Franz Durst Grundlagen der Strömungsmechanik
Franz Durst
Grundlagen der Strömungsmechanik Eine Einführung in die Theorie der Strömungen von Fluiden Mit 349 Abbildungen, davon 8 farbig
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Professor Dr. Dr. h.c. Franz Durst Universität Erlangen-Nürnberg Lehrstuhl Strömungsmechanik Cauerstr. 4 91058 Erlangen E-Mail:
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Dieses Buch ist meiner Frau Heidi gewidmet und meinen S¨ohnen Bode Andr´e und Heiko Brian und deren Familien.
Vorwort
Einige mit der Str¨ omungsmechanik vertraute Leser, die das vorliegende Buch in die Hand nehmen, werden sich fragen, weshalb erneut ein Lehrbuch u ¨ ber die Grundlagen der Str¨ omungsmechanik geschrieben wurde, wo doch der Markt auf diesem Gebiet schon mehr als ges¨ attigt scheint. Nun, ich bin mir dieser Situation bewusst und meine dennoch, dass eine Berechtigung f¨ ur dieses Buch vorliegt, da es Besonderheiten aufweist, welche die existierenden Lehrb¨ ucher der Str¨ omungsmechanik gegenw¨ artig nur bedingt besitzen. Besieht man sich die auf dem Markt angebotenen und in das Gebiet der Str¨ omungsmechanik einf¨ uhrenden Lehrb¨ ucher, so stellt man fest, dass es kaum ein Lehrbuch gibt, das das gesamte mathematische Wissen von Studenten nutzt und das die Zusammenh¨ ange zwischen dem in Grundlagenvorlesungen der Technischen Mechanik und Physik erhaltenen Wissen und der modernen Str¨ omungsmechanik gezielt aufzeigt. Es wird auch nicht versucht, dieses Wissen zu aktivieren, um es in der Ausbildung im Fachgebiet Str¨omungsmechanik zu nutzen. Dieses Buch versucht daher, gezielt die zwischen den oben genannten Gebieten bestehenden Zusammenh¨ange aufzuzeigen und zudem allgemeinverst¨ andlich so darzustellen, dass klar wird, dass die Bewegungen von Fluidelementen mit denselben Gesetzen beschrieben werden k¨onnen, wie die Bewegungen von festen K¨ orpern in der Technischen Mechanik bzw. der Physik. Die Tensorschreibweise wird zur Darstellung der Grundgesetze in Gleichungsform gew¨ ahlt und es wird aufgezeigt, welche Vorteile sie bietet. Das vorliegende Buch u omungsmechanik unternimmt den Versuch, ¨ ber Str¨ eine einf¨ uhrende strukturierte Darstellung des Fachgebietes zu geben, die weit u ¨ ber potentialtheoretische Betrachtungen bzw. Anwendungen der BernoulliGleichung hinausgeht, die oftmals die Darstellungen in Lehrb¨ uchern der Str¨ omungsmechanik u ¨berlasten. Die Zeiten, in denen Potentialtheorie und Energiebetrachtungen auf der Basis der Bernoulli-Gleichung im Zentrum der str¨ omungsmechanischen Ausbildung von Studenten zu stehen hatten, sind vorbei. Entwicklungen moderner Mess- und Berechnungsverfahren, die im letzten Quartal des zwanzigsten Jahrhunderts bis zur vollen Einsatzreife entwickelt wurden, erlauben heute detaillierte Str¨ omungsuntersuchungen, f¨ ur die es Studenten auszubilden gilt. Aufbauend auf der in der Mathematik und Physik erhaltenen Grundausbildung strebt das vorliegende Buch eine Einf¨ uhrung in die Str¨omungsmecha-
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Vorwort
nik an, derart, dass jedes Kapitel des Buches geeignet ist, den Stoff einer einw¨ ochigen bzw. zweiw¨ ochigen Vorlesung bereitzustellen, je nach Ausbildungsund Wissensstand der Studenten. Dem sich in das Fach einarbeitenden Studierenden wird durch die gew¨ ahlte Struktur des Buches geholfen, den Stoff zu erkennen, den er vorlesungsbegleitend durcharbeiten sollte, um sich, Kapitel f¨ ur Kapitel, in das gesamte Gebiet der Str¨omungsmechanik einzuarbeiten. Dar¨ uber hinaus ist die gew¨ ahlte Darstellung auch f¨ ur ein Selbststudium der Str¨ omungsmechanik geeignet. Jedes Kapitel stellt eine Einf¨ uhrung in ein Teilgebiet der Str¨ omungsmechanik dar. Hat man sich den Stoff eines Kapitels erarbeitet, ist es leichter, vertiefende B¨ ucher zu demselben Teilgebiet zu lesen bzw. eine Weiterbildung durch das Lesen von Tagungs- und Journalbeitr¨agen vorzunehmen. Bei der Behandlung der f¨ ur die Str¨ omungsmechanik wichtigsten Grundeigenschaft von Fluiden, der Viskosit¨ at, wird großer Wert darauf gelegt, dass deren physikalische Ursache klar verstanden wird. Der molek¨ ulbedingte Impulstransport, der zu den τij − Termen in den str¨omungsmechanischen Grundgleichungen f¨ uhrt, wird analog zu der molek¨ ulbedingten W¨armeleitung und der Diffusion von Stoffen behandelt. Viskosit¨at mit interner Fluidrei” bung“ zu erl¨ autern, ist physikalisch falsch und wird somit in diesem Buch nicht in dieser Form behandelt. Dies soll dazu beitragen, dass der sich in die Str¨ omungsmechanik einarbeitende Leser an physikalisch korrekt behandelten Str¨ omungsvorg¨ angen einen schnellen Zugang zu dem Fachgebiet verschafft. Das vorliegende Buch basiert auf Vorlesungen, die ich an der Universit¨at Erlangen-N¨ urnberg als Einf¨ uhrung in die Str¨omungsmechanik halte. Viele Studenten haben durch Hinweise auf Unklarheiten im Vorlesungsmanuskript zur Zusammenstellung des vorliegenden Buches einen großen Beitrag geleistet. Daf¨ ur m¨ ochte ich mich bedanken. Mein Dank gilt aber auch den Mitarbeitern des Lehrstuhls f¨ ur Str¨ omungsmechanik, die mich bei der Zusammenstellung und Enddurchsicht des Buches unterst¨ utzt haben und ohne die mir die Fertigstellung nicht m¨ oglich gewesen w¨are. Herzlich danken m¨ochte ich Herrn Dr.-Ing. C. Bartels, Herrn Dipl.-Ing. A. Schneider, Herrn Dipl.-Ing. M. Gl¨ uck f¨ ur das intensive Lesen des Buches und vor allem Frau I. V. Paulus, ohne deren Hilfe die Endform des Buches nicht vollendet worden w¨are, geb¨ uhrt mein besonderer Dank.
Erlangen, Februar 2006
Durst Franz
Inhaltsverzeichnis
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Bedeutung und Entwicklung der Str¨ omungsmechanik . . . . . 1 1.1 Str¨ omungsvorg¨ ange und ihre Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1.2 Teilgebiete der Str¨ omungsmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.3 Geschichtliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1.4 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
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Mathematische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Einleitung und Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Tensoren nullter Ordnung (Skalare Gr¨oßen) . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Tensoren erster Ordnung (Vektorielle Gr¨oßen) . . . . . . . . . . . . 2.4 Tensoren zweiter Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.5 Feldgr¨ oßen und mathematische Operationen . . . . . . . . . . . . . . 2.6 Substantielle Gr¨ oßen und substantielle Ableitung . . . . . . . . . . 2.7 Gradient-, Divergenz-, Rotation- und Laplaceoperator . . . . . . 2.8 Kurven-, Fl¨ achen- und Volumenintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.9 Integrals¨ atze von Stokes und Gauß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.10 Differentialoperatoren in krummlinigen Koordinaten . . . . . . . 2.11 Komplexe Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.11.1 Axiomatische Einf¨ uhrung komplexer Zahlen . . . . . . . . 2.11.2 Graphische Darstellung komplexer Zahlen . . . . . . . . . . 2.11.3 Gaußsche Zahlenebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.11.4 Trigonometrische Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.11.5 Stereographische Projektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.11.6 Elementare Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.12 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 17 18 19 24 25 29 30 32 34 35 40 40 42 42 43 45 45 52
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Physikalische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Festk¨ orper und Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Molek¨ uleigenschaften und Gr¨ oßen der Kontinuumsmechanik 3.3 Transportvorg¨ ange in Newtonschen Fluiden . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Druck in Gasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Molek¨ ulbedingter Impulstransport . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.4 Molek¨ ulbedingter W¨ arme- und Stofftransport in Gasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53 53 56 60 60 64 68 70
X
Inhaltsverzeichnis
3.4 3.5 3.6 3.7
Viskosit¨ at von Fluiden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bilanzbetrachtungen und Erhaltungss¨atze . . . . . . . . . . . . . . . . Thermodynamische Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75 79 83 88
Grundlagen der Str¨ omungskinematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Substantielle Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Bewegung von Fluidelementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Bahnlinien von Fluidelementen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Streichlinien lokal zugef¨ uhrter Tracermaterialien . . . . 4.4 Kinematische Gr¨ oßen von Str¨ omungsfeldern . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Stromlinien eines Geschwindigkeitsfeldes . . . . . . . . . . . 4.4.2 Stromfunktion und Stromlinien zweidimensionaler Str¨ omungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3 Divergenz eines Str¨ omungsfeldes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Translation, Deformation und Rotation von Fluidelementen . 4.6 Relativbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91 91 92 93 94 98 102 102
5
Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Massenerhaltung(Kontinuit¨ atsgleichung) . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Zweites Newtonsches Gesetz (Impulsgleichungen) . . . . . . . . . . 5.4 Die Navier-Stokes-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Mechanische Energiegleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Thermische Energiegleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Grundgleichungen in verschiedenen Koordinatensystemen . . 5.7.1 Kontinuit¨ atsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7.2 Navier-Stokes-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8 Spezielle Formen der Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.1 Transportgleichung f¨ ur Wirbelst¨arke . . . . . . . . . . . . . . 5.8.2 Bernoulli-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.3 Crocco-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.8.4 Weitere Formen der Energiegleichung . . . . . . . . . . . . . . 5.9 Transportgleichung f¨ ur chemische Spezies . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.10 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
123 123 126 129 134 139 141 145 145 147 154 154 156 157 159 162 164
6
Hydrostatik und Aerostatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Hydrostatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Kommunizierende Gef¨ aße und Druckmessger¨ate . . . . . . . . . . . 6.2.1 Kommunizierende Gef¨ aße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2.2 Druckmessger¨ ate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Freie Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ achen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3.1 Oberfl¨ achenspannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
165 165 176 176 179 181 181
4
107 110 112 116 121
Inhaltsverzeichnis
6.3.2 Steigh¨ ohen in Rohren und zwischen Platten . . . . . . . . 6.3.3 Blasenbildung an D¨ usen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aerostatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.1 Druck in der Atmosph¨ are . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.2 Rotierender Beh¨ alter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.3 Aerostatischer Auftrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.4 Bedingung f¨ ur Aerostatik: Stabile Schichtungen . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
186 190 197 197 202 203 206 207
¨ Ahnlichkeitstheorie ....................................... 7.1 Einf¨ uhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2 Dimensionslose Form der Differentialgleichungen . . . . . . . . . . 7.2.1 Generelle Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.2 Dimensionslose Form der Differentialgleichungen . . . . 7.2.3 Betrachtungen bei Vorliegen geometrischer und ¨ kinematischer Ahnlichkeit ........................ 7.2.4 Bedeutung viskoser Geschwindigkeits-, Zeit- und L¨ angenmaße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Dimensionsanalyse und π−Theorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.4 Symmetrie von Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.5 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
209 209 213 213 215
Integralformen der Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.1 Integralform der Kontinuit¨ atsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Die Integralform der Impulsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.3 Integralform der mechanischen Energiegleichung . . . . . . . . . . . 8.4 Integralform der thermischen Energiegleichung . . . . . . . . . . . . 8.5 Anwendungen der Integralform der Grundgleichungen . . . . . . 8.5.1 Ausfluss aus Gef¨ aßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.2 Austrittsgeschwindigkeit aus D¨ usen . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.3 Impuls auf eine senkrechte ebene Platte . . . . . . . . . . . 8.5.4 Impuls auf eine schr¨ ag angestellte ebene Platte . . . . . 8.5.5 Strahlablenkung an einer Kante . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.6 Mischvorgang in einer Leitung konstanten Querschnitts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.7 Kraft auf eine Turbinenschaufel einer viskosit¨ atsfreien Fl¨ ussigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.8 Kraft auf ein periodisches Schaufelgitter . . . . . . . . . . . 8.5.9 Eulersche Turbinengleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.10 Leistung von Str¨ omungsmaschinen . . . . . . . . . . . . . . . . 8.5.11 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
247 247 250 252 254 257 257 258 259 261 263
6.4
6.5 7
8
XI
222 225 230 237 246
265 266 268 270 272 276
XII
9
Inhaltsverzeichnis
Stromfadentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Ableitungen der Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.1 Kontinuit¨ atsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.2 Impulsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.3 Bernoulligleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2.4 Die Gesamtenergiegleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3 Inkompressible Str¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.1 Hydromechanische D¨ usenstr¨omung . . . . . . . . . . . . . . . . 9.3.2 Pl¨ otzliche Querschnittserweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4 Inkompressible Str¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4.1 Einfluss von Fl¨ achen¨ anderungen auf Str¨omungen . . . . 9.4.2 Druckgetriebene Ausgleichsstr¨omungen durch konvergierende D¨ usen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.5 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
277 277 279 279 281 283 284 285 285 287 288 288
10 Potentialstr¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 Potential- und Stromfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Potentialstr¨ omungen und komplexe Funktionen . . . . . . . . . . . 10.3 Gleichf¨ ormige Str¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Ecken- und Sektorstr¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Quellen- bzw. Senkenstr¨ omung und Potentialwirbel . . . . . . . . 10.6 Dipolstr¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.7 Potentialstr¨ omung um einen Zylinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.8 Zylinderumstr¨ omung mit Zirkulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.9 Zusammenfassung wichtiger Potentialstr¨omungen . . . . . . . . . . 10.10 Str¨ omungskr¨ afte auf K¨ orper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.11 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
303 303 309 311 313 317 320 322 325 329 331 336
11 Wellenbewegungen in viskosit¨ atsfreien Fluiden . . . . . . . . . . . . 11.1 Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Longitudinalwellen: Schallwellen in Gasen . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Transversalwellen: Oberfl¨ achenwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3.1 Genereller L¨ osungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4 Ebene, stehende Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5 Ebene, fortschreitende Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.6 Hinweise auf sonstige Wellenbewegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.7 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
337 337 341 346 346 351 353 358 358
12 Einf¨ uhrung in die Gasdynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1 Einleitende Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.2 Machsche Linien und Machscher Kegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.3 Nichtlineare Wellenausbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.4 Alternative Formen der Bernoulli-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . 12.5 Str¨ omung mit W¨ arme¨ ubertragung (Rohrstr¨omung) . . . . . . . .
359 359 363 367 370 373
292 302
Inhaltsverzeichnis
12.6 12.7 12.8
XIII
Rayleigh- und Fanno-Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Senkrechter Verdichtungsstoß (Rankine-Hugoniot-Gleichung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388
13 Str¨ omungen inkompressibler Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.1 Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2 Ableitungen der Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.1 Ebene Str¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.2.2 Zylinderf¨ ormige Str¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.3 Ebene Couette Str¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.4 Ebene Str¨ omung zwischen Platten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.5 Ebene Filmstr¨ omung auf geneigter Platte . . . . . . . . . . . . . . . . 13.6 Axialsymmetrische Filmstr¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.7 Rohrstr¨ omung (Hagen-Poiseuillestr¨omung) . . . . . . . . . . . . . . . 13.8 Axiale Str¨ omung zwischen zwei Zylindern . . . . . . . . . . . . . . . . 13.9 Geschichtete Filmstr¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.10 Geschichtete, ebene Kanalstr¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13.11 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
389 389 392 392 394 395 397 400 405 408 412 415 417 420
14 Zeitabh¨ angige Str¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.1 Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2 Beschleunigte und verz¨ ogerte Str¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.1 Erstes Stokessches Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.2 Diffusion einer Wirbelschicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.2.3 Durch Plattenbewegung induzierte Kanalstr¨omung . . 14.2.4 Durch Rohrwandbewegung induzierte Rohrstr¨omung 14.3 Oszillierende Str¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.3.1 Zweites Stokessches Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4 Druckgradientengetriebene Str¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.1 Einsetzende Kanalstr¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.4.2 Einsetzende Rohrstr¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14.5 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
421 421 425 425 427 430 435 442 442 445 445 451 456
15 Str¨ omungen kleiner Reynolds-Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.1 Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2 Schleichende Str¨ omung zwischen zwei Platten . . . . . . . . . . . . . 15.3 Ebene Gleit- und Schmierfilme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.4 Theorie der Schmierung in Gleitlagern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.5 Die langsame Drehbewegung einer Kugel . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.6 Die langsame Translationsbewegung der Kugel . . . . . . . . . . . . 15.7 Die langsame Rotationsbewegung eines Zylinders . . . . . . . . . . 15.8 Die langsame Translationsbewegung eines Zylinders . . . . . . . . 15.9 Diffusions- und Konvektionseinfl¨ usse auf Str¨omungsfelder . . . 15.10 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
457 457 459 461 466 471 474 479 481 487 490
XIV
Inhaltsverzeichnis
16 Str¨ omungen großer Reynoldszahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.1 Allgemeine Betrachtungen und Ableitungen . . . . . . . . . . . . . . 16.2 L¨ osungen der Grenzschichtgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16.3 Plattengrenzschicht (L¨ osung nach Blasius) . . . . . . . . . . . . . . . . 16.4 Integrale Eigenschaften von Wandgrenzschichten . . . . . . . . . . 16.5 Die laminare, ebene, zweidimensionale freie Scherschicht . . . . 16.6 Der ebene, zweidimensionale, laminare Freistrahl . . . . . . . . . . 16.7 Die ebene, zweidimensionale Nachlaufstr¨omung . . . . . . . . . . . 16.8 Grenzschicht der konvergierenden Kanalstr¨omung . . . . . . . . . 16.9 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
491 491 496 499 503 508 510 515 518 521
17 Instabile Str¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.1 Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2 Ursachen von Str¨ omungsinstabilit¨ aten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.1 Stabilit¨ at atmosph¨ arischer Temperaturschichtungen . 17.2.2 Gravitationsverursachte Instabilit¨at geschichteter Fluide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2.3 Rotationsverursachte Instabilit¨aten in Ringspalten . . 17.3 Verallgemeinerte Instabilit¨ atsbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . 17.4 Klassifikationen von Instabilit¨ aten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.5 Transitionale Grenzschichtstr¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.6 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
523 523 527 531
18 Turbulente Str¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.1 Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.2 Statistische Beschreibung turbulenter Str¨omungen . . . . . . . . . 18.3 Statistische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.3.1 Grundregeln der Zeitmittelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.3.2 Grundregeln der Wahrscheinlichkeitsdarstellungen . . 18.3.3 Charakteristische Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.4 Korrelationen, Spektren und Zeitmaßst¨abe der Turbulenz . . 18.5 Zeitgemittelte Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.5.1 Die Kontinuit¨ atsgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.5.2 Die Reynolds-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.5.3 Mechanische Energiegleichung f¨ ur das mittlere Str¨ omungsfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.5.4 Energiegleichung f¨ ur kinetische Energie der Turbulenz 18.6 Maßst¨ abe turbulenter Str¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.7 Turbulenzmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.7.1 Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.7.2 Allgemeine Betrachtungen zu Wirbelviskosit¨ atsmodellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.7.3 Nullgleichungs-Wirbelviskosit¨ats-Modelle . . . . . . . . . . 18.7.4 Eingleichungs-Wirbelviskosit¨ats-Modelle . . . . . . . . . . . 18.7.5 Zweigleichungs-Wirbelviskosit¨ats-Modelle . . . . . . . . . .
534 537 542 546 549 552 553 553 557 558 558 560 566 569 573 573 574 577 580 584 587 587 591 596 603 606
Inhaltsverzeichnis
18.8 18.9
XV
Turbulente Wandgrenzschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 616
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.1 Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.2 Allgemeine Transportgleichung und Diskretisierung ... . . . . . . 19.3 Diskretisierung mittels Finiter Differenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4 Finite-Volumen-Diskretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.1 Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.2 R¨ aumliche Diskretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.4.3 Diskretisierung der zeitlichen Ableitung . . . . . . . . . . . . 19.4.4 Behandlung der Quellterme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.5 Berechnung laminarer Str¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.6 Berechnungen turbulenter Str¨ omungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.6.1 Zu l¨ osende Str¨ omungsgleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.6.2 Randbedingungen f¨ ur die turbulente Str¨omung . . . . . 19.7 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
617 617 622 625 628 628 630 642 644 645 648 648 652 658
20 Str¨ omungen mit W¨ arme¨ ubertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.1 Allgemeine Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.2 Station¨ are, vollentwickelte Kanalstr¨omung . . . . . . . . . . . . . . . . 20.3 Nat¨ urliche Konvektionsstr¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.4 Instation¨ are freie Konvektionsstr¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.5 Ebene Plattengrenzschicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ¨ 20.6 Ahnlichkeitsl¨ osung f¨ ur Plattengrenzschicht . . . . . . . . . . . . . . . . 20.7 Vertikale Plattengrenzschichtstr¨ omung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ¨ 20.8 Ahnlichkeitsgr¨ oßen ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.9 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
659 659 663 666 669 674 677 680 682 684
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.1 Einf¨ uhrende Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2 Messungen statischer Dr¨ ucke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.3 Messungen dynamischer Dr¨ ucke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.4 Anwendungen von Staudrucksonden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.5 Grundlagen der Hitzdrahtanemometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.5.1 Messprinzip und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.5.2 Eigenschaften der Hitzdr¨ ahte und Einsatzprobleme . . 21.5.3 Hitzdrahtsonden und Halterungen . . . . . . . . . . . . . . . . 21.5.4 Abk¨ uhlgesetze f¨ ur Sensoren und Hitzdrahtsonden . . . 21.5.5 Statische Eichung von Hitzdrahtsonden . . . . . . . . . . . . 21.6 Turbulenzmessungen ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.7 Laser-Doppler-Anemometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.7.1 Theorie der Laser-Doppler Anemometrie . . . . . . . . . . . 21.7.2 Optische Systeme f¨ ur Laser-Doppler-Messungen . . . .
685 685 688 692 694 696 696 700 705 709 714 719 729 729 736
XVI
Inhaltsverzeichnis
21.8
21.7.3 Elektronische Systeme f¨ ur Laser-Doppler-Messungen 741 21.7.4 Durchf¨ uhrung von LDA-Messungen: Eindimensionale LDA-Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 751 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 753
Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 755
1 Einleitung: Bedeutung und Entwicklung der Str¨ omungsmechanik
1.1 Str¨ omungsvorg¨ ange und ihre Bedeutung Str¨ omungen treten in allen Bereichen unserer nat¨ urlichen und technischen Umwelt auf, und jeder, der mit offenen Augen seine Umgebung wahrnimmt und ihre Bedeutung f¨ ur sich und seine Mitmenschen absch¨atzt, kann sich von den weitreichenden Auswirkungen von Str¨ omungsvorg¨angen u ¨berzeugen. Ohne sie w¨ are Leben, so wie wir es kennen, auf der Erde nicht m¨oglich, noch k¨ onnten technische Prozesse in der uns bekannten Form ablaufen und zu der Vielzahl von Produkten f¨ uhren, welche den hohen Lebensstandard bestimmen, den wir heute als selbstverst¨ andlich ansehen. Ohne Str¨omungen w¨ are unsere nat¨ urliche und technische Welt eine andere, eventuell g¨abe es
Abbildung 1.1: Str¨ omungsvorg¨ ange in unserer nat¨ urlichen Umwelt treten vielf¨ altig auf
2
1 Bedeutung und Entwicklung der Str¨ omungsmechanik
sie gar nicht. Str¨ omungen sind somit lebensnotwendig im wahrsten Sinne des Wortes. Es sind str¨ omungsbedingte Transportvorg¨ ange, u ¨ ber die unserem K¨orper der lebenswichtige Sauerstoff zugef¨ uhrt wird. In den Blutbahnen des menschlichen K¨ orpers werden durch Str¨ omungen wichtige N¨ahrstoffe transportiert und so den Zellen zugef¨ uhrt, wo sie u ¨ber komplexe chemische Reaktionen zum ¨ Aufbau und zur Energieversorgung des K¨ orpers beitragen. Ahnlich der Bedeutung von Str¨ omungsvorg¨ angen f¨ ur den menschlichen K¨orper, kommt der Vielfalt von Str¨ omungen in der gesamten Tier- und Pflanzenwelt eine ebenso lebenswichtige Bedeutung zu (vgl. Abb. 1.1). Ohne diese Str¨omungen g¨abe es kein Wachstum in der Natur und der Mensch w¨are seiner nat¨ urlichen“ ” Nahrungsmittel beraubt. Das Leben in der Natur ist folglich von Str¨omungsvorg¨ angen abh¨ angig und deren Verst¨ andnis ist ein wichtiger Bestandteil der Allgemeinbildung eines Menschen. Als weitere lebenswichtige Vorg¨ ange unserer nat¨ urlichen Umwelt sind Str¨ omungen in Fl¨ ussen, Seen und Meeren zu nennen, sowie atmosph¨arische Str¨ omungsvorg¨ ange, deren Einfluss auf das Wetter und damit auf das Klima ganzer Regionen wohlbekannt ist (vgl. Abb. 1.2). Die Wirkung von Windfeldern, die den Transport von Wolken“ unter Ber¨ ucksichtigung topographi” scher Gegebenheiten verursachen, ist oftmals die Ursache f¨ ur Niederschl¨age, die z. B. in Landstrichen vor Gebirgsz¨ ugen verst¨arkt auftreten. Str¨omungsvorg¨ ange in der Atmosph¨ are entscheiden somit dar¨ uber, ob bestimmte Gegenden landwirtschaftlich genutzt werden k¨ onnen, da sie ausreichend mit Niederschl¨ agen versorgt sind, oder ob ganze Landstriche ver¨oden, da der Niederschlag nicht zur Bodennutzung ausreicht. In Extremf¨allen kommt es zur Ausbildung von W¨ ustengebieten mit teilweise betr¨achtlichem Ausmaß, deren landwirtschaftliche Nutzung nur durch k¨ unstliche Bew¨asserung m¨oglich wird. Andere negative Auswirkungen in unserer nat¨ urlichen Umwelt sind die verheerenden Verw¨ ustungen, die Hurrikane und Wirbelst¨ urme verursachen k¨ onnen. Verlassen Fl¨ usse, Seen oder Meere ihre nat¨ urlichen Berandungen, so k¨ onnen Str¨ omungsvorg¨ ange auftreten, deren vernichtende Gewalten uns allen ¨ von vielen Uberschwemmungskatastrophen bekannt sind. Dies verdeutlicht, dass der Mensch nicht nur von vielen Str¨ omungsvorg¨angen im positiven Sinne abh¨ angt, sondern dass er auch lernen muss, mit den Auswirkungen solcher Str¨ omungsvorg¨ ange zu leben, die seine Umwelt vernichten bzw. besch¨adigen k¨ onnen. Verl¨ asst man die nat¨ urliche Umwelt des Menschen und wendet sich seiner technischen Umgebung zu, so findet man auch hier eine Vielzahl von Str¨ omungsvorg¨ angen, die in Ger¨ aten, Instrumenten, Maschinen und Anlagen ablaufen, um z. B. W¨ arme- und Stoff¨ ubertragungsvorg¨ange zu kontrollieren, Energie zu u afte zu erzeugen, Verbrennungs¨bertragen, Auftriebskr¨ vorg¨ ange ablaufen zu lassen oder Kontrollfunktionen einzuleiten. Es sind z. B. Str¨ omungsvorg¨ ange gekoppelt mit chemischen Reaktionen, welche die Verbrennung in Kolbenmotoren in der gew¨ unschten Weise ablaufen lassen und so-
1.1 Str¨ omungsvorg¨ ange und ihre Bedeutung
3
Abbildung 1.2: Auswirkungen von Str¨ omungen auf das Klima ganzer Regionen
mit den Antrieb liefern, der in Personenwagen, Lastwagen, Schiffen und Flugzeugen genutzt wird. Ein Großteil der im Verbrennungsmotor eines Personenwagens gewonnenen Energie wird verwendet, besonders bei hoher Geschwindigkeit der Fahrzeuge, um den Energieverlust infolge des Str¨omungswiderstandes zu u ¨berwinden, den das Fahrzeug aufgrund des Impulsverlustes der Str¨ omung und auftretender Str¨ omungsabl¨ osungen an der Karosserie erf¨ahrt. Der Reduktion dieses Widerstandes durch str¨omungsmechanische Optimierung der Fahrzeugkarosserie kommt, in Anbetracht der Verringerung unserer nat¨ urlichen Energieressourcen und der damit eng verbundenen hohen Treibstoffkosten, eine große Bedeutung zu. Auf diesem Gebiet konnte Vortreffliches im Bereich der Str¨ omungsmechanik geleistet werden (vgl. Abb. 1.3), so z. B. in der Flugzeugaerodynamik, wo neue Tragfl¨ ugelprofile und -geometrien sowie Fl¨ ugelrumpf¨ uberg¨ ange entwickelt wurden, die minimale Reibungs- und Stoßverluste unter Beibehaltung der in der Flugzeugaerodynamik notwendigen hohen Auftriebsbeiwerte aufweisen. Das im Rahmen aerodynamischer Untersuchungen gewonnene Wissen wird heute auch in vielen Bereichen der Konsumg¨ uter erzeugenden Industrie genutzt, um str¨omungsmechanisch optimierte Produkte herzustellen und so neue M¨arkte zu erschließen, wie das bei der Herstellung von Ventilatoren zur Bel¨ uftung von R¨aumen oder bei der Optimierung von Haartrocknern der Fall ist. Nicht zuletzt soll hier auf die Bedeutung der Str¨omungsmechanik im Bereich des Chemieingenieurwesens hingewiesen werden, wo in vielen Bereichen W¨ arme- und Stoff¨ ubertragungsvorg¨ ange, Mischprozesse, chemische Reaktionen etc. durch Str¨ omungsvorg¨ ange stark beeinflusst bzw. erst erm¨oglicht werden. Auf diesem Gebiet des Ingenieurwesens wird besonders deutlich, dass viele der in den Naturwissenschaften gewonnenen Erkenntnisse technisch erst dadurch genutzt werden k¨ onnen, dass es gelingt, Vorg¨ange station¨ar und kon-
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1 Bedeutung und Entwicklung der Str¨ omungsmechanik
Abbildung 1.3: Str¨ omungsvorg¨ ange werden in unserer technischen Umwelt vielf¨ altig eingesetzt
trolliert ablaufen zu lassen. In vielen Bereichen des Chemieingenieurwesens werden Str¨ omungen eingesetzt, die diese Stationarit¨at von Prozessen erm¨oglichen und die Kontrollierbarkeit von Anlagen gew¨ahrleisten, d.h. Str¨omungen werden vielerorts in der Prozessf¨ uhrung genutzt. Oftmals ist es notwendig, zur Optimierung von Prozessen Str¨omungsmedien einzusetzen, deren Eigenschaften von denen newtonscher Medien stark abweichen, d. h. es kommt zum Einsatz nichtnewtonscher Fluide bzw. von mehrphasigen Fluiden. Die Wahl komplexerer Eigenschaften des str¨omenden Fluids in technischen Anlagen f¨ uhrt im allgemeinen zu komplexeren Str¨ omungsvorg¨ angen, deren effizienter Einsatz ohne Detailkenntnisse auf dem Gebiet der Str¨ omungsmechanik einfacher Fluide, d.h. solchen mit newtonschen Eigenschaften, nicht m¨ oglich ist. In einigen wenigen Darstellungen der vorliegenden Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmechanik wird auf die Eigenheiten nichtnewtonscher Medien eingegangen und interessante Aspekte der Str¨ omungen dieser Fluide aufgezeigt. Das Hauptgewicht des vorliegenden Buches liegt jedoch auf dem Gebiet der Str¨ omungen newtonscher Medien. Da diesen in vielen Anwendungen eine große Bedeutung zukommt, ist ihre besondere Behandlung in dem vorliegenden Buch gerechtfertigt.
1.2 Teilgebiete der Str¨ omungsmechanik
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1.2 Teilgebiete der Str¨ omungsmechanik Die Str¨ omungsmechanik ist eine Wissenschaft, die sich der Grundgesetze der Mechanik und Thermodynamik bedient, um mit Hilfe dieser Gesetzm¨aßigkeiten die Bewegungen von Fluiden zu beschreiben. Hierbei werden Fluide als all die Medien verstanden, die nicht eindeutig den Festk¨orpern zugeordnet werden k¨ onnen, ganz gleichg¨ ultig, ob ihre Eigenschaften durch einfache oder komplizierte Stoffgesetze beschreibbar sind. Gase, Fl¨ ussigkeiten und viele plastische Materialien sind Fluide, deren Bewegungen in der Str¨omungsmechanik erfasst werden. Fluide im Ruhezustand werden als Sonderfall str¨omender Medien behandelt, d. h. die Gesetzm¨ aßigkeiten f¨ ur ruhende Fluide werden dadurch abgeleitet, dass die Geschwindigkeit in den Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik zu Null gesetzt wird. Die Str¨ omungsmechanik begn¨ ugt sich jedoch nicht damit, die Gesetzm¨aßigkeiten anzugeben, denen Fluidbewegungen unterliegen, sondern sie bem¨ uht sich dar¨ uber hinaus, L¨ osungen f¨ ur Str¨ omungsprobleme, d. h. f¨ ur vorgegebene Anfangs- und Randbedingungen zu finden. Hierzu bedient sich die Str¨ omungsmechanik dreierlei Methoden: (a) Analytische L¨ osungsmethoden (Analytische Str¨omungsmechanik): Analytische Methoden der angewandten Mathematik lassen sich f¨ ur die L¨ osung der Grundgleichungen unter Ber¨ ucksichtigung der das Problem beschreibenden Randbedingungen nutzen. (b) Numerische L¨ osungsmethoden (Numerische Str¨omungsmechanik): Numerische Methoden der angewandten Mathematik werden f¨ ur Str¨omungssimulationen auf elektronischen Rechenanlagen herangezogen und f¨ uhren so zu L¨ osungen der Grundgleichungen der Str¨omungsmechanik. (c) Experimentelle L¨ osungsmethoden (Experimentelle Str¨omungsmechanik): Dieses Teilgebiet der Str¨ omungsmechanik nutzt allgemein g¨ ultige Ge¨ setzm¨ aßigkeiten f¨ ur die Ubertragbarkeit von str¨omungsmechanischen Erkenntnissen aus Modellstr¨ omungsuntersuchungen. Das in Modellstr¨omungen durch Messungen gewonnene Wissen wird mittels der Konstanz von Kenngr¨ oßen eines Str¨ omungsfeldes auf das eigentlich interessierende Str¨ omungsfeld u ¨ bertragen. Diese oben genannten Methoden haben, trotz beachtlicher Entwicklungen in den letzten 50 Jahren, bis heute nur teilweise den Entwicklungsstand erreicht, der erforderlich ist, um str¨ omungsmechanische Probleme f¨ ur viele praktische Str¨ omungsprobleme hinreichend genau beschreiben bzw. l¨osen zu k¨ onnen. So sind die heute bekannten analytischen Methoden oftmals nur auf Str¨ omungsprobleme mit einfachen Randbedingungen anwendbar. Der Einsatz numerischer Verfahren erm¨ oglicht zwar die Erfassung komplizierter Str¨ omungsberandungen, jedoch sind m¨ ogliche L¨osungen von praktischen Str¨ omungsproblemen ohne Modellannahmen, insbesondere im Falle turbulenter Str¨ omungen bei hohen Reynoldszahlen, nur eingeschr¨ankt erreichbar. Die-
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1 Bedeutung und Entwicklung der Str¨ omungsmechanik
Abbildung 1.4: Experimentelle Untersuchung von Fl¨ ussigkeitsfilmen
se Einschr¨ ankungen sind durch die limitierte Speicherkapazit¨at und Rechengeschwindigkeit der heute zur Verf¨ ugung stehenden Computer gegeben. Sie werden als begrenzende Faktoren f¨ ur die numerische L¨osung von Str¨omungsproblemen noch lange bestehen bleiben, so dass eine Reihe praktisch relevanter Str¨ omungen nur mittels experimenteller Methoden verl¨asslich untersucht werden kann. Aber auch f¨ ur experimentelle Untersuchungen k¨onnen, trotz der heute bereitgestellten verfeinerten experimentellen Methoden, nicht immer alle str¨ omungsmechanisch interessanten Gr¨ oßen bestimmt werden. Es fehlt an geeigneten Messverfahren, um alle wichtigen Str¨omungsgr¨oßen erfassen zu k¨ onnen, so z. B. f¨ ur Untersuchungen d¨ unner Fl¨ ussigkeitsfilme, wie sie in Abb. 1.4 gezeigt sind. Daher erfordern effiziente L¨ osungen praktischer Str¨omungsprobleme erfahrungsgem¨ aß den kombinierten Einsatz der oben vorgestellten analytischen, numerischen und experimentellen Methoden der Str¨omungsmechanik. Den verschiedenen aufgef¨ uhrten Teilgebieten kommt somit eine gleichberechtigte Bedeutung zu, und die Beherrschung der verschiedenen Methoden der Str¨ omungsmechanik ist in der Praxis oftmals unerl¨asslich. Sind analytische L¨ osungen f¨ ur Str¨ omungsprobleme m¨oglich, so sind diese den oftmals aufwendigen numerischen und experimentellen Untersuchungen vorzuziehen. Leider zeigt die Erfahrung, dass die als nichtlineares, partielles Differentialgleichungssystem vorliegenden Grundgleichungen der Str¨omungsmechanik nur dann analytische L¨ osungen zulassen, wenn bez¨ uglich der
1.2 Teilgebiete der Str¨ omungsmechanik
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Gleichungen und der die eigentlichen Str¨ omungsprobleme bestimmenden Anfangs- und Randbedingungen beachtliche Vereinfachungen getroffen werden. Die G¨ ultigkeit dieser Vereinfachungen ist stets f¨ ur das jeweils zu l¨osende Str¨ omungsproblem nachzuweisen, indem Vergleiche der analytisch erhaltenen Ergebnisse mit entsprechenden experimentellen Werten vorgenommen werden. Nur wenn diese Vergleiche zu akzeptabel kleinen Differenzen zwischen den analytisch bestimmten und experimentell erhaltenen Geschwindigkeitsfeldern f¨ uhren, k¨ onnen die getroffenen Annahmen f¨ ur das zu l¨osende Str¨ omungsproblem als gerechtfertigt angesehen werden. Ist der Vergleich mit experimentellen Daten nicht m¨ oglich, so empfiehlt es sich, die getroffenen Vereinfachungen durch Gr¨ oßenbetrachtungen theoretisch zu rechtfertigen, um so den Nachweis zu erbringen, dass die z. B. in L¨osungsans¨atzen vernachl¨assigten Terme in den Grundgleichungen klein gegen¨ uber den Termen sind, die f¨ ur die Ableitung der L¨ osung beibehalten werden.
Abbildung 1.5: Numerische Berechnung der Str¨ omung um einen Zug bei Seitenwind
¨ Ahnlich muss man auch bei der numerischen L¨osung von Str¨omungsproblemen vorgehen. Die G¨ ultigkeit der L¨ osung ist durch Vergleiche der mit Finiten-Volumen- bzw. Finiten-Elementen-Methoden erhaltenen Ergebnisse mit entsprechenden experimentellen Daten nachzuweisen. Liegen solche Daten nicht vor, was f¨ ur Str¨ omungsprobleme der Fall sein kann, wie sie in den Abb. 1.5 und 1.6 aufgezeigt sind, k¨ onnen durch den Vergleich von drei auf unterschiedlich feinen Gittern berechneten numerischen L¨osungen Aussagen u osung gemacht werden. Mit diesem ¨ ber die Genauigkeit der erhaltenen L¨ Wissen u onnen dann aus numerischen Ergebnissen einer ¨ ber Genauigkeit k¨ Str¨ omungsberechnung f¨ ur die Praxis relevante Str¨omungsinformationen gewonnen werden. Numerische L¨ osungen ohne Kenntnisse der numerisch er-
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1 Bedeutung und Entwicklung der Str¨ omungsmechanik
reichten Genauigkeit der L¨ osung sind ungeeignet, um verl¨assliche Aussagen u omungsvorg¨ ange zu gewinnen. ¨ ber ablaufende Str¨ ¨ Werden experimentelle Daten zur Uberpr¨ ufung analytischer oder numerischer Ergebnisse herangezogen, so ist es sehr wichtig, dass nur solche Daten zur Anwendung kommen, die als Messungen mit einer f¨ ur Vergleiche ausreichenden Genauigkeit eingestuft werden k¨ onnen. Dies setzt voraus, dass die Messdaten mit Verfahren ermittelt werden, die genaue Str¨omungsmessungen zulassen und zudem erlauben, Messwerte st¨orungsfrei zu bestimmen. Optische Messverfahren erf¨ ullen im allgemeinen die an die Genauigkeit und St¨ orungsfreiheit gestellten Anforderungen, so dass diese Verfahren in heutiger Zeit verst¨ arkt in der experimentellen Str¨omungsmechanik Anwendung finden (vgl. Abb. 1.6). In diesem Zusammenhang kommt der LaserDoppler-Anemometrie eine besondere Bedeutung zu. Sie hat sich zu einer verl¨ asslichen und leicht anwendbaren Messmethode der Str¨omungsmechanik entwickelt, die lokale Geschwindigkeitsinformationen in laminaren und turbulenten Str¨ omungen zu messen vermag.
Abbildung 1.6: Anemometers
Str¨ omungsuntersuchung
mit
Hilfe
eines
Laser-Doppler-
Obgleich in den obigen Abschnitten die Gleichrangigkeit der verschiedenen, nach der eingesetzten Methodik aufgezeigten Teilgebiete der Str¨omungsmechanik angedeutet wurde, soll der analytischen Str¨omungsmechanik f¨ ur eine einf¨ uhrende Darstellung der Methoden zur L¨osung von Str¨omungsproblemen, in diesem Buch der Vorzug gegeben werden. Erfahrungsgem¨aß ist es besser, analytische L¨ osungen von str¨ omungsmechanischen Problemen heranzuziehen, um u omungsphysikalische Verst¨andnis bei Stu¨ ber diese das str¨ denten zu wecken bzw. zu vertiefen. In der Regel sind die bei L¨osungen von Str¨ omungsproblemen eingesetzten analytischen Methoden dem Studenten aus Vorlesungen der angewandten Mathematik bekannt. Dadurch brin-
1.2 Teilgebiete der Str¨ omungsmechanik
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gen die Studierenden das Handwerkszeug“ f¨ ur analytische L¨osungen von ” Str¨ omungsproblemen mit. Dieser Umstand ist f¨ ur numerische bzw. experimentelle Methoden nicht unbedingt gegeben. Das ist der Grund, weshalb in diesem einf¨ uhrenden Buch den Methoden der analytischen Str¨omungsmechanik eine besondere Bedeutung zugemessen wird. In Teilen des Buches wird einf¨ uhrend sowohl auf numerische L¨ osungen eingegangen als auch auf Ergebnisse experimenteller Untersuchungen. Dadurch soll erreicht werden, dass dem Studenten in dieser Einf¨ uhrung auch die Bedeutung der numerischen und experimentellen Str¨ omungsmechanik u ¨bermittelt werden. Der Inhalt dieses Buches befasst sich schwerpunktm¨aßig mit L¨osungen von Str¨ omungsproblemen, die durch vereinfachte Formen der allgemeing¨ ultigen Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik beschrieben werden. Dieser Einsatz vereinfachter Gleichungen f¨ ur die L¨ osung von Str¨omungsproblemen zeigt eine hohe Systematik auf. Die verst¨ andliche Einf¨ uhrung von Studenten in das allgemeine Vorgehen f¨ ur die Erarbeitung von L¨osungen von Str¨omungsproblemen mittels reduzierter Str¨ omungsgleichungen wird dadurch erreicht, dass die Grundgleichungen abgeleitet und als partielle Differentialgleichungen f¨ ur sogenannte newtonsche Fluide (z. B. Luft oder Wasser) angegeben werden. Aus ihnen lassen sich die vereinfachten Formen der Str¨omungsgleichungen allgemein verst¨ andlich ableiten, beispielsweise durch die Einf¨ uhrung der Annahme, dass Fluide viskosit¨ atsfrei sind. Fluide dieser Art werden als str¨o” mungsmechanisch ideal“ bezeichnet. Die aus dem allgemeinen Gleichungssystem abgeleiteten Grundgleichungen dieser idealen Fluide stellen eine wesentliche Vereinfachung dar, durch die analytische L¨osungen von Str¨omungsproblemen m¨ oglich werden. Weitere Vereinfachungen lassen sich durch die Annahme der Inkompressibilit¨ at des betrachteten Fluides erreichen, die zu den klassischen Gleichungen der Hydrodynamik f¨ uhren. Treten jedoch Gasstr¨omungen mit hohen Geschwindigkeiten auf, so ist die Annahme der Inkompressibilit¨at des Str¨ omungsmediums nicht mehr gerechtfertigt. F¨ ur Str¨omungsuntersuchungen m¨ ussen dann die f¨ ur gasdynamische Str¨ omungen geltenden Grundgleichungen zur Anwendung kommen. Um diese abzuleiten, wird die Annahme eingef¨ uhrt, dass Gase in Str¨ omungsfeldern thermodynamische Zustands¨anderungen erfahren, wie sie f¨ ur ideale Gase bekannt sind. Die L¨osung der gasdynamischen Grundgleichungen gelingt f¨ ur eine Reihe von eindimensionalen Str¨omungsvorg¨ angen. Diese werden im Buch geb¨ uhrend behandelt. Sie gew¨ahren einen Einblick in die starken Wechselwirkungen, die zwischen der kinetischen Energie eines Fluidelements und der inneren Energie eines kompressiblen Fluids vorliegen k¨ onnen. Die daraus resultierenden Str¨omungserscheinungen sind geeignet, das physikalische Verst¨ andnis f¨ ur gasdynamische Str¨omungsvorg¨ange zu wecken und dieses dann f¨ ur zweidimensionale Str¨omungen zu nutzen. Einige zweidimensionale Str¨ omungsprobleme werden daher ebenfalls im vorliegenden Buch angesprochen. Dem physikalischen Verst¨andnis der sich abspielenden Str¨ omungsvorg¨ ange wird in den Betrachtungen besondere Bedeutung
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1 Bedeutung und Entwicklung der Str¨ omungsmechanik
beigemessen. Aber es wird auch Wert darauf gelegt, dass die Grundlagen der eingesetzten analytischen Methoden f¨ ur den Studenten verst¨andlich dargestellt und nachvollziehbar werden.
1.3 Geschichtliche Entwicklung Auf den nachfolgenden Seiten wird die geschichtliche Entwicklung der Str¨omungsmechanik skizzenhaft anhand der wichtigsten Beitr¨age verschiedener Wissenschaftler dargestellt. Diese geschichtliche Betrachtung erhebt keinen Anspruch auf Vollst¨ andigkeit. Diese kann allein schon aufgrund der gew¨ahlten K¨ urze der Darstellungen nicht erreicht werden. Ziel der gew¨ahlten Betrachtungen soll es vielmehr sein, die Entwicklung u ¨ber Jahrhunderte hinweg allgemein verst¨ andlich aufzuzeichnen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass bereits am Anfang des 19. Jahrhunderts die Grundgleichungen bekannt waren, mit denen str¨ omungsmechanische Vorg¨ange verl¨asslich beschrieben werden k¨ onnen. L¨ osungen dieser Gleichungen waren mangels geeigneter L¨ osungsmethoden f¨ ur Ingenieurprobleme nicht m¨oglich, so dass sich neben dem Gebiet der grundlagenorientierten Str¨ omungsmechanik die technische Hydraulik entwickelte. In diesem Gebiet bediente man sich der bekannten Zusammenh¨ ange f¨ ur die Str¨ omung idealer Fluide und der Einfluss von Reibungseffekten wurde durch empirisch bestimmte Verlustbeiwerte ber¨ ucksich¨ tigt. F¨ ur geometrisch komplexe Probleme wurden auf Ahnlichkeitsgesetzen basierende Methoden angewandt, um experimentell erhaltene Str¨omungsergebnisse zu verallgemeinern. Analytische Methoden erlaubten nur die L¨osung von akademischen Problemen, die f¨ ur die praktische Anwendung keine Relevanz hatten. Erst die Methodenentwicklungen in der zweiten H¨alfte des 20. Jahrhunderts haben dazu gef¨ uhrt, dass heute numerische Methoden zur Verf¨ ugung stehen, welche die Grundgleichungen der Str¨omungsmechanik f¨ ur praktisch relevante Str¨ omungsprobleme zu l¨ osen erlauben. Parallel zu der Entwicklung der numerischen Methoden wurde auch die Entwicklung von experimentellen Techniken vorangetrieben, so dass heute Messverfahren bereitstehen, welche str¨ omungsmechanische Informationen experimentell zu erhalten erlauben, die f¨ ur praktische Str¨ omungsprobleme interessant sind. Einige technische Entwicklungen waren und sind auch heute noch eng mit der L¨ osung str¨ omungsmechanischer Probleme verbunden bzw. mit der vorteilhaften Nutzung von Str¨ omungsvorg¨ angen. Hierzu sei auf die Entwicklung der Schifffahrt hingewiesen, die schon in den alt¨agyptischen Geschichtsepochen mit windgetriebenen Schiffen aufwarten konnte. Weiterentwicklungen bis zur heutigen Zeit haben zu Transportsystemen mit großer wirtschaftlicher und gesellschaftspolitischer Bedeutung gef¨ uhrt. In j¨ ungster Zeit wurde die Schifffahrt von atemberaubenden Entwicklungen in der Luftfahrt und der Automobiltechnik u ¨ bertroffen. Diese nutzen wiederum Str¨omungsvorg¨ange, um die Sicherheit und den Komfort zu gew¨ ahrleisten, die wir heute bei den be-
1.3 Geschichtliche Entwicklung
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reitgestellten Transportsystemen als selbstverst¨andlich ansehen. Str¨omungsmechanische Entwicklungen haben diese Sicherheit und den Komfort oft erst in der uns bekannten Form m¨ oglich gemacht. Eine kontinuierliche wissenschaftliche Entwicklung der Str¨omungsmechanik setzte mit Leonardo da Vinci (1452-1519 n. Chr.) ein. Durch seine genialen Arbeiten wurden Methoden aufgezeigt, die f¨ ur str¨omungsmechanische Untersuchungen allgemeiner Art geeignet waren. Davor liegende Bem¨ uhungen von Archimedes (287-212 v. Chr.) Fluidbewegungen zu verstehen, f¨ uhrten zwar zu dem Verst¨ andnis des hydromechanischen Auftriebs und der Stabilit¨ at schwimmender K¨ orper, sie blieben jedoch ohne weitere Auswirkungen auf die Entwicklung der Str¨ omungsmechanik in den nach Archimedes fol¨ genden Jahrhunderten. Ahnliches gilt auch f¨ ur die Arbeiten von Sextus Julius Frontius (40-103 n. Chr.), der das Grundverst¨andnis f¨ ur die Methoden bereitstellte, welche im R¨ omischen Reich eingesetzt wurden, um die Volumenstr¨ ome in den r¨ omischen Wasserversorgungsnetzen zu messen. Auch die Arbeiten von Sextus Julius Frontius blieben Einzelleistungen. Ihnen folgten f¨ ur mehr als ein Jahrtausend weder wesentliche str¨omungsmechanische Erkenntnisse, noch wurden Beitr¨ age zum Verst¨ andnis von Str¨omungsvorg¨angen bekannt. Die Str¨ omungsmechanik entwickelte sich als Wissensgebiet erst nach den Arbeiten von Leonardo da Vinci. Betrachtungen der Arbeiten von Leonardo da Vinci f¨ uhren zu der Erkenntnis, dass er die Grundlagen f¨ ur das Kontinuumsprinzip f¨ ur str¨omungsmechanische Betrachtungen legte und durch viele Skizzen von Str¨omungsvorg¨ angen zu der Entwicklung der Methodik beitrug, u ¨ ber die Sichtbarmachung str¨ omungsmechanische Erkenntnisse zu gewinnen. Seine geniale Ingenieurskunst erm¨ oglichte es ihm, erste str¨ omungsmechanisch angetriebene Anlagen zu erdenken und Skizzen von technischen Probleml¨osungen auf der Basis von Str¨ omungsprozessen zu hinterlassen. Den Arbeiten von Leonardo da Vinci folgten die von Galileo Galilei (1564-1642) und von Evangelista Torricelli (1608-1647). W¨ ahrend Galileo Galilei wesentliche Impulse f¨ ur die experimentelle Hydraulik gab und das Konzept des Vakuums, das von Aristoteles eingef¨ uhrt wurde, neu u ¨berarbeitete, erkannte Evangelista Torricelli den Zusammenhang zwischen dem Gewicht der Atmosph¨are und dem barometrischen Druck. Er brachte die Form eines horizontal ausgestoßenen Fl¨ ussigkeitsstrahls mit den Gesetzen des freien Falls in Verbindung. Damit leisteten Torricellis Arbeiten einen wichtigen Beitrag zu den Gesetzm¨aßigkeiten des Ausfließens aus Gef¨ aßen unter Schwerkrafteinfluss. Blaise Pascal (1623-1662) besch¨ aftigte sich ebenfalls mit Hydrostatik und formulierte als erster den Satz von der allseitigen Druckfortpflanzung. Isaac Newton (1642-1727) legte die Grundlagen zur theoretischen Beschreibung von Str¨ omungsvorg¨ angen. Er erkannte als erster, dass der molek¨ ulbedingte Impulstransport, den er als Str¨omungsreibung interpretierte und einf¨ uhrte, proportional zum Geschwindigkeitsgradienten normal zur Str¨ omungsrichtung ist. Von ihm sind auch verschiedene weitere Beitr¨age zur
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1 Bedeutung und Entwicklung der Str¨ omungsmechanik
Ermittlung des Str¨ omungswiderstandes geleistet worden. Zur Strahlkontraktion beim Ausfließen von Fl¨ ussigkeiten aus Gef¨aßen stellte er umfassende, wenn auch nicht in allen Phasen korrekte Betrachtungen an. Henri de Pitot (1665-1771) leistete wichtige Beitr¨ age zum Verst¨andnis des Staudruckes, der sich in einer Str¨ omung in Staupunkten aufbaut. Er war einer der ersten, der sich bem¨ uhte, durch Konstruktion doppelwandiger Messger¨ate Str¨omungsgeschwindigkeiten durch Differenzdruckmessungen zu erm¨oglichen. Durch Daniel Bernoulli (1700-1782) wurden die Grundlagen der Hydromechanik gelegt, indem auf der Basis einfacher Energieprinzipien ein Zusammenhang zwischen Druck und Geschwindigkeit hergestellt wurde. Wesentliche Beitr¨age zur Druckmessung, zur Manometertechnik und zu hydromechanischen Antrieben wurden von ihm geleistet. Leonhard Euler (1707-1783) formulierte die Grundlagen der Str¨omungsgleichungen einer idealen Fl¨ ussigkeit. Er leitete aus der Erhaltungsgleichung f¨ ur den Impuls das zuvor schon von Johann Bernoulli (1667-1748) aus Energieprinzipien abgeleitete Bernoulli-Theorem her. Er unterstrich die Bedeutung des Druckes f¨ ur das gesamte Gebiet der Str¨omungsmechanik und erl¨ auterte unter anderem die in Anlagen auftretenden Kavitationserscheinungen. Das Grundprinzip von Turbomaschinen wurde von ihm erkannt und beschrieben. Eulers Arbeiten zur Formulierung der Grundgleichungen wurden durch Jean le Rond D’Alembert (1717-1783) erg¨anzt. Er leitete die Kontinuit¨ atsgleichung in Differentialform ab und f¨ uhrte die Verwendung komplexer Zahlen in die Potentialtheorie ein. Er leitete zudem die Beschleunigungskomponente eines Fluidelementes in Feldgr¨ oßen ab und ¨außerte die nach ihm benannte (und von Euler zuvor bewiesene) Vermutung, dass ein von einem idealen Fluid umstr¨ omter K¨ orper keinen Str¨ omungswiderstand besitzt. Dieser als D’Alembertsches Paradoxon bekannte Sachverhalt f¨ uhrte zu langen Diskussionen u ¨ber den Sinn der Gleichungen der Str¨omungsmechanik, da die aus ihnen abgeleiteten Ergebnisse nicht mit Ergebnissen experimenteller Untersuchungen u ¨bereinstimmten. In diesen Diskussionen wurde oftmals unber¨ ucksichtigt gelassen, dass das D’Alembertsche Paradoxon mit den Annahmen zu tun hatte und nicht mit den Gleichungen. Die Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik erfuhren weitere Behandlungen durch Joseph de Lagrange (1736-1813), durch Louis Marie Henri Navier (1785-1836) und durch Barr´e de Saint-Venant (1797-1886). Da jedoch L¨ osungen der Gleichungen f¨ ur praktische Probleme nicht gelangen, entwickelte sich, parallel zu der Entwicklung der Theorie der Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik, die praktische Hydraulik. Antoine Chezy (1718¨ 1798) formulierte Ahnlichkeitsparameter, um Ergebnisse von Str¨omungsuntersuchungen in einem Str¨ omungskanal auf einen zweiten Kanal zu u ¨ bertra¨ gen. Aufbauend auf Ahnlichkeitsgesetzen wurden umfangreiche experimentelle Untersuchungen von Giovanni Battista Venturi (1746-1822) durchgef¨ uhrt sowie experimentelle Untersuchungen zu Druckverlustmessungen in Str¨omungen durch Gotthilf Heinrich Ludwig Hagen (1797-1884) und zu hydrodyna-
1.3 Geschichtliche Entwicklung
13
mischen Widerst¨ anden durch Jean-Louis Poiseuille (1799-1869). Es folgten Arbeiten durch Henri Philibert Gaspard Darcy (1803-1858) zur Filtration, d. h. zur Bestimmung des Druckverlustes in Porenk¨orpern. Im Bereich des Bauingenieurwesens folgten Arbeiten von Julius Weißbach (1806-1871), der die Grundlagen der Hydraulik in Ingenieur¨ uberlegungen einf¨ uhrte und durch systematische Experimente dimensionslose Str¨omungskoeffizienten festlegte, mit denen Ingenieuranlagen ausgelegt werden konnten. Arbeiten von William Froude (1810-1879) zur Entwicklung von Towing-Tank-Techniken leiteten Modelluntersuchungen an Schiffen ein und Robert Manning (1816-1897) erarbeitete viele Formeln f¨ ur Widerstandsgesetze von K¨orpern in offenen ¨ Wasserkan¨ alen. Ahnliche Entwicklungen wurden durch Ernst Mach (18381916) f¨ ur die kompressible Aerodynamik eingeleitet. Er gilt als Pionier der ¨ Uberschallaerodynamik, mit der Bereitstellung wesentlicher Erkenntnisse zur ¨ Nutzung des Wissens u omungen in denen Anderungen der Dichte eines ¨ ber Str¨ Fluids von Bedeutung sind. Neben der praktischen Hydromechanik entwickelte sich im 19. Jahrhundert auch die analytische Str¨ omungsmechanik um analytisch handhabbare Probleme zu l¨ osen. Georg Gabriel Stokes (1816-1903) leistete analytische Beitr¨ age zur Str¨ omungsmechanik viskoser Medien, insbesondere zur Wellenmechanik und zum viskosen Widerstand von K¨orpern. Auf ihn geht das Stokessche Gesetz f¨ ur in Fl¨ ussigkeit fallende Kugeln zur¨ uck. John William Strutt, Lord Rayleigh (1842-1919) f¨ uhrte eine Vielzahl von Untersuchungen ¨ zur dynamischen Ahnlichkeit sowie zur hydrodynamischen Instabilit¨at durch. Ableitungen der Grundlagen f¨ ur Wellenbewegungen, Blasen- und Tropfeninstabilit¨ aten, Instabilit¨ aten von Fl¨ ussigkeitsstrahlen etc. folgten, mit klaren Hinweisen, wie lineare Instabilit¨ atsbetrachtungen in der Str¨omungsmechanik durchzuf¨ uhren sind. Vincenz Strouhal (1850-1922) erarbeitete die Grundlagen der Schwingungsanregung von K¨ orpern durch abl¨osende Wirbel. Viele andere Wissenschaftler w¨ aren hier zu nennen, die aufzeigten, dass die angewandte Mathematik wichtige Beitr¨ age zur analytischen L¨osung von Str¨omungsproblemen liefern kann. Nach den bahnbrechenden Arbeiten von Ludwig Prandtl (1875-1953), der das Grenzschichtkonzept in die Str¨omungsmechanik einf¨ uhrte, folgten analytische L¨ osungen zu den Grundgleichungen, wie z. B. L¨osungen der Grenzschichtgleichungen von Paul Richard Heinrich Blasius (18831970). Mit Osborne Reynolds (1832-1912) wurde ein neues Kapitel der Str¨omungsmechanik aufgeschlagen. Er f¨ uhrte wegweisende Experimente in vielen Bereichen der Str¨ omungsmechanik durch, insbesondere Grundlagenuntersuchungen f¨ ur verschiedene turbulente Str¨ omungen. Er zeigte auf, dass es m¨oglich ist, die Navier-Stokesschen Gleichungen in zeitlich gemittelter Form anzugeben, um damit turbulente Transportvorg¨ ange zu beschreiben. Wesentliche Arbeiten in diesem Bereich folgten durch Ludwig Prandtl (1875-1953) verbunden mit grunds¨ atzlichen Erkenntnissen im Bereich der Grenzschichttheorie. Theodor von K´ arm´ an (1881-1963) leistete Beitr¨age zu vielen Teilgebieten
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1 Bedeutung und Entwicklung der Str¨ omungsmechanik
der Str¨ omungsmechanik gefolgt von einer Vielzahl von Wissenschaftlern, die sich um Probleml¨ osungen in der Str¨ omungsmechanik bem¨ uhten. Zu nennen w¨ aren hier, ohne den Anspruch auf Vollst¨ andigkeit zu erheben, Pei-Yuan Chou (1902-1993) und Andrei Nikolaevich Kolmogorov (1903-1987) f¨ ur ihre Beitr¨ age zur Turbulenztheorie und Hermann Schlichting (1907-1982) f¨ ur seine Arbeiten auf dem Gebiet des laminar-turbulenten Umschlages, f¨ ur die Zusammenf¨ uhrung des str¨ omungsmechanischen Wissens seiner Zeit und die Umsetzung in praktische L¨ osungen von Str¨ omungsproblemen.
Abbildung 1.7: Zusammenfassende Darstellung der Epochen und Wissenschaftler mit Beitr¨ agen zur Entwicklung der Str¨ omungsmechanik
Der zeitliche Ablauf der in den obigen Abschnitten angegebenen Beitr¨ age zur Entwicklung der Str¨ omungsmechanik l¨asst sich gut in einem Diagramm angeben, das nachfolgend aufgef¨ uhrt ist, siehe Abb. 1.7. Genauere Betrachtungen zeigen, dass das 16. und 17. Jahrhundert durch die Entwicklung des Verst¨ andnisses wichtiger Grundlagen der Str¨omungsmechanik gekennzeichnet waren. Im Zuge der Entwicklung der Mechanik konnten im 18. Jahrhundert die Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik abgeleitet und vollst¨ andig angegeben werden. Diese Gleichungen umfassten alle auf Fluidelemente einwirkenden Kr¨ afte und wurden f¨ ur substantielle Gr¨oßen (Lagrangsche Betrachtungsweise) und f¨ ur Feldgr¨ oßen (Eulersche Betrachtungsweise) angegeben. Mangels geeigneter L¨ osungsmethoden beschr¨ankten sich die im 19. Jahrhundert und Anfang des 20. Jahrhunderts angestrebten theoretischen L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen auf analytische Ergebnisse f¨ ur einfache Randbedingungen. Praktische Str¨omungs-
1.3 Geschichtliche Entwicklung
15
probleme entzogen sich der theoretischen L¨ osung und es entwickelte sich deshalb eine Ingenieur-Hydromechanik“, die str¨omungsmechanische Pro” bleml¨ osungen u ¨ber experimentell gewonnene Erkenntnisse suchte. Untersuchungen an geometrisch ¨ ahnlichen Modellen wurden angestrebt, unter Ein¨ ¨ haltung str¨ omungsmechanischer Ahnlichkeitsanforderungen, um die Uber¨ tragung der experimentell gewonnenen Erkenntnisse u ¨ber Ahnlichkeitsgesetze auf Großausf¨ uhrungen zu erm¨ oglichen. Erst die seit Mitte des 20. Jahrhunderts einsetzende Entwicklung numerischer Methoden zur L¨osung der Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik hat M¨ oglichkeiten geschaffen, auch theoretische (numerische) L¨ osungen f¨ ur praktische Str¨omungsprobleme herbeizuf¨ uhren. Parallel dazu laufende messtechnische Entwicklungen haben dazu gef¨ uhrt, dass komplement¨ are experimentelle und numerische L¨osungen praktischer Str¨ omungsprobleme m¨ oglich wurden. Man kann so mit Recht sagen, dass die zweite H¨ alfte des 20. Jahrhundert der Str¨omungsmechanik die Mess- und Berechnungsmethoden gebracht hat, die zur L¨osung praktischer Str¨ omungsprobleme ben¨ otigt werden. Der kombinierte Einsatz der heute zur Verf¨ ugung stehenden experimentellen und numerischen Methoden wird im 21. Jahrhundert str¨ omungsmechanische Untersuchungen zulassen, die bis zur heutigen Zeit, mangels geeigneter Methoden nicht m¨oglich waren. Die experimentellen Methoden, die in der zweiten H¨alfte des 20. Jahrhunderts besonders zur steilen Fortentwicklung der experimentellen Str¨omungsmechanik beigetragen haben, waren die Hitzdraht- und Laser-Doppler-Anemometrie. Diese Messmethoden haben heute einen Entwicklungsstand erreicht, der ihren Einsatz f¨ ur lokale Geschwindigkeitsmessungen in laminaren und turbulenten Str¨ omungen zul¨ asst. Dabei findet die Hitzdrahtanemometrie in Gasstr¨ omungen Anwendung, die arm an Verunreinigungen sind, so dass die erforderliche Kalibrierung des eingesetzten Hitzdrahtes u ¨ ber eine lange Messzeit aufrecht erhalten werden kann. Messungen sind bis 10 % an Turbulenzgrad m¨ oglich. Str¨ omungen mit dar¨ uberliegenden Turbulenzgraden bed¨ urfen des Einsatzes der Laser-Doppler-Anemometrie. Die Messmethode eignet sich vor allem f¨ ur Messungen in verunreinigten Gas- und Fl¨ ussigkeitsstr¨omungen. Abschließend soll auch noch auf die rapiden Fortschritte hingewiesen werden, die in den letzten Jahrzehnten im Bereich der numerischen Str¨omungsmechanik erreicht werden konnten. Beachtliche Entwicklungen konnten in der angewandten Mathematik durchgef¨ uhrt werden, um partielle Differentialgleichungen numerisch zu l¨ osen. Verbunden mit hohen Steigerungen der Rechenleistung moderner Hochleistungscomputer, konnten Computerprogramme bereitgestellt werden, die praktische Str¨ omungsprobleme numerisch zu l¨ osen erlauben. Die numerische Str¨ omungsmechanik ist dadurch zu einem wichtigen Teilgebiet des Gesamtgebietes Str¨ omungsmechanik geworden. Ihre Bedeutung wird in der Zukunft noch weiter zunehmen. Insbesondere sind neue Ans¨ atze in der Entwicklung von Turbulenzmodellen zu erwarten, welche Invarianten von Tensoren ui uj , ij , etc. nutzen, um Grenzen turbulenter Eigenschaften von Str¨ omungen bei der Turbulenzmodellierung zu ber¨ ucksich-
16
1 Bedeutung und Entwicklung der Str¨ omungsmechanik
tigen. Dies ist in Abb. 1.8 angedeutet. Diese Abbildung zeigt auf, dass die Turbulenzgr¨ oßen, die sich als Tensoren zweiter Ordnung darstellen lassen, nicht beliebige Werte annehmen k¨ onnen. Alle Turbulenzen der Welt f¨ uhren zu Anisotropieinvarianten, die in dem segelartigen Gebiet liegen, das in Abb. 1.8 angedeutet ist. Informationen dieser Art lassen sich f¨ ur die Turbulenzmodellierung nutzen.
Abbildung 1.8: Darstellung der Turbulenzanisotropie durch die Invarianten des Anisotropietensors
1.4 Literaturverzeichnis 1.1 Bell ET (1936)Men of Mathematics. Simon & Schuster, New York 1.2 Rouse H (1952)Present-Day Trends in Hydraulics. Applied Mechanics Reviews 5: 2 1.3 Bateman H, Dryden HL, Murnaghan FP (1956) Hydrodynamics. Dover, New York 1.4 Van Dyke M (1964) Perturbation Methods in Fluid Mechanics. Academic, New York 1.5 Rouse H, Ince S (1980) History of Hydraulics. The University of Iowa, Inst. of Hydraulic Research, Ames 1.6 Sˇzabo I (1987) Geschichte der mechanischen Prinzipien und ihrer wichtigsten Anwendungen. Birkh¨ auser, Basel
2 Mathematische Grundlagen
2.1 Einleitung und Definitionen Die Str¨ omungsmechanik befaßt sich mit Transportvorg¨angen, insbesondere mit dem str¨ omungs- und molek¨ ulbedingten Impulstransport in Fluiden. Deren thermodynamische Zustandsgr¨ oßen wie Druck, Dichte, Temperatur, innere Energie etc. gehen in die str¨ omungsmechanischen Betrachtungen ein. Die thermodynamischen Zustandsgr¨ oßen eines Fluids sind skalare Gr¨oßen und lassen sich als solche in die Gleichungen zur mathematischen Beschreibung von Str¨ omungsvorg¨ angen einf¨ uhren. Neben Skalaren sind jedoch auch andere Gr¨ oßen f¨ ur die Beschreibung von Str¨ omungsvorg¨angen notwendig. In den nachfolgenden Kapiteln wird gezeigt, daß str¨omungsmechanische Betrachtungen in Erhaltungsgleichungen f¨ ur Masse, Impuls, Energie und chemische Spezies resultieren, die skalare, vektorielle und tensorielle“ Gr¨oßen umfas” sen. Oftmals werden prinzipielle Unterscheidungen zwischen solchen Gr¨oßen vorgenommen, ohne zu beachten, daß die Gr¨ oßen alle als Tensoren mit verschiedenen Ordnungen darstellbar sind: Skalare Gr¨ oßen = Tensoren nullter Ordnung ; {a} → a Vektorielle Gr¨ oße = Tensoren erster Ordnung ; {ai } → ai Tensorielle Gr¨ oßen = Tensoren zweiter Ordnung ; {aij } → aij Dabei kennzeichnet die Anzahl der in der Tensordarstellung gew¨ahlten Indizes die Ordnung des Tensors. Durch die oben angedeutete Einf¨ uhrung tensorieller Gr¨ oßen sind Erweiterungen in der Darstellung von Str¨omungsvorg¨ angen mittels noch komplexerer Gr¨ oßen, falls sie zur Beschreibung str¨omungsmechanischer Sachverhalte erforderlich werden sollten, als Tensoren dritter Ordnung und noch h¨ oherer Ordnung m¨oglich. Diese Erweiterbarkeit und die oben erw¨ ahnte einheitliche Darstellung haben dazu gef¨ uhrt, die angedeutete tensorielle Schreibweise physikalischer Gr¨oßen in dem vorliegenden Buch zu w¨ ahlen. Dabei entscheidet die Anzahl der Indizes i, j, k, l, m, n, wie obenstehend erw¨ ahnt, u ¨ ber die Ordnung eines Tensors. Tensoren mit beliebiger Ordnung sind mathematische Gr¨oßen, mit denen mathematische Operationen“ wie das Addieren, Subtrahieren, Multi” plizieren, Dividieren etc. durchgef¨ uhrt werden k¨onnen. Diese sind dem Leser oftmals bekannt, werden jedoch untenstehend noch einmal zusammengefasst
18
2 Mathematische Grundlagen
dargestellt. Falls die K¨ urze der Darstellung dem mit der Tensordarstellung unvertrauten Leser nicht erlaubt, sich in die Materie einzuarbeiten, wird auf die entsprechende mathematische Literatur verwiesen, siehe Kapitel 2.12. Viele der Ableitungen lassen sich jedoch mit einfachen Grundkenntnissen der Mathematik durchf¨ uhren, ohne dass Details der vollst¨andigen Tensorrechnung bekannt sein m¨ ussen. Dies wird aus den nachfolgenden Erl¨auterungen verst¨ andlich.
2.2 Tensoren nullter Ordnung (Skalare Gr¨ oßen) Skalare Gr¨ oßen werden zur Beschreibung der Zustandsgr¨oßen von Fluiden wie Druck, Dichte, Temperatur, innere Energie, etc. herangezogen oder beschreiben andere physikalische Gr¨ oßen, die durch Angabe eines Betrages (bzw. Zahlenwertes) und einer Einheit eindeutig angegeben werden k¨onnen. Als Beispiele seien genannt: N kg 6 3 P = 7, 53 · 10 , T = 893, 2 K , ρ = 1, 5 · 10 etc., m2 m3 Betrag Betrag Betrag Einheit
Einheit
Einheit
(2.1) Physikalische Gr¨ oßen, welche die gleiche Einheit haben, k¨onnen addiert und subtrahiert werden, wobei nur die Betr¨ age in die Additions- und Subtraktionsoperationen einbezogen werden und die gemeinsame Einheit beibehalten wird. N α=1
aα =
N α=1
|aα |
a
Betrag Einheit
a±b = (|a| ± |b|) a oder b , wobei a = b Betrag
Einheit
(2.2) Gr¨ oßen mit unterschiedlichen Einheiten d¨ urfen nicht addiert bzw. subtrahiert werden. Auf zul¨ assige Additionen und Subtraktionen skalarer Gr¨oßen k¨onnen die unten angegebenen mathematischen Gesetzm¨ aßigkeiten zur Anwendung gebracht werden. Der Betrag von a ist eine reelle Zahl, d.h. |a| ist eine reelle Zahl, falls a ∈ R. Er ist definiert durch |a|: = +a, falls a ≥ 0 ist, und |a| := −a, falls a < 0 ist. Die folgenden Rechenregeln f¨ ur Betr¨ age ergeben sich unmittelbar aus der Definition:
a |a|
(falls b = 0) . −|a| ≤ a ≤ |a|, | − a| = |a|, |ab| = |a||b|, = b |b| Und es gilt ferner: |a| ≤ b ⇔ −b ≤ a ≤ b.
2.3 Tensoren erster Ordnung (Vektorielle Gr¨ oßen)
19
Aus −|a| ≤ a ≤ |a| und − |b| ≤ b ≤ |b| folgt − (|a| + |b|) ≤ a+ b ≤ (|a| + |b|) . Also gilt f¨ ur alle a, b ∈ R: |a + b| ≤ |a| + |b|
(Dreiecksungleichung).
Die Kommutativ- und Assoziativgesetze der Addition und Multiplikation skalarer Gr¨ oßen sind im allgemeinen bekannt und bed¨ urfen hier keiner weiteren Behandlung. F¨ uhrt man mit skalaren physikalischen Gr¨oßen Multiplikationen bzw. Divisionen aus, so entstehen neue physikalische Gr¨oßen, die wieder Skalare sind, mit Betr¨ agen, die sich aus der Multiplikation bzw. Division der Betr¨ age der Ausgangsgr¨ oßen ergeben. Die Einheit der neuen skalaren physikalischen Gr¨ oße entsteht aus der Multiplikation bzw. Division der Basiseinheiten der skalaren Gr¨ oßen. a · b = (|a| · |b|) [a] · [b] Betrag
bzw.
Einheit
a = b
|a| [a] |b| [b]
(2.3)
Betrag Einheit
Am Beispiel des Produktes aus dem Druck P und dem Volumen V soll gezeigt werden, dass eine neue physikalische Einheit entsteht. N 3 P V = |P | |V | m = |P | |V | Nm (2.4) m2 [J=Nm] Die neue physikalische Gr¨ oße hat die Einheit J = Joule, d. h. die Einheit einer Energie. Wird der Druckverlust mit dem Volumenstrom multipliziert, so entsteht eine Verlustleistung ∆P V˙ = |∆P | |V˙ |
N m3 Nm ˙ = |∆P | |V | m2 s s
(2.5)
[W= Nm s ]
Die Verlustleistung hat die Einheit W = Watt.
2.3 Tensoren erster Ordnung (Vektorielle Gr¨ oßen) Die vollst¨ andige Darstellung einer vektoriellen Gr¨oße erfordert die Angabe des Betrages, der Richtung und einer Einheit. Kraft, Geschwindigkeit, Impuls, Drehimpuls etc. sind Beispiele f¨ ur vektorielle Gr¨oßen. Graphisch werden Vektoren durch Pfeile repr¨ asentiert, deren L¨ ange den Betrag und deren Lage zusammen mit Pfeilausgangspunkt und der Pfeilspitze die Richtung angibt. Die daraus ableitbare analytische Darstellung vektorieller Gr¨oßen bedient
20
2 Mathematische Grundlagen
a a
2
3
a 1
Abbildung 2.1: Darstellung von Vektoren in einem kartesischen Koordinatensystem
sich der Angabe der auf die Achse eines kartesischen Koordinatensystems projizierten Komponenten des Vektors, und die Richtungsangabe erfolgt durch die Vorzeichen der resultierenden Vektorkomponenten. F¨ ur die Darstellung des Geschwindigkeitsvektors {Ui } in einem karte i = Uiei mit den sischen Koordinatensystem ergeben sich Komponenten U Koordinaten Ui (i = 1, 2, 3), wobei e1 , e2 , e3 die Einheitsvektoren in die Koordinatenrichtungen x1 , x2 und x3 darstellen. U1 cos α1 m m = {Ui } = U2 = |U | cos α2 U ; Ui = ± |U | · | cos αi | s s U3 cos α3 Richtung Betrag
Einheit
(2.6) und Dies ist in Abb. 2.1 skizziert. αi bezeichnet den Winkel zwischen U dem Einheitsvektor ei . Geeignete Darstellungen von Vektoren sind auch in anderen Koordinatensystemen m¨ oglich. In dem vorliegenden Buch werden kartesische Koordinaten bevorzugt. Vektorielle Gr¨ oßen, welche die gleiche Einheit haben, k¨onnen vektoriell addiert bzw. subtrahiert werden. Hierbei kommen Gesetzm¨aßigkeiten zur Anwendung, die in der Addition bzw. Subtraktion der Komponenten auf den Achsen eines kartesischen Koordinatensystems resultieren: a ± b = {a1 } ± {b1 } = {(ai ± bi )} = {(a1 ± b1 ), (a2 ± b2 ), (a3 ± b3 )}T Addition bzw. Subtraktion der Komponenten Vektorielle Gr¨ oßen mit unterschiedlichen Einheiten d¨ urfen nicht vektoriell addiert bzw. subtrahiert werden. F¨ ur die Addition und Subtraktion vektorieller Gr¨oßen (mit gleichen Einheiten) gelten die folgenden Rechenregeln:
2.3 Tensoren erster Ordnung (Vektorielle Gr¨ oßen)
21
a + 0 = {ai } + {0} = a (Neutrales Element 0) a + (−a) = {ai } + {−ai } = 0 (zu a inverses Element −a) a + b = b + a, d.h. {ai } + {bi } = {bi } + {ai } = {(ai + bi )} (Kommutativgesetz) a + (b + c) = (a + b) + c, d.h. {ai } + {(bi + ci )} = {(ai + bi )} + {ci } (Assoziativgesetz) Mit (α · a) entsteht ein skalares Vielfaches von a, wenn α ∈ R+ \0 und α keine eigene Einheit hat, d. h. (α · a) bezeichnet den Vektor, der dieselbe Richtung wie a hat, aber den α-fachen Betrag. F¨ ur den Fall α < 0 setzt man (α · a) := −(|α| · a). F¨ ur α = 0 resultiert das Neutrale Element (Nullvektor) 0 : 0 · a = 0. Bei der Multiplikation von Vektoren sind zwei M¨oglichkeiten zu unterscheiden: Das Skalarprodukt a · b der Vektoren a und b ist definiert durch |a| · |b| · cos(a, b) , falls a = 0 und b = 0 a · b := (2.7) 0 , falls a = 0 oder b = 0 wobei die folgenden Rechenregeln gelten: a · b = b · a (αa) · b = a · (αb) = α(a · b) (a + b) · c = a · c + b · c
a · b = 0√ ⇔ |a| : = a · a
a orthogonal zu b
(2.8) Mit Hilfe der Koordinatendarstellung der Vektoren a und b bzgl. einer kartesischen Basis ergeben sich einfache Rechenregeln f¨ ur das Skalarprodukt (a ·b) und f¨ ur cos(a, b): |a| = a21 + a22 + a23 , (2.9) a · b = a1 b1 + a2 b2 + a3 b3 , a · b a1 b 1 + a2 b 2 + a3 b 3 cos(a, b) = = 2 a1 + a22 + a23 b21 + b22 + b23 |a||b|
(2.10)
falls a, b = 0. Insbesondere errechnet sich der Richtungscosinus ai |ai | cos(a, ei ) = 2 bzw. | cos(a, ei )| = 2 a1 + a22 + a23 a1 + a22 + a23 1 0 0 e1 = 0 , e2 = 1 , e3 = 0 . 0 0 1
i = 1, 2, 3 (2.11)
f¨ ur die Basisvektoren
(2.12)
Das Vektorprodukt a × b der Vektoren a und b hat die nachfolgend aufgef¨ uhrten Eigenschaften:
22
2 Mathematische Grundlagen
Abbildung 2.2: Das Vektorprodukt graphisch erl¨ autert
a × b ist ein Vektor = 0, wenn a = 0 und b = 0 und a nicht parallel zu b ist. |a × b| = |a| · |b| sin(a, b) (Fl¨ acheninhalt des von a und b aufgespannten Parallelogramms) a × b ist ein Vektor, der senkrecht auf a und b steht und mit (a, b, a × b) ein Rechtssystem“ darstellt. Dies ist in Abb. 2.2 skizziert. Es ist leicht ersicht” lich, dass a × b = 0, falls a = 0 oder b = 0 oder a parallel zu b verl¨auft. Beachtet man, dass f¨ ur das Vektorprodukt das Assoziativgesetz im allgemeinen nicht gilt: a × (b × c) = (a × b) × c, so lassen sich folgende Rechenregeln angeben: a × a = 0, a × b = −(b × a), α(a × b) = (αa) × b = a × (αb) (f¨ ur α ∈ R), a × (b + c) = a × b + a × c (a + b) × c = a × c + b × c (Distributivgesetze), a × b = 0 ⇔ a = 0 oder b = 0 oder a, b parallel (Parallelit¨atstest), |a × b|2 = |a|2 · |b|2 − (a · b)2 . W¨ ahlt man die Koordinatendarstellung der Vektoren a und b bzgl. einer kartesischen Basis ei , so ergibt sich folgende Rechenregel:
a1 b1
e1 a1 b1
a2 b3 − a3 b2 a2 × b2 = e2 a2 b2
= a3 b1 − a1 b3 (2.13)
a3 b3 e3 a3 b3
a1 b 2 − a2 b 1 Der in Abschnitt 2.5 einzuf¨ uhrende Tensor 3. Ordnung ijk := ei · (ej × ek ) erlaubt zudem eine Berechnung nach {ai } × {bj } := ijk · ai · bj
1
(2.14)
2.3 Tensoren erster Ordnung (Vektorielle Gr¨ oßen)
23
Eine Kombination von Skalarprodukt und Vektorprodukt f¨ uhrt zu dem aus drei Vektoren gebildeten Spatprodukt a, b, c = a · (b × c) (2.15) Die Eigenschaften dieses Produktes dreier Vektoren sind der untenstehenden Skizze zu entnehmen. Das Spatprodukt der Vektoren a, b, c f¨ uhrt zum sechsfachen Volumen eines Tetraeders, der von den Vektoren a, b und c aufgespannt wird.
b x h =
a . ( b x ½ b x
c
c ) c ½
b
a c
Abbildung 2.3: Spatprodukt von drei Vektoren graphisch erl¨ autert
Das Spatprodukt errechnet sich aus dem Wert einer dreireihigen Determinante
a1 b1 c1
(2.16) a, b, c =
a2 b2 c2
a 3 b 3 c3
1 1 VSpat = a, b, c 6 6 Es ist leicht zu zeigen, dass f¨ ur das Spatprodukt gilt: VTet =
a · (b × c) = b · (c × a) = c · (a × b)
(2.17)
(2.18)
F¨ ur das Dreifach-Vektorprodukt a × b × c gelten zudem die Beziehungen a × (b × c) = (a · c) · b − (a · b) · c
(2.19)
Weitere wichtige Beziehungen sind in B¨ uchern u ¨ ber Vektoranalysis, siehe Kapitel 2.12, angegeben.
1
siehe hierzu Abschnitt 2.5
24
2 Mathematische Grundlagen
2.4 Tensoren zweiter Ordnung In den vorausgegangenen zwei Kapiteln wurden Tensoren nullter Ordnung (skalare Gr¨ oßen) und Tensoren erster Ordnung (vektorielle Gr¨oßen) eingef¨ uhrt. In diesem Kapitel erfolgen zusammenfassende Betrachtungen zu Tensoren zweiter Ordnung, die sich je als eine Matrix mit neun Elementen angeben lassen: a11 a12 a13 (2.20) {aij } = a21 a22 a23 = aij a31 a32 a33 Die Zeilen dieser Matrix sind mit dem Index i und die Spalten mit dem Index j angegeben, wobei die Elemente mit i = j die Diagonale der Matrix bestimmen. Ein Tensor zweiter Ordnung heißt symmetrisch, wenn aij = aji gilt. Der Einheitstensor ist das Kroneckersymbol: 1 0 0 +1 wenn i = j (2.21) δij = 0 1 0 , d.h. δij = 0 wenn i = j 001 Der transponierte Tensor von {aij } wird durch Vertauschen der Zeilen und Spalten des Tensors gebildet: {aij }T = {aji }. Dabei ist ersichtlich, dass der transponierte Einheitstensor zweiter Ordnung wieder der Einheitstensor ist, T d.h. es gilt δij = δji = δij . Als die Summe bzw. Differenz zweier Tensoren zweiter Ordnung wird der Tensor zweiter Ordnung definiert, dessen Elemente aus der Summe bzw. Differenz der korrespondierenden ij-Elemente der Ausgangtensoren hervorgehen: a11 ± b11 a12 ± b12 a13 ± b13 {aij } + {bij } = {aij ± bij } = a21 ± b21 a22 ± b22 a23 ± b23 (2.22) a31 ± b31 a32 ± b32 a33 ± b33 Bei der folgenden Darstellung von Tensorprodukten wird h¨aufig die sogenannte Einsteinsche Summenkonvention“ angewendet. Darunter versteht man ” das stillschweigende ¨ ber gleiche Indizes eines Produktes, bei3Summieren“ u ” spielsweise ai bi := i=1 ai bi = a1 b1 + a2 b2 + a3 b3 . Bei der Produktbildung von Tensoren unterscheidet man das ¨außere Pro” dukt“ und das innere Produkt“. Das ¨ außere Produkt ist wiederum ein Ten” sor, bei dem jedes Element des ersten Tensors mit jedem Element des zweiten Tensors multipliziert ein Element des neuen Tensors ergibt. So ergibt das Produkt aus einem Skalar und einem Tensor zweiter Ordnung wieder einen Tensor zweiter Ordnung, bei dem jedes Element aus dem Ausgangstensor zweiter Ordnung durch Skalarmultiplikation hervorgeht: α · a11 α · a12 α · a13 (2.23) α · {aij } = {α · aij } = α · a21 α · a22 α · a23 α · a31 α · a32 α · a33
2.5 Feldgr¨ oßen und mathematische Operationen
25
Das ¨ außere Produkt eines Vektors (Tensor 1. Ordnung) und eines Tensors 2. Ordnung ergibt einen Tensor dritter Ordnung mit insgesamt 27 Elementen. Dagegen kann das innere Produkt von Tensoren in einer Kontraktion der Ordnung resultieren. Als Beispiele seien die Produkte aij · bj und bTi · aij genannt: a11 a12 a13 b1 a11 b1 + a12 b2 + a13 b3 b2 = a21 b1 + a22 b2 + a23 b3 (2.24) {aij } · {bj } = a21 a22 a23 a31 a32 a33 b3 a31 b1 + a32 b2 + a33 b3 und
T a11 a12 a13 b1 a11 + b2 a21 + b3 a31 {bi }T · {aij } = {b1 , b2 , b3 } · a21 a22 a23 = b1 a12 + b2 a22 + b3 a32 a31 a32 a33 b1 a13 + b2 a23 + b3 a33 (2.25) Zusammenfassend kann geschrieben werden
bzw.
{aij } · {bj } = {(aij bj )} = {(ab)i }
(2.26)
{bi }T · {aij } = {(bi aij )} = {(ab)j }
(2.27)
Ber¨ ucksichtigt man die obigen Produktregeln, so ergibt sich {δij } · {bj } = {bi } und {bi }T · {δij } = {bj }T
(2.28)
und die Multiplikation eines Tensors zweiter Ordnung mit dem Einheitstensor zweiter Ordnung, d. h. dem Kroneckersymbol ergibt den Ausgangstensor zweiter Ordnung 1 0 0 a11 a12 a13 {δij } · {aij } = 0 1 0 · a21 a22 a23 = {aij } (2.29) a31 a32 a33 001 Weitere Produkte lassen sich angeben, so auch Kreuzprodukte zwischen Vektoren und Tensoren zweiter Ordnung {bij } × {ak } = jkl bij ak
2
(2.30)
doch sind diese f¨ ur Darstellungen von Gesetzm¨aßigkeiten in der Str¨omungsmechanik nicht von besonderer Bedeutung.
2.5 Feldgr¨ oßen und mathematische Operationen In der Str¨ omungsmechanik ist es u ¨ blich, Zustandsgr¨oßen von Fluiden, wie die Dichte ρ, den Druck P , die Temperatur T , die innere Energie e etc., als Funktionen von Ort und Zeit darzustellen, wobei u ¨ blicherweise ein kartesisches Koordinatensystem zur Anwendung kommt. Jedem Punkt P(x1 , x2 , x3 ) = P(xi ) 2
bzgl. ijk siehe Ableitungen in Abschnitt 2.5
26
2 Mathematische Grundlagen
wird somit ein Wert ρ(xi , t), P (xi , t), T (xi , t), e(xi , t) etc. zugeordnet, d.h. die gesamten Fluideigenschaften werden als Feldgr¨oßen dargestellt und sind somit Funktionen von Ort und Zeit. Dabei wird angenommen, dass an jedem Ort die thermodynamischen Zusammenh¨ ange zwischen den Zustandsgr¨oßen gelten, so z. B. die Zustandsgleichungen, die sich f¨ ur thermodynamisch ideale Fluide wie folgt angeben lassen: ρ
= const (Zustandsgleichung der thermodynamisch idealen Fl¨ ussigkeit)
P/ρ = RT
(Zustandsgleichung des thermodynamisch idealen Gases)
Ganz analog lassen sich auch die Eigenschaften der Str¨omungen beschreiben, indem die Geschwindigkeitsvektoren bzw. deren Komponenten als Funktionen von Ort und Zeit, d.h. als Vektorfelder, eingef¨ uhrt werden. Ferner l¨asst sich die lokale Rotation des Str¨ omungsfeldes als Feldgr¨oße in Betrachtungen einbringen, die f¨ ur eine Str¨ omung angestellt werden, sowie auch die lokal auf das Fluid einwirkenden Massenkr¨ afte und -beschleunigungen. Damit sind = Uj (xi , t), die Rotation ω = {ωj (xi , t)}, die Kraft die Geschwindigkeit U = {Kj (xi , t)} und die Beschleunigung g = {gj (xi , t)} als Feldgr¨oßen anK gebbar und k¨ onnen in den nachfolgenden Betrachtungen als solche Gr¨oßen verwendet werden.
p ( x i ,t) P ( x i ,t) T ( x i ,t) ( x i ) e ( x ,t) i · a 2 (x 2 ) a 1 x 1 a 3 (x 3 ) (x 1 ) x
x
2
3
Abbildung 2.4: Skalarfelder ordnen jedem Punkt im Raum eine skalare Gr¨ oße zu
Analog lassen sich auch Felder f¨ ur Tensoren zweiter und h¨oherer Ordnung einf¨ uhren. So gibt τij (xi , t) den an dem Ortspunkt P(xi ) zur Zeit t vorliegenden molek¨ ulbedingten j-Impulstransport f¨ ur die Uj -Komponente in xi -Richtung an. Ferner stellt ij (xi , t) die durch Gradienten des Geschwindigkeitsfeldes bedingten Fluidelementdeformationen an dem Ort P(xi ) und zur Zeit t dar. Die in den obigen Darstellungen f¨ ur Tensoren nullter Ordnung (skalare Gr¨ oßen), Tensoren erster Ordnung (vektorielle Gr¨oßen) und Tensoren zweiter Ordnung eingef¨ uhrten Feldgr¨ oßen werden in der Str¨omungsmechanik herangezogen, um Betrachtungen in einer nach Euler (1707-1783) benannten
2.5 Feldgr¨ oßen und mathematische Operationen
27
Abbildung 2.5: Vektorfelder ordnen jedem Punkt des Raumes eine vektorielle Gr¨ oße zu
Darstellung von Str¨ omungen durchzuf¨ uhren. Dabei werden alle in die Darstellungen von str¨ omungsmechanischen Sachverhalten einfließenden Gr¨oßen als Funktionen von Ort und Zeit behandelt. Auf diese Gr¨oßen angewandte mathematische Operationen wie Addition, Subtraktion, Division, Multiplikation, Differentiation, Integration etc. unterliegen den bekannten Gesetzm¨aßigkeiten der Mathematik. F¨ ur die Differentiation einer skalaren Gr¨ oße, so z. B. die Dichte ρ, nach der Zeit gilt: dρ =
∂ρ ∂t
· dt +
∂ρ ∂x1
· dx1 +
∂ρ ∂x2
· dx2 +
∂ρ ∂x3
· dx3
dx2 dx3 ∂ρ ∂ρ · · + + ∂x2 dt ∂x3 dt 3 ∂ρ ∂ρ dxi dxi ∂ρ ∂ρ + + · = = ∂t i=1 ∂xi dt ∂t ∂xi dt
dρ ∂ρ ∂ρ = + · dt ∂t ∂x1
dx1 dt
(2.31)
(2.32)
3 In dem letzten Ausdruck wurde das Summationszeichen i=1 weggelassen und die EinsteinscheSummenkonvention“ zur Anwendung gebracht, wonach ” ∂ρ dxi eine Summation u der Doppelindex i in ∂x ¨ber drei Terme i = 1, 2, 3 dt i vorschreibt, d.h. es gilt: 3 ∂ρ dxi dxi ∂ρ = ∂xi dt ∂xi dt i=1
(2.33)
Die Betrachtungen zur Differentiation von Vektoren ergeben die unten aufgef¨ uhrten Gesetzm¨ aßigkeiten
28
2 Mathematische Grundlagen
dU = dt
dU1 , dt
dU2 , dt
dU3 dt
T ⇒
dUi , dt
i = 1, 2, 3
(2.34)
d. h. jede Komponente des Vektors wird in die Differentiation einbezogen. Da nun der betrachtete Geschwindigkeitsvektor vom Ort und der Zeit abh¨angt, gilt die folgende Differentiationsregel: dUj ∂Uj ∂Uj dxi = + (2.35) dt ∂t ∂xi dt Wendet man den Nabla-Operator ∇=
∂ , ∂x1
∂ , ∂x2
∂ ∂x3
T =
∂ ∂xi
,
i = 1, 2, 3
(2.36)
auf eine skalare Feldgr¨ oße an, so ergibt sich: ∇a =
∂a , ∂x1
∂a , ∂x2
∂a ∂x3
T
= grad a =
∂a ∂xi
,
i = 1, 2, 3 (2.37)
Aus der skalaren Feldgr¨ oße a entsteht ein Vektorfeld, das Gradientenfeld. Die einzelnen Komponenten des resultierenden Vektors werden aus den jeweiligen partiellen Ableitungen des Skalarfeldes in die xi -Richtungen gebildet. Das Produkt des ∇-Operators mit einem Vektor ergibt f¨ ur das Skalarprodukt: ∂a2 ∂a3 ∂ai ∂a1 + + = div a = (2.38) ∇ · a = ∂x1 ∂x2 ∂x3 ∂xi wobei in ∂ai /∂xi der Doppelindex i wiederum die Summation u ¨ ber alle drei Terme angibt, d.h. 3 ∂ai ∂ai =⇒ ∂xi ∂xi i=1
(Einsteinsche Summenkonvention)
(2.39)
Das Vektorprodukt des ∇-Operators mit dem Vektor a ergibt entsprechend:
∂a3
∂ ∂a2
e1 a −
∂x1 1 ∂x2 ∂x3
∂ ∂a1 ∂a3
= rot a (2.40) ∇ × a = e2 a = −
∂x2 2 ∂x3 ∂x1
∂a2 ∂a1
e ∂ a
3 ∂x 3 ∂x − ∂x 3
oder auch ∇ × a = rot a = −ijk
1
2
∂ai ∂aj = ijk ∂xj ∂xi
wobei das Levi-Civita-Symbol ijk wie folgt definiert ist:
(2.41)
2.6 Substantielle Gr¨ oßen und substantielle Ableitung
ijk =
0 : falls zwei der drei Indizes gleich sind +1 : falls ijk = 123, 231 oder 312 −1 : falls ijk = 132, 213 oder 321
29
(2.42)
Bei den oben aufgef¨ uhrten Produkten des ∇-Operators gilt das Distributivgesetz, aber nicht die Kommutativ- und Assoziativgesetze. Wendet man den ∇-Operator auf das Gradientenfeld einer Skalarfunktion an, so entsteht der Laplace-Operator ∇2 (alternative Schreibweise ∆), der angewandt auf a wie folgt geschrieben werden kann: ∆a = ∇2 a = (∇ · ∇)a =
∂2a ∂2a ∂2a ∂2a + 2+ 2 = 2 ∂x1 ∂x2 ∂x3 ∂xi ∂xi
(2.43)
Der Laplace-Operator kann auch komponentenweise auf Vektorfelder angewandt werden: 2 2 2 ∂ U1 ∂ U1 ∂ U1 2 ∂x2 + ∂x2 + ∂x2 2 1 2 2 2 3 ∇ U1 ∂ U2 ∂ U2 ∂ U2 2 2 (2.44) ∇ U = ∇ U2 = + + 2 2 2 ∂x ∂x ∂x 2 1 2 3 ∇ U3 2 2 2 ∂ U3 ∂ U3 ∂ U3 + + ∂x21 ∂x22 ∂x23
2.6 Substantielle Gr¨ oßen und substantielle Ableitung Eine weitere Betrachtungsweise str¨ omungsmechanischer Vorg¨ange ist f¨ ur die Ableitungen von Grundgleichungen wichtig. Sie wird im allgemeinen nach Lagrange (1736-1813) benannt und basiert auf Betrachtungen der Eigenschaften von Fluidelementen, deren Zustandsgr¨ oßen wie die Dichte ρ , Druck P , ur die Darstellung von Gesetzm¨aßigkeiten verTemperatur T , Energie e f¨ wendet werden. Will man diese Eigenschaften eines Fluidelements messen oder beschreiben, so muss man sich mit dem Element mitbewegen, d. h. man folgt der Bahnlinie " T (Ui ) dt (2.45) (xi ),T = (xi ),0 + 0
Da die Bahnlinien von Fluidelementen nur eine Funktion der Zeit t, und einer onnen die substantiellen Gr¨oßen, d.h. die Anfangskoordinate (xi ),0 sind, k¨ Zustandsgr¨ oßen eines Fluidelements, auch nur noch eine Funktion der Zeit sein. Damit sind zeitliche Ableitungen aller substantiellen Gr¨oßen wie folgt angebbar, wobei an dieser Stelle auf Gleichung (2.32) verwiesen wird: dxi ∂a ∂a dxi da = + wobei = (Ui ) (2.46) dt ∂t ∂xi dt dt
30
2 Mathematische Grundlagen
Die mit (dxi /dt) benannte Gr¨ oße gibt die Lage¨anderung des Fluidelements
mit der Zeit an, also die substantielle Geschwindigkeit“ eines Teilchens in ” die i-Richtung. Befindet sich ein Fluidelement zur Zeit t an dem Ort xi , so ist (Ui ) = (Ui ) und hieraus resultiert die substantielle Ableitung einer Feldgr¨oße Da/Dt: Da ∂a da ∂a = = + Ui dt Dt ∂t ∂xi
(2.47)
Diese Beziehung resultiert auch aus Identit¨ atsbeziehungen, die f¨ ur eine widerspruchsfreie Darstellung von Str¨ omungsvorg¨angen in den Eulerschen und den Lagrangeschen Darstellungen folgendes fordert: a (t) = a(xi , t) wenn (xi ) = xi zur Zeit t so dass gilt: ∂a ∂a ∂a da ∂a Da = + (Ui ) + Ui = = dt ∂t ∂xi ∂t ∂xi Dt Damit ist ersichtlich, dass der Operator folgt geschrieben werden kann:
D Dt
(2.48)
(= substantielle Ableitung) wie
D ∂ ∂ ∂ · ∇) = + Ui + (U = Dt ∂t ∂xi ∂t
(2.49)
Diese Beziehung ist f¨ ur die nachfolgenden Ableitungen der Grundgleichungen sehr wichtig, da sie die Angabe der Grundgleichungen in Lagrange-Variablen zul¨ asst und eine nachfolgende Transformation in Euler-Variablen. In dieser Endform, d.h. ausgedr¨ uckt in Euler-Variablen, eignen sich die Gleichungen f¨ ur die L¨ osung praktischer Str¨ omungsprobleme.
2.7 Gradient-, Divergenz-, Rotation- und Laplaceoperatoren Stellt a(xi , t) ein Skalarfeld dar, d.h., es ist als Funktion des Raumes und der Zeit definiert bzw. gegeben, so l¨ asst sich, bei gegebener Stetigkeit und partieller Differenzierbarkeit, jedem Punkt im Raum ein Gradientenfeld zuordnen: ∂a/∂x1 ∂a = grad a = ∂a/∂x2 ; grad(a) = f (xi , t) (2.50) a(xi , t) =⇒ ∂xi ∂a/∂x3 Damit ist der Operator grad( ) wie folgt definiert:
2.7 Gradient-, Divergenz-, Rotation- und Laplaceoperator
grad() =
∂() ∂xi
=
∂() ∂() ∂() , , ∂x1 ∂x2 ∂x3
31
T ,
(2.51)
d.h. grad(a) ist ein Vektorfeld, dessen Komponenten durch den Index i gekennzeichnet sind. Die grad(a)-Vektoren besitzen Richtungen, die senkrecht zu den Niveaulinien des Skalarfeldes, d.h. senkrecht zu a(xi , t) = const verlaufen. Ferner kann jedem Skalarfeld a(xi , t), der Laplace-Operator ∆a(xi , t) (P.S. Laplace (1749-1827)) zugeordnet werden. Dabei ist ∆a(xi , t) ein Skalarfeld, bei dem jedem Raumpunkt ∆(a) zugeordnet ist, mit ∆a(xi , t) =
∂2a ∂2a ∂2a ∂2a = + + ∂xi ∂xi ∂x21 ∂x22 ∂x23
(2.52)
Unter Anwendung des unten definierten Divergenzoperators ergibt sich: ∂a ∂2a ∂2a = (2.53) = ∆a(xi , t) = div(grad a) = div ∂xi ∂xi ∂xi ∂x2i F¨ ur die mathematische Behandlung von Str¨ omungsproblemen sind zudem die Operatoren div( ) und rot () von Bedeutung, die auf Vektorfelder v (xi , t) anwendbar und wie folgt definiert sind: (xj , t) = ∂U1 + ∂U2 + ∂U3 = ∂Ui div U ∂x1 ∂x2 ∂x3 ∂xi und
∂U3 ∂U2 − ∂x2 ∂x3 ∂U ∂U ∂U ∂U i j 1 3 rot U (xj , t) = −ijk = +ijk = − ∂xj ∂xi ∂x ∂x1 ∂U3 ∂U 2 1 − ∂x1 ∂x2
(2.54)
(2.55)
ein dem Vektorfeld U (xi , t) zugeordnetes Skalarfeld und rot Dabei ist div U , wobei U ein GeschwinU ein zugeordnetes Vektorfeld. Dabei l¨ asst sich div U digkeitsfeld darstellt, als ein Wert verstehen, der angibt, wie groß die relative ¨ zeitliche Anderung des Volumens δV 3 eines Fluidelements mit konstanter Masse δm ist, d.h. es gilt: ∂U 1 d(δV ) i = div U (2.56) = ∂xi δV dt ) auch als die Massenquelldichte des Gilt f¨ ur die Dichte ρ = const kann div(ρU die WirPunktes xi zur Zeit t verstanden werden. Entsprechend stellt rot U = 0, beldichte des Geschwindigkeitsfeldes im Punkt xi zur Zeit t dar. Ist rot U 3
bzgl. der Gr¨ oßen δV und δm siehe Kapitel 5
32
2 Mathematische Grundlagen
so erf¨ ahrt ein Fluidelement im Punkt xi zur Zeit t keinen Beitrag zu seiner = 0 zur Zeit t am Punkt xi erf¨ahrt ein Fluidelement an Rotation. F¨ ur rot U dem betrachteten Punkt folglich einen Beitrag zu seiner Rotationsbewegung. Zusammenfassend lassen sich die oben behandelten Operatoren wie folgt angeben: ∂a grad(a) = ∇a = (2.57) ∂xi = ∇·U j = δij ∂Uj = ∂Ui (2.58) div U ∂xi ∂xi ∂a ∂ ∂2a (2.59) ∆(a) = ∇2 (a) = ∇ · ∇a = = ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi ∂ui ∂uj = +ijk (2.60) rot (u) = ∇ × u = −ijk ∂xj ∂xi Diese Operatoren werden zur Ableitung der Grundgleichungen der Str¨omungsmechanik und bei der Behandlung von Str¨ omungsproblemen Anwendung finden.
2.8 Kurven-, Fl¨ achen- und Volumenintegrale Das Kurvenintegral einer skalaren Funktion a(xi , t) entlang einer Kurve S ist wie folgt definiert: " Is (t) = a ds zum Zeitpunkt t (2.61) S
Kurvenintegrale dieser Art werden in der Str¨ omungsmechanik ben¨otigt, um die Lage von Linienschwerpunkten zu bestimmen. Ihre Berechnung erfolgt in den unten angegebenen drei Schritten f¨ ur t = const: 1. Das betrachtete Kurvenst¨ uck wird parametrisiert S : s(γ) = {si (γ)},
α≤γ≤β
2. Das Bogenelement ds wird durch Differentiation bestimmt #
2
dsi (γ)
dsi (γ)
dγ = ds =
dγ dγ
dγ 3. Berechnung des bestimmten Integrals von γ = α bis γ = ß # 2 " ß dsi Is = a(si (γ)) dγ ; Is bestimmt dγ α
(2.62)
(2.63)
(2.64)
2.8 Kurven-, Fl¨ achen- und Volumenintegrale
33
Die Anwendung der obigen Schritte zur Berechnung des bestimmten Integrals f¨ uhrt f¨ ur a ≡ 1 auf die L¨ ange der betrachteten Kurve s(γ) zwischen γ = α und γ = ß. Analog zu den obigen Betrachtungen l¨ asst sich die Integration eines Vektorfeldes entlang einer Kurve durchf¨ uhren: " " ß dsi (γ) dγ zum Zeitpunkt t (2.65) Isi (t) = ai dsi = ai (sj (γ)) dγ α S Berechnungen der zu leistenden Arbeit in Kr¨ aftefeldern, der Zirkulation von Str¨ omungsfeldern und des Massenflusses im Falle von zweidimensionalen Str¨ omungsfeldern erfolgen u ¨ ber solche bestimmte Integrationen von Vektorfeldern entlang von Raumkurven. Analog zu den Integralen entlang von Kurven bzw. u ¨ ber Kurvensegmente lassen sich auch Fl¨ achenintegrale f¨ ur Skalar- und Vektorfelder definieren und entsprechend der unten aufgef¨ uhrten Rechenregeln berechnen: " IF (t) = a df zum Zeitpunkt t (2.66) F
Ist f = F die Oberfl¨ ache eines betrachteten Fluidelements und a(xi , t) ein auf der Oberfl¨ ache stetiges Skalarfeld, so wird das obige Integral als das Oberfl¨ achenintegral von a auf F genannt. Der oberfl¨achengemittelte Wert von a berechnet sich als: " 1 adf (Oberfl¨ achenmittelwert) (2.67) a ˜= F F
F¨ ur das Fl¨ achenintegral eines Vektorfeldes gilt: " " I$F (t) = ai dfi = ai ni df zum Zeitpunkt t F
(2.68)
F
F¨ ur den Fall ai = Ui , d.h. der Durchf¨ uhrung einer Fl¨achenintegration u ¨ ber das Geschwindigkeitsfeld, resultiert ein Integralwert, der dem momentanen Volumenstrom durch die Fl¨ ache F entspricht: " $˙ (2.69) Q(t) = Ui dfi (Volumenstrom durch F zur Zeit t) F
Analog errechnet sich der Massenstrom durch F als: " % ˙ (t) = ρUi dfi (Massenstrom durch F zur Zeit t) M F
Die mittlere Massenstromdichte ist durch
(2.70)
34
2 Mathematische Grundlagen
1 $˙ m(t) = F
" ρUi dfi
(2.71)
F
gegeben. Die obigen Integrationen lassen sich auf Volumenintegrale erweitern, die wiederum f¨ ur Skalar- und Vektorfelder angegeben werden k¨onnen. Bezeichnet V das Volumen eines regul¨ aren r¨ aumlichen Bereiches und a(xi , t) ein in dem Bereich gegebenes stetiges Skalarfeld (Belegungsfunktion), so errechnet sich die Gesamtbelegung des Bereiches wie folgt: " IV (t) = a dV ( Gesamtbelegung von V durch a zum Zeitpunkt t) (2.72) V
Die Masse eines regul¨ aren Bereiches mit der Dichteverteilung ρ(xi , t) ergibt sich als das unten angegebene Dreifachintegral: """ %(t) = M (2.73) ρ(xi , t)dx1 dx2 dx3 V
Dabei werden mit $ die fl¨ achen- und volumengemittelten Gr¨oßen in diesem Buch angegeben. Zur praktischen Durchf¨ uhrung von Fl¨ achen und Volumenintegrationen ist es oftmals vorteilhaft, die Guldinschen Regeln zur Anwendung zu bringen: 1. Regel von Guldin (1577-1643): Die Oberfl¨ache eines in Bezug auf eine & Achse rotationssymmetrischen K¨ orpers betr¨agt s 2πr(s)ds, wobei r(s) den Drehachsenabstand des Schwerpunkts und ds die L¨ange des Oberfl¨ achenelements angibt. 2. Regel von Guldin (1577-1643): Das Volumen & eines in bezug auf eine Achse rotationssymmetrischen K¨ orpers betr¨ agt F 2πrs (f )df , wobei rs (f ) den Drehachsenabstand des Schwerpunktes des Fl¨achenelements df angibt.
2.9 Integrals¨ atze von Stokes und Gauß Der nach Stokes (1819 - 1903) benannte Integralsatz besagt " ' a · ds = rot a · df s
(2.74)
0s
dass das Linienintegral eines Vektors ai u ¨ ber den gesamten Rand einer Fl¨ache gleich dem Oberfl¨ achenintegral der Rotation des Vektors u ¨ ber die Fl¨ache ist. Somit stellt der Integralsatz von Stokes eine Verallgemeinerung des Satzes von Green (1793 - 1841), der f¨ ur ebene Fl¨ achen formuliert wurde, f¨ ur r¨aum” liche Fl¨ achen“ dar. Spannt man u ¨ ber einer Randkurve der Fl¨ache S zwei unterschiedliche Fl¨ achen auf, so gilt infolge des Stokesschen Satzes:
2.10 Differentialoperatoren in krummlinigen Koordinaten
35
"
" rot a · df = 0S1
rot a · df
(2.75)
0S2
wenn S gleich der Schnittmenge von OS1 und OS2 . F¨ uhrt man durch Γ = ( entlang eines Rans den Begriff der Zirkulation eines Vektorfeldes U S U d des S ein, dann ergibt sich unter Anwendung des Mittelwertsatzes der Integralrechnung aus dem rot-Integral f¨ ur ein Geschwindigkeitsfeld Ui u ¨ber eine acheninhalt F und der Randkurve S Fl¨ ache OS mit der Normalen n, dem Fl¨ : im Grenzfall f → 0 die Zirkulation des Vektorfeldes U Γ
' ' 1 Γ = n · rot U = lim U ds = lim dΓ s→0 s s→0 s
s
Diese Beziehung verdeutlicht, dass der Rotationseffekt auf ein Fluidelement -Vektors am gr¨ oßten ist, wenn die Oberfl¨ achennormale n in Richtung des rot U zeigt. Der nach Gauß (1777-1855) benannte Integralsatz l¨asst sich wie untenstehend aufgef¨ uhrt formulieren: " " "" " ∂ai div a dV = dV = a · df = (2.76) ai dfi ∂xi V
V
0V
0V
Damit ist der Fluss des Vektorfeldes a(xi , t) durch die Oberfl¨ache eines regul¨ aren Bereiches, d.h. der Fluss von innen nach außen“, gleich dem Vo” lumenintegral der Divergenz u ¨ ber dem Bereich. Mit dem Mittelwertsatz der Integralrechnung gilt f¨ ur V → 0 und unter Betrachtung eines Geschwindigkeitsfeldes Ui " · df = ∂Ui = lim 1 U (2.77) div U V →0 V ∂xi 0V
Die Divergenz eines Geschwindigkeitsfeldes misst somit den aus der Volumeneinheit heraustretenden Fluss, d.h. sie ist die Quelldichte von Ui im Punkt xi zur Zeit t.
2.10 Differentialoperatoren in krummlinigen orthogonalen Koordinaten Der bisherigen Zusammenstellung wichtiger Formeln und Definitionen der Vektoranalysis lag das kartesische Koordinatensystem zugrunde. Eine große Zahl von Problemen l¨ asst sich jedoch einfacher in einem der speziellen Geometrie angepassten krummlinigen Koordinatensystem behandeln. Als Beispiele seien hier die schleichende Str¨ omung um eine Kugel oder die Str¨omung
36
2 Mathematische Grundlagen
durch ein Rohr mit kreisf¨ ormigem Querschnitt genannt, die sich zweckm¨aßig in Kugel- bzw. Zylinderkoordinaten beschreiben lassen. Zus¨atzlich l¨asst sich oft durch Ausnutzen von Symmetrieeigenschaften der Problemstellung die L¨ osung einer Aufgabe in einem der Geometrie angepassten krummlinigen Koordinatensystem wesentlich vereinfachen. In diesem Abschnitt soll lediglich an einige h¨aufig verwendete Beziehungen f¨ ur die Differentialoperatoren in krummlinigen orthogonalen Koordinatensystemen, ohne strenge Herleitungen, erinnert werden. F¨ ur eine ausf¨ uhrlichere und mathematisch pr¨ azisere Darstellung wird auf entsprechende Literatur verwiesen, beispielsweise auf [2.3], [2.4] und [2.5], an deren Darstellung sich dieser Abschnitt orientiert. Allgemeine krummlinige Koordinaten (x1 , x3 , x3 ) lassen sich aus kartesischen Koordinaten (x, y, z) durch (lokal) eindeutig umkehrbare Beziehungen berechnen: x1 = x1 (x, y, z) x2 = x2 (x, y, z) x3 = x3 (x, y, z)
(2.78)
Umgekehrt h¨ angen die kartesischen von den krummlinigen Koordinaten ab: x = x(x1 , x2 , x3 ) y = y(x1 , x2 , x3 ) z = z(x1 , x2 , x3 ) .
(2.79)
H¨ alt man zwei Koordinaten fest, so erh¨ alt man, mit der dritten Koordinate als freiem Parameter, eine Raumkurve, die sog. Koordinatenlinie, z.B.: r = r(x1 , x2 = a, x3 = b) .
(2.80)
¨ Uber die jeweiligen Tangentenvektoren ti = ∂r , ∂xi
i = 1, 2, 3
(2.81)
der Koordinatenlinien im Punkt P (x1 , x2 , x3 ) lassen sich mit der Definition der sogenannten metrischen Koeffizienten
∂r
i = 1, 2, 3 (2.82) hi :=
, ∂xi 1 die Einheitsvektoren ei = ti , i = 1, 2, 3 (2.83) hi bestimmen, welche die Basisvektoren f¨ ur ein lokales Bezugssystem im Punkt P bilden. Hervorzuheben ist hier der lokale Charakter dieses Bezugssystems f¨ ur allgemeine krummlinige Koordinaten, da die Basisvektoren selbst von den Koordinaten abh¨ angen k¨ onnen, im Gegensatz zu den koordinatenunabh¨angigen Basisvektoren (ex , ey , ez ) des kartesischen Koordinatensystems. Stehen
2.10 Differentialoperatoren in krummlinigen Koordinaten
37
die Koordinatenlinien an jedem Punkt paarweise aufeinander senkrecht, d.h. gilt ei · ej = δij , (2.84) so bezeichnet man das Koordinatensystem als krummlinig–orthogonales Koordinatensystem. Krummlinig–orthogonale Koordinatensysteme sind der Gegenstand dieses Abschnittes. Der an allgemeinen krummlinigen Koordinatenystemen interessierte Leser sei z.B. auf das Buch von R. Aris verwiesen, siehe Abschnitt 5.12. Betrachtet man zwei (infinitesimal) eng benachbarte Punkte ur die Differenz P1 (x1 , x2 , x3 ) und P2 (x1 + dx1 , x2 + dx2 , x3 + dx3 ), so gilt f¨ ihrer Ortsvektoren r1 = r(x1 , x2 , x3 ) und r2 = r(x1 + dx1 , x2 + dx2 , x3 + dx3 ) in niedrigster Ordnung (Taylorentwicklung): dr = r2 − r1 =
3 ∂r dxi . ∂x i i=1
(2.85)
Die L¨ ange des Abstandsvektors dr, das sogenannte Linienelement ds, ist unter Verwendung der Definition f¨ ur die metrischen Koeffizienten gegeben durch 2
ds = dr
2
=
3
h2i dx2i .
(2.86)
i=1
Ein Vektorfeld f wird durch seine Komponenten in krummlinigen Koordinatensystemen dargestellt: f = f1e1 + f2e2 + f3e3 .
(2.87)
Ohne Ableitung werden die folgenden Beziehungen f¨ ur Differentialoperatoren in krummlinig–orthogonalen Koordinaten angegeben: –
– –
Oberfl¨ achenelemente: * ) ∂ r ∂ r = × dxi dxj , dS ∂xi ∂xj Volumenelement
(2.88)
dV = h1 h2 h3 dx1 dx2 dx3
(2.89)
Gradient eines Skalarfeldes Φ: grad Φ = ∇Φ =
–
i = j = 1, 2, 3
Divergenz: div f = ∇ · f =
1 h1 h2 h3
3 1 ∂Φ ei , hi ∂xi i=1
∂h2 h3 f1 ∂h1 h3 f2 ∂h1 h2 f3 + + ∂x1 ∂x2 ∂x3
(2.90)
(2.91)
38
–
–
2 Mathematische Grundlagen
Rotation:
h1e1 h2e2 h3e3
∂ ∂ ∂
1
rot f = ∇ × f = h1 h2 h3
∂x1 ∂x2 ∂x3
h f h f h f
1 1 2 2 3 3
(2.92)
Laplace–Operator: ∆Φ = ∇ · ∇Φ = div grad Φ = 1 ∂ h2 h3 ∂Φ h1 h3 ∂Φ h1 h2 ∂Φ ∂ ∂ + + h1 h2 h3 ∂x1 h1 ∂x1 ∂x2 h2 ∂x2 ∂x3 h3 ∂x3 (2.93)
Bei der Anwendung von Differentialoperatoren in krummlinigen Koordinaten ist grunds¨ atzlich auch die Abh¨ angigkeit der (lokalen) Einheitsvektoren und metrischen Koeffizienten von den Koordinaten zu ber¨ ucksichtigen! Beispiel 1: Zylinderkoordinaten (r, ϕ, z) –
Umrechnung in kartesische Koordinaten: x = r cos ϕ y = r sin ϕ
(2.94)
z=z (0 ≤ r < ∞, –
0 ≤ ϕ ≤ 2π,
−∞ < z < ∞)
Ortsvektor: r = x(r, ϕ, z)ex + y(r, ϕ, z)ey + z(r, ϕ, z)ez = rrρ (ϕ) + zez
–
(2.95)
Lokale Einheitsvektoren: er = cos ϕ ex + sin ϕ ey eϕ = − sin ϕ ex + cos ϕ ey
(2.96)
ez = ez –
Metrische Koeffizienten: hr = 1,
–
Gradient: grad Φ =
hϕ = r,
hz = 1
1 ∂Φ ∂Φ ∂Φ er + eϕ + ez ∂r r ∂ϕ ∂z
(2.97)
(2.98)
2.10 Differentialoperatoren in krummlinigen Koordinaten
39
Abbildung 2.6: Zylinderkoordinaten (r, ϕ, z) und kartesisches Koordinatensystem
Beispiel 2: Kugelkoordinaten (r, θ, φ) –
Umrechnung in kartesische Koordinaten: x = r sin θ cos φ y = r sin θ sin φ z = r cos θ
–
(0 ≤ r < ∞, 0 ≤ θ ≤ π, Metrische Koeffizienten:
(2.99)
0 ≤ φ ≤ 2π)
hr = 1,
hθ = r,
x
hφ = r sin θ
(2.100)
3
r . q F
x
x
x 3
x 1
x 2
2
1
Abbildung 2.7: Kugelkoordinaten (r, θ, φ) und kartesisches Koordinatensystem
40
2 Mathematische Grundlagen
2.11 Komplexe Zahlen Das Einf¨ uhren der komplexen Zahlen l¨ asst Verallgemeinerungen mathematischer Grundoperationen zu, so z.B. des Wurzelziehens, so dass die erweiterten Zahlen wie folgt angegeben werden k¨ onnen:
( n a tü rlic h e Z a h le n )
Durch Erweiterungen auf komplexe Funktionen werden zudem mathematisch interessante Darstellungen technischer Teilgebiete m¨oglich, so z.B. das gesamte Gebiet der Potentialstr¨ omungen, siehe Kapitel 10. Komplexen Zahlen und komplexen Funktionen kommt somit eine f¨ ur das Gebiet der Str¨omungsmechanik wichtige Bedeutung zu. Wie sich zeigen wird, lassen sich Potentialstr¨ omungen durch Funktionen komplexer Zahlen sehr leicht behandeln. Es ist deshalb wichtig, dass eine Einf¨ uhrung in die Theorie der komplexen Zahlen hier zusammenfassend gegeben wird. 2.11.1 Axiomatische Einf¨ uhrung komplexer Zahlen Eine komplexe Zahl kann formal als ein geordnetes Paar reeller Zahlen (a, b) eingef¨ uhrt werden, wobei die Gleichheit zweier komplexer Zahlen z1 = (a, b) und z2 = (c, d) wie folgt definiert wird: Gleichheit: z1 = (a, b) = (c, d) = z2
genau dann, wenn a = c und b = d gilt, wobei a, b, c, d ∈ R sind.
Die erste Komponente eines Paares (a, b) heißt Realteil, die zweite Komponente Imagin¨arteil der komplexen Zahl. F¨ ur b = 0 identifiziert man die komplexe Gr¨ oße z = (a, 0) mit der reellen Zahl a, so dass die reellen Zahlen eine Teilmenge der komplexen Zahlen sind. Bei der Festlegung arithmetrischer Grundoperationen wird man daher darauf achten, dass Operationen mit komplexen Zahlen zu denselben Ergebnissen f¨ uhren, wie in der Arithmetik der reellen Zahlen, sofern sich die Operationen auf reelle Zahlen in obigem Sinne, d.h. z = (a, 0) beschr¨anken. Wird eine Addition und eine Multiplikation durch die Gleichungen
2.11 Komplexe Zahlen
Addition: (a, b) + (c, d) = (a + c, b + d) Multiplikation: (a, b) · (c, d) = (ac − bd, ad + bc)
41
(2.101)
eingef¨ uhrt, so gilt: (a, 0) + (c, 0) = (a + c, 0) = a + c (a, 0) · (c, 0) = (ac, 0) = ac
(2.102)
d.h., es entsteht kein Widerspruch zu den Rechenregeln mit reellen Zahlen. Die Menge der komplexen Zahlen (im folgenden mit C bezeichnet) ist abgeschlossen bez¨ uglich Addition und Multiplikation, d.h. mit z1 , z2 ∈ C folgt z3 = z1 + z2 ∈ C z3 = z1 · z2 ∈ C
(2.103)
Außerdem kann gezeigt werden, dass die oben eingef¨ uhrten Operationen der Addition und der Multiplikation den folgenden Gesetzen gen¨ ugen: Kommutativit¨ at bez¨ uglich der Addition z1 + z2 = z2 + z1 Kommutativit¨ at bez¨ uglich der Multiplikation z1 z2 = z2 z1 Assoziativit¨ at bez¨ uglich der Addition Assoziativit¨ at bez¨ uglich der Multiplikation
(z1 + z2 ) + z3 = z1 + (z2 + z3 ) (z1 z2 )z3 = z1 (z2 z3 )
Distributivit¨ at:
(z1 + z2 )z3 = z1 z3 + z2 z3
Analog wie im Fall der reellen Zahl wird eine sogenannte rein imagin¨are Zahl eingef¨ uhrt: Eine komplexe Zahl z = (a, b) heißt imagin¨ ar, falls a = 0 und b = 0 gilt. Außerdem setzt man abk¨ urzend i = (0, 1) und nennt i imagin¨are Einheit. Gem¨ aß der auf der Menge der komplexen Zahlen eingef¨ uhrten multiplikativen Verkn¨ upfung, kommt dieser komplexen Zahl i, d.h. dem Paar (0, 1) eine besondere Bedeutung zu. Es gilt n¨ amlich i2 = (0, 1) · (0, 1) = (−1, 0) = −1
(2.104)
d.h., die Multiplikation der imagin¨ aren Einheit mit sich selbst ergibt die reelle Zahl -1. Hierauf beruht die Bezeichnungsweise √ i = −1 (2.105) wobei die Eindeutigkeit der Wurzelfunktion noch besondere Betrachtungen erfordert, die hier nicht aufgef¨ uhrt sind. Wegen z = (a, b) = (a, 0) + (0, b) = (a, 0) + (0, 1) · (b, 0) = a + ib
(2.106)
42
2 Mathematische Grundlagen
l¨ asst sich nun also jede komplexe Zahl z = (a, b) als Summe einer reellen Zahl a und einer rein imagin¨ aren Zahl ib schreiben. Subtraktion und Division werden als Umkehrung der Addition bzw. Mulur die tiplikation eingef¨ uhrt, d.h., z1 − z2 ist diejenige komplexe Zahl z3 , f¨ gilt: (2.107) z2 + z3 = z1 In Anlehnung an obige Schreibweise ergibt sich mit z1 = (a, b), z2 = (c, d) z1 − z2 = (a − c , b − d) ac + bd z1 bc − ad , = z2 (c2 + d2 ) (c2 + d2 )
(2.108) (2.109)
In den obigen Darstellungen wurden elementare mathematische Operationen auf der Menge C der komplexen Zahlen eingef¨ uhrt. Alle anderen Eigenschaften der komplexen Zahlen folgten durch Anwendung dieser Definitionen. 2.11.2 Graphische Darstellung komplexer Zahlen Zur Veranschaulichung der oben angegebene Eigenschaften“ komplexer Zah” len werden oftmals graphische Darstellungen gegeben, die untenstehend zusammengefasst sind. Es werden mehrere Darstellungen gew¨ahlt, um eventuell die f¨ ur den Leser verst¨ andlichste mit aufzuf¨ uhren.
iy
G a u s c h e Z a h le n e b e n e
J e d e r P u n k t in d e r Z a h le n e b e n e e n ts p ric h t e in e r k o m p le x e n Z a h l
iy
x
z = x + iy x
Abbildung 2.8: Graphische Darstellung einer komplexen Zahl in der Gaußschen Zahlenebene
2.11.3 Gaußsche Zahlenebene Da die komplexe Zahl z = x + iy ein geordnetes Zahlenpaar repr¨asentiert, empfiehlt sich eine Darstellung in einem rechtwinkeligen Koordinatensystem,
2.11 Komplexe Zahlen
43
iy
z 3= z 1+ z 2 z4= z1- z2
.z 3
z 2.
D ie R e c h e n o p e ra tio n e n e rfo lg e w ie fü r V e k to re n in e in e r E b e n e
.z 1
x
-
.z
z 2.
4
Abbildung 2.9: Graphische Darstellung der Addition und Subtraktion komplexer Zahlen in der Gaußschen Zahlenebene
im dem eine reelle Achse f¨ ur x“ und eine imagin¨are Achse f¨ ur iy“ definiert ” ” wird. Die komplexe Zahl z = x+iy ist dann als Punkt in dieser Ebene definiert bzw. als Vektor z“ vom Ursprung des Koordinatensystems zum Punkt z mit ” den Koordinaten (x, iy). Dies ist in der obigen Darstellung verdeutlicht, wo auch die Addition und Subtraktion komplexer Zahlen graphisch angegeben sind. 2.11.4 Trigonometrische Darstellung Beachtet man die in Abb. 2.8 angegebene graphische Darstellung, so lassen sich folgende aus der Trigonometrie bekannte Beziehungen angeben: x = r cos ϕ und y = r sin ϕ mit
r =| z |
(2.110)
Damit l¨ asst sich eine komplexe Zahl auch wie folgt schreiben: z = r cos ϕ + i(r sin ϕ) = r(cos ϕ + i sin ϕ) oder unter Einbeziehung der e-Funktion“. ” z = reiϕ
(2.111)
(2.112)
Der Zusammenhang zwischen der Exponentialfunktion und den trigonometrischen Funktionen folgt sofort durch eine Reihenentwicklung der Exponentialfunktion und einer anschließenden Umordnung der Reihe, d.h. ∞ (iϕ)k
∞
∞
ϕ2k ϕ2k+1 +i = cos ϕ + i sin ϕ (−1)k k! (2k)! (2k + 1)! k=0 k=0 k=0 (2.113) Damit lassen sich f¨ ur die Multiplikation bzw. Division komplexer Zahlen folgende Beziehungen ableiten: eiϕ =
=
(−1)k
44
2 Mathematische Grundlagen
z1 z2 = r1 r2 ei(ϕ1 +ϕ2 ) = r1 r2 (cos(ϕ1 + ϕ2 ) + i sin(ϕ1 + ϕ2 )) (2.114) r1 i(ϕ1 −ϕ2 ) r1 z1 = e = (cos(ϕ1 − ϕ2 ) + i sin(ϕ1 − ϕ2 )) (2.115) z2 r2 r2 Aus diesen Beziehungen folgen wiederum die in den nachfolgenden Abbildungen aufgef¨ uhrten graphischen Darstellungen der Multiplikation und Division.
iy r
r ·
1
·
2
j
1
1
r
1
z ·
r
j
. r 2 e x p [i (j1 + j 2 ) 1
[
z3 = r
z ·
2
2
(j 1 + j 2) 2
x
Abbildung 2.10: Graphische Darstellung der Multiplikation komplexer Zahlen
iy
1
z3 = ·
·
j 1
j 2
z
r
r
e x p [i (j1 - j 2) 1
2
[
z ·
2
(j 1- j 2
)
x
Abbildung 2.11: Graphische Darstellung der Division komplexer Zahlen
An dieser Stelle empfiehlt es sich eine Diskussion u ¨ber das Radizieren komplexer Zahlen anzuschließen. Es wird erl¨ autert, wie der mathematische Operator n () auf eine komplexe Zahl anzuwenden ist. √ Man vereinbart: n z (n ∈ N = Menge der nat¨ urlichen Zahlen) ist die Menge all derjenigen Zahlen, die in die n-te Potenz erhoben die Zahl z ergeben. Setzt man daher
2.11 Komplexe Zahlen
z = r(cos ϕ + i sin ϕ)
45
(2.116)
so gilt offenbar: √ √ ϕ+2kπ n z = n r cos ϕ+2kπ + i sin n n =
√ n
re
2kπ i( ϕ n+ n )
(2.117) k = 0, 1, 2, . . . , n − 1,
√ n
d.h., z ist eine Menge komplexer Zahlen, bestehend aus n Werten, die sich in der komplexen Ebene geometrisch als Eckpunkte eines regelm¨ aßigen √ n−Ecks interpretieren lassen, das in einen Kreis mit Radius n r um den Nullpunkt einbeschrieben ist. Speziell f¨ ur k = 0 ergibt sich z.B.: √ √ ϕ ϕ √ ϕ n = n rei n z = n r cos + i sin (2.118) n n 2.11.5 Stereographische Projektion Die oben angegebenen Darstellungen komplexer Zahlen bedienten sich der Ebene der analytischen Geometrie und zus¨ atzlicher trigonometrischer Beziehungen. F¨ ur viele Zwecke erweist es sich als g¨ unstiger, die Punkte in der x, iy−Ebene als Projektionen von Punkten zu verstehen, die auf einer Einheitskugel liegen, deren Pole auf der Achse senkrecht zu der aufgespannten komplexen Ebene liegen. Einer der Pole der Kugel liegt im Null-Punkt, w¨ ahrend der andere die Lagekoordinaten (0, 0, 1) einnimmt. Vom letztgenannten Pol aus werden nun stereographische Projektionen durchgef¨ uhrt, wie sie in Abb. 2.12 angedeutet sind. Dadurch entspricht jedem Punkt der Ebene genau ein von N verschiedener Punkt der Kugel und umgekehrt, d.h. die Kugelfl¨ ache ist, abgesehen von dem Ausgangspunkt der Projektion, umkehrbar eindeutig auf die komplexe Ebene abgebildet. Die Abbildung ist kreisverwandt und winkeltreu: –
–
Die Eigenschaft der kreisverwandten Abbildung deutet an, dass jeder Kreis auf der Kugel auf einen Kreis oder eine Gerade der Ebene abgebildet wird (und umgekehrt). Die winkeltreue Abbildung bedeutet, dass zwei beliebige Kreise (und allgemein irgend zwei Kurven auf der Kugel) sich unter demselben Winkel schneiden, wie ihre stereographischen Projektionen in der Ebene (und umgekehrt).
2.11.6 Elementare Funktion Komplexe Funktionen werden ganz analog der Einf¨ uhrung reeller Funktionen wie folgt definiert:
46
2 Mathematische Grundlagen
N
K
iy E
S
x
. A
z ( x ,iy )
Abbildung 2.12: Darstellung der stereographischen Projektion (Riemannsche Zahlenkugel)
Ist C eine beliebige Menge komplexer Zahlen, so l¨asst sich C als der Wertebereich der komplexen Ver¨ anderlichen oder Variablen z bezeichnen. Ordnet man nun jeder komplexen Variablen z innerhalb des Wertebereichs C eine komplexe Gr¨ oße F (z) zu, so wird F als die Funktion der komplexen Variablen z bezeichnet. Da F (z) wiederum eine komplexe Gr¨ oße darstellt, gilt: F (z) = Φ + iΨ
(2.119)
Hierbei ist zu beachten, dass im allgemeinen die Gr¨oßen Φ und Ψ wiederum von x und y, d.h. den Koordinaten der Gr¨oße z abh¨angen. W¨ ahrend bei der Definition einer komplexen Funktion, zum Verst¨andnis, entsprechende Betrachtungen im Reellen herangezogen werden k¨onnen, f¨allt f¨ ur die Differentation im komplexen ein tiefgehender Unterschied gegen¨ uber reellen Funktionen auf: W¨ ahrend bei reellen Funktionen f (x) aus der Existenz einer Ableitung f (x) nichts u ¨ ber die Existenz der etwaigen h¨oheren Ableitungen gesagt werden kann, zeigt sich bei Funktionen F (z) einer komplexen Ver¨ anderlichen, dass aus der Existenz einer ersten Ableitung ganz von selbst die Existenz aller h¨ oheren Ableitungen folgt, d.h. es gilt: Ist eine Funktion F (z) in einem Gebiet G ∈ C holomorph (d.h. komplex differenzierbar), so besitzt die Funktion dort neben F (z) auch alle h¨ oheren Ableitungen F (z), F (z), . . . . Anstelle von holomorph wird h¨ aufig auch der Begriff analytisch verwendet. Die Darstellung F (z) wird oftmals auch als konforme Abbildung behandelt. Der Grund hierf¨ ur liegt in der Tatsache, dass die Funktion F (z) jedem Punkt P in der z−Ebene einen Punkt Q in einer Bildebene W zugeordnet. Um diese eindeutige Zuordnung zu erhalten, wird oftmals ein Zweig einer mehrdeutigen Funktion als der Hauptzweig eingef¨ uhrt und nur mit diesem
2.11 Komplexe Zahlen
47
gerechnet. Die wichtigsten komplexen Funktionen“ sind untenstehend ange” geben: Polynome n-ten Grades Als Polynom n-ten Grades einer komplexen Zahl gilt: F (z) = a0 + a1 z + a2 z 2 + · · · + an z n
(2.120)
wobei a0 , a1 , . . . , an komplexe Konstanten sind und n eine positive ganze Zahl ist. Die Transformation F (z) = az + b wird im allgemeinen als lineare Transformation bezeichnet. Rationale algebraische Funktion Als rationale algebraische Funktion wird definiert: F (z) =
P (z) Q(z)
(2.121)
In obiger Beziehung sind P (z) und Q(z) Polynome beliebigen Grades. Der besondere Fall az + b F (z) = (2.122) cz + d wobei ad−bc = 0 ist, wird oftmals als gebrochen-lineare Funktion bezeichnet. Exponentialfunktion Als Exponentialfunktion gilt: F (z) = ez = exp(z)
(2.123)
wobei e = 2, 71828 . . . die Basis des (reellen) nat¨ urlichen Logarithmus darstellt. Komplexe Exponentialfunktionen haben Eigenschaften, die ¨ahnlich denen f¨ ur reelle Exponentialfunktionen sind. Zum Beispiel gilt: ez1 · ez2 = e(z1 +z2 )
(2.124)
ez1 /ez2 = e(z1 −z2 )
(2.125)
Trigonometrische Funktion Die trigonometrischen Funktionen f¨ ur komplexe Zahlen sind wie folgt definiert:
48
2 Mathematische Grundlagen
eiz + e−iz eiz − e−iz cos z = 2i 2
(2.126)
1 2 2i 1 = iz = iz csc z = −iz cos z e +e sin z e − e−iz
(2.127)
sin z = sec z =
tan z =
sin z eiz − e−iz cos z i(eiz + e−iz ) = cot z = = (2.128) cos z i(eiz + e−iz ) sin z eiz − e−iz
Viele der Eigenschaften der oben angegebenen Funktionen sind ¨ahnlich denen reeller trigonometrischer Funktionen. So kann gezeigt werden, dass gilt: sin2 z + cos2 z = 1; 1 + tan2 z = sec2 z; 1 + cot2 z = csc2 z sin(−z) = − sin z
cos(−z) = cos z
tan(−z) = − tan z
(2.129) (2.130)
sin(z1 ± z2 ) = sin z1 cos z2 ± cos z1 sin z2
(2.131)
cos(z1 ± z2 ) = cos z1 cos z2 ∓ sin z1 sin z2
(2.132)
tan(z1 ± z2 ) =
tan z1 ± tan z2 1 ∓ tan z1 tan z2
(2.133)
Hyperbolische Funktionen Die hyperbolischen Funktionen sind im Komplexen wie folgt definiert: ez − e−z ez + e−z cosh z = 2 2
(2.134)
sech z =
1 2 2 1 = z = z csch z = −z cosh z e +e sinh z e − e−z
(2.135)
tanh z =
ez − e−z ez + e−z sinh z cosh z = z = coth z = cosh z e + e−z sinh z ez − e−z
(2.136)
sinh z =
F¨ ur diese Funktionen gelten die nachtr¨ aglich aufgef¨ uhrten Beziehungen: cosh2 z − sinh2 z = 1; 1 − tanh2 z = sech2 z; coth2 z − 1 = csch2 z (2.137) sinh(−z) = − sinh z cosh (−z) = cosh z tanh(−z) = − tanh z
(2.138)
sinh(z1 ± z2 ) = sinh z1 cosh z2 ± cosh z1 sinh z2
(2.139)
cosh (z1 ± z2 ) = cosh z1 cosh z2 ± sinh z1 sinh z2
(2.140)
tanh(z1 ± z2 ) =
tanh z1 ± tanh z2 1 ± tanh z1 tanh z2
(2.141)
2.11 Komplexe Zahlen
49
Aus den oben angegebenen Beziehungen f¨ ur trigonometrische Funktionen und hyperbolische Funktionen lassen sich folgende Zusammenh¨ange angeben. sin iz = i sinh z cos iz = cosh z tan iz = i tanh z
(2.142)
sinh iz = i sin z cosh iz = cos z tanh iz = i tan z
(2.143)
Logarithmische Funktionen Wie im reellen ist auch der nat¨ urliche Logarithmus die inverse Funktion der Exponentialfunktion, d.h. es gilt: k = 0, ±1, ±2, . . .
F (z) = ln z = ln r + i(ϕ + 2kπ)
(2.144)
urliche Logarithmus eine nicht wobei z = reiϕ gilt. Es zeigt sich, dass der nat¨ eindeutige Funktion darstellt. Durch Einschr¨ ankung auf den sog. Hauptwert der Funktion l¨ asst sich eine Eindeutigkeit herstellen. Hier ist eine gewisse Willk¨ ur gegeben. Sie kann dadurch beseitigt werden, dass ein speziell gew¨ unschter Zweig, auf dem die Eindeutigkeit gew¨ahrleistet ist, mit angeur jede geben wird, z.B. durch (ln z)0 . Die logarithmische Funktion kann f¨ beliebige reelle Basis definiert werden, also auch f¨ ur Werte, die sich von e unterscheiden. Dies bedeutet, dass folgendes angegeben werden kann: F (z) = loga z
⇔
z = aF
(2.145)
wobei f¨ ur a“ gelten muss: ” sowie a = 0
a>0
und a = 1
(2.146)
Inverse trigonometrische Funktionen Es lassen sich auch zu den trigonometrischen Funktionen inverse Funktionen angeben, die sich wie folgt errechnen lassen. Auch diese Funktionen sind nicht eindeutig definiert, sondern zeigen eine Periodizit¨at auf: ) * √ 2−1 1 i + z 1 sin−1 z = (2.147) ln iz + 1 − z 2 ; csc−1 z = ln i i z
−1
cos
) * √ 1 1 + 1 − z2 1 −1 2 (2.148) z= ln z + z − 1 ; sec z = ln i i z
−1
tan
1 ln z= 2i
1 + iz 1 − iz
−1
; cot
1 z = − ln 2i
iz + 1 iz − 1
(2.149)
50
2 Mathematische Grundlagen
Inverse hyperbolische Funktionen Analog zu den Betrachtungen der trigonometrischen Funktionen lassen sich auch die inversen Funktionen der Hyperbelfunktionen angeben. Diese sind wiederum nachstehend aufgef¨ uhrt: ) * √ 1 + z2 + 1 −1 −1 2 sinh z = ln z + z + 1 csch z = ln (2.150) z −1
cosh
z = ln z + z 2 − 1 sech−1 z = ln
tanh−1 z =
1 ln 2
1+z 1−z
coth−1 z =
)
1 ln 2
1+
* √ 1 − z2 (2.151) z
z+1 z−1
(2.152)
Differentiation komplexer Funktionen (Cauchy-Riemann-Gleichungen) Falls die Funktion F (z) in einem Gebiet G ∈ C definiert ist, und der Grenzwert F (z + ∆z) − F (z) (2.153) F (z) = lim ∆z→0 ∆z unabh¨ angig von der Art der Ann¨ aherung ∆z → 0 ist, so wird die Funktion F (z) im Gebiet G als analytisch bezeichnet. Eine notwendige Bedingung daf¨ ur, dass die Funktion F (z) = Φ+iΨ eine in G ∈ C analytische Funktion darstellt, wird durch die Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen gegeben: ∂Ψ ∂Φ = ∂x ∂y
∂Ψ ∂Φ =− ∂y ∂x
(2.154)
Sind die partiellen Ableitungen der Cauchy-Riemannschen Gleichungen in G außerdem stetig, dann sind die Cauchy-Riemannschen Gleichungen eine hinreichende Bedingung, dass F (z) analytisch im Gebiet G ist. Aus den Cauchy-Riemannschen Beziehungen l¨asst sich durch Differentiation ableiten, dass die komplexen und imagin¨ aren Anteile der Funktion F (z), d.h. die Gr¨ oßen Φ(x, y) und Ψ (x, y) die Laplace-Gleichung erf¨ ullen, d.h. es gilt: ∂ 2 Φ ∂ 2Φ + =0 (2.155) ∂x2 ∂y 2 ∂ 2Ψ ∂2Ψ + =0 ∂x2 ∂y 2
(2.156)
2.11 Komplexe Zahlen
51
Differentiationen komplexer Funktionen Falls F (z), G(z) und H(z) analytische Funktionen der komplexen Variablen z sind, ergeben sich die Differentiationsregeln der Funktionen wie untenstehend angegeben. Es ist leicht zu sehen, dass sie den Funktionen reeller Variablen entsprechen. d d d [F (z) + G(z)] = F (z) + G(z) = F (z) + G (z) (2.157) dz dz dz d d d [F (z) − G(z)] = F (z) − G(z) = F (z) − G (z) (2.158) dz dz dz d d [cF (z)] = c F (z) = cF (z) mit c als beliebige Konstante (2.159) dz dz d d d [F (z)G(z)] = F (z) G(z) + G(z) F (z) = F (z)G (z) + G(z)F (z) dz dz dz (2.160) d dz
F (z) G(z)
d F (z) − F (z) dz G(z) 2 [G(z)] G(z)F (z) − F (z)G (z) = G(z) = 0 [G(z)]2
=
G(z)
d dz
(2.161)
Ist W = F (ζ) und ζ = G(z) so gilt: dW dW dζ dζ = = F (ζ) = F [G(z)]G (z) dz dζ dz dz
(2.162)
Nachstehend ist eine Tabelle wichtiger Ableitungen wichtiger komplexer Funktionen angegeben: d dz
(c) = 0
d dz
z n = nz n−1
d dz
ez = ez
d dz
az = az ln a
d dz
sin z = cos z
d dz
cos z = − sin z
d dz
tan z = sec2 z
d dz
cot z = − csc2 z
d dz
sec z = sec z tan z
d dz
csc z = − csc z cot z
d dz
loge z =
d dz
loga z =
d dz
sin−1 z =
√ 1 1−z 2
d dz
cos−1 z =
√ −1 1−z 2
d dz
tan−1 z =
1 1+z 2
d dz
cot−1 z =
−1 1+z 2
d dz
sec−1 z =
√1 z z 2 −1
d dz
csc−1 z =
√−1 z z 2 −1
d dz
sinh z = cosh z
d dz
cosh z = sinh z
d dz
tanh z = sech2 z
d dz
ln z =
1 z
1 z ln a
52
2 Mathematische Grundlagen d dz
coth z = − csch2 z
d dz
sech z = − sech z tanh z
d dz
csch z = − csch z coth z
d dz
sinh−1 z =
√ 1 1+z 2
d dz
cosh−1 z =
√ 1 z 2 −1
d dz
tanh−1 z =
1 1−z 2
d dz
coth−1 z =
1 1−z 2
d dz
sech−1 z =
√−1 z 1−z 2
d dz
csch−1 z =
√−1 z z 2 +1
Die oben aufgef¨ uhrten Ableitungen wichtiger komplexer Funktionen lassen sich in der Behandlung von Potentialstr¨ omungen nutzen.
2.12 Literaturverzeichnis 2.1 Richter EW, Joos G (1978) H¨ ohere Mathematik f¨ ur den Praktiker. Barth, Leipzig 2.2 Gradshteyn IS, Ryzhik IM (1980) Table of Integrals, Series, and Products. Academic Press, San Diego 2.3 Großmann S (1988) Mathematischer Einf¨ uhrungskurs f¨ ur die Physik. Teubner, Stuttgart 2.4 Aris R (1989) Vectors, Tensors and the Basic Equations of Fluid Mechanics. Dover, New York 2.5 Meyberg K, Vachenauer T (1989) H¨ ohere Mathematik 1 und 2. SpringerVerlag, Berlin 2.6 Dallmann H, Elster KH (1991) Einf¨ uhrung in die h¨ohere Mathematik I-III. Gustav Fischer Verlag, Jena 2.7 Rade L, Westergren B (2000) Springers Mathematische Formeln. 3. Auflage, Springer Verlag, Berlin
3 Physikalische Grundlagen
3.1 Festk¨ orper und Fluide Alle Stoffe unserer nat¨ urlichen und technischen Umwelt lassen sich, gem¨aß ihres Aggregatzustandes, in feste, fl¨ ussige und gasf¨ormige Medien unterteilen. Diese Unterteilung wird in vielen Bereichen des Ingenieurwesens gew¨ahlt, um auf wichtige Unterschiede in den Stoffeigenschaften hinzuweisen. Eine solche Unterteilung von Stoffen ließe sich auch in der Str¨omungsmechanik anwenden, sie w¨ are jedoch nicht sonderlich vorteilhaft. Vielmehr empfiehlt es sich str¨ omungsmechanische Gesichtspunkte anzuwenden, um zu einer f¨ ur die Behandlung von Str¨ omungsvorg¨ angen sinnvollen Unterteilung von Stoffen zu kommen. Daf¨ ur wird der Begriff des Fluids eingef¨ uhrt, zur Kennzeichnung all jener Stoffe, die nicht eindeutig den Feststoffen zugeordnet werden k¨onnen. Aus Sicht der Str¨ omungsmechanik lassen sich somit alle Medien in Festk¨orper und Fluide unterteilen, wobei der Unterschied zwischen beiden Gruppen dadurch gekennzeichnet ist, dass Festk¨ orper Elastizit¨at als eine wichtige Eigenschaft besitzen, w¨ ahrend Fluide Viskosit¨ at als charakteristische Eigenschaft aufweisen. Von außen auf einen Festk¨ orper aufgepr¨agte Scherbeanspruchungen f¨ uhren zu inneren elastischen Scherkr¨ aften, die irreversible Lage¨anderungen Atomen bzw. Molek¨ ulen des Festk¨ orpers verhindern. Werden dagegen auf Fluide externe Scherbeanspruchungen aufgepr¨ agt, so reagieren sie mit dem ” Aufbau von Geschwindigkeitsgradienten“, wobei der Aufbau des Gradienten durch den molek¨ ulbedingten Impulstransport, d.h. durch die Fluidviskosit¨at, in einer f¨ ur Fluide sehr charakteristischen Art und Weise erfolgt. Damit sind Elastizit¨ at (Festk¨ orper) und Viskosit¨ at (Fluide) die Eigenschaften, die in der Str¨ omungsmechanik zur Unterteilung von Stoffen herangezogen werden. Von dieser Einteilung der Medien in Feststoffe und Fluide sind nur wenige Stoffe ausgenommen, so z.B. einige, die in der Rheologie behandelt werden und die ,,gemischte Eigenschaften” aufweisen. Diese besitzen bei kleinen Deformationen Eigenschaften von Festk¨ orpern und weisen bei großen das Verhalten von Fluiden auf. Es ist charakteristisch f¨ ur ein Fluid, dass es bereits kleinsten ¨außeren Scherbeanspruchungen durch einsetzende Str¨ omungen auszuweichen“ ver” sucht. Jede in einem ruhenden Fluid liegende Fl¨ache kann daher nur Normalkr¨ afte erfahren. Aus diesem Grund ist der Schluss zul¨assig, daß ein Fluid, das
54
3 Physikalische Grundlagen
sich in Ruhe befindet, durch einen Spannungszustand gekennzeichnet ist, der frei von ¨ außeren Scherbeanspruchungen ist. Treten in einem ruhenden Medium Schubspannungen auf, so ist dieses Medium den Feststoffen zuzuordnen. Die in einem Fluid bei extern aufgepr¨ agten Bewegungen beobachteten Viskosit¨ atskr¨ afte“ sind nicht mit den elastischen Kr¨aften in Festk¨orpern zu ” verwechseln. Viskose Kr¨ afte sind nicht einmal analog zu elastischen Kr¨aften zu behandeln. Dieser Hinweis gilt im allgemeinen f¨ ur alle Fl¨ ussigkeiten und Gase, die an solchen Fluidstr¨ omungen beteiligt sind, denen sich das vorliegende Buch widmet. Fluide lassen sich f¨ ur die nachfolgenden Behandlungen von Str¨ omungsvorg¨ angen dadurch von Festk¨ orpern unterscheiden, dass sie schlechthin Medien darstellen, die schubspannungsfrei sind. Die oftmals in Behandlungen von Str¨ omungen von g¨ angigen Fl¨ ussigkeiten und Gasen eingef¨ uhrten ,,Schubspannungen” stellen in Wirklichkeit molek¨ ulbedingte Impulstransportterme dar. Benachbarte Schichten eines str¨omenden Fluids, das einen Geschwindigkeitsgradienten aufweist, treten nicht durch ,,Schubspannungen” miteinander in Wechselwirkung, sondern durch einen infolge der Molek¨ ulbewegung bedingten Impulsaustausch. Dies l¨asst sich schon sehr leicht durch vereinfachte, auf das physikalische Verst¨andnis der Vorg¨ange abzielende Ableitungen erl¨ autern, wie sie im nachfolgenden Abschnitt angegeben sind. Die Ableitungen werden f¨ ur ein ideales Gas durchgef¨ uhrt, da sie f¨ ur dieses besonders anschaulich dargestellt werden k¨onnen. Die aus den zur Viskosit¨ at durchgef¨ uhrten Betrachtungen erhaltenen Ergebnisse sind daher nicht in allen Einzelheiten auf Fluide mit komplexeren Eigenschaften u ¨ bertragbar. Zur weiteren Unterteilung der Fluide empfiehlt es sich, ihre Reaktion auf Normalspannungen, d.h. ihre Reaktion auf den Druck heranzuziehen. Reagiert ein Fluid auf Druck¨ anderungen mit Volumen- bzw. Dichte¨anderungen, so wird das Fluid als kompressibel bezeichnet. Treten bei Druck¨anderungen keine Volumen- bzw. Dichte¨ anderungen auf, so gilt das Fluid als inkompressibel. Obgleich es streng genommen keine inkompressiblen Fluide gibt, ist eine solche Unterteilung dennoch sinnvoll und dar¨ uberhinaus auch n¨ utzlich, wie die nachfolgenden Ableitungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen zeigen werden. Diese k¨ onnen somit getrennt f¨ ur Fl¨ ussigkeiten und Gase angegeben werden. Fluide werden im allgemeinen in Fl¨ ussigkeiten und Gase unterteilt. Fl¨ ussigkeiten (und einige plastische Materialien) zeichnen sich durch sehr kleine Expansionskoeffizienten aus (typische Werte f¨ ur die isobare Expansion ahrend Gase sehr viel gr¨oßere Expansionskoeffiziensind βP = 10·10−6/K), w¨ ten besitzen (typische Werte sind βP = 1000 ·10−6/K). Ein Vergleich der Expansionskoeffizienten beider Untergruppen von Fluiden zeigt, dass Fl¨ ussigkeiten mit einer f¨ ur die meisten Str¨ omungsprobleme ausreichenden Genauigkeit die Bedingung der Inkompressibilit¨ at erf¨ ullen. Unter dieser Annahme lassen sich, wie die nachfolgenden Ableitungen zeigen, die Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik vereinfachen; insbesondere wird die Anzahl der ben¨otigten Gleichungen zur allgemeinen Beschreibung von Str¨omungsvorg¨angen von
3.1 Festk¨ orper und Fluide
55
6 auf 4 reduziert. Die f¨ ur inkompressible Medien zul¨assigen Vereinfachungen der Grundgleichungen erlauben eine wesentliche Reduktion der Komplexit¨at der L¨ osungen von Str¨ omungsproblemen, sowohl in einfachen als auch in komplexen Geometrien, da man, bei Problemen ohne W¨arme¨ ubertragung, die Energiegleichung nicht mitzul¨ osen hat. Die f¨ ur inkompressible Medien angebbaren vereinfachten Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik lassen sich gelegentlich auch auf Str¨omungen kompressibler Fluide anwenden, n¨ amlich dann, wenn die zu beschreibenden Str¨ omungsvorg¨ ange so geartet sind, dass die im gesamten Str¨omungsfeld auftretenden Dichtevariationen klein gegen¨ uber der Fluiddichte sind. Auf diesen Punkt wird noch einmal gesondert in Kapitel 12 eingegangen, wo Bedingungen abgeleitet werden, unter denen Dichte¨ anderungen in Gasen f¨ ur die Behandlung von Str¨ omungsvorg¨ angen vernachl¨ assigt werden k¨onnen. Str¨omungen in Gasen sind unter den dort angegebenen Bedingungen wie inkompressible Str¨ omungen zu behandeln. Zur weiteren Charakterisierung eines Fluids sei auf die bekannte Tatsache hingewiesen, dass Feststoffe ihre Form beibehalten, w¨ahrend ein Fluidvolumen keine eigene Form besitzt, sondern die Form des Gef¨aßes annimmt, in das es eingebracht wird. Fl¨ ussigkeiten unterscheiden sich von Gasen insofern, als dass der von den Fl¨ ussigkeiten eingenommene Raum nur einen Teil eines Beh¨ alters ausmachen kann, w¨ ahrend der restliche Teil nicht gef¨ ullt ist oder ein Gas enth¨ alt. Zwischen der Fl¨ ussigkeit und dem u ber ihr liegenden ¨ gasgef¨ ullten Raum befindet sich eine freie Oberfl¨ache. Eine solche Oberfl¨ache liegt nicht vor, wenn das Gef¨ aß nur mit einem Gas gef¨ ullt ist. Das Gas breitet sich u ber das gesamte Gef¨ a ßvolumen aus. ¨ Abschließend sei darauf hingewiesen, dass es eine Reihe von Medien gibt, die nur bedingt in die obige Klassifizierung eingeordnet werden k¨onnen. Es sind dies z.B. Medien, die aus Zweiphasengemischen bestehen. Diese besitzen Eigenschaften, die sich nicht so einfach klassifizieren lassen. Dasselbe gilt auch f¨ ur eine Reihe anderer Medien, die nach der obigen Klassifizierung weder den Feststoffen, noch den Fluiden zugeordnet werden k¨onnen und nur ab einem bestimmten Schwellwert“ der Schubspannung“ zu fließen beginnen. ” ” Medien dieser Art sollen aus den Behandlungen in diesem Buch ausgeschlossen werden, so dass die oben angegebenen Klassifizierungen von Medien in rein elastische Feststoffe und rein viskose Fluide ihre G¨ ultigkeit behalten. Weitere Einschr¨ ankungen der Fluideigenschaften, die bei der Behandlung von Str¨ omungsproblemen in diesem Lehrbuch vorgenommen werden, sind in den jeweiligen Abschnitten klar angegeben. Dadurch sollen Fehler vermieden werden, die oftmals entstehen, wenn Gleichungen, die f¨ ur vereinfachte Fluideigenschaften und/oder vereinfachte Str¨ omungsrandbedingungen abgeleitet werden, als allgemein g¨ ultig angesehen und unter dieser Annahme falsch verstanden bzw. angewandt werden.
56
3 Physikalische Grundlagen
3.2 Moleku oßen der ¨leigenschaften und Gr¨ Kontinuumsmechanik Da alle Materie aus Molek¨ ulen oder Agglomerationen von Molek¨ ulen besteht, k¨ onnen alle makroskopischen Eigenschaften der Materie durch Molek¨ uleigenschaften beschrieben werden. Somit ist es strenggenommen m¨oglich, alle Ei¨ genschaften von Fluiden, die f¨ ur Uberlegungen in der Str¨omungsmechanik von Bedeutung sind, auf Eigenschaften von Molek¨ ulen zur¨ uckzuf¨ uhren. Eine solche Beschreibung der Zust¨ ande von Stoffsystemen w¨ urde zwar mit unseren heutigen Vorstellungen u ¨ ber die Beschaffenheit von Stoffen konform gehen, sie w¨ are jedoch aufgrund des notwendigen Formalismus u ¨ beraus aufwendig und auch un¨ ubersichtlich, so dass die angestrebten Erkenntnisse u ¨ ber essentielle Eigenschaften str¨ omungsmechanischer Vorg¨ ange darunter leiden w¨ urden. Eine molekulartheoretische Darstellung von Fluideigenschaften ist also m¨oglich, sie w¨ urde jedoch kaum dazu geeignet sein, f¨ ur den Ingenieur n¨ utzliche praxisbezogene str¨ omungsmechanische Informationen in leicht verst¨andlicher (und auch anwendbarer) Form zu liefern. Es ist aus diesem Grunde vorteilhafter, zur Beschreibung von Fluideigenschaften Gr¨oßen der Kontinuumsmechanik einzuf¨ uhren. Der Zusammenhang zwischen den in str¨omungsmechanische Betrachtungen eingef¨ uhrten kontinuumsmechanischen Gr¨oßen und den Molek¨ uleigenschaften sollte jedoch bekannt sein, um die wichtigsten Verkn¨ upfungen zwischen den zwei verschiedenen Betrachtungs- und Darstellungsweisen von Fluideigenschaften zu verstehen. Einige der f¨ ur die Beschreibung str¨ omungsmechanischer Vorg¨ange erforderlichen Zustandsgr¨ oßen wie die Dichte ρ, der Druck P , die Temperatur T etc. sind nachfolgend f¨ ur ideale Gase in Molek¨ ulgr¨oßen ausgedr¨ uckt. Aus den Ableitungen geht hervor, dass die ,,Auswirkungen” von Molek¨ ulen und Molek¨ uleigenschaften auf Fluidelemente bzw. Kontrollvolumina durch das Einf¨ uhren der Gr¨ oßen Dichte ρ, Druck P , Temperatur T , Viskosit¨at µ etc. in einer f¨ ur str¨ omungsmechanische Betrachtungen ausreichenden integralen ” Form“ ber¨ ucksichtigt werden. Kontinuumsmechanische Betrachtungen vernachl¨ assigen somit nicht die molekulare Struktur der Fluide, sondern ber¨ ucksichtigen diese in integraler Form, d.h. u ulen ge¨ ber eine Vielzahl von Molek¨ mittelt. Als die spezifische Dichte ρ eines Stoffes wird die Masse pro Volumeneinheit bezeichnet. F¨ ur ein Fluidelement kann diese Gr¨oße sowohl von seiner angen, als auch von der Zeit t, Lage im Raum, d.h. von xi = (x1 , x2 , x3 ) abh¨ so dass allgemein gilt: ρ(xi , t) =
lim
∆V →δV
δm 1 ∆M = . ∆V δV
(3.1)
Dabei wird mit δm die Masse eines Fluidelements bezeichnet und mit δV das entsprechende Volumen. Die Gr¨ oße ist so zu w¨ahlen, dass δm = const 1
bzgl. der Gr¨ oßen δm und δV wird auf Kapitel 5 verwiesen
3.2 Molek¨ uleigenschaften und Gr¨ oßen der Kontinuumsmechanik
57
,t )
[ k g
/ m
3
]
Abbildung 3.1: Zur Definition der Fluiddichte ρ(xi , t)
1 0
-3 0
1 0
-2 0
1 0
-1 8
1 0
-1 0
[ m
23
]
Abbildung 3.2: Fluktuationen bei der Dichtebestimmung von Fluiden
f¨ ur str¨ omungsmechanische Betrachtungen trotz der molekularen Natur der Materie ausreichend genau erf¨ ullt ist. Bezeichnet man mit n die mittlere Anzahl der pro Volumeneinheit vorhandenen Molek¨ ule und mit m die pro Molek¨ ul vorliegende Masse, so gilt folgender Zusammenhang: ρ(xi , t) = mn(xi , t).
(3.2)
Die Dichte des Stoffes ist somit identisch mit der pro Volumeneinheit vorliegenden Anzahl von Molek¨ ulen, multipliziert mit der Masse eines Einzelmolek¨ uls. Dichte¨ anderungen im Raum und in der Zeit entsprechen somit r¨aumli¨ chen und zeitlichen Anderungen der mittleren Anzahl der pro Volumeneinheit vorliegenden Molek¨ ule. Bei Ber¨ ucksichtigung der unter Normalbedingungen vorliegenden stochastischen, thermisch bedingten Molek¨ ulbewegungen, wird verst¨andlich, dass
58
3 Physikalische Grundlagen
eine mittlere Molek¨ ulanzahl nur dann zu einem Zeitpunkt t ausreichend eindeutig angegeben werden kann, wenn die Betrachtungen an einem Fluidvolumen durchgef¨ uhrt werden, das eine große Anzahl von Molek¨ ulen umfasst. Volumina in der Gr¨ oßenordnung von 10−18 bis 10−20 m3 werden immer noch als ausreichend groß angesehen, um eindeutige Dichtedefinitionen zu erlangen, siehe Abb. 3.2. Da es bei vielen str¨ omungsmechanischen Betrachtungen ausreicht, Str¨ omungsvorg¨ ange mit gr¨ oßerer Volumenaufl¨osung zu behandeln, ist die Angabe einer mittleren“ Molek¨ ulzahl zur Kennzeichnung der im be” trachteten Volumen vorhandenen Fluidmasse ausreichend, d.h. ausreichend zur Kennzeichnung der Dichte. Die lokale Dichte ρ(xi , t) beschreibt damit eine f¨ ur die Str¨ omungsmechanik wichtige Stoffeigenschaft mit einer fast immer ausreichenden Genauigkeit, d.h., die Lokalit¨ at der in der Str¨omungsmechanik durchzuf¨ uhrenden Betrachtungen ist gr¨ oßtenteils so, dass die Angabe einer lokalen Dichte den Anforderungen der str¨ omungsmechanisch durchzuf¨ uhren¨ den Uberlegungen, trotz der molekularen Grundstruktur der betrachteten Fluide, voll gen¨ ugt. ¨ Ahnliche Betrachtungen lassen sich auch f¨ ur den Druck angeben, der sich in einem in Ruhe befindenden Fluid einstellt und der als die pro Fl¨acheneinheit wirkende Kraft (siehe Abb. 3.3)definiert ist, d.h. ∆Kj . (3.3) P (xi , t) = − lim ∆Fj →δFj ∆Fj Molekulartheoretisch wird die Druckwirkung als die pro Fl¨acheneinheit auftretende zeitliche Impuls¨ anderung der Molek¨ ule definiert, d.h. als die Kraft, welche die Molek¨ ule bei ihrem elastischen Zusammenstoß mit der betrachteten Fl¨ ache erfahren bzw. auf sie aus¨ uben. Es gilt folgende Beziehung (s. Kap. 3.3.2): 1 1 (3.4) P = mnu2 = ρu2 . 3 3 In Gleichung (3.4) ist m die Molek¨ ulmasse, n die Anzahl der Molek¨ ule pro Volumeneinheit und u die thermische Geschwindigkeit der Molek¨ ule. Analog zu den obigen Volumenabmessungen l¨asst sich f¨ ur die Gr¨oße der betrachteten Fl¨ achen angeben, dass die meisten str¨omungsmechanischen Betrachtungen keine Fl¨ achenaufl¨ osungen erfordern, die 10−12 bis 10−13 m2 unterschreiten, siehe Abb. 3.4, so dass theoretische Ableitungen f¨ ur mittlere Molek¨ ulzahlen ausreichen, um die Kraftwirkung der Molek¨ ule auf die Fl¨achen ur das zu erfassen. Dies entspricht jedoch der Angabe eines Druckes P (xi , t) f¨ Fluid. Dabei ist wichtig zu wissen, dass der Druck in einem Fluid als Kraft pro Fl¨ ache oder Energie pro Volumeneinheit angegeben werden kann, je nachdem ob man Impuls- oder Energiebetrachtungen durchf¨ uhrt. Entsprechend den oben eingef¨ uhrten kontinuumsmechanischen Gr¨oßen ur die Temperatur T (xi , t), die inρ(xi , t) und P (xi , t) lassen sich auch f¨ nere Energie e(xi , t), der Enthalpie h(xi , t) etc. eines Fluids Betrachtungen ¨ wiederholen, die den oben angegebenen Uberlegungen zur Dichte und zum
3.2 Molek¨ uleigenschaften und Gr¨ oßen der Kontinuumsmechanik
R e s u ltie re n d e D ru c k k ra ft D K j= - P D F j a u f F lä c h e D F
D F j
59
g ib t L a g e d e r F lä c h e a n
j
P [ N
/ m
2
]
Abbildung 3.3: Zur Definition des Drucks im Fluid P (xi , t)
1 0
-1 5
1 0
-1 3
1 0
-1 2
1 0
-5
F [ m 2
]
Abbildung 3.4: Fluktuation bei der Druckbestimmung im Fluid
Druck entsprechen. Diese zeigen wiederum, dass es f¨ ur str¨omungsmechani¨ sche Uberlegungen ausreichend ist, die komplexen Molek¨ uleigenschaften zu vernachl¨ assigen und kontinuumsmechanische Gr¨oßen in str¨omungsmechanische Ableitungen einzuf¨ uhren, die den Mittelwerten u ¨ber entsprechende Mo¨ lek¨ ulparameter entsprechen. Str¨ omungsmechanische Uberlegungen k¨onnen somit auf der Basis kontinuumsmechanischer Gr¨oßen durchgef¨ uhrt werden. Es gibt jedoch einige wichtige Gebiete der Str¨omungsmechanik, wo Kontinuumsbetrachtungen nicht angebracht sind, wie etwa das Gebiet der Str¨ omungen in hochverd¨ unnten Gassystemen. Dort lassen sich f¨ ur die Volumina und die Fl¨ achen, mit denen str¨ omungsmechanische Vorg¨ange aufzul¨osen sind, keine eindeutigen kontinuumsmechanischen Gr¨oßen definieren, da die erforderliche r¨ aumliche Aufl¨ osung der str¨ omungsmechanischen Betrachtun-
60
3 Physikalische Grundlagen
gen nicht mehr sicherstellt, dass ausreichende Molek¨ ulzahlen zur notwendigen Mittelwertbildung bei der Einf¨ uhrung kontinuumsmechanischer Gr¨oßen vorliegen. Bei der Behandlung solcher Str¨ omungsvorg¨ange muss den mole¨ kulartheoretischen Uberlegungen str¨ omungsmechanischer Vorg¨ange der Vorrang gegen¨ uber kontinuumsmechanischen Betrachtungen einger¨aumt werden. In der vorliegenden Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmechanik viskoser Medien wird das Gebiet der Str¨ omungen hochverd¨ unnter Gase nicht behandelt, so dass alle erforderlichen Ableitungen in der Terminologie der Kontinuumsmechanik erfolgen k¨ onnen. In allen solchen Betrachtungen sind molekulare Einwirkungen, z.B. innerhalb der Erhaltungss¨atze f¨ ur Masse, Impuls und Energie in integraler Form erfasst, d.h. die molekulare Struktur der betrachteten Fluide wird nicht vernachl¨ assigt, sondern in Form integraler Gr¨oßen ber¨ ucksichtigt.
3.3 Transportvorg¨ ange in Newtonschen Fluiden 3.3.1 Allgemeine Betrachtungen Bei der Behandlung von Str¨ omungen mit W¨ arme und Stofftransport treten molekulare Transportvorg¨ ange auf, die nicht vernachl¨assigt werden k¨onnen und die damit in den allgemeinen Transportgleichungen zu beachten sind. Hierbei ist eine physikalisch korrekte Betrachtung der Transportvorg¨ange notwendig, die sich an den allgemeinen Darstellungen orientiert, die untenstehend aufgef¨ uhrt sind. Zur Erl¨ auterung wird auf die Abb. 3.5(a) bis 3.5(c) verwiesen. Diese Abbildungen zeigen Ebenen, die parallel zu der x1 − x3 −Ebene eines kartesischen Koordinatensystems liegen. In jeder dieser Ebenen ist die Temperatur T = const (a), die Konzentration c = const (b) und die Geucksichtigung der Steigerung schwindigkeit (Uj ) = const (c), so dass, bei Ber¨ der jeweils betrachteten Gr¨ oße in der x2 − Richtung = xi −Richtung, ein positiver Gradient jeder der Fluideigenschaften vorliegt. Es sind diese Gradienten, die zu den molekularen Transporten von W¨arme, chemischen Spezies und Impuls f¨ uhren. Es gilt molekulare Transportvorg¨ ange in der Terminologie der Kontinuumsmechanik zu beschreiben. In Abb. 3.5 ist der infolge der thermischen Molek¨ ulbewegung auftretende W¨ armetransport durch das Fouriersche Gesetz der W¨ armeleitung angegeben und der analog dazu auftretende Massentransport durch das Ficksche Gesetz der Diffusion. Fouriersches Gesetz der W¨ armeleitung: q˙i = −λ
∂T ∂xi
λ= W¨ armeleitkoeffizient
(3.5)
D = Diffusionskoeffizient
(3.6)
Ficksches Gesetz der Diffusion: m ˙ i = −D
∂c ∂xi
3.3 Transportvorg¨ ange in Newtonschen Fluiden
x
= x 2
T
i
> T A
x B
- l ¶¶ T x
q i = ·
T 3
2
T ( x i + l ) i
x x
61
l l
1
x B
x 1
T ( x i- l ) 3
a ) D a rs te llu n g d e s W ä rm e tra n s p o rts x
= x i c A > 2
c
m ·
i
x B
- D ¶¶ xc =
c ( x i + l ) i
x x
c 3
2
}
l
l x
1
x B
3
1
c ( x i - l )
b ) D a rs te llu n g d e s T ra n s p o rts c h e m is c h e r S p e z ie s x
= x 2
(U
i
T
ij
=
j
)A > (U ¶ U
- m x
x 3
(U j
) B
) j
x B
U j
¶ x i
1
= x
j
2
( x i + l ) l
l x
1
j
x 3
U j
( x i - l )
c ) D a rs te llu n g d e s Im p u ls tra n s p o rts Abbildung 3.5: Analogie der molekular bedingten Transportvorg¨ ange f¨ ur (a) W¨ armetransport, (b) Stofftransport und (c) Impulstransport
Analog ist auch der molek¨ ulbedingte Impulstransport durch das Newtonsche Gesetz zu beschreiben, das bei Vorliegen von nur einer Geschwindigkeitskomponente Uj wie folgt angegeben werden kann, siehe dazu Bird et al. [3.1]. Newtonsches Gesetz des Impulstransports:
62
3 Physikalische Grundlagen
τij = −µ
∂Uj , ∂xi
(3.7)
wobei µ = dynamische Viskosit¨ at. In τij gibt die i-Richtung die molekulare Transportrichtung“ an, entspre” chend den Indizes von q˙i und m ˙ ij , j gibt die Komponente des Geschwindigkeitsvektors an, f¨ ur die Impulstransportbetrachtungen durchgef¨ uhrt werden. In Kapitel 5 wird gezeigt, dass die vollst¨ andige Gleichung f¨ ur τij , unter Vorliegen eines Newtonschen Mediums, wie folgt angegeben werden kann:2 ∂Uj ∂Ui 2 ∂Uk τij = −µ + + µδij (3.8) ∂xi ∂xj 3 ∂xk Als Impulstransport pro Zeit und Fl¨ acheneinheit stellt τij eine Span” nung“ dar, d.h. eine Kraft pro Fl¨ acheneinheit. Sie wird deshalb oftmals als Schubspannung“ bezeichnet und das Vorzeichen vor µ wird positiv gew¨ahlt. ” Dies gilt es bei Vergleichen von Darstellungen in diesem Buch mit korrespondierenden Angaben in anderen B¨ uchern zu beachten. Die bestehenden Unterschiede in den Betrachtungsweisen sollen durch die zwei untenstehenden Anmerkungen erl¨ autert werden. Anmerkung 1: Das folgende anschauliche Beispiel soll verdeutlichen, wie der in der Kontinuumsmechanik eingef¨ uhrte viskosit¨atsbedingte Impulstransport durch die Bewegung von Molek¨ ulen zustandekommt. Zwei Personenz¨ uge m¨ ogen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit nebeneinander herfahren. Auf jedem der Z¨ uge sollen Personen mitfahren, die S¨acke mit sich f¨ uhren. Diese S¨ acke werden von den Leuten des einen Zuges denen im anderen Zug zugeworfen, siehe Abb. 3.6, so dass ein Impuls¨ ubertrag zustandekommt, wobei festzuhalten ist, dass sich die Massen mA und mB der Z¨ uge nicht ¨ andern. Dadurch, dass die Personen im schneller fahrenden Zug die S¨ acke auffangen, die ihnen aus dem langsamer fahrenden Zug zugeworfen werden, wird der schnellere Zug abgebremst. In analoger Weise wird der ¨ langsamer fahrende Zug beschleunigt. Es kommt also zu einer Ubertragung des Impulses in Fahrtrichtung, die durch einen Impulstransport“ senkrecht ” zur Fahrtrichtung erfolgt. Diese Vorstellung, u ¨bertragen auf den molekularbedingten Impulstransport in Fluiden, steht im Einklang mit den molek¨ ulbedingten Transportvorg¨ angen, die obenstehend angegeben wurden. Anmerkung 2: In der Kontinuumsmechanik wird die viskosit¨atsbedingte Wechselwirkung zwischen Fluidschichten im allgemeinen so erkl¨art, dass Reibungskr¨ afte“ zwischen den Schichten postuliert werden. Dies w¨ urde in ” der oben beschriebenen Wechselwirkung von nebeneinander herfahrenden Z¨ ugen einem Abbremsen des schnelleren Zuges bzw. Beschleunigen des langsameren Zuges durch Reibungskr¨ afte entsprechen. Diese Einwirkung von Rei2
τij als molekularbedingter Impulstransport, wie hier eingef¨ uhrt, ist prinzipiell von der Schubspannung, die u afte in manchen B¨ uchern eingef¨ uhrt ¨ ber Reibungskr¨ wird, zu unterscheiden, siehe Abschnitt 3.3.3.
3.3 Transportvorg¨ ange in Newtonschen Fluiden
U D m
D m ·
63
B
·
B
U
A
A
A u s ta u s c h v o n M a s s e u n d Im p u ls e Abbildung 3.6: Anschauliche Erkl¨ arung von τij als Impulstransport
U U
B
A
R e ib u n g s e in w irk u n g Abbildung 3.7: Anschauliche Darstellung von τij als Reibungsterme
bungskr¨ aften kann etwa derart aufgebracht werden, dass die in den Z¨ ugen mitfahrenden Personen u ber Stangen, mit denen entlang der Waggonaußen¨ wandung Reibungskr¨ afte ausge¨ ubt werden, Einfluss auf die Bewegung des anderen Zuges nehmen, siehe Abb. 3.7. Diese Vorstellung, u ¨bertragen auf die Wechselwirkung zwischen Fluidschichten unterschiedlicher Geschwindigkeiten, entspricht nicht den physikalisch korrekten Vorstellungen u ¨ ber molek¨ ulbedingte Transportvorg¨ ange in Fluiden, (es gibt keine Molek¨ ule mit Stangen). Stellt man physikalisch korrekte Betrachtungen zum molek¨ ulbedingten ussen Ableitungen durchgef¨ uhrt werden, wie Impulstransport τij an, so m¨ sie in Abschnitt 3.3.3 f¨ ur Gase vorgestellt werden. Zudem werden auf den ¨ folgenden Seiten Uberlegungen zum Druck, zum W¨armeaustausch und zur Diffusion in Gasen angestellt, um den Zusammenhang zwischen molekularen und kontinuumsmechanischen Gr¨ oßen aufzuzeigen. Diese auf molekular-
64
3 Physikalische Grundlagen
¨ theoretischen Uberlegungen basierenden Vorstellungen sind wichtig f¨ ur das Verst¨ andnis diffusiver Transportvorg¨ ange in Fluiden. 3.3.2 Druck in Gasen Aus molekulartheoretischer Sicht ist der gasf¨ ormige Aggregatzustand eines Stoffes durch eine freie und ungeordnete Bewegung der Atome bzw. Molek¨ ule gekennzeichnet. Die Eigenschaften, die Stoffe in diesem Aggregatzustand annehmen, werden recht gut durch die Gesetzm¨aßigkeiten eines idealen Gases beschrieben. Diese Gesetzm¨ aßigkeiten resultieren aus Ableitungen, die auf mechanischen Grundgesetzen aufbauen und die von idealen, elastischen St¨ oßen ausgehen, mit denen die Molek¨ ule mit sich selbst und mit Berandungen, z.B. mit Gef¨ aßw¨ anden, in Wechselwirkung treten. Zwischen diesen St¨ oßen bewegen sich die Molek¨ ule frei und auf geradlinigen Bahnen. Das heißt, es wirken zwischen den Molek¨ ulen keine Kr¨afte außer bei den Zusammenst¨ oßen. Auch Gef¨ aßw¨ ande wirken weder anziehend noch abstoßend auf die Molek¨ ule und die Wechselwirkungen der W¨ande mit den sich bewegenden Molek¨ ulen beschr¨ anken sich auf den Moment des Zusammenstoßes. Die wichtigsten Eigenschaften eines idealen Gases lassen sich wie folgt angeben: a) Die Abmessungen der Molek¨ ule bzw. Atome ist verschwindend klein gegen¨ uber ihren gegenseitigen Abst¨ anden, so dass die Molek¨ ule als Massenpunkte angesehen werden k¨ onnen; b) die Molek¨ ule u ¨ ben, außer im Augenblick des Zusammenstoßes, weder anziehende noch abstoßende Kr¨ afte aufeinander aus; c) f¨ ur die Zusammenst¨ oße zwischen zwei Molek¨ ulen, oder eines Molek¨ uls mit einer Wand, gelten die Gesetze des vollkommen elastischen Stoßes. (Es finden ausschließlich Zusammenst¨ oße von zwei Molek¨ ulen statt.)
x 2
a a a
1
)a D t
}
(u
x
x 3
1
Abbildung 3.8: Kontrollvolumen f¨ ur Ableitungen zur Druckwirkung von Molek¨ ulen
3.3 Transportvorg¨ ange in Newtonschen Fluiden
65
Ber¨ ucksichtigt man die in den Punkten a) bis c) angegebenen charakteristischen Eigenschaften eines idealen Gases, so lassen sich die unten aufgef¨ uhrten Ableitungen angeben, um den Druck, der eine charakteristische kontinuumsmechanische Gr¨ oße des Gases darstellt, u ¨ ber molekulartheoretische Be¨ trachtungen abzuleiten. Die damit verbundenen Uberlegungen ber¨ ucksichtigen nur bekannte Grundgesetze der Mechanik, insbesondere Gesetzm¨aßigkeiten des elastischen Stoßes und die oben von a) bis c) aufgef¨ uhrten Eigenschaften. Um die Druckwirkung“ der Molek¨ ule auf eine Fl¨ache infolge der Mo” lek¨ ulbewegung behandeln zu k¨ onnen, gehen die hierzu durchgef¨ uhrten Ableitungen von dem in Abb. 3.8 angegebenen Kontrollvolumen mit Kantenl¨ange a aus. In diesem Kontrollvolumen ist die senkrecht auf der x1 -Achse stehende Fl¨ ache schraffiert eingezeichnet. Alle Betrachtungen werden f¨ ur diese Fl¨ ache durchgef¨ uhrt. F¨ ur andere Fl¨ achen des Kontrollvolumens sind sie analog durchf¨ uhrbar, so dass die Betrachtungen f¨ ur die in Abb. 3.8 schraffierte Fl¨ ache als allgemeing¨ ultig angesehen werden k¨onnen, siehe dazu Reif [3.2]. In dem in Abb. 3.8 angegebenen Kontrollvolumen sind insgesamt N Molek¨ ule vorhanden. Diese Anzahl l¨ asst sich durch Einf¨ uhrung der Anzahl der uldichte) n, wie folgt angeben: Molek¨ ule pro m3 (Molek¨ N = na3 .
(3.9)
Von den n Molek¨ ulen pro m3 m¨ ogen sich nα Molek¨ ule mit einer Geschwindigkeitskomponente (u1 )α in Richtung der x1 -Achse bewegen und mit der in Abb. 3.8 angegebenen schraffierten Fl¨ ache in Wechselwirkung treten. In der Zeit ∆t werden alle jene Molek¨ ule auf die schraffierte Wandfl¨ache treffen, die von dieser den Abstand (u1 )α ∆t haben. Es sind dies: zα = nα a2 (u1 )α ∆t.
(3.10)
ule u Jedes der zα Molek¨ ¨ bt auf die Wand einen Impuls aus, der u ¨ ber die Gesetzm¨ aßigkeit des idealen elastischen Stoßes angegeben wird: (∆i1 )α = −m(∆u1 )α = 2m(u1 )α .
(3.11)
F¨ ur den durch die zα Molek¨ ule auf die Wand u ¨ bertragenen Gesamtimpuls gilt: (∆J1 )α = zα (∆i1 )α = nα a2 (u1 )α ∆t[2m(u1 )α ], (3.12) (∆J1 )α = 2ma2 ∆tnα (u21 )α .
(3.13)
Die Wand erf¨ ahrt die Kraft (K1 )α (K1 )α = oder den Druck
∆(J1 )α = 2ma2 nα (u21 )α ∆t
(3.14)
66
3 Physikalische Grundlagen
(P1 )α =
(K1 )α = 2mnα (u21 )α . a2
(3.15)
Der Gesamtdruck, der auf die schraffierte Fl¨ache in der Abb. 3.8 ausge¨ ubt wird, fasst die Druckanteile (P1 )α aller unterschiedlichen Geschwindigkeiten (u1 )α zusammen. Will man den Gesamtdruck berechnen, so muss man u ¨ ber all diese Beitr¨ age summieren. Damit erh¨ alt man aus der obigen Gleichung: P1 =
Nx
(P1 )α = 2m
α=1
Nx
nα (u21 )α .
(3.16)
α=1
Dabei ist Nx die Anzahl der N -Molek¨ ule, die sich in x-Richtung bewegen. Die in der obigen Beziehung auftretende Summierung l¨asst sich durch die folgende Definition des Mittelwerts des Geschwindigkeitsquadrats u21 ersetzen: Nx
nα (u21 )α = nα (u21 ).
(3.17)
α=1
Hierbei ist nx die Gesamtzahl der sich im Mittel pro m3 in positive x1 −Richtung bewegenden Molek¨ ule, d.h. nx =
1 n, 6
(3.18)
wobei n die pro m3 vorhandene Anzahl der Molek¨ ule darstellt. u21 stellt das Quadrat des Effektivwertes“ der Molek¨ ulgeschwindigkeit dar, das nach den ” obigen Ableitungen wie folgt definiert ist: u21 =
Nx Nx 1 6 nα (u21 )α = nα (u21 )α . nx α=1 n α=1
(3.19)
Den thermodynamischen Druck P in einer freien Str¨omung definiert man u ucken in die jeweilige ¨ blicherweise als den Mittelwert der Summe aus den Dr¨ Raumrichtung: + 2, + 2, Ny Nx P = 13 (P1 + P2 + P3 ) = 13 mn α=1 nα u1 α + β=1 nβ u2 β + 2, z + N γ=1 nγ u3 γ = 13 mn
Nx Ny Nz α=1
β=1
γ=1 nαβγ
+
u21 + u22 + u23
, αβγ
= 13 mn(u2 ) Der auf die schraffierte Fl¨ ache aufgepr¨ agte Druck ist somit ebenfalls P =
1 mn(u2 ). 3
(3.20)
3.3 Transportvorg¨ ange in Newtonschen Fluiden
67
Da m die Masse eines Einzelmolek¨ uls ist und n die mittlere Anzahl der Molek¨ ule pro m3 , entspricht der Ausdruck (mn) der Dichte ρ in der Terminologie der Kontinuumsmechanik: 1 1 (3.21) P = mn(u2 ) = ρ(u2 ). 3 3 Also erh¨ alt man als Endbeziehung P =
1 ρ(u2 ). 3
(3.22)
Diese Beziehung enth¨ alt als Molek¨ ulgr¨ oße noch die mittlere Molek¨ ulgeschwindigkeit im Quadrat. Diese l¨ asst sich durch eine weitere Gr¨oße der Kontinuumsmechanik eliminieren, n¨ amlich die Temperatur T des idealen Gases, siehe dazu H¨ ofling [3.3]. Die mittlere kinetische Energie eines Molek¨ uls l¨asst sich nach dem Gleichverteilungssatz der statistischen Physik schreiben: ek =
1 3 m(u2 ) = kT 2 2
(3.23)
J wobei k = 1.380658 × 10−23 K die Boltzmannsche Konstante darstellt. Aus (3.22) und (3.23) folgt:
P =
k k 1 ρ(3 T ) = ρ T. 3 m m
(3.24)
Ber¨ ucksichtigt man ferner, dass gilt: k=
universelle Gaskonstante = , L Loschmidtsche Zahl
(3.25)
so l¨ asst sich angeben:
T ρ. (3.26) Lm M = Lm ist die Masse pro kmol eines idealen Gases, so dass mit υ = M/ρ geschrieben werden kann: P υ = T (3.27) P =
wobei υ das Gasvolumen pro kmol Gas darstellt, siehe dazu Bosnjakovic [3.4]. Streng genommen lassen sich die obigen Ableitungen nur f¨ ur ein einatomiges Gas unter der Annahme idealer Gaseigenschaften angeben. Sie lassen sich jedoch auf mehratomige Gase mit idealen Gaseigenschaften“ u ¨ bertra” gen, falls die in mehratomigen Gasen vorliegenden zus¨atzlichen Freiheitsgrade und die entsprechenden Anteile der inneren Energie eines Gases ber¨ ucksichtigt werden. Allgemein l¨ asst sich der Energieinhalt eines Gases wie folgt angeben: a (3.28) eges = kT 2 a gibt die Freiheitsgrade der Molek¨ ulbewegung an:
68
3 Physikalische Grundlagen
a = 3 bei einatomigen Gasen, a = 5 bei zweiatomigen Gasen, a = 6 bei drei- und mehratomigen Gasen, Die obigen Ableitungen haben gezeigt, dass sich Gesetzm¨aßigkeiten, die aus der Kontinuumsmechanik bekannt sind, durch molekulartheoretische ¨ Uberlegungen ableiten lassen. Dies bedeutet, dass die Gesetzm¨aßigkeiten der Kontinuumsmechanik, zumindest f¨ ur den hier abgeleiteten Druck, unter Einf¨ uhrung von Dichte und Temperatur konsistent sind mit den entsprechen¨ den Uberlegungen der mechanischen Theorie der Molek¨ ulbewegung. 3.3.3 Molek¨ ulbedingter Impulstransport Im Abschnitt 3.3.1 wurde einf¨ uhrend auf Transportvorg¨ange hingewiesen, die durch die thermische Bewegung der Molek¨ ule verursacht werden. Es wurde auf die Analogie zwischen Impulstransport und W¨arme- bzw. Stofftransport hingewiesen und herausgestellt, dass die in str¨ omungsmechanischen Betrachtungen verwendeten τij -Terme nicht als durch Reibung verursacht“ zu ver” stehen sind, d.h. sie stellen physikalisch keine Schubspannung“ dar, sondern ” pro Fl¨ achen- und Zeiteinheit auftretende molek¨ ulbedingte Impulstransporte. Dabei stellt der Index i die betrachtete Transportrichtung dar und j die Richtung des betrachteten Impulses. Um eine Einf¨ uhrung in eine physikalisch korrekte Betrachtung des molek¨ ulbedingten Impulstransportes geben ¨ zu k¨ onnen, werden die unten aufgef¨ uhrten Uberlegungen f¨ ur ein ideales Gas angestellt, wobei nur ein x1 -Impulstransport in x2 -Richtung betrachtet wird, d.h. der Term τ21 . F¨ ur die folgenden Herleitungen werden vereinfachte, aber dennoch molekulartheoretisch korrekte Betrachtungen durchgef¨ uhrt. Es wird folgendes einfache Modell einer Molek¨ ulbewegung verwendet: Jeweils 1/6 aller Molek¨ ule bewegt sich mit Geschwindigkeiten (−¯ u, 0, 0), (¯ u, 0, 0) in die x1 -Richtung, u), (0, 0, u ¯) in die x3 (0, −¯ u, 0), (0, u ¯, 0) in die x2 -Richtung und mit (0, 0, −¯ Richtung, d.h. die mittlere Molek¨ ulgeschwindigkeit hat den Betrag u ¯ parallel zu den Koordinatenachsen. Geht man von einer Molek¨ ulkonzentration pro Volumeneinheit aus, d.h. von n Molek¨ ulen pro m3 , so bewegt sich im Mittel 1/3 von ihnen mit der Geschwindigkeit u ¯ in x2 -Richtung, und davon wieder im Mittel die H¨alfte, also n/6 Molek¨ ule pro Volumeneinheit, jeweils in negativer und positiver x2 u) Richtung. Im Mittel durchqueren daher pro Zeit- und Fl¨acheneinheit ( 13 n¯ Molek¨ ule die x2 =const Ebene, die in Abb. 3.9 schraffiert angedeutet ist. Die Molek¨ ule, welche die x2 = const Ebene in positiver x2 -Richtung durchqueren, sind im Mittel das letzte Mal im Abstand l mit Molek¨ ulen unterhalb der Ebene zusammengestoßen, wobei l die mittlere freie Wegl¨ange der Molek¨ ulbewegung darstellt. Die von unten kommenden Molek¨ ule besitzen also die mittlere Geschwindigkeit, welche das str¨omende Medium in der
3.3 Transportvorg¨ ange in Newtonschen Fluiden
x 1
(x 2+ l )
2
D x 1
}
U
69
x 1
}
D x
} l } l
x
U 3
1
3
(x 2 - l )
Abbildung 3.9: Molekularbewegung und Schubspannung (Prinzipskizze zur Ableitung)
Ebene (x2 − l) besitzt. Infolgedessen transportieren die Molek¨ ule in positiver x2 -Richtung einen x1 -Impuls, der sich im Mittel wie folgt angeben l¨asst: ∆I1 =
1 n¯ u[mU1 (x2 − l)]∆t ∆x1 ∆x3 . 6
(3.29)
Dies ist mit einer pro Zeit- und Fl¨ acheneinheit angebbaren Kraftwirkung τ21 verbunden, d.h. mit einer Kraftwirkung, die infolge eines x1 -Impulses entsteht, der durch einen Molek¨ ulstrom in positiver x2 -Richtung zustande kommt: 1 ∆I1 1 + τ21 uU1 (x2 − l). = = mn¯ (3.30) ∆t ∆x1 ∆x3 6 Analog l¨ asst sich f¨ ur den Molek¨ ulstrom, der die Ebene x2 = const in negatiauft, ein x1 -Impulstransport angeben. F¨ ur diesen l¨asst ver x2 -Richtung durchl¨ sich eine Wirkung pro Fl¨ acheneinheit ausrechnen, die untenstehend angegeben ist: 1 − uU1 (x2 + l). = − mn¯ (3.31) τ21 6 Damit gilt f¨ ur den gesamten Impulseintrag pro Fl¨acheneinheit, welcher durch die Ebene x2 = const erfolgt: + − + τ21 = τ21 = τ21
1 mn¯ u[U1 (x2 − l) − U1 (x2 + l)]. 6
(3.32)
F¨ ur die Geschwindigkeiten U1 (x2 − l) und U1 (x2 + l) lassen sich durch TaylorReihenentwicklungen angeben: ∂U1 U1 (x2 − l) = U1 (x2 ) − l + ··· , (3.33) ∂x2 ∂U1 l + ··· , (3.34) U1 (x2 + l) = U1 (x2 ) + ∂x2 damit erh¨ alt man τ21
∂U1 1 u −2 = mn¯ l , 6 ∂x2
(3.35)
70
d.h.
3 Physikalische Grundlagen
1 ul τ21 = − mn¯ 3
∂U1 ∂x2
= −µ
∂U1 ∂x2
.
(3.36)
Damit wurde u aherungsbetrachtungen mittels molekulartheoretischer ¨ ber N¨ Ans¨ atze die Proportionalit¨ at der auftretenden Kraftwirkung infolge Molek¨ ulbewegung mit dem vorliegenden Geschwindigkeitsgradienten des Str¨omungsfeldes abgeleitet. Die Ableitungen deuten an, dass man die Molek¨ ulbewegung als Ursache des Impulstransportes und damit der Kraftwirkung verstehen kann, wenn man dem Kontinuum die Viskosit¨at µ als eine Materialeigenschaft zuschreibt. F¨ ur ein ideales Gas gilt: µ=
1 1 mn¯ ul = ρ¯ ul. 3 3
Ber¨ ucksichtigt man die folgende Beziehung: 1 8kT u¯ = ; l= √ . πm 2d2 πn
(3.37)
(3.38)
wobei d ein Maß f¨ ur den Molek¨ uldurchmesser darstellt, so erh¨alt man: √ 2 mkT µ= . (3.39) 3π 3/2 d2 √ Diese Beziehung sagt f¨ ur ein ideales Gas aus, dass µ ∼ T ist, also mit zunehmender Temperatur anw¨ achst. Des Weiteren nimmt die Viskosit¨at eines √ idealen Gases mit der Molek¨ ulmasse zu, µ ∼ m, w¨ahrend mit zunehmender Molek¨ ulgr¨ oße die Viskosit¨ at abnimmt, µ ∼ (1/d2 ). Die oben aufgef¨ uhrten Betrachtungen sind als Einf¨ uhrung in die Ableitungen von kontinuumsmechanischen Eigenschaften von Fluiden unter Benutzung mittlerer molekularer Gr¨ oßen durchgef¨ uhrt worden. Nur eine Transportrichtung wurde ber¨ ucksichtigt und nur der x1 −Impuls wurde in die Betrachtungen einbezogen. ur Newtonsche Medien u Der komplette τij -Term wird in Abschnitt 5 f¨ ¨ ber vollst¨ andige Betrachtungen zum Impulstransport in idealen Gasen abgeleitet. Es wird gezeigt, dass er im wesentlichen drei Terme umfasst, die alle physikalisch u ¨ ber Betrachtungen zum Impulstransport in idealen Gasen angegeben werden k¨ onnen. Eine Verallgemeinerung der Betrachtungen auf Impulstransportvorg¨ ange in Fl¨ ussigkeiten ist m¨ oglich, wird jedoch im Rahmen des vorliegenden Buches nicht vorgenommen. 3.3.4 Molek¨ ulbedingter W¨ arme- und Stofftransport in Gasen Ist die Temperatur in einem System r¨ aumlich nicht konstant, so ist dieses System nicht thermisch homogen und Energie (W¨arme) wird aus Gebieten
3.3 Transportvorg¨ ange in Newtonschen Fluiden
71
ur h¨ oherer Temperatur in Gebiete mit niederer Temperatur u ¨bertragen“. F¨ ” das in Abb. 3.10 vorliegende eindimensionale Problem wird pro Fl¨achen- und Zeiteinheit der W¨ armestrom q˙x2 = Q/(∆t∆x1 ∆x3 ) fließen, der proportional dem an der Position x2 = 0 vorliegenden Temperaturgradienten ist; dies ist aus Experimenten bekannt, d.h. es gilt. q˙x2 = q˙2 = −λ
x
(3.40)
2
D x 1
}
T (x 2+ l )
∂T . ∂x2
x 1
}
D x
} l } l
x 3
3
T (x 2 - l )
Abbildung 3.10: Von Molek¨ ulen verursachter W¨ armetransport durch eine Ebene (Prinzipskizze zur Ableitung)
Die Proportionalit¨ atskonstante λ wird als die W¨armeleitf¨ahigkeit des Fluids (des Stoffes) bzw. als der W¨ armeleitkoeffizient des Fluids bezeichnet. In dem vorliegenden Abschnitt sollen Betrachtungen angestellt werden, die geeignet sind, die physikalischen Ursachen der W¨armeleitung vom Standpunkt der Molekulartheorie der Materie zu verstehen. Gezeigt werden soll dies wiederum f¨ ur das Modell des idealen Gases, das wegen seiner Einfachheit der Darstellung der Molek¨ ulbewegung f¨ ur die angestrebten Ableitungen am besten geeignet ist. Betrachtet man eine Ebene x2 = const in einem idealen Gas, in dem ein Temperaturgradient, angebbar als Ableitung von T (x2 ) vorliegt, so l¨asst sich die W¨ armeleitung durch die Ebene x2 = const dadurch erkl¨aren, dass Molek¨ ule in beiden Richtungen die Ebene durchqueren und hierbei W¨arme” energie“ mit sich f¨ uhren. Ist (∂T /∂x2 ) > 0, so haben die Molek¨ ule, welche die Ebene von oben nach unten durchqueren, eine gr¨oßere mittlere Energie als die Molek¨ ule, welche die Ebene in entgegengesetzter Richtung durchlaufen. Der W¨ armestrom durch die Ebene x2 = const l¨asst sich nun als Differenz der Energietransporte erl¨ autern, welche von den gegenl¨aufigen Molek¨ ulstr¨omen herr¨ uhren. Es lassen sich folgende Gleichungen angeben: Energiefluss in positiver x2 -Richtung: q˙2+ =
1 n¯ ue(x2 − l) 6
(3.41)
72
3 Physikalische Grundlagen
Hierbei ist n die Anzahl der Molek¨ ule, die pro Volumeneinheit vorliegt, u¯ die Molek¨ ulgeschwindigkeit und ( 16 n¯ u) die Molek¨ ulanzahl, die pro Fl¨achenund Zeiteinheit die betrachtete Fl¨ ache in positiver x2 -Richtung im Mittel u ule hatten, im Mittel, zuletzt Kontakt mit anderen ¨ berquert. Diese Molek¨ Molek¨ ulen in einer Ebene, die von der betrachteten x2 -Ebene die Distanz der mittleren freien Wegl¨ ange der Molek¨ ule besitzt. Bez¨ uglich des Energieinhal” ule tes“ des Molek¨ ulstroms durch x2 = const ist zu sagen, dass die Molek¨ dort die Energie innehaben, welche an der Stelle (x2 − l) den Elementen eines idealen Gases zu eigen ist, d.h. die Energie e(x2 − l). Analog gilt f¨ ur den Energiestrom durch die Ebene x2 = const in negativer x2 -Richtung, siehe Reif [3.8]: 1 ue(x2 + l) q˙2− = − n¯ 6
(3.42)
Der W¨ armefluss ergibt sich als die Differenz der molek¨ ulbedingten Energiestr¨ ome, d.h. es gilt: q˙2 = q˙2+ − q˙2− =
1 n¯ u[e(x2 − l) − e(x2 + l)] 6
(3.43)
Durch Taylor-Reihenentwicklungen erh¨ alt man f¨ ur die ersten Glieder: ∂e 1 ∂2e 2 e(x2 − l) = e(x2 ) − (3.44) l+ l − ··· ∂x2 2 ∂x22 ∂e 1 ∂2e 2 e(x2 + l) = e(x2 ) + (3.45) l+ l + ··· ∂x2 2 ∂x22 F¨ ur die Differenz e(x2 − l) − e(x2 + l) erh¨ alt man in erster N¨aherung: ∂e e(x2 − l) − e(x2 + l) = −2l + ··· (3.46) ∂x2 und damit f¨ ur den W¨ armefluss: ∂e ∂e ∂T 1 1 ul ul = − n¯ q˙2 = − n¯ 3 ∂x2 3 ∂T ∂x2
(3.47)
Aus den in Abschnitt 3.3.2 angegebenen Ableitungen gilt f¨ ur die W¨arme” energie“ eines Molek¨ uls: e = ek =
3 kT 2
∂e 3 = k = cv ∂T 2
(3.48)
Die Boltzmann-Konstante k ist somit als ein Maß der W¨armekapazit¨at cv eines Molek¨ uls zu verstehen. Ber¨ ucksichtigt man wieder 1 8kT ; l= √ (3.49) u ¯= πm 2d2 πn
3.3 Transportvorg¨ ange in Newtonschen Fluiden
73
so erh¨ alt man mit (3.40) und (3.47) 1 λ= 2 d
# 3 k T π m
(3.50)
Analog zur Viskosit¨ at nimmt die W¨ armeleitf¨ ahigkeit mit steigender Tempe√ ulgr¨ o ße ab λ ∼ (1/d2 ). Sie nimmt jedoch ratur zu, λ ∼ T und mit der Molek¨ √ auch mit der Molek¨ ulmasse ab, λ ∼ (1/ m). ¨ ¨ Ahnlich den Uberlegungen zur W¨ armeleitung, bei der molek¨ ulbedingte W¨ armetransportvorg¨ ange zu Temperaturausgleichsvorg¨angen f¨ uhren, bewirken r¨ aumlich unterschiedliche Konzentrationen einer bestimmten Teilchensorte Konzentrationsausgleichsvorg¨ ange, die mit dem Begriff Diffusion“ be” zeichnet werden. Um solche Vorg¨ ange zu verfolgen, k¨onnten von einer Gassorte einige Teilchen radioaktiv markiert sein. Im Gleichgewicht sind diese markierten Teilchen gleichm¨ aßig u ugung stehende Volumen ¨ ber das zur Verf¨ verteilt. Ist die Konzentration der markierten Teilchen aber ortsabh¨angig wobei die Gesamtzahl der Teilchen pro Volumeneinheit konstant sein soll - so stellt dieser Zustand ein Nichtgleichgewicht dar, das sich im Laufe der Zeit durch Diffusion ausgleichen wird. Erm¨ oglicht wird dieser Ausgleich durch die thermische Bewegung der Molek¨ ule. Es zeigt sich, dass zur mathematischen Beschreibung von Diffusionsvorg¨ angen die Gleichung ∂c (3.51) m ˙ 2 = −D ∂x2 verwendet werden kann, das sogenannte Ficksche Gesetz. Dabei ist m ˙ 2 der Massenstrom, der pro Zeit- und Fl¨acheneinheit parallel zur x2 -Richtung durch eine Ebene x2 = const fließt, D die Diffusionskonstante und c die ortsabh¨ angige Konzentration der markierten Substanz. Das Minuszeichen bringt zum Ausdruck, dass sich die Teilchen vom Ort h¨oherer Konzentration zum Ort niederer Konzentration bewegen. Analog zu den mo-
x
D x 1
}
c (x 2+ l )
2
x 1
}
D x
} l } l
x 3
3
c (x 2 - l )
Abbildung 3.11: Transport von markierten Molek¨ ulen durch eine Ebene (Prinzipskizze zur Ableitung)
74
3 Physikalische Grundlagen
lekulartheoretischen Betrachtungen der W¨ armeleitung f¨ uhren die untenste¨ henden Uberlegungen zu einer Ableitung der Diffusionsgleichung und zu einer Beziehung, welche die Diffusionskonstante in Molek¨ ulgr¨oßen angibt. Wiederum gilt, dass sich der Gesamtstrom der Teilchen durch eine Ebene x2 = const als Differenz der Teilstr¨ ome in positiver bzw. negativer x2 -Richtung darstelache ∆x1 ∆x3 der betrachteten len l¨ asst. In positiver x2 -Richtung wird die Fl¨ Ebene von den Teilchen durchquert, deren Abstand nicht gr¨oßer als u ¯∆t von der Ebene ist, also von 16 ∆x1 ∆x3 u ¯∆tc(x2 ) Teilchen. Betrachtet man den Teilchenstrom in positiver x2 -Richtung pro Zeit- und Fl¨ acheneinheit, so gilt, siehe Reif [3.8]: 1 u ¯c(x2 − l). (3.52) 6 Relevant ist die Teilchenkonzentration, die in der Entfernung l von der betrachteten Ebene vorliegt. Entsprechend gilt f¨ ur den Strom in negativer x2 -Richtung: 1 ¯c(x2 + l). m ˙− (3.53) 2 = − u 6 Mit den folgenden Taylorreihenentwicklungen: ∂c c(x2 − l) = c(x2 ) − l + ··· (3.54) ∂x2 ∂c c(x2 + l) = c(x2 ) + l + ··· (3.55) ∂x2 ergibt sich f¨ ur die gesuchte Gr¨ oße m ˙+ 2 =
m ˙2=m ˙+ ˙− 2 +m 2
(3.56)
1 ∂c ¯l m ˙2=− u (3.57) 3 ∂x2 Der Vergleich mit der Diffusionsgleichung zeigt, dass die Diffusionskonstante D zu 1 D= u ¯l (3.58) 3 bestimmt wurde. Setzt man wiederum 1 8kT ; l= √ , (3.59) u ¯= πm 2d2 πn so erh¨ alt man kT 2 1 . (3.60) D= 3 nd2 π 3 m Dieser Gleichung kann entnommen werden, dass die Diffusion mit der Tem√ peratur zunimmt, D ∼ T und auch mit abnehmender Molek¨ ulmasse, D ∼ √ ulgr¨oße vor, D ∼ (1/d2 ) 1/ m. Dagegen liegt eine Abnahme mit der Molek¨ und auch mit der Dichte des Gases ρ = nm, D ∼ (1/ρ).
3.4 Viskosit¨ at von Fluiden
75
3.4 Viskosit¨ at von Fluiden Der molekular bedingte Impulstransport in str¨ omenden newtonschen Fluiden l¨ asst sich allgemein angeben:3 ∂Uj ∂Uk ∂Ui τij = −µ + . (3.61) − µ δij ∂xi ∂xj ∂xk Die auftretende Stoffgr¨ oße µ wird als dynamische Scherviskosit¨at eines Newtonschen Mediums bzw. als der Scherviskosit¨ atskoeffizient des Fluids bezeichnet. Der zweite Koeffizient µ wird dynamischer Expansionsviskosit¨atskoeffizient genannt und erweist sich f¨ ur ein Newtonsches Medium als wie folgt angebbar: 2 (3.62) µ = − µ, 3 wobei die Einheiten identisch sind, [µ] = [µ ]. Die dynamische Scherviskosit¨ at ist eine thermodynamische Eigenschaft des Fluids und ist somit im Allgemeinen temperatur- und druckabh¨ angig. F¨ ur ein Newtonsches Medium ∂U i erweist sich µ als unabh¨ angig von ij = 12 ∂xij + ∂U ∂xj , d.h. τij ist linear mit den in einer Str¨ omung auftretenden Geschwindigkeitsgradienten bzw. mit den lokalen Fluidelementdeformationen verbunden. Ist der Zusammenhang τij (ij ) nichtlinear, so spricht man von nichtnewtonschen Fluidviskosit¨aten. Abb. 3.12 skizziert einige dieser m¨ oglichen nichtnewtonschen Fluideigenschaften. Fluide k¨ onnen pseudoplastisches Verhalten zeigen, d.h. mit zunehmender Scherrate neigt das Fluid zu geringeren Viskosit¨aten. Dilatante Fluide weisen dagegen eine Erh¨ ohung der Viskosit¨ at mit Vergr¨oßerung der Deformationsrate auf, und man bezeichnet sie deshalb als shear thickening fluids“. In dem ” Diagramm ist ein Bingham-Fluid mit eingezeichnet, das sich durch einen Grundwert von |τij | auszeichnet, ab dem es erst zu fließen beginnt. Da sich das vorliegende Buch auf die Behandlung Newtonscher Medien konzentriert, dienen die in der Abb. 3.12 angedeuteten nichtnewtonschen Fluideigenschaften nur dem Hinweis, dass es Fluide mit komplexeren Fluideigenschaften gibt als die Fluideigenschaften Newtonscher Medien, die in dem vorliegenden Buch behandelt werden. Auch f¨ ur Fl¨ ussigkeiten h¨ angt die dynamische Viskosit¨at eines Newtonschen Fluids indirekt mit den molekularen Interaktionen zusammen und kann daher als eine thermodynamische Eigenschaft angesehen werden, die mit der Temperatur und mit dem Druck variiert. Eine komplette Theorie dieser Viskosit¨ at als Transporteigenschaft in Gasen und Fl¨ ussigkeiten befindet sich noch in der Entwicklung, wie in dem Buch von Hirschfelder et al. [3.5] nachgelesen werden kann. F¨ ur eine ganze Klasse von Fluiden kann die Funktion µ[T, p] in einer Darstellung angegeben werden, die von Kennard (1941), siehe [3.6] vorgestellt wurde, und die sich einer normierten Darstellung bedient, 3
siehe Abschnitt 5
76
3 Physikalische Grundlagen
t t B in g h a m
P la s tis c h
Z u n a h m e m it d e r Z e it = R h e o p e k tis c h
Z e itu n a b h ä n g ig
P se u d o p la s tis c h
D ila ta n t A b n a h m e m it d e r Z e it = T h ix o tro p is c h N e w to n is c h
e t
= D e fo rm a tio n s ra te = M o le k u la re Im p u ls ra te p ro F lä c h e n e in h e it
e
U n te rs u c h u n g e n w e rd e n u n te r k o n s ta n te r D e fo rm a tio n s ra te e d u rc h g e fü h rt
e
Abbildung 3.12: Eigenschaften Newtonscher und nichtnewtonscher Fluide
derart, dass alle Werte u ¨ ber die korrespondierenden Gr¨oßen beim kritischen Zustand normiert werden, d.h. es erfolgt eine Darstellung: T P µ =f , . (3.63) µc Tc Pc Diese Darstellung ist in Abb. 3.13 gegeben. Sie zeigt auf, dass die Viskosit¨ at stets mit dem Druck zunimmt. Die Viskosit¨at von Fl¨ ussigkeiten nimmt mit der Temperatur ab, und f¨ ur Gase, unter atmosph¨arischen Bedingungen, ergibt sich im allgemeinen eine Zunahme der Viskosit¨at mit der Temperatur. F¨ ur Gase ergibt sich zudem nur eine sehr schwache Abh¨angigkeit der Viskosit¨ at vom Druck, der u ¨ blicherweise bei der Behandlung von gasdynamischen Betrachtungen vernachl¨ assigt wird. Zusammenfassend l¨asst sich aus Abb. 3.13 ableiten: – – – –
Die Viskosit¨ at von Fl¨ ussigkeiten nimmt rapide mit steigender Temperatur des Fluids ab. Die Viskosit¨ at von Gasen nimmt mit steigender Temperatur f¨ ur zumindest moderate Druckwerte zu. Die Viskosit¨ at nimmt f¨ ur alle Fl¨ ussigkeiten mit dem Druck zu. Die Druckabh¨ angigkeit der Viskosit¨ at f¨ ur Gase und Fl¨ ussigkeiten ist vernachl¨ assigbar.
Die oben zuletzt genannte Eigenschaft basiert auf dem Sachverhalt, dass f¨ ur die meisten Fluide der kritische Druck h¨ oher als 10 atm liegt und damit bei atmosph¨ arischen Dr¨ ucken die oben angegebene Bedingung sehr gut erf¨ ullt ist. Was die Theorie der Stoffeigenschaften von Gasen unter Druckbedingungen P < Pc anbetrifft, so ist diese sehr gut entwickelt und auf der Basis von
3.4 Viskosit¨ at von Fluiden
1 0 ,0
77
F lü s s ig k e its v e rh a lte n
8 ,0
m
m
c
Z u n a h m e d e r V is k o s itä t m it d e m D ru c k
m r=
5 ,0
D ic h te fü r G a se
Z w e ip h a se n g e b ie t
2 5 1 0
2 ,0 5
K ritis c h e r P u n k t
1 ,0
·
0 ,8
P r
V is k o s itä ts e rh ö h u n g fü r G a se m (T ) 3
1
0 ,5
0 ,5
2
= 0 ,2 G re n z e n ie d e re r D ic h te
0 ,2 0 ,4
0 ,6 0 ,8
1 ,0
2 ,0
T
5 ,0 r
= T
8 ,0 1 0 ,0
T c
Abbildung 3.13: Normierte Viskosit¨ at als Funktion der mit den kritischen Werten normierten Druck- und Temperaturwerte aus Bird et al. [3.1]
Maxwell (1831 - 1879) bis heute weiterentwickelt worden, siehe Hirschfelder et al. [3.6] und Present [3.3]. All diese Theorien basieren auf Vorstellungen, wie sie in Abschnitt 3.3 erl¨ autert wurden. Danach geht die gemessene dynamische Viskosit¨ at eines Fluids aus dem statistischen Mittel des molek¨ ulbedingten Transportes des Impulses der Fluidbewegung hervor. F¨ ur Gase ergibt sich f¨ ur die dynamische Viskosit¨ at: µ=
2 ρlc 3
(3.64)
Dabei ist ρ die Fluiddichte, l die mittlere freie Wegl¨ange der Molek¨ ulbewegung und c = Schallgeschwindigkeit des Gases. F¨ ur Gase unter Normaldruck-
78
3 Physikalische Grundlagen
bedingungen ist ρl ≈ const. Genauere Betrachtungen zeigen jedoch, dass ρl geringf¨ ugig mit der Temperatur zunimmt. Diese Eigenschaft kann durch das sogenannte Kollisionsintegral Ωs beschrieben werden. Nach Chapman & Cowling [3.5] ergibt sich: √ 210−3 M T (3.65) µ= σ 2 Ωs In dieser Formel ist M = Molekulargewicht des Gases, T = absolute Temperatur, σ = Stoßquerschnitte der Molek¨ ule und Ωs = 1 f¨ ur nur beim Stoß interagierende Molek¨ ule. Liegen komplexere Molek¨ ulinteraktionen vor, so gilt es, Ωs nach der untenstehenden Formel zu berechnen: Ωs ≈ 1.147
T Tc
−0,145 +
T + 0, 5 Tc
−2,0 (3.66)
Tab 3.1: Angaben f¨ ur Stockmayer Stoßintegralwerte zur Viskosit¨ atsbestimmung von Gasen T ∗ = T /Tc
Ωs
Ωs Gl. (3.66)
0.3
2.840
2.928
1.0
1.593
1.591
3.0
1.039
1.060
10.0
0.8244
0.8305
30.0
0.7010
0.7015
100.0
0.5887
0.5884
400.0
0.4811
0.4811
Die aus dem Stockmayerpotential ermittelten Werte, siehe Bird et al. [3.4], sind in Tabelle 3.1 mit den Werten aus der obigen Approximationsbeziehung verglichen. F¨ ur Routineberechnungen l¨ asst sich verwenden n T µ ≈ (3.67) µ0 T0 Dabei sind µ0 und T0 korrespondierende Referenzwerte, die aus Messungen oder aus Berechnungen erhalten wurden. F¨ ur den Exponenten n ergibt sich ein Wert, der etwa bei 0, 7 liegt. Genauere Werte von n sind in Tabelle 3.2 f¨ ur verschiedene Gase enthalten.
3.5 Bilanzbetrachtungen und Erhaltungss¨ atze
79
Weitergehende Betrachtungen wurden von Sutherland angegeben, dessen Betrachtungen auf einem intermolekularen Kr¨ aftepotential mit anziehendem Anteil basierten. Die daraus resultierende Sutherland-Formel lautet: 32 T µ T0 + S (3.68) ≈ µ0 T0 T +S In dieser Beziehung ist S eine effektive Temperatur, die sogenannte Suther” land Konstante“. Diese ist in Tabelle 3.2 mit angegeben. Tab 3.2: Werte zur Berechnung der dynamischen Viskosit¨ at von Gasen nach der Sutherland-Formel (3.68) Gas
T0 µ0 n [K] [m P a ∗ s]
Fehler Temperatur[%] bereich [K]
S [K]
Temperaturbereich f¨ ur ±2% Fehler [K]
Luft
887.65 0.01716
0.666 ± 4 745.65-4548.15 521.90 648.15-4548.15
Ar
887.65 0.02125
0.72
± 3 723.15-3648.15 598.15 548.15-3648.15
CO2
887.65 0.01370
0.79
± 5 744.4 -4098.15 773.15 700.65-4098.15
CO
887.65 0.01657
0.71
± 2 790.65-3648.15 579.40 565.65-3648.15
N2
887.65 0.01663
0.67
± 3 773.15-3648.15 513.15 498.15-3648.15
O2
887.65 0.01919
0.69
± 2 790.65-4773.15 585.65 691.90-4773.15
H2
887.65 0.008411
0.68
± 2 453.15-2748.15 490.65 778.15-2748.15
1.04
± 3 903.15-3648.15 2210.65 1085.65-3648.15
Wasserdampf 1210.65 0.01703
3.5 Bilanzbetrachtungen und Erhaltungss¨ atze Bevor Detailbetrachtungen str¨ omungsmechanischer Vorg¨ange erfolgen, sind einige Bemerkungen zur Informationsgewinnung in der Str¨omungsmechanik erforderlich, insbesondere der Informationsgewinnung in der analytischen Str¨ omungsmechanik, die in diesem Buch vorrangig behandelt wird. Ausgehend von Erhaltungss¨ atzen, setzt die analytische Str¨omungsmechanik deduktive Methoden ein, um anstehende Probleme zu l¨osen, d.h. um Aussagen u ¨ ber vorliegende Str¨ omungsprobleme machen zu k¨ onnen. Hierbei bedient man sich abgeleiteter Beziehungen, die auf Bilanzbetrachtungen aufbauen, wie sie dem Leser aus anderen Gebieten der Natur- und Ingenieurwissenschaften oder ¨ auch aus allt¨ aglichen Uberlegungen bekannt sind. In vielen Bereichen des t¨ aglichen Lebens gewinnt man, ausgehend von intuitivem Wissen u ¨ ber die
80
3 Physikalische Grundlagen
Existenz von Erhaltungss¨ atzen, aus Bilanzbetrachtungen n¨ utzliche Informationen, die man u ¨ ber definierte Gebiete, Bereiche, Zeiten, etc. anstellt, inner¨ halb derer interessierende Gr¨ oßen Variationen erfahren. Wie die Anderungen im Detail erfolgen, ist oftmals nicht von Interesse, sondern es interessieren nur die Anfangs- und Endzust¨ ande“ der betrachteten Gr¨oßen. Diese ¨andern ” sich infolge von Zu- und Abfl¨ ussen“, und es lassen sich Beziehungen zwischen ” ¨ Anderungen innerhalb der betrachteten Gebiete, Bereiche und Zeitr¨aume und den erfolgenden Zu- und Abfl¨ ussen“ angeben. So stellt man z.B. Betrach” tungen u ogensverh¨ altnisse an, indem man Bilanzen u ¨ ber Verm¨ ¨ ber Einnahmen und Ausgaben aufstellt, um u ¨ber diese Informationen Aussagen u ¨ ber den Verlauf der finanziellen Lage von Betrieben bzw. Personen zu gewinnen. Es ließen sich noch viele Beispiele dieser Art angeben, welche die Bedeutung von Bilanzen zur Informationsgewinnung im t¨ aglichen Leben verdeutlichen. Das Aufstellen von Bilanzen u oßen wie z.B. Masse, Impuls, Ener¨ ber Gr¨ gie, etc. finden wir in fast allen Bereichen der Natur- und Ingenieurwissen¨ schaften. Uber diese Bilanzen werden, mit Hilfe vorliegender Erhaltungss¨atze, Grundgleichungen aufgestellt, deren L¨ osung zu den gew¨ unschten Informationen u oßen, bei vorgegebenen Anfangs- und Randbedingungen, f¨ uhrt. ¨ ber Gr¨ Um eindeutige Ergebnisse zu erhalten, m¨ ussen die Bilanzbetrachtungen nicht nur auf g¨ ultigen Erhaltungss¨ atzen aufbauen (Massenerhaltung, Energieerhaltung, Impulserhaltung, etc.), sondern auch auf eindeutig spezifizierte Gebiete angewandt werden. Das Gebiet bzw. der Bereich, u ¨ ber den Bilanzen aufgestellt werden, muss genau definiert sein, um die Eindeutigkeit der abgeleiteten Grundgesetze zu gew¨ ahrleisten. Eine Beziehung, die durch Betrachtungen eines Bereiches abgeleitet wurde, ist im allgemeinen nicht anwendbar wenn Bereichs¨ anderungen stattgefunden haben und diese in die Beziehungen nicht eingearbeitet wurden. Die Str¨ omungsmechanik baut auf den Grundgesetzen der Mechanik und der Thermodynamik auf, und verwendet in den Ableitungen zudem Zustandsgleichungen, um Zusammenh¨ ange zwischen den Zustandsgr¨oßen des Str¨ omungsfluids zu beschreiben. Diese Zustandsgr¨oßen variieren im Laufe der Zeit bzw. ¨ andern sich im Raum, doch erfolgen die Zustands¨anderun¨ gen in Ubereinstimmung mit den entsprechenden Zustandsgleichungen unter Einhaltung der Erhaltungss¨ atze. Zur Ableitung der str¨omungsmechanischen Grundgleichungen stehen folgende physikalischen Grundgesetze zur Verf¨ ugung: – – – – –
Massenerhaltungsgesetz Impulserhaltungsgesetz Energieerhaltungsgesetz Erhaltungsgesetze f¨ ur chemische Spezies Zustandsgleichungen
3.5 Bilanzbetrachtungen und Erhaltungss¨ atze
81
Die oben aufgef¨ uhrten Grundgesetze lassen sich nun auf verschiedene Bi” lanzbereiche“ anwenden. Dabei ist die Gr¨ oße des Bilanzraumes im allgemeinen unwichtig, und es k¨ onnen infinitesimal kleine Bilanzbereiche herangezogen werden (Differentialbetrachtungen) oder endliche Volumina (Integralbetrachtungen). Des Weiteren k¨ onnen die Bereiche in verschiedenen Koordinatensystemen liegen und selbst Eigenbewegungen ausf¨ uhren (Lagrangesche und Eulersche Betrachtungsweise). Im allgemeinen ist es u ¨ blich, einen einmal gew¨ ahlten Bilanzbereich beizubehalten, doch ist dies nicht unabwendbar not¨ wendig. Anderungen k¨ onnen zugelassen werden, solange diese bekannt sind und in den durchzuf¨ uhrenden Betrachtungen ber¨ ucksichtigt werden k¨onnen. In der Str¨ omungsmechanik macht man im allgemeinen nur bei integralen Betrachtungen, d.h. bei der Aufstellung von Bilanzen u ¨ ber große Bilanzr¨aume von der M¨ oglichkeit Gebrauch, diese Bilanzen u ¨ ber verschiedene, m¨oglichst g¨ unstige Bereiche aufzustellen. Bei differentiellen Betrachtungen findet man ¨ im allgemeinen nur Uberlegungen zu Bilanzen mit bewegten Fl¨ ussigkeitselementen (Lagrangesche Betrachtungsweise) oder raumfesten Elementen (Eulersche Betrachtungsweise). Beide sind streng zu unterscheiden, und Bilanzen sollten stets nur f¨ ur den Lagrangeschen Bilanzraum und den Eulerschen Bilanzraum getrennt angestellt werden. Gemischte Betrachtungen f¨ uhren im allgemeinen zu Fehlern, doch sind Transformationen der Endgleichungen m¨ oglich. So ist es in der Str¨ omungsmechanik u ur ein Fluidelement ¨ blich, die f¨ abgeleiteten Bilanzbeziehungen auf raumfeste Koordinatensysteme zu transformieren und dadurch Bilanzbeziehungen f¨ ur konstante Volumina zu erhalten. Die Zusammenh¨ ange zwischen Betrachtungen in bewegten Fluidelementen und raumfesten Koordinatensystemen werden angegeben und die f¨ ur die Transformation erforderlichen Gleichungen abgeleitet. Besonderer Wert wird hierbei auf das physikalische Verst¨ andnis der prinzipiellen Zusammenh¨ange gelegt, so dass Vor- und Nachteile der verschiedenen Betrachtungsweisen klar werden. Die Vorteile der Eulerschen Form“ der Grundgleichungen werden ” im Hinblick auf die f¨ ur L¨ osungen aufzupr¨ agenden Randbedingungen herausgestellt. Dagegen erlauben die Lagrangeschen Betrachtungen, physikalisches Wissen u orper auf str¨omungsmechanische Be¨ber die Mechanik bewegter K¨ trachtungen zu u ¨bertragen. Gibt man die Grundgleichungen in Lagrangeschen Variablen an, so ergeben sich f¨ ur ein Fluidelement folgende Gleichungen: 1 • Massenerhaltung :
d(δm) =0 dt
• 2. Newtonsches Gesetz :
d [(δm) (Uj ) ] = (Mj ) + (∆I˙j ) + (Oj ) dt
1
Die Ableitung dieser Gleichungen erfolgt in Abschnitt 5. Sie werden hier vorab angegeben, um physikalische Grundkenntnisse zu erl¨ autern, die aus der Physik u ¨ bernommen werden.
82
3 Physikalische Grundlagen
• Energieerhaltung :
1 d(δV ) d d (e) = (q) ˙ − P + φdiss dt dt δV dt
• Zustandsgleichungen : e = f (P , T ) und P = f (ρ , T ) Die obigen zusammenfassenden Darstellungen machen deutlich, dass generell in str¨ omungsmechanische Betrachtungen auch Gesetzm¨aßigkeiten eingehen, die u ¨blicherweise in der Thermodynamik behandelt werden, z.B. die Energiegleichung (1. Hauptsatz der Thermodynamik) und Zustandsgleichungen von Fl¨ ussigkeiten und Gasen. Wie in Kapitel 5 gezeigt wird, lassen sich die obigen Gleichungen auch in Feldgr¨ oßen ausdr¨ ucken, derart, dass der untenstehende Satz von Differentialgleichungen f¨ ur die Dichte ρ, den Druck P , die Temperatur T , die innere Energie e und die drei Geschwindigkeitskomponenten Uj (j = 1, 2, 3) erhalten wird:2 ∂ρ ∂(ρUi ) =0 + ∂t ∂xi ∂Uj ∂P ∂τij ∂Uj • 2. Newtonsches Gesetz : ρ =− − + ρgj + Ui ∂t ∂xi ∂xj ∂xi 2 ∂Ui ∂Uj ∂Uk + µδij mit τij = −µ + ∂xi ∂xj 3 ∂xk
• Massenerhaltung :
• Energieerhaltung : mit
ρ
∂e ∂e ∂Uj ∂Uj ∂qi + Ui −P − τij =− ∂t ∂xi ∂xi ∂xj ∂xi
q˙i = −λ
∂T ∂xi
• Zustandsgleichungen : e = f (P, T ) und P = f (ρ, T ) Es liegen somit 7 Differentialgleichungen vor, wenn man τij und q˙i in die jeweils zuvorstehenden Gleichungen einsetzt, f¨ ur insgesamt 7 Unbekannte. Damit ist obenstehend ein geschlossenes System von Differentialgleichungen gegeben, das f¨ ur vorgegebene Anfangs- und Randbedingungen im Prinzip gel¨ ost werden kann. Aber Str¨ omungen unterliegen diesen Gesetzen und es sind somit die jeweiligen Anfangs- und Randbedingungen, die ein gegebenes Str¨ omungsproblem definieren, d.h. die physikalischen Grundgesetze sind f¨ ur alle Str¨ omungsprobleme identisch. Sie umfassen allerdings auch Erhaltungsund Zustandsgleichungen, die u ¨ blicherweise in der Thermodynamik behandelt werden, so dass Wiederholungen thermodynamischer Grundlagen angebracht sind, wie sie in Kapitel 3.6 zusammengefasst sind. 2
siehe Fußnote Abschnitt 5
3.6 Thermodynamische Betrachtungen
83
3.6 Thermodynamische Betrachtungen Die zur L¨ osung von Str¨ omungsproblemen oftmals mit herangezogenen thermodynamischen Zustandsgleichungen von Fluiden sind in dem vorliegenden Lehrbuch nur f¨ ur einfache Fluide“ interessant, d.h. f¨ ur homogene Fl¨ ussig” keiten und Gase, f¨ ur die sich deren thermodynamischer Zustand durch eine Beziehung zwischen Druck, Temperatur und Dichte angeben l¨asst. Die Angaben sind sowohl f¨ ur substantielle wie auch f¨ ur Feldgr¨oßen m¨oglich, d.h. es gilt: (3.69) P = f (T , ρ ) bzw. P = f (T, ρ) Als thermodynamische Zustandsgleichungen sind bekannt: P = RT ρ
(thermodynamisch ideales Gas)
ρ = const
(thermodynamisch ideale Fl¨ ussigkeit)
Bezeichnet man mit α = P , T , ρ , e , ... und mit α = P, T, ρ, e, ..., so gilt die nachfolgende Beziehung, wenn sich das Fluidelement zur Zeit t an der Stelle xi befindet, siehe Kap. 2.6: α (t) = α(xi , t) ;
∂α ∂α dα Dα = + Ui . = dt ∂t ∂xi Dt
(3.70)
¨ Der zweite Teil der Gleichung (3.70) gibt an, wie sich zeitliche Anderungen substantieller, thermodynamischer Gr¨ oßen aus der substantiellen Ableitung der entsprechenden Feldgr¨ oße berechnen lassen. Neben den oben eingef¨ uhrten thermodynamischen Zustandsgr¨oßen P , T , ρ , e , ... lassen sich andere Zustandsgr¨oßen definieren, deren ¨ Einf¨ uhrung bei bestimmten thermodynamischen Uberlegungen mit Vorteilen verbunden ist. Einige davon sind: • spezifisches Volumen : υ = 1/ρ • Enthalpie :
h = e + P υ
• freie Energie :
f = e − T s (Helmholtzsches Potential)
• freie Enthalpie :
g = h − T s (Gibbsches Potential)
Danach ist es m¨ oglich, zul¨ assige mathematische Operatoren zur Anwendung zu bringen, um neue“ thermodynamische Gr¨oßen zu definieren. Ihre ” Einf¨ uhrung macht jedoch nur Sinn, wenn durch die Einf¨ uhrung in den mit den ¨ neuen Gr¨ oßen durchzuf¨ uhrenden thermodynamischen Uberlegungen Vorteile resultieren. In einigen der obigen Definitionen f¨ ur thermodynamische Potentiale wurde die Entropie verwendet, deren Definition durch eine Differentialbeziehung gegeben ist:
84
3 Physikalische Grundlagen
T ds = de + P dυ Integriert erh¨ alt man:
"
s = s()0 +
e
(e )0
(Gibbssche Relation)
1 de + T
"
υ
(υ )0
(3.71)
P dυ . T
(3.72)
Die obigen Beziehungen (3.71) und (3.72) k¨ onnen als identische Definitionsgleichungen f¨ ur die Entropie s eines Fluidelements verstanden werden. Unter Anwendung der Beziehung (3.70) erh¨ alt man mit ds Ds = dt Dt
de De = dt Dt
dυ ∂Ui = υ dt ∂xi
4
(3.73)
die folgende Beziehung: T
de ds dυ = + P dt dt dt
;
T
Ds De 1 ∂Ui = +P Dt Dt ρ ∂xi
oder umgeschrieben: ∂s ∂e ∂s ∂e P ∂Ui T + Ui + Ui = + . ∂t ∂xi ∂t ∂xi ρ ∂xi
(3.74)
(3.75)
Wendet man die Massenerhaltungsgleichung aus dem Satz von Differentialgleichungen (3.69) an, so l¨ asst sich (3.74) weiter umformen: ∂Ui 1 Dρ =− aus Massenerhaltungsgleichung (3.76) ∂xi ρ Dt in (3.74) eingesetzt ergibt: T
De P Dρ Ds = − 2 Dt Dt ρ Dt
(3.77)
Aus dieser Beziehung lassen sich weitere f¨ ur str¨omungsmechanische Betrachtungen wichtige Beziehungen ableiten, z.B. f¨ ur s = const: De P Dρ (3.78) = 2 Dt s ρ Dt F¨ ur ρ = const bzw. v = const gilt: Ds De T = Dt ρ Dt ρ Ferner gilt f¨ ur e = const: Ds P Dρ T =− 2 Dt e ρ Dt e
(3.79)
;
P = −T ρ2
∂s ∂ρ
(3.80) e
An weiteren wichtigen aus der Thermodynamik bekannten Beziehungen werden nachfolgend ben¨ otigt: 4
zur Ableitung dieser Gleichung siehe Kap. 2.6
3.6 Thermodynamische Betrachtungen
–
–
–
–
spez. W¨ armekapazit¨ at eines Fluids bei konstantem Volumen ∂e ∂s = T cv = ∂T v ∂T v spez. W¨ armekapazit¨ at eines Fluids bei konstantem Druck ∂h ∂s = T cp = ∂T P ∂T P wobei h = e + P v . isothermer Kompressibilit¨ atskoeffizient ∂v ∂ρ 1 1 = α=− v ∂P T ρ ∂P T thermischer Expansionskoeffizient ∂ρ 1 1 ∂v =− β= v ∂T P ρ ∂T P
Beachtet man, dass folgende Beziehung gilt: ∂ρ ∂ρ dT + dP dρ = ∂T P ∂P T
85
(3.81)
(3.82)
(3.83)
(3.84)
(3.85)
so l¨ asst sich f¨ ur alle Fluide, unter Hinzunahme von (3.83) und (3.84), folgende Beziehung angeben: 1 dρ = αdP − βdT (3.86) ρ oder umgeschrieben in Feldgr¨ oßen: DP DT 1 Dρ =α −β . ρ Dt Dt Dt
(3.87)
Diese Beziehung erlaubt die Aussage, dass alle Fluide konstanter Dichte, d.h. Fluide mit der Eigenschaft ρ = const bzw. (Dρ/Dt) = 0, als inkompressibel bezeichnet werden k¨ onnen. Sie reagieren weder auf Druckeinfl¨ usse (α = 0) noch auf Temperatureinfl¨ usse (β = 0) mit Volumen- bzw. Dichte¨anderungen. F¨ ur beliebige Fluide ergibt sich f¨ ur die Differenz der W¨armekapazit¨aten: ∂P ∂P ∂v T T β 2 =− β = T . (3.88) (cp − cv ) = ρ α ρ ∂T ρ ∂T ρ ∂T P Die obigen allgemeinen Beziehungen k¨ onnen nun angewandt werden, um die speziellen Beziehungen abzuleiten, die f¨ ur die zwei thermodynamisch idealen
86
3 Physikalische Grundlagen
Fluide gelten, die in diesem Lehrbuch besondere Beachtung finden, n¨amlich das ideale Gas und die ideale Fl¨ ussigkeit. F¨ ur ein ideales Gas gilt: P = RT ρ
bzw. auch
P =RT ρ
(3.89)
und zudem auch: (∂e /∂v )T = (∂e /∂P )T = 0 und cv = const, d.h. die innere Energie eines idealen Gases ist eine reine Funktion der Temperatur. F¨ ur den isothermen Kompressibilit¨ atskoeffizienten α und den thermischen Expansionskoeffizienten β ergibt sich: 1 1 1 1 ∂ρ = = α= ρ ∂P T ρ RT P ∂ρ P 1 1 1 − = β=− =− 2 ρ ∂T P ρ RT T und damit f¨ ur die Differenz der spezifischen W¨armekapazit¨aten: cp − cv =
T 1 P P = = R. ρ T2 ρ T
(3.90)
Des Weiteren l¨ asst sich f¨ ur die Dichte¨ anderung eines idealen Gases angeben: dρ dP dT = − . ρ P T
(3.91)
Als ein weiteres wichtiges Fluid f¨ uhren wir die thermodynamisch ideale Fl¨ ussigkeit ein, die sich durch α = 0 und β = 0 auszeichnet, d.h. durch dρ =0 ρ
(Fluid konstanter Dichte)
F¨ ur die Differenz der W¨ armekapazit¨ aten errechnet sich f¨ ur (3.88): ∂P T cp − cv = − β bei β = 0 ; cp = cv . ρ ∂T ρ
(3.92)
(3.93)
Zieht man die Gibbssche Relation (3.71) heran, so ergibt diese f¨ ur dρ = 0 bzw. dv = 0: ∂s 1 = . (3.94) ∂e ρ T Wegen s = s (ρ ) wird der Druck in einer idealen Fl¨ ussigkeit nicht als thermodynamische Gr¨ oße ber¨ ucksichtigt. Er existiert als mechanische Gr¨oße, ist aber f¨ ur ein ideales Fluid nicht Bestandteil einer thermodynamischen Zustandsgleichung. Eine weitere physikalische Eigenschaft eines Fluides, der bei der Behandlung einiger der in diesem Buch vorgestellten Str¨omungsprobleme Bedeutung
3.6 Thermodynamische Betrachtungen
87
zukommt, ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit kleiner Druckst¨orungen, die sogenannte Schallgeschwindigkeit: ∂P c2 = . (3.95) ∂ρ s Diese Gr¨ oße ist als Druck¨ anderung infolge auftretender Dichte¨anderungen definiert, wobei die Entropie konstant gehalten wird, d.h. die Ausbreitung kleiner akustischer St¨ orungen erfolgt isentrop. Beachtet man die folgende Beziehung f¨ ur die aufgef¨ uhrte Folge partieller Ableitungen ∂e ∂s ∂T (3.96) 1= ∂e ρ ∂s ρ ∂T ρ und ber¨ ucksichtigt man T =
∂e ∂s
cv = ρ
so gilt:
cv = T
∂s ∂T
∂e ∂T
(3.97) ρ
.
(3.98)
ρ
Beachtet man die Maxwell-Beziehung ∂T 1 ∂P = 2 ∂ρ s ρ ∂s ρ und zudem
∂ρ ∂s
=
−ρ2
T
∂T ∂P
(3.99)
(3.100) ρ
so l¨ asst sich angeben: ∂s ∂T ∂ρ = −1 ∂T ρ ∂ρ s ∂s T und gleichzeitig f¨ ur die Gr¨ oße cv ∂ρ ∂s cv = −T . ∂T s ∂ρ T
(3.101)
(3.102)
¨ Ahnlich l¨ asst sich ableiten: cP = −T
∂P ∂T
s
∂s ∂P
. T
F¨ ur das Verh¨ altnis der W¨ armekapazit¨ aten l¨ asst sich angeben
(3.103)
88
3 Physikalische Grundlagen
∂s ∂P ∂T s ∂P T ∂P ∂ρ cP κ= = = . ∂ρ ∂s cv ∂ρ s ∂P T ∂T s ∂ρ T
(3.104)
Unter Ber¨ ucksichtigung der Definitionsgleichungen f¨ ur die Schallgeschwindigkeit und f¨ ur die isothermen Kompressibilit¨ atskoeffizienten erh¨alt man: ∂P κ c2 = κ . (3.105) = ∂ρ T ρ α F¨ ur das ideale Gas mit α = Gasgleichung:
1 P
ergibt sich unter Ber¨ ucksichtigung der idealen (3.106) c = κR T .
F¨ ur eine ideale Fl¨ ussigkeit mit α → 0 gilt: c→∞
(3.107)
d.h. f¨ ur ein Fluid mit konstanter Dichte ergibt sich eine unendlich große Schallgeschwindigkeit. Es gibt viele Anwendungsgebiete der Str¨ omungsmechanik in denen thermodynamische und str¨ omungsmechanische Kenntnisse erforderlich sind. Dieses Gebiet ist vor allem das Gebiet der Thermofluiddynamik, ein Gebiet, das sich mit kombinierten Impuls- und W¨arme¨ ubertragungsproblemen besch¨ aftigt. In diesem Gebiet ist es unerl¨asslich, dass Studenten der Str¨ omungsmechanik gute Kenntnisse der Thermodynamik besitzen. Deshalb ist es erforderlich, Teilgebiete der Thermodynamik in der Str¨omungsmechanik zu wiederholen. Die obige Zusammenfassung wichtiger thermodynamischer Beziehungen dient der Auffrischung der thermodynamischen Kenntnisse der Studenten der Str¨ omungsmechanik.
3.7 Literaturverzeichnis 3.1 Sutherland W (1905) Phil. Mag., 9, 781-785 3.2 Kennard EH (1938) Kinetic Theory of Gases, McGraw-Hill, New York 3.3 Present RD (1958) Kinetic Theory of Gases. McGraw-Hill Book Company, New York 3.4 Bird RB, Stewart WE, Lightfoot EN (1960) Transport Phenomena. John Wiley & Sons Inc., New York 3.5 Chapman S, Cowling TG (1960) The Mathematical Theory of Nonuniform Gases. Cambridge at the University Press 3.6 Hirschfelder JO, Curtiss CF, Bird RB (1963) Molecular Theory of Gases and Liquids. John Wiley & Sons, New York
3.7 Literaturverzeichnis
89
3.7 Bosnjakovic F (1965) Technische Thermodynamik. Theodor Steinkopf Verlag, Dresden 3.8 Reif F (1976) Physikalische Statistik und Physik der W¨arme. Walter De Gruyter & Co., Berlin 3.9 H¨ ofling O (1994) Physik: Lehrbuch f¨ ur Unterricht und Selbststudium. D¨ ummler Verlag, Bonn
4 Grundlagen der Str¨ omungskinematik
4.1 Allgemeine Betrachtungen Die vorausgegangenen Kapitel befaßten sich mit den f¨ ur die Str¨omungsmechanik wichtigsten Grundkenntnissen der Mathematik und der Physik. Diese Kenntnisse werden ben¨ otigt, um Str¨ omungsvorg¨ange zu beschreiben und um die Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik abzuleiten bzw. diese heranzuziehen, um Str¨ omungsprobleme zu l¨ osen. Dabei ist es wichtig zu wissen, daß die Str¨ omungsmechanik prim¨ ar an dem sich, f¨ ur vorgegebene Anfangsund Randbedingungen, einstellenden Geschwindigkeitsfeld Uj (xi , t) interessiert ist und an dem zugeh¨ origen Druckfeld P (xi , t), d.h. die Str¨omungsmechanik bem¨ uht sich gr¨ oßtenteils um eine Darstellung str¨omungsmechanischer Vorg¨ ange in Feldgr¨ oßen. Diese Darstellung resultiert in der Eu” lerschen Betrachtungsweise“ von Str¨ omungsvorg¨angen. Diese ist am besten f¨ ur die L¨ osung von Str¨ omungsproblemen geeignet und findet somit in der experimentellen, analytischen und numerischen Str¨omungsmechanik Anwendung. Durch das Einf¨ uhren von Feldgr¨ oßen f¨ ur die thermodynamischen Eigenschaften eines Fluids, wie z.B. den Druck P (xi , t), die Temperatur T (xi , t), die Dichte ρ(xi , t), die innere Energie e(xi , t) sowie auch f¨ ur die molekularen Transportgr¨ oßen, wie die dynamische Viskosit¨at µ(xi , t), die W¨armeleitf¨ ahigkeit λ(xi , t) und den Diffusionskoeffizienten D(xi , t) gelingt eine geschlossene mathematische Darstellung der Str¨omungsmechanik. Unter Hinzunahme diffusiver Transportgr¨ oßen, d.h. dem molekularen W¨armetransport ˙ i (xi , t) und dem molekularen q˙i (xi , t), dem molekularen Massentransport m ur Masse, Impuls Impulstransport τij (xi , t) kann man die Erhaltungss¨atze f¨ und Energie allgemein anwendbar formulieren. Die Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik sind, wie in Kapitel 5 gezeigt, lokal formulierbar und gelten f¨ ur alle Str¨ omungsprobleme in gleicher Form. Die Unterschiede in den L¨ osungen resultieren aus den unterschiedlichen Anfangs- und Randbedingungen, welche die eigentlichen Str¨ omungsprobleme definieren und die durch die Integration lokal formulierter Grundgleichungen in die L¨osungen eingehen. Die Erfahrung zeigt, dass die Ableitung der str¨omungsmechanischen Grundgesetze am einfachsten dadurch gelingt, dass man Betrachtungen an Fluidelementen durchf¨ uhrt, d.h. die Lagrangesche Betrachtungsweise“ f¨ ur ” die Ableitung der Gleichungen heranzieht. Die Lagrangesche Betrachtungs”
92
4 Grundlagen der Str¨ omungskinematik
weise“ geht davon aus, dass ein Fluid zu einem festen Zeitpunkt t = 0, in markierte Elemente“ mit der Masse δm , dem Druck P , der Temperatur ” T , der Dichte ρ , der inneren Energie e etc. aufgeteilt werden kann. Das Element mit dem Index besitzt auch eine Geschwindigkeit (Uj ) , die als Lagrange-Geschwindigkeit bezeichnet wird und die stets mit dem einmal mit
markierten Fluidelement verbunden ist, wie auch mit allen anderen mit
indizierten Gr¨ oßen. In der Str¨ omungsmechanik werden diese auch als substantielle Gr¨ oßen bezeichnet und stets herangezogen, um leicht verst¨andlich die Grundgesetze der Str¨ omungsmechanik abzuleiten. Wie die nachfolgenden Betrachtungen zeigen, l¨ asst sich das in der Physik erhaltene Grundwissen der Mechanik am einfachsten in die Str¨ omungsmechanik u uhren, wenn ¨ berf¨ es gelingt, durch Lagrangesche Betrachtungen, die Grundgleichungen u ¨ ber Betrachtungen an Fluidelementen einzuf¨ uhren.
4.2 Substantielle Ableitungen Bezeichnet man mit α allgemein eine substantielle Gr¨oße, so interessiert bei der Ableitung der str¨ omungsmechanischen Grundgesetze oftmals das totale Differential: ∂α ∂α ∂α ∂α dt + (dx1 ) + (dx2 ) + (dx3 ) (4.1) ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x3 Die Fluidelementbewegung im Raum l¨ asst sich wie folgt beschreiben: dα =
(dx1 ) = (U1 ) dt = U1 dt (dx2 ) = (U2 ) dt = U2 dt (dx3 ) = (U3 ) dt = U3 dt
(4.2)
¨ Der Ubergang von substationellen Geschwindigkeiten (Ui ) zu der Feldgr¨ oße Ui in Gleichung (4.2) ist zul¨ assig, da zum Zeitpunkt t gilt (xi ) = xi und damit (Uj ) (t) = Uj (xi , t). Damit gilt allgemein: x 2
F lu id e le m e n t z u r Z e it t
F lu id e le m e n t z u r Z e it t + d t x
x
1
3
Abbildung 4.1: Bewegung eines Fluidelements im Raum im Zeitintervall dt
4.3 Bewegung von Fluidelementen
dα =
∂α ∂α ∂α ∂α dt + U1 dt + U2 dt + U3 dt ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x3
93
(4.3)
bzw. f¨ ur die substantielle Ableitung nach der Zeit mit α (t) = α(xi , t) wenn x = xi zur Zeit t gilt: Dα ∂α ∂α dα =: = + Ui dt ∂t ∂xi Dt
(4.4)
Dabei ist (Dα/Dt) die substantielle Ableitung der Feldgr¨oße α(xi , t) nach der Zeit und der Operator: D ∂ ∂ := + Ui (4.5) Dt ∂t ∂xi gibt an, wie die substantielle Ableitung f¨ ur eine Feldgr¨oße zu ermitteln ist. Der Operator D/Dt darf nur auf Feldgr¨ oßen angewandt werden. Wendet man D/Dt auf das Geschwindigkeitsfeld Uj (xi , t) an, so resultiert die substantielle Beschleunigung, d.h. die lokale Beschleunigung, die ein Fluidelement in einem Str¨ omungsfeld an dem Ort erf¨ ahrt, an dem Uj (xi , t) vorliegt. ∂Uj ∂Uj DUj = + Ui Dt ∂t ∂xi
(4.6)
Die substantielle Ableitung spielt bei der Herleitung der Impulsgleichung der Str¨ omungsmechanik in Eulerschen Variablen eine wichtige Rolle. Im Beschleunigungsterm in Eulerschen Gr¨ oßen treten pro Impulsrichtung, d. h. j = 1, 2, 3, vier partielle Ableitungsterme auf, einer nach der Zeit und drei nach den Raumkoordinaten x1 , x2 und x3 wobei die r¨aumlichen Ableitungen (∂Uj /∂xi ) mit Ui multipliziert in der substantiellen Beschleunigung auftreten. Diese nichtlinearen Terme in den resultierenden Impulsgleichungen f¨ uhren zu den oftmal heraus gestellten mathematischen Problemen bei der L¨ osung von Str¨ omungsproblemen. Sie verhindern die Anwendung des Superpositionsprinzips von L¨ osungen, resultieren in L¨osungsbifurkationen, d. h. in Mehrfachl¨ osungen f¨ ur Str¨ omungsprobleme f¨ ur gleiche Anfangs- und Randbedingungen und in korrelierten Geschwindigkeitsfluktuationen, z. B. in turbulenten Str¨ omungen. Der Behandlung dieser nichtlinearen Terme wird in diesem Buch eine besondere Beachtung geschenkt. Es ist wichtig, dass ihre Bedeutung als Teil des Beschleunigungsterms von Fluidelementen im De¨ tail verstanden wird. Es sind nicht nur die zeitlichen Anderungen des Geschwindigkeitsfeldes, die zu Beschleunigungen von Fluidelementen f¨ uhren, sondern auch die Bewegung des Fluidelements in einem nicht gleichf¨ormigen Geschwindigkeitsfeld.
4.3 Bewegung von Fluidelementen Str¨ omungskinematik ist ein weites Gebiet und eine umfassende Behandlung u uhrung in verschiede¨ bersteigt den Rahmen dieses Buches, das nur eine Einf¨ ne Teilgebiete der Str¨ omungsmechanik, so auch in die Str¨omungskinematik,
94
4 Grundlagen der Str¨ omungskinematik
geben soll. Zu einer solchen Einf¨ uhrung geh¨ ort die Behandlung von Bahnlinien von Teilchen, d.h. die Berechnung der Raumkurven entlang derer sich markierte Fluidelemente in einer Str¨ omung bewegen. Ferner ist die Berechnung von Streichlinien zu behandeln, d.h. die markierte Bahn“ zu berechnen, ” die ein ortsfest injizierter Tracer in einem Str¨ omungsfeld hinterl¨asst. Beides, die Berechnung von Bahnlinien und von Streichlinien, ist f¨ ur die gesamte experimentelle Str¨ omungsmechanik von Bedeutung, wo oftmals versucht wird, durch Beobachtungen bzw. auch durch quantitative Messungen der zeitlichen Lage¨ anderungen von Str¨ omungsmarkierungen“ einen Einblick in den ” Ablauf von Str¨ omungen zu erhalten. Die Grundlagen zur Auswertung solcher Messungen sind in dem vorliegenden Kapitel aufgef¨ uhrt. 4.3.1 Bahnlinien von Fluidelementen Unterteilt man zum Zeitpunkt t = 0 den gesamten interessierenden Bereich eines str¨ omenden Fluids in Fluidelemente und gibt man die Raumkoordinaten der Massenschwerpunkte der einzelnen Elemente in einem Koordinatensystem zum Zeitpunkt t = 0 an, so erh¨ alt man ein markiertes Fluidgebiet derart, dass einem Fluidteilchen der Lagevektor: {xi },0 = {xi (t = 0)}
(4.7)
zugeordnet ist. Jedes der durch die Unterteilung entstandenen, markierten und f¨ ur −∞ < t < +∞ sich bewegenden Fluidteilchen wird als ein Fluidelement mit der Masse δm bezeichnet, das seine Identitit¨at f¨ ur alle Zeiten 0 ≤ t < ∞ beibeh¨ alt. Bei kinematischen Betrachtungen interessieren nun die Bewegungen der einzelnen Fluidelemente. Diese Betrachtungen resultieren f¨ ur jedes der Fluidelemente in einer separaten, f¨ ur das markierte Element charakteristischen Bahnlinie. Die Berechnung dieser Bahnlinien soll nachfolgend erl¨autert werden. Hierbei soll davon ausgegangen werden, dass das die Fluidelementbewegungen bestimmende Str¨ omungsfeld bekannt ist. Da die Geschwindigkeit eines Fluidelements nur zeitabh¨angig ist, d. h. {x1 } = f (t) folgt aus d{xi } /dt = {Ui } , dass als Bahnlinie eines Fluidelements die Ortskurve: " t {xi (t)} = {xi },0 + {Ui (t )} dt (4.8) 0
zu verstehen ist. Der so f¨ ur jeden Zeitpunkt t definierte Ortsvektor enth¨alt als Parameter den zum Zeitpunkt t = 0 festgelegten Lagevektor des Teilchens at {Ui } = {Ui } in die Betrachtungen
, d.h. {xi },0 . Es kann nun die Identit¨ eingef¨ uhrt werden, d.h. es gilt zu einem bestimmten Zeitpunkt t: d{xi } = {Ui } = {Ui } dt
(4.9)
4.3 Bewegung von Fluidelementen
95
Das Gleichheitszeichen zwischen der substantiellen Geschwindigkeit {Ui } und {Ui } deutet an, dass die zum Zeitpunkt t vorliegende Identit¨at {xi } = {xi } die Gleichsetzung der substantiellen Geschwindigkeit {Ui } mit der ur die Komponenten {xi } der TeilchenbeweFeldgr¨ oße {Ui } berechtigt. F¨ gung gilt somit: d{xi } = {Ui } dt
oder
d(xi ) = Ui dt
(4.10)
Diese Differentialgleichungen m¨ ussen f¨ ur i = 1, 2, 3 zur Bestimmung der Bahnlinien von Fluidelementen gel¨ ost werden. Der Differentialquotient in der Beziehung (4.10) gibt an, dass als L¨ osung der obigen Differentialgleichung die Bahnlinie eines Fluidelements erhalten wird, dessen Lage zur Zeit t = 0 mit {xi },0 festgelegt wurde. Die generelle Vorgehensweise bei der Bestimmung von Bahnlinien soll durch das unten aufgef¨ uhrte Beispiel erl¨ autert und verdeutlicht werden. Gegeben seien die Komponenten des Str¨ omungsgeschwindigkeitsfeldes: U1 = x1 (1 + t),
U2 = −x2
und
U3 = −x3 t
(4.11)
Setzt man diese Angaben u ¨ ber das Geschwindigkeitsfeld in die oben angegebenen Differentialgleichungen f¨ ur die Bahnlinie eines Fluidelements ein, so erh¨ alt man: d(x1 ) = x1 (1 + t), dt
d(x2 ) = −x2 , dt
und
d(x3 ) = −x3 t. dt
(4.12)
Dieser Satz von Differentialgleichungen l¨ asst sich nun l¨osen und resultiert in folgenden, f¨ ur die Bahnlinien aller Fluidelemente geltenden L¨osungen: t2 (x1 (t)) = C1 exp t + , 2 (4.13) (x2 (t)) = C2 exp [−t] , 2 t (x3 (t)) = C3 exp − . 2 Betrachtet man nun als ein interessierendes Fluidelement dasjenige, das zur Zeit t = 0 die Lagekoordinaten (1, 1, 1) hatte, so ergeben sich aus den Anfangsbedingungen f¨ ur jede der Gleichungen in 4.13 die eingef¨ uhrten Cα Konstanten einheitlich als: C1 = C2 = C3 = 1,
(4.14)
d.h. f¨ ur den hier betrachteten Fall sind alle Integrationskonstanten gleich. F¨ ur die Bahnlinien dieses Fluidelements ergibt sich: 2 t2 t x1 (t) = exp t + , x2 (t) = exp [−t] , x3 (t) = exp − . (4.15) 2 2
96
4 Grundlagen der Str¨ omungskinematik
x 2
P ro je k tio n in d ie c 1 - c 2 - E b e n e
P ro je k tio n in d ie c 1 - c 2 - E b e n e
B a h n lin ie
( 1 ,1 ,1 ) P ro je k tio n in d ie c 1 - c 3 - E b e n e
x 3
Abbildung 4.2: R¨ aumliche Bahnlinie des betrachteten Fluidelements
Diese Bahnlinie ist in Abb. 4.2 r¨ aumlich dargestellt, zusammen mit ihren Projektionen in die Koordinatenebenen. W¨ ahlt man ein Teilchen, dessen Lage zur Zeit t = 0 andere Lagekoordinaten aufwies, so a ¨ndern sich die Integrationskonstanten C1 , C2 , C3 entsprechend, und es resultiert eine andere Bahnlinie. Damit ist die Bahnlinie eine individuelle“ Eigenschaft eines Fluidelements, die in den resultierenden ” Gleichungen durch das Str¨ omungsfeld und die Lage des Fluidelements zur Zeit t = 0 bestimmt ist. Die allgemeine L¨ osung f¨ ur die Lagekoordinaten (xi ),0 , die ein Fluidelement zur Zeit t = 0 einnimmt, erh¨ alt man, wenn man diese Koordinaten zur Bestimmung der Integrationskonstanten Cα (α = 1,2,3) in die allgemeinem L¨ osungen f¨ ur die Bahlinienkoordinaten einsetzt. Dies resultiert in: Cα = (xi ),0
(4.16)
und damit in den allgemeinen L¨ osungen f¨ ur die Bahnlinienkoordinaten: t2 (x1 (t)) = (x,0 )1 exp t + , 2 (4.17) (x2 (t)) = (x,0 )2 exp [−t] , 2 t (x3 (t)) = (x,0 )1 exp − . 2 Diese geben die Raumkurven an, mit der Zeit t als Parameter, welche die einzelnen Kurvenpunkte der Bahnlinien von Fluidelementen darstellen. Zur weiteren Erl¨ auterung soll auch noch das nachfolgende zweidimensionale Geschwindigkeitsfeld betrachtet werden.1 1
Es ist darauf hinzuweisen, dass dieses Str¨ omungsfeld nicht quellenfrei ist, also gegen Forderungen der Kontinuit¨ atsgleichung verst¨ oßt. F¨ ur die hier angegebenen rein kinematischen Betrachtungen ist dies jedoch bedeutungslos.
4.3 Bewegung von Fluidelementen
U1 = x1 ,
U2 = x2 (1 + 2t) und U3 = 0.
97
(4.18)
achst das Volumen des Fluidelements mit Da aber (∂U2 /∂x2 ) = 2(1+t) gilt, w¨ der Zeit t. Dennoch, mit diesen Angaben l¨ asst sich der folgende Satz von Differentialgleichungen f¨ ur die Koordinaten der Bahnlinien von Fluidelementen aufstellen: d(x2 ) = x2 (1 + 2t), dt
d(x1 ) = x1 , dt
d(x3 ) = 0. dt
(4.19)
Die L¨ osung der dritten Differentialgleichung resultiert in einer Konstanten, die angibt, in welcher Ebene x3 = const die zweidimensionalen Str¨omungsbetrachtungen durchgef¨ uhrt werden. F¨ ur die Bahnlinienkoordinaten x1 (t) und x2 (t) errechnet sich: (x1 ) = C1 exp[t],
(x2 ) = C2 exp[t + t2 ],
(x3 ) = C3
(4.20)
Berechnet man die Bahnlinie des Fluidelements, das zur Zeit t = 0 die Koordinaten (1,1,0) einnahm, so ergibt sich: (x1 ) = exp[t],
(x2 ) = exp[t(t + 1)],
(x3 ) = 0
(4.21)
L¨ ost man die f¨ ur (x1 ) erhaltene Gleichung nach der Zeit auf, so ergibt sich: t = ln(x1 )
(4.22)
ur zweidimensionale BahnliDies in die L¨ osung f¨ ur (x2 ) eingesetzt, ergibt f¨ nien in der x1 − x2 −Ebene folgenden funktionellen Zusammenhang zwischen (x1 ) und (x2 ) : (1+ln(x1 ) ) (x2 ) = (x1 ) (4.23) Diese Bahnlinie ist in Abb. 4.3 dargestellt. 2 .0
x 2
1 .0
0 .0
( 1 ,1 )
0 .0
1 .0
x 1
2 .0
Abbildung 4.3: Bahnlinie der parallel zur x1 − x2 −Ebene ablaufenden Str¨ omung
98
4 Grundlagen der Str¨ omungskinematik
4.3.2 Streichlinien lokal zugef¨ uhrter Tracermaterialien Wie schon erw¨ ahnt, ist es in der experimentellen Str¨omungsmechanik u ¨ blich, dadurch einen qualitativen Einblick in einen Str¨omungsverlauf zu erhalten, dass man an einer ortsfesten Stelle eine kontinuierliche Fluidmarkierung vornimmt. Diese f¨ uhrt zu einem markierten Fluidfaden“ (einer sogenannten ” Streichlinie), der mit der Str¨ omung mitgef¨ uhrt wird und so den Verlauf der Str¨ omung kennzeichnet. Interessiert der genaue Verlauf der Str¨omung, so sind quantitative Auswertungen der Ortskoordinaten von Streichlinien lokal zugef¨ uhrter Tracermaterialien erforderlich. Diese Auswertungen k¨onnen, aufbauend auf den unten aufgef¨ uhrten Ableitungen, mit Methoden der Str¨ omungskinematik durchgef¨ uhrt werden. Ein mit einem Tracer markiertes Fluidteilchen, z.B. ein mit Rauch markiertes Luft- bzw. ein beliebiges anderes Gasteilchen, oder ein mit Farbe versehenes Wasser- oder Fl¨ ussigkeitsteilchen, das sich zum Zeitpunkt t an der Stelle {xi } = {xi (t)} befindet, muss zu einem Zeitpunkt (t − τ ), die Injektionsstelle f¨ ur den Tracer passiert haben, um nun als markiertes Teilchen an der Stelle {xi } vorzuliegen, d.h. es gilt2 : {xi (t)},0 = {xi (t − τ )}S
(4.24)
Demnach l¨ asst sich der bis zur Zeit t von einem markierten Fluidelement zur¨ uckgelegte Weg als die Bahnline des Elements berechnen, das die Bedingung (4.24) erf¨ ullt, d.h. eine Bahnlinie mit der Anfangsbedingung, dass f¨ ur t = τ das Fluidelement die Lagekoordinaten der Injektionsstelle einnahm. Die Streichlinie setzt sich somit aus der Summe der Bahnlinien einzelner Teilchen zusammen. Es wird f¨ ur jedes einzelne markierte Teilchen einer Streichlinie ein Parameter τ eingef¨ uhrt, der f¨ ur 0 ≤ τ ≤ t alle Teile einer Streichlinie erfasst. Es gilt somit, den Parameter τ in den L¨ osungsgleichungen zu variieren, um die gesamte Streichlinie zu erhalten. Die obigen, kurzen Erl¨ auterungen sollen wiederum anhand eines Beispiels verdeutlicht werden, das unter Zugrundelegung des oben verwendeten dreidimensionalen Geschwindigkeitsfeldes behandelt wird: U1 = x1 (1 + t),
U2 = −x2
und
U3 = −x3 t
(4.25)
Dieses Geschwindigkeitsfeld ergibt f¨ ur die Bewegung eines Fluidelements im Raum den Satz von Differentialgleichungen: d(x1 )S = x1 (1 + t), dt
d(x2 )S = −x2 , dt
d(x3 )S = −x3 t. dt
(4.26)
Als L¨ osung erh¨ alt man f¨ ur die Komponenten (x1 )S , (x2 )S und (x3 )S nach (4.13): 2
Der Index s bedeutet, dass die Lagekoordinate der Streichlinie gemeint ist.
4.3 Bewegung von Fluidelementen
t (x1 )S = C1 exp t(1 + ) , 2
99
2
t . 2 (4.27) Setzt man nun die Anfangsbedingungen ein, dass (x1 )S = (x1 )t=τ = 1, (x2 )S = (x2 )t=τ = 1, (x3 )S = (x3 )t=τ = 1 f¨ ur t = τ vorgelegen hat, d.h. dass die Stelle (1,1,1) als Zugabestelle der Tracer dient, so erh¨alt man: 2 τ τ C1 = exp −τ (1 + ) ; C2 = exp [τ ] und C3 = exp . (4.28) 2 2 (x2 )S = C2 exp [−t] ,
(x3 )S = C3 exp −
Eingesetzt in die L¨ osungen f¨ ur (x1 )S , (x2 )S und (x3 )S ergibt die Gleichung der als Streichlinie bezeichneten Ortskurve f¨ ur alle Zeiten3 : τ t (x1 )S = exp t(1 + ) − τ (1 + ) , 2 2 (x2 )S = exp [−(t − τ )] , (4.29) 1 2 (x3 )S = exp − (t − τ 2 ) . 2 Will man den Verlauf einer Streichlinie zu einem Zeitpunkt t (teilweise) sichtbar machen, so gilt es, den Wert von t in die obige Gleichung einzusetzen, um so die Gleichung einer Raumkurve zu erhalten, mit τ als Parameter. Dabei wird τ durch den Zeitabschnitt [τ1 , τ2 ] der Tracerzugabe in (1, 1, 1) bestimmt mit −∞ < τ1 < τ2 < t. F¨ ur τ1 → −∞, τ2 → t und t = 0 ergibt sich: τ (x1 )S = exp −τ (1 + ) , 2 (x2 )S = exp [τ ] , −∞ < τ < 0 (4.30) 2 τ (x3 )S = exp . 2 Der Verlauf dieser Raumkurve ist in Abb. 4.4 gezeigt. Sie gibt die zum Zeitpunkt t = 0 vorliegende (von τ = −∞ bis τ = 0 sichtbar gemachte) Streichlinie an. In der Abbildung sind die Projektionen der Streichlinie in die Hauptebene des kartesischen Koordinatensystems mit eingef¨ uhrt. Vergleicht man die Gleichung f¨ ur die durch den Raumpunkt (1, 1, 1) fixierte Streichlinie mit den f¨ ur das gleiche Str¨ omungsfeld angegebenen Gleichungen f¨ ur die Bahnlinie eines Fluidelements, so erkennt man, dass Bahnlinien und Streichlinien f¨ ur instation¨ are Str¨ omungen nicht identisch sind. Nur f¨ ur den Fall eines station¨ aren Str¨ omungsfeldes sind Bahnlinien und Streichlinien gleich, wie sich leicht durch die folgenden Betrachtungen zeigen l¨asst. 3
Da es sich hierbei um eine Raumkurve handelt, ist die Angabe in x1 , x2 , x3 Koordinaten angebracht. Die Bezeichnung xS deutet an, dass die Lagekoordinaten einer Streichlinie gemeint sind.
100
4 Grundlagen der Str¨ omungskinematik
x 2
Z u g a b e
x 1 -x 2 - P ro je k tio n d e r S tre ic h lin ie
x 2 -x 3 - P ro je k tio n d e r S tre ic h lin ie
( 1 ,1 ,1 )
x 1
S tre ic h lin ie
x
x 1 -x 3- P ro je k tio n d e r S tre ic h lin ie 3
Abbildung 4.4: Streichlinie f¨ ur den Zeitpunkt t = 0 bei Fluidmarkierungszugabe zwischen τ = −∞ und τ = 0 an der Stelle (1,1,1)
Betrachtet man das station¨ are Geschwindigkeitsfeld: U1 = 2x1 ,
U2 = −x2 ,
U3 = −x3
(4.31)
so erh¨ alt man f¨ ur die Bahnlinie eines Fluidelements folgende Differentialgleichung: d(x1 ) d(x2 ) d(x3 ) (4.32) = 2x1 , = −x2 , = −x3 dt dt dt F¨ ur t = 0 soll (x1 ) = (x2 ) = (x3 ) = 1 angenommen werden, so dass in der L¨ osung: (x1 ) = C1 exp [2t] ,
(x2 ) = C2 exp [−t] ,
(x3 ) = C3 exp [−t]
(4.33)
gilt und damit die Bahnlinie wie folgt angegeben wird: (x1 ) = exp [2t] ,
(x2 ) = exp [−t] ,
(x3 ) = exp [−t]
(4.34)
mit −∞ < t < ∞. Zur Berechnung der Streichlinien l¨asst sich wiederum die L¨ osung (4.27) heranziehen und C1 , C2 , C3 so berechnen, dass gefordert wird, dass zur Zeit t = τ gilt: (x1 (t = τ ))S = 1, Damit gilt:
(x2 (t = τ ))S = 1,
C1 = exp [−2τ ] ,
C2 = exp [τ ] ,
(x3 (t = τ ))S = 1
(4.35)
C3 = exp [τ ]
(4.36)
oder als Gleichung f¨ ur die Streichlinie: (x1 )S = exp [2(t − τ )] ,
(x2 )S = exp [−(t − τ )] ,
(x3 )S = exp [−(t − τ )] (4.37)
4.3 Bewegung von Fluidelementen
101
womit t festgelegt ist, und der Wertebereich von τ durch den Zeitraum der Tracerzugabe bestimmt wird. Falls zu allen Zeiten Tracersubstanz zugegeben wird, d.h. −∞ < τ < ∞, so geben (4.34) und (4.37) genau dieselbe Kurve. Ist die Tracerzugabe zeitlich beschr¨ ankt, so erh¨ alt man als sichtbare Streichlinie (4.37) einen entsprechenden Teil der Bahnlinie (4.34). Wiederholt man die obigen Ableitungen f¨ ur das in Abschnitt 4.3.1 gleichfalls angegebene, zweidimensionale Geschwindigkeitsfeld: U1 = x1 ,
U2 = x2 (1 + 2t) und
U3 = 0
(4.38)
d(x3 ) =0 dt
(4.39)
das zu den Differentialgleichungen (4.19) f¨ uhrt: d(x2 ) = x (1 + 2t), dt
d(x1 ) = x , dt mit den L¨ osungen: (x1 ) = C1 exp [t] ,
(x2 ) = C2 exp [t(t + 1)] ,
(x3 ) = C3
(4.40)
Verlangt man wiederum, dass sich das zur Zeit t im Punkt x1 , x2 , x3 befindende Teilchen zum Zeitpunkt τ die Zugabestelle (1,1,0) eines Tracers passierte, so lassen sich die Integrationskonstanten C1 , C2 und C3 aus folgenden Bestimmungsgleichungen erhalten: C1 exp [τ ] = 1,
C2 exp [τ (τ + 1)] = 1,
C3 = 0
(4.41)
Diese Konstanten“ k¨ onnen nun wieder in Gleichung (4.40) eingesetzt ” werden, wobei C3 = 0 bedeutet, dass die Streichlinie in der x1 -x2 -Ebene, auft und dort durch folgende Gleichungen f¨ ur d.h. in der Ebene x3 = 0, verl¨ die Lagekoordinaten (x1 )S und (x2 )S beschrieben ist: 2 ,0 x 2
1 ,0
0 ,0
0 ,0
1 ,0
x 1
2 ,0
Abbildung 4.5: Streichlinie in der x1 − x2 −Ebene (ausgezogener Teil entspricht τ ≤ 0, unterbrochene Linie entspricht 0 ≤ τ < ∞)
102
4 Grundlagen der Str¨ omungskinematik
(x1 )S = exp [t − τ ] , (x2 )S = exp [t(t + 1) − τ (τ + 1)]
(4.42)
F¨ ur den Zeitpunkt t = 0 ergibt sich der Verlauf der Streichlinie als: (x1 )S = exp [−τ ] , exp [−τ (τ + 1)] (x2 )S = im Bereich−∞ < τ < ∞. Aus der Gleichung f¨ ur (x1 )S folgt: τ = − ln(x1 )S
(4.43)
(4.44)
In die Gleichung f¨ ur (x2 )s eingesetzt, ergibt sich der zur Zeit t = 0 vorliegende Verlauf der durch Zugabe von Tracermaterial in −∞ < τ < ∞ sichtbaren Streichlinie in der x1 − x2 −Ebene: (1−ln(x1 )S )
(x2 )S = (x1 )S
im Bereich 0 < (x1 )S < ∞
1−ln(x1 )s ) (x2 )s = [(x1 )s ](
(4.45)
4.4 Kinematische Gr¨ oßen von Str¨ omungsfeldern 4.4.1 Stromlinien eines Geschwindigkeitsfeldes Von den in Abschnitt 4.3 f¨ ur Fluidelemente durchgef¨ uhrten Betrachtungen ¨ zur Berechnung von Bahnlinien und Streichlinien sind Uberlegungen zur Bestimmung der Stromlinien eines Str¨ omungsfeldes streng zu trennen. Zwar sind f¨ ur station¨are Str¨ omungen Stromlinien, Bahnlinien und Streichlinien identisch, doch rechtfertigt dies nicht die prinzipiellen Unterschiede zu vernachl¨ assigen oder gar anzunehmen, dass die prinzipiellen Unterschiede nicht existieren. Erst durch eine klare Trennung der Betrachtungen wird im allgemeinen verst¨ andlich, warum unter der Bedingung der Stationarit¨at eines Str¨ omungsfeldes die oben angegebenen Identit¨aten von Stromlinien, Bahnlinien und Streichlinien existieren. Betrachtet man das instation¨ are Str¨ omungsfeld Uj (xi , t), so lassen sich f¨ ur dieses Feld zu jedem Zeitpunkt t Stromlinien definieren, und zwar derart, dass als Stromlinien solche Raumkurven definiert werden, deren Tangente in jedem Punkt parallel zum Geschwindigkeitsvektor verlaufen. Betrachtet man zun¨ achst ein zweidimensionales Str¨ omungsfeld, f¨ ur das alle Geschwindigkeitsuhrt die oben angegebene vektoren parallel zur x1 -x2 -Ebene liegen, dann f¨ Definition der Stromlinie zu folgender Definitionsgleichung: U2 d(x2 )ψ = d(x1 )ψ U1
f¨ ur die Zeit t = const
(4.46)
4.4 Kinematische Gr¨ oßen von Str¨ omungsfeldern
103
Die Beziehung besagt, dass die Steigung der Stromlinie gleich dem Tangens des zum Zeitpunkt t vom Geschwindigkeitsvektor mit der x1 -Achse gebildeten Winkels ist, siehe Abb. 4.6. Der in die Gleichung aufgenommene Index ψ deutet an, dass die angegebenen x1 -x2 -Koordinaten die Stromlinie ψ beschreiben. x 2
x 3 = c o n st G e s c h w in d ig k e its v e k to r
(x 1 )
U 2
y y
d (x 1 )y U
d (x 2 )y
(x 2 )
1
S tro m lin ie
y
x 1
Abbildung 4.6: Skizze zur Verdeutlichung der Definitionsgleichung f¨ ur die Stromlinie eines Str¨ omungsfeldes
Betrachtet man die Definitionsgleichung (4.46) f¨ ur die Stromlinie eines zweidimensionalen Str¨ omungsfeldes, so wird verst¨andlich, dass im allgemeinen f¨ ur jeden Zeitpunkt t der Quotient aus U2 und U1 eine Funktion von x1 und x2 ist. Die so resultierende Differentialgleichung gilt es zu l¨osen, um die Gleichung f¨ ur die Stromlinie zu erhalten. Damit kann die Gleichung (4.46) heran gezogen werden, um die Kennlinien eines Str¨omungsfeldes zu bestimmen. Dies soll anhand eines Beispiels erl¨ autert werden, das von dem folgenden zweidimensionalen Geschwindigkeitsfeld ausgeht: U1 = x1 (1 + 2t);
U2 = x2
und
U3 = 0
(4.47)
In die Definitionsgleichung (4.46) f¨ ur die Stromlinie eingef¨ uhrt, erh¨alt man:
oder
d(x2 )ψ U2 x2 = = d(x1 )ψ U1 x1 (1 + 2t)
(4.48)
d(x2 )ψ d(x1 )ψ 1 = x2 x1 1 + 2t
(4.49)
Durch Integration ergibt sich: ln(x2 )ψ = C +
1 ln(x1 )ψ 1 + 2t
(4.50)
104
4 Grundlagen der Str¨ omungskinematik 1
=⇒ (x2 )ψ = c˜ [(x1 )ψ ] 1−2t , definiert nur bei t > − 12 . Betrachtet man die Stromlinie, die zum Zeitpunkt t = 0 auch den Punkt (1, 1, 0) passiert, so ergibt sich C = 0 und damit: 1 (x2 )ψ = [(x1 )ψ ]( 1+2t )
(4.51)
F¨ ur den Fall, dass ein dreidimensionales Geschwindigkeitsfeld vorliegt, lassen ¨ sich die obigen Uberlegungen, die f¨ ur die Projektion der Stromlinien in die x1 ur die Projektion in die x2 -Ebene angegeben wurden, analog u ¨ bernehmen. F¨ x1 -x3 - und x2 -x3 -Ebene ergeben sich zur Definitionsgleichung (4.46) analoge Beziehungen: U3 d(x3 )ψ = (4.52) d(x1 )ψ U1 d(x3 )ψ U3 = d(x2 )ψ U2
(4.53)
Damit lassen sich die Definitionsgleichungen der Stromlinien eines Geschwindigkeitsfeldes wie folgt angeben: d(x1 )ψ d(x2 )ψ = , U1 U2
d(x1 )ψ d(x3 )ψ = , U1 U3
d(x2 )ψ d(x3 )ψ = U2 U3
(4.54)
oder umgeschrieben: d(x1 )ψ d(x2 )ψ d(x3 )ψ = = = λ(s) ds U1 U2 U3
(4.55)
Gleichung (4.55) sagt aus, dass zum Zeitpunkt t eine Fluidbewegung entlang der Stromlinie erfolgt. Diese Differentialbeziehungen f¨ ur die Stromlinie eines Geschwindigkeitsfeldes gelten zu jedem Zeitpunkt t. Ihre L¨osung f¨ uhrt zu einer Beziehung (x3 )ψ = ψ(x1 , x2 ), welche eine Raumkurve beschreibt, die dreidimensionale Stromlinie. Der wohl einfachste Weg, den Satz von Differentialgleichungen (4.55) zu l¨ osen, wird durch Aufsuchen einer Parameterl¨ osung (x1 )ψ = x1 (s) beschritten. Hierbei ist s ein Parameter, dessen Wert an einem bestimmten Referenzpunkt der Stromlinie gleich Null ist und der entlang der Stromlinie und in Str¨ omungsrichtung zunehmende Werte annimmt. Werden alle Werte −∞ < s < ∞ durchlaufen, so erh¨ alt man eine Darstellung der gesamten Stromlinie. Durch Einf¨ uhren von s erh¨ alt man: d(xj )ψ = Uj (xi , t) ds
f¨ ur t = const und j = s
(4.56)
eine Beziehung, die f¨ ur jede Koordinate (xj )ψ eine Differentialgleichung j = 1, 2, 3 darstellt, welche f¨ ur t = const die Stromlinien im Raum beschreiben. Wird die zum Zeitpunkt t durch den Raumpunkt [x0 ]j laufende
4.4 Kinematische Gr¨ oßen von Str¨ omungsfeldern
105
Stromlinie gesucht, so wird nach erfolgter Integration der drei Differentialgleichungen s = 0, wenn xj (t) = xj,0 ist. Hieraus resultiert dann das gesamte Stromlinienfeld als: (4.57) (xj )ψ = ψj (x0,j , t, s) Zur Demonstration der Vorgehensweise bei der Bestimmung dreidimensionaler Stromlinienfelder soll wiederum das folgende Geschwindigkeitsfeld betrachtet werden: U1 = x1 (1 + t),
U2 = −x2
U3 = −x3 t
und
(4.58)
Damit ergibt sich ein Satz von Differentialgleichungen f¨ ur die Stromlinien dieses Geschwindigkeitsfeldes: d(x1 )ψ = x1 (1 + t), ds
d(x2 )ψ = −x2 , ds
d(x3 )ψ = −x3 t. ds
(4.59)
Die Integration dieser Gleichungen ergibt: (x1 )ψ = C1 exp [(1 + t)s] , (x2 )ψ = C2 exp [−s] ,
(4.60)
(x3 )ψ = C3 exp [−ts] . Sucht man die Stromlinie, die durch den Punkt (1, 1, 1) geht, so kann man diesen Punkt als Referenzpunkt w¨ ahlen und s = 0 f¨ ur (xi )ψ = 1 setzen. Daraus ergibt sich f¨ ur die Integrationskonstanten: C1 = C2 = C3 = 1
(4.61)
Damit erh¨ alt man: (x1 )ψ = exp [(1 + t)s] ,
(x2 )ψ = exp [−s] ,
(x3 )ψ = exp [−t · s] .
(4.62)
F¨ ur die Zeit t = 0 ergibt sich ein Stromlinienverlauf: (x1 )ψ = exp [s] ,
(x2 )ψ = exp [−s] ,
(x3 )ψ = 1
(4.63)
Man erh¨ alt also eine Stromlinie, die in der Ebene x3 = 1 verl¨auft und dort durch die Beziehung 1 (x2 )ψ = (4.64) (x1 )ψ beschrieben wird. Das gesamte Stromlinienfeld erh¨ alt man, wenn man f¨ ur s = 0 beliebige Lagekoordinaten (x0,i ) einf¨ uhrt, so dass f¨ ur die Lagekoordinaten gilt:
106
4 Grundlagen der Str¨ omungskinematik
(x1 )ψ = (x1 )ψ,0 exp [(1 + t)s] , (x2 )ψ = (x2 )ψ,0 exp [−s] , (x3 )ψ = (x3 )ψ,0 exp [−ts] .
(4.65)
Dieser Satz von Gleichungen gibt zu jeder Zeit t die Stromlinien an, die durch den Punkt {xj }ψ,0 gehen. Dort hat der Parameter s den Wert s = 0 und f¨ ur alle anderen Punkte der Stromlinie einen Wert ungleich Null. Es entsteht so eine eindeutige Zuordnung, die sicherstellt, dass Stromlinien sich niemals schneiden, da sonst in diesem Schnittpunkt gleichzeitig zwei Geschwindigkeiten vorhanden sein w¨ urden. Dies ist durch das Vorliegen eindeutiger Geschwindigkeitsfelder (bis auf Staupunkte und Singularit¨aten) ausgeschlossen.
x 2
B a h n lin ie
x 1
S tre ic h lin ie
Abbildung 4.7: Vergleich von Stromlinien, Bahnlinien und Streichlinien
Im vorausgegangenen Abschnitt war herausgestellt worden, dass im allgemeinen Stromlinien, Bahnlinien und Streichlinien nicht identisch sind und die durchgerechneten Beispiele haben dies verdeutlicht. F¨ ur station¨are Str¨omungen sind alle drei Linien identisch, d.h. –
omungsfelder bewegen sich markierte Fluidelemente entf¨ ur station¨ are Str¨ lang von Stromlinien, d.h. Stromlinien sind gleich den Bahnlinien
4.4 Kinematische Gr¨ oßen von Str¨ omungsfeldern
–
107
f¨ ur station¨ are Str¨ omungsfelder k¨ onnen Stromlinien durch lokal zugegebene Tracerteilchen sichtbar gemacht werden, d.h. Stromlinien sind gleich den Streichlinien
omungen sind, im allgemeinen, Stromlinien, Bahnlinien F¨ ur instation¨ are Str¨ und Streichlinien unterschiedliche Raumkurven. 4.4.2 Stromfunktion und Stromlinien zweidimensionaler Str¨ omungsfelder F¨ ur zweidimensionale inkompressible Geschwindigkeitsfelder {Uj } = asst sich die Stromfunktion als eine Feldgr¨oße einf¨ uhren. Sie ist {U1 , U2 , 0} l¨ wie folgt definiert: U1 =
∂ψ ∂x2
und
U2 = −
∂ψ ∂x1
(4.66)
und errechnet sich aus dem Geschwindigkeitsfeld u ¨ ber die folgenden Linienintegrale: "x2 U1 dx2 f¨ ur x1 = const (4.67) ψ − ψ0 = x2,0
oder auch:
"x1 ψ − ψ0 = −
U2 dx1
f¨ ur x2 = const
(4.68)
x1,0
Die obigen Gleichungen zeigen, dass die zwischen zwei Stromfunktionswerten vorliegende Differenz ein Maß f¨ ur den Volumenstrom des Fluids ist,
x 2
y x 1 = c o n st
y 0
x 2 = c o n st x 1
Abbildung 4.8: Erl¨ auterung der Definitionsgleichungen der Stromfunktion
108
4 Grundlagen der Str¨ omungskinematik
der zwischen zwei Linien mit je konstantem Stromfunktionswert fließt, wobei eine Tiefe der betrachtete Fl¨ ache der L¨ angeneinheit 1 senkrecht zur x1 -x2 Ebene betrachtet wird. Danach ergeben die in den Gleichungen (4.67) und (4.68) aufgef¨ uhrten Integrationen entlang der in Abb. 4.8 eingezeichneten Linie x1 = const und x2 = const identische Volumenstromwerte, wenn die ahlt werden, dass die Differenz oberen Integrationsgrenzen x1 und x2 so gew¨ ψ − ψ0 in beiden Integralen gleich groß ist. F¨ ur ein Fluid mit ρ = const, d.h. f¨ ur eine thermodynamisch ideale Fl¨ ussigkeit, stellt die Identit¨at der Integrale eine Massenerhaltungsbeziehung dar. F¨ uhrt man die in den Gleichungen (4.67) und (4.68) angegebenen Integrationen entlang einer Linie ψ = const aus, d.h. f¨ ur dψ = 0, so erh¨ alt man: U1 d(x2 )ψ = U2 d(x1 )ψ
(4.69)
d(x1 )ψ d(x2 )ψ = U1 U2
(4.70)
oder umgeschrieben:
Aus der oben angegebenen Beziehung (4.70) ergibt sich, durch einen Vergleich mit der in Gleichung (4.46) angegebenen Definitionsgleichung f¨ ur die Stromlinie, dass die f¨ ur zweidimensionale Str¨ omungsfelder definierte Stromfunktion ψ f¨ ur ψ = const Stromlinien ergibt. W¨ ahrend man bei den kinematischen Betrachtungen in den vorausgegangenen Abschnitten des Kapitels 2 beliebige mathematische Ans¨atze f¨ ur das Geschwindigkeitsfeld verwenden konnte, erfordert die Einf¨ uhrung der Stromfunktion eine Einschr¨ ankung der Betrachtungen auf solche Geschwindigkeitsfelder, die physikalische Bedingungen zu erf¨ ullen haben. Betrachtungen im nachfolgenden Abschnitt 5 zeigen, dass physikalisch m¨ogliche Str¨omungsfelder das Massenerhaltungsgesetz erf¨ ullen m¨ ussen, das sich f¨ ur ideale Fl¨ ussigkeiten (ρ = const) wie folgt formulieren l¨ asst: ∂U1 ∂U2 ∂U3 ∂Ui = + + =0 ∂xi ∂x1 ∂x2 ∂x3
(4.71)
Dass eine Stromfunktion das Massenerhaltungsgesetz f¨ ur zweidimensionale Str¨ omungen, d. h. f¨ ur ∂U3 /∂x3 = 0 automatisch erf¨ ullt, kann man durch Einsetzen der Definition in Gleichung (4.66) leicht u ufen, wobei der Satz ¨ berpr¨ von Schwarz anzuwenden ist. Erf¨ ullt ein Str¨ omungsfeld nicht das Massenerhaltungsgesetz, so resultieren die nach den Gleichungen (4.67) und (4.68) durchzuf¨ uhrenden Integrationen in sich widersprechenden L¨ osungen. Dies l¨ asst sich f¨ ur das in Abschnitt 4.3.1 verwendete zweidimensionale Str¨ omungsfeld zeigen, das nicht das Massenerhaltungsgesetz (d.h. die Kontinuit¨ atsgleichung) erf¨ ullt: U1 = x1 ;
U2 = x2 (1 + 2t) und
U3 = 0
(4.72)
4.4 Kinematische Gr¨ oßen von Str¨ omungsfeldern
109
F¨ uhrt man dennoch die in Gleichung (4.67) aufgef¨ uhrte Integration aus, so ergibt sich aus den Definitionsgleichungen f¨ ur die Stromfunktion, d.h. aus den Beziehungen (4.66): ∂ψ = x1 ∂x2
und
∂ψ = −x2 (1 + 2t) ∂x1
(4.73)
Durch Integration dieser Gleichungen erh¨ alt man f¨ ur die Stromfunktion: ψ = −x1 x2 (1 + 2t) + G(x2 , t)
ψ = x1 x2 + F (x1 , t)
(4.74)
oder anders ausgedr¨ uckt:
oder
x1 x2 + F (x1 , t) = −x1 x2 (1 + 2t) + G(x2 , t)
(4.75a)
2(t + 1)x1 x2 = G(x2 , t) − F (x1 , t)
(4.75b)
Ein Vergleich der Ergebnisse der beiden Integrationen (4.73), die in den Gleichungen (4.74) resultieren, zeigt den sich f¨ ur die Stromfunktion ergebenden Widerspruch. Dies resultiert aus dem Sachverhalt, dass das nach (4.72) angegebene Geschwindigkeitsfeld zwar mathematisch eindeutig definiert ist, aber physikalisch nicht existieren kann; das Geschwindigkeitsfeld (4.72) erf¨ ullt nicht die durch das Massenerhaltungsgesetz f¨ ur ρ = const bestimmten Anforderungen. Betrachtet man dagegen das Geschwindigkeitsfeld: U1 = exp [x1 (1 + t)] ,
U2 = −x2 (1 + t) exp [x1 (1 + t)] ,
U3 = 0
(4.76)
∂U1 ∂U2 = (1 + t) exp [x1 (1 + t)] und = −(1 + t) exp [x1 (1 + t)] ∂x1 ∂x2
(4.77)
f¨ ur das die Beziehung (4.71) erf¨ ullt ist, da gilt:
2
2
∂ ψ ∂ ψ ∂U2 1 alt man aus den Definioder aber auch ∂U ∂x2 + ∂x2 = ∂x1 ∂x2 − ∂x2 ∂x1 so erh¨ tionsgleichungen f¨ ur die Stromfunktion (4.66):
∂ψ ∂ψ = exp [x1 (1 + t)] und = x2 (1 + t) exp [x1 (1 + t)] ∂x2 ∂x1
(4.78)
die folgende L¨ osung f¨ ur die Stromfunktion ψ: ψ = x2 exp [x1 (1 + t)] + C
(4.79)
Kennt man den Wert der Stromfunktion f¨ ur x1,0 und x2,0 , so gilt ψ0 = x2,0 exp [x1,0 (1 + t)] + C
(4.80)
ψ − ψ0 = x2 exp [x1 (1 + t)] − x2,0 exp [x1,0 (1 + t)]
(4.81)
Das erhaltene Ergebnis l¨ asst sich auch f¨ ur x1 = x1,0 = const aus der Beziehung (4.66) errechnen:
110
4 Grundlagen der Str¨ omungskinematik
ψ − ψ0 = (x2 − x2,0 ) exp [x1,0 (1 + t)]
f¨ ur
x1 = x1,0
(4.82)
Dies gibt die ψ(x2 )-Verteilung an der Stelle x1,0 an. Will man den Verlauf aller Stromlinien in der x1 − x2 −Ebene ermitteln, so gilt es, ψ als einen Parameter in Gleichung (4.81) zu betrachten und die x2 − x1 −Beziehung f¨ ur diesen Parameter aus Gleichung (4.81) abzuleiten. Dabei sind ψ0 , x1,0 und x2,0 frei w¨ ahlbare Konstanten.
4.4.3 Divergenz eines Str¨ omungsfeldes In dem vorliegenden Abschnitt sollen aus der Vektoranalysis bekannte und auf Str¨ omungsfelder anwendbare, mathematische Operatoren erl¨autert und ihre Ableitungen wiederholt und hinsichtlich ihrer physikalischen Bedeutung betrachtet werden. : Divergenz des Str¨ omungsfeldes div U ∂Ui ∂U1 ∂U2 ∂U3 = + + ∂xi ∂x1 ∂x2 ∂x3
(4.83)
Die oben definierte Divergenz eines Str¨ omungsfeldes ist als ein Skalarfeld anzusehen, das bei Vorliegen eines stetigen Geschwindigkeitsfeldes in jedem Raumpunkt definiert ist und aus dem als bekannt anzusehenden Geschwindigkeitsfeld berechnet werden kann. Will man die physikalische Bedeutung des auf das Geschwindigkeitsfeld Ui angewandten Operators ∂/∂xi erkennen, empfiehlt sich die Betrachtung eines Fluidelements, wie es in Abb. 4.9 prismenf¨ormig angegeben ist. Die Kantenl¨ angen ∆xi sind als sehr klein angenommen, so dass den Fl¨achen je ein
x 2
H G
U 1
Q
( x i) x
A 3
D x C
D
U P
D x 1
B
D x
1
(x i + D x i ) x
F E
2
1
3
Abbildung 4.9: Fluidelement zur Erl¨ auterung der physikalischen Bedeutung des Gradienten (∂Ui /∂xi )
4.4 Kinematische Gr¨ oßen von Str¨ omungsfeldern
111
Geschwindigkeitsvektor derart zugeordnet werden kann, dass dieser Vektor angibt, mit welcher Geschwindigkeit sich die betrachtete Fl¨ache des Fluidelements bewegt. Danach bewegt sich die Fl¨ ache AEHD in der x1 -Richtung mit der Geschwindigkeitskomponente des in Punkt Q vorliegenden Geschwindigkeitsfeldes, d.h. mit U1 (xi ) = U1 (x1 , x2 , x3 ). Die Fl¨ache BFGC bewegt sich dagegen mit der in Punkt P vorliegenden Geschwindigkeitskomponente U1 (xi + ∆xi , x2 , x3 ). Diese Geschwindigkeitskomponente l¨asst sich durch eine Taylorreihenentwicklung wie folgt ausdr¨ ucken: ∂U1 1 ∂ 2 U1 U1 (x1 + ∆x1 , x2 , x3 ) = U1 (x1 ) + ∆x1 + ∆x21 + . . . (4.84) ∂x1 2 ∂x21 Die Differenzgeschwindigkeit zwischen den Fl¨achen AEHD und BFGC errechnet sich somit als: ∂U1 1 ∂ 2 U1 ∆U1 (xi , ∆xi ) = (4.85) ∆x1 + ∆x21 + . . . ∂x1 2 ∂x21 Infolge dieser Geschwindigkeitsdifferenz kommt es zu einer Volumenvergr¨oßerung oder einer Volumenverkleinerung, je nachdem welche Vorzeichen die Ableitungen des Geschwindigkeitsfeldes aufweisen, die sich durch Multiplikation mit der Fl¨ ache ∆x2 ∆x3 , unter Vernachl¨assigung der Glieder zweiter und h¨ oherer Ordnung in ∆x1 , wie folgt in erster N¨aherung angeben l¨asst: ∂U1 d (δV1 ) = ∆U1 (xi )(∆x2 ∆x3 ) = ∆x1 (∆x2 ∆x3 ) (4.86) dt ∂x1 Aufgrund von gleichzeitig vorliegenden Gradienten des Geschwindigkeitsfeldes in der x2 - und x3 -Richtung ergeben sich zus¨atzlich in der Zeiteinheit auftretende Volumen¨ anderungen, die wiederum in erster N¨aherung wie folgt angebbar sind: d ∂U2 (δV2 ) = ∆x2 (∆x1 ∆x3 ) dt ∂x2
d ∂U3 (δV3 ) = ∆x3 (∆x1 ∆x2 ) dt ∂x3 (4.87) so dass die gesamte, in einem Str¨ omungsfeld f¨ ur ein Fluidelement in der Zeiteinheit zu erwartende Volumen¨ anderung wie folgt angegeben werden kann: und
3 d d ∂Ui (δV ) = (δVα ) = (δV ) dt dt ∂xi α=1
(4.88)
oder umgeschrieben: 1 d ∂Ui (δV ) = (4.89) ∂xi δV dt Diese Beziehung verdeutlicht die physikalische Bedeutung der Divergenz eines Geschwindigkeitsfeldes 4 . Demnach gibt die Divergenz eines Geschwindigkeitsfeldes in einem Raumpunkt an, wie groß die pro Zeit- und Volumeneinheit auftretende Volumen¨ anderung eines Fluidelements an einer bestimmten 4
Die Beziehung (4.88) verdeutlicht, dass die Summation f¨ ur i = 1 bis 3 durch den andlich angegeben ist Doppelindex in ∂Ui /∂xi ausreichend verst¨
112
4 Grundlagen der Str¨ omungskinematik
Position in einem Str¨ omungsfeld ist. An solchen Stellen des Str¨omungsfeldes, an denen die Divergenz des Geschwindigkeitsvektors Null ist, liegt lokal keine zeitliche Volumen¨ anderung f¨ ur ein sich im Geschwindigkeitsfeld bewegendes Fluidelement vor. Errechnet sich die Divergenz in Teilbereichen des Geschwindigkeitsfeldes als negativ, so erf¨ ahrt ein Fluidelement in diesen Bereichen Volumenverkleinerungen. F¨ uhrt man Betrachtungen zur physikalischen Bedeutung der Divergenz eines Geschwindigkeitsfeldes an einem ortsfesten Volumenelement eines Fluids durch, so kommt es aufgrund des vorliegenden Geschwindigkeitsfeldes zu Zuund Abfl¨ ussen durch die Oberfl¨ achen des betrachteten Volumens, derart, dass das pro Zeiteinheit zugeflossene Volumen angegeben werden kann: V˙ Zufluss = Ui ∆xj ∆xk
i = j, k
(4.90)
F¨ ur das abfließende Volumen l¨ asst sich in erster N¨aherung berechnen: ∂Ui ˙ VAbfluss = Ui + i = j, k (4.91) ∆xj ∆xk ∂xi Die Differenz der Zu- und Abfl¨ usse errechnet sich unter Ber¨ ucksichtigung von ∆V = ∆x1 ∆x2 ∆x3 als: ∂Ui ∆V˙ = V˙ Zufluss − V˙ Abfluss = − ∆V ∂xi
(4.92)
Diese Beziehung verdeutlicht, dass das Vorliegen einer positiven Divergenz des Geschwindigkeitsfeldes einer Quelle im Volumen gleichkommt, da mehr Fluidvolumen“ abfließt als zufließt. Ist die Divergenz des Geschwindigkeits” feldes dagegen negativ, so liegt eine Senke vor, da dann der Zufluss an Vo” lumen“ gr¨ oßer sein muss als der Abfluss.
4.5 Translation, Deformation und Rotation von Fluidelementen Analog zu Betrachtungen in der Festk¨ orpermechanik interessieren bei einigen str¨ omungsmechanischen Betrachtungen die infolge vorliegender Geschwindigkeitsgradienten auftretenden Deformationen von Fluidelementen. Nimmt man zu den Fluidelementdeformationen die Translationsbewegung und die Rotation eines Fluidelements mit hinzu, so l¨asst sich der gesamte lokale Bewegungs- und Deformationszustand eines Fluidelements durch vier geometrisch einfach separierbare“ Teilzust¨ ande angeben. Die in Abb. 4.10 ” skizzierte reine Translationsbewegung f¨ uhrt zu einer Lage¨anderung des mit
markierten Fluidelements, derart, dass gilt: d(xj ) = (Uj ) dt = Uj dt
(4.93)
4.5 Translation, Deformation und Rotation von Fluidelementen
113
Diese Beziehung bringt zum Ausdruck, dass das lokal vorliegende Geschwindigkeitsfeld f¨ ur die Translationsbewegung eines Fluidelements verantwortlich ist, d.h. Fluidelemente bewegen sich zu jedem Zeitpunkt mit dem lokal vorliegenden Geschwindigkeitsvektor. ¨ Uberlagert man den in Abb. 4.10 skizzierten reinen Translationsbewegungen eines Fluidelements eine Fluidelementrotation, so entsteht das in Abb. 4.11 skizzierte Bild. Um die Rotation eines Fluidelements anzugeben bzw. zu berechnen, gilt es, die beiden Winkel ∆Θ1 und ∆Θ2 zu beschreiben: . / ∂U2 ∂U2 ∂x1 (∆x1 ) ∆t ∆t (4.94) ∆Θ1 = tan = (∆x1 ) ∂x1 / . ∂U1 ∂U1 ∂x2 (∆x2 ) ∆t =− ∆Θ2 = tan ∆t (4.95) (∆x2 ) ∂x2 Als Rotationsgeschwindigkeit des Fluidelements wird nun die pro Zeiteinheit erfolgende positive Winkel¨ anderung der Diagonale des Elements definiert:
U 2
D t
j
(D x 2) Â
}
x 2= x
(D x 1)Â
} U 1
D t
x 2= x i
Abbildung 4.10: Rein translatorische Bewegung; Betrachtungen der Projektion in die x1 − x2 −Ebene
x 2 = x
¶ U ¶ x
( D x 2 )Â D t 1
2
j
D Q 2
D Q 1
¶ U ¶ x
D Q
1
=
2
D Q
1
(D x 1 ) Â
D t
2
b e i re in e r R o ta tio n x 1 = x i
Abbildung 4.11: Translation und Rotation eines Fluidelements in einem Str¨ omungsfeld
114
4 Grundlagen der Str¨ omungskinematik
R Θ˙ 21 =
dΘR dt
1 = 2
dΘ2 dΘ1 + dt dt
1 = 2
∂U2 ∂U1 − ∂x1 ∂x2
(4.96)
Allgemein lassen sich damit die Komponenten des Rotationsgeschwindigkeitsur die lokale pro Zeiteinheit erfolgende Rotation eines Fluidvektors {ωk } f¨ elements wie folgt angeben: ∂Uj ∂Ui R = ijk ∂Uj = 2ωk = 2Θ˙ ji = − rot U ∂xi ∂xi ∂xj
(4.97)
Die Gr¨ oße ωk gibt die in positiver Richtung erfolgende doppelte Rotationsgeschwindigkeit der Achse des Fluidelements an. Die zweite Diagonale des betrachteten Fluidelementes dreht sich mit der selben Winkelgeschwindigoße des Geschwindigkeitsfeldes. keit. {ωk } ist eine wichtige kinematische Gr¨ Sie wird als Wirbelst¨ arke bezeichnet und errechnet sich als die halbe Rotation des Geschwindigkeitsfeldes. Sie ist somit selbst eine Feldgr¨oße, ωk (xi , t), f¨ ur die gilt: ωk (xi , t) = 0 wenn ein Str¨ omungsfeld rotationsfrei ist. omungen vor, deren RotationsIst ωk (xi , t) = 0, so liegen wirbelbehaftete Str¨ eigenschaften am besten theoretischen Behandlungen zug¨anglich sind, wenn man die Erhaltungsgesetze f¨ ur Masse, Impuls und Energie in ωk ausdr¨ uckt. Betrachtet man als n¨ achstes die in Abb. 4.12 aufgezeigte Winkeldeformation eines Fluidelements, so ist ersichtlich, dass f¨ ur die Winkeldeformation gilt: dΘ2 1 dΘ1 D − Θ˙ 21 = Deformationswinkelgeschwindigkeit 2 dt dt
x 2 = x
¶ U ¶ x
1 2
(D x 2 )
D t Â
j
D Q D x
2
D Q 2
D x 1
¶ U ¶ x
1 2 1
(D x 1 )
x 1 = x
D t
i
Abbildung 4.12: Translation und Winkeldeformation eines Fluidelements in einem Str¨ omungsfeld infolge Geschwindigkeitsgradienten
4.5 Translation, Deformation und Rotation von Fluidelementen
Damit gilt allgemein f¨ ur die Winkeldeformation in der x1 -x2 -Ebene 1 ∂U2 ∂U1 D Θ˙ 21 = + 2 ∂x1 ∂x2 oder allgemein: 1 D Θ˙ ij = 2
∂Uj ∂Ui + ∂xi ∂xj
115
(4.98)
i = j
(4.99)
Analog zu Betrachtungen in der Festk¨ orpermechanik gilt die Symmetrie des Deformationstensors: D D = Θ˙ ji (4.100) Θ˙ ij Als letztes gilt es, die Dilatation eines Fluidelements zu betrachten, das infolge des in einem Str¨ omungsfeld vorliegenden Geschwindigkeitsgradienten Dehngeschwindigkeiten erf¨ ahrt, wie dies in Abb. 4.13 aufgezeigt ist. Die infolge eines in x1 -Richtung vorliegenden Geschwindigkeitsgradienten erfolgende L¨ angen¨ anderung l¨ asst sich wie folgt angeben: ∂U1 ∂U1 (δx1 ) ∆t dl1 = lim = (4.101) (δx1 ) ∆t→0 dt ∂x1 ∆t ∂x1 Hieraus errechnet sich die pro L¨ angen- und Zeiteinheit erfolgende L¨ angen¨ anderung nach Abb. 4.13: ∂U1 1 d(l1 ) = (∆x1 ) dt ∂x1
(4.102)
Multipliziert man die L¨ angen¨ anderung mit der Querfl¨ache (δF1 ) , so ergibt sich die zugeh¨ orige Volumen¨ anderung: ∂U1 d(δV1 ) = (4.103) (δV1 ) dt ∂x1
x 2
¶ U ¶ x
1 2
(D x 1 ) l1
D F (D x 1 )
D t Â
1
Â
x 1 = x i
Abbildung 4.13: L¨ angung eines Volumenelements infolge Geschwindigkeitsgradienten im Str¨ omungsfeld
116
4 Grundlagen der Str¨ omungskinematik
Aufsummiert u ur die gesamte ¨ ber alle drei Achsenrichtungen erh¨alt man f¨ Volumen¨ anderung pro Zeiteinheit: ∂Ui 1 d(δV ) = (δV ) dt ∂xi
(4.104)
d.h., die Divergenz des Geschwindigkeitsfeldes gibt an, wie sich das Volumen eines Fluidelementes an einem Punkt im Raum mit der Zeit ¨andert. Dies wurde bereits in Kapitel 4.3 gezeigt. Es ist nun in der Literatur u ¨ blich, Elongationen von Fluidelementen und deren Winkeldeformationen zu einem Deformationstensor zusammenzufassen, derart, dass gilt: 1 ∂Uj ∂Ui + f¨ ur i = j (4.105) εij = 2 ∂xi ∂xj so dass f¨ ur den Deformationstensor gilt: ε11 ε12 ε13 {εij } = ε21 ε22 ε23 und εij = εji ε31 ε32 ε33
(4.106)
Aus den obigen Betrachtungen resultiert die folgende Beziehung, die auch bei i = j gilt: ∂Uj 1 ∂Uj ∂Ui ∂Ui 1 ∂Uj = + − + (4.107) ∂xi 2 ∂xi ∂xj 2 ∂xi ∂xj d.h. es gilt: R dΘij ∂Uj ∂Uj 1 = εij + ijk = εij + ∂xi dt 2 ∂xi
(4.108)
Die in Geschwindigkeitsfeldern vorliegenden Gradienten sind mit Deformationen und Rotationen von Fluidelementen verbunden, wobei die Gradi¨ enten Deformationsraten (normierte Anderungen pro Zeiteinheit) und Rotationswinkelgeschwindigkeiten anzugeben erlauben. Dies gilt es zu beachten, wenn man die Analogie zwischen Festk¨ orpermechanik und Str¨omungsmechanik heranzieht, um die in der Festk¨ orpermechanik durchgef¨ uhrten Betrachtungen zu Deformationen elastischer K¨ orper auf die in der Str¨omungsmechanik auftretenden Deformationsraten von Fluidelementen, infolge vorliegender Gradienten des Str¨ omungsfeldes zu u ¨ bertragen.
4.6 Relativbewegungen Betrachtungen der Geschwindigkeiten an zwei um (δxi ) separierten Punkten resultieren in folgender Beziehung:
4.6 Relativbewegungen
Uj (xi + δxi , t) = Uj (xi , t) +
∂Uj δxi + · · · ∂xi
117
(4.109)
oder umgeschrieben Rotation ∂Ui 1 ∂Uj ∂Ui 1 ∂Uj δxi + δxi − + Uj (xi + δxi , t) = Uj (xi , t) + 2 ∂xi ∂xj 2 ∂xi ∂xj Translation Deformation (4.110) Diese Beziehung macht deutlich, dass sich die Geschwindigkeit am Nachbarpunkt xi + δxi aus der Translationsgeschwindigkeit des Punktes P (xi ), einer Rotationsgeschwindigkeit um diesen Punkt und einer Deformationsgeschwindigkeit in diesem Punkt zusammensetzt. Die Komponenten lauten f¨ ur j = 1, 2, 3: . ∂U1 1 ∂U1 ∂U2 δx1 + − j = 1 : U1 (xi + δxi , t) = U1 + δx2 ∂x1 2 ∂x2 ∂x1 / 1 ∂U1 ∂U3 1 ∂U1 ∂U2 1 ∂U1 ∂U3 + − + + δx3 + δx2 + δx3 2 ∂x3 ∂x1 2 ∂x2 ∂x1 2 ∂x3 ∂x1 (4.111) .
∂U2 1 ∂U2 ∂U3 δx2 + − δx3 ∂x2 2 ∂x3 ∂x2 / 1 ∂U2 ∂U1 1 ∂U2 ∂U3 1 ∂U2 ∂U1 + − + + δx1 + δx3 + δx1 2 ∂x1 ∂x2 2 ∂x3 ∂x2 2 ∂x1 ∂x2 j = 2 : U2 (xi + δxi , t) = U2 +
(4.112) .
∂U3 1 ∂U3 ∂U1 j = 3 : U3 (xi + δxi , t) = U3 + δx3 + − δx1 ∂x3 2 ∂x1 ∂x3 / 1 ∂U3 ∂U2 1 ∂U3 ∂U1 1 ∂U3 ∂U2 + − + + δx2 + δx1 + δx2 2 ∂x2 ∂x3 2 ∂x1 ∂x3 2 ∂x1 ∂x3 (4.113) Mit den obigen Gleichungen lassen sich nun die allgemeinsten Bewegungen von Fluidelementen beschreiben, d.h., die Geschwindigkeit in jedem Punkt eines Fluidelements ist angebbar als die Summe aus Translationsgeschwindigkeit eines Bezugspunktes, einer Rotationsbewegung um diesen Punkt, d.h. der daraus resultierenden Geschwindigkeit, und einer u ¨ berlagerten Deformationsgeschwindigkeit.
118
4 Grundlagen der Str¨ omungskinematik
x 2
P (x i ) U
j
(x i , t) U j ( ( x i+ d x i ) , t ) P ( x i+ d x i )
(d x i ) d x
x
3
d x 1
x 1
3
Abbildung 4.14: Relativbewegung in einem Fluidelement
Die einzelnen Summanden der Gleichungen (4.111) bis (4.113) lassen sich wie folgt umgruppieren: / . ∂U1 1 ∂U1 ∂U2 1 ∂U1 ∂U3 δx1 + + + δx2 + δx3 j = 1 : U1 (xi ) + ∂x1 2 ∂x2 ∂x1 2 ∂x3 ∂x1 1 ∂U1 ∂U2 1 ∂U1 ∂U3 − − + δx2 + δx3 (4.114) 2 ∂x2 ∂x1 2 ∂x3 ∂x1 .
/ ∂U2 1 ∂U2 ∂U1 1 ∂U2 ∂U3 δx2 + + + δx1 + δx3 j = 2 : U2 (x2 ) + ∂x2 2 ∂x1 ∂x2 2 ∂x3 ∂x2 0 1 ∂U2 ∂U1 1 ∂U2 ∂U3 + − − (4.115) δx1 + δx3 2 ∂x1 ∂x2 2 ∂x3 ∂x2 .
/ ∂U3 1 ∂U3 ∂U2 1 ∂U3 ∂U1 δx3 + + + j = 3 : U3 (x3 ) + δx2 + δx1 ∂x3 2 ∂x2 ∂x3 2 ∂x1 ∂x3 0 1 ∂U3 ∂U2 1 ∂U3 ∂U1 + − − (4.116) δx2 + δx1 2 ∂x2 ∂x3 2 ∂x1 ∂x3 Die vor den rechteckigen Klammern stehenden Ausdr¨ ucke stellen die Translation dar, die durch den folgenden Geschwindigkeitsvektor gegeben ist: Uj (xi , t) = {U1 , U2 , U3 }
(4.117)
In den eckigen Klammern ist das Produkt aus dem Deformationstensor:
4.6 Relativbewegungen
∂U1 ∂x 1 ∂U 1 2 Dij (xi , t) = + 2 ∂x 1 1 ∂U3 + 2 ∂x1
119
∂U2 1 ∂U1 ∂U3 1 ∂U1 + + ∂x1 2 ∂x3 ∂x1 2 ∂x2 ∂U2 1 ∂U2 ∂U1 ∂U3 + ∂x2 ∂x2 ∂x2 2 ∂x3 ∂U3 ∂U1 1 ∂U3 ∂U2 + ∂x3 2 ∂x2 ∂x3 ∂x3 (4.118)
und dem Abstandsvektor“ ” {δxi } = {δx1 , δx2 , δx3 }
(4.119)
aufgef¨ uhrt. W¨ ahrend in den geschwungenen Klammern das Vektorprodukt aus (4.120) {δxi } = {δx1 , δx2 , δx3 } und
2ωk =
∂U3 ∂U2 − ∂x2 ∂x3
;
∂U1 ∂U3 − ∂x3 ∂x1
;
∂U2 ∂U1 − ∂x1 ∂x2
(4.121)
aufgef¨ uhrt ist. Damit l¨ asst sich schreiben: Uj (x + dxi , t) = Uj (xi , t) + Dij (xi , t) δxi + εijk ωk (xi , t) δxi
(4.122)
Diese Beziehung bringt wiederum zum Ausdruck, dass sich die Gesamtbewegung eines Punktes P (xi + dxi ) aus der Translationsbewegung des Punktes P (xi ) verstehen l¨ asst, u ¨berlagert von Deformations- und Rotationsbewegungen um P (xi ). Die einzelnen Teile Translation, Deformation und Rotation k¨onnen der Sequenz eines Fluidelements entnommen werden, die in Abb. 4.15 aufgezeigt ist. F¨ ur den zweidimensionalen Fall mit U1 = u und U2 = v sowie x1 = x
R o ta tio n
W in k e ld e fo rm a tio n L ä n g u n g
} T ra n s la tio n m it D e fo rm a tio n
Abbildung 4.15: Veranschaulichung der Translationsbewegung, der Deformation und der Rotation eines Fluidelements
120
4 Grundlagen der Str¨ omungskinematik
y R '
(v +
¶ v
¶ y
R
q
d x
2
Q ' a
d y )d t P '
v d t
d y P
-d
d
q 1
(v +
¶ v
¶ x
d x )d t
Q (u + u d t
¶ u
¶ x
d x )d t
x
Abbildung 4.16: Translation, Deformation und Rotation eines Fluidelements infolge der Geschwindigkeitskomponenten u und v
und x2 = y sind die Betrachtungen zu den einzelnen Themen noch einmal in Abb. 4.16 aufgef¨ uhrt. Die Skizzen in Abb. 4.3 machen deutlich, wie Geschwindigkeitsgradienten, die in einem Str¨ omungsfeld vorliegen, f¨ ur die Deformation von Fluidelementen verantwortlich sind. Solche Deformationen sind rein kinematische Vorg¨ ange und wurden hier durch entsprechende geometrische Betrachtungen abgeleitet. Das Geschwindigkeitsfeld wurde, im Grunde genommen, stets als gegeben angesehen, und die daraus folgenden Konsequenzen f¨ ur die Translation eines Fluidelements, dessen Rotation oder dessen Deforma¨ tion, konnten durch einfache geometrische Uberlegungen erhalten werden. Auch wurde darauf hingewiesen, dass die in der Fluidkinematik betrachteten Str¨ omungsfelder, im Prinzip, keine Erhaltungss¨atze erf¨ ullen m¨ ussen. Es wurde aber auch aufgezeigt, dass Str¨ omungsfelder, welche die Massenerhaltung bzw. die Impulserhaltung nicht erf¨ ullen, zu widerspr¨ uchlichen Aussagen bzgl. einiger kinematischer Gr¨ oßen kommen k¨onnen. Es ist deshalb wichtig, die in den nachfolgenden Kapiteln abgeleiteten Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik heranzuziehen, um vor der Durchf¨ uhrung kinematischer Betrachtungen sicherzustellen, dass das in die Betrachtung einbezogene Str¨ omungsfeld physikalisch existent ist, d.h. die Grundgleichungen, wie die Massenerhaltung und die Impulserhaltung, der Str¨omungsmechanik erf¨ ullt. Die Durchf¨ uhrung kinematischer Betrachtungen ist in vielen Bereichen der experimentellen Str¨ omungsmechanik von großer Bedeutung. Dort werden oftmals Stromlinien, Bahnlinien und Streichlinien im Rahmen von Str¨omungs-
4.7 Literaturverzeichnis
121
sichtbarmachungen aufgenommen. Die quantitative Auswertung der aufgezeichneten Stromlinien, Bahnlinien und Streichlinien f¨ uhrt zu Informationen u ur verl¨assliche Auswertungen sind ¨ ber das gesuchte Geschwindigkeitsfeld. F¨ detaillierte Kenntnisse der Str¨ omungskinematik erforderlich. Die in diesem ¨ Kapitel erl¨ auterten Uberlegungen stellen eine Einf¨ uhrung in das Gesamtgebiet der Str¨ omungskinematik dar, die dem Leser Zugang zu umfassenden Darstellungen des Fachgebiets in der Literatur geben sollen.
4.7 Literaturverzeichnis 4.1 Brodkey RS (1967) The Phenomena of Fluid Motions. Dover Publications Inc., New York 4.2 Currie IG (1974) Fundamental Mechanics of Fluids. Mei Ya Publications, McGraw-Hill Book Company, New York 4.3 Rutherford A (1974) Vectors, Tensors and the Basic Equations of Fluid Mechanics. Mei Ya Publications, Mc Graw-Hill Book Company, New York 4.4 Hutter K (1995) Fluid- und Thermodynamik: Eine Einf¨ uhrung. Springer Verlag, Berlin 4.5 Spurk JH (1996) Str¨ omungslehre: Einf¨ uhrung in die Theorie der Str¨omungen. Springer Verlag, Berlin
5 Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
5.1 Allgemeine Betrachtungen Str¨ omungsmechanische Betrachtungen werden in vielen Gebieten durchgef¨ uhrt, insbesondere in Gebieten des Ingenieurwesens. Untenstehend ist eine Auflistung gegeben, welche die weitreichende Anwendung von str¨omungsmechanischem Wissen verdeutlicht. Diese ist geeignet, die Bedeutung der Str¨ omungsmechanik im gesamten Ingenieurbereich aufzuzeigen. W¨ahrend es in der Vergangenheit u ¨ blich war, spezielle str¨omungsmechanische Betrachtungen zu jedem der unten aufgef¨ uhrten Gebiete anzustellen, strebt man heute verst¨ arkt an, generalisierte Betrachtungsweisen zu entwickeln und einzuf¨ uhren, die uneingeschr¨ ankt auf alle unten angegebenen Gebiete anwendbar sind. Dies macht es erforderlich, die f¨ ur die Anwendung zur L¨osung von Str¨ omungsproblemen formulierten Grundgesetze so allgemein abzuleiten, dass sie der in der untenstehenden Auflistung angedeuteten Forderung nach breitester Anwendbarkeit gerecht werden. Ziel der Ableitungen in diesem Abschnitt ist es, die Erhaltungss¨ atze f¨ ur Masse, Impuls, Energie, chemischer Spezies etc. so zu formulieren, dass sie auf alle in den nachfolgend aufgelisteten Gebieten auftretenden Str¨ omungsprobleme angewandt werden k¨ onnen. Diese unterscheiden sich dann nur in den Randbedingungen: – – – – – – – – – – – –
W¨ armetauscher-, K¨ uhlungs- und Trocknungstechnik Reaktionstechnik und Reaktorauslegung Aerodynamik von Fahrzeugen und Flugzeugen Halbleiterkristallherstellung, D¨ unnschichttechnologie, Gasphasenabscheidungsprozesse Auslegung und Optimierung von Pumpen, Ventilen, D¨ usen Einsatz von Str¨ omungsaggregaten wie Kr¨ ummern, Verzweigungen etc. Entwicklung von Messger¨ aten und Herstellung von Sensoren Ventilations-, Heizungs- und Klimatechnik, Funktion von Laborabz¨ ugen Probleml¨ osungen bei der Dachhinterl¨ uftung und Geb¨audeumstr¨omung Herstellung elektronischer Bauelemente, Mikrosystemtechnik Auslegung von R¨ uhrsystemen, Propellern und Turbinen Teilgebiete der Biomedizin und Medizintechnik
124
– – – – –
5 Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
Auslegung von Back- und Schmelz¨ ofen sowie sonstiger Feuerungsstellen Entwicklung von Motoren, Katalysatoren und Abgassystemen Verbrennungs- und Explosionsvorg¨ ange, Energieerzeugung, Umwelttechnik Sprays, Zerst¨ aubertechnik und Beschichtungstechnik etc.
Zur Formulierung der Grundgleichungen der Str¨omungsmechanik ist es am einfachsten, die Erhaltungsgleichungen f¨ ur Masse, Impuls, Energie und chemische Spezies f¨ ur ein Fluidelement zu formulieren, d.h. die Lagrange-Form“ ” der Gleichungen abzuleiten. In dieser Form lassen sich die Ableitungen leicht verst¨ andlich darstellen und es kann f¨ ur die Ableitungen auf Grundkenntnissen der Physik aufgebaut werden. An die Ableitungen der Grundgleichungen in Lagrangescher Form schließen sich u ¨ blicherweise Transformationsbetrachtungen an, deren Ziel es ist, lokale Formulierungen der Erhaltungsgleichungen anzugeben und Feldgr¨ oßen in die mathematischen Darstellungen einzuf¨ uhren, d.h. die Euler-Form“ der Erhaltungsgleichungen wird f¨ ur L¨osun” gen str¨ omungsmechanischer Probleme angestrebt. Damit wird es erforder¨ ¨ lich, zeitliche Anderungen substantieller Gr¨ oßen als zeitliche Anderungen von Feldgr¨ oßen auszudr¨ ucken. Dies macht es notwendig, die in Kapitel 2 aufgef¨ uhrten Betrachtungen in diesem Abschnitt teilweise zu wiederholen bzw. vertiefend zu erg¨ anzen.
Abbildung 5.1: Aufteilung eines Fluids in Fluidelemente der Masse δm
Die durchzuf¨ uhrenden Betrachtungen gehen davon aus, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt t = 0 die Masse eines Fluids in Fluidelemente der Masse δm unterteilt wird, d.h. δm M=
Dabei ist δm f¨ ur jedes Fluidelement so groß zu w¨ahlen, dass die Annahme δm = const trotz der molekularen Struktur der Materie ausreichend genau m¨ oglich ist, und die Zuordnung von beliebigen thermodynamischen und str¨ omungsmechanischen Eigenschaften α (x (t), t) = α (t) eindeutig ¨ und mit einer f¨ ur str¨ omungsmechanische Uberlegungen zufriedenstellenden Genauigkeit erreicht werden kann.
5.1 Allgemeine Betrachtungen
125
Die Angabe α (x , t), mit x = x (t), bringt zum Ausdruck, dass die thermodynamische oder str¨ omungsmechanische Eigenschaft, die dem betrachteten Fluidelement zugeordnet wird und so eine substantielle Gr¨oße darstellt, nur eine Funktion der Zeit ist. Diese Eigenschaft des Elements ¨andert sich mit der Zeit, auch infolge der Bewegung des Fluidelements, und zur Be¨ schreibung dieser Anderung ist es wichtig, dass man der Masse δm folgt, d.h. x (t) kennt und in den Ableitungen auch als bekannt ber¨ ucksichtigt. Es wird angenommen, dass diese Teilchenbewegung kontinuierlich und eindeutig ist, d.h. das betrachtete Fluidelement teilt sich w¨ahrend der Betrachtungen seiner Bewegung nicht auf. Das Fluid das dem betrachteten Fluidelement zum Zeitpunkt t = 0 angeh¨ ort, ist auch zu allen sp¨ateren Zeiten Bestandteil des betrachteten Elements. Dies bedeutet auch, dass es nicht m¨oglich ist, dass zwei unterschiedliche Fluidelemente zu einer beliebigen Zeit denselben ur = L. Raumpunkt“ einnehmen: x (t) = xL (t) f¨ ” Befindet sich ein Fluidelement zur Zeit t an der Position xi , d.h. xi = (x (t))i zur Zeit t, so ist die substantielle thermodynamische bzw. str¨omungsmechanische Eigenschaft α (t) gleich der Feldgr¨oße α an der Stelle xi zur Zeit t, d.h. es gilt: α (t) = α(xi , t)
wenn (x (t))i = xi
zum Zeitpunkt t
(5.1)
¨ F¨ ur die zeitliche Anderung einer Gr¨ oße α (t) ergibt sich (siehe hierzu auch Kapitel 2 und 3): ∂α ∂α dxi dα = + (5.2) dt ∂t ∂xi dt Mit ( dxi /dt) = (Ui ) = Ui gilt: Dα ∂α ∂α dα = = + Ui dt Dt ∂t ∂xi
(5.3)
Der auf die Feldgr¨ oße α(xi , t) angewandte Operator D/Dt = ∂/∂t + Ui ∂/∂xi wird oftmals als die substantielle Ableitung bezeichnet und wird in den nachfolgenden Ableitungen angewandt werden. Dabei gilt es zu ber¨ ucksichtigen, dass gilt: ¨ mit der Zeit bei festem Ort, ∂/∂t = (∂/∂t)xi = Anderung partielle Differentiation nach der Zeit ¨ d/dt = Totale Anderung mit der Zeit (f¨ ur ein Fluidelement), totale Differentiation nach der Zeit Ist z.B. f¨ ur ein Fluid α = ρ = const, d.h. die Dichte konstant, so gilt: dρ Dρ = =0 dt Dt
oder
∂ρ ∂ρ = −Ui · ∂t ∂xi
(5.4)
Ist an einem bestimmten Punkt im Raum ∂α/∂t = 0 so spricht man von station¨ aren Bedingungen, d.h. die Feldgr¨ oße α(xi , t) ist station¨ar und weist somit keine zeitliche Abh¨ angigkeit auf. Ist dagegen d(α )/ dt = Dα/Dt = 0, so ist α (t) = α(xi , t) = const.
126
5 Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
5.2 Massenerhaltung(Kontinuit¨ atsgleichung) F¨ ur str¨ omungsmechanische Betrachtungen l¨ asst sich stets ein geschlossenes ” Fluidsystem“ finden, d.h. ein System f¨ ur dessen Gesamtmasse M = const gilt. Dies ist leicht f¨ ur die Fluidmasse einzusehen, die in einem Beh¨alter untergebracht ist. Aber auch f¨ ur Str¨ omungsanlagen, wie sie in Abb. 5.2 skizziert sind, lassen sich stets Systemgrenzen finden, innerhalb derer die Systemgesamtmasse als konstant angegeben werden kann. Wenn notwendig, k¨onnen diese Systemgrenzen die ganze Erde umfassen. Unterteilt man die Fluidmasse innerhalb des betrachteten Systems in Flui¨ ur die zeitliche Anderung der delemente mit den Teilmassen δm , so gilt f¨ Gesamtmasse: 0=
d dM d = (δm ) (δm ) = dt dt dt
G e b lä s e m it A n s a u g u n g u n d A u s la s s
A q u a riu m m it k o n s ta n te r W a sse rm e n g e Ñ
m
M
= c o n st m
. e in
M
(5.5)
.
U m s trö m u n g e in e s T ra g flü g e ls
a u s
= c o n st M
= c o n st
Abbildung 5.2: Aquarium, Str¨ omungsanlage und Flugzeugfl¨ ugel mit Systemgrenzen, innerhalb derer M = const ist
Diese Gleichung bringt zum Ausdruck, dass die Massenerhaltung im Gesamtfluidsystem erhalten bleibt, wenn jedes einzelne Fluidelement seine Masse δm = const h¨ alt. Damit l¨ asst sich die Bilanzgleichung f¨ ur die Massenerhaltung in Lagrangescher Schreibweise wie folgt angeben: d (δm ) =0 dt
(5.6a)
Damit diese Beziehung, trotz der molekularen Grundstruktur der Materie und der damit verbundenen thermischen Molek¨ ulbewegung, uneingeschr¨ankt erf¨ ullt werden kann, ist es erforderlich, dass δm → 0 als nicht zul¨assig angesehen wird. Die in diesem Buch durchgef¨ uhrten Betrachtungen erfordern somit, dass alle δm als endlich aber dennoch sehr klein angesehen werden.
5.2 Massenerhaltung(Kontinuit¨ atsgleichung)
127
An Fluidelementen werden Betrachtungen angestellt und in Abb. 5.3 ist ein Fluidelement mit Lagekoordinaten (xi ) aufgezeigt. 1 Um eine Absch¨ atzung f¨ ur δm angeben zu k¨ onnen, wird auf Betrachtungen verwiesen, die im Kapitel 3 aufgef¨ uhrt sind und die aufzeigen, welche Abmessungen ein Volumen eines idealen Gases haben muss, um z.B. eine Dichte des Gases innerhalb des Volumens ausreichend eindeutig“ zu definieren. Die ” dort angestellten Betrachtungen w¨ aren hier zu wiederholen, um δm = const, trotz der molekularen Struktur der Materie, zu gew¨ahrleisten. Mit der Wahl von δm = const sind die Voraussetzungen geschaffen, kontinuumsmechanische Betrachtungen f¨ ur Fluidbewegungen anzustellen, obgleich die Fluide eine molekulare Struktur aufweisen. In diesem Zusammenhang wird oftmals auf die Kontinuumsbetrachtungen ¨ hingewiesen, in der u angestellt ¨ blicherweise fluidmechanische Uberlegungen werden. Genau genommen bedeutet dies, dass die Eigenschaften der Molek¨ ule, insbesondere ihre Transporteigenschaften, nur in integraler Form in ¨ str¨ omungsmechanische Uberlegungen eingef¨ uhrt werden.
Abbildung 5.3: δm = const, Bedingung f¨ ur Masse eines Fluidelements
Aufgrund der obigen Erl¨ auterungen ist die Massenerhaltung in den folgenden Darstellungen wie folgt angebbar: dM = 0 und dt
dδm =0 dt
(5.6b)
Die durchgef¨ uhrten Betrachtungen haben best¨atigt, dass es sehr einfach ist, das Massenerhaltungsgesetz in Lagrangeschen Variablen zu formulieren. Das praktische Arbeiten mit dem Gesetz der Massenerhaltung erfordert jedoch seine Darstellung in Feldgr¨ oßen, d.h. die Lagrange-Form des Massenerhaltungsgesetzes muss in die Euler-Form gebracht werden. 1
Siehe hierzu die in Kapitel 3.2 durchgef¨ uhrten Betrachtungen.
128
5 Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
Umgeformt in Euler-Variablen (d.h. in Feldgr¨oßen), erh¨alt man aus (5.6a) f¨ ur die Massenerhaltungsgleichung: 0=
d (δV ) d (ρ ) d d (δm ) = (ρ δV ) = ρ + δV . dt dt dt dt I
(5.7)
II
F¨ ur den Term I in Gleichung (5.7) ergibt sich (nach Gleichung (4.89)) unter Verwendung von ρ = ρ wenn (x (t))i = xi zur Zeit t: ρ
d (δV ) ∂Ui = ρδV . dt ∂xi
(5.8)
F¨ ur den Term II erh¨ alt man, da ρ(xi , t) als Feldgr¨oße existiert, siehe Gleichung (5.3): ∂ρ d (ρ ) ∂ρ δV = δV + Ui . (5.9) dt ∂t ∂xi Bei den obigen Ableitungen konnte f¨ ur d (ρ ) /dt die substantielle Ableitung der entsprechenden Feldgr¨ oße ρ, d. h. Dρ/Dt zur Anwendung gebracht wer¨ den, um den Ubergang von der substantiellen Gr¨oße ρ (t) auf die Feldgr¨oße ρ(xi , t) zu erreichen. Dasselbe Vorgehen ist bei d (δV ) /dt nicht m¨oglich, da es keine Volumenfelder gibt, d. h. ein Volumen kann als Punktgr¨oße nicht exi¨ stieren. Aus Abschnitt 4, Gleichung (4.89), ist jedoch f¨ ur die zeitliche Anderung eines Fluidelements infolge der Divergenz des Geschwindigkeitsfeldes bekannt: d (δV ) ∂Ui = δV ρ . (5.10) dt ∂xi Es ist diese Beziehung, die f¨ ur Term I in Gleichung (5.7) zur Anwendung gebracht wurde. Setzt man die Gleichungen (5.8) und (5.9) in (5.7) ein, so erh¨alt man: ∂ρ ∂Ui ∂ρ +ρ δV + Ui = 0, (5.11) ∂t ∂xi ∂xi Da δV = 0 folgt f¨ ur die Kontinuit¨ atsgleichung in allgemeinster Form: ∂ρ ∂Ui ∂p ∂ρ ∂(ρUi ) +ρ + + Ui = = 0. ∂t ∂xi ∂xi ∂t ∂xi
(5.12)
Die Gleichung l¨ asst sich allerdings auch schreiben: ∂ρ ∂Ui ∂ρ ∂Ui Dρ + Ui +ρ +ρ = = 0. ∂t ∂xi ∂xi Dt ∂xi
(5.13)
Diese Form der Kontinuit¨ atsgleichung ist zur L¨osung von Str¨omungsproblemen nicht sehr n¨ utzlich. Sie eignet sich jedoch sehr gut zur Darstellung der
5.3 Zweites Newtonsches Gesetz (Impulsgleichungen)
129
str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen auf verschiedene Weise, um besondere physikalische Sachverhalte herauszuarbeiten. Als Beispiel sei hier die Sonderform der Kontinuit¨ atsgleichung f¨ ur ρ = const genannt, d.h. Dρ/Dt = 0, so dass f¨ ur diese aus Gleichung (5.13) folgt: ∂Ui = 0, ∂xi
(5.14)
d.h. f¨ ur Fluide mit konstanter Dichte gilt die Divergenzfreiheit des Geschwindigkeitsfeldes. Da bei Divergenzfreiheit des Geschwindigkeitsfeldes auch die Volumenkonstanz f¨ ur das Fluidelement gilt, siehe Gleichung (5.10), erh¨alt man unter Verwendung der Gleichungen (3.90) und (3.93): 1 ∂ρ 1 ∂ρ ∂Ui DT DP 1 dρ 1 Dρ = + =− (5.15) ρ dt ρ Dt ρ ∂T Dt ρ ∂P Dt ∂xi P T −β
+α
Diese Beziehung bringt zum Ausdruck, dass ein Fluid, das der f¨ ur ρ =const reduzierten Kontinuit¨ atsgleichung gehorcht, im thermodynamischen Sinne inkompressibel sein muss, d.h. es gilt 1 Dρ ∂Ui DT DP =− −β =0=α ρ Dt ∂xi Dt Dt wobei gilt: 1 ∂v α = − = v ∂P T β
=
1 v
∂v ∂T
=− P
1 ρ 1 ρ
∂ρ ∂P ∂ρ ∂T
mit
α=0
und β = 0
(5.16)
= isothermer Kompressibilit¨atskoeffizient T
= thermischer Expansionskoeffizient P
Damit gilt die Kontinuit¨ atsgleichung in einer der beiden unten aufgef¨ uhrten Formen: ∂ρ ∂(ρUi ) + =0 ∂t ∂xi ∂Ui =0 ∂xi
(kompressible Str¨omungen) (inkompressible Str¨omungen)
(5.17) (5.18)
5.3 Zweites Newtonsches Gesetz (Impulsgleichungen) Die Ableitungen der Impulsgleichungen, f¨ ur die drei Koordinatenrichtungen j = 1, 2, 3 erfolgen in der Str¨ omungsmechanik oftmals unter Anwendung
130
5 Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
des zweiten Newtonschen Gesetzes auf ein Fluidelement, d.h. die LagrangeFormulierung der Impulsgleichung wird gew¨ ahlt. Es wird f¨ ur ein Fluidele¨ ment angegeben, dass die zeitliche Anderung des Impulses in die j-Richtung gleich der Summe der in dieser Richtung wirkenden externen Kr¨afte auf das Fluidelement darstellt, plus des molek¨ ulbedingten Eintrags an Impuls pro Zeiteinheit. Die Kr¨ afte lassen sich als durch Gravitationskr¨afte bzw. elektroafte (δMj ) angeben sowie durch magnetische Kr¨ afte2 verursachte Massenkr¨ druckverursachte Oberfl¨ achenkr¨ afte (δOj ) . Hinzu kommt eine durch die molekulare Bewegung eingetragene zeitliche Impuls¨anderung, so dass sich die Bewegungsgleichung wie folgt formulieren l¨ asst: d d(δIj ) (5.19) (δOj ) + = (δMj ) + (δIM )j dt dt Massenkr¨ afte Oberfl¨ achenkr¨ afte Molek¨ ulbedingter Impulseintrag Dabei ist, wie in Abb. 5.4 skizziert, (δIj ) = δm (Uj )
x 2
( U j) Â
( d I j) Â
x
x
d m
1
Â
3
Abbildung 5.4: Zur Ableitung der Impulsgleichungen angegebene Skizze
Genauso wie ein starrer K¨ orper wird ein Fluidelement seinen Bewegungszustand, d.h. seinen Impuls, nicht a ¨ndern, wenn auf das Fluidelement keine Massen- bzw. Oberfl¨ achenkr¨ afte wirken und ein molek¨ ulbedingter Impulseintrag ausbleibt. Liegen jedoch Kr¨ afte vor, oder kommt es zu einem Impulseinoder Impulsaustrag, so a ¨ndert das Fluidelement seinen Impuls entsprechend der oben angegebenen Beziehung (5.19). Diese stellt die Lagrangesche Form der Impulsgleichungen (j=1,2,3) der Str¨ omungsmechanik dar. Um die Eulersche Form der Impulsgleichung zu erhalten, gilt es, jeden der in Gleichung (5.19) aufhaltenen Terme in Feldgr¨oßen auszudr¨ ucken. F¨ ur die linke Seite der Gleichung gilt: 2
(letztere bleiben im folgenden unber¨ ucksichtigt)
5.3 Zweites Newtonsches Gesetz (Impulsgleichungen)
d(δIj ) d ((Uj ) ) d ((δm) ) d = [δm (Uj ) ] = δm + (Uj ) dt dt dt dt
131
(5.20)
Wegen der geltenden Massenerhaltung, in der Formulierung (5.6a), ist der letzte Term in Gleichung (5.20) gleich Null, so dass gilt: d(δIj ) ∂Uj d ((Uj ) ) ∂Uj ) = δm = δm ( + Ui dt dt ∂t ∂xi
(5.21)
Dies l¨ asst sich wie folgt schreiben: δm = ρ δV = ρδV unter Verwendung von ρ = ρ wenn: (x (t))i = xi zur Zeit t, d(δIj ) ∂Uj ∂Uj = ρδV ( + Ui ) dt ∂t ∂xi
(5.22)
Durch die obigen Ableitungen gelang es, die linke Seite der Impulsgleichung (5.19)in Feldgr¨ oßen anzugeben. F¨ ur die rechte Seite lassen sich die unten auf¨ gef¨ uhrten Uberlegungen anstellen. Die Massenkr¨afte lassen sich durch den Beschleunigungsvektor {gj }, d.h. durch dessen Komponenten gj leicht darstellen. 2
M a s s e n k rä fte :
d m
{ g j
Â
{
x
x x
1
3
Abbildung 5.5: Massenkraft auf ein Fluidelement
(δMj ) = Massenkr¨ afte auf ein Fluidelement
Auf ein Fluidelement einwirkende Massenkr¨ afte lassen sich mittels der pro Masseneinheit wirkenden Beschleunigung {gj } = {g1 , g2 , g3 } angeben, so dass die auf ein Fluidelement in j-Richtung wirkende Massenkraft wie folgt formuliert werden kann: (δMj ) = (δm ) gj = ρδV gj
(5.23)
Selbst wenn nur die Erdbeschleunigung vorliegt, k¨onnen je nach Lage des Koordinatensystems mehrere Komponenten von gj ungleich Null sein. (δOj ) = Oberfl¨ achenkr¨ afte auf Fluidelement
132
5 Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
O b e rflä c h e n k rä fte :
Abbildung 5.6: Betrachtungen zur Ober߬ achenkraft auf ein Fluidelement
Fluide, wie sie in diesem Buch behandelt werden, d.h. Fl¨ ussigkeiten (z.B. Wasser) und Gase (z.B. Luft), sind dadurch charakterisiert, dass sie nur durch den molekularen Druck Oberfl¨ achenkr¨afte auf ein Fluidelement aufbringen k¨ onnen. Die auf ein Fluidelement wirkende Druckkraft errechnet sich als Differenz der Kr¨ afte, die auf die Fl¨ achen wirken, die senkrecht auf den betrachteten Achsen stehen. Es gilt P = −P dF . dK Die f¨ ur die Bewegung des Fluidelements resultierende Oberfl¨achenkraft in j−Richtung ist die Summe der angreifenden“ j−Kr¨afte ” (δOj ) = −P (xj )(−|δFj |) − P (xj + δxj )(|δFj |)
(5.24a)
F¨ uhrt man nun f¨ ur P (xi + δxj ) eine Taylorreihenentwicklung durch, so erh¨alt man: (δOj ) = +P (xj )(|δFj |) − [P (xj ) +
∂P δxj + · · · ](|δFj |) ∂xj
(5.24b)
Hieraus resultiert f¨ ur die Oberfl¨ achenkraft auf ein Fluidelement unter Vernachl¨ assigung aller Glieder 2. und h¨ oherer Ordnung: (δOj ) = −
∂P δV ∂xj
(5.25)
d (δIM )j = molek¨ ulbedingter Impulseintrag pro Zeiteinheit dt Bezeichnet man den in i-Richtung pro Zeit und Fl¨acheneinheit eingetragenen j-Impuls mit τij , so errechnet sich der den j-Impuls eines Fluidelements beeinflussende Eintrag als Eintrag an der Stelle xi und Austrag an der Stelle (xi + ∆xi ), d.h. es gilt: (δIM )j = −τij δFi (5.26)
oder entsprechend Abb. 5.7:
5.3 Zweites Newtonsches Gesetz (Impulsgleichungen)
x 2 = x 1
- t
ij
( x i + d x i) d F
x 1 = x x
- t 3
ij
( x i) ( - d F i
133
i Â
)
j Â
Abbildung 5.7: Betrachtungen zum molek¨ ulbedingten Impulseintrag
d(δIM )j dt
= −τij (xi )(−|δFj |) − τij (xi + ∆xi )(|δFi |)
(5.27a)
j
Durch eine Taylorreihenentwicklung erh¨ alt man f¨ ur den Term τij (xi + δxi ) : d(δIM )j ∂τij = +τij (xi )(|δFi |) − [τij (xi ) + δxi · · · ](δFi ) (5.27b) dt ∂xi Hieraus resultiert:
d(δIM )j dt
=−
∂τij δV ∂xi
(5.28)
Setzt man nun all diese abgeleiteten Beziehungen (5.22), (5.23), (5.25) und (5.28) in (5.19) ein, so resultiert, nach einer Division durch δV , die Impulsgleichung der Str¨ omungsmechanik in j-Richtung, d.h. f¨ ur j = 1, 2, 3 resultieren 3 Gleichungen: ∂Uj ∂Uj ∂P ∂τij + Ui − (5.29) = ρgj − ρ ∂t ∂xi ∂xj ∂xi Da in dieser Gleichung das in allen Termen auftretende Volumen des Fluidelements δV eleminiert wurde, entsteht die pro Volumeneinheit geltende Impulsgleichung. F¨ ur die drei Koordinatenrichtungen ausgeschrieben ergibt sich: ∂U1 ∂U1 ∂U1 ∂U1 ∂τ11 ∂τ21 ∂τ31 ∂P + U1 + U2 + U3 − − − + ρg1 =− ρ ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x3 ∂x1 ∂x1 ∂x2 ∂x3 ∂U2 ∂U2 ∂U2 ∂U2 ∂τ12 ∂τ22 ∂τ32 ∂P + U1 ρ + U2 + U3 − − − + ρg2 =− ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x3 ∂x2 ∂x1 ∂x2 ∂x3 ∂U3 ∂U3 ∂U3 ∂U3 ∂τ13 ∂τ23 ∂τ33 ∂P + U1 ρ + U2 + U3 − − − + ρg3 =− ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x3 ∂x3 ∂x1 ∂x2 ∂x3 (5.30) ur str¨omungsmechaF¨ ur Fluide ist im allgemeinen in Str¨ omungen τij = 0. F¨ nisch ideale Fluide ist τij = 0. Daraus resultieren die folgenden Formen der Impulsgleichungen:
134
5 Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
ρ
∂Uj ∂τij ∂P ∂Uj + Ui − + ρgj =− ∂t ∂xi ∂xj ∂xi ∂Uj ∂Uj ∂P ρ + Ui + ρgj =− ∂t ∂xi ∂xj
(viskose Fluide)
(ideale Fluide)
(5.31)
(5.32)
5.4 Die Navier-Stokes-Gleichungen In der obigen Gleichung (5.31) ist der pro Fl¨ achen- und Zeiteinheit auftretende molek¨ ulbedingte Impulseintrag τij eine Unbekannte, d.h. er wurde in die Ableitungen formal eingef¨ uhrt, ohne dass Details betrachtet wurden, wie er sich f¨ ur verschiedene Fluide formulieren l¨asst. Ber¨ ucksichtigt man die Symmetrie des τij -Terms, d.h. es gilt |τij | = |τji |, so stellt man fest, dass man die folgenden Unbekannten in den Gleichungen hat: U1 , U2 , U3 , P, τ11 , τ12 , τ13 , τ22 , τ23 , τ33 = 10 Unbekannte
Abbildung 5.8: Impulseintrag infolge Str¨ omung durch Fl¨ ache δFj
Diesen Unbekannten stehen nur vier partielle Differentialgleichungen gegen¨ uber, die Kontinuit¨ atsgleichung und drei Impulsgleichungen, d.h. es liegt ein nicht geschlossenes Gleichungssystem vor, das somit keine L¨osung von Str¨ omungsproblemen zul¨ asst. Es ist deshalb erforderlich, Zusatzgleichungen undet, als Funkanzugeben, d.h. die unbekannten τij -Terme, physikalisch begr¨ tionen von ∂Uj /∂xi -Termen auszudr¨ ucken. Dies erfolgt untenstehend f¨ ur ideale Gase, da deren Eigenschaften aus Betrachtungen in der Physik weitgehend bekannt sind. Es resultieren aus den untenstehend angegebenen Abur nicht ideale Gase leitungen Beziehungen f¨ ur τij = f (∂Uj /∂xi ), die auch f¨ gelten und f¨ ur eine ganze Klasse von Fl¨ ussigkeiten, deren molekulare Impulstransporteigenschaften als newtonisch“ eingestuft werden. Damit gelten ” die abgeleiteten τij -Beziehungen weit u ¨ ber ideale Gase hinaus und stellen in diesem Buch die Grundgleichungen dar, um den molek¨ ulbedingten Impulstransport in newtonischen Fluiden zu beschreiben.
5.4 Die Navier-Stokes-Gleichungen
135
Betrachtet man ein Fluidelement, wie es in Abb. 5.8 skizziert ist, so ist ersichtlich, dass der durch ein Geschwindigkeitsfeld in i- Richtung eingetragene j-Impuls wie folgt angegeben werden kann. ˆj δFi ˆi U I˙ij = ρU
(5.33)
Nimmt man an, dass sich die momentanen Geschwindigkeitskomponenten aus dem Geschwindigkeitsanteil der Fluidstr¨ omung Ui und dem Anteil der alt man: Molek¨ ulbewegung ui zusammensetzen, so erh¨ ρUˆi Uˆj = ρ(Ui + ui )(Uj + uj ) (5.34) = ρ(Ui Uj + ui Uj + uj Ui + ui uj ) Durch eine zeitliche Mittelung erh¨ alt man f¨ ur die zeitlich gemittelte Gesamtimpuls¨ anderung des Fluidelements: ρUˆi Uˆj = ρ[Ui Uj + ui Uj + uj Ui + ui uj ] I
II
III
(5.35)
IV
Der Gesamtimpulseintrag besteht aus vier Termen, die sich wie folgt physikalisch deuten lassen: Term I:
j-Impulseintrag in i-Richtung infolge des Geschwindigkeitsfeldes des Fluids. Term II: j-Impulseintrag in i-Richtung infolge der Molek¨ ulbewegung in i-Richtung. Term III: j-Impulseintrag in i-Richtung infolge der Molek¨ ulbewegung in j-Richtung. Term IV: F¨ ur i = j ist ui uj = 0 da die Molek¨ ulbewegungen in den drei Koordinaten- richtungen nicht korreliert sind; f¨ ur i = j ergibt sich der in Kapitel 3 behandelte Druck. Da die Molek¨ ulbewegung durch das Vorliegen freier Wegl¨angen mit endlichen Abmessungen, d.h. l = 0, ausgezeichnet ist, sind die Zeitmittelwerte ui Uj und uj Ui ungleich Null. Um diese Beitr¨ age zu τij zu berechnen, empfehlen sich Betrachtungen zum molek¨ ulbedingten Impulstransport in idealen Gasen. F¨ ur die Anzahl der Molek¨ ule, die sich in xi -Richtung bewegen und in der Zeit ∆t die Ebene A in Abb. 5.9 passieren, l¨asst sich schreiben, wenn δx1 = δx2 = δx3 = a ist: 1 zi = na2 u¯i ∆t (5.36) 6 Dabei ist n gleich der Anzahl der Molek¨ ule pro Volumeneinheit, a2 der Fl¨ acheninhalt der Fl¨ ache δFi und u¯i die mittlere Geschwindigkeit der Molek¨ ule in i-Richtung. Verbunden mit zi ist ein Massentransport durch δFi , der sich wie folgt angeben l¨ asst: mzi =
1 (mn) a2 u¯i ∆t 6 ρ
(5.37)
136
5 Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
Abbildung 5.9: j-Impulseintrag in xi -Richtung durch ui -Molek¨ ulgeschwindigkeit
wobei m die Masse eines Molek¨ uls darstellt und somit mn = ρ gesetzt werden kann. Betrachtet man nun die in der Abb. 5.9 zu δFi in Abstand ±l gelegenen, f¨ ur die Ableitungen eingef¨ uhrten Hilfsebenen, in denen das mittlere Str¨ omungsfeld die Geschwindigkeitskomponenten Uj (xi + l) und Uj (xi − l) besitzt, so lassen sich die in positiver und negativer i−Richtung erfolgenden molek¨ ulbedingten j-Impulseintr¨ age wie folgt angeben: i+ ¨ber Fl¨ache δFi ij = +zi mUj (xi − l) Impulseintrag u i− ¨ ber Fl¨ache δFi ij = −zi mUj (xi + l) Impulsaustrag u
(5.38)
So dass sich als Summe von molek¨ ulbedingtem Eintrag und Austrag ergibt: ∆iij = zi m[Uj (xi − l) − Uj (xi + l)]
(5.39)
oder mit zi aus Gleichung (5.36) eingesetzt: ∆iij =
1 (mn) a2 u ¯i ∆t[Uj (xi − l) − Uj (xi + l)] 6 ρ
(5.40)
F¨ ur den Impulsfluss pro Zeit- und Fl¨ acheneinheit erh¨alt man, wenn man gleichzeitig f¨ ur die Uj -Terme in der Klammer Taylorreihenentwicklungen vornimmt und nach den Termen mit den ersten Ableitungen abbricht: 1 1 ∆iij ∂Uj ∂Uj = ρ¯ ui Uj (xi ) − τijII = 2 l − Uj (xi ) − l , (5.41) a ∆t 6 ∂xi ∂xi so dass sich f¨ ur den Term II in Gleichung (5.35) ergibt: 1 ∂Uj ∂Uj ui l = −µ . τijII = − ρ¯ ∂xi 3 ∂xi µ
(5.42)
¨ uhren, wobei f¨ ur zj geAnalog lassen sich die Uberlegungen zu τijIII durchf¨ schrieben werden kann:
5.4 Die Navier-Stokes-Gleichungen
137
Abbildung 5.10: Impulseintrag in xj −Richtung durch uj −Molek¨ ul- und Ui Fluidgeschwindigkeit
zj =
1 2 na u¯j ∆t 6
(5.43)
Entsprechend des Terms III in Gleichung(5.35) ergibt sich ein j-Impulseintrag, der sich wie folgt angeben l¨ asst: i+ ij = zj mUi (xj − l) i− ij = −zj mUi (xj + l) bzw.
∆iij = zj m[Ui (xj − l) − Ui (xj + l)]
(5.44) (5.45)
Analog zu den Ableitungen in den Gleichungen (5.39) bis (5.42) ergibt sich: 1 ∂Ui ∂Ui uj l) τijIII = − (ρ¯ = −µ 3 ∂x ∂x j j µ
(5.46)
Aus Symmetriegr¨ unden ist |τij | = |τji |, so dass ui = uj gelten muss, d. h. das mittlere Geschwindigkeitsfeld der Molek¨ ule ist isotrop (keine bevorzugte Geschwindigkeitsrichtung), so dass geschrieben werden kann: ∂Ui ∂Uj II III + f¨ ur i = j (5.47) τij = τij + τij = −µ ∂xi ∂xj Dies ist der Gesamtimpulseintrag τij f¨ ur ρ = const, d.h. wenn d/dt(δV ) = 0 als die thermodynamische Zustandsgleichung f¨ ur eine ideale Fl¨ ussigkeit angenommen wird. F¨ ur ρ = const ergibt sich noch ein Zusatzterm, der durch Vergr¨ oßerung des Volumens eines Fluidelements bedingt ist. F¨ ur die Volumenvergr¨ oßerung eines Fluidelements gilt am Punkt xi zur Zeit t, (siehe Abschnitt 4): d(δV ) ∂Ui = (δV ) (5.48) dt ∂xi F¨ ur die entsprechende Oberfl¨ achenvergr¨ oßerung gilt:
138
5 Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
d(δF ) 2 ∂Ui = (δF ) dt 3 ∂xi
(5.49)
Mit der Oberfl¨ achenvergr¨ oßerung tritt auch ein erh¨ohter Impulseintrag auf: 2 ∂Uk τij = +µ δij 3 ∂xk
(5.50)
Dieser Term ist noch mit hinzuzunehmen, um die allgemeine Formeln zu erhalten, so dass der Gesamtimpulseintrag pro Zeit und Fl¨acheneinheit f¨ ur ideale Gase wie folgt angegeben werden kann: ∂Uj ∂Ui ∂Uk 2 + (5.51) + δij µ τij = −µ ∂xi ∂xj 3 ∂xk Ber¨ ucksichtigt man diese Beziehung f¨ ur τij , so lassen sich die Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik wie folgt angeben: Kontinuit¨ atsgleichung: ∂ρ ∂(ρUi ) + =0 (5.52) ∂t ∂xi Impulsgleichungen (j = 1, 2, 3): ∂Uj ∂Uj ∂τij ∂P + Ui ρ − + ρgj =− ∂t ∂xi ∂xj ∂xi F¨ ur newtonsche Medien gilt zudem: ∂Uj ∂Ui ∂Uk 2 + τij = −µ + δij µ ∂xi ∂xj 3 ∂xk
(5.53)
(5.54)
ur die 6 Unbekannten τij −Terme in Mit τij aus (5.54) liegen Gleichungen f¨ den Impulsgleichungen vor. Die vier Gleichungen, eine Kontinuit¨atsgleichung und drei Navier-Stokes-Gleichungen, enthalten f¨ unf Unbekannte: P, ρ, Uj , mit j = 1, 2, 3, so dass ein immer noch nicht geschlossenes System partieller Differentialgleichungen vorliegt. Mit Hilfe der thermischen Energiegleichung und der f¨ ur das betrachtete Fluid geltenden thermodynamischen Zustandsgleichung gelingt es jedoch, ein geschlossenes System von partiellen Differentialgleichungen zu erhalten, das allgemeine L¨ osungen f¨ ur Str¨omungsprobleme zul¨ asst, wenn Anfangs- und Randbedingungen vorliegen. 2 F¨ ur ρ = const und µ = const l¨ asst sich unter Verwendung von ∂ Ui = ∂xi ∂xj ∂Ui = 0 angeben: ∂ 2 Ui = ∂ ∂xj ∂xi ∂xj ∂xi ∂Ui Kontinuit¨ atsgleichung: =0 (5.55) ∂xi
5.5 Mechanische Energiegleichung
139
Navier-Stokes-Gleichungen (j = 1,2,3): ∂Uj ∂ 2 Uj ∂P ∂Uj ρ + Ui +µ + ρgj =− ∂t ∂xi ∂xj ∂x2i Dieses Gleichungssystem umfasst vier Gleichungen f¨ ur die vier Unbekannten asst sich im Prinzip, bei Vorgabe geeigneter Anfangs- und P , U1 , U2 , U3 . Es l¨ Randbedingungen, f¨ ur alle zu untersuchenden Str¨omungsprobleme l¨osen. F¨ ur thermodynamisch ideale Fl¨ ussigkeiten, d. h. ρ = const, liegt mit der Kontinuit¨ atsgleichung und den Impulsgleichungen ein geschlossenes System von partiellen Differentialgleichungen vor, das f¨ ur L¨osungen von Str¨omungsproblemen Anwendung finden kann.
5.5 Mechanische Energiegleichung In vielen Bereichen, in denen str¨ omungsmechanische Betrachtungen angestellt werden, findet die mechanische Energiegleichung Anwendung, die sich aus der j-Impulsgleichung ableiten l¨ asst. Zu diesem Zweck multipliziert man Gleichung (5.53) mit Uj : ∂Uj ∂Uj ∂P ∂τij + Ui Uj ρ Uj − Uj + Uj ρgj (5.56) = −Uj ∂t ∂xi ∂xj ∂xi Diese Gleichung l¨ asst sich wie folgt umschreiben: ∂ 1 2 ∂Uj ∂(τij Uj ) 1 2 ∂(P Uj ) ∂ ∂Uj U U ρ +P − + τij + Ui =− ∂t 2 j ∂xi 2 j ∂xj ∂xj ∂xi ∂xi +ρgj Uj (5.57) Diese Gleichung gibt an, wie sich die kinetische Energie eines Fluidelements, aufgrund von Energieproduktions- und Dissipationstermen, die auf der rechten Seite der obigen Gleichung (5.57) auftreten, an einem Ort ¨andert. Um die Bedeutung der einzelnen Terme zu diskutieren, wird folgende Modifikation des letzten Terms, unter Einf¨ uhrung eines Potentials G aus dem sich die Schwerkraft ableitet, vorgenommen: ∂G ∂G ; ρgj Uj = −ρ Uj (5.58) gj = − ∂xj ∂xj Damit gilt unter Verwendung von ∂G = 0 : ∂t ∂G ∂G DG + Uj ρgj Uj = −ρ = −ρ ∂t ∂xj Dt
(5.59)
¨ Die Gleichungen (5.57) und (5.59) kombiniert ergeben f¨ ur die zeitliche Anderung der kinetischen und potentiellen Energie eines Fluidelements:
140
5 Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
D ρ Dt
∂(P Uj ) ∂Uj ∂(τij Uj ) ∂Uj 1 2 U +G =− +P − + τij 2 j ∂xj ∂xj ∂xi ∂xi I
II
III
(5.60)
IV
wobei den Termen I bis IV folgende physikalische Bedeutungen zukommen: Term I:
Dieser Term beschreibt die Differenz zwischen Eintrag und Austrag an Druckenergie. Dabei wird auf die Betrachtungen f¨ ur ideale Gase hingewiesen, in deren Rahmen gezeigt wurde, dass P = 13 ρu¯2 , d.h. eine Energie pro Volumeneinheit ausdr¨ uckt. Folgendes kann somit ausgef¨ uhrt werden: (P Uj (xi )) = Eintrag an Druckenergie pro Fl¨ acheneinheit −(P Uj (xi + ∆xi )) = Austrag an Druckenergie pro Fl¨ acheneinheit Taylor-Reihenentwicklung und Differenzbildung ergibt f¨ ur die Energie pro Volumeneinheit:
(∂P Uj ) (∂P Uj ) + ··· − P Uj (xi ) − P Uj (xi ) + ∂xj ∂xj Term II:
(5.61)
Unter Ber¨ ucksichtigung von: ∂Uj 1 d(δV ) = ∂xj δV dt
(5.62)
erweist sich der Term: P
∂Uj P d(δV ) = ∂xj δV dt
(5.63)
als die pro Volumeneinheit auftretende Expansionsarbeit. Term III:
Ber¨ ucksichtigt man, dass τij den pro Fl¨achen- und Zeiteinheit in ein Fluidelement eingetragenen molek¨ ulbedingten Impulstransport darstellt, so ergibt: −
Term IV:
∂(τij Uj ) = Differenz aus molek¨ ulbedingtem Ein- und ∂xj Austrag an kinetischer Energie des Fluids.
∂Uj beschreibt die Dissipation mechanischer ∂xi Energie in W¨ arme.
Der Term τij
Die obigen Darstellungen zeigen, dass sich die mechanische Energiegleichung aus der j-Impulsgleichung durch Multiplikation mit Uj ableiten l¨asst. Sie
5.6 Thermische Energiegleichung
141
ist damit keine unabh¨ angige Gleichung und sollte nicht gemeinsam mit der Impulsgleichung zur L¨ osung str¨ omungsmechanischer Probleme herangezogen werden. Eine Sonderform der mechanischen Energiegleichung stellt die BernoulliGleichung dar, die sich aus der allgemeinen Form der mechanischen Energiegleichung ableiten l¨ asst: ∂P ∂τij D 1 2 Uj − Uj (5.64) U +G =− ρ Dt 2 j ∂xj ∂xi F¨ ur τij = 0 und ∂P ∂t = 0, sowie ρ = const. gilt: D 1 2 ∂ (P/ρ) D (P/ρ) ∂ (P/ρ) Uj + G = −ρ + Uj ρ = Dt 2 ∂t ∂xj Dt D 1 2 P 1 P ρ Uj + + G = 0 ; Uj2 + + G = const. Dt 2 ρ 2 ρ
(5.65) (5.66)
Diese Form der mechanischen Energiegleichung l¨asst sich in vielen ingenieurm¨ aßigen Anwendungen zur u ¨berschlagsm¨aßigen Berechnung von Str¨omungsvorg¨ angen anwenden.
5.6 Thermische Energiegleichung Die Ableitungen in Kapitel 5.5 zeigten, dass die mechanische Energiegleichung aus der Impulsgleichung ableitbar ist, so dass beide Gleichungen als nicht unabh¨ angig voneinander angesehen werden m¨ ussen. Aus den Ableitungen ergab sich die Gleichung in der folgenden Form: D 1 2 ∂Uj ∂Uj ∂(τij Uj ) ∂(P Uj ) Uj +P − + τij + ρgj Uj (5.67) ρ =− Dt 2 ∂xj ∂xj ∂xi ∂xi Stellt man nun die Gleichung f¨ ur die Gesamtenergiebilanz auf, so ergibt sich die untenstehende Betrachtung, die von der gesamten inneren, kinetischen und potentiellen Energie eines Fluidelements ausgeht und dessen zeitliche ¨ Anderung betrachtet d 1 d dδm [. . . ] + [. . . ] = δm δm Uj2 + e + G dt 2 dt dt Gesamtenergie
¨ Damit ergibt sich f¨ ur die zeitliche Anderung der Gesamtenergie eines d Fluidelements mit δm = const, d.h. dt (δm ) = 0: d 1 2 D 1 2 U +e+G = δm δm Uj + e + G dt 2 Dt 2 j
142
5 Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
Dies ist die Gesamtenergie¨ anderung, die es zur Ableitung der Gesamtenergiegleichung zu betrachten gilt. ¨ Beitr¨ age zur Anderung der Gesamtenergie des Fluidelements k¨onnen von der W¨ armeleitung herr¨ uhren, die folgende Eintr¨ age abz¨ uglich der Austr¨age an W¨ arme ergibt: −
∂ q˙i δV = Energieeintrag pro Zeiteinheit durch W¨armeleitung ∂xi
Ferner kann durch den konvektiven Transport von Druckenergie herr¨ uhren: −
∂ (P Uj )δV = Druckenergieeintrag durch Konvektion ∂xj
oder durch den Eintrag an kinetischer Energie aufgrund von molekularem Transport in das Fluidelement erfolgen: ∂ (τij Uj )δV = molek¨ ulbedingter Eintrag an kinetischer Energie ∂xi Es ergibt sich somit folgende Gesamtenergiebilanz: D 1 2 ∂ q˙i ∂(P Uj ) ∂ (τij Uj ) ρδV Uj + e + G = − δV − δV − δV , (5.68) Dt 2 ∂xi ∂xj ∂xi −
da δV = 0 folgt: D 1 2 ∂ q˙i ∂(P Uj ) ∂ (τij Uj ) ρ Uj + G =− − − . e+ Dt 2 ∂xi ∂xj ∂xi
(5.69)
Zieht man hiervon den f¨ ur die mechanisch abgeleiteten Anteile ab, d.h. man bildet die Differenz aus Gleichung (5.69) und der nachfolgend noch einmal angegebenen Gleichung f¨ ur die mechanische Energie: D 1 2 ∂Uj ∂(P Uj ) ∂Uj ∂ (τij Uj ) ρ U +G =− +P − + τij , (5.70) Dt 2 j ∂xj ∂xj ∂xi ∂xi so erh¨ alt man die thermische Energiegleichung: De ∂Uj ∂ q˙i ∂Uj ρ =− −P − τij Dt ∂x ∂x ∂x i j i I
II
III
(5.71)
IV
¨ : Zeitliche Anderung der inneren Energie eines Fluids pro Volumeneinheit Term II : W¨ armezufuhr pro Zeit- und Fl¨ acheneinheit. Term III : Geleistete Volumenarbeit pro Volumen- und Zeiteinheit. ¨ Term IV : Irreversible Uberf¨ uhrung von mechanischer Energie in W¨arme, pro Volumen- und Zeiteinheit. Unter Ber¨ ucksichtigung der Energiegleichung aus der technischen Thermodynamik Term I
5.6 Thermische Energiegleichung
dq = de + P dv − dldiss
143
(5.72)
und der in der technischen Thermodynamik u ¨ blichen Vorzeichenkonvention, dass die von einem Fluidelement zu dissipierende Energie negativ zu betrachten ist, ergibt sich: dldiss dq 1 ∂ q˙i 1 ∂Uj 1 ∂Uj dv =− = P = τij ; P und dt ρ ∂xi dt ρ ∂xj dt ρ ∂xi (5.73) Die obigen Ableitungen f¨ uhren somit zu der in der Thermodynamik verwendeten Form der Energiegleichung, allerdings werden Leistungsterme betrachtet. F¨ ur die thermische Energiegleichung sind die unterschiedlichsten Formen bekannt bzw. aus Beziehung (5.71) ableitbar. So ist es z.B. f¨ ur die meisten ¨ str¨ omungsmechanischen Berechnungen vorteilhaft, die Anderung der inneren Energie de durch den Druck und die Temperatur zu ersetzen, wobei die folgenden Beziehungen zur Anwendung kommen. Allgemein kann f¨ ur thermodynamisch einfache Systeme (Fluide) geschrieben werden: ∂e ∂e ∂e dυ + dT = dυ + cυ dT (5.74) de = ∂υ T ∂T υ ∂υ T De de = ; dt Dt
Unter Ber¨ ucksichtigung der Maxwell-Beziehungen der Thermodynamik l¨asst sich schreiben: ∂e ∂P = −P + T (5.75) ∂υ T ∂T υ so dass gilt:
. / ∂P DT De ∂Ui = −P + T + ρcυ ρ Dt ∂T ρ ∂xi Dt Die thermische Energiegleichung l¨ asst sich somit schreiben: ∂ q˙i ∂P DT ∂Ui ∂Uj =− ρcυ −T − τij Dt ∂xi ∂T ρ ∂xi ∂xi + , P ∂T F¨ ur ideales Gas ergibt sich wegen ∂P ∂T ρ = T und q˙i = −λ ∂xi ρcυ
∂2T DT ∂Uj ∂Ui =λ 2 −P − τij Dt ∂xi ∂xi ∂xi
F¨ ur eine ideale Fl¨ ussigkeit gilt wegen ρcp
∂Ui ∂xi
(5.76)
(5.77)
(5.78)
= 0 und cυ = cp
∂2T DT ∂Uj = λ 2 − τij Dt ∂xi ∂xi
(5.79)
¨ Abschließend soll noch die Gleichung f¨ ur die Anderung der Gesamtenergie durch Addition der Gleichungen f¨ ur die mechanische und die thermische Energie bestimmt werden: Gleichung f¨ ur mechanische Energie:
144
D ρ Dt
5 Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
∂ ∂Uj ∂ ∂Uj 1 2 U +G =− (P Uj ) + P − (τij Uj ) + τij 2 j ∂xj ∂xj ∂xi ∂xi
(5.80)
Gleichung f¨ ur thermische Energie: ρ
∂ q˙i De ∂Ui ∂Uj =− −P − τij Dt ∂xi ∂xi ∂xi
Gleichung f¨ ur Gesamtenergie: ∂ q˙i ∂ ∂ D 1 2 U +G+e = − − (P Uj ) − (τij Uj ) ρ Dt 2 j ∂xi ∂xj ∂xi 2 ∂ ∂ ∂ T (P Uj ) − (τij Uj ) =λ 2 − ∂xi ∂xj ∂xi
(5.81)
(5.82)
Aus dieser Endbeziehung l¨ asst sich die oftmals bei str¨omungsmechanischen Betrachtungen verwendete Bernoulli-Gleichung wie folgt ableiten: Ideale Fl¨ ussigkeit:
(ρ = const): keine W¨ armeleitung und Vernachl¨assigung der viskosen Dissipation
D ρ Dt
∂P ∂P 1 2 Uj + G = −Uj = −Ui 2 ∂xj ∂xi
(5.83)
F¨ ur station¨ are Str¨ omung gilt: =0
1 2 ∂ ∂P ∂ 1 2 Uj + G +Ui Uj + G = −Ui ρ ∂t 2 ∂xi 2 ∂xi Wegen ρ = const und
∂Ui ∂xi
(5.84)
= 0 gilt:
∂ Ui ∂xi
1 2 P U +G+ 2 j ρ
=0
oder nach erfolgter Integration: P 1 2 Uj + G + = const. 2 ρ Ideales Gas:
D ρ DT
(5.85)
P/ρ = RT , keine W¨ armeleitung und Vernachl¨assigung der viskosen Dissipation sowie der potentiellen Energie
1 2 U +e 2 j
=−
∂ ∂ (P Uj ) = − (P Ui ) ∂xj ∂xi
F¨ ur station¨ are Str¨ omungen ergibt sich:
(5.86)
5.7 Grundgleichungen in verschiedenen Koordinatensystemen
ρUi
∂ ∂xi
1 2 U +e 2 j
=−
∂ ∂Ui ∂P (P Ui ) = −P − Ui ∂xi ∂xi ∂xi
145
(5.87)
Aus der Kontinuit¨ atsgleichung folgt f¨ ur station¨are Str¨omung ρ
∂ρ ∂Ui = −Ui ∂xi ∂xi
eingesetzt ergibt sich unter Ber¨ ucksichtigung von e = cυ T ∂ ∂ P ∂ρ ∂P 1 2 1 2 ∂T Uj + e = ρ Uj + ρcυ ρ = − ∂xi 2 ∂xi 2 ∂xi ρ ∂xi ∂xi ∂ ∂xi F¨ uhrt man ein:
∂ ∂xi
1 2 U 2 j
1 2 U 2 j
=
(5.88)
(5.89)
∂T 1 ∂P P ∂ρ − − cυ 2 ρ ∂xi ρ ∂xi ∂xi
P ∂ρ 1 ∂P ∂T =− 2 + ∂xi Rρ ∂xi Rρ ∂xi
(5.90)
P cυ 1 ∂P cυ κ ∂ P ∂ρ 1+ 1+ − =− = 2 ρ ∂xi R ρ ∂xi R κ − 1 ∂xi ρ (5.91)
P P ∂ 1 2 κ κ 1 2 Uj + = 0 ⇒ Uj + = const ∂xi 2 κ−1 ρ 2 κ−1 ρ
(5.92)
5.7 Grundgleichungen in verschiedenen Koordinatensystemen 5.7.1 Kontinuit¨ atsgleichung Die durchgef¨ uhrten Ableitungen f¨ ur die Kontinuit¨atsgleichung in kartesischen Koordinaten resultieren in: ∂ρ ∂(ρUi ) + =0 ∂t ∂xi
(5.93)
∂ρ ∂(ρU1 ) ∂(ρU2 ) ∂(ρU3 ) + + + =0 ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x3
(5.94)
oder ausgeschrieben:
F¨ ur ρ = const:
∂U1 ∂U2 ∂U3 + + =0 ∂x1 ∂x2 ∂x3
146
5 Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
In Zylinderkoordinaten (r, ϕ, z) ergibt sich mit (Ur , Uϕ , Uz ) die folgende Gleichung: ∂ρ ∂(ρUr ) 1 ∂(ρUϕ ) ∂(ρUz ) ρUr + + + + =0 (5.95) ∂t ∂r r ∂ϕ ∂z r und f¨ ur ρ = const ergibt sich folgende reduzierte Gleichung: ∂Ur 1 ∂Uϕ ∂Uz Ur + + + =0 ∂r r ∂ϕ ∂z r
(5.96)
asst sich die Kontinuit¨atsgleichung wie untenIn Kugelkoordinaten (r, θ, φ) l¨ stehend f¨ ur (Ur , Uθ , Uφ ) angegeben: ∂ρ 1 ∂ ∂ ∂ 1 1 + 2 (ρr2 Ur ) + (ρUθ sin θ) + (ρUφ ) = 0 ∂t r ∂r r sin θ ∂θ r sin θ ∂φ
(5.97)
Dabei fanden die untenstehenden Koordinatenangaben in den Ableitungen der Beziehungen Anwendung. Die Anwendung von Zylinderkoordinaten in den Ableitungen der Grundgleichungen ergibt die in Abschnitt 2.10 eingef¨ uhrten metrischen Koeffizienten f¨ ur die Transformation der Gleichungen hr = 1;
hϕ = r;
hz = 1
f¨ ur die allgemeine Kontinuit¨ atsgleichung: ∂(ρUi ) 1 ∂ 1 ∂ ∂(ρUz ) (rρUr ) + (ρUϕ ) + , = ∂xi r ∂r r ∂ϕ ∂z
(5.98)
oder f¨ ur die Kontinuit¨ atsgleichung mit ρ = const: ∂Ur 1 ∂Uϕ ∂Uz Ur + + + =0 ∂r r ∂ϕ ∂z r
(5.99)
Analog zu den obigen Ableitungen der Kontinuit¨atsgleichung in Zylinderkoordinaten erh¨ alt man f¨ ur Kugelkoordinaten: hr = 1;
hθ = r;
hφ = r sin θ
(5.100)
und damit f¨ ur ∂ ∂(ρUi ) 1 ∂ 1 ∂ 1 (ρUθ sin θ) + (ρUφ )(5.101) = 2 (ρr2 Ur ) + ∂xi r ∂r r sin θ ∂θ r sin θ ∂φ so dass sich f¨ ur die Kontinuit¨ atsgleichung in Kugelkoordinaten mit ρ = const ergibt: +
∂ 1 ∂ 2 1 ∂ 1 (r Ur ) + (Uθ sin θ) (Uφ ) = 0 2 r ∂r r sin θ ∂θ r sin θ ∂φ
(5.102)
5.7 Grundgleichungen in verschiedenen Koordinatensystemen
147
Z y lin d e rk o o rd in a te n
Abbildung 5.11: Koordinatensysteme und Transformationsgleichungen f¨ ur Zylinderkoordinaten
K u g e lk o o rd in a te n
Q F
Abbildung 5.12: Koordinationssysteme und Transformationsgleichungen f¨ ur Kugelkoordinaten
5.7.2 Navier-Stokes-Gleichungen Analog zu den Transformationen der Kontinuit¨atsgleichung in Zylinder- und Kugelkoordinatensystemen lassen sich auch die einzelnen Terme der NavierStokes-Gleichungen transferieren, die sich in kartesischen Koordinaten wie folgt f¨ ur Newtonsche Fluide angeben lassen: ∂Uj ∂Uj DUj =ρ + Ui (5.103) ρ= Dt ∂t ∂xi ∂Uj ∂Uk ∂P ∂ ∂Ui 2 = − + + µ − µδij + ρgj ∂xj ∂xi ∂xi ∂xj 3 ∂xk
148
5 Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
Ausgeschrieben ergibt sich f¨ ur j = 1, 2, 3: ∂P ∂ 2 DU1 ∂U1 ) =− (5.104) + − µ(∇ · U ρ 2µ Dt ∂x1 ∂x1 ∂x1 3 ∂ ∂U1 ∂U3 ∂U2 ∂U1 ∂ + + + µ + µ + ρg1 ∂x2 ∂x2 ∂x1 ∂x3 ∂x3 ∂x1
ρ
ρ
∂U2 ∂P DU2 ∂ ∂U1 =− + + µ (5.105) Dt ∂x2 ∂x1 ∂x1 ∂x2 ∂ 2 ∂U2 + ∂ µ ∂U3 + ∂U2 + − µ(∇ · U) 2µ + ρg2 ∂x2 ∂x2 3 ∂x3 ∂x3 ∂x1 ∂U3 ∂P DU3 ∂ ∂U1 =− + + µ (5.106) Dt ∂x3 ∂x1 ∂x1 ∂x3 ∂U2 ∂U3 ∂ ∂U3 2 ∂ ) + ρg3 + − µ(∇ · U µ + 2µ + ∂x2 ∂x2 ∂x3 ∂x3 ∂x3 3
= wobei gilt ∇ · U –
∂Uk ∂xk
Impulsgleichungen in kartesischen Koordinaten - Impulsgleichungen mit τij −Termen:
∂U1 ∂U1 ∂U1 ∂U1 ∂P + U1 + U2 + U3 =− ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x3 ∂x1 ∂τ11 ∂τ21 ∂τ31 − + + + ρg1 ∂x1 ∂x2 ∂x3 (5.107)
∂U2 ∂U2 ∂U2 ∂U2 ∂P + U1 + U2 + U3 =− ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x3 ∂x2 ∂τ12 ∂τ22 ∂τ32 − + + + ρg2 ∂x1 ∂x2 ∂x3 (5.108)
∂U3 ∂U3 ∂U3 ∂U3 ∂P + U1 + U2 + U3 =− ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x3 ∂x3 ∂τ13 ∂τ23 ∂τ33 − + + + ρg3 ∂x1 ∂x2 ∂x3 (5.109)
x1 −Komponente: ρ
x2 −Komponente: ρ
x3 −Komponente: ρ
5.7 Grundgleichungen in verschiedenen Koordinatensystemen
-
149
Navier-Stokes-Gleichungen f¨ ur ρ und µ gleich konstant:
∂U1 ∂U1 ∂U1 ∂U1 ∂P + U1 + U2 + U3 =− ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x3 ∂x1 2 ∂ U1 ∂ 2 U1 ∂ 2 U1 +µ + + + ρg1 ∂x21 ∂x22 ∂x23 (5.110) ∂U2 ∂U2 ∂U2 ∂U2 ∂P + U2 + U2 + U3 x2 −Komponente: ρ =− ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x3 ∂x2 2 ∂ U2 ∂ 2 U2 ∂ 2 U2 +µ + + + ρg2 ∂x21 ∂x22 ∂x23 (5.111) ∂U3 ∂U3 ∂U3 ∂U3 ∂P + U1 + U2 + U3 =− x3 −Komponente: ρ ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x3 ∂x3 2 ∂ U3 ∂ 2 U3 ∂ 2 U3 + ρg3 +µ + + ∂x21 ∂x22 ∂x23 (5.112)
x1 −Komponente: ρ
–
Impulsgleichungen in Zylinderkoordinaten - Impulsgleichungen mit τij −Termen: * Uϕ2 Uϕ ∂Ur ∂P ∂Ur ∂Ur ∂Ur + Ur + − + Uz =− r−Komponente: ρ ∂t ∂r r ∂ϕ r ∂z ∂r 1 ∂ τϕϕ ∂τrz 1 ∂τrϕ − (rτrr ) + − + + ρgr r ∂r r ∂ϕ r ∂z (5.113) ∂Uϕ ∂Uϕ Uϕ ∂Uϕ Ur Uϕ ∂Uϕ + Ur + + + Uz ϕ−Komponente: ρ ∂t ∂r r ∂ϕ r ∂z 1 ∂ 2 ∂τϕz 1 ∂τϕϕ 1 ∂P − (r τrϕ ) + + + ρgϕ =− r ∂ϕ r2 ∂r r ∂ϕ ∂z (5.114) ∂Uz Uϕ ∂Uz ∂Uz ∂Uz ∂P + Ur + + Uz z−Komponente: ρ =− ∂t ∂r r ∂ϕ ∂z ∂z 1 ∂ ∂τzz 1 ∂τϕz (rτrz ) + + − + ρgz r ∂r r ∂ϕ ∂z (5.115) )
150
5 Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
-
Navier-Stokes-Gleichungen f¨ ur ρ und µ gleich konstant: )
* Uϕ2 Uϕ ∂Ur ∂Ur ∂Ur ∂Ur + Ur + − + Uz r−Komponente: ρ ∂t ∂r r ∂ϕ r ∂z ∂P ∂ 1 ∂ 1 ∂ 2 Ur 2 ∂Uϕ =− +µ (rUr ) + 2 − 2 2 ∂r ∂r r ∂r r ∂ϕ r ∂ϕ ∂ 2 Ur + (5.116) + ρgr ∂z 2
ϕ−Komponente:
∂Uϕ ∂Uϕ Uϕ ∂Uϕ Ur Uϕ ∂Uϕ + Ur + + + Uz ∂t ∂r r ∂ϕ r ∂z 2 ∂ 1 ∂ 1 ∂ Uϕ 2 ∂Ur 1 ∂p + µ[ (rUϕ ) + 2 + 2 =− r ∂ϕ ∂r r ∂r r ∂ϕ2 r ∂ϕ ∂ 2 Uϕ (5.117) + ρgϕ + ∂z 2 ρ
∂Uz ∂Uz ∂Uz Uϕ ∂Uz + Ur + + Uz z−Komponente: ρ ∂t ∂r r ∂ϕ ∂z 1 ∂ ∂ 2 Uz ∂P ∂Uz 1 ∂ 2 Uz +µ + =− r + 2 ∂z r ∂r ∂r r ∂ϕ2 ∂z 2 +ρgz (5.118) –
Impulsgleichungen in Kugelkoordinaten - Impulsgleichungen mit τij −Termen ∂Ur Uθ ∂Ur Uφ ∂Ur ∂Ur r−Komponente: ρ + Ur + + ∂t ∂r r ∂θ r sin θ ∂φ * Uθ2 + Uφ2 1 ∂ 2 ∂P 1 − (r τrr ) + =− − 2 r ∂r r ∂r r sin θ ∂ τθθ + τθθ 1 ∂τrφ (τrθ sin θ) + − + ρgr ∂θ r sin θ ∂φ r (5.119)
θ−Komponente:
∂Uθ Uθ ∂Uθ Uφ ∂Uθ Ur Uθ ∂Uθ + Ur + + + ∂t ∂r r ∂θ r sin θ ∂φ r * 2 Uφ cot θ 1 ∂ 2 1 ∂p ∂ 1 =− − (r τrθ ) + − 2 r r ∂θ r ∂r r sin θ ∂θ τrθ cot θ 1 ∂τθφ .+ − τφφ + ρgθ (τθθ sin θ) + r sin θ ∂φ r r (5.120) ρ
5.7 Grundgleichungen in verschiedenen Koordinatensystemen
151
Uθ ∂Uφ Uφ ∂Uφ Uφ Ur ∂Uφ ∂Uφ + Ur + + + ∂t ∂r r ∂θ r sin θ ∂φ r 1 ∂ + 2 , 1 ∂p Uθ Uφ cot θ = − − r τrφ + r r sin θ ∂φ r2 ∂r 1 ∂τθφ 1 ∂τφφ τrφ 2 cot θ + + + + τθφ + ρgφ r ∂θ r sin θ ∂φ r r (5.121)
φ−Komponente: ρ
–
Navier-Stokes-Gleichungen f¨ ur ρ und µ gleich konstant * Uθ2 + Uφ2 Uθ ∂Ur Uφ ∂Ur ∂Ur ∂Ur + Ur + + − r−Komponente: ρ ∂t ∂r r ∂θ r sin θ ∂φ r 2 ∂P 2 2 ∂Uθ + µ ∇2 Ur − 2 Ur − 2 − 2 Uθ cot θ =− ∂r r r ∂θ r 2 ∂Uφ (5.122) − 2 + ρgr r sin θ ∂φ )
∂Uθ Uθ ∂Uθ Uφ ∂Uθ Ur Uθ ∂Uθ + Ur + + + ∂t ∂r r ∂θ r sin θ ∂φ r * 2 Uφ cot θ 1 ∂P 2 ∂Ur − + µ ∇2 Uθ + 2 =− r r ∂θ r ∂θ Uθ 2 cos θ ∂Uφ − 2 2 − 2 2 (5.123) + ρgθ r sin θ r sin θ ∂φ
θ−Komponente: ρ
φ−Komponente:
∂Uφ Uφ ∂Uφ Uφ ∂Uφ Uφ Ur ∂Uφ + Ur + + + ∂t ∂r r ∂θ r sin θ ∂φ r 1 ∂P Uθ Uφ Uφ cot θ = − + µ ∇2 Uφ − 2 2 + r r sin θ ∂φ r sin θ 2 cos θ ∂Uθ ∂Ur 2 . + 2 2 + 2 2 (5.124) + ρgφ r sin θ ∂φ r sin θ ∂φ ρ
In diesen Gleichungen ist: 2 ∂ ∂ 1 ∂ 1 ∂ 1 2 2 ∂ ∇ = 2 (5.125) r + 2 sin θ + 2 2 r ∂r ∂r r sin θ ∂θ ∂θ r sin θ ∂φ2
152
–
5 Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
Komponenten des molekularen Impulstransporttensors in kartesischen Koordinaten:
τ11 τ22 τ33
∂U1 2 = −µ 2 − (∇ · U) ; ∂x1 3 ∂U2 2 = −µ 2 − (∇ · U) ; ∂x2 3 ∂U3 2 = −µ 2 − (∇ · U) . ∂x3 3
(5.126)
τ12 = τ21 τ23 = τ32 τ31 = τ13
∂U1 ∂U2 = −µ + ; ∂x2 ∂x1 ∂U2 ∂U3 = −µ + ; ∂x3 ∂x2 ∂U3 ∂U1 = −µ + . ∂x1 ∂x3
(5.127)
wobei oben verwendet wurde ) = ∂U1 + ∂U2 + ∂U3 = ∂Uk (∇ · U ∂x1 ∂x2 ∂x3 ∂xk –
(5.128)
Komponenten des molekularen Impulstransporttensors in Zylinderkoordinaten: 2 ∂Ur − (∇ · U ) ; τrr = −µ 2 ∂r 3 1 ∂Uϕ Ur 2 + τϕϕ = −µ 2 − (∇ · U ) ; r ∂ϕ r 3 ∂Uz 2 ) . τzz = −µ 2 (5.129) − (∇ · U ∂xz 3 ∂ Uϕ 1 ∂Ur τrϕ = τϕr = −µ r + ; ∂r r r ∂ϕ ∂Uϕ 1 ∂Uz + τϕz = τzϕ = −µ ; ∂z r ∂ϕ ∂Ur ∂Uz + . τzr = τrz = −µ ∂r ∂z
(5.130)
wobei verwendet wurde ) = 1 ∂ (rUr ) + 1 ∂Uϕ + ∂Uz (∇ · U r ∂r r ∂ϕ ∂z
(5.131)
5.7 Grundgleichungen in verschiedenen Koordinatensystemen
–
Komponenten des molekularen Impulstransporttensors in Kugelkoordinaten: 2 ∂Ur − (∇ · U ) (5.132) τrr = −µ 2 ∂r 3 τθθ
τφφ
= −µ 2
τθφ
1 ∂Uθ Ur 2 + = −µ 2 − (∇ · U ) r ∂θ r 3 1 ∂Uφ Ur Uθ cot θ + + r sin θ ∂φ r r
2 − (∇ · U ) 3
∂ Uθ 1 ∂Ur τrθ = τθr = −µ r + ∂r r r ∂θ sin θ ∂ Uφ 1 ∂Uθ = τφθ = −µ + r ∂θ sin θ r sin θ ∂φ 1 ∂Ur ∂ Uφ +r τφr = τrφ = −µ r sin θ ∂φ ∂r r
(∇ · U ) = –
153
∂ 1 1 ∂Uφ 1 ∂ 2 (r Ur ) + (Uθ sin θ) + 2 r ∂r r sin θ ∂θ r sin θ ∂φ
(5.133)
(5.134)
(5.135)
(5.136)
(5.137)
(5.138)
∂U
Dissipationsfunktion τij ∂xij = µΦµ : Kartesische Koordinaten: . 2 2 2 / 2 ∂U1 ∂U2 ∂U3 ∂U2 ∂U1 Φµ = 2 + + + + ∂x1 ∂x2 ∂x3 ∂x1 ∂x2 2 2 2 ∂U3 ∂U1 ∂U2 ∂U3 2 ∂U1 ∂U2 ∂U3 + + + + − + + ∂x2 ∂x3 ∂x3 ∂x1 3 ∂x1 ∂x2 ∂x3 (5.139) Zylinderkoordinaten: . 2 / 2 2 ∂Ur 1 ∂Uϕ ∂Uz Ur + Φµ = 2 + + ∂r r ∂ϕ r ∂xz 2 2 2 1 ∂Uz ∂Ur ∂ Uϕ ∂Uϕ ∂Uz 1 ∂Uz + r + + + + + ∂r r r ∂ϕ r ∂ϕ ∂xz ∂xz ∂r 2 ∂Uz 2 1 ∂ 1 ∂Uϕ (rUr ) + + − (5.140) 3 r ∂r r ∂ϕ ∂xz
154
5 Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
Kugelkoordinaten: . 2 2 2 / ∂Ur 1 ∂Uθ 1 ∂Uφ Ur Ur Uθ cot θ + + + + Φµ = 2 ∂r r ∂θ r r sin θ ∂φ r r 2 2 sin θ ∂ Uφ ∂ Uθ 1 ∂Ur 1 ∂Uθ + + r + + ∂r r r ∂θ r ∂θ sin θ r sin θ ∂φ 2 1 ∂Ur ∂ Uφ +r + r sin θ ∂φ ∂r r 2 2 1 ∂ 2 1 ∂ 1 ∂Uφ (r Ur ) + (Uθ sin θ ) + − 3 r2 ∂r r sin θ ∂θ r sin θ ∂φ (5.141) Die obigen Gleichungen k¨ onnen, in Verbindung mit den die eigentlichen Str¨ omungsprobleme beschreibenden Anfangs- und Randbedingungen gel¨ost werden.
5.8 Spezielle Formen der Grundgleichungen Aufgrund der Vielf¨ altigkeit str¨ omungsmechanischer Betrachtungen haben sich Sonderformen der in den vorausgegangenen Kapiteln behandelten Gleichungen herauskristallisiert, von denen einige in dem vorliegenden Kapitel abgeleitet und behandelt werden sollen. Es sind dies die schon zuvor behandelte Wirbelst¨ arkengleichung, die Bernoulli-Gleichung und die CroccoGleichung. Die Ableitungen werden zudem das Kelvinsche Theorem behandeln als Basis von Erl¨ auterungen seiner physikalischen Bedeutung. Ziel der Betrachtungen ist es, die Voraussetzungen klar herauszuarbeiten unter denen die Sonderformen der Grundgleichungen ihre G¨ ultigkeit haben. Nur so ist sichergestellt, dass die mit den Sonderformen der Gleichungen angestrebten vereinfachten Behandlungen von Str¨ omungsproblemen auch zu gesicherten Ergebnissen f¨ uhren. 5.8.1 Transportgleichung f¨ ur Wirbelst¨ arke Die Wirbelst¨ arke ωi ist eine Eigenschaft des Str¨omungsfeldes die bei Betrachtungen von rotationsbehafteten Fluidbewegungen vorteilhaft eingesetzt werden kann. Sie ist wie folgt aus dem Geschwindigkeitsfeld berechenbar. = −ijk ∂Uj = ∂Uj − ∂Ui ωk = ∇ × U (5.142) ∂xi ∂xi ∂xj F¨ ur ein Fluid mit den Eigenschaften ρ = const und µ = const l¨asst sich die Navier-Stokes-Gleichung wie folgt schreiben:
5.8 Spezielle Formen der Grundgleichungen
ρ
∂Uj ∂Uj + Ui ∂t ∂xi
=−
∂ 2 Uj ∂P +µ + ρgj ∂xj ∂x2i
oder in Vektorform: . ∂U
/ 1 + ρg + U · ∇ U = − ∇P + ν∇2 U ∂t ρ
155
(5.143)
(5.144)
Beachtet man, dass diese Vektorform der Navier-Stokes-Gleichung auch geschrieben werden kann: 1 ∂U + g ρ × ∇×U = − 1 ∇P + ν∇2 U (5.145) +∇ U ·U −U ∂t 2 ρ Wendet man den Operator ∇ × (. . . ) auf jeden der in der obigen Gleichung auftretenden Terme an, so erh¨ alt man: ∂ ω × − ∇ × (U ω ) = ν∇2 ω ∂t
(5.146)
Nutzt man die f¨ ur Vektoren geltende Beziehung: × (∇ · ) − (U · ∇)ω + (ω · ∇)U ∇ × (U ω) = U ω) − ω (∇ · U wobei ∇ · ω = 0 ist, da die Divergenz der Rotation eines jeden Vektors gleich Null ist, und gleichzeitig wegen der Kontinuit¨atsgleichung f¨ ur ρ = = 0 gilt. F¨ const ∇ · U uhrt man all dies in die obigen Ableitungen ein, so lautet die Transportgleichung f¨ ur die Wirbelst¨arke: ∂ ω ∇) + ν∇2 ω + (U ω = ( ω ∇)U ∂t
(5.147)
oder in Tensorschreibweise: Dωj ∂ωj ∂ωj ∂Ui ∂ 2 ωj = + Ui = ωj +ν Dt ∂t ∂xi ∂xj ∂x2i
(5.148)
Die oben angegebene Gleichung (5.148) enth¨ alt nicht den Druck. Damit ist ersichtlich, dass das Wirbelst¨ arkenfeld ohne Kenntnisse der Druckverteilung ermittelt werden kann. Um den Druck berechnen zu k¨onnen, bildet man die Divergenz“ der Navier-Stokes-Gleichung und erh¨alt f¨ ur gj = 0: ” ∂2 P ∂ 2 Uj 1 ∂ 2 Uj2 2 + U − (5.149) = ω j j ∂x2i ρ ∂x2i 2 ∂x2i Damit ergibt sich f¨ ur die Berechnung des Drucks eine Poisson-Gleichung. F¨ ur zweidimensionale Str¨ omungen, f¨ ur die der Wirbelst¨arkenvektor senkrecht = 0 und damit lautet die Transauf der Str¨ omungsebene steht, gilt ( ω · ∇)U portgleichung f¨ ur die Wirbelst¨ arke: ∂ωj ∂ωj ∂ 2 ωj + Ui =ν ∂t ∂xi ∂x2i
(5.150)
156
5 Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
5.8.2 Bernoulli-Gleichung Zur Ableitung der Bernoulli-Gleichung werden die allgemeinen Impulsgleichungen unter der Annahme eines str¨ omungsmechanisch idealen Fluids, d.h. uhrt: τij = 0 in die Eulergleichungen u ¨ bergef¨ DUj ∂Uj ∂Uj ∂P ρ =ρ + Ui + ρgj (5.151) =− Dt ∂t ∂xi ∂xj ur dissipationsMultipliziert man diese Gleichung mit Uj , so erh¨alt man die f¨ freie Str¨ omungsvorg¨ ange geltende mechanische Energiegleichung: ∂ 1 2 1 2 D 1 2 ∂ ∂P =ρ + Ui = −Uj + ρgj Uj . ρ U U U Dt 2 j ∂t 2 j ∂xi 2 j ∂xj (5.152) F¨ uhrt man zur Darstellung von gj das Potentialfeld G ein, so dass gilt: gj = −
∂G ∂xj
(5.153)
und ber¨ ucksichtigt man, dass allgemein g¨ ultig ist: ∂G ∂G DG +ρ , = −ρ ∂xj Dt ∂t
ρgj Uj = −ρUj so erh¨ alt man f¨ ur
∂G ∂t
(5.154)
= 0: ρ
D Dt
1 2 U 2 j
∂P . + G = −Uj ∂xj
Ber¨ ucksichigt man dass gilt: P ∂ D P ∂ P ρ =ρ + ρUj Dt ρ ∂t ρ ∂xj ρ und dass zudem folgende Umformungen m¨ oglich sind: P ∂ρ ∂P ∂ P − , = ρ ∂t ρ ∂t ρ ∂t P ∂ ∂P ∂ρ P ρUj − Uj , = Uj ∂xj ρ ∂xj ρ ∂xj
(5.155)
(5.156)
(5.157)
(5.158)
so l¨ asst sich schreiben: ρ
D Dt
P ρ
=
∂P P Dρ ∂P + Uj . − ∂t ∂xj ρ Dt
(5.159)
5.8 Spezielle Formen der Grundgleichungen
Damit l¨ asst sich angeben: P Dρ ∂P D D P 1 2 ∂P Uj + G = −Uj − , ρ = −ρ + Dt 2 ∂xj Dt ρ ∂t ρ Dt oder nach Umstellung einiger Terme: D ∂P P Dρ 1 2 P ρ Uj + + G = − , Dt 2 ρ ∂t ρ Dt oder
D ρ Dt
1 2 U 2 j
∂P ∂Uj P + P. + +G = ρ ∂t ∂xj
157
(5.160)
(5.161)
(5.162)
F¨ ur station¨ are Druckfelder gilt ∂P ur ρ = const die Bernoulli∂t = 0, so dass f¨ Gleichung wie folgt angegeben werden kann: 1 2 P 1 P U + + G = Uj2 + − xj gj = const 2 j ρ 2 ρ
(5.163)
Die obigen Ableitungen verdeutlichen, unter welchen Bedingungen die bekannte Bernoulli-Gleichung (5.163) G¨ ultigkeit hat. Unter Ber¨ ucksichtigung der oben durchgef¨ uhrten Ableitungen l¨asst sich die mechanische Energiegleichung auch allgemein f¨ ur dissipative Str¨omungsfelder schreiben:
ρ
D 1 2 P ∂P ∂Uj ∂Uj ∂ Uj + + G = +P + (τij Uj ) − τij Dt 2 ρ ∂t ∂xj ∂xi ∂xi
(5.164)
In dieser Form enth¨ alt die allgemeine Form der mechanische Energiegleichung, auf der linken Seite, alle Terme der Bernoulli-Gleichung. 5.8.3 Crocco-Gleichung Die Croccosche Gleichung ist eine Sonderform der Impulsgleichung, die in eindrucksvoller Weise aufzeigt, wie rein str¨ omungsmechanische Betrachtungen durch thermodynamische Erkenntnisse erg¨ anzt werden k¨onnen. Die Crocco Gleichung verbindet die Wirbelst¨ arke eines Str¨ omungsfeldes mit der Entropie des betrachteten Fluids und zeigt auf, dass unter bestimmten, unten abgeleiteten Bedingungen isentrope Str¨ omungen rotationsfrei sind und vice versa. Erkennt man also ein Str¨ omungsfeld als isentrop, so lassen sich die vereinfachten Betrachtungen f¨ ur rotationsfreie Str¨ omungsfelder anwenden. Zur Ableitung der Crocco-Gleichung geht man von der Navier-Stokesschen Gleichung aus, wie sie in Gleichung (5.145) angegeben ist, erg¨anzt durch ν = 0, d.h. man f¨ uhrt in die Betrachtungen ein ideales Fluid ein, so dass unter Vernachl¨ assigung von Massenkr¨ aften gilt
158
5 Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
∂U +∇ ∂t
1 U ·U 2
× ∇×U = − 1 ∇P −U ρ
(5.165)
In Abschnitt 3.6 wurde gezeigt, dass gilt: T · ds = de + P · dυ = de + P d
1 ρ
Mit e = hn − P /ρ gilt folgende Beziehung: P 1 dh − d = −P d + T ds ρ ρ wegen d Pρ = P · d ρ1 + ρ1 · dP gilt: −
1 dP = T ds − dh ρ
(5.166)
(5.167)
(5.168)
Diese Beziehung l¨ asst sich auch schreiben: 1 ∇P = T ∇s − ∇h ρ
(5.169)
(5.169) in (5.165) eingesetzt ergibt: ∂U +∇ ∂t
1 U ·U 2
× ∇×U = T ∇s − ∇h −U
(5.170)
F¨ ur station¨ are adiabate Prozesse gilt die thermische Energiegleichung in der folgenden Form: DP Dh = (5.171) ρ Dt Dt Ferner folgt aus der Impulsgleichung: D 1 U U = −U∇P (5.172) ρ Dt 2 Somit gilt: D ρ Dt
DP 1 ∇P −U h + UU = 2 Dt D DP 1 ρ U = h+ U Dt 2 Dt
(5.173)
(5.174)
(5.174) in (5.165) eingesetzt ergibt f¨ ur station¨ are Str¨omungsbedingungen: 1 U ×ω + T ∇s = ∇ h + U U (5.175) 2
5.8 Spezielle Formen der Grundgleichungen
159
Betrachtet man nun die Str¨ omung entlang einer Stromlinie, so ist ∇(h + U ) ein Vektor senkrecht zur betrachteten Stromlinie. U ×ω ist gleichfalls 1/2U· ein Vektor und liegt auch senkrecht zur Stromlinie. Damit liegt auch T ∇s senkrecht zur Fluidbewegung entlang einer Stromlinie, so dass gilt: d ds 1 = (5.176) h + UU Un ωn + T dn dn 2 U eine Konstante des gesamten Str¨omungsfeldes, so gilt Ist nun h + 12 U d 1 h + UU = 0 dn 2 und es gilt somit: ds =0 (5.177) dn F¨ ur ωn = 0 ist ds/ dn = 0, somit sind rotationsfreie Str¨omungen isentrop und vice versa, wenn die Str¨ omungen station¨ ar sind, und die Annahme der Viskosit¨ atsfreiheit gilt, sowie keine Massenkr¨ afte auftreten. Un ωn + T
5.8.4 Weitere Formen der Energiegleichung Die enge Verbindung zwischen Str¨ omungsmechanik und Thermodynamik wird in den verschiedensten Formen der Energiegleichung deutlich, die untenstehend zusammengefasst sind, wie sie von Bird, Steward & Lightfoot eingef¨ uhrt werden. Eine Anpassung auf die in diesem Buch angegebene Notation wurde nachfolgend vorgenommen. Die nachfolgenden verschiedenen Formen der Energiegleichung deuten an, wie die Einf¨ uhrung unterschiedlicher Notationen, sowie das Aufpr¨agen von Zusatzbedingungen zu einer Vielzahl von Darstellungen des Sachverhaltes f¨ uhren k¨ onnen, dass die Energieerhaltung durch die Gleichungen gefordert ist. Gleichzeitig machen die nachfolgenden Darstellungen auch deutlich, dass es unerl¨ asslich ist, die Ableitungen der Gleichungen zu verstehen, um so jede Form der Gleichung hinsichtlich ihrer G¨ ultigkeit u ufen zu k¨onnen. Nur ¨berpr¨ so l¨ asst sich ein hoher Grad an Sicherheit in die berechtigte Anwendung der einen oder anderen Form der Energiegleichung bringen. Vergleicht man die nachfolgende Energiegleichung mit Formen, wie sie in der technischen Thermodynamik angewandt werden, so stellt man fest, dass die Gleichungen in der Str¨ omungsmechanik Leistungsgleichungen darstellen, ¨ d. h. die Anderungen der Energie pro Zeit- und Volumeneinheit werden u ¨ blicherweise betrachtet. Zudem wird die Energiegleichung, in welcher Form auch immer, als eine Gleichung f¨ ur Feldgr¨ oßen formuliert, d. h. sie gilt lokal. Dies bedeutet, dass str¨ omungsmechanische Betrachtungen der Energiegleichung, lokales thermodynamisches Gleichgewicht annehmen. Dieser Sachverhalt ist zu ber¨ ucksichtigen, wenn Vergleiche mit Energiebetrachtungen in der technischen Thermodynamik angestellt werden.
160
5 Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
Symbole
cp
Erl¨ auterung
Dimension
L2 /(T t2 )
W¨ armekapazit¨ at bei konstantem Druck, pro Masseneinheit
cv
W¨ armekapazit¨ at bei konstantem Volumen,
L2 /(T t2 )
pro Masseneinheit etotal
M L2 /t2
Gesamtenergie des Fluids, pro Masseneinheit
e g, gi
M L2 /t2
Innere Energie, pro Masseneinheit
L/t2
Externe Massenbeschleunigung
G
Potentielle Energie, Potential von G
M L2 /t2
h
Enthalpie
M L2 /t2
P
Druckfeld
M/(Lt2 )
˙ q˙i q,
M/t3
W¨ armefluss pro Fl¨ acheneinheit
T
Absolute Temperatur
T
, Ui U
Geschwindigkeitsfeld
L/t
V
Volumen
L3
xi
Kartesische Koordinaten
L
β
Thermischer Expansionskoeffizient
ρ
Fluid Dichtefeld
τ , τij
1/T M/L3 M/(Lt2 )
Molekularer Impulstransport
Massenerhaltung (Kontinuit¨atsgleichung) Gleichungen in Vektor- und Tensornotation
Dρ Dt
) = −ρ(∇ · U
Dρ Dt
i = −ρ ∂U ∂xi
Anmerkungen
f¨ ur
Dρ Dt
= 0 gilt (∇ · u) = 0 oder
∂Ui ∂xi
=0
5.8 Spezielle Formen der Grundgleichungen
161
Bewegungsgleichung (Impulsgleichung) Spezielle Form
Aufgepr¨ agte Konvektion
Gleichungen in Vektor- und Tensornotation
U ρ DDt = −∇P − [∇ · τ ] + ρg
ρ
Freie Konvektion
Anmerkungen
DUj Dt
∂P = − ∂x − j
∂τij ∂xi
F¨ ur τ = 0 erh¨alt man Euler-Gleichungen
+ ρgj
U ρ DDt = −[∇ · τ ] − ρβ g ∆T
ρ
DUj Dt
Diese Gleichung umfasst N¨aherung durch BoussinesqueAnnahmen
∂τ
= − ∂xiji − ρβgj ∆T
Energiegleichungen Spezielle Gleichungen in Vektor- und Tensornotation Form
Anmerkungen
geschrieben total ) − (∇ · [τ · U ]) Nur exakt, f¨ ur ρ DeDt = −(∇ · q ) − (∇ · ρU etotal = e+ wenn G zeit∂(τij Uj ) ∂(P Ui ) ∂ q˙i Detotal 1 2 + 2 U + G ρ Dt = − ∂xi − ∂xi − ∂xi unabh¨angig 2
ρ 2 e + 12 U
) D(e+ 12 U Dt
) = −(∇ · q ) − (∇ · ρU ]) + ρ(U · g ) −(∇ · [τ · U
D(e+ 12 Ui2 ) ∂(τij Uj ) Ui ) ∂ q˙i = − ∂x − ∂(P − ∂x Dt ∂xi i i 1 2 D2U · ∇P ) − (U · [∇ · τ ]) ρ Dt = −(U
ρ
1 2U
· g ) +ρ(U
2
ρ
D 12 Ui2 Dt
∂τ
∂P = −Ui ∂x − Ui ∂xijj + ρUi gi i
+ ρUi gi
162
5 Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
Spezielle Gleichungen in Vektor- und Form Tensornotation
e
Anmerkungen
) − (τ : ∇U ) Der P enthaltende ρ De q ) − P (∇ · U Dt = −(∇ · Term ist Null ∂ q˙i ∂Ui ∂Ui ρ De = − − P − τ f¨ ur Dρ ij Dt ∂xi ∂xi ∂xj Dt = 0 )+ ρ Dh q ) − (τ : ∇U Dt = −(∇ ·
DP Dt
h ∂ q˙i ∂Ui ρ Dh Dt = − ∂xi − τij ∂xj +
DP Dt
geschrieben f¨ ur ρcv DT q ) − T ( ∂P Dt = −(∇ · ∂T )ρ (∇ · U ) −(τ : ∇U ) cv und T ∂ q˙i ∂Ui ∂Ui ∂P ρcv DT Dt = − ∂xi − T ( ∂T )ρ ( ∂xi ) − τij ∂xj geschrieben ∂ ln V DP f¨ ur ρcp DT Dt = −(∇ · q ) + ( ∂ ln T )ρ Dt ) −(τ : ∇U cp und T ∂ q˙i ∂Ui ∂ ln V DP ρcp DT Dt = − ∂xi + ( ∂ ln T )ρ Dt − τij ∂xj
F¨ ur ein ideales Gas ( ∂P ∂T )ρ =
P T
F¨ ur ein ideales V Gas ( ∂∂ ln ln T )ρ = 1
5.9 Transportgleichung fu ¨r chemische Spezies In vielen Bereichen der Ingenieurwissenschaften sind Untersuchungen von Str¨ omungen mit chemischen Reaktionen erforderlich, die Erweiterungen der bisher durchgef¨ uhrten Betrachtungen notwendig machen. Es gilt die Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik f¨ ur die einzelnen chemischen Komponenten anzugeben: ¨ – lokale Anderung der Masse der chemischen Komponente A ∂ρA ρV ∂t
5.9 Transportgleichung f¨ ur chemische Spezies
163
¨ – Anderung der Masse der Komponente A durch Zu- und Abfluss −
∂ ρA (UA )i δV ∂xi
– Produktion der chemischen Komponente A durch chemische Reaktion rA δV Damit ergibt sich eine Massenbilanz: ∂ρA ∂ δV = − [ρA (UA )i ] δV + rA δV ∂t ∂xi
(5.178)
und die Gleichung f¨ ur die Massenerhaltung f¨ ur die chemische Komponente A eines Fluids ergibt sich als: ∂ ∂ρA + [ρA (UA )i ] = rA ∂t ∂xi
(5.179)
¨ F¨ ur eine chemische Komponente B ergibt sich infolge gleicher Uberlegungen: ∂ ∂ρB + [ρB (UB )i ] = rB ∂t ∂xi
(5.180)
Die Addition dieser Gleichungen ergibt: ∂ (ρUi ) ∂ρ + =0 ∂t ∂xi
(5.181)
d. h. die Gesamtmassenerhaltungsgleichung f¨ ur ein Gemisch aus verschiedenen Komponenten ist gleich der Kontinuit¨ atsgleichung f¨ ur ein Fluid, das nur aus einer chemischen Komponente besteht. Unter Ber¨ ucksichtigung des Fickschen Gesetzes l¨ asst sich angeben: ∂ ∂ (cA /c) ∂ρA ∂ + (ρA Ui ) = (5.182) ρDAB + rA ∂t ∂xi ∂xi ∂xi F¨ ur ρ = const und DAB = const erh¨ alt man: =0
∂ρA ∂Ui ∂ρA ∂ 2 ρA + ρA +Ui = DAB + rA ∂t ∂xi ∂xi ∂xi uckt: oder in Konzentration cA ausgedr¨ ∂cA DcA ∂cA ∂ 2 cA = + Ui + RA = DAB Dt ∂t ∂xi ∂xi 2 mit rA = A · RA , siehe hierzu Bird, Stewart, Lightfoot.
(5.183)
(5.184)
164
5 Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
5.10 Literaturverzeichnis 5.1 Bird RB, Stewart WE and Lightfoot EN (1960) Transport Phenomena. John Wiley & Sons Inc., New York 5.2 Brodkey RS (1967) The Phenomena of Fluid Motions. Dover Publications, Inc., New York 5.3 Schlichting H (1968) Boundary Layer Theory. 6 Edition, McGraw Hill Book Company, New York 5.4 Sherman FS (1990) Viscous Flow. McGraw-Hill Book Co., Singapore 5.5 Spurk JH (1996) Str¨ omungslehre - Einf¨ uhrung in die Theorie der Str¨ omungen. Springer Verlag, Berlin, 4. Aufl.
6 Hydrostatik und Aerostatik
6.1 Hydrostatik Die Hydrostatik besch¨ aftigt sich mit den Gesetzm¨aßigkeiten, denen Fluide unterworfen sind, welche in dem Koordinatensystem, in dem die Betrachtungen durchgef¨ uhrt werden, keine Bewegungen (Str¨omungen) aufweisen, d.h. die in dem bei den Betrachtungen verwendeten Koordinatensystem in Ruhe sind. Da die im vorausgegangenen Kapitel abgeleiteten Beziehungen allgemeine Gesetzm¨ aßigkeiten darstellen, die auch auf den Fall des ruhenden Fluids anwendbar sind, m¨ ussen aus ihnen auch die Gesetzm¨aßigkeiten hervorgehen, denen bewegungsfreie, d.h. nichtstr¨ omende Fluide, unterworfen sind. So l¨aßt sich aus der Kontinuit¨ atsgleichung ∂ ∂ρ + (ρUi ) = 0 ∂t ∂xi
(6.1)
zeigen, daß f¨ ur ρ = const. und Ui = f (xi ) die Kontinuit¨atsgleichung erf¨ ullt ist: ∂ρ ∂ρ ∂Ui + Ui +ρ = 0. (6.2) ∂t ∂xi ∂x i Dρ/Dt=0
=0
Ferner l¨ aßt sich ableiten, daß f¨ ur Ui = 0 die einfache partielle Differentialgleichung gilt ∂ρ =0 (6.3) ∂t deren allgemeine L¨ osung wie folgt angegeben werden kann: ρ = F (xi ).
(6.4)
Die Dichte ρ ist damit in einer ruhenden Fl¨ ussigkeit nur eine Funktion der ¨ Raumkoordinaten xi . Treten in einem Fluid zeitliche Anderungen der Dichte auf, so f¨ uhren diese aufgrund des durch die Kontinuit¨atsgleichung gegebenen Zusammenhangs zwischen Str¨ omungs- und Dichtefeld, siehe Gleichung (6.1), unweigerlich zu Bewegungen innerhalb des Fluids. Die allgemeinen Impulsgleichungen, die f¨ ur j = 1, 2, 3 gelten,
166
6 Hydrostatik und Aerostatik
∂Uj ∂Uj + Ui ρ ∂t ∂xi
=−
∂τij ∂P − + ρgj ∂xj ∂xi
(6.5)
vereinfachen sich f¨ ur ein ruhendes Fluid (Uj = 0 und den molek¨ ulbedingten Impulstransport (∂τij /∂xi ) = 0) zu dem folgenden System partieller Differentialgleichungen, das die Grundgleichungen der Hydrostatik und Aerostatik darstellt: ∂P = ρgj (j = 1, 2, 3) (6.6) ∂xj oder ausgeschrieben: ∂P = ρg1 , ∂x1
∂P = ρg2 , ∂x2
∂P = ρg3 . ∂x3
(6.7)
In diesem Abschnitt soll die durch das Schwerefeld bedingte Druckverteilung in einem Fluid einer n¨ aheren Betrachtung unterzogen werden, wobei hinsichtlich der m¨ oglichen Fluideigenschaften eine Einschr¨ankung vorgenommen wird; das Fluid wird als inkompressibel, d.h. ρ = const, angenommen. Diese Eigenschaft wird im allgemeinen von Fl¨ ussigkeiten recht gut erf¨ ullt, so dass die nachfolgenden Ableitungen als f¨ ur Fl¨ ussigkeiten g¨ ultig angesehen werden k¨ onnen. Zur Ableitung der Druckverteilung in ruhenden Fl¨ ussigkeiten wird ein rechtwinkliges kartesisches Koordinatensystem eingef¨ uhrt, dessen Lage so gew¨ ahlt wird, dass die durch das Schwerefeld bedingte Massenbeschleunigung {gi } nur eine Komponente in negativer x2 -Richtung aufweist, d.h. es gilt (6.8) {gi } = {0, −g, 0}. Dann lassen sich die in (6.7) allgemein angegebenen Differentialgleichungen f¨ ur den Druck wie folgt schreiben: ∂P = 0, ∂x1
∂P = −ρg, ∂x2
∂P = 0. ∂x3
(6.9)
∂P ∂P Aus ∂x = 0 folgt P = f (x2 , x3 ) und aus ∂x = 0 folgt P = f (x1 , x2 ). Damit 1 3 ergibt ein Vergleich P = f (x2 ) und dies bringt zum Ausdruck, dass der Druck einer Fl¨ ussigkeit innerhalb einer Ebene konstant ist, wenn diese senkrecht zur Richtung des Schwerefeldes liegt. Die freie Oberfl¨ache einer in einem Beh¨alter gelagerten Fl¨ ussigkeit ist somit eine Ebene konstanten Druckes. Alle zu ihr parallelen Ebenen sind gleichfalls Ebenen konstanten Druckes. Der Druck erh¨ oht sich in der Richtung, die von dem Vektor gi vorgegeben wird.
6.1 Hydrostatik
x D x
p (x 2 + D x 2) 2
D x 1
{ g } x
167
2
i
D x p (x 2 ) x
3
1
3
Abbildung 6.1: Koordinatensystem zur Ableitung der Druckverteilung in Fl¨ ussigkeiten
Es ist f¨ ur das physikalische Verst¨ andnis der Hydrostatik noch wichtig zu erkennen, dass in Gleichung (6.9) ausgedr¨ uckt wird, dass die Druckzunahme in negativer x2 -Richtung durch das Gewicht des in Abb. 6.1 eingezeichneten Fluidelementes verursacht wird, d.h. ∆V
∆A
∆A
∂P ∆x2 ) ∆x1 ∆x3 = 0. −ρg ∆x1 ∆x2 ∆x3 +P ∆x1 ∆x3 −(P + ∂x2
(6.10)
Unter Anwendung der obigen Erkenntnisse und Gleichungen lassen sich f¨ ur ein in einem Beh¨ alter befindliches Fluid konstanter Dichte folgende Angaben machen (Abb. 6.2). Falls das Schwerefeld in negativer x2 −Richtung wirkt: g1 = 0,
g2 = −g,
g3 = 0
(6.11)
gelten wieder die in (6.9) angegebenen Differentialgleichungen mit der L¨osung P = f (x2 ). ∂P in (6.9) als totales Differential Damit l¨ asst sich das partielle Differential ∂x 2 schreiben und man erh¨ alt f¨ ur Fl¨ ussigkeiten (ρ =const): dP = −ρg −→ P = −ρgx2 + C dx2
(6.12)
oder umgeschrieben P + gx2 = C. ρ Diese Beziehung bringt zum Ausdruck, dass die Summe aus Druckenergie“ ” P/ρ und potentieller Energie (gx2 = −gj xj ) in jedem Punkt einer ruhenden Fl¨ ussigkeit eine Konstante ist. Da in allen Punkten der Fl¨ ussigkeit die einzelnen Fluidelemente dieselbe Gesamtenergie besitzen, fehlt das treibende Element f¨ ur eine Bewegung. Es liegen somit auch energetisch gesehen die Voraussetzungen f¨ ur hydrostatische Gegebenheiten vor.
168
6 Hydrostatik und Aerostatik
L u ftra u m ü b e r F lü s s ig k e it P 0
x 2
h R u h e n d e F lü s s ig k e it x x
1
3
Abbildung 6.2: Ruhende Fl¨ ussigkeit in einem Beh¨ alter
Hat die Fl¨ ussigkeit in der H¨ ohe h eine freie Oberfl¨ache, auf die in allen Punkten ein gleich großer Druck P0 wirkt, so stellt diese, wegen der Beziehung asst sich zur Bestimmung von C P = f (x2 ), eine Ebene x2 = const, d.h. sie l¨ nutzen. ur F¨ ur die Druckverteilung erh¨ alt man mit der Randbedingung P = P0 f¨ x2 = h ; C = P0 + ρgh P = P0 + ρg(h − x2 )
0 ≤ x2 ≤ h.
(6.13)
Diese Beziehung dr¨ uckt das bekannte hydrostatische Gesetz aus, wonach der Druck in einer Fl¨ ussigkeit linear mit der Tiefe unterhalb der freien Oberfl¨ache anw¨ achst. Schreibt man die Gleichung (6.13) um, so erh¨alt man: P P0 + gh = + gx2 = const ρ ρ
(6.14)
Die Gesetze der Hydrostatik sind oftmals auch auf Fl¨ ussigkeiten in bewegten Gef¨ aßen anwendbar, wenn man diese als beschleunigte Bezugssy” steme“ behandelt. Die extern aufgepr¨ agten Beschleunigungskr¨afte sind dann als Tr¨ agheitskr¨ afte einzuf¨ uhren. Abb. 6.3 zeigt als Beispiel einen mit einer Fl¨ ussigkeit gef¨ ullten Container-Lastwagen“, der zur Zeit t < t0 in Ruhe ist ” und in der Zeit t ≥ t0 seine Geschwindigkeit linear erh¨oht, also eine konstante Beschleunigung b erf¨ ahrt. Im Ruhezustand oder bei gleichf¨ ormiger Bewegung bildet die Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ ache im Beh¨ alter eine horizontale Ebene. Erf¨ahrt nun der Beh¨alter eine konstante Beschleunigung b, so wird die Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ache eine neue Gleichgewichtslage einnehmen, sofern man von den anfangs erfolgenden
6.1 Hydrostatik
x
h
3
.
x 3 = h b
169
- b x 1 , x 1
g
x
x 2
2
Abbildung 6.3: Lage des Fl¨ ussigkeitsspiegels bei konstanter Beschleunigung
Schwabbelbewegungen“ absieht. Will man nun die neue Lage der Fl¨ ussig” keitsoberfl¨ ache berechnen, so empfiehlt sich die Einf¨ uhrung eines mit dem Beh¨ alter fest verbundenen Koordinatensystems xi , in dem die hydrostatischen Grundgleichungen wie folgt lauten: ∂P = 0; ∂x1
∂P = −ρb; ∂x2
∂P = −ρg. ∂x3
(6.15)
Hieraus resultiert die allgemeine L¨ osung: ∂P =0 ∂x1 ∂P = − ρb ∂x2 ∂P = − ρg ∂x3
P = f1 (x2 , x3 ),
(6.16a)
P = −ρbx2 + f2 (x1 , x3 ),
(6.16b)
P = −ρgx3 + f3 (x1 , x2 ).
(6.16c)
Durch Vergleich der L¨ osungen erh¨ alt man, da die f1 , f2 , f3 nur die durch partielle Integration erhaltenen Funktionen plus einer Konstanten sein k¨onnen: P = C − ρ(bx2 + gx3 ).
(6.17)
Entlang der freien Oberfl¨ ache herrscht der Druck P = P0 und damit lautet die Gleichung der Ebene, in der die freie Oberfl¨ache liegt: b 1 x3 = − x2 + (C − P0 ) g gρ
f¨ ur
− ∞ < x1 < +∞.
(6.18)
Die Integrationskonstante C bestimmt sich aus der Forderung, dass das Fl¨ ussigkeitsvolumen vor und nach Einsetzen der Beschleunigung dasselbe ist. Es gilt daher f¨ ur die Bestimmung von C das gleiche Fl¨ ussigkeitsvolumen wie f¨ ur den Beh¨ alter mit der ruhenden Fl¨ ussigkeit C = gρh + P0 .
(6.19)
170
6 Hydrostatik und Aerostatik
Damit lautet die Gleichung f¨ ur die Ebene der freien Oberfl¨ache: b x3 = h − x2 g
f¨ ur
− ∞ < x1 < +∞.
(6.20)
Da die L¨ osung des Problems unabh¨ angig von der Lage des gew¨ahlten Koordinatensystems sein muss, l¨ asst sich ein Koordinatensystem ξi einf¨ uhren, das gegen¨ uber dem xi -System derart gedreht ist, dass gilt: ξ1 = x1 (Drehachse), 1 (gx2 + bx3 ), ξ2 = b2 + g 2 und
(6.21)
1 ξ3 = (−bx2 + gx3 ). 2 b + g2
Dies uhrung einer resultierenden Beschleunigung vom Betrag kommt der Einf¨ b2 + g 2 in Richtung ξ3 gleich. Damit lauten die hydrostatischen Grundgleichungen: ∂P = 0; ∂ξ1
∂P = 0; ∂ξ2
∂P = − b2 + g 2 ρ. ∂ξ3
(6.22)
Damit gilt P = F (ξ3 ) und P = C − ρ b2 + g 2 ξ3 . Die Integrationskonstante C ergibt sich aus der Randbedingung: P = P0 + gρh f¨ ur ξ3 = 0 # 2 b ξ3 . P = P0 + ρg h − 1 + g
(6.23) (6.24)
Alle weiteren Angaben zu dem Problem des beschleunigten Fl¨ ussigkeitsbeh¨ alters lassen sich auch im ξi -Koordinatensystem angeben. Entlang der freien Oberfl¨ ache gilt P = P0 und h 2 = const. b 1+ g
ξ3 = #
(6.25)
ist somit die Gleichung der Ebene, die in der freien Oberfl¨ache liegt. Durch die oben angegebene Behandlung wird deutlich, dass es m¨oglich ist, die hydrostatischen Grundgesetze auch in beschleunigten Referenzsystemen anzuwenden, sofern in diesen die auf die externen Bewegungen zur¨ uckzuf¨ uhrenden Tr¨ agheitskr¨ afte ber¨ ucksichtigt werden. Die auftretenden Beschleunigungen (Tr¨ agheits- und Erdbeschleunigung) sind zu einer Gesamtbeschleunigung vektoriell zu addieren, um die Richtung und den Betrag der
6.1 Hydrostatik
171
Gesamtbeschleunigung zu erhalten. Die freie Oberfl¨ache stellt sich senkrecht zum Vektor der Gesamtbeschleunigung ein. In die Gruppe der Beispiele, die mittels der Grundgesetze der Hydrostatik behandelt werden k¨ onnen, l¨ asst sich auch das in Abb. 6.4 angegebene Beispiel einordnen. Diese Abbildung zeigt einen Wasserbeh¨alter, der eine schiefe Ebene mit dem Neigungswinkel α gegen¨ uber der Horizontalen hinabgleitet. Der ruhende Beh¨ alter zeigt eine Wasseroberfl¨ ache auf, die horizontal ist, da nur die Erdbeschleunigung als Massenkraft pro kg Fluid auftritt. Wird der Fl¨ ussigkeitsbeh¨ alter losgelassen und ist die nach unten, parallel zur Ebene gerichtete Beschleunigung |a| = g sinα, so setzt sich der K¨orper in Bewegung und erf¨ ahrt so eine Beschleunigung parallel zur schiefen Ebene. Die auf das Fluid wirkende resultierende Beschleunigungskomponente setzt sich aus der nach oben gerichteten Komponente mit |b| = g sinα und der nach unten gerichteten Komponente mit µr g cos α zusammen. Hierbei ist µr der Reibungskoeffizient, der die Wechselwirkung zwischen der Beh¨alterunterfl¨ache und der Oberfl¨ ache der schiefen Ebene kennzeichnet. Behandelt man zun¨ achst das Problem mit der auf der schiefen Ebene nach unten erfolgenden, beschleunigten Bewegung ohne Reibung, so erh¨alt man in dem in Abb. 6.4 angegebenen Koordinatensystem folgenden Satz von hydrostatischen Grundgleichungen: ∂P = 0, ∂x1 ∂P = − ρg sin α cos α, ∂x2 ∂P = − ρg(1 − sin2 α). ∂x3
(6.26a) (6.26b) (6.26c)
Die Lage f¨ ur die Druckverteilung in dem in Abb. 6.4 nach unten gleitenden Beh¨ alter und somit auch die L¨ osung f¨ ur die Lage der Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ache l¨ asst sich durch L¨ osung der Gleichungen in (6.26) erhalten. ∂P = 0 folgt wiederum P = f (x2 , x3 ) und damit gilt: Aus ∂x 1 x
½
a ½
= g s in a
g s in a m
r
g c o s a
3
x
b 2
g
b r
a
a
Abbildung 6.4: Auf einer schiefen Ebene gleitender Wasserbeh¨ alter. Bewegung mit und ohne Reibung
172
6 Hydrostatik und Aerostatik
∂P 1 1 = − ρg sin(2α) −→ P = f1 (x3 ) − ρg sin(2α)x2 , ∂x2 2 2
(6.27a)
∂P = −ρg cos2 α −→ P = f2 (x2 ) − ρg(cos2 α)x3 . ∂x3
(6.27b)
und
Durch Vergleich der L¨ osungen erh¨ alt man: 1 P = C − ρg(sin(2α)x2 + 2(cos2 α)x3 ). 2
(6.28)
Entlang der freien Oberfl¨ ache gilt P = P0 und damit erh¨alt man als L¨osung f¨ ur die Lage der freien Oberfl¨ ache: x3 = −(tan α)x2 +
1 (C − P0 ) ρg cos2 α
f¨ ur
− ∞ < x1 < +∞.
(6.29)
Da auch der Koordinatenursprung auf der freien Oberfl¨ache liegt, folgt C = P0 und damit gilt f¨ ur die Ebene, in der die freie Oberfl¨ache liegt: x3 = −(tan α)x2
f¨ ur
− ∞ < x1 < +∞.
(6.30)
Diese Gleichung zeigt, dass f¨ ur reibungsfreies Gleiten entlang der schiefen Ebene die freie Oberfl¨ ache parallel zur betrachteten schiefen Ebene liegt, entlang welcher der Beh¨ alter gleitet. Dies l¨ asst sich auch durch Betrachtungen des linken Beschleunigungsdiagramms in Abb. 6.4 ableiten, in dem zu sehen ist, dass die resultierende Beschleunigung b“ senkrecht auf der schiefen ” Ebene steht. Nimmt man nun noch f¨ ur die nach unten erfolgende Bewegung die auftretende Reibungskraft mit hinzu, so erh¨ alt man folgenden Satz von hydrostatischen Grundgleichungen: ∂P = 0, ∂x1
(6.31a)
∂P = − ρg(sin α − µr cos α) cos α, ∂x2
(6.31b)
∂P = − ρg[1 − (sin α − µr cos α) sin α]. ∂x3
(6.31c)
Damit lautet die der Gleichung (6.28) entsprechende L¨osung: P = C−ρg[(sin α−µr cos α) cos α]x2 −ρg[1−(sin α−µr cos α) sin α]x3 . (6.32) Setzt man wiederum f¨ ur die freie Oberfl¨ ache P = P0 , so erh¨alt man die Gleichung f¨ ur die Ebene, in der die freie Oberfl¨ache liegt. Ber¨ ucksichtigt man
6.1 Hydrostatik
173
ferner, dass wiederum der Koordinatenursprung auf der freien Oberfl¨ache liegt, d.h. C = P0 , so erh¨ alt man als Endgleichung der freien Oberfl¨ache: (sin α − µr cos α) cos α (6.33) x3 = − x2 . 1 − (sin α − µr cos α) sin α F¨ ur diesen allgemeinen Fall der entlang der schiefen Ebene erfolgenden, rei” bungsbehafteten Bewegung“ des in Abb. 6.4 gezeigten Fl¨ ussigkeitsbeh¨alters, stellt sich eine freie Oberfl¨ ache ein, die gegen¨ uber der Horizontalen weniger geneigt ist als die schiefe Ebene. Zu beachten ist jedoch, dass die Ableitunur µr ≥ tan α erh¨alt man den gen nur gelten, wenn µr ≤ tan α vorliegt. F¨ Grenzfall des ruhenden Beh¨ alters. Als letztes Beispiel, das die Anwendung hydrostatischer Gesetzm¨aßigkeiten in beschleunigten Bezugssystemen zeigen soll, wird das in Abb. 6.5 dargestellte Problem gew¨ ahlt. Es deutet einen rotierenden, oben und unten geschlossenen Zylinder an, der teilweise mit einer Fl¨ ussigkeit gef¨ ullt ist. Befindet sich der Zylinder in Ruhe, so nimmt die freie Oberfl¨ache dieser Fl¨ ussigkeit eine horizontale Lage in der H¨ ohe h ein, da die einzelnen Fl¨ ussigkeitsteilchen als Massenkr¨ afte nur die Erdbeschleunigung erfahren. Wird der Zylinder in Rotation versetzt, so stellt man eine Deformation der Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ache fest, die fortschreitet, bis als Endform ein Paraboloid entsteht, wie dieses in Abb. 6.5 skizziert ist. Wird nun dieser Rotationsbewegung eine zus¨atzliche, beschleunigte Vertikalbewegung u ¨berlagert, so stellt man fest, dass das sich einstellende Hyperboloid unterschiedliche Formen annehmen kann, je nachdem welche Gr¨oße die vertikale Beschleunigung erf¨ ahrt und in welcher Richtung sie erfolgt. Im nachfolgenden soll gezeigt werden, dass die Frage nach der Form des Hyperboloids auf der Basis der Grundgleichungen der Hydrostatik ermittelt werden kann. Hierzu wird ein Koordinatensystem gew¨ ahlt, das fest mit den Wandungen des rotierenden und vertikal beschleunigten Zylinders verbunden ist und das damit sowohl die Rotationsbewegung als auch die beschleunigte, vertikale Bewegung mit ausf¨ uhrt. Die oben angegebenen Beispiele haben gezeigt, dass die hydrostatischen Grundgleichungen anwendbar sind, sofern in dem betrachteten Koordinatensystem keine Fluidbewegungen auftreten und die gegen¨ uber einem Inertialsystem erfolgenden Beschleunigungen als Tr¨agheitskr¨afte ber¨ ucksichtigt werden. In dem in Abb. 6.5 angegebenen Beschleunigungsdiagramm ist aufgezeigt, dass f¨ ur die unten erfolgenden Ableitungen die horizontal auftretende Zentrifugalbeschleunigung ω 2 r, sowie die der externen vertikalen Beschleunigung entgegengerichtete Tr¨ agheitsbeschleunigung“ b, eingef¨ uhrt wurden. ” Betrachtet man die Vorg¨ ange im Fl¨ ussigkeitsk¨orper des in Abb. 6.5 skizzierten Problems in dem mit dem Zylinder mitbewegten Koordinatensystem (r, ϕ, z), so stellt man fest, dass sich alle Fl¨ ussigkeitsteilchen, nach Erreichen des stabilen Endzustandes der Bewegung, in Ruhe befinden. Damit ist, in Bezug auf das gew¨ ahlte Koordinatensystem, die Voraussetzung zur Anwendung
174
6 Hydrostatik und Aerostatik
z h z
b
0
r
w g
r ´ g
w 2
a
b Abbildung 6.5: Behandlung der Str¨ omungsvorg¨ ange“ in einem rotierenden, ver” tikal bewegten, teilweise gef¨ ullten Zylinder
der hydrostatischen Grundgleichungen erf¨ ullt, welche in Zylinderkoordinaten die unten angegebene Form annehmen: ∂P = ρgr ; ∂r
1 ∂P = ρgϕ ; r ∂ϕ
∂P = ρgz . ∂z
(6.34)
F¨ ur gr = rω 2 , gϕ = 0 und gz = −(g + b) erh¨alt man f¨ ur das zu behandelnde Problem folgenden Satz von Grundgleichungen und deren allgemeine L¨ osungen: ∂P = ρrω 2 ∂r 1 ∂P =0 r ∂ϕ ∂P = − ρ(g + b) ∂z
1 2 2 ρω r + f1 (ϕ, z), 2
−→
P =
−→
P = f2 (r, z),
(6.35b)
−→
P = −ρ(g + b)z + f3 (r, ϕ).
(6.35c)
Durch Vergleich der L¨ osungen ergibt sich:
(6.35a)
6.1 Hydrostatik
ρ P = C + ω 2 r2 − ρ(g + b)z 2
0 ≤ ϕ ≤ 2π.
f¨ ur
175
(6.36)
F¨ uhrt man auf der Achse, r = 0, f¨ ur die Lage des Parabelscheitelpunktes z = z0 ein, so gilt P = P0 an der Stelle r = 0, z = z0 . F¨ ur die Integrationskonstante ergibt sich damit C = P0 + ρ(g + b)z0 . Somit lautet die Gleichung f¨ ur die Druckverteilung im Fl¨ ussigkeitsk¨orper: ρ P = P0 + ω 2 r2 − ρ(g + b)(z − z0 ) 2
f¨ ur
0 < ϕ < 2π.
(6.37)
Entlang der freien Oberfl¨ ache der Fl¨ ussigkeit gilt P = P0 , so dass man diese Fl¨ ache, unter Anwendung von (6.37), wie folgt darstellen kann: z = z0 +
ω2 r2 2(g + b)
f¨ ur
0 ≤ ϕ ≤ 2π.
(6.38)
Die eingef¨ uhrte Scheitellage z0 l¨ asst sich durch die Bedingung errechnen, dass die Fl¨ ussigkeitsmenge vor Einsetzen der Rotation, d.h. πR2 h, gleich der Fl¨ ussigkeitsmenge sein muss, die bei Rotation zwischen der freien Oberfl¨ache der Fl¨ ussigkeit und den Zylinderwandungen liegen muss. Damit gilt: " R " R ω2 2 2 πR h = 2π r dr rz dr = 2π r z0 + (6.39) 2(g + b) 0 0 R 1 2 1 2 ω2 1 ω2 R h= z0 r + r4 R2 = R 2 z0 + 2 2 8(g + b) 2 4(g + b) 0
(6.40)
ω2 R2 . 4(g + b)
(6.41)
ω2 (R2 − 2r2 ). 4(g + b)
(6.42)
z0 = h − (6.41) eingesetzt in (6.38) ergibt: z =h−
Anhand der oben angef¨ uhrten Beziehung (6.42) lassen sich nun die verschiedenen Formen angeben, welche die Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ache einnehmen kann. Einige typische F¨ alle sind in Abb. 6.6 dargestellt. Diese sollen nachfolgend anhand der oben erfolgten Ableitungen und der abgeleiteten Endbeziehung diskutiert werden. Es wird erhofft, dass dadurch dem Leser verdeutlicht werden kann, wie durch Ableitungen auf der Basis der str¨omungsmechanischen Grundgleichungen, physikalische Informationen erhalten werden k¨onnen, z.B. die Form der freien Oberfl¨ ache von Fl¨ ussigkeit in Beh¨altern. Die in Abbildung 6.6 angedeuteten Lagen der Wasseroberfl¨achen lassen sich durch die angegebenen Beziehungen zwischen b und g angeben:
176
6 Hydrostatik und Aerostatik
Abbildung 6.6: Beispiele m¨ oglicher Formen der Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ ache in einem rotierenden, vertikal beschleunigten Zylinder
b > −g :
Erfolgt die vertikale Beschleunigung des Beh¨alters nach oben mit 0 > b > −g, so ist nach Gleichung (6.42) die ¨ Offnung der Parabel“ positiv. Die Fl¨ ussigkeit ber¨ uhrt die ” Boden- und Seitenfl¨ achen des Beh¨alters.
b = −g:
Erfolgt die Vertikalbeschleunigung des Beh¨alters nach unten mit b = −g, so ruht die gesamte Fl¨ ussigkeit an der Seitenwand des Beh¨ alters.
b < −g:
Erfolgt die vertikale Beschleunigung des Beh¨alters nach un¨ ten mit b < −g, so ist nach Gleichung (6.42) die Offnung ” der Parabel“ negativ. Die Fl¨ ussigkeit ber¨ uhrt die Deckenund Seitenfl¨ achen des Beh¨ alters.
Die oben aufgef¨ uhrten Ableitungen zeigen auf, dass die allgemeinen Grundgleichungen der Hydrostatik geeignet sind, Gravitationseffekte auf die Fl¨ ussigkeitsverteilung zu untersuchen, wenn zus¨atzliche Beschleunigungsterme auf die Fl¨ ussigkeit einwirken. Wichtig ist es, dass f¨ ur die Behandlung der Ph¨ anomene mit den Grundgleichungen der Hydrostatik, in dem Koordinatensystem, in dem die Betrachtungen durchgef¨ uhrt werden, keine Fluidstr¨ omungen auftreten.
6.2 Kommunizierende Gef¨ aße und Druckmessger¨ ate 6.2.1 Kommunizierende Gef¨ aße In vielen Bereichen des Ingenieurwesens hat man es mit Fluidsystemen zu tun, die durch Querleitungen miteinander verbunden sind. Spezielle Systeme sind solche, in denen sich der Fluidinhalt in Ruhe befindet, d.h. in denen das
6.2 Kommunizierende Gef¨ aße und Druckmessger¨ ate
177
Fluid nicht str¨ omt. Abb. 6.7 zeigt schematisch ein solches System, das aus zwei Beh¨ altern mit ruhenden Fl¨ ussigkeiten“ besteht, die durch eine Leitung ” mit Abstellhahn miteinander verbunden sind.
B e h ä lte r 1 P
Ñ P H
B e h ä lte r 2
1
0 1
V e n til
Ñ
P
0 2
P 1
H
1
h
h
2
2
1
Abbildung 6.7: Skizze zur Erl¨ auterung der Druckverh¨ altnisse an kommunizierenden Beh¨ altern
Wird der Hahn ge¨ offnet, so k¨ onnen diese beiden Systeme miteinander in Wechselwirkung treten, derart, dass eine Str¨ omung von dem Beh¨alter h¨oheren Drucks am Eingang der Verbindungsleitung in den Beh¨alter tieferen Drucks erfolgt. Bleibt diese Ausgleichsstr¨ omung aus, so liegt auf beiden Seiten des Hahns derselbe Fluiddruck vor, d.h. es gilt: P01 + ρ1 g (H1 − h1 ) = P02 + ρ2 g (H2 − h2 ) .
(6.43)
Befindet sich in beiden Beh¨ altern die gleiche Fl¨ ussigkeit, so gilt ρ1 = ρ2 = ρ und damit: (6.44) P02 − P01 = ρg [(H1 − H2 ) − (h2 − h1 )] . F¨ ur die in Abb. 6.8 gezeigten, nach oben offenen Beh¨alter gilt:
h
Abbildung 6.8: Kommunizierende Beh¨ alter mit schr¨ agem Verbindungsrohr
178
6 Hydrostatik und Aerostatik
P02 = P01 = P0
(6.45)
(H1 − h1 ) = (H2 − h2 ),
(6.46)
und damit: d.h. in offenen kommunizierenden Beh¨ altern, die mit derselben Fl¨ ussigkeit gef¨ ullt sind, nehmen die Fl¨ ussigkeitsspiegel“ dieselbe H¨ohe ein. ” Dies ist das Grundprinzip, nach dem einfache F¨ ullstandsanzeiger arbeiten, die an Fl¨ ussigkeitsbeh¨ altern angebracht sind. Sie bestehen aus einem mit dem Beh¨ alter verbundenen vertikalen Rohr, in dem die im Beh¨alter eingef¨ ullte Fl¨ ussigkeit gleichfalls hochsteigt. Die im Steigrohr angezeigte Fl¨ ussigkeitsh¨ ohe zeigt den Fl¨ ussigkeitsstand im Beh¨ alter an. Als letztes Beispiel sollen offene Beh¨ alter betrachtet werden, die u ¨ ber ein schr¨ ag nach oben gerichtetes Rohr miteinander verbunden sind. Auch hier stellt man fest, dass die Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ achen in beiden Beh¨altern das selbe Niveau einnehmen. Liegt dieser Endzustand (Gleichgewichtszustand) vor, so erfolgt zwischen den Beh¨ altern keine Ausgleichsstr¨omung, obgleich der Druck am tiefer liegenden Rohrende einen h¨ oheren hydrostatischen Druck an der Verbindungsstelle aufweist. Die Gr¨ unde f¨ ur das Ausbleiben einer Ausgleichsstr¨ omung, trotz h¨ oheren hydrostatischen Druckes am tiefer liegenden Rohrende, wurden in Abschnitt 6.1 gegeben. Die dort durchgef¨ uhrten Energiebetrachtungen zeigen, dass die Gesamtenergien der Fluidteilchen an beiden Rohrenden gleich sind, und somit die Grundvoraussetzung f¨ ur das Einsetzen von Fluidstr¨ omungen fehlt.
¨ Abbildung 6.9: Skizze zur Uberlegung der Einwirkung auf ruhende Fl¨ ussigkeiten
Das Verhalten kommunizierender Beh¨ alter, die mit ruhenden Fl¨ ussigkeiten gef¨ ullt sind, l¨ asst sich oftmals leicht dadurch verstehen, dass man sich verdeutlicht, dass die Druckwirkung einer Fl¨ ussigkeit auf Wandungen in jedem Punkt identisch ist mit der Druckwirkung auf Fl¨ ussigkeitselemente, die man anstelle der Wandungen anbringt. So sind z.B. die Druckverteilungen in dem in Abb. 6.9 gezeigten Fl¨ ussigkeitsbeh¨alter identisch mit denen des selben Beh¨ alters, wenn Einbauten angebracht werden, um zwei miteinander
6.2 Kommunizierende Gef¨ aße und Druckmessger¨ ate
179
verbundene Teilbeh¨ alter zu erhalten, falls die Fl¨ ussigkeitsoberfl¨achen auf der selben H¨ ohe wie die Ausgangsh¨ ohe gehalten werden. Durch die eingebrachten Wandungen ¨ andern sich die Druckverh¨altnisse im rechten Beh¨ alter im Vergleich zum linken Beh¨alter nicht. Die links eingebrachten Beh¨ alterfl¨ achen ersetzen nun die Druckwirkung der durch die Wandungen ausgesparten“ Fluidteilchen. ” 6.2.2 Druckmessger¨ ate Die in Abschnitt 6.2.1 gewonnenen Erkenntnisse basieren auf Aussagen, die u ur kommunizierende Syste¨ ber Druckbeziehungen gewonnen wurden, die f¨ me angegeben werden k¨ onnen. Aus den Ausagen, die u ucke in den ¨ber die Dr¨ Beh¨ altern gemacht wurden, ließen sich Beziehungen zwischen den Fl¨ ussigkeitsh¨ ohen ableiten. Umgekehrt ist es nun m¨ oglich, falls die sich einstellenden Fl¨ ussigkeitspegel bekannt sind, die in Abschnitt 6.1 angegebenen Druckbeziehungen heranzuziehen, um Aussagen u ¨ ber die in den Beh¨altern auftretenden Dr¨ ucke zu erhalten.
Ñ
P
P
0 A
0
g H
h A
1
h
D h 1
P A
M e s s flü s s ig k e it Abbildung 6.10: Skizze zur Erl¨ auterung des Grundprinzips der Druckmessung durch kommunizierende Systeme
Dies ist in Abb. 6.10 angedeutet, die eine Skizze zur Erl¨auterung des Grundprinzips zeigt, nach dem Druckmessungen durch kommunizierende Systeme durchgef¨ uhrt werden. Zu messen ist der Druck im Punkt A des Beh¨alters, an dem ein U-Rohr” Manometer“ angeschlossen ist. Dieses ist mit einer Messfl¨ ussigkeit gef¨ ullt (gepunkteter Teil des U-Rohres), sowie teilweise auch mit Fl¨ ussigkeit, die aus dem Beh¨ alter in das U-Rohr eindringt. F¨ ur die Trennfl¨ache zwischen beiden Fl¨ ussigkeiten gilt folgendes Druckgleichgewicht: PA + ρA g∆h = P0 + ρF gh.
(6.47)
180
6 Hydrostatik und Aerostatik
Daraus folgt f¨ ur den zu messenden Druck in Punkt A: PA = P0 + ρF gh − ρA g∆h.
Ñ
P
P
0 A
(6.48)
0
g H
h A
1
h 1
D h P A
M e s s flü s s ig k e it Abbildung 6.11: Fl¨ ussigkeitss¨ aulen im U-Rohr-Manometer f¨ ur Unterdruck
Diese Gleichung verdeutlich, dass es m¨ oglich ist, den Druck an der Stelle A im Beh¨ alter durch Messungen von h und ∆h zu bestimmen, wenn die Fluiddichten ρF und ρA bekannt sind. Dabei wurde in Abb. 6.10 angenommen, dass ¨ der Druck im Beh¨ alter gegen¨ uber dem Umgebungsdruck p0 einen Uberdruck aufweist. Besteht im Beh¨ alter ein Unterdruck, so werden f¨ ur die Fl¨ ussigkeitsspiegel im U-Rohr-Manometer die in Abb. 6.11 dargestellten Verh¨altnisse vorliegen. Damit gilt f¨ ur das Druckgleichgewicht an der Trennfl¨ache beider Fl¨ ussigkeiten: (6.49) PA − ρA g∆h = P0 − ρF gh. Man erh¨ alt dann f¨ ur den Druck in Punkt A folgende Beziehung: PA = P0 − ρF gh + ρA g∆h.
(6.50)
Auf der Basis kommunizierender Beh¨ alter lassen sich auch Messeinrichtungen schaffen, mit deren Hilfe es m¨ oglich ist, den Luftdruck zu messen, d.h. barometrische Messungen durchzuf¨ uhren. Ein solches System l¨ asst sich prinzipiell wie folgt herstellen: a) Ein mehr als 1 m langes Glasrohr, an dessen unterstem Ende eine kugelf¨ ormige Erweiterung des Rohrquerschnittes angebracht ist, wird mit Quecksilber bis zum obersten Rand gef¨ ullt. b) Das mit Quecksilber gef¨ ullte Glasrohr wird, ohne dass Quecksilber ausfließt, in eine mit Quecksilber gef¨ ullten Beh¨ alter gest¨ ulpt, wie dies in Abb. 6.12 gezeigt ist.
6.3 Freie Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ achen
V a k u u m P
0 1
181
= 0
Ñ r F
h P 0
Ñ F lä c h e A Abbildung 6.12: Grundprinzip barometrischer Messungen
c) Die H¨ ohe der Quecksilbers¨ aule im Glasrohr u ¨ ber der Oberfl¨ache des Quecksilbers im Außenbeh¨ alter ist ein Maß f¨ ur den barometrischen Druck P0 = ρF gh.
(6.51)
Ein Barometer, wie es in Abb. 6.12 angedeutet ist, kann z.B. eingesetzt werden, um die in Abschnitt 6.4.1 angegebenen Druckverteilungen in der Atmosph¨ are experimentell zu verifizieren.
6.3 Freie Flu achen ¨ ssigkeitsoberfl¨ 6.3.1 Oberfl¨ achenspannung In Kapitel 1 des vorliegenden Manuskripts wurde als ein besonderes Charakteristikum von Fl¨ ussigkeiten herausgestellt, dass diese, abweichend von Festk¨ orpern, keine eigene Form besitzen, sondern stets die Form des Beh¨alters einnehmen, in dem sie untergebracht sind. Hierbei bildet sich eine freie Oberfl¨ ache aus, und es wurde in Kapitel 6.1 gezeigt, dass diese eine Lage aufweist, die senkrecht zum Vektor der Erdbeschleunigung ist. Es wurden so die Fl¨ ussigkeitseigenschaften formuliert, die man aus Erscheinungen des t¨aglichen Lebens kennt. Hierbei wurde jedoch stets davon ausgegangen, dass die zur Verf¨ ugung stehende Fl¨ ussigkeit ein Gesamtvolumen besitzt, das in
182
6 Hydrostatik und Aerostatik
der selben Gr¨ oßenordnung liegt, wie der zur Verf¨ ugung stehende gr¨oßere Beh¨ alter. Sind diese Voraussetzungen nicht erf¨ ullt, so gelten auch die oben aufgef¨ uhrten Aussagen nicht mehr. Dies ist durch Beobachtungen kleiner Fl¨ ussigkeitsmengen bekannt, die bei Aufbringen auf Oberfl¨achen Tropfen bilden, wie sie in Abb. 6.13 angedeutet sind. Es zeigt sich, dass verschiedene Tropfenformen entstehen k¨ onnen, je nachdem welche Oberfl¨ache und welche Fl¨ ussigkeit zur Tropfenbildung verwendet wird. Genauere Betrachtungen zeigen zudem, dass auch das die Fl¨ ussigkeit und die feste Unterlage umgebende Gas einen Einfluss auf die sich ausbildende Tropfenform hat. Letzteres wird oftmals vernachl¨ assigt, und man unterscheidet bei Betrachtungen von Fl¨ ussigkeits-Feststoff-Kombinationen bez¨ uglich ihrer Benetzbarkeit, je nachdem, ob der sich einstellende Grenzwinkel zwischen Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ache und fester Oberfl¨ ache kleiner als 90o oder gr¨oßer ist, ob diese hydrophob oder hydrophil sind.
g
g
g r
g r
b )
a )
Abbildung 6.13: a) Tropfenform bei nichtbenetzenden Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ achen; b) Tropfenform bei benetzenden Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ achen
Die Oberfl¨ ache wird, wenn γgr > π/2
(6.52)
gilt, als durch die Fl¨ ussigkeit nichtbenetzend (hydrophob) eingestuft. Des Weiteren gilt, dass f¨ ur (6.53) γgr < π/2 die Oberfl¨ ache als durch die Fl¨ ussigkeit benetzend (hydrophil) eingestuft wird. Als Beispiele f¨ ur durch Wasser nichtbenetzende Oberfl¨achen sind mit einer Fettschicht versehene Oberfl¨ achen bekannt. Gereinigte Glasfl¨achen sind f¨ ur viele Fl¨ ussigkeiten als benetzend einzuordnen. Die obigen Erscheinungen sind dadurch erkl¨arbar, dass an Fl¨ ussigkeitsele¨ menten verschiedene Kraftwirkungen“ auftreten k¨onnen. Aquivalente phy” sikalische Betrachtungen sind auch durch die Oberfl¨achenenergie, die freien ¨ Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ achen zugeordnet werden k¨ onnen, anstellbar. Die Aquivalenz von Kr¨ aften und Energiebetrachtungen in mechanischen Systemen ist in Abschnitt 5.4 erl¨ autert. Befindet sich ein Fl¨ ussigkeitselement in einer Schicht, die fern einer freien Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ ache liegt, so ist es von allen Seiten von gleichartigen Fl¨ ussigkeitsmolek¨ ulen umgeben und man kann davon ausgehen,
6.3 Freie Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ achen
183
dass sich die zwischen den Molek¨ ulen auftretenden Koh¨asionskr¨afte aufheben. Dies ist jedoch nicht mehr der Fall, wenn man Fl¨ ussigkeitselemente in der N¨ ahe von freien Oberfl¨ achen betrachtet. Da die von Gasmolek¨ ulen auf das Wasserteilchen ausge¨ ubten Kr¨ afte gegen¨ uber den Koh¨asionskr¨aften der Fl¨ ussigkeit vernachl¨ assigbar sind, erf¨ ahrt ein an der freien Oberfl¨ache liegendes Teilchen eine Kraftwirkung in Richtung der Fl¨ ussigkeit. Es wirken auch Seitenkr¨ afte“ auf das Fl¨ ussigkeitselement, und dieses befindet sich damit ” in seiner Phasengrenzfl¨ ache in einem Spannungszustand, welcher der freien Oberfl¨ ache besondere Merkmale zukommen l¨ asst. So ist es z.B. m¨oglich, auf freien Oberfl¨ achen sorgf¨ altig aufgebrachte, flache Metallteile aufzulegen, ohne dass diese in die Fl¨ ussigkeit dringen. Das Tragen von Rasierklingen auf Wasseroberfl¨ achen ist ein Versuch, der oftmals in Grundkursen der Physik vorgef¨ uhrt wird. In der Natur nutzen “Wasserl¨aufer“ diese besondere Eigenschaft der Wasseroberfl¨ ache aus, um geschickt und flink T¨ umpel und Teiche zu u berqueren. ¨ Kommt ein Fl¨ ussigkeitstropfen mit einer festen Unterlage in Verbindung, so treten zus¨ atzlich zu den internen Koh¨ asionskr¨aften auch Adh¨asionskr¨afte auf. Sind diese Adh¨ asionskr¨ afte st¨ arker als die f¨ ur die Fl¨ ussigkeit typischen Koh¨ asionskr¨ afte, so liegt eine benetzende Oberfl¨ache vor, und es bilden sich Wassertropfen aus, wie sie in Abb. 6.13 b) angedeutet sind. Sind dagegen die Koh¨ asionskr¨ afte st¨ arker, so haben wir es mit einer nichtbenetzenden Oberfl¨ ache zu tun, und die Tropfenformen entsprechen denen in Abb. 6.13 a).
Abbildung 6.14: Drahtb¨ ugelversuch zum Nachweis der Kraftwirkung infolge der Oberfl¨ achenspannung
Genauere Betrachtungen der Vorg¨ ange in der N¨ahe der freien Oberfl¨ache ¨ einer Fl¨ ussigkeit zeigen, dass wir es dort mit einem komplizierten Ubergangsbereich (mit endlicher Ausdehnung senkrecht zur Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ache) von einem Fl¨ ussigkeitsraum in einen Gasraum zu tun haben. Es gen¨ ugt aber f¨ ur viele in der Str¨ omungsmechanik anzustellende Betrachtungen, die Oberfl¨ ache als eine Schicht mit der Dicke δ → 0 einzuf¨ uhren. Dieser werden die ¨ Eigenschaften zugeordnet, die die komplexen Ubergangsschichten zwischen Fl¨ ussigkeit und Gas beinhalten. Die f¨ ur die hier durchzuf¨ uhrenden Betrachtungen besonders wichtige Eigenschaft ist die Oberfl¨achenspannung. Diese
184
6 Hydrostatik und Aerostatik
l¨ asst sich dadurch nachweisen, dass man einen Drahtb¨ ugel, wie in Abb. 6.14 gezeigt, in eine Fl¨ ussigkeit eintaucht. Zieht man den Drahtb¨ ugel durch die freie Oberfl¨ ache nach oben, so stellt man fest, dass dies eine Kraftwirkung erfordert, die proportional dem Abstand zwischen den B¨ ugelarmen ist. Die Proportionalit¨ atskonstante, die diesen Sachverhalt wiedergibt wird als Oberfl¨ achenkonstante bezeichnet. Die Oberfl¨ achenspannung stellt somit eine Kraftwirkung der freien Oberfl¨ ache pro L¨ angeneinheit dar. Sie kann auch eingef¨ uhrt werden, als die Energie, die ben¨ otigt wird, um den Fl¨ ussigkeitsfilm in Abb. 6.14 zu spannen. Beide Einf¨ uhrungen sind identisch, da sich auf beiden Seiten der so formulierten Energiegleichung, die L¨ ange des Fl¨ ussigkeitsfilms in der Richtung, in der der B¨ ugel gezogen wird, aus dem Energieansatz herausk¨ urzt. Dies verdeutlicht, dass beide M¨ oglichkeiten der Einf¨ uhrung der Oberfl¨achenspannung, einmal als Kraftwirkung pro L¨ angeneinheit und einmal als Energie pro Fl¨acheneinheit, identisch sind.
d d s D
d s
d d s
2
C d s
1
b 1
b
d d s
1
1
B A
d d s
R 2
R
2
a R
2
R 1
1
b Abbildung 6.15: Schematische Darstellung eines gekr¨ ummten Oberfl¨ achenelements
Abschließend zu diesen einf¨ uhrenden Betrachtungen, soll die Wirkung der Oberfl¨ achenspannung auf die R¨ aume oberhalb und unterhalb einer freien Oberfl¨ ache untersucht werden. Aus Beobachtungen freier Oberfl¨achen in der Mitte großer Beh¨ alter kann man schließen, dass dort die Oberfl¨achenspannung keinen Einfluss auf die Fl¨ ussigkeit und den dar¨ uber liegenden Gasraum aus¨ ubt, da sich die freie Oberfl¨ ache senkrecht zu dem Schwerefeld der Erde einstellt, wie dies in Abschnitt 6.1 angegeben wurde. Daraus folgt allgemein: Betrachtungen von Fl¨ ussigkeiten mit freien Oberfl¨achen k¨onnen fern von Fl¨ ussigkeitsberandungen (Beh¨ alterwandungen) ohne Ber¨ ucksichtigung der Oberfl¨ acheneffekten durchgef¨ uhrt werden.
6.3 Freie Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ achen
185
Betrachtet man ein gekr¨ ummtes Oberfl¨ achenelement, wie es in Abb. 6.15 gezeigt ist, so wird verst¨ andlich, dass infolge der auftretenden Oberfl¨achenspannungen Kraftwirkungen auftreten, die auf die Seite der Oberfl¨ache gerichtet sind, auf der die Mittelpunkte der Kr¨ ummungskreise“ liegen. Die ” entlang der Seiten AD und BC des Oberfl¨ achenelements angreifenden Kr¨afte errechnen sich f¨ ur jedes Linienelement ds1 und die durch sie resultierende Kraftwirkung in Richtung der Mittelpunkte der Kr¨ ummungskreise ist: ds2 dK1 = 2σ ds1 sin β = 2σ ds1 2R1 σ σ dK1 = ds1 ds2 = dO. R2 R1
(6.54)
Entsprechend errechnet sich die Kraftwirkung dK2 als: dK2 =
σ σ ds2 ds1 = dO. R2 R2
(6.55)
Dies zeigt, dass infolge der Oberfl¨ achenspannung, durch gekr¨ ummte Oberfl¨ achen, Druckwirkungen entstehen, die in Richtung der Mittelpunkte der Kr¨ ummungskreise gerichtet sind. Diese Druckwirkung errechnet sich als Kraft pro Fl¨ acheneinheit, d.h. es resultiert ein durch die Oberfl¨achenspannung verursachter Differenzdruck zwischen unterhalb und oberhalb der gekr¨ ummten Oberfl¨ ache: 1 dK 1 =σ ∆Pσ = + . (6.56) dO R1 R2 Dabei liegt der h¨ ohere Druck auf der Seite der freien Oberfl¨ache auf der die Mittelpunkte der Kr¨ ummungsradien von R1 und R2 liegen.
Ñ
P
g 0
h 0
r d P g
c
P
0 g b
g
Abbildung 6.16: Skizze zur Druckbetrachtung an Blasen
Liegt eine Kugelober߬ ache vor, so gilt: R1 = R2 = R
−→
∆Pσ =
2σ . R
(6.57)
186
6 Hydrostatik und Aerostatik
Diese Beziehung besagt, dass der Gasdruck in einer kugelf¨ormigen Blase gr¨ oßer ist als der von außen aufgepr¨ agte Fl¨ ussigkeitsdruck: PF +
2σ = Pg . R
(6.58)
F¨ ur sehr kleine Blasen kann dieser Druckunterschied sehr groß sein. Betrachtet man den Gleichgewichtszustand eines Oberfl¨achenelements einer Blase, so l¨ asst sich f¨ ur den Druck im oberen Scheitelpunkt der Blase folgende Beziehung schreiben: 2 (6.59) = Pg,0 . P0 + ρF gh0 + σ R0 F¨ ur ein Oberfl¨ achenelement in beliebiger H¨ ohe gilt folgendes Druckgleichgewicht: 1 1 P0 + ρF g (h0 + y) + σ + (6.60) = Pg,0 + ρg gy. R1 R2 Bildet man nun die Differenz dieser Druckbeziehungen, so erh¨alt man eine Bestimmungsgleichung f¨ ur die Form einer freien Oberfl¨ache: 1 1 1 2 + + (ρF − ρg ) gy = 0. (6.61) − R1 R2 R0 σ Damit ist eine Kenngr¨ oße zur Normierung der Gleichung (6.61) einf¨ uhrbar: # 2σ . (6.62) a= g (ρF − ρg ) die als Laplace-Konstante oder Kapillarit¨ atskonstante bekannt ist. Sie hat die Dimension einer L¨ ange und gibt gr¨ oßenordnungsm¨aßig an, bei welchen Abmessungen eines Beh¨ alters ein bemerkbarer Einfluss der Oberfl¨achenspannung auf die Oberfl¨ achengestalt eines Mediums vorliegt. Es gilt: –
–
Ist die Laplace-Konstante einer freien Oberfl¨ache einer Fl¨ ussigkeit vergleichbar mit den Abmessungen des Fl¨ ussigkeitsk¨orpers, so ist ein Einfluss der Oberfl¨ achenspannung auf die Fl¨ ussigkeitsgestalt zu erwarten. In der N¨ ahe von Fl¨ ussigkeitsberandungen (Beh¨alterwandungen) ist ein Einfluss der Oberfl¨ achenspannung auf die Gestalt der Fl¨ ussigkeitsober” fl¨ ache“ in Bereichen zu erwarten, die in der Gr¨oßenordnung der LaplaceKonstanten liegen.
6.3.2 Steigh¨ ohen in Rohren und zwischen Platten Aus den Endaussagen des vorausgegangenen Abschnitts 6.3.1 ergeben sich Konsequenzen f¨ ur Steigh¨ ohenbetrachtungen von Fl¨ ussigkeiten. Solche Betrachtungen wurden in Abschnitt 6.2 bereits durchgef¨ uhrt, allerdings blieben
6.3 Freie Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ achen
P
d 0
R
g 0
2 r z
187
g r
z 0 · · ·
0
P i
Abbildung 6.17: Skizze f¨ ur Steigh¨ ohenbetrachtungen in Rohren und zwischen Platten
hierbei Einfl¨ usse der Grenzfl¨ achen zwischen fl¨ ussigen, festen und gasf¨ormigen Medien unber¨ ucksichtigt, d.h. der Einfluss der Grenzfl¨achen- oder Oberfl¨ achenspannung blieb unbeachtet. Beachtet man die in Abschnitt 6.3.1 gewonnenen Erkenntnisse, so zeigt sich, dass die f¨ ur kommunizierende Systeme ¨ in Abschnitt 6.2 angegebenen Uberlegungen nur dann G¨ ultigkeit haben, wenn die Abmessungen der Verbindungsleitungen der Systeme groß sind gegen¨ uber der Laplace-Konstante der Fl¨ ussigkeitsgrenzfl¨ achen. Des Weiteren gelten die Betrachtungen nur fern von Fl¨ ussigkeitsberandungen. In unmittelbarer N¨ahe der Berandung liegt ein Einfluss der Oberfl¨ achenspannung vor, der in den ¨ Uberlegungen des Abschnitts 6.2 unber¨ ucksichtigt blieb. Die sich in Fl¨ ussigkeitsbeh¨ altern kleiner Dimensionen abspielenden Vorg¨ ange lassen sich am einfachsten behandeln, wenn man eine Aufteilung der Wandungen der Beh¨ alter vornimmt, in solche, die als benetzend“ und in sol” che, die als nichtbenetzend“ gelten. F¨ uhrt man die Betrachtungen zun¨achst ” f¨ ur benetzende Wandungen durch, so zeigen Experimente, dass f¨ ur solche Oberfl¨ achen, in kleinen Rohren und zwischen Platten mit kleinen Abst¨anden, die Fl¨ ussigkeit im Rohr bzw. zwischen den Platten eine H¨ohe einnimmt, die u ohe der Oberfl¨ ache eines gr¨ oßeren Beh¨alters liegt. Dieser Sachver¨ ber der H¨ halt ist in Abb. 6.17 angedeutet.
188
6 Hydrostatik und Aerostatik
Aus Gleichgewichtsbetrachtungen folgt: Druck zwischen Platten
P0 −
σ = PF = Pi − ρF gz0 , R0
(6.63a)
P0 −
2σ = PF = Pi − ρF gz0 R0
(6.63b)
z0 =
1 σ (Pi − P0 ) + , ρF g ρF gR0
(6.64a)
Druck in Rohren oder umgeschrieben: Steigh¨ ohe Platten
zwischen
Steigh¨ ohe im Rohr
z0 =
1 ρF g
(Pi − P0 ) +
2σ . ρF gR0
(6.64b)
Hierbei ist der Kr¨ ummungsradius R0 als Unbekannte anzusehen, f¨ ur die es zwei M¨ oglichkeiten der Bestimmung gibt. Zur Vereinfachung der Ableitungen kann mit einer f¨ ur die Praxis ausreichenden Genauigkeit angenommen werden, dass die im Steigrohr sich einstellende Oberfl¨ache die Form einer Teilkugel f¨ ur das Rohr, bzw. eines Teilzylinders f¨ ur den Plattenspalt annimmt. Hierbei gilt f¨ ur den Grenzwinkel zwischen Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ache und Rohrbzw. Plattenwand der Grenzwinkel, der aus Angaben u ¨ber die Benetzbarkeit bekannt sein muss. Bezeichnet man diesen Winkel mit γgr , so erh¨alt man folgende Beziehung: r = R0 cos γgr . (6.65) Damit gilt f¨ ur die Endbeziehung f¨ ur die Steigh¨ ohe z0 f¨ ur die Platten und das Rohr: Platte
z0 =
Rohr
z0 =
1
σ cos γgr , ρF gr
(6.66a)
1 2σ (Pi − P0 ) + cos γgr . ρF g ρF gr
(6.66b)
ρF g
(Pi − P0 ) +
Diese Endbeziehung zeigt nun, dass selbst bei Druckgleichheit, d.h. pi = p0 , die Steigh¨ ohe endliche Werte annimmt, falls γgr < π2 . Diese Tatsache muss beim Einsatz von kommunizierenden Systemen f¨ ur Steigh¨ ohenmessungen ber¨ ucksichtigt werden und bei Druckmessungen Beachtung finden. Die zweite M¨ oglichkeit, die Steigh¨ ohe z0 zu berechnen, ist dadurch gegeben, dass es experimentell m¨ oglich ist, wenn auch mit einer gr¨oßeren Ungenauigkeit, die Gr¨ oße δ anhand der unten aufgef¨ uhrten Betrachtungen zu bestimmen 2
r2 + (R0 − δ) = R02 ;
R0 =
r2 + δ 2 . 2δ
(6.67)
6.3 Freie Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ achen
189
Die Steigh¨ ohe z0 errechnet sich hieraus wie folgt: z0 =
1 4σδ . (Pi − P0 ) + ρF ρF g (r2 + δ 2 )
P
(6.68)
0
P 0
Abbildung 6.18: Betrachtungen der Steigh¨ ohe in Rohren und zwischen Platten f¨ ur nicht benetzende Oberfl¨ achen
Es zeigt sich, dass f¨ ur σ = 0 keine durch Oberfl¨acheneffekte erh¨ohte Steigh¨ ohen z0 in Rohren bzw. zwischen Platten zu erwarten sind. Unter solchen Bedingungen f¨ ur die Benetzbarkeit der Oberfl¨ache gelten die im Abschnitt 6.2 abgeleiteten Beziehungen auch f¨ ur kleine Rohrdurchmesser und kleine Plattenabst¨ ande. Liegen nichtbenetzende Oberfl¨ achen vor, so zeigt sich, dass die Fl¨ ussigkeit im Innern eines Steigrohres bzw. eines Plattenspaltes nicht die H¨ohe erreicht, welche die Fl¨ ussigkeit außerhalb des Rohres bzw. des Plattenspaltes einnimmt. Dieser Sachverhalt ist in Abb. 6.18 angezeigt. Analog zu den ¨ vorausgegangenen Uberlegungen f¨ ur benetzende Fl¨ ussigkeiten l¨asst sich bei Druckgleichheit angeben: z0 = −
2σ R0 ρF g
(6.69)
wobei R0 wiederum, wie oben angezeigt, eingef¨ uhrt werden kann. Die so erhaltene Beziehung deutet an, dass die f¨ ur benetzende Oberfl¨achen abgeleiteten Endbeziehungen auch oft auf nichtbenetzende Medien angeuckwandt werden k¨ onnen, falls man das Vorzeichen von cos γgr und δ ber¨ sichtigt. So ist z.B. δ f¨ ur benetzende Fl¨ ussigkeiten, in den oben abgeleiteten Beziehungen, positiv einzuf¨ uhren, w¨ ahrend f¨ ur nichtbenetzende Oberfl¨achen δ negativ eingesetzt werden muss.
190
6 Hydrostatik und Aerostatik
6.3.3 Blasenbildung an D¨ usen Das Einblasen von Gasen in Fl¨ ussigkeiten f¨ ur chemische Reaktionen oder f¨ ur einen Stoffaustauschvorgang stellt einen Prozess dar, der in vielen Gebieten der Verfahrenstechnik angewandt wird. Somit ist die Blasenbildung an D¨ usen als einleitender Vorgang f¨ ur diese Prozesse von Interesse. Dar¨ uber hinaus stellt die Simulation von Siedeprozessen, bei der die Dampfblasen durch Gasblasen ersetzt werden, ein weiteres Gebiet dar, auf dem genaue Kenntnisse u ¨ber die Blasenbildung notwendig sind.
P
h
P 0
P D
0
h
P
P s G
Abbildung 6.19: Kr¨ aftegleichgewicht an einer Blase (A Auftriebskraft, G Schweruse von der Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ ache, h0 Abstand des Blakraft, hD Abstand der D¨ achenkr¨ afte, KP Druckkr¨ afte, senscheitels von der Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ ache, KO Oberfl¨ ussigkeitsoberfl¨ ache) Ph hydrostatischer Druck, P0 Luftdruck auf die Fl¨
Bei der Ausbildung von Gasblasen an D¨ usen w¨ahrend des Begasens von Fl¨ ussigkeiten ¨ andert sich der Druck im Blaseninnern. F¨ ur die theoretisch erfassbare statische Blasenbildung ist dies auf verschiedene Kr¨ ummungen der Blasengrenzfl¨ ache, die w¨ ahrend der Ausbildung der Blasen durchlaufen wer¨ den, und damit auf Anderungen des Kapillardrucks zur¨ uckzuf¨ uhren. Diesen sind Druck¨ anderungen u ¨ berlagert, die ihren Grund in der w¨ahrend der Formung stattfindenden Aufw¨ artsbewegung des Blasenscheitels haben. Bei der dynamischen Blasenbildung sind zus¨ atzliche, sich ¨andernde Druckwirkungen zu erwarten, die im wesentlichen auf Beschleunigungs- und Reibungskr¨aften beruhen.
6.3 Freie Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ achen
191
Unter statischer Blasenbildung versteht man die Formung von Blasen unter Druckbedingungen, die es erlauben, die auf Beschleunigungs- und Reibungskr¨ afte zur¨ uckzuf¨ uhrenden Druckwirkungen auf ein Element der Phasengrenzfl¨ ache zu vernachl¨ assigen. Obgleich dies in der Praxis meist nur sehr bedingt der Fall ist, kommt der statischen Blasenbildung einige Bedeutung zu. Da sie theoretisch erfassbar ist, k¨ onnen aus ihr einige wichtige Grundkenntnisse gewonnen werden, die zum allgemeinen Verst¨andnis der Blasenbildung beitragen. Ferner sind Kenntnisse u ¨ber die statische Blasenbildung notwendig, um die Einfl¨ usse der Beschleunigungs- und Reibungskr¨afte im Falle der dynamischen Ausbildung der Blasen zu erforschen. Die wesentlichen Grundgleichungen der statischen Blasenbildung k¨onnen aus den Gleichgewichtsbedingungen f¨ ur die Druckkr¨afte an einem Grenzfl¨ achenelement abgeleitet werden. F¨ ur das Druckgleichgewicht an einem Element der Phasengrenzfl¨ ache gilt nach Abb. 6.19, dass der Gasdruck in der Blase PG gleich der Summe aus hydrostatischem Druck Ph und Kapillardruck ∆Pσ sein muss: 1 1 + (6.70) PG = ∆Pσ + Ph = σ + p0 + ρF g (h0 + y) . R1 R2 Dabei ist der Gasdruck: PG = PG,0 + ρG gy.
(6.71)
Ber¨ ucksichtigt man die Definitionen f¨ ur Kr¨ ummungsradien, so kann mit a ¯ j = Rj /a, r¯ = r/a sowie y¯ = y/a die folgende als Laplace-Konstante und R Differentialgleichung abgeleitet werden: 1 y¯ y¯ + = 2 ¯ − y¯ . (6.72) 3/2 1/2 R0 (1 + y¯ 2 ) r¯ (1 + y¯ 2 ) Durch die Substitution: y¯ z¯ = = sin ϑ 1 + y¯ 2
(6.73)
l¨ asst sich die Differentialgleichung zweiter Ordnung durch ein System von zwei Differentialgleichungen erster Ordnung ersetzen: 1 d (¯ r z¯) = 2¯ r ¯ − y¯ , (6.74) d¯ r R0 z¯ d¯ y =√ = tan ϑ, d¯ r 1 − z¯2
(6.75)
die zur Integration verwendet werden. Das gesuchte Blasenvolumen V¯ erh¨alt man in dimensionsloser Form durch die nachfolgende partielle Integration:
192
6 Hydrostatik und Aerostatik
"y¯
"y¯ r¯ d¯ y = π¯ r y¯ − 2π
V¯ = π
2
0
2
r¯y¯ d¯ r
(6.76)
0
und unter Verwendung von Gleichung (6.74) 1 ¯ V = π¯ r z¯ + r¯ y¯ − ¯ . R0
(6.77)
F¨ uhrt man wieder dimensionsbehaftete Gr¨ oßen ein, so l¨asst sich Gleichung (6.77) schreiben: r a r y V , (6.78) = π − z ¯ + a3 a a a R0 r a2 V = a2 πr z¯ + 2 y − . (6.79) a R0 Mit a und Gleichung (6.73) wird das Blasenvolumen V : r 2σ 2σ πr sin ϑ + g (ρF − ρG ) y − . V = g (ρF − ρG ) 2σ g (ρF − ρG ) R0 (6.80) Gleichung (6.80) stellt eine Integralform des Differentialgleichungssystem (6.74) und (6.75) dar, die Kr¨ aftegleichgewichtsbetrachtungen an Blasen zul¨ asst. F¨ ur die an einer Blase wirkenden Kr¨ afte, Abb. 6.19, kann die Gleichgewichtsbedingung in der Form: 2 2σ − g (ρF − ρG ) y = 2πrσ sin ϑ (6.81) V gρF − V gρG + πr R0 geschrieben werden, wobei die ersten beiden Glieder die Auftriebskraft bzw. das Gewicht der Blase darstellen, und das dritte Glied der linken Seite die Druckkraft auf den Blasenquerschnitt πr2 in der H¨ohe y bedeutet. Die Oberfl¨ achenkr¨ afte sind auf der rechten Seite aufgef¨ uhrt. Gleichung (6.81) sollte in solchen F¨ allen verwendet werden, in denen das Blasenvolumen aus Bedingungen des Kr¨ aftegleichgewichts errechnet werden soll. F¨ ur die Berechnung der Druck¨ anderungen kann durch Umformen der Gleichungen (6.70) und (6.71) der Druck im Blasenscheitel, wie unten aufgef¨ uhrt, ausgedr¨ uckt werden: PG,0 =
2σ + P0 + F g (hD − ys ) ; R0
(6.82)
f¨ ur den Druck an der D¨ usenm¨ undung gilt nach Gleichung (6.71) unter Ber¨ ucksichtigung von Gleichung (6.82)
6.3 Freie Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ achen
PG,D =
2σ + P0 + F ghD − g (F − g ) ys . R0
193
(6.83)
Gleichung (6.83) kann in dimensionsloser Form geschrieben werden: 1 1 ∆P¯D = [PG,D − P0 − F ghD ] = − y¯s . R0 2gσ (F − G )
(6.84)
Obgleich das Differentialgleichungssystem (6.74) und (6.75) die Berechnung aller Blasenformen der statischen Blasenbildung erlaubt und mittels der Gleichungen (6.77) und (6.84) die entsprechenden Blasenvolumina und Druckdifferenzen als wichtige Gr¨ oßen der Blasen erhalten werden k¨onnen, ist das Problem hinsichtlich der Einzelschritte der Blasenbildung unbestimmt. Die L¨ osung der Gleichungen erlaubt nur die Berechnung einer einparametrigen Kurvenschar, wobei in die Ableitungen der Scheitelradius R0 als Parameter eingef¨ uhrt wurde. Sie erlaubt nicht vorauszusagen, in welcher Reihenfolge die verschiedenen Werte des Parameters durchlaufen werden. Dies muss als zus¨ atzliche Information in die Betrachtungen eingef¨ uhrt werden, um einen Satz von Blasenformen zu erhalten, die im Verlauf der Blasenbildung durchlaufen werden. Theoretisch ist es nun m¨ oglich, jede beliebige endliche, geordnete Menge ahlen und f¨ ur diese die entsprechenden Blasenformen zu von R0,i -Werten zu w¨ berechnen. Praktische Bedeutung kommt jedoch nur einer R0,i -Variation zu, die durch die meisten Experimentalbedingungen gegeben ist und f¨ ur welche die nachfolgenden Berechnungen wie folgt formuliert wurden: a) Alle Blasen formen sich u use mit dem Radius r¯D . ¨ ber einer D¨ ¯ 0,i = ∞. Als Anfangspunkt der statischen Blasenbildung wird die horib) R zontale Lage der Phasengrenzfl¨ ache u use gew¨ahlt. ¨ ber der D¨ Alle weiteren Scheitelradien werden nach der Bedingung 1 2 ¯ 0,i+1 ≥ V¯D [R0,i ] c) V¯D R ausgew¨ ahlt. Dies bedeutet, dass sich die theoretischen Untersuchungen auf die Blasenbildung beschr¨ anken, die durch langsame, kontinuierliche Gaszufuhr durch D¨ usen mit Radius r¯D zustande kommt. Gasr¨ uckfl¨ usse durch die D¨ usen, und damit eine Abnahme des Blasenvolumens mit steigendem Scheitelradius, wie sie die Gleichung (6.77) oder (6.79) erm¨oglichen w¨ urden, sind durch die Beziehung c) aus den Betrachtungen ausgeschlossen. Die konsequente Anwendung dieser Beziehung f¨ uhrt zur Ausbildung eines maximalen Blasenvolumens. Dieses muss als Volumen der Blase beim Beginn des Abl¨osevorgangs angesehen werden, d.h. + , d) V¯A = V¯D max . In den Berechnungen wurde das Differentialgleichungssystem (6.74) und ¯ 0 unter Beachtung der genannten Be(6.75) f¨ ur verschiedene Scheitelradien R dingungen numerisch gel¨ ost, und so die Blasenform ermittelt. Die Ergebnisse
194
6 Hydrostatik und Aerostatik
der Berechnungen sind in Abb. 6.20 bis 6.25 wiedergegeben. Sie k¨onnen zum Verstehen der statischen Blasenbildung an D¨ usen in Fl¨ ussigkeiten herangezogen werden. Abb. 6.20 zeigt Blasenformen, die verschiedene Stadien der Blasenbildung bei langsamer Gaszufuhr durch D¨ usen darstellen. Die Ergebnisse sind f¨ ur usenradius von rD ≈ 1, 6 r¯D = 0, 4 wiedergegeben, dies entspricht einem D¨ mm im Falle von Luftblasen in Wasser.
Abbildung 6.20: Durch Integration des Gleichungssystems (6.74) und (6.75) ermittelte Blasenformen der statischen Blasenbildung f¨ ur r¯D = 0, 4
¨ Abb. 6.21 zeigt die Anderung des Blasenvolumens w¨ahrend der Ausbildung von Gasblasen an D¨ usen verschiedener Radien r¯D , wobei zur Kennzeich¯ 0 gew¨ahlt wurnung des jeweiligen Ausbildungsstadiums der Scheitelradius R de. Diesem Diagramm kann - f¨ ur gr¨ oßere D¨ usenradien - die wichtige Eigenschaft entnommen werden, dass ein großer Teil der Blase sich bei ann¨ahernd konstantem Scheitelradius ausbildet. F¨ ur kleinere D¨ usenradien sind w¨ahrend ¨ der Ausbildung der Gasblasen st¨ arkere Anderungen des Scheitelradius zu erwarten. In Abb. 6.22 wurde die Druckdifferenz ∆P¯D als Funktion des Scheitelradi¯ 0 f¨ us R ur verschiedene D¨ usenradien r¯D dargestellt. Dieser Darstellung kann entnommen werden, dass zur statischen Blasenbildung an D¨ usen zun¨achst ein kontinuierlicher Druckanstieg an der D¨ usenm¨ undung notwendig ist. Nach Erreichen eines f¨ ur alle D¨ usenradien deutlich ausgepr¨agten Maximums f¨allt der Druck wieder ab. Diese, f¨ ur die statische Blasenbildung erforderliche, kontinuierlich zunehmende und dann abnehmende Druck¨anderung macht es
6.3 Freie Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ achen
B la s e n v o lu m e n V
1 ,6
195
L a g e d e r V o lu m e n m a x im a G re n z k u rv e d e r B la s e n b ild u n g
1 ,2
r D = 0 ,6
0 ,5
0 ,8
0 ,4 0 ,3
0 ,4 0 ,2
0
0 ,2
0 ,4
0 ,6
0 ,8
1 ,0
1 ,2
S c h e ite lra d iu s R
1 ,4 0
¯ 0 f¨ Abbildung 6.21: Blasenvolumen V¯ als Funktion des Scheitelradius R ur verschiedene D¨ usenradien r¯D
schwierig, die statische Ausbildung von Gasblasen an D¨ usen in Fl¨ ussigkeiten experimentell zu untersuchen, falls nicht v˙ = const gew¨ahlt wird. Die Abbildungen 6.23 und 6.24 zeigen f¨ ur verschiedene D¨ usenradien die ¨ Anderung des Scheitelabstandes von der D¨ use w¨ahrend der Blasenbildung. In Abb. 6.23 wurde der Scheitelradius zur Kennzeichnung des jeweiligen Stadiums der Blasenbildung gew¨ ahlt, w¨ ahrend in Abb. 6.24 das Blasenvolumen herangezogen wurde. Abb. 6.25 stellt die dimensionslose Druckdifferenz ∆P¯D als Funktion des Blasenvolumens f¨ ur verschieden D¨ usenradien r¯D dar. Die Endpunkte der einzelnen Kurven sind durch die Existenz eines maximalen Blasenvolumens gegeben. Wie Abb. 6.22 entnommen werden kann, ist die sich u use ¨ ber einer D¨ formende Blase maximalen Volumens nicht identisch mit der Blase minimalen Druckes. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass letztere aufgrund der Definition der statischen Blasenbildung aus den m¨oglichen Blasenformen ausgeschlossen ist, da sie nur durch Gasr¨ uckfluss in die D¨ usen verifiziert werden k¨ onnte. Zum allgemeinen Verst¨ andnis der Problematik der statischen Blasenbildung sei noch auf zwei Gegebenheiten hingewiesen: a) F¨ ur die statische Blasenbildung existiert ein Grenzradius r¯D,gr = 0, 648, der die statische Blasenbildung in zwei verschiedene Gebiete trennt. Theoretische Untersuchungen f¨ ur D¨ usenradien r¯D ≥ r¯D,gr wurden hier nicht angestellt, da sie f¨ ur die hier vorgesehene Einf¨ uhrung der Ergebnisse zum besseren Verst¨ andnis der Blasenbildung nicht von Bedeutung sind.
6 Hydrostatik und Aerostatik
4 ,0
D ru c k d iffe re n z D p
D
196
1 / R
3 ,2
0
(G re n z k u rv e )
r D = 0 ,2 0 ,3
2 ,4
0 ,4
1 ,6
0 ,5 0 ,6
0 ,8
L a g e d e r D ru c k m a x im a G re n z k u rv e d e r B la s e n b ild u n g
L a g e d e r D ru c k m in im a
0 0
0 ,2
0 ,4
0 ,6
0 ,8
1 ,0
1 ,4
1 ,6
S c h e ite lra d iu s R 0
¯ 0 f¨ Abbildung 6.22: Druckdifferenz ∆P¯D als Funktion des Scheitelradius R ur verschiedene D¨ usenradien r¯D
2 ,0 y
L a g e d e r S c h e ite la b s ta n d s m a x im a s
G re n z k u rv e d e r B la s e n b ild u n g
1 ,6 r
1 ,2
D
= 0 ,6
0 ,5 0 ,3
0 ,8
0 ,4 0 ,2
0 ,4 0
0 ,1
0 ,3
0 ,5
0 ,7
0 ,9
1 ,1
S c h e ite lra d iu s R
1 ,3 D
Abbildung 6.23: Abstand des Blasenscheitels y¯s von der D¨ usenoberkante als ¯ 0 f¨ ur verschiedene D¨ usenradien r¯D Funktion des Scheitelradius R
b) Das Differentialgleichungssystem (6.74) und (6.75) erlaubt die Berechnung von Blasenketten, wie sie in Abb. 6.26 dargestellt sind. Diese Blasenketten wurden nicht weiter untersucht, da sie mit der oben angegebenen Definition der Luftzuf¨ uhrung f¨ ur die untersuchte statische Blasenbildung nicht im Einklang stehen.
6.4 Aerostatik
1 ,8
0 ,5
y s 1 ,6
197
r D = 0 ,6
0 ,4
1 ,4
0 ,2
1 ,2
0 ,3
1 ,0 0 ,8 0 ,6 0 ,4 0 ,2 0 0
0 ,2
0 ,4
0 ,6 0 ,8
1 ,0 1 ,2 1 ,4
1 ,6 1 ,8
B la s e n v o lu m e n V Abbildung 6.24: Abstand des Blasenscheitels y¯s von der D¨ usenoberkante als Funktion des Blasenvolumens V¯ f¨ ur verschiedene D¨ usenradien r¯D
W¨ ahrend die statische Blasenbildung im wesentlichen mit einfachen mathematischen Mitteln theoretisch erfasst werden kann, bestehen f¨ ur ¨ahnliche Untersuchungen der dynamischen Blasenbildung erhebliche Schwierigkeiten. Dies ist im wesentlichen darauf zur¨ uckzuf¨ uhren, dass sich kein Koordinatensystem finden ließ, in dem die dynamische Blasenbildung als station¨arer Vorgang beschrieben werden konnte. Zudem ist f¨ ur die dynamische Blasenbildung der Druck auf ein Element der Phasengrenzfl¨ache von den Fl¨ ussigkeitsbewegungen w¨ ahrend der Blasenbildung abh¨ angig und ist damit nur durch L¨ osung der instation¨ aren Navier-Stokesschen Gleichung berechenbar. Diese sind jedoch nur unter Schwierigkeiten mit hohem Rechenaufwand l¨osbar.
6.4 Aerostatik 6.4.1 Druck in der Atmosph¨ are Die Aerostatik unterscheidet sich von der Hydrostatik dadurch, dass zur Kennzeichnung des Fluids, auf das die aus den Navier-Stokesschen Gleichungen abgeleiteten partiellen Differentialgleichungen f¨ ur ruhende Fluide Anwendung finden, nicht die Zustandsgleichung einer idealen Fl¨ ussigkeit ρ = const, sondern die des idealen Gases eingef¨ uhrt wird: P = RT. ρ
(6.85)
Die Dichte¨ anderungen mit dem Druck gilt es bei der L¨osung aerostatischer Probleme zu ber¨ ucksichtigen. Damit lauten die in der Aerostatik g¨ ultigen partiellen Differentialgleichungen:
198
6 Hydrostatik und Aerostatik
D ru c k d iffe re n z D p
D
5 ,0 4 ,5 4 ,0 3 ,5 r
3 ,0
D
= 0 ,2
2 ,5
0 ,3
2 ,0
0 ,4
1 ,5
0 ,5
0 ,6
1 ,0 0 ,5 0 0
0 ,2
0 ,4
0 ,6
0 ,8
1 ,0
1 ,2
1 ,4
1 ,6
B la s e n v o lu m e n V Abbildung 6.25: Druckdifferenz ∆P¯D als Funktion des Blasenvolumens f¨ ur verschiedene D¨ usenradien r¯D
0 ,2 y
0
r
0 ,2
0 ,2
0 ,4 0 ,2
0 ,4
y 1 ,8 2 ,0
0 ,6
2 ,2
0 ,8
2 ,4
0
r
0 ,2
y
0 ,4
0 ,2
0
r
0 ,2
3 ,0 3 ,2 3 ,4
1 ,0 1 ,2 Abbildung 6.26: Aus dem Differentialgleichungssystem (6.74) und (6.75) ermit¯ 0 = 1, 60 telte Blasenketten R
∂P P gˆj = ρˆ gj = ∂xj RT
(6.86)
oder ausgeschrieben f¨ ur j = 1, 2, 3: ∂P P gˆ1 , = ∂x1 RT
∂P P gˆ2 , = ∂x2 RT
∂P P gˆ3 . = ∂x3 RT
(6.87)
6.4 Aerostatik
199
E b e n e x 3 = c o n st x
h o riz o n ta le E b e n e in M e e re s h ö h e 3
x
x
2
1
Abbildung 6.27: Koordinatensystem zur Ableitung der Babinetschen N¨ aherungsformel f¨ ur den Atmosph¨ arendruck u ache ¨ ber der Erdoberfl¨
Dieser Satz partieller Differentialgleichungen l¨asst sich nun zur Berechnung der Druckverteilung in solchen Fluiden anwenden, deren Zustandskenn¨ zeichnung mit einer f¨ ur die anzustellenden Uberlegungen ausreichenden Genauigkeit durch die ideale Gasgleichung m¨ oglich ist. Dies soll an einigen Beispielen verdeutlicht werden. Betrachtet man die Atmosph¨ are der Erde als aus einem ruhenden, kompressiblen Fluid bestehend, dessen Zustand durch die ideale Gasgleichung mit einer f¨ ur die vorliegenden Ableitungen ausreichenden Genauigkeit beschreibbar ist, so l¨ asst sich eine angen¨ aherte Beziehung zwischen der H¨ohe u ache und dem Atmosph¨ arendruck in einer betrachteten ¨ ber der Erdoberfl¨ H¨ ohe H angeben, die allgemein als barometrische H¨ohenformel bezeichnet wird. Im Besonderen soll hier die als Babinetsche N¨aherungsformel bekannte Beziehung abgeleitet werden. Verwendet man das in Abb. 6.27 angegebene Koordinatensystem, in dem ache in H¨ ohe der Meeresoberfl¨ache bildet, die x1 , x2 -Ebene eine horizontale Fl¨ so lassen sich die oben angegebenen partiellen Differentialgleichungen (6.87) wie folgt schreiben. Differentialgleichungen f¨ ur R → ∞, wobei R der Radius der Erde ist: ∂P = 0 ; P = f (x2 , x3 ) ∂x1
(6.88)
∂P = 0 ; P = f (x1 , x3 ) ∂x2 d.h. P = f (x3 ) und damit gilt
∂P ∂x3
−→
dP dx3 :
dP P gˆ. =− dx3 RT
(6.89)
200
6 Hydrostatik und Aerostatik
Die Differentialgleichung, die es zu l¨ osen gilt, l¨asst sich wie folgt schreiben: dP P gˆ =− dx3 RT
dP 1 =− gˆdx3 P RT
(6.90)
mit der allgemeinen L¨ osung: ln
P2 1 =− P1 R
"
(x3 )2 (x3 )1
gˆ dx3 . T
(6.91)
Das in der obigen Gleichung auftretende Integral l¨asst sich nur l¨osen, wenn bekannt ist, wie sich die Erdbeschleunigung g u ¨ ber der H¨ohe ¨andert und wenn ferner die Temperaturvariation als Funktion von x3 angegeben werden kann. So ist f¨ ur die Erdbeschleunigung g bekannt, dass sich diese mit der H¨ohe x3 umgekehrt proportional dem Quadrat des Abstandes vom Erdmittelpunkt a ¨ndert. Dieses folgt unmittelbar aus dem Newtonschen Gravitationsgesetz, wenn der Einfluss der Erddrehung vernachl¨ assigt wird. Bezeichnet man den Radius der Erde mit R und ist g die Erdbeschleunigung an der Meeresoberfl¨ ache, so gilt folgende Beziehung: 1 gˆ = g . x3 2 1+ R
(6.92)
Ber¨ ucksichtigt man die oftmals in der Atmosph¨are vorliegende lineare Abnahme der Temperatur mit der H¨ ohe, d.h. f¨ uhrt man ein: T = T0 (1 − αx3 )
(6.93)
so erh¨ alt man die folgende Endbeziehung PH g ln =− P0 RT0
"H 0
dx3 . x3 2 (1 − αx3 ) 1 + R
(6.94)
Trifft man nun Einschr¨ ankungen bez¨ uglich der H¨ohe, u ¨ber der die oben aufgef¨ uhrte Integration erfolgen soll, und w¨ ahlt diese so, dass folgende Beziehungen gelten: x3 1 (6.95) α x3 1 R So kann man durch Potenzreihenentwicklung erhalten: PH g ln =− P0 RT0
"H
2x3 + . . . dx3 (1 + αx3 + . . . ) 1 − R
(6.96)
0
bzw. die N¨ aherungsformel durch Vernachl¨ assigung der Glieder h¨oherer Ordnung:
6.4 Aerostatik
ln
PH g =− P0 RT0
"H
2 1+ α− x3 dx3 . R
201
(6.97)
0
Durch die L¨ osung dieser Gleichung ergibt sich f¨ ur die Druckverteilung in der unteren Atmosph¨ are die folgende Endbeziehung: gH 1 2 PH = P0 exp − 1+ α− H . (6.98) RT0 2 R Wie Abb. 6.28 zeigt, beschreibt diese Druckbeziehung mit guter Genauigkeit die in der Atmosph¨ are vorliegende Normdruckverteilung. Die von Babinet angegebene N¨ aherungsformel f¨ ur die Druckverteilung in der Atmosph¨ are l¨ asst sich aus der allgemeinen Differentialgleichung: gˆ dP =− dx3 P RT
(6.99)
durch Einf¨ uhren der folgenden Annahmen ableiten: P =
PH + P0 = const 2
gˆ = g = const (6.100)
T0 + TH T = = const. 2 F¨ uhrt man diese Vereinfachungen ein, so ergibt sich die folgende L¨osung der Differentialgleichung (6.99): 2 (PH − P0 ) = − PH + P0
"H
g dx3 RT
(6.101)
0
oder aufgel¨ ost:
PH − P0 gH =− PH + P0 R (T0 + TH )
und f¨ ur H: H =−
R TH PH − P0 T0 1 + . g T0 PH + P0
Stellt man diese Gleichung nach P0 um, so ergibt sich: TH R −H g T0 1 + T0 . PH = P0 TH R +H g T0 1 + T0
(6.102)
(6.103)
(6.104)
Die Abb. 6.28 zeigt den Verlauf der beiden Beziehungen (6.98) und (6.104) im Vergleich zu der als Normatmosph¨ are eingef¨ uhrten Druckverteilung.
202
6 Hydrostatik und Aerostatik 1 2 5 N o rm d ru c k G le ic h u n g ( 6 .9 8 ) G le ic h u n g ( 6 .1 0 4 )
D ru c k PH / 1 0 [m b a r]
1 0 0 7 5 5 0 2 5 0 0
2 0 0
4 0 0
6 0 0 8 0 0 H ö h e H / 1 0 [m ]
1 0 0 0
Abbildung 6.28: Normdruckverteilung in der Atmosph¨ are und aufgrund von N¨ aherungsformeln errechnete Verteilungen
6.4.2 Rotierender Beh¨ alter Als ein weiteres Beispiel f¨ ur die Anwendung der aerostatischen Grundgleichungen soll das in Abb. 6.29 angedeutete Problem behandelt werden. Durch eine einzige Druckmessung im oberen Mittelpunkt der Zylinderdeckenfl¨ache und durch Anwendung der partiellen Differentialgleichung der Aerostatik, soll die gesamte Druckbelastung auf der Mantelfl¨ ache des mit einem kompressiblen Medium gef¨ ullten, rotierenden Zylinders bestimmt werden. Entgegen des in Abschnitt 6.1 behandelten Beispiels, soll hier der Zylinder nur eine reine Rotationsbewegung erfahren, so dass die partiellen Differentialgleichungen der Aerostatik f¨ ur T = const wie folgt geschrieben werden k¨onnen: ω2 2 P ∂P = rω 2 −→ ln P = r + F (ϕ, z) , ∂r RT 2RT 1 ∂P = 0 −→ P = F (r, z) , r ∂ϕ P g ∂P =− g −→ ln P = − z + F (r, ϕ) . ∂z RT RT
(6.105) (6.106) (6.107)
Durch Vergleich der L¨ osungen erh¨ alt man: ln P = C +
ω2 2 g r − z. 2RT RT
(6.108)
Der im Koordinatenursprung gemessene Druck P0 , erlaubt die Bestimmung der Integrationskonstanten C als: C = ln P0 .
(6.109)
6.4 Aerostatik
203
h r = R
P
w P
D ie D ro tie r k o m p k a n n
h = L
ru c k v e r e n d e n B re s s ilb le se h r k o m
te ilu n g in e h ä lte rn m it n F lu id e n p le x w e rd e n
Abbildung 6.29: Rotierender Zylinder mit kompressiblem Medium
Daraus errechnet sich: P = P0 exp
g ω2 2 r − z . 2RT RT
(6.110)
Entlang der Bodenfl¨ ache z = −L errechnet sich die Druckverteilung als: 2 gL ω P (r, z = −L) = P0 exp r2 + . (6.111) 2RT RT Entlang der vertikalen Mantelfl¨ ache r = R gilt: 2 ω g 2 R − z . P (r = R, z) = P0 exp 2RT RT
(6.112)
6.4.3 Aerostatischer Auftrieb In der Anwendung aerostatischer Gesetzm¨ aßigkeiten werden oftmals Fehler dadurch begangen, dass zum Allgemeinwissen geh¨orende Beziehungen bei ¨ Uberlegungen Einsatz finden, deren G¨ ultigkeit strenggenommen nur in der Hydrostatik gegeben ist. Als Beispiel sei an dieser Stelle der Auftrieb von K¨ orpern genannt, der sich nach Abb. 6.30 als Differenz der Druckkr¨afte auf die Unter- und Oberseite eines eingetauchten K¨orpers berechnet. Die Grundgleichungen f¨ ur diese Berechnungen sind in Abb. 6.30 angegeben. Sie f¨ uhren zu der allgemein bekannten Beziehung, die zum Ausdruck bringt, dass die von einem in einem Fluid eingetauchten K¨ orper erfahrene Auftriebskraft gleich der Gewichtskraft des vom K¨ orper verdr¨ angten Fluids ist. Die Ableitungen
204
6 Hydrostatik und Aerostatik
auf der Basis von Abb. 6.30 verdeutlichen, dass die Beziehung nur f¨ ur Fl¨ ussigkeiten mit ρ = const gilt. F¨ ur die Auftriebskraft an einem K¨ orperelement gilt: ∆Ai = ∆Pi ∆Fi ,
∆Pi = ρF ghi (x1 ) . Damit gilt f¨ ur die Auftriebskraft: A=
N
ρF ghi (x1 ) ∆Fi = ρF gV.
i1
Abbildung 6.30: Erl¨ auterungen zum hydrostatischen Auftrieb von eingetauchten K¨ orpern
Will man die von K¨ orpern in Gasen erfahrenen Auftriebskr¨afte berechnen, so sind die Gesetzm¨ aßigkeiten der Aerostatik anzuwenden, d.h. die in Abb. 6.30 angezeigten Ableitungen sind wie folgt zu modifizieren. Wendet man die Grundgleichungen (6.87) auf eine isotherme Atmo” sph¨ are“ an, in der die x3 -Achse eines rechtwinklig, kartesischen Koordinatensystems senkrecht nach oben zeigt, so erh¨ alt man: dP P g. =− dx3 RT Setzt man g = const und T = T0 = const, so erh¨alt man
(6.113)
6.4 Aerostatik
205
g dP =− dx3 P RT0
(6.114)
P g =− x3 , P0 RT0
(6.115)
oder integriert: ln
wobei in dieser Beziehung der Druck P0 in der H¨ohe x3 = 0 vorherrscht. F¨ ur den Druckverlauf in einer isothermen Atmosph¨are l¨asst sich somit schreiben: g x3 . P = P0 exp − (6.116) RT0 Wendet man nun wieder die Beziehung f¨ ur den an einem K¨orperelement auftretenden Auftrieb an: (6.117) ∆Ai = ∆Pi ∆Fi und schreibt man unter Anwendung von (6.116) gx3i g ∆Pi = P0 exp − (x3i + hi ) , − P0 exp − RT0 RT0 d.h.
gx3i g hi , ∆Pi = P0 exp − 1 − exp − RT0 RT0
(6.118)
(6.119)
so wird sehr leicht ersichtlich, dass f¨ ur den Gesamtauftrieb nicht die einfache f¨ ur ρ = const angegebene Beziehung f¨ ur die Gesamtauftriebskraft entsteht. Durch Taylorreihenentwicklung l¨ asst sich f¨ ur Pi schreiben: ∆Pi =
∂P 1 ∂2P 2 1 ∂3P 3 hi + h + h + ... ∂x3 2 ∂x23 i 6 ∂x33 i
P0 g gx3 P0 g 2 gx3 =− exp − exp − hi + h2i − RT0 RT0 2R2 T02 RT0 . ∆Pi ≈ ρ (x3 ) ghi
1 ghi + 1− 2RT0 6
ghi RT0
2
(6.120)
(6.121)
/ − +... .
Damit erh¨ alt man f¨ ur die Auftriebskraft: . / N gh2i ∆Fi A ρ (x3 ) g V − + −... . 2RT0 i=1
(6.122)
(6.123)
Der erste Term des Ausdruckes (6.123) entspricht der Auftriebskraft der Hydrostatik. Der zweite Term erfasst die Kompressibilit¨at des hier betrachteten Gases.
206
6 Hydrostatik und Aerostatik
6.4.4 Bedingung f¨ ur Aerostatik: Stabile Schichtungen Ein Fluid kann sich im mechanischen Gleichgewicht befinden (d.h. keine makroskopische Bewegung zeigen), ohne dass es dabei im thermischen Gleichgewicht ist. Die Gleichungen (6.7), welche die Bedingungen f¨ ur das mechanische Gleichgewicht darstellen, k¨ onnen auch dann erf¨ ullt sein, wenn die Temperatur im Fluid nicht konstant ist. Dabei taucht aber die Frage auf, ob ein solches Gleichgewicht stabil ist. Es zeigt sich, dass das Gleichgewicht nur unter einer bestimmten Bedingung die geforderte Stabilit¨at aufweist. Ist diese Bedingung nicht erf¨ ullt, dann ist der statische Zustand des Fluids instabil, und in dem Fluid treten ungeordnete Str¨ omungen auf, die die Fl¨ ussigkeit so zu vermischen bestrebt sind, dass in ihr eine konstante Temperatur erreicht wird. Diese Bewegung wird als freie Konvektion bezeichnet. Die Stabilit¨atsbedingung f¨ ur das mechanische Gleichgewicht ist, mit anderen Worten, die Bedingung f¨ ur das Fehlen der Konvektion. Sie kann folgendermaßen abgeleitet werden. Wir betrachten ein Fluid in der H¨ ohe z und mit dem spezifischen Volumen V (P, s); dabei sind P und s der Gleichgewichtsdruck und die -entropie der Fl¨ ussigkeit in dieser H¨ ohe. Wir nehmen an, dass ein betrachtetes Fl¨ ussigkeitselement um die kleine Strecke ξ adiabatisch nach oben verschoben ist. Sein spezifisches Volumen wird dabei V (P , s), wobei P der Druck in der H¨ ohe z + ξ ist. F¨ ur die Stabilit¨ at des gew¨ ahlten Gleichgewichtzustandes ist es notwendig (wenn auch im allgemeinen nicht hinreichend), dass die dabei auftretende Kraft bestrebt ist, das Element in die Ausgangslange zur¨ uckzutreiben. Das betrachtete Volumenelement muss demnach schwerer sein als die von ihm in der neuen Lage verdr¨ angte“ Fl¨ ussigkeit. Das spezifische Vo” lumen der letzteren ist V (P , s ); darin ist s die Gleichgewichtsentropie der Fl¨ ussigkeit in der H¨ ohe z + ξ. Somit haben wir als Stabilit¨atsbedingung V (P , s ) − V (P , s) > 0. Diese Differenz entwickeln wir nach Potenzen von s − s = ∂V ∂s > 0. ∂s P ∂z
ds dz
ξ und erhalten (6.124)
Nach thermodynamischen Beziehungen gilt wegen T ds = dh − v dP ∂V ∂V T = ; ∂s P cp ∂T P cp ist die spezifische W¨ arme bei konstantem Druck. Die spezifische W¨arme cp ist wie die Temperatur T immer positiv, deshalb k¨onnen wir (6.124) umformen in ∂V ds > 0. (6.125) ∂T P dz
6.5 Literaturverzeichnis
207
, + Die meisten Stoffe dehnen sich bei Erw¨ armung aus, d.h., es ist ∂V ∂T p > 0. Die Bedingung f¨ ur das Fehlen der Konvektion reduziert sich dann auf die Ungleichung ds > 0, (6.126) dz d.h., die Entropie muss mit der H¨ ohe zunehmen. Hieraus kann man leicht eine Bedingung f¨ ur den Temperaturgradienten ∂T /∂z finden. Wir bilden die Ableitung ds/ dz und schreiben ∂s ∂s ∂V ds cp dT dT dP dP = + = − > 0. dz ∂T P dz ∂p T dz T dz ∂T P dz Schließlich setzen wir nach (6.7) dP/ dz = −ρg ein und erhalten dT gT ρ ∂V >− . dz cp ∂T P
(6.127)
Konvektion wird dann auftreten, wenn die Temperatur in Richtung von unten nach + ,oben abnimmt und der Gradient dabei betragsm¨aßig gr¨oßer als ρgT ∂V ∂T P /cp ist. Untersucht man das Gleichgewicht + , einer Gass¨aule und kann das Gas dabei atsbedingung f¨ ur als ideal annehmen, so ist VT ∂V ∂T P = 1, und die Stabilit¨ das Gleichgewicht lautet einfach dT g >− . dz cp
(6.128)
Wird diese Stabilit¨ atsforderung in der Atmosph¨are nicht erf¨ ullt, so ist die vorliegende Temperaturschichtung instabil und sie wird, bei auftreten kleinster St¨ orungen, in eine konvektive Temperaturausgleichsstr¨omung umschlagen.
6.5 Literaturverzeichnis 6.1 Bergmann L, Schaefer C-L (1961) Lehrbuch der Experimentalphysik I: Mechanik-, Akustik-, W¨ armelehre. Walter de Gruyter, Berlin-New York 6.2 Yuan SW (1971) Foundations of Fluid Mechanics. Prentice-Hall, Inc., Taiwan 6.3 Potter MC, Foss JF (1975) Fluid Mechanics. John Wiley & Sons, Inc., New York 6.4 Schade H, Kunz E (1989) Str¨ omungslehre. Walter de Gruyter, Berlin-New York 6.5 Pnueli D, Gutfinger C (1992) Fluid Mechanics. Cambridge University Press, Cambridge
208
6 Hydrostatik und Aerostatik
6.6 H¨ ofling O (1994) Physik. Ferd. D¨ ummlers Verlag, Bonn 6.7 Hutter K (1995) Fluid- und Thermodynamik. Springer-Verlag, BerlinHeidelberg 6.8 Spurk JH (1996) Str¨ omungslehre. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg
¨ 7 Ahnlichkeitstheorie
7.1 Einfu ¨hrung ¨ Die Ahnlichkeitstheorie findet in vielen Bereichen der Natur- und Ingenieurwissenschaften Anwendung, so auch in der Str¨omungsmechanik, wo ¨ ahnlichkeitstheoretische Uberlegungen oftmals zur L¨osung von Problemen ¨ und zur Verallgemeinerung von Ergebnissen herangezogen werden. Die Basis ¨ der Ahnlichkeitstheorie beruht auf Erkenntnissen, die aussagen, dass es ¨ m¨ oglich ist, aus der Ahnlichkeit von Gegebenheiten und Vorg¨angen wichtige neue Einsichten zu gewinnen, ohne dass man daf¨ ur direkte L¨osungen gestellter Probleme anstreben muss. Dies ist den meisten Lesern dieses Buches aus der Geometrie bekannt, wo geometrisch a¨hnliche Figuren und K¨ orper, z. B. a uhrt und f¨ ur weiterf¨ uhrende ¨hnliche Dreiecke, eingef¨ Betrachtungen herangezogen werden. So kann z. B. die H¨ohe eines Turmes bzw. die Breite eines Flusses, im Rahmen typischer Aufgabenstellungen der ¨ Geometrie, mittels Ahnlichkeitsbetrachtungen bestimmt werden, ohne dass die H¨ ohe des Turmes bzw. die Breite des Flusses direkt gemessen werden ¨ muss. Aus Ahnlichkeitsbetrachtungen in der Geometrie ist bekannt, dass es f¨ ur das Vorliegen geometrisch ¨ ahnlicher Dreiecke, Vierecke etc. ausreicht, die Gleichheit entsprechender Winkel zu fordern bzw. die Gleichheit der Verh¨ altnisse entsprechender Seiten, d. h. es gilt: f¨ ur ¨ ahnliche Dreiecke, siehe Abb. 7.1: L2 L3 L1 = = = const. l1 l2 l3
(7.1)
L1 H L2 D = = const. = = l1 l2 d h
(7.2)
f¨ ur Kanal und Stufe:
¨ Die geometrische Ahnlichkeit der Str¨ omungsberandungen wird in der Str¨om¨ ungsmechanik immer als eine wichtige Annahme weiterf¨ uhrender Ahnlich¨ keitsbetrachtungen angesetzt, d.h. die geometrische Ahnlichkeit ist Bestandteil der in diesem Kapitel behandelten Thematik.
210
¨ 7 Ahnlichkeitstheorie Ä h n lic h e D re ie c k e
Ä h n lic h e z u rü c k s p rin g e n d e S tu fe n
¨ Abbildung 7.1: Erl¨ auterung der geometrischen Ahnlichkeit
¨ Die oben f¨ ur das Gebiet der Geometrie angegebenen Ahnlichkeitsbeziehungen lassen sich auch auf andere Bereiche der Mathematik und Physik u onnen in die Ingenieurwissenschaften mit dem Ziel ein¨ bertragen und k¨ ¨ gef¨ uhrt werden, Ahnlichkeitsbetrachtungen, ahnlich wie in der Geometrie, ¨ osungen von Problemen zu erreizur Anwendung zu bringen, um indirekte L¨ chen. So lassen sich f¨ ur den Bereich der Str¨ omungsmechanik Betrachtungen ¨ zur kinematischen Ahnlichkeit von Str¨ omungen durchf¨ uhren, die dann als gegeben angesehen wird, wenn z. B. zwei Fl¨ ussigkeitsstr¨ome a¨hnliche r¨aumliche Bewegungen ausf¨ uhren. ¨ Dies setzt im allgemeinen die Ahnlichkeit der auf einzelne Fluidelemente ¨ einwirkenden Kr¨ afte voraus, d. h. das Vorliegen der dynamischen Ahnlich¨ keit ist eine Voraussetzung daf¨ ur, dass sich eine kinematische Ahnlichkeit von Fluidbewegungen einstellt. Genauere Betrachtungen zeigen zudem, dass ¨ eine weitere Voraussetzung f¨ ur das Auftreten der kinematischen Ahnlichkeit ¨ von Fluidbewegungen die geometrische Ahnlichkeit der Str¨omungsgeometrien darstellt bzw. das Vorliegen ¨ ahnlicher Randbedingungen. ¨ Erweitert man die Ahnlichkeitsbetrachtungen auch auf W¨armetransport¨ einzuf¨ uhren. Wiederprobleme, so macht es Sinn, die thermische Ahnlichkeit um lassen sich ¨ ahnliche Temperaturfelder nur erwarten, wenn in den betrachteten Temperaturfeldern ¨ ahnliche W¨ armestr¨ ome vorliegen, d. h. die kalorische ¨ Ahnlichkeit der betrachteten W¨ armetransportprobleme gegeben ist. Dabei ist ¨ es wichtig, die thermische und kalorische Ahnlichkeit prinzipiell voneinander zu trennen. ¨ In Ahnlichkeitsbetrachtungen k¨ onnen streng genommen nur physikalisch gleiche Gr¨ oßen, d. h. solche mit gleichen physikalischen Einheiten, einbezogen werden. Die aus ihnen durch Quotientenbildung errechneten, dimensi”
7.1 Einf¨ uhrung
211
onslosen Proportionalit¨ atsfaktoren“ der einzelnen Terme einer physikalischen ¨ Beziehung werden als Ahnlichkeitszahlen bezeichnet bzw. als dimensionslose Kennzahlen des physikalischen Problems. Physikalische Vorg¨ange aller Art lassen sich somit nur dann als ¨ ahnlich einstufen, wenn die korrespondierenden, das physikalische Problem bestimmenden dimensionslosen Kennzahlen ¨ gleich sind, geometrische Ahnlichkeit vorliegt und f¨ ur die betrachteten Pro¨ bleme auch ¨ ahnliche Randbedingungen bestehen. Der Ahnlichkeitsbegriff ist somit nur auf physikalische Vorg¨ ange der gleichen Art anwendbar, d. h. auf armetransportprozesse. Stellt man gewisse ZuStr¨ omungsvorg¨ ange oder W¨ sammenh¨ ange fest, die sowohl f¨ ur Str¨ omungsvorg¨ange als auch auf W¨armetransportvorg¨ ange zutreffen, so spricht man von einer Analogie zwischen diesen Vorg¨ angen. Die oben aufgef¨ uhrten allgemeinen Betrachtungen zu ¨ahnlichkeitstheore¨ tischen Uberlegungen in der Str¨ omungsmechanik machen deutlich, dass es in der Str¨ omungsmechanik zwei grundlegend verschiedene Vorgehensweisen zur L¨ osung von Str¨ omungsproblemen gibt: –
–
L¨ osungen konkreter Str¨ omungsprobleme unter Einsatz dimensionsbehafteter physikalischer Gr¨ oßen, um z. B. die Dimensionierung von Str¨omungsaggregaten zu erm¨ oglichen, um so die ger¨ atetechnische Voraussetzung zur L¨ osung des konkreten Str¨ omungsproblems zu schaffen. Verallgemeinerung von L¨ osungen von Str¨omungsproblemen, um unter Einsatz dimensionsloser Kennzahlen, die f¨ ur ein konkretes Str¨omungsproblem erhaltene L¨ osung als allgemein g¨ ultige L¨osung f¨ ur a¨hnliche Str¨omungen darzustellen.
In Kapitel 2 wurden physikalische Gr¨ oßen eingef¨ uhrt, die aus einem Vorzeichen, einem Betrag (Zahlenwert) und einer Einheit bestanden. Es wurde deutlich gemacht, dass je nach gew¨ ahltem System von Basiseinheiten, der Betrag einer betrachteten physikalischen Gr¨oße unterschiedliche Werte annehmen kann. W¨ ahlt man als Basis von Einheiten [m, kg, s] f¨ ur mechanische Gr¨ oßen, so ergeben sich andere Zahlenwerte f¨ ur den Betrag einer betrachteten Gr¨ oße, als wenn die Basiseinheiten [cm, g, s], wie manchmal noch u blich, eingef¨ uhrt w¨ urden. Mehr und mehr setzt sich jedoch das ¨ internationale System von Basiseinheiten durch, das folgende Einheiten umfasst: – L¨ ange L [m = Meter] – Masse M [kg = Kilogramm] – Zeit t [s = Sekunde] – Temperatur T [K = Kelvin] – Stoffmenge N [mol = Mol] – Stromst¨arke I [A = Ampere] – Lichtst¨ arke s [cd = Candela] Durch die Einf¨ uhrung einer internationalen Basis von Einheiten wird die Kommunikation physikalischer Vorg¨ ange vereinfacht und vor allem wird eine Vereinfachung des Vergleichs analytischer, numerischer und experimenteller Ergebnisse erreicht. Dennoch gibt es prinzipiell eine Vielzahl von unterschied-
212
¨ 7 Ahnlichkeitstheorie
lichen Basissystemen f¨ ur Einheiten, die zur Darstellung ein- und derselben physikalischen Gr¨ oße herangezogen werden k¨ onnen. Mit jedem System von Einheiten hat die betrachtete physikalische Gr¨oße eine andere Maßzahl“, d. ” h. der Betrag der physikalischen Gr¨ oße ¨ andert seinen Zahlenwert entsprechend des gew¨ ahlten Systems von Einheiten. Tab 7.1: Dimensionen und Einheiten wichtiger physikalischer Gr¨ oßen der Str¨ omungsmechanik
¨ GROSSE, Bezeichnung
DIMENSIONEN F, L, t, T M, L, t, T
EINHEITEN
L¨ ange Kraft Masse Zeit Temperatur
L F F L−1 t2 t T
L M Lt−2 M t T
Meter, m Newton, N Kilogramm, kg Sekunde, s Kelvin, K
Geschwindigkeit Massenstrom m ˙ Volumenstrom Druck, Spannung Moment, Arbeit, Energie Leistung, Energiestrom Dichte ρ dyn. Viskosit¨ at µ kin. Viskosit¨ at ν therm. Expansionskoeffizient β Kompressibilit¨ atskoeffizient α spez. W¨ arme cp , cv W¨ armeleitf¨ ahigkeit λ Oberfl¨ achenspannung σ Temperaturleitf¨ ahigkeit a = λ/ρcp W¨ arme¨ ubergangszahl α spezielle Gaskonstante R Entropie s
Lt−1 F L−1 t L3 t−1 F L−2 FL F Lt−1 F L−4 t2 F L−2 t L2 t−1 T −1 F −1 L2 L2 t−2 T −1 F t−1 T −1 F L−1
Lt−1 M t−1 L3 t−1 M L−1 t−2 M L2 t−2 M L2 t−3 M L−3 M L−1 t−1 L2 t−1 T −1 M −1 Lt2 L2 t−2 T −1 M Lt−3 T −1 M t−2
m/s kg/s m3 /s Pascal, Pa=N/m2 Joule, J=Ws=Nm Watt, W=N m/s kg/m3 Pas=N s/m2 m2 /s 1/K 1/Pa = ms2 /kg J/kg K W/m K N/m
L2 t−1 F L−1 t−1 T −1 L2 t−2 T −1 L2 t−2 T −1
L2 t−1 M t−3 T −1 L2 t−2 T −1 L2 t−2 T −1
m2 /s W/m2 K J/kg K J/kg K
Dies macht die Bedeutung der obenstehend aufgef¨ uhrten Tabelle von Dimensionen und Einheiten der in der Str¨ omungsmechanik wichtigsten physi-
7.2 Dimensionslose Form der Differentialgleichungen
213
kalischen Gr¨ oßen deutlich. Gleichzeitig weist die Tabelle auf die prinzipiellen Unterschiede zwischen den Dimensionen und den Einheiten physikalischer Gr¨ oßen hin. In den Darstellungen zur Str¨ omungsmechanik, wie sie in dem vorliegenden Buch behandelt werden, interessieren vor allem Transportprozesse, die durch Molek¨ ulbewegungen (diffusive Transporte) bzw. von Str¨omungen ¨ (konvektive Transporte) vorgenommen werden k¨onnen. Um Ahnlichkeiten zwischen den Transportprozessen sicherzustellen, werden unterschiedliche dimensionslose Kennzahlen herangezogen, die untenstehend in vier Gruppen unterteilt sind: I
¨ Ahnlichkeit molekularer Transportvorg¨ange
Pr = ν/a = (µcp /λ) = Prandtl-Zahl Sc = ν/D = µ/(ρD) = Schmidt-Zahl II
¨ Ahnlichkeit von Str¨ omungsvorg¨ angen
Re = U L/ν = Reynolds-Zahl Fr = U 2 /gL = Froude-Zahl Ma = U/c = Mach-Zahl III
¨ Ahnlichkeit von W¨ armetransportvorg¨ angen
Pe = Re Pr = U L/a = Peclet-Zahl IV
Eu = ∆P/ρU 2 = Euler-Zahl St = Lf /U = Strouhal-Zahl Gr = L3 gβρ2 ∆T /µ2 = Grashof-Zahl
Ec = U 2 /cp ∆T = Eckert-Zahl
¨ Ahnlichkeit integraler W¨ arme- und Stoff¨ ubertragungen
Nu = αL/λ = Nusselt-Zahl
Sh = βL/D = Sherwood-Zahl
wobei α als W¨ arme¨ ubertragungskoeffizient und β als Stoff¨ ubertragungskoeffizient eingef¨ uhrt sind. Es empfiehlt sich, diese Gruppierungen in Erinnerung zu behalten, wenn ¨ in den nachfolgenden Abschnitten Teilgebiete der Ahnlichkeitstheorie und ihre Anwendung in der Str¨ omungsmechanik behandelt werden.
7.2 Dimensionslose Form der Differentialgleichungen 7.2.1 Generelle Bemerkungen In Kapitel 5 wurde aufgezeigt, dass die Str¨ omungsmechanik ein Fachgebiet darstellt, dessen physikalische Grundlagen nicht nur vollst¨andig vorliegen,
¨ 7 Ahnlichkeitstheorie
214
sondern auch als ein geschlossener Satz von partiellen Differentialgleichungen formuliert werden k¨ onnen. In die Schließungsans¨atze wurden molekulare Transporteigenschaften von Fluiden mit aufgenommen, d.h. die molekulare Struktur der Materie wurde in ihrer integralen Auswirkung auf den Impuls-, W¨ arme- und Stofftransport erfasst. Es entstand so ein Satz von Transportgleichungen, der untenstehend zusammengefasst f¨ ur newtonsche Fluide angegeben ist: –
Kontinuit¨ atsgleichung: ∂ρ ∂(ρUi ) + = 0. ∂t ∂xi
(7.3)
–
Impulsgleichungen (j = 1, 2, 3): ∂Uj ∂Uj ∂Uj ∂ ∂Ui ∂Uk ∂P 2 + Ui ρ + + =− µ − δij µ + ρgj ∂t ∂xi ∂xj ∂xi ∂xi ∂xj 3 ∂xk (7.4) oder f¨ ur ρ =const. und µ =const.: ∂Uj ∂Uj ∂ 2 Uj ∂P + Ui ρ +µ + ρgj . (7.5) =− ∂t ∂xi ∂xj ∂x2i
–
Energiegleichung f¨ ur ρ =const., µ =const. und λ = const.: ∂T ∂T ∂2T ρcp + Ui = λ 2 + µΦµ ∂t ∂xi ∂xi mit
–
.
(7.6)
2 2 / . 2 ∂U2 ∂U3 ∂U1 ∂U2 Φµ = 2 + + + (7.7) + ∂x2 ∂x3 ∂x2 ∂x1 2 2 / ∂U2 ∂U3 ∂U3 ∂U1 + + + + . ∂x3 ∂x2 ∂x1 ∂x3 ∂U1 ∂x1
2
Zustandsgleichungen: P = RT ρ
(ideales Gas) und ρ = const.
(ideale Fl¨ ussigkeit)
(7.8)
Durch den oben angegebenen Satz partieller Differentialgleichungen liegen f¨ ur alle Bereiche der Str¨ omungsmechanik exzellente Voraussetzungen f¨ ur die ¨ Durchf¨ uhrung von Ahnlichkeitsbetrachtungen vor. Dabei k¨onnen die Diffe¨ rentialgleichungen in verschiedenster Weise in Ahnlichkeitsbetrachtungen eingebracht werden, je nachdem welche Aufgabenstellung vorliegt und welche L¨ osung man sucht bzw. welchen L¨ osungsweg man beschreiten m¨ochte. Dies ist in den nachfolgenden Abschnitten 7.2.2 bis 7.2.4 beispielhaft erl¨autert.
7.2 Dimensionslose Form der Differentialgleichungen
215
Besieht man sich den obigen Satz partieller Differentialgleichungen, so erfordert dessen L¨ osung die Vorgabe von Anfangs- und Randbedingungen. ¨ Bei der Durchf¨ uhrung von Ahnlichkeitsbetrachtungen m¨ ussen auch f¨ ur die¨ se strenge Ahnlichkeitsforderungen erf¨ ullt sein. Die Voraussetzung geome¨ trischer Ahnlichkeit der Str¨ omungsberandungen ist eine wichtige Forderung, um L¨ osungen der obigen Differentialgleichungen ¨ahnliche Randbedingun” gen“ aufzupr¨ agen. Wie die sp¨ ateren Betrachtungen zeigen werden, l¨asst sich die Kontinuit¨ atsgleichung heranziehen, um die Voraussetzungen zu for¨ mulieren, wie charakteristische zeitliche Anderungen von Str¨omungsfeldern mit den charakteristischen Abmessungen von Str¨omungsgeometrien und cha¨ rakteristischen Fluidgeschwindigkeiten zu koppeln sind, um die Ahnlichkeit von L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen sicherzustellen. ¨ Uber die Impulsgleichungen f¨ ur alle drei Komponenten, die als Gleichungen der auf ein Fluidelement (mit Einheitsvolumen) einwirkenden Kr¨afte formuliert sind, lassen sich strenge Aussagen u ur ¨ber Anforderungen angeben, die f¨ ¨ die dynamische Ahnlichkeit von Str¨ omungen vorliegen m¨ ussen. Weiter ist ¨ die dynamische Ahnlichkeit eine Voraussetzung f¨ ur das Vorliegen der kine¨ matischen Ahnlichkeit von Str¨ omungsfeldern, die oftmals notwendig ist, um Erkenntnisse u ¨ ber Strukturbeobachtungen in einer Str¨omung auf eine andere u bertragen zu k¨ onnen. ¨ Zuletzt sei noch darauf hingewiesen, dass mit der oben angegebenen lokal formulierten Energiegleichung alle Informationen vorliegen, um die Voraussetzungen abzuleiten, die gegeben sein m¨ ussen, damit bei W¨armetransport¨ problemen die Voraussetzungen f¨ ur kalorische Ahnlichkeit vorliegen. Diese ¨ ist wiederum die Voraussetzung f¨ ur das Vorliegen thermischer Ahnlichkeit. Unter Einbeziehung der Zustandsgleichungen lassen sich dann auch noch die Bedingungen ableiten, die vorliegen m¨ ussen, damit z.B. das Temperaturfeld einer Gasstr¨ omung auf das Temperaturfeld einer Fl¨ ussigkeitsstr¨omung u ¨ bert¨ ragen werden kann. All diese M¨ oglichkeiten u ¨ ber Ahnlichkeitsbetrachtungen aus einem speziellen Str¨ omungs- bzw. Temperaturfeld weiterreichendes, oft¨ mals allgemeing¨ ultiges Wissen zu erhalten, machen die Ahnlichkeitstheorie zu einem wichtigen Teilgebiet der Str¨ omungsmechanik. Die nachfolgenden ¨ Abschnitte zeigen auf, wie man die u gewonne¨ ber Ahnlichkeitsbetrachtungen nen Erkenntnisse, die aus Betrachtungen der Differentialgleichungen erhalten werden, in unterschiedlichen Anwendungen in der Str¨omungsmechanik nutzt. 7.2.2 Dimensionslose Form der Differentialgleichungen ¨ Die in Abschnitt 7.1 durchgef¨ uhrten Uberlegungen haben gezeigt, dass Er¨ kenntnisse u ¨ber das Vorliegen von Ahnlichkeiten dadurch erreicht werden konnten, dass feste Verh¨ altnisse aus Impuls¨ anderungen pro Zeiteinheit und zugeh¨ origen Krafteinwirkungen gebildet werden. Hieraus entstehen dimensionslose Kennzahlen, die als Grundlage angestrebter Verallgemeinerungen von str¨ omungsmechanischen Erkenntnissen herangezogen werden. Solches Wissen
216
¨ 7 Ahnlichkeitstheorie
l¨ asst sich auch gewinnen, wenn man die in Abschnitt 7.2.1 zusammenfassend aufgef¨ uhrten partiellen Differentialgleichungen von ihrer dimensionsbehafteten in eine dimensionslose Form u uhrt. Dazu f¨ uhrt man charakteristische ¨ berf¨ ” Gr¨ oßen“ ein, die untenstehend mit dem Index c“ gekennzeichnet sind. Alle ” mit ( )* versehenen Gr¨ oßen sind dimensionslos. Uj = Uc Uj∗ ;
t = tc t∗ ;
ρ = ρc ρ∗ ; xi = Lc x∗i
P = ∆Pc P ∗ ; µ = µc µ∗
τij = τc τij∗ ;
gj = gc g ∗ ;
etc.
Setzt man die so normierten Gr¨ oßen in die Kontinuit¨atsgleichung (7.3) ein, so erh¨ alt man: ρc ∂ρ∗ ρc Uc ∂(ρ∗ Ui∗ ) ∂ρ ∂(ρUi ) = + =0 + ∗ ∂t ∂xi tc ∂t Lc ∂x∗i
(7.9)
oder umgeschrieben: ∂ρ∗ Lc ∂(ρ∗ Ui∗ ) + = 0. t U ∂t∗ ∂x∗i c c St = Strouhal-Zahl
(7.10)
Die obigen Ableitungen machen deutlich, dass ¨ahnliche L¨osungen f¨ ur Str¨omungsprobleme aus der Kontinuit¨ atsgleichung nur dann folgen k¨onnen, wenn die Strouhal-Zahlen f¨ ur zwei Probleme A und B, auf welche die Kontinuit¨atsgleichung angewandt wird, gleich sind, d.h. wenn gilt: Lc Lc = . (7.11) tc U c A tc U c B Normiert man in ¨ ahnlicher Weise auch die Impulsgleichungen, so erh¨alt man: Uc ∂Uj∗ Uc2 ∗ ∂Uj∗ τc ∂τij∗ ∆Pc ∂P ∗ ρc ρ∗ + U − + ρc gc ρ∗ gj∗ (7.12) =− i ∗ ∗ ∗ tc ∂t Lc ∂xi Lc ∂xj Lc ∂x∗i oder wiederum umgeschrieben: L ∂U ∗ ∂Uj∗ ∆Pc ∂P ∗ τc ∂τij∗ gc Lc ∗ ∗ c j ∗ ρ∗ = − + U − + 2 ρ gj . (7.13) i tc Uc ∂t∗ ∂x∗i ρc Uc2 ∂x∗j ρc Uc2 ∂x∗i U c St Eu 1/Re 1/Fr Aus Gleichung (7.13) ist ersichtlich, dass drei neue dimensionslose Kennzahlen durch die Normierung der Impulsgleichung entstanden sind; aus der Kontinuit¨ atsgleichung und Impulsgleichung lassen sich somit vier dimensionslose Kennzahlen f¨ ur Str¨ omungsprobleme ableiten:
7.2 Dimensionslose Form der Differentialgleichungen
St = Lc /tc Uc
lokale Beschleunigungskr¨ afte = Strouhal-Zahl = r¨aumliche Beschleunigungskr¨ afte
Eu = ∆Pc /ρc Uc2 = Euler-Zahl Re = ρc Uc2 /τc
217
Druckkr¨ afte = Beschleunigungskr¨ afte
afte = Reynolds-Zahl = Beschleunigungskr¨ mol. Impulstransport
Fr = Uc2 /(gc Lc ) = Froude-Zahl
afte = Beschleunigungskr¨ Massenkr¨ afte
(7.14) Will man somit durch L¨ osungen der Impulsgleichung f¨ ur verschiedene Str¨omungsprobleme eine einheitliche L¨ osung der Gleichung (7.13) erhalten, so ist es erforderlich, dass die oben aufgef¨ uhrten dimensionslosen Kennzahlen der betrachteten Str¨ omungsprobleme gleich sind. Dabei ist dies nat¨ urlich nur eine notwendige, aber nicht eine hinreichende Forderung f¨ ur die Existenz einer ein¨ heitlichen L¨ osung f¨ ur betrachtete Str¨ omungsprobleme. Ahnlichkeit der Randbedingungen muss gleichfalls noch vorliegen, und dies setzt im allgemeinen ¨ auch die geometrische Ahnlichkeit f¨ ur das Einbringen der Randbedingungen voraus. Zieht man in die Betrachtungen auch die f¨ ur newtonsche Medien geltende Beziehung: ∂Uj ∂Uk ∂Ui 2 + (7.15) + µδij τij = −µ ∂xi ∂xj 3 ∂xk mit ein, so erh¨ alt man durch das Einf¨ uhren dimensionsloser Gr¨oßen: . / ∂Uj∗ 2 τc Lc ∗ ∂U ∗ ∂Ui∗ ∗ + µ∗ δij ∗k . τij = −µ + (7.16) ∗ ∗ µc Uc ∂xi ∂xj 3 ∂xk µc Uc Uc L c µc , so erh¨ alt man Re = mit νc = , d.h. es Lc νc ρc gilt f¨ ur newtonsche Medien: Setzt man nun τc =
Re =
ρc Uc2 Uc L c µc Uc = = Reynolds-Zahl, oder Lc = τc νc τc
(7.17)
Die oben in (7.14) angegebenen dimensionslosen Kennzahlen geben an, un¨ ter welchen Bedingungen die dynamische Ahnlichkeit zwischen Str¨omungen gegeben ist. Sie liegt dann vor, wenn die als Kr¨afteverh¨altnisse eingef¨ uhrten ¨ dimensionslosen Kennzahlen, bei Vorliegen geometrischer Ahnlichkeit und a hnlicher Randbedingungen, d.h. f¨ u r a hnliche Str¨ o mungsprobleme, gleiche ¨ ¨ Werte annehmen, d.h. es muss gelten ReA = ReB , StA = StB , EuA = EuB und FrA = FrB . So lassen sich z.B. horizontale, station¨are Rohrstr¨omungen von Gasen und Fl¨ ussigkeiten in all ihren Str¨ omungseigenschaften vergleichen, wenn gleiche Reynolds-Zahlen vorliegen. Die in den Rohrstr¨omungen auftretenden Druckverluste, lassen sich als: cf =
∆Pc = 2Eu = f (Re) (ρc /2)Uc2
(7.18)
218
¨ 7 Ahnlichkeitstheorie
allgemein auftragen. Damit k¨ onnen cf −Werte, die f¨ ur eine Luftstr¨omung gemessen wurden, zur Berechnung von Druckverlusten von Str¨omungen be¨ liebiger newtonscher Medien, z.B. Wasser, Olen etc., herangezogen werden. Beachtet man auch noch den Einfluss der Sandrauhigkeit“ ks auf die Druck” verluste, so ergibt sich das Diagramm in Abb. 7.2 f¨ ur Druckverluste in glatten und rauhen Rohren, mit λ = 4cf : 1 2 1 0 0 l
1 0 8 6 4 1
R = 5 0 7 k s 2 5 2 1 2 6 6 0 3 0 ,6 1 5
2 ,0
1 ,0 4
6
8
1 0 3
}
2
2
N ik u ra d s e (sa n d ro u g h n e ss)
4
6 8
R
= 1 3 0 0 G a la v ic s (c o m m e rc ia lly ro u g h ) k
1 0 4
2
4
6
8
1 0 5
2 R e =
4 U ´ d v
6
8
1 0 6
2
Abbildung 7.2: Druckverlustbeiwerte f¨ ur glatte und rauhe Rohre f¨ ur newtonsche Fluide. Die dimensionslose Darstellung erm¨ oglicht die Verallgemeinerung von Messwerten.
¨ Erweitert man die obigen Ahnlichkeitsbetrachtungen auch auf die Energiegleichung, so erh¨ alt man: ∗ ∗ ∂T 1 ∂T ∗ ∂ ∗ ∂T ∗ = St ∗ + Ui ∗ λ ∂t ∂x∗i Re Pr ∂x ∂x∗i i Pe ∂P ∗ 1 ∗ ∂P ∗ Φ . + +Ec St ∗ + Ui∗ (7.19) ∂t ∂xi Re ¨ Uber die Normierung der Energiegleichung kommen somit folgende neue dimensionslose Kennzahlen in die f¨ ur Impuls- und W¨armetransporte g¨ ulti¨ gen Ahnlichkeitsbetrachtungen mit hinzu. Diese lauten wie folgt, wenn man uhrt wird: wieder ber¨ ucksichtigt, dass ∆Tc = Tc − T∞ zur Normierung eingef¨
7.2 Dimensionslose Form der Differentialgleichungen
νc µc (cp )c = = Prandtl-Zahl ac λc Uc L c Uc Lc νc = = Peclet-Zahl Pe = Re Pr = νc ac ac Uc2 Ec = = Eckert-Zahl (cp )c (Tc − T∞ )
219
Pr =
(7.20)
Etwas aus der Distanz betrachtet, erweisen sich die oben eingef¨ uhrten dimensionslosen Kennzahlen gruppierbar, wie dies im Abschnitt 7.1 angedeutet wurde: ¨ Ahnlichkeit molekularer Transportvorg¨ ange: Pr, (Sc), ... I ¨ Ahnlichkeit von Str¨ omungsvorg¨ angen: St, Re, Eu, Fr, (Gr) II ¨ III Ahnlichkeit von Energietransportvorg¨ angen: Pe, Ec, ... ¨ Als letztes im Rahmen dieser allgemeinen Betrachtungen zur Ahnlichkeit von Impuls- und W¨ armetransportvorg¨ angen gilt es, dimensionslose Kennzahlen zu betrachten, die aus Zusammenh¨ angen von experimentellen und theoretischen Erkenntnissen zu W¨ arme¨ ubertragungsvorg¨angen resultieren. Erweiterungen lassen sich sehr leicht auf Stoff¨ ubertragungsvorg¨ange vornehmen. All diese Betrachtungen resultieren in der Einf¨ uhrung der Nusselt-Zahl Nu f¨ ur den W¨ arme¨ ubergang und in der Einf¨ uhrung der Sherwood-Zahl Sh f¨ ur den Stoff¨ ubergang. Die Betrachtungen sollen sich an dieser Stelle auf die Nusselt-Zahl beschr¨ anken.
D ie G k e n n z u n d d k e it U
r ö ß e n r , m , l , c p .... e ic h n e n d a s F lu id e s s e n G e s c h w in d ig ¥
Abbildung 7.3: W¨ arme¨ ubertragungsbetrachtungen f¨ ur zweidimensionalen Zylinder mit Anstr¨ omung
|U∞ |; |ρ|; |µ|; |L|; |D|; (Parameter des W¨ arme¨ ubergangsproblems) ˙ ∞ , L, D, Fluid)-Messungen (Abh¨ ˙ Q(U angigkeiten von Q) Messungen des W¨ arme¨ ubergangs: Q˙ = W¨ armezuf¨ uhrung ist gleich Q˙ = W¨ armeabf¨ uhrung am Zylinder Gesucht wird: Methode zur Reduktion der Anzahl der Messungen. Oh¨ ne Ahnlichkeitsbetrachtungen gilt es, viele Messungen durchzuf¨ uhren, um ˙ andig zu erhalten. Q(U∞ , L, D, Fluid) vollst¨ Die Einf¨ uhrung der Nusselt-Zahl ist auf unterschiedlichste Weisen ¨ m¨ oglich, bedingt durch die Vielzahl der M¨ oglichkeiten, Ahnlichkeitsbetrach-
220
¨ 7 Ahnlichkeitstheorie
tungen in die Str¨ omungsmechanik mit W¨ arme¨ ubertragung einzuf¨ uhren. Die hier favorisierte Einf¨ uhrung geht von folgenden Vorstellungen aus, die sich an W¨ arme¨ ubergangsbetrachtungen an einem Zylinder, siehe Abb. 7.3, orientieren. Bei experimentellen Untersuchungen werden pro Fl¨acheneinheit W¨ arme¨ ubergangswerte gemessen, die sich u ubergangskoeffi¨ ber einen W¨arme¨ zienten α und eine Temperaturdifferenz zwischen Oberfl¨ache und Umgebung angeben lassen: Q˙ = α(πD)(TD − T∞ ) (7.21) L wobei Q˙ die u arme darstellt, L die L¨ange des Zylinders, D den ¨ bertragene W¨ Zylinderdurchmesser, TD die Temperatur des Zylinders und T∞ die Temperatur des ankommenden Fluids, weit weg vom Zylinder. α wird aus Experimenten bestimmt und m¨ usste ohne Anwendung ¨ahnlichkeitstheoretischer Erkenntnisse f¨ ur alle Durchmesser D, f¨ ur alle interessierenden Fluide und als Funktion der Anstr¨ omgeschwindigkeit U∞ bestimmt werden. Eine Verallgemeinerung der u ur ein einzi¨ ber eine Messreihe, d.h. f¨ ges Fluid, erhaltenen Informationen l¨ asst sich dadurch erreichen, dass man ber¨ ucksichtigt, dass die dem Zylinder in Abb. 7.3 zugef¨ uhrte W¨armemenge ˙ Q/L gleich der an der Zylinderoberfl¨ ache durch W¨armeleitung abgef¨ uhrten W¨ arme " ∂T dF Q˙ = − λD (7.22) L ∂r r=R L F
gesetzt werden kann. Damit gilt nach (7.21) und (7.22) die Beziehung: " ∂T dF α(πD)(TD − T∞ ) = − λD . (7.23) ∂r r=R L F
F¨ uhrt man zur Ableitung der dimensionslosen Form dieser Beziehung folgende Gr¨ oßen ein: T = (TD − T∞ )T ∗ ;
dF = (πR) dϕ∗ ; L
r = Rr∗ ;
ϕ = 2πϕ∗
so erh¨ alt man:
1 ∗ " ∂T 1 α(πD)(TD − T ) = λD (TD − T∞ )(πR) − λ∗ dϕ∗ (7.24) R ∂r∗ r∗ =1 0
oder umgeschrieben: αD Nu = =− λD
"1
∗
λ 0
∂T ∗ ∂r∗
r ∗ =1
dϕ∗ .
(7.25)
7.2 Dimensionslose Form der Differentialgleichungen
D ia m e te r
lo g N u
3
0 .0 1 8 9 m m 0 .0 2 4 5 0 .0 0 5 0 0 .0 9 9 0 .5 0 0 1 .0 0 0 2 .9 9 0 2 5 .0 0 4 4 .0 0 9 0 .0 0 1 5 0 .0
2
1
0
221
0
1
2
3 4
lo g R e d
5
6
Abbildung 7.4: Gemessene Nu-Zahlen f¨ ur den W¨ arme¨ ubergang bei der Zylinderumstr¨ omung als Funktion der Re-Zahl
Dies macht deutlich, dass sich W¨ arme¨ ubertragungsprobleme durch Einf¨ uhrung der Nusseltzahl Nu verallgemeinern lassen. Der aus einer einzigen Messreihe, f¨ ur ein einziges Fluid erhaltene W¨armeu asst sich u ¨ bergang, l¨ ¨ ber eine Nu(Re)-Auftragung generell nutzbar darstellen. R. Hilpert f¨ uhrte Experimente in einer Luftstr¨ omung durch und konnte dabei einen Re-Bereich von nahezu 106 abdecken. Aus Gleichung (7.25) erh¨ alt man die Erkenntnis, dass W¨arme¨ ubergangsmessungen dann eine verallgemeinerte Anwendung finden k¨onnen, wenn die Nu-Zahl als Messergebnis aufgetragen wird und nicht der gemessene W¨ arme¨ ubergangskoeffizient α. F¨ ur das in Abb. 7.3 betrachtete W¨arme¨ ubergangsproblem ergibt sich Nu = f (Re), eine Korrelation der Messergebnisse, wie sie in Abb. 7.4 dargestellt ist. Aus einer einzigen Messreihe f¨ ur eine Luftstr¨ omung konnte eine f¨ ur alle W¨ arme¨ uberg¨ange an Zylindern geltende Gesetzm¨ aßigkeit abgeleitet werden, unabh¨ angig vom Fluid und vom Zylinderdurchmesser. Analog zur Einf¨ uhrung der Nu-Zahl lassen sich Betrachtungen zur Stoffu uhren, die zur Einf¨ uhrung der Sherwood-Zahl f¨ uhren, so ¨ bertragung durchf¨ dass als vierte Gruppe von dimensionslosen Kennzahlen zu nennen ist: ¨ IV Ahnlichkeit integraler W¨ arme- bzw. Stoff¨ ubertragung: Nu, Sh, . . . Die so vervollst¨ andigte Klassifizierung von dimensionslosen Kennzahlen stellt die Basis von Betrachtungen dar, die in der Str¨ omungsmechanik durchgef¨ uhrt werden, um allgemein g¨ ultige Gesetzm¨ aßigkeiten aus Experimenten, analytischen und numerischen Berechnungen abzuleiten, die f¨ ur spezielle Fluide, einzelne Str¨ omungsgeschwindigkeiten und einen begrenzten Satz geometrischer
222
¨ 7 Ahnlichkeitstheorie
Parameter durchgef¨ uhrt werden. Die dimensionslose Darstellung von Ergebnissen, die z. B. f¨ ur ein Fluid und eine Str¨ omungsgeometrie durch Variation der Str¨ omungsgeschwindigkeit erhalten wurden, lassen sich so auf andere Fluide und andere Abmessungen ¨ ahnlicher Str¨ omungsgeometrien u ¨ bertragen. 7.2.3 Betrachtungen bei Vorliegen geometrischer und ¨ kinematischer Ahnlichkeit Bei der L¨ osung str¨ omungsmechanischer Aufgaben erhebt sich oftmals die Frage, unter welchen Bedingungen die in einer Messstrecke erhaltenen Ergebnisse von Str¨ omungsuntersuchungen auf eine zweite Str¨omung mit einem anderen Fluid in einer geometrisch ¨ ahnlichen Messstrecke u ¨bertragen werden k¨ onnen. Betrachtet man hierzu die in Abb. 7.5 skizzierten, geometrisch ¨ ahnlichen Messstrecken f¨ ur Stufenstr¨ omungen und postuliert man station¨ are Str¨ omungsverh¨ altnisse, so ergibt sich aus der geforderten geometri¨ schen Ahnlichkeit, dass das Verh¨ altnis korrespondierender Abmessungen der Messstrecken einen konstanten Wert ergibt: DA hA ξ1 ξ2 dA = = = = dB DB hB x1 x2 x
(U c )A d
A
2
}h x
(U c )B d
B
(7.26)
D A
A
A
x 1
}
2
h B
B D
B
x 1
¨ Abbildung 7.5: Skizze f¨ ur Ahnlichkeitsbetrachtungen an einer Stufenstr¨ omung
Die Normierung besagt, dass das Verh¨ altnis korrespondierender Abmessungen zwischen zwei Messstrecken eine Konstante sein muss, damit ei¨ ne geometrische Ahnlichkeit vorliegt. Betrachtet man als charakteristisches L¨ angenmaß der Str¨ omung die Stufenh¨ ohe (Lc )A = hA bzw. (Lc )B = hB und die korrespondierenden charakteristischen Str¨omungsgeschwindigkeiten (Uc )A = (U1 )A und (Uc )B = (U1 )B , so erh¨ alt man f¨ ur die dimensionslose Impulsgleichung unter der Annahme station¨ arer Str¨omungsbedingungen die unten angegebene dimensionslose Form:
7.2 Dimensionslose Form der Differentialgleichungen
ρ∗ Ui∗
∂Uj∗ ∆P ∂P ∗ νc ∂ ∗ ∂Uj∗ Lc gc ∗ ∗ = − + µ + ρ gj ∗ ∗ ∗ 2 ∂xi ρc Uc ∂xj Uc Lc ∂xi ∂xi Uc2
223
(7.27)
¨ d. h. f¨ ur die dynamische Ahnlichkeit ist es erforderlich, dass die folgenden dimensionslosen Kennzahlen f¨ ur beide Str¨ omungen gleich sind: Eu =
Uc2 Uc L c ∆P und F r = ; Re = . ρc Uc2 ν Lc gc
(7.28)
Damit ist f¨ ur ¨ ahnliche Str¨ omungen zu fordern: ∆PA ∆PB = ; ρA (U1 )2A ρB (U1 )2B
(U1 )A hA (U1 )B hB = ; νA νB
(U1 )2B (U1 )2A = . (7.29) hA g hB g
F¨ ur große Froude-Zahlen, d. h. f¨ ur hohe (U1 )2A - bzw. (U1 )2B -Werte und kleine Werte von dA bzw. dB , ergibt sich, f¨ ur station¨are Str¨omungen, eine reine Abh¨ angigkeit aller Str¨ omungsgr¨ oßen von der Reynoldszahl. F¨ ur (Re)A = ucke (Re)B lassen sich z. B. die in einer Messstrecke erhaltenen Differenzdr¨ wie folgt von einer Messstrecke auf die andere u bertragen: ¨ f¨ ur
ξ1 x1 = dA dB
gilt
∆PA ∆PB = . ρA UA2 ρB UB2
(7.30)
F¨ ur die in den beiden Messstrecken gemessenen Geschwindigkeitsprofile gilt: ξ2 x2 U1 U1 dA A dB B ξ1 x1 = f¨ ur = . (7.31) (U1 )A (U1 )B dA dB Die in beiden Messstrecken erhaltenen Geschwindigkeitsprofile sind somit ¨ ahnlich, wenn sie an nach Ahnlichkeitsbetrachtungen korrespondierenden Po¨ sitionen gemessen werden und die Messungen bei gleichen Reynolds-Zahlen in Messstrecken erfolgten, die streng geometrisch ¨ahnlich sind. Dies gilt nat¨ urlich nicht nur f¨ ur Ergebnisse aus experimentellen Untersuchungen, sondern auch f¨ ur Resultate aus numerischen Str¨ omungsberechnungen. Die f¨ ur eine pl¨ otzliche Kanalerweiterung in Abb. 7.6 dargestellten Stromlinien, der f¨ ur verschiedene Re-Zahlen errechneten Str¨ omungsfelder, sind f¨ ur alle newtonsche Fluide der Welt und f¨ ur große und kleine Kanalabmessungen identisch, so lange stets nur die entsprechende Re-Zahl vorliegt. F¨ ahrt man z. B. die in Abb. 7.6 durch ihre Stromlinien f¨ ur Re = 610 dargestellte Str¨ omung an, so ergibt sich ein zeitlicher Verlauf der Stromlinien, wie er in Abb. 7.7 dargestellt ist. Dabei ist die Zeit bis zum Erreichen des station¨ aren Endzustandes der Str¨ omung ein Vielfaches der charakteristischen c aren Zeit der Str¨ omung, d. h. tstat ∼ tc ∼ L Uc . Will man also den station¨ Zustand der Str¨ omung schnell erreichen, so muss man, zur Einstellung einer bestimmten Re-Zahl, kleine Abmessungen und große Geschwindigkeiten w¨ ahlen.
224
¨ 7 Ahnlichkeitstheorie
Abbildung 7.6: Stromlinien f¨ ur das Str¨ omungsfeld der pl¨ otzlichen Kanalerweiterung als Funktion der Re-Zahl
¨ Abbildung 7.7: Zeitliche Anderung der Stromlinien bei Anfahren der Str¨ omung in einer pl¨ otzlichen Kanalerweiterung f¨ ur Re = 610
7.2 Dimensionslose Form der Differentialgleichungen
225
Inwiefern eine numerisch berechnete Str¨ omung auch stabil ist, h¨angt von dem Einfluss von St¨ orungen ab, die man der Str¨omung aufpr¨agen kann, ohne dass sie ihren station¨ aren Endzustand ¨ andert. Die so festgelegte Stabilit¨at der Str¨ omungen f¨ ur die pl¨ otzliche Kanalerweiterung f¨ ur Re=70 und Re=610 ist in der Abb. 7.8 verdeutlicht. Aufgepr¨ agte St¨orungen im Einlass der Mess¨ strecke durch zeitliche Anderungen der Einstr¨ omungsgeschwindigkeitsvertei¨ lung f¨ uhren zu starken zeitlichen Anderungen der r¨aumlichen Abmessungen der Abl¨ osegebiete hinter den Stufen der pl¨ otzlichen Kanalerweiterung. Nach dem Abstellen der St¨ orungen stellen sich jedoch wieder die Abl¨osel¨angen ein, die in Abb. 7.6 gezeigt sind.
R e = 6 1 0
R e = 7 0
h h
x 4
x 1
x 3
x 2
Abbildung 7.8: Zeitvariation der L¨ ange von Abl¨ osegebieten in der Kanalstr¨ omung mit pl¨ otzlicher Erweiterung infolge aufgepr¨ agter St¨ orungen. Die Str¨ omung ist stabil, da sie nach Abklingen der St¨ orung immer den gleichen Zustand annimmt.
7.2.4 Bedeutung viskoser Geschwindigkeits-, Zeit- und L¨ angenmaße In der Str¨ omungsmechanik gibt es, außerhalb des Bauingenieurwesens, eine Vielzahl von Problemen, bei denen Gravitationskr¨afte ohne Bedeutung sind. Dies ist ¨ aquivalent mit der Aussage, dass große Froude-Zahlen vorliegen und somit die normierte Impulsgleichung (7.13) wie folgt geschrieben werden kann: St Eu 1/Re ∗ ∗ L ∂U ∗ ∗ ∂Uj ∆Pc ∂P τc ∂τij c j + Ui∗ ∗ = − − . (7.32) ρ∗ tc Uc ∂t∗ ∂xi ρc Uc2 ∂x∗j ρc Uc2 ∂x∗i Erg¨ anzt man diese Gleichung durch die Angabe des dimensionslosen, molekularbedingten Impulstransports aus Gleichung (7.16)
226
¨ 7 Ahnlichkeitstheorie C
. / ∂Uj∗ τc Lc ∗ ∂Ui∗ 2 ∂U ∗ ∗ τij = −µ + + µ∗ δij ∗k , ∗ ∗ µc Uc ∂xi ∂xj 3 ∂xk
(7.33)
so erh¨ alt man eine Abh¨ angigkeit der L¨ osungen von Str¨omungsproblemen von den folgenden dimensionslosen Kennzahlen: St =
Lc = Strouhal-Zahl tc U c
Eu =
∆Pc = Euler-Zahl ρc Uc2
ρc Uc2 τc Lc Re = = Reynolds-Zahl C = τc µc Uc
(7.34)
Betrachtet man diese dimensionslosen Kennzahlen, so ist es einsichtig, dass die Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik auch dann einheitliche L¨osungen liefern, wenn man die charakteristischen Gr¨oßen von Str¨omungsproblemen, welche die obigen Kennzahlen definieren, so w¨ahlt, dass alle dimensionslosen Kennzahlen den Wert 1 ergeben. Somit gilt: τc ρc Uc2 = 1 ; Uc = = uτ (7.35) Re = τc ρc Eu =
∆Pc =1 ρc Uc2
St =
Lc = 1 und tc U c
Mit den Gr¨ oßen:
;
∆Pc = τc
(7.36)
τc Lc µc Uc
(7.37)
C=
erh¨ alt man die folgenden charakteristischen Zeit- und L¨angenmaße tc =
µc νc = 2 τc Uc
L c = tc U c =
νc . Uc
(7.38)
Diese so eingef¨ uhrten, f¨ ur Str¨ omungsvorg¨ ange charakteristischen Gr¨oßen schlagen vor, dass sich Str¨ omungsvorg¨ ange in unterschiedlichen Geometrien einer einheitlichen Darstellung von Str¨ omungsergebnissen zuf¨ uhren lassen. So sind die Str¨ omungseigenschaften durch den folgenden von dimensionslosen Kennzahlen freien Satz von Differentialgleichungen beschreibbar: Kontinuit¨ atsgleichung: ∂(ρ∗ Ui∗ ) ∂ρ∗ + =0 (7.39) ∗ ∂t ∂x∗i Impulsgleichungen (j=1,2,3): ∗ ∂τij∗ ∂Uj∗ ∂Uj ∂P ∗ ∗ ∗ ρ + U − = − i ∗ ∗ ∂t∗ ∂xi ∂xj ∂x∗i
(7.40)
7.2 Dimensionslose Form der Differentialgleichungen
227
Molekularer Impulstransport: . τij∗
/ ∂Uj∗ ∂Ui∗ ∂U ∗ 2 = −µ + ∗ + µ∗ δij ∗k ∗ ∂xi ∂xj 3 ∂xk ∗
(7.41)
Die Abh¨ angigkeit von Str¨ omungsergebnissen von den dimensionslosen Kennzahlen erfolgt in den L¨ osungen der Gleichungen (7.39) bis (7.41) u ¨ ber die aufgepr¨ agten Randbedingungen. So ergibt sich jedoch f¨ ur alle Str¨omungen in Abb. 7.9 in Wandn¨ ahe eine einheitliche Darstellung von Messergebnissen. All diese Str¨ omungen sind durch den f¨ ur sie charakteristischen Impulsverlust an die Wand gekennzeichnet. Dieser wird im allgemeinen mit τw bezeichnet.
u +
Es ist eine verallgemeinerte Darstellung der Daten, d.h. der Geschwindigkeitsprofile, durch Normierungen mit einer Schubspannungsgeschwindigkeit uτ und der kinematischen Viskosit¨ at ν m¨ oglich.
Abbildung 7.9: Wandnahe normierte Str¨ omungsprofile als Funktion des normierten Wandabstandes f¨ ur Kanal-, Rohr-, Film- und Plattengrenzschichtstr¨ omungen
228
¨ 7 Ahnlichkeitstheorie
Die obigen Darstellungen haben gezeigt, dass in wandgebundenen Str¨ omungen, f¨ ur newtonsche Medien, das Auftreten von Geschwindigkeitsgradienten mit dem Vorliegen von charakteristischen viskosen Geschwindigkeits-, Zeit- und L¨ angenmaßen verbunden ist. Diese lassen sich f¨ ur τc = τw , ρc = ρ und µc = µ wie folgt angeben: τw ν ν ; tτ = 2 und Lτ = uτ = . (7.42) ρ uτ uτ Wendet man diese charakteristischen Gr¨ oßen an, so ergibt sich die in Abb. 7.9 angedeutete allgemeine Darstellung von Geschwindigkeitsprofilen in turbulenten Wandgrenzschichtstr¨ omungen. Dabei sind: u+ =
U1 (y) uτ
y+ =
yuτ ν
dargestellt, wobei y den Wandabstand angibt. Die Bedeutung der Gr¨ oßen in Gleichung (7.42) wird auch verst¨andlich, wenn man einige typische Str¨ omungsprobleme zu l¨osen versucht, so z.B. das eindimensionale Diffusionsproblem, das in Abb. 7.10 skizziert ist und das durch folgende Differentialgleichung beschrieben wird: ρ
x
∂ 2 U1 ∂U1 =µ . ∂t ∂x22
(7.43)
2
U
o b e re W a n d 0
M o le k u la re r Im p u ls tra n s p o rt D
t
u n te re W a n d
x 1
Abbildung 7.10: Betrachtungen des molekularbedingten Impulstransports in Fluidstr¨ omungen
Normiert l¨ asst sich die Gleichung schreiben: 2 ∗ ρc L2c ∂U1∗ ∗ ∂ U1 = µ µc ∂t∗ ∂x∗2 2
(7.44)
Danach ergibt sich f¨ ur die Zeit, die von den Molek¨ ulen ben¨otigt wird, um den Impulseintrag an der Stelle x1 = 0 u ¨ ber die Distanz D zu transportieren:
7.2 Dimensionslose Form der Differentialgleichungen
tDiff =
D2 . ν
229
(7.45)
Bildet man nun das Verh¨ altnis tDiff /tτ = (D2 /ν)/(ν/u2τ ), so erh¨alt die Diffusionszeit ausgedr¨ uckt als ein Vielfaches viskoser Zeiteinheiten:
2 2 DU0 uτ ν U02 cf Re2 d.h. es gilt f¨ ur das in Abb. 7.10 skizzierte Impulsdiffusionsproblem: tDiff D2 U 2 D2 u2τ = 2 02 u2τ = = tτ ν ν ν U0
tDiff = Re2 cf = Re2 (2 Eu) tτ
(7.46)
(7.47)
Diese Beziehung macht deutlich, dass sich die dimensionslosen Kennzahlen auch als Verh¨ altnisse von charakteristischen Zeiten verstehen lassen, z.B.: Re =
U0 D 1 D2 tDiff Diffusionszeit = = = ν (D/U0 ) ν tKonv Konvektionszeit
(7.48)
In analoger Weise erfolgt auch der molek¨ ulbedingte W¨armetransport, wie dies in Abb. 7.11 dargestellt ist: Danach ergibt sich f¨ ur die zeitliche Ausbildung des Temperaturprofils zwischen den Ebenen x2 = 0 und x2 = D 2 ∗ cp ρD2 ∂T ∗ 1 ∗∂ T = λ (7.49) (tDiff )T λ ∂t∗ ∂x∗2 2 und die Diffusionszeit ergibt sich somit f¨ ur das Temperaturausbreitungsproblem: D2 D2 (tDiff )T = = (7.50) λ a ρcp
wobei a die thermische Diffusionskonstante (Temperaturleitf¨ahigkeit) darstellt. Die obigen Darstellungen zeigen, dass die Impuls- und W¨armediffusionsprozesse in Fluiden analog erfolgen. F¨ ur die resultierenden Diffusionszeiten ergibt sich: D2
a (tDiff )T µcp ν = Pr = + D2 , = = (tDiff )u a λ ν
(7.51)
F¨ ur Prandtl-Zahlen gr¨ oßer 1 ist somit die resultierende lineare Temperaturverteilung zwischen den Platten bei x1 = 0 und x1 = H in Abb. 7.11 langsamer ausgebildet als die analoge lineare Geschwindigkeitsverteilung in Abb. 7.10. Umgekehrt ist f¨ ur Prandtl-Zahlen kleiner 1 die Vollendung des linearen Temperaturprofils schneller erreicht als die des Geschwindigkeitsprofils.
230
¨ 7 Ahnlichkeitstheorie
x 2
D T H
o b e re W a n d
M o le k u la re r W ä rm e tra n s p o rt D
t
u n te re W a n d
x 1
Abbildung 7.11: Betrachtungen des molek¨ ulbedingten W¨ armetransports in Fluidstr¨ omungen
7.3 Dimensionsanalyse und π−Theorem ¨ In den vorausgegangenen Abschnitten wurden Ahnlichkeitsbetrachtungen unter der Annahme durchgef¨ uhrt, dass die entsprechenden Transportglei¨ chungen bekannt sind. Damit waren Ahnlichkeitsbetrachtungen m¨oglich. Ein weiteres formelles Arbeitswerkzeug der in den vorangegangenen Abschnitten ¨ vielfach illustrierten Ahnlichkeitstheorie ist das der Dimensionsanalyse. Ihre besondere Bedeutung liegt darin, dass sie sich auch anwenden l¨asst, wenn die physikalischen Beziehungen zwischen Gr¨ oßen gar nicht bekannt sind. Die Dimensionsanalyse stellt sich dar als eine allgemein g¨ ultige Methode, um die Informationsstruktur in den Beziehungen zwischen physikalischen Gr¨oßen pr¨ azise und u ¨ bersichtlich zu erkennen. Dabei geht sie von der Gegebenheit aus, dass in der quantitativen Naturwissenschaft die Beschreibungsgr¨oßen, wie schon zuvor illustriert, mit Dimensionen behaftet sind und im Sinne dieser Dimensionen sich einteilen lassen in Grundgr¨oßen und abgeleitete Gr¨oßen. Im Rahmen der Str¨ omungsmechanik k¨onnte man L¨ange, Zeit und Masse als (dimensionale) Grundgr¨ oßen ansehen und etwa Fl¨ache, Volumen, Geschwindigkeit, Beschleunigung, Druck (oder Scherspannung), Energie, aber auch Dichte, (dynamische wie kinematische) Viskosit¨at im Bezug auf sie als abgeleitete Gr¨ oßen. Diese Einteilung hat zur wichtigen Folge, dass die Einheiten, in denen die Grundgr¨ oßen gemessen werden, unabh¨angig gew¨ ahlt werden k¨ onnen, die der abh¨ angigen Gr¨oßen jedoch durch diese Wahl festgelegt werden. So wird durch die Einheiten Meter (m), Sekunde (s), Kilogramm (kg) f¨ ur die Grundgr¨ oßen, die der angef¨ uhrten abgeleiteten Gr¨ oßen festgelegt auf: Fl¨ ache: Volumen: Geschwindigkeit:
m2 m3 m/s
7.3 Dimensionsanalyse und π−Theorem
Beschleunigung: Druck (oder Scherspannung): Energie: Dichte: dynamische Viskosit¨ at: kinematische Viskosit¨ at:
231
m/s2 kg/(m/s2 ) kg m2 /s2 kg/m3 kg/(m s) m2 /s
¨ Insbesondere wird dadurch die Regel festgelegt, nach der eine Anderung ¨ der Einheiten der Grundgr¨ oßen auch eine Anderung der Einheiten der abgeleiteten Gr¨ oßen nach sich zieht. Diese Regel bestimmt formell die Dimensionen der abgeleiteten Gr¨ oßen aus den Dimensionen L¨ange (L), Zeit (t), Masse (M ) der Grundgr¨ oßen. Die Dimensionen der oben angef¨ uhrten abgeleiteten Gr¨ oßen etwa sind: Fl¨ ache: Volumen: Geschwindigkeit: Beschleunigung: Druck (oder Scherspannung): Energie: Dichte: dynamische Viskosit¨ at: kinematische Viskosit¨ at:
L2 L3 Lt−1 Lt−2 M L−1 t−2 M L2 t−2 M L−3 M L−1 t−1 L2 t−1
Jede physikalische Gr¨ oße wird quantitativ charakterisiert durch ihre Einheit ¨ und den Zahlenwert bezogen auf diese Einheit. Andert man die Einheit um einen Faktor λ, so ¨ andert sich der Zahlenwert um den inversen Faktor λ−1 . Die vielfach an Beispielen dargestellten Abh¨angigkeitsbeziehungen zwischen physikalischen Gr¨ oßen beziehen sich auf ihre Zahlenwerte. Die der Dimensionsanalyse zugrunde liegende allgemein g¨ ultige Aussage ist, dass die Abh¨ angigkeitsbeziehungen zwischen physikalischen Gr¨ oßen dimensionshomogen sind, d.h. dass sie unabh¨ angig von der Wahl der Einheiten g¨ ultig sind. Etwas abge¨ andert l¨ asst sich dieser Sachverhalt auch ausdr¨ ucken: die Beziehungen sind invariant gegen¨ uber allen Einheiten¨anderungen, d.h. Skalen¨anderungen der Grundgr¨oßen, obwohl die einzelnen darin auftretenden Gr¨oßen durchaus einheiten-, d.h. skalenbehaftet sind. Die ganze Tragweite dieser Aussage erhellt sich durch eine Feststellung mathematischer Art: Die Menge aller Skalen¨ anderungen der Grundgr¨oßen erf¨ ullt die hier nicht n¨ aher zu beschreibenden Bedingungen des (mathematischen) Gruppenbegriffs. Dieser wird oft mit dem Begriff der Symmetrie assoziiert: die Elemente der Gruppe sind dabei Operationen auf einen bestimmten Gegenstand, die diesen Gegenstand nicht ¨andern. Wie etwa die Spiegelungen eines Kreises an einem seiner Durchmesser den Kreis unver¨andert (invariant) lassen, damit Symmetrie-Operationen des Kreises sind, so las-
232
¨ 7 Ahnlichkeitstheorie
sen sich alle Skalentransformationen der physikalischen Grundgr¨oßen, da sie Abh¨ angigkeitsbeziehungen nicht ¨ andern, als Symmetrie-Operationen dieser Beziehungen auffassen. Die formelle Aufgabe der Dimensionsanalyse ist es, diese Umst¨ ande in ihrer Konsquenz herauszuarbeiten. Inhaltlich lautet diese Konsequenz: Die skaleninvarianten Beziehungen zwischen skalenbehafteten physikalischen Gr¨ oßen lassen sich darstellen in der Form von Beziehungen zwischen skaleninvarianten Gr¨ oßen. Die unmittelbare Aufgabe der Dimensionsanalyse ist es, die Methodik zu entwickeln, um aus einer gegebenen Beziehung heraus die Anzahl und die Form der skaleninvarianten Gr¨ oßen, der sog. Kennzahlen, zu bestimmen, auf die diese Beziehung zur¨ uckgef¨ uhrt werden kann. Diese Aufgabe wird im π-Theorem zusammengefasst. Der tiefere Grund der Auseinandersetzung mit der Dimensionsanalyse, die sich in ihrem Kern im π-Theorem darstellt, liegt in dem daraus zu ziehenden Nutzen. Der praktische Nutzen der Dimensionsanalyse f¨ ur den Str¨ omungsmechaniker liegt in der M¨ oglichkeit der Maßstabs¨ ubertragung. Die Dimensionsanalyse hat ihren Ausgang in der Vielfalt der (passiven) Betrachtungen ein und derselben physikalischen Situation, gegeben durch die M¨ oglichkeiten der Skalenwahl der Einheiten und der Zahlenwerte der Grundgr¨ oßen. Weil jedoch in die physikalischen Abh¨angigkeitsbeziehungen wegen der Dimensionshomogenit¨ at nur die Zahlenwerte der physikalischen Gr¨ oßen eingehen, k¨ onnen deren Skalierungen von denen der Einheiten dieser Gr¨ oßen losgel¨ ost werden. Die Dimensionsanalyse kann deshalb auch als Skalierung der Zahlenwerte bei festen Einheiten, d.h. als Instrument einer (aktiven) Maßstabs¨ ubertragung betrachtet werden. Die Dimensionsanalyse sichert aber zu, dass physikalische Beziehungen stets auf Beziehungen zur¨ uckgef¨ uhrt werden, die nur dimensionslose Gr¨oßen (sog. Kennzahlen) umfassen. Stellt sich eine physikalische Beziehung als Differentialgleichung dar, so kann die in Abschnitt 7.2 illustrierte Methode Anwendung finden und durch Normierung der Gleichung ein Satz von Kennzahlen bestimmt werden. Liegt diese Gleichungsform der physikalischen Beziehung nicht vor, so ist auf das π-Theorem zur¨ uckzugreifen, um einen das physikalische Problem beschreibenden Satz von Kennzahlen zu bestimmen. Dieses Theorem macht eine Aussage u ¨ ber die Anzahl der Kennzahlen: Sie ist gleich der Variablenzahl minus dem Maximum der Variablenanzahl mit denen sich keine dimensionslose Kennzahl bilden l¨asst. Auch gibt das Theorem ein Rezept zur Konstruktion der Kennzahlen. Zu beiden Aspekten wird die sogenannte Dimensionsmatrix herangezogen, die sich aus den Gr¨oßen des Problems bilden l¨ asst. Durch diese Matrix ausgedr¨ uckt ist: Die Zahl der dimensionslosen Kennzahlen eines physikalischen Problems, f¨ ur das ein vollst¨ andiger Satz von dimensionsbehafteten Gr¨ oßen vorliegt, ist gleich der Gesamtzahl
7.3 Dimensionsanalyse und π−Theorem
233
der dimensionsbehafteten Gr¨ oßen minus der Zahl, die den Rang der Dimensionsmatrix angibt. Das Aufstellen der Dimensionsmatrix sei untenstehend f¨ ur einige typische Beispiele aufgezeigt. Dabei sei von folgenden (mechanischen) Basisgr¨oßen f¨ ur die Str¨ omungsmechanik ausgegangen: M = Masse [kg];
L = L¨ ange [m];
T = Zeit [s]
Dabei sind in [. . . ] die gew¨ ahlten Einheiten angegeben. Jede mechanische Gr¨ oße l¨ asst sich nun in ihrer Dimension auf die oben aufgef¨ uhrten Basisgr¨oßen Masse, L¨ ange und Zeit, zur¨ uckf¨ uhren, so dass gilt: [Q] = M α1 Lα2 T α3
(7.52)
H¨ angt ein mechanisches Problem von den Gr¨ oßen Q1 , Q2 , Q3 . . . Qk . . . Qn−1 , Qn ab, so gilt: [Qk ] = M α1k Lα2k T α3k (7.53) Damit l¨ asst sich f¨ ur dieses physikalische Problem folgende Dimensionsmatrix angeben: Q1 M α11 L α21 T α31
Q2 α12 α22 α32
Q3 α13 α23 α33
Qk Qn−2 α1k α1(n−2) α2k α2(n−2) α3k α3(n−2)
Qn−1 α1(n−1) α2(n−1) α3(n−1)
Qn α1n α2n α3n
Diese Matrix mit Rang r = 3 und n Einflussgr¨oßen ergibt die Anzahl von π−Zahlen: π = (n − r). Die unten aufgef¨ uhrten Beispiele sollen diesen Sachverhalt erl¨ autern und auch helfen, dem Leser eine Einf¨ uhrung in die Anwendung der Dimensionsanalyse zu geben. Beispiel 1: Ausfluss aus einem Gef¨ aß
Ñ h
r , g , m A
m
Die Gesamtzahl der das Problem bestimmenden Gr¨oßen lautet Q1 Q2 Q3 Q4 Q5 Q6 m ˙ ρ g h A µ
n = 6 Einflussgr¨ oßen, d.h. m ˙ = f (ρ, g, h, A, µ) Mit der obigen Festlegung von den f¨ ur den Ausfluss aus einem Gef¨aß relevanten Gr¨ oßen l¨ asst sich folgende Dimensionsmatrix aufstellen:
234
¨ 7 Ahnlichkeitstheorie
m ˙ A g ρ h M 1 0 0 1 0 L 0 2 1 -3 1 T -1 0 -2 0 0
µ 1 -1 -1
Aus den nachfolgenden Betrachtungen mit Rang r = 3 ergeben sich folgende dimensionslose Kennzahlen. W¨ ahlt man als erste Bestimmungsvariable m, ˙ so erh¨ alt man: α [µ]β = (M T −1 )(Lα )(M β L−β T −β ) = M 0 L0 T 0 [m][h] ˙
(7.54)
d.h. (1 + β) = 0; (−1 − β) = 0; α − β = 0 oder aber β = −1 und α = β ; und somit gilt:
π1 =
m ˙ hµ
(7.55)
W¨ ahlt man als zweite Bestimmungsvariable A, so erh¨alt man: [A][h]α = (L2 )(h)α = M 0 L0 T 0
d.h. (2 + α) = 0 ; α = −2 ; und somit gilt:
(7.56)
π2 =
A h2
(7.57)
W¨ ahlt man als dritte Bestimmungsvariable g, so l¨asst sich angeben: [g][h]α [µ]β [ρ]γ = 1
(7.58)
d.h. (β + γ) = 0; 1 + α − β − 3γ = 0; −2 − β = 0. Damit erh¨ alt man: α = 3; β = −2; γ = 2 ; und somit gilt:
π3 =
gh3 ν2
(7.59)
kg m · s 1 m ˙ = = Re (π1 , ist die Re-Zahl des Problems) hµ s kg m (7.60) 1 2 1 A π2 = 2 = m2 (7.61) h m2 gh3 π3 = 2 damit ist darstellbar: π1 = f (π2 , π3 ) (7.62) ν π1 =
Damit l¨ asst sich eine allgemeine Darstellung von Messergebnissen f¨ ur m ˙ = f (ρ, g, h, A, µ) dadurch erreichen, dass man π1 auftr¨agt und π2 , π3 als Parameter w¨ ahlt.
7.3 Dimensionsanalyse und π−Theorem
235
Beispiel 2: Str¨ omung durch rauhe Rohre
U
~
e
r ,m D
x
Anzahl der Variablen
d P d x
Q1 Q2 Q3 Q4 Q5 Q6 ˜ D ρ µ dP/dx U
Dabei stellt die Rohrrauhigkeit dar. Die zur Darstellung des Problems der Str¨ omung durch rauhe Rohre relevanten Parameter wurden obenstehend festgelegt. Damit l¨asst sich die Dimensionsmatrix bestimmen: ˜ dP/dx U M 0 0 1 L 1 1 -2 T -1 0 -2
D 0 1 0
ρ µ 1 1 -3 -1 r=3 und n=6 0 -1
˜ , so erh¨alt man W¨ ahlt man als erste Bestimmungsvariable U ˜ ] [D] [ρ] [µ] = (LT −1 )(Lα )(M β L−3β )(M γ L−γ T −γ ) = M 0 L0 T 0 (7.63) [U α
β
γ
d.h. (β + γ) = 0; (1 + α − 3β − γ) = 0; (−1 − γ) = 0 Damit erh¨ alt man: γ = −1; β = 1; α = 1; und somit gilt: π1 =
˜ Dρ U µ
(7.64)
W¨ ahlt man als zweite Bestimmungskonstante dP/dx, so l¨asst sich angeben: + + , ,+ , dP α β γ [D] [ρ] [µ] = M T −2 L−1 (L∞ ) M β L−3β M γ L−γ T −γ (7.65) dx d.h. es gilt: 1 + β + γ = 0; −2 + α − 3β − γ = 0; −2 − γ = 0; Somit l¨ asst sich errechnen: α = 3; β = 1; γ = −2; π2 =
;
(dP/dx)D3 ρ µ2
(7.66)
W¨ ahlt man als dritte Bestimmungsvariable , so ergibt sich: [] [D] [ρ] [µ] = (Lα )(M β L−3β )(M γ L−γ T −γ )(L) = 0 α
β
γ
(7.67)
236
¨ 7 Ahnlichkeitstheorie
d.h. es gilt: (α − 3β − γ + 1) = 0; β + γ = 0; (−γ) = 0 Somit ergibt sich: γ = 0; β = 0; α = −1; ; π3 =
D
(7.68)
kg ms U Dρ m π1 = = [m] (7.69) = Re ist die Re-Zahl des µ s m3 kg Problems dP D3 ρ dx π2 = = Druckabfallzahl (7.70) µ2 1 = [m] π3 = = Relative Rauhigkeit“ π2 = f (π1 , π3 ) (7.71) ” D m Es kann aber durchaus, anstatt der Kennzahl π2 das Produkt D3 ρ dP D dP µ2 π2 dx dx = · = ˜ 2 ρ2 ˜2 π12 µ2 D2 U ρU verwendet werden, wie dies in Abb. 7.2 pr¨ asentiert wurde. Beispiel 3: Pumpleistung f¨ ur ein inkompressibles Fluid Q1 Q2 Q3 Q4 Q5 Q6 Q7 Q8 PE η gH ρ ω D V˙ µ Da die elektrische Pumpleistung von besonderem Interesse ist, wurde sie in die Liste der relevanten Parameter mit aufgenommen. Somit l¨asst sich die Dimensionsmatrix wie folgt aufstellen. PE M 1 L 2 T -3
η 0 0 0
gH 0 2 -2
ρ ω D 1 0 0 -3 0 1 0 -1 0
V˙ µ 0 1 3 -1 r=3 und n=8 -1 -1
Eine konsequente Anwendung der in den Beispielen 1 und 2 angedeuteten Methode f¨ uhrt zu den Kennzahlen:
π1 =
PE ; ρω 3 D5
π2 = η;
π3 =
gH ; ω 2 D2
π4 =
V˙ ; ωD3
π5 =
ρωD2 µ (7.72)
7.4 Symmetrie von Differentialgleichungen
237
Die f¨ ur eine Pumpe wichtigen zu ermittelnden Gr¨oßen, wie Leistung PE , Wirkungsgrad η und F¨ orderh¨ ohe gH , lassen sich u ¨ ber folgende Kennzahlen darstellen: * ) ρωD2 PE V˙ = π1 = f1 ; (7.73) 3 5 3 ρω D ωD µ * ) V˙ ρωD2 η = f2 = π2 ; (7.74) ωD3 µ * ) gH V˙ ρωD2 = π3 = ; (7.75) ω 2 D2 ωD3 µ Diese Kennzahlen sind von den verbliebenen Kennzahlen π4 und π5 abh¨angig. Aus Experimenten ist jedoch bekannt, dass die Abh¨angigkeit der normierten Pumpeneigenschaften nicht von π5 = (ρωD2 )/µ abh¨angt oder die Abh¨angigkeit nur sehr gering ist. Damit kann endg¨ ultig angegeben werden: ) * ) * ) * V˙ V˙ V˙ PE gH ; η = f2 ; (7.76) = f1 = f3 ρω 3 D5 ωD3 ωD3 ω 2 D2 ωD3 Die experimentellen Ergebnisse von Pumpenuntersuchungen werden auch u ¨ blicherweise wie oben angegeben aufgetragen, in Diagrammen mit V˙ /(ωD3 ) als Abszisse.
7.4 Symmetrie von Differentialgleichungen ¨ Die Ahnlichkeitstheorie umfasst auch andere Formen der Symmetrieanalyse, neben der Dimensionsanalyse. Hier sei auf ein solches weiteres Gebiet ¨ der Ahnlichkeitstheorie eingegangen, das in der Str¨omungsmechanik Anwendung findet, n¨ amlich auf die Symmetriebetrachtungen der Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik. Diese Gleichungen sind erwartungsgem¨aß dimensionshomogen, erf¨ ullen also den Bestand einer Symmetrie in dem durch die Dimensionsanalyse gegebenen Rahmen. F¨ ur eine Str¨omungssituation ist aber die Frage gestattet, ob diese Gleichungen nicht eine reichere (gr¨oßere) Symmetrie zulassen, als es die Dimensionsanalyse zusichert. Um darauf eine Antwort zu geben, ist folgendes zu kl¨aren: 1. Der Begriff der Symmetrie(gruppe), auf den im Rahmen der Dimensionsanalyse nicht ausdr¨ ucklich und n¨ aher eingegangen werden musste, ist zu pr¨ azisieren. 2. Es ist ein (rechnerisches) Werkzeug bereitzustellen, mit dessen Hilfe zu erkennen ist, ob die Grundgleichungen in einer gegebenen Situation eine Symmetrie in dem pr¨ azisierten Sinne zulassen.
238
¨ 7 Ahnlichkeitstheorie
3. Es sind (rechnerische) Werkzeuge bereitzustellen, um ggf. die L¨osungen der Grundgleichungen zu finden, die eine solche Symmetrie der Gleichung ¨ u osungen sind Ahnlichkeitsl¨ osungen im Sinne dieser ¨ bernehmen. Solche L¨ Symmetrie. Im engeren Sinne werden jene L¨osungen der Grundgleichun¨ gen Ahnlichkeitsl¨ osungen genannt, die Skalensymmetrien dieser Gleichungen u ¨ bernehmen. ¨ Die obigen Betrachtungen deuten an, dass die Ahnlichkeitstheorie das Auffinden von Symmetrien der Grundgleichungen und der ihnen entsprechenden L¨ osungen zum Ziel hat. Die physikalische Interpretation dieser L¨osungen ist eine nachtr¨ aglich zu l¨ osende Aufgabe. ¨ Die Ahnlichkeitstheorie, die sich im Rahmen einer Symmetrie-Analyse der Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik darstellt, liefert nicht nur ausgezeichnete L¨ osungen der Str¨ omungsgleichungen. Sie bringt mit dem Symme¨ triebegriff auch einen Uberblick und Sicherheit in den Sprachgebrauch, etwa bei der Charakterisierung von vollentwickelten Str¨omungen. Dies soll in der Folge n¨ aher erl¨ autert werden. Der Begriff der Symmetrie ist an den mathematischen Begriff der Gruppe gebunden. Als Gruppe wird eine Menge (von Elementen) betrachtet, die ein sog. Kompositionsgesetz besitzt, nach dem jedem Paar von Elementen (unter Ber¨ ucksichtigung der Reihenfolge) wieder ein Element zugeordnet wird. Die Gruppe besitzt ein neutrales Element, dessen Komposition mit jedem Element dieses unver¨ andert l¨ asst. Jedes Element besitzt ein Inverses, mit der Eigenschaft, dass Komposition eines Elemente mit seinem Inversen das neutrale Element ergibt. Die Gruppen (Gh, 0), “G”= Menge und “0” = Verkn¨ upfung besitzen weitere Eigenschaften, die untenstehend gegeben sind: – – – – –
∀a, b ∈ G : a ◦ b = b ◦ a (Kommutative Gruppe) ∀a, b ∈ G : a ◦ b ∈ G (Abgeschlossenheit) ∃ a ∈ G zu jedem a ∈ G mit a ◦ a = e (Inverses Element) ∃ e ∈ G mit : a ◦ e = a; a ∈ G (Neutrales Element) ∀a, b, c ∈ G : a ◦ (b ◦ c) = (a ◦ b) ◦ c (Assoziativit¨at)
Gruppen treten oft als Transformationsgruppen auf, d.h. als Wirkungen auf geometrische Objekte. Drei einfache Beispiele m¨ogen dies illustrieren: Translationsgruppe: Der Wirkungsraum R sei die reelle Achse. Die Gruppe G sei die Gesamtheit der (konstanten) Verschiebungen a (−∞ < a < +∞) Ta : x → x + a
(7.77)
7.4 Symmetrie von Differentialgleichungen
239
der Punkte (Vektoren) x (−∞ < x < +∞) auf der Achse. Das Kompositionsgesetz (a1 , a2 ) zweier Verschiebungen a1 und a2 ergibt sich aus der aufeinander folgenden Anwendung der Formel (7.77) f¨ ur a1 und a2 : Ta1 : x → x + a1
Ta2 : (x + a1 ) → (x + a1 ) + a2 = x + a1 + a2 (7.78)
als (a1 , a2 ) = a1 + a2 ,
(7.79)
woraus auch ersichtlich ist, dass es hier nicht auf die Reihenfolge ankommt: (a1 , a2 ) = (a2 , a1 ). Diese letzte Eigenschaft charakterisiert sog. kommutative oder Abelsche Gruppen. Das neutrale Element der Translationsgruppe ist durch die Verschiebung Null gegeben: (a, 0) = (0, a) = a, und das Inverse zu einem Element a ist durch −a gegeben: (a, −a) = (−a, a) = 0. Es sei nun eine (glatte) Funktion f (x) auf der ganzen Achse −∞ < x < +∞ definiert. Diese Funktion ist invariant gegen¨ uber den Translationen (7.77) der Gruppe, wenn f¨ ur alle Werte von x (−∞ < x < +∞) und a(−∞ < a < +∞) gilt: f (x + a) = f (x) . (7.80) Dies kann nur f¨ ur konstante Funktionen, f (x) = const., die nicht von x abh¨ angen, erf¨ ullt werden. Die Wirkung f (x) → f (x + a) einer Verschiebung a auf die Funktion f (x) kann mit Hilfe der Taylor-Reihenentwicklung gezeigt werden. f (x + a) = f (x) + a
a2 d2 f an dn f df + + ···+ + ··· 2 dx 2! dx n! dxn
Damit stellt sich die Invarianzbedingung (7.80) dar als df a d2 f an−1 dn f + + ··· + + ··· = 0 a dx 2! dx2 n! dxn
(7.81)
(7.82)
bzw., wegen a = 0, als a d2 f an−1 dn f df + + ···+ + ··· = 0 2 dx 2! dx n! dxn
(7.83)
Nach dem Grenz¨ ubergang a → 0 bleibt daraus df =0 dx
(7.84)
als ’infinitesimale’ Ausdrucksweise der Translationsinvarianz von f (x) u ¨brig. Um mit diesen Begriffen zur Str¨ omungsmechanik zur¨ uckzukehren, soll allgemein eine ’vollentwickelte’ Str¨ omung in einem geraden Rohr betrachtet werden. Zuerst sei diese ’vollentwickelte’ Str¨ omung im Sinne des Symmetriebegriffes erl¨ autert: Das gerade Rohr hat eine (gerade) Achse, die man
240
¨ 7 Ahnlichkeitstheorie
als eine der Achsen (etwa die x3 -Achse) eines rechtwinkligen Koordinatensystems ansehen kann. Damit kann man von Verschiebungen (Translationen) in Richtung dieser Achse sprechen, sowie von einer Translationsgruppe. Deshalb kann man umformulieren: Die vollentwickelte Str¨omung im 1 , x2 , x3 ) geraden Rohr ist eine Str¨ omung, deren Geschwindigkeitsfeld U(x uber den = (U1 (x1 , x2 , x3 ), U2 (x1 , x2 , x3 ), U3 (x1 , x2 , x3 )) invariant ist gegen¨ Translationen in Richtung der Rohrachse. Dies legt zuerst dem Str¨ omungsgebiet selbst die Bedingung der Invarianz gegen¨ uber diesen Translationen auf: Alle Rohrquerschitte gehen durch Verschieben in Richtung der Achse ineinander u ¨ ber und sind deshalb gleich. Dann folgt aus (7.84), dass das Geschwindigkeitsfeld nur mehr von den Querkoordi =U (x1 , x2 ) = U1 (x1 , x2 ), U2 (x1 , x2 ), U3 (x1 , x2 ). angt: U naten x1 und x2 abh¨ Lassen die Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik dies u ¨berhaupt zu? Die Anwendung der Operation (7.84), bezogen auf die Koordinate x3 , auf die Gleichungen ergibt als Bedingung daf¨ ur ∂ ∂P = 0, ∂x3 ∂xj
(j = 1, 2, 3) .
(7.85)
Aus der Gleichung f¨ ur j = 3 folgt zun¨ achst der Ausdruck P (x1 , x2 , x3 ) = C(x1 , x2 )x3 + p(x1 , x2 )
(7.86)
f¨ ur den Druck P (x1 , x2 , x3 ), wobei C(x1 , x2 ) und p(x1 , x2 ) zwei noch unbestimmte Funktionen sind. Die Gleichungen f¨ ur j = 2 und j = 3 ergeben ∂C = 0 und ∂x1
∂C = 0. ∂x2
(7.87)
Deshalb ist die Funktion C(x1 , x2 ) eine Konstante und der Druckverlauf der vollentwickelten Str¨ omung“ ” (7.88) P (x1 , x2 , x3 ) = C x3 + p(x1 , x2 ) . Der axiale Druckabfall in einer ’vollentwickelten’ Rohrstr¨omung ist also u ¨ ber den Rohrquerschnitt konstant. Allerdings ist ein Druckgef¨alle u ¨ber den Rohrquerschnitt m¨ oglich. Dies gilt ohne n¨ ahere Angabe u ¨ber die Querschnittsform des Rohres und ohne n¨ ahere Angaben u ¨ ber die Str¨omung. Damit sei zu einem weiteren Beispiel einer Symmetriegruppe zur¨ uckgekehrt, zu der Drehgruppe (Rotationsgruppe) der Ebene, die im 3dimensionalen Raum der axialen Symmetrie zugeordnet ist: Es sei die mit den rechtwinkeligen Koordinaten (x1 , x2 ) beschriebene Ebene betrachtet. Wird die Ebene um einen Winkel φ gedreht, so wird dadurch ein Punkt (x1 , x2 ) u uhrt in den Punkt (x1 , x2 ) der Koordinaten ¨ bergef¨ x1 =
x1 cos φ + x2 sin φ ,
x2 = −x1 sin φ + x2 cos φ .
(7.89)
7.4 Symmetrie von Differentialgleichungen
241
Die Werte der Winkel liegen im Intervall −π ≤ φ ≤ π (wobei die Drehungen um φ = π und um φ = −π identifiziert werden). Der Rotation (7.89) kann die Matrix cos φ sin φ R(φ) = (7.90) − sin φ cos φ zugeordnet werden. Wird zuerst eine Rotation um einen Winkel φ1 und darauf eine Rotation um einen Winkel φ2 durchgef¨ uhrt so entspricht dieser Komposition das Produkt R(φ2 )R(φ1 ) der entsprechenden Matrizen: cos(φ1 + φ2 ) sin(φ1 + φ2 ) (7.91) (= R(φ2 + φ1 )) . − sin(φ1 + φ2 ) cos(φ1 + φ2 ) Da R(φ2 + φ1 ) = R(φ1 + φ2 ) gilt, die Reihenfolge der Operationen im Kompositionsgesetz nicht von Belang ist, ist auch diese Gruppe kommutativ. Dem neutralen Element entspricht die Drehung um den Winkel Null (φ = 0); ihm ist die Einheitsmatrix zugeordnet: 10 R(0) = . (7.92) 01 Die Inverse einer Drehung um φ ist die Drehung um −φ, die zugeordnete Matrix ist cos φ − sin φ (7.93) (= R−1 (φ) = R(−φ)) . sin φ cos φ Es sei nun eine (glatte) Funktion f (x1 , x2 ) in der Ebene (x1 , x2 ). Diese Funktion ist invariant gegen¨ uber den Rotationen (7.90) der Gruppe, wenn f¨ ur alle −π ≤ φ ≤ π und alle Punke x1 , x2 der Ebene gilt: f (cos φx1 + sin φx2 , − sin φx1 + cos φx2 ) = f (x1 , x2 ) .
(7.94)
Diese Beziehung sagt aus, dass die Funktion f (x1 , x2 ) in allen Punkten (x1 , x2 ), auf die sich der Punkt (x1 , x2 ) durch eine Rotation R(φ) abbildet, den gleichen Wert haben muss. Die Menge aller Punkte {x1 , x2 }−π≤φ≤π bilden einen Kreis mit Zentrum im Ursprung des Koordinatensystems, der durch den Punkt (x1 , x2 ) geht. Die Funktion f (x1 , x2 ) hat also konstante Werte auf allen konzentrischen Kreisen um den Koordinatenursprung; ihre Werte h¨ angen nur von den Radien (x21 + x22 )1/2 der Kreise ab: f (x1 , x2 ) = F (x21 + x22 )
(7.95)
Es sei nun wieder danach gefragt, wie sich die Rotationsinvarianz einer Funktion f (x1 , x2 ) im ’Kleinen, Infinitesimalen’ erkennen l¨asst. Dazu sei, in Anlehnung an das vorherige Beispiel, die Taylor-Entwicklung der Funktion f (cos φx1 + sin φx2 , − sin φx1 + cos φx2 ) = f (x1 , x2 ) in (7.94) f¨ ur kleine Winkel φ durchgef¨ uhrt und weiter in gleicher Weise vorgegangen. Das Ergebnis uckt sich aus in der Bedingung ist: die Rotationsinvarianz von f (x1 , x2 ) dr¨
242
¨ 7 Ahnlichkeitstheorie
x2
∂f ∂f − x1 = 0, ∂x1 ∂x2
(7.96)
der Erf¨ ullung einer linearen partiellen Differentialgeichung erster Ordnung. Die L¨ osung dieser Gleichung wird u osung des Differentialsystems ¨ ber die L¨ dx1 dx2 =− x2 x1
(7.97)
x1 dx1 + x2 dx2 = 0 ,
(7.98)
x21 + x22 = const. ,
(7.99)
f (x1 , x2 ) = F (x21 + x22 ),
(7.100)
bzw. u osung von ¨ ber die L¨
die offensichtlich ist, erhalten als wie nach der obigen Argumentation ja erwartet, wobei F eine nicht n¨aher spezifizierte Funktion einer Variablen ist. Die zwei Beispiele belegen eine allgemeine Situation: Ein kontinuierlicher Symmetrie-Parameter in einer Gruppe reduziert die Anzahl der Argumente der gegen¨ uber der (diesem Parameter) entsprechenden Symmetriegruppe invarianten Funktionen um eines. Die Invarianzeigenschaft (7.94) bezieht sich auf eine Gr¨oße, die sich gegen¨ uber den Drehungen in der (x1 , x2 )-Ebene wie ein Skalar verh¨alt. Dies der Fluidschließt den Druck P und auch die Komponente U3 des Vektors U geschwindigkeit in einer Str¨ omung ein. Es gilt also f¨ ur diese Gr¨ oßen bei axialsymmetrischen Str¨omungen um die x3 -Achse: P (x1 , x2 , x3 ) = Q(x21 + x22 , x3 ), (7.101) U3 (x1 , x2 , x3 ) = H(x21 + x22 , x3 ) ,
(7.102)
mit unbestimmten Funktionen Q und H. Die geometrische Voraussetzung f¨ ur eine axialsymmetrische Str¨ omung ist nat¨ urlich, dass als Querschnitte des Str¨ omungsgebietes senkrecht zur x3 -Achse konzentrische Kreise um diese Achse sind, deren Radien sich aber noch durchaus mit der x3 -Koordinate a onnen. ¨ndern k¨ Es stellt sich nat¨ urlich auch die Frage, wie sich die axiale Symmetrie der Str¨ omung auf die in der (x1 , x2 )-Ebene liegenden Komponenten U1 und U2 der Fluidgeschwindigkeit auswirkt. Auf sie wirkt sich aus, dass des Vektors U sind. sie Komponenten des Vektors U = Die Bedingung der axialen Rotationssymmetrie des Vektors U uber den Drehungen (U1 , U2 , U3 ), d.h. seiner Invarianz gegen¨
7.4 Symmetrie von Differentialgleichungen
cos φ x1 x2 = sin φ x3 0
− sin φ cos φ 0
243
0 x1 0 x2 x3 1
kurz: xi = Rij xj
(7.103)
stellt sich dar als Ui (x1 , x2 , x3 ) = Rij Uj (x1 , x2 , x3 ) .
(7.104)
Auf infinitesimale Drehungen bezogen ergeben sich daraus die Differentialgleichungen ∂U1 ∂U1 − x1 = U2 , x2 ∂x1 ∂x2 x2
∂U2 ∂U2 − x1 = −U1 , ∂x1 ∂x2
(7.105)
∂U3 ∂U3 − x1 = 0. ∂x1 ∂x2 Die letzte dieser Gleichungen best¨ atigt das ’skalare’ Verhalten von U3 bei diesen Drehungen und die Form (7.102) dieser Komponente. Die L¨osungen der zwei ersten dieser Gleichungen ergeben die Form der Komponenten U1 und U2 des axialsymmetrischen Geschwindigkeitsfeldes: x2
U1 (x1 , x2 , x3 ) = x1 F (x21 + x22 , x3 ) + x2 G(x21 + x22 , x3 ) (7.106) U2 (x1 , x2 , x3 ) = x2 F (x21 + x22 , x3 ) − x1 G(x21 + x22 , x3 ) Jetzt kann man auch einen Schritt weitergehen und nach dem Geschwindigkeits- und Druckfeld einer Str¨ omung fragen, die sowohl vollentwickelt (translationsinvariant) ist in x3 -Richtung als auch axialsymmetrisch (rotationsinvariant) gegen¨ uber der x3 -Achse. Das Str¨omungsgebiet dazu ist ein gerades rundes Rohr von konstantem Querschnitt. Aus den zwei Symmetriebedingungen ergibt sich U1 (x1 , x2 , x3 ) = x1 F (x21 + x22 ) + x2 G(x21 + x22 ) U2 (x1 , x2 , x3 ) = x2 F (x21 + x22 ) − x1 G(x21 + x22 ) U3 (x1 , x2 , x3 ) =
H(x21
+
(7.107)
x22 )
und P (x1 , x2 , x3 ) = Cx3 + p(x21 + x22 ) .
(7.108)
Aus (7.108) ergeben sich der lineare Druckabfall in axialer Richtung und die konzentrischen Isobaren im Rohrquerschnitt. Es sei jetzt aber noch eine Frage nachgeschoben, n¨amlich: Kann das Geschwindigkeitsfeld (7.107) einem inkompressiblen Fluid zugeordnet werden?
244
¨ 7 Ahnlichkeitstheorie
Zur Beantwortung werde seine Divergenz ausgerechnet: ∂Ui = 2F − 2(x21 + x22 )F . ∂xi
(7.109)
Diese verschwindet, wenn F =
Q 1 , 2π x21 + x22
(7.110)
mit einer Konstanten Q. Das dieser Funktion entsprechende Geschwindigkeitsfeld entspricht einer vollentwickelten radialen Str¨omung mit der x3 -Achse als Quelle, von einem Volumenstrom Q pro L¨angeneinheit des Rohres. F¨ ur eine quellfreie vollentwickelte axialsymmetrische Str¨omung eines inkompressiblen Fluides (Q = 0) ergibt sich als Form des Geschwindigkeitsfeldes U1 (x1 , x2 , x3 ) = +x2 G(x21 + x22 ) U2 (x1 , x2 , x3 ) = −x1 G(x21 + x22 )
(7.111)
U3 (x1 , x2 , x3 ) = H(x21 + x22 ) . Durch Einsetzen der Formen (7.108) und (7.111) in die Impulsgleichungen (j = 1, 2, 3) ergeben sich drei gew¨ohnliche Differentialgleichungen f¨ ur die Funktionen G, H, P , die von einer einzigen Variablen abh¨angen. Durch eine 2-parametrige Symmetrie ist hier, als Illustration des allgemeinen Sachverhalts der Reduzierung der Variablen um eine Einheit durch jeden (kontinuierlichen) Symmetrieparameter, f¨ ur vollentwickelte axialsymmetrische Str¨omungen (inkompressibler Fluide) die L¨ osung der urspr¨ unglichen partiellen Differentiagleichungen f¨ ur Funktionen von drei Variablen auf die L¨osung von Differentialgleichungen f¨ ur Funktionen einer einzigen Variablen zur¨ uckgef¨ uhrt worden. Dies ist an die Existenz einer (kontinuierlichen) Symmetrie gebunden, nicht an eine bestimmte Form der Symmetrie. Zuletzt sei noch eine dritte Form der Symmetrie zur Illustration herangezogen, die der Dilatation oder der Skalentransformation. Es sei in einem (abstrakten) n-dimensionalen Raum der Koordinaten x1 , . . . , xn die Skalentransformation x1 → λ1 x1 ............. (7.112) xn → λ1 xn definiert. Dieser ist die (Diagonal-)Matrix λ1 0 0 . . . 0 0 0 λ2 0 . . . 0 0 D(λ1 , . . . , λn ) = ............... 0 0 0 . . . 0 λn
(7.113)
7.4 Symmetrie von Differentialgleichungen
245
zugeordnet. Die Skalentransformationen bilden eine n-parametrige kontinuierliche Gruppe, wobei das Kompositionsgesetz der Multiplikation der Matrizen D entspricht. Das neutrale Element der Gruppe entspricht der Einheitsmatrix D(1, . . . , 1). Das zu D(λ1 , . . . , λn ) inverse Element entspricht −1 D(λ−1 1 , . . . , λn ). Die Untersuchung der gegen¨ uber den Skalentransformationen der Dimensionsanalyse invarianten Funktionen f¨ uhrt auf das π-Theorem und ordnet die Dimensionsanalyse in die Symmetrieanalyse ein. Die Durchf¨ uhrung ist recht aufwendig und soll deshalb in der Allgemeinheit hier unterlassen werden. Zur Illustration soll aber die einparametrige Gruppe der Skalentransformationen im 1-dimensionalen Raum: x → λx veranschaulicht werden. Es sei dazu eine Funktion von m Variablen: f (y1 , . . . , ym ) betrachtet, mit der Voraussetzung, dass die Skalentransformation von x auch Skalentransformationen der Argumente dieser Funktion induziert: y1 → λp1 y1 ................ ym → λpm ym .
(7.114)
Es sei nun wieder gefragt, welche Konsequenz f¨ ur die Funktion f (y1 , . . . , ym ) eine Invarianz gegen¨ uber den Skalentransformationen (7.114) ihrer Argumente hat. In Anwendung des in Verbindung mit den vorangegangenen Beispielen beschriebenen allgemeinen Sachverhaltes ist bei der 1-parametrigen Symmetrie zu erwarten, dass die Funktion f infolge ihrer Invarianz f (λp1 y1 , . . . , λpm ym ) = f (y1 , . . . , ym )
(7.115)
nur von m − 1 Argumenten abh¨ angt. Die Bedingung (7.115) im ’Infinitesimalen’ dargestellt ergibt die partielle Differentialgleichung ∂f ∂f + . . . pm y m =0 ∂y1 ∂ym mit dem assoziierten Differentialsystem p1 y 1
dy1 dym = ··· = , p1 y 1 pm y m
(7.116)
(7.117)
und seiner L¨ osung
p1 y2p1 ym = c , . . . , = cm−1 . (7.118) 1 y1p2 y1pm Daraus ergibt sich in Beantwortung der Fragestellung die allgemeine Form der gegen¨ uber der Skalentransformation (7.114) invarianten Funktion f (y1 , . . . , ym ) als p1 p1 y2 ym , . . . , (7.119) f (y1 , . . . , ym ) = F y1p2 y1pm
Der Bezug zum π-Theorem wird hier bereits deutlich und soll nicht weiter verfolgt werden.
246
¨ 7 Ahnlichkeitstheorie
7.5 Literaturverzeichnis ¨ 7.1 Zierep J (1991) Ahnlichkeitsgesetze und Modellregeln der Str¨omungslehre. Braun Verlag, Karlsruhe, 3. u ¨ berarb. Auflage 7.2 Zlokarnik M (1991) Dimensional Analysis and Scale-Up in Chemical Engineering, Springer Verlag, Berlin 7.3 Spurk JH (1992) Dimensionsanalyse in der Str¨omungslehre. Springer Verlag, Berlin 7.4 Hutter K (1995) Fluid- und Thermodynamik: Eine Einf¨ uhrung. Springer Verlag, Berlin
8 Integralformen der Grundgleichungen
In Kapitel 5 wurden die Grundgleichungen der Str¨omungsmechanik in einer f¨ ur alle Str¨ omungsprobleme geltenden Form abgeleitet. Um eine allgemeing¨ ultige Form der Gleichungen zu erhalten, die f¨ ur alle Str¨omungen g¨ ultig ist, wurden diese als Differentialgleichungen f¨ ur Feldgr¨oßen formuliert. Sie stellen lokale Formulierungen der Massen-, Impuls- und Energieerhaltung dar. Wendet man diese Gleichungen auf spezielle Str¨omungsprobleme an, so ist es vorteilhaft und oftmals geradezu erforderlich, die Integralformen der Gleichungen abzuleiten und anzuwenden. Diese leiten sich u ¨ber die in Kapitel 5 f¨ ur Raumpunkte angegebenen, d.h. lokal formulierten, pro Volumeneinheit geltenden Grundgleichungen durch Integration u ¨ ber vorgegebene Kon” trollvolumina“ ab. In den vorliegenden Kapiteln erfolgen diese Ableitungen gesondert f¨ ur die Kontinuit¨ atsgleichung, die Impulsgleichung in j−Richtung und die mechanischen und kalorischen (thermischen) Formen der Energiegleichung. In den nachfolgenden Kapiteln erfolgen dann beispielhafte Anwendungen, um die Applikationen der abgeleiteten Integralformen der str¨omungsmechanischen Grundgleichungen zu verdeutlichen. Es soll so aufgezeigt werden, wie es m¨ oglich ist, str¨ omungsmechanische Probleme zu l¨osen, die eine gewisse Ingenieurbedeutung haben. Da in diesem Buch nur eine Einf¨ uhrung in die L¨ osungen von Problemen vorgesehen ist, werden im L¨osungsverlauf vereinfachende Annahmen getroffen, auf die hingewiesen wird, um sicherzustellen, dass dem Leser die G¨ ultigkeitsgrenzen der abgeleiteten Ergebnisse bewusst sind. Basierend auf den beispielhaften Anwendungen, sollten eigenst¨andige L¨ osungen weiterf¨ uhrender Aufgabenstellungen m¨oglich werden. Je nach Fragestellung kann dabei die Integralform der Impuls- oder mechanischen Energiegleichung zur Anwendung kommen.
8.1 Integralform der Kontinuit¨ atsgleichung In Abschnitt 5.2 wurde die Kontinuit¨ atsgleichung, d.h. die Massenerhaltungsgleichung, in lokaler Formulierung, ausgedr¨ uckt in Feldvariablen, siehe Gleichung (5.17), wie folgt angegeben:
248
8 Integralformen der Grundgleichungen
∂ρ ∂(ρUi ) + = 0. ∂t ∂xi
(8.1)
& Wendet man auf die Gleichung (8.1) den Integraloperator V () dV an, d. K h. integriert man diese Gleichung u ¨ ber ein vorgegebenes Kontrollvolumen V = VK , so erh¨ alt man: " " ∂ρ ∂(ρUi ) dV = 0. (8.2) dV + ∂t ∂xi VK
VK
Dabei stellt VK ein beliebiges Kontrollvolumen dar, das zur L¨osung von Str¨ omungsproblemen so zu w¨ ahlen ist, dass einfache L¨osungswege f¨ ur sich stellende Str¨ omungsprobleme gefunden werden. Ber¨ ucksichtigt man, dass die auf (∂ρ/∂t) angewandte Integration und die f¨ ur ρ ausgef¨ uhrte partielle Differentiation in beliebiger Sequenz ausgef¨ uhrt werden k¨ onnen, so erh¨ alt man: ∂ ∂t
(
" ρ dV
)+
VK
"
∂(ρUi ) ∂xi
dV = 0.
(8.3)
VK
Wendet man nun auf den zweiten Term der obigen Gleichung den Gaußschen Integralsatz an, siehe Abschnitt 2.9, so ergibt sich: ∂ ∂t
(
" ρ dV
)+
VK
" ρUi dFi = 0.
(8.4)
OK
Dabei ist nun das zweite Integral u ¨ ber die gesamte Oberfl¨ache des Kontrollvolumens auszuf¨ uhren, wobei die Richtung von dFi vom Inneren des Volumens nach außen gerichtet als positiv anzuwenden ist. In Gleichung (8.2) wurde folgende Betrachtung durchgef¨ uhrt: "
∂ (ρUi ) dV ∂xi
VK
–
–
Gaußscher ⇐⇒ Integralsatz
" VK
ρU
" dF ⇐⇒
ρUi dFi OK
In dieser Beziehung stellt der Oberfl¨ achenvektor dFi eine gerichtete Gr¨oße dar, d.h. sie beinhaltet den Normalenvektor n des Fl¨achenelements mit Betrag | dFi |. Aufgrund des Doppelindex liegt ein Skalarprodukt des Geschwindigkeitsachenvektor dFi vor. vektors Ui mit dem Fl¨
In der Gleichung (8.4) haben die resultierenden Integrale folgende Bedeutung: " ρ dV = Gesamtmasse im Kontrollvolumen, M= VK
8.1 Integralform der Kontinuit¨ atsgleichung
249
"
Differenz der Massenab- und -zufl¨ usse u ¨ ber die Oberfl¨ache des Kontrollvolumens. OK (8.5) Damit ergibt die Integralform der Kontinuit¨ atsgleichung: ∂M ∂M =m ˙ ein − m ˙ aus = (8.6) ∂t ∂t xi =const m ˙ aus − m ˙ ein =
ρUi dFi
=
F¨ ur den Volumenstrom durch eine Fl¨ ache mit der Geschwindigkeitskompoache ergibt sich aufgrund der obigen Vorzeinente Ui normal zu dieser Fl¨ chenkonvention f¨ ur den Fl¨ achenvektor dFi (¨ außere Fl¨achennormale) f¨ ur das Einstr¨ omen in das bzw. Ausstr¨ omen aus dem Kontrollvolumen: " " V˙ ein = − |Ui || dFi | V˙ aus = + |Ui || dFi |. (8.7) F
F
Die fl¨ achengemittelte Str¨ omungsgeschwindigkeit errechnet sich somit f¨ ur jeden Zeitpunkt zu: " ˙ ˜ = Vein = 1 Ui dFi . (8.8) U |F | |F | F
Ber¨ ucksichtigt man noch, dass f¨ ur die fl¨ achengemittelte Dichte ρ˜ gilt: " 1 ρ˜ = ρ | dFi | , (8.9) |F | F
so l¨ asst sich der Massenfluss durch eine Fl¨ ache auch schreiben ˜F |m| ˙ = ρ˜U
mit
F = |F |.
(8.10)
F¨ ur moderate Geschwindigkeiten, bei denen sich ρ nur wenig ¨andert, ist somit f¨ ur interne Str¨ omungen eine Fl¨ achenabnahme mit einer Geschwindigkeitszunahme verbunden. Die obigen Ableitungen haben gezeigt, dass der physikalische Sachverhalt der Massenerhaltung, je nach Bedarf bei der Durchf¨ uhrung von Betrachtungen in der Str¨ omungsmechanik, die unten aufgef¨ uhrten mathematischen Darstellungen einnehmen kann. Differentialform:
∂ρ ∂(ρUi ) + =0 ∂t ∂xi
(8.11)
∂M =m ˙ ein − m ˙ aus ∂t
(8.12)
Integralform:
250
8 Integralformen der Grundgleichungen
Innenstr¨ omungen: ∂M ˜ F = const =0;m ˙ = ρ˜U ∂t Aus (8.13) l¨ asst sich zudem durch Differenzieren ableiten:
(8.13)
˜ dF d ˜ d˜ ρ dU d + (m) ˙ = (˜ ρU F ) = 0 ; + =0 ˜ dx dx ρ˜ F U
(8.14)
Alle oben angegebenen Gleichungen stellen verschiedene Formen der Massenerhaltungsgleichung dar, die bei der L¨ osung von Str¨omungsproblemen Anwendung finden k¨ onnen. Welche Form angewendet wird, h¨angt von dem zu l¨ osenden Problem ab.
8.2 Die Integralform der Impulsgleichung In Abschnitt 5.3 wurde die Impulsgleichung f¨ ur lokale Betrachtungen formuliert und f¨ ur jede j-Komponente des Impulses wie folgt abgeleitet: ∂Uj ∂Uj ∂τij ∂P + Ui ρ − + ρgj . (8.15) =− ∂t ∂xi ∂xj ∂xi Z¨ ahlt man zu dieser Gleichung die mit Uj multiplizierte Kontinuit¨atsgleichung, in der Form (8.1), hinzu, d.h. addiert man die folgenden Terme: Uj
∂ρ ∂(ρUi ) + Uj = 0, ∂t ∂xi
(8.16)
so erh¨ alt man: ∂P ∂τij ∂(ρUj ) ∂(ρUi Uj ) + =− − + ρgj . ∂t ∂xi ∂xj ∂xi
(8.17)
Integriert man (8.17) u d. h. wendet ¨ ber ein vorgegebenes Kontrollvolumen, & man auf alle Terme der Gleichung den Operator V () dV an, so erh¨alt man K die Integralform der j−Komponente der Impulsgleichung der Str¨omungsmechanik: " " " " " ∂(ρUj ) ∂(ρUi Uj ) ∂P ∂τij dV + dV = − dV − dV + ρgj dV ∂t ∂xi ∂xj ∂xi VK
VK
VK
+
VK
Kj
VK
(8.18)
ussen all Der Term Kj kommt als Integrationskonstante“ hinzu, d. h. es m¨ ” jene Kr¨ afte in j-Richtung mit erfasst werden, die als externe Kr¨afte auf die Berandungen des gew¨ ahlten Kontrollvolumens wirken. Ber¨ ucksichtigt man,
8.2 Die Integralform der Impulsgleichung
251
dass die Integration und Differentiation in ihrer Sequenz vertauschbare mathematische Operationen darstellen und wendet man den Gaußschen Integrationssatz an, so l¨ asst sich die folgende Form des integralen Impulssatzes ableiten: " " " " " ∂ ρUj dV + ρUi Uj dFi = − P dFj − τij dFi + ρgj dV ∂t VK OK OK OK VK I
II
+
III
Kj .
IV
V
(8.19a)
VI
Diese Gleichung umfasst 6 Terme, deren physikalische Bedeutung untenstehend angegeben ist: ¨ I: Zeitliche Anderung des j−Impulses im Inneren eines Kontrollvolumens. II: Summe der pro Zeiteinheit erfolgenden Zu- und Abfl¨ usse an Str¨omungsimpuls in j−Richtung, aufsummiert u ¨ ber die gesamte, das betrachtete Kontrollvolumen umgebende Oberfl¨ ache. III:Resultierende Druckkraft in j−Richtung, aufsummierte Druckverteilung u ¨ber die gesamte, das betrachtete Kontrollvolumen umgebende Oberfl¨ ache. IV: Summe der pro Zeiteinheit durch molekularen Impulstransport u ¨ ber die gesamte Oberfl¨ ache des Kontrollvolumens erfolgenden j−Impulszu- und -abfl¨ usse. V: j−Komponente der auf das Kontrollvolumen einwirkenden Massenkraft. VI: Summe aller in j−Richtung wirkenden externen (nicht str¨omungsbedingten) Kr¨ afte, die auf die Berandung des Kontrollvolumens wirken. Es gilt damit: " " & & & ∂ ρUj dV + ρUi Uj dFi = − P dFj − τij dFi + ρgj dV ∂t OK OK VK VK OK (8.19b) + Kj Diese Integralform der Impulsgleichung l¨ asst sich f¨ ur eine Vielzahl von Problemen der Str¨ omungsmechanik heranziehen, um durch Fluidbewegungen verursachte Krafteinwirkungen auf Wandungen, Str¨omungsaggregate etc. zu ermitteln. Ihre Anwendung wird in den Beispielen erl¨autert, die in den Abschnitten 8.5.1 bis 8.5.9 behandelt werden. Anhand von ausgew¨ahlten Darstellungen soll verdeutlicht werden, wie die oben abgeleitete Integralform der Impulsgleichung f¨ ur beispielhaft behandelte Str¨omungsprobleme zur Anwendung zu bringen ist. Es ist dabei wichtig, die Allgemeing¨ ultigkeit der Integralform der Impulsgleichung zu erkennen, um so ihre generelle Nutzung f¨ ur L¨ osungen von Str¨ omungsproblemen, u ¨ ber die betrachteten Beispiele hinaus, sicherzustellen.
252
8 Integralformen der Grundgleichungen
8.3 Integralform der mechanischen Energiegleichung In Kapitel 5.5 wurde gezeigt, dass sich die j−Impulsgleichung: ∂Uj ∂Uj ∂τij ∂P ρ + Ui − + ρgj , =− ∂t ∂xi ∂xj ∂xi
(8.20)
durch Multiplikation mit Uj , in die mechanische Energiegleichung u uhren ¨ berf¨ l¨ asst, siehe (5.56): . + + , ,/ ∂ 12 Uj2 ∂ 12 Uj2 ∂Uj ∂Uj ∂(τij Uj ) ∂(P Uj ) + Ui +P − + τij ρ =− ∂t ∂xi ∂xj ∂xj ∂xi ∂xi +ρgj Uj
(8.21) .
Multipliziert man die Kontinuit¨ atsgleichung mit ( 12 Uj2 ), so ergibt sich:
1 2 U 2 j
∂ρ + ∂t
1 2 U 2 j
∂(ρUi ) = 0, ∂xi
(8.22)
die zu (8.21) addiert werden kann, so dass man erh¨alt: ∂ 1 2 1 2 ∂Uj ∂(τij Uj ) ∂ ∂(P Uj ) ρU +P − + ρUi Uj = − ∂t 2 j ∂xi 2 ∂xj ∂xj ∂xi ∂Uj +τij + ρgj Uj (8.23) ∂xi Integriert man diese Gleichung u ¨ ber ein vorgegebenes Kontrollvolumen, so erh¨ alt man unter Anwendung des Gaußschen Integralsatzes und unter Ber¨ ucksichtigung der mathematisch m¨ oglichen Umkehrung der Sequenz von Integration und Differentiation: " " " " " ∂ 1 2 1 2 ∂Uj ρU dV + ρUi Uj dFi = − P Uj dFj + P dV − τij Uj dFi ∂t 2 j 2 ∂xj VK OK OK VK OK I II III IV V " " ∂Uj E˙ + τij dV + ρgj Uj dV + ∂xi VK VK VI
VII
VIII
(8.24a) Diese Gleichung umfasst 8 Terme, denen die unten aufgef¨ uhrten physikalischen Bedeutungen zukommen: ¨ I: Zeitliche Anderung der gesamten kinetischen Energie innerhalb der das Kontrollvolumen festlegenden Grenzen.
8.3 Integralform der mechanischen Energiegleichung
253
II: Abfluss minus Zufluss pro Zeiteinheit an kinetischer Energie des Fluids, u ache des betrachteten Kontrollvolumens. ¨ ber die gesamte Oberfl¨ III: Zufluss minus Abfluss an Druckenergie“ pro Zeiteinheit u ¨ ber die gesamte ” Oberfl¨ ache des betrachteten Kontrollvolumens. IV: Expansionsarbeit pro Zeiteinheit, die vom gesamten Kontrollvolumen geleistet wird. V: Molek¨ ulbedingter Eintrag an kinetischer Energie pro Zeiteinheit des betrachteten Fluids u ache des Kontrollvolumens. ¨ ber die gesamte Oberfl¨ VI: Die im gesamten Kontrollvolumen dissipierte kinetische Energie pro Zeiteinheit, die in W¨ arme umgewandelt wird. VII: Potentielle Energie pro Zeiteinheit der Gesamtmasse im gesamten Kontrollvolumen. ¨ VIII: Uber die Oberfl¨ ache des Kontrollvolumens eingetragene Energie pro Zeiteinheit, bzw. durch Str¨ omungsmaschinen dem Fluid zugef¨ uhrte Leistungen. Somit gilt: " " " & 1 2 ∂Uj ∂ 1 2 ρUj dV + ρUi Uj dFi = − P Uj dFj + P dV ∂t 2 2 ∂xj OK VK OK " VK & & ∂Uj E˙ − τij Uj dFi + τij dV + ρgj Uj dV + ∂xi OK VK VK
(8.24b) Es ist im Abschnitt 5.5 darauf hingewiesen worden, dass die Differentialform der j−Impulsgleichung und die Differentialform der mechanischen Energiegleichung, keine unabh¨ angigen Gleichungen darstellen, da letztere aus der ersten durch Multiplikation mit Uj , gefolgt von diversen mathematischen Umstellungen der einzelnen Terme, hervorging. Diese Aussage gilt nur noch eingeschr¨ ankt f¨ urdie Integralform der Grundgleichungen. Durch ˙ HinzukomE in (8.24a) men des Terms Kj in Gleichung (8.19a) und des Terms ist es m¨ oglich, dass unabh¨ angige Formen der Impuls- und der mechanischen Energiegleichung entstehen. Dies ist aus der Behandlung von St¨oßen von Kugeln aus der Mechanik bekannt, f¨ ur die sich die bekannten Impuls- und Energiegleichungen aus den Gleichungen (8.15) bzw. (8.19a) und (8.20) bzw. (8.24a) wie folgt ableiten lassen: –
Die linke Seite der Gleichung (8.15) ergibt, f¨ ur ρ = const, f¨ ur eine Integration u ¨ ber das gesamte Kugelvolumen: " " " ∂Uj D ∂Uj D ρ dV = ρUj dV, (8.25) + ρUi (ρUj ) dV = ∂t ∂xi Dt Dt VK
VK
und somit
D Dt
VK
" ρUj dV = VK
d (mK Uj ). dt
(8.26)
254
–
8 Integralformen der Grundgleichungen
Mit (8.25) und (8.26) l¨ asst sich (8.15) f¨ ur die Kugeln 1 und 2 schreiben: d (mK Uj )1 = (Kj )1 dt
und
d (mK Uj )2 = (Kj )2 , dt
(8.27)
oder umgeschrieben, wegen (Kj )1 = −(Kj )2 : 2 d 1 (mK Uj )1 + (mK Uj )2 = 0 ; (mK Uj )1 + (mK Uj )2 = const (8.28) dt –
Die linke Seite von (8.21) ergibt f¨ ur ρ = const " " ∂ 1 2 1 2 ∂ D 1 Uj + ρUi Uj ρ dV = ρ Uj2 ∂t 2 ∂xi 2 Dt 2 VK VK " 1 D ρ Uj2 dV, (8.29) = Dt 2 VK
und somit
" d 1 1 D ρ Uj2 dV. mK Uj2 = dt 2 Dt 2
(8.30)
VK
–
Mit (8.29) und (8.30) ergibt Gleichung (8.20) f¨ ur die Kugeln: 1 1 d d = E˙ und = E˙ , mK Uj2 mK Uj2 dt 2 dt 2 1 2 1 2 oder umgeschrieben wegen E˙ + E˙ = 0: 1
(8.31)
2
d 1 1 = 0, = E˙ + E˙ mK Uj2 + mK Uj2 dt 2 2 1 2 1 2 1 1 = const mK U j + mK U j 2 2 1 2
(8.32)
(8.33)
Die unter Anwendung der Formeln (8.28) und (8.33) erhaltenen Erkenntnisse u ¨ ber den elastischen Stoß sind in Abb. 8.1 skizziert. Die Darstellungen sind f¨ ur unterschiedliche Massenverh¨ altnisse der Kugeln angegeben. Es resultieren somit aus den Integralformen der Grundgleichungen der Str¨omungsmechanik die Stoßgesetze f¨ ur Kugeln, die aus Mechanikvorlesungen der Physik bekannt sind. Dies verdeutlicht die generelle Anwendbarkeit der in Gleichung (8.24a) aufgef¨ uhrten Integralform der mechanischen Energiegleichung.
8.4 Integralform der thermischen Energiegleichung Im Abschnitt 5.6 wurde die thermische Energiegleichung abgeleitet und in Gleichung (5.77) wie folgt f¨ ur ein ideales Gas angegeben:
8.4 Integralform der thermischen Energiegleichung
m
> m 1
U 2
m m
< m 1
m
m 1
< < m
m
2
m
m 1
m 2
m 1
U m U 2
1
m 1
m
m 1
m
m
m
= 0 2
V m 1
m 2
1
m 1
2
2
V V
= U m
m 1
= 0 1
2
1
2
V m
V
2
2
1
2
= 0 2
1
m
V
2
V 1
1
= 0 2
1
U
m
1
U 2
V
2
U U
2
= m 1
= 0 2
1
m m
U 1
255
2
= U 1
2 2
= 0
1
1
m 2
Abbildung 8.1: Betrachtungen der m¨ oglichen Kugelbewegungen beim elastischen Stoß
ρcv
DT Dt
=λ
∂Uj ∂Ui ∂2T −P − τij . ∂x2i ∂xi ∂xi
(8.34)
F¨ ur eine thermodynamisch ideale Fl¨ ussigkeit wurde mit Gleichung (5.78) angegeben: DT ∂Uj ∂2T . (8.35) ρcv = λ 2 − τij Dt ∂xi ∂xi W¨ ahlt man die Gleichung (8.34) f¨ ur die weiteren Betrachtungen, so l¨asst sich diese Gleichung auch schreiben: ∂T ∂T ∂Uj ∂Ui ∂ q˙i ρcv + Ui −P − τij . (8.36) =− ∂t ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi Addiert man zu Gleichung (8.36) die mit cv T multiplizierte Kontinuit¨atsgleichung hinzu: ∂ρ ∂(ρUi ) + cv T = 0, ∂t ∂xi so erh¨ alt man die Ausgangsgleichung f¨ ur die Ableitung der Integralform der thermischen Energiegleichung: cv T
∂(ρcv T ) ∂(ρcv T Ui ) ∂Uj ∂ q˙i ∂Ui + =− −P − τij . ∂t ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi
(8.37)
Mit cv T = e (innere Energie) erh¨ alt man: ∂(ρe) ∂(ρeUi ) ∂Uj ∂ q˙i ∂Ui + =− −P − τij . ∂t ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi
(8.38)
256
8 Integralformen der Grundgleichungen
Integration der Gleichung (8.38) u ¨ber ein Kontrollvolumen ergibt: " " " " " ∂(ρe) ∂(ρeUi ) ∂ q˙i ∂Uj ∂Ui dV + dV = − dV − P dV − τij dV ∂t ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi VK
VK
VK
˙ + (Q˙ + E)
VK
VK
.
(8.39)
Umgeschrieben, unter Ber¨ ucksichtigung des Gaußschen Integralsatzes und der Umkehrbarkeit der Sequenz von Integration und Differentiation, erh¨alt man: " " " " " ρUj ∂ ∂Ui ρe dV + ρeUi dFi = − q˙i dFi − P dV − τij dV ∂t ∂xi ∂xi VK OK OK VK VK I
II
III
+
IV
V
˙ (Q˙ + E)
(8.40a)
VI
Die Terme der resultierenden Gleichung lassen sich wie folgt interpretieren: ¨ I: Zeitliche Anderung der inneren Energie innerhalb des Kontrollvolumens VK . II: Konvektiver Ab- und Zufluss pro Zeiteinheit an innerer Energie u ¨ ber die Oberfl¨ ache OK des Kontrollvolumens. III: Molekularer W¨ armefluss pro Zeiteinheit, d.h. die Summe aus Ab- und Zufluss, u ache OK des Kontrollvolumens. ¨ ber die Oberfl¨ IV: Die vom Gesamtvolumen pro Zeiteinheit geleistete Expansionsarbeit. V: Die im Gesamtvolumen pro Zeiteinheit dissipierte mechanische Energie. VI: Externe W¨ arme- und Energiestr¨ ome pro Zeiteinheit, die dem Gesamtvolumen zugef¨ uhrt werden. F¨ ur eine ideale Fl¨ ussigkeit gilt die obige Gleichung gleichfalls, allerdings ist Term IV identisch Null, da wegen ρ = const keine Expansionsarbeit geleistet werden kann. Somit gilt f¨ ur die Integralform der thermischen Energiegleichung die nachfolgende Beziehung: " " " " " ∂Ui ρUj ∂ ρe dV + ρeUi dFi = − q˙i dFi − P dV − τij dV ∂t ∂xi ∂xi VK
OK
OK
+
VK
˙ (Q˙ + E)
VK
(8.40b)
Diese Gleichung wird gleichfalls f¨ ur die nachfolgenden Probleml¨osungen angewandt.
8.5 Anwendungen der Integralform der Grundgleichungen
257
8.5 Anwendungen der Integralform der Grundgleichungen Die Bedeutung der Integralformen der Grundgleichungen der Str¨omungsmechanik wird durch Anwendungen deutlich, die untenstehend beispielhaft angegeben sind. Viele Lehrb¨ ucher u ¨ ber die Grundlagen der Str¨omungsmechanik behandeln Str¨ omungsaufgaben dieser Art, so dass die in den nachfolgenden ¨ Kapiteln durchgef¨ uhrten Uberlegungen kurz gefasst werden k¨onnen. Es werden typische Beispiele behandelt, die deutlich machen, dass die abgeleiteten Integralformen der Grundgleichungen die Basis f¨ ur eine Vielzahl von Probleml¨ osungen darstellen, wobei zu beachten ist, dass oftmals L¨osungen nur unter Anwendung von Vereinfachungen abgeleitet werden k¨onnen. Auf diese Vereinfachungen und deren Implikationen f¨ ur die erhaltenen L¨osungen wird im Rahmen der Ableitungen hingewiesen. Um den Leser in die methodisch korrekte Handhabung der Integralform der Gleichungen einzuf¨ uhren, wird jedes der unten behandelten Probleme so gel¨ ost, indem von der jeweils angewandten allgemeinen Form der Grundgleichung ausgegangen wird. Es werden dann die Terme in der Integralform der verwendeten Grundgleichung herausgestrichen, die f¨ ur das behandelte Problem gleich Null sind. Zus¨ atzlich werden durch die Einf¨ uhrung von Vereinfachungen Terme entfernt, die einen sehr geringen Einfluss auf das behandelte Problem haben, so dass leicht verst¨ andliche L¨osungen erhalten werden. Es wird empfohlen, dieses Vorgehen auch bei weiteren Probleml¨osungen beizubehalten. 8.5.1 Ausfluss aus Gef¨ aßen
Abbildung 8.2: Skizze zur Behandlung des Ausflusses aus Gef¨ aßen
In Abb. 8.2 ist ein einfaches Gef¨ aß skizziert, das den Durchmesser D hat, teilweise mit einer Fl¨ ussigkeit gef¨ ullt ist und oben als geschlossen angenommen wird. Zwischen der Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ ache und dem Deckel des Gef¨aßes
258
8 Integralformen der Grundgleichungen
befindet sich ein Gas mit dem Druck PH . Die Fl¨ ussigkeitsh¨ohe betr¨agt H ¨ und am Boden des Gef¨ aßes befindet sich eine Offnung mit dem Durchmesser d. Gesucht wird die Ausstr¨ omgeschwindigkeit aus dem Beh¨alter, d.h. die Geschwindigkeit Ud zum Zeitpunkt t. Aus Abb. 8.2 ist ersichtlich, dass sich die Wasseroberfl¨ache mit der Geussigkeit, schwindigkeit UD nach unten bewegt, infolge des Ausfließens der Fl¨ ¨ die mit Ud aus der Ausstr¨ om¨ offnung austritt. Uber die Integralform der Kontinuit¨ atsgleichung gilt: 2 ˜ F = const ; ρUD π D2 = ρUd π d2 ; UD = d Ud ρ˜U 4 4 D2
(8.41)
Durch Anwendung der Bernoulli-Gleichung zwischen den Punkten (A) und (B) erh¨ alt man: 1 2 1 PH P0 U + + gH = Ud2 + . (8.42) 2 D ρ 2 ρ Damit ergibt sich: 1 2 1 2 1 U = UD + gH + (PH − P0 ) , 2 d 2 ρ oder nach Einsetzen von (8.41): 1 2 1 d4 1 Ud = Ud2 + gH + (PH − P0 ) , 4 2 2 D ρ 9 : 2gH + 2 (P − P ) /ρ : H 0 Ud = ; 4 1 − (d/D)
π und damit m ˙ = ρUd d2 . 4
(8.43)
(8.44)
(8.45)
8.5.2 Austrittsgeschwindigkeit aus D¨ usen In der Str¨ omungsmechanik ist es notwendig, indirekt arbeitende Messverfahren (Staudrucksonden, Hitzdrahtanemometer, etc.) in Str¨omungsfeldern zu ¨ kalibrieren, in denen die Str¨ omungsgeschwindigkeit bekannt ist. Uber sogenannte D¨ usenausstr¨ omungen kann erreicht werden, dass am D¨ usenaustritt die zur Kalibrierung notwendige Str¨ omungsgeschwindigkeit, u ¨ ber den Druck im Zulauf der D¨ use, eingestellt werden kann. Mit den in Kapitel 8.1 gemachten Angaben gilt die Integralform der Kontinuit¨ atsgleichung in der folgenden Form: ˜ F = const m ˙ = ρ˜U d.h. man kann f¨ ur UA schreiben:
;
π π ρUA D2 = ρUB d2 , 4 4
(8.46)
8.5 Anwendungen der Integralform der Grundgleichungen
259
Abbildung 8.3: Skizze einer D¨ usenkalibrierstrecke f¨ ur Geschwindigkeitsmesssonden
UA =
d2 UB . D2
(8.47)
Die Geschwindigkeit UA wird u ¨ ber UB und die Fl¨achenverh¨altnisse ausgedr¨ uckt. F¨ ur die Ebenen (A) und (B) l¨ asst sich infolge der Bernoulli-Gleichung schreiben: 1 1 d4 2 1 2 PA PB PA UA + = UB2 + = . (8.48) U + 2 ρ 2 ρ 2 D4 B ρ Daraus folgt:
9 : 2 (P − P ) : A B . UB = ; 4 ρ 1 − (d/D)
W¨ ahlt man D d, so erh¨ alt man f¨ ur UB , in guter N¨aherung: 2 2 (PA − PB ) = (PA − P0 ). UB = ρ ρ
(8.49)
(8.50)
Durch Einstellung von unterschiedlichen PA −Werten l¨asst sich der gesamte f¨ ur die Kalibrierung von Messsonden notwendige Geschwindigkeitsbereich einstellen.
8.5.3 Impuls auf eine senkrechte ebene Platte Wenn str¨ omende Fluidstrahlen abgebremst werden, treten Kr¨afte auf, die in vielen Bereichen der Technik genutzt werden. F¨ ur das in Abb. 8.4 skizzierte Str¨ omungsproblem erhebt sich die Frage nach der Kraft, die in der x1 −Richtung aufzubringen ist, um die Auslenkung der Platte, infolge des
260
8 Integralformen der Grundgleichungen
H B
A
H C
Abbildung 8.4: Skizze zur Betrachtung des Impulses auf eine senkrechte Platte
Impulses des Fl¨ ussigkeitsflachstrahles, zu verhindern. Der Flachstrahl hat in der x2 −Richtung die Dicke H und in der x3 −Richtung die Breite B. Die Strahlgeschwindigkeit weit weg von der Platte ist bekannt und soll mit UA angegeben werden. Die Dichte ρ ist bekannt und f¨ ur g1 gilt g1 = 0, da die x1 −Achse horizontal gelegen ist. Unter Anwendung der Integralform der Kontinuit¨atsgleichung ergibt sich: ρUA HB = ρUC HC B + ρUB HB B.
(8.51)
Aus der Bernoulli-Gleichung erh¨ alt man: 1 2 PA 1 PB U + = UB2 + 2 A ρ 2 ρ
und
PA = PB = P0
(8.52)
und damit UA = UB . Analoge Betrachtungen ergeben UA = UC . Infolge der Symmetrie des Problems erh¨ alt man: H = 2HC = 2HB ;
d.h.
HC = HB .
Zur L¨ osung des Problems kann die integrale Form der Impulsgleichung herangezogen werden, wie sie in Gleichung (8.19a) angegeben ist: " " " " " ∂ ρUj dV + ρUi Uj dFi = − P dFj − τij dFi + ρgi dV + Kj . ∂t VK
OK
OK
OK
VK
(8.53) F¨ ur das vorliegende Problem gelten folgende Vereinfachungen dieser allgemein g¨ ultigen Gleichung:
8.5 Anwendungen der Integralform der Grundgleichungen
∂ ∂t
261
" ρUj dV = 0, station¨ ares Str¨ omungsproblem, V &K
P dFj
OK
&
= 0, da P = P0 auf alle Fl¨ achen des gew¨ahlten Kontrollvolumens, (8.54)
τij dFi
= 0, Viskosit¨ atsfreiheit des Fluids,
OK
&
ρgj dV
= 0, Gravitationsterm hier gj = g1 = 0.
V˙
Damit gilt f¨ ur die vereinfachte Form der Gleichung: " ρUi Uj dFi = Kj
(8.55)
OK
und damit erh¨ alt man durch Integration f¨ ur j = 1: K1 = −ρUA2 HB.
(8.56)
Das Ergebnis der obigen Ableitungen zeigt, dass K1 in die negative x1 Richtung wirken muss, um die Auslenkung der ebenen Platte durch den aufgepr¨ agten Fl¨ ussigkeitsflachstrahl zu verhindern. Dies macht an einem Beispiel deutlich, welcher Art die in Gleichung (8.19a) auftretenden Kraftterme Kj sind. Es werden alle Kr¨ afte erfasst, die auf das betrachtete Kontrollvolumen wirken. 8.5.4 Impuls auf eine schr¨ ag angestellte ebene Platte Trifft ein Fl¨ ussigkeitsstrahl nicht senkrecht auf eine ebene Platte auf, so ergibt sich das in Abb. 8.5 skizzierte Strahlverhalten. Infolge der Neigung der Platte, deren Senkrechte mit der Achse des ankommenden Fl¨ ussigkeitsflachstrahls den Winkel α einschließt, teilt sich der Strahl in zwei Strahlen ungleicher H¨ ohen auf. Der dickere Strahl geht nach oben und hat die H¨ohe HB = εHA . Der d¨ unnere Strahl geht nach unten und hat die H¨ohe HC = (1 − ε)HA . Dies resultiert aus der Kontinuit¨ atsgleichung. UA = UB = UC ergibt sich, wegen g = 0 aus der Anwendung der Bernoulli-Gleichung. Wendet man die Kontinuit¨ atsgleichung in Integralform an, d. h. ber¨ ucksichtigt man, dass f¨ ur die Probleml¨ osung die Massenerhaltung herangezogen werden kann, so folgt: ρUA HA B = ρUB HB B + ρUC HC B,
(8.57)
oder aber wegen UA = UB = UC aus der Bernoulli-Gleichung U A HA = U B HB + U C HC
;
HA = H B + H C .
(8.58)
262
8 Integralformen der Grundgleichungen
b
H
H w e g e n Abbildung 8.5: Skizze zur Erl¨ auterung der Unabh¨ angigkeit der Betrachtungen vom Koordinatensystem
F¨ ur die beiden auf der Platte sich ausbildenden Teilstrahlen kann somit angegeben werden: HB = εHA
und
HC = (1 − ε) HA .
(8.59)
Wendet man die integrale Impulsgleichung an: " " " " " ∂ ρUj dV + ρUi Uj dFi = − P dFj − τij dFi + ρgj dV + Kj . ∂t VK
OK
OK
OK
VK
(8.60) F¨ ur die in Abb. (8.5) skizzierte Problemstellung lassen sich folgende Vereinfachungen einf¨ uhren: " ∂ ρUj dV = 0, station¨ ares Str¨ omungsproblem, ∂t V &K P dFj = 0, da P = PO auf alle Fl¨ achen des gew¨ahlten OK Kontrollvolumens, (8.61) & τij dFi = 0, Viskosit¨ atsfreiheit des Fluids, OK
&
ρgj dV
= 0, unbedeutender Term oder gj = 0
VK
Damit gilt f¨ ur die vereinfachte Form der obigen integralen Impulsgleichung: " ρUi Uj dFi = Kj . (8.62) 0K
8.5 Anwendungen der Integralform der Grundgleichungen
263
W¨ ahlt man ein mit der Platte ausgerichtetes Koordinatensystem, so ergeben sich f¨ ur die Kraft Kp entlang der Platte durch Integration u ¨ ber die Ebenen (A), (B) und (C) drei Beitr¨ age, die untenstehend angegeben sind: KP = −ρUA2 HA B sin α + ρUA2 εHA B − ρUA2 (1 − ε)HA B.
(8.63)
Da in der vorliegenden Aufgabenstellung µ = 0 gesetzt wurde, ergibt sich f¨ ur die entlang der angestr¨ omten Platte wirkenden Kraft KP = 0. Hieraus resultiert aus Gleichung (8.63) −1 − sin α + 2ε = 0, 1 oder f¨ ur erh¨ alt man: ε = (1 + sin α). 2 F¨ ur die senkrecht zur Platte wirkende Kraft KS errechnet sich: KS = ρUA2 HA B cos α.
(8.64) (8.65)
(8.66)
Es ist offensichtlich, dass die oben durchgef¨ uhrten Betrachtungen unabh¨angig vom gew¨ ahlten Koordinatensystem sein m¨ ussen. W¨ahlt man das in Abb. 8.6 ur K1 die unten gelegene Koordinatensystem mit x1 und x2 , so erh¨alt man f¨ aufgef¨ uhrten Beitr¨ age durch Integration u ber die Ebenen (A), (B) und (C): ¨ K1 = −ρUA2 HA B + ρUA2 εHA B sin α − ρUA2 (1 − ε)HA B sin α.
(8.67)
F¨ ur die Kraft K2 ergibt sich: K2 = ρUA2 εHA B cos α − ρUA2 (1 − ε)HA B cos α.
(8.68)
Da wegen µ = 0 die auf die Platte aus K1 und K2 resultierende Gesamtkraft K senkrecht auf die Platte wirken muss gilt: tan α =
K sin α 2ε cos α − cos α K2 = . = −K1 K cos α 1 − 2ε sin α + sin α
(8.69)
Hieraus errechnet sich 2ε cos2 α − cos2 α = sin α − 2ε sin2 α + sin2 α oder f¨ ur ε: 1 (8.70) ε = (1 + sin α), 2 das selbe Ergebnis wie in (8.65). 8.5.5 Strahlablenkung an einer Kante Trifft ein Fl¨ ussigkeitsstrahl (H¨ ohe H, Breite B) mit einem Teil seiner Querschnittsfl¨ ache auf eine zum Strahl senkrecht stehende Platte auf, so wird die ankommende Fl¨ ussigkeit in zwei Teilstrahlen aufgeteilt. Einer der beiden Teilstrahlen l¨ auft senkrecht zur urspr¨ unglichen Strahlrichtung entlang der Platte nach unten, der andere Teilstrahl wird um den Winkel α gegen¨ uber
264
8 Integralformen der Grundgleichungen
Abbildung 8.6: Strahlablenkung an einer Kante
der urspr¨ unglichen Strahlrichtung nach oben abgelenkt. Unter Vernachl¨assigung von Viskosit¨ ats- und Gravitationskr¨ aften ergibt sich mit der Annahme eines konstanten Umgebungsdruckes aus der Bernoulli-Gleichung, dass die beiden Teilstrahlen jeweils die gleiche Geschwindigkeit haben, die gleich der Geschwindigkeit der Fl¨ ussigkeit im urspr¨ unglichen Strahl ist. Aufgrund der Kontinuit¨ atsgleichung haben die beiden Teilstrahlen die Strahlh¨ohen εH und (1 − ε)H. In der Impulsgleichung: " " " " " ∂ ρUj dV + ρUi Uj dFi = − P dFj − τij dFi + ρgj dV + Kj ∂t VK
OK
OK
OK
VK
(8.71) lassen sich folgende Vereinfachungen vornehmen: " ∂ ρUj dV = 0, station¨ ares Problem, ∂t V &K P dFj = 0, konstanter Druck entlang der Oberfl¨ache des OK Kontrollvolumens, &
τij dFi
= 0, Viskosit¨ atskr¨ afte werden vernachl¨assigt,
ρgj dV
= 0, Gravitation wird vernachl¨assigt.
(8.72)
OK
&
OK
Es resultiert folgende vereinfachte Impulsgleichung: " ρUi Uj dFi = Kj . OK
(8.73)
8.5 Anwendungen der Integralform der Grundgleichungen
265
Die auf die Fl¨ ussigkeit ausge¨ ubte Kraft l¨ asst sich mit der Gleichung f¨ ur die x1 −Komponente ermitteln: −ρU U (BH) + ρ(U cos α)U (εBH) = K1 .
(8.74)
K1 = −ρU 2 BH(1 − ε cos α)
(8.75)
Der negative Wert der Kraft K1 resultiert aus dem Sachverhalt, dass die auf die Platte ausge¨ ubte Kraft errechnet wird, d. h. die Kraft, die notwendig ist, um die Platte in Position zu halten. Aus der Gleichung f¨ ur K2 ρU (1 − )HB(−U ) + ρU εBH(U sin α) = 0,
(8.76)
ergibt sich f¨ ur K2 = 0 der Zusammenhang zwischen dem Ablenkwinkel α und dem Teilungsverh¨ altnis ε: −ρU 2 BH [(1 − ε) − ε sin α] = 0,
(8.77)
1 . (8.78) 1 + sin α Damit l¨ asst sich die Aufteilung des Strahles in Abb. 8.6 aus der Ablenkung des Strahles aus der horizontalen Lage bestimmen, d.h. durch Messen des Winkels α liegt fest, wieviel nach unten abstr¨ omt und wieviel u ¨ ber die Plattenkante str¨ omt. ε=
8.5.6 Mischvorgang in einer Leitung konstanten Querschnitts
H 1
H
U
B
A
U
A
2
U C
B
Abbildung 8.7: Skizze zur Erl¨ auterung des Mischvorgangs
In einem ebenen Kanal werden zwei Str¨ ome mit jeweils konstanter Geschwindigkeit (UA , UB ) miteinander vermischt (µ = 0). Der Druck P1 an der Stelle 1 und die Teilfl¨ achen AA und AB seien gegeben, gesucht ist der Druck P2 an der Stelle 2, wo sich eine u ¨ ber den Leitungsquerschnitt gleichm¨aßige Geschwindigkeit UC eingestellt hat. Aus der Integralform der Kontinuit¨atsgleichung erh¨ alt man: B(−ρHA UA − ρHB UB + ρ(HA + HB )UC ) = 0,
(8.79)
266
8 Integralformen der Grundgleichungen
der nach UC aufgel¨ ost: UC =
U A HA + U B HB . HA + H B
(8.80)
Die Impulsgleichung " " " " " ∂ ρUj dV + ρUi Uj dFi = − P dFj − τij dFi + ρgj dV + Kj ∂t VK
OK
OK
OK
VK
(8.81) kann folgendermaßen vereinfacht werden: " ∂ ρUj dV = 0, station¨ ares Str¨ omungsproblem, ∂t &VK τij dFi = 0, µ = 0, d.h. Annahme der Viskosit¨atsfreiheit, OK
&
ρgj dV
= 0,
keine Komponente der Schwerkraft in horizontaler Richtung,
= 0,
es wirken keine ¨ außeren Kr¨afte auf das Kontrollvolumen
VK
Kj
Daraus folgt:
"
" ρUi Uj dFi = − OK
(8.82)
P dFj .
(8.83)
OK
Bezogen auf das vorliegende Problem ergibt sich: −ρUA2 HA − ρUB2 HB + ρUC2 (HA + HB ) = (P1 − P2 )(HA + HB ).
(8.84)
Setzt man nun den obigen Ausdruck f¨ ur UC ein und l¨ost die Gleichung nach P2 auf, erh¨ alt man: P2 = P1 + ρ(UA − UB )2
HA HB . (HA + HB )2
(8.85)
Der Druck nimmt somit, infolge der Vermischung beider Str¨ome, von der Position (1) nach Position (2) zu. 8.5.7 Kraft auf eine Turbinenschaufel einer viskosit¨ atsfreien Fl¨ ussigkeit Im Bereich der Str¨ omungsmaschinen werden Schaufelr¨ader eingesetzt, um den Impuls von Fluidstrahlen f¨ ur Antriebszwecke zu nutzen. Ein Strahl aus einer rechteckigen D¨ use (Flachstrahl mit H¨ ohe H, Breite B) trifft auf eine
8.5 Anwendungen der Integralform der Grundgleichungen
K
267
1
Abbildung 8.8: Skizze zur Erl¨ auterung der Kraft auf eine Turbinenschaufel und Abbildung einer Pelton-Turbine
feststehende Schaufel, die den Strahl symmetrisch nach zwei Seiten um den Winkel 180◦ ± β auslenkt (Abb. 8.8). Die Abmaße der zu- und abfließenden Fluidstr¨ ome sind vorgegeben. Der Druck entlang der Oberfl¨ache des eingezeichneten Kontrollvolumens ist u ¨berall gleich dem Umgebungsdruck, so dass die Integralform der Impulsgleichung: " " " " " ∂ ρUj dV + ρUi Uj dFi = − P dFj − τij dFi + ρgj dV + Kj ∂t VK
OK
OK
OK
VK
folgendermaßen vereinfacht werden kann, wobei die Schwerkraft vernachl¨ assigbar sei. " ∂ ρUj dV = 0, station¨ ares Str¨ omungsproblem, ∂t V &K P dFj = 0, da P = P0 auf allen Fl¨achen des OK Kontrollvolumens, (8.86) & τij dFi = 0, da µ = 0 gesetzt wurde, OK
&
ρgj dV
= 0,
da Schwerkraft vernachl¨assigbar.
VK
Somit ergibt sich:
" ρUi Uj dFi =
Kj .
(8.87)
OK
Da das Problem symmetrisch ist, muss nur die horizontale Komponente j = 1 betrachtet werden, d.h. in j = 2 tritt keine resultierende Kraft auf, so dass
268
8 Integralformen der Grundgleichungen
sich der Impulssatz wie folgt schreiben l¨ asst: 1 −ρHBU 2 + 2 ρHBU (−U cos β) = K1 . 2
(8.88)
Die resultierende Kraft auf die Schaufel ergibt sich somit zu KS = −K1 = ρHBU 2 (1 + cos β).
(8.89)
Die Formel macht deutlich, dass man durch die Umlenkung der Strahlen in Richtung der Anstr¨ omung, eine Erh¨ ohung der auf die Turbinenschaufel wirkenden Kraft K1 erhalten kann. 8.5.8 Kraft auf ein periodisches Schaufelgitter ur Schaufelgitterproblem Annahmen: gj = 0, µ = 0 f¨ Zweidimensionale Schaufelgitter werden in Str¨omungsmaschinen verwendet,
K 2
K 1
B re ite B s e n k re c h t z u r Z e ic h e n e b e n e S c h a u fe l
Abbildung 8.9: Skizze zur Erl¨ auterung der Wirkung von Schaufelgittern
um str¨ omungsverursachte Kr¨ afte f¨ ur Antriebszwecke zu nutzen, z.B. in Turbinen zum Antrieb mechanischer Aggregate. Abb. 8.9 zeigt ein solches in der x1 -x2 -Ebene periodisch angeordnetes Schaufelgitter, das station¨ ar von einem viskosit¨atsfreien Fluid angestr¨omt A = {(U1 )A , (U2 )A , 0} umfasst zwei wird. Die Anstr¨ omgeschwindigkeit U Komponenten, d.h. die U3 -Komponente des Str¨omungsfeldes ist Null. Infolge
8.5 Anwendungen der Integralform der Grundgleichungen
269
der Umlenkung der Str¨ omung durch das Schaufelgitter unterscheidet sich die Abstr¨ omgeschwindigkeit von der Anstr¨ omgeschwindigkeit, so dass gilt: B = {(U1 )B , (U2 )B , 0} = U A. U
(8.90)
A und U B , f¨ Die Angaben f¨ ur U ur die stets (U3 )A = (U3 )B = 0 gilt, verdeutlichen, dass das Str¨ omungsfeld bidimensional“ bleibt und auch zwei Kom” ponenten aufweist. Damit l¨ asst sich f¨ ur die An- und Abstr¨omung aus der Kontinuit¨ atsgleichung folgende Gleichung (8.91) ableiten wobei B die Breite des Schaufelgitters in x3 −Richtung darstellt: ρ(U1 )A tB = ρ(U1 )B tB.
(8.91)
F¨ ur die An- und Abstr¨ omung ergeben sich somit die selben Geschwindigkeitskomponenten in x1 -Richtung. Die Aufgabe von Schaufelgittern ist es somit, die Geschwindigkeitskomponente (U2 )A der Anstr¨omung zu ¨andern. Zur Berechnung der Kraft auf eine Schaufel des Gitters wird ein Kontrollvolumen (a, b, c, d) gew¨ ahlt, wie es in Abb. 8.7 skizziert ist. In x2 −Richtung werden als Abgrenzung des Kontrollvolumens zwei Stromlinien gew¨ahlt, die entlang (a − b) und (d − c) mit dem Abstand des Schaufelgitters t gelegen sind. Damit erfolgen Zu- und Abfluss zum gew¨ahlten Kontrollvolumen nur u achen (d − a)B und (c − d)B. ¨ ber die Fl¨ Vernachl¨ assigt man Gravitationseffekte, so liefert die Bernoulli-Gleichung folgenden Zusammenhang: PA 1 2 2 + (U1 )A + (U2 )A ρ 2
=
gesamte kinetische Energie in (A)
PB 1 2 2 + (U1 )B + (U2 )B . ρ 2
(8.92)
gesamte kinetische Energie in (B)
F¨ ur die Kr¨ afteberechnung auf die Schaufel steht die Integralform der Impulsgleichung zur Verf¨ ugung: " " " " " ∂ ρUj dV + ρUi Uj dFi = − P dFj − τij dFi + ρgj dV + Kj . ∂t VK
OK
OK
OK
VK
(8.93) Mit den Annahmen erh¨ alt man aus (8.86): " ∂ ρUj dV = 0, da station¨ are Str¨ omung, ∂t &VK τij dFi = 0, da viskosit¨ atsfreies Fluid, O&K ρgj dV = 0, da Gravitationskr¨ afte vernachl¨assigbar, VK
resultiert die Impulsgleichung in der vereinfachten Beziehung
(8.94)
270
8 Integralformen der Grundgleichungen
"
" ρUi Uj dFi = − OK
"
P dFj +
OK
Kj =
Kj
"
ρUi Uj dFi + OK
oder
P dFj
(8.95)
OK
Damit ergeben sich f¨ ur die Kr¨ afte in die Richtungen j = 1 und j = 2: K1 = m ˙ [(U1 )B − (U1 )A ] + (PB − PA ) Bt = (PB − PA ) Bt,
(8.96)
=0
K2 = m ˙ [(U2 )B − (U2 )A ] .
(8.97)
Aus der Bernoulli-Gleichung (8.92) erh¨ alt man: (PB − PA ) =
2 ρ1 (U2 )2A − (U2 )2B . 2
(8.98)
Damit ergibt sich f¨ ur K1 : K1 =
2 ρ 1 Bt (U2 )2A − (U2 )2B , 2
(8.99)
oder mit den An- und Abstr¨ omwinkeln ausgedr¨ uckt: K1 =
2 ρ 1 2 Bt UA sin2 αA − UB2 sin2 αB , 2
(8.100)
und K2 = −ρUA cos αA Bt [UA sin αA − UB sin αB ] .
(8.101)
Dabei sind K1 und K2 die auf das Kontrollvolumen wirkenden Kr¨afte. Die auf die Schaufel wirkenden Kr¨ afte sind: 2 ρ 1 (K1 )s = −K1 = − Bt UA2 sin2 αA − UB2 sin2 αB , (8.102) 2 (K2 )s = −K2 = ρUA cos αBt [UA sin αA − UB sin αB ] .
(8.103)
Die Schaufel erf¨ ahrt somit eine Kraft (K1 )s in die negative x1 −Richtung und eine Kraft (K2 )s in die positive x2 −Richtung. 8.5.9 Eulersche Turbinengleichung Die in Abschnitt 8.5.8 durchgef¨ uhrten Betrachtungen bezogen sich auf ein in einer Ebene angeordnetes Schaufelgitter, das sich in einer ebenen Str¨omung befindet. Ordnet man die Schaufelgitter radial auf einem rotierenden Laufrad an, wie dies in Abb. 8.10 skizziert ist, so erh¨ alt man die Grundanordnung einer Radialturbine. Dabei kennzeichnet der erste Teil der Turbinenbezeichnung,
8.5 Anwendungen der Integralform der Grundgleichungen
271
d.h. das Wort Radial“, die Hauptstr¨ omungsrichtung, in der die Turbinen” schaufeln durchstr¨ omt werden, n¨ amlich radial von innen nach außen. Wendet man die Kontinuit¨ atsgleichung an, so erh¨ alt man: ρ(Ur )A (2πrA )bA = ρ(Ur )B (2πrB )bB
(8.104)
Oder umgeschrieben ergibt sich die Forderung nach Massenerhaltung: (Ur )B =
bA rA (Ur )A . bB rB
(8.105)
Aus der Bernoulli-Gleichung ergibt sich: 2 PB 2 PA 11 11 + (Ur )2A + (Ut )2A = + (Ur )2B + (Ut )2B . ρ 2 ρ 2
(8.106)
Aus der Integralform der Impulsgleichung l¨ asst sich f¨ ur die Kraft in radialer Richtung ermitteln: Kr = m ˙ [(Ur )B − (Ur )A ] + 2π(rB PB − rA PA )b.
U
(8.107)
U t
U r
w
r
b
A
r
A
r
b
B
B
Abbildung 8.10: Skizze der Str¨ omung durch ein Radialrad
Ferner gilt f¨ ur die Kraft in tangentialer Richtung: ˙ [(Ut )B − (Ut )A ] . Kt = m
(8.108)
F¨ ur das durch das Laufrad auf das Kontrollvolumen aufgepr¨agte Moment ergibt sich:
272
8 Integralformen der Grundgleichungen
Mt = m ˙ [rB (Ut )B − rA (Ut )A ] .
(8.109)
Der damit verbundene mechanische Leistungsaustrag u ¨ ber die Turbine betr¨ agt: ˙ [rB (Ut )B − rA (Ut )A ] PTurb = −Mt ω = −mω
(8.110)
Sowohl Gleichung (8.109) als auch Gleichung (8.110) werden in der Literatur als die Eulersche Turbinengleichung bezeichnet. Hierbei wird f¨ ur rA = re = der Einstr¨ omradius“ des Schaufelkranzes angenommen und f¨ ur rB = ra = ” der Ausstr¨ omradius“. ”
Abbildung 8.11: Skizze des Str¨ omungsverlaufs durch Axialturbine
Die resultierende Gleichung gilt nicht nur f¨ ur Turbinen, sondern generell f¨ ur Str¨ omungsmaschinen, wie Verdichter (Kompressoren), Gebl¨ase (Ventilatoren), Pumpen etc. Dabei unterscheiden sich z.B. Pumpen und Turbinen, in ¨ den hier durchgef¨ uhrten Uberlegungen nur durch das Vorzeichen des Energieaustausches zwischen Laufrad und str¨ omendem Fluid. In einer Turbine wird der Fluidstr¨ omung Energie entzogen, so dass man an der Welle dieser Kraftmaschine ein Nutzmoment abnehmen kann bzw. die korrespondierende Energie zur Verf¨ ugung steht. In einer Pumpe wird dagegen der Fl¨ ussigkeitsstr¨ omung u uhrt, d.h. u ¨ber das Laufrad“ Energie zugef¨ ¨ ber die Welle wird ” ein Drehmoment zum Antrieb der Maschine aufgepr¨agt. Damit wird die zum Pumpen erforderliche Energie zugef¨ uhrt. Abschließend sei noch erw¨ ahnt, dass die Eulersche Turbinenformel auch auf axial durchstr¨ omte Str¨ omungsmaschinen angewandt werden kann, wie sie Abb. 8.11 und 8.12 zeigen. 8.5.10 Leistung von Str¨ omungsmaschinen In Abb. 8.13 ist eine typische Anwendung einer Str¨omungsmaschine, in dem gew¨ ahlten Fall die Anwendung einer Pumpe, beispielhaft skizziert. Diese saugt auf der Saugseite eine bestimmte Wassermenge m ˙ an, um diese auf
8.5 Anwendungen der Integralform der Grundgleichungen
273
R a d ia lp u m p e 1 2 s
d
A x ia lp u m p e 1
d 2
s c
d 1
Abbildung 8.12: Schematische Darstellung von Radial- und Axialpumpen
der Druckseite nach oben zu f¨ ordern. Dabei bestehen zwischen der Saugseite und der Druckseite der Pumpe Unterschiede in den Rohrdurchmessern. Die Ansaugung der gepumpten Fl¨ ussigkeit erfolgt aus einem Beh¨alter (A) und die F¨ orderung in einen Beh¨ alter (B), wie dies in der nebenstehenden Abbildung skizziert ist. Alle auf der Saugseite gelegenen Gr¨oßen des betrachteten Problems werden mit Index A bezeichnet, auf der Druckseite der Pumpe gelegene Gr¨ oßen mit Index B. Aus der Integralform der Kontinuit¨ atsgleichung ergibt sich f¨ ur das betrachtete Problem: π 2 ˜ π 2 ˜ U A = ρB D B UB (8.111) ρA D A 4 4 F¨ ur ρA = ρB = ρ = const ergibt sich: 4 4m ˙ 2 ˜ 2 ˜ UA = DB UB = = V˙ DA πρ π
(8.112)
F¨ ur die Leistungsberechnung der Pumpe empfiehlt es sich, die Integralform der mechanischen Energiegleichung heranzuziehen, wie sie in Gleichung (8.24a) angegeben ist:
274
8 Integralformen der Grundgleichungen
B
Abbildung 8.13: Skizze zur Berechnung der Pumpleistung
"
∂ ∂t
1 2 ρU dV + 2 j
VK
" ρUi
1 2 U 2 j
" dFi = −
OK
"
OK
" −
∂Uj dV ∂xj
τij
∂Uj dV ∂xi
VK
"
τij Uj dFi +
OK
VK
"
+
P
P Uj dFj +
ρgj 4j dV +
˙ E.
(8.113)
VK
Reduziert man diese Gleichung durch Annahmen, die auf das vorliegende Problem zutreffen: " ∂ 1 2 ρU dV = 0 station¨ are Pumpbedingungen, (8.114) ∂t 2 j VK
" P
∂Uj dV ∂xj
= 0 keine Expansionsarbeit, da ρ = const und somit
VK
∂Uj = 0, ∂xj
(8.115)
und vernachl¨ assigt man die τij -Terme in der obigen integralen Energiegleichung, so gilt:
8.5 Anwendungen der Integralform der Grundgleichungen
ρUi
1 2 U 2 j
dFi = −
OK
P Uj dFj +
OK
ρgj Uj dV +
E˙
275
(8.116)
VK
beziehungsweise 1 ˜2 1 ˜2 −m ˙ UA UB = V˙ A PA − V˙ B PB + ρg V˙ HC + Pm , 2 2
(8.117)
wobei Pm die von der Pumpe in das Fluid eingebrachte Leistung darstellt. F¨ ur die Leistung der Pumpe gilt somit: ρ
˜B2 + PB + ρgHC − ρ U ˜A2 + PA . Pm = V˙ U (8.118) 2 2 Betrachtet man nun PB und PA genauer, so gilt: PB = P0 sowie ρ PA = P0 + ρgHA − U02 , 2 ˜0 ≈ 0 und mit Annahme U UA =
V˙ FA
sowie UB =
V˙ , FB
so dass man folgende Beziehung erh¨ alt: 2 ρ V˙ 2 2 ˙ ˙ V ρ V Pm = V˙ − 2 − ρgHA + ρgHC , 2 2 FB FA 2 FA
(8.119)
oder zusammengefasst: Pm
ρ = 2
V˙ 3 FB2
+ ρg (HC − HA ) V˙ .
(8.120)
F¨ ur die elektrische Leistung Pe der Pumpe ergibt sich mit η als dem Wirkungsgrad: 1 1 ρV˙ 3 ˙ Pe = Pm = + ρg V (HC − HA ) . (8.121) η η 2FB2
276
8 Integralformen der Grundgleichungen
F¨ ur die Pumpleistung ergibt sich, dass die angegebene elektrische Leistung ben¨ otigt wird, um die pro Zeiteinheit das Rohr verlassende kinetische Energie des Fluids einzubringen, zuz¨ uglich der pro Zeiteinheit ben¨otigten Leistung zur ¨ Uberwindung des hydrostatischen Druckniveaus. Analog zu den obigen Betrachtungen lassen sich Energie¨ uberlegungen zu anderen Problemen der Str¨ omungsmechanik anwenden. 8.5.11 Literaturverzeichnis 8.1 Potter MC, Foss JF (1975) Fluid Mechanics. John Wiley & Sons Inc., New York 8.2 Becker E (1986) Technische Str¨ omungslehre. 6. u ¨ berarb. Auflage, B.G. Teubner Stuttgart 8.3 Zierep J, B¨ uhler K (1991) Str¨ omungsmechanik. Springer-Verlag Berlin Heidelberg 8.4 Spurk JH (1993) Str¨ omungslehre - Einf¨ uhrung in die Theorie der Str¨ omungen. 3. u berarb. Auflage, Springer-Verlag Berlin Heidelberg ¨ 8.5 Hutter K (1995) Fluid- und Thermodynamik - Eine Einf¨ uhrung. Springer Verlag Berlin Heidelberg
9 Stromfadentheorie
9.1 Allgemeine Betrachtungen Die vorausgegangenen Betrachtungen zur Ableitung der Integralform der Grundgleichungen k¨ onnen auch vorteilhaft genutzt werden,um vereinfachte, auf sogenannte Stromf¨ aden anwendbare Gleichungen abzuleiten und f¨ ur die L¨ osung von Str¨ omungsproblemen zur Anwendung zu bringen. Dabei geht man bei den Betrachtungen von Stromlinien, die als Linien eines Str¨omungsgebietes eingef¨ uhrt werden, davon aus, dass diese zu einem bestimmten Zeitpunkt, in jedem Punkt des Str¨ omungsfeldes die Richtung der Str¨omung besitzen. Aus einem B¨ undel solcher Stromlinien kann man sich einen Stromfaden aufgebaut denken und man kann eine Unterteilung des gesamten Str¨omungsfeldes in eine Vielzahl von Stromf¨ aden vornehmen. Des weiteren ist es m¨oglich Stromf¨ aden zu b¨ undeln um Stromr¨ ohren zu erhalten, wie dies in Abb. 9.1 angedeutet ist. Dabei gilt es zu beachten, daß sich auf Stromf¨aden angewandte ¨ Uberlegungen zu Eigenschaften von Str¨ omungen nur dann vorteilhaft anbringen lassen, wenn die jeder Fl¨ ache des Stromfadens zugeordneten Str¨omungsgr¨ oßen als konstant u ¨ber die Stromfadenquerschnittsfl¨ache angesehen werden k¨ onnen. Dies macht es gelegentlich notwendig, die Querschnittsfl¨achen eines Stromfadens ausreichend klein zu w¨ ahlen, so daß f¨ ur das betrachtete Problem die Annahme einheitlicher Zustands- und Str¨omungsgr¨oßen u ¨ ber den Stromfadenquerschnitt ausreichend genau erf¨ ullt werden kann. F¨ ur die station¨ are Stromfadentheorie ergibt sich, daß die einem Stromfaden angeh¨ orenden Fluidelemente dauernd diesem Stromfaden angeh¨oren. Fluidteilchen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt außerhalb eines Stromfadens liegen, k¨ onnen nie Bestandteile des betrachteten Fadens werden. Allerdings geh¨ ort jedes Fluidteilchen eines station¨aren Str¨omungsgebietes einem bestimmten Stromfaden an, so daß es gelingt, die Eigenschaften des Str¨ omungsgebietes durch die Eigenschaften der betrachteten Stromf¨aden zu beschreiben. Zur Vereinfachung der Betrachtungen von Stromf¨aden werden die untenstehenden Annahmen zu Stromf¨ aden eingef¨ uhrt: –
Ein Stromfaden ist stets vollst¨ andig mit dem Fluid gef¨ ullt, f¨ ur das Str¨ omungsbetrachtungen durchgef¨ uhrt werden.
278
9 Stromfadentheorie
S tro m lin ie
S tro m fa d e n
S tro m lin ie
S tro m rö h re
S tro m fa d e n
Abbildung 9.1: Stromlinie, Stromfaden und Stromr¨ ohre als Grundlage vereinfachter Str¨ omungsbetrachtungen
x 2= z
S trö m u n g s ric h tu n g
s
a g n
x
g n
N o rm a le z u r S trö m u n g s ric h tu n g x 1
3
Abbildung 9.2: Stromfaden mit eingef¨ uhrtem n − s−Koordinatensystem
– –
Die entlang eines Stromfadens zul¨ assigen Querschnitts¨anderungen sind stets als klein anzusehen. Ein Stromfaden wird als in Str¨ omungsrichtung schwach gekr¨ ummt angenommen.
Obgleich die oben f¨ ur Stromf¨ aden eingef¨ uhrten Annahmen beachtliche Einschr¨ ankungen darstellen, zeigen die in den nachfolgenden Abschnitten aufgef¨ uhrten Ableitungen, dass das Einf¨ uhren von Stromf¨aden in str¨omungsmechanische Betrachtungen zu Gleichungen f¨ uhrt, u ¨ ber die sich physikalisch anschauliche L¨ osungen von Str¨ omungsproblemen angeben lassen.
9.2 Ableitungen der Grundgleichungen
279
Die anhand von Stromf¨ aden durchgef¨ uhrten Betrachtungen zeigen, dass man in einigen F¨ allen die Eigenschaften ganzer Str¨omungsfelder durch die Ei¨ genschaften von Stromf¨ aden beschreiben kann. Andern sich Str¨omungsgr¨oßen nur wenig u ¨ber die ganzen Querschnitte von Innenstr¨omungen, so lassen sich die f¨ ur Stromf¨ aden kleiner Abmessungen abgeleiteten Grundgleichungen auch anwenden, um die wichtigsten Eigenschaften von Innenstr¨omungen durch eine eindimensionale Str¨ omungstheorie zu erfassen. Die Innenstr¨omung wird f¨ ur diesen Zweck als eine einzige Stromr¨ ohre behandelt. Die Berechtigung hierf¨ ur ist jedoch nur gegeben, wenn Viskosit¨ atseinfl¨ usse gering sind bzw. f¨ ur erste Betrachtungen von Str¨ omungen vernachl¨assigt werden k¨onnen.
9.2 Ableitungen der Grundgleichungen 9.2.1 Kontinuit¨ atsgleichung Die Ableitung der Kontinuit¨ atsgleichung f¨ ur einen Stromfaden baut auf der Differentialform der Massenerhaltung auf, wie sie in Abschnitt 5.2 abgeleitet wurde und die nach einer Integration u ¨ber ein Kontrollvolumen, nach Anwendung des Gaußschen Integralsatzes, wie untenstehend aufgef¨ uhrt, angegeben werden kann: " " ∂ρ ∂ (ρUi ) ∂ρ + =0 → (9.1) dV + ρUi dFi = 0 ∂t ∂xi ∂t Vc
Oc
Dabei ist Vc gleich dem Volumen des betrachteten Kontrollvolumens und Oc dessen Oberfl¨ ache. Vertauscht man im ersten Term der oben angegebenen Gleichung (9.1) die Integration und Differentiation, so erh¨alt man: " " " ∂Mc ∂ = − ρUi dFi ρdV + ρUi dFi = 0 ; (9.2) ∂t ∂t Vc
Oc
Oc
Wendet man die Form der Massenerhaltung auf einen Stromfaden an, und ber¨ ucksichtigt man, dass nur die Querschnittsfl¨achen des Stromfadens durchc = 0 (station¨are Str¨omungsbedingunstr¨ omt werden, so ergibt sich f¨ ur ∂M ∂t gen), dass die Massenzu- und Massenabfl¨ usse f¨ ur einen Stromfaden gleich sind. " " ρUi dfi = ρUi dfi ; ρA FA Us,A = ρB FB Us,B (9.3) FA
FB
wobei die Ebene der Fl¨ ache F senkrecht zur Str¨omungsrichtung s steht. Damit ergibt sich, dass der Massenfluss m ˙ = ρFs Us entlang eines Stromfadens konstant ist. In den oben durchgef¨ uhrten Betrachtungen wurde bereits eingef¨ uhrt, dass aufgrund kleiner Stromfadenquerschnittsfl¨ achen Fs , ρ und Us als u ¨ ber Fs
280
9 Stromfadentheorie
x n
n 3
F (s )= c o n s t ( F s )A
F (s) s
s
( F s ) B D ü s e n s trö m u n g
R o h rs trö m u n g
F (s) ( F s )A
s
F (s) s
( F s ) B D iffu s o rs trö m u n g
S trö m u n g s u m le n k u n g
Abbildung 9.3: Str¨ omungen die sich n¨ aherungsweise eindimensional berechnen lassen
gleich konstant angesetzt werden k¨ onnen. Will man die Betrachtung auch auf Stromr¨ ohren anwenden, wie sie in Abb. 9.3 skizziert sind, so m¨ ussen die Betrachtungen verfeinert durchgef¨ uhrt werden. Diese m¨ ussen ber¨ ucksichtigen, dass die Annahme konstanter Dichte und Geschwindigkeit, beim Vorliegen großer Querschnittsfl¨ achen, nur bedingt gegeben ist. Das Einf¨ uhren querschnittsgemittelter Gr¨ oßen in die durchgef¨ uhrten Betrachtungen ist erforderlich, wie dies untenstehend gezeigt wurde. F¨ uhrt man, unter Anwendung des Mittelwertsatzes der Integralrechnung, folgende Mittelung durch: " 1 > ρUs = − ρUs dfs Fs Fs
so l¨ asst sich f¨ ur station¨ are Str¨ omungsbetrachtungen angeben: =0
" ∂Mc = − ρUi dFi ∂t
;
>s ρU
A
>s FA = ρU FB
(9.4)
B
Vc
Diese Beziehung f¨ ur die Massenfl¨ usse wird in der Stromfadentheorie oftmals >s = ρ˜U ˜s angenommen wird, d.h. die Beziehung weiter vereinfacht, indem ρU (9.4) wird wie folgt angewendet: ˜s,A FA = ρ˜B U ˜s,B FB = ρUs Fs ρ˜A U
(9.5)
9.2 Ableitungen der Grundgleichungen
˜s,A und U ˜s,B wie folgt definiert sind: wobei ρ˜A und ρ˜B , sowie U " " 1 ˜s = 1 Us df ρdf und U ρ˜A = Fs Fs Fs
281
(9.6)
fs
Die obigen Ableitungen machen deutlich, dass die Anwendung der verein˜s Fs = const nur f¨ ur solche fachten Integralform der Kontinuit¨ atsgleichung ρ˜U Str¨ omungen berechtigt ist, die keine starken Variationen der Dichte oder der Geschwindigkeit u omungsquerschnitt einer Stromr¨ohre aufweisen. ¨ber den Str¨ Unter dieser Annahme findet die Gleichung (9.5) in den nachfolgenden Abschnitten Anwendung. Da nun starke Variationen der Gr¨oßen ρ und Us u ¨ ber den Querschnitt ausgeschlossen werden, liegt auch die Berechtigung vor, lokale Gr¨ oßen in die obige Beziehung (9.5) als N¨aherung einzuf¨ uhren. In der Str¨ omungsmechanik treten eine Reihe von Fragestellungen auf, ¨ die darauf abzielen infinitesimale Anderungen einer thermodynamischen ¨ Zustands- oder einer Str¨ omungsgr¨ oße zu erfassen, wenn infinitesimale Anderungen anderer Parameter vorliegen. Daf¨ ur eignet sich die Anwendung der Kontinuit¨ atsgleichung in einer Form, wie sie untenstehend abgeleitet wird. Durch Differentiation der Gleichung (9.5) erh¨ alt man: ˜s + ρ˜U ˜s dFs = 0 ˜s Fs d˜ ρ + ρ˜Fs dU U
(9.7)
Divison der Gleichung (9.7) durch (9.5) f¨ uhrt zu einer weiteren Form der Kontinuit¨ atsgleichung, die in den nachfolgenden Abschnitten zur Anwendung kommt: ˜s d˜ ρ dU dFs + + =0 (9.8) ˜s ρ˜ Fs U Die Gleichung bringt zum Ausdruck, wie sich z.B. die Geschwindigkeit eines ¨ Fluids relativ ¨ andern wird, wenn gemeinsame relative Anderungen von Dichte und Querschnittsfl¨ ache auftreten. 9.2.2 Impulsgleichung L¨ osungen von Str¨ omungsproblemen auf der Basis der Stromfadentheorie erfordern die Einbeziehung der Impulsgleichungen, doch m¨ ussen diese auf die Stromfadenkoordinaten umgeschrieben werden. Ausgehend von den allgemeinen Impulsgleichungen ∂Uj ∂Uj ∂τij ∂P ρ + Ui − + ρgj (9.9) =− ∂t ∂xi ∂xj ∂xi ergibt sich unter Vernachl¨ assigung der molekularen Impulstransportterme f¨ ur die s−Richtung des Stromfadens die folgende Form der Impulsgleichungen: ∂Us ∂Us ∂P + Us + ρgs mit gs = −g cos α (9.10) ρ =− ∂t ∂s ∂s
282
9 Stromfadentheorie
mit cos α =
dz , so dass gilt: ds ∂Us dz ∂Us ∂P ρ + Us − ρg =− ∂t ∂s ∂s ds
x 2= z
(9.11)
S trö m u n g s ric h tu n g
s
a g n
x
N o rm a le z u r S trö m u n g s ric h tu n g
g
x n
1
3
Abbildung 9.4: Betrachtungen zur Impulsgleichung f¨ ur den Stromfaden
Analog l¨ asst sich in n−Richtung angeben ρ
∂P dz Us2 =− −g , R ∂n dn
(9.12)
wobei z in der negativen Richtung des Gravitationsfeldes zu w¨ahlen ist. Diese Gleichung bringt zum Ausdruck, dass f¨ ur gerade, nicht gekr¨ ummte Stromf¨ aden, d.h. R → ∞ die Druckvariation senkrecht zur Str¨omungsrichtung alleine durch die Gravitation gegeben ist. Sind die Gravitationskr¨afte vernachl¨ assigbar, so ist der Druck u umm¨ ber den Querschnitt eines nichtgekr¨ ten Stromfadens konstant. Geht man von der allgemeinen Impulsgleichung in Eulerform aus, d.h. man vernachl¨ assigt die molekularen Impulstransportterme ∂(ρUi Uj ) ∂P ∂(ρUj ) + =− + ρgj ∂t ∂xi ∂xj
(9.13)
und integriert man diese u ¨ber ein Kontrollvolumen, das den Gesamtraum eines Stromfadens entspricht, so erh¨ alt man f¨ ur station¨are Str¨omungsbedingungen: " " " ρUi Uj dfi = − Fc
P dfj + Fc
ρgj dV. Vc
(9.14)
9.2 Ableitungen der Grundgleichungen
283
F¨ ur die speziellen Einstr¨ om- und Ausstr¨ ombedingungen an den Fl¨achen FA und FB eines Stromfadens l¨ asst sich somit angeben: " dz 2 2 (Ads) (9.15) FA + ρUs,B FB = +PA FA − PB FB − ρg −ρA Us,A ds V
oder umgeschrieben f¨ ur g = 0, d.h. unter Vernachl¨assigung der Gravitation: ρUs2 Fs + P Fs = const
(9.16)
Diese Form der Impulsgleichung findet bei vielen Probleml¨osungen in der Str¨ omungsmechanik Anwendung. 9.2.3 Bernoulligleichung Oftmals interessieren bei der Durchf¨ uhrung str¨ omungsmechanischer Betrachtungen der Druck und der Geschwindigkeitsverlauf in Str¨omungsrichtung. ¨ Solche Anderungen lassen sich, falls sie allein aus mechanischen Energie¨anderungen resultieren, aus der mechanischen Energiegleichung“ ermitteln. Diese ” Gleichung l¨ asst sich im allgemeiner Form wie folgt angeben, siehe Kapitel 5.5: D 1 2 ∂Uj ∂(P Uj ) ∂Uj ∂(τij Uj ) ρ U +G =− +P − + τij (9.17) Dt 2 j ∂xj ∂xj ∂xi ∂xi F¨ uhrt man Betrachtungen unter Vernachl¨ assigung der molekularbedingten Impulstransportterme durch, d.h. f¨ ur τij = 0, so erh¨alt man f¨ ur ρ = const und damit ∂Uj /∂xj = 0 ∂P D 1 2 ∂(P Uj ) Uj + G = − ρ = −Uj (9.18) Dt 2 ∂xj ∂xj Bei Vorliegen station¨ arer Druckfelder gilt: DP ∂P ∂P ∂P = +Ui = Ui , Dt ∂xi ∂xi ∂t
(9.19)
=0
so dass unter diesen Bedingungen gilt: DP D 1 2 Uj + G = − ρ Dt 2 Dt F¨ ur G = −xj gj l¨ asst sich somit schreiben: D 1 2 P Uj + − xj gj = 0, ρ Dt 2 ρ was f¨ ur j = s zu der Aussage der Bernoulli-Gleichung f¨ uhrt:
(9.20)
(9.21)
284
9 Stromfadentheorie
1 2 P U + − gs s = const 2 s ρ
(9.22)
Ber¨ ucksichtigt man, dass −gs s = gh so erh¨ alt man die Endform 1 2 P U + + gh = const 2 s ρ
(9.23)
Diese Gleichung l¨ asst sich physikalisch so interpretieren, dass die in einem Stromfaden pro Zeiteinheit einfliessende Masse m, ˙ die kinetische Energie m ˙ 12 Us2 , die Druckenergie mP ˙ υ = m ˙ Pρ und die potentielle Energie mgh ˙ als Gesamtenergie einbringt, deren Summe sich entlang des Stromfadens nicht andern kann, d.h. die Gesamtenergie ist entlang des Stromfadens konstant. ¨ Da gleichfalls m ˙ = const gilt, resultiert hieraus die Gleichung (9.23). 9.2.4 Die Gesamtenergiegleichung Die obigen Betrachtungen zur Bernoulligleichung m¨ ussen Erweiterungen erfahren, wenn man Energiebetrachtungen f¨ ur kompressible Medien durchf¨ uhrt. ¨ Unter Ber¨ ucksichtigung der Uberlegungen in Abschnitt 5 muss anstelle der oben behandelten mechanischen Energiegleichung die Gleichung f¨ ur die Gesamtenergie Anwendung finden, die nach Gleichung (5.68) wie folgt angegeben werden kann. ∂ q˙j ∂(P Uj ) (τij Uj ) 1 2 D − − (9.24) e + Uj + G = − ρ Dt 2 ∂xi ∂xj xi Unter Vernachl¨ assigung des molekularbedingten W¨arme- und Impulstransur g ≈ 0: ports, d.h. q˙i = 0 und τij = 0, ergibt sich f¨ ∂ ∂ 1 ∂ 1 (P Uj ) (9.25) Ui ρe + ρUj2 = ρe + ρUj2 + ∂t 2 ∂xi 2 ∂xj F¨ ur station¨ are Str¨ omungsvorg¨ ange gilt dann: P ∂ 1 ρUi e + Uj2 + =0 ∂xi 2 ρ
(9.26)
F¨ uhrt man die Enthalpie h = e + P/ρ ein, so erh¨alt man f¨ ur die Energiegleichung f¨ ur station¨ are Str¨ omungen kompressibler Medien: 1 2 (9.27) h + Uj = const 2 ¨ F¨ uhrt man die obigen Uberlegungen f¨ ur Stromr¨ohren durch, so erh¨alt man gleichfalls die in Gleichung (9.27) angegebene Beziehung, allerdings f¨ ur fl¨ achengemittelte Gr¨ oßen:
9.3 Inkompressible Str¨ omung
˜ + 1U ˜ 2 = const h 2 j
285
(9.28)
Die Summe aus fl¨ achengemittelter Enthalpie eines str¨omenden Fluids und der pro kg des Fluids vorliegenden fl¨ achengemittelten kinetischen Energie ist f¨ ur viskosit¨ atsfreie, adiabate Str¨ omungen in Stromr¨ohren eine Konstante, wenn Gravitationseinfl¨ usse vernachl¨ assigbar sind. Damit ergeben sich folgende Gleichungen f¨ ur die Berechnung von Str¨omungen in Stromr¨ohren. Str¨ omungen inkompressibler Fluide: ˜s = const (9.29) ρ˜F˜s U
– Massenerhaltung: – Impulserhaltung:
– Mechanische Energiegleichung:
˜ 2 Fs + P Fs = const (9.30) ρ˜U s 0 1 ˜ 2 P˜ ˜ U + + g h = const (9.31) 2 s ρ˜
Str¨ omungen kompressibler Fluide: – Massenerhaltung:
˜s = const (9.32) ρ˜F˜s U
– Impulserhaltung:
˜ 2 Fs + P Fs = const (9.33) ρ˜U s 1 ˜2 ˜ U + h = const (9.34) 2 s
– Energiegleichung:
Diese Gleichungen gilt es bei Probleml¨ osungen anzuwenden.
9.3 Inkompressible Str¨ omung 9.3.1 Hydromechanische D¨ usenstr¨ omung Das in Abb. 9.5 skizzierte Str¨ omungsproblem l¨asst sich unter Vernachl¨assigung von Reibungskr¨ aften mit Hilfe der Stromfadentheorie l¨osen, um so einen ¨ ersten Uberblick u ¨ber die sich abspielenden Str¨omungsvorg¨ange zu erhalten. Setzt man eindimensionale Str¨ omungsberechnungen an, so l¨asst sich f¨ ur die Str¨ omung in Querschnitt A eine u ¨ber den gesamten Rohrdurchmesser konstante Geschwindigkeit angeben. UD =
m ˙ 1 ρ π4 D2
(9.35)
Aufgrund der Kontinuit¨ atsgleichung gilt: π π 2 D UD = d2 Ud 4 4
;
Aus der Bernoulli-Gleichung ergibt sich:
Ud =
D2 UD d2
(9.36)
286
9 Stromfadentheorie
K o n tro llv o lu m e n
F /2
D
r
m
.
P0
P0 A x 1
d
m = 0 PD B F /2 Abbildung 9.5: D¨ usenstr¨ omung am Ende eines Rohres
1 1 1 PD Pd P0 + UD2 = + Ud2 = + Ud2 ρ 2 ρ 2 ρ 2 Hieraus errechnet sich PD als: 2 ρ1 2 ρ PD = P0 + Ud − UD2 = P0 + 2 2
.
D d
4
(9.37) /
− 1 UD2
(9.38)
Die Flanschkraft F auf das Kontrollvolumen in Abb. 9.5 errechnet sich aus der integralen Impulsgleichung wie folgt: π π π π −ρUD2 D2 + ρUd2 d2 −PD D2 + P0 D2 = F 4 4 4 4
(9.39)
2 −π 4 D (PD −P0 )
oder nach erfolgter Umstellung unter Ber¨ ucksichtigung von (9.38) ρπ 2 2 d2 Ud2 π 2 ρ D2 D UD 2 − 2 2 2 − D − − 1 UD2 = F 24 D UD 4 2 d4
(9.40a)
und nach erneuter Umstellung: −
2 ρπ 2 2 D2 D UD 1 − 2 =F 24 d
(9.40b)
Setzt man die entsprechenden Beziehungen UD aus (9.35)ein, so erh¨alt man f¨ ur die Flanschkraft F : 2 m ˙2 D2 F =− π 2 1− 2 (9.41) ρ2D d Die auf den untersuchten D¨ usenteil von der Flansch aufgebrachte Kraft erweist sich als positiv, so dass die Auflagefl¨ ache des Flansches mit einer negativen Kraft F beaufschlagt wird. Die Schrauben im Flansch k¨onnen somit als kr¨ aftefrei angesehen werden.
9.3 Inkompressible Str¨ omung
287
9.3.2 Pl¨ otzliche Querschnittserweiterung
A b lö s e g e b ie t
r
m
.
m = 0
d
B A
D
A b lö s e g e b ie t
D P verl
{
.
PB PA P
P id e a l re a l
W a n d d ru c k v e rla u f
Abbildung 9.6: Carnotscher Stoßdiffusor zur Erl¨ auterung von Stoßverlusten bei Erweiterungen von Querschnitten
In der Str¨ omungspraxis werden oftmals Rohre unterschiedlicher Querschnitte aneinandergereiht und durchstr¨ omt. Es entstehen so, in Str¨omungsrichtung betrachtet, interne Str¨ omungen, die pl¨ otzlichen Querschnittserweiterungen ausgesetzt sind, wie dies in Abb. 9.6 skizziert ist. Es entstehen so Abl¨osege¨ biete, deren Einfluss auf die Str¨ omung durch die unten aufgef¨ uhrten Uberlegungen verst¨ andlich gemacht werden soll. F¨ uhrt man Str¨omungsbetrachtungen zwischen den Ebenen A und B der Rohrstr¨omung durch, so ergibt sich aus der Kontinuit¨ atsgleichung: π π m ˙ = Ud d2 = UD D2 ρ 4 4
(9.42)
Damit sind die Geschwindigkeiten Ud und UD bekannt, sie sind durch den vorgegebenen Massenstrom bestimmt. Bei verlustfreier Durchstr¨ omung der Messstrecke w¨ urde sich zwischen A und B folgende Druckdifferenz ergeben, die sich aus der Bernoulligleichung errechnen l¨ asst: ρ 2 d4 (9.43) ∆Pideal = (PB − PA )ideal = Ud 1 − 4 2 D Unter realen Bedingungen, wie sie in Abb. 9.6 durch das Auftreten der Abl¨ osegebiete angedeutet sind, l¨ asst sich durch Anwendung des Impulssatzes folgende resultierende Kraft ermitteln:
288
9 Stromfadentheorie
F = ρUd2
π π π π − ρUD2 D2 + PA d2 − PB D2 4 4 4 4
(9.44)
Vernachl¨ assigt man Beitr¨ age zur Kraft F durch Impulsverluste an den Rohrwandungen, so errechnet sich die Kraft F als die Druckkraft auf die Ringfl¨ache nach der pl¨ otzlichen Erweiterung, d.h. als , π+ 2 F = PA (9.45) D − d2 4 Somit erh¨ alt man f¨ ur die Druckdifferenz ∆Preal = (PA − PB )real =
ρUd2
d2 D2
d2 1− 2 , D
(9.46)
so dass sich ein Druckverlust (Carnotscher Stoßverlust) wie folgt ermitteln l¨ asst: , ρ 2 d4 ρ+ 2 ∆PVerl. = ∆Pideal − ∆Preal == Ud 1 − 4 = (9.47) U − UD2 2 D 2 d F¨ ur D → ∞ ergibt sich als Maximalwert f¨ ur ∆PVerl. = ρ/2 Ud2 , der Ausstr¨ omungsdruckverlust.
9.4 Inkompressible Str¨ omungen 9.4.1 Einfluss von Fl¨ achen¨ anderungen auf Str¨ omungen In dem vorliegenden Abschnitt sollen allgemeine Betrachtungen angestellt werden, die dar¨ uber Auskunft geben, wie sich Querschnitt¨anderungen in Str¨ omungskan¨ alen auf Str¨ omungsvorg¨ ange auswirken, d.h. wie Fl¨achen¨anderungen die Geschwindigkeits-, Druck-, Dichte- und Temperaturverteilung entlang des Kanals bestimmen. Bei der Untersuchung kommen die Gleichungen zur Anwendung, die im Abschnitt 9.2 abgeleitet wurden, d.h. die Kontinuit¨ atsgleichung lautet: ˜1 F = const (9.48) ρ˜U Die Gleichung (9.48) l¨ asst sich in Differentialform schreiben: ˜1 dF d˜ ρ dU + + =0 ˜ F ρ˜ U1
(9.49)
¨ Laut der Uberlegungen in Abschnitt (9.2) kann die Variation der Geschwindigkeit in Str¨ omungsrichtung in erster N¨ aherung durch die f¨ ur eindimensionale Str¨ omungen reduzierte Eulergleichung beschrieben werden, d.h. es gilt: ) * ˜ ˜ ˜1 d P d P d˜ ρ d U ˜1 ρ˜U =− =− (9.50) dx1 dx1 d˜ ρ dx1
9.4 Inkompressible Str¨ omungen
289
Aufgrund der Energiegleichung f¨ ur reversible adiabate Str¨omungsvorg¨ange, die f¨ ur fl¨ achengemittelte Gr¨ oßen wie folgt gilt: P˜ = const ρ˜κ
(9.51)
ist die Druckableitung nach der Dichte unter adiabaten Bedingungen durchzuf¨ uhren. Da jedoch gilt: * ) dP˜ 2 c˜ = , (9.52) d˜ ρ ad
l¨ asst sich die Gleichung (9.52) auch wie folgt schreiben: ˜1 ρ˜U
dU˜1 d˜ ρ = −˜ c2 . dx1 dx1
(9.53)
F¨ uhrt man die Mach-Zahl Ma der Str¨ omung ein als ˜ % = U1 , Ma c˜
(9.54)
so l¨ asst sich Gleichung (9.53) schreiben: 2 ˜ d˜ ρ % dU1 = −Ma ˜1 ρ˜ U
(9.55)
Setzt man das Ergebnis (9.55) in (9.49) ein, so erh¨alt man: ˜ 2 ˜ dF % dU1 + dU1 = 0 − Ma ˜ ˜ F U1 U1 oder
˜1 dU = ˜1 U
−1
dF 2 F % (1 − Ma )
(9.56)
(9.57)
% < 1 und Uber¨ Ber¨ ucksichtigt man, dass Unterschallstr¨ omungen durch Ma % schallstr¨ omungen durch Ma > 1 gegeben sind, so bringt die obige Beziehung zum Ausdruck: –
–
% < 1) ist eine in Beim Vorliegen einer Unterschallstr¨ omung (Ma Str¨ omungsrichtung vorliegende Abnahme der Querschnittsfl¨ache eines Str¨ omungskanals mit einer Zunahme der Str¨omungsgeschwindigkeit verbunden. Eine Zunahme der Kanalquerschnittsfl¨ache in Str¨omungsrichtung omungsgeschwindigkeit. resultiert in einer Abnahme der Str¨ % > 1) ist eine in Str¨omungs¨ Beim Vorliegen einer Uberschallstr¨ omung(Ma richtung vorliegende Abnahme der Querschnittsfl¨ache eines Str¨omungskanals mit einer Abnahme der Str¨ omungsgeschwindigkeit verbunden. Eine omungsquerschnitts in Str¨omungsrichtung resultiert in Zunahme des Str¨ einer Zunahme der Str¨ omungsgeschwindigkeit.
290
9 Stromfadentheorie
~
~
x
M a < 1
U 1
A U U
~
~
U A
l
~ B
x
M a > 1
A B
u~
~
U B
~
U A
l x
~ U
1
~
U A
l
~
x B
1
U
B ~
U A
U B
l x
~
l
~
x B
A ~
U A
U B
l x
~ U
1
B
u~
1
¨ Abbildung 9.7: Einfluss der Anderung des Str¨ omungsquerschnittes auf eine Unterschallstr¨ omung
U A
A
u~
1
~
l
U A
~ B
B
u~ B
~ A
1
l x 1
¨ Abbildung 9.8: Einfluss der Anderung des Str¨ omungsquerschnittes auf ¨ eine Uberschallstr¨ omung
¨ Neben den durch Querschnittsfl¨ achen¨ anderungen hervorgerufenen Ande¨ rungen der Str¨ omungsgeschwindigkeit interessieren auch die Anderungen des Drucks, der Dichte und der Temperatur des str¨omenden Fluids. Aus Gleichung (9.50) ist ersichtlich, dass die relative Dichte¨anderung stets das entgegengesetzte Vorzeichen der Geschwindigkeits¨ anderung besitzt, d.h. die Dichte steigt in Str¨ omungsrichtung an, wenn die Geschwindigkeit in Str¨omungsrichtung abf¨ allt und umgekehrt. Im Gebiet der Unterschallstr¨omung ist die lokal vorliegende, relative Dichte¨ anderung kleiner als die lokale relative Geschwin¨ digkeits¨ anderung. Im Bereich der Uberschallstr¨ omung ist die lokal vorliegende relative Dichte¨ anderung gr¨ oßer als die relative Geschwindigkeits¨anderung. Bez¨ uglich der Abh¨ angigkeit von den Querschnittsfl¨achen¨anderungen des Str¨ omungskanals ergibt sich f¨ ur die Dichte¨anderung: 2
% Ma dF d˜ ρ = 2 F ρ˜ % ) (1 − Ma
(9.58)
¨ Bez¨ uglich der Druckvariation lassen sich folgende Uberlegungen anstellen. Aus der Adiabatengleichung folgt: dP˜ =
P˜ P˜ (κ−1) ρ, κ˜ ρ d˜ ρ = κ d˜ κ ρ˜ ρ˜
(9.59)
wobei κ = cp /c0 ist. Damit gilt f¨ ur die lokale relative Druck¨anderung 2 ˜ dP˜ % dU1 = κMa ˜ ˜1 P U
(9.60)
¨ oder bez¨ uglich der lokalen relativen Anderung der Str¨omungsquerschnittsfl¨ ache:
9.4 Inkompressible Str¨ omungen
291
2
% κMa dF dP˜ = 2 F ˜ P % ) (1 − Ma
(9.61)
Als letztes gilt es die Temperaturvariationen zu betrachten. Dazu wird die Zustandsgleichung f¨ ur ideale Gase differenziert. −P˜
d˜ ρ dP˜ dF = RdT˜ , + 2 ρ˜ ρ˜ F
(9.62)
oder umgeschrieben: dT˜ d˜ ρ dP˜ + = ρ˜ P˜ T˜ Damit folgt aus den vorausgegangenen Beziehungen −
2 ˜ dT˜ % dU1 = −(κ − 1)Ma ˜ ˜1 T U
(9.63)
(9.64)
Die lokal auftretende, relative Temperatur¨ anderung hat das entgegengesetzte Vorzeichen der lokalen, relativen Geschwindigkeits¨anderung. Die auftretenden, relativen Temperatur¨ anderungen sind schw¨acher als die entsprechenden relativen Dichte¨ anderungen. Bez¨ uglich der relativen Fl¨achen¨anderung des Str¨ omungsquerschnitts ergibt sich: 2
% dF (κ − 1)Ma dT˜ = 2 T˜ % ) F (1 − Ma
(9.65)
¨ Die f¨ ur die Str¨ omungsgeschwindigkeitsvariation in Uberschallund Unter¨ schallstr¨ omungen angegebenen Uberlegungen, die in den Abbildungen 9.7 und 9.8 skizziert sind, k¨ onnen anhand der obigen Gleichungen auch f¨ ur die Druck-, Dichte- und Temperaturvariationen angestellt werden. Eine weitere wichtige Betrachtung l¨ asst sich durch Umstellung der oben abgeleiteten Beziehungen angeben, derart, dass gilt: 2 dF F % ) = (1 − Ma ˜ ˜ U1 dU1
(9.66)
Diese Beziehung bringt zum Ausdruck, dass die Bedingung f¨ ur das Erreichen % = 1 gegeben ist. Da f¨ der Schallgeschwindigkeit durch dF = 0, d.h. Ma ur die zweite Ableitung gilt: , d2 F F + (9.67) = 2 1 + Ma2 2 ˜ U1 dU1 % = 1 ein Minimum des Str¨ liegt f¨ ur Ma omungsquerschnitts vor.
292
9 Stromfadentheorie
9.4.2 Druckgetriebene Ausgleichsstr¨ omungen durch konvergierende D¨ usen In vielen technischen Anlagen treten Str¨ omungen von Gasen auf, die in die große Gruppe der Ausgleichsstr¨ omungen einzuordnen sind, die zwischen Beh¨ altern mit unterschiedlichen Druckniveaus ablaufen k¨onnen. So werden zum Beispiel Gase oftmals unter hohem Druck in großen Vorratsbeh¨altern ¨ gespeichert, um bei Bedarf u mit ¨ ber entsprechend ausgelegte Offnungen Anschlussaggregaten und Entnahmeleitungen ihrem Verwendungszweck zugef¨ uhrt zu werden. Diese Entnahme kann idealisiert als eine Ausgleichsstr¨ omung zwischen zwei Beh¨ altern bzw. zwei R¨aumen verstanden werden, von denen der eine den unter Druck stehenden Vorratsbeh¨alter pr¨asentiert, w¨ ahrend die Umgebung den zweiten Beh¨ alter darstellt. In den nachfolgenden Betrachtungen wird angenommen, dass beide Beh¨alter sehr groß sind, so dass w¨ ahrend der gesamten untersuchten Ausgleichsstr¨omung konstante Beh¨ alterbedingungen vorliegen. Diese werden als bekannt angenommen und sind durch den Druck PH , die Temperatur TH etc. im Hochdruckbeh¨alter ur den Niederdruckbeh¨alter. gegeben, sowie durch den Druck PN bzw. TN f¨ Die Ausgleichsstr¨ omung soll u ber eine stetig konvergierende D¨ use erfolgen, ¨ wie sie in Abb. 9.9 angedeutet ist, deren gr¨ oßter Querschnitt somit die Austritts¨ offnung des Hochdruckbeh¨ alters angibt, darstellt, w¨ahrend der kleinste D¨ usenquerschnitt die Eintritts¨ offnung in den Niederdruckbeh¨alter darstellt. Will man die sich bei der obigen Ausgleichsstr¨omung abspielenden Str¨ omungsvorg¨ ange n¨ aher untersuchen, bieten sich die im Abschnitt 9.2 abgeleiteten Endgleichungen f¨ ur Str¨ omungen durch Kan¨ale, Rohre, etc. an: ˜1 F = const ρ˜U ˜ + 1U ˜ 2 = const; h 2 1 P˜ = RT˜ ρ˜
P˜ = const ρ˜κ
(9.68) (9.69) (9.70)
Damit liegt eine ausreichende Anzahl von Gleichungen vor, um den Verlauf der fl¨ achengemittelten Geschwindigkeit und der fl¨achengemittelten thermodynamischen Zustandsgr¨ oßen des str¨ omenden Gases beim Ablauf der Ausgleichsstr¨ omung, d.h. entlang der in Abb. 9.9 angegebenen x1 −Achse zu be˜1 , ρ˜, T˜, P˜ an jeder Stelle x1 stimmen. Bei vorgegebener Fl¨ ache k¨ onnen z. B. U bestimmt werden. Damit ist der Str¨ omungszustand in jedem Querschnitt der D¨ use berechenbar. Er wird allerdings von PN und PH bestimmt. Ber¨ ucksichtigt man, dass - aufgrund der Annahmen eines großen Beh¨ alters, im Inneren des Hochdruckbeh¨ alters der konstante Druck PH und die Geschwindigkeit (U1 )H = 0 vorliegen, so l¨ asst sich f¨ ur die Geschwindigkeit use folgende Beziehung angeben: U1 an jeder Stelle x1 der D¨
9.4 Inkompressible Str¨ omungen
B e h ä lte r 2
B e h ä lte r 1
P T
r
H
H
H
293
x1= 0
P
F (x1 ) x 1
x1= L
r
T
N N N
Abbildung 9.9: Ausgleichsstr¨ omung zwischen zwei Beh¨ altern durch konvergierende D¨ use
˜ + 1U ˜ 2 = hH h 2 1
(9.71)
Ber¨ ucksichtigt man, dass die Enthalpie f¨ ur ein ideales Gas als cP T angegeben werden kann und dass zudem die ideale Gasgleichung (9.70) gilt, so l¨asst sich die obige Beziehung (9.71) wie folgt umschreiben: cP
P˜ 1 ˜2 1 ˜2 κ P˜ κ PH + U + U 1 = 1 = R˜ ρ 2 κ − 1 ρ˜ 2 κ − 1 ρH
(9.72)
Die Geschwindigkeit U1 (x1 ) ist somit mit dem Druckverlauf entlang der Achse der D¨ use wie folgt verkn¨ upft: 9 ) * : : 2κ ˜ P P H ˜1 = ; U (9.73) − κ − 1 ρH ρ˜ Die obige Gleichung deutet an, dass sich f¨ ur P˜ = 0, d.h. f¨ ur Ausstr¨omung in ein Vakuum,eine maximale Str¨ omungsgeschwindigkeit einstellt, die allein durch den ,,Kesselzustand” im Hochdruckbeh¨ alter gegeben ist: # 2κ PH Umax = = 2cP TH (9.74) κ − 1 ρH Normiert man die an einer Stelle x1 vorliegende Str¨omungsgeschwindigkeit U1 mit Umax , so erh¨ alt man: # ˜1 P˜ ρH U (9.75) = 1− Umax PH ρ˜
294
9 Stromfadentheorie
oder mittels der idealen Gasgleichung umgeschrieben # ˜1 T˜ U = 1− Umax TH
(9.76)
Die Verkn¨ upfung der Adiabatengleichung (9.69) mit der Zustandsgleichung (9.70) f¨ uhrt zu folgenden Beziehungen: T˜ = TH
)
ρ˜ ρH
*κ−1 und
T˜ = TH
)
P˜ PH
Damit gelten die folgenden Gleichungen: # κ−1 ˜1 U = 1 − ρ˜/ρH Umax und
9. / : κ−1 : ˜ U1 κ = ; 1 − P˜ /PH Umax
* κ−1 κ (9.77)
(9.78)
(9.79)
˜1 /Umax ) als Parameter f¨ ur die W¨ ahlt man die normierte Geschwindigkeit (U Darstellung der Str¨ omung in der D¨ use, so lassen sich Druck-, Dichte- und Temperaturverlauf wie folgt angeben: κ 2 κ−1 P˜ ˜ = 1 − U1 /Umax (9.80) PH 1 2 κ−1 ρ˜ ˜ = 1 − U1 /Umax (9.81) ρH 2 T˜ ˜ = 1 − U1 /Umax (9.82) TH ˜1 /Umax ) angegeDiese Beziehungen sind in Abb. 9.10 als Funktion von (U ˜1 /Umax )−Achse, die entsprechende ben. Mit aufgef¨ uhrt ist, entlang der (U Mach-Zahl der Str¨ omung, die sich unter Ber¨ ucksichtigung der Beziehung √ c = ( dP/ dρ)ad = κRT wie folgt berechnen l¨asst: ) * ˜ ˜ 2 κRT˜ ˜2 2κ − 1 T U U 1 1 % = (9.83) = Ma 1 2 Umax 2cP TH κRT˜ 2 TH Ber¨ ucksichtigt man die oben f¨ ur (T /TH ) abgeleitete Beziehung, Gleichung (9.77), so erh¨ alt man f¨ ur die zu bestimmende Mach-Zahl: 9 : 2 : ˜ : 2 U1 /Umax % =: Ma (9.84) : 2 ;κ − 1 ˜ 1 − U1 /Umax
9.4 Inkompressible Str¨ omungen
295
Somit ist jeder Angabe einer fl¨ achengemittelten, mit der Maximalgeschwindigkeit normierten Geschwindigkeit eine Mach-Zahl der Str¨omung zuzuordnen. Alle Gr¨ oßen, die in den obigen Gleichungen (9.80) bis (9.82) angege% geschrieben werden, ben sind, k¨ onnen auch als Funktion der Mach-Zahl Ma die wiederum als eine fl¨ achengemittelte, den Str¨omungsverlauf entlang der x1 −Achse beschreibende Str¨ omungsgr¨ oße zu betrachten ist.
Abbildung 9.10: Verlauf des Druckes, der Dichte, der Temperatur und der Massenstromdichte bei Druckausgleichsstr¨ omungen
Zur Ableitung der in Abb. 9.10 dargestellten Abh¨angigkeit des Drucks, der Dichte und der Temperatur von der Mach-Zahl der Str¨omung wird die Gleichung (9.71) wie folgt geschrieben: 1 ˜2 = cP T H cP T˜ + U 2 1
(9.85)
alt man: Durch Division mit cP T˜ erh¨ ˜ 2 κR U TH κ−1 %2 1 =1+ =1+ Ma1 ˜ ˜ κR 2 T 2cP T
(9.86)
oder f¨ ur den Kehrwert: 2 T˜ = >2 TH 2 + (κ − 1)Ma 1
(9.87)
Diese Gleichung verdeutlicht, dass eine Beziehung zwischen der fl¨achengemittelten Temperatur entlang der x1 −Achse und der an derselben Stelle vorliegenden Mach-Zahl der Str¨ omung gegeben ist.
296
9 Stromfadentheorie
Damit l¨ asst sich f¨ ur jede x1 −Stelle die Temperatur berechnen, wenn der Kesselzustand gegeben und die Mach-Zahl der Str¨omung bekannt ist. Unter Ber¨ ucksichtigung der Adiabatengleichung ergibt sich f¨ ur das Verh¨ altnis von Druck und Beh¨ alterdruck: * κ / κ ) . κ−1 κ−1 T˜ P˜ 2 = = (9.88) PH TH 2 + (κ − 1)M a2 1
und ρ˜ = ρH
)
T˜ TH
*
.
1 κ−1
=
/
2
1 κ−1
>2 2 + (κ − 1)Ma 1
(9.89)
Die Abb. 9.11 enth¨ alt auch den Verlauf der Massenstromdichte θ = ˜1 , d.h. die Angabe der pro Fl¨ m/F ˙ = ρ˜U achen- und Zeiteinheit durch einen Str¨ omungsquerschnitt fließenden Masse. Der Verlauf dieser Gr¨oße l¨asst sich ˜1 und ρ˜ wie folgt schreiben: unter Anwendung der Beziehungen f¨ ur U 1 2 κ−1 ˜ ˜ ˜1 ρ˜1 U1 = ρH 1 − U1 /Umax U
oder f¨ ur die normierte Massenstromdichte: 1 2 κ−1 ˜1 ˜1 U ρ˜1 U ˜ = 1 − U1 /Umax ρH Umax Umax
(9.90)
(9.91)
Die oben f¨ ur die Massenstromdichte angegebene Beziehung verdeutlicht, dass f¨ ur U1 = 0, θ = 0 erreicht wird. Die Massenstromdichte nimmt jedoch auch f¨ ur U1 = Umax den Wert Null an, da bei Einstellen der maximal m¨oglichen Geschwindigkeit, die in der Massenstromdichte mit enthaltene Dichte des Fluids auf ρ˜ = 0 abgefallen ist. Zwischen diesen beiden Minimalwerten muss die Massenstromdichte ein Maximum durchlaufen, das sich durch Differentiation der obigen Funktion und durch Nullsetzen der Ableitung errechnen l¨ asst. Der durch L¨ osen der resultierenden Gleichung erhaltene Wert muss f¨ ur ˜1 /Umax ) in die obige Gleichung f¨ ur die Massenstromdichte eingesetzt wer(U den, um den Maximalwert zu erhalten. Es errechnet sich: θmax = ρH Umax
κ−1 κ+1
2 κ+1
1 κ−1
wobei f¨ ur den Geschwindigkeitswert erhalten wird: ˜1 U κ−1 f¨ ur θ = θmax = Umax κ+1
(9.92)
(9.93)
Damit l¨ asst sich die mit dem Maximalwert normierte Massenstromdichte wie folgt schreiben:
9.4 Inkompressible Str¨ omungen
θ θmax
=
˜1 κ+1 U κ − 1 Umax
.
κ+1 2
)
˜12 U 1− Umax
*/
297
1 κ−1
(9.94)
˜1 /Umax ist in Abb. 9.10 gleichfalls dargestellt. Der Verlauf dieser Gr¨ oße mit U Auf die Bedeutung des Maximums der Massenstromdichte f¨ ur den Ablauf von Ausgleichsstr¨ omungen wird untenstehend noch n¨aher eingegangen. Sein Auftreten verhindert die stetige Steigerung des Massendurchsatzes mit der Steigerung der Druckdifferenz zwischen Druckbeh¨altern, wenn die Ausgleichsstr¨ omung u usen erfolgt. ¨ber stetig konvergierende D¨ Eine oftmals als einfacher angesehene Darstellung der Ausgleichsstr¨omungen durch konvergierende D¨ usen wird dadurch erreicht, dass man die die Str¨ omung kennzeichnenden Gr¨ oßen auf die entsprechenden Gr¨oßen des kri” tischen Zustandes“ bezieht, der durch M a = 1 gekennzeichnet ist. Diesem % 1 = 1, sonZustand entspricht nicht nur eine bestimmte Mach-Zahl, d.h. Ma dern auch bestimmte Werte der thermodynamischen Zustandsgr¨oßen: Diese lassen sich aus den Gleichungen (9.87) bis (9.89) bestimmen, indem man % 1 = 1 setzt. Daraus resultieren die folgenden Werte f¨ Ma ur die thermodyna% 1 = 1: mischen Zustandsgr¨ oßen des Fluids im kritischen Zustand, d.h. f¨ ur Ma κ−1 P˜ ∗ 2 = PH κ+1 κ
ρ˜∗ = ρH
2 κ+1
T˜ ∗ 2 = TH κ+1
(9.95)
1 κ−1
(9.96)
(9.97)
Mit diesen Gleichungen k¨ onnen Druck, Dichte und Temperatur eines str¨omenden Mediums in dem Querschnitt einer konvergierenden D¨ use bestimmt werden, in dem sich die Schallgeschwindigkeit einstellt. Nach den am Ende des ¨ Abschnitts 9.4.1 angestellten Uberlegungen muss an dieser Stelle ein Minimum des Querschnitts vorliegen. Da an dieser Stelle die Mach-Zahl den Wert % 1 = 1 annimmt, l¨ Ma asst sich Gleichung (9.83) wie folgt schreiben: ) * ˜ ∗2 κ − 1 T˜ κ−1 U 1 (9.98) = = 2 Umax 2 TH κ+1 ˜1 /Umax) der Beziehungen (9.98) und (9.93), so Vergleicht man die Werte f¨ ur (U stellt man fest, dass sie identisch sind, d.h. die maximale Massenstromdichte kann nur im engsten Querschnitt einer D¨ use auftreten, wo sich dann auch die Schallgeschwindigkeit einstellt. Nach den oben gegebenen Ableitungen der Grundgleichungen f¨ ur Druckausgleichsstr¨ omungen zwischen großen Beh¨ altern soll die Str¨omung diskutiert
298
9 Stromfadentheorie
werden, die sich in einer stetig konvergierenden D¨ use einstellt, wie sie in Abb. 9.7 skizziert ist. Die Betrachtungen sollen so gef¨ uhrt werden, dass der Massenstrom berechnet wird, der sich bei Einstellen eines bestimmten Druckverh¨altaltern ergibt. Hierbei sind zwei Druckbenisses (PN /PH ) zwischen den Beh¨ reiche von Interesse: PN P∗ > PH PH
Das Verh¨ altnis der Beh¨ alterdr¨ ucke ist gr¨oßer als das kritische Druckverh¨altnis.
PN P∗ < PH PH
Das Verh¨ altnis der Beh¨ alterdr¨ ucke ist kleiner als das kritische Druckverh¨altnis.
Abbildung 9.11: Verlauf des Druckes, der Dichte, der Temperatur und der Massenstromdichte f¨ ur konvergierende D¨ usen
Abbildung 9.12: Bestimmung der Druckverteilung entlang der D¨ usenachse f¨ ur (PN /PH ) > (PN∗ /PH )
Ist das Druckverh¨ altnis gr¨ oßer als der kritische Wert, f¨ uhrt eine stetige Abnahme des Verh¨ altnisses der Kesseldr¨ ucke zu einer stetigen Zunahme der Massenstromdichte, wie in dem Diagramm 9.11 angedeutet ist. Dies stellt einen Teil des in Abb. 9.10 angegebenen Gesamtdiagramms f¨ ur die Variation der Zustandsgr¨ oßen dar und zwar f¨ ur den Druck und die Massenstromdichte. Unter der Annahme, dass sich im engsten Querschnitt der stetig konvergierten D¨ use der Druck des Niederdruckbeh¨ alters einstellt, kann mit bekannten ¨ altnis (PN /PH ) bestimmt werden. Uber PN und PH −Werten das Druckverh¨ dieses l¨ asst sich auf die unten angegebene Weise die Massenstromdichte in diesem Querschnitt bestimmen und damit auch die Gesamtmasse, die durch die D¨ use str¨ omt: ˜1 )N ρU (9.99) m ˙ N = FN θ˜N = FN (˜ Aus Kontinuit¨ atsgr¨ unden ist dieser Gesamtmassenstrom in allen Querschnittsebenen der D¨ use konstant, so dass gilt:
9.4 Inkompressible Str¨ omungen
m ˙N =m ˙
d.h.
FN θ˜N = Fx1 θ˜x1
299
(9.100)
Geht man davon aus, dass die entlang der x1 −Achse vorgegebene Verteilung der Querschnittsfl¨ ache der D¨ use bekannt ist, so l¨asst sich die Massenstrom¨ dichteverteilung entlang der x1 −Achse bestimmen. Uber diese l¨asst sich dann, wie in Abb. 9.12 angedeutet, die Druckverteilung entlang der D¨ use berechnen, bzw. die resultierenden Verteilungen der Dichte und der Temperatur, aber auch der Mach-Zahl und der Str¨ omungsgeschwindigkeit. Das Vorgehen bei der in der obigen Abbildung angedeuteten Bestimmung der Druckverteilung entlang der D¨ use l¨ asst sich analog auch auf die Bestimmung der Dichteverteilung und der Temperaturverteilung u ur ¨ bertragen. F¨ die Bestimmung der Verteilung der Mach-Zahl und der Geschwindigkeit, gilt das in Abb. 9.12 angedeutete Vorgehen. Aus den obigen Betrachtungen folgt, dass die Geschwindigkeit (U1 )0 im Eintrittsquerschnitt der in Abb. 9.7 angedeuteten D¨ use endlich ist und dass dort die Massenstromdichte: FN ˜ ρ˜U1 (9.101) θ˜0 = F0 N vorliegt. Damit ist auch gesagt, dass in diesem Querschnitt ein Druck, eine Dichte und eine Temperatur vorherrschen, die nicht den Werten im Hochdruckbeh¨ alter entsprechen. Dies gilt es bei Berechnungen von Ausgleichsstr¨ omungen durch D¨ usen stets zu ber¨ ucksichtigen. Die im D¨ useneintritt vorliegenden, die Str¨ omung kennzeichnenden Gr¨oßen sind u ur den Eintrittsquerschnitt ¨ ber die vorstehenden Diagramme aus der f¨ errechneten Massenstromdichte zu bestimmen. F¨ uhrt man die oben angegebenen Berechnungen zur Bestimmung der Str¨ omungsgr¨ oßen und thermodynamischen Gr¨ oßen aus, so zeigt es sich, dass mit einer Abnahme des Druckverh¨ altnisses (PN /PH ) eine Zunahme der Massenstromdichte in jedem Querschnitt der D¨ use verbunden ist, solange das Druckverh¨ altnis gr¨ oßer als der kritische Wert ist. Wird der kritische Wert selbst erreicht, d.h.: κ κ−1 2 P∗ PN → = (9.102) PH κ+1 PH erreicht die Massenstromdichte ihren Maximalwert. Dieser Wert kann bei einer weiteren Erniedrigung des Druckverh¨altnisur alle Druckverh¨altnisse die ses (PN /PH ) nicht u ¨ berschritten werden, d.h. f¨ kleiner als der kritische Wert sind: κ κ−1 2 PN P∗ < = (9.103) PH PH κ+1 stellt sich in der stetig konvergierenden D¨ use eine Str¨omung ein, die f¨ ur alle Druckverh¨ altnisse identisch ist. Im Austrittsquerschnitt der D¨ use, d.h. im
300
9 Stromfadentheorie
Abbildung 9.13: Bestimmung der Mach-Zahl und Geschwindigkeitsverteilung entlang einer konvergierenden D¨ use f¨ ur (PN /PH ) > (PN∗ /PH )
Eintrittsquerschnitt zum Niederdruckbeh¨ alter, stellt sich nun nicht mehr der Druck PN ein. Vielmehr wird in diesem Querschnitt die maximale Massenstromdichte erreicht: # θ˜max = ρH
2κ PH = κ − 1 ρH
oder θ˜max = ρH
-
2κ PH ρH κ−1
2cP TH
(9.104)
(9.105)
Der Gesamtmassenstrom errechnet sich damit: m ˙ =m ˙ max = FN θ˜max
(9.106)
Geht man wiederum davon aus, dass die D¨ usenform bekannt ist, so l¨asst sich die entlang der x1 −Achse vorliegende Massenstromverteilung u ¨ ber die Kontinuit¨ atsgleichung berechnen. Ist diese Verteilung bekannt, so lassen sich die entsprechenden Verteilungen des Drucks, der Dichte, der Temperatur, der Mach-Zahl und der Str¨ omungsgeschwindigkeit wie oben angegeben bestimmen. Wichtig ist, dass sich f¨ ur alle Druckverh¨altnisse (PN /PH ), die gleich oder kleiner als das kritische Verh¨ altnis sind, in der D¨ use ein- und dieselbe Str¨ omung einstellt. Im Austrittsquerschnitt der D¨ use liegt f¨ ur: κ κ−1 P˜ ∗ 2 PN < = (9.107) PH PH κ+1 ein fl¨ achengemittelter Druck vor, der gr¨ oßer ist als der im Niederdruckbeh¨ alter vorliegende Druck PN . Der Druckausgleich erfolgt u ¨ber Str¨omungsvorg¨ ange, die sich in der Freistrahlstr¨ omung ausbilden, welche sich von der
9.4 Inkompressible Str¨ omungen
301
D¨ usenm¨ undung in das Innere des Niederdruckbeh¨alters erstreckt. Der im ¨ D¨ usenaustritt vorliegende Uberdruck wird u ¨ ber eine Kaskade von St¨oßen“ ” abgebaut, wie sie in Abb. 9.14 gezeigt sind. Diese Nachexpansion der Str¨ omung f¨ uhrt zu wellenartigen Deformationen des Strahlrandes, die mittels experimenteller Methoden sichtbar gemacht werden k¨onnen.
Abbildung 9.14: Druckausgleich am D¨ usenaustritt u oße ¨ ber Verdichtungsst¨
Abschließend sei noch auf einen wichtigen Sachverhalt hingewiesen, der dem Verst¨ andnis der sich einstellenden Ausgleichsstr¨omung dienen soll. Die obigen Darstellungen gingen von dem in der Praxis oftmals gegebenen Zustand aus, dass Ausgleichsstr¨ omungen u ¨ ber Druckdifferenzen zwischen Beh¨ altern kontrolliert werden. Dies bedeutet, dass angenommen wurde, dass PH , ρH bzw. TH bekannt und konsant sind und sich auch auf die Ausbildung der Str¨ omung auswirken. Im Niederdruckbeh¨ alter wurde nur angenommen, dass PN vorgegeben und im engsten Querschnitt der D¨ use der Str¨omung aufgezwungen“ werden kann (f¨ ur (PN /PH ) gr¨oßer als der kritische Wert ” (P ∗ /PH )). Die sich f¨ ur diese Verh¨ altnisse im Austrittsquerschnitt der D¨ use einstellende Dichte des str¨ omenden Gases bzw. die sich einstellende Temperatur sind nicht mit den entsprechenden Werten des Fluids im Niederdruckbeh¨ alter identisch. Ein Ausgleich dieser Werte und der entsprechenden Niederdruckbeh¨alterwerte erfolgt in der sich an die D¨ usenstr¨ omung anschließenden Freistrahlstr¨ omung. F¨ ur Druckverh¨ altnisse P∗ PN < = PH PH
2 κ+1
κ κ−1
(9.108)
erfolgt der Ausgleich zwischen dem Druck im D¨ usenaustrittsquerschnitt und dem Druck im Niederdruckbeh¨ alter gleichfalls in der sich an die D¨ usenstr¨ omung anschließenden Freistrahlstr¨ omung. Die behandelten Gasstr¨ omungen in diesem Kapitel geh¨oren zu einem Teilgebiet der Str¨ omungsmechanik, das oftmals als Gasdynamik bezeichnet wird.
302
9 Stromfadentheorie
Es ist h¨ aufig mit der Behandlung von Str¨ omungen h¨oherer Geschwindigkeiten verbunden.
9.5 Literaturverzeichnis 9.1 Oswatitsch K (1952) Gasdynamik. Springer-Verlag Wien 9.2 Yuan SW (1971) Foundations of Fluid Mechanics. Civil Engineering and Mechanics Series, Mei Ya Publications, Inc. Taipei, Taiwan 9.3 Becker E (1985) Technische Thermodynamik. Teubner Studienb¨ ucher Mechanik, B.G. Teubner Stuttgart 9.4 Hutter K (1995) Fluid- und Thermodynamik - Eine Einf¨ uhrung. Springer Verlag, Berlin 9.5 Spurk JH (1996) Str¨ omungslehre. 4. Auflage, Springer Verlag, Berlin
10 Potentialstr¨ omungen
10.1 Potential- und Stromfunktion Um mit einfachen mathematischen Mitteln eine Integration des partiellen Differentialgleichungssystems der Str¨ omungsmechanik zu erm¨oglichen, ist die Einf¨ uhrung der Rotationsfreiheit des Str¨ omungsfeldes erforderlich. Die Rotationsfreiheit ist f¨ ur die Berechnung von Str¨ omungsfeldern mit einfachen Mitteln von Bedeutung, da vereinfachte Methoden verwendet werden k¨onnen. In Kapitel 5.8.1 war eine zur Impulsgleichung ¨ aquivalente Transportgleichung f¨ ur die Wirbelst¨ arke abgeleitet worden, die sich f¨ ur viskosit¨atsfreie Str¨omungen auf die einfache Form Dω/Dt = 0 reduziert. Aus dieser Gleichung folgt zweierlei. Einerseits wird deutlich, daß rotationsfreie Fluide automatisch eine vereinfachte Form der Impulsgleichung erf¨ ullen. Andererseits ergibt sich sofort das Kelvinsche Theorem, nach dem alle Str¨omungen viskosit¨atsfreier Fluide rotationsfrei sind, wenn zu irgend einem Zeitpunkt die Rotationsfreiheit des Str¨ omungsfeldes festgestellt wurde. Dies l¨asst sich anschaulich so verstehen, dass alle auf ein Fl¨ ussigkeitselement wirkenden Oberfl¨achenkr¨afte normal zur Oberfl¨ ache angreifen und resultierend durch den Massenschwerpunkt des Fluidelements gehen. Gleichzeitig greifen auch die Massenkr¨afte im Schwerpunkt an, so dass kein resultierendes Moment entsteht, das zu einer Rotation f¨ uhren kann. Damit ist die Schlussfolgerung m¨oglich, dass rotierende Teilchen durch die in idealen Fluiden einwirkenden Druck- und Massenkr¨afte keine zus¨ atzliche Rotation erhalten k¨ onnen. Dies ist in Abb. 10.1 angedeutet. Zus¨ atzlich zur oben erw¨ ahnten Forderung nach Rotationsfreiheit soll jetzt noch eine weitere Einschr¨ ankung hinsichtlich der Eigenschaften der Str¨omungen gemacht werden, die in diesem Kapitel behandelt werden, n¨amlich die ausschließliche Betrachtung zweidimensionaler Str¨omungen. Diese Einschr¨ ankung ist nicht durch die Forderung nach Rotationsfreiheit bedingt; man kann sich im Gegenteil sehr wohl dreidimensionale Str¨omungen viskosit¨ atsfreier Fluide vorstellen, die rotationsfrei sind. F¨ ur zweidimensionale, rotationsfreie Str¨ omungen besteht jedoch eine sehr elegante L¨osungsmethode, die auf der Anwendung komplexer, analytischer Funktionen beruht und die in der Folge ausschließlich verwendet wird. Besch¨ aftigt man sich mit zweidimensionalen Str¨omungsfeldern, dann lautet die einzige verbleibende Komponente des Rotationsvektors:
304
10 Potentialstr¨ omungen
Abbildung 10.1: Anschauliche Darstellung der physikalischen Ursache f¨ ur Rotationsfreiheit idealer Str¨ omungen (Kelvinsches Theorem)
ω3 =
1 2
∂U2 ∂U1 − ∂x1 ∂x2
(10.1)
Setzt man die Rotationsfreiheit zweidimensionaler Str¨omungsfelder voraus, so gilt ω3 = 0 oder: ∂U1 ∂U2 = (10.2) ∂x2 ∂x1 Diese Bedingung gilt es bei L¨ osungen f¨ ur zweidimensionale Str¨omungsprobleme zu erf¨ ullen. Sieht man von Singularit¨ aten ab, so muss f¨ ur rotationsfreie Str¨omungsfelder die obige Beziehung in allen Punkten des Str¨omungsfeldes erf¨ ullt sein. Dies ist gleichbedeutend mit der Aussage, dass f¨ ur zweidimensionale, rotationsfreie Str¨ omungen ein die Str¨ omung treibendes Geschwindigkeitspotential Φ(x1 , x2 ) existiert, derart, dass folgende Beziehungen gelten: U1 =
∂Φ ∂x1
und
U2 =
∂Φ . ∂x2
(10.3)
Gleichung (10.3) in (10.2) eingesetzt f¨ uhrt zu den folgenden Beziehungen ∂U1 ∂2Φ ∂U2 ∂2Φ = = = , ∂x2 ∂x1 ∂x2 ∂x1 ∂x1 ∂x2
(10.4)
welche f¨ ur rotationsfreie Str¨ omungsfelder, d.h. f¨ ur ω3 = 0 (siehe (10.1), das sinnvolle Einf¨ uhren eines das Geschwindigkeitsfeld treibenden Potentials best¨ atigt. Setzt man die Beziehungen (10.3) in die zweidimensionale Kontinuit¨ atsgleichung (5.18) f¨ ur ρ = const ein, so erh¨alt man f¨ ur das Geschwindigkeitspotential die Laplace-Gleichung
10.1 Potential- und Stromfunktion
∂2Φ ∂2Φ + = 0. ∂x21 ∂x22
305
(10.5)
F¨ ur die Bestimmung zweidimensionaler Potentialfelder ist es ausreichend, die Gleichungen (10.3) und (10.5) zu l¨ osen, d.h. zur Bestimmung des Geschwindigkeitsfeldes ist es nicht erforderlich, die in Geschwindigkeitstermen formulierten Navier-Stokes-Gleichungen zu l¨ osen. Diese Gleichungen bzw. andere in Kapitel 5.8.1 abgeleitete Gleichung m¨ ussen jedoch herangezogen werden, um das Druckfeld zu bestimmen. Die L¨ osung der partiellen Differentialgleichungen (10.5) f¨ ur das Geschwindigkeitspotential erfordert an der Str¨ omungsberandung die Randbedingung ∂Φ = 0, ∂n
(10.6)
wobei n der Normaleneinheitsvektor an jedem Punkt der Str¨omungsberandung ist. Ist das Geschwindigkeitspotential oder Potentialfeld Φ als L¨osung der Gleichung (10.5) erhalten worden, lassen sich die Geschwindigkeitskomponenten U1 und U2 durch partielle Differentiationen, entsprechend den Beziehungen (10.3) f¨ ur jeden Punkt des Str¨ omungsfeldes bestimmen. Danach erfolgt die Druckbestimmung u ¨ ber die Euler-Gleichungen, d.h. u ¨ ber die Energiegleichung f¨ ur viskosit¨ atsfreie Fluide. Die Druckbestimmung kann jedoch auch u ¨ ber die integrierte Form der Euler-Gleichungen erfolgen, die zur instati” on¨ aren Bernoulli-Gleichung“ f¨ uhrt. Die obigen Darstellungen verdeutlichen, dass die Einf¨ uhrung der Rotationsfreiheit des Str¨ omungsfeldes zu wesentlichen Vereinfachungen der L¨ osungsans¨ atze f¨ ur die Grundgleichungen f¨ ur Str¨omungsprobleme gef¨ uhrt hat. Die Gleichungen, die es f¨ ur das Str¨ omungsfeld zu l¨osen gilt, sind linear, und sie k¨ onnen, entkoppelt vom Druckfeld, gel¨ost werden. Die Linearit¨ at der zu l¨ osenden Gleichungen ist eine wichtige Eigenschaft, da sie die Superposition von Einzell¨ osungen der Gleichungen zul¨asst, um auch L¨osungen komplexer Str¨ omungsfelder zu erhalten. Dieses L¨osungsprinzip wird in den nachfolgenden Abschnitten ausf¨ uhrlich angewandt werden. In den Ableitungen der obigen Gleichungen f¨ ur zweidimensionale Potentialstr¨ omungen wurde die Potentialfunktion so eingef¨ uhrt, dass die Rotationsfreiheit des Str¨ omungsfeldes identisch erf¨ ullt war. Die Einf¨ uhrung der Potentialfunktion Φ in die Kontinuit¨ atsgleichung f¨ uhrte dann zur zweidimensionalen Laplace-Gleichung; nur solche Funktionen Φ, welche diese Gleichung erf¨ ullen, sind als L¨ osungen der Grundgleichungen rotationsfreier Str¨omungen anzusehen. ¨ Uber ein zu dem oben angegebenen Vorgehen zur Einf¨ uhrung der Potentialfunktion Φ ¨ ahnliches Verfahren ist es m¨oglich, f¨ ur zweidimensionale Str¨ omungen inkompressibler Fluide eine zweite wichtige Funktion einzuf¨ uhren, die sogenannte Stromfunktion Ψ . Diese wird so definiert, dass durch
306
10 Potentialstr¨ omungen
die Stromfunktion die zweidimensionale Kontinuit¨atsgleichung automatisch erf¨ ullt ist, d.h.: ∂Ψ ∂Ψ U1 = und U2 = − . (10.7) ∂x2 ∂x1 Diese Beziehung in die Kontinuit¨ atsgleichung eingesetzt, zeigt direkt, dass die nach (10.7) eingef¨ uhrte Stromfunktion Ψ diese Gleichung erf¨ ullt; per Definitionem ist dies f¨ ur rotationsbehaftete und rotationsfreie zweidimensionale Str¨ omungsfelder der Fall. Will man die Stromfunktion einer rotationsfreien Str¨omung, einer Potentialstr¨ omung, analytisch bzw. numerisch bestimmen, so muss Ψ eine L¨osung der Laplace-Gleichung ∂2Ψ ∂ 2Ψ + =0 (10.8) ∂x21 ∂x22 sein, wie sich durch Einsetzen der Gleichungen (10.7) in die Bedingung f¨ ur die Drehungsfreiheit ∂U2 ∂U1 − =0 ∂x1 ∂x2 ableiten l¨ asst. Die Stromfunktion Ψ f¨ ur zweidimensionale Potentialstr¨omungen erf¨ ullt die zweidimensionale Laplace-Gleichung, ¨ ahnlich der Potentialfunktion Φ. Die Stromfunktion hat eine Reihe von Eigenschaften, die sich n¨ utzlich f¨ ur die Behandlung von zweidimensionalen Str¨ omungsproblemen erweisen. So sind Linien konstanter Stromfunktionswerte Bahnlinien des Str¨omungsfeldes, wenn station¨ are Str¨ omungsbedingungen vorliegen. Dies l¨asst sich ableiten, indem man das totale Differential von Ψ angibt: dΨ =
∂Ψ ∂Ψ dx1 + dx2 . ∂x1 ∂x2
F¨ ur Ψ = const ist dΨ = 0 und damit ergibt sich: dx2 U2 (∂ψ/∂x1 ) = =− . dx1 Ψ =const (∂Ψ/∂x2 ) U1
(10.9)
(10.10)
Dies ist die Beziehung f¨ ur die Steigung der Tangente der betrachteten Stromlinie, aber auch f¨ ur die Steigung der Bahnlinie eines Fluidelementes. Danach wird die gesamte Schar von Stromlinien eines Geschwindigkeitsfeldes durch alle m¨ oglichen Ψ −Werte beschrieben. Eine weitere wichtige Eigenschaft der Stromfunktion wird durch die Tatsache deutlich, dass die Differenz der Stromfunktionswerte zweier Stromlinien den Volumenstrom angibt, der zwischen den Stromlinien fließt. Dies l¨asst sich anhand der Abb. 10.2 ableiten, die zwei Stromlinien zeigt, welche durch eine Kontrolllinie AB miteinander verbunden sind.
10.1 Potential- und Stromfunktion
307
Abbildung 10.2: Schematische Darstellung der Str¨ omung zwischen Stromlinien
Berechnet man den Volumenstrom, der die Kontrollfl¨ache in Str¨omungsrichtung f¨ ur eine Fl¨ ache AB mit der Tiefe 1 passiert, so erh¨alt man: "B
"B U1 dx2 −
Q˙ = A
"B U2 dx1 = (U1 dx2 − U2 dx1 ).
A
(10.11)
A
Es gilt jedoch: dΨ = U1 dx2 − U2 dx1 , so dass geschrieben werden kann: "B "B Q˙ = (U1 dx2 − U2 dx1 ) = dΨ = ΨB − ΨA . A
(10.12)
A
Es sei erw¨ ahnt, dass aus der Aussage Linien Ψ = const sind Stromlinien des Str¨ omungsfeldes nat¨ urlich sofort die Bedingung folgt, dass feste W¨ande tangential zu Linien Ψ = const verlaufen m¨ ussen. Aus der im folgenden Abschnitt ¨ gezeigten Orthogonalit¨ at von Aquipotentialund Stromlinien ergibt sich da¨ mit sofort, dass Aquipotentiallinien immer senkrecht auf festen W¨anden stehen m¨ ussen. Betrachtet man die f¨ ur zweidimensionale Potentialstr¨omungen angebbaren Stromlinien im Zusammenhang mit den Potentiallinien des selben Str¨ omungsfeldes, d.h. Linien mit Φ = const, so stellt man fest, dass diese orthogonal zueinander liegen. Dies l¨ asst sich zeigen, indem man das totale Differential dΦ angibt, dΦ =
∂Φ ∂Φ dx1 + dx2 , ∂x1 ∂x2
(10.13)
bzw. dieses unter Ber¨ ucksichtigung von Gleichung (10.3) wie folgt schreibt: dΦ = U1 dx1 + U2 dx2 .
(10.14)
308
10 Potentialstr¨ omungen
Die Linien Φ = const sind somit gegeben durch dx2 U1 =− . dx1 Φ=const U2 Ein Vergleich der Beziehungen (10.10) und (10.15) ergibt: dx2 1 = − dx2 dx1 Φ dx1 Ψ
(10.15)
(10.16)
¨ Da die Steigung der Aquipotentiallinien gleich dem negativen Reziprokwert der Steigung der Stromlinien ist, bilden diese Linien ein orthogonales Netz. Die Geschwindigkeit entlang einer Stromlinie l¨asst sich berechnen als: ∂Φ Us = (10.17) ∂s Ψ Diese Beziehung findet oftmals bei Untersuchungen von Str¨omungsfeldern ¨ Anwendung, f¨ ur die Werte von Stromlinien und Aquipotentiallinien errechnet wurden bzw. aus Messungen erhaltene Werte vorliegen. Aus den obigen Ableitungen ist verst¨ andlich, dass eine Stromfunktion Ψ berechenbar ist, falls die Potentialfunktion Φ bekannt ist und dass auch umgekehrt die Potentialfunktion Φ beim Vorliegen der Stromfunktion Ψ ermittelt werden kann. Die Vorgehensweise zur Ermittlung der einen Funktion aus der anderen ist entsprechend der unten aufgef¨ uhrten Einzelschritte f¨ ur die Ermittlung der Stromfunktion zu sehen. – – –
An der bekannten Potentialfunktion Φ(x, y) wird zun¨achst u uft, ob ¨berpr¨ sie eine L¨ osung der Gleichung (10.5) darstellt. Durch partielles Ableiten nach x1 und x2 werden die Geschwindigkeitskomponenten U1 und U2 bestimmt, entsprechend den Beziehungen (10.3). Daraus l¨ asst sich die Steigung der Equipotentiallinien bestimmen, siehe (10.15) dx2 U1 =− dx1 Φ U2
–
Aus (10.16) folgt f¨ ur die Steigung der Stromlinien: U2 dx2 = dx1 Ψ U1
–
Durch Integration dieser Beziehung wird der Verlauf der Stromlinien erhalten. Diese sind Linien konstanter Ψ −Werte.
10.2 Potentialstr¨ omungen und komplexe Funktionen
309
10.2 Potentialstr¨ omungen und komplexe Funktionen Die Darstellungen im Abschnitt 10.1 haben gezeigt, dass die Geschwindigkeiten U1 und U2 f¨ ur rotationsfreie, zweidimensionale Str¨omungen inkompressibler und viskosit¨ atsfreier Fluide als partielle Ableitungen der Stromfunktion und der Potentialfunktion angegeben werden k¨onnen: U1 =
∂Φ ∂Ψ = ∂x1 ∂x2
(10.18)
U2 =
∂Φ ∂Ψ =− . ∂x2 ∂x1
(10.19)
und
Aufgrund ihrer Definition gen¨ ugen die Strom- und Potentialfunktion den Cauchy-Riemannschen Differentialgleichungen ∂Φ ∂Ψ = , ∂x1 ∂x2
(10.20)
∂Φ ∂Ψ =− . ∂x2 ∂x1
(10.21)
Dies bringt zum Ausdruck, dass eine komplexe, analytische Funktion F (z) (s. Kap. 2.11.6) angegeben werden kann, in der Φ(x, y) den Realteil und Ψ (x, y) den Imagin¨ arteil der Funktion darstellen. F (z) wird als das komplexe Potential des Geschwindigkeitsfeldes bezeichnet F (z) = Φ(x, y) + iΨ (x, y),
(10.22)
wobei x = x1 und y = x2 zu sehen ist und z = x + iy einen Punkt in der komplexen Zahlenebene angibt. Umgekehrt kann gesagt werden, dass f¨ ur jede analytische Funktion gilt, dass ihr Realteil automatisch das Potential eines Str¨ omungsfeldes darstellt, dessen Stromlinien durch den Imagin¨ arteil der komplexen Funktion beschrieben werden. Konsequenterweise ergibt sich, dass jeder Realteil einer analytischen Funktion und auch der Imagin¨ arteil, jeder f¨ ur sich, die zweidimensionale Laplace-Gleichung erf¨ ullen. Analytische Funktionen, wie sie in der Funktionstheorie behandelt werden, k¨ onnen somit zur Beschreibung von Potentialstr¨omungen herangezogen werden. Setzt man ihren Realteil (x, y) gleich der Potentialfunktion Φ(x, y) und den Imagin¨ arteil Im(x, y) gleich der Stromfunktion Ψ (x, y), so sind die ¨ Aquipotentialund die Stromlinien angebbar. Durch dieses Vorgehen werden L¨ osungen zu Str¨ omungsproblemen erhalten, ohne dass partielle Differentialgleichungen gel¨ ost werden m¨ ussen. Die dabei angestrebte inverse Vorgehensweise zur L¨ osung von Str¨ omungsproblemen, n¨amlich eine bekannte L¨osung der Potentialgleichung als Str¨ omung zu interpretieren, wird aufgrund der offensichtlichen Vorteile dieser Vorgehensweise als erstrebenswert angesehen.
310
10 Potentialstr¨ omungen
Aus einem komplexen Potential F (z) l¨ asst sich durch Differentiation eine komplexe Geschwindigkeit ableiten. Da F (z) eine analytische Funktion darstellt, also stetig und stetig ableitbar ist, muss die Ableitung unabh¨angig von der Richtung sein in der sie bestimmt wird, wie im folgenden gezeigt wird. Da aufgrund der Stetigkeit von F (z) gilt dF = dz
lim ∆z→0
∆F ∆F = lim ∆z→0 (z + ∆z) − z ∆z = lim
∆z→0
∆F (x + ∆x) + i(y + ∆y) − (x + iy)
und man frei ist, den Weg zu w¨ ahlen, auf dem ∆z gegen Null geht (die Ableitung muss unabh¨ angig von dem gew¨ ahlten Weg sein), k¨onnen auch folgende speziellen Wege in Betracht gezogen werden: ∆y = 0 :
dF dz
= lim
∆x = 0 :
dF dz
= lim
∆x→0
∂F ∆F ∆F = lim = (x + ∆x) + iy − (x + iy) ∆x→0 ∆x ∂x
∆F ∆F = lim x + i(y + ∆y) − (x + iy) ∆y→0 i∆y ∂F ∂F = −i = i∂y ∂y ∆y→0
Die Ableitung des komplexen Potentials F (z) lautet damit f¨ ur x = x1 : w(z) =
∂Φ dF (z) ∂Ψ = +i dz ∂x1 ∂x1
(10.23)
oder in Geschwindigkeitskomponenten ausgedr¨ uckt: w(z) = U1 − iU2 .
(10.24)
¨ Es gilt aufgrund der obigen Uberlegungen ebenfalls w(z) =
dF (z) ∂Φ ∂Ψ = +i dz i∂x2 i∂x2
(10.25)
oder nach Umformung unter Ber¨ ucksichtigung von i2 = −1 w(z) =
∂Ψ ∂Φ −i = U1 − iU2 . ∂x2 ∂x2
(10.26)
Die oben angegebenen Beziehungen werden in den nachfolgenden Abschnitten genutzt, um diverse Potentialstr¨ omungen zu untersuchen. Hierbei kommt gelegentlich zur Anwendung, dass die komplexe Zahl z auch in Zylinderkoordinaten (r, ϕ) angegeben werden kann:
10.3 Gleichf¨ ormige Str¨ omung
z = re(iϕ) = r cos ϕ + ir sin ϕ.
311
(10.27)
Zwischen den Geschwindigkeitskomponenten in kartesischen Koordinaten und in Zylinderkoordinaten gelten die bekannten Beziehungen: U1 = Ur cos ϕ − Uϕ sin ϕ
(10.28)
U2 = Ur sin ϕ + Uϕ cos ϕ
(10.29)
Damit ergibt sich f¨ ur die komplexe Geschwindigkeit: dF (z) = U1 − iU2 = (Ur cos ϕ − Uϕ sin ϕ) (10.30) dz −i(Ur sin ϕ + Uϕ cos ϕ) = Ur (cos ϕ − i sin ϕ) − iUϕ (cos ϕ − i sin ϕ)
w(z)=
w(z) = (Ur − iUϕ )e(−iϕ) .
(10.31)
10.3 Gleichfo ¨rmige Stro ¨mung Die wohl einfachste analytische Funktion F (z), wenn man von einer Konstanten absieht, ist die Funktion, die direkt zu z proportional ist und deren Proportionalit¨ atskonstante eine reelle Zahl ist: F (z) = U0 z = U0 (x + iy)
(10.32)
Diese analytische Funktion beschreibt eine Str¨ omung mit folgender Potentialund Stromfunktion: Φ(x, y) = U0 x
und
Ψ (x, y) = U0 y.
(10.33)
¨ Uber die komplexe Geschwindigkeit erh¨ alt man: w(z) =
dF (z) = U0 = U1 − iU2 dz
(10.34)
oder U1 = U0 und U2 = 0 d.h. das komplexe Potential F (z) in Gleichung (10.32) beschreibt eine gleichf¨ ormige Str¨ omung parallel zur x1 −Achse bzw. x−Achse. Diese Str¨ omung ist in Abb. (10.3a) skizziert, derart dass die Stromlinien der Str¨ omung gezeigt sind. Bez¨ uglich des Geschwindigkeitsfeldes gilt, dass in jedem Punkt des Str¨ omungsgebietes die Geschwindigkeit den Wert U1 = U0 und U2 = 0 besitzt. Die Abbildung 10.3 zeigt die Stromlinien Ψ = const, wobei die Pfeile die Geschwindigkeitsrichtung angeben. Die Potentiallinien Φ = const sind in der Abbildung nicht aufgef¨ uhrt. Sie stellen Linien parallel zur x2 -Achse dar. Ist die Proportionalit¨ atskonstante in (10.32) imagin¨ar, d.h. es gilt:
312
10 Potentialstr¨ omungen
Abbildung 10.3: Gleichf¨ ormige Str¨ omung in (a) x1 −Richtung, (b) x2 −Richtung und (c) in Richtung des Winkels α relativ zur x1 −Richtung
F (z) = iV0 z = V0 (−y + ix)
(10.35)
so erh¨ alt man f¨ ur die Potential- und Stromfunktionen: Φ(x, y) = −V0 y
und
Ψ (x, y) = V0 x
(10.36)
F¨ ur die komplexe Geschwindigkeit errechnet sich: w(z) = iV0 = U1 − iU2
(10.37)
oder U1 = 0 und U2 = −V0 d.h. in diesem Fall beschreibt das komplexe Potential eine zur x2 −Achse bzw. y−Achse parallele Str¨omung, die in Richtung der negativen Achse erfolgt, siehe Abb. 10.3b. Liegt eine Str¨ omung in der in Abb. 10.3c angedeuteten Richtung vor, so lautet das komplexe Potential: F (z) = (U0 − iV0 )z = (U0 − iV0 )(x + iy).
(10.38)
Es ergeben sich hieraus folgende Beziehungen f¨ ur Φ(x, y) und Ψ (x, y): Φ(x, y) = U0 x + V0 y
und
Ψ (x, y) = U0 y − V0 x
¨ Uber die komplexe Geschwindigkeit errechnet sich:
10.4 Ecken- und Sektorstr¨ omung
w(z) = U0 − iV0 = U1 − iU2
313
(10.39)
U1 = U0 und U2 = V0 , ein Geschwindigkeitsfeld, das in Abb. 10.3c skizziert ist.
10.4 Ecken- und Sektorstr¨ omung Potentialstr¨ omungen um Ecken oder in Sektoren von Winkeln werden durch ur ein komplexes Potential beschrieben, das proportional zu z n ist, wobei f¨ n ≤ 1 Str¨ omungen um Kanten beschrieben werden, w¨ahrend f¨ ur n ≥ 1 Str¨ omungen in Sektoren von Winkeln πn erhalten werden. Dies soll in den nachfolgenden Betrachtungen abgeleitet und erl¨autert werden. Die Ableitungen bauen auf dem folgenden komplexen Potential auf: F (z) = Cz n .
(10.40)
Ersetzt man z durch z = re(iϕ) und teilt das komplexe Potential nach Realund Imagin¨ arteil auf, so erh¨ alt man F (z) = C [rn cos(nϕ) + irn sin(nϕ)] .
(10.41)
Danach lassen sich Potential- und Stromfunktionen wie folgt angeben: Φ(r, ϕ) = Crn cos(nϕ)
und Ψ (r, ϕ) = Crn sin(nϕ).
(10.42)
Abbildung 10.4: Allgemeine Bezeichnung f¨ ur Ecken- und Kantenstr¨ omungen
Die resultierende Beziehung f¨ ur die Stromfunktion in (10.42) verdeutlicht, dass Ψ (r, ϕ) die Werte Ψ = 0 f¨ ur ϕ = 0 und f¨ ur ϕ = π/n annimmt. Dies
314
10 Potentialstr¨ omungen
bedeutet, dass die Linien ϕ = 0 und ϕ = π/n die Stromlinie Ψ = 0 darstellen, und hier als Wandungen des Str¨ omungsfeldes betrachtet werden. Dazwischen sind die Stromlinien f¨ ur Ψ = rn sin(nϕ) = const angegeben. Diese resultieren in Stromlinienverl¨ aufen, wie sie in Abb. 10.4 angegeben sind. Die diesem Str¨ omungsfeld zuzuordnenden Geschwindigkeitskomponenten lassen sich in Zylinderkoordinaten wie folgt ausdr¨ ucken: w(z) =
dF (z) = nCz (n−1) = nCr(n−1) e{i(n−1)ϕ} dz
(10.43)
oder umgeschrieben: w(z) = nCr(n−1) (cos(nϕ) + i sin(nϕ)) e(−iϕ) ,
(10.44)
so dass angegeben werden kann (s. Gleichung (10.31)): Ur = nCr(n−1) cos(nϕ)
und
Uϕ = −nCr(n−1) sin(nϕ).
(10.45)
alt man Str¨ omungsvorg¨ ange, wie sie in Abb. 10.5a und F¨ ur 12 < n < 1 erh¨ 10.5b skizziert sind. Es handelt sich um Str¨ omungen um Kanten, die im allgemeinen als Eckenumstr¨ omungen bezeichnet werden. F¨ ur 23 < n < 1 werden Umstr¨ omungen stumpfwinkeliger Ecken durch (10.40) beschrieben und f¨ ur 1 2 < n ≤ erfolgt eine Darstellung, welche die Umstr¨ o mung spitzwinkeliger 2 3 Ecken umfasst.
Abbildung 10.5: (a) Umstr¨ omung spitzwinkeliger Ecken und (b) Umstr¨ omung stumpfwinkeliger Ecken
F¨ ur 1 < n < ∞ resultieren aus dem komplexen Potential F (z) = Cz n Str¨ omungen in Winkelsektoren, wie sie in Abb. 10.6a f¨ ur stumpfwinkelige
10.4 Ecken- und Sektorstr¨ omung
315
Abbildung 10.6: (a) Str¨ omung im stumpfwinkeligen Winkelsektor und (b) Str¨ omung im spitzwinkeligen Winkelsektor
(1 < n < 2) und f¨ ur spitzwinkelige (2 ≤ n ≤ ∞) Winkelsektoren in Abb. 10.6b skizziert sind. Da f¨ ur 0 < ϕ < (π/2n) Ur stets positiv ist, w¨ahrend Uϕ in diesem Bereich negative Werte annimmt und da f¨ ur (π/2n) < ϕ < (π/n), Ur negativ wird und Uϕ negativ bleibt, ergeben sich die in Abb. 10.6 skizzierten Verl¨ aufe der Strom- und Potentiallinien. Die Ebenen ϕn = 0 und ϕn = π/n stellen eine Stromlinie dar. Entlang dieser Stromlinie gibt es keine Geschwindigkeitskomponente in Richtung der Normalen. Die Geschwindigkeit ¨ andert sich allerdings entlang der Berandungsstromlinie. Die Str¨ omung in einem Winkelsektor mit spitzem Winkel unterscheidet sich von der Str¨ omung in einem stumpfwinkeligen Str¨omungsbereich nur durch den Exponenten n im komplexen Geschwindigkeitspotential. Aus den obigen Ableitungen ist ersichtlich, dass das komplexe Potential (10.40) f¨ ur n = 1 auch die in Abschnitt 10.3 behandelte, gleichf¨ormige Str¨ omung einschließt. Ein weiterer wichtiger Sonderfall ist die Umstr¨omung einer d¨ unnen Platte, die als Umstr¨ omung einer Kante mit dem Winkel 360o behandelt werden kann, d.h. durch das komplexe Potential 1
F (z) = Cz ( 2 )
(10.46)
beschrieben wird. Die Proportionalit¨ atskonstante ist reell, und der von der Str¨ omung eingenommene Winkelbereich ist 0 ≤ ϕ ≤ 2π. In Zylinderkoordinaten l¨ asst sich das komplexe Potential wie folgt schreiben: 1
ϕ
F (z) = Cr( 2 ) e(i 2 ) .
(10.47)
316
10 Potentialstr¨ omungen
Die Potential- und Stromfunktionen lassen sich wie folgt angeben: ϕ ϕ 1 1 Φ(r, ϕ) = Cr 2 cos und Ψ (r, ϕ) = Cr 2 sin . 2 2
(10.48)
Von der Beziehung f¨ ur die Stromfunktion ist ableitbar, dass die Linien ϕ = 0 und ϕ = 2π der Stromlinie Ψ = 0 entsprechen. Die Stromlinien f¨ ur andere ϕ−Werte werden durch die Stromfunktion in (10.48) beschrieben und sind in ¨ Abb. 10.7 skizziert. Mit aufgef¨ uhrt sind die Aquipotentiallinien, die gleichfalls nach (10.44) berechenbar sind. Durch Ableitung des komplexen Potentials wird die komplexe Str¨omungsgeschwindigkeit erhalten: ϕ C C dF (z) = ( 1 ) = ( 1 ) e(−i 2 ) dz 2z 2 2r 2
(10.49)
ϕ ϕ C cos + i sin e(−iϕ) . 1 ) ( 2 2 2 2r
(10.50)
w(z) = oder umgeschrieben w(z) =
Damit errechnen sich die Geschwindigkeitskomponenten wie folgt: ϕ ϕ C C cos sin = − Ur = und U . ϕ 1 1 2 2 2r( 2 ) 2r( 2 )
x
iy
(10.51)
2
y r x
j
j n
n
= 0 x
= 2 p
1
x
Abbildung 10.7: Potentialstr¨ omung um die Kante einer unendlich d¨ unnen Platte
Diese Beziehungen verdeutlichen, dass die Geschwindigkeitskomponente Uϕ f¨ ur 0 < ϕ < 2π negativ ist, w¨ ahrend Ur f¨ ur 0 < ϕ < π positiv und f¨ ur π < ϕ < 2π negativ ist. Dies f¨ uhrt zu dem in Abb. 10.7 angegebenen Str¨omungsverlauf.
10.5 Quellen- bzw. Senkenstr¨ omung und Potentialwirbel
317
Als ein wichtiges Ergebnis der obigen Ableitungen kann erhalten werden, dass das Geschwindigkeitsfeld im Ursprung eine Singularit¨at besitzt. Diese wird durch die Umstr¨ omung der Plattenkante verursacht. Sie zeichnet sich durch Extremwerte des Geschwindigkeitsfeldes aus. Die Betr¨age beider Geschwindigkeitskomponenten streben f¨ ur r → 0 dem Wert ∞ zu.
10.5 Quellen- bzw. Senkenstro ¨mung und Potentialwirbel W¨ ahlt man ein komplexes Potential F (z), das proportional dem nat¨ urlichen Logarithmus von z ist, so erh¨ alt man bei der Wahl einer reellen Proportionalit¨ atskonstanten, je nach Wahl eines positiven bzw. negativen Vorzeichens, das komplexe Potential einer Quellen- bzw. einer Senkenstr¨omung: F (z) = ±C ln z
(10.52)
F (z) = ±C [ln r + iϕ] = Φ + iΨ.
(10.53)
bzw. mit z = re(iϕ)
F¨ ur die Potential- und Stromfunktionen erh¨ alt man somit: Φ(r, ϕ) = ±C ln r Φ(x, y) = ±C ln
Ψ (r, y) = ±Cϕ
x2 + y 2 Ψ (x, y) = ±C arctan
y x
(10.54)
¨ Diese Gleichungen zeigen, dass die Aquipotentiallinien Kreise mit r = const darstellen, w¨ ahrend die Stromlinien Radiallinien mit ϕ = const. pr¨asentieren. Berechnet man die komplexe Geschwindigkeit: w(z) =
1 (x − iy) dF (z) = ±C = ±C 2 , dz z x + y2
(10.55)
so erh¨ alt man f¨ ur die Geschwindigkeitskomponenten: w(z) = oder: U1 =
±C (x − iy) = U1 − iU2 x2 + y 2
±Cx x2 + y 2
und
U2 =
±Cy . x2 + y 2
(10.56)
(10.57)
In Gleichung (10.55) kann w(z) auch geschrieben werden: w(z) =
±C C = ± e(−iϕ) . z r
Ein Vergleich von (10.58) mit (10.31) zeigt, dass gilt:
(10.58)
318
10 Potentialstr¨ omungen c o n st
c o n st
Abbildung 10.8: Darstellung der Potential- und Stromlinien f¨ ur Quellenstr¨ omungen
Ur = ±
C r
und Uϕ = 0.
(10.59)
Die Geschwindigkeitskomponente Ur nimmt mit 1/r ab, hat jedoch im Ursprung r = 0 eine Singularit¨ at. Es entsteht so eine Str¨ omung, die in Abb. 10.8 f¨ ur die Quellenstr¨omung angegeben ist und die rein radial ist. Der pro Zeiteinheit und Einheitstiefe der Quelle freigesetzte Volumenstrom, der die St¨ arke der Quelle kennzeichnet, ist gegeben durch: "2π Q˙ =
Ur r dϕ = C2π,
(10.60)
0
so dass das komplexe Potential f¨ ur die Quellen- bzw. Senkenstr¨omung, wie folgt geschrieben werden kann: F (z) = ±
Q˙ ln z 2π
(+) = Quellenstr¨omung (−) = Senkenstr¨omung
(10.61)
Liegt die Quelle bzw. Senke nicht im Ursprung des Koordinatensystems, sondern im Punkt z0 , so erh¨ alt man: F (z) = ±
Q˙ ln(z − z0 ). 2π
(10.62)
10.5 Quellen- bzw. Senkenstr¨ omung und Potentialwirbel
319
Betrachtet man ein dem nat¨ urlichen Logarithmus von z proportionales Potential F (z), in dem die Proportionalit¨ atskonstante imagin¨ar ist, so erh¨alt man F (z) eines Potentialwirbels: F (z) = iC ln z = C(−ϕ + i ln r).
(10.63)
F¨ ur die Potential- und Stromfunktion l¨ asst sich hieraus angeben: Φ(r, ϕ) = −Cϕ
und Ψ (r, ϕ) = C ln r
bzw. Φ(x, y) = −C arctan
y x
und
Ψ (x, y) = C ln
x2 + y 2
(10.64)
(10.65)
¨ Diese Beziehungen zeigen, dass die Aquipotentiallinien radiale Linien ϕ = const darstellen, w¨ ahrend die Stromlinien Kreise mit r = const sind. F¨ ur die komplexe Geschwindigkeit l¨ asst sich angeben: w(z) =
1 C dF (z) = iC = i e(−iϕ) . dz z r
(10.66)
Durch Vergleich der Gleichungen (10.66) und (10.31) ergibt sich Ur = 0
und
Uϕ = −
C . r
(10.67)
Das resultierende Str¨ omungsfeld ist das eines Potentialwirbels mit der charakteristischen Abnahme der Umfangsgeschwindigkeit mit dem Abstand vom Wirbelkern. Kennzeichnet man die St¨ arke des Potentialwirbels durch die Zirkulation Γ , so gilt: ' Γ =
"2π Uϕ r dϕ = −2πC
Us ds =
(10.68)
0
Damit l¨ asst sich der in mathematisch positive Richtung drehende Potentialwirbel (Γ ist positiv), wie folgt, durch sein komplexes Potential angeben: F (z) = −
Γ i ln z 2π
(10.69)
Bei positivem Vorzeichen ergibt sich ein in mathematisch negative Richtung drehender Potentialwirbel mit der Zirkulation. Der Potentialwirbel ist streng von Wirbelbewegungen zu unterscheiden, deren Str¨ omungsfelder rotationsbehaftet sind, wie z.B. Wirbel, bei denen sich das gesamte Str¨ omungsfeld analog einer Festk¨orperrotation ausbildet. Das Str¨ omungsfeld des Potentialwirbels ist rotationsfrei. Die gesamte Zirkulation ist auf die Wirbelkernlinie beschr¨ ankt, wo die gesamte Rotation lokalisiert ist.
320
10 Potentialstr¨ omungen
G > 0
G <
0
¨ Abbildung 10.9: Stromlinien und Aquipotentiallinien des Potentialwirbels
10.6 Dipolstr¨ omung In diesem Abschnitt soll eine Potentialstr¨ omung behandelt werden, die als ¨ Dipolstr¨ omung bezeichnet wird und sich als Grenzfall der Uberlagerung einer Quellstr¨ omung mit einer Senkenstr¨ omung ergibt. Betrachtet wird eine ˙ die im Abstand (−a) vom Ursprung eines KoordiQuelle mit der St¨ arke Q, natensystems auf der x−Achse gelegen ist und eine Senke gleicher St¨arke, die im Abstand (+a) auf der x−Achse angeordnet wurde, wie in Abb. 10.10(a). angezeigt.
Abbildung 10.10: Stromlinien von a) Quellen- und Senkenstr¨ omung sowie b) Dipolstr¨ omung
Wird der Abstand a verkleinert, so r¨ ucken Quelle und Senke immer n¨aher zusammen, bis sie f¨ ur den Grenzfall a → 0 beide im Koordinatenursprung
10.6 Dipolstr¨ omung
321
zusammenfallen und so die Dipolstr¨ omung ergeben. Es ist die Aufgabe der unten gegebenen Ableitungen, das komplexe Potential der Dipolstr¨omung zu finden und darauf aufbauend das Str¨ omungsfeld der Dipolstr¨omung abzuleiten und zu diskutieren. Das komplexe Potential der in Abb. 10.10a skizzierten kombinierten Quellen- und Senkenstr¨ omung l¨ asst sich als Summe der komplexen Potentiale beider Str¨ omungen angeben: F (z) =
Q˙ Q˙ ln(z + a) − ln(z − a) 2π 2π
(10.70)
oder umgeschrieben: Q˙ 1 + a/z z+a Q˙ F (z) = ln ln = . (10.71) 2π z−a 2π 1 − a/z 1 eine Reihenentwicklung durch, so F¨ uhrt man f¨ ur den Ausdruck 1 − a/z erh¨ alt man: a a Q˙ a3 a a2 f¨ ur < 1 (10.72) ln 1 + F (z) = 1 + + 2 + 3 + ... 2π z z z z z oder nach ausgef¨ uhrter Multiplikation und Vernachl¨assigung der Terme h¨ oherer Ordnung: Q˙ a ln 1 + 2 (10.73) F (z) = 2π z F¨ uhrt man eine weitere Reihenentwicklung durch und bricht wieder nach dem linearen Term ab: a a a2 8a3 2a ln 1 + 2 <1 = 2 − 2 2 + 3 ∓ ... (10.74) f¨ ur z z z 3z z so erh¨ alt man damit f¨ ur kleine Werte (a/z) F (z) =
Q˙ a 2 . 2π z
(10.75)
Mit der St¨ arke der Dipolstr¨ omung : D=
˙ Qa π
ergibt sich als komplexes Potential der Dipolstr¨omung F (z) =
D D = . z (x + iy)
(10.76)
F¨ ur die Potential- und Stromfunktion lassen sich folgende Ausdr¨ ucke ableiten:
322
10 Potentialstr¨ omungen
Φ(x, y) =
Dx −Dy und Ψ (x, y) = 2 x2 + y 2 x + y2
Φ(r, ϕ) =
−D D cos ϕ und Ψ (r, ϕ) = sin ϕ r r
(10.77)
¨ Die Stromlinien und Aquipotentiallinien sind in Abb. 10.10b angegeben. F¨ ur die komplexe Geschwindigkeit l¨ asst sich ableiten: w(z) =
dF (z) D D = − 2 = − 2 e(−i2ϕ) dz z r
(10.78)
oder umgeschrieben: w(z) = −
D (cos ϕ − i sin ϕ)e(−iϕ) . r2
(10.79)
Danach ergeben sich die Geschwindigkeitskomponenten Ur = −
D cos ϕ r2
und
Uϕ = −
D sin ϕ. r2
(10.80)
Die Vorzeichen dieser Geschwindigkeitskomponenten best¨atigen die in Abb. 10.10b angegebene Richtung der Str¨ omung.
10.7 Potentialstr¨ omung um einen Zylinder Die Bedeutung der im vorausgegangenen Abschnitt behandelten Dipolstr¨omung liegt in der Tatsache, dass sich ihr komplexes Potential mit dem komplexen Potential der gleichf¨ ormigen Str¨ omung parallel zur x-Achse u ¨berlagern l¨ asst und so ein komplexes Potential entsteht, das die Umstr¨omung eines Zylinders beschreibt. Die einfache Superposition der F (z)-Funktionen von Str¨ omungen ist zul¨ assig, da die aus den Grundgleichungen der Str¨omungsmechanik abgeleiteten partiellen Differentialgleichungen f¨ ur die Potentialund Stromfunktion linear sind. Durch Addition der komplexen Potentiale f¨ ur die gleichm¨ aßige Str¨ omung parallel zur x−Achse und f¨ ur die Dipolstr¨omung erh¨ alt man folgende Beziehung: D D = U0 re(iϕ) + e(−iϕ) , (10.81) F (z) = U0 z + z r die ¨ aquivalent ist zu F (z) = U0 r(cos ϕ + i sin ϕ) +
D (cos ϕ − i sin ϕ). r
(10.82)
F¨ ur die Potential- und die Stromfunktion k¨ onnen somit die nachfolgenden Ausdr¨ ucke gefunden werden:
10.7 Potentialstr¨ omung um einen Zylinder
323
D Φ(r, ϕ) = U0 r + cos ϕ r
D und Ψ (r, ϕ) = U0 r − sin ϕ. r (10.83) Setzt man nun den Radius r = R eines Zylinders ein, so ergibt sich die Stromfunktion entlang der Zylinderwandung als: D Ψ (r, ϕ) = U0 R − sin ϕ. (10.84) R
c o n st
Abbildung 10.11: Stromlinien der Str¨ omung um einen Zylinder
W¨ ahlt man die St¨ arke der Dipolstr¨ omung D = (U0 R2 ), so erh¨alt man entlang der Zylinderwandung (r = R f¨ ur alle ϕ) f¨ ur die Stromfunktion Ψ = 0. Die resultierenden Stromlinien sind in Abb. 10.11 angegeben. Dieser Darstellung ist zu entnehmen, dass die Zylindermantellinie eine Trennlinie zwischen einer von der Dipolstr¨ omung herr¨ uhrenden Innenstr¨omung darstellt und einer Außenstr¨ omung, die von der Parallelstr¨ omung zur x−Achse kommt. Es liegt somit eine Str¨ omung vor, deren Außenstr¨ omung als die Str¨omung interpretiert werden kann, die sich bei der zweidimensionalen Umstr¨omung eines Zylinders durch ein inkompressibles, viskosit¨ atsfreies Fluid einstellt. Ber¨ ucksichtigt man die f¨ ur die St¨ arke der Dipolstr¨omung abgeleitete Beasst sich f¨ ur das komplexe Potential der Zylinderumziehung: D = U0 R2 , so l¨ str¨ omung r ≥ R angeben: R2 F (z) = U0 z + . (10.85) z
324
10 Potentialstr¨ omungen
Weiterhin gelten f¨ ur die Potential- und Stromfunktion: R2 R2 Φ(r, ϕ) = U0 r + cos ϕ und Ψ (r, ϕ) = U0 r − sin ϕ. r r (10.86) F¨ ur die komplexe Geschwindigkeit l¨ asst sich ableiten: dF (z) R2 R2 (−i2ϕ) = U0 1 − 2 = U0 1 − 2 e w(z) = . (10.87) dz z r Weitere Umformungen ergeben: R2 w(z) = U0 e(iϕ) − 2 e(−iϕ) · e(−iϕ) , (10.88) r R2 = U0 (cos ϕ + i sin ϕ) − 2 (cos ϕ − i sin ϕ) · e(−iϕ) , r und f¨ uhren zu folgenden Geschwindigkeitskomponenten R2 R2 Ur = U0 1 − 2 cos ϕ und Uϕ = −U0 1 + 2 sin ϕ. r r
(10.89)
F¨ ur die Zylindermantelfl¨ ache (r = R) ergibt sich: Ur = 0; entlang der Mantelfl¨ ache liegt nur eine Str¨ omung in Umfangsrichtung vor. F¨ ur diese ergibt sich eine Geschwindigkeitskomponente: Uϕ = −2U0 sin ϕ
f¨ ur
r=R
(10.90)
F¨ ur ϕ = π2 liegt somit eine Geschwindigkeitskomponente vor, die gleich dem zweifachen Wert der Anstr¨ omgeschwindigkeit ist. Die angegebene Potentialstr¨ omung um einen Zylinder resultiert in einer L¨ osung die Abstr¨ ombedingungen hat, die gleich den Anstr¨ombedingungen sind, so dass auf den Zylinder keine aus der Umstr¨omung resultierende Kraft einwirkt. Dies l¨ asst sich auch aus der L¨ osung f¨ ur das Geschwindigkeitsfeld selbst ableiten. Bez¨ uglich des Betrages der Uϕ − Komponente liegt eine Symmetrie zur x−Achse vor, so dass die Druckverteilung ebenfalls symmetrisch ist und somit keine resultierende Auftriebskraft entsteht. Aufgrund einer gleichfalls bestehenden Symmetrie der Druckverteilung zur y−Achse entsteht auch keine resultierende Widerstandskraft. Da dieses Resultat unserer Erfahrung widerspricht (d’Alembertsches Paradoxon), zeigt diese Untersuchung deutlich die Bedeutung der Viskosit¨ atsterme in den Grundgleichungen der Str¨omungsmechanik. Werden diese Terme in str¨ omungstechnischen Betrachtungen nicht mit einbezogen, um str¨ omungsphysikalisch relevante Informationen zu erhalten, k¨ onnen Str¨ omungskr¨ afte auf K¨ orper nur bedingt behandelt werden.
10.8 Zylinderumstr¨ omung mit Zirkulation
325
10.8 Zylinderumstr¨ omung mit Zirkulation Wiederholt man die Vorgehensweise des vorherigen Abschnitts, wo die komplexen Potentiale zweier Potentialstr¨ omungen addiert wurden, um nach Festlegen eines freien Parameters, der St¨ arke D der Dipolstr¨omung , die Potentialstr¨ omung um einen Zylinder zu erhalten, so kann man z.B. folgendes komplexes Potential angeben: R2 iΓ ln z + Ci. (10.91) F (z) = U0 z + + z 2π Dieses komplexe Potential resultiert aus der Summation des Potentials der Zylinderumstr¨ omung und des Potentialwirbels, wobei die Zentren beider Str¨ omungen im Koordinatenursprung liegen. Die Konstante C wurde mit in die obige Gleichung aufgenommen, um den Wert der Stromfunktion wieder so w¨ ahlen zu k¨ onnen, dass Ψ = 0 wird, wenn r = R ist, d.h. der Zylindermantel soll in der Endbeziehung die Stromlinie Ψ = 0 darstellen. Um nun die Konstante C zu bestimmen, setzen wir in obige Gleichung z = re(iϕ) ein R2 (−iϕ) iΓ e ln(re(iϕ) ) + Ci. (10.92) F (z) = U0 re(iϕ) + + r 2π Durch Ausnutzen der Beziehung eiϕ = cos ϕ + i sin ϕ ergibt sich: Γ R2 R2 Γ ϕ+i ln r + Ci, F (z) = U0 r + cos ϕ + i r − sin ϕ − r r 2π 2π (10.93) woraus die Beziehungen f¨ ur die Potential- und Stromfunktionen folgen R2 Γ Φ(r, ϕ) = U0 r + ϕ (10.94) cos ϕ − r 2π und
R2 Γ Ψ (r, ϕ) = U0 r − ln r + C sin ϕ + r 2π
(10.95)
Um ur r = R und alle ϕ zu erhalten, muss die Konstante C = + ΓΨ, = 0 f¨ − 2π ln R gew¨ ahlt werden. Damit ergibt sich f¨ ur das komplexe Potential der Zylinderumstr¨ omung mit Zirkulation: z R2 Γ ln . (10.96) +i F (z) = U0 z + z 2π R Dieses Potential beschreibt die gleichf¨ ormige Str¨omung parallel zur x-Achse, in Verbindung mit einer Dipolstr¨ omung und einem im Ursprung des Koordinatensystems gelegenen Potentialwirbel. F¨ ur diese Str¨omung lassen sich die Potential- und Stromfunktionen wie folgt angeben:
326
10 Potentialstr¨ omungen
R2 Γ ϕ, Φ(r, ϕ) = U0 r + cos ϕ − r 2π r Γ R2 Ψ (r, ϕ) = U0 r − ln . sin ϕ + r 2π R
(10.97)
Abbildung 10.12: Stromlinien f¨ ur Zylinderumstr¨ omung mit Rotation;
(a) Normierte Zirkulation 0 ≤
Γ < 1; 4πU0 R
(b) Normierte Zirkulation
Γ = 1; 4πU0 R
(c) Normierte Zirkulation
Γ > 1. 4πU0 R
¨ Die entsprechenden Strom- und Aquipotentiallinien sind in Abb. 10.12 f¨ ur drei typische Zirkulationsbereiche angegeben. Die Geschwindigkeitskomponenten des Str¨ omungsfeldes lassen sich u ¨ber die komplexe Geschwindigkeit errechnen: R2 iΓ (−iϕ) e w(z) = U0 1 − 2 e(−i2ϕ) + r 2πr (10.98) R2 (−iϕ) Γ (iϕ) (−iϕ) = U0 e − 2e . +i e r 2πr Durch Vergleich dieser Beziehung mit (10.31) ergeben sich folgende Geschwindigkeitskomponenten: R2 R2 Γ . (10.99) Ur = U0 1 − 2 cos ϕ und Uϕ = −U0 1 + 2 sin ϕ − r r 2πr
10.8 Zylinderumstr¨ omung mit Zirkulation
327
F¨ ur Γ = 0 ergeben sich die im Abschnitt 10.7 angegebenen Gleichungen f¨ ur die Potentialstr¨ omung um einen Zylinder ohne Zirkulation. Setzt man in den obigen Beziehungen r = R, so erh¨alt man die Geschwindigkeitskomponenten Ur und Uϕ entlang der Mantelfl¨ache des Zylinders: Ur = 0
und
Uϕ = −2U0 sin ϕ −
Γ . 2πR
(10.100)
Wie zu erwarten war, erf¨ ullt die Stromlinie Ψ = 0 die f¨ ur die L¨osung der Eulergleichungen an K¨ orperberandungen verwendete Randbedingung. Die Uϕ −Komponente der Geschwindigkeit hat entlang der Zylinderoberfl¨ache endliche Werte. Es bildet sich jedoch ein Stagnationspunkt aus, in dem auch Uϕ = 0 wird; dies sind die Staupunkte der Str¨omung, deren Lage auf der Zylindermantelfl¨ ache aus Gleichung (10.100) f¨ ur Uϕ = 0 erhalten wird: Dabei ist die Lage auf der Zylindermanteloberfl¨ache nur f¨ ur Γ ≤ 4πU0 R gegeben. F¨ ur Γ = 0 liegen die Staupunkte bei ϕs = 0 und π, d.h. auf der x−Achse. F¨ ur endliche Γ −Werte im Bereich 0 < Γ/(4πU0 R) < 1 errechnet sich ϕs als negativ, so dass die Staupunkte, wie in Abb. 10.12 angezeigt, im dritten und vierten Quadranten der Zylinderfl¨ache zu liegen kommen. F¨ ur Γ/(4πU0 R) = 1 liegt der Staupunkt im unteren Scheitelpunkt der Zylinder3 , siehe Abb. mantelfl¨ ache; f¨ ur diesen Wert errechnet sich ϕs = − π2 und 2π 10.12. Wird die Zirkulation der Str¨ omung weiter erh¨oht, so dass Γ > (4πU0 R) gilt, kann sich der Staupunkt der Str¨ omung nicht mehr entlang der Zylindermantelfl¨ ache ausbilden; es kommt zur Ausbildung eines freien Staupunktes“ ” im Str¨ omungsfeld. Die Lage dieses Punktes kann f¨ ur Ur = 0 und Uϕ = 0 aus den obigen Gleichungen f¨ ur die Geschwindigkeitskomponenten errechnet werden, d.h. aus: R2 (10.101) U0 1 − 2 cos ϕs = 0 rs und
Γ R2 U0 1 + 2 sin ϕs = − . rs 2πrs
(10.102)
Da rs = R, d.h. die Ausbildung des freien Staupunktes auf der Mantelfl¨ache wird ausgeschlossen, kann die erste der beiden obigen Gleichungen nur f¨ ur 3 erf¨ ullt werden. Damit lautet die zweite Bestimmungsgleiϕs = π2 oder 2π chung f¨ ur die Lagekoordinaten des freien Staupunktes“: ” R2 Γ U0 1 + 2 = ± (10.103) rs 2πrs Da Γ > 0 in der obigen Gleichung anzunehmen ist, und die linke Seite der Gleichung nur positive Werte annehmen kann, ergibt nur das positive Vorzeichen der obigen Gleichung mit den Anforderungen an die Str¨omung vertr¨ agliche Werte, d.h. die Bestimmungsgleichung f¨ ur rs lautet:
328
10 Potentialstr¨ omungen
R2 Γ U0 1 + 2 = rs 2πrs
(10.104)
oder umgeschrieben rs2 −
Γ rs + R2 = 0. 2πU0
Als L¨ osung dieser Gleichung erh¨ alt man: # 2 Γ Γ rs = ± − R2 . 4πU0 2πU0
(10.105)
(10.106)
Damit ergeben sich die Lagekoordinaten des freien Staupunktes als: # 2 rs Γ R 3π 2πU 0 1 + 1 − . und = ϕs = (10.107) 2 R 4πU0 R Γ Das negative Vorzeichen der Wurzel in der L¨ osung f¨ ur rs wurde in der Angabe der Lagekoordinaten f¨ ur den freien Staupunkt weggelassen, da dieses zu einem Radius f¨ uhren w¨ urde, der innerhalb der Zylindermantelfl¨ache liegt. Da nur die Zylinderumstr¨ omung interessiert, ist diese zweite L¨osung der quadratischen Gleichung f¨ ur rs nicht von Interesse. Des Weiteren wurde von der L¨ osung f¨ ur die Lagekoordinaten des freien ur π/2 beStaupunktes ausgeschlossen, dass der Winkel ϕs auch eine L¨osung f¨ sitzt. Die Begr¨ undung hierf¨ ur liegt in der Tatsache, dass f¨ ur Γ/(2πU0 R) = 1 der Staupunkt nur im unteren Scheitelpunkt der Zylindermantelfl¨ache als L¨ osung auftritt. Ein Einbeziehen der L¨ osung f¨ ur ϕs = π/2 w¨ urde bedeuten, dass eine kleine Erh¨ ohung der Zirkulation, derart dass die normierte Zirkulation einen Wert gr¨ oßer als 1 erh¨ alt, zu einem Sprung des Staupunktes vom unteren zum oberen Scheitelpunkt f¨ uhren w¨ urde. Betrachtungen zur Stabilit¨ at der Lage der Staupunkte zeigen allerdings, dass nur der untere osung existieren kann. Staupunkt, d.h. ϕs = (3π)/2 als stabile L¨ ¨ Durch die Uberlagerung der Zylinderumstr¨ omung mit einem Potentialwirbel ist ein Str¨ omungsfeld entstanden, das wiederum bez¨ uglich der y−Achse symmetrisch ist. Damit ist wiederum festgelegt, dass die Zylindermantelfl¨ache durch die Umstr¨ omung keine in Str¨ omungsrichtung wirkende resultierende Kraft erh¨ alt, d.h. es tritt keine Widerstandskraft durch die Str¨omung auf. Durch die Zirkulation ist jedoch eine asymmetrische Str¨omung in Bezug auf die x−Achse entstanden und dies f¨ uhrt zu einer Auftriebskraft, d.h. zu einer nach oben gerichteten resultierenden Kraft auf den Zylinder. Da die Geschwindigkeitskomponenten auf der oberen Seite des Zylinders gr¨oßer als auf der Unterseite sind, ergibt sich durch die Bernoulli-Gleichung ein auf der ¨ Unterseite vorherrschender Uberdruck, der eine nach oben gerichtete resultierende Str¨ omungskraft bewirkt. Die quantitative Bestimmung dieser Kraft erfordert Integralbeziehungen, wie sie im Abschnitt 10.10 angegeben werden.
10.9 Zusammenfassung wichtiger Potentialstr¨ omungen
329
10.9 Zusammenfassung wichtiger Potentialstr¨ omungen In den vorausgegangenen Darstellungen wurden eine Reihe von Potentialstr¨ omungen behandelt, die als Grundstr¨ omungen bekannt sind, und deren Behandlung einen Einblick in die sich abspielenden Str¨omungsvorg¨ange gibt. In der nachfolgend angegebenen Tabelle sind neben den bereits ausf¨ uhrlich diskutierten Beispielen weitere analytische Funktionen angegeben, die sich f¨ ur Ableitungen von Potential- und Stromfunktionen und den entsprechenden Geschwindigkeitsfeldern von Potentialstr¨omungen nutzen lassen. Durch Gleichsetzen der angegebenen Potential- oder Stromfunktionswerte ¨ mit einer Konstanten lassen sich Aquipotentialoder Stromlinien der Potentialstr¨ omung angeben. Die Vorgehensweise bei den Ableitungen str¨omungsmechanisch interessanter Gr¨ oßen soll hier nochmals kurz anhand der der Tabelle entnommenen Quellen-Senken-Str¨ omung dargestellt werden. Beispiel:
F (z) =
Q˙ Q˙ ln z = (ln r + iϕ) ; 2π 2π
z = x + iy = reiϕ
Potential:
Φ=
Q˙ Q˙ ln r = ln x2 + y 2 2π 2π
Stromfunktion:
Ψ=
Q˙ Q˙ y ϕ= arctan 2π 2π x
Geschwindigkeit:
u=
Q˙ x ∂Φ ∂Ψ = = ∂x 2π x2 + y 2 ∂y
Q˙ y ∂Ψ ∂Φ = =− 2 2 ∂y 2π x + y ∂x # Q˙ Q˙ x2 + y 2 = c = u2 + v 2 = 2π (x2 + y 2 )2 2πr 2π ¨ Aquipotentiallinien Φ = KΦ : y = e c ·KΦ − x2 v=
Stromlinien Ψ = KΨ :
y = x tan
2π Q˙
KΨ
330
10 Potentialstr¨ omungen
10.10 Str¨ omungskr¨ afte auf K¨ orper
331
10.10 Str¨ omungskr¨ afte auf K¨ orper Bereits in den Abschnitten 10.1 und 10.2 ist die M¨oglichkeit angedeutet worden, die durch Potentialstr¨ omungen auf K¨ orper wirkenden Kr¨afte aus der Druckverteilung entlang der K¨ orperkontur zu berechnen. Hat man, entsprechend der vorausgegangenen Abschnitte, das Geschwindigkeitsfeld einer Potentialstr¨ omung ermittelt, so liegt die Geschwindigkeitsverteilung auch entlang der K¨ orperkontur vor, die ja eine Stromlinie des Str¨omungsfeldes darstellt. In jedem Punkt der Str¨ omung gilt die Bernoullische Gleichung in der folgenden Form: ρ (10.108) P + (Us2 + Un2 ) = const 2 F¨ ur die Stromlinie und damit die K¨ orperkontur gilt Un = 0, also: ρ P + Us2 = const 2
(10.109)
Die Gr¨ oße Us2 l¨ asst sich aus U1 und U2 bzw. Ur und Uϕ wie folgt berechnen: Us2 = U12 + U22 = Ur2 + Uϕ2
(10.110)
Entlang der Kontur eines Str¨ omungsk¨ orpers k¨onnen die folgenden Integrationen durchgef¨ uhrt werden ' ' ' ' K1 = − P cos ϕds = − P dx2 und K2 = − P sin ϕds = − P dx1 , (10.111) um die Str¨ omungskr¨ afte in die x1 - bzw. x2 -Richtung eines kartesischen Koordinatensystems zu erhalten (ϕ ist dabei der Winkel zwischen K¨orperkontur und x2 −Achse).
Abbildung 10.13: Str¨ omungsk¨ orper und umliegendes Kontrollvolumen
332
10 Potentialstr¨ omungen
Bezieht man die Kr¨ afte auf die Anstr¨ omrichtung und w¨ahlt man diese so, dass sie mit der x1 −Richtung identisch ist, so resultiert K1 in der Widerstandskraft auf den K¨ orper, w¨ ahrend K2 die Auftriebskraft ergibt. Im vorliegenden Abschnitt soll der Versuch unternommen werden, u ¨ ber Berechnungsans¨ atze, welche die komplexe Geschwindigkeit verwenden, die Kr¨ afte direkt zu erhalten. Zu diesem Zweck wird ein Kontrollvolumen um den Str¨ omungsk¨ orper mit der H¨ ohe 1 senkrecht zur Str¨omung angenommen, wie dies in Abb. 10.13 angegeben ist. Es entsteht so ein Kontrollraum, der durch eine innere und eine ¨außere Kontur festgelegt ist. Die im Schwerpunkt des Str¨omungsk¨orpers und in Richtung der x1 - und x2 -Achse angreifenden Str¨omungskr¨afte sind gleichfalls angegeben. Mit aufgef¨ uhrt ist das Moment, das ein K¨orper durch auftretende Str¨ omungskr¨ afte erhalten kann. Wendet man nun auf den in Abb. 10.13 angegebenen Kontrollraum die Impulsgleichungen in integraler Form an, wie sie in Abschnitt 8 behandelt wurden, so l¨ asst sich in Worten ausdr¨ ucken, dass die Zunahme an x1 − bzw. x2 −Impuls der Str¨ omung nur durch die in x1 − bzw. x2 −Richtung am K¨orper angreifenden Str¨ omungskr¨ afte verursacht werden kann. In x1 −Richtung ergibt sich: ' ' (10.112) −K1 − P dx2 = ρU1 (U1 dx2 − U2 dx1 ). C0
C0
Diese Beziehung ber¨ ucksichtigt, dass die innere Kontur des Kontrollraumes die Oberfl¨ ache eines Str¨ omungsk¨ orpers darstellt, also nicht vom Fluid durchstr¨ omt wird. Die auf die innere Kontur Ci wirkenden Druckkr¨afte in x1 Richtung wurden zur resultierenden Kraft K1 zusammengefasst. Die Kraft wirkt in positiver Richtung auf den K¨ orper und damit in negativer Richtung auf das Fluid; dies erkl¨ art das negative Vorzeichen vor K1 . Eine ¨ ahnliche Beziehung l¨ asst sich f¨ ur die x2 -Richtung anschreiben: ' ' −K2 + P dx1 = ρU2 (U1 dx2 − U2 dx1 ). (10.113) C0
C0
L¨ ost man die beiden Gleichungen nach den Kr¨aften auf und formt um, so erh¨ alt man: ' 1 2 −(P + ρU12 )dx2 + ρU1 U2 dx1 (10.114) K1 = C0
'
und K2 =
1
2 (P + ρU22 )dx1 − ρU1 U2 dx2 .
(10.115)
C0
Setzt man nun die Bernoulli-Gleichung an: ρ P + (U12 + U22 ) = const 2
(10.116)
10.10 Str¨ omungskr¨ afte auf K¨ orper
und ber¨ ucksichtigt, dass die Linienintegrale
(
(const)dx1 und
C0
(
333
(const)dx2
C0
beide gleich Null entlang einer geschlossenen Kontur sind, so erh¨alt man f¨ ur ucke: die Kr¨ afte in x1 − und x2 −Richtung folgende Ausdr¨ ' 1 K1 = ρ U1 U2 dx1 − (U12 − U22 )dx2 (10.117) 2 C0
' K2 = −ρ
1 2 2 U1 U2 dx2 + (U1 − U2 )dx1 . 2
C0
Betrachtet man nun die Gr¨ oße: ' ' ρ ρ 2 w (z)dz = i (U1 − iU2 )2 (dx + idy) i 2 2 C0
(10.118)
C0
so erh¨ alt man: ' ' ρ 1 2 2 2 i w (z)dz = ρ U1 U2 dx1 − (U1 − U2 )dx2 2 2 C0 C0 1 2 2 + i U1 U2 dx2 + (U1 − U2 )dx1 . 2
(10.119)
Diese Gleichung zeigt, dass die Str¨ omungskr¨ afte in x1 - und x2 -Richtung, die auf einen K¨ orper einwirken, wie folgt berechnet werden k¨onnen: ' ρ w2 (z)dz = K1 − iK2 . (10.120) i 2 C0
¨ Uber diese Beziehung, das Blasius-Integral f¨ ur die Str¨omungskr¨afte, lassen sich die Str¨ omungskr¨ afte auf in Potentialstr¨ omungen liegende K¨orper einfach berechnen. Wendet man die obige Beziehung an, um die resultierenden Kraftkomponenten auf den Zylinder mit Zirkulation zu berechnen, so erh¨alt man, beginnend mit dem komplexen Potential: z R2 Γ ln (10.121) F (z) = U0 z + +i z 2π R f¨ ur die komplexe Geschwindigkeit: dF (z) R2 iΓ = U0 1 − 2 + . w(z) = dz z 2πz F¨ ur w2 (z) errechnet sich:
(10.122)
334
10 Potentialstr¨ omungen
w2 (z) = U02 −
iU0 Γ R2 2U02 R2 U02 R4 iU0 Γ Γ2 − + + − z2 z4 πz πz 3 4π 2 z 2
(10.123)
oder umgeschrieben: 2
w (z) =
U02
U 2 R4 1 + 04 − 2 z z
U0 Γ R 2 Γ2 U0 Γ 2 2 − 2U0 R + 2 − i . (10.124) 4π πz 3 πz
In die Beziehung f¨ ur die Komponenten K1 und K2 der Str¨omungskraft eingesetzt, erh¨ alt man f¨ ur die Integration entlang der Zylindermantelfl¨ache: ' ' ρ ρ U02 R4 1 Γ 2 2 2 2 w (z)dz = i U0 + K1 − iK2 = i − 2 2U0 R + 2 2 2 z4 z 4π 2 U0 Γ U0 Γ R − −i dz. (10.125) 3 πz πz ucksichtigt, dass f¨ ur die F¨ uhrt man in dieses Integral z = re(iϕ) ein und ber¨ Zylindermantelfl¨ ache gilt r = R so kann die Integration durchgef¨ uhrt werden und f¨ uhrt zu dem Ergebnis: K1 − iK2 = −iρU0 Γ
(10.126)
oder K1 = 0 und K2 = ρU0 Γ . Dies ist das Kutta-Joukowskische Gesetz. Dieses Gesetz besagt, dass die bei der Potentialstr¨omung um einen Zylinder auftretende Str¨ omungskraft gleich Null ist, wenn keine Zirkulation vorliegt.
U oo
Abbildung 10.14: Richtungsbestimmung f¨ ur die Auftriebskr¨ afte
Bei vorliegender Zirkulation tritt keine Widerstandskraft auf, aber eine Auftriebskraft, die pro L¨ angeneinheit proportional der Fluiddichte der Anstr¨ omgeschwindigkeit und der Zirkulation ist:
10.10 Str¨ omungskr¨ afte auf K¨ orper
K2 = ρU0 Γ.
335
(10.127)
Da das Vorzeichen dieser Kraft positiv ist, liegt eine Auftriebskraft vor. Die f¨ ur die Richtung der Auftriebskraft geltende Regel ist in Abb. 10.14 angegeben. Die Anstr¨ omrichtung, die Drehrichtung des Wirbels und die Richtung der resultierenden Auftriebskraft stellen die Richtungen der Achsen eines rechtsorientierten, rechtwinkeligen Koordinatensystems dar. Die positive Kraft im Fall der Zylinderumstr¨omung mit Zirkulation entsteht infolge der mathematisch positiven Drehrichtung des Potentialwirbels im Ursprung des Koordinatensystems. Auf K¨ orper wirkende Str¨ omungskr¨ afte k¨ onnen auch zu Drehmomenten f¨ uhren, deren Berechnung wiederum konventionell erfolgen kann, d. h. durch Integration der durch Druckwirkungen auf Fl¨achenelemente erzeugten Momentbeitr¨ age. Nimmt man wiederum das Moment, das auf den K¨orper wirkt, als positiv an, so gilt f¨ ur das auf das Fluid wirkende Moment die folgende Gleichung: ' (10.128) M + [P x1 dx1 + P x2 dx2 +ρU1 x2 (U1 dx2 − U2 dx1 ) C0
−ρU2 x1 (U1 dx2 − U2 dx1 )] = 0. L¨ ost man nach M auf, so erh¨ alt man: ' M = − [P x1 dx1 + P x2 dx2 +ρ(U12 x2 dx2 + U22 x1 dx1
(10.129)
C0
−U1 U2 x2 dx1 − U1 U2 x1 dx2 ) ] . Eliminiert man den Druck u ¨ ber die Bernoulli-Gleichung ρ P + (U12 + U22 ) = const 2 und ber¨ ucksichtigt man, dass die ( (const)x2 dx2 = 0 sind, so erh¨ alt man:
Integrale
(10.130) (
(const)x1 dx1
=
C0
C0
M=
ρ 2
'
1 2 2 (U1 − U22 )(x1 dx1 − x2 dx2 ) + 2U1 U2 · (x1 dx2 + x2 dx1 )
C0
(10.131) und es l¨ asst sich zeigen, dass folgendes gilt (2. Blasiussches Integral): ' ρ (10.132) M = Re zw2 (z)dz . 2 C0
336
10 Potentialstr¨ omungen
Eine Auswertung des Integrals ergibt: ' ρ M = Re (x + iy)(U1 − iU2 )2 (dx + idy) 2
(10.133)
c0
unter Ber¨ ucksichtigung, dass x1 = x und x2 = y ist, erh¨alt man: ' 2 ρ 1 2 M = Re { (U1 − U22 )(x1 dx1 − x2 dx2 ) + 2U1 U2 · (x1 dx2 + x2 dx1 ) 2 2 1 +i (U12 − U22 )(x1 dx2 + x2 dx1 ) − 2U1 U2 (x1 dx1 − x2 dx2 ) } (10.134) Der Realteil von Gleichung (10.134) entspricht dem Ausdruck (10.131), was zu beweisen war. Wendet man die Beziehung (10.131) auf die Zylinderumstr¨omung mit Zirkulation an, so erh¨ alt man: ' 2 2 2 4 2 2 U iU ρ R R Γ Γ R 2U iU Γ 0 0 0 + 03 + − M = Re − 2 U02 z − dz 2 z z π πz 2 4π z C0
(10.135) Setzt man f¨ ur z = re(iϕ) und r = R in Gleichung (10.135) ein, erh¨alt man als L¨ osung M = 0. Die Zylinderumstr¨ omung liefert kein hydrostatisches Moment auf den Zylinder, selbst wenn die Str¨ omung Zirkulation besitzt.
10.11 Literaturverzeichnis 10.1 Yuan SW (1967) Foundations of Fluid Mechanics. Mei Ya Publications Inc, Taipei, Taiwan 10.2 Allen T Jr, Ditsworth RL (1972) Fluid Mechanics. McGraw-Hill Book Company, New York 10.3 Schade H, Kunz E (1989) Str¨ omungslehre mit einer Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmeßtechnik von Jorg-Dieter Vagt. 2. Auflage, Walter de Greyter & Co, Berlin 10.4 Zierep J (1997) Grundz¨ uge der Str¨ omungslehre. 6. Auflage, SpringerVerlag Berlin Heidelberg 10.5 Siekmann HE (2001) Str¨ omungslehre f¨ ur den Maschinenbau. SpringerVerlag Berlin Heidelberg 10.6 Spurk JH (2004) Str¨ omungslehre. 5. Auflage, Springer-Verlag Berlin Heidelberg
11 Wellenbewegungen in viskosit¨ atsfreien Fluiden
11.1 Allgemeine Betrachtungen In den Kapiteln 9 und 10 wurden Str¨ omungsvorg¨ange betrachtet, deren analytische Behandlungen dadurch m¨ oglich wurden, daß vereinfachte Formen der allgemeing¨ ultigen Grundgleichungen der Str¨omungsmechanik Anwendungen fanden. Die daf¨ ur notwendigen L¨ osungsmethoden sind bekannt, d. h. sie stehen zur Verf¨ ugung, und ihre Anwendbarkeit ist bekannt. So wurde z.B. in Kapitel 10 die Anwendung von Methoden aufgezeigt, die L¨osungen der Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik zulassen, um Informationen u ¨ ber ein- und zweidimensionale Str¨ omungen zu erhalten. Im besonderen wurden in Kapitel 10 Potentialstr¨ omungen behandelt, deren vorgegebene Eigenschaften so gew¨ ahlt wurden, daß Methoden der Funktionentheorie zur Anwendung kommen konnten, um zweidimensionale, rotationsfreie Str¨omungsprobleme analytisch zu behandeln. Die besonderen Eigenschaften von Potentialstr¨ omungen machten es m¨ oglich, ein voll entwickeltes Gebiet der Mathematik in die Str¨ omungsmechanik zu u ¨ bernehmen und anzuwenden, um Potential- und Stromlinienfelder zu berechnen. Aus diesen Feldern konnten Geschwindigkeitsfelder der behandelten Str¨ omungen abgeleitet werden und die Anwendung der mechanischen Energiegleichung, bzw. ihrer Integralform, f¨ uhrte schließlich zu Druckverteilungen in den betrachteten Str¨omungsfeldern. Letzteres wiederum f¨ uhrte zur Kr¨ afte- und Momentenberechnung f¨ ur Kontrollvolumina, die zur L¨ osung von Ingenieuraufgaben von besonderem Interesse sind. Vereinfachungen der Str¨ omungseigenschaften durch Einf¨ uhren der Zweidimensionalit¨ at und Rotationsfreiheit haben somit eine geschlossene Behandlung von Str¨ omungsaufgaben mit bekannten mathematischen Methoden zugelassen. Ein ¨ ahnliches Vorgehen wird in diesem Kapitel angestrebt, das eine Einf¨ uhrung in die Behandlung von Wellenbewegungen in Fluiden vorsieht. Wie bei allen mechanischen Wellenbewegungen handelt es sich dabei um Bewegungen, die um eine mittlere Ruhelage erfolgen, d.h. die an der Wellenbewegung beteiligten Fluidteilchen erfahren im zeitlichen Mittel keine Lage¨ anderung. Somit pflanzt sich bei Wellenbewegungen in Fluiden nur der eine Welle kennzeichnende Schwingungszustand fort und nicht das Fluid selbst. Dies gilt unabh¨ angig davon, ob sich bei den Wellenbewegungen in Fluiden
338
11 Wellenbewegungen in viskosit¨ atsfreien Fluiden
Longitudinal- oder Transversalwellen ausbilden. Abb. 11.1 zeigt die Schwingungsbewegung von Fluidteilchen f¨ ur beide Wellenarten. Den Darstellungen in Abb. 11.1 ist zu entnehmen, dass die betrachteten Wellenbewegungen sowohl r¨ aumlich als auch zeitlich periodisch sind. Dagegen sind Schwingungen entweder zeitlich oder r¨ aumlich periodisch. F o rtp fla n z u n g s ric h tu n g d e r W e lle W e lle n lä n g e
V e rd ic h tu n g
V e rd ü n n u n g
L o n g id u d in a lw e lle
V e rd ic h tu n g
F o rtp fla n z u n g s ric h tu n g d e r W e lle
T ra n s v e rs a lw e lle
W e lle n lä n g e
Abbildung 11.1: Momentanbild einer fortschreitenden Longitudinal- und Transversalwelle
Es ist aus Abb. 11.1 ersichtlich, dass mechanische Longitudinalwellen, die durch Verdichtungen und Verd¨ unnungen gekennzeichnet sind, d.h. durch spezifische Volumen- bzw. durch Dichte¨ anderungen, in allen Stoffen existieren k¨ onnen, die Volumenelastizit¨ at“ besitzen, die also bei auftretenden Volu” men¨ anderungen mit elastischen Gegenkr¨ aften reagieren. Solche Gegenkr¨afte bilden sich in Gasen aus, da Volumen¨ anderungen mit Druck¨anderungen gekoppelt sind, so dass f¨ ur ein ideales Gas bei T = const gilt P dv = −v dP,
(11.1)
und somit in isothermen Gasen Longitudinalwellen auftreten k¨onnen, die in thermodynamisch idealen Fl¨ ussigkeiten, wegen ρ = 1/v = const., nicht m¨ oglich sind. Abb. 11.1 verdeutlicht auch, dass die Ausbildung von Transversalwellen auf das Vorliegen von Schubkr¨ aften“ angewiesen ist, d.h. Querkr¨aften, um ” die Wellenbewegung von Teilchen“ quer zur Ausbreitungsrichtung zuzulas” sen. Damit treten mechanische Transversalwellen nur in festen Stoffen auf, die elastische Querkr¨ afte bei entsprechender Beanspruchung, aufbauen k¨onnen. In rein viskosen Fluiden sind keine Transversalwellen m¨oglich. Diese Aussage erscheint auf den ersten Blick ein Widerspruch zu Beobachtungen von Wasserwellen zu sein, deren Entstehung und Ausbreitung leicht beobachtbar ist, wenn man einen Gegenstand in einen Wasserbeh¨alter wirft. Es ensteht eine Transversalwelle, die sich jedoch als eine Wellenbewegung erweist, die sich
11.1 Allgemeine Betrachtungen
339
auf einen kleinen Bereich an der Wasseroberfl¨ ache beschr¨ankt. Im Inneren der Fl¨ ussigkeit ist die Wellenbewegung nicht beobachtbar. Zudem zeigt sich, dass sich die beobachtete Welle an der Oberfl¨ ache nicht infolge von Scherkr¨aften“ ” ausbildet, sondern dass das Vorliegen der Schwerkraft bzw. das Auftreten von Oberfl¨ achenspannungen f¨ ur die Wellenbewegung verantwortlich sind.
x
Abbildung 11.2: Skizze einer ebenen Welle und Angaben zur Nomenklatur
In Fluiden sind unterschiedlichste Wellenbewegungen m¨oglich, deren Initiierung bzw. Aufrechterhaltung mit einem Energieeintrag in das Fluid verbunden ist. Zur Erzeugung einer Welle und zu deren Aufrechterhaltung ist ein bestimmter Arbeitsaufwand notwendig, der sich dann als Energie der Welle im Raum fortpflanzt. Dabei ist es essentiell f¨ ur m¨ogliche Wellenbewegungen, dass zwei unterschiedliche Energiearten notwendig sind und auch auftreten, zwischen denen, in periodischer Folge, ein Austausch von Energie erfolgen kann. Dieser Sachverhalt l¨ asst zu, dass es ein wesentliches Merkmal einer Wellenbewegung in einem Fluid ist, dass Energie transportiert wird, ohne dass ein Massentransport erfolgt. Je nach Form der Wellenstr¨omungen, d.h. der Form der Quelle der Wellenbewegung unterscheidet man unterschiedliche Wellenarten, n¨ amlich ebene Wellen, Kugelwellen und Zylinderwellen. F¨ ur das Geschwindigkeitsfeld solcher Wellen l¨ asst sich angeben: x t ∓ u (x, t) = uA sin 2π Ebene Wellen: T λ Ebene Wellen sind f¨ ur die Betrachtungen in diesem Kapitel von besonderer Bedeutung. Bei einer ebenen Welle ist die mittlere Energiedichte konstant, da sich eine betrachtete Oberfl¨ ache einer Welle, entlang der Ausbreitungsrichtung x nicht a ndert. In der obigen Beziehung sind T die Schwindungsdau¨ er der Wellenbewegung und λ die Wellenl¨ ange. Die Periodizit¨at der ebenen Welle in der Ausbreitungsrichtung x und der Zeit t ist aus dem Sinusterm ersichtlich. t r uA sin 2π ∓ u (x, t) = Kugelwelle: r T λ Bei Kugelwellen in Fluiden nimmt die Energiedichte mit dem Quadrat des Abstandes von Punkt r = 0 ab, da die Fl¨ ache mit dem Quadrat des Abstandes zunimmt. Im Punkt r = 0 sitzt der Erreger der Kugelwelle, an dieser
340
11 Wellenbewegungen in viskosit¨ atsfreien Fluiden
r r
Abbildung 11.3: Skizze einer Kugelwelle und Angaben zur Nomenklatur
Abbildung 11.4: Skizze einer Zylinderwelle und Angaben zur Nomenklatur
Stelle wird die gesamte Energie der Welle eingebracht. Dabei gilt die oben angegebene Gleichung der Welle nur f¨ ur r = 0. Das auftretende Minuszeichen vor dem r/λ-Term gibt eine divergierende Welle an, die vom Erregerzentrum wegl¨ auft und das Pluszeichen eine konvergierende Welle, die auf das Erregerzentrum zul¨ auft. t r uA ∓ u (x, t) = √ sin 2π Zylinderwelle: T λ r Zylinderwellen breiten sich von der im Zentrum, d.h. f¨ ur r = 0, liegenden Erregerlinie radial aus, derart, dass die Wellenfl¨ache linear mit dem Abstand r anw¨ achst. Damit nimmt die Erregerdichte linear mit der Entfernung r ab. Damit ist also die Amplitude der Welle umgekehrt proportional der Wurzel aus dem Abstand r von der Erregerlinie. Wiederum gibt das Minuszeichen vor dem r/λ-Term eine von der Erregerlinie in positiver r−Richtung laufende Welle an, w¨ ahrend das positive Vorzeichen eine Welle beschreibt, die auf die Erregerlinie zul¨ auft. Viele aus der Physik bekannten allgemeinen Eigenschaften von Wellenbewegungen lassen sich auf Wellenausbreitungen in Fluiden u ¨bertragen. Dennoch sind in einem Buch zur Einf¨ uhrung in die Str¨omungsmechanik gesonderte Betrachtungen notwendig, insbesondere gilt es das tiefere Verst¨andnis f¨ ur die Ursachen der jeweils betrachteten Wellenbewegungen zu wecken und ihre Behandlung auf der Basis der Navier-Stokes-Gleichungen aufzuzeigen. In den nachfolgenden Abschnitten werden typische Wellenbewegungen in Fluiden betrachtet. Die Ableitungen von Eigenschaften dieser Wellenbewegungen sollen verdeutlichen, wie in der Str¨ omungsmechanik vorgegangen wird, um die Eigenschaften von Wellenbewegungen aus den Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik abzuleiten. Ziel der Darstellungen ist somit nicht eine breite Betrachtung verschiedener Wellenbewegungen in Fluiden nachfolgend zu geben, sondern eine Einf¨ uhrung in die mathematische Behandlung von Longitudinal- und Transversalwellen in Fluiden.
11.2 Longitudinalwellen: Schallwellen in Gasen
341
11.2 Longitudinalwellen: Schallwellen in Gasen Um die Eigenschaften von longitudinalen Schallwellen in idealen Gasen theoretisch behandeln zu k¨ onnen, stehen die in Abschnitt 5 abgeleiteten Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik zur Verf¨ ugung. Diese lassen sich f¨ ur ein ideales Gas wie folgt angeben: Kontinuit¨ atsgleichung: ∂ρ ∂(ρUi ) + =0 ∂t ∂xi
(11.2)
Impulsgleichungen: (j = 1, 2, 3) ρ
∂Uj ∂Uj + Ui ∂t ∂xi
=−
∂τij ∂P − + ρgj ∂xj ∂xi
(11.3)
Thermische Energiegleichung: ρcv
∂T ∂T ∂Uj ∂Ui ∂qi + Ui −P − τij =− ∂t ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi
(11.4)
Zustandsgleichung: P = RT ρ
und e = cv T
(11.5)
Das obige System partieller Differentialgleichungen und thermodynamischer Zustandsgleichungen umfasst 7 Unbekannte, n¨ amlich U1 , U2 , U3 , P , ρ, e und T , zu deren Bestimmung 7 Gleichungen zur Verf¨ ugung stehen. Es liegt somit ein geschlossenes Gleichungssystem vor, das bei ausreichenden Anfangs- und Randbedingungen prinzipiell l¨ osbar ist, also Fluidbewegungen zu behandeln erlaubt und damit auch Wellenbewegungen in Fluiden. Das oben angegebene Gleichungssystem wird wesentlich vereinfacht, wenn man den molek¨ ulbedingten W¨ arme- und Impulstransport vernachl¨assigt, so dass alle mit q˙i und τij versehenen Terme der Impuls- und Energiegleichung entfallen und Massenkr¨ afte vernachl¨ assigt werden. Beh¨alt man die Tensorschreibweise bei, so lassen sich die Gleichungen nach Einf¨ uhren dieser Vernachl¨ assigungen wie folgt schreiben: Kontinuit¨ atsgleichung: ∂ρ ∂(ρUi ) + =0 ∂t ∂xi
(11.6)
Impulsgleichungen: (j = 1, 2, 3) DUj ∂P ∂Uj ∂Uj ρ =− =ρ + Ui Dt ∂t ∂xi ∂xj
(11.7)
342
11 Wellenbewegungen in viskosit¨ atsfreien Fluiden
Energiegleichung: ∂T DT ∂T De ∂Ui = ρcv + Ui ρ = ρcv = −P Dt Dt ∂t ∂xi ∂xi
(11.8)
Zustandsgleichung: P = RT ρ
und e = cv · T
(11.9)
Beachtet man, dass sich die Kontinuit¨ atsgleichung wie folgt schreiben l¨asst: ∂ρ ∂Ui ∂ρ ∂Ui Dρ + Ui +ρ +ρ = =0 ∂t ∂xi ∂xi Dt ∂xi
(11.10)
so gilt folgende Beziehung: ∂Ui 1 Dρ =− ∂xi ρ Dt
(11.11)
Setzt man (11.11) in die Energiegleichung (11.8) ein und ber¨ ucksichtigt die Zustandsgleichung (11.9), so l¨ asst sich die Energiegleichung in folgender Form umschreiben: P 1 Dρ D ρcv =P (11.12) Dt ρR ρ Dt oder:
P Dρ 1 DP P Dρ − 2 = ρ Dt ρ Dt ρ Dt R + cv 1 Dρ 1 DP = P Dt cv ρ Dt
ρcv R
(11.13) (11.14)
oder unter Ber¨ ucksichtigung von R = (cP − cv ) und κ = (cP /cv ) umgeschrieben: 1 Dρ 1 DP =κ (11.15) P Dt ρ Dt Gleichung (11.15) erlaubt folgende allgemeing¨ ultige L¨osung: D D (ln P ) = (ln ρκ ) Dt Dt oder:
D P =0 ln Dt ρκ
→
P = const . ρκ
(11.16)
(11.17)
Die obige Beziehung bringt zum Ausdruck, dass die Energiegleichung, unter der Annahme, dass kein molek¨ ulbedingter W¨arme- und Impulstransport erfolgt, unter Ber¨ ucksichtigung der Kontinuit¨ atsgleichung und der Zustandsgleichung f¨ ur ideale Gase, auf die Adiabatengleichung der Thermodynamik reduziert werden kann. Entlang einer Stromlinie der Str¨omung ist somit f¨ ur die angegebenen Bedingungen die folgende Beziehung g¨ ultig:
11.2 Longitudinalwellen: Schallwellen in Gasen
P = const. ρκ
343
(11.18)
Es gibt nun eine Reihe str¨ omungsmechanischer Vorg¨ange in kompressiblen Medien, die mittels Gleichungen behandelt werden k¨onnen, die durch weitere Vereinfachungen aus den obigen Gleichungen resultieren. Nimmt man an, dass es Str¨ omungsvorg¨ ange gibt, die bevorzugt so ablaufen, dass das Geschwindigkeitsfeld nur noch von einer Ortskoordinate abh¨angt, so gilt U1 = U1 (x1 ), U2 = U2 (x1 ) sowie U3 = U3 (x1 ). Zudem soll gelten, dass (∂U2 /∂x1 ) (∂U1 /∂x1 ) und (∂U3 /∂x1 ) (∂U1 /∂x1 ) ist, so dass folgende Gleichungen angebbar sind: Kontinuit¨ atsgleichung:
Impulsgleichung:
∂ ∂ρ + (ρU1 ) = 0 ∂t ∂x1
(11.19)
∂U1 ∂U1 ∂P + U1 ρ =− ∂t ∂x1 ∂x1
(11.20)
Energiegleichung: P = const. (11.21) ρκ Diese Gleichungen sollen genutzt werden, um Schallwellen als Longitudinalwellen zu behandeln. Unter Schallwellen versteht man die Ausbreitung von kleinen St¨orungen in Gasen. Die Schallgeschwindigkeit ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit, mit der sich kleine St¨ orungen in einem ruhenden Fluid ausbreiten. W¨ahrend f¨ ur ein inkompressibles Fluid eine unendlich große Ausbreitungsgeschwindigkeit f¨ ur kleine St¨ orungen resultiert, ergibt sich f¨ ur kompressible Fluide, z.B. Gase, eine endliche, durch die Art des Gases und dessen Temperatur definierte Ausbreitungsgeschwindigkeit. Die quantitative Bestimmung der Ausbreitungsgeschwindigkeit kleiner St¨ orungen in ruhenden Fluiden l¨asst sich mittels der Gleichungen (11.19) bis (11.21), die f¨ ur instation¨are, eindimensionale Str¨ omungen viskosit¨ atsfreier, kompressibler Fluide gelten, wie unten aufgef¨ uhrt ableiten. Errechnet man unter Ber¨ ucksichtigung von Gleichung (11.21) die Druckalt man unter der Annahme adiabater Bedingunvariation (∂P/∂x1 ), so erh¨ gen: dP ∂ρ ∂P = , (11.22) ∂x1 dρ ad ∂x1 da der Druck bei Vorgabe adiabater Bedingungen nur noch eine Funktion einer thermodynamischen Gr¨ oße, etwa der Dichte ist. Die Ableitung (dP/dρ) ist f¨ ur die von Gleichung (11.21) geforderte adiabate Systembedingung zu bilden. Die Kontinuit¨ atsgleichung und die Impulsgleichung lassen sich somit f¨ ur eindimensionale Str¨ omungsvorg¨ ange schreiben:
344
11 Wellenbewegungen in viskosit¨ atsfreien Fluiden
∂ρ ∂ρ ∂U1 + U1 +ρ =0 ∂t ∂x1 ∂x1 ∂U1 ∂ρ ∂U1 1 dP + U1 + = 0. ∂t ∂x1 ρ dρ ad ∂x1
(11.23) (11.24)
Damit liegen zwei Bestimmungsgleichungen f¨ ur die beiden Unbekannten U1 und ρ vor, deren analytische L¨ osung unter der Annahme angestrebt wird, dass kleine Druck- und Dichteschwankungen vorliegen, d.h. dass gilt: U1 = 0 + u (x1 , t)
P = P0 + p (x1 , t)
ρ = ρ0 + ρ (x1 , t)
(11.25)
Diese Beziehung in die obigen Bestimmungsgleichungen eingesetzt f¨ uhrt zu: ∂ ∂ ∂u (ρ0 + ρ ) + u (ρ0 + ρ ) + (ρ0 + ρ ) =0 ∂t ∂x1 ∂x1 dP ∂ ∂u 1 ∂u + (ρ0 + ρ ) = 0 +u ∂t ∂x1 dρ ad (ρ0 + ρ ) ∂x1
(11.26) (11.27)
Ber¨ ucksichtigt man, dass die St¨ orgr¨ oßen ρ und u von Ort und Zeit abh¨angen, w¨ ahrend die Gr¨ oßen P0 und ρ0 weder von Ort noch Zeit abh¨angig sind, so ergibt sich unter der Annahme, dass Produkte von Schwankungsgr¨oßen gegen¨ uber linearen Gliedern vernachl¨ assigbar sind, das folgende partielle Differentialgleichungssystem: dP ∂u 1 ∂ρ ∂ρ ∂u + ρ0 + =0 und =0 (11.28) ∂t ∂x1 ∂t dρ ad ρ0 ∂x1 Dies sind nun zwei Bestimmungsgleichungen f¨ ur ρ und u , die einer L¨osung zugef¨ uhrt werden k¨ onnen. Um diese L¨ osung f¨ ur die Ausbreitung von Schallwellen zu erhalten, wird die erste der beiden obigen Gleichungen nach der Zeit t abgeleitet: ∂ 2 ρ ∂ 2 u =0 (11.29) + ρ 0 ∂t2 ∂x1 ∂t Die zweite Gleichung mit ρ0 multipliziert und nach der Ortskoordinate x1 differenziert ergibt: dP ∂ 2 u ∂ 2 ρ + ρ0 =0 (11.30) ∂x1 ∂t dρ ad ∂x21 Subtraktion der Gleichungen (11.30) von (11.29) resultiert in der Bestimmungsgleichung f¨ ur die Dichteschwankung ρ : dP ∂ 2 ρ ∂ 2 ρ − =0 (11.31) ∂t2 dρ ad ∂x21 Des Weiteren ergibt die Ableitung der Gleichung (11.28) nach x1
11.2 Longitudinalwellen: Schallwellen in Gasen
∂ 2 ρ ∂ 2 u + ρ0 2 = 0, ∂t∂x1 ∂x1
345
(11.32)
und Multiplikation der Gleichung (11.28) mit (ρ0 /( dP dρ )ad ) und Differentiation nach t f¨ uhrt zu: ∂ 2 ρ ∂ 2 u ρ0 + =0 (11.33) dP ∂t∂x1 ∂t2 dρ
ad
Subtraktion der Gleichung (11.32) von (11.33) und Multiplikation mit 1 dP resultiert in ρ dρ ad
∂ 2 u − ∂t2
dP dρ
ad
∂ 2 u = 0, ∂x21
(11.34)
der Bestimmungsgleichung f¨ ur die Geschwindigkeitsschwankung u . Vergleicht man die Bestimmungsgleichungen f¨ ur ρ und u , so erkennt man, dass beide durch ein und dieselbe Form der Bestimmungsgleichung beschrieben werden, d.h. ρ und u werden dieselbe Abh¨angigkeit von Ort und Zeit aufweisen. Die L¨ osung wird durch die eindimensionale Wellengleichung angegeben: 2 ∂2y 2∂ y − c =0 ∂t2 x21 d.h. es liegt eine Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Welle vor, mit einer Ausbreitungsgeschwindigkeit die allgemein lautet: # # # √ dP P P κ−1 c= = κρ = κ = κRT (11.35) κ dρ ad ρ ρ Die allgemeinen L¨ osungen der Differentialgleichungen f¨ ur ρ (x1 , t) und u (x1 , t) k¨ onnen wie folgt angegeben werden: ρ = fρ (x1 − ct) + gρ (x1 + ct) und u = fu (x1 − ct) + gu (x1 + ct) (11.36) fρ,u (x1 − ct) stellt die jeweilige Welle dar, die sich ausgehend von der Quelle, in positiver x1 −Richtung ausbreitet und gρ,u (x1 + ct) die Welle, die in die auft. negative x1 −Richtung l¨ Weitere Betrachtungen zur Ausbreitung von St¨orungen in ruhenden, kompressiblen Medien k¨ onnen nun anhand der obigen Ergebnisse angestellt werden. Hierf¨ ur errechnet man aus der allgemeinen L¨osung f¨ ur u (Welle in positiver x1 −Richtung): ∂f ∂u = −c (11.37) mit η = x1 − ct ∂t ∂η und
346
11 Wellenbewegungen in viskosit¨ atsfreien Fluiden
∂u ∂u = −c ∂t ∂x1
(11.38)
∂u c2 ∂ρ ∂u =− = −c ∂t ρ0 ∂x1 ∂x1
(11.39)
Aus der Impulsgleichung folgt:
oder umgeschrieben c ∂ρ ∂u = ∂x1 ρ0 ∂x1
=⇒
ρ u = c ρ0
(11.40)
Liegt nun als St¨ orung eine Kompressionswelle vor, d.h. ρ > 0, so ist auch u > 0, und dies bedeutet, dass die Fluidpartikel beim Auftreten einer Kompressionsst¨ orung in Richtung der St¨ orung laufen. Liegt dagegen eine Expansionsst¨ orung vor, d.h. ρ < 0, so ist auch u < 0, und in diesem Fall bewegen sich die Fluidteilchen entgegengesetzt zur Richtung der St¨ orungsausbreitung. Als wichtigstes Ergebnis der obigen Ableitungen wurde erhalten, dass sich kleine St¨ orungen in ruhenden, nicht-viskosen und kompressiblen Fluiden mit der Schallgeschwindigkeit ausbreiten, die sich wie folgt berechnen l¨asst: # √ dP = κRT (11.41) c= dρ ad Diese Beziehung wird in den Ableitungen in Kapitel 12 umfassende Anwendung finden.
11.3 Transversalwellen: Oberfl¨ achenwellen 11.3.1 Genereller L¨ osungsansatz An freien Oberfl¨ achen von Fl¨ ussigkeiten, kann es zu Wellenerscheinungen kommen, d.h. zur Ausbreitung von Transversalwellen infolge eingebrachter St¨ orungen. Diese k¨ onnen zwei- oder dreidimensional sein, doch konzentriert sich die hier dargestellte analytische Behandlung von Oberfl¨achenwellen auf zweidimensionale Oberfl¨ achen. Durch Linearisierung der in Potentialform geschriebenen Grundgleichungen erh¨ alt man die u ur Oberfl¨achen¨ blicherweise f¨ wellen gel¨ osten partiellen Differentialgleichungen. Diese deuten an, dass das Gebiet der Ausbreitung von Oberfl¨ achenwellen zur Potentialtheorie geh¨ort. Ihre Behandlung erfolgt hier dennoch separat, also nicht in Kapitel 10, das Potentialstr¨ omungen behandelt, da eine besondere Problematik, d.h. eine besondere Klasse von Str¨ omungserscheinungen vorliegt, deren Behandlung auch
11.3 Transversalwellen: Ober߬ achenwellen
347
einer besonderen Methodik bedarf. Diese ist untenstehend in einer einf¨ uhrenden Form aufgezeigt. Die nachfolgend angegebenen Beziehungen lassen sich wiederum aus den Grundgleichungen ableiten, die sich f¨ ur ein str¨ omungsmechanisch ideales, d.h. viskosit¨ atsfreies Fluid wie folgt angeben lassen: ∂Uj 1 ∂P ∂U + Ui =− + gj ∂t ∂xi ρ ∂xj
(11.42)
Integriert man diese Gleichung u ¨ber einen Zeitabschnitt τ , so erh¨alt man "τ "τ "τ ∂Uj 1 ∂ ¯ Uj + Ui dt = − P dt + gj dt ∂xi ρ ∂xj 0
0
(11.43)
0
"τ Diese Gleichung l¨ asst sich nun mit Π =
P dt als dem Druckimpuls w¨ahrend 0
des Zeitintervalls τ , f¨ ur kleine Zeitintervalle τ , wie folgt f¨ ur ρ =const interpretieren: ¯j = − ∂ P U ∂xj ρ
mit
"τ ∂Uj Ui dt ≈ 0 und ∂xi 0
"τ gj dt ≈ 0
(11.44)
0
Somit wird die infolge von Druckimpulsen auf freie Oberfl¨achen erzeugte ¯j = Fluidbewegung durch ein Geschwindigkeitspotential beschrieben, mit U Uj : P ¯j = − ∂φ U (11.45) mit φ = ∂xj ρ Die infolge eines Druckimpulses resultierende Bewegung ist also rotationsfrei. All dies gilt, wie nachfolgend gesehen werden kann, strenggenommen nur an der freien Oberfl¨ ache und die Bestimmung von φ im gesamten Str¨omungsgebiet bedarf noch weiterer Betrachtungen. Die Kontinuit¨ atsgleichung l¨ asst sich wie folgt f¨ ur φ schreiben. ∂2φ ∂2φ ∂2φ ∂2φ =0= + + ∂xj ∂xj ∂x1 2 ∂x2 2 ∂x3 2
(11.46)
Die Impulsgleichung (11.42) l¨ asst sich wie unten aufgef¨ uhrt schreiben: 1 ∂P DUj + gj =− Dt ρ ∂xj
(11.47)
ur ρ = const wie folgt umschreiben. bzw. nach Multiplikation mit Uj und f¨ 1 DP D 1 2 ∂P U − (11.48) =− + g j Uj Dt 2 j ρ Dt ∂t
348
11 Wellenbewegungen in viskosit¨ atsfreien Fluiden
Nach (5.154) gilt: gj Uj = −ρ
∂G DG +ρ Dt ∂t
(11.49a)
∂G DG Mit gj Uj = −ρ f¨ ur = 0, siehe auch Gleichungen (5.57) und (5.58) Dt ∂t ergibt sich: D 1 2 1 ∂P DG 1 DP U + − (11.49b) =− Dt 2 j ρ Dt ρ ∂t Dt oder umgeschrieben und f¨ ur ρ = const: ∂φ P 1 + + Uj2 + G = F (t) ∂t ρ 2
(11.50)
Die durch die Integration eingebrachte Funktion F(t) kann in das Potential φ aufgenommen werden, so dass gilt: ∂φ P 1 + + Uj2 + G = 0 ∂t ρ 2
(11.51)
Abb. 11.5 stellt eine zweidimensionale Oberfl¨ achenwelle dar, deren Auslenkung, von der Ruhelage x2 = 0 aus gemessen, wie folgt angegeben werden kann: x2 = y = η(x1 , t) = η(x, t)
v
Abbildung 11.5: Zweidimensionale Oberfl¨ achenwelle mit (∂/∂x3 )(· · · ) = 0
Die kinematische Randbedingung des zu l¨ osenden Str¨omungsproblems l¨asst sich somit wie folgt angeben: y = η(x, t) = 0
(11.52)
Dies besagt, dass ein Fluidteilchen, das der Fl¨ ussigkeitsoberfl¨ache zu einem Zeitpunkt t angeh¨ orte, immer der freien Oberfl¨ache angeh¨oren wird. Aus
11.3 Transversalwellen: Ober߬ achenwellen
349
Gleichung (11.52) ergibt sich mit ui als Fluidgeschwindigkeit der betrachteten Wellenbewegung: D ∂ ∂ (y − η) = 0 (y − η) = 0 = (y − η) + ui Dt ∂t ∂xi
(11.53)
oder die Ableitungen ausgef¨ uhrt: −
∂η ∂η ∂η − u1 + u2 − u3 =0 ∂t ∂x1 ∂x3
(11.54)
F¨ uhrt man nun die Potentialfunktion φ ein, mit u1 =
∂φ , ∂x1
u2 =
∂φ ∂x2
und u3 =
∂φ ∂x3
(11.55)
so ergibt sich folgende Beziehung f¨ ur die freie Oberfl¨ache mit x1 = x, x2 = y und x3 = z: ∂φ ∂η ∂φ ∂η ∂φ ∂η = + + (11.56) ∂y ∂t ∂x ∂x ∂z ∂z Im gesamten Gebiet der Str¨ omung erf¨ ullt die Potentialfunktion die Kontinuit¨ atsgleichung, die sich somit in zweidimensionaler Form wie folgt angeben asst l¨ ∂2φ ∂2φ + =0 (11.57) 2 ∂x ∂y 2 Unter der Voraussetzung der Viskosit¨ atsfreiheit l¨asst sich die BernoulliGleichung in der durch Gleichung (11.51) angegebenen Form anwenden. Dies ist ¨ aquivalent der Annahme, dass typischerweise der Druck entlang der freien Oberfl¨ ache konstant ist, und dem Luftdruck u ¨ ber der Oberfl¨ache entspricht. Nimmt man nun noch den festen Boden in einer bestimmten Position y = −h mit hinzu, so erh¨ alt man an dieser Stelle als Randbedingung: ∂φ = 0 f¨ ur ∂y
y = −h
(11.58)
Somit enth¨ alt man folgenden Satz von Gleichungen, die es zu erf¨ ullen gilt, um die Ausbreitung von Wellen auf freien Oberfl¨ achen analytisch zu behandeln. ∂2φ ∂2φ + 2 ∂x ∂y 2 ∂η ∂φ ∂η ∂φ ∂η + + ∂t ∂x ∂x ∂z ∂z P 1 2 ∂φ + + Uj + gη ∂t ρ 2 ∂φ ∂y
=0 =
∂φ ∂y
f¨ ur y = η (11.59)
=0
f¨ ur y = η
=0
f¨ ur y = −h
350
11 Wellenbewegungen in viskosit¨ atsfreien Fluiden
Dabei sind die letzten Gleichungen als Randbedingungen zu verstehen. Damit wird deutlich, dass die Problematik bei der L¨ osung von Wellenproblemen f¨ ur Fl¨ ussigkeiten mit freien Oberfl¨ achen durch das Aufpr¨agen der kinematischen und dynamischen Randbedingungen gekennzeichnet ist. Dabei erweist sich als Besonderheit, dass die Hauptproblematik bei der L¨osung von Problemen zur Wellenbewegung in Fl¨ ussigkeiten mit freien Oberfl¨achen im Einbringen der Randbedingungen liegt und nicht in der L¨osung der die Fluidbewegung beschreibenden Differentialgleichungen. Wesentliche Vereinfachungen des Gleichungssystems ergeben sich noch f¨ ur die Annahme von Oberfl¨ achenwellen kleiner Amplitude. Unter der Annahme, dass die Amplitude der Welle kleiner ist als alle anderen L¨angenabmessungen des Problems, d.h. kleiner als die Wassertiefe h und die Wellenl¨ange λ, ergibt sich, dass η klein ist und auch ∂η/∂x klein angenommen werden kann. Letzteres ist die Steigung des Verlaufs der Wasseroberfl¨ache. Ferner gilt, dass ∂φ/∂x auch deshalb klein angenommen werden kann, da Oberfl¨achenwellen keine hohen Frequenzen aufweisen und die Annahme kleiner Amplituden ¨ auch in Bezug auf die auftretenden zeitlichen Anderungen greift. Damit gilt f¨ ur 2-dimensionale Wellen. ∂φ ∂η = ∂t ∂y
f¨ ur y = η
(11.60)
Diese Gleichung enth¨ alt immer noch die Problematik, dass die ihr f¨ ur Oberfl¨ achenwellen zugrundeliegende Randbedingung an der Stelle y = η aufgepr¨ agt werden muss. Entwickelt man jedoch ∂φ/∂y in eine Taylorreihe
∂2φ ∂φ ∂φ (x, y, t)
(x, 0, t) + η = (x, 0, t) + · · · (11.61) ∂y ∂y ∂y 2 y=η so ist ersichtlich, dass man den zweiten Term auf der rechten Seite wegen den angenommenen kleinen η−Werten vernachl¨ assigen kann. Analog gilt P (x, t) ∂φ (x, η, t) + + gη(x, t) = F (t) ∂t ρ
(11.62)
und f¨ ur kleine Geschwindigkeiten die folgende Beziehung: ∂φ P (x, t) (x, 0, t) + + gη(x, t) = 0 ∂t ρ
(11.63)
(wobei die Funktion F (t) in das Potential φ(x, y, z) aufgenommen wurde:) Differentiation von 11.63 nach t ergibt: ∂η ∂2φ ∂φ ∂ 2 φ 1 ∂P 1 ∂P (x, z) + g = +g (x, 0, z) = 0 (11.64) + (x, 0, z) + ∂t2 ρ ∂t ∂t ∂t2 ρ ∂t ∂y so dass man folgenden vereinfachten Satz von Gleichungen f¨ ur die Behandlung von Oberfl¨ achen kleiner Amplituden erh¨ alt:
11.4 Ebene, stehende Wellen
∂2φ ∂2φ + =0 ∂x2 ∂y 2 ∂η ∂φ (x, 0, t) = (x, t) ∂y ∂t ∂φ ∂2φ 1 ∂P (x, t) +g (x, 0, t) = 0 (x, 0, t) + 2 ∂t ρ ∂t ∂y ∂φ (x, −h, t) = 0 ∂y
351
(f¨ ur y = η) (f¨ ur y = η) (f¨ ur y = −h)
(11.65) Mit den oben aufgef¨ uhrten Gleichungen lassen sich Gravitationswellen und Kapillarwellen behandeln, die u ¨ blicherweise Wellen kleiner Amplitude darstellen.
11.4 Ebene, stehende Wellen Betrachtet man Wellenbewegungen, bei denen sich die Fluidteilchen nur parallel zur x1 − x2 −Ebene bewegen, d.h. der Druck P und die Geschwindigangig von x3 sind, so dass die Fluidbewegungen in allen zur keit Uj unabh¨ x1 −x2 −Ebene parallelen Fl¨ achen in gleicher Weise erfolgt, so ergibt sich eine ebene Wellenbewegung mit folgendem Potential φ(x, y, t) = φ(x, y) cos(ϕt + )
(11.66)
F¨ ur den in diesem Abschnitt zu behandelnden Fall einer stehenden Welle l¨ asst sich angeben: P (y) sin [k(x − ξ)] (11.67) φ(x, y) = ρ (Das Potential φ erf¨ ullt die Laplace-Gleichung.) Aus der Laplace-Gleichung f¨ ur φj : ∂2φ ∂2φ + = 0, (11.68) ∂x2 ∂y 2 2
2
erh¨ alt man mit ρ ∂∂xφ2 = −P (y)k 2 sin[k(x − ξ)] und ρ ∂∂yφ2 = folgende Differentialgleichung:
d2 P dy 2
sin[k(x − ξ)]
d2 P − k2 P = 0 dy 2
(11.69)
P (y) = C1 exp(ky) + C2 exp(−ky)
(11.70)
deren L¨ osung wie folgt lautet:
Die Integrationskonstante C2 ergibt sich bei genaueren Betrachtungen als C2 = 0, da sonst f¨ ur große Tiefen y =→ −∞ der P (y)−Term sehr groß werden w¨ urde, so dass also die L¨ osung
352
11 Wellenbewegungen in viskosit¨ atsfreien Fluiden
fü r - ¥ £ y
C
y £ 0 - ¥ £ + x £ + ¥ C
2
1
C C 1
2
e x p (-k y )
e x p (k y ) x
Abbildung 11.6: Erl¨ auterung des Abklingens f¨ ur y → −∞
φ(x, y) =
C1 exp(ky) sin[k(x − ξ)] ρ
erhalten werden kann, bzw. C1 exp(ky) sin[k(x − ξ)] cos(ϕt + ) φ(x, y, t) = ρ
(11.71)
(11.72)
Geht man davon aus, dass die sich einstellende Fluidbewegung langsam ist, so l¨ asst die Gleichung ∂φ P 1 + + Uj2 + gη = 0 f¨ ur y = η (11.73) ∂t ρ 2 wie folgt schreiben: ∂φ P + + gη = 0 f¨ ur y = η ∂t ρ
(11.74)
Ableitung nach der Zeit ergibt die unten aufgef¨ uhrte Beziehung, da sich der Druck entlang der freien Oberfl¨ ache nicht ¨ andert: ∂2φ ∂η ∂2φ = + g + gu2 = 0 ∂t2 ∂t ∂t2 Mit u2 =
∂φ ∂y
(11.75)
ergibt sich: ∂2φ ∂φ = −g 2 ∂t ∂y
(11.76)
Wendet man (11.76) auf (11.72) an, so erh¨ alt man:
und
∂2φ C1 exp(ky) sin[k(x − ξ)]ϕ2 cos(ϕ + ) =− ∂t2 ρ
(11.77)
C1 ∂φ = + k exp(ky) sin[k(x − ξ)] cos(ϕ + ) ∂y ρ
(11.78)
ϕ2 = kg
(11.79)
Damit ist also f¨ ur die weiteren Betrachtungen die folgende Fluidbewegung zu untersuchen, die der Einfachheit halber f¨ ur ξ = 0 und = 0 betrachtet wird.
11.5 Ebene, fortschreitende Wellen
φ(x, y, t) =
C1 exp(ky) sin(kx) cos(εt) ρ
353
(11.80)
F¨ ur die freie Oberfl¨ ache errechnet sich aus Gleichung (11.75): η=−
1 ∂ 1 ∂φ =− φ(x, 0, t) g ∂t g ∂t
oder η=
C1 ϕ sin(kx) sin(ϕt) g
(11.81)
(11.82)
C1 ϕ sin(ϕt) gilt: η = A sin(kx) ρg F¨ ur x = mπ/k ergeben sich f¨ ur m = 0, ±1, ±2, ± · · · Knotenpunkte einer stehenden Welle. In der Mitte zwischen diesen Knoten liegen die B¨auche“ ” der Wellenbewegung. Die Wellenl¨ ange der sinusf¨ormigen Fluidbewegung errechnet sich als: 2π λ= (11.83) k C1 ϕ sin(ϕt) = A, wobei f¨ ur die Die Amplitude der Wellenbewegung ist g Frequenz der Wellenbewegung gilt: 1 ϕ = (11.84) f= 2π T Unter Ber¨ ucksichtigung von (11.79), (11.83) und (11.84) erh¨alt man: Mit A =
T =
1 2π = √ f λg
bzw. λ=
bzw. λ =
gT 2 2π
g 2πf 2
(11.85)
(11.86)
Die obigen Beziehungen zeigen, dass die Wellenl¨ange von stehenden Fluidwellen mit zunehmender Frequenz der Bewegung abnimmt.
11.5 Ebene, fortschreitende Wellen F¨ ur die unten aufgef¨ uhrten Betrachtungen wird angenommen, dass das betrachtete Fluid, den Raum wie folgt einnimmt: −∞ ≤ y ≤ 0 und
− ∞ ≤ x ≤ +∞
und an der Stelle y = 0 eine freie Oberfl¨ ache einnimmt, die f¨ ur die vorgenommenen Betrachtungen eine endliche Oberfl¨achenspannung besitzt. Die zur Behandlung ebener, fortschreitender Wellen erforderlichen Gleichungen lassen sich wie folgt angeben:
354
11 Wellenbewegungen in viskosit¨ atsfreien Fluiden
∂2φ ∂2φ + =0 ∂x2 ∂y 2
(11.87)
Mit y = η(x1 , t) f¨ ur die freie Oberfl¨ ache gilt: ∂ D ∂ (y − η) = 0 ; u2 = + u1 η Dt ∂t ∂x1
(11.88)
Unter Vernachl¨ assigung des Terms zweiter Ordnung ergibt sich ∂φ ∂η = ∂y ∂t
(11.89)
F¨ ur den Druck an der freien Oberfl¨ ache l¨ asst sich angeben: 1 1 P = −σ + R1 R2
(11.90)
ummungsradien der gest¨orten Oberfl¨ache darwobei R1 und R2 die Hauptkr¨ stellen und σ die Oberfl¨ achenspannung angibt. Linearisiert l¨asst sich schreiben ∂2η P = −σ (11.91) ∂x2 wobei der Druck u ache mit P = 0 angesetzt wird. Sonst ¨ ber der freien Oberfl¨ ist P durch (P = P0 ) zu ersetzen. F¨ ur ebene, fortschreitende Wellen l¨ asst sich das folgende Potential angeben: φ(x, y, t) = C exp(ky) cos [k (x − ct)]
(11.92)
mit φ = 0 f¨ ur y = −∞. Der Ansatz f¨ ur φ erf¨ ullt die Kontinuit¨atsgleichung in der Form (11.80). Die Bernoulli-Gleichung l¨ asst sich wie folgt angeben: P ∂φ = − − gy. ∂t ρ
(11.93)
∂φ P σ ∂2η = − − gη = − gη. ∂t ρ ρ ∂x2
(11.94)
Oder umgeschrieben:
Hieraus folgt: ∂2φ σ ∂2 = 2 ∂t ρ ∂x2
∂η ∂t
−g
∂η . ∂t
und unter Ber¨ ucksichtigung von (11.89) σ ∂2 ∂φ ∂2φ = −g 2 2 ∂t ρ ∂x ∂g
(11.95)
(11.96)
11.5 Ebene, fortschreitende Wellen
355
F¨ ur die linke Seite von (11.96) l¨ asst sich mit (11.92) schreiben: ∂2φ = −Ck 2 c2 exp(ky) cos [k(x − ct)] = −k 2 c2 φ ∂t2
(11.97)
∂φ σ ∂2 k c φ= g− ρ ∂x2 ∂y
(11.98)
so dass gilt:
2 2
Mit ∂φ/∂y = kφ und ∂ 2 φ/∂x2 = −k 2 φ ergibt sich aus (11.98) f¨ ur die Geschwindigkeit der fortschreitenden Welle c2 =
kσ g + k ρ
(11.99)
Mit k = 2π asst sich ersehen, dass f¨ ur lange Wellen der Einfluss der Graviλ l¨ tation dominiert: g Schwerewellen (11.100) c= k F¨ ur Wellen mit kleinen Wellenl¨ angen dominieren Kapillareffekte: # kσ c= Kapillarwellen ρ
(11.101)
Oftmals interessieren bei Wellenbewegungen auch die Bahnkurven der Fluidteilchen, die sich an der Wasseroberfl¨ ache einstellen, bzw. in bestimmten Tie¨ fen unter der Wasseroberfl¨ ache. Dazu lassen sich folgende Uberlegungen anuhrt werden, welche stellen, wobei x0 und y0 als die Koordinaten eingef¨ ux =
dx ∂φ = = Ck exp(ky) sin [k(x − ct)] ∂x dt
(11.102)
uy =
dy ∂φ = = Ck exp(ky) cos [k(x − ct)] ∂y dt
(11.103)
Hieraus resultieren:
+1 ck −1 y = y0 + Ck exp(ky) sin [k(x − ct)] ck
x = x0 + Ck exp(ky) cos [k(x − ct)]
(11.104) (11.105)
Oder umgeschrieben: (x − x0 )2 + (y − y0 )2 =
C c
2 exp(2ky0 )
(11.106)
Die Bahnkurven der Fl¨ ussigkeitsteilchen errechnen sich als Kreise, deren Radius mit zunehmender Wassertiefe kleiner wird. F¨ ur die Wasseroberfl¨ache
356
11 Wellenbewegungen in viskosit¨ atsfreien Fluiden
ist der Radius der Kreisbahn gleich der Amplitude der Oberfl¨achenwelle, w¨ ahrend er in einer Tiefe von einer Wellenl¨ ange bereits auf das 1/535zigstel der Wellenamplitude an der Wasseroberfl¨ ache abgenommen hat. Dies macht deutlich, dass die betrachtete Wellenbewegung auf einen Bereich in unmittelbarer N¨ ahe der Wasseroberfl¨ ache beschr¨ ankt bleibt. y
x a e q
k y 0
x
Abbildung 11.7: Kreisbahnen der Fluidteilchenbewegung
Die Abb. 11.7 zeigt die von Fluidteilchen beschriebenen Kreisbahnen. Diese werden in einer dem Uhrzeigersinn entgegengesetzten Richtung durchlaufen, so dass gilt (11.107) (x − x0 ) = a exp(ky0 ) sin Θ (y − y0 ) = −a exp(ky0 ) cos Θ
(11.108)
Θ = kx0 + kct cos(yt + )
(11.109)
so dass f¨ ur Θ gilt: ¨ Was die Anderung der Bewegungen der Fluidteilchen mit der Wassertiefe anbetrifft, so sind diese in Abb. 11.8 skizziert. Dabei wurde die starke Abnahme des Radius mit der Fluidtiefe nicht in Betracht gezogen. Um nun Schwerewellen mit freien Oberfl¨ achen in Fl¨ ussigkeiten mit endlicher Tiefe h untersuchen zu k¨ onnen, wird wieder eine mittlere Oberfl¨achenposition an der Stelle y = 0 angenommen. An der Position y = −h wird eine Wand als gegeben angesehen, so dass eine mittlere Fl¨ ussigkeitsfilmdicke mit der H¨ ohe h entsteht. Um nun die Kontinuit¨ atsgleichung: ∂2φ ∂2φ + =0 2 ∂x ∂y 2
(11.110)
durch eine Welle mit der Wellenzahl k zu erf¨ ullen, wird folgender Potentialansatz vorgenommen φ = C cosh k(y + h) cos k(x − ct)
(11.111)
der nicht nur die Kontinuit¨ atsgleichung erf¨ ullt, sondern gleichzeitig auch die Randbedingung am Boden der Fl¨ ussigkeitsschicht zu erf¨ ullen zul¨asst:
11.5 Ebene, fortschreitende Wellen
357
y
x
Abbildung 11.8: Bahnlinien in einer ebenen Schwerewelle
∂φ =0 ∂y
f¨ ur y = −h
(11.112)
Das Vorgehen zur Ableitung der erforderlichen Beziehungen ist nun ¨ahnlich, wie das in Abbschnitt 11.5. Es ergibt sich dann eine Bedinung f¨ ur die freie Oberfl¨ ache, die wie untenstehend angegeben werden kann: k2 T 2 kc cosh kh = g + sinh kh, (11.113) ρ Oder nach der Wellengeschwindigkeit aufgel¨ ost erh¨alt man: k 2 T tanh kh . c2 = g + ρ k
(11.114)
F¨ ur langwellige Wellen, d.h. f¨ ur kleine Werte der Wellenzahl k ist, erh¨alt man f¨ ur die Wellengeschwindigkeit: c2 = gh.
(11.115)
Die sich mit dieser Geschwindigkeit fortbewegenden Wellen sind im wesentlichen Gravitationswellen, da die Oberfl¨ achenkr¨ ummung so klein ist, dass die Einfl¨ usse der Oberfl¨ achenspannung an der Wellenbewegung nicht wahrgenommen werden. F¨ ur sehr kurze Wellen, d.h. f¨ ur große Werte der Wellenzeit k erh¨alt man dagegen: kT (11.116) c2 = ρ Dies ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Kapillarwellen, die diese Gleichung f¨ ur die Geschwindigkeit der Kapilarwellen zeigt, so dass deren Ausbreitungsgeschwindigkeit nicht durch die H¨ ohe der Fl¨ ussigkeitsschicht beeinflusst wird.
358
11 Wellenbewegungen in viskosit¨ atsfreien Fluiden
11.6 Hinweise auf sonstige Wellenbewegungen Die in den vorausgegangenen Kapiteln 11.1 bis 11.5 behandelten Wellenbewegungen stellen einf¨ uhrende Betrachtungen dar, die in einschl¨agigen Lehrb¨ uchern, mit Schwerpunkten zu Wellenbewegungen, Erweiterungen erfahren, e. g. siehe Yih [11.6]. Dennoch fehlt es in Lehrb¨ uchern an generellen Betrachtungen zu Wellenbewegungen in Fluiden, d.h. die Behandlung von Wellenbewegungen ist stets auf die Behandlung ganz spezieller Wellenbewegungen beschr¨ ankt. So werden z. B. in [11.6] folgende Wellenbewegungen in Fluiden behandelt. – Gerstner-Wellen – Solitar-Wellen – Rossby-Wellen
– Stokes-Wellen – Cnoidal-Wellen – Axisymmetrische Wellen
Will man somit die einf¨ uhrende Literatur zu der in der Natur beobachteten Wellenbewegung finden, so gilt es die physikalischen Ursachen der betrachteten Wellenbewegung zu erkennen. So beobachtet man zum Beispiel, dass ein langer K¨ orper, der quer zu seiner L¨ angenausdehnung in der N¨ahe einer freien Oberfl¨ ache bewegt wird, Wellen vor allem in seinem Nachlauf ausbildet. Vor dem K¨ orper beobachtet man von der Amplitude her kleinere Oberfl¨achenwellen, wenn die Abmessungen des K¨ orpers in Str¨omungsrichtung kleiner sind im Vergleich zu (σ/ρg)1/2 . Sonst dominieren die nach dem K¨orper vorliegenden Schwerewellen und die vor dem K¨ orper beobachtbaren Kapillarwellen sind vernachl¨ assigbar. Hat man also die Natur der beobachteten Wellenbewegung erkannt, so l¨ asst sich die zugeh¨ orige analytische Behandlung in den Lehrb¨ uchern finden, die unter Abschnitt 11.7 aufgef¨ uhrt sind.
11.7 Literaturhinweise 11.1 Lamb H (1945) Hydrodynamics. Dover Publications, New York 11.2 Bergmann L, Schaefer C (1961) Lehrbuch der Experimentalphysik. Band I, 6, Walter de Gruyter & Co, Berlin 11.3 Batchelor GK (1970) An Introduction to Fluid Dynamics. Cambridge University Press, Cambridge 11.4 Yuan SW (1971) Foundations of Fluid Mechanics. Prentice-Hall, Inc., Englewwood Cliffs, N.J. 11.5 Currie IG (1974) Fundamental Mechanics of Fluids. McGraw-Hill Book Company, New York 11.6 Yih CS (1979) Fluid Mechanics - A Concise Introduction to the Theory. West River Press, Ann Arbor, Michigan 11.7 Spurk JH (1996) Str¨ omungslehre. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York
12 Einfu ¨ hrung in die Gasdynamik
12.1 Einleitende Betrachtungen Die Gasdynamik ist ein Teilgebiet der Str¨ omungsmechanik welches sich mit der Bewegung von Gasen bei hohen Geschwindigkeiten besch¨aftigt. Gravitationskr¨ afte und ihre Einwirkung auf Str¨ omungen sind hier zumeist vernachl¨ assigbar. Daß dies gerechtfertigt ist, zeigen Betrachtungen der durch Gravitationskr¨ afte in Gasstr¨ omungen zu erwartenden Druckdifferenzen: ∆P = −ρgj xj = ρg∆z,
(12.1)
die f¨ ur ein ideales Gas (P = ρRT ) u ¨ ber folgende Beziehung ermittelbar sind: ∆P ∆z ∆z m m · s2 K =g ≈ 9, 81 (12.2) P RT 287T s2 m2 K Setzt man T ≈ 293◦K ein, so zeigt sich, daß die gravitationsbedingten relativen Druck¨ anderungen erst dann Werte um die 1 % annehmen, wenn vertikale Verschiebungen von etwa 100 m vorliegen. Da sich gasdynamische Betrachtungen u ¨blicherweise auf Anlagen mit weitaus kleineren Abmessungen beschr¨ anken, liegt die Berechtigung vor, die str¨omungsmechanischen Grundgleichungen, f¨ ur Betrachtungen in der Gasdynamik, durch Vernachl¨assigung der Gravitationskr¨ afte zu vereinfachen. F¨ ur viele str¨ omungsmechanische Betrachtungen ist es zul¨assig, auch gasf¨ ormige Fluide als inkompressibel anzusehen, wenn die auftretenden Fluidgeschwindigkeiten klein gegen¨ uber der Schallgeschwindigkeit des Fluids sind. Dies kann durch die folgende Betrachtung f¨ ur eine Staupunktstr¨omung erl¨ autert werden: U2 (12.3) PS = P∞ + ρ ∞ mit ρ = const 2 Falls die Kompressibilit¨ at eines Fluids zu ber¨ ucksichtigen ist, z.B. f¨ ur ein ideales Gas bei hohen Str¨ omungsgeschwindigkeiten, gilt f¨ ur den Staudruck unter adiabaten Bedingungen, siehe Kap. 9, wo im Rahmen der Stromfadentheorie bereits gasdynamische Betrachtungen angestellt wurden: κ κ − 1 ρ∞ 2 κ−1 PS = P∞ 1 + U (12.4) 2κ P∞ ∞
360
12 Einf¨ uhrung in die Gasdynamik
oder als Reihenentwicklung geschrieben: / . 2 2 1 ρ∞ U ∞ ρ∞ 2 PS = P∞ 1 + U + + ··· 2P∞ ∞ 2κ 2P∞
(12.5)
Hieraus folgt, dass f¨ ur κ ≈ 1, 4 und T ≈ 293, Geschwindigkeiten im Bereich von 70 m/s vorliegen m¨ ussen, bevor sich die Staudr¨ ucke inkompressibler und kompressibler Fluide um etwa 2 % unterscheiden. Da nun die Gasdynamik die Lehre von kompressiblen Str¨ omungsvorg¨ angen ist, behandelt sie somit Str¨ omungen mit hohen Geschwindigkeiten bei denen die Fluidkompressibilit¨ at in die Betrachtungen einbezogen werden muss. Solche Str¨omungen sind durch die Mach-Zahl, Ma, charakterisiert, so dass die Kompressibilit¨at eines Fluides erst ab: U U ≥ 0, 2 (12.6) = √ Ma = c κRT zu ber¨ ucksichtigen ist. Da die Schallgeschwindigkeit c(T ) f¨ ur ein ideales Gas durch das Temperaturfeld vorgegeben ist und f¨ ur T ≈ 300K, Geschwindigkeiten von c ≈ 350m/s vorliegen, m¨ ussen gasdynamische Aspekte bei Str¨ omungsvorg¨ angen erst bei Bahngeschwindigkeiten und damit auch oftmals hohen Reynolds-Zahlen ber¨ ucksichtigt werden. Damit ist es zul¨assig, die Viskosit¨ atsterme in den Impulsgleichungen zu vernachl¨assigen. Damit lassen sich die Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik f¨ ur gasdynamische Betrachtungen wie unten aufgef¨ uhrt angeben. In diese Gleichungen wurden die f¨ ur ideale Gase geltenden Beziehungen f¨ ur die innere Energie: e = cv T und cv =const eingef¨ uhrt: ∂(ρUi ) ∂ρ + = 0, ∂t ∂xi Impulsgleichungen (j = 1, 2, 3) ρ ∂Uj + U ∂Uj = − ∂P , i ∂t ∂xi ∂xj ∂T ∂Uj ∂T Energiegleichung ρcv = −P , + Ui ∂t ∂xi ∂xj
Kontinuit¨ atsgleichung
(12.7) (12.8) (12.9)
wobei die Energiegleichung (12.9) f¨ ur adiabate Str¨omungsvorg¨ange angegeben ist. Zusammen mit der Zustandsgleichung f¨ ur ideale Gase liegt ein geschlossenes System von Differentialgleichungen vor, das f¨ ur vorgegebene Randbedingungen gel¨ ost werden kann. Gasdynamische Probleme sind damit prinzipiell l¨ osbar. Die m¨ oglichen L¨ osungen erfordern jedoch besonderer Betrachtungen, da das Auftreten hoher Str¨ omungsgeschwindigkeiten mit spezifischen Erscheinungen verbunden ist, welche die Gasdynamik scharf von anderen Teilgebieten der Str¨ omungsmechanik unterscheidet. Wie die nachfolgenden Betrachtungen zeigen f¨ uhrt das Vorliegen hoher Machzahlen, Ma = U/c, zum Entstehen von Unstetigkeitsfl¨ achen“ (Verdichtungsst¨oßen) in ” denen der Druck (und andere Str¨ omungsgr¨ oßen), einen Sprung erfahren. Dies
12.1 Einleitende Betrachtungen
361
erfordert ein besonderes Vorgehen beim L¨ osen von Str¨omungsproblemen, da die Anwendung der Differentialform der Grundgleichungen gew¨ohnlich erfordert, dass die eine Str¨ omung beschreibenden Gr¨oßen im Str¨omungsgebiet stetig sind. Hinzu kommt, dass bei der Behandlung von Str¨omungsvorg¨angen bei hohen Mach-Zahlen, Vorg¨ ange auftreten, die mit unterschiedlichen Zeitskalen verbunden sind. Dies sind die Zeitskalen der Diffusion ∆tDiff , der Konvektion ∆tKonv und der Schallausbreitung ∆tSchall : ∆tDiff =
L2c ; νc
∆tKonv =
Lc ; Uc
∆tSchall =
Lc . c
(12.10)
F¨ ur ∆tKonv ∆tDiff ergibt sich: Re =
∆tDiff Uc L c 1 = ∆tKonv ν
(12.11)
d.h. in der Zeit, in der eine Str¨ omung eine bestimmte Strecke zur¨ uckgelegt hat, gelingt dem molekularen Transport, bei hohen Str¨omungsgeschwindig¨ keiten, nur das Uberwinden einer vernachl¨ assigbaren Strecke, d.h. es kommt bei hohen Re-Zahlen zum Ausbilden d¨ unner Grenzschichten. Diese werden bei den hier vorgestellten einf¨ uhrenden Betrachtungen vernachl¨assigt. Aus der Sicht charakteristischer Zeiten ergibt sich analog f¨ ur die Mach-Zahl: Ma =
∆tSchall Uc , = ∆tKonv c
(12.12)
d.h. die Mach-Zahl zeigt an, wie schnell Str¨ omungen in Fluiden ablaufen, relativ zu der charakteristischen Geschwindigkeit der Ausbreitung kleiner St¨ orungen, d. h. der Schallgeschwindigkeit c. In Kap. 9 wurde gezeigt, dass c von der thermodynamischen Zustands¨ anderung abh¨angt und wie folgt angegeben werden kann:
c=
κ = cp /cv = Verh¨ altnis der W¨armekapazit¨aten √ κRT R = spezifische Gaskonstante T = absolute Temperatur
(12.13)
Dieser Zusammenhang zwischen der Schallgeschwindigkeit und den thermodynamischen Zustandsgr¨ oßen Druck und Dichte l¨asst sich folgendermaßen darstellen: Betrachtet wird die Ausbreitung einer kleinen (d.h. isentropen) St¨ orung mit der Geschwindigkeit c in einem ruhenden Fluid. Dies ist ein instation¨ arer Vorgang, der sich durch den Wechsel des Bezugssystems (der Beobachter bewegt sich mit der St¨ orung mit) in ein station¨ares Problem wandeln l¨ asst, wie dies in Abb. 12.1 dargestellt ist. Jetzt kann der Impulssatz 12.8 als Kr¨ aftebilanz an einem Kontrollvolumen um die St¨orung angesetzt werden: F [P − (P + dP )] = ρF c[(c + dU ) − c]
(12.14)
wobei die Fl¨ ache F in Abb. 12.1 skizziert ist. Aus Gleichung (12.14) ergibt sich die folgende Beziehung:
362
12 Einf¨ uhrung in die Gasdynamik
F
Abbildung 12.1: Ausbreitung einer St¨ orung in einem kompressiblen Fluid
−dP = ρcdU
(12.15)
F¨ ur die Massenerhaltung l¨ asst sich angeben: ρF c = (ρ + dρ)(c + dU )F so dass gilt: Somit gilt ebenfalls:
dρ = −ρ dP = c2 = dρ
dU c
∂P ∂ρ
(12.16) (12.17)
(12.18) ad
da kein W¨ armeaustausch in die vorliegenden Betrachtungen einbezogen wird. Die Schallgeschwindigkeit ist somit eine lokale Gr¨oße, d.h. sie h¨angt von den lokalgegebenen Druck¨ anderungen ab. Mit dem lokalen Wert c(xi , t) l¨asst sich in jedem Punkt eines Str¨ omungsfeldes Uj (xi , t), die lokale Mach-Zahl berechnen, so dass dem Str¨ omungsfeld das korrespondierende Mach-Zahl-Feld zugeordnet werden kann, d.h. Ma(xi , t). Diese lokale Ma-Zahl sagt im wesentlichen aus, wie schnell sich in jedem Punkt des Str¨omungsfeldes, St¨orungen relativ zu der vorliegenden Str¨ omungsggeschwindigkeit ausbreiten. Aus historischer Sicht ist interessant, dass Newton der erste Wissenschaftler war, der die Schallgeschwindigkeit f¨ ur Gase berechnete, allerdings unter der Annahme eines isothermen Prozesses, bei dem durch die Schallausbreitung keine Temperatur¨ anderungen auftreten. Er erhielt damit bei # seinen Betrachtungen: √ P = RT < c (12.19) cNewton = ρ Erst ein volles Jahrhundert sp¨ ater korrigierte Marquis de Laplace das Ergebnis der Newtonschen Berechnungen, indem er erkannte, dass die durch Schallst¨ orungen produzierten Temperaturschwankungen und auch die damit verbundenen Temperaturgradienten sehr klein sind. Laplace erkannte, dass es damit nicht m¨ oglich ist, die durch die Kompression einer Druckst¨orung erzeugte W¨ arme, etwa durch √ W¨ armeleitung, an die Umgebung abzuf¨ uhren. uhrt Die von Laplace eingef¨ uhrte κ−Korrektur der Newtonschen Formel f¨
12.2 Machsche Linien und Machscher Kegel
363
zu der korrekten Ausbreitungsgeschwindigkeit von Schallwellen in idealen Gasen: √ (12.20) c = κRT ¨ Uber diese Formel ist, darauf sei noch einmal hingewiesen, jedem Temperaturfeld T (xi , t) eines idealen Gases auch ein Schallgeschwindigkeitsfeld c(xi , t) zugeordnet.
12.2 Machsche Linien und Machscher Kegel Betrachtet man eine von einer Punktquelle im Ursprung eines Koordinatensystems ausgehende St¨ orung, so wird sich diese, falls die Punktquelle keine Bewegung ausf¨ uhrt, radial mit der Geschwindigkeit c ausbreiten, d.h. die St¨ orfl¨ achen gleicher Phase stellen Kugelfl¨ achen dar, falls die Ausbreitung in einem Feld konstanter Temperatur erfolgt. Liegt dagegen ein Temperaturfeld mit Temperaturvariationen vor, so spiegeln sich diese Variationen als Deformationen der in der Abb. 12.2 dargestellten Kugelfl¨achen wieder. Die Ausbreitung erfolgt schneller in der Richtung hoher Temperaturen, wie dies durch Gleichung 12.20 vorhergesagt wird. M¨ ogliche Temperaturverteilungen beeintr¨ achtigen somit die Symmetrie der Ausbreitung von Schallwellen. x 2
c (3 D t)
c (2 D t)
c (D t)
x
x 1
3
Abbildung 12.2: Ausbreitung von St¨ orungen bei station¨ arer St¨ orquelle
Erweitert man nun die Betrachtungen der Ausbreitung von St¨orungen auf bewegte St¨ orquellen kleiner Abmessungen, so ergeben sich Ausbreitungserscheinungen, wie sie in Abb. 12.3 f¨ ur U < c, d.h. Ma < 1 und U > c, d.h. Ma > 1, skizziert sind. Durch die Bewegung der St¨orquelle mit einer Geschwindigkeit kleiner als die Ausbreitungsgeschwindigkeit der St¨orung, wie
364
12 Einf¨ uhrung in die Gasdynamik x
x 2
2
c (3 D t) c (3 D t)
c (2 D t)
c (2 D t)
c (D t)
c (D t)
U < c
· ·
·
x
U (D t)
·
·
1
a
U < c
·
a
x 1
U (2 D t) U (D t)
a) U < c
;
Ma < 1
U (D t)
b) U < c
U (D t)
;
Ma > 1
Abbildung 12.3: Ausbreitung von St¨ orungen bei bewegter St¨ orquelle f¨ ur Ma < 1 und Ma > 1
in Abb. 12.3a skizziert, entsteht ein Ausbreitungsbild, das nicht mehr die in Abb. 12.2 angegebene symmetrische Ausbreitung der St¨orungen“ auf” zeigt. In der Ausbreitungsrichtung der St¨ orquelle erfolgt eine Konzentrierung der ausgesandten St¨ orwellen, d.h. ein in positiver x1 −Richtung stehender Beobachter wird gegen¨ uber der Ausgangsfrequenz der St¨orquelle eine Frequenzerh¨ ohung der St¨ orung registrieren. Dagegen erfolgt in entgegengesetzter Richtung eine Abnahme der Frequenz gegen¨ uber der ausgesandten St¨orung. Berechnet man diese Frequenz¨ anderung f¨ ur die Frequenzzunahme in ur Ma < 1: positiver x1 −Richtung, so ergibt sich nach Abb. 12.4 f¨
c is t d ie A u s b re itu n g s g e s c h w in d ig k e it d e r e m ittie rte n W e lle n [ c - U^ i l i ] l ' = ¦ f f ' = S 1 [ 1 - c U^ i l i ]
c t ( c - U^ i l i ) t U i
B e w e g te Q u e lle
l
S ta tio n ä re r B e o b a c h te r
i
f ' - f = D v =
v c
U^ i l i
[ 1 - 1c U ^ i l i ]
Abbildung 12.4: Frequenz¨ anderung durch Bewegung der St¨ orquelle (DopplerEffekt durch bewegte Quelle)
12.2 Machsche Linien und Machscher Kegel
365
c − Ui "i (c − U1 ) , oder mit Ui "i = U1 wobei λ = und "i den Einheitsf f vektor in Ausbreitungsrichtung angibt (f = Frequenz der St¨orung). Damit gilt f¨ ur f : f f = (12.21) f = 1 − Ui "i /c 1 − (U1 /c) In positiver Richtung gilt: λ =
f =
f c f = = λ 1 − U1 /c 1 − Ma
(12.22)
In negativer x1 −Richtung errechnet sich: f =
f f = 1 + U/c 1 + Ma
(12.23)
Damit erweist sich die Ma-Zahl als eine wichtige Gr¨oße, um Wellenausbreitungen in Fluiden zu charakterisieren. Tritt nun der Fall ein, dass die Geschwindigkeit der sich bewegenden St¨ orquelle gleich der Ausbreitungsgeschwindigkeit der St¨orung ist, so ergibt sich, dass die Ausbreitung der St¨ orungen nur noch in der Halbebene, in Bezug auf die St¨ orquelle, m¨ oglich ist aus der heraus die Bewegung der Quelle erfolgt, siehe Abb. 12.5. x 2
c (3 D t) c (2 D t)
o
x
1
o 2
c (D t)
o
3
o
U = c 4
x 1
3
U (D t)
Abbildung 12.5: St¨ orungsausbreitung bei Ma = 1
F¨ ur den Fall, dass nun die Geschwindigkeit der St¨orquelle die Ausbreitungsgeschwindigkeit der St¨ orungen u ¨ berschreitet, stellt sich ein Ausbrei-
366
12 Einf¨ uhrung in die Gasdynamik
tungsbild ein, das in Abb. 12.3b skizziert ist. Dieses verdeutlicht, dass sich die Ausbreitung der St¨ orungen, in Bezug auf die sich bewegende St¨orquelle, innerhalb eines Kegels vollzieht, dem sogenannten Machschen Kegel. Vor dem Kegel ergibt sich ein st¨ orungsfreies Gebiet, das streng von dem Gebiet ¨ mit St¨ orungen innerhalb des Machschen Kegels getrennt ist. Als halber Off¨ nungswinkel α des Kegels ergibt sich, durch Uberlegungen, die in Abb. 12.6 skizziert sind, der Winkel des sogenannten Machschen Kegels: sin α =
c∆t 1 = U ∆t Ma x
wobei α = halber Winkel des Machschen Kegels ist. (12.24) 2
.
s in a =
c D t
c D t U D t =
c U
=
1 M a
A u s s trö m u n g s ric h tu n g S trö m u n g s ric h tu n g
a
x 1
U D t D e r W in k e l a h ä n g t v o n d e r M a -Z a h l a b ¨ Abbildung 12.6: Offnungswinkel des Machschen Kegels
Die obige Formel leitet sich aus folgenden Gr¨oßen unter Anwendung von Abb. 12.6 ab: c∆t = Ausbreitung der St¨ orung in Zeit ∆t U ∆t = Weg der St¨ orquelle in Zeit ∆t Werden Betrachtungen im Zweidimensionalen durchgef¨ uhrt, so stellt der Machsche Kegel zwei sich kreuzende Ebenen dar, die in der x1 − x2 −Ebene als Linien zu sehen sind und die man als Mach-Linien bzw. Mach-Wellen ¨ bezeichnet. Die oben f¨ ur r¨ aumliche Bewegungen angegebenen Uberlegungen, lassen sich ohne weiteres auch auf zweidimensionale Probleme anwenden. Sie zeigen auf, dass sich Ausbreitungen von zweidimensionalen St¨orungen in Form ebener Wellen vollziehen. Die Ausbreitung erfolgt senkrecht zu den Wellenebenen. Durch die oben durchgef¨ uhrten Betrachtungen lassen sich Beobachtun¨ gen erl¨ autern, die man in Verbindung mit dem Flug von Uberschallflugzeugen machen kann, siehe Abb. 12.7. Flugzeuge dieser Art zeigen ein Gebiet, in dem das Flugzeug nicht geh¨ ort werden kann, d.h. ein Beobachter kann
12.3 Nichtlineare Wellenausbreitung
367
L in ie d e s M a c h s c h e n K e g e ls a G e b ie t m it L ä rm w a h rn e h m u n g
a
G e b ie t o h n e L ä rm w a h rn e h m u n g
Abbildung 12.7: Erl¨ auterung zur Wahrnehmung von Flugzeugen
¨ ein im Uberschall auf ihn zufliegendes Flugzeug, weit eher mit dem Auge wahrnehmen als er es h¨ oren kann. Erst wenn sich der Beobachter innerhalb des Machschen Kegel befindet, gelingt es ihm das Flugzeug zu sehen und zu h¨ oren.
12.3 Nichtlineare Wellenausbreitung, Ausbildung von Stoßwellen Die in den Kapiteln 12.1 und 12.2 durchgef¨ uhrten Betrachtungen haben sich auf St¨ orungen kleiner Amplitude konzentriert, die sich als St¨orungen durch linearisierte Gleichungen behandeln lassen, wie dies auch in Kapitel 9 gezeigt wurde. Dort wurde ausgef¨ uhrt, dass kleine St¨ orungen der Fluideigenschaften omungsgeschwindigkeit u , durch Linearisierungen der ρ , P , T bzw. der Str¨ Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik behandelt werden k¨onnen. Unter diesen Annahmen ergab sich eine konstante Wellengeschwindigkeit und eine Ausbreitung bei der sich eine vorgegebene Wellenform nicht ¨andert. Diese Eigenschaften sind f¨ ur Wellenbewegung mit gr¨ oßeren Amplituden nicht mehr gegeben, so dass sich Wellengeschwindigkeiten einstellen, die sich von Ort zu Ort ¨ andern und Wellenfronten entstehen, die sich bei der Ausbreitung deformieren. Um solche Vorg¨ ange verstehen zu k¨onnen, betrachtet man am besten die eindimensionale Form der Kontinuit¨ats- und der Impulsgleichung mit U = U1 , x = x1 : Kontinuit¨ atsgleichung:
∂ρ ∂ρ ∂U +U +ρ =0 ∂t ∂x ∂x
(12.25)
Impulsgleichung:
∂U ∂U 1 ∂P +U =− ∂t ∂x ρ ∂x
(12.26)
Aus 12.25 ergibt sich f¨ ur ρ = ρ(U1 ) die folgende Beziehung: dρ ∂U dρ ∂U ∂U +U +ρ =0 dU ∂t dU ∂x ∂x
(12.27)
368
12 Einf¨ uhrung in die Gasdynamik
Analog l¨ asst sich Gleichung 12.26 schreiben: ∂U 1 dP ∂U dρ ∂U +U + =0 ∂t ∂x ρ dρ dU ∂x
(12.28)
Multipliziert man Gleichung (12.28) mit (dρ/dU ) und subtrahiert man sie von (12.27) erh¨ alt man: 2 ∂U 1 dP dρ ∂U ρ = (12.29) ∂x ρ dρ dU ∂x oder umgeschrieben: # # dP ∂P dU 1 1 (12.30) =± =± dρ ρ dρ ρ ∂ρ ad Diese Gleichung l¨ asst sich nun integrieren: "U1 "ρ# dP dρ dU = ± dρ ρ
(12.31)
ρ∞
0
Unter Ber¨ ucksichtigung von P/ρκ = const l¨ asst sich (12.31) integrieren: U =±
"ρ √
ρ∞
ρ 2 κ−1 dρ =± κρ const ρ κ−1 ρ∞ 2 (a − c) U =± (κ − 1)
κconstρ
κ−1 2
(12.32)
Damit ergibt sich f¨ ur die Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Welle mit großer Amplitude: (κ − 1) U (12.33) a=c± 2 eine Ausbreitungsgeschwindigkeit a“, die von der lokalen Str¨omungsge” schwindigkeit abh¨ angt. Dabei ist c die f¨ ur das ungest¨orte Fluid errechnete Schallgeschwindigkeit. Setzt man die Gleichung (12.30) in (12.28) ein, so erh¨alt man die folgende Beziehung: # ∂U ∂U dP ∂U +U ± =0 (12.34) ∂t ∂x dρ ∂x
oder umgeschrieben:
∂U ∂U + (U ± a) =0 ∂t ∂x
(12.35)
Aus der Kontinuit¨ atsgleichung erh¨ alt man: ∂ρ ∂ρ + (U ± a) =0 ∂t ∂x
(12.36)
12.3 Nichtlineare Wellenausbreitung
369
so dass sich f¨ ur ρ folgende allgemeine L¨ osung der Differentialgleichung (12.36) angeben l¨ asst: κ+1 U1 t ρ = Fρ (x1 − (U1 ± a) t) = Fρ x1 − c ± (12.37) 2 ur die Geschwinwobei Fρ () eine beliebige Funktion darstellt. Analog gilt f¨ digkeit: κ+1 U1 t U1 = Fu (x1 − (U1 ± a) t) = Fu x1 − c ± (12.38) 2
B
A
fo rts c h re ite n d e Z e it
c c b
c A
r c
b A
a
b
r A
b
2
a a B
r a
A B
r
Abbildung 12.8: Wellendeformationen und Ausbildung von Verdichtungsst¨ oßen
Die Beziehungen (12.37) und (12.38) erlauben die Ausbreitung einer St¨ orung mit einer Ausbreitungsgeschwindigkeit von c ± κ+1 autern. 2 U1 zu erl¨ Aufgrund dieser von der lokalen Str¨ omungsgeschwindigkeit abh¨angigen Ausbreitungsgeschwindigkeit kommt es zu Wellendeformationen, wie sie in Abb. 12.8 angedeutet sind. Betrachtet man den propagierenden Anteil mit dem (+)−Zeichen, so lassen sich charakteristische Positions¨anderungen zu Zeiten t wie folgt angeben:
370
12 Einf¨ uhrung in die Gasdynamik
xA = ctω ;
xB = xA + cta +
κ+1 U ta ; 2
xC = xB + ctb .
(12.39)
Die einsetzende und fortschreitende Deformation der Welle ist ersichtlich. Es kommt so zur Ausbildung von Verdichtungsst¨ oßen. uhrte lokale Mehrdeutigkeit der Dichte Die in Abbildung 12.8 f¨ ur tn aufgef¨ kann nat¨ urlich nicht auftreten. Wenn die Wellenfront sich derart aufgebaut hat, dass alle thermodynamischen Gr¨ oßen des Fluids und auch die Geschwin¨ digkeit pl¨ otzliche Anderungen erfahren, ist die maximal m¨ogliche Deformation der sich ausbreitenden Str¨ omung erreicht. Ein Verdichtungsstoß hat sich aufgebaut.
12.4 Alternative Formen der Bernoulli-Gleichung Im Abschnitt 9.4.2 wurden, zur Einf¨ uhrung der Stromfadentheorie in die Behandlung von Str¨ omungsvorg¨ angen, eindimensionale, isentrope Str¨omungen unter Anwendung der Bernoulli-Gleichung f¨ ur inkompressible Str¨omungen behandelt: κ PH 1 2 κ P U + = (12.40) 2 1 (κ − 1) ρ (κ − 1) ρH Als thermodynamisch maximal m¨ ogliche Geschwindigkeit wurde ermittelt, f¨ ur (P/ρ) → 0: 2κ PH 2κ 2 RTH (Umax ) = = (12.41) (κ − 1) ρH (κ − 1) so dass gilt:
κ P 1 2 1 2 U1 = Umax − 2 2 (κ − 1) ρ
(12.42)
Da die Ma-Zahl eine fundamentale Gr¨ oße in der Behandlung gasdynamischer Str¨ omungsprobleme darstellt, l¨ asst sich schreiben: 2 2 Umax Umax 1 2κ RT 2 − = − (12.43) 1= U1 (κ − 1) U12 U1 (κ − 1) Ma2 oder umgeschrieben: 1 κ−1 2 = 2 Ma
.
Umax U1
/
2 −1
(12.44)
Den oben aufgef¨ uhrten Betrachtungen lag eine Expansionsstr¨omung zugrunde, wie sie in Abb. 12.9 angedeutet ist. F¨ ur diese Str¨omung ergibt sich der sogenannte kritische Zustand, wenn U1 = c = Uc erreicht ist, d.h. wenn folgende Beziehung gilt: c2H Uc2 1 2 Uc + = 2 (κ − 1) (κ − 1)
Uc2 =
2κ RTH (κ + 1)
(12.45)
12.4 Alternative Formen der Bernoulli-Gleichung
371
D ü se n e n d e
g ro ß e s R e s e rv o ire
x 1 = 0
x 1 = L
Abbildung 12.9: Ausgleichstr¨ omung zwischen zwei Druckbeh¨ altern
F¨ ur den kritischen Druck errechnet sich nach (12.40) unter Ber¨ ucksichtigung von (12.45): κ−1 κ P 2κ c = 2κ RTH RTH 1 − (12.46) Uc2 = (κ − 1) P (κ + 1) κ (κ−1) P∗ 2 Pc = = PH PH (κ + 1)
(12.47)
Unter Anwendung der Beziehungen f¨ ur isentrope Dichte und Temperatur¨ anderungen erh¨ alt man:
ρc ρH
= Tc TH
ρ∗ = ρH
P∗ PH
T∗ = = TH
1/κ = P∗ PH
2 (κ + 1)
κ−1 κ =
1 (κ−1)
2 (κ + 1)
(12.48)
(12.49)
Die Mach-Zahl l¨ asst sich nun heranziehen, um die infolge der BernoulliGleichung f¨ ur kompressible Medien m¨ oglichen Druck-, Temperatur- und Dichte¨ anderungen als Funktion der Mach-Zahl auszudr¨ ucken: c2 TH c2H κ−1 1 2 U1 + = ; Ma2 + 1 = 2 (κ − 1) (κ − 1) 2 T −1 T (κ − 1) oder umgeschrieben: Ma2 = 1+ TH 2
(12.50) (12.51)
F¨ ur die Dichte- und Druckvariationen lassen sich folgende Beziehungen ableiten: 1 −1 (κ−1) ρ T κ−1 (κ − 1) 2 Ma = 1+ (12.52) = ρH TH 2 κ −κ (κ−1) T (κ−1) P (κ − 1) 2 Ma = 1+ (12.53) = PH TH 2
372
12 Einf¨ uhrung in die Gasdynamik
F¨ ur das Schallgeschwindigkeitsverh¨ altnis c/cH ergibt sich: c = cH
T TH
12
−2 κ−1 M a2 = 1+ 2
(12.54)
, c c H
1 ,0
P
P , r , T r H T H
H
k = 1 ,4
0 ,8
c
0 ,6
c H
0 ,4 P
0 ,2 0 ,0
0 ,0
1 ,0
P
r H
2 ,0
T
r
T H
H
3 ,0
4 ,0
M a
5 ,0
Abbildung 12.10: Diagramm zur Darstellung der Parametervariationen in der Bernoulli-Gleichung
Die oben aufgef¨ uhrten Beziehungen sind in Abb. 12.10 eingezeichnet. Jede der aufgef¨ uhrten Kurven stellt die Bernoulli-Gleichung dar, die zum Ausdruck bringt, wie sich die Schallgeschwindigkeit, die Temperatur, der Druck und die Dichte jeweils normiert mit den entsprechenden Werten im Hochdruckbeh¨ alter ¨ andern, wenn die Machzahl¨ anderungen bekannt sind. Dieses Diagramm entspricht dem Diagramm 9.9 in Kapitel 9, wo als Parameter der Darstellung die Temperatur-, Dichte- und Druckvariationen (U1 /Umax) angewandt wurden. Es ist eine Eigenart kompressibler Str¨ omungen, dass der lokale Staudruck einer Str¨ omung κP 1 2 1 1 1 ρU1 = ρc2 Ma2 = ρ (12.55) Ma2 = κP Ma2 2 2 2 ρ 2 vom lokal vorliegenden Druck und der lokalen Mach-Zahl abh¨angt. F¨ ur die normierte Druckdifferenz gilt: PH − P PH 2 2 PH − P = −1 = 1 2 P κMa2 κMa2 P 2 ρU1
(12.56)
12.5 Str¨ omung mit W¨ arme¨ ubertragung (Rohrstr¨ omung)
Mit (PH /P ) aus (12.53) erh¨ alt man: / . κ (κ−1) PH − P 2 κ−1 2 Ma = −1 1+ 1 2 2 κMa2 2 ρU1 Durch eine Reihenentwicklung f¨ ur Ma2 <
2 (κ−1)
373
(12.57)
ergibt sich
PH − P 1 2−κ (2 − κ)(3 − 2κ) Ma4 + Ma6 + · · · = 1 + Ma2 + 1 2 4 24 192 ρU 1 2
(12.58)
F¨ ur inkompressible Str¨ omungen gilt Ma = 0, so dass von der Reihenentwicklung nur 1 zur¨ uckbleibt. Die Abweichung der sich einstellenden Druckdifferenzen vom Staudruck in kompressiblen Str¨ omungen ist somit eine Funktion der Machzahl. F¨ ur M a < 13 ist somit der Einfluss der Kompressibilit¨at auf die Druckverteilung kleiner als ein Prozent, falls Luftstr¨omungen betrachtet werden.
12.5 Str¨ omung mit W¨ armeu omung) ¨bertragung (Rohrstr¨ Jedes der Kapitel des vorliegenden Buches unternimmt den Versuch eine Einf¨ uhrung in ein Teilgebiet der Str¨ omungsmechanik zu geben und zielt vor andnis f¨ ur die in dem entsprechenallem darauf ab, das physikalische Verst¨ den Kapitel behandelten Str¨ omungsvorg¨ ange zu vertiefen. Zu diesem Zweck werden oftmals Vereinfachungen in die analytischen Problembetrachtungen eingef¨ uhrt. So wurden z.B. in dem vorausgegangenen Kapitel adiabate, reversible (dissipationsfreie) und eindimensionale Str¨omungsvorg¨ange behandelt, d.h. isentrope Str¨ omungsprozesse kompressibler Medien, die nur von einer Raumkoordinate abh¨ angen. Diese Betrachtungen bed¨ urfen einiger Erg¨anzungen, um spezielle Erscheinungen bei Str¨ omungen mit W¨armezufuhr verstehen zu k¨ onnen. Zur Behandlung solcher Str¨ omungen, die als station¨ar und eindi¨ mensional angesehen werden k¨ onnen, also nur Anderungen in Str¨omungsrichugung, tung x1 = x erfahren, stehen die folgenden Grundgleichungen zur Verf¨ die mit U1 = U angegeben werden – – – –
ρF U = m ˙ = const dP dU =− ρU Impulsgleichung: dx dx Energiegleichung: ( dq) = cv dT + P d 1 = cp dT − 1 dP ρ ρ P = RT Zustandsgleichung f¨ ur ideale Gase: ρ Massenerhaltung:
(12.59) (12.60) (12.61) (12.62)
374
12 Einf¨ uhrung in die Gasdynamik
Aus der Massenerhaltungsgleichung (12.59) erh¨alt man: dU dF dρ + + =0 ρ U F bzw. f¨ ur Rohrstr¨ omungen mit
dρ dU dF =− = 0: U ρ F
(12.63) (12.64)
Aus der idealen Gasgleichung (12.62) l¨ asst sich ableiten: dP dρ dT = + P ρ T und aus der Impulsgleichung erh¨ alt man: − −
(12.65)
dP = U dU oder ρ
dP ρ 1 2 dU = U dU = U P P RT U
(12.66)
ur (12.66): Mit κRT = c2 ergibt sich f¨ −
κ dU dU dP = 2 U2 = κMa2 P c U U
(12.67)
Bezieht man als letztes die Energiegleichung in die Betrachtungen ein, so l¨ asst sich angeben: ( dq) = cp dT −
dP = cp dT + U dU ρ
(12.68)
oder umgeschrieben: dU ( dq) cp dT 1 cp ( dq) 1 cp = dT − = − 2 2 2 U U U cp Ma κRT Ma2 κRT
(12.69)
D.h. es gilt f¨ ur die relative Geschwindigkeits¨ anderung in einer Rohrstr¨omung infolge W¨ armezuf¨ uhrung: ( dq) 1 dT dU = − (12.70) U h T (κ − 1)Ma2 wobei h = cp T gesetzt wurde. Aus Gleichung (12.65) folgt: dP dρ dU dU dT = − = −κMa2 + T P ρ U U dT dU = (1 − κMa2 ) oder umgeschrieben: T U Diese Beziehung in (12.70) eingesetzt ergibt:
(12.71) (12.72)
12.5 Str¨ omung mit W¨ arme¨ ubertragung (Rohrstr¨ omung)
1 dU = U (κ − 1)Ma2 nach
, dU ( dq) + − 1 − κMa2 h U
375
dU aufgel¨ ost erh¨ alt man: U dU 1 ( dq) = 2 U (1 − Ma ) h
(12.73)
(12.74)
Diese Beziehung wieder eingesetzt in (12.64) ergibt f¨ ur die relative Dichte¨ anderung: −1 dρ ( dq) = (12.75) ρ (1 − Ma2 ) h bzw. f¨ ur die relativen Druck und Tempertur¨ anderungen gilt: dP −κMa2 ( dq) = P (1 − Ma2 ) h
und
dT (1 − κMa2 ) ( dq) = T (1 − Ma2 ) h
¨ F¨ ur die lokale Anderung der Ma-Zahl l¨ asst sich noch ableiten: 2 d(Ma2 ) U T dT d(U 2 /c2 ) dU = − = d =2 2 2 2 2 (U /c ) U T U T Ma
(12.76)
(12.77)
¨ Damit gilt f¨ ur die Ma-Zahl-Anderung bei W¨ armezufuhr: dMa2 (1 + κMa2 ) ( dq) 2 = Ma (1 − Ma2 ) h
(12.78)
Da gilt ( dq) = T ds und h = cp T gilt zudem: (1 + κMa2 ) ds dMa2 = Ma2 (1 − Ma2 ) cp
(12.79)
Die obigen Beziehungen k¨ onnen nun herangezogen werden, um zu verstehen, wie sich P, T, ρ, U und Ma lokal ¨ andern wenn man einer Rohrstr¨omung W¨ arme zuf¨ uhrt; d.h. ( dq)/h > 0: Unterschallstr¨ omung: dU > 0; die Str¨ omungsgeschwindigkeit nimmt bei W¨armezufuhr zu. U dρ dP < 0 und < 0; die Dichte und der Druck nehmen bei W¨armezufuhr ρ P ab. dT 1 > 0; die Temperatur nimmt bei W¨ armezufuhr zu f¨ ur Ma < . T κ
376
12 Einf¨ uhrung in die Gasdynamik
dT 1 < 0; die Temperatur nimmt trotz W¨ armezufuhr ab, f¨ ur Ma > . T κ dMa2 > 0; die lokale Ma-Zahl nimmt bei W¨ armezufuhr zu. Ma2 Die obigen Beziehungen geben an, dass trotz W¨armezuf¨ uhrung, eine Abnahme der Temperatur f¨ ur 1/κ < Ma < 1 vorliegt. ¨ Uberschallstr¨ omung: dU < 0; die Str¨ omungsgeschwindigkeit nimmt bei W¨armezufuhr ab. U dρ dP > 0 und > 0; Dichte und Druck nehmen bei W¨armezufuhr zu. ρ P dT > 0; die Temperatur nimmt bei W¨ armezuf¨ uhrung zu. T dMa2 < 0; die lokale Ma-Zahl nimmt bei W¨ armezufuhr ab. Ma2 ¨ Die Anderung str¨ omungsmechanischer und thermodynamischer Zustands¨ gr¨ oßen erfolgt in einer Rohrstr¨ omung im Uberschallbereich grunds¨atzlich anders als im Unterschallbereich. Betrachtet man zur Vertiefung des physikalischen Verst¨andnisses die sich abspielenden Vorg¨ ange im T-s-Diagramm f¨ ur ein ideales Gas, so erh¨alt man: ∂T T = (12.80) ( dq)v = cv dTv = T dsv ; ∂s v cv ∂T T ( dq)P = cp dTP = T dsP ; = (12.81) ∂s P cp Aus (12.76) erh¨ alt man f¨ ur die Temperatur¨ anderung in einer Rohrstr¨omung mit W¨ armezufuhr: dT (1 − κMa2 ) ( dq) (1 − κMa2 ) T dsR = = 2 T (1 − Ma ) h (1 − Ma2 ) cp T Daraus errechnet sich: ∂T ∂T T (1 − κMa2 ) = = ∂s Rohr cp (1 − Ma2 ) ∂s R
(12.82)
(12.83)
F¨ uhrt man nun eine effektive W¨ armekapazit¨ at cRohr = cR ein, so gilt: ∂T T ( dq)R = cR dTR = T dsR ; = (12.84) ∂s R cR und cR errechnet sich als:
12.5 Str¨ omung mit W¨ arme¨ ubertragung (Rohrstr¨ omung)
cR = cp
Mit κ =
(1 − Ma2 ) 1 2 =T ∂T (1 − κMa ) ∂s R
cp l¨ asst sich auch schreiben: cv (1 − Ma2 ) 1 , cR = cv + 1 2 = T ∂T κ − Ma ∂s R
377
(12.85)
(12.86)
Somit gilt:
∂T ∂T T T − − ∂s P ∂s R c cR cR − cp cv = p = T T ∂T ∂T cR − cv cp − − c c ∂s c ∂s R v R
und weiter umgeschrieben: cR −1 c 1 − Ma2 − 1 + κMa2 (κ − 1)Ma2 = p = Ma2 = cR (κ − 1) κ − κMa2 − 1 + κMa2 −1 κ cp
(12.87)
(12.88)
Damit gilt f¨ urM a2 : Ma = 2
∂T ∂s ∂T ∂s
−
p
− v
∂T ∂s ∂T ∂s
R =
A B
(12.89)
R
In Abb. 12.11 sind die durch Gleichung (12.89) ausgedr¨ uckten Verh¨altnisse graphisch dargestellt. Dabei bedeutet (∂T /∂s)p die Steigung der Isobaren im T-s-Zustandsdiagramm und (∂T /∂s)v die Steigung der Isochoren und (∂T /∂s)R die Zustands¨ anderungslinie der Rohrstr¨omung mit W¨armezufuhr. Es l¨ asst sich nun zeigen, dass die Gleichung (12.89) allgemein gilt, nicht nur f¨ ur die in der Gasdynamik im allgemeinen behandelten Str¨omungen idealer Gase, sondern auch f¨ ur Str¨ omungen realer Gase. Abschließend soll noch bemerkt werden, dass die Beziehungen f¨ ur dU U 2 dP dT dMa (12.74), dρ (12.75), (12.76), (12.76) und (12.78) f¨ u r Ma = 1 ihre 2 ρ P T Ma G¨ ultigkeit verlieren, wenn (dq) = 0 ist. Will man eine Unterschallstr¨omung ¨ durch W¨ armezufuhr auf Schallgeschwindigkeit und danach auf Uberschall bringen, so muss an der Stelle Ma = 1 die W¨ armezufuhr (dq) = 0 sein. Danach gilt es die Str¨ omung zu k¨ uhlen, um eine weitere Mach-Zahl-Steigerung zu erhalten.
12 Einf¨ uhrung in die Gasdynamik s
T v
(c (
( cc v = c o n st
T
s
T p
(
378
d T d s
B
p = c o n st A
G T
c
c p
c v
l s
R
Abbildung 12.11: Zustands¨ anderung im T-s-Diagramm f¨ ur Rohrstr¨ omung mit W¨ armezufuhr
Erweiterte Betrachtungen zeigen, dass die W¨armezuf¨ uhrung im Unter¨ schallbereich dazu f¨ uhrt, die Str¨ omung zu beschleunigen und im Uberschallbereich dazu, die Str¨ omung zu verz¨ ogern. F¨ ur Rohrstr¨omungen mit einem Radius R = const, kann eine Unterschallstr¨ omung, durch eine stetige W¨arme¨ zufuhr, nicht in eine Uberschallstr¨ omung u uhrt werden. ¨ bergef¨ Betrachtet man den Verlauf der effektiven W¨armekapazit¨at der Rohrstr¨ omung so ergibt sich der in Abb. 12.12 aufgezeigte Verlauf cR (Ma2 − 1) = cv (Ma2 − 1/κ)
(12.90)
Die effektive spezifische W¨ arme ist demnach ur 0 ≤ Ma < 1/κ positiv f¨ und 1 ≤ Ma < ∞. In dem Ma-Zahlbereich 1/κ < Ma < 1 ist dieeffektive W¨ armekapazit¨ at negativ. Bei Ma = 1/κ geht cR → ∞. Bei Ma = 1/κ besitzt die lokale Str¨ omungsgeschwindigkeit den Wert der isothermen Schallgeschwindigkeit. Wegen der Beziehung (12.88) f¨ ur die effektive W¨armekapazit¨at ¨ ur die Entwicklungen der Unterschall- und UberschallcR /cv ergeben sich f¨ str¨ omungen in beheizten und gek¨ uhlten Rohrstr¨omungen die in Abb. 12.13 skizzierten thermodynamischen Zustandsverl¨ aufe bei gleichem thermodynamischen Ausgangszustand. Vom Zustand A ausgehend gelangt man durch Heizung vom Zustand A bis zum Zustand C, um danach durch K¨ uhlung bis zum Zustand B zu kommen, in ¨ ¨ dem eine Uberschallstr¨ omung vorherrscht. Heizt man dagegen bei Uberschall uhlung auf, so kommt man vom Zustandspunkt A bis C , um danach mit K¨ in den Zustandspunkt B zu gelangen, wo Unterschallstr¨omung vorherrscht.
12.6 Rayleigh- und Fanno-Beziehungen
379
4 3
-2 -3
ko n s t. ko n st .
p A
v
M 1
1
ko n s t.
=
A
p
A
C
=
T
´
T
v
B
C b is A o n g v a ll h c zi t u n s te r H e U n im
B
2
´
v o n C b is B K ü h lu n g
1 1 is o th e rm e S c h a llg e s c h w in d ig k e it
x
Ü b e rs c h a ll
is e n tro p e S c h a llg e s c h w in d ig k e it
0
T
C
1
U ltra s c h a ll
v
´
M ´ 1
c = c
T
=
v e rb o te n e s G e b ie t 1
-1
p
Av
x
v e rb o te n e r B e re ic h
ko n st .
c = c
C ´ p bi B = s B U n ´ K te r üh sc lu ha ng ll
2
vo n
v
im
c
c
B A
s
Abbildung 12.12: Verlauf der effek- Abbildung 12.13: Thermodynamische tiven W¨ armekapazit¨ at eines Gases bei Zustands¨ anderungen bei Unterschall¨ W¨ armezufuhr in einer Rohrstr¨ omung bzw. Uberschallrohrstr¨ omungen, nach Boˇsnjakovi´c
12.6 Rayleigh- und Fanno-Beziehungen Die im vorausgegangenen Abschnitt durchgef¨ uhrten Betrachtungen konzen¨ trierten sich auf die Untersuchung infinitesimaler Anderungen str¨omungsmechanischer und thermodynamischer Zustandsgr¨oßen in Rohrstr¨omungen, ¨ d.h. auf Anderungen bei Vorliegen einer infinitesimalen W¨armezugabe an das Fluid, aber unter der Annahme, dass keine dissipativen Vorg¨ange auftreten. F¨ ur die auftretenden Druck- und Machzahl¨ anderungen wurde abgeleitet: dP −κMa2 ( dq) = P (1 − Ma2 ) h
und
dMa2 (1 + κMa2 ) ( dq) 2 = Ma (1 − Ma2 ) h
(12.91)
Daraus ergibt sich der folgende Zusammenhang zwischen der relativen Druckund der Machzahl¨ anderung f¨ ur die als Rayleighstr¨omung bezeichnete Rohrstr¨ omung: κMa2 dP ( dMa2 ) =− (12.92) 2 P (1 + κMa ) Ma2 Diese Differentialgleichung l¨ asst sich zwischen zwei Zustandspunkten 1 und 2 der dissipationsfreien Rohrstr¨ omung mit W¨ armezufuhr integrieren: "2 1
dP =− P
"2 1
κMa2 dMa2 2 (1 + κMa ) Ma2
;
ln
P2 P1
= ln
1 + κMa21 1 + κMa22
(12.93)
380
12 Einf¨ uhrung in die Gasdynamik
oder f¨ ur das Druckverh¨ altnis l¨ asst sich angeben: 2
1 + κ(Ma)1 P2 = , etc. 02 P1 1 + κ(Ma)2
(12.94)
Nach Gleichung (12.53) ergibt sich ein thermodynamisch errechenbarer H¨ ochstdruck PH : κ (κ−1) κ−1 2 Ma (12.95) PH = P 1 + 2 Damit errechnet sich das Verh¨ altnis der Kesselzust¨ande“ f¨ ur die Zustands” punkte 1 und 2: (PH )B (1 = (PH )A (1
2 + κMaA ) 2 + κMaB )
1+ 1+
κ 2 (κ−1) (κ−1) 2 MaB 2 (κ−1) 2 MaA
(12.96)
Analog l¨ asst sich f¨ ur das Temperaturverh¨ altnis T2 /T1 ableiten 2
T2 (Ma)2 = 2 T1 (Ma)1
)
2
1 + κ(Ma)1
*2 (12.97)
2
1 + κ(Ma)2
und f¨ ur das entsprechende Verh¨ altnis der Hochdruckkesseltemperaturen 2 2 ) 2 *2 Ma 1 + (κ−1) (TH )B MaB 1 + κMaA B 2 = (12.98) 2 2 2 (κ−1) (TH )A Ma 1 + κMa 1+ Ma A
B
A
2
F¨ ur das Dichte- und Geschwindigkeitsverh¨ altnis ergibt sich: 2 ) 2 * UA PB TA MaA 1 + κMaB ρB = = = 2 2 ρA UB PA TB Ma 1 + κMa B
(12.99)
A
Zuletzt l¨ asst sich noch die folgende Beziehung angeben: 1 − Ma2 d(Ma2 ) ds = cp 1 + κMa2 Ma2
(12.100)
um die Entropie¨ anderung des str¨ omenden Gases in der Rohrstr¨omung mit W¨ armezuf¨ uhrung zu berechnen: s2 − s 1 =
2 κR (Ma)2 · ln 2 (κ − 1) (Ma)1
cp
)
1+ 1+
2 κ(Ma)1 2 κ(Ma)2
* (κ+1) κ
(12.101)
12.6 Rayleigh- und Fanno-Beziehungen
381
Die oben abgeleiteten Gleichungen lassen sich nun anwenden, um z.B. in einem T −s−Diagramm, die Lagepunkte bestimmter Mach-Zahlen f¨ ur die Rayleighstr¨ omung zu berechnen. Ausgegangen wird dabei von einem Zustandspunkt 1, f¨ ur den T1 und s1 bekannt sind, sowie auch U1 und somit auch (Ma)1 . F¨ ur jeden Wert (Ma)2 lassen sich T2 und s2 berechnen und somit die Rayleighkurve, wie in Abb. 12.14 skizziert, punktweise darstellen. F¨ ur den direkten Zusammenhang zwischen s und T erh¨alt man: s2 − s1 = ln cp
T2 T1
κ+1 2κ
M
T - °R
7 0 0
= 1 .0
g un eh i z ll f ha A u sr c te U n l h al c s er n g Ü b iz u e fh A u
6 0 0 5 0 0 4 0 0 3 0 0 2 0 0 0
0 .1
0 .2
0 .3
0 .4
0 .5
0 .6
0 .7
s2 - s c p
0 .8 1
Abbildung 12.14: Skizze der Rayleigh-Linien im T-s-Diagramm
Der Abb. 12.14 ist zu entnehmen, dass f¨ ur den Unterschallteil der RayleighKurve, die Temperatur zunimmt, verbunden mit einer Zunahme der Ma-Zahl bis zu Ma = 1/κ. Danach nimmt die Temperatur ab bis zu Ma = 1. Bewegt ¨ man sich auf dem Ast der Uberschallstr¨ omung, so nimmt die Ma-Zahl mit zunehmender Entropie ab bis Ma = 1 erreicht ist. Es ist in der Gasdynamik auch u ur die normierte ¨ blich als Bezugsgr¨oßen f¨ ur (Ma)1 = 1 heranzuziehen, Darstellung von P , PH , T , TH und ρ die Werte f¨ die u ur diese Darstellungsvariante ¨ blicherweise mit ()∗ bezeichnet werden. F¨ der obigen Ergebnisse gilt: P 1+κ = ; P∗ 1 + κMa2
T (1 + κ)2 Ma2 = T∗ (1 + κMa2 )2
(12.102)
382
12 Einf¨ uhrung in die Gasdynamik
1 + κMa2 ρ 1 = = ρ∗ (U1 /U1∗ ) (1 + κ)Ma2
(12.103)
Eine Verallgemeinerung der oben durchgef¨ uhrten Betrachtungen auf Str¨omungen in Rohren mit Querschnitts¨ anderung, die zudem extern aufgepr¨agten Kr¨ aften ausgesetzt sind, f¨ uhrt zu den unten angegebenen Beziehungen f¨ ur die in kompressiblen Str¨ omungen hervorgerufenen str¨omungsmechanischen und thermodynamischen Zustands¨ anderungen: Kontinuit¨ atsgleichung: dU dF dρ + + =0 ρ U F
(12.104)
ρU dU = − dP + dΠ
(12.105)
Impulsgleichung: Hierbei ist (dΠ) ein extern angepr¨ agter Druckgradient, der durch einen Kompressor der Str¨ omung aufgezwungen werden kann. Die Energiegleichung l¨asst sich f¨ ur die vorgesehenen erweiterten Betrachtungen wie folgt angeben: cp dT + U dU1 = dq
(12.106)
Durch eine Division mit P und nach Einf¨ uhrung von c2 = κ Pρ l¨asst sich die Impulsgleichung (12.105) wie folgt schreiben: κMa2
dP dΠ dU + = U P P
(12.107)
F¨ ur die Energiegleichung sind folgende Umstellungen m¨oglich: dT U dU dq + = T cp T cp T
(12.108)
dT dq dU + (κ − 1)Ma2 = T U cp T
(12.109)
oder umgeschrieben:
Als letzte Gleichung wird nun f¨ ur die durchzuf¨ uhrenden Betrachtungen die Zustandsgleichung f¨ ur ideale Gase herangezogen: P = RT ρ
;
dP dρ dT − − =0 P ρ T
(12.110)
Der obige Satz von Gleichungen kann nun herangezogen werden, um die Gr¨ oßen ( dU/U ), ( dρ/ρ), ( dT /T ), etc. als Funktionen der lokalen MachZahl und der lokalen relativen Fl¨ achen¨ anderung ( dF/F ), der zugef¨ uhrten W¨ arme ( dq/h) und der aufgepr¨ agten externen Kr¨afte (dΠ/P ) auszudr¨ ucken:
12.6 Rayleigh- und Fanno-Beziehungen
1 dU1 = 2 U1 (Ma − 1)
dΠ dq dF + − F P h
383
(12.111)
κMa2 dF 1 + (κ − 1)Ma2 dΠ κMa2 dq dP =− − + P P (Ma2 − 1) F (Ma2 − 1) (Ma2 − 1) h
(12.112)
dT (κ − 1)Ma2 dF (κ − 1)Ma2 dΠ (κMa2 − 1) dq =− − + T (Ma2 − 1) F (Ma2 − 1) P (Ma2 − 1) h
(12.113)
Aus den obigen allgemeinen Gleichungen lassen sich nun die vorausgegangenen Ableitungen, die sich allein auf die Einwirkung von Fl¨achen¨anderungen bezogen, siehe Kapitel 9, f¨ ur ( dΠ/P ) = 0 und ( dq/h) = 0 ableiten. Des Weiteren erh¨ alt man f¨ ur ( dF/F ) = 0 und ( dΠ/P ) = 0 die am Anfang dieses Kapitels f¨ ur beheizte Rohre abgeleiteten Beziehungen. Setzt man nun ( dF/F ) = 0 und ( dq/h) = 0, so erh¨ alt man: dP 1 + (κ − 1)Ma2 dΠ =− P P (Ma2 − 1)
1 dU dΠ = ; 2 U (Ma − 1) P und zuletzt auch:
dT (κ − 1)Ma2 dΠ =− T (Ma2 − 1) P
(12.114)
(12.115)
Betrachtet man nun f¨ ur eine viskose Str¨ omung den molekularen Impulstransport als eine externe Krafteinwirkung ( dΠR /P ) < 0, so erkennt man, dass damit folgende Temperatur¨ anderungen verbunden sind: dT > 0 f¨ ur Ma < 1 (12.116) T R bzw.
dT T
< 0 f¨ ur Ma > 1
(12.117)
R
Analog zu den Betrachtungen, die auf den Gleichungen (12.91) und (12.92) aufbauten, lassen sich nun alle Ableitungen, die zu den Beziehungen f¨ ur die Rayleigh-Str¨ omung f¨ uhrten, d.h. f¨ ur die Str¨ omung durch Rohre mit konstantem Querschnitt unter W¨ armezuf¨ uhrung, f¨ ur Rohrstr¨omung unter Reibungseinfluss ohne W¨ armezufuhr wiederholen. Aus den Ableitungen resultieren dann ¨ ahnliche Beziehungen, wie sie in (12.94) bis (12.102) f¨ ur die Rayleigh-Str¨ omung angegeben sind, allerdings ist f¨ ur die in den Beziehun¨ gen auftretenden Mach-Zahl-Anderung nicht eine W¨armezuf¨ uhrung sondern eine auf die Str¨ omung einwirkende externe Krafteinwirkung verantwortlich. Im T-s-Diagramm resultiert hieraus die Fanno-Linie“, welche somit den T-s” Verlauf der thermodynamischen Zustands¨ anderung angibt, die sich bei adiabater Rohrstr¨ omung unter interner Reibungseinwirkung einstellt. Dagegen repr¨ asentiert die Rayleigh-Linie“ im T-s-Diagramm die thermodynamische ” Zustands¨ anderung, die sich bei reibungsfreier Str¨omung eines idealen Gases
384
12 Einf¨ uhrung in die Gasdynamik
in einem Rohr bei W¨ armezufuhr einstellt. Damit gibt die Fanno-Linie“ den ” Einfluss der Reibung in einer Rohrstr¨ omung mit konstantem Querschnitt an, w¨ ahrend die Rayleigh-Linie“ den Einfluss der W¨armezuf¨ uhrung zeigt. ”
12.7 Senkrechter Verdichtungsstoß (Rankine-Hugoniot-Gleichung) Im Abschnitt 12.3 wurde die Ausbildung von Verdichtungsst¨ossen als Erscheinung von Wellenbewegungen mit zustandsabh¨ angiger Wellengeschwindigkeit erl¨ autert. Die sich so ausbildende Unstetigkeitsfl¨ache weist eine Dicke auf, die in der Gr¨ oßenordnung der freien Wegl¨ ange der Molek¨ ule eines idealen Gases angesehen werden kann. Es ist somit innerhalb der in diesem Buch gew¨ ahlten Betrachtungsweise m¨ oglich, den in Abb. 12.15 skizzierten Verdichtungsstoß in einem ruhenden Medium, durch die str¨omungsmechanischen und thermodynamischen Zustandsgr¨ oßen vor und nach dem Verdichtungsstoß zu beschreiben. Bewegt sich dieser in einem vor dem Verdichtungsstoß ruhenden Fluid mit den thermodynamischen Zustandsgr¨oßen P1 , ρ1 , T1 , e1 , s1 und ist die Geschwindigkeit des Stoßes Us , so liegt hinter dem Nachlauf des Stoßes eine Gasgeschwindigkeit Ug vor, sowie ein thermodynamischer Zu¨ stand, der durch PB , ρB , TB , eB , sB gegeben ist. Um nun die Anderungen
y U
U A
= 0
U
s
= U B
A
- U g
x
h U s
U g
x Abbildung 12.15: Skizzierte senkrechte Verdichtungsst¨ oße und Wahl von Koordinationssystemen
der str¨ omungsmechanischen und thermodynamischen Zust¨ande u ¨ ber den Verdichtungsstoß hinweg analytisch behandeln zu k¨onnen, wird ein mit dem Verdichtungsstoß bewegtes Koordinatensystem gew¨ahlt, so dass gilt: UA = Us
12.7 Senkrechter Verdichtungsstoß (Rankine-Hugoniot-Gleichung)
385
und ferner UB = (UA − Ug ). Die mit diesen Angaben formuliert integralen Erhaltungss¨ atze lauten: ρA UA = ρB (UA − Ug ) = ρB UB
(12.118)
ρA UA2 + PA = ρB UB2 + PB
(12.119)
ρA UA (UA − UB ) = PB − PA
(12.120)
oder umgeschrieben:
Ferner gilt die Energiegleichung: 1 PB 1 2 PA + cv TA = UB2 + + cv T B U + 2 A ρA 2 ρB
(12.121)
Die linke Seite von (12.121) l¨ asst sich in den Gr¨oßen P , ρ und U der Massenerhaltungs- und Impulsgleichungen wie folgt beschreiben: PA 1 κ PA κ PH 1 2 PA U + + cv = UA2 + = 2 A ρA RρA 2 (κ − 1) ρA (κ − 1) ρH
(12.122)
Aus der Impulsgleichung und den Kontinuit¨ atsgleichungen folgt: (UA − UB ) =
PB PA − ρB U B ρA U A
(12.123)
Multiplikation mit (UA + UB ) ergibt: PB PA 2 2 − UA − UB = (UA + UB ) ρB U B ρA U A PB PA PA PB + − − UA2 − UB2 = ρA ρB ρB ρA
(12.124)
(12.125)
Oder umgeschrieben:
UA2
−
UB2
1 1 = (PB − PA ) + ρA ρB
(12.126)
Aus der Energiegleichung folgt: UA2
−
UB2
2κ = κ−1
PB PA − ρB ρA
(12.127)
Die obigen Gleichungen (12.125) und (12.126) gleich gesetzt ergeben: 1 PB 1 PA 2κ + − (PB − PA ) = (12.128) ρA ρB κ − 1 ρB ρA Hieraus resultiert die folgende Beziehung:
386
12 Einf¨ uhrung in die Gasdynamik
PB PA
(κ + 1) ρB ρB (κ + 1) − =1− ρA (κ − 1) ρA (κ − 1)
(12.129)
Somit gilt: (κ + 1) ρB −1 2 ρ A = (κ − 1) ρB 1− −1 2 ρA
(κ + 1) PB −1 PB ρB 2κ P A = bzw. (κ − 1) PB PA ρA 1+ −1 2κ PA (12.130) Die obigen Beziehungen PA /PB = f (ρB /ρA ) bzw. (ρB /ρA ) = g(PB /PA ) sind als die Rankine-Hugoniot-Gleichungen bekannt. Diese geben die Druckund Dichte¨ anderungen u ¨ ber den senkrechten Verdichtungsstoß an. Da der Verdichtungsstoß mit einer Dissipation mechanischer Energie in W¨arme verbunden ist, ist der Verdichtungsstoß ein nicht isentroper Prozess. Etwas anders geartete Ableitungen aus der Energiegleichung ergeben: 1+
und
1+
UA +
PA PH 2κ 2κ = (κ − 1) ρA UA (κ − 1) ρH · UA
(12.131)
UB +
2κ 2κ PB PH = (κ − 1) ρB UB (κ − 1) ρH · UB
(12.132)
Daraus ergibt sich: (UA − UB ) +
2κ (κ − 1)
1 PA PB 2κ PH 1 − = − ρA U A ρB U B (κ − 1) ρH UA UB
UB −UA
(12.133) 2κ 2c2H UB − UA (UA − UB ) = (UA − UB ) − (κ − 1) (κ − 1) UA UB 1−
2c2H 2κ =− (κ − 1) (κ − 1)UA UB
(12.134) (12.135)
Hieraus errechnet sich die Prandtl-Stoßbeziehung UA UB =
2c2H ; (κ + 1)
2 (κ + 1)
(12.136)
1 2 U + cp T B = cp T H 2 B
(12.137)
(Ma)A,H (Ma)B,H =
Aus der Energiegleichung ergibt sich: 1 2 U + cp T A = cp · T H 2 A Hieraus folgt:
(κ − 1) +
bzw.
2 2cp TH = (κ − 1) (Ma)2A UA2
(12.138)
12.7 Senkrechter Verdichtungsstoß (Rankine-Hugoniot-Gleichung)
(κ − 1) +
2 (Ma)2B
=
2cp TH (κ − 1) UB2
(12.139)
Beide Gleichungen multipliziert ergibt: 2 4c2p TH 2 2 (κ − 1)2 (κ − 1) + = (κ − 1) + (Ma)2A (Ma)2B UA2 UB2 Mit UA UB =
κ−1 2
387
(12.140)
2κRTH ergibt sich: (κ + 1)
1 + (Ma)2A
κ−1 2
1 + (Ma)2B
(κ + 1) = 2
2 (12.141)
Es ist u oßen nach dem senkrechten Verdichtungsstoß, ¨blich die Zustandsgr¨ normiert mit der entsprechenden Gr¨ oße vor dem Stoß, als Funktion der Machzahl vor dem Stoß auszudr¨ ucken. Diese Gr¨ oßen lassen sich wie folgt ableiten: 2κ (κ − 1) PB (Ma)2A − = PA (κ + 1) (κ + 1)
;
, PB 2κ + 2 = 1+ MaA − 1 (12.142) PA κ+1
ρB (κ + 1)(Ma)2A = ρA (κ − 1)(Ma)2A + 2
(12.143)
21 2 1 TB PB ρA 1 = = 2κ(Ma)2A − (κ − 1) (κ − 1)(Ma)2A + 2 TA PA ρB (κ + 1)2 (Ma)2A (12.144) Zudem l¨ asst sich f¨ ur die Mach-Zahl nach dem Verdichtungsstoß angeben: 1 2 (κ − 1)(Ma)2A + 2 2 (12.145) (Ma)B = [(2(Ma)2A − 1)κ + 1] und f¨ ur die Druckdifferenz ∆p/pA als Maß f¨ ur die St¨arke des Verdichtungsstoßes 2 (PB − PA ) 2κ 1 = (12.146) (Ma)2A − 1 PA (κ + 1) F¨ ur die mit dem Stoß verbundene Entropie¨ anderung errechnet sich: κ 2κ κ − 1 (κ − 1)(Ma)2A + 2 (Ma)2A − sB − sA = cv ln (12.147) κ+1 κ+1 (κ + 1)(Ma)2A ¨ Die Anderungen sind in der Abb. 12.17 angegeben, wobei als Abzisse die Mach-Zahl vor dem Stoß gew¨ ahlt wurde. Das Diagramm 12.16 zeigt ferner, dass das Fluid komprimiert wird wenn es durch den Verdichtungsstoß str¨ omt. Der Druck, die Dichte und die Temperatur nehmen beim Durchtritt durch den Verdichtungsstoß zu, d.h. es gilt:
388
12 Einf¨ uhrung in die Gasdynamik
2 0 R a n k in e -H u g o n io t S to s s v o rg a n g
p p
B A
Is e n tro p e
1 0
0 0
x - 1 x + 1
v
0 .5
v
1 .0 B A
Abbildung 12.17: Entropie¨ anderung Abbildung 12.16: Zustands¨ anderungen infolge senkrechter Verdichtungsst¨ oße f¨ ur den senkrechten Verdichtungsstoß in einem idealen Gas mit κ = 1, 4
PB ≥ 1; PA
ρB ≥ 1 und ρA
TB ≥1 TA
Betrachtet man den Verlauf von (sB − sA ) nach Gleichung (12.46) so ist ersichtlich, siehe Abb. 12.17, dass (sB − sA ) nur f¨ ur MA ≥ 1 gr¨oßer Null sein kann. Dies bringt zum Ausdruck, dass Verd¨ unnungsst¨oße in idealen Gasen nicht auftreten k¨ onnen, da sie durch den 2. Hauptsatz der Thermodynamik nicht zugelassen sind, der (sB − sA ) ≥ 0 fordert.
12.8 Literaturverzeichnis 12.1 Oswatitsch K (1952) Gasdynamik. Springer-Verlag, Wien 12.2 Boˇsnjakovi´c F (1960) Technische Thermodynamik I. Verlag von Theodor Steinkopff, Dresden und Leipzig 12.3 Yuan SW (1971) Foundations of Fluid Mechanics. Prentice-Hall, Inc., Englewwood Cliffs, N.J. 12.4 Currie IG (1974) Fundamental Mechanics of Fluids. McGraw-Hill Book Company, New York 12.5 Becker E (1985) Technische Thermodynamik. Teubner Studienb¨ ucher, Mechanik, Stuttgart 12.6 Spurk JH (1996) Str¨ omungslehre. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg New York, 4. Aufl.
13 Station¨ are, eindimensionale Str¨ omungen inkompressibler, viskoser Fluide
13.1 Allgemeine Betrachtungen In diesem Kapitel werden Str¨ omungen viskoser Fluide (µ = 0) betrachtet, die station¨ ar und zweidimensional sind, eine konstante Dichte aufweisen und zudem in Str¨ omungsrichtung ein vollentwickeltes Str¨omungsfeld besitzen. Die f¨ ur solche Str¨ omungen aus den allgemeinen Grundgleichungen der Str¨omungsmechanik abgeleiteten, die Str¨ omung bestimmenden, vereinfachten Gleichungen sind eindimensional. Sie sind zudem, f¨ ur eine Reihe von Randbedingungen, analytischen L¨ osungen zug¨ anglich und eignen sich somit, Studenten der Natur- und Ingenieurwissenschaften eine Einf¨ uhrung in die Str¨omungsmechanik viskoser Medien zu geben. Die so erworbenen Grundkenntnisse k¨onnen dann, z.B. in Spezialvorlesungen, derart vertieft werden, dass ein Wissen u omungen viskoser Fluide zustande kommt, das zur L¨osung prakti¨ ber Str¨ scher Probleme Einsatz finden kann. Wie unten aufgezeigt, sind die in diesem Kapitel behandelten Probleme deshalb analytischen L¨ osungen zug¨ anglich, weil ihre str¨omungsphysikalischen Eigenschaften mit wenigen Termen der Navier-Stokesschen Gleichungen beschrieben werden k¨ onnen und einfache Randbedingungen vorliegen. Es wird zudem bei den in diesem Kapitel behandelten Str¨omungen angenommen, dass Stationarit¨ at f¨ ur alle Str¨ omungsgr¨ oßen gegeben ist und, wie oben bereits erw¨ ahnt, Fluide mit konstanter Dichte zur Anwendung kommen, d.h. Fluide mit ρ = const. Diese Eigenschaft gilt f¨ ur thermodynamisch ideale Fl¨ ussigkeiten, aber auch, wie im Kapitel 12.1 gezeigt wurde, f¨ ur thermodynamisch ideale Gase, wenn diese mit moderaten Geschwindigkeiten str¨omen. ¨ Einfache Uberlegungen zeigen, dass Gasstr¨omungen mit Mach-Zahlen M a ≤ 0, 2 mit einer f¨ ur die Praxis ausreichenden Genauigkeit str¨omungsmechanisch als imkompressibel, d.h. als Fluide konstanter Dichte, behandelt werden k¨ onnen. F¨ ur solche Fluide gelten die Grundgleichungen in der unuhrt ten aufgef¨ uhrten Form, wenn f¨ ur newtonsche Medien τij wie folgt eingef¨ wird: τij = −µ
∂Uj ∂Ui + ∂xi ∂xj
∂Uk 2 + δij µ 3 ∂xk =0 wegen ρ=const
(13.1)
390
13 Str¨ omungen inkompressibler Fluide
Kontinuit¨ atsgleichung:
∂U1 ∂U2 ∂U3 + + =0 ∂x1 ∂x2 ∂x3
(13.2)
Impulsgleichungen: x1 -Komponente: 2 ∂ U1 ∂U1 ∂U1 ∂U1 ∂U1 ∂ 2 U1 ∂ 2 U1 ∂P + U1 + U2 + U3 +µ + + =− ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x3 ∂x1 ∂x21 ∂x22 ∂x23 +ρg1 (13.3) x2 -Komponente: 2 ∂U2 ∂ U2 ∂U2 ∂U2 ∂U2 ∂ 2 U2 ∂ 2 U2 ∂P ρ + U1 + U2 + U3 +µ + + =− ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x3 ∂x2 ∂x21 ∂x22 ∂x23 +ρg2 (13.4) x3 -Komponente: 2 ∂U3 ∂ U3 ∂U3 ∂U3 ∂U3 ∂ 2 U3 ∂ 2 U3 ∂P + U1 ρ + U2 + U3 +µ + + =− ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x3 ∂x3 ∂x21 ∂x22 ∂x23 +ρg3 (13.5)
ρ
Ebene Str¨ omungen Als weitere Vereinfachung wird in den nachfolgenden Betrachtungen die Zweidimensionalit¨ at des Str¨ omungsfeldes vorausgesetzt, d.h. es gilt f¨ ur alle Gr¨oßen der Geschwindigkeits- und Druckfelder [∂(· · · )/∂x3 ] = 0. Des Weiteren wird angenommen, dass in die x3 −Richtung keine Str¨omungskomponente vorliegt bzw. dass es stets m¨ oglich ist, ein Koordinatensystem so einzuf¨ uhren, dass nur in den Richtungen der zwei Koordinatenachsen x1 und x2 Geschwindigkeitskomponenten auftreten. Somit erh¨ alt man die Endgleichungen f¨ ur zweidimensionale Str¨ omungsprobleme, die bei den nachfolgenden analytischen L¨osungen Anwendung finden: ∂U2 ∂U1 + =0 (13.6) ∂x1 ∂x2 2 ∂ U1 ∂U1 ∂U1 ∂U1 ∂U1 ∂P + U1 + U2 +µ + (13.7) =− + ρg1 ρ ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x1 ∂x21 ∂x22 2 ∂U2 ∂ U2 ∂U2 ∂U2 ∂U2 ∂P + U1 ρ + U2 +µ + (13.8) =− + ρg2 ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x2 ∂x21 ∂x22 Die oben angegebenen Gleichungen werden in den nachfolgenden Abschnitten angewandt, um Str¨ omungsvorg¨ ange analytisch zu berechnen. Dabei wird angenommen, dass die str¨ omungsverursachenden Wirkungen bekannt sind und dass diese die f¨ ur die oben angegebene vereinfachte Form der Grundgleichungen getroffenen Annahmen erf¨ ullen.
13.1 Allgemeine Betrachtungen
391
Weitere Einschr¨ ankungen, die hinsichtlich der nachfolgend behandelten Str¨ omungsprobleme vorgenommen werden, sind in Bezug auf die Randbedingungen zu erw¨ ahnen. Es wird angenommen, dass diese Randbedingungen bekannt sind und die Bedingung der Stationarit¨at erf¨ ullen, d.h. zeitliche ¨ Anderungen treten nicht auf. Aufgrund einer weiteren Einschr¨ankung werden nachfolgend nur L¨ osungen der oben angegebenen Gleichungen aufgef¨ uhrt, die laminar sind. Die in der Praxis auf Str¨ omungen einwirkenden St¨orungen stellen, im allgemeinen, zeitlich abh¨ angige Randbedingungen dar, die zudem als unbekannt angesehen werden m¨ ussen. Ihre Auswirkungen auf Str¨omungen werden somit in den nachfolgenden Betrachtungen dieses Abschnitts nicht erfasst. Zylinderf¨ ormige Str¨ omungen F¨ ur eine Vielzahl von Str¨ omungsproblemen liegen Randbedingungen vor, die von axialsymmetrischen Str¨ omungsgeometrien herr¨ uhren und die einfacher in L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen eingebracht werden k¨ onnen, wenn diese Gleichungen in Zylinderkoordinaten angegeben werden. In diesen Koordinaten lauten die Gleichungen f¨ ur ρ =const und µ = const: Kontinuit¨ atsgleichung: 1 ∂ ∂ρ 1 ∂ ∂ +ρ (rUr ) + (Uϕ ) + (Uz ) = 0 ∂t r ∂r r ∂ϕ ∂z
(13.9)
Impulsgleichungen: r−Komponente / . Uϕ2 Uϕ ∂Ur ∂Ur ∂Ur ∂Ur + Ur + − + Uz = (13.10) ρ ∂t ∂r r ∂ϕ r ∂z ∂ 1 ∂(rUr ) ∂P ∂ 2 Ur 2 ∂Uϕ 1 ∂ 2 Ur − +µ + − 2 + ρgr + 2 ∂r ∂r r ∂r r ∂ϕ2 r ∂ϕ ∂z 2 ϕ−Komponente ∂Uϕ Uϕ ∂Uϕ Ur Uϕ ∂Uϕ ∂Uϕ + Ur + + + Uz ρ = (13.11) ∂t ∂r r ∂ϕ r ∂z ∂ 1 ∂(rUϕ ) ∂ 2 Uϕ 2 ∂Ur 1 ∂P 1 ∂ 2 Uϕ +µ + + 2 + ρgϕ − + 2 r ∂ϕ ∂r r ∂r r ∂ϕ2 r ∂ϕ ∂z 2 z−Komponente
392
13 Str¨ omungen inkompressibler Fluide
Uϕ ∂Uz ∂Uz ∂Uz ∂Uz + Ur + + Uz ρ = ∂t ∂r r ∂ϕ ∂z 1 ∂ ∂ 2 Uz ∂Uz 1 ∂ 2 Uz ∂P +µ + + ρgz r + 2 − ∂z r ∂r ∂r r ∂ϕ2 ∂z 2
(13.12)
Setzt man Axialsymmetrie voraus, d.h. ∂(· · · )/∂ϕ = 0 und nimmt des weiteren an, dass Uϕ = 0 gilt, d.h. die betrachteten Str¨omungen keine Drallkomponente besitzen, so erh¨ alt man f¨ ur station¨ are, inkompressible Str¨omungen (ρ = const) newtonscher Medien (µ = const) die folgenden Endgleichungen: 1 ∂(rUr ) ∂Uz + =0 (13.13) r ∂r ∂z ∂ 1 ∂(rUr ) ∂Ur ∂Ur ∂P ∂ 2 Ur ρ Ur + Uz +µ + ρgr (13.14) =− + ∂r ∂z ∂r ∂r r ∂r ∂z 2 1 ∂ ∂Uz ∂Uz ∂P ∂Uz ∂ 2 Uz + ρgz (13.15) ρ Ur + Uz +µ =− r + ∂r ∂z ∂z r ∂r ∂r ∂z 2 Die Gleichungen k¨ onnen f¨ ur L¨ osungen von Str¨omungsproblemen f¨ ur axialsymmetrische Str¨ omungen mit Uϕ = 0 angewandt werden.
13.2 Ableitungen der Grundgleichungen fu ¨r voll entwickelte Str¨ omungen 13.2.1 Ebene Str¨ omungen Die Grundgleichungen f¨ ur station¨ are, zweidimensionale, vollentwickelte Str¨omungsvorg¨ ange lassen sich aus den in Abschnitt 13.1 aufgef¨ uhrten Gleichungen f¨ ur station¨ are, zweidimensionale Str¨ omungen inkompressibler newtonscher Medien f¨ ur vollentwickelte Str¨ omungen unter der Annahme ableiten, dass die sich einstellende Str¨ omung in x1 −Richtung folgende Beziehung erf¨ ullt ist, d.h.: ∂U1 ∂U2 = 0 und =0 (13.16) ∂x1 ∂x1 Damit reduziert sich die Kontinuit¨ atsgleichung auf: ∂U1 ∂U2 + =0 ∂x1 ∂x2
;
∂U2 = 0 und daraus folgt U2 = f (x1 ) ∂x2
(13.17)
=0
Aufgrund der Annahme einer vollentwickelten Str¨omung gilt die Beziehung (13.16) und damit folgt aus (13.17) U2 = 0 gilt f¨ ur Fluidstr¨omungen U2 = 0 U2 = const (13.18) mit impermeablen Wandungen
13.2 Ableitungen der Grundgleichungen
393
d.h. station¨ are, inkompressible und interne Str¨omungen sind unidirektional. Sie fließen nur in x1 −Richtung, d.h. es existiert nur eine U1 −Komponente des Str¨ omungsfeldes. Dies ist eine Aussage u omungsfeld, die aus der Kontinuit¨atsglei¨ ber das Str¨ chung f¨ ur Str¨ omungen gewonnen wurde, die in Str¨omungsrichtung x1 voll ” entwickelt sind“. Die Impulsgleichungen vereinfachen sich f¨ ur diese Klasse von Str¨ omungen wie folgt: x1 −Richtung: x2 −Richtung:
∂ 2 U1 ∂P +µ + ρg1 . ∂x1 ∂x2 2 ∂P 0=− + ρg2 . ∂x2
0=−
(13.19) (13.20)
Aus der zweiten Gleichung erh¨ alt man als allgemeine L¨osung f¨ ur das Druckfeld: P = ρg2 x2 + Π(x1 ). (13.21) Das Druckfeld P (x1 , x2 ) umfasst eine beliebige Druckfunktion Π(x1 ), die entlang von x1 aufgepr¨ agt werden kann. Dieses Aufpr¨agen“ erfolgt in u ¨ bli” cher Weise mit Pumpen und Gebl¨ asen. F¨ uhrt man diese allgemeine Druckbealt man unter Ber¨ ucksichtigung ziehung in die x1 −Impulsgleichung ein, so erh¨ von U1 (x2 ): d2 U1 dΠ +µ + ρg1 (13.22) 0=− dx1 dx2 2 d.h. eine Differentialgleichung f¨ ur das unbekannte Str¨omungsfeld U1 (x2 ). Dies ist die Grundgleichung, die f¨ ur inkompressible, station¨are und eindimensionale, d.h. vollentwickelte Str¨ omungen g¨ ultig ist, falls das Str¨omungsmedium newtonsche Eigenschaften besitzt, als inkompressibel angesehen werden und die Viskosit¨ at als konstant gelten kann. Physikalisch l¨asst sich die Gleichung dahingehend interpretieren, dass der extern in x1 −Richtung aufgepr¨ agte Druckgradient durch Viskosit¨ ats- und Massenkr¨afte des Str¨omungsfeldes abgebaut wird: d2 U1 dΠ =µ + ρg1 (13.23) dx1 dx2 2 Hierbei ist wichtig, dass der Druckgradient nach Gleichung (13.21) einen beliebig extern aufgepr¨ agten Wert annehmen kann, der f¨ ur die hier behandelten Str¨ omungsprobleme nur von x1 abh¨ angen darf. Betrachtet man jedoch (13.23) und l¨ asst nur konstante Massenkr¨ afte zu, d.h. g1 = const, so ist die rechte Seite der Gleichung (13.23) nur eine Funktion von x2 . Π1 darf aber nach Gleiangen. Damit nimmt der Druckgradient in die chung (13.21) nur von x1 abh¨ x1 −Richtung bei station¨ aren, inkompressiblen und ein-dimensionalen Str¨omungen einen konstanten Wert an.
394
13 Str¨ omungen inkompressibler Fluide
13.2.2 Zylinderf¨ ormige Str¨ omungen Analog zu den oben erfolgten Ableitungen f¨ ur ebene Str¨omungen, lassen sich die Ableitungen der Grundgleichungen f¨ ur station¨are, eindimensionale Str¨ omungen auch f¨ ur axialsymmetrische Str¨ omungsf¨alle durchf¨ uhren. Dazu wird angenommen, dass in z−Richtung die Str¨omung voll entwickelt ist, d.h. alle Ableitungen der Geschwindigkeitskomponenten in z−Richtung sind Null, wie nachfolgend aufgef¨ uhrt: ∂Ur = 0, ∂z
∂Uz =0 ∂z
(13.24)
Mit diesen Annahmen erh¨ alt man aus der Kontinuit¨atsgleichung: ∂ (rUr ) = 0 ; ρrUr = const ∂r
(13.25)
und wegen der Annahme von f¨ ur das Fluid impermeablen W¨anden, siehe (13.18), erh¨ alt man: f¨ ur das Vorliegen von inpermeablen Wandungen Ur = 0 (13.26) f¨ ur die betrachtete Fluidstr¨omung und damit die Impulsgleichungen: ∂P + ρgz 0=− ∂z 1 ∂ ∂P ∂Uz +µ 0=− r + ρgz ∂z r ∂r ∂r
(13.27) (13.28)
oder durch Integration von P (r, z) = ρgz r + Π(z),
d.h.
dΠ ∂P = ∂z dz
(13.29)
Damit ergibt sich: 1 ∂ dΠ ∂Uz +µ 0=− r + ρgz dz r ∂r ∂r
(13.30)
Diese letzte Gleichung stellt die Bestimmungsgleichung f¨ ur das Geschwindigkeitsfeld dar, die es bei L¨ osungen eindimensionaler (vollentwickelter) Str¨ omungsprobleme in axialsymmetrischen Geometrien anzuwenden gilt. Wiederum ist dΠ/dz = const f¨ ur die Str¨ omungen, die in diesem Kapitel behandelt werden
13.3 Ebene Couette Str¨ omung
395
13.3 Ebene Couette Str¨ omung In der chemischen Verfahrenstechnik werden oftmals Beschichtungen von Blechen, Folien, Platten etc. mit Anlagen vorgenommen, die sich stark idealisiert, wie in Abb. 13.1 angegeben, darstellen lassen. Diese Abbildung zeigt, dass das einer Vorkammer zugef¨ uhrte Beschichtungsmaterial, durch das zu beschichtende, bewegte Substrat“ einem Spalt zugef¨ uhrt wird, an dessen Ende ” sich eine Auslaufkammer anschließt. Hier wird die Beschichtungsst¨arke durch zwei beidseitig angebrachte Wandungen“ auf den erforderlichen Endwert ge” bracht. Das abgestreifte Beschichtungsmaterial wird in der Auslaufkammer gesammelt und u uhrsystem f¨ ur das Be¨ber eine Abflussleitung in das Zuf¨ schichtungsmaterial zur¨ uckgeleitet. A u s la u fk a m m e r
V o rk a m m e r
z u b e s c h ic h te n d e s M a te ria l
D
A u fg e b ra c h te S c h ic h t
L
2 d
C o u e tte -S trö m u n g
A b s tre ife r
e rfo rd e rlic h e s B e s c h ic h tu n g s flu id
Q a
Q z
A b flu ß a n R e s tm a te ria l
Abbildung 13.1: Schematische Darstellung einer Beschichtungsanlage
Die sich in den Spalten zwischen der Vorkammer und der Auslaufkammer, nach einer gewissen Anlaufstrecke, einstellende Str¨omung, wird als CouetteStr¨ omung bezeichnet. Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass keine Druckgradienten zum Antrieb“ der Str¨ omung aufgewendet werden, d.h. f¨ ur die Couette ” Str¨ omung gilt: d2 U1 dΠ = 0 und somit 0 = µ + ρg1 dx1 dx2 2
(13.31)
Des Weiteren wirken, bei horizontaler Str¨ omungsrichtung im Schwerefeld der Erde, keine Massenkr¨ afte, welche die Str¨ omung antreiben“ k¨onnten, da die ” ur x1 −Richtung senkrecht zur Richtung der Erdbeschleunigung liegt, d.h. f¨ die Couette Str¨ omung in Abb. 13.1 gilt: g1 = 0
(13.32)
Damit reduziert sich die im Abschnitt 13.2 aufgef¨ uhrte Grundgleichung f¨ ur ebene Str¨ omungen wie untenstehend angegeben: −
d2 U1 dΠ +µ + ρg1 = 0 dx1 dx22 =0 =0
=⇒
∂ 2 U1 = 0. ∂x2 2
(13.33)
396
13 Str¨ omungen inkompressibler Fluide
x
G e s c h w in d ig k e its p ro fil 2
D
x
U 1
0
Abbildung 13.2: Grundgeometrie des oberen Spaltes in der in Abb. 13.1 angegebenen Beschichtungsanlage (Breite des Spaltes in x3 −Richtung ist B)
Aus der sich ergebenden Bestimmungsgleichung f¨ ur U1 ist ersichtlich, dass das im Spalt sich einstellende Geschwindigkeitsprofil U1 (x2 ) unabh¨angig von der Viskosit¨ at ist. Damit ist auch die ben¨ otigte Menge an Beschichtungsmaterial unabh¨ angig von der Viskosit¨ at des Beschichtungsmediums; eine Eigenschaft, die f¨ ur Beschichtungsanlagen oftmals als w¨ unschenswert angesehen wird. Die Anlagen werden damit f¨ ur alle Fluideigenschaften gleich nutzbar und f¨ uhren zu Schichten, die unabh¨ angig von den Fluideigenschaften sind. Ber¨ ucksichtigt man, dass f¨ ur die getroffenen Voraussetzungen die Geschwindigkeit U1 nur noch von der Koordinate x2 abh¨angen kann, so l¨asst sich die Endgleichung wie folgt schreiben: d2 U1 =0 dx2 2
;
U1 = C1 x2 + C2 .
(13.34)
F¨ ur die durch den Betrieb der Beschichtungsanlage gegebenen Randbedingungen ergeben sich die Integrationskonstanten C1 und C2 wie folgt: x2 = 0 : U1 = U0 = C1 0 + C2 ; C2 = U0 x2 = D : U1 = 0 = C1 D + C2 ; C1 = −U0 /D
(13.35)
Damit ergibt sich f¨ ur das Geschwindigkeitsprofil U1 =
U0 (D − x2 ) D
f¨ ur
0 ≤ x2 ≤ D.
(13.36)
Die erforderliche Menge (Volumen) Beschichtungsmaterial, die pro Zeiteinheit zugef¨ uhrt werden muss, ergibt sich durch Integration u ¨ ber den Gesamtspalt mit der Breite B in x3 −Richtung, d.h. u ¨ ber beide Spalt¨offnungen oben und unten. F¨ ur die Anlage in Abb. 13.1 ergibt sich das zu beschichtende Material.
13.4 Ebene Str¨ omung zwischen Platten
D "D U0 B 1 U1 dx2 = 2 Dx2 − x22 D 2 0 0 U0 B 1 2 =2 D D 2
Q˙ ges = 2Q˙ = 2B
397
(13.37)
(13.38)
oder als Endbeziehung:
1 Q˙ = BU0 D. 2 Die im Spalt auf das Band ausge¨ ubte Kraft betr¨agt: K = BLτw = −BLµ
dU1 U0 = BLµ . dx2 D
(13.39)
(13.40)
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass sich die Couette Str¨omung dadurch auszeichnet, dass im gesamten Str¨ omungsfeld der selbe molekularbedingte Impulstransport erfolgt. Sie wird aus diesem Grunde oftmals als Str¨ omung f¨ ur Grundlagenuntersuchungen angestrebt, um experimentell den Einfluss der Schubspannungen“ auf Fluideigenschaften nichtnewtonscher ” Medien zu untersuchen.
13.4 Ebene Str¨ omung zwischen Platten Im Abschnitt 13.2 wurde die allgemein g¨ ultige Grundgleichung f¨ ur eine inkompressible (ρ = const), station¨ are und eindimensionale (vollentwickelte) Str¨ omung eines newtonschen Mediums mit konstanter Viskosit¨at (µ = const) abgeleitet. Diese Gleichung dΠ d2 U1 =µ + ρg1 dx1 dx2 2
(13.41)
gilt auch f¨ ur die Str¨ omung zwischen zwei ebenen, unendlich ausgedehnten Platten, wie sie in Abb. 13.3 angedeutet sind. Diese Abbildung zeigt zwei Platten, die in den Abst¨anden x2 = +D und x2 = −D mit Ebenen x3 =const angebracht sind. Die Str¨omung erfolgt zwischen diesen beiden Platten und die Str¨ omungsgeschwindigkeit ist an den Plattenoberfl¨ achen gleich Null (Haftbedingungen). W¨ ahlt man x1 senkrecht zum auftretenden Schwerefeld, so reduziert sich die Gleichung (13.41) auf die folgende Formel: dΠ d2 U1 =µ dx1 dx2 2
(13.42)
Diese Beziehung bringt zum Ausdruck, dass die sich zwischen den Platten einstellende Str¨ omung durch einen aufgepr¨ agten Druckgradienten hervorgerufen, d. h. angetrieben wird. Druck- und Viskosit¨atskr¨afte halten sich an einem Fluidelement das Gleichgewicht.
13 Str¨ omungen inkompressibler Fluide
x
.
2
x 1
2 D
398
Abbildung 13.3: Str¨ omung zwischen zwei ebenen Platten
Da die Druckverteilung dΠ/dx1 nur eine Funktion von x1 sein kann, siehe Abschnitt 13.2, und die rechte Seite der obigen Gleichung nur von x2 abh¨angt, d.h. U1 (x2 ), muss ( dΠ/ dx1 ) konstant sein. Es liegt somit eine einfache lineare Differentialgleichung zweiter Ordnung vor, die es f¨ ur die Plattenstr¨omung zu l¨ osen gilt. Durch einmalige Integration erh¨ alt man: 1 dΠ dU1 = (13.43) x2 + C1 . dx2 µ dx1 Diese Differentialgleichung hat als allgemeine L¨osung: 1 dΠ x22 + C1 x2 + C2 . U1 = 2µ dx1 Durch die unten angegebenen Randbedingungen: 1 dΠ D2 + C1 D + C2 , x2 = +D −→ U1 = 0 = 2µ dx1 1 dΠ x2 = −D −→ U1 = 0 = D2 − C1 D + C2 , 2µ dx1 erh¨ alt man die Werte f¨ ur die Integrationskonstanten: 1 dΠ C1 = 0 und C2 = − D2 , 2µ dx1
(13.44)
(13.45) (13.46)
(13.47)
und damit die L¨ osung f¨ ur die Geschwindigkeitsverteilung zwischen den Platten: x 2 1 dΠ 2 2 D 1− f¨ ur − D ≤ x ≤ D. (13.48) U1 = − 2µ dx1 D
13.4 Ebene Str¨ omung zwischen Platten
399
Diese Beziehung f¨ ur die Str¨ omungsgeschwindigkeit U1 bringt zum Ausdruck, dass das Geschwindigkeitsprofil zwischen den Platten eine Parabel darstellt. Das Geschwindigkeitsmaximum liegt in der Kanalmitte. An den Plattenoberfl¨ achen ist die Geschwindigkeit Null. 1 2 U1 ist positiv. Da | x2 |≤ D gilt, ist 1 − (x2 /D)2 stets positiv. Jedoch ist der Druckgradient in x1 −Richtung fallend, d.h. negativ, so dass die Geschwindigkeit U1 in x1 -Richtung, nach Gleichung (13.48), positiv ist. Geht man davon aus, dass die Platten in x3 −Richtung die Breite B haben, so l¨asst sich der Volumendurchsatz pro Zeiteinheit wie folgt berechnen: Q˙ = 2B
D "D 1 3 2B dΠ 2 x − D x2 . U1 dx2 = 2µ dx1 3 2 0
(13.49)
0
˜: Damit ergibt sich f¨ ur den Durchfluss Q˙ und die mittlere Geschwindigkeit U Q˙ 1 dΠ B dΠ 2 3 ˜ ˙ D =− −→ U = (13.50) Q=− D2 µ dx1 3 2DB 3µ dx1 F¨ ur Umax gilt: Umax = U (x2 = 0) = −
1 2µ
dΠ dx1
D2
;
˜ = 2 Umax U 3
˙ Aus Q˙ erh¨ alt man zudem: dΠ = ∆P = 3µQ dx1 ∆L 2BD3
(13.51)
(13.52)
Daraus ist ersichtlich, dass der pro L¨ angeneinheit erfolgende Druckabfall direkt proportional zur dynamischen Viskosit¨ at und zum Volumendurchsatz ist und umgekehrt proportional der dritten Potenz der halben Kanalh¨ohe. Die Kraftwirkung auf die Platte infolge molek¨ ulbedingten Impulseintrags ergibt sich aus dem Produkt der Schubspannung an der Wand“ τw und der ” benutzten Fl¨ ache dU1 (13.53) τw = −µ dx2 x2 =xw dΠ dU1 1 dΠ = (x2 )w ; (x2 )w = D; τw = − D. (13.54) dx2 w µ dx1 dx1 Auf die Platte mit der L¨ ange L und der Breite B wirkt die Kraft dΠ DLB. K = τw F = dx1
(13.55)
Als eine weitere Gr¨ oße, die in der Str¨ omungsmechanik h¨aufig Anwendung findet, ist der Reibungskoeffizient der Str¨ omung zu berechnen, der wie folgt definiert ist:
400
13 Str¨ omungen inkompressibler Fluide
τw ρ ˜2 2U
cf =
Mit τw =
dΠ dx1
=
µ 2
τ 2D w ˜ 2D U µ/ρ
D,
˜= und U
erh¨ alt man cf =
12 Re
mit
˜ U
=
1 4Dτw . ˜ Re µU
(13.56)
1 dΠ Q˙ = D2 2DB 3µ dx1
(13.57)
˜ U2D . ν
(13.58)
Re =
Tr¨ agt man den Reibungskoeffizienten u ¨ber der Reynoldszahl in einem Diagramm mit doppellogarithmischen Skalen auf, so erh¨alt man eine Gerade mit der Steigung -1.
13.5 Ebene Filmstr¨ omung auf geneigter Platte In diesem Abschnitt sollen Str¨ omungen betrachtet werden, die man im allgemeinen als Filmstr¨ omungen bezeichnet und die in vielen Bereichen des Chemie-Ingenieur-Wesens auftreten. Solche Str¨omungen k¨onnen u ¨beraus komplex sein, wenn die Str¨ omungsberandungen Unregelm¨assigkeiten bzw. ¨ Welligkeiten aufweisen. Zur Vereinfachung der hier durchzuf¨ uhrenden Uberlegungen, werden nur glatte Oberfl¨ achen betrachtet. Zudem werden die Betrachtungen wiederum nur f¨ ur inkompressible Medien mit konstanter Viskosit¨ at durchgef¨ uhrt. Des Weiteren werden in die Ableitungen die Annahmen der Zweidimensionalit¨ at der Str¨ omung eingef¨ uhrt und diese durch die Voraussetzung vollentwickelter Filmstr¨ omungen auf Eindimensionalit¨at der Str¨ omung erweitert, so dass als str¨ omungsmechanische Grundgleichung gilt: dΠ d2 U1 + ρg1 . (13.59) 0=− +µ dx1 dx2 2 In den unten angegebenen Beispielen wird die Filmbewegung von den in Str¨ omungsrichtung auftretenden Massenkr¨ aften angetrieben und nicht, wie im Fall der Plattenstr¨ omung, von einem extern aufgepr¨agten Druckgradienten, d.h. f¨ ur die Filmstr¨ omung gilt: dΠ = 0, dx1
(13.60)
so dass sich die folgende einfache Grundgleichung f¨ ur diese Str¨omungen ergibt: d2 U1 + ρg1 = 0 (13.61) µ dx2 2 Bei Filmstr¨ omungen, die durch Massenkr¨ afte auf das Fluid verursacht werden, halten sich Massen- und Viskosit¨ atskr¨afte an einem Fluidelement
13.5 Ebene Filmstr¨ omung auf geneigter Platte
x
401
U
2
x1
F ilm o b e rflä c h e
1
g
1
= g c o s b
N e ig u n g s w in k e l
d
b
g
P la tte n o b e rflä c h e
Abbildung 13.4: Schematische Darstellung eines Fl¨ ussigkeitsfilms auf einer ebenen, schr¨ agstehenden Wand
das Gleichgewicht. Die schematische Darstellung in Abb. 13.4 zeigt eine Filmstr¨ omung, die untenstehend behandelt wird. Als Beispiel f¨ ur Filmstr¨ omungen, die in der Praxis des Chemieingenieurwesens auftreten, seien an dieser Stelle diverse Beschichtungsverfahren genannt, die in der Industrie Anwendung finden, um photographisches Papier und Folien aller Art zu beschichten. G¨ angige Beschichtungsverfahren sind in den Abb. 13.5 und 13.6 schematisch dargestellt. Diese Darstellungen zeigen, dass die u ¨blichen Beschichtungsverfahren dadurch gekennzeichnet sind, dass das zur Beschichtung verwendete Material in Fl¨ ussigkeitsfilmen zugef¨ uhrt wird. Der in den Filmen zugef¨ uhrte Fluidvolumenstrom wird, bei vorgegebener Geometrie der Begießungsapparatur, allein durch den zugef¨ uhrten Volumenstrom kontrolliert. Damit kontrolliert der zugef¨ uhrte Volumenstrom Q˙ die Filmdicke δ und u ¨ ber diese auch die Geschwindigkeitsverteilung im Film. Zur Auslegung von den in den Abb. 13.5 und 13.6 schematisch dargestell˙ zu kennen. ten Beschichtungsanlagen ist es wichtig, den Zusammenhang δ(Q) Dieser l¨ asst sich durch L¨ osung der obigen Differentialgleichung f¨ ur die Randbedingungen der Filmstr¨ omung ermitteln. Dar¨ uberhinaus gibt die L¨osung auch Details des Geschwindigkeitsfeldes wieder, das im Fl¨ ussigkeitsfilm vorherrscht. In der in Abb. 13.7 dargestellten einfachen Beschichtungsanlage wird das Beschichtungsmaterial durch eine Spalt¨ offnung auf eine ebene schr¨agstehende Fl¨ ache aufgebracht, wo sich, infolge der Gravitation, eine Filmstr¨omung ausbildet. Der nach unten str¨ omende Film wird an das zu beschichtende Material heran gebracht, das u ussigkeitsfilm aufnimmt. ¨ ber Rollen bewegt, den Fl¨
402
13 Str¨ omungen inkompressibler Fluide
E in s c h ic h te n g ie ß e r B e s c h ic h tu n g s film
F ü h ru n g s ro lle
d
T e m p e rie ru n g s k a n ä le Ü b e rla u f
z u b e s c h ic h te n d e s M a te ria l S p e rrv a k u u m
Abbildung 13.5: Schematische Darstellung einer Filmbeschichtungsanlage f¨ ur eine Einzelschicht
D re is c h ic h te n g ie ß e r (M itte n s c h n itt) z u b e s c h ic h te n d e s M a te ria l
B a h n d d ¥x
G ie ß w a lz e
T e m p e rie ru n g s k a n ä le Ü b e rla u f S p e rrv a k u u m Abbildung 13.6: Schematische Darstellung einer Filmbeschichtungsanlage f¨ ur mehrere Schichten
In den dargestellten Beschichtungsanlagen bilden sich, nach Austritt auf die dargestellte schiefe Ebene, durch die Erdbeschleunigung angetriebene Fl¨ ussigkeitsfilme aus, die analytisch erfasst werden k¨onnen. Nach einer kurzen Anlaufstrecke liegen die Voraussetzungen f¨ ur eine station¨are, vollentwickelte Filmstr¨ omung vor. Die in x1 −Richtung wirkende Komponente der Schwerkraft betr¨ agt:
13.5 Ebene Filmstr¨ omung auf geneigter Platte
403
F lü s s ig k e its film
d
F ilm -V o rh a n g
a u fg e b ra c h te B e s c h ic h tu n g
U 0
Abbildung 13.7: Film-Vorhang-Beschichtungsverfahren
g1 = g cos β
(13.62)
Somit lautet die das Str¨ omungsfeld beschreibende Differentialgleichung: ρg cos β d2 U1 . =− dx2 2 µ
(13.63)
Durch eine einmalige Integration erh¨ alt man aus der obigen Differentialgleichung: dU1 ρg cos β x2 + C1 =− (13.64) dx2 µ und durch nochmalige Integration ergibt sich die Endbeziehung f¨ ur die Geschwindigkeitsverteilung im Film: ρg cos β 2 x2 + C1 x2 + C2 . (13.65) U1 = − 2µ Als Randbedingung stehen zur Verf¨ ugung, siehe Abb. 13.4: x2 = 0 :
dU1 = 0, d.h. C1 = 0 wegen freier Oberfl¨ache, dx x2 = −δ :
U1 = 0,
d.h. C2 =
ρg cos β 2 δ 2µ
Damit ergibt sich f¨ ur die Geschwindigkeitsverteilung im Film: x 2 ρg cos βδ 2 2 U1 = . 1− 2µ δ
(13.66) (13.67)
(13.68)
Diese Gleichung beschreibt das f¨ ur Filmstr¨ omungen charakteristische parabolische Geschwindigkeitsprofil mit der maximalen Geschwindigkeit an der
404
13 Str¨ omungen inkompressibler Fluide
Filmoberfl¨ ache, d.h. f¨ ur das in Abb. 13.4 gew¨ahlte Koordinatensystem, an der Stelle x2 = 0. Liegt das Geschwindigkeitsprofil im Fl¨ ussigkeitsfilm fest, so l¨asst sich der Volumenstrom Q˙ durch folgende Integration berechnen, wobei B die Breite der Filmebene darstellt: "0 x 2 ρg cos βδ 2 2 U1 dx2 = B 1− dx2 , 2µ δ −δ 0 −δ ρg cos βδ 2 1 Q˙ = B x2 − 2 x32 2µ 3δ −δ "0
Q˙ = B
Daraus errechnet sich:
(13.69) (13.70)
3
ρg cos βδ . Q˙ = B 3µ
(13.71)
Der in einem Fl¨ ussigkeitsfilm fließende Volumenstrom ist umgekehrt proportional der dynamischen Viskosit¨ at und direkt proportional der dritten Potenz der Filmdicke. Die mittlere Geschwindigkeit ergibt sich als: 2 ˙ ˜ = Q = ρg cos βδ . U Bδ 3µ
(13.72)
Ist die auf die Filmauflagefl¨ ache in x1 −Richtung wirkende Kraft von Interesse, so l¨ asst sich diese f¨ ur eine Fl¨ ache mit den Dimensionen L und B, wie folgt berechnen: dU1 LB = −δLBρg cos β. (13.73) K1 = τB LB = −µ dx2 x2 =−δ Dies entspricht im Betrag der in x1 −Richtung wirkenden Komponente der Gewichtskraft des Gesamtfilms. Dieses Endergebnis bringt zum Ausdruck, dass der Film als Ganzes an der Platte haftet und von ihr getragen wird“. ” Im Zusammenhang mit der Bewegung des ebenen Fl¨ ussigkeitsfilms soll die Energiedissipation in viskosen Medien etwas n¨aheren Betrachtungen unterzogen werden. In einem Fl¨ ussigkeitsfilm, wie er in Abb. 13.4 schematisch dargestellt ist, wird ein Fluidvolumen (LBdx2 ) mit der Masse (ρLBdx2 ) in der Zeiteinheit um die Strecke U1 cos β in Richtung der Erdbeschleunigung gesenkt. Dadurch wird folgende potentielle Leistung“ (potentielle Energie ” pro Zeiteinheit) frei: dE˙ pot = ρLBdx2 U1 cos βg.
(13.74)
F¨ ur den gesamten Fl¨ ussigkeitsfilm ergibt sich: "0 E˙ pot =
ρLB −δ
x 2 ρg cos βδ 2 2 cos βgdx2 , 1− 2µ δ
(13.75)
13.6 Axialsymmetrische Filmstr¨ omung
0 ρ2 g 2 cos2 βδ 2 x3 E˙ pot = LB , x2 − 22 2µ 3δ −δ ρ2 g 2 cos2 βδ 3 E˙ pot = LB . 3µ
405
(13.76) (13.77)
Diese pro Zeiteinheit durch die Schwerkraft entlang der Strecke L freiwerdende Energie dissipiert infolge der Viskosit¨ at des Str¨omungsmediums. Die auf die Zeiteinheit und Volumeneinheit bezogene dissipierende Energie Ediss betr¨ agt f¨ ur eine Fl¨ ussigkeitsschicht mit der Dicke 1: dEdiss =µ dV
dU1 dx2
2
1 = ρ2 g 2 cos2 βx22 . µ
(13.78)
Die f¨ ur das betrachtete Volumen dissipierte Energie pro Zeiteinheit errechnet sich durch Integration "0 ρ2 g 2 cos2 β E˙ diss = LB x22 dx2 , (13.79) µ −δ
E˙ diss
ρ2 g 2 cos2 β 3 δ . = −LB 3µ
(13.80)
Es gilt somit E˙ pot + E˙ diss = 0, d.h. die gesamte umgesetzte potentielle Energie des fallenden Films wird infolge der Viskosit¨at dissipiert, d.h. in W¨arme u uhrt. Aufgrund der im allgemeinen sehr hohen W¨armekapazit¨at von ¨ bergef¨ Fl¨ ussigkeiten bedeutet dies, z.B. f¨ ur Wasser, nur eine sehr geringe Steigerung der Fl¨ ussigkeitstemperatur.
13.6 Axialsymmetrische Filmstr¨ omung Neben der in Kapitel 13.5 beschriebenen ebenen Filmstr¨omung interessieren in Gebieten wie dem Chemie-Ingenieur-Wesen auch Fl¨ ussigkeitsfilme, die sich an axialsymmetrischen Fl¨ achen ausbilden. Als ein Beispiel ist in Abb. 13.8 ein Film skizziert, der an der Außenseite eines zylindrischen K¨orpers abl¨ auft. Der f¨ ur den station¨ aren Fl¨ ussigkeitsfilm erforderliche Volumenstrom wird im Innenraum des zylinderf¨ ormigen K¨ orpers nach oben gef¨ordert, l¨auft an der Oberkante nach außen und bildet dort, nach einer kurzen Anlaufstrecke, einen axialsymmetrischen, station¨ aren, in Str¨omungsrichtungen vollentwickelten Fl¨ ussigkeitsfilm. Das pro Zeiteinheit in dem Rieselfilm ablaufende Volumen entspricht dem im Zylinderinnenraum nach oben gef¨orderten Volumenstrom. Anlagen, wie sie in Abb. 13.8 schematisch angedeutet sind, werden im Chemieingenieurwesen oftmals zur Fl¨ ussigkeitsbegasung angewandt. Der nach unten laufende Fl¨ ussigkeitsfilm besitzt eine große Oberfl¨ache, die mit
406
13 Str¨ omungen inkompressibler Fluide
R
fe s te W a n d r z
Q
. U z = 0 d U z = 0 d r
F ilm d ic k e d
D ie R a n d b e d in g u n g e n la u te n :
L u fts tro m
. Q
r = R r = R + d
d
z u g e fü h rte r F lü s s ig k e its s tro m a )
fe s te W a n d
: U z = 0 : d U z = 0 d r
b )
Abbildung 13.8: a) Fallender Film an Außenwand eines Zylinders; b) Wichtige Gr¨ oßen zur L¨ osung der Differentialgleichung f¨ ur die Geschwindigkeit des Fl¨ ussigkeitsfilms
¨ einem einzubringenden Gas in Ber¨ uhrung steht. Uber die gesamte Kontaktfl¨ ache von Fl¨ ussigkeit und Gas findet die Begasung statt, bis der gesamte Fl¨ ussigkeitsfilm ges¨ attigt ist. Nachdem der Film in Abb. 13.8a eine kurze Anlaufstrecke durchlaufen hat, erreicht er einen vollentwickelten Zustand, d.h. die str¨ omungsmechanischen Vorg¨ ange k¨ onnen durch die folgende Differentialgleichung f¨ ur eindimensionale, axialsymmetrische Str¨omungen von Fluiden mit konstanter Dichte und konstanter Viskosit¨at beschrieben werden: 1 d dUz dΠ (13.81) +µ r + ρgz = 0. − dz r dr dr Der extern aufgepr¨ agte Druckgradient (dΠ/dz) ist f¨ ur Filmstr¨omungen identisch Null, so dass mit gz = g gilt: d dUz ρg (13.82) r = − r. dr dr µ Nach einmaliger Integration erh¨ alt man: dUz ρg C1 =− r+ dr 2µ r
(13.83)
und durch weitere Integration Uz = −
ρg 2 r + C1 ln r + C2 . 4µ
(13.84)
13.6 Axialsymmetrische Filmstr¨ omung
407
Mit den in Abb. 13.8b angegebenen Randbedingungen erh¨alt man: ρg 0 = − R2 + C1 ln R + C2 , (13.85) r = R; Uz = 0 : 4µ r = (R + δ);
dUz =0 dr
:
0=−
ρg 1 (R + δ) + C1 , 2µ (R + δ)
ρg (R + δ)2 2µ ρg ρg (R + δ)2 ln R. C2 = + R2 − 4µ 2µ Damit ergibt sich f¨ ur das Geschwindigkeitsprofil: . 2 / r 2 ρg 2 δ r R 1− Uz = +2 1+ ln . 4µ R R R C1 = +
(13.86) (13.87) (13.88)
(13.89)
Das im Film abfließende Fluidvolumen l¨ asst sich durch folgende Integration berechnen: R+δ R+δ 2 / " " . r 2 πρg δ r 2 R r dr, 2πrUz dr = +2 1+ ln 1− Q˙ = 2µ R R R R R . 2 2 /
R+δ 2 4 πρg r 1 r δ r r
Q˙ = R2 − +2 1+ . ln −
2µ 2 4R2 R 2 R 2 R (13.90) Damit ergibt sich f¨ ur Q˙ die folgende Endbeziehung: . 2 4 / πρgR4 δ δ 1 δ 3 ˙ Q= 2 1+ − + 1+ 2 ln 1 + − . 4µ R 2 R R 2 (13.91) F¨ ur die maximale Geschwindigkeit der Filmstr¨omung ergibt sich: . 2 2 / R+δ R+δ ρgR2 δ 1− +2 1+ ln (Uz )max = , (13.92) 4µ R R R . 2 / 2 δ δ ρgR2 δ δ −2 +2 1+ ln 1 + (Uz )max = − . (13.93) 4µ R R R R Abschließend sollte zu den Filmstr¨ omungen noch erw¨ahnt werden, dass diese nur f¨ ur kleine Reynoldszahlen laminar bleiben, also sich so verhalten, wie oben angegeben. Die obigen Formeln sind nur f¨ ur kleine Filmdicken und Medien mit relativ großen kinematischen Viskosit¨aten anwendbar. In Gebieten wie dem Chemieingenieurwesen treten eine Reihe von Filmstr¨omungen auf, die diese Voraussetzungen erf¨ ullen. Damit lassen sich die oben abgeleiteten Beziehungen heranziehen, um wichtige Eigenschaften von Filmstr¨omungen zu verstehen.
408
13 Str¨ omungen inkompressibler Fluide
13.7 Rohrstr¨ omung (Hagen-Poiseuillestr¨ omung) Die laminare vollentwickelte Rohrstr¨ omung stellt eine weitere wichtige Str¨ omung dar, die als station¨ are, eindimensionale Str¨omung behandelt werden kann, d.h. durch L¨ osung der Differentialgleichung: 1 d dΠ dUz +µ (13.94) − r + ρgz = 0. dz r dr dr Betrachtet man die horizontale Rohrstr¨ omung, wie sie in Abb. 13.9 angedeutet ist, so gilt, da gz = 0 ist, folgende vereinfachte Differentialgleichung: d dUz 1 dΠ r = r. (13.95) dr dr µ dz Diese Gleichung bringt wiederum zum Ausdruck, dass die durch einen externen Druckgradienten dem Fluid aufgepr¨ agten Druckkr¨afte durch Viskosit¨ atskr¨ afte im Gleichgewicht gehalten werden, so dass eine nichtbeschleunigte Str¨ omung entsteht.
r
R o h rw a n d
R z
p a ra b o lis c h e s S trö m u n g s p ro fil Abbildung 13.9: Laminare Str¨ omung in einem Rohr mit Innenradius R
Randbedingungen:
r = 0;
dUz = 0; r = R; Uz = 0 dr
Die in dem in Abb. 13.9 angedeuteten zylindrischen Rohr erfolgende Str¨ omung erfordert im ausgebildeten Zustand einen Druckgradienten ( dΠ/∂z), d.h. diese Gr¨ oße muss extern aufgebracht werden, damit es zur Ausbildung einer Rohrstr¨ omung kommt. F¨ ur diese Str¨omung erh¨alt man folgende Differentialgleichung: dUz 1 dΠ d r = r. (13.96) dr dr µ dz
13.7 Rohrstr¨ omung (Hagen-Poiseuillestr¨ omung)
Durch einmalige Integration von (13.96) ergibt sich: 1 dΠ C1 dUz = . r+ dr 2µ dz r
409
(13.97)
Durch eine zweite Integration erh¨ alt man: dπ 1 Uz = r2 + C1 ln r + C2 . 4µ dz
(13.98)
¨ Uber die Randbedingungen: r → 0;
dUz → 0 und r = R : Uz = 0 dr
lassen sich C1 und C2 bestimmen: 1 C1 = 0 und C2 = − 4µ
dπ dz
(13.99)
R2
(13.100)
Damit lautet die Gleichung f¨ ur die Geschwindigkeitsverteilung Uz (r) f¨ ur die laminare Rohrstr¨ omung: r 2 R2 dΠ Uz = − (13.101) 1− 4µ dz R Das Geschwindigkeitsprofil ist parabolisch und Uz ist positiv; das Minuszeichen ber¨ ucksichtigt das Vorliegen eines negativen Druckgradienten in zRichtung, d.h. der Druck nimmt in z-Richtung ab und in diese Richtung str¨ omt damit das Fluid. Der durch das Rohr fließende Volumenstrom (Volumen pro Zeiteinheit) l¨ asst sich wie folgt berechnen. "R πR4 dΠ Q˙ = 2πrUz dr = − (13.102) 8µ dz 0 8µQ˙ ∆p dΠ (13.103) =− = oder umgeschrieben: dz ∆z πR4 Bei einer laminaren Rohrstr¨ omung ist der Druckabfall pro L¨angeneinheit proportional der dynamischen Z¨ ahigkeit des str¨ omenden Fluids und dem Volumendurchsatz, sowie umgekehrt proportional der vierten Potenz des Rohrradiuses. F¨ ur die mittlere Geschwindigkeit ergibt sich: Q˙ R2 dΠ ˜ U= = . (13.104) πR2 8µ dz Der obige Zusammenhang zwischen dem Volumenstrom, dem Innenradius R des Rohres, der Viskosit¨ at des Str¨ omungsmediums und dem anliegenden
410
13 Str¨ omungen inkompressibler Fluide
Druckgradienten, ist als das Hagen-Poiseuillesche Gesetz bekannt. Es wurde von Hagen im Jahre 1839 und von Poiseuille im Jahre 1840/41 unabh¨angig voneinander u ¨ber experimentelle Untersuchungen gefunden. Diese experimentelle Best¨ atigung der oben abgeleiteten Beziehungen unterstreicht die G¨ ultigkeit der f¨ ur die Rohrstr¨ omung getroffenen Annahmen und dar¨ uber hinaus die G¨ ultigkeit der Navier-Stokesschen Gleichungen f¨ ur die Beschreibung von Str¨ omungsvorg¨ angen newtonscher Medien. Die f¨ ur die laminare, vollentwickelte Rohrstr¨omung auftretende Wandschubspannung errechnet sich als: dU 1 dΠ = τw = −µ R. (13.105) dr w 2 dz Der Reibungskoeffizient kann somit wie folgt angegeben werden: dΠ R(2R) τw 2τw (2R) 16 dt ) * = 2 , cf = ρ = = 2 Re R dΠ ˜ ˜ U2R U Re ˜µ U 2 8 dz ν
(13.106)
˜ 2R U 16 f¨ ur Re = . (13.107) Re ν Die Darstellung des Reibungskoeffizienten als Funktion der Reynoldszahl ergibt in einem Diagramm, mit doppellogarithmischen Achsen, eine Gerade mit der Steigung −1. Ein vertiefender Einblick in die sich in viskosen Medien abspielenden Vorg¨ ange kann noch dadurch gewonnen werden, dass man sich die bei der Rohrstr¨ omung durch die Wirkung der Fluidviskosit¨at dissipierte Energie berechnet. Aufbauend auf der allgemeinen Beziehung f¨ ur die pro Volumeneinheit in einem Newtonschen Fluid dissipierte Energie: . 2 2 2 / ∂Ur 1 ∂U ϕ ∂Uz Ur dEdiss = 2µ + + + + dV ∂r r ∂ϕ r ∂z 2 2 1 ∂Uz ∂ Uϕ 1 ∂Ur ∂Uϕ +µ µ r + + ∂r r r ∂ϕ r ∂ϕ ∂z 2 ∂Ur ∂Uz +µ . + ∂z ∂r (13.108) Beachtet man all die Vereinfachungen, die zur Ableitung der Gleichung (13.94) eingef¨ uhrt wurden, so l¨ asst sich die oben angegebene allgemeine Beziehung f¨ ur die Energiedissipation einer viskosen Rohrstr¨omung, wie folgt schreiben: 2 2 ∂Uz dUz dEdiss =µ =µ . (13.109) dV ∂r dr d.h.
cf =
13.7 Rohrstr¨ omung (Hagen-Poiseuillestr¨ omung)
411
F¨ uhrt man ein: dV = 2πr dz dr, so erh¨ alt man: dEdiss = µ
dUz dr
2 2πr dz dr.
(13.110)
F¨ ur ( dUz / dr) l¨ asst sich schreiben: 1 dUz =− dr 2µ
dΠ dz
r.
(13.111)
Damit gilt f¨ ur die pro Rohrl¨ angeneinheit dissipierte Energie: π dEdiss = dz 2µ
dΠ dz
2 r3 dr.
(13.112)
Integriert man diese Gleichung, so erh¨ alt man die pro Rohrl¨ange dz dissipierte Energie: π dEdiss = dz 2µ
dΠ dz
2 "R 2 dΠ π 3 r dr = R4 . 8µ dz
(13.113)
0
D.h., der pro L¨ angeneinheit des Rohres aufzubringende Druckgradient dient dazu, die pro L¨ angeneinheit in W¨ arme dissipierte mechanische Energie“ der ” Fluidbewegung zuzuf¨ uhren. Ber¨ ucksichtigt man πR4 dΠ Q˙ = , (13.114) 8µ dz so l¨ asst sich (13.113) schreiben: dEdiss = Q˙ dz
dΠ dz
.
(13.115)
Diese Beziehung bringt zum Ausdruck, dass der pro Rohrl¨angeneinheit aufzubringende Druckgradient der pro Rohrl¨ angeneinheit und Volumenstromeinheit dissipierten Energie entspricht: 1 dEdiss dΠ = . dz Q˙ dz
(13.116)
Die G¨ ultigkeit der oben abgeleiteten Beziehungen f¨ ur die Rohrstr¨omung ist jedoch auf laminare Str¨ omungen beschr¨ ankt, d.h. auf Reynoldszahlen, die ur Rohrstr¨omunkleiner als Rekrit liegen. Diese kritische Reynoldszahl liegt f¨ gen im Bereich von Rekrit =
˜ 2R U < 2, 3 bis 2, 5 · 103 . ν
(13.117)
412
13 Str¨ omungen inkompressibler Fluide
Ist die Reynoldszahl einer Rohrstr¨ omung gr¨ oßer als dieser kritische Wert, und werden keine besonderen Vorkehrungen getroffen, um Str¨omungsst¨orungen von der Rohrstr¨ omung fernzuhalten, so schl¨ agt die Str¨omung im Bereich der kritischen Reynoldszahl von laminar auf turbulent um. In diesem Fall liegt keine gerichtete Str¨ omung mehr vor, wie sie durch die obenstehenden Beziehungen beschrieben wurde. Die Str¨ omung im Rohr weist dann, u ¨berlagert zu einem mittleren Str¨ omungsfeld, stochastische Geschwindigkeitsfluktuationen auf, die zu einem zus¨ atzlichen Impulstransport quer zur Str¨omungsrichtung f¨ uhren. Dieser ist durch die obigen Grundgleichungen nicht erfasst. Im Kapitel 18 werden die wichtigsten Eigenschaften turbulenter RohrKanalstr¨ omungen angegeben und Hinweise auf Abweichungen von der hier behandelten laminaren Rohrstr¨ omung gegeben.
13.8 Axiale Str¨ omung zwischen zwei Zylindern Im Chemieingenieurwesen gibt es eine Vielzahl von axialsymmetrischen Apparaturen, in denen Str¨ omungen auftreten, die man als station¨are, vollentwickelte Str¨ omungen behandeln kann und die damit durch die folgende partielle Differentialgleichung beschrieben werden: 1 ∂ ∂Uz dΠ +µ (13.118) r + ρgz = 0. − dz r ∂r ∂r Randbedingungen: r = R1 : Uz = 0 r = R2 : Uz = 0
R 1
R 2
A u ß e n w a n d
In n e n w a n d
A c h se r = 0
G e s c h w in d ig k e its p ro fil
z r
m
.
Abbildung 13.10: Aufw¨ artsstr¨ omung f¨ ur einen zylinderf¨ ormigen Ringspalt
13.8 Axiale Str¨ omung zwischen zwei Zylindern
413
Als ein interessantes Beispiel soll hier die Str¨omung in einem zylinderf¨ ormigen Ringspalt behandelt werden, die in Abb. 13.10 skizziert ist. Der Ringspalt wird durch zwei axial gelegene R¨ ohren mit den Radien R1 und R2 gebildet. Zur weiteren Vereinfachung der Ableitung werden eingef¨ uhrt: K = R1 /R2 ,
Π ∗ = Π + ρgz.
(13.119)
Unter Ber¨ ucksichtigung des in Abb. 13.10 angegebenen Koordinatensystems gilt: gz = −g und damit erh¨ alt man folgende Form der die Str¨omung beschreibenden Differentialgleichung: ∂Π ∗ 1 ∂ ∂Uz ∂ (Π + ρgz) = . (13.120) µ r = r ∂r ∂r ∂z ∂z ∂ Unter Beachtung der Annahmen ∂z (· · · ) = 0 f¨ ur das Str¨omungsfeld, d.h. unter der Annahme einer vollentwickelten Str¨omung, lassen sich die obigen partiellen Differentiale als totale Differentiale schreiben. Damit gilt: d dUz 1 dΠ ∗ r. (13.121) r = dr dr µ dz
Im Abschnitt 13.6 wurde gezeigt, dass diese Gleichung folgende allgemeine L¨ osung besitzt: 2 1 dΠ ∗ 1 2 r + C1 ln r + C2 . Uz = (13.122) 4µ dz ¨ Uber die in Abb. 13.9 angegebenen Randbedingungen lassen sich die Integrationskonstanten C1 und C2 f¨ ur die Str¨ omung in einem zylindrischen Ringspalt u ¨ ber die nachfolgend angegebenen Gleichungen bestimmen (13.123) und (13.124). Aus der Randbedingung: r = R1 ; Uz = 0 ergibt sich als erste Gleichung f¨ ur die Berechnung der Integrationskonstanten C1 und C2 : 0 = R12 + C1 ln R1 + C2 .
(13.123)
alt man: Ber¨ ucksichtigt man: r = R2 ; Uz = 0, so erh¨ 0 = R22 + C1 ln R2 + C2 ,
(13.124)
die zweite Beziehung f¨ ur die Berechnung der Integrationskonstanten C1 und C2 . . 2 / Somit erh¨ alt man: R1 1 2 , C1 = R2 1 − (13.125) R1 R2 ln R2 oder unter Ber¨ ucksichtigung von K = R1 /R2 :
414
13 Str¨ omungen inkompressibler Fluide
1 2 1 . C1 = R22 1 − K 2 ln K / ). + * , 2 F¨ ur C2 ergibt sich: − 1 K ln R2 − 1 . C2 = R22 ln K Damit ergibt sich f¨ ur die Geschwindigkeitsverteilung: .) 2 * / 2 1 r K r dπ ∗ − 1 Uz = − . 1− + ln R22 4µ dt R2 ln K R2
(13.126) (13.127)
(13.128)
Die obige Gleichung zeigt, dass f¨ ur K → 0 die Geschwindigkeitsverteilung f¨ ur die vollentwickelte Rohrstr¨ omung erhalten wird. Die Lage der maximalen Geschwindigkeit errechnet sich als: # 1 − K2 . (13.129) r = f¨ ur (uz = umax ) = R 2 ln(1/K) Die maximale Geschwindigkeit errechnet sich somit aus der Gleichung f¨ ur Uz : 1 − K2 dΠ ∗ 1 − K2 1 (Uz )max = − R22 1 − 1 − ln . 4µ dz 2 ln(1/K) 2 ln(1/K) (13.130) F¨ ur den Volumenstrom ergibt sich: , (1 − K 2 )2 π ∗ dΠ ∗ 4 + 4 ˙ R2 1 − K − (13.131) Q=− 8µ dz ln (1/K) und f¨ ur die mittlere Geschwindigkeit: Q˙ 1 − K4 1 dΠ ∗ 1 − K2 2 ˜z = = − U R 2 π (R22 − R12 ) 8µ dz 1 − K2 ln (1/K) F¨ ur den molekularen Impulstransport errechnet sich: r 1 − K2 R2 1 dΠ ∗ − τr,z = R2 2 dz R2 2 ln (1/K) r
(13.132)
(13.133)
urlich an der Stelle dUz / dr = 0, d.h. bei Uz = Umax , Die Gr¨ oße τr,z ist nat¨ gleich Null, so dass man aus (13.133) erh¨ alt: # 1 − K2 r (τr,z = 0) = R2 (13.134) 2 ln (1/K) Auch f¨ ur die Ringspaltstr¨ omung gilt, dass die obigen Beziehungen nur f¨ ur laminare Str¨ omungen Anwendung finden k¨onnen. Die in turbulenten Str¨ omungen auftretenden zus¨ atzlichen Impulstransporte durch die turbulenten Geschwindigkeitsschwankungen, wurden in den obigen Gleichungen nicht ber¨ ucksichtigt. Somit k¨ onnen die abgeleiteten Gleichungen dieses Abschnitts nur dann angewandt werden, wenn sichergestellt ist, dass die Str¨omung in dem betrachteten Ringspalt laminar verl¨ auft.
13.9 Geschichtete Filmstr¨ omungen
415
13.9 Geschichtete Filmstr¨ omungen Die in den vorausgegangenen Kapiteln behandelten Probleme station¨arer, zweidimensionaler und vollentwickelter Str¨ omungen inkompressibler Fluide lassen sich auf Str¨ omungsvorg¨ ange erweitern, die mehrere, nicht mischbare Fluide umfassen. Die abgeleiteten Grundgleichungen f¨ ur voll entwickelte Str¨ omungen m¨ ussen, bei Vorliegen mehrerer Fluide, f¨ ur jede Fluidstr¨omung gel¨ ost werden und die in den Zwischenschichten der Fluide gegebenen Randbedingungen gehen in die L¨ osungen ein. Dies ist untenstehend gezeigt. In der Beschichtungstechnik ist es u ¨blich, u ¨ bereinander gelagerte Filmstr¨ omungen nicht mischbare Fl¨ ussigkeiten einzusetzen, um mehrere Filme in einem Prozessschritt auf ein Substrat aufzutragen. Bis zu 20 Schichten k¨ onnen so simultan mit hoher Genauigkeit aufgetragen werden. Beschr¨ankt man sich auf zwei Schichten, so entstehen auf den die Filmschichten formenden Gießern“ Str¨ omungskonfigurationen, wie eine in Abb. 13.11 skizziert ist. ” Die Abbbildung zeigt zwei u ¨bereinander liegende Filmstr¨omungen, die durch die Gravitation entlang einer ebenen, geneigten Wand bewegt werden.
b
. m
x B
m
.
2
d A
d
B
A
x 1
Abbildung 13.11: Str¨ omung zweier Fl¨ ussigkeitsfilme u ¨ ber eine ebene, geneigte Wand
Str¨ omungen dieser Art werden durch die unten aufgef¨ uhrten Differentialgleichungen beschrieben: d2 U1A 0 = µA + ρA g 1 (13.135) dx2 2 und 0 = µB
d2 U1B + ρB g 1 dx2 2
(13.136)
mit g1 = g cos β und νA,B = (µA,B /ρA,B ), so dass man durch Integration erh¨ alt: g cos β A U1 = − (13.137) x22 + C1A x2 + C2A 2νA
416
13 Str¨ omungen inkompressibler Fluide
und U1B = −
g cos β 2νB
x22 + C1B x2 + C2B
(13.138)
Durch die Integration wurden in die obigen Beziehungen vier Integrationskonstanten eingef¨ uhrt, die es nun durch geeignete Randbedingungen zu bestimmen gilt. ;
x2 = 0
U1A = 0 (Haftbedingung) ;
x2 = δA + δB x2 = δA
;
; C2A = 0
(13.139)
dU1B = 0 (Freie Ober߬ache) dx2
(13.140)
dU1A dU1B = µB dx2 dx2
(13.141)
U1A = U1B und µA
Aus der Randbedingung f¨ ur die freie Oberfl¨ ache ergibt sich: C1B =
g cos β (δA + δB ) νB
(13.142)
Die Gleichheit der lokalen Filmgeschwindigkeiten in der gemeinsamen Fl¨ache zwischen den Filmen ergibt: −
g cos β 2 g cos β g cos β 2 δ + C1A δA = − δ + (δA + δB ) δA + C2B 2νA A 2νB A νB
(13.143)
Ferner ergibt die Gleichheit der lokalen Impulstransportterme in der gemeinsamen Fl¨ ache zwischen den Filmen: −δA g cos βδA + C1A = −ρB g cos βδA + ρB g cos β(δA + δB )
(13.144)
Hieraus ergibt sich: C1A = (ρA δA + ρB δB )g cos β und f¨ ur
C2B
(13.145)
erh¨ alt man:
νA + νB 2 g cos β δ + (ρA δA + ρB δB ) g cos β − (δA + δB ) δA 1νA νB A νB (13.146) Somit erh¨ alt man f¨ ur die Geschwindigkeitsverteilungen U1A und U1B g cos β A U1 = − (13.147) x22 + [(ρA δA + ρB δB ) β] x2 2νA C2B = −g cos β
und
g cos β 2νB
g cos β νA + νB 2 (δA + δB ) x2 − g cos β δ 2νb 2νA νB A g cos β + (ρA δA + ρB δB ) g cos β − (δA + δB ) δA (13.148) νB
U1B = −
x22 +
13.10 Geschichtete, ebene Kanalstr¨ omung
417
F¨ ur m ˙ A und m˙B l¨ asst sich schreiben: "δA m ˙ A = ρA B U1A (x2 ) dx2
(δA"+δB )
und
U1B (x2 ) dx2
m ˙ B = ρB B
0
(13.149)
δA
Durch die Integration erh¨ alt man: 3 δ2 g cos β δA + C1A A m ˙ A = ρA B − (13.150) 2νA 3 2 . / 3 3 2 g cos β (δA + δA ) − δA B δA δB + δB B + C1 + C2 δB − m ˙ B = ρB B 2νB 3 2 (13.151) ˙ B und bei Bekanntsein der Damit lassen sich, unter Vorgabe von m ˙ A und m Eigenschaften der Beschichtungsfluide, die Schichtdicken δA und δB bestimmen.
13.10 Geschichtete, ebene Kanalstr¨ omung In Abb. 13.12 ist eine ebene Kanalstr¨ omung skizziert, welche sich aus der Str¨ omung zweier u bereinander liegender, nicht mischbarer Fluide zusammen¨ setzt, d.h. die Fluide A und B fließen gleichzeitig durch einen aus zwei ebenen Platten gebildeten Kanal. Das die Schicht mit der Dicke δA bildende Fluid A hat die Dichte ρA und die Viskosit¨ at µA sowie den Massenstrom m ˙ A . Das dar¨ uber liegende Fluid hat die Dichte ρB , die Viskosit¨at µB und den Massenstrom m ˙ B . F¨ ur beide Fluide gelten die folgenden Differentialgleichungen f¨ ur den molekularen Impulstransport τ21 . A dτ21 dΠ =− dx2 dx1
Mit τ21 = −µ
dU1 dx2
und
B dτ21 dΠ =− dx2 dx1
(13.152)
ergibt sich f¨ ur das Geschwindigkeitsfeld:
d2 U1A 1 dΠ = 2 dx2 µA dx1
und
d2 U1B 1 dΠ = 2 dx2 µB dx1
(13.153)
Die Integration der Gleichung (13.152) ergibt f¨ ur beide Fluide A τ21 =−
dΠ x2 + C1A dx1
(13.154)
B τ21 =−
dΠ x2 + C1B dx1
(13.155)
und
418
13 Str¨ omungen inkompressibler Fluide
s k iz z ie r te G e s c h w in d ig k e its v e r te ilu n g L e ic h te re s F lu id
S c h e r fr e ie E b e n e F r e ie O b e r flä c h e
D ic h te re s F lu id Im p u ls flu s s v e rte ilu n g
Abbildung 13.12: Ebene Kanalstr¨ omung mit zweigeschichteten Str¨ omungen, L¨ osung wird f¨ ur δ = 0 angegeben
F¨ uhrt man nun die Randbedingungen ein, dass der Impulstransport durch A die gemeinsame Fl¨ ache A und B gleich ist, so erh¨alt man τ21 (x2 = δ) = B τ21 (x2 = δ) −
dΠ dΠ δ + C1A = − δ + C1B dx1 dx1
;
C1A = C1B = C1
(13.156)
F¨ uhrt man die Integration f¨ ur die Geschwindigkeitsfelder U1A und U1B aus, so erh¨ alt man: 1 dΠ 2 C1 x + x2 + C2A (13.157) U1A = 2µA dx1 2 µA und U1B =
1 dΠ 2 C1 x + x2 + C2B 2µB dx1 2 µB
(13.158)
Das in Abb. 13.12 eingezeichnete Koordinatensystem wurde so gew¨ahlt, dass die x2 -Richtung positive Werte f¨ ur δ ergibt, d.h. die Fl¨ache zwischen den beiden Fluiden liegt oberhalb der Ebene x2 = 0. Damit ergibt die zweite in der Phasengrenzfl¨ ache aufzupr¨ agende Randbedingung: U1A = (x2 = δ) = U1B (x2 = δ)
;
C2A = C2B
(13.159)
d. h. es gilt: δ 2 dΠ C1 δ δ 2 dΠ C1 δ + + C2A = + + C2B 2µA dx1 µA 2µB dx1 µB
(13.160)
Nur f¨ ur δ = 0 ergibt sich eine Reduktion des Aufwandes C2A und C2B zu bestimmen. Dieser Sonderfall ist untenstehend behandelt. F¨ ur δ = 0 ergibt
13.10 Geschichtete, ebene Kanalstr¨ omung
419
sich C2A = C2B = C2 . Die verbleibenden Integrationskonstanten lassen sich durch folgende Randbedingungen ermitteln. x2 = −D
;
U1A = 0 :
0=
dΠ 1 C1 D D2 − + C2 dx1 2µA µA
(13.161)
x2 = +D
;
U1B = 0 :
0=
dΠ 1 C1 D D2 + + C2 dx1 2µB µB
(13.162)
Somit erh¨ alt man f¨ ur die Geschwindigkeitsverteilungen in den Fluiden A und B: µA − µB x2 x2 2 D2 dΠ 2µA A + − U1 = − + (13.163) 2µA dx1 (µA + µB ) µA + µB D D und U1B
D2 dΠ =− 2µB dx1
2µB + + (µA + µB )
µA − µB µA + µB
x2 x2 2 − D D
(13.164)
F¨ ur die Verteilung des molekularbedingten Impulstransports ergibt sich: dΠ x2 1 µA − µB τ21 = −D − (13.165) dx1 D 2 µA + µB W¨ ahlt man in den obigen Beziehungen µA = µB , so erh¨alt man: x 2 −D2 dΠ 2 U1 = 1− 2µA dx1 D
(13.166)
und
dΠ x2 (13.167) dx1 D ein parabolisches Geschwindigkeitsprofil mit dem Scheitelpunkt in der Mitte des Kanals und eine lineare τ21 -Verteilung mit τ21 = 0 auf der Kanalachse. F¨ ur µA = µB errechnet sich die Lage des Geschwindigkeitsmaximums mit τ21 = 0 aus Gleichung (13.163): δ 1 µA − µB = (13.168) D 2 µA + µB τ21 = −D
Der Impulstransport in die obere Wand ergibt: dΠ µA + 3µB A τW = − D dx1 µA + µB In die untere Wand ergibt der Impulstransport: 3µA + µB dΠ B τW = − D dx1 µA + µB
(13.169)
(13.170)
420
13 Str¨ omungen inkompressibler Fluide
Die mittleren Geschwindigkeiten der Teilstr¨ ome A und B errechnen sich als 7µA + µB D2 dΠ A ˜ U1 = − (13.171) 12µA dx1 µA + µB und
2 ˜ B = − D dΠ U 1 12µB dx1
µA + 7µB µA + µB
(13.172)
Die zugeh¨ origen Massenstr¨ ome errechnen sich als: ˜1A m ˙ A = BDU
und zudem
˜1B m ˙ B = BDU
(13.173)
13.11 Literaturhinweise 13.1 Bird RB, Stuart WE, Lightfood EN (1960) Transport phenomena. John Wiley and Sons Inc., New York 13.2 Potter MC, Voss JF (1975) Fluid Mechanics. John Wiley and Sons Inc., New York 13.3 Schlichting H (1979) Boundary Layer Theory. Macgraw Hill Book Company, New York, Series in Mechanical Engineering 13.4 Pnoeli D, Gutfinger C (1992) Fluid Mechanics. Cambridge University Press, Cambridge 13.5 Hutter K (1995) Fluid- und Thermodynamik- eine Einf¨ uhrung. Springer Verlag Berlin Heidelberg
14 Zeitabh¨ angige, eindimensionale Str¨ omungen viskoser Fluide
14.1 Allgemeine Betrachtungen Die in Kapitel 13 behandelten Str¨ omungsprobleme f¨ ur viskose Fluide waren, unter anderem dadurch gekennzeichnet, dass sie die Bedingung der Stationarit¨ at erf¨ ullten, d. h. die untersuchten Str¨ omungen waren nicht zeitabh¨angig. L¨ asst man diese Einschr¨ ankung in den in Kapitel 13 durchgef¨ uhrten Ableitungen fallen, so lassen sich all die Betrachtungen, die zur Ableitung der Grundgleichung (13.22) in Kapitel 13 f¨ uhrten, erneut anstellen, nur wird die zeitliche Ableitung nicht mehr gleich Null gesetzt, so dass man als Grundgleichung f¨ ur zeitabh¨ angige eindimensionale Str¨ omungen viskoser Fluide erh¨alt: ρ
∂Π ∂ 2 U1 ∂U1 =− +µ + ρg1 ∂t ∂x1 ∂x2 2
(14.1)
Wobei nun U1 (x2 , t) und auch Π(x1 , t) als Funktionen von Ort und Zeit anzusehen sind. Schreibt man diese Gleichung wie folgt um ∂ 2 U1 1 ∂Π ∂U1 =ν − − g1 (14.2) ∂t ∂x2 2 ρ ∂x1 zeitabh¨ angige Diffusion
Quellterm
so erh¨ alt man eine f¨ ur Behandlungen von Transportvorg¨angen wohl bekannte Gleichung. Ohne den in (14.2) aufgef¨ uhrten Quellterm, stellt die Gleichung die Fundamentalgleichung dar, die sich bei allen instation¨aren, eindimensionalen Diffusionsproblemen ergibt, so z. B. f¨ ur instation¨are, eindimensionale W¨ armeleitprobleme: ∂2T ∂T =a ∂t ∂x2 2
mit a =
λ ρcp
(14.3)
Analog zu W¨ armeleitproblemen lassen sich nun eine Reihe von instation¨ aren, eindimensionalen Str¨ omungsproblemen mit Hilfe analytischer Methoden l¨ osen. Dabei ist es n¨ utzlich, zun¨ achst die dimensionslose Form der Gleichung (14.2) ohne den aufgef¨ uhrten Quellterm zu betrachten, d. h. die nachfolgende Gleichung, die f¨ ur den molekularen Impulstransport alleine gilt:
422
14 Zeitabh¨ angige Str¨ omungen
∂ 2 U1 ∂U1 =ν ∂t ∂x2 2
;
∂U1∗ νc tc ∗ ∂ 2 U1∗ = ν ∂t∗ "2c ∂x∗2 2
(14.4)
In dieser Gleichung entspricht der Term (νc tc )/"2c dem Kehrwert des Produktes aus Reynolds- und Strouhal-Zahl, Re = ("c Uc )/νc und St = "c /(Uc tc ). Er ist mit der Fourier-Zahl Fo = (ac tc /"2c ) zu vergleichen, die bei der allgemeinen Behandlung von zeitabh¨ angigen W¨ armeleitproblemen u ¨ blicherweise eingef¨ uhrt wird. F¨ ur die in diesem Kapitel zu behandelnden zeitabh¨angigen, eindimensionalen Str¨ omungsprobleme f¨ ur viskose Fluide l¨ asst sich eine Verallgemeinerung der Betrachtungen dadurch erreichen, dass man Fo =
νc tc 1 = 2 =1 ReSt "c
(14.5)
setzt, und die charakteristischen Zeit-, L¨ angen- und Geschwindigkeitsmaße f¨ ur rein diffusive Str¨ omungsprobleme einf¨ uhrt: tc =
"2c νc
"c =
√ νc tc
uc =
νc "c
(14.6)
Wird nun eine Str¨ omung in einem Fluid durch eine konstante Str¨omungsur den Fall geschwindigkeit U0 erzeugt, so lassen sich diese Eigenschaften, f¨ der Eindimensionalit¨ at, durch folgenden L¨ osungsansatz x2 U1 x2 √ =F = F (η) mit η = √ (14.7) U0 2 νt 2 νt aus Gleichung (14.4) ableiten. Mit dem Ansatz (14.7) lassen sich alle Terme der Gleichung (14.4) wie folgt ableiten: η dF dF ∂η dF η ∂U1 = U0 = U0 (14.8) − = −U0 ∂t dη ∂t dη 2t 2t dη
∂ 2 U1 ∂x2 2
∂U1 dF ∂η dF 1 √ (14.9) = U0 = U0 ∂x2 dη ∂x2 dη 2 νt . / 2 dF ∂η ∂η dF ∂ 2 η d2 F ∂ = U0 = U0 + ∂x2 dη ∂x2 dη2 2 ∂x2 dη ∂x2 2 (14.10) ∂ 2 U1 d2 F 1 (14.11) = U0 ∂x2 2 dη 2 4νt
Setzt man diese partiellen Ableitungen, (14.8) und (14.11) in die zu l¨osende partielle Differentialgleichung (14.4) ein, so erh¨alt man eine gew¨ohnliche Differentialgleichung zweiter Ordnung f¨ ur die Funktion F (η): −2η
dF d2 F = dη dη 2
(14.12)
14.1 Allgemeine Betrachtungen
423
F¨ uhrt man eine neue Funktion G(η) ein: G(η) =
dF dη
(14.13)
so erh¨ alt man aus Gleichung (14.12): dG = −2ηG dη
dG = −2η dη G
;
(14.14)
Durch einmalige Integration erh¨ alt man: ln G = −η 2 + ln C1
;
G(η) = C1 exp(−η 2 ).
(14.15)
Damit errechnet sich die Funktion dF = C1 exp(−η 2 ) G(η) = dη
;
F (η) =
C1
"η exp(−η 2 ) dη + C2 . (14.16) 0
F¨ uhrt man f¨ ur das oben angef¨ uhrte Integral ein: 2 erf(η) = √ π
"η exp[−η 2 ] dη,
(14.17)
0
so erh¨ alt man als allgemeine L¨ osung f¨ ur eindimensionale, instation¨are Str¨ omungen inkompressibler Fluide. √ π (14.18) F (η) = C1 erf(η) + C2 mit C1 = C1 2 Damit ergibt sich f¨ ur U1 : U1 = U0 [C1 erf (η) + C2 ] .
(14.19)
In den nachfolgenden Abschnitten wird die obige allgemeine L¨osung angewandt, um spezifische L¨ osungen f¨ ur vorgegebene Anfangs- und Randbedingungen zu finden. Eine Reihe von eindimensionalen, instation¨aren Str¨omungsproblemen inkompressibler, viskoser Fluide l¨ asst sich einfacher in Zylinderkoordinaten behandeln. Die Grundgleichung hierf¨ ur l¨ asst sich in diesen Koordinaten angeben. Die Ableitungen gehen wiederum von den zweidimensionalen Gleichungen aus, die in Kapitel 5 auch in Zylinderkoordinaten abgeleitet bzw. angegeben wurden. Diese Gleichungen lauten: ∂Uz 1 ∂ (rUr ) + =0 r ∂r ∂z
(14.20)
424
ρ
14 Zeitabh¨ angige Str¨ omungen
∂Ur ∂Ur ∂Ur + Ur + Uz ∂t ∂r ∂z
∂P +µ =− ∂r +ρgr ,
∂ ∂r
1 ∂ (rUr ) r ∂r
∂ 2 Ur + ∂z 2
(14.21) 1 ∂ ∂P ∂Uz ∂ 2 Uz +µ ρ =− r + ∂z r ∂r ∂r ∂z 2 +ρgz , (14.22) F¨ uhrt man in diese Beziehungen die Forderung nach Eindimensionalit¨at der ¨ Str¨ omung ein, d.h. keine Anderung des Str¨ omungsfeldes in der z-Richtung:
∂Uz ∂Uz ∂Uz + Ur + Uz ∂t ∂r ∂z
∂Ur =0 ∂z
und
∂Uz =0 ∂z
(14.23)
so folgt aus der Kontinuit¨ atsgleichung (14.20): 1 ∂ (rUr ) = 0 r ∂r
;
rUr = F (z, t)
(14.24)
∂Ur = 0 gilt: F (z, t) = F (t). Wegen Ur = 0 an der Wand gilt: die Wegen ∂z eindimensionale, instation¨ are Str¨ omung inkompressibler viskoser Medien ist unidirektional, d. h. es tritt nur eine Geschwindigkeitskomponente Uz (v, t) auf. Damit lassen sich aus den Gleichungen (14.20) bis (14.22) ableiten: ∂P + ρgr , ∂r 1 ∂ ∂P ∂Uz ∂Uz =− +µ ρ r + ρgz . ∂t ∂z r ∂r ∂r 0=−
(14.25) (14.26)
Durch Integration der Gleichung (14.25) erh¨ alt man: P = ρgr r + Π(z, t)
(14.27)
und damit die der partiellen Differentialgleichung (14.26) in Zylinderkoordianten entsprechende Gleichung 1 ∂ ∂Uz ∂Uz 1 ∂Π =ν r − gz (14.28) − ∂t r ∂r ∂r ρ ∂z Diese allgemeing¨ ultige Gleichung wird nachfolgend gleichfalls Anwendung finden, um instation¨ are, eindimensionale Str¨ omungen inkompressibler, viskoser Fluide zu behandeln.
14.2 Beschleunigte und verz¨ ogerte Str¨ omungen
425
14.2 Beschleunigte und verz¨ ogerte Str¨ omungen 14.2.1 Erstes Stokessches Problem Stokes [1851] war einer der ersten, der eine analytische L¨osung f¨ ur ein instation¨ ares, eindimensionales Str¨ omungsproblem angab, n¨amlich die L¨osung f¨ ur die pl¨ otzliche einsetzende Plattenbewegung und der damit verbundenen Impulsdiffusion in ein u ¨ ber der Platte liegendes, unendlich ausgedehntes Fluid. Um diese auch in der Praxis beobachtete induzierte Fl¨ ussigkeitsbewegung besser verstehen zu k¨ onnen, werden in diesem und nachfolgenden Unterabschnitten Str¨ omungsvorg¨ ange behandelt, die sich in Fl¨ ussigkeiten infolge aufgepr¨ agter Wandbewegungen einstellen, d. h. um Str¨omungen, die durch aufgepr¨ agte Wandbewegungen in einem Fluid induziert werden. Das in diesem Kapitel zu diesem Thema behandelte Beispiel betrifft die Bewegung der ebenen Platte. Die gewonnenen, generellen, physikalischen Erkenntnisse sind jedoch nicht auf die Platte begrenzt, sondern auch auf axialsymmetrische Str¨ omungen u ¨ bertragbar.
x
F ü r x 2 ¥ F lu id v o r 2
lie g t
Z u n a h m e v o n t B e w e g te P la tte x
U
1
U 0
0
Abbildung 14.1: Schematische Darstellung der pl¨ otzlich in Bewegung gesetzten ebenen Wand
Abb. 14.1 gibt schematisch die Geschwindigkeitsverteilung an, die sich in einem Fluid infolge einer mit der Geschwindigkeit U0 bewegten Wand einstellt. Die einsetzende Str¨ omung infolge der Plattenbewegung l¨asst sich wie folgt mathematisch ausdr¨ ucken: F¨ ur t < 0 : U1 (x2 , t) = 0 F¨ ur t ≥ 0 : U1 (x2 = 0, t) = U0 U1 (x2 → ∞, t) = 0
(14.29)
426
14 Zeitabh¨ angige Str¨ omungen
Infolge der Fluidviskosit¨ at (molekularer Impulstransport) wird der Impuls der mit der Platte mitbewegten plattenn¨achsten Fluidschicht auf die weiter entfernten Schichten u ¨ bertragen. Mit fortschreitender Zeit werden die weiter von der bewegten Wand entfernt liegenden Schichten erfasst. Die diese Vorg¨ ange beschreibende Differentialgleichung lautet: ∂ 2 U1 ∂U1 =ν ∂t ∂x2 2
(14.30)
F¨ ur diese Gleichung, siehe Gleichung wurde die folgende allgemeine √(14.19), , + L¨ osung mit den Ans¨ atzen η = x2 /2 νt und (U1 /U0 ) = F (η) gefunden: U1 = U0 (C1 erf (η) + C2 )
(14.31)
F¨ ur das Problem der induzierten Plattenbewegung ergeben sich folgende Randbedingungen f¨ ur 0 < t < ∞: x2 = 0,
d.h. η = 0
U1 = U0
(14.32)
x2 → ∞, d.h. η → ∞ U1 = 0
(14.33)
Aus der allgemeinen L¨ osung (14.31) und den Randbedingungen (14.32) und (14.33) folgt: 1 = C1 erf(0) + C2 = C2 ,
(14.34)
0 = C1 erf(∞) + C2 = C1 + C2
(14.35)
d.h. die Integrationskonstanten errechnen sich als: C1 = −1
und
C2 = +1.
(14.36)
Damit lautet die L¨ osung: x2 √ U1 = U0 [1 − erf (η)] = U0 1 − erf . 2 νt
(14.37)
Diese Beziehung zeigt, dass die Bewegung der Platte erst mit fortschreitender Zeit dem Fluid aufgepr¨ agt wird. Ist ν = 0, so gilt f¨ ur alle t und alle ule, der in einer endlix2 : U1 = 0, d.h. ohne den Impulstransport der Molek¨ chen Viskosit¨ at zum Ausdruck kommt, gelingt es nicht, eine Fl¨ ussigkeitsbewegung durch die Plattenbewegung zu verursachen. Der durch die Plattenussigkeit u bewegung vorliegende Impuls in x1 -Richtung muss der Fl¨ ¨ber Molek¨ ulbewegungen mitgeteilt“ werden. Je gr¨ oßer ν ist, desto schneller werden ” plattenferne Fl¨ ussigkeitsschichten von der Plattenbewegung erfasst, d.h. in Bewegung gesetzt. F¨ ur das physikalische Verst¨ andnis ist es von Wichtigkeit, dass die f¨ ur die Bewegung erforderliche Plattenkraft pro Fl¨ acheneinheit berechnet wird:
14.2 Beschleunigte und verz¨ ogerte Str¨ omungen
τw = −µ F¨ ur
∂U1 ∂x2
427
(14.38) x2 =0
∂U1 l¨ asst sich errechnen: ∂x2
, + dF (η) ∂η U0 ∂U1 = U0 = −√ exp −η 2 . ∂x2 dη ∂x2 πνt ∂U1 U0 Damit ist = −√ und mithin ∂x2 x2 =0 πνt τw = U0
µρ . πt
(14.39)
(14.40)
Diese Beziehung verdeutlicht, dass die erforderliche Kraft pro Fl¨acheneinheit mit zunehmender Viskosit¨ at und Dichte des in Bewegung zu setzenden Fluids anw¨ achst und mit zunehmender Zeit abnimmt. Zum Zeitpunkt t = 0 ergibt ¨ sich eine unendlich große Kraft. Aufgrund der Ahnlichkeitsbeziehung x2 η= √ 2 νt
(14.41)
in der die Zeit im Nenner steht, ist die Beziehung f¨ ur t = 0 nicht definiert. Damit ist auch die obige Aussage bez¨ uglich der erforderlichen, unendlich großen Zugkraft nicht zul¨ assig. Die Kraft nimmt jedoch mit zunehmender ur alle x2 . Zeit ab. F¨ ur t → ∞ errechnet sich τw → 0 und U1 = U0 f¨ 14.2.2 Diffusion einer Wirbelschicht Das in Kapitel 14.2.1 behandelte 1. Stokes Problem l¨asst sich auch mit Hilfe der Wirbelst¨ arkengleichung behandeln, die sich f¨ ur ω3 wie folgt schreiben l¨ asst: 2 ∂ 2 ω3 ∂ ω3 ∂ω3 ∂ω3 ∂ω3 + U1 + U2 =ν + (14.42) ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x1 2 ∂x2 2 Mit ω3 = ω und U2 = 0 sowie
∂ω3 = 0 erh¨ alt man: ∂x1 ∂2ω ∂ω =ν ∂t ∂x2 2
(14.43)
Diese Gleichung beschreibt, wie die an der Platte durch die Plattenbewegung kontinuierlich produzierte Wirbelst¨ arke, durch molekulare Diffusion in das u ur ω l¨asst sich angeben: ¨ ber der Platte liegende Fluid transportiert wird. F¨ ω=−
∂U1 ∂x2
(14.44)
428
14 Zeitabh¨ angige Str¨ omungen
−1/2 ¨ Damit gilt ωc = Uc /"c = U0 (νt) , so dass f¨ ur ω der folgende Ahnlichkeitsansatz gilt: x2 (14.45) ω(η, t) = U0 (νt)−1/2 f (η) mit η = √ νt
F¨ ur die partiellen Ableitungen von η nach x2 und t ergeben sich ∂η = (νt)−1/2 ∂x2
und
η ∂η =− ∂t 2t
(14.46)
Damit erh¨ alt man: ∂η 1 ∂ω U0 −1/2 −1/2 = U0 (νt) (νt) [f (η) + ηf (η)] − f (η) + f (η) =− ∂t 2t ∂t 2t (14.47) ∂ω ∂η −1/2 −1 = U0 (νt) f (η) = U0 f (η) (νt) (14.48) ∂x2 ∂x2 ∂2ω ∂η = U0 f (η) = U0 (νt)−3/2 f (η) ∂x2 2 ∂x2
(14.49)
Setzt man die obigen Gleichungen (14.47) bis (14.49) in die partielle Differentialgleichung (14.43) ein, so erh¨ alt man folgende gew¨ohnliche Differentialgleichung f¨ ur f (η): 2f + ηf + f = 2f + (ηf ) = 0
(14.50)
Durch eine erste Integration erh¨ alt man: 2f + ηf = C1
(14.51)
Die Wirbelst¨ arkenverteilung ist symmetrisch in Bezug auf x2 , d.h. f (η = asst sich (14.51) wie folgt schreiben: 0) = 0 und damit gilt C1 = 0. Damit l¨ 2 η df η df = −ηf ; = − dη = − d 2 (14.52) dη f 2 4 Als L¨ osung ergibt sich somit: 2 η f (η) = C exp − 4
(14.53)
"∞ "∞ ∂U1 ω dx2 = − dx2 = U0 ∂x2
(14.54)
Mit folgender Integration:
0
0
l¨ asst sich der Zusammenhang zwischen der ω-Verteilung und U0 herstellen. Setzt man ω in das obige Integral ein, so erh¨ alt man
14.2 Beschleunigte und verz¨ ogerte Str¨ omungen −1/2
C = (π)
429
(14.55)
2 und damit als L¨ osung: x −1/2 ω(x2 , t) = U0 (πνt) exp − 2 νt Diese L¨ osung entspricht: x2 x2 √ √ = U0 erfc U1 (x2 , t) = U0 1 − erf 2 νt 2 νt
(14.56)
(14.57)
Die durch die Gleichungen (14.56) ausgedr¨ uckte Diffusion der Wirbelst¨arke ist in Abb. 14.2 normiert skizziert und die zugeh¨orige normierte Geschwindigkeitsverteilung ist daneben aufgetragen.
*
u
x
2
x *
(a ) G e s c h w in d ig k e it, w *= ( W /U )( 4 n d t )
x 2
*
*
(b ) G e s c h w in d ig k e it,
1 /2
= x 2 ( 4
2
n
u *= ( u /U )
t 0
)
-1 /2
Abbildung 14.2: Wirbelst¨ arkendiffusion und Impulstransport im Fluid infolge bewegter ebener Platte
F¨ ur die in Abb. 14.2 aufgezeigte Str¨ omung lassen sich die unten aufgef¨ uhrten integralen Parameter berechnen: –
Wirbelst¨ arkendiffusionsradius δω =
2U0 = (πνt)1/2 Ωmax
(14.58)
430
–
14 Zeitabh¨ angige Str¨ omungen
Verdr¨ angungsdicke der Str¨ omung 2 δ1 = U0
1/2 "∞ νt (U0 − U1 ) dx2 = π
(14.59)
0
–
Impulsverlustdicke der Str¨ omung +∞ " + 2 , δ2 = U0 − U12 dx2 = −∞
1 4U02
νt 8π
1/2 (14.60)
14.2.3 Durch Plattenbewegung induzierte Kanalstr¨ omung In dem vorliegenden Abschnitt soll ein eindimensionales, instation¨ares Str¨ omungproblem eines inkompressiblen Fluids behandelt werden, das nicht mit der in Abschnitt 14.1 abgeleiteten allgemeinen L¨osung“ angegangen wer” den kann, da diese L¨ osung nicht die das Str¨ omungsproblem kennzeichnenden Randbedingungen zu erf¨ ullen vermag. Diese Tatsache erfordert die Ableitung einer weiteren Partikularl¨ osung f¨ ur die das Problem kennzeichnende partielle Differentialgleichung, die zudem in der Lage ist, die f¨ ur das vorliegende Problem gegebenen Randbedingungen zu erf¨ ullen. Hierzu wird ein L¨osungsweg beschritten, der u atze zu erhalten ist, wie sie in der Theorie ¨ ber Fourier-Ans¨ der W¨ armeleitung Anwendung finden. Das in diesem Abschnitt behandelte Str¨ omungsproblem soll somit als Beispiel dienen, die Anwendung dieser bekannten Methode der W¨ armeleitung in der Str¨omungsmechanik aufzuzeigen. x
2 D
P la tte 1 2
x 1
t
in d u z ie rte F lu id s trö m u n g
U
U
0
0
P la tte 2 Abbildung 14.3: Durch die Bewegung zweier Platten induzierte Fluidstr¨ omung in einem ebenen Kanal
Abb. 14.3 gibt schematisch das zu l¨ osende Str¨omungsproblem an. Dargestellt sind zwei Wandungen, die in ein Fluid eingebracht sind und die zwischen sich einen ebenen Kanal bilden. F¨ ur t < 0 befinden sich beide Wandungen in Ruhe, w¨ ahrend beide f¨ ur t ≥ 0 die Geschwindigkeit U0 entlang der x1 -Achse
14.2 Beschleunigte und verz¨ ogerte Str¨ omungen
431
einnehmen. Aufgrund dieser Bewegung kommt es zu induzierten Fluidbewe¨ gungen, die an beiden Plattenseiten beginnen und deren Ubertragung auf das Fluid infolge der Fluidviskosit¨ at zustande kommt. F¨ ur das in diesem Abschnitt behandelte Problem soll die zwischen den Platten induzierte Fluidstr¨ omung und deren zeitlicher Verlauf behandelt werden. F¨ ur die L¨ osung des Str¨ omungsproblems der platteninduzierten Kanalstr¨ omung empfiehlt sich die Einf¨ uhrung folgender dimensionsloser Gr¨oßen: U0 − U1 dimensionslose Geschwindigkeit, U x2 0 = dimensionslose Ortskoordinate, D νt = 2 dimensionslose Zeit. D
U∗ = η τ
Die das Str¨ omungsproblem beschreibende, partielle Differentialgleichung ∂ 2 U1 ∂U1 =ν ∂t ∂x2 2
(14.61)
l¨ asst sich somit schreiben: −
U0 ∂ 2 U ∗ νU0 ∂U ∗ = −ν 2 2 D ∂τ D ∂η 2
oder
∂ 2U ∗ ∂U ∗ = . ∂τ ∂η 2
(14.62)
Als Anfangsbedingung ergibt sich: τ = 0,
U ∗ (η) = 1
(14.63)
und als Randbedingungen: U ∗ (η = ±1) = 0
η = ±1,
(14.64)
und gleichfalls die Forderung nach Symmetrie: η = 0,
∂U ∗ =0 ∂η
(14.65)
F¨ ur die L¨ osung der partiellen Differentialgleichung (14.61) gibt es einen klassischen L¨ osungsweg, der auf der Methode der Separation der Variablen aufbaut, d.h. es wird folgender L¨ osungsansatz gew¨ahlt:
Daraus folgt:
und
U ∗ (η, τ ) = f (η)g(τ ).
(14.66)
∂U ∗ dg =f ∂τ dτ
(14.67)
432
14 Zeitabh¨ angige Str¨ omungen
∂2U ∗ d2 f = g ∂η 2 dη 2
(14.68)
Die Ableitungen (14.67) und (14.68) in die partielle Differentialgleichung eingesetzt ergibt: 1 dg 1 d2 f = (14.69) g dτ f dη 2 Da die linke Seite dieser gew¨ ohnlichen Differentialgleichung nur von der Variablen τ und die rechte Seite nur von der Variablen η abh¨angt, ist die Gleichung nur dadurch zu erf¨ ullen, dass beide Seiten gleich einer Konstanten uhrt wird. Folgende gew¨ohnliche Diffegesetzt werden, die mit (−λ2 ) eingef¨ rentialgleichungen resultieren somit aus (14.69):
und
dg = −λ2 g dτ
(14.70)
d2 f = −λ2 f dη 2
(14.71)
Die allgemeinen L¨ osungen dieser Differentialgleichungen lauten: g = A exp(−λ2 τ ),
(14.72)
f = B(cos λη) + C(sin λη),
(14.73)
wobei A, B, C Integrationskonstanten sind. Wendet man die in (14.65) geforderte Symmetrie der L¨ osung auf die obigen Teill¨osungen an, so erh¨alt man C = 0, da die Sinusfunktion die geforderte Symmetrie nicht zu erf¨ ullen vermag. Unter Anwendung der zweiten Randbedingung (14.64) erh¨alt man: B(cos λ) = 0
(14.74)
Um nun eine von Null verschiedene L¨ osung des Str¨omungsproblems zuzulassen, muss B = 0 sein, d.h. die eingef¨ uhrte Gr¨oße λ kann nur feste Werte annehmen, derart, dass die obige Beziehung (14.74) die Randbedingungen erf¨ ullt. Damit gilt: 1 λ= n+ π f¨ ur n = 0, ±1, ±2, ±3 . . . (14.75) 2 Damit ergibt sich als allgemeine, die Anfangs- und Randbedingungen erf¨ ullende L¨ osung des Problems: ) . / 2 * 1 1 π 2 τ cos n + Un∗ = An Bn exp − n + πη (14.76) 2 2 Da das obige Differentialgleichungssystem linear ist, erh¨alt man die allgemeinste L¨ osung als die Summe der in (14.76) angegebenen Teill¨osungen:
14.2 Beschleunigte und verz¨ ogerte Str¨ omungen ∗
U =
+∞ n→−∞
)
. / 2 * 1 1 π 2 τ cos n + An Bn exp − n + πη 2 2
433
(14.77)
Unter Ber¨ ucksichtigung der Symmetrie aller n-Funktionen in der Summe (14.77), l¨ asst sich schreiben: . / 2 +∞ 1 1 ∗ 2 Dn exp − n + π τ cos n + πη (14.78) U = 2 2 n=0 , + In diesem Ausdruck ist Dn = An Bn + A−(n+1) B−(n+1) eine Integrationskonstante, die f¨ ur jeden Wert von n einen anderen Wert einnimmt. Diese Werte lassen sich aus der Anfangsbedingung (14.63) bestimmen: 1 Dn cos n + 1= πη 2 n=0 +∞
(14.79)
Multipliziert man die obige Gleichung (14.79) mit 1 cos m + πη dη 2 und integriert beide Seiten von η = −1 bis η = +1; d.h. man f¨ uhrt folgende Integration durch: "+1 1 cos m + πη dη = 2 ∞ −1
"+1 1 1 Dn cos m + πη · cos n + πη dη 2 2 n=0 −1
(14.80) so erh¨ alt man f¨ ur die auf der rechten Seite, f¨ ur alle n-Werte durchzuf¨ uhrende Integration, stets den Wert Null, wenn m = n ist. F¨ ur m = n ergibt die Integration auf beiden Seiten die nachfolgende Bestimmungsgleichung f¨ ur Dm . . . + /+1 + + , /+1 , , 1 sin m + 12 πη m + 12 πη + 14 sin m + 12 2πη 2 + , + , = Dm m + 12 π m + 12 π −1 −1 m n 2 (−1) 2 (−1) , = Dn = + , Dm = + m + 12 π n + 12 π (14.81) Mit dieser Bestimmungsgleichung f¨ ur Dn erh¨ alt man die Endbeziehung f¨ ur die sich einstellende, platteninduzierte Kanalstr¨omung / . 2 +∞ n (−1) 1 1 ∗ 2 + , π τ cos n + exp − n + U =2 πη (14.82) 2 2 n + 12 π n=0
434
14 Zeitabh¨ angige Str¨ omungen
oder f¨ ur die dimensionsbehafteten Gr¨ oßen: / . 2 ∞ 1 (−1)n νt x2 1 2 + , exp − n + U1 = U0 − 2U0 π 2 cos n + π 2 D 2 D n + 12 π n=0 (14.83) Die obige unendliche Reihe hat die Eigenschaft, dass sie sehr schnell konvergiert, wenn die dimensionslose Zeit (νt/D2 ) groß ist. Dagegen ist die Konvergenz langsam, wenn (νt/D2 ) klein ist. Ber¨ ucksichtigt man, dass die L¨osung (14.83) f¨ ur (νt/D2 ) → 0, durch die Anwendung der Laplace-Transformation in die im Abschnitt 4.3.2 angegebene L¨ osung der platteninduzierten Fl¨ ussigkeitsbewegung u uhrt werden kann, so empfiehlt sich f¨ ur kleine dimensi¨ bergef¨ onslose Zeiten die Anwendung der Gleichung (14.37) zur Berechnung der Geschwindigkeitsverteilung im Kanal. Diese Beziehung ist auf beide Kanalh¨alften anzuwenden und die unterschiedlichen Lagen der Koordinatensysteme in den Abb. 14.1 und 14.3 sind zu beachten. t =
n
t
0 .0 2
D = 1 .0 0 .2
0 .6
U * =
U
- U 0
U
1
0
0 .4
0 .4
0 .6 0 .2 0 .8 0 .1 0 .0
0 .0 4 0 .2
0 .0 1 0 .4
0 .6
0 .8
h = x 2 /D
1 .0
1 .0
Abbildung 14.4: Berechneter Verlauf der Str¨ omung als Funktion von Ort und Zeit
In Abb. 14.4 ist eine graphische Darstellung der durch die Endgleichung (14.83) beschriebenen Geschwindigkeitsverteilung gegeben. Diese Darstellung zeigt, dass f¨ ur kleine dimensionslose Zeiten (νt/D2 ) nur die wandnahen Fluidschichten zwischen den ebenen Platten der Abb. 14.3 bewegt werden und nur f¨ ur eine dimensionslose Zeit (νt/D2 )≥0,04 wird auch eine merkliche Bewegung des Fluids in der Kanalmitte erreicht. F¨ ur (νt/D2 ) ≥ 1 hat beinahe die gesamte Fl¨ ussigkeit im Zwischenraum der ebenen Platten die Plattenge-
14.2 Beschleunigte und verz¨ ogerte Str¨ omungen
435
schwindigkeit U0 erreicht. F¨ ur (νt/D2 ) → ∞ bewegt sich das gesamte Fluid zwischen den Platten mit der Geschwindigkeit U0 . Betrachtet man den f¨ ur (νt/D2 ) → ∞ erreichten Endzustand“ der plat” teninduzierten Kanalstr¨ omung, so erkennt man, dass dieser nicht mehr von der Zeit abh¨ angt, d.h. er m¨ usste auch durch L¨osung der partiellen Differentialgleichung f¨ ur station¨ are, eindimensionale Str¨omungen zu errechnen sein. Die partielle Gleichung und ihre L¨ osung lauten: µ
∂ 2 U1 =0 ∂x2 2
;
U1 = C1 x2 + C2
(14.84)
Wendet man die Randbedingungen U1 = U0 f¨ ur x2 = ±D auf diese L¨osung an, so erh¨ alt man: C1 = 0 und C2 = U0 (14.85) und damit U1 = U0 f¨ ur die durch die Bewegung der ebenen platteninduzierten Kanalstr¨ omung f¨ ur (νt/D2 ) → ∞. Diese L¨ osung zeigt an, dass sich f¨ ur diesen Grenzwert alle Fluidteilchen mit der konstanten Plattengeschwindigkeit bewegen; das Fluid wird von den Platten mitgerissen“. ” 14.2.4 Durch Rohrwandbewegung induzierte Rohrstr¨ omung Analog zu der in Kapitel 14.2.3 behandelten Str¨omung zwischen zwei Platten, die durch die Plattenwandungen induziert wurde, l¨asst sich auch die Rohrstr¨ omung behandeln, die durch die Bewegung der Rohrwand zustande kommt, wie in Abb. 14.5 skizziert. Als Grundgleichung ergibt sich hierf¨ ur die als Gleichung (14.28) abgeleitete partielle Differentialgleichung, wobei nur der erste Term auf der rechten Seite beachtet wird: 1 ∂ ∂Uz ∂Uz =ν r (14.86) ∂t r ∂r ∂r Dabei l¨ asst sich das gestellte Str¨ omungsproblem durch folgende Anfangs- und Randbedingungen definieren: Anfangsbedingung Uz (r, t = 0) = 0
f¨ ur 0 ≤ r ≤ R
(14.87)
Randbedingung
Uz (R, t) = U0 Bewegte Wand (14.88) ∂Uz (0, t) = 0 Symmetrie (14.89) ∂r Analog zu der Behandlung der durch die Plattenbewegung induzierten Kanalstr¨ omung f¨ uhrt man folgende dimensionslose Gr¨oßen ein: U0 − Uz dimensionslose Geschwindigkeit U0 r dimensionslose Ortskoordinaten η= R νt τ= 2 dimensionslose Zeit R
U∗ =
(14.90) (14.91) (14.92)
436
14 Zeitabh¨ angige Str¨ omungen
r U
0
U z ( r ,¥ ) z t U 0
Abbildung 14.5: Durch Rohrwandungen induzierte Fluidstr¨ omungen in einem Rohr
Damit l¨ asst sich die Differentialgleichung (14.86) wie folgt in dimensionslosen Gr¨ oßen schreiben: 1 ∂Uz∗ U0 ∂ 2 Uz∗ U0 ∂Uz∗ = −ν 2 + (14.93) −ν 2 R ∂τ R η ∂η ∂η 2 1 ∂Uz∗ ∂ 2 Uz∗ ∂Uz∗ = + (14.94) ∂τ η ∂η ∂η 2 Als Anfangsbedingung ergibt sich in den dimensionslosen Gr¨oßen: τ =0 Als Randbedingungen: und
η=1 η=0
U ∗ (η) = 1
(14.95)
U∗ = 0 ∂U ∗ =0 ∂η
(14.96) (14.97)
Wiederum l¨ asst sich der klassische L¨ osungsweg w¨ahlen, der von der Separierbarkeit der Variablen ausgeht: U ∗ (η, τ ) = f (η)g(τ )
(14.98)
Mit diesem Ansatz erh¨ alt man f¨ ur die Differentialgleichung (14.94) f
dg g df d2 f = +g 2 dτ η dη dη
(14.99)
Damit ergibt sich durch Separation, da g nur von τ und f nur von η abh¨angt: 1 dg = −λ2 g dτ 1 1 df 1 d2 f + = −λ2 η f dη f dη 2
(14.100) (14.101)
14.2 Beschleunigte und verz¨ ogerte Str¨ omungen
437
Die L¨ osung der Differentialgleichung (14.100) ergibt: g = C1 exp(−λ2 τ )
(14.102)
Zur Bestimmung der L¨ osung der Differentialgleichung f¨ ur f (η) l¨asst sich Gleichung (14.101) wie folgt schreiben: 1 df d2 f + λ2 f = 0 + dη 2 η dη
(14.103)
Es resultiert eine Besselsche Differentialgleichung: η2
d2 f df + λ2 η 2 f = 0 +η 2 dη dη
und mit Einf¨ uhrung von α:
α = λη
(14.104) (14.105)
erh¨ alt man folgende Differentialgleichung: α2
d2 f df + α2 λ2 f = 0 +α 2 dα dα
(14.106)
Damit ergibt sich als L¨ osung: f (α) = C2 J0 (α) + C3 Y0 (α)
(14.107)
Diese L¨ osung resultiert aus der Besselschen Differentialgleichung x2 y (x) + xy (x) + (x2 − p2 )y(x) = 0
(14.108)
die in vielen Teilgebieten der Physik eine wesentliche Rolle spielt und als L¨ osung besitzt: Jp (x) =
x 2n+p (−1)n Γ (n + 1) Γ (n + p + 1) 2 n=0 ∞
(14.109)
wobei die Γ -Funktion wie folgt definiert ist "∞ Γ (n) = exp (−x) xn−1 dx f¨ ur n > 0
(14.110)
0
und auch f¨ ur nicht-ganzzahlige Argumente bestimmt werden kann. Die Funktion Jp (x) wird als Besselfunktion 1. Art und der Ordnung p bezeichnet. Die zweite zur vollst¨ andingen L¨ osung der Besselschen Differentialgleichung nullter Ordnung (14.106) erforderliche Funktion ist die Bessel Funktion 2. Art, aber auch nullter Ordnung, Y0 (α). Diese Funktion wird oftmals auch als Neumann“- oder Weber“-Funktion bezeichnet. Somit setzt sich ” ”
438
14 Zeitabh¨ angige Str¨ omungen
J n ( a ) 1 ,0
J 0 ( a )
0 ,5
J 1( a )
a
0 ,0 - 0 ,5 - 1 ,0 0
2
4
6
8
1 0
1 2
Abbildung 14.6: Besselfunktionen der ersten Art
Y n ( a ) 0 ,5
Y 1( a )
0 ,0 Y 0 ( a )
a
- 0 ,5 - 1 ,0 - 1 ,5 0
2
4
6
8
1 0
1 2
Abbildung 14.7: Besselfunktionen der zweiten Art
der L¨ osungsansatz (14.107) aus J0 (α) und Y0 (α), den Besselfunktionen der ersten und zweiten Art und nullter Ordnung zusammen. Mit den Gleichungen (14.102) und (14.107) ergibt sich folgende L¨ osung, wenn man alle m¨oglichen uhrt. L¨ osungsanteile der Besselfunktionen in (14.107) zul¨asst, d.h. λn einf¨
14.2 Beschleunigte und verz¨ ogerte Str¨ omungen
U ∗ (η, τ ) =
∞ exp(−λ2n τ ) (An J0 (λn η) + Bn Y0 (λn η))
439
(14.111)
n=1
Betrachtet man den Verlauf der Besselfunktionen J0 (α) und Y0 (α) und ber¨ ucksichtigt man dass f¨ ur η = 0 auch λn η = 0 sein muss und damit Y0 (η) ⇒ −∞ wird, so erkennt man, dass alle Werte Bn = 0 sein m¨ ussen, um U ∗ auf der Achse der induzierten Fluidstr¨omung endlich zu halten. Damit verbleibt f¨ ur die L¨ osung: U ∗ (η, τ ) =
∞
exp(−λ2n τ )An J0 (λn η)
(14.112)
n=1
Die genauen Werte f¨ ur J0 (α), J1 (α) sowie Y0 (α) und Y1 (α) k¨onnen den nachfolgenden Tabellen entnommen werden. Tab 14.1: Diskrete Werte der Besselfunktionen erster Art
440
14 Zeitabh¨ angige Str¨ omungen Tab 14.2: Diskrete Werte der Besselfunktionen zweiter Art
Um die Randbedingungen einf¨ ugen zu k¨ onnen, gilt es ferner die Ableitung ur die Ableitung gilt: ( dU ∗ / dη) zu bilden. Dazu gilt es zu wissen, dass f¨
Somit gilt:
dJ0 (α) dα = −J1 (α) dx dx
(14.113)
∞ + , dU ∗ =− An exp −λ2n τ λn J1 (λn η) dη n=1
(14.114)
Es k¨ onnen nun die Randbedingungen implementiert werden: η=1
;
U∗ = 0
;
J0 (λn ) = 0
(14.115)
und damit lassen sich die folgenden λn -Werte bestimmen λn = 2.405, 5.520, 8.654, 11.792, 14.931, 18.071, 21.212, 24.353, 27.494 (14.116)
14.2 Beschleunigte und verz¨ ogerte Str¨ omungen
441
F¨ ur die Anfangsbedingung ergibt sich: τ =0
;
U ∗ (η, 0) = 1 =
∞
An J0 (λn η)
(14.117)
n=1
d. h. es existiert kein λn=0 und man erh¨ alt somit: U ∗ (η, 0) = 1 = A1 J0 (λ1 η) + A2 J0 (λ2 η) + · · · An J0 (λn η) + · · ·
(14.118)
Zur Bestimmung der konstanten An ben¨ utzt man eine besondere Eigenschaft der Besselfunktionen "x xJn (ax)Jn (bx) dx = 0
wenn a = b
(14.119)
"x xJn2 (ax) dx = 0 d. h. wenn a = b
(14.120)
0
aber
0
Damit lassen sich die Koeffizienten A1 , A2 · · · An . · · · in Gleichung 14.118 durch eine sukzessive Multiplikation mit ηJ0 (λn η) und die nachfolgend aufgef¨ uhrte Integration bestimmen. "1
"1 An ηJ02 (λn η) dη
ηJ0 (λn η) dη = 0
(14.121)
0
Damit ergibt sich f¨ ur jeden der Koeffizienten An : &1 An =
0 &1
ηJ0 (λn η) dη (14.122) ηJ02
(λn η) dη
0
Die Integration teilweise ausgef¨ uhrt ergibt: 2 An = 2 [J0 (λn ) + J12 (λn )]
"1 ηJ0 (λn η) dη
(14.123)
0
Durch weitere Integration erh¨ alt man: An =
J1 (λn ) 2 λn [J02 (λn ) + J12 (λn )]
Damit ergibt sich f¨ ur die Geschwindigkeitsverteilung nach (14.112)
(14.124)
442
14 Zeitabh¨ angige Str¨ omungen
U ∗ (η, τ ) =
∞ + , 2 J1 (λn ) exp −λ2n τ J0 (λn η) 2 2 λ [J0 (λn ) + J1 (λn )] n=1 n
(14.125)
F¨ ur den Gradient des Geschwindigkeitsprofiles erh¨alt man nach der Gleichung (14.114) ∞ + 2 , ∂U ∗ J1 (λn ) (η, τ ) = − 2 2 2 (λ )] exp −λn τ J1 (λn η) ∂η [J (λ ) + J n n 0 1 n=1
(14.126)
dJ0 (λn η) = −J1 (λn η) λn , so l¨asst sich, undη ter Anwendung obiger Ableitungsergebnisse, die Schubspannungsverteilung ermitteln: U0 dU ∗ dUz µU0 dU ∗ = −µ − (14.127a) τ21 = −µ = dr R dη R dη
Ber¨ ucksichtigt man, dass gilt
und damit τ21 = −
∞ + , 2J1 (λn ) µU0 exp −λ2n τ J1 (λn η) R n=1[J02 (λn ) + J12 (λn )]
(14.127b)
F¨ ur den Wert an der Rohrwand, d.h. bei η = 1, erh¨alt man: τ21 (R, t) = −µ
∞ U0 νt 2 exp (−λn ) 2 2 R n=11 + [J0 (λn ) /J1 (λn )] R
(14.128)
d. h. einen endlichen Wert, selbst f¨ ur die Zeit t = 0.
14.3 Oszillierende Str¨ omungen 14.3.1 Zweites Stokessches Problem Zur weiteren Vertiefung des physikalischen Verst¨andnisses der durch Impulsdiffusion induzierten Fluidbewegungen soll in diesem Unterkapitel die Str¨ omung behandelt werden, die sich infolge einer oszillierenden Platte einstellt. Dabei liegt ein durch die Plattenbewegung induziertes Str¨omungsproblem derart vor, dass die durch die cosinusf¨ ormige Plattenbewegung erzeugte Fluidbewegung dem u ¨ ber der Platte liegendem Fluid per Diffusion mitgeteilt wird. Die Bewegung des Fluids u ¨ ber der Platte wird durch die folgende Differentialgleichung beschrieben, da alle durch die Plattenbewegung und Randbedingungen vorgegebenen Voraussetzungen erf¨ ullt sind, um diese instation¨are, eindimensionale Diffusionsgleichung anzuwenden: ∂ 2 U1 ∂U1 =ν ∂t ∂x2 2
(14.129)
14.3 Oszillierende Str¨ omungen
443
Die Anfangs- und Randbedingungen des Problems lassen sich wie folgt angeben: f¨ ur alle Zeiten t ≤ 0 : x2 ≥ 0
U1 (x2 , t) = 0
f¨ ur alle Zeiten t > 0 : x2 = 0 U1 (0, t) = U0 cos(ωt) x2 → ∞ U1 (∞, t) = 0
(14.130) (14.131) (14.132)
Es wird wiederum eine L¨ osung gesucht, die sich durch folgenden Ansatz, d. h. durch Separation der Variablen ermitteln l¨ asst: U1 (x2 , t) = f (x2 )g(t)
(14.133)
In Gleichung (14.129) eingesetzt erh¨ alt man mittels (14.133): f
dg d2 f = νg dt dx2 2
(14.134)
Durch Separation der Variablen erh¨ alt man: 1 d2 f 1 dg = = ±iλ2 νg dt f dx2 2
(14.135)
In Gleichung √ (14.135) wurde die auf der rechten Seite auftretende Konstante ucksichtigt den Sachverhalt, dass laut Gleimit i = −1 angesetzt. Dies ber¨ chung (14.131) eine periodische Anregung der Fluidbewegung vorliegt. Damit werden Cosinus- und Sinusterme in der L¨ osung erwartet, die sich durch komplexe Terme in der Exponentialfunktion ausdr¨ ucken lassen. Damit gilt es folgende Differentialgleichungen zu l¨ osen: + , dg − ±iλ2 νg = 0 (14.136) dt , + d2 f − ±iλ2 f = 0 2 dx2
(14.137)
Die L¨ osung dieser beiden Differentialgleichungen ergibt f¨ ur U1 (x2 , t) √ U1 (x2 , t) = C ∗ exp ±iλ2 νt ± λ ±ix2 (14.138) Aufgrund der Kombination von positiven und negativen Vorzeichen ergeben sich 4 L¨ osungen: λ λ U1A = A exp − √ x2 + i λ2 νt − √ x2 (14.139) 2 2 λ λ (14.140) U1B = B exp − √ x2 − i λ2 νt − √ x2 2 2 λ λ U1C = C exp + √ x2 + i λ2 νt − √ x2 (14.141) 2 2 λ λ U1D = D exp + √ x2 − i λ2 νt − √ x2 (14.142) 2 2
444
14 Zeitabh¨ angige Str¨ omungen
Die beiden zuletzt genannten Teill¨ osungen stellen aufgrund der Forderung (14.132) keine physikalisch sinnvollen L¨ osungen dar, da sie f¨ ur x2 → ∞ f¨ ur die Geschwindigkeit U1 (∞, t) → ∞ ergeben. Damit ergibt sich als L¨osungsansatz:
d. h.
U1 (x2 , t) = U1A (x2 , t) + U1B (x2 , t) U1 (x2 , t) = exp − √λ2 x2 A∗ exp i λ2 νt − √λ2 x2 +B ∗ exp −i λ2 νt − √λ2 x2
(14.143) (14.144)
Die Ausdr¨ ucke in den eckigen Klammern lassen sich als cos- und sinFunktionen schreiben: λ λ λ U1 (x2 , t) = exp − √ x2 A cos λ2 νt − √ x2 + B sin λ2 νt − √ x2 2 2 2 (14.145) Unter Anwendung der Randbedingung (14.131) erh¨alt man (14.146) U1 (0, t) = U0 cos(ωt) = A cos(λ2 νt) + B sin(λ2 νt) und damit B = 0, A = U0 und λ = ω/ν so dass als L¨osung erhalten wird: ω ω U1 (x2 , t) = U0 exp − x2 cos ωt − x2 (14.147) 2ν 2ν Diese Gleichung beschreibt die f¨ ur bestimmte ωt-Werte in Abb. 14.8 angegebenen Geschwindigkeitsverteilungen, die im Fluid u ¨ber der Platte vorliegen. , 2π in Abb. 14.8 angegeben. Werte sind f¨ ur ωt = 0, π2 , π, 3π 2 Die in Abb. 14.8 angegebenen Geschwindigkeitsverteilungen zeigen, dass die Fluidbewegung in wandfernen Fluidschichten der Plattenbewegung stets nacheilt. Die Amplitude der Fluidbewegung nimmt mit wachsendem Abstand von der Platte ab. An der Platte selbst folgt die Fluidbewegung der Plattenbewegung, d. h. die aufgrund der Randbedingungen vorliegenden Vorgaben sind erf¨ ullt. Entfernt von der Platte zeigt die Fluidbewegung gegen¨ uber der Plattenbewegung eine Phasenverschiebung. Die oben erw¨ ahnte Phasenverschiebung ist oftmals von großem Interesse. F¨ ur praktische Zwecke kann man angeben, dass eine merkliche Fluidbewegung nur f¨ ur: √ ν (14.148) x2 ≤ 2π 2 ω beobachtet werden kann. Je gr¨ oßer die kinematische Viskosit¨at des Fluids ist, desto dicker ist diese Schicht. Zudem besagt die N¨aherungsbeziehung (14.148), dass hochfrequente Oszillationen weniger tief in das Fl¨ ussigkeitsinnere dringen k¨ onnen als niederfrequente. Dies sind auch wichtige Erkenntnisse, die sich bei Betrachtungen vieler induzierter Str¨omungsvorg¨ange vorteilhaft nutzen lassen.
14.4 Druckgradientengetriebene Str¨ omungen
445
6 5 4
h
3
3 p / 2 2 1
p / 2
0
p
0 , 2 p
-1
- 0 .5
U
0 1
0 .5
/ U
1
0
Abbildung 14.8: Geschwindigkeitsprofile, zu festen Zeiten, u ¨ber einer oszillierenden ebenen Platte
14.4 Druckgradientengetriebene Str¨ omungen 14.4.1 Einsetzende Kanalstr¨ omung Um den Einfluss der Viskosit¨ at auf die infolge Gravitationskr¨aften einsetzende Kanalstr¨ omung zu untersuchen, werden die untenstehenden Betrachtungen durchgef¨ uhrt. Es wird angenommen, dass das gesamte Fluid in dem Kanal in Abb. 14.9 in Ruhe ist. Zur Zeit t = 0 wird das Fluid in Bewegung gesetzt und zwar durch die Gravitation g, so dass die instation¨are Fluidbewegung durch die folgende Differentialgleichung beschrieben wird: ρ
∂ 2 U1 ∂U1 =µ + ρg ∂t ∂x2 2
(14.149)
Die obige Differentialgleichung l¨ asst sich umschreiben: ∂ 2 U1 ∂U1 =g+ν ∂t ∂x2 2
(14.150)
Diese Gleichung gilt es f¨ ur die unten aufgef¨ uhrten Anfangs- und Randbedingungen zu l¨ osen: Anfangsbedingung: f¨ ur t ≤ 0 :
U1 (x2 , t) = 0
(14.151)
f¨ ur t > 0 : ; U1 = 0 f¨ ur − D < x2 < +D
(14.152)
446
14 Zeitabh¨ angige Str¨ omungen
U 1 (x 2
,o )
g
x 2
U 1 (x 2 ,oo )
t x 1
Abbildung 14.9: Einsetzende Kanalstr¨ omung
Die Randbedingungen lauten: U1 = 0 f¨ ur x2 = ±D
(14.153)
Zur L¨ osung der partiellen Differentialgleichung (14.150) empfiehlt es sich, die folgenden dimensionslosen Variablen einzuf¨ uhren: U∗ =
U1 dimensionslose Geschwindigkeit gD2 /2ν
η=
x2 = x∗2 D
τ=
νt = t∗ dimensionslose Zeit D2
dimensionslose Ortskoordinate
(14.154) (14.155) (14.156)
Setzt man diese dimensionslosen Gr¨ oßen in Gleichung (14.150) ein, so erh¨alt man die partielle Differentialgleichung, der die oben eingef¨ uhrte dimensionslose Geschwindigkeit U ∗ gen¨ ugen muss: ∂ 2U ∗ ∂U ∗ =2+ ∂τ ∂η 2
(14.157)
mit den Anfangs- und Randbedingungen: Anfangsbedingungen: τ ≤ 0 : Randbedingungen:
U ∗ = 0 f¨ ur − 1 < η < +1,
ur alle τ > 0, η = +1 : U ∗ = 0 f¨ η = −1 : U ∗ = 0 f¨ ur alle τ > 0.
(14.158)
14.4 Druckgradientengetriebene Str¨ omungen
447
Sucht man eine L¨ osung der partiellen Differentialgleichung (14.157) derart, ∗ dass man diese in die f¨ ur τ → ∞ auftretende station¨are L¨osung U∞ und ∗ einen instation¨ aren Anteil Ut aufspaltet, so gilt allgemein: ∗ − Ut∗ U ∗ = U∞
(14.159)
∗ die folgende partielle DifferentiWegen der Stationarit¨ at erh¨ alt man f¨ ur U∞ algleichung: ∗ ∂ 2 U∞ , (14.160) 0=2+ ∂η 2 ∗ erf¨ ullen muss. welche die station¨ are L¨ osung U∞ Unter Ber¨ ucksichtigung der obigen Randbedingungen ergibt sich: ∗ = (1 − η 2 ). U∞
(14.161)
F¨ uhrt man U ∗ = (1 − η 2 ) − Ut∗ in die Differentialgleichung ein, so erh¨alt man osende Differentialgleichung die f¨ ur Ut∗ zu l¨ ∂ 2 Ut∗ ∂Ut∗ = ∂τ ∂η 2
(14.162)
mit der ge¨ anderten Anfangsbedingung“ und der Randbedingung: ”
Durch den Ansatz erh¨ alt man:
∗ τ = 0 : Ut∗ = U∞
(14.163)
ur η = ±1 τ > 0 : Ut∗ = 0 f¨
(14.164)
Ut∗ = f (η)g(τ )
(14.165)
dg ∂Ut∗ =f ∂τ dτ
und
∂ 2 Ut∗ d2 f = g ∂η 2 dη 2
(14.166)
und durch Einsetzen in (14.162): 1 dg 1 d2 f = g dτ f dη 2
(14.167)
Da diese Gleichung links nur eine Funktion von τ und rechts nur von η sein kann, ist sie nur dadurch zu erf¨ ullen, dass die beiden Seiten gleich einer Konstanten gesetzt werden. 1 2 1 dg = −λ2 ; g = A exp −λ2 τ g dτ 1 d2 f = −λ2 ; f = B cos(λη) + C sin(λη) f dη 2
(14.168) (14.169)
448
14 Zeitabh¨ angige Str¨ omungen
- 1 ,5
-1
- 0 ,5
h
0 ,5 0
U *
1
1 ,5
0 ,1 0 ,2 0 ,3
t =
0 ,1
0 ,4
t =
0 ,2
0 ,5 0 ,6 0 ,7
t = t =
0 ,3 0 ,5
0 ,8 0 ,9 1
¥ t t =
1
Abbildung 14.10: Einsetzende Str¨ omung zwischen zwei ebenen Platten nach Gleichung (14.187)
A, B und C sind die bei der Integration eingef¨ uhrten Konstanten. Beachtet man das in Abb. 14.9 angegebene Koordinatensystem und die zur x2 -Achse symmetrischen Randbedingungen, so wird man eine in Bezug auf η symmetrische L¨ osung suchen, d. h. es ist C = 0 zu setzen. Die Randbedingung (14.163) angewandt auf (14.169), unter Ber¨ ucksichtigung von C = 0, ergibt: 0 = B cos(λ) (14.170) ullt, Diese Beziehung ist f¨ ur λn = (n+1/2)π mit n = 0, ±1, ±2, ±3, · · ·±∞ erf¨ so dass man als allgmeinsten Ausdruck f¨ ur die L¨osung von U ∗ erh¨alt: . / ) 2 * +∞ 1 1 ∗ 2 π τ cos n + An Bn exp − n + Ut = πη . (14.171) 2 2 n=−∞ Ber¨ ucksichtigt man die Symmetrie aller n Teilfunktionen, so l¨asst sich schreiben, wobei Dn = 2An Bn gesetzt wird: . / 2 +∞ 1 1 ∗ 2 Dn exp − n + π τ cos n + Ut = πη . (14.172) 2 2 n=0 Unter Ber¨ ucksichtigung der Anfangsbedingungen erh¨alt man:
14.4 Druckgradientengetriebene Str¨ omungen
1 − η2 =
+∞ 1 Dn cos n + πη . 2 n=0
Multipliziert man beide Teile dieser Gleichung mit 1 πη dη, cos m + 2 so erh¨ alt man durch Integration von (−1) bis (+1): " 1 + , 1 2 1 − η cos m+ πη dη = Dm 2 −1
449
(14.173)
(14.174)
(14.175)
Beziehungsweise mit den folgenden Schritten der Integration: " 1 " 1 1 1 cos m+ η 2 cos m+ πη dη − πη dη = Dm 2 2 −1 −1 (14.176) , , ++ 2 sin m + 12 π 1 + , cos m+ πη dη = 2 m + 12 π −1
"
1
" " 1 m+ πη dη = u dv = uv − v du 2
(14.178)
, , ++ . . . dv =,cos, m + 12 πη dη u = η 2 ⇒ d(u) = 2 ∗ η dη,++ sin m + 12 πη + , ⇒v= m + 12 π
(14.179)
"
1
η 2 cos −1
"
1
η 2 cos
m+
−1
"
(14.177)
1 2
η cos −1
1 2
1 m+ 2
, , ++ sin m + 12 πη 1 2 + , , −+ dη = η 2 1 m + 12 π m + π −1 2 " 1 1 η sin m+ πη dη 2 −1 (14.180)
, + 2 sin m + 12 π 2 , , −+ dη = + 1 1 m + 2 π m+ 2 π " 1 1 η sin m + πη dη 2 −1
πη
πη
(14.181)
450
14 Zeitabh¨ angige Str¨ omungen
" 1 η sin m + πη dη = u dv 2 −1 1 u=η dv = sin m + πη dη 2 , , ++ cos m + 12 πη + , du = dη v=− m + 12 π "
"
1
(14.182)
+ , , + " cos m + 12 πη η cos m + 12 πη 1 1 , + , dη η sin m + + πη dη = − + 2 m+ + 12 π, m + 12 ,π −1 −1 + 2 sin m + 12 π sin m + 12 πη 1 = = 0 + 1+ , 2 1+ , 22 2 m + 12 π m + 12 π −1 (14.183) 1
Dm
+ + + , , , 2 sin m + 12 π 2 sin m + 12 π 4 sin m + 12 π , , − + + 1+ = + , 23 m + 12 π m + 12 π m + 12 π
1 sin m+ π = (−1)m 2
und
ergibt sich:
(14.184)
1 cos m+ π =0 2 n
4 (−1) Dm ⇒ Dn = + ,3 n + 12 π 3
(14.185)
oder als L¨ osung f¨ ur Ut∗ : Ut∗ = 4
+∞ n=0(n
n
(−1)
3
+ 1/2) π 3
2 exp − (n + 1/2) π 2 τ cos [(n + 1/2) πη] (14.186)
F¨ ur die Gesamtl¨ osung ergibt sich U ∗ = (1 − η 2 ) − 4
+∞ n=0(n
n
(−1)
+ 1/2)3 π 3
exp − (n + 1/2)2 π 2 τ cos [(n + 1/2) πη] (14.187)
oder in dimensionsbehafteten Gr¨ oßen: U1 =
gD2 2ν
+∞ x 2 (−1)n 2 2 2 νt exp − (n + 1/2) π −4 1− 3 3 D D2 n=0(n + 1/2) π x2 cos (n + 1/2) π D (14.188)
14.4 Druckgradientengetriebene Str¨ omungen
451
Vergleicht man die obigen Ableitungen mit denen, die in Abschnitt 14.2.3 durchgef¨ uhrt wurden, so ist leicht zu sehen, dass sich die Ableitungen entsprechen. Es ist nun ohne weiteres nachzuvollziehen, dass sich auch die obigen Ableitungen f¨ ur die einsetzende Kanalstr¨ omung auf den Str¨omungsvorgang u omung nicht durch die Scherkraft ¨ bertragen lassen, bei dem die Kanalstr¨ verursacht wird, sondern durch einen Druckgradienten. Ersetzt man die Massenkraft ρg in den Ableitungen durch den Druckgradienten − ( dΠ/ dx), so lassen sich alle Ableitungen auf die druckgetriebene Kanalstr¨omung u ¨ bertragen. 14.4.2 Einsetzende Rohrstr¨ omungen Ein weiteres instation¨ ares Str¨ omungsproblem, dem auch eine gewisse praktische Bedeutung zukommt, stellt die einsetzende Rohrstr¨omung dar. Diese soll in dem vorliegenden Abschnitt f¨ ur die Bedingungen behandelt werden, dass sich f¨ ur t < 0 ein viskoses Fluid in einem unendlich langen Rohr befindet. Zur Zeit t = 0 und f¨ ur alle Zeiten t ≥ 0 wird dem Fluid ein konstanter Druckgradient aufgepr¨ agt, d.h. es wird − (∂Π/∂z) entlang des gesamten Rohres erzeugt. Die dadurch hervorgerufene Str¨ omung wird durch die partielle Differentialgleichung: 1 ∂Π 1 ∂ ∂Uz ∂Uz =− +ν r (14.189) ∂t ρ ∂z r ∂r ∂r beschrieben, die f¨ ur eindimensonale, instation¨are Str¨omungen, inkkompressibler, viskoser Medien mit konstanter Viskosit¨at abgeleitet wurde. Die Anfangs- und Randbedingungen f¨ ur die einsetzende Rohrstr¨omung lauten wie folgt: ur 0 ≤ r ≤ R Anfangsbedingungen: t = 0 : ; Uz (r, t) = 0 f¨
(14.190)
Randbedingungen: r = 0 : ; Uz = endlich f¨ ur alle t > 0 (14.191) r = R : ; Uz = 0 f¨ ur alle t > 0
(14.192)
Die L¨ osung der betrachteten Str¨ omungsprobleme erh¨alt man durch Einf¨ uhren der folgenden dimensionslosen Variablen: Uz 2 dimensionslose Geschwindigkeit (14.193) Uz∗ = R ∂Π − ∂z 4µ η= τ=
r R
µt ρR2
dimensionslose Ortskoordinate (14.194) dimensionslose Zeit
(14.195)
452
14 Zeitabh¨ angige Str¨ omungen
so dass man die folgende Differentialgleichung zu l¨osen hat: 1 ∂ ∂Uz∗ ∂Uz∗ =4+ η ∂τ η ∂η ∂η
(14.196)
Die gleichfalls zu transformierenden Anfangs- und Randbedingungen lauten: Anfangsbedingungen: τ = 0 : ; U ∗ = 0 f¨ ur 0 ≤ η ≤ 1
(14.197)
Randbedingungen: η = 0 : ; U ∗ = endlich f¨ ur τ > 0 (14.198) ur τ > 0 η = 1 : ; U ∗ = 0 f¨
(14.199)
Zur L¨ osung der obigen Differentialgleichung bedient man sich des Sachverhaltens, dass die betrachtete Str¨ omung f¨ ur τ → ∞ der station¨aren Rohrstr¨omung zustrebt. Diese wird im L¨ osungsansatz als gesonderte Teill¨osung eingef¨ uhrt ∗ geschrieben wird. wobei Uz∗ = U∞ Damit lautet der gew¨ ahlte L¨ osungsansatz: ∗ U ∗ (η, τ ) = U∞ (η) − Ut∗ (η, τ )
(14.200)
∗ Den station¨ aren Anteil“ der L¨ osung, d. h. U∞ (η), erh¨alt man durch L¨osung ” der folgenden Differentialgleichung. ∗ 1 d dU∞ 0=4+ η (14.201) η dη dη
die sich aus der obigen partiellen Differentialgleichung (14.196) dadurch ab∗ ur τ → ∞ gesetzt wird. Durch Integration erh¨alt leiten l¨ asst, dass ∂U ∂τ = 0 f¨ man: ∗ (η) = −η 2 + C1 ln η + C2 (14.202) U∞ Unter Anwendung der Randbedingungen erh¨ alt man f¨ ur die Integrationskonstanten C1 = 0 und C2 = 1 und somit: ∗ U∞ (η) = 1 − η 2
(14.203)
die Hagen-Poiseuillesche Geschwindigkeitsverteilung der vollentwickelten Rohrstr¨ omung. ∗ Setzt man nun U∞ = 1 − η 2 in die obige Differentialgleichung (14.200) ein, so erh¨ alt man: U ∗ (η, τ ) = (1 − η 2 ) − Ut∗ (η, τ )
(14.204)
Durch Einsatz dieser Beziehung in die instation¨are Differentialgleichung (14.196) ergibt sich die f¨ ur Ut∗ zu l¨ osende Differentialgleichung. , ∂Ut∗ 1 ∂ 1 ∂ ∂ + ∂Ut∗ 2 − =4+ 1−η − η η (14.205) ∂τ η ∂η ∂η η ∂η ∂η
14.4 Druckgradientengetriebene Str¨ omungen
oder nach Ausf¨ uhrung der Differentiationen: ∂Ut∗ 1 ∂ ∂Ut∗ = η ∂τ η ∂η ∂η
453
(14.206)
Diese Differentialgleichung gilt es nun f¨ ur die folgenden Anfangs- und Randbedingungen zu l¨ osen: ur 0 ≤ η ≤ 1 (14.207) Anfangsbedingungen: τ = 0 : ; Ut∗ (η, 0) = U∞ (η) f¨ Randbedingungen: η = 0 : ; Ut∗ = endlich f¨ ur alle τ > 0 η = 1 : ; Ut∗ = 0 f¨ ur alle τ > 0
(14.208) (14.209)
Wiederum findet f¨ ur die L¨ osung der Differentialgleichung f¨ ur Ut∗ ein Separationsansatz f¨ ur die Variablen η und τ Anwendung: Ut∗ = f (η)g(τ )
(14.210)
Dieser Ansatz f¨ uhrt mit der Differentialgleichung (14.201) zu folgender Beziehung: 11 ∂ 1 dg df = (14.211) η = −λ2 g dτ f η ∂η dη Damit gilt es die folgenden Differentialgleichungen f¨ ur g und f zu l¨osen: dg = −λ2 g dτ und
1 d η dη
df η + λ2 f = 0 dη
(14.212)
(14.213)
Dies sind in der instation¨ aren Str¨ omungsmechanik bekannte Differentialgleichungen, deren L¨ osungen bekannt sind und wie folgt angegeben werden k¨ onnen: (14.214) g = A exp(−λ2 τ ) f = BJ0 (λη) + CY0 (λη)
(14.215)
In diesen allgemeinen Teill¨ osungen der Differentialgleichungen (14.214) und (14.215) sind J0 (λη) und Y0 (λη) Besselfunktionen der ersten und zweiten Art sowie nullter Ordnung und A, B und C sind Integrationskonstanten, die es durch die Anfangs- und Randbedingungen f¨ ur Ut∗ (η, τ ) zu bestimmen gilt. Wendet man die erste Randbedingung (14.208) an, d. h. η = 0 ; Ut∗ endlich, so ergibt sich C = 0, da Y0 (0) = −∞. Damit ergibt sich f¨ ur Ut∗ : Ut∗ = A exp(−λ2 τ )BJ0 (λη)
(14.216)
454
14 Zeitabh¨ angige Str¨ omungen
Fordert man nun das Erf¨ ullen der zweiten Randbedingung (14.209), d. h. Ut∗ = 0 f¨ ur η = 1, so muss J0 (λ) = 0 sein und nur solche λ-Werte sind zul¨assig, die diese Bedingung erf¨ ullen. Die folgenden Werte lassen sich ermitteln: λ1 = 2, 405; λ2 = 5, 520; λ3 = 8, 654; etc.,
(14.217)
d. h. es gibt eine Vielzahl diskreter Str¨ omungen, die aufsummiert die allgemeine L¨ osung ergeben: Ut∗
∞ = An exp(−λ2n τ )J0 (λn η)
(14.218)
n=1
Diese allgemeine L¨ osung erf¨ ullt nun die das Str¨ omungsproblem beschreibende partielle Differentialgleichung und die kennzeichnenden Randbedingungen. Die Erf¨ ullung der Str¨ omungsbedingung kann nun dazu dienen, die noch nicht festgelegte Integrationskonstante An zu bestimmen. F¨ ur τ → 0 gilt: (1 − η 2 ) =
∞ An J0 (λn η)
(14.219)
n=1
Multipliziert man beide Seiten dieser Gleichung mit J0 (λm η)η dη
(14.220)
und integriert von 0 bis 1, d. h. f¨ uhrt man folgende Rechenoperationen in der nachfolgenden Gleichung aus. "1 "1 ∞ 2 J0 (λm η)(1 − η )η dη = An J0 (λn η)J0 (λm η)η dη n=1
0
(14.221)
0
dann erh¨ alt man aufgrund der Orthogonalit¨ at der Bessel-Funktionen nur dann Werte der rechten Seite die von Null verschieden sind, wenn m = n ist. Indem man bekannte Beziehungen f¨ ur Bessel-Funktionen anwendet, erh¨alt man: 4J1 (λn ) 1 2 = An [J1 (λn )] (14.222) 3 λn 2 oder umgeschrieben: Am =
8 λ3m J1 (λm )
(14.223)
Damit ergibt sich: Ut∗ und als Gesamtl¨ osung
∞ 2 1 J0 (λn η) =8 exp −λ2n τ 3 J (λ ) λ n n=1 n 1
(14.224)
14.4 Druckgradientengetriebene Str¨ omungen U z U m ax
R o h rm itte
n t = R 2
1 .0
¥
0 .2 0 .1 5 0 .1
0 .4
0 .0 5
0 .2 0
R o h rw a n d
0 .5 0 .4 0 .3
0 .8 0 .6
455
1 .0
0 .8
0 .6
0 .4
0 .2 0
0 .2
0 .4
0 .6
0 .8
1 .0
r / R
Abbildung 14.11: Geschwindigkeitsverteilung im Rohr f¨ ur eine einsetzende laminare Rohrstr¨ omung ∞ 1 , + 2 J0 (λn η) exp −λ2n τ U ∗ = 1 − η2 − 8 3 J (λ ) λ n n=1 n 1
(14.225)
Die nach (14.225) berechneten Geschwindigkeitsverteilungen sind in Abb. 14.11 aufgezeigt. Dieser Darstellung ist die Entwicklung des Geschwindigkeitsprofils zu entnehmen. Wiederum, f¨ ur (νt/R2 ) = 1 hat die Str¨omung mit einer f¨ ur die Praxis ausreichenden Geschwindigkeit den station¨aren Zustand der vollentwickelten laminaren Rohrstr¨ omung erreicht. Die L¨ osung (14.225), die f¨ ur die einsetzende Rohrstr¨omung erhalten wurde, l¨ asst sich nun nutzen, um die Frage nach der Einlaufl¨ange der einsetzenden Rohrstr¨ omung zu beantworten. Der erste Teil der L¨osung, d. h. derTerm omung dar und damit der zweite (1 − η 2 ) stellt die vollentwickelte Rohrstr¨ Term die davon zu einer Zeit τ an der Stelle η noch vorliegende Abweichung! Betr¨ agt diese Abweichung an der Stelle η = 0, d. h. auf der Achse des Rohres, 1% des Endwertes 1, so ist die Stelle erreicht, die man u ¨ blicherweise als Einlaufl¨ ange der sich entwickelnden Rohrstr¨ omung angibt. Somit gilt nach (14.225): ∞ 1 2 J0 (λn η) exp −λ2n τ (14.226) 0.01 ≈ 8 3 λ J (λn ) n=1 n 1 Dies ergibt τ ≈ 0.5920999 und damit "≈
Re 2
Dieser Wert wird von Experimenten gut best¨ atigt.
(14.227)
456
14 Zeitabh¨ angige Str¨ omungen
14.5 Literaturhinweise 14.1 Stokes GG (1851) On the Affect of the Internal Friction of Fluids on the Motion of Pendulums. Cambridge Philosophical Transactions IX, 8 14.2 Stokes GG (1901) Mathematical and Physical Papers. Cambridge Philosophical Transactions III, 1-141 14.3 Bird RB, Stewart WE and Lightfoot EN (1960) Transport Phenomena. John Wiley & Sons Inc., New York 14.4 Bosnjakovic R (1965) Technische Thermodynamik. Theodor Steinkopf Verlag, Dresden 14.5 Eckert ERG, Drake Jr. RM (1972) Analysis of Heat and Mass Transfer. McGraw-Hill Kogakusha Ltd, Tokyo 14.6 Sherman FS (1990) Viscous Flow. McGraw-Hill Publishing Company, Singapore
15 Str¨ omungen kleiner Reynolds-Zahlen
15.1 Allgemeine Betrachtungen Wie in den vorausgegangenen Kapiteln dieses Buches aufgezeigt, gelingt die Integration der in Differentialform angegebenen, allgemein g¨ ultigen Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik nur dann mittels analytischer Methoden, wenn Vereinfachungen hinsichtlich der Dimensionalit¨at der betrachteten Str¨ omungen gemacht und zudem Transportprobleme mit sehr einfachen Randbedingungen behandelt werden. Diese Randbedingungen entsprechen somit einfachen Str¨ omungsproblemen, die oftmals als so einfach einzustufen sind, dass die aus den L¨ osungen resultierenden Erkenntnisse nur von geringem praktischem Interesse sind. Umgekehrt bedeutet dies, omungsprobleme nicht durch analytische L¨osundass praktisch relevante Str¨ gen der allgemein g¨ ultigen str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen erhalten werden k¨ onnen. Die den L¨ osungen aufzupr¨agenden Randbedingungen sind f¨ ur praktisch interessante Str¨ omungen meistens derart komplex, dass sie in analytische L¨ osungen nur bedingt implementierbar sind. Somit bleibt dem an analytischen L¨ osungen praktischer Str¨ omungsprobleme interessierten Str¨ omungsmechaniker nur die M¨ oglichkeit, nach solchen Str¨omungsproblemen zu suchen, f¨ ur die sich die Grundgleichungen vereinfachen lassen. Oftmals bedeutet deren L¨ osung immer noch, die Betrachtungen auf Str¨omungen mit einfachen Geometrien zu beschr¨ anken, wie z.B. auf die Kugelumstr¨omung bzw. die Umstr¨ omung von Zylindern. Die Betrachtungen gehen dabei von den allgemeinen Grundgleichungen aus, die mit der Anstr¨omungsgeschwindigkeit U∞ , einer geometrischen Abmessung D, der Fluiddichte ρ, der Fluidviskosit¨at µ etc. dimensionslos gemacht wurden, derart, dass gilt: ∂Uj∗ ∂ 2 Uj∗ D ∂U ∗ µ gD ∆Pc ∂P ∗ ∗ µ∗ + U + + 2 ρ∗ gj∗ , ρ∗ =− 2 i ∗ ∗ ∗ tc U∞ ∂t ∂xi ρU∞ ∂xj ρU∞ D U∞ ∂x∗i 2 (15.1) 2 ) (Euler-Zahl), oder mit St = D/(tc U∞ ) (Strouhal-Zahl), Eu = ∆P/(ρU∞ 2 Re = (U∞ D)/ν (Reynolds-Zahl) und Fr = U∞ /(gD) (Froude-Zahl) umgeschrieben: ∂Uj∗ ∂Uj∗ 1 ∗ ∂ 2 Uj∗ 1 ∂P ∗ ∗ ∗ ρ St µ + U + + ρ∗ gj∗ . (15.2) = −Eu i ∗ ∗ ∂t∗ ∂xi ∂xj Re Fr ∂x∗i 2
458
15 Str¨ omungen kleiner Reynolds-Zahlen
F¨ ur station¨ are Str¨ omungen, die nicht von Gravitationskr¨aften beeintr¨ achtigt werden und bei denen die Viskosit¨atskr¨afte gegen¨ uber den Beschleunigungskr¨ aften dominieren, d.h. f¨ ur Re 1, l¨asst sich die folgende N¨ aherungsform der Impulsgleichung zur Anwendung bringen: Eu
1 ∂ 2 Uj∗ ∂2P ∗ µ + =0 ∂x∗j 2 Re ∂x∗i 2
;
0=−
∂P ∂ 2 Uj +µ ∂xj ∂xi 2
(j = 1, 2, 3) (15.3)
Diese Vereinfachung der Impulsgleichung kann f¨ ur Str¨omungen mit den unten aufgef¨ uhrten Eigenschaften erreicht werden, d. h. es sind Str¨omungen: – – –
mit kleinen geometrischen Abmessungen der umstr¨omten K¨orper bzw. der durchstr¨ omten Kan¨ ale, mit sehr kleinen Str¨ omungsgeschwindigkeiten (schleichende Str¨omungen), in Fluiden mit großen Koeffizienten der kinematischen Z¨ahigkeit.
Liegen die oben aufgef¨ uhrten Voraussetzungen gemeinsam vor, so kommt man zu den Voraussetzungen f¨ ur das Vorliegen kleinster Re-Zahlen, d.h. zu Str¨ omungen, in denen die Str¨ omungsvorg¨ ange durch viskose L¨angen-, Zeitund Geschwindigkeitsmaße bestimmt bzw. gekennzeichnet sind. Dies wird am Ende des vorliegenden Kapitels erl¨ autert. Die in (15.3) aufgef¨ uhrten, f¨ ur Re → 0 vereinfachten Differentialgleichungen, die aus den Navier-Stokesschen Gleichungen abgeleitet wurden, erg¨anzt um die Kontinuit¨ atsgleichung f¨ ur ρ = const ergeben: ∂Ui = 0 und ∂xi
0=−
∂P ∂ 2 Uj +µ ∂xj ∂xi 2
(15.4)
und werden als die Stokesschen Gleichungen gezeichnet. Sie sind f¨ ur zweidimensionale, vollentwickelte Str¨ omungen identisch mit dem in Kapitel 13 behandelten Gleichungen, wenn gj = 0 gesetzt wird. Insofern sind einige der in diesem Kapitel behandelten Str¨ omungen artverwandt mit denen in Kapitel 13. Auf diesen Sachverhalt wird an geeigneter Stelle hingewiesen. Durch die angestrebte Behandlung vereinfachter Formen der Grundgleichungen lassen sich in die analytische Behandlung von Str¨omungen, mehrdimensionale Str¨ omungsprobleme einbeziehen. Dies soll in den Kapiteln 15.2 bis 15.8 an Beispielen gezeigt werden. Die Beispiele wurden derart ausgew¨ahlt, dass sie zum einen die durch die Vereinfachungen erreichte Mehrdimensionalit¨ at der m¨ oglichen Berechnungen demonstrieren und zum anderen Anwendungen der Grundgleichungen auf praktische Str¨omungsprobleme kleiner Reynoldszahlen verdeutlichen. Betrachtungen zur Str¨omungsmechanik von Gleitlagern werden angestellt. Zus¨ atzlich werden die rotierende Zylinderstr¨ omung und die rotierende Kugelstr¨ omung in viskosen Medien behandelt. F¨ ur beide Geometrien werden zudem auch die translatorischen Bewegungen betrachtet, um so Detail¨ uberlegungen zu den viskosen Str¨omungen kleiner
15.2 Schleichende Str¨ omung zwischen zwei Platten
459
Re-Zahlen um Zylinder und Kugeln durchzuf¨ uhren, bis hin zu Kr¨afteberechnungen. Letztere erfordern Angaben zu den an den K¨orperoberfl¨achen vorliegenden Druckverteilungen und zudem die Berechnungen der lokalen Impulsverluste der Str¨ omungen an die Wandungen. Die gew¨ahlten Beispiele sind geeignet eine Einf¨ uhrung in die Behandlung von Str¨omungen bei kleinen Reynoldszahlen zu geben. Dar¨ uber hinausgehende L¨osungen anderer Beispiele von Str¨ omungen kleiner Re-Zahlen sind leicht m¨oglich und oftmals in B¨ uchern zur Str¨ omungsmechanik umfassend beschrieben.
15.2 Schleichende Str¨ omung zwischen zwei Platten Nachfolgend wird die Str¨ omung einer z¨ ahen Fl¨ ussigkeit zwischen zwei parallelen Platten betrachtet, deren Abstand D als sehr klein angesehen werden kann. Ist auch die mittlere Str¨ omungsgeschwindigkeit: " ˜= 1 U Ui dFi , Fi = Querschnittsfl¨ache (15.5) F F
klein, so liegen die Voraussetzungen f¨ ur die Anwendung der folgenden Differentialgleichungen vor. Wenn ρ = const ist, gilt nach (15.3): ∂Ui =0 ∂xi
(15.6)
∂ 2 Uj ∂P =µ , ∂xj ∂xi 2
(15.7)
d. h. die Stokesschen Differentialgleichungen k¨onnen Anwendung finden, um die Str¨ omung zwischen parallelen Platten zu behandeln. Dieser Satz von Differentialgleichungen lautet ausgeschrieben f¨ ur j = 1, 2, 3: ∂U1 ∂U2 ∂U3 + + =0 ∂x1 ∂x2 ∂U3 j=1:
∂P =µ ∂x1
j=2:
∂P =µ ∂x2
j=3:
∂P =µ ∂x3
∂ 2 U1 ∂ 2 U1 ∂ 2 U1 + + 2 2 ∂x1 ∂x2 ∂x3 2 ∂ 2 U2 ∂ 2 U2 ∂ 2 U2 + + 2 2 ∂x1 ∂x2 ∂x3 2 ∂ 2 U3 ∂ 2 U3 ∂ 2 U3 + + ∂x1 2 ∂x2 2 ∂x3 2
(15.8) (15.9) (15.10) (15.11)
Die obigen Gleichungen gelten innerhalb der Grenzen −∞ < x1 , x2 < +∞ und 0 ≤ x3 ≤ D. Ferner soll die Str¨ omung in den x1 − und x2 −Richtungen
460
15 Str¨ omungen kleiner Reynolds-Zahlen
x x
D 3
2
x
.
1
Abbildung 15.1: Skizze der Platten und des Koordinatensystems f¨ ur Plattenstr¨ omung
voll entwickelt sein, d.h. ∂Uj /∂x1 = 0 und ∂Uj /∂x2 = 0, so dass aus der Kontinuit¨ atsgleichung folgt ∂U3 =0 ∂x3
;
U3 = const.
(15.12)
Wegen U3 = 0 f¨ ur x3 = 0 und U3 = 0 f¨ ur x3 = D ist, gilt im gesamten Str¨ omungsgebiet. Wegen des Vorliegens vollentwickelter Str¨ omungsbedingungen in die x1 − und x2 −Richtungen gelten folgende Differentialgleichungen: ∂P ∂ 2 U1 =µ ; ∂x1 ∂x3 2
∂P ∂ 2 U2 =µ ; ∂x2 ∂x3 2
∂P = 0. ∂x3
(15.13)
Aus diesen Gleichungen folgt: U1 =
1 µ
U2 =
1 µ
und f¨ ur U2 :
∂P ∂x1 ∂P ∂x2
x23 + C1 x3 + C2 2
(15.14)
x23 + C3 x3 + C4 2
(15.15)
Die Integrationskonstanten C1 und C2 lassen sich aus den Randbedingungen ermitteln D ∂P ur x3 = 0 und x3 = D ; C2 = 0 und C1 = − U1 = 0 f¨ 2µ ∂x1 ∂P 1 U = − (D − x ) (15.16) x Somit gilt: 1 3 3 2µ ∂x1 und genauso l¨ asst sich ermitteln: 1 U2 = − 2µ
∂P ∂x2
x3 (D − x3 )
(15.17)
15.3 Ebene Gleit- und Schmierfilme
461
Die Gleichungen f¨ ur U1 und U2 zeigen, dass sich die Geschwindigkeiten nur infolge der in x1 - und x2 -Richtung aufgepr¨ agten Druckgradienten unterscheiden. Anhand der obigen L¨ osungen sollen nun noch einige interessante Betrachtungen angestellt werden, die sich auf den mittleren Geschwindigkeiten abst¨ utzen, die nach Gleichung (15.5) wie folgt ermittelt werden k¨onnen: 2 ∂P ∂P D2 ˜1 (x1 , x2 ) = − D , U˜2 (x1 , x2 ) = − (15.18) U 12µ ∂x1 12µ ∂x2 F¨ uhrt man in die Betrachtungen ein das mittlere Str¨omungsfeld treibendes Potential φ(x1 , x2 ) ein, derart dass gilt: −→ φ(x1 , x2 ) = −(D2 /12µ)P (x1 , x2 ), so lassen sich folgende Beziehungen angeben: ˜1 = ∂φ U ∂x1
˜2 = ∂φ und U ∂x2
(15.19)
Diese Beziehungen zwischen den Komponenten des mittleren Str¨omungsfeldes und dem Potential bringen zum Ausdruck, dass die fl¨achengemittelte Fl¨ ussigkeitsstr¨ omung, die im wesentlichen als eine Str¨omung mit Blockprofil betrachtet werden kann, analog verl¨ auft, wie die wirbelfreie Str¨omung einer idealen Fl¨ ussigkeit (Potentialstr¨ omung).
15.3 Ebene Gleit- und Schmierfilme Schon die t¨ agliche Erfahrung zeigt, dass ein zwischen zwei Platten liegender Fluidfilm positive Eigenschaften bez¨ uglich des Gleitens der Platten besitzt, d.h. es liegt die Erkenntnis vor, dass die f¨ ur den Gleitprozess erforderlichen l
h (x 1 )
F lü s s ig k e its film
u n te re P la tte Abbildung 15.2: Betrachtungen zur Filmstr¨ omung zwischen Platten (Grundlagen der Tripologie), UP = Geschwindigkeit der bewegten unteren Platte, α = Neigungswinkel der Platten
462
15 Str¨ omungen kleiner Reynolds-Zahlen
Kr¨ afte auf zwei gleitende Feststofffl¨ achen durch Gleit- bzw. Schmierfilme reduziert werden k¨ onnen. Desweiteren stellt man fest, dass ein zwischen zwei Platten eingebrachter Fl¨ ussigkeitsfilm in der Lage ist, beachtliche Kr¨afte aufzunehmen. All diese Beobachtungen machen verst¨andlich, weshalb Fl¨ ussigkeitsfilme in sogenannten Gleitlagern in technischen Anlagen genutzt werden, um tragende, gleitende und auch rotierende Maschinenelemente bereitzustellen. Um deren prinzipielle Funktion und auch ihre Eigenschaften zu verstehen, soll die Str¨ omung in einem sehr d¨ unnen Film untersucht werden, der sich zwischen zwei gleitenden Platten einstellt. Ein solcher Film ist in Abb. 15.2 skizziert, der sich unter einer Platte mit der L¨ ange l einstellt, die am Anfang uhrt. Durch h2 = h1 entund Ende der Platte zu den Filmdicken h1 und h2 f¨ steht der Neigungswinkel α, mit dem die obere Platte gegen¨ uber der unteren geneigt ist. Die Filmdicke h(x1 ) ist damit durch die Geometrieangaben in Abb. 15.2 bestimmt. Zudem bewegt sich die untere Platte mit der Geschwinuber der oberen. digkeit UP gegen¨ F¨ ur die Str¨ omung zwischen den geneigten Platten, induziert durch UP in Abb. 15.2, gelten die Gleichungen (15.9) bis (15.12) in folgender Form, wegen U3 = 0: ∂U1 ∂U2 0= + (15.20) ∂x1 ∂x2 2 ∂ 2 U1 ∂ U1 ∂P =µ + (15.21) ∂x1 ∂x1 2 ∂x2 2 2 ∂ U2 ∂ 2 U2 ∂P =µ + (15.22) ∂x2 ∂x1 2 ∂x2 2 Absch¨ atzungen der Gr¨ oßenordnungen der Terme in Gleichung (15.20) ergeben:
∂U2 U2
∂U1 UP
∂U1 UP
≈
=
= und nach (15.20)
=
∂x1
∂x2
h ∂x1
l l (15.23) h U2 ≈ UP l ¨ unner Schmierfilm). Ahnliche Betrachtungen Wegen (h/l) 1 ist U2 UP (d¨ f¨ ur die Terme in den Gleichungen (15.21) und (15.22) ergeben: ∂ 2 U1 UP = 1.-Term ≈ 2 2 ∂x1 l UP h ∂ 2 U2 = 3.-Term ≈ 3 ∂x1 2 l
∂ 2 U1 UP = 2.-Term ≈ 2 . 2 ∂x2 h
;
;
∂ 2 U2 UP . = 4.-Term ≈ ∂x2 2 lh
(15.24)
(15.25)
Ein Vergleich der Terme 1 bis 4 ergibt, dass der Term 2 dominiert und dass damit folgende vereinfachte Formen der Gleichungen (15.21) und (15.22) die in Abb. 15.2 angedeutete Filmstr¨ omung zwischen zwei Platten beschreiben:
15.3 Ebene Gleit- und Schmierfilme
∂P ∂ 2 U1 =µ ∂x1 ∂x2 2
und
∂P = 0, ∂x2
463
(15.26)
wobei folgende Randbedingungen gelten: x2 = 0
:
U1 (x1 , 0) = UP
und x2 = h(x1 )
:
U1 (x1 , h) = 0. (15.27)
∂P/∂x2 = 0 integriert ergibt P = Π(x1 ), so dass f¨ ur das Geschwindigkeitsfeld gilt: dΠ dΠ 1 ∂ 2 U1 ; U1 (x1 , x2 ) = =µ x22 + C1 x2 + C2 (15.28) dx1 ∂x2 2 2µ dx1 Mit den Randbedingungen (15.27) errechnen sich die beiden Integrationskonstanten in (15.28) wie folgt: 1 dΠ UP − (15.29) h(x1 ) und C2 = UP . C1 = − h(x1 ) 2µ dx1 Damit ergibt sich: −1 U1 (x1 , x2 ) = 2µ
dΠ dx1
x2 [h (x1 ) − x2 ] + UP
h (x1 ) − x2 h (x1 )
Durch Integration errechnet sich der konstante Volumenstrom: "h dΠ −1 1 ˙ V = U1 dx2 = h3 (x1 ) + UP h(x1 ). 12µ dx1 2
.
(15.30)
(15.31)
0
Damit errechnet sich der durch V˙. aufgepr¨ agte / Druckgradient wie folgt ˙ dΠ UP 2V = 6µ − 3 = f (x1 ). (15.32) dx1 h2 h Diese Beziehung zeigt, dass die Plattenbewegung und der Durchfluss V˙ zu angigen Druckgradienten f¨ uhren. Um den Druck P (x1 ) zu einem von x1 abh¨ berechnen, f¨ uhren wir folgende Integration durch, wobei P (x1 = 0) = P1 = P0 gesetzt wurde: P"(x1 )
"x1 "x1 ˙ V dΠ UP dx1 − 12µ dx1 . dx1 = 6µ 2 3 dx1 h (x1 ) h (x1 )
P0
0
0
Die geometrischen Verkn¨ upfungen: h2 − h1 h(x1 ) = h1 − x1 = h1 − tan αx1 l ergibt dh = − tan αdx1 ≈ −αdx1 , so dass gilt:
(15.33)
(15.34)
464
15 Str¨ omungen kleiner Reynolds-Zahlen
1 6µ 1 1 1 ˙ − P (x1 ) − P0 = − 2 −V . UP α h h1 h2 h1
(15.35)
Da die Enden des Gleitlagers in das selbe Fl¨ ussigkeitsgef¨aß m¨ unden, gilt auch P (x1 = l) = P0 , so dass aus (15.35) folgt: h1 h2 V˙ = UP . (15.36) h1 + h2 Diese Beziehung in Gleichung (15.32) eingesetzt ergibt f¨ ur den Druckgradienten in der Fl¨ ussigkeit dP 6µUP 2h1 h2 . = (h − h0 ) mit h0 = dx1 h3 (h1 + h2 ) Hieraus folgt: dP > 0 an der Stelle h = h1 ; dx1
(15.37)
dP < 0 an der Stelle h = h2 ; dx1
dP = 0 an der Stelle h = h0 ; dx1 d.h. der Druckverlauf zeigt ein Maximum. F¨ ur den Druckverlauf selbst gilt: 6µUP (h1 − h)(h − h2 ) P − P0 = (15.38) α h2 (h1 + h2 ) Mit den obigen Beziehungen (15.36), (15.37) und (15.38) lassen sich der Volumenstrom und der Druckverlauf in dem Film berechnen, falls die Relativbewegung der bewegten Ebenen gegeben ist und auch die gesamte geometrische Anordnung der Ebenen als bekannt angesehen werden kann. Die Anwendung der Gleichung (15.38) ergibt P > P0 , d.h. der in Abb. 15.2 skizzierte Film erzeugt durch die angedeutete Relativbewegung der Ebenen ¨ einen Uberdruck. Der Film ist damit in der Lage Kr¨afte aufzunehmen, die auf die obere Platte wirken. Es stellt sich ein Druckmaximum ein, an dem sich der Wert des Druckes wie folgt rechnen l¨ asst: 3 h1 − h2 . (15.39) Pmax − P0 = µUP l 2 h1 h2 (h1 + h2 ) Die resultierende Druckkraft auf die Plattenfl¨achen l¨asst sich wie folgt berechnen: "l 6µUP (h1 − h2 ) h1 KP = (P − P0 ) dx = −2 ln (15.40) α2 h2 (h1 + h2 ) 0
Die tangentiale Kraft auf die untere Platte errechnet sich wie folgt: "l h1 ∂U1 2µUP (h1 − h2 ) − 2 ln dx1 = (15.41) (Kτ )low = µ 3 ∂z z=0 α (h1 + h2 ) h2 0
15.3 Ebene Gleit- und Schmierfilme
465
und f¨ ur die obere Platte "l h1 ∂U1 2µUP (h1 − h2 ) − ln (Kτ )up = − µ = dx1 (15.42) 3 ∂z z=h α (h1 + h2 ) h2 0
P - P o P m
x l
o b e re P la tte
U (x 1 , x 2)
u n te re P la tte l
U p
Abbildung 15.3: Stromlinien und Geschwindigkeitsprofile in Gleitlagerstr¨ omung
Die auf die beiden Oberfl¨ achen der Platten wirkenden Tangentialkr¨afte sind nicht gleich, da die Str¨ omung zwischen den Platten zum Teil geschleppt wird. Die in der Filmstr¨ omung sich einstellenden Stromlinien sind in Abb. 15.3 aufgezeigt, zusammen mit skizzierten lokalen Geschwindigkeitsprofilen. Die Profile ergeben sich aus (15.30) unter Hinzunahme von (15.37). Die obigen Betrachtungen wurden f¨ ur ebene Str¨ omungen angestellt, da es in den durchgef¨ uhrten Ableitungen um eine Einf¨ uhrung in die Theorie tribologischer Str¨ omungen ging. Gleitlagerstr¨ omungen m¨ ussen u ¨ blicherweise als rotierende Zylinderstr¨ omungen mit exzentrischer Lagerung des inneren Zylinders relativ zum ¨ außeren behandelt werden. Dies ist in Abb. 15.4 skizziert, welche zudem die sich einstellende Druckverteilung aufzeigt. Charakteristisch ist, dass die Richtung des Druckmaximums nicht in der Richtung der wirkenden Kraft
466
15 Str¨ omungen kleiner Reynolds-Zahlen
(Last) liegt. Details zu dieser Str¨ omung werden im nachfolgenden Kapitel behandelt. Sie stellen die Grundlagen dar, um rotierende Gleitlager verstehen zu k¨ onnen. N e ig u n g d e r L a g e ra c h se
K ra ft G e s c h w in d ig k e it U i
e R i
D ru c k P in te g rie rt, trä g t d ie L a s t
Abbildung 15.4: Druckverteilung in rotierenden Gleitlagern
15.4 Theorie der Schmierung in Gleitlagern Ein Gleitlager umfasst das nicht rotierende Lager und den mit der Winkelgeschwindigkeit ω rotierenden Zapfen. Die zugeh¨orige Doppelzylinderanordnung ist in Abb. 15.5 skizziert. Die L¨ osung der Gleichungen f¨ ur die Fluidbewegung, die f¨ ur die Schmierung in Gleitlagern wichtig ist, d.h. die rotierende Fluidbewegung, die sich zwischen Zapfen und Lager einstellt, stellt die technisch wohl wichtigste Anwendung der Stokesschen Gleichungen dar. Durch diese Fluidbewegung in einem d¨ unnen Film stellen sich Lagerreibungsgesetze ein, die sich drastisch von der Trockenreibung unterscheiden. Um dies aufzuzeigen, wird die in Abb. 15.5 skizzierte Bewegung des inneren Zylinders (Zapfen) mit dem Radius r = R1 betrachtet, der sich mit der Winkelgeschwindigkeit ω dreht, w¨ahrend sich der ¨ außere Zylinder (Lager) mit Radius R2 in Ruhe befindet. Der innere rotierende Zylinder weist somit eine Umfangsgeschwindigkeit U = R1 ω auf. Der Darstellung in Abb. 15.5 ist zu entnehmen, dass die Lage des Lagers mit ur die hier durchr = R1 + h angegeben werden kann. Dabei gilt mit einer f¨ gef¨ uhrten Betrachtungen ausreichenden Genauigkeit h = δ + e(1 + cos ϕ). ussigkeit Dabei ist δ die bei ϕ = 180o vorliegende Filmdicke der Schmierfl¨ und e die Exzentrizit¨ at des Mittelpunktes des Lagers in Bezug auf die Lage des Mittelpunktes des Zapfens.
15.4 Theorie der Schmierung in Gleitlagern
R
R 1 2
= R a d iu s d e s Z a p fe n s = R a d iu s d e s L a g e rs
R
d
2
R
L a g e r Z a p fe n
e 1
j
e c o s j
x = h : U j
j
x R
R
x = 0 : U
467
x = 0 1
x
= U = 0
l
2
r = R + x
x = h x 2
Abbildung 15.5: Lager-Zapfen-Anordnung f¨ ur betrachtetes Gleitlager
Es gelten somit folgende geometrische Gegebenheiten: R1 + h ≈ R2 + e cos ϕ; R2 = R1 + e + δ; h ≈ δ + e(1 + cos ϕ) Diese Beziehungen lassen sich leicht durch geometrische Betrachtungen ableiten. F¨ uhrt man in die Betrachtungen ein, dass die Filmdicke δ sehr klein gegen¨ uber dem Zapfenradius ist, d.h. es gilt δ/R1 1, so ergibt sich, dass ∂Uϕ /∂r 1/r∂Uϕ /∂ϕ ist. Gr¨ oßenbetrachtungen der restlichen Glieder in der Impulsgleichung (5.115) ergeben, dass folgende Differentialgleichung zur Behandlung der Filmstr¨ omung in Gleitlagern herangezogen werden kann: ∂ 2 Uϕ 1 ∂P =µ . r ∂ϕ ∂r2
(15.43)
Da die im Str¨ omungsfeld des Filmes auftretenden r-Werte nicht stark variieren, gilt infolge r ≈ R1 folgende N¨ aherung: ∂ 2 Uϕ 1 ∂P . =µ R1 ∂ϕ ∂r2
(15.44)
Durch diese Vereinfachung gelingt eine Behandlung des Problems rotierender Gleitlager, die dem des ebenen Gleitlagers sehr nahe kommt. Zur Integration der Differentialgleichung (15.44) kann man wie folgt vorgehen. Die Einf¨ uhrung der Variablen ξ ergibt:
468
15 Str¨ omungen kleiner Reynolds-Zahlen
r = R1 + ξ
;
dr = dξ
(15.45)
Die Integration von (15.44) ergibt somit: dP 1 Uϕ = ξ 2 + C1 ξ + C2 2R1 µ dϕ
(15.46)
Mit den Randbedingungen ξ=0
:
Uϕ = U
und ξ = h
:
Uϕ = 0
lassen sich C1 und C2 bestimmen, so dass gilt: ∂P 1 U (h − ξ) Uϕ = ξ (ξ − h) + 2R1 µ ∂ϕ h
(15.47)
(15.48)
F¨ ur den Volumenstrom ergibt sich R+h "
"h Uϕ dr = Uϕ dξ = −
V˙ =
1 12R1 µ
∂P ∂ϕ
h3 +
Uh 2
(15.49)
0
R
Durch Einf¨ uhrung einer mittleren Filmdicke h0 mit U h0 V˙ = 2
(15.50)
und somit l¨ asst sich aus (15.50) berechnen: ∂P 6R1 µU (h − h0 ) = , ∂ϕ h3
(15.51)
oder durch Integration: P (ϕ) = P (0) + 6R1 µU
"ϕ
dϕ − h0 h2
0
"ϕ
dϕ . h3
(15.52)
0
Wegen P (2π) = P (0) (= P0 ) muss nach (15.52) gelten: , & 2π + "2π "2π 1/h2 dϕ dϕ dϕ 0 = h0 −→ h0 = & 2π 3 h2 h3 0 (1/h ) dϕ 0
(15.53)
0
Mit h ≈ δ + e(1 + cos ϕ) aus Abb. 15.5 ergibt sich f¨ ur: h(ϕ) = e (α + cos ϕ) , α = Unter Ber¨ ucksichtigung von:
δ + 1. e
(15.54)
15.4 Theorie der Schmierung in Gleitlagern
"π dϕ dϕ = 2 (α + cos ϕ)n (α + cos ϕ)n
469
"2π 0
(15.55)
0
und aufgrund von "ϕ J1 = 0
2 dϕ =√ arctan (α + cos ϕ) α2 − 1
)-
ϕ α−1 tan α+1 2
* (15.56)
erh¨ alt man f¨ ur J1 (ϕ = π), J2 (ϕ = π) etc.:
, + π 2α2 + 1 πα dJ1 1 dJ2 J1 = = = ; J3 = − . ; J2 = − dα 2 dα 3 5 (α2 − 1) (α2 − 1) 2 (α2 − 1) (15.57) Damit errechnet sich aus (15.50): , + 2eα α2 − 1 J2 . (15.58) = h0 = e J3 (2α2 + 1) π
F¨ ur die Druckverteilung zwischen Zapfen und Lager errechnet sich: ϕ , "ϕ + " 2eα α2 − 1 dϕ dϕ 6R1 µU P (ϕ) − P0 = 2 − 3 e2 (2α2 + 1) (α + cos ϕ) (α + cos ϕ) 0
0
(15.59) ∂P Aus Gleichung (15.51) ist ersichtlich, dass = 0 f¨ ur h = h0 . ∂ϕ Bezeichnet man mit dem Winkel ϕ0 die Winkellage, wo der Druck ein Extremum aufweist, so erh¨ alt man aus (15.54:) , + 2eα α2 − 1 e (α + cos ϕ0 ) = , (15.60) (2α2 + 1) 3α (< 0) . (15.61) 2α2 + 1 Damit ist aufgezeigt, dass die Stellen des gr¨ oßten und kleinsten Druckes auf der Zapfenh¨ alfte liegen, die den engsten Film umfassen. Die errechnete Druckverteilung l¨ asst sich nutzen, um den aus den Druckwirkungen resultierenden Anteil der Zapfenkraft zu berechnen. Durch Integration erh¨ alt man: cos ϕ0 = −
KP =
12πµR12 U √ . e2 (2α2 + 1) α2 − 1
(15.62)
Zur Ermittlung der Reibungskraft l¨ asst sich der Impulsverlust infolge der Zapfenbewegung wie folgt angeben:
470
15 Str¨ omungen kleiner Reynolds-Zahlen
τrϕ = −µ
∂Uϕ Uϕ 1 ∂Ur + − r ∂ϕ ∂r r
(15.63)
und wegen Uϕ = U und Ur = 0 auf der Zapfenoberfl¨ache r = R1 gilt: / . Uµ Uµ h ∂P ∂Uϕ U + + ≈ − (15.64) τrϕ = −µ ∂ξ R 2R ∂ϕ h R1 1 1 ξ=0 Mit (∂P/∂ϕ) = 6RµU (h − h0 )/h3 und h0 aus Gleichung (15.58) eingesetzt ergibt sich: ∂P 1 6R1 µU 1 2α(α2 − 1) = − , (15.65) ∂ϕ e2 (α + cos ϕ)2 (2α2 + 1) (α + cos ϕ)3
τrϕ = µ
U (4h − 3h0 ) 2µU = 2 h e
3α(α2 − 1) 1 2 − , (α + cos ϕ) (2α2 + 1) (α + cos ϕ)
so dass sich das Drehmoment errechnen l¨ asst als: "2π 2π(α2 + 2) 2µU R12 √ . M = τrϕ R12 dϕ = e (2α2 + 1) α2 − 1
(15.66)
0
In der Praxis lassen sich die obigen Formeln wie folgt anwenden: –
Kennt man KP , µ, U, R, δ, so l¨ asst sich mittels (15.62) die Exentrit¨at der Zapfenlage bzw auch α bestimmen.
Mit (15.66) l¨ asst sich ein Reibungsbeiwert einf¨ uhren als: + 2 , M δ+e α +2 f= = KP R1 R1 3α
(15.67)
Da δ ≈ e in der Praxis, gilt: f0 ≈
2δ ; M ≈ f0 KP R1 . R1
(15.68)
Mit diesem Wert lassen sich f¨ ur die Praxis ausreichend Reibungsmomente ausrechnen. F¨ ur große Werte von α gilt: M=
2πµU R12 . e+δ
(15.69)
Die obigen Ableitungen haben beispielhaft gezeigt, dass es mit Hilfe der Stokesschen Gleichungen gelingt, technisch relevante Str¨omungsvorg¨ange so zu behandeln, dass nicht nur technisch interessante Erkenntnisse aus den Ableitungen resultieren, sondern auch quantitative Angaben, zu technisch wichtigen Gr¨ oßen der Gleitlagerbewegung.
15.5 Die langsame Drehbewegung einer Kugel
P (
471
j )
-
0 0 '
P (= 0 )
+
P (
j )
Abbildung 15.6: Verteilung des Normaldrucks auf den Zapfen eines Gleitlagers
15.5 Die langsame Drehbewegung einer Kugel Betrachtet man die Str¨ omung in einer z¨ ahen Fl¨ ussigkeit, die durch die langsame Drehung einer kleinen Kugel hervorgerufen wird, so l¨asst sich deren Re-Zahl wie folgt ermitteln: Re =
ωR2 Uc R = ; ν ν
(15.70)
dabei ist ω die Winkelgeschwindigkeit der Rotation der Kugel um die x3 Achse. Wendet man nun auf die Bewegungsgleichungen in sph¨arischen Koordinaten die Bedingungen an, die durch die in Abb. 15.7 skizzierte Bewegung einer Kugel vorliegen, so gilt f¨ ur Uφ = Uφ (r, θ)
(15.71)
die unten angegebene Differentialgleichung, die eine Gleichung 2. Ordnung darstellt, die sich aus den allgemeinen Bewegungsgleichungen in Kugelkoordinaten f¨ ur die Kugelrotationsbewegung ableiten l¨asst: 1 ∂ 1 1 ∂ ∂Uφ 1 1 ∂ 2 Uφ 2 ∂Uφ 0= 2 r + 2 sin θ + 2 r ∂r ∂r r sin θ ∂θ ∂θ r sin2 θ ∂φ2 ∂Ur 2 cos θ ∂Uθ Uφ 2 + 2 2 − 2 2 + 2 . (15.72) r sin θ r sin θ ∂φ r sin θ ∂φ Wegen der gew¨ ahlten Rotationssymmetrie sind die folgenden Terme identisch Null:
472
15 Str¨ omungen kleiner Reynolds-Zahlen
∂Ur 2 = 0; 2 r sin θ ∂φ
2 cos θ ∂Uθ r2 sin2 θ ∂φ
und
1 1 ∂ 2 Uφ r2 sin2 θ ∂φ2
(15.73)
Somit gilt f¨ ur die zu l¨ osende Differentialgleichung: 0=
∂ 2 Uφ 1 ∂ 2 Uφ Uφ 2 ∂Uφ 1 ∂Uφ + 2 − 2 2 + + 2 cot θ 2 ∂r r ∂r r ∂θ2 r ∂θ r sin θ
(15.74)
Als Randbedingung gelten: Uφ (R, θ) = Rω sin θ und Uφ (∞, θ) = 0. Ziel der L¨ osung des Problems ist es nun, eine Funktion Uφ (r, θ) zu finden, welche die Differentialgleichung (15.74) erf¨ ullt und gleichzeitig die angegebenen Randbedingungen zu erf¨ ullen vermag. Als eine solche Funktion erweist sich: (15.75) Uφ = A(r) sin θ. Eingesetzt in (15.74) erh¨ alt man: d2 A A A 1 2 dA A cos2 θ sin θ − − 2 =0 sin θ + sin θ + 2 2 2 dr r dr r r sin θ r sin θ
(15.76)
und als zu l¨ osende Differentialgleichung: d2 A 2A 2 dA − 2 = 0. + 2 dr r dr r
(15.77)
Die Integration dieser Differentialgleichung ergibt: A(r) = C1 r +
C2 . r2
(15.78)
Wegen Uφ (r → ∞, θ) = 0 muss C1 = 0 sein. Aus Uφ (R, θ) = Rω sin θ = C2 sin θ folgt C2 = ωR3 und damit erh¨ alt man als L¨osung f¨ ur das GeschwinR2 digkeitsfeld des Fluids: ωR3 (15.79) Uφ = 2 sin θ. r Zur Aufrechterhaltung dieser von der rotierenden Kugel dem Fluid aufgepr¨ agten Str¨ omung, muss ein Moment kontinuierlich aufgepr¨agt werden, das sich wie folgt berechnen l¨ asst. Aus 1 ∂Ur ∂ Uφ τr,φ = −µ +r (15.80) r sin θ ∂φ ∂r r folgt f¨ ur die Impulsabgabe an das Fluid: ∂Uφ Uφ − = 3µω sin θ τR,φ = −µ ∂r r r=R und f¨ ur das Moment:
(15.81)
15.5 Die langsame Drehbewegung einer Kugel
w x
x
3
473
3
.
r .
Q
R
f
Q f
x 2
R
x 2
.
1
U
8
. x
x
r
1
Abbildung 15.7: Str¨ omung in z¨ aher Fl¨ ussigkeit infolge Kugelrotation um x3 −Achse
Abbildung 15.8: Umstr¨ omung einer Kugel mit kartesischen und sph¨ arischen Koordinaten
"π + , M = − (3µω sin θ) (R sin θ) 2πR2 sin θ dθ,
(15.82)
0
"π M = −6πµωR sin3 θdθ = −8µπR3 ω. 3
(15.83)
0
Ganz analog zu der obigen L¨ osung des Problems der Fluidbewegung um eine rotierende Kugel, l¨ asst sich auch die schleichende Fluidbewegung zwischen zwei konzentrisch gelagerten rotierenden Kugeln mit den Radien R2 und R1 und den Winkelgeschwindigkeiten ω2 und ω1 behandeln. Die Rotation soll wiederum um die in Abb. 15.7 gezeigte x3 −Achse erfolgen. Man erh¨alt wiederum: Uφ = A(r) sin θ mit (15.84) C2 A(r) = C1 r + r2 . Mit den Randbedingungen A(R2 ) = ω2 R2 und A(R1 ) = ω1 R1 erh¨alt man: Uφ (r, θ) =
1 + , + ,2 sin θ ω2 R23 r3 − R13 − ω1 R13 r3 − R23 . 3 − R1 )
r2 (R23
(15.85)
F¨ ur das Drehmoment erh¨ alt man: M = −8πµ(ω2 − ω1 )
R23 R13 . (R13 − R23 )
(15.86)
474
15 Str¨ omungen kleiner Reynolds-Zahlen
Bei der obigen L¨ osung wurde davon ausgegangen, dass die sich eventuell einstellenden St¨ orungen auf die Str¨ omung durch Viskosit¨atseffekte ged¨ampft werden, d.h. die errechnete L¨ osung somit stabil ist. Aufgrund der Behandlung schleichender Str¨ omungen, d.h. kleinster Re-Zahlen, ist diese Annahme berechtigt, so dass die oben analytisch erhaltenen Ergebnisse auch in Experimenten sehr gut f¨ ur kleine Re-Zahnlen erhalten werden.
15.6 Die langsame Translationsbewegung der Kugel Als eine wichtige schleichende Str¨ omung gilt die Umstr¨omung einer Kugel, die durch die geradlinige und gleichf¨ ormige Bewegung der betrachteten Kugel in einem Fluid induziert wird. Was die zu l¨ osenden Gleichungen anbetrifft, ist das Problem ¨ aquivalent der station¨ aren Umstr¨omung einer Kugel in einer z¨ ahen Fl¨ ussigkeit. Die Bewegung ist durch den Kugelradius R, die Fluidgeschwindigkeit U∞ , die Dichte ρ und die dynamische Viskosit¨at µ gekennzeichnet. Hieraus errechnet sich mit ν = µ/ρ: Re =
RU∞ 1. ν
(15.87)
Stokes (1851) l¨ oste als erster das Problem der Translationsbewegung einer Kugel in einer z¨ ahen Fl¨ ussigkeit, indem er nur die Druck- und Viskosit¨atsterme in den Navier-Stokes-Gleichungen ber¨ ucksichtigte und alle anderen Terme in den Bewegungsgleichungen vernachl¨ assigte. Das selbe Vorgehen ist unten¨ stehend aufgezeigt. Dabei wird in den nachfolgenden Uberlegungen eine ruhende Kugel, im Mittelpunkt eines kartesischen Koordinatensystems gelegen, angenommen. Als Randbedingungen gelten: ur r = R, U1 = U2 = U3 = 0 f¨ mit r = x21 + x22 + x23 , wie in Abb. 15.8 aufgezeigt. Diese Abbildung zeigt die Kugel, deren Mittelpunkt im Ursprung eines kartesischen Koordinatensystems liegt. Relativ zu diesem System sind auch die Kugelkoordinaten r, φ, θ angegeben, die nachfolgend zur Behandlung der Kugelumstr¨omung herangezogen werden. Mit r = R ist die Kugeloberfl¨ ache angegeben. Wegen dieser Angabe der Str¨ omungsberandung ist es vorteilhaft, die Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik f¨ ur die L¨ osung der Str¨ omung um eine Kugel in Kugelkoordinaten anzugeben. Damit lassen sich die durch die Pr¨asenz der Kugel der Str¨ omung aufgepr¨ agten Randbedingungen wesentlich leichter in die L¨osung des Str¨ omungsproblems einbringen, als wenn die Behandlung der Str¨omung in kartesischen Koordinaten angestrebt w¨ urde. Die unten aufgef¨ uhrten Betrachtungen orientieren sich an der Skizze in Abb. 15.8. Im Unendlichen, d.h. r → ∞, liegen folgende Werte f¨ ur die Geschwindigkeitskomponenten vor:
15.6 Die langsame Translationsbewegung der Kugel
U1 = 0, U2 = 0, U3 = U∞ f¨ ur r → ∞
475
(15.88)
Wie bereits erw¨ ahnt, bietet sich f¨ ur die L¨ osung der Grundgleichungen an, um die Randbedingungen leicht in die L¨ osung einbringen zu k¨onnen, die Gleichungen in sph¨ arischen Koordinaten anzugeben. Ber¨ ucksichtigt man die f¨ ur kleine Re-Zahlen relevanten Terme, so erh¨ alt man, unter Vernachl¨assigung von Drall, d.h. Uφ = 0, die unten angegebenen Gleichungen. Diese leiten sich aus den Grundgleichungen unter Verwendung sph¨arischer Koordinaten ab. Die resultierenden Gleichungen lauten wie folgt: ∂Ur 1 ∂Uθ 2Ur Uθ cot θ + + + =0 ∂r r ∂θ r r
∂ 2 Ur cot θ ∂Ur 2 ∂Uθ 1 ∂ 2 Ur 2 ∂Ur + 2 − 2 + 2 + 2 ∂r r ∂θ2 r ∂r r ∂θ r ∂θ 2 cot θ 2Ur Uθ − 2 − r r2 2 ∂ Uθ cot θ ∂Uθ 2 ∂Ur 1 ∂P 1 ∂ 2 Uθ 2 ∂Uθ =µ + 2 + 2 + 2 + 2 2 r ∂θ ∂r r ∂θ r ∂r r ∂θ r ∂θ Uθ − 2 2 . r sin θ ∂P =µ ∂r
(15.89)
(15.90)
(15.91)
In sph¨ arischen Koordinaten lassen sich die Randbedingungen wie folgt angeben: (15.92) r = R : Ur (R, θ) = 0 und Uθ (R, θ) = 0 r→∞:
Ur → U∞ cos θ und Uθ → −U∞ sin θ.
(15.93)
Wiederum legen die Randbedingungen nahe, mit folgenden L¨osungsans¨atzen die oben aufgef¨ uhrten Differentialgleichungen zu l¨osen: Ur (r, θ) = B(r) cos θ und f¨ ur den Druck:
Uθ (r, θ) = −A(r) sin θ
P (r, θ) = µC(r) cos θ.
(15.94) (15.95)
Setzt man diese Ansatzfunktionen (15.94) und (15.95) in die obigen Differentialgleichungen (15.89) bis (15.91) ein, so erh¨ alt man: dB 2(B − A) + =0 dr r
(15.96)
dC d2 B 4(B − A) 2 dB = − + dr dr2 r dr r2
(15.97)
C d2 A 2(B − A) 2 dA = + + (15.98) 2 r dr r dr r2 Dabei ergeben sich aus den Randbedingungen f¨ ur die Kugelumstr¨omungen folgende Randbedingungen f¨ ur die Funktion A, B und C.
476
15 Str¨ omungen kleiner Reynolds-Zahlen
A(R) = 0, B(R) = 0, A(∞) = U∞
und B(∞) = U∞
(15.99)
Die L¨ osungsschritte f¨ ur die Differentialgleichungen (15.95) bis (15.96) lassen sich wie folgt angeben. Aus Gleichung (15.96) folgt: A=
1 dB r +B 2 dr
(15.100)
Eingesetzt in Gleichung (15.98) ergibt: C=
1 2 d3 B d2 B dB r + 3r +2 3 2 2 dr dr dr
(15.101)
Diese Differentialgleichung nach r abgeleitet und in Gleichung (15.97) eingesetzt ergibt: d4 B d3 B d2 B dB =0 (15.102) r3 4 + 8r2 3 + 8r 2 − 8 dr dr dr dr Diese resultierende Eulersche Differentialgleichung l¨asst sich durch Integration l¨ osen mit partikul¨ aren L¨ osungen in der Form B = crk . Eingesetzt in die obige Differentialgleichungen ergibt f¨ ur k eine Gleichung vierten Grades. k(k − 1)(k − 2)(k − 3) + 8k(k − 1)(k − 2) + 8k(k − 1) − 8k = 0 oder vereinfacht geschrieben: k(k − 2)(k + 3)(k + 1) = 0
(15.103)
so dass sich als L¨ osung ergeben: k = 0, k = 2, k = −3 und k = −1
(15.104)
Somit ergibt sich f¨ ur B(r) folgende allgemeine L¨osung: B(r) =
C2 C1 + C3 + C4 r2 + r3 r
(15.105)
Aus den Gleichungen f¨ ur A(r) und C(r) erh¨ alt man: A(r) = −
C1 C2 + C3 + 2C4 r2 + 2r3 2r
(15.106)
C2 + 10C4 r (15.107) r2 Setzt man f¨ ur A(r), B(r) und C(r) die Randbedingungen (15.99) ein, so lassen sich die Integrationskonstanten C1 , C2 , C3 und C4 bestimmen: C(r) =
C1 =
1 U∞ R 3 ; 2
3 C2 = − U∞ R; 2
C3 = U∞ ;
C4 = 0.
(15.108)
15.6 Die langsame Translationsbewegung der Kugel
477
Damit ergeben sich f¨ ur Ur (r, θ), Uθ (r, θ) und P (r, θ) die folgenden L¨osungen: 3 R 1 R3 + Ur (r, θ) = U∞ cos θ 1 − (15.109) 2r 2 r3 3 R 1 R3 − (15.110) Uθ (r, θ) = −U∞ sin θ 1 − 4r 4 r3 3 U∞ R (15.111) P (r, θ) = − µ 2 cos θ 2 r Damit liegt die L¨ osung f¨ ur das Geschwindigkeits- und Druckfeld f¨ ur die Kugelumstr¨ omung vor, allerdings erhalten durch die L¨osung eines Satzes von Differentialgleichungen, der als reduzierter Satz aus den Navier-Stokes- Gleichungen, durch Vernachl¨ assigung der Beschleunigungsterme, erhalten wurde. Die erhaltene L¨ osung gilt somit nur f¨ ur Re 1. Besieht man sich die einzelnen Impulstransportterme τrr und τrθ des hier behandelten Str¨ omungsproblems, so erh¨ alt man f¨ ur ρ =const: 1 ∂Ur ∂Uθ Uθ ∂Ur und τr,θ = −µ + − τrr = −2µ . (15.112) ∂r r ∂θ ∂r r Daraus ergibt sich f¨ ur r = R, wegen Ur = Uθ = 0 und damit auch (∂Ur /∂θ) = 0 und (∂Uθ /∂θ) = 0 sowie mit (∂Ur /∂r) = 0, so dass an der Kugeloberfl¨ache gilt: P =
3 µU∞ cos θ 2 R
(wirkt an jeder Stelle senkrecht auf die Kugelober߬ache)
(15.113)
und zudem τrr = 0, τr,θ = −µ
3µU∞ ∂Uθ =− sin θ. (wirkt an jeder Stelle tangential ∂r 2R zur Kugeloberfl¨ache) (15.114)
Die Widerstandskraft W errechnet sich somit: "" W = (P cos θ − τr,θ sin θ) dF
(15.115)
F
"π W =−
+ , 3 µU∞ 3µU∞ 2 2 cos θ + sin θ 2πR2 sin θ dθ 2 R 2R
(15.116)
0
oder umgeschrieben und integriert: /π "π W = − 3πµU∞ R(sin θ)dθ = −3πµU∞ R (− cos θ) 0
0
(15.117)
478
15 Str¨ omungen kleiner Reynolds-Zahlen
W = −6πµU∞ R Die Integration u ache wirkenden Druck und den ¨ber den auf die Kugeloberfl¨ Impulsverlust ergibt die Stokesche Widerstandskraft W. Dabei ist interessant, dass der vom Druck herr¨ uhrende Kraftanteil: "π "π 2 WP = − P cos θ2πR sin θdθ = −3πµU∞ R cos2 θ sin θdθ 0
(15.118)
0
mit WP = −2πµU∞ R nur 13 des Gesamtwiderstandes ausmacht, d. h. 23 der Widerstandskraft r¨ uhren somit vom molekularen Impulseintrag an die Kugeloberfl¨ ache her. Dies unterstreicht die Bedeutung, die den Viskosit¨atstermen in den Navier-Stokes-Gleichungen f¨ ur die L¨ osung praktischer Str¨omungsprobleme bei kleinen Re-Zahlen zukommt. Um nun die Geschwindigkeitskomponenten in kartesischen Koordinaten uhrten zu erhalten, d.h. U1 , U2 und U3 zu bestimmen, werden die unten aufgef¨ Formeln f¨ ur Koordinatentransformationen zur Anwendung gebracht. x3 = r cos θ ; U3 = Ur cos θ − Uθ sin θ (15.119) x1 = r sin θ cos φ ; U1 = Ur sin θ cos φ + Uθ cos θ cos φ − Uφ sin φ (15.120) x2 = r sin θ sin φ ; U2 = Ur sin θ sin φ + Uθ cos θ sin φ + Uφ cos φ (15.121) Mit diesen Formeln erh¨ alt man: 3 R 1 R3 3 U∞ x21 R2 − U3 = U∞ 1 − − 1− 2 , 4r 4 r3 4 r2 r 2 3 U∞ x1 x3 R , 1− 2 U1 = − 4 r2 r 3 U∞ x2 x3 R2 1− 2 . U2 = − 4 r2 r
(15.122) (15.123) (15.124)
F¨ ur die L¨ osung der Stokesschen Umstr¨ omung der Kugel wurden obenstehend vereinfachte str¨ omungsmechanische Gleichungen (15.89) bis (15.91) zur Anwendung gebracht. Um nun absch¨ atzen zu k¨ onnen, wie groß die vernachl¨assigten Terme gegen¨ uber den in der L¨ osung ber¨ ucksichtigen Termen sind, wird die Beschleunigung: 2 3R 3ρ U∞ R2 R3 ∂Ur DU1 1− = ρ Ur = R 1− 2 + 3 ρ Dt θ=0 ∂r θ=0 2 r2 r 2r 2r (15.125) mit dem Druckterm: ∂P U∞ R = 3µ 3 (15.126) ∂r θ=0 r
15.7 Die langsame Rotationsbewegung eines Zylinders
verglichen, d.h. zueinander ins Verh¨ altnis gesetzt: DU1 ρ Dt θ=0 R3 U∞ r 3R R2 + 3 . = 1− 1− 2 ∂P 2ν r 2r 2r ∂r θ=0
479
(15.127)
F¨ ur große Werte f¨ ur r ergibt sich, dass die obige L¨osung nur dann G¨ ultigur große Werte von r ist keit haben sollte, wenn U∞ r/2ν < 1 gilt, d.h. f¨ dies nicht erf¨ ullt. Da jedoch f¨ ur solch große Werte f¨ ur r, die oben zum Vergleich herangezogenen Terme beide sehr klein werden, liegt die Berechtigung vor anzunehmen, dass das Geschwindigkeits- und Druckfeld in unmittelbarer N¨ ahe der Kugel nicht von der Verletzung der Voraussetzung f¨ ur die G¨ ultigkeit der erhaltenen L¨ osung beeintr¨ achtigt wird. Um dies verl¨asslich zu erreichen muss jedoch (U∞ R)/ν 1 angenommen werden. Es ist aufgrund solcher ¨ Uberlegungen anzunehmen, dass die Stokessche L¨osung bereits f¨ ur die Kugelumstr¨ omung nicht mehr G¨ ultigkeit besitzt, wenn f¨ ur Re ≈ 1 gilt, d.h. wenn Re = (U∞ R/ν) ≈ 1 ist.
15.7 Die langsame Rotationsbewegung eines Zylinders Entsprechend der Behandlung der langsam rotierenden Kugelstr¨omung in Kapitel 15.5 sollen in diesem Kapitel die rotierende Zylinderstr¨omung behandelt werden. Dabei soll die Str¨ omung untersucht werden, die sich im Ringspalt zwischen zwei konzentrisch rotierenden Zylindern mit den Radien R1 und R2 einstellt. Diese Str¨ omung wird durch die Gleichungen beschrieben, die untenstehend angegeben sind und die sich aus den allgemeinen Grundgleichungen in Zylinderkoordinaten unter den Annahmen:
ableiten lassen als: und
∂Uϕ = 0 und Uϕ = Uϕ (r) ∂ϕ Uϕ2 ∂P dP ρ = = r ∂r dr 2 Uϕ d Uϕ d + =0 dr2 dr r
(15.128) (15.129) (15.130)
Dies sind die Bestimmungsleichungen f¨ ur den Druck P und die Str¨omungsgeschwindigkeit Uϕ . Aus Gleichung (15.130) erh¨alt man durch Integration: dUϕ Uϕ 1 d + = C1 bzw. (rUϕ ) = C1 . dr r r dr
(15.131)
Aus der nochmaligen Integration erh¨ alt man: Uϕ = C1 r +
C2 r
(15.132)
480
15 Str¨ omungen kleiner Reynolds-Zahlen
mit den Integrationskonstanten C1 und C2 , die sich aus den Randbedingungen bestimmen lassen: ;
r = R1
Uϕ = ω1 R1
und
C2 R1
und
r = R2
;
Uϕ = ω2 R2
(15.133)
d. h. es gilt: ω1 R1 = C1 R1 +
ω2 R2 = C2 R2 +
C2 R2
(15.134)
und damit C1 =
ω2 R22 − ω1 R22 R22 − R12
(15.135a)
C2 =
(ω1 − ω2 ) R12 R22 (R22 − R12 )
(15.135b)
Eingesetzt in Gleichung (15.132) erh¨ alt man: , + 1 R12 R22 2 2 Uϕ = (ω R − ω R − ω ) r − ω 2 2 1 1 2 1 (R22 − R12 ) r
(15.136)
Mittels Gleichung (15.136) erh¨ alt man aus Gleichung (15.129) f¨ ur die Druckverteilung im Ringspalt durch Integration: + , r2 − R12 ρ 2 2 2 ω2 R2 − ω1 R1 P (r) = P1 + − 2R12 R22 (ω2 − ω1 ) 2 2 (R22 − R12 ) , + 1 r R4 R4 1 ω2 R22 − ω1 R12 ln − 1 2 (ω2 − ω1 ) − R1 2 r2 R12 (15.137) Der Druck am Innenzylinder wurde in (15.137) mit P1 eingef¨ uhrt, um die aus der Integration der Gleichung (15.129) resultierende Konstante zu bestimmen. F¨ ur den Druck am a ¨ußeren Zylinder errechnet sich aus (15.137) + , R22 − R12 ρ 2 2 2 ω R − ω R P (R2 ) = P1 + 2 2 1 1 2 2 (R22 − R12 ) , + R R4 R4 2 − 1 2 (ω2 − ω1 ) −2R12 R22 (ω2 − ω1 ) ω2 R22 − ω1 R12 ln R1 2 1 1 − 2 R22 R1 (15.138) F¨ ur den molekularen Impulstransport gilt: Uϕ d τrϕ = −µ r . (15.139) dr r Mittels der L¨ osung (15.136) f¨ ur Uϕ errechnet sich:
15.8 Die langsame Translationsbewegung eines Zylinders
τrϕ =
R12 R22 −2µ (ω2 − ω1 ) . (R22 − R12 ) r2
481
(15.140)
Der molekularbedingte Impulseintrag in die Wandung betr¨agt f¨ ur den inneren Zylinder: −2µ R2 (ω2 − ω1 ) τrϕ (r = R1 ) = (15.141) (R22 − R12 ) 2 und f¨ ur den a¨ ußeren Zylinder: τrϕ (r = R2 ) =
−2µ R2 (ω2 − ω1 ) . (R22 − R12 ) 1
(15.142)
Die auf die Zylinder wirkenden Umfangskr¨ afte errechnen sich wie folgt: Kϕ (r = R1 ) = τrϕ (r = R1 ) 2πR1 L = K1 , Kϕ (r = R2 ) = τrϕ (r = R2 ) 2πR2 L = K2 .
(15.143)
Aus den Kr¨ aftebeziehungen sieht man, dass die resultierenden Umfangskr¨afte direkt proportional der Viskosit¨ at sind, eine Tatsache die bei der Erstellung von Viskosimetern genutzt wird.
15.8 Die langsame Translationsbewegung eines Zylinders ¨ Die am Ende des Kapitels 14.4 angedeuteten Uberlegungen zeigen auf, dass die Durchf¨ uhrung von Str¨ omungsberechnungen unter Anwendung vereinfachter Grundgleichungen zu L¨ osungen f¨ uhren kann, f¨ ur die in manchen Teilgebieten des Str¨ omungsfeldes die f¨ ur Vereinfachungen getroffenen Annahmen nicht mehr g¨ ultig sind. Dieser Sachverhalt hat sich bei der Stokesschen L¨osung f¨ ur die Kugelumstr¨ omung in Gebieten ergeben, in denen U∞ r/ν ≥ 1 war, d.h. in Gebieten fern der umstr¨ omten Kugel. Dort erwiesen sich die in dem Stokesschen L¨ osungsansatz vernachl¨ assigten Beschleunigungen gegen¨ uber den ber¨ ucksichtigten Drucktermen als nicht mehr klein. Im Grunde unbefriedigende Argumentationen mussten herangezogen werden, um die G¨ ultigkeit der erhaltenen L¨ osung zu rechtfertigen und streng genommen konnten nur experimentelle Untersuchungen zur Ermittlung der Widerstandskraft auf Kugeln die Richtigkeit der Argumentation best¨ atigen. Die f¨ ur die Kugelumstr¨ omung aufgezeigte Problematik wird noch deutlicher, wenn man sich das korrespondierende ebene Problem besieht, d.h. die zweidimensionale Umstr¨ omung eines Zylinders. Es zeigt sich n¨amlich, dass sich f¨ ur die ebene Umstr¨ omung eines Zylinders durch eine viskose Fl¨ ussigkeit u osung durch Anwendung der Differentialgleichungen (15.6) ¨ berhaupt keine L¨ und (15.7) bzw. (15.8) bis (15.11) finden l¨ asst. Es ist somit sehr problematisch, bei der L¨ osung von Str¨ omungsproblemen nicht den vollst¨andigen Satz an Grundgleichungen anzuwenden, sondern reduzierte S¨atze von Differentialgleichungen anzubringen. Letzteres wird jedoch oftmals deshalb notwendig,
482
15 Str¨ omungen kleiner Reynolds-Zahlen
S tro m lin ie n
x 2
A n s trö m u n g
x 1
Z y lin d e r Abbildung 15.9: Skizze der Umstr¨ omung eines Zylinders
weil analytische L¨ osungen f¨ ur den vollst¨ andigen Satz der str¨omungsmechanischen Grundgleichungen nicht zur Verf¨ ugung stehen. F¨ ur die in Abb. 15.9 skizzierte Umstr¨ omung eines Zylinders gelten die folgenden Differentialgleichungen, wenn man von einer Str¨ omung mit kleiner Reynoldszahl ausgeht, d.h. die G¨ ultigkeit der Stokesschen Gleichungen postuliert: ∂U2 ∂U1 + =0 ∂x1 ∂x2 2 ∂ 2 U1 ∂ U1 ∂P =µ + ∂x1 ∂x1 2 ∂x2 2 2 ∂ U2 ∂P ∂ 2 U2 =µ + ∂x2 ∂x1 2 ∂x2 2
(15.144) (15.145) (15.146)
mit den Randbedingungen: ur r = R U1 = U2 = 0 f¨
(15.147)
U1 = U∞ , U2 = 0 f¨ ur r → ∞
(15.148)
Die nun f¨ ur die obigen Differentialgleichungen ermittelbare analytische L¨ osung erweist sich als derartig, dass die f¨ ur r = R und r → ∞ eingebrachten Randbedingungen zu zwei sich widersprechenden L¨osungen f¨ uhren. Damit gelingt also die L¨ osung der vereinfachten Str¨ omungsgleichungen (15.144) bis (15.146) nicht, in denen ja die Beschleunigungsterme vernachl¨assigt wurden, f¨ ur die unter (15.147) und (15.148) angegebenen Randbedingungen. Diese Erkentnisse legen nahe, die Beschleunigungsterme in den Grundgleichungen zu belassen. F¨ ur das ebene Str¨ omungsproblem der Zylinderumstr¨omung f¨ ur ρ =const und station¨ are Str¨ omungsbedingungen erh¨alt man somit folgenden Satz an Differentialgleichungen:
15.8 Die langsame Translationsbewegung eines Zylinders
ρ U1 ρ U1
∂U1 ∂U1 + U2 ∂x1 ∂x2 ∂U2 ∂U2 + U2 ∂x1 ∂x2
∂U1 ∂U2 + =0 ∂x1 ∂x2 2 ∂ U1 ∂ 2 U1 ∂P +µ + =− ∂x1 ∂x1 2 ∂x2 2 2 ∂ U2 ∂ 2 U2 ∂P +µ + =− ∂x2 ∂x1 2 ∂x2 2
483
(15.149) (15.150) (15.151)
Mit U1 = U∞ + u1 und U2 = u2 ergibt sich unter der Annahme U∞ u1 der Satz der verallgemeinerten Stokesschen Gleichungen:
ρU∞
∂u1 ∂x1
ρU∞
∂u2 ∂x2
∂u2 ∂u1 + =0 ∂x1 ∂x2 2 ∂ u1 ∂P ∂ 2 u1 =− +µ + ∂x1 ∂x1 2 ∂x2 2 2 ∂ u2 ∂P ∂ 2 u2 =− +µ + ∂x2 ∂x1 2 ∂x2 2
(15.152) (15.153) (15.154)
∂ 2φ = 0 erh¨alt man ∂xi 2 nach einem von Lamb (1911) vorgeschlagenem L¨osungsweg folgende Ans¨atze f¨ ur u1 und u2 :
Unter Einbeziehung der Potentialfunktion φ(x1 , x2 ) mit
u1 =
∂φ 1 ∂χ + −χ ∂x1 2k ∂x1
und u2 =
∂φ 1 ∂χ + ∂x2 2k ∂x2
(15.155)
wobei die beiden Gr¨ oßen φ und χ folgende Differentialgleichungen erf¨ ullen: ∂2φ ∂φ + =0 ∂x1 2 ∂x2
und
∂2χ ∂2χ ∂χ + − 2k =0 2 ∂x1 ∂x2 2 ∂x1
(15.156)
Die obigen Gleichungen (15.152) bis (15.154) sind alle erf¨ ullt, wenn f¨ ur den Druck eingesetzt wird: ∂φ (15.157) P = P∞ − ρU∞ ∂x1 F¨ ur φ(x1 , x2 ) l¨ asst sich folgender Ansatz finden, um die Differentialgleichung (15.156) zu erf¨ ullen: φ = A0 ln r + A1
∂ ln r ∂ 2 ln r + A2 + ··· ∂x1 ∂x1 2
(15.158)
uhrt man ein: F¨ ur χ(x1 , x2 ) f¨ χ = ψ exp(kx1 )
(15.159)
so dass sich f¨ ur die Bestimmung von ψ die folgende Differentialgleichung ergibt:
484
15 Str¨ omungen kleiner Reynolds-Zahlen
∂2ψ ∂2ψ + − k2 ψ = 0 ∂x1 2 ∂x2 2
(15.160)
oder in Zylinderkoordinaten: ∂2ψ 1 ∂2ψ 1 ∂ψ + 2 + − k2 ψ = 0 2 ∂r r ∂r r ∂ϕ2
(15.161)
Sucht man nur die von r abh¨ angige L¨ osung dieser Gleichung so erh¨alt man die folgende gew¨ ohnliche Differentialgleichung: d2 φ 1 dφ − k2 φ = 0 + dr2 r dr
(15.162)
Diese Differentialgleichung wird durch die Besselfunktion K0 (kr) und deren Ableitung bestimmt, so dass folgender Ansatz vern¨ unftig erscheint: ∂K0 (kr) ∂ 2 K0 (kr) + B2 + ··· χ = −U∞ + exp(kx) B0 K0 (kr) + B1 ∂x1 ∂x1 2 (15.163) ∂ 2 ln r ∂(ln r) x1 cos ϕ cos 2θ und wegen = 2 = =− 2 (15.164) ∂x1 r r ∂x1 2 r l¨ asst sich angeben: φ = A0 ln r + A1
cos ϕ cos 2ϕ − A2 r r2
(15.165)
F¨ ur die Funktion χ gilt unter Einf¨ uhrung der Mascheronischen Konstante γ = 1,7811 bzw. ln γ = 0,57722: γ γ cos ϕ kr + kr cos ϕ ln kr − B1 (15.166) χ = −U∞ − B0 ln 2 2 r so dass sich f¨ ur das zylindernahe Geschwindigkeitsfeld angeben l¨asst: 1 A1 cos ϕ 1 A0 − + cos ϕ (15.167) Ur (r, ϕ) = + U cos ϕ − B ∞ 0 r r2 2kr 2 γ 1 cos ϕ kr + B1 − cos ϕ ln 2 2 2kr2 sin ϕ γ B1 sin ϕ A1 sin ϕ ln kr + Uϕ (r, ϕ) = − − U sin ϕ − B (15.168) ∞ 0 r2 2 2 2kr2 Bezieht man nun die Randbedingungen f¨ ur r = R ein, so erh¨alt man: B0 A0 B0 − =0 ; A0 = R 2kR 2k A1 γ B1 B0 1 − ln kR + + U∞ − =0 2 R 2 k 2kR2
(15.169) (15.170)
15.8 Die langsame Translationsbewegung eines Zylinders
B1 A1 B0 γ ln kR + − U − =0 ∞ R2 2 2 2kR2 Damit ergeben sich f¨ ur die Integrationskonstanten: −
2U∞ 4ν ,2 = 1 + ,2 + k 1 − 2 ln γ2 kR 1 − 2 ln γ2 kR 4U∞ + ,2 B0 = 1 1 − 2 ln γ2 kR A0 = 1
A1 −
−U∞ R2 B1 ,2 + = 1 2k 1 − 2 ln γ2 kR
485
(15.171)
(15.172) (15.173) (15.174)
Damit ergibt sich f¨ ur die Geschwindigkeitskomponenten in Zylindern¨ahe: Ur (r, ϕ) = 1
r U∞ cos ϕ R2 + γ ,2 −1 + 2 + 2 ln r R 1 − 2 ln 2 kR
(15.175)
r R2 −U∞ sin ϕ + γ ,2 1 − 2 + 2 ln r R 1 − 2 ln 2 kR
(15.176)
Uϕ (r, ϕ) = 1
ur die GeschwindigF¨ ur große Entfernungen gelten folgende Gleichungen f¨ keitskomponenten: Ur (r, ϕ) =
1 A0 + B0 exp (kr cos ϕ) [K0 (kr) − cos ϕK0 (kr)] r 2
(15.177)
1 B0 exp (kr cos ϕ) K0 (kr) sin ϕ (15.178) 2 Wobei f¨ ur große Argumente (kr) die folgenden asymptotischen Beziehungen gelten: π exp(−kr) (15.179) K0 (kr) ≈ 2kr Uϕ (r, ϕ) =
-
und K0 (kr)
≈−
π exp(−kr) 2kr
(15.180)
F¨ ur den Druck errechnet sich: P = P∞ − ρU∞ A0
cos ϕ cos 2ϕ + ρU∞ A1 r r2
(15.181)
F¨ ur die Widerstandskraft ergibt sich: W = 2πρU∞ A0
(15.182)
ur die Widerstandskraft pro A0 eingesetzt ergibt die Lambsche Formel f¨ L¨ angeneinheit eines Zylinders:
486
15 Str¨ omungen kleiner Reynolds-Zahlen
W = 1
8πµU∞ ,2 + 1 − 2 ln γ2 kR
(15.183)
Trotz der Ber¨ ucksichtigung der Beschleunigungsterme ist die oben aufgef¨ uhrte Beziehung f¨ ur W , d.h Gleichung (15.183), nur f¨ ur kleine Werte f¨ ur R Re = U∞ anwendbar. ν Will man die obigen Einschr¨ ankungen bez¨ uglich der L¨osung von Str¨ omungsproblemen nicht haben, d.h. will man die L¨osung f¨ ur die Zylinderumstr¨ omung ohne jegliche Einschr¨ ankungen, d.h. f¨ ur die vollst¨andigen Str¨ omungsgleichungen erhalten, so muss man diese Gleichungen numerisch l¨ osen. Solche L¨ osungen sind heute f¨ ur Re ≤ 10.000 durch direkte L¨osungen der Kontinuit¨ ats- und der Re-Gleichungen m¨ oglich. Sie f¨ uhren zu Ergebnissen, wie sie nebenstehend aufgezeigt sind. In Abb. 15.10 sind L¨osungen f¨ ur kleine Re-Zahlen dargestellt. Aus den numerischen Berechnungen lassen sich
Abbildung 15.10: Stromlinienbilder f¨ ur Zylinderumstr¨ omungen bei verschiedenen Re-Zahlen
auch die Widerstandsbeiwerte ermitteln, wie sie in Abb. 15.11 zu sehen sind. Experimentelle Untersuchungen best¨ atigen die numerischen Berechnungen. Dies betrifft nicht nur die Widerstandsbeiwerte, die im oben aufgef¨ uhrten Diagramm 15.11 aufgezeigt sind, sondern auch die Details der Str¨omung, so z.B. die L¨ ange des Gebietes mit rezirkulierender Str¨omung nach dem Zylinder. In der Abbildung 15.12 sind experimentelle Ergebnisse aufgezeigt, die dem Buch An Album of Fluid Motion entnommen sind.
15.9 Diffusions- und Konvektionseinfl¨ usse auf Str¨ omungsfelder C
487
2 2 .0 D
T o m o tik a a n d A o T a m a d a e t. a l. 1 9 K e lle r a n d W a rd R e s u lts o f L a n g e T ritto n 1 9 5 9 (e x p H u n e r a n d H u sse
2 0 .0 1 8 .0 1 6 .0 1 4 .0
l 1 9 5 1 8 3 1 9 9 6 e t.a l. 1 9 9 8 e r .) y 1 9 7 7 ( e x p e r .)
1 2 .0
C
W ie s e ls b e rg e r 1 9 2 T ritto n 1 9 5 9 Ja y a w e e ra a n d M a N is h io k a a n d S a to H u n e r a n d H u sse y R e s u lts o f L a n g e e
D
1 0 1
1 0 0
1 0 .0
3 so n 1 9 6 5 1 9 6 5 1 9 7 7 t.a l.1 9 9 8
8 .0 6 .0 4 .0 2 .0
0 .0
1 .0
2 .0
3 .0
4 .0
R e
5 .0
6 .0
1 0 0
1 0 1
R e
1 0 2
Abbildung 15.11: Widerstandsbeiwerte f¨ ur die Zylinderumstr¨ omung
R = 13,1
R = 41,0
Abbildung 15.12: Rezirkulationsgebiete nach dem Zylinder aus experimentellen Untersuchungen, entnommen dem Buch An Album of Fluid Motion von Van Dyke [15.8]
15.9 Diffusions- und Konvektionseinflu ¨sse auf Stro mungsfelder ¨ In den Abschnitten 3 und 5 dieses Buches wird die Analogie der W¨armeleitung und des molekularen Impulstransports unterstrichen und um die Bedeutung dieser Analogie herauszustellen wird die allgemeine Form der Impulsgleichungen umgeschrieben in die Transportgleichung f¨ ur Wirbelst¨arke ωj , siehe Kapitel 5: ∂ωj ∂ωj ∂Uj ∂ 2 ωj + Ui +µ (15.184) = −ρωj ρ ∂t ∂xi ∂xi ∂xi 2
488
15 Str¨ omungen kleiner Reynolds-Zahlen
F¨ ur die zweidimensionale Str¨ omung um einen Zylinder ist ω3 = ω die einzige Komponente die ungleich Null ist und dieser Sachverhalt erlaubt die Wirbelst¨ arkengleichung als Skalargleichung zu schreiben. Diese Gleichung lautet wegen ρωi (∂Uj /∂xi ) = 0: ∂ω ∂ω ∂2ω + Ui (15.185) =µ ρ ∂t ∂xi ∂xi 2 Vergleicht man diese Gleichung mit der W¨ arme- oder Stofftransportgleichung f¨ ur konvektiven und diffusiven Transport, ∂c ∂T ∂T ∂c ∂2T ∂2c ρcv + Ui + Ui und ρ , (15.186) =λ =D 2 ∂t ∂xi ∂xi ∂t ∂xi ∂xi 2 so sieht man, dass man den Einfluss von K¨ orpern auf Str¨omungen so verstehen kann, dass an der K¨ orperberandung die Wirbelst¨arke ω produziert wird, die von dem K¨ orper durch molekulare Diffusion in das Fluid gelangt, um dann konvektiv wegtransportiert zu werden.
A u s b re itu n g v o n W ä rm e 2 R l ~ r lc p
D t
R m2 ~ n D t
Abbildung 15.13: Rein diffusiver Transport von W¨ arme bzw. Wirbelst¨ arke von einem Zylinder
Um nun die Wechselwirkung zwischen Konvektion und Diffusion zu verstehen, ist es somit m¨ oglich den diffusiven und konvektiven W¨armetransport zu betrachten und die dabei gewonnenen Erkenntnisse auf die Wirbelst¨arke, sprich das Str¨ omungsfeld zu u ¨ bertragen. Betrachtet man einen beheizten Zylinder mit kleinem Durchmesser, bei einer pl¨ otzlichen Temperaturerh¨ ohung, so zeigt sich, dass sich, in einer Zeit ∆t, eine W¨ armefront durch W¨ armeleitung wie folgt ausbreitet:
15.9 Diffusions- und Konvektionseinfl¨ usse auf Str¨ omungsfelder
Rλ2 = const mit a =
λ ρcp
λ ρcp
489
∆t
(15.187)
Temperaturleitf¨ ahigkeit
Analog gilt f¨ ur die Wirbelst¨ arke: Rµ2 = const(ν)∆t
mit ν = µ/ρ
(15.188)
F¨ ur die Ausbreitungsgeschwindigkeit ergibt sich somit in Abst¨anden Rλ und Rµ vom Ursprung: λ 1 Rλ = const uλ = (15.189) ∆t Rλ ρcv bzw. analog f¨ ur den Impulstransport uµ =
1 Rµ = const ν ∆t Rµ
(15.190)
Bewegt sich nun ein Fluid mit einer kleinen Str¨omungsgeschwindigkeit
x G r e n z e d e s B e r e ic h e s ,in d e m d ie V is k o s itä t u n d T e m p e ra tu re in flü s s e b e m e rk b a r s in d .
K ö rp e r
g 1 d n u n r O r e d U d v o n
U n g e s tö rte A n s trö m u n g 2
.
x 1
( x 1 )l
n
Abbildung 15.14: Endliches Gebiet f¨ ur die Ausbreitung von W¨ arme bzw. Wirbelst¨ arke f¨ ur kleine Re-Zahlen
U1 = U∞ , so ergibt sich der in Abb. 15.14 skizzierte Zustand, der dadurch gekennzeichnet ist, dass sich ein Punkt auf der x1 -Achse finden l¨asst, an dem die Ausbreitungsgeschwindigkeit Uµ = U∞ ist, so dass gilt: λ 1 (x1 )λ = Rλ = const (15.191) U∞ ρcv bzw.
ν . (15.192) U∞ Damit ist verst¨ andlich, dass sich bei Vorliegen einer Anstr¨omung der Einfluss des Zylinders auf das Temperatur- bzw. Geschwindigkeitsfeld nur in einem (x1 )µ = Rµ = const
490
15 Str¨ omungen kleiner Reynolds-Zahlen
begrenzten Gebiet auswirken kann, wie Abb. 15.14 zeigt. Rechts von dem Punkt (x1 )µ gibt es keinerlei Informationen u ¨ber den in Abb. 15.14 liegenden K¨ orper. Die in Abb. 15.14 erl¨ auterten Erkenntnisse sind wichtig, wenn man im Anstr¨ ombereich eines Zylinders das Gebiet finden muss, in dem von dem Zylinder ungest¨ orte Anstr¨ ombedingungen aufgepr¨agt werden m¨ ussen. Nach (15.192) erh¨ alt man: x 1
D bzw.
x 1
D
> const λ
> const µ
ν U∞ D
const ν = U∞ D Re
λ µcv
= const
1 . ReP r
(15.193)
(15.194)
Gleichung (15.193) zeigt, dass mit abnehmender Re-Zahl das Integrationsgebiet zunimmt, das man, bei der Anwendung numerischer Integrationsverfahren mit einem numerischen Gitter abzudecken hat, um die im Unendlichen geltenden Randbedingungen anzubringen. Eine zus¨atzliche Erweiterung des Rechengebietes ergibt sich f¨ ur Peclet-Zahlen Pe = (RePr) < 1, d.h. f¨ ur Pr < 1, wenn das Temperaturfeld einer Zylinderumstr¨omung gleichfalls berechnet werden muss.
15.10 Literaturhinweise 15.1 Lamb H (1911) On the Uniform Motion of a Sphere Through a Viscous Fluid. Phil. Mag. 21, p. 120 15.2 Lamb H (1945) Hydrodynamics. Dover Publications, New York 15.3 Bird RD, Stewart WE, Lightfoot EN (1960) Transport Phenomena. John Wiley & Sons Inc., New York 15.4 Schlichting H (1968) Boundary Layer Theory. 6 Edition, McGraw Hill Book Company, New York 15.5 Yuan SW (1971) Foundations of Fluid Mechanics. Civil. Engineering and Mechanics Series, Mei Ya Publications, Inc. Taipei, Taiwan 15.6 Yih CS (1979) Fluid Mechanics - A Concise Introduction to the Theory, West River Press, Ann Arbor, Michigan 15.7 Van Dyke, M (1982) An Album of Fluid Motion. The Parabolic Press, Stanford, California 15.8 Sherman FS (1990) Viscous Flow. Mc-Graw Hill, New York
16 Str¨ omungen großer Reynoldszahlen (Grenzschichtstr¨ omungen)
16.1 Allgemeine Betrachtungen und Ableitungen Im vorausgegangenen Kapitel 15 wurden Betrachtungen zu Str¨omungen angestellt, die durch kleine Reynolds-Zahlen (Re-Zahlen) gekennzeichnet waren, d.h. Str¨ omungsvorg¨ ange, bei denen die Diffusion dominierte und die Konvektion eine untergeordnete Rolle spielte. Dies l¨ asst sich durch kleine Re-Zahlen ausdr¨ ucken, etwa in der Form, dass die Re-Zahl als Kr¨afteverh¨altnis betrachtet wird: Re =
Beschleunigungskraft dρc Uc2 Uc L c = = νc µc (Uc /Lc ) Viskosit¨atskraft
(16.1)
Hierbei stellen ρc und µc die ein Fluid kennzeichnende Dichte und Viskosit¨at dar, Uc eine charakteristische Geschwindigkeit und Lc eine das Str¨omungsgebiet kennzeichnende L¨ ange. ¨ Aquivalente Betrachtungen zur Bedeutung der Re-Zahl k¨onnen allerdings auch u ur Diffusions- und Konvektionsvorg¨ange typischen Zeiten zum ¨ ber die f¨ Ausdruck gebracht werden: Re =
Diffusionszeit (L2c /νc ) Uc L c = = νc (Lc /Uc ) Konvektionszeit
(16.2)
oder aber u ur die Diffusions- und Konvektionsvorg¨ange typischen ¨ber die f¨ Geschwindigkeiten: Re =
Uc L c Konvektionsgeschwindigkeit dUc = = νc (νc /Lc) Diffusionsgeschwindigkeit
(16.3)
Betrachtet man nun Str¨ omungen mit großen Re-Zahlen, d.h. Str¨omungen, in denen die Beschleunigungskr¨ afte gegen¨ uber den Viskosit¨atskr¨aften dominieren, bzw. die Diffusionszeiten gegen¨ uber den Konvektionszeiten groß sind, oder aber die Konvektionsgeschwindigkeiten groß gegen¨ uber den Diffusionsgeschwindigkeiten sind, so l¨ asst sich zeigen, dass z.B. die Einwirkungen von Wandungen auf Str¨ omungen auf kleine Bereiche in Wandn¨ahe beschr¨ankt sind. Dies ist in Abb. 16.1 skizziert, welche die Umstr¨omung einer ebenen
492
16 Str¨ omungen großer Reynoldszahlen U n g e s tö rte A n s trö m u n g W a n d n a h e r B e re ic h fü r g ro ß e R e -Z a h le n
U d n >> 1
U d ~ n ~ 1 Abbildung 16.1: Bereichsbegrenzungen f¨ ur Diffusionsvorg¨ ange bei der Plattenumstr¨ omung f¨ ur Re ≈ 1 sowie Re 1
Platte zeigt und hier den kleinen Bereich in Wandn¨ahe angibt, in dem f¨ ur große Re-Zahlen Viskosit¨ atseinfl¨ usse zu beobachten sind. Der Inhalt dieser ¨ Abbildung resultiert aus der Erweiterung der Uberlegungen, die am Ende des Kapitels 15 durchgef¨ uhrt wurden. Wendet man die aus Kapitel 15.9 gewonnenen Erkenntnisse auf die Umstr¨ omung einer ebenen Platte an, so ergibt sich f¨ ur Re ≈ 1 ein großer Bereich, in dem Diffusionsvorg¨ange Informationen u asenz der umstr¨ omten Platte in dem str¨omenden Fluid bemerkbar ¨ ber die Pr¨ werden lassen. Liegen dagegen Verh¨ altnisse vor, die durch Re 1 gekennzeichnet sind, so bleibt der Einfluss der Diffusion auf ein kleines Gebiet in der Plattenn¨ ahe beschr¨ ankt. Dort kommt es zur Ausbildung einer sogenannten Plattengrenzschicht. Grenzschichten dieser Art sind somit die charakteristischen Eigenschaften von Str¨ omungen hoher Re-Zahlen. Solche Str¨omungen lassen sich somit in k¨ orpernahe Gebiete unterteilen, in denen Viskosit¨atseinfl¨ usse auf Str¨ omungen zu beachten sind, und in wandferne Gebiete, die als frei von Viskosit¨ atseinfl¨ ussen, d.h. frei von den Impulsverlusten an die Wand, angesehen werden k¨ onnen. ¨ Die obigen Betrachtungen machen deutlich, dass es besonderer Uberlegungen bedarf, um die Gleichungen abzuleiten, die als N¨aherungen der NavierStokesschen Gleichungen f¨ ur Re 1 zur L¨ osung von Str¨omungsproblemen herangezogen werden k¨ onnen. Ableitungen anzustreben, in denen die Viskosit¨ atsterme, wegen Re 1, in den die Str¨ omung beschreibenden Differentialgleichungen vollst¨ andig vernachl¨ assigt werden, sind unzul¨assig, da dieses Vorgehen in den Eulergleichungen resultieren w¨ urde: normierte Eulergleichung
⇒0
wegen
Re⇒∞
∗ ∗ 2 ∗ ∗ ∂U ∂ U ∂U L ν ∂P ∆P c c c j j j · + Ui∗ + =− ρ∗ tc · Uc ∂t∗ ∂x∗i ρc Uc2 ∂x∗j Uc Lc ∂x∗i 2
(16.4)
16.1 Allgemeine Betrachtungen und Ableitungen
493
¨ Vielmehr gilt es zur Ableitung der Grenzschichtgleichungen Uberlegungen zur Anwendung zu bringen, wie sie von Prandtl, (1904) & (1905), vorgeschlagen wurden. Diese basieren auf Gr¨ oßenbetrachtungen der Terme in den Navier-Stokes-Gleichungen unter Ber¨ ucksichtigung der Unterschiede in den Zeiten bzw. Geschwindigkeiten bei Diffusions- und Konvektionstransportvorg¨ angen. W¨ urde man die viskosen Terme vernachl¨ assigen, so k¨ame dies einer Reduktion der Ordnung der die Str¨ omung beschreibenden Grundgleichungen gleich. Damit w¨ are es nicht m¨ oglich, alle eine Str¨omung kennzeichnenden Randbedingungen zu implementieren und Str¨ omungen, die so aus den Grundgleichungen als L¨ osungen resultieren, w¨ urden beachtliche Defizite aufweisen. ¨ Der somit in Abb. 16.1 angedeutete Ubergang von den allgemein g¨ ultigen Navier-Stokes-Gleichungen auf die Grenzschichtgleichungen ist ein essentieller Schritt, den es zu ber¨ ucksichtigen gilt, um nur solche Vereinfachungen der Navier-Stokesschen-Gleichungen zuzulassen, die noch in physikalisch sinnvollen L¨ osungen der Gleichungen resultieren.
x 1 = y R a n d p u n k t
d L
x 2 = x
P la tte n a n fa n g
Abbildung 16.2: Grenzschichtdicke entlang einer ebenen Platte
x1 = x
wobei x = Grenzschichtkoordinate in Str¨omungsrichtung ist
x2 = y
wobei y = Grenzschichtkoordinate senkrecht zur Str¨omungsrichtung ist
W¨ ahlt man L als eine Abmessung in Str¨ omungsrichtung entlang der in Abb. 16.2 angedeuteten Plattenstr¨ omung, so ist δ die zugeh¨orige Grenzschichtdicke, wobei nach Abb. 16.1 ersichtlich ist, dass δ L f¨ ur große Re-Zahlen gilt. Betrachtet man die Zeiten: ∆tc = dL/U∞ ∆tD = dδ 2 /ν
Konvektionszeit Diffusionszeit
so erh¨ alt man, da ∆tc = ∆tD f¨ ur den Randpunkt δ(L)ist: δ 1 δ2 L ; = = U∞ ν L (U∞ δ/ν)
(16.5)
494
16 Str¨ omungen großer Reynoldszahlen
Die Grenzschichtdicke δ, normiert mit der Laufl¨ange“ L, ist proportional ” dem Kehrwert der mit der Außengeschwindigkeit und der Grenzschichtdicke gebildeten Reynoldszahl: (δ/L) = 1/Reδ . Beachtet man den in Gleichung (16.3) gegebenen Zusammenhang, so ergibt sich f¨ ur die in y-Richtung erur die folgende Diffusionsgeschwindigkeit: UD = Uy ≈ ν/δ, so dass sich f¨ Gr¨ oßenordnungsbetrachtungen folgende Normierungen angeben lassen: P P∞ (16.6) F¨ uhrt man nun diese Normierungen in die zweidimensionalen Navier-StokesGleichungen mit konstanten Fluideigenschaften ein: x∗ =
x ; L
y∗ =
y ; δ
Ux∗ =
Ux ; U∞
Uy∗ =
Uy ; (ν/δ)
t∗ =
t ; (L/U∞ )
P∗ =
∂U2 ∂U1 + =0 (16.7) ∂x1 ∂x2 2 ∂ U1 ∂U1 ∂U1 ∂U1 ∂ 2 U1 ∂P + U1 + U2 +µ + ρ =− (16.8) ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x1 ∂x1 2 ∂x2 2 ρ
∂U2 ∂U2 ∂U2 + U1 + U2 ∂t ∂x1 ∂x2
=−
∂P +µ ∂x2
∂ 2 U2 ∂ 2 U2 + 2 ∂x1 ∂x2 2
(16.9)
so lassen sich die unten aufgef¨ uhrten Ableitungen durchf¨ uhren. F¨ ur die Kontinuit¨ atsgleichung ergibt sich: ν ∂Uy∗ U∞ ∂Ux∗ + =0 L ∂x∗ δ 2 ∂y ∗
;
∂Ux∗ νL ∂Uy∗ + = 0. ∂x∗ U δ 2 ∂y ∗ ∞
(16.10)
≈1
Dabei ist der Term (νL)/(U∞ δ 2 ) = (L/U∞ )/(δ 2 /ν) das Verh¨altnis der Konvektions- und Diffusionszeiten. Nach Gleichung (16.5) sind beide Terme gleich, so dass beide Gradienten in der Kontinuit¨atsgleichung von der selben Gr¨ oßenordnung sind, also in den Grenzschichtgleichungen mitgef¨ uhrt werden m¨ ussen. Damit lautet die Gleichung f¨ ur Grenzschichtstr¨omungen: Kontinuit¨ atsgleichung: ∂Uy ∂Ux + =0 (16.11) ∂x ∂y F¨ ur die Impulsgleichung in x-Richtung ergibt die Normierung: 2 2 ∗ U∞ νU∞ ∗ ∂Ux∗ U∞ ∂Ux∗ P∞ ∂P ∗ ∗ ∂Ux U + + U + ρ = − x y L ∂t∗ L ∂x∗ δ2 ∂y ∗ L ∂x∗ U∞ ∂ 2 Ux∗ U∞ ∂ 2 Ux∗ + 2 µ L2 ∂x∗ 2 δ ∂y ∗ 2
(16.12)
16.1 Allgemeine Betrachtungen und Ableitungen
495
2 Dividiert man die gesamte Gleichung mit (ρU∞ /L), so erh¨alt man:
∂Ux∗ ∂Ux∗ ∂Ux∗ νL P∞ ∂P ∗ + Ux∗ + Uy∗ =− 2 + ∗ ∗ 2 ∗ ∂t ∂x U δ ∂y ρU∞ ∂x∗ ∞ ≈1
∂ 2 Ux∗ νL ∂ 2 Ux∗ + U∞ L ∂x∗ 2 U δ 2 ∂y ∗ 2 ∞ ν
(16.13)
≈1
δ/(LReδ )
Mit (δ/L) ≈ (1/Reδ ) ergibt sich f¨ ur den ersten der beiden Viskosit¨atsterme auf der rechten Seite von (16.13), dass dieser mit (1/Re2δ ) zu multiplizieren assigbar angesehen werden kann. ist, so dass er f¨ ur Reδ 1 als vernachl¨ Damit gilt f¨ ur die Grenzschichtform der x-Impulsgleichung: ρ
∂Ux ∂Ux ∂Ux + Ux + Uy ∂t ∂x ∂y
=−
∂ 2 Ux ∂P +µ ∂x ∂y 2
(16.14)
Analoge Ableitungen ergeben f¨ ur die zweidimensionale y-Impulsgleichung: νU∞ ∂Uy∗ U∞ ν ∗ ∂Uy∗ ν 2 ∗ ∂Uy∗ P∞ ∂P ∗ U + + U = − ρ δL ∂t∗ δL x ∂x∗ δ 3 y ∂y ∗ δ ∂y ∗ . / (16.15) ν ∂ 2 Uy∗ ν ∂ 2 Uy∗ +µ + 3 δL2 ∂x∗ 2 δ ∂y ∗ 2 2 /L), so ergibt sich: Dividiert man auch diese Gleichung mit (δU∞
∂Uy∗ ∂Uy∗ ν ∂Uy∗ νL ν ν P∞ L ∂P ∗ + Ux∗ + Uy∗ =− 2 ∗ ∗ 2 ∗ δU∞ ∂t δU∞ ∂x U∞ δ U∞ δ ∂y ρU∞ δ ∂y ∗ ≈1 2 ν ν ∂ 2 Uy∗ L ∂ 2 Uy∗ ν + + U∞ δ U∞ L ∂x∗ 2 U∞ δ δ ∂y ∗ 2 (16.16) oder umgeschrieben: ∂Uy∗ ∂Uy∗ ∂Uy∗ P∞ 1 ∂P ∗ ∗ ∗ = − + U + U Re + δ x y 2 Reδ ∂t∗ ∂x∗ ∂y ∗ ρU∞ ∂y ∗ . / (16.17) 1 ∂ 2 Uy∗ 1 ∂ 2 Uy∗ + Reδ ∂y ∗ 2 Re3δ ∂x∗ 2 Damit ergibt sich, dass in der Gleichung (16.17) alle Beschleunigungs- und Viskosit¨ atsterme vernachl¨ assigt werden k¨ onnen. Sie sind, wegen Reδ 1, sehr klein gegen¨ uber den entsprechenden Termen in der x-Impulsgleichung (16.14). Somit resultiert die y-Impulsgleichung in folgender Gleichung:
496
16 Str¨ omungen großer Reynoldszahlen
∂P =0 ∂y
(16.18)
Diese Gleichung besagt, dass sich der Druck in einer Grenzschicht, senkrecht zu einer Berandung, nicht ¨ andert. Die Grenzschicht erf¨ahrt somit, bis an die Wand, die in x-Richtung aufgepr¨ agte Druck¨ anderung der Außenstr¨omung. Dies bedeutet f¨ ur viele Probleml¨ osungen, dass die Druckverteilung P (x, y) = P∞ (x) bekannt ist, so dass u ¨ ber die Grenzschichtgleichungen zur L¨osung von Str¨ omungsproblemen nur die Geschwindigkeitskomponenten Ux und Uy zu bestimmen sind. Die zweidimensionalen Grenzschichtgleichungen lassen sich aufgrund der obigen Gr¨ oßenordnungsbetrachtungen wie folgt angeben: ∂Uy ∂Ux + =0 ∂x ∂y ∂Ux ∂ 2 Ux ∂Ux ∂Ux ∂P ρ + Ux + Uy +µ =− ∂t ∂x ∂y ∂x ∂y 2 ∂P =0 ∂y
(16.19a) (16.19b) (16.19c)
Die Gleichungen (16.19) sind, wie sich leicht zeigen l¨asst, ein Satz parabolischer Differentialgleichungen. Diese lassen sich, mit den entsprechenden Randbedingungen, f¨ ur einige Str¨ omungsgeometrien l¨osen und erlauben so die Geschwindigkeitsverteilungen in Grenzschichtstr¨omungen zu berechnen.
16.2 L¨ osungen der Grenzschichtgleichungen Im vorausgegangenen Abschnitt wurden die Grenzschichtgleichungen abgeleitet: ∂Uy ∂Ux + =0 ∂x ∂y ∂Ux ∂ 2 Ux ∂Ux ∂Ux ∂P + Ux + Uy +µ ρ =− ∂t ∂x ∂y ∂x ∂y 2 ∂P =0 ∂y
(16.20a) (16.20b) (16.20c)
F¨ ur die Außenstr¨ omung, wo keine Viskosit¨ atseffekte auftreten, l¨asst sich die Druckverteilung u ¨ ber die Eulerform der Impulsgleichung bestimmen: ∂U∞ 1 ∂P ∂U∞ + U∞ =− ∂t ∂x ρ ∂x
(16.21)
Wegen (16.20c) l¨ asst sich die Impulsgleichung (16.20b), aufgrund Gleichung (16.21) wie folgt schreiben:
16.2 L¨ osungen der Grenzschichtgleichungen
∂U∞ ∂ 2 Ux ∂Ux ∂Ux ∂Ux ∂U∞ + Ux + Uy = + U∞ +ν ∂t ∂x ∂y ∂t ∂x ∂y 2
497
(16.22)
Diese Gleichung gilt es mit Gleichung (16.20a) zusammen zu l¨osen, um Grenzschichtstr¨ omungen zu berechnen. Dabei ist die G¨ ultigkeit dieser Gleichung, streng genommen, nur f¨ ur kartesische Koordinaten nachgewiesen. Hier soll jedoch darauf hingewiesen werden, dass sie auch f¨ ur gekr¨ ummte Koordinaten g¨ ultig ist, wenn der Kr¨ ummungsradius der Stromlinien groß gegen¨ uber der Grenzschichtdicke δ ist. Um nun die Grenzschichtgleichungen zu l¨osen, empfiehlt es sich, die Stromfunktion Ψ einzuf¨ uhren, so dass die Kontinuit¨atsgleichung eleminiert wird: U1 =
∂Ψ ∂Ψ = Ux = ∂x2 ∂y
U2 = −
∂Ψ ∂Ψ = Uy =− ∂x1 ∂x
(16.23)
Damit ergibt sich nach Gleichung (16.22) die folgende partielle Differentialgleichung f¨ ur die als Unbekannte eingef¨ uhrte Stromfunktion Ψ : ∂2Ψ ∂Ψ ∂ 2 Ψ ∂Ψ ∂ 2 Ψ ∂3Ψ ∂U∞ ∂U∞ + − + U + ν = ∞ ∂t∂y ∂y ∂x∂y ∂x ∂y 2 ∂t ∂x ∂y 3
(16.24)
Es liegt somit eine partielle Differentialgleichung 3. Ordnung vor, die es f¨ ur die Stromfunktion Ψ (x, y, t) zu l¨ osen gilt und diese L¨osung bedarf der Angabe von drei Randbedingungen und geeigneter Anfangsbedingungen. Dabei ist zu beachten, dass die unterschiedlichen Grenzschichtstr¨omungen durch die entsprechenden Rand- und Anfangsbedingungen gegeben sind. Die sich in den Grenzschichten abpielenden Transportvorg¨ ange sind alle durch die Differentialgleichung f¨ ur Ψ beschrieben. Beim station¨ arer Str¨ omungsbedingungen ergibt sich aus (16.24) Vorliegen ∂ ∂Ψ = 0: f¨ ur ∂t ∂y ∂Ψ ∂ 2 Ψ ∂Ψ ∂ 2 Ψ ∂3Ψ dU∞ − + ν = U ∞ ∂y ∂x∂y ∂x ∂y 2 dx ∂y 3
(16.25)
Diese Gleichung wurde von Blasius (1908) f¨ ur den Fall der Str¨omung u ¨ ber eine ebene Platte mit U∞ =const angegeben und auch gel¨ost. F¨ ur den Fall station¨ arer Grenzschichtstr¨ omungen hat v. Mises 1927 die Grenzschichtgleichungen auf eine nichtlineare partielle Differentialgleichung zweiter Ordnung zur¨ uckgef¨ uhrt, die dem Gleichungstyp der W¨armeleitungsgleichung entsprach. Die wesentlichen Punkte der Ableitung der Misesschen Differentialgleichung lassen sich wie unten aufgef¨ uhrt zusammenfassen. Die von v. Mises vorgeschlagenen Ableitungen gehen gleichfalls von der Stromfunktion Ψ aus, die jedoch als unabh¨ angige Variable in die Ableitungen eingef¨ uhrt wird, so dass gilt: Ux (x, y) = Vx (x, Ψ ) und Uy (x, y) = Vy (x, Ψ )
(16.26)
498
16 Str¨ omungen großer Reynoldszahlen
Damit lassen sich die folgenden Beziehungen angeben: ∂Ux ∂Vx ∂Vx ∂Ψ ∂Vx ∂Vx = + = − Uy ∂x ∂x ∂Ψ ∂x ∂x ∂Ψ
(16.27)
∂Ux ∂Vx ∂Ψ ∂Vx ∂Vx = = Ux = Vx ∂y ∂Ψ ∂y ∂Ψ ∂Ψ
(16.28)
F¨ ur die zweite Ableitung nach y erh¨ alt man durch folgende Zwischenrechnung: 2 ∂Vx ∂Vx ∂ 2 ∂Vx + Ux = Ux = Ux ∂y ∂Ψ ∂Ψ ∂Ψ . 2 / ∂Vx ∂Vx ∂ ∂Vx + = Ux Ux = Ux Vx ∂Ψ ∂Ψ ∂Ψ ∂Ψ (16.29)
∂ 2 Ux ∂ = 2 ∂y ∂y
∂Ux ∂y
Damit gilt: ∂ ∂ 2 Ux = Ux 2 ∂y ∂Ψ
∂ ∂Ψ
1 2 V 2 x
= Vx
∂2 ∂Ψ 2
1 2 V 2 x
(16.30)
Setzt man (16.27) bis (16.30) in die Grenzschichtform der station¨aren Impulsgleichung ein, so ergibt sich: 2 Vx ∂Vx dU∞ ∂2 = U∞ + νVx Vx (16.31) 2 ∂x dx ∂Ψ 2 oder umgeschrieben 2 dU∞ ∂2 + 2, ∂Vx2 = + νVx Vx ∂x dx ∂Ψ 2
(16.32)
F¨ uhrt man nun eine neue Funktion ein: 2 − Vx2 V(x, Ψ ) = U∞
(16.33) 2 − V, so nimmt die Differentialgleichung (16.32) die so dass gilt: Vx = U∞ Misessche Form an: ∂V ∂2V 2 −V = ν U∞ (16.34) ∂x ∂Ψ 2 Die Misessche Differentialgleichung muss den Randbedingungen gen¨ ugen: Ψ =0:
Ux = 0,
2 d.h. V = U∞
Ψ → ∞ : Ux → U∞ , d.h. V = 0
(16.35)
Die obigen allgemeinen L¨ osungsans¨ atze f¨ ur die Grenzschichtgleichungen werden in den nachfolgenden Abschnitten auf konkrete Str¨omungen angewandt.
16.3 Plattengrenzschicht (L¨ osung nach Blasius)
499
16.3 Plattengrenzschicht (L¨ osung nach Blasius) Die in Abb. 16.3 skizzierte Str¨ omung entlang einer ebenen Platte, stellt die Str¨ omung eines Fluids mit konstanten Fluideigenschaften dar und mit einer konstanten Anstr¨ omgeschwindigkeit. Diese Anstr¨omung trifft im Ursprung des x-y-Koordinatensystems auf eine zur Zeichenebene gelegene, unendlich ausgedehnte, ebene Platte, so dass sich entlang der ebenen Platte eine Grenzschichtstr¨ omung ausbildet. F¨ ur diese gelten die Grenzschichtgleichungen (16.20a - 16.20c) mit den Vereinfachungen nach (16.21): U
U
0 0
d
0 0
{ x U x ( y ) fü r x = c o n s ta n t
Abbildung 16.3: Ausbildung einer Plattengrenzschicht mit
∂P ∂x
= 0 bzw.
∂P =0 ∂x
dU∞ dx
=0
(16.36)
bzw.
dU∞ = 0, dx so dass die Grenzschichtgleichungen wie folgt gelten: Ux
∂ 2 Ux ∂Ux ∂Ux + Uy =ν ∂x ∂y ∂y 2 ∂Uy ∂Ux + =0 ∂x ∂y
(16.37)
(16.38) (16.39)
mit den Randbedingungen: y = 0 : Ux = Uy = 0;
y → ∞ : Ux → U∞
(16.40)
F¨ uhrt man nun zur Elimination der Kontinuit¨ atsgleichung die Stromfunktion Ψ ein: ∂Ψ ∂Ψ und Uy = − (16.41) Ux = ∂y ∂x
500
16 Str¨ omungen großer Reynoldszahlen
so erh¨ alt man folgende Differentialgleichung ∂Ψ ∂ 2 Ψ ∂Ψ ∂ 2 Ψ ∂3Ψ − =ν 3. 2 ∂y ∂x∂y ∂x ∂y ∂y ¨ F¨ ur diese gab Blasius eine Ahnlichkeitsl¨ osung an, derart dass er eine in der Form als Ansatz w¨ ahlte: U∞ Ux = F (η) mit η = y U∞ νx √ y νx Dieser Ansatz ber¨ ucksichtigt, dass η ≈ mit δ ≈ νt = δ U∞ werden kann. F¨ ur die Stromfunktion l¨ asst sich angeben: " y " η νx Ψ= Ux dy = U∞ F (η) dη = U∞ νxf (η) U∞ 0 0
(16.42) L¨osung
(16.43) gesetzt
(16.44)
F¨ ur die einzelnen Terme in den Gleichungen (16.38) und (16.39) lassen sich somit folgende Beziehungen ableiten: df dΨ ∂η ∂Ψ = = U∞ = U∞ f (η) ∂y dη ∂y dη . / 1 U∞ ν ∂Ψ ∂η ∂Ψ =− f (η) + Uy = − ∂x 2 x ∂η ∂x 1 νU∞ η =− f (η) − U∞ νx − f (η) 2 x 2x
Ux =
oder umgeschrieben:
1 Uy = 2
-
νU∞ (ηf (η) − f (η)) x
(16.45)
(16.46)
F¨ ur die weiteren Terme in den Gleichungen (16.38) und (16.39) l¨asst sich angeben: ∂Ux ∂2Ψ U∞ η = =− f (η) (16.47) ∂x ∂x∂y 2 x ∂2Ψ ∂Ux U∞ = f (η) = U∞ (16.48) 2 ∂y ∂y νx ∂ 2 Ux ∂3Ψ U2 = = ∞ f (η) 2 3 ∂y ∂y νx
(16.49)
F¨ uhrt man alle abgeleiteten Terme in Gleichung (16.42) ein, so erh¨alt man: −
2 U∞ U2 U2 ηf f + ∞ [ηf − f ] f = ν ∞ f 2x 2x xν
oder nach erfolgter Umstellung:
(16.50)
16.3 Plattengrenzschicht (L¨ osung nach Blasius)
1 .6
501
f
1 .4 1 .2
f "
1 .0 0 .8 0 .6 0 .4 0 .2
f "
0 1
2
3
5 4
6 7
h
8
9
Abbildung 16.4: Numerische L¨ osung der Blasiusschen Grenzschichtgleichung ergibt die oben aufgef¨ uhrten Werte f (η), f (η), f (η)
U
U c
0 0
= f ´(h
1 .0 ) 0 .8
d
U
1
0 .8 0 0
Uv y U 00
n x
0 .6
U
0 0
n
x 0 .4
0 .4 1 .7 3
0 .2 1
2
3
4
5
6
h = y
U 00 n x
7 1
2
3
4
5 h = y
6 U 00 n x
Abbildung 16.5: Longitudinale und transversale Geschwindigkeiten in einer Grenzschicht
f f + 2f = 0
(16.51)
Dies ist die von Blasius in seiner G¨ ottinger Dissertation angegebene gew¨ohnliche Differentialgleichung, die sich numerisch integrieren l¨asst. Diese Integration, mit den unten angegebenen Randbedingungen: η=0:
f = 0; f = 0 und
η→∞:
f → 1
(16.52)
ergibt die in Abb. 16.4 angegebenen L¨ osungen f¨ ur f, f und f . Diese Funktionswerte k¨ onnen an jeder werden, um Ux /U∞ = f (η) Stelle η herangezogen und Uy /U∞ = (1/2U∞ ) νU∞ /x(ηf −f ) zu berechnen. Der Verlauf Ux /U∞ U
y U∞ x ist in Abb. 16.5a und der Verlauf U∞ in Abb. 16.5b aufgezeigt. Dieν se beiden Abbildungen zeigen die Geschwindigkeitsverl¨aufe an, wie sie auch in experimentellen Untersuchungen gefunden werden. Dies ist in Abb. 16.6 gezeigt.
502
16 Str¨ omungen großer Reynoldszahlen
Die oben aufgef¨ uhrten Betrachtungen haben gezeigt, dass es durch Einf¨ uhren der Grenzschichtgleichungen gelungen ist, eine wichtige Str¨omung theoretisch zu behandeln, n¨ amlich die viskose Str¨omung u ¨ ber eine ebene Platte. Es ist interessant aus Abb. 16.4 zu sehen, dass die Uy -Geschwindigkeitskomponente am Rand der Grenzschicht, d.h. f¨ ur η → ∞ den Wert annimmt ν (16.53) (Uy )∞ = 0, 8604U∞ xU∞ Diese aus der Grenzschicht hinaus gerichtete Geschwindigkeitskomponente r¨ uhrt daher, dass mit zunehmender Laufl¨ ange und damit zunehmender Grenzschichtdicke das Fluid von der Wand verdr¨angt“ wird. ” Tab. 16.1: L¨ osungswerte der Blasius-Gleichung nach L. Howarth Ux U∞ Ux U∞ η=y f f = f η=y f f = f νx U νx U∞ ∞ 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0
0 0,00664 0,02656 0,05974 0,10611 0,16557
0 0,06641 0,13277 0,19894 0,26471 0,32979
0,33206 0,33199 0,33147 0,33008 0,32739 0,32301
1,2 1,4 1,6 1,8 2,0
0,23795 0,32298 0,42032 0,52952 0,65003
0,39378 0,45627 0,51676 0,57477 0,62977
0,31659 0,30787 0,29667 0,28293 0,26675
2,2 2,4 2,6 2,8 3,0
0,78120 0,92230 1,07252 1,23099 1,39682
0,68132 0,72899 0,77246 0,81152 0,84605
0,24835 0,22809 0,20646 0,18401 0,16136
3,2 3,4 3,6 3,8 4,0
1,56911 1,74696 1,92954 2,11605 2,30576
0,87609 0,90177 0,92333 0,94112 0,95552
0,13913 0,11788 0,09809 0,08013 0,06424
4,2 4,4
2,49806 0,96696 0,05052 2,69238 0,97587 0,03897
4,6 4,8 5,0
2,88826 0,98269 0,02948 3,08534 0,98779 0,02187 3,28329 0,99155 0,01591
5,2 5,4 5,6 5,8 6,0
3,48189 3,68094 3,88031 4,07990 4,27964
0,99425 0,99616 0,99748 0,99838 0,99898
0,01134 0,00793 0,00543 0,00365 0,00240
6,2 6,4 6,6 6,8 7,0
4,47948 4,67938 4,87931 5,07928 5,27926
0,99937 0,99961 0,99977 0,99987 0,99992
0,00155 0,00098 0,00061 0,00037 0,00022
7,2 7,4 7,6 7,8 8,0
5,47925 5,67924 5,87924 6,07923 6,27923
0,99996 0,99998 0,99999 1,00000 1,00000
0,00013 0,00007 0,00004 0,00002 0,00001
8,2 8,4 8,6 8,8
6,47923 6,67923 6,87923 7,07923
1,00000 1,00000 1,00000 1,00000
0,00001 0,00000 0,00000 0,00000
Weitere Werte zu den Geschwindigkeitsverl¨aufen in der Plattengrenzschicht lassen sich der Tabelle 16.1 entnehmen, in der f (η), f (η) und f (η)
16.4 Integrale Eigenschaften von Wandgrenzschichten
503
angegeben sind. Diese Tabellen k¨ onnen zur Bestimmung aller Eigenschaften der Plattengrenzschicht herangezogen werden. Die errechneten Werte stimmen gut mit Experimenten u ¨ berein, wie Abb. 16.6 zu entnehmen ist.
U
U ¥
1 ,2 1 ,0 0 ,8 0 ,6 0 ,4 0 ,2 0 0
T h e o re tis c h e W e rte n a c h B la s iu s E x p e r. E rg e b n is s e , M e s s u n g e n m itte ls L D A
1
2
3
4
5
6
7 h = y
8
Ö
9
1 0
U ¥ v x
¨ Abbildung 16.6: Ubereinstimmung von Experiment und Theorie f¨ ur Plattengrenzschicht
16.4 Integrale Eigenschaften von Wandgrenzschichten In den vorausgegangenen Betrachtungen zur Grenzschichtdicke wurde mit einer Gr¨ oße δ argumentiert, die jedoch nicht genau definiert wurde. Sie wurde √ aus Betrachtungen zur molekularen Impulsdiffusion als δ ≈ νtD mit tD = uhrt, so dass gilt: tc = (x/U∞ ) in die Betrachtungen eingef¨ νx δ≈ (16.54) U∞ Eine etwas genauere Angabe gelingt u ¨ ber die Definition der Verdr¨angungsdicke δ1 , die angibt, um wieviel die urspr¨ unglich mit U∞ ankommende Str¨ omung von der Platte, aufgrund der sich ausbildenden Grenzschicht der Str¨ omung verdr¨ angt wurde (Integralsatz): "∞ δ1 U∞ = (U∞ − Ux ) dy 0
(16.55)
504
16 Str¨ omungen großer Reynoldszahlen
Oder nach δ1 aufgel¨ ost und integriert "∞ δ1 = 0
Ux 1− U∞
dy =
νx U∞
"∞ νx [1 − f (η)] dη = 1, 73 U∞
(16.56)
0
W¨ ahlt man nun als Dicke der Grenzschicht, wie von Prandtl vorgeschlagen, δ = 3δ1 , so erh¨ alt man einen Wert: νx δ = 5, 2 (16.57) U∞ der nach der Tabelle 16.1 eine Abweichung der Geschwindigkeit von der Außengeschwindigkeit U∞ um etwa 12 % aufweist. Analog zu der oben berechneten Verdr¨ angungsdicke, die als Massenver” lustdicke der Grenzschicht“ definiert und berechnet wurde, l¨asst sich auch die Impulsverlustdicke definieren und berechnen: 2 δ2 ρU∞
"∞ = ρ Ux (U∞ − Ux ) dy
(16.58)
0
ost und integriert ergibt: Nach δ2 aufgel¨ "∞ "∞ Ux Ux νx νx f [1 − f ] dy = 0, 664 δ2 = 1− dy = U∞ U∞ U∞ U∞ 0
(16.59)
0
Damit ist δ2 = 0, 384δ1 = 0, 128δ. Es ist wichtig zu ber¨ ucksichtigen, dass die Grenzschichtgleichungen erst von einer gewissen Distanz x von der Plattenvorderkante ihre G¨ ultigkeit erhalten, d.h. die Grenzschichtgleichungen gelten erst ab einer bestimmten Rex -Zahl, mit Rex = U∞ x/ν. Dies wird deutlich, wenn man δ1 (x)- und δ2 (x)-Werte mit korrespondierenden Werten aus Messungen vergleicht. F¨ ur kleinere Werte von Rex m¨ ussen die vollen Navier-Stokes-Gleichungen herangezogen werden, um das Geschwindigkeitsfeld zu berechnen. L¨osungen dieser Gleichungen m¨ ussen zudem ber¨ ucksichtigen, dass die Plattenvorderkante eine Singularit¨ at darstellt, die bei Durchf¨ uhrung numerischer L¨osungen besonderer Beachtung bedarf, siehe C. F. Courier und C. C. Liu [3], B. A. Boley und M. B. Friedmann [2], Durst, Shi und Breuer [7], etc. Eine weitere Gr¨ oße, die aus den L¨ osungen der Blasiusschen Grenzschichtgleichung abgeleitet werden kann, ist der Reibungsbeiwert cf (friction coefficient), der wie folgt definiert ist: |τw | cf = ρ 2 2 U∞ |τw | = Lokaler Impulsverlust an die Wand 1 2 omung 2 ρU∞ = Staudruck der Außenstr¨
16.4 Integrale Eigenschaften von Wandgrenzschichten
Der lokale Impulsverlust |τw | errechnet sich als: ∂Ux µU∞ f (0) 0, 332 2 = =√ ρU |τw | = µ ∂y y=0 Rex ∞ νx/U∞
505
(16.60)
und f¨ ur cf gilt somit: 0, 664 cf = √ Rex
(16.61)
y
d d d
1
2
U x ( y ) Abbildung 16.7: Skizzen zur Veranschaulichung der Verdr¨ angungsdicke δ1 und Impulsverlustdicke δ2
Oftmals ist es f¨ ur die Grenzschichtstr¨ omungen ausreichend ihre integralen Eigenschaften anzugeben, wie sie in den Gleichungen (16.56), (16.57) und (16.59) angegeben sind, d.h. die Gr¨ oßen νx Grenzschichtdicke δ = 5, 2 U -∞ νx Verdr¨ angungsdicke δ1 = 1, 73 -U∞ νx δ2 = 0, 664 Impulsverlustdicke U∞ dienen zur Angabe integraler Eigenschaften von Grenzschichtstr¨omungen. Generelle Betrachtungen zur Integralform der Grenzschichtgleichungen, die auf den Gleichungen (16.38) und (16.39) aufbauen, gehen auf von Karman zur¨ uck. Dieser schlug vor, die Gleichung: ∂Ux 1 dP ∂ 2 Ux ∂Ux ∂Ux +U + Uy =− +ν ∂t ∂x ∂y ρ dx ∂y 2
(16.62)
506
16 Str¨ omungen großer Reynoldszahlen
von y = 0 bis y = δ(x) zu integrieren, wobei (16.62) mit Hilfe der Kontinuit¨ atsgleichung wie folgt umgeschrieben werden kann: ∂Ux ∂(Ux2 ) ∂(Ux Uy ) 1 dP µ ∂ 2 Ux + + =− + ∂t ∂x ∂y ρ dx ρ ∂y 2
(16.63)
bevor die Integration ausgef¨ uhrt wird. Wendet man nun die Integration von 0 bis δ an, so erh¨ alt man: ∂ ∂t
"δ "δ "δ µ ∂ 2 Ux ∂(Ux2 ) 1 dP δ dy + [Ux Uy ]0 = − δ+ Ux dy + dy ∂x ρ dx ρ ∂y 2 0
"δ f¨ ur 0
0
(16.64)
0
∂(Ux2 ) dy gilt: ∂x "δ
d ∂(Ux2 ) dy = ∂x dx
0
"δ 2 dδ Ux2 dy − U∞ dx
(16.65)
0
"δ
∂Ux dy und umgeschrieben: ∂x 0 "δ "δ ∂Ux d 2 dδ dy = U∞ , Ux dy − U∞ U∞ ∂x dx dx δ
Ferner gilt f¨ ur [Ux Uy ]0 = −U∞
0
so dass mit
µ ρ
"δ
(16.66)
0
∂ 2 Ux τw (x) die folgende Gleichung angegeben werden dy = − ∂y 2 ρ
0
kann: ∂ ∂t
"δ "δ "δ d 1 dP τw d 2 Ux dy + Ux dy − U∞ Ux dy = − δ− dx dx ρ dx ρ 0
0
0
F¨ ur station¨ are Str¨ omungen gilt, unter Ber¨ ucksichtigung von − U∞
(16.67) 1 dP ρ dx
=
dU∞ : dx d dx
"δ "δ τw d dU∞ 2 =− Ux dy − U∞ Ux dy − U∞ δ dx dx ρ 0
(16.68)
0
oder etwas umgeschrieben: d dx
"δ "δ "δ "δ d dU∞ dU∞ τw Ux2 dy − U∞ Ux dy + Ux dy − U∞ dy = − dx dx dx ρ 0
0
0
0
(16.69)
16.4 Integrale Eigenschaften von Wandgrenzschichten
507
so dass die folgende Gleichung angegeben werden kann: d dx
"δ "δ dU∞ τw Ux (U∞ − Ux ) dy + (U∞ − Ux ) dy = + dx ρ 0
(16.70)
0
Da sich außerhalb von δ, d.h. f¨ ur δ → ∞ nichts mehr im Geschwindigkeitsverlauf ¨ andert, gilt auch: d dx
"∞ "∞ dU∞ τw Ux (U∞ − Ux ) dy + (U∞ − Ux ) dy = + dx ρ 0 0 2 δ U∞ 2
Somit gilt:
(16.71)
U∞ δ1
d + 2 , dU∞ τw U ∞ δ2 + (U∞ δ1 ) = dx dx ρ
(16.72)
oder in der nachfolgenden Form: dδ2 τw 1 dU∞ cf + (2δ2 + δ1 ) = = 2 dx U∞ dx ρU∞ 2
(16.73)
F¨ ur die Blasiussche Grenzschicht reduziert sich diese Gleichung, so dass gilt: dδ2 cf = dx 2
(16.74)
was sich einfach durch Einsetzen der Beziehungen (16.60) und (16.62) in (16.74) nachvollziehen l¨ asst. Die grundlegende Idee, die sich hinter der Karmanschen Integralbetrachtung der Grenzschichtgleichungen verbirgt, liegt in dem Sachverhalt, dass man zur Ermittelung integraler Eigenschaften von Grenzschichtstr¨omungen nicht den exakten Verlauf von Ux /U∞ = f (η) ben¨otigt. Wird durch eine vorgegebene Funktion Ux /U∞ = g(y/δ) der allgemeine Charakter von Grenzschichtstr¨ omungen erfasst, so lassen die Karmanschen Integralgleichungen gute N¨ aherung f¨ ur δ(x) und cf (x) ermitteln. Um dies zu demonstrieren, sei angenommen: Ux = A + Bη + Cη 2 + Dη 3 (16.75) U∞ mit η = y/δ und den Randbedingungen: y = 0 : Ux = 0 y = δ : Ux = U∞
∂ 2 Ux =0 ∂y 2 ∂Ux =0 und ∂y und
(16.76)
508
16 Str¨ omungen großer Reynoldszahlen
Mit diesen Werten l¨ asst sich f (η) = 32 η − 12 η 3 bestimmen und die Werte angeben: νx νx 1, 293 δ = 4, 641 ; cf = √ ; δ1 = 1, 74 (16.77) U∞ U∞ Rex Diese Werte stimmen recht gut mit den Werten aus der Blasius-L¨osung f¨ ur die Plattengrenzschicht u ¨berein.
16.5 Die laminare, ebene, zweidimensionale freie Scherschicht L¨ asst man zwei parallele Str¨ omungen identischer Fluide, die sich durch unterschiedliche Fluidgeschwindigkeiten unterscheiden, miteinander wechselwirken, so entsteht eine Str¨ omung, die man als laminare, ebene, zweidimensionale, freie Scherschicht bezeichnet. Eine solche Str¨omung ist in Abb. 16.8 skizziert, die aufzeigt, dass entlang der Str¨ omung ein Impulsausgleich erfolgt. Der Geschwindigkeitsgradient in der Scherschicht wird mit fortschreitender Str¨ omung durch den molek¨ ulbedingten Impulsaustauch abgebaut, d. h. dies erfolgt durch einen Impulstransport aus dem Bereich hoher Geschwindigkeit in den Bereich niedriger Geschwindigkeit, wie dies in Abb. 16.8 angedeutet ist. y
( U x )A
( U x )A
( U x )A
S c h e rs c h ic h tb e re ic h x
( U x )B
( U x )B
( U x )B
Abbildung 16.8: Entstehung einer laminaren, freien Scherschicht durch Impulsdiffusion
Die in der Abb. 16.8 skizzierte Str¨ omung besitzt Eigenschaften, die f¨ ur die Ableitungen der Grenzschichtgleichungen f¨ ur Str¨omungen herangezogen wurden.
16.5 Die laminare, ebene, zweidimensionale freie Scherschicht
–
In Str¨ omungsrichtung liegt ein konvektionsdominanter Impulstransport vor.
Gleichfalls besitzt die Str¨ omung keine Druckgradienten, d.h. so dass ferner gilt: –
509
∂P ∂x
=
∂P ∂y
= 0,
Die f¨ ur die Plattengrenzschicht von Blasius reduzierte Form der Grenzschichtgleichungen gilt auch f¨ ur die laminare, ebene, zweidimensionale freie Scherschicht.
Damit muss Gleichung (16.42) zur Anwendung gebracht werden, d. h. man erh¨ alt die L¨ osung durch folgende Differentialgleichung: ∂Ψ ∂ 2 Ψ ∂3Ψ ∂Ψ ∂ 2 Ψ − = ν ∂y ∂x∂y ∂x ∂y 2 ∂y 3
h = y
(U c
) A
(U y
c
)
(U A
n c
c
(U c
) B
(U
A
l = I
II
)
(16.78)
(U
c
) B
c
) A
x
(U c
) B
U (U c
c
) A
Abbildung 16.9: Geschwindigkeitsverteilungen in laminaren, ebenen, zweidimensionalen freien Scherschichten
Mit den Ans¨ atzen η = y (Ux )A /νx und Ψ = ν (Ux )A xf (η) resultiert wiederum die zu l¨ osende, gew¨ ohnliche Differentialgleichung
510
16 Str¨ omungen großer Reynoldszahlen
f f + 2f = 0,
(16.79)
die es f¨ ur folgende Randbedingungen zu l¨ osen gilt: η = +∞ : f = 1 η = −∞ : f = λ =
(Ux )B (Ux )A
(16.80)
η=0: f =0 Diese L¨ osung muss wiederum numerisch erfolgen, ¨ahnlich der Blasiusschen L¨ osung f¨ ur die ebene Platte, da es keine analytische L¨osung der Gleichung (16.79) gibt. Die von Lock [16.6] angegebene L¨osung ist in Abb. 16.9 f¨ ur λ = 0, d. h. (U∞ )B = 0 und f¨ ur λ = 0, 5 angegeben.
16.6 Der ebene, zweidimensionale, laminare Freistrahl In dem hier vorliegenden Kapitel soll eine weitere Str¨omung mit Grenzschichtcharakter untersucht werden. Diese Str¨ omung wird als zweidimensionaler Freistrahl bezeichnet und ist in Abb. 16.10 skizziert.
y
G e s c h w in d ig k e its p ro file a n v e rs c h ie d e n e n x - P o s itio n e n
( U x )A
x
Abbildung 16.10: Skizze des betrachteten ebenen, zweidimensionalen, laminaren Freistrahls
Betrachtet wird nachfolgend ein zweidimensionaler Freistrahl, der in der Ebene x = 0 durch eine Str¨ omung aus einem engen in der x-y-Ebene gelegenen Schlitz erzeugt wurde. Der Strahl breitet sich in x-Richtung aus und
16.6 Der ebene, zweidimensionale, laminare Freistrahl
511
die Ausbreitung ist derart, dass die x-Achse Symmetrieachse ist. Da die in y-Richtung auftretende Ausbreitung klein im Vergleich zu der Ausbreitung in Str¨ omungsrichtung ist und zudem station¨ are Str¨o+mungsverh¨ altnisse betrach, = 0 zur Anwendung tet werden, kann die Grenzschichtgleichung f¨ ur dP dx gebracht werden: ∂Ψ ∂ 2 Ψ ∂Ψ ∂ 2 Ψ ∂3Ψ − = ν (16.81) ∂y ∂x∂y ∂x ∂y 2 ∂y 3 Dies ist die Grenzschichtgleichung, wie sie auch f¨ ur den Fall der gleichf¨ormigen Str¨ omung l¨ angs einer ebenen Platte Anwendung fand und auch bei der Behandlung ebener Scherschichten eingesetzt wurde. Der Unterschied zur Plattenstr¨ omung tritt durch die Randbedingungen auf, die f¨ ur die Freistrahlstr¨ omung wie folgt lauten. y = 0 : Uy = 0 und (∂Ux /∂y) = 0, da Symmetrieachse omung vorhanden ist. y = ∞ : Ux → 0 da keine Grundstr¨
(16.82)
F¨ ur den Freistrahl gilt, dass der Gesamtimpuls: Iges
+∞ +∞ " " 2 = ρUx dy = 2 ρUx2 dy = 2ρ (Ux )2A b −∞
(16.83)
0
entlang der x-Achse konstant ist. Dies geht aus Gleichung (16.68) hervor, die wie folgt f¨ ur den Freistrahl gilt:
d dx
+∞ " Ux2 dy − U∞
=0
=0
=0 +∞ +∞ " " 2 µ dU∞ ∂ Ux d = Ux dy − U∞ δ dy, dx dx ρ ∂y 2
0
0
(16.84)
0
so dass gilt: d dx
+∞ " Ux2 dy = 0 0
;
Iges = 2
+∞ " ρUx2 dy = const
(16.85)
0
¨ Zur Bestimmung der Ahnlichkeitsl¨ osung der Grenzschichtgleichung wird angesetzt: (16.86) η = xα y und Ψ = xβ f (η) Hieraus l¨ asst sich f¨ ur die einzelnen Terme der Grenzschichtgleichung wie folgt angeben: ∂Ψ Ux = = x(α+β) f (16.87) ∂y Uy = −
∂Ψ = −x(β−1) (αηf + βf ) ∂x
(16.88)
512
16 Str¨ omungen großer Reynoldszahlen
∂2Ψ ∂Ux = = x(2α+β) f ∂y ∂y 2
(16.89)
∂2Ψ = x(α+β−1) (αηf + αf + βf ) ∂x∂y
(16.90)
∂3Ψ = x(3α+β) f ∂y 3
(16.91)
Die Grenzschichtgleichung (16.81) nimmt durch das Einsetzen der Ausdr¨ ucke (16.87) bis (16.91) die folgende Form an: x(2α+2β−1) (α + β) f 2 − βf f = νx(3α+β) f (16.92) Diese Gleichung wird zu einer Bestimmungsgleichung f¨ ur f (η) wenn die Potenzen der x-Terme gleich sind: 2α + 2β − 1 = 3α + β
;
β =α+1
(16.93)
Ferner l¨ asst sich u ¨ ber den Gesamtimpuls: Iges
+∞ +∞ " " 2 (α+2β) = 2 ρUx dy = 2ρx f 2 dη = const 0
(16.94)
0
als zus¨ atzliche Forderung f¨ ur α und β angeben α + 2β = 0
(16.95)
So dass aus (16.93) erhalten werden kann α=−
2 3
und β =
1 3
(16.96)
¨ d.h. es gelten folgende Ahnlichkeitsans¨ atze 2
η = yx− 3
1
und Ψ = x 3 f (η)
(16.97)
Mittels dieser Ans¨ atze geht die Differentialgleichung in folgende Bestimmungsgleichung f¨ ur f (η) u ¨ ber: (f ) + f f + 3νf = 0 2
(16.98)
mit den aus (16.82) kommenden Randbedingungen: η = 0 : f = 0 und f = 0 η → ∞ : f → 0
(16.99) (16.100)
Um nun auch noch den (3ν)- Faktor aus der Differentialgleichung (16.98) zu eliminieren, um so eine allgemeing¨ ultige Bestimmungsgleichung f¨ ur f (η) zu erhalten, werden folgende Ans¨ atze gew¨ ahlt.
16.6 Der ebene, zweidimensionale, laminare Freistrahl
η˜ =
y
1 1 2
3ν x
Damit erh¨ alt man:
2 3
1
1
Ψ = ν 2 x 3 f˜ (˜ η)
und
f˜ 2 + f˜f˜ + f˜ = 0
513
(16.101)
(16.102)
Mit den folgenden Randbedingungen: y = 0 : ∂Ux /∂y = 0 und Uy = 0 ; η˜ = 0 : f˜ = 0 und f˜ = 0 ; η˜ → ∞ : f˜ = 0 y → ∞ : Ux = 0
(16.103)
Integriert man die Differentialgleichung (16.102) einmal, so erh¨alt man: f˜f˜ + f˜ = C1
(16.104)
Die resultierende Integrationskonstante ergibt aus den Randbedingungen C1 = 0, da f¨ ur η˜ = 0 sowohl f˜ als auch f˜ gleich Null als Randbedingungen eingebracht werden k¨ onnen, so dass gilt: f˜f˜ + f˜ = 0
(16.105)
Zur L¨ osung dieser Differentialgleichung f¨ uhrt der Ansatz "F ξ= 0
1 (1 + F ) dF = ln = tanh−1 F (1 − F 2 ) 2 (1 − F )
Daraus folgt: F = tanh ξ = Aus (16.104) folgt
dF dξ
1 − exp(−2ξ) 1 + exp(−2ξ)
(16.106)
(16.107)
= 1 − tanh2 ξ und damit gilt f¨ ur Ux Ux =
, 2 2 −1 + A x 3 1 − tanh2 ξ 3
(16.108)
Die in dieser Gleichung enthaltene Konstante A wird u ¨ber die Konstanz des Gesamtimpulses des Freistrahls bestimmt: Iges
"∞ = 2 Ux2 ρ dy
;
Iges
1 4 = A3 ρν 2 3
0
Iges
"∞ + , 1 − tanh2 dξ 0
16 3 1 ρA ν 2 = 9
(16.109)
oder nach A aufgel¨ ost:
A = 0, 826
Iges
13
1
ρν 2
F¨ ur die Geschwindigkeitskomponenten erh¨ alt man somit:
(16.110)
514
16 Str¨ omungen großer Reynoldszahlen
) Ux = 0, 454 Uy = 0, 55
Iges ν ρx2 13
13
1
* 13
2 Iges ρ2 ν
+
, 1 1 − tanh2 ξ x 3
(16.111)
+ , 2 2ξ 1 − tanh2 ξ − tanh ξ
(16.112)
Iges y 2 . 2 ρν x3 Das sich aus den obigen Gleichungen errechnende Geschwindigkeitsprofil ist in Abb. 16.11 aufgezeigt.
und f¨ ur ξ = 0, 275
1 .0
U
.8
U m
0 .6 0 .4 z w e id im e n s io n a l
0 .2
-4
-3
-2
1
-1
2
3
x
4
Abbildung 16.11: Geschwindigkeitsprofil der ebenen Freistrahlstr¨ omung
Die Uy -Komponente des Geschwindigkeitsfeldes errechnet sich am Rand des Strahls: 1 Iges ν 3 Uy (ξ∞ ) = −0, 55 ρx2 Sie ist negativ und gibt an, dass der Freistrahl kontinuierlich Fluid von der Außenstr¨ omung ansaugt (Entrainment), so dass der Massenstrom des Freistrahls in Str¨ omungsrichtung zunimmt: Der Massenstrom errechnet sich an jeder Stelle x des Freistrahls: +∞ " m ˙ = ρ Ux dy
(16.113)
−∞
m ˙ = 3, 3
13 Iges νx ρ
(16.114)
16.7 Die ebene, zweidimensionale Nachlaufstr¨ omung
515
Der Fluideintrag in die Freistrahlstr¨ omung erfolgt aufgrund der in dem Fluid vorliegenden Viskosit¨ at, d.h. durch den molekularbedingten Impulseintrag.
16.7 Die ebene, zweidimensionale Nachlaufstr¨ omung Weitere f¨ ur die Praxis wichtige Str¨ omungen, die sich mit Hilfe der Grenzschichtgleichungen behandeln lassen, stellen Nachlaufstr¨omungen dar, wie sie in Abb. 16.12 skizziert sind. Diese Abbildung zeigt eine ebene, zweidimensionale Nachlaufstr¨ omung, wie sie sich z. B. hinter einer ebenen Platte mit endlichen Abmessungen, oder einem Zylinder einstellt. Solche Str¨omungen sind durch ein Impulsdefizit gekennzeichnet, das dem Str¨omungswiderstand der u omten Platte bzw. des umstr¨ omten Zylinders entspricht. Dies l¨asst ¨berstr¨ sich durch Anwendung der Integralform der Impulsgleichung berechnen: "∞ Kw = 2ρB U1 (U∞ − U1 )dy
(16.115)
0
wobei U1 (y) das an einer bestimmten x-Position vorliegende Geschwindigkeitsprofil der Nachlaufstr¨ omung darstellt. B ist die Breite der Platte in zomungsrichtung. F¨ ur die ebene Platte Richtung und U∞ entspricht der Anstr¨ errechnet sich: 2 δ2 (16.116) Kw = 2ρBU∞ F¨ ur den Zylinder erh¨ alt man: ρ 2 d" K w = cw U ∞ 2
(16.117)
Obgleich die Str¨ omung in der N¨ ahe der umstr¨omten Platte bzw. des umstr¨ omten Zylinders kompliziert sein kann, erweist sich die Str¨omung im Fernfeld als derart, dass sie unabh¨ angig von dem K¨orper wird, der die Nachlaufstr¨ omung erzeugte. In diesem Gebiet besitzt die Str¨omung Grenzschichtcharakter, da das Eintragen an Wirbelst¨ arke in den Nachlauf konvektiv erfolgt und die Querverteilung durch Diffusion aufgebaut wird. Zur Behandlung der in Abb. 16.12 skizzierten Nachlaufstr¨omung wird die Geschwindigkeitsdifferenz u(x1 , x2 ) = U∞ − U1 (x1 , x2 )
(16.118)
in die Behandlung der Grenzschichtgleichungen eingef¨ uhrt. Beachtet man, dass der Druck im gesamten Str¨ omungsgebiet konstant ist und dass zudem wegen u(x1 , x2 ) << U∞ gilt: (U∞ − u)
∂u ∂ ∂2u (U∞ − u) ≈ U∞ =ν ∂x1 ∂x1 ∂x2 2
(16.119)
516
16 Str¨ omungen großer Reynoldszahlen y
d x 1
Abbildung 16.12: Nachlaufstr¨ omung hinter einem umstr¨ omten K¨ orper
so erh¨ alt man die f¨ ur die Nachlaufstr¨ omung zu l¨osende in (16.119) angegebene Differentialgleichung. Als Randbedingungen lassen sich angeben: x2 = 0 :
∂u = 0 und x2 → ∞ : u = 0 ∂x2
(16.120)
¨ Ahnlich der Ans¨ atze in den vorausgegangenen Kapiteln wird eingef¨ uhrt: x −1/2 U∞ 1 η = x2 und u = U∞ C f (η) (16.121) νx1 " (16.121) in (16.115) eingef¨ uhrt ergibt: Kw =
2 ρBU∞ C
ν" U∞
+∞ 1/2 " f (η) dη
(16.122)
−∞
F¨ uhrt man (16.121) in (16.119) ein, so erh¨ alt man die zu l¨osende, gew¨ohnliche Differentialgleichung: 1 1 f + ηf + f = 0 (16.123) 2 2 mit den Randbedingungen: η = 0 : f (η) = 0 und
η → ∞ : f (η) → 0
Die Gleichung (16.123) l¨ asst sich schreiben und integrieren: d 1 1 df d d2 f ηf = 0, + ηf = 0, + dη 2 dη 2 dη dη 2
(16.124)
(16.125)
so dass gilt: df 1 df + ηf = C ; C = 0, da f¨ ur η = 0 =0 dη 2 dη
(16.126)
16.7 Die ebene, zweidimensionale Nachlaufstr¨ omung
517
Damit ergibt sich als L¨ osung f¨ ur f (η): 1 f (η) = exp − η 2 4
(16.127)
Damit l¨ asst sich aus (16.122) errechnen: Kw =
2 ρBU∞ C
ν" U∞
+∞ 1/2 " 1 2 exp − η dη 4
(16.128)
−∞
F¨ ur die ebene Platte l¨ asst sich durch Integration entlang beider Plattenseiten errechnen: ν" 2 Kw = 1, 328BρU∞ , (16.129) U∞ √ ur so dass f¨ ur C in Gleichung (16.128) gilt: C = 0, 664/ π. Damit erh¨alt man f¨ das Geschwindigkeitsprofil der Nachlaufstr¨ omung hinter einer ebenen Platte: 0, 664 x1 −1/2 1 x2 U∞ exp − 2 U1 (x1 , x2 ) = U∞ − U∞ √ (16.130) π " 4 x1 ν
h = y
U oo n x
- 4 - 3 - 2 - 1 0
0 .2
0 .4
0 .6
0 .8
1 .0 U
( h ) U m a x
1 2 3 4
Abbildung 16.13: L¨ osung f¨ ur die normierte Nachlaufstr¨ omung hinter einer Platte
Diese asymptotische L¨ osung ist in Abb. 16.13 angegeben und zwar f¨ ur die Differenzgeschwindigkeit u(x1 , x2 ) ; U (η), normiert mit dem lokalen Maximum der Defizitgeschwindigkeit“ ”
518
16 Str¨ omungen großer Reynoldszahlen
0, 664 x1 −1/2 Umax = U∞ √ , π "
(16.131)
d. h. aufgetragen ist U (η)/Umax .
16.8 Grenzschicht der konvergierenden Kanalstr¨ omung Die in vorausgegangenen Kapiteln betrachteten Grenzschichtstr¨omungen waren alle durch eine Außenstr¨ omung mit konstanter Geschwindigkeit gekennzeichnet. Sie stellen somit die einfachsten Str¨ omungen dar, die sich mit Hilfe der Grenzschichtgleichungen l¨ osen lassen. Auf dem von Blasius aufgezeigten Vorgehen aufbauend soll in diesem Abschnitt die Grenzschicht einer Str¨ omung betrachtet werden, deren Außenstr¨ omung durch den folgenden Geschwindigkeitsverlauf gegeben ist: U∞ (x) = −
UQ = U (x) x
(16.132)
˙ wobei UQ = Q/α ist, also die Geschwindigkeit, die bei x = 1 vorliegt. Ber¨ ucksichtigt man, dass der Geschwindigkeitsverlauf dem einer Senkenstr¨omung in ¨ einem konvergenten Kanal mit Offnungswinkel α und ebenen W¨anden entspricht, so ist der durch die Fl¨ ache α fließende Volumenstrom Q˙ = αxhUQ f¨ ur h = 1 durch αUQ gegeben, d.h. es gilt: UQ =
Q˙ α
(16.133)
Aufgrund des obigen Geschwindigkeitsverlaufs der Außenstr¨omung ergibt sich f¨ ur den in der station¨ aren Grenzschichtgleichung ∂Ψ ∂ 2 Ψ ∂Ψ ∂ 2 Ψ ∂3Ψ 1 dP − +ν 3 =− 2 ∂y ∂x∂y ∂x ∂y ρ dx ∂y
(16.134)
auftretenden Druckgradienten: 1 dP dU (x) = −U∞ (x) = ρ dx dx
)
Q˙ αx
*
Q˙ 2 Q˙ = αx2 α2 x3
(16.135)
¨ Um die gesuchte Ahnlichkeitsl¨ osung f¨ ur die Grenzschicht zu erhalten, die sich an den Wandungen einer konvergierenden Kanalstr¨omung ausbildet, wird ¨ folgende Ahnlichkeitsvariable eingef¨ uhrt: # y UQ y Q˙ −U∞ η=y = = (16.136) xν x ν x αν
16.8 Grenzschicht der konvergierenden Kanalstr¨ omung
519
y U U
(x )
= Q
=
a
Q
.
U x
Q
Q
.
Q
.
a x Abbildung 16.14: Skizze zur Erl¨ auterung der Grenzschichtausbildung in einer konvergierenden zweidimensionalen Kanalstr¨ omung
F¨ ur die Stromfunktion der Str¨ omung wird folgender Ansatz gew¨ahlt: # ˙ Qν f (η) (16.137) Ψ (x, y) = − νUQ f (η) = − α so dass sich f¨ ur die einzelnen Terme in (16.38) folgende Beziehungen ableiten lassen: Q˙ 1 ∂Ψ ∂η ∂Ψ = =− f (η) Ux = (16.138) ∂y ∂η ∂y αx Q˙ y ∂Ψ ∂η ∂Ψ =− =− f (η) ∂x ∂η ∂x α x2 ∂ ∂2Ψ Q˙ η ∂Ψ Q˙ 1 = f (η) + f (η) = 2 ∂x∂y ∂x ∂y αx α x2 # Q˙ 1 ∂2Ψ ∂Ψ ∂ 1 Q˙ f (η) = =− ∂y 2 ∂y ∂y αx x αν Uy = −
∂3Ψ 1 Q˙ Q˙ 1 = − (η) f ∂y 3 αx x2 αν
(16.139) (16.140)
(16.141) (16.142)
Setzt man (16.135) und auch (16.136) bis (16.142) in die Grenzschichtgleichung (16.134) ein, so erh¨ alt man die folgende Differentialgleichung f¨ ur f (η), urzen: da sich die Produkte aus den gemischten Ableitungen f f herausk¨ f − (f )2 + 1 = 0
(16.143)
Die f¨ ur die Randbedingungen η = 0 : f = 0 und f¨ ur η → ∞ : f = 1 und f = 0.
520
16 Str¨ omungen großer Reynoldszahlen
Die Integration der obigen Differentialgleichung gelingt mit dem Ansatz: F (η) = f (η)
(16.144)
so dass (16.143) geschrieben werden kann: F = F 2 − 1
mit
F (0) = 0 und F (∞) = 1
(16.145)
Multipliziert man beide Seiten mit der ersten Ableitung F (η), so gelingt es, durch partielle Integration, die folgende L¨ osung zu erhalten: 2 (F )2 − (F − 1)2 (F + 2) = C 3
(16.146)
ur Dabei ist C die Integrationskonstante, die wegen F → 1 und F → 0 f¨ η → ∞ den Wert C = 0 annimmt. Aus (16.146) folgt: 2 dF = (F − 1)2 (F + 2) (16.147) F = dη 3
U
u
1 .0 0 .8 0 .6 0 .4 0 .2 0
1 .0
2 .0
3 .0
Q
U r n
4 .0
Abbildung 16.15: Geschwindigkeitsverteilung in einer laminaren Grenzschicht in einem konvergierenden Kanal
oder umgeschrieben: dη = Damit gilt:
dF 2 3 (F
"F
η= 0
− 1)2 (F + 2)
dF 2 3
(F − 1) (F + 2)
(16.148)
(16.149)
16.9 Literaturverzeichnis
Das Integral kann in geschlossener Form angegeben werden: - 0 - √ 3 2+F 2 −1 −1 √ − tanh η= tanh 2 3 3 Ux = f (η): U √ √ η Ux 2 = 3 tanh √ + ln 3+ 2 −2 f (η) = U 2
521
(16.150)
Aufgel¨ ost nach F =
(16.151)
oder umgeschrieben: Ux = 3 tanh2 f (η) = U
η √ + 1, 146 − 2 2
(16.152)
F¨ uhrt man nun noch ein: Θ = y/x und Q˙ = rU α, so dass geschrieben werden kann: Ur (16.153) η=Θ ν so ergibt sich die in Abb. 16.15 aufgezeigte Geschwindigkeitsverteilung f¨ ur die Grenzschicht an den Wandungen einer konvergierenden, ebenen, zweidimensionalen Kanalstr¨ omung. Die oben erhaltene Beziehung (16.147) η 3Q˙ Ux = (16.154) tanh2 √ + 1, 146 − 2 αx 2 l¨ asst sich auch wie unten aufgef¨ uhrt umschreiben, da: tanh2 [Z] = 1 −
4 1 =1− 2 2 cosh [Z] (exp[Z] + exp[−Z])
(16.155)
eingesetzt werden kann: . / Q˙ 12 Ux = 1− 1 √ √ √ √ √ √ 22 αx ( 3 + 2) exp(η/ 2) + ( 3 − 2) exp(−η/ 2) (16.156)
16.9 Literaturverzeichnis 16.1 Carrier GF, Lin CC (1948) On the Nature of the Boundary Layer Near the Leading Edge of a Flat Plate. Quart. Appl. Math. VI, pp. 63-68 16.2 Boley BA, Friedman MB (1959) On the Viscous Flow Around the Leading Edge of a Flat Plate. JASS 26, pp. 453-454
522
16 Str¨ omungen großer Reynoldszahlen
16.3 Batchelor GK (1967 An Introduction to Fluid Dynamics. Cambridge University Press 16.4 Schlichting H (1968) Boundary Layer Theory. 6. Edition, McGraw Hill Book Company, New York 16.5 Yih CS (1979) Fluid Mechanics - A Concise Introduction to the Theory. West River Press 16.6 Sherman FS (1990) Viscous Flow. McGraw-Hill Publishing Company Singapore 16.7 Pnueli D, Gutfinger C (1992) Fluid Mechanics. Cambridge University Press 16.8 Spurk JH (1996) Str¨ omungslehre - Einf¨ uhrung in die Theorie der Str¨ omungen. 4, Springer-Verlag Berlin 16.9 Shi JM, Breuer M, Durst F (2004) A Combined Analytical-Numerical Method for Treating Corner Singularities in Viscous Flow Predictions. Int. J. for Numerical Methods in Fluids, 45, pp. 659-688
17 Instabile Str¨ omungen und laminar-turbulenter Umschlag
17.1 Allgemeine Betrachtungen Es ist allgemein u omungen als laminar oder turbulent einzustufen, ¨ blich, Str¨ d.h. ganz spezielle Zust¨ ande der Str¨ omung heranzuziehen, um eine Unterteilung vorzunehmen. In laminare Str¨ omungen in denen die diffusiven Impuls-, W¨ arme- und Stofftransportvorg¨ ange allein molek¨ ulbedingt erfolgen und in Str¨ omungen in denen turbulenzbedingte Diffusionsvorg¨ange zus¨atzlich hinzu¨ kommen. F¨ ur die in dem vorliegenden Manuskript vorgetragenen Uberlegungen ist eine weitere Unterteilung angebracht, derart, dass eine Gruppierung in vier Untergruppen vorgenommen wird: –
–
–
Stabile laminare Str¨ omungen Eine laminare Str¨ omung mag alle Anforderungen der Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik erf¨ ullen und auch die ihr eigenen Anfangs- und Randbedingungen und dennoch muss sie nicht eine L¨osung darstellen, die man bei experimentellen Untersuchungen vorfindet. St¨orungen der Str¨ omung, wie sie bei Experimenten stets vorliegen, werden bei analytischen L¨ osungen oftmals nicht ber¨ ucksichtigt. Nur solche laminaren Str¨ omungen, die sich gegen von außen einwirkende St¨orungen als stabil erweisen, d.h. die aufgepr¨ agten St¨ orungen d¨ampfen, werden als stabile laminare Str¨ omungen bezeichnet. Instabile laminare Str¨ omungen Eine laminare Str¨ omung gilt als instabil, wenn in sie eingebrachte St¨orungen zwar angefacht werden, aber eine gewisse Ordnung in der angefachten St¨ orung erhalten bleibt, d.h. die untersuchte Str¨omung geht u ¨ blicherweise, infolge der St¨ orung, in einen neuen laminaren Str¨omungszustand u ¨ ber. Ist dieser neue laminare Str¨ omungszustand“ stabil gegen¨ uber neu einge” brachten St¨ orungen, so liegt eine Bifurkation des laminaren Str¨omungszustandes vor. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass die sich nach der aufgepr¨ agten St¨ orung einstellende Str¨ omung station¨ar oder instation¨ar sein kann. Transitionale Str¨ omungen Werden die in eine laminare Str¨ omung eingebrachten St¨orungen angefacht und resultieren diese in noch teils geordnet erscheinenden Str¨omun-
524
–
17 Instabile Str¨ omungen
gen, denen zeitlich und/oder r¨ aumlich unregelm¨aßige Fluktuationen aller Str¨ omungsgr¨ oßen u ¨ berlagert sind, so liegt ein transitionaler Str¨omungszustand vor. Intermittierende laminare und turbulente Str¨omungszust¨ande treten auf, d.h. es treten in der Str¨ omung Phasen auf, in denen die Str¨ omung laminar ist und Phasen, in denen die Str¨omung turbulente Eigenschaften aufweist. Str¨ omungen, die sich im transitionalen Zustand befinden, zeigen deutliche Eigenschaften, die von den aufgepr¨agten St¨orungen abh¨ angen. Turbulente Str¨ omungen Es ist aufgrund der in den obigen Punkten aufgef¨ uhrten Betrachtungen leicht m¨ oglich, sich vorzustellen, dass in Str¨omungen eingebrachte St¨ orungen derart anwachsen, dass daraus unkontrolliert ablaufende Fluidbewegungen resultieren. Die daraus resultierenden turbulenten Fluktuationen aller Str¨ omungsgr¨ oßen sind den korrespondierenden mittleren Str¨ omungsgr¨ oßen u ¨ berlagert und zeichnen sich durch eine hohe Instationarit¨ at aus und durch eine hohe Dreidimensionalit¨at. Den molekularbedingten Transportvorg¨ angen sind turbulenzbedingte Transportprozesse von Impuls, W¨ arme und Stoffen u ¨ berlagert. Eine geschlossene Behandlung turbulenter Transportvorg¨ ange gelingt heutzutage nur f¨ ur kleine Reynoldszahlen (Re ≤ 40.000) unter Anwendung numerischer Berechnungsverfahren. Die Behandlung turbulenter Str¨omungen bei hohen ReZahlen bleibt das bis heute ungel¨ oste Problem der Str¨omungsmechanik.
In den vorausgegangenen Kapiteln dieses Buches wurden Str¨omungen untersucht, von denen angenommen wurde, dass sie stabil sind, d.h. ohne konkrete Nachweise wurde angenommen, dass in die Str¨omung eingebrachte St¨ orungen ged¨ ampft werden. Um nun die Ursachen stabiler laminarer Str¨ omungen zu verstehen, d.h. die Ursachen der D¨ampfung von St¨orungen, wird die vereinfachte, sich auf eine Dimension beschr¨ankende Impulsgleichung betrachtet: ∂2U ∂U =µ 2. (17.1) ρ ∂t ∂x Wendet man diese auf eine Str¨ omung mit konstanter Grundstr¨omung U0 an, der eine St¨ orung mit der Amplitude uA (t) u ¨ berlagert ist, so dass gilt: x U = U0 + uA sin 2π (17.2) , mit U0 = const. λ Bildet man nun die zeitliche Ableitung (∂U/∂t)und die r¨aumliche Ableitung alt man aus Gleichung (17.1) f¨ ur die Amplitude der St¨orung (∂ 2 U/∂x21 ) so erh¨ ¨ die folgende Differentialgleichung. Diese gibt die zeitliche Anderung der Amplitude der aufgepr¨ agten Fluktuationen an: 4π 2 duA = −ν 2 uA . (17.3) dt λ Diese Differentialgleichung l¨ asst sich durch Separation der Variablen l¨osen. ur die Zeit t = 0 Damit ergibt sich f¨ ur die Anfangsbedingung uA = (uA )0 f¨
17.1 Allgemeine Betrachtungen
525
die folgende L¨ osung: 4π 2 uA (t) = (uA )0 exp −ν 2 t . λ
(17.4)
Diese L¨ osung verdeutlicht, dass die Viskosit¨ atsterme in den Impulsgleichungen zu D¨ ampfungen aufgepr¨ agter St¨ orungen f¨ uhren, d.h. St¨orungen, die in ein laminares Str¨ omungsfeld eingebracht werden, klingen infolge der Viskosit¨at des Fluids ab. Dabei erweist sich die D¨ ampfung von kurzwelligen St¨orungen, d.h. Str¨ orungen mit kleinen λ-Werten, als wesentlich st¨arker, so dass diese im Verlaufe der Zeit vorrangig abklingen. Es ist dieser D¨ampfungseffekt durch die Viskosit¨ at eines Fluids der sicherstellt, dass viele laminare Str¨omungen, die ihnen oftmals eigene hohe Stabilit¨ at gegen¨ uber ¨außeren St¨orungen besitzen. Was die m¨ oglichen Mechanismen der Anfachung von St¨orungen anbetrifft, so sind diese vielf¨ altig und einige werden einf¨ uhrend in den nachfolgenden Kapiteln behandelt. Generell kann jedoch gesagt werden, dass Gradienten von Str¨ omungs- und/oder Fluideigenschaften als Anfachungsursachen von in Str¨ omungen eingetragenen St¨ orungen angegeben werden k¨onnen. Wirken diese derart auf eingebrachte St¨ orungen, dass eine exponentielle Anfachung erfolgt, so l¨ asst sich diese wie folgt schreiben: uA = (uA )0 exp(αt).
(17.5)
Bei gleichzeitigem Vorliegen einer viskosit¨ atsbedingten D¨ampfung, l¨asst sich die zeitliche Entwicklung der Amplitude einer St¨orung vereinfacht wie folgt angeben: (17.6) uA = (uA )0 exp [(α − β)t] . Erweist sich der viskosit¨ atsbedingte D¨ ampfungsterm derart, daß β > α gilt, so liegt eine stabile laminare Str¨ omung vor. Dominiert dagegen der Anfachungsterm, d.h. α > β, so liegt eine instabile Str¨omung vor. Letzteres bedeutet, dass sich das aus den Navier-Stokesschen Gleichungen f¨ ur vorgegebene Anfangs- und Randbedingungen bestimmte Str¨omungsfeld nicht in der Praxis einstellen wird. Aufgrund des oben postulierten exponentiellen ¨ Anwachsens der in die Str¨ omung eingebrachten St¨orung ist ein Ubergang in eine turbulente Str¨ omung zu erwarten. Erfolgt die Anfachung von St¨orungen in einer anderen, hier nicht diskutierten Form, liegt gleichfalls ein instabiler Str¨ omungszustand vor. Um nun zu verdeutlichen, was unter einem stabilen laminaren Str¨omungszustand zu verstehen ist, wird auf die zur¨ uckspringende, doppelseitige Stufenstr¨ omung verwiesen, die in Abb. 17.1 skizziert ist. Diese weist f¨ ur Re-Zahlen Re ≤ 150 eine symmetrische L¨ osung auf. Beaufschlagt man die sich f¨ ur Re ≤ 150 einstellenden Stufenstr¨ omungen mit zeitlichen St¨orungen, so zeigt der gleichfalls in Abb. 17.1 skizzierte zeitliche Verlauf der Abl¨ose- und Wiederanur die lagel¨ angen x2 , dass nach Einstellung der aufgepr¨agten St¨orungen, die f¨
526
17 Instabile Str¨ omungen
Stufenstr¨ omung charkteristische Abl¨ ose- bzw. Wiederanlagel¨angen wieder erreicht werden. Die Str¨ omung ist somit, bei der untersuchten Reynolds-Zahl, gegen¨ uber den aufgepr¨ agten St¨ orungen stabil. Bei h¨oheren Reynolds-Zahlen, d.h. f¨ ur Re = 200 ist diese Stabilit¨ at nicht mehr gegeben. Das Str¨omungsgebiet gibt seine Symmetrie auf und es stellen sich zwei Abl¨osegebiete unterschiedlicher Lage ein.
A)
2 5
c
2 0
1 0 0 1 4 0 1 5 0 2 0 0
u
x 4 8 x 6 6 x 8 0 x 1 0 0
1 5
S ta b ile r B e re ic h
1 0
B ifu rk a tio n s p u n k t 5 0
B)
0
2 0 0
4 0 0
6 0 0
R e
8 0 0
Abbildung 17.1: A) Stabilit¨ at der doppelseitigen Stufenstr¨ omung: a) Symmetrische L¨ osung (instabil); b) Asymmetrische L¨ osung (stabile L¨ osung der 1. Bifurkation); c) Asymmetrische L¨ osung (instabile L¨ osung der 2. Bifurkation); B) Bifurkationsdiagramm f¨ ur Str¨ omung mit pl¨ otzlicher Erweiterung
Zur weiteren Erl¨ auterung der Vorg¨ ange, die sich bei instabilen laminaren Str¨ omungen abspielen k¨ onnen, sei auf die Str¨ omung durch einen Rechteckkanal verwiesen. Diese ist durch Sekund¨ arstr¨ omungen gekennzeichnet, wie sie in Abb. 17.2 skizziert sind und die Fluidbewegungen in einer Ebene senkrecht zur Hauptstr¨ omung darstellen. Je nach Reynolds-Zahl stellt sich ein bestimmtes Sekund¨ arstr¨ omungsmuster ein, wie das gleichfalls in Abb. 17.2
17.2 Ursachen von Str¨ omungsinstabilit¨ aten
527
gezeigte Bifurkationsdiagramm zeigt. Detaillierte numerische Untersuchungen zeigen jedoch, dass bestimmte Muster der Sekund¨arstr¨omung nur durch ganz gezielt aufgepr¨ agte St¨ orungen erhalten werden k¨onnen. Eine andere M¨ oglichkeit der Bifurkation einer instabilen laminaren Str¨omung ist in Abb. 17.3 gegeben. Diese Abbildung zeigt, dass die laminare Umstr¨ omung eines Zylinders f¨ ur kleine Re-Zahlen eine Symmetrie des Str¨omungsfeldes aufzeigt. F¨ ur Re≥ 46 wird die Symmetrie gebrochen“. Es stellt sich ei” ne instation¨ are Wirbelstr¨ omung ein (Hopf Bifurkation) mit alternierend sich abl¨ osenden Wirbeln. Im Nachlauf des Zylinders ergibt sich die sogenannte Karmansche Wirbelstraße als die Form der laminaren Zylinderumstr¨omung, die sich f¨ ur Re ≥ 46 als stabile Str¨ omungsform erweist. Zur Verdeutlichung einer transitionalen Str¨omung wird auf die Abb. 17.4 verwiesen, in der ein Gebiet turbulenter Str¨ omung, eingebettet in eine laminare Plattenstr¨ omung, skizziert ist. Der Abbildung ist deutlich zu entnehmen, dass die turbulenzbedingten Str¨ omungsst¨ orungen r¨aumlich und auch zeitlich begrenzt auftreten. Es ist gleichfalls eine gewisse, noch deutlich ausgepr¨agte Strukturierung der Str¨ omungen zu erkennen. All dies sind deutliche Merkmale von Str¨ omungen, die sich in einem transitionalen, laminar-turbulenten Str¨ omungszustand befinden. Als turbulenter Zustand einer Str¨ omung wird durch die Fotografie eine Gitternachlaufstr¨ omung verdeutlicht, die mittels eingetragenem Rauch sichtbar gemacht wurde. Die in der N¨ ahe des Gitters eingebrachten Rauchf¨aden“ ” werden durch die turbulenten Fluidbewegungen ergriffen und formen ein typisches Bild eines nahezu isotropen Str¨ omungsfeldes. Dabei wird unter Isotropie einer Str¨ omung eine lokale Eigenschaft verstanden, n¨amlich die im zeitlichen Mittel vorliegende Unabh¨ angigkeit der Str¨omung von betrachteten Richtungen. Dass die in den obigen Punkten genannten Str¨omungszust¨ande in einem Str¨ omungsgebiet auftreten k¨ onnen, verdeutlicht Abb. 17.6. Diese zeigt einen aus einer D¨ use austretenden Freistrahl, der in unmittelbarer D¨ usenn¨ahe laminare Str¨ omungserscheinungen aufweist. Diese werden instabil und f¨ uhren zu einem laminar-turbulenten Str¨ omungsumschlagsverhalten, bevor weiter stromab die Str¨ omung dann voll turbulent wird. F¨ ur das zuletzt genannte Str¨ omungsgebiet ist kennzeichnend, dass keine deutlichen koh¨arenten Str¨ omungsstrukturen mehr erkennbar sind. Dies macht deutlich, dass transitionale Str¨ omungsvorg¨ ange in Teilgebieten von Str¨omungen auftreten k¨ onnen. Vor diesen Teilgebieten ist die Str¨ omung laminar und nach diesen Gebieten (in Str¨ omungsrichtung gesehen) ist die Str¨omung turbulent.
17.2 Ursachen von Str¨ omungsinstabilit¨ aten Str¨ omungsinstabilit¨ aten sind manigfaltig und es gibt eine umfassende Literatur zu ihren Ursachen und zu den beobachtbaren Erscheinungen. Es soll
528
17 Instabile Str¨ omungen g = 1 .0 , j = 0 ° , E k = 0 .0 1
Abbildung 17.2: Muster der Sekund¨ arstr¨ omung in einem Rechteckkanal und korrespondierendes Bifurkationsdiagramm
Abbildung 17.3: Str¨ omungsformen der laminaren Zylinderumstr¨ omung
Aufgabe der Darstellungen in diesem Kapitel sein, einige der auftretenden Ph¨ anomene zu behandeln. Dabei wird angestrebt, eine Einf¨ uhrung in Betrachtungen zu geben, die anzustellen sind, um Str¨omungsinstabilit¨aten theoretisch zu untersuchen. Die bei den Betrachtungen eingesetzten Methoden sind gleichfalls Bestandteil der Darstellungen, die sich auf ausgew¨ahlte Beispiele beschr¨ anken. Diese wurden jedoch so ausgew¨ahlt, dass sie den gesamten
17.2 Ursachen von Str¨ omungsinstabilit¨ aten
529
Abbildung 17.4: Turbulenter Spot“ zur Veranschaulichung des transitionalen, ” laminar-turbulenten Str¨ omungszustandes einer Str¨ omung, siehe van Dyke (1982)
Abbildung 17.5: Turbulente Gitternachlaufstr¨ omung: Sichtbarmachung der turbulenten Str¨ omungseigenschaften durch eingetragenen Rauch, siehe van Dyke (1982)
Reiz str¨ omungsmechanischer Untersuchungen instabiler Str¨omungen deutlich aufzeigen. Es soll so erreicht werden, dass Studenten der Str¨omungsmechanik eine fr¨ uhe Einf¨ uhrung in das breite Fachgebiet instation¨arer Str¨omungsuntersuchungen erhalten und mit den bereitstehenden L¨osungsmethoden vertraut werden. Dabei gilt es stets die unten aufgef¨ uhrten Schritte zur L¨osung des sich stellenden Instabilit¨ atsproblems zu gehen:
530
17 Instabile Str¨ omungen
Abbildung 17.6: Unterschallfreistrahl mit Gebieten laminarer, transitionaler und turbulenter Str¨ omung, siehe van Dyke (1982)
a) Bestimmung der Grundstr¨ omung als analytische oder numerische L¨osung der Navier-Stokesschen Gleichungen und der das Str¨omungsproblem bestimmenden Randbedingungen. b) Ableitung der Grundgleichungen f¨ ur aufgepr¨agte Str¨omungsst¨orungen und unter Ber¨ ucksichtigung kleiner St¨ orungsamplituden, d.h. Linearisierung der St¨ orungsgleichungen. Es entstehen so lineare, partielle Differentialgleichungen f¨ ur die St¨ orungen aller zu betrachtenden St¨orungsgr¨oßen. c) L¨ osung des resultierenden, linearen, partiellen Differentialgleichungssystems f¨ ur vorgegebene St¨ orungen, um das Anwachsen oder das Abschw¨ achen der Amplitude der St¨ orungen in Raum und Zeit zu untersuchen. d) Das lineare, partielle Differentialgleichungssystem ist f¨ ur allgemeine Ausbreitungen von St¨ orungen nur bedingt zu l¨osen, so dass man oftmals gezwungen ist, weitere Vereinfachungen vorzunehmen. Die Ableitung der Orr-Sommerfeldgleichung resultiert aus einer solchen Vereinfachung. e) Interpretation der erhaltenen Ergebnisse zur Entscheidung u ¨ ber Parameterbereiche f¨ ur stabile bzw. instabile, laminare Str¨omungen. Die Schritte a) bis e) werden in Teilen der nachfolgenden Ableitungen aufgezeigt.
17.2 Ursachen von Str¨ omungsinstabilit¨ aten
531
17.2.1 Stabilit¨ at atmosph¨ arischer Temperaturschichtungen In Kapitel 6 wurden Druckverteilungen in der Atmosph¨are f¨ ur unterschiedlichste Temperaturverteilungen betrachtet, so z.B. auch f¨ ur folgende Temperaturverteilung: x2 , (17.7) T (x2 ) = T0 1 − c die eine lineare Temperaturabnahme mit der H¨ohe u ¨ber den Meeresspiegel angibt. In dieser Beziehung ist γ = T0 /c der vorliegende Temperaturgradient.
dT T0
= = const (17.8) γ =
dx2
c F¨ ur die in Gleichung 17.7 gegebene Temperaturverteilung in der Atmosph¨are konnte die zugeh¨ orige Druckverteilung durch Integration der folgenden Gleichung: dP g P (17.9) = −gρ = − dx2 RT ermittelt werden: x2 (gc)/(RT0 ) g/(Rγ) P = P0 1 − = P0 (T0 − γx2 ) . (17.10) c Dabei wurde bei den Betrachtungen in Kapitel 6 indirekt angenommen, dass die gew¨ ahlte Temperaturverteilung stabil ist, d.h. eingebrachte St¨orungen lassen die aufgepr¨ agte Temperaturschichtung unbehelligt. Inwieweit dies gegeben ist, soll hier untersucht werden. x 2
T ( x 2 ) = T0 - g x
x 2 = z + D z
x 2 = z
2
T e m p e ra tu rv e rte ilu n g fü r g a > g
T ( x 2 ) T
Abbildung 17.7: Stabilit¨ at von Temperaturverteilungen in der Atmosph¨ are
Zur Durchf¨ uhrung der erforderlichen Stabilit¨atsbetrachtungen wird ein Fluidelement betrachtet, das kurzfristig ausgelenkt wird, d. h. es wird nach
532
17 Instabile Str¨ omungen
oben bewegt. Dabei wird die Auslenkung des Fluidelements unter adiabaten Bedingungen betrachtet. F¨ uhrt die Auslenkung zu einer Auftriebskraft auf das Fluidelement, welche die eingeleitete Auslenkung erh¨oht, so wird die Temperaturschichtung als instabil angesehen. Erf¨ ahrt das ausgelenkte Teilchen eine R¨ uckstellkraft, die so gerichtet ist, dass eine Reduktion der Auslenkung erfolgt, so liegt in der betrachteten Atmosph¨are eine stabile Temperaturschichtung vor. Betrachtet man die Temperatur T eines Fluidteilchens, das eine adiabate Aufw¨ artsbewegung von z nach z + dz erf¨ ahrt, so gilt: T = (T )z
P (P )z
κ−1 κ
=
P Pz
κ−1 κ
,
(17.11)
wobei (T )z und (P )z die Fluidelementtemperatur und (P )z den zugeh¨origen Druck in der H¨ ohe darstellt. Aus Gleichung (17.11) erh¨ alt man: d(ln T ) =
κ−1 d(ln P ). κ
(17.12)
Aus (17.9) folgt:
g dx2 , RT so dass f¨ ur die durchgef¨ uhrten Betrachtungen gilt: d(ln P ) = −
d(ln T ) = − + Aus T = T0 d1 −
x2 c
,
κ−1 g dx2 . κ RT
(17.13)
(17.14)
folgt: dT = −
T0 dx2 = −γ dx2 . c
(17.15)
Aus Gleichungen (17.14) und (17.15) resultiert: dT κ − 1 g dT . =− T κ Rγ T
(17.16)
F¨ uhrt man den in der Meteorologie u ¨ blichen adiabaten Temperaturgradienten κ−1 g (17.17) γA = κ R in die obige Beziehung ein, so gilt: dT γA dT , = T γ T oder integriert:
(17.18)
17.2 Ursachen von Str¨ omungsinstabilit¨ aten
T = (T )z
T Tz
533
(γA /γ) .
(17.19)
Infolge der Auslenkung des Fluidteilchens aus der Position z, wo es sich im Gleichgewicht mit seiner Umgebung befand, resultiert eine Teilchenbewegung infolge einer auftretenden Auftriebskraft, f¨ ur die folgende Bewegungsgleichung gilt: d2 z (17.20) ρ 2 = (ρ − ρ ) g, dt oder nach weiterer Umformung: T d2 z = g − 1 . (17.21) dt2 T Damit gilt wegen (T )z = Tz : d2 z T Tz =g −1 dt2 (T )z T und somit gilt f¨ ur die nachfolgenden Betrachtungen: γA − γ 2 γ T (z) d z − 1 . =g dt2 Tz
(17.22)
(17.23)
F¨ ur diese Betrachtungen ist es wichtig, ob der vorliegende lineare Temperaoßer oder kleiner als der adiabate Temperaturgradient turgradient γ = T0 /c gr¨ der Atmosph¨ are ist, d.h. (κ − 1)g/κR ≡ g/cp > ¨ ber Stabilit¨at < γ entscheidet u der Schichtung. Damit sind folgende Betrachtungen m¨ oglich: –
–
Eine positive Auslenkung z bewirkt T (z) < Tz , wegen T = T0 (1 − z/c), so dass f¨ ur γA > γ folgt, dass d2 z/ dt2 < 0, d. h. das ausgelenkte Fluidelement erf¨ ahrt eine R¨ uckstellkraft. Die Temperaturschichtung ist stabil. Liegt ein Wert von γ = T0 /c > γA vor, so erf¨ahrt ein in positive z– Richtung ausgelenktes Fluidelement eine positive Kraft, d.h. die eingeleitete Auslenkung wird erh¨ oht. Diese Temperaturschichtung ist deshalb instabil. Kleinste Schwankungen in der Atmosph¨are werden somit unter diesen Bedingungen zur Ausbildung auftriebsverursachter Ausgleichsstr¨ omungen f¨ uhren.
Damit l¨ asst sich zusammenfassend feststellen, dass f¨ ur T = T0 (1 − z/c) = (T0 − γz ) gilt: γ < g/cp : stabile Temperaturschichtung γ > g/cp : instabile Temperaturschichtung
534
17 Instabile Str¨ omungen
Diese Erkenntnisse gilt es bei der Anwendung der Formel (17.10) f¨ ur die Druckverteilung in der Atmosph¨ are zu ber¨ ucksichtigen. Sie ist nur f¨ ur γ < cgp g¨ ultig. Die obigen Ableitungen machen deutlich, dass es in der Atmosph¨are oftmals nicht beachtete Ausgleichsvorg¨ ange gibt, die geeignet sind, Temperaturfelder mit starken Gradienten in der Atmosph¨ are abzubauen“. Erreicht der ” lokale Temperaturgradient γ-Werte die gr¨ oßer als g/cp liegen, so werden die unterhalb des betrachteten Punktes liegenden Luftschichten mit den h¨oheren Temperaturen nach oben steigen. Es kommt so zu einer Durchmischung der Luftschichten, derart dass γ ≤ g/cp im sich einstellenden neuen Zustand erreicht wird. 17.2.2 Gravitationsverursachte Instabilit¨ at geschichteter Fluide Um die gravitationsbedingte Instabilit¨ at einer Grenzfl¨ache zwischen zwei Fluiden zu untersuchen, werden zwei unendlich ausgedehnte Fluide betrachtet, die in der x1 -x3 -Ebene eine gemeinsame Phasengrenzfl¨ache besitzen, siehe Abb. 17.8. Dabei ist die Dichte des oberen Fluids ρA und die des unteren Fluids ρB . Es wird zudem angenommen, dass die Oberfl¨achenspannung in der Phasengrenzfl¨ ache mit σ angegeben werden kann. Durch die Annahme, dass sich das Fluid A in 0 ≤ x2 < +∞ ausdehnt und das Fluid B in −∞ < x2 ≤ 0, angiges Instabilit¨ atsproblem. Da es sich bei den resultiert ein nur von x2 abh¨ 2
¥
x
x
2
E b e n e z w is c h e n d e n F lu id e n
F lu id A m it D ic h te r A
3
1
F lu id B m it D ic h te r B
x
2
x
- ¥
x
Abbildung 17.8: Geschichtete Fluide und Stabilit¨ at der Grenzfl¨ ache
betrachteten Fluiden um viskose Medien handeln soll, w¨aren die zu m¨ogli¨ chen Instabilit¨ aten anzusetzenden Uberlegungen auf den Navier-Stokesschen Gleichungen aufzubauen. Geht man jedoch davon aus, dass gilt: √ ν charakteristischeGravitationsgeschwindigkeit = g" , (17.24) g" charakteristischeDiffusionsgeschwindigkeit = (ν/") "
17.2 Ursachen von Str¨ omungsinstabilit¨ aten
535
so kann man f¨ ur die hier durchzuf¨ uhrenden Stabilit¨atsbetrachtungen davon ausgehen, dass Gravitationseffekte gegen¨ uber viskosen Einfl¨ ussen dominieren. Dieser Sachverhalt erlaubt den Einsatz der viskosit¨atsfreien Form der Grundgleichungen, um die gravitationsverursachte Instabilit¨at der in Abb. 17.8 skizzierten Ebene zwischen den geschichteten Fluiden mit gemeinsamer ¨ Trennfl¨ ache zu untersuchen. Da die anzustellenden Uberlegungen davon ausgehen, dass die Fluide vor der Einwirkung einer St¨orung in Ruhe sind, so wird die durch die St¨ orung aufgepr¨ agte Fluidbewegung von Anfang an drehungsfrei sein. Damit empfiehlt sich ihre Behandlung durch Einf¨ uhren der ur die Fluide A und B. Potentiale φA und φB f¨ Es ist einsichtig, dass bei Einwirkung einer St¨orung auf die Phasenur alle x1 -x3 -Werte, die Geschwindigkeiten grenzfl¨ ache, d.h. auf x2 = 0 f¨ (U2 )A = (U2 )B = 0 f¨ ur x2 → ±∞ erwarten l¨asst, so dass man ohne Einschr¨ ankung der Allgemeing¨ ultigkeit ansetzen kann: φA → 0 f¨ ur x2 → +∞
und
φB → 0 f¨ ur x2 → −∞.
(17.25)
Da die L¨ osungen f¨ ur φA und φB f¨ ur viskosit¨atsfreie Str¨omungen der Laplace Gleichung gen¨ ugen m¨ ussen, lassen sich folgende Ans¨atze w¨ahlen: φA (xi , t) = CA exp(αt − kx2 )S(x1 , x3 ),
(17.26)
φB (xi , t) = CB exp(αt + kx2 )S(x1 , x3 ),
(17.27)
wobei f¨ ur S(x1 , x3 ) gelten muss: 2 ∂2 ∂ 2 + + k S (x1 , x3 ) = 0. ∂x1 2 ∂x3 2
(17.28)
Bezeichnet man mit η die Auslenkung der Phasengrenzfl¨ache, so gilt folgende kinematische Beziehung: ∂φA ∂φB ∂η = = ∂x2 ∂x2 ∂t
f¨ ur
x2 = η.
(17.29)
Diese Beziehung besagt, dass an der Phasengrenzfl¨ache (U2 )A = (U2 )B sein muss und dass diese Geschwindigkeit durch die Auslenkungsgeschwindigkeit der Phasengrenzfl¨ ache gegeben ist. Genau genommen liegt die Gleichheit f¨ ur die Normalkomponenten der Geschwindigkeiten vor. F¨ ur kleine Auslenkungen der Phasengrenzfl¨ ache gilt jedoch, dass die Normalkomponenten der Geschwindigkeiten gleich den Vertikalkomponenten sind. Durch Einf¨ uhrung dieser Gleichheit in die durchzuf¨ uhrenden Betrachtungen wird eine Linearisierung des Probelms vorgenommen, d.h. die nachfolgenden Betrachtungen sind dem Bereich der linearen Instabilit¨ atstheorie zuzuordnen. Betrachtet man die Beziehungen (17.26) und (17.27) f¨ ur x2 = 0, so l¨asst sich f¨ ur η(x1 , x3 , t) angeben:
536
17 Instabile Str¨ omungen
η = C exp(αt)S(x1 , x3 ).
(17.30)
Mit (17.26), (17.27) und (17.30) erh¨ alt man aus (17.29) −kCA = kCB = αC.
(17.31)
F¨ ur die Druckdifferenz der Dr¨ ucke zwischen den Fluiden A und B erh¨alt man: 2 ∂ η 1 1 ∂ 2η pA − pB = σ =σ . (17.32) + + RA RB ∂x1 2 ∂x2 2 Mit (17.30) unter Ber¨ ucksichtigung von (17.28) erh¨alt man: pA − pB = −σk 2 η.
(17.33)
Aussagen u onnen auch, da die Voraussetzungen hierf¨ ur erf¨ ullt ¨ber pA und pB k¨ sind, u ¨ ber die Bernoulligleichung erhalten werden: pA ∂φA − gη; =− ρA ∂t
pB ∂φB − gη. =− ρB ∂t
(17.34)
Somit gilt: ρA (−αCA − gC) − ρB (−αCB − gC) = −σk 2 C.
(17.35)
Die Elimination von CA , CB und C aus den Beziehungen (17.30) und (17.35) l¨ asst folgende Aussagen zu: α2 =
σk 3 g (ρA − ρB ) k − , (ρA + ρB ) (ρA + ρB )
(17.36)
wobei α die Wachstumsrate einer St¨ orung mit der Zeit angibt, siehe (17.29), so dass gilt: g (ρA − ρB ) σk 2 − ≥ 1, (17.37) (ρA + ρB ) (ρa + ρB ) oder nach k 2 aufgel¨ ost: k2 <
g 2π (ρA − ρB ) > . σ "
(17.38)
Diese Beziehung sagt aus, dass im Falle unendlich ausgedehnter, geschichteter Fluide, stets ein " existiert, das die Bedingung f¨ ur die Instabilit¨at erf¨ ullt wenn ρA > ρB ist. Fluidschichtungen, bei denen das schwerere Fluid oben liegt, sind inh¨ arent instabil. Die Schichtung neigt dazu umzukippen“, d.h. ” die Fluidschichtung neigt dazu das schwere Fluid nach unten zu bringen. Erscheinungen dieser Art werden in der Natur beobachtet, wo es nur mit gr¨ oßter Sorgfalt gelingt, Schichtungen von Fluiden mit ρA > ρB zu erhalten. Kleinste St¨ orungen f¨ uhren bereits zu einer Umschichtung der Fluide.
17.2 Ursachen von Str¨ omungsinstabilit¨ aten
537
17.2.3 Rotationsverursachte Instabilit¨ aten in Ringspalten In den vorausgegangenen Darstellungen zur Stabilit¨at von Fluidzust¨anden wurden statische Fluide“ betrachtet. Die Betrachtungen sollen nun auf ” str¨ omende Fluide erweitert werden. Eine Str¨ omung, die sich f¨ ur bestimmte Parameterkombinationen als instabil erweist, wurde von Taylor (1923) angegeben. Er betrachtete die laminare Str¨ omung, zwischen zwei rotierenden Zylindern, wie sie in Abb. 17.9 skizziert sind. Dabei dreht sich der innere Zylinder mit der Geschwindigkeit (Uϕ )1 = R1 ω1 und der a¨ußere mit ur Ur = 0 und Uz = 0 ergibt sich folgendes Gleichungssy(Uϕ )2 = R2 ω2 . F¨ stem f¨ ur die Zylinderspaltstr¨ omung: ρ
Uϕ2 dP = r dr
und
d2 Uϕ Uϕ 1 dUϕ − 2 = 0. + dr2 r dr r
(17.39)
Die zweite Differentialgleichung f¨ ur Uϕ ist vom Eulerschen Typ und l¨asst damit partikul¨ are L¨ osungen von der Art: Uϕ = Ck rk d 1r
dUϕ dr
; d
d2 Uϕ dϕ2
= Ck k(k − 1)rk−2
(17.40)
U
= Ck krk−z und d r2ϕ = Ck rk−1
erwarten, so dass gilt: k(k − 1) + (k − 1) = (k + 1)(k − 1) = 0
(17.41)
und somit k1 = 1 und k2 = −1 erhalten wird. Damit lautet die allgemeine L¨ osung der Differentialgleichung f¨ ur die Geschwindigkeit Uϕ : Uϕ = C1 r +
C2 . r
(17.42)
Die Integrationskonstanten C1 und C2 ergeben sich aus den Randbedingungen Uϕ (R1 ) = R1 ω1 und Uϕ (R2 ) = R2 ω2 , so dass man erh¨alt: C1 =
ω2 R22 − ω1 R12 R22 − R12
und C2 =
(ω1 − ω2 ) R12 R22 (R22 − R12 )
(17.43)
und somit f¨ ur die Geschwindigkeitsverteilung Uϕ (r): Uϕ (r) =
r (R22
1+ , 2 1 ω2 R22 − ω1 R12 r2 + (ω1 − ω2 ) R12 R22 . 2 − R1 )
(17.44)
Die oben durchgef¨ uhrten Ableitungen zeigen auf, dass die in der Gleichung 17.44 aufgef¨ uhrte L¨ osung des in Abb. 17.9 angegebenen Str¨omungsproblems, die Navier-Stokesschen Gleichungen und die zugeh¨origen Randbedingungen erf¨ ullt. Die zum Erhalten der analytischen L¨ osung durchgef¨ uhrten Ableitungen lassen jedoch die Frage nach der Stabilit¨ at der L¨osung unbeantwortet,
538
17 Instabile Str¨ omungen
W U
r
d i
in n e r
U n s ta b le
i
D a ta
T h e o ry n e u tra l c u rv e
R a y le ig h , s lo p e = r 02 1 .2 9 2 = r2 i
S ta b le d
W
o u te r
Abbildung 17.9: Skizze der Wirbelbildung f¨ ur die Taylor-Ringspaltstr¨ omung und Instabilit¨ atsdiagramm
d.h. es gilt noch zu kl¨ aren, inwiefern in die Str¨ omung eingebrachte St¨orungen ged¨ ampft oder angefacht werden. Taylor (1923) zeigte auf, dass diese Frage u art werden kann. Entsprechend der ¨ ber rein analytische Betrachtungen gekl¨ Taylorschen Betrachtungen erg¨ anzen wir die oben angegebenen Ableitungen mit Betrachtungen zur Stabilit¨ at der Str¨ omung mittels folgender Ans¨atze f¨ ur die Geschwindigkeitskomponenten in der ϕ– und u–Richtung: Ur = ur ;
Uϕ = Uϕ (r) + uϕ
und Uz = uz .
(17.45)
Geht man mit diesen Geschwindigkeitsans¨ atzen in die Grundgleichungen ein und vernachl¨ assigt die Terme zweiter Ordnung, d. h. man f¨ uhrt lineare Stabilit¨ atsbetrachtungen durch, so erh¨ alt man folgendes Gleichungssystem f¨ ur die Bestimmung der St¨ orungen ur , uϕ und uz des Geschwindigkeitsfeldes: Kontinuit¨ atsgleichung:
∂ ∂ (rur ) + (ruz ) = 0 ∂r ∂z
(17.46)
Impulsgleichungen: 2 1 ∂p ur C2 ∂ 2 ur 1 ∂ur ∂ ur ∂ur =− + 2 C1 + 2 uϕ + ν − 2 + + ∂t ρ ∂r r ∂z 2 ∂r2 r ∂r r (17.47) . / 2 2 uϕ ∂ uϕ ∂ uϕ ∂uϕ 1 ∂uϕ = −2C1 ur + ν − 2 + + (17.48) ∂t ∂z 2 ∂r2 r ∂r r 2 ∂ uz ∂uz 1 ∂p ∂ 2 uz 1 ∂uz =− +ν + + (17.49) ∂t ρ ∂z ∂z 2 ∂r2 r ∂r ur r = R1 und r = R2 . Dabei gelten die Randbedingungen ur = uϕ = uz = 0 f¨ F¨ ur die L¨ osung werden nun die folgenden Ans¨ atze gew¨ahlt:
17.2 Ursachen von Str¨ omungsinstabilit¨ aten
539
ur = u1 (r) cos("z) exp(βt), uϕ = u2 (r) cos("z) exp(βt) und uz = uB (r) sin("z) exp(βt).
(17.50)
Damit ergibt sich folgendes Gleichungssystem f¨ ur u1 , u2 und u3 , die alle nur von der Ortskoordinate r abh¨ angen, 2 u2 ∂ u2 1 du2 2 − + − " u (17.51) ν 2 = 2C1 u1 ∂r2 r dr r2 ν d d λ dr
d2 u3 1 du3 C2 2 − " u3 = − 2 C1 + 2 u2 + (17.52) dr2 r dr r 2 d u1 u1 1 du1 2 − 2 − " u1 d− ν + dr2 r dr r du1 u1 + + λu3 = 0 dr r
wobei gilt:
(17.53)
β . (17.54) ν Das Gleichungssystem f¨ ur u1 , u2 und u3 l¨ asst sich durch Ans¨atze von FourierBessel-Reihen l¨ osen, wobei f¨ ur die hier vorgestellte L¨osung die Entwicklung nach der Besselfunktion erfolgt:
" 2 = "2 +
z1 (kα r) = α1 J1 (kα r) + α2 N1 (kα r) .
(17.55)
Dabei werden α1 und α2 so gew¨ ahlt, dass gilt: z1 (kα R1 ) = z1 (kα R2 ) = 0. Damit wird: u1 (r) =
∞
A∞ z1 (kα r),
(17.56)
(17.57)
α=1
wobei die Koeffizienten Aα durch die folgenden Beziehungen zu bestimmen sind: 1 Aα = Hα
"Rz
"Rz ru1 (r)z1 (kα r) dr mit Hα =
R1
rz12 (kα r) dr.
(17.58)
Aα z1 (kα r),
(17.59)
R1
F¨ ur u2 ergibt sich nun nach (17.51) ν
d2 u2 1 1 du2 2 − 2 − λ + dr2 r dr r
so dass man erh¨ alt:
= 2C1
∞ α=1
540
17 Instabile Str¨ omungen
u2 (r) =
∞
Bα z1 (kα r),
(17.60)
α=1
mit den Koeffizienten Bα = −
2C1 Aα . ν (kd2 + λ2 )
(17.61)
Die Randbedingungen u2 (R1 ) = u2 (R2 ) = 0 liefern allerdings u2 (r) = 0. Zur Bestimmung von u3 (r) wird die Differentialgleichung (17.53) herangezogen und eine bekannte Eigenschaft der Besselfunktionen zur Anwendung gebracht 1 d z0 (kr) = −z1 (kr), (17.62) k dr so dass gilt: 2 d d u3 1 du3 2 − λ u3 = 0. + (17.63) dr dr2 r dr F¨ ur diese Differentialgleichung ergibt sich als L¨osung: u3 (r) = z0 (iλ r) + const.
(17.64)
Unter Anwendung der obigen L¨ osung konnte Taylor aufzeigen, dass bei vorgegebenen ω1 –, ω2 –, R1 – und R2 –Werten die Gr¨oßen β (17.65) λ und λ = λ2 + ν miteinander verkn¨ upft sind. Taylor f¨ uhrte die oben angedeutete Analyse im Detail durch, wobei er (R2 − R1 ) 12 (R2 + R1 ) annahm, d.h. seine Ergebnisse gelten f¨ ur enge Ringspalte. Diese Ergebnisse lassen sich wie folgt, unter Ber¨ ucksichtigung des Stabilit¨ atsdiagramms in Abb. 17.10, zusammenfassen: –
– –
–
Drehen sich die beiden den Ringspalt bildenden Zylinder gleichsinnig, so ist stets die Stabilit¨ at der Str¨ omung gew¨ ahrleistet, wenn R12 ω1 < R22 ω2 gilt, siehe Abb. 17.10. Dieses elementare Stabilit¨ atskriterium ist nicht anwendbar, wenn sich die rotierenden Zylinder in entgegen gesetzter Drehrichtung bewegen. F¨ ur ω1 /ω2 = R22 /R12 = 1, 292 ergibt sich die in Abb. 17.10 aufgezeigte Stabilit¨ atskurve. Dabei ist der Verlust an Stabilit¨at dadurch gekennzeichnet, dass sich im Ringspalt sogenannte Taylorwirbel ausbilden, die abwechselnd entgegengesetzte Drehrichtung haben. asst sich die kritische Taylor-Zahl, mit δ = (R2 − R1 ) und U1 = R1 ω1 l¨ Ta, bei der die Instabilit¨ at einsetzt, wie folgt angeben: δ U1 δ ≥ 41, 3 (17.66) Ta = ν R1 Die sich infolge Instabilit¨ at einstellende Str¨omung ist wiederum laminar.
17.2 Ursachen von Str¨ omungsinstabilit¨ aten
a )
541
b )
Abbildung 17.10: a) Wirbelbild bei gleichsinnig drehenden Zylindern nach Auftreten der Taylor-Instabilit¨ at, b) Wirbelbildung bei gegensinnig drehenden Zylindern nach Auftreten der Taylor-Instabilit¨ at
–
Die Energie, die u ¨ ber den Antrieb des inneren Zylinders eingetragen wird, treibt die sekund¨ aren Wirbel und auch die Energiedissipation in den Wirbeln.
Als interessant ist herauszustellen, dass bei entgegengesetzter Drehrichtung ur ω1 , f¨ ur den die Taylorbeider Zylinder, d.h. z.B. f¨ ur ω2 = 0, der Wert f¨ Instabilit¨ at auftritt, gegen¨ uber ω2 = 0, wieder zunimmt. Ferner ist interessant festzuhalten, dass sich das sich einstellende Wirbelbild, bei entgegengesetzter Drehweise beider Zylinder ¨ andert. Wie Abb. 17.10 zeigt, bilden sich zwei Wirbelreihen aus, eine die der Rotation des inneren Zylinders zuzuordnen ist und eine zweite, die zu der Rotation des ¨ außeren Zylinders geh¨ort. Es sind diese faszinierenden Erscheinungen, die den Untersuchungen der Instabilit¨aten der Str¨ omung zwischen zwei rotierenden Zylindern, auch heute noch großes Interesse entgegen bringt.
542
17 Instabile Str¨ omungen
17.3 Verallgemeinerte Instabilit¨ atsbetrachtungen (Orr-Sommerfeld-Gleichung) Die im Abschnitt 17.2 wiedergegebenen Betrachtungen zeigten in den Ans¨ atzen wie bei Betrachtungen im Rahmen der linearen Instabilit¨atstheorie vorzugehen ist. Der dort aufgezeigte Weg soll nun f¨ ur St¨orungsrechnungen verallgemeinert werden, f¨ ur die folgende St¨ orungsans¨atze gelten: u ˆ1 = Ux (y) + ux (x, y, t);
u ˆ2 = uy (x, y, t);
uˆ3 = 0;
(17.67)
d. h. es wird ein eindimensionales, station¨ ares Geschwindigkeitsfeld Ux (y) als gegeben angenommen, in das zweidimensionale, zeitabh¨angige St¨orungen eingebracht werden bzw. sich in der Str¨ omung ausbilden k¨onnen. Desweiteren gilt f¨ ur den Druck: (17.68) Pˆ = P (x) + p (x, y, t), wobei f¨ ur alle Schwankungsgr¨ oßen gilt: a 1; A
d. h.
ux 1; Ux
uy 1; Ux
p 1. P
(17.69)
F¨ uhrt man die Gr¨ oßen, die in den Gleichungen (17.67) und (17.68) definiert sind, in die Navier-Stokesschen Gleichungen ein, so ergibt sich folgendes Gleichungssystem: ∂uy ∂ux + = 0, (17.70) ∂x ∂y
dUx ∂ux ∂p 1 dP + + =− dy ∂y ρ dx ∂x 2 2 2 ∂ ux ∂ ux d Ux + + ,(17.71) +ν ∂x2 ∂y 2 dy 2 ) * ∂ 2 uy ∂uy ∂ 2 uy ∂uy ∂uy 1 ∂p + (Ux + ux ) + uy =− +ν + . (17.72) ∂t ∂x ∂y ρ ∂y ∂x2 ∂y 2 ∂ux ∂ux + (Ux + ux ) + uy ∂t ∂x
Der oben aufgef¨ uhrte Satz an Differentialgleichungen ergibt f¨ ur den Sonderfall, dass keine St¨ orungen vorliegen: 0=−
d2 Ux 1 dP +ν . ρ dx dy 2
(17.73)
Unter Vernachl¨ assigung aller in den St¨ orgr¨ oßen auftretenden quadratischen Terme und unter Abzug von Gleichung (17.73) erh¨alt man folgendes Gleichungssytem f¨ ur die St¨ orgr¨ oßen ux , uy and p : ∂uy ∂ux + = 0, ∂x ∂y
(17.74)
17.3 Verallgemeinerte Instabilit¨ atsbetrachtungen
)
∂ 2 uy 1 ∂p ∂ 2 ux ∂ux ∂ux dUx + + Ux + uy =− +ν ∂t ∂x dy ρ ∂x ∂x2 ∂y 2 ) * ∂uy ∂ 2 uy ∂ 2 uy ∂uy 1 ∂p + Ux =− +ν + . ∂t ∂x ρ ∂y ∂x2 ∂y 2
543
* ,
(17.75)
(17.76)
Die eingef¨ uhrte Zweidimensionalit¨ at der St¨ orungen erlaubt die Elimination der aus der Kontinuit¨ atsgleichung resultierenden Beziehung (17.74) durch Einf¨ uhrung einer St¨ orungs-Stromfunktion: ux =
∂Ψ ∂y
und uy = −
∂Ψ . ∂x
(17.77)
Dr¨ uckt man nun die Gleichungen (17.75) und (17.76) in dieser St¨orungsStromfunktion Ψ aus, so erh¨ alt man folgende Differentialgleichungen f¨ ur Ψ und p : 3 ∂ Ψ ∂Ψ dUx 1 ∂p ∂∂ 3 Ψ ∂2Ψ ∂ 2Ψ + Ux − =− +ν + , (17.78) ∂y∂t ∂x∂y ∂x dy ρ ∂x ∂x2 ∂y ∂∂y 3 3 ∂ Ψ 1 ∂p ∂3Ψ ∂Ψ ∂2Ψ − Ux −ν =− + − . (17.79) ∂x∂t ∂x2 ρ ∂y ∂x3 ∂x∂y 2 Durch Differentiation der Gleichung (17.78) nach y und der Gleichung (17.79) nach x lassen sich die Terme (∂ 2 p )/(∂x∂y) eliminieren, so dass man nur eine Differentialgleichung f¨ ur Ψ enth¨ alt. Diese enth¨alt jedoch Terme 4-ter Ordnung und l¨ asst sich wie folgt schreiben: 2 ∂ ∂ ∂ Ψ ∂2Ψ d2 Ux ∂Ψ + Ux + − 2 2 ∂t ∂x ∂x ∂y dy 2 ∂x 4 ∂4Ψ ∂4Ψ ∂ Ψ . (17.80) = ν − 4 +2 2 x − ∂x ∂x ∂y ∂y 4 Diese Differentialgleichungen bringen zum Ausdruck, dass St¨orungen wie sie durch die Gleichungen (17.67) und (17.68) ausgedr¨ uckt werden, u ¨ ber die Erhaltungss¨ atze der Str¨ omungsmechanik und das vorgegebene, nicht gest¨orte ur Str¨ omungsfeld Ux (y) kontrolliert werden. Spezielle L¨osungen lassen sich f¨ den folgenden Ansatz f¨ ur Ψ (x, y, t) erhalten: Ψ = f (y) exp [i (kx − ωt)] .
(17.81)
Dabei wird k stets als reell angesetzt, d.h. es werden Wellen der Wellenl¨ange λ = 2π/k in Richtung der x–Koordinate betrachtet, deren Verhalten durch die Differentialgleichung (17.80) beschrieben wird. Die Gr¨ oße ω im Exponentialterm des Ansatzes (17.81) kann komplexe Werte annehmen: (17.82) ω = ωR + iωI .
544
17 Instabile Str¨ omungen
Erweist sich ωI < 0, so klingt Ψ mit der Zeit ab und die Fluidstr¨omung Ux (y) kann als stabil angesehen werden. F¨ ur ωI > 0 wird die St¨orung mit der Zeit angefacht, d. h. die nach Instabilit¨ aten untersuchte Str¨omung Ux (y) erweist sich als instabil gegen¨ uber der aufgepr¨ agten St¨orungen. Die in (17.80) angegebene Differentialgleichung ist von vierter Ordnung, so dass deren Integration insgesamt vier Randbedingungen erfordert. Diese lassen sich f¨ ur ebene Kanalstr¨ omungen und Wandgrenzschichtstr¨omungen wie folgt angeben: –
F¨ ur die ebene Kanalstr¨ omung ergibt sich f¨ ur y = 0 und y = 2H: ux = uy = 0, d. h. f (0) = f (0) = f (2H) = f (2H) = 0. (17.83)
–
F¨ ur die ebene Plattenstr¨ omung ergibt sich f¨ ur die Wandhaftung der Str¨ omung f (0) = f (0) = 0. F¨ ur die Außenstr¨ omung gilt wegen dem Fehlen von Viskosit¨atskr¨aften und d2 Ux / dy 2 = 0 f − kf = 0
;
f = ω exp(−ky).
(17.84)
Setzt man Ψ = f (y) exp[ik(x − ct)] so ergibt sich die bekannte OrrSommerfeld Differentialgleichung: (kUx − ω)(f − k 2 f ) − kUx f =
ν (f − 2k 2 f + k 4 f ). ik
(17.85)
Diese wird zur Untersuchung der Stabilit¨ at einer Str¨omung, f¨ ur die ungest¨orte Geschwindigkeitsverteilung Ux (y) und die angenommene Wellenl¨ange, k, der St¨ orung numerisch gel¨ ost, unter Anwendung oben aufgef¨ uhrter Randbedingungen, z. B. f¨ ur y = 0 : f (0) = f (0) = 0, (17.86) y → ∞ : f (y) = f (y) → 0. F¨ ur weiterf¨ uhrende Betrachtungen ist es auch angebracht, c = ω/k = cR + icI einzuf¨ uhren. Damit ergibt sich f¨ ur Stabilit¨atsbetrachtungen die L¨ osung eines Eigenwertproblems zu suchen und diese f¨ ur jede Wellenl¨ange einer St¨ orung zu bestimmen, d.h. f¨ ur jedes λ = 2π/k. Der Wellenl¨angenbereich, der zu negativen Werten des Imagin¨ arteils von c f¨ uhrt, wird als stabil bezeichnet, d. h. die untersuchte Str¨ omung ist bez¨ uglich dieser St¨orungen stabil. Es wird so durch sukzessive Berechnungen bestimmt, f¨ ur welche Wellenl¨ angen der imagin¨ are Teil von c positiv ist. Dies ergibt dann die Erkenntnis, ob durch die bestimmte L¨ osung Ux (y) eine Str¨omung vorliegt, die bei aufgepr¨ agten St¨ orungen in einen Str¨ omungszustand umschl¨agt, der sich vom st¨ orungsfreien Zustand Ux (y) unterscheidet.
17.3 Verallgemeinerte Instabilit¨ atsbetrachtungen
545
Das Verhalten von Str¨ omungen mit zweidimensionalen Geschwindigkeitsprofilen unter Aufpr¨ agung zweidimensionaler St¨orungen l¨asst sich heute numerisch untersuchen, so z.B. f¨ ur die in Abb. 17.11 angedeutete ebene Kanalstr¨ omung mit pl¨ otzlicher Querschnittserweiterung. Diese Abbildung verdeutlicht eine Innenstr¨ omung, die durch eine vollsymmetrische Zustr¨omung in der Ebene A gegeben ist, symmetrische Randbedingungen zwischen den Ebenen A und B aufweist und in B ein symmetrisches Profil der Abstr¨omung aufweist. Dennoch zeigen Str¨ omungsuntersuchungen, dass die Str¨omungsprofile zwischen den ebene A und B, ab einer bestimmten Re-Zahl Res , asymmetrisch sind. Dies ist in Abb. 17.11b angegeben, die aufzeigt, dass sich ab Res ≈ 150 Abl¨ osegebiete mit unterschiedlichen Lagen einstellen.
}
}
R e < R es
a )
R e ~ R es
R e > R es
b )
Abbildung 17.11: a) Zweidimensionale, ebene Kanalstr¨ omung, b) Berechnungsergebnisse mit Asymmetrie der Str¨ omung
Die in Abb. 17.11 angedeuteten Ergebnisse f¨ ur die zweidimensionale, ebene Kanalstr¨ omung wurden numerisch erhalten. F¨ ur Re < Res ergaben die numerischen Berechnungen symmetrische Geschwindigkeitsprofile, d.h. f¨ ur diesen Re-Bereich waren die Viskosit¨ atseinfl¨ usse ausreichend, um St¨orungen, die durch die numerischen Berechnungen eingebracht werden, in der Str¨omung zu d¨ ampfen. Damit war es an allen Orten auf der Symmetrieachse m¨oglich ur alle Zeiten einzustellen. F¨ ur Re < Res war diese f¨ ur die Symmetrie U2 = 0 f¨ der Str¨ omung wichtige Bedingung nicht mehr zu erf¨ ullen und die in der unteren H¨ alfte Abb. 17.11a angedeutete Asymmetrie der Str¨omung stellte sich ein. Dabei ergaben Untersuchungen, dass das die Asymmetrie kennzeichnende, k¨ urzere Abl¨ osegebiet, je nach aufgepr¨ agter St¨orung, sowohl oben als auch unten f¨ ur die symmetrisch gelegene Stufenstr¨ omung auftreten kann. Zeichnet man das Abl¨ osel¨ angenverh¨ altnis als Funktion der Re-Zahl auf, so ur kleinere erh¨ alt man ein sogenanntes Bifurkationsdiagramm mit x2 /x1 = 1 f¨
546
17 Instabile Str¨ omungen
Reynoldszahlen, d.h. f¨ ur Re < Res . Diese Abbildung w¨ urde aufzeigen, dass ¨ von so einem Bifurkationspunkt S aus, gabelf¨ ormig zwei stabile Aste der die Asymmetrie kennzeichnenden charakteristischen Funktion x2 /x1 ausgehen. Die symmetrische L¨ osung erweist sich, f¨ ur Re > Res , als instabil, d.h. kleinste St¨ orungen, die in die Str¨ omung eingebracht werden, f¨ uhren zum Brechen der Symmetrie der Str¨ omung. Um den Nachweis zu erbringen, dass die sich f¨ ur Re > Res einstellenden asymmetrischen Str¨ omungsfelder stabil sind, wurden in die durchgef¨ uhrten numerischen Berechnungen beachtlichen St¨ orungen eingebracht. Dies ist in ¨ Abb. 17.12 aufgezeigt, die in den Anfangszeiten zeitliche Anderungen der die Abl¨ osegebiete kennzeichnenden x2 -Positionen aufzeigt. Werden die aufgepr¨ agten zeitlichen St¨ orungen entfernt, so stellen sich wieder die f¨ ur die entsprechende Reynoldszahl typischen Abmessungen der Abl¨osegebiete ein. Dabei zeigten die durchgef¨ uhrten numerischen Berechnungen, dass es dem Zufall u ¨ berlassen ist, ob sich bei Vorliegen eines langen und eines kurzen Abl¨ osegebiets, das k¨ urzere oben oder unten gelegen einstellt. Im rechten Bild, d. h. in 17.12b zeigen sich mehrere Lagen von Abl¨osegebieten. Auch hier gilt, daß die Lagen der Abl¨ osegebiete nicht seitengebunden sind. Je nach St¨orungen k¨ onnen zwei oben und eines unten, oder umgekehrt, auftreten.
x x
t
2
x 3
1
x 4
t
Abbildung 17.12: Berechnungen der Abl¨ osegebiete f¨ ur aufgepr¨ agte St¨ orungen, a) Re = 70, b) Re = 610
17.4 Klassifikationen von Instabilit¨ aten Die Komplexit¨ at des Verhaltens von Str¨ omungsfluktuationen, die aus induzierten St¨ orungen infolge von Str¨ omungsinstabilit¨aten resultieren wird deutlich, wenn man den Ansatz f¨ ur die Stromfunktion f¨ ur Geschwindigkeitsfluktuationen betrachtet. Ψ (x1 , x2 , t) = f (x2 ) exp [i (kx1 − ωt)]
(17.87)
17.4 Klassifikationen von Instabilit¨ aten
547
F¨ uhrt man ein k = kR + ikI und ω = ωR + iωI , so erh¨alt man mit f (x2 ) = F (x2 ) exp(−iθ(x2 )) Ψ (x1 , x2 , t) = exp (ωI t − kI x1 ) [F (x2 ) cos (kR x1 − ωR t − θ (x2 ))] . (17.88) Falls alle Werte kR , kI , ωR und ωI ungleich Null sind, werden durch orungen beschrieben, die als u Ψ (x1 , x2 , t) St¨ ¨ beraus komplex angesehen werden k¨ onnen und als schwer beschreibbar eingestuft werden m¨ ussen. H¨alt man f¨ ur u ¨berschaubare Betrachtungen den Raumpunkt konstant, d.h. x1 , x2 gleich konstant, so beschreibt die Beziehung (17.88) eine mit der Zeit anwachsende St¨ orung (instabile Str¨ omung) oder eine mit der Zeit abnehmende St¨orung (stabile Str¨ omung). Dabei gilt es zu ber¨ ucksichtigen, dass die f¨ ur einen Punkt des Str¨ omungsfeldes erhaltene Erkenntnisse u ¨ ber Stabilit¨at oder Instabilit¨at einer Str¨ omung nicht auf andere Punkte u ¨bertragen werden k¨onnen. Nimmt man zur Verdeutlichung der Komplexit¨ at noch St¨orungen dazu, die f¨ ur konstante Werte x2 und t ein Anwachsen bzw. Abklingen von St¨orungen in x1 Richtung darstellen, so sieht man, dass direkte Betrachtungen der Beziehung (17.88) nur sehr bedingt zu einem vertiefenden Verst¨andnis der Stabilit¨at bzw. Instabilit¨ at von Str¨ omungen f¨ uhren. Ergebnisse dieser Art sind, vor allem f¨ ur einf¨ uhrende Betrachtungen zur Stabilit¨at, als sehr schwierig zu verstehen einzustufen. Gilt die f¨ ur einen Punkt des Str¨ omungsfeldes erhaltene Aussage u ¨ber eine vorliegende Instabilit¨ at f¨ ur das gesamte Str¨ omungsfeld, so spricht man von einer absoluten Instabilit¨ at. Diese ist z.B. dann gegeben, wenn in eine rotierende Ringspaltstr¨ omung eine St¨ orung eingebracht wird und diese dann von einer von Taylorringen freien Str¨ omung in eine solche Str¨omung u ¨ bergeht, in der Taylorringe im gesamten Str¨ omungsfeld auftreten. Eine absolute Instabilit¨ at w¨ urde nicht vorliegen, wenn nur ein einzelner, in seinen Abmessungen begrenzter Ring entstehen w¨ urde. Bringt man in eine Str¨ omung eine St¨ orung ein, die mit dem Str¨omungsfeld weggetragen“ wird, etwa wie das Wellenbild einer von einem geworfe” nen Stein verursachten Oberfl¨ achenwelle, die mit der bewegten Wasseroberfl¨ ache mitschwimmt, und w¨ achst dabei die St¨ orung an, so spricht man von einer konvektiven Instabilit¨ at. Der Unterschied zur absoluten Instabilit¨at ist in Abb. 17.13 angegeben. Dort ist in 17.13a das Anwachsen der St¨orung in einem gesamten Teil des Str¨ omungsfeldes mit fortschreitender Zeit angegeben; dies ist charakteristisch f¨ ur das Vorliegen einer absoluten Instabilit¨at der Str¨ omung. In Abb. 17.13b ist das Anwachsen einer eingebrachten St¨orung unter gleichzeitiger Fortbewegung im Raum verdeutlicht; dies ist charakteristisch f¨ ur das Vorliegen einer konvektiven Instabilit¨at. Bei Vorliegen einer konvektiven Instabilit¨ at kann es zu sogenannten Feed ” Back Mechanismen“ kommen, derart dass die St¨orung stromab reflektiert wird und an den Ort der Ausgangsstr¨ omung zur¨ uckkehrt. Sie ruft dort eine neue St¨ orung hervor, die wieder konvektiv transportiert wird und erneut reflektiert wird, so dass eine Instabilit¨ at nur in einem eingebetteten Systemteil
548
17 Instabile Str¨ omungen
w
w I
< 0
I
> 0
w I
w I
< 0
< 0
w
> 0 I
w I
< 0
Abbildung 17.13: Schematische Darstellung a) absoluter Str¨ omungsinstabilit¨ at und b) konvektiver Instabilit¨ at
vorliegt. In diesem Fall spricht man von globaler Instabilit¨at. Bei Vorliegen globaler Instabilit¨ aten lassen sich Unterteilungen bzgl. der Feed Back Me” chanismen“ und der Interaktionen der reflektierten St¨orungen mit den Ausgangsstr¨ omungen vornehmen. Es liegt hier ein forschungsaktives Gebiet der modernen Str¨ omungsmechanik vor. Es sind in der Literatur weitere Klassifizierungen von m¨oglichen Instabilit¨ aten vorgenommen, die sich an den eingesetzten Analysemethoden orientieren. Geht man von folgendem Ansatz f¨ ur die Stromfunktion der r¨aumlich und zeitlich anwachsenden St¨ orung aus: Ψ (x1 , x2 , t) = f (x2 ) exp [i (kx1 − ωt)] und beachtet man die zugeh¨ orige Orr-Sommerfeld-Gleichung 1 + , 2 (kU1 − ω) f − k 2 f − kU1 f + iRe−1 f − 2k 2 f + k 4 f = 0.
(17.89)
(17.90)
Einfache Stabilit¨ atsbetrachtungen gehen nun davon aus, dass kI = 0 gesetzt wird, so dass als Grundst¨ orung eine Sinuswelle in x1 -Richtung dient. F¨ ur diesen Fall werden nun, f¨ ur vorgegebene Werte f¨ ur Re und kR , die Eigenwerte von ωR und ωI bestimmt. Erweist sich ωI als positive, so w¨achst die Amplitude der St¨ orwelle mit der Zeit an; es liegt eine Zeitinstabilit¨at der Str¨omung vor. Vergleicht man diese Betrachtungsweise mit den Darstellungen zur absoluten Str¨ omungsinstabilit¨ at in Abb. 17.13, so wird deutlich, dass sich die Zeitanalyse von Str¨ omungsinstabilit¨ aten anbietet, wenn man eine Str¨omung bzgl. des Vorliegens einer absoluten Instabilit¨ at analysieren m¨ochte. Oftmals wird die Zeitanalyse auch aus Gr¨ unden der Einfachheit gew¨ahlt, auch wenn es offensichtlich ist, dass eine konvektive Instabilit¨at vorliegt. Der Grund hierf¨ ur ist der Orr-Sommerfeld-Gleichung (17.90) zu entnehmen. In ihr tritt α als Faktor in mehreren Termen auf, so dass eine gewisse Vereinfachung im L¨ osungsverfahren auftritt, wenn k reell ist. Genau genommen m¨ usste man bei Untersuchungen der r¨ aumlichen Instabilit¨aten einer Str¨omung βI = 0
17.5 Transitionale Grenzschichtstr¨ omungen
549
setzen und f¨ ur vorgegebene Werte f¨ ur Re und ωR , Eigenwerte von kR und kI bestimmen. Erweist sich kI als negativ so liegt eine Anfachung der Amplitude der St¨ orung mit x1 vor, d.h. es ist eine Rauminstabilit¨at der Str¨omung gegeben. Neuere Untersuchungen von Str¨ omungsinstabilit¨aten f¨ uhren stets zeitliche und r¨ aumliche Analysen zur Stabilit¨ at bzw. Instabilit¨at vorliegender St¨ orungen durch.
17.5 Transitionale Grenzschichtstr¨ omungen Durch relativ einfache experimentelle Untersuchungen kann man feststellen, dass sich Str¨ omungen in einem laminaren oder einem turbulenten Str¨omungszustand befinden k¨ onnen. In eine bestimmte station¨are Str¨omung eingebrachte Geschwindigkeitssensoren f¨ uhren zu Signalen, die in Abb. 17.14 skizziert sind. In einer als laminar bezeichneten Str¨ omung, weist das Geschwindigkeitssignal einen zeitlich konstanten Geschwindigkeitsverlauf auf. In einer als turbulent bezeichneten Str¨ omung liegt dagegeben ein sehr komplexer Zeitverlauf der lokalen Geschwindigkeit vor, der Geschwindigkeitsschwankungen um einen Mittelwert der Geschwindigkeit aufweist. Beide Geschwindigkeitsverl¨ aufe sind in der Abb. 17.14 aufgezeigt. Deren skizzierter Zeitverlauf macht den Unterschied deutlich, der zwischen laminaren und turbulenten St¨orungen vorliegt, der auch zu Unterschieden in den Profilen der Geschwindigkeitsverteilungen f¨ uhrt. x
L a m in a re s G e s c h w in d ig k e its p ro fil 2
x
x
T u rb u le n te s G e s c h w in d ig k e its p ro fil 2
x 1
G e s c h w in d ig k e its s e n s o r U 1
( x 2
)
G e s c h w in d ig k e its s e n s o r U
U 1
( x 2
1
1
( x 2
,t )
)
t
Abbildung 17.14: Laminare und turbulente Str¨ omungszust¨ ande bei ebenen Kanalstr¨ omungen
¨ Das Gebiet der Str¨ omungsmechanik, das sich mit dem Ubergang vom laminaren Zustand einer Str¨ omung in den turbulenten befasst, wird als ¨ Str¨ omungsmechanik transitionaler Str¨ omungen“ bezeichnet. Ublicherweise ” erfolgt die laminar-turbulente Transition einer Str¨omung derart, dass sich ein Str¨ omungszustand einstellt, bei dem zun¨ achst eingebrachte Str¨omungsst¨orun-
550
17 Instabile Str¨ omungen
gen kurzzeitig angefacht werden, um danach wieder eine D¨ampfung zu erfahren. Die Str¨ omung geht zun¨ achst nur intermittierend von dem laminaren in den turbulenten Str¨ omungszustand u ¨ ber, wobei sich u ¨ ber die Zeitdauer der turbulenten Phasen, ein Vergleich zur gesamten Beobachtungszeit, ein sogenannter Intermittenzfaktor“ einf¨ uhren l¨ asst, d.h. ” ∆tturb (17.91) IF = T F¨ ur IF = 0 ist eine Str¨ omung, an dem Ort der Messung, in ihrem laminaren Zustand und f¨ ur IF = 1 hat sie ihren turbulenten Zustand erreicht. F¨ ur das gesamte Gebiet 0 < IF < 1 liegt der sogenannte laminar-turbulente Umschlagsbereich einer Str¨ omung vor. Untersuchungen dieses Umschlages geh¨ oren zu den wichtigen Forschungen, die die moderne str¨omungsmechanische Forschung ausmachen. Ein wichtiges Teilgebiet der in diesem Forschungsbereich laufenden Untersuchungen stellt die laminar-turbulente Transition in Grenzschichten dar. Dieses soll hier einf¨ uhrend, mit Schwerpunkt Wandgrenzschichten, behandelt werden. Die Grundidee der heutigen laminar-turbulenten Transitionsforschung ¨ geht davon aus, dass der Ubergang von dem laminaren zu dem turbulenten Zustand einer Str¨ omung, mit dem Anwachsen von St¨orungen zu tun hat. Damit ist die Transitionsforschung ein Teilgebiet der Stabilit¨atsforschung der Str¨ omungsmechanik. Ihre Theorie basiert somit, insbesondere f¨ ur Grenzschichtstr¨ omungen, auf der Orr-Sommerfeld-Gleichung. 1 2 (kU1 − ω)(f − k 2 f ) − kU1 f + iRe−1 f − 2k 2 f + k 4 f = 0 (17.92) F¨ ur ν = 0 l¨ asst sich diese Differentialgleichung wie folgt angeben: (kU1 − ω)(f − k 2 f ) − kU1 f = 0
Rayleigh-Gleichung.
(17.93)
Letztere Gleichung ist nur noch von zweiter Ordnung und damit lassen sich nur noch zwei der im vorausgegangenen Kapitel formulierten Randbedingun¨ gen in die L¨ osung einbringen. Ublicherweise werden verwendet: y=0
;
f (0) = 0
und y → ∞
;
f (→ ∞) = 0.
(17.94)
Die Vernachl¨ assigung des Viskosit¨ atsterms in der Gleichung (17.92) f¨ uhrt zu einer drastischen Vereinfachung der zu l¨ osenden Differentialgleichung, wegen der oben erw¨ ahnten Reduktion der Ordnung. Dies war wohl der Grund weshalb alle anf¨ anglichen Studien u ¨ ber die Stabilit¨at von Str¨omungen auf der Rayleigh-Gleichung (17.94) aufbauten. Hieraus resulterte die Erkenntnis: Alle laminaren Geschwindigkeitsprofile druckgradientenfreier Str¨omungen, die einen Wendepunkt aufweisen, d. h. f¨ ur die an einer Stelle des Geschwindigkeitsprofiles gilt d2 U1 / dy 2 , sind instabil.
17.5 Transitionale Grenzschichtstr¨ omungen
551
Hierbei handelt es sich um eine notwendige (Rayleigh) und ausreichende (Tollmien) Voraussetzung f¨ ur das Auftreten von Str¨omungsinstabilit¨aten. Alleine schon dieser Sachverhalt macht deutlich, dass die Kr¨ ummung von Geschwindigkeitsprofilen einen wesentlichen Einfluss auf die Stabilit¨at einer Str¨ omung hat. y
a d
U
U y
m
d
P I (a )
m
U
d (b )
U
a
In s ta b il
S ta b il
b
R
c r it
R
c r it
R =
U
n
m
d
Abbildung 17.15: Instabilit¨ atsdiagramm f¨ ur Grenzschichten mit und ohne Viskosit¨ atsterm in der Orr-Sommerfeld-Gleichung
Intuitiv w¨ urde man annehmen, dass die Einbeziehung des Viskosit¨ atsterms in Gleichung (17.92), also die Anwendung der Orr-SommerfeldGleichung, zu einer D¨ ampfung von eingebrachten St¨orungen f¨ uhrt. Dies kann jedoch nicht best¨ atigt werden. Vielmehr ist stets die L¨osung der Orr-Sommerfeld-Gleichung heranzuziehen, um das St¨orungsverhalten einer Str¨ omung in der Anfangsphase zu erfassen. Die aus solchen L¨osungen gewonnenen Erkenntnisse lassen sich in sogenannten Instabilit¨atsdiagrammen erfassen, wie in Abb. 17.15 f¨ ur eine ebene Plattengrenzschicht angegeben. Diese Abbildung zeigt, dass nur ein relativ schmaler Bereich von Wellenl¨angen und Frequenzen von St¨ orungen f¨ ur die Stabilit¨ at der Grenzschicht als gef¨ahrlich“ ” eingestuft werden m¨ ussen. Es existiert immer, f¨ ur jede untersuchte St¨orung, eine unterne Grenze f¨ ur die Reynoldszahl der Grenzschicht und eine dazugeh¨ orige obere Grenze. Außerhalb dieser f¨ ur jede St¨orung charakteristischen Re-Bereiche erweisen sich die Grenzschichtstr¨ omungen als stabil. Die Durchf¨ uhrung von numerische Berechnungen ergibt, f¨ ur C = ω/k: CR = 0, 39; U∞
kδ1 = 0, 36 und
ω R δ1 = 0, 15. U∞
Es ist interessant, dass die kleinste Wellenl¨ ange der St¨orungen, die auf Grenzschichten instabil einwirken k¨ onnen, recht lang sind: λmin =
2π δ1 = 17, 5δ1 = 6δ 0.36
552
17 Instabile Str¨ omungen
Gegen kleinere Wellenl¨ angen von St¨ orungen erweisen sich Grenzschichten als stabil. Als f¨ ur den laminar turbulenten Umschlag kritische Reynolds-Zahl ergeben numerische Berechnungen: Rekrit = 520 ein Wert, der niedriger liegt als der korrespondierende experimentell erhaltene Wert: (Rekrit )exp ≈ 950 Der Unterschied liegt wohl darin begr¨ undet, dass der numerisch bestimmte, aus Stabilit¨ atsbetrachtungen ermittelte Wert Rekrit = 520 den Punkt der ” neutralen Instabilit¨ at darstellt“, w¨ ahrend der experimentell bestimmte Wert wohl den Punkt des laminar-turbulenten Umschlags“ darstellt. Beide sind, ” wie sich leicht einsehen l¨ asst, nicht unbedingt identisch.
17.6 Literaturverzeichnis 17.1 Taylor G (1923) Stability of a Viscous Liquid contained between two rotating Cylinders. Proc. Roy. Soc. (A), 223, S. 289; ferner: Proc. Int. Congr. Appl. Mech., Delft 1924 und Ztschr. f. angew. math. u. Mech., 5, S. 250, 1925 17.2 Currie IG (1974) Fundamental Mechanics of Fluids. McGraw Hill Book Company, New York 17.3 Potter MC, Foss JF (1975) Fluid Mechanics. John Wiley & Sons, Inc., New York 17.4 Schlichting H (1979) Boundary Layer Theory. McGraw-Hill Book Company, New York 17.5 Dyke van M (1982) An Album of Fluid Motion. The Parabolic Press, Stanford, California 17.6 Sherman FS (1990) Viscous Flow. McGraw-Hill Int. Edts, Mechanical Engineering Series, McGraw-Hill Book Co., Singapore 17.7 Oertel jr H (2001) Prandtl-F¨ uhrer durch die Str¨omungslehre. Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsges. mbH, Braunschweig/Wiesbaden
18 Turbulente Str¨ omungen
18.1 Allgemeine Betrachtungen In Kapitel 17 wurde darauf hingewiesen, daß es besondere Eigenschaften von Str¨ omungen gibt, die eine Klassifizierung in laminare, transitionale und turbulente Str¨ omungen f¨ ur sinnvoll erscheinen lassen. Dabei wurden als laminar und stabil all jene Str¨ omungen bezeichnet, die sich gegen¨ uber von außen eingebrachten St¨ orungen als st¨ orungsunempfindlich erweisen, die sich durch einen hohen Grad an Ordnung auszeichnen und in denen Diffusionsvorg¨ange allein durch das Auftreten molekularer Diffusion gekennzeichnet sind. Laminare Str¨ omungen k¨ onnen zeitabh¨ angig sein, wie die in Abb. 18.1 dargestellte Karmansche Wirbelstraße zeigt. Solange die Str¨omung den ihr eigenen hohen Grad an Ordnung aufweist und auch beibeh¨ alt, ist sie laminar, d.h. die Viskosit¨ at des Fluids ist in stabilen laminaren Str¨omungen in der Lage, Fluktuationen der Str¨ omungsvariablen, die die Ordnung der Str¨omung st¨oren, ausreichend zu d¨ ampfen. St¨ orungsd¨ ampfungen dieser Art treten u ¨ blicherweise bei niedrigen Reynoldszahlen auf.
Abbildung 18.1: Karmansche Wirbelstraße ist bei kleinen Re-Zahlen eine zeitabh¨ angige laminare Str¨ omung
554
18 Turbulente Str¨ omungen
Abbildung 18.2: Karmansche Wirbelstraße, bei hohen Re-Zahlen, in einer turbulenten Str¨ omung
Betrachtet man Str¨ omungen bei h¨ oheren Re-Zahlen, stellt man fest, dass die durch Str¨ omungssichtbarmachung visuell wahrnehmbaren Str¨omungserscheinungen, wie die Karmansche Wirbelstraße, ihre Regelm¨aßigkeit“ verlie” ren, d.h. es werden stochastische Fluktuationen der Str¨omungseigenschaften beobachtet, wie dies in Abb. 18.2 angedeutet ist. Diese Fluktuationen sind den mittleren Str¨ omungseigenschaften u ¨ berlagert. Die aus den Betrachtungen laminarer Str¨ omungen als geordnet bekannten Fluidbewegungen, liegen f¨ ur Str¨ omungen mit hohen Reynoldszahlen nicht mehr vor. Vielmehr ist bei hohen Re-Zahlen ein Str¨ omungszustand gegeben, der sich durch eine starke Irregularit¨ at auszeichnet, verbunden mit einer extrem hohen, turbulenzbedingten Diffusivit¨ at, welche die molekular bedingten diffusiven Transportprozesse um mehrere Gr¨ oßenordnungen u ¨ bersteigen kann. Verbunden damit ist eine verst¨ arkte Durchmischung des Fluids und erh¨ohte Transportraten des Impulses, sowie ein erh¨ ohter W¨ arme- und Stofftransport. Die hohe Irregularit¨ at der Str¨ omungseigenschaften f¨ uhrte dazu, f¨ ur diese Str¨omungsform den Begriff turbulente Str¨ omung“ einzuf¨ uhren, um so den unterschiedlichen Cha” rakter gegen¨ uber einer laminaren Str¨ omung klar zum Ausdruck zu bringen. Diese Unterschiede m¨ ussen auch bei der theoretischen Behandlung turbulenter Str¨ omungen ber¨ ucksichtigt werden, d.h. turbulente Str¨omungen erfordern eine spezifische Behandlung, die sich von der laminarer Str¨omungen unterscheidet. Bringt man in ein turbulentes Str¨ omungsfeld einen Geschwindigkeitssensor ein, der in der Lage ist, die lokale Momentangeschwindigkeit zu messen, so resultiert eine solche Messung in einem Signalverlauf u ¨ ber der Zeit, wie er in Abb. 18.3 angegeben ist. Das Signal ist durch starke Fluktuationen der Str¨ omungsgeschwindigkeit gekennzeichnet, die als Abweichungen uj (xi , t) ¯j (xi ), angegeben wervon einem als zeitlich konstant geltenden Mittelwert, U den k¨ onnen. Hierbei ist der zeitliche Mittelwert folgendermaßen definiert. 1 T →∞ T
"
T
ˆj (xi , t) dt U
U j (xi ) = lim
0
(18.1)
18.1 Allgemeine Betrachtungen
555
= tu rb u le n te r S c h w a n k u n g s w e rt d e r S trö m u n g s g e s c h w in d ig k e its k o m p o n e n te j ^
= z e itlic h e r M itte lw e rt d e r S trö m u n g s g e s c h w in d ig k e its k o m p o n e n te j t T
Abbildung 18.3: Zeitlicher Geschwindigkeitsverlauf an einem Punkt xi innerhalb eines turbulenten Str¨ omungsfeldes
ˆj (xi , t) den Momentanwert der Geschwindigkeit an, In dieser Gleichung gibt U siehe Abb. 18.3, T ist die Integrationszeit u ¨ber die die angegebene zeitliche Mittelung erfolgt. ˆj (xi , t) eine Gr¨ oße angegeben, die es erlaubt, die Es wird somit durch U zeitlich variierende, lokale Str¨ omungsgeschwindigkeit als Summe einer zeitlich konstanten und einer zeitlich fluktuierenden Gr¨oße zu betrachten. Diese Aufteilung bringt f¨ ur Betrachtungen turbulenter Str¨omungen Vorteile mit sich. Die obige Definition der mittleren Geschwindigkeit, gibt f¨ ur T → ∞ die Fl¨ achengleichheit an: " T ˆi (t)dt U (18.2) T U = lim i T →∞ 0 Rechteckfl¨ ache
Integral u angiges Signal ¨ ber zeitabh¨
Ber¨ ucksichtigt man diese Definition des Zeitmittelwertes der Geschwindigkeit, so gilt f¨ ur die als turbulente Geschwindigkeitsfluktuation bezeichnete Gr¨ oße: ˆj (xi , t) − U j (xi ). (18.3) uj (xi , t) = U & T Wendet man auf diese Beziehung f¨ ur uj (xi , t) den Operator lim T1 0 ()dt T →∞
an, so ergibt sich: " " 1 T 1 T ˆ Uj (xi , t) − U j (xi ) dt lim uj (xi , t) dt = lim T →∞ T 0 T →∞ T 0 " " 1 T ˆ 1 T Uj (xi , t) dt − lim U j (xi ) dt = lim T →∞ T 0 T →∞ T 0 =Uj
=Uj
(18.4)
556
18 Turbulente Str¨ omungen
Es l¨ asst sich erkennen, dass die beiden auf der rechten Seite aufgef¨ uhrten Integrale als Differenz 0 ergeben, d.h. es gilt: 1 lim T →∞ T
" 0
T
uj (xi , t) dt = uj (xi ) = 0;
(18.5)
wobei der u ¨ber uj (xi ) angebrachte Querstrich eine vereinfachte Schreibweise f¨ ur die durchgef¨ uhrte zeitliche Mittelung darstellt. Bezeichnet man mit uj (xi , t), oder vereinfacht uj , die turbulenten Geschwindigkeitsfluktuationen, so gilt: –
Die zeitliche Mittelung der turbulenten Geschwindigkeitsschwankungen uj ist per Definitionem gleich Null, d.h. es liegt eine Darstellung der Turbulenz in lokalen, zeitabh¨ angigen Gr¨ oßen vor. In dieser Form werden die turbulenten Schwankungen aller Str¨ omungsgr¨oßen in die in diesem Kapitel durchgef¨ uhrten Betrachtungen eingef¨ uhrt.
F¨ ur die Schwankungsgr¨ oße uj lassen sich auch Momente h¨oherer Ordnung definieren: " 1 T n u nj = lim u j dt (18.6) T →∞ T 0 die im allgemeinen von Null verschiedene Werte aufweisen. Insbesondere gilt f¨ ur den Effektivwert der turbulenten Geschwindigkeitsschwankungen: # " 1 T 2 σi = u 2i = lim u i dt (18.7) T →∞ T 0 Dieser kann zur Definition der Turbulenzintensit¨at herangezogen werden: - 1 1 u 21 + u 22 + u 23 u u 2 2 i i = (18.8) Tu = U ges U ges Diese Gr¨ oße stellt ein Maß f¨ ur die Intensit¨ at der turbulenten Schwankungen der Geschwindigkeitskomponenten gegen¨ uber dem mittleren lokalen Wert ¯ges dar, wobei es oftmals u des geU ¨blich ist, als Bezugswert den Mittelwert ¯j U ¯j . Liegt ¯ges = U samten Geschwindigkeitsvektors zu u ¨ bernehmen, d.h. U der Wert bei nur wenigen Prozent, so spricht man von einer turbulenten Str¨ omung geringer Intensit¨ at. Liegt der Wert bei einigen zehn Prozent, so wird die Str¨ omung als hochturbulent bezeichnet, d. h. sie besitzt eine hohe turbulente Intensit¨ at. Hochturbulente Str¨ omungen treten in vielen industriellen Str¨ omungsanlagen auf. Es ist Aufgabe der Str¨omungsmechanik, f¨ ur Untersuchungen solcher Str¨ omungen Messmethoden bzw. numerische L¨osungsmethoden zu entwickeln und zur Anwendung zu bringen, die es erlauben, turbulente Str¨ omungen quantitativ zu behandeln. Wobei es f¨ ur die Praxis
18.2 Statistische Beschreibung turbulenter Str¨ omungen
557
oftmals ausreichend ist, nur Informationen u ¨ ber die oben als zeitliche Mittelwerte angegebenen turbulenten Gr¨ oßen des Str¨omungsfeldes zu erhalten. Die obigen einf¨ uhrenden Erl¨ auterungen deuten an, dass turbulente Str¨omungsfelder r¨ aumlich und zeitlich ein derart komplexes Verhalten aufzeigen, dass sich Detailbetrachtungen nur f¨ ur spezielle, auf die Physik der Turbulenz abzielende Erkenntnisse lohnen. F¨ ur praktische Str¨omungsbetrachtungen ist es ausreichend, turbulente Str¨ omungsvorg¨ ange mit Mitteln der Statistik zu behandeln, d.h. die wichtigsten Eigenschaften turbulenter Str¨omungen durch statistische Mittelwerte zu beschreiben. In dem nachfolgenden Abschnitt werden die wichtigsten Methoden statistischer Str¨omungsbetrachtungen zusammengefasst und kurz erl¨ autert, um sie nachfolgend auf die Behandlung turbulenter Str¨ omungen zur Anwendung zu bringen.
18.2 Statistische Beschreibung turbulenter Str¨ omungen Wie in Abschnitt 18.1 betont wird, zeichnen sich turbulente Geschwindigkeitsfelder durch starke Irregularit¨ aten aus, d.h. durch sich r¨aumlich und zeitlich stark ¨ andernde Geschwindigkeits- und Druckfluktuationen. Diese zu allen Zeiten und an allen Orten zu erfassen, ist nicht nur eine schwer zu l¨osende Aufgabe, die unsere heutigen Mess- und Darstellungsf¨ahigkeiten str¨omungsmechanischer Vorg¨ ange u ¨ bersteigt, sondern stellt zudem eine Aufgabe dar, deren L¨ osung nicht erstrebenswert ist. Diese L¨ osung w¨ urde in einer solchen F¨ ulle von Informationen resultieren, dass deren Weiterverarbeitung nicht bewerkstelligt werden kann und auch nicht deren Verwertung, um neue Erkenntnisse u omungsmechanische Vorg¨ ange zu gewinnen. Die F¨ ulle an Informatio¨ ber str¨ nen, die turbulente Str¨ omungen durch ihr Zeit- und Raumverhalten liefern, dient also nicht der Vertiefung unserer str¨ omungsmechanischen Kenntnisse oder der Verbesserung str¨ omungsmechanischer Anlagen. Da Str¨omungsinformationen nur soweit n¨ utzlich sind, wie sie geistig aufgenommen und weiterverarbeitet werden k¨ onnen, gilt es, die in turbulenten Str¨omungsfeldern vorliegende F¨ ulle an Informationen angemessen zu reduzieren. Dies geschieht in der heutigen Str¨ omungsforschung dadurch, dass man sich bei der Untersuchung turbulenter Str¨ omungen vorwiegend auf zwei Fragestellungen beschr¨ ankt: –
–
Wie sind die lokalen turbulenten Fluktuationen der Geschwindigkeitskomponenten und des Druckes um die entsprechenden Mittelwerte verteilt? Welche Korrelationen bestehen zwischen den fluktuierenden Gr¨oßen und welche physikalische Bedeutung kommt diesen Korrelationen zu? Wie sind in Zeit und/oder Raum benachbarte turbulente Fluktuationen der Geschwindigkeitskomponenten und des Druckes miteinander korreliert und welche physikalische Bedeutung kommt diesen Korrelationen zu?
558
18 Turbulente Str¨ omungen
Um Antworten auf diese Fragen geben zu k¨onnen, bedient man sich in der Turbulenzforschung Methoden der Statistik und der damit verbundenen Terminologie. Die Verteilung der lokalen, turbulenten Str¨omungsfluktuationen bzw. der turbulenten Druckschwankungen wird durch die Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung ℘(uj ) bzw. ℘(p ) erfasst oder durch deren Fouriertransformierte, der sogenannten charakteristischen Funktion ϕ(k). Zur Beschreibung der vorliegenden Korrelationen zwischen in Raum und/oder Zeit benachbarten Punkten bedient man sich geeigneter Korrelationsfunktionen bzw. deren Fouriertransformierten, d. h. zur Beschreibung der lokal auftretenden Fluktuationen in der Zeit werden die Autokorrelationsfunktion und deren Fouriertransformierte, deren Energiespektrum verwendet. All diese Gr¨oßen (Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung, charakteristische Funktion, Autokorrelationsfunktion, Energiespektrum, etc.) resultieren aus den das turbulente Str¨ omungsfeld beschreibenden Momentanwerten der Geschwindigkeitskomponenten und des Druckes, durch Anwendung mathematischer Operatoren, die im folgenden Abschnitt in einer zusammenfassenden Darstellung erl¨autert werden. Es ist f¨ ur das weitere Verst¨ andnis der Darstellungen der Eigenschaften turbulenter Str¨ omungen sehr wichtig, die Anwendung der Operatoren zu verstehen und ihre physikalische Bedeutung zu erfassen.
18.3 Grundlagen statistischer Betrachtungen turbulenter Str¨ omungen 18.3.1 Grundregeln der Zeitmittelung Zur Behandlung turbulenter Str¨ omungen wurde von O. Reynolds [1895] eine Betrachtungsweise eingef¨ uhrt, bei der die Momentanwerte der Geschwindigkeitskomponenten, des Druckes, der Dichte, der Temperatur, etc. durch Mittelwerte ersetzt werden (die als zeitlich konstant definiert werden), denen die zeitabh¨ angigen turbulenten, von den Mittelwerten abweichenden, fluktuierenden Gr¨ oßen additiv u ¨ berlagert sind. Damit lassen sich die Momentanwerte wie folgt schreiben (Reynoldssche Dekomposition): Geschwindigkeitskomponenten Druck Temperatur Dichte
ˆj (xi , t) = Uj (xi ) + u (xi , t) (18.9) U j ˆ P (xi , t) = P (xi ) + p (xi , t) (18.10) Tˆ(xi , t) = T (xi ) + t (xi , t) (18.11) ρˆ(xi , t) = ρ(xi ) + ρ (xi , t) (18.12)
Die oben aufgef¨ uhrten Gr¨ oßen mit Querstrichen sind die zeitgemittelten Weroßen sind Momentanwerte, die mit versehete und die mit ∧ markierten Gr¨ nen Werte stellen turbulente Fluktuationen dar. Die momentanen Feldgr¨oßen
18.3 Statistische Grundlagen
559
ˆj , Pˆ , Tˆ und ρˆ werden durch Mittelwerte und u U ¨ berlagerte Fluktuationen ausgedr¨ uckt. Wendet man die Zeitmittelung: "T 1 (· · · ) dt (18.13) lim T →∞ T 0
auf die Momentanwerte der oben angegebenen Gr¨oßen an, so erh¨alt man die Zeitmittelwerte, und dies verdeutlicht, dass die zeitliche Mittelung u ¨ ber die turbulenten Fluktuationen der Gr¨ oßen den Wert 0 haben. Das heißt, es gilt: 1 lim T →∞ T
"T
uj (xi , t)
dt = 0
und
1 lim T →∞ T
0
"T
p (xi , t) dt = 0
(18.14)
ρ (xi , t) dt = 0
(18.15)
0
und ferner: 1 lim T →∞ T
"T
t (xi , t) dt = 0
und
1 lim T →∞ T
0
"T 0
Allgemein l¨ asst sich somit schreiben: 1 lim T →∞ T
"T
α (xi , t) dt = 0
(18.16)
0
wobei α (xi , t) f¨ ur jede beliebige turbulente Str¨omungseigenschaft steht. Wendet man die Zeitmittelung auf Ableitungen der Gr¨oße α ˆ = α + α an, so ergibt sich: "T "T ∂α ˆ 1 ∂α ˆ 1 ∂ ∂α = lim dt = (α + α ) dt = . (18.17) lim T →∞ T ∂xi ∂xi ∂xi T →∞ T ∂xi 0
0
Weitere Grundregeln der Zeitmittelung lassen sich wie folgt angeben: ˆ =α ¯ (ˆ α + β) ¯ + β, α ¯ α = 0 α ¯ β¯ = α ¯ β¯
und und
(18.18)
α α = α 2 ,
(18.19)
α ˆ βˆ = α ¯ β¯ + α β .
(18.20)
Aus der konsequenten Anwendung der f¨ ur die Zeitmittelung angegebenen Integration lassen sich weitere Beziehungen f¨ ur Kombinationen der Funktionen ˆ ableiten. α ˆ (t) und β(t) ˆ und γˆ(t), so ergibt sich f¨ Hat man die Funktion α(t), ˆ β(t) ur das Produkt:
560
18 Turbulente Str¨ omungen
ˆγ = (¯ α ˆ βˆ α + α )(β¯ + β )(¯ γ + γ ) = (¯ αβ¯ + α β¯ + β α ¯ + α β )(¯ γ + γ) ¯γ + α β¯ ¯ + α βγ ¯γ + β α ¯ + βα =α ¯ β¯ ¯ γ¯ + α β γ¯ + α ¯ βγ ¯ γ + α β γ ¯γ + α β γ¯ + α γ β¯ + β γ α =α ¯ β¯ ¯ + α β γ (18.21) Es entstehen so dreifache Produkte der mittleren Gr¨oßen von α ˆ , βˆ und γˆ , Produkte von Korrelationen zweier Gr¨ oßen multipliziert mit dem Mittelwert der dritten Gr¨ oße und Dreifachkorrelation der Schwankungsgr¨oßen α , β und γ. Die oben eingef¨ uhrte Zeitmittelung wird in den nachfolgenden Abschnitten angewandt, um aus den Grundgleichungen der Str¨omungsmechanik, die f¨ ur die Momentanwerte der Geschwindigkeit, des Druckes, etc. formuliert sind, Gleichungen f¨ ur die Mittelwerte abzuleiten. Es wird in den Ableitungen angenommen, die Fluideigenschaften seien konstant, insbesondere soll ρ =const gelten. Die so abgeleiteten zeitgemittelten Gleichungen geben dann die mittlere Volumendeformation durch die Kontinuit¨atsgleichung, den mittleren Impulstransport durch die Impulsgleichung und den mittleren Energietransport durch die Energiegleichung an. Subtrahiert man diese Gleichungen von den Gleichungen f¨ ur die Momentanwerte, erh¨alt man Gleichungen f¨ ur die fluktuierenden Gr¨ oßen, die gleichfalls zur Informationsgewinnung u ¨ ber turbulente Str¨ omungen herangzogen werden k¨ onnen. 18.3.2 Grundregeln der Wahrscheinlichkeitsdarstellungen Zur Einf¨ uhrung der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion f¨ ur die Geschwindigˆj (xi , t) wird in Abb. 18.4 die Geschwindigkeitsachse in keitskomponente U ˆj unterteilt. In dieser Abbildung ist u gleiche Abschnitte ∆U ¨ber die Zeitachse der Geschwindigkeitsverlauf an einem Messort in einem turbulenten Str¨omungsfeld aufgezeichnet, wobei f¨ ur die hier durchgef¨ uhrten Betrachtungen ˆj als gegeben der Verlauf f¨ ur jede beliebige Geschwindigkeitskomponente U angenommen werden kann. Die vom Geschwindigkeitsverlauf u ¨berstrichenen ˆj -Unterteilung f¨ uhren nun f¨ ur jedes GeschwindigkeitsHorizontallinien der U ˆj )α ∆U ˆj ], der intervall zu einem entsprechenden Zeitabschnitt (∆t)α = f [(U angibt, wie lange der Geschwindigkeitsverlauf mit der Zeit in dem entsprechenden Zeitintervall verbleibt. Summiert man alle Zeitintervalle auf, die demselben Geschwindigkeitsintervall zugeordnet sind, so l¨asst sich die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion wie folgt angeben: N 1 ˆ ˆ ∆Uj lim = lim (∆t)α , lim ℘ Uj T →∞ T N →∞ ˆj →0 α α ∆U α=1
oder umgeschrieben:
(18.22)
18.3 Statistische Grundlagen
℘
ˆj U
1 T →∞ T
= lim α
N 1 (∆t)α . ˆj )α ∆Uj →0 (∆U
lim
561
(18.23)
α=1
Die so definierte Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung enth¨alt all die erforderlichen Informationen, die angeben, in welchem Amplitudenbereich sich der Geschwindigkeitsverlauf an einem Messort bewegt. Sie gibt zudem an, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Betr¨ age der einzelnen Geschwindigkeitskomponenten im zeitlichen Verlauf auftreten. Diese Funktion ist gleichfalls in Abbildung 18.4 aufgezeigt und zwar als eine Verteilungsfunktion, die entlang der ˆj -Achse aufgetragen ist und im zeitlichen Mittel in vollem Umfang der DarU stellung Amplitudenverlaufes auf der Zeitachse entspricht. Die Errechnung von zeitlichen Mittelwerten kann somit auch u ¨ ber die Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung erfolgen, da in ihr der gesamte Amplitudenverlauf f¨ ur die turbulente Geschwindigkeitsfluktuation festgehalten ist. D Û
Û j
D Û
Û j j
[ ( Û j )a ] j
( Û j )a ( D t )a - 1
( D t )a
( D t )a + 1 t
(Û j )
Abbildung 18.4: Zeitverlauf der Geschwindigkeit und zugeh¨ orige Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung
F¨ ur die im Abschnitt 18.1.1 diskutierte Mittelwertbildung 1 Uj (xi ) = lim T →∞ T
"T ˆj (xi , t) dt U
(18.24)
0
kann nun f¨ ur das Zeitinkrement dt geschrieben werden: dt ˆj . ˆj dU =℘ U (18.25) T +∞ & ˆj ergibt sich somit unter ˆj dU ℘ U F¨ ur das unten aufgef¨ uhrte Integral −∞
Ber¨ ucksichtigung von Gleichung (18.25) +∞ " "T 1 ˆj = ˆj dU ℘ U dt = 1, T
−∞
0
(18.26)
562
18 Turbulente Str¨ omungen
d. h. die Fl¨ ache“ unterhalb der Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung hat den ” Wert 1. Damit l¨ asst sich die Errechnung des Mittelwertes der lokalen momentanen ˆj (xi , t) auch u Str¨ omungsgeschwindigkeit U ¨ ber die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion erreichen, d.h. es bestehen die folgenden zwei M¨oglichkeiten zur Mittelwertberechnung im Zeit- oder und im Wahrscheinlichkeitsdichtebereich: +∞ "T " 1 ¯ ˆ ˆj ) U ˆj dU ˆj . Uj (xi ) = lim Uj (xi , t) dt = ℘(U (18.27) T →∞ T −∞
0
ˆj ) f¨ ˆj = Dabei ist ℘(U ur einen festen Ort xi als gegeben anzusehen und U ˆ Uj (xi , t) als der Momentwert der j-ten Geschwindigkeitskomponente steht f¨ ur alle Zeiten t gleichfalls zur Verf¨ ugung, so dass Uj berechnet werden kann. Es ist in der Turbulenzforschung u ¨ blich, die Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung nur f¨ ur die turbulenten Schwankungen anzugeben, d.h. ℘(uj ). Diese Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung entsteht aus der in Abbildung 18.4 dargestellten Verteilung durch eine Parallelverschiebung der Ordinatenachse um den Betrag der mittleren Geschwindigkeit U j . Durch diese Parallelverschiebung ¨ andert sich die Form der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion nicht, und sie gibt in diesem neuen Koordinatensystem somit die Amplitudenwerte der turbulenten Fluktuationen an. Analog der zeitlichen Mittelwertbildung f¨ ur die Geschwindigkeit lassen sich auch Momente der Geschwindigkeitsschwankungen zum einen u ¨ber den zeitlichen Verlauf der Geschwindigkeit berechnen und zum anderen u ¨ ber die Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung. F¨ ur das n-te Moment der turbulenten Geschwindigkeitsschwankungen gilt: (uj )n
1 = lim T →∞ T
"T
1
2n uj (t)
+∞ " dt = ℘(uj )(uj )n duj
(18.28)
−∞
0
Von besonderer Bedeutung ist in der Turbulenzforschung das zweite Moment u2j , das zur Definition der Turbulenzintensit¨ at herangezogen wird: uj2 σj = . (18.29) T uj = Uj Uj Des Weiteren wird das normierte dritte Moment der Geschwindigkeitsfluktuationen in diverse Betrachtungen einbezogen, das eine Aussage u ¨ ber die Schiefe“ der Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung der turbulenten Ge” schwindigkeitsfluktuationen zul¨ asst. Hierbei wird die Schiefe“ (Skewness) ” als normierter Wert wie folgt angegeben:
uj3 Sj = 3 . σj
(18.30)
18.3 Statistische Grundlagen
563
F¨ ur das normierte vierte Moment findet man oftmals die Bezeichnung Flachheit“ (Flatness) der Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung. Sie ist ” wiederum als normierte Gr¨ oße definiert (Kurtosis): Fj =
u4 j . σj4
(18.31)
Die oben f¨ ur die Geschwindigkeitsfluktuationen aufgef¨ uhrten Momente h¨oherer Ordnung werden als zentrale Momente der Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung der Komponenten des turbulenten Geschwindigkeitsfeldes bezeichnet. In der Turbulenzforschung ist es oftmals notwendig, Korrelationen zwischen den einzelnen Geschwindigkeitsfluktuationen zu bestimmen. Diese errechnen sich aus den einzelnen Verl¨ aufen als Zeitintegrationen u ¨ber die Produkte der Fluktuationen nach den unten angegebenen Formeln, in denen beispielhaft zweidimensionale Wahrscheinlichkeitsdichteverteilungen auftreten, d. h. ui n uj m
1 = lim T →∞ T
+∞ "T " 2 1 n m ui uj dt = ui n uj m ℘ ui , uj dui duj 0
(18.32)
−∞
( u ´1 , u 2 ´ )
u 1´
u 2´ Abbildung 18.5: Skizze einer zweidimensionalen Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung
Wiederum ist es m¨ oglich, diese Korrelationen im Zeitbereich und im Wahrscheinlichkeitsdichtebereich zu errechnen. Es gilt noch einmal herauszu-
564
18 Turbulente Str¨ omungen
stellen, dass die in Gleichung (18.32) aufgef¨ uhrten Wahrscheinlichkeitsdichteverteilungen f¨ ur die Komponenten der turbulenten Geschwindigkeitsfluktuation, Wahrscheinlichkeitsdichteverteilungen f¨ ur Eigenschaften der turbulenten Fluktuationen an einem Punkt im Str¨ omungsfeld sind. Zweidimensionale Wahrscheinlichkeitsdichteverteilungen ℘(u1 , u2 ) wie sie Abb. 18.5 zeigt, sind in den nachfolgenden Behandlungen turbulenter Str¨omungen besonders wichtig. F¨ ur sie lassen sich nun die oben angegebenen Betrachtungen weiterf¨ uhren und ergeben die folgenden Beziehungen: +∞" +∞ " ℘(u1 , u2 ) du1 du2 = 1 und 0 ≤ ℘(u1 , u2 ) ≤ 1
(18.33)
−∞−∞
Leitet man aus dieser Verteilung die f¨ ur alle u1 -Komponenten des turbulenten Feldes geltende ℘(u1 )-Verteilung ab, so gilt: ℘(u1 )
+∞ " = ℘(u1 , u2 ) du2 .
(18.34)
−∞
Mittels der zweidimensionalen Verteilung ℘(u1 , u2 ) lassen sich nun kombinierte Momente der turbulenten Geschwindigkeitskomponenten u1 und u2 errechnen: +∞" +∞ " n m u1 u2 = u1 n u2 m ℘(u1 , u2 ) du1 du2 . (18.35) −∞−∞
F¨ ur n = m = 1 ergibt sich die Kovarianz der Geschwindigkeitskomponenten u1 und u2 : +∞" +∞ " u1 u2 = u1 u2 ℘(u1 , u2 ) du1 du2 . (18.36) −∞−∞
Diese bringt die zwischen u1 und u2 vorliegende Korrelation zum Ausdruck, ¨ d.h. sie zeigt auf, inwieweit u1 und u2 korrelierte Anderungen erfahren. Da dies eine Aussage ist, die in den Ableitungen der nachfolgenden Abschnit¨ te immer wieder f¨ ur Uberlegungen ben¨ otigt wird, soll ihre Bedeutung hier kurz erl¨ autert werden. Wichtig hierbei ist, dass zwei miteinander nicht korrelierte turbulente Geschwindigkeitsfluktuationen nicht notwendigerweise im statistischen Sinne auch voneinander unabh¨ angig sind. Dies wird deutlich, wenn man die unten angegebenen Definitionen f¨ ur die Unabh¨angigkeit zweier turbulenter Geschwindigkeitsfluktuationen betrachtet und diese Definition mit der Bedingung f¨ ur die Unkorreliertheit der Variablen vergleicht. –
Zwei Geschwindigkeitsfluktuationen u1 (t) und u2 (t) gelten als statistisch unabh¨ angig, wenn f¨ ur deren Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung gilt:
18.3 Statistische Grundlagen
℘(u1 , u2 ) = ℘(u1 )℘(u2 ),
–
565
(18.37)
d.h. die Wahrscheinlichkeitsdichte einer Komponente der Geschwindigkeitsfluktuationen ist durch die Verteilung der zweiten nicht beeinflusst. Zwei Geschwindigkeitsfluktuationen u1 (t) und u2 (t) gelten als unkorreliert, wenn ihre Kovarianz identisch Null ist, d.h. wenn gilt: u1 u2
+∞ " +∞ " = u1 u2 ℘(u1 , u2 ) du1 du2 = 0.
(18.38)
−∞ −∞
Zwei Variable sind immer dann unkorreliert, wenn die Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung ℘(u1 , u2 ) voll symmetrisch ist, d.h. wenn sie folgende Bedingung erf¨ ullt: ℘(+u1 , +u2 ) = ℘(+u1 , −u2 ) = ℘(−u1 , +u2 ) = ℘(−u1 , −u2 ).
(18.39)
p ( u ´ 1 , u ´2 )
u 1´
u 2´ Abbildung 18.6: Zweidimensionale symmetrische Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung mit Isolinien
Eine solche symmetrische Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung ist in Abb. 18.6 aufgezeigt, wobei die in der u1 − u2 −Ebene angegebenen Isolinien Werte gleicher Wahrscheinlichkeitsdichte angeben und so die senkrecht zur u1 − u2 −Ebene gelegene Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung andeuten. Die in Abb. 18.7(a) und 18.7(b) angegebene Wahrscheinlichkeitsdichteverteilungen sind in ihrer Form identisch mit der in Abb. 18.5, besitzen jedoch in
566
18 Turbulente Str¨ omungen
Bezug auf u1 und u2 eine ge¨ anderte Lage der Koordinatenachse. Diese f¨ uhrt zu den in den Abbildungen angedeuteten endlichen Kovarianzen v1 v2 = 0, d.h. zu Korrelationen zwischen v1 und v2 . Damit wird deutlich, dass eine zwischen zwei turbulenten Geschwindigkeitsfluktuationen vorliegende Korrelation von der Wahl des Koordinatensystems abh¨angig ist. F¨ ur die beiden in Abb. 18.7 angedeuteten Koordinatensysteme gilt: v1 = u1 cos α + u2 sin α v2 = −u1 sin α + u2 cos α
(18.40)
Damit errechnet sich durch Multiplikation und zeitliche Mittelung:
v1 v2 = u1 u2 cos 2α − (u12 − u22 ) cos α sin α
(18.41)
Diese Beziehung macht deutlich, dass v1 v2 nur dann gleich u1 u2 = 0 ist, siehe Abb. 18.6, wenn zudem die Bedingung u1 2 = u2 2 erf¨ ullt ist, d.h. wenn das Str¨ omungsfeld r¨ aumlich isotrop ist. Unter Isotropie versteht man dabei: –
die Richtungsunabh¨ angigkeit aller zeitgemittelten lokalen Gr¨oßen, die ein turbulentes Str¨ omungsfeld beschreiben.
Hiervon ist ein Str¨ omungsfeld zu unterscheiden, das als r¨aumlich homogen bezeichnet wird. F¨ ur Homogenit¨ at gilt, dass: –
die das turbulente Str¨ omungsfeld beschreibenden Parameter von der Lage des Messortes unabh¨ angig sind.
In Abb. 18.8 ist die zweidimensionale Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung eines turbulenten, isotropen Str¨ omungsfeldes aufgezeigt. Liegt in jedem Raumpunkt dieselbe Verteilung vor und ist diese symmetrisch, so wird die Turbulenz als homogen und isotrop bezeichnet, siehe Abb. 18.8. 18.3.3 Charakteristische Funktion F¨ ur eine Reihe von Betrachtungen findet die Fouriertransformierte der Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung Anwendung, die u ¨ blicherweise als charakteristische Funktion bezeichnet wird: +∞ " ℘(uj ) exp(ikuj (t)) duj , ϕ(k) =
(18.42)
−∞
√ wobei in dieser Formel (i = −1) die imagin¨are Einheit einer komplexen Zahl z = x + iy darstellt. Ber¨ ucksichtigt man die Identit¨ at der Operatoren
18.3 Statistische Grundlagen p ( u ´ 1 , u ´2 )
567
p ( v ´1 , v 2 ´ )
v ´1
u 1´
v 2´
(a )
u 2´
(b )
Abbildung 18.7: Wahrscheinlichkeitsdichteverteilung f¨ ur isotrope turbulente Str¨ omung
Abbildung 18.8: R¨ aumliche Verteilungen der Wahrscheinlichkeitsdichteverteilungen f¨ ur isotrope und homogene Turbulenz
1 T →∞ T
"T (· · · ) · dt =
lim
0
+∞ " (· · · )℘(uj ) duj −∞
(18.43)
568
18 Turbulente Str¨ omungen
so l¨ asst sich die charakteristische Funktion aus dem zeitlichen Verlauf uj (t) wie folgt berechnen: "T
1 ϕ(k) = lim T →∞ T
exp(ikuj (t)) dt.
(18.44)
0
Die Bedeutung dieser Funktion liegt zum einen im experimentellen Bereich der Turbulenzforschung, wo man feststellt, dass die Konvergenz von ℘(uj ) schlecht ist und dass dies, mit abnehmendem ∆uj , zu sehr langen Messzeiten f¨ uhrt. Die Messung von ϕ(k) hingegen konvergiert recht schnell und ℘(uj ) kann somit wie folgt aus ϕ(k) berechnet werden (inverse Fouriertransformation): +∞ " ℘(uj ) = ϕ(k) exp(−ikuj ) dt. (18.45) −∞
Die mehrdimensionale charakteristische Funktion l¨asst sich gleichfalls angeben: "T 1 exp(i{kj }{uj }) dt (18.46) ϕ(kj ) = lim T →∞ T 0
oder mit
uj
=
{u1 , u2 , u3 }
1 ϕ(k, l, m) = lim T →∞ T
und kj = {k1 , k2 , k3 }
"T
exp[i(k1 u1 (t) + k2 u2 (t) + k3 u3 (t)] dt
(18.47)
0
Betrachtet man die eindimensionale charakteristische Funktion ϕ(k) und ihre Definition, so gilt +∞
" dϕ
= ℘(uj )iuj duj = 0 (18.48) dk k=0 −∞
oder ganz allgemein:
dn ϕ
= in u nj dk n k=0
(18.49)
Die charakteristische Funktion m¨ undet als Horizontale in die Achse k = 0. Im Punkt k = 0 sind die Ableitungen der Funktionen ϕ(k) mit den zentralen Momenten der Geschwindigkeitskomponenten verkn¨ upft. Aufgrund dieser Eigenschaft l¨ asst sich die charakteristische Funktion als Taylorreihe der zentralen Momente schreiben: ϕ(k) =
∞ (ik)n n ui. n! n=0
(18.50)
Dieser Sachverhalt l¨ asst sich bei analytischen Betrachtungen sehr gut nutzen.
18.4 Korrelationen, Spektren und Zeitmaßst¨ abe der Turbulenz
569
18.4 Korrelationen, Spektren und Zeitmaßst¨ abe der Turbulenz Um Aufschluss u ¨ber die Struktur der Turbulenz zu erhalten, haben sich zwei Betrachtungsweisen durchgesetzt, die folgendermaßen gekennzeichnet sind: –
–
Die turbulenten Geschwindigkeitsfluktuationen uj (xi , t), die in der Regel Funktionen des Ortes und der Zeit darstellen, werden f¨ ur einen festen Ort gemessen und danach als Zeitreihen betrachtet. Informationen u ¨ ber uj (t) ur feste Raumpunkte in Form von Wahrf¨ ur xi = const lassen sich somit f¨ scheinlichkeitsdichteverteilungen, charakteristischen Funktionen, etc. festhalten. ur Die turbulenten Geschwindigkeitsfluktuationen uj (xi , t) werden, f¨ einen festen Zeitpunkt, in ihrer Verteilung im Str¨omungsfeld betrachur feste Zeitpunkte in Form tet. Informationen von uj (xi ) werden so f¨ von Zweipunkt-Wahrscheinlichkeitsdichteverteilungen bzw. MultipunktWahrscheinlichkeitsdichteverteilungen festgehalten.
F¨ ur Betrachtungen von zeitlich variierenden Signalen an einem festen Raumpunkt, l¨ asst sich nun die Frage nach dem Zeitinterval beantworten, u ¨ ber das die turbulenten Geschwindigkeitsfluktuationen miteinander korreliert sind. Diese Frage l¨ asst sich u ¨ ber die Autokorrelationsfunktion R(τ ) beantworten, die wie folgt definiert ist: 1 R(τ ) = lim T →∞ T
"T uj (t)uj (t + τ ) dt.
(18.51)
0
ur im zeitlichen Mittel station¨are Prozesse: Mit t = t + τ gilt f¨ u 2j (t) = u 2j (t ) = const f¨ ur τ = 0
(18.52)
Dieser konstante Effektivwert turbulenter Geschwindigkeitsschwankungen kann zur Normierung der Autokorrelationsfunktion herangezogen werden und damit zur Einf¨ uhrung des Autokorreltionskoeffizienten ρ(τ )
ρ(τ ) =
1 u 2j
R(τ ) =
1 u 2j
1 lim T →∞ T
"T
uj (t)uj (t + τ ) dt.
(18.53)
0
F¨ ur die Autokorrelationskoeffizienten gilt: ρ(τ ) = ρ(−τ )
Symmetrie zur τ = 0-Achse,
(18.54)
ρ(τ ) ≤ 1.
(18.55)
ρ(0) = 1 und
570
18 Turbulente Str¨ omungen
Ein typischer Verlauf von ρ(τ ) ist in Abb. 18.9 skizziert. Anhand des Autokorrelationskoeffizientenverlaufes lassen sich typische Zeitmaßst¨abe der Turbulenz einf¨ uhren. Als das integrale Zeitmaß gilt: "∞ It =
ρ(τ ) dτ = 0
1 u 2j
"∞ R(τ ) dτ.
(18.56)
0
It entspricht somit der Fl¨ ache unterhalb der ρ(τ )-Verteilung, bzw. es gilt die folgende Identit¨ at der Fl¨ achen in Abb. 18.9: "∞ u 2j It
=
R(τ ) dτ
(18.57)
0
r ( t ) 1 ,0
l t
It
t
Abbildung 18.9: Autokorrelationsfunktion und Zeitmaßst¨ abe der turbulenten Geschwindigkeitsschwankungen
Es ist eine charakteristische Eigenschaft turbulenter Str¨omungen, dass sie Geschwindigkeitsfluktuationen aufweisen, die endliche integrale Zeitmaße besitzen. Das integrale Zeitmaß It ist eine Zeitangabe, die gr¨oßenordnungsm¨aßig aufzeigt, u ¨ ber welchem Zeitraum die Geschwindigkeitsfluktuationen uj (t) mit sich selbst korreliert sind. It = 0 bedeutet, dass keine Korrelation vorliegt. Ein solch entartetes“ turbulentes Str¨ omungsfeld kann in Realit¨at nicht exi” stieren; ihm fehlen wesentliche Elemente zur Aufrechterhaltung turbulenter Str¨ omungsfluktuationen. Turbulenz beinhaltet Strukturen endlicher Gr¨oße, d.h. turbulente Str¨ omungen enthalten ein ganzes Spektrum von wirbelartigen Strukturen. Neben dem integralen Zeitmaß der Turbulenz l¨asst sich auch ein zeitliches uhren, das als Kr¨ ummung der AutokorrelationskoeffizienMikromaß λt einf¨ tenfunktion im Nullpunkt definiert ist: d2 ρ(τ ) 2 = − 2. 2 dτ λt
(18.58)
18.4 Korrelationen, Spektren und Zeitmaßst¨ abe der Turbulenz
571
Expandiert man ρ(τ ) in eine Taylor-Reihe um τ = 0 und ber¨ ucksichtigt man die Symmetrie der ρ(τ )-Verteilung, so gilt f¨ ur kleine τ -Werte: ρ(τ ) = 1 −
τ2 ± ... , λ2t
(18.59)
so dass durch zweimaliges Ableiten obige Definitionsgleichung f¨ ur λt hergeleitet werden kann. Ferner l¨ asst sich f¨ ur die aus der Taylor-Reihenentwicklung entstehenden Parabel ableiten, dass diese die ρ(τ ) = 0-Achse (Abzisse) in τ = λt schneidet, siehe Abb. 18.9. Aufbauend auf der Beziehung: 2 duj d2 uj d2 2 +2 u j = 2uj dt2 dt2 dt
(18.60)
l¨ asst sich f¨ ur im zeitlichen Mittel station¨ are, turbulente Str¨omungsvorg¨ange ableiten: 2 duj d2 uj d2 2 = 0 = 2u u + 2 , (18.61) j j 2 2 dt dt dt d.h. es gilt:
duj dt
2 = −uj
d2 uj . dt2
(18.62)
Unter Ber¨ ucksichtigung der Eigenschaften der Autokorrelationsfunktion gilt somit: 2 duj 2 = 2 u 2j , (18.63) dt λt oder aufgel¨ ost nach λ2t : λ2t =
2u 2j duj dt
2 .
(18.64)
Damit l¨ asst sich das Mikrozeitmaß der Turbulenz auch dadurch bestimmen, dass das Zweifache des Quotienten aus dem Effektivwert der turbulenten Geschwindigkeitsfluktuationen und dem Effektivwert der zeitlichen Ableitung der turbulenten Geschwindigkeitsfluktuationen gebildet wird. Abschließend sei zu den obigen Betrachtungen noch erw¨ahnt, dass Turbulenz ein gesamtes Spektrum von Zeitmaßen bzw. von entsprechenden Frequenzen umfasst, die man sich alle im Bereich zwischen dem integralen Zeitmaß It und dem Mikrozeitmaß λt gelegen vorstellen kann. Dies ist durch den Gesamtverlauf der ρ(τ )-Funktion bestimmt, die f¨ ur τ = 0 den Wert 1 besitzt und f¨ ur alle τ endliche ρ(τ )-Werte besitzt. Da f¨ ur τ → ∞ gilt: ρ(τ ) <
1 τ
(18.65)
572
18 Turbulente Str¨ omungen
berechnet sich das integrale Zeitmaß als ein endlicher Wert. Die oben dargelegten Betrachtungen lassen sich auch im Spektralbereich durchf¨ uhren, wobei die spektrale Energiedichteverteilung S(ω) wie folgt gegeben ist: +∞ " 1 ρ(τ ) exp{−iωτ } dτ. (18.66) S(ω) = 2π −∞
Damit errechnet sich der Autokorrelationskoeffizient aus der spektralen Energiedichteverteilung als Fouriertransformation: +∞ " ρ(τ ) = S(ω) exp{iωτ } dω.
(18.67)
−∞
F¨ ur S(0) ergibt sich aus der obigen Beziehung: +∞ "
S(0) = −∞
1 ρ(τ ) dτ = 2 2π
"∞
It 1 ρ(τ ) dτ = . 2π π
(18.68)
0
Damit ist der Wert des Energiespektrums f¨ ur ω = 0 durch das integrale Zeitmaß der Turbulenz bestimmt: S(0) =
It . π
(18.69)
Die Bedeutung der spektralen Energiedichteverteilung wird auch deutlich, wenn man die Fourier-Koeffizienten der turbulenten Geschwindigkeitsfluktuation uj (t) betrachtet: 1 aT (ω, t) = T
t+T "
uj (t ) exp{iωt } dt ,
(18.70)
t
und die Zeitmittelwerte der Quadrate: lim |aT (ω, t)|2 = u 2j S(ω).
T →∞
(18.71)
Die spektrale Energiedichteverteilung repr¨ asentiert somit die Energie von uj (t) um die Frequenz ω, d.h. es gilt: dE(ω) = u 2j S(ω) dω
(18.72)
Die Gesamtenergie errechnet sich somit als: "∞ Eges =
u 2j
S(ω) dω. 0
(18.73)
18.5 Zeitgemittelte Grundgleichungen
573
18.5 Zeitgemittelte Grundgleichungen turbulenter Str¨ omungen Beschr¨ ankt man sich bei der L¨ osung str¨ omungsmechanischer Probleme auf die Ermittlung der Komponenten der mittleren Geschwindigkeit und der Momente turbulenter Schwankungsgr¨ oßen und versucht nicht, die zeitlichen Variationen des Str¨ omungsfeldes zu erfassen, so ergibt sich eine M¨oglichkeit der theoretischen L¨ osung von Str¨ omungsproblemen; anstelle der Navier-Stokesschen Gleichungen werden die Reynoldsschen Gleichungen gel¨ost. Um diese abzuleiˆj (t) durch die Summe der mittleren ten wird die Momentangeschwindigkeit U Geschwindigkeit Uj und der Schwankungsgeschwindigkeit uj (t) ersetzt, d.h. ˆi = Ui + u und analog ρˆ = ρ¯ + ρ , Pˆ = P¯ + p , etc. U i 18.5.1 Die Kontinuit¨ atsgleichung In Kapitel 5 wurde die Kontinuit¨ atsgleichung als Massenerhaltungsgleichung abgeleitet, die in der folgenden Form f¨ ur die Momentanwerte der Dichte und der Geschwindigkeitskomponenten gilt: ∂ ˆ ∂ ρˆ + ρˆUi = 0. ∂t ∂xi
(18.74)
F¨ uhrt man f¨ ur die Momentanwerte die zeitlichen Mittelwerte und die entsprechenden turbulenten Fluktuationen ein, so l¨asst sich die Kontinuit¨atsgleichung auch schreiben: ,2 + ∂ ∂ 1 ¯i + u = 0. (¯ ρ + ρ ) + (¯ ρ + ρ ) U i ∂t ∂xi
(18.75)
Mittelt man diese Gleichung u ¨ber die Zeit, so erh¨alt man unter Anwendung der in Abschnitt 18.3.1 angegebenen zeitlichen Mittelungsregeln: ∂ ¯ ∂ ρ¯ ρ¯Ui + ρ ui = 0. + ∂t ∂xi
(18.76)
Diese Gleichung l¨ asst sich nun von der dar¨ uber liegenden subtrahieren, so dass man f¨ ur die momentanen Dichte¨ anderungen erh¨alt: ∂ρ ∂ + ¯ , + ρ¯ui + Ui ρ = 0. ∂t ∂xi
(18.77)
Die obigen Gleichungen lassen sich f¨ ur Fluide mit konstanter Dichte vereinfacht schreiben. ρ¯ = ρˆ = const und somit ρ = 0
⇒
¯i ∂U ∂ui = 0 und = 0. ∂xi ∂xi
(18.78)
574
18 Turbulente Str¨ omungen
Diese Gleichungen lassen sich nun zur Behandlung turbulenter Str¨omungen heranziehen. Hierbei ist zu ber¨ ucksichtigen, dass die in der Kontinuit¨atsgleichung f¨ ur die Mittelwerte auftretende Kovarianz zwischen ρ und uj , d.h. ρ uj , drei Unbekannte darstellt ρ u1 , ρ u2 und ρ u3 , die bei L¨osungen von Str¨ omungsproblemen mit zu ber¨ ucksichtigen sind. Diese Gr¨oßen stellen turbulenzbedingte mittlere Massenfl¨ usse in die x1 -, x2 - und x3 -Richtungen dar, die den Massenfl¨ ussen aufgrund des mittleren Str¨omungsfeldes u ¨ berlagert sind. Es ist interessant, aus den Gleichungen f¨ ur dichtebest¨andige Fluide zu sehen, dass die Mittelung in keinen zus¨ atzlichen Unbekannten resultiert, d.h.: –
f¨ ur dichtebest¨ andige Fluide resultiert die zeitliche Mittelung der Kontinuit¨ atsgleichung nicht in zus¨ atzlichen turbulenten Transporttermen. Durch die Kontinuit¨ atsgleichung werden, f¨ ur dichtebest¨andige Fluide, keine zus¨ atzlichen Unbekannten“ in die theoretische Behandlung turbulen” ter Str¨ omungen eingef¨ uhrt.
Der in obigem Punkt herausgestellte Vorteil dichtebest¨andiger Fluide f¨ ur die theoretische Behandlung turbulenter Str¨ omungen, ist der Grund f¨ ur die Einschr¨ ankungen in den nachfolgenden Abschnitten. Alle dort gegebenen Ableitungen werden f¨ ur Fluide mit konstanter Dichte durchgef¨ uhrt. 18.5.2 Die Reynolds-Gleichungen Im Abschnitt 5 wurde die Impulsgleichung in der folgenden allgemeinen Form / . ˆj ˆj ∂U ∂ τˆij ∂ Pˆ ∂U ˆ + Ui − + ρˆgj (18.79) =− ρˆ ∂t ∂xi ∂xj ∂xi angegeben und f¨ ur Newtonsche Fluide, mit ρˆ = const, gilt zudem ) * ˆj ˆi ∂U ∂U τˆij = −µ + , ∂xi ∂xj
(18.80)
so dass sich angeben l¨ asst: . / . ) */ ˆj ˆj ˆi ˆj ∂U ∂U ∂ ∂U ∂ Pˆ ∂U ˆ ρˆ + Ui + + =− µ + ρˆgj (18.81) ∂t ∂xi ∂xj ∂xi ∂xi ∂xj Mit der Kontinuit¨ atsgleichung f¨ ur dichtebest¨ andige Fluide, d. h. f¨ ur ρˆ = const: ) * ˆi ˆi ˆi ∂U ∂2U ∂ ∂U = 0 und somit = =0 (18.82) ∂xi ∂xi ∂xj ∂xj ∂xi lassen sich die Navier-Stokes-Gleichungen f¨ ur j = 1, 2, 3 wie folgt schreiben:
18.5 Zeitgemittelte Grundgleichungen
. ρˆ
ˆj ˆ ∂U ˆ i ∂ Uj +U ∂t ∂xi
/ =−
ˆj ∂2U ∂ Pˆ +µ + ρˆgj ∂xj ∂x2i
575
(18.83)
oder mittels Hinzunahme der Kontinuit¨ atsgleichung wie untenstehend in ihrer konservativen Form angeben: . / ˆj ˆj ∂ ˆ ˆ ∂ 2U ∂U ∂ Pˆ Ui Uj + +µ + ρˆgj . (18.84) ρˆ =− ∂t ∂xi ∂xj ∂x2i F¨ uhrt man nun ein: ρˆ = ρ¯ und ρ = 0;
ˆj = U ¯j + uj sowie Pˆ = P¯ + p U
(18.85)
so ergibt sich:
, ,+ ,2 ∂ +¯ ∂ 1+ ¯ ¯j + uj ρ¯ Uj + uj + Ui + ui U ∂t ∂xi , , ∂2 + ¯ ∂ +¯ P + p + µ Uj + uj + ρ¯gj =− ∂xj ∂xi 2
(18.86)
und nach erfolgter zeitlicher Mittelung aller Terme der Gleichung: 2¯ ¯j ¯ ∂U ∂ ¯ ¯ u = − ∂ P + µ ∂ Uj + g . U U + + u ρ¯ i j j i j ∂t ∂xj ∂x2i ∂xi
(18.87)
=0
Umgestellt erh¨ alt man: ρ¯
∂ ∂ P¯ ∂ +¯ ¯ , Ui Uj = − + ∂xi ∂xj ∂xi
µ
¯j ∂U − ρ¯ui uj + ρ¯gj . ∂xi
(18.88)
Unter Ber¨ ucksichtigung der Kontinuit¨ atsgleichung f¨ ur dichtebest¨andige Fluide gilt: ¯ ¯ ¯j ∂U ¯ i ∂ Uj = − ∂ P + ∂ ρ¯U − ρ¯ui uj +ρ¯gj (18.89) µ ∂xi ∂xj ∂xi ∂xi −(τij ) ges Diese Gleichung zeigt, dass durch die erfolgte Mittelung der Navier-StokesGleichungen, infolge der nichtlinearen Glieder auf der linken Seite der Impulsgleichungen, Zusatzterme in die Reynoldsschen Gleichungen eingef¨ uhrt werden, die sich als zus¨ atzliche Impulstransportterme interpretieren lassen, so dass f¨ ur eine turbulente Str¨ omung gilt: (τij )ges = −µ
¯j ∂U + ρ¯ui uj , = (τij )lam + (τij )turb ∂xi
(18.90)
576
18 Turbulente Str¨ omungen
Die Zusatzterme stellen einen Tensor dar, der sich wie folgt angeben l¨asst: u12 u1 u2 u1 u3 ui uj = u2 u1 u2 2 u2 u3 . (18.91) u3 u1 u3 u2 u32 Dieser Tensor wird in der Literatur als Reynoldsscher Spannungstensor“ ” bezeichnet. Er ist diagonal-symmetrisch, d.h. es gilt
(18.92)
ui uj = uj ui . Des Weiteren gilt wegen ρˆ = ρ¯ = const: ∂uj ∂ ui uj = ui ∂xi ∂xi
(18.93)
da der uj ∂ui /∂xi –Term infolge der Kontinuit¨ atsgleichung f¨ ur die turbulenten Geschwindigkeitsschwankungen entf¨ allt. Die im Reynoldsschen Spannungstensor auftretenden Diagonalterme lassen sich als Normalspannungen“ interpretieren, deren Bedeutung f¨ ur den ” zeitgemittelten Transport an Impuls in vielen Str¨omungen vernachl¨assigbar ur i = j, stellen in vielen ist. Die Nicht-Diagonalterme, d.h. die Glieder ui uj f¨ Str¨ omungen die Haupttransportterme des Impulses dar, die durch die turbulenten Fluktuationen im Mittel zustande kommen. Dies verdeutlicht, dass die Aufspaltung der momentanen Geschwindigkeitskomponenten in eine mittlere Komponente und eine turbulente Fluktuation zu einer Aufteilung des im Zeitmittel erfolgenden Gesamtimpulstransports f¨ uhrt. Dieser kommt zum einen durch das mittlere Str¨ omungsfeld zustande und zum anderen durch Korrelationen der turbulenten Geschwindigkeitsschwankungen. Diese Aufteilung ist f¨ ur viele Betrachtungen sehr n¨ utzlich. Sie bedeutet jedoch f¨ ur die Impulstransportgleichungen das Auftreten sechs zus¨ atzlicher unbekannter Gr¨oßen, n¨ amlich aller Terme des Reynoldsschen Spannungstensors. Die Aufteilung der Momentanwerte der Geschwindigkeitsfluktuationen resultiert damit in einem Gleichungssystem, das nicht geschlossen ist: es enth¨alt mehr Unbekannte als Gleichungen zur L¨ osung von Str¨ omungsproblemen zur Verf¨ ugung stehen. Es ist heute eine der wesentlichen Aufgaben der Turbulenzforschung, die zus¨ atzlichen Unbekannten des Reynoldsschen Spannungstensors mit den Komponenten des mittleren Str¨ omungsfeldes so in Verbindung zu bringen, dass zus¨ atzliche Gleichungen entstehen, die zur L¨osung von St¨omungsproblemen herangezogen werden k¨ onnen. Die Erstellung solcher zus¨atzlichen Beziehungen wird oftmals als Turbulenzmodellierung bezeichnet. Die wesentlichen Elemente von Modellans¨ atzen sind im Abschnitt 18.7 zusammenfassend dargestellt. Die gesamten Darstellungen stellen eine Einf¨ uhrung in die Turbulenzmodellierung dar.
18.5 Zeitgemittelte Grundgleichungen
577
18.5.3 Mechanische Energiegleichung f¨ ur das mittlere Str¨ omungsfeld Im vorausgegangenen Abschnitt wurde f¨ ur dichtebest¨andige, newtonsche Fluide die Impulsgleichung wie folgt abgeleitet: ¯ ¯ ¯j ∂U ¯ i ∂ Uj = − ∂ P + ∂ ρ¯U − ρ¯ui uj + ρ¯gj . (18.94) µ ∂xi ∂xj ∂xi ∂xi ¯j , so erh¨alt man: Multipliziert man diese Gleichung mit U ¯j ¯j ∂U ∂ P¯ ∂ ∂U ¯ ¯j ¯ ¯ ¯ = − Uj + Uj − ρ¯ui uj + ρ¯gj U µ ρ¯Ui Uj ∂xi ∂xj ∂xi ∂xi oder umgeschrieben und gj = 0 gesetzt: ¯ ∂ 1 ¯2 ∂ +¯¯ , ¯j ¯j ∂ Uj − ρ¯u u U ¯i ∂ Uj = − P Uj + µU ρ¯U i j ∂xi 2 ∂xj ∂xi ∂xi ¯j ¯j ¯j ∂ U ∂U ∂U + ρ¯ui uj . −µ ∂xi ∂xi ∂xi
(18.95)
(18.96)
Die einzelnen Terme der Gleichung f¨ ur den im zeitlichen Mittel erfolgenden Energiestrom und Volumeneinheit pro Zeit lassen sich nun wie folgt deuten, wobei die Betrachtungen f¨ ur ein festes Kontrollvolumen angestellt werden: """
¯i ∂ ρ¯U ∂xi
1 ¯2 U 2 j
"" dV =
δV
1 ¯2 ¯i dFi U ρU 2 j
δ0
Dieser Term repr¨ asentiert den u ¨ber die Oberfl¨achen eines Kontrollvolumens ein- und ausfließenden Strom der mittleren kinetischen Energie des Str¨ omungsfeldes. (Da die Energiegleichung aus der Impulsgleichung abgeleitet wurde, umfasst sie nur Terme, die als mechanische Energieterme bezeichnet werden k¨ onnen.) """
∂ +¯¯ , P Uj dV = − ∂xj
− δV
"" ¯j dFj P¯ U δ0
Dieses Integral gibt an, welche Druckenergie pro Zeiteinheit in das Kontrollvolumen ein- und ausstr¨ omt, d. h. die Differenz zwischen Ein- und Ausstr¨omung an Druckenergie wird gegeben. """ δV
∂ ∂xi
¯j µU
¯j ∂U ∂xi
""
¯j ∂U dFi ∂xi + 2, "δ0" ¯ ∂ 12 U j = µ dFi ∂xi ¯j µU
dV =
δ0
578
18 Turbulente Str¨ omungen
Dieser Term gibt die molek¨ ulbedingte Ein- und Austrag an kinetischer Energie der Str¨ omung an. """ −
"" ∂ ¯ ¯j dFi ρ¯ui uj U ρ¯ui uj Uj dV = − ∂xi
δV
δ0
Dieser Term beschreibt den turbulenzbedingten Transport turbulenter Energie. """ −
µ
¯j ¯j ∂ U ∂U dV ∂xi ∂xi
δV
Dieser Term gibt an, wie die Dissipation der mittleren Energie durch Viskosit¨ at erfolgt. """ ρ¯ui uj
¯j ∂U dV ∂xi
δV
Dieses Integral beschreibt, wie die Energie des mittleren Str¨omungsfeldes durch Turbulenz dissipiert wird, d.h. wie Turbulenz produziert wird. (Die dem mittleren Str¨ omungsfeld entzogene Energie f¨ uhrt zur Produktion der Energie turbulenter Str¨ omungsfluktuationen.) Das Produkt aus der negativen Korrelation der turbulenten Geschwindigkeitsfluktuationen und dem Gradient des mittleren Str¨omungsfeldes ergibt den folgenden Term, der als Produktionsterm der Turbulenz bezeichnet wird: −ρ¯ui uj
¯j ∂U , ∂xi
(18.97)
Dieser kann wegen der Symmetrie des Reynoldsschen Spannungstensors auch wie folgt geschrieben werden: −ρ¯ui uj
¯j ∂U ¯ ij = −ρ¯ui uj D ∂xi
(18.98)
¯ ij = 1 ∂ U¯j + ∂ U¯i = Tensor der zeitgemittelten Deformationsrate. mit D 2 ∂xi ∂xj Er wird als Produktionsterm der Turbulenz“ bezeichnet. Sein Auftreten mit ” positiven Vorzeichen auf der rechten Seite der obigen Energiegleichung des mittleren Str¨ omungsfeldes bedeutet, dass die Energie, die der Produktion turbulenter Fluktuationen dient, dem mittleren Str¨omungsfeld entzogen wird. Als weiterer Dissipationsterm tritt auf: µ
¯j ∂ U ¯j ∂U , ∂xi ∂xi
(18.99)
dessen Bedeutung, relativ zu dem Produktionsterm der Turbulenz, f¨ ur viele turbulente Str¨ omungen vernachl¨ assigbar ist. Dies l¨asst sich durch die nachfolgenden Gr¨ oßenbetrachtungen absch¨ atzen:
18.5 Zeitgemittelte Grundgleichungen
579
3
ρ¯ui uj
¯j ∂U Uc U ; ρ¯u2c ; ρ(T u)2 c , ∂xi Lc Lc µ
¯2 ¯j ∂ U ¯j U ∂U ; µ c2 , ∂xi ∂xi Lc
(18.100)
(18.101)
wobei u2c den Effektivwert einer im Str¨ omungsfeld vorliegenden charakteri 2 2 2 stischen Geschwindigkeitsfluktuation bedeutet, (T u) ≈ uc /Uc den entsprechenden Turbulenzgrad, Uc eine charakteristische Geschwindigkeit und omungsgeometrie. Damit gilt: Lc eine charakteristische Abmessung der Str¨ ¯j ∂U ¯ ¯c3 L2c ρ¯(T u)2 U Uc L c ∂xi = (T u)2 = Re(T u)2 . ¯j ; ¯c2 ¯j ∂ U ν Lc µU ∂U µ ∂xi ∂xi ρ¯ui uj
(18.102)
Da Turbulenz stets f¨ ur große Reynoldszahlen, z.B. Re = 104 , auftritt, ergibt sich, selbst f¨ ur T u = 20%, einem relativ großen Turbulenzgrad, dass die viskose Dissipation gegen¨ uber der Turbulenzproduktion vernachl¨assigbar ist. ¨ ¨ Ahnliche Uberlegungen gelten auch f¨ ur die Terme: ¯ ¯j ¯ 3 L2 ρ¯ui uj U Uc L c ρ¯ u2c U c c ; ; (T u)2 = Re(T u)2 , ¯ c Lc ¯j ¯c U ν ∂U µU µUj ∂xi
(18.103)
so dass man f¨ ur viele praktische Berechnungen die Transportgleichung f¨ ur die mechanische Energie“ des mittleren Geschwindigkeitsfeldes einer turbulen” ten Str¨ omung wie folgt vereinfacht schreiben kann, da die molek¨ ulbedingten Energietransport- und Dissipationsterme, gegen¨ uber den turbulenzbedingten Produktionstermen vernachl¨ assigt werden k¨ onnen: ¯j 1 ¯2 ∂U ∂ ¯ ∂ +¯¯ , ¯i ∂ Uj = − P Uj − ρ¯ ui uj Uj + ρ¯ui uj . (18.104) ρ¯U ∂xi 2 ∂xj ∂xi ∂xi Diese vereinfachte Energiegleichung enth¨ alt alle f¨ ur den mechanischen Energietransport des mittleren Str¨ omungsfeldes in der praktischen Str¨omungsmechanik wichtigen Terme. Um die Bedeutung der Energietransportgleichung f¨ ur das mittlere Str¨omungsfeld f¨ ur das Verst¨ andnis der Turbulenzproduktion zu unterstreichen, sei die vollentwickelte, turbulente Str¨ omung zwischen zwei ebenen Platten behandelt, f¨ ur die die Gleichung wie folgt lautet: 0=−
¯ 2 ∂ 1 ∂ +¯¯ , ¯1 + ρ¯u u ∂ U1 . P U1 − (τges )21 U 1 2 ∂x1 ∂x2 ∂x2
(18.105)
Integriert u ¨ber das in Abb. 18.10 angedeutete Kontrollvolumen ergibt:
580
18 Turbulente Str¨ omungen
x 2
d V K o n tr o lle b e n e A
K o n tr o lle b e n e B
x 1
Abbildung 18.10: Ebene Plattenstr¨ omung (Die aufgewandte Pumpleistung (PA − PB )Q˙ dient der Produktion turbulenter, kinetischer Energie)
0 = (PA − PB ) Q˙ −
""" ¯1 ∂U −ρ¯u1 u2 dV. ∂x2
(18.106)
δV
˙ Die gesamte pro Zeiteinheit aufgebrachte Druckenergie“ d.h. (PA − PB )Q, ” ˙ mit Q als Volumenstrom, dient der Produktion turbulenter kinetischer Energie, wobei die oben aufgef¨ uhrten Vernachl¨ assigungen Ber¨ ucksichtigung gefunden haben. F¨ uhrt man ¨ ahnliche Betrachtungen f¨ ur die in Abb. 18.11 angedeutete turbulente Couette-Str¨ omung durch, so lautet f¨ ur diese die Energietransportgleichung: """ "" ¯1 ∂U ¯ −ρ¯u1 u2 dV (18.107) (τges )21 U1 dF2 − 0=− ∂x2 δ0
δV
Diese Gleichung bringt zum Ausdruck, dass die gesamte in die mit U0 angedeutete Plattenbewegung gesteckte Antriebsenergie“ zur Produktion turbu” lenter, kinetischer Energie verwendet wird. Die oben aufgef¨ uhrten Beispiele verdeutlichen, welche Bedeutung str¨omungsmechanischen Bem¨ uhungen zukommt, die sich um die Reduktion der Produktion turbulenter Str¨ omungsfluktuationen bem¨ uhen, wie etwa durch Zugabe von Additiven zu str¨ omenden Fl¨ ussigkeiten. Durch Additive, wie Hochpolymere oder Tenside, l¨ asst sich die Produktion turbulenter Schwankungsenergie unterdr¨ ucken. Die erreichten Reduktionen der Turbulenzproduktion bedeuten eine beachtliche Einsparung an Pumpenergie, die zum Antrieb turbulenter Str¨ omungen aufgebracht werden muss. 18.5.4 Energiegleichung f¨ ur kinetische Energie der Turbulenz Neben den Betrachtungen des Energiehaushaltes des mittleren Str¨omungsfeldes ist es f¨ ur das Verst¨ andnis turbulenter Str¨omungen auch sehr auf-
18.5 Zeitgemittelte Grundgleichungen
x 2
U
t
0
g e s
x
U 0
t
581
1
g e s
Abbildung 18.11: Couette-Str¨ omung (Die aufgebrachte Antriebsenergie dient der Produktion turbulenter, kinetischer Energie)
schlussreich, den Energiehaushalt des turbulenten Anteils der Str¨omung zu betrachten. Hierzu wird die Energiegleichung f¨ ur die kinetische Energie der Turbulenz herangezogen, die wiederum aus der Impulsgleichung: . / ˆj ˆj ˆj ∂2U ∂U ∂ Pˆ ∂ U ˆi +µ + ρˆgj (18.108) ρˆ =− +U ∂t ∂xi ∂xj ∂xi 2 abgeleitet wird. F¨ uhrt man in diese Gleichung ρˆ = ρ¯ = const ein, sowie ˆj = U ¯j + u , Pˆ = P¯ + p und vernachl¨ U assigt man gj , so erh¨alt man: j , ,+ , ∂ +¯ ∂ +¯ ¯ Uj + u j + Ui + u i Uj + u j = ρ (18.109) ∂t ∂xi , , ∂2 + ¯ ∂ +¯ P + p + µ Uj + uj − 2 ∂xj ∂xi uckMultipliziert man diese Gleichung mit (Uj + uj ), so ergibt sich unter Ber¨ sichtigung der Kontinuit¨ atsgleichung: ,2 + , ∂ 1+ , ∂ 1 +¯ ¯ j + u 2 = ¯i + u Uj + uj + U U ρ (18.110) i j ∂t 2 ∂xi 2 ,+ ,2 + , ∂2 + , ∂ 1+ ¯ ¯ j + u + µ U ¯ j + u ¯ j + u P + p U U − j j j ∂xj ∂xi 2 und nach Zeitmittelung: ρ¯ ∂ 1 ¯2 ∂ 2 ¯j u u + ρ¯ ∂ ¯ U Uj + u j ρ¯Ui + i j ∂xi 2 2 ∂xi ∂xi ∂ ¯¯ ¯j µ P Uj + p uj + U − ∂xj
ui uj2 =
(18.111)
¯j ∂ 2 uj ∂2U + µuj 2 ∂xi ∂xi 2
Subtrahiert man nun die Energiegleichung f¨ ur das mittlere Str¨omungsfeld:
582
18 Turbulente Str¨ omungen
¯i ∂ ρ¯U ∂xi
1 ¯2 U 2 j
=−
¯j ∂ + ¯ ¯ , ¯ ∂2U ¯j ρ¯ ∂ u u , −U P Uj + Uj µ 2 ∂xj ∂xi ∂xi i j
(18.112)
so erh¨ alt man: ) * ∂uj 1 2 ∂ ∂ ρ¯ ∂ 2 ∂ ¯ ρ¯Ui uj =− p uj + ui u j µuj − ∂xi 2 ∂xj ∂xi ∂xi 2 ∂xi −ρ¯ui uj
¯j ∂uj ∂uj ∂U −µ . (18.113) ∂xi ∂xi ∂xi
Die einzelnen Terme dieser Gleichung lassen sich nun wie folgt in ihrer Bedeutung f¨ ur die kinetische Energie eines Kontrollvolumens deuten: """ """ "" 1 2 1 2 ∂ ρ¯ 2 ∂ ¯ ¯ Ui ρ¯Ui u ρ¯ u u Ui dFi . dV = dV = ∂xi 2 j ∂xi 2 j 2 j δV
δV
δ0
(18.114) Der obige Term stellt die in ein Kontrollvolumen konvektiv ein- und ausgetragene turbulente, kinetische Energie dar. "" """ ∂ − p uj dV = − p uj dFj ∂xj δV
δ0
Druckgeschwindigkeitskorrelation zur Umverteilung der Energie der Turbulenz von einer j-Komponente der Geschwindigkeitsfluktuationen auf die anderen. . / """ "" ∂u ∂uj ∂ j µuj dFi µuj dV = ∂xi ∂xi ∂xi δV δ0 "" ∂ 1 u 2j = µ 2 dFi ∂xi δ0
Dieser oben angegebene Term beschreibt den molekularen Transport der turbulenten kinetischen Energie in und aus dem Kontrollvolumen. """ "" ρ¯ ∂ 2 ρ¯ ui u j dV = − ui u 2j dFi − 2 ∂xi 2 δV
δ0
Dies ist der diffusive Transport der turbulenten kinetischen Energie durch Geschwindigkeitsschwankungen. """ ρ¯
−ui uj
∂U ¯j dV ∂xi
δV
Dieser Term stellt den Produktionsterm der turbulenten kinetischen Energie dar, der in der Energiegleichung f¨ ur das mittlere Str¨omungsfeld mit umgekehrten Vorzeichen aufgetreten war.
18.5 Zeitgemittelte Grundgleichungen
""" −
µ
583
∂uj ∂uj dV ∂xi ∂xi
δV
Durch den obigen Term wird die durch die turbulenten Geschwindigkeitsfluktuationen verursachte viskose Dissipation turbulenter, kinetischer Energie beschrieben. Bezeichnet man den nachfolgenden Gesamtausdruck als die Diffusion“ ” turbulenter, kinetischer Energie: Di =
µ ∂uj p ui 1 − ui + ui uj2 ρ¯ ρ¯ ∂xi 2
(18.115)
die Produktion turbulenter, kinetischer Energie als: Pk = −ui uj
¯j ∂U ∂xi
(18.116)
und die Dissipation turbulenter, kinetischer Energie als: k =
µ ∂uj ∂uj ρ¯ ∂xi ∂xi
(18.117)
so l¨ asst sich die Gleichung f¨ ur die turbulente, kinetische Energie wie folgt schreiben: ¯i ∂k = − ∂Di + Pk − k , (18.118) U ∂xi ∂xi
wobei k = 1/2(ui2 ) eingef¨ uhrt wurde, also k = 1/2(u12 + u22 + u32 ). Der mittlere Fluss an turbulenter, kinetischer Energie wird durch die Diffusion, Produktion und Dissipation turbulenter, kinetischer Energie im Gleichge” wicht“ gehalten. Es wurde im vorausgegangenen Abschnitt gezeigt, dass in der Energiegleichung f¨ ur das mittlere Str¨ omungsfeld die viskose Dissipation des mittleren Str¨ omungsfeldes gegen¨ uber dem Produktionsterm der turbulenten kinetischen Energie vernachl¨ assigt werden kann. Dies ist in der oben aufgef¨ uhrten Gleichung f¨ ur die viskose Dissipation turbulenter kinetischer Energie nicht uber Pk nicht vernachl¨assigt werden. Dies l¨asst der Fall, d.h. k kann gegen¨ sich durch Gr¨ oßenordnungsbetrachtungen angeben: ¯c l 2 Pk ρ¯u2 U ∼ c 2c = k Lc µuc
¯ 2 2 Uc L c lc lc = Re . ν Lc Lc
(18.119)
Hierbei ist (lc /Lc ) das Verh¨ altnis eines charakteristischen L¨angenmaßes der Turbulenz zu dem L¨ angenmaß, das die Gesamtstr¨omung kennzeichnet. F¨ ur dieses Verh¨ altnis gilt im allgemeinen:
584
18 Turbulente Str¨ omungen
lc = Re−m , Lc
(18.120)
wobei m = 1/2 gesetzt werden kann, d.h. in der Gleichung f¨ ur die turbulente, kinetische Energie ist die viskose Dissipation gegen¨ uber der Produktion nicht vernachl¨ assigbar. Sie ist ein essentieller Bestandteil der Gleichung, die den Transport an turbulenter, kinetischer Energie beschreibt.
18.6 L¨ angen-, Geschwindigkeits- und Zeitmaßst¨ abe turbulenter Str¨ omungen In den vorausgegangenen Abschnitten wurden bereits Gr¨oßenordnungsbetrachtungen angesetzt, in denen L¨ angen-, Geschwindigkeits- und Zeitmaßst¨ abe turbulenter Str¨ omungen Anwendung fanden. So waren zur Kennzeichnung des mittleren Str¨ omungsfeldes eine charakteristische mittlere Geschwin¯c , ein charakteristisches L¨ angenmaß Lc und ein daraus resultierendes digkeit U Zeitmaß tc eingef¨ uhrt worden. Hierbei war Lc von der Gr¨oßenordnung der Abmessungen der Gesamtstr¨ omung, d.h. f¨ ur interne Str¨omungen war Lc von der Gr¨ oßenordnung der linearen Querschnittsabmessung der Str¨omungsapparatur. Als die charakteristische mittlere Geschwindigkeit kann das Fl¨achen- und Zeitmittel des Str¨ omungsfeldes eingef¨ uhrt werden. F¨ ur die charakteristische Zeit ergibt sich dann: Lc (18.121) tc = ¯ Uc Betrachtet man nun die turbulenten Str¨ omungsfluktuationen, die dem mittleren Str¨ omungsfeld u ¨ berlagert auftreten, so ist leicht einzusehen, dass das im Abschnitt 18.3 eingef¨ uhrte integrale Zeitmaß der Turbulenz stets von der Gr¨ oßenordnung des charakteristischen Zeitmaßes des mittleren Str¨omungsfeldes sein muss, d.h. die gr¨ oßten Wirbel, die ein Str¨omungsfeld aufweisen kann, haben Zeitmaßst¨ abe, die denen des mittleren Str¨omungsfeldes entsprechen. Im allgemeinen gilt: Lc (18.122) It ≤ tc = ¯ Uc Einem Vorschlag Kolmogorovs folgend lassen sich zur Charakterisierung des turbulenten Str¨ omungsfeldes sogenannte Mikromaßt¨abe einf¨ uhren: lK = Kolmogorovsches L¨ angenmaß, uK = Kolmogorovsches Geschwindigkeitsmaß, τK = (lK /uK ) = Kolmogorovsches Zeitmaß. Die von Kolmogorov eingef¨ uhrten L¨ angen-, Geschwindigkeits- und Zeitmaßst¨ abe werden nun so festgelegt, dass sie den Teil des Spektrums der turbulenten Geschwindigkeitsfluktuationen charakterisieren, in dem die Energieproduktion der turbulenten Wirbel gleich der Dissipation ist. Damit gilt unter der Annahme isotroper Turbulenz
18.6 Maßst¨ abe turbulenter Str¨ omungen
u3K lK u2K ≈ν 2 lK
≈P ≈
585
aus der Beziehung f¨ ur die Produktion,
(18.123)
aus der Beziehung f¨ ur die Dissipation.
(18.124)
Umgeformt ergibt dies: l6 2 u6K = 2 lK = 3 K3 ν l4 1 = K3 ν
;
oder:
lK =
ν3
(18.125)
14 .
(18.126)
Aus der Gleichheit der Ausdr¨ ucke f¨ ur die Produktion und Dissipation folgt: uK =
ν lK
1
uK = (ν) 4 .
und somit
(18.127)
F¨ ur das Kolmogorovsche Zeitmaß ergibt sich: τK =
ν 12
(18.128)
Die sich auf der Basis der obigen Mikrol¨ angen- und Mikrogeschwindigkeitsmaße ergebende Re-Zahl ergibt sich als: ReK =
lK u K =1 ν
(18.129)
d.h. die durch die Kolmogorovschen Maßst¨ abe festgelegten Wirbelgr¨oßen sind viskosen Kr¨ aften ausgesetzt, welche die turbulenten Str¨omungsfluktuationen d¨ ampfen und die kinetische Energie in W¨ arme u uhren. Aufgrund dieser ¨berf¨ Eigenschaften haben sich in der Literatur die unten aufgef¨ uhrten Bezeichnungen herauskristallisiert: Kolmogorovsche Maße = Mikro-Maße = Viskose Wirbelmaße lK =
ν3
14 ;
1
uK = (ν) 4 ;
τK =
ν 12
(18.130)
Von diesen die kleinsten Wirbel einer turbulenten Str¨omung kennzeichnenden Maßst¨ abe ist der Taylor-Mikromaßstab zu unterscheiden, der wie folgt definiert ist: lT lT = ¯ (18.131) τT = UT Uc Anschaulich l¨ asst sich dieser Zusammenhang vielleicht am besten in schematischer Form, der Abb. 18.12, darstellen, die verdeutlicht, dass das TaylorMikromaß eine Wirbelgr¨ oße angibt, die zwischen den kleinsten viskosen Wirbeln liegt und den großen Wirbeln, die Gr¨ oßen von der Abmessung der Gesamtstr¨ omung haben. Ber¨ ucksichtigt man dies, so l¨asst sich angeben:
586
18 Turbulente Str¨ omungen
¯3 ¯2 U U c = ν 2c Lc lT
lT Lc
=
1 Re
1
1 2
= Re− 2 ,
(18.132)
ucksichtigt man, dass gilt: wobei Re = 1/ϕ(Uc Lc ) ist. Ber¨ ¯c U (18.133) uc alt man unter der Ber¨ ucksichtiEingesetzt in die Beziehung f¨ ur (lT /LC ) erh¨ gung ((lK uK )/ν) = 1 eine weitere wichtige Beziehung, die aus den obigen Ableitungen folgt: 2 lK lT = . (18.134) Lc lT λT = lK
Die verschiedenen L¨ angenmaße der Turbulenz haben sich bei der Formulierung von Turbulenzmodellen bew¨ ahrt, die in nachfolgenden Abschnitten zusammenfassend dargestellt werden. Hierbei sind die Darstellungen so gew¨ahlt, dass sie sich f¨ ur eine Einf¨ uhrung in die Turbulenzmodellierung eignen. Detailliertere Darstellungen k¨ onnen der Fachliteratur zur Turbulenzmodellierung entnommen werden. Die obigen Ableitungen verdeutlichen die Unterschiede in der Struktur turbulenter Str¨ omungen bei kleinen und hohen Reynoldszahlen. F¨ ur Str¨ omungen mit denselben integralen Abmessungen, Abb. 18.13, erweist sich die Str¨ omung mit großer Reynoldszahl als feinstrukturig, d.h. die kleinsten Wirbel haben kleine Abmessungen, w¨ ahrend f¨ ur die kleine Reynoldszahl die Str¨ omung grob strukturig erscheint. Das Taylorsche L¨angenmaß erweist sich stets als gr¨ oßer als das Kolmogorovsche Mikrol¨ angenmaß und der Unterschied zwischen beiden wird mit zunehmender Reynoldszahl gr¨oßer. Aus den obigen ur eine Reynoldszahl von etwa Beziehungen errechnet sich lT /lK = (Re)1/4 . F¨ ahr 10 Mal so groß wie lK . Re = 104 ist lT ungef¨ Um die komplexe Natur turbulenter Str¨ omungen zu charakterisieren finden oftmals die unten aufgef¨ uhrten Re-Zahlen Anwendung: ReK =
lK UK = 1, ν
Rec =
lK Uc , ν
Reλ =
lT Uc ν
(18.135)
L c Uc = Re (18.136) ν Ferner gelten f¨ ur die Verh¨ altnisse der charakteristischen L¨angenskalen: 2 3 lK λT lK −3 −1 = Re− 4 = Reλ 2 , = ReL 2 = Re−1 = , λ Lc Lc lT lK −1 − 12 = ReL 4 = Re−1 (18.137) η = Reλ . lT ReL =
Diese Beziehungen werden bei Betrachtungen turbulenter Str¨omungen oftmals verwendet, um Gr¨ oßenordnungsbetrachtungen f¨ ur charakteristische turbulente L¨ angenmaße durchzuf¨ uhren.
18.7 Turbulenzmodelle
587
P ro d u k tio n d e r T u rb u le n z
D is s p a tio n d e r T u rb u le n z k le in e L ä n g e n m a ß e
g ro ß e L ä n g e n m a ß e
h = lK U
3
l
~ n
U
lT = l
lk
2
c
L
2
P
U k
= e
P k
= e
L
c
3
c c
~ n
= L U
l
c
2 2
Abbildung 18.12: L¨ angenmaße der Turbulenz und Beitr¨ age zur Produktion und Dissipation
a )
b )
Abbildung 18.13: (a) Grobk¨ ornige Struktur der Turbulenz kleiner Reynoldszahlen und (b) feink¨ ornige Struktur der Turbulenz großer Reynoldszahlen
18.7 Turbulenzmodelle 18.7.1 Allgemeine Betrachtungen Beschr¨ ankt man sich bei der L¨ osung von str¨omungsmechanischen Problemen auf die Ermittlung der Komponenten der mittleren Geschwindigkeit und der Momente turbulenter Schwankungsgr¨oßen und versucht nicht, die zeitlichen Variationen des Str¨ omungsfeldes mit zu erfassen, so ergibt sich
588
18 Turbulente Str¨ omungen
eine M¨ oglichkeit der theoretischen L¨ osung von Str¨omungsproblemen: Anstelle der Navier-Stokesschen Gleichungen werden die Reynoldsschen Gleichungen gel¨ ost. Um diese abzuleiten wurden in Abschnitt 18.3 ˆj (xi , t) durch die Summe der mittleren Gedie Momentangeschwindigkeit U ¯ schwindigkeit Uj (xi ) und der Schwankungsgeschwindigkeit uj (xi , t) ersetzt, d.h. es wurde gezeigt dass gilt: ¯j + uj . ˆj = U U
(18.138)
Es wurde im Abschnitt 18.3 zudem gezeigt, dass das Einf¨ uhren dieser Beziehung in die Kontinuit¨ atsgleichung und die Navier-Stokesschen Gleichungen, nach erfolgter zeitlicher Mittelung, ein neues Gleichungssystem ergibt, das es numerisch f¨ ur die zu untersuchenden Str¨omungsprobleme zu l¨osen gilt. Die Ableitungen ergeben f¨ ur ρ = const wiederum vier Differentialgleichungen: Kontinuit¨ atsgleichung: ¯i ∂U = 0, (18.139) ∂xi Reynoldssche Gleichung: ¯ ¯ ¯j ∂U ¯ i ∂ Uj = − ∂ P + ∂ ρ¯U − ρ¯ui uj + ρ¯gj . µ ∂xi ∂xj ∂xi ∂xi (18.140) Die Ableitungen haben zum Einf¨ uhren neuer Unbekannter gef¨ uhrt: u12 u1 u2 u1 u3 (18.141) ui uj = u2 u1 u2 2 u2 u3 , u3 u1 u3 u2 u32 die als Reynoldssche Impulstransportterme bezeichnet werden. Das Einf¨ uhren von zus¨ atzlichen Unbekannten in die str¨omungsmechanischen Grundgleichungen f¨ uhrt zu einem nicht geschlossenen Gleichungssystem und erfordert zus¨ atzliche Informationen, um L¨osungen der Gleichungen 18.139 und 18.140 erhalten zu k¨ onnen. Diese oftmals als zus¨atzliche Gleichungen formulierten Informationen stellen, im allgemeinen, Aussagen u ¨ ber den Zusammenhang zwischen den Reynoldsschen Impulstransporttermen und dem mittleren Geschwindigkeitsfeld dar, d.h. dass L¨osungen von turbulenten Str¨ omungsproblemen zus¨ atzliche physikalische Erkenntnisse u ¨ ber die turbulenten Geschwindigkeitskorrelationen 18.141 und ihrer Abh¨angigkeit vom mittleren Str¨ omungsfeld erfordern. Das Entwickeln von Modellvorstellungen u ¨ ber diesen Zusammenhang wird in Form von Turbulenzmodellen heute in vielen Forschungsgruppen betrieben. Die Grundlagen solcher Modellbetrachtungen werden in den nachfolgenden Abschnitten als Einf¨ uhrung in dieses wichtige Teilgebiet der Str¨ omungsmechanik beschrieben. Sie dienen der Ableitung von Schließungsans¨ atzen f¨ ur die Reynoldsschen Gleichungen. Gelingt es, zus¨ atzliche Gleichungen zu formulieren, d.h. physikalisch sinnvolle Turbulenzmodelle zu erstellen, so entsteht, aufbauend auf den Reynoldsschen Gleichungen, ein neues Gleichungssystem, das zur L¨osung turbulenter
18.7 Turbulenzmodelle
589
Str¨ omungsprobleme herangezogen werden kann. Heutige Computer sind ausreichend leistungsf¨ ahig, um mittels L¨ osungen der Reynoldschen Gleichungen, Str¨ omungsberechnungen zu erm¨ oglichen. Will man physikalisch sinnvolle Zusatzgleichungen formulieren, d.h. physikalisch sinnvolle Informationen f¨ ur die Korrelation ui uj in die Behandlung der Reynoldsschen Gleichungen einbringen, so kann dies teilweise durch hypothetische Annahmen erfolgen, wie dies oftmals bei der Erstellung von Turbulenzmodellen in der Vergangenheit gemacht wurde. Dar¨ uber hinaus gibt es jedoch die M¨ oglichkeit, die f¨ ur Turbulenzmodelle erforderlichen Informationen mit Hilfe detaillierter experimenteller Untersuchungen in verschiedensten Str¨ omungen zu erhalten. Hierf¨ ur sind lokale Messungen der Momentangeschwindigkeit turbulenter Str¨ omungen erforderlich. Solche Messungen k¨ onnen mit Hilfe der Hitzdraht- und Heißfilm-Anemometrie sowie der Laser-Doppler-Anemometrie gewonnen werden, welche die n¨otige zeitliche und r¨ aumliche Aufl¨ osung besitzen, um alle Messungen durchzuf¨ uhren, die f¨ ur detaillierte Turbulenzmodellierungen erforderlich sind. Zudem sind diese Messmethoden voll entwickelt, um die notwendigen Messungen in relativ kurzer Zeit durchf¨ uhren zu k¨ onnen. Solche Messungen tragen zur Vertiefung des Verst¨ andnisses der Physik turbulenter Str¨ omungen bei und erm¨oglichen, zus¨ atzliche Information in Form neuer Gleichungen in die L¨osungsverfahren f¨ ur turbulente Str¨ omungen einzubringen. F¨ ur Messungen in Wandgrenzschichten sind Hitzdraht- und Heißfilm-Anemometer mit großem Erfolg angewandt worden, um die mittlere Geschwindig¯i und die Schwankungsgr¨ oßen ui uj zu bestimmen, siehe Kapitel 18.8. keit U Str¨ omungen dieser Art sind, aufgrund ihrer charakteristischen Eigenschaften, mit Hitzdraht-Anemometern verl¨ asslich erforschbar, jedoch kann es bei d¨ unnen Grenzschichten zu inh¨ arenten St¨ orungen kommen, die durch die eingebrachten Messf¨ uhler verursacht werden. Durch spezielle Formgebungen der Messf¨ uhler k¨ onnen diese Messfehler in Grenzschichten klein gehalten werden. Die meisten Messmethoden, die das Einbringen von Messsonden in Str¨omungen erfordern, messen die interessierende Str¨omungsgeschwindigkeit nur indirekt, d.h. es werden mit den meisten Messinstrumenten physikalische Gr¨ oßen registriert, die Funktionen der Str¨ omungsgeschwindigkeit sind. Leider sind die Meßgr¨ oßen oftmals auch Funktionen der Zustandseigenschaften des Str¨ omungsmediums. Diese m¨ ussen dann bekannt sein und m¨ ussen bei der Kalibrierung der Messmethode bereits angepasst werden, um die Interpretation der Messdaten im Bezug auf die zu messende Str¨omungsgeschwindigkeit zu erm¨ oglichen. Treten w¨ ahrend der Messungen Fluktuationen der Zustandsgr¨ oßen des Str¨ omungsmediums auf, z.B. in Zweiphasenstr¨omungen, in Str¨ omungen mit chemischen Reaktionen, etc., so m¨ ussen diese bekannt sein, um eindeutige Geschwindigkeitswerte ermitteln zu k¨onnen. Solche Anforderungen an die Interpretationsm¨ oglichkeiten der Messwerte zu stellen, ist bei praktischen Messungen oftmals nicht m¨ oglich.
590
18 Turbulente Str¨ omungen
Die oben erw¨ ahnten Schwierigkeiten beim Einsatz indirekter Messverfahren f¨ ur Str¨ omungsgeschwindigkeiten, wie der Hitzdraht- und HeißfilmAnemometrie, haben zur Entwicklung der Laser-Doppler-Anemometrie gef¨ uhrt, die Str¨ omungsgeschwindigkeiten direkt misst. Durch Messen der Zeit, die ein Teilchen zum Durchfliegen“ der Abst¨ande eines Interferenzmu” sters mit wohldefiniertem Streifenabstand ben¨otigt, wird die Str¨omungsgeschwindigkeit des Teilchens ermittelt. Solche Messungen k¨onnen sehr lokal durchgef¨ uhrt werden und h¨ angen nicht von unbekannten Eigenschaften des Str¨ omungsfluids ab. Messungen sind in Ein- und Zweiphasenstr¨omungen m¨ oglich sowie in Verbrennungssystemen. Das Messverfahren ist zudem in partikelbeladenen Str¨ omungsmedien einsetzbar, wie sie oftmals in der Praxis auftreten. Sein Einsatz erfordert jedoch optischen Zugang zum Messpunkt und die Transparenz des Str¨ omungsmediums. Insofern ist auch der Einsatz der Laser-Doppler-Anemometrie begrenzt, doch erm¨oglicht ihre Anwendung die Bestimmung von Str¨ omungsgeschwindigkeiten in einer Reihe von praktisch wichtigen Str¨ omungen, die anderen Messmethoden nicht zug¨anglich sind. R e c h e n le is tu n g (F lo p /s )
8
1 0
6
E D S A C U n iv a c 1 1 0 1
1 0
4
1 0
N E C S X -5 /1 6 H ita c h i S R 8 0 0 -F 1
In te l A S C I R e d
S X - 3 /4 4
A d a p tiv ity II
M u lt ig r id I
A d a p tiv it y I
P C G
L e is tu n g s te ig e r u n g d u r c h M a th e m a tis c h e M e th o d e n
0
1 9 4 0
1 9 5 0
1 9 6 0
1 0
5
1 0
4
1 0
3
S O R
G a u ß - E lim in a tio n 1 0
6
1 0
M u lt ig r id II
G a u ß - S e id e l
2
1 0
N E C
1 0
C Y B E R 2 0 5
1 0
C ra y - 1 S
1 2
7 6 0 0
1 0
E n tw ic k lu n g v o n H o c h le is tu n g s r e c h n e n
C D C
1 4
7 0 1 IB M 7 0 4 U n iv a c L a r c IB M 7 0 3 0
1 0
C ra y -2 s /4 - 1 2 8
1 6
IB M
1 0
In te lX P /S 1 4 0
1 8
1 0
1 9 7 0
1 9 8 0
1 9 9 0
2 0 0 0
2
1 0 1
1 0 1 0 2 0 1 0
0
Abbildung 18.14: Steigerungen von Rechen- und Rechnerleistungen bei Anwendungen von mathematischen Methoden und von Hochleistungsrechnern
Durch beachtliche Entwicklungen der angewandten Mathematik konnten in den letzten Jahrzehnten auch neue mathematische Methoden zur L¨osung von Systemen partieller Differentialgleichungen vorangetrieben werden, unterst¨ utzt durch Steigerungen der Rechenleistung, wie sie in Abb. 18.14 aufgezeigt sind. Beachtet man zudem die in Abb. 18.14 angedeuteten Leistungssteigerungen von Hochleistungsrechenanlagen, so wird verst¨andlich, dass es heute m¨ oglich ist, direkte numerische L¨ osungen turbulenter Str¨omungen bei kleinen
18.7 Turbulenzmodelle
591
Re-Zahlen zu erhalten. Solche L¨ osungen f¨ uhren zu Erkenntnissen, die zur fundierten Erstellung von Turbulenzmodellen herangezogen werden k¨onnen. Es wird nachfolgend aufgezeigt, wie das durch experimentelle und numerische Untersuchungen turbulenter Str¨ omungen erhaltene Wissen genutzt werden kann, um Modellans¨ atze f¨ ur die unbekannten Reynoldsschen Impulstransportterme zu formulieren. 18.7.2 Allgemeine Betrachtungen zu Wirbelviskosit¨ atsmodellen Im Abschnitt 18.5 wurden die Grundgleichungen der Str¨omungsmechanik herangezogen, d.h. die Kontinuit¨ atsgleichung, die Navier-Stokesschen Gleichungen und die mechanische Energiegleichung, um in diese zeitgemittelte Gr¨ oßen und turbulente Fluktuationen einzuf¨ uhren. Nach erfolgter Zeitmittelung der resultierenden Gleichungen ergaben sich unter Ber¨ ucksichtigung von ∂ (· · ·) = 0 folgende Beziehungen: ∂t –
Kontinuit¨ atsgleichungen: - Mittleres Str¨ omungsfeld:
–
Fluktuierendes Str¨ omungsfeld:
¯i ∂U =0 ∂xi ∂ui =0 ∂xi
Navier-Stokes-Gleichungen: (f¨ ur gj = 0): - Mittleres Str¨ omungsfeld: ¯j ¯j ∂U ∂ P¯ ∂ ∂U ¯ ρ¯Ui =− + − ρ¯ui uj µ ∂xi ∂xj ∂xi ∂xi -
(18.144)
¯j ∂ 12 uj uj ρ¯uj uj ∂U ∂ +p = −ρ¯ui uj − u (18.145) ∂xi ∂xi ∂xi i 2 −µ
∂uj ∂uj ∂ 1 uj uj +µ 2 ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi
Thermische Energiegleichung: - Mittleres Str¨ omungsfeld und Temperaturfeld: ¯ ∂ T¯ ¯i ∂ T = ∂ ρcp U − ρcp ui T λ ∂xi ∂xi ∂xi -
(18.143)
Fluktuierendes Str¨ omungsfeld: ¯i ρ¯U
–
(18.142)
Fluktuierendes Str¨ omungsfeld und Temperaturfeld:
(18.146)
592
18 Turbulente Str¨ omungen
¯i ∂ U ∂xi
1 2 T 2
∂ =− ∂xi
∂ 1 2 T ui − a 2 ∂xi
1 2 T 2
− ui T
∂ T¯ −a ∂xi
2 ∂T ∂xi (18.147)
mit a = λ/(ρcp ) Bei der L¨ osung laminarer Str¨ omungsprobleme war es m¨oglich gewesen, eine Reihe von Problemen, unter Anwendung der Kontinuit¨ats- und der NavierStokesschen Gleichungen analytisch zu l¨ osen, d.h. der zur Verf¨ ugung stehende Satz von Differentialgleichungen stellte in diesen F¨allen ein geschlossenes Gleichungssystem dar.1 Betrachtet man das entsprechende Gleichungssystem f¨ ur turbulente Str¨ omungen, z.B. die Impulsgleichung f¨ ur das mittlere Str¨ omungsfeld, so ist aus den obigen Angaben ersichtlich, dass das Gleichungssystem nicht geschlossen ist. Es treten sechs zus¨atzliche unbekannte Gr¨ oßen auf, n¨ amlich die Korrelationen der Fluktuationen ui und uj , d.h. die Elemente des Tensors: u12 u1 u2 u1 u3 ui uj = u2 u1 u2 2 u2 u3 . (18.148) u3 u1 u3 u2 u32 Damit haben die Ableitungen der f¨ ur turbulente Str¨omungen allgemein g¨ ultigen zeitgemittelten Gleichungen zu einem Schließungsproblem gef¨ uhrt, das es zu l¨ osen gilt, bevor L¨ osungen der obigen Gleichungen f¨ ur turbulente Str¨omungen angestrebt werden k¨ onnen. Mit der Entwicklung geeigneter Schließungsans¨ atze besch¨ aftigt sich die Turbulenzmodell-Entwicklung: –
Unter der Turbulenzmodellierung wird die Entwicklung von Schließungsans¨ atzen verstanden, welche in Form von Zusatzgleichungen formuliert werden und zus¨ atzlich zu den gemittelten Kontinuit¨ats- und NavierStokes-Gleichungen, d.h. den Reynoldsschen Gleichungen, zur L¨osung von Str¨ omungsproblemen Anwendung finden.
Solche Schließungsans¨ atze sollten sich experimenteller Informationen bedienen, so dass fundierte Ans¨ atze f¨ ur Eigenschaften turbulenter Str¨omungsgr¨ oßen in den f¨ ur numerische L¨ osungen ben¨ otigten Zusatzgleichungen Anwendung finden. In der Literatur werden eine Vielzahl von Turbulenzmodellen vorgeschlagen, entwickelt und f¨ ur L¨ osungen angewendet, die sich wie folgt einteilen lassen. Allen in diesem Abschnitt behandelten Modellen ist gemeinsam, dass sie, einem Vorschlag Boussinesq folgend, den Transportmechanismus turbulenter Geschwindigkeitsschwankungen gleich dem Mechanismus setzen, der f¨ ur den Molek¨ ultransport in einem isotropen newtonschen Fluid gilt, d.h. es wird angenommen, dass folgende Beziehung G¨ ultigkeit hat: 1
Unter einem geschlossenen Differentialsystem versteht man eines, in dem die Anzahl der unbekannten Variablen und die Anzahl der zur Verf¨ ugung stehenden Gleichungen gleich sind.
18.7 Turbulenzmodelle
ρ¯ui uj = −ρ¯νT
¯j ¯i ∂U ∂U . + ∂xi ∂xj
593
(18.149)
νT wird als Wirbelviskosit¨ at bezeichnet, die als unbekannte Gr¨oße (Eigenschaft der turbulenten Str¨ omung und nicht des Fluids) zu sehen ist. Aufgabe der oben aufgef¨ uhrten Wirbelviskosit¨ atsmodelle, die im englischen Sprachgebrauch auch als First-Order Closure Modells“ bezeichnet werden, ist die Mo” ur welche die unten aufgef¨ uhrten Gr¨oßendellierung der Wirbelviskosit¨ at νT , f¨ betrachtungen gelten: ρu2c ∼ ρνT
uc ; νT ∼ uc lc . lc
(18.150)
d.h. so lassen sich aus der Definitionsgleichung der Wirbelviskosit¨at νT =
−ui uj
¯j ¯i ∂U ∂U + ∂xi ∂xj
(18.151)
Gr¨ oßenordnungsbetrachtungen durchf¨ uhren, die mittels charakteristischer Zeit- und L¨ angenmaßen der Turbulenz durchzuf¨ uhren sind. Hierbei wird νT oftmals in der Modellierung als skalare Gr¨ oße“ behandelt, obgleich sie per ” Definition eine tensorielle Gr¨ oße“ darstellt. Streng genommen wird durch ” uhrt. die Einf¨ uhrung von νT die Isotropie in die Turbulenz eingef¨ W irb e lv is k o s itä ts m o d e lle
A n a ly tis c h e M o d e lle fü r W irb e lv is k o s itä t
A n a ly tis c h e M o d e lle fü r M is c h u n g s w e g lä n g e
E in g le ic h u n g s tu rb u le n z m o d e lle ( A n a ly tis c h e r A n s a tz fü r lc u n d T ra n s p o rtg le ic h u n g fü r k )
Z w e ig le ic h u n g s tu rb u le n z m o d e lle ( T ra n s p o rtg le ic h u n g fü r k & lc ) M e h rg le ic h u n g m o d e lle ( T r a n s p o r t g l e i c h u n g f ü r u ´i u ´j ) Abbildung 18.15: Klassifizierung von Wirbelviskosit¨ atsmodellen f¨ ur turbulente Str¨ omungen
594
18 Turbulente Str¨ omungen
Die in den einzelnen Modellen verwendeten L¨angen- und Geschwindigkeitsmaßst¨ abe (lc und uc ) sind: k = 12 uk uk
¯
¯
∂U
∂U
Analytische Modelle: lc ; ∂xij lc ; νT ∼ l2 ∂xij , (18.152) Eingleichungsmodelle:
1
lc ;
k2 3 2
;
1 k ; k2 ;
Zweigleichungsmodelle:
1
νT ∼ lc k 2 , νT ∼
(18.153)
2
k .
(18.154)
Analytische Turbulenzmodelle sind dadurch charakterisiert, dass sie den charakteristischen L¨ angenmaßstab der Turbulenz, lc , als eine lokale Eigenschaft der Turbulenz, durch einen analytischen Ansatz beschreiben, der die Verteilung des L¨ angenmaßstabs als Funktion des Ortes angibt. Das charakteristische Geschwindigkeitsmaß wird oftmals durch den lokalen Gradienten des mittleren Geschwindigkeitsfeldes angegeben, multipliziert mit dem charakteristischen L¨ angenmaß der Turbulenz. Damit l¨ asst sich die turbulente Wirbelviskosit¨ at als ein Produkt aus dem Quadrat des charakteristischen L¨angenmaßes der Turbulenz und dem lokalen Gradienten des mittleren Str¨omungsfeldes angeben. Durch die so eingef¨ uhrte Wirbelviskosit¨at entsteht eine Zusatzgleichung, die f¨ ur L¨ osungen turbulenter Str¨ omungsprobleme herangzogen werden kann. Als neue Unbekannte kommt jedoch das charakteristische L¨angenmaß der Turbulenz dazu, das es als Funktion des Ortes vorzugeben gilt, d.h. es ist aus Experimenten zu bestimmen. Die in obigem Blockdiagramm angegebenen Eingleichungsturbulenzmodelle behalten die analytische Beschreibung des turbulenten L¨angenmaßes bei und l¨ osen eine Transportgleichung f¨ ur die turbulente kinetische Energie k. Die in dem Boussinesq-Ansatz f¨ ur die Korrelation −ui uj auftretende Wirbelviskosit¨ at l¨ asst sich somit als eine Gr¨ oße definieren, die aus dem Produkt des analytisch beschriebenen L¨ angenmaßstabs der Turbulenz lc und dem u ¨ ber 1 eine Transportgleichung errechneten k 2 -Wert errechnet wird. In der Transportgleichung f¨ ur k werden die auftretenden Korrelationen h¨oherer Ordnung, die f¨ ur turbulente Str¨ omungsfluktuationen durch die Mittelung der Gleichungen eingebracht wurden, durch geeignete Modellierungsans¨atze eliminiert. Zweigleichungsmodelle stellen Erweiterungen dar, bei denen auch das lokal vorliegende L¨ angenmaß der Turbulenz, d.h. lc u ¨ ber eine Transportgleichung f¨ ur die turbulente Dissipation bestimmt wird. Wird diese Gr¨oße lokal durch L¨ osung einer separaten Transportgleichung berechnet, so kann sie mit der lokal u ¨ber eine Transportgleichung ermittelten turbulenten kinetischen Energie k zu einem L¨ angenmaß der Turbulenz kombiniert werden, dass gilt: 3
lc =
k2
(18.155)
Erfahrungen mit der Anwendung der Turbulenzmodelle in der Praxis haben gezeigt, dass Zweigleichungsmodelle mindestens erforderlich sind, um For-
18.7 Turbulenzmodelle
595
mulierungen der Schließungsans¨ atze zu erreichen, denen eine gewisse Allgemeing¨ ultigkeit zukommt. Wie im Abschnitt 17.7.5 gezeigt wird, lassen sich die in den Transportgleichungen f¨ ur k und auftretenden Konstanten aus Berechnungen von Grundstr¨ omungen ermitteln und auf einen breiten Bereich von praktisch relevanten Str¨ omungen anwenden, derart dass L¨osungen f¨ ur das mittlere Str¨ omungsfeld und die wichtigsten Turbulenzgr¨oßen entstehen, die mit einer f¨ ur die Praxis ausreichenden Genauigkeit mit experimentellen Daten u ¨ bereinstimmen. Der Einsatz analytischer Modelle der Turbulenz bzw. von Eingleichungsturbulenzmodellen f¨ uhrt nicht zu derselben allgemeing¨ ultigen Anwendbarkeit von einmal erfolgten Festlegungen f¨ ur die in den Transportgleichungen auftretenden Konstanten bzw. der analytischen Ausdr¨ ucke f¨ ur das turbulente L¨ angenmaß. F¨ ur die analytischen Modelle und die Eingleichungsturbulenzmodelle gilt es f¨ ur jede Str¨ omungsgeometrie, neue Ans¨atze f¨ ur die Turbulenzgr¨ oßen zu finden und in geeigneten Gleichungen zu formulieren. Eine weitere Verallgemeinerung der Anwendbarkeit von Schließungsans¨ atzen f¨ ur die Reynoldsschen Differentialgleichungen wurde durch sogenannte Reynoldsspannungs-Turbulenzmodelle erreicht, die auf die Verwendung von Wirbelviskosit¨ atsformulierungen f¨ ur die turbulenten Transportglieder verzichten und f¨ ur jeden der aufgef¨ uhrten ui uj -Terme eine Transportgleichung l¨ osen. Diese Transportgleichungen lassen sich in den Grundz¨ ugen aus den Navier-Stokesschen Gleichungen ableiten, f¨ uhren jedoch zu Korrelationstermen h¨ oherer Ordnung, f¨ ur die nun Schließungsans¨atze formuliert werden m¨ ussen. Erfahrungen scheinen zu zeigen, dass diese Schließungsans¨atze leichter in einer allgemeing¨ ultigen Form zu finden sind, als Transportans¨atze f¨ ur Korrelationen niederer Ordnung. Dies ist einer der Hauptgr¨ unde daf¨ ur, dass die allgemeing¨ ultigere Anwendung der Reynoldsspannungs-Turbulenzmodelle gegeben ist. Sie weisen gegen¨ uber den Zweigleichungsturbulenzmodellen eine erh¨ ohte Anzahl von partiellen Differentialgleichungen auf, die es zu l¨osen gilt. Die Bereitstellung erh¨ ohter Rechenkapazit¨ aten und zunehmender Rechenleistungen lassen diese Art der Turbulenzmodellierung f¨ ur praktische Rechnungen schon heute als praktisch interessant bezeichnen. Obgleich die oben aufgef¨ uhrten Turbulenzmodelle im wesentlichen lokale Gr¨ oßen zur Bestimmung turbulenter Transportgr¨oßen verwenden, beinhalten die L¨ osungen der die Turbulenzeigenschaften beschreibenden Differentialgleichungen auch globale Informationen u ¨ber das gesamte Str¨omungsfeld und ber¨ ucksichtigen so, dass die berechneten Turbulenzgr¨oßen die Wirkung eines ganzen Spektrums von Wirbelgr¨ oßen umfasst, also auch Wirbelgr¨oßen von der Gr¨ oßenordnung des gesamten Str¨ omungsfeldes. Die f¨ ur k und gel¨ osten Transportgleichungen ber¨ ucksichtigen auch die an den Str¨omungsberandungen vorliegenden Werte dieser Gr¨ oßen und es gehen in die Berechnungen zudem lokale Transportvorg¨ ange ein. Dennoch liefern die aufgef¨ uhrten Turbulenzmodelle Anlass zu Diskussionen, ob sie alle wesentlichen Eigenschaften der Turbulenz und deren Auswirkungen auf die Unbekannten ui uj -
596
18 Turbulente Str¨ omungen
Korrelationen ausreichend erfassen. Kl¨ arungen offener Fragen lassen sich von detaillierten experimentellen Untersuchungen erhoffen, wie sie mit modernen Methoden der Str¨ omungsmesstechnik (Laser-Doppler-Anemometrie und Hitzdraht-Anemometrie) heute m¨ oglich sind. 18.7.3 Nullgleichungs-Wirbelviskosit¨ ats-Modelle Im vorausgegangenen Abschnitt wurde die von Boussinesq vorgeschlagene Einf¨ uhrung einer turbulenten Wirbelviskosit¨ at als eine ein isotropes Turbulenzfeld kennzeichnende Gr¨ oße kurz erl¨ autert. Die postulierte Analogie zwischen molek¨ ulbedingtem Impulstransport und einem turbulenzbedingten Impulstransport f¨ uhrt zu dem Ansatz: ¯ ¯i ∂U ∂ Uj + (18.156) (τturb )ij = ρui uj = −ρνT ∂xi ∂xj der f¨ ur planparallele Str¨ omungen auf einen einzigen Term reduziert wird omungsrichtung; x2 = senkrecht zur Str¨omungsrichtung und zur (x1 = Str¨ Wand): ¯1 ∂U . (18.157) ρu2 u1 = ρνT ∂x2 ¨ Zur Bestimmung von νT bediente sich Prandtl einfacher Uberlegungen, die der kinetischen Gastheorie entnommen sind und dort zur Ableitung des molek¨ ulbedingten Impulstransports, d.h. der Fluidviskosit¨at, herangezogen wurden. Durch Einf¨ uhren sogenannter Turbulenzballen gelingt es, dem Vorschlag Prandtls folgend, impulstransportierende Einheiten“ des turbulen” ten Str¨ omungsfeldes zu schaffen. Diese Turbulenzballen f¨ uhren stochastische Bewegungen im Raum aus und u ¨ berstreichen dabei eine Wegl¨ange lm , die sogenannte turbulente Mischungswegl¨ ange, bevor sie mit anderen Turbulenzballen in Wechselwirkung treten und dabei Impuls austauschen. Dies bedeutet, dass die in Wirklichkeit auftretende kontinuierliche Wechselwirkung zwischen turbulenten Str¨ omungsteilgebieten durch einen Ersatzprozess model¨ liert wird, der die Wechselwirkung von Turbulenzballen erst nach Uberstreichen einer endlichen Distanz vorsieht. Inwieweit dieser Ersatzprozess in der Lage ist, die sich in Wirklichkeit abspielenden turbulenten Transportvorg¨ange richtig zu erfassen, m¨ ussen Vergleiche theoretisch abgeleiteter Erkenntnisse mit entsprechenden experimentellen Ergebnissen aufzeigen. Ber¨ ucksichtigt man die obigen Darstellungen, so kann ein Turbulenzfeld in Turbulenzballen unterteilt werden und zwar derart, dass pro Volumeneinuhren stochastische Bewegungen aus, so dass heit nT Ballen vorliegen. Diese f¨ sich im Mittel in jede der positiven und negativen Richtungen eines kartesischen Koordinatensystems (1/6nT ) Turbulenzballen bewegen. In der Zeit uhrte ∆t werden durch die Fl¨ ache a2 eines Kontrollvolumens die unten aufgef¨
18.7 Turbulenzmodelle
597
Anzahl von Turbulenzballen getragen, wobei |u2 | als die in x2 -Richtung gegebene Geschwindigkeit der Ballen angenommen wurde, d.h. es wird in der Betrachtung uc = |u2 | gesetzt. 1 1 nT a2 |u2 | ∆t = nT a2 uc ∆t. 6 6
(18.158)
ur die durch Teilt man jedem Turbulenzballen die Masse ∆mT zu, so gilt f¨ die Fl¨ ache a2 in der Zeit ∆t, in positiver und negativer x2 -Richtung, transportierte Masse: ρ 1 nT ∆mT a2 uc ∆t = a2 uc ∆t. (18.159) 6 6 Verbunden damit ist der in positiver Richtung erfolgende Impulstransport: J+ =
ρ 2 ¯1 (x2 − lm ) a uc ∆tU 6
(18.160)
und in negativer Richtung: ρ ¯1 (x2 + lm ) . J − = − a2 uc ∆tU 6
(18.161)
Die Impulstransportdifferenz, die u ache a2 in der Zeit ∆t erfolgt, ¨ ber die Fl¨ ist somit: 1 2 ρ ¯1 (x2 − lm ) − U ¯1 (x2 + lm ) . ∆J = J + + J − = a2 uc ∆t U (18.162) 6 Pro Zeit und Fl¨ acheneinheit ergibt sich somit: 2 ρ 1¯ ∆J ¯ = (τturb )21 = uc U 1 (x2 − lm ) − U1 (x2 + lm ) . 2 a ∆t 6
(18.163)
Nach erfolgter Taylorreihenentwicklung f¨ ur die Geschwindigkeitsdifferenz und Subtraktion f¨ ur U1 (x2 − lm ) und U2 (x2 + lm ) erh¨alt man: ¯ ∂ U1 ρ (τturb )21 = uc −2 lm (18.164) 6 ∂x2 oder umgeschrieben: (τturb )21
ρ = − u c lm 3
¯1 ∂U ∂x2
(18.165)
Ber¨ ucksichtigt man, dass der durch |u2 | erfolgende Beitrag durch den Term gegeben ist:
¯1
∂U
lm = u c ,
(18.166) |u2 | =
∂x2
so gilt damit:
598
18 Turbulente Str¨ omungen
(τturb )21 =
−ρu2 u1
¯1 ρ 2
∂ U = − lm
3 ∂x2
¯1
∂U
∂x2 .
(18.167)
F¨ uhrt man den Prandtlschen Mischungsweg ein als lp2 =
1 2 l , 3 m
(18.168)
so erh¨ alt man die Endbeziehung: (τturb )21 =
¯1
∂U ∂x2
−ρlp2
und damit die turbulente Viskosit¨ at als:
¯ 2 ∂ U1 νT = lp
∂x2
¯1
∂U
∂x2
.
(18.169)
(18.170)
Entsprechend den Darstellungen in Abschnitt 18.7.2 ergeben sich somit f¨ ur das Prandtlsche Mischungswegl¨ angenmodell die folgenden Zeit- und Geschwindigkeitsmaßst¨ abe der Turbulenz:
¯1
∂U
lc = lp , uc = lp
(18.171) ∂x2
lp ist somit als Unbekannte in den obigen Ableitungen zu sehen. Sie muss als lokale Gr¨ oße f¨ ur jedes zu untersuchende, turbulente Str¨omungsfeld angegeben werden, bevor L¨ osungen der Grundgleichungen f¨ ur turbulente Str¨ omungen angestrebt werden k¨ onnen. Um dies zu verdeutlichen, soll untenstehend die turbulente Kanalstr¨ omung als Beispiel behandelt werden, f¨ ur die folgende Grundgleichungen gelten: Kontinuit¨ atsgleichung: ¯ ∂ U2 =0 ∂x2
;
¯2 = const = 0 U
(18.172)
Reynoldssche Gleichungen: 0=−
¯1 dU − ρu2 u1 , ρν dx2 d ∂ P¯ −ρu22 + 0=− ∂x2 dx2
∂ P¯ ∂ + ∂x1 ∂x2
(18.173) (18.174)
und die Randbedingungen: ¯1 = 0; u 2 = 0; ρu u = 0 x2 = ±D : U 2 2 1
und
P (x1 , x2 ) = Pw (x1 ), (18.175)
18.7 Turbulenzmodelle
x2 = 0
Symmetriebedingungen
∂ (· · · ) = 0. ∂x2
599
(18.176)
Die Integration der zweiten Reynoldsschen Gleichung ergibt:
P (x1 , x2 ) = Pw (x1 ) − ρu22 .
(18.177)
Damit ergibt sich aus der zweiten Reynoldsschen Gleichung:
x
K a n a lw a n d
2
tu r b u le n te s G e s c h w in d ig k e its p r o fil
-y D
t
x D
g e s
1
y
Abbildung 18.16: Turbulente Kanalstr¨ omung
∂P dPw = , ∂x1 dx1
(18.178)
da wegen der Annahme eines auch in den Turbulenzgr¨oßen vollentwickelten Str¨ omungsfeldes folgendes gilt: ∂ −ρu 22 = 0. ∂x1
(18.179)
Diese Beziehungen bringen zum Ausdruck, dass die sich im Str¨omungsfeld einstellende Druck¨ anderung in Str¨ omungsrichtung gleich dem Druckgradienten entlang der Wand ist. Als Integralbeziehung ergibt sich f¨ ur den in Abb. 18.16 angezeichneten Kanal: ∂Pw 2τw BL = L 2DB (18.180) ∂x1 oder τw = D
∂P ∂x1
;
u2τ =
D ∂Pw τw = . ρ ρ ∂x1
Die erste Reynoldssche Gleichung l¨ asst sich somit schreiben:
(18.181)
600
18 Turbulente Str¨ omungen
dPw ρ d ∂P = = u2τ = ρν ∂x1 dx1 D dx2
¯1 νT dU 1+ ν dx2
(18.182)
oder ausgedr¨ uckt in der Wandkoordinate y: y = D − x2
Mit νT =
lP2
¯1
dU
dy
und dy = − dx2 , ¯1 u2τ d νT dU =ν 1+ . D dy ν dy
(18.183) (18.184)
und dem von Prandtl vorgeschlagenen linearen Ansatz:
lP = κy
ergibt sich: u2τ d = νD dy
κ2 y 2 1+ ν
¯1
dU
dy
(18.185)
¯1
dU
.
dy
(18.186)
Um die obigen Gleichungen zu l¨ osen, empfiehlt es sich, die erste Integration f¨ ur die Impulsgleichung in der folgenden Form durchzuf¨ uhren: dPw τw d ∂P = =− =− (τtot )21 ∂x1 dx1 D dy
(18.187)
y τw y + C = −τw 1 − , D D wobei y = D − x2 ber¨ ucksichtigt wurde. Somit gilt:
(18.188)
¯1 y dU + ρu2 u1 = −τw 1 − , dy D
(18.189)
¯1 ¯1 dU y dU − ρνT = τw 1 − . dy dy D
(18.190)
und
(τtot )21 =
−ρν ρν Setzt man U1+ =
und mit
¯1 U yuτ , so erh¨ alt man: und y + = uτ ν νT dU1+ y+ 1− = 1− + ν dy + D
¯1 + ,2 dU +
l2 dU νT 1
= l+
= P
P
dy + , ν ν dy
+ ,2 dU1+
y+ dU1+
= 1 − . 1 + lP+
dy +
dy + D+
F¨ uhrt man die von Prandtl vorgeschlagene lineare Beziehung ein:
(18.191)
(18.192) (18.193)
18.7 Turbulenzmodelle
lP+ = κy + ,
(18.194)
so erh¨ alt man:
dU1+ 1 + κ2 y +2
dy +
dU1+ y+
= 1 − .
dy + D+
+
dU1
F¨ ur die obere Halbebene der Kanalstr¨ omung war dy+
= somit: 2 dU1+ dU1+ 1 1 y+ + − 1 − =0 dy + κ2 y +2 dy + κ2 y +2 D+
oder nach
601
dU1+ dU1+ aufgel¨ o st ergibt sich (f¨ u r > 0) dy + dy + 9 : + : 1 + 4κ2 y +2 1 − y + + D dU1 1 : = − 2 +2 + : . ; dy + 2κ y 4κ4 y +4
(18.195) ∂U1+ ∂y +
gilt
(18.196)
(18.197)
A
oder umgeschrieben: √ √ − 2κ12 y2 + A 2κ12 y2 + A dU1+ = . √ 1 dy + + A
(18.198)
2κ2 y 2
ergibt: dU1+ dy +
-
= 1+
2 1−
y+ D+
1 + 4κ2 y +2 1 −
so dass U1+ wie folgt berechnet werden kann: + + y y " 2 1 − D+ # U1+ = 0
1+
1 + 4κ2 y +2
,
(18.199)
+ dy .
(18.200)
y+ D+
+
y 1− D +
Detaillierte Betrachtungen des Turbulenzverhaltens in Wandn¨ahe ergaben, dass die in Wandn¨ ahe erfolgende D¨ ampfung der Turbulenz in dem von ¨ Prandtl vorgeschlagenen linearen Ansatz nicht ber¨ ucksichtigt wird. Uber Betrachtungen des Stokes-Problems einer viskosen Str¨omung, die parallel zu einer feststehenden Wand oszilliert, leitete Van Driest einen D¨ampfungsfaktor ab, der in dem Ansatz f¨ ur den Prandtlschen Mischungsweg ber¨ ucksichtigt werden kann. Diese Ber¨ ucksichtigung f¨ uhrt zu der Gleichung:
602
18 Turbulente Str¨ omungen
. lvD = lP
y Uτ 1 − exp − ν+ A
0/ ,
(18.201)
wobei A+ = 26 von Van Driest aus experimentellen Ergebnissen bestimmt ahert sich der oben aufgef¨ uhrte D¨ampwurde. F¨ ur große Werte von y + n¨ fungsfaktor dem Wert 1 und der Van Driestsche Mischungswegansatz und der Prandtlsche Ansatz gehen ineinander u ¨ ber. In Wandn¨ahe erfolgt durch die viskose D¨ ampfung eine Reduktion der Mischungswegl¨ange, die in dem Exponentialterm des Van Driestschen Ansatzes ber¨ ucksichtig wird. ¨ Es empfehlen sich abschließend noch einige Uberlegungen zu dem Prandtlschen Mischungswegansatz und zu den abgeleiteten Endbeziehungen f¨ ur den turbulenten Impulstransport: ¯ ¯ ∂ U1 lP ∂ U1 2 = −uc . (18.202) −u1 u2 = −lP uc ∂x2 uc ∂x2 F¨ uhrt man die zwei Zeitmaßst¨ abe ein: τc =
charakteristisches Zeitmaß der Turbulenz:
lP , uc
charakteristisches Zeitmaß des mittleren Str¨omungsfeldes: τM =
1 ¯1 ∂U ∂x2
so gilt: −u1 u2 = −u2c
,
τc . τM
(18.203)
F¨ ur turbulente Str¨ omungen, f¨ ur welche die Turbulenz f¨ ur eine lange Zeit einem mittleren Str¨ omungsfeld mit konstanter Deformation ausgesetzt ist, stellt sich ein konstantes Verh¨ altnis des oben angegebenen Zeitmaßes ein, so dass dann gilt: u1 u2 = const · u2c (18.204) Aus diesem Grunde gilt u ¨ ber weite Bereiche solcher turbulenter Str¨omungen: u u R12 = 1 2 = const u12 u22
(18.205)
Trotz des Sachverhaltes, dass die konstante Deformationsrate in turbulenten Wandgrenzschichten nicht gew¨ ahrleistet ist und somit Turbulenzelemente bei ihrem Weg durch das Str¨ omungsfeld unterschiedliche Deformationsfelder erfahren, gilt die obige Beziehung auch u ¨ ber weite Bereiche solcher Grenzschichten. Dies ist in Abb. 18.17 angedeutet.
18.7 Turbulenzmodelle
R
603
0 .3 2 1 2
0 .2 4 0 .1 6 0 .0 8 0 .0 0
0 .0
0 .1
0 .2
0 .3
0 .4
0 .5
0 .6
0 .7
0 .8
0 .9
r / R
1 .0
Abbildung 18.17: Korrelationskoeffizient R12 f¨ ur turbulente Rohrstr¨ omungen
Wird die Turbulenzmodellierung nur f¨ ur eine Klasse von Str¨omungen angestrebt, z.B. turbulente Wandgrenzschichten, so kann auch aus Experimenur die expeten R12 als Funktion des Ortes angegeben werden. So gilt z.B. f¨ rimentell erhaltene Verteilung zu Abb. 18.17: R12 = f
r
u u u u ≈ 1 2. = 1 2 R k u12 u22
(18.206)
ur u1 u2 berechenbar und Kennt man k, so ist u ¨ber R12 der lokale Wert f¨ kann in der Impulsgleichung zur Berechnung des mittleren Str¨omungsfeldes herangezogen werden. 18.7.4 Eingleichungs-Wirbelviskosit¨ ats-Modelle Die im Abschnitt 18.6.3 behandelte Klasse von Turbulenzmodellen unternimmt den Versuch, die Impulstransporteigenschaften turbulenter Str¨omungen mit der Hilfe eines einzigen Parameters zu erfassen, n¨amlich der Prandtlschen Mischungsl¨ ange. Diese wird in die Betrachtungen geometriespezifisch eingebracht und in Form einer algebraischen Gleichung angegeben, wobei die f¨ ur die Turbulenz charakteristische Geschwindigkeit u ¨ ber den Mischungsweg und dem Gradienten des mittleren Geschwindigkeitsfeldes eingebracht wird. Um nun eine Modellerweiterung zu erreichen, wird die den turbulenten Impulstransport kennzeichnende charakteristische Geschwindigkeit wie folgt angesetzt: 1 1 mit k = ui ui . (18.207) uc = k 2 , 2 Mit dem f¨ ur Eingleichungsmodelle charakteristischen L¨angenmaß lc ergibt 1 sich somit νT = (lc )1 k 2 . Hierbei ist k die lokale turbulente kinetische Energie, die durch folgende Transportgleichung beschrieben wird:
604
18 Turbulente Str¨ omungen
)
*
∂uj 2 − , ∂xi (18.208) ¨ so dass sich die turbulenten Transporteigenschaften (18.208) mit den Anderungen der Turbulenz im Str¨ omungsfeld ¨ andern. Es ist in der Turbulenzmodellierung u ¨ blich, die obige Gleichung wie folgt umzuschreiben: ¯i ∂k = ∂ U ∂xi ∂xi
∂uj p u 1 − i + νuj − uj uj ui ρ ∂xi 2
¯j ∂U −ν ∂xi
ui uj
Diffusion
Produktion Dissipation ∂Di ∂k ¯i , = − + U P − ∂xi ∂xi wobei gilt:
)
∂uj p u 1 Di = − − i + νuj − uj uj ui ρ¯ ∂xi 2
(18.209)
* (18.210)
und
¯j ∂uj ∂uj ∂U =ν . (18.211) ∂xi ∂xi ∂xi Mit den in der heutigen Turbulenzmodellierung u ur Di , P ¨ blichen Ans¨atzen f¨ und ergibt sich folgende L¨ osung: ¯ 3 ¯j ¯i ∂ U ∂k ∂ Uj k2 ∂U νT ¯i ∂k = ∂ U + νT + − CD . ν+ ∂xi ∂xi σk ∂xi ∂xi ∂xj ∂xi (lc )1 P = −ui uj
Diffusion
Produktion
Dissipation
(18.212) Hierbei stellt der zweite Term auf der rechten Seite der Gleichung (18.212) die Produktion der Turbulenz durch das mittlere Str¨omungsfeld dar, der wie folgt angegeben wurde: ¯ ¯j ¯j ¯i ∂ U ∂ Uj ∂U ∂U = νT + . (18.213) −ui uj ∂xi ∂xi ∂xj ∂xi Der erste Term auf der rechten Seite umfasst σk , eine Gr¨oße, die angibt wie die turbulente Diffusion von k mit der Impulsdiffusion νT zusammenh¨angt, altnis von turbulenter Impuls- zu turbulenter Energied.h. σk gibt das Verh¨ dissipation an. Der dritte Term auf der rechten Seite der Gleichung (18.212) gibt die turbulente Dissipation an, f¨ ur die im Gleichgewicht gilt: u3 P ∼ c ∼ lc
3
;
k2 = CD . (lc )1
(18.214)
Die in ein Turbulenzmodell eingef¨ uhrten Konstanten m¨ ussen aus Experimenten bestimmt werden. Man bedient sich dazu der zweidimensionalen Form der k-Gleichung f¨ ur eine Grenzschichtstr¨ omung. ¯ 2 3 ∂k ∂ Ux ∂ ∂k ¯ ∂k k2 νT ¯ Ux + Uy = − cD . (18.215) ν+ + νT ∂x ∂y ∂y σT ∂y ∂y (lc )1
18.7 Turbulenzmodelle
605
Im Gleichgewichtsbereich (inertial subrange) gilt nun P = , d.h. es l¨asst sich angeben: ¯ 2 3 dUx k2 = +CD . (18.216) νT dy (lc )1 Beachtet man, dass gilt: τxy = −ρνT Mit τw /ρ = u2τ erh¨ alt man: τw /ρ
¯x dU dy
¯x ∂U ∂y
≈ −τw .
= CD
l¨ asst sich angeben: k+ =
(18.217)
¯x k 1/2 k 3/2 ∂U ≈ und mit (lc )1 ∂y (lc )1
k −1 = CD 2 2 uτ
(18.218)
¨ Ahnlich wie in Abschnitt 18.6.3 wurden f¨ ur das Eingleichungs k-l-Modell auch Ans¨ atze gew¨ ahlt, welche in Wandgrenzschichten die Wandn¨ahe ber¨ uckuhren, je nachsichtigen, die zu unterschiedlichen Ans¨ atzen f¨ ur (lc )1 -Werte f¨ dem ob man den Diffusions- oder den Dissipationsterm betrachtet: 1
(lc )1,ν = CD4 κy [1 − exp (−Aν RT )] mit Aν = 0, 016 und
(18.219)
1
(lc )1,D = CD4 κy [1 − exp (−AD RT )] mit AD = 0, 26
(18.220)
1
wobei RT =
k2y die Abstands-Re-Zahl darstellt: ν 1
(lc )1 = lP CD4 .
(18.221)
Aus Grenzschichtdaten ergibt sich CD ≈ 0,09. Mit diesem Wert ist es nun m¨ oglich die Reynoldsschen Gleichungen unter Anwendung des k-lEingleichungsturbulenzmodells zu integrieren. Zur Bestimmung des CD -Wertes wurde der Gleichgewichtsbereich (equilibrium region) einer Grenzschicht herangezogen. Die Abb. 18.18 zeigt auf, wo dieser Bereich in Bezug auf die k + –Verteilung und auf die U + –Verteilung gelegen ist. Es ist auch u ¨ blich, andere charakteristische Bereiche turbulenter Str¨omungen heranzuziehen, um die freien Konstanten“ in Turbulenzmodellen zu be” stimmen. Insgesamt stehen die unten angegebenen Bereiche zur Verf¨ ugung. Diese werden mit Bezeichnungen eingef¨ uhrt, wie sie im englischen Sprachgebrauch u ¨ blich sind.
606
18 Turbulente Str¨ omungen K
}
h
}
}
0
w a n d n a h e B e re ic h
G le ic h g e w ic h ts B e re ic h
y
K e rn b e re ic h
Abbildung 18.18: Bereiche der turbulenten Kanalstr¨ omung
Equilibrium Range: 0=P −
(18.222)
Decay Range: Ui
∂k = − ∂xi
(18.223)
Ui
∂k =P ∂xi
(18.224)
Rapid Distortion:
18.7.5 Zweigleichungs-Wirbelviskosit¨ ats-Modelle Praktische Erfahrungen mit Turbulenzmodellen zeigen, dass abz¨ uglich der allgemeinen Anwendbarkeit, das k-l-Eingleichungsmodell eine wesentliche Verbesserung im Vergleich zu den Nullgleichungsmodellen darstellt. Es gelingen jedoch nur dann sehr gute Berechnungen turbulenter Str¨omungen, wenn nur geringe Str¨ omungsbeschleunigungen bzw. Verz¨ogerungen auftreten, d.h. Str¨ omungen mit starken Druckgradienten k¨ onnen nur sehr unbefriedigend mit k-l-Eingleichungsmodellen berechnet werden. Die Erfahrung zeigt, dass die Begrenzung der Anwendbarkeit von k-l-Eingleichungsmodellen in der algebraischen Form der l-Vorgabe liegt, die oftmals bedeutet, dass die Anwendbarkeit auf solche Str¨ omungen beschr¨ ankt bleibt, die zur Ableitung des k-l-Eingleichungsmodells Anwendung fanden. Dies ist der Grund f¨ ur die Einf¨ uhrung von Zweigleichungs-Wirbelviskosit¨atsmodellen. Eines dieser
18.7 Turbulenzmodelle
607
Modelle ist das k--Modell, das auf der L¨ osung der folgenden zwei Differentialgleichungen beruht: k-Gleichung: ∂uj ∂uj p ∂ uj uj ∂2k ∂k ∂k ∂Uj + Ui + = −ui uj − ui −ν +ν ∂t ∂xi ∂x ∂x 2 ρ ∂xi ∂xi ∂x ∂x i i i i Dk Dt
P
T
D
(18.225) P = Produktionsterm, T = Transportterm, = Dissipationsterm, D = Diffusionsterm -Gleichung: ∂uj ∂uj ∂Uk ∂ ∂ ∂ uj ∂uk ∂Uj + Ui = −2ν −2ν ∂t ∂xi ∂xi ∂xi ∂xk ∂xk ∂xi ∂xi P1
∂uj −2νuk ∂xi
∂ 2 Uj ∂xk ∂xi
P3
−
∂uj
P2
∂uj
∂uj ∂uj ∂uk ∂ −2ν νuk − ∂xi ∂xi ∂xk ∂x ∂x ∂xi k i 4 T P 2 − d&2C → 0 vortex stretching term
∂ 2 uj ∂ 2 uj ∂ 2ν ∂uk ∂p ∂2 − 2ν 2 +ν ∂x ρ ∂xi ∂xi ∂xi ∂xk ∂xi ∂xk ∂xk ∂xk k γ>0
M
D
(18.226) k 3/2 Die Wirbelviskosit¨ at l¨ asst sich mit k und , d. h. mit uc = k 1/2 und lc = wie folgt definieren: k2 νT = Cµ . Dabei werden k und aus den obigen modellierten Differentialgleichungen bestimmt. Hierbei ist gut zu wissen, dass in der Turbulenzmodellierung die obenstehende k-Gleichung als f¨ ur praktische Berechnungen ausreichend gut modelliert angesehen wird, w¨ ahrend ¨ ahnlich befriedigende Modellierans¨atze f¨ ur die -Gleichung nicht vorliegen. Die heute oftmals verwendeten Modellgleichungen lauten: k-Gleichung
∂Uj + ∂xi νt ∂ + ∂xi σK
∂k ∂k = νt + Ui ∂t ∂xi
∂Ui ∂xj ∂k ∂xi
∂Uj ∂xi −+ν
∂2k ; ∂xi ∂xi
(18.227)
608
18 Turbulente Str¨ omungen 2
k νt ∼ = 0.09 -Gleichung:
∂Uj ∂ νt ∂ 2 ∂2 −c2 f + +ν ∂xi k ∂xi σ ∂xi ∂xi ∂xi (18.228) Dabei beruht die Modellierung des letzten Termes in der -Gleichung auf dem Ansatz: 2 1 U 2 k2 . (18.229) = P ∼k ; ν lc λ2 k ∂ ∂ +Ui = c1 νt ∂t ∂xi R
∂Uj ∂Ui + ∂xi ∂xj
F¨ ur die Grenzschichtformulierung der Reynolds- und k--Turbulenzmodellgleichungen gilt f¨ ur hohe Re-Zahlen: ∂Uy ∂Ux + = 0, ∂x ∂y ∂ 1 ∂P ∂Ux ∂Ux ∂Ux + Uy = Fx − + Ux (ν + νT ) , ∂x ∂y ρ ∂x ∂y ∂y 2 ∂Ux ∂k ∂ νT ∂k ∂k + = Ux − , + νT ∂x ∂y ∂y σk ∂y ∂y 2 ∂ νT ∂ ∂ ∂ νT ∂Ux 2 + Uy = Ux − C2 . + C1 ∂x ∂y ∂y σ ∂y k ∂y k
(18.230)
(18.231)
(18.232)
(18.233)
k2 = 1, 45, C2 = 2, 0
νT = Cµ Cµ = 0, 09, σk = 1, 0, σ = 1, 3, C1
¯ 2 U = ; cµ = Zur Bestimmung von cµ gilt wiederum der Ansatz νT ∂∂y 2 = 0, 09. Dies l¨ asst sich aus Messungen von Wandgrenzschichten cD = uk2 τ bestimmen.
18.8 Turbulente Wandgrenzschichten Turbulente Grenzschichtstr¨ omungen, deren wesentlichen Eigenschaften durch die Pr¨ asenz einer Wand bestimmt sind, nennt man Wandgrenzschichten. Als klassische Beispiele sind zu nennen: – –
Interne Str¨ omungen: Ebene Kanalstr¨ omung und Rohrstr¨omung Externe Str¨ omungen: Ebene Plattenstr¨ omung und Filmstr¨omung
18.8 Turbulente Wandgrenzschichten
609
E b e n e K a n a ls tr ö m u n g
R o h r s tr ö m u n g
N o rm ie ru n g d e r S trö m u n g s d a te n w ird w ie fo lg t m ö g lic h
A ll d ie s e S trö m u n g e n s in d d a d u rc h c h a ra k te ris ie rt, d a s s e in Im p u ls v e rlu s t a n d e r W a n d a u ftritt
F ilm s tr ö m u n g
W a n d g r e n z s c h ic h t
Abbildung 18.19: Beispiele von internen und externen Wandgrenzschichten
Diese Str¨ omungen sind in Abb. 18.19 skizziert. Ihr wesentliches Merkmal ist der allen Str¨ omungen eigene Impulsverlust an eine Wand, d. h. das in allen F¨ allen vorliegende τw . Ferner auch die Eigenschaften des Fluids, die Dichte ρ und die dynamische Viskosit¨ at µ. Um die Eigenschaften von turbulenten Grenzschichten einf¨ uhrend zu behandeln wird untenstehend die vollentwickelte, zweidimensionale, ebene, turbulente Kanalstr¨ omung genaueren Betrachtungen unterzogen. Aus den Reynoldschen Gleichungen, siehe Abschnitt 18.5.2, lassen sich, f¨ ur Kanalstr¨ omungen mit den oben aufgef¨ uhrten Eigenschaften, folgende reduzierte Gleichungen angeben: ¯1 U ∂P + dxd 2 µ ddx − ρu1 u2 (18.234) x1 − Impulsgleichung : 0 = − ∂x 1 2 2 ∂P d x1 − Impulsgleichung : ρu (18.235) 0 = − ∂x − 2 dx2 2 (18.236) x3 − Impulsgleichung : 0 = − dxd 2 u2 u3 Die letzte partielle Differentialgleichung (18.236) l¨asst sich integrieren und ergibt, wegen der Wandrandbedingung u2 u3 = 0, dass die Korrelation u2 u3 im genannten Gebiet zwischen den Platten des Kanals den Wert u2 u3 = 0 besitzt. Die Integration der zweiten Differentialgleichung (18.235) ergibt: P (x1 , x2 ) = Pw (x1 ) − ρu2 2
(18.237)
610
18 Turbulente Str¨ omungen
wobei ρu2 2 = f (x2 ) ist, da in x1 –Richtung die Str¨omung als vollentwickelt angenommen wurde. Dennoch, die oben angef¨ uhrte Beziehung bringt zum Ausdruck, dass sich der Druck in einer turbulenten Kanalstr¨omung u ¨ber den ¨ Querschnitt ¨ andert. Die Anderung erweist sich jedoch als derart klein, dass sie f¨ ur praktische Betrachtungen der Eigenschaften vollentwickelter, zweidimensionaler, ebener, turbulenter Kanalstr¨ omungen vernachl¨assigt werden kann. Somit ergibt sich aus (18.237) f¨ ur den Druckgradienten ∂P dPw ≈ ∂x1 dx1
(18.238)
Eingesetzt in Gleichung (18.234) erh¨ alt man: ¯1 dPw d dτges dU = − ρu1 u2 = µ dx1 dx2 dx2 dx2
(18.239)
τges
F¨ uhrt man zur Skalierung der obigen Gleichungen die Geschwindigkeits- und L¨ angsskalen ein: x
2
y x
2 H
1
Abbildung 18.20: Ebene Kanalstr¨ omung mit Wandkoordinate y f¨ ur x1 = const.
uτ =
τw ρ
und
"e =
ν uτ
(18.240)
so l¨ asst sich die Impulsgleichung (18.239) wie folgt in allgemeiner Form schreiben: + dU1+ y+ u = 1 − + u (18.241) 1 2 dy + Reτ Dabei werden eingef¨ uhrt: y = H − x2 U1+ =
U1 ; uτ
y+ =
yuτ ; ν
Reτ =
Huτ ν
und
+ u u u1 u2 = 12 2 uτ
(18.242)
Mit diesen in (18.242) eingef¨ uhrten normierten Gr¨oßen l¨asst sich aus (18.243) die Gleichung (18.241) ableiten. Die letztere Beziehung umfasst vier Terme, die sich alle in Abb. 18.21 eintragen lassen.
18.8 Turbulente Wandgrenzschichten
611
Abb. 18.21 umfasst die Horizontale mit dem Wert 1, die Gr¨oße −y + /Reτ und die Gr¨ oße −u1 u2 sowie du+ / dy + . Aus (18.239) erh¨ alt man: τw τw x2 = (H − y) H H so dass sich die einzelnen Terme in der Gleichung (18.242), wie in Abb. 18.21 aufgezeigt, angeben lassen. Es ist offensichtlich, dass der Term dU1+ / dy + u omung den kleinsten Wert in der normierten Im¨ ber weite Bereiche der Str¨ pulsgleichung (18.241) darstellt. τges =
Abbildung 18.21: Terme der Impulsgleichung f¨ ur 2-dimensionale Kanalstr¨ omung
Um Informationen u ur ebene Kanalstr¨omungen zu erhal¨ber dU1+ / dy + f¨ ten, wurden am Lehrstuhl f¨ ur Str¨ omungsmechanik der Friedrich–Alexander– Universit¨ at Erlangen–N¨ urnberg Laser–Doppler– und Hitzdrahtmessungen durchgef¨ uhrt, um U1 (y)–Verteilungen experimentell zu erhalten. In Verbindung mit Schubspannungsmessungen wurde eine Auftragung der Messwerte in der Form: , + dU1+ (18.243) ln = f ln y + + dy erreicht und hieraus wurde ermittelt, dass f¨ ur hohe Re–Zahlen, die in Abb. 18.22 aufgetragenene mittleren Geschwindigkeitsmesswerte, wie folgt beschrieben werden k¨ onnen: dU1+ e ln (18.244) = − ln y + + 1 ≡ ln + + dy y
612
18 Turbulente Str¨ omungen
Daraus ergibt sich: U1+ = e ln y + + B, d. h. die normierte Geschwindigkeitsverteilung in einer ebenen Kanalstr¨ omung l¨ asst sich u ¨ ber einen weiten Bereich des Kanalquerschnitts durch eine logarithmische Geschwindigkeitsverteilung beschreiben: 1 κ = 1/e (18.245) U1+ = ln y + + B mit κ B = 10/e Diese Werte wurden durch die experimentellen Untersuchungen am LSTMErlangen gefunden. Abb. 18.22 zeigt, dass die doppellogarithmische Auftragung eine Gerade mit der Steigung −1 ergibt. In der Literatur finden sich eine Vielzahl von
Abbildung 18.22: Darstellungen experimenteller Untersuchungen zur Bestimmung des logarithmischen Wandgesetzes
Untersuchungen, die auf die Bestimmung von κ–Werten und Werten f¨ ur die additive Konstante B des logarithmischen Wandgesetzes abzielten. Untenstehend ist eine Zusammenfassung dieser Werte gegeben. Die große Streuung unter den Werten ist vorrangig auf den Einsatz von Messverfahren zur¨ uckzuf¨ uhren, die keine ausreichend lokalen Messungen der mittleren Geschwindigkeiten zulassen. Ferner wurden Effekte, die bei niederen Reynoldszahlen auftreten, in die Auswertungen einbezogen. Ber¨ ucksichtigt man all die Einfl¨ usse, d.h. l¨ asst man nur Hitzdraht und Laser-Doppler-Messungen zu, so erh¨ alt man die in (18.245) f¨ ur κ und B angegebenen Werte. Hat man verl¨ assliche Messungen f¨ ur dU1+ / dy + , so erlaubt die in (18.241) angegebene Beziehung die Bestimmung von (u1 u2 )+ –Werten f¨ ur turbulente Kanalstr¨ omungen. Verteilungen dieser normierten turbulenten Transportterme sind in Abb. 18.24 angegeben.
18.8 Turbulente Wandgrenzschichten
613
Abbildung 18.23: Streuung der κ– und B–Werte bei der experimentellen Bestimur Wandgrenzschichten mung von U1+ = f (y + ) f¨
Abbildung 18.24: Normierte turbulente Impulstransportterme (u1 u2 ) f¨ ur ebene Kanalstr¨ omungen
Mittels einer ebenen Kanalmessstrecke und dem Einsatz eines LDA– Geschwindigkeitsmesssystems konnten auch Informationen u ¨ ber die in Str¨omungsrichtung vorliegenden turbulenten Geschwindigkeitsschwankungen erhalten werden. Diese Informationen sind in Abb. 18.25 zusammenfassend dargestellt und mit korrespondierenden Ergebnissen numerischer Str¨omungsberechnungen verglichen. Die am LSTM–Erlangen durchgef¨ uhrten Detailuntersuchungen ebener Kanalstr¨ omungen haben zu interessanten neuen Erkenntnissen gef¨ uhrt. So haben die Messungen ergeben, dass die lokale Turbulenzin-
614
18 Turbulente Str¨ omungen 1 W 2 3 4
a s L D A T ra v Ü b e
s e rk a n -S y s te e rs ie ru rla u fb e
5
a l m n g h ä lte r 6 7 8
R a d A u s K o r C o r
ia fl re io
lp u s k t lis
u m s b u r -D
p e h v e u
1 e
ä lte r n til rc h flu s s m e s s g e rä t
0 .1
0 .0 1
7
3 1
2
0 .0 0 1
4
1
1 0
1 0 0
1 0 0 0
1 0
1 0 0
1 0 0 0
3
2
8 6
1
5 0 1
u c '/ U
Abbildung 18.25: Ebene Kanalstr¨ omung und LDA–System. Messergebnisse f¨ ur normierte, turbulente Geschwindigkeitsfluktuationen in Str¨ omungsrichtung
Abbildung 18.26: Turbulenzintensit¨ at Re–Zahl
y +
u1 2 /U1 in Wandn¨ ahe als Funktion der
tensit¨ at u1 2 /U1 einen konstanten Wandwert einnimmt. Dieser h¨angt jedoch von der Re–Zahl der Str¨ omung ab. Dies ist in Abb. 18.26 angegeben. Wiederum zeigen sich kleine Diskrepanzen zu den u ¨ ber numerische Untersuchungen erhaltenen Werten. Diese sind mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Fehler in den numerischen Berechnungen zur¨ uckzuf¨ uhren, da die berechneten Werte keine Korrekturen f¨ ur das Vorliegen endlicher numerischer Gitterabst¨ande erhalten haben. Die oben beschriebenen Untersuchungen sind auf solche Wandrauhigkeiten limitiert, f¨ ur die gilt:
18.8 Turbulente Wandgrenzschichten
615
δs u τ ≤ e = 2, 72 (18.246) ν d. h. die Werte κ = 1/e und B = 10/e sind nur f¨ ur Str¨omungen hoher Reynolds-Zahlen g¨ ultig und f¨ ur Wandungen, die man als hydraulisch glatt ansehen kann. F¨ ur rauhe Wandungen erweist sich eine Betrachtung f¨ ur notwendig, f¨ ur die gilt: y (18.247) U1 = f (y, ρ, µ, τw , δs ) ; U1+ = f s ¨ wobei δs die Sandrauhigkeit“ der Wand darstellt. Ahnlichkeitsbetrachtun” gen zeigen, dass folgendes logarithmisches Wandgesetz f¨ ur rauhe Kanalw¨ande abgeleitet werden kann: + , 1 (18.248) U1+ = ln y + + B − ∆B δs+ κ Von Interesse ist der Punkt in der viskosit¨ atskontrollierten Unterschicht der Str¨ omung, bei der die Unterschicht U1+ = y + und die Schicht U1+ = 1/κ ln y + gleiche Werte und gleiche Steigungen haben: U1+ = y + =
1 ln y + κ
und
dU1+ 1 =1= dy + Ky +
(18.249)
¨ Abbildung 18.27: Anderung der additiven Konstanten des logarithmischen Wandgesetzes infolge Rauhigkeit
Daraus folgt y + = e und κ = 1/e, wie aus den Messungen am LSTM– Erlangen hervorging. F¨ ur das logarithmische Geschwindigkeitsprofil mit der
616
18 Turbulente Str¨ omungen
maximalen Rauhigkeit δs+ , f¨ ur die noch eine viskosit¨atsbetonte Unterschicht existiert, ergibt sich: ∆B(δs+ ) = B = 10/e. Damit liegt eine konstante Darstellung der Geschwindigkeitsverteilungen f¨ ur hydromechanisch glatte und rauhe Kanalw¨ ande vor. Dennoch m¨ ussen noch viele Fragen zu Detailproblemen turbulenter Wandgrenzschichten beantwortet werden, die es mit Hilfe moderner Mess- und Berechnungsverfahren zu erforschen gilt. Insbesondere gilt es die hier f¨ ur vollentwickelte, zweidimensionale, ebene, turbulente Kanalstr¨ omungen erhaltenen Ergebnisse auf Rohrstr¨omungen zu erweitern, sowie auf ebene Plattenstr¨ omungen und auf turbulente Filmstr¨omungen.
18.9 Literaturverzeichnis 18.1 Tenekes H, Lumley JL (1972) A First Course in Turbulence. MIT Press, Cambridge MA 18.2 Townsend AA (1976) The Structure of Turbulent Shear Flows. Second Edition, Cambridge 18.3 Hinze JO (1975) Turbulence. Second Edition, McGraw-Hill Book Company, New York 18.4 Rodi W (1979) Turbulence Models and Their Application in Hydraulics. Int. Assoc. Hydr. Research, Delft, Netherlands 18.5 Schlichting H (1979) Boundary Layer Theory. McGraw-Hill Book Company, New York 18.6 Arpaci VS, Larsen PS (1984) Convection Heat Transfer. Central Book Company, Taipei, Taiwan 18.7 Wilcox DC (1993) Turbulence Modeling for CFD. DCW Industries Inc., La Canada 18.8 Biswas G, Eswaran V (2002) Turbulent Flows, Fundamentals, Experiments and Modeling. IIT Kanpur Series of Advanced Texts, Narosa Publishing House, New Delhi 18.9 White FM Viscous Fluid Flow, Kingsport Press, Inc., ISBN 0070697108
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen1
19.1 Allgemeine Betrachtungen Die Betrachtungen in den Kapiteln 13, 14, 15 und 16 zeigten, dass analytische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen oftmals nur dann gelingen, wenn vereinfachte Gleichungen f¨ ur vollentwickelte Str¨omungen bzw. kleine oder große Re-Zahlen abgeleitet werden und man sich zudem auf Str¨ omungsprobleme beschr¨ ankt, die durch einfache Randbedingungen gekennzeichnet sind. Selbst unter Einbeziehung dieser Vereinfachungen resultierten die durchgef¨ uhrten Ableitungen nicht f¨ ur alle zu l¨osenden Str¨omungsprobleme in analytischen L¨ osungen, sondern reduzierten lediglich den Satz von partiellen Differentialgleichungen zu einem Satz gew¨ohnlicher Differentialgleichungen. Letztere konnten in den vorausgegangenen Kapiteln mittels g¨ angiger analytischer Methoden gel¨ ost werden. Ferner konnten auch die das Str¨ omungsproblem kennzeichnenden Randbedingungen implementiert werden. Damit wurde aufgezeigt, dass die in der angewandten Mathematik bekannten Methoden zur L¨ osung gew¨ ohnlicher Differentialgleichungen ein wichtiges Werkzeug f¨ ur den theoretisch arbeitenden Str¨omungsmechaniker darstellen. Obgleich analytische Verfahren zur L¨ osung von Str¨omungsproblemen nicht mehr die Bedeutung haben, die ihnen in der Vergangenheit zukam, geh¨ ort es zu einer guten Ausbildung in der Str¨omungsmechanik, diese Methoden zu erlernen. Betrachtet man die in den vorausgegangenen Kapiteln behandelten partiellen Differentialgleichungen, so lassen sich alle in die nachfolgende allgemeine Form bringen: A
∂2Φ ∂Φ ∂2Φ ∂Φ ∂2Φ +C +E + F Φ = g(x, y) + 2B +D 2 ∂x ∂x∂y ∂y 2 ∂x ∂y
(19.1)
Bezeichnet man als Diskriminante der Differentialgleichung (19.1) d : = AC − B 2 1
(19.2)
Wichtige Beitr¨ age zu diesem Kapitel wurden von meinem Sohn Dr. Ing. B. Durst geleistet.
618
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen
so bezeichnet man die Differentialgleichung als parabolisch, hyperbolisch oder elliptisch wenn f¨ ur d gilt: Parabolische Differentialgleichung: d = 0 (einparametrige Charakteristiken) Hyperbolische Differentialgleichung: d < 0 (zweiparametrige Charakteristiken) Elliptische Differentialgleichung: d > 0 (keine reellen Charakteristiken)
Diese Klassifizierung der Differentialgleichung orientiert sich an den Gleichungen f¨ ur Parablen, Hyperbeln und Ellipsen der ebenen Geometrie, in der die Gleichung: (19.3) ax2 + 2bxy + cy 2 + dx + ey + f = 0 Parabeln (ac − b2 = 0), Hyperbeln (ac − b2 < 0) und Ellipsen (ac − b2 > 0) beschreibt. Danach ergeben sich f¨ ur die in vorausgegangenen Kapiteln behandelten Differentialgleichungen: Diffusionsgleichung:
Wellengleichung:
∂2U ∂U , d.h. es gilt A = ν, B = C = 0 = ν ∂t ∂x2 und somit ist d = 0. Die Diffusionsgleichung besitzt parabolische Eigenschaften“. ” 2 ∂2U 2 ∂ U = c ; d.h. es gilt A = c2 , B = 0, C = −1 ∂t2 ∂x2 und damit ist d = −c2 < 0. Die Wellengleichung ist hyperbolisch.
(a ) x 2
e llip tis c h e s E in flu ß g e b ie t
P x
x 1
x
(c ) 2
(b )
h y p e rb o lis c h e s E in flu ß g e b ie t
2
p a ra b o lis c h e s E in flu ß g e b ie t
P
x
P
x 1
1
Abbildung 19.1: Einflussgebiete f¨ ur Eigenschaften im Punkt P f¨ ur elliptische (a), parabolische (b) und hyperbolische (c) Differentialgleichungen
19.1 Allgemeine Betrachtungen
Potentialgleichung:
619
∂2Φ ∂2Φ + = 0, d.h. A = C = 1, B = 0 und somit ∂x2 ∂y 2 ist d > 0. Die Potentialgleichung zeigt elliptisches ” Verhalten“.
Die station¨ aren Grenzschichtgleichungen sind, so l¨asst sich zeigen, wenn man sie entsprechend den obigen Darstellungen analysiert, parabolische Differentialgleichungen. Solche Gleichungen haben eine f¨ ur die numerische L¨osung wichtige Eigenschaft. Die an einer bestimmten Stelle eines Str¨omungsfeldes ermittelte L¨ osung der Differentialgleichung h¨ angt nicht von den Randbedingungen ab, die stromab gelegen sind. Dies erm¨oglicht eine L¨osungsfindung f¨ ur das gesamte Str¨ omungsfeld durch Vorw¨ artsintegration“, d.h. die L¨osung ” errechnet sich in einer bestimmten Ebene alleine aus den Werten der vorausgegangenen Ebene. Dies ist charakteristisch f¨ ur parabolische Differentialgleichungen, die somit mit Vorteilen bei numerischer Integration behaftet sind, welche die elliptischen Differentialgleichungen nicht besitzen. Dies wird deutlich wenn man sich Abb. 19.1 ansieht, die aufzeigt, welches Teilgebiet eines Str¨ omungsfeldes auf die Eigenschaften an einem Punkt P einwirkt, d.h. dessen Str¨ omungseigenschaften bestimmen. Um Differentialgleichungen numerisch l¨ osen zu k¨onnen, ist es erforderlich, das Str¨ omungsgebiet mit einem numerischen Gitter“ zu versehen, wie z.B. ” in Abb. 19.2 f¨ ur ein spezielles Str¨ omungsprobleme angedeutet, wo ein strukturiertes Gitter gezeigt wird. Dieses ist u ¨ber einer ebenen Platte angebracht, die folgende Bewegung ausf¨ uhrt: U1 (x2 = 0, t < 0) = 0
Die Platte ruht f¨ ur
U1 (x2 = 0, t ≥ 0) = U0
x 2
t<0
Die Platte bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit f¨ ur t ≥ 0
y N W
n e
w
E
s S
P = 1
U 0
U 1
(y )
Abbildung 19.2: Numerisches Gitter zur Berechnung der Fluidbewegung bei pl¨ otzlicher Plattenbewegung
620
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen
Durch die Plattenbewegung wird, infolge molekularen Impulstransports, das Fluid u ¨ber der Platte in Bewegung gesetzt. Der Impulseintrag in das Fluid wird, bei Annahme einer in x1 -Richtung unendlich langen Platte, durch folgende Differentialgleichung beschrieben: ∂ 2 U1 ∂U1 ∂2U =ν = ν ∂t ∂x2 2 ∂y 2
(19.4)
Um die L¨ osung dieser Differentialgleichung auf dem numerischen Gitter der Abb. 19.2 beschreiben zu k¨ onnen, sind Diskretisierungen der ersten und zweiten Ableitungen in der Differentialgleichung (19.4) erforderlich. Eine Analyse der Differentialgleichung ergibt, dass die Diskriminante d = 0 ist, d.h. die Differentialgleichung ist parabolisch. Die L¨osung zur Zeit t ist somit aus der L¨ osung zur Zeit t − ∆t berechenbar. Umgekehrt gilt jedoch, dass die L¨ osung zur Zeit (t + ∆t) nicht genutzt werden kann, um die L¨ osung zur Zeit t zu berechnen. Bedient man sich f¨ ur die Diskretisierung der Finiten-Differenzen-Methode“, siehe Kapitel 19.3, so l¨asst sich f¨ ur die ” Zeit eine Vorw¨ artsdifferenzformulierung und f¨ ur y eine Zentraldifferenzformulierung verwenden, woraus folgende Finite-Differenzen-Gleichung f¨ ur die Differentialgleichung (19.4) resultiert: . / α α Uβα+1 − Uβα Uβ+1 − 2Uβα + Uβ−1 =ν (19.5) 2 ∆t (∆y) Die Indices α und β stehen hier f¨ ur den Zeitschritt bzw. den Raumpunkt. Damit l¨ asst sich die Geschwindigkeit U zum Zeitschritt (α + 1) explizit berechnen: 2 ν∆t 1 α α α Uβα+1 = Uβα − (19.6) 2 Uβ+1 − 2Uβ + Uβ−1 (∆y) d.h. es ist eine diskrete L¨ osung der Differentialgleichung m¨oglich. Die dis¨ kretisierte Gleichung wird als konsistent bezeichnet, wenn diese beim Ubergang ∆y → 0 und ∆t → 0 in die urspr¨ ungliche Differentialgleichung (19.4) u ufung der Konsistenz durch eine Analyse des ¨ bergeht. Dabei kann die Pr¨ Abbruchfehlers erfolgen. Strebt dieser f¨ ur ∆y und ∆t → 0 gegen Null, so ist das zur Anwendung gebrachte Differenzierungsverfahren konsistent. F¨ ur die sinnvolle Anwendung numerischer Berechnungsverfahren ist zudem notwendig, dass das verwendete Diskretisierungsverfahren stabil ist. Die geforderte Stabilit¨ at ist im allgemeinen gew¨ahrleistet, wenn in den L¨ osungsprozess eingebrachte St¨ orungen durch das Diskretisierungsverfahren ged¨ ampft werden. Tritt dagegen eine Anfachung auftretender St¨orungen ein, so wird das gew¨ ahlte Diskretisierungsverfahren als instabil bezeichnet. F¨ ur str¨ omungsmechanische Probleme sind f¨ ur Stabilit¨atsbetrachtungen der eingesetzten L¨ osungsverfahren die Diffusionszahl D und die Courantzahl C von Bedeutung:
19.1 Allgemeine Betrachtungen
ν∆t
621
U ∆t ∆y
(19.7) (∆y) Dabei gibt die Diffusionszahl das Verh¨ altnis des in der Diskretisierung gew¨ ahlten Zeitschrittes ∆t zur Diffusionszeit (∆y 2 )/ν an, w¨ahrend die Courantzahl das Verh¨ altnis des gew¨ ahlten Zeitschrittes ∆t zur Konvektionszeit (∆y/U ) angibt. Es ist einsichtig, dass das numerische Berechnungsverfahren nur dann stabile L¨ osungen liefern kann, wenn die gew¨ahlten Zeitschritte ∆t, die physikalisch auftretenden Diffusions- und Konvektionszeiten in dem gew¨ ahlten numerischen Gitter aufzul¨ osen verm¨ogen. Details werden hierzu in den nachfolgenden Abschnitten erl¨ autert. Wichtig f¨ ur ein gew¨ ahltes Diskretisierungsverfahren ist ferner, dass die osung gew¨ ahrleistet ist. Dies besagt, dass die numerische Konvergenz der L¨ L¨ osung bei stetiger Gitterverfeinerung immer besser mit der exakten L¨osung ¨ der Differentialgleichung u ¨ bereinstimmt. Dabei sagt das Aquivalenztheorem von Lax, dass stabile und konsistent formulierte Diskretisierungen linearer Anfangswertprobleme zu konvergenten L¨ osungen f¨ uhren, d.h. zumindest f¨ ur lineare Differentialgleichungen kann gezeigt werden, dass die Konsistenz, Stabilit¨ at und Konvergenz von Diskretisierungsverfahren eng miteinander verkn¨ upfte Eigenschaften eines zur L¨ osung von Differentialgleichungen eingesetzten Diskretisierungsverfahrens sind. Bei vorliegender Konsistenz gen¨ ugt es f¨ ur ein Diskretisierungsverfahren, dessen Stabilit¨at nachzuweisen, um dann auch dessen Konvergenz sicher vorherzusagen. D=
2
und C =
L e is tu n g s te ig e ru n g d u rc h M a th e m a tis c h e M e th o d e n A d a p tiv ity II 5
1 0
M u ltig rid II
4
1 0
A d a p tiv ity I M u ltig rid I 3
1 0
P C G S O R 2
1 0
1
1 0 1 0
0
1 9 7 0
G a u ß -S e id e l G a u ß -E lim in a tio n 1 9 8 0
1 9 9 0
2 0 0 0
Abbildung 19.3: Leistungssteigerung mathematischer Verfahren zur L¨ osung der Grundgleichungen der Str¨ omungsmechanik
Was nun numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen anbetrifft, so ist deren L¨ osung f¨ ur Ingenieurprobleme, mit hohen Rechenaufwand verbunden. Dieser kann heute durch numerische Berechnungsverfahren und durch die Bereitstellung hoher Rechnerleistungen bew¨altigt werden. Dazu haben Entwicklungen der angewandten Mathematik beigetragen, die in Abb. 19.3 angedeutet sind und die zu den Leistungssteigerungen
622
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen
heutiger Berechnungsverfahren f¨ ur numerische L¨osungen der str¨omungsmechanischen Grundgleichungen gef¨ uhrt haben. Abb. 19.3 zeigt eine Leistungssteigerung der numerischen Berechnungsverfahren, die im Mittel zu einer Verzehnfachung alle 8 Jahre gef¨ uhrt hat. Verbindet man diese mit der Steigerung an Rechnerleistung, die mit einer Verzehnfachung alle 5 Jahre angebbar ist, siehe Abb. 19.4, so wird verst¨ andlich, weshalb die numerische Str¨omungsmechanik in j¨ ungster Zeit verst¨ arkt an Bedeutung gewinnt. Ihr kommt in n¨ achster Zukunft, die st¨ arkste Bedeutung bez¨ uglich der L¨osung str¨omungsmechanischer Grundlagenprobleme zu und ihre Bedeutung f¨ ur die L¨osung von Ingenieurproblemen wird ebenfalls wachsen. Es ist damit unumg¨anglich, dass eine moderne str¨ omungsmechanische Ausbildung einen Schwerpunkt in der numerischen Str¨ omungsmechanik haben muss. In diesem Kapitel kann allerdings nur eine Einf¨ uhrung gegeben werden. R e c h e n le is tu n g (F lo p /s )
1 0
/S 1 A S S X a c h A M D K 7 /6 0 0
2
P e l C it
1 0
I n te lX In t N E H
4
P r o
1 0
N E C S X -3 /4 4
6
8 0 4 8 6
1 0
C r a y -2 s /4 -1 2 8
8
8 0 3 8 6 /8 7
1 0
C Y B E R 2 0 5
1 0
C r a y - 1 S
1 0
8 0 6 8 /8 7
1 2
C D C 7 6 0 0
1 0
U n iv a c L a r c IB M 7 0 3 0
1 4
E D S A C U n iv a c 1 1 0 1
1 0
7 0 1 IB M 7 0 4
1 6
IB M
1 0
P e n tiu m
1 0
4 0 C I R e d -5 /1 6 i S R 8 0 0 -F 1
1 8
0
1 9 4 0
1 9 5 0
1 9 6 0
1 9 7 0
1 9 8 0
1 9 9 0
2 0 0 0
2 0 1 0
Abbildung 19.4: Steigerung der Leistung von Hochleistungsrechnern und von Arbeitsplatzrechnern
19.2 Allgemeine Transportgleichung und Diskretisierung des Lo ¨sungsgebiets In Kapitel 5 wurden die Grundgleichungen der Str¨omungsmechanik abgeleitet und in der unten angegebenen Form angegeben: –
Kontinuit¨ atsgleichung: ∂ (ρUi ) ∂ρ + =0 ∂t ∂xi
(19.8)
19.2 Allgemeine Transportgleichung und Diskretisierung ...
–
623
Navier-Stokes-Gleichung: ∂ (ρUi Uj ) ∂P ∂τij ∂ (ρUj ) + =− − + ρgj (19.9) ∂t ∂xi ∂xj ∂xi ∂Uj ∂Uk ∂Ui 2 τij = −µ − + µδij ∂xi ∂xj 3 ∂xk
–
Energiegleichung ∂ (ρcv T ) ∂ (ρcv Ui T ) ∂Uj ∂qi ∂Ui + =− − τij −P ∂t ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi ∂T qi = −λ ∂xi
(19.10)
∂Uj ∂Ui wobei τij die Expansionsardie Dissipation darstellt und P ∂xi ∂xi beit. Diese Gleichungen lassen sich in eine allgemeine Transportgleichung u uhren, derart dass gilt: ¨ berf¨ ∂ (ρΦ) ∂ ∂Φ + (19.11) ρUi Φ − Γ = SΦ ∂t ∂xi ∂xi ur die einzelnen Gleichungen in der untenstehenden Tabelle wobei Φ und SΦ f¨ aufgef¨ uhrt sind:
ur allgemeine Transportgleichung Tab. 19.1: Φ-, Γ - und SΦ -Werte f¨ Gleichung Φ Γ Kontinuit¨ at 1 0 Impuls Uj µ Energie
T T T
S 0
2 ∂ i (µ( ∂U ∂xj )) − 3 ∂xj ∂Uk ∂P (µ ∂xk ) + ρgj − ∂x j τij ∂Uj λ ρT ∂ν DP cp cp ( ∂T )p Dt − cp ∂xi τij ∂Uj λ 1 DP cp cp Dt − cp ∂xi τ ∂U λ − cijp ∂xij cp ∂ ∂xi
Bemerkungen – Newtonsches Fluid und inkompressible Str¨omung – ideales Gas inkompr. oder isobar
Betrachtungen zur numerischen L¨ osung der Grundgleichungen der Str¨omungsmechanik lassen sich somit auf eine Gleichung der Form beschr¨anken, wie sie in Gleichung (19.11) angegeben ist. Diese umfasst einen Term, der die ¨ zeitliche Variation von (ρΦ) angibt sowie r¨ aumliche Anderungen in Form eines ∂Φ ). Im Quellterm Konvektionsterms (ρUi Φ) und eines Diffusionsterms (−Γ ∂x i S sind alle jene Terme der betrachteten Grundgleichungen enthalten, die sich
624
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen
nicht als Konvektions- und Diffusionsterme in der allgemeinen Transportgleichung unterbringen lassen. Mit der allgemeinen Transportgleichung (19.11) liegt eine in der Zeit und im Raum kontinuierliche Beschreibung der physikalischen Grundgesetze vor, denen Fluidbewegungen unterworfen sind. Die numerische L¨osung der Transportgleichung erfordert jedoch eine Diskretisierung der Gleichung, die mit einer Diskretisierung des L¨ osungsgebietes verbunden ist. Es werden somit durch eine numerische L¨ osung nur L¨ osungen der Str¨ omungsgr¨oßen an bestimmten Punkten im Raum angestrebt, die in Abst¨ anden ∆xi angeordent werden. Die Festlegung dieser Punkte vor Inangriffnahme einer numerischen L¨osung eines Str¨ omungsproblems bezeichnet man als Gittergenerierung, d.h. das gesamte Str¨ omungsgebiet wird in diskrete Teilgebiete unterteilt. Dabei ist es u ¨ blich die Unterteilung bereits so vorzunehmen, dass f¨ ur das angestrebte numerische L¨ osungsverfahren gewisse Vorteile entstehen. Regelm¨aßige (strukturierte) und unregelm¨ aßige (unstrukturierte) Gitter sind im Prinzip anwendbar, doch zeigt die Erfahrung, dass die Effizienz numerischer L¨osungsalgorithmen besonders nachteilig durch die Unregelm¨ aßigkeit des numerischen Gitters beeinflusst wird. Dagegen gilt, dass die Gittergenerierung bei Vorliegen komplexer Str¨ omungsberandungen wesentlich durch unstrukturierte Gitter erleichtert wird. Komplexe geometrische Berandungen von Str¨omungsgebieten sind in die durchzuf¨ uhrenden numerischen Berechnungen leichter mittels unstrukturierter Gitter einzuf¨ uhren. Dabei k¨ onnen bei stark unregelm¨aßigen Gittern Dreiecke, Vierecke, Tetraeder, Hexaeder, Prismen, etc. kombiniert eingesetzt werden. Strukturierte Gitter sind dadurch gekennzeichnet, dass die einen Gitterpunkt umgebenden Nachbarpunkte, im gesamten L¨osungsgebiet einem festen Muster entsprechen. Damit ist es im allgemeinen nur notwendig die Koordinaten der Gitterpunkte zu speichern, da die f¨ ur das Diskretisierungsverfahren ben¨ otigten Informationen u ber die Beziehung eines Gitterpunktes zu seinen ¨ Nachbarn durch die Gitterstruktur festgelegt ist. Bei unstrukturierten Gittern liegen solche festen Beziehungen benachbarter Gitterpunkte nicht vor. Abb. 19.5 macht den Unterschied zwischen strukturierten und unstrukturierten numerischen Gittern deutlich. Es ist leicht ersichtlich, dass f¨ ur unstrukturierte Gitter keinerlei Regelm¨ aßigkeit in der Anordnung eines Gitterpunktes relativ zu seinen Nachbarpunkten existiert. Ohne gr¨oßere Erkl¨arungen wird deutlich, dass die fehlende Struktur in der Gitteranordnung eine hohe Flexibilit¨ at bereitstellt, um die Gitterpunkte u ¨ ber das gesamte L¨osungsgebiet so anzuordnen, dass in Gebieten mit einem hohen Bedarf an Gitterpunkten, viele Punkte plaziert werden k¨ onnen. Insbesondere ist es mit unstrukturierten Gittern leicht m¨ oglich, Ecken und Kanten der Str¨omungsgeometrie so zu erfassen, dass diese f¨ ur die Bereitstellung einer guten numerischen L¨osung eines Str¨ omungsproblems ausreichend aufgel¨ ost werden. Als ein wesentlicher Nachteil erweist sich jedoch, dass unstrukturierte Gitter einen hohen Speicheraufwand auf Computer erfordern. Neben den Gitterpunkten selbst, d. h.
19.3 Diskretisierung mittels Finiter Differenzen
625
Abbildung 19.5: Beispiele strukturierter und unstrukturierter numerischer Gitter
deren Lage im Str¨ omungsgebiet, sind Nachbarschaftsbeziehungen zwischen den Gitterpunkten mittels Index-Feldern zu speichern. Das Beispiel der eindimensionalen station¨ aren Konvektions-Diffusionsgleichung ohne Quellen zeigt, welchen Vorteil in dieser Hinsicht Finite-VolumenMethoden beispielsweise gegen¨ uber Differenzenverfahren besitzen: ∂ ∂Φ ρU Φ − Γ = 0. (19.12) ∂x ∂x Der Term (ρU Φ) stellt den konvektiven Anteil der Flussdichte von Φ dar und (−Γ dΦ ¨ ber ein beliebiges dx ) den diffusiven. Diese Gleichung soll nun u r¨ aumliches Volumen integriert werden, das sich in x-Richtung von W nach E erstreckt. F¨ ur den betrachteten eindimensionalen Fall ergibt sich so: " E ∂ ∂Φ ρU Φ − Γ dx · 1 · 1 = 0, (19.13) ∂x W ∂x oder, wenn man das Integral ausf¨ uhrt: ∂Φ ∂Φ = ρU Φ − Γ . ρU Φ − Γ ∂x W ∂x E
(19.14)
In Worten bedeutet dies, dass der gesamte Fluss der Gr¨oße Φ, der an der Stelle W in das Volumen fließt, an der Stelle E wieder aus dem Volumen herausfließen muss, da keine Quellen vorhanden sind. Dies zeigt, dass FiniteVolumen-Verfahren ohne zus¨ atzlichen Aufwand konservative Formulierungen der Gleichungsintegrationen zulassen.
19.3 Diskretisierung mittels Finiter Differenzen Nachdem im Kapitel 19.2 die Diskretisierung des Str¨omungsgebietes kurz erl¨ autert wurde, gilt es nun auch die Diskretisierung der allgemeinen Trans-
626
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen
portgleichung (19.11) zu erl¨ autern. Eine M¨ oglichkeit einer solchen Diskretisierung liefert das Finite-Differenzen-Verfahren, das zun¨achst f¨ ur den Fall der eindimensionalen, station¨ aren Konvektions-Diffusionsgleichung, ohne Quellterme, erl¨ autert werden soll, d.h. f¨ ur die Gleichung: ∂ ∂Φ ρU Φ − Γ = 0. (19.15) ∂x ∂x Ausgehend von einem Gitterpunkt β kann Φ(x + ∆x), durch eine Taylorreihenentwicklung, wie folgt dargestellt werden: , + ∂Φ 1 ∂2Φ ∆xβ+1 + ∆x2β+1 ± O ∆x3β+1 (19.16) Φβ+1 = Φβ + 2 ∂x β 2 ∂x β In gleicher Weise l¨ asst sich f¨ ur Φβ−1 angeben: , + ∂Φ 1 ∂2Φ Φβ−1 = Φβ − ∆xβ−1 + ∆x2β−1 ± O ∆x3β−1 (19.17) ∂x β 2 ∂x2 β Durch Subtraktion der Gleichung (19.17) von (19.16) erh¨alt man , ∂Φ 1 ∂2Φ + 2 ∆xβ+1 − ∆x2β−1 +· · · Φβ+1 −Φβ−1 = (∆xβ+1 + ∆xβ−1 )− 2 ∂x 2 ∂x F¨ ur Gitter, die gleiche Abst¨ ande zwischen den Gitterpunkten haben, ist der zweite Term auf der rechten Seite gleich Null, so dass f¨ ur ∆xβ+1 = ∆xβ = ∆x gilt: + , Φβ+1 − Φβ−1 ∂Φ = + O ∆x2 (19.18) ∂x 2∆x F¨ ur die Terme mit der zweiten Ableitung, erh¨alt man durch Addition der Gleichungen (19.16) und (19.17): 2 , + 3, ∂ Φ 1+ 2 2 Φβ+1 + Φβ−1 = 2Φβ + + ∆x + O ∆x , (19.19) ∆x β+1 β−1 ∂x2 2 so dass wiederum f¨ ur ∆xβ+1 = ∆xβ−1 = ∆x gilt: , + ∂2Φ Φβ+1 − 2Φβ + Φβ−1 = + O ∆x3 2 2 ∂x ∆x
(19.20)
Damit l¨ asst sich die Differentialgleichung (19.15) wie folgt, f¨ ur Γ = const, als finite Differenzengleichung angeben: (ρU )β+1 Φβ+1 − (ρU )β−1 Φβ−1 ∆x
−Γ
Φβ+1 − 2Φβ + Φβ−1 =0 ∆x2
Geordnet nach den Unbekannten Φβ+1 , Φβ und Φβ−1 erh¨alt man:
(19.21)
19.3 Diskretisierung mittels Finiter Differenzen
627
Γ Γ 2Γ 1 1 − − Φβ + (ρU )β−1 Φβ+1 + Φβ−1 = 0 ∆x ∆x2 ∆x2 ∆x ∆x2 (19.22) Es entsteht somit ein lineares Gleichungssystem f¨ ur die Unbekannten Φβ Werte, das es zu l¨ osen gilt, um in jedem Punkt des numerischen Gitters eine L¨ osung f¨ ur alle Variablen Φ des Str¨ omungsgebietes zu erhalten. Es ist somit f¨ ur die eine Str¨ omung beschreibenden Gr¨ oßen Φ ein L¨osungsweg gefunden worden. Betrachtet man nun die L¨ osungen f¨ ur Φβ in dem in Abb. 19.6 angedeuteten L¨ osungsgebiet von der Grenze W zur Grenze E, so kann das oben aufgef¨ uhrte Integral " E 5 (ρU ) Φ − (ρU ) Φ β+1 β−1 β+1 β−1 ∂ ∂Φ ρU Φ − Γ dx · 1 · 1 ≈ ∂x ∂x x − x β+1 β−1 W β=1 + ∂Φ , + , Γβ+1 ∂x β+1 − Γi−1 ∂Φ ∂x β−1 ∆xβ = 0, − xβ+1 − xβ−1 (ρU )β+1
(19.23) nur durch diskrete Integration bestimmt werden, die in Gleichung (19.23) mit angegeben wurde. Schreibt man diese f¨ ur die 6 St¨ utzpunkte aus, so erh¨alt man: . + + , + ∂Φ , , / ((ρU )2 Φ2 − (ρU )0 Φ0 ) − Γ2 ∂Φ ∂x 2 − Γ0 ∂x 0 (x 32 − x 12 )+ x2 − x0 . + + , + ∂Φ , , / ((ρU )3 Φ3 − (ρU )1 Φ1 ) − Γ3 ∂Φ ∂x 3 − Γ1 ∂x 1 (x 52 − x 32 )+ x3 − x1 . / , + ∂Φ , , + + ((ρU )4 Φ4 − (ρU )2 Φ2 ) − Γ4 ∂Φ ∂x 4 − Γ2 ∂x 2 (x 72 − x 52 )+ x4 − x2 . , + ∂Φ , , / + + ((ρU )5 Φ5 − (ρU )3 Φ3 ) − Γ5 ∂Φ ∂x 5 − Γ3 ∂x 3 (x 92 − x 72 )+ x5 − x3 . + ∂Φ , , / + + ∂Φ , ((ρU )6 Φ6 − (ρU )4 Φ4 ) − Γ6 ∂x 6 − Γ4 ∂x 4 (x 112 − x 92 ) = 0. x6 − x4 (19.24) Vergleicht man die Gleichung (19.24) mit (19.22), so erkennt man, dass das f¨ ur die Diskretisierung eingesetzte finite Differenzenverfahren nicht das selbe Ergebnis liefert, wie die Integration in (19.23). Dies f¨ uhrt dazu, dass man das gew¨ ahlte Diskretisierungsverfahren als nicht konservativ bezeichnet. Allgemein kann gesagt werden, dass Diskretisierungen mittels finiter Differenzenverfahren besondere Maßnahmen bed¨ urfen, um konservative diskrete Formulierungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen zu liefern. W¨ ahlt man in Gleichung (19.24) ∆xβ = ∆xi = ∆xi+1 , so erh¨alt man
628
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen
E W D x
0
1 /2
1
3 /2
2
5 /2
3
7 /2
9 /2
4
d x
¶ ¶ x 5
5
(pu
F - P ¶¶ Fx
)
1 1 /2
5
6
Abbildung 19.6: Eindimensionales Berechnungsgebiet
∂Φ ∂Φ +(ρU )6 Φ6 − Γ6 = (ρU )5 Φ5 − Γ5 ∂x 6 ∂x 5 ∂Φ ∂Φ 1 + (ρU )1 Φ1 − Γ1 (ρU )0 Φ0 − Γ0 2 ∂x 0 ∂x 1 (19.25) d. h. alle inneren Fl¨ usse fallen heraus und folglich resultiert eine konservative Form der Bestimmungsgleichungen f¨ ur die unbekannten diskreten Variablen Φβ . Hierin stellen beide Seiten der Gleichung zul¨assige Approximationen der Fl¨ usse in das und aus dem L¨ osungsgebiet dar. Die diskretisierte Gleichung ist damit eine konservative Approximation der generellen Transportgleichung und das Diskretisierungsschema f¨ ur diesen Fall also konservativ. Man erkennt jedoch, dass f¨ ur finite Differenzenverfahren spezielle Maßnahmen getroffen werden m¨ ussen, um die Konservativit¨ at zu erzwingen. Nicht zuletzt war vorausgesetzt worden, dass das eingesetzte numerische Gitter keine star¨ ke Nicht-Aquidistanz aufweist. Wird diese Voraussetzung nicht erf¨ ullt, so ist das Verfahren nicht konservativ und es wird zudem die Ordnung des Diskretisierungsverfahrens um eine Gr¨ oßenordnung reduziert. Es wird daher noch einmal betont, dass Finite-Differenzen-Verfahren nicht notwendigerweise konservativ sind. Mit nicht-konservativen Formulierungen sind zudem Ordnungsreduktionen des L¨ osungsverfahrens verbunden. 1 2
19.4 Finite-Volumen-Diskretisierung 19.4.1 Allgemeine Betrachtungen Die Notation, die im vorliegenden Kapitel verwendet wird, ist in Abb. 19.7 dargestellt. Betrachtet wird ein Punkt P und seine Nachbarn in Richtung der Koordinatenachsen eines kartesischen Koordinatensystems. Die Nachbarpunkte in der x-y Ebene werden entsprechend ihrer relativen Lage zu P als West, South, East and North und die zwei Punkte in z-Richtung als Top and Bottom bezeichnet.
19.4 Finite-Volumen-Diskretisierung
629
Um den Punkt P wird formal ein Kontrollvolumen gelegt, so dass P der Mittelpunkt dieses Kontrollvolumens ist. Die Bezeichnung f¨ ur die Grenzfl¨ achen der Kontrollvolumina erfolgt entsprechend der jeweiligen Nachbarpunkte, jedoch mit Kleinbuchstaben. Ausdr¨ ucke, die allgemein f¨ ur alle Nachbarpunkte gleich lauten w¨ urden, werden abk¨ urzend mit einem Index N b angegeben. Entsprechend erhalten solche Ausdr¨ ucke f¨ ur die Grenzfl¨achen den Index cf . T T
t N W
W w
P E S
z
z
P
e s
S
x B
E
b y
y
N n
x B
Abbildung 19.7: Kartesisches Gitter und Kontrollvolumen mit charakteristischem Punkt P und entsprechenden Nachbarpunkten
Da die vorliegende Betrachtung immer davon ausgeht, dass alle Punkte W , S, E, N , T und B Gitterpunkte sind und die Gitterpunkte jeweils genau in den Mittelpunkten benachbarter Kontrollvolumina liegen, reicht es aus, f¨ ur numerische Str¨ omungsberechnungen mittels finiter Volumen-Verfahren, nur die Koordinaten der Kontrollvolumengrenzfl¨achen (e, w, n, s, t, b) zu speichern. Alle anderen Informationen bez¨ uglich des Gitters k¨onnen aus diesen Daten zur¨ uckgerechnet werden. Beispielsweise ist der Abstand zwischen P und E, den wir mit δxe bezeichnen, folgendermaßen berechenbar (siehe Abb. 19.8): δxe = (xE + xP ) = 1/2(xee + xe ) − 1/2(xe + xw ) = 1/2(xee − xw ) (19.26) Bei instation¨ aren Vorg¨ angen ist zus¨ atzlich eine diskrete Darstellung der Koordinate Zeit notwendig. Es ergeben sich dann diskrete Zeitebenen, die ebenfalls gekennzeichnet werden m¨ ussen. Die Bezeichnungsweise hierbei ist tα oder α−1 oder (α − 1) f¨ ur die jeweils alte Zeitebene. α f¨ ur die jeweils neue Zeit t Integriert man, zur Untersuchung der Konservativit¨at, die Gleichung 19.15 um einen Punkt Pβ , so resultiert diese Integration in folgender Beziehung: """ " eβ ∂ ∂ ∂Φ ∂Φ ρU Φ − Γ dV = ρU Φ − Γ dx · 1 · 1 = 0, ∂x ∂x ∂x wβ ∂x ∆Vβ
(19.27) und das Integral ergibt:
630
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen N T n t
D x w P e
D x W E
w
e P
E
d x s
b d z
d y
d x
D z
W P
D y
y
S y
x p
x
B z
x p
x
Abbildung 19.8: Ebenenschnitte zur Erl¨ auterung der Interpolationsgrundlagen
∂Φ ∂Φ − ρU Φ − Γ = 0. ρU Φ − Γ ∂x eβ ∂x wβ
(19.28)
Diese Gleichung besagt f¨ ur das einzelne Kontrollvolumen, dass die konvektiven und diffusiven Fl¨ usse an der Ost- bzw. Westfl¨ache genau gleich sind. Die Integration kann daher ausgef¨ uhrt werden, indem u ¨ber alle 5 Kontrollvolumina des Berechnungsgebietes summiert wird: . / 5 ∂Φ ∂Φ − ρU Φ − Γ ρU Φ − Γ = 0. (19.29) ∂x eβ ∂x wβ β=1
Ber¨ ucksichtigt man, dass die angrenzenden Seitenfl¨achen zweier benachbarter Kontrollvolumina identisch sind (die Grenzfl¨ache eβ ist gleichzeitig die usse in der letzten Gleichung Grenzfl¨ ache wβ+1 ), heben sich die meisten Fl¨ auf und es verbleibt: ∂Φ ∂Φ − ρU Φ − Γ = 0. (19.30) ρU Φ − Γ ∂x e5 ∂x w1 Die beiden Grenzfl¨ achen, die u ¨brigbleiben, sind diejenigen, die in Abb. 19.6 das Berechnungsgebiet begrenzen, d. h. W und E. Daher gilt: ∂Φ ∂Φ − ρU Φ − Γ = 0. (19.31) ρU Φ − Γ ∂x E ∂x W Dies ist exakt dieselbe Gleichung, wie sie auch durch Integration u ¨ber das Gesamtgebiet als (19.14) erhalten wurde. Man erkennt, dass ein auf finiten Volumen basierendes Diskretisierungsverfahren inh¨arent konservativ ist. 19.4.2 R¨ aumliche Diskretisierung Die Modell-Differentialgleichung f¨ ur eine allgemeine skalare Gr¨oße Φ war in Abschnitt 19.2 angegeben worden. Im selben Kapitel wurde gezeigt, wie sich
19.4 Finite-Volumen-Diskretisierung
631
durch Einsetzen unterschiedlicher Ausdr¨ ucke f¨ ur die einzelnen Terme dieser Differentialgleichung die Grundgleichungen der Str¨omungsmechanik gewinnen lassen. Im vorliegenden Abschnitt werden wir nur die Modellgleichung betrachten und die Diskretisierung anhand dieser Gleichung durchf¨ uhren. Die diskreten Formen einzelner Str¨ omungsgleichungen k¨onnen dann durch entsprechendes Einsetzen der Ausdr¨ ucke f¨ ur Φ, Γ und S gewonnen werden. F¨ ur die hier vorzunehmenden Darstellungen wird somit folgende Transportgleichung betrachtet: ∂ ∂Φ ∂ (ρΦ) + (19.32) ρUi Φ − Γ = SΦ . ∂t ∂xi ∂xi Hierbei besteht der Gesamtfluss von Φ aus den Teilfl¨ ussen ∂Φ −Γ = diffusiver Fluss ρUi Φ = konvektiver Fluss ∂xi und kann wie folgt angegeben werden: fi = ρUi Φ − Γ
∂Φ , ∂xi
(19.33)
so dass die Transportgleichung damit lautet: ∂fi ∂ (ρΦ) + = SΦ . ∂t ∂xi
(19.34)
Diese Gleichung wird nun nominell u ¨ ber alle Kontrollvolumina des Berechnungsgebietes integriert. Wir betrachten stellvertretend das Kontrollvolumen um einen beliebigen Punkt P : """ """ """ """ ∂ ∂fi (ρΦ)dV + dV = SΦ dV = SdV. (19.35) ∂t ∂xi ∆V
∆V
∆V
∆V
und behandeln nun die einzelnen Ausdr¨ ucke dieser Gleichung separat. Mit dem Gaußschen Integralsatz gilt f¨ ur den zweiten Summanden der linken Seite: """ "" ∂fi dV = fi dAi , (19.36) ∂xi ∆V
∆A
mit ∆A als der Oberfl¨ ache des Kontrollvolumens. Die Integration u ¨ ber die gesamte Kontrollvolumenoberfl¨ache l¨asst sich auch als Summe der Integrationen u ¨ ber die einzelnen Grenzfl¨achen (e, w, n, s, t, b) darstellen: "" "" "" "" "" fi dAi = fi dAi + fi dAi + fi dAi + fi dAi + ∆A
∆Aw
""
∆Ae
fi dAi + ∆Ab
∆As
""
∆At
fi dAi .
∆An
632
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen
Die einzelnen ¨ außeren Fl¨ achennormalen der Grenzfl¨achen lassen sich einfach angeben, beispielsweise sind stets: −dx2 dx3 0 w= t = 0 . 0 dA und dA (19.37) 0 dx1 dx2 F¨ uhrt man die Skalarprodukte fi · dAi in Gleichung (19.37) aus, erh¨alt man: "" "" "" fi dAi = f1 dx2 dx3 − f1 dx2 dx3 + ∆A
∆Ae
""
∆Aw
""
f2 dx1 dx3 − ∆An
""
f2 dx1 dx3 + ""
f3 dx1 dx2 − ∆At
(19.38)
∆As
f3 dx1 dx2 .
∆Ab
Zur Diskretisierung sind nun bestimmte N¨ aherungen, gewissermaßen auf drei verschiedenen Ebenen notwendig. Die erste Approximation ist: "" fi dxj dxk ≈ Ficf . (19.39) ∆Acf
Der Mittelwertsatz der Integralrechnung besagt, dass sich immer ein Wert fi cf auf der Fl¨ ache Acf finden l¨ asst, so dass die obige Beziehung exakt erf¨ ullt ist, d.h., dass "" fi dxj dxk = fi cf Acf ∆Acf
gilt. Diesen Wert a priori anzugeben ist jedoch nicht m¨oglich, da ja gerade solche Gr¨ oßen berechnet werden sollen. Um nun ein Berechnungsverfahren anzugeben, wird der Wert in der Mitte der Kontrollvolumenfl¨ache fi cf als N¨ aherungswert f¨ ur fi cf benutzt. F¨ ur kartesische Geometrien gilt ∆Acf = ∆xj ∆xk (j = k) und obwohl Ae = Aw gilt, sollen beide Ausdr¨ ucke weiter verwendet werden. Mit analogen Approximationen auch f¨ ur die beiden anderen Richtungen ergibt sich: """ ∂fi dV = Fe − Fw + Fn − Fs + Ft − Fb . (19.40) ∂xi ∆V
Der erste Summand auf der linken Seite der Gleichung ( 19.35 ) sowie der Quellterm dieser Gleichung, werden auf die gleiche Art approximiert, n¨amlich indem der Wert in der Kontrollvolumenmitte als Approximation f¨ ur den Mittelwert u ¨ber das Kontrollvolumen benutzt wird:
19.4 Finite-Volumen-Diskretisierung
"""
∂ ∂ ∂ (ρΦ) dV ≈ (ρΦ)P ∆V = (ρΦ)P ∆x1 ∆x2 ∆x3 ∂t ∂t ∂t
633
(19.41)
∆V
und:
""" S dV ≈ SP ∆x1 ∆x2 ∆x3 .
(19.42)
∆V
Setzt man die letzten drei Gleichungen in Gleichung (19.35) ein, erh¨alt man: ∂ (ρΦ)P ∆V + Fe − Fw + Fn − Fs + Ft − Fb = SP ∆V, ∂t
(19.43)
und mit den Ausdr¨ ucken f¨ ur den Gesamtfluss ergibt sich: ∂Φ ∂Φ ∂ (ρΦ)P ∆V + ρU1 Φ − Γ ∆Ae − ρU1 Φ − Γ ∆Aw ∂t ∂x1 e ∂x1 w ∂Φ ∂Φ + ρU2 Φ − Γ ∆An − ρU2 Φ − Γ ∆As ∂x2 n ∂x2 s ∂Φ ∂Φ + ρU3 Φ − Γ ∆At − ρU3 Φ − Γ ∆Ab = SP ∆V. ∂x3 t ∂x3 b (19.44) ¨ Um im Folgenden die Ubersichtlichkeit bei der Indizierung zu erh¨ohen, werden die Variablen x1 , x2 und x3 durch x, y und z und die Geschwindigkeiten U1 , U2 und U3 durch u, v und w ersetzt. Der n¨ achste Approximationsschritt f¨ ur die Ableitung eines Finite-Volumen-Berechnungsverfahrens ist die Linearisierung der vorkommenden Ausdr¨ ucke. Betrachtet man beispielsweise den Term ρU Φ, so stellt man fest, dass dieser f¨ ur Φ = U quadratisch, also nichtlinear ist. Um solche Terme im abzuleitenden Berechnungsverfahren einfach behandeln zu k¨onnen, linearisiert man sie, indem man die Massenstromdichte (ρU ) und den Diffusionskoeffizienten Γ unabh¨ angig von der Unbekannten Φ betrachtet. F¨ ur die Berechnung von Φ greift man auf in vorausgegangenen Berechnungsschritten erarbeiteten uck und und damit bekannte Werte (ρU )∗ und Γ ∗ dieser beiden Gr¨oßen zur¨ sucht die L¨ osung dann iterativ. Die Werte mit Stern werden dann jeweils aus der vorangegangenen Iteration u ¨ bernommen: ∂Φ ∂Φ ∗ ∗ ≈ (ρU )cf Φcf − Γcf (19.45) ρU Φ − Γ ∂x cf ∂x cf und somit folgt aus Gleichung (19.44):
634
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen
∂ ∗ (ρP ΦP )∆V + ∂t ∂Φ ∂Φ ∗ ∗ ∗ ∗ (ρu)e Φe − Γe ∆Ae − (ρu)w Φw − Γw ∆Aw + ∂x e ∂x w ∂Φ ∂Φ (ρv)∗n Φn − Γn∗ ∆An − (ρv)∗s Φs − Γs∗ ∆As +(19.46) ∂y n ∂y s ∂Φ ∂Φ (ρw)∗t Φt − Γt∗ ∆At − (ρw)∗b Φb − Γb∗ ∆Ab = SP ∆V. ∂z t ∂z b In den folgenden Betrachtungen wird es immer wieder notwendig sein, die diskrete Form der Kontinuit¨ atsgleichung zur Verf¨ ugung zu haben. Die Kontinuit¨ atsgleichung in ihrer allgemeinen Form erh¨alt man aus der Gleichung f¨ ur die allgemeine skalare Gr¨ oße, indem man setzt: Φ = 1, Γ = 0 und S = 0. Mit denselben Werten entsteht die diskrete Form aus obiger Gleichung als: ∂ρ∗P ∆V + (ρu)∗e ∆Ae − (ρu)∗w ∆Aw + (ρv)∗n ∆An − (ρv)∗s ∆As + (ρw)∗t ∆At ∂t − (ρw)∗b ∆Ab = 0, (19.47) oder, indem man die Massenstr¨ ome mit mcf = ρU ∆A abk¨ urzt: ∂ρ∗P ∆V + m∗e − m∗w + m∗n − m∗s + m∗t − m∗b = 0. ∂t
(19.48)
achen des In Gleichung (19.46) stehen Werte von Φ und ∂Φ ∂x , die auf den Fl¨ Kontrollvolumens zu berechnen sind. Gespeichert werden in den u ¨ blichen Berechnungsverfahren jedoch lediglich Werte von Φ an den Gitterpunkten, da nur diese f¨ ur die L¨ osung und sp¨ atere Berechnungen von Interesse sind. Es m¨ ussen also die Werte Φcf als Funktionen der Werte ΦN b der der Grenzfl¨ache benachbarten Gitterpunkte angegeben werden. Die in den numerischen Berechnungsverfahren ben¨ otigten Werte Φcf aus ΦN b zu berechnen, stellt die eigentliche Schwierigkeit bei der Diskretisierung der Grundgleichungen mittels Finiten-Volumen-Verfahren dar. Es besteht, wie schon oben im Falle der Anwendung des Mittelwertsatzes, das Problem, dass der r¨aumliche Verlauf von Φ zwischen zwei Gitterpunkten bekannt sein m¨ usste, um den Wert von | an der jeweils betrachteten Grenzfl¨ ache exakt angeben zu Φcf bzw. ∂Φ cf ∂x k¨ onnen. Gerade dieser Verlauf soll jedoch berechnet werden, und es ist daher notwendig einen Verlauf anzunehmen. Diese Annahmen stellen die dritte Approximationsstufe des hier betrachteten Finite-Volumen-Verfahrens dar. Gewisse Anhaltspunkte u ¨ ber die zu treffende Approximation lassen sich aus einer Betrachtung eines vereinfachten Problems gewinnen. Die Gleichung f¨ ur ein eindimensionales, station¨ ares Problem ohne Quellen lautet: ∂Φ ∂ ρuΦ − Γ = 0. (19.49) ∂x ∂x F¨ ur diese Gleichung kann eine analytische L¨ osung angegeben werden:
19.4 Finite-Volumen-Diskretisierung
Φ ∼ exp
635
ρux
. (19.50) Γ In Abb. 19.9 ist der Verlauf der L¨ osung dieser Gleichung f¨ ur ein Randwertproblem zwischen zwei Punkten Pl und Pu mit den Funktionswerten Φl und angigkeit von der Peclet-Zahl dargestellt. Die Peclet-Zahl stellt das Φu in Abh¨ Verh¨ altnis zwischen konvektivem und diffusivem Transport von Φ dar.
P e > > 0
F l
P e < < 0
F
|P e | » 0
u
P l
c f (x 1) P
u
Abbildung 19.9: Abh¨ angigkeit des Verlaufs von Φ von der Massenstromdichte (Peclet-Zahl)
Betrachtet man die Abbildung sowie auch die L¨osung der Gleichung, liegt es eigentlich nahe, auch im mehrdimensionalen Fall einen exponentiellen Verlauf von Φ zwischen den Gitterpunkten anzunehmen. Die Berechnung von Exponentialfunktionen auf Computern ist jedoch verglichen mit anderen Operationen sehr aufwendig und man neigt dazu, den tats¨achlichen Verlauf durch Polynome zu approximieren. Die verschiedenen Approximationsans¨atze unterscheiden sich hier durch die Ordnung des verwendeten Polynoms. Im vorliegenden Kapitel werden wir Polynome nullter und erster Ordnung ber¨ ucksichtigen, die auf das sogenannte Upwind - bzw. Zentraldifferenzen-Verfahren f¨ uhren. Durch die Annahme einer linearen Verteilung von Φ zwischen den beiden Gitterpunkten kann die Ableitung f¨ ur den diffusiven Fluss n¨aherungsweise ersetzt werden durch: Φu − Φl ∂Φ = . (19.51) ∂x cf δxcf Der Fluss durch die Kontrollvolumengrenzfl¨ ache cf l¨asst sich dann wie folgt approximieren: ∗ ∆Acf Γcf ∂Φ ∗ ∗ −Γcf ∆Acf = (Φl − Φu ) = Dcf (Φl − Φu ), (19.52) ∂x cf δxcf
636
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen
und man erh¨ alt f¨ ur die einzelnen Kontrollvolumenseiten: ∂Φ ∗ ∗ cf = w, s, b : −Γcf ∆Acf = Dcf (ΦN b − ΦP ) ∂x cf ∂Φ ∗ ∗ ∆Acf = Dcf (ΦP − ΦN b ). cf = e, n, t : −Γcf ∂x cf
(19.53) (19.54)
wobei N b den jeweils in Richtung cf gelegenen Nachbarpunkt von P bezeichnet. Zur Approximation der konvektiven Fl¨ usse lassen sich nun unterschiedliche Approximationsbetrachtungen heranziehen, die untenstehend erl¨autert sind, so zum Beispiel das: Upwind-Verfahren Das Upwind-Verfahren approximiert den Verlauf von Φ zwischen zwei Gitterpunkten durch ein Polynom nullter Ordnung, d.h. eine Konstante. Betrachtet man Abb. 19.9, erkennt man schnell, dass diese N¨aherung f¨ ur betragsm¨aßig große Peclet-Zahlen, also f¨ ur Situationen in denen der konvektive Transport u ur diesen Fall weicht der Wert von Φ an der Grenz¨ berwiegt, gut ist. F¨ fl¨ ache nur wenig vom Wert am stromaufw¨ arts von cf gelegenen Gitterpunkt ab. Es ist dadurch auch klar, durch welchen konstanten Wert approximiert werden sollte, n¨ amlich immer den stromaufw¨ arts (upwind) von cf gelegenen. ur die neF¨ ur eine Str¨ omung in positiver Koordinatenrichtung ist dies Φl , f¨ gative Richtung ist es Φu . Es ist also notwendig, die Str¨omungsrichtung an der Kontrollvolumengrenzfl¨ ache feststellen zu k¨onnen. Wir wollen hierzu den Massenstrom benutzen: (19.55) m∗cf = (ρu)∗cf ∆Acf . F¨ ur jede Kontrollvolumenseite muss die Richtung des Massenstromes anhand des Vorzeichens festgestellt werden. Es gilt daher: ΦN b f¨ ur m∗cf > 0 cf = w, s, b : Φcf = (19.56) ur m∗cf < 0 ΦP f¨ ΦP f¨ ur m∗cf > 0 cf = e, n, t : Φcf = . (19.57) ur m∗cf < 0 ΦN b f¨ Um nun alle m¨ oglichen Kombinationen der obigen Ausdr¨ ucke durch eine einheitliche Notation darstellen zu k¨ onnen, f¨ uhren wir eine Einheitssprungfunktion ein, die wie folgt definiert ist: 1 f¨ ur x ≥ 0 e(x) = . (19.58) 0 f¨ ur x < 0 Diese Funktion ist in Abb. 19.10 a. dargestellt. Eine Funktion, f¨ ur die der Sprung f¨ ur negative x vollzogen wird, ist:
19.4 Finite-Volumen-Diskretisierung
y
637
y 1
1 x
a .) e ( x )
x
b .) e ( - x )
y y x
x
-1
-1 c .) e ( - x ) - 1
d .) e ( x ) - 1
Abbildung 19.10: Einheitssprungfunktionen e(x), e(−x), e(−x) − 1 und e(x) − 1
y y 1
1
a .) e ( x )
x
x
b .) e ( - x )
y
y x
-1
-1
x
d .) e ( x ) - 1
c .) e ( - x ) - 1 Abbildung 19.11: Einheitssprungfunktionen
e(−x) =
0 f¨ ur x > 0 , 1 f¨ ur x ≤ 0
(19.59)
dargestellt in Abb. 19.10 b. Mit diesen beiden Funktionen l¨asst sich Gleichung (19.56) schreiben als: , , + + (19.60) cf = w, s, b : Φcf = e m∗cf ΦN b + e −m∗cf ΦP , + + ∗ , ∗ cf = e, n, t : Φcf = e −mcf ΦN b + e mcf ΦP . (19.61) Setzt man die Ausdr¨ ucke f¨ ur den konvektiven und auch den diffusiven Fluss in Gleichung (19.46) ein, erh¨ alt man:
638
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen
∂ ∗ (ρ ΦP )∆V + (m∗e (e(−m∗e )ΦE + e(m∗e )ΦP ) + De∗ (ΦP − ΦE )) − ∂t P ∗ (m∗w (e(m∗w )ΦW + e(−m∗w )ΦP ) + Dw (ΦW − ΦP )) + (m∗n (e(−m∗n )ΦN + e(m∗n )ΦP ) + Dn∗ (ΦP − ΦN )) − (m∗s (e(m∗s )ΦS + e(−m∗s )ΦP ) + Ds∗ (ΦS − ΦP )) + (m∗t (e(−m∗t )ΦT + e(m∗t )ΦP ) + Dt∗ (ΦP − ΦT )) − (m∗b (e(m∗b )ΦB + e(−m∗b )ΦP ) + Db∗ (ΦB − ΦP )) = SP ∆V, (19.62) und mit ein wenig Rechenaufwand l¨ asst sich diese Gleichung umstellen und lautet dann: ρ∗P
∂ΦP ∆V + (m∗e (e(−m∗e )ΦE + (e(m∗e ) − 1)ΦP ) + De∗ (ΦP − ΦE )) − ∂t ∗ (m∗w (e(m∗w )ΦW + (e(−m∗w ) − 1)ΦP ) − Dw (ΦP − ΦW )) + (m∗n (e(−m∗n )ΦN + (e(m∗n ) − 1)ΦP ) + Dn∗ (ΦP − ΦN )) − (m∗s (e(m∗s )ΦS + (e(−m∗s ) − 1)ΦP ) − Ds∗ (ΦP − ΦS )) + (m∗t (e(−m∗t )ΦT + (e(m∗t ) − 1)ΦP ) + Dt∗ (ΦP − ΦT )) − (m∗b (e(m∗b )ΦB + (e(−m∗b ) − 1)ΦP ) − Db∗ (ΦP − ΦB )) +
∂ρ∗ ( P ∆V + m∗e − m∗w + m∗n − m∗s + m∗t − m∗b )ΦP = SP ∆V. ∂t =0 (19.63) Wie angedeutet, ist der Ausdruck u ¨ber der geschweiften Klammer die Kontinuit¨ atsgleichung in ihrer diskreten Form und verschwindet daher aufgrund von Gleichung (19.48). Voraussetzung hierf¨ ur ist jedoch, dass der Iterationsprozess nach jedem Iterationsschritt die Massenerhaltung sicherstellt. Die obige Gleichung enth¨ alt die Ausdr¨ ucke e(−m∗cf ) − 1 und e(m∗cf ) − 1. Diese Funktionen sind ebenfalls in Abb. 19.10 dargestellt und man erkennt, dass: e(x) − 1 = −e(−x)
and
e(−x) − 1 = −e(x).
(19.64)
Ber¨ ucksichtigt man dies, vereinfacht sich Gleichung (19.63) weiter: ρ∗P
∂ΦP ∆V + (−m∗e e(−m∗e ) + De∗ ) (ΦP − ΦE )− ∂t ∗ (−m∗w e(m∗w ) − Dw ) (ΦP − ΦW )+ (−m∗n e(−m∗n ) + Dn∗ ) (ΦP − ΦN )− (−m∗s e(m∗s ) − Ds∗ ) (ΦP − ΦS )+ (−m∗t e(−m∗t ) + Dt∗ ) (ΦP − ΦT )− (−m∗b e(m∗b ) − Db∗ ) (ΦP − ΦB ) = SP ∆V,
(19.65)
19.4 Finite-Volumen-Diskretisierung
639
und man kann die Abk¨ urzung aN b f¨ ur die Koeffizienten von (ΦP − ΦN b ) einf¨ uhren: ∗ N b = W, S, B : aN b = Dcf + m∗cf e(m∗cf ) (19.66) ∗ N b = E, N, T : aN b = Dcf − m∗cf e(−m∗cf ). Die Ausdr¨ ucke, die nun noch die Einheitssprungfunktion beinhalten, k¨onnen auch mit Hilfe der Funktion max[a,b] ausgedr¨ uckt werden, die in den meisten Programmiersprachen existiert und den gr¨ oßeren der beiden Werte liefert: ∗ + max[m∗cf , 0] N b = W, S, B : aN b = Dcf ∗ N b = E, N, T : aN b = Dcf + max[0, −m∗cf ].
(19.67)
Unter Verwendung dieser Koeffizienten wird aus Gleichung (19.65) ρ∗P
∂ΦP ∆V + aE (ΦP − ΦE ) + aW (ΦP − ΦW )+ ∂t aN (ΦP − ΦN ) + aS (ΦP − ΦS )+ aT (ΦP − ΦT ) + aB (ΦP − ΦB )
(19.68)
= SP ∆V
erhalten. Nach Einsetzen der Abk¨ urzung: a ˆ P = aE + aW + aN + aS + aT + aB =
aN b
(19.69)
Nb
ergibt sich schließlich: ρ∗P
∂ΦP ∆V + a ˆP ΦP − aN b ΦN b = SP ∆V. ∂t
(19.70)
Nb
Diese Gleichung ist das diskrete Analogon zu Gleichung (19.32) nach der Diskretisierung der r¨ aumlichen Ableitungen mit Hilfe des Upwind-Verfahrens. Die Koeffizienten berechnen sich nach Gleichung (19.67). Zentraldifferenzen-Verfahren Das Zentraldifferenzen-Verfahren approximiert den exponentiellen Verlauf von Φ zwischen zwei Gitterpunkten durch ein Polynom erster Ordnung. Dies entspricht der Annahme eines linearen Verlauf, was eine gute N¨aherung f¨ ur kleine Peclet-Zahlen darstellt. Der Verlauf von Φ wird daher umso besser durch dieses Verfahren approximiert, je mehr der diffusive Transport in der Str¨ omung u ¨ berwiegt. Ein linearer Verlauf von Φ zwischen zwei Gitterpunkten Pl und Pu l¨asst sich ausdr¨ ucken durch: Φ(x) = Φl +
Φu − Φl (x − xe ) δxcf
f¨ ur
xl ≤ x ≤ xu .
(19.71)
640
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen
Stellt man δxcf durch die gespeicherten Koordinaten an den Gitterpunkten Pe Pu dar, ergibt sich: δxcf = (xu − xe ). (19.72) Die Grenzfl¨ ache befindet sich gerade an der Stelle x, so dass: Φu − Φl (xu − xe ) (xu − xe ) (x − xe ) = Φl + (Φu − Φl ) . (xu − xe )
Φcf = Φl +
(19.73)
Durch die Definition eines Interpolations-Koeffizienten: ηcf =
x − xe , xu − xe
(19.74)
l¨ asst sich eine Gleichung angeben f¨ ur die Interpolation der Grenzfl¨achenwerte aus Werten der Nachbargitterpunkte Pe und Pu : Φcf = ηcf Φu + (1 − ηcf )Φl .
(19.75)
F¨ ur alle vorkommenden Kontrollvolumenseiten ergibt sich so: cf = w, s, b : Φcf = ηcf ΦP + (1 − ηcf )ΦN b
(19.76)
cf = e, n, t : Φcf = ηcf ΦN b + (1 − ηcf )ΦP .
(19.77)
Setzt man diese Ausdr¨ ucke und wieder die Approximationen f¨ ur die diffusiven Fl¨ usse (19.53) und (19.46) in Gleichung (19.46) ein, erh¨alt man: ∂ ∗ (ρ ΦP )∆V + (m∗e (ηe ΦE + (1 − ηe )ΦP ) + De∗ (ΦP − ΦE )) − ∂t P ∗ (m∗w (ηw ΦP + (1 − ηw )ΦW ) + Dw (ΦW − ΦP )) + (m∗n (ηn ΦN + (1 − ηn )ΦP ) + Dn∗ (ΦP − ΦN )) − (m∗s (ηs ΦP + (1 − ηs )ΦS ) + Ds∗ (ΦS − ΦP )) + (m∗t (ηt ΦT + (1 − ηt )ΦP ) + Dt∗ (ΦP − ΦT )) − (m∗b (ηb ΦP + (1 − ηb )ΦB ) + Db∗ (ΦB − ΦP )) = SP ∆V, (19.78) aus der ebenfalls die finite Form der Kontinuit¨atsgleichung separiert werden kann:
19.4 Finite-Volumen-Diskretisierung
ρ∗P
641
∂ΦP ∆V + (m∗e (ηe ΦE − ηe ΦP ) + De∗ (ΦP − ΦE )) − ∂t ∗ (m∗w ((ηw − 1)ΦP + (1 − ηw )ΦW ) − Dw (ΦP − ΦW )) + (m∗n (ηn ΦN − ηn ΦP ) + Dn∗ (ΦP − ΦN )) − (m∗s ((ηs − 1)ΦP + (1 − ηs )ΦS ) − Ds∗ (ΦP − ΦS )) + (m∗t (ηt ΦT − ηt ΦP ) + Dt∗ (ΦP − ΦT )) − (m∗b ((ηb − 1)ΦP + (1 − ηb )ΦB ) − Db∗ (ΦP − ΦB )) +
∂ρ∗ ( P ∆V + m∗e − m∗w + m∗n − m∗s + m∗t − m∗b )ΦP = SP ∆V. ∂t =0 (19.79) Geeignetes Umstellen der Terme f¨ uhrt auf die Form: ∂ΦP ∗ ∆V + (−m∗e ηe + De∗ ) (ΦP − ΦE ) − (m∗w (ηw − 1) − Dw ) (ΦP − ΦW )+ ∂t ∗ ∗ ∗ ∗ (−mn ηn + Dn ) (ΦP − ΦN ) − (ms (ηs − 1) − Ds ) (ΦP − ΦS )+ ρ∗P
(−m∗t ηt + Dt∗ ) (ΦP − ΦT ) − (m∗b (ηb − 1) − Db∗ ) (ΦP − ΦB ) = SP ∆V (19.80) und durch Einf¨ uhren der folgenden Koeffizienten: N b = W, S, B : N b = E, N, T :
∗ ∗ aN b = Dcf + Ccf (1 − fcf ) ∗ ∗ aN b = Dcf − Ccf fcf
(19.81) (19.82)
vereinfacht sich diese Gleichung zu: ρ∗P
∂ΦP ∆V + aE (ΦP − ΦE ) + aW (ΦP − ΦW )+ ∂t aN (ΦP − ΦN ) + aS (ΦP − ΦS )+ aT (ΦP − ΦT ) + aB (ΦP − ΦB )
(19.83)
= SP ∆V,
oder abgek¨ urzt: ρ∗P
∂ΦP ∆V + a ˆP ΦP − aN b ΦN b = SP ∆V. ∂t
(19.84)
Nb
Diese letzte Beziehung ist das diskrete Analogon zu Gleichung (19.32) bei Verwendung des Zentraldifferenzen-Verfahrens. Die Koeffizienten berechnen sich nun nach den Gleichungen (19.81) und (19.82). Auf den ersten Blick ist Gleichung (19.84) identisch mit (19.70), da f¨ ur die Bezeichnung der Koeffizienten die gleiche Notation verwendet wurde. Die obigen Ableitungen zeigen jedoch, dass in den Gleichungen unterschiedli¨ che Koeffizienten vorliegen. Die Ahnlichkeit beider Gleichungen wird sich im n¨ achsten Abschnitt als vorteilhaft herausstellen, da sie es erlaubt, beide
642
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen
Gleichungen hinsichtlich der Diskretisierung der zeitlichen Ableitungen zusammen zu behandeln. Es existieren jedoch auch Verfahren, die es erlauben, beide Verfahren mit einem Gewichtungsfaktor zu mischen (Hybrid-Verfahren respektive deferred correction schemes). In solchen F¨allen muss sehr wohl auch in der Notation zwischen den Koeffizienten der einzelnen Verfahren unterschieden werden. 19.4.3 Diskretisierung der zeitlichen Ableitung Um die nachfolgenden Betrachtungen der Diskretisierung der zeitlichen Ableitung zu vereinfachen, beschr¨ anken wir uns im weiteren auf inkompressible Fluide. Die Herleitung der analogen Gleichungen f¨ ur kompressible Fluide erfolgt nach demselben Schema. F¨ ur ein inkompressibles Fluid (ρ =const) gilt f¨ ur die Gleichungen (19.70) und (19.84): ρ
∂ΦP ∆V + a ˆP ΦP − aN b ΦN b = SP ∆V. ∂t
(19.85)
Nb
Wird diese Gleichung u ¨ ber einen Zeitschritt integriert, so resultiert: " " " " ∂ΦP ρ∆V dt+ a ˆP ΦP dt− aN b ΦN b dt = ∆V SP dt. (19.86) ∆t ∂t ∆t ∆t ∆t Nb
Das erste Integral dieser Gleichung l¨ asst sich berechnen zu: "
tα
tα−1
∂ΦP α−1 dt = Φα . P − ΦP ∂t
(19.87)
W¨ ahrend die u ¨brigen Integrale mit Hilfe des Mittelwertsatzes approximiert werden: " tα a ˆP ΦP dt = a ˆP ΦP ∆t ≈ a ˆτP ΦτP ∆t (19.88) tα−1
"
tα
tα−1
SP dt = S¯P ∆t ≈ SPτ ∆t,
(19.89)
wobei ΦτP den Wert von ΦP an einer Stelle in dem Intervall [tα−1 , tα ] bezeichnet. Mit diesen Approximationen schreibt sich Gleichung (19.86) als: ρ∆V α (ΦP − Φα−1 )+a ˆτP ΦτP − aτN b ΦτN b = SPτ ∆V. P ∆t
(19.90)
Nb
Im Allgemeinen werden sogenannte Two-Time-Level-Methoden verwendet, bei denen der Wert Φα P der neuen Zeitebene aus Werten ΦN b und ΦP der
19.4 Finite-Volumen-Diskretisierung
643
neuen und/oder der alten Zeitebene berechnet wird. Komplexere Verfahren, die drei oder noch mehr Zeitebenen benutzen, bieten zwar eine h¨ohere Genauigkeit, erfordern jedoch einen h¨ oheren numerischen Aufwand, da der Speicherplatzbedarf steigt und Verfahren niedrigerer Ordnung eingesetzt werden m¨ ussen, um die Berechnung bei den ersten Zeitschritten beginnen zu k¨onnen. Die verschiedenen Verfahren zur Diskretisierung der Koordinate Zeit unterscheiden sich nur durch die Wahl von τ . In Anlehnung an die Art der Gleichungen, die sich durch verschiedene Werte von τ ergeben, werden die entsprechenden Verfahren als explizit oder implizit bezeichnet. ahlt und somit der gesuchte Wert Im expliziten Fall wird tτ = tα−1 gew¨ α ΦP nur aus Werten ΦN b und ΦP der alten Zeitebene berechnet. Gleichung (19.90) lautet damit: ρ∆V α α−1 α−1 (ΦP − Φα−1 )+a ˆα−1 Φα−1 − aα−1 ∆V, P P P N b ΦN b = SP ∆t
(19.91)
Nb
oder umarrangiert mit n = α und 0 = α − 1: ΦnP = ΦoP −
∆t (ˆ aoP ΦoP − aoN b ΦoN b − SPo ∆V ). ρ∆V
(19.92)
Nb
Dies ist eine explizite Gleichung f¨ ur Φα P , da bis auf den gesuchten Wert alle anderen aus dem vorangehenden Zeitschritt bekannt sind. Allgemein haben explizite Verfahren den Nachteil, dass die Gr¨ oße des Zeitschrittes beschr¨ankt ¨ ist. Dies l¨ asst sich durch Uberlegungen zur numerischen Stabilit¨at des Verfahrens begr¨ unden. Ein weiterer Nachteil ist, dass explizite Verfahren das zeitliche Verhalten der diffusiven Transportvorg¨ange nicht auf die gleiche Art beschreiben wie die Ausgangsgleichung. Wird ein explizites Verfahren ver¨ wendet, wird die Information u in den Randbedingungen ¨ber eine Anderung pro Zeitschritt nur um einen Gitterpunkt weitergetragen. Dies steht im Gegensatz zum tats¨ achlichen physikalischen Verhalten, da solche Informationen durch die Diffusion sofort auf das gesamte Berechnungsgebiet u ¨bertragen werden. In dieser Hinsicht sind implizite Verfahren oftmals besser geeignet, das tats¨ achliche physikalische Geschehen wiederzugeben, worin auch die h¨ohere numerische Stabilit¨ at begr¨ undet ist. Implizite Methoden benutzen u. a. tτ = α t , womit aus Gleichung (19.90) das einfachste implizierte Verfahren erster Ordnung resultiert: ρ∆V α α α α (ΦP − Φα−1 )+a ˆα aα P ΦP − N b ΦN b = SP ∆V. P ∆t
(19.93)
Nb
Da nun auch Werte des neuen Zeitschrittes benutzt werden, k¨onnen sich Ein¨ fl¨ usse durch Anderungen in den Randbedingungen innerhalb eines Zeitschrittes u ¨ ber das ganze Berechnungsgebiet ausbreiten. Die obige Beziehung stellt
644
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen
jedoch eine implizite Gleichung f¨ ur Φα P dar, da hierin auch unbekannte Werte der benachbarten Gitterpunkte auftreten. Hier muss nun ber¨ ucksichtigt werden, dass in s¨ amtlichen Betrachtungen bis jetzt immer ein Gitterpunkt stellvertretend f¨ ur alle anderen betrachtet wurde. Die Einbeziehung aller Gitterpunkte liefert ebenso viele Gleichungen wie Unbekannte. Folglich ist das sich ergebende Gleichungssystem l¨ osbar. Werden die Koeffizienten von Φα P geeignet ausgeklammert und zu einem ρ∆V neuen Koeffizienten a ˇnP , mit a ˇα = a ˆα P P + ∆t , kombiniert, so resultiert die Beziehung: ρ∆V α−1 α α α aα , (19.94) a ˇα Φ P ΦP − N b ΦN b = SP ∆V + ∆t P Nb
die die finite Form von Gleichung (19.32) nach der Diskretisierung der zeitlichen Ableitung repr¨ asentiert. 19.4.4 Behandlung der Quellterme Im obigen Abschnitt wurde angesprochen, dass Gleichung (19.94) eine imosung ein plizite Bestimmungsgleichung f¨ ur Φα P darstellt und dass zu deren L¨ ganzes System von Gleichungen mit Hilfe eines entsprechenden Algorithmus zu l¨ osen ist. Hier werden meist iterative L¨ osungsalgorithmen angewendet, die als Konvergenzbedingung einen großen Koeffizienten aP des Zentralpunktes besitzen m¨ ussen (Diagonaldominanz der resultierenden Koeffizientenmatrix). F¨ ur jeden Punkt des L¨ osungsgebietes sollte daher a ˆP ≥ aN b (19.95) Nb
erf¨ ullt sein. Ohne den Quellterm Diskretisierung ist dies durch die bisherigeρ∆V a und a ˇ = a ˆ + automatisch erf¨ ullt, da a ˆP = P P Nb Nb ∆t ist. Bei der Diskretisierung des Quellterms sollten daher Schritte vermieden werden, die uhren. zu einer Verkleinerung von a ˆP f¨ Es ist m¨ oglich, dass der Quellterm S keine lineare Funktion von Φ ist, jedoch kann dieser Term durch Aufspaltung in einen unabh¨angigen und abh¨ angigen Teil linearisiert werden: α SPα = SPα Φα P + Sc ,
(19.96)
angt. SPα wobei Scα den Teil von SPα bezeichnet, der nicht explizit von Φα P abh¨ α ∗ kann dann durch SP ersetzt werden, das mit bekannten Werten von ΦP aus vorangegangenen Iterationen berechnet wird, wodurch die Linearisierung des Quellterms erreicht wird. Durch Einsetzen in Gleichung (19.94) resultiert: ∗
α α α a ˇα P ΦP − SP ΦP ∆V −
Nb
α α aα N b ΦN b = Sc ∆V +
ρ∆V α−1 Φ . ∆t P
(19.97)
19.5 Berechnung laminarer Str¨ omungen
645
Um die Diagonaldominanz der Koeffizientenmatrix nicht zu gef¨ahrden, muss ∗ SPα negativ sein. Kann diese Bedingung nicht eingehalten werden, ist es f¨ ur die Stabilit¨ at des iterativen Verfahrens besser, den gesamten Quellterm aus bekannten Werten zu berechnen und auf der rechten Seite der Gleichung zu belassen. ρ∆V α−1 α ∗ α ˇα gesetzt, Wird anschließend aα P = a P −SP ∆V und b = Sc ∆V + ∆t ΦP resultiert die vollst¨ andig diskretisierte Form der Gleichung (19.32): α α aα aα (19.98) P ΦP − N b ΦN b = b. Nb
19.5 Berechnung laminarer Stro ¨mungen Analysiert man die allgemeinen Navier-Stokes-Gleichungen und die Energiegleichung f¨ ur ein inkompressibles Fluid, d.h. die allgemeine Transportgleichung, so zeigt sich, dass ein Satz partieller Differentialgleichungen vorliegt, der ein parabolisches Zeitverhalten und ein elliptisches Raumverhalten aufzeigt. Aufgrund dieses Zeit- und Raumverhaltens sind Anfangsbedingungen zum Zeitpunkt t = 0 vorzugeben und die Randbedingungen sind entlang der gesamten Grenzen des Str¨ omungsgebietes festzulegen. Dabei ist es u ¨ blich, folgende Randbedingungen in numerische Berechnungen einzubringen: – – – –
Derichlet-Randbedingungen: Angabe der Werte aller Variablen entlang der Grenzen des Berechnungsgebietes. Neumann-Randbedingungen: Angabe der Gradienten (oder der diffusiven Fl¨ usse) der Variablen entlang der Grenzen des Berechnungsgebietes. Kombination von Derichlet- und Neumann-Randbedingungen. Periodische Randbedingungen
Damit ergeben sich f¨ ur praktische Berechnungen, spezifische Randbedingungen f¨ ur -
feste W¨ ande Symmetrieebenen Einstr¨ omebenen Ausstr¨ omebenen
die sich gesondert betrachten lassen, wobei das S-n-Koordinatensystem in Abb. 19.12 zur Anwendung kommt. Wandrandbedingungen An W¨ anden wird die Haftbedingung verwendet. F¨ ur impermeable Oberfl¨ achen werden beide Geschwindigkeiten auf Null gesetzt, d.h.:
646
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen
S y m m e trie lin ie A u s s tro m ra n d
E in s tro m ra n d n y s x
n
F e s te W a n d s
Abbildung 19.12: Skizze zur Erl¨ auterung m¨ oglicher Randbedingungen
Us = Un = 0.
(19.99)
F¨ ur die Temperatur k¨ onnen entweder der Wandwert oder die Wandflusswerte spezifiziert werden: T = Tw
Pr ∂T = − qw . ∂n µcp
oder
(19.100)
Tw bezeichnet die Wandtemperatur und qw den Wandw¨armefluss pro Fl¨ acheneinheit (W¨ armestromdichte). Symmetrieebenen Auf Symmetrieebenen sind die Normalgradienten (Fl¨ usse) der Tangentialgeschwindigkeit und s¨ amtlicher skalarer Variablen Null. Zus¨atzlich verschwindet die Normalgeschwindigkeit: ∂Us = 0; ∂n
Un = 0 und
∂T = 0. ∂n
(19.101)
Einstr¨ omebenen Normalerweise werden an Einstr¨ om-Ebenen die Profile von Us , Un und T durch Daten oder durch analytische Formeln vorgeschrieben. Ausstr¨ omebenen Falls die Ausstr¨ omebene derart sind, dass die Str¨omung parabolisches Verhalten aufzeigt und die Ebene gen¨ ugend weit entfernt ist, kann eine vollentwickelte Str¨ omung angenommen werden, d.h. Gradienten in Str¨omungsrichtung k¨ onnen vernachl¨ assigt werden: ∂Us = 0; ∂n
∂Un =0 ∂n
und
∂T = 0. ∂n
(19.102)
19.5 Berechnung laminarer Str¨ omungen
647
Die Vorgabe von Profilen f¨ ur Us , Un und T ist gleichfalls m¨oglich. Mit Randbedingungen dieser Art lassen sich nun laminare Str¨omungen berechnen, wie sie in den Abb. 19.13 bis 19.15 dargestellt sind.
a)
b)
c)
Abbildung 19.13: Berechnungen von Str¨ omungen mit verschiedenen Re-Zahlen in einem zweidimensionalen Str¨ omungskanal mit eingebauter Stufe; (a) Re = 10−4 , (b) Re = 10, (c) Re = 100, Biswas et al. (2003)
a)
b)
c)
d)
Abbildung 19.14: Ergebnisse von Str¨ omungsberechnungen f¨ ur die Umstr¨ omung eines zweidimensionalen Zylinders mit quadratischer Querschnittsfl¨ ache; (a) Re = 1, (b) Re = 30, (c) Re = 60, (d) Re = 200, Breuer et al. (2000)
¨ Die obigen Abbildungen zeigen die Uberstr¨ omung einer zur¨ uckspringenden Stufe, Abb. 19.13, und die Umstr¨ omung eines Quaders, Abb. 19.14.
648
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen
a)
b)
Abbildung 19.15: Ergebnisse laminarer Str¨ omungsberechnungen in einem R¨ uhrgef¨ aß mit eingebauter Rushton-Turbine; (a) Re = 1, (b) Re = 100, Breuer (2002)
19.6 Berechnungen turbulenter Str¨ omungen 19.6.1 Zu l¨ osende Str¨ omungsgleichungen Berechnungen turbulenter Str¨ omungen, bei Vorliegen hoher Re-Zahlen, erfordern die L¨ osung der Reynoldsschen Transportgleichungen, die in Kapitel 17 abgeleitet wurden und die sich f¨ ur zweidimensionale Str¨omungsgebiete wie folgt angeben lassen: Massenerhaltung (Kontinuit¨ ats-Gleichung): ∂(ρU ) ∂(ρV ) ∂ρ + + = 0, ∂t ∂x ∂y
(19.103)
Impulserhaltung in x-Richtung: ∂(ρU ) ∂ ∂ ∂P ∂τ11 ∂τ21 + (ρU 2 +ρu2 )+ (ρU V +ρuv) = − − − , (19.104) ∂t ∂x ∂y ∂x ∂x ∂y Impulserhaltung in y-Richtung: ∂(ρV ) ∂ ∂ ∂P ∂τ21 ∂τ22 + (ρU V +ρuv)+ (ρV 2 +ρv 2 ) = − − − . (19.105) ∂t ∂x ∂y ∂y ∂x ∂y F¨ ur turbulente Str¨ omungen m¨ ussen alle mit Großbuchstaben bezeichneten Variablen und die Fluideigenschaften als zeitgemittelt gedeutet werden. Fluktuierende Gr¨ oßen werden durch Kleinbuchstaben gekennzeichnet. Mittelwerte von Korrelationen der Fluktuation werden durch obere Querstriche angegeben. Die molek¨ ulbedingten Impulstransporte in den Impulsgleichungen
19.6 Berechnungen turbulenter Str¨ omungen
649
werden im folgenden vernachl¨ assigt, was durch die Annahme gerechtfertigt ist, dass hohe Reynolds-Zahlen vorliegen. Diese Annahme ist eine bei der Berechnung elliptischer turbulenter Str¨ omungen u ¨bliche N¨aherung. Die Beziehungen −ρu2 , −ρuv und −ρv 2 stellen den Impulstransport durch die turbulente fluktuierende Str¨ omung dar. Sie wirken wie Spannungen“ auf ” die Fluidelemente und werden daher als Reynolds-Spannungen bezeichnet. Diese Spannungen sind zus¨ atzliche Unbekannte in dem Gleichungssystem (19.103) – (19.105) und m¨ ussen u ¨ ber ein Turbulenz-Modell mit bekann” ten Gr¨ oßen“ in Bezug gebracht werden, um eine geschlossene L¨osung der Str¨ omungsgleichungen zu erm¨ oglichen. Das k--Turbulenzmodell (Launder und Spalding, 1974), macht von der Wirbelviskosit¨ ats-Hypothese Gebrauch, welche die Reynolds-Spannungen zu den mittleren Deformationsraten in Bezug setzt: 2 ∂U − ρk, ∂x 3 ∂V 2 − ρk, −ρv 2 = 2µt ∂y 3 ∂U ∂V + −ρuv = µt . ∂y ∂x −ρu2 = 2µt
(19.106) (19.107) (19.108)
Der Proportionalit¨ atsfaktor µt ist die Wirbelviskosit¨at. Die in den Gleichungen (19.106) und (19.107) auftretende Gr¨ oße k ist die turbulente kinetische Energie, die gleich der halben Summe der normalen Reynolds-Spannungen (geteilt durch die Dichte) ist: k=
1 2 u + v 2 + w2 . 2
(19.109)
w ist die Fluktuation der Geschwindigkeit in z-Richtung. Die Wirbelviskosit¨at µt ist keine Fluideigenschaft, sondern h¨ angt vom ¨ortlichen Str¨omungszustand ab. Schreibt man die obigen x − y−Impulsgleichungen in der Form, dass sie der allgemeinen Transportgleichung entsprechen, so erh¨alt man: ∂ ∂U ∂U ∂(ρU ) ∂ ∂P ∗ + + SU , ρU 2 − µt + ρU V − µt =− ∂t ∂x ∂x ∂y ∂y ∂x (19.110) ∗ ∂ ∂(ρV ) ∂V ∂V ∂ ∂P + + SV ρU V − µt + ρV 2 − µt =− ∂t ∂x ∂x ∂y ∂y ∂y (19.111) mit den Quelltermen:
650
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen
∂ SU = µt ∂x ∂ SV = µt ∂x
∂U ∂ + µt ∂x ∂y ∂U ∂ + µt ∂y ∂y
∂V , ∂x ∂V . ∂y
(19.112) (19.113)
Der durch Einbeziehung des zweiten Terms in den Gleichungen (19.106) und (19.107) ge¨ anderte Druck P ∗ ist gleich 2 P ∗ = P + ρk 3
(19.114)
In den meisten praktisch relevanten F¨ allen ist P 23 ρk, so dass P = P ∗ gesetzt werden kann. Die Erhaltung der zeit– (oder ensemble–) gemittelten Energie wird als Transportgleichung f¨ ur die Temperatur beschrieben durch: , , ∂ + ∂ + ∂(ρcp T ) + ρcp U T + ρcp ut + ρcp V T + ρcp vt = ST . ∂t ∂x ∂y
(19.115)
t ist der fluktuierende Wert von T ; −ρcp ut und −ρcp vt stellen die turbulenten Energieflusswerte dar. Die Terme f¨ ur den molekularen Transport wurden in Gleichung (19.115) bereits vernachl¨ assigt. F¨ ur Prandtl-Zahlen um 1 stimmt dies mit der Annahme u ¨ berein, die bei der Herleitung der Erhaltungsgleichungen f¨ ur turbulente Str¨ omungen getroffen wurde. Die turbulenten Fl¨ usse sind durch ein Wirbelausbreitungsverm¨ogen (Diffusivit¨ at) auf die mittleren Temperatur–Gradienten bezogen: µt cp Prt µt cp −ρcp vt = Prt
−ρcp ut =
∂T , ∂x ∂T . ∂y
(19.116) (19.117)
Die Wirbelviskosit¨ at µt resultiert aus dem k--Turbulenzmodell. Prt , die turbulente Prandtl-Zahl, ist eine empirische Konstante, die im n¨achsten Abschnitt spezifiziert wird. Die Substitution der Gleichungen (19.116) in (19.115) ergibt die Temperaturgleichung: ∂ µt cp ∂T µt cp ∂T ∂(ρcp T ) ∂ + ρcp U T − + ρcp V T − = ST . ∂t ∂x Prt ∂x ∂y Prt ∂y (19.118) Die Bestimmung von µt erfolgt in vielen praktischen F¨allen u ¨ ber das k − −Turbulenzmodell, wobei Dimensions¨ uberlegungen zu folgender Beziehung f¨ ur die Wirbelviskosit¨ at f¨ uhren:
19.6 Berechnungen turbulenter Str¨ omungen
k2 k = turb. kin. Energie
651
µt = ρcµ
(19.119)
∂ui ∂ui = turb. Dissipationsrate mit = r , ∂xk ∂xk ¨ worin cµ eine empirische Konstante ist, die unten angegeben wird. Ortliche Werte von k und werden durch L¨ osung der halb-empirischen Transportgleichungen f¨ ur k und gewonnen, die folgendermaßen lauten: ∂(ρk) ∂ µt ∂k ∂ µt ∂k + ρU k − + ρV k − = Pk − ρ, (19.120) ∂t ∂x σk ∂x ∂y σk ∂y ∂ ∂(ρ) µt ∂ ∂ µt ∂ + ρU − + ρV − = (c1 Pk − c2 ρ). ∂t ∂x σ ∂x ∂y σ ∂y k (19.121) ¨ Die Terme auf den linken Seiten der Gleichungen stellen die zeitliche Anderung von k und und ihren Transport durch die gemittelte und fluktuierende Bewegung dar; die rechten Seiten enthalten die Produktions- und Vernichtungsraten. In der k-Gleichung ist die k-Vernichtungsrate“ der mit der Dich” te multiplizierten Dissipationsrate gleich gesetzt. Die Produktionsrate Pk wird definiert als: 2 2 2 0 ∂U ∂V ∂U ∂V . (19.122) +2 + Pk = µt 2 + ∂x ∂y ∂y ∂x F¨ ur die empirischen Konstanten c1 , c2 , σk , σ und cµ werden u ¨ blicherweise die von Launder und Spalding (1974) vorgeschlagenen Standardwerte angenommen. F¨ ur wandbegrenzte bzw. freie Str¨omungen werden f¨ ur die turbulente Prandtl-Zahl Werte von 0,6 und 0,86 empfohlen. Die k − −Modellkonstanten sind in der untenstehenden Tabelle 19.2 zusammengefasst. Tab. 19.2: Empirische Konstanten des k--Turbulenz-Modells
cµ
c1 c2 σk σ
Prt
0.09 1.44 1.92 1.0 1.3 0.6. . . 0.86 Die obenstehend vorgestellten Transportgleichungen f¨ ur turbulente Str¨omungen k¨ onnen in einer allgemeinen Form wie folgt geschrieben werden: ∂(ρΦ) ∂ ∂Φ ∂Φ ∂ + (19.123) ρU Φ − ΓΦ + ρV Φ − ΓΦ = SΦ , ∂t ∂x ∂x ∂y ∂y worin Φ f¨ ur U , V , T , k oder steht. Die Diffusionskoeffizienten ΓΦ und die ur turbulente Str¨ omungen sind in der untenstehenden TabelQuellterme SΦ f¨ le zusammengestellt. F¨ ur laminare Str¨ omungen werden die Wirbelviskosit¨at
652
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen
und die turbulente Prandtl-Zahl durch die entsprechenden molekularen Werte ersetzt, und die k– und -Transportgleichungen brauchen nicht gel¨ost zu werden. Tab. 19.3: Diffusivit¨ aten und Quellterme f¨ ur allgemeine Transportgleichung (19.123)
Φ
ΓΦ
SΦ
U
µt
−∂P/∂x + ∂/∂x(µt ∂U/∂x) + ∂/∂y(µt ∂V /∂x)
V
µt
−∂P/∂y + ∂/∂x(µt ∂U/∂y) + ∂/∂y(µt ∂V /∂y)
T µt cp /P rt
ST
k
µt /σk
Pk − ρ
µt /σ
/k (c1 Pk − ρc2 )
19.6.2 Randbedingungen f¨ ur die turbulente Str¨ omung Wandrandbedingungen Zur Spezifikation der Wandrandbedingungen wird das Wandfunktionsverfahren (Launder und Spalding, 1974), das die viskosen wandnahen Bereiche mit empirischen Annahmen u uckt, u ¨ berbr¨ ¨ blicherweise verwendet. Wandfunktionen zu benutzen, anstatt die viskose Unterschicht aufzul¨osen, bietet zwei Vorteile: –
–
Computerrechenzeit und -speicherplatz wird eingespart, weil die hohen Gradienten der abh¨ angigen Ver¨ anderlichen in der N¨ahe der Wand nicht aufgel¨ ost zu werden brauchen, und einige der bei der Herleitung des k--Modells getroffenen Annahmen in der viskosit¨ ats-dominierten wandnahen Zone ihre G¨ ultigkeit verlieren (zur Diskussion siehe Patel et al., 1985).
F¨ ur das Wandfunktionsverfahren muss der erste von der Wand entfernte Gitterknoten in der voll turbulenten Region entsprechend der Skizze in Abb. 19.16 lokalisiert sein. Typische, dimensionslose Wandabst¨ande, welche diesen Bereich kennzeichnen, werden nachstehend angegeben. Im Falle der Tangentialgeschwindigkeit sieht das Wandfunktionsverfahren eine Gleichung vor, welche die Wandschubspannung τw (d.h. den Impulsfluss durch das an die Wand angrenzende Kontrollvolumen) in Beziehung bringt zu der Geschwindigkeit am ersten von der Wand entfernten Gitterknoten Us,c und zu dem Abstand nc dieses Punktes zur Wand. Die Grundlage f¨ ur diese Formel ist das logarithmische Wandgesetz:
19.6 Berechnungen turbulenter Str¨ omungen
653
G itte rp u n k te 3 v o lltu rb u le n te r B e re ic h
K o n tro llv o lu m e n 2
n s 1
v is k o s e U n te rs c h ic h t
n c
W a n d Abbildung 19.16: Wandnahes Kontrollvolumen
√ √ nc ρτw nc ρτw U 1 1 s,c = ln +C = ln E . κ µ κ µ τw /ρ u+
(19.124)
y+
Werte f¨ ur die von-Karman-Konstante κ und den Rauhigkeitsparameter C sind in der untenstehenden Tabelle angegeben. Man beachte, dass der angegebene Wert f¨ ur C nur f¨ ur hydrodynamisch glatte Oberfl¨achen gilt. F¨ ur rauhe W¨ ande werden andere Werte von C ben¨otigt. Tab. 19.4: Konstanten im logarithmischen Wandgesetz
κ
C E = eκC
0.41 5.2 8.43171 Gleichung (19.124) ist in τw transzendent und wird an Abl¨osepunkten (wo τw → 0) singul¨ ar. Aufgrund dieser Probleme wird oftmals eine abgewandelte Form der Gleichung (19.124) benutzt. Die Erweiterung baut auf den folgenden drei Annahmen f¨ ur die Str¨ omung in den wandnahen Kontrollvolumina auf: – – –
es liegt in unmittelbarer Wandn¨ ahe eine Couette-Str¨omung vor, mit δ/δs = 0, und Un = 0, die Produktions- und Dissipationsraten sind im Gleichgewicht, d.h. ¨ortliches Gleichgewicht der Turbulenz, und es liegt eine Schicht konstanter Spannung vor, mit −ρus un = τw .
Das logarithmische Wandgesetz und die drei oben genannten Annahmen gelten nicht in der N¨ ahe oder innerhalb von Abl¨ oseregionen. Nimmt man eine Couette-Str¨ omung an, so wird die Wirbelviskosit¨atsbeziehung (19.108) zu: −ρus un = µt
∂Us k 2 ∂Us = ρcµ ∂n ∂n
(19.125)
654
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen
und die ¨ ortliche Gleichgewichtsbedingung (Produktionsrate = Dissipationsrate) wird folgendermaßen ausgedr¨ uckt: −ρus un
∂Us = ρ. ∂n
(19.126)
Setzt man Gleichung (19.126) in Gleichung (19.125) ein, so ergibt sich: −us un k= √ , cµ
(19.127)
und die Annahme einer Schicht konstanter Spannung τw = −ρus un f¨ uhrt auf τw /ρ =
√ cµ k.
(19.128)
Aus der Gleichung (19.128) und dem logarithmischen Geschwindigkeitsgesetz (19.124) erh¨ alt man durch einfache algebraische Umformungen eine explizite Beziehung f¨ ur die Wandschubspannung: 1/4 1/2
τw =
ρκcµ kc Us,c ln(En∗c )
(19.129)
mit dem dimensionslosen Wandabstand: n∗c =
1/4 1/2
ρcµ kc nc . µ
(19.130)
Die Gleichungen (19.129) und (19.130) werden in Computerprogrammen verwendet. Sie gelten in einem Bereich von 30 < n∗c < 500.
(19.131)
Man sollte die Gitterknoten der wandnahen Kontrollvolumina daher in diesem Bereich sorgf¨ altig plazieren. Normalgeschwindigkeit Wie bei laminaren Str¨ omungen sind die Normalgeschwindigkeit an der Wand sowie ihr Gradient gleich Null. Temperatur ¨ Das Wandgesetz f¨ ur die Temperatur basiert auf Ahnlichkeitsargumenten f¨ ur die inneren Schichten (Bradshaw, 1976), woraus sich (f¨ ur niedrige MachZahlen) eine lineare Beziehung zwischen der Temperatur und der Geschwindigkeit ergibt. Das oftmals verwendete Temperaturgesetz lautet folgendermaßen:
19.6 Berechnungen turbulenter Str¨ omungen
655
1/4 1/2
(Tc − Tw )ρcp cµ kc P rt ln n∗c + CQ (P r). = (19.132) Qw κ Die additive Konstante CQ ist eine Funktion der molekularen Prandtl-Zahl Pr. Zu deren Bestimmung wird eine von Kader und Yaglom (1972) vorgeschlagene empirische Beziehung verwendet: CQ = 12.5Pr2/3 + 2.12 ln Pr − 5.3
f¨ ur Pr > 0.5,
(19.133)
+ 2.12 ln Pr − 1.5
f¨ ur Pr ≤ 0.5.
(19.134)
2/3
CQ = 12.5Pr
Gleichung (19.132) kann leicht nach dem Wandw¨armefluss Qw aufgel¨ost werden, welcher f¨ ur die Implementierung in Finite-Volumen-Verfahren die interessierende Gr¨ oße ist. Turbulente kinetische Energie In der unmittelbaren N¨ ahe der Wand ver¨ andert sich die turbulente kinetische Energie k quadratisch mit dem Wandabstand, d.h. k ∝ n2c . Zugleich hat der diffusive Wandfluss von k den Wert Null: µt ∂k = 0. σk ∂n
(19.135)
Zus¨ atzlich zur Anwendung von Gleichung (19.135) werden die Produktions– und Dissipationsraten in den wandnahen Kontrollvolumina folgerichtig mit den Annahmen einer Couette-Str¨ omung, eines ¨ortlichen Gleichgewichtes und einer konstanten Spannungsschicht, wie zuvor diskutiert, angen¨ahert ermittelt. Dies wird nachfolgend beschrieben. Statt mit Gleichung (19.122) wird die Produktionsrate in den wandnahen Kontrollvolumina berechnet mit: Pk =
τw2 1/4 1/2
,
(19.136)
ρκcµ kc nc
wobei der Geschwindigkeitsgradient aus dem logarithmischen Gesetz (19.129) hergeleitet wird und die ¨ ortliche Scherspannung mit der Wandschubspannung gleichgesetzt wird. Die Dissipationsrate, die in der k-Gleichung (19.121) erscheint, wird durch Annahme einer linearen Abh¨angigkeit des wandnahen L¨ angenmaßstabs angen¨ ahert: L=
κ k 3/2 = 3/4 nc . cµ
(19.137)
Gleichung (19.137) gilt unter ¨ ortlichen Gleichgewichtsbedingungen und f¨ ur ein logarithmisches Geschwindigkeitsgesetz (siehe Rodi, 1993). Daraus folgt eine Gleichung f¨ ur im wandnahen Kontrollvolumen der Form 3/2
c = c3/4 µ
kc . κnc
(19.138)
656
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen
Dissipationsrate Gem¨ aß der Praxis der Randbehandlung f¨ ur die Dissipationsrate wird ihr Wert an dem ersten von der Wand entfernten Knoten durch Anwendung der Gleichung (19.138) festgelegt. Symmetrieebenen Entlang der Symmetrieebenen (bzw. -linien) sind die Normalgradienten (diffusiven Fl¨ usse) der abh¨ angigen Variablen und die Normal-Geschwindigkeit Un gleich Null: ∂Us ∂k ∂ ∂T = Un = = = = 0. ∂n ∂n ∂n ∂n
(19.139)
Einstr¨ omebenen Gew¨ ohnlich werden Profile, die von experimentellen Daten oder aus anderen empirischen Informationen hergeleitet werden, an der Einstr¨omung vorgeschrieben. Die Turbulenzgr¨ oßen beziehen sich oft auf die Einstr¨omgeschwindigkeit Uin durch Spezifikation einer relativen Turbulenzintensit¨at T u, definiert als u2 Tu = . (19.140) Uin Typische Werte f¨ ur T u liegen zwischen 1% und 20%. F¨ ur isotrope Turbulenz wird T u u ¨ ber 3 k = (T u Uin )2 (19.141) 2 auf k bezogen. An der Einstr¨ omebene k¨ onnen Dissipationsraten spezifiziert werden in der Annahme, dass die Gr¨ oße der großen Turbulenzwirbel proportional zu einem typischen L¨ angenmaßstab H des Str¨ omungsgebietes ist, d.h. k 3/2 . (19.142) aH Charakteristische Werte f¨ ur den Proportionalit¨atsfaktor a liegen in der Gr¨ oßenordnung von 0.01 bis 1. =
Ausstr¨ omebenen Die gleiche Praxis, wie sie im Abschnitt 19.5 beschrieben wurde, wird f¨ ur Ausstr¨ omebenen eingesetzt. Zus¨ atzlich zu den dort angegebenen Gleichungen werden die der Str¨ omungsrichtung zugeordneten Gradienten von k und zu Null gesetzt. Die oben aufgef¨ uhrten Gleichungen k¨ onnen nun f¨ ur zweidimensionale Str¨ omungen, unter Einbeziehen der angegebenen Randbedingungen, numerisch gel¨ ost werden. Zur Veranschaulichung von typischen Berechnungsergebnissen sind untenstehend verschiedene Str¨ omungsprobleme aufgef¨ uhrt.
19.6 Berechnungen turbulenter Str¨ omungen
657
Abbildung 19.17: Str¨ omungen um ein bodennahes Modellfahrzeug – Berechnungsergebnis – LDA-Messungen
Abbildung 19.18: Subkritische Umstr¨ omung um einen Kreiszylinder bei Re = 3.900, Breuer (2002)
a)
b)
Abbildung 19.19: Abgel¨ oste Str¨ omung um einen Tragfl¨ ugel bei Re = 20.000, (a) instation¨ are Wirbelst¨ arkenverteilung, (b) zeitlich gemittelte Stromlinien, Breuer (2002)
658
19 Numerische L¨ osungen der str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen
19.7 Literaturverzeichnis 19.1 Kader BA, Yaglom AM (1972) Heat and Mass Transfer Laws for Fully Turbulent Wall Flows. Int. J. Heat and Mass Transfer, 15:2329-2351 19.2 Launder BE, Spalding DB (1974) The Numerical Computation of Turbulent Flows. Comput. Meth. Appl. Mech. Eng., 3:269-289 19.3 Bradshaw P (1976) A Skin-friction Law for Compressible Boundary Layers Based on the Full van-Driest Transformation. IC-Aero-Report 7602 19.4 Peyret R, Taylor TD (1983) Computational Methods for Fluid Flow. Springer Series in Computational Physics, Springer-Verlag, New York 19.5 Cebeci T, Bradshaw P (1984) Physical and Computational Aspects of Convective Heat Transfer. Mei Ya Publications, Inc., Springer Verlag, New York, Berlin, Heidelberg, Tokyo 19.6 Patel VC, Rodi W und Scheuerer G (1985) Turbulence Models for Nearwall and Low-Reynolds Number Flows: A Review. AAIA-J., 23:1308-1319 19.7 Wilcox DC (1993) Turbulence Modeling. DCW Industries Inc.,Griffin Printing, Glendale CA 19.8 Sch¨ afer M (1999) Numerik im Maschinenbau. Springer Verlag, Berlin 19.9 Ferziger JL, Peric M (1999) Computational Methods for Fluid Dynamics. Springer-Verlag, 2nd rev. edition 19.10 Breuer M, Bernsdorf J, Zeiser T, Durst, F (2000) Accurate Computations of the Laminar Flow Past a Square Cylinder Based on Two Different Methods: Lattice-Boltzmann and Finite-Volume. Int. J. for Heat and Fluid Flow, Elsevier Science B.V., Amsterdam, vol. 21, no. 2 19.11 Breuer M (2002) Direkte Numerische Simulation und Large-Eddy Simulation turbulenter Str¨ omungen auf Hochleistungsrechnern. Habilitationsschrift, Universit¨ at Erlangen-N¨ urnberg, Berichte aus der Str¨omungstechnik, ISBN 2-8265-9958-6, Shaker Verlag, Aachen 19.12 Biswas G, Breuer M, Durst F (2003) Backward-Facing Step Flows for Various Expansion Ratios at Low and Moderate Reynolds Numbers. J. of Fluids Engineering 19.13 Rodi W (1993) Turbulence Models and Their Application in Hydraulics A State of the Art Review. 3rd Edition, IAHR Monograph, A.A. Balkema, Rotterdam
20 Str¨ omungen mit W¨ armeu ¨bertragung
20.1 Allgemeine Betrachtungen Die Ableitungen, die in Kapitel 5 zu den Grundgleichungen der Str¨omungsmechanik durchgef¨ uhrt wurden, umfassen auch Betrachtungen zum Energietransport und, basierend auf diesen Betrachtungen wurden verschiedene Formen der Energiegleichung abgeleitet. Hierbei konnte gezeigt werden, dass die lokale mechanische Energiegleichung, angegeben als Differentialgleichung f¨ ur ein Fluid, keine unabh¨ angige Gleichung darstellt, da sie aus der allgemein formulierten Impulsgleichung abgeleitet werden kann. Dies war der Anlass, diese Gleichung von der Gesamtenergiegleichung zu subtrahieren, um so die thermische Energiegleichung wie folgt zu erhalten: ∂e ∂Uj ∂Ui ∂ q˙i ∂e + Ui −P − τij . (20.1) =− ρ ∂t ∂xi ∂xi ∂xi ∂xi wobei ρ die Dichte des Fluids darstellt, e dessen innere Energie, t die Zeit, armefluss, P den Druck und τij den Ui die Fluidgeschwindigkeit, q˙i den W¨ molek¨ ulbedingten Impulstransport. Diese Gleichung l¨asst sich nun f¨ ur eine thermodynamisch ideale Fl¨ ussigkeit, d.h. f¨ ur ρ = const und somit f¨ ur ur: (∂Ui /∂xi ) = 0 sowie auch f¨ ∂Uj ∂T ∂Ui und τij = −µ + q˙i = −λ (20.2) ∂xi ∂xi ∂xj in der nachfolgenden Form f¨ ur W¨ armetransportberechnungen zur Anwenucksichtigt dung bringen, wobei cv = cp = c = const wegen ρ = const ber¨ wurde: 2 ∂T ∂Uj ∂T ∂2T + Ui ρc +µ . (20.3) =λ ∂t ∂xi ∂xi 2 ∂xi Gemeinsam mit der Kontinuit¨ atsgleichung: ∂Ui =0 ∂xi und den Impulsgleichungen f¨ ur j = 1, 2, 3:
(20.4)
660
20 Str¨ omungen mit W¨ arme¨ ubertragung
ρ
∂Uj ∂Uj + Ui ∂t ∂xi
=−
∂ 2 Uj ∂P +µ + ρgj ∂xj ∂xi 2
(20.5)
erh¨ alt man ein System von f¨ unf Differentialgleichungen f¨ ur die f¨ unf Unbekannten U1 , U2 , U3 , P und T , das mit geeigneten Randbedingungen gel¨ost werden kann. Damit sind Str¨ omungsprobleme l¨osbar, die mit W¨arme¨ ubert¨ ragungsproblemen gekoppelt auftreten, aber zu keinen beachtlichen Anderungen der Stoffwerte ρ, µ, c und λ f¨ uhren. Dies ist oftmals in technischen Anwendungen der Str¨ omungsmechanik der Fall, bei denen die eigentlichen str¨ omungsmechanischen Vorg¨ ange von senkund¨arer Bedeutung sind, da das Hauptinteresse der W¨ armezu- und W¨ armeabf¨ uhrung eines betrachteten Systems gilt. Diese Bedeutung der W¨ arme¨ ubertragung ist der eigentliche Anlass das vorliegende Kapitel in ein Buch u omungsmechanik aufzunehmen. ¨ ber Str¨ Es dient als eine Einf¨ uhrung der Studenten der Str¨omungsmechanik in ein wichtiges Anwendungsgebiet str¨ omungsmechanischen Wissens. F lü s s ig e M e ta lle
1 0
-3
1 0
G a se
-2
1 0
-1
V is k o s e Ö le
W a sse r
1 0
-0
1 0
1
1 0
2
1 0
3
1 0
4
P r P ra n d tl Z a h l
Abbildung 20.1: Bereiche der Prandtl-Zahlen f¨ ur verschiedene Fluide (Fl¨ ussigkeiten und Gase)
Um nun einige generelle Eigenschaften der W¨arme¨ ubertragung, im Vergleich zur Impuls¨ ubertragung, leicht verst¨ andlich aufzuzeigen, werden die Gleichungen (20.3) und (20.5) etwas umgestellt: 2 ∂Uj λ ∂T λ ∂2T ν ∂T + Ui = (20.6) = + ν mit 2 ∂t ∂xi ρc ∂xi ∂xi Pr ρc und
∂Uj ∂Uj ∂ 2 Uj ∂P + Ui =ν + ρgj − ∂t ∂xi ∂xi 2 ∂xj
(20.7)
Dabei sind: ν = viskoser Diffusionskoeffizient und a = λ/ρc = thermischer Diffusionskoeffizient. Ihr Verh¨ altnis gibt die Prandtl-Zahl: Pr =
ν µ ρc µc = = , a ρ λ λ
die aufzeigt, wie sich der molek¨ ulbedingte Impulstransport zum molek¨ ulbedingten W¨ armetransport verh¨ alt. Die Prandtl-Zahl l¨asst sich somit heranzie-
20.1 Allgemeine Betrachtungen
661
hen, um aufzuzeigen, wie sich Impulstransport und W¨armetransport relativ zueinander verhalten. F¨ ur kleine Pr-Zahlen, z. B. f¨ ur fl¨ ussige Metalle, hat sich, bei gleicher Laufl¨ ange, die thermische Grenzschicht einer Plattenstr¨omung st¨arker ausgebildet als die Geschwindigkeitsgrenzschicht“. Dies ist in Abb. 20.2 angedeu” tet. y
y y
d u
d u
U (y )
y
U (y )
y y
d T
d T
T (y ) P r
d u
U (y )
1
P r = 1
T (y )
T (y ) P r 1
Abbildung 20.2: Dicken von Temperaturgrenzschichten f¨ ur verschiedene PrandtlZahlen
Der in Abb. 20.2 aufgezeigte Sachverhalt l¨ asst sich auch in Laufl¨angen f¨ ur Impuls- und Temperaturgrenzschichten ausdr¨ ucken, derart dass f¨ ur δu = δT gilt: √ L LU ν L √T = √U ; = Pr = (20.8) a ν LT a Bei gleicher Laufl¨ ange ergibt sich: √ δU = Pr δT
(20.9)
Dies besagt, dass der molek¨ ulbedingte Impulstransport gr¨oßer ist als der molek¨ ulbedingte W¨ armetransport, wenn die Prandtl-Zahl gr¨oßer als 1 gilt, d. h. Pr > 1 ist, siehe Abb. 20.2. ¨ Erweitert man die Ahnlichkeitsbetrachtungen im Kapitel 7, wo sich aus den dimensionslosen Impuls- und τij -Transportgleichungen: . / ∂Uj∗ τw ∂τij∗ "c ∂Uj∗ ∆P ∂P ∗ ∗ ∗ + U − (20.10) = − ρ i Uc tc ∂t∗ ∂x∗j ρc Uc2 ∂x∗j ρc Uc2 ∂x∗i
662
20 Str¨ omungen mit W¨ arme¨ ubertragung
τij∗
. ) * / ∂Uj∗ µc Uc ∂Ui∗ 2 ∗ ∂Uk∗ ∗ = + −µ + µ δij τw "c ∂x∗i ∂x∗j 3 ∂x∗k
(20.11)
die folgenden charakteristischen Gr¨ oßen einer Str¨omung ableiten lassen: τw ν ν , "c = uc = uτ = und tc = 2 (20.12) ρ uτ uτ F¨ uhrt man entsprechende Betrachtungen f¨ ur die Energiegleichung durch, so erh¨ alt man die unten aufgef¨ uhrten Ableitungen –
–
Betrachtete Form der Energiegleichung: ∂P ∂T T ∂P ∂Uj ∂qi + Ui + Ui + ρcp =− − τij ∂t xi ∂xi ∂t ∂xi ∂xi
(20.13)
Fouriersches Gesetz der W¨ armeleitung: qi = −λ
∂T ∂xi
(20.14)
–
Dimensionslose Form der Energiegleichung: ∗ "c ∂T ∗ ∂ q˙i∗ ∆Pc q˙c ∗ ∗ ∗ ∂T + U − ρ cp = − i ∗ tc Uc ∂t∗ ∂xi ρc (cp )c ∆Tc Uc ∂x∗i ρc (cp )c ∆Tc ∗ ∂Uj∗ "c ∂P ∗ τw ∗ ∂P ∗ + U τ − i ij tc Uc ∂t∗ ∂x∗i ρc cp,c ∆Tc ∂x∗i (20.15) – Charakteristische Temperaturdifferenz und charakteristischer W¨armetransport: τw und q˙c = τw Uc (20.16) ∆Tc = ρc (cp )c –
Charakteristische L¨ angen- und Zeitmaße q˙c qi∗
λc ∆Tc ∗ ∂T ∗ λc ∆Tc λc νc 1 =− λ ; "c = = = "c ∂x∗i q˙c µc (cp )c Uc Pr
νc uτ (20.17)
so dass gilt "T = "U /Pr und tT = tU /Pr. Diese Ableitungen zeigen die in Abb. 20.2 und in den Gleichungen (20.8) angegebenen Sachverhalt auf. Dieser wird sich auch in den Beispielen wiederfinden, die in den nachfolgenden Darstellungen von Str¨ omungen mit W¨ arme¨ ubertragung aufgef¨ uhrt sind.
20.2 Station¨ are, vollentwickelte Kanalstr¨ omung
663
20.2 Station¨ are, vollentwickelte Kanalstr¨ omung Eine einfache Str¨ omung mit W¨ arme¨ ubertragung stellt die station¨are, vollentwickelte Kanalstr¨ omung mit bewegter Wand dar. In Abb. 20.3 ist die Grundgeometrie der zweidimensionalen Ausf¨ uhrung dieser Str¨omung skizziert und die Randbedingungen wurden mit angegeben. F¨ ur diese Str¨omung gelten die unten aufgef¨ uhrten Grundgleichungen f¨ ur zweidimensionale Str¨omungen, angegeben f¨ ur ρ = const und konstante Viskosit¨ at und W¨armeleitf¨ahigkeit: ∂U2 ∂U1 + =0 (20.18) ∂x2 ∂x2 2 ∂U1 ∂ U1 ∂U1 ∂U1 ∂ 2 U1 ∂P ρ + U1 + U2 +µ + =− + ρg1 ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x1 ∂x1 2 ∂x2 2 2 (20.19) ∂U2 ∂ U2 ∂U2 ∂U2 ∂ 2 U2 ∂P ρ + U1 + U2 +µ + =− + ρg2 ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x2 ∂x1 2 ∂x2 2 (20.20) . 2 2 2 ∂T ∂ T ∂U1 ∂T ∂T ∂ T ρc + U1 + U2 + + =λ +µ ∂t ∂x1 ∂x2 ∂x1 2 ∂x2 2 ∂x1 / 2 2 2 ∂U2 ∂U1 ∂U2 + + ∂x2 ∂x2 ∂x1 (20.21) Aufgrund der angenommenen Stationarit¨ at des Gesamtproblems gilt: ∂ (· · · ) = 0 f¨ ur alle Gr¨oßen ∂t und zudem auch (∂Ui /∂x1 ) = 0 wegen vollentwickelter Str¨omung in x1 −Richtung und (∂T /∂x1 ) = 0, da auch das Temperaturfeld voll entwickelt angenommen wird. F¨ ur die Kontinuit¨ atsgleichung erh¨ alt man mit den obigen Annahmen: ∂U1 =0 ∂x1
;
∂U2 =0 ∂x2
;
U2 = 0
(20.22)
Die Gleichungen (20.19) und (20.20) reduzieren sich f¨ ur die in Abb. 20.3 skizzierte Str¨ omung auf die folgenden Formen: 0=−
∂P ∂ 2 U1 +µ ; ∂x1 ∂x2 2
0=−
∂P − ρg ∂x2
(20.23)
Aus (20.23) resultiert: P (x1 , x2 ) = −ρgx2 + Π(x1 ) und damit die Gleichung f¨ ur das Geschwindigkeitsfeld: 0=−
dΠ d2 U1 +µ dx1 dx2 2
(20.24)
664
20 Str¨ omungen mit W¨ arme¨ ubertragung
x
x
x 2
2
= D
= -D
2
:
U
U
1
1
= U
= 0
0
u n d
= T
u n d
T
= T
T H
D x
1
D N
Abbildung 20.3: Ebene Kanalstr¨ omung mit bewegter Wand und Wandtemperaturen TH und TN .
Eine Normierung dieser Gleichung ergibt mit x∗2 = x2 /D und U1∗ = U1 /U0 : d2 U1∗ D2 dΠ = = −A µU0 dx1 dx∗2 2
(20.25)
F¨ ur die Energiegleichung (20.21) erh¨ alt man unter der Annahme der Stationarit¨ at und der Annahme eines vollentwickelten Temperaturfeldes: 2 dU1 d2 T 0=λ + µ (20.26) dx2 2 dx2 Diese Gleichung ergibt mit T ∗ = (T − TN )/(TH − TN ), mit TH = hohe Wandtemperatur und TN = niedere Wandtemperatur 2 d2 T ∗ dU1∗ µU02 = − (20.27) λ (TH − TN ) dx∗2 dx∗2 2 wobei der Normierungsfaktor auf der rechten Seite der Gleichung (20.27) die Brinkmann-Zahl darstellt: µc µU02 U02 Br = = = PrEc (20.28) λ (TH − TN ) λ c (TH − TN ) U02 µc (Prandtl-Zahl) und Ec = (Eckert-Zahl). λ c(TH − TN ) Die Integration der Gleichung (20.25) ergibt: mit Pr =
dU1∗ = −Ax∗2 + C1 dx∗2
;
A U1 = − x∗2 + C1 x∗2 + C2 2 2
(20.29)
20.2 Station¨ are, vollentwickelte Kanalstr¨ omung
665
Mit den Randbedingungen: x∗2 = −1, U1∗ = 0 und x∗2 = 1, U1∗ = 1 erh¨alt man f¨ ur die Integrationskonstanten C1 = 12 und C2 = 12 (A + 1). Damit lautet die Gleichung f¨ ur die normierte Geschwindigkeitsverteilung: U1∗ =
+ 1
y *
, 1 1 + (1 + x∗2 ) + A 1 − x∗2 2 2 2
A = _ 2
0
_ 1 /2
_ 1 _ 1
0
+ 4
+ 2 0
1
u *
2
(20.30)
3
+ 7
4
Abbildung 20.4: Geschwindigkeitsprofile f¨ ur verschiedene Werte von A
Diese Gleichung bringt zum Ausdruck, dass sich die resultierende Geschwindigkeitsverteilung aus der durch die mit U0 bewegten Couette-Str¨omung 1 ∗ omung 12 A(1 − x∗2 2 ) zusam2 (1 + x2 ) und der druckgetriebenen Poiseuille-Str¨ mensetzt. Die lineare Differentialgleichung (20.25) l¨asst die Superposition der L¨ osungen f¨ ur die der Couette- und Poiseuille-Str¨omungen erwarten. Um die L¨ osung der normierten Temperaturgleichung zu erhalten, errechnet man zuerst den Geschwindigkeitsgradienten 1 dU1∗ = − Ax∗2 ∗ dx2 2
(20.31)
Mit Gleichung (20.27) erh¨ alt man folgende Bestimmungsgleichung f¨ ur die Temperaturverteilung: 1 d2 T ∗ ∗ 2 ∗2 − Ax2 + A x2 = −Br (20.32) 4 dx∗2 2 Integriert man diese Gleichung, so erh¨ alt man: 1 ∗2 A ∗3 A2 ∗4 ∗ x T = −Br x2 − x2 + + C1 x∗2 + C2 8 6 12 2
(20.33)
Mit den Randbedingungen x∗2 = −1, T ∗ = 0 und x∗2 = 1, T ∗ = 1 erh¨alt man f¨ ur die Integrationskonstanten C1 und C2 : 1 A2 A 1 1 und C2 = + Br + C1 = − Br (20.34) 2 6 2 8 12
666
20 Str¨ omungen mit W¨ arme¨ ubertragung
Gleichungen (20.34) in (20.33) eingesetzt ergibt nach einer Umstellung der Terme: T∗ =
, BrA + ∗ , BrA2 + , 1 Br + ∗3 (1 + x∗2 )+ 1 − x∗2 x 1 − x∗4 − . (20.35) − x 2 2 2 − 2 2 8 6 12
+ 1
y *
+ 1 0
0 _ 1 0
0 .5
+ 5
+ 2
1
t *
B r= P rE c = 1 0
y * 1 .5
2
B r= P rE c = 0 0 _ 1 0 4
0 .5
0 .2
8
t *
1 2
1 6
2 0
Abbildung 20.5: Temperaturprofile f¨ ur verschiedene Brinkmann-Zahlen
Die resultierende Temperaturverteilung weist einen ersten Term auf, welcher der reinen W¨ armeleitung entspricht, d. h. einen linearen Verlauf der Temperatur von TN an der unteren, nicht bewegten Wand auf TH an der ebenen, bewegten Wand. Der zweite Term resultiert aus der dissipativen W¨arme infolge des linearen Geschwindigkeitsprofils der Couette-Str¨omung und die restlichen Terme aus den Dissipationsanteil, der durch das parabolische Geschwindigkeitsprofil der Poiseuille-Str¨ omung entsteht. Die aus den obigen Ableitungen hervorgegangenen Geschwindigkeits- und Temperaturprofile sind in den Abbildungen 20.4 und 20.5 f¨ ur verschiedene Parameter A und Br skizziert.
20.3 Natu omung zwischen ¨ rliche Konvektionsstr¨ vertikalen, ebenen Platten In den vorausgegangenen Kapiteln wurden Str¨omungen betrachtet f¨ ur die angenommen wurde, dass die Fluideigenschaften, wie die Dichte ρ, die dynamische Viskosit¨ at µ und die W¨ armeleitf¨ ahigkeit λ, konstant sind. Sie konnten damit als gegeben angesehen werden und gingen nicht als Unbekannte in die str¨ omungsmechanischen Betrachtungen der Gr¨oßen des Str¨omungsproblems ein, die zu berechnen waren. Damit wurde die Komplexit¨at der L¨osungen von Str¨ omungsproblemen beachtlich reduziert, da mit konstanten Werten f¨ ur ρ, µ und λ, die starke Kopplung zwischen den Impulsgleichungen und der Energiegleichung gebrochen wurde. F¨ ur L¨ osungen von Str¨omungsproblemen reichte es somit, die Kontinuit¨ ats- und die Impulsgleichungen zu l¨osen, d. h. die Energiegleichung musste erst hinzugezogen werden, wenn zus¨atzlich zum
20.3 Nat¨ urliche Konvektionsstr¨ omung
667
Wissen u omungsfeld, Informationen u ¨ ber das Str¨ ¨ber das Temperaturfeld des Fluids ben¨ otigt wurden. In dem vorliegenden Kapitel soll nun ein Str¨omungsproblem betrachtet werden, f¨ ur das es nicht mehr zul¨ assig ist, auftretende Dichte¨anderungen zu vernachl¨ assigen. Einschr¨ ankend soll jedoch angenommen werden, dass nur kleine Dichte¨ anderungen auftreten, so dass gilt: ∂ρ 1 (20.36) ρ = ρ0 + ∆ρ ≈ ρ0 [1 − β0 (T − T0 )] mit β0 = − ρ0 ∂T P Damit lassen sich die str¨ omungsmechanischen Grundgleichungen wie folgt angeben: ∂Ui =0 (20.37) ∂xi ∂Uj ∂Uj ∂ 2 Uj ∂ + Ui ρ0 (P − ρ0 gj xj ) + µ + (ρ − ρ0 ) gj (20.38) =− ∂t ∂xi ∂xj ∂xi 2
(ρ − ρ0 ) = −ρ0 β0 (T − T0 ) 2 λ0 ∂ T ∂T ∂T + Ui = ∂t ∂xi ρ0 cp0 ∂xi 2
(20.39) (20.40)
Diese Gleichungen k¨ onnen herangezogen werden, um durch Dichteunterschiede getriebene Str¨ omungen zu untersuchen, d.h. nat¨ urliche Konvektionsstr¨ omungen lassen sich durch die obigen Gleichungen mathematisch beschreiben. Aus diesen Gleichungen erh¨ alt man f¨ ur zweidimensionale Str¨omungsbedingungen ∂/∂x3 (. . . ) = 0 und vollentwickelte Str¨omungen ∂/∂x2 (Uj ) = 0 die folgenden vereinfachten Gleichungen: Impulsgleichung: ρ
∂Π ∂ 2 U2 ∂U2 =− + ρgβ0 (T − T0 ) + µ ∂t ∂x2 ∂x1 2
(20.41)
Energiegleichung: ρcp
∂2T ∂T =λ +µ ∂t ∂x1 2
dU2 dx1
2 (20.42)
wobei bez¨ uglich der Achsenrichtungen das in Abb. 20.6 angegebene Koordinatensystem gew¨ ahlt wurde. Diese Gleichungen k¨ onnen nun f¨ ur station¨ are Str¨omungen vereinfacht werur solche den, die ohne externen Druckgradient, d.h. ∂Π/∂x2 = 0 ablaufen. F¨ Str¨ omungen gelten die Grundgleichungen wie folgt:
668
20 Str¨ omungen mit W¨ arme¨ ubertragung W a n d T
x
W a n d 2
T N
H
+
D T M
=
T H + T 2 N
x 1
A u fw ä rts g e ric h te te S trö m u n g T (x 1 ) A b w ä rts g e ric h te te S trö m u n g
Abbildung 20.6: Freie Konvektionsstr¨ omung zwischen vertikalen Platten
Impulsgleichung: 0 = ρgβ0 (T − T0 ) + µ Energiegleichung: λ d2 T ν 0= + 2 ρcp dx1 cp
d2 U2 dx1 2
dU2 dx1
(20.43)
2 (20.44)
F¨ ur die Konvektionsstr¨ omung zwischen zwei Platten ergibt sich f¨ ur die Impulsgleichung: d2 U2 + ρM gβM (T − TM ) (20.45) 0=µ dx1 2 und f¨ ur die Energiegleichung l¨ asst sich, bei Ber¨ ucksichtigung der obigen Annahme schreiben: 2 dU2 d2 T 0=λ + µ (20.46) dx1 2 dx1 wobei TM = 1/2(TH + TN ) ist und folgende Randbedingungen das Problem beschreiben (20.47) U2 (D) = U2 (−D) = 0 T (D) = TH ; T (−D) = TN
(20.48)
F¨ uhrt man nun den sogenannten Auftriebs-Viskosit¨ats-Parameter A ein: A=
βM gµD λ
(20.49)
so lassen sich die Grundgleichungen wie unten aufgef¨ uhrt normieren, wobei folgende dimensionslose Gr¨ oßen eingef¨ uhrt werden:
20.4 Instation¨ are freie Konvektionsstr¨ omung
x∗1 = x1 /D
U2∗ =
ρDU2 µ
T∗ =
(T − TN ) (TH − TN )
669
(20.50)
Man erh¨ alt somit die folgenden dimensionslosen Gleichungen: d2 U2∗ d2 T ∗ A ∗ = −GrT und =− 2 Gr dx∗1 dx∗1 2
(20.51)
wobei Gr wie folgt aus den Ableitungen hervorgeht: Gr =
gρ2 D3 β (TH − TN ) µ2
Grashof-Zahl
(20.52)
Beachtet man, dass der Auftriebs-Viskosit¨ ats-Parameter A, f¨ ur die meisten Fluide, sehr kleine Werte annimmt und dass zudem Gr-Zahlen f¨ ur praktisch relevante Auftriebsstr¨ omungen große Werte annehmen, so gilt f¨ ur die normierte Temperaturverteilung mit guter N¨ aherung: d2 T ∗ =0 dx∗1 2
;
T ∗ = C1 x∗1 + C2
(20.53)
mit T ∗ = −1 f¨ ur x∗1 = −1 und T ∗ = 1 f¨ ur x∗1 = 1 erh¨alt man C1 = 1 und C2 = 0 und somit: T ∗ = x∗1 (20.54) T ∗ in Gleichung (20.51) eingesetzt ergibt: d2 U2∗ = −Grx∗1 dx∗1 2
U2∗ = −
Gr ∗3 x + C1 x∗1 + C2 6 1
(20.55)
Mit den Randbedingungen: x∗1 = 1 ist U2∗ = 0 und x∗1 = −1 ist U2∗ = 0, erh¨alt man C1 =Gr/6 und C2 =0 und damit: U2∗ =
, Gr + ∗ x1 − x∗3 1 6
(20.56)
Die resultierende Temperaturverteilung stellt sich als linear heraus. Es ergibt sich also die f¨ ur die reine W¨ armeleitung typische Verteilung. Dagegen wird die Geschwindigkeitsverteilung durch eine punktsymmetrische kubische Funktion beschrieben, wie dies in Abb. 20.6 skizziert ist. Entlang der Wand mit der h¨ oheren Temperatur entsteht eine nach oben gerichtete Str¨omung und auf der Seite der k¨ uhlen Wand eine Str¨ omung, die nach unten gerichtet ist. Str¨ omungen dieser Art k¨ onnen zwischen den Scheiben von IsolierglasFenstern auftreten, wenn diese falsch dimensioniert wurden.
20.4 Instation¨ are freie Konvektionsstr¨ omung an einer ebenen vertikalen Platte Das in diesem Kapitel behandelte Str¨ omungs- und W¨arme¨ ubertragungsproblem befasst sich mit der Diffusion von W¨ arme von einer vertikalen, zur Zeit
670
20 Str¨ omungen mit W¨ arme¨ ubertragung
t = 0 pl¨ otzlich beheizten Wand in ein in einer Halbebene unendlich ausgedehntes Fluid. Die mit der W¨ armediffusion verbundenen zeitlichen Temperatur¨ anderungen im Fluid resultieren in Dichte¨ anderungen und damit in Auftriebskr¨ aften und diese wiederum f¨ uhren zu einer Fluidbewegung, die sich als freie Konvektionsstr¨ omung analytisch behandeln l¨asst. Dazu lassen sich die im Kapitel 20.3 angegebenen, durch die Oberbeck/Boussinesq-Terme in den Impulsgleichungen erweiterten Grundgleichungen, wie unten aufgef¨ uhrt, als eindimensionales Gleichungssystem f¨ ur eine instation¨are Str¨omung als Basis der L¨ osung angeben. Dabei wurde ber¨ ucksichtigt: –
–
omung in x2 -Richtung, erh¨alt Wegen ∂U2 /∂x2 = 0, vollentwickelte Str¨ man aus der zwei-dimensionalen Kontinuit¨atsgleichung U1 = const. Da U1 = 0 an der Wand gegeben ist, d. h. f¨ ur x1 = 0 als Bestandteil des betrachteten Str¨ omungsgebietes gilt, erh¨ alt man U1 = 0 im gesamten Str¨ omungsgebiet. Mit den obigen Erkenntnissen reduziert sich die linke Seite der x2 Impulsgleichung auf den Term ρ0 (∂U2 /∂t) so dass folgendes Gleichungssystem gilt: - Impulsgleichung: ∂U2 ∂ 2 U2 ρ0 = µ0 + (ρ − ρ0 )g (20.57) ∂t ∂x1 2 -
Energiegleichung: ρ0 cp,0
∂T ∂2T = λ0 ∂t ∂x1 2
(20.58) 2
Der Dissipationsterm in der Energiegleichung µ ( dU2 / dx1 ) wurde dabei vernachl¨ assigt, aus Gr¨ unden, die in Kapitel 20.3 aufgef¨ uhrt sind. x 2
( T ( x 1,t) - T 0) U 2
( x 1,t) x 1
Abbildung 20.7: Instation¨ are freie Konvektionsstr¨ omung an einer ebenen, vertikalen Platte
Zur weiteren Festlegung des zu untersuchenden Problems soll f¨ ur alle Zeiten ur x1 ≥ 0, d. h. im gesamten t < 0 gelten: U2 (x1 , t) = 0 und T (x1 , t) = T0 f¨ mit Fluid gef¨ ullten Gebiet gibt es keine Str¨ omung und das Fluid hat u ¨berall die selbe Temperatur.
20.4 Instation¨ are freie Konvektionsstr¨ omung
671
F¨ ur alle Zeiten t ≥ 0 soll gelten: U2 (0, t) = 0 (Haftbedingung an der Wand) und T (0, t) = TW (pl¨ otzliche Erh¨ ohung der Wandtemperatur). Desweiteren wird das zu untersuchende Str¨ omungsproblem f¨ ur x1 → ∞ durch U2 (∞, t) = 0 und T (∞, t) = T0 beschrieben. Die in Abb. 20.7 skizzierten Geschwindigkeits- und Temperaturfelder deuten an, welche Diffusionsprozesse ablaufen und wie diese dazu beitragen, eine Auftriebsstr¨ omung zu verursachen. Die molekulare Diffusion des Temperaturfeldes ist ersichtlich, verbunden mit der induzierten Fluidbewegung und dem Impulsverlust an die Wand. Wichtig f¨ ur die hier abzuleitenden quantitativen Informationen ist das Vorliegen einer analytischen L¨osung des in Abb. 20.7 aufgef¨ uhrten Auftriebsstr¨ omungsproblems. Das oben aufgef¨ uhrte Str¨ omungsproblem ist als eindimensionale, instation¨are ¨ freie Konvektionsstr¨ omung zu l¨ osen und zwar als Ahnlichkeitsl¨ osung des oben aufgef¨ uhrten Gleichungssystems (20.57) und (20.58). Dazu f¨ uhren wir die ¨ Ahnlichkeitsvariable x1 (20.59) η= √ 2 ν0 t ein und f¨ ur die abh¨ angigen Variablen U2 (x1 , t) und T (x1 , t) f¨ ur x1 ≥ 0, die ¨ Ahnlichkeitsans¨ atze U2 (x1 , t) = [β0 (TW − T0 ) gt] F (η)
(20.60)
T (x1 , t) = (TW − T0 ) G (η)
(20.61)
und Diese Ans¨ atze werden in dieser Form mit dem Ziel eingef¨ uhrt, dimensionslose Formen der das Problem beschreibenden Differentialgleichungen zu erhalten und zudem die partiellen Differentialgleichungen in gew¨ohnliche Differentialgleichungen u uhren. ¨berzuf¨ Die obigen Ans¨ atze (20.60) und (20.61) gelten f¨ ur Pr = 1 und werden untenstehend f¨ ur diesen Sonderfall gel¨ ost. Allgemeinere L¨osungen f¨ ur Pr = 0 wurden von Illingworth (1950) angegeben und sind dort nachzulesen. Der hier behandelte Sonderfall reicht aus, um Studenten der Str¨omungsmechanik in das Gebiet der nat¨ urlichen Konvektionsstr¨ omungen einzuf¨ uhren. ¨ Mit den obigen Ahnlichkeitsans¨ atzen erh¨ alt man f¨ ur die Ableitungen in der Differentialgleichung f¨ ur U2 : ρ0
∂U2 ∂ = ρ0 β0 (TW − T0 ) g (tF (η)) ∂t ∂t
(20.62)
oder die Ableitung nach t ausgef¨ uhrt: ρ0
∂U2 1 = ρ0 β0 (TW − T0 ) g F − ηF ∂t 2
sowie f¨ ur die einfache Ableitung nach dem Ort:
(20.63)
672
20 Str¨ omungen mit W¨ arme¨ ubertragung
µ0
∂U2 1 = µ0 β0 (TW − T0 ) gtF √ ∂x1 2 ν0 t
(20.64)
und damit f¨ ur die zweifache Ableitung: µ0
∂ 2 U2 1 = µ0 β0 (TW − T0 ) gtF ∂x1 2 4ν0 t
oder unter Ber¨ ucksichtigung von ν0 = (µ0 /ρ0 ) umgeschrieben: 1 ∂ 2 U2 F µ0 = ρ β (T − T ) g 0 0 W 0 ∂x1 2 4
(20.65)
(20.66)
F¨ ur den Gravitationsterm in der U2 -Differentialgleichung erh¨alt man: (ρ − ρ0 )g = ρ0 β0 (T − T0 )g = ρ0 β0 (TW − T0 )gG(η)
(20.67)
Die obigen Beziehungen (20.63), (20.66) und (20.67) in die Impulsgleichung eingesetzt ergibt die folgende gew¨ ohnliche Differentialgleichung f¨ ur F (η): F + 2ηF − 4F + 4G = 0
(20.68)
F¨ ur die zeitliche Ableitung in der Energiegleichung (20.58) erh¨alt man: ρ 0 c0
∂ ∂T = ρ0 c0 (Tw − T0 ) (G(η)) ∂t ∂t
(20.69)
und nach ausgef¨ uhrter Differentiation: ρ 0 c0
η ∂T = ρ0 c0 (TW − T0 ) G ∂t 2t
(20.70)
Die Durchf¨ uhrung der zweifachen Differentiation von T (x1 , z) in (20.58) nach x1 ergibt ∂2T ρ (TW − T0 ) = G λ0 (20.71) λ0 2 ∂x1 4µ0 t und f¨ ur Pr = 1 ∂2T 1 = G ρ0 c0 (TW − T0 ) (20.72) λ0 ∂x1 2 4t Die obigen Beziehungen (20.70) und (20.71) in die Energiegleichung (20.58) eingesetzt ergibt: (20.73) G − 2ηG = 0 Die Randbedingungen f¨ ur die L¨ osung der oben aufgef¨ uhrten Differentialgleichungen lauten: x1 = 0 : U2 (0, t) = 0 ; η = 0 : F (0) = 0 T (0, t) = TW ; G(0) = 1 x1 → ∞ : U2 (∞, t) = 0 ; η = 1 : F (1) = 0 T (∞, t) = T0 ; G(1) = 0
20.4 Instation¨ are freie Konvektionsstr¨ omung
673
Als L¨ osung der Differentialgleichung (20.73) erh¨alt man G(η) = (1 − erf(η))
(20.74)
Die L¨ osung der Differentialgleichung (20.68), mit G(η) eingesetzt, l¨asst sich als L¨ osung der homogenen Differentialgleichung f¨ ur F (η) erhalten F + 2ηF − 4F = 0
(20.75)
und mit der partikularen L¨ osung F (η) = erf(η) und der homogenen L¨osung ergibt sich + , 2 F (η) = √ η exp −η 2 − 2η 2 erf(η). (20.76) π Damit lassen sich die L¨ osungen f¨ ur F und G, wie sie in Abb. 20.8 aufgezeigt werden, aus den obigen Beziehungen (20.74) und (20.76) ermitteln. Durch den Abfall von G mit zunehmendem η, wird der Abfall der Temperatur mit zunehmenden Wandabstand angegeben. Die F (η)-Verteilung gibt Geschwindigkeitsverteilungen f¨ ur die nat¨ urliche Konvektion wieder, die sich infolge von Auftriebskr¨ aften in der N¨ ahe der Wand einstellt. 1 .0
G ,F
0 .8 0 .6 0 .4
5 F G
0 .2 0 0
0 .5
1 .0
1 .5
h = 2
x
2 .0 1
n t
Abbildung 20.8: L¨ osungen F (η) und G(η) f¨ ur freie Konvektionsstr¨ omung entlang ebener, vertikaler Platte
¨ Die in Abb. 20.8 gezeigten Teile der Ahnlichkeitsl¨ osungen des Gleichungssystems (20.57) und (20.58) zeigen einmal das normierte Temperaturprofil G(η), das durch die Temperaturdiffusion von der aufgeheizten Wand in das Fluid entsteht, ferner das normierte Geschwindigkeitsprofil, das durch den Auftrieb verursacht wird und durch den molek¨ ulbedingten Impulsverlust an die Wand einen Einfluss erh¨ alt. Wegen der angenommenen vollentwickelten ur Str¨ omung in x2 -Richtung, entstehen so aus den Differentialgleichungen f¨
674
20 Str¨ omungen mit W¨ arme¨ ubertragung
das Temperaturfeld (20.61) und das Geschwindigkeitsfeld (20.60) physikalisch einleuchtende L¨ osungen. Beide zusammen sollen als ein Beispiel der Auftriebsstr¨ omungen verstanden werden, die es in großer Vielfalt in der Natur gibt. F¨ ur eine nicht geringe Anzahl dieser, durch Temperaturfelder getriebenen Str¨ omungen, gibt es analytische L¨ osungen.
20.5 Ebene Plattengrenzschicht mit Plattenbeheizung bei kleinen Prandtl-Zahlen Im Kapitel 16 wurden aus den allgemeinen Navier-Stokes-Gleichungen, in einer von Prandtl vorgeschlagenen Vorgehensweise, die zweidimensionalen Grenzschichtgleichungen abgeleitet. Erweitert man diese Ableitungen auf Grenzschichtstr¨ omungen mit W¨ arme¨ ubertragung, so erh¨alt man unter den folgenden Annahmen: x3 = Richtung mit ∂/∂x3 (· · · ) = 0
omungsrichtung x1 = Str¨
die folgenden Gleichungen f¨ ur x1 = x, x2 = y, U1 = U , U2 = V : Station¨ are kompressible Str¨ omungen (Grenzschichtgleichungen) ∂ ∂ (ρU ) + (ρV ) = 0 ∂x ∂x ∂U ∂U ∂ dP ∂U ρ U +V + =− µ + ρgx β (T − T∞ ) ∂x ∂y dx ∂y ∂y 2 ∂T ∂2T ∂U ∂T dP ρcp U +V +λ + µ =U ∂x ∂y dx ∂y 2 ∂y ρ = const oder
P = RT ρ
und µ = µ(T ), λ(T ), cp (T )
(20.77) (20.78) (20.79) (20.80)
Somit liegen 4 Differentialgleichungen f¨ ur U , V , P , ρ und T vor, die mit den das jeweilige Problem kennzeichnenden Randbedingungen gel¨ost werden k¨ onnen. Station¨ are, inkompressible Str¨ omungen (Grenzschichtgleichungen)
ρ∞
∂U ∂U +V U ∂x ∂y
∂V ∂U + =0 ∂x ∂y
=−
(20.81)
∂ 2U dP + µ∞ − ρ∞ gx β∞ (T − T∞ ) (20.82) dx ∂y 2
20.5 Ebene Plattengrenzschicht
675
2 ∂T ∂T ∂U ∂2T +V ρ∞ cp∞ U + µ + ρ∞ gx β∞ (T − T∞ ) =λ ∞ ∂x ∂y ∂y 2 ∂y (20.83) Dieses Gleichungssystem kann f¨ ur ρ = ρ∞ = const, λ = λ∞ = const, cp = cp∞ = const und µ = µ∞ = const gel¨ost werden, unter Hinzunahme der das Str¨ omungs- und W¨ arme¨ ubertragungsproblem kennzeichnenden Randbedingungen, um U , V und T zu berechnen. Der extern aufgepr¨agte Druckgradient ( dP/ dx) kann oftmals als gegeben angenommen werden. G e s c h w in d ig k e its v e rte ilu n g
y
T e m p e ra tu rv e rte ilu n g
T (y ) T ¥
d
U U ¥
d T
T T ¥
P la tte Abbildung 20.9: Thermische Grenzschicht und thermische Grenzschicht f¨ ur kleine Prandtl-Zahlen
Um nun die Gleichungen zu integrieren, empfiehlt es sich, den Einfluss der Prandtl-Zahl auf die L¨ osung in die Betrachtungen mit einfließen zu lassen. Dabei ist zu ber¨ ucksichtigen, dass die Prandtl-Zahlen, der in diesem Buch betrachteten Fluide, den weiten Bereich abzudecken verm¨ogen, der in Abb. 20.1 angedeutet ist. F¨ ur Grenzschichtstr¨ omungen mit sehr kleinen Prandtl-Zahlen, d. h. Grenzschichten geschmolzener Metalle, ergeben sich thermische Grenzschichten, die ein vielfaches dicker sind, als die Str¨ omungsgrenzschichten, siehe Abb. 20.9. Es ist damit verst¨ andlich, dass es sich empfiehlt f¨ ur kleine PrandtlZahlen Grenzschichtstr¨ omung mit W¨ arme¨ ubertragung so zu behandeln, dass die Str¨ omungsgrenzschicht ganz vernachl¨ assigt wird, d. h. es folgt aus der Kontinuit¨ atsgleichung (20.81), dass die Gradienten von V in y–Richtung und U in x–Richtung wie folgt zusammenh¨ angen:
676
20 Str¨ omungen mit W¨ arme¨ ubertragung
dU ∂V =− ∂y dx
(20.84)
und damit gilt: dU y (20.85) dx ¨ Es wird f¨ ur die analytischen Betrachtungen die Ahnlichkeitsvariable 1 U∞ η= y (20.86) 2 ax V =−
eingef¨ uhrt. Aus der Energiegleichung erh¨ alt man: Ux
dU ∂T ∂2T ∂T −y =a ∂x dx ∂y ∂y 2
(Pr << 1)
(20.87)
f¨ ur T = TW f¨ ur y = 0 und T = T∞ f¨ ur y → ∞ (und dies f¨ ur alle x-Positionen) erh¨ alt man f¨ ur konstante Außenstr¨ omung, d.h. U (x) = U∞ = const U∞
∂2T λ∞ ∂T =a mit a = ∂x ∂y 2 ρ∞ cp,∞
(20.88)
F¨ ur die normierte Temperatur T ∗ = (T − T∞ )/∆Tw mit ∆Tw = (Tw − T∞ ) erh¨ alt man: ∂T ∗ ∂T ∗ U∞ =a (20.89) ∂x ∂y ¨ und mit dem Ahnlichkeitsansatz: T ∗ = f (η)
(20.90)
ergibt sich f¨ ur die Ableitungen in der obigen Differentialgleichung (20.89) * ) ∂T ∗ U 1 1 ∞ = f − y (20.91) = ηf ∂x 4x ax 2x T∗ = f y
* ) 1 U∞ 2 ax
und
∂2T ∗ = f ∂y 2
1 U∞ 4 ax
(20.92)
Dies ergibt aus (20.91) und (20.92) die folgende gew¨ohnliche Differentialgleichung f¨ ur f (η): (20.93) f + 2ηf = 0 Mit den Randbedingungen: F¨ ur alle x ≥ 0: T ∗ (y = 0) = 1 ; η = 0 : ∗
T (y → ∞) = 0 ; η = 1 :
f (η) = 1 f (η) = 0
¨ 20.6 Ahnlichkeitsl¨ osung f¨ ur Plattengrenzschicht
677
Erh¨ alt man f¨ ur die Temperaturverteilung:
T − T∞ TW − T∞
2 = 1 − erf(η) = 1 − √ π
"η
+ , exp −η 2 dη
(20.94)
0
Die Verteilung ist als Funktion von η in Abb. 20.10 skizziert mit der korrespondierenden Geschwindigkeitsverteilung.
h
7 h
6 5
7 6 5
T e m p e ra tu rv e rte ilu n g 4
G e s c h w in d ig k e its v e rte ilu n g 4 3
3 2 2 1 1 0 0
0 .2 5
0 .5
0 .7 5
T - T T w - T
1 .0 ¥
0 0
0 .2 5
0 .5
0 .7 5
1 .0
U / U ¥
1 .2 5
¥
Abbildung 20.10: Temperaturverteilung und Geschwindigkeitsverteilung f¨ ur Plattengrenzschichtstr¨ omung mit konstanter Wandtemperatur bei kleinen PrandtlZahlen
¨ 20.6 Ahnlichkeitsl osung fu ¨ ¨ r Plattengrenzschicht mit Wandbeheizung und dissipativer Erw¨ armung In Kapitel 15 wurden Grenzschichtstr¨ omungen behandelt und eine ¨ Einf¨ uhrung in die L¨ osung der Grenzschichtgleichungen mittels Ahnlichkeitsans¨ atzen gegeben. Die im vorliegenden Kapitel behandelte ebene Plattenstr¨ omung mit W¨ arme¨ ubertragung basiert gleichfalls auf der von Blasius vorgeschlagenen L¨ osung der Grenzschichtgleichungen f¨ ur die station¨are Plattenumstr¨ omung, d.h. auf der L¨ osung folgender Gleichungen: ∂V ∂U + =0 ∂x ∂y ∂U ∂U ∂2U +V ρ U =µ ∂x ∂y ∂y 2
(20.95) (20.96)
Zur Behandlung der W¨ arme¨ ubertragung wird die Grenzschichtform der Energiegleichung hinzugenommen. Dabei werden die Temperaturabh¨angigkeiten der Stoffwerte ρ, µ, λ und damit auch die Auftriebskr¨afte, in der Energiegleichung vernachl¨ assigt:
678
20 Str¨ omungen mit W¨ arme¨ ubertragung
2 ∂T ∂U ∂T ∂2T +V ρcp U + µ =λ ∂x ∂y ∂y 2 ∂y
(20.97)
F¨ ur die ebene Plattenstr¨ omung mit Wandbeheizung ergeben sich die folgenden Randbedingungen: y=0: y=0:
U = V = 0 und T = TW
(20.98)
U → U∞ und T → T∞
(20.99)
F¨ ur die L¨ osung des Problems ist es wichtig zu erkennen, dass die Gleichungen (20.95) und (20.96) f¨ ur die Bestimmung des Geschwindigkeitsfeldes von der Energiegleichung (20.97) entkoppelt sind, falls von der Temperatur unabh¨ angige Stoffwerte angenommen werden. Diese Annahme wird hier gemacht. Damit l¨ asst sich f¨ ur das Geschwindigkeitsfeld der von Blasius aufgezeigte L¨ osungsweg einschlagen, siehe Kapitel 16. √ Mit η = y U∞ /νx und ψ = νxU∞ f (η) erh¨alt man U = U∞ f (η) und V = 12 νU∞ /x − (ηf − f ). Aus der Impulsgleichung resultiert damit die folgende Differentialgleichung: f f + 2f = 0
(20.100)
Hieraus l¨ asst sich f (η) und f (η), wie in Kapitel 16 aufgezeigt, numerisch ermitteln und, damit U und V bestimmen, wobei die Randbedingungen wie folgt lauten: f = f = 0
η=0:
und
η→∞:
f → 1
Die Energiegleichung l¨ asst sich wie folgt umschreiben: / . 1 νU∞ dT ∂η dT ∂η + (ηf − f ) (20.101) U∞ f dη ∂x 2 x dη ∂y 2 ∂η λ ∂2T µ 2 2 U∞ + U f 2 ρcp ∂η ∂y ρcp p νx Oder f¨ ur die weitere L¨ osung umgeschrieben: U2 1 dT λ d2 T 2 + ∞ (f ) − f = 2 2 dη µcp dη cp
(20.102)
1/Pr
um die zu behandelnde Endform zu erhalten 0= F¨ uhrt man nun ein:
d2 T U2 Pr dT 2 f + 2Pr ∞ (f ) + 2 dη 2 dη 2cp
(20.103)
¨ 20.6 Ahnlichkeitsl¨ osung f¨ ur Plattengrenzschicht
T − T∞ TW − T∞
Θ (η) = so erh¨ alt man: 0 = Θ +
679
(20.104)
Pr U2 2 f Θ + 2P r ∞ (f ) 2 2cp
(20.105)
Ohne die dissipative Aufheizung der Grenzschicht erh¨alt man die Differentialgleichung Pr fΘ = 0 Θ + (20.106) 2 die es f¨ ur die Randbedingungen: η=0;θ=1
η→∞;θ→0
und
zu l¨ osen gilt. Da f (η) bekannt ist, als L¨ osung der Kontinuit¨ats- und Impulsgleichungen, ist eine L¨ osung der Gleichung m¨ oglich. Sie wurde erstmals von Pohlhausen (1921) vorgeschlagen und ist in Abb. 20.11 f¨ ur unterschiedliche Prandtl-Zahlen angegeben: T 1(h ) - T T w
- T
1 .0 ¥ ¥
0 .8 P = 0 .6
0 .6
0 .8 1
0 .4 1 5
0 .2
7
3
5 0
3 0 0 1 0 0 0
0 0
0 .4
0 .8
1 .2
1 .6
2 .0
2 .4
2 .8
3 .2
3 .6 h = y
4 .0 U
n x
¥
Abbildung 20.11: Temperaturverteilung an einer ebenen beheizten Platte mit Temperaturdifferenz (T − T∞ )
F¨ ur W¨ arme¨ ubergangsberechnungen gilt: ∂T ∂η ∂T = −λ q˙ (x) = −λ , ∂y 0 ∂η 0 ∂y U∞ ∂Θ , (TW − T∞ ) q˙ (x) = −λ ∂η 0 νx wobei f¨ ur den technisch interessanten Bereich gilt: ∂Θ 1 1/3 ≈ (Pr) , ∂η 0 3
(20.107)
(20.108)
(20.109)
680
20 Str¨ omungen mit W¨ arme¨ ubertragung
so dass f¨ ur den lokalen W¨ armestrom erhalten wird: 1 U∞ 1/3 q˙ (x) = − λPr (TW − T∞ ) . 3 νx
(20.110)
Die W¨ armemenge, die von der Plattenspitze bis zur Plattenl¨ange L abgegeben wird, l¨ asst sich durch Integration erhalten: U∞ −3/2 1 1/3 x . (20.111) Q˙ (L) = + λPr (TW − T∞ ) 6 ν Damit lassen sich f¨ ur den Ingenieurbereich wichtige Informationen aus den obigen Ableitungen gewinnen.
20.7 Vertikale Plattengrenzschichtstro ¨mung infolge natu ¨ rlicher Konvektion In der N¨ ahe einer vertikalen, ebenen Platte, die auf die Temperatur TW aufgeheizt wurde, bildet sich, infolge nat¨ urlicher Konvektion, eine nach oben gerichtete Grenzschichtstr¨ omung aus. Diese wird durch die Grenzschichtgleichungen mit dP/∂x = 0 beschrieben: ∂V ∂U + =0 ∂x ∂y ∂U ∂U ∂2U +V ρ U + ρgβ (T − T∞ ) =µ ∂x ∂y ∂y 2 ∂T ∂T ∂2T +V ρcp U =λ ∂x ∂y ∂y 2
(20.112)
(20.113) (20.114)
Diese Gleichungen lassen sich β = 1/T∞ und θ = (T − T∞ )/(TW − T∞ ) wie folgt umschreiben und zur L¨ osung des Geschwindigkeits- und Temperaturfeldes heranziehen: ∂V ∂U + =0 (20.115) ∂x ∂y ∂U ∂U TW − T∞ ∂2U ρ U +V + ρg Θ (20.116) =µ ∂x ∂y ∂y 2 T∞ U
∂Θ ∂Θ ∂2Θ +V =a ∂x ∂y ∂y 2
(20.117)
Die Einf¨ uhrung der Stromfunktion U = ∂ψ/∂y und V = −∂ψ/∂x eliminiert ¨ die Kontinuit¨ atsgleichung und erm¨ oglicht den Ahnlichkeitsansatz: Ψ = 4νAx3/4 f (η)
mit
y η = A√ 4 x
(20.118)
20.7 Vertikale Plattengrenzschichtstr¨ omung
#
mit
g (TW − T∞ ) 4ν 2 T∞
4
A=
681
(20.119)
Die Geschwindigkeitskomponenten U und V errechnen sich wie folgt: U = 4νx1/2 A2 f
und V = νAx−1/4 (ηf − 3f )
¨ Damit ergibt sich folgender Satz von Differentialgleichungen, um die Ahnlichkeitsfunktionen f (η) und θ(η) zu bestimmen: f + 3f f − 2f
2
+ Θ = 0 und Θ + 3Prf Θ = 0
(20.120)
wobei die folgenden Randbedingungen das Problem bestimmen: f = f = 0 und Θ = 1
η=0:
(20.121)
η → ∞ : f = 0 und Θ = 0
(20.122)
Die numerische Integration des Differentialgleichungssystems wurde von Pohlhausen (1921) und Ostrach (1953) vorgenommen und f¨ uhrte zu den in Abb. 20.12 aufgef¨ uhrten L¨ osungen f¨ ur verschiedene Prandtl-Zahlen. z ¢ = 2
T
T ¥ W
- T ¥
0 .2 4 0 .2 0
0 .8
0 .1 6
P = 0 ,7 3
0 .6
0 .1 2 1 ,0
0 .4 1 0 0
0 .2 0
g x
0 .2 8
T - T ¥ q = T W - T ¥
1 .0
u
0 .0 8
1 0
0 .0 4
0
1 0 0 0
0 .4
0 .8
1 .2
1 .6
2 .0
2 .4
2 .8
h =
3 .2
x
y
(
3 .6
G 4
x
4 .0
)
1 /4
0 0
0 .4
0 .8
1 .2
1 .6
2 .0
2 .4
2 .8
h = x
3 .2
y
(
3 .6
G
4 .0
4
x
) 1 /4
Abbildung 20.12: Temperatur- und Geschwindigkeitsverteilung an einer beheizten vertikalen, ebenen Platte infolge nat¨ urlicher Konvektion
Berechnet man nun den lokal pro Zeit- und Fl¨acheneinheit vorliegenden W¨ armestrom, so erh¨ alt man: ∂η ∂Θ ∂T = −λ (20.123) q˙ (x) = −λ (TW − T∞ ) ∂y 0 ∂η 0 ∂y ausgef¨ uhrt: oder die Differention ∂η ∂y
682
20 Str¨ omungen mit W¨ arme¨ ubertragung
1 ∂Θ (TW − T∞ ) q˙ (x) = −λA √ 4 x ∂η ∂θ ≈ 12 , so dass gilt F¨ ur Pr = 0,73 erh¨ alt man ∂η
(20.124)
0
λA (TW − T∞ ) q˙ (x) ≈ − √ 24x
(20.125)
Integriert u ange L ergibt pro Breiteneinheit: ¨ber die Laufl¨ 2 Q˙ = L3/4 λA (Tw − T∞ ) 3
(20.126)
Errechnet man die u ¨ber L gemittelte Nusselt-Zahl, so erh¨alt man: Q˙ = λ (Nu)L (TW − T∞ ) (20.127) (Nu)L = 0, 667AL3/4 eine Beziehung, die von experimentellen Ergebnissen gut best¨atigt wird.
¨ 20.8 Ahnlichkeitsgr o ¨ßen bei Stro ¨mungen mit W¨ armeu ¨bertragung ¨ In Kapitel 6 wurden generelle Betrachtungen zur Ahnlichkeit von Str¨omungsvorg¨ angen durchgef¨ uhrt. Diese lassen sich f¨ ur Str¨omungen mit W¨arme¨ ubertragung erweitern, wie dies untenstehend angegeben ist. Die Impulsgleichungen der Str¨ omungsmechanik lassen sich wie folgt schreiben: ∂Uj ∂P ∂τij ∂Uj ρ =− − + ρgj (20.128) + Uj ∂t ∂xi ∂xj ∂xi F¨ ur newtonische Fluide gilt f¨ ur den molekularbedingten Impulstransportterm ∂Uj ∂Uk ∂Ui 2 + (20.129) τij = −µ + µδij ∂xi ∂xj 3 ∂xk Um die oben aufgef¨ uhrte Gleichung (20.128) in dimensionsloser Form zu schreiben, wird der molek¨ ulbedingte Impulstransport an die Wand, τi , eingef¨ uhrt. Alle anderen Gr¨ oßen werden mit charakteristischen Gr¨oßen des Str¨ omungs- und W¨ arme¨ ubertragunssystems dimensionslos gemacht. Folgende Gr¨ oßen lassen sich somit einf¨ uhren: ρ = ρc ρ∗ ; Uj = Uc Uj∗ ; t = tc t∗ ; si = lc x∗i ; P = ∆Pc P ∗ ; τij = τw τij∗ (20.130) und gj = 0, so dass man folgende Gleichung erh¨alt:
¨ 20.8 Ahnlichkeitsgr¨ oßen ...
. ρ∗
∂Uj∗ lc ∂Uj∗ ∗ + U i Uc tc ∂t∗ ∂x∗j
/ =−
τw ∂τij∗ ∆Pc ∂P ∗ − ∗ ρc Uc2 ∂xj ρc Uc2 ∂x∗i
683
(20.131)
F¨ uhrt man ein Uc2 = τw /ρ = u2τ und ∆Pc = τw so reduziert sich die rechte Seite der Gleichung in eine dimensionslose Form, wobei die Gr¨oßen, die vor den mit Stern behafteten dimensionslosen Termen auftreten, jeweils zu eins werden. Wendet man die in Gleichung (20.130) aufgef¨ uhrten dimensionslosen Gr¨ oßen auch auf die Gleichung (20.129) an, so erh¨alt man: / . ∂Uj∗ ∂Uk∗ µc Uc ∂Ui∗ 2 ∗ ∗ + (20.132) + µ∗ δij τij = − µ ∗ ∗ τw lc ∂xi ∂xj 3 ∂x∗k Diese Gleichung wird dimensionslos, wenn man als charakteristische L¨ange einf¨ uhrt lc = νc /uτ . F¨ uhrt man diese charakteristischen Gr¨ oßen ein, um die Gleichungen (20.128) und (20.129) dimensionslos zu machen, so erh¨alt man die unten aufgef¨ uhrte Form dieser beiden Gleichungen: ∂Uj∗ ∂Uj∗ τij∗ ∂P ∗ ∗ ∗ ρ + U − (20.133) = − i ∂t∗ ∂x∗i ∂x∗j x∗i .
und τij∗
∗
= −µ
∂Uj∗ ∂Ui∗ + ∂x∗i ∂x∗j
/
∂Uk∗ 2 + µ∗ δij 3 ∂x∗k
(20.134)
Dabei wurden als dimensionslose Geschwindigkeit, dimensionslose Druckdifferenz und dimensionslose L¨ angs- und Zeiteinheiten die unten aufgef¨ uhrten Gr¨ oßen eingef¨ uhrt. Uc = uτ = τw /ρ; ∆Pc = τw ; lc = νc /uτ ; tc = νc /u2τ (20.135) Erweitert man die oben aufgef¨ uhrten Dimensionsbetrachtungen auf die allgemeine Form der Energiegleichung: ∂T ∂qi ∂P ∂T ∂P ∂Uj =− − τij ρcP + (20.136) + Ui + Ui ∂t ∂xi ∂xi ∂t ∂xi ∂xi und das Fouriersche Gesetz f¨ ur die W¨ armeleitung: q˙i = −λ
∂T ∂xi
(20.137)
so l¨ asst sich die dimensionslose Form der Energiegleichung wie folgt ableiten: ∗ lc ∂T ∗ ∂ q˙i∗ ∆Pc q˙c ∗ ∗ ∗ ∂T ρ cP + U − (20.138) = − i ∗ ∗ ∗ tc Uc ∂t ∂xi ρc cP,c ∆Tc Uc ∂xi ρc cP,c ∆Tc ∗ ∂Uj∗ lc ∂P ∗ τw ∗ ∂P ∗ + U τ − i tc Uc ∂t∗ ∂x∗i ρc cP,c ∆Tc ij ∂x∗i
684
20 Str¨ omungen mit W¨ arme¨ ubertragung
Besieht man sich die Gleichung (20.138) so stellt man fest, dass folgende Gr¨ oßen als charakteristische Gr¨ oßen einzuf¨ uhren sind, um die der Gleichung (20.133) ¨ aquivalente dimensionslose Form der Energiegleichung zu erhalten. ∆Tc =
τw ρc cP,c
und
q˙c = τw Uc .
(20.139)
Die Normierung des Fourierschen Gesetzes f¨ uhrt zu folgendem Ergebnis: νc λc ∆Tc ∗ ∂T ∗ λc ∆Tc λc νc 1 λ → l = = = q˙c qi∗ = − , c lc ∂x∗i q˙c µc cP,c Uc Pr uτ (20.140) wobei Pr lc = lc und Pr tc = tc angegeben werden kann. Dies stellt den Zusammenhang zwischen den charakteristischen L¨angen- und Zeitskalen des W¨ arme- und Impulstransportes dar.
20.9 Literaturverzeichnis 20.1 Pohlhausen E (1921) Der W¨ armeaustausch zwischen festen K¨orpern und Fl¨ ussigkeiten mit kleiner Reibung und kleiner W¨armeleitung. ZAMM 1, pp. 115-121 20.2 Illingworth CR (1950) Some Solutions of the Equations of Flow of a Viscous Compressible Fluid. Proc. Cambridge Phil. Society, 46, pp. 469478 20.3 Ostrach S (1953) An analysis of laminar free-convection flow and heat transfer about a flat plate parallel to the direction of the generating bridge force. NACA-Report 1111 20.4 Schlichting H (1979) Boundary Layer Theory. Mc Graw Hill Book Company, New York 20.5 M¨ uller U, Ehrhard P (1999) Freie Konvektion und W¨arme¨ ubertragung. C. F. M¨ uller Verlag, Heidelberg
21 Einfu omungsmesstechnik ¨hrung in die Str¨
21.1 Einfu ¨hrende Betrachtungen Die Ableitung der Reynoldsschen Gleichungen als Grundlage numerischer Str¨ omungsuntersuchungen f¨ uhrte zu einem Gleichungssystem, das neben den Mittelwerden der Komponenten der Str¨ omungsgeschwindigkeit und des statischen Druckes, turbulente Transportterme enth¨alt. Diese Terme stellen f¨ ur den Impulstransport zeitliche Mittelwerte der Produkte von Geschwindigkeitsschwankungen dar, die zun¨ achst rein formal durch Einf¨ uhren mittlerer Geschwindigkeitskomponenten und turbulenter Schwankungsgeschwindigkeiten, durch eine zeitliche Mittelung, aus den Navier-Stokesschen Gleichungen abgeleitet wurden. Diesen neuen Unbekannten des Str¨omungsfeldes kommt jedoch eine physikalische Bedeutung zu. Sie repr¨asentieren in den gemittelten Impulsgleichungen zus¨ atzliche, diffusive Impulstransportterme, die aufgrund der dem mittleren Geschwindigkeitsfeld u ¨ berlagerten Geschwindigkeitsfluktuationen in Str¨ omungen auftreten. Will man die Reynoldsschen Gleichungen l¨ osen, so gilt es, Informationen ui uj , u ber die Korrelationen der turbulenten Geschwindigkeitsschwankungen, ¨ zu finden. Dies kann durch hypothetische Annahmen erfolgen, die oftmals bei der Erstellung von Turbulenzmodellen in der Vergangenheit eine wesentliche Rolle spielten. Es gilt heute jedoch als sicher, dass verl¨assliche Informationen u omungen nur durch detaillierte ex¨ ber Eigenschaften turbulenter Str¨ perimentelle Untersuchungen verschiedenster Str¨omungen erhalten werden k¨ onnen. Diese Informationsgewinnung erfordert lokale Messungen der Momentangeschwindigkeit turbulenter Str¨ omungen. Solche Messungen k¨onnen mit Hilfe der Hitzdraht- bzw. Heißfilm-Anemometrie und der Laser-DopplerAnemometrie gewonnen werden, welche die notwendige zeitliche und r¨aumliche Aufl¨ osung f¨ ur lokale Geschwindigkeiten in Str¨omungen besitzen und auch erlauben, die erforderlichen Messungen in relativ kurzer Zeit durchzuf¨ uhren. Solche Messungen tragen zur Vertiefung des Verst¨andnisses der Physik turbulenter Str¨ omungen bei und erm¨ oglichen zus¨atzliche Informationen in die Berechnungen turbulenter Str¨ omungen einzubringen. F¨ ur Messungen in Wandgrenzschichten sind Hitzdraht- und HeißfilmAnemometer mit großem Erfolg angewandt worden, um mittlere Geschwinoßen ui uj zu bestimmen. Str¨omungen digkeiten Ui und die Schwankungsgr¨
686
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
dieser Art sind infolge ihrer charakteristischen Eigenschaften mit HitzdrahtAnemometern erforschbar, jedoch kann es bei d¨ unnen Grenzschichten zu inh¨ arenten St¨ orungen kommen, die durch die eingebrachten Messf¨ uhler verursacht werden. Spezielle Gestaltungen der Messf¨ uhler sind erforderlich, um Messfehler in Grenzschichten mittels Hitzdrahtanemometern klein zu halten. Turbulente Str¨ omungen treten auch mit R¨ uckstr¨omgebieten auf und besitzen eine Reihe von Eigenschaften, welche die Anwendung von HitzdrahtAnemometern f¨ ur genaue Messungen nur sehr bedingt erm¨oglichen. Von diesen die Messungen erschwerenden Eigenschaften sei nur der st¨orende Einfluss der Hitzdrahthalterung auf die eigentliche Messung erw¨ahnt, sowie die hohe Intensit¨ at der Turbulenz, die bei der Interpretation der Hitzdraht-Signale zu un¨ uberwindbaren Schwierigkeiten f¨ uhrt. S trö m u n g m it R ü c k la u f
M e s s fü h le r b e fin d e t s ic h im N a c h la u f d e r e ig e n e n V e rlä n g e ru n g
S tö ru n g e n d u rc h k le in e G a s e in s c h lü s s e b e i M e s s u n g e n in F lü s s ig k e its s trö m u n g e n
A b la g e ru n g v o n F e s ts to ffe n a m M e s s fü h le r b e i M e s s u n g e n in s c h m u tz b e h a fte te n S trö m u n g s m e d ie n
Abbildung 21.1: Schwierigkeiten beim Einsatz von Hitzdraht- und HeißfilmAnemometern
Hitzdraht- und Heißfilm-Messger¨ ate bauen auf Messungen des konvektiven W¨ arme¨ ubergangs auf, der an beheizten Elementen auftritt und ein Maß f¨ ur die lokale Str¨ omungsgeschwindigkeit liefert. Diese Messungen erfordern jedoch ein h¨ oheres Temperaturpotential des Messf¨ uhlers, das zu Zersetzungen des Str¨ omungsmediums f¨ uhren kann. Dies ist in Abb. 21.1 anhand einer von Eckelmann publizierten photographischen Aufzeichnung veranschaulicht. Schwierigkeiten beim Einsatz von Hitzdraht- und Heißfilm-Anemometern, wie man sie bei Messungen unter Industriebedingungen vorfindet, sind gleichfalls in Abb. 21.1 angedeutet. Gibt man die oftmals nur unter Laborbedingungen m¨ ogliche strenge Kontrolle der im Str¨ omungsmedium mitgef¨ uhrten Teilchen auf, die als nat¨ urliche Verschmutzung inh¨arente Bestandteile des Fluids darstellen, so nimmt man mit der Zeit kontinuierlich anwachsende Schmutz-
21.1 Einf¨ uhrende Betrachtungen
687
ablagerungen an Messf¨ uhlern in Kauf. Die sich auf Messf¨ uhlern aufbauende Schmutzschicht stellt eine bei der Kalibrierung des Messf¨ uhlers nicht ber¨ ucksichtigte W¨ armeisolierung dar. Um dadurch verursachte Messfehler zu vermeiden, m¨ ussen in kurzen Zeitabst¨ anden Nachkalibrierungen der Messsonde durchgef¨ uhrt werden, die sehr zeitaufwendig sein k¨onnen. Die meisten Messmethoden, die das Einbringen von Messsonden in Str¨omungen erfordern, messen die interessierende Str¨omungsgeschwindigkeit nur indirekt, d.h. es werden mit den meisten Str¨ omungsmessinstrumenten physikalische Gr¨ oßen gemessen, die Funktionen der Str¨omungsgeschwindigkeit sind; das direkte Messen der lokalen Str¨ omungsgeschwindigkeit erfolgt oftmals nicht. Leider sind die Messgr¨ oßen, u ¨ber welche die Str¨omungsgeschwindigkeit bestimmt wird, oftmals auch Funktionen der Zustandseigenschaften des Str¨ omungsmediums. Diese m¨ ussen dann bekannt sein, und m¨ ussen bei der Kalibrierung der Messmethode mit ber¨ ucksichtigt werden, um die Interpretation der Messdaten im Bezug auf die zu messende Str¨omungsgeschwindigkeit zu erm¨ oglichen. Treten w¨ ahrend der Messungen Fluktuationen der Zustandsgr¨ oßen des Str¨ omungsmediums auf, z.B. in Zweiphasenstr¨omungen, Str¨ omungen mit chemischen Reaktionen, etc., so m¨ ussen diese bekannt sein, um eindeutige Geschwindigkeitswerte mit Hitzdrahtanemometern ermitteln zu k¨ onnen. Die Anforderung bekannter Stoffgr¨oßen zu allen Messzeiten an die Interpretation der Messwerte zu stellen, ist bei praktischen Messungen oftmals nicht m¨ oglich. Die oben erw¨ ahnten Schwierigkeiten beim Einsatz indirekter Messverfahren f¨ ur Str¨ omungsgeschwindigkeiten, haben zur Entwicklung der LaserDoppler-Anemometrie gef¨ uhrt, die nahezu lokale Str¨omungsgeschwindigkeiten direkt zu messen erlaubt. Durch Messen der Zeit, die ein Teilchen zum Durchfliegen eines wohldefinierten Interferenzmusters ben¨otigt, wird die Str¨ omungsgeschwindigkeit des Teilchens ermitteln. Solche Messungen h¨angen nicht von den oftmals unbekannten Eigenschaften des Str¨omungsfluids ab. Messungen sind in Ein- und Zweiphasenstr¨ omungen m¨oglich, sowie in Verbrennungssystemen und in der Atmosph¨ are. Das Messverfahren ist zudem in partikelbeladenen Str¨ omungsmedien einsetzbar, wie sie oftmals in der Praxis auftreten. Sein Einsatz erfordert jedoch den optischen Zugang zum Messpunkt und somit eine ausreichende Transparenz des Str¨omungsmediums. Insofern ist auch der Einsatz der Laser-Doppler-Anemometrie begrenzt. Dennoch erm¨ oglicht ihre Anwendung die Bestimmung von Str¨omungsgeschwindigkeiten in einer Reihe von praktisch wichtigen Str¨omungen, die anderen Messmethoden nicht zug¨ anglich sind. Neben den oben aufgef¨ uhrten Messverfahren zur Bestimmung lokaler, zeitaufgel¨ oster Fluidgeschwindigkeiten, kommt in der experimentellen Str¨omungsmechanik auch der Bestimmung von Druckverteilungen eine große Bedeutung zu. Diesem Sachverhalt wird in dem nachfolgenden Abschnitt Rechnung getragen, der sich mit der Messung statischer Dr¨ ucke besch¨aftigt. Einf¨ uhrende Darstellungen zur Messung dynamischer Dr¨ ucke schließen sich
688
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
an, um so aufzuzeigen, dass Staudrucksonden zur Bestimmung lokaler Geschwindigkeiten herangezogen werden k¨ onnen. Neben den Messungen lokaler Geschwindigkeiten und Dr¨ ucke sind in str¨ omungsmechanischen Untersuchungen oftmals Messungen von Wandschubspannungen erforderlich. Auf Messungen dieser Gr¨oßen wird zwar gelegentlich in den nachfolgenden Darstellungen Bezug genommen, sie stehen jedoch nicht im Mittelpunkt der Betrachtungen. Die nachfolgenden Betrachtungen sind vielmehr als eine Einf¨ uhrung in die Str¨omungsmesstechnik zu verstehen. Die dargestellten messtechnischen Grundlagen sollen helfen, die Ausbildung von Studenten in der Str¨ omungsmechanik abzurunden bzw. zu vervollst¨ andigen.
21.2 Messungen statischer Dru ¨cke Bei der Behandlung von Str¨ omungen mit Grenzschichtverhalten, siehe Kapitel 16, wurde aufgezeigt, dass sich die Impulsgleichung f¨ ur die Richtung senkrecht zur Str¨ omung auf ∂P/∂y = 0 reduziert. Damit kommt der Messung von Wanddr¨ ucken eine große Bedeutung zu, da diese die Gesamtdruckverteilung in Grenzschichtstr¨ omungen einfach zu bestimmen erlauben, ohne dass Sonden in die Str¨ omung eingebracht werden m¨ ussen. Um nun die Druckverteilung P (x) zu bestimmen, gen¨ ugt es in Wandungen von Str¨omungen Bohrungen einzubringen, wie sie in der Abb. 21.2 gezeigt sind. F¨ ur genaue Messungen ist es sehr wichtig, dass der Bohrungsdurchmesser klein gehalten wird, etwa von der Gr¨ oßenordnung 0,5 mm Durchmesser. Zu große Bohrungen f¨ uhren zu Rezirkulationsstr¨ omungen, wie sie in Abb. 21.2 angedeutet sind. Diese f¨ uhren zu Messfehlern, genauso wie die vom Bohren der Druckmess¨offnungen zur¨ uckbleibenden Grate, Kanten u.¨ a. Weitere Informationen zur Ausf¨ uhrung von Druckbohrungen finden sich in den Literaturhinweisen [21.1] und [21.2]. Eine etwas schwierige Aufgabe stellt das Messen statischer Dr¨ ucke in Str¨ omungen dar, die nicht u ¨ber Wanddruckmessungen m¨oglich sind, und in die somit Sonden von der Art, wie sie in Abb. 21.3 skizziert ist, eingebracht werden m¨ ussen. Diese statischen Druckmesssonden haben eine stromlinienf¨ ormige Ausf¨ uhrung und sind mit einer oder mehreren Bohrungen versehen. Diese Bohrungen werden, u ¨ ber im Inneren der Sonde gelegene Schl¨ auche kleinen Durchmessers, an Druckmesssensoren herangef¨ uhrt, u ¨ ber die die gew¨ unschte Druckinformation erhalten wird. Wie Abb. 21.3 andeutet, ist es sehr wichtig, dass die geeignete Lage der Bohrungen experimentell so ermittelt wird, dass wirklich der lokale, statische Druck durch die Sonde gemessen wird. Mit oftmals ausreichender Genauigkeit eignen sich auch potentialtheoretische Berechnungen um die in Str¨omungsrichtung gelegene beste Lage f¨ ur die Bohrungen zu bestimmen. Die in Abb. 21.4 aufgef¨ uhrten Sondenausf¨ uhrungen haben sich beim Einsatz in der Str¨omungsmesstechnik bew¨ ahrt.
21.2 Messungen statischer Dr¨ ucke
0 .2 5 £
689
d £ 1 .5 m m ³ d
z u g b o h z irk s trö
ro ß e W a n d ru n g m it R e u la tio n s m u n g
Abbildung 21.2: Messungen von Wanddr¨ ucken mittels Druckbohrung
/ 2
1 .0
D ru c k z u n ie d rig
D ru c k z u h o c h
S tie le in flu s s
P
V 1
r
s ta t,p
1
2
-P
s ta t,1
S tro m lin ie n
0
P o s itio n d e r s ta t. D ru c k b o h ru n g P ro file in flu s s
Abbildung 21.3: Druckmesssonde und skizzierter Druckverlauf
Um nun statische Dr¨ ucke zu messen, ist es erforderlich entsprechende Druckmessger¨ ate einzusetzen. Diese werden untenstehend kurz beschrieben. Das einfachste dieser Messger¨ ate ist das U-Rohr-Manometer, wie es in der untenstehenden Abb. 21.5 schematisch dargestellt ist. Entsteht eine Druckdifferenz zwischen den Anschlusspunkten 1 und 2, so wird sich der Fl¨ ussigkeitsspiegel in den beiden R¨ ohren so einstellen, dass der vorliegende Druckun-
690
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
R = 2
D D 1 5 D
6 D
Abbildung 21.4: Ausf¨ uhrungen von Messsonden f¨ ur den statischen Druck
D ru c k m e ssso n d e
P P 1
= P
P 2
= s ta t. D ru c k
2
P 0
D P = P 2 - P = r F g h 1
2
P 2
P 1
h
r F
Abbildung 21.5: U-Rohr-Manometer zur Messung von Druckdifferenzen
terschied durch gρF h ausgeglichen wird. ussigkeit, h = Differenz der g - Gravitationskonstante, ρF - Dichte der Fl¨ Oberfl¨ achenlagen Der Abstand zwischen den Lagen der zwei Fl¨ ussigkeitsspiegel h steht deshalb im direkten Verh¨ altnis zur erw¨ unschten Druckdifferenz und kann anhand einer angebrachten Skala abgelesen werden. Es ist leicht zu erkennen, dass sich der messbare Druckbereich des Ger¨ ates, durch die Wahl verschiedener Fl¨ ussigkeiten (ρF ), dem jeweils vorliegenden Messproblem anpassen l¨asst. Die meist verwendeten Fl¨ ussigkeiten sind Alkohol, Wasser und Quecksilber.
21.2 Messungen statischer Dr¨ ucke
691
M ik ro m e te rS c h ra u b e
Q
a
D x
F lü s s ig k e its R e s e rv o ir
D h
M ik ro s k o p N u ll- M a rk e
Abbildung 21.6: Schr¨ agrohrmanometer mit Nullabgleich
Bringt man an einer Stelle des U-Rohr-Manometers ein großes Fl¨ ussigkeitsreservoir an, und neigt man das eigentliche Messrohr mit einem Winkel θ zur Horizontalen, wie in Abb. 21.6 dargestellt, so erh¨alt man eine wesentliche Verbesserung der Empfindlichkeit des Manometers. An einer Wassers¨ aule h entsteht mit dieser Anordnung eine Bewegung des Fluids u ¨ ber einen Abstand h/ sin θ im geneigten Arm des Ger¨ates. Eine Nullstellung, d.h. ein Nullabgleich“ des Ger¨ ates, wird durch Verstellung des Reservoirs in der ” H¨ ohe erhalten. Im Betz-Manometer, das in Abb. 21.7 abgebildet ist, wird ein Schwim¨ mer mit angeh¨ angter Messskale verwendet, um die Anderung des Fl¨ ussigkeitsspiegels zu registrieren. Die aus Glas konstruierte Skala wird durch ein optisches Vergr¨ oßerungssystem auf einen Schirm abgebildet an dem eine weitere Interpolationsskala angebracht ist. Dadurch wird die Ablesegenauigkeit des Messinstrumentes erheblich verbessert.
S c h w im m e r T ra n s p a re n te S k a la
P ro je k tio n s s y s te m
N u lle in s te llu n g Abbildung 21.7: Betz-Manometer mit optischem Ablesesystem
692
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
Bei der Anwendung aller Manometer ist ein stabiles und vibrationsfreies Untergestell von Wichtigkeit um Vibrationseinfl¨ usse auf Anzeigen zu vermeiden. Auch bewegliche Leitungen zwischen den Drucksonden und dem Manometer m¨ ussen vermieden werden, um Fluktuationen der Fl¨ ussigkeitsspiegel durch geringe H¨ ohenlagen- und/oder Volumen¨anderungen der Leitungen zu vermeiden. Vor allem aber muss die Raumtemperatur w¨ahrend einer Messung kontstant gehalten werden, da die Dichte der Fl¨ ussigkeit (ρF ) temperaturabh¨ angig ist, und somit Temperatur¨ anderungen bei den Messungen als Druck¨ anderungen interpretiert werden k¨ onnten. Der Einsatz von U-Rohr-Manometern ist in der heutigen experimentellen Str¨ omungsmechanik nur bedingt u ¨blich. Entwicklungen von Drucksensoren haben zu Messger¨ aten gef¨ uhrt, die sich heute erfolgreich in der Str¨omungsmesstechnik anwenden lassen.
21.3 Messungen dynamischer Dru ¨cke In der Str¨ omungsmechanik werden auch Sonden zur Messung des Gesamt” 2 druckes“ = P∞ + ρ/2U∞ eingesetzt, die in unterschiedlichsten Ausf¨ uhrungen zur Anwendung kommen. Besonders einfache Ausf¨ uhrungen von Gesamtdrucksonden, die nach dem franz¨ osischen Physiker Henri Pitot (1695-1771) Pitot-Sonden benannt werden, sind in Abb. 21.8 skizziert. Sonden dieser Art eignen sich sehr gut f¨ ur Gesamtdruckmessungen, erfordern jedoch genaue Ausrichtungen in der Str¨ omungsrichtung, so dass der Winkeleinfluss der Druckanzeige beseitigt wird und man den gew¨ unschten Gesamtdruck richtig misst. Dazu dient auch der in Abb. 21.9 skizzierte Aufbau, der eine Pitot-Sonde in einer Venturi-D¨ use zeigt. Diese D¨ use dient dazu, die in die D¨ use eindringende Str¨ omung so auszurichten, dass sie senkrecht zur Eintrittsebene der Pitot-Sonde verl¨ auft.
D
S trö m u n g 0 .2 D
P
g e s
= P + r
c a .5 D
Abbildung 21.8: Ausf¨ uhrungen von Pitot-Sonden
/2 U
2 oo
21.3 Messungen dynamischer Dr¨ ucke
S trö m u n g m a x . 4 5 ° R
R
693
E
E
~ 0 .0 5 R
V e n tu r i,a u s s e n
Abbildung 21.9: Pitot-Sonden eingebaut in Venturi-D¨ use zur Ausrichtung der Str¨ omung
Kombiniert man eine Pitot-Sonde und eine Sonde zur Messung des statischen Druckes, so erh¨ alt man die sogenannte Prandtl-Sonde, die somit folgende Gr¨ oße misst: ρ 2 ∆P = Pges − P = U∞ (21.1) 2
0 .1 6 " I .D . 0 .1 7 5 " O .D . 0 .1 3 "
1 .3 "
6 D
0 .5 "
0 .4 "
1 .6 "
1 5 D
D /2 h o le 0 .6 "
1 .8 3 " ( 5 .9 D )
2 .5 2 " ( 8 .1 3 D )
0 .0 5 2 " I .D .
Abbildung 21.10: Ausf¨ uhrungen von Prandtl-Sonden, skizziert mit Originalmaßangaben, nach Angaben des N.P.L. in England
In Abb. 21.10 sind praktische Sondenausf¨ uhrungen gezeigt. PrandtlSonden messen an der jeweiligen Sondenspitze den Gesamtdruck und u ¨ ber die an den Sondenwandungen angebrachten Druckbohrungen den statischen Druck. Beaufschlagt man nun Druckmessger¨ ate mit dem Gesamtdruck und dem statischen Druck, so resultiert aus der angezeigten Druckdifferenz, ∆P , der Staudruck. Dieser erm¨ oglicht die Bestimmung der Str¨omungsgeschwindigkeit: # ∆P (21.2) U∞ = 2 ρ
694
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
Sieht man von den durch die Sonde in eine Str¨omung eingebrachten St¨orungen ab, so sind Str¨ omungsgeschwindigkeitsmessungen mit Prandtl-Sonden als unproblematisch einzustufen, wenn sie in laminaren Str¨omungen Einsatz finden. Dagegen ist ihr Einsatz in turbulenten Str¨omungen nicht problemlos. ¨ Der Grund hierf¨ ur liegt in der kontinuierlichen Anderung der Str¨omungsrichtung, die in turbulenten Str¨ omungen auftritt. Dies f¨ uhrt zu Druckanzeigen, die nur schwer hinsichtlich der am Messort vorliegenden mittleren Geschwindigkeit zu interpretieren ist. Es ist wichtig herauszustellen, dass diese Problematik auch dann nicht zu beseitigen ist, trotz der oftmals vorliegenden diesbez¨ uglich Meinung, wenn man Druckmessger¨ ate mit kleinen Zeitkonstanten verwendet. Bedingt durch die Schlauchverbindungen liegen oftmals bereits große Zeitkonstanten der gesamten Messeinrichtung vor, so dass auch das Heranziehen schneller Druckmessger¨ ate nicht geeignet ist, die schnellen turbulenzbedingten Druckschwankungen aufzul¨ osen und ihren Einfluss auf die zeitlich gemittelte Druckdifferenz zu erfassen. Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass das Prandtl-Rohr zwar den dynamischen Druck misst, jedoch nicht geeignet ist, die Dynamik“ von turbulen” ten Feldern zu untersuchen. Solche Untersuchungen werden besser mit Hilfe von Hitzdraht- und Laser-Doppler-Anemometern durchgef¨ uhrt. Werden Sonden f¨ ur Untersuchungen turbulenter Fluktuationen eingesetzt, ist die Frequenzcharakteristik der Sonde vor dem Einsatz in Turbulenzfeldern zu bestimmen. Die Sonde muss dynamisch kalibriert werden. Solche Kalibrierungen sind schwierig. Dennoch gibt es immer wieder, in verschiedensten Teilgebieten der Str¨ omungsmechanik, Bem¨ uhungen dieser Art, so dass auch der Messung instation¨ arer Dr¨ ucke eine Bedeutung in der Str¨omungsmechanik zukommt. Hierzu kommen Drucksensoren zum Einsatz, die auf unterschiedlichste Mechanismen zur¨ uckgreifen, um die anliegenden Dr¨ ucke in elektrische Signale umzuwandeln. Ein Drucksensor besteht, im allgemeinen, aus dem eigentlichen Sensorelement, das eine geringe mechanische Tr¨agheit aufweist, ¨ eine m¨ oglichst große Oberfl¨ ache besitzt und sehr kurze Ubertragungselemente, die den Sensor mit dem Ort verbinden, an dem die Messungen erforderlich sind. Feder-Kolbenger¨ ate finden Anwendung sowie kapazitive und induktive Wandler. All diese Ger¨ ate haben einen hohen Entwicklungsstand erreicht.
21.4 Anwendungen von Staudrucksonden Es wurde in dem vorausgegangenen Abschnitt gezeigt, dass Stausonden in Verbindung mit Druckmessger¨ aten eingesetzt werden k¨onnen, um die Geschwindigkeit von Str¨ omungen zu messen. Stausonden sind im Prinzip offene Rohre, deren eine Seite der ankommenden Str¨omung ausgesetzt wird, w¨ ahrend die andere Seite mit einem Druckelement versehen ist. Der so gemessene Druck ist im Prinzip, abgesehen von Messungen bei sehr niedrigen statischen Dr¨ ucken, der mittleren Kraft proportional, die pro Einheit eines
21.4 Anwendungen von Staudrucksonden
695
Fl¨ achenelement auf die Fluidpartikel einwirkt, die sich im Staupunkt der Str¨ omung befinden. Die Messung des Staudruckes und des statischen Druckes erlauben Geschwindigkeitsinformationen zu erhalten, falls es m¨oglich ist, einfache Beziehungen zwischen der Geschwindigkeit und den erhaltenen Dr¨ ucken abzuleiten. Dies ist im allgemeinen nur f¨ ur nichtviskose Medien m¨oglich. In viskosen Medien ist mit einem Einfluss der Viskosit¨ at zu rechnen, der bei Anwendung der einfachen Auswertegleichungen, siehe z. B. 21.2, nicht ber¨ ucksichtigt wird. Im folgenden wird aufgezeigt, wie groß diese Einfl¨ usse sein k¨onnen. ¨ Durch geeignete analytische Uberarbeitungen l¨asst sich der Totaldruck 2 (P∞ + ρ/2U∞ ) in Beziehung setzen mit bestimmten Eigenschaften von Gasstr¨ omungen, z.B. mit der lokalen Str¨ omungsgeschwindigkeit und dem lokal ¨ vorliegenden statischen Druck. Diese analytischen Uberlegungen gehen jedoch von Annahmen aus, die bei experimentellen Untersuchungen oftmals nicht vorliegen. So stimmt z.B. der gemessene Gesamtdruck Pges nicht mit dem Druck u urde, wenn man die lokal vorliegende ¨berein, der sich einstellen w¨ Str¨ omungsgechwindigkeit durch eine isotrope Verz¨ogerung auf die Str¨omungsgeschwindigkeit Null abklingen lassen w¨ urde, d.h. Pges,i = Pges . Betrachtungen u usse erlauben, das bei realen Son¨ ber geometrische und dynamische Einfl¨ den vorliegende Druckverh¨ altnis Pges,i /Pstat durch das theoretische Verh¨altnis auszudr¨ ucken, indem dieses mit einer Korrekturfunktion multipliziert wird. Diese h¨ angt von den folgenden Parametern ab: 1. Die Reynoldszahl der Str¨ omung, gebildet mit der lokalen Str¨omungsgeschwindigkeit, der kinematischen Viskosit¨ at des Fluids und dem Sondenradius, Re = (U∞ r)/v; 2. Die Mach-Zahl der Str¨ omung, Ma; 3. Die Prandtl-Zahl der Str¨ omung, Pr; 4. Das Verh¨ altnis der spezifischen W¨ arme, κ = cp /cv ; 5. Die Intensit¨ at der Str¨ omungsturbulenz, k 2 /U 2 ; 6. Die Knudsen-Zahl, d.h. das Verh¨ altnis der mittleren freien Wegl¨ange der Molek¨ ule zum Sondenradius als charakteristische Gr¨oße f¨ ur eine Schlupfgeschwindigkeit, λ/R; 7. Das Verh¨ altnis der Relaxationszeit der Gesamtmolek¨ ule zu einem charakteristischen makroskopischen Zeitintervall, tm /(R/U ); 8. Der Winkel der Anstr¨ omung, d.h. Winkel zwischen Anstr¨omrichtung und Sondenachse, α. In den nachfolgenden Abschnitten werden einige experimentell gefundene Abh¨ angigkeiten des gemessenen Staudrucks von einigen der obigen Einflussgr¨ oßen wiedergegeben und diskutiert. Solange die Reynoldszahl Re = (U D)/ν gr¨oßer als etwa 100 ist, (U ist die Str¨ omungsgeschwindigkeit, D = 2R bezeichnet den Sondendurchmesser, ν die kinematische Viskosit¨ at des Str¨ omungsmediums), ist die Beschreibung
696
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
der Str¨ omung durch Gesamtdruckmessungen zul¨assig, die Theorie der idealen Fl¨ ussigkeiten ist anwendbar. Bei kleineren Werten erh¨oht sich jedoch der Staudruck in Abh¨ angigkeit von der Reynoldszahl und der Sondengeometrie. Der gemessene Gesamtdruck ergibt: ρ 2 Pges = P + U∞ + 2µβ (21.3) 2 Daraus ergibt sich: 2µβ Pges − P = ρ 2 (21.4) C= ρ 2 U 2 ∞ 2 U∞ Der u atseinfluss ist in der Abb. 21.11 ¨ber die C-Werte festgehaltene Viskosit¨ skizziert. 4 3 2
P
P
g e s
3
1 /2 r U
_ P
1 /2 r U
g e s, i 2
4
g e s
_ P
g e s, i 2
5
2 1
1 0
2 0
4 0
6 0
8 0
r R e = U R oo ( K u g e l ) m oo
0
2 0
4 0
6 0
8 0
1 0 0
1 2 0
r R e = U R oo ( Z y lin d e r ) m oo
1 4 0
Abbildung 21.11: Viskosit¨ atseinfl¨ usse auf Gesamtdruckmessungen
Treten Kompressibilit¨ atseinfl¨ usse auf, so lassen sich die Abweichungen zwischen dem gemessenen Gesamtdruck und dem idealen Wert, wie folgt angeben: . + ,/ −κ 2 2 2κC1 1 − C3 M∞ Pges M∞ κ − 1 2 κ−1 M =1+ (21.5) 1 + ∞ Pges,i Re 2 1 + √C2 Re
All die oben angegebenen Hinweise auf Einfl¨ usse bei der praktischen Anwendung deuten an, dass die Applikation von Staudrucksonden f¨ ur Str¨omungsuntersuchungen mit einer Vielzahl von praktischen Problemen verbunden ist. Dennoch, die Einfachheit der Anwendung beim direkten Messen und ihre Robustheit f¨ uhren dazu, dass sie auch heute noch eingesetzt werden.
21.5 Grundlagen der Hitzdrahtanemometrie 21.5.1 Messprinzip und Grundlagen Die Hitzdrahtanemometrie ist ein Verfahren zur elektrischen Messung lokaler Str¨ omungsgeschwindigkeiten und Temperaturen und wird seit langem in
21.5 Grundlagen der Hitzdrahtanemometrie
697
der experimentellen Str¨ omungsmechanik und anderen Gebieten erfolgreich eingesetzt. Mit Hitzdraht- und Heißfilmsonden k¨onnen schnell sich ¨andernde Str¨ omungsvorg¨ ange mit hoher r¨ aumlicher und zeitlicher Aufl¨osung gemessen werden. Die Messmethode basiert auf der Messung der W¨armeabgabe beheizter Sensoren an das sie umstr¨ omende Medium. Die Hitzdrahtanemometrie ist also ein indirektes Messverfahren, da nicht die Str¨omungsgeschwindigkeiten, sondern die geschwindigkeitsabh¨ angige W¨armeabgabe von einem d¨ unnen, beheizten Draht an das ihn umgebende Str¨omungsmedium gemessen wird. Die Hitzdrahtanemometrie macht sich diesen geschwindigkeitsabh¨angigen W¨ armetransport von Hitzdr¨ ahten und Heißfilmen zur Messung der lokalen Str¨ omungsgeschwindigkeit zu nutze. Die W¨ armeabgabe des Sensors h¨ angt allerdings nicht nur von der Str¨omungsgeschwindigkeit, sondern noch von anderen Gr¨oßen ab: a) Der Temperaturdifferenz zwischen Sensor und Str¨omungsmedium, b) den physikalischen Eigenschaften des Str¨ omungsmediums und des Sensors, c) den Abmessungen des Sensors und die Gestaltung der Hitzdrahthalterungen, H¨ alt man die Parameter a), b) und c) konstant, dann reagiert der Sensor nur noch auf die Str¨ omungsgeschwindigkeit und der dem Sensor entzogene W¨ armestrom ist dann direkt ein Maß f¨ ur die am Sensor vorliegende augenblickliche Str¨ omungsgeschwindigkeit. Das Basiselement der Hitzdrahtanemometrie ist ein kontrollierbar erhitzter zylindrischer Sensor, dessen elektrischer Widerstand von der Temperatur abh¨ angt. Die durch Geschwindigkeits¨ anderungen bedingten Temperatur- und damit Widerstands¨ anderungen werden zweckm¨aßigerweise in einer Br¨ uckenschaltung elektronisch erfasst. Die Sonde selbst ist ein Br¨ uckenzweig dieser Br¨ uckenschaltung. Von den verschiedenen Br¨ uckenschaltungen hat sich in der Praxis die Wheatstone-Br¨ ucke als besonders geeignet erwiesen. Aus der W¨ armeabfuhr des Sensors, die im thermischen Gleichgewichtszustand der zugef¨ uhrten Jouleschen W¨ armeleistung E2 Q˙ = IE = I 2 R = R gleich sein muss, kann die Str¨ omungsgeschwindigkeit nach zwei Schaltungsvarianten ermittelt werden. Aus der Forderung nach einer abh¨angigen Gr¨oße der Jouleschen Leistung ergeben sich n¨ amlich die M¨oglichkeiten, entweder den Heizstrom I oder den elektrischen Widerstand R und damit die Temperatur des Sensors konstant zu halten. Im ersten Fall spricht man vom Konstant-Strom-Anemometer (CCA: Constant-Current-Anemometer), im zweiten von Konstant-Temperatur-Anemometer (CTA: Constant-Temperature-Anemometer).
698
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
I= k o n s t.
R = R (U )
A K o m p e n s a tio n s n e tz w e rk
H itz d ra h t
V e rs tä rk e r
A u sg a n g z u m A n z e ig e in s tru m e n t
Abbildung 21.12: Die Prinzipschaltung eines Konstant-Strom-Anemometers
Im Konstant-Strom-Betrieb wird die Wheatstone-Br¨ ucke mit konstantem elektrischem Strom gespeist. Der Reihenwiderstand der Stromquelle muss gegen¨ uber dem Gesamtwiderstand der Br¨ ucke groß gew¨ahlt werden, damit stets der dem Hitzdraht zufließende Strom konstant gehalten werden kann. Die durch die Str¨ omung bewirkte Temperatur- und Widerstands¨anderung des Hitzdrahtes bewirkt in der obigen Schaltung eine Verstimmung der Spannung an der vertikalen Br¨ uckendiagonalen, die verst¨ arkt und angezeigt als Maß f¨ ur die Str¨ omungsgeschwindigkeit in der Str¨ omungsmesstechnik verwendet wird. Nachteilig f¨ ur die durchzuf¨ uhrenden Geschwindigkeitsmessungen ist die geringe Bandbreite der Konstant-Strom-Anemometrie, die auf die W¨armetr¨ agheit des Hitzdrahtes zur¨ uckzuf¨ uhren ist. Zum Beispiel betr¨agt die Grenzfrequenz eines Hitzdrahtes von 5 µm Durchmesser im Konstant-StromBetrieb etwa 100 Hz. Durch Verwendung sehr d¨ unner Dr¨ahte l¨asst sich die Zeitkonstante zwar herabsetzen, aber d¨ unne Dr¨ahte sind sehr empfindlich und werden infolge starker mechanischer Belastung durch die Str¨omung leicht zerst¨ ort. Zudem ergeben sich f¨ ur die Konstant-Strom-Anemometrie betriebstechnische Schwierigkeiten. Aufgrund der verst¨ arkten W¨armeabf¨ uhrung an das str¨ omende Fluid bei hohen Geschwindigkeiten muss der Speisestrom bei hohen Geschwindigkeiten erh¨ oht werden. Dies f¨ uhrt zwar zu einer erh¨ohten Empfindlichkeit des Drahtes, d.h. der Draht reagiert st¨arker auf auftretende Geschwindigkeits¨ anderungen, aber die Gefahr, dass der Hitzdraht durchbrennt, wird bei Messungen sehr groß, z. B. wenn in einer Str¨omung die Geschwindigkeit pl¨ otzlich abf¨ allt. Schließlich macht die Abh¨angigkeit der Zeitkonstante des Gebers von der mittleren Str¨ omungsgeschwindigkeit eine Anpassung des Kompensationsnetzes an die jeweilige Str¨omungsgeschwindigkeit erforderlich. Bei der Verwendung von Filmsonden, die in der Regel nicht nur durch eine Zeitkonstante charakterisiert werden k¨onnen, ist ein Kompensationsverst¨ arker mit kompliziertem Schaltkreis notwendig, der genau den entgegengesetzten Frequenzgang wie die Sonde aufweisn muss und daher in der
21.5 Grundlagen der Hitzdrahtanemometrie
699
Praxis nur sehr schwer realisierbar, geschweige denn praktisch einsetzbar, wird. Heute wird der Konstant-Strom-Betrieb fast ausschließlich zur Messung der Fluidtemperatur eingesetzt. Dabei wird der konstante Heizstrom herabgesetzt, um das Ansprechen der Sonde auf die Str¨omungsgeschwindigkeit zu verringern, so dass fast ausschließlich die Temperatur¨anderungen zu Br¨ uckenverstimmungen f¨ uhren. Die Br¨ uckenspannung an der vertikalen Diagonalen der Abb. 21.12 ist dann ein Maß f¨ ur die augenblickliche Str¨omungstemperatur. B rü c k e n s tro m
I= I(U ) F e h le r-S p a n n u n g
T ,R = k o n s t. S e rv o V e rs tä rk e r
V
H itz d ra h t
Abbildung 21.13: Die Prinzipschaltung eines Konstant-Temperatur-Anemometers
Die Grundidee der Konstant-Temperatur-Anemometrie besteht darin, die thermische Tr¨ agheit der Sonde durch eine schnelle elektronische Signalr¨ uckf¨ uhrung zu kompensieren, um so den Betrieb des Sensors bei konstanter Temperatur bzw. konstantem Widerstand zu gew¨ahrleisten. Im Falle der abgeglichenen Br¨ ucke besteht zwischen den Eing¨angen des Servoverst¨arkers keine Differenz-Spannung. Geschwindigkeits¨ anderungen in der Str¨omung haben jedoch Temperatur- bzw. Widerstands¨ anderungen des Sensors zu Folge, die Differenz-Spannungen am Servoverst¨ arkereingang verursachen. Der Ausgang des Servoverst¨ arkers wird an das Br¨ uckenoberteil der Abb. 21.13 mit solcher Polarit¨ at zur¨ uckgekoppelt, dass sich die Br¨ ucke selbstt¨atig abgleicht. Durch diese R¨ uckkopplung wird ein Signal erzeugt, das nicht von der W¨armetr¨ agheit des Sensors erheblich beeinflusst wird, d.h. die obere Grenzfrequenz wird gegen¨ uber dem Konstant-Strom-Betrieb um mehrere Gr¨oßenordnungen angehoben, z.Z. bis etwa Bandbreiten bis zu 1,2 MHz f¨ ur hohe Str¨omungsgeschwindigkeiten. Die Grenzfrequenz des Konstant-Temperatur-Anemometers wird im wesentlichen durch den Frequenzgang des R¨ uckf¨ uhrungsverst¨arkers bestimmt und nicht durch die Zeitkonstante des Drahtes. Vorteile des Konstant-Temperatur-Betriebes sind die erw¨ahnte große Bandbreite und die M¨ oglichkeit, hohe Arbeitstemperaturen des Sensors w¨ahlen zu k¨ onnen und dadurch eine sehr große Empfindlichkeit gegen¨ uber Ge-
700
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
schwindigkeits¨ anderungen zu erreichen. Als Nachteil w¨are das instabile Verhalten des Servoverst¨ arkers in Grenzf¨ allen zu erw¨ahnen. 21.5.2 Eigenschaften der Hitzdr¨ ahte und Einsatzprobleme Als Messf¨ uhler f¨ ur Hitzdrahtmessungen dienen in der Regel Hitzdr¨ahte in zylindrischer Form mit typischen Durchmessern von einigen wenigen 10−6 m und einer L¨ ange gr¨ oßer als 200 Drahtdurchmessern. Der Hitzdraht wird zwischen den Spitzen von speziellen Drahthalterungen aufgespannt, an die der Draht angel¨ otet oder angeschweißt wird. Hierbei sind gewisse mechanische Anforderungen an den gespannten Draht zu stellen. Die angegebenen Durchmesser und L¨ angen des Hitzdrahtes stellen einen Kompromiss zwischen erforderlicher mechanischer Festigkeit und oberer Grenzfrequenz des Messsystems dar. Messdr¨ ahte mit 5 µm Durchmesser und 1 bis 2 mm L¨ange werden typischerweise bei Str¨ omungsmessungen eingesetzt. Spezielle Messaufgaben in verschiedenen Geschwindigkeitsfeldern stellen unterschiedliche Anforderungen an die Hitzdrahtsonden und machen den Einsatz von angepassten Sonden mit speziellen Geometrien erforderlich. Dickere Sensoren werden dort eingesetzt, wo h¨ ohere mechanische Stabilit¨at erforderlich ist; dagegen finden d¨ unnere Dr¨ ahte dann Anwendung, wenn h¨ohere Grenzfrequenzen gefordert werden. Die dominierende und f¨ ur Hitzdrahtsonden entscheidende Eigenschaft des Sonsormaterials ist die Abh¨ angigkeit des elektrischen Widerstandes von der Temperatur, die sich wie folgt angeben l¨ asst: R = R0 [1 + α1 (T − T0 ) + a2 (T − T0 )2 + . . . ]
(21.6)
Hierbei stellt R den elektrischen Widerstand bei der Betriebstemperatur T und R0 den entsprechenden Wert bei der Referenztemperatur T0 dar. α1 und α2 sind die thermischen Widerstandskoeffizienten. Bevorzugt werden Hitzdrahtmaterialien mit m¨ oglichst hohen α1 -Werten und verschwindend kleinen α2 -Werten. In solchen F¨ allen kann der quadratische Term vernachl¨assigt werden, so dass sich der elektrische Widerstand praktisch linear mit der Temperatur ¨ andert. Zum Beispiel bei Platin betragen die Werte f¨ ur die Widerstandskoeffizienten α1 = 3, 5 · 10−3 (◦ K)−1 ; α2 = −5, 5 · 10−7 (◦ K)−2
(21.7)
und f¨ ur Wolfram α1 = 5, 2 · 10−3 (◦ K)−1 ; α2 = 7, 0 · 10−7 (◦ K)−2
(21.8)
In Abb. 21.14 sind die Variationen des elektrischen Widerstandes mit der Temperatur f¨ ur einige reine Metalle angegeben.
21.5 Grundlagen der Hitzdrahtanemometrie
R e s is tiv ity , m ic ro h m -c m
1 0 0
701
E is e n
8 0 6 0 N ic k e l
4 0
n P la ti fra m o W l
2 0 0
K u p fe r S ilb e r
-2 0 0
0
6 0 0 4 0 0 2 0 0 T e m p e ra tu r ° C
8 0 0
1 0 0 0
Abbildung 21.14: Temperatur-Widerstandsverhalten von Hitzdrahtmaterialien
Da die Temperatur l¨ angs des Hitzdrahtes u ¨blicherweise bei Hitzdrahtmessungen verschieden ist, was sp¨ ater noch n¨ a her erl¨autert wird, stellt der &1 gemessene Widerstand einen Mittelwert R = 0 [R(z)/A(z)]dA dar. A(z) ist der Hitzdrahtquerschnitt und z die Koordinate l¨angs des Hitzdrahtes in der Richtung des elektrischen Stromflusses. R(z) ist der lokale Widerstand des Hitzdrahtes. Ein weiterer wichtiger Parameter f¨ ur die Empfinglichkeit des Anemome¨ ters ist das Uberhitzungsverh¨ altnis βT = (T −T0 )/T0 , wobei T die eingestellte Hitzdrahttemperatur und T0 die Referenztemperatur in ◦ K bedeuten. Mehr praktische Bedeutung kommt dem Verh¨ altnis βR = (R − R0 )/R0 zu, wobei R der Widerstand des Sensors bei der Betriebstemperatur T und R0 bei der Referenztemperatur T0 sind. Es gilt βR = α1 T0 β0 (mit α2 = 0). Die Betriebstemperatur des Hitzdrahtes w¨ ahlt man in der Praxis m¨oglichst hoch, um eine große Empfindlichkeit gegen¨ uber Geschwindigkeits¨anderungen und eine Reduzierung des Einflusses der Temperatur des Str¨omungsmediums zu erreichen. In der Regel vertragen platinierte Wolframdr¨ahte Temperaturen omungstemperaturen werden Sensoren aus von 200 bis 300◦ C. Bei hohen Str¨ Platin oder eine 10 % Platin-Rhodium-Legierung bis zu 750◦C Betriebstemperatur eingesetzt. Messungen von Str¨ omungsgeschwindigkeiten von Fl¨ ussigkeiten weisen Besonderheiten auf, die den Einsatz spezieller Sensoren erforderlich machen. Diese Sensoren bestehen aus verschiedenartig geformten Tr¨agerk¨orpern aus Quarzglas, auf dem d¨ unne Filmschichten (z.B. Nickel) aufgebracht sind. Filmsonden k¨ onnen konisch, keilf¨ ormig oder anders geformt sein, so dass sie den Anforderungen gerecht werden, die durch unterschiedliche Messaufgaben gestellt werden. Der Filmsensor wird zudem mit einer Quarzschicht als
702
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
Schutzschicht versehen, um gegen¨ uber Umwelteinfl¨ ussen weniger empfindlich zu sein. Die Quarzschutzschicht u ¨ bernimmt zudem die Aufgabe der elektrischen Isolierung des Filmsensors in Bezug auf das oftmals elektrisch leitf¨ahige Str¨ omungsfluid. Q u a rtz R o d
S o n d e n : m it a u f d e n G la s trä g e r g e k le b te m P le x ig la s -K e il.
0 .0 6 0 I n c h e s ( 1 .5 0 m m ) D ia . E le c tric a l L e a d s
3 0 °
G o ld F ilm
A lu m in a o r Q u a rtz C o a te d P la tin u m F ilm 0 .0 0 4 " x 0 .0 4 0 " ( 0 .1 0 m m x 1 .0 m m ) E a c h S id e Q u a rtz R o d Q u a rtz C o s te d P la tin u m F ilm B a n d
4 0 °
G o ld F ilm
0 .0 5 0 I n c h e s (2 m m ) D ia . E le c tric a l L e a d s
A p p r o x . 0 .0 1 0 " ( 0 .2 5 m m ) D ia . G o ld P la tin g D e fin e s S e n s in g L e n g th
Q u e rs c h n itt Q u a rz trä g e r (5 0 µ ) P la tin film
0 .0 4 0 " ( 1 .0 m m )
G o ld P la te d S ta in le s s S te e l S u p p o rts Q u a F ilm ( 0 .0 ( 0 .0
rtz S 0 2 5 1
C o e n s " D m m
( 0 .1 µ )
Q u a rz s c h ic h t
a te d P la tin u m o r o n G la s s R o d ia .) D ia .)
Abbildung 21.15: Verschiedene Sondenarten f¨ ur Messungen in Fl¨ ussigkeiten
In der Str¨ omungsmesstechnik konnten verschiedenste Sonden mit Hitzdraht- bzw. Heißfilmelementen zur Anwendung gebracht werden, um neben lokalen Geschwindigkeitsmessungen auch Wandschubspannungsinformationen zu messen. Solche Sensoren sind als flache Heizelemente ausgebildet, wie sie z. B. in Abb. 21.15 mit skizziert sind. F¨ ur Messungen in Fl¨ ussigkeiten werden die aus d¨ unnen Metallschichten bestehenden Filme mit einer Schutzschicht (Isolierung) versehen, um elektrolytische Wechselwirkungen zwischen Sensor und Messfluid zu vermeiden. All dies verdeutlicht, dass die Str¨omungsmesstechnik heute umfassend Heißelemente einsetzt, um str¨omungsmechanisch relevante Gr¨ oßen bei der Durchf¨ uhrung von experimentellen Str¨omungsuntersuchungen zu messen.
21.5 Grundlagen der Hitzdrahtanemometrie
703
Die Anwendung der Heißfilmtechnik f¨ ur Str¨omungsmessungen in Fl¨ ussigkeiten erfordert spezielle Fertigkeiten und eine hohe Sorgfalt des Experimentators, um verl¨ assliche Geschwindigkeitsmessungen zu erhalten. Die oben erw¨ ahnten speziellen Auslegungen von Filmsensoren sind wegen der besonderen Eigenschaften tropfbarer Fl¨ ussigkeiten erforderlich. Die wichtigsten dieser Eigenschaften, welche die Durchf¨ uhrung von Messungen st¨ oren, sind: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Die Siedetemperatur von Fl¨ ussigkeiten liegt niedrig. Organische Fl¨ ussigkeiten k¨ onnen sich zersetzen. Fl¨ ussigkeiten besitzen im allgemeinen eine elektrische Leitf¨ahigkeit. Fl¨ ussigkeiten l¨ osen Gase. Fl¨ ussigkeiten sind im allgemeinen st¨ arker verschmutzt als Gase. Im Wasser und anderen Fl¨ ussigkeiten sind Salze gel¨ost. Leitungswasser enth¨ alt Algen, Bakterien und Mikroorganismen 3 0 0
2 5 0
T e m p e ra tu re ° C
T e m p e ra tu re ° C
3 0 0
2 0 0
1 5 0
2 5 0
2 0 0
1 5 0
1 0 0
1 0 0 ~~
5 0
0
5 0 3 0 7 0 1 0 5 0 9 0 m a l D ra h td u rc h m e s s e r 0 .0
0 .2
0 .4
0 .6
h = z / l
5 0
0 .8
1 .0
0 .0
1 0
1 5
2 0 0 .2
m a l D ra h td u rc h m e s s e r 0 .4
0 .6
h = z / l
0 .8
1 .0
Abbildung 21.16: Temperaturverteilungen l¨ angs der Hitzdr¨ ahte (Champagne et ¨ al., 1967); links: L¨ ange eines 400 Durchmesser langen Hitzdrahtes bei zwei Uberhitzungsverh¨ altnissen; rechts: L¨ ange eines 99 Durchmesser langen Hitzdrahtes
Um nun reproduzierbare Ergebnisse bei Messungen in Fl¨ ussigkeitsstr¨omungen erhalten zu k¨ onnen, m¨ ussen die erw¨ ahnten besonderen Eigenschaften von Fl¨ ussigkeiten bei der Auswahl und dem Betrieb des Sensor ber¨ ucksichtigt werden. Wegen der in Punkt 1 der in Abb. 21.16 beschriebenen Eigenschaft von Fl¨ ussigkeiten muss die Betriebstemperatur des Sensors, um Heißfilmmessungen durchzuf¨ uhren, unterhalb der Siedetemperatur des Str¨omungsmediums bleiben, da es sonst zum Verdampfen der Fl¨ ussigkeit am beheizten Sensor
704
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
kommt. Hierbei gilt es jedoch zu beachten, dass weit niedrigere Betriebstemperaturen f¨ ur die mittlere Temperatur des Heißfilms zu w¨ahlen sind, da die Temperaturverteilung, wie Messungen von Champagne, Sleicher und Wehrmann (1967) mit einem Infrarot-Detektor zeigten, bei handels¨ ublichen zylindrischen Heißfilmsonden, deren L¨ ange nur 20 bis 30 Drahtdurchmesser betragen, in der Sensormitte ein steiles Maximum aufweist. Es ist diese maximale Temperatur, welche die Siedetemperatur bei Heißfilmmessungen in Fl¨ ussigkeiten nicht u ucksichtigt man die Temperaturverteilung ¨ berschreiten darf. Ber¨ ¨ entlang des Drahtes bei der Einstellung der Uberhitzungstemperatur nicht, so kann in der Sensormitte leicht die Siedetemperatur der Str¨omungsfl¨ ussigkeit lokal u ussigkeit einsetzen. ¨ berschritten werden und die Verdampfung der Fl¨ ¨ Dies f¨ uhrt zu lokalen Anderungen des W¨ arme¨ ubergangs zwischen Sensor und Fl¨ ussigkeit und damit zu Fehlmessungen. Organische Fl¨ ussigkeiten zersetzen ¨ sich nach Uberschreitung einer kritischen Temperatur, die niedriger liegt als die Siedetemperatur. Dies kann zu Ablagerungen auf der Sensoroberfl¨ache f¨ uhren, die, im allgemeinen, sprungartige Verkleinerungen der Anemometerausgangsspannung zur Folge haben. Die Eigenschaft von Fl¨ ussigkeiten, elektrisch leitf¨ahig zu sein (Punkt 3), f¨ uhrt zur Elektrolyse an der Sensor-Oberfl¨ ache blanker Filme. Dabei werden Gasblasen (H2 - bzw. O2 -Blasen in Wasser) erzeugt und das Sensormaterial wird infolge der Elektrolyse von der Drahtoberfl¨ache abgetragen, was sich durch einen Anstieg des Kaltwiederstandes des Sensors bemerkbar macht. Der infolge des Abtragens von Sensormaterial erh¨ohte elektrische Widerstand, verursacht durch den lokal geschw¨ achten Querschnitt des Drahtes, f¨ uhrt zur Erh¨ ohung der lokalen Sondentemperatur, die ihrerseits die Elektrolyse an dieser Stelle intensiviert, bis es schließlich zum Bruch des Drahtbzw. Filmsensors kommt. Daher erfordern in Elektrolyten arbeitende Sensoren stets eine d¨ unne Quarzschicht als Schutzschicht, um den Draht bzw. Film vom elektrisch leitenden Str¨ omungsmedium zu trennen. Ebenfalls zu nicht-reproduzierbaren Geschwindigkeitsmessungen f¨ uhrt die Verringerung des W¨ arme¨ ubergangs zwischen Sensoroberfl¨ache und Str¨omungsmedium, der durch Ausgasen von in der Fl¨ ussigkeit gel¨osten Gasen verursacht wird (Punkt 4). Hat sich eine Gasblase an der Sensoroberfl¨ache abgelagert, so kommt es u ¨ blicherweise sehr schnell zur Ablagerung weiterer Blasen. Diese ¨ andern die W¨ armeabgabe an das str¨omende Medium und damit die Messungen. Abhilfe kann man durch Entgasung der Str¨omungsfl¨ ussigkeit vor der Messung erreichen. Im einfachsten Fall gen¨ ugt es schon, die Fl¨ ussigkeit eine gewisse Zeit ruhig stehenzulassen, so dass sich kleine Luftblasen von selbst austragen. Besser ist es jedoch eine Entgasung durch Aufheizen bzw. durch Anlegen eines Unterdruckes vor Beginn der Messungen zu erwirken. Auch Schmutzteilchen lagern sich auf dem in Fl¨ ussigkeiten genutzten Sensor ab (Punkt 5) und ver¨ andern dadurch den W¨arme¨ ubergang zwischen Sensor und Str¨ omungsfl¨ ussigkeit. Daher sollte w¨ahrend einer Messreihe das Str¨ omungsfluid so sauber wie m¨ oglich gehalten werden. Dies kann durch kon-
21.5 Grundlagen der Hitzdrahtanemometrie
705
tinuierliche Filterung des Fluids erfolgen. Die Abdeckung des Str¨omungskanals ist gleichfalls zu empfehlen, um das Eintragen von Schmutz zu vermeiden. Verschmutzte Sensoren m¨ ussen gereinigt werden. Staub l¨asst sich mechanisch ¨ entfernen, z.B. durch Abpinseln. Ublich ist auch das Sp¨ ulen der Sonden in Methylalkohol, um so Ablagerungen von Schmutz zu entfernen. Die am meisten in der Str¨ omungsmechanik verwendete Fl¨ ussigkeit ist Wasser. Die im Wasser gel¨ osten Salze f¨ uhren im allgemeinen zu Ablagerungen auf der Sensoroberfl¨ ache. Kalk ist ein Hauptbestandteil der auf Sensoren bei der Durchf¨ uhrung von Messungen abgelagerten Schichten. Die Verkalkung des Sensors wird bei Betriebstemperaturen des Sensors unterhalb von uglich der st¨oren60◦ C erheblich unterbunden. Es empfiehlt sich also auch bez¨ den Kalkablagerungen, eine geringe Betriebstemperatur zu w¨ahlen, d. h. mit Heißfilmtemperaturen unter 60◦ C zu arbeiten. Schließlich enth¨ alt Leitungswasser Algen, Bakterien und Mikroorganismen. Bei Messungen mit Hitzdr¨ ahten und Heißfilmen kann es zu schleimigen Ablagerungen auf der Sensoroberfl¨ ache und damit zu einer W¨arme¨ ubergangsverschlechterung kommen. Um diese Ablagerungen zu minimieren, sollte der Str¨ omungskanal in einem dunklen Raum aufgestellt werden und keiner Sonnen- und Lichtstrahlung ausgesetzt sein. Außerdem empfiehlt sich die Zugabe geringer Mengen von Borax, um die Bildung von Algen und Mikroorganismen zu unterbinden. Allgemein f¨ uhren die nachteiligen Einfl¨ usse 1 bis 7 zu nicht reproduzierbaren Ergebnissen und machen Nachkalibrierungen der f¨ ur Str¨omungsmessungen in Fl¨ ussigkeiten eingesetzten Sonden erforderlich. Das gleiche gilt f¨ ur korrosive Ver¨ anderungen, Gef¨ uge¨ anderungen und andere unkontrollierbare Einfl¨ usse, denen das Draht- bzw. Filmmaterial in den Versuchen, oder bei ¨ Lagerung zwischen Versuchen ausgesetzt ist. Nur durch stetiges Uberwachen der Sondenkalibrierung sind fehlerhafte Einfl¨ usse auf Messungen auszuschließen. 21.5.3 Hitzdrahtsonden und Halterungen Wie schon eingangs erw¨ ahnt, ist der eigentliche Sensor bei Hitzdrahtsonden zwischen den zwei Spitzen zweier Haltestifte (Zinken) aufgespannt, und die Draht- bzw. Filmenden sind auf diesen Drahthalterungen in der Regel aufgeschweißt. Die Haltestifte k¨ onnen in einen Keramikk¨orper eingelassen sein. Der Hitzdraht ist im Normalfall ein platinierter Wolframdraht. Um die W¨ armeleitung vom warmen Sensor zu den kalten Halterspitzen zu reduzieren und die aktive Sensorl¨ ange genauer definieren zu k¨onnen, wurden die sogenannten verkupferten“ oder vergoldeten Sonden“ entwickelt. ” ” Die auf die Halterspitzen aufgeschweißten Sensorenden werden an den Enden verkupfert bzw. vergoldet; dadurch ist die Temperaturverteilung l¨angs der aktiven, nicht beschichteten Sensorl¨ ange gleichm¨aßiger als bei nicht vergoldeten Sonden, und wegen des gr¨ oßeren Abstandes der Halterstifte vom
706
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
G o ld s c h ic h t H itz d ra h t
S o n d e n h a lte ru n g Z in k e n
Abbildung 21.17: Vergoldete Eindrahtsonde mit typischer Sondenhalterung
Messpunkt ist das Str¨ omungsfeld im Gebiet des aktiven Sensorteils weniger gest¨ ort.
D ie g e ra d e H itz d w ird in d e r S trö m p la tz ie rt, d a s s d ie n e n te s e n k re c h t a D ra h t e in w irk t w
U
u
ra h ts o n d e u n g so U -K o m p o u f d e n
w = P a ra lle l z u m D ra h t v = se n k re c h t z u D ra h t u n d Z in k e
¯ –Komponente und u – Abbildung 21.18: Gerade Sonde f¨ ur Messungen der U Schwankungen
Die beschriebenen eindr¨ ahtigen Sonden k¨ onnen, je nach Verwendungszweck, verschiedenen Konfigurationen aufweisen. Sonden mit gleichlangen, geraden Halterspitzen, bei denen der Sensor mit den Achsen der beiden Halterstifte einen Winkel von 90◦ bilden, werden zur Messung von mittleren Str¨ omungsgeschwindigkeiten und der Geschwindigkeitsschwankung in Hauptstr¨ omungsrichtung eingesetzt. Abb. 21.18 zeigt einen solchen Hitzdrahtsensor, der so in der Str¨ omung orientiert wurde, dass er die u−Komponente der Str¨ omung misst. Sonden mit ungleichlangen, geraden Halterspitzen, bei denen der Hitzdraht oder Heißfilm mit den Achsen der beiden Halterstifte einen Winkel von 45◦ bildet, dienen zur Messung der Reynoldschen Normal- und Schubspannungen. Sie finden gemeinsam mit Sonden Anwendung, wie sie in Abb. 21.18 skizziert sind. Zus¨ atzliche Messungen mit ±45◦ liefern dann u 2 , v 2 und u v , d. h. Terme des Reynoldsschen Spannungstensors.
21.5 Grundlagen der Hitzdrahtanemometrie
707
Z in k e n lie g e n in u - w - E b e n e w (U + u )
M it g e n e ig te n H itz d in B e z u g a u f d ie S tr ric h tu n g , s in d K o rre m e s s u n g e n tu rb u le n S c h w a n k u n g e n m ö g
rä h te n , ö m u n g sla tio n s te r lic h
Abbildung 21.19: Schr¨ age Sonde f¨ ur Messungen kombinierter uw−Terme
In der Darstellung 21.20 sind unterschiedliche Sondenhalterungen, auch f¨ ur Mehrdrahtsonden, angegeben.
E in z e ld ra h t-S o n d e
X -D ra h t-S o n d e
3 -D ra h t-S o n d e
Je n a M e ss s c h ie e in g e 4 -D ra h t-S o n d e
c h e rfo rd e rlic h e r u n g w e rd e n u n te rd lic h e S o n d e n s e tz t
G re n z s c h ic h ts o n d e
Abbildung 21.20: Verschiedenste Ausf¨ uhrungen von Hitzdrahtsonden f¨ ur Mehrkomponentenmessungen
Zur Ermittlung der Str¨ omungsrichtung in einer Ebene und zweier in dieser Ebene gelegener Geschwindigkeiten, in einem Messvorgang, dienen sogenannte X-Sonden mit zwei rechtwinklig zueinander stehenden Dr¨ahten bzw. Filmen, wie eine in Abb. 21.21 skizziert zu sehen ist. Die Dr¨ahte sind parallel zur x − z−Ebene montiert und bestehen damit aus kombinierten schr¨agen Sonden mit ±45◦ Sondenneigung, wie sie in Abb. 21.19 gezeigt sind. Folgende Geschwindigkeitsbeziehungen ergeben sich f¨ ur die Dr¨ahte A und B:
708
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
z
D ie H itz d rä h te lie g e n in E b e n e p a ra lle l z u r x - z - E b e n e
W x
a
U V
se n -A c h e d n o S
y H e is s d ra h t I
H e is s d ra h t II
Abbildung 21.21: X-Sonde f¨ ur simultane Messungen zweier Geschwindigkeitskomponenten A Ugem = U cos α + W sin α B = U cos α − W sin α Ugem
Durch Addition und Subtraktion gelingt es, wie die obigen Gleichungen zeigen, die momentane U − und W −Komponenten des Geschwindigkeitsfeldes zu bestimmen. Es ist in der Praxis auch u ¨blich 3-Draht-Sonden einzusetzen, um alle drei Geschwindigkeitskomponenten simultan zu messen. Auf diesen Sachverhalt sei an dieser Stelle nur verwiesen. Es ist die Aufgabe dieses Teilabschnittes des Buches, eine Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik zu geben und daf¨ ur reichen die obigen Hinweise auf wenige Hitzdrahtgeometrien aus. F¨ ur Grenzschichtuntersuchungen ist es außerordentlich wichtig, Messungen extrem dicht an der K¨ orperoberfl¨ ache durchzuf¨ uhren. F¨ ur solche Untersuchungen werden Sonden mit Drahthalterungen eingesetzt, die so geformt sind, dass sie Messungen in Wandn¨ ahe unterst¨ utzen. Eine solche Sonde mit Halterung ist in Abb. 21.22 skizziert. Sie ist so ausgerichtet, dass U gemessen wird. Die Traversierung erfolgt in y−Richtung. An die Geometrie der verschiedenen Sonden werden verschiedene und oftmals gegenl¨ aufige Forderungen gestellt. Um das durch die Sonden unvermeidbare Einbringen von St¨ orungen in die Str¨ omung gering zu halten und ein gutes r¨ aumliches Aufl¨ osungsverm¨ ogen, sowie Vibrationsfestigkeit der Sonde zu erreichen, sollten die Sonden einerseits m¨ oglichst kurze Sensorl¨angen haben; um andererseits den st¨ orenden Einfluss der Halterstifte zu reduzieren, w¨ aren gr¨ oßere Halterungsl¨ angen erforderlich. Kleine Durchmesser des Sensors sind f¨ ur hohes zeitliches Aufl¨ osungsverm¨ ogen und hohe Empfindlichkeit erforderlich, große Durchmesser sorgen dagegen f¨ ur hohe mechanische Festigkeit und geringere Drahtdehnungen bei Belastung. Durch Kompromisse erreichte
21.5 Grundlagen der Hitzdrahtanemometrie U 2
= V
709
y L a g e d e s K o o rd in a te n s y s te m s x
D ra h t lie g t p a ra lle l z u r O b e rflä c h e
U
= U 1
D is ta n z h a lte r Abbildung 21.22: Sonde f¨ ur Grenzschichtuntersuchungen
man, dass heute optimierte Sonden bereitstehen, die verl¨aßliche Messungen mittels Hitzdrahtanemometern zulassen. 21.5.4 Abk¨ uhlgesetze f¨ ur Sensoren und Hitzdrahtsonden Grundlage zur Ermittlung der Str¨ omungsgeschwindigkeit mit Hilfe von Hitzdrahtsonden ist der W¨ armetransport vom erhitzten Sensor an das den Sensor umstr¨ omende Medium. Die W¨ arme wird vom Sensor durch Strahlung Q˙ st , Leitung Q˙ L , Eigenkonvektion Q˙ Ek , aber vor allem durch Zwangskonvektion Q˙ Zk abgef¨ uhrt. ·
Q
E k
H a lte s tift (Z in k e )
E ig e n - b z w . fre ie K o n v e k tio n Q
·
L
= W ä rm e le itu n g Q
Q
·
S t
·
Z k
= Z w a n g s k o n v e k tio n
= W ä rm e s tra h lu n g H a lte s tift (Z in k e )
Q
·
L
= W ä rm e le itu n g
Abbildung 21.23: Die W¨ armebilanz am Sensor in allgemeiner Form
710
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
Im thermischen Gleichgewichtszustand ist die zugef¨ uhrte elektrische Leistung (Joulesche W¨ arme) (21.9) Q˙ el = IE = I 2 R = E 2 /R gleich der vom Sensor abgef¨ uhrten W¨ armeleistung I 2 R = Q˙ St + Q˙ L + Q˙ Ek + Q˙ Zk
(21.10)
Die Strahlungsw¨ arme Q˙ St l¨ asst sich nach der Formel + , 4 Q˙ St = kσA T 4 − Tm
(21.11)
berechnen, wobei σ die Stefan-Boltzman-Konstante, A die w¨armeabstrahlende Oberfl¨ ache des Sensors, T seine Betriebstemperatur und Tm die Temperatur des Str¨ omungsmediums sind. Der Faktor k liegt etwa bei 0,1 und ber¨ ucksichtig, dass die Strahlung von Hitzdr¨ ahten etwa 10 % der Strahlung betr¨ agt, die ein schwarzer ausgedehnter K¨ orper gleicher Abmessungen haben w¨ urde. Von Extremf¨ allen abgesehen, kann der W¨armeverlust von Hitzdr¨ahten durch Strahlung bei Billanzbetrachtungen vernachl¨assigt werden, da er nur einige Promille des Anteils betr¨ agt, der durch Zwangskonvektion dem Sensor an W¨ arme entzogen wird. Die W¨ armeleitung Q˙ L vom warmen Sensor in die kalten Haltestifte betr¨ agt nach Fourier dT π d2 Q˙ L = −2λD (21.12) dx 4 Sensorende
armeleitung des Druckes, d = Drahtdurchmesser λD = W¨ dT / dx = Temperaturgradient entlang des Drahtes Die Zahl 2 steht in der Gleichung (21.12) wegen der zwei Haltestifte des Hitzdrahtes. Zur Berechnung von Q˙ L ist die Kenntnis des Temperaturgradienten am Sensorende erforderlich. Der Temperaturverlauf l¨angs des Sensors h¨ angt seinerseits implizit von der dimensionslosen W¨arme¨ ubergangszahl, Nu, des Sensors und des umgebenden Fluids ab. Der W¨armestromanteil Q˙ L , der sogenannte Endverlust, macht bei Hitzdrahtsonden etwa 10 bis 20 % des vom Sensor abgef¨ uhrten Gesamtw¨ armestromes aus. Dieser Anteil ist relativ gesehen um so gr¨ oßer, je kleiner der Quotient aus Drahtl¨ange und Drahtdurchmesser ist. uhrte W¨arme gewinnt Die durch Eigenkonvektion Q˙ Ek vom Sensor abgef¨ an Bedeutung, wenn die Auftriebskr¨ afte am Hitzdraht das Str¨omungsfeld um den Draht beachtlich beeinflussen. Die charakteristische dimensionslose Gr¨ oße, die diesen Einfluss zu beschreiben erlaubt, ist die Grashof-Zahl: Gr = g = Gravitationsbeschleunigung β = Kompressibilit¨ atskoeffizient
gβ∆T L3 ν
(21.13)
21.5 Grundlagen der Hitzdrahtanemometrie
711
ν = kinetische Viskosit¨ at ∆T = Draht¨ uberhitzung Nach Collis und Williams (1959) kann die freie Konvektion f¨ ur den Fall Re > Gr1/3
(21.14)
vernachl¨ assigt werden. Zum Beispiel betr¨ agt die Grashof-Zahl f¨ ur einen Hitzdraht von 2,5 µm Durchmesser in einer Luftstr¨omung von 300◦ K ungef¨ahr ur Reynoldszahlen gr¨ oßer als 0,01 sind also keine beachtlichen 6 · 10−7 . F¨ freien Konvektionseffekte zu erwarten. Dies bedeutet, dass f¨ ur u ¨ blicherweise eingesetzte Hitzdr¨ ahte in Luft, die freie Konvektion, bei Str¨omungsgeschwindigkeiten gr¨ oßer als 0,1 m/s, vernachl¨ assigt werden kann. Bei Geschwindigkeitsmessungen mit Hitzdr¨ ahten erfolgt die dominierende W¨ armeabgabe des Sensors an das ihn umgebende Str¨omungsmedium durch die Zwangskonvektion Q˙ Zk . Diese l¨ asst sich wie folgt berechnen: Q˙ Zk = απl d(T − Tm ) T = Drahttemperatur d = 2r = Drahtdurchmesser l = Drahtl¨ ange
(21.15)
Tm = Fluidtemperatur α = W¨arme¨ ubergangskoeffizient λ = W¨armeleitung des Fluids
Sie berechnet sich auch aus: "2π Q˙ Zk = −λl 0
∂T ∂r
R dϕ
(21.16)
r=R
Die dimensionslose W¨ arme¨ ubergangszahl am Sensor ist definiert: Nu =
αd λ
(Nußelt-Zahl)
(21.17)
Aus den beiden Gleichungen l¨ asst sich die W¨ armeabgabe Q˙ Zk berechnen zu: Q˙ Zk = Nuπlλ(T − Tm ) Damit lautet die vereinfachte Energiebilanz am Sensor:
dT
E2
= 2λA
+ Nuπlλ(T − Tm ) R dx Sensorende
(21.18)
(21.19)
Zur weiteren Behandlung dieser Gleichung muss f¨ ur die eingesetzte Sonde ¨ ein W¨ arme¨ ubergangsgesetz formuliert werden. Die Ahnlichkeitstheorie der W¨ arme¨ ubertragung sagt aus, dass f¨ ur geometrisch ¨ahnlich berandete Felder die Temperatur- und Str¨ omungsfelder affin sind, wenn die f¨ ur den Vorgang massgebenden dimensionslosen Kenngr¨ oßen gleich sind. Im allgemeinen
712
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
Fall wird das W¨ arme¨ ubergangsgesetz durch eine Beziehung zwischen den Reynolds-, Prandtl-, Mach-, Grashof- und Knudsen-Zahlen des L¨angen-zu¨ Durchmesser-Verh¨ altnisses der Sensorelemente, des Uberhitzungsverh¨ altnisses, der Orientierung der Sonde im Str¨ omungsfeld und anderen Parametern beschrieben: Nu = Nu( Re,
Pr,
Gr,
Ma,
Kn,
l/d,
∆T . . . )
¨ Str¨ oMediums- AufKompres- Einfluss Geometrie Ubermungs- eigentriebs- sibilit¨ ats- der Mole- des hitzung einfluss schaften einfluss einfluss k¨ ulstruktur Sensors
Nu muss individuell f¨ ur das untersuchte Str¨ omungsfeld und die eingesetzte Sonde ermittel werden, um die obige Komplexit¨at der Abh¨angigkeiten durch eine Kalibrierung zu erfassen. Im praktischen Anwendungsbereich der Hitzdrahtanemometrie in Gasstr¨ omungen liegen im allgemeinen die Str¨ omungsgeschwindigkeiten h¨oher als 0,1 m/s vor; damit kann der Einfluss der Grashof-Zahl auf den W¨arme¨ ubergang außer Acht gelassen werden. Das gleiche gilt f¨ ur den Mach-Zahl-Einfluss der Str¨ omung: wenn diese Kennzahl eine gewisse Grenze, z.B. Ma ≈ 0,2, nicht u onnen die Kompressibilit¨atseffekte auf den W¨arm¨ uber¨berschreitet, k¨ gang vernachl¨ assigt werden. Nur in Sonderf¨ allen, wie bei stark verd¨ unnten Gasen z.B. bei Messungen von Windgeschwindigkeiten in großen atmosph¨arischen H¨ ohen, kann der Durchmesser des Sensors gleich oder auch kleiner als die freie Wegl¨ ange der Molek¨ ule werden. Im Normalfall ist " d, d.h. der W¨ armetransport wird nicht von der Kn-Zahl beeinflusst, d. h. man befindet sich bei den meisten Messungen im Bereich der Kontinuumsmechanik. Nimmt man noch als weiteres ein großes L¨ ange-zu-Durchmesser-Verh¨altnis (nach Champagne et al. (1976) l/ d > 400) an, dann ist der W¨arme¨ ubergang zweidimensional. Unter diesen Annahmen lautet die N u-Abh¨angigkeit Nu = Nu(Re, Pr,∆T . . . )
(21.20)
Trotz dieser eingef¨ uhrten Vereinfachungen ist es sehr schwierig, ein allgemeines Gesetz f¨ ur den W¨ arme¨ ubergang zu formulieren, da die W¨armeabfuhr vom Sensor von komplexen dreidimensionalen Str¨ omungsfeldern bestimmt wird, die sich in Drahtn¨ ahe einstellen k¨ onnen. Einige der in der Literatur verf¨ ugbaren, empirisch gewonnenen W¨armeu ¨ bergangsgesetze sind in der nachfolgenden Tabelle angegeben. Sie werden in der Form s T − Tm (21.21) Nu = [A (Pr, ∆T ) + b (Pr, ∆T ) Ren ] Tm angegeben, d. h. die in Gleichung (21.21) auftretenden Konstanten sind in der nachfolgenden Tabelle angegeben.
21.5 Grundlagen der Hitzdrahtanemometrie
Autor
G¨ ultigkeitsbereich Collis und 0,02
A
B
0,24 0
0,56 0,48
Hilpert (1933)
1
0 0 0 0 0 0
0,89 0,82 0,61 0,872 0,802 0,600
King (1914)
Pe=RePr1
1 π
√ 2 π Pr
Re<4,2
0,72
0,80
Koch und Gartshore (1972)
n
713
s
0,45 0,17 Tempe0,51 0,17 ratureinfluss 0,33 0 0,38 0 0,46 0 0,330 0,0825 Tempe0,385 0,09625 ratur0,466 0,1165 einfluss 0,5 0
Pr 1
0,45 - 0,67
Kramers (1946) 0,01
0, 08 (21.22) Nu = + π π Die so erhaltenen Beziehung f¨ ur die Nu-Zahl wird heute noch in der experimentellen Hitzdrahtmesstechnik angewandt, allerdings nicht in dieser urspr¨ unglichen Form, sondern in einer modifizierten, f¨ ur die Str¨omungsmesstechnik besser geeigneten Form. Sie konkuriert im Einsatz mit empirisch gefundenen Gesetzm¨ aßigkeiten. Hat man sich f¨ ur die unabh¨ angige Darstellung der experimentellen Daten durch ein W¨ arme¨ ubergangsgesetz entschlossen oder f¨ ur die vorgesehene Sonde im untersuchten Str¨ omungsmedium eigene W¨arm¨ ubergangsgesetzm¨aßigkeit ermittelt, dann erh¨ alt man aus der vereinfachten Energiebilanz leicht die Anemometer-Ausgangsspannung (Messwert). Zum Beispiel wird f¨ ur das von McAdams angegebene W¨ arme¨ ubergangsgesetz die fundamentale Beziehung f¨ ur die St¨ omungsgeschwindigkeit wie folgt angegeben:
0,52 d π d2
dT
+0, 32πlλ (T − T )+0, 43πRlλ (T − T ) U 0,52 E 2 /R = λ m m 2 dx Sensorende ν (21.23)
714
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
Das prinzipielle Vorgehen bei der Ermittlung der Str¨omungsgeschwindigkeit w¨ are f¨ ur diese Gesetzm¨ aßigkeit folgendes: F¨ ur eine bestimmte Hitzdrahtsonde mit bekannten geometrischen Parametern d, l und Betriebswerten R (Drahtwiderstand), und T erh¨ alt man die Spannungs-Geschwindigkeits-Funktion in Abh¨ angigkeit von der Temperatur, dem Druck und den Stoffwerden des ¨ Str¨ omungsmediums sowie der Ubertemperatur T − Tm und dem Temperaturgradienten am Sensorende. Bei Kenntnis dieser Parameter l¨asst sich aus dem gemessenen Spannungsverlauf der gesuchte Geschwindigkeitsverlauf ermitteln. Dies ist umst¨ andlich und deshalb wird in der Praxis der Hitzdrahtanemometrie die direkte Eichung des einzusetzenden Hitzdrahtsensors gew¨ahlt. 21.5.5 Statische Eichung von Hitzdrahtsonden Der oben beschriebene Weg der Ermittlung des W¨armeverlustes an Hitzdr¨ ahten gestattet zwar, den Geschwindigkeitsverlauf aus den Messwerten ohne Eichung zu ermitteln, es m¨ ussen jedoch die geometrischen Abmessungen des Mef¨ uhlers und die Betriebswerte des gesamten Anemometers genau bekannt sein. Die Praxis zeigt nun, dass die genauen Kenntnisse der Einflussgr¨ oßen bei den handels¨ ublichen Hitzdraht-Sonden nicht mit ausreichender Genauigkeit zu erhalten sind. Zum Beispiel kann, wegen der komplizierten Prozesse beim Ziehvorgang von d¨ unnen Dr¨ahten, der Durchmesser des Sensors nicht mit großer Sicherheit angegeben werden. Unsicherheiten treten auch bei der L¨ angenbestimmung des Sensors durch das Aufschweißen auf die Spitzen der Halterstifte auf. Es gibt auch andere Einfl¨ usse, die sich auf die G¨ ultigkeit analytischer W¨ arme¨ ubergangsgesetze auswirken, wie Alterung, Homogenit¨ at der Drahtlegierungen, Korrosion des Sensormaterials, etc. Aus diesen Gr¨ unden wird in der Messpraxis der erperimentellen Ermittlung der Spannungs-Geschwindigkeits-Abh¨ angigkeit im Eichkanal der Vorzug gegeben, d. h. der Hitzdraht wird kalibriert. Die f¨ ur die Untersuchungen vorgesehene Sonde wird f¨ ur die Kalibrierung in einem turbulenzarmen Luftstrom bekannter und variabler Geschwindigkeit positioniert und die Anemometeromungsgeschwindigkeit U im Bereich beausgangsspannung E 2 und die Str¨ stimmt, der bei den geplanten Messungen mit dem geeichten Sensor in Frage kommt. Die so ermittelte statische Eichkurve oder Kalibrierung der Sonde erh¨ alt man durch Auftragung der Anemometer-Ausgangsspannung u ¨ ber der bekannten Eichgeschwindigkeit. Es liegt im Fall der Hitzdraht-Anemometrie angigkeit der Ausgangsspannung des Anemometers von eine nicht-lineare Abh¨ der Str¨ omungsgeschwindigkeit vor. Um das Verhalten des W¨ arme¨ ubergangs von Hitzdrahtsonden im breiten Geschwindigkeitsbereich zwischen sehr niedrigen Geschwindigkeiten bis zu hohen Geschwindigkeiten, aber Ma = 1 zu pr¨ ufen, wird die zugef¨ uhrte elektrische Energie, die dem Quadrat der elektrischen Spannung proportional ist, √ u ¨ ber der Wurzel aus dem Produkt ρU aufgetragen (Norman, 1967). Auf die
21.5 Grundlagen der Hitzdrahtanemometrie
E
2
E
E in flu s s d e r fre ie n K o n v e k tio n 2
= A + B U
M
715
N Q
n
L K K * L
E in flu s s d e r fre ie n K o n v e k tio n
r U
Abbildung 21.24: Prinzipskizze der Kalibrierkurve einer Hitzdrahtsonde
Gr¨ unde dieser Auftragungsart wird noch eingegangen, aber Gleichung (21.22) macht die Notwendigkeit dieser Auftragung bereits klar. Man kann die Eichkurve in Teilbereiche aufteilen, die physikalisch bedingt unterschiedlichen Gesetzm¨ aßigkeiten gehorchen. Der f¨ ur praktische Luftstr¨ omungen wichtige Teilbereich der Eichkurve, zwischen L und M in Abb. 21.24, kann analytisch angen¨ ahert werden durch die Gesetzm¨aßigkeit E 2 = A + BU n
(21.24)
Diese Beziehung ist nichts anderes als eine Modifikation des Kingschen Gesetzes f¨ ur den W¨ armeverlust eines aufgeheizten Zylinders. Man hat also den prinzipiell bestehenden analytischen Zusammenhang zwischen Spannung und Geschwindigkeit der Kingschen Formel u ¨ bernommen, die Parameter A, B und n werden durch Eichung ermittelt, da die von King getroffenen Annahmen bez¨ uglich der Sensoren in der Praxis nicht bekannt sind oder nicht genau zutreffen. In dem Bereich L bis M sind A, B und n fast konstant, wie aus Messungen hervorgeht. Im Teilbereich der Eichkurve zwischen K und L dominiert die freie Konvektion. Mit zunehmender Str¨omungsgeschwindigkeit, oder genauer gesagt bei wachsender Ma-Zahl, erreicht die Sonde ihre maximale Abk¨ uhlung, um bei weiterer Zunahme der M a-Zahl wieder abzufallen. Im Teilgebiet M-N-Q ist es nicht m¨ oglich, jedem Messwert E eine einzige Geschwindigkeit-Zahl zuzuordnen, d.h. die Funktion ist in diesem Bereich nicht eindeutig. In der Messpraxis wird der Hitzdraht oftmals nur im Bereich L bis M eingesetzt. Da die Kalibrierung der Sonde zum Alltag des Str¨omungsmesstechnikers geh¨ ort, ist es erforderlich das Vorgehen bei der Kalibrierung einer handels¨ ublichen Hitzdrahtsonde in einem Luft-Freistrahl, Schritt f¨ ur Schritt zu erl¨ autern. Die Sonde wird f¨ ur die Kalibrierung unmittelbar oder kurz hinter dem D¨ usenaustritt eines Eichkanals montiert und entsprechend der Str¨omung ausgerichtet. Dadurch wird gew¨ ahrleistet, dass sich die Sonde in einem Be-
716
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik E ic h p rin z ip S e n so r
D ru c k lu ft
U 1
A b lu ft
D ru c k lu ft
U
U
S e n so r 1
U z u m A n e m o m e te r
z u m A n e m o m e te r
D P = 21 r U -R o h r-M a n o m e te r
2 ( U 1 - U 2 ) =~ 1
2 2 r U
D P = 21 r
( U 1 2 - U 2 ) = ~ 12 r U 2
U -R o h r-M a n o m e te r
Abbildung 21.25: Der Eichkanal mit eingebauter Hitzdrahtsonde und Druckmessger¨ at
reich gleichf¨ ormiger Geschwindigkeit von niedriger Turbulenzintensit¨at befindet und dass die Anstr¨ omrichtung bekannt ist. Tab. 21.1: Typische Daten einer Hitzdrahtkalibrierung Anemometer- D¨ usendruck ∆p EichgeschwindigE 2 U 0,4356 Ausgangs- am Manometer keit in m/s aus ∗ spannung [V] [mm/Ws] U = 1,2821 ∗ ∆p(mm/W s) · 9, 8066 2,88 1,04 4,09 8,29 1,85 3,01 2,11 5,83 9,06 2,15 3,16 4,24 8,27 9,98 2,51 3,28 7,20 10,77 10,76 2,82 3,36 10,25 12,85 11,29 3,04 3,46 15,20 15,65 11,97 3,31 3,54 20,17 18,03 12,53 3,52 3,62 27,42 21,02 13,10 3,77 3,68 33,47 23,23 13,54 3,93 3,73 39,88 25,35 13,91 4,09 3,79 43,34 27,62 14,36 4,24 3,83 54,53 29,65 14,67 4,38 3,90 67,26 32,93 15,21 4,58 Die Eichung wird f¨ ur den in der Praxis interessierenden Geschwindigkeitsbereich, d. h. f¨ ur nicht zu niedrige und nicht zu hohe Str¨omungsgeschwindigkeiten, wie oben erw¨ ahnt, f¨ ur viele Geschwindigkeitspunkte vorgenommen. Die praktische Anwendung beschr¨ ankt sich oftmals auf den Bereich, wo sich ein einziger, einfacher analytischer Ausdruck f¨ ur die E 2 -U -Abh¨angigkeit finden l¨ asst, d.h. auf den L-M-Bereich in Abb. 21.24.
21.5 Grundlagen der Hitzdrahtanemometrie
717
Als Beispiel einer typischen Geschwindigkeitseichung m¨ogen die folgenden Daten dienen. Die Raumtemperatur betrug f¨ ur diese Messungen tAtm = 19,5◦ C, der Atmosph¨ arendruck pAtm = 756 mmHg. Die gemessenen Anemometer-Ausgangsspannungen E 2 und die am Manome¨ ter abgelesenen Uberdr¨ ucke gegen Atmosph¨ arendruck ∆p sind in den ersten zwei Zeilen der oben aufgef¨ uhrten Tabelle angegeben. F¨ ur die Auswertung der in Tabelle 21.1 angegebenen direkten Messdaten muss aus den gemessenen Druckdifferenzen ∆p die Eichgeschwindigkeit U berechnet werden. Unter der Annahme inkompressibler, reibungsfreier Str¨ omung lautet der Satz von Bernoulli zwischen den Querschnitten vor und unmittelbar hinter der Eichd¨ use ρ ρ 2 U1 + p1 = U 2 + p 2 2
(21.25)
alt man Mit p = pAtm und p1 − pAtm = ∆p erh¨ ∆p =
, ρ+ 2 U − U12 2
(21.26)
Ist das Fl¨ achenverh¨ altnis der D¨ use F1 : FDuesenaustritt gr¨oßer als 1:16, wie in der vorliegenden Eichung, kann die Geschwindigkeit U1 in obiger Gleichung ohne große Genauigkeitseinbuße vernachl¨ assigt werden. Man erh¨alt die Eichgeschwindigkeit als: 2 U= ∆p (21.27) ρ Die noch unbekannte Dichte der Luft l¨ asst sich aus dem Gesetz f¨ ur ideale Gase berechnen: p = ρRT (21.28) Sie betrug bei den hier erw¨ ahnten Eichbedingungen: ρ=
N sec2 756 · 133, 3 PAtm = 1, 2167 = RTAtm 283 · (273 + 19, 5) m4 133, 3N/m2 m2 mit = 1; RLuft = 283 2 mmHg sec ◦K
(21.29)
Damit ergibt sich die Eichgeschwindigkeit zu: U = 1, 2821 ∆p (21.30) √ wobei ∆p die am Manometer abgelesene Druckdifferenz bedeutet. In obiger Formel ist ∆p mit 9,8066 (1mmW s=9, ˆ 8066n/m2 zu multiplizieren und dann erst die Wurzel zu ziehen und schließlich mit 1,2821 zu multiplizieren. So erh¨ alt man die in der dritten Spalte der vorausgegangenen Tabelle angegebenen Eichgeschwindigkeiten. Aus dem Bild 21.26 ist die typische Eichkurve der
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
E
[V o lt]
718
E
E
2
= 3 ,6 5 4 2 + 2 ,5 1 4 7 U
0 ,4 3 5 6
2
2
U
U
E 2
[m /s ] U
0 ,4 3 5 6
Abbildung 21.26: Die bei der Kalibrierung aufgenommene Eichkurve in zwei Darstellungsm¨ oglichkeiten
in die Eichung einbezogenen, senkrecht angestr¨omten Hitzdrahtsonde ersichtlich. Sie wurde durch Auftragung der am Anemometerausgang gemessenen Spannung u ¨ ber den oben ausgerechneten Eichgeschwindigkeiten gewonnen. Die Auswertung der Hitzdrahtsignale, d. h. die L¨osung der urspr¨ unglichen Aufgabe, die Str¨ omungsparameter aus den Messsignalen zu ermitteln, wird wesentlich dadurch erleichtert, dass verl¨ assliche analytische Ausdr¨ ucke f¨ ur die Spannungsgeschwindigkeitsgesetzm¨ aßigkeit zur Verf¨ ugung stehen. Wie schon erw¨ ahnt, kann im hier untersuchten Geschwindigkeitsbereich diese Gesetzm¨ aßigkeit durch das modifizierte Kingsche Gesetz E 2 = A + BU n
(21.31)
dargestellt werden. Die Aufgabe f¨ ur die Kalibrierung lautet, aus den Messdaten die Konstanten“ A, B und n zu bestimmen. Dies kann graphisch ge” schehen, indem man das Quadrat der Anemometer-Ausgangsspannung u ¨ ber n U auftr¨ agt. Aber der Exponent n ist a priori nicht bekannt, so dass es einer Variation von n bedarf, bis der richtige Exponent n die Meßpunkte auf asst. Der Exponent n ist von der Str¨omungsgeschwineiner Gerade fallen l¨ digkeit abh¨ angig; in einem begrenzten Geschwindigkeitsbereich l¨asst sich jedoch ein konstanter“ Exponent n definieren. Die Steigung der Geraden im ” E 2 − U n −Diagramm entspricht der Konstanten“ B und der Spannungswert ” im Schnittpunkt der extrapolierten Geraden und der E-Achse der Konstan” ten“ A. Die Werte f¨ ur die Konstanten“ A, B, n k¨onnen auch numerisch ermit” tel werden. In einem Iterationsverfahren wird der Exponent n systematisch ge¨ andert, und f¨ ur jeden n-Wert werden die u ¨ brigen Konstanten A und B mit der Methode des kleinsten Quadrates den Eichdaten angepasst, bis ein Mi-
21.6 Turbulenzmessungen ...
719
nimum des quadratischen Fehlers zwischen dem analytischen Ausdruck und den Eichdaten erhalten wird. Schließlich muss noch betont werden, dass die Konstante“ A nicht mit ” der Ausgangsspannung des Anemometers bei der Geschwindigkeit Null u ¨ bereinstimmt, was verst¨ andlich ist, da es sich um zwei unterschiedliche Mechanismen der W¨ arme¨ ubertragung handelt, n¨ amlich im Fall der Messung bei U = 0 um die W¨ armeabgabe durch Eigenkonvektion und im Fall des graphischen Vorgehens um eine Extrapolation der Daten der W¨armeabgabe durch Zwangskonvektion.
21.6 Turbulenzmessungen mittels Hitzdrahtanemometern Geschwindigkeitsmessungen mittels Hitzdrahtanemometern erfordern genaue Kenntnisse der Richtungsempflindlichkeit des Hitzdrahtes. Diese wird durch eine direkte Kalibrierung des Hitzdrahtes in einer Str¨omung mit bekannter Richtung ermittelt. Dies f¨ uhrt zu der in Abb. 21.27 skizzierten Geschwindigkeits-Winkel-Darstellung des Ausgangssignals eines Hitzdrahtanemometers. Diese Information ist jedoch unzureichend, um ein Hitzdrahtanemometer in turbulenten Str¨ omungen zur Anwendung zu bringen, in denen sich der Winkel der Anstr¨ omung st¨ andig ¨ andert. F¨ ur die Auswertung des resultierenden Ausgangssignals ist es erforderlich, die in Abb. 21.27 skizzierte Geschwindigkeits-Winkel-Abh¨ angigkeit des Hitzdrahtausgangssignals analytisch zu erfassen. Damit gelingt es die komplexen Zusammenh¨ange zwischen turbulenten Geschwindigkeitsschwankungen und der Winkelabh¨angigkeit auf das HDA-Ausgangssignal quantitativ zu erfassen. Dabei ist es u ¨blich, eine effektive K¨ uhlgeschwindigkeit einzuf¨ uhren, die sich aus den Geschwindigkeitskomponenten senkrecht und parallel zum Hitzdraht wie folgt ausdr¨ ucken l¨ asst: 2 2 2 ˆpar ˆper ˆeff =U + k2 U (21.32) U ˆper die momentane Geschwindigkeitskomponente senkrecht Dabei ist U zum Hitzdraht und Upar die momentane parallele Komponente, siehe z. B. Hinze. Die Gleichung (21.32) ist dadurch gekennzeichnet, dass die Geschwindigkeitskomponenten Uper und Upar als Komponenten relativ zum Draht gew¨ ahlt werden. F¨ ur die Str¨ omungsmessung ist es jedoch wichtig, dass aus den Messungen die Geschwindigkeitskomponenten relativ zu einem raumfesten Koordinatensystem xi erhalten werden. Dieser Sachverhalt macht es ˆpar durch die Komponente U ˆi auszudr¨ ˆper und U ucken. Dabei erforderlich U gilt f¨ ur den Geschwindigkeitsvektor und den Lagevektor des Hitzdrahtes: = < ˆi = U ˆ1 , U ˆ2 , U ˆ3 und "i = {cos α1 , cos α2 , cos α3 } U (21.33)
720
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik U
p a r
= G e s c h w in d ig k e its k o m p o n e n te p a ra lle l z u m D ra h t U U B
U
p a r
U 4 .8 U
4 .4 a
U 0
p e r a
= 3 2 m /s 0
E [V o lt ]
E [V o lt ]
U
= 3 0 m /s
4 .0 3 .6
p e r
= G e s c h w in d ig k e its k o m p o n e n te s e n k re c h t z u m D ra h t 5 .4 U
5 .0 U
0
= 3 5 m /s 0
= 3 2 m /s
4 .6
-9 0
0
a
9 0
4 .2
-9 0
0
b
9 0
Abbildung 21.27: Winkelabh¨ angigkeit von Hitzdrahtsignalen
2 2 ˆper ˆpar Damit lassen sich U und U wie folgt angeben:
2 ˆ 2 (cos2 α2 +cos2 α3 )+ U ˆ 2 (cos2 α1 +cos2 α3 )+ U ˆ 2 (cos2 α1 +cos2 α2 ) Uper = U 1 2 3 ˆ1 U ˆ2 cos α1 cos α2 − 2U ˆ3 cos α1 cos α3 − 2U ˆ3 cos α2 cos α3 ˆ1 U ˆ2 U −2U (21.34) 2 ˆ2 cos α1 cos α2 ˆ 2 cos2 α1 + U ˆ 2 cos2 α2 + U ˆ 2 cos2 α3 + 2U ˆ1 U Upar = U 1 2 3 ˆ3 cos α1 cos α2 + 2U ˆ3 cos α2 cos α3 ˆ1 U ˆ2 U (21.35) +2U Aus diesen Gleichungen l¨ asst sich die in Gleichung (21.32) angegebene effektive K¨ uhlgeschwindigkeit wie folgt angeben: < + , 2 ˆeff ˆ12 k 2 cos2 α1 +cos2 α2 +cos2 α3 U = U + , + , ˆ22 cos2 α1 +k 2 cos2 α2 +cos2 α3 + U ˆ32 cos2 α1 +cos2 α2 +k 2 cos2 α3 +U = , + ˆ2 cos α1 cos α2 + U ˆ3 cos α1 cos α3 + U ˆ3 cos α1 cos α3 ˆ1 U ˆ1 U ˆ2 U −2 1−k 2 U (21.36) ˆi = Ui + ui aus, d. h. f¨ Dr¨ uckt man den Momentanwert von U uhrt man die mittlere Str¨ omungsgeschwindigkeit Ui und die turbulente Schwankungsgeschiwndigkeit ui ein, d. h.
21.6 Turbulenzmessungen ...
ˆ 1 = U1 + u 1 U
ˆ 2 = U2 + u 2 U
ˆ 3 = U3 + u 3 U
721
(21.37)
so l¨ asst sich Gleichung (21.37) wie folgt schreiben ?1+ 2 ,+ , 2 ˆeff U = U1 + 2U1 u1 + u21 k 2 cos2 α1 + cos2 α2 + cos2 α3 + ,+ , + U22 + 2U2 u2 + u22 cos2 α1 + k 2 cos2 α2 + cos2 α3 + ,+ ,2 + , + U32 + 2U3 u3 + u23 cos2 α1 + cos2 α2 + k 2 cos2 α3 − 2 1 − k 2 [(U1 U2 + U1 u2 + U2 u1 + u1 u2 ) cos α1 cos α2 (U1 U3 + U1 u3 + U3 u1 + u1 u3 ) cos α1 cos α3 (U2 U3 + U2 u3 + U3 u2 + u2 u3 ) cos α2 cos α3 ]}
(21.38)
ˆ so Betrachtet man nun das Ausgangssignal eines Hitzdrahtanemometers, E, h¨ angt dieses mit der effektiven K¨ uhlgeschwindigkeit des Drahtes wie folgt zusammen: 1 n 2 ˆ = A + BU ˆeff E (21.39) Um nun die Anwendung der Hitzdrahtanemometrie f¨ ur Messungen in turbulenten Str¨ omungen zu erl¨ autern, wird die Sequenz von Messungen betrachtet, f¨ ur die in Abb. 21.28 die gew¨ ahlten Hitzdrahtlagen gezeigt sind. Dabei wird angenommen, dass gilt: ˆ1 = Q1 + q1 , U
ˆ2 = q2 , U
ˆ3 = q3 U
(21.40)
Die Position des Hitzdrahtes wird durch den folgenden Richtungsvektor beschrieben ni = {sin α, cos α, 0} Damit errechnet sich die effektive K¨ uhlgeschwindigkeit als , + + , ˆ 2 = Q2 + 2Q1 q1 + q 2 k 2 sin2 α + cos2 α + q 2 + U 1 , 2 eff , + + 12 sin α + +k 2 cos2 ,α + q32 + 2 1 − k 2 q1 q2 sin α cos α + 2 1 − k 2 Q1 q2 sin α cos α
(21.41)
Eine Umstellung der obigen Gleichung ergibt: 1 2 1 2 q1 ˆ Ueff = Q1 cos α 1 + k 2 tan2 α + 2 1 + k 2 tan2 α Q1 2 , 2 q2 1+ 1 2 q 1 2 q2 +2 1 − k 2 tan α + 1 + k 2 tan2 α 12 + k 2 + tan2 α 22 Q1 Q1 Q1 1 1 2 q32 1+ , 2 q1 q2 2 2 2 (21.42) + 1 + tan α + 2 1 − k tan α Q21 Q21 Durch eine Reihenentwicklung und nach Vernachl¨assigung von Termen h¨oherer Ordnung ergibt sich:
722
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
1 21 2 41 4 ˆ Ueff (α) = Q1 cos α 1 + k tan α − k tan α + 1 + k 2 tan2 α 2 8 2 q 1 1 1 + tan α − k 2 tan α 1 + tan2 α − k 4 tan4 α 8 2 Q1 q 1 3 2 +k 4 tan3 α 1 + tan2 α 4 Q1 2 2 2 4 1 3 tan α q3 2 4 tan α −k + k + 2 2 2 2 2 cos α 4 cos α 16 cos α Q1 2 1 3 4 q 1 + tan2 α1 + tan2 α − k tan4 α 12 k 2 8 Q 2 1 2 1 3 4 5 2 2 4 − k tan α + tan α + tan α 2 2 8 2 q2 q13 1 1 4 4 2 2 4 + tan α + tan α − k tan α 3 + −k Q21 Q1 2 22 q1 q2 3 3 9 4 2 4 6 +k tan α + tan α + tan α 4 Q31 2 4 9 +k 4 6 tan3 α − tan5 α q2 4 2 3 q12 3 2 tan α 4 4 2 + k tan + k tan α α + q1 Q31 4 cos2 α 4 cos2 α 3 q32 tan2 α 3 tan3 α 3 tan3 α − + + k2 1 + tan2 α + k 4 3 2 Q1 2 cos α 2 4 2 cos2α 1 tan5 α q2 q32 1 2 2 4 4 +3 3 + −k tan α 2 + tan α + 2 tan α + k 2 cos α Q 1 3 q2 1 15 15 1 tan α + tan3 α + tan5 α − tan7 α 2 4 4 16 Q31 (21.43) F¨ uhrt man Gleichung (21.43) in Gleichung (21.39) ein, so erh¨alt man f¨ ur die zeitgemittelte HDA-Anzeige: n E2 − A ∼ (21.44) = BQn1 cosn α 1 + k 2 tan2 α 2 F¨ ur den Momentanwert, wenn man nur Terme erster Ordnung ber¨ ucksichtigt, ergibt sich: + , n E 2 + 2Ee − A ∼ = BQn1 cosnα 1 + k 2 tan2 α + n 1 + k 2 tan2 α 2 (21.45) , + q2 q1 2 + n 1 − k tan α Q1 Q2 Durch Subtraktion von (21.44) von (21.45) und Quadrierung erh¨alt man: + , 2n [2E]2 e2 ∼ α 1 + k 2 tan2 α Qq11 = n2 B 2 Q2n 1 cos 2 (21.46) , + + 1 − k 2 tan α Qq21
21.6 Turbulenzmessungen ...
723
so dass folgende Endgleichungen f¨ ur die HDA-Signalausweitung herangezogen werden k¨ onnen: 1 2 22 1 2 2n E − A = B 2 Q2n α 1 + k 2 tan2 α (21.47) 1 cos und
2E E2 − A
2
e2 ∼ = n2
.
q1 Q1
, + /2 1 − k 2 tan α q2 , ++ Q1 1 + k 2 tan2 α
Durch Zeitmittelung ergibt sich: .+ /2 , 2 2 q 2 1 − k 2 tan α 2E q2 1 2 2 + , e = n + Q1 E2 − A Q1 1 + k 2 tan2 α 0 + , 2 1 − k 2 tan α q1 q2 , ++ 1 + k 2 tan2 α Q21 Drei Messungen mit den Winkelstellungen α1 = 0, α2 = π/4 und α ergeben: . /2 2 q1 2Eα1 1 2 e2α1 = 2 1 2 Q21 n Eα1 − A .+ , /2 2 2 2 1 + k2 2Eα3 2Eα2 q2 1 2 + e e2α3 = α2 Q21 2n2 (1 − k 2 ) Eα2 2 − A Eα2 3 − A 0 2 2Eα1 − e2α1 Eα2 1 − A 0 + , 2 2 2Eα2 2E q2 q2 1 1 + k2 α 3 e2α2 − e2α3 = 2 Q21 n 4 (1 − k 2 ) Eα2 2 − A Eα2 3 − A
(21.48)
(21.49)
= −π/4 (21.50)
(21.51)
(21.52)
Um auch die Komponenten in der x1 −x3 −Ebene zu erhalten, d. h. q32 und q1 q3 zu messen, w¨ ahlt man die Drahtpositionen in Abb. 21.28. F¨ ur diese Positionen ergeben sich Zusatzinformationen, die zur Messung der nachfolgenden Gr¨ oße genutzt werden k¨ onnen: . , /2 + 2 2 2 1 + k2 2Eα5 2Eα4 q3 1 2 eα4 + e2α5 = Q21 2n2 (1 − k 2 ) Eα2 4 − A Eα2 5 − A 0 (21.53) 2 2Eα1 2 − eα1 Eα2 1 − A
q1 q3 Q21
1 = 2 n
.+ 0 , / 2 2 1 + k2 2E 2Eα4 α 5 e2α4 − e2α5 (21.54) 4 (1 − k 2 ) Eα2 4 − A Eα2 5 − A
724
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
1
z
2
x z
x y y 4
z
3 z x
x y y
Abbildung 21.28: Drahtposition f¨ ur Sequenz von Hitzdrahtmessungen
Die oben aufgef¨ uhrten Auswertegleichungen lassen sich somit nutzen, um die mittlere Str¨ omungskomponente Q1 = U1 und die Turbulenzgr¨oßen q12 = u21 , q22 = u22 , q32 = u23 , q2 q1 = u2 u1 und q1 q3 = u1 u3 zu messen. Messungen anderer Korrelationen k¨ onnen auf der Basis entsprechend abgeleiteter Gleichungen durchgef¨ uhrt werden. Eine u oße zur Beschreibung der Turbulenzintensit¨at ist der Tur¨bliche Gr¨ bulenzgrad T u. Die darin enthaltenen mittlere Schwankungsgeschwindigkeit u2 ermittelt man aus dem Effektivwert der Anemometer-Ausgangsspannung (RMS-Wert) e2 einer geraden Hitzdrahtsonde dividiert durch den Gradienten (Steigung) der statischen Eichkurve derselben Sonde, d.h.: u2 e2 Tu = 100 [%] (21.55) 100 [%] = dE U U dU
Legt man der Rechnung das modifizierte Kingsche Gesetz: E 2 = A + BU n
(21.56)
zugrunde, dann liefert die Differentiation: ¯ n−1 dE¯ nB U √ = ¯ ¯n dU 2 A + BU
(21.57)
21.6 Turbulenzmessungen ...
725
U w
u
Abbildung 21.29: Gerade Sonde im Str¨ omungsfeld
Setzt man in diese DGL noch einmal die obige Kingsche Gleichung ein, so erh¨ alt man zusammen mit dem theoretischen Exponenten n = 0,5 die Arbeitsgleichung zur Bestimmung des Turbulenzgrades. ¯ e2 · 100 4·E u2 [%] (21.58) Tu = ¯ = ¯2 − A U E
U s in a
Diese Formel besagt, dass f¨ ur kleine Fluktuationen der Str¨omungsgeschwin¯ der Effektivwert der Geschwindigkeitsdigkeit von einem mittleren Wert U schwankungen proportional dem RMS-Wert der Spannungsfluktuation des Anemometers ist. Wie bereits betont, werden zur Ermittlung der Reynoldsschen Impul¯ um den Winkel α age Sonden“ (Sensor gegen U stransportterme ui uj schr¨ ” ◦ geneigt, meistens betr¨ agt α = 45 ) eingesetzt. In diesem Fall setzt sich die Anemometer-Ausgangsspannung aus den Beitr¨agen der longitudinalen und lateralen Geschwindigkeitskomponenten ein raumfestes Koordinatensystem zusammen, und so wurde oben gezeigt, dass die Ermittlung der Reynoldsschen Impulstransportterme erm¨ oglicht wird.
.
U
y
d a U = U + u
U c o sa
Abbildung 21.30: Bezeichnungen der Geschwindigkeitskomponente
726
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
Vereinfachte, aber f¨ ur eine Einf¨ uhrung gut geeignete Betrachtungen werden unter der Annahme m¨ oglich, dass der Hitzdraht nur auf die senkrechte Geschwindigkeitskomponente U cos α empfindlich ist. Die Geschwindigkeitskomponenten parallel zum Hitzdraht und senkrecht auf der aus dem Hitzdraht und seinen Haltestiften gebildeten Ebene werden vernachl¨assigt, so dass das modifizierte Kingsche Gesetz wie folgt lautet: n ˆ cos α ˆ (21.59) Eˆ 2 = A + B U Die Differentiation liefert: ˆ dE ˆ = B cosn αnU ˆ n−1 dU ˆ − Bn sin α ˆ n dα 2E ˆ cosn−1 α ˆU α
(21.60)
Wenn die Geschwindigkeitsschwankungen klein gegen¨ uber der mittleren Str¨omungsgeschwindigkeit U sind, kann gesetzt werden: ˆ =u dU
ˆ dα = v U
Damit wird
n 1 ˆ dEˆ = nB U ˆ cos α (u − v tan α ˆ) 2E ˆ ˆ U Aus dem modifizierten Kingschen Gesetz erh¨ alt man: n ˆ cos α B U ˆ = Eˆ 2 − A
(21.61)
(21.62)
wobei Eˆ nochmals die Anemometer-Ausgangsspannung bei der Str¨omungsˆ ist. geschwindigkeit U Aus den zwei letzteren Gleichungen l¨ asst sich ableiten: ˆ 2E ˆ2 − A E mit
ˆ = n (u − v tan α ˆ) dE ¯ U
ˆ 2E
¯ 2E = D und dEˆ = e ≈ ¯2 ˆ2 − A E −A E
(21.63)
(21.64)
Dann erh¨ alt man:
n (21.65) eD = ¯ (u − v tan α) U Quadriert und zeitlich gemittelt, erh¨ alt man die Basisgleichung f¨ ur den RMSWert der Anemometer-Ausgangsspannung bei Positionierung der Sonder in der u, v-Ebene n2 D2 e2 = ¯ 2 u2 + v 2 tan2 α − 2uv tan2 α U
( e2 : RMS-Wert der Anemometer-Ausgangsspannung)
(21.66)
21.6 Turbulenzmessungen ...
727
F¨ ur eine Messung mit der +α-schr¨ agen“ und der −α-schr¨agen“ Sonde in ” ” der u − v−Ebene erh¨ alt man: +α-schr¨ age Sonde n2 D2 e21 = ¯ 2 u2 + v 2 tan2 α − 2uv tan2 α U
(21.67)
−α-schr¨ age Sonde n2 D2 e22 = ¯ 2 u2 + v 2 tan2 α − 2uv tan2 α U
a =
p
u u
U
= p4
a 4
(21.68)
U w w
Abbildung 21.31: Messungen mit der schr¨ agen Sonde in der u, v-Ebene
Die Differenz liefert die scheinbaren Schubspannungen (bis auf die Dichte ρ) uv 1 2 2 2 2 tan = D e − e α 1 2 ¯2 4n2 U
(21.69)
u2 v2 1 2 2 2 2 + tan α = D e + e 1 2 ¯2 ¯2 2n2 U U
(21.70)
Die Summe liefert:
Bei bekanntem Sondenwinkel α (meistens betr¨agt α = 45◦ ) und zuvor ge¯ 2 wird aus obiger Gleichung v 2 /U ¯ 2 berechnet. messenem u2 /U F¨ ur die Normalsonde α = 0◦ ergibt sch aus der Basisgleichung der bereits bekannte Wert: n2 D2 e20 = ¯ 2 u2 (21.71) U ¯ 2 wird, wie oben beschrieDie noch verbleibende Turbulenzintensit¨ at w 2 /U ben, ermittelt, nur mit dem Unterschied, dass die Sonde in der u, w-Ebene positioniert werden muss, es ist also nur v in den obigen Gleichungen durch w zu ersetzen. Liegt ein linearisiertes Anemometer vor, bei dem durch den Einsatz von Linearisatoren der Zusammenhang zwischen Eichgeschwindigkeit und Spannung am Linearisatorausgang linear gehalten wird,
728
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
E = SU
(21.72)
dann vereinfacht sich die Auswertung wesentlich. Unter der wiederum zus¨atzlichen Annahme, dass der Hitzdraht nur gegen¨ uber den senkrechten Geschwindigkeitskomponenten empfindlich ist, erh¨alt man die folgenden Zusammenh¨ ange: ¯ = a0 U ¯ Position 0 : α = 0 e0 = a0 u; E ◦ Position 1 : α1 = 45 e1 = au + bv
(21.73) (21.74)
Position 2 : α2 = −45◦ e2 = au − bv
(21.75)
a = p4 U
u w
a u
U
U w
P o s itio n 0
p =
4
u w P o s itio n 2
P o s itio n 1
Abbildung 21.32: Die Messsignale eines linearisierten Anemometers und eines nur gegen¨ uber den senkrechten Geschwindigkeitskomponenten empfindlichen Sensors
Aus diesen drei Gleichungen erh¨ alt man durch Quadrieren und zeitliche Mittelung: e20 = a20 u2 e21 e22
=
a2 u 2
=
a2 u 2
(21.76) +
b2 v 2
+ 2abuv
(21.77)
+
b2 v 2
− 2abuv
(21.78) (21.79)
Aus den RMS-Werten lassen sich die Str¨ omungsparameter ermitteln: u2 =
1 2 e a20 0
e21 + e22 a2 − 2 u2 2 2b b e21 − e22 uv = 4ab v2 =
(21.80) (21.81) (21.82)
Wird eine X-Sonde bei den Messungen eingesetzt, so werden e1 und e2 simultant mit zwei getrennten elektrischen Systemen gemessen. F¨ ur die Str¨omungsparameter w¨ are auch folgende Auswertung m¨ oglich:
21.7 Laser-Doppler-Anemometrie
729
T u rb u le n z m e s s u n g e n m it x -D ra h t-S o n d e
S trö m u n g s ric h tu n g
se n -A c h S o n d e
a
u
u H e is s d ra h t I
H e is s d ra h t II
G e s c h w in d ig k e its sc h w a n k u n g e n
Abbildung 21.33: Die Messsignale einer X-Sonde
u=
1 (e1 + e2 ) 2a
(21.83)
v=
1 (e1 − e2 ) 2b
(21.84)
Die Ausgangssignale werden dann so verarbeitet, dass die gesuchten Str¨omungsparameter ermittelt werden k¨ onnen: 1 2 (e1 + e2 ) 4a2 1 2 v 2 = 2 (e1 − e2 ) 4b 1 2 uv = e1 − e22 4ab u2 =
(21.85) (21.86) (21.87)
Quadrate von Differenzen geringerer Betr¨ age k¨onnen nach Gleichung (21.87) nur sehr ungenau ermittelt werden.
21.7 Laser-Doppler-Anemometrie 21.7.1 Theorie der Laser-Doppler Anemometrie Den physikalischen Hintergrund der in diesem Kapitel behandelten optischen Geschwindigkeitsmessungen mittels Laserlichtstrahlen bildet der Dopplereffekt, der zu messbaren Frequenz¨ anderungen des Laserlichts f¨ uhrt, die infolge der Bewegungen von Streuteilchen f¨ ur Laserlicht erzeugt werden. Voraussetzung f¨ ur die Anwendbarkeit optischer Geschwindigkeitsmessverfahren ist damit das Vorhandensein geeigneter, lichtstreuender Teilchen, die in dem str¨ omenden Fluid entweder nat¨ urlich vorhanden sind oder durch Teilchengeneratoren zugesetzt werden. Diese Teilchen dienen als Empf¨anger und Sender des auftreffenden Laserlichtes und f¨ uhren infolge ihrer Bewegung mit dem
730
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
Fluid zu den gew¨ unschten Frequenz¨ anderungen der Laserstrahlung. Diese Frequenz¨ anderungen werden gemessen und von den Messungen wird auf die Geschwindigkeiten der Teilchen geschlossen. Dies ist die Basis der optischen Geschwindigkeitsmessung mittels Laser-Doppler-Anemometrie. B e o b a c h te r A R ic h tu n g d e r g e m e s s e n e n G e s c h w in d ig k e its k o m p o n e n te { k i} S tre u te ilc h e n { li}
{ U i} M o m e n ta n g e s c h w in d ig k e it d e s T e ilc h e n s {m i}
B e o b a c h te r B
S tre u s tra h l v o n L a s e r L ic h tq u e lle Abbildung 21.34: Betrachtungen zur Dopplerverschiebung der Frequenz des Streulichtes
In Abb. 21.34 ist eine Anordnung von Laserstrahlen gezeigt, die sich zur Erl¨ auterung des LDA-Messprinzips eignen. Ein von einer Laserlichtquelle kommender Strahl hat die Strahlrichtung {"i } = "i und trifft auf ein Streuteilchen, das Licht in alle Raumrichtungen streut, so auch in die Richtungen, die durch die Richtungsvektoren {ki }= ki und {mi } = mi gegeben sind. Das sich bewegende Streuteilchen hat die Geschwindigkeit {Ui } = Ui und streut somit Licht, das eine Dopplerverschiebung der Frequenz aufweist. In die beiden durch die Richtungsvektoren ki und mi gegebenen Richtungen erweisen sich die Frequenzen als: c − Ui "i c − Ui "i νA = ν und νB = ν (21.88) c − Ui ki c − U i mi Dabei wirkt das die Streustrahlen erzeugende Teilchen einmal als bewegter Empf¨ anger der ankommenden Laserstrahlung und gleichzeitig auch als bewegter Sender der Streustrahlung, d. h. der Dopplereffekt ist zweimal anzuwenden, um die Beziehungen in Gleichung (21.88) abzuleiten. Die gleichzeitige Detektion der beiden Streusignale durch die Beobachter A und B erlaubt die Schwebefrequenz ∆ν = νA − νB =
1 Ui (ki − mi ) λ
(21.89)
¨ durch Uberlagerung der Streuwellen zu detektieren, um die Geschwindigkeit der Streuteilchen zu bestimmen.
21.7 Laser-Doppler-Anemometrie
731
Eine direkte Messung der Frequenzen νA und νB , die ja nach den Gleichungen (21.88) die gew¨ unschte Geschwindigkeitsabh¨angigkeit aufzeigen, ist allerdings nicht m¨ oglich, da die zu detektierenden Frequenzen im Bereich von 1015 Hz liegen. Zudem gibt es kein Detektionssystem, das die Frequenzresolution besitzt, um relativ zu 1015 Hz, der Frequenz der Laserstrahlung, die Dopplerverschiebung zu messen, die etwa bei 2 · 105 Hz/(m/s) liegt. Es ist somit notwendig, die geschwindigkeitsbedingte Dopplerverschiebung des Laserlichtes aus den Frequenzen zweier Streulichtsignale zu bestimmen, die sich u uhrt zur Einf¨ uhrung des Zweistrahl-Anemometers, ¨ berlagern lassen. Dies f¨ wie es in Abb. 21.35 skizziert ist. L in s e B le n d e
L in s e
L ic h t v o m L a se r
l1 k
i
j l2
S tra h lte ile r p ris m a
In te rfe re n z s tre ife n im M e s s v o lu m e n
Abbildung 21.35: Skizze des optischen Aufbaus eines Zweistrahl-LDA-Systems
Wendet man die oben angegebenen Ableitungen auf die optische Anordnung in Abb. 21.35 an, so erh¨ alt man in jede durch den Vektor ki gegebene Richtung die folgenden zwei Frequenzen: c − Ui ("1 )i ν1 = ν (21.90) c − Ui ki c − Ui ("2 )i ν2 = ν (21.91) und c − Ui ki Hieraus errechnet sich als Schwebefrequenz f¨ ur c | Ui |: ∆ν =
1 Ui (("2 )i − ("1 )i ) λ
(21.92)
Dies ergibt: U⊥ 2 sin φ 1 Ui [("2 )i − ("1 )i ] = (21.93) λ λ wobei λ die Wellenl¨ ange des Laserlichtes darstellt, U⊥ die Geschwindigkeitskomponente senkrecht zur Achse des optischen Systems und ϕ den halben ∆ν =
732
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
Winkel zwischen den Streustrahlen repr¨ asentiert. Diese Beziehung zeigt, dass die Schwebefrequenz von der Beobachtungsrichtung unabh¨angig ist. Dies ist bei der Anwendung dieses Verfahrens von großem Vorteil, da große Auffangaperturen der Empfangsoptik angewandt werden k¨onnen, um das gestreute Lichtsignal zu detektieren.
L a s e rs tra h l 2 { l 1}
{ l 2} L a s e rs tra h l 1
{ U }
i
i
i
Abbildung 21.36: Visuelle Darstellung von LDA-Signalen durch Transparente
In der Abb. 21.36 wurde versucht, mit Hilfe eines von Durst und Stevenson entwickelten Verfahrens die obigen Vorg¨ ange visuell darzustellen, die zu der gew¨ unschten Schwebefrequenz f¨ uhren, um fD = ∆ν zu messen. Abb. 21.36 zeigt die beiden Laserstrahlen des optischen Geschwindigkeitsmessger¨ates in Abb. 21.35 und auch ein bewegtes Streuteilchen, das im Messvolumen angenommen wurde. Gleichzeitig umfasst diese Abbildung auch Streuwellen sowie die Linse der Empfangsoptik, die zur Detektion des Streulichts ben¨otigt ¨ wird. Uberlagert man der Streuwelle vom ersten Laserstrahl auch die zweite Streuwelle vom zweiten Laserstrahl, so wird - infolge der unterschiedlichen Frequenzen der beiden Streustrahlen - die Schwebefrequenz detektierbar, die zu Lichtintensit¨ atsvariationen am Photodetektor f¨ uhrt, deren Frequenz ein Maß f¨ ur die Geschwindigkeit des die Streuwellen erzeugenden Teilchens ist. Gemessen wird die Geschwindigkeitskomponente senkrecht zur Winkelhalbierenden der beiden Laserstrahlen, die in der von ihnen aufgespannten Ebene liegt. Die oben erl¨ auterten physikalischen Vorg¨ ange bei optischen Geschwindigkeitsmessungen mittels Laserstrahlen lassen sich auch mit Hilfe des Interferenzmodells der Laser-Doppler-Anemometrie erl¨autern, siehe Abb. 21.37. Dieses Modell geht von der Annahme aus, dass sich im Schnittvolumen
21.7 Laser-Doppler-Anemometrie
733
der beiden Laserstrahlen Interferenzstreifen einstellen, deren Streifenabstand durch die optische Anordnung und die Wellenl¨ange des Laserlichtes gegeben ist: λ (21.94) ∆x = 2 sin ϕ
D x D ie M o d u la tio n Ix h ä n g t v o n In te n s itä ts u n te rs c h ie d e n d e r S tra h le n a b
I(x )
I m
=
= f =
l 2 s in j U ^
D x j
I1 + I2 2 I1 - I IR = 2
j
2
D x
In te rfe re n z s tre ife n im S c h n ittg e b ie t d e r S tra h le n
x
Abbildung 21.37: Visuelle Darstellung der Interferenzstreifen im Messvolumen eines Laser-Doppler-Anemometers
Bewegt sich nun ein Streuteilchen durch dieses Interferenzmuster hindurch, wird es Licht streuen, dessen Intensit¨ at, bei ausreichend kleinem Teilchendurchmesser, proportional der lokalen Lichtintensit¨at im Messvolumen ist und damit sinusf¨ ormige Schwankungen aufweist, die durch die Bewegung des Teilchens durch das Interferenzmuster hervorgerufen werden. Weist das Teilchen eine Geschwindigkeitskomponente U⊥ senkrecht zu ¨ den Interferenzstreifen auf, so ben¨ otigt das bewegte Teilchen zum Uberqueren eines einzelnen Streifens die nachfolgende Zeit: ∆t =
∆x U⊥
(21.95)
Dies f¨ uhrt zu einer Signalfrequenz, die sich wie folgt ausdr¨ ucken l¨asst: U⊥ 2 sin ϕ 1 = (21.96) ∆t λ Diese Betrachtungen f¨ uhren zu derselben Endformel, wie sie oben mit Hilfe des Dopplermodells abgeleitet wurde. In der Abb. 21.37 wurde wiederum die visuelle Modellierung von Durst & Stevenson (1979) einbezogen, um das Interferenzmuster im Messvolumen zu verdeutlichen. Es sind bei korrespondierenden Experimenten parallele Interferenzstreifen“ sichtbar. ” Um die bei optischen Geschwindigkeitsmessungen auftretenden Signale voll verstehen zu k¨ onnen, muss noch beachtet werden, dass die einfallenden Strahlen eine endliche Ausdehnung quer zu ihrer Ausbreitungsrichtung f=
734
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
haben und dass ihre Intensit¨ atsverteilung u ¨ ber den Querschnitt eine GaußVerteilung aufweist. Ber¨ ucksichtigt man dies, so ist verst¨andlich, dass ein Teilchen, das durch das Zentrum des Messvolumens hindurchgeht, zu einem Signal f¨ uhrt, wie es in Abb. 21.37 angezeigt ist. Bewegt sich ein Teilchen etwas vom Zentrum entfernt durch das Messvolumen, so sind aufgrund der lokal vorliegenden Intensit¨atsunterschiede der beiden sich kreuzenden Strahlen Signale zu erwarten, wie sie in Abb. 21.38 angedeutet wurden. Als Vergleich dient ein Signal, das von einem Teilchen herr¨ uhrt, das sich durch die Mitte des Volumens bewegte. Hier liegen die beiden Strahlen im selben Bereich, sind also als genau u ¨ bereinander gele” gen“ anzusehen. Vom Zentrum entfernt durchquert das Teilchen zun¨achst einen Strahl, dann den u ¨berlappenden Bereich beider Strahlen und danach den Bereich des zweiten Strahles. Das LDA-Signal in 21.39 spiegelt diesen Signalverlauf wieder. A n a ly tis c h e D a rs te llu n g v o n L D A -S ig n a le n (A )k = A m p litu d e d e s k -te n S ig n a ls
k
= M o d u la tio n s tie fe d e s k -te n S ig n a ls
2
(b ) / T k
2
] { 1 + h k
c o s [ 2 p v k (t-tk) + f ] {
(a ) N s (t) = å (A )k e x p [ -(t-tk) k = 1
h
Abbildung 21.38: LDA-Signale beim Durchqueren des Messvolumens: (a) durchs Zentrum, (b) vor oder nach dem Zentrum
Der Einfluss der Teilchengr¨ oße wird in Abb. 21.39 aufgezeigt. Sind Teilchen sehr klein, so integrieren sie nicht u ¨ber das Interferenzmuster, d. h. die Intensit¨ atsverteilung des Interferenzmusters wird voll im Streusignal eines Teilchens wiedergegeben und es entsteht so ein Signal, wie es im Signalverlauf (A) wiedergegeben ist. Wird der Durchmesser des Teilchens erh¨oht, so entsteht ein Signalverlauf, wie er in (B) skizziert wurde. Entspricht das Teilchen etwa der Gr¨ oße des Abstandes der Interferenzstreifen, so ist es m¨oglich, dass die Modulation vollst¨ andig verschwindet, siehe (C). In Abb. 21.39 sind Formeln angegeben, die diese Verh¨ altnisse aufzeigen und zwar f¨ ur ein f¨ ur die hier durchgef¨ uhrten Betrachtungen angenommenes quadratisches Teilchen, das sich in der skizzierten Form durch das Interferenzmuster hindurchbewegt.
21.7 Laser-Doppler-Anemometrie
A B
In te n s itä ts v e rte ilu n g d e s L ic h te s C
I
D x
2 r
735
S tre u te ilc h e n p
U ^ r A
c
p r
In te n s itä t a ls F u n k tio n d e r T e ilc h e n p o s itio n : Is = I
B
{
s ,A
1 +
( 2 D p xr )
-1
p
s in
( 2 D p xr ) p
( 2 D p xr ) } c
c o s
In te n s itä t a ls F u n k tio n d e r Z e it: C
Is = I
s ,A
{
1 +
( 2 D p xr ) p
-1
s in
( 2 D p xr ) p
c o s
[
2 p D x ( U ^ t + r
c ,0
)
}]
Abbildung 21.39: Verschiedene Modulationstiefen bei Laser-Doppler-Signalen
Bez¨ uglich der Richtungsbestimmung der Teilchengeschwindigkeit sind einige ¨ zus¨ atzliche Uberlegungen notwendig, da die bis jetzt erl¨auterten M¨oglichkeiten der optischen Geschwindigkeitsmessung nicht erlauben, f¨ ur Teilchen mit derselben Geschwindigkeit, aber unterschiedlichen Geschwindigkeitsrichtungen, verschiedene Signale zu erzeugen. So wird ein Teilchen, das sich in der einen Richtung durch das Interferenzmuster in der Abb. 21.37 bewegt, dasselbe Signal ergeben, wie ein Teilchen mit entgegengesetzter Richtung aber ¨ gleicher Geschwindigkeit. Andert man jedoch die Frequenz eines Laserstrahls um einen gewissen Betrag, so f¨ uhrt dies zu einem bewegten Interferenzmuster im Messvolumen. Dies l¨ asst sich am einfachsten erl¨autern, wenn man sich die Optik in Abb. 21.40 besieht. Diese besteht aus einem Beugungsgitter, das zur Strahlaufteilung herangezogen wird. Die beiden Strahlen erster Ordnung werden u ¨ ber eine Linse im Messvolumen zur Kreuzung gebracht. Dort kann man sich wiederum das f¨ ur Laser-Doppler-Messungen erforderliche Interferenzstreifenmuster vorstellen. Die im Messvolumen entstehenden Interferenzstreifen lassen sich als Abbildung der auf dem Beugungsgitter vorhandenen Gitterlinien ansehen, und es ist damit verst¨ andlich, dass eine Rotation des Beugungsgitters zu einer Bewegung der Interferenzstreifen im Messvolumen f¨ uhrt. Dabei ist zu betonen, dass es sich hierbei nicht um eine Bewegung des gesamten Messvolumens handelt, sondern nur um kontinuierliche Intensit¨ats¨anderungen im Messvolumen, die das Interferenzmuster bewegen“ und nicht das Messvolumen. Be” wegt sich nun ein Teilchen in diesselbe Richtung wie das Interferenzmuster, wird eine kleinere Frequenz gemessen, als bei einer Bewegung, die entgegen
736
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
l1
L in s e
R o tie re n d e s G itte r
a
l2 b
L in s e
M e s s v o lu m e n B le n d e
L in s e
B le n d e
P h o to d e te k to r
Abbildung 21.40: Skizze eines auf einem rotierenden Beugungsgitter basierenden Laser-Doppler-Systems
der Bewegung des Frequenzmusters gerichtet ist. Kennt man die Bewegungsgeschwindigkeit der Interferenzstreifen, die durch die Rotation des Beugungsgitters vorgegeben ist, so l¨ asst sich die Relativbewegung ermitteln und auch das Vorzeichen der gemessenen Geschwindigkeitskomponente. 21.7.2 Optische Systeme f¨ ur Laser-Doppler-Messungen Die in dem ersten Jahrzehnt der Entwicklung auf dem Gebiete der LaserDoppler-Anemometrie gewonnenen Erkenntnisse haben zu verschiedenen optischen Anordnungen gef¨ uhrt, die f¨ ur ber¨ uhrungslose Geschwindigkeitsmessungen im str¨ omenden Fluid herangezogen werden k¨onnen. Diese lassen sich in drei Hauptgruppen unterteilen, die man heutzutage im wesentlichen als Referenzstrahlanemometer, Zweistrahlanemometer und Zweistreustrahlanemometer bezeichnet, siehe Abb. 21.41. Der erfolgte Einsatz dieser Ger¨ate hat gezeigt, dass sich das erstgenannte Verfahren besonders bei Messungen in verschmutzten Fl¨ ussigkeiten eignet, wo hohe Teilchenkonzentrationen erwartet werden k¨ onnen. Das zweitgenannte System, das Zweistrahlanemometer, ist besondern f¨ ur Messungen geeignet, bei denen die Teilchenkonzentration so ist, dass im Mittel weniger als ein Teilchen im Messvolumen vorliegt. Dies kann man bei allen Fl¨ ussigkeitsstr¨ omungen und Gasstr¨omungen erwarten, die f¨ ur das menschliche Auge vollkommen transparent erscheinen. Strahlt man einen Laserstrahl in eine solche Fl¨ ussigkeit, so leuchtet im allgemeinen der Laserstrahl stark auf und deutet an, dass Teilchen in einem Gr¨oßenbereich vorliegen, der vom menschlichen Auge nicht mehr erfasst wird. Diese Teilchen eignen sich f¨ ur Geschwindigkeitsmessungen mit Hilfe des Laser-DopplerSystems und das Zweistrahlverfahren eignet sich f¨ ur diese Gegebenheiten besonders. Das Zweistreustrahlverfahren ist nur in Sonderf¨allen einzusetzen, wenn Messungen von zwei Komponenten mit einfachen Mitteln angestrebt werden m¨ ussen.
21.7 Laser-Doppler-Anemometrie S trö m u n g
L a se r
S trö m u n g
In te g rie rte o p tis c h e E in h e it
P M
R e fe re n z s tra h la n o m o m e te r S trö m u n g
L a se r
In te g rie rte o p tis c h e E in h e it
Z w e is tra h la n o m o m e te r
L a se r L in s e
737
In te g rie rte o p tis c h e E in h e it
P M
L in s e
Z w e is tre u s tra h la n o m o m e te r
M e s s v o lu m e n P M L in s e
S a m m e llin s e M a s k e m it e in s te llb a re n S c h litz e n
L a s e rlic h t
L ic h t, d a s v o m P h o to d e te k to r e m p fa n g e n w ird
Abbildung 21.41: Referenzstrahl-, Zweistrahl- und Zweistreustrahl-Optiken f¨ ur Laser-Doppler-Messungen
In Abb. 21.42 wurden die wesentlichen Elemente eines Zweistrahl-LDASystems skizziert. Dieser Skizze ist zu entnehmen, dass sich die Sendeoptik ein solches System im wesentliochen aus der Lichtquelle, einer Strahlteilereinheit, und einer Linse zusammensetzt. Zur Erkennung der Richtung der Str¨ omung kommt noch eine Frequenzverschiebeeinheit (Bragg-Zellen) hinzu. F¨ ur die Kollektion des Lichtes ist ein weiteres Linsensystem und ein Photomultiplikator mit einer geeigneten Blende notwendig. Im Schnittpunkt der beiden Strahlen dieser optischen Anordnung kann man sich die in Kapitel 21.7.1 erl¨ auterten Interferenzstreifen vorstellen und es ist wichtig f¨ ur das Erhalten optimaler Signale, dass diese Interferenzstreifen voll moduliert sind, d.h. dass in den dunklen Interferenzstreifen wirklich die Intensit¨at Null vorherrscht. Dies kann durch das Anpassen der Intensit¨aten in den beiden Strahlen erreicht werden, sowie durch Verwendung optimaler optischer Systeme, d. h. von Optiken mit gleichen optischen Wegl¨angen beider Strahlen, die im Messvolumen zu keinen Phasenunterschieden der einfallenden Laserlichtwellen f¨ uhren. F¨ ur genaue Laser-Doppler-Messungen ist es notwendig, dass die Auswahl des Lasers richtig getroffen wird. Da die meisten Laser einen Ausgang zeigen, der mehrere Axialmoden aufweist, ist es notwendig, die optischen Wegl¨angen der beiden Teilstrahlen des Systems gleich zu halten. Durch die Verwendung eines optischen Strahlteilerprismas, wie es in Abb. 21.42 angedeutet ist, ist
738
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
B ra g g z e lle n m o d u l
S tra h lte ile rm o d u l
M e s s s tre c k e
L in s e
P h o to d e te k to r
L a se r
S a m m e llin s e
P ris m e n m o d u l
Abbildung 21.42: Optische Elemente eines Zweistrahl-Laser-Doppler-Anemometers
dies gew¨ ahrleistet. Dieses Prisma hat weitere Vorteile, die es f¨ ur den Einsatz bei der Durchf¨ uhrung praktischer Messungen empfehlen lassen. Es ist justierunempfindlich und eine Drehung in der in Abb. 21.42 gezeigten Ebene f¨ uhrt zu keiner Richtungsumlenkung der aus dem Prisma austretenden parallelen Strahlen. Diese Strahlen sind immer parallel zum einfallenden Strahl und haben immer denselben Abstand in Bezug auf die optische Achse des Systems. Durch die Wahl des in Abb. 21.42 gezeigten Prismas werden LDA-Optiken justier-unempfindlich und eignen sich f¨ ur praktische Str¨omungsuntersuchungen.
2
w 0
q
h
R (z)
2 s (z)
y s
W
z
R
x d
y x
x z
z L
d
P P
0
m in
d Abbildung 21.43: Skizzen zur Darstellung des Gaußschen Strahlverhaltens in optischen Systemen
21.7 Laser-Doppler-Anemometrie
739
F¨ ur f → ∞ und RL → ∞ kann man aus Beziehungen auf der vorhergehenden Seite analytische Ausdr¨ ucke f¨ ur die Variation der Wellenfrontkr¨ ummung R(z) und des Strahlenradius s(z) herleiten R (z) = z 1 +
πω02 λz
2
und
s (z) = ω0 1 +
λz πω02
2 12 . (21.97)
Mit Hilfe dieser Beziehungen kann der Radius des Strahlenb¨ undels und die Wellenfrontkr¨ ummung an der Linse berechnet werden: 2 2 πω0 RL = δ 1 + . (21.98) λδ und
σL = ω0 1 +
λδ πω02
2 12
Der Ausdruck f¨ ur die Lichtintensit¨ at lautet: 2 2 πω0 2r2 PL exp − 2 . Ip (r) = π fλ s
(21.99)
(21.100)
Der Einfluss der Eigenschaften fokussierter Gaußscher Strahlen auf die Funktionsweise von Laser-Doppler-Anemometern wurde von Durst & Stevenson (1979) und von Hanson (1976) untersucht. Benutzt man eine einzelne Linse, um die beiden einfallenden Strahlen zu fokussieren - wie es gew¨ ohnlich bei Zweistrahlsystemen der Fall ist - schneiden sich die Achsen der Strahlen im Brennpunkt der Linse. Wenn die Strahleinschn¨ urungen nicht auf diesen Punkt justiert sind, hat dies ein vergr¨oßertes Messvolumen zur Folge. Zus¨ atzlich konnte von Durst & Stevenson gezeigt werden, dass sich die Kr¨ ummung der Wellenfronten, die außerhalb des Einschn¨ urungsgebietes ¨ auftritt, zu einer signifikaten Anderung der Doppler-Frequenz f¨ uhren kann, wenn die Partikeln unterschiedliche Teile des Messvolumens durchqueren. Da die erw¨ ahnten Effekte oft sehr gering sind, wurden sie gew¨ohnlich in den Arbeiten mit Laser-Doppler-Aenmometern ignoriert, entweder weil sie nicht bekannt waren, oder weil die Vorteile eines Aufbaues mit einer einzigen Linse diesen kleinen Nachteil u ur einige Anwendungen, so z. B. ¨berwogen. F¨ bei Laser-Doppler-Messungen u ¨ ber große Entfernungen, Untersuchungen in ausgedehnten Str¨ omungsfeldern usw., k¨ onnen die angef¨ uhrten Fehler signifikant werden, so dass entsprechende Schritte unternommen werden m¨ ussen, um einen optimalen Strahlenschnittpunkt sicherzustellen. Dies kann auf zwei Wegen erreicht werden: –
Die Einschn¨ urung des Laserstrahls wird auf den hinteren Brennpunkt der ¨ Ubertragungslinse des LDA-Optik-Systems gelegt..
740
–
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
Eine zus¨ atzliche, optische Komponente, bestehend aus einer konvexen und einer konkaven Linse, wird zwischen den Laser und die Linse der LDA-Optik gesetzt. Dieses System wird dazu benutzt, um die Position der Strahleinschn¨ urung bez¨ uglich der fokussierenden Linse frei w¨ahlen zu k¨ onnen.
Um nun verl¨ assliche LDA-Messungen durchf¨ uhren zu k¨onnen, ist sicherzustellen, dass die Strahlen im Messpunkt eines Laser-Doppler-Anemometers so fokussiert sind, dass parallele Interferenzstreifen vorliegen, die eine hohe Modulationstiefe aufweisen, d. h. das Minimum der Lichtintensit¨at sollte nahezu bei Null liegen. Bez¨ uglich des optischen Aufbaus w¨are zu nennen: –
Die Blende vor dem Photodetektor muss so gew¨ahlt werden, dass die Beziehung Nph M λ (21.101) dph = 2 sin ϕ gelten muss, wobei in ph die Anzahl der Interferenzstreifen ist, die der Photomultiplikator sieht, M ist das optische Vergr¨oßerungsverh¨altnis des Detektionssystems (M = b/a), siehe Abb. 21.40, λ die Wellenl¨ange des Laserlichtes und ϕ der halbe Winkel zwischen den beiden einfallenden Laserstrahlen. Die Gr¨ oße des effektiven Messvolumens errechnet sich dann: dm =
dph λNph = ∆xNph = . M 2 sin ϕ
(21.102)
Dieser effektive Durchmesser des Messvolumens muss kleiner sein als der Durchmesser des Schnittbereichs der beiden Laserstrahlen der einfallenden Optik. 5 f1 ds 1 din = = λ (21.103) cos ϕ π D1 cos ϕ Die oben aufgef¨ uhrten Beziehungen sind der Forderung ¨aquivalent, dass die Zahl der Interferenzstreifen im Schnittbereich (Nf r ) gr¨oßer sein soll als die Zahl der Interferenzstreifen Nph , die vom Photodetektor gesehen werden. Ein Richtwert f¨ ur dieses Verh¨ altnis ist: Nf r ≈
5 Nph 4
(21.104)
Damit ist sichergestellt, dass sich der a ¨ußere Bereich des Interferenzstreifenmusters mit seiner schlechten Signalqualit¨ at nicht auf die Messung auswirkt. Eine Zusammenfassung der obigen Gleichungen ergibt f¨ ur die Zahl der Streifen innerhalb des Schnittbereiches folgende Beziehung: Nf r ≈
10 f1 din = tan ϕ. ∆x π D1
(21.105)
21.7 Laser-Doppler-Anemometrie
P ris m e n m o d u l 1
P ris m e n m o d u l 2
741
P h o to d e te k to r 2 B le n d e
P h o to d e te k to r 1
L a se r P o la ris a tio n s m o to r
L in s e S a m m e llin s e
P o la ris ie re n d e r S tra h lte ile r
S e ite n a n s ic h t d e r o p tis c h e n A n o rd n u n g
D ra u fs ic h t d e r o p tis c h e n A n o rd n u n g Abbildung 21.44: Zweistrahl-Anemometer f¨ ur Zweikomponentenmessungen der Teilchengeschwindigkeit
Details dieser Betrachtungen finden sich in dem Buch von Durst, Melling und Whitelaw (1987). Mehrdimensionale Laser-Doppler-Messungen sind m¨ oglich, wobei pro gemessener Str¨ omungsrichtung ein Strahlenpaar erforderlich ist. Optiken, die solche Messungen mit Zweistrahlkonfigurationen zulassen, sind untenstehend in der Abb. 21.44 skizziert. In den in Abb. 21.44 dargestellten Optiken sind die Bragg-Zellen nicht mit aufgezeichnet. Werden diese in allen beiden Strahlenpaaren eingebracht, dann sind Messungen mit Frequenzverschiebung f¨ ur zweikomponentige Messungen m¨ oglich, d. h. die Richtungserkennung f¨ ur die Str¨omung kann f¨ ur beide zu messende Geschwindigkeitskomponenten mit gemessen werden. 21.7.3 Elektronische Systeme f¨ ur Laser-Doppler-Messungen Durchquert ein Streuteilchen das Messvolumen einer Laser-Doppler-Optik und wird das von diesem Teilchen resultierende Streulicht von einem Photomultiplier detektiert, so resultiert am Ausgang des Photomultipliers ein Signal, wie es in Abb. 21.45 skizziert ist. Dieses Signal umfasst einen niederfrequenten Anteil, der von der Gaußschen Intensit¨atsverteilung des Laserlichtes resultiert. Ferner ist ein hochfrequenter Anteil Bestand des Laser-
742
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
E ig e n s c h a fte n v o n D o p p le r-S ig n a le n , d ie d u rc h E in z e lp a rtik e l e rz e u g t w e rd e n A A
A p
s
D t
t
S ig n a l e in e s E in z e lte ilc h e n s A
F re q u e n z s p e k tru m E in z e ls ig n a ls e 2 D t
e 2 D t
e 2 D t
e in e s
f
Abbildung 21.45: Typisches Doppler-Signal von einem einzelnen Streuteilchen
Doppler-Signals. Das Gesamtsignal besitzt damit ein Frequenzspektrum, wie es gleichfalls in Abb. 21.45 skizziert ist. Es ist der hochfrequente Anteil, der f¨ ur Geschwindigkeitsmessungen von Interesse ist. Im Prinzip w¨ are es f¨ ur die Bestimmung der Doppler-Frequenz eines von einem Streuteilchen resultierenden Signals ausreichend, mittels eines Spektralanalysators detektiert zu werden. Die wichtigsten Komponenten eines solchen Ger¨ ates sind in der untenstehenden Skizze in Abb. 21.46 angedeutet. Es zeigt ein Blockdiagramm der wichtigsten Komponenten, um das gesamte Frequenzfeld im LDA-Photodetektorsignal abzutasten. In der Praxis wird das Abtasten des gew¨ unschten Doppler-Frequenzbereiches durch einen Filter bewerkstelligt, dessen Mitte auf einer festen Zwischenfrequenz f0 eingestellt ist. Das Doppler-Signal sk (t) wird mit einem Signal cos 2πf0S t eines spannungskontrollierten Oszillators gemischt und so der Doppler-Frequenzbereich durch Variation der Oszillatorfrequenz abgetastet. Wird das Signal des k-ten Partikels dargestellt als: sk (t) = ak (t) cos(2πνk t + φk ),
(21.106)
so gilt f¨ ur den Momentanwert des Mischerausganges (einem analogen Multiplikator): sM (t) = ak (t) cos(2πνk t + φk ) cos 2πf0s t. (21.107) Die Amplitude des gemischten Signals ist proportional zur Amplitude des Photodetektorsignals und besitzt eine Frequenzkomponente f0S ± νk . Die meisten Spektralanalysatoren w¨ ahlen f¨ ur ihren eindeutigen Betrieb die niedrigere der beiden Frequenzen. Wenn die Doppler-Frequenz den Bedingungen:
21.7 Laser-Doppler-Anemometrie
743
∆f0 ∆f0 ≤ f0s − νk ≤ f0 + (21.108) 2 2 gen¨ ugt, passiert ein Signal den Filter und gelangt in die Schaltkreise zur Quadrierung und Gl¨ attung des Frequenzanalysatorsausgangssignals. f0 −
( 1 )
( 4 )
Z ,F ,- F ilte r
Q u a d rie r- u n d G lä ttu n g s e in h e it
M is c h e r
n
f0 D
f0S ( 2 )
V C O S p e k tra la n a ly s a to r
( f0 ,
D
f0 )
S w e e p G e n e ra to r
R e k o rd e r
( 3 )
Abbildung 21.46: Arbeitsprinzip des Frequenzanalysators
Der spannungskontrollierte Oszillator wird durch eine S¨agezahnspannung angesteuert, so dass die Frequenzen des aus dem Mischer u ¨bergebenen Signals linear mit der Zeit ansteigen. Als Folge davon steigen auch die DopplerFrequenzen νk der Signalkomponenten an, die zum Ausgangssignal des Analysators beitragen. Wenn die gleiche S¨ agezahnspannung zur Ansteuerung der x−Basis eines Schreibers verwendet wird, kann das Doppler-Spektrum aufgezeichnet werden. Die Kalibrierung der x−Achse auf die Frequenz wird mit einem Oszillator durchgef¨ uhrt. Um nun auch zeitlich aufgel¨ oste Laser-Doppler-Messungen durchf¨ uhren zu k¨ onnen, wurden sogenannte Frequenznachlaufdemodulatoren zum Einsatz gebracht. Diese erm¨ oglichen, im Gegensatz zu den oben beschriebenen Frequenzanalysatoren, eine Realzeitdemodulation des Doppler-Signals. Sie liefern ein Analogsignal, dessen Spannung zu jeder Zeit proportional der Komponente der lokalen Fluidgeschwindigkeit ist, auf die das optische System reagiert. Eine weitere Signalverarbeitung mit Analogger¨aten liefert die statistische Beschreibung der Str¨ omungsgeschwindigkeit, z. B. u ¨ ber die mittlere Geschwindigkeit und die Komponenten der Schwankungsgeschwindigkeit, sowie auch Gr¨ oßen, die durch eine Frequenzanalyse nicht erhalten werden
744
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
k¨ onnen, wie z. B. das Turbulenzspektrum und die Autokorrelationsfunktion der Geschwindigkeiten. Aus der nichtidealen Arbeitsweise eines Trackers ergeben sich jedoch Schwierigkeiten. Diese werden z.B. durch das oft diskontinuierliche Signal des Photodetektors hervorgerufen, das dadurch entsteht, dass nur vereinzelte Streuteilchen das Messvolumen durchqueren. Somit enth¨ alt das demodulierte Ausgangssignal nicht zu jedem Zeitpunkt eine Information u ¨ ber die augenblickliche Fluidbewegung. Dies kann zu fehlerhaften Geschwindigkeitsstatistiken f¨ uhren. Schwankungen der aufgezeichneten Doppler-Frequenzen k¨ onnen auch durch andere Ursachen als die der Geschwindigkeitsschwankungen im Fluid (z. B. durch die Frequenzverbreiterung durch die endliche Verweilzeit der Teilchen im Messvolumen) hervorgerufen werden. Damit wird die Auswertung der Messungen durch eine Kombination eines Anemometers mit einem Tracker erschwert, die zusammen theoretisch einen linearen Geschwindigkeitssensor ergeben sollen.
( 1 )
( 2 )
M is c h e r
n
f0 D
f0S
( 6 )
V C O
Z ,F ,- F ilte r ( f0 ,
D
f0 )
F re q u e n z D is k rim in a to r
In te g ra to r A u sg a n g E ¥
n
( 3 ) D
Abbildung 21.47: Funktionsprinzip f¨ ur Offset-Heterodyne-Tracker
Die wesentlichen Komponenten eines Frequenznachlaufdemodulators sind in der Abb. 21.47 dargestellt. Diese Abbildung zeigt, dass sowohl der Frequenzanalysator als auch der Tracker drei gleiche Komponenten enthalten. (Frequenzmischer, Bandpassfilter und spannungsgesteuerter Oszillator (VCO). Somit sind die oben angegebenen Ausf¨ uhrungen, die sich mit den Eigenschaften des Bandpassfilters und der Arbeitsweise des Mischers besch¨aftigen, auch f¨ ur das vorliegende Kapitel von Bedeutung. Der Integrator des Trackers entspricht der Gl¨ attungseinheit, welche dem Frequenzanalysator nachgeschaltet ist. F¨ ur den Diskriminator gibt es keine vergleichbare Kom-
21.7 Laser-Doppler-Anemometrie
745
ponente im Frequenzanalysator. Weiterhin besitzt der Tracker im Gegensatz zum Analysator einen geschlossenen Regelkreis, der den Oszillator ansteuert. Das Ausgangssignal des Photodetektors wird bei der LDA-TrackerSignalverarbeitung, ¨ ahnlich wie im Frequenzanalysator, mit dem Ausgangssignal des VCO gemischt. Dabei resultiert ein Signal sM (t), welches durch einen engen Bandpassfilter gef¨ uhrt wird. Nur diejenigen Frequenzen des Signals, die sich nahe der Mittenfrequenz f0 des Filters befinden, werden somit detektiert. Wegen der kleinen Bandbreite des Bandpassfilters (ZF-Filters) verbessert sich auch das Signal-Rausch-Verh¨ altnis (SNR) des zu detektierenden LDA-Signals erheblich. Eine gewisse Verbesserung des Signal-Rausch-Verh¨altnisses kann auch durch einen Filter vor der Mischerstufe erreicht werden. Es muss jedoch mit einem im Verh¨ altnis zur Doppler-Frequenz breiten Filterband gearbeitet werden, um eine D¨ ampfung der Amplitude des Doppler-Signals in turbulenten Str¨ omungen zu vermeiden. Der Diskriminator erzeugt eine Spannung, ¨ die den VCO so ansteuert, dass die Anderungen der Doppler-Frequenz durch den VCO kompensiert werden, wie im n¨ achsten Abschnitt erl¨autert wird. Der Integrator regelt das Einschwingverhalten und die Stabilit¨at des Regelkreises. Tracker, die einen engen Bandpassfilter um die Mittenfrequenz f0 betreiben, siehe Abb. 21.47, arbeiten nach dem Offset-Heterodyne-Prinzip. In der Entwicklung der Laser-Doppler-Anemometrie wurden auch AutodyneTracker entwickelt, derart dass Ger¨ ate entstanden wie sie in Abb. 21.48 skizziert sind.
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Abbildung 21.48: Funktionsprinzip f¨ ur Autodyne-Tracker zur LDA-Signalfrequenzbestimmung
Wie immer das eigentliche Arbeitsprinzip der LDA-Frequenznachlaufdemodulatoren ist, sie f¨ uhren zu LDA-Signalen, wie sie in Abb. 21.49 skizziert sind. In dieser Abbildung sind die einzelnen Doppler-Bursts als hochpassgefilterte Signale aufgezeigt, die als Eingangssignale in den Tracker dienen.
746
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
Immer dann, wenn die Signalamplitude einen bestimmten Schwellwert u ¨ berschreitet, wird das Signal dem Tracker zugef¨ uhrt, der dann die Frequenz misst und so am Ausgang die gemessene Frequenz des vorausgegangenen Signales andert. Das Ausgangssignal des Trackers ist damit stufenf¨ormig, wobei je¨ de Stufe durch eine neue Messung der Laser-Doppler-Frequenz erreicht wird. Dieses entlang der Zeitachse stufenf¨ ormige Signal ist nicht als nachteilig f¨ ur ¨ die Messung der Eigenschaften einer Str¨ omung anzusehen, da die Anderungen bei ausreichender Teilchenkonzentration in Zeitabschnitten erfolgen, die sehr viel kleiner sind, als die charakteristischen Zeiten der Str¨omung. Es ist damit m¨ oglich, durch geeignete Elektroniken, u ¨ber mehrere der stufenf¨ormigen Frequenz¨ anderungen zu integrieren, um damit ein rausch¨armeres Signal“ ” f¨ ur die eigentlichen Geschwindigkeitsmessungen zu erhalten. Dies gilt es bei genauen Doppler-Messungen zu ber¨ ucksichtigen.
S c h w e lle n w e rt
H o c h p a s s g e filte rte s S ig n a l n
t
D
T ra c k e r - A u s g a n g s s ig n a l
t
Abbildung 21.49: Typische Eingangs- und Ausgangssignale von Trackern f¨ ur LDA-Messungen
Als letztes Signalverarbeitungssystem, das in der Laser-DopplerAnemometrie Anwendung findet, gilt es, so genannte Periodendauermesssysteme zu beschreiben. Diese Messsysteme sind als Laser-Doppler-CounterSystems bekannt und finden f¨ ur LDA-Messungen umfassend Anwendung. Sie nutzen Signale, die nach dem Photodetektor, oftmals u ¨ber eine Verst¨arkerstufe, einem Bandpassfilter zugef¨ uhrt wurden, so dass hier der eigentliche Doppleranteil des Systems vorliegt, wie er in Abb. 21.50 skizziert ist. Dieses wird in einer speziellen Elektronik weiterverarbeitet, um eine Sequenz von Pulsen zu erhalten, die gleichfalls in der Abb. 21.50 aufgef¨ uhrt sind. Dabei funktioniert die Ausgangsstufe der Counter-Elektronik wie folgt: –
Das von der Eingangsstufe des Countersystems produzierte symmetrische Signal wird vom Aplituden- und Nullstellendetektor verareitet, um Pulsfolgen zu generieren, die dem Nullstellenz¨ahler und verschiedenen Logikbausteinen zugef¨ uhrt werden, um die G¨ ultigkeit der Frequenzinforma-
21.7 Laser-Doppler-Anemometrie
747
D o p p le r-S ig n a l, d a s d e n A m p litu d e n d is k rim in a to r d u rc h lä u ft
1 2 3
V o m o b e re n T rig g e rp e g e l a b g e le ite te P u ls fo lg e V o m u n te re n T rig g e rp e g e l a b g e le ite te P u ls fo lg e P u ls fo lg e g ü ltig e r N u lld u rc h g ä n g e T o rz e it
Abbildung 21.50: Doppler-Frequenzmessung mit Periodendauermesssystem
–
–
–
–
tionen zu u ufen. Eine M¨ oglichkeit, die ben¨otigten Pulsfolgen, welche ¨ berpr¨ genaue Frequenzmessungen erlauben, zu erzeugen, ist in der Abb. 21.50 gezeigt. Diese Pulsfolgegenerierung ht sich als eine in der Praxis erfolgreiche Methode zur Gewinnung der Dopplerfrequenz erwiesen. Die Signale der zwei Pegeldetektoren (Schmitt-Trigger) und eines Nulldurchgangsdetektors werden einer geeigneten, logischen Schaltung zu¨ gef¨ uhrt, um die Pulsketten 1, 2 und 3 zu erzeugen. Uberquert das Doppler-Signal den oberen Triggerpegel, so generiert es ein SchmittTrigger-Ausgangssignal, das verwendet wird, um ein Schaltsignal f¨ ur eine Logikschaltung zu liefern, deren Ausgang auf Eins gesetzt wird. Das Nulldurchgangsdetektorsignal setzt diesen Ausgang auf Null zur¨ uck. Der abwechselnde Einfluss der Signale aus dem oberen Pegeldetektor und dem Nulldurchgangsdetektor liefert die Pulsfolge 1. Die Pulsfolge 2 wird nur durch den Nulldurchgangsdetektor erzeugt, indem der Ausgang eines geeigneten Logikbausteines so geschalte wird, dass er zwischen Eins und Null hin- und herschaltet. Eine Kombination der Signale des Nulldurchgangsdetektors mit denen des Schmitt-Triggers der unteren Pegelerkennung liefert die Pulsfolge 3. Der Ausgang eines geeigneten Logik-Bausteines wird vom Detektor des unteren Triggerpegels gesetzt und vom Nulldurchgangsdetektor zur¨ uckgesetzt. Falls alle drei Signalketten vorliegen, wird eine g¨ ultige Information erhalten und jene Nulldurchg¨ ange verwenden, f¨ ur die entweder Ausgang 1 oder 3 gesetzt ist. Auf diese Weise wird der Einfluss von Vielfachnulldurchg¨ angen zum gr¨ oßten Teil unterdr¨ uckt. Das Tor f¨ ur die Zeitdauermessung eines LDA-Signals ¨offnet mit dem ersten g¨ ultigen Nulldurchgang und schließt einen Nulldurchgang nach demjenigen, f¨ ur den Ausgang 1 oder Ausgang 3 gesetzt war. Dies korrespondiert mit drei Nulldurchg¨ angen am Ende eines Doppler-Signals, die den oberen oder unteren Triggerpegel nicht mehr u ¨berqueren.
748
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
Die obigen Punkte zeigen auf, dass es mit Hilfe von Countersystemen m¨oglich ist, die Anzahl der Nulldurchg¨ ange eines LDA-Signals zu bestimmen und auch die Zeitdauer u ¨ ber die die gemessene Anzahl der Pulse vorliegt. Damit wird eine Periodenzeitmessung m¨ oglich, die zu der gew¨ unschten Dopplerfrequenz der LDA-Signale f¨ uhrt. F¨ ur jedes einzelne LDA-Signal, das mit ausreichender Amplitudenh¨ ohe am Eingang der Counterelektronik eintrifft, wird somit eine Dopplerfrequenz bestimmt. Diese wird nun weiterverarbeitet, um mittlere Frequenzen zu erhalten. Die gemessenen Einzelfrequenzen von Laser-Doppler-Signalen die nach Gleichung (21.96) einer Geschwindigkeitskomponente entsprechen, m¨ ussen nun weiterverarbeitet werden, um die mittlere Frequenz zu bestimmen und rms-Werte der von der mittleren Frequenz vorliegenden Abweichungen N 1 (fD )k N →∞ N
< fD >= lim
(21.109)
k=1
und
1 [(fD )k − < fD >]2 (21.110) N →∞ N Diese gemittelten Gr¨ oßen lassen sich leicht bestimmen, da die f¨ ur die Mittelung notwendigen Einzelinformationen aus den Doppler-Messungen bekannt sind. Es gibt jedoch einen Unterschied zwischen den zeitgemittelten Gr¨ oßen, die in der Turbulenz von Bedeutung sind und den teilchengemittelten Str¨ omungsgr¨ oßen, die sich aus den Gleichungen (21.109) und (21.110) ermitteln lassen. Dies l¨ asst sich einfach anhand der Darstellung einer zeitlich hypothetischen Str¨ omung erkl¨ aren, die in Abb. 21.51 aufgef¨ uhrt ist. 2 >= lim < ∆fD
· ·
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U U
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T e ilc h e n g e m itte lte G e s c h w in d ig k e it
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Z e itg e m itte lte G e s c h w in d ig k e it
U
Abbildung 21.51: Abh¨ angigkeit der Teilchenankunft im Messvolumen von der Str¨ omungsgeschwindigkeit
21.7 Laser-Doppler-Anemometrie
749
Diese Str¨ omung zeigt eine mittlere Bewegung, die durch den horizontal arbeitenden Kolben erzeugt wird. Auf diese Str¨omung werden durch die Bewegung des vertikal arbeitenden Kolbens Zusatzstr¨omungen aufgepr¨agt, die einmal positiv und einmal negativ auftreten. Dies f¨ uhrt im Messpunkt zu einer konstanten mittleren Geschwindigkeit in treppenf¨ormig u ¨ berlagernden oszillierenden Str¨ omungen. Geht man von einer gleichm¨ aßigen Verteilung der Streuteilchen aus, so ist ersichtlich, dass die Anzahl der Teilchen, die das Messvolumen passiert, von der eigentlichen Str¨ omungsgeschwindigkeit abh¨angt und zwar entsprechend der unten aufgef¨ uhrten Formel. N = cv | U⊥ || Av |
(21.111)
Die Anzahl der registrierten Teilchen ist proportional zu der Konzentration der Teilchen im Fluid, der auftretenden Str¨omungsgeschwindigkeit senkrecht zu der Fl¨ ache des Kontrollvolumens und nat¨ urlich auch proportional zur Fl¨ ache selbst. Dies macht verst¨ andlich, warum in der Abbildung 21.51 bei h¨ oheren Geschwindigkeiten mehr Teilchen auftreten, als bei niederen Geschwindigkeiten. Dieser Sachverhalt f¨ uhrt dazu, dass der Teilchen-Mittelwert h¨ oher liegt als der Zeit-Mittelwert. Dies ist in der Abb. 21.51 angedeutet. Dieser Sachverhalt wurde oftmals in der Laser-Doppler-Anemometrie als ein Biasing Error“ bezeichnet und als ein prinzipielles Problem der LDA” Messtechnik dargestellt. Die oben aufgef¨ uhrten Erl¨auterungen machen deutlich, dass dies nur damit zu tun hat, dass man Ensemble-Mittelwerte ermittelt hat, aufgrund ihrer einfachen Bestimmbarkeit aus den LDA-Signalen. Gew¨ unscht waren allerdings zeitliche Mittelwerte, die in der Turbulenzforschung von Bedeutung sind. Die Differenz zwischen Ensemble- und Zeitmittelwert stellt die Gewichtung dar (Biasing), die zu den Unterschieden zwischen zeitlichen und Teilchenmittelwerten f¨ uhren, die in der Abb. 21.51 angedeutet sind. In der Str¨ omungsmechanik ist es u ¨ blich, z. B. zur Bestimmung mittlerer Gr¨ oßen turbulenter Str¨ omungen, Zeitmittelwerte zu bestimmen, die wie folgt berechnet werden: 1 T →∞ T
"T
fD = lim
fD dt 0
1 T →∞ T
"T 2 ∆fD dt
2 = lim und ∆fD
(21.112)
0
wobei ∆fD = (fD (t) − fD ) ist. Die oben aufgef¨ uhrte Integration kann digital f¨ ur unregelm¨aßige Abtastintervalle ∆tk ausgef¨ uhrt werden, wie dies in der Abb. 21.52 skizziert ist. Dies f¨ uhrt zu den folgenden allgemeinen Gleichungen. F¨ ur den zeitlichen Mittelwert gilt f¨ ur ∆tk = const:
750
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
Z e itin te rv a ll D tk k o n s ta n t
S ig n a lv e ra rb e itu n g m it e in e m
®
N
N
( fD )k D tk
k = 1
fD = lim
fD
Ù
fD ( t )
S
¥
S
N
k = 1
}
t
D tk tk S ig n a lv e ra rb e itu n g m it e in e m
fD = lim ®
N
k = 1
D tk
N ¥
1 S
N
k = 1
T = N D t
tk
D tk
N
Z e itin te rv a ll D tk k o n s ta n t
fD
Ù
fD ( t )
S
T =
D tk
( fD ) k
Abbildung 21.52: Bestimmung des zeitlichen Mittelwertes der Doppler-Frequenz f¨ ur ∆Tk = const und ∆tk = const N
fD = lim
k=1
(fD )k ∆tk N
N →∞
mit
T =
N
∆tk
(21.113)
k=1
∆tk
k=1 N 1 (fD )k N →∞ N
fD = lim
mit
T = N ∆t
(21.114)
k=1
und f¨ ur die Momente, welche die Abweichung vom Mittelwert beschreiben, ergibt die Integration: N 1 n ∆fD
= lim
N →∞
k=1
(fD )k − f¯D N
2n
∆tk .
(21.115)
∆tk
k=1
F¨ ur station¨ are Zufallsprozesse behalten die obigen Gleichungen zur Mittelwertbestimmung ihre G¨ ultigkeit f¨ ur alle Abtastintervalle ∆tk , solange der Abtastvorgang und die abgetastete Gr¨ oße (Doppler-Frequenz) nicht miteinander korreliert sind. Die Aufl¨ osung einer bestimmten Frequenz einer Str¨omung eruber dem zu erfassenden Zeitmaß fordert, dass die ∆tk -Werte klein sind gegen¨ der Str¨ omung. Falls die Abtastintervalle ∆tk als konstant gew¨ahlt werden, d. h. ∆tk = ∆t = const, vereinfachen sich die obigen Gleichungen zu:
21.7 Laser-Doppler-Anemometrie N
fD = lim
N →∞
k=1
(fD )k ∆tk
N 1 fD =< fD > N →∞ N
= lim
N
751
(21.116)
k=1
∆tk
k=1 N 1 n = lim ∆fD
N →∞
k=1
(fD )k − fD N
2n
∆tk
N 2n 1 1 n >. (fD )k − fD =< fD N →∞ N
= lim ∆tk
k=1
k=1
(21.117) Demgem¨ aß stimmen die zeitgemittelten und ensemblegemittelten Eigenschaften einer Str¨ omung miteinander f¨ ur den Spezialfall u ¨ berein, dass konstante Abtastintervalle gew¨ ahlt werden. Es gilt also die erhaltenen Doppler-Signale entsprechend zu verarbeiten, so dass jedem konstantem Zeitintervall ∆t ein entsprechendes Doppler-Signal zugeordnet wird. Die oben aufgef¨ uhrten Erl¨ auterungen des Auftretens von LDA-Signalen haben gezeigt, dass die Laser-Doppler-Signale mit unregelm¨aßigen Zeitabst¨ anden anfallen, also unregelm¨ aßige Abtastintervalle durch die Ankunft der Doppler-Signale gegeben sind. Ber¨ ucksichtigt man dies nicht, kann die zeitgemittelte Doppler-Frequenz und der entsprechende ensemblegemittelte Wert voneinander abweichen. Dies ist kein Fehler des Messtechnik sondern einer Eigenschaft des gew¨ ahlten Mittelverfahrens. Auftretende Unterschiede gehen aus den Definitionen der Ensemble- und Zeitmittelwerte hervor. 21.7.4 Durchf¨ uhrung von LDA-Messungen: Eindimensionale LDA-Systeme In den vorausgegangenen Abschnitten zur LDA-Signalverarbeitung wurden Geschwindigkeitsmessungen vorgestellt, ohne auf die durch die Auswertung erhaltenen Daten einzugehen, um so aus den gemessenen Doppler-Frequenzen die gew¨ unschten Informationen u omungsfeld zu erhalten. Es wurde ¨ ber das Str¨ gezeigt, dass Laser-Doppler-Anemometer lineare Geschwindigkeitsmesswertaufnehmer mit einem Frequenzgang sind, der durch folgende Beziehung gegeben ist: 1ˆ (21.118) f@D = U i ni . λ ˆi dem Hierin entspricht λ der Wellenl¨ ange der gew¨ ahlten Laser-Strahlung, U momentanen Geschwindigkeitsvektor und (n)i dem Transformationsvektor“ ” des Anemometers. F¨ ur ein festes Koordinatensystem xi k¨onnen die zwei Vektoren der obigen Gleichung in folgender Form ausgedr¨ uckt werden: ˆ = (U1 , U2 , U3 ) und (n) = 2 sin ϕ (cos α1 , cos α2 , cos α3 ) . (21.119) U i i
752
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
In dieser Gleichung bedeutet ϕ der halbe Winkel zwischen den Lichtstrahlen und α1 , α2 , α3 die Winkel, die der Vektor (n)i mit den Koordinatenachsen bildet. Die momentanen Geschwindigkeitskomponenten und die momentane Signalfrequenz lassen sich wie folgt ausdr¨ ucken: fˆD = fD + ∆fD .
ˆ i = Ui + u i , U
A u s w e rtu n g s g le ic h u n g :
Ù
1 { Ù U } i{ n }
fD = l
i
Ù
M o m e n ta n e r G e s c h w in d ig k e its v e k to r : { U }
U
{ k } Ù i
= U i
+ u i
i
i
= { U 1
, U
i
= 2 s in j { c o s a
M o m e n ta n e S ig n a lfre q u e n z :
, c o s a 1
2
, U 2
{ n }
{ l i}
{ m } E m p fin d lic h k e its v e k to r d e s A n e m o m e te rs : { n }
(21.120)
3
}
i
i
, c o s a 3} ×
Ù
fD = fD + D D
A u s w e rtu n g s g le ic h u n g : ( fD + D fD ) =
2 s in j [U l
1 c o s a 1 + U 2 c o s a 2 + U 3 c o s a 3 + + u 1 c o s a 1 + u 2 c o s a 2 + u 3 c o s a 3]
Abbildung 21.53: Wichtige Formeln zur Auswertung von LDA-Signalen bei Messungen mit eindimensionalen LDA-Messsystemen
Durch Kombination der obigen Gleichungen ergibt sich folgende Beziehung: , 2 sin ϕ + [U1 cos α1 + U2 cos α2 + U3 cos α3 + f¯D + ∆fD = λ u1 cos α1 + u2 cos α2 + u3 cos α3 ] .
(21.121)
Diese Gleichung stellt die Grundbeziehung f¨ ur die Auswertung von str¨ omungsmechanischen Gr¨ oßen aus Frequenzmessungen von Laser-DopplerSignalen dar. F¨ uhrt man f¨ ur die Gleichung (21.121) eine zeitliche Mittelung durch, so erh¨ alt man folgende Grundgleichung zur Bestimmung der drei Geschwindigkeitskomponenten U1 , U2 und U3 . Um alle drei Komponenten mit einem eindimensionalen LDA-System messen zu k¨ onnen, sind Messungen unter drei verschiedenen Richtungen α1 , α2 , α3 erforderlich. 2 sin ϕ f¯D = [U1 cos a1 + U2 cos a2 + U3 cos a3 ] . λ
(21.122)
21.8 Literaturverzeichnis
753
Zieht man von der Gleichung (21.121) die Gleichung (21.122) ab, so erh¨alt man die Gleichung f¨ ur die Abweichung der Frequenz von der gemittelten Frequenz. Damit l¨ asst sich eine Gleichung f¨ ur die Standardabweichung der 2 herleiten. Doppler-Frequenz ∆fD 2 ¯ 2 = 4 sin ϕ u¯2 cos2 a + u¯2 cos2 a + U¯2 cos2 a + ∆f 1 2 3 1 2 3 D λ2 +2 (u1¯u2 cos a1 cos a2 + u1¯u3 cos a1 cos a3 + u2¯u3 cos a2 cos a3 ) ] . (21.123) Die Messung der Standardabweichungen der Signalfrequenzen f¨ ur sechs verschiedene Richtungen des Empfindlichkeitsvektors (nj )i , (j = 1, 2, . . . 6) erm¨ oglicht die Auswertung aller Korrelationen ui uj zweiter Ordnung. ¨ Ahnliche Auswertungsgleichungen k¨ onnen f¨ ur Korrelationen h¨oherer Ordnung abgeleitet werden: n 2 sin ϕ n = ∆fD [u1 cos a1 + u2 cos a2 + u3 cos a3 ]n . λ Die Komplexit¨ at der Auswertungsgleichungen reduziert sich, wenn f¨ ur die Transformationsvektoren“ (n)i Vorzugsrichtungen vorgegeben werden, z. B. ” parallel zur x1 -Achse: (n)i = (1, 0, 0): U1 =
λfD ; 2 sin ϕ
u21 =
¯ 2 λ2 ∆f D ; 4 sin2 ϕ
un1 =
n λn ∆fD n 2 sinn ϕ
(21.124)
Somit ist die Auswertung der Messungen, die mit einer eindimensionalen Optik durchgef¨ uhrt werden, ¨ ahnlich zu den Messungen mit einem Einzelhitzdraht. Jedoch sind Laser-Doppler-Anemometer durch ein genaues CosinusGesetz-Antwortverhalten ausgezeichnet und daher sind die Auswertungsgleichungen einfacher.
21.8 Literaturverzeichnis 21.1 Goldstein RJ, editor (1983) Fluid Mechanics Measurements, Hemisphere Publishing 21.2 Eckelmann H (1997) Einf¨ uhrung in die Str¨omungsmesstechnik, B. G. Teubner, Stuttgart 21.3 Hinze JO (1975) Turbulence, 2nd Edition, McGraw-Hill Book Company, New York 21.4 Hanson S (1976) Visualization of alignment errors and heterodyning constraints in laser Doppler velocimeters. Proceedings of the LDA Symp Copenhagen 1975, Tonsbakken 16-18, 2740 Skovlunde, Denmark, pp. 176182
754
21 Einf¨ uhrung in die Str¨ omungsmesstechnik
21.5 Buchhave P, Delhaye JM, Durst F, George WK, Refslund K, Whitelaw JH, Eds. (1976) The Accuracy of Flow Measurements by Laser Doppler Methods, Proceedings of the LDA Symp Copenhagen 1975, Tonsbakken 16-18, 2740 Skovlunde, Denmark 21.6 Durst F, Stevenson WH (1979) Influence of Gaussian Beam Properties on Laser-Doppler Signals, Applied Optics, 18, pp. 516-524 21.7 Wiedemann J (1984) Laser-Doppler-Anemometrie, Springer Verlag, Berlin 21.8 Ruck B (1987) Laser-Doppler-Anemometrie, AT Fachverlag, Stuttgart 21.9 Durst F, Melling A, Whitelaw JH (1987) Theorie und Praxis der LaserDoppler-Anemometrie, Verlag G. Braun, Karlsruhe 21.10 Albrecht HE, Borys M, Damaschke N, Tropea C (2003) Laser Doppler and Phase Doppler Measurement Techniques, Springer-Verlag Berlin Heidelberg
Index
Aerostatik, 166, 197, 202, 204 Analytische Str¨ omungsmechanik, 5 Assoziativgesetz, 21 Atmosph¨ are, 2, 11, 181, 199–201, 204, 205, 207, 531–534 Bahnlinien von Fluidelementen, 29, 96, 97 Berechnungen turbulenter Str¨ omungen, 606, 648, 685 Bernoulli-Gleichung, 141, 144, 154, 156, 157, 258–261, 264, 269–271, 283, 285, 305, 328, 332, 335, 349, 354, 370–372 Bilanzbetrachtungen, 79, 80 Blasenbildung an D¨ usen, 190, 194 Bogenelement, 32 Crocco-Gleichung, 154, 157 Deformation, 117, 119, 120, 173, 370, 602 Differentiation, 27, 28, 32, 50, 125, 248, 251, 252, 256, 279, 281, 296, 310, 345, 350, 543, 672, 724, 726 Dimensionsanalyse, 230–233, 237, 245, 246 Dipolstr¨ omung, 320–323, 325 Diskretisierung, 620, 621, 624–627, 631, 632, 634, 639, 642–644 Dissipation, 140, 144, 386, 578, 579, 583–585, 594, 604, 623 Distributivgesetz, 29 Divergenz, 35, 110–112, 116, 128, 155, 244 Druckenergie, 140, 142, 167, 253, 284, 577, 580 Druckmessger¨ ate, 689, 693, 694
Druckverlust, 19, 288 Ebene Str¨ omungen, 390 Einheitsvektoren, 20, 38 Einsetzende Rohrstr¨ omung, 451, 455 Elastizit¨ at, 53 Energiegleichung, 55, 82, 138–143, 156–159, 184, 214, 215, 218, 247, 252–256, 274, 283–285, 289, 337, 341–343, 360, 373, 374, 382, 385, 386, 560, 577–579, 581–583, 591, 623, 645, 659, 662, 664, 666–668, 670, 672, 676–678, 683, 684 Enthalpie, 58, 83, 160, 284, 285, 293 Entropie, 83, 84, 87, 157, 207, 212, 380, 381, 387 Erhaltungsgleichungen, 17, 124, 650 Erhaltungss¨ atze, 60, 80, 91, 120, 123, 385, 543 Euler-Variablen, 30, 128 Experimentelle Str¨ omungsmechanik, 94 Exponentialfunktion, 43, 47, 49, 443 Festk¨ orper, 53 Filmstr¨ omung, 400–402, 405, 407, 462, 465, 467, 608 Fl¨ achen¨ anderungen, 288, 383 Fl¨ achenintegrale, 33 Fluide, 4, 5, 9, 10, 53–56, 58, 75, 76, 83, 85, 86, 127, 129, 132–134, 143, 147, 165, 197, 214, 220–223, 244, 285, 303, 305, 309, 343, 359, 360, 389, 415, 417, 421–424, 508, 534–537, 573–575, 577, 642, 669, 675, 682 Freistrahl, 510, 511, 514, 527 Froude-Zahl, 213, 217, 457 Geschichtliche Entwicklung, 10
756
Index
Geschwindigkeitsfeld, 31, 33, 35, 91, 93, 95, 96, 98, 100, 101, 103–105, 107–110, 112, 113, 120, 121, 135, 137, 154, 160, 240, 243, 244, 304, 313, 317, 324, 331, 339, 343, 394, 417, 463, 472, 484, 489, 504, 542, 588, 663, 674, 678, 685 Gleitlager, 466, 467 Gradient, 38, 60, 207, 442, 578, 654 Gradientenfeld, 28–30 Grenzschichtdicke, 493, 494, 497, 502, 503, 505 Grenzschichtgleichungen, 13, 493, 494, 496–499, 502, 504, 505, 507–509, 511, 512, 515, 518, 519, 619, 674, 677, 680 Grenzschichtstr¨ omung, 499, 604, 675, 680 Hitzdraht-Anemometrie, 596, 714 Hydrostatik, 11, 165–168, 171, 173, 176, 197, 203, 205 Hyperbelfunktionen, 50 Impulsaustausch, 54 Impulsgleichungen, 93, 129, 130, 133, 138, 139, 148–150, 156, 165, 214–216, 226, 244, 281, 332, 341, 360, 385, 390, 391, 393, 394, 487, 525, 538, 575, 648, 659, 666, 670, 679, 682, 685 Impulssatz, 268, 361 Impulsverlustdicke, 430, 504, 505 Instabilit¨ atsbetrachtungen, 13 Integralform der Impulsgleichung, 251, 271, 515 Integralform der Kontinuit¨ atsgleichung, 249, 258, 260, 273 Integralform der mechanischen Energiegleichung, 273 kinetische Energie der Turbulenz, 581 Kommutativgesetz, 21 Komplexe Funktionen, 45 Kontinuit¨ atsgleichung, 12, 96, 108, 129, 138, 139, 145–147, 155, 160, 163, 165, 215, 216, 226, 247, 249, 250, 252, 255, 258, 260, 261, 264, 265, 269, 271, 273, 279, 281, 285, 287,
288, 300, 304–306, 341–343, 347, 349, 354, 356, 360, 367, 368, 382, 390–394, 424, 458, 460, 494, 497, 499, 506, 538, 543, 560, 573–576, 581, 588, 591, 598, 622, 634, 638, 640, 659, 663, 670, 680 Kontinuumsmechanik, 56, 60, 62, 67, 68, 712 Korrelation, 221, 564, 566, 570, 578, 589, 594, 609 Kugelkoordinaten, 39, 146, 147, 150, 153, 154, 471, 474 Kugelumstr¨ omung, 457, 474, 477, 479, 481 Kurvenintegral, 32 Lagrange-Variablen, 30 Laminare Str¨ omungen, 411, 414, 523, 530, 647, 651 Laplace-Operator, 29, 31 Laser-Doppler-Anemometrie, 8, 15, 589, 590, 596, 685, 687, 736, 754 LDA-Messungen, 740 Longitudinalwellen, 338, 343 Mach-Zahl, 213, 289, 294–297, 299, 300, 360–362, 371, 372, 382, 387, 695 Massenerhaltung, 80–82, 120, 126, 127, 131, 160, 163, 249, 271, 279, 285, 362, 373, 648 Massenfluss, 249, 279 Mechanische Energiegleichung, 285 Molekuleigenschaften, 56, 59 Nabla-Operator, 28 Navier-Stokes-Gleichungen, 138, 139, 149–151, 305, 340, 474, 478, 493, 494, 504, 574, 575, 591, 592, 645, 674 Neutrales Element, 21, 238 Newtonische Fluide, 682 Numerische L¨ osungen, 9, 590, 592, 621, 622 Numerische Str¨ omungsmechanik, 622 Oberfl¨ achenspannung, 183–187, 212, 353, 354, 357, 534 Oberfl¨ achenwellen, 346, 350, 358 Parallelit¨ atstest, 22
Index Peclet-Zahl, 213, 219, 635 Plattengrenzschicht, 492, 502, 503, 508, 509, 551 Potential- und Stromfunktion, 319, 321, 322, 324 Potentialfunktion, 305, 306, 308, 309, 349, 483 Potentialstr¨ omungen, 40, 52, 305–307, 309, 310, 313, 320, 324, 325, 327, 329, 331, 333, 334, 337, 346, 461, 713 Potentialwirbel, 319, 325, 328 Prandtl-Zahl, 213, 219, 650–652, 655, 660, 661, 664, 675, 695 Quellen- und Senkenstr¨ omung, 321 Quellenstr¨ omung, 318 Quellterme, 626, 651, 652
757
Stromfadenquerschnitt, 277 Stromfadentheorie, 277, 280, 281, 285, 359, 370 Stromfunktion, 107–109, 305, 306, 308, 309, 311, 313, 316, 319, 321–325, 329, 497, 499, 500, 519, 546, 548, 680 Stromlinie, 102–106, 108, 159, 306, 308, 314–316, 325, 327, 331, 342 Str¨ omung mit W¨ arme¨ ubertragung, 662, 663 Str¨ omungsinstabilit¨ aten, 527, 528, 546, 548, 549, 551 Str¨ omungskr¨ afte auf K¨ orper, 324 Str¨ omungsmesstechnik, 596, 688, 692, 698, 702, 708 Substantielle Ableitung, 30, 93, 125, 128
Randbedingungen, 5, 14, 80–82, 91, 93, 123, 139, 154, 210, 211, 215, 217, 227, 341, 350, 360, 389, 391, 396, 398, 401, 407–409, 412, 413, 415, 416, 418, 419, 423, 426, 430–432, 435, 436, 440, 442–448, 451–454, 457, 460, 463, 468, 472–476, 480, 482, 484, 490, 493, 496–499, 501, 507, 510–513, 516, 519, 523, 525, 530, 537, 538, 540, 544, 545, 550, 598, 617, 619, 643, 645, 647, 656, 660, 663, 665, 668, 669, 672, 674–676, 678, 679, 681 Relativbewegung, 464 Reynoldssche Gleichungen, 598 Rohrstr¨ omung, 240, 287, 374–380, 383, 384, 408–412, 414, 435, 451, 452, 455, 608 Rotation, 26, 32, 34, 112–114, 117, 119, 120, 155, 173, 175, 241, 303, 319, 326, 471, 473, 541, 735, 736
Teilgebiete der Str¨ omungsmechanik, 5, 8, 93 Tensoren, 15–17, 24–26 Thermische Energiegleichung, 142, 143, 254, 341, 591, 659 Tracermaterialien, 98 Translation, 117–120 Translationsbewegung einer Kugel, 474 Transportgleichung, 155, 303, 487, 579, 594, 595, 603, 623, 624, 626, 628, 631, 645, 649, 650, 652 Transversalwellen, 338, 340, 346 Turbulente Str¨ omungen, 524, 553, 554, 556, 557, 560, 570, 578, 589, 592, 602, 648, 650, 651, 686 Turbulente Wandgrenzschichten, 603 Turbulenzmodelle, 588, 589, 594, 595
Schallgeschwindigkeit, 77, 87, 88, 291, 297, 343, 346, 359–362, 368, 372, 377, 378 Skalarfeld, 30, 31, 33, 34, 110 Skalarprodukt, 21, 23, 28, 248 Spatprodukt, 23 Staudrucksonden, 258, 688, 696 Staupunkt, 327, 328, 695
Vektorfeld, 28, 31 Vektorprodukt, 21, 23, 28, 119 Viskosit¨ at, 53, 54, 56, 62, 70, 73, 75–77, 79, 91, 212, 230, 231, 393, 396, 397, 399, 400, 404–406, 409, 417, 426, 427, 444, 445, 451, 474, 481, 491, 515, 525, 553, 578, 598, 609, 663, 666, 695, 711
¨ Uberschallstr¨ omung, 289, 290, 376, 378, 381 Unterschallstr¨ omung, 289, 290, 375, 377, 378
758
Index
Volumenintegrale, 34, 35 W¨ armeaustausch, 63, 362, 684 W¨ armekapazit¨ at, 72, 85, 160, 376, 378, 405 Wellenbewegungen, 13, 337–341, 351, 355, 358, 384 Widerstand, 13, 697, 699–701, 704 Wirbelviskosit¨ atsmodelle, 593
Zeitmittelung, 559, 560, 581, 591, 723 Zirkulation, 33, 35, 319, 325–328, 333–336 Zweidimensionale, freie Scherschicht, 508 Zylinderf¨ ormige Str¨ omungen, 391 Zylinderumstr¨ omung mit Zirkulation, 336