Hetzjagd auf ein Nummerngirl Ein neuer Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges
„Ein äußerst a...
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Hetzjagd auf ein Nummerngirl Ein neuer Butler-Parker-Krimi mit Hochspannung und Humor von Günter Dönges
„Ein äußerst angenehmer und reizvoller Anblick“, stellte Butler Parker wohlwollend fest und musterte eingehend das schlanke und biegsame Girl, das gerade über die Bühne tänzelte und die nächste Artistennummer ankündigte. Dieses Nummerngirl war groß, schlank und gehörte eigentlich auf das Titelblatt einer exklusiven Modezeitschrift. Parker nahm sich die Freiheit und beugte sich ein wenig vor, um das Mädchen eingehender zu betrachten. Es trug einen knappen, einteiligen Badeanzug aus grüner Seide, der mit Flitter zu einer Art Kostüm hergerichtet war. Das Haar des jungen Mädchens, das etwa fünfundzwanzig Jahre zählte, war tizianrot, die Wangenknochen standen hoch, und die Augen erinnerten in ihrem schrägen Schnitt an die einer rassigen Katze. Von dieser Frau ging ein exotischer Hauch aus, dem sich keiner der vielen Zuschauer in der großen Musichall entziehen konnte. Aufrauschender Beifall war der Lohn für das Nummerngirl, das jetzt seitlich hinter der Bühne verschwand. Dieser Applaus dauerte erstaunlich lange und wurde unterstützt von den schwarz behandschuhten Händen des Butlers. „Mäßigen Sie sich, Mister Parker“, mahnte Agatha Simpson, die zusammen mit ihrem Butler an einem kleinen Tisch in einer Seitenloge saß. „Reißen Sie sich gefälligst zusammen, Sie sind doch kein Jüngling mehr!“
Josuah Parker war immerhin ein gesetzter Mann unbestimmbaren Alters, von dem viel Würde und Gemessenheit ausging. Sein glattes Pokergesicht verriet nur in seltenen Fällen eine Andeutung von Gemütserregung. Er war ein Mann, der sich meistens unter Kontrolle hatte, trug einen schwarzen Zweireiher, der ein wenig altertümlich zugeschnitten war, schwarze Schuhe derber Qualität, einen steifen Eckkragen und eine schwarze Krawatte. Selbst seinen obligaten Universal-Regenschirm hatte er nicht an der Garderobe abgegeben. Dieses vielseitige Schutzgerät mit dem ausgeprägten Bambusgriff stand an der Logenbrüstung, auf der Parkers schwarze Melone deponiert war. Josuah Parker war rein äußerlich ein Butler, wie er eigentlich nur noch im Film zu sehen ist. Nicht weniger interessant sah Lady Agatha aus. Sie war etwa sechzig Jahre — über ihr genaues Alter sprach sie nicht gern —, hochgewachsen und durchaus vollschlank. Sie besaß ein volles Gesicht, ein sehr energisches Kinn, das ihrem Wesen entsprach, und eine Adlernase.
Beherrschend in diesem Gesicht waren die dunklen, stets etwas funkelnden Augen, die sehr abweisend wirken konnten. Ihre majestätische Gestalt, die auf strammen Beinen stand, war meist bedeckt von unmöglich aussehenden Kostümen aus derbem Tweed. Ihre Füße bewegten stets ausgetretene, alte Schuhe. Auf Myladys weißem Haar saßen unmöglich aussehende Hüte, die an Südwester erinnerten, an ihrem Handgelenk baumelte ein Pompadour mit seltsamem Inhalt. Dieser Inhalt war ein echtes Hufeisen, um das sie aus Gründen der Humanität allerdings stets ein leichtes Taschentuch zu wickeln pflegte. Eine schrecklichere und wirkungsvollere Waffe konnte man sich kaum vorstellen. Neckischerweise pflegte’ Myladys dieses Hufeisen ihren Glücksbringer zu nennen. Agatha Simpson war immens reich, kümmerte sich aber kaum um ihr Vermögen und um die Stiftungen. Ein ausgeklügeltes System von Kontrollen hinderte ihre Verwalter daran, dieses Vermögen zu mindern oder gar zu gefährden. Die Lady, die mit dem Geldadel der britischen Krone verschwistert und verschwägert war, konnte damenhaft wie eine Herzogin und ordinär wie ein Fischerweib aus Hull sein. Sie hielt sich für sportlich und handelte dementsprechend recht kühl. Da Agatha Simpson ein wenig kurzsichtig war, übersah sie meist die Gefahren, die am laufenden Band ihren Weg kreuzten. Was ihr überhaupt nichts ausmachte, denn sie liebte das Abenteuer in seiner vielfältigen Form. Seitdem Parker in ihren Diensten stand, fühlte. Mylady sich außerordentlich wohl. Dieses seltsame Zweigespann wirkte auf Kriminal- und Spionagefälle wie ein
Magnet auf Eisenfeilspäne. Sie mochten sich noch so sehr zurückhalten, im Endeffekt wurden sie immer wieder mit haarsträubenden Abenteuern konfrontiert, nahmen diese Herausforderungen allerdings auch immer willig an. Agatha Simpson und Josuah Parker sahen sich das recht durchschnittliche Variete-Programm an. Einziger Lichtblick war die langbeinige, biegsame Frau, die als Nummerngirl fungierte. Das fanden auch die übrigen Zuschauer, fast ausschließlich handfeste Männer. Sie gerieten jedesmal aus dem Häuschen, wenn die Frau auf der Bühne erschien. Nur langsam ebbte der rauschende Beifall ab, der eindeutig ihr gegolten hatte. Auf der Bühne erschien eine Soubrette, die schon angejahrt wirkte. Sie sang mit eindeutig zu schriller Stimme von ihrer Liebe zum flachen Land und sehnte sich erstaunlicherweise danach, ein einfaches Leben in den Highlands von Schottland zu führen, wogegen ihre Zuhörer ohne Ausnahme nichts einzuwenden hatten. In der zweiten Strophe, die sie leichtsinnigerweise ebenfalls noch sang, fragte sie sich bewegt, warum sie dieses Leben nicht lebte, wo doch Schafe, Ziegen und Kühe auf sie warteten. Einer der aufmerksamen Zuhörer rief daraufhin laut dazwischen, es bestünde dann wohl die. Gefahr, die Milch dieser glücklich gepriesenen Kühe könne sauer werden. Die allgemeine Zustimmung war im Grund wenig vornehm. Die Zuhörer forderten sie fast einmütig auf, möglichst schnell in die Highlands zu fahren und waren bereit, ihr eine Fahrkarte zu spenden. Das nahm die Soubrette übel und, verließ schleunigst die Bühne.
Ob sie tatsächlich sofort abreisen wollte, war nicht zu ermitteln. Lady Agatha Simpson lachte wie ein Fuhrknecht und wischte sich die Freudentränen aus den Augenwinkeln. Sie amüsierte sich köstlich. Butler Parker gestattete sich sogar, andeutungsweise zu schmunzeln, ein sicheres Zeichen, daß auch er eine gewisse Fröhlichkeit verspürte. Leider wurde die wohltuende Freude sämtlicher Zuhörer empfindlich gestört, als hinter den Kulissen ein Schuß fiel, dem unmittelbar darauf ein spitzer Schrei folgte. * „Sie wird sich doch nicht umgebracht haben, Mister Parker?“ erkundigte sich Lady Agatha hoffnungsfroh bei ihrem Butler. Ihre dunklen Augen funkelten äußerst animiert. „Ich fürchte, Mylady enttäuschen zu müssen“, gab Parker gemessen und ungemein höflich zurück. „Die Sängerin machte auf meine bescheidene Wenigkeit einen recht robusten Eindruck.“ „Schauen Sie wenigstens mal nach, Mister Parker“, bat Lady Agatha energisch. „Man soll nie die Hoffnung aufgeben.“ „Wie Mylady wünschen.“ Parker erhob sich, deutete eine steife, korrekte Verbeugung an, setzte sich die steife Melone auf und griff nach seinem Universal-Regenschirm. Dann entfernte er sich ohne jede Hast aus der Loge. Lady Agatha beugte sich über die Brüstung der Loge und beobachtete angeregt das Durcheinander unten im Parkett. Die Gäste riefen und schrien durcheinander, rannten aufgeschreckt
herum und stürmten entschlossen die Bühne. Möglicherweise rechneten sie wirklich mit dem Selbstmord der Soubrette, vielleicht fürchteten sie aber auch nur um das Leben des langbeinigen Nummerngirls. Es waren handfeste Männer, die fast durchweg zu jener internationalen Gesellschaft gehörten, die draußen im Atlantik nach Öl bohrte. Als plötzlich das Licht in der Musichall erlosch, war das Tohuwabohu perfekt. Lady Agatha lehnte sich zufrieden zurück und genoß das erfreuliche Treiben. Mit dem’ ihr eigenen Instinkt witterte sie Komplikationen, ja, sogar einen interessanten Fall. Schließlich war sie zusammen mit ihrem Butler nicht’ grundlos hierher an die schottische Ostküste gekommen, um in dem Ferienort Montrose südlich von Aberdeen Quartier zu nehmen. Gewisse Kreise hatten sie und den Butler wieder mal gebeten, sich helfend einzuschalten. Der Startschuß dazu schien eben erst gefallen zu sein. Obwohl es stockfinster im Saal war und die Notbeleuchtung aus unerfindlichen Gründen nicht brannte, obwohl der Lärm riesengroß war, merkte die alte, streitbare Lady plötzlich, daß sie nicht mehr allein in der kleinen Loge war. Irgendwer mußte sich hereingestohlen haben. Lady Agatha reagierte augenblicklich und sehr konsequent. Sie versetzte ihren Pompadour am Handgelenk in wirbelnde Bewegung und — stieß mit dem darin befindlichen Glücksbringer auf ein Hindernis. Ein häßliches Knirschen war zu hören, dann ein unterdrücktes Stöhnen und schließlich ein dumpfer Fall. „Mister Parker?“ fragte Agatha Simpson sicherheitshalber. Als die Antwort ausblieb, in diesem Augenblick aber auch
die Notbeleuchtung eingeschaltet wurde, entdeckte sie zu ihrer Erleichterung, daß sie ihren Butler nicht außer Gefecht gesetzt hatte. Zu ihren Füßen lag ein untersetzter, massiv aussehender Mann von etwa vierzig Jahren, der eine hüftlange, schwarze Lederweste trug. Seine Jeans steckten in Gummistiefeln, die brandneu aussahen. In der leicht geöffneten Hand dieses Mannes befand sich ein ansehnlicher Schraubenschlüssel, um den ein Fetzen Schaumstoff gewickelt war. Lady Simpson hätte selbst einen Taschendieb beschämt, so schnell durchsuchte sie die Taschen dieses Mannes, barg, was sie fand, im Pompadour, richtete sich auf und stieß dann einen Schrei des Entsetzens aus, der die Notbeleuchtung wieder verlöschen ließ. * „Eine beschämend magere Ausbeute, Mister Parker“, stellte Lady Agatha eine knappe Stunde später fest. Sie befand sich zusammen mit ihrem Butler im „St. Cyrus“, einem kleinen, angenehmen Hotel am Stadtrand von Montrose. Der Butler hatte sie in ihre Zimmerfluchthinaufgeleitet und sah sich jetzt die Gegenstände an, die seine Herrin erbeutet hatte. „Wenn Mylady gestatten, möchte ich widersprechen“, antwortete Josuah Parker und sortierte die Gegenstände, „aus dem Lohnzettel geht hervor, daß der ungebetene Besucher von Myladys Loge ein gewisser Dan Mulligan ist, der für die ,Battersea Oil Company’ arbeitet, und zwar als Vormann, wie hier zu ersehen ist.“
„Was besagt das schon?“ ärgerte sich die streitbare Dame. „Ich bereue es jetzt, daß ich dieses Subjekt nicht mitgeschleppt habe.“ „Diesem Unterfangen hätten sich mit Sicherheit einige Schwierigkeiten entgegengestellt“, behauptete der Butler gemessen, „besagter Dan Mulligan wird sich jederzeit finden lassen.“ „Wollte er mich wohl umbringen?“ Lady Simpson deutete auf das Klappmesser, das sie ebenfalls in den Taschen des Mannes gefunden hatte. „Man. wird Mister Mulligan bei Gelegenheit danach fragen müssen, Mylady.“ „Ich freue mich schon jetzt, darauf.“ Lady Simpsons Augen funkelten animiert. „Dieses Subjekt ist von mir doch viel zu sanft behandelt worden.“ . „Möglicherweise dürfte Mister Mulligan darüber erheblich anderer Ansicht sein, Mylady“, gab der Butler zurück, der den Glücksbringer natürlich kannte. Während er noch redete, nahm er drei Ansichtspostkarten hoch. „Ein erstaunlich schreibfreudiger Vorarbeiter.“ „Drei verschiedene Adressen,’ aber alle in London“, sagte Lady Simpson, die die Postkarten bereits kannte. „Dieser Lümmel teilt den Empfängern mit, daß es ihm gutgeht. Seine nächste Ansichtskarte wird nicht mehr so optimistisch klingen, hoffe ich wenigstens.“ Josuah Parker überflog die wenigen Zeilen auf den drei Postkarten, die nichtssagend klangen und dem üblichen Text auf Ansichtskarten entsprachen. Dennoch fertigte Parker sich gewissenhaft Kopien dieser knappen Texte an und notierte sich auch die Anschriften. Kleinigkeiten, das hatte ihn die Erfahrung
gelehrt, waren oft wichtiger als lautstarke Ereignisse. „Mister Mulligan scheint ein eifriger Besucher der Musichall zu sein“, stellte der Butler fest und zeigte seiner Herrin ein halbes Dutzend abgerissener Eintrittskarten. „Mister Mulligan scheint in der vergangenen Woche jeden Abend Gast der Vorstellung gewesen zu sein.“ „Was folgern Sie daraus?“ Lady Simpson sah ihren Butler erwartungsvoll an. „Er dürfte ein Liebhaber des Varietes sein, Mylady.“ „Sie haben eben keine Phantasie, Mister Parker“, tadelte sie prompt, „ich als Schriftstellerin und Künstlerin sehe das ganz anders.“ „Mylady haben bereits eine- bestimmte.; Theorie?“. Parker wußte nur zu gut um das neue Hobby der Agatha Simpson. Sie hatte es sich in“ den Kopf gesetzt, eine gewisse Agatha Christie in den Schatten zu stellen. Mylady arbeitete an ihrem ersten Kriminalroman, der die Fachwelt in Erstaunen und Entzücken zugleich versetzen sollte. Sie arbeitete daran schon seit einigen Monaten und gab sich noch den unbedingt notwendigen Vorstudien hin. Seit dieser Zeit entwickelte die Detektivin am laufenden Band Themen und Theorien. Ihr Erfindungsreichtum in dieser Hinsicht war mehr als erstaunlich. Selbst Butler Parker war kaum noch in der Lage, den Gedankensprüngen der streitbaren Lady nachzukommen. „Natürlich habe ich eine bestimmte Theorie“, gab die Sechzigjährige also zurück, „da das Programm bis auf das Nummerngirl miserabel ist, hat er sich entweder in dieses Nummerngirl verliebt,
oder aber er hat einen anderen Grund, den wir noch herausfinden müssen.“ „Sehr überzeugend, Mylady“, erwiderte der Butler, ohne eine Miene zu verziehen. „Was ist denn das?“ fragte Agatha Simpson und wechselte das Thema, als sie auf einen billig aussehenden Ring stieß, den ihr Butler aussortiert hatte. „Ist das nicht geradezu geschmacklos? Wie kann man nur solch einen Glasstein mit sich herumschleppen?“ Parker hielt den Ring mit dem einfachgefaßten Glasstein prüfend gegen das Licht. „Ich möchte nicht unbedingt widersprechen“, sagte er dann in seiner unnachahmlich höflichen Art, „aber Mylady irren möglicherweise.“ „Wieso?“ „Dieser angebliche Glasstein, Mylady, ist ein Diamant!“ „Ausgeschlossen, Mister Parker!“ Sie sah ihn und dann den Stein verächtlich an. „Ich weiß doch schließlich, was Qualität ist!“ „Gewiß, Mylady.“ Parker verzichtete auf lange Erklärungen, ging zum Fenster und ließ die Kante des großen Steins über das Glas gleiten. Es knirschte sanft, während ein deutlich sichtbarer Kratzer zurückblieb. „Lassen Sie dieses impertinente Grinsen“, hauchte Mylady ihren Butler daraufhin an, obwohl Parker nun wirklich keinen Muskel im Gesicht verzogen hatte. „Ausnahmsweise haben Sie mal das große Los gezogen. Wie kommt solch ein Subjekt an solch einen teuren Stein, der wenigstens einen halben Karat schwer ist?“ „Darauf vermag ich im Moment nicht zu antworten“, gestand Josuah Parker, „aber lange wird man wohl nicht warten
müssen, bis besagter Mister Mulligan versuchen wird, sich den Stein wieder zurückzuholen. Eine gewisse Vorsicht, für den Rest der Nacht dürfte demnach angeraten sein.“ „Sie machen mir Hoffnung“, freute sich die ältere Dame und sah in diesem Augenblick sehr grimmig aus. „Ich hoffe, daß er mich nicht enttäuscht!“ * Das langbeinige Nummerngirl befand sich in seiner sehr kleinen Garderobe und benahm sich recht eigenartig. Die junge fünfundzwanzigjährige Frau hatte sich das mehr als knappe Kostüm abgestreift und schlüpfte gerade in einen dünnen Schminkkittel. Sie huschte zur Tür, lauschte nach draußen und lief dann zu der winzigen Dusche, in der ein Hocker stand. Sie stieg auf diesen Hocker, stellte sich auf die Zehenspitzen und schob ihren Kopf an das Entlüftungsgitter heran, das total verrostet war. Stimmen waren mehr als deutlich zu hören. Sie gehörten einer Frau und einem Mann. „Nun hab’ dich bloß nicht so“, sagte die Frau verächtlich. „Warum sollte der Schuß ausgerechnet dir gegolten haben?“ „Das Ding pfiff haarscharf an mir vorbei.“ „Einbildung.“ „Ich habe doch deutlich den Luftzug gespürt. Ein paar Zentimeter näher, und ich wäre draufgegangen, Lana.“ „Daß du immer alles dramatisieren mußt, Herbert“, erregte sich die Frau, die Lana hieß, „du hast nur Angst, das ist es!“ „Und ob ich Angst habe! Wir hätten uns nie darauf einlassen sollen, Lana. Ich hab’
das Gefühl, daß man uns bereits durchschaut hat.“ „Wer denn?“ „Na, die Gegenseite, Lana. Du weißt doch auch, daß hier mit verdammt harten Bandagen gekämpft wird.“ „Dafür verdienen wir auch nicht schlecht. Soviel Geld haben wir noch nie so schnell gemacht.“ „Laß uns verschwinden, Lana, noch könnten wir es schaffen!“ „Ausgeschlossen, Herbert, den Schnitt hier lasse ich mir nicht entgehen.“ Das Nummerngirl hätte liebend gern weiter zugehört, doch es hatte die ganze Zeit über die Tür zur kleinen Garderobe nicht aus den Augen gelassen. Es sah jetzt, wie der Türknauf vorsichtig bewegt wurde. Ein ungebetener Besucher schien hereinkommen zu wollen, heimlich und verstohlen. Das Nummerngirl reagierte augenblicklich und sehr geschickt. Viel Zeit stand der jungen Frau nicht mehr zur Verfügung. Sie streifte sich blitzschnell den dünnen Schminkmantel vom Körper, schob den Hocker vor die Dusche und sorgte dafür daß der Plastikvorhang nicht völlig geschlossen war. Dann wandte sie der Tür ihre nackte Kehrseite zu und hantierte an beiden Wasserhähnen. . In die Garderobe schob sich ein untersetzter, dicklicher Mann von etwa fünfzig Jahren, der einen abgetragenen Smoking trüg. Vorsichtig schob er die Tür hinter sich ins Schloß und blieb dann stehen. Aus gierigen Augen beobachtete er das Nummerngirl, das unter dem herabströmenden Duschwasser stand und sich einseifte. Das Nummerngirl besaß die Erfahrung einer Stripperin.
Da sie wußte, daß sie beobachtet wurde, gönnte sie diesem Beobachter natürlich nicht die Einblicke, die der Mann erwartete, doch sie sorgte auf der anderen Seite dafür, daß er durchaus auf seine Kosten kam. Der Mann im Smoking fuhr mit dem Zeigefinger in den zu eng gewordenen Hemdkragen und stahl sich vorsichtig näher an die Dusche heran. Sein feistes Gesicht war gerötet. Die nackte Frau sah aber auch wirklich zu aufreizend aus. Die schmalen Schultern gingen über in schlanke Hüften und dann in lange Beine. Die junge Frau drehte sich plötzlich wie unbeabsichtigt ein wenig zur Seite und ließ ihre festen Brüste sehen, die von einem BikiniOberteil aus Seifenschaum gehalten wurden. Erst jetzt tat die junge Frau so, als habe sie den Eindringling bemerkt. Sie stieß einen leisen Schrei der Überraschung aus und wußte im Moment augenscheinlich nicht, was sie machen sollte, raffte dann den Plastikvorhang an sich und wickelte sich darin ein. Da dieser Vorhang fast durchsichtig war und ihr Körper naß, bot dieser Vorhang überhaupt keinen Sichtschutz. Die aufreizenden Linien ihres Körpers waren jetzt vielleicht noch deutlicher und plastischer zu sehen als wenige Sekunden vorher. „Mister Kelson!“ Die junge Frau wickelte sich noch enger in den Vorhang. „Nur keine Aufregung.“ Ernie Kelson, der Besitzer’ der Music-hall, bemühte sich um Selbstverständlichkeit. „Die Polizei möchte auch Sie noch vernehmen. Das wollt’ ich Ihnen nur gesagt haben.“ „Aber... Aber es ist doch nichts passiert“, wunderte sich das Nummerngirl.
„Wenn schon, aber es ist immerhin geschossen worden“, erklärte Ernie Kelson und ließ sich in dem einzigen Sessel nieder, der in der Garderobe war und vor dem Schminkspiegel stand. Er ließ sie nicht aus den Augen und konnte nicht verbergen, wie sehr er fasziniert war. Als Besitzer dieser Music-hall hatte er selbstverständlich schon ganze Legionen von gut aussehenden und auch willigen Frauen gesehen, doch dieses neu engagierte Nummerngirl übertraf alles, was in der Vergangenheit seinen Weg gekreuzt hatte. Sie war frisch, unverbraucht und wirkte stets ein wenigscheu. Dadurch forderte sie ihn nur noch mehr heraus. Ganz abgesehen mal von ihrer Figur, die von tierhafter Geschmeidigkeit und Unschuld war. Ernie Kelson hatte sie vor zwei Wochen sofort engagiert und sich gehütet, zu viele Fragen zu stellen. Solch eine Frau ließ er sich nicht entgehen. Er wollte sie so schnell wie möglich fest an sich binden, zumal sein Kompagnon Besitzansprüche angemeldet hatte. „Könnten Sie mir den Schminkmantel reichen?“ bat das Nummerngirl, das verlegen wirkte. „Auf wen ist eigentlich geschossen worden?“ „Keine Ahnung“, antwortete Kelson achselzuckend, ohne sich um den Schminkmantel zu kümmern. „Sie haben nichts beobachtet?“ „Nichts“, gab das Nummerngirl zurück und streckte seine Hand bittend nach dem dünnen Mantel aus, der auf dem Hocker lag. „Mister Kelson, können Sie mir jetzt den Kittel geben?“ Ernie Kelson erhob sich, nahm den dünnen, kittelähnlichen Mantel auf und schritt langsam, fast ein wenig lauernd auf
die Duschkabine zu und lächelte verkniffen. So nahe war er ihr noch nie gewesen, die Gelegenheit war günstig. Er riß sich zusammen, um nicht aus der Kontrolle zu geraten. „Wollen Sie ewig als Nummerngirl arbeiten?“ fragte er, ohne ihr den Kittel zu überreichen. „Bestimmt nicht“, antwortete das nackte Mädchen hinter dem fast durchsichtigen Plastikvorhang und lächelte. „Haben Sie etwa einen anderen Job für mich? „ „Wir sollten uns darüber mal ausführlich unterhalten“, schlug er vor, als habe er genau das richtige Stichwort erhalten. Und um zu testen, ob sie auch tatsächlich unterhaltungswillig war, warf er sich nach vorn und wollte sie an sich reißen. Das Nummerngirl schien das geahnt zu haben. Es wich geschickt zur Seite aus. Ernie Kelson griff ins Leere und verwickelte sich im Plastikvorhang, den das Nummerngirl ihm entgegengeworfen hatte. Kelson schlug um sich, wollte den lästigen Vorhang loswerden und geriet immer weiter an den Brausekopf der Dusche. Das Nummerngirl genierte sich nicht, die Dusche aufzudrehen, um den Besitzer der Music-hall abzukühlen. Rauschend schoß das Wasser auf den dicklichen Mann, der überrascht aufkeuchte und sichtlich fror. „Sehr schön“, hörte das Nummerngirl in diesem Moment hinter sich, dann folgte ein amüsiertes Auflachen. Das nackte junge Mädchen griff hastig nach einem Handtuch, das auf dem Rand des Waschbecken lag, und versuchte sich damit notdürftig zu bedecken. Sie sah sich einem Mann gegenüber, den sie hinter der Bühne noch nie gesehen
hatte. Er mochte etwa vierzig Jahre alt sein, war groß und schlank und hielt einen kurzläufigen Revolver in der Hand, dessen Mündung auf das Nummerngirl gerichtet war. * „Erzählen Sie weiter, Kindchen“, drängte Agatha Simpson, als Kathy Porter diese Stelle ihres Berichtes erreicht hatte. Die streitbare Dame rutschte unruhig in ihrem Sessel herum und erwartete erfreuliche Komplikationen. „Hat er auf Sie geschossen?“ Das Nummerngirl aus der Music-hall war Lady Simpsons Sekretärin und Gesellschafterin und eigentlich mehr als nur das, sie war so etwas wie die Tochter der älteren Dame. Kathy Porter, von Josuah Parker in vielen Dingen angelernt, arbeitete immer wieder als Fünfte Kolonne des Duos, das eigentlich ein bemerkenswertes Trio war. Kathy Porter hatte sich vor zwei Wochen ganz bewußt als Nummerngirl beworben und engagieren lassen. Nach gewissen Informationen, die Agatha Simpson und Butler Parker erhalten hatten, sollte diese Music-hall der Umschlagplatz für gewisse Nachrichten und Ausgangspunkt für Sabotageakte sein, die sieh alle auf die große Bohrinsel draußen in der Nordsee bezogen. Im Zeichen der weltweiten Rohstoffknappheit und der Ölkrise fanden hier in diesem Teil der Nordsee Versuchsbohrungen statt, die vor der schottischen Küste sich als sehr erfolgreich erwiesen hatten. Man sprach schon jetzt davon, daß Ölvorkommen vermutet werden durften, die in der Menge an die der arabischen Länder heranreichten.
Leider wurden diese Bohrungen empfindlich behindert, wie sich gezeigt hatte. Die Battersea Oil Company hatte in letzter Zeit viel Pech und kam mit ihren Bohrungen nicht voran. Sabotage wurde vermutet. Es gab technische Pannen am laufenden Band, die von Experten auch als Sabotage erkannt worden waren. Natürlich waren die zuständigen Behörden eingeschaltet worden, doch auf das Trio Lady Simpson — Butler Parker — Kathy Porter hatte man nicht verzichten wollen. Höchste Regierungskreise hatten die Detektivin gebeten, sich helfend einzuschalten. Regierungskreise, die dem britischen Geheimdienst nahestanden. Dem Spuk der Saboteure sollte so schnell wie möglich das Handwerk gelegt werden, denn man Vermutete, daß aus diesen Sabotagehandlungen schon recht bald Mord und Totschlag würden. Zudem stand die nationale Energiepolitik auf dem Spiel. Erwartete Funde durften nicht verzögert werden, das Öl sollte aus dem Festlandsockel so schnell wie möglich hervorsprudeln. Lady Simpson hatte diesen Auftrag nur zu gern angenommen. Nach langem Herumsitzen vor ihrer Schreibmaschine war die „Schriftstellerin“ der Meinung, daß sie wieder mal Anregungen brauchte. Sie hoffte also, daß in der Garderobe von Kathy Porter geschossen worden war und zog ein enttäuschtes Gesicht, als das angebliche Nummerngirl bedauernd den Kopf schüttelte. „Hat dieser Mann wenigstens ein Messer geworfen?“ hoffte die ältere Dame. „Auch das nicht, Mylady“, bedauerte Kathy erneut und lächelte unwillkürlich. „Er wollte mich nur beschützen.“
„Wer war dieser Herr und was wollte er?“ schaltete Parker sich würdevoll ein. „Er nennt sich Lester Bentley“, erwiderte Kathy, „er war auf der Suche nach meinem Chef, Mister Kelson.“ „Konnten Sie herausfinden, woher er kam und welchen Beruf er ausübt, Miß Porter?“ „Ich habe nur gemerkt, daß Mister Kelson eine tödliche Angst vor ihm bat, Mister Parker. Er schlich wie ein geprügelter Hund aus meiner Garderobe.“ „Und wer sind Lana und Herbert, die Sie am Entlüftungsschacht der Dusche belauschen konnten?“ „Lana Durbin und Herbert Neil“, sagte Kathy Porter, „sie betreiben Bodenakrobatik, eine sehr gute Artistennummer.“ „Und Mister Neil behauptete, auf ihn sei hinter der Bühne geschossen worden?“ wollte der Butler noch mal wissen. „Ganz eindeutig, ich konnte das Gespräch Wort für Wort verfolgen.“ „Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Miß Porter, lebt dieses Paar gefährlich, verdient viel Geld und ist der Meinung, daß eine Gegenseite existiert, die mit harten Bandagen kämpft.“ „Sie haben mich vollkommen richtig verstanden, Mister Parker.“ Kathy Porter nickte ernst. „Eine sehr anregende Ausgangsposition“, stellte Lady Simpson fest und sah wieder mal recht animiert aus. „Als Schriftstellerin würde ich solch ein Thema folgendermaßen anlegen: Zwei konkurrierende Gruppen versuchen, die Ölbohrungen auf der künstlichen Stahlinsel zu sabotieren. Was sagen Sie dazu, Mister Parker?“
„Ein interessantes Thema, das Mylady behandeln sollten.“ Der Butler verzog keine Miene. „Es ist alles so schrecklich einfach“, schwärmte die Dame weiter. „In der Music-hall treffen sich die Besatzungen dieser Bohrinsel. Hier liefern sie ihre Nachrichten ab, hier bekommen sie ihre neuen Aufträge. Die Music-hall ist das Nest der Sabotage. Meiner Ansicht nach braucht man nur noch zuzupacken.“ „Vielleicht ist Mylady damit einverstanden, erst mal einige Beweise zu beschaffen“, meinte Parker. „Papperlapapp, Parker!“ Sie sah ihn streng an. „Mit solchen Kleinigkeiten halte ich mich erst gar nicht auf. Ich glaube, ich werde mir sofort ein paar Notizen machen.“ Sie nickte ihrem Butler und Kathy Porter hoheitsvoll zu und begab sich hinüber in ihr Schlafzimmer, wo an der Wand ein kleiner Schreibsekretär stand. Lady Agatha holte ihr Notizbuch hervor und schrieb einige Stichworte nieder. Was sie tat, tat sie stets sehr konsequent und mit großer Begeisterung. „Haben Sie den Namen Dan Mulligan schon mal gehört?“ fragte der Butler seine Assistentin Kathy, die bereits von dem Zwischenfall in der Loge wußte. „Ist das der Mann, der Lady Simpson niederschlagen wollte?“ „Was er tatsächlich wollte, Miß Kathy, läßt sich mit letzter Sicherheit nicht sagen.“ „Der Beschreibung nach müßte ich ihn eigentlich kennen“, antwortete Kathy Porter nachdenklich, „er sitzt Abend für Abend in der ersten Reihe und erscheint nach den Vorstellungen häufig in Mister Kelsons Privatbüro.“
„Ihm sollten Sie sich vielleicht ein wenig widmen, Miß Kathy“, riet Parker seiner attraktiven Assistentin. „Aber ich darf größte Vorsicht empfehlen.“ „Sie glauben auch, daß die Music-hall mit den Sabotagehandlungen zu tun hat?“ Kathy Porter sah zu Mylady hinüber, die sich immer noch Notizen machte. „Einige Personen in der Music-hall“, präzisierte der Butler, der Genauigkeit liebte. „Lady Simpsons Theorie könnte unter Umständen durchaus stimmen, aber das wird sich wohl schon innerhalb der nächsten Stunden erweisen.“ „Sie erwarten Besuch, Mister Parker?“ „Ich könnte mir vorstellen, daß ein gewisser Mister Mulligan versuchen wird, wieder an seinen Ring zu kommen.“ Parker hob den Diamantring und ließ ihn im Licht der Lampe funkeln. * Dan Mulligan befand sich seit ein paar Stunden in Panik. Er begriff noch immer nicht recht, wer ihn in der Loge der alten Fregatte, wie er Lady Simpson respektlos genannt hatte, wohl niedergeschlagen haben mochte. Darüber zerbrach er sich den Kopf. Er zerbrach ihn sich aber auch über ein anderes Thema: Wer hatte seine Taschen so gründlich durchwühlt und geleert? Wer besaß jetzt die so ungemein wichtigen Ansichtskarten, die längst auf dem Weg nach London sein mußten? Und wer hatte ihm den teuren Diamantring gestohlen? Der Stein hatte ihn ein kleines Vermögen gekostet. Dan Mulligan, Vorarbeiter der Battersea Oil Company, ein erstklassiger Fachmann und ausgekochter Gauner, saß in einer Kneipe und weigerte sich anzunehmen,
man könne ihn hereingelegt haben, obwohl er diesen Verdacht nicht los wurde. So etwas konnte er sich einfach nicht vorstellen, dazu konnte die Alte doch unmöglich in der Lage gewesen sein ... Da mußte die Gegenseite sich eingeschaltet haben, vor der sein Auftraggeber ihn eindringlich gewarnt hatte. Die ruhigen Zeiten waren vorüber. Mulligan fragte sich jedoch, ob die Alte vielleicht zur Gegenseite gehörte. Er kannte eine Menge Tricks, die in seiner Branche üblich waren. Die harmlosesten Mitbürger entpuppten sich oft als die gerissensten Konkurrenten. Hinzu kam die Tatsache, daß man ihn auf diese angebliche Lady ganz bewußt angesetzt hatte. Sie mußte es demnach also faustdick hinter den Ohren haben. Warum hätte er ihr sonst wohl eine harte Lektion erteilen sollen? Dan Mulligan wußte, wo sie hier in Montrose wohnte. Er hatte sich in den Tagen ausgiebig mit ihr beschäftigt und sie und ihren komischen Butler studiert. Es war wohl angebracht, ihr im Hotel einen Besuch abzustatten. Vielleicht hatte sie’ sich den Brillantring unter den Nagel gerissen und lachte sich jetzt ins Fäustchen. Dan Mulligan war keineswegs betrunken, als er die Kneipe verließ, um das ,St. Cyrus’ anzusteuern. So ein nächtlicher Besuch war eine Kleinigkeit und konnte unmöglich gefährlich sein. Noch mal würde ihn seine Widersacherin nicht überrumpeln. Er war gewarnt. Der Ferienort hier an der schottischen Küste war nicht sehr groß. Mulligan verzichtete auf ein Taxi und legte den Weg zum Hotel zu Fuß zurück. Er kam an dem großen Materiallager der Bohrfirma vorbei, für die er draußen auf der
künstlichen Stahlinsel als Vorarbeiter arbeitete. Die Baracken mit den Unterkünften für die Schichtarbeiter und die Schuppen für den Nachschub waren von hohen Drahtzäunen umgeben, in die man noch zusätzlich Stacheldraht eingeflochten hatte. Grelle Bogenlampen leuchteten jeden Zentimeter des Lagers aus. Wachmänner mit auf den Mann dressierten Schäferhunden patrouillierten in unregelmäßigen Abständen. Die Battersea Oil Company war sehr vorsichtig geworden, nachdem es draußen in der Nordsee den ersten Ärger gegeben hatte. Das „St. Cyrus“ war ein altehrwürdiger Bau. Auf dem Erdgeschoß aus Backstein erhob sich das Obergeschoß aus Fachwerk. Ein gepflegter Park sorgte dafür, daß Mulligan sich an die Rückseite des Hotels heranpirschen konnte. Wie gesagt, er hatte sich mit Lady Simpson bereits beschäftigt und wußte, welche Räume sie und ihr Butler bewohnten. Um an den Balkon heranzukommen, der zur Zimmerflucht seiner Gegnerin gehörte, brauchte er nur auf das niedrige Dach einer ans Haus grenzenden Remise zu steigen, alles weitere war dann nur noch ein harmloser Spaziergang. Dan Mulligan hatte leider keine Ahnung, daß er verfolgt und beobachtet wurde. Ein potentieller Mörder war hinter ihm her und ließ ihn nicht aus den Augen. Mulligan hatte nämlich leichtsinnigerweise von seiner Panne in der Loge der Music-hall berichtet und war daraufhin sofort zum Sicherheitsrisiko erklärt worden. Die Leute, für die er arbeitete, wollten ihn jetzt so schnell wie möglich ausbooten. Sie trauten Mulligan
nicht zu, daß er dichthielt, wenn man ihn nur gehörig in die Verhörzange nahm. Dan Mulligan erkletterte das flache Dach der Remise, richtete sich halb auf und wurde augenblicklich zum Ziel für den Mann, der hinter ihm her war. Seine Gestalt hob sich wie ein Scherenschnitt gegen den zwar nächtlichen, aber immer noch etwas hellen Himmel ab. Der Mörder brauchte nur abzudrücken. * Kathy Porter hatte das „St. Cyrus“ verlassen und wollte zurück zur Musichall. Sie bewohnte in einem Anbau ein kleines Zimmer, womit sie mehr als einverstanden war. So blieb sie in unmittelbarer Nähe jenes Platzes, den sie beobachten sollte. Als Nummerngirl war Kathy Porter wirklich nicht zu erkennen. Von einem gewissen Josuah Parker angeleitet, hatte sie sich im Lauf der Zeit zu einer Meisterin der Maske entwickelt. Mit den sparsamsten Mitteln konnte sie sich rein äußerlich verwandeln und in eine fremde Haut schlüpfen. Zur Zeit kopierte sie eine Putzfrau, die sie im Hotel gesehen hatte. Kathy trug einen wadenlangen, alten Mantel, unter den sie sich ein flaches Kissen gebunden hatte. Sie humpelte ein wenig und glich dieser Putzfrau aufs Haar. Sie hatte den Garten des Hotels noch nicht ganz verlassen, als sie ein ihr sehr bekanntes „Plopp“ hörte. Natürlich wußte sie sofort, was dieses Geräusch zu bedeuten hatte. Irgendwo im dunklen Park war ein schallgedämpfter Schuß abgefeuert worden.
Kathy Porter verschwand sofort hinter einem Strauch, duckte sich und beobachtete die nahe Straße. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis sie den Mann sah, der ihrer Ansicht nach geschossen haben mußte. Es handelte sich um einen etwa fünfundfünfzig jährigen Mann mit leichtem Bauchansatz, der harmlos aussah. Er trug einen Regenmantel und eine flache Mütze. Er spannte gerade einen Regenschirm auf, da es zu regnen begann. Der Unbekannte sah aus wie ein behäbiger Rentner. Kathy Porter wartete, bis er ihr Versteck passiert hatte. Dann erst, als er in der Dunkelheit kaum noch zu erkennen war, wechselte sie zur Straße hinüber und nahm die Verfolgung auf. Sie hütete sich, unsichtbar oder ungehört bleiben zu wollen und ging davon aus, daß dieser Mann ein erstklassiger Profi sei, den man nicht so leicht täuschen konnte. Er sollte sie sogar hören und sie in Augenschein nehmen. Kathy vertraute der Kunst ihrer Maske. Er war plötzlich nicht mehr zu sehen und nicht mehr zu hören. Irgendwo mußte er in der Dunkelheit lauern. Vielleicht war er mißtrauisch geworden. Kathy ging gelassen weiter, humpelte leicht und stellte sich den Kragen hoch. Dann stand er plötzlich vor ihr, bieder und unscheinbar wirkend. Kathy reagierte, wie sie gemäß ihrer Rolle reagieren mußte. Sie spielte eine Putzfrau, die ihre besten Jahre bereits hinter sieh hatte und die das Leben kannte. „Mann“, fauchte sie ihn an, „haben Sie mach erschreckt. Konnten Sie nicht wenigstens husten?“
Er musterte sie prüfend und zündete sich genau in diesem Moment eine Zigarre an. Er ließ die Flamme seines Benzinfeuerzeugs lange brennen, um ihr Gesicht ausgiebig zu studieren. Kathy brauchte nichts zu befürchten. Sie sah ein wenig gedunsen aus, was mit kleinen Einlagen aus Watte zu tun hatte, die sie seitlich in der Mundhöhle trug. Zudem thronte auf ihrer Nase eine häßliche aussehende Nickelbrille. „Hauen Sie ab, Mann“, redete Kathy barsch weiter. „Sie müßten längst rausgefunden haben, daß es sich bei mir kaum noch lohnt.“ Dann, ohne sich weiter um ihn zu kümmern, humpelte sie einfach davon und hatte ein scheußliches Gefühl in der Magengegend. Jeden Moment konnte es „ploppen“ und ein schallgedämpfter Schuß abgefeuert werden. Sie hatte sich nämlich ihrerseits das Gesicht des Behäbigen angesehen. Beherrschend darin waren die kalten, wachsamen Augen gewesen, Augen, wie sie nur einer aus der Killer-Branche hatte. Sie mußte sich zusammenreißen, als sie hinter sich das metallische Knacken eines Verschlusses hörte. Der angebliche Rentner wollte sie testen und servierte ihr ein Geräusch, auf das sie unbedingt reagierte, falls sie keine Putzfrau, sondern ebenfalls Profi war. Kathy schaffte es, sich nichts anmerken zu lassen, doch es kostete sie große Anstrengung und Selbstbeherrschung. Am liebsten hätte sie sich blitzschnell zur Seite weggerollt. Doch darauf hatte der angebliche Rentner sicher nur gewartet, um sie dann zu erwischen. Nun hatte er sich verraten. Kathy Porter ging humpelnd weiter, als habe sie überhaupt nichts gehört, und
blieb die dickliche- Putzfrau mit der billigen Nickelbrille auf der Nase. * Der Mörder aus dem Hinterhalt hatte Dan Mulligan tödlich getroffen. Josuah Parker hatte sich ohne Verzicht auf Würde, aber auch nicht zu langsam auf das Dach der Remise begeben und kniete neben dem Sterbenden. „Ich werde Ihren Mörder finden und zur Rechenschaft ziehen“, sagte er ruhig, aber auch eindringlich zu Dan Mulligan, der schnell und flach atmete. „Vielleicht können Sie mir mit einigen wertvollen Hinweisen dienen, Mr. Mulligan?“ „Diese Schweine“, keuchte Mulligan und wollte sich’ aufrichten. „Bleiben Sie entspannt liegen“, bat der Butler, „denken Sie an die Hinweise, ohne die ich Ihren Mörder nicht finden werde.“ „Ralph Barvas“, kam die schon sehr schwache Antwort, „Ralph Barvas, der Killer.“ „Wo finde ich den Mann, Mr. Mulligan?“ „Weiß nicht“, keuchte Mulligan, der sich sichtlich anstrengte, um noch einigermaßen deutlich zu reden. „Und dann noch Stewart Lynn, der Boß.“ „Sollten Sie Lady Simpson ermorden?“ wollte der Butler noch zusätzlich in Erfahrung bringen, doch Dan Mulligan konnte nicht mehr antworten. Er bäumte sich noch mal auf und war darin verschieden, wie der Butler es innerlich ausdrückte. Parker richtete sich auf und sorgte dafür, daß er im Schlagschatten der Hausfront blieb. Er wußte schließlich nicht, ob der Mörder noch auf der Lauer war.
„Nun, was ist?“ erkundigte sieh Agatha Simpson, als Parker zu ihr ins Zimmer zurückgestiegen war. „Mr. Mulligan hat das gesegnet, Mylady, was man gemeinhin das Zeitliche nennt“, gab der Butler gemessen zurück. „Man sollte jetzt vielleicht die Polizei verständigen.“ „Ist das wirklich nötig, Mr. Parker? Das gibt doch nur unnötige Scherereien.“ „Es handelt sich schließlich um einen Mord, Mylady“, sagte der Butler. „Man sollte die Behörden nicht unnötig vergrämen.“ „Haben wir etwas erfahren, was uns weiterbringt?“ „Zwei Namen, Mylady, mit denen sich vorerst kaum etwas anfangen läßt,“ „Die wir aber für uns behalten werden“, schärfte die Lady ihrem Butler ein. „Warum mag man diesen armen Teufel nur ermordet haben? Können Sie sich das erklären?“ „Ich möchte mich zwar nicht festlegen, Mylady, doch ich vermute, daß mit seiner Ermordung Spuren verwischt werden sollten. Dan Mulligan sollte Ihnen und meiner bescheidenen Wenigkeit immerhin Auskünfte liefern. Das scheint der Mörder geahnt zu haben.“ „Demnach stehen also auch wir auf der Liste des Mörders?“ „Mit einiger Sicherheit, Mylady.“ „Das klingt gut“, stellte die Detektivin fest, ohne im geringsten beeindruckt zu sein. „Der Mörder wird aus seiner Anonymität hervortreten müssen.“ „Falls er es nicht vorzieht, aus dem Hinterhalt heraus zu schießen, Mylady, womit leider zu rechnen ist.“ „Lassen Sie sich dagegen etwas einfallen“, entschied Agatha Simpson in gewohnter Vereinfachung und sah ihren
Butler dabei streng an. „Ich hoffe, Sie lassen sich von diesem Strolch nicht einschüchtern.“ „Ich werde mich bemühen, Myladys Vertrauen zu rechtfertigen“, versprach der Butler und ging ans Telefon, um die Polizei zu verständigen. Es dauerte eine Weile, bis die Gegenseite endlich begriffen hatte. Man versprach, einen Beamten vorbeizuschicken, „Sehr gut scheint das zuständige Revier für Montrose nicht besetzt zu sein“, freute sich die Sechzigjährige, als Parker von seinem Gespräch berichtete. „Sie werden einen völlig unfähigen Beamten schicken, der wahrscheinlich noch nie mit einem Mord zu tun hatte.“ Nun, Lady Simpson lag noch nicht mal so schlecht mit ihrer Voraussage. Nach etwa fünfzehn Minuten hielt ein Polizeistreifenwagen vor dem Hotel, dem ein Zivilist entstieg, der bald darauf von Agatha Simpson und Josuah Parker empfangen wurde. „Detective Sergeant Nelson“, stellte er sich vor. Nelson war ein harmlos aussehender Mann, der an einen Rentner erinnerte. Störend an ihm war nur der Revolver, auf dessen Lauf ein moderner und leistungsfähiger Schalldämpfer saß, der zwischen Lady Simpson und Parker hin und her pendelte. „Muß ich Ihre Handlungsweise als einen feindlichen Akt interpretieren?“ erkundigte sich der Butler in seiner unnachahmlich würdevollen Art. „Unbedingt“, gab der Mann zurück, der unmöglich Polizist sein konnte. Er lächelte dünn, doch seine Augen blieben kalt. „Die drei Postkarten, die Sie Mulligan abgenommen haben! Beeilung. ich warte nicht gern!“
„Was soll das heißen, Sie Lümmel?“ brauste die ältere Dame streitlustig auf. „Daß Sie nur noch wenige Sekunden zu leben haben, wenn Sie mir die drei Postkarten nicht geben“, antwortete der Mann. Bevor Lady Simpson sich auf ein Streitgespräch mit dem Mann einlassen konnte, deutete der Butler auf den kleinen Wandtisch, wo die bewußten drei Karten lagen. Parker merkte, daß dieser Mann keineswegs scherzte. Der Mann, der weder Rentner noch Polizist war, lief erstaunlich geschmeidig zum Wandtisch hinüber und nahm die drei Ansichtskarten an sich. Erstaunlicherweise fragte er nicht nach dem Diamantring. Josuah Parker fühlte sich seinerseits nicht verpflichtet, davon zu sprechen. Takt und Zurückhaltung waren schon immer seine Stärken gewesen. „Vergessen Sie mich ganz schnell“, schlug der Mann vor, während er zur Tür zurückwich, „und hauen Sie von hier ab, noch in dieser Nacht! Ich gebe Ihnen eine Stunde!“ „Ich werde Mylady nach Aberdeen zurückbringen“, versprach der Butler höflich. „Wie haben Sie’s eigentlich geschafft, Mulligan außer Gefecht zu setzen?“ fragte der Mann, der jetzt schon an der Tür stand, Er konzentrierte sich auf den Butler. „Sprechen Sie von jenem Mann, der Mylady in der Loge der Music-hall belästigte?“ „Natürlich. Spielen Sie mir nur nichts vor! Ich weiß Bescheid.“ „Könnte hier nicht eine Verwechslung vorliegen?“ erkundigte sich der Butler gemessen. „Mylady hatte die Absicht, an der Küste ein wenig zu entspannen.“
Der Mann wußte wohl doch nicht so recht Bescheid, zögerte, schätzte das skurril aussehende Duo ab, kam zu keinem Resultat und wirkte irritiert. Agatha Simpson und Josuah Parker sahen ja auch wirklich nicht aus wie Profis. „Sieht tatsächlich so aus“, sagte der Mann schließlich, „da muß was falsch gelaufen sein. Aber verschwinden Sie! Und zu keinem Menschen ein Wort, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist!“ Lady Simpsons Herz spielte von diesem Augenblick an nicht mehr so recht mit, wie deutlich zu sehen war. Sie griff an ihren wogenden Busen, suchte ihr Herz und sackte dann auf einen Stuhl. Der Eindringling ließ sich ablenken, zumal die Detektivin wirklich eine erstklassige Schauspielerin war, doch Josuah Parker nutzte keineswegs die Chance, die Mylady ihm verschaffte. Dieser Mörder war nicht zu übertölpeln. „Gestatten Sie, daß ich mich um Mylady kümmere?“ erkundigte er sich bei dem Eindringling. „Bringen Sie das alte Mädchen in Schwung und brausen Sie ab nach Aberdeen“, sagte der Mann eindringlich. „Sie haben eine Stunde Zeit!“ * „Sie sind eine herbe Enttäuschung für mich“, beschwerte sich Lady Simpson, als sie mit Parker wieder allein war. Von einem kleinen Herzanfall konnte keine Rede mehr sein, sie wirkte sehr agil und war verärgert. „Mylady und meine bescheidene Person schwebten in akuter Lebensgefahr“, stellte der Butler richtig. „Dieser Mann wäre nicht zu übertölpeln gewesen.“
„Wo bleibt Ihr Schwung, Mister Parker?“ Sie sah ihn streng an. „Mylady werden den vermißten Schwung bald wieder registrieren können“, versicherte der Butler höflich, „übrigens innerhalb der kommenden Stunde.“ „Sie wollen doch wohl nicht die Flucht ergreifen, Mister Parker.“ „Sehr wohl, Mylady.“ „Da spiele ich aber nicht mit. Wir kennen diesen Mörder und werden ihn jagen, Mister Parker! Das dürfte doch jetzt keine Schwierigkeiten mehr bereiten.“ „Der Mörder Mister Mulligans wird sich freiwillig stellen, Mylady.“ „Sie brauchen mir keinen Sand in die Augen zu streuen.“ „Aber dem Mörder, Mylady. Wenn es gestattet ist, werde ich mir die Freiheit nehmen, Mylady meinen bescheidenen Plan zu entwickeln.“ „Das klingt schon besser.“ Sie sah ihren Butler endlich wieder hoffnungsfroh an. Josuah Parker konnte Mylady überzeugen. „Das klingt ja recht erfreulich“, meinte sie unternehmungslustig. „Worauf warten wir noch?“ Agatha Simpson brauchte nicht lange zu warten. Es dauerte nur eine halbe Stunde, bis sie in Parkers hochbeinigem Wagen saß, einem ehemaligen Londoner Taxi, das nach den sehr ausgefallenen Wünschen und Vorstellungen Parkers umgebaut worden war, ohne dabei aber sein typisches Äußeres zu verlieren. Dieser Privatwagen war im Grund nichts anderes als eine raffinierte Trickkiste auf vier Rädern. Selbst als sie losfuhren, war von der wirklichen Polizei noch immer nichts zu
sehen. Mulligans Mörder mußte es auf eine durchtriebene Art verstanden haben, die Behörden auszuschalten. Parker konnte nur hoffen, daß es ohne Blutvergießen geschehen war. Stocksteif, als habe er einen Ladestock verschluckt, saß der Butler am Steuer seines hochbeinigen Monstrums, während Mylady im Fond Platz genommen hatte. Der Butler benutzte die Ausfallstraße in Richtung Aberdeen und war sicher, daß ihre Abfahrt sehr genau registriert wurde. Er rechnete mit einem Überfall, mit einem Mordversuch. Der Täter lauerte sicher an der Straße, um sein Werk zu vollenden. Wahrscheinlich legte er es darauf an, einen Doppelmord als Unglücksfall hinzustellen. Eine Leiche vor dem Hotel mußte ihm gereicht haben. Die nächsten beiden Toten sollte man weitab von Montrose irgendwo an der Straße finden. Dadurch lenkte er die Polizei von dem hübschen kleinen Ferienort ab. Was dieser Mörder genau plante, konnte der Butler nur vermuten. Ein angeblich tödlich verlaufener Unglücksfall ließ sich auf viele Art und Weise arrangieren. Parker traute dem Mörder in dieser Hinsicht Phantasie und Geschick zu. Wahrscheinlich handelt es sich bei diesem wie ein Rentner aussehenden Mörder um Ralph Barvas, von dem der sterbende Dan Mulligan noch gerade sprechen konnte. Über diesen Mann kam man vielleicht an den zweiten Mann heran, der der Boß sein sollte: Stewart Lynn ... Wichtig für den Butler war der Hinweis, daß man auf Mylady und ihn aufmerksam geworden war. Dan Mulligan war nicht in die Loge der Music-hall gekommen, um Lady Simpson zu berauben. Er hatte ihr
einen nachdrücklichen Denkzettel verpassen sollen. Woher wußte die Gegenseite, wer Lady Simpson in Wirklichkeit war und warum sie sich in Montrose aufhielt? War etwas von ihrem Geheimauftrag durchgesickert? Gab es im Ministerium eine undichte Stelle? Parker rief sich zur Ordnung. Jetzt war nicht die Zeit, sich in Spekulationen zu verirren. Irgendwo an der Straße nach Aberdeen wartete ein entschlossener Mörder, den es zu überlisten galt. Seine Aufmerksamkeit durfte nur noch der Fahrtroute gelten, wenn Mylady und er überleben wollten. * Ralph Barvas hatte Position bezogen und rauchte gelassen eine Zigarette. Für den Mörder Dan Mulligans war die Sache bereits so gut wie gelaufen. Er war Einzelgänger und so mißtrauisch daß er sich selbst kaum noch traute. Nach Dan Mulligans Tod hatte er sich erst mal mit der Putzfrau beschäftigt, die plötzlich auf der Straße gewesen war. Im ersten Moment hatte er diese Frau für eine Gegenspielerin gehalten, sich dann aber doch von ihrer Harmlosigkeit überzeugt. Undurchschaubarer für ihn war da schon dieses seltsame Zweigespann. Klar, die ältere Dame war eine Lady, daran ließ sich nicht herumdeuteln. Für so etwas hatte er einen Blick. Und auch der Butler schien echt bis in die Haarspitzen. Doch sollten diese beiden Typen, wie ‘er sie insgeheim nannte, ausgekochte Agenten und Privatdetektive sein. So wenigstens war es ihm von seinem Auftraggeber gesagt worden. Er hatte sich das Duo aus der Nähe angesehen und war ein wenig unsicher geworden. Sollte Stewart Lynn
sich nicht doch getäuscht haben? Waren seine Informationen aus London richtig? Solch ein Paar, das in einen alten Film paßte, konnte doch unmöglich gefährlich sein. Stewart Lynn mußte da einem Witz aufgesessen sein. Dennoch hatte Ralph Barvas sich für Mord entschieden. Er plante einen tödlichen Unglücksfall, um das Duo für immer auszuschalten. Als er die dunkle Straße hinuntersah und auf den Wagen der Lady wartete, dachte er unwillkürlich daran, wie er die beiden Insassen des Polizeistreifenwagens außer Gefecht gesetzt hatte. Das war ein Kleinigkeit für ihn gewesen. Sie lagen wahrscheinlich noch jetzt im dichten Gesträuch neben der Straße und mühten sich mit den Handschellen ab, die sie ihm unfreiwillig geliefert hatten. Ralph Barvas hatte den Streifenwagen regulär gestoppt und sich im ersten Moment als ratsuchender Tourist ausgegeben ... Mit Handschellen sollten die Lady und ihr Butler allerdings nicht davonkommen. Für sie hielt er bösartige Geschenkartikel anderer Art bereit. Barvas sah weit hinten am Beginn des kleinen Wäldchens die Scheinwerfer eines Wagens und wußte, daß es soweit war. Der Mann griff nach dem kleinen Hund, den er sich noch in Montrose besorgt hatte und warf ihn seitlich auf die Straße. Er setzte tückischerweise auf die Tierliebe der Engländer. * „Die Falle, Mylady“, meldete des Butler, als im Licht der Scheinwerfer ein kleiner, zappelnder Hund seitlich auf der Straße zu sehen war. Das Tier schien noch
zu leben! Parker behielt seine äußere Haltung, wenngleich er innerlich auch ungemein zornig war. Daß der Killer sich für seine Falle ein unschuldiges Tier ausgesucht hatte, traf ihn tief. Parker hatte sich in die Psyche des Mörders versetzt und rechnete nicht mit einem Feuerüberfall. Er ging von der Voraussetzung aus, daß dieser Ralph Barvas einen tödlich verlaufenden Autounfall inszenieren wollte. Daher spielte er auch mit und hielt prompt, wie der Killer es sich wohl ausgerechnet hatte. Doch der Butler stoppte nicht nur. Während er die Tür aufdrückte, löste er durch das Herumlegen eines Kipphebels auf dem reichhaltig ausgestatteten Armaturenbrett eine Nebelwolke aus, die es in sich hatte. Sie enthielt einen penetrant riechenden Reizstoff, der auf jeden Fall noch in dünner Konzentration Übelkeit auslöste. Mylady und er wurden davon nicht betroffen, denn sie hatten Vorsorge getroffen. Auf ihren Nasen saßen Klammern, die ein Atmen durch eben die Nasen unmöglich machten. Mylady und Parker sogen die Luft durch je eine Atempatrone ein, um die sich ihre Lippen fest schlossen. Sie brauchten also überhaupt nichts zu befürchten. Wie gut der Reizstoff wirkte, war bereits zu hören, Irgendwo in der Nähe würgte und hustete ein Mann sich förmlich die Seele aus dem Leib. Josuah Parker brauchte diesen Geräuschen nur zu folgen und entdeckte dann den Killer, der sich an einen dünnen Baumstamm klammerte und total vergessen hatte, daß er einen Kricketschläger als Waffe besaß. Parker war Pragmatiker, der sich schnell auf neue Situationen einzustellen vermochte.
Da der Kricketschläger stich anbot, benutzte er ihn auch. Parker lüftete vorher seine schwarze Melone und erkundigte sich gemessen, ob es erlaubt sei. Die Antwort wartete er allerdings nicht ab. Er schlug gut gezielt zu. Ralph Barvas würgte plötzlich nicht mehr. Er fiel auf die Knie und trat geistig ab von der Bildfläche. Josuah Parker visitierte die Taschen des Mannes und stellte den schallgedämpften Revolver sicher, den er im Hotelzimmer von Lady Simpson bereits ausgiebig betrachten konnte. Dann schleifte er den Mann mit überraschender Leichtigkeit zum Wagen und verstaute ihn im Kofferraum, nachdem er ihm die Hände fachgerecht auf dem Rücken festgezurrt hatte. Dem kleinen Hund war leider nicht mehr zu helfen, er war bereits tot. Der Killer hatte den unschuldigen Vierbeiner bösartig geschlagen, um ihn am Weglaufen zu hindern. Parker trug den kleinen Hund von der Straße und begab sich dann zurück zu Mylady, die erfreulicherweise keine Fragen stellen konnte, da die Atempatrone sie daran hinderte. Parker setzte sich ans Steuer und verließ die ungastliche Stätte, während der leichte Nachtwind den Reiznebel vertrieb und auflöste. „Was machen wir mit diesem Individuum?“ wollte die Detektivin endlich wissen, als sie Patrone und Nasenklammer wegpackte. „Seine Waffe würde ihn als den Mörder von Dan Mulligan identifizieren“, stellte Parker klar. „Die Polizei wäre unter Umständen sehr dankbar für diese Festnahme.“ „Der Bursche wird sich mit Sicherheit ausschweigen, Mister Parker“, antwortete
Lady Simpson und schüttelte den Kopf, „aber wir brauchen Informationen.“ „Ein Umstand, den ich bejahen muß, Mylady.“ „Ich möchte doch sehr hoffen, Mister Parker, daß Sie mir einen Vorschlag machen.“ „Haben Mylady besondere Wünsche?“ „Er soll vor Angst Blut und Wasser schwitzen, Mister Parker! Denken Sie an den unschuldigen kleinen Hund!“ „Ein bemerkenswertes Stichwort, Mylady, wenn ich mir die Freiheit nehmen darf, ein wenig begeistert zu sein,“ „Sie haben eine Idee?“ Agatha Simpson beugte sich neugierig vor. „Darf ich Mylady an die Hundefarm erinnern, die sich westlich von Montrose befindet?“ fragte Parker würdevoll. „Falls meine Erinnerung mich nicht trügt, werden dort Doggen gezüchtet. Mr. Ralph Barvas dürfte meiner bescheidenen Einschätzung nach durchaus kein Verhältnis zu diesen Vierbeinern haben. Es könnte ihn also anregen, mit diesen Doggen ein wenig konfrontiert zu werden.“ „Manchmal sind Sie direkt gut“, lobte Lady Simpson ihren Butler. „Ich wollte Sie gerade ebenfalls daran erinnern. Zeigen wir diesem Subjekt also ein paar nette Hunde! Er wird bestimmt begeistert sein.“ * Kathy Porter hatte sich in das attraktive Nummerngirl zurückverwandelt. Nach dem kurzen Zwischenfall mit dem Killer war sie jetzt wieder in der Musichall, genauer gesagt im Anbau, wo die Artisten und das Personal untergebracht waren. Das Haus war alt, kalt und feucht.
Aber man lebte immerhin frei und wurde nicht kontrolliert, wie es in manchen Apartmenthäusern der Fall war. Hier kümmerte sich keiner um den anderen. Wenn man sich traf, dann höchstens in der großen Gemeinschaftsküche, in der jeder im übertragenen Sinn sein Süppchen kochen konnte. Auf die Rückkehr von Kathy hatte man allerdings gewartet. Sie fuhr überrascht zusammen, als im dunklen Hausflur plötzlich eine Gestalt auftauchte, die identisch war mit jenem Mann, den sie in ihrer Garderobe gesehen hatte und der sich Lester Bentley »nannte. Es war der Mann, vor dem der Inhaber der Music-hall solche Angst hatte. „Hallo, Miß Kelly“, sagte er lächelnd, „netter Zufall, Sie gerade jetzt zu sehen.“ Kathy Porter zuckte mit keiner Wimper. Sie arbeitete hier unter dem Namen Anne Kelly und besaß selbstverständlich auch die entsprechenden Papiere. „Mr. Bentley, nicht wahr?“ fragte sie zurück. „Lester Bentley“, erwiderte der große, schlanke Marin, „haben Sie ein paar Minuten Zeit für mich, Ich muß Ihnen einen Vorschlag machen.“ „Ich weiß nicht recht“, zögerte Kathy, „es ist schon ziemlich spät, Mr. Bentley?“ „Wenn es um die Zukunft geht, ist es nie zu spät“, meinte Bentley und lächelte. „Keine Sorge, Miß Kelly, ich will Sie bestimmt nicht verführen.“ „Muß ich deswegen jetzt sehr enttäuscht tun?“ fragte Kathy kokett zurück. „Wie Sie wollen, Miß Kelly. Ich bin Manager und vermittle Artistennummern an Varietes und Music-halls. Ich habe Sie heute als Nummerngirl gesehen und dann danach. Nein, nein, zieren Sie sich nicht!
Eine Frau wie Sie muß einfach umsteigen.“ „Auf was?“ „Sie könnten Karriere machen, Miß Kelly. Ich kann Ihnen bereits eine erste Chance bieten, die Nummernschilder für immer loszuwerden.“ „Das klingt gut.“ „Besprechen wir das irgendwo. Hier im Korridor zieht’s ja wie Hechtsuppe. Ich denke, Kelson wird uns sein Büro zur Verfügung stellen.“ Kathy Porter überlegte blitzschnell und war sehr mißtrauisch. Wer dieser Mann war, wußte sie natürlich nicht, aber ein Manager und Künstler-Agent war er ganz sicher nicht. Solche Leute pflegten eine Schußwaffe nicht fachmännisch zu halten. Was wollte er von ihr? War er mißtrauisch geworden? Gehörte er etwa zu dem Mann, den sie auf der dunklen Straße vor dem Hotel getroffen hatte? War ihr Inkognito gelüftet? Hatte sie es bereits mit der Gegenseite zu tun, an die Lady Simpson und Butler Parker sich immer noch mühsam heranpirschten? Sie war mutig und beschloß die Chance zu nutzen. „Ich könnte Sie mit einem Mann zusammentun, der eine Assistentin sucht“, redete Bentley inzwischen weiter. „Es handelt sich um Cardano, den Magier der Hölle.“ „Nie gehört,“ gestand Kathy ehrlicherweise. „Hätte mich auch gewundert“, sagte Bentley, während er zusammen mit Kathy durch den langen Verbindungskorridor hinüber zur Music-hall ging. „Der Mann ist gerade vom Kontinent gekommen, hat hier auf der Insel noch nie gearbeitet.“ „Und was müßte ich als seine Assistentin tun?“
„Die üblichen Vorbereitungen für die Zaubernummern und dann auf der Bühne die nötigen Handreichungen. Cardano wird Ihnen dann eine Reihe von Tricks beibringen, damit Sie richtig mitarbeiten können,“ „Ich glaube, daß ich nur eine schlechte Zauberin sein werde“, antwortete Kathy. „Vielleicht sind Sie ein gutes Medium“, redete Bentley weiter auf sie ein. „Überlassen wir Cardano das Urteil! Ich kann Ihnen aber schon jetzt versprechen, daß Sie erstklassig verdienen werden.“ Sie hatten das Bühnenhaus der Musichall erreicht, in dem die Büros und Garderoben untergebracht waren. Bentley steuerte das Büro von Ernie Kelson an, öffnete die Tür und ließ Kathy eintreten. Noch brannte auf dem Schreibtisch ‘ nur eine einfache Lampe, die kaum Licht spendete und den Raum überhaupt nicht ausleuchtete. Sekunden später schaltete Bentley jedoch das Deckenlicht ein. In diesem Augenblick erkannte Kathy, daß man sie in eine Falle gelockt hatte. * Sechs ausgewachsene, gefleckte Doggen, die im Licht der beiden im Wind schaukelnden Lampen wie Raubtiere aussahen, knurrten. Sie standen dicht nebeneinander am Drahtgitter und nahmen die beiden Männer in Augenschein. Josuah Parker merkte nur zu deutlich, daß sich alles in dem Mörder Dan Mulligans verkrampfte. Weglaufen konnte der Mann nicht, denn der Butler hielt ihn am Oberarm eisern fest und führte ihn noch näher an das Gitter heran. Störungen brauchte Parker nicht zu befürchten.
Lady Simpson befand sich im Farmgebäude und führte eine Unterhaltung mit dem Ehepaar, dem die Hundezucht gehörte. Auf sie konnte Parker sich verlassen. Seine Herrin schaffte es stets mit der linken Hand, Leute auf ihren Sitzen festzunageln. Sie war eine ergiebige Plaudertasche, wenn es erforderlich war. Sie hatte ihren Butler angeblich allein zum Zwinger beordert, damit er die Doggen in Augenschein nehmen konnte. Vom Farmhaus aus war dieser Zwinger nicht einzusehen. „Ich hoffe, Sie besitzen ausreichend Phantasie“, sagte Parker höflich und drängte den Mörder noch näher an das Drahtgitter heran. „Als Liebhaber von Hunden hätte ich nicht übel Lust, Sie diesen Tieren anzubieten, um es mal höflich zu umschreiben. Sie hätten den kleinen Hund nicht derart brutal zusammenschlagen dürfen.“ „Machen Sie keinen Blödsinn, Parker“, schnaufte der Mörder und drängte zurück. „Ganz gewiß nicht, Mister ...? Wie war doch Ihr Name?“ „Bilden Sie sich etwa ein, mich ausholen zu können?“ Der Killer lachte gequält, aber nicht lange, denn Parker hatte den Killer so weit gegen das Gitter geschoben, daß eine der Doggen zuschnappte. Das Drahtgitter verhütete zwar eine echte Bißwunde, doch der Hosenboden des Mörders wurde von einem Hundezahn erfaßt und in Stücke gerissen. Ralph Barvas brüllte entsetzt auf und drängte vom Gitter weg. Dabei blieb das Stück Hosenboden am Reißzahn der Dogge hängen. Barvas fühlte frische Abendluft auf seiner nackten Haut. „Ich bin sicher, daß ich mich vergessen werde“, gestand Josuah Parker dem Killer
und blickte für einen Moment auf die Doggen, die selbst jetzt nicht bellten, was den unheimlichen Eindruck nur noch verstärkte. Die kalbgroßen Tiere standen wieder aufmerksam und erwartungsvoll am Drahtgitter und warteten auf weitere Spenden. „Sie wollen mich doch nicht umbringen“, keuchte Barvas angstvoll. „Das können Sie doch nicht tun, Parker!“ „Mein als explosiv bekanntes Temperament wird mich gleich außer Kontrolle geraten lassen“, flüsterte Parker und nestelte mit der freien Hand an dem Verschluß der Zwingertür. „Ich kann den kleinen Hund einfach nicht vergessen, auch nicht den Mann oben auf dem Dach der Hotelremise.“ „Nein, nein“, flüsterte der Killer heiser, als Parker die Zwingertür ein wenig öffnete. „Tun Sie’s nicht, versündigen Sie sich nicht, Parker!“ „Warum haben Sie Dan Mulligan getötet?“ fragte Parker kühl und ließ eine Doggenschnauze durch den Türspalt hecheln. Barvas warf sich entsetzt gegen Parker, doch der Butler stand wie ein Fels. Er war wesentlich stärker, als er aussah. „Ich hab’s doch nur im Auftrag getan“, redete der Killer sich heraus. „Für wen?“ Parker ließ die kantige Doggenschnauze noch ein wenig mehr durch den Türspalt kommen. Das riesige Tier leckte sich die Lefzen und visierte Barvas’ Kehrseite intensiv an. Der Killer spürte die kalte, feuchte Zunge auf seiner Haut und brach seelisch zusammen. Vor Hunden schien er eine geradezu panische Angst zu haben. „Ich hab’ den Auftrag von Stewart Lynn bekommen“, gestand Barvas jetzt flüssig. „Fragen Sie mich nicht, wer das ist! Ich
habe ihn noch nie gesehen, ich weiß nur, daß er der Boß ist.“ „Der Boß von was, um es mal volkstümlich auszudrücken.“ ,,Lynn hat so eine Art Gesellschaft aufgezogen, die in Sabotage macht“, erklärte Barvas weiter, zumal der linke Eckzahn der bewußten Dogge sein Sitzfleisch anritzte. Barvas redete jetzt noch flüssiger, ja, im Grunde schon ein wenig zu hastig. „In diesem Fall geht es also um die schwimmende Bohrinsel draußen in der Nordsee, nicht wahr?“ „Das wissen Sie doch längst.“ „Und wo. ist das Hauptquartier dieser Lynn-Organisation? „ „Die Music-Hall.“ „Wissen die Besitzer davon?“ „Keine Ahnung, ich bin ja erst seit ein paar Tagen hier in Montrose. Lynn hatte mich angefordert.“ „Um wen zu erledigen?“ Parker hatte das Gefühl, daß Barvas wieder zurückhaltender wurde. Er brachte die Dogge erneut ins Spiel und drückte den Killer gegen die Käfigtür. Nun, die Dogge biß zwar nicht zu, aber mit den Krallen der rechten, weit vorgeschobenen Pfote fuhr sie kratzend über die linke Hinterbacke des Mörders. Die Doggen sahen sich beeindruckt an, als Barvas daraufhin aufheulte und dann hastig weiterredete. „Es ging um die Lady und um Sie“, gestand er. „Lynn muß herausgefunden haben, daß Sie auf ihn angesetzt worden sind. Er war sich seiner Sache noch nicht sicher, aber er wollte erst- gar kein Risiko eingehen und Sie verscheuchen lassen.“ „War das die Aufgabe von Mulligan?“ „Von ihm und mir. Ich sollte Dampf . machen, falls Lady Simpson nach der
Sache in der Loge nicht kapierte. Ich sollte Sie aber wirklich nicht erledigen, nur ein wenig in Panik bringen.“ „Sie nannten Mylady und meine bescheidene Wenigkeit“, schickte Parker gemessen voraus. „Fiel in diesem Zusammenhang noch ein weiterer Name?“ „Keine Ahnung. Ich bin doch neu hier in Montrose, Parker, glauben Sie mir doch endlich!“ „Und warum erledigten Sie Mulligan auf dem Dach der Remise?“ „Der hätte doch mit Sicherheit geredet. Das sollte ich verhindern.“ „Ich schlage vor, ein anderes Thema abzuhandeln“, sagte der Butler und drückte den Killer gegen das Gitter der wieder fest verschlossenen Tür. „Die Lynn-Organisation hat Ärger mit einer gewissen Konkurrenz, nicht wahr?“ „Das sind doch Sie, oder?“ Barvas sah den Butler unsicher an und wimmerte dann leicht, als die Pfoten der Doggen seinen Anzug in Streifen zerlegten. Die kräftigen Krallen dieser handtellergroßen Pfoten kamen recht gut durch die Quadrate des Maschendrahts. „Wer sonst noch?“ stellte Parker die nächste Frage. „Mr. Barvas, zieren Sie sich nicht unnötig, ich fühle wieder Zorn in mir aufsteigen! Ich schäme mich dieser unkontrollierten Regungen, aber ich kann dagegen einfach nicht an. Ich muß wieder an den kleinen Hund denken.“ „Ich rede ja schon“, stöhnte Barvas und versuchte mit dem Rücken vom Maschendraht wegzukommen, was ihm aber mißlang. „Nehmen Sie sich nur Zeit, Mr. Barvas, -wir wollen nichts überhasten und kein Detail übergehen. Die Gespräche Lady Simpsons werden mit Sicherheit noch etwas andauern.“
Um den Killer in Stimmung zu halten, griff Parker wieder zum Türverschluß. Barvas, der diese Bewegung sah, klammerte sich hastig an Parker fest und überschüttete ihn mit Hinweisen. Er fühlte sich sogar verpflichtet, aus seiner Jugend zu erzählen und von den Vorfahren seiner Familie. So mitteilsam war er! * Die Falle war im Grund nur für einen Eingeweihten zu erkennen. Um einen runden Tisch herum saßen Ernie Kelson und sein Kompagnon, der Paul Putnam hieß. Putnam erinnerte in seiner Größe und Magerkeit an eine leicht verhungerte Spitzmaus. Seine dunklen, fast schwarzen Augen befanden sich in ununterbrochener Bewegung. Etwas abgesetzt von ihnen saß ein dritter Mann, groß, mit Bauch und teigigem Gesicht. Wer es war, wußte Kathy nicht zu sagen. Sie hatte diesen Mann mit den schweren Augenlidern noch nie gesehen, spürte aber sofort die tödliche Bedrohung, die von ihm ausging. Der vierte Mann in der Runde mußte Cardano, der Magier der Hölle, sein. Er sah aus wie ein Vampir aus einem englischen Horrorfilm. Ihm fehlten dazu eigentlich nur noch die überlangen Eckzähne. Er war groß, hager, hatte ein bleiches Gesicht und pechschwarzes Haar, das in der Art eines BühnenMephisto geschnitten und gekämmt war. Er trug einen schwarzen Anzug und musterte Kathy aus dunklen, brennenden Augen, die den „Genuß“ einer harten Droge verrieten. „Miß Kathy Porter“, stellte Lester
Bentley in dünkelhafter Pose vor, „die reizende und auch tüchtige Mitarbeiterin von Butler Parker und Lady Simpson.“ „Kompliment“, gab Kathy geistesgegenwärtig zurück und wandte sich zu Lester Bentley um, dem sie im gleichen Moment ihren Ellbogen in die Magengrube rammte. Bentley, der große, schlanke und sicher auch sportlich durchtrainierte Mann, wurde von diesem Angriff völlig überrascht. Er schnappte intensiv nach Luft und verbeugte sich gleichzeitig vor Kathy. Sie nahm sich nicht die Zeit, seine Höflichkeiten zu beantworten, sondern rannte an ihm vorbei und schmetterte hinter ihm die Tür ins Schloß. Groß war ihr Vorsprung nicht, sie mußte ihn nutzen und weiter ausbauen. Kathy lief aber keineswegs zurück in Richtung Verbindungskorridor, wo man sie sicher vermuten würde, sie nahm die entgegengesetzte Richtung, verschwand im Dunkel der Hinterbühne und blieb dann neben dem Pult des Inspizienten stehen, wo sie sich als Nummerngirl stets aufhalten mußte. Ihre Rechnung ging erst mal auf. Die Tür wurde aufgestoßen. Lester Bentley, nicht mehr elegant und überlegen wirkend, schleppte sich aus dem Zimmer und lief taumelnd zum Korridor hinüber. Kathy sah deutlich, daß er die Schußwaffe wieder in der Hand hatte. Dann erschien der „Magier der Hölle“, der es nicht so eilig hatte. Cardano, wie er von Bentley genannt wurde, blieb suchend an der Tür stehen und rieb sein spitzes Kinn. Der Mann überlegte, was Kathy überhaupt nicht paßte. Cardano trat höflich zur Seite, als die beiden Kompagnons aus dem Büro eilten.
Ernie Kelson und Paul Putnam entschieden sich ebenfalls für den Verbindungskorridor und verschwanden im Halbdunkel. Der große Mann mit dem Bauch und dem teigigen Gesicht ließ sich überhaupt nicht blicken. Er hielt es wahrscheinlich für unter seiner Würde, sich an diesem Spektakel zu beteiligen. Cardano setzte sich in Bewegung und kam direkt auf Kathy Porter zu. Dieser Mann schien bereits genau zu wissen, wo sie sich verborgen hielt. Er benahm sich recht eigenartig, wie Kathy fand. Er streckte seine Hände leicht vor, und spielte mit den Fingern in der Luft. Er schien ihre Körperwärme ertasten zu wollen. Kathy fühlte Angst in sich aufsteigen und spürte, daß dieser Mann über Fähigkeiten verfügte, denen sie nichts entgegenzusetzen hatte. Cardano kam langsam näher und sah im Halbdämmern aus wie der Hölle entstiegen. Er blieb stehen und schloß die Augen. Genau in diesem Augenblick fühlte Kathy so etwas wie einen eisernen Ring, der sich um ihre Schläfen, um ihren Kopf legte. Sie spürte, daß ein fremder Wille Besitz von ihr ergriff, ein Wille, der sie in seinen Bann zog. Sie wurde schwach in den Beinen und klammerte sich mit den Händen am: Pult des Inspizienten fest, um nicht zu fallen. Irgend etwas in ihrem Kopf sagte ruhig und eindringlich, daß sie kommen solle, daß es ihr Wunsch sei, Cardano entgegenzugehen. „Kommen Sie schon, Kathy“, hörte sie dann die laute Stimme, die dem Magier gehörte. Sie klang sympathisch, war verlockend und weckte Sehnsüchte in ihr, sich ihm ganz anzuvertrauen.
„Kommen Sie, Kathy“, wiederholte die Stimme des Magiers sanft und einschmeichelnd. „Sie wissen doch, daß Ihnen nichts passieren wird. Kommen Sie jetzt!“ Eine andere Stimme in ihrem Inneren warnte sie in panischer Aufregung, daß sie es mit einem Mann zu tun hatte, der über hypnotische Fähigkeiten verfügte. Doch diese warnende Stimme wurde sofort wieder überlagert von dem tiefen Wunsch, Cardanos Aufforderung nachzukommen. „Worauf warten Sie noch, Kathy?“ Cardanos Stimme war wie lähmendes Rauschgift. „Wir gehören doch zusammen.“ Das gab den Ausschlag! Auch Kathy war jetzt ganz dieser Meinung. Dem Zauber dieser Stimme konnte und wollte sie sich nicht entziehen. Sie zog sich am Pult hoch und berührte dabei rein zufällig den feuerrot gestrichenen Hebel für die Sprinkleranlage, die die Bühne bei Feuer unter Wasser setzte. Es regnete daraufhin nicht nur, es goß in Strömen. Zuerst lauwarmes, abgestandenes Wasser, dann eisige Bindfaden-Nässe. Das alles kam aus der Anlage, die oben unter dem Bühnendach angebracht war. Der „Magier der Hölle“ wurde von diesem Guß völlig überrascht und fluchte sehr unseriös. Er merkte wohl, daß seine magischen Kräfte gegen diese Wassermassen nicht ankamen. Kathy sah den Mann aus der Hölle, der nun sehr menschlich wirkte und die Arme schützend hochriß, um die Wasserfluten abzuwehren. Er sah inzwischen aus wie ein begossener Pudel.
Der Eisenreif um Kathys Kopf war nicht mehr vorhanden. Sie konnte wieder klar und folgerichtig denken, wollte aber auf keinen Fall zu Cardano hinübergehen, wie er es ihr eben noch befohlen hatte. Sie verbiß sich ein Lachen und bekam Lust, noch weitere Hebel zu ziehen und Knöpfe zu drücken. Wenn schon ein Durcheinander, dann sollte es auch perfekt ausfallen! Der „Magier der Hölle“ fluchte inzwischen reichlich ordinär und verriet damit seine schlechte Kinderstube. Er kämpfte sich durch die herabrauschenden Wassermassen und zog sich dabei seine Jacke über den Kopf. Er wußte jetzt, wo Kathy sein mußte, in Bühnendingen kannte er sich aus. Er rechnete allerdings nicht damit, daß Kathy noch weitere Hebel und Knöpfe drückte. Er prallte deshalb gegen eine Pappwand, die sich von oben nach unten auf die Bühne senkte und eine heitere italienische Landschaft zeigte, in der es im Gegensatz zur Realität nicht regnete. Der „Magier aus der Hölle“ fluchte erneut und stolperte dann über eine Sitzbank, die auf schmalen Schienen aus der Kulisse kam. Cardano setzte sich nicht, er legte sich, und zwar neben die, Bank. Er lädierte sich dabei die Schienbeine und wirkte überhaupt nicht mehr wie der Fürst der Hölle. Zudem schienen seine magischen Fähigkeiten ungemein gelitten zu haben. Kathy fühlte sich nämlich immer freier und wohler. Nachdem Cardano sich aus einer ansehnlichen Wasserpfütze erhoben hatte, löste sich aus einem anderen Teil der Kulisse ein schwingendes Reck, das zur Ausrüstung einer Artistennummer gehörte. Diese Reckstange befand sich genau in richtiger Höhe und knallte gegen Cardanos Brust, der daraufhin deutlich
gewisse Konditionsschwächen zeigte. Der Fürst der Hölle taumelte angeschlagen zurück und rutschte in eine Öffnung, die der Bühnenboden freigegeben hatte. Cardano klammerte sich am Rand der Versenkung fest und brüllte laut um Hilfe. Er schien gegen die ihn erwartende Höllenfahrt einige Einwendungen zu haben. Der Regen aber rauschte nach wie vor auf die Bühne und verwandelte sie nachhaltig in einen Swimming-pool. Kathy Porter hätte liebend gern noch länger zugesehen, doch sie wollte ihr Glück nicht überfordern. Das Nummerngirl setzte sich weiter ab und gluckste dabei vor Lachen. Sie genoß die Schadenfreude in vollen Zügen. * „Was machen wir jetzt mit diesem Subjekt?“ fragte Agatha Simpson etwa um diese Zeit. Sie saß wieder im Fond von Parkers Wagen, der zurück nach Montrose fuhr. „Die Doggen hätten das Problem gründlicher gelöst, Mr. Parker.“ „Mit Sicherheit, Mylady“, räumte Josuah Parker ein, „doch das wäre wohl einem Mord gleichgekommen.“ „Sie wollen diesen Ralph Barvas doch nicht freisetzen, oder?“ Groll war in der Stimme der streitbaren Dame. „Mit diesem Gedanken erlaube ich mir allerdings zu spielen, Mylady.“ „Wollen Sie meinen Blutdruck hochtreiben, Mr. Parker?“ ärgerte sich Agatha Simpson. „Keineswegs, Mylady“, versicherte Josuah Parker. „Mr. Barvas wird garantiert innerhalb der nächsten halben Stunde Gast der Polizeistation sein.“
„Und wie wollen Sie das erreichen, ohne daß wir unnötige Fragen beantworten müssen?“ Parker erlaubte sich, Mylady seinen neuen Plan darzulegen und fand das Wohlwollen seiner Herrin, Sie kicherte ein wenig und freute sich bereits schon jetzt auf die kommenden Ereignisse. „Wie ist das also mit der Konkurrenz der Lynn-Organisation?“ erkundigte sie sich dann und wurde wieder sachlicher. „Mr. Lynn und sein Sabotage-Trupp arbeiten für ein Konsortium in Beirut“, erläuterte Parker, die Aussagen von Barvas zusammenfassend. „Dieses Konsortium möchte verhindern, daß im Festlandsockel vor Schottland nach Erdöl gebohrt wird. Die Gründe dafür dürften auf der Hand liegen, wenn ich es mal so sagen darf.“ „Und ob!“ Agatha Simpson nickte grimmig. „Dieses Konsortium möchte das Ölmonopol weiterhin ausüben.“ „In der Tat, Mylady“, bestätigte der Butler. „Namen vermochte Mr. Barvas zwar nicht zu nennen, aber darauf kommt es auch gar nicht an, wenn man die Dinge nüchtern betrachtet.“ „Und wer arbeitet nun gegen diesen Stewart Lynn?“ „Ein zweites Spezialunternehmen“, berichtete der Butler weiter. „Mr. Barvas wußte darüber leider nur recht wenig zu sagen.“ „Wieso ein zweites Sabotageunternehmen?“ fragte die ältere Dame verblüfft. „Das heißt, wenn ich mir diese Sache als Schriftstellerin betrachte, so könnte ich das verstehen.“ „Nicht wahr, Mylady.“ Parker hütete sich, seine Herrin weiter anzuregen, denn er befürchtete neue Theorien. Doch Lady
Simpson wollte das Stichwort nicht ungenutzt lassen. „Wahrscheinlich ein zweites Konsortium, das, unabhängig vom ersten, die Bohrversuche stören will“, stellte sie also fest und nickte zufrieden. „Das kompliziert die Dinge erfreulich, Mr. Parker.“ „Leider, Mylady, zumal wir über dieses zweite Unternehmen nichts wissen,“ „Sie werden das schon schaffen, Mr. Parker.“ Sie hatte wieder mal vollstes Vertrauen zu ihm. „Möglicherweise. Mylady“, wehrte Parker diesen Vertrauensvorschuß schnell ab. „Im Augenblick ist es vielleicht wichtiger, den Nachstellungen der LynnGruppe zu entgehen. Mr. Lynn scheint sich über Mylady und meine bescheidene Person informiert zu haben. Er weiß oder nimmt es an, daß Mylady für die Regierung arbeitet.“ „Weiß dieser Lynn etwas über Kathy?“ fragte die Detektivin und wirkte jetzt doch ein wenig besorgt. „Entsprechendes war von Mr. Barvas nicht zu hören, Mylady.“ „Womit wir wieder bei diesem Subjekt sind, Parker. Wir dürften gleich in Montrose sein. Es wird Zeit, diesen Killer an die frische Luft zu setzen. Verabreichen Sie ihm das Stärkungsmittel, tun Sie etwas für seinen Kreislauf!“ * Ralph Barvas konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Der Killer war betrunken und schwankte wie ein Fahnenmast im Wind. Er rülpste ungeniert und hielt auf eine Laterne zu, die mildes Licht spendete. Barvas konnte
sich nur noch vage an gewisse Vorgänge erinnern. Dennoch dachte er voller Dankbarkeit und Freude an den Butler, der sich im Endeffekt als Mensch entpuppt hatte. Nachdem er aus dem Kofferraum entlassen worden war, hatte der Butler ihm eine lederüberzogene Taschenflasche gereicht und ihn mit Whisky erfrischt. Die schreckliche Angst vor den Doggen noch in den Gliedern, hatte Barvas nicht lange ermuntert zu werden brauchen. Er hatte die Taschenflasche leer getrunken und fühlte sich pudelwohl. Seine Euphorie kam nicht von ungefähr und nur vom Whisky. Josuah Parker hatte sich die Freiheit genommen, diesen Whisky ein wenig zu präparieren. Er enthielt ein leichtes Aufputschmittel, das die Wirkung des Alkohols potenzierte. Barvas hätte am liebsten die ganze Welt umarmt. Da die Welt aber nicht zur Verfügung stand, begnügte er sich mit dem Laternenpfahl und klammerte sich an ihn. Dazu intonierte er ein Lied, dessen Text sich nicht gerade durch Anstand und Sitte auszeichnete. Weil er dazu aber auch noch laut sang, erregte er das Mißfallen einiger Passanten, die ihrerseits die Polizei informierten. Es dauerte nur wenige Minuten, bis ein Streifenwagen heranfuhr, den zwei Uniformierte verließen. „Hallo, ihr miesen Typen“, begrüßte Barvas sie, denn er konnte Polizeiuniformen verständlicherweise nicht ausstehen. „Soll ich euch mal Beine machen, ihr Bullen?“ Um sich noch verständlicher zu machen, zog er seine schallgedämpfte Schußwaffe und richtete den Lauf auf die Uniformierten, die diese Geste natürlich mißverstanden. Es handelte sich um
erfahrene Polizisten, die blitzschnell zur Seite sprangen, um Barvas zur Vernunft zu bringen. Dieser Prozeß verlief allerdings ein wenig einseitig. Nachdem Barvas sich ein paar derbe Schläge mit dem Schlagstock eingehandelt hatte, fühlte er sich von der Welt mißverstanden, wehrte sich, trat und stieß um sich und wollte sogar auf die beiden Beamten schießen. Da Josuah Parker die Waffe jedoch sicherheitshalber entladen hatte, tat sich in dieser Hinsicht überhaupt nichts. Killer Barvas weinte, als er auf dem Boden landete. Er hatte diverse Schmerzen an verschiedenen Körperstellen und sang nicht mehr. Er leistete kaum noch Widerstand, als die beiden Polizisten ihn ins, Auto transportierten. „Dieses verkommene Subjekt dürfte vorerst aus dem Verkehr gezogen sein“, stellte Lady Simpson fest, die zusammen mit ihrem Butler den Vorfall aufmerksam verfolgt hatte. „Mr. Ralph Barvas hat vor wenigen Minuten seine blutige Laufbahn als Berufsmörder beendet“, präzisierte der Butler. „Die Waffe, mit der Mulligan erschossen wurde, wird dafür sorgen, außerdem noch die kleine Prise Rauschgift, die man in seiner Hosentasche finden wird.“ „Haben Sie das etwa arrangiert?“ „Ich sah mich zu meinem Leidwesen einfach dazu gezwungen“, bekannte der Butler. „Menschen wie Barvas sind hinter Gittern besser aufgehoben als in der Öffentlichkeit.“ „Und was machen wir jetzt?“ erkundigte sich die streitbare Dame. „Die Nacht ist gerade erst angebrochen. Wir haben- noch viel Zeit. Wir sollten uns die Music-hall mal aus der Nähe ansehen.“
„Man könnte zumindest an diesem Etablissement vorbeifahren“, schlug Josuah Parker vor und sah zufrieden dem davonjagenden Polizeistreifenwagen nach. „Warum tun wir nicht mehr?“ fragte Agatha Simpson erbost. „Wir wissen doch von Barvas, wer zu Lynns Organisation gehört, nämlich die beiden Besitzer der Music-hall, Ernie Kelson und Paul Putnam und dann schließlich noch dieser Lester Bentley. Diese Lümmel könnten wir im Handstreich überlisten.“ „Durchaus, Mylady“, räumte der Butler ein, „aber zu beweisen wäre diesen Herren überhaupt nichts, wenn ich in aller gebotenen Bescheidenheit darauf aufmerksam machen darf. Zudem ist unbekannt, wer Mr. Lynn nun tatsächlich ist. Um ihn allein dürfte es gehen, Mylady, denn könnte er entkommen, würde er mit Sicherheit eine neue Organisation aufbauen.“ „Sie besitzen ein beneidenswertes Talent, mir alle Freude zu nehmen“, beschwerte sich die Detektivin. „Also gut, fahren wir an der Music-hall vorbei. Vielleicht ergeben sich neue Hinweise.“ Als sie die Music-hall erreicht hatten, war der Bau festlich erleuchtet. Im Schein der Lampen, die auch über dem Eingang brannten, rieselten kleine Wasserbäche nach draußen, die auf einen kapitalen Rohrbruch hindeuteten. „Was sagen Sie dazu, Mr. Parker?“ wunderte sich Lady Simpson. „Miß Kathy scheint in Aktion gewesen zu sein“, gab der Butler zurück und sorgte sich um seine hübsche Assistentin. * Kathy war das Lachen vergangen.
Gewiß, sie hatte den „Magier der Hölle“ abschütteln können, doch viel gefährlicher war dieser Lester Bentley, der ihr förmlich im Nacken saß. Der große, schlanke und sportliche Mann war aus dem Verbindungskorridor zurückgekehrt, hatte mit schnellem Blick erkannt, was passiert war, und verfolgte sie nun gekonnt. Kathy hatte die Music-hall längst verlassen und stahl sich durch’ das nächtliche Montrose. Sie wußte, daß Bentley ihr folgte, und fürchtete ihn. Sie hatte schon bei der ersten Begegnung gemerkt, daß dieser Mann Vollprofi war. Kathy hatte einen knappen Vorsprung herausgearbeitet, getraute sich aber nicht, zum „St. Cyrus“ zu laufen. Wahrscheinlich wurde sie dort erwartet. Die Mitglieder der Bande wußten ja inzwischen, daß sie Lady Simpsons Sekretärin und Parkers Assistentin war. Instinktiv pirschte Kathy zum kleinen Fischerhafen hinunter, dort gab es eine Anzahl von sogenannten Privatclubs, wo selbst noch’ um diese Zeit Betrieb herrschte. Gegen eine geringe Gebühr konnte man dort Mitglied werden und sich privat vergnügen, ohne an die Polizeistunde gebunden zu sein. Dort mußten die engen Straßen und Gassen noch belebt sein, dort konnte ‘sie ihren Verfolger möglicherweise abschütteln. Im Fischereihafen lagen die Versorgungsboote und Hochseeschlepper, die als Nachschub der schwimmenden Bohrinsel dienten. Seeleute waren also mehr als genug vorhanden. Kathy mußte nur die richtige Gasse finden, bevor Bentley sie erreichte. Noch hatte sie Bentley nicht gesehen; doch sie fühlte immer deutlicher, daß er ihr dicht auf den Fersen war. Dieser
Mann war ein gerissener Fuchs, der wahrscheinlich genau berechnete, welchen Fluchtweg sie nahm. Jeden Moment konnte er aus der Dunkelheit eines Torwegs hervortreten und sich ihr in den Weg stellen. Ob sie dann noch eine Chance hatte, war mehr als fraglich. Vorsichtig schritt sie auf eine Ecke zu, hinter der die nächste Gasse war. Und blieb dann wie erstarrt stehen ... Bentley! Breitbeinig stand der Mann im Dunkel, nur in Umrissen zu erkennen. Er lachte leise und siegessicher. „Na, also“, sagte er. „Ich wußte es doch, Miß Porter. Das war nur eine Frage von Minuten.“ „Wie ... wie haben Sie mich gefunden?“ stotterte Kathy. „Weil ich Sie als Profi eingeschätzt habe, und das im Gegensatz zu meinen Freunden. War doch klar, daß Sie nicht ins Hotel laufen würden, nicht wahr? Und wo versteckt man sich am besten? Möglichst in einem Hafenviertel.“ „Was ... was haben Sie jetzt mit mir vor, Mr. Bentley?“ „Hören Sie auf, das ängstliche, kleine Mädchen zu spielen“, gab er ironisch zurück. „Ich nehme Ihnen diese Rolle nicht ab. Wir werden uns gleich mal in aller Ruhe unterhalten, war ja schließlich so geplant.“ „Und wo?“ „Auf meiner Motorjacht, Miß Porter! Sie wird Ihnen gefallen, wetten?“ „Und danach wollen Sie mich umbringen, nicht wahr?“ „Unsinn, Miß Porter! Für Sie weiß ich eine bessere Verwendung, als Leiche sind Sie für mich wertlos. Noch etwas, versuchen Sie nicht, mir mit Tricks zu kommen! Ich kenne so ziemlich alles.“
„Vor Ihnen hatte ich gleich Angst, als ich Sie sah.“ „Kommen Sie mir auch nicht mit Komplimenten, Kathy“, wehrte er lässig ab, „so was verfängt bei mir schon lange nicht mehr. Ich werde übrigens schießen, wenn Sie abhauen! Sie wissen ja, daß es gemeine Schüsse gibt, an denen man nur langsam stirbt. Haben wir uns verstanden?“ „Und ob“, seufzte Kathy, die ihm jedes Wort abnahm. „Sie haben gewonnen, Bentley.“ „Nennen Sie mich doch Lester“, meinte er fast nett. „Sie haben eine echte Chance, alles zu überleben, aber Sie müssen verdammt klug sein.“ „Ich werde mich anstrengen, Lester.“ Kathy dachte wirklich nicht an einen Fluchtversuch. Riskierte sie ihn, war sie verloren. Dieser Mann würde unbedingt schießen, er bluffte nicht. Bentley blieb dicht neben ihr und zeigte keine Waffe, doch würde er sie blitzschnell in der Hand haben, wenn es sein mußte. Gehorsam ging sie neben ihm her und näherte sich mit ihm dem kleinen Jachthafen gleich zu Anfang der Mole, die weit hinaus in die See schwang. „Sind Sie der Chef?“ erkundigte sie sich, um überhaupt etwas zu sagen. „Mein eigener“, gab er zurück, „ich bin Einzelgänger. Und das ist Ihre Chance, Kleines, wenn Sie weiterleben wollen. Ich erwarte dafür ein wenig Herz und Temperament.“ Kathy war verblüfft. So hatte sie diesen Lester Bentley nicht eingeschätzt. Er verlangte Herz und Temperament? Eindeutiger hätte er sich nicht ausdrücken können. War Sex seine weiche Stelle? Suchte er ein Abenteuer?
Kathy wurde sich bewußt, daß sie, was das anbetraf, absolut nicht wehrlos war. Sie verfügte über Waffen, die sich sehen lassen konnten. * Der große Mann mit dem schweren Leib und dem teigigen Gesicht befand sich bereits an Bord und sah sie aus seinen halb verschlafen wirkenden Augen träge an. Er saß unten in der Kabine der Motorjacht in einem Sessel, der für seine Fülle wohl extra angefertigt worden zu sein schien. Die Motorjacht, auf die Lester Bentley sie gebracht hatte, war im Grund kein schnittig aussehendes Fahrzeug. Kathys Ansicht nach handelte es sich um ein ehemaliges Vorpostenboot, vielleicht sogar um einen ausrangierten Minenleger. Das Schiff war groß und optisch in bestem Zustand. Die Einrichtung der Kabine war teuer, aber nicht aufdringlich. Dieses Boot war seetüchtig und verfügte ihrer Schätzung nach über starke Motoren. „So sieht man sich wieder“, sagte der Mann vom Sessel aus und nickte Bentley schläfrig zu. „Gut gemacht, Lester!“ „Reine Routine, Chef“, erwiderte Bentley. „Schon gut, Lester.“ Der große, dicke Mann musterte Kathy wie einen Gegenstand, mit dem er sich vertraut machen wollte. Er winkte sie mit seinem dicken Zeigefinger näher zu sich heran, doch Kathy dachte nicht im Traum daran, darauf zu reagieren. Sie blieb wütend stehen. „Sie sind stolz, Miß Porter“, stellte der Dicke fest, „aber jeder Stolz läßt sich
brechen, vor allen Dingen der unnötige Stolz einer Frau.“ „Sind Sie sich Ihrer Sache immer so sicher?“ „Immer“, antwortete der dicke Mann, „ich möchte nun Ihre Geschichte hören, Miß Porter. Für wen arbeiten Sie und was hat Ihre Organisation bisher geplant.“ „Was ich tue, wissen Sie doch! Ich bin Nummerngirl.“ „Lassen wir das Versteckspiel“, sagte der Dicke sanft, „Sie sind die Gesellschafterin von Lady Simpson und gleichzeitig auch die Assistentin dieses Butler Parker.“ „Warum fragen Sie dann noch?“ „Was haben Sie bisher herausgefunden, Miß Porter? Ich bitte Sie um genaue Angaben.“ „Leider überhaupt nichts“, räumte Kathy ein. Sie hatte sich entschlossen, nicht unnötig zu pokern. Dieser Mann schien bereits eine Menge zu wissen. „Für wen haben sich Lady Simpson, und Parker eingeschaltet?“ „Ich glaube, daß die Regierung sie gebeten hat“, gestand Kathy. „Und was sollten Sie ausspionieren?“ „Wer für die Sabotageakte auf der Bohrinsel verantwortlich ist, Mr. X oder wie ich Sie nennen soll.“ „Ich bin Stewart Lynn“, stellte der Dicke sich genüßlich vor. „Dann sind also Sie es, nicht wahr?“ „Ich will es nicht abstreiten, Miß Porter. Wir werden diese Bohrinsel gründlich auflaufen lassen.“ „Sie wollen sie versenken?“ Kathy sah den Mann überrascht an. Wollten die Gangster tatsächlich so weit gehen? „Eine Kleinigkeit für den, der generalstabsmäßig planen kann“, antwortete Lynn genüßlich. Kathy
versuchte es mit einer ersten Einschätzung dieses Mannes. Er schien eitel und selbstherrlich zu sein und hielt sich wahrscheinlich für unschlagbar gut. Daraus ließ sich unter Umständen etwas machen. „Und die Menschen auf der Bohrinsel?“ fragte Kathy etwas nebensächlich, um Zeit und damit weitere Informationen zu gewinnen. „Das ganze Leben ist ein Risiko“, gab Stewart Lynn zurück, „die Männer auf der Bohrinsel wissen schließlich genau, wie gefährlich es da draußen auf See ist.“ „Und das alles nur, weil irgendwelche Kreise nicht daran interessiert sind, daß hier vor der schottischen Küste Öl gefördert wird?“ „Sie müssen das gesamtwirtschaftlich sehen, Miß Porter.“ Lynn lächelte wissend. „Öl vor Schottland wird mit Sicherheit die Preise verderben.“ „Sir, sollte man die Kleine vielleicht nicht nach der Konkurrenz fragen?“ schaltete sich Lester Bentley ein, der sich offensichtlich unbehaglich fühlte. Es paßte ihm wohl nicht, daß sein Chef so ungeniert seine Karten auf den Tisch legte. „Die Reihenfolge der Themen überlassen Sie besser mir, Bentley“, gab Lynn zurück und schoß im wahrsten Sinne des Wortes einen scharfen und giftigen Blick auf Bentley, der- daraufhin verlegen zu Boden sah. „Daß Sie Konkurrenz haben, ist mir bekannt“, nahm Kathy geschickt das Thema auf. „Eine zweite Gruppe will für eine andere Gruppe ebenfalls die Bohrarbeiten stören.“ „Ich freue mich, daß Sie Bescheid wissen, Miß Porter. Darüber möchte ich von Ihnen mehr hören. Wer repräsentiert
diese zweite Gruppe? Wissen Sie, ich hasse Konkurrenz und schalte sie stets so schnell wie möglich aus.“ „Etwas begreife ich nicht, Mr. Lynn“, schickte Kathy voraus und schüttelte ein wenig ratlos den Kopf. „Warum lassen Sie die Konkurrenz nicht die Arbeit tun? Das mindert doch Ihr Risiko!“ „Sie sind ein schlaues Mädchen. Sehr nett, wirklich sehr nett!“ Lynn freute sich augenscheinlich und nickte wohlwollend. „Leider haben Sie einen wichtigen Punkt übersehen. Organisationen, wie ich sie eigentlich erfunden habe, arbeiten nur auf Erfolgsbasis.“ „Wer kann schon irgendwo in der Welt feststellen, wer die Bohrinsel zerstört hat, Mr. Lynn?“ „Dafür müssen eben Beweise vorgelegt werden, Miß Porter. Und der allerbeste Beweis ist immer der, daß man seine Konkurrenz ebenfalls ausgeschaltet hat. Verstehen wir uns?“ „Ich kenne mich. in Ihrem Geschäft wohl doch nicht so gut aus, Mr. Lynn.“ „Schade, daß Sie auf der falschen Seite sind, meine Liebe.“ Lynn verdrehte schläfrig die Augen und seufzte gespielt. „Man findet so selten Mädchen Ihres Formats.“ „Vielleicht habe ich bisher nie die richtigen Angebote bekommen, Mr. Lynn.“ „Wie das Schicksal eben so spielt“, seufzte Lynn erneut. „Sie würden sich unter Umständen von Lady Simpson und Butler Parker trennen?“ Er sah sie träge und desinteressiert an. „Leicht würde mir das bestimmt nicht fallen, Mr. Lynn.“ „Was ich verstehen kann, dieses Duo soll ja recht eigenwillig sein.“
„Sie hatten noch nie mit Butler Parker und Lady Simpson zu tun, Mr. Lynn? Haben Sie noch nie davon gehört?“ „Mein Arbeitsgebiet war bisher der Nahe Osten“, erklärte Lynn ungeniert und ohne Hemmung, worüber Kathy sich nicht sehr freute. Da der Mann aber auch jede Karte auf den Tisch legte, schien er ihre Ermordung bereits eingeplant zu haben. „Aber Mr. Bentley scheint über Ihre Arbeitgeber mehr zu wissen.“ “Ein verdammt schlitzohriges Pärchen“, schaltete sich Bentley dankbar ein, „und sehr erfolgreich, wie ich in London gehört habe.“ „Sie würden sich also von Lady Simpson und Butler Parker trennen?“ wiederholte Lynn seine Frage noch mal. „Was haben Sie mir denn zu bieten?“ Kathy gab sich kokett. „Mich!“ Der Dicke wuchtete sich aus seinem Sessel hoch und stampfte schwerfällig zu einer Kabinentür im Hintergrund. „Kommen Sie, ich werde Sie testen, Sie und Ihre Bereitschaft zur Mitarbeit. Nun kommen Sie schon!“ Kathy warf Bentley einen schnellen, entsetzten Blick’ zu, doch der große, sportliche Mann hob nur die Schultern. Er sah schnell zu Lynn hinüber, der bereits in der benachbarten Kabine verschwand. Dann beugte er sich zu Kathy hinunter. „Er ist ein Schwein“, flüsterte er hastig, „verärgern Sie ihn bloß nicht, sonst sind Sie geliefert!“ * Agatha Simpson befand sich in höchster Erregung. Sie hatte gerade einen Telefonanruf erhalten, sich daraufhin ihren Morgenmantel übergeworfen und ihr Zimmer
verlassen. In ausgetretenen und abenteuerlich’ aussehenden Filzpantoffeln marschierte die Lady hoheitsvoll über den Korridor ihres Hotels und steuerte Parkers Zimmer an. Sie übersah souverän zwei männliche Spätheimkehrer, die, von diesem Anblick erschreckt, sich hastig gegen die Wand drückten und Lady Simpson passieren ließen. Sie erinnerte nämlich irgendwie an eine unter Volldampf stehende Dampfwalze. Als sie mit ihrer Faust gegen Parkers Zimmertür pochte, rieselte der Putz von den Wänden. Die Sechzig jährige konnte sehr resolut sein, wenn es die Lage erforderte. „Mr. Parker“, dröhnte dazu ihre sonore Stimme, „machen Sie schon auf, ich brauche Sie!“ Die beiden Spätheimkehrer mißverstanden ihre Worte natürlich gründlich und grinsten. „Können Sie’s nicht erwarten?“ rief einer der beiden Leichtsinnigen neckisch und zwinkerte mit dem linken Auge. „Kreisen die Hormone?“ erkundigte sich der zweite Mann dummerweise und zwinkerte ebenfalls anzüglich. Agatha Simpson geriet in Zorn. Ihr Busen wogte wie bei einer Wagnersängerin während einer längeren Arie. Sie verzichtete auf eine Antwort, bückte sich aber nach dem Teppichläufer, der den Boden des Korridors bedeckte, hob ihn leicht an und riß ihn dann ruckartig zu sich heran. Die beiden Gentlemen, die bereits weitergegangen waren, wurden vollkommen überrascht und verloren den Boden, beziehungsweise den Teppich unter ihren Füßen. Sie schossen nach vorn und flogen zu Boden.
„Mylady sehen ein wenig echauffiert aus“, stellte der Butler in diesem Moment fest. Er hatte die Tür geöffnet und trug einen korrekt sitzenden Bademantel älteren Zuschnitts, der fast bis zu seinen Zehen reichte. „Flegel“, donnerte Mylady. „Mylady sind erregt?“ Parker sah in die Richtung, in die auch seine Herrin schaute. Die beiden zu Boden gegangenen Männer rappelten sich gerade wieder auf, schauten sich um und ergriffen dann schleunigst die Flucht, als Agatha Simpson sich anschickte, auf sie loszugehen. „Könnten Mylady das vielleicht auf später verschieben?“ bat der Butler. „Gab es möglicherweise einen Grund, an meine Zimmertür zu pochen?“ „Richtig, das hätte ich ja beinahe vergessen.“ Sie nickte, schob Parker sehr Ungeniert zur Seite und betrat dessen Hotelzimmer. Sie marschierte auf ihren stämmigen Beinen zum Bett und setzte sich auf die Kante. Parker blieb in der Zimmermitte stehen und sah Lady Simpson erwartungsvoll an. „Wissen Sie, wer da gerade angerufen hat?“ Der Busen wogte noch erstaunlich. „Ich bin sicher, es gleich erfahren zu dürfen, Mylady.“ „Die Konkurrenz von diesem Lynn, den wir nicht kennen“, antwortete die streitbare Dame. „Eine Männerstimme behauptete, Kathy befinde sich in höchster Gefahr.“ „Das klingt erschreckend, Mylady. Wurden noch weitere Hinweise gegeben?“ „Sie soll sich in den Kellern der Musichall befinden“, redete Lady Simpson weiter. „Sie soll angeblich gefoltert werden.“
„Ich brauche nur wenige Sekunden“, sagte Parker und öffnete den Schrank, in dem seine Kleidung hing. Dann drehte er sich abwartend zu Lady Simpson um. „Worauf warten Sie noch?“ fauchte sie ihn an. „Mylady, ich habe die Absicht mich anzukleiden,“ „Stellen Sie sich gefälligst nicht so an“, grollte sie daraufhin, „glauben Sie etwa, ich hätte noch nie einen Mann in Unterhosen gesehen? Beeilen Sie sich endlich!“ * „Nun zieh dich schon aus“, sagte Lynn. Der Mann saß bereits wieder in einem sofaähnlichen Sessel seiner Schlafkabine und griff nach einem gefüllten Glas, das er durstig leerte. Kathy nahm sich Zeit und sah sich in der großen Kabine um, in der das breite französische Bett beherrschend war. Es gab eingebaute Kleiderschränke, unterhalb der Bullaugen eine Sitzgruppe und eine reichhaltig bestückte Bar gleich neben der Tür. Der Boden war mit dicken Teppichen ausgelegt, links und rechts vom Bett waren kabinenhohe Spiegel angebracht. „Wie lange soll’ ich noch warten?“ Lynns Stimme wurde ungeduldig. „Sie werden mich später umbringen lassen, nicht wahr?“ „Das kommt auf dich an, meine Liebe.“ Er nannte sie meine Liebe, eine vertraute Anrede, die Kathy aus dem Mund der Lady Simpson bedeutend mehr schätzte. „Darf ich vorher etwas trinken, Mr. Lynn?“ „Zeitverschwendung, Schätzchen.“ Er klatschte überraschenderweise laut in die
Hände, worauf der linke Spiegel sich wie eine schmale Tür öffnete. Eine Art Gnom erschien dort, sah aus wie in einem Alptraum, war häßlich und grinste dümmlich. Er trug Pluderhosen nach orientalischem Muster und über seinem nackten Oberkörper eine bunt bestickte, offene Weste. „Zieh sie aus, Achmed“, rief Lynn ihm zu und deutete auf Kathy. „Wir haben es wieder mal mit einem verwöhnten Gast zu tun,“ Achmed grinste. Schon zu oft schien er diesen Witz von seinem Herrn und Meister gehört zu haben. Er näherte sich auf seinen viel zu kurzen Beinen Kathy und streckte seine Arme nach ihrem Rock aus. Sein Gesicht blieb dabei gleichgültig. „Überanstrengen Sie sich nicht, Achmed“, sagte Kathy und stieg aus ihrem Rock, bevor er sie anfassen konnte. Achmed, der natürlich mit Widerstand gerechnet hatte, trat verblüfft einen Schritt zurück und war beeindruckt. „Möchten Sie einen Strip sehen, Mr. Lynn, oder soll ich mich normal ausziehen?“ rief Kathy zu dem dickbauchigen Mann’ hinüber, während sie sich die Bluse über die Schultern streifte. „Sie tun ziemlich abgebrüht“, stellte Lynn mißtrauisch fest. „Sie scheinen bisher an die falschen Frauen geraten zu sein“, gab sie gleichgültig zurück und präsentierte sich in Slip und BH. Sie sah darin hinreißend aus und war eine einzige Verlockung. Ohne sich zu genieren, öffnete sie den Büstenhalter und ließ ihn ebenfalls zu Boden gleiten. Achmed starrte Kathy fasziniert an. Mit dieser Entwicklung hatte der Gnom sicher nicht gerechnet. Aber auch Stewart Lynn war beeindruckt. Er beugte sich etwas vor, seine schweren, stets ein wenig
schläfrig wirkenden Augenlider hoben sich. „Verschwinde, Achmed“, sagte er dann wie beiläufig, „du wirst hier nicht mehr gebraucht!“ Widerwillig zog der Gnom sich zur Spiegeltür zurück. Man sah ihm deutlich an, daß er liebend gern geblieben wäre. Als die schmale Tür sich hinter ihm schloß, verließ Lynn seinen Sessel und tapste schwerfällig Kathy entgegen. „Nun den Rest“, sagte er. Seine Stimme klang belegt, verriet Gier und Erregung. Kathy nickte und ließ ihre Hände in das Gummiband des Slips gleiten, bückte sich ein wenig und streifte das Höschen nach unten. Als sie ganz sicher war, daß er nur noch Augen für diesen Vorgang hatte, schlug sie plötzlich mit der Handkante blitzschnell und hart gegen seinen Unterleib. Normalerweise hätte Lynn zu Boden gehen müssen, denn Kathy kannte die Wirkung ihrer Karateschläge. Zu ihrer grenzenlosen Überraschung aber zog Lynn nur scharf die Luft ein, blieb stehen und zeigte fast keine Wirkung. Kathy schlug erneut mit der Handkante zu und wollte ihren Gegner fällen, doch auch der zweite Schlag zeigte keine Wirkung, Lynn atmete nur scharf durch, griff dann blitzschnell nach Kathy und schleuderte sie gegen die holzverkleidete Wand seiner Schlafkabine. Der Aufprall war derart hart, daß Kathy leicht benommen zu Boden sank. „Aber doch nicht mit mir, Miß Porter“, sagte Lynn und lächelte müde, fast ein wenig enttäuscht. „Damit hatte ich doch gerechnet. Sehen Sie sich an, wogegen Sie geschlagen haben!“ Er griff vorn unter sein Hemd, das über seinen dicken Bauch wallte und holte eine
Art Blechweste hervor. Genau in diesem Moment wußte Kathy, warum ihre Handkante so schmerzte. Lynn hatte sie nach allen Regeln der Kunst aufs Glatteis geführt und hereingelegt. „Aufsässigkeit und Verrat müssen bestraft werden“, redete Stewart Lynn weiter. „Ich denke, das sollten wir Achmed überlassen, er ist in solchen Dingen Spezialist.“ Wie auf ein Stichwort hin erschien Achmed wieder auf der Bildfläche und erinnerte an eine große Spinne, als er auf seinen Beinen geschmeidig auf Kathy zulief. Dazu schwang er eine Hundepeitsche durch die Luft. * Josuah Parker rechnete selbstverständlich mit einer Falle. Der anonyme Anruf, den Mylady erhalten hatte, sollte sie wahrscheinlich vor die Läufe diverser Schußwaffen treiben. Dieses Verfahren kannte der Butler schließlich nur zu gut. Daß die Falle aber derart schnell zuschnappen würde, damit hatte er nicht gerechnet und ärgerte sich, als es bereits auf dem Parkplatz des „St. Cyrus“ passierte. „Hände hoch“, sagte einer von zwei stämmigen Männern. Er war mit einer schallgedämpften Maschinenpistole ausgestattet, gegen die nichts auszurichten war. Selbst Lady Simpson schien das sofort einzusehen. Sie verzichtete in Anbetracht der Umstände auf die übliche Schimpfkanonade und hob ihre Arme. Parker hoffte, daß man seinen privaten Wagen für die Fahrt benutzen würde, doch wurde er herb enttäuscht. Lady Simpson und er mußten auf dem Rücksitz
eines Rover Platz nehmen und die Hände über dem Kopf zusammenfalten. „Darf man erfahren, wohin die Fahrt geht?“ erkundigte sich der Butler dennoch höflich und gemessen, wie es seiner Art entsprach. In allen Lebenslagen hielt er strikt auf Formen, die seiner Ansicht nach das menschliche Miteinander erst ermöglichten. „Die Fahrt geht in die Hölle“, sagte der Fahrer, während der zweite Mann mit seiner Maschinenpistole Agatha Simpson und ihren Butler in Schach hielt. „Sie scheinen etwas gegen Lady Simpson und meine bescheidene Person zu haben“, stellte der Butler fest. „Schnüffler müssen sterben“, erklärte der Fahrer des Rover kategorisch. „Ist das der Wahlspruch Mr. Lynns?“ fragte Parker, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. „Der hat sich noch nie die Butter vom Brot kratzen lassen“, erwiderte der Fahrer. „Sie werden übrigens nicht allein in die Hölle fahren. Lynn hat für Begleitung gesorgt.“ „Wie angenehm.“ „Ihnen wird noch rechtzeitig der Hintern warm werden“, ließ der Mann sich vernehmen, der die Maschinenpistole verwaltete. „Darf man wissen, wer diese Reise denn noch unternehmen soll?“ Parker war nicht aus der Ruhe zu bringen. „Noch ein paar Schnüffler und Konkurrenten“, gab der Fahrer des Rover zurück. „Das gibt eine Massensendung für die Hölle!“ Agatha Simpson verhielt sich erstaunlicherweise noch immer ruhig. Angst konnte es nicht sein, was sie schweigen ließ. Wahrscheinlich dachte die streitbare
Detektivin darüber nach, wie sie die beiden Flegel überlisten konnte. „Mr. Lynn hat seine Konkurrenz also bereits ausschalten können?“ Parker nutzte die Geschwätzigkeit des Fahrers, um weitere Informationen zu sammeln. Solch eine günstige Gelegenheit bot sich wahrscheinlich nicht mehr so schnell. „Konkurrenz? Daß ich nicht lache!“ Der Fahrer drehte sich kurz um und warf dem Butler einen- verächtlichen Blick zu. „Das waren doch die reinsten Amateure.“ „Und wer sind diese Amateure?“ „Abwarten“, sagte der Fahrer und lachte leise. „Aber das sind noch größere Flaschen als ihr!“ Lady Simpson holte tief Luft und wollte offensichtlich Dampf ablassen. Butler Parker gestattete sich, seine Herrin sanft mit dem Fuß anzustoßen. Daraufhin ließ sie ihren Mund wieder zuschnappen und schwieg. Sie war der Ansicht, daß Parkers Taktik vielleicht doch besser war als ihre Absicht, es, diesen Lümmeln mal gründlich zu geben. Die Fahrt dauerte nicht besonders lang. Nach etwa zwanzig Minuten hatten sie eine einsame Stelle an der Küste erreicht. Hoch oben von den steilen Klippen aus konnte man hinunter auf die im Mondlicht silbrig schimmernde See schauen. Und auf einen Leuchtturm, der auf einer vorgelagerten Landzunge stand... Ein überaus romantischer Anblick! „Ihr Quartier“ sagte der Fahrer des Rover. „Sorgen wir für euch nicht wie richtige Gastgeber? Es braucht noch nicht mal geschwommen oder gepaddelt zu werden. Den Rest erledigen wir zu Fuß.“ „Herrscht Ebbe?“ erkundigte sich der Butler.
„Sie sind ein schlauer Bursche“, meinte der Fahrer spöttisch. „Wie verdammt schnell Sie alles merken!“ Als sie aussteigen mußten, warf Agatha Simpson ihrem Butler einen fast vernichtenden Blick zu. Sie nahm ihm wahrscheinlich übel, daß er sich derart passiv verhielt. * Kathy war nicht gewillt, sich schlagen zu lassen. Sie wich dem ersten pfeifenden Hieb der Hundepeitsche aus, unterlief den niederzischenden Arm des kleinen Gnoms und wehrte sich ihrer nackten Haut. Der Gnom war nicht geschützt wie sein Herr und Meister. Er mußte den Handkantenschlag voll nehmen und zeigte sofort Wirkung. Der Kleine flog zurück, knickte in der Hüfte ein und schnappte verzweifelt nach Luft. Doch er steckte nicht auf. Er drückte sich kraftvoll ab, warf sich auf Kathy und faßte sie mit Armen und Händen, die ungewöhnlich muskulös und stark waren. Kathy kannte zwar eine Menge Tricks, doch gegen die des Gnoms kam sie nicht an. Der Mann nutzte jede noch so kleine Chance und erwischte Kathys linken Arm, den er als Hebel gebrauchte. Ob sie wollte oder nicht, Kathy mußte sich geschlagen geben, wenn sie einen heilen Arm und ganze Knochen behalten wollte. Demütig kniete sie praktisch vor dem Zwerg nieder, aber nicht freiwillig. „Ein reizvoller Anblick“, hörte sie Lynns Stimme, der dieses Schauspiel genossen zu haben schien. „Bring sie her, Achmed!“ Kathy mußte gehorchen, der Gnom hatte sie fest im Griff, zwang sie hinüber
zu Lynn und sorgte dafür, daß sie die Demutshaltung nicht aufgab. Dann stand sie gebückt und verteidigungsunfähig vor dem dickbauchigen Mann, der sie eingehend musterte. Erneut kam Kathy sich wie eine Ware vor und bebte vor Zorn und Schmerz. Sie fühlte sich gedemütigt. Es war nicht die Nacktheit, die diese Empfindungen in ihr auslösten. Das machte ihr nichts aus, denn sie brauchte sich ihres makellosen Körpers nicht zu schämen, nein, es war die Pose des Siegers, die dieser Mann einnahm. Er lächelte jetzt, und seine Augen glitzerten vor Erregung. Er schien es zu genießen, wenn Menschen Schmerz empfanden und sie ihm total ausgeliefert waren. „Was hältst du von ihr, Achmed?“ fragte er und ließ seinen Blick über ihren schweißnassen Körper gleiten! „Die ist große Klasse. Boß“, sagte Achmed mit überraschend heller Stimme. „Was machen wir jetzt mit der Kleinen, Achmed?“ „Ich würd’ sie gern haben, Boß.“ „Hol’ sie dir nachher ab, Achmed, zuerst will ich mich mal mit ihr ... unterhalten!“ „Soll ich sie präparieren, Boß?“ Während er fragte, zwang er Kathy vollends in die Knie. Ihre Stirn berührte fast den Teppich. Sie keuchte vor Schmerz, Tränen standen in ihren Augen. „Einverstanden“, beantwortete Lynn die Frage des Gnoms. Kathy wußte zuerst nicht, was dieser Achmed damit meinte, doch Sekunden später schrie sie auf. Mit seinem Daumen hatte er einen Punkt in ihrem Nacken gefunden und diese Nervenstelle dann tief eingedrückt. Kathy war wie gelähmt. Grenzenlose Panik stieg in ihr hoch. War diese Läh-
mung von Dauer? Über welche Kenntnisse verfügte dieser Achmed? Sie befahl sich, den Kopf anzuheben, doch ihre Muskeln und Nerven kamen diesem Befehl nicht nach. Lynn schien diese Starre nur zu gut zu kennen. Er stieß Kathy mit dem linken Fuß sanft an, und prompt rollte sie haltlos auf die Seite. Dort blieb sie in verkrümmter Haltung liegen und war wehrlos. „Achmed ist sehr gut“, sagte Lynn und lächelte träge. „Von diesen Tricks hat er noch mehr auf Lager, Kleines. Wünsch’ dir nicht, daß er sie mit dir durchspielt!“ Es klopfte an der Kabinentür. Kathy war nicht fähig, zur Tür hinüberzusehen, blieb verkrümmt liegen, hörte schnelle Schritte auf dem Teppich und dann die Stimme von Lester Bentley, der sie hierher aufs Schiff gebracht hatte. „Wir haben sie“, meldete ‘er mit gleichgültiger Stimme, „die alte Lady und ihr Butler sitzen jetzt auch fest, Chef. Damit dürften wir endgültig abgeräumt haben.“ „Was sagen Sie zu dieser Schönen, Lester?“ Lynn beugte sich vor und tätschelte Kathys Hüften. „Sie siebt sehr gut aus, Chef.“ Lester Bentleys Stimme klang gleichgültig. „Könnte sie Sie nicht reizen?“ „Schon, aber dann müßte sie’s freiwillig tun“, erklärte Bentley zu Kathys Überraschung. „Keine Sorge. Lester, sie wird es freiwillig tun“, erwiderte Lynn. „Achmed wird sie entsprechend präparieren.“ „Was soll jetzt mit unserer Konkurrenz geschehen, Chef?“ Bentley lag ganz eindeutig an einem Themenwechsel, wie Kathy deutlich heraushörte. Noch immer war sie keiner Bewegung fähig.
„Sprengt den Leuchtturm in die Luft“, sagte Lynn, „macht endgültig reinen Tisch! Ich brauche freie Hand für die Bohrinsel. Unsere Auftraggeber erwarten Resultate.“ Ob er sie ansah oder nicht, konnte Kathy nicht feststellen, dazu lag sie zu unglücklich und zu verspannt auf der Seite. Sie hörte nur seine sich entfernenden Schritte, dann das sanfte Zufallen der Kabinentür. Nackte kleine Füße erschienen neben ihrem Kopf, die nur Achmed gehören konnten. Kräftige Hände drehten sie wie eine tote Ware herum und richteten sie auf, ohne sie von ihrer Starre zu erlösen. Kathy sah das häßliche Gesicht aus tränenverschleierten Augen. Und sie sah den Becher in seiner rechten Hand. „Trinken“, forderte Achmed sie auf. „Wir wollen doch in die richtige Stimmung kommen, wie?“ Kathy Porter mußte schlucken, ob sie wollte oder nicht. Er hielt ihr einfach die Nase zu, und Kathy trank Schluck für Schluck den Becher leer. Sie wunderte sich, daß sie überhaupt schlucken konnte. Das kühle Getränk schmeckte ein wenig süßlich, war aber nicht unangenehm. „Ich werde sie gleich bringen, Boß“, sagte Achmed, „es dauert etwa zehn Mi-’ nuten, bis es wirkt.“ „Laß’ sie gleich hier, ich werde für ein paar Minuten nach oben an Bord gehen.“ Lynn wuchtete sich hoch, stieg: über Kathy hinweg und verließ dann watschelnd die Kabine. Achmed hockte sich neben Kathy nieder und belauerte sie. „Gleich wirst du dich wunderbar fühlen“, prophezeite er ihr. „Du wirst nach Männern schreien und wirst sie auch bekommen. Reihenweise!“
Kathy wollte die Augen schließen und das häßliche Gesicht nicht sehen, doch selbst die Lider gehorchten ihr nicht. Sie hörte in sich hinein, wartete auf etwas und spürte plötzlich erste Anzeichen einer Wirkung. Ihr Blut schien sich zu erhitzen, ihre Haut kribbelte. Achmed strich über ihre linke Brust und grinste, als die Haut sich spannte. „Nur noch ein paar Minuten“, meinte er, „dann wirst du nach meinem Boß schreien!“ * Wovon der alte, ausgediente Leuchtturm eigentlich noch zusammengehalten wurde, war Josuah Parker ein Geheimnis. Die Flut kam auf, und die normale Brandung schlug machtvoll gegen den Betonsockel, der nur noch aus zerbröckelten Teilstücken bestand. Das Mauerwerk des Leuchtturms ächzte in allen Fugen. Der Steinbau schien zu schwanken, neigte sich und konnte jeden Moment auseinanderfallen wie eine Sandburg, die von Kindern am Strand errichtet worden war. Josuah Parker und Lady Simpson befanden sich im unteren Raum und mußten immer wieder kleinen Steinbrocken ausweichen, die sich von der Decke lösten. Die Eisentür nach draußen war von den beiden Gangstern erst gar nicht geschlossen worden, sie hätte ohnehin nicht gehalten. Die beiden Gangster hatten das Riff längst verlassen und saßen irgendwo an der Steilküste und bewachten von hier aus den Leuchtturm. Ein Fluchtversuch bei Ebbe wäre Selbstmord gewesen, die beiden Männer hätten sofort geschossen.
Nun brauchten sie allerdings nichts mehr zu befürchten. Die Flut war voll da und hatte den schmalen, glitschigen Fußpfad zum Turm hoch überspült. Der Unterschied zwischen Ebbe und Flut betrug hier an der Küste gut und gern vier Meter. Das Wasser war unruhig und brach sich an den Klippen, schäumte hoch und schuf eine tosende Hölle, in der sich mit Sicherheit kein noch so guter Schwimmer halten konnte. Am Horizont kündigte sich bereits das erste Morgenlicht an. Im milden Schein der noch nicht zu sehenden Sonne wirkte das Wasser schwarzgrün und sah unheimlich aus. „Ich hoffe, Mister Parker, Sie lassen sich inzwischen etwas einfallen“, sagte Lady Simpson zu ihrem Butler. „Ich möchte auf mein gewohntes Frühstück auf keinen Fall verzichten.“ „Ich werde mich keineswegs dem Pessimismus hingeben“, erwiderte der Butler, „doch festzustellen ist. daß die augenblickliche Lage ein wenig hoffnungslos scheint.“ . • „Glauben Sie, daß der Turm zusammenbrechen wird?“ „Falls man nur geringfügig nachhilft, Mylady, wird das mit Sicherheit der Fall sein.“ „Nachhelfen?“ „Ich erlaube mir, in diesem Zusammenhang an eine Sprengladung zu denken, Mylady.“ „Dann finden Sie sie gefälligst, Mister Parker! Unter einem Morgenbad stelle ich mir etwas anderes vor ...“ „Sehr wohl, Mylady, falls es erlaubt ist, möchte ich eine Inspektion des Turms vornehmen, zumal nach den Hinweisen
der beiden Männer noch weitere Gäste anwesend sein müßten.“ Parker brauchte sie nicht lange zu suchen. Zwei Gäste erschienen auf der Wendeltreppe und stahlen sich ängstlich nach unten. Es handelte sich um eine Frau und um einen Mann, die einen völlig verstörten Eindruck machten. „Miß Lana Durbin und Mister Herbert Neil?“ erkundigte sich der Butler und lüftete höflich grüßend seine schwarze Melone. „Woher ... woher kennen Sie uns?“ Herbert Neil starrte Parker und Agatha Simpson überrascht an. „Sie wurden uns beschrieben“, erklärte der Butler. „Miß Anne Kelly war so freundlich.“ „Das Nummerngirl?“ Lana Durbin erinnerte sich. „Miß Kathy Porter, meine Gesellschafterin“, schaltete sich Lady Simpson ein. „Stellen Sie jetzt keine Fragen! Wie lange sind Sie bereits im Turm?“ „Seit fast zwei Stunden. Man hatte uns gefesselt, eben erst haben wir die Stricke losbekommen.“ „Gibt es noch weitere Gäste hier?“ wollte der Butler wissen. Bevor er eine Antwort erhielt, ging ein reißendes Stöhnen und Ächzen durch den Turm, Verputzreste bröckelten von den Wänden, bleistiftstarke Hisse bildeten sich im Mauerwerk. Die Detektivin, ansonsten nervenstark, schlang ihre Arme um den Hals des Butlers, der daraufhin ein wenig irritiert wirkte. „Lassen Sie das“, sagte sie dann mit rauher Stimme, als sie sich erholt hatte. Sie schob den stocksteif stehenden Butler
von sich. „Mäßigen Sie sich, Mister Parker!“ „Sehr wohl, Mylady“, gab der Butler würdevoll zurück. „Wenn ich darauf verweisen darf, so scheint Wind aufzukommen.“ Er schritt zur geöffneten Eisentür und zuckte mit keiner Wimper, als Gischtfetzen ihm entgegenwehten. Von Wind konnte übrigens keine Rede sein, ein mittelschwerer Sturm kündigte sich deutlich an. „Befinden sich noch weitere Gäste hier im Gemäuer?“ erkundigte sich Parker erneut, zur Gruppe zurückkehrend. „Mister Putnam“, antwortete die Akrobatin und deutete nach oben, „Findet Mister Putnam es oben sicherer?“ wollte Parker wissen. „Sie haben ihn zusammengeschlagen“, schaltete sich Herbert Neil ein. „Er kann nicht besonders gut gehen.“ „Und warum wurde Mister Putnam mißhandelt? Ist das nicht der Miteigentümer der Music-hall?“ „Putnam kam dahinter, daß sein Kompagnon Kelson mit den Gangstern gemeinsame Sache macht. Er ging zuerst zum Schein darauf ein, wollte dann aber die Polizei alarmieren.“ „Und was wollten Sie, meine Herrschaften?“ Obwohl die Schläge gegen den Leuchtturm immer deutlicher wurden, obwohl das morsche Mauerwerk zitterte und bebte, ließ Parker sich natürlich nicht aus der Ruhe bringen. „Wir konnten uns schlecht der Polizei anvertrauen“, gestand Herbert Neil. Er senkte beschämt den Kopf. „Weil auch Sie etwas planten, was mit den herrschenden Gesetzen kaum in Einklang zu bringen ist, wie ich vermuten darf?“
„Sag’s ihm schon“, forderte Lana Durbin ihren Begleiter auf. „Jetzt ist ja sowieso alles egal.“ „Ich habe mich engagieren lassen“, sagte Herbert Neil, „ich habe Miß Durbin überredet, da mitzumachen. Wir sollten die Leute von der Bohrinsel bespitzeln und aus ihnen herausholen, wie weit die Bohrungen sind. Das ist aber auch alles.“ „Wer beauftragte Sie?“ Verputz blätterte wieder von den runden Wänden und bereitete die Aussagen des Akrobaten weiter auf. „Ein Mister Baker aus London“ sagte Herbert Neil hastig, „aber das wird wohl ein falscher Name sein. Ich habe den Mann nur einmal gesehen, als er mir den Vorschuß und den Auftrag übergab.“ „Wie setzten Sie sich mit ihm in Verbindung?“ „Er rief in unserem Hotel von Zeit zu Zeit an, eine andere Verbindung gibt es nicht. Hören Sie, müssen wir das jetzt alles bereden? Der Leuchtturm kann jeden Moment einstürzen oder in die Luft gesprengt werden.“ „In der Tat“, räumte der Butler höflich ein, „da sich daran aber kaum etwas ändern läßt, sollten wir die Formen wahren und die allgemeine Konversation pflegen.“ „Ich glaube, daß auch ich inzwischen etwas nervös geworden bin“, gestand die streitbare Dame Simpson. „Wenn Mylady gestatten, könnte ich einen Kreislaufbeschleuniger reichen.“ Parker wartete die Erlaubnis nicht ab, sondern zauberte aus einer seiner vielen Taschen eine flache, lederumhüllte Flasche, deren Verschluß er sorgfältig aufdrehte und ihn dann als Gefäß verwendete.
Er reichte seiner Herrin einen Kognak, den sie dankbar annahm. „Mein Kreislauf könnte noch etwas mehr beschleunigt werden“, meinte sie dann, während ihre Wangen sich röteten. Sie hielt ihm den kleinen Silberbecher erneut hin und wurde von Parker versorgt. „Arbeiteten Sie allein und auf eigene Faust, um es mal ein wenig vulgär auszudrücken?“ Er sah Herbert Neil erwartungsvoll an. „Wir haben ein paar Männer auf der Bohrinsel bestochen“, gab der Akrobat zu. „Sie sorgen dafür, daß es immer wieder technische Pannen gibt.“ „Die Namen, wenn ich bitten darf.“ „Mann, wir werden gleich alle sterben, das interessiert doch nicht mehr. Ich will hier weg, ich will noch nicht sterben!“ Herbert Neil hatte eindeutig die Nerven verloren und rannte zur geöffneten Tür. Er kam schnell wieder zurück, als er in das aufgewühlte Meer sah. „Die Namen“, erinnerte Parker gemessen. „Sie könnten meine bescheidene Person ermuntern, etwas für unsere Rettung zu tun.“ Lana Durbin leierte sie hastig herunter. Es handelte sich um fünf Männer, die vor allen Dingen sie angeworben hatte, wie sie gestand. Als Zugabe erzählte sie noch, was diese fünf Männer bisher angestellt und ausgerichtet hatten. „Aber tun Sie doch jetzt endlich etwas für uns“, stöhnte sie, als die Betondecke über ihnen einen handbreiten Riß bekam. Lana flüchtete zusammen mit ihrem Begleiter zur Rundwand und preßte sich ängstlich gegen sie. „Noch eine letzte Frage“, ließ Parker sich ungerührt vernehmen. „Ihr Gegenspieler ist ein gewisser Lynn, wenn ich mich nicht sehr irre?“
„Ja, er hat draußen im Jachthafen ein großes Boot liegen. Gegen ihn und seine Leute hatten wir keine Chance. Er wird uns alle umbringen, wenn wir nicht schleunigst von hier wegkommen.“ „Dies dürfte seine erklärte Absicht sein“, faßte der Butler zusammen, sah kurz nach oben und wandte sich an Agatha Simpson. „Mylady sollten vielleicht ein wenig zur Seite rücken. Gleich wird sich ein beträchtlicher Teil der Decke senken oder gar herunterstürzen.“ Lady Simpson stieß einen unterdrückten Schrei aus, hastete zur Seite und entging so tatsächlich einem zentnerschweren Brocken, der krachend neben ihr aufschlug. „Vorbeugen ist besser als heilen“, stellte der Butler dazu fest, „eine alte Spruchweisheit aus dem Volk, Mylady!“ * Kathy Porter räkelte sich auf der weichen Felldecke des großen Bettes und wartete auf Lynns Rückkehr. Achmed saß am Boden und beobachtete sein Opfer aus erregten Augen. Der Trank, den er Kathy gereicht hatte, wirkte bereits intensiv, stachelte die Begierde dieser jungen Frau an und machte sie hungrig auf einen Mann, wie er es ihr eindeutig prophezeit hatte. Kathy sah den Gnom überhaupt nicht. Die aufgeputschte Phantasie gaukelte ihr wilde Bilder vor. Kathy war völlig enthemmt und wäre eine Beute für den dicken Mann gewesen, doch Lynn ließ sich nicht sehen. Er blieb länger, als er angekündigt hatte. Dann endlich erschien er in seiner Schlafkabine.
Achmed sprang dienstbereit auf, wies voller Stolz auf die nackte Frau und wartete auf ein Lob. Kathy erblickte Lynn kannte ihn nicht und übersah seine Häßlichkeit, sein teigiges Gesicht mit den schweren Augenlidern. Sie richtete sich auf, warf sich nach vorn, streckte ihre Arme nach Lynn aus und murmelte Worte, deren Sinn sie nicht verstand. „Schaff mir die Frau vom Hals“, sagte Lynn gereizt zu Achmed. „Aber Boß sie ist genau in der richtigen Stimmung“, entgegnete Achmed überrascht und enttäuscht zugleich. „Vor ein paar Stunden ist die nicht mehr zu bändigen.“ „Schaff sie weg, Achmed“, brüllte Lynn, „wir werden in zehn Minuten auslaufen.“ Stewart Lynn hatte jetzt andere Sorgen, als sich um eine Frau zu kümmern. Es galt, den Auftrag auszuführen. Eben erst war von’ der Bohrinsel ein verschlüsselter Funkspruch gekommen. Danach war man auf Öl gestoßen, war also fündig geworden. Jetzt ging es darum, diese Bohrinsel in der rauhen See verschwinden zu lassen. Die Arbeiten mußten um Monate zurückgeworfen werden. Lynn konnte damit gut und gern eine knappe Million machen, so hoch war das vereinbarte Erfolgshonorar! „Können wir die Kleine nicht mitnehmen, Boß? Für die Besatzung?“ fragte Achmed, der seine Beute nicht so schnell aufgeben wollte. „Die Männer an Bord haben ab sofort andere Sorgen“, schrie Lynn den Gnom an. „Schaff sie von Bord, bring’ sie um, laß’ sie irgendwo in einer Straße oder im Hafen liegen! Los, beeil’ dich, Achmed! In zehn Minuten fahren wir!“ Achmed gehorchte.
Wenigstens nach außen hin tat er so, als sei dieser Mord für ihn die selbstverständlichste Sache der Welt. Was zwar allgemein gesehen den Tatsachen entsprach, doch in diesem besonderen Fall wollte er auf die Frau nicht verzichten. Er wollte sie für sich haben! Sollte Lynn doch ruhig annehmen und glauben, daß er den Befehl ausgeführt hätte.. Kathy schlang ihre nackten Arme um seinen Hals, als er sie vom Bett aufhob und nach vorn in die Wohnkabine trug. Lester Bentley stand hier und studierte eine Seekarte, die er auf dem Mitteltisch ausgebreitet hatte. „Was ist mir ihr?“ fragte Bentley, mit einem Zirkel auf Kathy zeigend, die ihn anlächelte und überhaupt nicht begriff, was mit ihr geschehen sollte. „Abservieren“, sagte Achmed und verzog sein Gesicht, ,,’ne Schande ist das, oder?“ „Wenn schon!“ Lester Bentley widmete sich bereits wieder der Seekarte und errechnete einen Kurs. Achmed trug Kathy über den Niedergang nach oben an Deck und sah sich verstohlen um. Die Besatzung war nicht zu sehen, was seinen guten Grund hatte. Alle Männer waren auf ihren Stationen und bereiteten die Abfahrt vor. Achmed trug Kathy weiter, erreichte die Gangway und stieß erst hier auf die Deckwache. „Paß’ auf, ich muß sie verschwinden lassen“, raunte Achmed dem stämmigen Mann zu, der neugierig auf Kathy starrte. „Beobachte den Kai, damit ich nicht gestört werde!“ Damit hatte er die Deckwache abgelenkt. Achmed lief auf seinen kurzen Beinen weiter, schien die Last der jungen Frau auf seinen Armen überhaupt nicht zu spüren und erreichte die Kaimauer, wo
die anderen Segel- und Motorjachten vertäut waren. Er hatte nicht die Absicht, Kathy Porter zu ermorden, wie Lynn es ihm aufgetragen hatte. Er wollte sie in ein sicheres Versteck schaffen, um sie später ganz allein für sich zu haben. Und dieses Versteck kannte er bereits! * Paul Putnam, der Kompagnon von Ernie Kelson, sah bedauernswert aus. Man hatte ihn tatsächlich brutal zusammengeschlagen. Er lag stöhnend auf dem rissigen Betonboden der ersten Zwischenetage und hob ängstlich die Arme, als Parker neben ihm erschien. „Betrachten Sie sich vorerst aller Sorgen enthoben“, beruhigte der Butler den wimmernden Mann. „Ich möchte mir die Freiheit nehmen, Ihnen meine bescheidene Hilfe angedeihen zu lassen.“ Paul Putnam, klein, hager und an eine graue Spitzmaus erinnernd, zitterte vor Angst, als Parker ihm hochhalf. Als er auftreten sollte, knickte er stöhnend ein, Seine linke Hüfte mußte einiges abbekommen haben. Parker schaffte es dennoch, den Mann nach unten zu dirigieren, wobei ihm auf den letzten Metern Herbert Neil half. Anschließend wurde Putnam gleich neben der Eingangstür vorsichtig abgesetzt. „Sie sprachen von einer Sprengladung, Mister Parker“, erinnerte Agatha Simpson ihren Butler. „Bleiben Sie nach wie vor bei dieser Vermutung?“ „Notgedrungenerweise, Mylady“, antwortete der Butler, „man wird die Flut und die aufgewühlte See ausnutzen wollen, um uns allesamt für immer aus dem Weg zu räumen.“
„Eine Sprengladung würde doch auffallen.“ „Nicht, Mylady, wenn es sich nur um eine kleine Ladung handelt, die dem alten Leuchtturm den letzten Anstoß gibt.“ „Dann suchen und finden Sie gefälligst diese Sprengladung, Mister Parker.“ „Falls so etwas tatsächlich vorhanden ist, könnte sie nur im Keller untergebracht sein“, überlegte der Butler halblaut. „Spuren einer Sprengung wären danach kaum noch festzustellen.“ „Gibt es hier denn einen Keller?“ „Unterhalb jener Falltür, Mylady. falls meine Augen mich nicht trügen.“ Parker hatte keine Mühe, diese Falltür zu öffnen. Eine steile Steintreppe führte nach unten und endete in brackigem Wasser. Parker stocherte mit der Spitze seines Universal-Regenschirms und fand heraus, daß es jedoch nur knietief war. Ohne Rücksicht auf seine gestreiften Beinkleider stieg er also in das Brackwasser und schaltete die Kugelschreiber-Taschenlampe ein, die er stets in einer seiner vielen Westentaschen mit sich führte. Der scharf gebündelte Lichtstrahl glitt über das rissige Gewölbe und blieb dann an einem sehr neu aussehenden Blechkasten hängen, der unter der Decke an zwei dort schon vorhandenen, verrosteten Eisenklammern befestigt war. Die Sprengladung? Josuah Parker watete durch das Wasser und löste mit der Schirmspitze die einfache Drahtbefestigung. Anschließend fing er geschickt den Blechkasten auf, der nicht größer war als zwei Zigarrenkisten. Parker wurde sofort auf eine Art Antenne aufmerksam, die aus dem Blechkasten hervorragte. Sollte die Ladung per Funk ausgelöst werden? Er kannte diese technisch ein-
fache, aber auch wirkungsvolle Verfahren. Der dazugehörige Sender befand sich mit Sicherheit in Händen der beiden Gangster, die Mylady und ihn in den Leuchtturm geschafft hatten. Der Butler stieg wieder zurück nach oben, präsentierte seiner Herrin den Blechkasten und erging sich in detaillierten Erläuterungen. „Und was ist, wenn der Funkbefehl innerhalb der nächsten Sekunden ausgelöst wird?“ raunzte die Detektivin ihren Butler an. „Entschärfen Sie gefälligst dieses schreckliche Ding, oder werfen Sie’s meinetwegen in die Brandung!“ „Ein Hinweis, den ich mit Dankbarkeit aufzunehmen wage“, gab Parker zurück, ging zur Tür und warf den Blechkasten in die nächste Woge, die am Turm vorbeidonnerte. Er verschwand sofort in der weißen Gischt. Was aus dem Kasten wurde, war nicht mehr zu erkennen, obwohl inzwischen die Sonne aufging und die Beleuchtung nicht schlecht war. „Sie kosten mich Nerven, Mister Parker“, beschwerte sich Lady Simpson, die neben ihrem Butler erschien. „Ich denke, ich brauche noch eine kleine Nervenstärkung.“ Josuah Parker bemühte noch mal seine Taschenflasche und servierte seiner Herrin formvollendet einen Kognak, den die Detektivin allerdings nicht mehr trinken konnte. Als sie nämlich den kleinen Silberbecher zum Mund führen wollte, schoß dicht vor den Steilklippen eine gewaltige Wasserfontäne hoch, als sei eine Bombe gezündet worden. „Sehen Sie doch, Mister Parker!“ Lady Simpson besaß scharfe Augen. Sie und jetzt auch Parker sahen recht deutlich die beiden Gestalten, die an einem
vorspringenden Felsen der Steilklippe hingen und mit ihren Beinen verzweifelt nach Halt suchten. „Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sind das die beiden Männer, die Mylady und meine Wenigkeit zum Leuchtturm gebracht haben“,, konstatierte der Butler. „Die Herren scheinen sich selbst geschadet zu haben.“ Parker untertrieb. Die beiden Männer kämpften um ihr Leben. Sie hatten nicht damit gerechnet, daß der Butler die Sprengladung für den Leuchtturm gefunden und der Brandung überantwortet hatte. Diese Ladung war von ihnen genau im falschen oder richtigen Moment gezündet worden. Ob falsch oder richtig, das kam einzig und allein auf den Standpunkt des Betrachters an. Der Sprengstoff mußte hochbrisant gewesen sein, er hatte das bereits von der Brandung angeschlagene Gestein der Steilklippen zusätzlich gelockert und damit auch den Aufenthaltsort der beiden Gangster. Sie konnten sich nicht mehr länger halten, rutschten ab, überschlugen sich und ... verschwanden in der Brandung. „Du lieber Himmel“, sagte Lady Simpson leise und wandte sich ab. Josuah Parker nahm seine schwarze Melone vom Kopf und legte sie vor seine Brust. Er gedachte der beiden Toten! * Als die große Motorjacht ihren Liegeplatz verließ, tauchten zwei ziemlich abgerissen aussehende Gestalten auf, die sich unter einem umgestülpten Ruderboot verborgen hatten. Es handelte sich um
zwei Männer, die ihren Lebensunterhalt durch kleine Gaunereien und Diebstähle verdienten. Sie hießen Ed und Fred und waren ziemlich betrunken. ,,Un’ doch hab’ ich ‘ne nackte Frau gesehen“, sagte der ältere Ed hartnäckig. „Ich hab’ doch keine Tomaten auf den Augen.“ „Du bis’ mal wieder besoffen“, stellte Fred ohne jeden Vorwurf fest. „Mann, mußt du geladen haben ... ‘ne nackte Frau! So was gibt’s hier doch gar nicht.“ ,,Un’ doch hab’ ich sie gesehen! Mit ‘nem Zwerg auf’m Arm. Oder war’s umgekehrt?“ „Was haste eigentlich getrunken? Muß ja ein sagenhafter Stoff gewesen sein“, wunderte sich Fred. „Haste noch davon?“ „Wülste sehen?“ „Den Stoff?“ „Nee, die nackte Frau!“ ,,’ne Flasche Brandy war’ mir lieber, aber ‘ne nackte Frau kann ja auch nich’ schaden.“ Es war hell geworden auf der Mole. Die beiden Strandläufer kletterten endgültig unter dem Ruderboot hervor und schwankten ihrem Ziel entgegen. Ed hatte die Führung übernommen und steuerte einen verrotteten Kutter an, der, abseits von den übrigen, bei den weit eleganteren Booten lag. Mit einer Hand, die vor Alkohol leicht zitterte, deutete er auf den Kutten „Da is’ sie drin“, sagte er. „Und wenn ‘se wirklich drin is’? Was dann?“ „Was fürs Herz kann nie schaden“, meinte Ed. „Schnaps war’ mir lieber“, seufzte Fred. „Weiber lenken nur ab.“ Die beiden Alkoholspezialisten stiegen vorsichtig auf die Planke, die den Kutter
mit der steinernen Kaitreppe verband. Wie unbeholfene Seiltänzer balancierten sie dann hinüber an Bord und stiegen über den Niedergang nach unten in die große Kabine, deren Holzverkleidung aufgerissen und abmontiert war. „Ich seh’ nichts“, meinte Fred dankbar. „Abwarten“, beruhigte Ed, „hör’ doch mal auf mit deiner verdammten Rülpserei, man versteht ja sein eigenes Wort nich’ mehr!“ Während Fred sich nach wie vor uninteressiert zeigte, war in dem älteren Ed der Jagdinstinkt wachgeworden. Er durchsuchte die zweite Kabine, kletterte dann wieder an Deck und stieß bald darauf einen halbirren Schrei aus, als er hinunter ins Mannschaftslogis gestiegen war. „Schnaps?“ fragte Fred hoffnungsvoll, als er seinen Freund erreicht hatte. „Nee, die Nackte“, rief Ed nach oben, „komm runter, Junge, du wirst Augen machen!“ Er hatte nicht übertrieben. Sie blieben fast andächtig vor der jungen Frau stehen, die in einer Koje lag und über die man ein paar alte Lumpen geworfen hatte. Sie war an Händen und Füßen gefesselt, starrte die beiden Männer an und ... lächelte sinnlich. „Nichts wie weg“, entsetzte sich Fred und trat sofort den Rückzug an. „Die vernascht uns, das sieht man doch auf den ersten Blick, Ed. Leg’ den Rückwärtsgang ein Junge, ich brauche jetzt ‘nen Schnaps auf den Schreck hin!“ * Der baufällige Leuchtturm stand kurz vor dem Einsturz. Lange konnte es nicht
mehr dauern, bis die Katastrophe einsetzte. Sie mußten so schnell wie möglich hinüber ans rettende Land. Der böige Wind hatte sich ein wenig gelegt und war gleichmäßig und stetig geworden. Die Brandung rollte in hohen Wogen schräg gegen den Strand, türmte sich aber immer noch auf. „Sind Sie eigentlich wasserscheu?“ erkundigte sich Lady Simpson bei ihrem Butler. „Nur in normalen Grenzen, Mylady“, gab der Butler gemessen zurück, „Achtung, Mylady, ein Steinbrocken!“ Hastig sprang die Detektivin zur Seite und entging einem weiteren Brocken des Leuchtturmes, der sich oben aus der rissigen Mauer löste. Krachend landete das Geschoß auf dem Betonboden. Die beiden Akrobaten Lana Durbin und Herbert Neil wimmerten um die Wette und steigerten sich immer mehr in ihre Panik hinein. Paul Putnam bekam wahrscheinlich gar nicht mit, in welch akuter Lebensgefahr sie sich alle befanden. „Melden Sie schon Ihren Bankrott an“, ärgerte sich die Sechzigjährige und sah ihren Butler verweisend an. „Dieses Problem können auch Sie nicht lösen!“ Parker verzichtete auf eine Diskussion und bemühte sich noch mal die brüchige Treppe hinauf. Dort oben, wo er Putnam gefunden, hatte, war ihm ein Gegenstand aufgefallen, den er nutzen wollte. Es handelte sich um ein längeres, ziemlich dünnes Brett, das aus irgendwelchen Gründen zurückgelassen worden war. Der Butler nahm es hoch, prüfte es und nickte dann anerkennend. Es entsprach genau seinen Vorstellungen und schien für seine Zwecke angefertigt worden zu sein. Er trug das gut und gern drei Meter lange
Brett nach unten und sprang dann hastig zur Seite, als die Treppe sich hinter ihm in ihre Bestandteile auflöste. Als der Staub sich gelegt hatte, sah Lady Simpson ihren’ Butler erstaunt an. „Was soll das?“ fragte sie, auf das schmale, lange Brett deutend. „Falls Mylady keine Einwände geltend machen, möchte ich mich als Wellenreiter versuchen.“ „Können Sie denn das?“ Sie sah ihn erstaunt an. „Vieles, Mylady, läßt sich erlernen“, meinte Parker gemessen. „Ich möchte darauf verweisen, daß ich diese Technik bereits mehrfach im Fernsehen beobachten und studieren konnte.“ „Bevor Sie starten, brauche ich noch eine kleine Herzstärkung“, sagte Lady Simpson. „Wenn Mylady gestatten, möchte ich. auch meine bescheidene Wenigkeit etwas ermuntern.“ „Sie werden diese Ermunterung brauchen“. gab Agatha Simpson zurück, „vielleicht sollten Sie diesen Versuch, erst dann riskieren, wenn Sie die Flasche leergetrunken haben.“ „Zuviel Alkohol, Mylady, würde meine Sinne nur unnötig lähmen“, gab Josuah Parker gemessen zurück. Dann bemühte er wieder die Taschenflasche und versorgte Lady Simpson mit dem begehrten Stärkungsmittel. Er selbst nahm sich die Freiheit, nur einen kleinen Schluck zu nehmen. Dann schritt er entschlossen samt Brett hinüber zur Tür. „Nein, Mr. Parker, tun Sie’s nicht!“ Lady Simpson hatte ihren Butler überholt und baute sich mit sperrenden, ausgebreiteten „Armen vor ihm auf. „Sie werden sich das Genick brechen.“ „Mylady, es muß sein!“
„Sie werden ertrinken.“ „Oder vom einstürzenden Leuchtturm erschlagen werden“, gab der Butler zu bedenken. „Lange wird er sich nicht mehr halten.“ „Ich werde mitkommen“, entschied Agatha Simpson grimmig. „Das Brett dürfte der doppelten Last kaum gewachsen sein, Mylady. Wenn ich mich also in aller Form verabschieden darf?“ Parker lüftete höflich seine schwarze Melone und salutierte mit seinem altväterlich gebundenen UniversalRegenschirm. Dann begab er sich hinaus vor den Leuchtturm und nahm Maß. Agatha Simpson war ehrlich besorgt. Sie fürchtete um das Leben des Butlers, der ihrem Leben einen neuen Sinn gegeben hatte, sie gestand sich in diesen Sekunden ein, daß sie Parker ungemein schätzte und zwar nicht nur als Butler. Parker hatte inzwischen den Verlauf der heranrollenden Brandungswogen studiert und begab sich samt dem Brett hinaus in die Fluten. Er legte sich auf das Holz, ruderte mit den Armen, bewegte sich äußerst geschickt auf eine der hohen Wellen zu und verschwand dann in der schäumenden Gischt. Agatha Simpson preßte vor Erregung beide Fäuste gegen die Lippen. Hatte es ihren Butler bereits erwischt? Er hatte doch keine Chance, dazu war die See viel zu aufgewühlt. Dann aber ließ sie entgeistert die Fäuste sinken und staunte nur noch. Parker war wieder zu sehen. Breitbeinig stand er auf dem schmalen Brett und betätigte sich als Wellenreiter. Er sah aus wie der „Fliegende Holländer“ in seiner schwarzen Kleidung. Die Melone saß erstaunlicherweise immer noch fest auf seinem Kopf. Mit ausgebreiteten Armen
und dem Universal-Regenschirm hielt er die Balance und ritt schräg mit einer donnernden. Woge auf den Strand und auf die Klippen zu. „Nein, nein“, stöhnte Agatha Simpson, als das Brett samt Parker umzukippen drohte. Doch Parker glich diese Unebenheit geschickt aus, ritt weiter und jagte dann in atemberaubender Geschwindigkeit auf den schmalen Strand zu. Dann verschwand er wieder in der Gischt und war nicht mehr zu sehen. Dann, quälende Sekunden später, entdeckte die Detektivin ihren Butler am Strand. Er hatte es geschafft! Parker lüftete höflich seine schwarze Melone und beeilte sich, der nächsten heranrollenden Woge zu entgehen, die ihn unweigerlich zurück ins Wasser gerissen hätte. Er schlüpfte hinter einen Felsen, wartete, bis das grollende Wasser abgelaufen war, und begab sich dann in ungewohnter Hast, die so gar nicht zu ihm paßte, hinüber zu dem steilen Pfad, der zum Rand des Felsens führte. Er grüßte noch mal korrekt und wurde dann nicht mehr gesehen. Agatha Simpson fühlte sich äußerst schwach, aber auch außerordentlich , glücklich. Sie genehmigte sich einen Kreislaufbeschleuniger und versorgte dann noch Putnam und die beiden Akrobaten. Dann war es aber auch schon mit der Ruhe vorbei. Der Leuchtturm löste sich immer weiter auf, zumal die See wieder rauher und die Brandung, die den Sockel des Turms aushöhlte, immer stärker wurde. Lange konnte der baufällige Turm sich nicht mehr halten. Steintrümmer rauschten nach unten, platzten auseinander und ließen Splitter
umherfliegen und Staubwolken aufwirbeln. Nach kurzer Zeit neigte der Leuchtturm sich bedenklich auf die Seite. * Kathy Porter hatte die Augen geöffnet und schaute sich verwirrt um. Ihr Kopf schmerzte höllisch, sie hatte einen pelzigen Geschmack im Mund, hörte neben sich ein Räuspern und sah neben dem Bett einen kahlköpfigen Mann, der etwa fünfundvierzig Jahre alt war. Kathy begriff. Sie befand sich in einem regulären Krankenzimmer. Wie sie hierher gekommen war, wußte sie nicht. „Inspektor Summers“, stellte der Zivilist sich vor. „Wie fühlen Sie sich, Miß?“ „Scheußlich“, antwortete Kathy. „Wie bin ich hierher gekommen?“ „Zwei Strandläufer haben Sie in einem alten Kutter gefunden und uns alarmiert.“ „Liege ich schon lange hier?“‘ „Seit anderthalb Stunden, Miß. Sind Sie in der Lage, mir einige Fragen zu beantworten?“ „Ich weiß nicht recht“, zögerte Kathy. Ihre Gedanken liefen bereits auf Hochtouren. „Wie heißen Sie?“ erkundigte sich der Inspektor. „Kathy Porter“, gab sie ohne Zögern zurück. „Verständigen Sie bitte Lady Simpson im ,St. Cyrus’, Sir, ja?“ „Werde ich sofort tun, Miß Porter. Sagen Sie, wer hat Sie auf den Kutter geschafft?“ „Ich weiß nicht“, schwindelte sie bewußt. „Ich habe noch Erinnerungslücken.“ „Sie waren an Händen und Füßen gefesselt. Und dann etwas wild, als die
beiden Strandläufer Sie losbanden.“ „Wild?“ Kathy verstand nicht. „Man muß Sie voll Rauschgift gepumpt haben“, redete der Inspektor weiter. „Sie haben den beiden Männern ganz schön die Hölle heiß gemacht.“ „Der Polizei etwa auch?“ Natürlich erinnerte Kathy sich jetzt genau. Dieser Achmed hatte ihr den Drink mit Gewalt eingeflößt, und dieses Gesöff mußte es in sich gehabt haben. Sie errötete leicht, als sie an die wilden und hitzigen Phantasievorstellungen dachte, die sie danach empfunden hatte. „Sie waren, sagen wir, etwas aufdringlich“, meinte der Inspektor und lächelte zurückhaltend, „und Sie waren: völlig nackt. Wer hat Sie also auf den Kutter geschafft? Wer hat Ihnen das Gift verabreicht?“ „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich erst mal etwas erfrische, Inspektor?“ „Ich werde draußen warten, Miß Porter.“ Er verließ das Zimmer arglos und in bester Absicht. Kathy schlüpfte aus dem Bett, sah an sich hinunter und mußte lächeln. Sie trug einen knöchellangen, weißen Bettkittel, der nicht gerade wie ein Abendkleid aussah. Sie war noch etwas wacklig auf den Beinen, hatte einen dumpfen Kopf und schleppte sich zum Fenster hinüber. Erleichtert atmete sie auf. Einer schnellen Flucht stand nichts im Weg. Sie fürchtete, die Polizei würde sie zu lange verhören, und es ging um jede Minute. Butler Parker und Lady Simpson mußten unbedingt verständigt werden. Die schwimmende Bohrinsel draußen in der Nordsee war in höchster Gefahr. Kathy öffnete vorsichtig das Fenster und stieg auf das Sims.
Sie konzentrierte sich auf den Absprung, ließ sich dann aber doch sicherheitshalber an den Händen herunter, baumelte ein wenig mit den Beinen und sprang dann nach unten auf den Rasen. Die Landung war härter, als sie vorausberechnet hatte. Kathy raffte sich auf, humpelte ein wenig und hörte dann hinter sich laute, energische Rufe. Sie wandte sich hastig um und entdeckte den Inspektor, der am geöffneten Fenster stand, Kathy Porter rannte über den Rasen, war immer noch nicht ganz sicher auf den Beinen, schwankte und taumelte und erreichte den Parkplatz neben dem Haupteingang des kleinen Krankenhauses. Was sie genau wollte, wußte sie nicht. Es ging darum, irgendein Fahrzeug zu bekommen, vielleicht ein Taxi oder einen Privatfahrer, der sie mitnahm. Hauptsache war, daß sie so schnell wie möglich ins „St. Cyrus“ kam, um Lady Simpson und Butler Parker zu informieren. Ihrer etwas ungewöhnlichen Kleidung war sie sich schon nicht mehr bewußt, dazu gingen die Gedanken ihr noch zu wirr im Kopf herum. Sie erreichte den Parkplatz, verschwand zwischen den abgestellten Wagen und sah sich plötzlich einem Mann gegenüber, der in ihr Alarm auslöste. Cardano, der Magier der Hölle! Er schien auf sie gewartet zu haben, lächelte. teuflisch und riß sie an sich. Kathys Gegenwehr war praktisch gleich Null. Sie war einfach noch zu schwach, um sich von diesem Mann zu lösen. Er drängte sie gegen den Wagen, öffnete die Tür und stieß sie auf die Polster. Blitzschnell saß er vor dem Steuer und jagte los.
„Nein, nein!“ stöhnte Kathy, aber sie spürte bereits wieder den Eisenreif, der sich um ihre Stirn und Schläfen legte. Eine wohlige Mattigkeit breitete sich in ihr aus. Sie schloß die Augen und ließ sich zurücksinken. Sie wollte nur noch schlafen. * „Ein bequemeres Boot konnten Sie wohl nicht finden?“ Agatha Simpson war in das kleine offene Motorboot umgestiegen und sah ihren Butler mißbilligend an. Sie hatte gewartet, bis Putnam und die beiden Akrobaten in Sicherheit waren, und rümpfte die Nase, als sie die teils“ noch gefüllten Fischkästen sah, die sich im Boot befanden. Der Mann am Ruder hatte alle Mühe, von dem Riff wegzukommen, auf dem der Leuchtturm noch immer schief stand. Die Brecher waren recht ansehnlich und warfen das Boot wie eine Nußschale herum, doch er war erfahren und schaffte es. Mit Höchstfahrt fuhr er dann weg von der Brandung in die offene See hinaus, wo sie bedeutend ruhiger war. „Darf ich mir erlauben, Myladys Aufmerksamkeit auf den Turm zu lenken?“ ließ Parker sich vernehmen. Agatha Simpson wandte sich schnell herum und kniff die Augen zusammen. Der Leuchtturm rutschte gerade ein gutes Stück weiter auf die Seite und kippte dann mit dem oberen Teil weg ins Wasser. Nur der kräftige und breitere Stumpf blieb stehen, sah aber hoffnungslos aus. Die Brandung schäumte über die Mauerreste und hüllte sie in Schaum und Gischt. „Es war mir zu meinem Leidwesen nicht vergönnt, schneller zu kommen“,
entschuldigte sich der Butler. „Die einheimischen Fischer waren kaum dafür zu gewinnen, sich dem Leuchtturm zu nähern, zumal sie um dessen Brüchigkeit wußten.“ „Wie haben Sie das Wellenreiten überstanden. Mr. Parker?“ „Leidlich, wenn ich mich so ausdrucken darf, Mylady. Ich fürchte, mein erster Versuch sah nicht besonders formvollendet aus.“ „Sie sollten das bei passender Gelegenheit trainieren“, antwortet die ältere Dame, die um keinen Preis der Welt ihre grenzenlose Erleichterung zeigen wollte. „Ihr Stil ist noch nicht recht ausgeprägt.“ Nach einer Fahrt von etwa einer halben Stunde erreichten sie den Hafen von Montrose und machten im Jachthafen fest. Herbert Neil, der aufmerksam die Boote beobachtet hatte, wandte sich an den Butler. „Lynns Boot ist weg“, sagte er nervös. „Um welch ein Boot handelte es sich?“ „Ein ehemaliger kleiner Minensucher, den er sich für seine Zwecke hat umbauen lassen.’„ „Ob Mr. Lynn bei diesem Wetter eine kleine Ferienausfahrt riskiert haben könnte?“ „Niemals, Mr. Parker. Der ist bestimmt unterwegs zur Bohrinsel.“ „Ein Hinweis, dem man nachgehen sollte“, bedankte sich der Butler höflich, „aber nun notgedrungen zu Ihnen und zu Miß Durbin.“ „Was haben Sie schon davon, wenn Sie uns der Polizei ausliefern?“ „Wir haben doch eigentlich nichts getan“, verteidigte sich auch Lana Durbin, Sie sah den Butler flehend an.
„Sie haben immerhin fünf Bohrarbeiter bestochen und sie zu gewissen Sabotagehandlungen verführt.“ Josuah Parker überlegte, was zu tun sei. Gewiß, den Aussagen zufolge, die die beiden Artisten gemacht hatten, hatte es sich bei den Sabotagehandlungen nur um Kleinigkeiten gehandelt, die kaum ins Gewicht fielen. Dort war mal ein Kurzschluß fabriziert worden, hier eine kleine, technische Panne an der Winsch, dort war eine Wasserpumpe zu Bruch gegangen oder ein paar Scheinwerfer unbrauchbar gemacht worden. „Bitte“, sagte Lana Durbin leise. „Bitte, Mr. Parker“, bat Herbert Neil, dem der Schweiß der Angst auf der Stirn stand. „Ich werde Sie für die nächsten zehn Minuten vergessen“, sagte Josuah Parker, der mit Mylady einen schnellen Blick des Einverständnisses getauscht hatte. „Dieser Vorsprung müßte ausreichen, zur Musichall zu fahren und die Koffer zu packen.“ „Und dann?“ Herbert Neil schien an sein Glück noch immer nicht glauben zu wollen.. „Lady Simpson und meine bescheidene Wenigkeit wünschen Ihnen Glück für Ihren ferneren Lebensweg“, meinte der Butler gemessen. „Bleiben Sie in Zukunft auf dem Pfad, der die Tugend markiert!“ „Und was geschieht mit den fünf Männern auf der Insel“, schaltete sich Lana Durbin noch mal ein. „Wirklich. Mr. Parker. Gangster sind das nicht.“ „Ich werde mich bei passender Gelegenheit mit diesen Herren mal unterhalten“, sagte Parker. „Vielleicht sind auch sie wieder auf den Trampelpfad der Tugend zurückzubringen, man soll die Hoffnung nie aufgeben.“
Lana Durbin und Herbert Neil strahlten wie Vollmonde, als sie das Weite suchten. Mylady sah ihnen ein wenig grollend nach. „Haben Sie Ihre Menschlichkeit nicht etwas auf die Spitze getrieben?“ wollte sie dann von Parker wissen. „Möglicherweise“, räumte der Butler ein, „aber ich erlaube mir, zuweilen an das Gute im Menschen zu glauben. Spuren davon sollen manchmal noch vorhanden sein.“ * „Seitdem ist die junge Dame wie vom Erdboden verschwunden“, schloß der Detektiv-Inspektor seinen Bericht und sah Lady Simpson und den Butler prüfend an. „Der Name Kathy Porter sagt Ihnen also etwas?“ „Allerdings, junger Mann“, gab die resolute Dame zurück. „Miß Porter ist tatsächlich meine Gesellschafterin.“ „Ich begreife ihre Flucht nicht“, redete der Inspektor weiter, der sich im Hotelzimmer Agatha Simpsons befand. „Sie hat doch überhaupt nichts zu befürchten, Haben Sie vielleicht eine Erklärung dafür?“ Und ob Lady Simpson dafür eine Erklärung hatte, doch sie redete taktvollerweise nicht darüber. Sie sorgte sich nur, denn Kathy Porter hatte sich bisher nicht gemeldet. Seit der Rückkehr ins „St. Cyrus“ war immerhin fast eine Stunde verstrichen. Nach der Landung waren sie und Parker in die Music-hall gefahren, um dort nach Kathy Ausschau zu halten. Auch dort war sie nicht zu finden. „Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß Sie mir was verschweigen“, mahnte der Inspektor und fuhr
nervös über seine Glatze, „falls Sie meine Ermittlungen behindern, müßte ich Ihnen das offiziell ankreiden.“ „Lady Simpson und meine bescheidene Wenigkeit verschweigen Ihnen tatsächlich einiges“, gestand der Butler, bevor seine Herrin antworten konnte, „aber das hat seine bestimmten Gründe. Darf ich mir erlauben, Ihnen einen Vorschlag zu unterbreiten?“ Parker wurde gewährt, und er schrieb dem Inspektor eine Londoner Telefonnummer auf, über die der Mann an eine Stelle des Geheimdienstes heran konnte. „Falls Sie noch Mißtrauen hegen, Sir, lassen Sie sich die Richtigkeit dieser Nummer und des Anschlusses von Scotland Yard bestätigen“, schlug er dem Inspektor weiter vor. „Sie werden dann mit Sicherheit erfahren, daß weder Lady Simpson noch Miß Porter, noch meine bescheidene Person finstere Dinge planen. Mehr kann und darf ich Ihnen zu diesem Thema leider nicht sagen.“ „Hoffentlich ist das kein fauler Trick“, warnte Inspektor Summers skeptisch, bevor er das Hotelzimmer verließ. Parker schloß hinter ihm die Tür und wandte sich dann Lady Simpson zu, die grimmig und nervös im Zimmer herum wanderte und jäh stehenblieb. „Ihre Ruhe möchte ich haben“, raunzte sie ihren Butler an. „Haben Sie nicht gehört, was mit dem armen Kind geschehen ist? Es wurde nackt und gefesselt in einem alten Kutter gefunden. Was muß Kathy mitgemacht haben!“ „Erfreulich dürfte die Tatsache sein, Mylady, daß- Miß Porter noch Herrin ihrer Entschlüsse ist.“ „Wieso das?“
„Sie verließ immerhin freiwillig das Hospital, wenn auch nur mit einem Nachthemd bekleidet.“ „Das Kind wird sich erkälten.“ „Da Miß Kathy noch immer nicht aufgetaucht ist oder eine Meldung hinterließ, scheint sie wichtigen Dingen nachzugehen, die ihrer Ansicht nach unaufschiebbar sind, Mylady.“ Das Thema Erkältung vertiefte der Butler nicht weiter. „Was mag sie nur treiben?“ Agatha Simpson nahm ihre Wanderung durch das Hotelzimmer wieder auf. „Es muß mit der Sabotagegruppe Lynn zusammenhängen“, mutmaßte Josuah Parker. „Ich darf daran erinnern, Mylady, daß der sterbende Vorarbeiter Mulligan diesen Namen bereits nannte und Mr. Lynn als den Chef dieser Gangsterorganisation bezeichnete.“ „Aber Lynn und sein Boot sind draußen auf See.“ „Und das einzige Ziel kann nur die Bohrinsel sein“, fand Josuah Parker. „Es scheint um Minuten und Sekunden zu gehen, darum bleibt Miß Kathy auch verschwunden.“ „Was will das Kind denn schon im Nachthemd ausrichten?“ sorgte sich die ältere Dame. „Tun Sie endlich etwas, Mr. Parker! Ich möchte keine Theorien hören, sondern Taten sehen!“ „Sehr wohl, Mylady!“ Parker deutete eine knappe Verbeugung an. „Darf ich mich nach der gewünschten Reihenfolge erkundigen? Sind Mylady zuerst an Miß Porter oder an der Bohrinsel interessiert?“ „Beides zugleich“, forderte Agatha Simpson. „Ich erwarte Höchstleistungen von Ihnen, Mr. Parker!“ *
Der eiserne Reif um ihre Stirn und Schläfen war zwar vorhanden und schmerzte, doch Kathy Porter wurde von Cardanos Willen nicht mehr erreicht. Schuld daran trug wohl das Rauschgift, das noch in ihrem Blut war und das Achmed ihr eingeflößt hatte. Dieses Rauschgift wirkte wie eine Sperre gegen die Vorstellungen, die der „Magier der Hölle“ ihr aufzwingen wollte. Der Hypnotiseur wußte nichts von diesem Gift und war sich seiner Sache vollkommen sicher. Seiner Ansicht nach hatte er die junge, attraktive Frau gedanklich fest im Griff. Kathy Porter schüttelte den Bann, der nur vage vorhanden war, von Minute zu Minute immer weiter ab, konnte endlich wieder klar denken und befaßte sich mit ihrer Situation. Was an Bord dieses Scheusals vorgegangen war, wußte sie selbstverständlich nicht, aber das bedrückte sie nicht weiter. Sie befaßte sich nur mit diesem Cardano, der sie auf dem Parkplatz vor dem Hospital abgefangen und entführt hatte. Was hatte dieser unheimlich aussehende Mann mit ihr vor? Handelte er im Auftrag des dicken Mr. Lynn, sollte er sie umbringen? Lynn war das Alarmsignal für Kathy Porter, der Name aktivierte ihr Gedächtnis und schuf wieder Verbindungen. Lynn und die Bohrinsel! Hatte der Gangster nicht davon gesprochen, die Anlage vernichten zu wollen? War er nicht schon mit seiner großen Motorjacht unterwegs, um seine Absicht in die Tat umzusetzen? Ihre Gedanken überschlugen sich. Einzelheiten schoben sich deutlich in ihr Bewußtsein, verbanden sich mit Erinnerungsfetzen, schufen Erkenntnisse und ließen Kathy hellwach werden. Na-
türlich, es ging um die schwimmende Bohrinsel draußen in der Nordsee, um die Bohrinsel, die in die Luft gejagt werden sollte. Kathy Porter richtete sich auf und faßte nach ihren Schläfen. Der Eisenreif war plötzlich nicht mehr vorhanden, ihr Verstand funktionierte wieder präzise. Sie mußte diesen mörderischen Anschlag verhindern, viel Zeit stand ihr sicher nicht mehr zur Verfügung. Wohin wollte Cardano sie bringen? Sie hatten den nördlichen Außenbezirk der kleinen Ferienstadt Montrose längst hinter sich gelassen und fuhren über eine schmale und steile Straße hinunter in ein abenteuerlich aussehendes Fischernest, das eine kleine Bucht umsäumte. Die grauen Steinhäuser duckten sich im Wind, die See donnerte gegen die halbkreisförmige Mole. Durch die Hafeneinfahrt kam gerade ein Boot, das Kathy bereits gesehen hatte und das sie kannte Lynns Boot! Im ersten Moment wurde sie von Panik erfaßt, dann aber riß sie sich zusammen. Cardano durfte nicht merken, daß sie wieder fit war. Kathy wollte herausfinden, warum er dieses kleine Fischernest ansteuerte, warum Lynns Boot ausgerechnet hier im Hafen erschien. Warum war das Boot noch nicht weit draußen auf See? War das Meer zu rauh, wollte Lynn kein Risiko eingehen? Die Fahrt endete auf einem Campingplatz, der nördlich des kleinen Hafenbeckens angelegt worden war. Hier standen ein großer Wohnwagen, modern und komfortabel anzusehen, daneben zwei Lastwagen, ein mittelgroßer Sattelschlepper und ein geschlossener Kastenwagen. Alle drei Fahrzeuge waren in gleicher Farbe gestrichen und trugen
Aufschriften, die den Namen „CardanoMagier der Hölle“ besonders hervorhoben. Der Hypnotiseur reiste also mit einer eigenen Show durch die Lande. Eine bessere Tarnung für ein GangsterUnternehmen konnte Kathy sich kaum vorstellen. „Komm mit, Kathy“, forderte Cardano sie auf, nachdem er neben seinem großen Wohnwagen gehalten hatte. Lady Simpsons Gesellschafterin hatte sich jetzt fest unter Kontrolle. Sie unterdrückte den heißen Wunsch, diesen Mann hart anzugreifen, um dann die Flucht zu riskieren. Wahrscheinlich bot sich solch eine Möglichkeit nicht mehr, aber auf der anderen Seite hatte sie die echte Chance, mehr über das Unternehmen der Gangster zu erfahren. Diese Chance mußte sie einfach schon im Interesse der Männer auf der Bohrinsel nutzen. Gehorsam, als sei sie nach wie vor ganz in Cardanos Bann, stieg sie aus und folgte ihm in den Wohnwagen, der üppig und bequem eingerichtet war. Sie ließ sich im Schlafabteil auf der Bettkante nieder, sah den Mann aus starren Augen an und hatte plötzlich Angst, er würde sie wieder in seinen Bann schlagen. Cardano kam jedoch nicht auf den Gedanken, seine Gefangene könnte innerlich frei sein. „Leg dich nieder“, sagte er mit weicher, eindringlicher Stimme. „Du wirst tief schlafen, Kathy, und dich an nichts erinnern.“ Kathy Porter schloß die Augen und ließ sich gehorsam auf das weiche Bett sinken. Sie spürte, daß Cardano sie einen Moment lang scharf beobachtete, dann schloß sich jedoch die Tür und sie war allein.
Die junge Dame blieb liegen, denn sie wußte nicht, ob er sie heimlich beobachtete. Cardano durfte nicht wissen, wie es um sie stand, er mußte völlig ahnungslos bleiben. * Butler Parker ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Während Lady Simpson nach wie vor den Teppich ihres Hotelzimmers strapazierte und umherwanderte, telefonierte er mit London und setzte bei einer gewissen Dienststelle einige eindringliche Warnungen ab, die sich auf die Bohrinsel und Lynns umgebautes Minenboot bezogen. Die Besatzung ‘auf der Bohrinsel mußte schließlich gewarnt werden, falls Lynn wirklich schon auf dem Weg war, um die Anlage im Meer zu zerstören. Parker durfte jetzt sicher sein, daß Einheiten der Marine in der Nähe der schwimmenden Insel zusammengezogen wurden. Auch mit einer genauen Überwachung aus der Luft war zu rechnen. Lynns Chancen seinen Plan durchführen zu können, sanken von Minute zu Minute. Dennoch fühlte der Butler sich nicht wohl in seiner Haut. Gegner hatte er noch nie unterschätzt. Das war mit ein Grund dafür, daß er noch lebte. Lynn unterschätzte er schon gar nicht. Er kannte diesen Mann nicht, aber er konnte sich leicht ausrechnen, daß solch ein Gangster mit ungewöhnlichen Mitteln arbeitete. Von Lynn waren bösartige Überraschungen zu erwarten. Dieser Mann hielt sich Parkers Schätzung nach nicht an die gewöhnlichen Spielregeln, wie sie in der Unterwelt herrschten.
Um die Bohrinsel zu zerstören, mußte dieser Mann sich etwas Außergewöhnliches ausgedacht haben. Einen offenen Angriff wagte er sicher nicht. Vielleicht liebäugelte Lynn mit einem Angriff aus der Luft, vielleicht wollte er aber auch unter Wasser angreifen. Die technischen Mittel für beide Möglichkeiten besaß dieser Mann sicher. Als das Telefon, sich meldete, war Agatha Simpson schneller als ihr Butler. Sie stürzte sich förmlich auf den Hörer, riß ihn aus der Gabel und meldete sich. Während sie zuhörte, färbten sich ihre Wangen rot und ihre Augen begannen zu funkeln. Die Nachricht, die sie erhielt, schien die streitbare Dame ungewöhnlich anzuregen. „Dieser Akrobat“, sagte sie, nachdem sie wieder aufgelegt hatte. Sie wandte sich an Parker und sah ihn flammend an. „Sie ist wieder entführt worden.“ „Könnten Mylady mir möglicherweise einige nähere Informationen mitteilen?“ „Herbert Neil hat einen Cardano gesehen, als er nach Aberdeen fuhr“, berichtete’ Agatha Simpson hastig und griff nach ihrem Pompadour. „Cardano ist Artist und Hypnotiseur. In seinem Wagen soll Kathy gewesen sein. Neil will sie ganz einwandfrei gesehen haben.“ „Und wohin wurde Miß Kathy entführt?“ „Er ist hinter Cardanos Wagen her“, berichtete die Detektivin weiter, „er sagte, er könne sich jetzt endlich revanchieren.“ „Das Gute im Menschen“, erinnerte Parker. „Ausnahmen bestätigen die Regel“, fuhr sie ihm über den Mund. „Philosophieren über dieses Thema können Sie später immer noch, Mr. Parker. Wir fahren sofort los!“
„Und wohin, wenn ich bescheiden fragen darf?“ „Neil rief von Johnshaven aus an, dort tankte er und sah zufällig den Wagen dieses Cardano.“ „Dann dürfte einer Fahrt tatsächlich nichts mehr im Weg stehen, Mylady.“ „Er sagte weiter, er würde uns irgendwo an der Straße erwarten, Mr. Parker.“ „Ein bemerkenswerter Mann, wenn ich das äußern darf.“ Agatha Simpson ging auf dieses Thema nicht weiter ein, sondern rüstete sich für den Ausflug. Sie stülpte sich den südwesterähnlichen Hut auf, den sie mit einer speziellen Hutnadel in ihrem weißen Haar befestigte. Sie vergewisserte sich, daß der Pompadour samt „Glücksbringer“ aktionsbereit am Handgelenk baumelte und kontrollierte ihre Lorgnette, die es übrigens auch in sich hatte, wie die Vergangenheit schon häufig bewiesen hat. Dann ließ sie sich von Parker ihren weiten Mantel umlegen und sah ihren Butler unternehmungslustig an. „Trödeln Sie nicht so herum“, fauchte ‘sie. „Ihre Gemessenheit geht mir manchmal auf die Nerven!“ „Eile mit Weile“, zitierte der Butler, ohne sich aus Ruhe bringen zu lassen, „eine, alte Spruch Weisheit, der ich mich verpflichtet fühle.“ Agatha Simpson dachte anders über diese Spruchweisheit aus dem Volk und hetzte förmlich aus dem Zimmer. Dabei überrannte sie auf dem Korridor des Hotels einen Etagenkellner, der eine Speiseplatte balancierte. Der völlig überraschte Mann kam aus dem Gleichgewicht und setzte sich gegen seinen erklärten Willen in eine Doppelportion Kartoffelbrei, bekleckerte sich mit Rahmtunke, servierte sich Zuckererbsen,
die über sein Vorhemd rollten, und krönte sich mit einigen Salatblättern, die neckisch auf seinem Kopf erschienen. „Ich möchte die Gelegenheit ergreifen, mich für Lady Simpson zu entschuldigen“, sagte Parker, der die Bescherung sah. „Sie scheint es offensichtlich ein wenig eilig zu haben.“ * „Die Kleine lebt?“ Überraschung und dann grenzenlose Wut waren aus Lynns Stimme zu hören. Er war gerade im Wohnwagen erschienen und erfuhr, wann und wo Cardano die Gesellschafterin Myladys .abgefangen hatte. „Sie lebt und sollte gerade von der Polizei vernommen werden.“ „Und? Hat sie etwas sagen können?“ „Nichts. Sie war noch völlig verwirrt. Als sie dann verduftete, konnte ich sie vor dem Hospital abfangen.“ „Wie kamen Sie dorthin, Cardano?“ „Das ist ‘ne lange Geschichte, die ich kurz erzählen will“, antwortet der .Magier der Hölle’. „Sie wurde von zwei besoffenen Stranddieben gefunden, die die Polizei informierten und die sie dann ins Hospital schaffte. Hier mußte man sie bereits auf der Bühne als Nummerngirl gesehen haben. Kurz und gut, dort wurde angerufen, und ich nahm den Anruf entgegen. Sie können sich vorstellen, wie schnell ich vor dem Hospital war.“ „Ausgezeichnet reagiert. Dafür werden Sie eine Extraprämie bekommen, Cardano!“ „Fein, Chef“, erwiderte Cardano, „ich wollte sie ja zuerst irgendwo entlang der Straße abservieren, aber das war mir zu gefährlich. Draußen auf See können Sie
das viel nachhaltiger erledigen, glaube ich wenigstens.“ „Worauf Sie sich verlassen können,“ Lynn nickte. „Ist sie jetzt außer Gefecht gesetzt?“ „Sie steht vollständig unter Hypnose und ist so gefährlich wie eine Spielzeugpuppe.“ „Sind Sie sicher?“ „Überzeugen Sie sich selbst, Chef!“ Cardano ging zu der Tür, die hinüber in sein Schlafabteil führte und drückte sie auf. Dann trat er zur Seite, damit Lynn besser sehen konnte. Der dickbauchige Mann schob sich durch die Tür, baute sich am Fußende des Bettes auf und schaute auf Kathy hinunter. Die junge Dame schlief tief und fest. Ihr Krankenhauskittel hatte sich verschoben und gab ihre langen, schlanken Beine und einen Teil der linken Hüfte frei. Lynn lächelte mokant. „Ist sie wirklich unter Hypnose?“ erkundigte er sich bei Cardano. „Wollen Sie einen Beweis?“ „Natürlich, sie darf uns nicht mehr entwischen.“ „Lassen Sie mich nachdenken, Cardano. Ich hab’s! Sie soll aufstehen und sich duschen.“ Lynn wies auf die Duschkabine rechts hinter dem Schlafabteil. Der „Magier der Hölle“, wie er sich nannte, trat neben das Bett und beugte sich leicht über die schlafende Kathy Porter. Er breitete seine Hände aus und ließ sie über ihrem Gesicht kreisen, „Steh auf und dusche dich, Kathy“, sagte er eindringlich. „Steh jetzt auf!“ Sie reagierte augenblicklich und öffnete die Augen, schien die beiden Männer aber nicht zu sehen. Sie erhob sich gehorsam und .. . streifte sich völlig ungeniert das Hemd vom Körper. Nackt ging sie in die
Duschkabine und stellte das Wasser an. Anschließend stellte sie sich ein, als sei sie völlig unbeobachtet, und duschte. Cardano sah ihr aus verkniffenen Augen zu. Lynn schnaufte ein wenig schneller als gewöhnlich. Der Anblick erregte ihn. Er war jetzt froh, daß sie von Achmed doch nicht umgebracht worden war. Bevor sie starb, sollte sie ihm noch dienen. Zeit genug war dazu vorhanden. „Sind Sie jetzt überzeugt?“ fragte Cardano und wandte sich triumphierend an seinen Chef. „Keine Zweifel mehr“, bestätigte Lynn. „Können Sie das mit jeder Frau machen?“ „Mit jeder“, übertrieb der „Magier der Hölle“ schamlos. „Dann sind Sie ja fast zu beneiden“, sagte Lynn lächelnd. „Sagen Sie ihr, daß sie ein liebes Mädchen sein und jetzt fest schlafen soll. Wir haben noch eine Menge zu besprechen.“ Und wie sie gehorchte! Kathy Porter kam aus der Dusche und trocknete sich ab, legte sich dann nieder und schloß die Augen. Sie schien nach wie vor im Bann dieses modernen Hexenmeisters zu stehen, der mit ihr tun und lassen konnte, was immer er wollte. Doch kaum hatte sich die Tür hinter den beiden Männern geschlossen, da schlüpfte die angeblich hypnotisierte Kathy Porter aus dem Bett und lief zu dieser Tür. Sie hatte ihre Rolle hervorragend gespielt und- das Mißtrauen der beiden Männer ausgeschaltet. Sie legte ihr Ohr gegen das Türblatt und hörte, was die beiden Gangster miteinander zu bereden hatten. *
„Wir werden die beiden Torpedos übernehmen, sobald es dunkel geworden ist“, sagte Lynn. „Ich hoffe, daß es da keine Schwierigkeiten gibt.“ „Natürlich nicht, Chef“, beruhigte Cardano seinen Boß. „Äußerlich sind sie als Torpedos überhaupt nicht zu erkennen. Ihre Männer brauchen sie nur aus dem Materialwagen zu holen.“ „Und Sie garantieren den Erfolg, Cardano?“ „Die Bohrinsel existiert eigentlich schon nicht mehr“, versprach Cardano lächelnd. „Die Torpedos haben selbständige Suchköpfe, die die Beine der Bohrinsel mit Sicherheit finden. Was dann passiert, brauche ich Ihnen ja nicht zu erzählen.“ „Technische Pannen sind ausgeschlossen?“ „Die beiden Torpedos gehören zu den modernsten Konstruktionen, die die Marine anzubieten hat, Chef.“ „Und woher haben Sie sie?“ „Aus dem Marinearsenal in Southampton. Dort habe ich vor ein paar Wochen ein Gastspiel mit meiner Show gehabt, Sie verstehen.“ „Wir müssen damit rechnen, daß die Bohrinsel scharf bewacht wird.“ „Was überhaupt nichts nutzen wird, Chef. Die Torpedos sieht man ja nicht. Die rauschen ein paar Meter unter Wasser und suchen sich zwei der drei Standbeine der Bohrinsel. Mit tödlicher Sicherheit, wie ich noch mal betonen möchte. Das geschieht vollautomatisch.“ „Wie nahe müssen wir an die Insel herangehen?“ „Höchstens eine halbe Seemeile, Chef. Nach dem Abschuß versenken Sie die beiden Abschußrampen. Wer will Ihnen dann noch etwas beweisen?“
„Gut, Cardano, Sie sind ja mit an Bord und der Fachmann.“ „Worauf Sie sich verlassen können, Chef, ich war ja mal bei der Marine. Ich sag’s noch mal, die Bohrinsel ist bereits erledigt.“ „Ich will Ihnen gestehen, Cardano, daß ich unruhig bin. Und das hat seinen ganz bestimmten Grund.“ „Und der wäre, Chef?“ „Ich muß zwei Gründe anführen“, redete der feiste Mann weiter, während er sich hochwuchtete. „Diese beiden Gründe heißen Butler Parker und Lady Simpson. Ich weiß inzwischen mehr über die Schnüffler. Es sind reine Amateure, aber sehr erfolgreich. Meine Auftraggeber haben mich eindringlich gewarnt.“ „Ich denke, Lady Simpson und Butler Parker sind zusammen mit dem alten Leuchtturm in die See gepustet worden.“ „Falls der Plan geklappt hat, müßte es so sein, nur, meine beiden Leute haben sich noch nicht zurückgemeldet.“ „Die den Leuchtturm hochjagen sollten?“ „Sie sind wie vom Erdboden verschwunden. Es sind erstklassige Männer, glauben Sie nur ja nicht, sie hätten sich etwa abgesetzt.“ „Haben Sie denn während der Herfahrt den Leuchtturm noch gesehen?“ „Nur einen Stumpf, der von der Brandung restlos überspült wird. Nein, nein, der Leuchtturm ist weg, er existiert nicht mehr.“ „Die beiden Männer werden schon noch kommen, Chef.“ „Das rede ich mir auch schon ein, Cardano. Am liebsten würde ich die Sache mit der Bohrinsel umgehend erledigen und nicht erst bis zum Einbruch der Nacht warten. Ich will nicht, daß dieses
Riesengeschäft noch in letzter Sekunde platzt.“ „Auch dagegen ist nichts einzuwenden, Chef“, schaltete Cardano sofort um. „Wir müßten das Verladen nur geschickt tarnen, aber das ist in dem kleinen Fischernest verdammt schwer.“ „Nein, nein, wir werden bei dem ursprünglichen Plan bleiben“, entschied Lynn. „Man darf uns später nichts nachweisen können, Cardano.“ Dann, er hatte noch nicht ganz ausgeredet, lief Lynn erstaunlich schnell hinüber zur Tür und drückte sie auf. Er nickte zufrieden, als er Kathy auf dem Bett entdeckte. Nein, sie schlief und hatte überhaupt nichts gehört. Von ihrer Seite drohte ganz sicher keine Gefahr! * „Sie haben sich verdient gemacht“, lobte der Butler den Akrobaten, der neben ihm auf dem felsigen Boden lag. „Dafür haben Sie Lana und mir eine Chance gegeben“, antwortete Herbert Neil. „Verlassen wir das Gebiet der Sentimentalität“, meinte der Butler und schob sich langsam zurück, um dann aufzustehen. „Dort unten im Wohnwagen wird also Miß Porter festgehalten?“ „Dafür verbürge ich mich, Mister Parker.“ „Lassen Sie uns überlegen“, schlug Parker vor, als er zusammen mit Herbert Neil zurück zu seinem hochbeinigen Monstrum ging, das in einer Geländefalte neben der Landstraße stand. „Im Hafen befindet sich die Motorjacht des Mister Lynn, der nach herrschender Ansicht der Kopf des Sabotageunternehmens ist. Warum, so müßte und sollte die Frage
lauten, warum hat er mit seinem Boot hier in Inverbervie festgemacht?“ „Vielleicht, damit Cardano zusteigen kann.“ „Das hätte sich auch schon in Montrose machen lassen, Mister Neil. Nein, nein, denken Sie an die beiden Materialwagen des Magiers.“ „Lynn will irgendeine Ladung übernehmen.“ „Dieser Hinweis dürfte der Realität schon näher kommen“, gab der Butler zurück und nickte. „Was aber bat ein Magier anzubieten? Er will auf der Bohrinsel doch sicher keine Vorstellung geben, oder?“ „Er will sie vernichten!“ „Um dies zu erreichen, kann man sich verschiedener Möglichkeiten bedienen.“ „Sprengladungen, Mister Parker.“ „In der Tat.“ Parker und der Akrobat, der ihn und Mylady an der Landstraße wie verabredet abgefangen hatte, standen jetzt neben Parkers Wagen, aus dem Agatha Simpson stieg, wobei sie die hilfreiche Hand ihres Butlers souverän übersah. „Sprengladungen?“ erkundigte sie sich animiert. „Mister Neil und meine bescheidene Wenigkeit diskutieren die Möglichkeiten, wie man eine Bohrinsel vernichten könnte, Mylady.“ „Froschmänner mit Haftminen“, warf Neil ein. „Das, Mister Neil, klingt bereits gefährlich gut.“ „Ich wüßte eine bessere Möglichkeit“, ließ die resolute Dame sich vernehmen, „Froschmänner! Das ist doch geradezu antiquiert. Warum denken Sie nicht an Torpedos? Ich als Schriftstellerin würde mich für diese Möglichkeit entscheiden.
Sie ist wenigstens neu und noch nicht verbraucht.“ „Woher sollen Cardano und Lynn die Torpedos bekommen?“ warf Neil schüchtern ein, denn die Nähe der Lady machte ihn unsicher. „Aus einem Marinedepot natürlich“, gab Agatha Simpson zurück und sah Neil verächtlich an. ,,Haben Sie denn überhaupt keine Phantasie? In den Arsenalen der Flotte bekommt man, was das Herz begehrt.“ „Aber die Arsenale sind schließlich streng bewacht“, ließ Parker sich vernehmen. „Haben Sie vergessen, daß Cardano ein Hypnotiseur ist?“ Die Detektivin schüttelte fast bedauernd den Kopf über soviel Begriffsstutzigkeit. „Für solch einen Mann ist es doch eine Kleinigkeit, Wachen außer Gefecht zu setzen, ohne auch nur die geringste Spur zu hinterlassen.“ „Eine verwegene Vorstellung, Mylady, wenn ich es derart formulieren darf.“ „In meinem kommenden Kriminalroman werde ich mit diesem Trick arbeiten“, entschied die ältere Dame. „Die Idee gefällt mir. Sorgen wir jetzt nur noch dafür, daß die gestohlenen Torpedos nicht abgeschossen werden. Ich kann ja schließlich nicht alles machen, ich bin nur eine schwache Frau!“ * Kathy Porter hatte Wort für Wort mitbekommen. Sie wußte jetzt, wie die schwimmende Bohrinsel vernichtet werden sollte. Die Gangster hatten kein Wort über die Menschen verloren, die als Besatzung auf dieser Insel lebten. Menschenleben zählten nicht!
Sie hatte sich nicht gerührt, als Lynn nach ihr gesehen hatte. Im letzten Moment gelangte sie zurück aufs Bett, bevor die Tür von dem feisten Gangster geöffnet worden war. Um ein Haar wäre sie von dem mißtrauischen Boß überrascht worden. Es war für sie klar, daß sie den mörderischen Plan der Gangster und Saboteure verhindern mußte. Sie wußte schließlich, daß die beiden Spezial-Torpedos sich im Materialwagen von Lynns Show befanden. An sie mußte sie so schnell wie möglich heran, um sie unschädlich zu machen. Ohne die beiden Torpedos war die Bohrinsel und damit die Besatzung nicht mehr gefährdet. Sie hörte, daß Lynn und Cardano den großen Wohnwagen verließen. Vorsichtig stand sie auf, trat an eines der Fenster und sah nach draußen. Die beiden äußerlich so ungleichen Männer gingen gerade zu dem Materialwagen hinüber, von. dem Cardano gesprochen hatte. Lynn wollte sich wohl die Torpedos ansehen. Ja, sie verschwanden in dem Wagen, der neben dem größeren Sattelschlepper stand, zogen die Tür hinter sich zu und wollten wohl allein sein.“ Der Materialwagen wurde, wie Kathy entdeckte, diskret bewacht. Einige Männer, die bunt wie Showleute gekleidet waren, hantierten in der Nähe dieses Wagens, ohne wirklich etwas zu tun. Sie hatten gewiß die Aufgabe, den kostbaren Wagen keinen Moment aus den Augen zu lassen. Wie sollte sie diese Sperren überwinden? Im Grund war sie doch nackt und hilflos. Nein, sie rechnete sich keine Chance aus. Das Kontrollsystem der Gangster schien perfekt zu sein. Jetzt konnten eigentlich nur noch Lady Simpson und Butler Parker helfen, doch
die schien es erwischt zu haben. Laut Lynns Aussage vor wenigen Minuten mußten sie auf einem in die Luft gesprengten Leuchtturm umgekommen sein. Der Gedanke daran, Lady Simpson und Butler Parker nie wiederzusehen, stachelte Kathy an. Es mußte einen Weg geben, die beiden zu rächen und den Mordgangstern für immer das Handwerk zu legen. Vielleicht fand sie in den vorderen Räumen des Wohnwagens doch eine verwertbare Waffe? Kathy stahl sich zur Tür und öffnete sie spaltbreit, um dann entsetzt zurückzuprallen. Vor ihr stand der Gnom Achmed! * Josuah Parker stellte komplizierte Berechnungen an und ließ sich auch durch die deutliche Ungeduld seiner Herrin nicht stören. Er verfolgte einen ganze bestimmten Plan und durfte sich keinen Irrtum leisten. „Nun möchte ich endlich wissen, was Sie eigentlich planen?“ fauchte Agatha Simpson ihn schließlich an. „Wohin haben Sie diesen Akrobaten geschickt? Was soll das alles?“ „Darf ich mir erlauben Myladys Aufmerksamkeit auf die steile Straße zu lenken, die hinunter zum Campingplatz führt?“ „Ich bin ja nicht blind!“ „Das Gefälle dieser schmalen Straße ist beachtlich“, erläuterte der Butler weiter. „Die Straße selbst führt zum Fischerhafen, macht dann eine leichte Wendung und endet auf dem Campingplatz.“
„Ich habe nicht die Absicht, Mister Parker, gerade jetzt zu campen“, antwortete die Detektivin streng. „Mister Neil besitzt einen Camping-. wagen, der gleichzeitig ein Auto ist“, stellte Parker weiter gelassen fest. „Er ist auf dem Weg, ihn hierherzuholen.“ „Endlich begreife ich. Sie wollen diesen Wagen als trojanisches Pferd benutzen, um möglichst nahe an die Gangster heranzukommen?“ „In der Tat, Mylady.“ „Ein guter Plan“, räumte Agatha Simpson widerwillig ein. „Er könnte von mir stammen.“ „Sehr wohl, Mylady“, gab Parker zu. „Ich erlaubte mir von der Annahme auszugeben, daß Mylady solch einen Plan vorschlagen würde.“ „Stimmt vollkommen.“ Sie sah ihn etwas mißtrauisch an, doch Parkers Gesicht blieb unbeweglich. „Und wie soll’s dann weitergehen?“ „Haben Mylady bestimmte Wünsche?“ „Und ob ich die habe! Wir werden die Wagen dieses Magiers stürmen und die Gangster in die Flucht schlagen. Darauf freue ich mich schon jetzt.“ . „Mr. Neils Campingbus, Mylady.“ Parker hatte sich umgedreht und deutete mit der Spitze seines UniversalRegenschirm auf ein abenteuerlich aussehendes Gefährt, das seine besten Jahre schon lange hinter sich hatte. Der Wagen machte einen recht angerosteten Eindruck, aber er fuhr, wenngleich auch die Ventile klapperten. „Das ist ja ein schreckliches Vehikel“, stellte Lady Simpson naserümpfend fest. „Ist es überhaupt abzubremsen?“ „Diese Frage wird sich wahrscheinlich während der Fahrt hinunter zum Hafen
letztlich beantworten lassen“, gab der Butler optimistisch zurück. „Wird man den Wagen nicht erkennen?“ „Als Mr. Neils Besitz, Mylady?“ „Natürlich, wie sollte ich es sonst gemeint haben.“ „Der Überraschungseffekt muß natürlich gewahrt bleiben“, sagte Josuah Parker. „Viel Zeit dürfte nicht zur Verfügung stehen.“ Herbert Neil hatte inzwischen den Campingbus gestoppt und kam zusammen mit seiner ständigen Begleiterin auf Lady Simpson und Parker zu. Stolz wies er auf das Vehikel. „Noch völlig in Ordnung, auch wenn’s nicht so aussieht“, lobte er das Fahrzeug. „Nur die Bremsen sind etwas anfällig, Mr. Parker, darauf muß ich schon jetzt hinweisen.“ „Was ich Ihnen gesagt habe! Wir alle werden uns den Hals brechen“, unkte die ältere Dame und sah ihren Butler gereizt an. „Er könnte, falls er ein wenig gesteuert wird, bis zum Campingplatz durchbrechen“, sagte Parker nachdenklich. „Das schafft er spielend, sehen Sie sich doch die Straße an“, gab der Akrobat zurück. „Das bringt mich auf eine weitere Idee“, stellte Parker fest. „Nicht wahr?“ Lady Simpson sah ihren Butler erwartungsvoll an und harrte seiner Idee. „Ich möchte Mylady nicht vorgreifen“, sagte Parker gemessen. „Zieren Sie sich nicht, Mr. Parker, sagen Sie’s schon!“ „Man könnte den Campingbus die Straße hinuntersteuern und ihn hinter dem Fischerdorf verlassen“, entwickelte der
Butler seinen Plan. „Den letzten Rest würde der Wagen dann allein zurücklegen. Nach meinen Berechnungen müßte er vor den beiden Lastwagen enden.“ „In einem Haufen von Schrott“, stieß Lana Durbin entsetzt hervor. „Lady Simpson wird Ihnen, wenn ich es richtig sehe, einen vollwertigen Ersatz bieten“, beruhigte Parker die Akrobatin. „Ich weiß, worauf Sie rauswollen“, schaltete sich Herbert Neil ein, „man könnte die verdammte Karre vielleicht noch in Brand setzen oder so präparieren, daß sie wie ‘ne Bombe hochgeht.“ „Sehr gut“, freute sich die streitbare Dame, „dann würden auch die Torpedos vernichtet werden.“ „Falls welche vorhanden sind, Mylady“, schränkte der Butler ein. „Es sind welche vorhanden, anders kann es gar nicht sein“, entschied Agatha Simpson. „Eine Künstlerin wie ich hat für solche Dinge immer den richtigen Instinkt.“ „Haben Sie ein paar Ersatzkanister mit Benzin im Campingbus?“ erkundigte Parker sich bei Neil. „Drei Stück.“ „Und ich könnte mit einer zusätzlichen, wenn auch kleineren Sprengladung dienen“, sagte der Butler. „Richtig präpariert, müßte sie genau beim Aufprall hochgehen.“ „Das wird ein herrliches Feuerwerk geben“, nickte Lady Simpson zufrieden. „Der ganze Plan scheitert leider an der Tatsache, daß damit zu rechnen ist, daß Miß Porter unten in einem der drei Wagen festgehalten wird, Mylady.“ „Du lieber Himmel, das hätte ich ja beinahe vergessen!“ Agatha Simpsons Gesicht verriet echte Bestürzung. „
„Darüber hinaus würde solch eine Explosion auch andere Menschenleben in Gefahr bringen“, schränkte der Butler noch weiter ein. „Dann muß man diese Burschen eben weglocken“, entschied die Detektivin energisch, „und das werde ich übernehmen! Ich werde mich auf der Hafenmole zeigen.“ „Ich bereite den Campingbus sicherheitshalber mal vor“, meinte Neil eifrig, der wohl an einem neuen Fahrzeug sehr interessiert war. „Lana und ich bekommen also einen neuen?“ „Sie werden zufrieden sein“, versprach Parker erneut. „Ich werde Ihnen bei den Vorbereitungen zur Hand gehen. Würden Mylady weiterhin den Campingplatz und Mr. Lynns Boot beobachten? Es wäre ungemein erfreulich, falls man Miß Porter auf dem Boot entdeckte. Das würde die Dinge wesentlich vereinfachen.“ „Und wer soll den Campingbus fahren?“ schaltete sich jetzt die Akrobatin Lana Durbin ein. „Falls sich kein Widerspruch erhebt, würde ich das gern übernehmen“, sagte Parker schnell. „Es war schon immer mein sehnlichster Wunsch, solch ein Modell mal zu bewegen!“ * Der Gnom war sich seiner Sache zu sicher. Schon einmal hatte er Kathy überwältigt und außer Gefecht gesetzt. Auch jetzt und hier konnte das keine Schwierigkeit sein. Er brauchte seine Hände nur vorschnellen zu lassen ... Was er auch prompt tat. Doch er beging einen entscheidenden Fehler, als er durch den schmalen Tür-
spalt nach Kathys Hals greifen wollte. Sie warf sich mit aller Kraft gegen das Türblatt und klemmte dem Gnom die Handgelenke ein, worauf Achmed schrie. Kathy ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Sie riß die Tür weit auf, und Achmed stürzte in das Schlafabteil des Wohnwagens, weil er sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Tür gestemmt hatte. Als er ziemlich waagrecht an Kathy vorbeisauste, schlug sie mit ihrer linken Handkante kräftig zu. Achmed ging zu Boden und war bereits empfindlich getroffen; aber noch immer aktiv. Er schnellte hoch und handelte sich einen zweiten Schlag ein. Dann rannte Kathy an dem wieder zusammenbrechenden Zwerg vorbei und riß die Tür hinter sich ins Schloß. Da ein Schlüssel steckte, sperrte sie die Tür ab. Sie sah sich in dem Wohnraum um und entdeckte an der Wand Pläne, Phantomzeichnungen und Fotos der Bohrinsel, um die es in diesem Fall ging. Sie hatte aber leider keine Zeit, sich die schwimmende Bohrinsel genau anzusehen, denn sie hörte Schritte, die sich dem Wohnwagen näherten. Sie mußte sich etwas einfallen lassen, um den Eintretenden zu verblüffen. Die junge Dame improvisierte aus dem Handgelenk heraus. Kathy riß eines der Messer hoch, das auf dem Tisch lag und rammte es in das Holz neben den Zeichnungen und Fotos der Bohrinsel. Dann stellte sie sich mit dem Rücken gegen diese Wand, hob die Arme hoch über den Kopf, als seien sie gefesselt, und schloß halb die Augen. Sekunden später erschienen Cardano und Lynn auf der Bildfläche. Sie sahen Kathy sofort und waren natürlich irritiert,
zumal der Gnom Achmed hinter der verschlossenen Tür polterte. „Was soll denn das bedeuten?“ fragte Lynn. „Kathy“, rief Cardano leise und streckte seine Hände aus. „Kathy, hören Sie mich?“ „Natürlich“, sagte Kathy und... sprang ihn wie eine Wildkatze an. Sie schlug blitzschnell zu und beförderte den Magier der Hölle’ vor Lynns Bauch, der daraufhin nicht mehr in der Lage war, nach seiner Waffe zu greifen. Nachdem Kathy diese kleine Verwirrung angerichtet hatte, begann sie mit ihrer Flucht. Dabei war es ihr völlig gleichgültig, ob sie nackt war oder nicht. Hauptsache, sie kam heil und ungeschoren vom Campingplatz und konnte sich in das nahe Fischerdorf retten. * Josuah Parker fühlte sich in gehobener Stimmung. Er saß am Steuer des klapprigen Campingbus und genoß den Rausch der Geschwindigkeit. Er war seit knapp einer Minute unterwegs und hatte bereits ein gutes Stück der steilen Straße hinter sich gelassen. Von den Klippen aus hatte Lady Simpson die Flucht ihrer hübschen Gesellschafterin beobachtet und daraufhin das Startsignal für Parkers Solo gegeben. Kathy hatte alles in Bewegung gesetzt, was zwei Beine hatte. Selbst die diskreten Wachen an den beiden Materialwagen des Magiers hatten ihre Posten verlassen und beteiligten sich an der Hetzjagd auf ein Nummerngirl. -Kathy rannte hinüber zum Fischerdorf und hatte gute Aussichten, das Rennen zu machen. Der
Campingplatz war auf jeden Fall leer und konnte von Parker weiter anvisiert werden. Donnernd wischte der Campingbus nach unten. Parker mußte all seine Fahrkunst aufwenden, um den geplanten Kurs zu halten. Die Geschwindigkeit erhöhte sich von Sekunde zu Sekunde. Er passierte bereits den Rand des Fischerdorfes und sah für einen Moment Kathy, die gerade um eine Hausecke rannte. Dann ging es aber auch schon weiter. Der Campingplatz! Parker sah sich nach einer günstigen Absprungstelle um und entschied sich für die Fischernetze, die zwischen hochgestellten Holzstangen hingen und dort trockneten. Eine bessere Fangvorrichtung hätte er sich überhaupt nicht wünschen können. Der Butler öffnete die Wagentür, richtete den Campingbus noch mal genau aus und verließ den Wagen mit einem kühnen Sprung. Er segelte in durchaus gemessener Haltung und ohne Verlust von Würde auf die Fischernetze zu und ... landete wie ein Hochseilartist im Sicherheitsnetz. Die Maschen fingen den Schwung auf, den er mitgebracht hatte, umschlangen Parker’ und legten ihn dann erstaunlich weich zu Boden. Der Butler richtete sich auf und benutzte sein Spezialmesser, um sich der hinderlichen Netze zu entledigen. Dann passierte es bereits ... Der hochexplosive Campingbus knallte gegen den Materialwagen und platzte auseinander. Vom Schwung der Explosion mitgerissen, hob sich der geschlossene Materialwagen und löste sich ebenfalls in seine Bestandteile auf. Daß dabei der Sattelschlepper empfindlich
mitgenommen wurde, war bereits, unvermeidlich. Bruchteile von Sekunden später verwandelte sich der Materialwagen in einen berstenden Vulkan. Hochexplosives in seinem Inneren war gezündet worden. Der Materialwagen war plötzlich nicht mehr vorhanden, der Sattelschlepper wurde restlos demontiert,, und der Wohnwagen verlor die Seitenwände. Josuah Parker war in volle Deckung gegangen. Um ihn herum prasselten die Trümmer zu Boden, doch er hatte Glück und wurde nicht getroffen. Parker richtete sich auf und warf einen interessierten Blick auf jene Stelle, wo sich eben noch die Wagen der Cardano-Show befunden hatten. Der Materialwagen hatte sich in ein tiefes, rauchendes Erdloch, verwandelt, der Sattelschlepper war ohne Fahrerhaus. Als Parker danach fahndete, entdeckte er es auf .. Lynns Motorboot. Das Fahrerhaus hatte eine erstaunlich weite Luftreise hinter sich gebracht und war auf der Brücke der Motorjacht gelandet. In diesem Augenblick fragte sich Parker, ob Myladys Vermutung hinsichtlich der Torpedos doch wohl zutraf. Anders ließ sich die Gewalt dieser Explosion nicht erklären. Der Wohnwagen des ‚Magiers der Hölle’ brannte wie eine Fackel. Parker sah aber noch mehr. Die Männer, die eben noch Kathy verfolgt hatten, rannten ohne Ausnahme hinüber zu Lynns Boot. An Kathy Porter bestand offensichtlich kein Interesse mehr. Dann — die Gangster hatten Lynns Motorkreuzer erreicht — gestattete der Butler sich ein deutlich erkennbares, amüsiertes Lächeln. Selbst er, der sich stets unter Kontrolle hatte, konnte sich
gegen dieses Gefühl leichter Schadenfreude nicht wehren. Die Gangster standen am Kai und mußten zur Kenntnis nehmen, daß Lynns Motorjacht Konditionsschwächen zeigte. Das große Boot hatte bereits deutliche Schlagseite und soff jetzt langsam über Backbord ab. Die herumfliegenden Trümmer mußten ein großes Leck in die Schiffshaut gerissen haben. * „Ziehen Sie sich endlich etwas über, Kindchen“, sagte Lady Simpson streng, aber ohne Nachdruck. „Sie lenken die Polizei ja nur unnötig ab.“ Was übrigens stimmte. Die Vertreter des Gesetzes waren in großer Zahl auf der Bildfläche erschienen und nahmen eine Art Massenverhaftung vor. Sie waren von Land aus und von der See her in das kleine Fischernest gekommen, alarmiert durch Parkers diverse Telefonanrufe vor seiner Aktion mit dem Campingbus. Parker legte seinen schwarzen Covercoat über die nackten Schultern von Kathy Porter und lüftete dann höflich seine Melone, als der dickbauchige Lynn, Cardano und Achmed vorbeigeführt wurden. Sie trugen bereits Handschellen wie Lester Bentley, Ernie Kelson und die übrigen Gangster. „Darf ich die Herren für einen Moment inkommodieren?“ fragte er, sich an Lynn wendend, der stehenblieb und den Butler finster anschaute. „Der leider so früh verblichene Mr. Mulligan trug drei Postkarten mit sich. Die Texte darauf waren wirklich mehr als banal. Darf ich davon ausgehen, daß sie verschlüsselte Informationen enthielten?“
„Ohne meinen Anwalt sage ich kein Wort mehr“, antwortete Lynn gereizt, „aber Sie, Parker, Sie werde ich eines Tages noch erwischen. Und dann sind Sie dran!“ „Also verschlüsselte Informationen“, stellte Parker zufrieden fest. „Ich danke Ihnen für diese Auskunft.“ „Auch ich habe noch eine Frage“, schaltete sich Agatha Simpson ein, die neben ihrem Butler stand. „Wollten Sie der Bohrinsel nun mit Torpedos zu Leibe gehen oder nicht? Das ist wichtig für meinen geplanten Kriminalroman.“ Lynn antwortete mit einem Schimpfwort, das die Lady nicht so ohne weiteres hinnehmen wollte. Sie verabreichte Lynn eine mehr als derbe Ohrfeige, worauf der massige Mann in die Knie ging. „Mylady“, mahnte Parker, als Lynn weggeschleppt wurde. „Daß es sich um Torpedos handelte, konnte Miß Porter ja inzwischen bestätigen.“ „Das weiß ich doch“, sagte die streitbare Dame, „aber ich suchte nach einem Vorwand, ihm eine Maulschelle zu verabreichen. Und das ist mir immerhin gelungen.“ „Danke, Mylady“, freute sich Kathy sichtlich. „Vielleicht hätte ich besser mit meinem ,Glücksbringer’ zulangen sollen“, ärgerte sich die Sechzig jährige, um sich dann an ihren Butler zu wenden. „So, Mr. Parker,
und jetzt habe ich einen ganz besonderen Wunsch.“ „Mylady?“ Parker sah Agatha Simpson abwartend und auch ein wenig unruhig an. „Für Sie ist das eine Kleinigkeit“, schickte die ältere Dame voraus. „Mylady sind sich sicher?“ Dumpfe Ahnungen erfaßten den Butler. „Sie schaffen das mit der linken Hand, Mr. Parker.“ „Myladys Vertrauen ist wohltuend.“ „Ich will mir jetzt die schwimmende Bohrinsel ansehen“, erklärte Agatha Simpson nachdrücklich. „Ich möchte endlich wissen, für welches Gebilde ich mich so abgestrampelt habe. Lassen Sie sich etwas einfallen und stehen Sie nicht so tatenlos herum!“ „Wie Mylady befehlen“, lautete Parkers ergebene Antwort, wobei er keine Miene verzog. „Unmögliches wird sofort erledigt, Wunder dauern ein wenig länger, doch auf Wunsch wird gezaubert und gehext!“ „Was ich mir auch ausgebeten haben möchte“, grollte die sehr aktive Dame und zog Kathy an sich. „Passivität hasse ich wie die Pest!“ Parker machte sich würdevoll und gemessen auf den Weg, um für Lady Simpson ein wenig zu hexen und zu zaubern, wie es eben stets von ihm erwartet wurde.
ENDE
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Günter Dönges schrieb für Sie den nächsten
Nr. 142
PARKER treibt den Dämon aus Es war ein Geheimtip für Eingeweihte, daß in London Teufelsmessen abgehalten wurden. Man blieb unter sich und rekrutierte den Nachwuchs nur vorsichtig. Wer in den sechsten Kreis der Hölle wollte, mußte erst durch den sechsten Vorkreis, in dem es sehr bunt und orgiastisch zuging. Lady Agatha Simpson und ihre langbeinige, attraktive Sekretärin, Kathy Porter, stießen durch einen harmlosen Zufall auf einen dieser restlos am Boden zerstörten Teufelsanbeter, der ihnen vor seiner Ermordung noch einige vage Hinweise liefern konnte. Butler Parker schaltete sich freudig ein, denn Teufel hatten ihn schon immer interessiert Allerdings war er sehr indigniert, als Kathy Porter als Teufelsbraut auserkoren wurde und bei der nächsten Messe assistieren sollte. Teufelswahn in einer modernen Millionenstadt! Parker, Lady Agatha und Kathy Porter wurden zu Opfern bei dieser Teufelsmesse, schafften es aber im letzten Augenblick, dem Bockfüßigen nicht nur zu entwischen, sondern ihm auch das Fell über die Ohren zu ziehen ... Ein neuer Butler-PARKER-Krimi, in dessen Mittelpunkt okkulte Dinge stehen. Hochspannung, Witz und Humor sorgen für Entspannung. Wetten, daß Sie trotzdem noch eine hübsche Gänsehaut bekommen? In unserer Neuauflage erscheint als Butler Parker Nr. 110
PARKER scheucht die „Tarzan-Brothers“ ebenfalls von Günter Dönges
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