklung behindern kann. Die Arbeit mit nahen Produktanalogien steigert die innovative Leistung eines Industriedesignunternehmens nur in begrenztem Umfang. Daher wirken diese Analogien auf diesem Wege auch kaum positiv auf den Unternehmenserfolg. In dieser Studie wurde jedoch nicht untersucht, ob eine häufige Verwendung naher Produktanalogien die Effizienz der Entwicklungsprojekte steigert. Die Ergebnisse der qualitativen Studie legen nahe, dass eine solche Wirkung existiert. Wenn bestehendes Wissen mit nur geringen Anpassungen auf neue Entwicklungsaufgaben übertragen wird, so sollten Einsparungen von Kosten und eine relativ geringe Projektlaufzeit realisiert werden können. Daher kann auch die Verwendung naher Produktanalogien indirekt einen positiven Effekt auf den Unternehmenserfolg haben.
5.5.2 Verwendung von fernen Produktanalogien Bei fernen Produktanalogien wird per Definition Wissen zwischen verschiedenen Produktbereichen übertragen. Ein solcher Transfer setzt Wissen in verschiedenen Fachgebieten und Branchen voraus. Diese empirische Untersuchung hat bestätigt, dass eine Projekterfahrung der Entwickler bzw. Industriedesigner in unterschiedlichen Branchen und Fachgebieten für die Anwendung ferner Produktanalogien eine große Rolle spielt. Von den ersten drei Hypothesen über den Einfluss der Vielfältigkeit des
146
Quantitative empirische Untersuchung
Wissens auf die Verwendung innovativer Analogien, konnte für ferne Produktanalogien nur jene über den Einfluss der Diversität der Klienten und Projekte des Unternehmens bestätigt werden. Eine genauere Betrachtung des formativen Konstruktes, mit dem dieser Zusammenhang gemessen wurde, zeigt, dass im Modell der fernen Produktanalogien die Unterschiedlichkeit der Branchen und Fachgebiete ein größeres Gewicht hat als die Unterschiedlichkeit der Art der Aufträge oder der relevanten Technologiebereiche.382 Industriedesignunternehmen, die für Auftraggeber aus diversen Branchen und Fachgebieten arbeiten, haben das Potential, innovative Lösungen zu finden, indem sie Produktanalogien aus Bereichen transferieren, die nicht in direktem Kontakt mit dem Zielbereich der Produktentwicklung stehen. Die von Hargadon und Sutton383 beschriebene Knowledge Broker Funktion des Innovationsunternehmens IDEO wird somit prinzipiell für deutsche, österreichische und schweizer Industriedesignunternehmen bestätigt, die für Kunden in verschiedenen Branchen und Fachgebieten tätig sind. Für die Verwendung ferner Produktanalogien konnte die Hypothese 4 über den Einfluss eines intensiven Wissensaustausches nicht bestätigt werden. Dies kann an den geringen Mitarbeiterzahlen der befragten Unternehmen liegen. Bei kleineren Unternehmen sind die Mitarbeiter vermutlich wesentlich besser über die Erfahrungen der anderen Kollegen informiert als in größeren Unternehmen. Eventuell deutet das Ergebnis der Hypothesenprüfung aber auch darauf hin, dass die Personen, die ferne Produktanalogien verwenden, überwiegend Wissen berücksichtigen, welches auf ihren eigenen persönlichen Erfahrungen beruht. Eine starke Orientierung an vergangenen Projekten wirkt wie vermutet positiv auf die Verwendung ferner Produktanalogien. Obwohl eine solche Orientierung kreativitätshemmend wirken kann,384 scheint das Wissen, welches aus durchgeführten Entwicklungsprojekten resultiert, eine große Rolle bei der Verwendung ferner Produktanalogien zu spielen. Dieses Ergebnis der vorliegenden Studie, unterstreicht die Bedeutung von eigenen Projekterfahrungen für die erfolgreiche Nutzung ferner Produktanalogien beim Design und der technischen Entwicklung von Produkten. Eine starke Orientierung an vergangenen Projekten bedeutet einerseits eine bewusste Einschränkung der Kreativität in der Lösungsfindung, da auf diese Weise Nicht382 383 384
Vgl. Tabelle 9: Gewichte und t-Werte der formativen Konstrukte. Vgl. Hargadon (2002, 2003); Hargadon und Sutton (1997). Vgl. die Ausführungen in Abschnitt 5.2.1.2 zur Begründung der Hypothese 5.
Diskussion der Ergebnisse
147
Produkt Analogien ausgeschlossen und insbesondere die Verwendung naher Produktanalogien gefördert wird.385 Andererseits birgt eine Orientierung an vergangenen Projekten, wenn diese divers genug aufgestellt sind, auch die Chance, ferne Produktanalogien effizient anzuwenden. Die Ergebnisse dieser Studie bestätigen somit die Vermutungen aus der vorangegangenen qualitativen Untersuchung, dass es sich bei fernen Produktanalogien um einen „mittleren Weg“ handelt, bei dem einerseits Effizienzvorteile naher Analogien als auch das Kreativitätspotential ferner Analogien erfolgreich kombiniert werden können. Die Verwendung ferner Produktanalogien wirkt wie erwartet positiv auf die Innovativität von Produktdesign und -entwicklung bei Industriedesignunternehmen und kann auf diesem Weg den Unternehmenserfolg steigern.
5.5.3 Verwendung von Nicht-Produkt Analogien Nicht-Produkt Analogien – wie z.B. Analogien aus der Natur – sind ferne innovative Analogien, die sich durch eine sehr hohe Transferdistanz auszeichnen. Ihr Einfluss auf die Innovativität von Produktdesign und -entwicklung bei Industriedesignunternehmen ist wie vermutet noch stärker als die von fernen Produktanalogien. Sie haben somit ein hohes Innovativitätspotential und können den Unternehmenserfolg steigern. Es konnte gezeigt werden, dass die Verwendung von Nicht-Produkt Analogien deutlich positiv von der Vielfältigkeit des im Unternehmen vorhandenen Wissens beeinflusst wird. Sowohl die Ausbildungsheterogenität der Mitarbeiter, die Diversität der Projekte als auch häufige Kontakte zu unterschiedlichen Externen Partnern wirken signifikant positiv auf die Verwendung von Nicht-Produkt Analogien beim Design oder bei der technischen Entwicklung eines neuen Produktes. Ein Ansatzpunkt zur Steigerung der Verwendung von Nicht-Produkt Analogien liegt folglich darin, Mitarbeiter mit unterschiedlichen Ausbildungshintergründen einzustellen. Welche Kombination von Ausbildungen besonders vorteilhaft ist, hängt wohl von der jeweiligen Aufgabenstellung ab und kann aus den vorliegenden Daten nicht geschlossen werden. Es ist zu vermuten, dass es für die Anwendung bionischer Analogien förderlich ist, wenn neben Personen mit einem eher technisch ingenieurwissenschaftlichen Hintergrund auch Personen im Unternehmen arbeiten, die einen 385
Die Ergebnisse der Hypothesenprüfung haben gezeigt, dass sich die Orientierung an vergangenen Projekten wie vermutet stärker auf nahe als auf ferne Produktanalogien auswirkt. Vgl. hierzu Abschnitt 5.4.5.
148
Quantitative empirische Untersuchung
Abschluss in Biologie oder anderen Naturwissenschaften besitzen. Eventuell steigert aber auch generell eine Heterogenität bzgl. der Ausbildungen die Bereitschaft in ganz anderen Gebieten als dem Zielgebiet nach Lösungen zu suchen. Eine im Unternehmen gelebte Toleranz verschiedener Sichtweisen, kann die Bereitschaft erhöhen, sich auf sehr ferne Analogien bei der Lösungsfindung einzulassen. Eine zweite Strategie, um vermehrt mit Nicht-Produkt Analogien in der Entwicklung zu arbeiten, scheint darin zu liegen möglichst unterschiedliche Projekte aus verschiedenen Sachbereichen durchzuführen. Im Modell der Nicht-Produkt Analogien hat bei dem formativen Konstrukt, welches die Diversität der Projekte und Klienten erfasst, die Unterschiedlichkeit der Art der Aufträge im Vergleich zur Unterschiedlichkeit der Branchen oder Technologiebereiche ein besonderes Gewicht.386 Es scheint für die Anwendung von Nicht-Produkt Analogien folglich nicht so sehr ein Kontakt zu unterschiedlichen Industrien als generell ein breites Tätigkeitsspektrum wie die Durchführung von technischer Entwicklung, Produktdesign, und Systemdesign in einem Unternehmen ausschlaggebend zu sein. Drittens deuten die Ergebnisse der Untersuchung darauf hin, dass die Verwendung von Nicht-Produkt Analogien durch Kontakte zu diversen externen Partnern positiv beeinflusst wird. Insbesondere Kontakte zu Universitäten und anderen Forschungseinrichtungen scheinen einen Transfer von Wissen aus Nicht-Produkt Bereichen wie der Natur zu fördern.387 Bionische Forschung und Entwicklung wird zurzeit noch hauptsächlich in Universitäten und staatlich geförderten Forschungsinstituten betrieben. Kontakte zu Instituten, die sich mit bionischer Forschung beschäftigen, bieten die Möglichkeit, eigene Entwicklungen um bionische Lösungen zu bereichern. Und schließlich konnte gemäß Hypothese 4 bestätigt werden: Je intensiver die Mitarbeiter im Unternehmen ihr Wissen untereinander austauschen, desto stärker ist die Verwendung von Nicht-Produkt Analogien im Unternehmen ausgeprägt. Um sehr ferne innovative Analogien erfolgreich einsetzen zu können, scheint also eine gut funktionierende Kommunikation im Unternehmen wichtig zu sein. Der Austausch von Wissen kann implizites Wissen externalisien und damit der Analogiesuche eventuell überhaupt erst zugänglich machen. Zweitens erhalten die Mitarbeiter über ihren Austausch mit Kollegen die Möglichkeit, ihr Wissen neu zu strukturieren und eventuell in eine abstraktere Form umzuwandeln. Und drittens wird über den Wissensaus386 387
Vgl. Tabelle 9: Gewichte und t-Werte der formativen Konstrukte. Vgl. Tabelle 9: Gewichte und t-Werte der formativen Konstrukte.
Diskussion der Ergebnisse
149
tausch das vielfältige im Unternehmen vorhandene Wissen in mehreren Köpfen angereichert, so dass die Wahrscheinlichkeit steigt, dass eine Person eine ferne innovative Analogie erkennt.388 Insgesamt liefert die Studie also diverse Hinweise, wie das Innovativitätspotential von Nicht-Produkt Analogien in Industriedesignunternehmen besser ausgenutzt werden kann.
5.5.4 Limitierungen der Studie Die Ergebnisse dieser Studie unterliegen einigen Einschränkungen. Da die Untersuchung auf Unternehmensebene und nicht auf Projektebene durchgeführt wurde, können nur sehr allgemeine Schlüsse über Einflussfaktoren und Effekte der Analogieanwendung gezogen werden. Dieses Untersuchungsdesign wurde gewählt, um die Einflüsse der Vielfältigkeit des im Unternehmen vorhandenen Wissens und des Umgangs mit diesem Wissen auf die Verwendung von Analogien unterschiedlicher Distanz messen zu können. Nicht berücksichtigt werden bei dieser Untersuchung jedoch spezielle projektbezogene Einflussfaktoren. So ist davon auszugehen, dass die Verwendung von innovativen Analogien auch von den Ressourcen, die in einem Projekt zur Verfügung stehen, und den Vorgaben der Auftraggeber beeinflusst wird. Bei sehr engen Vorgaben und einem knappen Zeitfenster zur Realisierung einer marktfähigen Lösung werden vermutlich eher nahe Produktanalogien eingesetzt. Eventuell können auch ferne Produktanalogien bei engen Vorgaben erfolgreich umgesetzt werden. Der Einsatz von Nicht-Produkt Analogien erfordert vermutlich tendenziell größere Freiräume. Außerdem wurden die verwendeten Analogien nur auf ihre Distanzwerte unterschieden. Die in der qualitativen Untersuchung getroffene Einteilung bezüglich des Transferinhaltes, konnte aus Komplexitätsgründen nicht übernommen werden. Es bleibt die Frage, in wieweit Unterschiede bezüglich dieses Analogiemerkmals die Verwendung innovativer Analogien beeinflussen. Ebenso wurde nur ein Effekt der Analogieanwendung erfasst. Weitere Untersuchungen sind nötig, um die in der qualitativen Untersuchung beobachteten Effizienz- und Kommunikationseffekte empirisch zu fundieren.
388
Vgl. die Ausführung bei der Herleitung der Hypothese in Abschnitt 5.2.1.2.
150
Quantitative empirische Untersuchung
Und schließlich gelten die Ergebnisse nur für Industriedesignunternehmen. Es kann vermutet werden, dass ähnliche Zusammenhänge auch in produzierenden Unternehmen gelten. Um diese Annahmen zu bestätigen, sind jedoch weitere Untersuchungen nötig.
6
Resümee
6.1
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse
In dieser Arbeit wurden innovative Analogien im Kontext der frühen Phasen der Produktentwicklung untersucht. Allgemein ist das Problemlösen über Analogien ein zentraler Bestandteil menschlichen Denkens, welcher wesentlich zu den Errungenschaften der Menschheit beigetragen hat. Die Ergebnisse der beiden empirischen Untersuchungen sowie aus der Literatur zitierte Beispiele zeigen, dass die gezielte Verwendung innovativer Analogien in der Produktentwicklung einen wichtigen Beitrag leisten kann. Diese Arbeit trägt somit dazu bei, das Verständnis für die Rolle innovativer Analogien im Rahmen der Produktentwicklung zu fördern. Die im Bereich der kognitiven Psychologie verbreitete Unterscheidung zwischen nahen und fernen Analogien scheint auch in der Praxis der Produktentwicklung von Bedeutung zu sein. Um Einflussfaktoren und Effekte innovativer Analogien präziser zu bestimmen, wurde diese Unterteilung erweitert. In beiden empirischen Untersuchungen werden drei verschiedene Typen der Transferdistanz unterschieden: nahe Produktanalogien, ferne Produktanalogien und Nicht-Produkt Analogien. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Unterteilung sinnvoll ist, um Mechanismen des Zugangs zu innovativen Analogien sowie ihre Effekte im Rahmen der Produktentwicklung besser zu verstehen. Bisherige Studien über die Verwendung innovativer Analogien in der Produktentwicklung waren entweder experimentell389 oder beschränkten sich auf Fallstudien einzelner herausragender Unternehmen.390 Über die qualitative empirische Untersuchung, die sich auf Interviews mit Projektmanagern in 18 Industriedesign- und Ingenieurunternehmen stützt, konnte die empirische Basis einer fallbezogenen Analyse über die Verwendung von innovativen Analogien in der Produktentwicklung erweitert werden. Die Ergebnisse dieser Studie lassen vermuten, dass die Anwendung innovativer Analogien in Industriedesign- und Ingenieurunternehmen, die für Klienten aus verschiedenen Branchen arbeiten, ein verbreiteter Prozess ist, der jedoch in der Regel unsystematisch und häufig auch ohne bewussten Zugriff auf diese Methode abläuft. Es lässt sich vermuten, dass sich durch ein bewussteres Vorgehen und systematische Ansätze, wie sie in Kapitel 3 aufgezeigt wurden, die innovative Leistung weiter steigern lässt. 389 390
Vgl. N. Bonnardel (2000); Nathalie Bonnardel und Marmèche (2004); Dahl und Moreau (2002). Vgl. Hargadon (2002); Hargadon und Sutton (1997).
152
Resümee
In der qualitativen empirischen Untersuchung hat sich außerdem gezeigt, dass die Unterscheidung verschiedener Typen innovativer Analogien sinnvoll ist, um Effekte der Verwendung innovativer Analogien zu erklären, die sich auf die Neuartigkeit der entwickelten Lösungen, die Effizienz der Projektdurchführung sowie die Kommunikation im Team bzw. zwischen dem Team und externen Parteien beziehen. Der vermutete positive Zusammenhang zwischen der Distanz der Analogie und der Innovativität der entwickelten Lösungen spiegelt sich in den beschriebenen Beispielen wider. Die Steigerung der Prozesseffizienz scheint beim Transfer naher Lösungen deutlicher zu sein, doch kann auch die Verwendung ferner Produktanalogien die Effizienz des Produktentwicklungsprozesses steigern, wenn die Analogie auf lokalem Wissen beruht und Kompetenzen, die zur Anpassung der Lösung erforderlich sind, bereits im Team vorhanden sind. Weiterhin hat sich bei der Analyse des Zugangs zu innovativen Analogien die große Bedeutung lokalen Wissens, also Wissens welches bereits im Team vorhanden ist, gezeigt. Dies lässt sich zum einen über ökonomische Anreize und zum anderen über den Ablauf der Problemlösungsprozesse in den untersuchten Unternehmen erklären. Die Anwendung eigenen Wissens erleichtert die Bewertung der Umsetzbarkeit einer Lösungsidee und ist insbesondere vorteilhaft, wenn das benötigte Wissen nur schwer transferierbar ist, weil es z.B. an die Erfahrung einzelner Personen gebunden ist. Der Umstand, dass der Zugriff auf analoges Wissen in informeller und unsystematischer Art und Weise erfolgt, macht es wahrscheinlich, dass das Denken der Problemlöser den Weg mit dem geringsten Widerstand folgt. Folglich werden eher Lösungsansätze transferiert mit denen die Problemlöser bereits aus eigenen Erfahrungen vertraut sind. Die aus der qualitativen Studie gewonnenen Erkenntnisse über die Rolle lokalen Wissens beim Zugang zu innovativen Analogien sowie der vermutete Zusammenhang zwischen der Transferdistanz und der Innovativität der entwickelten Lösungen wurden in der quantitativen empirischen Untersuchung aufgegriffen. Mittels dieser Studie wurden zum ersten Mal quantitative Zusammenhänge zwischen Einflussfaktoren der Verwendung unterschiedlicher Analogietypen und deren Effekte auf Innovativität und Unternehmenserfolg nachgewiesen. Es hat sich gezeigt, dass die untersuchten Einflussfaktoren, welche sich auf die Vielfältigkeit des Wissens im Unternehmen sowie den Umgang mit Wissen im Unternehmen beziehen, unterschiedliche Wirkung auf die Verwendung der verschiedenen Analogietypen haben. Bezüglich der Anwendung von Nicht-Produktanalogien haben sich alle Hypothesen bestätigt. Sie wird
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse
153
gefördert durch heterogene Ausbildungshintergründe der Mitarbeiter, eine hohe Diversität der im Unternehmen durchgeführten Projekte, vielfältige externe Kontakte sowie einen regen Wissensaustausch zwischen den Mitarbeitern. Für ferne Produktanalogien wurde eine Wirkung der Ausbildungsheterogenität, der Vielfältigkeit der externen Kontakte sowie des Wissensaustausches im Unternehmen nicht bestätigt. Starke Einflussfaktoren auf die Verwendung ferner Produktanalogien scheinen zum einen die Diversität der im Unternehmen durchgeführten Projekte sowie die Orientierung an vergangenen Projekten bei der Lösungsfindung zu sein. Diese Ergebnisse bestätigen die Vermutung, dass eigene Erfahrungen in unterschiedlichen Branchen ausschlaggebend für den Gebrauch ferner Produktanalogien sind. Somit wird die bereits in der qualitativen Untersuchung deutlich gewordene Bedeutung lokal vorhandenen Wissens bestätigt. Gleichzeitig liefern die Ergebnisse über die Verwendung ferner Produktanalogien einen quantitativen Nachweis der von Hargadon und Sutton aufgestellten Theorien über Knowledge Broker.391 Eine starke Orientierung an vergangenen Projekten hat jedoch nach den Ergebnissen dieser Studie auch eine starke Wirkung auf die Verwendung naher Produktanalogien. Folglich kann eine starke Orientierung an vergangenen Projekten auch kreativitätshemmend wirken. Und schließlich bestätigen die Ergebnisse der Hypothesenprüfung den vermuteten Zusammenhang zwischen der Transferdistanz der Analogie und dem Innovationsgrad der neu entwickelten Produkte bzw. des neu entworfenen Produktdesigns. Die Innovativität der entwickelten Lösungen wurde den Ergebnissen der quantitativen empirischen Untersuchung zufolge nur durch die Verwendung ferner Analogien, jedoch nicht durch den Gebrauch naher Analogien beeinflusst. Dabei üben Nicht-Produkt Analogien eine stärkere Wirkung auf die innovative Leistung des Unternehmens aus als ferne Produktanalogien. Die Neuartigkeit der entwickelten Lösungen scheint also mit der Distanz der verwendeten Analogien zu zunehmen.
391
Vgl. Hargadon (2002, 2003); Hargadon und Sutton (1997) sowie die Ausführungen in Abschnitt 3.2.2.3.
154
6.2
Resümee
Handlungsempfehlungen für die Praxis
Für ein Industriedesignunternehmen wird es in vielen Fällen eine erfolgsversprechende Strategie sein, möglichst innovative Lösungen für seine Kunden zu entwickeln. Um den damit verbundenen Anforderungen gerecht werden zu können, ist Industriedesignunternehmen aufgrund der Ergebnisse dieser Arbeit zu empfehlen, möglichst ferne innovative Analogien während der Konzeption einer neuen Lösung zu verwenden. Wissen, welches für das Erkennen ferner innovativer Analogien benötigt wird, kann entweder bereits im Entwicklungsteam bzw. Unternehmen vorhanden sein oder systematisch über externe Quellen gesucht werden. Wie aus dieser Arbeit ersichtlich, neigen Industriedesignunternehmen dazu, lokal nach Lösungsansätzen zu suchen. Damit lokale Suchvorgänge möglichst erfolgsversprechend verlaufen, empfiehlt es sich, in strategischer Absicht ein vielfältiges Wissen im Unternehmen aufzubauen. Dies kann über die Einstellung von Mitarbeitern mit unterschiedlichen Ausbildungshintergründen, die Durchführung sehr unterschiedlicher Projekte oder häufige externe Kontakte zu Personen aus unterschiedlichen Bereichen erfolgen. Wenn ein Unternehmen darauf abzielt bionische Lösungen in seinen Entwicklungsprojekten zu verwenden, so scheint es für das Unternehmen vorteilhaft zu sein, Kontakte zu Universitäten und Forschungseinrichtungen zu unterhalten, die in diesem Bereich tätig sind. Bionische Analogien als eine Form der Nicht-Produktanalogien haben das Potential, zu sehr innovativen Lösungen zu führen, sind aber unter Umständen mit einem hohen Entwicklungsaufwand verbunden. Im Hinblick auf die Umsetzbarkeit scheint auch der Abstraktionsgrad des Transferinhalts von Bedeutung zu sein. In den bionischen Beispielen aus der qualitativen empirischen Untersuchung wurden keine Funktionsprinzipien, sondern lediglich Formen und oberflächliche Strukturen transferiert. Das hierfür benötigte Wissen kann als Allgemeinwissen klassifiziert werden. Ein Transfer bionischer Analogien auf dieser Ebene birgt das Potential zu innovativen Ansätzen, kann aber die Effizienz des Entwicklungsprojektes weder positiv noch negativ beeinflussen. Es spricht manches dafür, dass der Transfer bionischer Funktionsprinzipien in stärkerem Maße spezielle Vorkenntnisse über biologische Lösungen oder den Umgang mit bionischen Lösungskatalogen392 erfordert. Um neue Erkenntnisse aus der bionischen Forschung zu transferieren, ist es wiederum ratsam, Kontakt mit entsprechenden Forschungsinstituten zu halten.
392
Vgl. die Ausführungen in Abschnitt 3.2.3.3.
Handlungsempfehlungen für die Praxis
155
Ebenfalls kann einem Unternehmen, welches vermehrt Nicht-Produkt Analogien einsetzen möchte, geraten werden, Personen mit unterschiedlichen Ausbildungshintergründen einzustellen und sich um Aufträge aus diversen Bereichen mit unterschiedlichen Tätigkeitsschwerpunkten zu bemühen. Diese Faktoren tragen ebenso wie Kontakte zu Forschungsinstituten dazu bei, ein vielfältiges Wissen im Unternehmen aufzubauen, welches die Verwendung von sehr fernen innovativen Analogien erleichtert. Für die Anwendung ferner Produktanalogien in Innovationsprojekten scheint eine Projekterfahrung in unterschiedlichen Branchen von großer Bedeutung zu sein. Industriedesignunternehmen, welche innovative Lösungen gezielt über ferne Produktanalogien erreichen wollen, sollten sich um Projektaufträge aus diversen Branchen bemühen. Um eine Knowledge Broker Position aufzubauen und die Attraktivität für potentielle neue Kunden zu steigern, können diese Unternehmen auch gezielt Projekte in Bereichen durchführen, in denen sie bislang keine Erfahrung gesammelt haben. Durch Kontakt zu Unternehmen, deren Tätigkeitsbereiche kaum Berührungspunkte haben, ergibt sich die Möglichkeit, über den Transfer von Wissen aus entfernten Bereichen sehr innovative Lösungen zu erzielen. Aufgrund der Ergebnisse der qualitativen Studie lässt sich vermuten, dass ferne Produktanalogien, die auf eigenen Kompetenzen beruhen, auch eine positive Wirkung auf die Effizienz der Produktentwicklungsprojekte haben. Können bestehende Lösungen ohne größeren Aufwand übertragen werden, so reduziert sich die Entwicklungszeit und entsprechend werden Entwicklungskosten gesenkt. Insgesamt kann über die Rekombination bekannter Elemente der Entwicklungsprozess deutlich schneller verlaufen.393 Jedoch sollten Unternehmen, die diese Strategie verfolgen, beachten, dass eine zu starke Orientierung an vergangen Projekten auch den Lösungsraum unangemessen einschränken kann. Wie sich in der quantitativen Untersuchung gezeigt hat, führt eine starke Orientierung an vergangenen Projekten auch zu einer vermehrten Anwendung naher Analogien. Um vielfältiges im Unternehmen vorhandenes Wissen optimal nutzen zu können, ist ein reger Wissensaustausch unter den Mitarbeitern notwendig. Was insbesondere für die Anwendung von Nicht-Produkt Analogien zu gelten scheint, vermutlich aber auch für die Verwendung von fernen Produktanalogien zutrifft. Möglicherweise konnte dieser Zusammenhang in der Untersuchung nicht ausreichend erfasst werden, weil die 393
Vgl. Hargadon (2002) S. 52.
156
Resümee
befragten Unternehmen nur relativ wenige Mitarbeiter beschäftigen und bei ihnen daher im Vergleich zu großen Unternehmen generell ein intensiverer Wissensaustausch stattfindet. Die Ergebnisse von Hargadon und Sutton unterstreichen die Bedeutung einer Unternehmenskultur, die den gegenseitigen Wissensaustausch unterstützt. So wird bei IDEO gegenseitiges Helfen sehr hoch geschätzt. Es wird von den Designern und Ingenieuren erwartet, ihr Wissen frei untereinander auszutauschen. Indem ein Entwickler Wissen zu einer Problemlösung seiner Kollegen beisteuert, steigt sein Ansehen im Unternehmen.394 Eine solche kooperative Unternehmenskultur ist allen Industriedesignunternehmen zu empfehlen. Die Beschränkung der Analogiesuche auf lokales Wissen birgt die Gefahr, die Kreativität bei der Lösungssuche unnötig einzuschränken. Unabhängig davon, wie stark die Wissensvielfalt und der Wissensaustausch im Unternehmen gefördert werden, schmälert dieses Vorgehen die verfügbare Wissensbasis des Entwicklungsteams. Daher scheint es angebracht, Unternehmen zu ermuntern, falls möglich auch externes Wissen in ihre Suche nach innovativen Analogien einzubeziehen. Voraussetzung hierfür ist eine gezielte Suche nach innovativen Analogien. Personenbasierte und medienbasierte Ansätze zur systematischen Suche nach Analogien wurden in den Abschnitten 3.2.2 und 3.2.3 vorgestellt. Abhängig von den Rahmenbedingungen des jeweiligen Projektes sind unterschiedliche Herangehensweisen möglich. Gemeinsam ist diesen Ansätzen eine gewisse Öffnung des Innovationsprozesses, wie er auch im Open Innovation Ansatz nach Chesborough postuliert wird.395 Bei der Suche nach innovativen Analogien in externen Quellen sind jedoch diverse Abstufungen in Bezug auf die Preisgabe von Informationen bzw. die Kooperation mit externen Partnern denkbar. Während beispielsweise beim Broadcasting die Problemstellung sehr vielen unterschiedlichen Personen zugänglich gemacht wird, werden beim Pyramiding gezielt einzelne Experten angesprochen. Und eine Internetrecherche erfordert erst in einer späteren Phase Kontakte zu externen Partnern, wenn die Umsetzung des Lösungsansatzes neue Kompetenzen erfordert oder bereits bestehende Lösungen aus anderen Bereichen erworben werden sollen. Ein Beispiel für ein Industrieunternehmen, welches eine Open Innovation Strategie etabliert hat, bietet Proctor & Gamble. Im Rahmen des sogenannten „Connect and Develop“ Programms ist unter anderem auch das „YourEncore Netzwerk“ entstanden, 394 395
Vgl. Hargadon und Sutton (1997) S. 742 f. Vgl. Chesbrough (2003, 2004).
Handlungsempfehlungen für die Praxis
157
welches eine Verbindung zu ca. 800 pensionierten Spitzenwissenschaftlern und ingenieuren aus 150 Unternehmen herstellt. Durch die gezielte Einbindung dieser Personen in Entwicklungsprojekte, kann die Diversität des im Team vorhandenen Wissens kurzfristig angereichert werden.396 Wichtig ist, dass die Öffnung des Innovationsprozesses im Unternehmen auch verankert wird. So berichten Mitarbeiter von Proctor & Gamble über die Veränderungen der Unternehmenskultur, die durch die neue „Connect and Develop“ Strategie angestoßen wurden. Man erwartet von den Mitarbeitern eine offene Geisteshaltung und gegenseitige Unterstützung bezüglich der Verfolgung von Lösungsansätzen, die aus externen Quellen stammen.397 Als Maßnahme zur Senkung des Widerstands gegen Innovationen, die nicht aus eigener Entwicklung stammen, wurde bei Proctor & Gamble die Vergütungsstruktur angepasst. Die an der erfolgreichen Entwicklung eines Produktes beteiligten Mitarbeiter bekommen dieselbe Prämie unabhängig davon, ob die Lösung selbst entwickelt wurde oder aus externen Quellen stammt.398 Dieses Beispiel zeigt, dass durch eine Kombination aus intrinsischen und extrinsischen Anreizen ein möglicherweise vorhandenes „Not-Invented-Here“ Syndrom überwunden werden kann.399 Die Ergebnisse dieser Arbeit beruhen zum großen Teil auf Befragungen von unabhängigen Industriedesign- und Ingenieurunternehmen, es lässt sich jedoch vermuten, dass ähnliche Zusammenhänge auch in anderen Unternehmen gelten. Darüber hinaus lassen sich aus den Ergebnissen dieser Arbeit auch explizit Empfehlungen für die Auftraggeber von Industriedesign- und Ingenieurunternehmen ableiten. Wenn ein Unternehmen eine kreative Aufgabe im Rahmen der Produktentwicklung an ein Industriedesignunternehmen vergeben möchte und eine hohe Innovativität der Lösungen erwartet, sollte ein Industriedesignunternehmen mit einer breiten Projekterfahrung gewählt werden. Anstatt sich an ein Industriedesignunternehmen zu wenden, das bereits große Erfahrung in seinem Bereich ( dem Zielbereich der Produktentwicklung) hat, sollte ein Industriedesignunternehmen mit möglichst vielfältigen Erfahrungen in anderen Bereichen ausgewählt werden. Vorteile einer Spezialisierung (wie z.B. kürzere Einarbeitungszeiten, besseres Verstehen der Bedürfnisse des Auftraggebers)
396 397 398 399
Vgl. Huston und Sakkab (2006) S. 10. Vgl. Dodgson et al. (2006) S. 338. Vgl. Huston und Sakkab (2006) S. 11. Das „Not-Invented-Here” Syndrom wurde bereits in Abschnitt 2.3.3 erläutert. Zur Bedeutung intrinsischer und extrinsischer Anreize für die Motivation von Mitarbeitern vgl. Osterloh und Frey (2000) S. 539 f. und 546 f. sowie Amabile (1988) S. 143-145.
158
Resümee
sind für Industriedesignunternehmen möglicherweise weniger signifikant als vermutet: Insbesondere dann, wenn diese darauf abzielen, ferne Analogien effizient zu nutzen.
6.3
Ausblick
Die Ergebnisse dieser Studie führen zu einem besseren Verständnis der Einflussfaktoren und Effekte einer Analogieverwendung in Industriedesign- und Ingenieurunternehmen, die Dienstleistungen im Bereich der Produktentwicklung anbieten. Es kann vermutet werden, dass vergleichbare Zusammenhänge auch in produzierenden Unternehmen mit eigenen Entwicklungsabteilungen wirken. Dies müsste aber durch weiter gehende Forschung empirisch überprüft werden. Fallstudien deuten darauf hin, dass produzierende Unternehmen in ihrer Produktentwicklung auch mit innovativen Analogien arbeiten (wie z.B. bei der Entwicklung des Nike-Shox Sportschuhs oder des Speedo Fastskin Schwimmanzugs).400 Quantitative empirische Ergebnisse, mit deren Hilfe man Aussagen über die Häufigkeit sowie die Einflussfaktoren und Effekte des analogiegestützten Wissenstransfers innerhalb von Produktkategorien, zwischen Produktkategorien und aus Nicht-Produkt Bereichen ableiten könnte, existieren dagegen noch nicht. Nachfolgende Studien sollten sich unter anderem auf spezifische Hindernisse sowie Erfolgsfaktoren der Verwendung innovativer Analogien konzentrieren, die besonders für produzierende Unternehmen relevant sind (z.B. die organisatorische Einbindung der Entwicklungsabteilung und die Diversifikation des Unternehmens). Zu fragen wäre auch, ob und in welchem Maße die Effekte auf den Problemlösungsprozess und das Projektergebnis denen von Innovationsdienstleistern ähneln. Durch solche fortgesetzten Untersuchungen wäre es möglich, eine generellere Theorie über Einflussfaktoren und Effekte der Entwicklung von Innovationen mittels Analogien aufzubauen. Weiterer Forschungsbedarf ergibt sich auch aus der geringen Größe, der in dieser Studie befragten Unternehmen. Bei der quantitativen Untersuchung hatten 85% der Unternehmen nicht mehr als 10 Mitarbeiter. Die Praktiken des Wissensmanagements konnten daher nur eingeschränkt analysiert werden. Wenn in einer nachfolgenden Studie größere Unternehmen befragt werden, die mehr Mitarbeiter beschäftigen und deren Organisation sich in unterschiedliche Abteilungen und Funktionen aufgliedert, 400
Vgl. Herstatt und Kalogerakis (2005a) S. 26-28. Die Beispiele wurden im Abschnitt 2.3 dieser Arbeit beschrieben.
Ausblick
159
bietet sich die Möglichkeit, die Bedeutung von Wissensmanagementpraktiken für den Umgang mit Analogien detaillierter zu untersuchen. Außerdem bestehen noch Wissenslücken hinsichtlich der Steigerung der Projekteffizienz und der Verbesserung der Kommunikation als Effekte der Analogieanwendung. Solche Auswirkungen wurden in der qualitativen Studie neben dem Effekt der Innovativität beobachtet. Zukünftige Studien könnten dazu beitragen, die Zusammenhänge zwischen der Anwendung von Analogien in der Produktentwicklung und diesen Effekten genauer zu klären. Da die quantitative Untersuchung in dieser Arbeit auf Unternehmensebene durchgeführt wurde, bietet auch eine quantitative Auswertung von Projekten, in denen innovative Analogien verwendet wurden, die Möglichkeit, neue Erkenntnisse über Rahmenbedingungen und Auswirkungen der Verwendung innovativer Analogien zu gewinnen. In einer solchen Untersuchung könnte insbesondere auf die Wirkung zur Verfügung stehender Ressourcen und Vorgaben sowie auf eine optimale Teamzusammenstellung eingegangen werden. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit deuten darauf hin, dass sehr heterogene Teams besser ferne innovative Analogien anwenden können als homogene Teams. Es stellt sich jedoch die Frage, ob es einen optimalen Grad an Heterogenität gibt. So weisen beispielsweise Dahlin et al. einen U-förmigen Zusammenhang zwischen der Ausbildungsheterogenität und dem Informationsverhalten eines Teams bei der Lösungsfindung nach. Demnach steigt zunächst die Weite und Tiefe der Informationsbeschaffung mit der Ausbildungsheterogenität an, nimmt dann aber ab einem bestimmten Punkt wieder ab.401 In dieser Arbeit wurde ein systematisches Vorgehensmodell zur Analogieanwendung entworfen. Erkenntnisse über grundlegende organisatorische Zusammenhänge konnten empirisch ermittelt werden. Es fehlt jedoch die empirische Überprüfung der Vorzüge eines systematischen Vorgehens beim Einsatz innovativer Analogien in der Praxis. In folgenden Forschungsprojekten könnten gezielt unterschiedliche methodische Ansätze, die im Kapitel drei dieser Arbeit vorgestellt wurden, miteinander verglichen werden. Darauf aufbauend könnte dann das in dieser Arbeit entworfene Vorgehensmodell für die Anwendung innovativer Analogien in der Produktentwicklung weiter präzisiert werden.
401
Vgl. Dahlin et al. (2005) S. 1116-1119.
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Anhang: Konstrukte der schriftlichen Befragung
Diversität der Projekte 5
Für wie viele unterschiedliche Auftraggeber hat Ihr Unternehmen in den letzten 5 Jahren gearbeitet? Wie unterschiedlich sind die von Ihnen bearbeiteten Projekte hinsichtlich … … der Art der Aufträge (z.B. technische Entwicklung, Produktdesign, Systemdesign) … der Branche / des Fachgebiets der Auftraggeber (z.B. Möbelindustrie, Automobilindustrie, Hausgeräte) … der relevanten Technologiebereiche (z.B. Elektrotechnik, Maschinenbau, Automatisierungstechnik)
6-15
16-25
26-35
>35
sehr unterschiedlich
sehr ähnlich
Ausbildungsheterogenität der Mitarbeiter Welchen Anteil am gesamten Personalbestand machen Mitarbeiter mit folgenden Ausbildungsrichtungen aus? Industrie- und Produktdesign Sonstiges Design (z.B. Grafik-, Kommunikationsdesign) Architektur Technik / Ingenieurwissenschaften Naturwissenschaften Andere Fachrichtungen
0%
1-25 %
26-50 %
51-75 %
75-100 %
178
Anhang: Konstrukte der schriftlichen Befragung
Externe Kontakte Wie häufig tauschen Sie mit folgenden externen Partnern Informationen aus? Design- und Ingenieurberatungen Andere Beratungen (z.B. Wirtschaftsberatung, Architekturbüros) Kunden Ihrer Auftraggeber Universitäten und Forschungseinrichtungen
sehr selten
sehr häufig
gelegentlich
unsere Region
Wie weit sind Ihre externen Partner über die Welt verteilt?
global verteilt
Intensität des Wissensaustauschs trifft gar nicht zu
Alle Mitarbeiter halten es für sehr wichtig, Informationen auszutauschen. Bei uns hat es Tradition, dass die verschiedenen Projektteams eng miteinander kommunizieren. Der Austausch von Informationen zwischen allen Mitarbeitern wird stark gefördert. Von den Leitern der verschiedenen Projekte wird erwartet, Informationen untereinander auszutauschen.
trifft teilweise zu
trifft voll zu
Orientierung an vergangenen Projekten trifft gar nicht zu
Wir greifen sehr häufig auf Wissen und Lösungsideen aus vergangenen Projekten zurück. Selten nutzen wir unser Wissen darüber, was in früheren Projekten funktioniert bzw. nicht funktioniert hat. Wir sind sehr gut darin, in früheren Projekten erworbenes Wissen in unseren aktuellen Projekten anzuwenden. Wir verpassen sehr oft die Möglichkeit, das Gelernte aus früheren Projekten nochmals zu nutzen.
trifft teilweise zu
trifft voll zu
Anhang: Konstrukte der schriftlichen Befragung
179
Verwendung von Analogien Beim Entwerfen eines neuen Designs, bei der Entwicklung eines neuen Produktes oder der Gestaltung von Systemen können analoge Lösungsansätze genutzt werden. Unter einer Analogie verstehen wir den Transfer von Formen, Materialien, Strukturen, Funktionsprinzipien oder auch Technologien von einer bereits existierenden Lösung (Quellobjekt) in die neu zu entwickelnde Lösung (Zielobjekt). Wir unterscheiden drei Arten von Analogien: (1) Nahe Produktanalogie: Quellobjekt und Zielobjekt stammen aus derselben Produktkategorie. (2)
Gleitbeläge
Sportartikel
Snowboard Sportartikel
Ferne Produktanalogie: Quellobjekt und Zielobjekt stammen aus verschiedenen Produktkategorien.
(3)
Ski
Infusionsbeutel
Material und Form
Luftpolsterung Basketballschuh Sportartikel
Medizintechnik
NichtProduktanalogie: Quellobjekt stammt aus einem produktfremden Bereich.
Haifisch
strukturelle Merkmale der Haut
Schwimmanzug Sportartikel
Natur
Häufigkeit der Verwendung von Analogien Wenn Sie am Design oder an der technischen Entwicklung eines neuen Produktes arbeiten, wie häufig transferieren Sie Lösungsideen … … von anderen Produkten derselben Produktkategorie (nahe Produktanalogie) … von Produkten aus anderen Produktkategorien (ferne Produktanalogie) … von einem Nicht-Produktbereich wie z.B. der Natur (Nicht-Produktanalogie)
sehr häufig
gelegentlich
sehr selten
Bedeutung von Analogien Bitte schätzen Sie insgesamt ein, welche Bedeutung die Nutzung folgender Analogietypen in Ihren Projekten hat. Wie hoch ist die allgemeine Bedeutung von… … nahen Produktanalogien … fernen Produktanalogien … Nicht-Produktanalogien
sehr geringe Bedeutung
mittlere Bedeutung
sehr hohe Bedeutung
180
Anhang: Konstrukte der schriftlichen Befragung
Innovativität Wie häufig entwickeln Sie in Ihren Projekten Lösungen, die … … primär Weiterentwicklungen bewährter Produkte und Prozesse darstellen. … eine große Menge an neuem technischem Wissen beinhalten. … auf revolutionär neuen Technologien beruhen. … Ihren Auftraggebern zu großen Innovationssprüngen verhelfen. … die Wettbewerbsposition Ihrer Auftraggeber verändern. … neue Märkte für Ihre Auftraggeber öffnen. Bitte vergleichen Sie im Folgenden Ihr Unternehmen mit den Hauptkonkurrenten: Mein Unternehmen … … ist innovativer
sehr selten
sehr häufig
gelegentlich
trifft gar nicht zu
trifft teilweise zu
trifft voll zu
Unternehmenserfolg Bitte vergleichen Sie im Folgenden Ihr Unternehmen mit den Hauptkonkurrenten: Mein Unternehmen … … ist erfolgreicher … hat einen höheren Marktanteil … wächst schneller … ist profitabler
trifft gar nicht zu
trifft teilweise zu
trifft voll zu