Klaus Hurrelmann Heidrun Bründel
Gewalt an Schulen Pädagogische Antworten auf eine soziale Krise
s&c 04/2008
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Klaus Hurrelmann Heidrun Bründel
Gewalt an Schulen Pädagogische Antworten auf eine soziale Krise
s&c 04/2008
Seit über 20 Jahren beschäftigt das Thema »Gewalt in der Schule« die öffentliche Diskussion. Die Massenmedien erwecken den Eindruck, Gewalt und Aggression in der Schule nähmen ständig zu. Was aber hat sich wirklich verändert, und wie ist diesen Veränderungen zu begegnen? Klaus Hurrelmann und Heidrun Bründel ziehen kritisch Bilanz und schlagen eine Fülle von präventiven Maßnahmen vor. ISBN: 978-3-407-22184-1 Verlag: BELTZ Erscheinungsjahr: 2007 Umschlaggestaltung: Federico Luci, Odenthal Umschlagfoto: Mauritius, Mittenwald
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Über dieses Buch
Immer mehr psychisch und sozial unsichere Schülerinnen und Schüler kommen in die Schule. Sie stammen oft aus haltlosen und unstrukturierten Familien, aggressionsgeladenen Jugendgruppen, desolaten Nachbarschaften und haben in ihrer Freizeit gewalthaltige Medienangebote bis zum Überdruss konsumiert. Entsprechend »importieren« sie viele unkontrollierte Aggressionsimpulse in den schulischen Raum. Andererseits erweist sich die Schule aber auch als eine besonders geeignete Institution für die Gewaltprävention. Und so werden neben einer kritischen Bestandsaufnahme, wo die Gewalt herkommt und wie ihr die Schule sofort begegnen kann, auch präventive Ansätze in diesem Buch vorgestellt wie der gezielte Aufbau sozialer Kompetenz, die Stärkung von Eigenverantwortung von Schülerinnen und Schülern und eine enge Zusammenarbeit von Schule und Elternschaft.
Die Autoren
Prof. Dr. Klaus Hurrelmann lehrt Sozial- und Gesundheitswissenschaft an der Universität Bielefeld. Er leitet das Kooperationszentrum »Health Behavior in School Children« der WHO. Er ist Autor verschiedener Bücher, seine »Einführung in die Sozialisationstheorie« erschien in 9. Auflage 2006 im Beltz Verlag. Klaus Hurrelmann schreibt darüber hinaus für bekannte Wochen- und Tageszeitungen. Dr. Heidrun Bründel ist Diplompsychologin und Gesprächspsychotherapeutin in der Bildungs- und Schulberatung des Kreises Gütersloh. Sie ist Autorin verschiedener Bücher, im Beltz Verlag erschien 2003 u.a. (zusammen mit Erika Simon) »Die Trainingsraum-Methode – Umgang mit Unterrichtsstörungen: klare Regeln, klare Konsequenzen.
Klaus Hurrelmann • Heidrun Bründel
Gewalt an Schulen Pädagogische Antworten auf eine soziale Krise
BELTZ Taschenbuch
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Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Nutzung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Hinweis zu § 52 a UrhG: Weder das Werk noch seine Teile dürfen ohne eine solche Einwilligung eingescannt und in ein Netzwerk eingestellt werden. Dies gilt auch für Intranets von Schulen und sonstigen Bildungseinrichtungen.
Beltz Taschenbuch 108 © 2007 Beltz Verlag • Weinheim und Basel Umschlaggestaltung: Federico Luci, Odenthal Umschlagfoto: Mauritius, Mittenwaldy Satz: WMTP GmbH, Birkenau Druck und Bindung: Druck Partner Rübelmann, Hemsbach Printed in Germany ISBN 978-3-407-22184-1
Inhalt
Einleitung .........................................................................9 1. Kapitel Wie und wo Gewalt entsteht .........................................12 Erscheinungsformen und Ausprägungen von Gewalt ..12 Wie Gewalt entsteht – die wichtigsten Theorien .........35 Wo Gewalt entsteht – die Rolle von Familie, Gleichaltrigengruppe und Medien ...............................53 2. Kapitel Die Schule als Forum für Gewaltausübung ................67 Die Verbreitung von Aggression und Gewalt an Schulen ....................................................................67 Gewalt an unterschiedlichen Schulformen ..................98 3. Kapitel Die Schule als Produzent von Gewalt ........................110 Strukturelle und institutionelle Gewalt im Schulsystem ..........................................................110 Schul- und unterrichtsorganisatorische Bedingungen119
4. Kapitel Strategien der Gewaltprävention in der Schule .......140 Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Lehrern ................................................................141 Regeln und Konsequenzen im Unterricht ..................148 Verbesserung des Schulklimas...................................155 Steigerung gewaltpräventiver Kompetenzen von Lehrkräften ..........................................................164 Individuelle Leistungsförderung von Schülerinnen und Schülern ........................................171 5. Kapitel Die Praxis der schulischen Gewaltprävention ..........178 Sensibilisierungsprogramme ......................................179 Gewaltpräventionsprogramme ...................................188 Der ressourcenorientierte Ansatz ...............................201 Ein Netzwerk der Gewaltprävention ..........................204 Literatur .......................................................................215
Einleitung Seit über 20 Jahren beschäftigt das Thema »Gewalt in der Schule« nicht nur die pädagogische, sondern auch die öffentliche Diskussion. Körperliche und psychische Übergriffe auf Mitschüler und auf Lehrerinnen und Lehrer finden große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und oft eine enorme Resonanz in den Massenmedien. Es entsteht der Eindruck, Gewalt und Aggression in den Schulen würden kontinuierlich ansteigen. Viele Lehrerinnen und Lehrer sind verunsichert, viele Eltern zweifeln an der pädagogischen Autorität der Erziehungsinstitution Schule. Was hat sich wirklich verändert? In diesem Buch werden die Erscheinungsformen und Ursachen von Aggression und Gewalt unter Schülerinnen und Schülern analysiert und pädagogische Antworten gegeben, wie schulischen Gewaltformen wirksam entgegengewirkt werden kann. Der historische Rückblick zeigt: Es hat noch nie eine gewaltfreie Schule gegeben und sie wird wahrscheinlich auch nie existieren. Aggressionen gehören zur menschlichen Grundausstattung und suchen sich ihre Bahnen. Die Aufgabe der pädagogischen Institution Schule besteht darin, den Aggressionen der ihr anvertrauten Schülerinnen und Schülern produktive Wege und feste Kanalisierungen zu eröffnen, um unakzeptable Gewalt einzudämmen. Diese Aufgabe ist für die Lehrkräfte in den Schulen in den letzten Jahren eindeutig schwieriger geworden. Immer mehr psychische und sozial unsichere und irritierte Schülerinnen und Schüler kommen in die Schu9
le. Sie stammen aus haltlosen und unstrukturierten Familienbeziehungen, aggressionsgeladenen Jugendgruppen und desolaten Nachbarschaften und haben oft in ihrer Freizeit gewalthaltige Medienangebote bis zum Überdruss konsumiert. Entsprechend »importieren« sie unkontrollierte Aggressionsimpulse in den schulischen Raum. Die Schule wird zu einem Austragungsort vieler Gewalthandlungen, an denen sie selbst unschuldig ist. Lehrerinnen und Lehrer stehen an vielen Schulen fassungslos vor Kindern und Jugendlichen, die keine Umgangsformen erlernt haben und sich vor einer aussichtslosen Lebensperspektive sehen. Das Buch geht aber auch auf die Frage ein, welche Gründe es innerhalb der Institution Schule gibt, die aus den »gesunden« Aggressionen von Schülerinnen und Schülern ungesunde Gewaltformen machen. Eine als unfair empfundene Beurteilung mit schlechter individueller Leistungsförderung der Schülerinnen und Schüler, unklare Regelungen und unzureichende Sanktionen für Konflikte im schulischen Bereich, unterschwellige Aggressionen von Lehrkräften gegenüber den Schülern und ein insgesamt hoher Leistungsdruck können – von vielen Lehrkräften unbemerkt – Gewaltpotentiale bei den Schülerinnen und Schülern entzünden. Die Schule ist also keineswegs völlig unschuldig am Entstehen der Gewaltformen, die sie zu Recht so beklagt. Obwohl sie nur zu einem Teil für die Gewalt von Schülerinnen und Schülern in ihren eigenen Mauern verantwortlich ist, erweist sich die Schule in allen wissenschaftlichen Studien als eine besonders geeignete Institution für die Gewaltprävention. Die Vorbeugung gegen inakzeptable Gewaltformen der Schülerinnen und Schüler beginnt bei der Intensivierung der individuellen Förderung der Leistungen der Schülerinnen und Schüler 10
und der Entwicklung von klaren Umgangsformen innerhalb einer von Lehrkräften und Schülerschaft miteinander abgestimmten Schulkultur. Dazu gehören auch gezielte Strategien des Aufbaus von emotionalen und sozialen Kompetenzen sowohl von Lehrern als auch von Schülern in den Schulen. Diese Ansätze werden in diesem Buch vorgestellt und kritisch besprochen. Das Ergebnis ist klar: Gewalt von Schülerinnen und Schülern lässt sich nicht völlig vermeiden, die unproduktiven und menschlich entwürdigenden Formen aber haben in einer pädagogischen Institution keinen Platz. Lehrerinnen und Lehrer sollten darin trainiert werden, so wenig Anlass für die Entstehung von Aggression und Gewalt bei ihren Schülerinnen und Schülern zu geben wie irgend möglich. Zugleich ist ihre Kompetenz zu fördern, Äußerungen von Gewalt in Unterricht und Schulleben auf das mögliche Mindestmaß zu reduzieren. Hierzu müssen sie in der Lage sein, Freude an ihrem Beruf zu haben und aus Überzeugung eng mit den Schülerinnen und Schülern und mit den Eltern zusammenzuarbeiten. Dann erweist sich Gewalt an Schulen als eine pädagogische Herausforderung, die mit erzieherischen Mitteln bewältigt werden kann, obwohl die Ursachen zum Teil allgemeiner gesellschaftlicher Natur sind.
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1. Kapitel Wie und wo Gewalt entsteht Aggressivität ist eine angeborene menschliche Eigenschaft. Jeder von uns kennt unterschwellige Impulse, in bestimmten Situationen schädigende Handlungen auszuführen, entweder gegen Menschen oder auch gegen Sachen. Diese Aggressivität kann in eine Aggression umschlagen, wenn die Neigung zum Schädigen tatsächlich ausgelebt wird. Aggression ist ein Verhalten, das auf die absichtliche Schädigung eines Gegenstandes (Vandalismus) oder die absichtliche Verletzung eines anderen Menschen zielt. Als Autoaggression wird die gegen die eigene Person gerichtete Schädigung oder Verletzung bezeichnet, die ihre höchste Ausdrucksform im Suizid findet. Jeder Mensch hat wahrscheinlich durch seine angeborenen Anlagen ein bestimmtes Potential und Profil von Aggressivität. Es gehört im weitesten Sinne zur menschlichen Antriebskraft und ist insofern fester Bestandteil der Menschen als Gattungswesen. In welchem Ausmaß und in welchen Formen sich diese Aggressivität aber in tatsächliche Aggression niederschlägt, scheint nicht genetisch vorgegeben zu sein, sondern stark von den Umweltimpulsen und Sozialisationseffekten abzuhängen, die ein Mensch vor allem in der frühen Kindheit und im Jugendalter erfährt. Erscheinungsformen und Ausprägungen von Gewalt Aggression, die sich gegen ein Objekt, also entweder ein Lebewesen oder eine Sache richtet, wird im öffentli12
chen Sprachgebrauch und zunehmend auch in der wissenschaftlichen Forschung als »Gewalt« bezeichnet. Deutlicher als der Begriff Aggression bezeichnet der Begriff Gewalt den Sachverhalt einer auf ein Objekt gerichteten schädigenden Handlung. Wohl aus diesem Grunde hat er sich in den letzten Jahren immer stärker durchgesetzt, obwohl er sprachlich nicht ganz eindeutig zu fassen ist. Der Begriff der »Gewalt« ist in der deutschen Sprache doppelbödig (Imbusch 2002, 29). Er enthält die Komponenten sowohl der direkten persönlichen Gewalt (lateinisch violentia) als auch der legitimen institutionellen Gewalt (lateinisch potentia). Im angelsächsischen Sprachraum lässt sich mit »violence« und »power« diese Unterscheidung deutlich zum Ausdruck bringen. Im Deutschen aber bleibt die Doppelbedeutung ein und desselben Begriffs bestehen, einmal Gewalt als Bezeichnung für einen einmaligen physischen Akt, bei dem ein Mensch einem anderen Menschen Schaden mittels physischer Stärke oder psychisch-verbaler Abwertung zufügt, zum anderen Gewalt als Bezeichnung für öffentliche Macht, mittels derer bestimmte Ordnungsvorstellungen durchgesetzt werden. Im ersten »Internationalen Handbuch der Gewaltforschung« haben Heitmeyer und Hagan (2002) auf die Schwierigkeit hingewiesen, einen für den wissenschaftlichen Gebrauch geeigneten Gewaltbegriff zu definieren. Neben der erwähnten Doppelbedeutung verweisen sie auf die sich im historischen Verlauf schnell und stark verändernden Vorstellungen von der Akzeptanz und Legitimität von Aggression und Gewalt, die eine genaue und dauerhafte Festlegung dieser beiden Begriffe fast unmöglich machen. Im Zeitverlauf verschieben sich die Vorstellungen davon, welche Ausprägungen 13
von Aggression und Gewalt als kulturell akzeptabel oder sogar produktiv gelten und von welcher Ausprägung und Schwelle ab sie als illegitim und zerstörerisch wahrgenommen werden. Mit der Veränderung von moralischen, rechtlichen, politischen, erzieherischen und sexuellen Normen und Werten wandeln sich auch die Grenzbeziehungen und Festlegungen. »Neue Grenzmarkierungen von Gewalt stellen sich beispielsweise aufgrund einer höheren Sensibilität (Vergewaltigung in der Ehe) oder eines veränderten Wahrnehmungsmusters (Sitzblockade) ein. Gerade weil der Problembereich der Gewalt in besonderem Maße uneindeutig ist, ist eine erhöhte Sensibilität und Reflexibilität geboten« (Heitmeyer und Hagan 2002, 16).
Historische Veränderungen von Gewaltprofilen Die systematische Aufbereitung der bisherigen Gewaltforschung durch die beiden Herausgeber verweist auf ein insgesamt sehr hohes Ausmaß von individueller, kollektiver und staatlicher Gewalt im 20. Jahrhundert. Gesellschaftliche Entwicklungsprozesse waren in den letzten hundert Jahren – wie wahrscheinlich in den Jahrhunderten davor auch – mit äußerst inhumanen und destruktiven Begleiterscheinungen verbunden. Obwohl mit dem staatlichen Gewaltmonopol ein Instrumentarium zur Bewältigung gewalthaltiger Spannungen in modernen Gesellschaften vorhanden ist, wird die »Potentia« von vielen Regierungen dieser Welt immer wieder auch zur Unterdrückung unbequemer Bevölkerungsgruppen eingesetzt. Obwohl alle Menschen Sehnsucht nach unverletzter Integrität haben, kommt es auch im 21. Jahrhundert zu verheerenden und destruktiven 14
Ausprägungen von körperlicher und psychischer Gewalt im zwischenmenschlichen Zusammenleben. Zusammenfassend stellen die beiden Herausgeber fest: »Die Hoffnung einer ganzen Reihe von Kultur- und Zivilisationstheoretikern, dass sich die Menschheit in einem permanenten Zivilisationsprozess befindet, an dessen vorläufigem Ende eine gewaltfreie Moderne steht, hat sich als ein Traum herausgestellt. Die Vorstellung, Gewalt sei in vormodernen Gesellschaften stärker verbreitet gewesen, in fremden Gesellschaften viel häufiger anzutreffen, nur in modernen Gesellschaften lediglich noch eine Ausnahmeerscheinung, scheint ein Mythos mit beträchtlichen Fehlwahrnehmungen zu sein« (Heitmeyer und Hagan 2002, 20). Von einer besseren oder überlegenen moralischen Grundausstattung der Gattung Mensch in den heutigen hoch entwickelten Gesellschaften kann also demnach nicht die Rede sein. Diese Bestandsaufnahme gilt nicht nur im Blick auf die Gesamtgesellschaft, sondern auch auf ihre Teilsysteme. Sie kann in vollem Ausmaß auf das gesellschaftliche Teilsystem »Bildung« und die hierin vorherrschende Organisationsform »Schule« übertragen werden. Trotz aller kulturellen Errungenschaften, die mit dem Fortschritt pädagogischer Umgangsformen einhergehen, ist es zweifelhaft, ob in den heutigen Schulen in der Gesamtbilanz aller Ausprägungsformen ein geringeres Ausmaß von Gewalt vorherrscht als etwa im deutschen Kaiserreich, in dem die körperliche Züchtigung von Schülerinnen und Schülern durch Lehrkräfte gesetzlich vorgeschrieben war. Auch heute herrschen in Schulen ungleiche Machtverhältnisse vor, die zu neuartigen Formen der strukturellen, indirekten Gewalt führen, die in das gesellschaftliche Teilsystem Schule gewissermaßen eingebaut sind. Dazu gehört die hohe Macht der 15
Lehrkräfte zur Definition des erreichten Leistungsstandes von Schülerinnen und Schülern, die über den gesamten weiteren beruflichen Lebenslauf der Jugendlichen entscheiden kann. Hieraus hat sich gewissermaßen eine neue historische Form des »Züchtigungsrechtes« der Lehrkräfte entwickelt, die zwar nicht mit körperlicher Gewalt verbunden ist, aber auf ihre Weise ebenfalls starke Schädigungen und Verletzungen bei Schülerinnen und Schülern nach sich ziehen kann sowie als Folge davon gewalttätige Handlungen gegen Lehrkräfte und sogar Gewaltexzesse in Form von Amokläufen (Füllgrabe 2000; 2004).
Neue Ausprägungen von Aggression und Gewalt Auf der direkten interaktiven Ebene sind auch in den Schulen des 21. Jahrhunderts Ausprägungen von physischer, körperlicher Gewalt weiterhin stark verbreitet, obwohl sie möglicherweise gegenüber früheren historischen Epochen im Umfang zurückgegangen sind. Daneben haben sich neue Formen von psychischer und verbaler Gewalt etabliert (»Mobbing«, »Bullying«), die bei den Opfern möglicherweise stärkere Verletzungen und Demütigungen zur Folge haben als körperliche Übergriffe (Dambach 2002). In Anlehnung an das Resümee der allgemeinen Gewaltforschung lässt sich deswegen auch sagen: Die Hoffnung vieler Pädagogen und Erziehungstheoretiker, dass sich Bildungsprozesse in der Schule in einem permanenten Zivilisationsprozess befinden, an dessen Ende eine gewaltfreie Umgangsform zwischen Lehrerinnen und Lehrern auf der einen Seite und Schülerinnen und Schülern auf der anderen 16
Seite und auch innerhalb der Schülerschaft und der Lehrerschaft besteht, hat sich als ein Traum herausgestellt. Vielmehr hat der historische Wandel von Bildungs- und Unterrichtsabläufen zu neuen Formen von Ausprägungen, Formen und Verläufen von Gewalt in Schulen geführt. Sowohl für Lehrerinnen und Lehrer als auch für Schülerinnen und Schüler stellt Gewalt eine jederzeit verfügbare Ressource dar, die sich ihre spezifischen Profile und Wege sucht und in einer frappierenden Weise den breiten menschlichen Einfallsreichtum widerspiegelt. Denken wir an solche Ausprägungen von Gewalt wie das Filmen von Übergriffen auf Mitschülerinnen und Mitschüler durch Mobilkameras, dann wird deutlich, wie stark die jeweiligen Ausprägungen von Aggression und Gewalt von der jeweils aktuellen technischen und medialen Entwicklung gespeist werden. Gewalt ist also auch heute tief im Gewebe des sozialen Zusammenlebens in der ganzen Gesellschaft und deswegen auch in der Schule verankert. Sie stellt so etwas wie eine offenbar nicht völlig vermeidbare »chronische Sozialkrankheit« einer jeden Gesellschaft dar. Wie jede Krankheit hat auch Gewalt spezifische Ursachen, die analysiert und verstanden werden müssen, wenn Gewalt zurückgedrängt werden und im Idealfall eliminiert werden soll. Das Auftreten von Aggressionen unter Menschen ist immer schon in der menschlichen Geschichte ein Signal dafür gewesen, dass die sozialen Kontakte zwischen ihnen nicht in gegenseitiger Zufriedenheit ablaufen und Ungleichheit mit ungerechter Verteilung von Ressourcen vorherrscht. Genau an dieser Stelle können dann auch entsprechende Gegenstrategien ansetzen. Diese Überlegungen gelten ohne jede Einschränkung auch für Bildungs- und Schulsysteme. 17
Definitionen von Aggression und Gewalt Für die weitere Argumentation verwenden wir die beiden Begriffe Aggression und Gewalt gleichberechtigt. Aggression ist der in der wissenschaftlichen Sprache üblichere Begriff und bezeichnet eine Handlung, die auf die Verletzung eines anderen Menschen zielt. Als Gewalt wurde ursprünglich in Fachliteratur und Umgangssprache nur die körperliche Verletzung eines Menschen auf der Basis von Aggression bezeichnet. Heute wird der Begriff stark erweitert verwendet und umfasst auch psychische und institutionelle Ausprägungen. Aggression und Gewalt sind also wissenschaftliche und umgangssprachliche Begriffe für dieselben Vorgänge, wobei der Begriff Gewalt den der Aggression wegen seiner größeren Anschaulichkeit mehr und mehr verdrängt. Das gilt auch für den Begriff »Gewaltbereitschaft«, der immer stärker an die Stelle des Begriffes »Aggressivität« tritt. Wir folgen in diesem Buch dieser Begrifflichkeit. Grob vereinfacht lassen sich individuelle Formen der Gewalt von institutionellen und strukturellen Formen unterscheiden: Formen der Gewalt individuelle Gewalt institutionelle Gewalt physische Gewalt demokratisch legitimierte Gewalt psychische Gewalt illegitime strukturelle Gewalt ------------------------------sexuelle Gewalt kollektive politische Gewalt geschlechterfeindliche Ge- Auch »Gegengewalt« walt fremdenfeindliche Gewalt 18
Individuelle Gewalt Die individuelle Gewalt geht von einzelnen Akteuren aus und richtet sich gegen einzelne oder mehrere Personen oder gegen Sachen (»Sachbeschädigung«, »Vandalismus«). Individuelle Gewalt wird oft im privaten Bereich vollzogen, etwa in Familie, Verwandtschaft und Freundeskreis. Sie geschieht damit also von der Öffentlichkeit im Prinzip unbemerkt. Häufige Ausprägungen sind Schläge und Prügel von (Ehe-)Männern gegen Frauen, Vergewaltigung innerhalb und außerhalb der Ehe. Meist haben die Ausprägungen dieser Gewaltformen sowohl etwas mit Machtausübung zu tun als auch mit dem Wunsch nach Nähe bei gleichzeitiger Befürchtung von »Kontroll- und Besitzverlust«. Liebe und Gewalt gehen oft eine unheilvolle Allianz ein. Sexualisierte Gewalt in Verwandtschaftsbeziehungen, Kindesmisshandlungen, Vernachlässigung und Verwahrlosung von Kindern und die körperliche und psychische Verletzung von älteren, kranken, schutzlosen oder hilfsbedürftigen Menschen sind weitere Ausdrucksprägungen von privater Gewalt. Wie Imbusch (2002, 46) bemerkt, waren diese lange Zeit dem öffentlichen Zugriff entzogen, weil sie in den Schutz der Privatsphäre fielen. Erst in jüngster Zeit, seit etwa 1960, sind sie in das Interesse einer breiteren Öffentlichkeit getreten und damit in ihrem ganzen Ausmaß erst bewusst geworden. Individuelle Formen der Gewalt können aber auch im öffentlichen Raum auftreten. Die Schule ist ein solcher Raum, in dem praktisch alle Ausprägungen von körperlicher, psychischer, verbaler, sexueller, geschlechtsfeindlicher und fremdenfeindlicher sowie rassistischer Gewalt verzeichnet werden können. 19
Ausprägungen von individueller Gewalt Nehmen wir eine Differenzierung der verschiedenen individuellen Gewaltausprägungen vor, dann können die folgenden Unterscheidungen getroffen werden: • Physische Gewalt ist die Schädigung oder Verletzung eines oder mehrerer Menschen durch körperliche Kraft und/oder andere Zwangsmittel. Zu den vorherrschenden Zwangsmitteln gehören Waffen aller Art. • Psychische Gewalt ist die Schädigung und Verletzung eines oder mehrerer anderer Menschen durch Abwendung, Ablehnung, Abwertung, Entzug von Vertrauen, Entmutigung und Erpressung. Sie kann sich auf Worte stützen und wird dann als »verbale Gewalt« bezeichnet, die meist auf Beleidigung, Erniedrigung und Entwürdigung ausgerichtet ist. Sie kann sich auf Gesten und Gebärden, den Entzug von Lebensnotwendigkeiten und andere Formen der Einschüchterung und Angst stützen und in Formen seelischer Grausamkeit und Folter übergehen. Im Unterschied zur physischen Gewalt sind die Schädigungen und Verletzungen oft weniger sichtbar oder manifestieren sich erheblich später. Psychische Gewalt wirkt sehr stark im Verborgenen und ist deswegen von Außenstehenden auch schwerer erkennbar und beeinflussbar als physische Gewalt. • Sexuelle Gewalt lässt sich als eine spezifische Ausprägung der Kombination meist von physischer und psychischer Gewalt verstehen, die auf die Schädigung und Verletzung eines oder mehrerer anderer Menschen durch erzwungene intime Körperkontakte oder andere sexuelle Handlungen zielt, die nur dem 20
Täter oder der Täterin eine Befriedigung eigener sexueller oder Machtbedürfnisse ermöglicht, das Opfer aber erniedrigt und entwürdigt. • Geschlechterfeindliche Gewalt ist die spezifische Form der Kombination von physischer, psychischer, verbaler und sexueller Gewalt gegen Frauen oder Männer, die in diskriminierender und erniedrigender Absicht vorgenommen wird, um die körperliche und seelische Integrität als Angehöriger eines Geschlechtes und die sexuelle Selbstbestimmung zu schädigen und zu verletzen. • In Analogie dazu kann auch von fremdenfeindlicher oder ethnienfeindlicher (»rassistischer«) Gewalt gesprochen werden, wobei sich die Aggressionsimpulse auf die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion, Herkunftsgruppe oder Ethnie beziehen. Wie diese begriffliche Kategorisierung zeigt, sind die physische und die psychische Gewalt die beiden zentralen Erscheinungsformen. Häufig treten sie in Kombination miteinander auf, während sexuelle, geschlechterfeindliche, fremdenfeindliche und ethnienfeindliche Gewalt spezifische Ausprägungen von physischer und psychischer Gewalt oder auch eine Kombination von beiden darstellen.
Ausprägungen von institutioneller Gewalt Neben den Formen der individuellen Gewalt existieren Formen der institutionellen Gewalt. Bei institutioneller Gewalt werden durch Vertreter des Staates oder einer Organisation wie der Schule physische und psychische Zwangseingriffe durchgeführt oder angedroht, um ein 21
kollektives Abhängigkeits- oder Unterwerfungsverhältnis der Bürger oder der Organisationsmitglieder herzustellen und zu sichern. Die Inhaber hierarchisch übergeordneter Positionen haben eine Verfügungsmacht, die sie über physische und psychische Sanktionen aktivieren können, um ein bestimmtes Verhalten ihrer »Untergebenen« zu erzwingen. • Der Prototyp der institutionellen Gewalt ist die allseits als legitim empfundene »Ordnungsgewalt«. In formalen Institutionen wie Bildungseinrichtungen vom Typ der Schule begegnet uns diese Ausprägung der institutionellen Gewalt, indem die Inhaber übergeordneter hierarchischer Positionen – die Lehrkräfte – durch entsprechende Sanktionen bestimmte Verhaltensweisen der Untergebenen – der Schülerinnen und Schüler – erzwingen (können). Die Ausprägungen solcher Formen der institutionellen Gewalt werden in der Regel als unproblematisch und gerecht empfunden, weil auf diese Weise die Voraussetzungen für ein geregeltes Miteinander in der Bildungseinrichtung Schule und für die Realisierung des zentralen Institutionszwecks der Schule gesichert werden. Der zentrale Institutionszweck ist die Durchführung von Unterricht und Bildung mit dem Ziel, jeden Schüler und jede Schülerin in den kognitiven sozialen Kompetenzen so optimal wie möglich zu fördern und zur persönlichen Fähigkeit der Selbstbestimmung zu führen. Zur Erreichung dieses Ziels, gewissermaßen zur Aufrechterhaltung der »Schulordnung«, wird eine als legitim anerkannte Form der institutionellen Gewalt eingesetzt. • Die institutionelle Gewalt wird zu einer illegitimen »strukturellen Gewalt«, wenn nicht die Förderung 22
der Organisationsmitglieder, sondern ihre Unterdrükkung das Ziel der Machtanwendung ist (Galtung 1975). Der Begriff »strukturelle Gewalt« hat einen wertenden Charakter und zielt auf die problematischen Aspekte der Einbeziehung von Gewalt in die Strukturen einer Institution ab. Er unterstellt, hierdurch werde die Selbstentfaltung und Selbstbestimmung der Mitglieder der Institution beeinträchtigt. Übertragen auf die Bildungsinstitution Schule kann der Begriff verwendet werden, um in kritischer Absicht auf die soziale Ungerechtigkeit der Machtverhältnisse zwischen Lehrkräften und Schülerschaft hinzuweisen. Die Rechtfertigungen und Legitimierungen von illegitimen Ausprägungen von institutioneller Gewalt werden häufig auch mit dem Begriff der »kulturellen« oder »symbolischen« Gewalt bezeichnet (Bourdieu 1993). Damit sind die »ideologischen« Rechtfertigungen gemeint, die ungerechte und die Entfaltungsfähigkeit der Untergebenen oder Abhängigen in einer Institution unterdrückenden Herrschaftsverhältnisse verklären oder beschönigen. Es handelt sich hierbei um kulturelle Formen der Festigung von Machtverhältnissen und die in ihnen eingelagerten Gewaltstrukturen, indem diese als nicht mehr hinterfragbar erscheinen und damit in ihrem Ungerechtigkeitscharakter verkannt werden (Imbusch 2002, 41). • Eine Mischform aus individueller und institutioneller Gewalt ist schließlich die kollektiv ausgeübte »politische« Gewalt als eine öffentlich sichtbare Protestform. Sie stellt sich in der Regel als Reaktion auf strukturelle Gewalt ein. Werden Gewaltformen als illegitim und unerträglich empfunden, können die Betroffenen ihrerseits mit »kollektiver politischer Ge23
walt« hierauf reagieren, indem sie physische Gewalt einsetzen, um politische Macht mit dem Ziel zu erringen, die etablierten Herrschaftsverhältnisse zu ändern. Gewisse Spielarten dieser kollektiven politischen Gewalt sind auch in der Bildungseinrichtung Schule möglich, indem etwa Schülerinnen und Schüler gegen die vorherrschenden Kriterien für die Beurteilung ihrer Leistungen protestieren und eine Veränderung von Bewertungspraktiken zu erzwingen versuchen.
Formen der fremdenfeindlichen Gewalt Formen der kollektiven politischen Gewalt haben allerdings auch häufig das Ziel, die etablierten Herrschaftsverhältnisse nicht durch Angriff auf die Machthaber, sondern auf missliebige Bevölkerungsgruppen zu attakkieren. Diese Gewaltausprägung hat in der Regel einen fremdenfeindlichen, ethnienfeindlichen und auch spezifischen rassistischen Hintergrund. Physische und psychische Gewalt richtet sich in diesem Fall gegen Menschen fremder Herkunft, fremder Religionen, Menschen mit anderem Aussehen und anderen kulturellen Gewohnheiten als denen der traditionellen einheimischen Bevölkerung. Diese Aggressionsform tritt nicht nur im unmittelbaren menschlichen Nahbereich auf, wobei sich Opfer und Täter direkt wahrnehmen können, sondern auch in anonymer Ausprägung. Dazu gehören etwa Brandanschläge gegen die Wohnsitze von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und Einrichtungen muslimischer oder jüdischer Religionsausübung oder der Angriff auf Schüler jüdischer Herkunft in der Schule. 24
In vielen Fällen ist hierbei eine rechtsextremistische Orientierung die Ausgangsbasis für die Gewaltausübung. Gewalt wird in diesem ideologischen Kontext als ein legitimer Ordnungsfaktor in einer unübersichtlich gewordenen Gesellschaft angesehen, in der keine klaren Regeln für Recht und Ordnung mehr empfunden werden. Gewalt soll der Aufrechterhaltung einer eindeutigen Hierarchie zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religionen dienen. Menschen bestimmter sozialer, rassistischer und religiöser Herkunft werden als »höherwertig« als andere klassifiziert, wobei die Gewalttäter sich jeweils zu der überlegenen Gruppe rechnen. Diese Gewaltformen arbeiten also mit einer Ideologie der sozialen und ethnischen Ungleichheit und sind ethnozentrisch orientiert, wobei die eigene Kultur zum Maßstab für Normalität erklärt wird. Die Zugehörigkeit zum eigenen Volk und zur eigenen Rasse wird als ausreichende Qualifikation wahrgenommen, um sich gegenüber Fremden abzusetzen (Heitmeyer 1995). Bei dieser besonderen Spielart von kollektiver politischer Gewalt richtet sich die Aggression nicht gegen Machthaber oder Repräsentanten der Machthaber wie Polizei und Ordnungskräfte, sondern gegen andere Bevölkerungsgruppen, die als unerwünscht und bedrohlich empfunden werden, weil sie den eigenen, prekären Platz in der Gesellschaft in Frage zu stellen scheinen, den die Gewalttäter meist selbst einnehmen. Wie die Ursachenforschung zeigt, sind die Täter in einem hohen Ausmaß sozial benachteiligte und isolierte Menschen, meist Jugendliche und junge Erwachsene, die eine langjährige Erfahrung der Vernachlässigung und Demütigung in Familie, Schule, Nachbarschaft und teilweise auch im Beruf hinter sich haben. Die Demütigung kann sich in starken biografischen Brüchen ausdrücken, etwa inten25
siven Versagenserlebnissen im Bildungssektor, beim Aufbau von persönlichen Beziehungen oder im Berufsbereich (lang anhaltende Arbeitslosigkeit). In vielen Fällen baut sich ein tief sitzendes Minderwertigkeitsgefühl auf, das dauerhaft psychisch nicht ertragen werden kann, weil zu wenig soziale Anerkennung aus der sozialen Umwelt erfahren wird und kein Selbstvertrauen entsteht. Gewaltreaktionen sind oft Reaktionen auf diese als Erniedrigung empfundene Lebenssituation. Die rechtsextremistisch gefärbten Aggressionen richten sich – oft unter Zuhilfenahme von diversen »Verschwörungstheorien« – gegen Menschen, die von ihrer sozioökonomischen und kulturellen Position her noch schwächer sind als man selbst: Ausländische Asylbewerber, Menschen mit Migrationsgeschichte, Angehörige seltener Religionsgemeinschaften, Behinderte, Homosexuelle, Straffällige, Prostituierte und Obdachlose. Gegen die politisch Mächtigen gehen diese Gewalttäter selten vor. Im Gegenteil bemühen sie sich um deren offene oder heimliche Zustimmung. Sie registrieren sehr genau, welche Signale aus dem politischen Bereich der herrschenden Parteien und der von ihnen als wichtig erachteten Meinungsführer in Politik und Medien kommen. Sie empfinden sich als eine Art politische Avantgarde, die im Grunde das an Zielen politisch umsetzt und ausführt, was sich die Mächtigen nach ihrer Auffassung nicht trauen, aber doch klammheimlich wünschen. Noch ein weiterer Aspekt der rechtsextremistisch orientierten politischen Gewalt fällt auf. Es wird an Symbole aus der Zeit des deutschen Nationalsozialismus angeknüpft, um auf diese Weise in demonstrativer Absicht die »politisch korrekte« öffentliche Einstellung zu provozieren, wonach es sich bei der Hitler-Diktatur in Deutschland um eine politisch unerträgliche und mo26
ralisch auf das Schärfste abzulehnende Phase der deutschen Geschichte gehandelt hat. Dieser Verstoß gegen die mühsam aufrechterhaltenen Regeln und Umgangsformen einer demokratischen Kultur sichert große Aufmerksamkeit, weil sie einen politisch immer noch bloß liegenden Nerv der deutschen Geschichte und des Selbstverständnisses der älteren Generation trifft. Nationalsozialistische Symbole und Rituale werden in der Absicht verwand, politische und pädagogische Autoritäten herauszufordern. Erst in dem Maße, wie eine wirkliche Auseinandersetzung und Verarbeitung der deutschen Vergangenheit des Nationalsozialismus gelingt, wird der Provokationscharakter solcher Gewaltaktionen geringer werden. Aus diesem Grund ist eine abgeklärte und selbstbewusste Auseinandersetzung mit der geschichtlichen Epoche des Nationalsozialismus in Deutschland und den dahinter liegenden politischen Konstellationen weiterhin wichtig.
Geschlechtsspezifische Profile der Gewaltausprägung Fast alle Formen von Gewalt werden von Angehörigen des männlichen Geschlechtes häufiger ausgeübt als von denen des weiblichen. Schon in den ersten Lebensjahren zeigt sich bei Jungen ein stärkeres Auftreten von aggressiven Verhaltensweisen verschiedenster Art im Vergleich zu Mädchen. Während der Kindheit, des Jugendalters und auch der Erwachsenenphase hält dieser Unterschied an. Es ist deswegen durchaus berechtigt, in Bezug auf Aggressivität nach einer genetischen Unterscheidung in Bezug auf Aggressivität zwischen den Geschlechtern zu suchen. Entsprechende Studien haben allerdings bisher 27
keine klaren Ergebnisse gebracht. Ganz offensichtlich ist das angeborene Aggressionspotential bei männlichen und weiblichen Säuglingen nach Umfang und Profil nicht sehr unterschiedlich. Vieles spricht deswegen dafür, in der Kombination der genetischen Faktoren mit den Umweltbedingungen den entscheidenden Grund für die stärkere Ausprägung von Aggressions- und Gewalthandlungen bei Angehörigen des männlichen Geschlechts zu sehen (Baker 2002, 753). In der gegenwärtigen genetischen Forschung wird es für unwahrscheinlich gehalten, dass jemals ein »Gen für Gewalt« entdeckt werden könnte, weil nach dem bisherigen Erkenntnisstand Gene keine bestimmten Verhaltensweisen kodieren und prädisponieren. Gleichwohl ist es nicht ausgeschlossen, dass in der weiteren Forschung genetische Dispositionen für bestimmte Aggressionsprofile gefunden werden, die sich möglicherweise auch zwischen den Geschlechtern unterscheiden. Auch in diesem Fall würde allerdings der Einfluss geschlechtsspezifischer Sozialisations- und Erziehungsimpulse von entscheidender Bedeutung für die Erklärung der Geschlechtsunterschiede bleiben. Ziehen wir die bisherigen Erkenntnisse aus der geschlechterspezifischen Forschung zusammen, lassen sich die folgenden Tendenzen von unterschiedlichen Ausprägungen von Gewalthandlungen bei Männern und Frauen ausmachen: • Jungen und Mädchen unterscheiden sich in der Art und Weise, wie sie mit Umweltimpulsen umgehen. Während bei Mädchen in der Regel ein abwartendes Temperament vorherrscht, das Außenimpulse sensibel berücksichtigt, ist bei Jungen meist eine Reiz aufsuchende Haltung typisch, die Außenimpulse gerade28
zu herausfordert. Entsprechend unterschiedlich verarbeiten die beiden Geschlechter Belastungen. Während Mädchen sie eher aus eigener Kraft abzufangen versuchen und bei einer nicht gelingenden Bewältigung zunächst zur Selbstaggression neigen, tragen die Jungen den »Stress« eher aus sich heraus und reagieren ihre Spannungen an der Umwelt ab. Hierdurch kann das unterschiedliche Niveau von Aggressionshandlungen und Gewalttätigkeiten erklärt werden, das von außen zu beobachten ist. Die Aggressionsimpulse könnten demnach bei beiden Geschlechtern etwa gleich stark sein, werden wegen ihres unterschiedlichen Profils der Auseinandersetzung mit Spannungszuständen aber verschiedenartig umgesetzt. • Unterschiedliche Erziehungsstile gegenüber Jungen und Mädchen verstärken die geschlechtstypischen Verarbeitungsformen von Spannungen. In unserem Kulturkreis werden auch heute den Mädchen nur in seltenen Fällen offen erkennbare aggressive Impulse zugestanden, während sie bei Jungen teilweise geradezu erwünscht sind und belohnt werden. Jungen sollen nach Einschätzung ihrer Eltern früh lernen, sich in einer mitunter auch feindlichen Umwelt durch eigene Stärke durchzusetzen. Daher wird ihnen ein bestimmtes Maß an körperlicher Gewalt zugestanden, gewissermaßen als instrumentelle Ausstattung zur Durchsetzung ihrer sich allmählich aufbauenden Männerrolle. Hierdurch wird ihre Aggressivität gestärkt und unterstützt. Bei Mädchen hingegen wird in der Tendenz von den meisten Eltern erwartet, dass sie sich harmonisch in ihre Umwelt einpassen und Zurücksetzungen hinnehmen. Hierdurch wird ihre Aggressivität zurückgehalten und muss sich andere 29
als die nach außen sichtbaren Bahnen suchen (Möller 2001). • Diese Rollenstereotype von Mann und Frau spiegeln sich auch im öffentlichen Raum wider. Ebenso wie in der Sozialisation in der Familie wird durch die Einräumung unterschiedlicher sozialer, ökonomischer und politischer Einflusschancen ein deutlicher Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern manifestiert. Noch immer sind die zentralen Positionen in Wirtschaft und Politik in der Hand von Männern. Über die Medien werden teilweise holzschnittartige und historisch veraltete Muster von Männlichkeit und Weiblichkeit transportiert. Hierdurch kommt es bei vielen Angehörigen des männlichen Geschlechtes zu dem unterschwelligen Gefühl, dass es durchaus gerechtfertigt sei, im Besitz der wichtigsten gesellschaftlichen Ressourcen und Einflussmöglichkeiten zu sein. Dieser Eindruck scheint besonders stark auf diejenigen Angehörigen des männlichen Geschlechtes zu wirken, die sich in der Realität ihres Alltags in weniger privilegierten Positionen in Ausbildung, Beruf und Anerkennungshierarchie befinden. Sie greifen reflexartig auf das Klischee vom »starken Mann« zurück, bedienen sich der stereotypen traditionellen Muster von körperlicher Stärke und psychischer Durchsetzungskraft und fühlen sich auf diese Weise auch zu der Ausübung von Gewalttaten legitimiert. Demgegenüber bleiben Frauen eher bei ihrer zurückhaltenden und defensiven Durchsetzung eigener Interessen in Ausbildung, Beruf und sozialer Öffentlichkeit und bedienen sich nur im Ausnahmefall aggressiver Impulse (Trautner 2002). Diese und andere Rahmenbedingungen führen im En30
deffekt zu einem höheren Ausmaß vor allem von körperlicher Gewalt bei Männern im Vergleich zu Frauen. Der weitaus größte Anteil aller Ausprägungen der körperlichen Aggression wird von Angehörigen des männlichen Geschlechtes ausgeübt, wobei die Altersphase um die Pubertät herum einen besonderen Höhepunkt darstellt. Aber auch bei allen Ausprägungen von psychischer Gewalt und den Kombinationen von physischer und psychischer Gewalt in Gestalt von geschlechterfeindlicher (sexistischer), fremdenfeindlicher, ethnienfeindlicher (rassistischer) und kollektiver politischer Gewalt gehören Männer häufiger zu den Tätern als Frauen. Nur bei einigen Formen der psychischen Gewalt ist der Unterschied zwischen den Geschlechtern nicht sehr groß. In dem Maß, wie in Verbreitungsstudien sensibel das gesamte Möglichkeitsspektrum von Diskreditierung, Herabwürdigung, Missachtung, Abwertung, Ignorieren, Demütigung und Rufmord untersucht wird (oft auch mit dem amerikanischen Begriff »Mobbing« zusammengefasst), wird auch das tatsächliche Ausmaß von Gewalthandlungen beim weiblichen Geschlecht deutlicher sichtbar (Kindler 2002). Eine Erklärung für das relativ hohe Ausmaß von Gewaltformen in diesem Bereich und ein möglicherweise auch ansteigendes Niveau von Gewalthandlungen psychischer Ausprägungen könnte in den Erziehungs- und Umweltreaktionen liegen. Weil es Mädchen im Erziehungsprozess und im öffentlichen Bereich nach unserer kulturellen Tradition nicht erlaubt ist, ihre Aggressionen sichtbar auszuleben, sucht sich das Potential der Aggressivität die weniger sichtbaren, gewissermaßen unterschwelligen sozialen Ausprägungsformen, die erst in den letzten Jahrzehnten sensibel beobachtet werden. 31
Historische Tendenzen der Gewaltausübung Wie schon erwähnt, ist eine Beantwortung der Frage fast unmöglich, ob es im Laufe der menschlichen Geschichte tatsächlich zu einem Rückgang von Gewalt gekommen ist oder nicht. Die Zivilisationstheorie von Elias (1976) behauptet einen solchen über die Jahrhunderte zu verzeichnenden Rückgang individueller Gewalt mindestens in der europäischen Geschichte. Als zentrale Ursache wird ein Mentalitätswandel gesehen, der den Wert des individuellen Menschen als »Subjekt« betont. Hierdurch kommt es nach dieser Theorie zu einer sich immer weiter verstärkenden Identifikation von Gesellschaftsmitgliedern als Bürgerinnen und Bürgern mit den jeweils anderen Bürgerinnen und Bürgern und zu einer damit verbundenen Empathie, also der Fähigkeit des Mitfühlens mit den Leiden von anderen. Diese Theorie stützt sich auf den in historischen Studien deutlich zu Tage tretenden Rückgang der Ausübung von Folter und öffentlicher Hinrichtung, von Körperstrafe und anderen Formen der individuellen Gewalt. Das schrittweise Verschwinden von offenen und brutalen Formen der körperlichen Gewalt mit Todesfolge, das in diesen Studien verbürgt ist, hängt wahrscheinlich auch mit einer Tendenz zur systematisierten Sozialkontrolle durch demokratische Staaten zusammen, in denen nur Polizei und Militär das Gewaltmonopol besitzen. Allerdings: Auch heutige demokratische Staaten sind gegen Folter und brutale Gewaltausübung nicht gefeit, wie etwa die Menschen verachtenden Übergriffe amerikanischer Soldaten im Irakkrieg und in ihren Gefängnissen und Gefangenenlagern gezeigt haben. Seit dem Anschlag vom 11. September 2001 zeugen weitere heim32
tückische Attentate durch Terrororganisationen von ganz neuartigen Formen internationaler Gewaltanwendungen. Trotz der nicht zu leugnenden positiven Auswirkungen von Sensibilisierung und Individualisierung der menschlichen Beziehungen und der Zunahme der öffentlichen Kontrolle ist es aber ganz offensichtlich nicht zu einer Abnahme von Gewalttätigkeiten in der Gesamtbilanz gekommen. Wie schon erwähnt wurde, sucht sich das menschliche Aggressionspotential in jeder historischen Phase immer wieder neue Formen des Ausdrucks – oder aber es werden in unterschiedlichen historischen Epochen Gewaltformen als problematisch und nicht hinnehmbar identifiziert, die zuvor nicht beachtet wurden. Jedenfalls zeigt eine systematische Bestandsaufnahme von heute vorherrschenden Formen von Gewalt im historischen Vergleich keineswegs ein zufriedenstellendes Ergebnis. Zwar sind tatsächlich die schweren Formen von körperlicher Aggression in den letzten drei Generationen zurückgegangen (Eisner 2002, 62), zugleich finden sich aber deutlich häufiger verschiedene Ausprägungen der psychischen Gewalt und vor allem der Kombination von physischer und psychischer Gewalt. Vieles deutet darauf hin, dass sich das Spektrum der individuellen, direkten Gewalt verbreitert hat und neben die physischen immer stärker die psychischen Formen von Gewalt getreten sind, die zugleich wegen der angewachsenen Sensibilität stärker wahrgenommen und registriert werden als früher. Das gilt zum Beispiel für die Ausprägungen der geschlechterfeindlichen Gewalt. Der »sexuelle Missbrauch« von Kindern und Jugendlichen wächst nach den vorliegenden Studien seit zwei bis drei Jahrzehnten an. Es ist schwer auszumachen, ob 33
es sich hier um eine wirkliche Vermehrung entsprechender Gewalttaten handelt oder um eine vollständigere Beobachtung und Entdeckung einer Gewaltform, die bis vor kurzem noch in einer absoluten Tabuzone lag, welche eine öffentliche Thematisierung praktisch blokkierte. Wie auch in früheren historischen Epochen kann mit der »Entdeckung« eines neuartigen Gewaltphänomens die Genauigkeit der Beobachtungs- und Registriermethoden steigen und entsprechend der Eindruck eines Anwachsens des Ausmaßes dieser Gewaltform entstehen.
Veränderte Sensibilität für Gewaltformen Jede historische Epoche und jede Gesellschaft hat ganz offenbar ihre eigenen Standards für die Wahrnehmung, Beobachtung und Auseinandersetzung mit Gewalt. Der zivilisationsgeschichtliche Fortschritt liegt darin, alle möglichen Ausprägungen von Gewalt in Rechnung zu stellen und sich kritisch und sensibel mit ihnen auseinanderzusetzen. In diesem Prozess ist es in historischer Perspektive beschämend, wie groß auch heute in einer demokratischen und wohlhabenden Gesellschaft das Ausmaß der verschiedenen Verletzungs- und Beschädigungsformen ist, das wir verzeichnen müssen. Diese Überlegung lässt sich auf gesellschaftliche Teilsysteme wie etwa Familie und Schule übertragen. Diese beiden Sozialisations- und Bildungseinrichtungen haben seit ihrer historischen Entstehung immer wieder mit Problemen von Aggressionen und Gewalt zu kämpfen gehabt. Ob sich das Ausmaß von physischer und psychischer Gewalt und von Kombinationen dieser beiden Gewaltformen in den letzten Jahrzehnten tatsächlich per 34
saldo erhöht oder erniedrigt hat, lässt sich aufgrund der vorliegenden Studien nur sehr schwer sagen. In der Gesamtbilanz, in die nun einmal die Kriterien und Maßstäbe eingehen, die für unsere heutige Lebenssituation als gültig anerkannt sind, scheint es keine Reduktion der »Gewaltmenge« gegeben zu haben. Besonders beunruhigend sind neu auftretende Formen der Verbindung von körperlicher Aggression mit psychischer Demütigung und Erniedrigung, etwa bei der über einen längeren Zeitraum anhaltenden Drangsalierung von Mitschülern durch zwei oder drei andere, welche die physischen Gewaltausübungen gegenüber den Opfern auch filmisch dokumentieren und dann öffentlich bekannt machen. Solche und andere Ausprägungen von Gewaltformen machen deutlich, dass die Diskussion über eine sensible Wahrnehmung aller Formen von Aggression, die frühe Auseinandersetzung hiermit und über die Einleitung von Gegenstrategien immer wieder neu geführt werden muss. Wie Gewalt entsteht – die wichtigsten Theorien Es gibt eine breite Fülle von Theorien zur Gewaltentstehung. In ihnen ist die gesamte Spannbreite von Bedingungen enthalten, die in den vorangegangenen Abschnitten bereits erwähnt wurden. Die psychologisch akzentuierten Theorien setzen bei der genetischen Disposition jedes einzelnen Menschen an, konzentrieren sich auf in der Persönlichkeit liegende Faktoren, auf die Wechselwirkung zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Umweltfaktoren und auf die Entwicklungsimpulse einer Persönlichkeit im gesamten Lebenslauf. Die eher 35
aus der soziologischen Tradition stammenden Theorien thematisieren stärker die Umwelteinflüsse durch Familie, Schule und andere Sozialisationsinstanzen, die sozialen Strukturen und die wirtschaftlichen und politischen Makrostrukturen. Theorien der Gewalt Psychologische Theorien Soziologische Theorien Trieb- und Instinkttheorien Konflikt- und Spannungstheorien Emotionstheorien Etikettierungs- und Definitionstheorien Lerntheorien Soziale Kontrolltheorien Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über dieses Theoriespektrum gegeben werden, wobei die Aussagekraft der einzelnen Theorien für das im Vordergrund stehende Thema »Gewalt an Schulen« jeweils besonders beachtet wird.
Trieb- und Instinkttheorien Nach Auffassung von Trieb- und Instinkttheorien hat jeder Mensch ein angeborenes Potential von Aggressivität, das sich in der Regel auch in manifester, also sichtbarer Aggressionsausübung niederschlägt. Die Verhaltensforschung kommt zu dem Ergebnis, sowohl der Mensch als auch das Tier verfügten über einen angeborenen Instinkt zur Aggression, der ursprünglich im Dienste der Verteidigung des Lebens, der Selbsterhaltung und des Beutetriebes stand. Die Psychoanalyse leitete davon ein – bis heute umstrittenes – Konzept des »Todestriebs« ab, dem ihr Begründer, Sigmund Freud, 36
die gleiche Bedeutung zumaß wie dem Sexualtrieb (Freud 1933). Unter den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen findet dieser Aggressionstrieb nur selten Anlässe, die seiner ursprünglichen Anlage gerecht werden. Deswegen kann sich der Aggressionstrieb auch aus einem anderen Anlass entladen, als dem der berechtigten Selbstverteidigung oder der Sicherung der Selbsterhaltung. Die »instinktive« Aggressivität kann durch jede Form der Zurücksetzung und Provokation ausgelöst werden und sich entsprechend befreien. Das Aggressionspotential ist so etwas wie ein innerer »Dampfkessel«, der von Zeit zu Zeit Druck abgeben muss, um nicht zu explodieren. Übertragen wir diese theoretische Überlegung auf den schulischen Bereich. Aggressivität von Schülerinnen und Schülern ist demnach unvermeidlich und im täglichen Unterrichtsbetrieb selbstverständlich. Einer Aggressionshandlung muss nicht unbedingt eine böse Absicht der Verletzung eines anderen Schülers zugrunde liegen, sondern sie kann in dem genannten Sinne ein »Dampf ablassen« ausdrücken. Ein Beispiel dafür sind körperliche Raufereien und Balgereien, also ein Kräftemessen um festzustellen, wer der Stärkere in einer Jungengruppe ist. Hier ist Aggression Ausdruck eines im Kern spontanen und spielerisch gemeinten Verhaltens, das dem Ziel dient, die eigene Körperkraft auszutesten. Dieser Handlung liegt der Drang nach Abenteuer, Stimulierung und Erleben von Überlegenheit zugrunde. Bleibt es bei dem spielerischen Charakter der Auseinandersetzung, erfüllt die Gewalthandlung ihren Zweck. Der Angreifer (der Täter) hat sein Aggressionspotential entladen und bei sich eine »kathartische« Wirkung erzielt, denn sein Aggressivitätspotential ist für einige Zeit abgeschöpft. 37
Problematisch ist nach dieser Theorie nicht die Existenz von Aggressivität, sondern der Umgang damit. Die Triebtheorie macht darauf aufmerksam, wie gering heute die Spielräume für das Ausüben der »spielerisch aggressiven« Verhaltensformen sind. Im normalen Schulalltag bestehen nur sehr wenige Möglichkeiten, um einer produktiv aggressionsentladenden Tätigkeit nachzugehen. Schon eine »Spaßkloppe«, wie sie unter Kindern manchmal genannt wird, kann von Mitschülerinnen und Mitschülern als unakzeptabler Übergriff gewertet und von Lehrkräften als brutale Gewaltform identifiziert werden. Nicht zu Unrecht, weil jede Form der spielerischen Aggression nun einmal nach festen Regeln verlangt, die heute nicht immer gesichert sind. Es herrscht kein sicheres Empfinden unter den Schülern darüber, was wirklich spielerisch ist und welche Grenzen gelten, um die körperliche Auseinandersetzung zu beenden. Immer häufiger kommt es vor, dass aus der zunächst harmlosen Rauferei eine ernste körperliche Auseinandersetzung wird, wenn einer der Beteiligten nicht aufhört, obwohl der andere es verlangt oder sogar darum bittet. Auch fehlt oft in solchen Situationen eine wirksam eingreifende, auf die Spielregeln verweisende Instanz, sei es eine Lehrkraft oder die Gruppe der umstehenden Schülerinnen und Schüler. Andere Situationen dürften Lehrerinnen und Lehrern ebenso vertraut sein. Häufig kommt es vor, dass eine Schülerin, die zur Tafel gerufen wird, von Mitschülerinnen und Mitschülern blitzschnell im Vorübergehen Faust- oder Fußtritte erhält oder mit abwertenden Gesten und Kommentaren begleitet wird. Dies geschieht häufig aus purem Übermut, aus Langeweile oder auch aus dem Bedürfnis nach Spannungsabfuhr in einer anstrengenden Arbeitssituation. Sicherlich handelt es sich 38
hierbei um Formen des Aggressionsabbaus, aber es kommt auf die Gesamtkonstellation an, um zu entscheiden, ob inakzeptable Ausprägungen auftreten. Werden einzelne Schülerinnen und Schüler immer wieder Opfer solcher Situationen, ohne dass eine Lehrkraft die Tragweite richtig einschätzt, können hieraus ernsthafte Demütigungen und Erniedrigungen entstehen. Ebenso wie beim Raufen auf dem Schulhof ist es entscheidend, ob in der ganzen Klassengemeinschaft klare Regeln zur Verfügung stehen, nach denen dauerhaft unfaire Übergriffe zurückgewiesen werden oder nicht (Bründel und Simon 2003). Die Trieb- und Instinkttheorie erweist sich also für die Einschätzung von Ausgangssituationen, Abläufen und für die Ausrichtung von Gegenstrategien bei Gewalt an Schulen als sehr wichtig. Sie schärft den Blick für das natürliche und unausweichliche Ausagieren von Aggressionsimpulsen, macht auf die genaue und sensible Wahrnehmung und Beobachtung dieser Impulse durch Lehrkräfte aufmerksam und spricht für die Festlegung von klaren und transparenten Regeln, Grenzsetzungen und Sanktionen bei problematischen Formen der Aggressionsausübung. Zugleich macht sie auf die Notwendigkeit aufmerksam, den Schülerinnen und Schülern im Schulalltag Möglichkeiten für das Ausagieren ihrer Aggressivität einzuräumen, die weder das Unterrichtsgeschehen und das Schulleben nachhaltig stören und nicht zu einer Verletzung und Beeinträchtigung von Opfern führt, die nach unseren heutigen pädagogischen Standards nicht akzeptabel ist.
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Emotionstheorien Emotionstheorien gehen von der zentralen Annahme aus, Aggression und Gewalt ließen sich auf eine bestimmte subjektive Befindlichkeit zurückführen, die durch einen Erregungs- und Gefühlszustand gekennzeichnet ist. Die bekannteste Theorie aus dieser Tradition ist die Frustrations-Aggressions-Theorie von Dollard, Doob, Miller, Mowrer und Sears (1971). Frustration wird von ihnen definiert als ein Ereignis oder Erlebnis, das dem Erreichen eines bestimmten Ziels im Wege steht, das von einem Menschen als außerordentlich bedeutsam und wichtig angesehen wird. Je größer die subjektive Motivation, das Ziel zu erreichen, desto größer ist nach dieser Theorie die Enttäuschung, wenn durch irgendeine Form der Blockade das Ziel nicht eingelöst werden kann. Je größer und unüberwindlicher die Blokkade oder das Hemmnis, desto höher die erwartete Aggression. Auch wenn die Blockaden und Hemmnisse wiederholt auftreten, muss nach dieser Theorie eine Steigerung der Aggressionshandlung angenommen werden. Übertragen auf den schulischen Bereich erklärt diese Theorie alle Vorkommnisse, bei denen es zu physischen oder psychischen Gewalthandlungen von Schülerinnen und Schülern kommt, weil sie sich in ihrem Streben nach guten schulischen Leistungen und angemessener Anerkennung ihrer Persönlichkeit blockiert fühlen, entweder durch andere Schülerinnen und Schüler oder durch Lehrkräfte. In einem erweiterten Sinne können zu den Frustrationen auch alle Formen von negativen Emotionen, unerfreulichen Gefühlen und aversiven Ereignissen gehören, die im Unterrichtsalltag oder im Schulle40
ben auftreten. Dazu kann der Ärger über die unfreundliche Behandlung oder zu geringe Beachtung durch eine Lehrerin oder einen Lehrer gehören, der sich bei einem Schüler in einen Zustand der Erregung übersetzt und einen aggressiven Energieschub auslöst. Eine große Rolle spielen auch solche Emotionen wie Demütigung oder Scham. Sie können durch kleine Gesten der Mitschülerinnen und Mitschüler erfahren werden und den Stolz und die Selbstachtung eines Schülers beeinträchtigen, was wiederum zu einem aggressiven Energieschub führt. In allen Fällen von negativen Emotionen spielt die Beeinträchtigung oder der Verlust der Selbstkontrolle eine große vermittelnde Bedeutung. Wird durch starken Ärger oder eine heftige Demütigung das Gefühl beeinträchtigt, den Einfluss auf das eigene Handeln und die Gestaltung des Umfeldes verloren zu haben, dann ist die Gefahr von aggressiven Handlungen zum Ausgleich und als Reaktion besonders groß. Wie aus diesen Zusammenhängen klar wird, kann das Auftreten von Aggression in vielen Fällen als ein psychisches Notsignal gedeutet werden. Viele Kinder und Jugendliche möchten gern mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung erhalten und empfinden deren Ausbleiben als frustrierend. Die emotionale Reaktion kann zur Aggression führen, mittels derer in vielen Fällen tatsächlich eine größere Zuwendung und Anerkennung erreicht werden kann. Schülerinnen und Schüler mit sehr vielen Wutausbrüchen und anderen aggressiven Verhaltensformen ziehen in einem Klassenverband ja die gesamte Aufmerksamkeit der Mitschüler und der Lehrpersonen auf sich und erreichen so gesehen instrumentell ein wichtiges Ziel. Aber sie können ihren eigentlichen Bedarf an Anerkennung und Zuwendung 41
damit nicht erfüllen, was oft zu einer Verselbstständigung des instrumentellen Gewalthandelns führt. Bei anderen Mitschülern kann das aggressive Handeln völlig zu Recht als eine Provokation empfunden werden und seinerseits der Ausgangspunkt für aggressive Handlungen sein. Auf diese Weise kann sich gewissermaßen eine Gewaltspirale zwischen den Schülerinnen und Schülern aufschaukeln. Das wird auch dadurch erleichtert, dass sich aggressive Kinder und Jugendliche von anderen sehr schnell provoziert und angegriffen fühlen. Auf einer sehr niedrigen Schwelle entsteht bei ihnen das Bedürfnis, sich verteidigen oder Vergeltung ausüben zu müssen. Die Emotionstheorien liefern, wie diese Ausführungen zeigen, einen wichtigen Erklärungsbeitrag zu Ausprägungen und Erscheinungsformen von Gewalt im schulischen Raum. Sie lenken die Aufmerksamkeit auf die auslösenden Faktoren für Aggressionen und die sich hieraus ergebenden Kettenreaktionen und Aufschaukelungsmechanismen. Sie fordern insbesondere die Lehrkräfte dazu heraus, nach den eigentlichen Ausgangsfaktoren (zum Beispiel den Frustrationen) für das Auftreten von Gewalthandlungen im Unterricht und im Schulleben zu suchen. Aus diesen Theorien lässt sich ableiten, wie wichtig es für die Schülerinnen und Schüler ist, gemäß ihren fachlichen Leistungen und persönlichen Eigenschaften das richtige Ausmaß an Aufmerksamkeit und Anerkennung zu erhalten. Aus den Emotionstheorien lässt sich deswegen auf die große Bedeutung von gezielter Förderung schließen, die auf eine Anerkennung von Persönlichkeit und Leistungsfähigkeit eines Schülers oder einer Schülerin zielen.
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Lerntheorien In der Lerntheorie werden Aggression und Gewalt als angeeignete und fest verankerte Reaktionen auf erregende Ereignisse verstanden. Auch wenn Aggressivität zu einem hohen Ausmaß auf angeborene biologische oder genetische Faktoren zurückgeführt werden kann – die sichtbare Aggressionshandlung wird vor allem in den frühkindlichen Entwicklungsphasen in der Familie und in der sozialen Interaktion eingeübt und erlernt. Das Erlernen geschieht über die Beobachtung des Verhaltens der eigenen Mutter oder des eigenen Vaters und der Geschwister. An ihnen wird abgelesen, wie sie mit erregenden Ereignissen umgehen und darauf reagieren. Aggressives Verhalten eines Kindes ist im Sinne dieser Theorie häufig das Nachahmen eines sozialen Modells, das sich sehr tief und sehr früh eingeprägt hat. Beobachtete das Kind viele aggressive Handlungen von Mutter und Vater, dann steigt der Druck, dieses Verhalten auch in das eigene Repertoire zu übernehmen. Gleiches gilt dann, wenn das Kind die Aggression von Mutter und Vater im wahrsten Sinne des Wortes am eigenen Leibe erfährt. Obwohl es Opfer geworden ist, erlernt es die elementaren Umgangsmechanismen für die Lösung eines Konfliktes. Enthalten diese offene oder verdeckte Aggressionen physischer oder psychischer Art, dann prägen sie die eigenen Verhaltensweisen des Kindes. Das aggressive Verhalten anderer wird vor allem dann nachgeahmt, wenn es erfolgreich ist. Das eigene aggressive Verhalten wird wiederholt, wenn es zum Ziel geführt hat. Diese lerntheoretische Richtung, die vor allem von Bandura (1986) differenziert ausgearbeitet und in einen 43
sozialen Kontext gestellt wurde, ist für den schulischen Bereich von großer Bedeutung. In der Schule kommt es tagtäglich zu tausenden von Interaktionen, die eine Modellwirkung für andere haben. Wenn zum Beispiel Schüler in einer Klasse erleben, dass störende Mitschüler häufiger von der Lehrerin beachtet werden und mehr Aufmerksamkeit erhalten als die stillen und zurückhaltenden Schüler, dann kann das zu einer Nachahmung der aggressiven Verhaltensformen führen. Wenn die Mitschüler erleben, dass störende Schüler die anderen durch ihr Verhalten beeindrucken und auf diese Weise ein hohes Ansehen erhalten, dann ist das ebenfalls ein Grund, dasselbe störende und aggressive Verhalten zu zeigen, um ebenfalls erfolgreich zu sein. Tritt der Erfolg ein, dann wird das aggressive Verhalten wiederholt und verfestigt sich. Reagiert auch die Lehrerin oder der Lehrer mit Aggression auf die entstandene Störung, können sie das Gegenteil des Gewünschten erreichen und das Aggressionspotential der Schülerinnen und Schüler ihrer Klasse noch weiter antreiben. Denn auch ihr Verhalten ist ein Modellverhalten, mit dem sie dokumentieren, wie sie sich in einer Konfliktsituation aus der Affäre ziehen. Die Art und Weise der Reaktion der Lehrkräfte einschließlich des Stils und des Umgangstons ist aus diesem Grund von größter modellhafter Bedeutung für die Schülerinnen und Schüler. Aus der Lerntheorie lässt sich daher auf die große Bedeutung von angemessenen Sanktionen schließen. Sie müssen maßvoll und gut dosiert sein, wohl überlegt und zeitlich genau abgestimmt. Gelingt das nicht, können sie ungewollt eine negative Bekräftigung unerwünschten Verhaltens von Schülerinnen und Schülern zur Folge haben. 44
Konflikt- und Spannungstheorien Die bisher genannten drei Theorierichtungen stammen aus der psychologischen Tradition und suchen nach der Erklärung von Gewalt durch in der Person liegende Faktoren. Bei den Lerntheorien wurde bereits die soziale Umwelt als wichtige Größe mit eingeführt. Die im Folgenden vorzustellenden Theorien verstärken diese soziale Komponente, indem sie nicht nur nach Merkmalen einer Person, sondern auch nach Merkmalen der sozialen Umwelt der Person und der gesellschaftlichen Einflussfaktoren suchen, die mit Gewalt und Aggression von Menschen zusammenhängen. Die Gewalthandlungen eines individuellen Menschen werden in diesen Theorien also in Zusammenhang mit seiner sozialen Lebenssituation gebracht. Die Macht- und Einflussverhältnisse in Familie, Schule, Nachbarschaft und Freundesgruppen werden daraufhin untersucht, ob sie Auslöser für Aggressionen sein können. Eine der Theorierichtungen aus dieser soziologischen Tradition konzentriert sich auf Konflikte und Spannungen in der Gesellschaft. Nach der »Anomie-Theorie« von Merton (1957) entstehen Aggression und Gewalt, wenn die Lebensumstände einem Menschen keine Chancen zur sozialen Anerkennung, zum Erfolg und zur Integration bieten und die Gesellschaft oder das gesellschaftliche Umfeld gleichzeitig von Regellosigkeit bestimmt ist. Kinder und Jugendliche werden aggressiv, weil sie spüren, die in der »Leistungsgesellschaft« vorherrschenden Ziele durch ihre schulischen und späteren beruflichen Anstrengungen nicht einlösen zu können, obwohl sie diese Ziele intensiv anstreben. Sie leben diese Aggressionen aus, weil sie nirgendwo mehr Halt 45
finden, weder in ihrer Phantasie noch in der Wirklichkeit. Sie haben früh im Sozialisationsprozess gelernt, wie zentral schulischer Erfolg ist, doch es fehlen ihnen die geeigneten Mittel und Kompetenzen, um diesen Erfolg auch tatsächlich zu erreichen. Der ständig anhaltende Misserfolg in der Schule, die schlechten Leistungen und häufigen Klassenwiederholungen führen zu einem sozialen Gefühl der Randständigkeit und Minderwertigkeit, auf das mit aggressivem Verhalten reagiert wird. Es wird also – weil das legitime Mittel der Leistungserbringung nach schulischen Regeln nicht zur Verfügung steht – nach einem illegitimen Mittel gesucht, um das Ziel der Anerkennung und des Erfolges durch eine Ersatzhandlung zu erreichen. In dieser Ausrichtung hat die Anomie-Theorie Berührungen zur Frustrations-Aggressions-Theorie, betont aber den strukturellen sozialen Rahmen, innerhalb dessen Enttäuschungen entstehen. Die Anomie-Theorie stellt auf ein strukturelles Handlungsdilemma ab, in dem sich Menschen in solchen Situationen befinden, in denen Regeln und Normen für den Umgang miteinander und die Störung des eigenen Verhaltens diffus werden. Im Wortsinn bedeutet Anomie Regellosigkeit, bezeichnet also Situationen mit unklaren und doppelbödigen sozialen Normen, die zu Verwirrung der in diesen Strukturen handelnden Menschen führen. Aus der Anomie-Theorie ist deswegen die Forderung abzuleiten, im schulischen Raum klare, eindeutige und transparente Regeln für das MiteinanderUmgehen zu vereinbaren und konsequent umzusetzen. Gelingt es nicht, zu solchen Vereinbarungen zu kommen, die Regeln für das schulische Leben festsetzen, ist die Gefahr groß, dass sich ein Teil der Schülerinnen und Schüler in der Entfaltung ihrer Möglichkei46
ten beeinträchtigt sieht und aus dem verzweifelten Bemühen, doch dazugehören zu wollen, in einer Art Übersprungshandlung zu Aggression und Gewalt greift. Die Anomie-Theorie macht darauf aufmerksam, wie wichtig die Beseitigung von regelfreien sozialen Räumen in der Schule ist. Haben Schülerinnen und Schüler den Eindruck, es gäbe keine klaren und einklagbaren Spielregeln, dann wird diese Situation zu einem Austesten von Stärke und Macht genutzt. Soziale Systeme ohne feste Regeln fordern geradezu heraus, selbst Regeln nach eigenen Machtinteressen zu setzen. In Fortführung der Grundgedanken der AnomieTheorie gibt es andere sozial ausgerichtete Konfliktund Spannungstheorien, die für das Verständnis von Gewalt in Schulen von Bedeutung sind. Albrecht (2002, 769) weist auf die hohe Leistungsfähigkeit der »StrainTheorie« hin, die nicht nur auf die Blockierung der Zielerreichung abstellt, sondern auch auf die Unmöglichkeit, frustrierenden Erlebnissen auszuweichen. Hiermit sind zum Beispiel körperliche und psychische Verletzungen durch andere Schüler und vor allem durch Lehrkräfte gemeint, denen sich die Schülerinnen und Schüler aufgrund ihrer unterlegenen und abhängigen Lage nicht entziehen können. Einer solchen dauerhaften Verletzung des Autonomiespielraums begegnen viele Schülerinnen und Schüler durch ausweichendes Verhalten und Rückzug, andere aber durch Aggression. Welche Reaktion gewählt wird, unterscheidet sich nach dem Geschlecht und der persönlichen Prägung im Sozialisationsprozess. Die Gewalthandlung von Schülerinnen und Schülern kann in diesem Sinne als ein Versuch der Bewältigung einer strukturell aussichtslosen Situation verstanden werden, wobei nach außen, gegen andere oder gegen 47
Sachen gerichtete Coping-Strategien eingesetzt werden (Mansel und Hurrelmann 1998). Schließen sich mehrere Jugendliche zusammen, kann es zu einer regelrechten Gegenkultur zur dominanten Werte- und Normenorientierung des schulischen Systems kommen. Mehrere Schüler können sich gewissermaßen zu einer »Subkultur der Gewalt« zusammenschließen und damit ihren Protest gegenüber der Vernachlässigung ihrer Bedürfnisse und Entfaltungsmöglichkeiten im schulischen System Ausdruck geben. Sie verstehen den Zusammenschluss oft als einen Schritt zur Stabilisierung ihres Selbstwertgefühls, zur Verteidigung des Selbst und ihrer »Ehre« als autonome Persönlichkeiten.
Etikettierungs- und Definitionstheorien Alle bisher vorgestellten Theorien suchen nach ursächlichen Erklärungen, also nach einem oder mehreren auslösenden Faktoren für die Entwicklung und die Ausprägung von Aggression und Gewalt. Definitions- und Etikettierungstheorien halten diese Suche nach dem auslösenden Grund für nebensächlich. Im Vordergrund steht für sie die Frage, was eine bestimmte Handlung eines Menschen kulturell und psychisch bedeutet und welche Bewertung und Definition sie erfährt. Eine Gewalthandlung ist in diesem Verständnis eine »soziale Konstruktion«, also die Zuschreibung von bestimmten Merkmalen. Handlungen, die als störend und irritierend empfunden werden, erhalten aus diesem Grunde das Etikett »Gewalthandlung« und gewalttätig Handelnde werden entsprechend aufgrund dieser Definition diskriminiert (Peters 1995). Durch diesen Theorieansatz wird die Aufmerksam48
keit auf die Dynamik einer einmal in Gang gekommenen Gewalthandlung gerichtet. Die Theorie weist daraufhin, wie schnell sich eine Rolle als »Aggressor« in einer sozialen Gruppe, etwa einer Schulklasse, verselbstständigen und verfestigen kann. Der Schüler, der ein- oder zweimal eine aggressive Handlung gezeigt und hiermit zum Beispiel einen Aufmerksamkeitserfolg erzielt hat, wird fortan von den anderen Kindern als der »Aggressive« wahrgenommen. Lehrerinnen und Lehrer reagieren oft genauso und kleben damit diesem Schüler gewissermaßen ein soziales Etikett auf. Ohne nach den Ursachen zu fragen, können damit soziale Vorurteile gegenüber einem Schüler entstehen, die ihm keine Gelegenheit geben, sich aus der Rolle zu befreien. Durch die stereotype Reaktion der Umwelt wird der »Aggressor« quasi an seine Rolle gefesselt und sozial gezwungen, diese fortzuführen. Für die pädagogische Interaktion in Schulen ist diese Theorie von großer Bedeutung. Abstempelungs- und Stigmatisierungsprozesse können in großen Gruppen sehr schnell dazu führen, dass einzelne Schülerinnen und Schüler in eine abweichende Rolle gedrängt werden und ihr Selbstkonzept und ihr Selbstbild hierauf ausrichten. Dieser Prozess der Selbstzuschreibung aufgrund einer stereotypen Fremdzuschreibung gilt sowohl für Täter als auch für Opfer. Bei den Opfern von Gewalthandlungen kann es langfristig zu großem Leiden führen, immer wieder erniedrigt und denunziert zu werden, sodass als Konsequenz hieraus eine zurückgezogene und ängstliche Opferrolle auch tatsächlich angenommen wird. Die erfahrene Gewalt hat in diesem Falle gewissermaßen den Charakter einer Degradierungszeremonie, durch die ein Schüler so stark stigmatisiert werden kann, dass er zu einem Außenseiter der Klasse wird. 49
Soziale Kontrolltheorien Als letztes Beispiel für theoretische Ansätze des Verständnisses von Aggression und Gewalt soll auf Theorien der sozialen Kontrolle eingegangen werden. Diese Theorien fragen danach, wie die geschilderten Prozesse der Stigmatisierung mit der Verfestigung von Verhaltensweisen durch spezielle Gegenstrategien unterbrochen oder aufgelöst werden können. Den Schwerpunkt legen diese Theorien auf soziale Bindungen und Gegenreaktionen gegen aggressives Verhalten. Je stärker die soziale und psychische Bindung an eine andere Person ist, desto geringer ist die Neigung, ein problematisches Verhalten zu zeigen. Schülerinnen und Schüler, die sich sehr stark mit ihren Lehrkräften identifizieren, sind aus diesem Grunde weniger in Gefahr, zu Gewalthandlungen im schulischen Raum zu greifen als andere. Sie haben sich meist zusätzlich auf die übergeordnete soziale Zielsetzung eingelassen, die durch die Lehrkräfte repräsentiert wird, nämlich eine individuelle Arbeitshaltung, die zu bestimmten Leistungsergebnissen führt. Durch diese Verpflichtung auf eine bestimmte Zielsetzung sind sie vor abweichenden Verhaltensweisen vergleichsweise geschützt und können sich auch gegen Versuche erfolgreich wehren, durch Mitschülerinnen und Mitschüler von ihrem Verhaltensweg abgebracht zu werden. Zugespitzt geht diese Theorie von der These aus: Je stärker die sozialen Bindungen innerhalb eines sozialen Systems und die Identifizierung mit der Organisation und ihren Zielen, desto geringer ist das Ausmaß von Angriffen gegen die Ordnung dieses sozialen Systems, also auch das Ausmaß von Aggression und Gewalt ge50
genüber Mitschülern oder gegenüber Lehrern. Die Konsequenz aus dieser theoretischen Denkrichtung ist, über feste Einbindungen und zuverlässige Interaktionen zwischen Schülern und Lehrern und innerhalb der Schülerschaft nachzudenken und die Bindung der Schülerinnen und Schüler an die schulische Organisation durch Mitspracherechte und Mitbestimmung über die wichtigsten Umgangsformen zu stärken. Ebenfalls lässt sich aus der sozialen Kontrolltheorie der hohe und identitätsstiftende Stellenwert ablesen, den Schulprofile für Schulen haben können. Wenn Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler sich mit ihrer Schule identifizieren und stolz darauf sind, in dieser und keiner anderen Schule zu lehren und zu lernen, dann kann das wie ein Schutzschild wirken, der gewalttätiges Verhalten verhindert. Je stärker eine Schule, repräsentiert durch die Lehrkräfte, ihren eigenen Verhaltenskodex befürwortet und dafür sorgt, dass er allen Schülerinnen und Schülern tagtäglich präsent ist, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit der Verletzung dieses Kodexes durch einzelne Schülerinnen oder Schüler in Form von Gewalthandlungen. Der Kerngedanke dieser Theorie wird auch in soziologischen Individualisierungs- und Desintegrationstheorien aufgenommen. Diese Theorien machen auf die Schwierigkeit aufmerksam, in den heute sehr offenen Gesellschaften mit ihrem Abbau von traditionellen Herkunfts-, Geschlechts- und Altersrollen noch verbindliche Verhaltensmuster und Umgangsstandards durchzusetzen und in der persönlichen Selbststeuerung zu verankern. Nach Beck (1994) hat die Befreiung von traditionellen regulativen Verhaltensmustern den Verlust kollektiver Gefühle und Deutungsmuster zur Folge gehabt, sodass heute die gesamte Lebensgestaltung einschließlich der Versagenserlebnisse individuell verant51
wortet und bewältigt werden muss. Hierdurch wächst in einem sozialen System wie der Schule die Gefahr der sozialen Desintegration, weil traditionelle Muster von Normen und Sanktionen (wie etwa die körperliche Züchtigung, die formale Ehrerbietung der Autorität der Lehrkraft gegenüber) nicht mehr selbstverständlich sind. In Fortsetzung der Anomie-Theorie geht diese Theorie davon aus, die mangelnden Integrationsleistungen moderner Gesellschaften seien zwangsläufig und übertrügen sich auch auf die sozialen Teilsysteme wie etwa die Schule. Umso wichtiger sind nach dieser Theorie alle Bemühungen, zu neuen Formen der Anerkennung von Positionen (etwa der Lehrerrolle), neuen Formen der Teilnahmechancen mit einer Sicherung von Gleichwertigkeit und Gerechtigkeit und neuen Formen der Sicherung der Identität und der persönlichen Anerkennung der Organisationsmitglieder zu kommen (Heitmeyer und Hagan 2002). Gelingt dieser Prozess der Verstärkung der Systemintegration nicht, kommt es zu Erfahrungen der sozialen Verunsicherung, gewissermaßen »Desintegrationsängsten«, mit der Folge von Gefährdung der eigenen Position und der Labilisierung der sozialen Anerkennung in der Schule, die zu Rückzugsverhalten, Ausweichverhalten oder eben auch Aggressionsverhalten führen kann.
Fazit Wie dieser kurze Durchgang durch einige psychologische und soziologische Theorien von Aggression und Gewalt gezeigt hat, suchen sich die einzelnen Ansätze verschiedene Ausgangspunkte und betonen in unterschiedlicher Weise vor allem die Bedeutung von Per52
sönlichkeitseigenschaften und gesellschaftlichen Merkmalen. Ziehen wir alle Theorien zusammen, ergeben sie einen in sich sehr stimmigen und gegenseitig ergänzenden Ansatz. Man kann nicht sagen, eine einzelne dieser Theorien sei richtig oder falsch zur Erklärung von Aggression und Gewalt oder zum Verständnis der Entwicklung dieser Phänomene. Vielmehr ist eine Heranziehung einer einzelnen Theorie dann zu wünschen, wenn es sich um spezifische Fragen handelt, die zu klären sind. Die Analyse gewalttätiger Handlungen macht deutlich, es gibt nicht »die« Bedingung als Ursache einer Gewalttätigkeit, sondern meist eine bestimmte Konstellation von Persönlichkeitsmerkmalen, Umweltgegebenheiten und spezifischen Anlässen. Wo Gewalt entsteht – die Rolle von Familie, Gleichaltrigengruppe und Medien Gewalt und Aggressionen haben sowohl individuelle, in der Persönlichkeit verankerte, als auch gesellschaftliche, in den kulturellen und wirtschaftlichen Strukturen angesiedelte Ursachen. Aggressive und gewalttätige Kinder und Jugendliche werden nicht als solche geboren, sondern im Laufe ihrer Lebens- und Entwicklungsgeschichte durch die Einflüsse ihrer sozialen Umwelt zu solchen gemacht. Sie lernen durch Vorbilder in Familie, Kindergarten, Jugendgruppe, Freizeit, Medien und Nachbarschaft und geben in ihrem Verhalten das weiter, was sie selbst erfahren haben. Insofern hat Gewalt von Schülerinnen und Schülern Ursachen, die nur zu einem Teil direkt auf schulische Bedingungen zurückzuführen sind. Viele Komponenten aggressiven Verhaltens in Unterricht und Schulleben werden von den Schülerinnen und 53
Schülern in die Schule »mitgebracht«, also gewissermaßen aus anderen sozialen Systemen, nämlich Familie, Gleichaltrigengruppe und Medienbereich, ins Umfeld der Schule »importiert«.
Gewalt in der Familie Es ist heute unumstritten, dass Ursachen für aggressives und delinquentes Verhalten von Kindern und Jugendlichen in die frühe Kindheit zurückreichen (Lehmkuhl 2003). In Familien kommt es zu sehr intensiven und engen Beziehungen und deshalb zwangsläufig auch zu starken Ausprägungen von Aggression und Gewalt. In diesem wohl intimsten Bereich der Gesellschaft werden auch im 21sten Jahrhundert Kinder von ihren Eltern körperlich »gezüchtigt« und psychisch drangsaliert und erlernen auf diesem Wege unfreiwillig, wie Aggressionen zu einer selbstverständlichen Erscheinungsform im täglichen Zusammenleben gehören. Historisch gesehen sind die Familien wegen ihrer Zurückgezogenheit und geschützten Privatsphäre wahrscheinlich die letzten Bastionen der direkt ausgeübten körperlichen Gewalt. In den öffentlichen Erziehungsund Bildungseinrichtungen, insbesondere Kindergärten und Schulen, ist den Berufspädagoginnen und Berufspädagogen die körperliche Züchtigung, die Ausübung von physischer Gewalt im engeren Sinne per Gesetz verboten und faktisch auf ein sehr geringes Ausmaß geschrumpft. Eltern aber war es bis vor wenigen Jahren nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch Deutschlands gestattet, ein körperliches Züchtigungsrecht nach ihrem eigenen Gusto anzuwenden. Erst durch eine Präzisierung des Paragraphen 1631 BGB im Jahre 2000 ist nun 54
auch Eltern und anderen Erziehungsberechtigten im privaten Bereich der Einsatz von entwürdigenden Erziehungsmethoden untersagt (»Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig«). Die neue Gesetzeslage hat erfreulicherweise auch stark dazu beigetragen, die öffentliche Wahrnehmung von Gewalthandlungen in Familien ganz allgemein zu schärfen (Peschel-Gutzeit 2003).
Physische und psychische Gewalt von Eltern gegen Kinder Nach den vorliegenden Studien befürworten und praktizieren heute noch etwa 10 % der Eltern eine »Tracht Prügel« als ein angemessenes Erziehungsmittel, weitere etwa 40 % wenden andere Formen der physischen Gewalt wie etwa Schläge und Ohrfeigen an. Nach unserer Einschätzung muss mindestens mit einem Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland gerechnet werden, die wiederholt oder sogar dauerhaft unter schweren physischen Gewaltübergriffen ihrer Eltern zu leiden haben. Das Ausmaß von psychischer und verbaler Gewalt und von Kombinationsformen mit physischer Gewalt ist schwer abzuschätzen, weil hierzu nur wenige methodisch abgesicherte Studien vorliegen. Brettfeld und Wetzeis (2003) sind in Befragungen von Kindern und Jugendlichen aus verschiedenen Großstädten zu folgenden Ergebnissen gekommen: 13 % der Jugendlichen gaben an, von ihren Eltern in der Kindheit körperlich schwer gezüchtigt worden zu sein. In Familien mit hoher Arbeitslosigkeit, in denen die Eltern Sozialhilfe55
empfänger sind und mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, ist die innerfamiliäre Gewalt besonders hoch (Brettfeld und Wetzeis 2003, 98). Essau und Conrad (2004) zählen weitere Faktoren auf, die Gewaltausübung in der Familie begünstigen: Junge und/oder unverheiratete Mütter im Teenageralter, alleinerziehende Eltern, Eltern mit psychischen Störungen, Alkoholismus und Drogenabhängigkeit gehören demnach besonders häufig zu den »Tätern«. Auch wenn Eltern heute im Gegensatz zu früher eine andere Einstellung zu Kindern haben, sie überwiegend als eigenständige Persönlichkeiten wahrnehmen und sie auch in ihrer Selbstständigkeit unterstützen wollen, so fällt es ihnen jedoch immer noch schwer, diese Einstellung zum Kind in der alltäglichen Realität des Umgangs miteinander auch tatsächlich umzusetzen. Kommt es zu Spannungen und Konflikten, reagieren sie – oft entgegen ihren eigenen Maximen – mit physischen und psychischen Formen von Gewalt. Viele Eltern zwingen sich vernunftsmäßig, körperliche Gewaltformen zu unterdrükken, verfügen aber oft nicht über adäquate Alternativen, um den Kindern gegenüber ihren Regelungsanspruch und ihre Autorität als Mutter oder Vater durchzusetzen. Ebenso wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen ist auch in Familien eine Verschiebung von physischen Gewaltformen hin zu psychischen und verbalen Formen charakteristisch. Psychische Gewalt von Eltern kann häufig versteckt und verdeckt ablaufen und ist daher für die Umwelt noch schwerer wahrzunehmen als physische Gewalt. Die schädigenden Auswirkungen für die persönliche Integrität und das Selbstvertrauen von Kindern und Jugendlichen können mindestens so gravierend sein wie die von körperlichen Formen der Gewaltausübung. Ebenfalls stark verbreitet sind Formen der sexuellen 56
Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, die zum größten Teil von den Eltern oder engen Verwandten ausgeübt werden. Dauerhafte, intensive und wiederholte Übergriffe dürften bei ein bis zwei Prozent der Kinder und Jugendlichen zu verzeichnen sein. Hierbei handelt es sich um einen sexuell geprägten oder direkt sexuellen Kontakt zwischen einem körperlich, psychisch und sozial meist noch nicht voll entwickelten Kind oder Jugendlichen und einem Erwachsenen, der die Handlung ausschließlich zu seiner eigenen Bedürfnisbefriedigung ausführt. In vielen Fällen wird der sexuelle Kontakt durch Zwang, Drohung oder Täuschung erreicht, was möglich ist, weil das Kind auf Grund seines Alters und Entwicklungsstandes nicht in der Lage ist, frei über Aufnahme und Gestaltung des Umgangs zu entscheiden. Sexuelle Gewalt (oft auch als »sexueller Missbrauch« bezeichnet) umfasst alle Geschehnisse, die gegen die sexuelle Selbstbestimmung eines Kindes oder Jugendlichen verstoßen (Deegener 2005). Der Ratgeber des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend »Mutig fragen – besonnen handeln« geht von jährlich etwa 15.000 Fällen von sexuellem Missbrauch an Kindern aus. Fassen wir alle Studien zusammen, dann sind es nach unserer Schätzung drei Prozent der Kinder und Jugendlichen, die von schweren, regelmäßigen, wiederholten oder sogar dauerhaften Formen der sexuellen Gewalt betroffen sind. Zusammen mit den schweren körperlichen Übergriffen kämen wir also auf einen Größenwert von etwa 16 % der Kinder und Jugendlichen, die unter Schwerstformen von Gewalt zu leiden haben.
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Die Ursachen von Gewalt in Familien Die meisten Ausprägungen von physischer und psychischer (einschließlich sexueller) Aggression und Gewalt von Eltern gegen ihre Kinder sind auf Störungen der Beziehungen der Familienmitglieder untereinander zurückzuführen (Deegener 2002). Familien sind soziale Systeme mit sehr dichten persönlichen Bindungen und ungewöhnlich starken emotionalen Kontakten. Gewalt wird nicht selten im Namen der Liebe ausgeübt. Je intensiver Liebe gefühlt wird, desto mehr tendiert sie dahin, vom anderen Besitz ergreifen zu wollen und desto näher rückt sie der Macht- und Gewaltausübung. Kommt es zu Interessenskonflikten und Auseinandersetzungen, können diese sich deswegen umso heftiger in Enttäuschungen, Zurücksetzungen und eben auch Aggression und Gewalt entladen. In familiären Spannungssituationen, die zu großen psychischen und sozialen Belastungen der Beziehung führen, wird der Druck meist an das schwächste Mitglied des sozialen Systems Familie weitergegeben, nämlich das Kind. Die Gewalt wird dabei als ein instrumentelles Mittel eingesetzt, um die Kontrolle über die Aufrechterhaltung der Beziehung zu sichern oder wiederzuerlangen. Erfahren Kinder Gewalt, ist der tiefere Grund also oft eine gestörte Beziehungsdynamik zwischen den Eltern, die auf die Kinder projiziert wird (Essau und Conrad 2004). Das Kind erlebt aggressive und gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen seinen Eltern und gleichzeitig unkontrolliertes und unberechenbares Erziehungsverhalten ihm selbst gegenüber. Geraten die Kinder selbst in Belastungssituationen außerhalb dieser Familienkonstellation, reagieren sie mit den ihnen zur 58
Verfügung stehenden Mitteln und greifen auf die aggressiven und gewalttätigen Muster zurück, die sie sich angeeignet haben. »Wer geschlagen wird, der schlägt irgendwann zurück« (Deegener 2002, 51). Das trifft ganz besonders auf Kinder und Jugendliche türkischer Herkunft zu, die in ihren Familien ein hohes Maß an Gewalt erfahren. Mayer, Fuhrer und Uslucan (2005) untersuchten die intergenerationalen Transmissionen von Gewalt in türkischen Familien und konnten diese über drei Generationen nachweisen. Alle einschlägigen Untersuchungen belegen die These: Wer durch seine Eltern massive Schläge und Misshandlungen erlebt hat, wird später mit größerer Wahrscheinlichkeit selbst gewalttätig (Pfeiffer und Wetzeis 1999a, b). Zu den drei großen Risikofaktoren zählen die Autoren gravierende soziale Benachteiligungen, schlechte Zukunftschancen sowie die Erfahrung innerfamiliärer Gewalt. In einer repräsentativen Befragung von 16.000 Jugendlichen treten unter den Opfern innerfamiliärer Gewalt besonders die türkischen Jugendlichen hervor, die vor allen anderen ausländischen, deutschen und Aussiedler-Jugendlichen mit 30 % an der Spitze der häuslichen Gewaltbelastung liegen (Pfeiffer und Wetzeis 2000). Je höher die Intensität und die Dauer der erlittenen Gewalt ausfallen, desto größer die eigene Gewaltbereitschaft und desto häufiger die Gewaltausübung von Jugendlichen.
Gewalt in Gleichaltrigengruppen und Medien In der Lebensphase Kindheit ist die Familie nach wie vor die dominierende Sozialisationsinstanz, obwohl sie auch hier Konkurrenz vor allem durch die Medienange59
bote und schulischen Bildungseinrichtungen erhält. Mit dem immer früher erfolgenden Eintritt in das Jugendund Erwachsenenalter aber relativiert sich die sozialisatorische Rolle der Eltern, denn die Kinder und Jugendlichen beginnen mit dem entwicklungsgemäß normalen und gesunden Ablösungsprozess vom Elternhaus. Neben der Familie wird jetzt die Gleichaltrigengruppe zu einer mächtigen Sozialisationsinstanz, die großen Einfluss auf die Verhaltensweisen der Jungen und Mädchen nimmt. Gleichaltrigengruppen sind die wichtigste Gesellungsform für Jugendliche, um den Freizeitbereich zu erschließen. Sie sind dadurch charakterisiert, ihren Mitgliedern vollwertige Teilnahmechancen zu gewähren und damit außerhalb des Einzugsbereichs von Erziehungsberechtigten in Familien und Schulen Selbstbestimmung zu ermöglichen. Das Spektrum der Formen von Gleichaltrigengruppen reicht von spontan entstehenden Gruppierungen über dauerhafte Cliquen bis hin zu festen sozialen Gefügen und regelrechten Jugendbanden. Ähnlich wie die Sozialisationsinstanz Familie stellt damit die Gleichaltrigengruppe Übungs- und Trainingsräume für das alltägliche Sozialleben dar. Typisch für das beginnende Jugendalter um die Pubertät herum ist der Bedarf an Abenteuer und Grenzüberschreitung, an Ausleben des Spieltriebes, an Spontaneität und auch gesunder Aggressivität sehr hoch, um Nervenkitzel und Risiko zu erleben (Raithel 2001). In Gleichaltrigengruppen erfahren Jugendliche genau das, was sie suchen, nämlich Spaß, »Action« und ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das einhergehen kann mit dem Aufbau eines Feindbildes in Bezug auf andere Gruppen. Sie treiben ein riskantes »Spiel mit der Gewalt«, lieben das gewaltaffine Risikoverhalten und steigern sich dabei in ein Höchstmaß an Erregung (Herrmann und Claves 2001, 60
301). Die Kontrollmöglichkeiten von Außenstehenden sind gering, weshalb Gewalthandlungen verschiedenster Art oft »geheim« bleiben und Opfer über einen langen Zeitraum in Gewalthandlungen verstricken können. Umgekehrt bieten Gleichaltrigengruppen natürlich auch ein Forum für Gewalttäter, die ihre zentrale Position im Machtgefüge der Gruppe durch Aggressionshandlungen für einen langen Zeitraum stabilisieren können. Der größte Anteil von Aggression und Gewalt im Jugendalter wird über Gruppen, Cliquen, Gangs und Banden ausgeführt. Viele Gleichaltrigengruppen haben – wie in der Kontrolltheorie beschrieben – ihre eigenen sozialen Umgangsformen und Spielregeln und bilden eine Art Subkultur mit Mustern von Werten, Normen und Verhaltensweisen, die von der vorherrschenden Kultur der Umwelt abweichen. Manche Jugendgruppen stilisieren Gewalt als Gegenposition zur Gesamtkultur und entwickeln ritualisierte Verhaltensformen, die sowohl im Inneren der Gruppe als auch nach außen hin um Aggression herum aufgebaut sind. Um die Gruppendynamik zu stärken und gleichzeitig die Unterscheidung zu anderen Gruppen zu betonen, sind dabei auffällige und provokative, teilweise auch ideologische Rechtfertigungen willkommen. In rechtsextremistisch orientierten Jugendgruppen werden vor allem physische Gewalt als Ausdruck von (meist männlicher) Stärke und Überlegenheit propagiert, fremden- und ethnienfeindliche Gewalt als Instrument der Dokumentation einer »angeborenen« Überlegenheit, die sich nicht selten auch gegen das weibliche Geschlecht richtet. In den meisten Gruppen mit diesem Zuschnitt herrscht eine strenge Hierarchie mit einem hohen Anpassungsdruck und intensiver Kontrolle. Sie bieten ihren Mitgliedern ein willkommenes Forum, um Zugehö61
rigkeit, Anerkennung und Aufmerksamkeit zu erhalten. Die Angehörigen der Gruppen machen die Erfahrung, gemeinsam stark und erfolgreich zu sein. Um den Gruppenzusammenhang immer wieder aufs Neue zu festigen und zu erleben, bedarf es permanenter Aktionen und gemeinsamen Handelns. Die gemeinsame Aktion, etwa eine Attacke gegen andere Jugendliche oder gegen Angehörige anderer Ethnien, bedeuten für die Gruppen Sensation und Nervenkitzel und ermöglichen es, die Erfolglosigkeit ihres bisherigen Lebens zu durchbrechen. Attraktiv sind diese Gruppen besonders für Jugendliche, die in anderen Lebensfeldern, insbesondere der Schule, keinen Erfolg erzielen und keine Anerkennung gewinnen können. Das in den letzten Jahren deutlich gestiegene Interesse der Medien, über die »Taten« von gewalttätigen (insbesondere rechtsextremistischen) Jugendbanden zu berichten, hat die instrumentelle Bedeutung der Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppe noch erhöht und diese Gruppen für viele Jugendliche zusätzlich interessant gemacht. Plötzlich werden sie, die sie bisher kaum irgendwo eine Rolle spielten und keine gesellschaftlichen Spuren hinterlassen konnten, in der Öffentlichkeit beachtet und stehen im Zentrum einer landesweiten Berichterstattung. Sie erleben, dass ihr eigenes Handeln eine große öffentliche Aufmerksamkeit erzielt hat.
Gewaltdarstellungen in den Medien Kinder und Jugendliche haben altersgemäß ein besonderes Bedürfnis nach Stimulierung aller ihrer Sinne. Der Konsum von Medien kommt diesem Bedürfnis entgegen, wobei die verschiedenen Formen der Darstellungen 62
von Aggression und Gewalt, Horror und Angst, aber auch von Sexualität, einen besonderen Reiz ausüben. Immer mehr Kinder und Jugendliche verlieren dabei die Kontrolle über ihr Verhalten, steigern sich in rauschhafte Formen des Medienkonsums hinein und sind nach den vorliegenden Studien in diesem Sinne »mediensüchtig«. Sie verbringen deutlich mehr als die durchschnittlichen eineinhalb bis zwei Stunden täglich vor Fernseher und Computer. Die zeitliche Intensität des Medienkonsums prägt Einstellungen und Verhaltensweisen (Lukesch 2002, 643). Sind Aggressionsdarstellungen verschiedenster Art Bestandteil der konsumierten Medieninhalte, dann wird das Risiko für die Steigerung von Aggressivität besonders groß. Als wichtige Rahmenbedingung kommt die Familiensituation ins Spiel. Findet auch im familialen Leben Aggression und Gewalt statt, sind die Familienstrukturen schwach und gemeinsame Aktivitäten mit einem festen Tagesrhythmus selten, dann kann der Medienkonsum zu einem direkten Stimulator von Aggression und Gewalt von Kindern und Jugendlichen werden. In diesem Fall treten die medialen Inhalte direkt als prägende soziale Bilder und Muster auf, sie bestimmen das Menschen- und Weltbild der Kinder und Jugendlichen mit entsprechenden Normen, Werten und Rollenbildern. Es ist daher nicht überraschend, wie eng der Zusammenhang zwischen Aggressionshandlungen von Kindern und Jugendlichen und dem Konsum von gewalthaltigen Darstellungen in Medien (Weiß 2000, 22) ist. In dem Maße, wie das Elternhaus als Orientierungs- und Kommunikationsraum ausfällt, wird die Medienwelt zur zentralen Orientierung, gewissermaßen zur »Ersatzfamilie«. Je schwächer die Sozialisationsinstanz Familie wird, desto stärker wird die Sozialisationsinstanz Me63
dien.
Das Risiko der Intensivnutzer Bei den 10 bis 15 Prozent Intensivnutzern von Medien dürfte etwa die Hälfte auch Konsument von Gewaltdarstellungen sein. Auf diese Weise werden extreme Ereignisse wie Überfall, Raub, Totschlag, Mord und Vergewaltigung zur täglichen Erfahrung und zur medialen Gewohnheit. Für die jugendlichen Konsumenten vermischen sich oft die Grenzen zwischen Fiktion und Realität. Computerspiele vom Typ der »Killerspiele« legen es geradezu auf diese Vermischung an, indem sie fiktive Gewalthandlungen anbieten, über die der Nutzer – fiktiv am Bildschirm – andere peinigen und töten kann. Kriegsspiele suggerieren Formen von Gewalt, die notwendig, sauber und patriotisch erscheinen. Sie provozieren eine Spielart von Männlichkeit und Heldentum, die viele Jungen und junge Männer fasziniert. Eine kleinere Gruppe von ihnen, die sich fast ausschließlich auf Gewaltspiele konzentriert, kann oft zwischen Realität und Fiktion nicht mehr unterscheiden. Bei ihnen erfüllen die Gewaltdarstellungen in einer schon fast pathologischen Form den Bedarf nicht nur nach Erlebnissen, sondern nach Erfolg und Stärke, der auf eine andere Weise im alltäglichen Leben nicht mehr befriedigt werden kann. Unter den unterschiedlichen Medien ragen die gewalthaltigen Computerspiele heraus, da sie mehr noch als alle anderen von Kindern und Jugendlichen gespielt werden. Computerspiele sind nach Weiß (2000, 145) deshalb so attraktiv, weil sie »die virtuelle Welt zur beherrschbaren Lebenswelt« machen. Zentrales Ergebnis der Bochumer Studie ist, dass gewalthaltige Compu64
terspiele bei Kindern und Jugendlichen zu einer reduzierten Mitleidfähigkeit und emotionalen Abstumpfung und geringeren Betroffenheit führen (Trudewind und Stöckl 2000). Hopf (2001a, 438) betont den Zusammenhang zwischen Mediengewaltkonsum, Aggressivität und Gewalttätigkeit, die nicht nur in repräsentativen Studien, sondern auch in Einzelfalluntersuchungen belegt worden seien. Dieser Zusammenhang kann durch die Wechselwirkung dreier – in sich noch einmal komplexer – Faktoren erklärt werden: durch die Mediengewaltdarstellungen, die Persönlichkeit des Rezipienten und die Umgebungsbedingungen (Lukesch 2002). Auch Kristen (2005) kommt zu dem Ergebnis, dass die Vorliebe für gewalthaltige Computerspiele nicht der alleinige und auch nicht der bedeutende Risikofaktor für gewalthaltiges Handeln ist, sondern dass dieses nur unter Beachtung komplexer dynamischer Wirkungszusammenhänge erklärt werden kann. Die Medienwirkungsforschung zeigt deutlich: Es besteht zwar kein mechanischer Zusammenhang zwischen einer gewalthaltigen Medienbotschaft und dem Gewalthandeln der konsumierenden Kinder und Jugendlichen, aber Gewaltdarstellungen im Fernsehen, Video oder Computerspiel gehen mit einem Wirkungsrisiko einher, das besonders bei denjenigen Jugendlichen groß ist, die eigene Gewalterfahrungen erlebt haben und förmlich süchtig nach dem Konsum von und der Beschäftigung mit gewaltaffinen Inhalten sind (Weiß 2000, 146). Ein wichtiger Faktor ist die Persönlichkeit des nutzenden Kindes und Jugendlichen nach Alter, Geschlecht, Intelligenz, sozialer Kompetenz, Persönlichkeitsmerkmalen und insbesondere auch schon vorhandener Störungen in der Entwicklung einschließlich aggressiver Neigungen. Der dritte wichtige Faktor ist die Situation, der Kontext, 65
innerhalb dessen die Gewaltbotschaft konsumiert wird. Hier spielt eine Rolle, ob der Konsum allein, in Gruppen von Gleichaltrigen oder Freunden oder mit den Eltern erfolgt. Wichtig ist auch die Bedeutung, die Gewalthandlungen im Umfeld zugeschrieben werden. Werden sie dort gewürdigt und unterstützt, kann die Gewaltbotschaft eine entsprechende stärkere Wirkung entfalten als in einem ablehnenden oder desinteressierten Umfeld. Nach Lukesch (2002, 660) liegt der Schlüssel zur Beantwortung der Frage, ob und wie gewalthaltige Medien wirken, in der individuellen Lerngeschichte, die der Einzelne in seiner Familie oder in seinem Freundeskreis erfährt.
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2. Kapitel Die Schule als Forum für Gewaltausübung
Die Verbreitung von Aggression und Gewalt an Schulen Gewalt im Kontext der Schule umfasst im Bereich der individuellen Formen physische, psychische, sexuelle, geschlechterfeindliche und fremdenfeindliche Gewalt. Daneben gibt es Formen der institutionellen Gewalt, die sich vor allem in physischen und psychischen Aggressionshandlungen von Lehrkräften ausdrücken. Diese Gewaltform kann aber auch von der Schülerschaft ausgehen, etwa in Gestalt von Disziplinstörungen im Unterricht, die manchmal so heftig sind, dass Lehrerinnen und Lehrer ihre Arbeit nicht wie geplant durchführen können (Kassis 2002). Da Disziplinstörungen im Empfinden von Lehrkräften eine so starke Rolle spielen, werden sie hier als eine Form der »kollektiven« Gewalt mit erörtert.
Physische Gewalt in Schulen Physische Gewalt ist auch heute in den Schulen die vorherrschende Gewaltform. Die wichtigsten Ausprägungen sind Körperverletzungen, Erpressungen und Sachbeschädigungen (»Vandalismus«) (Klewin und Popp 2000). In ihrer gemäßigten Form handelt es sich 67
um Treten und Schubsen, in ihrer härteren und härtesten Ausdrucksweise um Raufereien und Schlägereien in eskalierender Form, bis hin zu Würgegriffen und Faustund Handkantenschlägen. Die häufigsten körperlichen Gewalthandlungen ereignen sich auf dem Schulhof und auf dem Schulweg, an Bushaltestellen und Bahnsteigen, aber auch innerhalb des Schulgebäudes, auf den Schülertoiletten, in den Korridoren der Schule und in den kleinen Pausen im Klassenzimmer (Sprague und Walker 2005). Körperliche Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Schülern, die häufig als »Spaßkämpfchen« initiiert werden, enden manchmal in brutalen Konfrontationen. Auch Diebstähle, Raub und Erpressung von wertvollen Kleidungs- und Schmuckstücken kommen auf dem Schulgelände, wenn auch seltener, vor. Schulleiterinnen und Schulleiter berichten davon, dass Waffen wie Schreckschusspistolen, Reizgas, Messer und Schlagringe mit in die Schule gebracht werden. Werden die Schüler gefragt, warum sie solche Waffen mit in die Schule nehmen, bagatellisieren und verharmlosen sie dies. Eine gängige Entschuldigung vieler Jugendlicher ist, dass sie eine Waffe nur zu ihrem Schutz mit in die Schule bringen würden. Die meisten behaupten, sie würden sie nicht einsetzen oder damit bewusst Andere in Angst und Schrecken versetzen. Viele Lehrerinnen und Lehrer ebenso wie Schülerinnen und Schüler haben aber Angst, Opfer von Gewalt in der Schule zu werden, in denen Waffen stark verbreitet sind. Die meisten empirischen Untersuchungen zur Gewalt an Schulen zeigen Unterschiede der Wahrnehmung von Gewalt und der Interpretation von Gewalthandlungen zwischen Lehrern und Schülern. Schulleiter und Lehrkräfte schätzen das Ausmaß an Gewalt höher ein als die 68
Schüler selbst. Die sensibelste Wahrnehmung stammt von den weiblichen Lehrkräften (Forschungsgruppe Schulevaluation 1998; Tillmann 2000; Tillmann, Holler-Nowitzki, Holtappels, Meier und Popp 2000, 86). Der Grund für diesen Unterschied könnte in der Wahrnehmung der psychischen und verbalen Gewalt liegen. Während Lehrkräfte und Schulleiter auch die psychische Gewalt uneingeschränkt in ihre Definitionen und Wahrnehmungen mit einbeziehen, verharmlosen Schülerinnen und Schüler diese Gewaltform eher oder übersehen sie sogar. Gewalt in der Schule besteht für sie im Wesentlichen aus physischer Gewalt gegen Personen und Sachen (Klewin und Popp 2000). Selbst diese körperliche Aggression wird von ihnen, insbesondere von den männlichen Schülern, nicht als besonders bemerkenswert und problematisch, sondern als unvermeidlich und selbstverständlich eingestuft (Melzer, Schubarth und Ehninger 2004). Unter Schülerinnen allerdings werden physische Gewaltformen in letzter Zeit doch häufiger kritisch erwähnt und zunehmend abgelehnt. Allgemein kann man sagen: Je öfter Schülerinnen und Schüler an bestimmten Gewalthandlungen selbst beteiligt sind, desto mehr bezeichnen sie genau diese Formen auch als harmlos und halten sie für unproblematisch im schulischen Alltag. In allen Untersuchungen zum Ausmaß der körperlichen Gewalt an Schulen wird deutlich, dass es sich nur um relativ wenige Schüler handelt, die extrem gewaltbereit und aggressiv sind (Tillmann 2000; Schubarth 2000; Melzer, Schubarth und Ehninger 2004). Nach Grundmann und Pfaff (2000) ist es eine Minderheit von etwa 6 %, die wiederholt durch Raufereien und Schlägereien auffällt. Eine weitere Gruppe von 28 % der Schülerschaft gibt gelegentliche und leichtere Gewalthandlungen an. Die große 69
Mehrheit fällt in der Schule nicht als gewalttätig auf. Die Schülerinnen und Schüler selbst geben an, nicht in erster Linie in der Schule, sondern vielmehr auf öffentlichen Plätzen und Straßen und in Verkehrsmitteln mit Gewalt konfrontiert zu werden. Gefragt nach ihren Ängsten, scheinen sie mehr die Aggression von Cliquen gegenüber einzelnen Opfern zu fürchten als die Gefahr, in der Schule attackiert zu werden. Bei den jüngeren Schülern ändert sich das Bild aber zusehends. Sie äußern die Sorge, von älteren Schülern angegriffen zu werden und fühlen sich vor solchen Übergriffen hilflos. Immer mehr Schüler sind in Alarmstellung, machen sich Gedanken über ihre angemessene Verteidigung und greifen zur Selbstverteidigung, auch zur Bewaffnung (Sprague und Walker 2005).
Das Geschlecht der Täter Popp (2002) hat die enge Verzahnung von Geschlecht, Gewalt und Schule analysiert. Dazu hat sie Daten im Rahmen repräsentativer Studien des Sonderforschungsbereichs der Universität Bielefeld in den Jahren 19951999 mit der Methode des Selbstreports von Schülerinnen und Schülern und der Befragung von Lehrkräften an hessischen Schulen gewonnen. Demnach ist die physische Gewalt in Schulen in erster Linie eine Männersache. Jungen üben weitaus häufiger als Mädchen »harte« Gewalthandlungen aus: 47 % der Jungen, aber nur 15 % der Mädchen gaben an, im vergangenen Schuljahr mindestens einmal in eine körperliche Auseinandersetzung verwickelt gewesen zu sein. Ein ähnliches Verhältnis zwischen den Geschlechtern zeigte sich bei anderen physischen Gewalthandlungen wie Zerstörung von 70
Schulsachen und -eigentum und gewaltsamem Entwenden von Gegenständen. Letzteres scheint vor allem eine Domäne von Schülern des 9. und 10. Jahrgangs zu sein, während Prügeleien und Erpressungsversuche einen Höhepunkt im 8. Schuljahrgang erreichen.
Das Alter der Täter Die häufigsten physischen Gewalthandlungen in Schulen werden von 12- bis 15jährigen männlichen Schülern begangen. Sie besuchen dann etwa die 7. bis 9. Klasse und befinden sich inmitten oder unmittelbar nach der Pubertät. Übereinstimmend berichten Lehrerinnen und Lehrer, dass es in dieser Phase nicht nur die meisten Prügeleien auf den Schulhöfen gäbe, sondern auch die häufigsten Zerstörungsakte am Schuleigentum. Viele Lehrkräfte haben den Eindruck, als bräche sich in dieser Phase ein spezifischer Frust gegen die Institution Schule und gegen Lehrkräfte im Allgemeinen Bahn. Erscheinungen von »Vandalismus« nehmen nach ihren Beobachtungen mit steigender Klassenstufe weiter zu. Diesen Trend bestätigen die Studien von Tillmann, Holler-Nowitzki, Holtappels, Meier und Popp (2000). Sie machen eine Gewaltspitze in den 8. Jahrgangsklassen aus und konstatieren einen permanenten Anstieg an Sachbeschädigungen und an Aggressionen gegen Lehrkräfte bis zum 10. Jahrgang. Danach gibt es – wie auch die Studien von Lösel und Bliesener (2003) und Melzer, Schubarth und Ehninger (2004) bestätigen – einen »Aging-out-Effekt«, eine Tendenz zum raschen Abflauen der Gewalthandlungen. In der Oberstufe werden kaum noch Vorfälle registriert. Während der gesamten Schulzeit gibt es neben der Tätergruppe immer auch 71
eine Gruppe von Unbeteiligten.
Persönlichkeitsmerkmale von Tätern und Opfern Nach Lösel und Bliesener (2003, 175) zeigen sich aggressive und delinquente Schüler impulsiver, dominanter und weniger sozial kompetent als andere. Sie weisen auch weit mehr Aufmerksamkeits- und Identitätsprobleme auf und neigen bei Schwierigkeiten eher zu einer ausweichenden (evasiven) Bewältigungsstrategie. Hierin ähneln sie den Opfern, die ebenfalls eher zu Vermeidungsverhalten neigen. Täter schreiben Interaktionspartnern häufiger feindselige Absichten zu und reagieren sehr schnell aggressiv, ohne die Situation überhaupt zu durchschauen. Sie sind, wie auch Kassis (2002, 456) hervorhebt, eher unsicher in ihrer Persönlichkeitsstruktur, sind pessimistisch eingestellt und haben ein geringes Selbstkonzept. Kassis hat die Motivlage gewalttätiger Jungen in der Schule untersucht. Wer viel physische Gewalt ausübt, hat demnach ein niedriges Selbstkonzept, steht unter emotionalem Druck und versucht, die Ängstlichkeit und Unsicherheit durch Gewalttaten zu überspielen. Die Täter haben nicht nur eine psychisch angespannte Beziehung zu ihren Lehrerinnen und Lehrern in der Schule, sondern häufig auch zu ihren Eltern. Sie gehen nicht gerne zur Schule und sehen Sinn und Zweck des unterrichtlichen Lernens nicht ein. Ihre Leistungen sind eher schlecht. Sie haben auch häufig ein negatives Lehrerbild und ein geringes Vertrauensverhältnis zu Lehrkräften. Während Täter ausgesprochene »Gruppenmenschen« sind und ihre Aggressionen bevorzugt in Cliquen ausüben, sind die typischen Opfer eher isoliert und fühlen 72
sich von Anderen nicht akzeptiert. Das typische Opfer hat wenige Freunde und ist eher ein Angsttyp. Sein Außenseiterstatus ist deutlich sichtbar. Es weist auch häufig bessere Schulleistungen auf als Andere (Melzer und Rostampour 1996).
Neue Ausprägungen physischer Gewalt Die physische Gewalt an Schulen hat in den letzten Jahren immer wieder ihre Ausprägung und ihr Profil verändert. Eine erst seit wenigen Jahren bekannte Ausprägung ist das aus Großbritannien bekannte und deswegen mit einem englischen Begriff bezeichnete »Happy Slapping«. Darunter wird das Filmen von brutalen Prügeleien, Quälereien, sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen mit einer Filmkamera oder einer Kamera des Mobiltelefons verstanden. Die entsprechenden Aufnahmen werden im Internet gezeigt oder per Handy einem Kreis von Bekannten und Freunden zur Verfügung gestellt. Die Opfer erleiden also nicht nur direkte Verletzungen, sondern ihre Leiden werden auch noch der Öffentlichkeit im Bild dargeboten, was zu einer zusätzlichen Erniedrigung und Beschämung ihrer persönlichen Integrität führt. Die zynische Bezeichnung als »happy slapping« (wörtlich glückliches Zuschlagen) ist aus der Perspektive der Täter gewählt, die sich eine Freude daraus machen, einen Mitschüler oder eine Mitschülerin in die Opferrolle zu drängen und über die Filmaufzeichnung auch noch die voyeuristischen Bedürfnisse ihrer Klassenkameraden und Freunde zu befriedigen. Schüler werden von mehreren Mitschülern über Wochen hinweg gequält, gefoltert, misshandelt und dabei per Video gefilmt. Viele Klassenkameraden schauen bei der Ausü73
bung der Übergriffe tatenlos zu. Die Filmaufzeichnungen werden anschließend versandt. Oft wird sogar versucht, sie an Medien zu verkaufen. Irritierend ist, dass die Lehrerinnen und Lehrer an den entsprechenden Schulen von den Vorgängen meist nichts gemerkt haben. Aus der Perspektive des Opfers allerdings handelt es sich hier um eine ganz und gar nicht lustvolle, sondern um eine außerordentlich unangenehme Form der Gewaltausübung, die auf eine tiefe Verletzung und Demütigung zielt (Balci und Reimann 2006). Vermutlich sind die Langzeitwirkungen dieser Gewalterfahrung außerordentlich stark und mit intensiven Traumatisierungen verbunden. Das immer häufigere Auftreten dieser Gewaltform weist – auch wenn wir es mit Einzelfällen zu tun haben – auf eine Verrohung der Umgangsformen in der Schülerschaft hin. Auffällig ist der Gebrauch neuer Medien, mit denen die Gewalthandlung in eine Öffentlichkeit transportiert wird, um eine größere Resonanz zu erzielen.
Morddrohungen und Amokläufe Die Gewaltprofile an Schulen scheinen sich in den letzten Jahren auch in Richtung von Extremausprägungen verändert zu haben. Immer häufiger wird von Morddrohungen von Schülern gegen Mitschülerinnen und Mitschüler und gegen Lehrkräfte und von vollzogenen Mordhandlungen berichtet. Diese Handlungen sind oft in eine rauschhafte Sequenz von Gewaltausübung eingebettet, die als »Amokläufe« bezeichnet werden. Die ersten Berichte hierüber kamen aus den USA, wo im Jahr 1990 zwei Schüler mit halbautomatischen Waf74
fen und mehreren Bomben in das Gebäude der Columbine High School in Littleton eindrangen, zwölf Schüler und eine Lehrkraft töteten und weitere 23 Menschen verletzten, ehe sie die Waffen auf sich selbst richteten und Suizid begingen. Dieses Ereignis wurde von Morton Rhue inzwischen literarisch verarbeitet (Rhue 2002). In den letzten Jahren hat es auch in Deutschland Amokläufe dieser Art gegeben. Der spektakulärste fand im April 2002 in einem Erfurter Gymnasium statt, in dem ein Schüler 16 Menschen und anschließend sich selbst tötete. Bisher gibt es keine abgesicherten Forschungen zu diesen Formen von Gewaltereignissen in Schulen. Was auffällt: Die Täter waren in allen bisherigen Fällen männlich, besuchten durchaus anspruchsvolle Bildungswege und fielen durch Leistungsversagen, oft auch durch erzwungene Abgänge von der Schule auf. Die Täter waren sozial isoliert und verbrachten große Teile ihrer Freizeit mit gewalthaltigen Computerspielen (»Killerspiele« wie etwa »Counterstrike«). Sie konnten sich Zugang zu Waffen verschaffen und konnten diese Waffen auch bedienen, hatten sich auf den Tathergang minutiös vorbereitet und die Tat in der Regel kurz vorher angekündigt. Diese Vorherplanung ist auf den ersten Blick verblüffend, widerspricht sie doch der schrecklichen Impulsivität und Eruptivität der Gefühle, die im Amoklauf zum Ausdruck kommen. Das Verhalten der Täter stimmt aber mit dem überein, was aus der Suizidforschung bekannt ist. Fast alle Menschen und insbesondere auch Jugendliche, die sich mit Suizidgedanken tragen, kündigen vorher ihre Tat mehr oder weniger versteckt an (Bründel 2004). Amok ist ähnlich wie der Suizid in diesem Sinne auch nicht als ein Kontrollverlust (»Ausrasten«) zu verstehen, sondern als eine Tat 75
mit einem in der Regel klaren Entschluss (Füllgrabe 2000; Adler 2000). Ein Amoklauf kann als Tötungsdelikt angesehen werden, in dem Mord- und Selbstmordphantasien ineinander übergehen. Der Hintergrund wird durch starke persönliche Kränkungen, durch Leistungsversagen und Zurücksetzungen in der Schule erklärlich, meist kommen auch familiäre Konflikte und psychische Störungen hinzu. Amokläufe sind Beziehungstaten, sie richten sich also gegen diejenigen Menschen, mit denen die Täter vorher unmittelbaren Kontakt hatten. Im Falle der schulischen Amokläufe sind es die Lehrkräfte und die Schülerinnen und Schüler der eigenen Schule (Adler 2000).
Hat die physische Gewalt zugenommen? So spektakulär Amokläufe als Kulmination von Gewaltformen in der Schule sind, so singulär und ungewöhnlich sind sie bis heute geblieben. Sie können auf jeden Fall nicht als ein Indiz für eine zunehmende Verbreitung von physischer Gewalt an Schulen schlechthin herangezogen werden. Aber sie bringen erhebliche Elemente von Unruhe und Angst in die Institution Schule und sorgen dafür, das traditionelle Bild vom pädagogischen Schutzraum dieser pädagogischen Einrichtung zu zerstören (Lange und Grewe 2002). Fassen wir alle hier vorgestellten Befunde zu den Erscheinungsformen und Ausprägungen von physischer Gewalt zusammen, die in aktuellen Studien gefunden wurden, müssen wir wohl von einem Anteil von etwa 10 % der Schülerinnen und (vor allem) der Schüler ausgehen, die mehr als nur einmal schwerwiegende Formen solcher Taten ausüben. Etwa ebenso groß dürfte die Zahl der Opfer, der mehrfach von physischer Gewalt 76
betroffenen und verletzten Schülerinnen und Schüler sein. Im historischen Vergleich sind vor allem die spektakulären und extremen Ausprägungsformen von physischer Gewalt häufiger geworden, die meist in Kombination mit psychischer und verbaler und oft auch in Verbindung mit sexueller, fremdenfeindlicher und geschlechterfeindlicher Gewalt auftreten. Diese extremen Ausprägungen sind vergleichsweise selten, aber insgesamt heben sie das Niveau aggressiver Ausprägungen an Schulen an. In der Gesamtbilanz müssen wir deswegen mit einem angewachsenen Ausmaß von physischer Gewalt an Schulen in Deutschland rechnen (Schütz, Todt und Busch 2002). Für diese Aussage spricht auch die einzige Vergleichsstudie in Deutschland. Die Forschergruppe Tillmann (1997) konnte eine Wiederholungsuntersuchung durchführen. Ausgangspunkt war die Studie von Brusten und Hurrelmann (1973) über »abweichendes Verhalten in der Schule«. Deren Datengrundlage ist eine Schülerbefragung, die 1972 in der Stadt Bielefeld durchgeführt wurde. Tillmann hat etwa ein Drittel der damals gestellten Fragen 1995 in einen Erhebungsbogen für hessische Sekundarschüler(innen) aufgenommen, sodass ein Zeitvergleich über 23 Jahre möglich wurde. Erfragt wurde – 1972 wie 1995 – der Selbstreport abweichenden Verhaltens bei Schülerinnen und Schülern der Klassen 8, 9 und 10. Dabei lautete die Frage: »Hast Du selbst in den letzten 12 Monaten folgendes getan?« Zu den folgenden Statements liegen Ergebnisse im Zeitvergleich vor: •
»Eine Schlägerei mitgemacht und dabei jemanden zusammengeschlagen oder arg zugerichtet.« 77
•
»Einer Bande (Gruppe, Club, Clique) angehört, in der manche unerlaubte ›Dinge gedreht‹ werden«. • »Irgendwo eingebrochen (z.B. in ein Gebäude, ein Auto usw.), um etwas zu stehlen«. • »Andere Gegenstände oder Geld im Wert von mehr als 10 DM (1972: 5 DM) entwendet.« • »Fremdes (auch öffentliches) Eigentum mit Absicht zerstört oder erheblich beschädigt.« Die Veränderungen im Zeitverlauf sind nicht zu übersehen. Nimmt man alle Täter zusammen, so waren es bei den Schlägereien 1972 etwa 5 %, 1995 sind es 12,5 %; bei den Einbrüchen stieg der Anteil von 1 % auf 5,3 %, beim Automatenaufbruch von 4 % auf 8,6 %. Allerdings: Der Anteil der Jugendlichen, die eine hohe Anzahl von Delikten zugeben, hat sich nur geringfügig erhöht. Bei aller Vorsicht gegenüber der Aussagekraft dieses Zeitvergleichs – die Daten geben doch einen deutlichen Hinweis darauf, dass »abweichendes Verhalten« bei Schülern zwischen 13 und 16 Jahren in den 25 Jahren des Untersuchungszeitraums zugenommen hat. Zugleich zeigen diese Daten aber auch, dass es sich hierbei – 1972 wie 1995 – um das Verhalten einer meist recht kleinen Minderheit handelt.
Psychische Gewalt in Schulen Psychische Gewalt besteht in demütigenden, herabsetzenden, erniedrigenden und isolierenden Gesten und Handlungen und in verbalen Beschimpfungen, Beleidigungen, Bedrohungen und Einschüchterungen. Nach den vorliegenden Studien wird diese Ausprägung von Gewalt von den Schülerinnen und Schülern bislang 78
noch wenig als eine ausgeprägte Aggressionsform wahrgenommen (Klewin und Popp 2000, 49). Schimpfworte scheinen für sie zum Alltag zu gehören und als harmlos zu gelten. Erst allmählich wächst die Sensibilität dafür, dass es sich auch bei diesen Handlungen um Aggression und Gewalt handelt, auch dann, wenn sich aus ihnen nicht mittelbar oder unmittelbar physische Gewaltformen ergeben. Wissenschaftliche Studien zeigen eine weite Verbreitung psychischer und verbaler Gewalt in allen Schulformen. Eine Umfrage unter sächsischen Schülern und Lehrern ergab zum Beispiel, dass Beschimpfungen und erniedrigende Ausdrücke von über 50 % der Schüler und von über 60 % der Lehrerinnen und Lehrer beobachtet wurde (Schubarth 2000, 82). Auch Schimpfwörter mit sexuellen Anspielungen werden stark eingesetzt und in vielen Fällen sogar Lehrern und besonders häufig Lehrerinnen gegenüber verwendet. Sexuell anzügliche Bemerkungen unter Schülerinnen und Schülern sind häufig auch auf deren Familienangehörige gemünzt und werden nach den vorliegenden Studien vor allem von den männlichen Schülern mit heftigen Reaktionen beantwortet, die bis zu physischen Gegenattacken reichen können. In einer von Bauer (2006) vorgestellten Langzeitstudie, die sich über 20 Jahre erstreckt, konnte eine frühe Ausprägung von ersten Erscheinungsformen der psychischen Gewalt nachgewiesen werden. Die 1984 begonnenen Untersuchungen, die 2005 abgeschlossen wurden, beziehen Jungen und Mädchen vom Kindergartenalter bis in das frühe Erwachsenenalter ein. Dreijährige, die schon im Kindergarten aggressiv auffällig wurden, gehören auch im Alter von 22 bis 23 Jahren noch besonders häufig zu den jungen Erwach79
senen, die physische und vor allem psychische Gewalt praktizieren. Offenbar scheint die Stabilität aggressiven Verhaltens dann besonders groß zu sein, wenn sie schon früh in das Verhaltensrepertoire von Kindern aufgenommen worden ist, wie auch die Bielefelder Studie von Lösel und Bliesener (2003) bestätigt. Im Unterschied zur physischen Gewalt sind bei der psychischen Gewalt die Unterschiede zwischen den Geschlechtern deutlich geringer. Mit steigendem Alter treten psychische Gewalthandlungen häufiger auf, und zwar bei beiden Geschlechtern. In den hessischen Studien gaben in den 9. und 10. Klassen fast 60 % der Mädchen und 71 % der Jungen an, andere gehänselt zu haben. Die psychische und verbale Gewalt ist an den Gymnasien, und zwar auch bei beiden Geschlechtern, fast genauso verbreitet wie an den anderen Schulformen (Tillmann 2000; Popp 2002).
Mobbing und Bullying Eine besonders ausgeprägte Form der psychischen Gewalt wird in der englischen Fachliteratur als »Mobbing« oder »Bullying« bezeichnet. Der Begriff des Bullying wurde vom norwegischen Gewaltforscher Olweus (1978; 2002) eingeführt. Er fasst feindselige Handlungen mit absichtsvollen Schikanierungen und systematischen und verletzenden subtilen Demütigungen über einen langen Zeitraum zusammen. In der Regel sind die psychischen Gewalthandlungen mit Komponenten von physischer Gewalt kombiniert und es besteht ein Machtgefälle zwischen dem Akteur (»Bully«) und der Zielperson (»Opfer«), sodass sich das Opfer kaum gegen die Attacken wehren kann. Bullys wissen um die 80
Schwächen ihrer Opfer und setzen ihre Kenntnisse strategisch gezielt ein, um ihre Position als »Mächtige« zu stabilisieren (Dambach 2002; Kasper 1998; 2002; Kindler 2002; Alsaker 2003; Krowatschek und Krowatschek 2003; Michels und Raude 2004). Der Begriff Mobbing wird in der neueren Fachliteratur meist anstelle des Begriffes Bullying verwendet. Er hat eine ganz ähnliche Bedeutung, bezieht aber umfassender alle Ausprägungen von Ausgrenzungen und Diffamierungen ein, die über einen längeren Zeitraum anhalten. Unter Mobbing werden feindselige Handlungen von Schülerinnen und Schülern untereinander verstanden, die über einen längeren Zeitraum ausgeübt werden, sich in scheinbar harmlosen Hänseleien, Verspottungen und Ausgrenzungen oder auch in absichtsvollem Schikanieren und subtilen Demütigungen ausdrücken. Mobbing umfasst auch »weichere« und »psychische« Formen der Gewalt, obwohl damit nichts über das Ausmaß der Leidenserfahrung gesagt ist (Bilz, Hähne und Melzer 2003, 283). Es handelt sich um eine versteckte Form der Gewaltausübung, die öffentlich nicht immer sichtbar ist und deswegen auch von den Lehrkräften nicht rechtzeitig erkannt werden kann. Die Verbreitung von Mobbing erreicht etwa in den siebten Jahrgangsstufen ihren Höhepunkt. Die Opfer sind durchschnittlich jünger als die Täter. Jungen sind häufiger als Mädchen die Täter, allerdings auch sehr oft Täter und Opfer zugleich. Mit steigendem Alter treten Mobbing-förmige Gewalthandlungen häufiger auf und zwar sowohl bei Jungen und Mädchen. Während in den 9. und 10. Klassen 59 % der Mädchen und 71 % der Jungen angaben, andere gehänselt zu haben, taten dies in der 6. Klasse nur 26 % der Mädchen und 49 % der Jungen. Es scheint 81
also eine Veränderung in den Strategien beider Geschlechter zu geben: weg vom Zuschlagen und Prügeln hin zu verbalen Methoden. Im Gegensatz zur physischen Gewalt, bei der es erhebliche Unterschiede in der Ausübung von Schülerinnen und Schülern verschiedener Schulformen gibt, treten diese hinsichtlich der psychischen Gewalt nicht so in Erscheinung. Selbst Gymnasiasten, Mädchen und Jungen, weisen fast dieselben Anteile an Hänseleien auf wie ihre Mitschülerinnen und Mitschüler anderer Schulformen, sogar an denen der Sonderschule (Popp 2000).
Die Opfer des Mobbing Die typischen Opfer von Mobbing sind solche Schülerinnen und Schüler, die sich durch eine Behinderung, Sprachauffälligkeit, äußere körperliche, mimische und gestische Eigenarten und eine nicht im Modetrend liegende (»nicht coole«) Kleidung von der Mehrheit der Klassenkameraden abheben. Zeigen sie zusätzlich besondere Unsicherheiten im Verhalten, steigt die Mobbinggefahr weiter an. Manchmal sind es aber auch nur besonders leistungsstarke Schüler (»Streber-Typen«), die die Aggression der Täter auf sich ziehen. Die Opfer werden aus der Gruppe ausgeschlossen, lächerlich gemacht, bestohlen und gehänselt. Über einen langen Zeitraum hinweg kann sich hieraus ein Geflecht von höchster seelischer Grausamkeit ergeben. Nicht alle entsprechenden Aktivitäten finden im schulischen Raum statt. Die Untersuchung von Kasper (1998, 64) verweist auf ausgeprägte »Terrorsysteme« zur Erniedrigung von Opfern insbesondere auch auf dem Weg zur Schule und auf dem Nachhauseweg sowie 82
in den Schulbussen. Die Opfer haben in der Regel wenig Möglichkeiten, in geeigneter Weise um Hilfe und Unterstützung zu bitten. Sie schämen sich ihres Außenseitertums und vertrauen sich nur selten anderen Mitschülern oder Lehrkräften an. Wenn sie es dennoch tun, finden sie bei ihnen nicht immer Glauben und Gehör (Michels und Raude 2004). Deswegen können sie sich in vielen Fällen nicht aus eigener Kraft aus ihrer misslichen Situation befreien (Alsaker 2002). Mobbing sind heftige und lang nachwirkende Formen von Gewalt, die zu erheblichen Traumatisierungen bei den Opfern führen können. Das Opfer wird in Angst und Hilflosigkeit hineingetrieben und erfährt kaum Unterstützung aus den Reihen der Klassenkameraden. Oft ist es nicht in der Lage, seinen Status als Erniedrigter vor sich selbst und anderen überhaupt zu erkennen und sich einzugestehen. Deswegen schweigen viele Opfer von Mobbing und erdulden über einen langen Zeitraum die ihnen zugefügten Schikanen. Am Ende einer solchen langen Zeit der Demütigung kann in extremen Fällen der Suizid stehen (Bründel 2004, 69). Mobbing kann deshalb gewissermaßen als eine Art »Psychoterror« von Jugendlichen untereinander verstanden werden. Die psychischen und gesundheitlichen Folgen reichen von Konzentrationsund Lernstörungen über schwere psychosomatische Erkrankungen, Depressionen, Niedergeschlagenheit, Schulunlust und Schulphobien (Kaltiala-Heino, Rimpelä, Marttunen, Rimpelä und Rantanen 1999).
Der typische »Mobber« Die Täter sind meist in Gruppen zusammengeschlossen, die sich gemeinsam ein bestimmtes Opfer aussuchen 83
und systematisch attackieren. Unter den »Mobbern« können durchaus Schülerinnen und Schüler sein, die ihrerseits schon einmal Opfer von Mobbing waren oder sogar noch sind. Das gilt besonders für männliche Jugendliche (Kasper 1998; Kindler 2002). Der typische Täter ist ein männlicher Schüler mit einem demonstrativ zur Schau gestellten Selbstbewusstsein, protzigem Auftreten, der sich lautstark als Gruppen- und Meinungsführer positioniert. Schon durch dieses äußere Auftreten soll ein Machtgehabe zum Ausdruck gebracht werden, das schwächere Schülerinnen und Schüler einschüchtert. Um solche Täter herum bilden sich meist Gruppen von Mitläufern, die sich dem Gruppenführer anpassen und unterwerfen. Es gibt also die aktiven Mobber, die ein starkes Bedürfnis nach Machtausübung und wenig Mitgefühl mit dem Opfer haben und daneben eher passive Mitläufer, die allerdings immer wieder auch verstärkend als »Assistenten« in den Mobbingprozess eingreifen. Die Mitläufer stabilisieren das Mobbinggeschehen, haben aber selbst oft Angst, zu einem künftigen Opfer zu werden. Sie haben also ein gewisses Interesse daran, das Mobbing in der bestehenden Form fortzusetzen (Michels und Raude 2004; Krowatschek und Krowatschek 2003, 11).
Kollektive Gewaltformen von Schülern Nicht nur Aggressionshandlungen von Lehrkräften, auf die noch einzugehen ist, gehören zu den kollektiven »institutionellen« Gewaltformen. Auch individuelle und kollektive gewalthaltige Verhaltensweisen von Schülerinnen und Schülern im Unterricht können hierzu gerechnet werden. Damit sind vor allem Disziplinstörun84
gen im Unterricht gemeint. Unterrichtsstörungen drükken sich in unterschiedlichen Verhaltensweisen von Schülern aus, in psychischen und manchmal auch physischen Aggressionshandlungen. Schülerinnen und Schüler stören den Unterricht durch Zwischenrufe, ungefragtes Antworten und Schwatzen mit dem Nachbarn. Sie ärgern und piesacken einander lautstark, nehmen sich schulische Arbeitsgeräte weg, stehen unvermittelt vom Platz auf und laufen durch die Klasse und beschäftigen sich demonstrativ mit anderen Dingen als dem Unterrichtsgeschehen. Unter Unterrichtsstörungen werden konkrete Handlungen verstanden, die für Lehrkräfte sicht- und/oder hörbar sind, und von Schülern »planvoll und regelhaft, gewollt und gezielt, bewusst, nicht versehentlich und womöglich frei gewählt« sind. Die spontanen, nicht beabsichtigten, eher reflexhaft ausgeführten Handlungen von Schülern, also »Verhaltensabläufe und ereignisse«, die nicht in ihrer Kontrolle liegen und ihnen bloß »widerfahren« (Brandstädter 2001, 31), können jedoch gleichfalls Störungen sein. Indem sie im Unterricht stören, wehren sich Schülerinnen und Schüler gegen die Zwangsinstitution Schule und gegen Unterrichtsformen und -inhalte, die ihnen nicht gefallen. Sie setzen ihre Macht bewusst oder auch unbewusst gegen die Macht der Lehrkräfte ein. Sie sind gegenüber dem Lehrer in der Überzahl, fühlen sich durch ein Gefühl der Stärke geeint und bringen Einfallsreichtum, Erfindungsgabe und Kreativität ins Spiel, um ihren Lehrerinnen und Lehrern auch einmal das Gefühl der Ohnmacht zu vermitteln – ein Gefühl, das Schülerinnen und Schüler des Öfteren im alltäglichen schulischen Ablauf spüren. Kollektive Ausdrucksformen von Gewalt gegenüber den Lehrkräften zeigen sich bei Ar85
beitsverweigerung der gesamten Klasse oder bei gemeinsam von allen abgesprochenen gewalthaltigen Störmanövern. Dabei spielen häufig verborgene Rachegefühle und Schadenfreude eine Rolle. Schülerinnen und Schüler stören oftmals auch nur aus purer Langeweile und empfinden ihre Störaktionen als lustvoll. Ihre Zwischenrufe und Störmanöver haben das Ziel, Unlust zu reduzieren und Lust hervorzurufen. Sie bringen damit häufig ihre eigenen spontanen Bedürfnisse zum Ausdruck, ohne dass diese primär gegen die Lehrkraft gerichtet sind. Die Gründe für Unterrichtsstörungen sind vielfältig, sind aber immer mit Bedürfnissen und Wünschen und subjektiven Interessen der Schülerinnen und Schüler verbunden.
Die kollektive Macht der Unterrichtsstörungen durch Schüler Unterrichts- und Disziplinstörungen sind für Lehrer das größte Hindernis auf dem Weg zu einem guten und erfolgreichen Unterricht. Sie sind schwer zu objektivieren, da sie mit dem subjektiven Störungsempfinden von Lehrkräften zusammenhängen. Störungen sind immer Deutungen von Lehrerinnen und Lehrern und variieren sowohl intra- als auch interindividuell. Ähnliches gilt auch für Schülerinnen und Schüler: Sind sie selbst in Störungen aktiv verwickelt, empfinden sie kaum Belastungen, aber müssen sie Störungen anderer ertragen, fühlen sie sich oft genug auch belästigt (Bründel und Simon 2003, 11). Unterrichtsstörungen werden von den meisten Lehrerinnen und Lehrern nicht nur als lästig, sondern als große Last ihres Lehrerberufs empfunden. Sie werden von 86
Lehrkräften als »Gewalt« der Schüler im Kollektiv ihnen gegenüber, als Missachtung ihrer Person und ihres Bemühens als Pädagogen angesehen. Damit ist die Definition von »institutioneller« Gewalt erfüllt. Die psychische Belastung von Lehrerinnen und Lehrern wird nicht so sehr durch die notwendigen Unterrichtsvorbereitungen, die Korrekturen oder die Darbietung des Lehrstoffs hervorgerufen, sondern nach übereinstimmenden Aussagen von Lehrkräften durch permanente Störungen im Unterricht und den ständigen »Kampf« mit störenden Schülerinnen und Schülern (Bründel und Simon 2003). Die Folgen des permanenten Kampfes gegen störende Schülerinnen und Schüler sind groß. Psychovegetative und psychosomatische Beschwerden prägen das Krankheitsbild von Lehrkräften und führen zum Burnout und zur Frühpensionierung (Schaarschmidt, Kieschke und Fischer 1999; Schaarschmidt 2005)
Überforderung von Lehrkräften Unzufriedene und frustrierte Lehrerinnen und Lehrer sind häufig mit ihrer Arbeit überfordert und lassen ihren Unmut in Form von psychologischem Druck an ihren Schülerinnen und Schülern aus (Kuntsche 2006). Der Druck wiederum führt zu schlechteren Schulleistungen und ist häufiger mit Gewaltverhalten und Delinquenz der Schülerschaft verbunden. Durch das vermehrte Auftreten von Problemsituationen fühlen sich viele Lehrkräfte noch mehr überfordert und sehen sich veranlasst, verstärkten Druck auszuüben. Es entsteht ein Teufelskreis von Überforderung und inadäquaten Erziehungsstilen der Lehrerschaft und problematischen Verhal87
tensweisen der Schülerschaft, aus dem viele Lehrerinnen und Lehrer durch vorzeitiges Quittieren des Schuldienstes aussteigen. Es sind nicht nur die Schülerinnen und Schüler und deren Verhalten im Unterricht, die Lehrkräften das Leben schwer machen, sondern oftmals auch Gewaltformen von Kolleginnen und Kollegen. Paseka (2005, 51) schildert anschaulich, wie es Berufsanfängern und Lehrern ergeht, wenn sie in ihren Beruf einsteigen oder auch neu an eine Schule kommen. Sie werden oft alleine gelassen und erfahren weder Unterstützung von den Kollegen noch von der Schulleitung. Im Gegenteil, sie werden oftmals misstrauisch betrachtet und als »Unsicherheitsfaktor« oder gar als »Bedrohung« wahrgenommen, denn »die Neuen« könnten im Kollegium bestehende und eingefahrene Abläufe und Normen in Frage stellen. Trotz des vorhandenen Individualismus und Einzelkämpfertums an Schulen gibt es in jeder Schule »geheime Regeln« für den Unterrichtsablauf, den Unterrichtsstil und für das Verhalten im Kollegium. Verstoßen neue Kolleginnen oder Kollegen durch innovative Unterrichtsmethoden und/oder ungewöhnliche pädagogische Verhaltensweisen gegen diese geheimen Regeln, werden sie geächtet und »diszipliniert« und damit auf »Linie gebracht«. Für viele Lehrerinnen und Lehrer sind diese unterschwelligen Mechanismen und auch Machtausübungen im hierarchischen System Schule sehr viel schwerer zu ertragen als die Belastung durch den Unterricht und die Vorbereitungen (Paseka 2005).
Sexuelle Gewalt in Schulen Sexuelle Gewalt drückt sich vorwiegend in körperlicher und verbaler Gewalt von Jungen gegenüber Mädchen 88
aus. Mädchen werden in der Schule durch Worte beleidigt, diffamiert und sind sexuellen Anspielungen ausgesetzt. Eine zunächst harmlose erscheinende Variante ist ein Spiel, das besonders von Jungen in der Grundschule bevorzugt wird: das »Rock hochheben« von Jungen bei den Mädchen. Es deutet sich hierin schon eine Art der sexuellen Machtausübung an, die bei älteren Schülern andere und nicht mehr so harmlose Formen annimmt. Mädchen werden an intimen Körperstellen berührt und attackiert, mit der eindeutigen Absicht, ihre Intimgrenzen zu überschreiten. Als Extremvariante solcher Übergriffe in der Schule kommt es in selteneren Fällen zu sexuellen Handlungen bis hin zum Geschlechtsverkehr. 6 % der Schülerinnen und Schüler nahmen in einer Untersuchung von Popp (2002, 159) sexuelle Übergriffe von Jungen gegenüber Mädchen fast täglich wahr, 3 % mehrmals wöchentlich, 6 % mehrmals monatlich, 20 % alle paar Monate. Die Übergriffe fanden oft im Verborgenen statt, auf Mädchentoiletten, an unübersichtlichen Ecken, auf Schulwegen und entzogen sich daher der Beobachtung durch Lehrkräfte. 65 % der Lehrerinnen und Lehrer hatten noch nie sexuelle Übergriffe gegen Mädchen beobachtet, 25 % selten, 8 % manchmal und knapp 2 % oft oder sogar sehr oft. Die negativen Erfahrungen von sexuellen Übergriffen führen bei Mädchen in der Situation des Übergriffs zu Hilflosigkeit, Angst und Resignation und langfristig zu gestörten Beziehungen zu ihren männlichen Mitschülern. Sie haben Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit erlebt und dabei oft die Erfahrung gemacht, sich nicht wehren zu können. Sie sind in ihrem Recht der Selbstbestimmung verletzt worden. Es bleiben tiefe misstrauische Gefühle gegenüber dem männlichen Geschlecht 89
und Ängste bestehen, in jedem Jungen und jedem Mann einen potentiellen Täter zu sehen.
Sexuelle Gewalt als Machtdemonstration Sexuelle Übergriffe gegen Mädchen in der Schule sind Ausdrucksformen von Macht und körperlicher Überlegenheit. Sie kommen oft in Gruppen von Jungen gegen einzelne Mädchen vor und stehen damit für demonstratives Dominanzgebaren und Imponiergehabe der Jungen. Ziel ist das Vorführen der eigenen Stärke und eventuell auch das Genießen der Angst und Hilflosigkeit der Mädchen. Manche Jungen ziehen auch Lust aus ihrer Machtausübung (Sielert 1997, 239). In der sexuellen Anmache sehen viele Jungen eine Form der Kontaktaufnahme und drücken so ihr Bedürfnis nach Nähe aus. Auch Lehrerinnen sind gegen sexuelle Anspielungen von älteren Schülern nicht gefeit. Sie gehen manchmal – wie Palzkill (1999) beschreibt – kokettierend ein sexualisiertes Bündnis mit Schülern ein und lassen sich auf verbale Anzüglichkeiten ein. Sie begeben sich damit auf ein Terrain, das für sie gefährlich werden kann, da es zu Grenzüberschreitungen einlädt. In der Strategie des sexualisierten Bündnisses neutralisieren sich Geschlechterhierarchie und Statushierarchie, und es entsteht eine scheinbar entspannte, jedoch untergründig konfliktträchtige Atmosphäre. Fragen sexualisierten Inhalts eines älteren Schülers an eine junge Lehrerin, wie zum Beispiel: »Frau X, gehen Sie heute Abend mit mir aus?« verletzen gezielt den Regel-Kontext der Schule – insbesondere die (hierarchische) Beziehung zur Lehrerin – und setzen die Distanzschwelle zu ihr deutlich herab (Palzkill und Scheffel 1996). Geht sie kokettierend darauf ein, bestärkt 90
sie ihn in seinem Verhalten, weist sie ihn jedoch in seine Schranken, steht sie als humorlos und keinen Spaß verstehend da. Für Lehrerinnen ist es nicht leicht, einen konstruktiven Umgang mit solchen Konfliktsituationen zu finden.
Sexualisierte Gewalt von Lehrkräften »Sexualisierte« Gewalt geht auch von männlichen Lehrkräften gegenüber Schülerinnen aus. Sie versteckt sich allerdings häufiger unter »Komplimenten« und »netten« Bemerkungen über das Aussehen von Mädchen und deren körperliche Entwicklung. Diese Form der Gewalt ist besonders für frühreife Mädchen sehr unangenehm, weil sie nicht wissen, wie sie darauf reagieren sollen. Einerseits wollen sie an die wohlmeinende Absicht der Lehrer glauben, andererseits fühlen sie sich jedoch äußerst unwohl, wenn sie auf die Entwicklung ihrer Brüste angesprochen werden. Sie empfinden solche Äußerungen als Grenzüberschreitungen. Auch Jungen betrachten Mädchen sehr oft unter diesem Blickwinkel und machen entweder »bewundernde« oder auch hämische und abwertende Bemerkungen. Eine besondere Problematik ist gegeben, wenn Schülerinnen und Schüler sexuellen Übergriffen von männlichen Lehrkräften ausgesetzt sind. Diese sind selten eindeutig und unzweifelhaft nachzuweisen und unterliegen einem großen Tabu. Sie geschehen nicht selten bei Hilfestellungen im Sportunterricht in Form von scheinbar unbeabsichtigten Handgriffen an die Brust oder zwischen die Beine. Es kommt vor, dass Lehrer die Umkleidekabinen, Duschen und Toilettenräume betreten, was auch einer Überschreitung von Grenzen gleich91
kommt. Die Leidensgeschichten von Schülerinnen und Schülern, denen meistens nicht geglaubt wird, sind lang. Oft genug verlassen sie aus Resignation und größter Verbitterung die Schule (Münder und Kavemann 2000).
Geschlechterfeindliche Gewalt in Schulen Geschlechterfeindliche Gewalt wird in den meisten schulischen Untersuchungen nicht erwähnt. Sie kommt sowohl im Kollegium als auch in der Klasse vor. Unter den Kollegen spielt sie sich vor allem in den Einstellungen von Lehrern und Schulleitern gegenüber Lehrerinnen und von Lehrern gegenüber Schulleiterinnen ab. In der Schulklasse wird sie in den Einstellungen von Schülern gegenüber Lehrerinnen und Schülerinnen deutlich und kommt zum Beispiel in verbalen Abwertungen zum Vorschein, die pauschal gegen Mädchen und Frauen, gegen ihre Fähigkeiten, Kompetenzen und Führungsqualitäten gerichtet sind wie »Frauen und Technik, das kennt man ja«, »Mädchen sind blöd« und in Handlungsweisen wie bewusstes Übersehen und Negieren sowie Bloßstellen und Lächerlichmachen. Meistens werden weibliche Lehrkräfte und oft auch Schulleiterinnen Opfer dieser Art von Gewalt, vor allem in einem von Männern dominierten Kollegium und in Schulklassen mit einer überwiegenden Anzahl von männlichen Schülern. Häufig wird die Erwartung gegenüber weiblichen Führungspersonen, wie z.B. Schulleiterinnen, geäußert, sie müssten »fröhlich, freundlich, mütterlich« sein und diesem Etikett entsprechen. Lassen sich Lehrerinnen und Schulleiterinnen jedoch nicht auf diese Rollenzuschreibung festlegen, sondern zeigen sie männliche Tugenden wie Durchsetzungsfähigkeit und 92
Willenskraft, dann erfahren sie Widerstand und Ablehnung. Koalitionen werden im Kollegium gegen sie geschmiedet und offene oder heimliche Versuche unternommen, sie in ihrer Führungsposition scheitern zu lassen (Moser 2005, 44).
Gewalt gegen weibliche Lehrkräfte Geschlechterfeindliche Gewalt zeigt sich nicht zuletzt selbst auch in Erfahrungsberichten männlicher Pädagogen und Mitarbeiter von Hochschulen, wenn sie die zahlenmäßige höhere Teilnahme von weiblichen Lehrkräften an schulischen Fortbildungen, Workshops, Kursen, Fortbildungen und Trainings kommentieren. Das wird dann nicht selten so ausgedrückt: Lehrerinnen haben ein »ausgeprägteres Bedürfnis nach Hilfestellung« als ihre männlichen Kollegen (Büeler und Buholzer 2005, 66). Die Interpretation hätte ebenso gut auch lauten können: Lehrerinnen haben ein größeres Fort- und Weiterbildungsinteresse als Lehrer. Geschlechterfeindliche Gewalt findet, wie wir sehen, auf allen Ebenen statt, in Hochschulen und Schulen, auf Lehrer- und Schülerebene. Lehrerinnen erleben oftmals, dass sich Jungen gegen bestimmte Unterrichtsthemen wie Freundschaft, Familie, Liebe, Sexualität sträuben und den Unterricht mit dem Hinweis, dies sei »Weiberkram«, durch auffälliges Verhalten stören oder unmöglich machen. Manche Schüler, und dies trifft besonders für muslimische Schüler zu, haben vor weiblichen Lehrkräften wegen ihrer Zugehörigkeit zum »schwächeren Geschlecht« weniger Respekt als vor männlichen und zeigen dies ganz offen, indem sie sich ihren Anordnungen widersetzen, ihren 93
Bitten nicht nachkommen und obszöne Bemerkungen und Gesten in ihrer Gegenwart machen. Die Folge sind Auseinandersetzungen über die Machtfrage, wer in der Schule mehr zu sagen hat: die Lehrerin als Frau oder der Schüler als Junge und »Mann« (Palzkill und Scheffel 1996). Der Sportunterricht in koedukativ geführten Klassen ist ein besonders heikles Terrain für Lehrerinnen, die ihren männlichen Schülern meist körperlich unterlegen sind, sowohl größen- als auch kräftemäßig. Sie müssen sich oft unter großen Anstrengungen gegen das Männlichkeitsgehabe und die Kraftdemonstrationen von Jungen durchsetzen und fühlen sich dabei oft genug ohnmächtig. Sie möchten, dass auch die Mädchen im Sportunterricht zu ihrem Recht kommen und können es doch nicht immer verhindern, dass diese von den Jungen ins Abseits gedrängt werden und dadurch – ebenso wie sie – Unterlegenheit erleben (Scheffel und Palzkill 1994; Palzkill 1999).
Fremdenfeindliche Gewalt in Schulen In vielen Schulen hat heute jedes dritte Kind einen Migrationshintergrund, in manchen Ballungsgebieten kann der Prozentsatz deutlich höher sein und mehr als 50 % betragen. Die ethnische Zusammensetzung der Klassen kann fremdenfeindliche Gewalt stimulieren. Sie zeigt sich in Einstellungen und Haltungen und muss nicht notwendigerweise in Handlungen zum Ausdruck kommen. Sie beinhaltet die Abwertung fremder und die Höherbewertung der eigenen Volksgruppe. Fremdenfeindlichkeit meint mehr als nur »Ausländerfeindlichkeit« und zielt auf die Ablehnung und Aus94
grenzung des Fremden und Unbekannten schlechthin, worunter auch Homosexuelle, Obdachlose, gesellschaftliche Fortschrittsprozesse fallen. Sie wird durch eine Ideologie der Ungleichheit motiviert. In einer repräsentativen Studie untersuchte Brüß (2003) türkische, Aussiedler- und deutsche Schülerinnen und Schüler der 10. Klassen an Haupt-, Real- und Gesamtschulen sowie an Gymnasien aus Kreisen und Städten NordrheinWestfalens. Er fand heraus, dass es zwischen den Schülergruppen eine Statushierarchisierung gibt, an deren Spitze die deutschen, dann die Aussiedler- und am Ende die türkischen Schülerinnen und Schüler stehen. Vogelsang (2003) spricht aufgrund seiner Studie von »tiefen Gräben und schmalen Brücken« zwischen deutschen und ausländischen Jugendlichen. Weitere Ergebnisse sind die höheren ausländerfeindlichen Einstellungen von männlichen Jugendlichen im Vergleich zu weiblichen und der Einfluss der Bildung auf ausländerfreundliche Einstellungen: Je höher die Bildung und je mehr Kontakte Jugendliche zu Migranten hatten, desto ausländerfreundlicher waren sie (Vogelsang 2003, 95). Krüger und Pfaff (2001) haben sich mit Gewaltaffinität und Ausländerfeindlichkeit bei Schülerinnen und Schülern in Sachsen-Anhalt befasst und zeitvergleichende Schülerbefragungen durchgeführt. Sie stellten fest: Schulen aller Schulformen sind sehr unterschiedlich von Ausländerfeindlichkeit betroffen. In einzelnen Schulen variierte der Anteil ausländerfeindlicher Jugendlicher zwischen 20 % und 67 % und der Anteil stark gewaltaffiner Jugendlicher zwischen 2 % und 26 %. Dabei fiel Ausländerfeindlichkeit mit einer hohen Gewaltaffinität und rechter jugendkultureller Orientierung zusammen. Würtz, Hamm, Willems und Eckert (1996) führten Gruppendiskussionen mit 12- bis 95
18jährigen Schülerinnen und Schülern und kamen zu dem Ergebnis: Fremdenfeindliche Einstellungen sind an Haupt- und Sonderschulen am häufigsten anzutreffen. Während in Sachsen-Anhalt ein Drittel der Schülerinnen und Schüler Fremdenfeindlichkeit zum Ausdruck brachten, taten dies in Nordrhein-Westfalen nur ein Fünftel der 14- bis 16-Jährigen (Krüger und Pfaff 2001).
Das Aggressionspotential von Migrantenjugendlichen Kinder mit Migrationshintergrund stehen der Schule und ihren Leistungsansprüchen oft relativ distanziert gegenüber. Viele von ihnen wachsen in Deutschland unter sehr ungünstigen sozialen Rahmenbedingungen auf. Oft ist der Lebensmittelpunkt dieser Kinder weder die Schule noch die Familie, sondern die Clique. Wie für einheimische Kinder gilt auch bei ihnen: Wer in Armut aufwächst und sich als Loser in einer Wettbewerbskultur fühlt und keine Ausbildungsperspektiven hat, der ist eher bereit, Gewalt anzuwenden als diejenigen, die über materielle und instrumentelle Ressourcen verfügen und sich von ihrer Familie unterstützt fühlen (Pfeiffer und Wetzels 2000). Zieht man die Ergebnisse der Studien aus dem Kriminologischen Institut Niedersachsens heran, die sich speziell mit dem Anteil gewalttätigen Verhaltens von türkischen Jugendlichen befassen, so steht außer Frage: türkische Jugendliche – und gerade diejenigen, die in Deutschland geboren sind – sind in einem hohen Maße gewaltbereit (Pfeiffer und Wetzels 1999). Sie sind viel häufiger als junge Deutsche Mitglied in einer Clique von Jugendlichen und haben sehr oft Erfahrungen inner96
familiärer Gewalt erlitten. Fast jeder Fünfte war im letzten Jahr vor der Untersuchung zu Hause misshandelt worden. Dennoch scheint es keine ethnienspezifische Aggressionsausprägung zu geben. Waren schon Mansel und Hurrelmann (1998) zu dem Ergebnis gekommen, dass es nur geringe Differenzen in der Gewaltbereitschaft zwischen nichtdeutschen und deutschen Jugendlichen gibt und nicht die Variable »Ethnie«, sondern vielmehr die Variablen Geschlechtszugehörigkeit und Schulversagen in einem Zusammenhang mit Gewalttätigkeit stehen, so konnte Popp (2000) dieses Resultat bestätigen: Die häufigeren Gewalthandlungen türkischer Schüler sind wie auch bei deutschen Schülern schulform- und geschlechtsspezifisch zu erklären: Nicht die Nationalität spielt die entscheidende Rolle, sondern wie bei deutschen Schülern auch die soziale Etikettierung und Stigmatisierung. Wenn deutsche Schülerinnen und Schüler türkische als aggressiver wahrnehmen, dann handelt es sich dabei um Interaktionszusammenhänge, die auch mit ihrem Gruppenverhalten (Rivalität, gegenseitige Provokationen) außerhalb der Schule zusammenhängen. Diejenigen, die sich in der Schule gewalttätig geben, gehören auch außerhalb der Schule gewaltbereiten Cliquen an (Popp 2000, 81). Nach Meinung vieler Lehrerkräfte steigt die Fremdenfeindlichkeit mit zunehmendem Ausländeranteil in den Schulklassen. Diese Beobachtung wird durch wissenschaftliche Studien nicht bestätigt (Dollase und Koch 2003). Danach ist Fremdenfeindlichkeit dort größer, wo es keine oder nur wenig Ausländer in der Schulklasse gibt und dort geringer, wo es viele ausländische Schülerinnen und Schüler gibt. Dies deckt sich mit der Kontakthypothese, die besagt: Vorurteile gegenüber Fremden verschwinden, je mehr Kontakte zu ihnen bestehen 97
und je mehr Umgang mit ihnen gepflegt wird (Dollase 2001). In Hauptschulklassen des 8. bis 10. Schuljahres gibt es zwar viele Konflikte, aber diese sind eher interpersonellen Konflikten und nicht ethnienspezifischen oder fremdenfeindlichen zuzuschreiben. Gewalt an unterschiedlichen Schulformen Die Frage, in welcher Schulform das größte Ausmaß an Gewalt zu beobachten ist, wird in der Öffentlichkeit und in den Medien hitzig diskutiert. Nach den bisher vorliegenden Studien ist ein deutlicher Unterschied zwischen Haupt- und Sonder- bzw. Förderschulen auf der einen Seite und Gymnasien auf der anderen Seite zu verzeichnen (Schubarth 2000; Melzer, Schubarth und Ehninger 2004). Die höhere Belastung von Hauptschulen und auch Sonderschulen erklärt sich unter anderem auch dadurch, dass diese Schulen häufig in sozialen Brennpunkten liegen und Schüler aufweisen, die zu den »Modernisierungsverlierern« zählen und von den sozialen Chancen weitgehend abgekoppelt sind (Fuchs, Lamnek und Luedtke 2001, 48). Gemäß der Etikettierungstheorie fühlen sie sich als Versager, abgestempelt und ausgegrenzt. Aus Befragungen von Schülerinnen und Schülern an hessischen Schulen geht hervor, dass die Schülerschaft an Gymnasien das geringste Ausmaß an Gewalthandlungen zeigt. Sie verübt deutlich weniger körperliche Gewalt als Schülerinnen und Schüler anderer Schulformen, was vor allem auf die geringe Gesamtbeteiligung an Gewalthandlungen von Mädchen zurückzuführen ist. Zwar gaben 40 % der männlichen Gymnasiasten in Hessen an, schon einmal in Prügeleien verwickelt gewesen zu sein, 98
aber demgegenüber gaben 50 % der Jungen an Integrierten Gesamtschulen und 67 % der Jungen an Sonderschulen eine Beteiligung an Prügeleien zu. Sonderschüler sind bei allen anderen Gewaltformen am stärksten an Gewalthandlungen beteiligt (Popp 2002). Dies deckt sich mit den Ergebnissen von Meier und Tillmann (2000, 43). Auch sie fanden in ihren Untersuchungen die höchsten Gewaltwerte an Schulen für Lernhilfe. Dort, wo sich überproportional Schülerinnen und Schüler mit Lernproblemen aufhalten, sind demnach auch vermehrt aggressive Verhaltensweisen anzutreffen. Offensichtlich fehlt es den Schülern der Schulen für Lernhilfe an geeigneten Konfliktlösestrategien. In allen Studien werden die geringsten Anteile an Gewaltausübung übereinstimmend in Gymnasien festgestellt. Gesamt- Haupt- und Realschulen liegen nach Meier und Tillmann (2000) im mittleren Bereich der Gewaltausübung. Diese Aussagen treffen jedoch hauptsächlich für physische und psychische Formen der Gewaltausübung zu. Werden die psychischen Formen getrennt von den anderen untersucht, lassen sich keine großen Unterschiede zwischen den Schulformen feststellen. Verbale Attacken und besonders die Form des Mobbing kommen an allen Schulformen vor. In Grundschulen, in denen die Schülerpopulation sehr heterogen ist, gibt es auf geringerem Niveau vor allem psychische Gewaltformen. Viele Schüler, insbesondere Viertklässler, klagen darüber, dass sie gemobbt werden. Alle Studien zeigen: Es ist nicht in erster Linie die Schulform, die auf das Ausmaß an Gewalt Einfluss ausübt, es sind milieuspezifische Merkmale der Schülerpopulation. Die Gewaltbelastung differiert stark je nach Einzugsbereich der Einzelschulen. Es gibt Hauptschulen, die so gut wie keine Gewalt unter Schülern kennen 99
und andere Schulen, die in sozialen Brennpunkten mit vielen Arbeitslosen und sozial schwachen Familien mit schlechter Infrastruktur liegen. Solche Hauptschulen, wie etwa die Rütli-Schule in Berlin, in der nur ein Fünftel der Schüler deutscher Herkunft ist und die übergroße Mehrheit sich aus Schülern mit arabischem und türkischem Migrationshintergrund zusammensetzt, geraten in die Schlagzeilen der Presse und rütteln die Öffentlichkeit auf. Sie stehen kurz davor, vor dem Ausmaß an Gewalt unter Schülern und auch gegen Lehrer zu kapitulieren. In allen Städten Deutschlands mit einer Gettoisierung von Menschen mit Migrationshintergrund und sozialen Problemen stehen Hauptschulen vor diesem Problem (Funk und Passenberger 1999).
Gewaltprofile von männlichen und weiblichen Jugendlichen Physische Gewalt ist hauptsächlich ein Jungenproblem, und zwar in doppelter Hinsicht: Jungen sind häufiger Täter und zugleich häufiger Opfer als Mädchen. Sie sind unter denjenigen, die unter den Gewalthandlungen ihrer Geschlechtsgenossen leiden und unter denjenigen, die Gewalt ausüben. Das ist besonders ausgeprägt bei physischer Gewalt zu beobachten, während bei psychischer Gewalt sich die Gewaltprofile von Jungen und Mädchen sehr unterscheiden. Im Schulalltag nehmen psychische Übergriffe von Schülerinnen gegen andere Schülerinnen einen hohen Raum ein. Auch Mädchen treten und schubsen, zerren sich an den Haaren und schlagen auch schon einmal zu, aber in weit geringerem Ausmaß, das nicht mit dem von Jungen zu vergleichen ist. Sie sind weit davon entfernt, die Jungen einzuholen 100
(Fröhlich-Gildhoff 2006a, 19). Wenn Mädchen sich körperlich auseinandersetzen, ist es eher die Ausnahme, ihre »Vorliebe« für Gewalt stützt sich mehr auf die psychischen Formen wie Ausgrenzen, Tratsch, üble Nachrede, Schlechtmachen. Mädchen sind bei chronischen Regelverstößen in der Schule »nicht untätig«. Auch bei ihnen kommen Schulschwänzen, Vortäuschen von Unpässlichkeiten, Lügen etc. vor. Die Untersuchungsergebnisse von Schubarth (2000) und Melzer, Schubarth und Ehinger (2004) bestätigen diese Trends, aber insgesamt ist die Gewalthäufigkeit der Mädchen spürbar geringer als die der Jungen. Die unterschiedlichen Bevorzugungen von Gewaltformen von Jungen und Mädchen stehen mit den unterschiedlichen Verarbeitungsformen und Bewältigungsregulationen von Jungen und Mädchen in Zusammenhang. Mädchen neigen eher zu interiorisierenden Bewältigungsformen, bei denen die eigene Person Opfer der Schädigung ist (»Autoaggression«). Sie neigen bei Anspannungen und Belastungen (insbesondere Misserfolgserlebnissen) in der Schule im Durchschnitt sehr viel stärker als Jungen zu nach innen gerichteten Aggressionen bis hin zu psychosomatischen Beschwerden und Depressionen. Jungen dagegen tragen Belastungen im Durchschnitt viel stärker nach außen und verhalten sich gegenüber ihrer Umwelt aggressiv. Sie neigen zu exteriorisierenden Bewältigungsformen, bei denen überwiegend eine andere Person geschädigt wird, oft aber auch die eigene Person, wenn zu Alkohol und Drogen gegriffen wird, um Ärger »herunterzuspülen« und/oder Konflikten auszuweichen (Bilz, Hähne und Melzer 2003).
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Spezifische Profile der weiblichen Gewaltausübung Popp (2002) hat in ihren Untersuchungen zu geschlechtsspezifischen Gewalthandlungen die Unterschiedlichkeit in den emotionalen Reaktionen auf Gewalt einerseits und in der Interventionsbereitschaft herausgearbeitet. Sie hat Vertreter beider Geschlechter gebeten, zu Bildern Stellung zu beziehen, auf denen unterschiedliche Gewalthandlungen gezeigt wurden. Mädchen reagierten sehr viel häufiger als Jungen mit Ärger und auch mit Angst, wenn sie sich vorstellten, in eine ähnliche Situation zu kommen, Jungen gaben oft an, sich nichts dabei zu denken. Die Mehrheit sowohl der Jungen als auch der Mädchen würde sich nicht einmischen, wenn sie Gewalthandlungen beobachtet. Auf sexuell gefärbte Beleidigungen reagieren Jungen schneller mit eskalierender körperlicher Gewalt als Mädchen. Verbale Angriffe mit sexuellen Konnotationen, die entweder auf die Person selbst zielen oder auf ihre nächsten Angehörigen (besonders die Mutter), können bei ihnen im Nu spontane körperliche Gegenangriffe nach sich ziehen. Die Schwelle zu spontanen zornigen und blitzschnellen körperlichen Gegenreaktionen liegt bei Jungen niedriger als bei Mädchen (Popp 2002, 146). Mädchen hänseln, hetzen und beleidigen nicht nur ihre Geschlechtsgenossinnen, sondern wenden diese Form der Gewalt auch gegen Jungen an. Aber sie äußern Angst davor, körperlich angegriffen zu werden, sind andererseits aber auch nicht selten dabei, Streitigkeiten zwischen Jungen durch Bemerkungen und Sticheleien zu schüren und anzuheizen. Auch spielen sie manchmal bei körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Jun102
gen eine Rolle im Hintergrund, entweder bewundernd zuschauend oder sich selbst geschmeichelt als »Subjekt« des Streits sehend (Tillmann, Holler-Nowitzki, Holtappels, Meier und Popp 2000, 313). Wie Popp (2002, 35) darlegt, ist die Rolle von Mädchen bei von Schülern verübten Gewalttaten sowie das Zusammenspiel zwischen den Geschlechtern und die verstärkenden oder auch abschwächenden Impulse, die von Mädchen ausgehen, noch nicht hinreichend untersucht.
Hat die Gewalt an Schulen zugenommen? Die Frage, ob Gewalt in den Schulen zugenommen hat, ist nicht leicht zu beantworten, da es zum einen verschiedene Zugänge zur Erfassung von Gewalttaten gibt (Kriminal- und/oder Versicherungsstatistiken, Forschungsbefunde) und zum anderen aber auch die verschiedenen Gewaltformen in ihren unterschiedlichen Ausmaßen berücksichtigt werden müssen. Zwischen Gewalt und Gewalt gibt es nach Kassis (2002, 460) »gewaltige« Unterschiede. Die polizeiliche Kriminalstatistik bietet nach Pfeiffer und Wetzeis (1999) Belege dafür, dass in den Jahren 1990 bis 1998 polizeilich registrierte Gewalttaten junger Menschen nicht brutaler geworden sind, die durchschnittliche Tatschwere zurückgegangen ist, es eine Zunahme von leichteren Delikten gibt und die Täter wie Opfer immer jünger geworden sind. Nun ist Jugendgewalt allerdings nicht gleichbedeutend mit Schülergewalt, wie Lamnek (2000) betont, aber Jugendzeit ist gleichzeitig Schulzeit, und daher überschneiden sich die Themen Gewalt von Jugendlichen an Schulen und Gewalt von Jugendlichen im Freizeitbereich. Jugendliche, 103
die im außerschulischen Kontext gewaltauffällig sind, treten meistens auch im schulischen Kontext als Gewalttäter in Erscheinung (Lamnek 2000, 5). Auch Kassis (2002, 467) sieht eine Verbindung zwischen innerschulischer und außerschulischer Aggressivität. Neben der polizeilichen Kriminalstatistik werden oft Versicherungsstatistiken herangezogen. Sie erfassen nicht zuverlässig Veränderungen im Verhaltensbereich von Schülern, denn die Beziehungen zwischen Schülern, Eltern und Lehrern sind zunehmend »verrechtlicht«. Es werden immer mehr abweichende Verhaltensweisen von Schülern über die Versicherungen »abgewickelt« und nicht nur über pädagogische Interventionen geklärt. Beispiele dafür sind zerbrochene Fensterscheiben und demoliertes Schul- und Klassenmobiliar. Die apparative Ausstattung in den Klassen (Overhead-Projektoren, Fernseh- und Videogeräte, Computer und Beamer) ist wesentlich kostspieliger als früher und auch anfälliger für Reparaturen geworden, sodass deutlich höhere Kosten bei der Reparatur und Schadensbeseitigung anfallen. Oft müssen schulexterne Reparaturdienste beauftragt werden, was zur Steigerung der Kosten bei der Schadensregulierung führt. Der schlichte Verschleiß von Apparaten kann ohne viel Mühe zur Beschädigung umdefiniert werden, sodass auch aus diesem Grunde die Schadenssummen erhöht wirken. Von den in den letzten Jahren erheblich gestiegenen Reparaturkosten auf eine Zunahme von Gewalt in der Schule zu schließen, ist deshalb nicht gerechtfertigt. Vieles, was in der Schule an Gewalt und Aggression passiert, z.B. an psychischen Gewaltformen, erreicht die Versicherungsagenturen und Polizeibehörden gar nicht, wird nicht gemeldet und auch nicht als »krimineller« Akt definiert: Das Hänseln und Schikanieren, Ausgren104
zen und Demütigen von Schülerinnen und Schülern, die verbalen Attacken unter Schülern und auch gegenüber Lehrkräften. Es sind Handlungen, die in allen Klassenstufen und über alle Schulformen hinweg vorkommen. Sie führen zwar zu großen psychischen Belastungen bei den »Opfern« und deren Eltern, dringen aber meist auch nicht an die Öffentlichkeit, geschweige denn zu Ohren der Schulleitungen oder gar der Polizei (Lamnek 2000).
Die Ergebnisse wissenschaftlicher Befragungen Im Unterschied zu den polizeilichen Kriminalstatistiken und Versicherungsstatistiken basieren wissenschaftliche Studien meist auf Lehrer- und Schülerbefragungen. Das hat den Vorteil, dass nicht das Anzeigeverhalten im Vordergrund steht, sondern anonym gegebene Antworten auf bestimmte Fragen. Dennoch können die Auskünfte von Pädagogen nur als Anhaltspunkte und nicht als valide Kriterien für reale Veränderungen herangezogen werden, denn Lehrkräfte zeigen eine Tendenz, Gewaltvorkommnisse in ihren Schulen zu überschätzen und Schulleitungen haben die Neigung, härtere körperliche Auseinandersetzungen auf den Schulhöfen zu verschweigen, um den Ruf der Schule nicht zu ruinieren. Prügeleien unter Schülern werden oft nur angezeigt, wenn Eltern darauf drängen, oder wenn die Schulleitung sich besonders machtlos gegenüber den Tätern fühlt. Verwüstungen und Beschädigungen von Schuleigentum erfüllen zwar oftmals den juristischen Tatbestand der Sachbeschädigung, werden aber dennoch zum Schutz der kindlichen und jugendlichen Täter schulintern oder unter Einschaltung der Versicherung der Eltern geregelt, ohne dass es zu einer offiziellen Anzeige kommt. 105
Die aussagekräftigste Erkenntnismethode zur Beantwortung der Frage nach der eventuellen Zunahme von Gewalt ist deshalb die Täter- und Opferbefragung durch Schülererhebungen (Melzer 2000). Allerdings gibt es auch hierbei Restriktionen. Es hängt immer auch vom persönlichen Empfinden des Einzelnen ab, was er als Gewalt empfindet und wie sehr er unter einer Gewalttat leidet. Nach Schubarth (2000, 73) gibt es keine objektiven Maßstäbe dafür, ab wann eine Handlung als gewalttätig einzustufen ist. Dies trifft auch für die Probanden zu, die in den Studien zu erlebten und/oder selbst ausgeteilten Gewalttätigkeiten Stellung beziehen sollen. Es ist immer eine Frage der Interpretation der Situation und auch der persönlichen Maßstäbe, ob eine Handlung als gewalttätig empfunden und wie stark die Gewalttätigkeit eingestuft wird. Aus diesem Grund können die bisherigen Studien wegen der methodologischen und konzeptionellen Schwierigkeiten kein eindeutiges und klares Bild ergeben (Melzer 2000, 9). Auch wenn es bei vielen Eltern und Lehrern zu einem erheblichen »gefühlten« Anstieg der Gewalt in Schulen gekommen ist und in den Medien oft eine erhebliche Steigerung behauptet wird, weist doch die Mehrzahl der Untersuchungen der letzten Jahre auf der Basis der Befragung von Schülerinnen und Schülern (»Selbstberichte«) darauf hin, dass es einen Anstieg gibt, der aber nicht wirklich alarmierend ist. In einer der frühesten deutschen Untersuchungen von Brusten und Hurrelmann (1973) konnte auf den engen Zusammenhang zwischen Schulversagen und Stigmatisierung in Richtung »kriminell gefährdeter« Schüler hingewiesen werden. Spätere Untersuchungen bestätigen diesen Trend (Tillmann 2000). Die Auswirkungen von Schulerfolg und Schulversagen auf die Persönlich106
keitsentwicklung und spätere soziale Karriereverläufe von Kindern und Jugendlichen sind erheblich. Alle Untersuchungsergebnisse belegen, dass bei kriminell gewordenen Jugendlichen der Anteil derer ohne Schulabschluss und Berufsausbildung hoch ist (Mansel und Hurrelmann 1998; Engel und Hurrelmann 1998). Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass gerade auch bei den Gymnasiasten die Zusammenhänge zwischen Schulverdrossenheit, Leistungsversagen und negativem schulischen Selbstbild und Ausprägungsmuster von Gewalt zutreffen, wenn auch letztere sehr viel schwächer sind als bei Schülerinnen und Schülern anderer Schulformen (Grundmann und Pfaff 2000). Vergleicht man die Ergebnisse der Studien aus den 1970er mit denen aus den späten 1990er Jahren, so kann eine leicht gestiegene Häufigkeit von schwerwiegenden physischen und wahrscheinlich auch psychischen Gewalthandlungen in der Schule konstatiert werden. Waren es in der Studie von Brusten und Hurrelmann noch etwa 12 %, die auf eine entsprechende Frage antworteten, sind es in der Vergleichsstudie von Tillmann (2000) schon 15 %. Der Anstieg wird in den Untersuchungen der letzten Jahre, die Schulform bezogene Vergleiche anstellen, noch deutlicher. Es zeigt sich, dass es hauptsächlich die Haupt- und Sonderschüler sind, von denen vermehrte Gewalt ausgeht (Holtappels und Meier 1997; Grundmann und Pfaff 2000). Sie stellen im Gesamtgefüge der Schülerschaft, was ihre Gewaltbereitschaft anbetrifft, eine Größe von 3 % bis 6 % dar. Das ist zwar per se eine relativ geringe Ausprägung. Auf Lehrerinnen und Lehrer wirkt das aber oft so, als hätten die physischen und psychischen Gewalthandlungen im großen Stil zugenommen. Die subjektiven Lehrerurteile könnten dadurch bedingt sein, dass Lehrer heute – auch aus107
gelöst durch mediale Berichterstattung und öffentliche Diskussionen – Aggressionen und Gewalt von Schülerinnen und Schülern vermehrt wahrnehmen und ihre Sensibilität gegenüber Störungen und Aggressionen gestiegen ist (Melzer 2000). Erschwerend kommen die eher ungewöhnlichen neuen Formen von Gewalthandlungen hinzu, die das Bild von Gewalttaten in Schulen prägen, die aber glücklicherweise so selten sind, dass sie nicht als Indiz für eine Steigerung des Ausmaßes an Gewalt an Schulen genommen werden können. Manche Arbeitsgruppen – so die um Tillmann (2000) – haben zwar einen deutlichen Anstieg von delinquenten Handlungen speziell bei Hauptschülern festgestellt, die jedoch insgesamt gesehen nur von einer Minderheit ausgeführt wurden, sodass die These erlaubt ist, es handele sich auch in Hauptschulen im Grunde nur um eine sehr kleine Gruppe, die sich gewalttätig verhält. Auch in Hauptschulen neigt die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler nicht zur Gewalt. Für alle Schulen kann gesagt werden: Das Ausmaß an Gewalt ist in Wirklichkeit nicht so dramatisch wie oft angenommen. Alle vorliegenden Studien zeigen also, dass die Mehrheit der Schüler weder gewalttätig noch gewaltbereit ist (Schubarth 2000, 78). Es ist nicht so sehr der quantitative Anstieg, der beunruhigend ist, sondern vielmehr die qualitative Veränderung der Gewalthandlungen, die sinkende Hemmschwelle bei einem kleinen Teil der Schülerschaft, der Umgangston unter Schülern untereinander und auch gegenüber Erwachsenen. Es handelt sich offensichtlich nur um eine kleine Gruppe von Schülern, die durch gewalttätige Handlungen (Körper- und Sachbeschädigung) auffallen, die jedoch nichtsdestotrotz die Opfer – vor allem jüngere Schüler – in Angst und Schrecken versetzen können. 108
Die überwiegende Mehrheit der Schülerinnen und Schüler, so können wir resümieren, ist weder gewaltbereit noch gewalttätig, und zwar weder in der einen noch in der anderen Gewaltform. Nach Ackerman, Darge und Ehninger (2001, 423ff) kann von einer Polarisierung zwischen Unbeteiligten und aktiv oder passiv Beteiligten gesprochen werden. Wenn also von einer nennenswerten Zunahme der Gewalthandlungen in Schulen insgesamt gesehen nicht gesprochen werden kann, so prägt dennoch die kleine und insgesamt angewachsene Gruppe der gewalttätigen Schülerinnen und (vor allem) Schüler das Bild von Schule in der Öffentlichkeit, wird von den Medien aufgegriffen, dramatisiert und führt dadurch zur Beunruhigung von Eltern und Lehrern.
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3. Kapitel Die Schule als Produzent von Gewalt
Strukturelle und institutionelle Gewalt im Schulsystem Schule hat als Sozialisationsinstanz eine hohe gesellschaftliche Bedeutung. Kein Kind und kein Jugendlicher kann sich ihr auf Dauer entziehen. Die allgemeine Schulpflicht bestimmt zu einem sehr großen Teil das Leben von Kindern und Jugendlichen im Alter von sechs bis achtzehn oder sogar bis zwanzig Jahren. Die Schule dauert für Jugendliche heute im Vergleich zur Generation ihrer Eltern erheblich länger. Immer mehr achtzehn- und neunzehnjährige junge Erwachsene besuchen vollzeitliche schulische Bildungseinrichtungen. Die Schule ist also im Zeithaushalt eines jungen Menschen bis zum Ende des zweiten Lebensjahrzehnts das zentrale Lebensfeld geworden. Was in der Schule passiert, ist daher äußerst wichtig für die gesamte persönliche Entwicklung. Auch aus diesem Grund ist es von großer Bedeutung herauszustellen, welchen Anteil Schule als Institution an der Entstehung von Gewalt bei Kindern und Jugendlichen hat.
Der Selektionscharakter der Schule Am Ende der Schulzeit wird für alle Schülerinnen und Schüler mit dem Abgangszeugnis eine vorläufige Entscheidung darüber gefällt, welche Position sie später im 110
sozialstrukturellen Gefüge als Gesellschaftsmitglied einnehmen werden. Die schulischen Bewertungen ihrer individuellen Leistung entscheiden über ihre weiteren Ausbildungsgänge. Die Schullaufbahn kommt einem Prozess der Auslese gleich, der schon mit Eintritt in die Grundschule beginnt und besonders am Ende der vierten Klasse an Bedeutung gewinnt, wenn die Weichen für die weiterführende Schule gestellt und die Schüler nach ihrer Qualifikation »sortiert« werden. In diesem Sinn bereiten die Grundschule und die weiterführenden Schulen durch die Vergabe von Noten und Zeugnissen auf die Leistungsgesellschaft vor. Zeugnisse und Abschlussurkunden stellen Berechtigungsnachweise dar und bestimmen die Chance auf höhere Bildung und damit auch auf Einkommen, Macht und Einfluss. Die Leistungs- und Konkurrenzorientierung, die in der Schule vorherrscht, wird von vielen Schülerinnen und Schülern als »strukturelle Gewalt« empfunden. Sie leiden darunter, »nur« und ausschließlich nach dem Kriterium der erzielten Leistung beurteilt zu werden und daher schlechte Voraussetzungen zu haben. Im Sinne der in Kapitel 1 erwähnten Konflikt- und Spannungstheorien spüren sie, wie gering ihre Chancen im Wettbewerb sind, dessen Spielregeln nicht von ihnen beeinflusst werden können. Sie müssen zur Kenntnis nehmen: Individuelle, personenbezogene soziale und emotionale Fähigkeiten wie Hilfsbereitschaft, Anstrengungsbereitschaft und Empathie bleiben unberücksichtigt und fließen nicht in die Beurteilung ein. Das enttäuscht viele Schülerinnen und Schüler und macht sie wütend und aggressiv. Sie strengen sich an, erreichen dennoch nicht die gewünschte Note, stehen unter starker Anspannung und spüren den Druck, der häufig zusätzlich von den Eltern ausgeht. Viele sind über die Notengebung der 111
Lehrkräfte verärgert und frustriert. Als Reaktion verweigern viele die Mitarbeit, klinken sich aus dem Unterrichtsgeschehen aus und resignieren oder rebellieren. Wie die Anomie-Theorie herausgearbeitet hat, fühlen sich diese Schülerinnen und Schüler, gibt man ihnen keinen strukturellen Halt, als Versager, weil sie nach den Wettbewerbsregeln des schulischen Leistungsgefüges nicht mithalten können. Ihre Enttäuschung kann der Auslöser für und Ausgangspunkt von Gewalttätigkeit und Zerstörung von Schuleigentum sein. Auch die Emotionstheorie und FrustrationsAggressionstheorie, die in Kapitel 1 vorgestellt wurden, erklären die Entstehung von Gewalt auf der Grundlage von Demütigung, Scham, Verärgerung und Verzweifelung. Wenn Schülerinnen und Schüler spüren, dass sie den Leistungsanforderungen der Schule und den Erwartungen der Eltern nicht entsprechen, wenn sie sich ausgeschlossen fühlen und keinen Sinn in den Angeboten der Schule sehen und sie das Normen- und Wertesystem der Schule daraufhin nicht mehr anerkennen, wenn ihre Motivation sinkt und sie keine Hoffnung mehr haben, Leistungsdefizite aufholen zu können, dann steigt bei vielen ihre Gewaltbereitschaft (Grundmann und Pfaff 2000). Der Wettbewerbsdruck, der auf den Schülern lastet, ist schon im Grundschulalter zu spüren. Schon Grundschülerinnen und -schüler erhalten Nachhilfeunterricht in den Fächern Rechtschreiben und Rechnen. Die nächste »Druckwelle« kommt beim Übergang in die weiterführende Schule. Schulformen, die einen hochwertigen Schulabschluss in Aussicht stellen, sind für Eltern und Schüler erstrebenswerter denn je. Realschulen und Gymnasien sind die Gewinner der »Bildungsexpansion«. Sie nehmen heute schon zwei Drittel eines jeden Jahrgangs von Fünftklässlern auf. In der Sekundarstufe 112
suchen rund ein Drittel der Eltern nach geeigneten Nachhilfelehrern oder Nachhilfeinstituten. Durch derlei hektische Aktivitäten steigt der Druck, der auf den Schülern lastet, noch weiter an. Die Mehrheit der Eltern und Schüler reagiert auf das in seinen Strukturen selektiv aufgebaute deutsche Schulsystem mit Unruhe und Nervosität. Durch seine Strukturen, insbesondere durch das Jahrgangsprinzip mit Versetzung und Klassenwiederholung und durch Übergangsentscheidungen in unterschiedlich bewertete Schulformen, zwingt das Schulsystem Eltern zu permanenter Aufmerksamkeit bei der »Karriereplanung« und zu ständigen Versuchen, die Ausgangsposition der Kinder zu optimieren. Dieser Druck überträgt sich auf die Kinder und wird von ihnen oft als »institutionelle Gewalt« der Organisation Schule wahrgenommen. Die Mehrheit der Jugendlichen steht damit unter einem hohen Erwartungsdruck, die anspruchsvolle, meist sehr theoretisch konzipierte und oft praxisferne Schulausbildung auch erfolgreich abzuschließen. Nervosität und Spannungen in den Beziehungen zu den Eltern sowie Konflikte und offene Auseinandersetzungen sind programmiert. Enttäuschungen der Eltern, wenn ihre Kinder an den schulischen Anforderungen scheitern und Ablehnung oder sogar Zurückweisungen sind die zwangsläufige Folge. Für die Kinder bedeutet das meistens zusätzlich zum schulischen Scheitern auch noch familiäre emotionale Belastungen und Frustrationen. Viele Jugendliche erleben diese Situation als brisante Mischung aus Manipulation, Druckausübung und ambivalenter Zuwendung, die ihre Gewaltbereitschaft begünstigen kann. Die Gewaltäußerungen von Schülerinnen und Schülern in der Schule können als Versuche angesehen werden, sich in diesen als solchen empfundenen 113
institutionellen Gewaltverhältnissen (Schubarth 2000).
zu
behaupten
Fehlende Zukunftsperspektiven von Schülerinnen und Schülern Für Eltern und Schüler ergibt sich der eigentliche Sinn der Schule darin, ein Abschlusszertifikat zu erhalten, das Arbeitsplatzmöglichkeiten eröffnet. Die Situation auf dem Ausbildungsstellenmarkt hat sich jedoch in den letzten Jahren deutlich verschlechtert. Nicht nur Schulabgänger von Sonder- und Förderschulen haben aufgrund fehlender oder schlechter Schulabschlüsse auf dem Ausbildungsmarkt immer geringere Chancen, sondern auch Schulabgänger von Haupt- und Realschulen sowie von Gymnasien mit guten Zeugnissen. Trotz guter Leistungen in der Schule ist nicht sichergestellt, dass Jugendliche die Möglichkeit haben, einen Beruf auszuüben beziehungsweise zu erlernen, der ihren Fähigkeiten und Interessen entspricht. Die Situation, in der sich viele Jugendliche befinden, trägt damit Züge »struktureller Gewalt«, denn den Schülern wird indirekt mitgeteilt, dass sie trotz eines routiniert ablaufenden Wettbewerbs um gute Ausgangspositionen faktisch keine Zukunftschancen haben. Besonders betroffen sind Jugendliche aus sozialen Brennpunkten und Familien mit Migrationshintergrund. Viele junge und ältere Schülerinnen und Schüler wachsen schon im Elternhaus in Perspektivlosigkeit auf. Wenn Eltern und ältere Geschwister ebenfalls arbeitslos sind, dann sind manche Jugendliche wenig motiviert, sich eine Lehrstelle zu suchen, sondern eher mutlos und resigniert. Viele Schulen ergreifen deshalb von sich aus die 114
Initiative, entwickeln Förderkonzepte und setzen sich mit Wirtschaftsverbänden und Arbeitsvermittlungen in Verbindung. Kreise und Städte werden vielerorts ebenfalls initiativ und bezuschussen jeden zusätzlichen Ausbildungsplatz, der mit einem Arbeitslosengeld-Empfänger besetzt wird, doch die Lage bleibt angespannt. Das Wissen um diese Problematik führt bei Schülerinnen und Schülern zu Frustration und zu der Überzeugung, dass sich Anstrengungen, um bessere Leistungen zu erzielen, nicht lohnen und dass alles sinn- und nutzlos ist. Viele Schülerinnen und Schüler reagieren mit Resignation, aber viele auch mit Hass, Aggression und kriminellen Aktivitäten während der letzten Schuljahre. Haben schon schlechte Leistungen und Klassenwiederholungen ihr Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen beeinträchtigt, so kommt es durch die Befürchtung, am Ende der Schulzeit ohne Ausbildungsplatz dazustehen, zu einer weiteren Verminderung ihres Selbstwertgefühls. Wenngleich die Verarbeitungsmuster und Reaktionsweisen der Betroffenen sehr unterschiedlich sind und auch von vielen außerschulischen Faktoren abhängen, so kann doch die Befürchtung, keinen Ausbildungsplatz zu bekommen, die Anstrengungsbereitschaft vieler Schüler hemmen und gemäß der Anomie-Theorie die Aggressionsbereitschaft vergrößern. Wenn ihnen keine Ausbildungsplätze in Aussicht gestellt werden, dann sind sie versucht, je nach persönlicher Konstitution, sich physisch stark und oft genug auch gewalttätig gegenüber Lehrkräften und Gleichaltrigen zu gebärden. Es ist eher ein Ausdruck der Verzweiflung und nicht so sehr die Abwendung von schulischen Normen und Leistungserwartungen, die sie gewalttätig werden lässt. 115
Verzerrte Chancen- und Wettbewerbsstrukturen Die Angst, nach der Schulzeit ohne Berufsausbildung und dann ohne Job dazustehen, rangiert bei Schülerinnen aller Schulformen vor allen anderen Ängsten. Die Shell-Jugendstudien 2002 und 2006 haben gezeigt, wie pessimistisch vor allem Jugendliche mit niedrigen Bildungsabschlüssen in die Zukunft blicken. Da ihnen auf legitimem Wege die Gestaltung einer erstrebenswerten gesellschaftlichen Zukunft nicht gelingt, greifen sie nicht selten zu illegitimen Mitteln, zu Gewalt und Zerstörung (Deutsche Shell 2002, 2006). Schulische Bedingungen können dann umso mehr auslösende Faktoren für Gewalttätigkeit sein, als die Mehrheit der Jugendlichen den primären Sinn des Schulbesuchs in der Vorbereitung auf das Berufsleben sieht und Schule gerade diese Funktion nicht mehr erfüllt. Für den Eintritt in den Beruf ist zwar das schulische Abschlusszertifikat immer noch zwingende Voraussetzung, aber es liefert weder Gewähr noch Garantie dafür. Die Begrenzung ihrer Zukunftsperspektiven nehmen die Jugendlichen auch bereits im Vorfeld des Statusübergangs, also noch während der Pflichtschulzeit wahr (Mansel, Schweins und Ulbrich-Hermann 2001). Schule spiegelt gesellschaftliche Struktur- und Chancenbedingungen wider, die außerhalb von Schule bestehen. Die hier angesprochenen Ausgangsbedingungen für die Entstehung von Aggressivität und Gewalt werden in den außerschulischen Lebenskontexten gelegt und können von der Institution Schule nur schwer verändert und beeinflusst werden. Das gilt auch für die soziale Grundeinstellung gegenüber den schulischen Bedingungen, die den Kindern und Jugendlichen von ihren Eltern vor116
gelebt wird. Viele Eltern zeigen Desinteresse und Gleichgültigkeit gegenüber der Schule, gehen nicht zu Elternsprechtagen oder Elternversammlungen, sondern meiden die Schule, hegen Abneigung gegen die Lehrerschaft und fürchten deren Machtbefugnisse. Kinder ahmen dieses negative Vorbildverhalten oft nach und übernehmen – ganz im Sinne der Lerntheorie – diese Einstellung, lehnen ihrerseits Lehrer und Schule ab und fühlen sich der Schule zwangsverpflichtet. Schule bildet die gesellschaftliche Realität ab, die darin besteht, einerseits von den Jugendlichen Leistungen zu erwarten, diese andererseits dann jedoch nicht gegen Berufseinstieg und Berufserfolg einzulösen. Die Jugendlichen spüren sehr genau, dass ihre Position in der Bildungslaufbahn über ihre späteren Lebenschancen entscheidet. Die Hintergründe für das Gewaltpotential an Schulen müssen in der gesamten Chancen- und Wettbewerbsstruktur des Bildungswesens und der Gesellschaftsstruktur gesehen werden.
Gewalt als Enttäuschungsreaktion Aggressiv und gewalttätig können Jugendliche – wie die Konflikt- und Spannungstheorien erklären – dann werden, wenn die Ausgangsbedingungen für ihre Persönlichkeitsentwicklung nicht günstig sind. Ihr aggressives oder auch delinquentes Verhalten bildet vielfach den Endpunkt einer langen Kette von Belastungen. Es handelt sich nicht nur um Jugendliche, die sich primär vom sozialen System abwenden, sondern auch um Jugendliche, die im Gegenteil Leistung, Erfolg und Prestige erzielen wollen, jedoch darunter leiden, dass sie die für wünschenswert gehaltenen Attribute für Anerkennung 117
und Wertschätzung nicht besitzen (Tillmann, HollerNowitzki, Holtappels, Meier und Popp 2000, 252). Gerade im Jugendalter entstehen abweichende Verhaltensweisen, zu denen Aggressivität und Gewalt gehören, nicht dadurch, dass Jugendliche abweichende Werte internalisieren, sondern weil sie gesellschaftlich zentrale und konforme Werte wie Status und Prestige anstreben, aber nicht erreichen können. Ist das Ziel, Erfolg über Leistung vorzubereiten und zu erzielen, bedroht, dann geraten gerade die leistungsorientierten Schülerinnen und Schüler unter Druck und greifen aus Enttäuschung und Frustration je nach Situation und eigener Gewalterfahrung möglicherweise zu aggressiven Mitteln der Bewältigung. Das ist als eine mehr oder weniger demonstrative Abwendung vom sozialen Regelsystem der Leistungserbringung in der Schule anzusehen. Demonstrative Gewalt in und außerhalb der Schule ist für viele Jugendliche nach eigener Einschätzung manchmal der letzte Weg, um Anerkennung zu erzielen, und sei es nur Anerkennung in der Gruppe der Gleichaltrigen. Schüler, die im offiziellen Bereich der Leistungserbringung nach schulischen Standardregeln nicht erfolgreich sind, können in Versuchung geraten, sich den fehlenden Erfolg im informellen Sektor der Gleichaltrigengruppe und der Clique zu holen. Die offizielle und die inoffizielle Kultur wird von den Jugendlichen so gegeneinander ausgespielt, dass sie das Versagen in dem einen Bereich durch einen künstlich herbeigeführten Erfolg im anderen Bereich überspielen und ihre erkennbare Schwäche auf einem Gebiet durch demonstrative Stärke auf dem anderen kompensieren.
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Schul- und unterrichtsorganisatorische Bedingungen Die äußeren Rahmenbedingungen einer Schule, auch die organisatorischen und räumlichen, sind nach den einschlägigen Studien für das Auftreten von Gewalt von großer Bedeutung. Dazu gehören die Architektur des Gebäudes und besonders die Aufteilung und Gestaltung der Klassenräume. Hierauf weisen besonders Sprague, Sowards, van Bloem, Eberhardt und Marshall (2002) hin, die die Architektur von Schulen zu den zentralen Risikofaktoren neben den Charakteristika der Schülerpopulation und der Beschaffenheit des Stadtteils zählen, in dem die Schule liegt. Vor allem ältere Gebäude, die vor 30 Jahren gebaut wurden oder noch älter sind, entsprechen in keiner Weise den Anforderungen, die heute an Schulgebäude gestellt werden. Es fehlt an Großräumigkeit, Übersichtlichkeit, Farbigkeit, Helligkeit und einer technischen Ausstattung, die modernen Anforderungen genügt (Sprague und Walker 2005, 13). Die Autoren weisen darauf hin, wie sehr die physikalische Beschaffenheit der Räume, Flure, Wände und Fenster, Formgebung und Bauweise von Gebäuden und Räumlichkeiten das Verhalten der Schülerinnen und Schüler beeinflussen kann. Während im Unterricht Gewalthandlungen von Schülern oft durch die Präsenz von Lehrerinnen und Lehrern verhindert werden, bricht sich diese häufig außerhalb des Unterrichts in unbeaufsichtigten und nicht einsehbaren Räumen, Fluren, Toilettenräumen, abgeschirmten Nischen und Ecken des Schulgebäudes, auf dem Schulhof und um das Schulgelände herum Bahn. Auch in abgelegenen und unübersichtlichen sanitären Anlagen kommt es immer wieder zu – oftmals auch sexuellen – 119
Übergriffen. Weiter ist von Bedeutung, ob die Räumlichkeiten in Schulen gepflegt und gut gereinigt sind und in Schadensfällen sofort repariert werden. »Manchmal hilft schon ein bisschen Anstreichfarbe« titelte eine Tageszeitung in diesem Zusammenhang und hob hervor, dass vernachlässigte Räumlichkeiten oder nicht behobene Sachbeschädigungen zum »Vandalismus« und zum Beschmieren der Wände geradezu anreizen. Große Schulklassen mit über 30 Schülern und große Schuleinheiten (über 800 bis 900 Schüler) werden allgemein als ungünstige Ausgangsfaktoren angesehen, weil sie in stärkerem Maße als kleinere Schulen Anonymität und soziale Isolation begünstigen. Wichtiger noch als Architektur und unübersichtliche Gebäudestruktur ist jedoch die interne Schulstruktur und Schulorganisation. Ist sie ebenfalls unübersichtlich, unstrukturiert und chaotisch, wissen die Schülerinnen und Schüler nicht, an wen sie sich im Konfliktfall wenden können. Haben sie keine Ansprechpartner, keine festen Klassenräume, Bezugspunkte und Bezugspersonen, sind weitere Ausgangsfaktoren für Regellosigkeit, Orientierungsprobleme, Kontrollverlust und in der Folge für Gewalt gegeben. Neben schulorganisatorischen gibt es unterrichtsorganisatorische Risikofaktoren für Gewalt. Solche Risikofaktoren benennen die »wahrscheinlichkeitssteigernden« Anzeichen für das Auftreten von Gewalt und Aggression. Sie begünstigen das Entstehen von Gewalt, müssen aber nicht notwendigerweise dazu führen. Liegen Risikofaktoren vor, steigt die statistische Wahrscheinlichkeit für Aggressionshandlungen, und entsprechend hilfreich ist es, sie genau zu kennen. In der Wechselwirkung und im Zusammenwirken solcher Fak120
toren erhöht sich die Wahrscheinlichkeit sogar sehr stark.
Entfremdung und Distanz zu schulischen Normen und Werten Ein zentraler Risikofaktor ist die Entfremdung der Schüler von schulischen Normen und Werten. Zu ihnen gehören Anstrengungs- und Leistungsbereitschaft sowie Höflichkeit und Respekt im Umgang miteinander. Schülerinnen und Schüler können aber nur dann den Sinn dieser Werte verstehen und danach handeln, wenn sie erleben, dass sie für alle gleichermaßen gelten, sowohl für sie selbst als auch für ihre Lehrkräfte. Diese Erfahrung machen sie jedoch nicht immer. Stattdessen erleben sie nicht nur verbale Gewalt von Lehrern und Lehrerinnen ihnen gegenüber, sondern zusätzlich noch Ungerechtigkeiten, unfaires und unprofessionelles Verhalten. Genau hierauf stellen die in Kapitel 1 erwähnten Emotions- und Etikettierungstheorien ab, wenn sie die sich aufschaukelnden Gefühle und die Stigmatisierungsprozesse beschreiben, die Jugendliche in eine Sonder- und Außenseiterrolle drängen können. Hinzu kommt, dass von vielen Jugendlichen bei den gegenwärtig überwiegend wissenschaftlich orientierten Lern- und Lehrformen kaum ein praktischer Anwendungsbezug zu ihrem Leben und ihren alltäglichen Interessen hergestellt werden kann, sodass Schule in ihren Augen als eine Instanz angesehen wird, die sie eher von sinnvolleren und effektiveren Tätigkeiten abhält und sie in ihrer Selbstverwirklichung und der Entfaltung ihrer subjektiven Möglichkeiten, Fähigkeiten und Fertigkeiten behindert. Dies gilt besonders dann, wenn sie eine bestimmte 121
weiterführende Schule besuchen, weil die Eltern es von ihnen erwarten und sie deren Leistungserwartungen nicht genügen können. Wenn Klassenwiederholungen, Schulwechsel zu in der Schulhierarchie niedriger angesiedelten Schulformen hinzukommen und Schüler immer mehr Frustrationen anhäufen, dann kann dies ein Nährboden für Gewaltbereitschaft dieser Jugendlichen sein (Mansel und Hurrelmann 1998). Im Endeffekt kann es durch Erlebnisse des Scheiterns und häufige Misserfolge zu einer Abwendung von schulischen Wertstrukturen und zu Gefühlen der eigenen Wertlosigkeit kommen. Dies kann dazu führen, dass Anregungen und Anweisungen der Lehrkräfte abgelehnt, zurückgewiesen und nicht befolgt, ja sogar hintergangen und sabotiert werden. Oftmals findet diese Einstellung ihren Ausdruck in Schulverweigerung, Schulschwänzen und im Extremfall in Gewaltexzessen. Es gibt Schüler, die in der Familie unauffällig und angepasst leben und in der Schule aber Normen und Werte ablehnen und alle Grenzen der Höflichkeit, des Respekts und der Menschlichkeit sprengen (Melzer, Schubarth und Ehninger 2004).
Schulversagen Die Schule nimmt eine sehr direkte und für die Zukunft wirkungsvolle Definition und Kategorisierung von Leistungserfolg und Leistungsversagen vor, die in dieser Weise in keiner anderen gesellschaftlichen Institution erfolgt, die sich mit Kindern und Jugendlichen beschäftigt. Als Institution kontrolliert sie damit – wie in den in Kapitel 1 erörterten Theorien herausgearbeitet wurde – viele soziale und psychische Bedingungen ihrer Klien122
tel, die aggressives Verhalten und Gewalt hervorrufen können. Die Kategorisierung als »leistungsschwach« führt bei der Mehrzahl der Betroffenen zu einer Verunsicherung des Selbstwertgefühls und einer Minderung späterer sozialer und beruflicher Chancen. Aggressivität und Gewalt bei Schülern können – folgt man den Emotions- und Etikettierungstheorien – als Verteidigungsund Kompensationsmechanismen gegen diese psychischen und sozialen Verunsicherungen interpretiert werden, die in der Schule entstehen. Leistungsversagen, schlechter schulischer Leistungsstand, häufige Versetzungsgefährdungen, Klassenwiederholungen und ein Zurückbleiben hinter den eigenen und/oder elterlichen Erwartungen stellen Risikofaktoren erster Ordnung und damit »sources of vulnerability« dar (Sprague und Walker 2005). Als Reaktion steigen die Werte für aggressives Verhalten und Delinquenz besonders bei den Jugendlichen, die sich mit den Leistungsanforderungen identifizieren (Schubarth 2000; Melzer, Schubarth und Ehninger 2004). Jugendliche, die auf die Frage »Wie wichtig ist es dir, in der Schule gute Leistungen zu erbringen?« mit »wichtig« oder »sehr wichtig« antworten, zeigen im Falle von schulischem Misserfolg höhere Delinquenzwerte als die Schüler, die schulische Leistungen für unwichtig halten. Dasselbe Bild ergibt sich dann, wenn man die Jugendlichen nach ihrer Erfolgsorientierung gruppiert. Jugendliche, die als Zielvorstellung den Erwerb eines guten Berufes und die Sicherung eines guten finanziellen Auskommens angeben, sind im Falle von Leistungsmisserfolg deutlich anfälliger für aggressives Verhalten als die Jugendlichen, die sich mit bescheideneren Plänen für die eigene Zukunft zufrieden geben (Engel und Hurrelmann 1998). Aggressivität und Gewalt zeigen sich also vor allem 123
bei den Schülerinnen und Schülern, die eine Anpassung an die vorherrschenden Wertvorstellungen angestrebt haben. Erst nachdem sie erleben mussten, dass sie nach Befolgung dieser Wertvorstellungen keinen Leistungserfolg und nicht die erwünschte Note erhalten können, haben sie sich von ihnen abgewendet und versucht, auf andere Weise Anerkennung zu gewinnen. Meist nehmen sie dabei Kontakte zu Gleichaltrigengruppen auf, die sie in ihren schulabweichenden devianten Verhaltensweisen bestätigen und sie ermuntern, die Gewalthandlungen fortzusetzen. Die Gewaltorientierung kann sich weiter verstärken, wenn es den Eltern nicht gelingt, das Leistungsversagen ihrer Kinder psychisch aufzufangen, sondern stattdessen mit Druck und Bestrafung reagieren. Das Leistungsversagen in der Schule löst in diesem Fall Konflikte, Streit und Spannungen im Elternhaus aus, die den Aggressionskreislauf weiter vorantreiben.
Falsch angelegte Koedukation Mit Einführung der Koedukation in den Unterricht sollte ein Gleichheitspostulat an die Stelle der Unterschiedlichkeit der Geschlechter treten. Dieselbe Stundenzahl, dieselben Fächer, dasselbe Curriculum für Mädchen und Jungen in ein und demselben Klassenverband, so lauteten vor Jahrzehnten die Forderungen, die inzwischen voll verwirklicht sind. Wollte man damals die Benachteiligung von Mädchen im Bildungssystem abschaffen, so entsteht nun die Frage aufs Neue, ob nicht mit der Koedukation andere Benachteiligungen geschaffen worden sind, die so nicht vorhersagbar gewesen waren (Hoppe, Kampshoff und Nyssen 2001a, 12). Ein Blick in gängige Schulbücher zeigt deutlich den 124
immer noch bestehenden Androzentrismus, der in geschlechterstereotypisierenden Zuschreibungen besteht und Frauen nicht in der ihnen heute gebührenden Rolle würdigt. Die Vernachlässigung in Bezug auf die angemessene Erwähnung der Bedeutung von Frauen in Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft in Schulbüchern und Unterricht führt zur Aufrechterhaltung der Ungleichheit der Geschlechter und kommt damit auch einer geschlechterfeindlichen Form von Gewalt gleich, nämlich Missachtung, Übersehen und damit Geringschätzung. Bildungsinhalte und -formen, Aufgabenstellungen und Lehrplanvorgaben orientieren sich überwiegend an männlichen Erfahrungen und Lebensvorstellungen. Mädchen stellen zwar mehr als die Hälfte der Absolventinnen höherer Schulen, erleben weit weniger Klassenwiederholungen als Jungen und werden seltener in Sonderschulen und Förderschulen überwiesen, aber dennoch nehmen Lehrpläne und Unterrichtsgestaltung kaum Rücksicht auf Fächerpräferenzen und unterschiedliche Interessen und Lebensperspektiven von Mädchen und Jungen (Hoppe und Nyssen 2005). Mädchen dominieren in sprachlichen und Jungen in mathemathisch-naturwissenschaftlichen Fächern. Die Studien zu IGLU, PISA und LAU dokumentieren diesen Trend. Dennoch haben Mädchen trotz ihrer im Durchschnitt besseren Leistungen im Bereich der Sekundarstufe I ein sehr viel niedrigeres Selbstbewusstsein als Jungen. Selbst leistungsschwache Jungen geben sich selbstbewusster als Mädchen. Mädchen lassen sich im Beisein von Jungen sehr schnell verunsichern, trauen sich nichts zu und lassen Jungen den Vortritt, wenn es um die Vergabe von Ämtern geht. Wie Kreienbaum (1999) darlegt, ist Lernen kontextabhängig, dieselben 125
Schülerinnen und Schüler verhalten sich in unterschiedlichen Gruppen jeweils ganz anders: In Computerkursen gemeinsam mit Jungen verhalten sich Mädchen eher zurückhaltend, zuarbeitend und überlassen es den Jungen, die Expertenrolle zu übernehmen. Sind sie jedoch unter sich, trauen sie sich sehr viel mehr zu, zeigen ein größeres Interesse und können ihre Kenntnisse anbringen. Während die feministisch orientierte Schulforschung die Benachteiligung der Mädchen im koedukativen Schulunterricht anprangert, stellt Preuss-Lausitz (1999) die Frage, ob das Schulsystem nicht auch die Jungen benachteiligt. Es ist erwiesen: mehr Mädchen als Jungen besuchen das Gymnasium, mehr Mädchen als Jungen machen Abitur. Mädchen bleiben seltener sitzen und haben im Schnitt bessere Noten. Jungen sind weit häufiger in Haupt- und Sonderschulen anzutreffen als Mädchen. Preuss-Lausitz weist darauf hin, dass sich die Anforderungen an die Schüler geändert haben und dass heute andere Qualitäten als vor Jahrzehnten zählen wie: Sprachbegabung, Lesefreude, Kommunikations- und Teamfähigkeit. In diesen Bereichen, die auch als Schlüsselqualifikationen für erfolgreiche Bildungskarrieren und Schulabschlüsse gelten, lassen Mädchen die Jungen weit hinter sich. Vor diesem Hintergrund gewinnt der Gedanke der Benachteiligung beider Geschlechter durch falsch angelegte Formen der Koedukation immer mehr an Brisanz und kann nicht so einfach zur Seite geschoben werden. Im koedukativen Unterricht neigen zum Beispiel besonders männliche Lehrkräfte dazu, Mädchen mathematische Fähigkeiten abzusprechen. Lehrkräfte beiderlei Geschlechts unterstützen und fördern die Schlüsselqualifikationen bei Jungen nicht genügend. Auch wenn in 126
Deutschland aus Mädchen- und Jungensicht die Koedukation durchaus gewollt ist (Faulstich-Wieland und Horstkemper 1995), so wird doch in der pädagogischen Forschung eine »reflexive Koedukation« in Theorie und Praxis und damit eine geschlechterbewusste Pädagogik gefordert (Palzkill 1999). In vielen Schulen wird in manchen Fächern auch schon gezielt eine Geschlechtertrennung praktiziert. Als wesentliche Ursachen für den fachspezifischen Geschlechterbias gelten die auf beide Geschlechter bezogenen Typisierungen von Lehrkräften (FaulstichWieland und Nyssen 1998). Unterschiedliche Förderung von Jungen und Mädchen aufgrund von vorurteilsbehafteten Einstellungen von Lehrerinnen und Lehrern sind auch eine Form von geschlechterfeindlicher Gewalt, nämlich Diskriminierung und Missachtung von Fähigkeiten (Hoppe und Nyssen 2005). Als Antwort auf die bestehende Kultur der Zweigeschlechtlichkeit, die zwar Begegnung, Austausch und Bereicherung ermöglicht, aber auch Konflikte und Benachteiligungen verschafft und zu Aggressionen und Gewalttätigkeit führen kann, ist ein stärkeres geschlechterbewusstes und -sensibles Lehren und Lernen in der Schule zu fordern (Hoppe, Kampshoff und Nyssen 2001a,b )
Inkompetentes Lehrerverhalten Ein weiterer wichtiger Risikofaktor für die Entstehung von Gewalthandlungen in der Schule ist ein pädagogisch inkongruentes und inkompetentes Verhalten von Lehrerinnen und Lehrern. Sprague und Walker (2005, 3) zählen folgende Faktoren des Lehrerverhaltens auf, 127
die die Entwicklung von antisozialem und aggressivem Verhalten bei Schülern begünstigen können: • • • • • • • •
Schlechte Unterrichtsqualität; überwiegend strafendes Verhalten in der Klassenführung von Lehrern; keine ausreichende Würdigung von prosozialem Verhalten von Schülern; keine Stärkung von Eigenverantwortung der Schüler für ihr Verhalten; unklare Regeln und Erwartungen bezüglich des wünschenswerten Verhaltens; wenig Hilfestellung für Problemschüler; aggressives und entwürdigendes Verhalten von Lehrkräften; Uneinigkeit und mangelnde Abstimmung unter den Lehrkräften im Kollegium.
Ein langweiliger und methodisch einseitig durchgeführter Unterricht, der zusätzlich noch Themen beinhaltet, die an der Lebenswirklichkeit von Schülerinnen und Schülern vorbeigehen, provoziert demnach Aufbegehren, Störungen und Aggressivität. Schüler verschaffen sich dann häufig ein Ventil für ihren Frust und ihre Langeweile, indem sie den Unterricht stören und die Mitarbeit verweigern. Kommen noch Strafmaßnahmen hinzu, die die Schüler disziplinieren, ohne ihnen Unterstützung und positive Zuwendung zu geben, werden die Schüler noch weiter in ihre negativen Verhaltensweisen hineingetrieben.
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Aggressives Lehrerverhalten Lehrerinnen und Lehrer können durch aggressives Verhalten bei den Schülern Gewaltreaktionen auslösen. Schubarth (2000) weist darauf hin, dass ein nicht unerheblicher Anteil von psychischer und manchmal sogar von physischer Gewalt von Lehrkräften ausgeht. Viele von ihnen lassen sich zu ironischen, sarkastischen und zynischen Bemerkungen ihren Schülern gegenüber hinreißen und sprechen – oft unbeabsichtigt – Beleidigungen und Demütigungen aus (Schubarth 2000, 84). Krumm (1999) ging der Frage nach, wie Gewalt von Lehrkräften auf Schülerinnen und Schüler wirkt. Seiner Studie nach belasten Kränkungen durch Lehrer die Schüler oft mehr als Kränkungen durch Mitschüler. Seine Studien bestätigen das Auftreten unabsichtlicher, aber in Einzelfällen auch absichtlicher, gewollter und gezielter psychischer und auch physischer Verletzungen. Nicht nur Schüler »rasten« aus, sondern auch Lehrerinnen und Lehrer, die sich von Schülern gereizt fühlen und sich dann nicht anders zu helfen wissen, als psychisch oder physisch »zurückzuschlagen« (Krumm und Weiß 2000). Interessant in diesem Zusammenhang ist die Studie von Thiel (1995), in der Schulleiterinnen und Schulleiter in Interviews indirekt zugaben, Kenntnisse über physische und psychische Gewalt von Lehrkräften ihrer Kollegien gegenüber Schülerinnen und Schülern zu haben. Nach Befragungen von Schülerinnen und Schüler leiden diese am stärksten unter der oftmals »vergiftenden Sprache«, dem Spott von Lehrerinnen und Lehrern, wenn sie nicht sofort eine Antwort auf eine Lehrerfrage parat haben und durch das Lehrerverhalten dem Geläch129
ter der Klassenkameraden preisgegeben werden (Singer 2002a). Solche wiederholten Demütigungen und Kränkungen wirken lange nach – viele denken noch im Erwachsenenalter an traumatisierende psychische Verletzungen zurück. Schülerinnen und Schüler klagen auch über mangelndes professionelles, unpädagogisches Verhalten von Lehrkräften, das darin zum Ausdruck kommt, Schülerinnen und Schüler ungefragt und überraschend »dranzunehmen« und sie damit in peinliche Situationen zu bringen. Manche Lehrerinnen und Lehrer neigen dazu, leistungsschwache Schülerinnen und Schüler und besonders Regelverletzer öffentlich zu etikettieren (Meier und Tillmann 2000). Damit fördern sie – gemäß der Etikettierungstheorie – die Stigmatisierung von Abweichlern und provozieren aggressive Reaktionen bei ihren Schülern. Andere Lehrkräfte disziplinieren durch Notendruck, überraschen Schülerinnen und Schüler mit nicht angekündigten Arbeiten, geben Strafarbeiten auf, obwohl das eigentlich gesetzlich verboten ist, ziehen bestimmte Schülerinnen und Schüler vor und beachten andere weniger. Diese fühlen sich hierdurch oft ungerecht, falsch und willkürlich in ihren Leistungen beurteilt. Sie führen die als ungerecht erlebten Noten vielfach auf »Revanche« des Lehrers für ungebührliches Schülerverhalten zurück. Sie erhalten nach ihrer Einschätzung wenig Einblick in die Kriterien und Maßstäbe für die Beurteilung. Sie empfinden oft die Leistungsanforderungen als zu hoch oder zumindest als unklar und begehren dann wiederum durch ihr Verhalten dagegen auf – und verstoßen so natürlich auch ihrerseits gegen Regeln und Normen (Krumm und Weiß 2000, 59). Aggressives Lehrerverhalten fällt oft in eine Tabuzone und wird von vielen Schülern stillschweigend erlitten 130
(Singer 2002b, 130). Auch Eltern scheuen vielfach davor zurück, Lehrerverhalten zu kritisieren, geschweige denn öffentlich anzuprangern. Eine der Reaktionen von Schülerinnen und Schülern auf ungebührliches Lehrerverhalten, das ihre Persönlichkeitsrechte verletzt, besteht in Störungen des Unterrichts. Diese können als verschlüsselte Botschaften an die Lehrkräfte angesehen werden (Dickhof, Stenten, Wessel und Wülfing 2005). Schülerinnen und Schüler stören u.a., wenn sie mit Verhaltensweisen der Lehrerinnen und Lehrer nicht einverstanden sind. Dabei stehen vor allem Verhaltensweisen auf der Beziehungsebene im Vordergrund. Von 68 % der Befragten wurde »unfaires Verhalten« der Lehrkräfte am häufigsten genannt. Schülerinnen und Schüler stören auch, wenn Lehrkräfte ihnen etwas schlecht erklären, dies sagen rund 60 % der Schülerinnen und Schüler in der Befragung der Autorinnen. Die meisten Schülerinnen und Schüler sind nicht in der Lage, sich gegen unterschwellige ironische, sarkastische und zynische Bemerkungen oder andere Aggressionen von Lehrkräften angemessen zu wehren. Sie sind oftmals in der entsprechenden Situation irritiert, können nicht zu einer passenden Antwort finden, stauen ihren Ärger auf, der sich zu einem schwelenden und stetig steigenden Hass umwandeln und sich dann plötzlich und für alle überraschend entladen kann. Wenn ihre Persönlichkeitsrechte missachtet werden, wenn Unmut, Groll und Feindseligkeit sich steigern und aufschaukeln, dann kann sich dieses Gefühlsgemisch in verbalen Attacken, in Androhung von Gewalt, in körperlichen Übergriffen und in Extremfällen sogar in Mord und Totschlag gegen Lehrkräfte Bahn brechen, wie die Gewaltexzesse von Schülern in vergangenen Jahren zeigen. Wenn Lehrer Opfer von Schülergewalt werden, 131
sind das häufig Gegenreaktionen zu aufgestautem Unmut, Rachegedanken, Enttäuschungen und mangelnder Zukunftsperspektive. Gottschalch (2000) erinnert sich an zurückliegende bedrückende und beschämende Erlebnisse aus seiner eigenen Schulzeit und beschreibt als Psychoanalytiker, wie Scham in narzisstische Wut und in Aggressivität nach außen umschlagen kann.
Gespanntes Betriebsklima im Kollegium Eine wesentliche Rolle als schulinterner Risikofaktor für Gewalt spielt ein gespanntes und konfliktgeladenes Betriebsklima im Kollegium. Können sich die Lehrerinnen und Lehrer eines Kollegiums in zentralen Fragen der Leistungsbewertung und des Umgangs mit Disziplinstörungen von Schülerinnen und Schülern nicht einigen, gelingt es ihnen nicht, sich auf einen Minimalkonsens zu verständigen, was Regeln und Konsequenzen anbetrifft, dann führt das bei Schülerinnen und Schülern zu nachhaltigen Verunsicherungen in ihrem Verhalten. Sie vermissen klare Umgangsformen und Spielregeln. Schülerinnen und Schüler spüren sehr genau die Atmosphäre unter den Lehrkräften und fühlen, ob es ein Klima der Verständigung oder des Streits, der Kooperation oder der Konkurrenz unter ihnen gibt. Sie versuchen herauszufinden, ob es wenigstens eine prinzipielle Einigung über wichtige pädagogische Themen und Disziplinarfragen, einen Konsens in Grundansichten und Vorgehensweisen gibt. Ist das nicht der Fall, fühlen sich einige Schülerinnen und Schüler geradezu herausgefordert, mit Provokationen bis hin zu Gewalthandlungen die Regeln des Systems zu »testen«. Auch gelingt es ihnen schnell, durch geeignete Aktionen den einen Leh132
rer gegen den anderen auszuspielen. Unterschiedliches Vorgehen der Lehrer bei Disziplinarmaßnahmen reizen Schülerinnen und Schüler zu Übertretungen von Regeln.
Schlechte Qualität der Lehrer-SchülerBeziehungen Auch eine schlechte Qualität der Lehrer-SchülerBeziehungen ist ein Risikofaktor für Schülergewalt. Das eigentliche Wesensmerkmal des Lehrerberufs ist die Vermittlung von Erziehungs- und Bildungsinhalten in der persönlichen Begegnung (Stöckli 1999, 294). In kaum einem anderen Beruf spielt deshalb das zwischenmenschliche, viele Jahre hindurch bestehende Beziehungsgeschehen zwischen Lehrern und Schülern eine so große Rolle. Lehren und Lernen ist stets eingebettet in zwischenmenschliche Beziehungsabläufe (Bauer 2004). Dennoch ist vielen Lehrkräften nicht bewusst, wie wichtig die Gestaltung einer guten Beziehung zu ihren Schülern ist und wie folgenschwer es sein kann, die Pflege guter Beziehungen zu vernachlässigen. Mehr als andere unterschätzen gerade Lehrkräfte an Gymnasien die Wirkung einer guten Beziehung auf die Lernbereitschaft ihrer Schüler und konzentrieren sich überwiegend auf die Vermittlung des Unterrichtsstoffes. Sie vernachlässigen damit die Beziehungsaspekte zugunsten der reinen Stoffvermittlung. Langfristig zahlt sich diese Haltung für Lehrkräfte nicht aus, weil sie bei ihren Schülern Gleichgültigkeit und Frustrationen fördern, die sich in destruktiven Verhaltensweisen niederschlagen können. Je schlechter die Qualität menschlicher Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern ist, desto geringer ist 133
die Identifikation der Schüler mit ihrer Schule, und desto geringer auch ihre Motivation und Leistungsbereitschaft. Lehrkräfte sind nach den vorhandenen Untersuchungen eine Berufsgruppe im Interaktions- und Kommunikationssektor, die vergleichsweise anfällig für Selbsttäuschungen ist, weil sie wenig Rückmeldung über ihre Tätigkeit bekommt (Lohmann 2003, 66). In kaum einem anderen Beruf mit dauerhaften und intensiven zwischenmenschlichen Kontakten gibt es so wenig externe und interne Kontrolle wie im Lehrerberuf. Lehrkräfte beschreiben ihr eigenes Verhalten den Schülern gegenüber meistens positiv und halten sich selbst in den meisten Fällen für freundlich, zugewandt und verständnisvoll. Während Schülerinnen und Schüler häufig angeben, dass ihre Lehrer »hauptsächlich durch Schimpfen und Brüllen mit störenden Schülern fertig werden«, kommen diese Maßnahmen in Lehrerantworten so gut wie gar nicht oder nur selten vor (Lohmann 2003, 18). Viele Lehrerinnen und Lehrer glauben, ein gutes Verhältnis zu ihren Schülern zu haben und begründen dies mit ihrer Fähigkeit, Klassendisziplin aufrecht- und den Lehrplan einzuhalten. Sie übersehen dabei manchmal den persönlichen und menschlichen Aspekt, der für Schülerinnen und Schüler aber die zentrale Grundlage für eine gute Beziehung ist. Daher beurteilen sie die Beziehung zu ihren Lehrerinnen und Lehrern oft ganz anders als diese sie wahrnehmen. Viele Schülerinnen und Schüler fühlen sich nicht genügend geschätzt, glauben, dass ihre Lehrer sie nicht in ihrer ganzen Persönlichkeit wahrnehmen und kein wirkliches Interesse an ihrer Person haben, sondern nur ihren Unterrichtsstoff vermitteln wollen. Aus Sicht der Schüler ist Lehrerhandeln vielfach mit Besserwisserei, willkürlichen Sanktio134
nen und Kontrollhandlungen gekoppelt. In solchen Konstellationen fühlen sich Schüler ihren Lehrern menschlich nicht verbunden. Sie stehen – im besten Fall – nur in einer sach- und fachgebundenen Beziehung zu ihnen. Im Laufe eines Schülerlebens kommt es bei fast allen Kindern und Jugendlichen irgendwann einmal zu Leistungsknicks, Rückschlägen und Misserfolgserlebnissen, zu Gefühlen der Ungerechtigkeit, Enttäuschung und Demütigung. Wenn diese Erfahrungen nicht durch positive Erlebnisse wie Anerkennung, Zustimmung, Zuneigung kompensiert werden können, dann stauen sich Enttäuschung, Wut und Hass auf und können sich – im Sinne der Emotionstheorien – gegen die Lehrkräfte und die Institution Schule im Allgemeinen richten. Die Folge kann Schülergewalt sein. Schülerinnen und Schüler, die sich unfair von ihren Lehrern behandelt fühlen und deren Verhalten als willkürlich und nicht vorhersagbar erleben, neigen sehr viel stärker zu Aggressivität als Schüler, die dies nicht so erleben.
Burnout-Symptomatik bei Lehrkräften Ein spezieller Risikofaktor ist in diesem Zusammenhang die so genannte Burnout-Symptomatik bei Lehrerinnen und Lehrern (Burisch 2006). Die Berufsgruppe der Lehrer weist im Vergleich zu anderen Berufsgruppen ein höheres Maß an Gesundheitsgefährdung vom Typ des Ausgebranntseins, der Erschöpfung und Resignation auf, was auch in der umfangreichen Freiburger Schulstudie deutlich wird (Bauer 2006). Zu den BurnoutDeterminanten werden emotionale Erschöpfung, eine gefühllose, gleichgültige und zynische Einstellung und 135
eine negative Einschätzung der persönlichen Leistungskompetenz gezählt (Bauer, Häfner, Kächele, Wirsching und Dahlbender 2003, 213). Die Symptome des Burnout-Syndroms sind psychosomatischer Art: Müdigkeit, Schlaflosigkeit, chronische Schmerzen ohne Befund, funktionelle Herz-KreislaufProbleme und Irritationen des Magen-Darm-Trakts. Sie sind bei Lehrerinnen häufiger zu finden als bei Lehrern (Bauer, Stamm, Virnich, Wissing, Müller, Wirsching und Schaarschmidt 2006, 199). Der Anteil der vorzeitigen Pensionierungen ist bei Lehrkräften höher als bei allen anderen Beamten. Von ihnen gehen etwa 30 % wegen psychischer oder psychiatrischer Erkrankungen in den Ruhrstand (Schaarschmidt und Arold 2003, 2). Weber und Lederer (2005, 10) fanden in ihrer Studie an dienstunfähigen Lehrkräften von beruflichen Schulen einen Anteil von 43 % depressiver Störungen, 16 % Erschöpfungszuständen, 11 % Belastungs- und Anpassungsstörungen und 5 % Angst- und Panikstörungen. Der Auslöser für Burnout ist in vielen Fällen destruktives Schülerverhalten. Für viele Lehrerinnen und Lehrer entsteht daraus die subjektiv erfahrene Ohnmacht, im Unterricht keine Situation herstellen zu können, die ein konstruktives Lehren und Lernen möglich macht. Mit ihrer Arbeit überforderte Lehrkräfte schimpfen und schreien häufiger, ärgern sich öfter über ihre Klassen, regen sich mehr auf und spüren körperliche Begleiterscheinungen wie Herzklopfen, gesteigerten Blutdruck, Vibrationen in der Stimme, zitternde Hände. Die Untersuchungen zeigen: Lehrer sind größten Widrigkeiten in ihrem beruflichen Alltag ausgesetzt, die psychische Beanspruchung ist immens und ihre Gesundheit in hohem Maße gefährdet (Bauer, Stamm, Virnich, Wissing, Müller, Wirsching und Schaarschmidt 2006). 136
Die bisherige Forschung hat sich zwar mit den Folgen des Burnouts für die Lehrer selbst beschäftigt, aber nicht so häufig mit seinen Folgen für die Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern. Nach Stöckli (1999, 298) sind diese erheblich. Ausgebrannte Lehrkräfte zeigen nämlich im Unterricht und Schulleben folgende problematische Verhaltensweisen, die sich auf die Schülerschaft negativ – und in unserem Zusammenhang – gewaltfördernd auswirken: • • • • • • • • •
Gereizte Reaktionen oder Nörgeleien; sinkende Bereitschaft, den Schülern bereitwillig und geduldig zuzuhören; Distanz zur Schülerschaft Tendenz zu einer rigiden und unflexiblen Haltung; vermehrte Konflikte wegen Kleinigkeiten; eine Neigung zu negativen Stereotypisierungen und pauschalen Urteilen; Ungeduld, Nervosität und Misstrauen; zynische und sonstwie verletzende Äußerungen; mehr oder weniger bewusste Vermeidung des Kontakts zu manchen Schülern.
Diese Verhaltensweisen ziehen oft Aggressions- und Gewalthandlungen von Schülerinnen und Schülern nach sich. Die ausgebrannten Lehrer produzieren als Opfer ihrer angespannten beruflichen Lage selbst wieder »Opfer« unter den Schülern. Insgesamt kann die Beziehung von vom Burnout-Syndrom betroffenen Lehrkräften zu ihren Schülerinnen und Schülern als distanziert, misstrauisch und reizbar bezeichnet werden. Sie neigen dazu, sich auf eine Position einer »identitätslosen Unangreifbarkeit« zurückzuziehen (Bauer 2004). Nur wer »entflammt« ist, kann danach auch »aus137
brennen«. Es sind nach Hagemann (2003) oft genug gerade die engagiertesten und begeistertsten Lehrerinnen und Lehrer, die plötzlich erkranken, nicht mehr können und keinen Sinn mehr in ihrem Tun sehen. Schmitz und Leidl (1999) meinen allerdings, dem Ausbrennen müsse nicht immer ein »Entflammt sein«, also Begeisterung, Überengagement und Identifikation mit dem Beruf vorangehen. Ihren Studien zufolge sind es vielmehr meist die »unrealistischen Erwartungen« der Lehrkräfte, die zu ihrem Burnout führen. Gefährdet sind vor allem, so die Autoren, Lehrerinnen und Lehrer (und oft auch schon Lehrerstudenten), die voller Illusionen den Lehrerberuf anstreben, mit einer romantischen Einstellung zu Schülern und oft auch dem Wunsch, über Pädagogik die Gesellschaft zu verändern. Diese Lehrkräfte verkraften im Laufe ihres Berufslebens nicht die unvermeidlichen und für ihren Beruf charakteristischen Enttäuschungen über sich und andere (Schmitz und Leidl 1999, 307). Sie sind nicht genügend auf die Schulwirklichkeit vorbereitet: auf schwierige Schülerinnen und Schüler, auf hohe Klassenstärke und hohe Stundenzahlen, auf Einzelkämpfertum, Rivalität, mangelnde Offenheit im Kollegium und geringe Unterstützung von Kollegen und der Schulleitung (Schaarschmidt, Kieschke und Fischer 1999, 258).
Fazit Die hier erörterten Risikofaktoren für die Entstehung von Gewalt bei Schülerinnen und Schülern liegen, wie die Darstellung gezeigt hat, auf sehr verschiedenen Ebenen. Die Ausgangspunkte für Gewaltentstehung innerhalb der Institution Schule finden sich in Schulor138
ganisation, Sozialklima und in den personalen Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern. Die Frage, ob Gewalt in der Schule importiert oder selbst produziert ist, kann mit Meier und Tillmann (2000) klar beantwortet werden: Gewalt in der Schule kommt zu einem großen Teil von außen und zu einem kleinen Teil ist sie »hausgemacht«. Viele der innerschulischen Probleme, die in diesem Kapitel erörtert wurden, erhalten ihre Dynamik zwar erst durch die Kontexteinflüsse aus Familie, Gleichaltrigengruppe und Medien, aber dennoch gibt es viele Möglichkeiten, innerhalb der Schule gewaltpräventiv vorzugehen. Jeder kann das tun, was in seinen Möglichkeiten liegt. Wenn Lehrkräfte bereit sind zu handeln, Probleme und Konflikte wahrzunehmen, ein Klima der Verständigung zu schaffen, den Schülern Grenzen zu setzen und dabei respektvoll mit ihnen umzugehen sowie auch die Elternverantwortung einzufordern und mit ihnen zusammenzuarbeiten, dann kann es gelingen, den Anteil an Gewalt, den die Schule als System produziert, zurückzudrängen.
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4. Kapitel Strategien der Gewaltprävention in der Schule Die beiden vorangehenden Kapitel haben gezeigt: Die Schule ist kein gewaltfreier Raum. In der Schule kommen zwangsläufig alle die Gewaltformen vor, die auch in einer aggressionsbelasteten Gesellschaft vorherrschen: physische, psychische, sexuelle, geschlechterfeindliche und fremdenfeindliche. Viele der Gewalt verursachenden Faktoren werden von außen in die Schule hineingetragen und können daher nur unter großen Anstrengungen von der Schule beeinflusst werden. Andererseits werden aber – wie Kapitel 3 dokumentiert – viele der Gewalt auslösenden Faktoren von der Schule selbst produziert und können daher aktiv mit schulischen Mitteln verändert werden. Hierauf soll in diesem Kapitel der Schwerpunkt liegen. Die Leitmaxime ist: Die Schule kann die Gesellschaft nicht verändern, aber sie kann als pädagogische Institution Einfluss auf das Verhalten der Schülerinnen und Schüler nehmen und auf diesem Weg zum Abbau von Gewalt beitragen (Petermann, Jugert, Tänzer und Verbeek 1997). Auf den ersten Blick mag es widersprüchlich erscheinen, dass die Schule als eine Einrichtung, die selbst ein Forum für Gewaltausübung ist und durch ihre Maßnahmen zur Gewalt beiträgt, gleichzeitig ein Ort der Prävention und Intervention sein soll. Gerade weil sie aber eine verpflichtend zu besuchende pädagogische Institution ist, hat sie präventive Potentiale. Diese kön140
nen dann erschlossen werden, wenn die Schule sich ihrer eigenen Gewaltanteile bewusst wird, sie selbstkritisch reflektiert und für Veränderungen bereit ist. Die Schule beeinflusst fast ohne Einschränkung alle Kinder und Jugendlichen in einem bestimmten Zeitabschnitt ihres Lebens und kann so ihren Schülerinnen und Schülern Orientierung und Sicherheit im Umgang miteinander bieten (Schick und Ott 2002) – eine ideale Voraussetzung für die präventive Arbeit! Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Lehrern Die Schule hatte neben ihrem Bildungsauftrag immer schon auch einen Erziehungsauftrag. Er umfasst Persönlichkeitsbildung und soziale Kompetenzförderung, die sich an den Werten einer demokratischen Gesellschaft orientieren. Dazu gehören Verantwortungsbewusstsein für das eigene Handeln, die Wahrung der Rechte von Anderen, Konfliktlösekompetenzen sowie Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit. Die Schule stellt eine soziale Gemeinschaft dar, die von allen an ihr Beteiligten gebildet wird, von Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern, Schulleiterinnen und Schulleitern, Sekretärinnen und Hausmeistern sowie auch von Eltern. Eltern machen zunehmend ihre Mitspracherechte bei der Gestaltung von Unterricht und Schulleben geltend. Sie fühlen sich aber in der eigenen Erziehungsverantwortung häufig hilflos und haben keine klaren pädagogischen Konzepte für den Umgang mit ihren Kindern. Daher wünschen sie sich, dass die Schule sie unterstützt, indem sie ihren schulischen Erziehungsauftrag ernst 141
nimmt und intensiv mit ihnen als Eltern zusammenarbeitet (Petermann und Petermann 2001). Schulen wiederum vermissen die Erziehungsverantwortung der Eltern, fühlen sich angesichts von verhaltensirritierten und regelunsicheren Kindern auch häufig hilf- und machtlos und wünschen sich deshalb ihrerseits Eltern, die mit ihnen zusammenarbeiten. Crone, Horner und Hawken (2003) haben ein Programm (»Behavior Education Program«, BEP) entwickelt, das diesen Bedürfnissen Rechnung trägt und sowohl Lehrkräfte als auch Eltern zur aktiven Erziehungsarbeit auffordert.
Werteerziehung – ein Bestandteil des Erziehungsauftrages Um eine erfolgreiche Strategie der schulischen Gewaltprävention einzuleiten, ist eine Rückbesinnung der Schule auf den Erziehungsauftrag notwendig sowie eine Intensivierung der Vermittlung von Werten, die die »Verkehrsregeln« für den gewaltfreien und höflichen Umgang untereinander und den Respekt in den Mittelpunkt stellt (Standop 2005). Schule und Elternhaus haben potentiell ein gemeinsames Interesse an einer gelingenden Erziehung, sodass sich eine »Erziehungspartnerschaft« zwischen Elternhaus und Schule geradezu anbietet. Zur Werteerziehung gehört die Anerkennung von Regeln und Vereinbarungen, Verantwortungsbewusstsein für das eigene Handeln, Entscheidungsfähigkeit und Kommunikationsbereitschaft. Das Schulleben und die Zusammenarbeit von Elternhaus und Schule können nur auf der Grundlage des gegenseitigen Respekts funktionieren. Fehlender Respekt vor den Rechten anderer ist mit ein Grund für gewalttätiges Handeln, für Konf142
likte zwischen Lehrkräften und Schülern und auch für Unterrichtsstörungen, unter denen Lehrer und Schüler gleichermaßen leiden (Giesecke 2005). Zur Umsetzung einer Werteerziehung in Schulen gehört eine weitestmögliche Übereinstimmung des Lehrerkollegiums in Erziehungsfragen, das Aufstellen von Regeln und Vereinbarungen, das Benennen der Konsequenzen bei Regelverstößen sowie die Übernahme von Verantwortung für das eigene Handeln. Letzteres betrifft sowohl Lehrer als auch Schüler. Ziel sollte es sein, nach dem Kant’schen Kategorischen Imperativ zu handeln, das heißt sich so zu verhalten, wie man es auch von anderen, von Kollegen und Klassenkameraden, erwartet. »Sittlich gutes Handeln« heißt auf Schüler bezogen eigene Wünsche und Willensbekundungen reflexiven Bewertungen zu unterziehen. In Bezug auf Lehrkräfte bedeutet das, Strategien zur Emotionskontrolle und zum respektvollen Umgang mit Schülern zu entwickeln (Singer 2002b; Lohmann 2003). Dies könnte im Sinne der Lerntheorie, die wir in Kapitel 1 unter ihren Aspekten der Übernahme von negativen Verhaltensweisen dargestellt haben, dazu führen, dass sich die Schülerinnen und Schüler das Verhalten ihrer Lehrkräfte zum Vorbild nehmen. Wertevermittlung in der Schule zielt darauf ab, die Eigenverantwortung von Schülerinnen und Schülern und ihre Fähigkeiten zur intentionalen Selbstentwicklung zu stärken. Dazu gehört auch Entscheidungsfreiheit, die jedoch nicht grenzenlos, sondern an dem Grundsatz des Allgemeinwohls orientiert ist. Das Schulleben und die Zusammenarbeit von Elternhaus und Schule können nur auf der Grundlage des gegenseitigen Respekts und der Rücksichtnahme im Umgang miteinander funktionieren. Schüler sowie Lehrer leben in 143
einer sozialen Gemeinschaft, die sich auf Werte stützt und diese auch in ihrem Verhalten zum Ausdruck bringen sollte. Der Erziehungsgedanke sollte wieder verstärkt Eingang in die Schulen finden. Erziehung kann dann gelingen, wenn alle am Unterricht und Schulleben Beteiligten vertrauensvoll zusammenarbeiten und dieselben Ziele verfolgen (Giesecke 2005). Als Zeichen eines Wertewandels oder auch der Rückbesinnung auf alte Werte kann die augenblickliche Diskussion um die Einführung von Kopfnoten gesehen werden. Bis auf Baden-Württemberg hatten sich alle Bundesländer seit den 1960er Jahren davon verabschiedet, und auch in den ostdeutschen Ländern wurden sie nach der Wende abgeschafft. Jetzt jedoch ist die Diskussion neu entbrannt. Die Befürworter von Kopfnoten, zu denen auch die Eltern gehören, bezeichnen die Wiedereinführung als Bestandteil moderner Bildungspolitik und als Erfordernis des schulischen Erziehungsauftrages. Es ist wichtig – so argumentieren sie – den Schülern Rückmeldung über ihr Verhalten zu geben. Sie sollen nicht nur durch ihre fachlichen Leistungen wahrgenommen werden, sondern auch in ihren sozialen Fähigkeiten wie Teamfähigkeit und Einsatzbereitschaft bis hin zu ehrenamtlichen Aktivitäten. Das kann Schülerinnen und Schüler anspornen, trotz schlechter Leistungen in einigen Fächern Anerkennung in anderen Bereichen zu erhalten.
Was können Eltern und was kann die Schule tun? In der Erziehungsverantwortung von Eltern liegt es, zu Hause und in ihrem familiären Umfeld einen Erzie144
hungsstil zu praktizieren, der die kindlichen Bedürfnisse berücksichtigt, aber gleichzeitig auch ihre elterliche Autorität mit einbringt, den Kindern klare Grenzen setzt und bei Überschreitung von Regeln adäquate Konsequenzen folgen lässt. In der folgenden Abbildung sind typische Ausprägungen von Erziehungsstilen veranschaulicht, wobei jeweils die vier möglichen »extremen« Ausprägungen der Kombination von elterlicher Autorität und kindlicher Bedürfnisberücksichtigung herausgehoben werden (Hurrelmann 2002, 161):
Abb. 1: Typen elterlicher Erziehungsstile
Die in der Grafik herausgehobenen vier extrem positionierten Erziehungsstile – der autoritäre, überbehütende, vernachlässigende und permissive – sind durch Verhaltenspraktiken der Eltern gekennzeichnet, die weder zum 145
gewünschten Erfolg führen noch einer pädagogisch wertenden Diskussion standhalten. Die Erziehungsforschung hat in den letzten zwanzig Jahren klare Ergebnisse zu Tage gefördert: Der extreme Einsatz von elterlicher Autorität und die extreme Berücksichtigung von kindlichen Bedürfnissen sollten durch einen moderaten und nachvollziehbaren Gebrauch von persönlicher, immer neu zu rechtfertigender Autorität von Eltern und eine sensible, aber nicht übertriebene Berücksichtigung der Bedürfnisse der Kinder ersetzt werden. Ein solcher ausgewogener Erziehungsstil wird in der Fachliteratur als »autoritativ« bezeichnet, weil er die Autorität der Eltern zurückhaltend und umsichtig in produktiver Weise einsetzt. Er kann auch als »partizipativ« charakterisiert werden, weil er auf die Bedürfnisse des Kindes im Sinne einer Mitgestaltung der gemeinsamen Beziehung eingeht. Der autoritativ-partizipative Erziehungsstil, der Komponenten aller anderen Ausprägungen enthält und den Eltern bei der Ausübung des Erziehungsverhaltens verhältnismäßig viele persönliche Freiheiten gestattet, schneidet in der empirischen Erziehungsforschung eindeutig am besten ab (Hurrelmann 2002, 163). Vereinfacht könnte man ihn auch als »strukturierenden Erziehungsstil« bezeichnen. Dieser partizipative Erziehungsstil ist durch Offenheit, Aufrichtigkeit, Vertrauen und Achtung gegenüber dem Kinde, aber auch durch Berücksichtigung der Interessen beider an der Erziehung Beteiligter – der Eltern und der Kinder – gekennzeichnet. Zu diesem Stil gehört es, unerwünschtes Verhalten des Kindes durch eine sofortige und eindeutige Mitteilung zu beantworten, also ihm Rückmeldung über sein Verhalten zu geben (Schneewind 2002). Viele Eltern sind allerdings mit der Umsetzung eines 146
solchen Erziehungsstils überfordert. In vielen Familien gibt es wenige oder keine Regeln, und wenn es sie gibt, ziehen sie bei Regelübertretungen keine Konsequenzen nach sich. Oftmals verhalten sich Eltern inkonsequent und schwanken zwischen übergroßer Gewährung von Freiheit und strenger Kontrolle und Einschränkung hin und her. Eltern sind sich auch nicht immer einig in ihrem Erzieherverhalten, sodass ihre Kinder entweder orientierungslos sind oder aber den einen Elternteil gegen den anderen ausspielen. Schule als soziale Institution kann die Erziehungsfähigkeit von Eltern nicht direkt, sondern nur indirekt beeinflussen, indem sie ihrerseits bewusst und ganz klar in ihrem Bereich mit einer Intensivierung und Präzisierung ihrer eigenen Regelungen reagiert sowie Regeln für das Miteinander aufstellt, für Einhaltung und auch für Konsequenzen sorgt. Schule kann auf diese Weise Erziehungsdefizite der Kinder ausgleichen. Sie kann auf Elternversammlungen und an Elternsprechtagen auf Erziehungsberatungsstellen der Kommunen und der Kirchen hinweisen und auf Kurse und Trainings für Eltern aufmerksam machen (Duell und Mandac 2003; Dinkmeyer et al. 2004/2005; Honkanen-Schobert 2003; Markie-Dadds et al. 2002). Die Schule hat zwar keinerlei Möglichkeiten, Eltern zu zwingen, solche Hilfen in Anspruch zu nehmen, aber sie kann beratend tätig werden und Adressen von Anlaufstellen und Ansprechpartnern weitergeben. Sie kann Elternversammlungen durch interessante thematische Gestaltung so durchführen, dass Eltern ein Interesse haben, daran teilzunehmen und diese Elternabende auch als Forum für einen Austausch in allgemeinen Erziehungsfragen ansehen. Die Schule kann aber vor allen Dingen in ihrem Umgang mit den Schülerinnen und 147
Schülern nach den Grundsätzen des autoritativen oder auch partizipativen Erziehungsstils verfahren und so vorbildmäßig vorangehen und den Eltern zeigen, dass er durchaus praktikabel und erfolgreich ist. In den Grundschulen ist das Interesse von Eltern, am Schulleben teilzunehmen und dieses mitzugestalten, meist noch sehr stark ausgeprägt, doch lässt es in den weiterführenden Schulen immer mehr nach, nicht zuletzt auch aufgrund negativer Erfahrungen der Eltern mit der Gestaltung und Durchführung von Elternversammlungen. Hier sind Lehrerinnen und Lehrer gefordert, ihre ganze Kreativität und auch Kraft einzusetzen, um Eltern als Unterstützungspartner im gemeinsamen Erziehungsgeschäft zu gewinnen und zu halten. Regeln und Konsequenzen im Unterricht Gewaltprävention darf sich nicht auf einige isolierte Unterrichtsstunden oder -einheiten beschränken, sondern sollte integraler Bestandteil des täglichen Unterrichts sein (Trenz 2004). Dazu bedarf es einer bestimmten Einstellung der Lehrerschaft in Bezug auf ihr Selbstverständnis als Lehrer. Lehren und Unterrichten bedeuten immer zugleich auch Erziehen. Beides ist nicht voneinander zu trennen (Sandfuchs 2001). Lehrkräfte, die nur ihren Bildungsauftrag wahrnehmen, vernachlässigen einen wichtigen anderen Teil ihres Auftrages, nämlich den Erziehungsauftrag, und werden damit den – in der Tat hohen – Anforderungen ihres Berufes nicht gerecht. Die Schulforschung zeigt: Schülerinnen und Schüler leiden in der Schule nicht etwa an einem Übermaß an Disziplin und Unterdrückung, sondern eher an einem Zuwenig an Regeln, die Orientierung und 148
Sicherheit vermitteln. Schüler wünschen sich nicht nur kompetente Fachdidaktiker als Lehrer, sondern auch Lehrkräfte als Bezugspersonen, die ihnen deutlich zu verstehen geben, was sie tun und lassen sollen (Bueb 2006). Der Begriff »Disziplin« war lange Zeit verpönt, wurde – auch in der Erziehungswissenschaft der 1970er und 1980er Jahre – ideologisch gedeutet und mit blindem Gehorsam und kritikloser Unterordnung gleichgesetzt. Das ideologiefreie Verständnis von Disziplin im Unterricht betont dagegen die Sekundärtugenden von Pünktlichkeit, Fleiß und Ordnungssinn, die Bedeutung von Respekt vor Autoritäten und die Wichtigkeit der Herstellung einer guten Arbeitsatmosphäre sowie auch die Betonung der Eigenverantwortung des einzelnen Schülers für sein Verhalten (Bueb 2006). Disziplin, Lenkung und Führung sind in der Schule unerlässlich, wobei situations- und fächerspezifische und personenbezogene Gegebenheiten ein Mehr oder Weniger an Lenkung und Führung ermöglichen. Indem Lehrkräfte lenken, klare Regeln aufstellen und gleichzeitig ihre Schüler wertschätzen und respektvoll behandeln, indem sie fordern und fördern, verwirklichen sie ein »antinomisches Verständnis von Disziplin und Klassenführung« (Ruedi 2004, 21). Ein solches Verständnis ist komplex und birgt scheinbar Unvereinbarkeiten in sich, die manchen Lehrkräften Kopfzerbrechen machen. Sie möchten Freiheit gewähren und müssen doch Grenzen setzen, sie möchten ohne Konsequenzen auskommen und müssen diese doch anwenden. Aber genau in diesem Spannungsverhältnis liegt Disziplin als zentraler Bestandteil von Erziehung. Disziplin beginnt nach Bueb (2006, 18) zunächst fremdbestimmt und sollte immer selbstbestimmt enden. 149
Lehrerinnen und Lehrer, die Regeln aufstellen und Konsequenzen ziehen, ermöglichen ihren Schülern durch klare Rahmenbedingungen, gemeinsam zu lernen und einander zuzuhören. Ihnen selbst gelingt es dadurch, den Unterricht strukturiert durchzuführen. Damit geht auch eine weitgehende Reduktion von Unterrichtsstörungen einher, die – wie in Kapitel 2 erwähnt – in den Augen vieler Lehrkräfte eine der größten Belastungen im institutionellen Rahmen von Schule sind. Ihr alltäglicher »Kampf« gegen Störungen des Unterrichts und damit auch gegen Schüler zermürbt, macht sie lustlos und oft auch aggressiv. Die beste Gegenstrategie ist die konsequente Umsetzung von Spiel- und Umgangsregeln, die von allen anerkannt werden.
Konsequenzen und Sanktionen bei Regelverletzungen Klar vereinbarte Regeln sind für das Zusammenleben in der Schule sehr wichtig. Sie stecken den Rahmen für wünschenswertes Verhalten ab und geben – sofern die Sanktionen bei einem Regelverstoß ebenso klar sind – den Schülern Orientierung und Sicherheit. Regeln setzen zwar dem Schülerverhalten Grenzen, dafür vermitteln sie jedoch innerhalb dieser Grenzen Klarheit und Halt (Durach, Grüner und Napast 2002, 91). Die meisten Schüler erkennen den Wert von Regeln an und kennen sie häufig aus Sport und Freizeitbereich. Daher ist es für Lehrerinnen und Lehrer meist keine Schwierigkeit, an diese Erfahrungen anzuknüpfen und das Einverständnis der Schüler dafür einzuholen, dass es auch im schulischen Bereich für das soziale Miteinander Regeln geben muss. 150
Eine wichtige Vorbedingung für das Aufstellen von Regeln ist die Bereitschaft und Fähigkeit der Lehrkräfte, für die Einhaltung der Regeln zu sorgen, also bei Nichteinhaltung Konsequenzen folgen zu lassen. Lohmann (2003, 22) gibt einen Überblick über unangemessene Sanktionen, darüber was Lehrer falsch machen und welches die Merkmale einer ineffektiven Klassenführung sind: • • • • • • •
Häufiges wirkungsloses Ermahnen und Androhen von Bestrafung (folgenlose »Endlosschleifen«), hoher Zeitbedarf für disziplinarische Handlungen, mehr strafende als integrative Maßnahmen, mehrere hintereinander geschaltete und inkonsistente Maßnahmen pro »Fall« (»Nachfassen«), sprunghaftes Ausprobieren verschiedener Maßnahmen, Nicht-Durchhalten strafender Maßnahmen (»Zurückstecken«), häufiges unmotiviertes Abbrechen von Konflikten.
Demnach gehören die Konsistenz des Lehrerverhaltens und dessen Berechenbarkeit zu den wichtigsten Bestandteilen einer effektiven Klassenführung. Schüler müssen wissen, was sie erwartet und wollen sich auf Lehrer einstellen können. Dann sind sie willens und auch fähig, Regeln einzuhalten (Grüner und Hilt 2004). Jeder, Lehrkraft und Schüler, hat ein Recht auf störungsfreien Unterricht – ein Ziel, das gewissermaßen in der Präambel einer jeden Schul- und Klassenordung stehen sollte. Regeln sind dazu da, die eigenen Rechte durchzusetzen und die Rechte anderer zu wahren. Sie 151
sind unumgänglich und unverzichtbar und bilden die Basis jeder Gemeinschaft. Dies trifft erst recht auf die »Zwangsgemeinschaft« Schule zu. Die meisten Schüler halten Regeln ein, wenn sie spüren, dass sie nicht nur ihr Verhalten begrenzen, sondern ihnen auch Sicherheit und Orientierung vermitteln, den Rahmen für wünschenswertes Verhalten abstecken und vor allem für alle Schüler gleichermaßen gelten. Regeln entsprechen dem Gerechtigkeitsbedürfnis von Schülern. Für die Formulierung von Regeln gibt es Erfolg versprechende Empfehlungen (Grüner und Hilt 2004, 20). Regeln sollten demnach • • • • •
positiv, in der Ich-Form, möglichst konkret, eindeutig und überprüfbar
formuliert sein. Zwischen der Person des Schülers und seinem Verhalten sollte getrennt werden. Die Sanktionen sollten als Konsequenzen und nicht als »Strafe« bezeichnet werden. Strafe trifft die Person des Schülers, während die Konsequenz zur Regel dazugehört, auf die Regelverletzung folgt und das Verhalten des Schülers betrifft. Auf diese Weise können persönliche Kränkungen und Verletzungen, ironische, sarkastische und zynische Bemerkungen von Lehrerinnen und Lehrern vermieden werden (Durach, Grüner und Napast 2002, 91). Regeln haben nur dann einen Sinn, wenn ihnen bei Überschreitungen Konsequenzen folgen. Konsequenzen dürfen nicht herabwürdigend, sondern müssen maßvoll sein und Möglichkeiten bieten, darüber nachzudenken, was man in Zukunft anders machen könnte. Sie sollten 152
Schüler nicht beschämen, sondern zu reflexiven Handlungen führen und gleichzeitig Hilfen enthalten zur Änderung des unerwünschten Verhaltens. Konsequenzen müssen jedoch auch mit »Kosten« verbunden sein, die unvermeidlich von den Schülern als negativ empfunden werden (Grüner und Hilt 2004, 39). Sie sollten den Schülern bekannt sein. Bei Regelüberschreitung wird über sie nicht mehr verhandelt oder diskutiert. Lehrkräfte würden unglaubwürdig werden, wenn sie von vorher angekündigten Konsequenzen wieder abrückten. Daher sollten sie sich vorher gut überlegen, ob die Konsequenzen auch maßvoll sind, in Zusammenhang mit der Regelüberschreitung stehen und tatsächlich umgesetzt werden können. Konsequenz in der Erziehung sollte immer »Konsequenz mit Augenmaß« sein (Bueb 2006, 27). Ganz besonders wichtig ist die Frage, wie das Kollegium sich bei körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Schülern verhält. Äußerst ungünstig ist ein Wegschauen und Übersehen der Tätlichkeiten, denn dann würden sie legalisiert werden. Den Schülern würde dadurch nicht nur Schwäche und Hilflosigkeit der Lehrkräfte im Umgang mit Gewalt signalisiert, sondern sie würden sich in ihrem eigenen Verhalten bestärkt fühlen und dadurch wiederum bei anderen Schülern Nachahmetendenzen auslösen. Diese Folgewirkung wird durch die Lerntheorie erklärt: Modellbeobachtung verstärkt gewaltorientiertes Verhalten, wenn das Modell – in diesem Fall der aggressive Schüler – für sein Verhalten nicht sanktioniert und damit indirekt »belohnt« wird. Lehrerinnen und Lehrer sollten nicht nur bei Regelübertretungen eingreifen, sondern auf regelkonformes Verhalten ihrer Schülerinnen und Schüler positive Kon153
sequenzen folgen lassen (Kreter 2002). Das können symbolische oder auch verbale Anerkennungen sein, geliebte Gruppenaktivitäten oder auch Befreiung von ungeliebten Tätigkeiten. Wenn die Lehrkräfte es versäumen, auf prosoziales Verhalten mit Zuwendung zu reagieren, dann nehmen sich viele Schüler das »Recht«, die Zuwendung durch aggressives Verhalten zu erzwingen (Grüner und Hilt 2004, 30).
Verantwortungsübernahme für das eigene Handeln Schülerinnen und Schüler sollten schließlich dazu angehalten werden, sich bei Regelverstößen und gewalthaltigen Handlungen nicht herauszureden und die Schuld und Verantwortung nicht auf Andere abzuwälzen. Eigenverantwortung heißt, Verantwortung für das eigene Verhalten zu übernehmen. Schülerinnen und Schüler müssen lernen, für ihr Störverhalten und selbstverständlich auch für ihre eigenen gewalttätigen Handlungen selbst verantwortlich zu sein. Es ist zwar die Verantwortung der Lehrkräfte, bestmöglich für einen störungsfreien Unterricht zu sorgen, indem sie ihren Unterricht abwechslungsreich, didaktisch und methodisch geschickt aufbauen, aber es liegt in der Verantwortung der Schülerinnen und Schüler selbst, sich störungsfrei und gewaltfrei zu verhalten. Lehrer sollten klare Rahmenbedingungen aufstellen und einen respektvollen und menschlichen Umgangston mit den Schülern pflegen. Die Verantwortung für ihr Verhalten haben die Schüler selbst. Nach Ruth Cohn, einer themenzentrierten Interaktionstherapeutin, gilt es stets bei sich selbst anzufangen, 154
wenn man etwas verändern möchte. Verbesserung des Schulklimas Wie Schick und Ott (2002) es beschreiben, können eine Neugestaltung und Veränderungen in der räumlichen Umgebung zu einem Wandel im Schulklima führen. Schulen, in denen Schulleitung und Lehrkräfte ihre Schülerinnen und Schüler dazu anhalten, sich für die Räumlichkeiten und das Inventar verantwortlich zu fühlen, deren Klassenräume von den Schülern mit privatem Besitz bestückt werden wie Aquarien, im Kunstunterricht gemalte Bilder, Blumen und Pflanzen. Schulen, in denen auch die Schülertoiletten Beachtung erhalten und sauber gehalten werden, haben gute Erfahrungen in Bezug auf Reduzierung von Zerstörung und Vandalismus durch Schüler gemacht. Es reicht manchmal schon, die Klassenräume wohnlicher, sauberer und übersichtlicher und die Schulhöfe für die Schülerinnen und Schüler attraktiver zu gestalten, damit sich alle wohler fühlen und die Atmosphäre freundlicher und entspannter ist. Schulen, in denen Kinder ihre Räumlichkeiten selbst mitgestalten und ausschmücken können, stellen erheblich weniger offene Aggressionen fest. In vielen Schulen gibt es Fördervereine, die mithelfen können, die entsprechenden Maßnahmen durchzuführen. Eltern sind vielfach bereit, ihr Know-how zur Verfügung zu stellen, wenn man sie daraufhin anspricht, die Schule zu verschönern. Die Eingangshalle ist die Visitenkarte der Schule, sie vermittelt den ersten Eindruck über Sauberkeit, Pflege und Gestaltung. Stellt sie voller Stolz die Produkte aus dem Werk- und Kunstunterricht ihrer Schülerinnen und Schüler aus, sind Vitrinen aufgestellt, 155
hängen Bilder an den Wänden, vielleicht auch Photos vom Lehr- und Schulpersonal, weisen Hinweisschilder den Weg, dann vermittelt alles das einen ersten guten Eindruck vom Klima in der Schule. Während im Unterricht die offene Gewalt noch durch die Präsenz der Lehrerinnen und Lehrer verhindert werden kann, bricht sich diese häufig außerhalb des Unterrichts Bahn: in Fluren, Toilettenräumen, schwer einsehbaren Nischen und Ecken des Schulgebäudes, auf dem Schulhof und um das Schulgelände herum. Prügeleien entstehen zwar auch in den Klassenräumen, aber meistens in den Pausen bei Abwesenheit des Lehrers. In vielen Schulen sind die Schülertoiletten in einem unbeschreiblich vernachlässigten Zustand, sie sind beschmutzt, verwahrlost und oftmals auch defekt. Es ist bekannt, dass unbeaufsichtigte Ecken und Räume geradezu zu weiteren Zerstörungen und Beschmutzungen einladen. Deshalb geht es darum, möglichst viele Aufsichtsmaßnahmen zu gewährleisten, Reparaturen sofort durchführen zu lassen und alle Räumlichkeiten, besonders auch die Schülertoiletten, in einen einladenden Zustand zu bringen. Die Helene-Lange-Schule in Wiesbaden hat schon vor vielen Jahren ein Beispiel gegeben, indem sie den Reinigungsdienst der Schule selbst in die Hand genommen und von Schülern und Lehrern hat durchführen lassen. Die Verantwortung für die Beseitigung von Schmutz und Müll wurde nicht einfach an Putzfrauen abgegeben, sondern in die Verantwortung der an der Schule direkt Beteiligten übergeben. Das hat sich als pädagogisch sehr sinnvoll erwiesen, denn Schüler und Lehrer dieser Schule achten seitdem darauf, in einer angenehmen und sauberen Umgebung unterrichten und lernen zu können. Sie identifizieren sich mit ihrer 156
Schule und fühlen sich verantwortlich. Die Gesamtschule Köln-Holweide ist mit der ersten bewirtschafteten Schultoilette ebenfalls beispielhaft. An anderen Schulen zahlen Schüler z.B. 10 Cent pro Toilettengang, oder Eltern beteiligen sich an der Finanzierung einer Toilettenkraft. Dies sind alles Maßnahmen, die im weitesten Sinne der Entstehung von Gewalt vorbeugen.
Fördermaßnahmen für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund In einigen Bundesländern, so zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, bilden Hauptschulen »Auffangklassen«, in denen ausschließlich Kinder und Jugendliche beschult werden, die erst noch die deutsche Sprache erlernen müssen. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Ländern wie Polen, Kasachstan, Russland, Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien, aus Indien und China sowie aus den arabisch sprechenden Ländern. Diese speziellen Klassen, deren Schülerzahl eher klein ist, werden für maximal drei Jahre gebildet, da davon ausgegangen wird, dass sie in dieser Zeit genügend deutsche Sprachkenntnisse erworben haben, um am regulären Unterricht mit deutschen Schülerinnen und Schülern teilnehmen zu können. Sie erlernen vorrangig und sehr systematisch die deutsche Sprache und werden schrittweise in den Regelunterricht integriert. Diese Maßnahme hat sich als sinnvoll erwiesen. Es sind auch keine größeren Verhaltensauffälligkeiten bekannt. Trotz der Sprachenvielfalt (Muttersprache) und der anfänglichen mangelnden sprachlichen Verständigungsmöglichkeit in der deutschen Sprache verstehen sich die Schülerinnen und Schüler erstaunlich gut. Das 157
liegt daran, dass sie alle ein gemeinsames Ziel haben, nämlich das Erlernen der deutschen Sprache und daran, dass jeweils zwei Lehrkräfte in einer Klasse unterrichten und sehr großen Wert auf kooperatives soziales Verhalten legen. Seit den international vergleichenden PISALeistungsstudien ist die Erkenntnis gewachsen, dass der Erwerb der deutschen Sprache eine unbedingte Voraussetzung für Schulerfolg darstellt. Einige Schulkollegien und Schulkonferenzen haben in diesem Zusammenhang beschlossen, das Sprechen der deutschen Sprache in den Klassen und auf den Schulhöfen für alle Schüler verbindlich und verpflichtend zu machen. Hierdurch kann das Regelsystem der Schule deutlich umgesetzt und eingefordert werden, es entstehen wertvolle Impulse für die Verbesserung des Schulklimas. Nicht zuletzt kann hierdurch auch eine gewaltvorbeugende Zielsetzung verfolgt werden. Wer Mitschüler oder Lehrer im Unterricht aggressiv in einer fremden Sprache beschimpft, der soll, so der einhellige Beschluss der Schulkonferenz, mit Sanktionen rechnen. Zu dieser Maßnahme hat sich die Herbert-HooverRealschule im Berliner Bezirk Wedding als erste Schule entschlossen und daraufhin zunächst viel Kritik geerntet, bis sich die pädagogischen Vorteile dieser Regelung zeigten. Heute besteht Einvernehmen über die Sinnhaftigkeit solcher Ansätze. Sie ermöglichen Schulen, gezielt eine Initiative zu ergreifen und Schulleben und Unterricht möglichst störungsfrei zu halten. Ziel ist, verbale Aggressionen, Beschimpfungen und Beleidigungen sowohl in ausländischen Sprachen als auch der deutschen Sprache einzudämmen und darüber hinaus die Schülerinnen und Schüler anzuhalten, ihre Kenntnisse in der deutschen Sprache möglichst zügig zu er158
weitern, um auch auf diesem Weg bessere Schulleistungen erbringen zu können.
Rhythmisierung des Unterrichts- und Tagesablaufes Auch wenn schon viele Schulen zum Ganztagsbetrieb übergegangen sind, ist die Mehrzahl der Schulen in Deutschland immer noch halbtags organisiert. Sie starten sehr früh und enden meist mittags und haben einen mit vielen Fächern voll gefüllten Vormittag. Damit wird die »innere Uhr« der Kinder nicht berücksichtigt. Die Organisationsform der Halbtagsschule, der enge Zeitrahmen, das Arbeitszeitmodell, das sich an Unterrichtsstunden misst, der Druck durch die Stoffpläne sowie der immer noch vorherrschende lehrerzentrierte Frontalunterricht produziert Belastungen für die Lehrkräfte und die Schülerinnen und Schüler und verhindert eine angemessene und wohltuende Rhythmisierung von Anspannung und Entspannung des Unterrichts (Bertelsmann Stiftung 2006, Modul 5, 11). Die Organisationsform Ganztag bietet die Chance, den Tag gesundheits- und leistungsfördernder zu rhythmisieren. Bewegungseinheiten und sportliche Aktivitäten könnten und sollten hoch konzentrative Arbeitseinheiten unterbrechen und den Schülerinnen und Schülern Gelegenheit geben, angesammelte Spannungen und sich aufschaukelnde Aggressionen zu lösen. Ist dies nicht der Fall, kann es – wie es die Instinkttheorien beschreiben – zu eruptiven und plötzlichen unvorhersehbaren Ausbrüchen kommen. Es gibt immer mehr Schulen, die einen offenen Schulbeginn praktizieren und Möglichkeiten für Begegnung und Spiel vor Schulbeginn bereitstellen. Dazu ist 159
eine einladende Schulhofgestaltung Voraussetzung. Der Morgenkreis, das gemeinsame Frühstück, der Wechsel von Arbeits- und Entspannungsphasen, die Aufhebung des 45-Minuten-Takts, Lernen mit allen Sinnen sind weitere Maßnahmen, die auch im Dienste der Gewaltprävention stehen, weil sie für einen ganzheitlichen Unterricht stehen und damit den Bedürfnissen von Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern entgegen kommen. Eine gewaltpräventive Schule sorgt für das psychische Wohlergehen der an ihr Beteiligten, denn Zufriedenheit mit der eigenen Schule, Zugehörigkeitsgefühl zur eigenen Schule und Identifikation mit der eigenen Schule sind die besten Voraussetzungen für eine anzustrebende gewaltfreie Schule. Wenn Lehrerund Schülerschaft die Räumlichkeiten ihrer Schule gerne betreten, sich dort wohl fühlen und sich dort auch gerne aufhalten, dann ist das ein wichtiger und erster Schritt auf dem Weg zu einer guten und gesunden Schule.
Schulprofil und Identifikation Mit dem Begriff Schulprofil ist die Gesamtwahrnehmung einer Schule mit all ihren Besonderheiten, Aktivitäten und typischen Ausprägungen gemeint. Dazu gehören sowohl die Gebäudestruktur, die Sauberkeit und der einladende Aspekt der Räumlichkeiten als auch die Qualität des Unterrichts und das Engagement der Lehrer- und Schülerschaft. Das Schulprofil wird auch mitgeprägt durch schulische Veranstaltungen wie Feste, Feiern und Teilnahme an Wettbewerben und Modellprojekten. Jede Schule hat zwar auch schon unreflektiert ihr eigenes Profil und unterscheidet sich damit von anderen 160
Schulen, aber das allein genügt nicht, um von einem ›Schulprofil‹ sprechen zu können. Ein Schulprofil ist das Ergebnis eines bewussten und reflektierten Prozesses aller an Schule Beteiligten. Die Abfassung eines Schulprofils bedarf der planvollen Gestaltung, die immer mit einer Analyse des Ist-Zustandes beginnen und mit der Formulierung des Wünschenswerten fortgesetzt werden sollte, um dann konkret in die Umsetzungsphase einzusteigen. Schulprofile entstehen im Rahmen von Schulentwicklungsprozessen, begreifen Schule als lernende Organisationen und müssen stets an sich verändernde Situationen angepasst werden. Ein Schulprofil hat das Ziel, Lehrer-, Schüler- und Elternschaft näher an die jeweilige Schule zu binden, damit sie sich mit ihr identifizieren und stolz auf sie sein können. Die Einleitung von Schulentwicklungsprozessen stößt häufig auf vehementen Widerstand von Mitgliedern des Kollegiums. Sie befürchten Mehrarbeit und sträuben sich gegen Innovationen. Der Bericht von Moser (2005, 42), als Schulleiterin eines Gymnasiums, steht stellvertretend für viele Schwierigkeiten, auf die engagierte Pädagogen treffen, die sich bewegen, »damit sich das System bewegt«. Auch standardisierte Schulkleidung (»Schuluniformen«) kann einen Beitrag zum Schulprofil leisten. Sie führt zu einem stärkeren Klassenzusammenhalt und verbessert das Schulklima insgesamt (Bueb 2006, 95). Durch das äußere Erkennungszeichen fühlen sich Schülerinnen und Schüler einander näher verbunden, soziale Unterschiede könnten auf diese Weise nivelliert werden. Der Begriff der »Corporate Identity«, der besonders in großen Firmen eine Rolle spielt, könnte durch die standardisierte Kleidung symbolisch mit Leben gefüllt und so auch für Schulen von Bedeutung und von Nutzen 161
sein. Die Diskussion hierüber in der Öffentlichkeit und der Fachwelt ist noch nicht beendet. Neben den fachlichen und methodischen Grundkonzepten von Schulen tragen auch die im Kollegium fest vereinbarten Grundsätze des erzieherischen Handelns von Lehrerinnen und Lehrern sowie die Zusammenarbeit mit Eltern zum Schulprofil bei. Sie gründen sich auf Werte wie Akzeptanz, Verantwortung und Selbstorganisation und stellen die Basis für den Umgangston in Unterricht und Schulleben dar. Die Gestaltung der Elternarbeit und die Einbeziehung der Eltern in das alltägliche Erziehungsgeschäft der Schule ist ein wichtiges Element, welches das Schulprofil wesentlich mit prägt.
Partizipationsmöglichkeiten von Schülerinnen und Schülern in der Schule Schülervertretungen stehen für die demokratische Partizipation von Schülerinnen und Schülern an ihren Schulen. Partizipation bedeutet Beteiligung an Entscheidungsprozessen der Schule. Die Ziele einer Schülervertretung (SV) sind hoch gesteckt: Vertretung der Schülerinteressen gegenüber der Schulleitung und den Lehrkräften, Mitwirkung bei der Unterrichtsgestaltung und am Schulleben sowie Mitspracherechte bei wichtigen Entscheidungen. Sie werden jedoch in der Schulpraxis nicht immer erreicht. In den letzten Jahren wurde das SV-Bildungswerk gegründet, um die Arbeit der Schülervertretungen zu professionalisieren und effektiver zu gestalten. Auf einem »Professionalisierungskongress für aktive Schülervertreter«, der auch vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), der Bundesschülerkonferenz (BSK) und den landesweiten Schüler162
vertretungen (LSV) unterstützt wurde und in einem Bielefelder Berufskolleg stattfand, wurden Strategien zur wirksameren Mitgestaltung der Schülervertreter am Bildungssystem entworfen. In manchen Schulen fehlt immer noch das Verständnis dafür, dass Schülerinnen und Schüler in ihrer Eigenschaft als gewählte Schülervertreter in der Lage sind, sich für eine demokratische Schulkultur einzusetzen. Viele Entscheidungen werden von oben herab und ohne Einbeziehung der Schülerinnen und Schüler getroffen und lassen sie sehr oft die Diskrepanz zwischen dem Ziel »Erziehung zum mündigen Bürger« und Alltagspraxis in Schulen spüren. Bei für sie zentralen Themen wie die Gestaltung der Unterrichtspraxis und Verabredung von Verhaltensnormen bleibt ihnen oft die Mitwirkung verwehrt. Am geringsten ist die unterrichtliche Partizipation von Schülern in den Gymnasien. Die Schulleiter erklären das mit der besonderen Bedeutung der »Leistung« in dieser Schulform, die darauf ausgerichtet sei, die hochwertigen Abschlüsse zu sichern (Böhme und Kramer 2001). Pädagogisch tun sich Gymnasien mit dieser Politik allerdings keinen Gefallen. Grundmann, Kötter und Krüger (1998) fanden einen Zusammenhang zwischen Schulklima und Schülerpartizipation heraus, der sich in Zufriedenheit von Schülerund Lehrerschaft und in einer von allen als angenehm wahrgenommenen Gesamtatmosphäre zeigte. Partizipation kann zur Verringerung von Angst vor Lehrkräften beitragen. Viele Schulleiterinnen und Schulleiter bemängeln jedoch den Partizipationswillen vieler Schüler und meinen, sie könnten sich mehr engagieren. Schülerinnen und Schüler dagegen fühlen sich desillusioniert und erfahren im Schulalltag, wie wenig Mitbestimmungsmöglichkeiten ihnen in Wahrheit eingeräumt 163
werden, nämlich hauptsächlich in den Bereichen Schulleben, Ausflüge und Feste und nicht, wie sie es vorzugsweise wünschen, in den Bereichen Notengebung und Gestaltung des Unterrichts. Schulen, die ihren Schülerinnen und Schülern eine wirkliche Partizipation ermöglichen, die über die Wahl des Klassensprechers, die Übernahme von Hilfsdiensten, die Planung von Schulveranstaltungen und Ausflügen, das Bewirtschaften eines Verkaufsstandes oder Bistros hinausgeht, erleben eine Veränderung des Schulklimas, weniger Gewalt und aggressive Auseinandersetzungen, motivierte Schüler, die sich mit ihrer Schule identifizieren, sich für sie engagieren und Verantwortung übernehmen (Böhme und Kramer 2001). Partizipation von Schülerinnen und Schülern in der Schule und eine gut funktionierende und von Schulleitung und Lehrkräften akzeptierte Schülervertretung begünstigt also insgesamt die Wertevermittlung und das soziale Lernen und nicht zuletzt auch die Leistung von Schülerinnen und Schülern und trägt zur Gewaltprävention bei. Steigerung gewaltpräventiver Kompetenzen von Lehrkräften Präventionsansätze sollten langfristig und auf Dauer angelegt und auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelt sein: Schul-, Klassen- und Individualebene. Die Mehrzahl der Präventionsansätze zielt darauf ab, Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zu erhöhen. Darüber wird oft die Notwendigkeit übersehen, auch die Lehrerinnen und Lehrer in gewaltpräventiven Maßnahmen zu trainieren (Schick und Ott 2002). Nur eine die Lehrkräf164
te einbeziehende und auf mehreren Ebenen ansetzende Präventionsarbeit kann am Ende erfolgreich sein und erreichen, dass Schülerinnen und Schüler neue Handlungskompetenzen in ihr Verhalten integrieren (Ackermann, Darge und Ehninger 2001).
Umgang mit Unterrichtsstörungen und Konflikten Der Umgang mit »schwierigen Schülern« stellt für Lehrer eine nicht leichte Aufgabe dar, auf die sie meistens nur unzureichend vorbereitet sind (Jürgens 2000). Viele junge Lehramtsanwärter haben bei ihrem Berufseinstieg immer noch die Vision, »der beste Freund« ihrer Schüler sein zu können und erleben herbe Enttäuschungen, wenn sie merken, dass sie ihrer Idealvorstellung nicht nahe kommen und Schüler dies auch nicht wollen. Lehrer sollten die Generationengrenzen respektieren. Schüler wünschen sich Lehrer, die sich ihrem Alter entsprechend verhalten, guten Unterricht machen, gerecht und fair sind und ihnen in ihrem sicheren und professionellen Auftreten ein Vorbild sind. Sie mögen in der Mehrzahl keine »Kumpeltypen«, die sich anbiedern und sich mit ihnen auf eine Stufe stellen. »Mit Schülern klarkommen« ist die Forderung und Wunschvorstellung vieler Lehrerinnen und Lehrer, dazu bedarf es jedoch einer realistischen Einschätzung von dem, was Schüler erwarten und dem, was Lehrer leisten können (Lohmann 2003). Zu den größten Problemen von Lehrerinnen und Lehrern und Unsicherheiten im Umgang mit Schülern gehören die Unterrichtsstörungen, die sich schnell zu handfesten Konflikten zwischen Lehrern und Schülern entwik165
keln können (Becker 2006). Die Frage »Wohin mit den Störern?« (Gerspach 1998) und was mit ihnen zu tun sei, bewegt jede Lehrergeneration aufs Neue. In den letzten Jahren wird eine Tendenz in der Pädagogik deutlich, eine klare innere Haltung zu Disziplinproblemen einzunehmen, Illusionen aufzugeben, die Führung in der Klasse zu übernehmen und unter Wahrung von Respekt und Wertschätzung Verhaltensregeln zu formulieren und diese auch durchzusetzen. Bründel und Simon (2003) haben auf der Grundlage eines amerikanischen Modells ein Programm ausgearbeitet und beschrieben, das die Begriffe Unterrichtsstörungen, Regeln, Verantwortung und Disziplin miteinander verbindet und Lehrern aller Schulformen die Möglichkeit bietet, mit klaren Regeln und klaren Konsequenzen respektvoll auf Unterrichtsstörungen zu reagieren. Es ist unter dem Namen »Trainingsraum-Methode« bekannt und wird seit nunmehr sechs Jahren mit großem Erfolg in vielen Schulen Deutschlands eingesetzt. Was macht den Reiz und die Attraktivität des Programms aus? Mit der »Trainingsraum-Methode« haben Lehrer eine effektive Möglichkeit gefunden, mehrere Ziele gleichzeitig zu erreichen: • • • • •
Es erfolgt eine Rückbesinnung auf den Erziehungsauftrag der Schule; Eltern werden wieder in die Erziehungsarbeit der Schule eingebunden; das Verantwortungsbewusstsein von Schülern für das eigene Handeln wird gestärkt; Schüler erhalten Unterstützung bei der Reflexion ihres Tuns; Lehrer lernen einen anderen Umgang mit Unterrichtsstörungen; 166
•
Unterrichts- und Disziplinstörungen werden reduziert.
In diesem Ansatz lernen Lehrerinnen und Lehrer – anders als sie es gewohnt sind – auf Disziplinstörungen zu reagieren. Sie bleiben respektvoll und wenden einen mehrstufigen Frageprozess an, der es den Schülerinnen und Schülern ermöglicht, selbst zu entscheiden, ob sie im Klassenraum verbleiben und sich an die Regeln halten oder ob sie ein Time-out haben möchten und unter Anleitung einer Lehrperson außerhalb des laufenden Klassenunterrichts über ihr Verhalten nachdenken und zu anderen Verhaltensweisen kommen möchten. Das Konstanzer Trainingsmodell (»KTM kompakt«) stellt ein Basistraining zur Störungsreduktion und Gewaltprävention dar (Humpert und Dann 2001). Es bietet Lehrkräften die Möglichkeit, ihren Reflexions- und Handlungsspielraum zu erweitern und ihre subjektiven Theorien über Ursachenannahme und Ursachenzuschreibung zu verändern. Dies ist bei vielen Lehrerinnen und Lehrern ein Kardinalproblem: Sie schreiben störenden oder auch in Konflikte verwickelten Schülern Ursachen zu, die Abwertungen und Etikettierungen gleichkommen und den Schülern keine Chance lassen, ihr Verhalten zu verändern (Müller-Fohrbrodt 1999). Negative Annahmen über Schülerinnen und Schüler von Lehrkräften führen zu einer Stigmatisierung und damit zu einer »self-fulfilling prophecy«, nämlich zu einer Wiederholung der negativen Verhaltensweise durch die Schüler. Im KTM sowie in der »TrainingsraumMethode« können Lehrkräfte lernen, aus diesem Teufelskreis herauszukommen und den problembehafteten Schüler nicht in seiner Persönlichkeit abzuwerten. Das setzt allerdings ein Umdenken und die Fähigkeit des 167
Perspektivenwechsels bei den Lehrerinnen und Lehrern voraus. Die Verbesserung der Kommunikation sowie der stets respektvolle Umgangston im sprachlichen Verhalten sind wesentliche Bestandteile der gewaltpräventiven Kompetenzsteigerung von Lehrerinnen und Lehrern.
Anti-Aggressions- und Coolness-Training Seit etwa einem Jahrzehnt zeichnet sich ein Paradigmenwechsel von verstehender zu eher konfrontierender Pädagogik im Umgang mit gewalttätigen Schülern ab. Lehrerinnen und Lehrer werden angeregt und darin unterstützt, im Umgang mit Schülern regelgeleitet vorzugehen, also klare Grenzen zu ziehen und Konsequenzen folgen zu lassen, wenn gegen Regeln verstoßen wird. Die Verantwortung der »Täter« für ihr Handeln wird betont, sie werden mit ihrer Tat konfrontiert. Diese Ansätze werden als Anti-Aggressions- und CoolnessTraining bezeichnet (Korn und Mücke 2000; Weidner, Kilb und Jehn 2003; Weidner, Kilb und Kreft 2004; Fröhlich-Gildhoff 2006 a, b). In gewalttätig eskalierenden Konflikten zwischen Schülern ist häufig ein sofortiges Einschreiten der Lehrkräfte notwendig. Es ist sehr nützlich, wenn sie Basisfähigkeiten in der Deeskalation besitzen. Interventionsmöglichkeiten sollten sich an den Stärken und Grenzen der einzelnen Lehrkraft orientieren, denn sie sind nicht nur situations-, sondern auch personenabhängig (Korn und Mücke 2000, 35). Jede Lehrkraft sollte die eigenen Stärken nutzen und sich fragen, welche Intervention zu ihrem Interventionstyp passt: der offensive, der vorsichtige, der handlungsunfähige, der kommunikative oder 168
der ideenreiche. Nicht jeder fühlt sich berechtigt oder gar befähigt, in einen akuten Konflikt zwischen Schülern aktiv einzugreifen und bei Schlägereien »dazwischen« zu gehen. Lehrkräfte haben oft nicht den Mut, aktiv einzugreifen. Sie fühlen sich solchen Situationen nicht gewachsen und haben Angst davor, selbst angegriffen zu werden. Daher sollten Deeskalationstrainings auch geschlechtsdifferenziert durchgeführt werden. Besonders weibliche Lehrkräfte sollten im Training üben, Blickkontakt mit den Kontrahenten aufrecht zu halten, ihre Stimme bewusst einzusetzen und auf ihre Körperhaltung zu achten. In möglichst vielen Übungssituationen sollten sie Konfliktsituationen durchspielen, um Handlungssicherheit zu erhalten. Auch der interkulturelle Aspekt bei körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen aus Kreisen der Migranten ist zu beachten. Nicht alle Gewalthandlungen – vor allem dann, wenn die Gewaltdynamik explosiv ist – lassen sich deeskalieren, auch dafür müssen Lehrerinnen und Lehrer ein Gespür bekommen (Mücke und Korn 2000, 45). Deeskalationsverfahren dienen der unmittelbaren Lösung und Beruhigung. Sie folgen einem klar strukturierten Schema und setzen eine entschiedene innere Haltung und Einstellung der Lehrkräfte voraus (FröhlichGildhoff 2006b, 70). Lehrerinnen und Lehrer haben in der Schule das Hausrecht, sie sind also legitimiert zu intervenieren und sollten das auch durch eindeutige Signale in der Stimmlage, Mimik, Gestik und Sprache zum Ausdruck bringen. Das konkrete Vorgehen besteht darin, die Kontrahenten sofort und entschieden voneinander zu trennen und ihnen mit einem klaren und deutlichen »Stopp«! und »Ich will, dass ihr sofort aufhört«! klarzumachen, dass die Situation jetzt geklärt wird. Es 169
geht darum, den Kontrahenten einen Platz zuzuweisen, der Abstand zwischen ihnen schafft. In einer akuten Krise sieht der Interventionsverlauf folgendermaßen aus (Fröhlich-Gildhoff 2006b, 143): • •
Abstand herstellen; lautes, deutliches, namentliches Ansprechen der Kontrahenten; • Verweis auf das Unterlassen der Tat (Kurze Sätze: »Michael, hör auf!«); • Handlungsschritte werden vorher benannt (»Ich komm jetzt auf dich zu!«); • unnötiger Körperkontakt wird vermieden; • in der Situation werden keine Konsequenzen angedroht; • auf das Klärungsgespräch wird verwiesen. Weitere Prinzipien der Deeskalation sind Beruhigung der Beteiligten und eventuelles »Time-out«, verbunden mit einem Klärungsgespräch nach festgelegter Struktur. Die Konfrontation mit dem eigenen Fehlverhalten soll dazu beitragen, dass die Schüler die Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen und dafür auch die Konsequenzen tragen. Ähnlich wie auch in der »Trainingsraum-Methode« (Bründel und Simon 2003) geht es darum, die Schüler zu Überlegungen anzuregen, wie sie ihr Verhalten ändern können. Das setzt voraus, dass Fehlverhalten von Schülerinnen und Schülern nicht ignoriert wird und die Reaktion der Lehrkräfte einheitlich ist. Wegschauen und Übersehen der Tätlichkeiten führt zu ihrer Stabilisierung und Legalisierung und vermittelt den Schülern Schwäche und Hilflosigkeit von Lehrkräften im Umgang mit Gewalt. Die innere Haltung von Lehrerinnen und Lehrern ist wichtig, da sie den Schülern signalisiert: über ihr konflikt- und gewalthaltiges 170
Verhalten wird nicht hinweggesehen, sondern es wird gehandelt (Fröhlich-Gildhoff 2006b). Individuelle Leistungsförderung von Schülerinnen und Schülern Im internationalen Vergleich ist das deutsche Schulsystem hoch selektiv, die Instrumente der Auslese sind zahlreich. Das deutsche Schulsystem weist unterschiedliche Schulformen auf. Zwischen ihnen gibt es zwar potentielle Durchlässigkeit in Form von Aufstiegen, aber die Abstiege überwiegen erheblich: 77 % Abstiege gegenüber 22 % Aufstiegen zwischen den Schulformen Hauptschule, Realschule und Gymnasium (Bellenberg, Hovestadt und Klemm 2004, 80). Innerhalb der Schulformen gibt es weitere Maßnahmen der Selektion, wie Aufteilung auf Kursstufen und Klassenwiederholungen. Unter bestimmten Bedingungen führen Nichtversetzungen in der Sekundarstufe I zu einem Wechsel auf eine niedrigere Schulform. Klassenwiederholungen sind im deutschen Schulsystem gang und gäbe. Alle diese Zurückstufungen stellen eine Form der Etikettierung dar, die – wie in der Etikettierungstheorie in Kapitel 1 beschrieben – einen höchst brisanten Risikofaktor für die Entstehung von Gewalt bilden. Außerdem geht von diesen Maßnahmen keine wirkliche Leistungsförderung der Betroffenen aus. In Deutschland gibt es im Gegensatz zu anderen Ländern eine Vielzahl von Sonderschulen, die bundesweit von 4,4 % aller Schülerinnen und Schüler besucht werden. In unserem Zusammenhang interessieren besonders die Sonderschulen für Lernbehinderte, da dort – wie berichtet – der Gewaltanteil von Schülerinnen und 171
Schülern besonders hoch ist. Im Interesse der Prävention von Gewalt an Schulen dürfte es keine Schulen geben, in denen eine Konzentration von leistungsschwachen Schülerinnen und Schülern herrscht wie an diesen Sonderschulen. Es handelt sich hierbei um institutionelle Prozesse der sozialen Etikettierung, die das Auftreten von Gewalt begünstigen. Die Schlussfolgerung aus der Besonderheit des deutschen Schulsystems mit seinen hierarchisch zugeordneten Schulformen und seinen Selektions- und Stigmatisierungsmechanismen, auch angesichts von LeistungsVergleichsstudien wie TIMSS und PISA, lautet: Ein Schulsystem, das alle Kinder mitnimmt, niemanden aussondert und Etikettierungen vermeidet und eine stärkere individuelle Leistungsförderung der schwachen Schülerinnen und Schüler vornimmt, die schon in der Grundschule beginnt und in den weiterführenden Schulen weiter geführt wird, wäre ein präventiver Schritt gegen Gewalt. Sich anbahnendes Leistungsversagen von Schülerinnen und Schülern sollte so früh wie möglich von den Lehrkräften erkannt und durch Intensivkurse in der Schule aufgefangen werden. Schüler sollten mehr als bisher durch Zuwendung und Lernunterstützung die Förderanstrengungen ihrer Lehrkräfte spüren sowie deren Engagement und persönliches Interesse an ihren Lernfortschritten (Meier und Tillmann 2000).
Sport als Maßnahme der Gewaltprävention Ein anderer Gesichtspunkt, der auch eine starke gewaltpräventive Wirkung erzielt, ist die Stärkung körperlichen Ausagierens im Sportunterricht. Schülerinnen und Schüler hätten hier die Möglichkeit, im Wettkampf ihre 172
körperlichen Kräfte einzusetzen und zu messen. Sportliche Aktivitäten sorgen nicht nur für Entspannung und Erholung, sondern fördern Anstrengungsbereitschaft, Durchhaltevermögen und fordern manchen Jugendlichen heraus, bis an die Grenze seiner körperlichen Leistungsfähigkeit zu gehen und damit alle überschüssigen Energien freizusetzen und zu kanalisieren (FröhlichGildhoff 2006b). Wie die Trieb- und Instinkttheorien aussagen, funktionieren Aggressions- und Gewaltpotentiale wie ein Dampfkessel, der von Zeit zu Zeit Druck abgeben muss. Durch höchst anspruchsvolle und auch anstrengende Übungen haben vor allem männliche Schüler die Chance, ihre überschüssigen Energien los zu werden. Kampfsportarten sind bei Jungen sehr beliebt und dann hervorragend als gewaltpräventive Maßnahmen anzusehen, wenn sie unter fairen Bedingungen und unter Einhaltung aller Regeln stattfinden. Schüler lernen dabei, sich nur mit Gleichstarken zu messen und ihre eigenen Kräfte realistisch einzuschätzen. Kampfsporttrainings konfrontieren die Jungen mit ihren angeborenen Instinkten zur Aggression und ermöglichen ihnen, diesen in geregelten Bahnen freien Lauf zu lassen, ohne dass andere dabei in irgendeiner Form geschädigt werden. Bei Kampfsportarten kommt es auf die Zusammenarbeit von Körper und Geist, also auf höchste Konzentration und Disziplin an. Erfolgserlebnisse im Sport führen zur Stärkung des Selbstbewusstseins und zum Abbau von Frustrationen. Im Sport erfolgreiche Schüler haben es nicht nötig, Gewalt auszuüben. Ihre überschüssigen Aggressionen haben sie ausagiert, jedoch nicht – wie es die Emotionstheorien beschreiben – in möglicher Gewalttätigkeit, sondern im sportlichen Erleben ihrer Kraft und Energie bis zur eigenen Erschöpfung, die 173
oftmals eine wohlige Wirkung nach sich zieht. Asiatische Kampfkünste werden zunehmend auch als erlebnisintensive Anti-Aggressivitäts-Trainings eingesetzt, um die Gewaltbereitschaft von Schülern systematisch abzubauen. Sie sind auch deshalb so gut dafür geeignet, weil sie im Unterschied zu westlichen Kampfsportarten Aspekte der Akrobatik, des Körpergefühls und der Ästhetik betonen sowie die Anstrengung und den Spaß an der Aktivität. Dabei geht es nicht so sehr um den Sieg über den Gegner, sondern um den Sieg über sich selbst (Wolters 2004, 227). Asiatische Kampfkünste lassen aggressives Verhalten als erfolglos erleben und daher im Sinne der Lerntheorie verlernen. Stattdessen treten Prinzipien wie Achtung vor dem Partner, Fairness im Einsatz der eigenen Kräfte in den Vordergrund und bewirken bei den Teilnehmern – wiederum im Sinne der Lerntheorien – durch Lernen am Modell die Übernahme erfolgreichen und friedfertigen Verhaltens in das eigene Repertoire. Auch in anderen Unterrichtsfächern kann in diesem Sinne ein Aggressionsabbau eingeleitet werden, etwa durch regelgeleitete Streitdebatten im Deutschunterricht oder Fachdispute in Politik- und Sozialkunde.
Schulsozialarbeit Schulsozialarbeit hat das Ziel, die individuelle und soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen in der Schule zu fördern. Sie stellt ein eigenständiges Handlungsfeld der Jugendhilfe in der Schule dar und hat einen unterstützenden Auftrag, Schülerinnen und Schüler vor zu starker schulischer Belastung zu schützen. Schulsozialarbeit stellt eine Schnittstellentätigkeit zwischen 174
Unterricht und Lebenshilfe dar. Sozialpädagoginnen und -pädagogen nehmen stärker noch als Lehrkräfte die individuelle Lebenssituation von Schülerinnen und Schülern ins Blickfeld. Sie greifen auf das gesamte Repertoire sozialpädagogischer Handlungsmöglichkeiten zurück. Dazu gehören Einzelfallhilfe, individuelle Beratung, Gruppenarbeit mit Schülerinnen und Schülern, Angebote der Freizeitgestaltung und Haus- und Elternbesuche. Im Idealfall kooperieren Sozialpädagoginnen und -pädagogen eng mit den Lehrkräften der Schule und suchen bei Schulschwierigkeiten von Schülerinnen und Schülern gemeinsam mit ihnen nach Lösungen. Sie kümmern sich um Schulverweigerer und Schüler mit abweichenden und delinquenten Verhaltensweisen. Schulsozialarbeit arbeitet gewaltpräventiv, unterstützend und krisenintervenierend. Lehrkräfte und Sozialpädagoginnen und -pädagogen haben zwar unterschiedliche Handlungsfelder, aber sie können sich gut in ihren Maßnahmen zur Gewaltprävention ergänzen. Sie beraten Schülerinnen und Schüler nicht nur individuell und gehen auf deren schulische und familiäre Notlagen ein, sondern sie suchen auch Kontakte zu außerschulischen Institutionen und kooperieren mit Verbänden und Vereinen. Sozialpädagoginnen und -pädagogen arbeiteten bislang vorzugsweise in Ganztags- und Gesamtschulen, aber seit einigen Jahren sind sie – wenn auch nur befristet – in Grund- und Hauptschulen eingestellt und direkt der Schulleitung unterstellt. Als Kooperationspartner der Lehrerinnen und Lehrer führen sie gemeinsam mit ihnen auch Projekte der Gewaltprävention durch. In vielen Schulen sind sie es, die für Innovationen sorgen, auf neue Projekte und Methoden aufmerksam machen und so die Schulentwicklung voranbringen. Schulsozialpädagoginnen und -pädagogen haben sich ein so festes 175
Standbein in Schulen erobert, dass auf sie nicht mehr verzichtet werden kann. In der aktuellen Bildungspolitik werden Bildungsstandards und Qualitätssicherung zur guten gesunden und damit auch gewaltpräventiven Schule intensiv diskutiert. Einerseits sollen mit den Bildungsstandards verbindliche Anforderungen an die Leistungen von Schülerinnen und Schülern gestellt, andererseits soll damit aber auch nicht der Druck auf Schülerinnen und Schüler verstärkt und Leistungsversagen begünstigt werden. Bildungsstandards benennen die Kompetenzen, die von Schülerinnen und Schülern erreicht werden sollen. Sie ermöglichen die differenzierte Erfassung von Lernentwicklungen und Lernergebnissen und machen – auch unter dem Aspekt der Gewaltprävention – Sinn, wenn sie als Mittel individueller Standortbestimmung und zur Förderung genutzt werden. Förderung und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen in der Schule sind entscheidende gewaltpräventive Faktoren. Schülerinnen und Schüler, die sich durch ihre Lehrkräfte gut aufgehoben und unterstützt fühlen, die die Unterrichtsinhalte verstehen, einen gut durchdachten rhythmisierten Unterricht erhalten, mindestens ausreichende Noten erlangen, die sich mit ihrer Schule identifizieren und deren Normen anerkennen können, die im Großen und Ganzen mit ihrer Schule zufrieden sind und sich auch gerne dort aufhalten, werden – so zeigen die Untersuchungen – mit großer Wahrscheinlichkeit nicht gewalttätig, vorausgesetzt, dass alle anderen Umgebungsseinflüsse positiv sind. Schulsozialarbeit kann diesen Prozess unterstützen. Vorbild für deutsche Schulen könnten die skandinavischen Bildungs- und Schulsysteme sein, die Selektion, Ausgrenzung von Schülern durch Klassenwiederholun176
gen und Schulform-Wechsel nicht kennen, Unterstützung durch Schulpsychologen, Sozial- und Heilpädagogen und viele andere Schulhilfskräfte hingegen stark betonen. Leistungsförderung ist wichtig, aber die Aufgabe der Schule liegt, wenn sie gewaltpräventiv wirksam sein will, nicht nur in der Wissensvermittlung. Positives Sozialverhalten, Fähigkeiten zur Kommunikation und zur Lösung von Konflikten sind mindestens ebenso wichtig. Schüler sollten, so schlagen Grüner und Hilt (2004) vor, nicht um die beste kognitive Leistung konkurrieren, sondern um das beste Sozialverhalten.
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5. Kapitel Die Praxis der schulischen Gewaltprävention In den letzten Jahren sind viele Praxismodelle entwikkelt worden, die nicht nur das Ziel haben, Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler vor unverhofften Gewalthandlungen zu schützen, auf Bedrohungssituationen aufmerksam zu machen und zu helfen, Gefahren vorzeitig zu erkennen, sondern auch der ganz alltäglichen Gewalt von Schülerinnen und Schülern durch eine Vielzahl von Maßnahmen, Projekten und Programmen zu begegnen. Im Folgenden wollen wir zunächst Programme betrachten, die die Lehrerinnen und Lehrer durch Schulung ihrer Beobachtungsfähigkeit auf eventuell bevorstehende extreme Gewaltfälle aufmerksam machen, um dann Programme vorzustellen, mit deren Hilfe Schulen in Krisensituationen sofort einschreiten können und handlungsfähig sind. Anschließend beschreiben wir Konzepte und Projekte, die gut im Unterricht eingesetzt werden können und einen ganzheitlichen Präventionsansatz verfolgen. Sie helfen, die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler weiter zu entwickeln und sie für gewaltfreie Konfliktlösungen zu sensibilisieren und zu stärken. Hopf (2001b) nennt Schulen, die solche Konzepte und Projekte umsetzen, »sozial wirksame« Schulen.
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Sensibilisierungsprogramme Die Mehrzahl der Schulen in Deutschland sind sichere Schulen, in denen bislang keine größeren physischen Gewaltakte geschehen sind. Dennoch bleiben gewalthaltige Vorkommnisse der letzten Jahre im Gedächtnis haften und es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich ähnliche Fälle wiederholen.
Anfertigen einer »Bedrohungsanalyse« Extremereignisse wie Amokläufe in Schulen sind selten, aber sie sollten als »Risikofälle« genauestens analysiert werden, um ihrer Wiederholung vorzubeugen. Es handelt sich um schulische Krisensituationen, die – wie das Erfurter Schulmassaker – höchst dramatisch abliefen und für die Opfer tödliche und für die indirekt Betroffenen traumatisierende Folgen hatten. Solche Krisen sind – so scheint es – nicht vorhersagbar. Sie geschehen plötzlich und für alle überraschend, und dennoch müssen Schulen auf sie vorbereitet sein und zumindest ein gewisses Maß an Krisenmanagement beherrschen, um in der Situation handlungsfähig zu sein. Krisen erfordern von Lehrkräften ein Höchstmaß an Reaktions- und Handlungsbereitschaft – Fähigkeiten, die aber gerade in Krisen nicht so leicht abrufbar sind. Während bisher in der programmatischen Ausrichtung von Präventionsprogrammen die Themen »Gesundheitsfördernde Schulen« und »Gesunde Schulen« vorrangig waren (Paulus 2003), wird nach Vorbild USamerikanischer Konzepte zunehmend nicht nur die Gesundheit von Lehrern und Schülern in den Mittelpunkt gestellt, sondern auch deren Sicherheit. Der Begriff der 179
»Safe and Healthy School« hat vor allem seit den Amokläufen in Schulen der USA Eingang in die englischsprachige Literatur gefunden (Shaffi und Shaffii 2001; Sprague und Walker 2005). Eine Fülle von Handlungsanweisungen und -programmen sind auf dem Markt, die alle um die Begriffe »Best Behavior« und »Positive Behavior Support« von Schülerinnen und Schülern kreisen (Newman, Horne und Bartolomucci 2000; Crone, Horner, und Hawken 2003; Heath und Sheen 2005). Aus den USA sind sogenannte »Gefährdungsanalysen« von Schulen bekannt, die darauf abzielen, Bedrohungen im Vorfeld zu erkennen, entsprechend zu handeln und so ein Höchstmaß an Sicherheit in Schulen zu gewähren. Fein, Vossekuil, Pollack, Borum, Modzeleski und Reddy (2002, 20) haben als Folge der Mordanschläge auf Lehrkräfte, Schulleitungen und auch Schülerinnen und Schüler in den USA Handreichungen zur Einschätzung bedrohlicher Situationen herausgegeben. Sie sind der Überzeugung, dass dramatische schulische Krisen wie Überfälle und Amokläufe nicht – wie vermeintlich angenommen – plötzlich und unvorhersehbar geschehen, sondern sich vorher ankündigen. Die Attentäter aller im Nachhinein analysierter Anschläge zeigten auffällige Verhaltensweisen, die auf eine Bedrohung hätten hinweisen können. Die wichtigsten zehn Erkenntnisse aufgrund dieser Analysen sind folgende: •
Vorfälle gezielter Gewalttaten an Schulen sind selten impulsive, plötzliche Handlungen; • bei den meisten Vorfällen wussten andere Personen vor dem Anschlag von der Idee oder dem Plan des Täters; • unmittelbar vor der Tat haben die meisten Täter ihre 180
• • •
• • • •
Opfer nicht bedroht; es gibt kein genaues Profil von Schülern, die gezielte Gewalttaten begehen; die meisten Täter zeigten vor der Tat auffälliges Verhalten, das besorgniserregend war oder ein Bedürfnis nach Unterstützung anzeigte; die meisten Täter hatten Schwierigkeiten, mit bedeutsamen Verlust- oder Versagenssituationen fertig zu werden. Viele hatten Suizidgedanken geäußert oder versucht, Suizid zu begehen; viele Täter fühlten sich vor der Tat von anderen gemobbt, verfolgt oder beleidigt; die meisten Täter hatten vor der Tat Zugang zu Waffen und hatten Waffen vor der Tat benutzt; in vielen Fällen waren andere Schüler in irgendeiner Form beteiligt; obwohl die Polizei regelmäßig schnell informiert wurde und sofort reagierte, sind die meisten Vorfälle nicht durch die Polizei beendet worden.
Bedrohungsanalysen haben Prozesscharakter, sind als Kontinuum anzusehen und ständig in den Schulen zu aktualisieren. Sie sollten nicht von einer einzelnen Lehrkraft an der Schule durchgeführt werden, sondern besser von einem interdisziplinär zusammengesetzten Team, das aus schulinternen und schulexternen Personen (Polizei, Schulpsychologen) besteht, um sicherzustellen, dass alle Teile eines »Informations«-Puzzles zu einem Ganzen zusammengesetzt werden können. Im deutschsprachigen Raum hat sich vor allem Füllgrabe (2004) mit Bedrohungsanalysen befasst. Bedrohungsanalysen haben deshalb ihre Berechtigung, weil sie auf der Erkenntnis beruhen, dass Wege der Gewalt immer Wege einer längeren Entwicklung sind, bei de181
nen sehr viele Warnzeichen am Wegesrand stehen (Füllgrabe 2004, 158). Gewalthaltige Schlüsselwörter treten in der Bedeutung hinter einer Detailanalyse der Drohung zurück. Solche Details sind dann gegeben, wenn die Drohung direkt, spezifisch und plausibel ist und darauf hinweist, dass schon konkrete Schritte zur Ausführung hin unternommen worden sind. Die Worte eines Schülers, der zum Beispiel sagt: »Ich beabsichtige morgen früh um 8.00 Uhr den Schuldirektor zu erschießen: das ist dann, wenn er selbst in seinem Büro ist. Ich habe eine 9mm Pistole. Glaubt mir, ich weiß, was ich tue.« sind sehr ernst zu nehmen, denn Opfer, Motivation, Waffe, Ort und Zeit werden genauestens angegeben (Füllgrabe 2004, 159).
Erlernen von Krisenmanagement Krisenmanagementprogramme beinhalten Handlungsstrategien für sofortiges Einschreiten bei Krisensituationen sowie die Betreuung und Nachsorge der Opfer. Es sind aber nicht nur die Opfer, die Hilfe benötigen, sondern es gibt auch noch die »Kreise der Betroffenen«, die häufig übersehen werden: Angehörige, Eltern, Nahestehende wie Klassenkameraden und Freunde (Englbrecht und Storath 2005). Schwere Unfälle, Gewalttaten mit Köperverletzung, Tötungsdelikte, Mordanschläge, Amokläufe und nicht zuletzt auch Suizid und Suizidversuche stellen schwerste Krisen in Schulen dar. Von einem Tag auf den anderen ist alles anders, nichts ist mehr wie vorher. Die gesamte Lehrer- und auch Schülerschaft ist psychisch blockiert und gelähmt. Sie steht vor der schweren Aufgabe, die Krise zu bewältigen. Dazu bedarf es eines 182
Krisenmanagements, um Ordnung in das Chaos der Gefühle zu bringen sowie eines Gerüsts und einer Struktur, um eine Handlungsorientierung zu haben (Evangelisch-Lutherische Kirche, katholisches Schulkommissariat Bayern 2006). In der Katastrophensituation sollte es ein handlungsfähiges Krisenteam geben, das sich aus der Schulleitung, Vertretern des Lehrerkollegiums, dem zuständigen Schulpsychologen und dem Schulseelsorger zusammensetzt. Je nach Umfang des Schadensfalles sollten die übergeordneten Schulbehörden, Polizei, Notarzt, Notfallseelsorger und Notfallpsychologen eingeschaltet werden. Für das Krisenteam sollte ein Raum zur Verfügung gestellt werden, in dem es ungestört miteinander sprechen und beraten kann. Es müssen sofort Entscheidungen hinsichtlich der Organisation des Schulalltages getroffen und je nach Bedarf alle Schülerinnen und Schüler der Schule sowie auch der Elternbeirat informiert werden. Die bislang am besten ausgearbeiteten Programme zum Krisenmanagement sind das Kriseninterventionsund Bewältigungsprogramm bayrischer Schulpsychologen (KIBBS) von Englbrecht und Storath (2005) und das Handbuch »Wenn der Notfall eintritt« der evangelischen Kirche und des katholischen Schulkommissariats in Bayern (2006). Krisenintervention besteht aus Fürsorge, Nachsorge und Vorsorge (FNV-Modell). Während die Fürsorge die unmittelbare und kurzfristige notfallpsychologische Unterstützung der direkt Betroffenen, also das eigentliche Management der Krise umfasst, zielt die Nachsorge auf die Vermittlung von Anschlussbetreuung und Mithilfe bei der Suche nach psychotraumatologischen Therapieplätzen. Fürsorge 183
und Nachsorge gehen langfristig in die Vorsorge über, der eigentlichen Krisenprävention. Diese drei Phasen stimmen mit den aus dem Suizidgeschehen bekannten Phasen der Intervention, Postvention und Prävention überein sowie auch mit der Erfahrung, dass eine gute Postvention die beste Prävention darstellt (Bründel 2004). Die Regeln für solche Extremfälle können analog auf weniger schwere gewalthaltige Krisenereignisse übertragen werden.
Reaktion auf Schaden und Verletzung Geschieht ein Schadensfall in der Schule, entscheidet die Schulleitung, ob das Helfersystem alarmiert werden soll. Für die Betroffenen muss ärztliche und psychologische Erste Hilfe bereitgestellt werden, also • • • • • • •
medizinische Versorgung, psychische Hilfe, Nähe geben, Informieren, Entlasten, Sicherheitsgefühl unterstützen, Erregung abbauen.
Von größter Bedeutung ist der Umgang mit der Presse. Wichtig ist, dass in der Berichterstattung jegliche Dramatisierung vermieden und auf eine sachliche Berichterstattung hingearbeitet wird. Anfragen der Presse sollte nur die Schulleitung oder ein von ihr beauftragter Pressesprecher beantworten. Günstig ist es, Presseerklärungen schriftlich vorzubereiten und sich nicht während der Krise auf eine Diskussion mit Pressevertretern einzulas184
sen. Diese sollten keinen freien Zugang zum Schulgelände erhalten; notfalls muss die Schule von der Polizei abgeschirmt werden. Handbücher und Checklisten für gewaltträchtige Notfälle in Schulen, die das Verhalten in Krisenfällen, bei Unfällen, Geiselnahmen, Mord und Amokläufen detailliert beschreiben, sind seit einigen Jahren in einer Vielzahl auf dem Markt und geben Schulen damit wertvolle Hilfen für den Umgang mit Krisen (Thüringer Institut für Lehrerfortbildung 2002; EvangelischLutherische Kirche und Katholisches Schulkommissariat in Bayern 2006; Senatverwaltung für Jugend und Sport, Berlin 2000; Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Wien 2002; Sektion Schulpsychologie im Berufsverband Deutscher Psychologen BDP 2002; Hausmann 2005). Sie alle beschreiben notfallpsychologische Handlungsstrategien, Akutinterventionen und nachsorgende Stabilisierungsmaßnahmen für die Betroffenen. Sie treten dafür ein, Lehrkräfte in Erster Hilfe und Krisenbewältigung zu trainieren und in Schulen Notfallpläne vorzuhalten. Zu den Notfallplänen gehören genaue Anleitungen, wer was und wann in einer Krisensituation zu tun hat. Sie enthalten Vorlagen für Briefe an die Schüler- und Elternschaft, auf die man in der Hektik der Krisenbewältigung zurückgreifen kann. In vielen Bundesländern zeichnen Schulpsychologinnen und Schulpsychologen für die Fortbildung der Lehrkräfte und die Leitung notfallpsychologischer Krisenteams verantwortlich. Im Rahmen des Berufsverbandes Deutscher Psychologen gibt es seit einigen Jahren die Sektion Notfallpsychologie und speziell im Rahmen der Sektion Schulpsychologie ausgebildete Notfallschulpsychologinnen und -psychologen, die bei schuli185
schen Krisen sofort Kontakt mit den Schulen aufnehmen und ihre tatkräftige Unterstützung anbieten. Sie arbeiten mit Notfallseelsorgern und Notfallärzten eng zusammen. Sie übernehmen auch die Nachsorge und Nachbetreuung von Lehrkräften und Schülern, die gerade nach der Akutbewältigung von Krisensituationen sehr wichtig ist.
Umgang mit Trauer und Tod in der Schule Die Art und Weise, wie in Schulen mit Unfall, Mord, Suizid oder plötzlichem Tod von Lehrkräften und Schülern oder deren nächsten Angehörigen umgegangen wird, ist ein wichtiger Beitrag zur Schulkultur. Abschied, Verlust und Trennung gehören zum Leben dazu, und je einfühlsamer Lehrkräfte darauf eingehen, desto geborgener fühlen sich die Schülerinnen und Schüler. Nach dem ersten Schock und den ersten Schritten der Krisenbewältigung tritt der Aspekt der psychischen Unterstützung in den Vordergrund. Dies ist dann besonders für Lehrkräfte sehr schwer umzusetzen, wenn sie sich selbst im Trauerprozess befinden und Traumatisierte oder Betroffene sind. Eine Todesnachricht oder die Nachricht einer schweren Verletzung durch Gewalthandlungen angemessen zu überbringen und die Schülerinnen und Schüler der eigenen Klasse einfühlsam zu informieren, gelingt nur wenigen. In diesem Fall sollten sich die Lehrerinnen und Lehrer nicht scheuen, externe Hilfe von Schulpsychologen einzuholen. Aber auch dann, wenn sie nicht selbst betroffen sind, ist es für manche Lehrerinnen und Lehrer nicht leicht, mit trauernden oder traumatisierten Schülern umzugehen. Sie neigen dazu, diese nicht direkt anzusprechen 186
und schnell wieder zur Tagesordnung des Schulalltags überzugehen. Das jedoch ist nicht in jedem Fall angemessen, denn wenn traumatisierte Schülerinnen und Schüler auch nicht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen mögen, so wollen sie doch Anteilnahme an ihrem Schmerz spüren. Oft genügt es schon, den betreffenden Schülern zu signalisieren, dass sie sich zurückziehen können, falls sie dies möchten. Die Aufgabe der Lehrkräfte ist es auch, die Schülerinnen und Schüler der Klasse vom Geschehen zu informieren. Dies sollten sie einfühlsam, aber sachlich tun, ohne Einzelheiten zu nennen, die die Schüler erschrecken könnten und ohne über eventuelle Ursachen zu spekulieren. Dafür sollten sie ihren geplanten Unterrichtsablauf unterbrechen und sich viel Zeit für das Gespräch mit den Schülern nehmen. Manchmal verhalten sich traumatisierte Kinder merkwürdig und entsprechen damit nicht den Erwartungen von Erwachsenen. Es ist gut möglich, sie lachen und streiten zu hören und zu sehen, wie sie scheinbar unbeteiligt herumtoben. Aber das verrät nichts über ihre wahren Gefühle und Empfindungen. Kinder trauern anders als Erwachsene, das sollten Lehrkräfte wissen. Sie sollten das kindliche Verhalten nicht kritisieren, sondern akzeptieren und sich ihnen auch nicht aufdrängen. Trauernde Kinder benötigen keine Sonderbehandlung, aber einfühlsamen und behutsamen Umgang mit ihnen. Vor allem jüngere Schülerinnen und Schüler haben besonders bei gewalttätigen Todesfolgen Angst, es könnte ihnen dasselbe passieren. Daher ist es wichtig, ihre Ängste aufzunehmen und sie nicht zu bagatellisieren. Von großer Bedeutung ist auch die Elternarbeit, denn viele Eltern sind genau so beunruhigt wie ihre Kinder, 187
auch sie brauchen Hilfe und Unterstützung. Es hat sich bewährt, Elternabende mit Unterstützung von Schulpsychologen oder auch Seelsorgern zu gestalten und sie gemeinsam gut vorzubereiten. Lehrerinnen und Lehrer fühlen sich häufig überfordert und wissen auf Fragen nach Traumatisierungsfolgen nicht immer eine Antwort. Gewaltpräventionsprogramme Mittlerweile gibt es in Schulen eine Fülle von Konzepten, Methoden und Projekten mit gewaltpräventiver Zielsetzung. Es handelt sich dabei nicht jeweils um ausgearbeitete und in sich geschlossene Programme, sondern auch um individuelle und persönliche kreative Versuche von Lehrkräften, der Auftretenshäufigkeit von Gewalt entgegenzuwirken. Es müssen nicht immer notwendigerweise empirisch fundierte gewaltpräventive Maßnahmen sein, die von Lehrkräften in der Schule durchgeführt werden. Wichtig sind ihre den gesamten Unterricht durchdringende Intention und ihr langfristiges Bemühen, sich selbst gewaltpräventiv zu verhalten, den Schülerinnen und Schülern ein Vorbild zu sein und sie darin zu unterstützen, soziale und emotionale Kompetenz zu erwerben und keine Gewalt anzuwenden. Opp (1999) und v. Salisch (2002) zeigen, welchen Beitrag die Schule dazu leisten kann und welche große Bedeutung die sozialen und emotionalen Kompetenzen im Leben von Kindern und Jugendlichen bei der Bewältigung von Konflikten und der Meidung von Gewaltsituationen haben. Ein Grundprinzip persönlichkeitsstärkenden und damit auch gewaltpräventiven Umgangs mit Schülerinnen und Schülern in der Schule sollte sein, auf »Schatzsuche« statt auf »Fehlerfahndung« zu gehen – 188
ein Vorgehen, das sicherlich manchen Lehrkräften ungewohnt sein dürfte, denn allzu häufig wird im Unterricht getadelt, statt gelobt, werden Mängel und Schwächen herausgestellt, statt Stärken und Ressourcen hervorzuheben (Schiffer 2001). Um gewaltpräventiv tätig zu sein, können informelle Strategien und Vorgehensweisen angewandt werden, die zwar den hohen Ansprüchen, die gemeinhin an Programme gestellt werden, nicht genügen, aber dennoch wirksam sind (Schick und Ott 2002). Opp (1999) weist auf die vielfältigen Möglichkeiten von Lehrkräften hin, Kindern und Jugendlichen, die aus problembelasteten Familien kommen, positive Gegenerfahrungen durch Zuwendung, Verständnis, Ermutigung, und Anerkennung zu bieten. Lehrerinnen und Lehrer, die freundlich und zugewandt sind, hilfsbereit und konsequent, bei Bedarf auch streng und auf die Einhaltung der Regeln achten, die Schülerinnen und Schüler fair behandeln und sie nicht herabwürdigen, die sie in ihrem Leistungsstreben unterstützen und Leistungsversagen versuchen zu minimieren, handeln intuitiv gewaltpräventiv. Lehrkräfte können ihre Schülerinnen und Schüler durch positive Rollenmodelle und durch ihre eigene Persönlichkeit als verlässliche und faire Ansprechpartner stärken (Werner 2000; Wustmann 2004). Die Resilienzforschung hat ergeben, dass die Schule – in ihrer positiven Ausgestaltung – durchaus die Möglichkeit hat, ein Gegengewicht zu außerschulischen Problembelastungen zu bieten, durch: •
vielfältige Beziehungsknüpfung innerhalb der Schule; • Entstehung eines Gemeinschaftsgefühls; • verlässliche Strukturen; 189
•
gerechte, einsichtige Regeln und faire Konsequenzen; • aktives menschliches Interesse der Lehrkräfte an ihrer Schülerschaft; • Unterstützung der Schülerinnen und Schüler bei der Lösung ihrer Konflikte.
Mediation Mediation ist ein Verfahren zur Konfliktbearbeitung, das schon seit Jahren erfolgreich in der Schule eingesetzt wird (Jefferys-Duden 1999; 2002; Walker 2001; Braun und Rademacher 2004). Es gibt den streitenden Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, ihre Konflikte mit Hilfe eines neutralen Schlichterschülers oder schülerin friedlich und für alle Seiten zufriedenstellend beizulegen. Bei der Konfliktlösung geht es um die Berücksichtigung der Interessen beider Konfliktparteien, sodass eine Konsenslösung und nicht unbedingt eine Kompromisslösung angestrebt wird. Der Unterschied zwischen beiden Lösungsformen wird in dem bekannten Beispiel des Apfelsinenstreits zweier Geschwister deutlich: Ein Kompromiss würde darin bestehen, die Apfelsine zu teilen, sodass beide eine Hälfte bekämen, aber möglicherweise dennoch unzufrieden wären, weil ihre Interessen nicht berücksichtigt worden sind. Vorausgesetzt, beide hätten unterschiedliche Interessen und wollten die Apfelsine zu unterschiedlichen Zwecken haben, der eine, um daraus Saft zu pressen, der andere, um die Schale reiben zu wollen, dann bestünde eine Konsenslösung darin, dem einen zunächst die ganze Apfelsine zum Reiben zu überlassen und sie dann dem anderen zum Pressen des Saftes zu übergeben (Walker 2001, 190
31). Dieses Beispiel macht deutlich, wie wichtig es ist, nach den Interessen zu fragen, bevor eine Lösung erarbeitet wird. Eine Lösung, die die Interessen beider berücksichtigt, wird als »win-win-Lösung« im Unterschied zur »lose-lose-Lösung« bezeichnet, bei der keiner von beiden zu seinem »Recht« kommt, und auch zur »win-lose-Lösung«, in der nur einer von beiden zufrieden ist. Im Mediationsgespräch geht es nicht um Recht oder Unrecht und auch nicht um Schuld und Sühne, sondern darum zu überlegen, wie ein Konflikt zur Zufriedenheit beider beigelegt werden kann, sodass beide in Zukunft wieder miteinander auskommen können. Diese Besonderheit der Mediation deutet schon darauf hin, dass sich nicht alle Streitigkeiten für ein Mediationsgespräch eignen. Ausgenommen davon sind Gewalttätigkeiten mit Körperverletzung, Raub und Diebstahl und andere kriminelle Akte, bei denen es überwiegend um einen Täter-Opfer-Ausgleich geht (Korn und Mücke 2000). Die Lösung wird von beiden Streitenden selbst erarbeitet, die Schlichterperson – oder auch der Mediator – hat keinerlei Entscheidungsgewalt, sondern nur eine vermittelnde Funktion und die Gesprächsführung. Er gibt die Regeln bekannt, die im Gesprächsablauf beachtet werden müssen und achtet auf deren Einhaltung. Er verhält sich neutral oder auch allparteilich und gibt keiner Partei den Vorzug. Er sorgt für eine angenehme Atmosphäre und verhilft zur Lösungsfindung, indem er die Selbst- und Fremdwahrnehmung der beiden Streitenden stärkt und sie veranlasst, im Brainstorming verschiedene Lösungsvorschläge zu machen, um sie dann dazu anzuhalten, sich nach sorgfältigem Abwägen für eine gemeinsame und von beiden zu akzeptierende Lö191
sung zu entscheiden (Bründel, Amhoff, Deister 1999). Das Mediationsgespräch endet mit einem Vertrag, in dem die Lösungsvereinbarung festgehalten und von allen unterschrieben wird. Das Mediationsgespräch gliedert sich in mehrere Phasen (Walker 2001, 34): • • • • • •
Einleitung; Klärung der Sichtweisen und der Definition des Problems; Konflikterhellung; Suche nach Lösungen; Treffen der Vereinbarung; Vertrag und Unterschrift.
So einfach und plausibel dieses Vorgehen zu sein scheint, so schwierig ist es doch, es in der Praxis effektiv umzusetzen. Braun und Rademacher (2004) betonen, dass Mediation nur dann eine Chance auf eine nachhaltige Wirkung in der Schule hat, wenn es Teil eines systemischen Veränderungsprozesses wird, der durch Schulentwicklung erfolgt. Es reicht nicht aus, die Schülerinnen und Schüler, die die Funktion des Mediators übernehmen möchten, im Ablauf des Mediationsverfahrens zu trainieren. Sie sind zwar in der Lage, nach einem ca. 20-stündigen Basistraining die Vermittlerrolle bei Konflikten zu übernehmen, wie Kaeding und Leiß (2001) aussagen, aber ob sie das Durchhaltevermögen besitzen, über einen längeren Zeitraum Mediationen durchzuführen und die notwendige Unterstützung dafür im Lehrerkollegium haben, ist damit noch nicht gesagt. Viele Autoren äußern sich skeptisch über die nachhaltige Umsetzung der Mediation in der Schule, verweisen auf die anfängliche Euphorie und das häufige Absinken des Interesses nach einiger Zeit sowohl bei den 192
Schülern als auch den Lehrkräften (Simsa 2001; Braun und Rademacher 2004; Engert 2001, 2002). Mediation ohne Einbettung in eine reflektierte Konfliktkultur der Schule und ohne Teil der Schulentwicklung zu sein – so zeigen viele Erfahrungen –, ist häufig zum Scheitern verurteilt. Die häufigsten Fehlerquellen liegen in einer überhasteten Einführung ohne intensive Auseinandersetzung des Kollegiums über seinen Umgang mit Konflikten, in Alleingängen engagierter Kolleginnen und Kollegen ohne Rückhalt im Kollegium oder auch der Schulleitung, in zu geringer Unterstützung der ausgebildeten Streitschlichterinnen und Streitschlichter durch die Lehrkräfte und in zu geringem Bekanntheitsgrad der Streitschlichtung in der Schülerschaft (Engert 2001; Braun und Rademacher 2004, 165). Oft nehmen Mediationsprojekte den Stellenwert einer Insel im Schulgeschehen ein und sind nicht in die alltäglichen Prozesse der Schule integriert. Darauf weisen Behn, Kügler, Lembeck, Pleiger, Schaffranke, Schroer und Wink (2006, 30) hin, die eine bundesweite Evaluation zu Einsatz und Effektivität von Mediationsprojekten und -methoden an Schulen durchführten. Auch die Standards und Rahmenbedingungen des Bundesverbandes Mediation, die richtungsweisend sein sollten, werden nicht immer eingehalten. Trotz vieler Rückschläge und Enttäuschungen bei der Lehrer- und Schülerschaft erfreut sich die Streitschlichtung großer Beliebtheit in Schulen. Die Erwartungen der Lehrerinnen und Lehrer in Schulen, in denen es viele gut verlaufende Mediationsgespräche unter den Schülerinnen und Schülern gibt, werden größtenteils erfüllt. In Schulen mit erfolgreich implementierten Mediationsprojekten verringert sich nach Aussagen der Lehrkräfte die Anzahl gewalthaltiger Vorfälle. Der Vorteil der Metho193
de ist, dass sie in allen Schulformen zur friedlichen Beilegung von Konflikten eingeführt werden kann – sowohl in Grundschulen als auch in Berufsschulen und in Sonderschulen, wie Engert (2001) darlegt und dass sie funktioniert, vorausgesetzt, dass die oben genannten Fehlerquellen vermieden werden.
Gezielte Präventionsprogramme Gezielte Präventionsprogramme sollten auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen, klar gegliedert sein, Nah- und Fernziele angeben und konkrete Handlungsanweisungen für die Lehrkraft sowie konkrete Übungsmöglichkeiten für die Schülerschaft enthalten (Trenz 2004). Mit ausgearbeiteten und sorgfältig evaluierten Gewaltpräventionsprogrammen verhält es sich ähnlich wie mit anderen Präventionsprogrammen. Sie werden häufig erst dann von Schulen gewünscht und eingesetzt, wenn ein dramatisches Ereignis passiert ist. Der Sinn von Prävention besteht jedoch gerade in der Vorsorge, also darin, aufmerksam zu sein, mögliche Gefährdungen von Schülern und Lehrern rechtzeitig zu erkennen, um handeln, helfen und unterstützen zu können. Gewaltpräventionsprogramme stehen auch im Ziel der Gesundheitsvorsorge und Gesundheitserziehung, und zwar für Lehrkräfte wie auch für Schüler. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass allgemeine Lebenskompetenzen wie Problem- und Konfliktlösefähigkeit, Stressbewältigung, Kommunikationsund Beziehungsfähigkeit wichtige Ressourcen darstellen, die die psychische Gesundheit mit bestimmen und gewaltpräventiv wirken (Bühler und Heppekausen 2005). Die meisten Programme zur Förderung der all194
gemeinen Lebenskompetenz beruhen auf dem Risikound Schutzfaktorenmodell und nehmen eine salutogenetische Perspektive ein (Antonovsky 1997). Die als Lebensfertigkeiten angesehenen Schutzfaktoren werden als generalisierte Widerstandsressourcen verstanden, und das heißt für die Gewaltprävention in der Schule, diejenigen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zu stärken, die mit Gewaltausübung inkompatibel sind. Bühler und Heppekausen (2005) haben 26 deutschsprachige Programme zur Förderung von Lebenskompetenzen für Erwachsene, Kinder und Jugendliche einer sehr sorgfältigen Analyse unterzogen und sie jeweils hinsichtlich verschiedener Dimensionen beschrieben: • • • • • •
Zielgruppen und Setting; Inhalte/Trainierte Fähigkeiten; Didaktik und Struktur; Theoretischer Hintergrund; Dauer der Durchführung; Umsetzungserfahrung und Wirksamkeit.
Wir greifen von der großen Anzahl dieser Programme die aktuellsten fünf Programme heraus, die sich speziell mit der Prävention von Aggressivität und Gewalt befassen, die soziale Kompetenz von Schülerinnen und Schülern stärken und im (vor-)schulischen Setting durchgeführt werden können. In der Darstellung folgen wir den Beschreibungs- und Bewertungsdimensionen, die Bühler und Heppekausen (2005, 32) vorschlagen:
195
Nr. Programm
Autorinnen und Autoren 1Faustlos – Ein Cierpka, M./ Curriculum zur Schick, A./ Prävention von Ott, I./Egloff, G aggressivem . (2002) und gewaltbe- Cierpka, M. reitem Verhal- (1999) ten 2Verhaltenstrai- Peterning für Schul- mann, F./Geranfänger ken, N./Natzke, H./Walter, H.-J. (2002) 3Sozialtraining Peterin der Schule mann, F./Jugert, G./Tänzer, U. (1999) 4Fit for life Jugert, G./Rehder, A./Notz, P/Pete rmann, F. (2002) 5MindMatters Paulus, P./Franze, M./ Schwertner, K. (2004)
Zielgruppe Kindergartenkinder Schüler der Klassen 1 bis 3
Schülerinnen und Schüler der Klassen 1 und 2
Schülerinnen und Schüler der Klassen 3 bis 4 und 5 bis 6 Benachteiligte Jugendliche in Einrichtungen der (vor-) beruflichen Bildung Ganzheitliches Schulkonzept
Das Spektrum der Zielgruppen aller fünf Programme erstreckt sich auf Altersgruppen, angefangen von Kindergartenkindern (1) über Schulkinder der Klassen 1 bis 6 (2, 3) und darüber hinaus (5) bis hin zu den älteren Jugendlichen in beruflichen Bildungseinrichtungen (4). 196
Entsprechend den gehäuften Gewaltvorkommnissen bei jüngeren Kindern sind Programme auch für diese Altersgruppe berücksichtigt (1,2, 3). Nur das Programm 5 bezieht auch Lehrkräfte und Eltern mit ein. Alle Programme trainieren Fähigkeiten der Lebenskompetenz, und dazu gehören Fähigkeiten der Selbstwahrnehmung, Empathie, des kreativen und kritischen Denkens, der Problemlöse- und Kommunikations- und Beziehungsfertigkeit. Im Einzelnen wird dies erreicht durch eine Vielzahl von größeren und kleineren Übungssituationen zu Körpersprache, Gefühlsausdruck, Einfühlungsvermögen, Behaupten des eigenen Standpunktes und zur gewaltfreien Lösungsfindung im Konfliktfall. Die Programme 1, 4 und 5 sind sehr systematisch und strukturiert in Module oder einzelne Lektionen aufgebaut, die nach dem gleichen Muster unterrichtet werden. Je nach Alter der Zielgruppe werden interaktive Methoden eingesetzt wie Handpuppen (2), Photos (1), Verstärkerpläne (2), Rollenspiele (1, 2) und Entspannungsübungen (2, 3), Verhaltensübungen (4), Gruppengespräche und -diskussionen (1, 4), Kleingruppen- und Partnerübungen (4, 5). Alle Programme sind theoretisch fundiert und basieren auf Konzepten der sozialen Kompetenz (4) und des sozialen Lernens (2, 3), des sozialen Informationsaustauschs (1), dem Konzept der Selbstwirksamkeit (3) sowie des salutogenetischen Modells (5). Die Dauer der Durchführung ist sehr unterschiedlich und reicht teilweise weit über den Bereich der empfohlenen Mindestlänge von 15 Stunden hinaus (5). Von allen fünf Programmen liegen Umsetzungserfahrungen vor, die Materialien sind im Unterricht gut umsetzbar. Einige Programme sind gut evaluiert (1, 2, 4), andere weniger, weil die Evaluation noch nicht abgeschlossen ist (3, 5). 197
Das Beispiel MindMatters Da sich das Programm MindMatters in seinem Umfang und seiner Aktualität von allen anderen abhebt und es einen großen Baustein enthält, der sich speziell mit Mobbing in der Schulklasse befasst, soll es hier etwas ausführlicher geschildert werden. MindMatters ist ein Programm zur Förderung der psychischen Gesundheit für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I, speziell der Klassen 5 bis 10. Es handelt sich dabei ursprünglich um ein australisches Programm, das schon in den 1990er Jahren entwickelt und evaluiert worden ist und von dem nun eine deutsche Version vorliegt und als Modellversuch erprobt wird. MindMatters verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz von Gesundheit und basiert auf dem Konzept der Gesundheitsfördernden Schule. Gesundheit ist bei Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern dann gegeben, wenn sie sich körperlich, psychisch, sozial und ökologisch wohl fühlen und ausreichende Fähigkeiten zur Problembewältigung und zur Selbstverwirklichung besitzen. MindMatters bezieht ausdrücklich sowohl die Schüler, die Lehrkräfte, schulisches Personal, außerschulische Experten als auch die Eltern in seine präventive Arbeit mit ein und konzentriert sich zusätzlich auf den Bereich der Schulentwicklung. Drei von insgesamt acht Heften befassen sich mit dieser Zielgruppe. Die fünf anderen Hefte enthalten Unterrichtsmaterial zu verschiedenen Themen der Gesundheit und richten sich an Schülerinnen und Schüler unterschiedlichster Klassenstufen. Mit diesen Bausteinen wird MindMatters von allen anderen Programmen am besten einem Präventionsanspruch gerecht, der alle Ebenen – die schulische und außerschulische – in seine Bemühungen einschließt. 198
MindMatters verfolgt nicht nur einen ganzheitlichen Präventionsansatz, sondern ist in einen Schulentwicklungsprozess eingebettet und sieht daher strukturelle und organisatorische (auf Schule bezogen) sowie individuelle Maßnahmen (auf Schülerinnen und Schüler bezogen) vor. MindMatters strebt eine nachhaltige Veränderung der gesamten Schule hinsichtlich der psychischen Gesundheit aller Beteiligten an. Die organisatorischen Inhalte betreffen Anregungen zur Entwicklung von Schulprogrammen und zum Aufbau von Kooperationsnetzwerken mit außerschulischen Institutionen. Die individuellen Maßnahmen beziehen sich auf altersspezifische Probleme von Schülerinnen und Schülern, zum Beispiel auf Probleme von Fünft- und Sechsklässlern, die den Schulwechsel auf die weiterführende Schule hinter sich haben und neue Freundschaften und Kontakte schließen müssen. Ihnen gibt das Programm Hilfe und Unterstützung, indem Themen wie Freundschaft und Verbundenheit, Beziehungen aufbauen bearbeitet werden. Weiterhin vermittelt MindMatters älteren Schülerinnen und Schülern Hintergrundwissen zu Selbstverletzungen, Suizidversuchen, Depressionen und hilft Lehrerinnen und Lehrern sowie auch Eltern beim rechtzeitigen Erkennen von individuellen schwerwiegenden Problemen von Schülerinnen und Schülern. Der Umgang mit Verlust, Trauer und Tod und Krisenmanagement wird ebenfalls thematisiert. Damit geht MindMatters auch in diesem Punkt weit über andere Präventionsprogramme hinaus. Die umfangreichsten Vorschläge im Vergleich zu allen anderen Gewaltpräventionsprogrammen macht MindMatters zum Thema Mobbing in Schulklassen. Die drei Themenhefte zu Mobbing richten sich an Schüle199
rinnen und Schüler der 5. bis 8. Klassen und können sehr gut in den verschiedensten Fachunterrichtsstunden oder auch in Theater-AG’s, im darstellenden Spiel eingesetzt werden. Schülerinnen und Schüler erkunden im geschützten Raum unterschiedliche Formen von Mobbing und Belästigung, erfahren die möglichen Folgen eines solchen Verhaltens und lernen, wie sie sich davor schützen und sich den Mobbern aktiv und friedlich widersetzen können. Das Programm steht unter dem Motto »Hinsehen statt wegschauen« und ermuntert die Schülerinnen und Schüler – die »Zuschauer« im Mobbingsystem, die »Assistenten« und »Unterstützer« – sich nicht länger aktiv oder passiv am Mobbinggeschehen zu beteiligen, sondern die Opfer zu schützen, zu verteidigen und zu stärken sowie den Mobbern Einhalt zu gebieten. Durch zahlreiche Übungssituationen, Interaktionen und Spiele können die Schülerinnen und Schüler neue Handlungskompetenzen erproben und in ihr Handlungsrepertoire überführen. Wie dieses Programm demonstriert, sind die Möglichkeiten, in der Schule gewaltpräventiv wirksam zu sein und damit für eine gute und gesunde Schule einzutreten, vielfältig, methodenvariant und von Sozialpädagogen und Lehrkräften gut einsetzbar. Allerdings sollte in der Schule über einseitige und ausschließlich kompensatorische Eingreifprogramme deutlich hinausgegangen werden. In der Schule sind nicht nur – wie wir deutlich gezeigt haben – verhaltenssauffällige und gewaltbereite, sondern in der Mehrheit auch lernwillige und gut angepasste Schülerinnen und Schüler. Daher sind reine Defizitprogramme, die sich nur an aggressive, delinquente und kriminelle Jugendliche wenden, nicht angesagt. Die spontanen, kreativen und ad hoc einge200
setzten Maßnahmen, die Schülerinnen und Schüler ermutigen und stärken, sind dagegen – zusätzlich zu den ausgearbeiteten Programmen als Teil der Schulentwicklung – sehr zu empfehlen. Der ressourcenorientierte Ansatz Die Fridtjof-Nansen-Schule in Hannover soll als Beispiel für einen gesundheitsbewussten und gesundheitsfördernden Ansatz von schulischen Maßnahmen stehen, die innovativ sind, die gesamte Schulkultur positiv beeinflussen und im weitesten Sinne gewaltpräventiv wirken. Der ganzheitliche Arbeitsansatz orientiert sich nicht an den Defiziten und institutionellen Mängeln von Schule und auch nicht an eventuellen Schwächen von Lehrern und Schülern, sondern geht – ganz im Sinne von Schiffer (2001) – auf »Schatzsuche« und versucht das zu verwirklichen, was der ressourcenorientierte Ansatz und das salutogenetische Modell von Antonovsky nahe legen. Ausgangspunkt ist die Frage: Was benötigen Menschen, die in der Schule arbeiten, um sich wohl zu fühlen? Die Antwort lautet: Sie brauchen das zuversichtliche Gefühl, dass ihre Arbeit für ihr eigenes Leben sinnvoll und verstehbar ist und die Anforderungen zu bewältigen sind. Dieses Gefühl – auch Kohärenzgefühl genannt – versetzt sie in die Lage, bei Auftreten von Belastungssituationen Widerstandsressourcen zu aktivieren und Stress dynamisch zu balancieren (Abeling und Städtler 2004). Das Schulprogramm der Fridtjof-Nansen-Schule wird über fünf Inhaltsbereiche definiert, die als Bausteine des Schulprogramms fungieren, wie Zahnräder ineinander greifen und sich wechselseitig bedingen: 201
Abb. 2: Quelle: www.bewegteschule.de/redaktion/projekt/index.php
Baustein 1 regelt die Leitung und Organisation der Schule, die auf einen Steuerungsausschuss übertragen wurde und damit nicht mehr in den Händen einer Einzelperson liegt. Der Ausschuss ist von der Gesamtkonferenz beauftragt, alle wichtigen Entscheidungen zu treffen, die zunächst für eine gewisse Probezeit gelten und dann noch einmal auf den Prüfstand gestellt werden. Baustein 2 bezieht sich auf die Sicherung der Unterrichtsqualität, auf Kompetenzbereiche und Mindeststandards und schülergerechte Lernformen. Zeiten für kollegiale Hospitationen sind im Stundenplan vorgesehen. Der Rhythmisierung des Schulalltages mit einem gelebten Wechsel von Anspannung und Entspannung für die Lehrkräfte und die Schülerschaft kommt eine große Bedeutung zu. Wichtige Informationen werden nicht in den Pausen weitergegeben, damit sich Lehrerinnen und Lehrer auch wirklich erholen können. Baustein 3 betrifft die Gestaltung der Lern- und Lebensräume, und zwar sowohl der Klassenräume als auch des Lehrerzimmers. Viel Wert wird auf eine angenehme und ergonomische Gestaltung des gesamten Schulgebäudes einschließlich seiner Außenbereiche gelegt. Die 202
Sitzmöbel entsprechen modernsten arbeitsmedizinischen Erkenntnissen. Die Kinder sitzen auf ergonomisch geformten Stühlen mit Wippmechanismus, es gibt Liegearbeitsplätze auf Matten, Stehtische auf Rollen und Einzeltische mit schräg neigbarer Platte. Baustein 4 beinhaltet eine Kultur der gegenseitigen Wertschätzung, die vor allem in der gewaltfreien Regelung von Alltagskonflikten zum Ausdruck kommt. Im Schulalltag werden Zeiträume für Begegnung, Informationsaustausch, gegenseitige Unterstützung und auch Konfliktaustragung berücksichtigt. Baustein 5 setzt sich das Gesundheitsmanagement zum Ziel. Es wird mit der Lebenszeit von Schülern und Lehrern verantwortungsvoll umgegangen und jegliche »Zeitfresser« wie Konferenzen, Elterngespräche in den Pausen vermieden. Auf eine gesunde Ernährung mit täglichem gemeinsamem Frühstück wird sehr viel Wert gelegt sowie auf Bewegungsimpulse während des gesamten Schultages. Die Fridtjof-Nansen-Schule hat sich als Leitidee für das Schulprogramm den Namen »Bewegte Schule – Schule als lernendes System im Stadtteil« gegeben und stellt damit die Bewegung in den Mittelpunkt, und zwar Bewegung im weitesten Sinne. Bewegung soll nicht nur äußerlich abzulesende Bewegung, sondern sie soll in den Köpfen aller an der Schule Beteiligten sein. Bewegung bezieht sich in der Fridtjof-Nansen-Schule sowohl auf das Organisationssystem Schule, auf Flexibilität, auf vernetztes Denken und Handeln, auf Öffnung nach außen, auf Beteiligung aller am Schulgeschehen als auch auf die Rhythmisierung des Unterrichts, auf bewegte Pausen und Bewegungsfreude der Kinder. Nach Laging (2006) ist Bewegung ein Gestaltungsprinzip der Schulentwicklung und bringt damit die Verbindung zur Le203
benswelt der Schülerinnen und Schüler und auch der Lehrkräfte zum Ausdruck. Bewegung ist ein Beitrag zur Förderung der kindlichen motorischen und auch kognitiv-emotionalen Entwicklung. Bewegung stärkt damit das erfahrungs- und handlungsgebundene Lernen. Bewegung – und das ist das Hauptargument einer »Bewegten Schule« – bringt Schüler und Lehrer dazu, sich auch im übertragenen Sinne aufeinander zu zu bewegen. Ansätze wie die der Fridtjof-Nansen-Schule sind sehr erfolgreich, da sie mit einer Veränderung der Schulkultur einhergehen. Bei allen Veränderungsprozessen sollte immer auch eine Verknüpfung mit Schulentwicklungsprozessen angestrebt werden, deren wesentlichste Bestandteile konfliktbearbeitende Kommunikation und gewaltfreie Interaktion innerhalb der Schule und partnerschaftliche Zusammenarbeit mit außerschulischen Institutionen sind (Melzer, Schubarth und Ehninger 2004, 298). Lehrerinnen und Lehrer sind immer noch vielfach als Einzelkämpfer in der Schule tätig, daher wäre es sehr sinnvoll, sich zum einen innerhalb der Schule zusammen zu tun, um gemeinsam Strategien der Gewaltprävention abzusprechen und zum anderen sich aber auch mit anderen Schulen und außerschulischen Partnern zu vernetzen. Im Folgenden werden diese Möglichkeiten geschildert. Ein Netzwerk der Gewaltprävention Gewaltprävention gelingt dann am besten, wenn sich Schulen – und zwar möglichst viele Schulen unterschiedlichster Schulformen der Kommunen und der Kreise – zusätzlich zu ihren innerschulischen Präventionsbemühungen mit außerschulischen Einrichtungen 204
vernetzen und eng mit ihnen zusammenarbeiten: mit den Eltern ihrer jeweiligen Schülerschaft, der Stadt- und Kreiselternschaft, der Schulaufsicht, mit Vertretern des Jugendamtes, der offenen Jugendarbeit, Erzieherinnen aus Kindertagesstätten und Kindergärten, Schulpsychologinnen und -psychologen aus schulpsychologischen Beratungsstellen, Vertretern der Polizei, des kriminalpräventiven Rates und des Kommissariats Vorbeugung. Durch die Vielfalt der Fachkräfte, die aus den verschiedensten pädagogischen Bereichen kommen, ist gewährleistet, dass alle Altersstufen von Kindern und Jugendlichen in der Präventionsarbeit berücksichtigt werden und somit gewaltpräventiv sowohl in schulischen als auch in außerschulischen Bereichen gearbeitet werden kann. Besonders wichtig ist dabei die Mitarbeit von Eltern, die im Netzwerk Hilfen, Unterstützung und Anregungen für ihre elterliche Erziehungsarbeit erhalten können. Da die Schulen selbst nur begrenzt Elternarbeit leisten können, sind Netzwerke ein Forum, in denen dies geleistet werden kann. Ziel der Netzwerke ist es, eine Struktur zu schaffen, die alle Partner am Erziehungsprozess vor Ort zusammenführt und es damit allen Fachkräften ermöglicht, die gewaltpräventive Arbeit in ihrer Region durch Projekte zur Gewaltprävention in Schule, Familie und Gemeinwesen voranzubringen, zu stärken und zu unterstützen. Schule soll sich ihren Partnern genau so öffnen, wie sich auch ihre Partner ihrer Mitverantwortung für ein gewaltfreies Miteinander bewusst werden müssen. Das soll durch den Aufbau konstruktiver Kommunikationsstrukturen zwischen den Institutionen, Gruppen und Fachkräften erreicht werden. Ein besonderes Anliegen ist es, für Multiplikatoren in den einzelnen Bereichen und für Nachhaltigkeit der Projekte zu sorgen. Personen, die im 205
Rahmen des Netzwerkes geschult worden sind, sollen ihre erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse weiter tragen, und Projekte sollten nicht einmalig, sondern auf Dauer angelegt sein. Netzwerke, die schon vielfach in Städten und Gemeinden Deutschlands gebildet wurden und auch zukünftig gebildet werden sollten, sind hervorragend in der Lage, alle Kräfte gegen Gewalt in ihren Kommunen zu bündeln und somit präventiv in ihrem Umkreis zu wirken und ganz spezifisch auf Gewaltvorkommnisse zu reagieren. Netzwerke bieten eine Plattform für alle interessierten pädagogischen Fachkräfte, für Begegnung, kollegialen Austausch und Kooperation, für Fortbildung zur Förderung gewaltfreien Handelns und Präsentation von Strategien zum konstruktiven Umgang mit Konflikten im pädagogischen Alltag. Netzwerke bieten fachliche und finanzielle Unterstützung bei der Planung und Umsetzung von gewaltpräventiven Projekten. Das setzt allerdings voraus, dass sie selbst über finanzielle Hilfsmittel verfügen, die ihnen vielfach von den Schul- und Jugendausschüssen der Städte oder Kreise zugebilligt werden.
Informationsaustausch durch Impuls- und Vernetzungstage Netzwerke werden von Netzwerkkoordinatoren und von Steuerungsteams geleitet. Diese sorgen dafür, dass Impuls- und Vernetzungstage durchgeführt werden können, zu denen alle Mitglieder des Netzwerkes und themenspezifisch Referenten eingeladen werden. Die Vernetzungstage stellen eine Mischung aus Fortbildung, fachlichem Austausch und Information über aktuelle regionale Projekte zur Gewaltprävention dar. 206
Netzwerk Gewaltprävention
Abb. 3: Netzwerk Gewaltprävention
In diesen Projekten arbeiten oftmals Personen zusammen, die sonst weniger Berührungspunkte haben, wie z.B. Erzieherinnen aus Kindergärten und Tagesstätten mit Mitgliedern des Kommissariats Vorbeugung oder Grundschullehrerinnen und -lehrer gemeinsam mit Vertretern der offenen Jugendarbeit. Diese kommen an den Netzwerktagen wiederum mit Deeskalationstrainern zusammen und erfahren so eine wertvolle Erweiterung ihres Handlungsspektrums. Auch Eltern – so hat sich herausgestellt – arbeiten gerne mit Kriminalkommissaren zusammen, weil sie von ihnen wichtige Anregungen in Bezug auf Jugendschutz- und Strafgesetz für den Umgang mit ihren Kindern im Jugendalter erhalten. Die 207
Polizei wiederum profitiert von der Zusammenarbeit mit den Eltern, erhält doch auch sie Informationen über Schwierigkeiten im familiären Alltag, wenn es um Ausgehzeiten, Zeiten des Nachhausekommens und um Geund Verbote geht. Schülerinnen und Schüler verlieren durch den Kontakt mit Polizeibeamten, die zu ihnen in den Unterricht kommen und mit ihnen gemeinsam Aktionstage gestalten, ihre Hemmungen und Vorurteile und trauen sich eher, sie in Notlagen anzusprechen. Sie lernen auf diese Weise, Beratungs- und Interventionskompetenzen der Polizei zu nutzen, vor allem dann, wenn jugendliche Gewalttäter Angst- und Bedrohungsgefühle schüren.
Planung und Durchführung von Projekten Sport ist wie beschrieben ein ideales Handlungsfeld, um die Bedeutung von Regeln und deren Einhaltung zu erfahren, also können in Planungssitzungen der Steuerungsgruppe vielfach Projekte wie »Sport macht Freude«, »Mehr bewegen« und »konfliktfrei kicken« ins Leben gerufen werden. Schulen werden angehalten, Wettkämpfe untereinander auszutragen oder Schüler »kämpfen« gegen Lehrer, doch im Sinne der Gewaltprävention fair und unter Wahrung der Regeln. Wenn Sport auch keine Reparaturwerkstatt für Gewaltstrukturen in der Gesellschaft sein kann, so bietet er doch gute Möglichkeiten, psychische Spannungen zu lösen und Aggressionen abzubauen. Selbst Kampfsportarten konfrontieren die Teilnehmer mit ihrem (unbewussten) Aggressionspotential, welches unter Anleitung kontrolliert nach außen getragen und kanalisiert wird. Sport ermöglicht langfristig einen kultivierten Umgang mit Aggressionen. 208
Erfolgserlebisse im Sport stärken das Selbstbewusstsein und das Vertrauen in die eigene Leistung. Sport bietet Anlass für soziale Kontakte und für Gruppenbindungen. Netzwerke streben auch die Kooperation und Vernetzung von Sportorganisationen mit den gesellschaftlichen Kräften an, die ebenfalls gewaltpräventiv arbeiten. So werden in den Projekten auch Allianzen zwischen Vereinssport und Schulsport geschmiedet, sodass Lehrkräfte mit ehrenamtlich Tätigen in Vereinen zusammen kommen und Trainer ihrerseits die Didaktik und Methodik des Schulsports kennenlernen können. Die gemeinsamen Ziele – die Gewaltprävention und die Freude am Sport sowie das Heranführen der Kinder und Jugendlichen an sportliche Aktivitäten – verbinden beide. Sportliche Aktivitäten sollten geschlechtersensibel an die Jugendlichen herangetragen werden. Da – wie wir gezeigt haben – physische Gewaltanwendung gerade unter männlichen Jugendlichen aller Altersstufen stark verbreitet ist, benötigen Jungen auch eine spezifische Jungenarbeit im Sport, die es ihnen erlaubt, ihre Kräfte auszuagieren und sich im Mannschaftssport zu messen. Die mädchen- und frauenspezifischen Sportaktivitäten berücksichtigen selbstverständlich auch Wettkampfsportarten, aber ebenso auch ihre Vorlieben für rhythmische Sportgymnastik und anderes. Gemeinsam mit den Gleichstellungsbeauftragten der Kommunen werden Themen zur Gewalt gegen Mädchen und Frauen besprochen und Projekte zur Mädchenarbeit wie »Stark sein«, »Nein sagen«, »Selbstbehauptung und Selbstsicherheit« sowie Vorträge und Workshops über sexuellen Missbrauch und »Gewalt gegen Mädchen« durchgeführt. Bei der Mädchenarbeit geht es schwerpunktmäßig um Stärkung ihres Selbstwertgefühls und Erlernen von Abwehr- und Gegenang209
riffstechniken. Für Jungen werden Themen angeboten wie »Stark im Miteinander«, »Komm, wir wollen Freunde sein«, »Eine verlässliche Streitkultur entwikkeln«, »Gewaltfrei sind wir stark« und vieles mehr. Ziel der Jungenarbeit ist es, sie in ihrer Entwicklung zu erwachsenen Männern zu unterstützen, indem gewaltfreie Handlungsalternativen – abseits eingefahrener Männerbilder – sowie eine bessere Selbstwahrnehmung und einschätzung entwickelt werden. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Sensibilisierung der Jungen für die alltägliche Gewalt, sei sie passiv erlebt oder aktiv ausgeübt, und damit auf die Förderung ihrer Konfliktfähigkeit gelegt. Gewaltpräventives Arbeiten bedeutet Abbau von Vorbehalten und Vorurteilen und respektvollen Umgang im Miteinander. Wie Integration von männlichen und weiblichen Aussiedlern und Ausländern in Schule und Jugendhaus gelebt werden kann, zeigen Projekte zu Einstellungen gegenüber Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Extremismus und zur interkulturellen Konfliktbearbeitung: Ehemalige Mitglieder der »Rechten Szene« sprechen zu Schülerinnen und Schülern über ihre (vergangene) rechtsextreme Gesinnung und ihren Ausstieg aus der Szene.
Angebote zur Elternarbeit In der Netzwerkarbeit werden viele Angebote zur Elternbildung gemacht. Zu den heute leicht zugänglichen und gut erprobten Kursen gehören die des Kinderschutzbundes »Starke Eltern – Starke Kinder«, des Konsortiums »TripleP« und des Vereins »STEP«. Eltern erhalten hier Impulse für die Gewaltprävention in ihren 210
Familien. Elternschulung und die oft notwendige gezielte Elternberatung ist in den vom Netzwerk organisierten Kursen auf die Formulierung von Umgangsregeln und die konsequente und angemessene Festsetzung von Sanktionen (»Strafen«) angelegt. In den Elternkursen »Starke Eltern – Starke Kinder«, »TripleP« und »STEP« werden hierfür bereits die Grundlagen gelegt. Eltern werden darin trainiert, zwischen angemessenen und überzeugenden Sanktionen und kontraproduktiven, körperlichen und psychisch demütigenden Strafen zu unterscheiden. Sie werden darin unterstützt, sich ein breites und flexibles Repertoire an Konsequenzen zuzulegen, mit dem sie in unterschiedlichen Situationen angemessen reagieren können. Ein weiterer Akzent der Elternberatung ist, in der Erziehung konsequent zu sein, ohne dass ihr Verhalten von den Kindern als Liebes- und Aufmerksamkeitsentzug empfunden wird. Elterliche Strafen, bei denen tagelang nicht mehr mit einem Kind gesprochen oder es völlig isoliert und allein gelassen wird, sind eine Form der psychischen Gewalt, die sehr häufig zu Aggressivität bei den Kindern führt. Sanktionen haben aber etwas mit Aufmerksamkeit und Zuwendung zu tun, weil sie die Aufrechterhaltung des Kontaktes in den Vordergrund stellen. Sie sind das Gegenteil von Gleichgültigkeit, Missachtung, Geringschätzung und psychischem Druck. Solche Kompetenzen zu entwickeln und sie eindeutig von autoritären und mechanisch strafenden Verhaltensweisen abzugrenzen, ist eine der wichtigsten Aufgaben von Elternkursen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Entwicklung einer angemessenen Streitkultur und von Formen des gewaltfreien Umgangs mit Konflikten. Eltern werden darin bestärkt, mit ihren eigenen Spannungen und Konflikten 211
produktiv und konstruktiv umzugehen, sie nicht zu unterdrücken und sich offen zu ihnen zu bekennen. Auf diese Weise erhalten die Kinder soziale Modelle für eigene Konfliktlösungen. Sie lernen gleichzeitig, wie unvermeidlich Konflikte im menschlichen Zusammenleben sind und welche positive Wirkung gewaltfreie Lösungen haben können. Entsprechend werden Eltern darin geschult, Konflikte nicht zu vermeiden, sondern sofort anzusprechen, und zwar ohne Schuldzuweisungen und ohne dabei Beschuldigungen oder Verletzungen auszusprechen. Eine ungestörte Darlegung der verschiedenen Positionen von Eltern und Kind kann der Ausgangspunkt für einen konstruktiven Lösungsvorschlag sein, der dann von Eltern und Kindern gemeinsam erarbeitet wird. Eltern sollten dabei auch nicht zögern, in der IchForm ihre eigenen Gefühle und auch Wünsche an ihre Kinder zum Ausdruck zu bringen. Dadurch wird es dem Kind möglich, seinerseits seine Gefühle auszusprechen und es kommt schon zu Beginn des Konfliktgespräches zu einem intensiven Austausch. Diese Art der Kommunikation wird nach Rosenberg (2002) »gewaltfreie Kommunikation« genannt, da sie Du-Botschaften, Anklagen, Drohungen und Beleidigungen vermeidet. Im Unterschied zur »Wolfssprache«, die die Sprache des Affronts ist, wird sie die »Giraffensprache«, die Sprache des Herzens und der Empathie genannt, da sie Konfliktsituationen nicht nur entschärfen, sondern Einigung und Versöhnung herbeiführen kann (Rosenberg 2002, 124). Projekte solcher und anderer Art zeigen, dass mit ihrer Hilfe Gewaltthemen wie familiäre Gewalt, schulische Gewalt, Gewalt im Freizeitbereich und Gewalt in den Medien auf allen Ebenen angesprochen werden können. Die Themen werden nicht nur angeschnitten, 212
sondern aktiv im Sinne der Prävention lebendig gestaltet, erlebbar gemacht und neue Handlungsweisen trainiert und eingeübt. An den Netzwerktagen werden immer auch Workshops angeboten, an denen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der verschiedensten Fachrichtungen und Ausbildungen mitmachen, miteinander agieren, diskutieren und in vielfältigen Übungssituation neue Handlungsweisen ausprobieren. Als entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Netzwerkarbeit haben sich nach Iking (2004, 5) folgende Kriterien erwiesen: •
starke Persönlichkeit als Motor des Netzwerkprozesses, • Vision des Netzwerks und • kompatible Interessenslage der Netzwerkpartner. Nicht unwichtig ist auch die politische Unterstützung bei der Netzwerkbildung. Die vorhandene Infrastrukturausstattung wie Räumlichkeiten und finanzielle Mittel sind ebenfalls nicht zu unterschätzen. Als erfolgreichste Maßnahmen bei der Netzwerkbildung ragt jedoch die »persönliche Ansprache der potentiellen Netzwerkpartner« hervor, die oftmals sehr mühselig und zeitraubend ist, die sich jedoch lohnt, wenn ein starkes und zuverlässig arbeitendes Netzwerkteam gefunden werden soll. Zu den unerlässlichen und das Netzwerk vertiefenden Maßnahmen gehören die Impulsveranstaltungen, die Workshops und die Fähigkeiten der Netzwerkmanager, die Netzwerkpartner zu einem Höchstmaß an Wettstreit (»Competition«) und Zusammenarbeit (»Cooperation«) zu motivieren, jedoch so, dass die Netzwerkarbeit im Ganzen nicht unter konfligierenden Handlungen einzelner leidet (Iking 2004, 9). Auch wenn zu Beginn Ab213
stimmung, Klärung und Absprachen mit mehreren Partnern einen höheren Zeitaufwand benötigen, so zahlt sich das Ergebnis der Netzwerkarbeit doch aus. Der Netzwerkgedanke der Prävention entspricht der Ursachenstruktur und Komplexität von Gewalt am besten. Gewaltprävention durch Netzwerkbildung scheint uns die gelungenste und effektivste Form zu sein, der Gewalt vorzubeugen, denn nur wenn alle Kräfte auf allen Ebenen miteinander an diesem Ziel arbeiten, dann kann ein konstruktiver Umgang mit Konflikten erreicht werden. Konfliktfreiheit wird es nie geben und wahrscheinlich auch keine gewaltfreie Gesellschaft, aber es kommt auf den Willen an, auf das Ziel einer friedlichen Gesellschaft hin zu arbeiten, Frieden mit friedlichen Mitteln zu erzielen (Galtung 1998).
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