Tiffany Sexy
Blake, Toni
Heisses Date mit einem
Fremden
05-1
1. KAPITEL Wir treffen uns heute Abend um zehn Uh...
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Tiffany Sexy
Blake, Toni
Heisses Date mit einem
Fremden
05-1
1. KAPITEL Wir treffen uns heute Abend um zehn Uhr an der Ecke Fourth und Walnut. Du solltest zu allem bereit sein. Penny Penny Halloran blickte mit einem nervösen Seufzer auf die Worte, die sie gerade eben auf ihre Visiten karte geschrieben hatte. Sie wünschte sich, sie hät te eine romantische Karte zur Verfügung. Vielleicht eine parfümierte oder eine mit Blumen und Herzen darauf. Eine Karte mit einem erotischen Motiv wäre auch nicht schlecht. Leder und Spitzen kamen ihr in den Sinn. Aber sie bezweifelte, dass die herkömmli che Papierwarenindustrie etwas in der Art herstellte. Sie las die kurzen Sätze nochmals durch und zog die Nase kraus. Auf welchem Papier sie geschrie ben waren, spielte eigentlich keine Rolle. Wichtig war nur, dass ihr Plan funktionierte. Sie war kein besonders impulsiver Mensch. Wenn sie die Zeit dafür hätte, würde sie noch ab warten. Für diese Sache hier brauchte sie im Grun de genommen mehrere Wochen zur Vorbereitung. Nur so könnte sie einigermaßen sicher sein, dass alles wie am Schnürchen klappte. Der kurze Text kam ihr plötzlich langweilig und einfallslos vor. Aber sie hatte keine Zeit mehr, sich etwas Originelleres auszudenken. Es musste heute sein. Martin würde Cincinnati morgen für eine Wo che verlassen, und bei seiner Rückkehr erwartete er
von ihr eine Antwort auf seinen Heiratsantrag. Heu te war die Nacht der Nächte. Penny schluckte ihre letzten Bedenken hinunter und steckte die Karte entschlossen in die Tüte, die Martins Sandwich enthielt. Wie immer hatte er Schinken und Schweizer Käse auf Roggenbrot mit etwas Mayonnaise bestellt. Sie griff nach den ande ren Lunchpaketen, die sie bei Schuster Software Systems abzuliefern hatte. Die Computerfirma lag in einer der oberen Etagen des Gebäudes, in dessen Erdgeschoss sich das von ihr und ihrer Schwester Patti gemeinsam geführte Restaurant befand. »Ich bin in fünf Minuten wieder da«, sagte sie zu Patti, die hinter dem Tresen stand. Sie verließ das Restaurant durch den Seitenausgang, der in die Eingangshalle des Bürogebäudes führte, und ging zu den Fahrstühlen. Es ist ganz einfach, sagte sie sich, während der Fahrstuhl in den achten Stock des Hochhauses fuhr. Sie würde ihn einfach verführen. Also kein Grund zur Nervosität. Männern gefiel so etwas. Je denfalls hatte Penny das gehört. Martin würde es bestimmt auch gefallen. Trotzdem schlug ihr bei dem Gedanken an den heutigen Abend das Herz bis zum Hals. Das musste daran liegen, dass sie noch nie einen Mann verführt hatte. Dazu kam, dass Martins Zärtlichkeiten bis jetzt nicht gerade stürmisch gewesen waren. Die Abschiedsküsse vor ihrer Haustür waren nicht besonders leidenschaft lich ausgefallen. Penny hatte den Eindruck, dass Martin sie vor allem deshalb küsste, weil das eben dazugehörte. Darüber hinaus hatten sie nur Händ
chen gehalten. Darin war Martin ziemlich gut. Mehr war nicht passiert. Bis jetzt hatte Penny das auch nicht weiter ge stört. Seit drei Monaten ging sie nun schon mit Mar tin aus, und er besaß alle Eigenschaften, die sie von einem Mann erwartete. Er war ehrgeizig, ver lässlich, sensibel und klug. Außerdem war er groß und schlank. Sein dichtes, dunkles Haar war immer so kurz geschnitten, dass es nie den Hemdkragen berührte. Alles in allem sah er gar nicht schlecht aus. Da er eine eigene Firma besaß, befanden sie sich beruflich absolut auf der gleichen Wellenlänge. Mit ihren achtundzwanzig Jahren war Penny er fahren genug, um zu wissen, dass Beziehungen aus mehr als nur Sex bestanden. Sie fühlte sich in Martins Gesellschaft wohl. Sie mochten dieselben Filme und hatten bezüglich Restaurants den glei chen Geschmack. Sie verbrachten wunderbare Wo chenenden miteinander, an denen sie im Eden Park picknickten und danach durch Kunstausstellungen schlenderten oder ins Kino gingen. Aber vor ein paar Tagen hatte er ihre Hand ge nommen und gesagt: »Penny, ich bin jetzt in den Dreißigern. Ich möchte Kinder haben, bevor ich zu alt bin, um ein guter Vater zu sein. Ich glaube, dass wir beide ein gutes Team abgeben. Willst du mich heiraten?« Für Penny war das eine unerwartete Wendung der Dinge gewesen. Doch obwohl ihr dieser Hei ratsantrag nicht besonders romantisch erschien, hatte sie keinen Zweifel daran, dass Martin der Richtige war. Sie gaben wirklich ein gutes Paar ab und passten hervorragend zueinander. Aber als sie
begonnen hatte, über ihre Antwort nachzudenken, war ihr plötzlich eingefallen, dass Sex doch eine Rolle spielte. Sie konnte Martin nicht einfach heira ten, ohne vorher sozusagen eine Probefahrt ge macht zu haben. In den drei Tagen seit Martins Antrag hatte Pen ny viel über sich selbst nachgedacht. Dabei stellte sie verwirrt fest, dass Sex nicht nur in Hinsicht auf eine bevorstehende Ehe, sondern überhaupt in ih ren Gedanken immer mehr Raum eingenommen hatte. Nachdem der Fahrstuhl in verschiedenen Etagen gehalten hatte, öffneten sich die Türen schließlich zu einem modern eingerichteten Empfangsbereich. Grace Davis, die Empfangsdame, saß hinter ihrem Tisch und sprach in den Telefonhörer, den sie zwi schen Kinn und Schulter geklemmt hatte. Sie warf Penny einen freundlichen Blick zu und verdrehte dann ungeduldig die Augen, da ihr Gesprächspart ner am anderen Ende der Leitung offenbar kein En de finden konnte. »Ich verteile nur schnell die Lunchpakete«, flüs terte Penny und deutete in Richtung der Büroräu me. Dann ging sie durch den langen Korridor, der zu den verschiedenen Büros führte. Wieder be schleunigte sich ihr Herzschlag. Sie war dabei, es wirklich zu tun. Sie würde dem sensiblen, zurück haltenden Martin ihre verrückte, herausfordernde Nachricht übergeben. Er würde vermutlich denken, dass sie den Verstand verloren hatte. Hör auf damit, befahl sie sich selbst, du musst das einfach machen. Und vielleicht gefiel es ihm sogar. Vielleicht würde so endlich das wilde Tier in
ihm zum Vorschein kommen. Sie hoffte jedenfalls, dass es da ein wildes Tier gab. Und wenn es nur ein ganz kleines war. Es muss einfach eins da sein, sagte sie sich ver zweifelt. Denn in den letzten Tagen hatte sie he rausgefunden, dass in ihr selbst auf jeden Fall ein wildes Tier geschlafen hatte. Und dieses Tier war aufgewacht. Zwar war es noch ziemlich scheu, aber es war da. Während sie darüber nachdachte, den Rest ih res Lebens mit einem einzigen Mann zu verbringen, war ihr bewusst geworden, dass sie ein ebenso starkes wie ungezügeltes sexuelles Verlangen hat te. Mit einem Mann auszugehen, der dieses Verlan gen nicht erwiderte, war in Ordnung. Aber wenn es darum ging, diesen Mann zu heiraten, dann spielte Sex plötzlich eine viel größere Rolle. Sie war immer davon ausgegangen, dass eines Tages der Richtige käme, mit dem sie für den Rest ihres Lebens glücklich werden würde, und zwar in jeder Beziehung. Das schloss auch nicht enden wollende Leidenschaft ein. Um herauszufinden, ob Martin dieser Mann war, musste sie ihm einen Schubs in die richtige Rich tung geben. Ihr Plan würde funktionieren, da war sie sich auf einmal ganz sicher. Die gemeinsame Nacht würde sie beide zu ungeahnten erotischen Höhe punkten führen. Allein der Gedanke daran ließ sie vor Aufregung erschauern. Sie klopfte an Martins Bürotür und öffnete. Er war nicht da. Sie stellte die Tüte mit dem Sandwich mit ten auf seinen Schreibtisch. Unschlüssig blieb sie einen Moment lang stehen. Ihr Herz hämmerte er
neut wie wild. Alles wird gut werden, sagte sie sich. Diese kleine Überraschung würde ihm gefallen. Au ßerdem war es eine wundervolle Art, sich zu verab schieden, bevor er zu der Konferenz nach Las Ve gas fuhr. Penny verließ das Büro, um die restlichen Sand wiches zu verteilen. Der neue Mitarbeiter, Ryan, kam zuletzt an die Reihe. Sein Büro trug noch kein Namensschild an der Tür. Er arbeitete erst seit ei ner Woche für die Firma und hatte sich in dem klei nen Büroraum neben dem Konferenzsaal niederge lassen. Während sie zum Fahrstuhl zurückging, überleg te sie sich, was für die kommende Nacht noch an Vorbereitungen zu treffen war. Sie musste bei der Autovermietung eine Limousine buchen und Patti Bescheid sagen, dass sie heute früher gehen woll te. Dann würde sie sich auf den Weg machen, um für den Abend ein ganz besonderes Outfit zu kau fen. Ruckartig blieb sie stehen, weil sie beinahe in ei nen Mann in dunklem Anzug mit heller Krawatte hineingelaufen wäre. »Oh!« rief sie und senkte ver legen den Kopf. Eigentlich hatte sie erwartet, Martin vor sich zu sehen. Aber es war nur Ryan, der groß und breitschultrig vor ihr stand. »Hi.« »Hi«, erwiderte er mit einem erstaunten Lächeln. Das konnte Penny ihm nicht verübeln, denn sie kam sich vor, als würde sie sich gerade mit der Porto kasse aus dem Staub machen. »Ich… äh… ich wollte nur…« Was wollte sie? Ihm erzählen, dass sie die Absicht hatte, seinen
Chef zu verführen? »Guten Appetit«, sagte sie schnell und eilte dann zum Fahrstuhl. Es gab jetzt Wichtigeres zu tun, als sich darüber den Kopf zu zerbrechen, welchen Eindruck sie auf Martins Angestellten machte. Sie musste die perfekte Verführung inszenieren. Ryan Pierce zog sich ein Mineralwasser aus dem Automaten im Pausenraum und ließ sich dann in den bequemen Ledersessel im Büro seines neuen Chefs fallen. Er war nicht böse, dass Martin seine Geschäftsreise einen Tag früher als geplant ange treten hatte. Das gab ihm Gelegenheit, sich erst einmal in Ruhe umzuschauen. Und vor allem be scherte es ihm ein viel größeres Büro mit einer schöneren Aussicht. Martin hatte vorgeschlagen, dass Ryan sich zu erst einmal mit den Programmen vertraut machen sollte, die in den letzten Jahren von der Firma ent wickelt worden waren. Allerdings war der neue Computer, den Martin bei seinem Großhändler be stellt hatte, noch nicht eingetroffen. So hatte Ryan nur seinen privaten Laptop zur Verfügung. Daher hatte Martin ihm angeboten, während seiner Abwe senheit sein Büro und seinen Computer zu benut zen. Außerdem hatte er Ryan gebeten, alle einge henden E-Mails zu überprüfen und in dringenden Fällen an entsprechende Mitarbeiter weiterzuleiten. Ryan warf noch einen letzten Blick aus dem Fenster. Draußen lagen die von der Sonne be schienenen Straßen der Innenstadt von Cincinnati. Dann drehte er sich um und griff nach der Tüte, die von der Lieferantin gebracht worden war. Er hatte
keine Veranlassung, Penny für etwas anderes als eine Lieferantin zu halten. Auf der Baseball-Mütze, die sie immer trug, war das gleiche Logo abgebildet wie auf der Tüte, die vor ihm stand. Es war der Na menszug des Restaurants Two Sisters. Er machte die Tüte auf und blickte verwundert auf eine Visi tenkarte. Er nahm die Karte und las die kurze, handge schriebene Notiz darauf. Fassungslos las er den Text ein zweites Mal. Sie wollte sich mit ihm treffen? Heute Abend? Und er sollte zu allem bereit sein? Normalerweise war er nicht so leicht zu erschüt tern. Aber so etwas wie dies hier war ihm noch nie passiert. Ratlos fuhr er sich durch die Haare. Dann wickelte er das Sandwich aus, um sich zu verge wissern, ob es das war, das er bestellt hatte. Viel leicht war die Nachricht ja gar nicht für ihn be stimmt. Doch, es war seine Bestellung. Schinken und Schweizer Käse auf Roggenbrot mit Mayonnai se. Das war wirklich mehr als merkwürdig. Nach einigen Momenten kam er zu dem Schluss, dass diese Nachricht eine unverblümte und direkte Art und Weise war, ihn um ein Rendezvous zu bit ten. Natürlich war das eine ziemlich ungewöhnliche Methode, aber vielleicht war sie einfach zu schüch tern, um ihn persönlich zu fragen. Wenn er darüber nachdachte, war sie ihm vorhin auf dem Flur tat sächlich recht nervös vorgekommen. Jetzt kannte er den Grund dafür. Sie hatte ihm gerade diese Einla dung auf den Tisch gelegt. Er wusste, dass sie mit Grace befreundet war. Grace hatte ihr vermutlich erzählt, dass er heute in Martins Büro arbeitete.
Ryan lehnte sich im Stuhl zurück. Diese Ge schichte begann ihm zu gefallen. Er war kaum eine Woche in der Stadt, und schon hatte ihn eine attrak tive Frau um eine Verabredung gebeten. Er rief sich ihr hübsches Gesicht mit den großen blauen Augen ins Gedächtnis. Unter der Baseball-Mütze fiel ihr das lange blonde Haar bis auf die Schultern. Da sie meistens Shorts trug, hatte er auch bemerkt, dass sie sehr schöne Beine hatte. Außerdem war sie immer freundlich und lächelte oft und gern. Wenn ein anderes Mädchen in aufgefordert hät te, zu allem bereit zu sein, wäre er vermutlich nicht darauf eingegangen. Er war von Chicago hierher gezogen, um einen neuen Anfang zu versuchen. Das hieß, endlich sesshaft zu werden, hart und konzentriert zu arbeiten und alles zu vermeiden, was in irgendeiner Form Ärger bedeuten könnte. Aber Penny, das Sandwich-Mädchen, wirkte harm los. Er fand sie süß, und sie hatte so gar nichts Wil des und Ungezügeltes an sich. So wie Ryan sie einschätzte, war sie in seiner augenblicklichen Situ ation die perfekte Frau für ihn. Eine neue Stadt, ein neuer Job und ein nettes, bodenständiges Mäd chen, mit dem er ausgehen konnte. Er beschloss, sie heute Abend zu treffen. Um zehn Uhr an der Ecke Fourth und Walnut. Er war zwar längst nicht zu allem bereit, aber er freute sich auf einen unterhaltsamen Abend mit einem netten, humorvollen und unkomplizierten Mädchen. Als die Mittagszeit vorüber war und das Restaurant allmählich leerer wurde, stand Penny an dem lan gen Tresen aus Mahagoni und räumte schmutziges
Geschirr in eine Plastikbox. Nachdem der letzte Gast gegangen war, rief sie Patti. »Was willst du?« fragte ihre Schwester und kam mit einem Lappen in der Hand näher. »Einen freien Nachmittag«, antwortete Penny und blickte Patti bittend an. »Genauer gesagt, ich möchte heute Nachmittag frei haben. Macht es dir was aus, wenn ich dir noch helfe, dieses Chaos hier zu beseitigen, und dann verschwinde?« Patti warf ihr hellbraunes Haar zurück. »Wozu?« »Na ja, du weißt ja, dass Martin morgen für eine Woche wegfährt. Ich habe heute zum Abschied ei nen besonderen Abend geplant. Das soll mir bei meiner Entscheidung helfen.« Patti schüttelte unwillig den Kopf. »Du kannst doch nicht ernsthaft in Erwägung ziehen, ihn zu hei raten. Ich meine, denkst du wirklich darüber nach?« Penny schürzte verärgert die Lippen. »Aller dings.« Sonst akzeptierte Penny die Meinung ihrer älteren und erfahreneren Schwester ohne Vorbehal te. Aber in diesem Moment weckte Pattis Frage ih ren Widerspruchsgeist. »Na und?« Patti blinzelte irritiert. »Du bist heute aber ge reizt.« »Das wärst du auch, wenn ich so etwas zu dir sagen würde.« »Es tut mir Leid. Aber ich mache mir Sorgen um dich. Du kennst diesen Mann noch nicht lange ge nug, um ans Heiraten zu denken.« »Ich kenne ihn seit zwei Jahren!« »Er ist seit zwei Jahren Stammgast hier. Das heißt noch lange nicht, dass du ihn kennst.«
»Trotzdem, wir verstehen uns gut, mögen die gleichen Dinge und haben den gleichen beruflichen Ehrgeiz. Außerdem ist er sehr nett. Also, was macht es schon, dass ich noch nicht lange mit ihm be freundet bin? Wenn etwas funktioniert, dann funkti oniert es gleich von Anfang an, oder?« Patti musterte ihre jüngere Schwester mit einem eindringlichen Blick. »Bitte versteh mich nicht falsch, aber findest du nicht, dass Martin ein biss chen langweilig ist?« Penny seufzte. War sie nicht selbst ziemlich langweilig? Wenn sie gut drauf war, konnte sie ganz witzig sein, und sie kam ausgezeichnet mit anderen Menschen zurecht. Aber sie führte nicht gerade ein besonders aufregendes Leben. Eigentlich war Pattis Einwand eher ein Argument für eine Ehe mit Martin als ein Argument dagegen. Außerdem tat es ihr weh, dass ihre Schwester einen Mann, der ihr viel bedeutete, so negativ beur teilte. Sie hatte das Bedürfnis, ihn zu verteidigen. »Vielleicht ist er ja gar nicht langweilig.« Patti hob die Augenbrauen. »Was soll das hei ßen?« »Frag mich morgen doch noch mal«, sagte Pen ny mit einem verschmitzten Grinsen. »Aha, so ist das. Du hast noch nicht mit ihm ge schlafen.« Penny zog es vor, nicht zu antworten. Aber die Tatsache, dass sie rot wurde, war Antwort genug. »Wie dem auch sei, nimm dir ruhig den Rest des Tages frei. Heute Abend sind genug Kellner da. Da der Mann morgen schon wegfährt, möchte ich ir
gendwelchen großen Ereignissen nicht im Wege stehen.« »Danke«, sagte Penny. Sie wusste genau, was Patti eigentlich sagen wollte. Sie wollte Penny nicht daran hindern herauszufinden, dass Martin auch im Bett langweilig war. In jeder anderen Beziehung, sei es Familie, Freunde oder ihr gemeinsames Geschäft, behan delte Patti sie immer als Gleichgestellte. Aber wenn es um Männer ging, um Affären, Sex und Liebe, hatte Penny immer das Gefühl, weit hinter ihrer älte ren Schwester zurückzustehen. Sie hatte nie ver standen, warum das so war. Sie hatten beide schon ein paar ernsthafte Beziehungen hinter sich. Und sie waren beide selbstständige, unabhängige junge Frauen. Aber irgendwie war Patti immer ein biss chen abenteuerlustiger und risikobereiter gewesen und hatte also etwas mehr Erfahrung auf diesem Gebiet. Penny konnte nur hoffen, dass sich ihre Schwes ter in Bezug auf Martin gründlich irrte. Sie hoffte, dass sie morgen früh mit Recht behaupten konnte, dass Martin keineswegs langweilig sei, sondern dass sie eine wilde, aufregende Nacht miteinander verbracht hätten. Jedenfalls würde Patti glatt in Ohnmacht fallen, wenn sie wüsste, welche hemmungslosen, sexuel len Fantasien in letzter Zeit durch die Gedanken ihrer kleinen Schwester gegeistert waren. Penny hatte keine Ahnung, woher diese Fantasien auf einmal gekommen waren. Aber wenn ein so nüch terner Mensch wie sie von solchen Fantasien über
fallen wurde, dann hatte Martin bestimmt auch wel che. Sie musste sie nur aus ihm herauskitzeln. Nachdem sie telefonisch die Limousine gebucht hatte, nahm sie ihre Handtasche und ging auf die Suche nach einem passenden Outfit. Draußen auf der Straße blickte sie auf die große digitale Uhr an der Ecke des Bürogebäudes. Es war fast zwei Uhr. In acht Stunden würde eine ihrer Fan tasien Wirklichkeit werden, und Martin würde die aufregendsten Stunden seines bisherigen Lebens erleben. Siebeneinhalb Stunden später saß Penny im Fond einer Limousine mit dunkel getönten Scheiben. Sie fühlte sich wie ein völlig anderer Mensch. Tatsäch lich war sie einige Minuten vor dem großen Spiegel in ihrem Flur stehen geblieben und hatte versucht zu begreifen, wer die Person war, die sie vor sich sah. Sie hatte ihr Haar einer Behandlung mit den elektrischen Lockenwicklern unterzogen, die seit ihrer Schulzeit in der hintersten Ecke des Kleider schrankes verborgen gewesen waren. Ihr Make-up war zwar dezent, aber so aufwendig, dass ihr Ge sicht sich völlig verändert hatte. Und besonders das kleine schwarze Kleid und die hochhackigen Pumps sorgten dafür, dass sie sich selbst kaum noch erkannte. Sie hatte den Fahrer angewiesen, genau um zehn Uhr an der Ecke Fourth und Walnut zu halten, wo ein Herr zusteigen würde. Jetzt, da sie allein auf dem Rücksitz des Wagens saß, fragte sie sich, ob der Mann wohl eine Ahnung hatte, was hier passie ren sollte. Sie drückte auf einen Knopf und ließ die
schwarz getönte Trennscheibe zwischen Rücksitz und Chauffeur hochfahren. Sie warf einen Blick auf den Champagner im Eis kübel und griff danach. Die Flasche war eigentlich für Martins Verführung vorgesehen, aber ein Glas würde hoffentlich ihre Nerven beruhigen. Nachdem das erste Glas noch keine Wirkung zeigte, geneh migte sie sich ein zweites. Allmählich wurde sie ru higer. In einer ihrer Fantasien hatte sie auf dem Rück sitz einer Limousine wilden Sex mit einem Mann. Diese Idee war zwar nicht besonders originell, aber ziemlich luxuriös und hemmungslos. So etwas war ihr noch nie passiert. Sie fand jedoch die Vorstel lung faszinierend, dass ein Mann und eine Frau zu ungeduldig und erregt waren, um warten zu können, bis sie zu Hause waren. Die Limousine bog in die Walnut ein und passier te ihr Restaurant, das immer noch geöffnet hatte. Pennys Gedanken waren aber ganz und gar nicht bei der Arbeit. Vielmehr kreisten sie um ihren schwarzen BH aus Spitze, den verschwindend klei nen, ebenfalls schwarzen Slip und die schwarzen Seidenstrümpfe, die an einem Strumpfgürtel befes tigt waren. Niemand würde je auf die Idee kommen, dass sie solche Unterwäsche besaß, geschweige denn anzog. Sie war einfach nicht der Typ dafür. Als sie aus dem Fenster blickte und sah, dass sie fast am Ziel war, durchfuhr sie ein plötzlicher Schreck. Waren die Scheiben eigentlich so dunkel getönt, dass man von außen wirklich nicht ins Inne re des Wagen sehen konnte? Die Vorstellung, dass jemand die Szene, die sich gleich abspielen würde,
beobachten konnte, war entsetzlich. Sie war zwar bereit, wild und hemmungslos zu sein, aber nur für den Mann, den sie verführen wollte. Der Rest der Welt sollte dabei ausgeschlossen werden. Entschlossen griff Penny nach den schwarzen Rollos, die an jedem Fenster hingen, und zog sie bis ganz nach unten. Jetzt war es im Inneren des Wagens absolut dunkel. Martin würde sie nicht se hen können. Aber ihre aufwendige Aufmachung wäre nicht umsonst. Er konnte ja noch fühlen, wenn er seine Hände auf Entdeckungsreise gehen ließ. Und wenn sie wirklich wollte, dass Martin sie sah, konnte sie immer noch das Licht einschalten. Aller dings würde es ihr vielleicht leichter fallen, ihn im Dunkeln zu verführen. Probehalber tastete sie nach dem Lichtschalter und machte die Beleuchtung an. Sie prägte sich die Schalttafel genau ein. Aus, Ein und Türen. Sie be schloss, dass Martin sie auch beim Einsteigen nicht sehen sollte. Sie stellte den Schalter auf eine Posi tion, bei der sich das Licht nicht einschalten würde, wenn die Tür aufging. Erleichtert atmete sie auf. Auf diese Weise würde Martin ihr nicht ansehen können, wie nervös sie war. Denn sie war nervös, da half auch der Cham pagner nichts. Je näher der Zeitpunkt des Treffens rückte, umso unsicherer fühlte sie sich. Was würde Martin nur von ihr denken? Wie war sie überhaupt auf diese idiotische Idee mit dem Wagen gekom men? Penny war kurz davor, ihren ganzen Plan zu ver gessen. Sie konnte Martin ja erzählen, dass sie die Limousine nur gemietet hatte, um einen amüsanten
Abend zu verbringen, indem sie von Bar zu Bar fuh ren und in der Zwischenzeit Champagner tranken. Mit einem sanften Ruck hielt der Wagen an. Sie war da. Sie nahm all ihren Mut zusammen und schluckte jeglichen Zweifel hinunter. Sie war so weit gekommen, jetzt würde sie auch tun, was sie sich vorgenommen hatte. Dies war der Beginn einer stürmischen Nacht. Als Ryan durch die automatischen Glastüren des Bürogebäudes auf die Walnut Street trat, traf ihn die Sommerhitze wie ein Schlag. Unwillkürlich fasste er nach seinem Krawattenknoten, um ihn zu lockern, aber dann überlegte er es sich anders. Er wollte gut aussehen für sein Rendezvous. Zumindest so gut, wie man es von einem Mann, der vierzehn Stunden lang gearbeitet hatte, erwarten konnte. Also zog er den Knoten noch ein wenig fester. Es wäre Unsinn gewesen, vor seinem Treffen mit Penny nach Hau se zu fahren und dann wieder zurück. Es gab viel zu tun in der Firma, und er wollte auf Martin einen guten Eindruck machen. Er wollte weiterkommen, und jetzt war der richtige Zeitpunkt, um damit anzu fangen. Die Straßenlaternen erhellten die Sommernacht, aber an der Ecke, die sie als Treffpunkt angegeben hatte, war niemand zu sehen. Jedenfalls niemand außer der Person, die in der schwarzen Limousine saß. Ein schwarz gekleideter Chauffeur stand abwartend neben der Hintertür. Ryan wandte den Blick zu dem mittlerweile ver traut gewordenen grünen Logo des Restaurants Two Sisters im Erdgeschoss. Es war die stilisierte
Zeichnung von zwei Frauen. Die eine hielt einen Hamburger hoch, die andere ein Glas Bier. Er fragte sich, ob Penny vielleicht im Restaurant war. Nein, sie hatte auf der Karte ausdrücklich die Straßen ecke als Treffpunkt genannt. Als seine Armbanduhr fünf nach zehn zeigte, fiel sein Blick unwillkürlich auf die Limousine, die immer noch dort stand. Jetzt erst schwante ihm etwas. Konnte es möglich sein, dass sie in dem Wagen auf ihn wartete? Nein, ganz bestimmt nicht. Nicht Penny, das Sandwich-Mädchen. Dennoch sah er unverwandt auf die Limousine. Je länger her hinschaute, umso mehr ergriff die I dee von ihm Besitz, dass sie womöglich doch in der Limousine saß. Der Wagen stand immerhin da, seit er das Haus verlassen hatte. Eine Limousine wäre ziemlich ungewöhnlich für eine erste Verabredung, aber inzwischen war er sich fast sicher, dass Penny dort auf ihn wartete. Er machte die ersten, zögernden Schritte auf den Wagen zu und überlegte sich dabei, ob er dieses Treffen nicht einfach vergessen sollte. Der Verdacht beschlich ihn, dass dieses Mädchen vielleicht doch nicht so unkompliziert war, wie es den Anschein hatte. Dennoch zog ihn seine Neugier zu dem Wa gen hin. Sein Herzschlag beschleunigte sich, während er darüber nachgrübelte, was ihn wohl erwarten moch te. Die innere Stimme, die ihm sagte, er solle schleunigst verschwinden, irgendwo ein Bier trinken und dann nach Hause fahren, wurde von Neugier und Aufregung übertönt.
»Ich soll hier eine Frau namens Penny treffen«, sagte er zu dem Fahrer. Wortlos öffnete der Mann ihm die Hintertür. Ryan stieg ein und setzte sich. Als sich die Wa gentür wieder geschlossen hatte, bemerkte er, dass es im Inneren der Limousine völlig dunkel war. Die Luft war klimatisiert und angenehm kühl. Dennoch war ihm heiß, und sein Herz hämmerte vor Aufre gung. »Bist du überrascht?« Ryan räusperte sich, um Zeit für eine Antwort zu gewinnen. Immerhin war er erleichtert, dass es wirk lich Pennys Stimme war, die er gehört hatte. »Nein, antworte nicht«, sagte sie, als der Wagen sich in Bewegung setzte. »Am besten sagst du gar nichts. Das Reden übernehme ich. Ich denke mir, dass du die ganze Sache hier ziemlich ungewöhn lich findest. Aber ich musste es einfach tun. Ich wollte etwas Besonderes, etwas Verrücktes unter nehmen. Einmal in meinem Leben wollte ich alle Bedenken beiseite lassen.« Sie brach ab und schluckte nervös. »Ich hoffe, du findest das nicht völlig daneben. Es ist eine Seite an mir, die ich gerade erst entdeckt habe. Und ich wünsche mir, dass du diese Seite akzeptieren kannst.« Wieder stockte sie. »Ich möchte gern eine wirklich intime Beziehung zu dir aufbauen. Also, lehn dich zurück und entspanne dich. Ich werde alles dafür tun, dass du dich gut fühlst.« Während sie sprach, wartete Ryan darauf, dass seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten. A ber das geschah nicht. So fühlte er nur, dass sie näher rückte und sich neben ihm auf den Sitz knie
te. Er spürte ihre Knie an seiner Hüfte und ihren Atem an seinem Hals, bevor sie ihn dort sanft küss te. Er versuchte, still sitzen zu bleiben. Aber als er fühlte, wie ihre Hände seine Oberschenkel hinauf glitten, legte er den Kopf zurück und stöhnte leise auf. Er brachte noch immer kein Wort über die Lip pen. Ob es daran lag, dass er zu verwirrt war, oder weil er ihre Bitte erfüllte, konnte er nicht entschei den. Eigentlich spielte es auch keine Rolle. Er war viel mehr damit beschäftigt, mit dem Schock und seiner Erregung fertig zu werden. Penny hielt den Atem an, als sie begann, ihn zwischen den Beinen zärtlich zu streicheln. Zufrie den lauschte sie seinem leisen Stöhnen und fühlte unter ihren Händen seine immer stärker werdende Erregung. Mein Plan funktioniert also, stellte sie mit Erstaunen fest. Dass es so schnell gehen würde, damit hatte sie nicht gerechnet. Dass er nichts sagte, machte es ihr leichter, sich noch näher an ihn zu schmiegen und ihn weiter zu streicheln. Sein ganzer Körper und die Heftigkeit seines Atems signalisierten ihr, dass sie auf dem richtigen Weg war. Schließlich richtete sie sich auf, hob eines ihrer schwarz bestrumpften Beine und setzte sich rittlings auf seinen Schoß. Die Wärme seines Körpers umfing sie und ließ ihr eigenes Verlangen wachsen. Er streichelte sanft ihre Oberschenkel und hielt am Saum ihres Kleides inne. Sie legte ihre Hände auf seine und drückte sie langsam, aber bestimmt, weiter nach oben unter das Kleid.
Er ließ seine Fingerspitzen spielerisch über die Ränder ihrer Seidenstrümpfe gleiten, bevor er ihre nackte Haut berührte. Dann umfasste er ihre Hüf ten. Wieder stöhnte er leise auf. Sie wusste nicht, was ihn mehr erregte. War es die Freizügigkeit, mit der sie ihn ermuntert hatte, oder ihre extravagante Unterwäsche? Jedenfalls gefiel ihr der Lauf der Dinge ganz außerordentlich. Mit den Fingern fuhr sie durch sein dichtes Haar und beugte sich vor. »Magst du das hier genauso wie ich? Ich wollte absolut sexy für dich sein«, flüs terte sie ihm ins Ohr. Ihre Stimme zitterte leicht. Diesmal war jedoch nicht ihre Nervosität, sondern ihre Erregung schuld daran. Er räusperte sich, aber sie legte ihm den Finger auf die Lippen. »Nein, antworte nicht. Küss mich lieber.« Sie legte ihm die Arme um den Hals und küsste ihn mit rückhaltloser Leidenschaft. Als er den Kuss erwiderte, durchzuckte sie ihr eigenes Verlangen wie ein elektrischer Schlag. In seinem Kuss lag ein Begehren, das sie niemals in Martin vermutet hätte. Dennoch hatte sie das Gefühl, dass er sich zurück hielt. Wenn er ihr erst alles gäbe, was sie von ihm wollte, würde seine Begierde sie überwältigen, das wusste sie genau. Sein Kuss wurde immer inniger und fordernder. Ihr war, als würde sie vor Verlangen zerschmelzen. Dann umfasste er ihren Po, der nur von dem klei nen Slip bedeckt war, um sie noch enger an sich zu pressen. Penny hatte noch nie erlebt, dass sich Lust und Begierde zwischen zwei Menschen so schnell und mit solcher Intensität entwickelte. Der
dunkle Innenraum des Wagens schien vor sexuel len Schwingungen zu vibrieren. Sein drängendes Verlangen fand seine Entsprechung in ihrem eige nen. Sie konnten keinen Moment länger warten. Ihre Fantasie war Wirklichkeit geworden. Dennoch wollte sie es so lange wie möglich hin auszögern. Sie wollte das überwältigende Gefühl der noch nicht gesättigten, fast schmerzhaften Be gierde noch auskosten. Aber ihr Körper entwickelte ein seltsames Eigenleben. Plötzlich lagen ihre Hän de an seinem Krawattenknoten. Sie wollte diesen Mann ausziehen und seine nackte Haut unter ihren Händen spüren. Sie begann die Krawatte zu lösen, und er lehnte sich zurück, um ihr die Arbeit zu er leichtern. Dann knöpfte sie sein Hemd auf und strich mit den Fingern über seine nackte Brust. Sei ne stark ausgeprägten Muskeln versetzten sie in Erstaunen. Sie hätte nie gedacht, dass Martin unter seinen teuren Anzügen so gut gebaut war. Als die Limousine kurz anhielt, zog er seine Hän de unter ihrem Kleid hervor und machte sich an ih rem Rücken zu schaffen, bis das Geräusch des Reißverschlusses am Rückenteil ihres Kleides zu hören war. Mit den Fingerspitzen streifte er ihr sanft den schwarzen Stoff von den Schultern und schob ihr das Kleid auf die Hüften. Sogar in der Dunkelheit fühlte Penny sich schön, begehrt und so frei wie noch nie in ihrem Leben. Er wölbte die Handflächen um ihre Brüste und liebkoste sie zärtlich. Während der Wagen wieder anfuhr, bog sie sich ihm entgegen und wand sich unter seinen fordernden Berührungen. Dabei strei
chelte sie seine Brust und berauschte sich an der Glätte seiner warmen Haut. Suchend ließ er seine Finger über die Vordersei te ihres BHs gleiten. »Der Verschluss ist hinten«, flüsterte sie heftig atmend. Aber er nahm sich nicht die Zeit, den Verschluss zu öffnen. Sein Atem ging genauso schnell wie ih rer. Er streifte die dünnen Träger von ihren Schul tern und schob das teure Dessous einfach nach unten. Dann ergriff er von ihren nackten Brüsten Besitz. »Ja«, seufzte sie, als sie seine Hände auf ihrer empfindlichen Haut spürte. »Ja, ja.« Aber nein, die Sache durfte nicht außer Kontrolle geraten. Sie wollte doch, dass das Vergnügen so lange wie möglich dauerte. Sie konnte kaum glau ben, dass sie es war, die solche Dinge tat und fühl te. Und sie wollte immer mehr, sie wollte alles. Da bei genoss sie die Gewissheit, dass es ihm genau so erging. »Soll ich das Kleid ausziehen?« fragte sie leise. Seine Antwort war nur ein kurzes Seufzen. Das war seine Art, um etwas zu bitten. Sie konnte es fühlen. Sie streifte sich das Kleid über den Kopf und schleuderte es nach hinten. Dann legte sie die Hände auf seine breiten Schultern und küsste ihn innig und herausfordernd. Die fiebrige Hitze ihrer Körper umfing sie wie ein Dunstschleier. Er ließ sei ne Hände wieder zu ihren Brüsten wandern und liebkoste die sensiblen Spitzen, bis Penny das Ge fühl hatte, vor Lust und Begierde zu vergehen.
Als er von ihren Brüsten abließ und ihre Taille umfasste, wusste sie, dass nun der Zeitpunkt ge kommen war, alles zu fordern und alles zu geben. Sie war bereit dazu, mehr als bereit. Sie richtete sich auf und erschauerte, während er mit einer heftigen Bewegung ihren Slip nach unten zog. Sie hörte ihren eigenen Atem, als er mit seinen Fingerspitzen ein kreisendes, erregendes Spiel an ihrem intimsten Punkt begann. Sie hörte sich wim mern, als die Limousine um eine Kurve fuhr und sie versuchte die Balance zu halten. Sie presste sich gegen seine Hände und hörte auf zu atmen, als er behutsam mit dem Finger in sie eindrang. Aber die Wogen der Lust wurden plötzlich unterbrochen, denn er ließ von ihr ab und zog ungeduldig an ihrem Slip. »Zieh ihn aus«, flüsterte er Penny heiser. ließ sich nach hinten fallen und zerrte sich den Slip vom Körper. Ihre Hände zitterten vor Erre gung. Sie konnte jetzt keinen Augenblick länger warten. Hastig setzte sie sich wieder auf seinen Schoß und öffnete seine Gürtelschnalle. Dass er sie näher an sich heranzog und begierig ihre Brüste küsste, machte es ihr nicht gerade leich ter, ihn aus seiner Hose zu schälen. Aber Penny arbeitete konzentriert und geschickt daran, bis sie auf seine nackte Haut stieß. Als sie ihn zwischen den Beinen streichelte, lehnte er sich zurück und stöhnte leise. Sie fühlte seine erregte Männlichkeit zwischen ihren Fingern und flüsterte: »Danach habe ich mich schon die ganze Zeit über gesehnt. Ich
wollte es nur so lange wie möglich hinauszögern. Aber jetzt kann ich nicht länger warten.« Sie ließ sich auf ihn niedersinken. Sie stöhnten beide in dem Moment auf, als er mit einem harten Stoß in sie eindrang. Trotz der Dunkelheit fühlte sie sich diesem Mann auf einmal so nah, wie sie es niemals für möglich gehalten hätte. Sie waren eins. Sie bewegten sich miteinander in einem absolut harmonischen Rhythmus. Es schien, als wüssten sie beide ganz genau, was dem anderen die größte Lust bereiten würde. »Ich habe nicht gewusst, dass es so sein kann«, wisperte sie heftig atmend. Er umfasste ihr Gesicht und zog sie zu sich her unter, um sie hart und leidenschaftlich zu küssen. Sie erwiderte seine Küsse, legte die Arme um sei nen Hals und passte ihre Bewegungen seinen im mer schneller werdenden Stößen an. Dann warf sie den Kopf zurück, und er umschlang ihre Hüften, um sie festzuhalten. Nach einem letzten, wilden Auf bäumen sank sie erlöst mit einem leisen Aufschrei in sich zusammen. Nachdem ihr heftiger Höhepunkt etwas abge klungen war, nahm er seine schnellen, tiefen Bewe gungen wieder auf, bis auch er mit einem letzten, kraftvollen Stoß zum Gipfel der Lust gelangte. Pen ny spürte, wie seine Leidenschaft ihre eigene Be gierde noch einmal anstachelte, bis sie endlos be friedigt und glücklich war. Seufzend ließ sie sich auf ihn niedersinken, schlang die Arme um seinen Hals und schmiegte sich an ihn. Sie war völlig aufgelöst und fragte sich, ob ihr Verstand wohl jemals wieder funktionieren würde. Im Moment wusste sie nur eins. Das, was sie gera
de mit diesem Mann erlebt hatte, hatte sie so tief berührt, dass alle ihre Zweifel wie weggeblasen wa ren. Ihre Vereinigung war perfekt gewesen. Alles passte zusammen. »Ja«, sagte sie leise. »Ja, ich will dich heiraten.« Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, als sie spürte, wie seine Muskeln sich anspannten. »Einen Augenblick bitte. Was war das eben mit dem Heiraten?« Ihre Kehle wurde plötzlich eng, und ihr Herz schlag setzte aus. Die Stimme, die sie gerade ge hört hatte, war nicht die von Martin.
2. KAPITEL Penny hob die Hand und schaltete das Licht ein. Dann schrie sie auf und kletterte in fliegender Eile auf die gegenüberliegende Rückbank. Der Mann, mit dem sie gerade wilden, hemmungslosen Sex gehabt hatte, war nicht Martin! Es war Ryan, der Angestellte aus Martins Firma. Mit der einen Hand zog sie sich hastig den BH nach oben, mit der anderen fasste sie nach ihrem Kleid, das auf den Boden der Limousine gefallen war. Sie hielt es sich schützend vor den Körper und sah den Mann ihr gegenüber mit großen Augen an. Der Schock stand ihr ins Gesicht geschrieben. »Was haben Sie…«, begann sie, aber die Stimme versagte ihr. »Ich meine, wie haben Sie… Äh, wo ist Martin?« Fassungslos blickte er sie an. »Wo Martin ist? Ir gendwo in Flagstaff, glaube ich. Was hat denn Mar tin damit zu tun?« Martin war in Flagstaff, Arizona? Was, um Him mels willen, machte er da? Und dieser Ryan saß einfach nur da und tat nichts, um seine Blöße zu bedecken. Sein Hemd stand weit offen, und seine breite Brust sah genauso gut aus, wie sie sich in der Dunkelheit angefühlt hatte. »Ich dachte natürlich, Sie wären er«, fauchte sie. Er sah sie verständnislos an. »Ich wäre er? Aber wieso?« »Ach, Sie sind ja neu in der Firma. Vermutlich wissen Sie nicht, dass Martin und ich ein Paar sind.«
»Aha«, sagte er nur und nickte. Verwirrt schaute Penny ihn an. Es fiel ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie war fast nackt und hatte gerade mit diesem Fremden Sex gehabt. Ebenso schwer fiel es ihr, den Blick von ihm abzuwenden. Er sah sündhaft gut aus. Warum war ihr das früher nicht aufgefallen? Angestrengt dachte sie darüber nach, wie sie ihr Kleid anziehen sollte, wenn er sie die ganze Zeit über beobachtete. Und dann war da noch das Prob lem, die Situation zu klären. »Sehen Sie, es ist so«, sagte sie schließlich. »Martin hat mir einen Heirats antrag gemacht. Aber wir haben noch nie… äh… noch nie miteinander geschlafen. Also habe ich mir überlegt, etwas Ausgefallenes zu inszenieren. Ich wollte ihn verführen, um das wilde Tier in ihm zu wecken. Ich dachte, es wäre aufregend und span nend, eine Fantasie auszuleben. Oh, Himmel, ich kann nicht glauben, dass mir das passiert ist!« Er hob beschwichtigend die Hände. »Sie müssen mir das alles nicht erzählen. Es ist schon in Ord nung. Sie brauchen sich wirklich nicht dafür…« »Doch, das muss ich«, widersprach sie. »Ich will, dass Sie wissen… also, dass ich das nicht beab sichtigt habe. Ich meine, ich habe es schon beab sichtigt, aber mit einem anderen Mann. Mit einem Mann, den ich kenne. Ich bin nicht so, wie ich Ihnen jetzt erscheinen mag.« Verlegen sah sie an sich herunter. »Ah… eigentlich bin ich eine ganz norma le Frau, die Sandwiches liefert und Kleidung anhat. Ganz normale, nicht besonders aufreizende Klei dung. Das hier, das bin nicht ich, ich meine, nicht wirklich.« Ihre Stimme zitterte, und sie brach ab.
»Bitte, denken Sie nicht das von mir, was Sie ei gentlich denken müssten. Und bitte, vergessen Sie einfach, dass es passiert ist.« Ryan stand zwar noch immer unter Schock, aber irgendwie tat sie ihm auch furchtbar Leid. Es tat ihm weh, sie so verzweifelt zu sehen. Es gab viele Din ge, die er ihr gern gesagt hätte. Wie sexy sie war und wie hübsch. Und dass er nicht schlecht von ihr dachte, weil ihr dieser Irrtum unterlaufen war. Aber er war sich ziemlich sicher, dass sie tatsächlich dem Mädchen entsprach, das er vor sich sah. Unkonven tionell, sexy, hemmungslos und sinnlich. Es war nicht nur eine Verkleidung. So etwas konnte man nicht vortäuschen. Außerdem war er davon über zeugt, dass er diesen Abend niemals vergessen würde. Vor allem deshalb nicht, weil er noch nie so unglaublichen Sex gehabt hatte. Allerdings würde es sie nicht unbedingt trösten, wenn er ihr das sag te. Also zog er es vor zu schweigen. »Martin ist in Flagstaff?« fragte sie in die ange spannte Stille hinein. »Er ist einen Tag früher gefahren. Er hat kurzfris tig einen Termin mit einem Kunden gemacht.« »Aber wie sind Sie in diese Limousine gekom men?« »In meiner Lunchtüte war eine Einladung.« »Aber das war doch Martins Sandwich.« »Nein, ich habe nachgeschaut. Es war meins. Schinken und Schweizer Käse auf…« »Roggenbrot mit Mayonnaise«, beendete sie den Satz. Er nickte. Allmählich kamen sie der Lösung des Rätsels näher.
»Das gleiche Sandwich«, murmelte sie. »Tja, so viel dazu«, sagte er lakonisch. Penny schüttelte nachdenklich den Kopf. »Das konnte ich nicht wissen. Heute hat meine Schwester die Sandwiches gemacht.« Aber Ryan war schon einen Schritt weiter. »Als ich die Nachricht las, dachte ich natürlich, sie wäre für mich bestimmt.« Reglos saß sie ihm gegenüber. Immer noch trug sie nichts weiter als ihren BH und die Strümpfe. Das Kleid hielt sie wie einen Schutzschild an sich ge drückt. Er folgte mit den Augen der sanft ge schwungenen Linie ihrer entblößten Hüfte. Penny war ebenso schön wie sexy, und er spürte schon wieder neue Wellen der Erregung in sich aufstei gen. »Es tut mir Leid«, sagte er leise. »Ich bin diejenige, die sich entschuldigen muss. Ich hätte trotz der Dunkelheit merken müssen, dass…« Er nickte zustimmend. »Aber andererseits«, sie warf ihm einen eindring lichen Blick zu, »sehen Sie ihm, bei Licht betrachtet, sogar ähnlich.« Wieder nickte er. Sie hatte Recht. Martin und er waren ungefähr gleich groß, hatten einen ähnlichen Körperbau und das gleiche, kurz geschnittene braune Haar. »Ja, irgendwie schon.« »Ich fühle mich ein bisschen besser«, sagte sie. »Nicht, dass so ein Irrtum jedem unterlaufen könn te, aber…« Sie stockte und drückte in erneuter Ver legenheit eine Hand auf den Mund.
Ryan unterdrückte den Impuls, ihr tröstend die Hand auf das Knie zu legen. Das wäre jetzt ganz bestimmt nicht die richtige Maßnahme gewesen. »Sie müssen sich nicht schuldig fühlen«, sagte er stattdessen. »Und ich denke ganz bestimmt nicht schlecht von Ihnen.« Penny schloss kurz die Augen. »Lieber Himmel, ich habe Sie einfach überrumpelt. Sie hatten über haupt keine Wahl.« »Doch«, widersprach er. »Ich hatte zu jedem Zeitpunkt eine Wahl.« Ein schwaches Lächeln umspielte ihren Mund. Dann sagte sie: »Dürfte ich kurz das Licht ausma chen, damit ich mich unbeobachtet anziehen kann?« »Natürlich.« »Und könnten Sie Ihre Kleidung auch in Ordnung bringen?« Verlegen sah er an sich herunter. Er war zu sehr mit der Situation beschäftigt gewesen, um zu be merken, dass seine Hose und sein Hemd immer noch weit offen standen. »Ja, sicher. Ich bitte viel mals um Entschuldigung.« Die Dunkelheit hatte eine Wirkung auf Ryan, die er nicht vorhergesehen hatte. Für einige Sekunden dachte er ernsthaft darüber nach, wie sie wohl rea gierte, wenn er sie erneut in die Arme ziehen und küssen würde. Aber er unterdrückte den Wunsch nach einer Wiederholung dieser unglaublichen se xuellen Erfahrung und knöpfte stattdessen Hemd und Hose zu. Als das Licht wieder anging, saß so gar seine Krawatte wieder am richtigen Platz.
Penny deutete auf den Champagner im Eiskübel. »Möchten Sie vielleicht ein Glas?« Ryan hob die Flasche hoch und bemerkte, dass sie halb leer war. »Es sieht aus, als hätten Sie schon ohne mich angefangen.« »Ich habe mir Mut angetrunken«, gab sie zu. »Und jetzt würde ich mich gern betrinken, um das alles zu vergessen.« Sie nahm ihm die Flasche aus der Hand und trank einen tiefen Schluck. »Das ist keine schlechte Idee.« Er ergriff die Fla sche, die sie ihm reichte, und nahm ebenfalls einen langen Zug. »Ich werde dem Fahrer sagen, dass er mich in der Tiefgarage absetzen soll. Da steht mein Wagen.« »In Ordnung«, sagte sie nur. Nachdem er die Trennscheibe kurz herunterge lassen hatte, um dem Fahrer Anweisungen zu ge ben, saßen sie wieder allein im Fond des Wagens. Schweigend tranken sie die Flasche leer, bis Penny sie mit der Öffnung nach unten in den Eiskübel steckte. Dann ließ sie die Jalousien auf der einen Fensterseite hoch, um hinausblicken zu können. Sie wirkte so verloren und aufgelöst, dass Ryan sie gern in die Arme genommen und ihr Haar ge streichelt hätte. Er rief sich jedoch in Erinnerung, dass dieses Mädchen praktisch mit seinem Boss verlobt war. Die Situation war schon verworren ge nug. Irgendwelche Zärtlichkeiten waren hier völlig fehl am Platz. Während der lange schwarze Wagen schließlich in die Tiefgarage fuhr und neben dem einzigen Auto anhielt, das dort geparkt war, beugte Ryan sich vor
und legte jetzt doch die Hand auf ihr Knie. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen?« Sie zuckte zusammen. »Ja, ich glaube schon.« Als er den Türöffner betätigte und sich daran machte auszusteigen, hielt sie ihn am Ärmel fest. »Sie werden doch Martin nichts davon sagen?« Seinem Chef erzählen, dass er mit seiner Freun din geschlafen hatte? »Nein, ganz bestimmt nicht. Das bleibt unter uns. Ich verspreche es.« »Danke.« Er stieg aus, warf einen letzten Blick auf sie und machte die Tür zu. Am nächsten Morgen saß Ryan an Martins Schreib tisch und fühlte sich wie ein Eindringling. Mühsam versuchte er sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Es war Samstag, und die Firmenräume waren ver lassen. Das war gut so, denn es gab nichts, was ihn ablenkte. Nichts, außer den Gedanken an das, was gestern Abend passiert war. Die ganze Nacht über hatte er sich deswegen unruhig im Bett hin und her gewälzt. Seine einzige Hoffnung bestand darin, sich so in die Arbeit zu vertiefen, dass die gestrigen Er eignisse zumindest für eine Weile aus seinem Kopf verschwanden. Unwillig schüttelte er den Kopf. Die Geschichte mit Penny wäre nicht das erste Mal, dass er sich durch sein Verhalten seine Karriere ruinierte. Es war nicht der erste Fehler, den Ryan begangen hat te. Erst vor zwei Monaten hatte er seinen Job bei ComData in Chicago verloren, weil er ein wichtiges Treffen mit Kunden verpasst hatte. Einen geschäft
lichen Termin zu versäumen war natürlich ein schlimmer Fehler. Aber er hatte nicht gedacht, dass man ihn deshalb gleich hinauswerfen würde, bis er das Kündigungsschreiben in den Händen hielt. Dabei war zunächst alles ziemlich harmlos ge wesen. Er wollte mit einer Frau, die er vor kurzem kennen gelernt hatte, zu Abend essen und danach seinen Geschäftstermin wahrnehmen. Er war mit zwei Spitzenmanagern einer großen Firma, die eine Modifikation ihres Computersystems in Auftrag ge geben hatte, um neun Uhr auf ein paar Drinks in deren Hotelbar verabredet gewesen. Er war für die sen Auftrag abgestellt worden und sollte nach Vor schlag der beiden Manager kurz nach ihrer Ankunft das einleitende Gespräch führen. Ryan hatte Maggie, seine Verabredung, von der Arbeit abgeholt. Er hatte vorgehabt, sie nach dem gemeinsamen Essen um halb neun zu ihrem Auto zurückzubringen. Aber der Abend war so amüsant gewesen, dass es bereits Viertel vor neun gewor den war, als er auf seine Armbanduhr blickte. Nachdem er hastig die Rechnung bezahlt und Maggie zurückgefahren hatte, stellten sie fest, dass ihr Wagen einen platten Reifen hatte. Maggie hatte ihn mehrmals aufgefordert, zu sei nem Termin zu fahren, aber Ryan hatte das abge lehnt. Er wollte nicht, dass sie allein in der Dunkel heit auf den Pannendienst warten musste. Also rief er im Hotel der beiden Geschäftspartner an und hinterließ eine Nachricht. Er wechselte den Reifen und fuhr hinter Maggie her, bis sie heil zu Hause angekommen war.
Als er schließlich um halb elf im Hotel ankam, waren die beiden Manager wütend wie gereizte Hornissen. Seine Nachricht hatten sie nicht erhal ten. Zuerst war Ryan sicher gewesen, dass sie Ver ständnis für die Situation aufbringen würden. Jeder einigermaßen höfliche Mann hätte seiner Meinung nach genauso gehandelt. Aber er bekam von den Männern nur zu hören, dass er einen wichtigen Termin nicht eingehalten, ihre Zeit verschwendet und sich als verantwortungs los erwiesen hätte. Die ganze Geschichte endete damit, dass ComData der Auftrag entzogen wurde und man Ryan behandelte wie den leibhaftigen Teufel. Er erinnerte sich noch gut daran, wie er schuld bewusst in Mr. Levers Büro gestanden hatte. »Wir können uns solche Fehler nicht leisten«, hatte Mr. Lever gesagt. »Und wir können uns niemanden in unserem Team leisten, für den die Firma nicht an absolut erster Stelle kommt. Nehmen Sie es nicht persönlich, aber Sie sind für uns nicht länger trag bar.« Ryan stützte die Ellenbogen auf Martins Schreib tisch und rieb sich die Schläfen. Diese Erinnerun gen gehörten nicht gerade zu seinen glücklichsten. Der Verlust seines Jobs war eine finanzielle Ka tastrophe gewesen. Seine teure Eigentumswoh nung mit Blick auf den Michigan-See war mit einer Hypothek belastet, und er überwies seinen Eltern jeden Monat eine beträchtliche Summe. Sie waren nicht mehr die Jüngsten, lebten auf dem Land in Indiana und brauchten dieses Geld, um einen ge wissen Lebensstandard halten zu können.
Die Kündigung war auch für ihn persönlich ein Desaster gewesen. Dass ihm so etwas passiert war, machte ihm schwer zu schaffen. Er wollte nicht zu den Leuten gehören, die ihren Job verloren, weil sie beim Flirten vergaßen, auf die Uhr zu sehen. In Wahrheit hatte gerade diese Eigenschaft ihn davor schon einmal in Schwierigkeiten gebracht. Vor seiner Stelle bei ComData hatte er bei Future ware, auch in Chicago, gearbeitet. Er war damals ein brillanter junger Systemdesigner gewesen, der gerade das College beendet hatte. Er hatte sich noch nicht an den Ernst des Lebens gewöhnt und verbrachte seine Nächte vorzugsweise mit Freun den in Bars und Kneipen. Das führte dazu, dass er sich morgens oft verspätete und mit blutunterlaufe nen Augen bei Meetings erschien, die schon vor einer Weile begonnen hatten. Fünf Jahre lang war er bei Futureware gewesen, dann hatte er selbst gekündigt. Allerdings erst, nachdem er verschiedene Male bei einer Beförde rung übergangen worden war. Er hatte genau ge wusst, dass er sich das selbst zuschreiben musste, und wollte einen neuen Anfang machen. Und bis zu jenem verhängnisvollen Abend waren die Dinge bei ComData recht gut gelaufen. Die Tatsache, dass ihm gekündigt worden war, verschlimmerte sich noch, als Mr. Lever ihm mitteil te, man könnte ihm unter den gegebenen Umstän den kein gutes Arbeitszeugnis ausstellen. Als Ryan sich dann ohne Zeugnis bei einigen anderen Com puterfirmen in Chicago vorstellte, musste er entde cken, dass sein Versagen bei ComData bereits die Runde gemacht hatte. Niemand stellte ihn ein. In
Chicago gab es für ihn beruflich keine Zukunft mehr. Also zog er nach Cincinnati. Wieder ein neuer Anfang. Eine kleinere, konservativere Stadt, in der er sich niederlassen und sich auf Beruf und Karriere konzentrieren wollte. Eine überschaubare junge Firma mit einer guten Auftragslage und eine schöne Eigentumswohnung mit Blick auf den Fluss. Und, so kam es Ryan in den Sinn, ein aufregendes Mäd chen in einer schwarzen Limousine, die sich als die Verlobte seines neuen Chefs entpuppte. Er stöhnte leise und vergrub das Gesicht in den Händen. Dann stand er abrupt auf. Was er jetzt dringend brauchte, war Kaffee. Er ging zum Kaffeeautomaten und kramte in sei ner Hosentasche nach Kleingeld. Während die hei ße Flüssigkeit in den Pappbecher lief, dachte er über seine Situation nach. Er hatte einen schmerz haften Stich verspürt, als er erfuhr, dass Penny zu Martin gehörte. Und dieses Wissen nagte immer noch an ihm. Er würde nicht nur seinen Job verlie ren, wenn sie sich zu schuldig fühlte, um Martin die gestrige Nacht zu verschweigen. Es bestand auch keine Aussicht darauf, dass Penny und er fortsetzen konnten, was zwischen ihnen geschehen war. Und das war mehr als schade. Er war noch nie auf diese Art von einer Frau ver führt worden. Es hatte ihm außerordentlich gut ge fallen. Sie war süß, sexy und auf eine sehr sanfte Art herausfordernd. Der Abend war so aufregend gewesen, dass ihm jetzt noch ein Schauer über den Rücken lief. Ihre warme Stimme klang noch immer in seinen Ohren, und er konnte den Gedanken an
ihren schlanken, anschmiegsamen Körper nicht ab schütteln. Er blickte auf seine Hand und rief sich ins Gedächtnis, wie es gewesen war, ihre Brüste zu streicheln. Er blinzelte und blickte sich in dem hell erleuchte ten Pausenraum um. Dann nahm er seinen Kaffee, trank einen Schluck und beschloss, sich Penny aus dem Kopf zu schlagen. Aber auf dem Weg in Martins Büro musste er daran denken, wie verlegen sie gewesen war. Und dass sie versuchte, die ungestüme, erotische Seite an sich zu verleugnen. Er wünschte sich, die Dinge lägen anders und er könnte sie davon überzeugen, dass es nichts gab, wofür sie sich schämen müsste. Andererseits war es vielleicht ganz gut so. Sie war heißblütiger und unberechenbarer, als sie sich selbst eingestand. Und er brauchte im Moment Sta bilität und Ruhe, um sich auf seinen Job konzentrie ren zu können. Er durfte seine Karriere nicht schon wieder aufs Spiel setzen, auch wenn die Versu chung noch so groß war. Er hatte großes Glück ge habt, dass vor seiner Anstellung bei Schuster Sys tems niemand nach seinen Arbeitszeugnissen ge fragt hatte. Er konnte es sich einfach nicht leisten, diese Chance zu verpassen. Er stellte den Pappbecher auf den Schreibtisch und setzte sich in den bequemen Ledersessel. Für ihn würde es in der nächsten Zeit nichts anderes geben als Arbeit, das schwor er sich. Er nahm den Aktenorder zur Hand, den er aus seinem eigenen Büro mitgebracht hatte. Martin hat te ihm diesen Ordner vor seiner Abreise übergeben. Er enthielt Informationen zu seinem ersten eigenen
Projekt in der Firma. Martin hatte ihn angewiesen, sich mit den Fakten vertraut zu machen und sich am Montagnachmittag mit dem Kunden zu treffen. Der Termin war bereits vereinbart. Kaum hatte er den Ordner aufgeschlagen, als sein Blick auf das säuberlich getippte Auftragsfor mular fiel. Kunde: Kontakt:
Two Sisters Restaurant & Pub, Penny Halloran
»Oh nein«, murmelte Ryan. Das durfte einfach nicht wahr sein. Wie konnte das Schicksal nur so grausam sein? Gerade hatte er beschlossen, diese Frau zu vergessen, da wurde er durch die Arbeit zwangsweise wieder mit ihr kon frontiert. Er entdeckte eine gelbe Haftnotiz mit einer Handschrift, die er als Martins erkannte. Ryan, Sie treffen sich mit Penny Halloran am Montag um zwei Uhr in ihrem Haus. Grace kann Ihnen die Adresse geben. M In Pennys Haus? Als ob dieses Treffen nicht schon schlimm genug wäre, jetzt musste es auch noch in ihrem Haus stattfinden. Ryan schluckte hart. Das war schlecht, sogar sehr schlecht. In seinem Kopf schwirrten bereits einige ungehörige Bilder herum.
Er sah Penny in ihrem schwarzen BH und dem winzigen Slip auf dem Rücksitz der Limousine sit zen. Er sah, wie sie, sich vor Lust windend, auf sei nem Schoß saß. Er sah, wie sie begierig seine Ho se öffnete und nach ihm griff. Es war wie verhext mit diesem neuen Anfang. Al les schien falsch zu laufen. Penny saß in dem kleinen Büroraum des Restau rants, schlug das Lohnbuch zu und kontrollierte die Schecks, die sie gerade ausgeschrieben hatte. Patti war zur Bank gegangen, um Wechselgeld zu holen. Im Moment hatte nur eine Kellnerin Dienst, und die war gerade unterwegs und machte eine Besorgung. Penny war ganz froh darüber, dass sie allein im Re staurant war. Am Samstagnachmittag ging das Ge schäft für gewöhnlich nur schleppend. Den größten Umsatz machten sie während der Arbeitswoche. Der Samstag war ein guter Tag, um die Büroarbeit zu erledigen. Sie erschien an diesem Tag eigentlich nur, wenn über die Woche viel liegen geblieben war, wenn sie sich langweilte oder Ablenkung brauchte. Ablenkung hatte sie heute wirklich nötig. Aber es war auch gut, etwas Vorarbeit zu leisten, denn sie würde in den nächsten Wochen viel Zeit mit einem Systemdesigner verbringen müssen. Patti und sie hatten beschlossen, die Buchhaltung des Restaurants komplett auf den Computer umzustel len. Als sie letzte Nacht endlich zu Hause angekom men war, blinkte ihr Anrufbeantworter. Sie hatte den Wiedergabeknopf gedrückt und war nicht erstaunt
gewesen, Martins Stimme zu hören: »Hi, Penny, hier ist Martin. Ich rufe aus Flagstaff an. Ich bin frü her abgereist, um einen Kunden zu treffen. Falls du dir Sorgen gemacht hast, bitte ich um Entschuldi gung. Ich hätte dir Bescheid geben sollen, aber der Termin ist kurzfristig festgelegt worden, und ich musste mich um die Vorbereitungen kümmern. Ich rufe dich an, sobald ich in Las Vegas gelandet bin. Ich freue mich darauf, dich wieder zu sehen, und bin auf deine Antwort gespannt.« Er klingt so nüchtern und geschäftsmäßig wie immer, hatte Penny gedacht, während sie den Anruf löschte. Man sollte nicht glauben, dass er mir einen Heiratsantrag gemacht hat. Aber Martin war eben Martin. Er war ein viel beschäftigter Geschäfts mann, und sie respektierte das. Was machte es schon, wenn er ein wenig steif war? Oh, Martin, was habe ich nur getan? Vergebens versuchte Penny sich auf ihre Arbeit zu konzentrie ren. Der Gedanke an die vergangene Nacht ließ sie nicht los. Seit sie entdeckt hatte, dass sie mit dem falschen Mann geschlafen hatte, war sie total ver wirrt und wurde von Gewissensbissen geplagt. Au ßerdem war sie auch auf eine merkwürdige Weise traurig. Sie hatte sich gestern Nacht in den Schlaf geweint. Das war seit ihrer Kindheit nicht mehr vor gekommen. Dabei war sie sich nicht sicher, was nun eigent lich das Schlimmste an der Sache gewesen war: dass sie einen Mann verführt hatte, den sie nicht kannte, oder dass sie es so sehr genossen hatte. Sie verließ das Büro und ging zur Bar, um sich ein Glas Mineralwasser einzuschenken. Während
sie trank, gingen ihre Gedanken unwillkürlich zu Ryan zurück. Ob es ihr nun gefiel oder nicht, er hat te ihr geholfen, ihre Fantasie auszuleben. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sie sich daran erinnerte, wie er sie berührt und geküsst hatte. Es hatte sich alles so richtig angefühlt. Sie hätte nie gedacht, dass Sex mit einem Frem den so wunderbar sein könnte. Sie hatte immer ge glaubt, dass man sich ziemlich vertraut sein musste, um guten Sex zu haben. Und trotz allem fühlte sie sich Ryan nach der vergangenen Nacht sehr nah. Sie hatte das Gefühl, als würde sie ihn schon lange kennen. Es war fast so, als hätte sie ihn nicht vor dem Sex, sondern währenddessen kennen gelernt. Sie stellte das Glas auf die glänzende Oberfläche der Bar. In einer ihrer anderen Fantasien hatte sie sich vorgestellt, Sex auf dem polierten Mahagoni holz zu haben. Sie hatte keine Ahnung, warum sie diese Idee so faszinierte. Vielleicht lag es einfach daran, dass das Restaurant ein öffentlicher Ort war. Vor ihrem geistigen Auge sah sie Ryan und sich selbst in leidenschaftlicher Umarmung auf dem Tre sen. Ryan, nicht Martin. Die Eingangstür öffnete sich, und Penny zuckte zusammen, als hätte man sie bei etwas Verbote nem erwischt. Patti kam näher und legte die Leder tasche mit dem Wechselgeld auf die Bar. »Ich habe vorhin ganz vergessen, dich zu fragen. Ist er nun langweilig oder nicht?« Penny räusperte sich betreten. »Äh, nein.« Patti hatte immerhin nicht namentlich nach Martin ge fragt. Und langweilig war es gestern Abend ganz bestimmt nicht gewesen.
»Ich wüsste gern nähere Details«, sagte Patti mit einem verschmitzten Grinsen. »Kommt nicht infrage.« Patti schnitt eine Grimasse. »Du bist aber ver klemmt.« »Ich glaube kaum, dass er da mit dir einer Mei nung wäre.« Noch während sie das sagte, fragte Penny sich, ob sie jetzt endgültig den Verstand ver loren hatte. Sie war sich absolut sicher, dass es so sein musste, als sie Ryan erblickte, der das Restaurant durch den Seiteneingang betrat. Das durfte doch nicht wahr sein! Was hatte er hier zu suchen? »Hi«, sagte er mit einem verlegenen Lächeln. Er sah wirklich unverschämt gut aus. Wieso war ihr das vorher nie aufgefallen? »Ich hatte gehofft, dass Sie hier sein würden.« »Hi«, erwiderte Penny mit belegter Stimme. Er trug verwaschene Jeans und ein Polohemd, das seine muskulösen Arme frei ließ. Mit einem Schauer dachte Penny daran, wie sie gestern Nacht mit den Fingerspitzen über diese Muskeln gefahren war. Ernst schaute er sie aus seinen dunklen Augen an. »Ich würde Sie gern kurz allein sprechen.« Sie warfen beide einen eindringlichen Blick auf Patti, die sie verwundert anstarrte. »Ich bin schon weg. Ich wollte sowieso das Wechselgeld ins Büro bringen.« Sie nahm die Le dertasche und verschwand kopfschüttelnd in dem kleinen Büroraum.
Penny richtete den Blick auf Ryan, der sich auf einen Barhocker gesetzt hatte und die Ellenbogen auf den Tresen stützte. »Was ist denn los?« »Ich wollte nur sehen, wie es Ihnen geht.« »Gut«, sagte sie kurz. »Gestern Nacht waren Sie ziemlich aufgeregt. Ich habe mir Sorgen gemacht.« »Es ist wirklich alles in Ordnung«, sagte sie nachdrücklich. Seine Anteilnahme tat ihr gut. »Ich meine, es war natürlich ein Schock. Aber es bleibt uns nichts anderes übrig, als die ganze Sache ein fach zu vergessen.« »Das finde ich auch«, entgegnete er mit einem erleichterten Lächeln. »Ich bin froh, dass Sie es so sehen. Denn wie es scheint, müssen wir eine Weile eng zusammenarbeiten.« Verständnislos sah sie ihn an. »Wie bitte?« »Martin hat vorgesehen, dass ich Ihr Computer system programmieren und installieren soll.« »Oh.« »Sind Sie damit einverstanden?« »Ja, natürlich«, antwortete sie, weil ihr nichts an deres übrig blieb. Was sollte Martin davon halten, wenn sie die Zusammenarbeit mit Ryan ablehnte? »Es tut mir wirklich Leid. Aber mir fällt kein Aus weg aus dieser Situation ein.« »Ist schon gut«, sagte sie mit einem freudlosen Lächeln. »Ich habe mich gewundert, dass Martin die Installation nicht selbst macht. Es wäre doch eine gute Gelegenheit, mit Ihnen zusammen zu sein.« »Ich schätze, er hat mittlerweile so viel anderes zu tun, dass ihm dafür keine Zeit bleibt.«
»Ich hätte da noch eine Frage. Martin hat mir als Treffpunkt Ihr Haus angegeben. Ist das richtig?« Sie nickte. »Mein Computer steht bei mir zu Hau se. Ich habe bisher immer dort gearbeitet. In letzter Zeit hatte ich jedoch ein paar Pannen.« »Pannen?« »Zuerst hat mein Drucker gestreikt. Ich habe ei nen neuen gekauft, aber mit dem Anschluss stimmt etwas nicht. Er führt die Druckaufträge nicht aus. Dann hat sich eine Diskette im Laufwerk verklemmt. Und letzte Woche ist während eines Gewitters mein Modem kaputtgegangen.« »Das sind allerdings Pannen.« »Der Computer selbst arbeitet einwandfrei. Ich habe nur keine Möglichkeit mehr, irgendetwas aus zudrucken oder auf Diskette zu speichern.« »Also gut«, sagte er und stand auf. »Ich werde sehen, was ich tun kann, um die Sache wieder in Ordnung zu bringen und Ihre Bedürfnisse zu befrie digen.« Er stockte und sah sie verlegen an. »Ihre Bedürfnisse bezüglich des Computersystems, mei ne ich natürlich.« »Natürlich«, erwiderte sie und wurde rot. »Dann bis Montag«, sagte er und wandte sich zum Gehen. Bevor Penny ein Wort herausbringen konnte, war er schon verschwunden. Sie stand ratlos da und starrte auf die Tür, durch die er hinausgegangen war. »War das nicht der neue Mitarbeiter von Martin?« Penny sah auf und erblickte ihre Schwester, die mit neugierigem Gesicht näher kam. »Ja«, antwor tete sie und nahm ein Glas in die Hand, um es zu
polieren. So konnte sie den Blick auf das Glas rich ten und musste Patti nicht ansehen. »Er ist süß«, sagte Patti und lehnte sich an die Bar. »Was hatte er denn so Wichtiges mit dir zu besprechen?« Penny schluckte und stellte das Glas beiseite. »Er wird unser neues Computersystem installieren und wollte ein paar Dinge klären.« »Und warum durfte ich nicht dabei sein?« »Ja, komisch nicht? Vielleicht hält er dich für eine Spionin. Ich habe keine Ahnung.« Penny lachte ge künstelt und wechselte dann rasch das Thema. »Wer ist denn heute Abend für die Bar eingeteilt?« Pattis Antwort hörte sie kaum. Sie musste daran denken, wie verfahren die Situation war und wie sehr sie sich trotz allem darauf freute, Ryan wieder zu sehen.
3. KAPITEL Am Montagnachmittag saß Penny auf der Couch im Wohnzimmer ihres hübschen kleinen Hauses, das in einer ruhigen Seitenstraße lag. Sie wartete auf Ryan und vertrieb sich die Zeit damit, über die unausgesprochenen Verdächtigungen ihrer Schwester nachzudenken. »Du triffst dich also heute mit diesem süßen Ty pen, um am Computer zu arbeiten?« hatte Patti mit tags, während der Hauptgeschäftszeit, im Restau rant gefragt. »So ist es«, hatte Penny so beiläufig wie möglich geantwortet. Aber Patti hatte ihr die gespielte Gleichgültigkeit nicht abgekauft. Ein verschmitztes Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. »Gibt es da etwas zwischen euch beiden, von dem ich noch nichts weiß?« »Was sollte das sein?« fragte Penny mit Un schuldsmine. »Ich kenne den Mann doch kaum.« Jetzt saß sie hier und wartete auf diesen Mann, den sie kaum kannte und mit dem ziemlich viel vor gegangen war, und fragte sich, warum sie Patti nicht die Wahrheit gesagt hatte. Natürlich war die ganze Geschichte sehr peinlich, aber sie und Patti waren immer absolut ehrlich zueinander gewesen. Wenn es um ihr Liebesleben ging, wussten sie wirk lich alles voneinander. Aber das hier war etwas anderes. Es war so in tim, dass sie es mit niemandem teilen konnte. Es ging nicht nur um das, was tatsächlich geschehen war, sondern auch um ihre sexuellen Fantasien.
Und von diesen Fantasien hatte sie Patti noch nie etwas gesagt. Sie gehörten ihr allein. So sollte es auch bleiben. Die Sache mit der Limousine hatte sie allerdings mit jemandem geteilt, und zwar mit Ryan. Nicht nur geteilt, auch ausgelebt, kam es Penny in den Sinn. In diesem Moment klingelte es an der Tür. Sie fuhr hoch und strich sich nervös das Haar aus dem Gesicht. Es war so weit. Sie würde ihn wieder se hen. Eilig ging sie zur Tür, holte tief Atem und öffnete. »Hi«, sagte Ryan und lächelte unsicher. Ihr Haar fiel ihr in seidigen Wellen auf die Schul tern, und der Blick aus ihren tiefblauen Augen traf ihn bis ins Mark. Sie räusperte sich nervös. »Hi.« Für einige Sekunden sahen sie sich nur verlegen an und sagten kein Wort. »Hören Sie«, sagte Ryan und trat ins Haus. »Ich weiß, dass diese Situation ziemlich peinlich für uns beide ist. Aber ich habe eine Idee. Wir tun einfach so, als hätten wir uns noch nie gesehen.« Er streck te die Hand aus und sagte feierlich: »Ich bin Ryan Pierce von Schuster Systems. Ich bin gekommen, um ein neues Computersystem für Ihr Restaurant zu installieren.« Sie musste lächeln. »Freut mich sehr. Mein Na me ist Penny Halloran, Miteigentümerin des Two Sisters.« Nachdem sie sich höflich die Hände geschüttelt hatten, führte Penny ihren Gast zu ihrem Schreib tisch ins Wohnzimmer. Sie hatte einen zweiten
Stuhl vor ihren Computer gestellt. Vielleicht geht die Sache gut, dachte Ryan hoffnungsvoll. Sie bot ihm etwas zum Trinken an, und als sie mit zwei Gläsern Eistee auf einem Tablett aus der Küche zurückkehrte, hatte Ryan bereits seinen Lap top neben ihrem Monitor aufgeklappt. »Dann lassen Sie uns einfach anfangen«, schlug er vor. »Ich habe einige Listen zusammengestellt und mir ein paar Fragen und Ideen notiert«, sagte Pen ny und setzte sich neben ihn. »Ich hoffe nur, dass es Ihnen helfen wird.« Ryan lächelte. »Ganz bestimmt. Je konkreter Ihre Vorstellungen und Wünsche sind, umso effektiver kann ich ein genau für Sie abgestimmtes System erstellen.« Zu seiner Erleichterung war es tatsächlich ganz einfach und problemlos, mit ihr zu arbeiten. Schon nach kurzer Zeit war seine Befangenheit ver schwunden, und er konnte professionell und ent spannt mit ihr sprechen. Er hatte nicht geglaubt, dass die gemeinsame Arbeit so gut funktionieren würde. Aber Penny machte ihm die Angelegenheit leicht. Sachlich erklärte sie ihm, angefangen bei den Lohnlisten bis zu den Bestellungen, was sie brauch te. Er war angenehm überrascht, wie gut durch dacht ihre Ideen waren. »Das ist großartig«, sagte er begeistert. »Sie ha ben die Hälfte meiner Arbeit schon erledigt. Jetzt wollen wir sehen, wie Ihre Ideen zu meinen Vor schlägen passen.« Er schaltete seinen Laptop ein und zeigte ihr den ersten von mehreren Bildschirmen, die er nach den Informationen aus der Akte vorbereitet hatte.
»Oh, Sie haben ja unser Logo benutzt!« bemerk te Penny strahlend. »Ja«, erwiderte er und folgte ihrem Blick auf den Monitor. Er hatte sich gedacht, dass sie das System mehr als ihr eigenes betrachten würde, wenn jeder Programmbildschirm eine Grafik mit dem Logo ihres Restaurants trug. »Ich habe es eingescannt. Von der Visitenkarte, die neulich in meiner Lunchtüte…« Er brach ab. Verdammt, er hatte sich doch nicht auf so gefährliches Terrain bewegen wollen! Aber Penny lächelte nur. »Das ist toll. Es gefällt mir, sehr sogar.« Für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Wegen der Erinnerung an den Abend in der Limousine sah Ryan ihr viel tiefer in die blauen Augen, als er ei gentlich beabsichtigt hatte. Abrupt wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder dem Computer zu. Gute Idee, dachte er, und tat dasselbe. »Also, ist das hier der Eingangsbildschirm?« wollte sie wissen. »Genau«, antwortete er. »Das werden Sie immer sehen, wenn Sie Ihren Computer einschalten. Die Bildsymbole unter dem Logo werden mit den ver schiedenen Anwendungen beschriftet. Sie müssen sie nur mit der Maus anklicken, um das gewünschte Programm zu öffnen.« »Wunderbar.« »Ich schlage vor, wir gehen als Nächstes nach einander die verschiedenen Anwendungen durch, die ich vorbereitet habe. Ich modifiziere sie im Büro nach Ihren Wünschen. Dann gehen wir in die Test
phase und sehen, was noch zu verbessern ist. Ist das okay?« »Ja, sehr gut.« Konzentriert machten sie sich an die Arbeit. Nach intensiven Diskussionen und Nachfragen hatte Ry an genug Informationen, um die einzelnen Pro gramme zu vervollständigen. Als Penny sich schließlich erschöpft in ihrem Stuhl zurücklehnte, sah er auf die antike Uhr auf dem Kaminsims. Es war bereits halb sechs. Sie folgte seinem Blick. »Wir sollten für heute Schluss machen, oder?« »Jetzt schon?« fragte er erstaunt. »Na ja, ich finde, es ist schon ziemlich spät. Und ich bekomme allmählich Hunger.« »Tut mir Leid. Ich bin nicht an normale Arbeitszeiten gewöhnt. Ich arbeite oft bis spät in die Nacht. Wenn ich jetzt schon aufhören würde, käme ich mir vor wie ein Faultier. Ich fahre am besten nach Hause und mache dort weiter.« »Erzählen Sie mir bloß nicht, dass Sie zu den Leuten gehören, für die das Leben nur aus Arbeit besteht.« Er zuckte die Schultern. »Im Moment ist es so, das muss ich zugeben.« Sie schüttelte missbilligend den Kopf: »Und ich wette, unsere Sandwichs sind noch das Gesündeste, was Sie an Nahrung zu sich nehmen. Liege ich da richtig?« »Schon wieder erwischt. In der letzten Woche hatte ich jeden Abend eine Verabredung mit dem Mädchen am Schalter vom McDonald’s-Drive-in. Aber es gibt viel Konkurrenz auf dem Computersek
tor. Wenn man dabei bleiben will, muss man immer hundert Prozent geben.« »Da haben Sie bestimmt Recht. Aber man kann nicht lange hundert Prozent geben, wenn man nicht ab und zu mal Energie auftankt.« Penny blickte in Richtung der Küche. »Ich hatte vor, mir etwas Schmorfleisch aufzuwärmen. Also richtiges Essen. Hätten Sie Lust, mir Gesellschaft zu leisten?« »Mmm, Schmorfleisch. So was Gutes habe ich seit Jahren nicht gegessen.« »Es ist noch genug da. Ich habe gestern für mei ne Eltern und meine Schwester Abendessen ge kocht. Mit den Resten werde ich niemals alleine fertig.« Er zögerte einen Moment. Vielleicht war es ein Fehler, die Einladung anzunehmen. Aber bisher war das Treffen ganz normal verlaufen. Und sie waren schließlich beide erwachsen. Sie konnten bestimmt zusammen zu Abend essen, ohne dass es zu ver fänglichen Situationen kommen würde. »Gern, vie len Dank«, sagte er schließlich. »Ich hätte furchtbar gern ein richtiges Essen.« Als er ihr seine Hilfe anbot, ließ Penny ihn den Tisch in der Küche decken. »Sehr hübsch und geschmackvoll«, sagte er an erkennend, nachdem er sich in der altmodisch ein gerichteten, hellen Küche umgesehen hatte. »Oh, das meiste habe ich auf dem Flohmarkt er standen«, erklärte sie lachend und öffnete den Kühlschrank, der aussah, als gehörte er in ein Mu seum. »Ich mag alte Sachen«, fügte sie hinzu und stellte eine mit Haushaltsfolie bedeckte Schüssel auf die Arbeitsplatte. »Ich liebe diese alten Fußbö
den aus Holzdielen und antike Möbel. Als ich das Haus kaufte, wollte ich es eigentlich umbauen und renovieren lassen. Mir fehlte allerdings das Geld dazu. Später ging das Restaurant so gut, dass ich genug Geld gehabt hätte. Aber da hatte ich mich schon an alles gewöhnt.« Er sah in ihr lächelndes Gesicht und fand, dass sie entzückend aussah. Er erwiderte ihr Lächeln, obwohl er genau wusste, dass er es besser gelas sen hätte. Er fühlte sich ihr auf einmal sehr nah. Näher, als gut für ihn war. Einige Minuten später saßen sie gemeinsam am Tisch. Ryan hatte festgestellt, dass er sich in Pen nys Haus sehr wohl fühlte. Es war vielleicht ein Feh ler, aber er hatte beschlossen, dieses Abendessen einfach zu genießen. »Das ist köstlich«, sagte er, während er seine Gabel zum Mund führte. »Ich glaube, so etwas Gu tes habe ich nicht gegessen, seit ich nicht mehr bei meinen Eltern wohne.« »Wirklich?« fragte sie erstaunt. »Also, ich kann mir gar nicht vorstellen, ohne selbst gekochtes Es sen zu leben. Ich koche so oft wie möglich.« »Haben Sie deshalb ein Restaurant eröffnet?« »Zum Teil. Aber ich muss gestehen, dass Patti und ich auch vorhatten, Geld zu verdienen. Und auf unserer Speisekarte findet man nicht sehr viel Hausmannskost. Wir haben vor allem Sandwichs und ein paar Suppen und Salate. Ich glaube, ich esse einfach gern. Viele Menschen, die gern essen, haben auch Lust zu kochen.« Ryan musste lachen. Er fand sie einfach süß. Sie hatte kein Pfund zu viel, war aber auch nicht so ü
berschlank wie viele andere Frauen, die dem der zeitigen Schönheitsideal entsprechen wollten. »Ich mag Frauen, die essen. Es macht keinen Spaß, mit einer Frau essen zu gehen, die einen Salat ohne Dressing bestellt und einem dann zusieht, wie man ein Riesensteak vertilgt. Das ist eine ziemlich lang weilige Angelegenheit.« Penny grinste. »Ich weiß, was Sie meinen. Es macht mir nichts aus, allein zu essen. Aber wenn ich Gesellschaft habe, möchte ich das Essen und die Freude daran auch wirklich teilen.« Ryan nickte zustimmend. »Mir geht es genauso.« »Wie hat es Sie eigentlich nach Cincinnati ver schlagen? Sie haben doch vorher in Chicago ge lebt, oder? Jedenfalls habe ich so etwas gehört. Das scheint mir ein schlechter Tausch zu sein.« »Ich wollte völlig neu anfangen«, sagte er aus weichend. Er sah keine Veranlassung, ihr seine ge samte Lebensgeschichte mit allen Fehlern und Ka tastrophen zu beichten. Besonders deshalb nicht, weil die Situation ohnehin schon kompliziert genug war. »Martin hat mir ein gutes Angebot gemacht, und mir gefiel die Atmosphäre in seiner Firma.« Unwillkürlich zog Penny bei der Erwähnung die ses Namens die Nase kraus. »Nun ja, er ist ein fai rer Chef und ein guter Geschäftsmann. Ich bin si cher, dass Sie eine gute Wahl getroffen haben.« Er blickte sie aufmerksam an. »Kann ich Sie et was Persönliches fragen?« »Äh… ja«, sagte sie leicht verdutzt. »Es geht um Martin und Sie. Haben Sie mir nicht gesagt, dass Sie mit ihm verlobt sind? Ich kann mich nicht mehr genau an unsere Unterhaltung dar
über erinnern. Die Umstände waren… ziemlich un gewöhnlich.« Ryan fand, dass das eine wirklich taktvolle Beschreibung für den Abend in der Limou sine war. Penny strich sich nervös eine Haarsträhne aus der Stirn und senkte den Blick. »Nein, wir sind nicht verlobt. Jedenfalls noch nicht. Er hat mir einen An trag gemacht, aber ich habe ihm noch keine Antwort gegeben.« »Ich verstehe«, sagte er ernst. Er hätte zu gern gewusst, wie ihre Antwort ausfallen würde, aber diese Frage wäre dann doch entschieden zu per sönlich gewesen. Für einige Sekunden sahen sie sich schweigend an. Ryan hatte das Gefühl, in dem tiefen Blau ihrer Augen zu versinken, und musste sich zwingen, den Blick abzuwenden. »Das Essen war großartig«, sagte er schließlich. »Wie wäre es, wenn wir uns noch für eine halbe Stunde an den Computer setzen? Dann hätten wir für heute wirklich genug getan.« Als sie zustimmend nickte, stand er auf und ging ins Wohnzimmer. Er setzte sich und suchte an sei nem Laptop einen Bildschirm, den er ihr noch zei gen wollte. Während sie sich neben ihn setzte, sah er unverwandt auf den Monitor. »Dieser Bildschirm hat eine ziemlich übersichtli che Aufteilung, die einzelnen Bildsymbole nehmen allerdings auch viel Platz in Anspruch.« Er klickte einen anderen Bildschirm an und sagte: »Hier sind die Anwendungen kleiner, aber die Beschriftung ist nicht so gut zu lesen…« Er brach ab, als Penny ihre Hand auf seine legte.
Er schluckte hart und blickte sie irritiert an. »Können wir noch einmal zum ersten Bildschirm zurückgehen?« fragte sie und zog ihre Hand weg. »Ja, natürlich.« Sein Herz hämmerte wie wild. »Tut mir Leid, wenn ich zu schnell war.« »Macht nichts.« Sie beugte sich vor und deutete auf den Monitor. »Kann man das hier nicht verklei nern?« Er schloss die Augen und sog den Duft ihrer Haare ein. »Nein, leider nicht.« »Schade«, sagte sie und zog langsam den Arm zurück. Ryan hatte Zeit genug, sie beim Handge lenk zu fassen. Sie drehte sich zu ihm und sah ihn an. Wie in Zeitlupe näherten sie sich einander. Er bemerkte, dass ihre schön geschwungenen Lippen leicht ge öffnet waren. Als wäre sie überrascht. Oder bereit zu einem Kuss. »Ich…« Er stockte. Ja, was? »Verdammt«, mur melte er. Dann beugte er sich vor und küsste sie sanft auf die Lippen. Penny hatte das Gefühl, als würde sie zer schmelzen. Sie musste ihre gesamte Willenskraft mobilisieren, um seinen federleichten Kuss nicht zu erwidern. Es war wunderbar, so geküsst zu werden. Aber es war falsch. Falsch, falsch, falsch. Sie lehnte sich zurück und stieß ihren mit Rollen versehenen Bürostuhl mit den Füßen ein Stück von Ryan weg. »Was glaubst du eigentlich, was du da tust?« »Ich küsse dich.« »Das habe ich gemerkt. Du darfst mich nicht küssen.«
»Das weiß ich.« »Und warum hast du es dann getan?« Er zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Ich ha be viel zu verlieren. Zum Beispiel meinen Job.« »Dann bist du mit mir einer Meinung, dass das eine blödsinnige Idee war?« »Absolut. Eine Frau wie dich kann ich momentan in meinem Leben überhaupt nicht gebrauchen.« Sie zog scharf den Atem ein. »Was soll das hei ßen?« »Ehrlich gesagt bist du mir zu wild.« Sie blickte ihn fassungslos an. »Hör mal, ich ha be dir doch schon in der Limousine gesagt, dass ich eigentlich ganz anders bin.« »Ja, schon, das hast du gesagt, aber…« »Hältst du mich für eine Lügnerin?« »Nein, ich denke nur, dass du dir über dich selbst nicht ganz im Klaren bist.« »Wie kommst du darauf?« »Nun ja, du warst ziemlich stürmisch. So etwas kann man nicht vortäuschen. Ich glaube, es liegt in deiner Natur.« »Das kann ich nur zurückgeben. Du warst auch ganz schön hemmungslos. Und ich dachte wenigs tens, dass ich dich kenne.« »Ich leugne ja gar nicht, dass ich… nun ja, in gewissen Situationen sehr hemmungslos sein kann. Aber jetzt ist ein schlechter Zeitpunkt dafür. Ich bin nämlich nach Cincinnati gekommen, um neu anzu fangen und ein braver Junge zu sein.« »Aber wenn du ein braver Junge sein willst, wa rum hast du dich dann auf die Sache in der Limou sine eingelassen?« fragte Penny triumphierend.
Er senkte den Blick und sagte leise: »Ich konnte nicht widerstehen.« Zwischen ihnen lagen etwa zwei Meter Abstand. Die Blätter einer großen Topfpflanze hingen vor Pennys Gesicht. Sie fühlte sich sicher, aber sein Blick nahm sie gefangen. Sie wünschte sich plötz lich, in der Limousine wäre es nicht dunkel gewesen und sie hätte ihn die ganze Zeit über ansehen kön nen. »Und jetzt kann ich es auch nicht«, sagte er und stand auf. Noch bevor sie reagieren konnte, war er schon bei ihr und zog sie auf die Füße. Dann legte er die Hand auf ihre Wange. »Nein«, flüsterte sie tonlos, aber es war schon zu spät. Dieser Kuss war so sanft und zärtlich wie der ers te. Aber diesmal gab Penny sich dem Schauer, der ihr dabei angenehm den Rücken herunterrieselte, ganz und gar hin. »Nein«, murmelte sie atemlos, »das bin wirklich nicht ich.« »Oh doch«, sagte er bestimmt. Das musste sie ihm glauben, denn sein Kuss wurde fordernder, und es lag das gleiche Verlangen darin, das sie schon in der Limousine gespürt hatte. Wie dort fühlte sie auch jetzt seine Kraft und seine Zurückhaltung. Sie wünschte sich, er würde diese Zurückhaltung auf geben und mit ihr tun, was immer er wollte. »Dein Haar«, flüsterte er zwischen zwei Küssen. »Es fühlt sich anders an als Freitagnacht.« »Da hatte ich Locken«, sagte sie mit belegter Stimme.
»Es fühlt sich an wie Seide. Und es riecht so gut. Ich dachte erst, es wäre dein Parfüm. Aber es ist dein Haar.« »Shampoo«, schaffte sie gerade noch zu sagen, bevor ihre Lippen zu einem weiteren Kuss ver schmolzen. Penny wusste genau, dass sie umfallen würde, wenn er sie nicht festhielte. Ihre Knie fühlten sich an wie Pudding, und ihr ganzer Körper war los gelöst von ihrem Willen und drängte sich ihm ent gegen. Sie hätte nie gedacht, dass es so eine gewaltige Anziehungskraft zwischen zwei Menschen geben könnte. Aber, so erinnerte sie sich, dass war schon in der Limousine so gewesen. Sie hatte es fast ver gessen. Der Schock, mit dem falschen Mann ge schlafen zu haben, hatte sie alles andere vergessen lassen. Abrupt löste er sich von ihr und trat einen Schritt zurück. »Lieber Himmel«, sagte er erschüttert. »Es tut mir Leid.« »Es gibt nichts, was dir Leid tun müsste«, sagte sie und folgte seinem Blick zu dem Aktenordner mit Martins Firmenlogo auf ihrem Schreibtisch. Immer hin trug sie die gleiche Schuld, denn sie hatte seine Küsse erwidert. »Doch«, beharrte er. »Ich darf mich nicht so ge hen lassen.« »Das darf ich auch nicht. Aber wir sind in einer sehr merkwürdigen Situation. Vielleicht wäre es besser, unter diesen Umständen nicht mehr zu sammenzuarbeiten.« »Das denke ich auch. Aber wie erklären wir das Martin?«
»Da ist keine Möglichkeit, es ihm zu erklären, ohne verdächtig zu wirken.« Sie zuckte resigniert die Schultern. »Jetzt wird es erst einmal das Beste sein, wenn du gehst.« »Ja, auf jeden Fall.« Schweigend beobachtete sie, wie er seinen Lap top und die Papiere zusammenpackte. Er steckte alles in seinen Aktenkoffer und ging zur Tür. Sie folgte ihm mit einigem Abstand. Er legte die Hand auf die Klinke und drehte sich zu ihr um. »Es tut mir wirklich Leid, Penny. Ich hätte mich besser im Griff haben müssen. So etwas wird nicht wieder vorkommen. Wir sehen uns dann mor gen, falls du noch weiter mit mir arbeiten willst. Wenn nicht, dann kann ich es verstehen und werde eine andere Möglichkeit finden.« Sie schüttelte den Kopf. Sie konnte ihm keinen Vorwurf machen. »Ich denke, dass wir sehr gut zu sammenarbeiten, wenn wir uns nicht küssen.« »Das glaube ich auch. Also dann, gute Nacht«, sagte er, verließ das Haus und ging zu seinem Wa gen. Bevor er einstieg, blickte er sich um und sah Penny, die in der Tür stand und ihm nachschaute. »Da ist noch etwas«, sagte er zögernd. »Ja?« »Wirst du ihn heiraten?« Er fühlte sich äußerst unbehaglich, ihr diese Frage zu stellen. Aber er musste es einfach wissen. »Nein«, sagte sie nach einigen Sekunden. »Na türlich nicht. Wie könnte ich?« Eine Welle der Erleichterung durchströmte ihn. »Gut«, sagte er. »Aber das ändert nichts an der
Situation. Martin ist immer noch mein Chef. Und du bist immer noch zu wild für mich.« »Na, hör mal! Du hast doch schließlich angefan gen, mich zu küssen. Du musst einfach nur damit aufhören.« »Da hast du natürlich Recht. Wie ich schon sag te, es wird nicht wieder vorkommen.« Während Ryan sich hinter das Steuer setzte, den Motor anließ und davonfuhr, sagte er sich, wie klug und vernünftig es war, sie jetzt zu verlassen. Den noch verspürte er die ganze Zeit über ein überwälti gendes Glücksgefühl bei dem Gedanken daran, dass Penny nicht länger an einen anderen Mann gebunden war.
4. KAPITEL Die grünen Markisen vor den großen Fenstern des Restaurants versperrten der gleißenden Mit tagssonne den Weg. Der Ansturm der Gäste, die zum Lunch gekommen waren, hatte sich gerade gelegt. Penny hörte, wie in der Küche Geschirr ge spült wurde. Sie wischte die Bar mit einem feuchten Tuch sauber und sah auf ihre Uhr. Ryan saß vermutlich gerade an Martins Schreibtisch und aß den letzten Bissen seines Sandwichs. In einer Stunde würde er wieder an ihrer Tür klingeln. Penny holte tief Atem und wünschte sich, der Gedanke daran würde sie nicht so nervös machen. Die Erinnerung an seine unglaublich zärtlichen, federleichten Küsse ließ sich nicht so leicht ver drängen. Ihr war zu Mute, als wäre sie zum ersten Mal geküsst worden. Sie fühlte sich, als wäre sie sechzehn und hätte sich zum ersten Mal verliebt. Noch immer konnte sie Ryans Lippen auf ihrem Mund spüren. Dabei gab es jedoch keine andere Möglichkeit, als all das zu vergessen. Armer Martin, dachte sie und seufzte auf. Sie hatte nicht gewusst, wie sie sich Martin ge genüber verhalten sollte, bis sie gestern Abend Ry ans Frage beantwortet hatte. Sie würde Martin nicht heiraten. Sie konnte ihn nicht heiraten. Ein Heirats antrag von einem erfolgreichen, sympathischen Ge schäftsmann war sicher verlockend. Martin verdien te es, dass sie gründlich darüber nachdachte. Aber nun war ihr auf einmal klar, dass sie einfach nicht
zueinander passten. Sie war sehr froh darüber, dass sie die richtige Antwort gefunden hatte, bevor es zu spät war. Es hatte ihr sehr geholfen, dass die ganze Ge schichte mit Ryan passiert war. Sie fühlte sich so sehr von ihm angezogen, dass Martin dem Ver gleich nicht standhalten konnte. Dass es mit Ryan wegen seines Jobs keine Fortsetzung geben würde, hatte ebenfalls seine Vorteile. Denn wie sähe es aus, wenn sie erst Martins Hei ratsantrag ablehnte und unmittelbar darauf eine Be ziehung mit einem seiner Angestellten beginnen würde? Und außerdem hatte Ryan diese lächerliche Vorstellung, dass sie zu wild für ihn wäre. Penny blickte sich um und bat die Kellnerin, die Ketchup-Flaschen aufzufüllen. Dann sagte sie zu Patti, die gerade aus der Küche kam: »Ich muss mich beeilen. Ryan kommt heute wieder zum Arbei ten zu mir.« »Ja, natürlich. Es ist Zeit für dein Rendezvous«, erwiderte Patti mit einem viel sagenden Lächeln. Penny blinzelte und bemühte sich um einen gleichgültigen Gesichtsausdruck. »Was soll das heißen?« »Ich weiß nicht recht«, sagte ihre Schwester nachdenklich. »Aber du bekommst immer ganz große Augen und wirst leicht nervös, wenn sein Name fällt. Ich werde das Gefühl nicht los, dass da irgendwas im Gange ist.« Großartig, man sieht es mir also an, dachte Pen ny wütend. »Das stimmt gar nicht!« protestierte sie und kam sich dabei vor wie ein trotziges Kleinkind.
»Wenn du es sagst«, flötete Patti honigsüß. Es war mehr als deutlich, dass sie ihrer jüngeren Schwester kein Wort glaubte. Penny seufzte unhörbar auf. Wenn sie nur halb so viel an Martin denken würde wie an Ryan, käme sie sich nicht ganz so unmoralisch vor. Sie fürchtete sich davor, Martins Antrag abzulehnen. Aber sie würde es tun. Und wenn dann auch noch die Arbeit mit Ryan an ihrem Computer beendet wäre, dann könnte sie die ganze Geschichte einfach vergessen. Sie verabschiedete sich kurz von Patti, nahm ihre Handtasche und verließ eilig das Restaurant. Ryan holte tief Atem, als er auf Pennys Tür zuging. Er hatte das Gefühl, als würde er an den Ort eines Verbrechens zurückkehren. Eines Verbrechens, das er begangen hatte. Er konnte es immer noch nicht fassen, wie er sich gestern benommen hatte. Kein Wunder, dass er dauernd seine Arbeit verlor. Er musste endlich verantwortungsbewusster werden. Er durfte nicht immer seinen eigenen Wünschen nachgeben. Was war denn noch nötig, damit er sei ne Lektion endlich lernte? Noch eine Kündigung? Noch ein neuer Anfang? Aber da war Penny. Ihr seidiges, duftendes Haar. Ihre bezaubernde Figur mit den verlockenden Kur ven. Ihre zarten, weichen Lippen, die unter seinen Küssen erzitterten. Hör endlich auf damit, befahl er sich ärgerlich. Dass sie Martin nicht heiraten wollte, änderte rein gar nichts an der Situation. Daher war es auch idiotisch, darüber so unverschämt glücklich zu sein. Allerdings kam er sich jetzt nicht mehr so sehr wie ein Eindringling vor.
»Hi«, sagte Penny. Sie hatte die Tür geöffnet, noch bevor er klingeln konnte. »Wie geht es dir?« Ihre Augen funkelten, ihre Lippen schimmerten verführerisch, und ihr Haar duftete so betörend wie am Vortag. Was war das nur, eine Blume oder eine Frucht? Fast hätte er sie gefragt, aber er besann sich eines Besseren. »Ich glaube«, sagte er brüsk, »wir sollten das mit dem Smalltalk lassen und uns gleich an die Arbeit machen.« Irritiert sah sie ihn an. »Wie du meinst.« Er ging ohne weitere Umstände zu ihrem Schreibtisch, setzte sich, stellte seinen Laptop auf und blickte stur auf den Bildschirm vor sich. »Möchtest du etwas trinken? Ich will jetzt keine Konversation machen, aber heute ist es ziemlich heiß. Ich halte es durchaus für möglich, dass du Durst hast.« Er sah weiter unverwandt auf den Monitor und nahm nur aus den Augenwinkeln wahr, dass sie heute Shorts trug und eine weiße, ärmellose Bluse. Ihr Haar war im Nacken zusammengebunden. Sie war barfuss und hatte sehr hübsche, kleine Füße, die er unerhört sexy fand. Aber er verdrängte den Gedanken sofort und sagte fast unhöflich: »Nein, danke.« Hatte sie gerade genervt die Augen verdreht? Er konnte es nicht mit Sicherheit sagen, weil er sie nicht direkt angesehen hatte. Aber er hätte schwö ren können… »Hast du gerade die Augen ver dreht?« fragte er und suchte jetzt doch ihren Blick. Das war ein großer Fehler, denn als sich ihre Blicke trafen, schlug ihm das Herz bis zum Hals.
»Allerdings«, sagte sie und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Das habe ich.« Fragend hob er die Augenbrauen. »Ich verstehe ja, dass du dich ganz geschäfts mäßig verhalten willst. Aber denkst du nicht, dass das ein bisschen zu viel des Guten ist?« »Nein, ich möchte nur ohne Verzögerung mit der Arbeit anfangen«, erwiderte er und riskierte ein schmales Lächeln. Dann deutete er auf seinen Lap top. »Ich würde dir gern die Bildschirme zeigen, die ich gestern Nacht fertiggestellt habe.« Als sie sich in den Stuhl neben ihm gleiten ließ, atmete er erleichtert auf. »Okay, du erinnerst dich an den Eingangsbildschirm, den ich dir gestern ge zeigt habe. Wenn du jetzt das Symbol für die Rech nungen anklickst, wirst du nach deinem Kennwort gefragt.« Während er sprach, demonstrierte er ihr den Vorgang. Zusammen suchten sie nach einem geeigneten Kennwort, das Penny während der Testphase be nutzen sollte. Sie entschied sich schließlich für Pret tyPenny und erklärte mit einem verklärten Lächeln, dass ihr Großvater sie als kleines Mädchen so ge nannt hatte. »Meine Großeltern hatten eine Farm in Kentucky, ungefähr eine Autostunde südlich von hier. Heute gibt es da überall Einkaufszentren und Fast-FoodRestaurants. Aber früher war dort nur ein Getreide silo, und dahinter erstreckten sich unendliche Wei zenfelder. In ihrem Garten hing für Patti und mich eine Schaukel am Ast eines alten Apfelbaums.« Ryan war selbst auch in einer ländlichen Umge bung aufgewachsen. Pennys Erzählung erinnerte
ihn an seine eigene Kindheit. »Mein Bruder Dan und ich hatten auch eine Schaukel. Sie war aus Holz und hing auch an einem Baum. Eines Tages setzte sich mein Vater darauf, die Schaukel brach mitten durch und mein Vater fiel auf den Boden.« Sie mussten beide lachen. Ryan wurde aber ziemlich schnell wieder ernst und fragte sich, wie sie so schnell vom eigentlich Zweck ihres Zusam menseins hatten abkommen können. Abrupt wandte er sich dem Computer zu und setzte entschlossen seine Arbeit fort. Er war erleichtert, dass sie keine weiteren Anstal ten machte, den Arbeitsprozess zu unterbrechen. Mit professioneller Sicherheit erklärte er ihr die ein zelnen Anwendungen und Vorgänge und entspann te sich dabei merklich. Jetzt fühlte er sich wieder sicher. Einem Kunden speziell für ihn entwickelte Programme zu erläutern, das hatte er schon viele Male getan. Schließlich gelang es ihm sogar fast zu vergessen, wer diesmal die Kundin war. Als er Pen ny den letzten der neu erstellten Bildschirme zeigte, verspürte er so etwas wie Stolz und Zufriedenheit. »Also, das hätten wir. Jetzt möchte ich mir deine Notizen ansehen und deine Vorschläge anhören. Dann kann ich die Details danach entsprechend modifizieren.« »Ich wage es kaum zu sagen, aber ich würde gern eine kleine Pause einlegen. Manche Men schen müssen nämlich hin und wieder zur Toilette gehen.« Er drehte sich um und sah in ihr lächelndes Ge sicht. Er konnte nicht anders, als dieses Lächeln zu erwidern. Dann lehnte er sich in seinem Stuhl zu
rück und sagte: »Ich halte das für einen durchaus diskussionswürdigen Vorschlag.« »Großartig. Aber da wäre noch etwas. Ich, für meinen Teil, bin jetzt ziemlich durstig. Bist du si cher, dass ich dich nicht in Versuchung führen kann?« Ja, er war ziemlich barsch gewesen am Anfang. Aber nun hatten sie unter Beweis gestellt, dass sie wie zwei vernünftige Erwachsene miteinander arbei ten konnten. Vielleicht war es an der Zeit, die Zügel etwas zu lockern. »Doch, das kannst du. Ich hätte gern etwas Kaltes.« Penny stand auf und bewegte sich anmutig durch den Raum. Er kam nicht umhin, das zu bemerken. Ebenso wie er ihren betörenden Duft registriert hat te und den sanften Klang ihrer Stimme, wenn sie eine Frage stellte. Aber dennoch hatten sie gute Fortschritte gemacht und sich mit erstaunlicher Ge schwindigkeit in ihren professionellen Rollen zu rechtgefunden. »Ich habe vorhin Limonade gemacht«, rief sie ihm aus der Küche zu. »Das hört sich gut an.« Ryan warf einen Blick auf ihren Computer, der unter dem Tisch auf dem Bo den stand. Er zog seine Jacke aus und kniete sich hin. Dann untersuchte er das Diskettenlaufwerk. Wie Penny gesagt hatte, klemmte eine Diskette dar in. Es wunderte ihn, dass Martin sich nicht die Zeit genommen hatte, diese kleine Panne zu beheben. Morgen würde er einen Werkzeugsatz mitbringen und sich die Sache genauer ansehen.
»Die Limonade ist nach einem geheimen Rezept meiner Großmutter gemacht«, erklärte Penny, die immer noch in der Küche beschäftigt war. »Deine Großmutter hat ein geheimes Rezept für Limonade?« fragte er, während er an dem Disket tenlaufwerk herumfummelte. »Was kann es bei Li monade denn schon für Geheimnisse geben?« »Wenn ich es dir sagen würde, wäre es ja kein Geheimnis mehr«, rief sie ihm zu. Er musste lächeln. »Ist es die Großmutter, die in Kentucky lebt?« »Ja, genau die.« »Sind denn alle Hallorans irgendwie im Gastro nomiegewerbe?« »Nein, nur Patti und ich. Mein Vater hat eine Ei senwarenhandlung. Das Geschäft ist einer der letz ten Familienbetriebe in der Stadt. Und meine Groß eltern sind im Ruhestand. Aber es ist gar nicht so abwegig, dass meine Großmutter ein Restaurant führt. Sie ist nämlich eine wunderbare Köchin, ge nau wie meine Mutter. Alles, was ich kann, habe ich von ihnen gelernt.« »Und was ist mit Patti? Haben sie ihr nicht auch das Kochen beigebracht?« Penny lachte. »Sie haben es versucht, aber es hat nicht funktioniert. Patti ist mehr für das Mana gement zuständig. Mein Job sind die Speisekarte, die Lohnauszahlung und der Computer.« Penny ließ das Tablett, mit dem sie aus der Kü che kam, beinahe fallen, als sie Ryan auf allen vie ren am Fußboden erblickte. Er streckte ihr dabei seinen Po entgegen. Sie hatte diesem Körperteil
bisher wenig Beachtung geschenkt, musste aber zugeben, dass sein Po ziemlich sexy war. Sie rief sich in Erinnerung, warum sie eigentlich eine Pause eingelegt hatten, stellte das Tablett ab und machte sich auf den Weg ins Badezimmer. Sie musste versuchen, Ryans Po ebenso zu ignorieren wie die Schauer, die sie in seiner Gegenwart immer wieder durchliefen. Schließlich hatten sie gut und konzentriert gearbeitet, und sie wollte diese produk tive Atmosphäre nicht stören. Als sie zurückkehrte, hatte er sich glücklicherwei se wieder hingesetzt und nippte an seiner Limona de. »Hmm, köstlich«, sagte er. Ihre Blicke trafen sich, und wieder durchrieselte Penny ein wohliger Schauer. »Zitronen, viel Eis und noch mehr Zucker«, sagte sie schnell und setzte sich neben ihn. Es war alles viel leichter, wenn sie auf den Monitor sah und nicht in seine Augen. »Wie bitte?« »Das ist das Rezept für die Limonade. Falls es dich interessiert.« Sie nahm einen langen Schluck, in der Hoffnung, das Getränk würde sie innerlich etwas abkühlen. »Ich denke, es ist ein Geheimnis?« Sie lächelte. »Ich finde, du bist vertrauenswür dig.« »So«, murmelte er und senkte die Hände auf die Tastatur des Laptops. Dabei berührte er versehent lich ihren Arm und zuckte zurück. Er blickte sie kurz an und sagte dann: »Also, sprechen wir über die Lohnauszahlungen.«
»Gut«, erwiderte sie mit belegter Stimme und versuchte ihr heftiges Herzklopfen zu ignorieren. Ryan sah aus dem Fenster. »Es wird schon dun kel.« Überrascht folgte Penny seinem Blick. »Tatsäch lich. Ich kann gar nicht glauben, dass es schon so spät ist. Fast neun.« Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Das ist mei ne Schuld. Wenn ich arbeite, vergesse ich oft die Zeit.« »Das macht doch nichts«, sagte sie. »Ich bin nur erstaunt. Ich hätte nicht gedacht, dass wir schon so lange bei der Arbeit sind.« Aber wenn sie es genau überlegte, hatten sie heute ziemlich viel geschafft. »Es ist immer ein gutes Zeichen, wenn die Zeit wie im Fluge vergeht«, sagte er lächelnd. Ryan hatte sich merklich entspannt. Er konnte sie sogar unbefangen ansehen und anlächeln. Das heißt, dachte sie, dass ich hier die Einzige bin, die merkwürdige Gefühle hat, und zwar aufregende, gefährliche Gefühle. Aber wenn es ihr gelang, diese Gefühle zu unterdrücken, würden sie ganz unver krampft und effektiv weiterarbeiten können. Und das war gut so. »Möchtest du mit mir zu Abend essen?« Sie be reute die Einladung bereits in dem Moment, in dem sie sie ausgesprochen hatte. Da er nicht antwortete, sprach sie hastig weiter. »Normalerweise hätte ich schon vor Stunden gegessen. Ich könnte uns ein paar Sandwichs machen. Oder wenn du darauf kei ne Lust hast, könnten wir auch ausgehen. Ganz, wie du willst.«
Er blickte sie einige Sekunden lang eindringlich an. Dann sagte er zögernd: »Ich halte es für das Beste, wenn ich jetzt gehe.« Sie nickte. Natürlich, er hatte ja Recht. Es war wirklich das Beste. Besonders, wenn sie sich in Er innerung rief, was gestern Abend nach ihrem ge meinsamen Essen geschehen war. Er wandte den Blick von ihr ab und klappte sei nen Laptop zusammen. »Darf ich dich etwas fragen, bevor ich gehe?« »Ja, nur zu.« »Ich habe mich gefragt… Ich würde gern wissen, wie es dir mit der Entscheidung in Bezug auf Martin geht. Dass du ihn nicht heiraten willst, meine ich.« »Es geht mir sehr gut. Die Entscheidung ist gefal len, und ich kann gut damit leben.« Aber ich muss auch damit leben, dass ich dich immer noch will, dachte sie. Plötzlich hatte sie den dringenden Wunsch, aus Ryans unmittelbarer Nähe zu entfliehen. Sie stand auf, ging zur Couch und setzte sich. Jetzt war er so weit entfernt, dass sie keine Dummheiten mehr anstellen konnte. Zum Beispiel, die Hand auszustrecken und seine Wange zu berühren. Er wirkte so kontrolliert und kühl. Sie hätte es nicht ertragen können, von ihm zurückge wiesen zu werden. »Wann wirst du es ihm sagen?« fragte er, wäh rend er seinen Laptop in die Tasche packte. »Sobald er mich aus Las Vegas anruft.« Bei die sen Worten wurde ihr klar, dass sie lange nichts von Martin gehört hatte. Es war bereits Dienstag, und Martin war am Freitag abgereist. Eigentlich hätte er sich schon längst melden müssen. Aber anderer
seits hatte ihr diese Tatsache Zeit gegeben, über die richtigen Worte nachzudenken. »Du willst es ihm am Telefon sagen?« »Ja. Ich will es so schnell wie möglich hinter mich bringen.« Er blickte ihr in die Augen. »Es täte mir wirklich sehr Leid, Penny, wenn ich zwischen euch beiden irgendetwas zerstört hätte.« »Das hast du nicht. Wir gehen erst seit ein paar Monaten miteinander aus.« Er zuckte die Schultern. »Manchmal brauchen zwei Menschen weniger als einen Tag, um eine ernsthafte Beziehung zu beginnen. Manche Leute verlieben sich auf den ersten Blick ineinander.« »Ist dir das schon einmal passiert?« fragte Penny neugierig. »Mir? Nein. Ich kenne nur Leute, denen es so er gangen ist. Allerdings könnte ich mich niemals so schnell verlieben.« Seine Worte versetzten ihr einen Stich. Tief in ih rem Inneren hatte sie die Hoffnung gehegt, dass ihm die. sexuelle Anziehungskraft zwischen ihnen beiden doch etwas mehr bedeutete. »Warum nicht?« »Ich glaube, ich bin einfach vorsichtig.« »Hast du schlechte Erfahrungen gemacht?« »Nein, das nicht. Vielleicht ist vorsichtig nicht das richtige Wort. Ich vermute, ich will es einfach nicht. Ich habe noch nie an einem gebrochenen Herzen gelitten, und das gefällt mir. Ich will diese Dinge nicht zu schwer nehmen. Und am Ende eines Ta ges bin ich am liebsten allein, wenn du verstehst, was ich meine.«
Ja, sie verstand genau, was er meinte. Er war nicht gerade auf der Suche nach einer Beziehung. Frauen spielten in seinem Leben im Moment keine besondere Rolle. Das betraf nicht nur sie selbst. Aber, dachte sie hoffnungsvoll, so etwas kann sich ja ändern. Und diese Hoffnung, das musste sie sich einge stehen, war der Beweis dafür, dass ihr an Ryan doch sehr viel lag. Sie räusperte sich. »Na ja, jeden falls kennen Martin und ich uns noch nicht beson ders gut. In intimer Hinsicht, meine ich.« »Aber in der Limousine hatte ich einen ganz an deren Eindruck.« Penny wurde rot. »Wie ich da schon sagte, ich wollte nur herausfinden, ob Martin auch eine leiden schaftliche, hemmungslose Seite hat.« »Jetzt hast du es zugegeben«, sagte er mit ei nem Grinsen. »Du bist hemmungslos und leiden schaftlich.« Sie seufzte hörbar. »Ich habe zugegeben, dass das eine Seite von mir ist. Das heißt noch lange nicht, dass ich so bin.« »Aber du hast auch gesagt, dass du eine Fanta sie auslebst.« »Na und? Jeder hat seine Fantasien.« »Aber nicht jeder lebt sie aus.« Da hatte er zweifellos Recht. Sie hatte genug Ar tikel über sexuelle Fantasien, besonders von Frauen, gelesen, um zu wissen, dass sie sich in diesem Punkt von anderen unterschied. Sie wollte, dass ihre Fantasien Wirklichkeit wurden. Plötzlich war ihr sehr unbehaglich zu Mute, weil sie sich durchschaut fühlte. Sie verließ die Couch
und blieb unschlüssig vor dem großen Spiegel ne ben einer ausladenden Topfpflanze stehen. Auf sei ne letzte Bemerkung hatte sie keine Erwiderung, und sie wollte seinen herausfordernden Blicken ent gehen. Nervös begann sie an den Blättern der Pflanze herumzufummeln. »Also, das mit der Limousine kenne ich ja jetzt.« Ryans Stimme war leise, sexy und ganz nah. »Was für Fantasien hast du denn noch, Penny?« Sie blickte in den Spiegel und bemerkte, dass er dicht hinter ihr stand. In seinen Augen brannte das selbe Verlangen, das sie verspürte. Im ersten Mo ment fand sie seine Frage sehr indiskret. Aber in Anbetracht der Dinge, die sie in der Limousine mit einander angestellt hatten, konnte sie das wohl nicht behaupten. Fast wünschte sie sich, sie könnte mit Recht empört oder beleidigt sein. Aber nichts, was er tat oder sagte, kam ihr falsch vor. Das war vom ersten Kuss an so gewesen. »Sieh mich doch mal genau an, Ryan«, sagte sie zu seinem Spiegelbild. »Ich bin das nette Mädchen von nebenan. Der Stolz meiner Eltern und der Lieb ling aller Lehrer.« Hilflos hob sie die Hände. »Ich bin nicht leidenschaftlich und hemmungslos.« Ohne den Blick von ihr zu wenden, löste er ihr Haar und ordnete die herabfallende Fülle mit sanf ten Strichen. Dann legte er ihr die Hände auf die Schultern und drehte sie behutsam zu sich herum. Mit ruhigen, geschickten Bewegungen öffnete er die Knöpfe ihrer Bluse, einen nach dem anderen. Pen ny wollte protestieren, einfach weggehen, aber die erregenden Schauer, die ihren Körper durchriesel ten, hinderten sie daran.
»Du siehst vielleicht aus wie das nette Mädchen von nebenan«, flüsterte er heiser. »Aber tief in dir drin steckt etwas Wildes, Ungezähmtes. Das weißt du ganz genau.« Nachdem er den letzten Knopf geöffnet hatte, schlug er ihre Bluse zurück und erblickte ihren zar ten, lavendelfarbenen BH. Er hielt den Atem an. Das war der beste Beweis für seine Behauptung. Wer käme schon auf die Idee, dass Penny, das Sandwich-Mädchen, solche Unterwäsche unter ih rer schlichten Bluse trug? Er schloss kurz die Augen und genoss ihre samtweiche Haut unter seinen Händen, während er ihr die Bluse von den Schultern streifte. Dann folgte er mit den Fingerspitzen den Rändern der Körb chen, die sich zwischen ihren Brüsten trafen. »Du bist wirklich nicht gut für mich«, murmelte er leise. »Es ist genau andersherum. Du bist nicht gut für mich.« Ihre Stimme zitterte. Etwas in ihm wollte widersprechen und sie daran erinnern, dass sie ihre Beziehung zu Martin abbre chen wollte. Sie hatte nichts mehr zu verlieren, wäh rend es bei ihm immer noch um seine Existenz ging. Aber er wusste genau, dass jedes Wort dar über das erotische Knistern zwischen ihnen zum Erlöschen bringen würde. Und obwohl ihm klar war, dass er wahrscheinlich gerade beruflichen Selbstmord beging, wollte er nichts anderes, als sie berühren und küssen. Je länger er mit ihr zusammen war, mit ihr sprach und mit ihr lachte, umso stärker wurde sein Verlangen nach ihr. Er mochte sie sehr. Er mochte ihr Lachen. Er mochte ihre Sinnlichkeit, die sie hinter ihrer nüch
ternen und fast unschuldigen Fassade zu verbergen suchte. Sie war klug und talentiert, hatte geschäftli chen Erfolg und war dabei bodenständig und natür lich geblieben. Aber es war ihre Sinnlichkeit, die ihm fast den Atem nahm. Er umfasste ihre schmale Taille und senkte dann die Hände, um ihre Shorts aufzuknöpfen und den Reißverschluss herunterzuziehen. Während er das tat, verdrängte die flirrende Hitze, die zwischen ih nen entstand, jeden anderen Gedanken aus seinem Kopf. Er ließ sich an ihrer Seite auf die Knie nieder und streifte ihr die Shorts von den Hüften. Sie blickte auf ihn hinunter, biss sich mit halb geschlossenen Au gen auf die Lippen und half ihm mit wiegenden Be wegungen ihres Beckens dabei, ihr die Shorts aus zuziehen. Dieser Anblick verstärkte sein Verlangen noch, und als er ihren knappen lavendelfarbenen Slip entdeckte, war es ganz um ihn geschehen. Wusste diese Frau eigentlich, wie unglaublich sexy sie war? Ryan hielt das für unmöglich, aber er wollte seinen Beitrag leisten, es ihr zu zeigen. Er beugte sich vor und bedeckte die aufregende Kurve ihrer Hüfte mit Küssen. Dann ließ er seine Hände über ihre wohlgerundeten Pobacken gleiten und hörte, wie sie heftig Atem holte. Sie stand da, die Beine leicht gespreizt, die Arme im Nacken ver schränkt, und kam ihm vor wie die Statue einer Lie besgöttin. Er begehrte sie so sehr, dass kaum noch eine Steigerung möglich war. Zärtlich liebkoste er die glatte Haut ihrer schmalen Oberschenkel und ihres Pos. Sein ganzes Denken war von ihrem Duft
und ihren leisen Seufzern ausgefüllt. Sie fühlte sich unbeschreiblich gut an. »Du bist wahnsinnig sexy«, flüsterte er heiser. »Ich weiß eigentlich gar nicht, was ich da tue«, gab sie zurück. »Es ist schon in Ordnung, Penny«, sagte er und ließ seinen Zeigefinger unter den Rand ihres Slips gleiten. »Du musst keine Angst haben, dass ich schlecht von dir denke. Das ist Unsinn. Schließlich sind wir beide erwachsen.« »Das ist es nicht. Ich habe so etwas nur noch nie getan. Schon gar nicht mit einem Mann, den ich kaum kenne.« Sie stöhnte auf, als sie seine Lippen auf der Innenseite ihres Schenkels spürte. »Ich meine, bis jetzt hat mich kein Mann in meinem Wohnzimmer ausgezogen und auf diese Weise ge küsst.« Er streifte ihr den Slip ab und umfasste ihre Pobacken mit beiden Händen. »Warum tust du es dann mit mir?« Sie blickte ihn mit verhangenen Augen an. »Ich weiß es nicht. Ich habe einfach das Gefühl, dass ich dich schon lange kenne.« »Das geht mir mit dir genauso.« »Aber da ist immer noch Martin, an den ich den ken muss und…« »Pssst«, machte er und küsste ihren Bauchna bel. »Das spielt jetzt keine Rolle. Lass uns einfach weitermachen.« In diesem Moment klingelte das Telefon, und sie zuckten beide zusammen. »Verdammt«, fluchte Ryan leise.
»Vielleicht ist es Martin«, sagte sie erschrocken und zog in Windeseile ihren Slip hoch. Dann eilte sie in die Küche, aus der das Läuten ihres schnur losen Telefons kam. Ryan stand auf und blickte ihr nach. Er hatte das Gefühl, gerade aus einem Traum erwacht zu sein. »Hallo?« meldete Penny sich. Sie hoffte, es wäre nicht Martin. Sie fühlte sich nicht in der Lage, in die sem Moment mit ihm zu sprechen. »Hi, was ist denn los? Du bist ja ganz außer A tem«, erklang Pattis Stimme am anderen Ende der Leitung. Penny ließ erleichtert die Schultern sinken. »Ich bin gerade dabei…« Ja, was? Mit einem Fremden zu schlafen, das zweite Mal in dieser Woche? »Ich bin gerade beim Saubermachen. Ich war bis zu den Ellenbogen im Putzwasser, als das Telefon klingel te. Ich musste rennen, um noch rechtzeitig ans Te lefon zu kommen.« »Du machst sauber? Um neun Uhr abends?« Penny fand das eigentlich nicht so ungewöhnlich. Viele Leute putzten ihre Wohnungen abends. »Gibt es ein Gesetz, das so etwas verbietet?« »Nein, natürlich nicht. Es ist nur komisch.« »Ich würde gern weitermachen. Hast du aus ei nem bestimmten Grund angerufen?« »Ich wollte dir nur sagen, dass ich morgen später komme. Ich habe nämlich einen Zahnarzttermin, den ich fast vergessen hätte. Also, ich will dich bei deinem abendlichen Vergnügen nicht länger stören. Wir sehen uns morgen.« Es bedrückte Penny, dass sie ihre Schwester angelogen hatte. Aber sie stand in Unterwäsche in
ihrer Küche, und Ryan wartete im Wohnzimmer auf sie. Sie konnte sich jetzt nicht mit moralischen Be denken aufhalten. »Ist gut, bis morgen.« Sie legte auf, holte tief Atem und blickte zur Tür. Wie würde es nun mit Ryan weitergehen? Sie wuss te nur eins: Sie wollte, dass es weiterging. Trotz der Unterbrechung und der Furcht, Martin könnte am Telefon sein, glühte ihr Körper vor Verlangen. Sie verließ die Küche und fühlte sich plötzlich so wild und hemmungslos, wie sie auf Ryan offensichtlich wirkte.
5. KAPITEL In dem Moment, als Penny Ryan in die Augen blickte, wusste sie, dass die Situation sich völlig verändert hatte. Er wirkte wieder genauso ange spannt und zurückhaltend wie zu Beginn ihres Tref fens. Er hatte ihre Bluse aufgehoben und hielt sie ihr hin. Zögernd ergriff sie das Kleidungsstück. Er legte ihr eine Hand auf die Wange und sagte traurig: »Ich liebe es, wie du mich gerade ansiehst. Und ich liebe deine Sinnlichkeit, auch wenn du sie selbst nicht wahrhaben willst. Aber ich muss jetzt gehen.« »Oh.« Sie hoffte, dass ihr die Enttäuschung nicht anzusehen war. »Es war wundervoll, sexy und aufregend. Aber es ist…« »Falsch?« vollendete sie den Satz für ihn. »Genau. Ich kann meinen Job nicht auf diese Weise riskieren. Ich wünschte, es gäbe einen Weg, aber ich sehe keinen.« »Ich verstehe«, erwiderte sie mit einem hohlen Gefühl im Magen. Sie wollte nicht, dass er ging. Sie wollte, dass sie beide Martin und die Firma verges sen würden. Ihr wurde auf einmal bewusst, dass sie fast nackt war. Hastig schlüpfte sie in die Bluse. Ryan ging zum Schreibtisch und nahm seine Ja cke und die Aktentasche. Auf dem Weg zur Ein gangstür blieb er kurz bei ihr stehen und küsste sie auf die Stirn. Penny bemerkte es kaum, so verwirrt war sie über die Entwicklung der Dinge. Als die Tür
hinter im zufiel, fühlte sie sich so einsam wie schon lange nicht mehr. Sie wusste, warum er hatte gehen müssen. Sie wusste, dass es die einzige vernünftige Lösung war. Aber während sie sich die Bluse zuknöpfte, schmerzte ihr ganzer Körper vor ungestilltem Ver langen. Sie setzte sich in einen Sessel und vergrub das Gesicht in den Händen. Sie war verletzt, enttäuscht und wütend. Ihre Gefühle machten ihr deutlich, dass sie für Ryan mehr empfand, als sie bisher gedacht hatte. Mehr, als sie eigentlich wollte und als gut für sie war. Die Gewissheit, dass er sich, wenn er vor die Wahl gestellt würde, für seinen Job entscheiden würde und nicht für sie, versetzte ihr einen schmerzhaften Stich. Aber was konnte sie denn schon anderes erwar ten? Was war sie denn für ihn? Nur ein Mädchen, das sich ihm in einer stockdunklen Limousine an den Hals geworfen hatte. Je mehr sie darüber nachdachte, umso elender fühlte sie sich. Sie atmete tief ein und stand auf. Sie musste jetzt etwas tun, um sich abzulenken. Außerdem gab es da noch eine Sache, die dringend zu erledigen war. Sie musste Martin ihre Entscheidung mitteilen. Die Situation war kompliziert genug. Sie wollte diese eine Sache wenigstens hinter sich bringen. Sie kannte Martins Terminplan nicht und wusste, dass er es nicht liebte, während geschäftlicher Be sprechungen durch private Anrufe gestört zu wer den. Bisher war es immer so gewesen, dass er sich bei ihr gemeldet hatte, wenn es seine Zeit erlaubte. Aber die Sache brannte Penny unter den Nägeln.
Entschlossen wählte sie Martins Mobilnummer. Während sie mit dem schnurlosen Telefon in der einen Hand darauf wartete, dass er sich melden würde, zog sie sich ungeschickt mit der anderen die Shorts an. Das Gespräch würde ihr leichter fallen, wenn sie nicht pausenlos daran denken musste, dass ein anderer Mann sie gerade ausgezogen hat te. »Hier ist die Mobilbox von Martin Schuster. Sie können mir nach dem Ton eine Nachricht hinterlas sen«, tönte es ihr aus dem Hörer entgegen. Martin, es tut mir Leid, aber ich kann dich nicht heiraten. Penny öffnete den Mund, um zu sprechen, beendete die Verbindung aber dann mit einem tie fen Seufzer. Jemandem so etwas am Telefon mitzu teilen war schon schlimm genug. Aber eine solche Nachricht auf der Mobilbox zu hinterlassen, das war grausam. Da spielte es keine Rolle, wie gern sie ihre Antwort losgeworden wäre. »Warum rufst du mich nicht endlich an, du Idiot!« fauchte Penny ihrem Telefon entgegen. So, das hatte also nicht geklappt. Sie fühlte sich nicht gerade besser und spürte, wie ihre Augen feucht wurden. Essen, dachte sie. Du musst etwas essen. Es war schon spät, und ihr Blutzuckerspiegel war ver mutlich ziemlich niedrig. Das trug nicht gerade zu ihrem allgemeinen Wohlbefinden bei. Sie ging in die Küche und begann in ihrem Kühl schrank herumzustöbern. Angesichts ihrer erbärmli chen Lage war sie mehr als bereit, all ihre Grund sätze über gesunde Ernährung sausen zu lassen.
Sie würde sich selbst nach Strich und Faden ver wöhnen. Sie nahm ein Tablett und häufte ebenso schreck liche wie wundervolle Dinge darauf. Einen Teller mit Schokoladenkeksen, eine Schale mit cremigem Va nilleeis, eine große Schüssel mit Erdbeeren und eine noch größere Schüssel mit einer gehörigen Portion Schlagsahne. Komm wieder auf den Boden der Tatsachen, sagte sie sich, während sie das Tablett ins Bade zimmer brachte. Sei nett zu dir selbst und genieße es. Versuche, wieder du selbst zu sein. Die norma le, nette Penny, die nicht mit fremden Männern schläft. Die zuverlässige, erfolgreiche Penny, die der Stolz ihrer Eltern und der besondere Liebling ihrer Großeltern ist. Die warmen, pfirsichfarbenen Fliesen ihres alt modischen Badezimmers übten wie gewöhnlich ei ne beruhigende Wirkung auf sie aus. Sie setzte das Tablett auf der gekachelten Fläche an der Stirnseite der Badewanne ab und blickte sich zufrieden um. Sie hatte pfirsichfarbene Pastelltöne für das Bad ausgesucht, weil diese Farbe sie an einen Sonnen untergang erinnerte. Hier konnte sie sich vom Stress des Tages erholen und sich völlig entspan nen. Sie drehte den Wasserhahn der Badewanne auf und hielt die Finger in den Strahl, um die Tem peratur zu überprüfen. Nachdem sie eine großzügi ge Menge des Schaumbads mit Pfirsicharoma da zugegeben hatte, steckte sie ihr Haar hoch, zog sich aus und stieg mit einem Seufzer der Erleichte rung in das heiße Wasser.
Das Tablett war groß genug, damit sie es vor sich auf die Wannenränder stellen konnte. Sie lehn te sich zurück und schloss die Augen. Ab und zu nahm sie sich einen Keks oder eine Erdbeere und verspeiste sie genussvoll, nachdem sie sie entwe der in die Eiscreme oder in die Schlagsahne ge taucht hatte. Das heiße Wasser umschmeichelte ihre Haut, und sie schmeckte auf den Lippen das Aroma von Vanille und Schokolade. Das war zwar herrlich ent spannend, brachte aber nicht die normale Penny zurück. Stattdessen erwachte ihre Sinnlichkeit zu neuem Leben. Nachdem sie alle ihre Köstlichkeiten aufgeges sen hatte, ließ sie sich noch tiefer in das Schaum bad sinken. Unwillkürlich gingen ihre Gedanken auf Wanderschaft. Ryan kam ihr in den Sinn. Aber sie dachte nicht daran, was an diesem Abend tatsäch lich geschehen war, sondern stellte sich vor, wie es weitergegangen wäre, wenn das Telefon nicht ge klingelt hätte. Sie verschwendete sogar einen kur zen Gedanken daran, ihn anzurufen und mit rauchi ger Stimme und erotischen Angeboten zurückzulo cken. Aber dann gab sie sich doch den Fantasien hin, die wie von allein auf sie einstürmten. Da waren Fantasien, die sie bereits kannte und die ihr vertraut waren. Aber es gesellten sich auch völlig neue, auf regende Bilder dazu. Indem sie sie ausführlich vor ihrem geistigen Auge ablaufen ließ, fühlte sie sich zunehmend wohler und befreiter. Es war noch bes ser als Kekse und Eiscreme, sich vorzustellen, was
sie mit Ryan tun würde und er mit ihr, wenn er jetzt hier gewesen wäre. Plötzlich zog sie scharf den Atem ein und fuhr hoch. Das Wasser schwappte über den Wannen rand. Ja, war das denn wirklich möglich? Konnte das sein? All diese Fantasien, gegen die sie sich weder wehren konnte noch wollte. Die heimlich getragenen Dessous, für die sie ei ne Vorliebe hatte. Die Tatsache, dass sie einen Mann in einer Li mousine verführt hatte. Allmählich dämmerte es ihr, dass sie womöglich gar nicht so ein braves Mädchen war, wie sie sich immer selbst eingeschätzt hatte. Sie hatte immer versucht, diese Seite zu ignorieren. Aber vielleicht hatte Ryan Recht. Und vielleicht war es an der Zeit, dass sie es sich selbst eingestand. Ryan spähte in seinen Kühlschrank, in der Hoff nung, etwas Essbares zu finden. Aber er sah nur Bier, Mineralwasser, Orangensaft und Margarine. Er hatte so viel gearbeitet, dass er weder zum Auspa cken noch zum Einkaufen gekommen war. Er machte die Kühlschranktür zu und durchsuchte den Gefrierschrank. Hier hatte er mehr Glück. Er griff nach einer tiefgekühlten Fertigpizza und einer Pa ckung Knoblauchbrot. Beides hatte er neulich aus einer Tankstelle mitgenommen, als er getankt und Getränke gekauft hatte. Er schaltete den Backofen ein und legte den Inhalt der Packungen auf ein Backblech. Diese Mahlzeit wäre bestimmt nicht
nach Pennys Geschmack, aber für den Moment würde es reichen. Während sein Abendessen warm wurde, zog Ry an seinen Anzug und das Hemd aus, band die Kra watte ab und schlüpfte stattdessen in ein Paar Jeans und ein T-Shirt. Er blickte sich in seiner ge räumigen, kahlen Wohnung um und fühlte sich alles andere als zu Hause. Bei Penny war es entschie den gemütlicher. Die meisten seiner Umzugskar tons waren noch nicht ausgepackt, und die Schrän ke waren ebenso leer wie die Regale. Er warf einen Blick auf die kahlen Wände und musste wieder dar an denken, wie wohl er sich in Pennys Haus gefühlt hatte. Unwillig schüttelte er den Kopf. Hör auf damit, befahl er sich. Es war mehr als klug gewesen zu gehen. Er hatte sich für seinen Job und seine Zu kunft entschieden. Und das war vernünftig. Den noch war ihm elend zu Mute. Er hatte den Schmerz in ihren Augen gesehen und sie trotzdem verlassen. Er nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank und öffnete es. Er stieß einen tiefen Seufzer aus, bevor er den ersten Schluck nahm. Was war er doch für ein Mistkerl. Erst hatte er sie beinahe verführt, und dann, als er wieder klar denken konnte, hatte er sie einfach stehen lassen. Es war so verlockend gewesen zu bleiben. Er wünschte, er würde jetzt mit Penny im Bett liegen und sie in den Armen halten, nachdem sie mitein ander geschlafen hatten. Sie würden lachen und reden und sich aneinander kuscheln. Er liebte ihr Lachen. Und er liebte es, wie sie die Nase kraus zog, wenn etwas sie irritierte. Sogar ihre kleinen Füße waren sexy. Es war mehr als schade, dass
Penny nicht so unkompliziert war, wie er zuerst ge dacht hatte. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, als er daran dachte, wie sehr er sie begehrt hatte. Er hatte die Kontrolle über sich verloren. Das Klingeln des Telefons hatte ihn gerade noch rechtzeitig zur Be sinnung gebracht. Erstaunt bemerkte er das rote Blinken seines An rufbeantworters auf einem Tisch an der gegenüber liegenden Wand. Wer konnte ihn denn angerufen haben? Penny hatte seine Privatnummer gar nicht. Vielleicht war es Martin, dachte er mit Entsetzen. Er hatte keine Ahnung, wie er seinem Chef jemals wieder unter die Augen treten sollte. Zumindest blieben ihm bis dahin noch ein paar Tage, um die Sache mit Penny zu verarbeiten. Er nahm einen langen Zug aus der Bierflasche, ging zum Telefontisch und drückte auf den Wieder gabeknopf des Anrufbeantworters. »Hallo Ryan, hier ist deine Mutter.« Sie sagte ihm bei jedem Telefonat, wer sie war. Als ob er sie nicht an der Stimme erkennen würde. »Dein Vater und ich möchten gern wissen, wie es dir geht. Ich rufe noch mal an.« Nach der Uhr in der Mikrowelle war es fast zehn. Wenn er jetzt zurückrief, würde er sie erwischen, bevor sie ins Bett gingen. Nicht, dass er gerade in der Stimmung war, mit seinen Eltern zu sprechen. Oh, er liebte sie sehr, und er wusste, dass sie ihn auch liebten. Aber angesichts der Probleme, die ihm im Moment das Leben schwer machten, hatte er keine Lust, sich die neuesten, zweifellos wunder vollen Nachrichten über seinen älteren Bruder an
zuhören. Und diese Nachrichten würden ihm nicht erspart bleiben, das wusste er aus Erfahrung. Er liebte seinen Bruder von Kindheit an. Aber sie hatten sich zu zwei völlig verschiedenen Menschen entwickelt, deren Leben wenig Gemeinsamkeiten hatte. Dan war der Vernünftige, der Selbstlose und der Erfolgreiche. Kurz gefasst: der perfekte Sohn. Und obwohl die Eltern Ryan es nicht spüren ließen, war er davon überzeugt, dass sie seinen Bruder mehr liebten als ihn. Er hörte noch heute die Enttäuschung in der Stimme seines Vaters und den Seufzer seiner Mut ter, als er ihnen von der Kündigung bei ComData erzählte. Und am schlimmsten war, dass sie beide nicht besonders überrascht geklungen hatten. Bevor er es sich noch anders überlegen konnte, nahm er den Hörer auf und wählte die Nummer, die seit seiner Kindheit gleich geblieben war. »Hallo?« Die Stimme seines Vaters war rau und brüchig und erinnerte Ryan daran, wie alt seine El tern geworden waren. »Hallo, Dad. Ich bin es.« »Ryan«, sagte sein Vater erfreut. »Deine Mutter hat versucht, dich zu erreichen, aber du warst nicht da. Warte, ich gebe sie dir.« Ryan musste grinsen. Sein Vater war noch nie besonders gesprächig gewesen. »Hallo, Ryan«, meldete sich seine Mutter. »Guten Abend, Mom. Es tut mir Leid, dass ich so spät anrufe. Aber ich bin gerade erst nach Hause gekommen.« »Das ist schon in Ordnung. Dan und Carol sind eben weggefahren. Wir haben ihnen geholfen, Lie
der für den Gottesdienst am Sonntag auszusuchen. Weißt du schon, dass Dan jetzt den Chor leitet?« Na also, dachte Ryan, da haben wir es ja. Der gute Dan. »Nein«, sagte er. »Ich harte keine Ah nung.« »Ja, Miss Higgins hat doch eine schlimme Hüfte und kann nicht mehr so lange stehen. Dan hat sich angeboten, die Chorleitung für sie zu übernehmen.« Ryan murmelte wie üblich anerkennende und er freute Laute in den Hörer, während er weiter den Lobreden seiner Mutter über Dan lauschte. Seine Einsilbigkeit dabei war seinen Eltern noch nie auf gefallen. »Ich will dich nicht lange aufhalten«, sagte er, als seine Mutter eine Pause machte. »Ich wollte dir nur sagen, dass es mir gut geht. Der Job ist interessant, und die Firma ist großartig.« »Isst du denn auch vernünftig?« Ryan lachte. Diese Frage war ebenso unvermeidlich wie die Lobeshymnen über seinen Bruder. »Ja, Mom, du kannst beruhigt sein. Ich bin gerade dabei, mir etwas warm zu machen.« »Wahrscheinlich aus der Tiefkühltruhe«, sagte seine Mutter missbilligend. Er dachte an Pennys Schmorfleisch und erwider te: »Ja, aber nur ausnahmsweise. Mach dir keine Sorgen, es geht mir gut. Und meine Wohnung ist wirklich toll. Ihr solltet mich im Herbst mal besu chen. Platz habe ich genug.« Seine Mutter schwieg für einige Sekunden. »Wir werden sehen«, sagte sie zögernd. Ryan hatte nichts anderes erwartet. Er hatte sei ne Eltern auch schon vergeblich nach Chicago ein
geladen. Sie wollten, dass er sie besuchte, und nicht umgekehrt. »Okay, Mom«, sagte er. »Ich bin ziemlich müde. Lass uns für heute Schluss machen.« Sie verabschiedeten sich, er legte auf und fühlte sie so leer wie immer nach diesen Gesprächen. A ber er hatte es für die nächste Zeit erst einmal hin ter sich gebracht. Plötzlich hob er den Kopf und schnüffelte. Der Geruch von etwas Verbranntem stieg ihm in die Na se. Er stellte die Bierflasche auf den Tisch, rannte zum Herd und riss die Backofentür auf. Verdammt, es ging doch nichts über eine knusp rige Pizza. Er langte nach einem Geschirrtuch, um das hei ße Blech aus dem Ofen zu ziehen. Angesichts des bisherigen Verlaufs seines Abends war er froh, dass er daran gedacht hatte, das Blech nicht mit bloßen Händen anzufassen. Er inspizierte sein Abendes sen und entschied, dass es doch nicht so schlimm war, wie er dem Geruch nach geurteilt hatte. Die Pizza war in der Mitte durchaus noch essbar, und das Brot war nur an den Rändern schwarz. Er legte einen Topfuntersetzer auf den Küchen tisch und stellte das Backblech darauf. Nachdem er sein Bier und ein Messer geholt hatte, setzte er sich, schnitt sich ein Stück der noch genießbaren Pizza zurecht und begann zu essen. Eigentlich hat te er vorgehabt, noch an Pennys Computersystem zu arbeiten, aber er war einfach zu müde dazu. Er entschloss sich, ins Bett zu gehen und zu versu chen, etwas Schlaf zu bekommen.
Und er würde mit einer neuen Lebenseinstellung aufwachen, nahm er sich vor. Er würde seine Zeit nicht mehr verplempern und Frauen, die nichts für ihn waren, aus dem Weg gehen. Kurz, er würde alles vermeiden, was seiner Karriere schaden konn te. Die Haltung seiner Eltern ging ihm zwar auf die Nerven, aber dennoch wünschte er sich sehnlich, dass sie endlich einmal auch auf ihn stolz sein konnten. Das hieß auch, dass es ab morgen für ihn keine Penny mehr gab. Wie süß und sexy sie auch war, es spielte keine Rolle. Er würde die Arbeit mit ihr so schnell wie möglich beenden. Dann gab es auch keinen Grund mehr, sie zu treffen, und vor allem nicht in ihrem Haus. »Hier ist die Mobilbox von Martin Schuster. Sie können mir nach dem Ton eine Nachricht hinterlas sen.« Wütend blickte Penny am nächsten Morgen auf das Telefon im Büro des Restaurants. Warum nahm dieser Mann seine Anrufe nie entgegen? Also gut, sie würde eine Nachricht hinterlassen. »Martin, bitte ruf mich an, wenn du das abhörst. Es ist dringend.« Sie legte auf und verließ das Büro. Der unge wöhnliche morgendliche Andrang nach Kaffee und Muffins begann gerade nachzulassen. Draußen regnete es. Penny war das nicht unangenehm. Zum einen würde die sommerlich aufgeheizte Stadt et was abkühlen, und zum anderen brachte der Regen kaffeedurstige Gäste herein. »Entschuldige«, sagte sie zu Patti, die den An sturm weitgehend allein bewältigt hatte. Die Kellner
begannen erst ab elf Uhr mit ihrem Dienst, denn am Morgen war es üblicherweise eher ruhig. »Kein Problem«, sagte Patti und trocknete sich die Hände ab. Penny gesellte sich zu ihr hinter den Tresen. Als der letzte Gast mit einer Papiertüte in der Hand das Restaurant verlassen hatte, musterte Patti ihre Schwester mit einem neugierigen Blick. »Was hast du denn gestern Abend geputzt?« »Ich… äh… Fußböden«, stammelte Penny und wünschte sich, sie hätte mehr Übung im Lügen. »Mit einem Wischmopp oder auf Händen und Knien?« setzte Patti das Verhör fort. Penny erinnerte sich daran, dass sie gesagt hat te, sie wäre bis zu den Ellenbogen im Putzwasser gewesen. »Auf Händen und Knien«, antwortete sie und kam sich sehr schlau dabei vor. Patti ergriff sie beim Handgelenk und betrachtete die perfekt manikürten Fingernägel. »Du lügst, Schwesterlein.« Penny stieß einen tiefen Seufzer aus. Sie hasste es zu lügen. Aber sie konnte doch Patti unmöglich die Wahrheit sagen. Patti verstärkte den Griff um ihr Handgelenk. »Soll ich dir den Arm verdrehen, oder spuckst du es endlich aus?« Penny rollte resigniert die Augen. Sie wusste, dass Patti keine Ruhe geben würde. »Also gut. Du willst wissen, was ich gestern Abend wirklich ge macht habe? Ich stand in Unterwäsche in meinem Wohnzimmer und habe mit Ryan herumgeknutscht. Bist du jetzt zufrieden?«
Patti ließ ihre Hand los und blickte sie fassungs los an. »Mit Ryan, diesem sexy Computertypen?« »Genau.« »Soll das heißen, du wirst…« »Martin nicht heiraten? Richtig, das werde ich nicht.« Sie warf einen Blick auf die große Uhr über der Bar. »Ich wünschte, er würde anrufen, damit ich es ihm sagen kann.« »Ach, er weiß es noch nicht?« Penny schüttelte den Kopf. »Tja, eigentlich kann ich dir das auch sagen. Ich… äh… habe neulich auch nicht direkt mit ihm geschlafen.« »Was soll das denn nun wieder heißen?« Penny wollte so ehrlich wie möglich sein, ohne ihre Fantasie über die Limousine preiszugeben. »Es ist ziemlich kompliziert. Aber das Wichtigste daran ist, dass wir nicht miteinander geschlafen haben. Und dass ich ihn nicht heiraten werde.« Über Pattis Gesicht glitt ein Lächeln der Erleich terung. Sie schien überhaupt nicht böse darüber zu sein, dass ihre Schwester sie angelogen hatte. »Du hast die richtige Entscheidung getroffen, Pen. Lie ber Himmel, du und der süße Computertyp! Wie ist das denn passiert? Komm schon, erzähl es mir. Ist es etwas Ernstes?« Penny bemühte sich um einen gleichgültigen Ge sichtsausdruck. »Nein, eigentlich nicht. Er hat die Sache zwischen uns schon wieder beendet.« Patti blickte sie entsetzt an. »Aber warum denn? Was ist passiert?« »Martin ist sein Chef. Und Martin möchte, dass ich ihn heirate. Du musst einfach nur eins und eins zusammenzählen.«
»Oh«, sagte Patti verständnisvoll. »Ich verstehe. Ach, Pen, es tut mir so Leid.« Penny machte eine abwehrende Handbewegung. »Es hatte nichts zu bedeuten. Es war nur eine kurze Affäre.« »Du lügst schon wieder. Du hattest noch nie eine Affäre, weder kurz noch lang. Und außerdem kann ich es an deinem Gesicht sehen. Du warst noch nie gut darin, deine Gefühle zu verbergen.« »Dann habe ich eben jetzt meine erste Affäre gehabt. Und ich bin schon darüber hinweg.« Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, aber das ging schließlich wirklich niemanden etwas an. Nicht einmal Ryan. Sie würde es ihm schon zeigen, wenn er heute Nachmittag kam. Sie würde ihm deutlich machen, dass auch sie ihn nicht mehr wollte. Sie würde nicht mehr zulassen, dass er Spielchen mit ihr spielte. Und dann war er vielleicht derjenige, der etwas zu bedauern hatte. Patti nahm ihre Hände und blickte ihr voller Mit gefühl in die Augen. »Hast du heute Abend Zeit? Scott und ich wollten essen gehen. Komm doch mit!« »Danke, Patti. Aber das ist keine gute Idee. Ich hasse es, das fünfte Rad am Wagen zu sein. Wobei ich in diesem Fall wohl eher das dritte wäre.« »Das ist doch Quatsch. Ich werde schon dafür sorgen, dass du dich nicht überflüssig fühlst. Au ßerdem möchte ich gern, dass du ihn besser ken nen lernst.« Pattis derzeitiger Freund war einige Male im Re staurant erschienen, aber Penny hatte nie Gele genheit gehabt, mehr als einige nichts sagende
Worte mit ihm zu wechseln. »Warum? Ist es in dei nem Fall denn etwas Ernstes?« Patti senkte den Blick, und ein Anflug von Röte breitete sich auf ihren Wangen aus. »Ich weiß nicht recht. Möglicherweise.« Penny umarmte ihre Schwester. »Oh, das freut mich aber für dich. Ich finde, dass wenigstens eine von uns ein erfülltes Liebesleben haben sollte.« Patti gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Bist du sicher, dass ich dich nicht überreden kann?« »Wir verschieben es, okay?« Sie wollte Scott besser kennen lernen. Schon deswegen, weil sie sich nicht erinnern konnte, wann Patti das letzte Mal wegen eines Mannes rot ge worden war. Aber jetzt war entschieden der falsche Zeitpunkt dafür. Natürlich lag es nicht daran, dass Ryan heute Abend vielleicht noch bei ihr sein wür de. Nein, sie nahm sich fest vor, dafür zu sorgen, dass er um fünf Uhr ihr Haus verließ. Aber sie wollte Martins Anruf nicht verpassen. Irgendwann musste er sich ja mal melden. Sie wünschte sich nichts mehr, als dieses verrückte Kapitel in ihrem Leben endlich zu schließen und unbelastet ein neues auf schlagen zu können. Wie in den vergangenen Tagen verließ Penny das Two Sisters kurz nach der Mittagszeit. Ryan würde um zwei Uhr bei ihr auftauchen. Zu Hause ange kommen, warf sie erst einmal einen Blick auf den Anrufbeantworter. Fehlanzeige, kein Anruf, kein Martin. Dann schlüpfte sie in eine Jeans. Der Regen hatte angedauert, und es war erwartungsgemäß etwas kühler geworden. Penny knotete ihr T-Shirt,
das ein bisschen feucht geworden war, über dem Bauch zusammen und steckte ihr nasses Haar am Hinterkopf zu einem Knoten. Als Nächstes schaltete sie ihren Computer ein und öffnete die Datei mit ihren Vorschlägen für ein geeignetes System. Sie wollte für die gemeinsame Arbeit mit Ryan vorbereitet sein. Gerade, als sie sich in die Notizen vertiefen wollte, klingelte es an der Tür. Sie holte tief Atem, straffte die Schultern und ging zur Tür, um zu öffnen. Ryan stand auf der Schwelle, senkte seinen Re genschirm und sah so unverschämt gut aus wie immer. Sie trat beiseite und ließ ihn herein. »Wir müssen reden«, sagte er entschlossen, noch bevor er den Schirm weggelegt hatte. »Der Meinung bin ich auch.« »Wir können nicht so weitermachen. Wir müssen einen Ausweg finden.« »Da kann ich wieder nur zustimmen.« »Ich bin dreißig Jahre alt und habe im Moment nichts anderes vor, als beruflich voranzukommen. Ich bin aus dem Alter heraus, in dem ich mich sorg los auf irgendwelche Abenteuer einlassen könnte, sosehr ich das auch möchte, okay?« Sie verdrehte die Augen. »Das ist gut zu wissen. Ich habe auch Neuigkeiten für dich. Nachdem du gestern Abend gegangen bist, habe ich etwas über mich herausgefunden.« »Und das wäre?« »Du hattest Recht. Ich will hemmungslos und wild sein. Ich möchte Spaß in meinem Leben haben und Dinge tun, die ich noch nie getan habe. Und
das Letzte, was ich dabei gebrauchen kann, ist ein Mann, dem das zu viel ist. Das bedeutet, ich will weder Martin noch dich.« Ryan wurden die Knie weich. Sie wollte Spaß haben und ihre wilde Seite herauskehren? Mit ei nem anderen Mann? »Aber wen dann? Soll das heißen, du wirst in Zukunft abends ausgehen und…« »Nein, natürlich nicht!« fauchte sie. »Es ist auch nicht so, dass ich einen speziellen Mann im Sinn habe. Und ich werde meine Freizeit nicht damit verbringen, so einen Mann zu suchen. Aber wenn ich den Richtigen treffen sollte, dann werde ich nicht lange zögern. Jedenfalls, solange er mir nicht weismachen will, dass ich nicht gut für ihn bin.« Ryan hatte das Gefühl, von einem Lastwagen überfahren worden zu sein. Er hatte sich die Sache so einfach vorgestellt. Er wollte klare Verhältnisse schaffen und dann nicht weiter darüber nachden ken. Und nun teilte sie ihm mit, dass sie ihn nicht mehr wollte. Schlimmer noch, sie wollte einen ande ren Mann. Er fuhr sich mit der Hand durch das feuchte Haar. »Es tut mir Leid, dass ich gesagt habe, du wärst nicht gut für mich. Du hast schließlich keine Schuld an meiner Situation. Sieh mal, ich habe in meinem bisherigen Leben nicht besonders viel Selbstdisziplin und Verantwortungsgefühl an den Tag gelegt. Es ist an der Zeit, dass ich es tue. Ich kann mein Leben doch nicht immerzu danach aus richten, was mir gerade Spaß macht. Was für ein Mensch wäre ich dann? Aber wenn ich könnte, Penny, würde ich alles dafür geben, um dir bei der
Entdeckung deiner neuen Seite zu helfen. Das scheint mir nämlich eine ziemlich verlockende Auf gabe zu sein.« Sie legte den Kopf zur Seite. »Wirklich?« Er blickte sie an und nickte. Sie war wieder bar fuss. Ihre niedlichen kleinen Zehennägel waren pink lackiert. Ihre Brüste zeichneten sich deutlich unter dem T-Shirt ab. Er spürte einen heftigen Anflug von Begehren. In ihren schönen Augen stand so viel Vertrauen. Er bereute es nicht, dass er so ehrlich zu ihr gewesen war. Er konnte sie nicht verlassen, oh ne ihr wenigstens den Grund dafür zu nennen. Mit einem Mal stand ihm das ganze Problem deutlich vor Augen. Nachdem sie ihn in der Limou sine verführt hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als die starke, unabhängige Frau in ihr zu sehen, die mit ihm ihren Spaß haben wollte. Aber je näher er sie kennen lernte, umso klarer wurde ihm, dass sie zwar stark und unabhängig, aber auch sanft und verletzlich war. Sie wollte mehr als Sex. Vermutlich war er schon bereit gewesen, ihr zu glauben, dass die Nacht in der Limousine eine ab solute Ausnahme gewesen war. Er hatte angefan gen, mehr in ihr zu sehen als die hemmungslose, sexuell unabhängige Frau. Und jetzt erzählte sie ihm genau das Gegenteil. Er begriff plötzlich, dass sie beides war. Stark und sinnlich, aber auch ver wundbar und an einer tiefer gehenden Beziehung interessiert. Aber diese Erkenntnis nützte ihm wenig. Er konn te Penny nicht haben. Es war einfach unmöglich. »Hast du schon mit Martin geredet?« fragte er, um das Schweigen brechen.
»Nein, ich habe ihm nur kurz auf die Mobilbox gesprochen. Aber er hat noch nicht zurückgerufen.« Er sah sie an und kam nicht umhin, sich zu fra gen, welche Farbe ihr BH wohl heute hatte. »Er meldet sich bestimmt bald.« »Das hoffe ich. Ich möchte diese Geschichte endlich abschließen. Und die Geschichte mit dir auch.« Ryan verspürte einen schmerzhaften Stich bei ih ren Worten. Aber sie hatte Recht. Je früher die Sa che zu einem Ende kam, umso besser war es für ihn. »Ich werde heute nicht bleiben, um mit dir zu ar beiten«, sagte er schnell. »Entschuldige, dass ich dir das nicht früher gesagt habe, aber ich hatte heu te Morgen zu viel zu tun. Ich bin nicht dazu gekom men, etwas Neues für unser Projekt vorzubereiten. Ich wollte mir nur dein Diskettenlaufwerk ansehen.« Er ging an ihr vorbei zum Schreibtisch. Er hielt sich nicht damit auf, den Regenmantel auszuzie hen, denn es würde nicht lange dauern. Sie folgte ihm. Ohne sie anzusehen, kniete er sich hin und zog ein kleines Werkzeug-Set aus der Tasche. Er entfernte die Deckplatte des Computers und rüttelte so lange an der Diskette, bis sie ihm entge genschnellte. Ein Blick auf das Laufwerk zeigte ihm, dass es defekt war. »Es ist kaputt«, sagte er. »Das weiß ich.« »Ich meine, ich habe die Diskette rausgeholt, a ber wenn du eine andere hineinsteckst, wird sie sich wieder verklemmen.« Er nahm sein Notizbuch und schrieb die Typbezeichnung ihres Computers hin ein. »Ich bestelle morgen ein neues Diskettenlauf
werk. Und, wenn ich schon dabei bin, auch ein neues Modem.« »Du musst das nicht tun.« Er stand auf. »Das ist schon in Ordnung. Wenn du Martin erst gesagt hast, dass du ihn nicht heira test, wird er sich vermutlich gar nicht mehr um dei nen Computer kümmern.« Penny seufzte. »Das ist ein Argument. Vielen Dank für deine Hilfe.« Da er nicht wusste, was er sagen sollte, schüttel te er nur abwehrend den Kopf. Er sah sie an und dachte daran, wie einfach es wäre, sie in die Arme zu ziehen und zu küssen. Obwohl sie einige Schritte von ihm entfernt stand, nahm er wieder den Duft ihres Haars wahr. »Ich gehe dann wohl besser.« »Ja«, murmelte sie. »Das solltest du.« Er steckte sein Werkzeug in die Manteltasche und nahm seinen Schirm. An der Tür blieb er ste hen und wandte sich zu ihr um. »Bevor ich gehe, möchte ich noch etwas wissen.« »Ja?« »Dein Shampoo. Wonach riecht es?« »Äh… Mango«, antwortete sie sichtlich befrem det. »Warum?« »Nur so. Ich mag es.« Dann ging er in den Re gen hinaus. Er folgte dem kurzen, schmalen Fußweg, der von Pennys Veranda auf die Straße führte, und spannte wegen des immer noch fallenden Nieselregens sei nen Schirm auf. Ich tue es tatsächlich, dachte er. Ich verlasse sie. Penny, das Sandwich-Mädchen. Penny, die Sexgöttin in der Limousine. Penny, de
ren Haar nach Mango duftet. Inzwischen befand er sich auf der Seitenstraße vor ihrem Haus. Setz einfach einen Fuß vor den anderen. Du kannst es, beschwor er sich selbst. Bei diesem Ge danken erinnerte er sich daran, wie sexy ihre Füße waren. Fast so sexy wie ihr Bauchnabel, auf den er heute unter ihrem verknoteten T-Shirt einen Blick erhascht hatte. Gestern Abend hatte er sehr viel mehr von ihr gesehen und war trotzdem gegangen. Heute reichten ihre nackten Füße und ihr Bauchna bel, um ihn fast in den Wahnsinn zu treiben. Geh einfach weiter, befahl er sich. Du hast es gestern Abend geschafft, du wirst es auch heute schaffen. Da entstand ein verstörendes Bild vor seinem geistigen Auge. Es war Penny in der Limousine, aber diesmal war das Licht angeschaltet. Sie streifte Stück für Stück ihrer Kleider ab, bevor sie sich ritt lings auf den Schoß eines Mannes setzte. Auf den Schoß eines anderen Mannes. Sie blickte in die Augen dieses Mannes, strich mit beiden Händen durch sein Haar und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ryan schluckte hart. Eifersucht überflutete ihn wie eine giftige Welle. Ganz zu schweigen von der fast wütenden Erregung, die sich unterhalb seiner Gürtellinie bemerkbar machte. Diese Frau brachte ihn noch um den Verstand. »Verdammt«, murmelte er, blieb stehen und blickte sich um. Er war an sei nem Wagen vorbeigegangen, ohne ihn zu bemer ken. »Verdammt, verdammt.« Er ging zurück, bis er auf der Höhe seines Autos war. Aber er hielt nicht an. Das Problem war, dass er Penny mehr begehrte als jemals zuvor eine Frau.
Einige Sekunden später stand er vor ihrer Haus tür und presste den Finger auf den Klingelknopf. Er konnte hören, wie das Blut in seinen Ohren rausch te. Penny öffnete die Tür und sah ihn fragend an. »Ich bin wieder da«, sagte er. »Warum?« »Weil ich nicht anders kann.« Ihre Augen weiteten sich, und sie blieb für einen kurzen Moment unschlüssig stehen. Dann biss sie sich auf die Unterlippe und trat zur Seite. »Komm herein.«
6. KAPITEL Ryan betrat den Flur. Der Blick aus Pennys Au gen traf ihn bis ins Mark. Was sie in der Limousine miteinander angestellt hatten, war der Himmel auf Erden gewesen. Aber damals hatte er nicht in ihre schönen Augen sehen können. Er war dabei, seine Karriere für einen Blick in diese Augen aufs Spiel zu setzen. Und es kümmerte ihn noch nicht einmal. Er ließ den Schirm auf den Boden fallen und trat einen Schritt auf sie zu. Ohne ein Wort umfasste er ihr Gesicht mit den Händen und küsste sie. Seine Berührung war zärtlich, sein Kuss war es nicht. Er fühlte sich wie ein Mann, der die Wüste durchquert hatte und sein erstes Glas Wasser trank. Als er seine Lippen von ihren löste, lächelte sie ihn an. »Du hast nichts zurückgehalten.« »Was?« »Ich meine, damals in der Limousine hatte ich den Eindruck, du würdest dich irgendwie zurückhal ten. Obwohl du mich mit deinen Küssen fast um den Verstand gebracht hättest, war mir so, als ob es da noch mehr gäbe. Etwas, das du nicht preisgeben wolltest.« »Ich war eben nicht auf dich vorbereitet. Und ei gentlich bin ich es immer noch nicht.« Sie ballte die Hände zu Fäusten und legte sie auf seine Brust. »Ich will nicht, dass du jetzt irgendet was zurückhältst, Ryan.« »Keine Sorge. Selbst wenn ich wollte, könnte ich es nicht.«
Während er sie erneut küsste, streifte sie ihm den Regenmantel von den Schultern. Dann ließ sie sein feuchtes Jackett folgen. Als auch das über den Mantel auf den Boden des Flurs gefallen war, machte sie sich an seiner Krawatte zu schaffen. Er atmete heftig, während er sich mit den Händen den Weg über ihre Hüften zu ihren Brüsten bahnte. Ihr leises Stöhnen steigerte seine Erregung. Er drückte sie gegen die Wand, umfasste sie und ging auf in der Hitze ihrer aneinander gepressten Körper. Er küsste sie mit all dem Verlangen, das sich in den letzten Tagen in ihm angesammelt hatte. Dabei wusste er, dass er nicht eher gehen würde, als bis sie ihm alles gegeben hatte, was sie geben konnte. Als er ihr in die Augen blickte, sah er die ganze, unverhüllte Wahrheit in ihnen. Dies hier bedeutete ihr etwas. Er hatte auch vorher geahnt, dass sie nicht zu den Frauen gehörte, die Sex auf die leichte Schulter nahmen. Aber er hatte ihre Gefühle doch unter schätzt. Sie war zwar berauscht davon, ihre Sexua lität zu entdecken, aber sie war auch mit dem Her zen dabei. Eine andere Wahrheit war, dass er jetzt nicht mehr die Kraft aufbringen würde zu gehen. Diese Frau zog ihn an wie ein Magnet. Ob es daran lag, dass sie ihm auch etwas bedeutete, konnte er nicht entscheiden. Er konnte überhaupt nicht mehr klar denken. Er wollte sie, mit Haut und Haaren. Das war alles, was im Moment zählte. Er löste den Knoten ihres T-Shirts und zog es ihr aus. Sie trug einen verführerischen königsblauen BH, aus dem die Rundungen ihrer Brüste ihm verlo
ckend entgegenschwellten. »Du bist so sexy«, flüs terte er. Als er ihren Hals und ihre Schultern mit kleinen, zarten Küssen bedeckte und gerade dabei war, ihr die Träger des BHs abzustreifen, schlang sie die Arme um seinen Hals. »Ryan, geh heute nicht, bit te.« »Das werde ich nicht. Ich verspreche es.« Penny hasste sich dafür, dass sie ihn gebeten hatte zu bleiben. Sie war ihrem Entschluss nicht treu geblieben. Aber als er zum zweiten Mal vor ihrer Tür stand, hatte sein Anblick ihre Wider standskräfte restlos vernichtet. Natürlich traf es im mer noch zu, dass er nicht der richtige Mann für sie war, weil er nicht dasselbe wollte wie sie. Die Ge fühle, die sie ihm entgegenbrachte, waren jedoch so überwältigend, dass sie ihnen nachgeben musste. Zumindest für den Moment. Er hielt sie fest und küsste sie. Sie spürte, wie seine Lippen sanft die ihren streiften. Dabei strei chelte er zärtlich ihren Rücken. Nach einem weiteren, endlosen Kuss löste Pen ny sich behutsam aus seiner Umarmung, knöpfte sein Hemd auf und zog es ihm aus. Mit geschlosse nen Augen ließ sie ihre Hände über die glatte Haut seiner muskulösen Brust gleiten. Dann schlug sie die Augen auf, um ihn anzublicken. »Du bist so schön«, sagte er leise. »Ich will dich, Penny. So sehr, dass es schmerzt.« »Keine Sorge«, flüsterte sie zurück. »Ich bin si cher, dass ich dich von deinen Schmerzen befreien kann.« Sie konnte kaum glauben, dass sie das ge sagt hatte. Es war ebenso frivol wie herausfordernd.
Aber es passte zu dem, was sie gerade tat. Sie war schließlich dabei, ihre neu entdeckte Seite auszule ben. Da musste sie vermutlich auf noch mehr Über raschungen gefasst sein. Als er begann, ihre Jeans aufzuknöpfen, hielt sie den Atem an. Das unverhüllte Verlangen in seinen Augen jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Es dauerte ein paar Sekunden, bis das Klopfen an der Tür in ihr Bewusstsein drang. Ryan erstarrte. »Ich werde nicht hingehen«, wisperte sie. »Wer auch immer das sein mag, er wird wieder ver schwinden.« Das Klopfen wiederholte sich, diesmal begleitet von einer Stimme. »Komm schon, Pen. Ich weiß genau, dass du zu Hause bist.« Penny stöhnte auf. »Oh nein! Es ist Patti. Sie weiß wirklich, dass ich hier bin. Mein Auto steht vor der Tür, und ich habe ihr gesagt, dass wir heute wieder am Computer arbeiten wollen.« Ryan ließ resigniert die Schultern sinken. »Ich sehe zu, dass ich sie loswerde«, sagte Pen ny und warf einen ärgerlichen Blick zur Tür. »Penny?« rief Patti und klopfte ein drittes Mal. »Beeil dich«, flüsterte Ryan. »Komme gleich«, rief Penny, streifte ihre BHTräger wieder hoch und hob ihr T-Shirt auf, um es anzuziehen. In diesem Moment ging die Tür auf, und Patti stürmte herein, gefolgt von Scott. »Scott ist heute früher von der Arbeit gekommen. Wir haben beschlossen…« Patti erstarben die Wor te auf den Lippen, als sie Penny und Ryan erblickte.
Penny wünschte sich, der Boden würde sich auf tun und sie verschlucken. Sie konnte Scotts neugie rige Blicke förmlich spüren. Er hatte vermutlich schon viele Frauen in Unterwäsche gesehen, aber bestimmt noch nie so unverhofft. Außerdem kannte sie diesen Mann kaum. Krampfhaft presste sie ihr T-Shirt vor die Brust. »Ich sagte, dass ich gleich komme«, bemerkte sie spitz. Patti senkte betreten den Blick. »Entschuldige. Ich habe ,komm herein’ verstanden. Wir wollten nur fragen, ob du nicht doch heute Abend mit uns aus gehen willst. Es hätte ja sein können, dass du deine Meinung geändert hast. Aber wie es aussieht, ist das wohl nicht der Fall.« »Richtig. Sie ist ziemlich beschäftigt«, erklärte Ryan, weil Penny die beiden Eindringlinge nur sprachlos anblickte. »Es tut mir Leid«, sagte Patti und ging rückwärts zur Tür. Dabei stieß sie mit Scott zusammen, der hinter ihr stand und mit verlegenem Lächeln seine Schuhe betrachtete. »Also dann, auf Wiederse hen.« Penny wartete, bis die Tür sich hinter den beiden geschlossen hatte. »Ich kann nicht glauben, was da eben passiert ist.« Sie warf einen Blick auf Ryan und machte sich auf das gefasst, was jetzt kommen musste. Er wür de seine Meinung ändern und gehen. Aber er strich ihr nur eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht und sagte: »Ach, komm schon, Penny. Eigentlich ist überhaupt nichts passiert.«
Er umfasste sie und zog sie an sich. Sein zärtli cher Kuss beruhigte Penny. Sie hatte sich geirrt. Diesmal würde er wirklich nicht gehen. Als ob nichts passiert wäre, zog er den Reißver schluss ihrer Jeans nach unten. Dann streifte er ihr den blauen Stoff von den Hüften. Penny ließ das TShirt fallen, stieg aus ihren Jeans und schmiegte sich an ihn. Sie hatte Patti und Scott fast schon ver gessen. »Ich habe nicht vor, auf halbem Weg umzukeh ren«, flüsterte Ryan und küsste sie erneut. Dann ließ er seine Lippen über ihren zarten Hals und den Ansatz ihrer Brüste gleiten. Mit einer ge schickten Handbewegung öffnete er den Verschluss ihres BHs und warf ihn auf den Boden. Er liebkoste ihre Brüste mit Händen und Lippen. Penny zitterten die Knie vor Erregung. Sie lehnte sich an die Wand und schloss für einige Sekunden die Augen. Ja, sie wollte diesen Mann. Und sie vertraute ihm. Sie woll te seine Geheimnisse mit ihm teilen, alles über sei ne Vergangenheit erfahren und seine Pläne für die Zukunft kennen lernen. Und sie wollte Teil seiner Zukunft werden. Er richtete sich auf und umfasste ihr Gesicht. »Erzähl mir etwas über deine Fantasien, Penny. Ich möchte dafür sorgen, dass sie alle wahr werden.« Sie biss sich auf die Lippen. Diese Vorstellung war aufregend und beängstigend zugleich. Und wenn sie ihre Angst einfach überwand? Was konnte denn schon passieren? Nur wilder, leidenschaftli cher und hemmungsloser Sex. Mit diesem Mann. War es nicht das, was sie wollte?
»Gestern Abend, nachdem du gegangen warst«, hörte sie sich sagen, »habe ich ein Bad genommen. Ich war wütend auf dich, und trotzdem habe ich mir gewünscht, dass du da wärst. Ich stellte mir vor, was du in der Badewanne mit mir tun würdest.« Ohne ein Wort hob Ryan sie hoch und trug sie ins Bad. Es dauerte nicht lange, bis sie sich gegenüber im heißen Wasser saßen. Vielleicht, dachte Penny in einem Anflug von Panik, geht das alles doch zu schnell. Plötzlich fürchtete sie sich vor dieser Art von Intimität. Damals in der Limousine war es dun kel gewesen, und sie hatte gedacht, dass sie den Mann kennen würde, mit dem sie Sex hatte. Ihr war zu Mute, als ob dies hier das erste Mal wäre. Das erste Mal mit Ryan. Ryan lehnte sich zurück und lächelte sie zärtlich an. »Also, gestern Abend, da hast du dir uns beide in der Badewanne vorgestellt. Was habe ich denn genau getan?« »Du hast mich mit dem Schwamm gewaschen«, flüsterte Penny kaum hörbar. Er wurde ernst, nahm den Schwamm vom Wan nenrand und tränkte ihn mit Pennys nach Pfirsich duftendem Duschgel. Dann warf er ihr einen auffor dernden Blick zu. Penny richtete sich auf und kniete sich zwischen seine Beine. Der Schwamm, den er ihr über Arme, Bauch und Brüste gleiten ließ, wusch Angst und Zweifel weg. Penny legte den Kopf in den Nacken und gab sich den wilden und aufregen den Gefühlen hin, die Ryans Berührungen in ihr auslösten. Sie stöhnte auf, als sie den Schwamm
auf ihren Oberschenkeln und zwischen den Beinen spürte. »Wie ist das?« fragte er leise. »Ist es so wie in deiner Fantasie?« »Besser.« »Dann sag mir, was als Nächstes kommt.« Sie beugte sich über ihn, bis sie seine Erregung in dem heißen Schaumbad fühlen konnte. »Sex.« Ryan seufzte auf, umfasste ihre Hüften mit nas sen Händen und zog sie auf sich. Sie ließ sich nie dersinken und vergaß zu atmen, als sie ihn eindrin gen spürte. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie es in ihrer ersten Nacht gewesen war. Aber jetzt war es etwas völlig Neues. Während sie begann, sich kreisend auf ihm zu bewegen, sah sie ihm in die Augen. Die ganze Zeit über ließen sich ihre Bli cke nicht los. Es war, als wären nicht nur ihre Kör per miteinander vereint. Erst, als sie in einem wilden Aufbäumen den Höhepunkt erreichten und lustvoll aufstöhnten, schloss Penny für einen kurzen Mo ment die Augen. Ryan küsste sie lange und zärtlich. Ohne ein Wort zu sagen, stieg er aus der Wanne und hob sie in seine Arme, um sie ins Schlafzimmer zu tragen. Dort legte er sie aufs Bett, drückte ihre Beine auseinander und kniete sich dazwischen. »Jetzt kommt meine Fantasie«, flüsterte er, beugte sich vor und bahnte sich mit dem Mund den Weg zu der intimsten Stelle ihres Körpers. Penny biss sich auf die bebenden Lippen und umfasste mit beiden Händen die Verstrebungen am Kopfende ihre Messingbettes. Die glühende Lust, die das ero tische Spiel seiner Fingerspitzen und Lippen in ihr
entfachte, war fast mehr, als sie ertragen konnte. Als sie diesmal den Höhepunkt erreichte, löste sich ein heiserer Schrei aus ihrer Kehle. Während die zuckenden Wellen durch ihren Körper liefen, traten Tränen in ihre Augen. Schluchzend drehte sie sich zur Seite, als Ryan sich neben sie legte. Sie sah ihn an und wusste plötzlich, dass sie viel zu weit gegangen war. Ich liebe ihn, dachte sie ent setzt. Sie wollte es ihm sagen, aber irgendetwas hielt sie zurück. Das konnte doch nicht wahr sein. Nicht jetzt schon. Um sich selbst davon abzuhalten, die drei gefährlichen Worte auszusprechen, flüsterte sie: »Lass es uns noch einmal tun.« Ryan ließ sich auf sie gleiten und drang in sie ein. Sie umschlang ihn und lächelte ihn an. »Es ist das erste Mal, dass wir es in einem Bett machen.« »Das entspricht nicht deinen Fantasien, nehme ich an.« »Doch«, flüsterte sie, während sie sich dem Rhythmus seiner Bewegungen hingab. »Oh doch.« Als Penny erwachte, lag sie in Ryans Armen. Sie richtete sich behutsam auf und betrachtete sein schlafendes Gesicht. Mit einem zärtlichen Lächeln studierte sie die entspannte Linie seines Mundes, die dunklen Wimpern und das zerzauste Haar. Während sie seinen Atemzügen lauschte, wurde die Gewissheit, dass sie ihn liebte, immer stärker. Der Gedanke daran, was sie gemeinsam erlebt hatten, überwältigte sie fast. So eine intensive Erfahrung hatte sie noch nie zuvor gemacht. Er öffnete die Augen. »Hallo«, sagte sie.
Er lächelte. »Hi.« Sie schluckte nervös. Dies hier war der Moment danach, und sie befürchtete, er könnte alles bereu en. »Wie fühlst du dich?« »Gut.« Er grinste und zog sie an sich. »Absolut entspannt und zufrieden. Und du?« »Genauso.« »Es ist wunderbar, dir beim Ausleben deiner Fan tasien behilflich zu sein«, sagte er und küsste sie auf die Stirn. »Wirklich?« »Aber ja«, murmelte er und umschloss die Spitze ihrer Brust mit den Lippen. Erleichtert lachte sie auf. »Sag mal, hast du ei gentlich gar keinen Hunger?« Er sah ihr in die Augen. »Doch. Und wie. Ehrlich gesagt habe ich den ganzen Abend lang an deine Sandwichs gedacht. Neben anderen Dingen natür lich.« »Was hältst du davon, wenn ich uns ein paar mache? Es dauert nur eine Minute.« »Abendessen im Bett. Daran könnte ich mich glatt gewöhnen.« Es gefiel ihr nicht besonders, seine Umarmung zu verlassen und diesen wundervollen Moment zu zerstören. Aber sie hatte ebenfalls Hunger. Und außerdem war es an der Zeit, wieder in die Realität zurückzukehren. Dies hier war nichts weiter als eine Affäre. Damit musste sie sich abfinden. Sie stand auf und schlüpfte in einen seidenen Kimono, der an einem Haken am Kleiderschrank hing. Dann verließ sie den Raum in Richtung Kü che. Einige Minuten später kehrte sie mit einem
Tablett zurück. Darauf standen ein Teller mit Sand wichs, eine Schale mit Kartoffelchips und zwei Glä ser Milch. »Hoffentlich trinkst du gern Milch«, sagte sie, als sie das Tablett aufs Bett stellte. »Oh ja! Nichts passt besser zu Sandwichs.« Während sie aßen, unterhielten sie sich über ihre berufliche Situation, ihre Familien, über Haustiere, die sie früher gehabt hatten, und über die Fernseh sendungen, die sie als Kind am liebsten gesehen hatten. Penny saugte jede noch so kleine Informati on über ihn begierig auf. Gleichzeitig hatte sie Angst, es könnte das letzte Mal sein, dass sie ein solches Gespräch führten. Vermutlich redete man nach dem Sex über diese Dinge, wenn man eine Affäre hatte. Und dann ging man nach Hause und dachte nicht mehr daran. Es war angenehm, amüsant und hatte nichts weiter zu bedeuten. Dieser Gedanke machte Penny traurig. »Ich hoffe, deine Schwester steht nicht auf Mar tins Seite«, sagte Ryan unvermittelt. Sie schüttelte den Kopf. »Ganz im Gegenteil. Sie ist total aus dem Häuschen vor Freude, dass ich ihn nicht heiraten will. Ich habe ihr auch schon von uns erzählt. Sie war also nicht völlig überrascht, als sie uns auf frischer Tat ertappt hat.« »Du hast ihr von uns erzählt?« »Nicht alles. Von der Limousine habe ich kein Wort gesagt. Nur, dass wir… so eine Art Affäre ha ben.« Bestürzt sah er sie an. »Sie wird doch wohl Mar tin nichts davon sagen?«
»Natürlich nicht. Sie versteht das Problem vollkommen. Ich meine, das Problem mit deinem Job. Es ist doch noch da, oder?« »Um ehrlich zu sein, habe ich jetzt keine Lust, darüber nachzudenken.« »Als Patti hier hereinplatzte, habe ich befürchtet, du könntest es dir anders überlegen und wieder gehen«, sagte sie leise. »Und ich befürchte, ich hätte es mir nicht anders überlegen können, selbst wenn Martin hereinspa ziert wäre.« Penny musste lachen. Ryan verspeiste sein letztes Sandwich und schloss genießerisch die Augen. »Das war lecker. Und es kam genau zum richtigen Zeitpunkt.« Dann drehte er sich auf die Seite und blickte sie ernst an. »Ich glaube, ich sollte jetzt gehen. Ich habe noch viel Arbeit zu erledigen.« »Oh«, sagte Penny. »Ja, natürlich.« Wider bes seres Wissen hatte sie gehofft, er würde die ganze Nacht bei ihr bleiben. Sie senkte den Blick und kletterte aus dem Bett. Ryan folgte ihr. Schweigend sammelten sie die auf dem Boden verstreuten Kleidungsstücke auf und zogen sich an. Dann standen sie noch einen Mo ment lang an der Tür. Ryan küsste sie zum Ab schied sanft auf den Mund. »Bis morgen also. Ich fürchte, wir müssen dann tatsächlich ein bisschen arbeiten. Sonst wird dein Computersystem nie fer tig.« Sie zog die Mundwinkel nach unten und nickte. Wie die Dinge standen, hatte sie herzlich wenig
Sinn für diese Sache. Aber es musste wohl sein. »Hört sich gut an.« »Und, Penny«, sagte er, während er die Klinke herunterdrückte. »Du und ich in der Badewanne und im Bett, das war…« »Ja?« fragte sie mit klopfendem Herzen. Wollte er ihr sagen, dass das nie wieder vorkommen durf te? »Atemberaubend. Ich bin froh, dass ich zurück gekommen bin.« Mit einem letzten Lächeln öffnete er die Tür und trat hinaus. Sie blieb auf der Veranda stehen und beobachtete, wie er zu seinem Wagen ging. Nachdem sie die Tür geschlossen hatte, ließ sie sich auf die Couch fallen und drückte ein Kissen an die Brust. Sie war traurig und glücklich zugleich. Mit geschlossenen Augen lehnte sie sich zurück und ließ jeden einzelnen Moment dieses Abends Revue passieren. Ja, Ryan hatte Recht. Es war wirklich atemberaubend gewesen. Und atemberaubend wa ren auch die Gefühle, die sie für ihn hegte. Sie hatte sich in diesen Mann verliebt, der Tatsache musste sie ins Auge sehen. Und sie musste sich auch im Klaren darüber sein, dass es vermutlich keine Fortsetzung geben würde. Zumindest so lange nicht, wie Ryan in Mar tins Firma arbeitete.
7. KAPITEL »Hier ist die Mobilbox von Martin Schuster. Sie können mir nach dem Ton eine Nachricht hinterlas sen.« Penny stieß einen tiefen Seufzer aus und knallte den Hörer auf das Telefon im Büro des Restau rants. Sie hatte das Gefühl, dass ihr Leben im Mo ment einer kaputten Schallplatte glich. Alles schien sich ständig zu wiederholen. Alles, bis auf die Tat sache, dass Ryan gestern Abend zur Abwechslung mal nicht gegangen war, ohne vorher mit ihr zu schlafen. Aber das war auch der Grund dafür, dass sie dringender denn je mit Martin sprechen wollte. Die se Geschichte mit dem Heiratsantrag wuchs sich allmählich zu einem Albtraum aus. Sie blickte auf ihre Uhr. Es war fast neun. Das hieß, dass es in Las Vegas beinah sechs Uhr war. Vermutlich schlief Martin noch und hatte das Handy nicht eingeschal tet. Sie konnte kaum glauben, dass es bereits Don nerstag war. Es war eine Woche vergangen, seit sie zuletzt mit ihm gesprochen hatte. Obwohl sie wuss te, dass für Martin die Firma immer an erster Stelle kam und er vermutlich viel zu tun hatte, fand sie sein Verhalten allmählich befremdlich. Sie konnte förmlich hören, was er sagen würde, wenn er sich endlich meldete: »Penny, ich entschuldige mich vielmals dafür, dass ich nicht früher angerufen ha be. Aber ich war so sehr mit dieser Konferenz be schäftigt, dass ich keine Minute für mich hatte.«
»Hallo, bist du da?« drang von draußen Pattis Stimme in ihre Gedanken. »Ja«, antwortete sie und machte die Tür auf. »Was ist denn los? Warum versteckst du dich im Büro?« »Ich habe mal wieder versucht, Martin auf sei nem Handy zu erreichen. Leider vergebens.« Patti grinste. »Martin ist nicht direkt der Mann, über den ich jetzt etwas hören möchte. Na los, komm schon, erzähl mir alles.« »Da gibt es nichts zu erzählen.« »Da gibt es nichts zu erzählen?« Patti schnitt ei ne Grimasse. »Hör mal, du könntest mir zumindest sagen, woher du diesen blauen BH hast. Ich hatte schon Angst, der arme Scott bekäme einen Herzan fall.« Pennys Wangen färbten sich rot. »Ich war auch kurz vor einer Herzattacke. Ich habe keine Ahnung, wie ich diesem Menschen jemals wieder ins Gesicht sehen soll. Aber ich wette, du platzt nie mehr so einfach in mein Haus, oder?« Sie blickten sich an und brachen in lautes Ge lächter aus. Nachdem sie sich einigermaßen beru higt hatten, startete Patti einen neuen Versuch: »Du musst mir wenigstens erzählen, ob dein Computer typ gut im Bett war.« Penny zögerte kurz. »Ja, also«, sagte sie dann. »Er war genauso gut, wie er aussieht.« »Dann bist du ja auf deine Kosten gekommen«, meinte Patti mit einem frivolen Lächeln. »Aber was ist denn mit dir los? Du bist auf einmal so verän dert.« »Was meinst du damit?«
»Hör mal, Pen, mit einem Mann zu schlafen, den du kaum kennst, das sieht dir gar nicht ähnlich. Und noch dazu in deinem Flur!« »Wir haben es nicht im Flur getan, sondern in der Badewanne.« Patti kicherte. »Na, das ist natürlich etwas ganz anderes!« Dann wurde sie plötzlich ernst. »Ich finde das alles sehr merkwürdig. Es kommt mir vor, als ob ich einer ganz neuen Penny gegenüberstehe.« »Das ist vermutlich auch so. Ich habe da etwas in mir entdeckt, das ich noch nicht kannte. Ich sehe plötzlich alles viel lockerer als vorher. Und ich finde es toll, dass ich jetzt auch mal eine Affäre habe.« »Ich glaube dir kein Wort.« »Was?« »Gleichgültig, was du auch immer an dir entdeckt haben magst. Du bist nicht die Frau, die Affären hat.« »Patti, das Problem ist, dass es nicht mehr als eine Affäre sein kann. Und das habe ich akzep tiert.« Jedenfalls hoffe ich das, setzte sie im Stillen dazu. »Ich verstehe. Du hast dich in ihn verliebt, aber er hat immer noch diesen Komplex wegen seines Jobs.« »Es ist kein Komplex. Martin würde ihn wahr scheinlich feuern, wenn er die Wahrheit herausfän de. Zumindest würde es ihre Beziehung verschlech tern.« »Aber er kann sich doch eine neue Stelle su chen.« »Sicher. Er gibt einen Arbeitsplatz auf, für den er extra umgezogen ist, damit er mit einer Frau schla
fen kann, die er kaum kennt. Das ergibt doch keinen Sinn.« »Immerhin hat er mit dir geschlafen.« Penny schüttelte abwehrend den Kopf. »Wir le ben im einundzwanzigsten Jahrhundert. Solche Dinge kommen vor. Er ist nicht verpflichtet, mir ei nen Antrag zu machen, nur weil ich ihn in meine Badewanne eingeladen habe.« Unbehaglich beobachtete Penny die Besorgnis und das Mitgefühl in Pattis Gesicht. »Mach dir keine Sorgen, Patti. Ich schaffe das schon.« Ihr blieb nichts anderes übrig. Sie hatte sich auf Ryan eingelassen, ohne nach den Konse quenzen zu fragen. »So, wie ich die Sache ein schätze, ist es ohnehin schon vorbei. Und wenn es so ist, dann werde ich eben ohne ihn weiterleben.« Als das Telefon klingelte, nahm Penny schnell den Hörer ab. Sie hoffte, dass Martin sich endlich meldete. »Two Sisters Pub, Penny Halloran.« »Hi, Penny. Hier ist Grace.« Penny unterdrückte einen Seufzer. »Hallo, Gra ce, was gibt es?« »Ich möchte Frühstück bestellen.« »Oh, Frühstück. Das ist ja mal was ganz Neues.« Schuster Systems bestellte jeden Tag fünf bis zehn Lunchpakete, aber bisher niemals Frühstück. »Ich weiß«, sagte Grace lachend. »Aber Eve, Ryan und ich haben gerade einstimmig festgestellt, dass wir am Verhungern sind. Ein paar Muffins wä ren uns jetzt mehr als recht. Wir hätten gern zwei Mal Apfel, zwei Mal Schoko und ein Mal Kirsch.« Penny kritzelte die Bestellung auf einen Notiz block. Sie stellte sich vor, wie Ryan neben Grace
stand und dem Telefonat zuhörte. »Ich habe es. Ist das alles?« »Ja. Ich komme in fünf Minuten, um die Muffins abzuholen.« »Ich kann sie euch bringen«, bot Penny an. »Bist du sicher?« »Ja, im Moment ist nicht viel los. Also, bis gleich.« Nachdem sie aufgelegt hatte, warf sie einen Blick auf Patti, die kopfschüttelnd dastand. »So, es ist also nur eine Affäre.« »Ich gehe nicht hin, um ihn zu sehen. Ich gehe nur, weil ich nett sein will.« Das stimmte zum Teil sogar. Sie war mit Grace befreundet und wusste, dass sie am Vormittag immer viel zu tun hatte. So war es überhaupt dazu gekommen, dass Penny immer die Sandwichs in die Firma brachte. Grace war mehrmals hintereinander kaum in der Lage ge wesen, sie abzuholen, weil die Telefone andauernd geklingelt hatten. Also hatte Penny vorgeschlagen, die Lunchpakete zu liefern. Fünf Minuten später stellte sie die Papiertüte auf den Empfangstisch von Schuster Systems und lä chelte Grace an. Alles war ganz normal. »Zwei Mal Apfel, zwei Mal Schoko und ein Mal Kirsch.« »Oh, das ging aber schnell«, meinte Grace aner kennend. »Bei Muffins geht es immer schneller als bei Sandwichses.« In diesem Moment trat Ryan aus einem der Räume hinter dem Empfangsbereich. Er trug einen Stapel Disketten in der Hand. Er sah auf, erblickte Penny und blieb stehen.
»Oh, hallo.« Plötzlich war gar nichts mehr normal. Penny schlug das Herz bis zum Hals. Sie sah in sein lä chelndes Gesicht und wollte sein Lächeln schon erwidern, als sie sich daran erinnerte, dass Grace sie beobachtete. »Hallo«, sagte sie nur. »Ich habe die Muffins gebracht.« »Das ist sehr nett. Vielen Dank.« Dann ging er weiter. »Ich wette«, sagte Grace, als Ryan verschwun den war, »du bist schon ganz aufgeregt, dass Mar tin bald zurückkommt.« Penny zuckte innerlich zusammen. »Äh, ja. Sag mal, hast du irgendetwas von ihm gehört, seit er abgereist ist?« Grace schüttelte den Kopf. »Nein, aber daran ist nichts Ungewöhnliches. Er steckt wahrscheinlich bis zum Hals in Arbeit und hat ganz einfach vergessen anzurufen. Außerdem weiß er«, fügte sie mit einem Anflug von Stolz hinzu, »dass ich mich in seiner Abwesenheit um alles kümmere.« »Dann findest du es nicht merkwürdig, dass er sich bei mir auch noch nicht gemeldet hat?« »Eigentlich nicht. Ich glaube, er will dir einfach Zeit zum Nachdenken geben.« Penny wusste, dass Martin Grace vor seiner Ab reise von seinem Heiratsantrag erzählt hatte. Grace arbeitete seit der Firmengründung für ihn, und sie pflegten ein sehr freundschaftliches Verhältnis. »Das ergibt Sinn«, sagte Penny. »Allerdings ha be ich ihn auf seiner Mobilbox um einen Anruf gebe ten.«
»Ich würde mir keine Sorgen machen. Es ist be stimmt so, wie ich gesagt habe. Wahrscheinlich hat er so viel Stress, dass er noch nicht einmal seine Nachrichten abgehört hat.« Penny nickte. »Ja, das habe ich auch schon vermutet.« »Ich bin sicher, dass er pausenlos an dich denkt«, sagte Grace mit einem aufmunternden Lä cheln. »Bestimmt hofft er, dass er dir einen Ring an den Finger stecken kann, sobald er zurück ist.« Das ist es gerade, was ich befürchte, dachte Penny. »Danke, Grace. Bis bald.« Ryan fühlte sich großartig, als er auf Pennys Haus zuging. Dabei wusste er genau, dass er sich nicht großartig fühlen sollte, sondern eher erbärmlich. Und es war auch nicht so, dass er sich keine Sor gen mehr um seinen Job machte, ganz im Gegen teil. Aber der Abend mit Penny war so unglaublich gewesen, dass er nicht anders konnte, als sich gut zu fühlen. Er konnte sich nicht erinnern, jemals eine Frau wie Penny getroffen zu haben. Natürlich, es hatte eine Reihe von Frauen in seinem Leben gegeben. Schöne, kluge und erfolgreiche Frauen. Aber ir gendetwas hatte in seinen Beziehungen immer ge fehlt. Er wusste nicht recht, was. Nähe? Wärme? Vertrauen? Mit Penny hatte er in der kurzen Zeit, die sie sich kannten, mehr gesprochen als mit jeder anderen Frau. Gestern, nachdem sie miteinander geschlafen hatten, war es wieder passiert. Sie hatten über alles Mögliche geredet. Das war so wunderbar gewesen,
dass es ihm schwer gefallen war zu gehen. Er hatte es trotzdem getan, weil es ihm vernünftig vorge kommen war. Wenn an dem gestrigen Abend über haupt etwas Vernünftiges gewesen war. Er hatte immer noch keine Lösungen für seine Probleme, aber er war gestern Nacht mit der Arbeit an ihrem System gut vorangekommen. Das war besser als nichts. Als Penny ihm die Tür öffnete, machte ihr Anblick ihn sprachlos. Sie trug kurze Shorts und ein knallrotes Top, unter dem sich ihre Brüste deutlich abzeichneten. Das blonde Haar fiel ihr in weichen Wellen auf die Schul tern. »Hi«, sagte sie und lächelte. »Hi«, murmelte er. »Du siehst hinreißend aus.« »Vielen Dank.« Sie wurde rot wie ein unschuldi ges Schulmädchen. Er wusste, was sich hinter dieser Unschuld verbarg. Und dieses Wissen war verantwortlich da für, dass sein Verlangen nach ihr sich mit jeder Se kunde steigerte. Er trat auf sie zu, schlang die Arme um ihre Taille und zog sie an sich. Dann senkte er den Mund auf ihre Lippen. Als sie seinen Kuss vol ler Leidenschaft erwiderte, spürte er das Blut in sei nen Adern rauschen. »Sag mal«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Was für ei nen BH hast du heute an?« »Das wüsstest du wohl gern«, gab sie mit einem koketten Lächeln zurück. Von Unschuld war nun nichts mehr zu spüren. Sie war plötzlich die sinnli che, verführerische Penny, die vorhatte, ihn in den
Wahnsinn zu treiben. Er streifte eine Seite ihres Tops beiseite und legte einen dunkelroten BHTräger frei. »Kann ich den Rest davon sehen?« fragte er heiser. Sie blinzelte amüsiert. »Jetzt?« Er schloss resigniert die Augen. »Du hast Recht. Wir müssen uns an die Arbeit machen.« Sie nickte. »Ich finde die Idee mit dem BH aus gesprochen anregend. Aber wir sollten wirklich et was tun. Immerhin haben wir gestern geschwänzt.« Ryan war überrascht, wie leicht sie zur Normalität zurückfanden. Aber sie mussten nicht mehr so tun, als ob zwischen ihnen nichts wäre, und der Abend war ja noch lang. Ihm war klar, dass er dabei war, sich mit Haut und Haaren auf Penny einzulassen. Und er war sich dessen bewusst, dass Martin in wenigen Tagen zurückkommen würde. Das war ihm im Moment jedoch völlig gleichgültig. Er fühlte sich einfach zu gut, um sich Sorgen über die Zukunft zu machen. »Heute ist ein Computer für mich in die Firma geliefert worden«, sagte er, während er sich an den Schreibtisch setzte. »Bei dieser Gelegenheit habe ich ein Diskettenlaufwerk und ein Modem für dich bestellt.« Sie setzte sich neben ihn und legte die Hand auf seine Wange. »Danke.« »Das ist nichts, wofür du dich bedanken müss test. Es sind nur Computerteile.« »Das meinte ich nicht. Obwohl ich dir dafür auch dankbar bin. Ich wollte mich für den Kuss bedan ken. Ich hatte Angst, dass du den gestrigen Abend
bereuen könntest. Ich habe mich davor gefürchtet, heute wieder den distanzierten und zurückhalten den Ryan vor mir zu sehen.« »Soweit es dich betrifft, gibt es keine Distanz und Zurückhaltung mehr für mich. Meine Selbstkontrolle ist dahin. Ich habe aufgegeben.« Sie lächelte. »Ein Mann, der mir ausgeliefert ist. Das gefällt mir.« Er erwiderte ihr Lächeln. »Da kann ich wohl nur noch um Gnade bitten.« Er küsste sie noch einmal und wandte dann sei ne Aufmerksamkeit dem Computer zu. »Was tust du?« wollte sie wissen. »Ich installiere deinen Drucker neu«, antwortete er und beendete das Installationsprogramm. »Öffne doch mal die Datei mit deinen Notizen. Dann sehen wir, ob es funktioniert.« Kurz darauf erwachte Pennys Drucker zu neuem Leben und spuckte ihre Notizen aus. »Großartig«, sagte sie und schaute auf die bedruckten Seiten, als wären sie ein Wunder. Ryan fand es ziemlich seltsam, dass Martin sich nicht schon längst um diese Angelegenheit geküm mert hatte. Es hätte ihn nicht mehr als fünf Minuten gekostet. Nachdenklich blickte er aus dem Fenster in den strahlenden Sonnenschein. »Ich hätte da eine Idee«, sagte er. »Und die wäre?« »Es ist ein wunderschöner Tag. Die Luft draußen ist durch den Regen gestern frisch und angenehm. Ich habe schon viel vom Eden Park gehört. Er ist nicht weit von meiner Wohnung entfernt. Aber ich hatte noch keine Zeit, ihn mir anzusehen. Ich finde,
wir nehmen den Laptop und deine Notizen mit und arbeiten heute mal im Park. Was sagst du dazu?« »Das ist eine tolle Idee. Wann fahren wir los?« »Jetzt sofort. Ich habe ein Paar Shorts im Auto. Die ziehe ich nur schnell an.« »Okay. Alles, was ich brauche, sind meine Turn schuhe.« Nachdem Ryan die Shorts aus seinem Wagen geholt hatte, ging er ins Badezimmer, um sich um zuziehen. Es war ein seltsames Gefühl, den anhei melnden, kleinen Raum zu betreten, in dem Penny und er sich gestern Abend geliebt hatten. Der Ge danke daran erfüllte ihn mit neuem Verlangen. Als er nach einigen Minuten in Shorts und Polo hemd mit seinem Anzug über dem Arm zurückkehr te, fand er Penny im Schlafzimmer vor dem Spiegel. Sie band sich gerade das Haar zurück. »Fertig?« fragte er. »Nur noch die Turnschuhe. Kannst du mir ein Paar weiße Socken aus der Kommode holen? O berste Schublade.« Sie öffnete den Kleiderschrank und deutete über die Schulter zu der antiken Kom mode hinter ihm. »Natürlich.« Er zog die Schublade auf und ergriff das erste Paar weiße Socken, das er sah. Dann hielt er inne, weil darunter etwas zum Vorschein kam, das seinen Blick fesselte. Ohne darüber nach zudenken, schob er die anderen Socken beiseite, die auf der durchsichtigen Plastikbox lagen, die sei ne Aufmerksamkeit erregt hatte. Er vergaß zu atmen, als er den Inhalt der Box vor sich sah. Es handelte sich um ein Paar herzförmige Handschellen, die mit rotem Samt umhüllt waren.
Das war ja unglaublich. Und er hatte Penny vorher schon für wild und hemmungslos gehalten! Er konnte nicht widerstehen und nahm die Box an sich. Er räusperte sich und ging zu ihr. Als sie sich zu ihm umdrehte, hielt er ihr die Box unter die Nase. »Sieh mal, was ich zwischen deinen Socken gefunden habe. Ziemlich frivol, würde ich sagen.« Sie erstarrte und trat einige Schritte zurück. »Oh, das… das… das war ein Geschenk von Patti. Sie hat manchmal einen seltsamen Humor. Aus irgend einem unerfindlichen Grund hat sie mir diese Dinger zu meinem fünfundzwanzigsten Geburtstag ge schenkt.« »Aha. Und wie lange ist das her?« »Fast vier Jahre.« Er grinste. »Bewahrst du sie für einen besonde ren Zweck auf?« »Also gut, du hast mich erwischt«, sagte sie mit einem tiefen Seufzer. »Vor ein paar Wochen habe ich den Keller aufgeräumt. Da habe ich sie gefun den. Ich habe sie aufgehoben… weil… nun ja, für den Fall, dass Martin…« »Auch eine wilde Seite hat«, beendete er den Satz für sie. Sie nickte und funkelte ihn halb zornig, halb ver legen an. »Kann ich jetzt meine Socken haben, bit te?« »Fang«, sagte er und warf ihr das weiße Bündel zu. Als sie es geschickt auffing, musste er lächeln. Sie blieb ernst und wirkte immer noch betreten. Da legte er die Handschellen auf das Bett und ging auf sie zu. Er hatte nur einen Scherz machen wollen und nicht die Absicht gehabt, sie in Verle
genheit zu bringen. »Penny«, begann er, »ich finde die Handschellen witzig. Und es macht mir nichts aus.« »Was macht dir nichts aus?« Er zog sie lächelnd in die Arme. »Dass du so ein abenteuerlustiges Mädchen bist.« Penny wäre am liebsten im Erdboden versunken, als Ryan sie mit den Handschellen konfrontiert hat te. Sie hatte sie schon fast vergessen und verfluch te sich dafür, dass sie die Dinger nicht schon längst in den Müll geworfen hatte, wo sie hingehörten. Zum Glück besaß Ryan so viel Taktgefühl, dass er den Vorfall zunächst nicht mehr erwähnte. Sie verbrachten einen wunderbaren Nachmittag zu sammen. Zuerst machten sie einen Zwischenstopp in einem Geschäft in der Nähe des Parks und kauf ten eine Flasche Wein und Obst. An einem Blu menstand vor dem Laden erstand Ryan einen klei nen Strauß Gänseblümchen, den er Penny über reichte. Er konnte nicht ahnen, wie sehr sie sich über diese Geste freute. Sie hielt die Blumen immer noch in der Hand, als sie auf der mitgebrachten De cke in der Sonne lag. Sie hatten ihr Lager auf einem Hügel in der Nähe eines kleines Teiches aufge schlagen. Die meisten Leute kamen wegen der Aussicht auf den Ohio zu diesem Hügel. Penny fand den An blick des Flusses, der sich durch das Tal wand, auch sehr schön. Aber am meisten liebte sie die Gartenatmosphäre dieses Ortes. Hier standen gro ße, Schatten spendende Bäume, und überall gab es hübsch angelegte Beete mit bunten Blumen. Durch
den Teich floss ein munter plätschernder Bach, ü ber den sich eine kleine Brücke spannte. »Es ist wirklich schön hier«, sagte Ryan und blickte von seinem Laptop auf, um ein paar Kinder zu beobachten, die lachend und kreischend über die Brücke rannten. Penny stützte sich auf den Ellenbogen, um ihn anzusehen. »Ja. Martin und ich sind auch manch mal hierher gekommen.« »Oh«, machte Ryan und zog die Mundwinkel nach unten. »Dann ist das also ein besonders be deutungsvoller Ort für dich.« Sie schüttelte abwehrend den Kopf. »Nein, ganz und gar nicht. Mir wird immer klarer, dass nichts mit Martin besonders bedeutungsvoll war. Wir waren eigentlich nur zwei gute Freunde, die zusammen in den Park gingen.« Sie nahm sich eine Traube aus der Tüte, die ne ben ihr lag, und steckte sie in den Mund. Nur so konnte sie sich davon abhalten, Ryan zu sagen, dass es etwas Besonderes war, mit ihm hier zu sein. Sie nahm den Park ganz anders wahr als wäh rend ihrer Ausflüge mit Martin. Die Enten, die sich lautstark schnatternd von der Oberfläche des Tei ches in die Luft erhoben. Das kräftige Rot der Blu men zu ihrer rechten Seite. Die freundlichen älteren Herren, die ihre ferngesteuerten Modellschiffe schwimmen ließen. Die Sonnenstrahlen, die durch das Blätterdach der Bäume fielen. All das war schon immer da gewesen. Sicher hatte sie es auch gesehen. Dennoch hatte sie das Gefühl, als erblick te sie diese ganze Schönheit zum ersten Mal.
»Kann ich auch eine Traube bekommen?« fragte Ryan und unterbrach sein hektisches Tippen auf dem Laptop. Penny holte eine aus der Tüte und steckte sie ihm in den Mund. Er ergriff ihre Hand und küsste jede einzelne ihrer Fingerspitzen. Ein Schauer durchrieselte sie, und sie seufzte leise auf. »Das ist nur ein Vorgeschmack auf das, was spä ter kommt«, erklärte er mit einem lasziven Lächeln. »Wenn wir mit der Arbeit fertig sind.« Bei diesem Stichwort widmeten sie sich eine Weile konzentriert ihrer Aufgabe. Gemeinsam gin gen sie alle Bildschirme durch, die Ryan gestern Nacht fertiggestellt hatte. Und es waren viele. Pen ny konnte sich gar nicht vorstellen, dass ein einzel ner Mensch das so schnell geschafft haben sollte. »Ich kann nicht glauben, wie fix das geht«, sagte sie staunend. »Ich dachte, wir würden Wochen brau chen, um an diesen Punkt zu kommen.« »Normalerweise ist das auch so. Aber ich lege ein gutes Tempo an den Tag, wenn ich erst einmal in einem Projekt drin bin. Trotzdem wird es noch eine Weile dauern, bis wir ganz fertig sind.« Seine letzten Worte hatte Penny kaum noch ge hört, weil sie nicht fassen konnte, was sie da in der Ferne sah. War das wirklich Grace? Grace hatte genauso einen kleinen Scotchterrier, wie ihn die Frau dort an der Leine führte. Außerdem hatte sie die gleiche Haarfarbe und Figur wie Martins Assis tentin. Bevor Penny etwas sagen konnte, drehte die Frau ihren Kopf und blickte in ihre Richtung. Kein Zweifel, es war Grace.
»Lieber Himmel!« entfuhr es Penny. »Was ist?« fragte Ryan, den Blick immer noch auf den Laptop geheftet. »Grace ist hier. Und sie kommt genau auf uns zu.« Ryan hörte augenblicklich auf zu tippen und folg te mit den Augen Pennys Blickrichtung. »Oh, das ist nicht gut. Was tut sie denn hier bloß?« »Sie geht mit ihrem Hund spazieren.« »Nein, ich meine, warum ist sie nicht bei der Ar beit?« Penny schaute auf ihre Uhr. »Es ist gleich sechs.« Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Wenn ich mit dir zusammen bin, verliere ich jedes Zeitgefühl.« Unter anderen Umständen hätte Penny sich über diese Bemerkung gefreut. Aber in diesem Moment machte Grace ihren Hund von der Leine los, und er steuerte mit gesenkter Nase genau auf Penny und Ryan zu. »Dreh dich nicht um«, sagte Penny mit angehal tenem Atem. »Snowball macht sich gerade auf die Suche nach einem geeigneten Plätzchen, um sein Geschäft zu erledigen. Und wie es aussieht, wird das ganz in unserer Nähe sein.«
8. KAPITEL Ryan war fassungslos. So viel Pech konnte doch kein Mensch haben! Er wusste zwar noch nicht viel über den inneren Aufbau von Schuster Systems, aber er hatte schon herausgefunden, dass Grace im Büro Martins rechte Hand war. »Das gibt es ja wohl nicht«, murmelte er. »Von allen Parks in dieser Stadt hat sie sich ausgerechnet diesen hier ausge sucht!« Penny wandte keinen Blick von Grace und ihrem Hund. »Sie wohnt in Walnut Hills. Das ist nur ein paar Blocks von hier entfernt.« »Na, prima.« »Ich habe sie hier noch nie gesehen. Und ich ha be nicht daran gedacht, dass sie ganz in der Nähe wohnt. Es tut mir Leid.« »Du kannst doch nichts dafür.« »Mach dir keine Sorgen. Wir begehen schließlich kein Verbrechen. Wir arbeiten doch nur. Du hast immerhin deinen Laptop dabei.« Ryan blickte sie beklommen an. »Penny, ich glaube nicht, dass es viele Systemdesigner gibt, die während der Arbeit mit ihren Kunden auf einer De cke im Park liegen. Noch dazu mit Wein, Früchten und Blumen.« In diesem Moment erschien auf Pennys Gesicht ein glückliches Lächeln. Er wollte es nicht riskieren, sich umzudrehen, und fragte gespannt: »Was ist? Was macht Grace?« »Sie geht zurück.« »Wirklich?«
»Vermutlich hat es Snowball hier nicht gefallen. Er ist umgedreht und läuft in die andere Richtung.« Ryan atmete erleichtert auf. »Ich glaube nicht, dass sie uns gesehen hat.« Er wandte sich um und erblickte Grace, die mit ihrem kleinen Hund gerade hinter einer Baumgrup pe verschwand. Trotz seiner Erleichterung fühlte er sich elend. Es war erbärmlich, sich vor einer Frau verstecken zu müssen, die sowohl Penny als auch er sehr gut leiden konnten. »Wärst du sehr enttäuscht, wenn wir jetzt gehen würden? Grace könnte es sich ja noch anders über legen und zurückkommen.« Penny lächelte ihn an. »Nein, überhaupt nicht.« Ryan konnte nur hoffen, dass Penny den Vorfall nicht so bedrückend fand wie er selbst. Er wollte nicht, dass sie das Gefühl hatte, etwas falsch ge macht zu haben. Er packte seinen Laptop ein und beschloss, das Thema zu wechseln. »Ich muss zugeben«, sagte er mit einem frivolen Lächeln, »dass mir der Ausblick auf dein Dekollete fehlen wird, den du mir den ganzen Nachmittag lang so großzügig gewährt hast.« Sie sah erstaunt an sich herunter. Als sie sich hingelegt hatte, war offenbar ihr Top verrutscht und bot einen offenherzigen Blick auf ihren Brustansatz. Sie musste lachen, beugte sich vor und versetzte Ryan einen kräftigen Schlag auf den Oberschenkel. »Oh, das wird ja direkt gefährlich. Jetzt wirst du auch noch gewalttätig. Erst Handschellen und dann auch noch Ketten und Peitschen?« »Du passt besser auf«, rief sie in gespielter Em pörung und kniete sich hin. »Sonst…«
»Sonst was? Wirst du mich fesseln und auspeit schen?« Ryan sprang mit einem Satz auf die Füße und rannte davon, um sich hinter einem großen Baum zu verstecken. Penny folgte ihm lachend. Als er sich schließlich fangen ließ, fielen sie beide ins Gras. Ryan rollte sich über sie und hielt ihre Hände fest. Sie sahen sich einen Moment in die Augen, und dann küsste er sie. Es sollte ein kurzer, zärtlicher Kuss werden. Aber stattdessen verschmolzen ihre Lippen in glühender, endloser Leidenschaft. »Was ist denn da passiert?« fragte Ryan heiser, als sie sich endlich voneinander lösen konnten. »Ich weiß auch nicht«, erwiderte Penny verwirrt. »Ich glaube, das sollten wir lieber lassen«, sagte Ryan, stand auf und zog sie ebenfalls auf die Füße. »Du hast Recht«, murmelte sie. »Los, komm, wir laufen um die Wette«, rief er und rannte zur Decke zurück, dicht gefolgt von Penny. Dort klemmte er sich seinen Laptop unter den Arm, griff nach der Weinflasche und lief in Rich tung seines Wagens. Penny spurtete hinter ihm her, in der einen Hand die Blumen und das Obst, in der anderen schleifte sie die Decke mit sich. Sie waren beide außer Atem, als sie ihre Sachen auf den Rücksitz von Ryans Auto legten. »Du musst dich schon etwas mehr anstrengen, wenn du mich einholen willst, um mich mit deinen Handschellen zu fesseln«, sagte Ryan mit einem verschmitzten Grinsen. Die Röte, die über Pennys Gesicht glitt, zeigte ihm, dass er mit diesem Scherz zu weit gegangen war.
»Ich wollte dich doch nur auf den Arm nehmen, sei mir nicht böse.« Er hob ihr Kinn mit einem Fin ger. Als sie ihn ansah, umarmte er sie und zog sie an sich. Er küsste sie, vorsichtig und behutsam. Als sie seinen Kuss zärtlich erwiderte, stieg ein warmes Gefühl in ihm auf. Sie war so süß. Süß und sexy, scheu und herausfordernd zugleich. Diese Wider sprüchlichkeit berührte etwas tief in seinem Inneren. »Noch böse?« fragte er, als er die Lippen von ih ren löste. Sie schüttelte den Kopf. »Gut. Ich würde sagen, wir besorgen uns etwas zum Abendessen und fahren dann zu dir zurück, okay?« »Unter einer Bedingung.« »Und die wäre?« »Dass du diese Dinger mit dem roten Samt in der Plastikbox nicht mehr erwähnst. Du weißt schon, was ich meine.« »Versprochen«, sagte er ernst. Nachdem sie eingestiegen und losgefahren wa ren, bemerkte Ryan, dass sie nicht alle Sachen auf die Rückbank gelegt hatte. Den Blumenstrauß, den er ihr geschenkt hatte, hielt sie noch in der Hand. Vielleicht hatte das nichts zu bedeuten. Vielleicht liebte sie ganz einfach Blumen. Aber möglicherwei se waren diese Blumen für sie etwas Besonderes, weil sie ein Geschenk von ihm waren. Das hieß dann auch, dass er für sie etwas Besonderes war. Aber darüber, wie ernst Penny die ganze Geschich te zwischen ihnen nahm, wollte er jetzt nicht nach
denken. Ebenso wenig darüber, dass Martin bald zurückkommen würde. Er wollte den Augenblick genießen. Er wollte sich nicht darum kümmern, was die Zukunft bringen würde. Und er hatte ganz bestimmt nicht die Ab sicht, über Gefühle nachzudenken. Weder über ihre noch über seine eigenen. Einige Stunden später lag Penny nur mit einem Slip bekleidet in Ryans Armen auf ihrem Bett. Kerzenlicht durchflutete das Schlafzimmer mit ei nem sanften Lichtschein. Sie löste sich aus Ryans Armen, richtete sich auf und betrachtete ihn. Er trug nur noch seine Boxershorts, unter denen sich seine Erregung deutlich abzeichnete. Penny ließ ihren Blick über seine breiten Schultern, die muskulösen Arme und die schmalen Hüften gleiten. Was sie sah, gefiel ihr. Ryan griff nach ihr und zog sie zu sich. »Hast du Lust auf etwas Aufregendes?« flüsterte er ihr ins Ohr. »Was hast du denn im Sinn?« »Du vertraust mir doch?« »Ja. Warum?« Statt einer Antwort beugte Ryan sich über sie und drückte ihr die Hände über dem Kopf in die Kis sen. Dann küsste er sie zärtlich auf den Mund und befestigte währenddessen etwas an ihren Handge lenken. Es geschah so schnell, dass Penny kaum begriff, was er tat. Sie bog den Kopf zurück und er blickte die herzförmigen Handschellen, mit denen ihre Hände an die Verstrebungen des Bettes gefes selt waren.
Sie zog scharf den Atem ein. »Du hast mir versprochen…« »Sie nicht mehr zu erwähnen. Das habe ich ja auch nicht getan.« Unsicher sah sie ihm in die Augen. »Aber wie hast du…« »Ich habe sie vorhin heimlich unter dem Kopfkis sen versteckt.« »Und du willst mich wirklich ans Bett fesseln?« Wieder küsste er sie. »Das habe ich doch schon getan. Ist das in Ordnung?« Penny hatte keine Ahnung, was sie antworten sollte. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie wusste nicht, ob vor Aufregung oder vor Angst. »Ich glaube schon«, flüsterte sie schließlich. »Sieh es mal so, Penny«, sagte er leise. »Es be deutet nur, dass ich jetzt die ganze Arbeit tun wer de. Ich bin für dein Vergnügen verantwortlich.« Das hörte sich gut an. Penny konnte nicht wider stehen. Und während Ryan jeden Zentimeter ihrer Haut mit Küssen bedeckte, wurde ihr klar, warum es Leute gab, die solche Handschellen benutzten. Sie entspannte sich und gab sich Ryans Zärtlichkeiten hin. Nun wusste sie auch, warum er nach ihrem Vertrauen gefragt hatte. Und sie vertraute ihm, das war ihr in diesem Moment klarer als jemals zuvor. Sie schloss die Augen und ließ es zu, dass Erre gung und Lust ganz von ihr Besitz ergriffen. Sie war sich nicht sicher, wann sie bemerkt hatte, dass die Handschellen ihr zu groß waren. Sie konnte ihre Hände daraus befreien, wann immer sie wollte. A ber sie ignorierte dieses Wissen. Sie erwähnte es auch Ryan gegenüber nicht, der damit fortfuhr, ih
ren gesamten Körper mit Händen und Lippen zu liebkosen. Als sie das Gefühl hatte, jeden Moment den Verstand zu verlieren, befreite er sie von den Hand schellen. Sie umschlang ihn mit beiden Armen und hörte, wie die Handschellen auf den Boden fielen. Dann liebte er sie im Schein der Kerzen. Zuerst be hutsam und zärtlich, dann immer stürmischer und schneller, bis sie beide zur gleichen Zeit auf dem Gipfel der Lust ankamen. Ineinander verschlungen lagen sie danach auf Pennys breitem Bett. Sie waren erschöpft und zu frieden, genossen die Nähe des anderen und strei chelten oder küssten sich hin und wieder. Ryan neigte den Kopf und knabberte an ihrem Ohrläppchen. »Wenn du behaupten willst«, flüsterte er, »dass du nie eine Fantasie darüber gehabt hast, dann lügst du. Ich weiß es genau.« Penny lächelte mit geschlossenen Augen. »Du meinst die Handschellen? Das war genauso wie mit der Badewanne.« »Was meinst du damit?« »Es war besser, als ich es mir vorgestellt habe.« In seinen Boxershorts saß Ryan auf Pennys Couch. Das Kerzenlicht aus dem Schlafzimmer erhellte den Raum nur spärlich. Neben ihm hockte Penny mit untergeschlagenen Beinen. Ihr nackter Körper war nur von ihrem seidenen Kimono verhüllt. Kurz zuvor hatten sie in der Küche gemeinsam einen nächtli chen Snack zubereitet. Penny hatte eigentlich vor gehabt, etwas zu kochen, aber Ryan wollte ihr keine Umstände machen. So begnügten sie sich mit ü
berbackenem Käsetoast, Tortilla-Chips und Wein. Draußen war alles dunkel und still. Ryan kam es vor, als ob die ganze Welt nur noch aus diesem Zimmer bestünde und Penny und er die einzigen Menschen wären. Das würde vieles einfacher ma chen, dachte er. Sein Blick wanderte von den fla ckernden Schatten an den Wänden zu der Frau, die neben ihm saß. Mit jeder Stunde, die sie gemein sam verbrachten, fühlte er sich ihr näher. Und den noch wusste er bei jeder Berührung, jedem Blick und jedem Kuss, dass er ihr wehtun musste, bevor diese Geschichte zu Ende war. Daran konnte es keinen Zweifel geben. Eigentlich hatte er gar nicht darüber nachdenken wollte. Aber die Dunkelheit und die seltsame Abge schiedenheit brachten seinen Verstand auf unvor hergesehene Wege. Was Penny und er miteinander teilten, wie wunderbar es auch immer sein mochte, konnte nicht für ewig halten. Am Ende würde er die se schöne, sinnliche und aufrichtige Frau für einen Job verlassen. Nicht nur für einen Job, berichtigte er sich selbst. Für eine Karriere. Für seine letzte Chance, ein er fülltes und erfolgreiches Leben zu führen. »Woran denkst du gerade?« fragte Penny in das vertraute Schweigen hinein. Ryan zuckte innerlich zusammen. Es bestand kein Anlass, dieses Thema jetzt schon anzuschnei den. Aber andererseits, warum sollte er nicht das Gleiche tun wie sie, wenn er sie gefragt hätte? Wa rum sollte er nicht ehrlich sein?
»Woran ich gerade denke? Oh, ich dachte daran, woher ich gekommen bin und wohin mein Weg mich geführt hat.« Ernst und nachdenklich sah sie ihn an. »Wohin dein Weg dich geführt hat, weiß ich. Aber woher du kommst, das weiß ich nicht.« Ryan zögerte einen Moment, unsicher, ob er sei ne Gedanken mit ihr teilen wollte. »Ich bin auf dem Land aufgewachsen, in Indiana«, begann er schließlich. »Der Heimat von Basketball und Bibel stunden.« »Hast du Basketball gespielt? Und bist du zur Bi belstunde gegangen?« Er musste lachen. »Zwei Mal nein. Ich war nicht sehr anpassungsfähig. Wenn du willst, das schwar ze Schaf der Familie. Mein älterer Bruder, Dan, war dagegen Kapitän der Basketballmannschaft, leitete eine Jugendgruppe in der Kirche und hielt oben drein die Rede bei der Abschlussfeier seines Jahr ganges in der Schule. Ich war ein guter Junge, aber ich habe das Ziel immer knapp verfehlt. Kennst du das nicht?« Sie schüttelte lächelnd den Kopf. »Nicht ganz, fürchte ich. Aber was du erzählst, erinnert mich an Patti. Wir waren beide nette, kleine Mädchen, aber ich… nun ja… ich war immer das Musterkind.« Ryan grinste. »Ich finde, es liegt eine gewisse I ronie darin, dass ausgerechnet ich die perfekte Schwester abbekommen habe.« »In letzter Zeit nicht mehr ganz so perfekt, würde ich sagen.« Er schüttelte den Kopf. »Der Meinung bin ich nicht.«
Sie lächelten sich an, und Penny fragte: »Und wie verstehst du dich jetzt mit deiner Familie?« »Ich bin immer noch irgendwie anders. Ich trage dunkle Anzüge und weiße Hemden statt blaue O veralls wie mein Vater. Und ich bin nicht in Akinsvil le, Indiana, geblieben, sondern in eine Großstadt gezogen. Aber immerhin schicke ich meinen Eltern jeden Monat Geld. Sie sind mittlerweile im Ruhe stand und können etwas finanzielle Unterstützung ganz gut gebrauchen. Ich habe das Gefühl, dass ich ihnen damit etwas von dem geben kann, was sie als Kind nicht von mir bekommen konnten.« »Ryan, ich bin sicher, dass sie dich lieben und dich für einen großartigen Sohn halten.« Er schnitt eine Grimasse. »Okay, es kann sein, dass ich an dieser Stelle ein wenig melodramatisch geworden bin. Natürlich lieben sie mich. Aber den noch habe ich immer den Eindruck, dass Dan sie ein bisschen glücklicher macht als ich.« »Und was ist aus dem Basketball spielenden, Jugendgruppen leitenden Abschlussredner gewor den?« »Das, was aus einem Basketball spielenden, Ju gendgruppen leitenden Abschlussredner werden sollte. Er lebt immer noch in unserem Heimatort und unterrichtet Englisch an der High School. Außerdem hat er letztes Jahr die Basketballmannschaft der Schule so gut trainiert, dass sie die Meisterschaft gewonnen hat. Er hat eine perfekte Frau geheiratet und lebt mit ihr, zwei perfekten Kindern und einem perfekten Hund in einem perfekten kleinen Haus. An den Wochenenden fahren sie eineinhalb Stun den nach Indianapolis, um ehrenamtlich in einem
Obdachlosenheim zu arbeiten. Carol kocht das Es sen für die Bewohner dort, während Dan Analpha beten das Lesen und Schreiben beibringt.« »Oh.« »Verstehst du, was ich meine? Es ist ein biss chen schwierig, mit so viel Edelmut und Anstand zu konkurrieren.« »Aber Ryan, deine Eltern haben allen Grund, auch auf dich stolz zu sein. Sieh dich doch an. Du bist ein gefragter Fachmann in einem hochkompli zierten und innovativen Bereich der Computerbran che. Und du verdienst genug Geld, um deine Eltern unterstützen zu können. Ich finde, das ist eine be achtliche Leistung.« »Die Leistung wäre noch beachtlicher, wenn ich meine Jobs behalten würde.« »Was meinst du damit?« Ryan zögerte. Er war sich nicht sicher, wie weit er mit seiner Lebensbeichte gehen sollte. Aber schließlich verdiente Penny die Wahrheit. Dann würde sie auch besser verstehen, warum er nicht bei ihr bleiben konnte. »Penny, ich bin einzig und allein deshalb in Cin cinnati und arbeite für Martin, weil er mich nicht nach Arbeitszeugnissen gefragt hat.« Er holte tief Luft und berichtete Penny dann, was bei ComData und zuvor bei Futureware passiert war. Er hatte er wartet, dass es ihm schwer fallen würde, aber dem war nicht so. »Und deswegen«, sagte er abschließend, »ist dieser Job so wichtig für mich. In gewisser Hinsicht ist er eine letzte Chance. Eine letzte Chance, um meinen Eltern zu beweisen, dass ich doch etwas
tauge und sie stolz auf mich sein können. Und es hat auch etwas mit meiner Selbstachtung zu tun.« »Das kommt mir allerdings bekannt vor«, sagte Penny und griff nach ihrem Weinglas. »Als Patti und ich beschlossen, das Restaurant zu eröffnen, war ich ziemlich orientierungslos. Wenn es fehlgeschla gen wäre, hätte ich nicht gewusst, was ich tun und wohin ich gehen soll. Davor bin ich ziellos von ei nem zum anderen Job gewandert und wusste ei gentlich nur, was ich nicht will. Ich hatte keine kon kreten Pläne. Zwar hatte ich keine Probleme mit meinen Eltern, aber ich wollte, dass sie stolz auf mich sind.« »Also kannst du jetzt verstehen, warum ich mich auf nichts einlassen will, das meiner Karriere im Weg stehen könnte?« »Ja«, erwiderte sie mit schuldbewusstem Ge sicht. »Aber eines musst du wissen. Ich bedaure nichts, was in den letzten Tagen passiert ist.« »Das freut mich«, sagte sie mit dem Anflug eines Lächelns. »Da wir gerade von mir sprechen«, begann er in dem Versuch, dem Gespräch eine weniger ernste Wendung zu geben, »ich könnte noch etwas Hilfe dabei gebrauchen, mein Leben in Ordnung zu brin gen.« Sie lachte. »Gibt es da noch mehr grauenvolle Enthüllungen in deiner Lebensgeschichte?« Er bemühte sich, ernst zu bleiben. »Allerdings. Alle Wände und Regale in meiner Wohnung sind völlig leer. Kannst du mir da nicht helfen?«
»Sehr gern«, antwortete sie sichtlich erfreut. »So etwas macht mir großen Spaß.« »Ich dachte, dass ich dich vielleicht dazu überre den könnte, mir beim Auspacken und Dekorieren beizustehen. Wie wäre es morgen nach der Arbeit? Ich hätte es gern, dass meine Wohnung so aus sieht, als ob wirklich jemand drin wohnt. Aber leider eigne ich mich nicht gut für solche Dinge.« Obwohl ihm diese Idee gerade erst gekommen war, schien sie ihm sehr verlockend. Auf diese Weise würde er mehr Zeit mit ihr verbringen können. »Abgemacht«, sagte sie. »Großartig. Ich würde dir gern etwas zum A bendessen anbieten, wenn wir fertig sind. Aber mir ist gerade eingefallen, dass ich nur Bier und Butter im Kühlschrank habe.« »Dekorieren scheint nicht dein einziges Defizit in der Hauswirtschaft zu sein. Aber das erklärt auch, warum du Käsetoast und Chips als richtiges Essen ansiehst. Warum gehen wir nicht einfach zusam men in einen Supermarkt?« »Und das macht dir wirklich nichts aus?« »Überhaupt nicht. Mir gefällt die Vorstellung nicht, was für ein Abendessen du aus Bier und But ter herstellen könntest.« Er musste lachen. »Vielen Dank. Das ist sehr nett von dir.« Nachdem sie den morgigen Tag geplant und ihre Verabredungen getroffen hatten, wäre es für Ryan eigentlich an der Zeit gewesen zu gehen. Aber es war so gemütlich mit ihr auf der Couch. Außerdem wusste er jetzt aus Erfahrung, wie wundervoll es war, sich mit ihr nackt ins Bett zu kuscheln und ne
ben ihr einzuschlafen. Er sah ihr in die Augen. Nein, er konnte jetzt nicht gehen. »Sag mal«, begann er und beugte sich zu ihr, um sie auf die Nasenspitze zu küssen, »wäre es dir recht, wenn ich heute über Nacht hier bleiben wür de?« Sie nickte. »Ja, Ryan, das wäre mir sehr recht.« Das hatte er gehofft. Es war ihm klar, dass es ein Fehler war, bei ihr zu übernachten. Aber die Aus sicht darauf, sie die ganze Zeit im Arm zu halten, tröstete ihn über diese Erkenntnis hinweg. Freitags war für gewöhnlich im Two Sisters Pub ziemlich viel los. Zu Beginn des Wochenendes ent schieden sich viele Menschen dafür, essen zu ge hen. Da Penny noch immer nichts von Martin gehört hatte, beschloss sie, ihn ein letztes Mal anzurufen, bevor der Andrang zur Mittagszeit begann. Nach dem sie der wohl bekannten Ansage seiner Mobil box gelauscht hatte, legte sie kopfschüttelnd den Hörer auf. Morgen würde Martin nach Hause kom men, und damit erübrigten sich weitere Anrufe. Sie fragte sich, ob diese schreckliche Warterei eine ge heimnisvolle Strafe dafür war, was sie in seiner Ab wesenheit getan hatte. Aber dann hatte sie keine Zeit mehr, an Martin zu denken, ebenso wenig wie an Ryan, denn das Re staurant füllte sich mit Gästen. Dass sie Ryan in wenigen Stunden sehen würde, erfüllte sie mit posi tiver Energie. Sie freute sich auf ihr gemeinsames Unternehmen heute Abend. Einem Mann beim Ein kaufen und Einrichten seiner Wohnung zu helfen, war etwas sehr Persönliches. Es schaffte Nähe.
Penny hatte das Gefühl, als wäre sie von Ryan in sein Leben eingeladen worden. Sie hatte keine Vor stellung davon, was nach Martins Rückkehr ge schehen würde. Die Aussicht auf den Abend erfüllte sie jedoch mit Hoffnung. Um halb zwei waren immer noch alle Tische be setzt. Es fiel ihr schwer, Patti allein zu lassen. Aber ihre Schwester versicherte ihr, dass sie alles unter Kontrolle hätte. Im Notfall würde sie eine zusätzli che Kellnerin kommen lassen. Penny hatte ihr na türlich erzählt, was Ryan und sie vorhatten. Und nun tat Patti so, als würden sie zusammen eine Wohnung besichtigen. »Oh, Pen, ich freue mich ja so für dich«, hatte sie gesagt und Penny glückstrah lend umarmt. Ryan erschien wie verabredet um zwei Uhr vor ihrer Tür. Wie üblich begann Pennys Herz bei sei nem Anblick schneller zu schlagen. Er küsste sie und nahm sie in die Arme. Sie schmiegte sich an ihn, legte ihm die Arme um den Hals und sah ihn lächelnd an. »Sag mal, ist das da eine Maus in deiner Hosentasche, oder freust du dich so, mich zu sehen?« »Eine Maus?« wiederholte er verblüfft. Sie lachte. »Ja, eine Computermaus.« »Ach so«, sagte er und fiel in ihr Gelächter ein. »Das ist ziemlich witzig. Aber hättest du nicht etwas Größeres nehmen können?« Sie kicherte wie ein Schuldmädchen. »Also gut, zweiter Versuch. Ist das da ein… Diskettenlaufwerk in deiner Hosentasche?« »Das ist schon besser. Und ja, ich freue mich sehr, dich zu sehen.«
Nachdem sie sich noch ein paar Mal geküsst hat ten, nahmen sie ihre Plätze an Pennys Schreibtisch ein und begannen mit der Arbeit. Drei Stunden später hatten sie zwar viel ge schafft, aber auch noch einiges vor sich. »Ich habe dir ja gesagt, dass es noch eine Weile dauern wird«, meinte Ryan. Penny machte das nichts aus. Sie liebte es, mit ihm zu arbeiten, und würde sich auch nicht bekla gen, wenn sie niemals zum Ende kämen. »Aber für heute ist es genug«, entschied er. »Wir haben schließlich noch einen bewegten Abend vor uns. Machst du noch mit?« »Natürlich.« »Dann fahre ich jetzt noch mal ins Büro. Je eher ich dort Schluss machen kann, umso früher treffe ich dich in meiner Wohnung.« Er drückte ihr seinen Ersatzschlüssel in die Hand, und Penny schloss fest ihre Finger darum. Er hatte ihr zuvor schon erklärt, dass, einer von Martins Kunden um ein kurzes Treffen am Abend gebeten hatte. Ryan hatte einen Termin mit ihm vereinbart. Er hatte Penny angeboten, sie nach dem Gespräch abzuholen. Aber sie hatte vorgeschlagen, allein zu ihm nach Hause zu fahren und schon ein mal mit der Arbeit zu beginnen. »Adams Landing Nummer 1201«, erinnerte er sie. »Bist du sicher, dass du den Weg findest?« Es handelte sich um eine der neu gebauten, ex klusiven Apartmentanlagen am Flussufer. »Ganz sicher.«
»Hoffentlich bekommst du keinen Schreck, wenn du die ganzen Umzugskartons siehst. Sie sind alle noch nicht ausgepackt.« »Vielleicht fange ich ja damit an«, sagte sie. Dann fiel ihr ein, dass es vielleicht unpassend war, wenn sie in seinen persönlichen Sachen stöberte. »Ich meine, wenn du nichts dagegen hast.« »Ich habe überhaupt nichts dagegen. Das wäre toll.« »Es macht dir nichts aus, dass ich in deinen Sa chen herumkrame?« Er grinste. »Ich habe nichts zu verbergen. Keine mit Samt bezogenen Handschellen oder so.« Penny lachte, versetzte ihm einen Schlag auf den Arm und küsste ihn zum Abschied. Seit sie von Ry an ans Bett gefesselt worden war, hatte sie sich mit den Handschellen ausgesöhnt. »Das ist eine fantastische Wohnung«, sagte Penny zu Ryan, als er eine Stunde später zu Hause an kam. Sie stand an dem großen Wohnzimmerfenster und blickte auf den Fluss und die Brücken, die sich darüber spannten. »Vielen Dank«, erwiderte er und stellte sich ne ben sie. Dann zog er sein Jackett aus und lockerte die Krawatte. »Mir gefällt sie auch, obwohl sie ziem lich kostspielig ist. Hast du schon irgendwelche I deen, wie man es hier etwas gemütlicher machen könnte?« »Bei mir in der Nähe ist ein kleines Geschäft, in dem man Kerzenleuchter, Bilder, Spiegel und so kaufen kann. Ich denke mir, dass wir dort etwas
finden, das gut hierher passt. Wenn wir alles aus gepackt haben, sollten wir uns da mal umsehen.« »Das hört sich gut an.« »Übrigens habe ich dein Geschirr in die Küchen schränke gestellt. Wenn dir meine Anordnung nicht gefällt, können wir umräumen.« Er lächelte. »Du hast es bestimmt tadellos ge macht. Ehrlich gesagt, habe ich mich bisher davor gedrückt, weil ich nicht wusste, wo ich was hinstel len sollte.« »Ach ja, da ist noch etwas. Dein Anrufbeantwor ter blinkt.« Ryan ging zum Telefontisch und drückte auf den Wiedergabeknopf. »Hallo, Ryan. Hier ist dein gro ßer Bruder. Ich wollte wissen, wie dir dein neuer Job gefällt. Mom sagt, dass du zufrieden bist, aber nicht ordentlich isst.« Ein freundliches Lachen ertönte vom Band. »Ruf mich doch mal an.« Ryan hob erstaunt die Augenbrauen. »Das ist merkwürdig. Dan meldet sich eigentlich nie bei mir.« Penny erinnerte sich an das Gespräch über Ry ans Familie. Sie war immer noch der Meinung, dass Ryan seine Eltern falsch einschätzte. »Kommen deine Eltern oder Dan dich mal besuchen? Um sich deine Wohnung anzugucken?« »Ich glaube kaum. Dan und ich stehen uns nicht mehr sehr nah. Und meine Eltern sind nicht fürs Verreisen. Sie haben auch nicht viel für Großstädte übrig. Ihnen würde es hier wahrscheinlich nicht ge fallen. Meine Wohnung ist viel zu extravagant für ihren Geschmack. Sie mögen es gern einfach.« »Das tue ich auch«, meinte Penny. »Und trotz dem finde ich deine Wohnung toll.«
»Wie dem auch sei«, sagte Ryan, der jetzt nicht über seine Eltern nachdenken wollte. »Wenn ich mich umgezogen habe, sollten wir zum Supermarkt fahren.« »Du hast in deiner Küche viel Platz. Und dein Gefrierschrank ist leer. Wir könnten jetzt einen Großeinkauf machen, dann hast du für eine Weile Ruhe.« Er lachte. »Du gefällst mir immer besser.« Während er ins Schlafzimmer ging, dachte er ü ber seine Worte nach. Es war kein Scherz, sie gefiel ihm wirklich von Tag zu Tag besser. Es war wun dervoll gewesen, am Morgen gleich nach dem Auf wachen in ihre schönen Augen zu sehen. Sie war ihm die ganze Zeit über nicht für eine Sekunde aus dem Sinn gegangen. Nicht, als er zum Duschen und Umziehen nach Hause gefahren war, und auch nicht später im Büro. Um die Mittagszeit hatte er sich im Empfangsbereich herumgedrückt, um sie zu sehen, wenn sie die Sandwiches lieferte. Aber er hatte sie leider verpasst. Mit ihr zu schlafen war jedes Mal atemberau bend. Bei der Erinnerung daran, wie es war, in ihr zu sein und ihre Seufzer zu hören, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Wenn er sie nur küsste, fühlte er sich wie ein liebeskranker Teenager. So viel also zu meinem ruhigen, friedlichen Le ben in Cincinnati, dachte er, während er sich ein Polohemd über den Kopf streifte. Aber andererseits, wenn sie nicht gerade eine Beziehung mit seinem Chef hätte, wäre doch alles ruhig und friedlich. Na türlich abgesehen vom Sex mit ihr, der war aufre gend, wild und hemmungslos. Aber mit ihr im Park
zu sein, mit ihr zu essen oder zu sprechen, das vermittelte ihm ein Gefühl der Ruhe und Geborgen heit. Immer, wenn sie nicht zusammen waren, sehn te er das Wiedersehen herbei. Es fiel ihm immer schwerer, sich vorzustellen, dass sie in naher Zu kunft nicht mehr zu seinem Leben gehören würde. Und jetzt würden sie gemeinsam einkaufen. Er kam sich ein bisschen lächerlich vor, weil er sich so sehr darauf freute. Er steckte das Hemd in die verwaschenen Jeans, blickte in den Spiegel und fuhr sich seufzend mit der Hand durchs Haar. Du solltest versuchen, die Situation unter Kontrol le zu halten, dachte er. Bevor es zu spät ist. Ryan schob den Einkaufswagen, der vor Lebensmitteln überzuquellen drohte. Er stellte den Wagen vor einer Reihe von verglasten Gefrierschränken ab, die ein gewaltiges Sortiment von Eiscreme enthielten, und winkte Penny zu. »Das hat eindeutig noch gefehlt«, sagte er, als sie bei ihm angekommen war. Er öffnete verschie dene Türen und belud den Wagen mit einer Reihe von Eispackungen. Penny legte die Hand auf seinen flachen Bauch. »Bei deinen Essgewohnheiten ist es mir ein Rätsel, wie du es schaffst, schlank zu bleiben.« »Es muss doch für eine Weile reichen, weißt du nicht mehr? Das hier ist ein Großeinkauf.« »Oh«, sagte sie und ging an ihm vorbei zu einem Regal, in dem etwas ihre Aufmerksamkeit erregt hatte. »Karamellsoße.«
Er drehte sich um und beobachtete, wie sie inte ressiert ein Sortiment von Dessertsoßen und Eis waffeln untersuchte. Er musste lachen. Sie hob den Blick. »Was ist?« »Du hast eine Fantasie, in der Karamellsoße vor kommt. Es hat keinen Zweck, das zu leugnen.« Sie seufzte auf und schnitt eine Grimasse. »Wie kommst du… Also gut, du hast mich erwischt. Was willst du tun? Mich verklagen?« Er grinste. »Und diesmal kannst du Patti nicht da für verantwortlich machen.« »Sie hat mir wirklich die Handschellen geschenkt. Ich schwöre es.« Er trat neben sie und legte ihr den Arm um die Taille. »Du musst dich nicht rechtfertigen. Der Zufall will es nämlich, dass ich…« »Was?« »Dass ich auch eine Karamellsoßen-Fantasie habe.« Er hatte sie zwar erst seit einer Minute, aber das brauchte Penny ja nicht zu wissen. Er nahm zwei Flaschen Karamellsoße aus dem Regal und packte sie in den Wagen. Penny schaute ihm mit großen Augen zu. »Ist das nicht zu viel?« Er zuckte die Schultern und küsste sie auf die Wange. »Den Rest können wir ja über das Eis schütten.« Zurück in Ryans Wohnung verteilten sie die Le bensmittel auf den Kühlschrank, den Gefrierschrank und die Küchenschränke. Penny zeigte Ryan, wie sie das Geschirr und die anderen Küchen-Utensilien angeordnet hatte. Nachdem sie einige Töpfe und
Pfannen umgeräumt hatten, bot die Küche einen passablen Anblick. »Das ist mit deiner Hilfe wirklich schnell gegan gen«, sagte er und nahm sie in die Arme. »Vielen Dank.« Danach machten sie sich daran, das Wohnzim mer etwas wohnlicher zu gestalten. Bei Pennys An kunft hatten sich nur die wichtigsten Möbel und der große Fernsehapparat am richtigen Platz befunden. In einer Ecke war eine Reihe von Kartons überein ander gestapelt. Nach einer halben Stunde Arbeit verbreiteten zwei Stehlampen behagliches Licht, auf der Couch lagen Kissen, und den Couchtisch schmückten zwei Kerzenleuchter, die Penny in ei nem der Kartons gefunden hatte. Als Nächstes be fasste Ryan sich damit, den Videorekorder und die Musikanlage anzuschließen, während Penny Bü cher und gerahmte Fotografien in die Regale einsortierte. »Und was kommt jetzt?« fragte sie, als sie mit den Regalen fertig war. »Wollen wir uns Pizza bestellen? Du musst doch allmählich Hunger haben.« »Das ist eine gute Idee«, meinte sie, während sie den letzten der Kartons zusammenfaltete und auf den Boden vor dem Fenster legte. Als sie sich auf richtete, fiel ihr Blick nach draußen. Es dämmerte, und die untergehende Sonne verbreitete über dem Fluss ein glühendes Leuchten. Die Lichter der Großstadt waren angegangen und funkelten wie winzige Sterne auf den Hügeln, die sich sanft bis zum Ohio erstreckten. »Oh, Ryan, komm und sieh dir das an. Ist es jeden Abend so?«
Er trat an ihre Seite und legte den Arm um sie. »Keine Ahnung. Um diese Zeit arbeite ich norma lerweise noch. Wenn ich mich nicht gerade mit dir amüsiere. Ich sollte mal früher nach Hause kom men. Die Aussicht lohnt sich wirklich.« »Was hast du vor, wenn wir gegessen haben?« fragte sie und schmiegte sich an ihn. »Mal überlegen«, murmelte er und bedeckte die zarte Haut ihres Halses mit einer Reihe von Küs sen. »Ich mache eine Flasche Karamellsoße auf und verspeise dich zum Nachtisch.« »Wir sind total klebrig«, flüsterte Penny und küss te Ryan auf die Lippen. »Ich weiß«, sagte er und leckte ihr einen Rest Karamellsoße vom Kinn. »Und ich bin so erledigt, dass ich mich kaum noch bewegen kann«, fügte sie hinzu und küsste ihn erneut. »Das geht mir genauso. Du hast mich wirklich geschafft.« Sie lagen ineinander verschlungen auf Ryans breitem Bett. Das Bettzeug war ebenso klebrig wie sie selbst. Penny war sich sicher, dass Karamellso ße niemals wieder so schmecken würde wie in die sem Moment. »Ich schätze, ich muss unter die Dusche«, sagte sie lächelnd. Ryan strich ihr eine verklebte Haarsträhne aus dem Gesicht. »Wenn du schon dabei bist, solltest du dir auch die Haare waschen.« Sie rollte sich auf den Rücken und lachte. »Was ist?«
»Ich kann nicht glauben, dass wir das wirklich ge tan haben.« »Na, hör mal. Wenn ich daran denke, was wir in der vergangenen Woche miteinander angestellt ha ben, was ist da schon ein bisschen Karamellsoße auf der Haut?« »Es hat Spaß gemacht, oder?« fragte sie, wäh rend sie ihm einen klebrigen Fleck von der Wange rieb. »Meinst du die Sache mit der Karamellsoße? Oder alles andere auch?« Sie erinnerte sich an das unglaubliche Gefühl, als Ryan die zähe, süße Flüssigkeit auf ihrem Körper verteilt hatte, um sie nach und nach wieder abzule cken. »Wenn du mich so fragst… alles.« »Heute vor einer Woche hat es angefangen«, sagte er ernst. Sie schüttelte ungläubig den Kopf. Es war nicht zu fassen, dass es erst eine Woche her sein sollte. »Und es war eine atemberaubende Woche«, füg te er hinzu und knabberte an ihrem Ohrläppchen. »Das dachte ich auch gerade.« Aber sie dachte noch etwas anderes. Ich liebe dich. Diese drei Worte beanspruchten einen immer größeren Raum in ihren Gedanken. Sie hatten von ihr Besitz ergriffen, während sie ihn in sich spürte. Als sie sein Stöhnen hörte und fühlte, wie die Schockwelle des Höhepunktes seinen ganzen Kör per durchzuckte, hatte sie keine Zweifel mehr an ihrer Liebe zu ihm. Ja, sie liebte ihn. Und es erfüllte sie mit grenzenloser Freude, ihm so viel Lust und Vergnügen zu bereiten.
Natürlich konnte sie es ihm nicht sagen. Außer ihrem Gefühl für ihn hatte sich nichts zwischen ih nen geändert. Sie wusste, dass sie jetzt in der Falle saß. Aber im Moment hatte sie nicht einmal den leisesten Wunsch, aus dieser Falle zu entkommen. Die Gewissheit, dass sie ihn liebte, machte ihr al les leicht, was zwischen ihnen geschah. Sie hatte keine Skrupel oder Ängste gehabt, die KaramellFantasie mit ihm auszuleben. Sie fühlte sich wie befreit, denn sie tat ja nichts anderes, als ihre Fan tasien mit dem Mann, den sie liebte, in die Wirklich keit umzusetzen. Sie beobachtete schläfrig, wie Ryan aus dem Bett kletterte und ins Badezimmer ging. Kurz darauf kehrte er zurück, eine großes Badelaken um die Hüften geschlungen. »Die Dusche ist jetzt frei, falls du dich erholt hast.« »Nur noch einen Augenblick«, sagte sie und streckte sich wohlig. »Während du unter der Dusche bist, ziehe ich das Bett ab und schmeiße das Bettzeug in die Waschmaschine. Sonst habe ich am Ende noch Karamellspuren in der ganzen Wohnung.« Eine halbe Stunde später lagen sie beide in Ba delaken gehüllt auf der großen Ledercouch. Sie lachten, weil es Ryan nicht gelungen war, sauberes Bettzeug zu finden. Penny wollte nichts anderes, als die Nacht in seinen Armen zu verbringen. Es war ihr vollkommen egal, ob im Bett oder auf der Couch. Ryan wurde unvermittelt ernst. »Ich vermute, dass Martin sich nicht bei dir gemeldet hat. Sonst hättest du es bestimmt erwähnt.«
»Nein, das hat er nicht. Ich verstehe das zwar nicht, aber es spielt jetzt keine Rolle mehr.« »Warum nicht?« »Er wird morgen wieder zu Hause sein. Dann sage ich es ihm persönlich.« Sie spürte, wie er seine Muskeln anspannte. Der Raum wurde nur durch die Lichter von draußen er hellt, und sie konnte sein Gesicht nicht erkennen. Aber sie spürte deutlich, wie der Gedanke an Martin ihn beunruhigte. Dann hörte sie, wie er tief Atem holte. »Vielleicht sollten wir…«, begann er zögernd. »Was denn?« flüsterte sie in banger Erwartung. »Vielleicht sollten wir eine kleine Pause einle gen.« Ihre Kehle wurde eng. »Nur so lange, bis du Martin deine Antwort mitge teilt hast. Und dann sehen wir, wie es weitergeht. Okay?« Sie zwang sich, ruhig zu atmen. Das hier war nur eine Affäre, jedenfalls für ihn. Damit musste sie le ben. »Gut«, antwortete sie schließlich mit belegter Stimme. »Das ist ein vernünftiger Vorschlag.« Ob wohl ihr das nicht gefiel, war es richtig. Martin könn te schließlich unerwartet bei ihr zu Hause auftau chen oder sie beide in der Öffentlichkeit zufällig se hen. Der Gedanke, dass er auf diese Weise die Wahrheit herausfinden würde, war unerträglich. Es war leicht gewesen, nicht an ihn zu denken, solange er fort war. Sie wollte ihn auf keinen Fall verletzen. Zumindest nicht mehr, als unbedingt nötig war.
Aber der Gedanke daran, nicht mehr mit Ryan zusammen sein zu können, brach ihr fast das Herz. So viel also zur Einladung in sein Leben, dachte sie resigniert. Der Abend hatte sich als das genaue Gegenteil erwiesen.
9. KAPITEL Ryan hatte immer gewusst, dass Martin innerhalb einer Woche zurückkommen würde. Aber irgendwie war ihm nicht klar gewesen, dass das jetzt war. Als Penny sagte, dass er morgen wieder zu Hause sein würde, hörte er eine Alarmglocke in seinem Kopf schrillen. Du musst an deine Zukunft denken. Wenn nur der Schmerz in Pennys Augen nicht gewesen wäre. »An deinem Computer ist noch einiges zu tun«, sagte er in das Schweigen hinein. »Ich werde allein daran weiterarbeiten und mich dann bei dir melden, okay?« »Okay«, erwiderte sie tonlos. Dies war der Moment, vor dem er sich gefürchtet hatte. Der Moment, in dem er ihr wehtun musste. Er suchte verzweifelt nach Worten, um sie ein wenig zu trösten. »Ich wünschte mir, die Situation wäre eine andere. Das weißt du doch, oder?« »Natürlich.« Er drückte sie an sich. Er wollte noch einmal ihre Nähe spüren und ihr zeigen, wie viel sie ihm bedeu tete. Aber als er sich vorbeugte, um sie zu küssen, löste sie sich aus seiner Umarmung. Noch bevor er begriff, was geschah, war sie aufgestanden und
hatte eine Lampe eingeschaltet. Mit dem Badelaken um den Körper ging sie zu der Stelle, an die sie zu vor ihre Kleider geworfen hatte. »Ich fahre jetzt nach Hause«, sagte sie, während sie damit beschäftigt war, sich anzuziehen, ohne das Badelaken fallen zu lassen. »Penny, du musst jetzt nicht gehen«, protestierte er und suchte ihren Blick. Aber sie sah ihn nicht an. Sie legte das Badela ken auf einen Sessel und machte den BHVerschluss zu. »Das weiß ich. Aber ich bin müde, und es ist schon spät. Außerdem ist es in Anbet racht der Situation wohl das Beste.« Mit einem Seufzer stand Ryan auf und näherte sich ihr. Sie zog ihr T-Shirt über den Kopf und blickte ihn an, als er vor ihr stehen blieb. Er fühlte sich erbärmlich. »Ich weiß wirklich, wie man einen Abend ruiniert, nicht wahr?« »Du hast ihn nicht ruiniert. Ich verstehe dich völ lig. Du hast absolut Recht.« Sie küsste ihn auf die Wange, griff nach ihrer Handtasche und ging zur Tür. Er folgte ihr und überlegte, was er noch sagen könnte, aber da hatte sie die Eingangstür schon hinter sich geschlossen. Er legte die Hand auf den Türrahmen, und ihm wurde klar, dass er sich nicht einmal von ihr verabschiedet hatte. Er senkte den Kopf und versuchte gegen das Ge fühl der grenzenlosen Leere anzukämpfen, das von ihm Besitz ergriff.
Ryan verbrachte den größten Teil des Samstags in der Firma, um am Computersystem für das Two Sisters zu arbeiten. Er saß nicht mehr in Martins Büro, sondern in seinem eigenen. Sein Computer war geliefert worden, und Martin war sein Chef. Das waren zwei gute Gründe, um sich mit seinem winzi gen Raum abzufinden. Er vertiefte sich in seine Aufgabe. Dabei sagte er sich immer wieder, wie sehr er diese Arbeit liebte. Und über weite Strecken hinweg gelang es ihm so gar, nicht an Penny zu denken. Das änderte sich allerdings, als er sich etwas zu trinken holte und die Schokoriegel mit Karamell im Automaten des Pausenraums sah. Er seufzte auf und zog sich ein Päckchen Erdnusskekse. Mit einem Mineralwasser und den Keksen in der Hand ging er zurück in sein Büro. Gut hast du das gemacht, mein Junge, sagte er sich. Du hast das Mädchen mit Karamellsoße eingeschmiert, mit ihr geschlafen, als ob es kein Morgen gäbe, und sie dann eiskalt abserviert. Das ist alles Martins Schuld, wollte er sich einre den. Aber nein, das stimmte nicht. Er selbst trug die Schuld an allem. Hätte er sich in der Vergangenheit besser benommen, wäre er nicht so dringend auf den Job bei Schuster Systems angewiesen. Es würde ihm recht geschehen, wenn Penny ihre Meinung änderte und Martins Antrag doch noch annahm. Immerhin hatte Martin ihr mehr zu bieten als er. Sicherheit und Beständigkeit. Ryan setzte sich an seinen Schreibtisch und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Sicherheit und Be
ständigkeit, dachte er. Das war es doch, was er für sich selbst wollte. Er wollte einen sicheren Job und mehr Beständigkeit in seinem Leben. Warum konn te er das Penny nicht geben? Er holte tief Luft und lehnte sich zurück. Ihm wur de klar, dass er sich nie so sicher gefühlt hatte wie mit Penny. Sie war so ehrlich, aufrichtig und loyal. Er hatte sich nie Sorgen darum machen müssen, dass sie ihn plötzlich verlassen könnte. Und sie hat te ihn nicht ändern wollen. Sie hatte ihn immer ge nommen, wie er war. Sie liebte ihn, so wie er war. In den letzten Tagen hatte er das in ihren Augen se hen können. Und er selbst? Was bedeutete sie ihm? Ryan schloss für einen Moment die Augen, als die Erkenntnis ihn durchfuhr. Er liebte sie. Welchen anderen Grund könnte es dafür geben, dass er sich so elend fühlte? Aus welchem anderen Grund hätte er für einen Kuss und eine Umarmung seine Karriere aufs Spiel setzen sollen? Ja, er hatte sich in Penny Halloran verliebt. Und er hatte sie gestern Abend aus seinem Le ben verbannt. Penny hatte den Samstag damit zugebracht, auf Martins Anruf zu warten. Als der Nachmittag he reinbrach und sie noch immer nichts von ihm gehört hatte, rief sie ihn zu Hause an. Es war jedoch nur der Anrufbeantworter, der ihr entgegentönte. Sie legte irritiert auf. Was war denn da los? Wo, um al les in der Welt, war Martin? Jetzt war Sonntagnachmittag, und sie war eben so ratlos wie unglücklich.
»Lass uns in den Eden Park fahren und spazie ren gehen«, schlug Patti vor. Sie saßen in Pennys Wohnzimmer auf der Couch. Penny hatte ihre Schwester gerade auf den neuesten Stand der Dinge gebracht. Dazu gehörte auch, dass sie immer noch nicht mit Martin gespro chen hatte und ihr Liebesleben in Trümmern lag. »In den Eden Park?« wiederholte Penny seuf zend. »Nein, dazu bin ich jetzt nicht in der Stim mung. Ich war gerade erst mit Ryan dort. Es würde mich nur noch mehr deprimieren.« »Na, komm schon. Du warst auch viele Male oh ne Ryan dort. Ein kleiner Spaziergang würde dir gut tun.« Patti stand auf und ergriff Pennys Handge lenk, um sie auf die Füße zu ziehen. »Gib dir einen Ruck. Ich fahre.« Nachdem Patti sie aus der Haustür geschoben harte, kramte Penny in der Handtasche nach ihren Schlüsseln. Während sie die Haustür abschloss, schaute sie unverwandt auf Ryans Ersatzschlüssel, der noch an ihrem Bund hing. Es gab wirklich viele Dinge, die derzeit ihre Stimmung verschlechtern konnten. Mühsam hielt sie die aufsteigenden Trä nen zurück. »Ach, Kleine. Es tut mir so furchtbar Leid, dass es dir so dreckig geht«, sagte Patti mit Blick auf Pennys verräterisch schimmernde Augen. »Das Schlimmste daran ist, dass ich selbst Schuld bin an der ganzen Sache«, schniefte Penny, als sie die Verandatreppe hinuntergingen. »Ich hät te die Sache mit Martin erst zu einem Ende bringen müssen, bevor ich etwas Neues anfange. So, wie
ich mich verhalten habe, habe ich es nicht anders verdient.« »Das ist doch Quatsch. Natürlich verdienst du es, mit Ryan glücklich zu sein. Obwohl ich im Moment nicht übel Lust hätte, ihm gehörig in den Hintern zu treten.« Kopfschüttelnd setzte Penny sich auf den Beifah rersitz von Pattis Wagen. »Er versucht nur, seinen Job zu behalten. Das kannst du ihm nicht zum Vor wurf machen.« »Aber sicher kann ich das. Es gibt Dinge, die wichtiger sind als Jobs«, protestierte Patti, während sie den Gurt anlegte. »Ich habe ihm nie ein Versprechen abverlangt. Ich habe immer so getan, als wollte ich nur eine schöne Zeit und… Sex.« Sie lehnte den Kopf zu rück und schloss kurz die Augen. »Und das mir! Ich war doch immer so ein braves Mädchen. Und jetzt tue ich so, als ob Sex mir überhaupt nichts bedeu tet!« Patti blickte sie ernst an. »Ist es so, Penny? Hat es dir nichts bedeutet?« Nachdenklich schüttelte Penny den Kopf. »Doch, sehr viel sogar. Ich glaube, ich habe mich gleich von Anfang an in ihn verliebt.« »Aha«, sagte Patti und ließ den Motor an. »Dann bist du also immer noch ein braves Mädchen. Du hast dich nur leider in den falschen Mann verliebt.« »Ich glaube, dass es schon der richtige Mann ist. Nur der Zeitpunkt ist falsch.« Am Montagmorgen ließ Ryan seine Bürotür weit offen stehen und lauschte angestrengt nach drau
ßen. Er war darauf gefasst, jeden Moment Martins Stimme im Korridor zu hören. Jedes Mal, wenn die Fahrstuhltüren aufgingen, setzte sein Herzschlag aus. Als Martin um neun Uhr noch nicht erschienen war, dachte Ryan, dass er vielleicht verschlafen hätte. Als er um zehn immer noch nicht da war, ge riet Ryan allmählich in Panik. Er musste unbedingt mit Martin sprechen. Er musste herausbekommen, was Penny ihm erzählt hatte. Sein Leben sollte sich endlich wieder in nor malen Bahnen bewegen. Auch um elf war von Martin noch nichts zu se hen. Ryan hielt es an seinem Arbeitsplatz nicht mehr aus und ging zum Empfangstisch. Vielleicht wusste Grace ja etwas über den Verbleib ihres Chefs. »Ja?« sagte Grace und blickte lächelnd von der eingegangenen Post auf. »Ich frage mich nur, wo Martin steckt. Er musste doch eigentlich wieder da sein. Ich habe ihn noch nicht gesehen.« »Er ist noch nicht zurückgekommen.« »Warum denn nicht?« »Er kommt schon noch. Nur keine Aufregung.« Keine Aufregung? Ryan musste sich zusammen reißen, um nicht laut loszuschreien. »Ich hätte da einige Projekte mit ihm zu besprechen. Es ist ziem lich dringend.« Grace fuhr ungerührt damit fort, die Briefe und Sendungen zu sortieren. »Er hat vor einer Weile angerufen.« »Und was hat er gesagt?«
»Er konnte nicht lange sprechen. Er meinte nur, dass er noch bleiben würde. Er ruft morgen noch mal an und teilt mir mit, wann er wieder da sein wird.« »Und was hält ihn auf?« Grace zuckte die Schultern. »Das kann alles Mögliche sein. Wahrscheinlich ist ein neuer Auftrag in Sicht, und er ist noch mit Verhandlungen beschäftigt.« Ryan nickte nur und ging in sein Büro zurück. Selbst wenn seinen Chef tatsächlich noch Auftrags verhandlungen in Las Vegas hielten, war seine Ver spätung unverantwortlich, fand Ryan. Martin hatte hier schließlich eine Firma zu leiten. Und außerdem wartete eine Frau auf ihn, der er vor seiner Abreise einen Heiratsantrag gemacht hatte. Was war das nur für ein Mann? Er machte sich wieder an die Arbeit, aber es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Penny fehlte ihm schon jetzt. Und die Tatsache, dass er ihr so weh getan hatte, war unerträglich. Wie von ungefähr kam ihm der Gedanke, dass er vielleicht die fal schen Prioritäten gesetzt hatte. Außerdem musste er sich damit abfinden, in sie verliebt zu sein. Noch während er darüber nachgrü belte, wie er seinen Job behalten und trotzdem mit Penny zusammen sein könnte, quälte ihn die Vor stellung, dass sie seine Gefühle vielleicht gar nicht erwiderte. Es war ja durchaus möglich, dass sie gar keine Beziehung mit ihm wollte. Die Situation wurde immer undurchdringlicher.
Entnervt stand er schließlich auf und verließ sein Büro. Er musste hier raus, sonst würde er noch ver rückt werden. »Ich gehe für eine Stunde weg«, sagte er zu Grace. »Ich muss eine Besorgung machen.« Schon im Fahrstuhl nahm in seinem Kopf allmäh lich ein Plan Gestalt an. Zielsicher marschierte er zum nächstgelegenen Einkaufszentrum. Mit dem, was er vorhatte, würde er keineswegs seine Prob leme lösen. Aber er würde Penny zeigen, dass sie in seinen Gedanken war und wie sehr er sie immer noch begehrte. Penny quälte sich mühsam durch ihren Arbeitstag. Für einen Montag hatten sie im Restaurant viel zu tun. Wie in Trance bewältigte Penny den Andrang an Gästen, und als sie sich um kurz vor fünf auf den Weg nach Hause machte, war sie völlig erschöpft. Sie nahm ihre Post aus dem Briefkasten, ging ins Haus und ließ sich auf die Couch fallen. Während sie die ersten Umschläge öffnete, bemerkte sie das Blinken ihres Anrufbeantworters. Sie fuhr hoch, um auf den Wiedergabeknopf zu drücken. Als sie Mar tins Stimme hörte, zuckte sie zusammen und ließ die Post auf den Boden fallen. »Penny, hier ist Martin. Verzeih mir, dass ich nicht früher angerufen habe. Mir ist hier die Zeit da vongelaufen. Ich wünschte, du wärst jetzt da und ich könnte mit dir sprechen. Ich komme ein wenig später zurück als vorgesehen, aber ich melde mich dann sofort bei dir.« Wie erstarrt blickte Penny auf den Anrufbeant worter. Jetzt hatte Martin also endlich etwas von
sich hören lassen, aber seine Nachricht war so rät selhaft, dass sie eigentlich noch frustrierter war als vorher. Er würde also später zurückkehren. Warum hatte er nicht gesagt, wann das genau sein würde? Und warum hatte er sie nicht wissen lassen, was ihn aufhielt? Das Klingeln der Türglocke unterbrach ihre Gedanken. Sie öffnete und sah sich einem Kurierfahrer gegenüber. Sie nahm ein kleines Päckchen entgegen und quittierte es. Dann stand sie wieder allein in ihrem Flur und schaute auf den schmalen Karton in ihren Händen. Er war von roten Herzchen bedeckt und mit gleichfalls rotem Schleifenband verschnürt. Was konnte das sein? Und wer hatte es ge schickt? War Patti auf die Idee gekommen, sie mit einem kleinen Geschenk aufzumuntern? Oder war es eine Liebesgabe von Martin, der sie auf diese Weise um Entschuldigung bitten wollte? Neugierig löste sie die Schleife und öffnete den Deckel. Gebettet auf rotes Seidenpapier lag da ein String-Tanga mit Tigermuster und schwarzen Spit zen. Nein, das hier war eindeutig nicht von Martin. Ein ganz bestimmter Verdacht keimte in ihr auf. Schnell griff sie nach der beiliegenden Karte und begann zu lesen. Für die Frau, die das Raubtier in mir zum Vor schein bringt. Ich vermisse Dich. Ryan
Penny wurden die Knie schwach, und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Oh, sie liebte Ryan. Mehr noch, sie war verrückt nach ihm. Sie war sich nicht sicher, ob dieses Geschenk bedeutete, dass sich die Dinge geändert hatten. Aber sie wusste plötzlich, dass sie zumindest den Versuch unternehmen würde, sie zu ändern. Ryan hatte eigentlich vorgehabt, die Firma gegen sechs Uhr zu verlassen. Er war mehr als gespannt, ob Penny eine Nachricht auf seinem Anrufbeant worter hinterlassen hatte. Falls nicht, würde er sie auf jeden Fall anrufen oder bei ihr vorbeifahren. Er wollte unbedingt wissen, ob sie sein Geschenk er halten hatte und wie ihre Reaktion auf seinen An näherungsversuch war. Aber als er um kurz vor sechs Martins E-Mails durchsah, fand er unglücklicherweise eine Nachricht von einem Kunden in Kalifornien, der offenbar Schwierigkeiten mit seinem Computersystem hatte. Ryan wusste nicht, ob er helfen konnte. Er fühlte sich jedoch verpflichtet, sich zumindest bei dem Kunden zu melden. Zwei Stunden später legte er den Hörer auf. Es hatte eine Weile gedauert, bis er herausfand, um welche Schwierigkeiten es sich handelte. Aber dann hatte er dem Kunden genaue Anweisungen gege ben und gemeinsam mit ihm das Problem lösen können. Er löschte die Lichter in den Firmenräu men, fuhr mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss und machte sich auf den Weg in die Tiefgarage.
Als er vor dem Haus, in dem er wohnte, aus dem Wagen stieg, ging gerade die Sonne unter und tauchte den Himmel in glühendes Rot. Er musste an den Sonnenuntergang denken, den er vor wenigen Tagen zusammen mit Penny erlebt hatte. Seltsam, es kam ihm vor, als wäre das eine Ewigkeit her. Mit fliegenden Fingern schloss er die Wohnungs tür auf. Penny hatte das Päckchen inzwischen be stimmt erhalten. Er fragte sich, was sie wohl dar über denken mochte. Er war so aufgeregt wie ein Schuljunge, der seiner Angebeteten das erste Lie besgedicht überreicht hatte. Nachdem er das Licht eingeschaltet und seine Aktentasche auf den Küchentresen gelegt hatte, fiel sein Blick auf ein Stück Papier, das heute Morgen noch nicht da gewesen war. Mit roter Tinte stand darauf geschrieben: Komm ins Bett, Tiger Ryan blieb an der Tür zum Schlafzimmer stehen. Der Anblick, der sich ihm bot, war atemberaubend. Penny lehnte an der offenen Tür zum Balkon und trug nichts als den String-Tanga, den er ihr ge schenkt hatte. Durch ihr seidiges, helles Haar strich von drau ßen ein leichter Luftzug. Mit den sanften Rundun gen ihrer Brüste und dem Tigermuster um ihre schmalen Hüften kam sie ihm vor wie eine Sexgöt tin aus einem Hochglanzmagazin. Er glaubte zu träumen. Aber es war kein Traum. Es war Wirklichkeit. Sie war Wirklichkeit und zum Greifen nah.
»Hallo«, sagte sie mit rauchiger Stimme. »Hallo«, erwiderte er mit vor Erregung zitternder Stimme. »Ich sehe, du hast… mein kleines Ge schenk bekommen.« Sie nickte und lächelte ihn herausfordernd an. »Gefällt es dir?« »Ja, oh ja«, murmelte er. Sie lächelte immer noch, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und drehte sich langsam einmal um die eigene Achse. Ryan wurde die Kehle eng, und er hörte, wie das Blut in seinen Adern rauschte. »Wie… äh… wie bist du hier hereingekommen?« fragte er und kam sich ziemlich idiotisch dabei vor. »Ich habe vergessen, dir deinen Ersatzschlüssel zurückzugeben.« »Das ist mehr als ein glücklicher Zufall.« »Das finde ich auch«, wisperte sie. »Du hast mir gefehlt, Ryan.« Langsam ging er auf sie zu. Sie war so schön, dass er es fast nicht wagte, sie zu berühren. Dann umfasste er jedoch ihr Gesicht mit beiden Händen und gab ihr einen langen, zärtlichen Kuss auf die Lippen. Das Gefühl, das ihn dabei durchströmte, war so eindeutig, dass es keinen Zweifel mehr gab. Es war Liebe. Diese Frau war seine Sonne und sein Mond, sein süßes, unschuldiges Sandwich-Mäd chen und seine ständige sinnliche und unwidersteh liche Versuchung. Er löste sich von ihr und zeichnete mit den Fin gerspitzen die Konturen ihres Mundes nach. »Ich habe deine Küsse vermisst.«
Penny schlang die Arme um seinen Hals und drängte sich an ihn. Während sie sich wieder und wieder küssten und dabei immer leidenschaftlicher und fordernder wurden, gelang es Ryan mit ihrer Hilfe, sich seiner Kleidung zu entledigen. Für einen Moment gab er sich dem unglaublichen Gefühl hin, das ihr nackter Körper auf seiner Haut auslöste. »Komm ins Bett«, sagte sie und nahm ihn bei der Hand. »Erinnerst du dich noch an den Abend, als du die ganze Arbeit gemacht hast und für mein Ver gnügen verantwortlich warst?« fragte sie, als er sich hingelegt hatte. Er nickte nur. »Gut«, sagte sie und kniete sich neben ihn. »Ich möchte mich nämlich revanchieren.« Er schloss die Augen und spürte, wie sie sich über ihm bewegte und seine Hände ans Kopfende des Bettes fesselte. Als er nach oben sah, erblickte er die mit Samt bezogenen Handschellen. Er warf den Kopf zurück und lachte. »Ich habe mich wohl geirrt. Das Raubtier bist in Wahrheit du.« »Ich glaube, wir sind es beide. Deshalb passen wir ja so gut zusammen. Allerdings muss ich dich warnen. Was du bisher mit mir erlebt hast, war gar nichts im Vergleich zu dem Raubtier, das du jetzt sehen wirst.« Sie beugte sich vor, um ihn auf den Mund zu küssen. Dann ließ sie ihre Lippen abwärts wandern und bedeckte seinen Hals, seine Brust und seinen Bauch mit Küssen. Er stöhnte auf, als sie zwischen seinen Beinen ankam. Er spürte, wie ihre Hand und ihr Mund sich sanft, aber bestimmt um ihn schlos sen. Er fühlte ihre gleitenden Bewegungen, zuerst
behutsam und dann immer schneller und heftiger. Eine ungeheure Welle der Lust durchströmte ihn, und er musste die Zähne zusammenbeißen, um nicht laut aufzuschreien. Das Gefühl, ihren zarten Händen und ihrem schönen Mund ausgeliefert zu sein, überwältigte ihn. Er hatte keine andere Möglichkeit, als sich dem hinzugeben, was sie mit ihm machte. Und sie mach te es mit Perfektion. Die Welt außerhalb dieses Raumes versank ins Nichts. Alle seine Sinne waren auf Penny gerichtet und das, was sie mit ihm tat. Die Welt bestand nur noch aus dieser wundervollen Frau und ihm. Nie zuvor hatte er Lust in solcher Vollendung erlebt. Er wünschte sich nur, sie berüh ren zu können. »Penny«, flüsterte er, als sie schließlich von ihm abließ. »Ich will dich festhalten. Ich will dich küs sen.« Sie küsste ihn noch einmal leidenschaftlich auf den Mund. Dann löste sie die Handschellen. Sobald Ryans Hände frei waren, presste er sie an sich und flüsterte in ihr Ohr, wie schön sie war und was für unglaubliche Gefühle sie in ihm ausgelöst hatte. Sie lächelte und legte ihre Wange an die seine. »Lass es uns auf dem Balkon tun«, sagte sie leise. »Ist dir das gerade eingefallen, oder hast du…« »Ich habe eine Balkon-Fantasie«, vollendete sie seinen Satz. »Ich habe mir vorgestellt, dabei auf die Stadt zu sehen und mich zu fühlen wie auf dem Gipfel der Welt. Der Wind streicht über unsere nackte Haut. Wir werden eins mit der Natur. Wir sind die einzigen Menschen im Universum.«
Sie hatte also auch die Idee, dass außer ihnen beiden keine anderen Menschen mehr existierten, wenn sie sich liebten. Diese Übereinstimmung über wältigte ihn fast. In diesem Moment liebte er sie so sehr, dass er dafür keine Worte mehr fand. Er konn te es ihr nur noch mit seinem Körper beweisen. Eng umschlungen traten sie auf den kleinen Bal kon mit dem hüfthohen Geländer. Zwischen ihnen und dem Fluss lag nur die Nacht mit ihren entfern ten Lichtern. Die Trennwände zu beiden Seiten schützten sie vor neugierigen Blicken. Penny blieb stehen und sah ihn an. Der Wind spielte mit ihrem Haar, und in ihren Augen erkannte er Vertrauen, Liebe und Hingabe. Er trat hinter sie, schmiegte sich an ihren Rücken und küsste ihren Nacken. Sie seufzte auf und lehnte sich an ihn. Er tastete nach ihren zarten Lippen und drängte sanft die Fingerspitze dazwischen. Als sie daran saugte, wie sie es zuvor im Bett mit dem männlichsten Teil seines Körpers getan hatte, glaubte er, vor Verlangen den Verstand zu verlie ren. Er zog den Finger zurück und streichelte ihre Brüste. Mit einem Seufzer lehnte sie den Kopf an seine Schulter. Während Penny den Kopf zur Seite drehte und sein Gesicht mit einer Hand umfasste, um ihn zu küssen, ließ er seine Finger unter den Rand des String-Tangas in die Feuchtigkeit zwischen ihren Beinen gleiten. Er hörte sie stöhnen und spürte, wie sie sich an seiner Hand zu reiben begann. Er konnte nicht länger warten. »Ich will dich«, flüsterte er und streifte ihr den Slip von den Hüften.
»Dann nimm mich«, gab sie leise zurück und beugte den Oberkörper vor. Sie musste es ihm nicht zwei Mal sagen. Ohne zu zögern, stieß er von hinten so tief in sie hinein, wie er konnte. Sie schrie auf und legte die Hände auf das Balkongeländer, um sich festzuhalten. Nach den ersten heftigen und harten Bewegungen gelang es ihm, sich zurückzuhalten. Sein Rhythmus wurde sanfter, seine Stöße weicher. Er hörte, wie sie sei nen Namen rief, und als er spürte, wie sie kam, hat te er tatsächlich das Gefühl, auf dem Gipfel der Welt zu sein. Dann umfasste er ihre Hüften und steuerte sei nem eigenen, unaufhaltsamen Höhepunkt entge gen. Als es vorbei war und er wieder sprechen konnte, richtete er sie auf und umschlang sie mit beiden Armen. »War es so wie in deiner Fantasie?« fragte er und küsste sanft ihre Schläfe. »Allmählich komme ich zu der Überzeugung, dass die Wirklichkeit besser ist als alle Fantasien«, gab sie heftig atmend zurück. Ryan lag auf der Seite und sah Penny beim Schlafen zu. Nach ihrer unglaublichen Vereinigung auf dem Balkon hatte er ihr eigentlich sagen wollen, wie sehr er sie liebte. Aber dann war es ihm doch nicht über die Lippen gekommen. Zu viel war noch ungeklärt, und das bedrückte ihn. Als Penny sich im Schlaf bewegte, erwachte sein Verlangen erneut. Er küsste die seidige Haut ihrer Brüste, bis er ihre Hand in seinem Haar spürte. Er sah auf und blickte in ihr lächelndes Gesicht. Sie
schlug die Augen auf, und er entdeckte das gleiche Verlangen darin, das er empfand. Sie liebten sich noch einmal, und wieder wurde die Welt zu einem Paradies. Danach lagen sie ineinander verschlungen da, lachten atemlos, küssten und streichelten sich. Nach einer Weile wurde Penny jedoch ernst. Sie rollte sich auf die Seite und stützte das Kinn auf seine Brust. »Wir müssen mal darüber reden, wie es weitergeht.« »Das denke ich auch.« »Was sollen wir machen, wenn Martin zurück kommt?« »Ehrlich gesagt, habe ich keine konkreten Vor stellungen. Wir werden improvisieren.« »Ein hervorragender Plan. Meinst du nicht, dass…« »Alles ist besser, als von dir getrennt zu sein«, sagte er und verschloss ihr die Lippen mit einem Kuss. Am nächsten Tag saß Ryan an seinem Schreibtisch und versuchte vergeblich, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Martin hatte nichts von sich hören lassen, und so lenkte ihn nichts von seinen Gedan ken an Penny ab. Um die Mittagszeit wurde seine Sehnsucht nach ihr so groß, dass er sich ent schloss, seinen Lunch heute im Restaurant zu sich zu nehmen. Er sagte Grace, dass er im Two Sisters essen würde, und eilte zum Fahrstuhl. Das Restaurant war voll bis auf den letzten Platz. Ryan ergatterte einen gerade frei gewordenen Bar hocker und setzte sich nahe beim Fenster ans Ende
des Tresens. Penny hatte ihn noch nicht gesehen, und so konnte er sie eine Weile unbemerkt beo bachten. Sie sah bezaubernd aus. Ihre Augen strahlten mit ihrem Mund um die Wette, und sie wirkte durch und durch glücklich. Mit beflügelter Leichtigkeit bewältigte sie die vielen Bestellungen. Als sie Ryan erblickte, vertiefte sich ihr Lächeln. Hastig trocknete sie sich die Hände ab und näherte sich ihm. »Was machst du denn hier?« »Ich habe Hunger. Und Sehnsucht nach dir.« »Aber wir haben uns doch erst vor ein paar Stunden gesehen.« »Ein paar Stunden können eine verdammt lange Zeit sein.« »Penny, ich brauche eine Hühnersuppe«, rief Patti vom anderen Ende der Bar. »Ich sehe schon, du hast zu tun«, sagte Ryan mit einem Seufzer. »Wenn du ein bisschen Zeit hast, kannst du mir ja auch so eine Suppe bringen. Und ein Käse-Schinken-Sandwich.« »Ist das alles?« »Vielleicht noch zwei oder drei Küsse, wenn du diese Bestellung noch unterbringen kannst.« »Kommt sofort«, sagte sie und warf ihm eine Kusshand zu. Dann verschwand sie in der Küche. Sie hatte wirklich viel zu tun. Trotzdem brachte sie Ryan seinen Lunch bereits einige Minuten spä ter. Wann immer sie einen Moment Zeit hatte, stell te sie sich zu ihm. Und als er sich vorbeugte und sie nach der heutigen Farbe ihres BHs fragte, lehnte sie sich über den Tresen und versetzte ihm einen
leichten Schlag auf den Arm. »Das wirst du wohl allein herausfinden müssen.« Als Ryan mit dem Essen fertig war, legte sich der Ansturm der Gäste. Penny war froh, dass sie ein bisschen Zeit hatte, um sich mit ihm zu unterhalten. »Dein Modem und dein Diskettenlaufwerk sind übrigens geliefert worden«, sagte er. »Großartig. Dann kann ich ja wieder an meinem Computer arbeiten.« »Ich kann beides morgen Abend installieren, wenn du willst.« »Warum nicht heute?« Er grinste. »Weil ich für heute Abend andere Plä ne mit dir habe.« »Du machst mich neugierig.« »Ich dachte, wir essen heute bei mir zu Abend. Wie du weißt, habe ich allerhand leckere Sachen im Kühlschrank, mit denen sich was anrichten lässt. Passt es dir um halb sechs?« Sie nickte. »Das klingt wunderbar.« »Nein. Wunderbar wird es erst nach dem Abend essen, wenn ich mir deinen BH ansehe. Also, bis dann. Ich freue mich.« Er stand auf, winkte ihr zum Abschied zu und verließ das Restaurant. Mit einem verträumten Lächeln sah Penny ihm nach. Dann blickte sie zum Fenster, und ihr Lächeln erstarb. Draußen vor dem Fenster stand Grace in der Lobby des Bürogebäudes und beobachtete sie. Penny erstarrte. Wie lange stand Grace schon dort? Was hatte sie gesehen? Weder sie noch Gra ce lächelten oder winkten sich zu. Das war kein gu tes Zeichen. Während Grace auf das Restaurant zuging, überlegte Penny sich mit einem Anflug von
Panik, wie Ryan und sie wohl auf einen Dritten ge wirkt haben mussten. Sie hatten gelacht, miteinan der geflüstert und geflirtet wie ein Liebespaar, das konnte sie nicht leugnen. »Hallo«, sagte Penny mit belegter Stimme, als Grace auf sie zukam. Grace sah sie ernst an. »Ich bin hier, weil ich dir sagen wollte, dass Martin angerufen hat.« »Oh«, machte Penny nur. »Er fliegt heute Nacht zurück und wird morgen früh wieder in der Firma sein. Ich dachte mir, dass du das vielleicht wissen möchtest.« »Natürlich«, erwiderte Penny mit schwacher Stimme. »Danke.« Grace blickte sie einige Sekunden lang wortlos an. Penny zuckte innerlich zusammen. Jetzt kommt es, dachte sie verzweifelt. Und dann kam es. »Penny, ich will meine Nase ja nicht in Dinge stecken, die mich nichts angehen… aber… ich habe dich neulich im Park gesehen.« Penny konnte nur trocken schlucken. »Und ich habe dich eben gerade beobachtet. Ich kenne die Hintergründe nicht, und ich habe keine Ahnung, was du Martin erzählen willst. Ich denke jedoch, du solltest es in Betracht ziehen, ein wenig diskreter zu sein.« Penny hatte das Gefühl, als Ehebrecherin an ei nem mittelalterlichen Pranger zu stehen. »Grace, es tut mir Leid«, brachte sie mit zitternder Stimme her aus.
»Ich bin nicht die Person, bei der du dich ent schuldigen solltest«, sagte Grace streng und wand te sich zum Gehen. Penny fühlte sich erbärmlich. Sie wollte nicht, dass Grace etwas Schlechtes von ihr dachte. Aber sie konnte ihr auch nicht die Wahrheit sagen, bevor sie mit Martin über ihre Entscheidung gesprochen hatte. »Grace, warte einen Moment.« Grace drehte sich zu ihr um. »Ich mag mir nicht ausmalen, was du gerade ü ber mich denken musst. Es ist nur so, dass die gan ze Geschichte viel komplizierter ist, als es den An schein hat. Und… Grace, ich habe dich immer für eine Freundin gehalten. Ich will nicht, dass sich das ändert.« Grace lächelte zum ersten Mal. »Das möchte ich auch nicht. Und weil ich deine Freundin bin, muss ich dir doch sagen, dass du nicht unsichtbar bist und dein Verhalten Konsequenzen haben kann.« Nachdem Grace gegangen war, konnte Penny wieder klar denken. Grace hatte Recht. Die Wahr scheinlichkeit war groß, dass auch andere Leute, die sie selbst und Martin kannten, sie mit Ryan ir gendwo gesehen hatten. Die Welt war klein, wenn man ein Geheimnis hüten wollte. Und jetzt, da Martins Rückkehr unmittelbar be vorstand, wurde Penny noch deutlicher, dass sie ihm um keinen Preis wehtun wollte. Auch wenn sie ihn nicht heiraten wollte, so hatte sie doch gehofft, dass sie Freunde bleiben könnten. Ihr Verhalten war, bei genauerer Betrachtung, ungeheuerlich ge wesen. Da spielte es auch keine Rolle, wie verliebt sie in Ryan war. Welche Folgen es für Ryan haben
konnte, wenn Martin über einen Dritten von der ganzen Geschichte erfuhr, daran mochte sie gar nicht denken. Penny blickte auf ihre Hände, die sie unbewusst zu Fäusten geballt hatte. Sie musste sich eingeste hen, dass sie die letzten zehn Tage damit verbracht hatte, das Leben von zwei Männern, die ihr wirklich etwas bedeuteten, völlig durcheinander zu bringen. Wenn sie jetzt etwas unternahm, wenn sie jetzt da mit aufhörte, war es vielleicht noch nicht zu spät. Weder für Martin noch für Ryan.
10. KAPITEL Als Penny von der Arbeit nach Hause kam, ver suchte sie so zu tun, als ob es ein ganz normaler Tag wäre. Sie zog sich die Schuhe aus, sah ihre Post durch und schenkte sich ein Glas Eistee ein, um sich abzukühlen. Seit dem Regen in der ver gangenen Woche waren die Temperaturen wieder stetig nach oben geklettert. Aber der Versuch, die Traurigkeit zu ignorieren, die sich seit dem Mittag in ihr breit gemacht hatte, war vergebens. Dennoch war sie davon überzeugt, dass die Entscheidung, die sie schweren Herzens getroffen hatte, richtig war. Ihre Hand zitterte, als sie nach dem Telefon griff und Ryans Nummer wählte. »Hallo?« Seine volle, dunkle Stimme traf sie mit ten ins Herz. Sie hatte keine Ahnung, wie sie es über sich bringen sollte, ihre Absicht in die Tat um zusetzen.
»Hallo, ich bin es.« »Penny, wo bleibst du denn? Ich habe schon an gefangen, mir Sorgen zumachen.« Sie sah auf ihre Uhr. Es war fast sechs. »Ich komme nicht«, brachte sie mühsam hervor. »Was ist los? Hast du Probleme mit deinem Au to?« »Nein. Ich habe heute Mittag mit Grace gespro chen. Sie hat uns gesehen, Ryan. Im Park und im Restaurant. Und Martin kommt heute Nacht zu rück.« Sie hielt inne und versuchte ihren Atem ruhig zu halten. »Ich habe viel darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass wir uns nicht mehr treffen sollten.« Am anderen Ende der Leitung blieb es einen Moment lang still. »Wie meinst du das? Für eine Weile oder… für immer?« »Für immer.« Sie stockte kurz. »Ryan, ich weiß, was dir dein Job bedeutet. Und du wirst ihn verlie ren, wenn wir zusammen bleiben. Und da ist noch etwas. Ich habe Martin sehr gern, und er hat es nicht verdient, so behandelt zu werden. Selbst wenn wir einige Zeit verstreichen lassen, nachdem ich seinen Antrag abgelehnt habe, werde ich immer das Gefühl haben, ich würde ihn betrügen. Und viel leicht ist es ja auch so. Er hat mir vertraut, und ich habe dieses Vertrauen missbraucht. Ich kann das nicht tun. Die Situation wäre für uns alle unerträg lich.« Ryan schwieg. Sie konnte nur seine Atemzüge hören. Sie zwang sich zu einem kurzen, gespielt heite ren Lachen. »Ryan, wir wussten doch beide von
Anfang an, dass es nicht für ewig sein würde. Es war wundervoll, wirklich. Und ich würde die Zeit mit dir gegen nichts auf der Welt eintauschen wollen. Aber es war nur eine Affäre. Wenn es jetzt ein Ende hat, ist das für jeden von uns das Beste.« »Was geschieht mit deinem Computersystem? Unserem Projekt?« »Ich habe mir gedacht, dass du mit Patti weiter arbeiten kannst. Oder wir denken uns einen über zeugenden Grund aus, damit Martin jemand anders mit dem Job beauftragt. Ich bin sicher, dass wir eine Lösung finden werden.« Er schwieg erneut, und sie wusste nicht mehr, was sie noch sagen sollten. »Ryan, bist du noch da?« »Ja, das bin ich.« Er klang sehr müde. »Ich danke dir«, sagte sie, einem plötzlichen Im puls folgend. »Wofür?« »Für die letzte Woche. Für gestern Nacht.« Sie holte tief Atem. »Wir sollten jetzt Schluss machen.« »Penny, ich…« Aber da hatte sie schon aufgelegt. Was immer er ihr noch sagen wollte, sie war nicht in der Lage, es sich anzuhören. Sie musste jetzt ein Ende machen, sonst würde sie nie mit dem Schmerz fertig werden. Sie wankte mit zitternden Knien in ihr Schlafzim mer, warf sich aufs Bett und brach in Tränen aus. Am anderen Morgen saß Ryan in seinem Büro und schaute wie gebannt auf die Uhr. Martin musste jeden Moment kommen. Ryan hatte keine Ahnung, was dann passieren würde.
Es war neun Minuten nach acht. Lieber Himmel, er hatte gerade zwei Minuten lang nicht an Penny gedacht. Das war ein Rekord. In der vergangenen Nacht, die er schlaflos verbracht hatte, waren seine Gedanken immer wieder um ihr letztes Telefonat gekreist. Er konnte es immer noch nicht fassen. A ber er wusste, dass sie absolut Recht hatte. Er war schließlich von Anfang an der gleichen Überzeu gung gewesen wie sie. Deshalb hatte er sie auch nicht noch einmal angerufen. Es gab nichts mehr zu sagen. Wenn es doch nur nicht so verdammt schwer wäre, sich mit den Tatsachen abzufinden! Um elf Minuten nach acht dachte er an ein ande res Telefonat, das er gestern Abend geführt hatte. Dan hatte ihn angerufen, und sie hatten eine Weile über Ryans neuen Job und die Eigentumswohnung gesprochen. »Du führst ein tolles Leben«, hatte Dan schließ lich gesagt. »Was würde ich nicht alles darum ge ben, wenn…« »Was?« hatte Ryan fassungslos gefragt. »Oh, verstehe mich bitte nicht falsch. Carol und die Kinder sind wunderbar. Ich bin zufrieden mit meinem Leben. Aber manchmal beneide ich dich. Und ich denke daran, wie viel Energie und Durch setzungsvermögen du aufbringen musstest, um dein Zuhause hinter dir zu lassen und an einem fremden Ort neu anzufangen.« Ryan traute seinen Ohren kaum. »Ich hatte keine andere Wahl. Es ist das, was ich schon immer woll te.«
»Aber trotzdem braucht man dazu Mut«, sagte Dan beharrlich. »Das gehört zu den Dingen, an die Mom mich ständig erinnert.« »Was soll das heißen?« Dan seufzte auf. »Mom und Dad sind echte Fans von dir. Sie erzählen mir immer wieder, wie gut es dir in der Stadt geht, was für einen tollen Job du hast und dass sie nicht wüssten, wie sie ohne das Geld, das du ihnen schickst, zurechtkommen soll ten. Ich weiß nicht, wie oft ich das schon gehört ha be.« Ryan konnte nicht länger an sich halten. Er warf den Kopf zurück und brach in lautes Gelächter aus. »Was ist daran so komisch?« fragte Dan, als sein Bruder sich wieder beruhigt hatte. »Mir erzählen sie auch immerzu, was für ein tol ler Kerl du bist. Ich kann es, ehrlich gesagt, schon nicht mehr hören.« Nun mussten beide Brüder lachen. Dann führten sie noch ein längeres Gespräch über diese seltsa me Situation und kamen zu dem Schluss, dass ihre Eltern offenbar auf sie beide sehr stolz waren. Nur ließen sie das nicht den Sohn, den es betraf, son dern immer nur seinen Bruder wissen. Die Unterhal tung endete damit, dass Ryan seinen Bruder und dessen Familie nach Cincinnati einlud und Dan gern zusagte. Nachdem sie aufgelegt hatten, war Ryan zumindest ein wenig leichter ums Herz gewesen. Jetzt war es fünfzehn Minuten nach acht, und Ryan beschloss, endlich mit der Arbeit anzufangen. Gerade, als er die Eingangsseite von Pennys Sys tem geöffnet hatte, klingelte sein Telefon. »Ryan Pierce«, meldete er sich.
»Hallo, hier ist Martin. Können Sie bitte für einen Moment in mein Büro kommen? Ich muss etwas mit Ihnen besprechen.« Er legte auf, bevor Ryan etwas erwidern konnte. So, dachte Ryan. Das war es also. Martin war ins Büro gekommen, ohne dass er es bemerkt hatte. Und Grace hatte ihm natürlich schon längst alles erzählt. Mit hämmerndem Herzen klopfte er an die Tür seines Chefs. »Herein«, rief Martin. Ryan betrat das Büro und setzte sich, nachdem er von Martin mit einer Handbewegung dazu aufge fordert worden war, in einen der Ledersessel vor dem Schreibtisch. Martin blickte von einem Stapel Telefonnotizen auf und seufzte. »Ich habe heute Morgen viel zu tun. Aber vorher wollte ich kurz mit Ihnen spre chen.« Ryan nickte und zwang sich, Martin in die Augen zu sehen. Er hatte das Gefühl, als läge sein Kopf unter der Guillotine und er wartete darauf, dass das Fallbeil herabsausen würde. »Ich weiß, was hier während meiner Abwesen heit vor sich gegangen ist«, begann Martin. »Grace entgeht nichts, und sie hat mir das Wichtigste be reits mitgeteilt.« »Ich verstehe«, sagte Ryan tonlos. Wieder stieß Martin einen Seufzer aus. »Ich habe Sie eingestellt, Ryan, weil Sie mir sehr gefielen. Sie machten den Eindruck auf mich, als ob Sie genau wüssten, was Sie wollten. Und es hatte den An
schein, als wären Sie bereit, hart zu arbeiten, um sich einen Platz in dieser Firma zu erobern.« Ryan schloss für einige Sekunden die Augen. Komm schon, dachte er. Mach ein Ende. Wir sollten es hinter uns bringen. Dann lächelte Martin plötzlich. »Wie ich jetzt se he, habe ich eine hervorragende Entscheidung ge troffen.« Fassungslos blickte Ryan in Martins Gesicht. »Wirklich?« »Stellen Sie Ihr Licht nicht unter den Scheffel. Grace hat mir erzählt, wie hart Sie gearbeitet ha ben. Sie sind sehr früh gekommen, bis spät am A bend geblieben und haben sogar am Wochenende gearbeitet. Der Bericht über Ihre Fortschritte bei dem System für Penny Halloran ist beeindruckend. Sie sind viel weiter gekommen, als ich gedacht hat te. Das spart Zeit und Kosten. Da ich Penny einen Preisnachlass eingeräumt habe, freut es mich natürlich, dass das Projekt so kostengünstig umge setzt wird. Ich weiß nicht, ob Penny das erwähnt hat, aber ich… ich stehe ihr ziemlich nah.« Nicht so nah wie ich, dachte Ryan. Er nickte me chanisch und sagte: »Ja, sie hat es erwähnt.« »Nun ja, jedenfalls wollte ich Sie wissen lassen, dass ich die gute Arbeit, die Sie bisher geleistet ha ben, zu schätzen weiß. Ich bin froh, so einen enga gierten Mitarbeiter an Bord zu haben. Aber«, sagte er und drohte Ryan lächelnd mit dem Finger, »ver gessen Sie über die Arbeit nicht zu leben. Der Mensch braucht schließlich auch ein bisschen Spaß.«
Wenn er wüsste, wie viel Spaß ich in letzter Zeit bei der Arbeit hatte, dachte Ryan und stand auf. »Ah, keine Sorge. Ich werde es mir merken. Und… vielen Dank.« Ryan verließ das Büro wie in Trance. Was war da eben passiert? Offensichtlich hatte Grace kein Wort über Penny und ihn verlauten lassen. Er ging zum Empfangsbereich, wo Grace wie üblich an ihrem Tisch saß. »Grace«, begann er, als sie zu ihm aufsah, »vie len Dank für das, was Sie Martin erzählt haben. Und auch für das, was Sie nicht erzählt haben.« Grace sah ihm ernst in die Augen. »Ich habe Martin nur die Wahrheit über Ihr Engagement bei der Arbeit gesagt. Was den Rest anbelangt, das ist meiner Meinung nach eine Sache zwischen ihm und Penny.« »Auf jeden Fall bin ich Ihnen sehr dankbar.« Das ist ja noch mal gut gegangen, dachte Ryan, als er wieder an seinem Schreibtisch saß. Er war erleichtert, obwohl sich an der Situation letztlich nicht viel geändert hatte. Martin stand immer noch zwischen ihm und Penny. Und es war ihm so klar wie niemals zuvor, dass er sie liebte und nicht die Absicht hatte, sie aufzugeben. Es gab da etwas, das er tun konnte, um eine Zu kunft für sich und Penny zu sichern. Es war eine völlig neue und ziemlich gewagte Idee, die seit eini gen Tagen immer konkretere Gestalt annahm. Es war eine riskante Sache, aber Penny war es wert, dass er für sie Risiken auf sich nahm.
Penny stand hinter der Bar und spülte Gläser, als sich die Tür des Restaurants öffnete und Martin he reinkam. »Hallo, Penny«, sagte er mit einem breiten Lä cheln. »Oh, hallo.« Sie warf einen Blick auf Patti, die am anderen Ende des Tresens den Alkoholbestand überprüfte. »Hallo, Martin. Ich… äh… ich habe noch im Büro zu tun«, sagte Patti und ließ sie allein. Penny ging auf Martin zu und umarmte ihn kurz. Dann setzten sie sich an einen der Tische. Penny war froh, dass im Moment keine Gäste da waren. Denn für das, was jetzt kam, brauchte sie Ruhe und Konzentration. »Möchtest du etwas trinken?« fragte sie. »Nein, danke. Ich hatte gerade einen Kaffee. Wir müssen reden, nicht wahr?« Sie nickte nervös. »Ich habe mir Sorgen ge macht. Wo warst du?« »Das tut mir Leid. Aber ich habe deinem Anruf beantworter ja schon erzählt, dass mir in Las Vegas die Zeit davongelaufen ist.« »Ich weiß. Du warst mit der Konferenz beschäf tigt und hast Kundengespräche geführt.« »Na ja, am Anfang schon. Aber dann…« Er stockte und blickte sie verlegen an. Sie hob fragend die Augenbrauen. »Was?« Er nahm ihre Hand und holte tief Atem. »Penny, es gibt da etwas, das ich dir sagen muss.« Sie hatte plötzlich das Gefühl, keinen Moment länger warten zu können. »Ich muss dir auch etwas sagen.«
»Nein, warte. Lass mich anfangen. Ich muss es endlich loswerden.« Sie blickte in sein angespanntes Gesicht und wusste plötzlich, dass sich etwas Grundlegendes geändert hatte. »Während ich in Las Vegas war, habe ich eine völlig neue Seite an mir entdeckt.« »Ach. Und die wäre?« »Ich glaube nicht, dass ich jetzt schon zu einer Ehe bereit bin.« Das war allerdings ein Schock. In gespannter Erwartung sah sie ihn an. »Ich kann nur hoffen, dass du mir verzeihst, Penny. Aber als ich dich gebeten habe, meine Frau zu werden, da wollte ich mich irgendwie über Sheila hinwegtrösten. Ich habe dir doch schon von ihr er zählt, nicht wahr?« Sheila war Martins frühere Freundin. »Ja.« »Gut. Also, Sheila ist auch im Softwaregeschäft. Sie ist wegen eines Jobs nach Minneapolis gezo gen, und deshalb haben wir uns getrennt. Ich habe sie auf der Konferenz wieder gesehen.« Penny wurde plötzlich ganz warm ums Herz, und sie musste lächeln. »Du hast gemerkt, dass du oh ne sie nicht leben kannst.« »Nein.« »Nein?« »Ich habe gemerkt, dass sie mich die ganze Zeit über zurückgehalten hat. Sie hat damals einen schrecklichen Spießer aus mir gemacht. Ich habe ihre veralteten Prinzipien übernommen, weil ich in sie verliebt war. Aber das ist Vergangenheit. Als ich nach einem Essen mit ihr in mein Hotel zurückkam,
lernte ich durch einen Zufall ein süßes Showgirl kennen. Und da ist mir klar geworden, dass ich noch nicht richtig gelebt habe. Ihr Name ist Cheri se.« »Ach, tatsächlich?« »Cherise hat meine Lebenseinstellung geändert. Wir sind durch Bars und Kneipen gezogen und ha ben eintausend Dollar beim Roulette verspielt!« Martin lachte, und Penny schüttelte ungläubig den Kopf. »Wir haben uns in Nachtclubs herumgetrieben und bis zum Morgengrauen getanzt.« Wieder schüttelte Penny den Kopf. Martin war ei gentlich ein grauenhafter Tänzer. »Und am Tag sind wir in die Wüste hinausgefah ren und hatten leidenschaftlichen…« Er stockte und wurde rot. »Oh, Penny, es tut mir so Leid. Ich wollte dir das viel schonender beibringen. Die Sache ist die, dass…« »Du hast entdeckt, dass du eine wilde Seite hast.« Er nickte und sah sie erstaunt an. »Ja, genauso ist es. Ich hoffe, dass ich dir nicht zu sehr wehgetan habe.« Sie drückte seine Hand. »Das hast du nicht. Auch mir sind Zweifel gekommen. Ich glaube, es ist ganz gut, wie sich die Sache entwickelt hat.« »Ich kann dir nur für dein Verständnis danken. Sind wir noch Freunde?« »Aber natürlich.« »Und wir gehen noch manchmal zusammen aus? In eine Kunstausstellung oder so?«
»Wenn dir das aufregend genug ist«, sagte sie mit liebevollem Spott. »Mir fällt ein Stein vom Herzen. Was wolltest du mir eigentlich so Wichtiges sagen?« »Es ist nicht mehr wichtig.« »Bist du sicher?« »Absolut.« »Also gut«, meinte er und stand auf. »Wir sehen uns.« Sie beobachtete, wie er das Restaurant verließ, und fühlte sich leicht wie eine Feder. Sie konnte kaum fassen, was sie da eben gehört hatte. Und sie war mehr als dankbar dafür, dass Martin ihre Einla dung zu dem Treffen in der Limousine nie bekom men hatte. So war es glücklicherweise Cherise ge wesen und nicht sie selbst, die Martins wilde Seite zum Vorschein gebracht hatte. Und es war Ryan gewesen, der ihr geholfen hat te, ihre eigene wilde Seite zu entdecken. Ryan, dem sie die schönste und aufregendste Woche ihres Le bens verdankte. Ryan, den sie liebte. Sie warf den Kopf zurück und lachte. Sie war für einen Moment lang einfach nur glücklich. Alle Probleme hatten sich scheinbar wie von selbst gelöst. Aber dann wurde sie auf einmal ernst. Nein, nicht alle Probleme waren gelöst. Sie liebte Ryan, das war sicher. Aber liebte er sie auch? Er hatte es ihr nie gesagt. Und wie würde Martin reagieren, wenn er die ganze Wahrheit erfuhr? Er hatte zwar seinen Hei ratsantrag zurückgezogen, aber dennoch bestand die Möglichkeit, dass er ihr und Ryan die ganze Ge schichte übel nehmen würde. Das Risiko, dass Ry
an seinen Job verlieren könnte, war zwar kleiner geworden, bestand aber immer noch. Die Tür zum Büro öffnete sich einen Spalt, und Patti spähte in den Raum. Die Neugier stand ihr ins Gesicht geschrieben. »Du kannst kommen«, sagte Penny. »Er ist weg.« »Wie hat er es aufgenommen?« fragte Patti neu gierig. »Du musst mir alles erzählen. Lass bloß nichts aus.« »Du wirst es nicht glauben.« »Es ist einen Versuch wert. Du hast mir in letzter Zeit so viele Schocks verpasst, ich gewöhne mich allmählich daran.« »Na gut, aber du setzt dich besser hin.« Ryan hatte hinter einer großen Topfpflanze in der Lobby des Bürogebäudes gewartet, dass Martin das Restaurant verlassen würde. Er war herunterge kommen, um Penny von seiner verrückten Idee zu erzählen, aber da hatte er sie und Martin durch die Glastür an einem der Tische sitzen sehen. Kaum war Martin in einem der Fahrstühle verschwunden, stürmte er hinein. Penny und ihre Schwester saßen jetzt an einem Tisch und blickten ihm erstaunt entgegen. Patti seufzte und stand auf. »Ja, ja, schon gut. Ich gehe wieder ins Büro.« Als sie allein waren, sah Ryan die Frau an, die er liebte. »Hast du ihm gesagt, dass du ihn nicht heira ten willst?« »Nicht direkt.«
Der Schreck fuhr Ryan in die Glieder. »Aber Penny, du kannst ihn nicht heiraten! Du liebst ihn doch gar nicht. Und er hat dich über eine Woche lang nicht angerufen. Ich werde nicht zulassen, dass du…« »Warte!« unterbrach sie ihn. »Und setz dich erst einmal. Ich konnte es ihm deshalb nicht sagen, weil er mir zuvorgekommen ist. Er will mich nicht mehr heiraten.« Ryan ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Hat er den Verstand verloren?« Sie schüttelte mit ernsthafter Miene den Kopf. »Ich glaube nicht. Er steht nur ein wenig neben sich.« »Hör mal, ich muss dir unbedingt etwas erzählen. Und es muss jetzt sofort sein.« »Gut, dann fang an.« »Ich werde meinen Job kündigen und eine eige ne Firma gründen.« »Wie bitte?« »Dann können wir zusammen sein. Wir können alles tun, was wir wollen, und müssen auf nieman den Rücksicht nehmen.« Er stockte kurz. »Und wir können jede Nacht gemeinsam einschlafen und morgens zusammen aufwachen«, fügte er leise hin zu. Sie blickte ihn unsicher an. »Ist es das, was du wirklich willst?« »Eine eigene Firma? Nun ja, eigentlich nicht. Ich mag meinen Job bei Martin.« Er streckte die Hand aus und berührte ihre Wange. »Aber mit dir zu sammen sein? Auf jeden Fall. Sonst wäre ich nie auf diese Idee gekommen.«
Sie schüttelte nachdenklich den Kopf. »Vielleicht ist es gar nicht nötig, dass du so einen drastischen Schritt unternimmst.« »Was meinst du damit?« »Hast du nicht gehört, was ich eben über Martin sagte? Er will mich nicht mehr heiraten. Und in Las Vegas hat er nicht nur gearbeitet.« »Ich fürchte, das musst du mir näher erklären.« Sie lächelte hintergründig. »Er hat seine wilde Seite entdeckt.« »Du machst Witze!« »Oh nein, ganz und gar nicht. Er hat nämlich ein Showgirl kennen gelernt. Ihr Name ist Cherise.« »Cherise?« Sie nickte, immer noch lächelnd. »Sie haben zu sammen Las Vegas unsicher gemacht. Und sie hat ten leidenschaftlichen Sex in der Wüste.« Ungläubig hob Ryan die Augenbrauen. »In der Wüste? Hört sich gar nicht schlecht an. Vielleicht sollten wir das auch mal probieren.« Penny lachte, beugte sich vor und küsste ihn auf den Mund. »Ich habe ihm nichts von uns gesagt. Ich wollte kein Risiko eingehen. Es ist immerhin nicht mein Job, um den es geht. Aber vielleicht würde er es verstehen, wenn wir ihm die Wahrheit erzähl ten.« Ryan hatte dasselbe gedacht, noch bevor sie es aussprach. Er sprang auf, küsste sie und sagte: »Ich bin in ein paar Minuten wieder da.« Sie hielt ihn am Ärmel fest. »Du willst es ihm jetzt gleich sagen? Sollten wir uns nicht vorher überle gen, wie es ihm am besten beizubringen ist?« »Vertrau mir«, sagte er und ging davon.
Fünf Minuten später stand Ryan vor Martins Schreibtisch. Er hatte den Weg in die Firmenräume bewusst langsam zurückgelegt und dabei über die richtigen Worte nachgedacht. »Martin, es gibt etwas, das Sie wissen müssen.« Martin lächelte und bedeutete ihm mit einer Handbewegung, sich zu setzen. »Ich bin ganz Ohr.« Ryan nahm Platz und blickte seinem Chef gera dewegs in die Augen. »Ich will nicht um den heißen Brei herumreden, also sage ich es ganz einfach. Während Sie in Las Vegas waren, habe ich mich in Penny verliebt.« Martins Lächeln gefror auf seinem Gesicht. Er schien nicht zu begreifen, was er gerade gehört hat te. »Mir war klar, dass ich gewisse Grenzen übertre te. Aber es war stärker als ich. Stärker als wir beide. Ich habe versucht, dagegen anzukämpfen. Es hat keinen Sinn. Ich kann nichts dagegen tun. So, jetzt wissen Sie es. Soll ich meine Sachen packen?« Martin kratzte sich am Kopf. »Jetzt noch mal ganz langsam. Während meiner Abwesenheit ha ben Sie sich in Penny verliebt?« »Ja.« »In meine Penny?« »So ist es.« »Ich war nicht da, und Sie haben mit der Frau, die ich heiraten wollte, etwas angefangen?« Ryan konnte nur noch stumm nicken. Martin sah für eine kurze Weile sehr nachdenk lich aus, dann überzog ein breites Grinsen sein Ge
sicht. »Das ist die beste Neuigkeit, die ich heute gehört habe. Außer der, dass Penny mich nicht hasst, weil ich meinen Antrag zurückgenommen habe. Die Vorstellung, sie zu verletzen, hat mich fast umgebracht. Sie ist nämlich eine sehr weich herzige Frau, wissen Sie.« »Ich weiß.« »Und sie ist auch ziemlich konservativ. Ein nai ves, anständiges und gradliniges Mädchen.« Ryan unterdrückte ein Lachen. »Nichts würde mir mehr gefallen, als Penny an der Seite eines zielstrebigen Mannes wie Ihnen zu sehen. Ich hoffe, dass Sie sie glücklich machen.« Oh ja, dachte Ryan. Ich werde sie sehr glücklich machen. Penny brauchte eine Weile, um die Offenbarungen, die der heutige Vormittag gebracht hatte, zu verkraf ten. Martin hatte sie nie geliebt und sich nur über eine Enttäuschung hinwegtrösten wollen. Ryan da gegen liebte sie offenbar wirklich, denn er war be reit, seinen Job für sie aufzugeben. Und jetzt warte te sie mit banger Hoffnung auf das Ergebnis des heiklen Gesprächs, das Ryan mit Martin führte. Sie war so nervös, dass sie es vorzog, Besteck anstatt Gläser zu polieren, weil sie Angst hatte, nur Scher ben zu produzieren. Sie hatte Patti gerade auf den neuesten Stand der Dinge gebracht, als Ryan hereinstürmte. Patti senkte in gespielter Resignation den Kopf und sagte: »Im Büro ist nichts mehr zu tun. Ich wer de also spazieren gehen.«
Als Patti weg war, suchte Penny Ryans Blick. »Also?« Er strahlte über das ganze Gesicht. »Er freut sich für uns. Er hat uns seinen Segen gegeben. Aber eigentlich spielt das keine Rolle mehr. Ich bin hier, um dir zu sagen, dass ich dich liebe.« Ein überschäumendes Glücksgefühl durchström te Penny. »Aber du hast doch gesagt, dass du dich nicht so schnell verlieben kannst, erinnerst du dich?« Er nahm ihre Hände in seine. »Ich habe mich e ben geirrt. Und es war idiotisch zu denken, dass irgendetwas wichtiger sein könnte als du.« Lächelnd zog er sie in die Arme. »Gibt es da eigentlich noch Fantasien, die du mir bisher verschwiegen hast?« »Wenn du mich so fragst, ja.« »Ich bin gespannt.« »Na ja, ich wollte es schon immer mal hier drin tun. Auf dem Tresen.« Ryan blickte zur Bar und dann hinüber zu den großen Fenstern an der Straßenseite. »Findest du das nicht ein wenig riskant? Bist du bereit, so weit zu gehen?« Statt einer Antwort legte sie die Arme um seinen Hals und schmiegte sich an ihn. Sie verlor sich in vertrautem Verlangen, als ihre Lippen sich trafen und zu einem langen Kuss verschmolzen. »Ich hasse es, dich zu unterbrechen. Aber ich bin nicht bereit, so weit zu gehen«, flüsterte er atemlos, als er seinen Mund von ihr löste. »Wir müssen erst Jalousien anbringen lassen. Dann sprechen wir noch einmal über diese Fantasie.«
Penny war in diesem Moment der Ort völlig gleichgültig. Aber sie wollte Ryan jetzt sofort. Sie lächelte, als ihr klar wurde, dass sie endlich das besaß, wovon sie immer geträumt hatte: die Lei denschaft, die nicht warten konnte. Sie griff nach seiner Krawatte, zog ihn mit sich in das kleine Büro und schloss die Tür ab. - ENDE -