Atlan - Minizyklus 05
Dunkelstern
Nr. 09
Im Bann des Dunkelsterns von Bernhard Kempen
Wir schreiben das Jahr 1235...
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Atlan - Minizyklus 05
Dunkelstern
Nr. 09
Im Bann des Dunkelsterns von Bernhard Kempen
Wir schreiben das Jahr 1235 NGZ. Atlan, der unsterbliche Arkonide, ist gemein sam mit der geheimnisvollen Varganin Kythara auf die Fährte der Lordrichter von Garb gestoßen, die mit riesigen Armeen ihrer Garbyor-Völker und geraubter vargani scher Technologie an vielen Orten des Universums wirken. Zunächst wurden sie in der Southside der Milchstraße mit ihnen konfrontiert, und nun stehen sie in der Klein galaxis Dwingeloo wieder im Kampf gegen die unheimlichen Invasoren. Nach einigen unerfreulichen Begegnungen wissen sie zumindest, dass die Lord richter mit einer Verkleinerungstechnologie und der Schwarzen Substanz experimen tieren. Diese Substanz überzieht etliche Sterne Dwingeloos. Hier scheint auch das eigentliche Geheimnis Dwingeloos zu liegen, und nicht nur die Garbyor stehen IM BANN DES DUNKELSTERNS …
Im Bann des Dunkelsterns
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Die Hautpersonen des Romans:
Atlan - Der Arkonide sucht nach dem Geheimnis der Horden von Garbesch.
Heroshan Offshanor - Der Cappin-Kommandant lässt seine eigenen Agenten verhören.
Yagul Mahuur - Der Lordrichter enthüllt seinen Plan – er will die Anaksa-Station erreichen.
Erzherzog Garbgursha - Der Zaqoor verfügt über parapsychische Fähigkeiten.
Farangon - Der Cappin-Agent berichtet aus dem Lager des Feindes.
1. Erzherzog Garbgursha 23. Juni 1225 NGZ Es war wie der Blick in einen wirbelnden Abgrund, in dem der ewige Kampf zwischen Licht und Finsternis tobte. Der blauweiße Stern glomm wie ein kran kes Auge, das von eitrigem Ausfluss tränte. Tropfen aus schwarzem Blut quollen aus der leuchtenden Pupille und zerflossen zu grau en Schlieren in der mattgrau schimmernden Iris. Die aufgewühlte Masse bildete Strudel und gerinnende Klumpen, zwischen denen violette Blitze zuckten. Erzherzog Garbgursha erschauderte. Jedes Mal, wenn er Helast Auge in Auge gegen überstand, überkam ihn eine instinktive Furcht, die an den Grundfesten seiner Exi stenz zu rütteln schien. Als er nun in der offenen Schleuse der Hangartube stand, nur einen Schritt von der Kälte und Leere des Weltraums entfernt, wurde diese Empfindung noch verstärkt. Trotz seines gepanzerten Kampfanzuges, trotz des Helmvisiers und des Schutzfelds, die alle schädlichen Einflüsse von ihm fern hielten, fühlte er sich dem verderblichen Einfluss des Dunkelsterns schutzlos ausge liefert. Es gibt keine Angst, es gibt nur Trodar! Er schloss für einen kurzen Moment die Augen und versuchte, Kraft aus der Litanei der Horden zu schöpfen. Doch er spürte nur eine umso tiefere Lee re, an deren Grund immer noch die Furcht lauerte. Der Mythos von Trodar würde ihm bei seiner bevorstehenden Aufgabe keine Hilfe sein. Also öffnete er wieder die Augen und beschloss, seine Aufmerksamkeit aus
schließlich auf die Fakten zu richten. Auf den ersten Blick hätte Helast ein ge wöhnlicher blauer Riesenstern sein können, der noch am Anfang seiner Entwicklung stand und gerade damit begonnen hatte, ein Planetensystem auszubilden. Doch ein vor Jahrhunderttausenden gestartetes kosmi sches Projekt hatte ihn entarten lassen. Seit dem stand er in Verbindung mit einem frem den Universum und entzog ihm Energie, die nach dem Übergang den exotischen Aggre gatzustand psionisch aufgeladener Substanz annahm. Diese Psi-Materie stieg in dunklen Blasen aus dem glühenden Fusionsplasma des Sterns auf und wurde in schwarzen Rie senprotuberanzen ausgestoßen. Die Masse sammelte sich in der Nähe der Sonne und verhielt sich ähnlich wie die Staubscheibe junger Sterne, die irgendwann zu Kometen, Asteroiden, Planeten und Monden konden sierte. Auch die Schwarze Substanz verdich tete sich stellenweise zu Wirbeln und Klum pen, in denen sich rätselhafte Vorgänge ab spielten. Doch in diesem Mahlstrom würden nie Welten aus Gestein mit Atmosphären und Meeren entstehen, auf denen sich orga nisches Leben entwickeln konnte. Die Schwarze Substanz spielte eine ent scheidende Rolle für die Pläne, die Erzher zog Garbgursha im Auftrag der Lordrichter von Garb in der Galaxis Gantatryn verfolgte. Mit Mühe gelang es dem Zaqoor, sich aus dem Blick des kranken Auges zu befreien und sich auf seine unmittelbare Aufgabe zu konzentrieren. Er richtete den Blick auf die Tropfen raumschiffe, die wenige Kilometer vom Flaggschiff des Erzherzogs entfernt in Posi tion gegangen waren. Die 750 Meter durch messenden Einheiten hatten sich zu einem Ring formiert und warteten nur noch auf das
4 Kommando, mit dem die Operation »Nullfeldtunnel« beginnen würde. Garbgursha ließ die Statusanzeigen ein blenden, die sofort wie abstrakte Himmels körper zwischen den Raumschiffen und der Akkretionsscheibe des Dunkelsterns im Weltraum schwebten. Er reaktivierte die Verbindung zur Zentrale der GARB-ON ZYN und gab endlich den Befehl, auf den die Garbyor gespannt gewartet hatten. Ein paar Sekunden verstrichen, bis er die Folgen seiner Anweisung beobachten konn te. Zwischen den Tropfenraumern bildete sich ein Lichtnetz aus orangefarbenen Strah len. Im Zentrum der Ringformation verei nigten sie sich zu einem glühenden Punkt, dessen Leuchtkraft allmählich zunahm. Mehrere Sekunden lang blieb die Energie ballung stabil, dann setzte eine dramatische Veränderung ein. Als wäre die kleine Kunstsonne von der Krankheit Helasts angesteckt worden, ent standen dunkle Risse in der Lichtballung. Sie breiteten sich aus, zerflossen und brach ten den Punkt im Zentrum der Strahlen zum Pulsieren. Gleichzeitig schienen wellenför mige Verzerrungen durch den Weltraum zu laufen. Garbgursha spürte Gravitationskräf te, die an ihm zerrten und ihn wie auf einer wogenden Wasseroberfläche tanzen ließen. Er hörte die hektischen Meldungen der Raumschiffsbesatzungen, die darum kämpf ten, die Verbindung zu stabilisieren. Dass es zu einem leichten Raumbeben kam, ließ sich bei der Öffnung eines Hyperraum-Aufrisses nicht vermeiden. Doch die Daten in seinem Helmvisier ließen nur den Schluss zu, dass sich ein unerwarteter Störfaktor bemerkbar machte. Offensichtlich wirkte sich der Ein fluss des Dunkelsterns selbst aus der Entfer nung von rund zwanzig Lichtstunden auf den Transfer aus. Die Operation »Nullfeldtunnel« war not wendig geworden, nachdem Atlan von Go nozal in der Galaxis, die von ihren Bewoh nern als Milchstraße bezeichnet wurde, die Psi-Quelle Murloth vernichtet und damit die vorgesehene Anlieferung eines größeren
Bernhard Kempen Kontingents von Psi-Energie verhindert hat te. Nun sollte eine Verbindung zu Vancanar hergestellt werden, der Heimatgalaxis der Garbyor, um den Verlust auszugleichen. Die Psi-Energie wurde dringend benötigt, wenn die Truppen des Erzherzogs erneut zur Anaksa-Station vorstoßen wollten. Dazu mussten sie die Schwarze Substanz in der Akkretionsscheibe des Dunkelsterns durch dringen. Wer es wagte, sich der Station ohne Schutzmaßnahmen zu nähern, konnte im Gewitter psionischer Effekte und hyperphy sikalischer Anomalien leicht die Orientie rung verlieren. Im Normalfall waren keine besonderen Vorkehrungen am Austrittspunkt eines Null feldtunnels notwendig, da der Hyperraum durchgang extern induziert wurde. Doch in der Nähe einer psi-aktiven Störquelle war es ratsam, den Empfangspunkt zu stabilisieren, um unberechenbare oder gar katastrophale Folgen zu vermeiden. Garbgursha wagte sich nicht auszumalen, was geschehen konn te, wenn die transferierte Psi-Energie unkon trolliert freigesetzt wurde. Immer wieder drohte die Öffnung des Nullfeldtunnels zu kollabieren oder zu zerfa sern, doch die Garbyor in den Tropfenschif fen arbeiteten unermüdlich daran, eine stabi le Verbindung herzustellen. Endlich kam das Signal, dass die Verbin dung nach Vancanar stand und der Transfer eingeleitet worden war. Garbgursha machte sich bereit.
* Der Zaqoor im silberglänzenden Kampf panzer stieß sich vom Rand der Irisschleuse ab und trieb in die Leere des Weltraums hin aus. Kurz blickte er sich zum schrumpfen den kreisförmigen Ausschnitt der Hangartu be um, die so bemessen war, dass darin fünf 75-Meter-Beiboote hintereinander Platz fan den. Dann wurde die riesige, von mehreren Hangartoren durchbrochene Kugel der GARB-ONZYN sichtbar, seines Flagg schiffs, das im fahlen Licht des Dunkel
Im Bann des Dunkelsterns sterns schimmerte. Es war wie ein Abschied von einer vertrauten Welt, vom einzigen Ort im Umkreis mehrerer Lichtjahre, an dem es Leben und Wärme gab. Es gibt keinen Tod, es gibt nur Trodar! Entschlossen aktivierte Garbgursha das Antriebsaggregat seines Raumanzugs und wandte den Blick nach vorn. Er vermied es bewusst, noch einmal dem Dunkelstern ins Auge zu schauen. Er wollte sich nicht noch einmal von seiner Aufgabe ablenken lassen. Er konzentrierte sich ganz auf die orange farbene Lichtballung zwischen den Tropfen raumschiffen. Sie pulsierte nur noch leicht, und der Erzherzog konnte in der Mitte deut lich die dunkle Mündung erkennen, die das Ende des Nullfeldtunnels markierte. Das Ge bilde hatte Ähnlichkeit mit dem seltenen Schauspiel einer totalen Sonnenfinsternis, bei der sich der Strahlenkranz der Korona um die dunkle Scheibe eines Mondes oder Planeten legte. Garbgurshas Aufgabe bestand darin, für eine zusätzliche Stabilisierung des Transfers zu sorgen. Die gebündelten Strahlen der Raumschiffe verankerten den Empfangs punkt im Normalraum, und der Erzherzog würde seine besonderen Fähigkeiten als Psi ont einsetzen, um einen sicheren Fluss der Psi-Energie zu gewährleisten. Er regulierte den Antrieb seines Anzugs, sodass er mit geringer Geschwindigkeit in die leuchtende Aura des Aufrisses eindrang und kurz danach zum Stillstand kam. Vor ihm waberte die mehrere hundert Meter durchmessende Öffnung des Nullfeldtunnels wie eine schwarze Lohe. Garbgursha sendete ein Bereitschaftssi gnal an die Tropfenraumschiffe und empfing eine Bestätigung, wenn auch von starken Störimpulsen überlagert. Er hoffte, dass sich der Einfluss des Dunkelsterns nur auf den Funkverkehr und nicht auf den eigentlichen Transfer auswirkte – oder dass die Interfe renzen lediglich eine Begleiterscheinung des Stabilisierungsnetzes waren. Er verdrängte alle Spekulationen über stö rende Auswirkungen und machte sich bereit,
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seine Psi-Gaben einzusetzen. Dann schien plötzlich die Welt um ihn herum zu explo dieren. Das schwarze Loch des Hyperraumtun nels begann wieder zu pulsieren, und grell weiße Risse erschienen in der Finsternis. Glühende Zungen aus psionischer Energie schossen hervor und zuckten durch die Aura des Aufrisses, die nun eine düsterrote Fär bung angenommen hatte. Garbgursha sah nicht nur, dass etwas durch den Tunnel kam, er spürte es gleich zeitig mit seinen parapsychischen Sinnen. Es waren Protuberanzen aus summendem Licht, die zu grauen Tönen mit bitterem Ge schmack abkühlten. Er versuchte, mental nach den Kaskaden zu greifen, um sie in einen kontinuierlichen Fluss zu lenken. Er musste dafür sorgen, dass sie in einem ener getischen Gleichgewichtszustand konden sierten. Doch es war, als würde er mit bloßen Händen nach einer Flamme greifen. Brennender Schmerz zuckte durch seinen Geist, und er wurde von einem betäubenden Schlag getroffen. Garbgursha verstand nicht mehr, was ge schah. Diese Energie fühlte sich völlig an ders an. Es war, als wollte man in eine Wan ne mit angenehm temperiertem Wasser stei gen, um überrascht festzustellen, dass sie in Wirklichkeit mit heißem Öl gefüllt war. Als ihn der zweite Schlag mit der Wucht einer elektrischen Entladung traf, zog er in stinktiv seine Parasinne zurück und konzen trierte seine Kräfte darauf, sich selbst zu schützen. Was war schief gegangen? Warum war der Fluss aus Psi-Energie außer Kontrolle geraten? Garbgursha versuchte sich zu orientieren. Allmählich konnte er seine Umgebung wie der klarer erkennen. Immer wieder schossen blendend weiße Speere aus dem Aufriss und verglühten in der roten Aura. Ein drittes Mal wurde er direkt von einer Psi-Eruption ge troffen, doch dieser Schlag war nicht mehr so schmerzhaft wie beim ersten Mal. Der
6 Zaqoor erkannte, dass sein Raumanzug auto matisch auf die Gefahr reagiert und ihn in einen Schutzschirm gehüllt hatte. Außerdem war er unter der Wucht der Entladungen be reits ein gutes Stück von der Öffnung des Nullfeldtunnels davongetrieben. Die Strahlung der Aura war nur noch ein mattrotes Glühen und schien sich hauptsäch lich in den Infrarotbereich verschoben zu ha ben. Als es um ihn herum dunkler geworden war, erkannte der Erzherzog, dass die aus dem Tunnel schießende Energie keineswegs spurlos verglühte, sondern zu dunkelgrauen Wolken kondensierte. Er trieb durch Schwa den aus schwarzen Flocken, die wie Schnee kristalle aus geronnener Nacht aussahen. Die Psi-Materie des Dunkelsterns. Plötzlich wurde Garbgursha klar, was ge schehen sein musste. Eine Art Kurzschluss im Hyperraum hatte dafür gesorgt, dass nicht die Psi-Energie aus Vancanar durch den Tunnel floss, sondern die Schwarze Substanz aus dem Mikrokosmos. Ob sie di rekt aus der interuniversellen Verbindung abgesaugt worden war oder aus der Akkreti onsscheibe des Dunkelsterns stammte, ließ sich erst dann sagen, wenn die Daten ausge wertet waren. Doch im Augenblick sah es nicht danach aus, dass die Wissenschaftler der Garbyor in nächster Zeit die Muße für gründliche For schungen finden würden. Die Entladungen aus dem Aufriss schlugen nun über das Sta bilisierungsnetz zu den Tropfenraumern durch. Blendend weiße Lichterscheinungen rasten wie die Glut einer Zündschnur an den orangefarbenen Strahlen entlang. Garbgurs ha verfolgte atemlos, wie ein Zündfunke eins der Schiffe erreichte und sich buchstäb lich durch die Wandung brannte. Kurz dar auf schien der Raumer von innen durchge schüttelt zu werden, dann platzte die Hülle wie in Zeitlupe auf, und im nächsten Mo ment wurde der Vorgang vom grellen Blitz einer Explosion überstrahlt. Es war das Raumschiff, das für die Koor dinierung des Unternehmens verantwortlich war – und in dem sich das leitende Wissen-
Bernhard Kempen schaftlerteam aufgehalten hatte. Damit war das Unternehmen endgültig gescheitert. Als ein weiteres Schiff in einem Feuerball verging, reagierten die Kommandanten der noch verbleibenden Einheiten. Es kam zu ei ner dritten und vierten Explosion, bis die Stabilisierungsstrahlen erloschen und sich die restlichen sechs Tropfenraumer vom Zentrum der Katastrophe entfernten. Garbgursha hatte längst die gleiche Kon sequenz gezogen und sein Antriebsaggregat auf höchste Beschleunigung geschaltet. Jetzt galt es nur noch, mit heiler Haut davonzu kommen und den personellen und materiel len Schaden für die Garbyor zu begrenzen. Als er durch eine Wolke aus schwarzen Schneeflocken flog, die in einem schillernden Farbenspiel mit seinem Schutzschirm wechselwirkten, durchzuckte ihn ein Gedan ke – ein Zusammenhang, der ihm erst jetzt bewusst wurde. War es möglich, dass er selbst für das Scheitern der Operation verantwortlich war? Weil er seinen Geist – und seine Parasinne – zu lange auf den Dunkelstern konzentriert hatte? Verfügte er als Zaqoor-Psiont über die Fähigkeit, Psi-Energie aus einem frem den Universum anzuziehen und eine Null feldverbindung zu einer 31 Millionen Licht jahre entfernten Galaxis kollabieren zu las sen? Auch wenn er es ungewollt bewirkt hatte? Nein! Er drängte die Schuldgefühle in die Tiefen seines Unterbewusstseins zurück. Selbst wenn es so war, wollte er diese Mög lichkeit entschieden von sich weisen. Garbgursha war überzeugt, dass die leuchtende Ballung bereits sichtlich ge schrumpft war. Die Öffnung des Hyper raum-Aufrisses schloss sich. Doch bevor er sich dem Gefühl der Si cherheit hingeben konnte, sah er, wie sich die Ballung ein letztes Mal aufblähte und ein Lichtspeer aus Psi-Energie genau auf ihn zu raste.
*
Im Bann des Dunkelsterns Hektisch hantierte der Erzherzog mit den Kontrollen seines Kampfanzugs, um den Kurs zu ändern. – Doch das Antriebsaggre gat reagierte viel zu langsam. Die glühende Ladung kam unbeirrbar genau auf ihn zu. Er hatte sogar den Eindruck, dass sie sich sei ner Flugbahn anpasste, als hätte sie es ge zielt auf ihn abgesehen. Er spürte einen schweren Schlag, als die Lichtkaskade ihn erreichte und seinen Schutzschirm umhüllte. Es war, als wäre er in ein chaotisches Universum aus weißem Licht geschleudert worden, in dem es keine räumlichen Bezugspunkte mehr gab. Ob wohl es kaum vorstellbar war, wurde es im nächsten Moment noch heller, und Garb gursha hatte die deutliche Empfindung, dass die leuchtende Energie durch seinen Schutz schirm drang und nun auch seinen Körper umfloss. Er schrie vor Schmerz, als er spürte, wie er von einer kalt riechenden, bläulich vibrie renden Substanz durchdrungen wurde. Das Leuchten schien ihn von innen zerreißen zu wollen, und die Schwingungen erzeugten ei ne unerträgliche Resonanz im parapsychi schen Gehirnzentrum des Zaqoor. Halb be täubt vom Ansturm der Gewalten, erkannte er die einzige verzweifelte Möglichkeit, wie er die Energien absorbieren und hoffentlich unschädlich machen konnte. Er wehrte sich gegen diesen Ausweg, doch sein gequälter Geist wollte keine Einwände gelten lassen. Mit einem animalischen Schrei brach sich sein Überlebenswille Bahn und setzte den Para-Impuls frei. Garbgursha schien von innen zu explodie ren. Aber die Energie zerstörte ihn nicht, sondern verwandelte ihn nur. Trotzdem wa ren die frei werdenden Kräfte so gewaltig, dass sein Kampfpanzer zerriss. Das Material selbst hielt stand, doch die Dichtungen am Helm, an den Händen und Füßen und in der Körpermitte platzten auf. Nur am Rande nahm er den vorüberge hend abfallenden Luftdruck wahr. Bevor er auf die Gefahr einer tödlichen Dekompressi on reagieren konnte, wurde ihm klar, dass
7 sein Anzug immer noch funktionierte und innerhalb der Schutzschirmblase eine atem bare Lufthülle aufgebaut hatte. Obwohl seine Augen nur noch flüchtige, verschwommene Eindrücke lieferten, wusste er, dass er zu etwas anderem geworden war. Anstelle von Armen und Beinen spürte er schlanke, sich windende Extremitäten … Tentakel, mindestens sechs, vielleicht sogar acht … die sich aus den Öffnungen seines Anzuges wanden. Dann spürte er einen harten Panzer unter dem Panzer … das Außenskelett eines Kreb ses, dessen Form schnell an die Grenzen sei nes humanoiden Raumanzuges stieß … und unter dem Druck knackend aufbrach … Die unvorstellbaren Schmerzen ließen ein wenig nach, als sich sein Körper erneut um organisierte. Er blickte durch das typische Raster eines insektoiden Facettenauges und sah, dass die Greifklauen eines Daorghor aus den Ärmeln seines Anzugs ragten. Sein Körper wechselte so schnell die Form, dass er gar nicht mehr verfolgen konnte, ob er bekannte Fremdvölker imitier te oder bizarre Albtraumgestalten ausbildete. Es war eine chaotische Abfolge von Pseudo podien, Schwimmflossen, Gleitflügeln, Ku gelköpfen, Reißzähnen, Kiemen und Zangen … Endlich beruhigte sich das biologische Kaleidoskop, als er zu einer amorphen Form gerann, die sich den Konturen seines Raum anzuges mühelos anpassen konnte. Immer noch zuckte psionische Energie durch sein Körpergewebe und ließ wahllos Muskelfa sern, Hornzellen und andere Strukturen ent stehen, die keinem sinnvollen Zweck dienten. Doch es waren nur die letzten Zuckungen der Verwandlungsorgie, wäh rend er im Großen und Ganzen den Zustand eines formlosen Fladens beibehielt. Garbgursha konzentrierte sich darauf, an irgendeiner Öffnung seines Anzuges aus ei ner Ansammlung lichtempfindlicher Zellen ein primitives Auge entstehen zu lassen. Als er undeutlich sah, dass er sich einer Lichtku gel näherte, geriet er erneut in Panik. Trieb
8 er wieder auf den Nullfeldtunnel zu? Oder hatte es ihn in die Nähe des Dunkelsterns verschlagen? Er veränderte sein Auge, bis es ein schär feres Bild lieferte. Nun schälten sich die ver trauten Konturen der Hangartube seiner GARB-ONZYN heraus. Und er erkannte in der offenen Irisschleuse drei Zaqoor, die of fenbar versuchten, den Erzherzog mit einem Traktorstrahl an Bord des Flaggschiffs zu holen. Es fiel ihm schwer, seine Verwirrung ab zuschütteln, zumal immer noch Reste der Psi-Energie durch seinen Körper jagten. Doch irgendwann wurde ihm bewusst, dass er auf dem Boden der Schleuse lag, dass sich das Irisschott geschlossen hatte und sich einer der Zaqoor näherte und ihn mit er schrockenem Gesichtsausdruck anstarrte. Garbgursha erwiderte den Blick, bis ihm etwas klar wurde: Er konnte das Gesicht des Zaqoor deshalb so deutlich erkennen, weil der Mann den Helm seines Schutzanzuges abgenommen hatte. Das bedeutete, dass er sich in einer atembaren Atmosphäre aufhielt und seinen Schutzschirm desaktivieren konnte. Während er ein Pseudopodium ausbildete, mit dem er nach den manuellen Kontrollen seines Anzugs tastete, stellte er sich einer weiteren Tatsache. Der Mann starrte ihn deshalb so entsetzt an, weil er vor einem völlig zerfetzten Kampfpanzer stand, aus dem ein schleimiges Gallertwesen quoll. Als der Schutzschirm erlosch, besann sich der Erzherzog auf seine Rolle und sammelte sich. Er zog sich ganz aus den Trümmern seines Anzugs zurück und zwang sich dazu, wieder eine akzeptable Gestalt anzunehmen. Sein Körper verformte sich erneut und bildete Kopf, Rumpf und Extremitäten aus. Gleichzeitig spürte Garbgursha, dass er sich nun endlich von den letzten Resten der PsiEnergie befreit hatte. Doch das Entsetzen in den Gesichtern der Zaqoor hatte kaum nachgelassen. Denn vor den humanoiden Garbyor erhob sich nicht die vertraute Gestalt des Erzherzogs, son-
Bernhard Kempen dern die eines Daorghor, eines sechsgliedri gen insektoiden Wesens von über drei Me tern Größe. Natürlich wussten auch die einfachen Trobyor, die im Hangar der GARB-ONZYN Dienst taten, von Garbgurshas Fähigkeiten, aber es geschah nicht alle Tage, dass sie leibhaftig damit konfrontiert wurden.
2. Atlan 12. Juli 1225 NGZ
Auf wen konnte ich mich eigentlich noch verlassen? Wenn man es genau nahm, war Identität immer eine Frage des Vertrauens. Letztlich wusste man nie, ob das Bild, das man sich von einer Person machte, den Tat sachen entsprach. Aber in einer Umgebung, in der Pedotransferer und Gestaltwandler an der Tagesordnung waren, konnte die Sache ganz schön kompliziert werden. Eine gesun de Portion Misstrauen war in jedem Fall an gebracht, aber wenn es zur Paranoia wurde, konnte ich in große Schwierigkeiten geraten. Es erstaunte mich, dass der Extrasinn aus nahmsweise auf einen Kommentar zu den philosophischen Abschweifungen verzichte te, die mir durch den Kopf gingen, als ich die Zentrale der MORYR betrat. Du sprichst mir aus der Seele, meldete sich mein mentaler Quälgeist unverhofft doch noch zu Wort. Fragt sich, wer hier wem aus wessen See le spricht, erwiderte ich. Und danke für die Erinnerung, dass ich selbst gelegentlich an der Eindeutigkeit meiner Identität zweifeln muss. Damit verschaffte ich mir für eine Weile Ruhe. Nareile Scharakan, die Stellvertretende Kommandantin des Cappin-Raumers, nahm meine Ankunft mit einem unterkühlten Blick zur Kenntnis. »Heroshan wird in we nigen Minuten eintreffen«, sagte sie knapp. »Danke«, entgegnete ich und versuchte, ihre reservierte Haltung mit einem freundli chen Lächeln zu unterwandern. Doch die
Im Bann des Dunkelsterns schlanke Frau mit der markanten Hakenna se, den lebhaften hellbraunen Augen und dem kurzen schwarzen Haar verzog keine Miene. Die Ganjasin war mir von Anfang an mit großer Skepsis begegnet. Selbst nach dem ich ihr auf Galadat das Leben gerettet hatte, hatte sie nur für einen kurzen Moment einen Riss in dem Panzer der Unnahbarkeit zugelassen. Ich entschied, dass sie mit diesem Pro blem selber fertig werden musste, und wandte mich der holografischen Darstellung zu, auf der die AMENSOON zu erkennen war. Das varganische Oktaederschiff hatte sich genauso wie die MORYR in den Or tungsschutz der Korona einer roten Riesen sonne zurückgezogen. »Der Kommandant hat mir bereits unser Flugziel mitgeteilt«, fuhr Nareile fort. »Es handelt sich um den Leuchtfeuerstern L-E, einen Supergiganten der Klasse A3I. Wir werden die Distanz von 5082 Lichtjahren mit einem Überlichtfaktor von 10 Millionen zurücklegen und für den Flug etwa vierein halb Stunden benötigen. Von dort sind es nur noch 2763 Lichtjahre bis zum Dunkel stern.« Ich warf einen Blick auf die Sternkarte, die über Nareiles Konsole in der Luft schwebte. »Warum gehen wir nicht auf einen Kurs, der uns etwas näher an Kopaar heranbringt?«, fragte ich. »L-E ist aufgrund seiner intensiven Hy perstrahlung ein idealer Ortungsschutz für unsere Schiffe«, erklärte sie. »Außerdem ist Heroshan der Ansicht, dass erst nach dem Verhör der Agenten entschieden werden sollte, ob wir wirklich Kopaar anfliegen.« »Der Kommandant wird seine Gründe ha ben«, sagte ich nur und beschloss, nicht wei ter auf diesen Punkt einzugehen. Vermutlich war mein vages Misstrauen unberechtigt und nur eine Folge der Anspannung der letzten Zeit. In diesem Moment kamen Heroshan Offs hanor und Kythara in die Zentrale. Sie unter brachen ihr Gespräch, um mich zu begrüßen. Dann ordnete der Kommandant an, eine
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Verbindung zur AMENSOON herzustellen. Die rote Glut der Korona erlosch, und das Insektengesicht von Gorgh-12 wurde sicht bar. »Wo ist Kalarthras?«, wandte sich Kytha ra ohne Vorrede an den Daorghor. »Es geht ihm nicht gut«, sagte Gorgh-12. »Er hat sich vor einer Stunde in sein Quar tier zurückgezogen. Ich soll ausrichten, es bestünde kein Grund zur Sorge. Er vertraut darauf, dass wir die richtigen Entscheidun gen treffen werden.« Das war nichts Ungewöhnliches. Der Var gane, der wie Kythara das stolze Alter von 800.000 Jahren erreicht hatte, war durchweg in schlechter Verfassung gewesen, seit wir ihn auf dem Mond Vassantor aus seinem jahrtausendelangen Tiefschlaf erweckt hat ten. Wir konnten nur hoffen, dass er keinen weiteren Rückfall erlitt und eine erneute my steriöse Verfärbung seiner Haut einsetzte. Die Varganin nahm die Information schweigend zur Kenntnis. »Kythara und ich haben abgesprochen, dass wir in Kürze den Stern L-E anfliegen werden«, verkündete Heroshan. »Die Navi gationsdaten wurden bereits an die AMEN SOON übermittelt.« Ich riss mich zusammen, um keinen unan gebrachten Kommentar loszulassen. Was fiel Kythara ein, einfach über meinen Kopf hinweg zu entscheiden? Wurde ich über haupt nicht mehr gefragt? Interessierte sie sich nur noch dafür, wie es ihrer Jugendliebe Kalarthras ging? Die Eifersucht ist ein schlechter Ratgeber, rief mich der Extrasinn zur Räson. Plötzlich bemerkte ich, dass die Blicke al ler Anwesenden auf mich gerichtet waren. Hatten sie sich nun offen gegen mich ver schworen? Im Gegenteil, du Narr! Man legt gestei gerten Wert auf deine geschätzte Meinung. Ich schüttelte den Kopf – eine Geste, die gleichzeitig eine Reaktion auf die unausge sprochene Frage der anderen und auf meine idiotischen Gedankengänge war. »Keine Einwände«, sagte ich lakonisch.
10 Heroshan kümmerte sich um die Startvor bereitungen, während Kythara zu mir kam. »Was ist los mit dir?«, fragte sie mit be sorgter Miene. »Nichts«, wich ich aus. »Wahrscheinlich zu viel Stress und Schlafmangel.« »Ein Zellaktivatorträger, der schon im blutjungen Alter von 12.000 Jahren schwä chelt?«, erwiderte sie spöttisch. »Du ent täuschst mich.« »Ah … jetzt wird mir alles klar!«, erwi derte ich zynisch. »Völlig logisch, dass ich Minderwertigkeitskomplexe entwickle, wenn ich weit und breit der Einzige bin, der nicht über Pedo-, Psi- oder sonstige ParaKräfte verfügt.« Kythara schüttelte den Kopf. »Kannst du dir vorstellen, dass ich dich manchmal ge nau darum beneide?« Bevor ich nachfragen konnte, wie diese Bemerkung gemeint war, trat Heroshan Offshanor zu uns. »Wir sind auf Überlicht gegangen«, infor mierte er uns. »Während des Fluges werden wir mit dem Verhör des Agenten beginnen. Da Kamshatras immer noch bewusstlos in der Medostation liegt, müssen wir uns auf Farangon beschränken.« »Wozu ein Verhör?«, erkundigte ich mich. »Vertraut ihr euren eigenen Agenten nicht mehr?« »Das ist die übliche Praxis nach einem verdeckten Einsatz«, erklärte der Komman dant. »Schließlich besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass ein Pedotransferer vom Feind umgedreht wurde.« »Warum sollte ein Cappin auf die Seite der Garbyor wechseln?«, warf Kythara ein. »Es ist das erklärte Ziel der Lordrichter, eure Heimatgalaxis Gruelfin in einen brutalen Vernichtungskrieg zu stürzen.« »Diese Form der intensiven Befragung hat sich aus mehreren Gründen bewährt«, sagte Heroshan. »Nicht zuletzt, weil jedes Detail, auch wenn es nur unbewusst wahrge nommen wurde, von allergrößter Bedeutung sein kann.« »Eine äußerst sinnvolle Maßnahme«, sag-
Bernhard Kempen te Kythara. »Wie sieht das Prozedere aus?« »Nareile, Xarpatosch und ich werden uns mit der Befragung abwechseln. Die anderen ziehen sich währenddessen in einen Konfe renzraum zurück und verfolgen das Ge spräch über Holo. Wenn ihr möchtet, könnt ihr daran teilnehmen.« »Dieses Angebot werden wir selbstver ständlich wahrnehmen«, sagte ich.
* Heroshan Offshanor wollte die erste Run de der Befragung übernehmen und trennte sich im Korridor vor der Zentrale von uns. Seine Stellvertreterin führte Kythara und mich zum Konferenzraum, in dem mehrere Sitzgelegenheiten rund um die Holoprojekti on angeordnet waren. Kurz darauf traf auch Xarpatosch ein, der Truppführer der Elite kampfeinheit, ein über zwei Meter großer Ganjase, der vom Stoppelhaarschnitt über das kantige Kinn bis zu den kräftigen Schul tern das Paradebeispiel des knallharten, ein silbigen Einzelkämpfers verkörperte. Nareile erklärte, dass er mit den Vorberei tungen für das Verhör befasst gewesen war, während Heroshan den koordinierten Start der MORYR und der AMENSOON über wacht hatte. Nach wenigen Minuten aktivierte sich das Holo und zeigte den Kommandanten und den Agenten, die sich an einem kleinen Tisch gegenübersaßen. Das Gespräch be gann mit einer allgemeinen Rekapitulation des Einsatzes und drehte sich zunächst um Fakten, die mir längst bekannt waren. Farangon gehörte nicht zur ursprüngli chen Besatzung der MORYR, eines Bei boots des Pedopeilers SYVERON, der in der Milchstraße stationiert war. Er und die ande ren Agenten waren mit der ERYSGAN, ei nem Schwesterschiff der SYVERON, nach Gantrain gekommen – der Galaxis, die von den Varganen und den Garbyor Gantatryn genannt wurde und auf dem über 16 Millio nen Lichtjahre entfernten Planeten Terra als LEDA 100.170 oder Dwingeloo-1 geführt
Im Bann des Dunkelsterns wurde. Sie waren in den Einsatz gegangen, bevor die Truppen der Lordrichter den Pedopeiler vor etwa sechs Wochen vernichtet hatten. Die Originalkörper der Cappins hatten nicht das tödliche Schicksal vieler ihrer Artgenos sen geteilt, weil man sie vorsorglich in ei nem Container auf dem Mond eines Gasrie sen deponiert hatte. Er und seine Kollegen Kamshatras und Hogshant Merathin hatten per Pedotransfer mit der MORYR Kontakt aufgenommen und mitgeteilt, dass sie an Material von großer Bedeutung gelangt waren. Da Pedotransferer nur ihr Bewusstsein und keine materiellen Gegenstände räumlich versetzen konnten, mussten sie sich in den übernommenen Zaqoor-Körpern von den Garbyor absetzen. Die CAPPINASCH, ein Beiboot der MO RYR, hatte den vereinbarten Treffpunkt an geflogen, die Wüstenwelt Craddyn, wo es zu einer erbitterten Verfolgungsjagd durch die Truppen der Lordrichter gekommen war. Hogshant Merathin hatte bei den Kämpfen das Leben verloren, und Kamshatras war es vor dem Tod seines Zaqoor-Körpers nicht mehr gelungen, einen vollständigen Pe dotransfer durchzuführen. Etwas war in sei nen Originalkörper zurückgekehrt, aber es blieb vorläufig fraglich, ob er jemals wieder sein volles Bewusstsein erlangen würde. Nur Farangon hatte den Einsatz unbescha det überstanden. Nach der Rückkehr in sei nen Körper, der genauso wie die der anderen Agenten zuvor geborgen worden war, hatte er erklärt, was sich in dem Behälter befand, den die Agenten nach Craddyn geschafft hatten: Sie hatten ihr Leben für eine Probe der Schwarzen Substanz riskiert. Und er hatte uns weitere Erkenntnisse verschafft. Die Lordrichter wollten mit Hilfe dieser Schwarzen Substanz zur Anaksa-Stati on in der Akkretionsscheibe des Dunkel sterns vorstoßen und den Umsetzer in Be trieb nehmen, um in den Mikrokosmos der Varganen zu gelangen. Auf Sothin hatten wir vom vorgeblichen Varganen Ve schnaron, der sich schließlich als Gestalt
11 wandler entpuppt hatte, ähnliche Informatio nen erhalten. Doch nun konnten wir viel leicht eine Antwort auf die weiterhin unge klärte Frage bekommen, welche Ziele die Garbyor mit diesem Plan verfolgten. Ich horchte erst wieder auf, als der Cap pin-Agent mit seinem eigentlichen Bericht begann.
3. Farangon 20. Oktober 1224 bis 16. März 1225 NGZ Bereits der erste Versuch hätte ihn fast das Leben gekostet. Als Farangon sich auf sein Opfer einpeil te, spürte er einen gewaltigen Sog. Etwas wollte ihn ablenken, ihn mit unwiderstehli cher Macht dazu verlocken, den eingeschla genen Weg zu verlassen. Ein unerfahrener Pedotransferer hätte sich der Versuchung vielleicht hingegeben, aber Farangon wus ste, dass man einen solchen Fehler nur ein mal beging. Mit aller Kraft konzentrierte er sich auf sein ursprüngliches Ziel, eine ganz bestimmte, aber völlig unscheinbare ÜBSEF-Signatur. Gerade weil sie keinerlei Be sonderheiten aufwies, war sie der ideale Ausgangspunkt. Beim ersten Pedotransfer im Rahmen ei nes umfangreicheren Einsatzes kam es dar auf an, unauffällig zu bleiben. Er und die an deren Agenten sollten in erster Linie beob achten und nur im Ernstfall aktiv werden. Unter normalen Voraussetzungen hätte sich Farangons Bewusstsein unbemerkt wie ein gründlich verdrängter Gedanke im Hinter grund des Geistes seines Opfers einnisten sollen. Doch der fremde Einfluss, den der Cappin als bedrohlich und dunkel empfand, zwang ihn dazu, energischer als geplant vorzuge hen. Er konnte sich seinem Opfer nicht mit der Behutsamkeit einer Stechmücke nähern, sondern musste es mit den Zähnen packen, um im Sturm der dunklen Energie nicht ab geschüttelt zu werden. Anschließend zog sich Farangon sofort in
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den Hintergrund zurück. Doch der Zaqoor hatte genau gespürt, dass etwas Ungewöhn liches mit ihm geschehen war. »Was ist los mit dir, Xaraqar?« Durch die Augen des humanoiden Garby or sah der Cappin, dass er sich in einem Waffenlager befand. Vor ihm stand eine of fene Kiste mit Handstrahlern auf dem Bo den. Von rechts näherte sich der Zaqoor, der ihn angesprochen hatte. Er hieß Yngenar, wie er dem Bewusstsein seines geistigen Wirtes entnahm. Doch im nächsten Moment geriet Xaraqar in Panik, und seine Gedanken überschlugen sich. Farangon spürte, dass er in großer Ge fahr schwebte, doch er stand immer noch unter dem Schock des ungewohnt schwieri gen Pedotransfers. Sein Leben konnte davon abhängen, wie schnell es ihm gelang, sich in der ungewohnten Umgebung zu orientieren. »Bist du übernommen worden?«, fragte der andere Zaqoor plötzlich. Nun geriet auch Farangon in Panik. Eine Schrecksekunde lang blickten sich der Cap pin und sein Pedoopfer mental in die Augen, als ihnen gleichzeitig bewusst wurde, was als Nächstes geschehen würde. Verzweifelt suchte Farangon den einzigen Ausweg, der ihm noch blieb. Er musste schnell handeln, weil sich nun die Ereignisse überstürzten. Er sah noch durch Xaraqars Augen, wie der Zaqoor nach einem Handstrahler griff und die Waffe auf ihn richtete. Nach dem er neuten Wechsel erlebte er das Geschehen aus der Gegenperspektive mit. Xaraqar brach vom tödlichen Energiestrahl getroffen zusammen. Farangon zog sich in den hintersten Win kel des Geistes seines neuen Opfers zurück. Zum Glück war die zweite Pedotransferie rung behutsamer verlaufen. Yngenar schien nichts bemerkt zu haben. Der Zaqoor verließ das Waffenlager, um seinem Vorgesetzten über den Zwischenfall Bericht zu erstatten.
*
Farangon erfuhr, dass Xaraqar und Ynge nar schon seit längerem Kollegen waren und sich sehr gut gekannt hatten. Zunächst hielt er den Zaqoor für einen recht kaltschnäuzi gen Burschen, weil es ihm offenbar keine Schwierigkeiten bereitet hatte, seinen Freund zu erschießen. Doch allmählich wur de dem Cappin-Agenten klar, dass eine recht misstrauische Grundstimmung unter den Be satzungsmitgliedern der GARB-ONZYN herrschte. Allen war die Gefahr bewusst, die durch Pedotransferer drohte, auch wenn die Sache nicht in paranoides Zwangsverhalten ausuferte. Dazu waren die Zaqoor grund sätzlich viel zu selbstbewusst und von sich selbst eingenommen. Es bedurfte schon ei nes schweren Schocks, um Gefühle wie Zweifel oder Furcht bei ihnen auszulösen. Nicht umsonst stellten sie die Leibgarde der Lordrichter von Garb. Damit nahmen sie ei ne besondere Stellung innerhalb ihrer Hilfs völker ein, die unter dem Sammelbegriff Garbyor geführt wurden. Unmittelbar nach Xaraqars Tod wurde ei ne Untersuchung des Falls angesetzt, doch der Inspektor im Rang eines Trodaryor legte keine besondere Gründlichkeit an den Tag. Für seinen Bericht stützte er sich im We sentlichen auf Yngenars Aussagen, die kaum weiter hinterfragt wurden. Offenbar war es in letzter Zeit häufiger zu ähnlichen Vorfäl len gekommen. Außerdem galt es als ehren haft, im Kampf gegen einen Feind für Tro dar zu sterben. Der Waffenmeister wurde für sein ent schlossenes Handeln sogar von seinem Vor gesetzten belobigt und einen Bordtag lang vom Dienst befreit. Er nutzte seine Freizeit für einen Besuch bei Phitiqar, der er in ihrer Kabine die Nachricht vom Tod Xaraqars überbrachte. Auch Phitiqar schien den Ver storbenen recht gut gekannt zu haben. Doch von großer Trauer konnte wirklich nicht die Rede sein. Die Angelegenheit beschränkte sich auf ein paar Sekunden des Gedenkens für einen gemeinsamen Freund, der sich nun den Ewigen Horden von Garb angeschlossen hatte.
Im Bann des Dunkelsterns Kurz darauf fielen Yngenar und Phitiqar übereinander her und widmeten sich leiden schaftlich der Ausübung unterschiedlicher Paarungsstile. Sie betrieben dies stunden lang und mit scheinbar unermüdlicher Aus dauer und Phantasie. Farangon benötigte seine ganze Konzen tration, um seinen impulsiven Fluchtreflex zu unterdrücken. Als Ganjase war er in einer Gesellschaft aufgewachsen, in der sexuelle Aktivitäten keinen allzu großen Raum ein nahmen. Die Sache war zwar angenehm, aber viel zu peinlich, um sie unnötig in die Länge zu ziehen. Ein Pedotransferer musste naturgemäß darauf vorbereitet sein, auch mit diesem Aspekt des Lebens konfrontiert zu werden, aber es war jedes Mal eine sehr be schämende Erfahrung, wenn er zum Zeugen einer intimen Begegnung wurde. Was diese Angelegenheit betraf, war einem Ganjasen jede Form der Beobachtung zuwider – ob nun in leibhaftiger oder mentaler Anwesen heit oder auch nur als Betrachter einer Auf zeichnung. Die außergewöhnliche Hemmungslosig keit und Beharrlichkeit der Zaqoor stellte Farangon auf eine harte Probe. Zu allem Überfluss erfuhr er aus den Gesprächen in den seltenen Pausen, dass diese Form der Freizeitgestaltung sehr häufig mit mehr als nur zwei Teilnehmern praktiziert wurde. Vor allem Xaraqar war in der Vergangenheit häufig dabei gewesen. Farangon war froh, als die Zaqoor in einen tiefen Schlaf fielen, sich nach kurzer Zeit gestärkt erhoben und wieder ihren Dienst an Bord des 1350 Meter durchmesse nen Golfballraumschiffs antraten. In den folgenden Wochen beschränkte er sich auf die Rolle des stillen Beobachters. Als Waffenmeister hatte Yngenar nur wenig Einblick in größere Zusammenhänge, aber der Cappin-Agent war bestens darin ge schult, aufgeschnappte Gesprächsfetzen aus zuwerten und Detailbeobachtungen und In formationsfragmente zu einem Gesamtbild zusammenzusetzen. Bei der Peilung seines ersten Opfers hatte
13 der Cappin-Agent darauf geachtet, an Bord eines Schiffes zu gelangen, das eine gewisse Bedeutung innerhalb der Flotte hatte. Dabei hatte er zunächst die wichtigsten Persönlich keiten erspürt und dann gewissermaßen knapp daneben gezielt. Sein Plan war aufge gangen, denn die GARB-ONZYN war das Flaggschiff eines Einsatzgeschwaders, das von einem gewissen Marquis Jarantar ge führt wurde, der wiederum in enger Verbin dung zu einem Erzherzog stand. Mit der Zeit lernte er die Ranghierarchie der Garbyor kennen. Die einfachen Soldaten wurden als Trobyor bezeichnet. Ihre unmit telbaren Vorgesetzten waren die Trodaryor, was so viel wie »Trodar-Krieger« bedeutete. Mit höheren Offizieren kam ein Trobyor nur selten in Kontakt, daher kannte Yngenar die se Dienstgrade nur vom Hörensagen. Auf die Kommandeure folgten die Marquis, die Herzöge und schließlich die Erzherzöge. Diese waren wiederum den Lordrichtern un terstellt, die ihre Befehle von einem Ober sten Lordrichter erhielten. Gelegentlich war auch vom »Schwert der Ordnung« die Rede, aber Farangon konnte nicht ermitteln, ob es sich um eine Person oder eine Institution handelte oder in welchem Verhältnis es zu den Lordrichtern stand. Als Trobyor nahm Yngenar regelmäßig an Kampfübungen teil. Gelegentlich wurden größere Manöver veranstaltet, sowohl inner und außerhalb der Raumschiffe als auch auf Planeten in der Nähe, aber das tägliche Trai ning fand in großen Hallen an Bord der Schiffe statt. Die Trodaryor stellten ihre Sol daten in immer neuen Gruppen zusammen und hetzten sie aufeinander. Die Kämpfe wurden zwar nicht mit unerbittlicher Härte geführt, aber im Eifer des Gefechts kamen immer wieder einzelne Zaqoor zu Tode. Nach solchen Vorfällen wurden sowohl der Sieger als auch der gefallene Kämpfer in kurzen Ansprachen von den Offizieren ge ehrt. Auf die Getöteten wartete das Ewige Leben in der Großen Horde, und die Sieger wurden für mehrere Tage vom Dienst freige stellt.
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Yngenars stummer Beobachter erkannte bald, dass diese Regelung dazu diente, die Zahl der Todesopfer in überschaubaren Grenzen zu halten. Indem die Übung abge brochen und die besten Kämpfer für einige Zeit aus dem Verkehr gezogen wurden, ver hinderten die Trodaryor, dass die Soldaten in einen Kampfrausch verfielen und mögli cherweise ein Blutbad anrichteten.
* Farangon wagte es nur in seltenen Mo menten, sein Pedoopfer vollständig zu über nehmen und selbst aktiv zu werden. Der Zaqoor würde sich später an nichts erinnern, aber vorläufig war die Gefahr zu groß, dass der Cappin Spuren hinterließ oder auffällig wurde, wenn er anderen Besatzungsmitglie dern begegnete. Deshalb beschränkte er sich im Wesentlichen auf die wenigen Nächte, die Yngenar allein in seiner Kabine ver brachte. Während das Bewusstsein des Zaqoor im Tiefschlaf lag, erhob sich sein Körper von der Liege und setzte sich an sein privates Kommunikationsterminal. Zu Farangons Bedauern verfügte das Ge rät nur über sehr wenige Funktionen und er laubte keinen Zugriff auf Datenbanken mit umfangreicheren Informationen. Das System diente hauptsächlich dazu, Unterhaltungs programme abzurufen und Nachrichten zwi schen Besatzungsmitgliedern auszutauschen. Erneut wurde der Cappin auf eine harte Pro be gestellt, da sich die Inhalte des Systems zum überwiegenden Teil mit dem Lieblings zeitvertreib der Zaqoor beschäftigten. Doch gelang es ihm, zwischen den Zeilen einige brauchbare Informationen herauszu filtern. Immerhin umfasste das Kommunika tionsnetz sämtliche 5000 Raumschiffe der Zaqoor. Dabei handelte es sich um etwa ein Drittel der Flotte, die in der Nähe des Dunkelsterns stationiert war. Die restlichen zehntausend Einheiten setzten sich hauptsächlich aus Tropfenraumern der Torghan und Daorghor und Käferraumern der Shiruh zusammen.
Hinzu kamen Werftplattformen und Fracht schiffe, die zur Versorgung der Flotte dienten. Farangon musste dem Feind insge heim Anerkennung für die reibungslos funk tionierend Logistik zollen, viele Millionen Lichtjahre von der Heimatgalaxis entfernt eine so große Flotte zu unterhalten. Obwohl die mehrere Millionen Garbyor mit fast allem versorgt waren, was sie zum Leben und für den Einsatz benötigten, wur den gelegentlich Exkursionen zu verschiede nen Planeten unternommen, um die Vorräte aufzufrischen. Etwa fünf Monate nach Fa rangons Ankunft in der GARB-ONZYN wurde das Schiff als Geleitschutz für einen solchen Konvoi abgestellt. Doch für einen einfachen Soldaten wie Yngenar änderte sich kaum etwas an der täglichen Arbeits routine. Er durfte lediglich die mittelschwe ren Strahlwaffen an die Offiziere austeilen, die auf dem Planeten eine Großwildjagd ver anstalten wollten, um die Fleischvorräte der Bordkantinen aufzustocken. Auch dieser Punkt gehörte für den Cappin zu den weniger angenehmen Aspekten die ses Einsatzes. Die Zaqoor verabscheuten synthetische Nahrung und aßen am liebsten frisch zubereitetes Haggariss. Die Herstel lung dieses Gerichts erforderte nur wenig kulinarischen Aufwand. Im Wesentlichen ging es darum, ein Tier mit sämtlichen Hartund Weichteilen durch einen Fleischwolf zu drehen und die resultierende Masse möglich gleichmäßig zu verrühren. Farangon nutzte weiterhin die Schlafpha sen seines Pedoopfers, um im Kommunikati onsnetz zu recherchieren. Nur kurz sah er die Berichte der wenigen Besatzungsmitglie der durch, die tatsächlich den Boden des Planeten betreten durften. Doch außer dich ten Urwäldern, die sich hervorragend für spontane erotische Abenteuer nutzen ließen, und großen Reptilien mit schmackhaftem Fleisch gab es hier offenbar nichts von Inter esse. Aber es hatte noch einen anderen Grund, warum Farangon regelmäßig das Kommuni kationssystem durchforstete. An mehreren
Im Bann des Dunkelsterns Stellen hatte er Nachrichten mit dem Absen der »Scholschowo« hinterlassen. Diese Me thode schien ihm die sicherste zu sein, da viele Zaqoor im Netz unter Phantasienamen auftraten und es extrem unwahrscheinlich war, dass einer von ihnen jemals von der le gendären Gestalt des »Weisen« aus dem Cappin-Volk der Moritatoren gehört hatte. Nun hatte Farangon endlich eine Antwort auf seine Nachricht erhalten. Es war ein leidenschaftlicher Liebesbrief.
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Dann stutzte Farangon, weil nun eine aus führliche Beschreibung eines atemberauben den Liebhabers namens Wureqar folgte. Un willkürlich kam ihm etwas in den Sinn, wor über unter seinen Agentenkollegen nur mit vorgehaltener Hand getuschelt wurde. Hogs hant stand im Verdacht, dass sich seine se xuellen Vorlieben nicht ganz mit denen der meisten Ganjasen deckten. Und noch etwas brachte Farangon ins Grübeln. Wenn er die Andeutungen seines Kollegen richtig deute te, war er offenbar in einen weiblichen Zaqoor namens Verellar pedotransferiert … * Was bezweckte Hogshant mit dieser De »… wie sehr ich dich mit schmachtender monstration seiner blühenden Phantasie? Sehnsucht vermisst habe, mein unerschöpfli Es folgten detaillierte Angaben über Ort cher Scholschowo!« und Zeitpunkt, an dem das Rendezvous Inzwischen war der Ganjase im Körper ei stattfinden sollte, und sogar eine kurze Film nes Zaqoor so weit abgestumpft, dass ihn die sequenz, in der Wureqar das Treffen bestä recht eindeutigen Inhalte der Zaqoortigte. Private Kommunikationen mit Bild Kommunikation kaum noch irrtierten. Er und Ton waren ausschließlich über das musste sogar darüber schmunzeln, wie gut Bordnetz möglich, zwischen den Raum sein Kollege den Ton der üblichen Nach schiffen der Flotten konnten nur Textbot richten getroffen hatte. schaften und nicht allzu umfangreiche Da »… möchte mich im Schein einer roten teien ausgetauscht werden. Abendsonne von deinen Armen packen las »… wünsche mir so sehr, du könntest bei sen und von dir …« unserem heißen Liebesspiel dabei sein …« Farangon versuchte sich auf das Wesentli Schlagartig wurde Farangon klar, was che zu konzentrieren. Die Agenten hatten Hogshant ihm durch die Blume mitteilen vor dem Einsatz verschiedene Kodewörter wollte. Er besaß nun genügend Informatio vereinbart, und »rote Sonne« war eins der nen über diesen Mann, um ihn mental anzu Pseudonyme, die sich Hogshant Merathin peilen und per Pedotransferierung zu über ausgesucht hatte. nehmen. Anscheinend hatte sich Hogshant »… solange deine starken Hände fern von allen Cappin-Agenten am besten in die von mir sind, muss ich mich hier an Bord Mentalität der Zaqoor hineinversetzen kön der GARB-ASETH mit anderen Geliebten nen und somit die ideale Methode gefunden, begnügen …« wie sich die Agenten zum Erfahrungsaus Nun wusste Farangon, in welches Raum tausch treffen konnten. Obwohl die zehn schiff es den Agenten verschlagen hatte und Golfballraumer des Geleitschutzes nur weni dass es ihm noch nicht gelungen war, Kon ge Kilometer voneinander entfernt im Orbit takt mit den anderen Cappins aufzunehmen, standen, war es einem einfachen Garbyor die mit der Kodebezeichnung »starke Hand« selbstverständlich nicht gestattet, ohne trifti gemeint waren. Das Besondere an dieser In gen Grund seinen Posten zu verlassen und formation war, dass die GARB-ASETH an Bord eines anderen Raumschiffs zu ebenfalls zum Konvoi gehörte, der das etwa wechseln. zwanzig Lichtjahre vom Dunkelstern ent Der Agent überlegte, was er auf die Nach fernte System mit dem Reptilienplaneten an richt erwidern sollte. Dann entschied er sich geflogen hatte. für eine knappe und hoffentlich unmissver
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ständliche Botschaft: »Ich werde im Geiste bei euch sein. Dein Scholschowo.«
* Das Erste, was Farangon als ungewöhn lich empfand, war die Leichtigkeit, mit der die Pedotransferierung vonstatten ging. Lag es an der geringen Distanz zwischen den beiden Raumschiffen? Vielleicht. Doch dann wurde ihm klar, dass der bedrohliche Einfluss, den er bei der Übernahme von Xa raqar gespürt hatte, deutlich schwächer war. Die zweite Empfindung war ein intensi ves körperliches Wohlgefühl, das ihm kei neswegs unvertraut war. Doch bisher hatte er es nur am Rande wahrgenommen, wenn er sein Bewusstsein in entsprechenden Si tuationen weitgehend gegen die Sinnesein drücke seines Pedoopfers abgeschottet hatte. Der Unterschied war darauf zurückzuführen, dass er den Körper diesmal vollständig über nommen hatte. Als Farangon es wagte, die Augen zu öff nen, sah er, dass er einen weiblichen Zaqoor-Körper in den Armen hielt. Obwohl die Unterschiede zwischen den Geschlech tern nicht so stark wie bei Cappins und an deren Humanoidenvölkern ausgeprägt wa ren, besaß der Agent inzwischen genügend Erfahrung, um diese Tatsache auf den ersten Blick zu erkennen. Sein spontaner Impuls war, sich sofort aus dieser peinlichen Lage zurückzuziehen, doch er zögerte noch, weil er sich nicht durch eine unpassende Reakti on verraten wollte. »Du bist in der Tat ein wunderbarer Lieb haber!«, hauchte die Zaqoor-Frau. Farangon stockte der Atem. Hektisch überlegte er, wie er angemessen mit dieser Situation umgehen sollte – bis ihm bewusst wurde, dass sie Gruelfin gesprochen hatte. »Hogshant, du verdammter …!«, knurrte er wütend, stieß den Körper von sich und kauerte sich in gebührendem Sicherheitsab stand auf den Boden. »Sag nicht, ich hätte dich nicht vorge-
warnt.« Das Gesicht der Frau verzog sich zu einem Grinsen. Farangon beschloss, die Tatsache, dass sich zwei nackte Zaqoor gegenübersaßen, zu ignorieren, und sich ganz darauf zu konzen trieren, dass er mit einem männlichen Be wusstsein sprach. Allerdings hatte er nicht das Gefühl, dass die peinliche Situation da durch wesentlich entschärft wurde. »Tut mir Leid«, fuhr Hogshant fort. »Ich habe nicht damit gerechnet, dass die beiden ohne jedes Vorspiel übereinander herfallen würden.« »Erspar mir bitte die Einzelheiten.« »Wir sollten das Gespräch ohnehin nicht zu sehr in die Länge ziehen. Was hast du herausgefunden?« »Enttäuschend wenig«, sagte Farangon. »Mein Wirt ist ein ziemlich kleines Licht. Ich habe mich kaum von der Stelle gerührt, nachdem ich beim ersten Pedotransfer bei nahe draufgegangen wäre.« »Du hast also auch bemerkt, dass der Dunkelstern eine genaue Einpeilung der ÜBSEF-Konstante erschwert?« »Natürlich habe ich das …« Erst in diesem Moment wurde Farangon klar, woher der Einfluss stammte, den er die ganze Zeit über als bedrohliches Hinter grundrauschen wahrgenommen hatte. Und warum Hogshant mit der Kontaktaufnahme gewartet hatte, bis sich die beiden Agenten in halbwegs sicherer Entfernung vom Dun kelstern befanden. Aber das hätte er gegen über seinem Agenten-Kollegen niemals zu gegeben. »Hast du auch schon schlechte Erfahrun gen mit den Schutzvorrichtungen ge macht?«, fragte Hogshant. »Ich war sehr vorsichtig. Dies ist das erste Mal, dass ich mein Pedoopfer verlasse.« »Nimm dich in Acht vor den Leuten, die ein schmales Metallband um den Kopf tra gen. Bisher wurden nur die hochrangigen Befehlshaber damit ausgestattet, aber es scheint, dass immer mehr davon hergestellt werden. Ich habe sogar schon einen Marquis mit einem solchen Schutzband gesehen.«
Im Bann des Dunkelsterns »Danke für die Warnung.« Hogshant sah ihn mit einem Gesichtsausdruck an, in dem sich Misstrauen und Besorgnis mischten. »Kommst du mit dem Todesimpuls-Implan tat zurecht?« Farangon hatte das Gefühl, dass dieser Punkt zu wichtig war, um ihn aus Geltungs sucht mit einer Lüge oder einer ausweichen den Antwort abzutun. »Was meinst du da mit?« »Hast du wirklich nicht darauf geachtet?«, fragte Hogshant. »Kann es sein, dass du bis her nur verdammtes Glück gehabt hast?« »Wie gesagt, ich …« »Schon gut«, wehrte Hogshant seinen Rechtfertigungsversuch ab. »Solange du im Hintergrund bleibst, ist es kein Problem. Aber wenn du dein Pedoopfer aktiv kontrol lierst, solltest du es sehr behutsam tun, weil deine psionische Ausstrahlung das Implantat aktivieren könnte. Auf diese Weise wäre ich beinahe draufgegangen. Zum Glück habe ich instinktiv das Richtige getan und mich dar auf konzentriert, die psionische Komponente des Implantats zu unterdrücken. Damit kannst du es – zumindest zeitweise – völlig desaktivieren. Auf Dauer ist das allerdings eine ziemlich anstrengende Sache.« »Nochmals danke«, sagte Farangon und senkte unwillkürlich den Blick. Es fiel ihm nicht leicht, zuzugeben, dass sein Kollege anscheinend über erheblich mehr Erfahrung oder Einfühlungsvermögen als Pedotransfe rer verfügte. Aber schließlich ging es darum, dass sie den Einsatz erfolgreich durchführ ten – und dass sie überlebten, damit ihre ge wonnenen Erkenntnisse nicht verloren gin gen. »Das dürften vorerst die wichtigsten Punkte gewesen sein«, sagte Hogshant. »Ich schlage vor, dass wir alle weiteren Informa tionen verschlüsselt über das Kommunikati onsnetz austauschen.« »Einverstanden.« »So, und jetzt nimm mich noch einmal in die Arme und kuschel dich ganz fest an mich!« »Wie bitte?«
17 »Hör endlich auf, den blutigen Anfänger zu spielen!«, sagte Hogshant kopfschüttelnd und mit einem verschmitzten Grinsen. »Wenn wir uns zurückziehen, sollten wir unsere nichts ahnenden Opfer so hinterlas sen, wie wir sie vorgefunden haben, nicht wahr?«
4. Atlan 12. Juli 1225 NGZ Es fiel dem Agenten sichtlich schwer, über die persönlicheren Aspekte seines Ein satzes zu sprechen. Irgendwann hatte Xarpa tosch die Befragung übernommen, sodass Kythara und ich das Geschehen nun zusam men mit dem Kommandanten und seiner Stellvertreterin verfolgten. Dem Anführer der Elitekämpfer schien es ein heimliches Vergnügen zu bereiten, Farangon gerade die pikanteren Details aus der Nase zu ziehen. Aber man spürte, dass der Agent Profi war. Für ihn zählte nur die Wahrheit, und ihm war klar, dass er keine Rücksicht auf seine persönlichen Eitelkeiten nehmen durfte. »Ich muss dir im Nachhinein Recht ge ben«, sagte ich zu Kythara, als das Verhör für eine längere Pause unterbrochen wurde. »Im Grunde bin ich ganz froh, dass ich nicht über Psi-Kräfte verfüge. Ich habe mir nie in allen Konsequenzen überlegt, was es bedeu tet, ein fremdes Individuum per Pedotransfe rierung zu übernehmen.« Die Varganin sah mich an. »Ein direkter mentaler Kontakt kann eine sehr spannende Sache sein«, sagte sie. »Aber manchmal ist es nur eine äußerst widerliche Erfahrung.« Sie musste es wissen. Kythara war zwar keine echte Telepathin wie Fellmer Lloyd, Betty Toufry oder Gucky aus dem legen dären Mutantenkorps des Solaren Imperi ums, aber sie besaß die Fähigkeit, sich in den Geist anderer Individuen hineinzufüh len. Allerdings musste ich zugeben, dass ich es immer noch nicht ganz verstanden hatte. Einerseits war es eher so etwas wie ein sehr ausgeprägtes intuitives Verständnis, anderer
18 seits war Kythara in manchen Situationen in der Lage, recht klare gedankliche Botschaf ten mit mir auszutauschen. Vielleicht hing es auch damit zusammen, wie gut sie mit dem betreffenden Individuum vertraut war. Oder ich war einfach nur ein gutes »Opfer«, wenn ich bereit war, mich für einen solchen Kontakt zu öffnen. Schließlich hatte ich im Laufe meines Lebens schon häufig mit para psychisch begabten Individuen zu tun ge habt. Die meisten Telepathen konnten bewusst entscheiden, wann sie sich in die Gedanken eines anderen Intelligenzwesens einschalten wollten. Wer dazu nicht in der Lage war, er hielt gar nicht die Gelegenheit, etwas aus dieser Fähigkeit zu machen, weil er zwangs läufig in den Wahnsinn getrieben wurde. Wie sich die Sache für einen Pedotransfe rer darstellte, hatte Farangon anschaulich be schrieben. »Was mir am meisten Sorgen macht«, sagte Heroshan Offshanor, »ist die Dak karschleife.« »An der Stelle habe ich auch gestutzt«, sagte ich. »Die Beschreibung des Metallbandes hat mich frappierend an die Vorrichtung erinnert, die Geoffry Abel Waringer vor knapp eintausendfünfhundert Jahren ent wickelt hat.« Kytharas verständnisloser Blick wechselte ein paarmal zwischen Heroshan und mir hin und her. Natürlich konnte sie nicht von den historischen Zusammenhängen wissen, sie hatte sich damals im »Exil« der ObsidianKluft befunden. »Die Cappins haben die Erfindung des terranischen Superwissenschaftlers nahezu unverändert übernommen«, erklärte der Kommandant der MORYR. »Sie ist nach wie vor der beste Schutz vor Pedotransfe rern. Ich befürchte, dass sich die Garbyor diese Technologie angeeignet haben, als sie in Gruelfin eingefallen sind.« Ich versuchte mir vorzustellen, wie der gute Geoff, der vor knapp 80 Jahren als Ere mit von Satrang gestorben war, auf die Nachricht reagiert hätte, dass seine Erfin-
Bernhard Kempen dung mittlerweile in drei Galaxien bekannt war und eingesetzt wurde. »Schon die Tatsache, dass Farangons er stes Pedoopfer ohne Federlesen von einem Kollegen erschossen wurde, zeigt, dass die Garbyor sich der Gefahr durch Pedotransfe rer sehr genau bewusst sind«, sagte Kythara. »Das bedeutet«, warf Nareile Scharakan ein, »dass wir in Zukunft mit erheblichen Schwierigkeiten rechnen müssen, wenn wir unsere Agenten in den Einsatz schicken wol len.« »Wir sollten zunächst abwarten, was Farangon noch zu berichten hat«, sagte Heros han. »Vielleicht liefert er uns einen Hinweis, an dem wir ansetzen können.« »Ich bin auch schon sehr gespannt, wie es weitergeht«, sagte ich grinsend. »Männer!«, sagte Kythara in verächtlichem Tonfall. »Es erstaunt mich, dass euch die – wie soll ich sagen? – zwischenmenschlichen Aspekte der Geschichte so sehr faszinieren.« »Man muss seinen Feind kennen, um ihn besiegen zu können«, sagte ich. »Vor allem den offensichtlichen Zusam menhang zwischen dem Grad der sexuellen Aktivität und dem Aggressionspotenzial«, sagte Nareile. »Eine hochinteressante Theorie«, pflichte te Kythara der Stellvertretenden Komman dantin bei. »Plötzlich wird mir so einiges klar …« Ich konnte mir nicht erklären, warum die Varganin mich auf einmal mit diesem kriti schen Blick musterte. Zum Glück kam ich nicht dazu, etwas zu erwidern, womit ich mich wahrscheinlich nur noch tiefer hineingeritten hätte. Heros han war mein Retter. »In Kürze mussten wir L-E erreichen«, sagte der Kommandant und erhob sich von seinem Platz. »Ich werde in der Zentrale nach dem Rechten sehen. Nach einer kleinen Pause wirst du die Befragung fortsetzen, Na reile.« Die Ganjasin nickte nur. »Und ich werde die Gelegenheit nutzen«, kündigte Kythara an, »mit der AMENSOON Verbin dung aufzunehmen.«
Im Bann des Dunkelsterns »Richte schöne Grüße aus«, sagte ich. Kythara verzichtete auf eine Erwiderung, als sie mit Heroshan den Konferenzraum verließ. Ich konnte mir denken, dass ihre Gedanken um Kalarthras kreisten, und nahm mir fest vor, mich dadurch nicht schon wie der irritieren zu lassen. »Darf ich dich etwas fragen, Atlan?«, riss mich Nareile aus meinen Gedanken, als wir miteinander allein waren. »Aber sicher.« Nur kurz runzelte ich die Stirn, weil es eigentlich gar nicht ihre Art war, sich so vorsichtig heranzutasten. »Stimmt es, dass du den Großen Ovaron persönlich gekannt hast?« »Perry Rhodan hat ihn mit dem Nullzeit deformator aus der Vergangenheit geholt«, erklärte ich. »Er weilte vor zweihunderttau send Jahren auf Terra, um sich über die ge netischen Experimente der Cappins zu infor mieren. Im Jahr 3438 – also vor etwa 1500 Jahren – brachten wir ihn mit der MARCO POLO nach Gruelfin zurück, wo es ihm ge lang, den Takerern das Handwerk zu legen und die Ganjasen aus ihrer jahrtausendelan gen Unterdrückung zu befreien.« »Was war er für ein Mann?« »Er war fast so etwas wie … der ältere Bruder von Perry Rhodan«, sagte ich nach denklich. »Etwas größer und kräftiger ge baut, längere Haare, aber genauso intelli gent, entschlossen und pflichtbewusst … der geborene Anführer.« »Diese Beschreibung könnte auch auf dich passen«, sagte Nareile. Ich lachte. »Danke – falls das ein Kompli ment sein sollte.« Plötzlich sah ich die Ganjasin mit ganz anderen Augen. Sie war keine Frau, die einen Mann mit ihren Reizen um den Ver stand bringen konnte. Ihre Schönheit war unscheinbarer. Erst beim zweiten oder drit ten Blick offenbarte sich, wie attraktiv sie war. Unter anderen Umständen hätte es mich vielleicht interessiert, sie näher kennen zu lernen, aber … Plötzlich zuckte ich zusammen. »Hör so fort damit auf!«, fuhr ich sie an.
19 Nareile riss erschrocken die Augen auf und schien auf ihrem Stuhl zu einem Häuf chen Elend zusammenzuschrumpfen. »Entschuldigung«, stammelte sie, »ich wollte nicht …« »Tu so etwas nie wieder!«, fauchte ich und sprang auf. Ich hatte unverhofft ein geisterhaftes Ta sten gespürt, dass mir nur zu gut bekannt war. Nareile hatte versucht, mich mit ihren Pedosinnen einzupeilen. Im nächsten Mo ment hatte ich meinen Monoschirm wieder vollständig aktiviert, meinen Schutz gegen parapsychische Angriffe, den ich in ent spannten Momenten schon einmal etwas vernachlässigte. »Nein … ich muss mich entschuldigen«, sagte ich, als ich mich ein wenig beruhigt hatte. »Es ist nur so, dass ich etwas empfind lich auf Pedotransferer reagiere.« »Es war wirklich keine böse Absicht von mir«, versuchte sich Nareile zu rechtferti gen. »Ich habe gar nicht darüber nachge dacht … Ich wollte dich einfach nur … abta sten.« »Schon gut«, sagte ich und atmete einmal tief durch. »Dann werde ich auch mal nach sehen, was sich in der Zentrale tut.« Ohne ein weiteres Wort verließ ich den Konferenzraum.
* Erneut wallte mein ungutes Gefühl in mir hoch, während ich durch den Korridor schritt. Wem konnte ich noch vertrauen? Hatte sich Nareile wirklich nur einen kleinen men talen Fauxpas erlaubt? Als hätte sie mich im Vorbeigehen gestreift oder während eines Gesprächs meinen Unterarm berührt? Wahr scheinlich wurde ich langsam paranoid, aber genau genommen war es nicht auszuschlie ßen, dass sie eine feindliche Agentin war. Vielleicht war sie längst »umgedreht« wor den, wie es Heroshan ausgedrückt hatte, und spionierte uns im Auftrag der Lordrichter aus. Oder ein umgedrehter Pedotransferer
20 hatte sie übernommen und ihr Bewusstsein verdrängt. Wer konnte das wissen? Diese Fragen waren nicht ganz von der Hand zu weisen, da nach wie vor der Ver dacht bestand, dass es eine undichte Stelle an Bord der MORYR oder der AMEN SOON gab. Die Flotten der Garbyor hatten uns ein paarmal mit erstaunlicher Präzision aufgespürt, als gäbe es einen Peilsender, der ihnen jederzeit unsere genaue Position an zeigte. Als ich die Zentrale betrat, lief bereits der Countdown für den Rücksturz in den Nor malraum. Ich ging zu Kythara. »Irgendwelche Neuigkeiten?« »Ich habe kurz mit Kalarthras gespro chen«, sagte sie. »Es geht ihm schon etwas besser, aber er fühlt sich immer noch sehr schwach.« »Möchtest du nach ihm sehen?« »Ich halte es für sinnvoller, wenn wir bei de unseren nicht unbeträchtlichen Erfah rungshintergrund in die Auswertung der Verhöre einbringen«, erwiderte sie. »Außerdem sind er und die AMENSOON bei Gorgh-12 in guten Händen.« In diesem Moment verließ die MORYR den Hyperraum, und das Holo zeigte einen blauweißen Riesenstern. Obwohl die Dar stellung nicht vergrößert war, füllte die Son ne das Projektionsfeld fast völlig aus. Und das, obwohl wir immer noch gut 800 Millio nen Kilometer entfernt waren. Auf die Ver hältnisse innerhalb des Solsystems umge rechnet, hatte dieser 167 Millionen Kilome ter durchmessende Stern einen größeren Umfang als die Erdumlaufbahn, während wir uns ungefähr auf der Höhe der Jupiter bahn befanden. »Keine feindlichen oder sonstigen Raum schiffe in der Nähe«, meldete Ilishura Moschkanor, die Leiterin der Funk- und Or tungsstation. »Allerdings werden unsere In strumente schon jetzt durch starke Hy peremissionen gestört.« »Sehr gut«, sagte Heroshan. »Das verrin gert die Gefahr, dass eventuelle Verfolger uns beim Anflug bemerkt haben. Wir tau-
Bernhard Kempen chen in die Korona ein.« Es war jedes Mal ein riskantes Manöver, eine Sonne als Ortungsschutz zu benutzen – vor allem, wenn es sich um eine Gluthölle von solchen Ausmaßen handelte. Einerseits überlagerte die energiereiche Strahlung, die das gesamte konventionelle und hyperphysi kalische Spektrum abdeckte, die vergleichs weise winzigen Emissionen eines Raum schiffs. Andererseits stellte gerade diese Umgebung eine Extrembelastung für die Technik dar. Hinzu kamen die gewaltigen Protuberanzen, mit denen der Stern sein glü hendes Plasma mehrere hundert Millionen Kilometer weit in den Raum hinausschleu derte. Es war kein Wunder dass dieses Mon strum keine Planeten besaß. Wenn es hier je welche gegeben hatte, waren sie längst ver schlungen oder zu Sternenstaub verbrannt worden. Ich beobachtete, wie die AMENSOON in Sichtweite der MORYR in den Orbit ein schwenkte. Heroshan trat zu Kythara und mir. »Hier scheinen wir vorläufig in Sicherheit zu sein«, sagte er. »Wenn ihr bereit seid, kön nen wir die Befragung fortsetzen.«
5. Farangon 17. März 1224 bis 12. Mai NGZ Unmittelbar nach seiner Rückkehr in den Körper des Waffenmeisters Yngenar bot sich Farangon die Gelegenheit, seinem Ziel einen großen Schritt näher zu kommen. Aus den Berichten im Kommunikations netz hatte er erfahren, dass auch Marquis Ja rantar am Jagdausflug auf dem namenlosen Planeten teilgenommen hatte. Selbstver ständlich gab ein Offizier von so hohem Rang die benutzte Waffe nicht persönlich ab, sondern überließ diese Aufgabe einem seiner Adjutanten. In diesem Fall handelte es sich um Qerol lar. Die Zaqoor-Frau war allgemein dafür bekannt, dass sie ihre steile Karriere vor al lem ihren nächtlichen Freizeitaktivitäten
Im Bann des Dunkelsterns verdankte. Vor längerer Zeit hatte sich auch Yngenar ein paarmal von ihrer Leidenschaft und Ausdauer überzeugen können, doch die Begegnungen hatten aufgehört, als Qerollar sich lohnenswerteren Opfern zugewandt hat te. Nichtsdestotrotz entwickelte sich ein kur zes Gespräch, nachdem die Adjutantin des Marquis drei schwere Energiestrahler abge geben hatte. Obwohl sie sich lange nicht ge sehen hatten, war immer noch eine Spur von Anziehungskraft zwischen den beiden Zaqoor vorhanden – ein Umstand, den der Pedotransferer für einen reibungslosen Wechsel nutzen konnte. Qerollar verabschiedete sich freundlich von Yngenar – und im nächsten Moment spürte Farangon ihre tiefe Verachtung für den Garbyor, der zwei Jahre nach ihrer letz ten Begegnung immer noch sein Dasein als Waffenmeister fristete. In den nächsten Wochen verhielt sich der ganjasische Agent wieder als reiner Beob achter. Er wagte es nicht, aktiv zu werden, bevor er einen genaueren Einblick in den Kommandostab des Marquis erhalten hatte. Qerollars Vorgesetzten zu übernehmen kam nicht in Frage, da Jarantar ständig ein Schutzband um den Kopf trug. Farangon dankte dem Schicksal, das ihn rechtzeitig mit Hogshant zusammengeführt hatte, so dass er nun über die Bedeutung der Vorrich tung Bescheid wusste. In seiner neuen Position erhielt der Cap pin-Agent schnell einen tieferen Einblick in die Zusammenhänge. Dabei erwies es sich als äußerst hilfreich, dass zu Qerollars Auf gabenbereich als Adjutantin des Marquis auch die nächtliche Unterhaltung ihres Be fehlshabers zu gehören schien. Er erfuhr, dass Marquis Jarantar der Be fehlshaber des Vierten Einsatzgeschwaders der 1. Gardeflotte unter dem Kommando von Erzherzog Garbgursha war. Die Einheit hatte zu den ersten Kommandos der Garbyor gehört, die vor etwa 15 Jahren nach Gantrain vorgestoßen waren. Das bedeutete, dass die Lordrichter bereits vor dem Ausbruch der
21 Kriege in Gruelfin in dieser Galaxis aktiv gewesen waren. Abgesehen von der großen Raumflotte am Dunkelstern waren inzwi schen 127 Stützpunkte eingerichtet worden. Viele davon waren Stationen auf atmosphä relosen Monden oder im Orbit von Gasrie sen, was darauf hinzudeuten schien, dass die Lordrichter nicht beabsichtigten, sich dauer haft in Gantrain niederzulassen. Viele Stützpunkte der Garbyor befanden sich auf Welten, die von Varganennachkom men bewohnt wurden. Hier suchten sie of fenbar nach technischen Hinterlassenschaf ten der Varganen. In diesem Zusammenhang war des Öfteren von »Umsetzern« und einer »Aura des Uralten« die Rede. Den Gesprä chen entnahm der Agent, dass Ersteres eine spezielle Technologie sein musste. Worum es sich bei Letzerem konkret handelte, blieb dagegen völlig unklar. Es wurde lediglich erwähnt, dass sich die Suche danach auf den Zentrumsbereich der Galaxis konzentrierte. Ähnlich dürftig waren die Informationen zu den Rhoarxi. Farangon brachte nur in Er fahrung, dass es sich um eine ornithoide Spezies handelte, die offenbar vor langer Zeit ausgestorben war, nachdem sie auf ver schiedenen Planeten riesige Bauwerke hin terlassen hatte. Auch auf diesen Welten hat ten die Garbyor Stützpunkte errichtet, doch was sie in den Ruinen suchten, blieb eben falls unklar. Gelegentlich war in diesem Zu sammenhang von einer Kathedrale von Rhoarx die Rede, aber auch in diesem Fall erhielt der Agent keine weiteren Hinweise auf den Standort oder die Bedeutung dieses mysteriösen Gebäudes. Da Farangon keine Fragen stellen konnte, sammelte er zwar viele Fakten, aber nur we nige Hintergrundinformationen. Irgendwann wurde ihm klar, dass er mehr aufs Spiel set zen musste, wenn er wirklich einen Durch bruch erzielen wollte. Die Idee dazu war ihm bereits in der ersten Nacht gekommen, die er – beziehungsweise die Zaqoor-Frau, in deren Körper er sich aufhielt – in der lu xuriös eingerichteten Privatkabine des Mar quis verbracht hatte.
22
Bernhard Kempen
* Der ganjasische Agent hatte versucht, sein Bewusstsein so gut wie möglich vor dem wüsten Treiben abzuschirmen. Doch ein De tail war ihm nicht verborgen geblieben. Ja rantar hatte sich zum Zweck des hemmungs losen Austausches von Sinnesempfindungen und Körperflüssigkeiten nicht nur sämtlicher Kleidung entledigt, sondern auch des Me tallbandes, das ihn vor der Übernahme durch Pedotransferer schützte. In dieser Situation wäre es Farangon ein Leichtes gewesen, in den Vorgesetzten von Qerollar überzuwech seln. Doch er beschloss, damit zu warten, bis sich günstigere Ausgangsbedingungen erge ben hatten. Dazu übernahm er noch in der gleichen Nacht, nachdem Qerollar müde vor Befriedi gung und Erschöpfung in ihr Quartier ge wankt war, den Körper der Zaqoor und schickte eine verschlüsselte Nachricht ins Kommunikationsnetz. Es dauerte zwei Tage, bis er Antwort von Hogshant und Kamsha tras erhielt, einem weiteren Agenten, den Farangons Kollege inzwischen ausfindig ge macht hatte. Trotz Hogshants anfänglicher Bedenken ließen sie sich schließlich von Fa rangons Plan überzeugen.
* Qerollar hatte gemeinsam mit ihrem Kol legen Opak GeVar die Vorbereitungen für eine besondere Zusammenkunft getroffen. In zwei Tagen erwartete das Kirigalo-Schiff des Lordrichters Yagul Mahuur mehrere Einheiten der Zaqoor in der Nähe eines na menlosen Sterns. Farangon konnte nicht in Erfahrung bringen, worum es bei diesem Treffen gehen sollte, aber es konnte sich nur um eine Sache von großer Bedeutung han deln. Der Plan fußte darauf, dass sich Kamsha tras an Bord eines Zaqoor-Schiffs befand, das dem kleinen Konvoi angehörte, und Hogshant von den dreien der erfahrenste Pe-
dotransferer war. Er war bereit, den Sprung über eine Distanz von mehreren Lichtjahren zu wagen und sich gegen den Einfluss des Dunkelsterns zu behaupten. Farangon hinge gen sollte das schwierigste Pedoopfer über nehmen, weil er sich in der günstigsten Aus gangssituation befand. Ein weiterer Bestandteil des Plans war, dass sich Jarantar und seine zwei Adjutanten in der Nacht vor dem Abflug zu einer klei nen Feier in privater Runde verabredet hat ten. Für Farangon stand damit fest, auf wel che Weise sich der Marquis zu entspannen gedachte. Nachdem sie sich ausgiebig an ReptilienHaggariss gesättigt und mit Qotsh, einem Getränk aus vergorenem Blut, in Stimmung gebracht hatten, streckte sich Jarantar zufrie den auf einer Bank aus. Gepolsterte Möbel waren bei den Zaqoor unbekannt. Sie saßen oder lagen auf harten Kunststoffflächen, die ihren muskulösen, bis zu zweieinhalb Meter großen Körpern, die eine Schwerkraft von 2,2 g gewohnt waren, nichts ausmachten. Zu Farangons Bestürzung unternahm kei ner der drei Zaqoor irgendwelche Anstalten, den Abend mit der Lieblingsbeschäftigung dieser Spezies ausklingen zu lassen. Der Agent wurde allmählich unruhig, da der ver abredete Zeitpunkt immer näher rückte. Als Qerollar an den Abend gedacht hatte, waren ihr sehr detaillierte Szenen durch den Kopf gegangen, wie sie sich zu dritt vergnügten. Doch nun fiel dem Ganjasen siedend heiß ein, dass es möglicherweise nur Fantasien der Zaqoor-Frau gewesen waren, die keinen Bezug zur Realität hatten. Vielleicht gab es für den Marquis eindeutige Grenzen der Ausschweifung. Obwohl es dem Cappin-Agenten schwer fiel, beschloss er, aktiv zu werden. Er war inzwischen gut genug mit Qerollar vertraut, um sich nicht zu verraten, wenn er für einen kurzen Moment ihre Rolle übernahm. Er gab sich einen Ruck, drängte das Be wusstsein der Zaqoor in den Hintergrund und ließ den Körper aufstehen und zur Bank hinübergehen, auf der Jarantar es sich be
Im Bann des Dunkelsterns quem gemacht hatte. Farangon entschied sich für Qerollars Lieblingsstrategie des möglichst direkten Vorstoßes. Mit einer Hand griff er zwischen die Beine des Mar quis und machte sich am Verschluss seiner Montur zu schaffen, während sich die Finger der anderen Hand in sein Haar krallten. Da bei rutschte ihm wie zufällig das Metallband vom Kopf. Jarantars Augen weiteten sich erstaunt und zuckten für einen Moment zu Opak GeVar hinüber, der das Geschehen atemlos verfolgte. Dann entspannten sich seine Züge zu einem genüsslichen Grinsen. Mit einer Hand packte er Qerollars Kopf und dirigierte sie dorthin, wo er sich den größten Lustge winn versprach. In diesem Moment zog sich Farangon zu rück. Er spürte, dass die Zaqoor-Frau für einen Sekundenbruchteil verwirrt war. Schließlich fehlte ihr die Erinnerung an das, was während der Übernahme durch den Pe dotransferer geschehen war. Doch sie hatte sich sofort wieder gefasst, zumal ihr die La ge, in der sie sich plötzlich wiederfand, kei neswegs unvertraut war. Wenig später dach te sie nicht mehr an ihre vorübergehende Abwesenheit, sondern hatte sich ganz auf die neue Situation eingestellt. Farangon stieß den mental angehaltenen Atem aus und konzentrierte sich auf seine nächste Aufgabe. So behutsam wie möglich vollzog er den Wechsel und nistete sich im hintersten Winkel des Geistes seines neuen Opfers ein. Wenig später sah er durch Jarantars halb geschlossene Lider, wie Qerollar kurz eine Hand hob und zwei Finger kreuzte, ohne von ihrem Tun abzulassen. Farangon wagte es, den Marquis für einen kurzen Moment zu übernehmen, um die Geste zu erwidern und den Kopf zum zweiten Adjutanten Jarantars zu drehen. Als auch Opak GeVar zwei Fin ger kreuzte, wusste er, dass Hogshant und Kamshatras wohlbehalten eingetroffen wa ren. Schnell zog er sich wieder zurück und stieß einen stummen Schrei der tiefen
23 Scham aus. Er wollte nicht weiter darüber nachdenken, wie viele Körper und Bewusst seine in welchen Konstellationen am Ge schehen beteiligt waren, das sich in den Stunden darauf entwickelte.
* Farangon war beeindruckt. Die Lordrich ter wussten sich gekonnt in Szene zu setzen. Marquis Jarantar war sich der Ehre be wusst, an der Einsatzbesprechung von Erz herzog Garbgursha und Yagul Mahuur teil nehmen zu dürfen. Gebannt starrte er auf das Holofenster, das den Kirigalo-Raumer zeig te, eine platt gedrückte Kugel, an deren Äquator acht Spitzkegel angebracht waren. Die Konstruktion wirkte wie ein exotisches Tier mit ausgestreckten Fangarmen. Doch das Unheimlichste an diesem Anblick war das blutrote Leuchten, das von der Hülle des Raumschiffs ausging. Farangon ging es ähnlich wie Jarantar. Der Cappin konnte es sich genauso wenig wie der Zaqoor erklären, aber von diesem düsteren Rot ging etwas aus, was offenbar jedes Intelligenzwesen auf einer unbewus sten Ebene erschaudern ließ. Die unheimliche Wirkung wurde zusätz lich gesteigert, als der Lordrichter im Konfe renzraum erschien. Aus dem Nichts bildete sich eine Säule von zwei Metern Durchmes ser und dreieinhalb Metern Höhe. Doch es schien, als würde das Gebilde nicht vollstän dig materialisieren, sondern in einem halb energetischen Zwischenzustand verharren. Der Marquis musste sich zusammenreißen, um seinen Blick nicht in der Wolke aus glit zernden Fäden zu verlieren, die den Ein druck winziger Eiskristalle erweckten. Farangon hatte das Gefühl, dass die Au gen der unsichtbaren Gestalt hinter der Ne belwolke genau auf ihn gerichtet waren, als bliebe diesem Wesen nichts verborgen, auch nicht der winzige mentale Parasit im Geist von Marquis Jarantar. Doch falls es so war, ging Yagul Mahuur mit keinem Wort darauf ein.
24 »Es gibt etwas zu tun«, drang die Ehr furcht einflößende Stimme des Lordrichters aus der Eishaarwolke. »Wir werden zur Anaksa-Station vordringen.« Erst jetzt bemerkte Jarantar, dass sich der Erzherzog, der im Rang weit über ihm stand, dem machtvollen Einfluss der Erscheinung genauso wenig entziehen konnte wie er. Garbgursha war sichtlich bemüht, seine Fas sung wiederzugewinnen, bis er zu einer Er widerung in der Lage war. »Wie wollen wir uns gegen den Einfluss der Schwarzen Substanz schützen?«, fragte er. »Wir werden sehen, wie weit wir bei die sem Vorstoß kommen«, sagte der Lordrich ter. »Du hast genügend Soldaten, die du für diese Aufgabe entbehren kannst. Wir kämp fen für Trodar. Jeder Krieger, der bei der Er oberung der Station fällt, darf auf das ewige Leben in der Großen Horde hoffen.« »Was ist das Ziel dieses Unternehmens?« Jarantar empfand tiefen Respekt vor dem Erzherzog, dass er es wagte, eine solche Fra ge zu stellen. Farangon glaubte ein leichtes Zögern des unbekannten Wesens zu bemer ken, als wäre sich der Lordrichter einen Mo ment lang nicht sicher, ob seine Untergebe nen dieser Informationen würdig seien. »Wir werden die Anaksa-Station wieder ihrem ursprünglichen Zweck zuführen«, ant wortete Yagul schließlich. »Sie wurde vor etwa 348.000 Jahren von den Varganen in den Orbit um Helast, den Dunkelstern, ge bracht, der von den varganischen Nachkom men in dieser Galaxis Hellin oder Adas ge nannt wird. Die Varganen selbst gaben der planetenlosen Sonne den Namen Tha sin'cran. Die Station beeinflusste die hype renergetischen Verwerfungen im Innern des Sterns, um einen Durchbruch in den Mikro kosmos zu schaffen, aus dem die Varganen einige Jahrhunderttausende zuvor in unser Universum gelangt waren. Doch dann kam es zu einer unerwarteten Störung. Statt einer beiderseitig nutzbaren Verbindung zwischen den Dimensionen setzte ein unaufhaltsamer Fluss ein. Masse und Energie wurden aus
Bernhard Kempen dem fremden Universum abgesaugt und ma nifestierten sich in unserem RaumZeit-Kontinuum als Schwarze Substanz. Seit dieser Zeit quillt sie aus dem Dunkelstern und hat sich zu einem rotierenden Wirbel gesammelt, der nur scheinbare Ähnlichkeit mit der Akkretionsscheibe eines jungen Sterns hat.« Der Lordrichter machte eine kurze Pause, deren Grund sich Farangon nicht erklären konnte. Waren seine Gedanken abge schweift? Konsultierte er einen Datenspei cher? Oder beriet er sich mit jemandem, ir gendwo an Bord seines Kirigalo-Schiffs, von wo das Eishaarfeld projiziert wurde? Der Cappin konnte nicht einmal sagen, an welchem Ort sich Yagul Mahuur in diesem Augenblick wirklich befand. »Außerdem kommt es immer wieder zu hyperenergetischen Überschlägen«, fuhr der Lordrichter unvermittelt fort, »die alle 1,3753 Sekunden erfolgen. Die Energie fließt vom Dunkelstern zur Anaksa-Station und wird dort entweder gespeichert oder in unbekannte Dimensionen abgeleitet. Gleich zeitig wird Schwarze Substanz zu anderen Sonnen dieser Galaxis transitiert, die da durch ihr energetisches Gleichgewicht ver lieren und sich in Supernovae verwandeln. Dies führte zum raumzeitlichen Kollaps ganzer Regionen von Gantatryn. Als vor Jahrhunderttausenden das Ausmaß der Kata strophe sichtbar wurde, gingen mehrere Var ganen eine geistige Verschmelzung mit den Umsetzer-Aggregaten der Anaksa-Station ein, um den interdimensionalen Energiefluss eindämmen. Aber das Geschehen am Dun kelstern beweist, dass es ihnen nicht gelun gen ist, den Durchbruch vollständig zu schließen.« »Also werden wir versuchen, den Umset zer wieder in Betrieb zu nehmen«, schlussfolgerte Garbgursha aus dem Gehör ten. »Zunächst müssen wir in Erfahrung brin gen, was genau damals schief gegangen ist«, stellte Yagul Mahuur richtig. »Wir wollen einen stabilen Übergang in den Mikrokos
Im Bann des Dunkelsterns mos schaffen und keine neue SupernovaKettenreaktion in Gantatryn auslösen.« Der Erzherzog zuckte kaum merklich un ter der unausgesprochenen Zurechtweisung zusammen, hatte sich aber im nächsten Au genblick wieder in der Gewalt. »Es ist wichtig, dass auch du die Hinter gründe verstehst, Jarantar«, sagte der Lord richter, und nun zuckte der Marquis zusam men, als sich die Aura der Macht, die vom Eishaarfeld ausging, ganz auf seine Person richtete. »Die Soldaten deines Einsatzge schwaders sollen die Station erkunden und möglichst wenig Schaden anrichten.« »Ich habe verstanden«, brachte Jarantar mit Mühe hervor. »Ihr werdet jetzt die genauen Kursdaten für den Vorstoß zur Anaksa-Station erhalten, den das Kirigalo-Schiff zusammen mit vier Zaqoor-Einheiten unternehmen wird …«
6. Atlan 12. Juli 1225 NGZ Nach der zweiten Verhörrunde, die Narei le und Heroshan geführt hatten, beschlossen wir, eine größere Pause einzulegen. Die Nachbesprechung fand in einer Offiziers messe statt, wo wir uns an einem kleinen Büffet stärkten. Der Kommandant ließ Gor gh von der AMENSOON dazuschalten, der die Befragungen ebenfalls über Holo ver folgt hatte. »Wenn ich die zeitlichen Angaben richtig gedeutet habe«, fasste ich zusammen, »begann der Einsatz der Pedotransferer vor etwa einem Dreivierteljahr, und der erste Vorstoß zur Anaksa-Station erfolgte vor et wa zwei Monaten, kurz vor unserem Eintref fen in Gantrain. Das bedeutet, dass es meh rere Expeditionen gegeben haben muss, da die Agenten die Probe der Schwarzen Sub stanz erst vor wenigen Tagen an sich ge bracht haben.« »So ist es«, bestätigte Heroshan. »Wir wissen zwar immer noch nicht, welches Ziel die Lordrichter mit ihrem geplanten Vorstoß
25 in den Mikrokosmos der Varganen verfol gen, aber die Schwarze Substanz scheint der Schlüssel zum Ganzen zu sein.« »Die Zusammenhänge sind eindeutig«, gab ich ihm Recht. »Wenn es alle 1,3753 Sekunden zu einem hyperenergetischen Transitionspuls kommt, befördert die Anak sa-Station die Schwarze Substanz aus der Akkretionsscheibe zu anderen Sonnen dieser Galaxis. Das beweist die übereinstimmende Frequenz der ungewöhnlich zahlreichen Neutronenstern-Pulsare in Gantrain. Wenn sie dort eine bestimmte Konzentration über schreitet, kommt es zu Störungen des RaumZeit-Gefüges, und die Sterne werden zu Su pernovae. Eine besondere Rolle scheint die Tatsache zu spielen, dass diese Pulsare in vielen Fällen in Form von Kugelschalen an geordnet sind. Das wiederum führt dazu, dass der umschlossene Sektor einen raum zeitlichen Kollaps erleidet. Die betroffene Zone passt sich quasi der Natur des Mikro kosmos an, wenn die Raumdimensionen durch Längenkontraktion verkleinert wer den.« »Damals muss eine unvorstellbare Kata strophe eingetreten sein«, sagte Heroshan. »Mehrere zehntausend Sterne wurden zu Su pernovae, und die betroffenen Raumsekto ren machen etwa ein Drittel des Volumens dieser Galaxis aus.« »Ich muss gestehen, dass ich immer noch nicht verstehe, wie es dazu kommen konn te«, sagte Kythara. »Der verzweifelte Ret tungsversuch meiner Artgenossen scheint nur zum Teil erfolgreich gewesen sein. Als sie ihre Bewusstseine mit den UmsetzerAggregaten in der Anaksa-Station ver schmolzen, konnten sie den Energie- und Materiefluss aus dem Mikrokosmos reduzie ren, aber den Durchgang nicht vollständig schließen.« »Hatte Kalarthras in seinem Bericht nicht etwas von varganischen Mentalimpulsen er wähnt?«, fragte ich. »Er sprach davon, dass sie von einem sehr fremdartigen Instinktbewusstsein überlagert wurden.«
26 »Die Anaksa-Station scheint der Brenn punkt zahlreicher rätselhafter Vorgänge zu sein«, sagte ich. »Wir dürfen gespannt sein, was Farangon uns über die Expedition der Garbyor berichten wird.« »Als er von der Aura des Uralten sprach, musste ich ebenfalls an etwas denken, was Kalarthras erwähnt hat.« »Du meinst diesen mysteriösen Einfluss, den er als etwas unglaublich Böses um schrieben hat?«, fragte ich. »Die Verbin dung liegt nahe, zumal er das Phänomen – wenn auch nur vage – auf den Zentrumssek tor von Gantrain eingrenzen konnte.« »Obwohl er trotz langer Suche keinen konkreteren Anhaltspunkt gefunden hat.« »Ich könnte mir vorstellen, dass es hier einen weiteren Bezug zu den Horden von Garbesch gibt«, dachte ich laut nach. »Die bisherigen Hinweise sind zu eindeutig, um sie als bloßen Zufall abtun zu können. Die Lordrichter von Garb, das ewige Leben in der Großen Horde, das in der TrodarPhilosophie eine maßgebliche Rolle spielt.« Kythara war inzwischen genauso wie die Cappins an Bord der MORYR über die Er eignisse informiert – wie die Horden von Garbesch im Auftrag der Superintelligenz Seth-Apophis vor über zwei Millionen Jah ren mehrere Galaxien mit Krieg und Ver nichtung überzogen hatten, bis sie vor 1,3 Millionen Jahren in der Milchstraße durch Armadan von Harpoon, einen Ritter der Tie fe, und dessen gewaltige Orbiterflotte be siegt wurden. Diese Geschichte wurde be kannt, als Armadan von Harpoon im Jahr 3587 alter Zeitrechnung wieder aktiv wurde und mit einer neuen Orbiterflotte die Zivili sationen der Milchstraße bedrohte, die er aufgrund eines Missverständnisses für Gar beschianer hielt. Ich selbst hatte erst nach meiner Rückkehr aus dem Bereich hinter den Materiequellen von diesen Ereignissen erfahren. »Wie kann Garb oder Garbesch immer noch eine Gefahr darstellen?«, fragte Narei le. »Wurde Seth-Apophis nicht durch den Terraner Perry Rhodan bezwungen?«
Bernhard Kempen »Die Garbeschianer waren in einem großen Teil des Universums aktiv«, erklärte ich. »Und in der Milchstraße hat auf dem Planeten Arpa Chai ein Restvolk der Hor den, die Laboris, bis in unsere Zeit überlebt. Niemand weiß, wie viele ihrer Hinterlassen schaften über die von ihnen heimgesuchten Galaxien verstreut sind.« »Du meinst, dass die Horden nach einer Jahrmillion oder wann immer sie in Gantrain ihr Unwesen trieben, wieder aktiv geworden sind?«, fragte Nareile. »Möglicherweise hat Seth-Apophis kurz vor ihrem Ende einen Verzweiflungsplan in die Wege geleitet«, sagte ich. »Seitdem sind erst achthundert Jahre vergangen. Das ist ei ne realistische Zeitspanne, um einen Feldzug von diesen Ausmaßen vorzubereiten.« »Achthundert Jahre …«, wiederholte Na reile nachdenklich. »Für eine Normalsterbli che wie mich, die gerade mal 43 Lebensjah re hinter sich gebracht hat, ist das eine ver dammt lange Zeit.« »Danke für die freundliche Erinnerung, dass wir im Grunde so etwas wie versteiner te Relikte aus grauer Vorzeit sind.« »Du bist es, der hier mit Jahrtausenden und Jahrmillionen um sich wirft!«, gab Na reile zurück. »Mach uns nicht noch älter, als wir schon sind«, sagte ich schmunzelnd. »Selbst Ky thara ist viel zu jung, um die Horden von Garbesch aus eigenem Erleben zu kennen.« »Ich kann nicht behaupten, dass ich euren Austausch von Nettigkeiten besonders amüsant finde«, sagte Kythara, die während unseres Gesprächs keine Miene verzogen hatte, »aber ihr habt mich gerade auf einen interessanten Gedanken gebracht. Eine Be zeichnung wie Aura des Uralten stützt die Theorie, dass die Garbyor keine Garbeschia ner im ursprünglichen Sinne sind. So spricht man nicht über eine tief verwurzelte Traditi on, sondern über etwas Fremdartiges, das in ferner Vergangenheit verborgen liegt.« »Das würde bedeuten«, sagte Heroshan, »dass sich die Garbyor als Erben der Horden von Garbesch betrachten und lediglich ei
Im Bann des Dunkelsterns nem glorreichen Vorbild nacheifern wol len.« »Auch das wäre denkbar«, sagte ich. »In jedem Fall ist die Trodar-Philosophie, die von den Lordrichtern instrumentalisiert wur de, heute nur noch ein Mythos, der jede Be rechtigung verloren hat. Die Kämpfer der ursprünglichen Horden konnten tatsächlich darauf hoffen, nach ihrem Heldentod in das Massenbewusstsein von Seth-Apophis auf genommen zu werden und das ewige Leben zu erlangen. Doch seit dem Ende der Super intelligenz ist diese Aussicht nur noch eine Illusion.«
* Im Anschluss an die Besprechung hatten wir uns in unsere Quartiere zurückgezogen. Die MORYR und die AMENSOON hatten im Ortungsschutz der Sonne L-E offenbar ein sicheres Versteck gefunden, und uns al len würde eine Verschnaufpause gut tun. Die Ereignisse der letzten fünf Monate hat ten sich geradezu überschlagen, seit ich mit der ATLANTIS zum Sternhaufen Omega Centauri aufgebrochen war, um der Spur ei nes gestohlenen lemurischen Artefakts zu folgen. Ich hatte bislang unbekannte Details über das Ende der Lemurer erfahren, der Vorväter der Terraner, Arkoniden und ande rer humanoider Milchstraßenvölker, die vor 50.000 Jahren von der Erde ins All aufge brochen waren. Ich hatte eine Liebe verloren und war in der Obsidian-Kluft einer nicht minder faszinierenden Varganin begegnet. Mit ihr hatte ich das Geheimnis des Ur schwarms enträtselt und war auf der Spur der Vergessenen Positronik auf eine Welt der Varganen geraten, deren PsiTechnologie in großem Maßstab von den Lordrichtern ausgebeutet wurde. Und vor sechs Wochen waren wir über die Transmit terbrücke zweier cappinscher Pedopeiler in die Galaxis Gantrain gelangt, wo Nachfolger der Horden von Garbesch einen Zugang zum Heimatuniversum der Varganen öffnen wollten.
27 Ja, es war keine schlechte Idee, eine Run de zu schlafen und all das für ein paar Stun den zu vergessen. Falls es mir gelang, die beunruhigende Realität einfach auszublen den, was ich bezweifelte. Ich hatte, so gut es ging, die Hygienekabi ne für ein eher spartanisches Wellnesspro gramm benutzt und mich gerade auf der Lie ge ausgestreckt und das Licht gelöscht, als der Interkom mit nervendem Quäken eine Nachricht von zweithöchster Dringlichkeits stufe signalisierte. Also schien die Besat zung der MORYR wenigstens nicht in un mittelbarer Lebensgefahr zu schweben. Sofort war ich wieder auf den Beinen – auch wenn ich dazu vielleicht eine halbe Se kunde länger brauchte als mein alter Freund Perry Rhodan, der sich einen legendären Ruf als »Sofortumschalter« erworben hatte. »Was gibt es?«, fragte ich, als ich die Verbindung aktivierte. »Soeben ist eine Meldung aus der Medo station eingegangen«, sagte Heroshan Offs hanor. »Kamshatras ist tot.«
* Wir warteten in respektvollem Abstand, solange Taschkaron, der Chefarzt der MO RYR, noch mit der Untersuchung der Leiche beschäftigt war. Schließlich kam er zu uns herüber. »Ich konnte bisher keine genaue Todesur sache ermitteln«, sagte er mit bedauernder Miene. »Spuren einer äußeren Gewaltein wirkung sind nicht festzustellen.« »Als er bei der letzten Pedotransferierung zurückkehrte, ist einiges schief gelaufen«, sagte ich. »Seitdem hat er das Bewusstsein nicht wiedererlangt. Kann es sein, dass es seinem Geist nicht gelungen ist, den Körper am Leben zu erhalten?« Der Mediker schüttelte den Kopf. »Sein Körper hat wieder den Aktivzustand ange nommen. Das beweist, dass sein Geist nicht zwischen den Dimensionen verloren gegan gen ist.« Damit spielte er auf den Umstand an, dass
28 sich der Körper eines Cappins bei einer Pe dotransferierung in eine blasige Masse ver wandelte, die keinerlei Ähnlichkeit mit einer humanoiden Statur aufwies. Diese Form be hielt er nur so lange bei, wie sein Besitzer unterwegs war. Wenn der Geist zurückkehr te, nahm der Körper wieder seine gewohnte Gestalt an. »Außerdem hatte sich seine allgemeine Verfassung in den letzten Stunden deutlich gebessert«, fuhr Taschkaron fort. »Ich hatte bereits damit gerechnet, dass er in ein oder zwei Tagen aus dem Koma aufwachen könnte.« Heroshan nickte. »Ich habe die Meldung gelesen, die du vor kurzem über die Bord kommunikation verbreitet hast.« »Moment!«, sagte ich. »Ist euch klar, was das bedeutet? Falls jemand aus irgendwel chen Gründen gehofft hat, dass Kamshatras nie mehr aus dem Koma erwacht, könnte diese Person nervös geworden sein, als sie die Nachricht von der Verbesserung seines Zustands gehört hat.« »Was uns aber keinen Schritt weiter bringt«, tat Heroshan meinen Einwand ab, »weil jede Person an Bord der MORYR sie erhalten haben dürfte.« Er wandte sich wieder an den Arzt. »Wurde die Medostation in irgendeiner Form überwacht?« »Dazu bestand meiner Einschätzung nach kein Anlass«, rechtfertigte sich der Chefarzt. »Ich habe keinen Hinweis erhalten, dass ihm jemand nach dem Leben trachten könnte. Nur die medizinischen Instrumente haben Alarm gegeben, als sein Organismus die Le bensfunktionen einstellte.« »Ich wollte dir keinen Vorwurf machen«, sagte der Kommandant. Wenn die Gefahr bestanden hätte, dass jemand den Agenten ausschalten könnte, wäre es Heroshans Auf gabe gewesen, die entsprechenden Anwei sungen zu erteilen. »Wie gesagt, es gibt überhaupt keine Hin weise, weder auf eine externe noch eine in terne Todesursache«, sagte Taschkaron. »Der Körper des Patienten hat einfach …
Bernhard Kempen aufgehört zu arbeiten.« Heroshan ordnete an, dass die Untersu chung des Vorfalls fortgesetzt werden sollte, dann entließ er uns. Nachdenklich kehrten wir in unsere Kabinen zurück und hofften, in dieser Bordnacht doch noch ein wenig Schlaf zu finden.
7. Farangon 15. Mai bis 5. Juli 1225 NGZ Marquis Jarantar verfolgte in der Holo projektion, wie sich die vier Golfballraumer unter der Führung des Kirigalo-Schiffs in Pyramidenformation der Akkretionsscheibe des Dunkelsterns näherten. Immer wieder zuckten Entladungen wie violettes Wetter leuchten durch die Wirbel. Allmählich wur den zunehmend feinere Strukturen der Schwarzen Substanz sichtbar, ohne dass das Auge einen festen Anhaltspunkt fand. Er konzentrierte den Blick auf die größte Ver dickung der Scheibe, die genau in Flugrich tung lag. Dort befand sich ihr Ziel, das noch hinter dunklen Wolkenmassen verborgen war. Das blutrote Leuchten des Raumschiffs von Lordrichter Yagul Mahuur schien sich zu verstärken, je näher es der Schwarzen Substanz kam. Jarantar konnte nicht sagen, ob es sich um eine Wechselwirkung mit der psionisch aufgeladenen Materie handelte oder um eine optische Täuschung, die durch den Hintergrund hervorgerufen wurde. Er blickte zum Erzherzog hinüber, der ne ben ihm in der Zentrale der GARB-ONZYN stand. Garbgursha starrte genauso gebannt wie Jarantar in das Holofeld. Setzte er seine Psi-Fähigkeiten ein, um den Vorstoß der Raumschiffe zu unterstützen? Dass der Be fehlshaber kein gewöhnlicher Zaqoor war, stellte unter den Garbyor so etwas wie ein offenes Geheimnis dar, auch wenn nicht ein mal Jarantar über genauere Informationen verfügte. Letztlich wusste er nur, dass der Erzherzog in der Lage war, seine Gestalt zu verändern und auf irgendeine Weise mit Psi
Im Bann des Dunkelsterns Energie zu interagieren. Der Marquis wandte seine Aufmerksam keit wieder der Holoprojektion zu, weil die Expeditionsflotte in wenigen Sekunden die kritische Marke erreichen würde. Dann be obachtete er, wie die dichte Hülle, die das Ziel umgab, zurückwich, als würde sie von einem unsichtbaren Luftstrom fortgeblasen. Alles deutete darauf hin, dass vom KirigaloSchiff irgendein Einfluss ausging, der den Vorstoß erleichtern sollte. Als die Schiffe in den Korridor einflogen, breitete sich ein unheimliches Licht aus, ei ne dunkelviolette Dämmerung, die vom Wi derschein der hyperenergetischen Über schläge gespeist wurde. Jarantar verspürte eine unerklärliche Beklemmung. Die Schwarze Substanz schien den Raumschif fen nur unwillig den Weg frei machen zu wollen und auf die Gelegenheit zu lauern, die unbefugten Eindringlinge zu verschlin gen. Der Marquis warf einen Blick auf die ein geblendeten Daten. Die Raumschiffe waren bereits zu zwei Dritteln in die 140.000 Kilo meter durchmessende Verdickung vorge drungen, die ungefähr den Ausmaßen eines Gasplaneten entsprach. Obwohl die düsteren Wolkenschichten dichter wurden, nahm das violette Leuchten nicht ab. Erst als sie sich dem Zielgebiet bis auf etwa 10.000 Kilome ter genähert hatten, veränderte sich das Bild. Zunächst war nur zu erahnen, dass das Zentrum der Ballung offenbar eine festere Konsistenz als der Mahlstrom besaß. Dann schälte sich etwas heraus, was an einen Brocken aus Metallschlacke erinnerte. Der Körper, der sich langsam in der Holoprojek tion drehte, hatte einen Durchmesser von et wa 2760 Metern und war unregelmäßig wie ein Asteroid geformt. Gewölbte, metallisch glänzende Flächen wechselten sich mit klei neren chaotischen Strukturen ab. Das Ganze sah aus, als wäre ein kompliziertes techni sches Gebilde in einem Glutofen zur Un kenntlichkeit zerschmolzen. An manchen Stellen wirkte die Oberflä che des Objekts durchsichtig und wurde von
29 einem grellweißen Licht mit einem leichten Stich ins Grünliche durchdrungen. Jarantar erschauderte. Dieses Ding kam ihm auf un heimliche Weise lebendig vor. Das Schiff des Lordrichters verzögerte und verharrte in einem Abstand von etwas mehr als 1000 Kilometern über dem amor phen Gebilde, während die vier Golfballrau mer der Zaqoor es überholten und den Vor stoß fortsetzten. An der 500-Kilometer-Marke wurde die Fahrt der Schiffe planmäßig gestoppt. Während die Instrumente Daten sammel ten, gab Jarantar den Befehl, dass sich die Beiboote zur Ausschleusung bereitmachen sollten. In allen vier Schiffen öffneten sich die Irisschleusen der Hangartuben. Doch be vor sich die Erkundungstrupps auf den Weg machen konnten, brach das Chaos über die Expeditionsflotte herein.
* Farangon, der den Vorstoß aus einem un beachteten Winkel von Jarantars Bewusst sein verfolgt hatte, musste seine gesamte Willenskraft aufbringen, um nicht den Kon takt zu seinem Pedoopfer zu verlieren. Für ihn fühlte es sich an, als würde die Schwarze Substanz mit gierigen Tentakeln nach ihm greifen, um ihn in den dunklen Strudel zu reißen. Nur am Rande registrierte er, was die Sinne seines Wirtskörpers wahrnahmen. Die freie Zone rund um das KirigaloSchiff des Lordrichters, die auch die Anak sa-Station einschloss, hatte zu pulsieren be gonnen. Es kam zu räumlichen Verzerrun gen, die das Objekt abwechselnd schrump fen und ins Gigantische anschwellen ließen. Die Golfballraumschiffe führten einen wil den Tanz auf, wie winzige Boote, die von ei ner riesigen Meereswelle umhergewirbelt wurden. Gleichzeitig breitete sich das dunkelvio lette Leuchten aus. Das Licht wurde nicht nur von den Beobachtungsinstrumenten übertragen, sondern schien sämtliche Mate rie zu durchdringen. Es schimmerte aus den
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Wänden der Raumschiffe, es strahlte aus je der Körperzelle der Besatzungen, es schien sogar die Luft selbst zu erfüllen. Jarantar wartete nicht ab, bis Erzherzog Garbgursha ihm die Erlaubnis zum Handeln erteilte. Im Vorfeld war abgesprochen wor den, dass der Marquis bei einem Notfall selbsttätig reagieren konnte, wenn eine Fort setzung der Expedition nicht mehr ange bracht schien. Seine violette Hand näherte sich der vio letten Schaltfläche, die das Kommando zum automatischen Rückzug auslösen würde. Ein gesprochener Befehl wäre im allgemeinen Lärm untergegangen. Die erschrockenen Rufe der Zentralebesatzung schaukelten sich in einem unwirklichen Echoeffekt auf und verwandelten sich wie bei einer akustischen Rückkopplung in ein schrilles Getöse. Bei der Berührung leuchtete die Schaltflä che hellviolett auf, und der Marquis konnte nur hoffen, dass die automatischen Systeme des Schiffes das Kommando auf sinnvolle Weise umsetzten. Der Cappin-Agent musste sich geradezu an das Bewusstsein seines Opfers klammern, um nicht den Kontakt zu verlieren. Er hoff te, dass Jarantar, falls er etwas bemerkte, die verwirrenden Einflüsse der Umgebung dafür verantwortlich machte. Allmählich spürte er, wie das dunkle Zerren nachließ, bis er sich endlich auf seine gewohnte Position als stil ler Beobachter zurückziehen konnte. Als Jarantar wieder klar denken konnte, stellte er erleichtert fest, dass die Expediti onsflotte offenbar heil davongekommen war. Kurz darauf durchstießen die Golfball raumer und das Schiff des Lordrichters die letzten Schichten der Schwarzen Substanz und rasten in den freien Weltraum hinaus. Der Vorstoß war gescheitert, aber der Marquis hoffte, dass ihnen die Auswertung der gesammelten Daten wertvolle Erkennt nisse verschaffen würde.
* In den folgenden Wochen überstürzten
sich die Ereignisse. Am Dunkelstern wurden die Vorbereitungen für einen wichtigen Transfer von Psi-Energie getroffen, während ein größerer Flottenverband zum nördlichen Spiralarm der Galaxis abgestellt wurde. Farangon, Hogshant Merathin und Kamshatras erfuhren zunächst nur, dass der Transfer scheiterte, aber der feindliche Vorstoß nach Gantatryn erfolgreich zurückgeschlagen werden konnte. Erst einige Tage später wurden ihnen die Zusammenhänge klar, als Jarantar und seine Adjutanten vom Erzherzog zu einer Einsatz besprechung gerufen wurden. »Es ist bedauerlich, dass der Arkonide At lan von Gonozal den Transfer der PsiEnergie aus der Galaxis Milchstraße gestört hat«, sagte Garbgursha, »aber wir müssen nach vorn blicken. Es wurde bereits ein neues Unternehmen in die Wege geleitet. In et wa zwei Wochen soll eine Ersatzlieferung aus Vancanar eintreffen.« Die geschichtlichen Zusammenhänge wa ren Farangon natürlich bekannt, und man hatte ihn vor dem Einsatz informiert, dass die Cappins versuchen wollten, bei ihren alten Freunden in der Milchstraße Unterstüt zung zu finden. Dass der unsterbliche Arko nide bereits in das Geschehen eingegriffen hatte, war ein gutes Zeichen. »Müssen wir in der Zwischenzeit mit wei teren Katastrophen wie auf Serlas rech nen?«, fragte Jarantar besorgt. »Die Psi-Energie sollte für verschiedene Zwecke eingesetzt werden«, erklärte Garb gursha. »Sie hätte die Schwarze Substanz stabilisieren sollen, die auf Serlas und ande ren Planeten deponiert wurde. Wir suchen derzeit nach Möglichkeiten, die Depots auf andere Weise zu sichern, damit es nicht zu ungewollten Supernova-Explosionen kommt. Wesentlich unangenehmer ist die Konsequenz, dass wir nun den zweiten Vor stoß zur Anaksa-Station verschieben müs sen. Mit Hilfe der Psi-Energie wäre es uns gelungen, die Einflugschneise durch die Ak kretionsscheibe zu sichern.« »Also wird die nächste Expedition frühe
Im Bann des Dunkelsterns stens in zwei Wochen erfolgen«, sagte Ja rantar. »Hierzu wurde vorläufig noch keine Ent scheidung getroffen«, sagte der Erzherzog, was aller Wahrscheinlichkeit nach bedeute te, dass sich die Lordrichter noch nicht zu dieser Frage geäußert hatten. »Ansonsten können wir zuversichtlich sein. Es hat einige Probleme mit dem Arkoniden gegeben, der mit einem Varganenschiff und einem Cap pin-Raumer nach Gantatryn gelangt ist, aber er wird der erdrückenden Übermacht der Garbyor nicht lange Widerstand leisten kön nen. Zumal nach der Vernichtung des Pedo peilers nun sämtliche Nachschubwege des Feindes abgeschnitten sind.« Farangon musste den instinktiven Impuls unterdrücken, sein Pedoopfer zu überneh men, um mit einem Entsetzensschrei auf diesen Schock reagieren zu können. Die ERYSGAN, mit der auch er nach Gantrain gekommen war, existierte nicht mehr! Zum Glück befanden sich die Originalkörper der Cappin-Agenten in einem Container auf dem atmosphärelosen Mond eines namenlo sen Gasriesen, sodass sie nicht dazu ver dammt waren, ihr Bewusstsein auf ewig von einem Wirt in den nächsten zu pedotransfe rieren. Wie viele der Cappins an Bord des Pedopeilers hatten es geschafft, sich in Si cherheit zu bringen? Mindestens ein Schiff schien die Vernichtung überstanden zu ha ben. Allerdings konnte Farangon nicht sa gen, ob es ein Beiboot der ERYSGAN war oder ob es mit dem Varganenschiff aus der Milchstraße gekommen war. Auf jeden Fall mussten die Agenten ver suchen, mit diesen Cappin-Raumer Kontakt aufzunehmen, wenn ihr Einsatz nicht um sonst gewesen sein sollte.
* Der Transfer aus Vancanar, der Heimat galaxis der Garbyor, musste zweimal ver schoben werden, weil es zu Schwierigkeiten gekommen war, über die der Cappin nichts Genaueres in Erfahrung bringen konnte. Fa-
31 rangon war genauso erstaunt wie Jarantar, als der Lordrichter einen Tag nach dem zweiten ausgefallenen Termin einen erneu ten Vorstoß zur Anaksa-Station ansetzte. Wurde Yagul Mahuur ungeduldig, oder hat te er andere Mittel und Wege gefunden, um ein sicheres Eindringen in die Schwarze Substanz zu gewährleisten? Ein weiterer ungeklärter Punkt war, wa rum der Lordrichter die Expedition diesmal mit vier Tropfenraumern der Daorghor und Torghan unternehmen wollte. Farangon war sich nicht sicher, aber der Erzherzog schien vor seinen Untergebenen eine gewisse Ent täuschung oder Verärgerung unterdrücken zu müssen, dass er diesmal nicht mit von der Partie war. Wenn die Beobachtung richtig war, mus ste Garbgurshas Verärgerung nach der Rückkehr der Expedition noch zugenommen haben. Es stellte sich heraus, dass es den In sektoiden tatsächlich gelungen war, in die Station vorzudringen. Auch diesmal war es zu verwirrenden hyperphysikalischen Phä nomenen gekommen, aber nicht in dem Ausmaß wie beim ersten Vorstoß. Man hatte sogar Kontakt mit den varganischen Be wusstseinen hergestellt, die mit den Aggre gaten der Station verschmolzen waren. Aber sie hatten keine Bereitschaft zur Kooperati on erkennen lassen. Wobei nicht ganz klar wurde, ob sie nichts für die Lordrichter tun konnten oder wollten. Ungefähr zur gleichen Zeit wurde be kannt, dass sich die Sonne des Planeten So thin in eine Supernova verwandelt hatte. Auch dort hatte die Konzentration von Schwarzer Substanz einen kritischen Wert überstiegen, worauf es zu einer unkontrol lierten Energiefreisetzung gekommen war. Dabei war fast die gesamte Garbyor-Flotte vernichtet worden, die im System stationiert war. Das Interessante an dieser Neuigkeit war, dass wieder das Varganenschiff mit dem Ar koniden Atlan in die Ereignisse verwickelt war. Auch wenn in diesem Fall der CappinRaumer nicht erwähnt wurde, hatte Faran
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gon nun die beruhigende Gewissheit, dass die Verbündeten im Kampf gegen die Gar byor noch nicht zur Strecke gebracht worden waren. Außerdem hieß es, dass versucht werden sollte, Atlan lebend zu fassen, um die besonderen Fähigkeiten des Unsterbli chen für das Projekt Durchbruch einzuset zen. Wie das geschehen sollte, blieb aller dings ein Rätsel. Kurz darauf erlebte Farangon mit, wie der Nullfeldtunnel aufgebaut wurde, durch den die Psi-Energie aus Vancanar angeliefert werden sollte. Zwölf Tropfenraumer stabili sierten den Hyperraum-Aufriss, während das Schiff von Marquis Jarantar als Operations zentrale diente. Erzherzog Garbgursha hatte sich in einem Kampfanzug in den Weltraum begeben, um die Aktion aus nächster Nähe zu unterstützen. Trotzdem kam es zu einer mittleren Katastrophe, als statt der PsiEnergie Schwarze Substanz durch die Hyperraumverbindung transportiert wurde. Mehrere Tropfenraumer explodierten, und der Erzherzog konnte sich nur knapp vor der Vernichtung in Sicherheit bringen. Als er in der Hangartube in Empfang genommen wur de, gab es einige Verwirrung unter den Tro byor, weil sie sich unverhofft einem Daorg hor gegenübersahen. Jarantar ereilte den Zaqoor kommentarlos den Befehl, Garb gursha in die Medostation zu bringen. Damit war dem Hangarpersonal klar, dass eine all gemeine Diskussion über diesen Vorfall nicht erwünscht war.
* Seit die drei Cappin-Agenten in den Mar quis und seine zwei Adjutanten pedotransfe riert waren, hatten sie es nur ein einziges Mal gewagt, die Körper ihrer Opfer zu über nehmen, um über ihre Beobachtungen und Erkenntnisse zu sprechen. Es geschah zu selten, dass die Zaqoor miteinander allein waren und es keinen Verdacht erregte, wenn sich die Pedoopfer auf Gruelfin unterhielten. Zudem hatten sie während der Ereignisse der vergangenen Wochen kaum Zeit und
Muße gefunden, eine Nacht miteinander zu verbringen. Eine Woche nach dem erneut gescheiter ten Transfer von Psi-Energie wurden die Vorbereitungen für einen dritten Vorstoß zur Anaksa-Station getroffen. Bevor das Projekt in die heiße Phase trat, ließ Jarantar seine Adjutantin Qerollar zu sich kommen, um sich noch einmal ausgiebig zu entspannen. Nachdem die beiden sich mehrere Stunden lang miteinander vergnügt hatte, fielen sie endlich in einen tiefen Schlaf der Erschöp fung. Farangon nutzte sofort die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Hogshant. »Nicht schon wieder!«, stöhnte der Ganja se im Körper der Adjutantin, nachdem sein Kollege ihm das verabredete Zeichen gege ben hatte. »Ich bin immer noch völlig …« »Lass die dummen Witze!«, wies Faran gon ihn zurecht. »Wir müssen darüber re den, wie wir den Einsatz beenden.« »Warum hast du es plötzlich so eilig?« »Weil ich bei der heutigen Besprechung mit dem Erzherzog einige wichtige Details erfahren habe«, sagte Farangon. »Die näch ste Expedition zur Anaksa-Station findet un ter besonders günstigen Bedingungen statt. Garbgursha sprach davon, dass es eine Art Rückschlageffekt gegeben hat, als vor etwa einem Monat die Energie der Schwarzen Substanz auf Serlas freigesetzt wurde. Da durch wurde gewissermaßen eine Bresche in die Akkretionsscheibe geschlagen. Also dürfte es diesmal leichter sein, das RaumZeit-Gefüge rund um die Anaksa-Station zu stabilisieren und die hyperphysikalischen Phänomene zu dämpfen.« »Und was bedeutet das für uns?« »Lass mich ausreden«, wies Farangon sei nen Kollegen zurecht. »Bei diesem Vorstoß soll eine größere Menge der Schwarzen Sub stanz geborgen werden. Die GARB-ON ZYN hat spezielle Behälter an Bord genom men. Darin lässt sich das Zeug auf relativ gefahrlose Weise transportieren. Wenn wir einen solchen Behälter stehlen und mit ei nem Beiboot fliehen, könnte uns das wert
Im Bann des Dunkelsterns volle Erkenntnisse im Kampf gegen die Gar byor verschaffen.« »Klingt gut.« »Außerdem habe ich erfahren, dass paral lel zu den Versuchen, die Station in der Ak kretionsscheibe für einen Durchbruch in den Mikrokosmos zu nutzen, an einem zweiten Projekt auf dem Planeten Kopaar gearbeitet wird. Dort befindet sich ein varganischer Umsetzer. Über diesen interdimensionalen Transmitter lässt sich vielleicht so etwas wie eine Hintertür zur Anaksa-Station öffnen. Auf diese Weise könnten wir den Garbyor zuvorkommen und das Projekt Durchbruch erfolgreich sabotieren.« »So hätten wir zumindest etwas in der Hand, womit wir weiterarbeiten können.« »Dieser Plan geht natürlich nur dann auf, wenn es uns gelingt, mit Atlan oder dem un bekannten Cappin-Raumschiff Kontakt auf zunehmen …« »Die MORYR«, sagte Hogshant in bei läufigem Tonfall. »Wie bitte?« Hogshant verzog das Gesicht der ZaqoorFrau zu einem nicht ganz geglückten Grin sen, als er sah, dass er einen Volltreffer ge landet hatte. »Das ist die Neuigkeit, mit der ich dich überraschen wollte. Als deine Adju tantin vorgestern wieder einmal den Lauf burschen für dich spielen durfte und sich da bei mehrere Lichtjahre vom Einfluss des Dunkelsterns entfernte, habe ich die Gele genheit genutzt, in meinen Körper zurückzu kehren und nach dem Rechten zu schauen. Zu meiner nicht unerheblichen Überra schung kam ich in der angenehmen Umge bung eines Beiboots des Pedopeilers SYVE RON zu mir.« Farangon war sofort klar, was das bedeu tete. »Also stammen beide Schiffe aus der Milchstraße!« »Sie sind kurz vor der Vernichtung der ERYSGAN über die Pedotransmitterverbin dung nach Gantrain gekommen. Der Pedo peiler war nicht mehr zu retten, aber wenig stens konnten wichtige Daten überspielt werden. Unter anderem die Standorte der
33 Container, in denen die Körper der Pedo agenten ruhen. Inzwischen wurden alle ge borgen und warten an Bord der MORYR auf unsere Rückkehr.« Farangon nickte nachdenklich. »Das ver einfacht die Sache.« »Ich habe nur ganz kurz mit dem Kom mandanten Heroshan Offshanor gesprochen und ihm die wichtigsten Eckdaten genannt«, sagte Hogshant. »Ich wollte es nicht riskie ren, den Kontakt zu Qerollar zu verlieren. Leider konnte ich Heroshan keinen Termin nennen, wann ich mich das nächste Mal zu rückmelden kann.« »Wenn wir uns erst einmal mit einem Beiboot von der Garbyor-Flotte abgesetzt und vom Dunkelstern entfernt haben, wird es leichter, erneut einen Kontakt zum Cap pin-Raumer herzustellen«, sagte Farangon. »Wir sprechen die genauen Einzelheiten nach der Expedition ab. Du informierst Kamshatras, sobald du eine Gelegenheit da zu findest.« »Kein Problem«, sagte Hogshant grin send. »Wenn Jarantar wusste, wie oft sich die beiden privat und außerdienstlich treffen, könnte er einen schweren Eifersuchtsanfall erleiden.« Farangon verzichtete auf eine Erwide rung. Kurz darauf lagen die zwei ahnungslo sen Zaqoor wieder im Tiefschlaf.
8. Atlan 13. Juli 1225 NGZ Der Rest der Geschichte war uns in gro ben Zügen bekannt. Zunächst war der Plan der Agenten reibungslos aufgegangen. Nach der Rückkehr von der Expedition waren sie in die Körper dreier Trobyor gewechselt, die Marquis Jarantar persönlich mit der sicheren Verwahrung der Schwarzen Substanz beauf tragt hatte. In dieser Position war es für sie kein allzu großes Problem gewesen, einen der Behälter zu entwenden und an Bord ei nes 75-Meter-Beiboots zu bringen. Mit dem persönlichen Kode des Marquis, den sich
34 Farangon selbstverständlich gut eingeprägt hatte, konnten sie vorübergehend die Kom mandozentrale des Golfballraumschiffs lahm legen und die Gelegenheit zur Flucht nutzen. Doch die Verwirrung war nur von kurzer Dauer gewesen, denn die GARB ONZYN hatte wenig später die Verfolgung des Beiboots aufgenommen. Beide Schiffe waren kurz nacheinander über Craddyn aufgetaucht, wo wir mit der CAPPINASCH gewartet hatten. Nur mit knapper Not war es den drei Agenten gelun gen, sich zu uns durchzuschlagen und die Probe mit der Schwarzen Substanz zu über geben. Ein Agent hatte noch auf Craddyn das Leben verloren, ein zweiter an Bord der MORYR. Ich fragte mich, ob sich dieser hohe Ein satz gelohnt hatte. Während Xarpatosch das Verhör fortsetz te und Farangon nach weiteren Einzelheiten ausfragte, fanden wir uns nach einer kurzen Pause wieder im Besprechungsraum ein. Diesmal waren Gorgh und Kalarthras über Holo zugeschaltet. Kythara reagierte sichtlich erleichtert, dass es dem Varganen besser zu gehen schi en. Ich war mir nicht sicher, hatte aber den Eindruck, dass seine Haut wieder ein Stück dunkler geworden war. Seit wir ihn von Vassantor geborgen hatten, machte er diese seltsame, wechselhafte Metamorphose durch, ohne dass wir einen Anhaltspunkt hatten, was wirklich in ihm vorging. »Wir sollten Kopaar unverzüglich anflie gen«, eröffnete Kalarthras das Gespräch. »Der Umsetzer könnte sich als unsere große Chance erweisen.« »Du kannst die Angaben bestätigen, die der Cappin-Agent in seinem Bericht ge macht hat?«, fragte ich nach. »Als ich vor etwa 350.000 Jahren diese Galaxis verließ, hatten unser Chefwissen schaftler Haitogallakin und seine Kollegen mehrere Labor- und Versuchswelten einge richtet, auf denen Umsetzer-Experimente stattfanden. Bis zu diesem Zeitpunkt waren zwar nur Teilerfolge erzielt worden, aber ich
Bernhard Kempen halte es durchaus für möglich, dass es ihnen irgendwann gelungen ist, Kontakt mit dem Mikrokosmos aufzunehmen.« »Ich möchte daran erinnern, dass ähnliche Unternehmungen der Varganen nicht immer problemlos verliefen«, warf ich ein. »Ich denke da zum Beispiel an die Ausbildung der Eisigen Sphäre, als der größte Teil dei nes Volkes damals in den Mikrokosmos zu rückkehrte.« »Ich kann nicht abstreiten, dass der Ver such, den Dunkelstern für einen Durchbruch zu nutzen, ein Fehlschlag war«, sagte Kalar thras. »Umso wichtiger ist es, dass wir nach Alternativen Ausschau halten.« »Du hältst es grundsätzlich für möglich, dass wir von Kopaar aus zur Anaksa-Station vordringen können?«, fragte ich. »Die Umsetzer-Technologie ist eine Wei terentwicklung des Transmitterprinzips«, er klärte Kalarthras. »Die Stationen sind über ein hyperdimensionales Netzwerk miteinan der verbunden. Sie lassen sich nicht nur zum Transport zwischen zwei Universen, son dern natürlich auch zwischen zwei Punkten innerhalb eines Universums verwenden.« »So, wie man mit einem raumflugtaugli chen Fahrzeug durchaus eine Strecke zu rücklegen kann, die sich notfalls auch zu Fuß bewältigen ließe?« »Damit könnte man es vergleichen.« »Nicht alle Raumschiffe eignen sich zur Navigation in unmittelbarer Nähe einer Pla netenoberfläche«, entgegnete ich. »Wenn du ein hohes Gebirge oder ein Meer überqueren willst, wäre ein Raum schiff zwar nicht die angemessenste, aber si cherlich keine dumme Wahl.« »Es kommt auf den speziellen Fall an«, räumte ich ein. »Was weißt du über diese Laborwelten?« »Kopaar selber ist mir nicht bekannt«, antwortete der Vargane. »Ich erinnere mich nur daran, dass Ephaiston eine bedeutende Rolle gespielt hat. Leider kann ich nur die ungefähren Koordinaten …« »Kein Problem«, fiel ihm Nareile ins Wort, die über ein kleines Terminal mit dem
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Bordcomputer in Verbindung stand. Die MORYR und die AMENSOON hat »Ephaiston ist in unserer Datenbank ver ten den Ortungsschutz der Riesensonne L-E zeichnet. Der Planet liegt von uns aus gese verlassen und waren in Richtung Kopaar hen nur ein kleines Stück hinter Kopaar. Die aufgebrochen. Nach etwa einer Stunde und Entfernung zwischen Kopaar und Ephaiston knappen 800 Lichtjahren wurde die erste beträgt 3585 Lichtjahre. Bis Galadat sind es Überlichtflugetappe unterbrochen, als wir von Kopaar übrigens nur noch 1719 Licht unser Zwischenziel erreicht hatten, eine un jahre.« scheinbare Dunkelwolke in einem Raumsek Auf Galadat war der Gestaltwandler zu tor, wo es in hyperphysikalischer Hinsicht verhältnismäßig ruhig zuging. rückgeblieben, der sich als Veschnaron aus gegeben und uns in eine geschickt vorberei Yvorton Noganesch, der Chefwissen tete Falle gelockt hatte. Vermutlich war er schafter der MORYR, hatte dringend davon inzwischen von Einheiten der Garbyor abge abgeraten, in der Nähe eines aktiven Sterns holt worden. War es denkbar, dass in näch wie L-E mit Schwarzer Substanz zu experi ster Nähe zu Galadat – wenn man es in ga mentieren. In einer ruhigeren Umgebung laktischen Maßstäben betrachtete – eine konnten zuverlässigere Messergebnisse ge neue Falle vorbereitet wurde? wonnen werden, und die Gefahr unbere Es geht nichts über ein gesundes Miss chenbarer Wechselwirkungen war erheblich trauen, meldete sich nach längerer Pause der geringer. Die Schiffe standen zwischen zwei ausge Extrasinn zu Wort. dehnten Ausläufern der dunklen Staubmate Wollte er mir damit sagen, dass mein rie, sodass wir trotz allem recht gut gegen Misstrauen gerechtfertigt war … oder dass es über das Maß eines gesunden Misstrauens die Außenwelt abgeschirmt waren. Als Kythara und ich das Labor betraten, hinausging? Als ich keine Antwort erhielt, konzen hatten sich alle anderen bereits eingefunden. trierte ich mich wieder auf die Diskussion. Heroshan unterhielt sich leise mit Farangon, »Wir wissen zwar immer noch nicht, was der als Berater an der Untersuchung teilneh die Lordrichter mit dem geplanten Vorstoß men sollte, während Yvorton und Gorgh in in den Mikrokosmos bezwecken«, fasste ein angeregtes Fachgespräch vertieft waren. Der Daorghor, der äußerlich einer Riesen Kythara die Lage zusammen, »aber es steht ameise ähnelte, auch wenn er mit nur andert außer Frage, dass sie nichts Gutes im Schil de führen und wir daher alles tun müssen, halb Metern Größe ein recht klein geratener um sie an diesem Vorhaben zu hindern. Ein Vertreter seines Volkes war, schien sich auf direkter Vorstoß zur Anaksa-Station hat we Anhieb mit seinem ganjasischen Kollegen nig Aussicht auf Erfolg. Ich sehe keine zu verstehen. Möglichkeit, unbemerkt an der Flotte der Kalarthras war an Bord der AMENSOON Garbyor vorbeizukommen. Also sollten wir zurückgeblieben, und Nareile Scharakan versuchen, den indirekten Weg über Kopaar hatte das Kommando über die MORYR zu gehen.« übernommen. Obwohl es in diesem Raum »Einverstanden«, sagte ich, nachdem alle sektor verhältnismäßig sicher zu sein schien, Anwesenden ihre Zustimmung bekundet hatte Heroshan erhöhte Alarmbereitschaft hatten. »Aber vorher würde ich gerne das angeordnet. kleine Geschenk auspacken, das uns die Auf einem großen Labortisch stand inmit Agenten unter Einsatz ihres Lebens mitge ten verschiedener Instrumente und Schutz bracht haben.« schirmgeneratoren der Grund unserer Zu sammenkunft. Ein Kasten aus rötlich schim merndem Metall mit den Seitenmaßen vier * zig mal sechzig mal fünfzig Zentimeter.
36 Wenn man ihn anhob, fühlte er sich erstaun lich leicht an. Er brachte keine zehn Kilo gramm auf die Waage, obwohl er über eine autarke Energieerzeugung, Speicherzellen und Projektoren für ein Abschirmfeld ver fügte. An einer Seite befand sich ein etwa zehn mal zehn Zentimeter großes Bedienfeld mit fünf Sensortasten, mit dem sich das Ko deschloss aktivieren ließ, wie wir inzwi schen wussten. »Wenn alle bereit sind«, wandte sich Yvorton an die Runde, »beginnen wir jetzt mit der Untersuchung. Wir haben uns darauf geeinigt, den Behälter aus Sicherheitsgrün den vorläufig nicht zu öffnen. Das ist auch gar nicht nötig, wenn wir genauere Erkennt nisse über den Inhalt gewinnen wollen. Farangon wird die Vorführung übernehmen, da er sich am besten mit der Funktionsweise des Behälters auskennt.« Der Agent nickte mit ernster Miene, dann trat er an den Labortisch. »Hier auf der Oberseite lässt sich eine Klappe öffnen, unter der sich ein Display befindet«, begann er und zeigte uns den zwanzig mal zwanzig Zentimeter großen Bildschirm, der sich im gleichen Moment aktivierte. »Über die integrierte Kleinpo sitronik lassen sich alle relevanten Daten ab rufen. Im Abschirmfeld, das einen Durch messer von fünfzehn Zentimetern hat, befin den sich exakt 25,7 Gramm Schwarzer Sub stanz.« Mit dem Finger berührte er ein Sym bol auf dem Display. »Über diese Funktion kann das Innere des Behälters in verschiede nen Vergrößerungsstufen betrachtet wer den.« Nacheinander traten wir an den Tisch, um einen Blick auf den Bildschirm zu werfen. Als ich an der Reihe war, konnte ich zu nächst nicht mehr als eine Ansammlung von dunkelgrauen Staubteilchen erkennen, die von einer gelblichen Blase umschlossen wa ren. Es war, als würde aufgewirbelter Schlamm durch das Wasser eines Tümpels im Sonnenschein treiben. Ich regulierte die Vergrößerung, bis ich einzelne Partikel unterscheiden konnte. Ihre
Bernhard Kempen Form erinnerte tatsächlich an Schneekristalle in Negativaufnahme. Etwas Ähnliches hatte ich bereits in der Station der Lordrich ter auf Sothin gesehen. Doch dies war meine erste Gelegenheit, die Eigenschaften dieser exotischen Materie in Ruhe zu studieren. Ihr Verhalten deutete darauf hin, dass sie nicht ganz von dieser Welt waren. Immer wieder flimmerten die Konturen der Flocken oder schienen hinter einem Nebel zu ver schwinden, als würde mit der Fokussierung des Bildschirms etwas nicht stimmen. Ich beobachtete zwei Flocken, die genau aufein ander zutrieben. Die eine schrumpfte zu ei nem winzigen Punkt zusammen, während sich die andere aufblähte und scheinbar um die erste Flocke herumfloss, ohne sie zu be rühren. Es gab keinen Zweifel, dass dieser Vorgang in mehr als nur drei Raumdimen sionen stattfand. Ein anderer Kristall von auffälliger asym metrischer Form wurde unscharf, reduzierte sich zu einer Fläche und tauchte als Spiegel bild seiner selbst wieder auf. Ein solcher Ef fekt war nur möglich, wenn ein dreidimen sionales Objekt in einer höheren Dimension gedreht wurde. Es fiel mir schwer, den verwirrenden An blick über einen längeren Zeitraum zu ertra gen und mich nicht zwischen den winzigen blauweißen und violetten Entladungen zu verlieren, die ständig in feinen Verästelun gen durch die Schwaden der Schwarzen Substanz zuckten. »Ich beginne nun mit der physikalischen Untersuchung«, kündigte Yvorton an. »Zunächst werde ich den Massetaster einset zen …« Er hantierte an einem Instrument auf dem Tisch. »Interessant …«, murmelte er. »Auf dem ersten Blick könnte man die Substanz für ganz gewöhnlichen kosmischen Staub hal ten. Sie besteht hauptsächlich aus Silizium dioxid und ähnlichen Verbindungen.« »Also nichts anderes als Quarz, wie er in den meisten Gesteinen einer Planetenkruste vorkommt«, sagte ich.
Im Bann des Dunkelsterns »Richtig«, bestätigte Yvorton. »Wenn da nicht die starken hyperenergetischen Emis sionen wären.« »Aber die Substanz scheint sich ganz an ders als Howalgonium oder Sextagonium zu verhalten.« »Auch richtig. Einige Parameter sind sehr ähnlich, aber es ist nicht möglich, diese Ma terieform in die uns bekannten Schemata einzuordnen. Die Feinstruktur weist übri gens Eigenschaften auf, die mit Eruptivge steinen vergleichbar sind – speziell jenen, die bei rascher Abkühlung an der Oberfläche von Lavaströmen entstehen.« »Obsidian!«, entfuhr es mir. Kythara warf mir einen bedeutungsvollen Blick zu und trat neben den Wissenschaftler, um die Anzeigen seiner Instrumente zu stu dieren. »Es gibt in der Tat einige verblüffen de Parallelen«, lautete ihr Urteil. »Aber die Kristalle weisen ein ganz anderes hyperener getisches Spektrum auf. Es handelt sich ein deutig nicht um die Substanz, mit der wir in der Obsidian-Kluft zu tun hatten.« Da Yvorton keine Ahnung hatte, worüber wir sprachen, rief Kythara die betreffenden Informationen aus den Datenbanken der AMENSOON ab. Daraus entwickelte sich eine längere Fachsimpelei, der ich nur be dingt folgen konnte. Schließlich wandte sich Kythara wieder den Anwesenden zu. »Wir haben eine vorläufige Theorie, mit der sich die Ähnlichkeit zwischen diesen beiden Erscheinungsformen von Hypermate rie erklären lässt«, sagte sie. »Bei Schwing quarzen mit fünfdimensional aktiven Ein schlüssen wie Howalgonium liegen die Emissionen eher im unteren Bereich des hy perenergetischen Spektrums. Sie lassen sich technisch für Hyperfunk, Transmitter und Überlichttriebwerke verwenden. Die Schwarze Substanz schwingt genauso wie Obsidian in einem viel höheren Teil des Spektrums. Das heißt, wir haben es hier mit psionisch aufgeladener Materie zu tun.« »Dann wundert es mich nicht«, sagte ich, »dass dieses Zeug ein so gigantisches Ver nichtungspotenzial entfalten kann.«
37 »Die energetische Kapazität von PsiMaterie ist in der Tat enorm«, bestätigte Ky thara. »Auch wenn wir es hier mit einer Form zu tun haben, die bisher weder den Cappins noch den Varganen bekannt war.« Dass dies erst recht für die Arkoniden galt, musste sie nicht ausdrücklich erwäh nen. Mein Stammvolk hatte sich mehr für die praktischen Anwendungsmöglichkeiten als die theoretischen Zusammenhänge der Hyperphysik interessiert. Das Imperium von Arkon hatte gigantische Schlachtschiffe ge baut, deren Technik sich im Prinzip über Jahrtausende nicht verändert hatte. »Damit hätten wir vielleicht einen An satz«, sagte Heroshan, »wie wir gegen die Garbyor vorgehen können. Wenn wir eine Möglichkeit finden, dieses gespeicherte Po tenzial freizusetzen, dürfte nicht mehr viel vom Dunkelstern und allem, was sich in sei ner Nähe befindet, übrig bleiben.« »Allerdings müsste man ein geeignetes Mittel besitzen, um diese Energie kontrol liert freizusetzen«, wandte Yvorton ein. »Und ich möchte nicht in der Nähe sein, um auf den Zündknopf zu drücken – es sei denn, ein solches Selbstmordkommando verschafft mir die Gelegenheit, als größter Held seit Ovaron in die ganjasische Geschichte einzu gehen.« »In dieser Hinsicht würde ich mir keine allzu großen Hoffnungen machen«, sagte ich und blickte zu Kythara, die offenbar genau das Gleiche dachte wie ich. »Denn zufällig haben wir ein solches Mittel zur Hand.« »Es muss sich nur noch erweisen, ob es auch in diesem Fall ein geeignetes Mittel ist«, sagte Kythara. »Was stellt ihr euch konkret vor?«, wollte Yvorton wissen. »In der Milchstraße ist es uns gelungen, mit Hilfe des Kardenmoghers die Psi-Quelle Murloth auszuschalten«, sagte ich. »Nach einer kleinen Modifikation war es möglich, die Wirkung der Gravo-Zyklon-Projektoren zu verstärken. Dieses Waffensystem erzeugt gravomechanische Feldwirbel, die alles – von konventioneller Materie bis zu reiner
38 Psi-Energie – in den Hyperraum reißt.« »Damit wären wir wieder beim Aus gangsproblem«, gab Kythara zu bedenken. »Mit dem Kardenmogher müssten wir nahe genug ans Zielgebiet herankommen, was an gesichts der Truppenkonzentration am Dun kelstern nicht ohne weiteres zu realisieren ist.« »Es sei denn, wir kommen über die Hin tertür heran«, sagte ich. »Wenn es uns tatsächlich gelingt, mit Hil fe des Umsetzers auf Kopaar eine Verbin dung zur Anaksa-Station herzustellen …« Kythara musste nicht weitersprechen. Ich blickte in die Gesichter von Heroshan, Yvorton und Farangon, die unsere Unterhal tung schweigend und mit skeptischen Mie nen verfolgt hatten. »Ich denke, es wird höchste Zeit, dass wir den Flug fortsetzen.«
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zeit und unvermittelt mit einem Eishauch er scheinen konnte. Außerdem bestand die Möglichkeit, dass er beobachtet wurde. Schon deshalb kam es nicht in Frage, den Eindruck zu erwecken, dass er die Wartezeit mit müßigem Sinnieren vertrödelte. Er hatte sich schon mehrmals verstohlen umgesehen, aber im Besprechungsraum wa ren keine Überwachungseinrichtungen zu er kennen – was natürlich nichts zu besagen hatte. Und nicht zuletzt war es das Auge, das ihm das eindringliche Gefühl gab, unter ständiger Beobachtung zu stehen. Wie immer war das Holofenster aktiviert, das den Dunkelstern in eindrucksvoller Ver größerung zeigte. In diesem Moment bildete sich ein scheinbar winziger schwarzer Punkt auf der Oberfläche des Blauen Riesen und erweiterte sich zusehends, bis er den Um fang eines ungewöhnlich großen Sonnen flecks erreicht hatte. Garbgursha zwang sich dazu, den Blick 9. vom Holofeld abzuwenden, das die gesamte Erzherzog Garbgursha Breite und Höhe einer Wand des Raumes 7. Juli 1225 NGZ einnahm. Er durfte nicht schon wieder in Wer von einem Lordrichter gerufen wird, den verderblichen Bann Helasts geraten. Er sollte ihn nicht warten lassen, dachte Garb musste sich darauf gefasst machen, dem gursha. Und wenn der Herr geruht, den Ge Lordrichter Rede und Antwort zu stehen. rufenen warten zu lassen, sollte sich dieser Doch während er noch einmal die Liste nicht der Ungeduld hingeben. der Themen durchging, die Yagul Mahuur Als der Erzherzog den Befehl erhalten möglicherweise mit ihm besprechen wollte, hatte, sich im Besprechungsraum einzufin wanderte sein Blick unbewusst zum Dunkel den, hatte er sich sofort auf den Weg ge stern zurück. Die Schwarze Materie war in macht. Inzwischen war es eine Viertelstunde zwischen wie eine Gasblase aus einem Kes her, dass er den schmucklosen Raum betre sel mit kochender Flüssigkeit aufgestiegen ten hatte. Seitdem wartete er untätig und und hatte sich als dicker schwarzer Tropfen verfluchte die Zwangspause, in der er mit von der glühenden Oberfläche des Sterns ge seinen Gedanken ganz allein war. löst. Helasts Träne wurde in die Länge gezo Einerseits war er froh über die Verzöge gen und trieb dem grauschwarzen Mahl rung, da er die ersten Minuten dazu hatte strom entgegen, der unablässig um das nutzen können, seinen durch den schnellen Schwerkraftzentrum rotierte. Marsch aufgepeitschten Körper und seinen Garbgursha konzentrierte sich auf die besorgten Geist zu beruhigen. Doch dann größte und dunkelste Ballung der Akkreti waren in der Stille die Gedanken gekom onsscheibe, in der sich die Anaksa-Station men, die er in der Hektik seiner Pflichten er verbarg. Erst vor zwei Tagen war der Erz folgreich verdrängen konnte. herzog von einer Expedition zum rätselhaf Trotzdem achtete er darauf, sich nicht zu ten Objekt zurückgekehrt, das aus einer sehr zu entspannen, da der Lordrichter jedermondgroßen Lebensform mit Instinktbe
Im Bann des Dunkelsterns wusstsein entstanden und von den Varganen technisch modifiziert worden war. Er hatte sich immer noch nicht ganz von diesem ner venaufreibenden Unternehmen erholt. Da die Psi-Materie aus Vancanar nach dem Scheitern der Operation Nullfeldtunnel aus geblieben war, hatten er und seine Garbyor den Vorstoß ohne die vorgesehenen Schutz vorkehrungen unternehmen müssen. Er schaudernd dachte er an die absonderlichen Phänomene, die ihr Vordringen behindert und sie beinahe in den Wahnsinn getrieben hatten. War dieses Beinahe-Debakel der Grund, warum Yagul Mahuur ihn zur Rechenschaft ziehen wollte? Kurz nach seiner Rückkehr von der Anak sa-Station war Heronar mit der GANTA ein getroffen. Das varganische Oktaederschiff war während des Einsatzes schwer beschä digt worden und musste von zwei Golfball raumschiffen zu den Werftplattformen ge schleppt werden. Heronar war unmittelbar darauf vom Lordrichter zur Audienz gerufen worden – und seit er denselben Bespre chungsraum, in dem nun Garbgursha warte te, betreten hatte, war er nicht wieder aufge taucht. Auch über dieses Rätsel hatte der Erzherzog in den vergangenen zwei Tagen immer wieder nachgedacht. Er selbst hatte den Zaqoor-Mutanten für diese Operation vorgeschlagen. Heronar hat te die Gestalt des Varganen Veschnaron an genommen, um dessen Artgenossin Kythara und ihren arkonidischen Begleiter Atlan in die Falle zu locken. Doch der Plan war ge scheitert. Hatte Heronar die Strafe für sein Versagen erhalten? Hatte der Lordrichter seine Existenz ausgelöscht? Garbgursha hielt es für unwahrscheinlich, da Heronar als einer der engsten Vertrauten von Yagul Mahuur galt, und das, obwohl er lediglich den Rang eines Trobyor bekleidete. In der Rolle des Flottenkommandeurs Ve schnaron hatte er entscheidend dazu beitra gen können, mehrere von Varganennach kommen bewohnte Welten unter die Kon trolle der Garbyor zu bringen. Wie war es
39 möglich, dass ein einfacher Soldat eine so bedeutende Rolle in den Plänen der Lord richter spielte? Der Erzherzog hatte nie die Gelegenheit erhalten, Heronar näher kennen zu lernen, obwohl beide Gestaltwandler waren und von daher eine natürliche Affinität zueinander hätten aufweisen sollen. Mied jener bewusst die Nähe Garbgurshas? Hatte er etwas vor ihm zu verbergen? Schon eine halbe Stunde war vergangen, und der Lordrichter ließ weiterhin auf sich warten. Garbgursha wurde sich bewusst, dass er die ganze Zeit wie gebannt ins Auge des Dunkelsterns gestarrt hatte. Wieder spürte er die tiefe Verunsicherung, die sich in letzter Zeit immer stärker bemerkbar machte, seit vor etwa zwei Wochen das Projekt Nullfeld tunnel gescheitert war. Machte er sich insge heim immer noch Vorwürfe, dass er persön lich die Schuld am Scheitern der Aktion trug? Entschlossen kehrte er dem Holofenster den Rücken zu und machte sich klar, dass er sich nichts vorzuwerfen hatte. Bereits in jun gen Jahren war er Yagul Mahuurs Leibgarde beigetreten und hatte sich einen Namen als rücksichtsloser Kämpfer gemacht. Er hatte die Trodar-Philosophie verinnerlicht und war bald in den Rängen der Garbyor-Hier archie aufgestiegen. Obwohl auch er selbst verständlich das Implantat trug, das ihm je derzeit den Todesimpuls bringen konnte, hatte es nie den geringsten Zweifel an seiner Loyalität gegeben. Im Alter von 67 Jahren hatte sein Lordrichter ihn endlich in den Stand eines Erzherzogs erhoben, und in den 122 Jahren, seit er diesen Titel führte, hatte er sich einen legendären Ruf erworben. Die Garbyor waren ihm genauso treu ergeben wie er Yagul Mahuur. Trotz der langen Zeit hatte er nie einen Hinweis auf das Aussehen seines Herrn oder Näheres über die anderen Lordrichter erfah ren – oder gar über ihren Meister, den Ober sten Lordrichter. Yagul Mahuur hatte sich ihm stets in der Tarnung des Eishaarfeldes
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gezeigt, das keinen Rückschluss zuließ, wer sich darunter verbarg. Darüber hinaus wusste Garbgursha nur, dass es insgesamt vierzehn Lordrichter gab. Neben Yagul Mahuur, der sich hier in Gan tatryn aufhielt, waren es Sarkahan und Yyr putnam, die in der Galaxis Milchstraße ope rierten, sowie Kelkapalin, Saryla, Ansandsa, Ibin Kyrela und Banadar Tasana, alle in Gruelfin aktiv. Da dem Erzherzog keine an deren Einsatzgebiete bekannt waren, lag die Vermutung nahe, dass die übrigen sechs Lordrichter in Vancanar geblieben waren. Ein weiterer unauffälliger Blick auf sein Chronometer verriet ihm, dass er nun schon seit einer Dreiviertelstunde untätig im Kon ferenzraum wartete. Doch was war dieser Zeitraum gegen die letzten 750 Jahre, in denen der Ewige Kampf in seiner Heimatgalaxis gewütet hat te? Bereits in den Jahrtausenden davor hat ten die Lordrichter von Garb unter der Füh rung des Obersten Lordrichters und des Gar boghthera, des »Schwerts der Ordnung«, im mer neue Kriege entfacht und angeheizt, bis die Kämpfe in den letzten Jahrhunderten plötzlich an Härte zugenommen hatten. Nicht nur gegen Fremdvölker wurden uner bittliche Feldzüge geführt, auch die Garbyor selbst wurden immer wieder im Namen von Trodar aufeinander gehetzt. Natürlich war es kein Kampf um des Kampfes willen, denn das Ziel all dieser Auseinandersetzungen be stand darin, durch einen gnadenlosen Selek tionsprozess die besten und stärksten Krie ger von Vancanar zu ermitteln, um sie für den eigentlichen Kampf der Lordrichter ein setzen zu können. Es gibt keinen Tod, es gibt nur Trodar. Es gibt kein Leben, es gibt nur Trodar. Es gibt keine Angst, es gibt nur Trodar. Es gibt keine Freude, außer in Trodar. Garbgursha versenkte sich tief in die Lita nei und spürte, wie ihm die Besinnung auf den, großen Zusammenhang neue Kraft ver lieh.
*
Im gleichen Augenblick war ihm, als wür de ein eiskalter Hauch seinen Rücken strei fen. Garbgursha musste sich zusammenrei ßen, um nicht unter der intensiven Ausstrah lung der Macht, die plötzlich den Bespre chungsraum erfüllte, in die Knie zu gehen. Langsam drehte er sich um und stellte sich dem Anblick, der ihm längst hätte vertraut sein müssen, der ihn jedoch jedes Mal aufs Neue erschütterte. »Die Lage ist unverändert ernst«, drang die Stimme des Lordrichters aus der glit zernden Wolke, die aus winzigen Eisfäden zu bestehen schien. »In letzter Zeit mussten wir viele Rückschläge hinnehmen. Das ›Schwert der Ordnung‹ ist sehr ungehalten über die Behinderung unserer Pläne.« Garbgursha erschauderte. Er konnte gar nicht sagen, was der eigentliche Grund war – der unausgesprochene Tadel oder Yagul Mahuurs unheimliche Aura. Auch dieses Mal konnte er sich nicht dem Bann des zy linderförmigen Eishaarfeldes entziehen, der einzigen »Gestalt«, in der sich die Lordrich ter ihren Untergebenen zeigten. Dabei stand nicht einmal fest, ob er darin tatsächlich ma teriell präsent war oder ob der Nebel aus flirrenden Partikeln nur der Begleiteffekt ei nes außergewöhnlichen Kommunikationssy stems war. »Ich weiß, Herr«, sagte Garbgursha und senkte demütig den Blick. Er musste sich zwingen, die Augen von der Manifestation abzuwenden. »Seit die Varganin und der Ar konide in Gantatryn aufgetaucht sind, ist es ihnen immer wieder gelungen, unsere Pro jekte zu stören und sich unseren Vergel tungsaktionen zu entziehen.« »Vergiss nicht, dass wir den Arkoniden lebend brauchen«, erwiderte Yagul Mahuur. »Er wird uns beim Vorstoß in den Mikro kosmos eine unschätzbare Hilfe sein.« »Ich bezweifle, dass er uns aus freien Stücken unterstützen wird. Bisher hat er aus schließlich danach gestrebt, unsere Pläne zu vereiteln, und den Garbyor schwere Verluste zugefügt«, sagte der Erzherzog und erschrak gleichzeitig, weil er es gewagt hatte, gegen
Im Bann des Dunkelsterns über seinem Herrn Widerspruch zu äußern. »Es gibt Mittel und Wege, ihn zur Zusam menarbeit zu motivieren«, tat der Lordrich ter Garbgurshas Einwand ab. »Unser vor dringliches Ziel muss darin bestehen, ihn endlich zu ergreifen. Ich erwarte, dass du all deine Kräfte auf diese Aufgabe konzen trierst.« »Ja, Herr.« Trotz der beklemmenden Situation war Garbgursha erleichtert, weil er offenbar nicht für das Scheitern des Projekts Null feldtunnel oder die Katastrophe von Sothin zur Rechenschaft gezogen werden solltet. Bei diesem Debakel war nicht nur das Raumschiff des Arkoniden entkommen, son dern obendrein ein großer Teil der GarbyorFlotte durch eine Supernova-Explosion aus gelöscht worden. Der Erzherzog hatte sich bereits einige Möglichkeiten überlegt, was sich in dieser Angelegenheit unternehmen ließ. Doch er kam gar nicht dazu, seine Vorschläge anzu bringen, da der Lordrichter sofort wieder das Wort ergriff. »Das ›Schwert der Ordnung‹ hat einen Plan entwickelt, wie wir Atlan von Gonozal in unsere Gewalt bringen werden«, sagte Yagul Mahuur. »Ich werde dir jetzt die ge naue Vorgehensweise erklären …« Erzherzog Garbgursha hörte gespannt und aufmerksam zu, was sein Herr von ihm er wartete. Je länger der Lordrichter sprach, de sto klarer wurde dem Zaqoor, dass der Arko nide und seine Begleiter den Garbyor dies mal in die Falle gehen mussten. Diesem Plan hatte Atlan von Gonozal nichts entgegenzu setzen …
10. Atlan 14. Juli 1225 NGZ Den größten Teil der restlichen Etappe von knapp 9000 Lichtjahren bis Kopaar leg ten wir während der Bordnacht zurück. Etwa 1500 Lichtjahre vor dem Zielgebiet gingen wir auf Unterlicht, um uns zu orientieren
41 und das weitere Vorgehen zu besprechen. Ilishura Moschkanor meldete keine ver dächtigen Ortungen. Wie es schien, wurden wir nicht verfolgt. Was mich einerseits er leichterte, mir andererseits aber auch Kopf zerbrechen bereitete. In den vergangenen Wochen waren uns die Garbyor ständig auf den Fersen gewesen. Sie hatten uns immer wieder mit geradezu traumwandlerischer Si cherheit aufgespürt, bis sich mir der Ver dacht aufdrängte, dass es an Bord eines der beiden Schiffe so etwas wie ein Leck geben musste. Dabei war es keineswegs ausge schlossen, dass der »Verräter« gar nichts von seiner Rolle wusste. Ganz oben auf der Liste der möglichen Erklärungen stand Kalarthras. Immerhin war es denkbar, dass die rätselhaften Vorgänge, die sich in seinem Körper abspielten, mit ge eigneten Mitteln messbar waren. Aber ich durfte nicht einmal mich selbst aus dem Kreis der Verdächtigen ausschließen. Es mochte sein, dass ich als Träger eines Zel laktivatorchips und einer Ritter-Aura ein strahlendes Leuchtfeuer abgab – für jeden, der über die entsprechenden Sinne oder Sen soren verfügte. Das Erstaunliche daran war, dass wir nicht mehr behelligt worden waren, seit wir Galadat verlassen hatten – seit wir den falschen Veschnaron auf dem Planeten zurückgelassen hatten. Hatte er etwas damit zu tun? War es ihm vielleicht nur mit dem varganischen Oktaederschiff GANTA mög lich gewesen, unsere Position zu bestim men? Diese Erklärung hatte zumindest eine gewisse Plausibilität, da das Schiff schwer beschädigt worden war. Kythara und ich warteten in der Zentrale des CappinRaumers, bis sich Heroshan einen Überblick über die Lage verschafft hatte. »Dem weiteren Vorstoß nach Kopaar scheint nichts im Wege zu stehen«, sagte der Kommandant, als er sich zu uns gesellt hat te. »Wie habt ihr euch den Einsatz vorge stellt?« »Ich schlage vor, dass wir den Planeten mit der AMENSOON anfliegen«, sagte ich. »Die MORYR kann uns in mehreren Licht
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jahren Sicherheitsabstand folgen und not falls Rückendeckung geben. Alles Weitere können wir ohnehin erst dann entscheiden, wenn wir die Gegebenheiten vor Ort ausge kundschaftet haben.« »Aber zu zweit werdet ihr nicht viel aus richten können«, warf Heroshan ein. »Ich möchte mit einem etwa zwanzigköpfigen Einsatzteam an Bord eures Schiffes gehen, dem neben mir auch Yvorton Noganesch, die Agenten Gevaron und Farangon sowie eine Elitekampfeinheit unter dem Komman do von Xarpatosch angehören werden.« »Einverstanden«, sagte ich nach einem kurzen Seitenblick auf Kythara, die offen kundig keine Einwände hatte. »Im Gegen zug möchte ich dich bitten, den Behälter mit der Schwarzen Substanz mitzunehmen. Vielleicht ergibt sich die Möglichkeit, die Psi-Materie auf irgendeine Weise nutzbrin gend einzusetzen.« »Eine gute Idee«, stimmte Heroshan zu. »Das Vernichtungspotenzial dürfte zumin dest genügen, die Kopaar-Station zu ver nichten.« »Ich dachte eher an weiter gehende Mög lichkeiten. Immerhin scheint sich das Zeug auf vielfältige Weise verwenden zu lassen – von der Züchtung psionisch begabter Krie gerarmeen bis zur Kontraktion des RaumZeit-Gefüges.« »Wir werden sehen«, sagte Heroshan. »Ich schätze, in einer Stunde sind meine Leute bereit, in die AMENSOON zu wech seln.« »Wir gehen vor und präparieren alles für die Empfangsparty«, sagte ich. Ich schaute mich zu Kythara um, die wie der nur stumm nickte.
* »Was ist los mit dir?«, fragte ich die Var ganin, als wir an Bord ihres Raumschiffs von der Transmitterplattform stiegen. Zunächst schien sie gar nicht auf meine Frage eingehen zu wollen, doch dann atmete sie einmal tief durch und drehte sich zu mir
um. »Ich habe kein gutes Gefühl«, sagte sie unbestimmt. »Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man sich im Allgemeinen sehr gut auf dein Gefühl verlassen kann«, sagte ich. »Also raus mit der Sprache!« »Wenn ich genau benennen könnte, was mir Sorgen macht, hätte ich schon längst et was gesagt«, erwiderte sie. »Es ist nur das unbestimmte … Gefühl, dass mit diesem Vorstoß nach Kopaar etwas nicht stimmt.« »Glaubst du, es könnte eine Falle sein?« »Ich weiß es nicht. Genaueres kann ich nicht dazu sagen.« »Verstehe«, brummte ich. »Möchtest du, dass wir den Vorstoß abbrechen?« »Nein«, sagte sie ohne Zögern. »Ich sehe keine Alternative. Unser Ziel ist Kopaar. Ich wüsste nicht, wo wir stattdessen ansetzen sollten.« Ich nickte nachdenklich. »Also sollten wir zumindest die Augen offen halten und sehr vorsichtig sein.« »Das kann nie schaden.« Ich konnte ihr nicht widersprechen.
* Knapp 200 Lichtjahre vor Kopaar legten wir den letzten Orientierungsstopp ein. Die MORYR tauchte in den Ortungsschutz einer hyperenergetisch recht aktiven Sonne, wäh rend wir uns in der kosmischen Nachbar schaft umsahen. Das Auffällige an diesem Sektor war die Häufung planetarer Nebel – Ansammlungen von kosmischem Staub, der in allen Farben des elektromagnetischen Spektrums leuchte te. Unsere Messungen ergaben, dass sie durch Supernova-Explosionen entstanden waren, die ziemlich genau zur gleichen Zeit erfolgt sein mussten – vor etwa 340.000 Jah ren. Die Sonnen, die den größten Teil ihrer Gashülle abgestoßen hatten, waren zu Neu tronensternen geschrumpft, die alle 1,3753 Sekunden einen starken Radiowellenpuls ab strahlten. Ungewöhnlich war auch die Anordnung
Im Bann des Dunkelsterns der insgesamt 168 Pulsare. Sie bildeten eine Kugelschale von 236 Lichtjahren Durchmes ser. Im Innern der Zone zählten wir etwa 55.000 Sonnen – und genau im Zentrum stand das Kopaar-System. Wir hatten es also mit einer ähnlichen Konstellation wie im Fall Alarna zu tun. Auch die Sonne dieses Planeten befand sich innerhalb einer 13,7 Lichtjahre durchmes senden Kugelschale aus 37 Sonnen, von de nen neun zu verschiedenen Zeitpunkten zur Supernova geworden waren. Es hatte den Anschein, als wäre das, was im Alarna-Sek tor geschehen war, mit dem vergleichbar, was sich rings um Kopaar ereignet hatte. Stunden vergingen, während wir den Flug in kurzen Etappen fortsetzten und die Instru mente der AMENSOON Daten sammelten, die von Kythara, Gorgh und Yvorton ausge wertet wurden. Schließlich durchstießen wir die imaginäre Trennschicht der Kugelschale in 118 Lichtjahren Entfernung von Kopaar. Doch im Gegensatz zu unserem Vorstoß nach Alarna bekamen wir es diesmal nicht mit Schwierigkeiten zu tun. Der Raum zwi schen den Pulsaren wies keinerlei Anomali en auf. Trotzdem achteten wir weiterhin das Ge bot der Vorsicht und schlichen uns etappen weise an unser Ziel heran. Die Instrumente der AMENSOON zeigten immer noch keine Raumschiffe der Garbyor oder ungewöhnli chen Werte an. Den letzten Zwischenstopp legten wir an einer roten Zwergsonne ein, der wir die Be zeichnung Kop-1 gaben. Sie war nur noch 3,8 Lichtjahre von Kopaar entfernt. Wir zo gen uns in das Magnetfeld des nahezu aus geglühten Sterns zurück, dessen Oberfläche nur wenige tausend Grad heiß war und der kaum noch über eine nennenswerte Korona verfügte. Dennoch waren die Emissionen stark genug, um uns vor einer Ortung durch feindliche Schiffe zu schützen. Kythara konzentrierte ihre Messungen nun auf das Kopaar-System. Der Stern war eine G8-Sonne mit nur drei Planeten, von denen Kopaar der äußerste war. Es handelte
43 sich um eine typische Sauerstoffwelt mit knapp 14.000 Kilometern Durchmessern, ei nem 26-Stunden-Tag und einer Schwerkraft von 1,09 g und zwei Monden. Für Arkoni den oder Terraner mussten dort also recht annehmbare Lebensbedingungen gelten. Wir hatten uns gerade darauf geeinigt, die letzte Etappe in Angriff zu nehmen, als un vermittelt das Chaos losbrach.
* Zuerst schrillten die Alarmsirenen, als die Instrumente die Vorboten der Katastrophe erfassten. Im nächsten Moment ging ein hef tiger Ruck durch die AMENSOON. Das war kein gutes Zeichen, da die Trägheitsabsorber des Varganenraumschiffs unter normalen Umständen jede Bewegung ausglichen. Dann trat der erste sichtbare Effekt ein, als Wellen durch die Holoprojektion der roten Zwergsonne zu laufen schienen. Die typischen Anzeichen eines schweren Raumbebens. Es war schlimm genug, im freien Welt raum von einer solchen Erschütterung des Raum-Zeit-Gefüges erwischt zu werden, aber in der Nähe einer größeren Masse wa ren die Auswirkungen unberechenbar. Kop 1 blähte sich auf und schien noch einmal zu neuem Leben zu erwachen. Grelle Über schlagblitze zuckten von der glühenden Oberfläche herauf und schlugen in den Schutzschirm der AMENSOON. Unter den unvorstellbaren mechanischen Belastungen wurde das Schiff wie in einem Sturm hin und her gerissen. Kythara hatte sofort den Notstart eingeleitet, um uns aus der Umlauf bahn um den Zwergstern zu bringen. Zwei mal setzten die Impulstriebwerke aus, doch langsam entfernten wir uns aus der unmittel baren Gefahrenzone. Die Varganin hatte gar nicht erst versucht, die gravomechanischen Emitter zu aktivieren, da ihre Wirkung ver mutlich von den Schwerkraftwellen des Raumbebens neutralisiert worden wäre – falls es nicht sogar zu einem zerstörerischen Aufschaukelungsprozess gekommen wäre.
44 Kop-1 hatte es anscheinend aufgegeben, mit Armen aus glühendem Plasma nach dem Schiff greifen zu wollen. Immer seltener schlugen Energieentladungen in unseren Schutzschirm. Gleichzeitig ließen die Er schütterungen nach, die den Raum wellen förmig verzerrten. Nach etwa dreieinhalb Minuten war der Spuk vorbei. Kythara arbeitete konzentriert an der Hauptkonsole in der Zentrale der AMEN SOON. »Eine ganze Reihe von Systemen sind ausgefallen«, meldete sie schließlich, »aber wir haben das Beben im Großen und Ganzen recht gut überstanden. Die Selbstreparatur mechanismen haben bereits die Arbeit auf genommen.« »Was hatte das zu bedeuten?«, fragte ich. »Schwer zu sagen … Auf jeden Fall war es kein gewöhnliches Raumbeben. Es hatte keinen lokalisierbaren Ursprung. Die Schwerkraftwellen haben sich nicht wie sonst von einem Zentrum ausgebreitet, son dern gleichmäßig den gesamten Raum aus gefüllt.« »Hast du eine Erklärung dafür?« »Ein solches Phänomen habe ich noch nie zuvor beobachtet«, sagte die Varganin. »Ich habe zwar eine Theorie, aber die möchte ich erst dann äußern, wenn mir weitere Daten vorliegen … Dürfte ich dich vielleicht bit ten, die Ortung zu übernehmen? Ich muss mich um ein Problem mit den Schutzschirm projektoren kümmern.« »Aber natürlich«, sagte ich und trat an die Konsole. Zunächst stellte ich fest, dass etwa die Hälfte der Sensoren ausgefallen war, doch die Selbstreparaturmechanismen waren auch hier am Werk. Ich blendete die Schadens meldungen aus und versuchte mir mit den aktiven Systemen einen Überblick über un sere Umgebung zu verschaffen. Wie es aussah, waren die Schäden doch größer, als ich gedacht hatte, denn die Reichweite der Sensoren war erheblich ein geschränkt. Sie waren blind für alles, was
Bernhard Kempen weiter als etwa zweihundert Lichtjahre ent fernt ablief. Erneut rief ich den Status ab. Inzwischen waren wieder 80 Prozent der Sensoren funk tionsfähig. Doch irgendetwas schien immer noch nicht in Ordnung zu sein, denn als ich ein weiteres Mal die Daten abrief, kamen immer noch keine Werte herein, bei denen eine größere Entfernung als 230 Lichtjahre angezeigt wurde. »Auch diese Systeme scheinen schwer be schädigt worden zu sein«, sagte ich zu Ky thara. »Wir müssen wohl noch eine Weile warten, bis die Reparaturen …« »Wie macht sich das Problem bemerk bar?«, fiel mir die Varganin ins Wort. »Die maximale Reichweite der Sensoren liegt bei 230 Lichtjahren«, erklärte ich, »offenbar sind sie …« »Was passiert, wenn du einen funktionie renden Sensor gezielt auf einen weiter ent fernten Punkt richtest?« Ich wählte eine beliebige Richtung und gab einen Wert von 300 Lichtjahren ein. »Nichts«, sagte ich. »Nur statisches Rau schen.« »Das würde meine Theorie bestätigen«, sagte Kythara mit besorgter Miene. »Hättest du jetzt vielleicht die Güte, sie uns zu erklären?«, fragte ich. Sie blickte sich zu den Cappins und dem Daorghor um. »Der Raumsektor, in dem wir uns befin den, wurde vom Rest des Standarduniver sums isoliert«, erklärte sie. »Vermutlich wurde er analog zum Mikrokosmos verklei nert, auch wenn wir das mit unseren Mitteln nicht feststellen können, da sich für uns nichts an den Relationen geändert hat.« Es dauerte eine Weile, bis wir den Schock verarbeitet und uns auf die neue Situation eingestellt hatten. Xarpatosch war der Erste, der die Idee zu einem möglichen praktischen Lösungsansatz hatte. »Könnten wir nicht versuchen, mit dem Überlichttriebwerk durch den Hyper raum zu entkommen?«, fragte er. »Das würde nur mit einer Art Umsetzer
Im Bann des Dunkelsterns Triebwerk funktionieren, das wir nicht besit zen«, sagte Kythara. »Mit einem herkömmlichen Überlicht triebwerk«, erklärte Yvorton etwas genauer, »kann man nicht beliebig in übergeordneten Dimensionen navigieren. Wir können uns nur ein kleines Stück vom Standardraum entfernen und in nächster Nähe der Raum krümmung bewegen. Wenn dies wirklich ein isoliertes Universum ist, besitzt es seine ei gene Hyperraumschicht – den verhältnismä ßig schmalen Bereich, den wir für die über lichtschnelle Fortbewegung nutzen.« »Was geschieht, wenn wir versuchen, die Barriere zu durchdringen?«, fragte ich. »Das dürfte aus verschiedenen denkbaren Gründen unmöglich sein«, sagte Kythara. »Es könnte eine ähnliche Wirkung wie am Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs eintreten … oder es gibt irgendeinen Absto ßungseffekt. Dieses Universum ist nicht in sich geschlossen, sonst gäbe es überhaupt keine Barriere. In diesem Fall würden wir, wenn wir geradeaus losfliegen, nach 460 Lichtjahren wieder unseren Ausgangspunkt erreichen – ähnlich wie jemand, der auf ei ner Planetenoberfläche immer stur in eine Richtung läuft. Die Barriere dient wahr scheinlich dazu, dieses Miniaturuniversum zu stabilisieren. Sonst würde es aufgrund des Strahlungsdrucks spontan expandieren.« »Heißt das, die Barriere wird künstlich er zeugt?« »Nicht nur die Barriere, sondern dieses ganze Universum«, sagte Kythara. »Wenn wir dieses Gefängnis verlassen wollen, müs sen wir nicht an der Grenze, sondern genau im Zentrum ansetzen.« »Kopaar.« »Es gibt zwei Möglichkeiten«, sagte Ky thara. »Entweder haben die Garbyor im Rahmen ihrer Experimente den Umsetzer zufällig zu einem Zeitpunkt aktiviert, als wir uns in der Nähe befanden …« »… oder sie haben uns gezielt in die Falle gelockt und sie genau zum richtigen Zeit punkt zuschnappen lassen«, führte ich die Überlegung zu Ende.
45 Als den Anwesenden die Konsequenzen klar wurden, richteten sich immer mehr Au genpaare auf Farangon.
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Es war Gorgh, der im folgenden Tumult ein Machtwort sprach und uns ermahnte, die Angelegenheit besonnen zu diskutieren. Vielleicht war es auch so, dass er sich als einziger Insektoider verpflichtet fühlte, im Streit zwischen zwei Humanoidengruppen zu vermitteln. »Ich möchte darauf hinweisen«, sagte er, »dass bislang nur Verdachtsmomente, aber keine eindeutigen Beweise vorgebracht wur den.« »Ich glaube nicht, dass wir aus purem Zu fall in ein Experiment der GarbyorWissenschaftler hineingeraten sind«, sagte ich. »Man hat uns einen Köder vorgesetzt, und wir haben ihn geschluckt.« »Was du glaubst, spielt keine Rolle«, er widerte Gorgh-12 gelassen. »Wir haben die Information erhalten, dass am KopaarUmsetzer gearbeitet wird. In letzter Zeit ha ben die Lordrichter ihre Bemühungen ver stärkt. Wir mussten mit dieser Möglichkeit rechnen. Also dürfen wir nicht grundsätzlich ausschließen, dass es keinen Zusammenhang zwischen unserem Hiersein und der Isolie rung dieses Raumsektors gibt.« Ich riss mich zusammen. »Gut«, sagte ich. »Dann möchte ich über die Möglichkeit und die hohe Wahrscheinlichkeit reden, dass es vielleicht doch kein Zufall ist.« »Selbst wenn wir in eine Falle gelockt wurden«, sagte Gorgh, »bedeutet das nicht zwangsläufig, dass der Agent der Cappins ein Verräter ist. Farangon könnte ohne sein Wissen enttarnt worden sein, worauf man ihm die Informationen über Kopaar bewusst zugespielt hat. Die Garbyor konnten sich ausrechnen, dass wir dieser Spur folgen würden.« »Solche Mutmaßungen tragen nicht dazu
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bei«, sagte Heroshan ernst, »das Vertrauen zwischen Gruelfin und der Milchstraße zu stärken.« Ihm war deutlich anzusehen, wie sehr er sich beherrschen musste, um seinen Protest nicht schärfer zu formulieren. »Wir sprechen nur über Möglichkeiten«, gab Gorgh zu bedenken. »Farangon könnte selbst der Verräter, aber könnte auch von den Lordrichtern benutzt worden sein. Und wenn wir schon über dieses Thema reden, dürfen wir auch nicht vergessen, dass wir schon seit längerer Zeit den Verdacht hegen, dass wir eine undichte Stelle an Bord haben – lange bevor Farangon zu uns gestoßen ist.« »Diese Überlegung ist nicht von der Hand zu weisen«, sagte Kythara. »Es war klar, dass wir uns irgendwann für einen der Um setzer interessieren würden, die über Ganta tryn verstreut sind. Wenn die Garbyor jeder zeit über unseren Aufenthaltsort informiert sind, mussten sie nur warten, bis wir in der Nähe von Kopaar oder einem anderen dieser Planeten auftauchen.« »Für meinen Geschmack sehr weit herge holt«, sagte ich, »aber ich bin bereit, auch diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen.« »Ich frage mich«, sagte Heroshan mit misstrauischem Zögern, »ob wir auf dieser Basis weiter zusammenarbeiten können.« »Da wir im gleichen Boot sitzen, schlage ich vor, dass wir weiterhin an einem Strang ziehen«, erwiderte ich. »Wir sollten unsere gemeinsamen Interessen im Auge behalten – und genau aus diesem Grund dürfen wir kei ne unangebrachte Rücksicht nehmen, falls sich irgendjemand unter uns als Verräter oder auch nur als Sicherheitsrisiko erweist.« »Im Augenblick können wir diese Fragen sowieso nicht klären«, sagte Gorgh. »Meine Empfehlung lautet …« Seine nächsten Worte waren nicht mehr zu verstehen, weil in diesem Moment wieder die Alarmsirenen der AMENSOON losgin gen.
*
Ortungsalarm! Ich eilte zurück an die Station. »Fünf Golfballraumer in Anflug!«, rief ich. Sie hatten uns wieder einmal aufgespürt. War die Strahlung des roten Zwergsterns zu schwach, um unsere Emissionen zu über decken, oder hatten sich die Garbyor am »Peilsender« orientiert, den irgendwer an Bord der AMENSOON mit sich herumzu tragen schien? Kythara hatte im nächsten Moment die Pi lotenkontrolle übernommen und den Not start eingeleitet. Das Schiff beschleunigte mit Höchstwerten, um die nötige Geschwin digkeit für den Eintritt in den Hyperraum zu erreichen. Die Garbyor feuerten mehrere Energie schüsse auf uns ab, die wirkungslos in den Schirmfeldern verpufften. Wollten sie uns wirklich vernichten, oder spielten sie nur mit uns? Die AMENSOON ging auf Überlicht. Das Triebwerk schien auch in diesem »fremden« Universum einwandfrei zu funktionieren. Was mich allerdings nicht sonderlich er staunte, da sich sämtliche Parameter im glei chen Maßstab verändert haben mussten. Selbst wenn das Varganenschiff nur noch einen »realen« Durchmesser von beispiels weise 84,8 Zentimetern haben sollte, musste auch die Energieleistung des im gleichen Faktor von eins zu tausend verkleinerten Triebwerks genügen, um uns in den Hyper raum dieses Mikrokosmos zu bringen. Auf meinen Anzeigen sah ich, dass Kythara einen Kurs gewählt hatte, der uns etwas über fünf Lichtjahre von Kopaar wegführte. Als wir aus dem Hyperraum fielen, wartete sie nicht ab, ob wir weiter verfolgt wurden, son dern wechselte die Richtung und setzte nach knapp zwei Sekunden zur nächsten Über lichtetappe an. Nach dem zweiten Austritt legte sie eine längere Pause ein. Ich starrte gebannt auf das Ortungsholo. Waren die Garbyor uns immer noch auf der Spur? Ich unterdrückte einen derben Fluch, als plötzlich fünf Refle
Im Bann des Dunkelsterns xe in der Darstellung auftauchten. Bevor ich meine Beobachtung melden konnte, hatte Kythara längst reagiert. Wie der ging sie auf Überlicht. Diesmal flog sie eine schnelle Serie von fünf Etappen. Die Richtung und die zurückgelegten Strecken wirkten auf den ersten Blick völlig wahllos. Doch nach dem fünften Sprung änderte sich die Umgebung, die das Ortungsholo zeigte, so unverhofft, dass ich vor Schreck den Atem anhielt. Wir waren genau in der Korona einer gel ben Sonne herausgekommen. Wieder einmal musste ich Kytharas Künsten als Pilotin Re spekt zollen. Mit dem letzten Sprung hatten wir eine Entfernung von knapp sieben Licht jahren zurückgelegt. Das bedeutete, dass ei ne Ungenauigkeit von nur einem Millionstel dazu hätte führen können, dass wir mitten in der Sonne gelandet wären. Die mehrere Mil lionen Grad heiße Fusionsglut hätte auch die AMENSOON nicht überstanden. Nachdem ich mich von diesem leichten Schock erholt hatte, konzentrierte ich mich wieder auf die Ortung. Nichts. Nicht einmal Planeten hatte diese Sonne aufzubieten. Nur eine Hand voll Kometen und ein paar tote Steinbrocken von wenigen Kilometern Durchmesser, die auf exzentri schen Bahnen dahintrudelten. Auch nach fünf Minuten hatte sich nichts an diesem Bild verändert. Wir blieben noch eine halbe Stunde in Bereitschaft, dann schaltete Kythara auf Au tomatik und erhob sich vom Pilotensitz. »Konnten wir sie abschütteln, oder haben sie es aufgegeben?«, fragte ich. »Schwer zu sagen«, erwiderte Kythara. »Aber mein Gefühl sagt mir, dass man uns bestenfalls eine kleine Atempause gewährt hat.«
* Die Cappins hatten darum gebeten, sich in einen Konferenzraum zurückziehen zu dür fen, um eine »geschlossene Lagebespre
47 chung« abzuhalten. Kythara versicherte He roshan, dass sie dort ungestört wären und keinen Lauschangriff von unserer Seite zu befürchten hätten. Der Miene des ganjasi schen Kommandanten war anzusehen, dass sein Argwohn keineswegs zerstreut war. »Ich frage mich, ob es eine gute Entschei dung war, die Cappins in unser Kollektiv einzubeziehen«, überlegte Gorgh-12 laut, nachdem wir unter uns waren. »Möglicherweise haben wir uns den Feind ins Nest geholt.« »Es sieht wirklich ganz danach aus, dass wir in die Falle gelockt wurden«, sagte ich. »Aber wir sind auch schon vorher in ähnli che Situationen geraten. Die Ganjasen sind wertvolle Verbündete im Kampf gegen die Lordrichter. Wir können sie nicht einfach durch die Luftschleuse stoßen oder in einem Beiboot aussetzen.« »Ich bin zuversichtlich, dass sie uns nicht in unüberwindliche Schwierigkeiten bringen werden«, sagte Kythara. »Wenn es tatsäch lich Probleme gibt, bin ich mit den Mitteln der AMENSOON in der Lage, sie auf einen Schlag auszuschalten.« »An Bord unseres Schiffes haben wir ein deutig den Heimvorteil«, sagte ich. Kythara warf mir einen abschätzenden Blick zu. »Ich würde gerne nachsehen, wie es Ka larthras geht«, sagte sie. »Begleitest du mich?« Ich stutzte nur einen winzigen Moment. »Wenn du darauf bestehst.« »Gorgh ist durchaus in der Lage, für eine Weile das Kommando zu übernehmen.« »Ihr könnt euch auf mich verlassen«, sag te der Daorghor. »Wenn es kritisch wird, werde ich euch unverzüglich rufen.« Wir traten in den Korridor außerhalb der Zentrale und machten uns auf den Weg zu Kalarthras' Quartier. »Wir müssen noch einen weiteren poten ziellen Verräter berücksichtigen, den wir bisher kaum in Betracht gezogen haben, Ar konide«, sagte sie, als wir außer Hörweite waren.
48 »Du meinst Gorgh.« »Erinnere dich an sein Todesimpuls-Implan tat, das desaktiviert wurde, weil die psioni sche Komponente einen störenden Einfluss auf die Psi-Quelle ausübte«, sagte sie. »Dadurch erhielt er zwar die geistige Frei heit, aber das Ding ist nach wie vor vorhan den. Es wäre durchaus möglich, dass die Garbyor es anmessen können.« »Hast du versucht, es mit unseren Mitteln zu orten?«, fragte ich. »Das Implantat gibt keine aktiven Impul se ab, auch keine nachweisbare Streuemissi on«, sagte sie. »Ich habe sogar Sonden aus geschleust und das Schiff von außen auf al len bekannten Frequenzen abgehorcht. Nichts.« »Aber irgendetwas muss durchsickern. Vielleicht haben die Garbyor Möglichkeiten, über die wir nicht verfügen.« »Auch deine Ritteraura lässt sich mit technischen Mitteln nicht messen«, sagte sie. »Da wir keine Beweise haben, müssen wir weiterhin mit allen Möglichkeiten rech nen.« »Und was ist mit Kalarthras?« Kythara warf mir nur stumm einen Blick zu, während sie darauf wartete, dass sich die Tür zum Quartier ihres Artgenossen und ehemaligen Liebhabers öffnete. »Wie geht es dir?«, fragte sie besorgt, nachdem sie eingetreten war. Kalarthras saß auf der Liege. Er machte den Eindruck, als hätte er sich beim Signal des Türmelders erhoben, es aber noch nicht gewagt, ganz aufzustehen. Er setzte zum Sprechen an, doch dann schien er es sich an ders zu überlegen und schüttelte den Kopf. »Nicht sehr gut«, sagte er schließlich. Of fenbar hatte er im letzten Moment beschlos sen, uns nichts vorzumachen, sondern die Wahrheit zu sagen. Ich wollte die Chance auf ein offenes Ge spräch nicht ungenutzt verstreichen lassen. »Wenn mich nicht alles täuscht«, sagte ich, »ist deine Haut wieder etwas dunkler geworden.« »Ich kann nicht abstreiten, dass dieses
Bernhard Kempen Phänomen in direktem Zusammenhang mit meinem Befinden steht.« »Ist dir inzwischen etwas eingefallen, was uns weiterhelfen könnte?«, fragte Kythara. »Immer noch nichts«, sagte er und ließ den Kopf hängen. »Die letzten fünfzigtau send Jahre in meinem Leben sind wie weg gewischt.« »Ist dir klar, dass es da auch einen Zu sammenhang mit einem anderen … dunklen Phänomen geben könnte?«, fragte ich. »Natürlich habe ich daran schon selber gedacht«, sagte er. »Mir ist auch bewusst, dass die Schwarze Substanz in meinem Blut der Grund sein könnte, warum die Garbyor uns immer wieder aufspüren.« »Genau darüber haben wir gerade gespro chen«, sagte Kythara. »Atlans Ritteraura oder sein Zellaktivatorchip, Gorghs To desimpuls-Implantat, das, was sich in dei nem Körper befindet, ein Verräter unter den Cappins … der Kreis der Verdächtigen wird eher größer als kleiner.« »Also sollten wir versuchen, ihn irgendwie einzugrenzen«, sagte ich nachdenklich. »Vielleicht können wir zwei Fliegen mit ei ner Klappe schlagen, wie meine terranischen Freunde in einer solchen Situation zu sagen pflegen.« »Was stellst du dir vor?«, erkundigte sich Kythara. »Mein Plan fußt darauf, dass wir hier oh nehin nicht ewig untätig herumsitzen soll ten«, sagte ich. »Es wird Zeit, dass wir sel ber aktiv werden …«
12. Atlan 14. bis 17. Juli 1225 NGZ Es war so weit. Die Vorbereitungen wa ren abgeschlossen, und Kalarthras, Offsha nor und ich waren an Bord des Kardenmo ghers gegangen. Das technische Allzweck system, das Raumschiff, Waffe und Univer salwerkzeug in einem war, hatte bei der Ausschaltung der Psi-Quelle in der Milch straße schwere Beschädigungen erlitten, war
Im Bann des Dunkelsterns inzwischen aber von den Selbstreparaturme chanismen weitgehend wiederhergestellt worden. Nach dem Aktivierungsbefehl hatte es wieder die Form eines doppelten Napfku chens mit vierundzwanzig Zacken angenom men – oder zweier kanellierter Kegelstümp fe, die an den breiteren Grundflächen zu sammengesetzt waren, um es etwas techni scher auszudrücken. Die Basisform des Kar denmoghers war ein 60 Meter langer Zylin der, doch er ließ sich auf unterschiedlichste Weise konfigurieren. In dieser Gestalt wies er eine Höhe von 35 und eine maximale Breite von 45 Metern auf. Ich ging noch einmal die letzten Einzel heiten mit Kythara durch, die zusammen mit allen anderen in der AMENSOON geblieben war. Wir hatten alles schon dreimal durch gesprochen – auch die Koordinaten der Son nen, die wir als mögliche Treffpunkte ausge wählt hatten – aber es gab nicht nur mir ein gutes Gefühl. Bei dieser Aktion mussten wir uns hun dertprozentig aufeinander verlassen können. Schließlich erhielt ich von ihr die Freiga be zum Ausschleusen. Das Gleißen der Ko rona von Kop-2 fiel in den Beiboothangar, als sich die Torhälften öffneten. Der Kar denmogher startete mit den gravomechani schen Emittern und schob sich durch das Schott hinaus in die Sonnenatmosphäre, die aus harter Strahlung und extrem beschleu nigten Partikeln bestand. Wir blieben im Orbit um Kop-2 zurück, während die AMENSOON im nächsten Mo ment senkrecht zur Sonnenoberfläche starte te. Nachdem das Schiff eine Geschwindig keit erreicht hatte, bei der es jederzeit auf Überlicht gehen konnte, ließ Kythara es ein fach weitertreiben, als wollte sie sich zu nächst einen Überblick über die Lage ver schaffen. Nun hieß es warten. Nach einer Minute war die Situation im mer noch unverändert. Kurz bevor die zweite Minute verstrichen war, kam das Signal der Ortung. Drei Golf ballraumschiffe waren in unmittelbarer Nähe
49 der Sonne aus dem Hyperraum gefallen. Kythara und ich reagierten gleichzeitig. Die Varganin startete durch und aktivierte das Überlichttriebwerk. Ich zündete das Impulstriebwerk und brachte den Kardenmogher auf einen Kurs, der ihn tiefer in die Sonnenatmosphäre ein tauchen ließ. Die AMENSOON verschwand aus unse rer Ortung – und kurz darauf auch die Golf ballraumer, die nicht zögerten, die Verfol gung aufzunehmen. Der Kardenmogher beschleunigte mit doppelter Kraft – mit dem Schub der Impul striebwerke und durch den nahen Vorbeiflug an der Sonne, der uns zusätzlichen Schwung verlieh. Als wir auf der gegenüberliegenden Seite von Kop-2 die Korona verließen, ging der Kardenmogher im freien Weltraum auf Überlicht. Jetzt konnten wir nur noch hoffen, dass unser Manöver gelungen war.
* Drei Tage waren vergangen. Mit einem Sprung hatten wir wie geplant Kop-3 er reicht, eine planetenlose orangefarbene Son ne, die nur noch 4,8 Lichtjahre von Kopaar entfernt war. Nachdem der Kardenmogher in die Korona eingetaucht war, hatten wir uns völlig still verhalten. Gelegentlich orteten wir Golfballschiffe, die offenbar systema tisch die Sonnen in der näheren Umgebung absuchten. Am dritten Tag tauchten sie eine halbe Lichtstunde von uns entfernt auf. Gespannt wartete ich ab und war bereit, im Bruchteil einer Sekunde mit dem Kar denmogher auf Fluchtkurs zu gehen. Die Schiffe trieben dahin und machten keine Anstalten, direkten Kurs auf die Sonne zu nehmen. Nach einer knappen Viertelstunde be schleunigten sie und verschwanden im Hyperraum. Ich stieß die angehaltene Luft aus.
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»Kytharas vermeintlicher Ausbruchsversuch scheint erfolgreich gewesen zu sein«, fasste ich die Lage zusammen. »Nicht zwangsläufig«, gab Heroshan zu bedenken. »Es fragt sich, wonach diese Pa trouillen suchen. Entweder nach der AMEN SOON, weil es Kythara gelungen ist, die Verfolger abzuschütteln …« »Oder?«, drängte ich. »Oder nach dem Kardenmogher.« »Aber sie haben …« »Es wäre denkbar, dass sie unseren Aus bruchsversuch geortet, dann aber unsere Spur verloren haben.« »Was darauf hindeuten würde, dass sich die undichte Stelle an Bord der AMEN SOON befindet.« »Auch das ist keine zwangsläufige Schlussfolgerung«, sagte Heroshan. »Vielleicht spielen sie nur mit uns … wollen uns in Sicherheit wiegen.« »Es passt nicht zu ihnen, dass sie uns drei Tage lang in Ruhe lassen, nachdem sie vor her jede sich bietende Gelegenheit zum An griff genutzt haben.« »Vielleicht wollen sie uns nur aus der Re serve locken.« »Wenn sie uns erledigen wollen, ist es doch egal, ob sie uns hier in der Korona von Kop-3 oder im freien Weltraum stellen«, wandte ich ein. »Vielleicht gibt es auch dafür einen Grund …« »Es reicht«, schnitt ich ihm das Wort ab. »Diese Spekulationen bringen uns nicht wei ter. Es wird Zeit, dass wir in Aktion treten.« »Zumindest in diesem Punkt will ich dir nicht widersprechen«, sagte Heroshan.
* Der Kardenmogher hatte ausgiebig die Energie der Sonne abgezapft und seine Spei cher gefüllt. Die Schutzschirme und die aus gefeilte varganische Tarntechnik waren zu hundert Prozent einsatzbereit, sodass eigent lich nichts schief gehen durfte. Nachdem ich mit Heroshan und Kalarthras noch einmal
unser Vorgehen besprochen hatte, konnte es endlich losgehen. Wir verließen die Korona von Kop-3 und aktivierten sofort das Überlichttriebwerk. Wir hatten beschlossen, dass es keinen Sinn hatte, abzuwarten, ob die Garbyor uns au ßerhalb des Ortungsschutzes entdecken wür den. Ein direkter Vorstoß hatte immerhin ei ne gewisse Aussicht auf Erfolg. Wenn wir in ein Katz-und-Maus-Spiel verwickelt wur den, konnte es genauso gut im Kopaar-Sy stem geschehen. Als wir aus dem Hyperraum fielen, wun derte es mich nicht, dass die Ortung im nächsten Moment Alarm gab. In der Nähe von Kopaar musste es von Garbyor-Schiffen wimmeln. Wir befanden uns weit außerhalb der Umlaufbahn des dritten und äußersten Planeten der G8-Sonne. Zumindest in unmit telbarer Nähe waren keine Einheiten zu or ten, die den Kardenmogher bemerkt haben konnten. Da uns keine direkte Gefahr drohte, kon zentrierte ich mich auf die Daten, die über den Planeten hereinkamen. Das auffälligste Detail war ein Punkt in der Nähe des Äqua tors, der eine geradezu unglaubliche Ener giesignatur aufwies. In der visuellen Ortung entpuppte sich das Ganze als gigantischer Anlagenkomplex von 200 Kilometern Durchmesser. Das entsprach den Ausmaßen einer Mega-Metropole wie Terrania, nur dass sie ausschließlich aus technischen An lagen bestand. Der Kardenmogher ortete große Mengen von Schwarzer Substanz, doch selbst diese Werte wurden fast von den gewaltigen Ener gieausstößen überdeckt, die permanent frei gesetzt wurden. Hinzu kamen schwere Strukturerschütterungen, die keinen Zweifel daran ließen, dass Kopaar der Standort eines Umsetzers war, den die Garbyor in prakti schen Feldversuchen testeten. »Zu schade, dass wir keine Arkonbombe an Bord haben«, murmelte ich halblaut. »Ich habe von dieser furchtbaren Waffe gehört«, sagte der ganjasische Kommandant. »Wenn wir den Planeten einfach vernichten,
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können wir unseren Plan vergessen, den Umsetzer als Hintertür zur Anaksa-Station zu benutzen.« »Ich bezweifle, dass wir von Kopaar ir gendwohin gelangen können, solange wir uns in einem Miniaturuniversum befinden«, sagte ich. »Ich muss Atlan zum Teil Recht geben«, sagte Kalarthras. »Selbst wenn wir den Um setzer für einen Transfer benutzen können, besteht die Gefahr, dass wir unsere räumli che Kontraktion beibehalten.« »Du meinst, wir würden auf der anderen Seite als millimetergroße Winzlinge heraus kommen?« »Diese Möglichkeit dürfen wir nicht au ßer Acht lassen.« »Also ist es unsere Hauptaufgabe, dafür zu sorgen, dass wieder geordnete Verhältnis se einkehren«, sagte ich. »Wenn wir ins Standarduniversum zurückkehren wollen, müssen wir den Umsetzer vernichten. Mit den Mitteln des Kardenmoghers dürfte das kein Problem sein.« »Vielleicht genügt es schon, die Energie
zufuhr zu stören«, sagte Kalarthras. »Die ideale Lösung wäre natürlich, ihn geregelt abzuschalten. Wenn er in einer unkontrol lierten Explosion vernichtet wird, könnte es zu unberechenbaren Folgen …« Weiter kam er nicht, weil in diesem Mo ment die Ortung Alarm schlug. Drei Golf ballraumer hatten den Orbit um Kopaar ver lassen und mit Höchstwerten beschleunigt. Sie verschwanden aus der Ortung und tauch ten einen Sekundenbruchteil später wieder auf. Mit einem kurzen Sprung durch den Hyperraum hatten sie die Entfernung von knapp zwei Lichtstunden überwunden. Sofort eröffneten sie das Feuer auf den Kardenmogher. Mit einem wüsten Fluch aktivierte ich das Überlichttriebwerk, als mit einem Schlag meine ganze sorgfältige Planung hinfällig geworden war. ENDE
ENDE
Vorstoß nach Kopaar von Arndt Ellmer Die AMENSOON ist in einem Mikrokosmos gefangen – die Falle des Erzherzogs ist zuge schnappt, der Arkonide wird von den Truppen des Feindes gehetzt und letztlich auch gestellt. Doch rechnen die Garbyor auch mit den nahezu ultimativen Kräften des Kardenmoghers? Atlan jedenfalls glaubt nach wie vor daran, dass sie der Falle entkommen können, und be ginnt den Gegenangriff: Er wagt den VORSTOSS NACH KOPAAR