MARTIN
HEIDEGGER
GESAMTAUSGABE II. ABTEILUNG: VORLESUNGEN 1919-1944 BAND 27 EINLEITUNG IN DIE PHILOSOPHIE
z VITTORIO
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MARTIN
HEIDEGGER
GESAMTAUSGABE II. ABTEILUNG: VORLESUNGEN 1919-1944 BAND 27 EINLEITUNG IN DIE PHILOSOPHIE
z VITTORIO
KLOSTERMANN
F R A N K F U R T AM
MAIN
MARTIN
HEIDEGGER
EINLEITUNG IN DIE PHILOSOPHIE
VITTORIO
KLOSTERMANN
F R A N K F U R T AM M A I N
F r e i b u r g e r Vorlesung W i n t e r s e m e s t e r 1928/29 h e r a u s g e g e b e n von Otto S a a m e f u n d I n a Saame-Speidel
© Vittorio Klostermann GmbH · Frankfurt am Main · 1996 Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die des Nachdrucks und der Ubersetzung. Ohne Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, dieses Werk oder Teile in einem photomechanischen oder sonstigen Reproduktionsverfahren oder unter Verwendung elektronischer Systeme zu verarbeiten, zu vervielfältigen und zu verbreiten. Satz: Libro, Kriftel Druck; Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier · Printed in Germany ISBN 5-465-02892-9 kt · ISBN 3-465-02893-7 Ln
INHALT
EINFÜHRUNG Die Aufgabe einer Einleitung §
in die
Philosophie
1. Menschsem heißt schon philosophieren
1
§ 2. Einleiten besagt: In Gang bringen des Philosophierens
4
§ 3. Vorverständnis von Philosophie
6
§ 4. Wie verhält sich Philosophie zu Wissenschaft, Weltanschauung und Geschichte?
9
ERSTER ABSCHNITT PHILOSOPHIE U N D WISSENSCHAFT Erstes Kapitel Was heißt Philosophie? § 5. Ist Philosophie eine Wissenschaft?
13
§ 6. Antike und neuzeitliche Auffassung von Philosophie
19
§ 7. Der Ausdruck »Philosophie«
20
Zweites Kapitel Die Frage nach dem Wesen der
Wissemchaft
§ 8. Vorläufige Frage nach dem Wesen der Wissenschaft aus ihrer Krisis
26
a) Die Krisis im Verhältnis des Einzelnen zur Wissenschaft . . .
27
b) Die Krisis der Wissenschaft hinsichtlich ihrer Stellung im Ganzen des geschichtlich-gesellschaftlichen Daseins
50
c) Die Krisis im inneren Wesensbau der Wissenschaft selbst . . .
35
§ 9. Neue Besinnung über das Wesen der Wissenschaft
40
a) Wissenschaft als methodische, systematische, exakte und allgemeingültige Erkenntnis
42
b) Wissenschaft und Wahrheit — adaequatio intellectus ad rem
44
VI §10
§ 11
Inhalt Wahrheit als Satzwahrheit
+6
a) Der traditionelle Wahrheitsbegriff
50
b) Wahrheit als Charakter eines Satzes Verbindung von Subjekt und Pradikat
51
c) Ansatz des Wahrheitsproblems in der Antike
57
Zum Problem der Subjekt Objekt Beziehung Pradikative und veritative Beziehung
62
Drittes Kapitel Wahrheit und Sein. Vom ursprünglichen Wesen der als Unverborgenheit §12
Wahrheit
Das ursprungliche Wesen der Wahrheit
68
a) Ruckgang hinter die Subjekt Objekt Beziehung das S ein bei b) Das Sem bei
70 als Existenzbestimmung des Daseins
c) Die Bekundung des Seienden m Bewandtniszusammenhangen d) Wahrheit als Unverborgenheit Verschiedene Weisen der Offenbarkeit des Seienden §13
78
Semsart und Offenbarkeit Verschiedene Seinsarten des Seienden a) Zusammenvorhandensein — Mitemandersem
83 86
b) Mitemandersem Sichverhalten mehrerer zu Selbigem
89
c) Selbigkeit
92
d) Das Selbige als Gemeinsames
§ 14
72 75
97
e) Teilhaberschaft em Gemeinsames'
101
f) Vom Semlassen der Dinge
102
Wir teilen uns m die Unverborgenheit des Seienden
105
a) Mitemandersem ist e m Sichteilen m Wahrheit
107
b) Die Unverborgenheit von Vorhandenem
110
c) Die Zugehörigkeit der Wahrheit zum Dasein erklart die Wahrheit nicht als etwas »Subjektivistisches«
113
d) Sem bei Vorhandenem und Mitemandersem gehören gleichursprunglich zum Wesen des Daseins
117
e) Das Entdeckendsein, des Daseins Wahrheit von Vorhandenem und Zuhandenem als Entdecktheit
121
Inhalt
VII
Viertes Kapitel Wahrheit - Dasein - Mtt-sein ^ 15
Entdeckendsem beim fruhzeitlichen und fruhmenschlichen Dasein
§ 16
Entdecktheit von Vorhandenem und Offenbarkeit
123
des Daseins
126
S) 17
Die Offenbarkeit des Daseins qua D a sein
132
§ 18
Dasein und Mit-sein
137
§ 19
Leibniz' Monadologie und die Interpretation des Mitemanderseins
142
§ 20
Gemeinschaft auf dem Grunde des Miteinander
145
Fünftes Kapitel Der Wesensbereich der Wahrheit und das Wesen der Wssenschaft § 21 § 22
§ 23 § 24 S 25
§ 26
Zusammenfassung der Interpretation der Wahrheit
149
Die Bestimmung des Wesens der Wissenschaft aus dem ursprünglichen Wahrheitsbegriff
156
a) Wissenschaft eine Art von Wahrheit'
158
b) Vorwissenschaftliches und wissenschaftliches Dasein
160
c) Wissenschaftliche Wahrheit
166
Wissenschaft als mögliche Grundhaltung der menschlichen Existenz Βιος βεωρητικος - vita contemplativa
167
Die ursprungliche Zusammengehörigkeit von Theorie und Praxis im θεωρειν als Offenbarmachen des Seienden
174
Konstruktion des Wesens der Wissenschaft
179
a) In der Wahrheit sein um der Wahrheit willen
179
b) Die Urhandlung Das Seinlassen des Seienden
183
Der Wandel des Semsverstandnisses im wissenschaftlichen Entwurf Die neue Bestimmung des Seienden als Natur
185
a) Die Vorgangigkeit des Verstehens von Sein vor jedem Begreifen
190
b) Wandel des Seinsverständnisses ein Beispiel aus der Physik
193
c) Die Positivitat der Wissenschaft Der vorgangige, ungegen standliche, feldabsteckende Entwurf der Seinsverfassung
196
VIII
Inhalt Sechstes Kapitel Zum Unterschied von Wissenschaft und
§ 27
§ 28 § 29 § 30 § 31
Philosophie
Der Entwurf der Seinsverfassung des Seienden als innere Ermoglichung der Positivitat, d h des Wesens der Wissen Schaft Vorontologisches und ontologisches Seinsverstandnis
198
Ontische und ontologische Wahrheit Wahrheit und Transzendenz des Daseins
203
Philosophieren als Transzendieren gehört zum Wesen des menschlichen Daseins
214
Der unterschiedliche Fragebereich von Philosophie und Wissenschaft
217
Eme Zusammenfassung des Vorstehenden Seinsverständnis als Urfaktum des Daseins die Möglichkeit der ontologischen Differenz Die ontologische Differenz und der Unterschied von Philosophie und Wissenschaft
221
ZWEITER ABSCHNITT PHILOSOPHIE U N D WELTANSCHAUUNG Erstes Weltanschauung § 32
§ 33
§ 34
Kapitel und. Weltbegriff
Was ist Weltanschauung?
229
a) Das Wort >Weltanschauung«
230
b) Interpretationen von Weltanschauung Dilthey — Jaspers Scheler
235
Was heißt Welt?
239
a) Der Weltbegriff in der antiken Philosophie und im frühen Christentum
240
b) Der Weltbegriff in der Schulmetaphysik
244
Kants Weltbegriff
248
a) Kants Weltbegnff in der »Kritik der reinen Vernunft«
252
b) Exkurs Kants Grundlegung der Metaphysik a) Die Hauptthesen ß) Die Durchfuhrung
258 258 264
c) Exkurs Kants Dialektik
275
d) Kants Begriff der >Idee<
279
Inhalt
IX
e) Welt als Idee der Totalitat der Erscheinungen Korrelat der endlichen menschlichen Erkenntnis
288
f) Idee und Ideal D i e volle Bestimmtheit des Weltbegriffs als transzendentales Ideal
290
g) Die existenzielle Bedeutung des Weltbegriffs
297
Zweites Kapitel Weltanschauung und In der Welt sein § 35
Dasem als In der Welt sein
305
§ 36
Welt als »Spiel des Lebens«
309
a) Das In der Welt sein als ursprüngliches Spiel der Transzendenz
511
b) Transzendenz qua Semsverstandms als Spiel
315
c) Die Korrelation von Sein und Denken Ihre Verengung m der »logischen« Auslegung des Semsverstandnisses
317
Gewinnung eines konkreteren Verständnisses der Transzendenz
323
a) Selbstheit (Umwillen semer) als Semsbestimmung des Daseins Die Preisgegebenheit als innere Bestimmung des In der Welt seins
323
b) Preisgegebenheit als Geworfenheit
328
c) Faktizitat und Geworfenheit Nichtigkeit und Endlichkeit des Daseins Zerstreuung und Vereinzelung
331
d) Die Halt losigkeit des In der Welt seins
337
Der Strukturcharakter der Transzendenz
338
jj 37
§ 38
a) Ruckblick auf den gewonnenen Strukturcharakter des In der Welt seins
338
b) Weltanschauung als Sichhalten im In der Welt sein
341
Drittes Kapitel Das Problem der Weltanschauung % 39
S 40
Grundfragen des prinzipiellen Problems der Weltanschauung
344
a) Weltanschauung als faktisch ergriffenes In der Welt sein
344
b) Der Weltanschauungsbegriff bei Dilthey
346
Wie verhalt sich Weltanschauung zum Philosophieren'
354
a) Die vulgare Form des Problems Kann und soll die Philoso phie eine wissenschaftliche Weltanschauung ausbilden?
354
b) Zur Geschichtlichkeit von Weltanschauungen
356
X § 41.
Inhalt Zwei Grundmöglichkeiten der Weltanschauung
357
a) Weltanschauung im Mythos: Bergung als Halt im übermächtigen Seienden selbst
357
b) Entartung der Bergimg: zum Betrieb gewordene Weltanschauung
363
§ 42. Die andere Grvmdmöglichkeit: Weltanschauung als Haltung . . .
§ 43.
§ 44.
366
b) Weltanschauung als Haltung und der Wandel der Wahrheit als solcher
370
c) Formen der Entartung der Weltanschauung als Haltung
372
...
Zum inneren Verhältnis von Weltanschauung als Haltung und Philosophie
376
a) Zur Problematik dieses Verhältnisses
376
b) Philosophie ist Weltanschauung als Haltung in einem ausgezeichneten Sinne
379
In der Weltanschauung als Haltung bricht das Seinsproblem auf
382
a) Das Erwachen des Seinsproblems aus der Weltanschauung im Mythos als Bergung
383
b) Geschichtliche Formen der Ausbildung von Philosophie aus der Weltanschauung als Bergung und Haltung
386
Der Zusammenhang § 45.
366
a) Weltanschauung als Haltung und die aus ihr entspringende Auseinandersetzung mit dem Seienden
Viertes Kapitel von Philosophie und
Weltanschauung
Seinsproblem und Weltproblem
391
a) Die Seinsfrage als Frage nach dem Grund und das Weltproblem
392
b) Im Seins- und Weltproblem bringt sich die Transzendenz zur begrifflichen Ausarbeitung
395
§ 46. Philosophie als Grund-haltung: Geschehenlassen der Transzendenz aus ihrem Grunde
397
Nachwort
403
der
Herausgeber
EINFÜHRUNG D i e A u f g a b e einer Einleitung in die Philosophie
§ 1. Menschsein
heißt schon
philosophieren
D i e A u f g a b e dieser Vorlesung ist eine E i n l e i t u n g in die Philosophie. W e n n Sie die Absicht h a b e n , sich in die Philosophie e i n f ü h r e n zu lassen, d a n n liegt d e m die Voraussetzung zugrunde, daß wir zunächst » a u ß e r h a l b « der Philosophie stehen. D a h e r bedarf es eines Weges, der von diesem Standort a u ß e r h a l b der Philosophie in das Gebiet der Philosophie über- u n d hineinleitet. Das scheint ein so e i n f a c h e r Tatbestand, daß m a n i h n n u r anzudeuten braucht, u m i h n als e i n e n selbstverständlichen Ansatz der E i n l e i t u n g in die Philosophie zu verstehen. D e r Weg der Einleitung solle in das Gebiet der Philosophie f ü h r e n . D a m i t wir aber die R i c h t u n g des Weges nicht v e r f e h l e n , müssen wir i m voraus das Ziel k e n n e n . Also b e d ü r f e n wir schon vor der Einleitung u n d f ü r sie einer v o r a u s g e h e n d e n Vorstellung davon, was Philosophie ist. D a m i t k o m m t eine Schwierigkeit in das ganze Vorhaben, aber n u r scheinbar; d e n n wir sind ja nicht völlig v o m Gebiet der Philosophie abgeschnürt. W i r h a b e n gewisse Kenntnisse von dem, was h e u t e als Philosophie gilt bzw. wir k ö n n e n uns in der philosophischen L i t e r a t u r d a r ü b e r ungef ä h r orientieren, was Philosophie bedeutet. W i r h a b e n überdies in den H a n d b ü c h e r n der Geschichte der Philosophie ein Mittel, uns ü b e r diesen oder jenen Philosophen, dieses oder jenes System A u s k u n f t zu beschaffen. Schwierig wird die A u f g a b e freilich wieder, w e n n wir vor die E n t s c h e i d u n g k o m m e n , welcher der P h i l o s o p h e n n u n m a ß g e b e n d sein soll: K a n t oder Hegel, Leibniz oder Descartes, P l a t o n oder Aristoteles. Aber
2
Die Aufgabe einer Einleitung
in die
Philosophie
a u c h d e m ist a b z u h e l f e n , i n d e m w i r — u n d das soll g e r a d e die E i n l e i t u n g — v e r s u c h e n , u n s ü b e r alle P h i l o s o p h e n u n d die g a n ze G e s c h i c h t e d e r P h i l o s o p h i e , m i n d e s t e n s in d e n H a u p t z ü g e n , e i n e n U b e r b l i c k zu v e r s c h a f f e n . Allein, w i r w o l l e n n i c h t n u r e i n e historische K e n n t n i s dessen, w a s P h i l o s o p h i e g e w e s e n ist, s o n d e r n w i r w o l l e n die »Problem e « des G e b i e t e s der P h i l o s o p h i e k e n n e n l e r n e n , die verschiedenen Problembezirke der philosophischen Disziplinen — Lo gik, E r k e n n t n i s t h e o r i e , E t h i k , Ä s t h e t i k — f r e i l i c h n i c h t e i n g e h e n d , aber doch i m U m r i ß , so d a ß w i r s e h e n , w i e die Disziplinen u n t e r sich g e o r d n e t sind, w i e sie z u s a m m e n s t e h e n , w i e sie ein S y s t e m der P h i l o s o p h i e b i l d e n . D i e E i n l e i t u n g i n die Philosop h i e m u ß n e b e n der h i s t o r i s c h e n Seite e i n e s y s t e m a t i s c h e h a b e n , u n d b e i d e k ö n n e n sich auf das T r e f f l i c h s t e e r g ä n z e n . W e n n w i r a m E n d e des S e m e s t e r s e i n e solche historische u n d s y s t e m a t i s c h e E i n l e i t u n g d u r c h l a u f e n h a b e n , sind wir glück l i e h e Besitzer v o n K e n n t n i s s e n des h i s t o r i s c h e n u n d s y s t e m a t i s e h e n G e b i e t e s d e r P h i l o s o p h i e . F r e i l i c h will d e r E i n d r u c k n i c h t g a n z s c h w i n d e n , d a ß dieses XJebiet z w a r sehr m a n n i g f a l t i g , a b e r e b e n s o u n s i c h e r u n d w e c h s e l n d ist; vor a l l e m a b e r v e r s t ä r k t sich das m e h r oder m i n d e r e i n g e s t a n d e n e G e f ü h l , d a ß w i r m i t d e m G e h ö r t e n e i g e n t l i c h n i c h t s a n f a n g e n k ö n n e n . »Fachphilosop h e n « m ö g e n sich d a m i t b e s c h ä f t i g e n u n d g l a u b e n , d e n W i r r w a r r der M e i n u n g e n e n d l i c h zu b e s e i t i g e n . W e n n solche B e s i n n u n g sich r e g t , ist es f r e i l i c h schon viel. Z u m e i s t a b e r r e g t sich ü b e r h a u p t n i c h t s m e h r . M a n h a t a u c h e i n m a l e i n e Vorlesung ü b e r P h i l o s o p h i e g e h ö r t — schließlich d a r f m a n seine a l l g e m e i n e B i l d u n g n i c h t ganz v e r n a c h l ä s s i g e n , w e n n g l e i c h es h e u t e viel w i c h t i g e r ist, ü b e r die n e u e s t e n T y p e n v o n R e n n w a g e n oder die j ü n g s t e n B e s t r e b u n g e n auf d e m Gebiet d e r F i l m k u n s t Bescheid zu wissen. So ist die S i t u a t i o n g e g e n ü b e r d e r P h i l o s o p h i e , u n d sie w i r d trotz der v i e l e n E i n l e i t u n g e n in g e w i s s e m U m f a n g i m m e r so bleiben. W a r u m ist sie a b e r ü b e r h a u p t trotz d e r vielen Einleit u n g e n derart? Weil e i n e E i n l e i t u n g in die P h i l o s o p h i e n a c h der
$ 1. Menschsein
heißt schon
philosophieren
3
besprochenen Art lediglich aus d e r P h i l o s o p h i e h i n a u s l e i t e t , — nicht nur das, s o n d e r n ü b e r d i e s die M e i n u n g e r w e c k t , m a n sei nun in die P h i l o s p h i e e i n g e f ü h r t . U n d w a r u m m u ß die g e k e n n zeichnete ü b l i c h e E i n l e i t u n g in die P h i l o s p h i e n o t w e n d i g versagen? Weil sie in i h r e m Ansatz auf e i n e r G r u n d t ä u s c h u n g beruht. D e r Ansatz g e h t v o n der Voraussetzung aus, d a ß wir, die in die P h i l o s o p h i e h i n e i n g e l e i t e t w e r d e n sollen, z u n ä c h s t unseren S t a n d o r t a u ß e r h a l b der P h i l o s o p h i e h a b e n u n d d a ß die Philosophie selbst ein G e b i e t sei, in das h i n e i n d e r W e g g e n o m m e n w e r d e n soll (vgl. u n t e n S. 219). Aber w i r sind gar n i c h t » a u ß e r h a l b « der P h i l o s o p h i e , u n d das n i c h t d e s h a l b e t w a , w e i l w i r v i e l l e i c h t gewisse K e n n t n i s s e ü b e r P h i l o s o p h i e m i t b r i n g e n . A u c h w e n n w i r von P h i l o s o p h i e ausdrücklich n i c h t s wissen, sind w i r schon in d e r P h i l o s o p h i e , weil die P h i l o s o p h i e in u n s ist u n d zu u n s selbst g e h ö r t , u n d zwar in d e m Sinne, d a ß w i r i m m e r schon p h i l o s o p h i e r e n . W i r philosop h i e r e n a u c h d a n n , w e n n w i r n i c h t s d a v o n wissen, a u c h d a n n , wenn wir nicht »Philosophie treiben«. Wir philosophieren nicht d a n n u n d w a n n , s o n d e r n s t ä n d i g u n d n o t w e n d i g , s o f e r n w i r als Menschen e x i s t i e r e n . Als M e n s c h d a sein, h e i ß t p h i l o s o p h i e r e n . Das T i e r k a n n n i c h t p h i l o s o p h i e r e n ; G o t t b r a u c h t n i c h t zu p h i losophieren. E i n Gott, d e r p h i l o s o p h i e r t e , w ä r e k e i n Gott, weil das Wesen d e r P h i l o s o p h i e ist, e i n e e n d l i c h e M ö g l i c h k e i t eines e n d l i c h e n S e i e n d e n zu sein. Menschsein heißt schon philosophieren. Das menschliche Dasein s t e h t als solches schon, s e i n e m W e s e n n a c h , n i c h t gelegentlich oder g e l e g e n t l i c h n i c h t , in d e r P h i l o s o p h i e . W e i l n u n aber das M e n s c h s e i n v e r s c h i e d e n e M ö g l i c h k e i t e n , m a n n i g f a c h e Stufen u n d G r a d e der W a c h h e i t h a t , k a n n d e r M e n s c h in verschiedener Weise in der P h i l o s o p h i e s t e h e n . E n t s p r e c h e n d k a n n die P h i l o s o p h i e als solche v e r b o r g e n bleiben o d e r sich b e k u n d e n i m Mythos, in d e r R e l i g i o n , in d e r D i c h t u n g , in d e n W i s s e n schaften, o h n e d a ß sie als P h i l o s o p h i e e r k a n n t w ä r e . Weil n u n die P h i l o s o p h ie als solche sich a u c h a u s d r ü c k l i c h u n d eigens ausbilden k a n n , s i e h t es so aus, als s t ü n d e n d i e j e n i g e n , die sich
4
Die Aufgabe einer Einleitung
in die
Philosophie
a m ausdrücklichen Philosophieren nicht beteiligen, außerhalb der Philosophie. W e n n n u n a b e r das m e n s c h l i c h e D a s e i n w e s e n h a f t schon in d e r P h i l o s o p h i e steht, d a n n w i r d e i n e E i n l e i t u n g in d e m gek e n n z e i c h n e t e n S i n n e als H i n e i n f ü h r u n g in das G e b i e t der P h i l o s o p h i e von e i n e m S t a n d o r t a u ß e r h a l b i h r e r sinnlos. Wozu d a n n ü b e r h a u p t n o c h e i n e » E i n l e i t u n g in die P h i l o s o p h i e « ? W a r u m dann mit diesem Brauch nicht brechen?
§ 2. Einleiten
besagt: In Gang bringen
des
Philosophierens
W e n n w i r u n s t r o t z d e m e i n e E i n l e i t u n g in die P h i l o s o p h i e zur A u f g a b e m a c h e n , d a n n m u ß sie e i n e n a n d e r e n C h a r a k t e r h a b e n . Z w a r sieht es so aus, als s t ü n d e n w i r z u n ä c h s t a u ß e r h a l b der P h i l o s o p h i e . D i e F r a g e ist: W o r i n h a t dieser A n s c h e i n u n d S c h e i n s e i n e n G r u n d ? W e n n die P h i l o s o p h i e schon i n u n s e r e m D a s e i n als s o l c h e m liegt, d a n n k a n n j e n e r S c h e i n n u r d a r a u s e n t s p r i n g e n , d a ß die P h i l o s o p h i e in u n s g l e i c h s a m s c h l ä f t . Sie liegt in uns, w e n n g l e i c h gefesselt u n d verstrickt; sie ist n o c h n i c h t frei, n o c h n i c h t in d e r i h r m ö g l i c h e n B e w e g u n g . D i e P h i losphie g e s c h i e h t n i c h t in u n s so, w i e sie a m E n d e g e s c h e h e n k ö n n t e u n d sollte. ^ D e s h a l b b e d a r f es d e r E i n l e i t u n g . Aber E i n l e i t u n g h e i ß t jetzt n i c h t m e h r : H i n e i n f ü h r e n v o n e i n e m S t a n d o r t a u ß e r h a l b in das G e b i e t der P h i l o s o p h i e , s o n d e r n E i n l e i t e n b e s a g t jetzt: in G a n g b r i n g e n des P h i l o s o p h i e r e n s , die P h i l o s o p h i e in u n s z u m Ges c h e h e n w e r d e n lassen. E i n l e i t u n g in die P h i l o s o p h i e h e i ß t : E i n l e i t e n (in G a n g b r i n g e n ) des P h i l o s o p h i e r e n s . D o c h w i e sol l e n w i r dies b e w e r k s t e l l i g e n ? W i r k ö n n e n doch n i c h t d u r c h i r g e n d e i n e n Trick, e i n e T e c h n i k oder Z a u b e r e i in d e n Z u s t a n d des P h i l o s o p h i e r e n s versetzt w e r d e n . D i e P h i l o s o p h i e soll in u n s f r e i w e r d e n , d . h . sie soll zur inn e r e n N o t w e n d i g k e i t u n s e r e s e i g e n s t e n W e s e n s w e r d e n , dergestalt, d a ß sie d i e s e m W e s e n s e i n e e i g e n s t e W ü r d e gibt. Was aber
§2. In Gang bringen des Phdosophierens
5
so i n u n s f r e i w e r d e n soll, m ü s s e n w i r in u n s e r e F r e i h e i t a u f n e h m e n , w i r m ü s s e n selbst das P h i l o s o p h i e r e n in u n s f r e i ergreifen u n d erwecken. Aber h i e r z u m ü s s e n w i r es doch schon w i e d e r k e n n e n ; w i r b e d ü r f e n eines Vorverständnisses d e r P h i l o s o p h i e . So k ö n n t e es sein, d a ß w i r u n s a n die G e s c h i c h t e d e r P h i l o s o p h i e h a l t e n müssen. V i e l l e i c h t ist die G e s c h i c h t e , a b e r n i c h t n u r die d e r p h i l o s o p h i s c h e n L i t e r a t u r , in e i n e m sehr viel u r s p r ü n g l i c h e r e n Sinne w e s e n t l i c h f ü r das P h i l o s o p h i e r e n . Es w ä r e , aus G r ü n d e n , die wir n o c h e i n s e h e n w e r d e n , ein g r o b e r I r r t u m zu m e i n e n , w i r könnten je u n t e r völliger A b w e r f u n g d e r g e s c h i c h t l i c h e n Ü b e r l i e f e r u n g die P h i l o s o p h i e a u s b i l d e n . Aber aus all d e m f o l g t n i c h t , d a ß d e r ü b l i c h e W e g e i n e r historischen Ü b e r s i c h t ü b e r die G e s c h i c h t e der P h i l o s o p h i e i r g e n d etwas W e s e n t l i c h e s leisten k ö n n t e f ü r u n s e r e Absicht, das P h i losophieren e i n z u l e i t e n . K e n n t n i s s e , u n d g a r u m f a s s e n d e gelehrte K e n n t n i s s e d a r ü b e r e r w e r b e n , was u n d w i e P h i l o s o p h e n gedacht h a b e n , m a g von N u t z e n sein, aber n u r n i c h t f ü r das P h i l o s o p h i e r e n . I m G e g e n t e i l : D e r Besitz von K e n n t n i s s e n ü b e r P h i l o s o p h i e ist die H a u p t u r s a c h e d e r T ä u s c h u n g , m a n sei d a m i t zum P h i l o s o p h i e r e n g e l a n g t . W i e a n d e r s a b e r l ä ß t sich ein Vorverständnis d e r P h i l o s o p h i e g e w i n n e n , dessen w i r b e d ü r f e n , w e n n das P h i l o s o p h i e r e n n i c h t ein b l i n d e r Vorgang, s o n d e r n ein in F r e i h e i t e r g r i f f e n e s H a n deln sein soll? Dieses V o r v e r s t ä n d n i s d e r P h i l o s o p h i e m ü s s e n wir o f f e n b a r in der Weise s u c h e n , die u n s d u r c h das W e s e n des P h i l o s o p h i e r e n s schon v o r g e z e i c h n e t ist. W i r wissen d a r ü b e r jetzt n u r i m S i n n e e i n e r B e h a u p t u n g : Das P h i l o s o p h i e r e n gehört z u m m e n s c h l i c h e n D a s e i n als solchem. I n d i e s e m als solchem g e s c h i e h t es u n d h a t es s e i n e G e s c h i c h t e (vgl. u n t e n S. 226). I m D a s e i n soll P h i l o s o p h i e r e n in G a n g k o m m e n . Aber m e n s c h l i c h e s D a s e i n existiert ja n i c h t u n d n i e so i m a l l g e m e i n e n , s o n d e r n jedes D a s e i n existiert, w e n n es existiert, als es selbst. I n u n s e r e m D a s e i n selbst soll das P h i l o s o p h i e r e n z u m
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Die Aufgabe einer Einleitung
in die
Philosophie
Geschehen gebracht werden. In u n s e r e m Dasein - aber auch n i c h t so i m a l l g e m e i n e n , s o n d e r n in u n s e r e m D a s e i n jetzt u n d h i e r , in d i e s e m A u g e n b l i c k u n d in d e n P e r s p e k t i v e n , die dieser A u g e n b l i c k h a t , in d e m w i r u n s a n s c h i c k e n , v o n d e r P h i l o s o p h i e zu h a n d e l n . I n u n s soll P h i l o s o p h i e f r e i w e r d e n , in u n s in dieser L a g e . I n w e l c h e r ? I n d e r j e n i g e n , die jetzt die E x i s t e n z u n s e r e s Daseins, d . h . das W ä h l e n , W o l l e n , T u n u n d L a s s e n p r i m ä r u n d wesentlich bestimmt.
§ 3. Vorverständnis
von
Philosophie
W o d u r c h ist jetzt u n s e r e g a n z e E x i s t e n z e n t s c h e i d e n d b e s t i m m t ? D a d u r c h , d a ß w i r das B ü r g e r r e c h t a n der U n i v e r s i t ä t b e a n s p r u chen. Mit diesem Anspruch aber haben wir unserem Dasein e i n e B i n d u n g g e g e b e n ; m i t dieser B i n d u n g ist in u n s e r D a s e i n e i n e b e s t i m m t e R i c h t u n g g e s c h l a g e n , in u n s e r e m D a s e i n h a t sich e t w a s e n t s c h i e d e n . D a s k a n n e n t w e d e r in der K l a r h e i t ü b e r u n s e r e Existenz g e s c h e h e n oder a u c h n i c h t - w i r k ö n n e n aus K o n v e n t i o n , sogar aus V e r l e g e n h e i t in d e n D a s e i n s k r e i s d e r Universität g e r a t e n sein. W e n n w i r u n s h i e r n i c h t l e d i g l i c h h e r u m t r e i b e n , teils u m allerlei b r a u c h b a r e D i n g e zu l e r n e n , teils u m u n s in e i n e r n e u e n F o r m zu a m ü s i e r e n , d a n n m u ß sich in u n s e t w a s e n t s c h i e d e n h a b e n . Jede E n t s c h e i d u n g d e r E x i s t e n z ist ein E i n b r u c h in die Z u k u n f t des Daseins. Was h a t sich e n t s c h i e d e n ? U n s e r B e r u f . U n t e r Beruf v e r s t e h e n w i r aber n i c h t die ä u ß e r e L e b e n s s t e l l u n g u n d g a r i h r e E i n s t u f u n g in e i n e b e s t i m m t e u n d gar g e h o b e n e Gesellschaftsklasse. U n t e r Beruf v e r s t e h e n w i r die i n n e r e A u f g a b e , die sich das D a s e i n i m G a n z e n u n d W e s e n t l i c h e n seiner E x i s t e n z vorgibt. D i e g e s c h i c h t l i c h e f a k t i s c h e A u s w i r k u n g des B e r u f s b e d a r f i m m e r e i n e r ä u ß e r e n L e b e n s s t e l l u n g , aber erstlich u n d letztlich b l e i b t diese von n a c h g e o r d n e t e r B e d e u t u n g . Inwiefern haben wir aber u n s e r e m Dasein m i t dem Anspruch
§ 3. Vorverstandnis
von
Philosophie
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auf das a k a d e m i s c h e B ü r g e r r e c h t e i n e n b e s o n d e r e n Beruf gegeben? M i t d i e s e m A n s p r u c h — s o f e r n w i r i h n ü b e r h a u p t verstehen — h a b e n w i r die V e r p f l i c h t u n g in u n s e r D a s e i n g e p f l a n z t , i m j e w e i l i g e n G a n z e n des g e s c h i c h t l i c h e n M i t e i n a n d e r s e i n s so etwas w i e e i n e F ü h r e r s c h a f t zu ü b e r n e h m e n . D a r u n t e r verstehen w i r n i c h t die ä u ß e r e Ü b e r n a h m e eines s o g e n a n n t e n l e i t e n den Postens i m G e b i e t des ö f f e n t l i c h e n L e b e n s , n i c h t , d a ß w i r vielleicht da u n d dort die Rolle des Vorgesetzten oder D i r e k t o r s spielen, s o n d e r n F ü h r e r s c h a f t ist die V e r p f l i c h t u n g zu e i n e r Existenz, die in gewisser Weise die M ö g l i c h k e i t e n m e n s c h l i c h e n Daseins i m G a n z e n u n d L e t z t e n u r s p r ü n g l i c h e r v e r s t e h t u n d in diesem V e r s t e h e n Vorbild sein soll. U m das zu sein, ist keineswegs e r f o r d e r l i c h , d a ß j e m a n d zu d e n P r o m i n e n t e n g e h ö r t . Noch w e n i g e r a b e r schließt diese F ü h r e r s c h a f t s c h o n o h n e weiteres i r g e n d e i n e m o r a l i s c h e Ü b e r l e g e n h e i t g e g e n ü b e r a n d e r e n in sich — i m G e g e n t e i l , die V e r a n t w o r t u n g , die g e r a d e solche unkontrollierbare und schlechthin unöffentliche Führerschaft bei sich trägt, ist e i n e s t ä n d i g e u n d v e r s c h ä r f t e G e l e g e n h e i t z u m m o r a l i s c h e n Versagen des E i n z e l n e n . W a r u m l i e g t n u n a b e r g e r a d e in d e r w i r k l i c h e n Z u g e h ö r i g keit zur U n i v e r s i t ä t ein e i g e n e r A n s p r u c h auf solche F ü h r e r schaft? E r e r g i b t sich d a r a u s , d a ß die U n i v e r s i t ä t d u r c h die Pflege der w i s s e n s c h a f t l i c h e n F o r s c h u n g u n d i n d e r M i t t e i l u n g einer w i s s e n s c h a f t l i c h e n B i l d u n g d e m D a s e i n die M ö g l i c h k e i t zu einer n e u e n S t e l l u n g i m G a n z e n d e r Welt b e r e i t l e g t , in der alle Bezüge des D a s e i n s z u m S e i e n d e n e i n e W a n d l u n g e r f a h r e n und es in n e u e r Weise a l l e n D i n g e n v e r w a n d t e r w e r d e n k a n n , nicht m u ß , w e i l e i n e e i g e n e D u r c h s i c h t i g k e i t u n d A u f k l ä r u n g in das D a s e i n k o m m t . D a ß w i r m e h r wissen als a n d e r e u n d m a n c h e s besser, d a ß w i r m den Besitz von B e r e c h t i g u n g s - u n d E x a m e n s s c h e i n e n k o m m e n , ist völlig belanglos. D a ß a b e r das g a n z e D a s e i n v o n e i n e m inneren Vorzug d u r c h w a l t e t w i r d , d e n a n sich k e i n e r v o n u n s sich v e r d i e n t h a t , d a ß also in e i n e m u r s p r ü n g l i c h e r e n G r u n d e die W i s s e n s c h a f t in u n s die M ö g l i c h k e i t e i n e r u n a u f f ä l l i g e n u n d
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Die Aufgabe einer Einleitung
in die
Philosophie
d a r u m aber u m s o w i r k s a m e r e n F ü h r e r s c h a f t i m G a n z e n der menschlichen G e m e i n s c h a f t ausbildet, b e s t i m m t den Augenblick u n s e r e s jetzigen Daseins. W i s s e n s c h a f t u n d F ü h r e r s c h a f t , b e i d e in dieser E i n h e i t , sind d e m n a c h die M ä c h t e , u n t e r die jetzt u n s e r D a s e i n — w e n n es ü b e r h a u p t i r g e n d e i n e H e l l e h a t — gestellt ist, n i c h t i m S i n n e e i n e r f l ü c h t i g e n Episode, s o n d e r n als ein ^éinïijaliges S t a d i u m , das die E i n z i g k e i t u n s e r e s D a s e i n s w e s e n t l i c h b e s t i m m t . W e n n w i r die P h i l o s o p h i e in u n s e r e m D a s e i n h i e r u n d jetzt f r e i werd e n lassen w o l l e n u n d w e n n es die A u f g a b e des E i n l e i t e n s ist, das P h i l o s o p h i e r e n in G a n g zu b r i n g e n , d a n n w e r d e n w i r a u c h aus dieser S i t u a t i o n h e r a u s ein gewisses Verständnis dessen gew i n n e n , was P h i l o s o p h i e besagt. Dieses Vorverständnis, das wir z u n ä c h s t b e n ö t i g e n , m ü s s e n w i r aus e i n e r A u f h e l l u n g des Wesens der P h i l o s o p h i e i n i h r e m V e r h ä l t n i s zu W i s s e n s c h a f t u n d Führerschaft schöpfen. F ü h r e r s c h a f t b e s t i m m t d e n Beruf I h r e s Daseins, s c h o n einzig deshalb, w e i l Sie jetzt a n der U n i v e r s i t ä t existieren. F ü h r e r s c h a f t b e d e u t e t aber h i e r : das V e r f ü g e n ü b e r h ö h e r e u n d reicher e M ö g l i c h k e i t e n m e n s c h l i c h e r Existenz, die d e n a n d e r e n n i c h t a u f g e d r ä n g t , w o h l a b e r u n a u f d r i n g l i c h u n d so einzig w i r k s a m v o r - g e l e b t w e r d e n . D i e s e v e r b o r g e n e Vorbildlichkeit e c h t e r F ü h r e r s c h a f t bedarf a b e r i h r e r e i g e n e n K l a r h e i t u n d S i c h e r h e i t , d . h . das D a s e i n b e d a r f selbst e i n e r s t ä n d i g sich e r n e u e r n d e n B e s i n n u n g auf die G r u n d s t e l l u n g e n des D a s e i n s z u m G a n z e n des S e i e n d e n , e i n e B e s i n n u n g a b e r , die sich u n m i t t e l b a r aus der j e w e i l i g e n g e s c h i c h t l i c h e n L a g e des D a s e i n s b e s t i m m t u n d in sie h i n e i n sich a u s w i r k t . Was so i n der F ü h r e r s c h a f t — freilich n i c h t n u r in i h r — liegt, n e n n e n w i r W e l t - a n s c h a u u n g . So besagt die A u f g a b e , ein V o r v e r s t ä n d n i s von P h i l o s o p h i e aus d e n jetzt u n s e r D a s e i n b e s t i m m e n d e n M ä c h t e n zu g e w i n n e n , n i c h t s a n d e r e s als die F r a g e zu stellen: W i e v e r h ä l t sich P h i l o s o p h i e zu F ü h r e r s c h a f t , W e l t a n s c h a u u n g u n d W i s s e n schaft?
§ 4. Wie verhält sich Philosophie zu Wissenschaft, Weltanschauung und Geschichte? Wir werden i m b e s o n d e r e n zu f r a g e n h a b e n : Ist P h i l o s o p h i e eine W i s s e n s c h a f t u n t e r a n d e r e n W i s s e n s c h a f t e n oder ist sie die ^ a l l g e m e i n e « W i s s e n s c h a f t i m U n t e r s c h i e d zu d e n E i n z e l w i s s e n s c h a f t e n oder ist sie die » G r u n d w i s s e n s c h a f t « g e g e n ü b e r d e n abgeleiteten W i s s e n s c h a f t e n oder ist sie ü b e r h a u p t k e i n e Wissenschaft, d . h . i n i h r e m W e s e n g a r n i c h t zu t r e f f e n , w e n n sie u n t e r d e m a l l g e m e i n e n Begriff W i s s e n s c h a f t u n t e r g e b r a c h t u n d e i n g e o r d n e t wird? E n t s p r e c h e n d w e r d e n w i r b e z ü g l i c h P h i l o s o p h i e u n d Weltanschauung zu f r a g e n h a b e n : Ist es A u f g a b e d e r P h i l o s o p h i e , eine W e l t a n s c h a u u n g a u s z u b i l d e n , ist sie die L e h r e v o n solchen oder hat sie p r i m ä r m i t W e l t - b i l d u n g nichts zu s c h a f f e n ? B e r u h t die P h i l o s o p h i e auf e i n e r W e l t a n s c h a u u n g , oder ist dieser Zusammenhang ü b e r h a u p t nicht entscheidend? Schließlich n e h m e n w i r b e i d e F r a g e g r u p p e n z u s a m m e n : Ist P h i l o s o p h i e entweder W i s s e n s c h a f t oder W e l t a n s c h a u u n g , oder ist P h i l o s o p h i e sowohl W i s s e n s c h a f t als auch W e l t a n s c h a u u n g , oder ist P h i l o s o p h i e weder W i s s e n s c h a f t noch W e l t a n s c h a u u n g ? Aber all diese F r a g e n ü b e r das Verhältnis von P h i l o s o p h i e u n d Wissenschaft, P h i l o s o p h i e u n d W e l t a n s c h a u u n g , W i s s e n s c h a f t und W e l t a n s c h a u u n g w o l l e n w i r n i c h t so e r ö r t e r n , d a ß w i r gleichsam f e s t e G r ö ß e n g e g e n e i n a n d e r h a l t e n — w i r wissen ja noch gar n i c h t , was P h i l o s o p h i e ist. V i e l m e h r f r a g e n wir, ausgehend von d e n b e s t i m m e n d e n M ä c h t e n W i s s e n s c h a f t u n d Weltanschauung, w a s sie selbst b e s a g e n , w a r u m g e r a d e zu i h n e n Philosophie i n B e z i e h u n g g e b r a c h t w i r d u n d m i t w e l c h e m Recht. So g e w i n n e n w i r ein erstes Vorverständnis d e r Philosophie aus d e n u n s b e s t i m m e n d e n M ä c h t e n , d . h . i m R ü c k g a n g auf unser D a s e i n selbst. In diesen E r ö r t e r u n g e n , die zugleich die S i t u a t i o n u n s e r e s jetzigen D a s e i n s in e i n i g e n G r u n d z ü g e n d u r c h s i c h t i g m a c h e n sollen, w e r d e n w i r d u r c h g ä n g i g auf e i n e n Z u s a m m e n h a n g sto-
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Die Aufgabe einer Einleitung
in die
Philosophie
ßen, dem wesentliche Bedeutung zukommt: Die Philosophie u n d das P h i l o s o p h i e r e n , g e r a d e in s e i n e r S e l b s t b e s i n n u n g , werd e n i m m e r w i e d e r z u r ü c k g e w o r f e n auf das, w a s w i r G e s c h i c h t e n e n n e n , z u m a l P h i l o s o p h i e sich u n s z u n ä c h s t i n u n d d u r c h dig historische U b e r l i e f e r u n g d a r b i e t e t . M i t G e s c h i c h t e m e i n e ^ c h h i e r n i c h t die G e s c h i c h t s w i s s e n s c h a f t , s o n d e r n das G e s e h e h e n des D a s e i n s selbst. Es w i r d sich zeigen, d a ß n i c h t n u r die P h i losophie in e i n e r e i g e n t ü m l i c h e n i n n e r e n A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t der Geschichte steht. W i r h ö r t e n schon, d a ß die P h i l o s o p h i e sich u n s i m m e r schon als in gewisser Weise b e k a n n t a n b i e t e t , in u n d d u r c h i h r e Geschichte, besser: in der h i s t o r i s c h e n U b e r l i e f e r u n g . D a s s e l b e gilt a b e r v o n d e r W i s s e n s c h a f t u n d d e r W e l t a n s c h a u u n g , u n d sie b e i d e sind, j e d e in i h r e r Weise, v o n G r u n d aus geschichtlich. D a s besagt aber: Unserer Betrachtung über Philosophie und Wissenschaft, P h i l o s o p h i e u n d W e l t a n s c h a u u n g l i e g t z u g l e i c h die F r a g e zu g r ü n d e : W i e v e r h ä l t sich P h i l o s o p h i e ü b e r h a u p t zur G e s c h i c h t e , d . h . zu d e r W e s e n s b e s t i m m u n g des m e n s c h l i c h e n D a s e i n s selbst, das in sich g e s c h i c h t l i c h ist? S o m i t s t e h e n w i r vor drei G r u p p e n von F r a g e n : I. W i e v e r h ä l t sich P h i l o s o p h i e zu W i s s e n s c h a f t ? II. W i e v e r h ä l t sich P h i l o s o p h i e zu W e l t a n s c h a u u n g ? I I I . W i e v e r h ä l t sich P h i l o s o p h i e zu G e s c h i c h t e ? D i e E r ö r t e r u n g dieser drei F r a g e g r u p p e n k e n n z e i c h n e t das erste S t a d i u m , das w i r d u r c h l a u f e n , u m d a b e i das P h i l o s o p h i e r e n in G a n g zu b r i n g e n . W i r wollen hier nicht Philosophie lernen, wir wollen nicht unser Fachstudium noch durch ein weiteres Fach vermehren, s c h o n d e s h a l b n i c h t , weil P h i l o s o p h i e g a r k e i n » F a c h « ist. P h i l o s o p h i e r e n ist k e i n e S a c h e d e r G e s c h i c k l i c h k e i t u n d T e c h n i k , f r e i l i c h e b e n s o w e n i g ein Spiel v o n u n d i s z i p l i n i e r t e n E i n f ä l l e n . P h i l o s o p h i e ist P h i l o s o p h i e r e n u n d n i c h t s w e i t e r . Dieses E i n f a c h e gilt es zu b e g r e i f e n . W i r sagten: Das D a s e i n s t e h t n i c h t u n d n i e a u ß e r h a l b der
g 4 Philosophie — Wissenschaft,
Weltanschauung,
Geschichte
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s o n d e r n diese g e h ö r t z u m W e s e n d e r E x i s t e n z des Daseins. Also m ü s s e n w i r sie i m D a s e i n selbst in G a n g b r i n g e n ; also b e d a r f es eines E i n g e h e n s auf das D a s e i n , das w i r jeweils gelbst s i n d . So s c h e i n t es, als g e r i e t e n w i r in e i n e psychologische S e l b s t b e t r a c h t u n g , als k ä m e das P h i l o s o p h i e r e n d a r a u f h i n a u s , eine egoistische B e s c h ä f t i g u n g m i t sich selbst, e i n e Z e r g l i e d e rung des e i g e n e n S e e l e n l e b e n s zu w e r d e n . Zunächst n u r so viel negativ: D a s F r e i m a c h e n des Philosophierens i m D a s e i n h a t m i t e i n e r p s y c h o l o g i s c h e n u n d g a r egoistischen S e l b s t b e g a f f u n g n i c h t s zu t u n . A b e r e b e n s o w e n i g ist das F r e i w e r d e n l a s s e n des P h i l o s o p h i e r e n s in u n s e i n e m o r a lisch-erbauliche B e t u l i c h k e i t u m das e i g e n e Ich. Mit all d e m h a b e n diese Ü b e r l e g u n g e n a b e r n i c h t s zu t u n . Weder u m Psychologie n o c h u m M o r a l h a n d e l t es sich. W o h l kommt das D a s e i n bei diesen Ü b e r l e g u n g e n in ein eigenes Z e n trum, a b e r dieser s o g e n a n n t e a n t h r o p o z e n t r i s c h e S t a n d p u n k t hat etwas M e r k w ü r d i g e s . I n dieser a n t h r o p o z e n t r i s c h e n Betrachtung w e r d e n w i r zur E i n s i c h t k o m m e n , d a ß dieses W e s e n Mensch, das da a n g e b l i c h in sich selbst v e r l i e b t i m Z e n t r u m steht, s e i n e m I n n e r s t e n n a c h ex-zentrisch ist, das h e i ß t g e r a d e d e m Wesen s e i n e r E x i s t e n z n a c h n i e o b j e k t i v i m Z e n t r u m des Seienden s t e h e n k a n n . D e n n das w i r d g e r a d e das P h i l o s o p h i e ren o f f e n b a r m a c h e n , d a ß d a r i n d e r M e n s c h aus sich selbst u n d über sich selbst h i n a u s g e w o r f e n w i r d u n d g a n z u n d g a r n i c h t das E i g e n t u m seiner selbst ist. D a m i t diese E i n s i c h t , d a ß das Dasein sich n i c h t als Z e n t r u m h a t , w i r k l i c h g e w o n n e n w i r d , m u ß es g e r a d e in gewisser Weise ins Z e n t r u m k o m m e n . Der Subjektivismus wird nicht dadurch überwunden, daß man sich ü b e r i h n m o r a l i s c h e m p ö r t , s o n d e r n d a d u r c h , d a ß m a n das P r o b l e m des S u b j e k t s , d . h . die F r a g e n a c h d e r S u b j e k t i v i t ä t des S u b j e k t s w i r k l i c h u n d r a d i k a l stellt. So l i e g t d e n n e i n e g r o ß e Wahrheit in d e r F o r d e r u n g , die schon die a n t i k e P h i l o s o p h i e aussprach: Γνώθισεαυτόν, e r k e n n e dich selbst, d . h . e r k e n n e , was d u bist, u n d sei, als w a s du dich e r k a n n t hast. D i e s e Selbst e r k e n n t n i s als E r k e n n t n i s der M e n s c h h e i t i m M e n s c h e n , d . h . Philosophie,
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Die Aufgabe einer Einleitung
in die
Philosophie
des Wesens des M e n s c h e n , ist P h i l o s o p h i e u n d so f e r n v o n Psychologie, P s y c h o a n a l y s e u n d M o r a l w i e n u r m ö g l i c h . Bei e i n e r solchen B e s i n n u n g auf das e i g e n e D a s e i n k a n n sich a l l e r d i n g s einstellen, d a ß w i r die t o t a l e N i c h t i g k e i t m e n s c h l i c h e n Wesens von G r u n d aus erfassen. D a s erste S t a d i u m u n s e r e r E i n l e i t u n g ist also d u r c h d r e i Frag e n b e s t i m m t : Verhältnis d e r P h i l o s o p h i e zu W i s s e n s c h a f t , zu W e l t a n s c h a u u n g , zu G e s c h i c h t e . W i r b e g i n n e n m i t der ersten Frage.
ERSTER ABSCHNITT PHILOSOPHIE UND WISSENSCHAFT
ERSTES KAPITEL Was heißt Philosophie?
§5.
Ist Philosophie
eine
WissenschaftPl
Die Wissenschaft ist die eine von den M ä c h t e n , die das bestimmen, was wir gewissermaßen die A t m o s p h ä r e der Universität nennen k ö n n e n . W i s s e n s c h a f t e n sind aber nicht eine A n s a m m lung von Wissen, das fachlich-technisch g e l e h r t u n d gelernt •yfird, sondern z u m Begriff der Wissenschaft g e h ö r t p r i m ä r , daß sie Forschung ist. Wissenschaft existiert n u r in der L e i d e n s c h a f t des Fragens, i m E n t h u s i a s m u s des Entdeckens, in der U n e r b i t t lichkeit des kritischen Rechenschaftsablegens, der Ausweisung und B e g r ü n d u n g . Es ist nicht n u r eine ä u ß e r e E i g e n t ü m l i c h k e i t der deutschen Universität, sondern i h r innerer Vorzug u n d die K r a f t q u e l l e ihres geschichtlichen Daseins, daß sie keine Fachschule ist, sondern daß auch das benötigte Fachwissen i m D u r c h g a n g durch die forschende Arbeit a n g e e i g n e t wird, i m m e h r oder m i n d e r ernsthaften u n d e i n d r i n g e n d e n M i t g e h e n m i t den P r o b l e m e n , m denen die W i s s e n s c h a f t gerade steht. Weil die Wissenschaft in dieser Weise die Universität bestimmt u n d die Philosophie wie ein Fach u n t e r a n d e r e n gelehrt wird, f r a g en wir nach d e m Verhältnis der Philosophie zu den 1
Vgl. unten S. 217-221.
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Was heißt
Philosophie?
W i s s e n s c h a f t e n . Ist sie ein F a c h u n t e r d e n a n d e r e n , oder ist sie d a d u r c h a u s g e z e i c h n e t , d a ß sie die A l l g e m e i n w i s s e n s c h a f t ist? O d e r ist sie g a r n i c h t n u r die W i s s e n s c h a f t , die die ü b r i g e n z u s a m m e n f a ß t , s o n d e r n d i e j e n i g e , die sie sogar b e g r ü n d e t , die Grund-wissenschaft? All diese F r a g e n b e w e g e n sich auf d e m B o d e n der a l l g e m e i n e n Voraussetzung, d a ß P h i l o s o p h i e in j e d e m Fall e i n e W i s s e n s c h a f t sei. I n d e r Tat ist es ein C h a r a k t e r i s t i k u m der neuzeitl i c h e n P h i l o s o p h i e seit Descartes, d a ß sie in i m m e r n e u e n A n l ä u f e n v e r s u c h t , sich z u m R a n g e e i n e r W i s s e n s c h a f t , ja zu der a b s o l u t e n W i s s e n s c h a f t zu e r h e b e n . Von d e n b e s o n d e r e n F r a g e n , w i e P h i l o s o p h i e zu d e n ü b r i g e n W i s s e n s c h a f t e n sich v e r h a l t e , m ü s s e n w i r a b s e h e n u n d z u n ä c h s t die F r a g e e n t s c h e i d e n : Ist P h i l o s o p h i e ü b e r h a u p t e i n e W i s s e n s c h a f t ? H a t es e i n e n Sinn, v o n w i s s e n s c h a f t l i c h e r P h i l o s o p h i e zu s p r e c h e n , P h i l o s o p h i e »als s t r e n g e W i s s e n s c h a f t « b e g r ü n d e n zu wollen? Auf die F r a g e , ob die P h i l o s o p h i e e i n e W i s s e n s c h a f t sei, ist v o r w e g n e h m e n d zu sagen: N e i n , P h i l o s o p h i e ist k e i n e W i s s e n s c h a f t . Ist also P h i l o s o p h i e von H a u s e aus u n w i s s e n s c h a f t l i c h , g e h ö r t sie n i c h t in die U n i v e r s i t ä t , also h a b e n d i e j e n i g e n recht, die in N a c h a h m u n g v o n S c h o p e n h a u e r u n d N i e t z s c h e die söge n a n n t e » U n i v e r s i t ä t s p h i l o s o p h i e « f ü r ein h ö c h s t f r a g w ü r d i g e s G e b i l d e h a l t e n ? Ja u n d n e i n . Ist d a n n die B e m ü h u n g d e r n e u zeitlichen P h i l o s o p h i e v o n D e s c a r t e s ü b e r K a n t u n d H e g e l bis zu H u s s e r l , d i e P h i l o s o p h i e z u m R a n g e e i n e r W i s s e n s c h a f t zu e r h e b e n , n i c h t n u r v e r g e b l i c h , s o n d e r n von G r u n d aus in i h r e r Absicht irrig? Ja u n d n e i n . Ist d e n n d e r T i t e l » w i s s e n s c h a f t l i c h e P h i l o s o p h i e « so w i d e r s i n n i g wie d e r Begriff »hölzernes Eisen«? Ja u n d n e i n . W i r d d u r c h die T h e s e >Philosophie ist k e i n e W i s senschaft< n i c h t g e r a d e a u c h die A n s t r e n g u n g g e l e u g n e t u n d v e r l e u g n e t , die die P h ä n o m e n o l o g i e seit J a h r z e h n t e n m a c h t , u m die » P h i l o s o p h i e als s t r e n g e W i s s e n s c h a f t « — so l a u t e t der T i t e l eines b e k a n n t e n Aufsatzes von H u s s e r l i m »Logos« I, 1910 — zu b e g r ü n d e n ? Ja u n d n e i n . U n s e r e T h e s e : >Philosophie ist k e i n e W i s s e n s c h a f t b l e i b t also
§ S. Ist Philosophie eine
Wissenschaft?
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zunächst z w e i d e u t i g u n d m u ß es sein, solange sie sich n u r neg a t i v ausspricht u n d n u r a l l g e m e i n sagt, was P h i l o s o p h i e n i c h t jet Vielleicht f o l g t d a r a u s , daß P h i l o s o p h i e n i c h t W i s s e n s c h a f t ist keineswegs, d a ß sie » u n - w i s s e n s c h a f t l i c h « sein m ü ß t e oder auch n u r d ü r f t e . Aber was b e s a g t n u n diese T h e s e : P h i l o s o p h i e ist n i c h t W i s senschaft? Z u n ä c h s t soviel: P h i l o s o p h i e k a n n n i c h t d e m Begriff Wissenschaft als h ö h e r e G a t t u n g u n t e r g e o r d n e t w e r d e n . So w i e wir m i t R e c h t sagen: R o t ist e i n e F a r b e , g r ü n ist e i n e F a r b e bzw. Physik ist e i n e W i s s e n s c h a f t , P h i l o l o g i e ist e i n e W i s s e n s c h a f t , so können w i r n i c h t sagen: P h i l o s o p h i e ist e i n e W i s s e n s c h a f t . Wenn w i r a b e r so b e h e r z t e r k l ä r e n : >Philosophie ist k e i n e W i s senschaft«, d a n n m e l d e t sich die G e g e n f r a g e n i c h t m i n d e r entschieden: Was ist sie d e n n n u n d a n n ? W i r a n t w o r t e n : P h i l o s o p h i e ist P h i l o s o p h i e r e n . A b e r das ist doch e i n e n i c h t s s a g e n d e Auskunft, die n u r soviel zu s a g e n s c h e i n t wie: E i n T i s c h ist ein T i s c h . Doch w i r s a g e n n i c h t e i n f a c h , P h i l o s o p h i e ist P h i l o s o p h i e , sondern P h i l o s o p h i e ist P h i l o s o p h i e r e n . So steckt a m E n d e d o c h e i n e Antwort in dieser p o s i t i v e n T h e s e : P h i l o s o p h i e k a n n n i c h t i m Hinblick auf e t w a s a n d e r e s — e t w a die I d e e d e r W i s s e n s c h a f t , Aber e b e n s o w e n i g die I d e e » D i c h t u n g « oder K u n s t — b e s t i m m t werden, s o n d e r n w e n n P h i l o s o p h i e = P h i l o s o p h i e r e n ist, d a n n heißt das: P h i l o s o p h i e m u ß sich aus sich selbst b e s t i m m e n . Viel zu w e n i g w i r d b e a c h t e t , w e l c h e e i g e n t ü m l i c h e Problematik d a r i n liegt, d a ß die P h i l o s o p h i e sich aus sich selbst zu bestimmen h a t . Selbst w e n n sie — in e i n e r gewissen Weise — Unmöglich sein sollte, k ö n n t e n u r sie selbst das zeigen. O b u n d w i e P h i l o s o p h i e m ö g l i c h ist, k a n n n u r sie selbst e n t s c h e i d e n . D a ß P h i l o s o p h ie auf sich selbst z u r ü c k b e z o g e n ist, ist n u r e i n e Folge d a v o n , d a ß sie e t w a s U r s p r ü n g l i c h e s ist. Wenn w i r also sagen, P h i l o s o p h i e ist k e i n e W i s s e n s c h a f t , u n d Wenn W i s s e n s c h a f t n i c h t die I d e e u n d das I d e a l ist, a n d e m Philosophie g e m e s s e n w e r d e n k a n n u n d d a r f , d a n n ist in der These, die d e r P h i l o s o p h i e d e n W i s s e n s c h a f t s c h a r a k t e r abspricht, a u c h n i c h t o h n e w e i t e r e s a u s g e s p r o c h e n , die Philoso-
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Was heißt
Philosophie?
p h i e sei m i t d e m M a n g e l der U n w i s s e n s c h a f t l i c h k e i t b e h a f t e t . W e n n e t w a s n i c h t W i s s e n s c h a f t sein k a n n u n d n i c h t sein soll, d a n n k a n n i h m die U n w i s s e n s c h a f t l i c h k e i t n i c h t als G e b r e c h e n z u g e r e c h n e t w e r d e n . A b e r w i r h ö r t e n schon: >Philosophie ist n i c h t W i s s e n s c h a f t besagt n i c h t , sie sei u n w i s s e n s c h a f t l i c h , w e n n u n w i s s e n s c h a f t l i c h besagt: g e g e n die N o r m e n u n d M e t h o d e n der W i s s e n s c h a f t v e r s t o ß e n d . N i c h t u n w i s s e n s c h a f t l i c h , weil auch nicht »wissenschaftlich« — keine möglichen Prädikate in e i n e m p r i m ä r e n S i n n e . N u r das e i n e ist v o r l ä u f i g deutlich. D i e T h e s e sagt: P h i l o s o p h i e g e h ö r t n i c h t u n t e r die » G a t t u n g « W i s s e n s c h a f t , w e n n w i r e i n m a l diesen f o r m a l l o g i s c h e n T e r m i nus gebrauchen dürfen. Aber so e i n d e u t i g diese A u s k u n f t ist, sie b e f r i e d i g t n i c h t angesichts des g e s c h i c h t l i c h e n F a k t u m s , daß D e n k e r w i e K a n t u n d H e g e l sich b e m ü h t e n , die P h i l o s o p h i e z u m R a n g e i n e r Wissens c h a f t zu e r h e b e n . Vielleicht ist das V e r h ä l t n i s der P h i l o s o p h i e zur W i s s e n s c h a f t , g e r a d e w e n n die P h i l o s o p h i e e t w a s auf nichts a n d e r e s Z u r ü c k f ü h r b a r e s ist, ein g a n z e i g e n t ü m l i c h e s , das wir m i t d e r E r k l ä r u n g » P h i l o s o p h i e fällt n i c h t u n t e r die G a t t u n g Wissenschaft« längst nicht erfaßt haben. I n der Tat, P h i l o s o p h i e ist n i c h t d e s h a l b k e i n e W i s s e n s c h a f t , w e i l sie a n das I d e a l e i n e r W i s s e n s c h a f t n i c h t h e r a n r e i c h t e , d a r u n t e r z u r ü c k b l e i b e n m ü ß t e , w e i l i h r das, w a s W i s s e n s c h a f t als solche b e s t i m m t , f e h l t e , s o n d e r n weil i h r das, was die Wiss e n s c h a f t n u r in e i n e m a b g e l e i t e t e n S i n n e h a t , in e i n e r urs p r ü n g l i c h e n Weise z u k o m m t . P h i l o s o p h i e ist k e i n e W i s s e n s c h a f t — n i c h t aus M a n g e l , s o n d e r n sie k a n n n i c h t W i s s e n s c h a f t sein aus Ü b e r f l u ß , d e r d a b e i ein g r u n d s ä t z l i c h e r ist, n i c h t n u r ein q u a n t i t a t i v e r . W i r s a g t e n schon, d e r A u s d r u c k » w i s s e n s c h a f t l i c h e Philosop h i e « sei e b e n s o w i e d e r A u s d r u c k »hölzernes E i s e n « z w e i d e u tig. Weit besser e n t s p r i c h t d e m A u s d r u c k » w i s s e n s c h a f t l i c h e P h i l o s o p h i e « die B e z e i c h n u n g » r u n d l i c h e r Kreis«. H i e r w i r d d e m Kreis e t w a s z u g e s p r o c h e n , was i h m n i c h t z u k o m m t ; d e n n d e r Kreis ist e b e n n i c h t r u n d l i c h d . h . n u r in e t w a r u n d , s o n d e r n
§ S. Ist Philosophie eine
WissenschafP
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er i s t s c h l e c h t h i n r u n d . D e m Kreis w i r d aber a u c h e t w a s zugew a s g e r a d e i h m in e i n e m a u s g e z e i c h n e t e n S i n n e z u k o m m t , s o f e r n er die I d e e des R u n d e n v o l l k o m m e n r e p r ä s e n tiert. E n t s p r e c h e n d wird in d e m A u s d r u c k » w i s s e n s c h a f t l i c h e P h i l o s o p h i e « d e r P h i l o s o p h i e e t w a s z u g e s p r o c h e n , was i h r n i c h t z u k o m m t — s i e ist n i e lediglich e i n e W i s s e n s c h a f t ; zugleich w i r d ihr aber e t w a s z u g e s p r o c h e n , was sie in e i n e m u r s p r ü n g l i c h e n Sinne s c h o n hat: sie ist u r s p r ü n g l i c h e r als j e d e W i s s e n s c h a f t , weil alle W i s s e n s c h a f t in der P h i l o s o p h i e v e r w u r z e l t ist, aus i h r erst e n t s p r i n g t .
sprochen,
Vom Kreis a u s z u s a g e n , er sei r u n d l i c h , ist ü b e r f l ü s s i g u n d unangemessen zugleich. D a ß der Kreis n i c h t r u n d l i c h ist, dieses N i c h t - r u n d l i c h - s e i n - k ö n n e n ist n i c h t U n v e r m ö g e n , s o n d e r n Ü b e r v e r m ö g e n : er v e r m a g w e s e n h a f t m e h r zu sein. Von der Philosophie zu sagen, sie sei W i s s e n s c h a f t , ist u n a n g e m e s s e n und ü b e r f l ü s s i g zugleich. E n t s p r e c h e n d gilt: P h i l o s o p h i e ist nicht aus U n v e r m ö g e n , s o n d e r n aus w e s e n h a f t e m Ü b e r v e r m ö gen keine W i s s e n s c h a f t . Aber weil P h i l o s o p h i e in e i n e r Weise W i s s e n s c h a f t ist, w i e die Wissenschaft es nie sein k a n n u n d w e i l P h i l o s o p h i e u r s p r ü n g licher ist als W i s s e n s c h a f t u n d diese i h r e n U r s p r u n g in der Philosophie h a t , k o n n t e es dazu k o m m e n , d e n U r s p r u n g der Wissenschaft, n ä m l i c h die P h i l o s o p h i e , selbst als W i s s e n s c h a f t , ja sogar als die U r - w i s s e n s c h a f t u n d als absolute W i s s e n s c h a f t zu bezeichnen u n d als solche zu b e s t i m m e n . W i s s e n s c h a f t l i c h e P h i l o s o p h i e ist n i c h t zu v e r s t e h e n w i e »hölzernes Eisen«, was sich beides ausschließt, s o n d e r n w i e » r u n d l i c h e r Kreis«. A b e r so e i n l e u c h t e n d dieser Vergleich sein m a g , auch er h i n k t u n d gibt zu e i n e m g e f ä h r l i c h e n M i ß v e r ständnis A n l a ß , das w i r gleich zu A n f a n g b e s e i t i g e n m ü s s e n . D e n Kreis k ö n n e n u n d d ü r f e n w i r n i c h t als » r u n d l i c h « bezeichnen, weil er s c h l e c h t h i n r u n d ist, d . h . w e i l » r u n d l i c h « n u r e i n e m a n g e l h a f t e A n g l e i c h u n g an » r u n d « wäre. E r k a n n n i c h t d u r c h etwas b e s t i m m t w e r d e n , was g e w i s s e r m a ß e n n u r e i n e n Abfall, eine P r i v a t i o n seines W e s e n s darstellt.
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Was heißt
Philosophie?
E n t s p r e c h e n d ist W i s s e n s c h a f t e i n e m a n g e l h a f t e Angleic h u n g a n P h i l o s o p h i e , diese also die r e i n s t e u n d erste Wissens c h a f t . H i e r ist die Stelle d e r v e r h ä n g n i s v o l l s t e n I r r t ü m e r , die a u c h der g e n a n n t e Vergleich u n t e r s t ü t z e n k ö n n t e . D e n n die P h i l o s o p h i e ist e b e n n i c h t W i s s e n s c h a f t , a u c h n i c h t die r e i n s t e u n d strengste; sie ist a b e r a u c h n i c h t e t w a s t r e n g s t e W i s s e n s c h a f t u n d n o c h e t w a s dazu u n d d a r ü b e r h i n a u s . W i r k ö n n e n n u r sagen: Was die W i s s e n s c h a f t a n i h r e m Teil ist, das liegt in d e r P h i l o s o p h i e in e i n e m u r s p r ü n g l i c h e n Sinne. P h i l o s o p h i e ist zwar Ursprung d e r W i s s e n s c h a f t , a b e r g e r a d e d e s h a l b nicht Wissenschaft, — auch nicht Ur-wissenschaft. Es gilt, g e r a d e diesen G e d a n k e n f e s t z u h a l t e n , w e i l o h n e i h n i m m e r w i e d e r die N e i g u n g sich v o r d r ä n g t , P h i l o s o p h i e als W i s s e n s c h a f t zu b e s t i m m e n , d . h . e b e n u n v e r s e h e n s an e i n e be s t i m m t e W i s s e n s c h a f t a n z u g l e i c h e n , z.B. an die M a t h e m a t i k als die h ö c h s t e u n d s t r e n g s t e W i s s e n s c h a f t . W a n n i m m e r der S c h r i t t in R i c h t u n g auf die I d e e W i s s e n s c h a f t g e t a n w i r d , ist das W e s e n v e r k a n n t . M a n m a g W i s s e n s c h a f t n o c h so s t r e n g n e h m e n u n d h i n t e r h e r W e l t a n s c h a u u n g a n k l e b e n : beides in s e i n e r S u m m i e r u n g u n d V e r s c h m e l z u n g t r i f f t das W e s e n d e r P h i l o s o p h i e nicht. W i e schon m e h r f a c h b e t o n t , ist es e i n e c h a r a k t e r i s t i s c h e n e u zeitliche T e n d e n z , die P h i l o s o p h i e i m H i n b l i c k auf die I d e e der W i s s e n s c h a f t zu b e s t i m m e n , u n d zwar ist es die M a t h e m a t i k — m a t h e m a t i s c h freilich in e i n e m sehr weiten Sinne g e n o m m e n . G e r a d e die e n t g e g e n g e s e t z t e Absicht aber b e m e r k e n w i r in der a n t i k e n P h i l o s o p h i e , d . h . in d e n e n t s c h e i d e n d e n A n f ä n g e n u n serer a b e n d l ä n d i s c h e n P h i l o s o p h i e ü b e r h a u p t , u n d das ist kein Z u f a l l . I n d e r A n t i k e f ä l l t P h i l o s o p h i e n i c h t u n t e r die W i s s e n s c h a f t e n , s o n d e r n u m g e k e h r t : die W i s s e n s c h a f t e n sind bes t i m m t geartete »Philosophien«.
§ 6 Antike
und neuzeitliche
Auffassung
von
Philosophie
0 i e Griechen h a b e n f ü r φιλοσοφία b e z e i c h n e n d e r w e i s e e i n e n plural: φιλοσοφίαι. M a t h e m a t i k u n d M e d i z i n , die in d e r A n t i k e schon eine h o h e B l ü t e u n d S e l b s t ä n d i g k e i t h a t t e n , w u r d e n d e m gemäß » P h i l o s o p h i e n « g e n a n n t . I h n e n g e g e n ü b e r ist das, was wir einfach P h i l o s o p h i e n e n n e n , n a c h der B e z e i c h n u n g des AriKoteles πρώτη φιλοσοφία, »erste P h i l o s o p h i e « , d . h . n i c h t i n n e r halb der p h i l o s o p h i s c h e n D i s z i p l i n e n die erste, s o n d e r n P h i l o jophie i m u r s p r ü n g l i c h e n S i n n e s c h l e c h t h i n . M a n i n t e r p r e t i e r t diesen A u s d r u c k » p r i m a p h i l o s o p h i a « m e i s t in d e m S i n n e , d a ß damit i n n e r h a l b des G a n z e n der p h i l o s o p h i s c h e n D i s z i p l i n e n die erste D i s z i p l i n vor E t h i k , Ä s t h e t i k u.s.w. b e z e i c h n e t w ä r e . 0 a s ist eine i r r i g e A u f f a s s u n g , u n d sie w i r d n o c h irriger, w e n n m a n diesen B e g r i f f d e r e r s t e n P h i l o s o p h i e i n m o d e r n e r Weise uminterpretiert als erste W i s s e n s c h a f t , als U r w i s s e n s c h a f t . D e r Urheber dieses f u n d a m e n t a l e n I r r t u m s ist Descartes, d e r f ü r l è i n e G r u n d l e g u n g der P h i l o s o p h i e als W i s s e n s c h a f t — n a c h dem Ideal d e r M a t h e m a t i k als d e r e i g e n t l i c h e n W i s s e n s c h a f t — den antiken Begriff d e r πρώτη φιλοσοφία in A n s p r u c h n i m m t und sein H a u p t w e r k a u s d r ü c k l i c h als » M e d i t a t i o n e s de p r i m a philosophia« 1 b e z e i c h n e t . Mit dieser A u f f a s s u n g d e r e r s t e n P h i l o s o p h i e v e r s u c h t Destartes in s e i n e m z w e i t e n H a u p t w e r k , d e n » P r i n c i p i a philosophiae« 2 , d e n G e s a m t b e s t a n d der ü b e r l i e f e r t e n P h i l o s o p h i e , also d e r Scholastik, in e i n e r n e u e n F o r m zu s y s t e m a t i s i e r e n . D a h e r kommt es, d a ß s e i t h e r m i t der t r a d i t i o n e l l e n M e t a p h y s i k die eigentümliche I d e e d e r ersten P h i l o s o p h i e als G r u n d w i s s e n Schaft v e r e i n i g t ist. Kants letztes u n d f r e i l i c h v e r b o r g e n e s B e m ü h e n g e h t u m eine A u f h e b u n g dieses g a n z e n Z u s a m m e n h a n g s . S e i n e Absicht 1 René Descartes, Meditationes de prima philosophia. Paris 1641, 2 Ausg Amsterdam 1642. 2 René Descartes, Principia philosophiae. Amsterdam 1644.
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Was heißt
Philosophie?
ist n i c h t so s e h r , g e g e n ü b e r der t r a d i t i o n e l l e n M e t a p h y s i k eine n e u e zu b e g r ü n d e n , s o n d e r n v i e l m e h r Descartes' V e r e i n i g u n g des m a t h e m a t i s c h e n E r k e n n t n i s i d e a l s m i t d e r t r a d i t i o n e l l e n M e t a p h y s i k zu d u r c h b r e c h e n . D i e s e i n n e r s t e Absicht Kants w u r d e von d e n N a c h f o l g e r n n i c h t m e h r b e g r i f f e n . I n der n e u z e i t l i c h e n P h i l o s o p h i e f i n d e t sich also die Tendenz, P h i l o s o p h i e als W i s s e n s c h a f t zu b e s t i m m e n , in d e r a n t i k e n Philosophie d a g e g e n W i s s e n s c h a f t e n als P h i l o s o p h i e n . F ü r w e l c h e A u f f a s s u n g sollen w i r u n s e n t s c h e i d e n ? O d e r sollen w i r beide T e n d e n z e n in e i n e m K o m p r o m i ß v e r m i t t e l n ? M a g es i r g e n d w o K o m p r o m i s s e g e b e n , so d o c h n i c h t i n der P h i l o s o p h i e . W i r s t e h e n vor der A u f g a b e , das P r o b l e m P h i l o s o p h i e u n d W i s s e n s c h a f t e r n e u t zu stellen. N e u h e i ß t h i e r n i c h t , das Alte a b z u s t o ß e n u n d e t w a s N e u e s zu e r f i n d e n , s o n d e r n i m Schutz der e c h t e n U b e r l i e f e r u n g die a l t e n P r o b l e m e zu w i e d e r h o l e n . W e n n w i r also b e s t i m m e n w o l l e n , w i e P h i l o s o p h i e sich zu Wissens c h a f t v e r h ä l t , d a n n ist es a n der Zeit, erst e i n m a l a u s z u m a c h e n , was W i s s e n s c h a f t besagt. Bevor w i r diese in d e r Tat d r i n g e n d s t e F r a g e b e a n t w o r t e n , soll k u r z d e r A u s d r u c k >Philosophie< erläutert werden. S 7. Der Ausdruck
»Philosophie«
D i e n ä h e r e E r l ä u t e r u n g dessen, w a s das W o r t φιλοσοφία bedeutet, ist n o c h k e i n e B e s t i m m u n g des Wesens der P h i l o s o p h i e . A n d e r e r s e i t s a b e r ist die E r l ä u t e r u n g der B e d e u t u n g g e r a d e solch f u n d a m e n t a l e r W o r t e n i c h t g l e i c h g ü l t i g . W i r w e r d e n daraus schon H i n w e i s u n g e n auf das W e s e n d e r P h i l o s o p h i e entn e h m e n , w e n n auch noch u n b e s t i m m t e u n d unfeste. D i e griechische B e z e i c h n u n g φιλοσοφία ist z u s a m m e n g e s e t z t aus σοφία u n d φιλεΐν (φίλος), d . h . aus W e i s h e i t u n d lieben; etwas s e n t i m e n t a l u n d g r o ß v ä t e r l i c h p f l e g t m a n zu ü b e r s e t z e n : L i e b e zur Weisheit. Dies ist i m G r u n d n i c h t s s a g e n d , u n d w i r m ü s s e n v e r s u c h e n , d e n S i n n h e r a u s z u b r i n g e n , d e n die G r i e c h e n i m leb e n d i g e n G e b r a u c h dieses W o r t e s v e r s t a n d e n h a b e n .
§ 7. Der Ausdruck
»Philosophie«
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Zu σοφία g e h ö r t das A d j e k t i v σοφός, das ist d e r j e n i g e , d e r f ü r etwas d e n r e c h t e n G e s c h m a c k , » e i n e n R i e c h e r « , I n s t i n k t f ü r das Wesentliche h a t u n d d e r sich d e s h a l b in e t w a s u n m i t t e l b a r ausfcennt, d e r e t w a s von G r u n d aus v e r s t e h t , d . h . e i n e r S a c h e in Vorbildlicher u n d d a h e r h e r v o r r a g e n d e r Weise v o r s t e h e n k a n n . $οφία w i r d d e s h a l b u r s p r ü n g l i c h v o m H a n d w e r k gesagt. So b e i ß t es bei H o m e r in der Ilias (XV, 410-12) 1 v o m Z i m m e r mann: άλλ' ώς τε στάθμη δόρυ νήιον έξιθύνει τέκτονος εν παλάμτ)σι βαήμονος, ος ρά τε πάσης εΰ ειδη σοφίης ΰποθημοσύνηοιν Ά θ ή ν η ς , a n d H e s i o d b e z e i c h n e t d e n j e n i g e n , d e r in der S e e f a h r t u n d bei S c h i f f e n k u n d i g ist, als ούτέ τι ναυτιλίης σεσοφισμένος οϋτέ τι νηων (Opera et dies, 649). 2 Dieser A u s d r u c k σοφία w i r d d a n n a u c h auf die D i c h t k u n s t and M u s i k ü b e r t r a g e n , ü b e r h a u p t auf alles, w a s in i r g e n d e i n e m Sinne v e r s t a n d e n u n d e n t s p r e c h e n d a u s g e f ü h r t w e r d e n k a n n . Dieselbe B e d e u t u n g w i e σοφός h a t t e in der F r ü h z e i t a u c h der Ausdruck σοφιατής, so w u r d e n die sieben W e i s e n g e n a n n t . »So jjhist« h a t t e u r s p r ü n g l i c h n i c h t die abschätzige, n e g a t i v e Bedeutung. D i e s e n g r i e c h i s c h e n A u s d r ü c k e n σοφός, σοφία, βοφιστής e n t s p r e c h e n a m b e s t e n n o c h die d e u t s c h e n W ö r t e r •Verstehen«, »Verständnis«, f r e i l i c h n i c h t die W o r t b i l d u n g »Verstand«. E i n D r e i f a c h e s gibt sich in d e m A u s d r u c k σοφία k u n d : erstens das Verstehen von G r u n d aus, z w e i t e n s das V e r s t e h e n m i t u n m i t t e l b a r e m I n s t i n k t u n d d r i t t e n s das V e r s t e h e n als v o r b i l d l i c h and d a h e r m a ß g e b e n d e t w a s k e n n e n u n d k ö n n e n . Verstehen War also z u n ä c h s t auf die S p h ä r e h a n d w e r k l i c h e r T ä t i g k e i t beschränkt, w o b e i zu b e a c h t e n ist, d a ß in der F r ü h z e i t das H a n d Werk i m D a s e i n , d . h . bezüglich des G r u n d v e r h ä l t n i s s e s zu d e n Dingen, e i n e g a n z a n d e r e z e n t r a l e S t e l l u n g u n d F u n k t i o n h a t t e , 1 Homeri Opera. Scnptorum classicorum Bibliotheca Oxoniensis. Oxonn e typographeo clarendornano Londmi et novi eboraci apud H u m p h r e d u m Mil ford. Hesiod, Opera et dies, Vers 649. Die Hesiodischen Gedichte, hrsg. von Dr. Hans Flach. Berlin 1874, S. 27
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Was heißt
Philosophie?
als das ein h e u t i g e r G r o ß s t a d t l i t e r a t a u c h n u r zu a h n e n verm ö c h t e . N u r w e i l das h a n d w e r k l i c h e V e r s t e h e n l a t e n t schon ein u n m i t t e l b a r e s u n d m a ß g e b e n d e s Verstehen des G a n z e n d e r W e l t w a r , d e s h a l b k o n n t e d a n n d e r A u s d r u c k σοφία sich erweit e r n u n d jedes V e r s t e h e n b e d e u t e n , i n s b e s o n d e r e das V e r s t e h e n der G r u n d m ö g l i c h k e i t e n des D a s e i n s i m G a n z e n , das G a n z e der D i n g e , die d e n M e n s c h e n o f f e n b a r w e r d e n . D i e s ist als παιδεία zu v e r s t e h e n . D e s h a l b w a r l a n g e Zeit in d e r A n t i k e P h i l o s o p h i e g l e i c h b e d e u t e n d m i t παιδεία κοινώς, w a s w i r u n g e f ä h r m i t »Bild u n g « , jedoch n i c h t m i t u n s e r e m h e u t i g e n » A l l g e m e i n b i l d u n g « ü b e r s e t z e n k ö n n e n . So stellt Cicero i m H i n b l i c k auf die f r ü h e A u s b i l d u n g des Begriffs » P h i l o s o p h i e « fest: O m n i s r e r u m optim a r u m cognitio a t q u e in iis e x e r c i t a t i o p h i l o s o p h i a n o m i n a t a est. 5 »Alles w u r d e P h i l o s o p h i e g e n a n n t , was e i n Verständnis der D i n g e in i h r e m e i g e n t l i c h e n W e s e n u n d ein S i c h a u s k e n n e n in d i e s e m W e s e n selbst ist.« M i t dieser E r w e i t e r u n g des Kreises des V e r s t e h b a r e n u n d m i t d e r A u s w e i t u n g des B e g r i f f s σοφία n i c h t n u r a u f M u s i k u n d D i c h t k u n s t , s o n d e r n a u c h auf W i s s e n s c h a f t u n d jede A r t d e r B i l d u n g s m ö g l i c h k e i t g e h t aber c h a r a k t e r i s t i s c h e r w e i s e e i n e E i n s c h r ä n k u n g e i n h e r : Dieses V e r s t e h e n e r f ä h r t an sich selbst G r e n z e n . Je m e h r der M e n s c h die Welt i m G a n z e n v e r s t e h e n l e r n t , e r f ä h r t er, d a ß dieses Verstehen n i c h t o h n e w e i t e r e s d a ist u n d in Besitz g e n o m m e n w e r d e n darf. D a s Verstehen b e d a r f e i n e r b e s o n d e r e n u n d s t ä n d i g e n B e m ü h u n g , die von v o r n h e r e i n g e t r a g e n sein m u ß von e i n e r u r s p r ü n g l i c h e n N e i g u n g zu d e n D i n g e n . D i e s e N e i g u n g , diese i n n e r e F r e u n d s c h a f t m i t d e n D i n g e n selbst ist das, was m i t φιλία b e z e i c h n e t w i r d — e i n e F r e u n d s c h a f t , die w i e j e d e e c h t e F r e u n d s c h a f t i h r e m W e s e n n a c h u m das, was sie liebt, k ä m p f t . Je m e h r d e r σοφός ein V e r s t e h e n d e r w i r d , d e r in e i n e m urs p r ü n g l i c h - f r e i e n , v e r t r a u e n d e n V e r h ä l t n i s zu d e n D i n g e n u n 5 Vgl. M. Tullii Ciceroms de oratore, hbri très, with introduction and notes by Augustus S. Wilkms, Oxford 1892, III, 60 (16), S. 459.
§ 7. Der Ausdruck
»Philosophie«
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ausgesetzt u m d e r e n Verständnis k ä m p f t , e n t d e c k t er sich als φιλόσοφος. Dieses V e r s t e h e n ist d a h e r nichts, was o h n e Z u t u n sich v e r w i r k l i c h t e , s o n d e r n was in die F r e i h e i t der E x i s t e n z a u f g e n o m m e n w e r d e n m u ß u n d allein so e x i s t e n t w i r d . D e r A u s d r u c k φιλόσοφος ist zuerst n a c h w e i s b a r bei H e r a k l i t , (Diels: F r a g m e n t 35) 4 . I m 5. u n d 6. n a c h c h r i s t l i c h e n J a h r h u n d e r t f i n d e n w i r bei » E i n l e i t u n g e n in die P h i l o s o p h i e « von E x e g e t e n s c h u l e n in A l e x a n d r i a sechs v e r s c h i e d e n e D e f i n i t i o nen: 5 1. γνώσιςτών δντων f) οντα έστί 2. γνώσις θείων τε καί, άνθρωπίνων πραγμάτων
1
, , απο του ύποκειμένου
έκ τοΰ τέλους 4. όμοίωσις θ ε φ κατά τό δυνατόν ά ν θ ρ ώ π φ 5. τέχνη τεχνών καί έπιστήμη έπιστημών — έκ τής ύπεροχής 6. φιλία σοψίας Weil die P h i l o s o p h i e diese f r e i e N e i g u n g h a t u n d s o m i t e i n e f r e i e G r u n d m ö g l i c h k e i t der E x i s t e n z ist, d e s h a l b s t e h t sie in G e f a h r , m i ß b r a u c h t u n d v e r k e h r t zu w e r d e n . D i e P h i l o s o p h i e k a n n sich g e b ä r d e n , als sei sie e i n e solche, a u c h w e n n sie dies doch n i c h t ist. Sie w i r d z u m S c h e i n u n d g e w i n n t g e r a d e als Schein die g r ö ß t e M a c h t u n d V e r f ü h r u n g . D a s h e i ß t : M i t d e m E r w a c h e n des Verständnisses d a v o n , d a ß dieses W e l t v e r s t e h e n i m G a n z e n die φιλία — die f r e i w i l l i g e , k ä m p f e n d e , e c h t e Nei* H e r m a n n Diels, Die F r a g m e n t e der Vorsokratiker. Erster Band, 4. Aufl., Berlin 1922. S. 85. 5 Ammon. in Porph. Isag. (Comm. in Arist. Graeca IV, 3) p.l ff.; David Prol. (Comm. m Arist. Gr. XVIII, 2) p. 20, 25 ff.; Elias (Comm. in Arist. Gr. XVIII, 1) p.7, 26 ff.
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Was heißt
Philosophie?
g u n g — f o r d e r t , w i r d a u c h das G e g e n t e i l , der Schein, o f f e n b a r , u n d jetzt b e k o m m t σοφιστής i m U n t e r s c h i e d zu φιλόσοφος die B e d e u t u n g des S c h e i n p h i l o s o p h e n , des G e g e n s p i e l e r s , der so a u s s i e h t wie ein P h i l o s o p h u n d doch k e i n e r ist, d e r a b e r m i t d i e s e m Schein seine G e s c h ä f t e m a c h t . W o P h i l o s o p h i e ist, da ist a u c h n o t w e n d i g Sophistik, n i c h t n u r zur Zeit P i a t o n s , s o n d e r n jederzeit, u n d h e u t e v i e l l e i c h t m e h r d e n n je. Ja, w e n n es so aussieht, als sei k e i n e Sophistik da, d a n n ist es a u c h m i t der P h i l o s o p h i e s c h l e c h t bestellt. D a h e r ist es vielleicht n i c h t das schlechteste Z e i c h e n , w e n n h e u t e d e r J o u r n a l i s m u s sich der P h i l o s o p h i e zu b e m ä c h t i g e n b e g i n n t . Aber es ist n i c h t so, d a ß auf der e i n e n Seite der P h i l o s o p h u n d auf d e r a n d e r e n der Sophist s t ü n d e ; s o n d e r n w e i l die P h i l o s o p h i e w e s e n t l i c h e i n e m e n s c h l i c h e , d . h . e n d l i c h e M ö g l i c h k e i t ist, d e s h a l b steckt in j e d e m P h i l o s o p h e n ein Sophist. D e r griechische A u s d r u c k ist zugleich A n z e i c h e n f ü r das inn e r s t e u n d l ä n g s t n i c h t in seiner z e n t r a l e n F u n k t i o n e r f a ß t e W e s e n der P h i l o s o p h i e : i h r e E n d l i c h k e i t . Diese ist n i c h t d a m i t b e g r i f f e n , d a ß m a n in s c h e i n b a r e r B e s c h e i d e n h e i t u n d in e i n e r g e w i s s e n R ü h r u n g schließlich e i n g e s t e h t , u n s e r W i s s e n sei S t ü c k w e r k . D i e P h i l o s o p h i e ist n i c h t d e s h a l b e n d l i c h , w e i l sie nie zu E n d e k o m m t . D i e E n d l i c h k e i t liegt n i c h t a m E n d e , sond e r n a m A n f a n g der P h i l o s o p h i e , das h e i ß t die E n d l i c h k e i t m u ß in i h r e m W e s e n in d e n Begriff d e r P h i l o s o p h i e a u f g e n o m m e n w e r d e n . E n t s c h e i d e n d ist n i c h t , die e i n m a l g e w o n n e n e n W e g e in der E n d l o s i g k e i t doch zu E n d e g e h e n zu w o l l e n , s o n d e r n je wieder einen neuen Weg einzuschlagen. E i n e letzte K e n n z e i c h n u n g f ü r d e n Begriff u n d das W o r t P h i l o s o p h i e k ö n n e n w i r u n s d e u t l i c h m a c h e n d u r c h e i n e n Vergleich m i t e n t s p r e c h e n d e n T i t e l n , die w i r zur B e z e i c h n u n g der W i s s e n s c h a f t e n w i e Zoo-logie, T h e o - l o g i e , A n t h r o p o logie oder P h i l o logie g e b r a u c h e n . D e r A u s d r u c k -logie e n t s p r i c h t d e m g r i e c h i s c h e n λόγος, d . h . O f f e n b a r m a c h e n , E r f a s s e n , B e s t i m m e n von etwas. Zoologie b e d e u t e t also das O f f e n b a r m a c h e n , E r f a s sen u n d E r k e n n e n der T i e r e , A n t h r o p o l o g i e das des M e n s c h e n ,
§ 7. Der Ausdruck
»Philosophie«
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T h e o l o g i e das Gottes. H i e r ist λόγος, -logie d e r A u s d r u c k f ü r die Art des E r f a s s e n s von b e s t i m m t e n G e g e n s t a n d s g e b i e t e n . I m A u s d r u c k P h i l o l o g i e d a g e g e n ist λόγος der G e g e n s t a n d d e r W i s s e n s c h a f t selbst, die S p r a c h e , R e d e ; f r e i l i c h l i e g t h i e r e i n e gewisse φιλία. N a c h A n a l o g i e d e r P h i l o l o g i e w ä r e in d e r P h i l o sophie d e r G e g e n s t a n d die σοφία. P h i l o s o p h i e ist a b e r n i c h t die Erkenntnis der Weisheit. P h i l o s o p h i e n e n n t n i c h t das, w a s d a b e h a n d e l t , e r k a n n t w e r d e n solle, s o n d e r n das W i e , die G r u n d a r t des Verhaltens. D a h e r s a g e n wir: P h i l o s o p h i e ist P h i l o s o p h i e r e n . A b e r so w i c h t i g diese W o r t e r l ä u t e r u n g sein m a g , w i r d ü r f e n u n s n i c h t d a r a n h ä n g e n u n d m e i n e n , n u n s c h o n e i n Verständnis der P h i l o s o p h i e g e w o n n e n zu h a b e n .
ZWEITES KAPITEL D i e Frage nach d e m W e s e n der W i s s e n s c h a f t
§ 8. Forläufige
Frage nach dem Wesen der aus ihrer Krisis
Wissenschaft
U m n u n aber zu klären, wie Wissenschaft als solche in der Philosophie liegt, so zwar, daß Philosophie nie Wissenschaft g e n a n n t w e r d e n darf, ist das Wesen von Wissenschaft vorläufig zu b e s t i m m e n . Die Frage, was Wissenschaft sei, w u r d e von den Griechen oft gestellt, sie ist alt, d . h . i m m e r neu. Es ist eine jener Fragen, die nicht dadurch zur R u h e k o m m e n , daß m a n eine h a n d l i c h e Def i n i t i o n bereit hat. Die Frage nach d e m Wesen der Wissenschaft d r ä n g t v i e l m e h r zu einer grundsätzlichen Besinnung. W e n n , wie wir b e h a u p t e t e n , W i s s e n s c h a f t eine der M ä c h t e unseres Daseins ist, d a n n b e s t i m m t sie dieses nicht n u r , sondern bringt, wie alles Wesentliche, eine spezifische U n - r u h e in das Dasein. Es ist kein Zufall, w e n n g l e i c h durch m a n c h e r l e i ä u ß e r e Verhältnisse veranlaßt, daß m a n in u n s r e r Zeit vielfach von der Krisis der Wissenschaft spricht, nicht n u r von der Krisis dieser oder jener Wissenschaft, etwa der Krisis der Physik oder der Krisis der Geisteswissenschaften in der m o m e n t a n e n Erschütt e r u n g durch Oswald Spengler. M a n spürt eine Krisis der Wissenschaft schlechthin. Freilich h e u t e - g e g e n ü b e r der L a g e vor w e n i g e n J a h r e n - ist schon wieder deutlicher zu erkennen, daß m a n versucht, dieser e r w a c h e n d e n Krisis auszuweichen u n d alle B e u n r u h i g u n g f e r n z u h a l t e n . D i e a l l g e m e i n e Biederkeit hat wieder die O b e r h a n d . Das ist f ü r uns freilich kein G r u n d , n u n auch die A u g e n zu schließen vor der Krisis, schon einzig deshalb nicht, weil diese Krisis keine zufällige N a c h k r i e g s e r s c h e i n u n g
S S. Frage nach der Wissenschaft
aus ihrer Krisis
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ist, w i e die m e i s t e n m e i n e n , s o n d e r n l a t e n t m d e r W i s s e n s c h a f t liegt. W e n n die Krisis z u m Wesen d e r W i s s e n s c h a f t g e h ö r t , k a n n e i n e B e s i n n u n g auf sie u n s d e m W e s e n der W i s s e n s c h a f t n ä h e r b r i n g e n . D u r c h e i n e K e n n z e i c h n u n g der h e u t i g e n Krisis der W i s s e n s c h a f t w o l l e n w i r n i c h t n u r ü b e r die h e u t i g e geistige L a g e e t w a s e r f a h r e n , s o n d e r n d a b e i etwas v o m W e s e n d e r Wiss e n s c h a f t zu f a s s e n v e r s u c h e n . W i r k ö n n e n von e i n e r d r e i f a c h e n Krisis d e r W i s s e n s c h a f t s p r e c h e n , die f a k t i s c h h e u t e in d e n e i n z e l n e n W i s s e n s c h a f t e n v e r s c h i e d e n g e l a g e r t , in v e r s c h i e d e n e n G r a d e n a u s d r ü c k l i c h u n d v e r s c h ä r f t ist. 1. D i e Krisis i m i n n e r e n W e s e n s b a u der W i s s e n s c h a f t selbst. 2. D i e Krisis der W i s s e n s c h a f t h i n s i c h t l i c h i h r e r S t e l l u n g i m Ganzen unseres geschichtlich-gesellschaftlichen Daseins. 3. D i e Krisis i m Verhältnis des E i n z e l n e n zur W i s s e n s c h a f t selbst. Es w ü r d e f r e i l i c h w e i t ü b e r die G r e n z e n dieser Vorlesung h i n a u s g e h e n u n d ein D u r c h d e n k e n der h e m m e n d e n u n d treib e n d e n i n n e r s t e n K r ä f t e u n s e r e r Zeit e r f o r d e r n , w o l l t e n w i r v e r s u c h e n , d i e Krisis i n diesen d r e i H i n s i c h t e n e i n g e h e n d e r zu s c h i l d e r n . E i n z e l n e H i n w e i s e f ü r die g e f o r d e r t e K e n n z e i c h n u n g des Wesens d e r W i s s e n s c h a f t m ü s s e n g e n ü g e n . Z u g l e i c h e r g i b t sich a b e r e i n e B e s i n n u n g , die a u c h f ü r s p ä t e r e Ü b e r l e g u n g e n bezüglich d e r P h i l o s o p h i e als solcher f ü r u n s w i c h t i g ist. a) D i e Krisis i m V e r h ä l t n i s des E i n z e l n e n zur W i s s e n s c h a f t W i r b e g i n n e n m i t d e r l e t z t g e n a n n t e n Krisis: d e r S t e l l u n g des E i n z e l n e n zur W i s s e n s c h a f t . N a c h d e m Krieg g i n g d e r R u f von der Revolution der Wissenschaft u m . Eine romantische Jugend w o l l t e ü b e r N a c h t die a l t e a k a d e m i s c h e W i s s e n s c h a f t a u s r o t t e n u n d d u r c h e i n e n e u e ersetzen. Was sich h i e r in e i n e r etwas l ä r m e n d e n F o r m ausprägte, war freilich nicht nur eine Nachk r i e g s e r s c h e i n u n g , s o n d e r n in d e n J a h r e n u n m i t t e l b a r vor 1914, als u n s e r e G e n e r a t i o n s t u d i e r t e u n d u n s ü b e r h a u p t n i c h t s zu
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Die Frage nach dem fVesen der
Wissenschaft
f e h l e n schien, w a r e i n e U n r u h e w a c h g e w o r d e n . W i r s p ü r t e n e i n e E r s t a r r u n g i m a k a d e m i s c h e n W i s s e n s c h a f t s b e t r i e b u n d in eins m i t dieser E r s t a r r u n g e i n e Spezialisierung, die n i c h t e t w a die K r ä f t e der A n e i g n u n g a n s p a n n t e — solche K r a f t z u m u t u n g e n k ö n n e n a u c h h e u t e n o c h h e i l s a m sein —, s o n d e r n e i n e Spezialis i e r u n g , h i n t e r d e r sich e i n e O h n m a c h t v e r b a r g , die O h n m a c h t , den primären u n d ursprünglichen Seinsgehalt der Wissenschaft n o c h i n e i n f a c h e r u n d d i r e k t zur E x i s t e n z s p r e c h e n d e r Weise zu vermitteln. Z u dieser E r s t a r r u n g u n d dieser S u c h t zur S p e z i a l i s i e r u n g i m B e t r i e b der a k a d e m i s c h e n W i s s e n s c h a f t k a m ein weiteres, was w i r n u r a h n t e n u n d n u r u n k l a r a u s z u d r ü c k e n v e r m o c h t e n : Es k o n n t e n i c h t l ä n g e r v e r b o r g e n b l e i b e n , d a ß bei allen F o r t s c h r i t ten der Einzelwissenschaften der Z u s a m m e n h a n g zwischen den W i s s e n s c h a f t e n u n d i h r e m G e h a l t a u f der e i n e n u n d e i n e m l e b e n d i g e n w i r k u n g s k r ä f t i g e n B i l d u n g s i d e a l auf der a n d e r e n Seite abgerissen war, u n d dieser R i ß n u r n o c h k ü n s t l i c h v e r d e c k t w u r d e . So e n t s t a n d e i n e w a c h s e n d e U n s i c h e r h e i t ü b e r die S t e l l u n g d e r W i s s e n s c h a f t als solche, s o w o h l in d e r Zeit d e r Z u g e h ö r i g keit zur U n i v e r s i t ä t als a u c h in i h r e r s p ä t e r e n A u s w i r k u n g i m D a s e i n . Diese U n s i c h e r h e i t in d e r existenziellen S t e l l u n g d e r W i s s e n s c h a f t i m D a s e i n h a t t e aber f ü r u n s vor d e m Krieg dad u r c h n o c h e i n e b e s o n d e r e S c h ä r f e , als w i r von d e n p o s i t i v e n inneren Möglichkeiten der Wissenschaft und ihrer zentralen D a s e i n s f u n k t i o n ü b e r z e u g t w a r e n u n d u n s d e s h a l b die I n t e n s i t ä t d e r Arbeit, a u c h der M i t a r b e i t i m E r s t a r r t e n u n d Spezialisierten, n i c h t a b s c h w ä c h e n l i e ß e n . Schließlich w u r d e diese U n s i c h e r h e i t d u r c h das Versagen d e r P h i l o s o p h i e k e i n e s w e g s b e h o b e n , weil d e r e n I n t e r p r e t a t i o n d e r W i s s e n s c h a f t , von der w i r n o c h h ö r e n w e r d e n , u n s e t w a s zu vergessen u n d zu v e r b e r g e n schien, w a s w i r n u r s p ü r t e n , a b e r a u ß e r s t a n d e w a r e n zu fassen. D a b e i m ö c h t e ich g l e i c h w o h l die positive F u n k t i o n d e r W i s s e n s c h a f t s t h e o r i e H e i n r i c h R i c k e r t s f e s t h a l t e n , die die d e u t sche P h i l o s o p h i e in d e r Z e i t vor d e m Krieg m a ß g e b l i c h beh e r r s c h t h a t t e ; sie w a r g e g e n ü b e r a l l e m Positivismus, w i e er sich
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Frage nach der Wissenschaft
aus ihrer Krisis
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r u n d u m b r e i t m a c h t e , g r u n d s ä t z l i c h ü b e r l e g e n . I n diese Situation, die ich aus e i g e n e r E r f a h r u n g n u r g a n z a l l g e m e i n h i e r g e k e n n z e i c h n e t h a b e u n d die h e u t e i m R ü c k b l i c k n a t ü r l i c h w e i t d e u t l i c h e r zu ü b e r s e h e n ist, als sie u n s d a m a l s o f f e n b a r w a r , b r a c h d e r Krieg h e r e i n . N a c h d e m Krieg w u r d e diese k r i t i s c h e S i t u a t i o n n i c h t verschärft, sondern gleichsam nur popularisiert. Diese innere Not g e g e n ü b e r d e r W i s s e n s c h a f t , die w i r n i c h t g e g e n sie ausspielten, w u r d e jetzt T h e m a v o n B r o s c h ü r e n u n d n u n , w i e solche Ans t e c k u n g sich v e r b r e i t e t , w a r jeder m i t der W i s s e n s c h a f t u n z u f r i e d e n . J e d e r g l a u b t e a u c h schon M i t t e l zu h a b e n , a b h e l f e n zu k ö n n e n u n d die U n i v e r s i t ä t zu r e f o r m i e r e n . V e r s c h ä r f t h a t t e sich der a l l g e m e i n e W i d e r w i l l e g e g e n die W i s s e n s c h a f t u n d d e r R u f n a c h R e v o l u t i o n der W i s s e n s c h a f t , n i c h t weil das Spezialistent u m u n d die E r s t a r r u n g sich g e s t e i g e r t h ä t t e n , s o n d e r n w e g e n Neuerungssucht und d e m phantastischen Glauben, mit Hilfe von P r o g r a m m e n die W i s s e n s c h a f t ä n d e r n zu k ö n n e n . M a n vergaß, erst e i n m a l sich E i n g a n g in die W i s s e n s c h a f t zu v e r s c h a f f e n , u m sie, w e n n schon, von i n n e n h e r u m z u b i l d e n . D i e Krisis w a r n i c h t s c h ä r f e r u n d ernster, s o n d e r n n u r l a u t e r g e w o r d e n . Was aber f r ü h e r u n s schon f e h l t e , die M ö g l i c h k e i t eines Verständnisses d e r W i s s e n s c h a f t als solcher i m G a n z e n i h r e s Wesens, dieser M a n g e l zeigt sich in s e i n e n b r e i t e n Folgen, o h n e d a ß es i m G r u n d e bis h e u t e e r k a n n t w ä r e . D a ß die S t e l l u n g der e i n z e l n e n Existenz zur W i s s e n s c h a f t in e i n e Krisis k o m m e n k a n n , h a t d o c h a m E n d e d a r i n s e i n e n G r u n d , d a ß ü b e r h a u p t u n b e s t i m m t u n d u n g e k l ä r t ist, w i e d e n n so etwas w i e W i s s e n s c h a f t i m m e n s c h l i c h e n D a s e i n als s o l c h e m w e s e n s m ä ß i g steht. Es ist das P r o b l e m des e x i s t e n z i a l e n W e s e n s der Wissenschaft. W e n n es a n d e r e r s e i t s g e l i n g e n sollte, diese F r a g e n a c h d e m W e s e n der W i s s e n s c h a f t als w i r k l i c h e s P r o b l e m s i c h t b a r u n d s p ü r b a r zu m a c h e n u n d gar e i n e W e s e n s e r k l ä r u n g des existenzialen W e s e n s der W i s s e n s c h a f t zu e r r e i c h e n , ist d a m i t keinesw e g s die f a k t i s c h e Krisis des E i n z e l n e n b e h o b e n . I m G e g e n t e i l ,
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Die Frage nach dem fVesen der
Wissenschaft
sie ist in e i n e r Weise v e r s c h ä r f t , d a ß e i n s i c h t i g w i r d , w i e u n m ö g l i c h von A n f a n g a n die r o m a n t i s c h e n Versuche sein m ü s s e n , Wissenschaft von außen her und gar durch eine künstliche Überwältigung und Überwindung mit Weltanschauung und d e r g l e i c h e n u m b i l d e n zu w o l l e n . S e i t d e m die Krisis sich i n B r o s c h ü r e n ö f f e n t l i c h b r e i t m a c h t e , ist n o c h n i c h t e i n m a l ein J a h r z e h n t verflossen, — u n d alles ist r u h i g g e w o r d e n u n d f ä h r t i m a l t e n Geleise — doch n i c h t i m alten; d e n n o h n e ü b e r Sie h e u t e a b u r t e i l e n u n d u n s e r e G e n e r a t i o n als besser k e n n z e i c h n e n zu w o l l e n : D i e I n t e n s i t ä t u n d d e r E r n s t der w i s s e n s c h a f t l i c h e n A r b e i t w a r e i n e a n d r e , a n d e r s gea r t e t e , m ö g e n h e u t e v i e l l e i c h t a u c h ebenso g u t e E x a m i n a b e s t a n d e n w e r d e n w i e f r ü h e r . Aber ob die Krisis ö f f e n t l i c h in B r o s c h ü r e n a b g e h a n d e l t w i r d oder n i c h t , ist u n w e s e n t l i c h . Sie ist a u c h da, w e n n es scheint, als sei alles i n O r d n u n g . D i e an d r i t t e r Stelle g e n a n n t e Krisis gibt u n s die H i n w e i s u n g d a r a u f , d a ß das W e s e n d e r W i s s e n s c h a f t o f f e n b a r i m Z u s a m m e n h a n g des m e n s c h l i c h e n D a s e i n s als solchen u n d aus dessen G r u n d v e r f a s s u n g b e g r i f f e n w e r d e n m u ß , d a ß d e m n a c h alle D e f i n i t i o n e n der W i s s e n s c h a f t , die n i c h t in dieser R i c h t u n g ges c h ö p f t sind, in e i n e m W e s e n t l i c h e n v e r s a g e n . Es folgt h i e r a u s , d a ß die W i s s e n s c h a f t n i c h t i r g e n d e i n G e b i l d e ist, zu d e m es d a n n a u c h n o c h n a t ü r l i c h ein p e r s ö n l i c h e s V e r h ä l t n i s gibt, das m a n aber a m b e s t e n d e m E i n z e l n e n ü b e r l ä ß t . G e w i ß m u ß das f a k t i s c h e k o n k r e t e Verhältnis zu e i n e r bes t i m m t e n W i s s e n s c h a f t jeweils d e r E i n z e l n e e n t s c h e i d e n , a b e r das ist n u r v o l l z i e h b a r i m U m k r e i s v o n M ö g l i c h k e i t e n , die sagen, w i e ü b e r h a u p t der S p i e l r a u m aussieht, i n n e r h a l b dessen d e r E i n z e l n e in e c h t e r Weise sich so oder so e n t s c h e i d e t . b) D i e Krisis der W i s s e n s c h a f t h i n s i c h t l i c h i h r e r S t e l l u n g i m G a n z e n des g e s c h i c h t l i c h - g e s e l l s c h a f t l i c h e n D a s e i n s D i e an zweiter Stelle g e n a n n t e Krisis b e t r i f f t die S t e l l u n g der W i s s e n s c h a f t i m G a n z e n des g e s c h i c h t l i c h - g e s e l l s c h a f t l i c h e n
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Daseins. Es w u r d e schon a n g e d e u t e t , d a ß m a n seit e i n i g e r Zeit deutlicher spürt, wie der Z u s a m m e n h a n g zwischen der Wissens c h a f t u n d e i n e m w i r k s a m e n B i l d u n g s i d e a l a b g e r i s s e n ist. Es ist n i c h t m e h r o h n e w e i t e r e s klar, auf w e l c h e Weise n i c h t n u r R e s u l t a t e d e r W i s s e n s c h a f t , s o n d e r n die w i s s e n s c h a f t l i c h e Bild u n g selbst ü b e r - u n d h i n e i n g e l e i t e t w e r d e n soll in das u n g e störte W a c h s t u m e i n e r e c h t e n B i l d u n g d e r m e n s c h l i c h e n Gemeinschaften. Die Ratlosigkeit gegenüber der Wissenschaft u n d i h r e r F u n k t i o n i m G a n z e n der » K u l t u r « ist u m so a u f d r i n g licher, als die B i l d u n g s - u n d D a s e i n s m ä c h t e , die n o c h w e i t h i n i m 19. J a h r h u n d e r t , w e n n a u c h o f t n u r n o c h als g u t e K o n v e n t i o n , die E x i s t e n z b e s t i m m t e n , - das klassische B i l d u n g s i d e a l , das d u r c h N a m e n wie G o e t h e u n d Schiller g e k e n n z e i c h n e t ist, u n d die c h r i s t l i c h e Religiosität, w e l c h e r Konfession a u c h i m m e r , — d a ß diese b e i d e n g e s c h i c h t l i c h e n K r ä f t e i h r e W i r k u n g s möglichkeit weitgehend eingebüßt haben. D a n u n die W i s s e n s c h a f t sich selbst in i h r e r E i g e n b e d e u t u n g f r a g l i c h g e w o r d e n ist u n d ein B i l d u n g s i d e a l u n d e i n e u r s p r ü n g l i c h e Z w e c k s e t z u n g n i c h t m e h r b e s t e h t , fällt sie g l e i c h s a m ins L e e r e . Freilich f ü r c h t e n w i r u n s davor, diese L a g e u n s rücksichtslos e i n z u g e s t e h e n . I n allen w e s e n t l i c h e n L a g e n , die kritisch w e r d e n k ö n n e n , v e r s u c h t d e r M e n s c h , sich d u r c h die F l u c h t in die K o n v e n t i o n oder d e n Ersatz zu r e t t e n . W a r u m jetzt das u n e n t w e g t e u n d w a h l l o s e B e m ü h e n u m P o p u l a r i s i e r u n g der W i s s e n s c h a f t e n ? V o l k s b i l d u n g s b e s t r e b u n g e n , die aus sozialen R ü c k s i c h t e n e r f o r d e r l i c h sein m ö g e n , sind d a f ü r je n u r Veranl a s s u n g e n u n d g ü n s t i g e G e l e g e n h e i t e n . W e n n diese T e n d e n z zur P o p u l a r i s i e r u n g von d e n W i s s e n s c h a f t e n selbst a u s g e h t u n d von i h n e n e m s i g b e t r i e b e n w i r d — viele G e l e h r t e a r b e i t e n n u r noch an H a n d b ü c h e r n und S a m m l u n g e n oft dritter u n d vierter Güte ( s y m p t o m a t i s c h ) —, d a n n m u ß sie a u c h in d e n W i s s e n s c h a f t e n selbst i h r e n G r u n d h a b e n . D i e s e r G r u n d ist ein d o p p e l t e r : 1. die i n n e r e Not, die B e d e u t u n g s l o s i g k e i t d e r W i s s e n s c h a f t , 2. der Mangel. D i e s e T e n d e n z zur P o p u l a r i s i e r u n g soll e i n e r d e u t l i c h gespür-
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ten u n d verstandenen Not abhelfen, für einen Mangel einen E r s a t z s c h a f f e n u n d d e r W i s s e n s c h a f t w i e d e r u m B e d e u t u n g vers c h a f f e n , u n d z w a r auf d e m Wege, d e r f a s t s e l b s t v e r s t ä n d l i c h ist, indem m a n ihre praktische W i r k u n g ausdrücklicher dokument i e r t . Allein ist es n i c h t dasselbe, W i s s e n s c h a f t p r a k t i s c h m a c h e n u n d W i s s e n s c h a f t p o p u l a r i s i e r e n ? W a r u m soll d e n n die P o p u l a r i s i e r u n g v o n W i s s e n s c h a f t so v o n Ü b e l sein? P o p u l a r i s i e r u n g d e r W i s s e n s c h a f t ist i n d e r T a t ein Übel, nicht wegen ihrer schlechten Folgen, sondern in i h r e m Wesen als e i n G r u n d m i ß v e r s t ä n d n i s , d . h . als e i n e i n n e r e Z e r s t ö r u n g des W e s e n s d e r W i s s e n s c h a f t selbst, als e i n e z u n e h m e n d e Vern i c h t u n g u n d V e r s c h ü t t u n g d e r M ö g l i c h k e i t e n , i h r die u r s p r ü n g l i c h e S t e l l u n g i n d e r G e s c h i c h t e des D a s e i n s z u r ü c k z u geben. Alle P o p u l a r i s i e r u n g d e r W i s s e n s c h a f t , m a g sie n o c h so s e h r v o n e r n s t e n M o t i v e n g e l e i t e t sein, ist e i n Verstoß g e g e n d e r e n W e s e n , w e i l sie v e r k e n n t , d a ß die W i s s e n s c h a f t n i e gleichgesetzt werden darf m i t ihren Resultaten, die d a n n in irgendeiner Zub e r e i t u n g v o n H a n d zu H a n d w e i t e r g e g e b e n w e r d e n . D i e s e G l e i c h s e t z u n g ist n i c h t e t w a d e s h a l b a b z u l e h n e n , w e i l d i e W i s senschaft i m sogenannten Fortschritt i m m e r wieder über ihre R e s u l t a t e h i n a u s w ä c h s t , s o n d e r n w e i l sie sich i m R e s u l t a t ü b e r h a u p t n i e als W i s s e n s c h a f t b e k u n d e t . P o p u l a r i s i e r u n g ist n i c h t n u r notwendig Verflachung der Wissenschaft, sondern innere E n t w e r t u n g d e r s e l b e n . P o p u l a r i s i e r u n g g e h t g e g e n das W e s e n d e r W i s s e n s c h a f t , w e i l das W e s e n t l i c h e d e r W i s s e n s c h a f t n i c h t i n d e m liegt, w a s bloß t r a d i e r b a r ist, v o n H a n d zu H a n d g e g e b e n werden kann, sondern was i m m e r n e u angeeignet wird. Diese u r s p r ü n g l i c h e A n e i g n u n g des W e s e n t l i c h e n ist a b e r n u r - m ö g lich i n d e r m i t S a c h g e h a l t u n d R e s u l t a t u n z e r t r e n n l i c h verw a c h s e n e n M e t h o d e . M e t h o d e m e i n t f r e i l i c h m e h r , als w a s g e m e i n h i n d a m i t b e z e i c h n e t w i r d ; M e t h o d e selbst ist m e h r als Technik. In der allgemeinen Ratlosigkeit über den Sinn der Wissens c h a f t ist die P o p u l a r i s i e r u n g a b e r n i c h t n u r e i n A u s w e g , auf
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d e m d e r W i s s e n s c h a f t n u n doch n o c h e i n e B e d e u t u n g v e r s c h a f f t w i r d u n d sogar e i n e solche, die a u f e i n e a l l g e m e i n e u n d d a h e r r e c h t z w e i f e l h a f t e S c h ä t z u n g i n d e n s o g e n a n n t e n » b r e i t e n Kreisen« r e c h n e n darf, s o n d e r n d e r Versuch, e i n e m v e r m e i n t l i c h e c h t e n M a n g e l a b z u h e l f e n , u m das zu v e r w i r k l i c h e n , w a s i n d e r Tat z u m W e s e n d e r W i s s e n s c h a f t g e h ö r t , d a ß d i e W i s s e n s c h a f t in sich selbst p r a k t i s c h ist. M a n w i l l die W i s s e n s c h a f t , d e r mit, einem heutigen Schlagwort »Lebensferne« vorgeworfen wird, w i e d e r l e b e n s n a h m a c h e n . I n dieser T e n d e n z l i e g t e t w a s E c h t e s , insofern m a n spürt, daß die Wissenschaften zwar rein theoretis c h e n C h a r a k t e r besitzen, d . h . d a ß sie die A u f g a b e h a b e n , p r i m ä r die W a h r h e i t u m d e r W a h r h e i t w i l l e n , a b g e s e h e n v o n j e d e m N u t z e n , zu u n t e r s u c h e n . A b e r die R e s u l t a t e m ü s s e n schließlich a u c h zu e t w a s d i e n e n - e i n e A r g u m e n t a t i o n , die jedem einleuchtet. D i e F r a g e b l e i b t a b e r , ob d e r e i g e n t l i c h e p r a k t i s c h e C h a r a k ter der Wissenschaft in der möglichen Nutznießung besteht. Das ist f ü r u n s d u r c h d i e s o g e n a n n t e n T r i u m p h e d e r T e c h n i k a u f G r u n d d e r N a t u r w i s s e n s c h a f t e i n e S e l b s t v e r s t ä n d l i c h k e i t gew o r d e n . D i e s e A u f f a s s u n g des p r a k t i s c h e n C h a r a k t e r s d e r W i s s e n s c h a f t setzt w i e d e r voraus, d a ß i h r e W a h r h e i t i n d e n R e s u l t a t e n b e s t e h t , die d a n n a u c h n o c h a n g e w e n d e t u n d verw e n d e t w e r d e n . Allein d i e W i s s e n s c h a f t w i r d n i c h t erst p r a k tisch d u r c h A n w e n d u n g i h r e r R e s u l t a t e , s o n d e r n sie ist i n sich selbst p r a k t i s c h u n d w i r k t sich als solche u n m i t t e l b a r aus, w e n n n u r b e g r i f f e n w i r d , w o r i n i h r e W a h r h e i t b e s t e h t . So e n t s p r i n g t a u c h d i e Krisis h i n s i c h t l i c h d e r S t e l l u n g d e r W i s s e n s c h a f t i m Gaoizen d e r K u l t u r aus e i n e r e i g e n t ü m l i c h e n V e r k e n n u n g des Wesens der W i s s e n s c h a f t , des W e s e n s der i h r e i g e n t ü m l i c h e n Wahrheit. D e r p r a k t i s c h e C h a r a k t e r der e i n z e l n e n W i s s e n s c h a f t e n ist v e r s c h i e d e n , a b e r n i c h t l e i c h t zu b e s t i m m e n . A m Beispiel d e r M e d i z i n bzw. d e r m e d i z i n i s c h e n A n t h r o p o l o g i e l ä ß t sich e r l ä u tern, wie der praktische Charakter der Medizin zum Problem g e w o r d e n ist, o b w o h l sie eo ipso e i n e p r a k t i s c h e W i s s e n s c h a f t
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ist. Zwar sind ihre Resultate unbestreitbar, aber es sind Fragen wachgeworden, ob denn das ganze medizinische Erkennen in denjenigen Horizont gestellt sei, daß innerhalb des Ganzen dieser Erkenntnisse eine solche Existenzform w i e die des Arztes unmittelbar erwachsen kann. Es besteht die merkwürdige Tatsache, daß die j u n g e n M e n s c h e n medizinische Kenntnisse haben, aber nie erfahren, was ein Arzt ist, daß medizinische Erkenntnis u n d Existenz als Arzt innerlich z u s a m m e n h ä n g e n , daß mithin, w e n n m a n so sagen darf, i n der Medizin irgendwo ein fauler Fleck ist, solange dieses Verhältnis nicht geklärt ist. Dasselbe Problem — m i t den entsprechenden A b w a n d l u n g e n — entsteht und ist latent in allen Wissenschaften, auch in denjenigen, die scheinbar gar kein Verhältnis zur Praxis haben. W e n n unsere Behauptung, daß die Wissenschaft in sich selbst praktisch ist, zurecht besteht, m u ß es m i t d e m theoretischen Charakter der Wissenschaft e i n e e i g e n e Bewandtnis haben. Was >theoretisch< besagt, m u ß sich dann aus d e m Wesen der Wahrheit der Wissenschaft bestimmen. So kündigt sich schon an, daß a m E n d e diese z w e i t g e n a n n t e Krisis m i t der an dritter Stelle g e n a n n t e n u n d vorhin besproc h e n e n dieselbe g e m e i n s a m e Wurzel hat, daß irgendwo ursprünglich begründet sein m u ß , w a r u m sowohl die Stellung des E i n z e l n e n zur Wissenschaft als auch die Stellung der Wissenschaft i m Ganzen der Kultur jeweils als zwar notwendige, aber doch nachträgliche u n d äußerliche Zugaben zur Wissenschaft gefaßt werden. Zur Wissenschaft gibt es also »auch noch«, gewissermaßen von außen angeklebt, ein persönliches Verhältnis, u n d die Wissenschaft hat »auch noch« eine praktische Bezieh u n g zu den übrigen Möglichkeiten des Daseins. Dieses »auch noch« ist aber das Anzeichen, daß das, w o v o n die R e d e ist, nicht aus d e m Wesen der Wissenschaft begriffen ist, u n d zwar deshalb nicht, w e i l es bei der herrschenden Auffassung der Wissenschaft nicht begriffen werden kann. D i e g e m e i n s a m e Wurzel der beiden Krisen k a n n nicht gefaßt werden, w e i l das Wesen der Wissenschaft von vornherein nicht
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zureichend bestimmt, d.h. unterbestimmt ist. D e r Horizont für eine m ö g l i c h e W e s e n s b e s t i m m u n g der Wissenschaft ist sowohl zu schmal als auch zu dunkel. Es scheint demnach, daß w i r die Wurzel der Krisis unmittelbar treffen, w e n n wir uns auf die an erster Stelle g e n a n n t e Krisis besinnen, die nach unserer Formulierung den inneren Wesensbau der Wissenschaft selbst betrifft. Aber wir sahen schon in d e n bisherigen Überlegungen, daß die Krisen i m m e r nur eine A n w e i s u n g darauf geben, w o ihre Wurzel zu suchen ist, nicht aber, w o diese selbst zu f i n d e n ist. c) » D i e Krisis i m inneren Wesensbau der Wissenschaft selbst D i e Krisis i m Wesensbau der Wissenschaft bekundet sich in dem, was m a n heute m i t e i n e m Schlagwort gern als Grundlagenkrise bezeichnet. So spricht m a n von einer Grundlagenkrise der Mathematik. Obwohl sie für Mathematiker und Philosop h e n heute noch völlig undurchsichtig ist, hat gerade sie eine gewisse Popularität erreicht, weil die Krise e i n e Wissenschaft betrifft, die m a n seit Jahrtausenden für schlechthin unerschütterlich hielt, in der es - nach der Vorstellung ungeschichtlicher Wissenschaft - von einer Entdeckung zur nächsten weiterginge. Aber diese Grundlagenkrisis besteht nicht nur in der Mathematik, und sie besteht nicht nur erst heute, sondern diese Krisis w o h n t in jeder Wissenschaft, seitdem es Wissenschaft gibt. Das heißt: Was sich in d e m Schlagwort Grundlagenkrisis anzeigt, gehört zum Wesen der Wissenschaft. Von außen g e s e h e n ist es zunächst merkwürdig, daß die Wissenschaften, die der Grundlagenkrisis unterliegen, nicht i n sich zusammenbrechen, sondern i m G e g e n t e i l oft - denken wir nur an die h e u t i g e Physik u n d auch die Biologie — in einer großen Entwicklung stehen. M a n spricht v o n Grund-lagen-krisis, Erschütterung der F u n d a m e n t e - u n d dennoch gerät der Bau nicht ins Wanken. Weil das Bild von Grundlage, F u n d a m e n t u n d Bau nicht allzuviel aussagt, gilt es näher auszumachen, was hier Grundlage einer Wissenschaft bedeutet.
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D i e Wissenschaften b e w e g e n sich in b e s t i m m t e n Aussagen, Sätzen und Begriffen, u n d diese sind in ihrer Gesamtheit bes t i m m t durch Grund-sätze u n d Grund-begriffe. So spricht m a n davon, durch die neueste Physik sei der bisherige Begriff der Kausalität, der Ursache u n d Verursachung unbrauchbar geworden, i m g l e i c h e n der Begriff Materie. I n der Biologie wächst die Einsicht in die N o t w e n d i g k e i t einer n e u e n oder erstmaligen U m g r e n z u n g dessen, was L e b e w e s e n , Organismus besagt. M a n beginnt einzusehen, daß die C h e m i e eine außerordentlich hochstehende und reiche Wissenschaft ist, daß es aber doch nicht angeht, durch den bloßen C h e m i s m u s den Organismus u n d sein Wesen erfassen zu wollen. In der Philologie wird von allen Seit e n eine neue Besinnung w a c h auf das Wesen der Sprache, auf eine N e u b i l d u n g der Idee u n d der Struktur der Grammatik sowie auf den Begriff u n d das Wesen der »Literatur« u n d »Literaturgattungen«. In der Historie wächst die Einsicht: Das Verständnis des Geschichtlichen ist nicht beliebig und doch w e sentlichen W a n d l u n g e n unterworfen, w i e sie die Naturwissenschaften nicht kennen, w e n n auch diese e i g e n e Gesetze ihrer Ausbildung haben. In der christlichen Theologie, natürlich nur in der protestantischen, sucht m a n nach e i n e m n e u e n Verständnis der Begriffe Glaube, Offenbarung. D i e s sind beliebige u n d äußerliche Beispiele dafür, daß solche für die einzelnen Wissenschaften l e i t e n d e n Begriffe schwankend g e w o r d e n sind u n d daß nach einer n e u e n U m g r e n zung gesucht wird, m i t m e h r oder m i n d e r viel Glück, m i t m e h r oder minder guter Einsicht in die m ö g l i c h e n Wege. Allerdings ist die Sachlage n u n nicht so, daß die Forscher sich e t w a einhellig u m die n e u e Klärung u n d Sicherung der Grundbegriffe b e m ü h t e n , ja auch nur e i n m ü t i g die N o t w e n d i g k e i t einer solchen zugäben. I m Gegenteil, die m e i s t e n sperren sich dagegen und s e h e n in solchen Versuchen ein Eindringen v o n Mystik und Metaphysik in ihre Wissenschaft. M a n w i l l von d i e s e m v e r s c h w o m m e n e n u n d a l l g e m e i n e n Zeug nichts wissen, zumal dann nicht, w e n n diese « vermeintliche Revision der
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Grundlagen der Wissenschaft m i t irgendeiner überschwenglichen Weltanschauung u n t e r n o m m e n und m e h r m i t schlecht e m Pathos als m i t g u t e n Gründen gepredigt wird. G e g e n ü b e r diesen fragwürdigen E x p e r i m e n t e n beruft m a n sich auf die Gründlichkeit u n d Stetigkeit der Spezialforschung u n d lehnt alle solche N e u e r u n g e n ab. Wo m a n eine solche B e s i n n u n g als n o t w e n d i g zugibt, glaubt m a n jedoch, die bisherigen Mittel der so hoch entwickelten e i g e n e n Wissenschaft reichten aus, diese Arbeit selbst zu erledigen — also z.B. das Wesen u n d die Grundlagen der Mathematik m a t h e m a t i s c h begreifen zu können. So k o m m t es, daß die Wissenschaften und ihre Vertreter auf der e i n e n Seite sich auf gesicherte Tatsachen u n d M e t h o d e n berufen — ein Starrsinn, der sich hinter die M e n g e der Resultate verschanzt, — u n d auf der anderen Seite allzu schnell m i t irgendwoher erborgten u n d äußerlich an die W i s s e n s c h a f t herangebrachten philosophischen Begriffen und I d e e n operieren. In der Krise der Wissenschaft sind sie hin- u n d h e r g e w o r f e n zwischen j e n e m Starrsinn und einer Überschwenglichkeit neuerungssüchtiger S t i m m u n g und k o m m e n dabei nicht v o n der Stelle. So m u ß m a n zugestehen, daß diese Grundlagenkrisen nicht ernsthaft ergriffen u n d verstanden sind, daß sie nur zeigen, w i e u n g e h e u e r w e i t die Wissenschaften h e u t e — bei allen Fortschritten u n d allen Resultaten — von e i n e m Verständnis auch nur der Krisis als solcher, d.h. von der Einsicht in das Wesen der Wissenschaft, entfernt sind. Aber vielleicht ist ein solches Selbstverständnis der Wissenschaft gar nicht notwendig, w e n n nur der sogenannte Fortschritt der Wissenschaft sich u n g e h e m m t jeden Tag weiter auswirkt. Was soll eine D e f i n i t i o n etwa der Physik für ihre Fortschritte, w e n n sie gar so unverständlich für die Physiker ist w i e alle philosophischen Theorien? »Was sollen wir damit anfangen?« lautet die übliche und fast spontane Frage in den Einzelwissenschaften gegenüber solchen grundsätzlichen Bem ü h u n g e n . D e r Mathematiker braucht gar nicht zu wissen, worin das Wesen der Mathematik besteht, w e n n er nur richtige
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u n d brauchbare Resultate findet. Doch am Ende ist der sachliche Fortschritt i m Bereich der Tatsachen, den man so w i c h t i g n i m m t , gerade der Grund für dieses Nichtsanfangenkönnen m i t einer grundsätzlichen Besinnung, zugleich auch der Grund für die innere N o t der Wissenschaft, die man sich selten ganz o f f e n eingesteht, die aber in all die Auswege hineintreibt, die wir andeuteten. So weicht m a n selbst dieser inneren Krisis der Wissenschaft aus, w e i l m a n schon gar nicht versteht, wie hier ernsthaft u n d fruchtbar gefragt werden kann. Vielleicht ist es in der Tat so, daß weder die einzelne Wissenschaft von sich aus in der üblichen Selbstkenntnis noch eine von außen herangebrachte Philosophie die Krisis auch nur wecken kann. Mit diesem E n t w e der-Oder wird die Wurzel der Krisis überhaupt nicht erreicht. D i e Frage bleibt freilich, ob es nur das Versagen der Philosophie auf der e i n e n und das N i c h t w o l l e n der Wissenschaft auf der anderen Seite sind, was die echte Krisis nicht wach werden läßt, — oder aber ob es daran liegt, daß sowohl die Philosophie als auch die Wissenschaften m i t einer Wissenschaftsidee operieren, die nicht zureicht, das Problem zu verstehen. Das letztere ist in der Tat der Fall. W i r stehen nicht so ursprünglich in der Wissenschaft, u m ihre Krisis von Grund aus zu fassen, d.h. von ihr selbst kritisch i m ernsten Sinne erfaßt zu werden. Wir haben die Wissenschaft nicht so elementar und durchsichtig zu eigen, u m in der Wissenschaft selbst an deren Grenzen stoßen zu können, u m an diesen Grenzen der Wissenschaft das zu verstehen, w a r u m sie nicht zufällig, sondern n o t w e n d i g als Wissenschaft umgrenzt ist. Solange es nicht dahin kommt, daß die Forscher in den einzelnen Wissenschaften einsehen, daß sie m i t den Mitteln ihrer Wissenschaft diese grundsätzlich nie begreifen u n d auf den Grund bringen können, solange ist alle Grundlagenforschung vergeblich. D i e Mathematik läßt sich nicht m a t h e m a tisch begreifen, und das Wesen der Philologie werden keine P h i l o l o g e n m i t philologischen Methoden aufhellen.
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W i r m ü s s e n erst verstehen lernen, was Grundlage einer Wissenschaft heißt u n d i n w i e f e r n Krisis der Grundlage gerade die w e s e n h a f t e n Grenzen der Wissenschaft als solcher offenbart. Ob diie Krisis der Wissenschaften heute öffentlich weiter verhandelt wird oder nicht u n d wie, ist nicht wesentlich; entscheidend aber ist, ob wir w i l l e n s und stark g e n u g sind, uns für den D u r c h g a n g oder besser E i n g a n g i n die Krisis vorzubereiten. D e n n die Krisis soll nicht überwunden, sondern l e b e n d i g werden, u n d nicht dazu, daß Wissenschaften nur besser und in ihren Fortschritten u n g e h e m m t e r und schneller würden, sondern dazu, daß die Wissenschaften überhaupt so existent w e r d e n können, w i e sie es i h r e m Wesen nach wollen. Aber diese W a n d l u n g in der Stellung der Existenz zur Wissenschaft ist nicht Sache der Organisation und des Betriebs, u n d sie k o m m t nicht über Nacht. Es ist charakteristisch für die heutige Zeit, daß, selbst w e n n wir gewisse echte Möglichkeiten u n d Aufgaben begriffen haben, wir noch nicht gelernt haben, was zu ihrer Verwirklichung gehört. W i r k ö n n e n nicht m e h r warten, u n d das heißt, wir h a b e n verlernt, daß die erste Aufgabe jeder Generation, die etwas will, darin besteht, daß sie sich für die k o m m e n d e opfert, o h n e Resignation, v i e l m e h r m i t der inneren Kraft u n d Sicherheit dessen, der begriffen hat, daß i n allen echten m e n s c h l i c h e n L e i s t u n g e n jeder für jeden »nur« Vorläufer sein kann. Wesentlich ist nicht Programm u n d Betrieb, sondern das innere Wachstum der Geschichte in der einzelnen Generation. Es gilt, nicht zu reden, sondern zu wirken. W i e , das versuchen wir zu verstehen. Ob Sie es verstehen u n d wirklich handeln, habe ich nicht in der Hand. Nur das eine m a g noch gesagt sein, bevor wir aufhören, über die Krisis zu sprechen: Es wäre blinder Eifer, w e n n Sie n u n z u m Beispiel in S e m i n a r ü b u n g e n Ihres Faches plötzlich a n f i n g e n zu erzählen, daß die Wissenschaften eigentlich in einer Krisis ständen, u n d w e n n Sie versuchten, Ihre Wissenschaft m i t H i l f e einer Heideggerschen Terminologie zu reformieren.
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Die Frage nach dem fVesen der § 9. Neue
Besinnung
Wissenschaft
über das Wesen der
Wissenschaft
D i e Erörterung der dreifachen Krisis ergab f o l g e n d e Fragen: 1. W i e steht so etwas w i e Wissenschaft überhaupt im m e n s c h l i c h e n Dasein? 2. In w e l c h e m Sinne ist die Wissenschaft »praktisch«? 3. Was.heißt Grundlage der Wissenschaft, u n d inwiefern offenbart sich an ihr eine innere Grenze i m Wesen der Wissenschaft? D i e Kennzeichnung der Krisis bezüglich der Stellung des einzelnen zur Wissenschaft ergab, daß nicht nur eine Unklarheit darüber besteht, w i e der einzelne sich zur Wissenschaft verhalten soll, sondern daß grundsätzlich überhaupt nicht gefragt ist, in w e l c h e m Sinne die Wissenschaft als solche im D a s e i n des M e n s c h e n steht. Entsprechend liegt in der Krisis der Wissenschaft bezüglich ihrer Stellung i m Ganzen der geschichtlichen Wirklichkeit, daß sie sich formulieren läßt als die Frage nach d e m wesentlich praktischen Charakter der Wissenschaft. M a n spürt, daß die Wissenschaft, gerade w e n n sie i m eigentlichen und echten Sinn e theoretisch ist, trotzdem nicht abgelöst freischwebend sein kann gegenüber d e m konkreten D a s e i n der Geschichte, und m a n sucht aus dieser Unklarheit u n d U n b e s t i m m t h e i t des Ziels der Wissenschaft e i n e n A u s w e g durch die heute besonders starke Tendenz zur Popularisierung. W i r sahen aber, daß diese nicht ein zufälliger M a n g e l der Wissenschaft ist, sondern ein Verstoß g e g e n ihr inneres Wesen. Wissenschaft läßt sich i h r e m Sinne nach nicht popularisieren. Was m a n i m Grunde damit will, ist, die Wissenschaft praktisch m a c h e n , ohne daß m a n e i g e n t l i c h versteht, worin der praktische Charakter der Wissenschaft besteht; aber nur, w e n n m a n diesen geklärt hat, läßt sich a u c h ausmachen, i n w i e f e r n zu jeder Wissenschaft eine gewisse Technik gehört u n d w e l c h e Stellung u n d Rolle sie i m l e b e n d i g e n D a s e i n der Wissenschaft selbst hat. Schließlich m a c h t e uns die Krisis i m inneren Wesensbau der
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oder w i e m a n heute sagt, die »Grundlagenkrisis der W i s s e n s c h a f t « deutlich, daß es sich in ihr eigentlich darum h a n d e l t , das Selbstverständnis der einzelnen Wissenschaften so klar u n d ursprünglich auszubilden, daß darin die Wissenschaften ihre eigene Grenze erkennen, u m zugleich das aufleuchten z u s e h e n , was diese Grenze bestimmt, d.h., das andere, was die W i s s e n s c h a f t selbst noch trägt, von der Wissenschaft selbst als W i s s e n s c h a f t aber nicht begriffen, ja nicht e i n m a l befragt werden k a n n . Diesie Grundlagenkrisis ist diejenige, die, w e n n sie recht verstanden wird, die Endlichkeit der Wissenschaft in e i n e m ursprünglichen Sinne klarmacht, d.h. sie m a c h t offenbar, daß die Wissenschaft eine w e s e n h a f t e Möglichkeit der Existenz des M e n s c h e n ist.
Wissenschaft,
Zugleich ergab die Erörterung, daß diese Fragen weder von den Wissenschaften selbst noch aber durch irgendeine v o n außen an die Wissenschaft herangeführte Philosophie beantwortet w e r d e n köninen. Es gilt vielmehr, in der Erhellung des Wesens der Wissenschaft an deren Grenze zu stoßen, u m in der U m g r e n z u n g etwas anderes anzutreffen. Doch sollen die Fragen jetzt nicht der R e i h e nach beantwortet w e r d e n , v i e l m e h r setzen wir, unter Festhaltung der Fragen, m i t einer n e u e n B e s i n n u n g über das Wesen der Wissenschaft ein. Wenn wir so> m i t t e n heraus fragen: »Was ist Wissenschaft?«, d a n n kommen' wir in eine große Ratlosigkeit. Zwar bieten sich sofort allerlei Antworten an; das ist das A n z e i c h e n dafür, daß das, dessen Wesen wir suchen, uns nicht schlechthin unbekannt ist. So können wir auf die Frage, was Wissenschaft sei, beispielsweise antworten: Wissenschaft ist da, w o es Institute gibt, in denen mit H i l f e v o n Apparaten Untersuchungen angestellt werden. Diese Aussage gilt vielleicht für alle Naturwissenschaften und die Medizin, nicht aber für die Geisteswissenschaften. D o c h w i e ist es m i t der Musikwissenschaft, die wir zu den historischen
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Die Frage nach dem fVesen der
Wissenschaft
Geisteswissenschaften rechnen? Sie hat auch Institute und sogar »Instrumente« w i e Cembalo oder Hammerklavier, die aber offenbar e i n e ganz andere Funktion als etwa ein Elektroskop oder ein T h e r m o m e t e r haben. I m Grunde benötigen aber alle Wissenschaften technisches Handwerkszeug — u n d w e n n es nur Bücher sind. Wissenschaft ist das in Büchern Gedruckte. Allerdings hat das Buch in der Philologie eine andere Funktion als das Bürgerliche Gesetzbuch in der Rechtswissenschaft oder die Bibel in der Theologie. Es ist fraglich, ob m i t diesem Handwerkszeug, den Büchern — doch nicht alle Bücher sind Handwerkszeug —, das Wesen der Wissenschaft gekennzeichnet ist. Vielleicht folgt aus d e m Wesen der Wissenschaft, daß sie auf eine solche Technik, auf Institute, Bücher, Apparate angewiesen ist; aber die Wesensfolge ist nicht das Wesen selbst, und so kann der H i n w e i s auf die technische Konkretion in der Wissenschaft sehr wesentlich und doch nur äußerlich sein. W i r verlangen d e m g e g e n ü b e r aber eine innere B e s t i m m u n g des Wesens und f i n d e n sie vielleicht, w e n n wir fragen, wozu die ganze Apparatur dient. D i e Apparate haben nur Sinn u n d Zweck i m D i e n s t e der Forschung. Das Forschen ist ein E r k e n n e n w o l l e n nicht beliebiger Art u n d nicht m i t Bezug auf beliebige Objekte, sondern untersuchendes Erkennen, das m e t h o d i s c h u n d systematisch i m Umkreis einer Ordnung v o n b e s t i m m t u m g r e n z t e n Fragen vorgeht u n d vor a l l e m auf e i n e Erkenntnis abzielt, die möglichst exakt bewiesen und a l l g e m e i n g ü l t i g ausgearbeitet werden soll. a) Wissenschaft als methodische, systematische, exakte und a l l g e m e i n g ü l t i g e Erkenntnis D i e Prädikate άκριβής u n d καϋόλου sind von alters her der Erkenntnis der Wissenschaft zugesprochen worden. So k ö n n e n wir sagen: Wissenschaft ist methodische, systematische, exakte und a l l g e m e i n g ü l t i g e Erkenntnis. Gerade die beiden letzten Prädikate gelten v o n jeher als auszeichnende B e s t i m m u n g e n der
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M a n beruft sich oft auf Kant, der e i n m a l sagte: »Ich b e h a u p t e aber, daß in jeder besonderen Naturlehre nur soviel e i g e n t l i c h e Wissenschaft angetroffen w e r d e n könne, als 1 d a r i n M a t h e m a t i k anzutreffen ist.« Eine Wissenschaft ist nur s o w e i t w i s s e n s c h a f t l i c h , als sie mathematisierbar ist. Also sind d i e G e i s t e s w i s s e n s c h a f t e n überhaupt keine Wissenschaften, so-
Wissenschaft.
f e r n sie sich der M a t h e m a t i s i e r u n g g r u n d s ä t z l i c h
widersetzen.
ist Mathematik dann die eigentliche Wissenschaft, d e n n sie ist ja doch die exakteste u n d ihre Ergebnisse sind schlechthin allgemeingültig. So lautet die landläufige Auslegung des kantischen Satzes. Ob aber all das aus d i e s e m Satz f o l g t , j a ob er, recht besehen, überhaupt den Sinn hat, d e n m a n ihm d a b e i gibt, w i r d sich später zeigen. Exaktheit gilt als Kennzeichen der Wissenschaft, u n d exakte Beweise sind Ziel u n d Stolz wissenschaftlicher Begründung. D i e Exaktheit aber beruht auf d e m m a t h e m a t i s c h e n Charakter der betreffenden Wissenschaft. Dieser m a t h e m a t i s c h e Charakter kann jedoch einer Wissenschaft n i c h t einfach a u f g e z w u n g e n werden, w e i l m a n sich v o r g e n o m m e n hat, sie als eine exakte auszubilden. Was in der betreffenden Wissenschaft Gegenstand werden soll, m u ß v o n sich aus allererst eine m a t h e m a t i s c h e Bestimmbarkeit zulassen oder abweisen. Wenn so die Möglichkeit der Mathematisierung einer Wissenschaft i m Sachgehalt u n d in der Seinsart des Gegenstandsgebietes liegt, dann bedarf es überdies aber noch der Motivier u n g der N o t w e n d i g k e i t einer solchen. So g e w ä h r e n die L e b e w e s e n als ausgedehnte Körper eine gewisse m a t h e m a t i s c h e B e s t i m m b a r k e i t , aber die unbegrenzte Verwirklichung dieser Möglichkeit wäre ein Verfehlen der Absicht, d e n Organismus als solchen zu erfassen u n d zu bestimmen. Exaktheit der Erkenntnis kann also m i t Bezug auf den zu erkennenden Gegenstand
Andererseits
' I m m a n u e l Kant, Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft. Vorrede, V IX In: I m m a n u e l Kants Werke, hrsg. von Ernst Cassirer. Band IV, Bprhn 1922, S. 372.
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Wissenschaft
gerade u n a n g e m e s s e n sein. D i e s e Un-angemessenheit, diese N i c h t - Ü b e r e i n s t i m m u n g m i t dem, was der Gegenstand fordert, ist e i n e f u n d a m e n t a l e Form von Unwahrheit. Exaktheit kann in einer Wissenschaft U n w a h r h e i t m i t sich führen; sie gehört also nicht w e s e n s n o t w e n d i g zur Wahrheit. W e n n wir unter Strenge der Wissenschaft die Art und Weise verstehen, w i e die d e m Gegenstand a n g e m e s s e n e Erkenntnis g e w o n n e n u n d b e s t i m m t w e r d e n kann, dann begründet Exaktheit nicht n o t w e n d i g die Strenge einer Wissenschaft. So bedeutete der i m 19. Jahrhundert u n t e r n o m m e n e Versuch, die historische Erkenntnis der mathematisch-naturwissenschaftlichen anzugleichen, e i n e n w e s e n t l i c h e n Verstoß g e g e n die spezifische Strenge der historischen Erkenntnis. E i n e Wissenschaft braucht, u m als strenge zu gelten, nicht exakt zu sein. Wohl aber ist dennoch das Ideal jeder Wissenschaft die Strenge ihrer Erkenntnisse. Vielleicht ist die Strenge als Exaktheit in den Naturwissenschaften viel leichter zu g e w i n n e n als die Strenge der spezifisch unexakten Wissenschaften, die deshalb nicht weniger streng sind. Auch w e n n wir sagen, daß zur Wissenschaft Strenge ihrer Erkenntnis gehört, h a b e n wir die gesuchte Wes e n s b e s t i m m u n g der Wissenschaft nicht gefunden. Der Charakter der Strenge m a g vielleicht ein für die Wissenschaft notwendiger sein, aber die Frage bleibt, ob er auch schon eine ursprüngliche B e s t i m m u n g von Wissenschaft ist. Dieser Charakter der Strenge kann auch nur n o t w e n d i g aus ihrer inneren Wesensverfassung folgen. b) Wissenschaft u n d Wahrheit adaequatio intellectus ad r e m D a ß d e m so ist, e n t n e h m e n wir leicht aus dem, w i e wir die Strenge gekennzeichnet haben: die Art und Weise, w i e die dem Gegenstand a n g e m e s s e n e Erkenntnis g e w o n n e n und bestimmt w e r d e n kann. Strenge ist d e m n a c h ein bestimmter C h a r a k t e r der A n e i g n u n g der Gegenstandsangemessenheit der E r k e n n t -
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über das Wesen der Wissenschaft
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Diese A n g e m e s s e n h e i t der Erkenntnis ist i n der scholastis c h e n D e f i n i t i o n von Wahrheit erfaßt: Adaequatio intellectus ad nis
rem. S t r e n g e i s t der Modus der Wahrheitsgewinnung, sie hat also nur Sinn u n d Funktion innerhalb der Wissenschaft, sofern diese a u f E r f a s s u n g der Wahrheit abzielt. Wissenschaftliche Forschung u n d Lehre ist untersuchendes Erkennen, eine bestimmte Art des Suchens, Findens, Zueignens, Behaltene, Mitteilens von W a h r h e i t . Die Kennzeichnung v o n Wissenschaft als einer b e s t i m m t e n Art von Erkenntnis, von Abzielen auf Wahrheit ist a m Ende u n b e s t r e i t b a r , -aber i n dieser A l l g e m e i n h e i t zugleich nichtssagend. Alles wird davon abhängen, w i e Erkenntnis u n d Wahrheit überhaupt gefaßt w e r d e n u n d worin die spezifische Eigentümlichkeit wissenschaftlicher Erkenntnis u n d wissenschaftlicher Wahrheit gesucht wird. Mit der Lösung dieser Aufgaben stehen wir a m Scheideweg, an d e m sich entscheidet, ob das W e s e n der Wissenschaft getroffen oder unwiederbringlich verfehlt wird, so verfehlt freilich, daß diese Verfehlung i m m e r noch den Schein der Wahrheit bei sich trägt. D e n n w e n n überhaupt Wissenschaft als Erkenntnis u n d Wahrheit angesetzt ist, dann scheint das Wesentliche gesichert, zumal darüber, was Wahrheit ist, in einer Hinsicht doch w e i t g e h e n d e U b e r e i n s t i m m u n g herrscht, n ä m l i c h in der Mein u n g , daß Wahrheit etwas sei, was als Eigenschaft primär der Aussage, d e m Urteil zukomme.
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Die Frage nach dem fVesen der § 10. Wahrheit
als
Wissenschaft
Satzwahrheit
Wahrheit ist v o n Haus aus Urteils-, Aussagewahrheit. Urteile und Aussagen drücken sich sprachlich in Sätzen aus. Wahrheit ist Satzwahrheit. » D i e s e L a m p e brennt«, » D i e s e Kreide ist weiß« sind einfache Beispiele für eine Satzwahrheit. Einzelne Worte u n d Wortzusammenstellungen w i e »diese L a m p e « oder »diese« oder »brennt« k ö n n e n weder wahr noch falsch sein, sondern nur der Satz i m Ganzen, d.h. die Verbindung des Prädikats »brennt« m i t d e m Subjekt »die Lampe«. D i e s e Überlegung ist einleuchtend. D i e Wahrheit liegt i n Vorstellungsverbindungen, nicht in isolierten Vorstellungen. D a ß die Wahrheit ihren Ort in der Aussage, i m Satz habe, ist u m so w e n i g e r von Z w e i f e l n berührt, als sich dafür sogar Piaton u n d Aristoteles als Kronzeugen anrufen lassen. Seither ist diese Auffassung der Wahrheit unerschütterlich geblieben, sie gehört zu d e m ganz Wenigen, was in der Geschichte der Philosophie e i n m ü t i g festgehalten wird. Unsere späteren Ü b e r l e g u n g e n w e r d e n an d i e s e m Problem zentral orientiert sein. D e s h a l b seien kurz e i n i g e Belege für diese wichtige Auffassung der Wahrheit als Satzwahrheit gegeben: Aristoteles, D e interpretatione, 4,17a 1 sqq.: έστι δέ λόγος απας μέν σημαντικός, . . . άποφαντικός δέ ού πάς, άλλ' έν φ τό άληθεΰειν ή ψεύδεσθαι ύπάρχει; ib. 1,16a 12: περί γάρ σύνθεσιν καί διαιρεσίν έστι τό ψεϋδός τε καί τό άληθές. (συμπλοκή). D e anima, 430 a 27 sqq.: έν οϊς δέ καί τό ψεϋδος καί τό άληθές, σύνθεσίς τις ήδη νοημάτων ωσπερ εν οντων. Jede Rede, alles R e d e n hat Bedeutung, d.h. alles wünschende, bittende, fragende, befehlende, aussag e n d e Sichaussprechen bedeutet etwas. Aber nicht jede dieser R e d e n ist λόγος, d. h. nicht jede R e d e ist aufweisende Rede. Eine Bitte an e i n e n hat nicht den Sinn u n d die innere Bedeutungsfunktion, i h m etwas klarzumachen, i h m etwas m i t z u t e i l e n , sondern eben v o n i h m etwas zu erbitten. Entsprechend gibt der B e f e h l keine Kenntnis i m eigentlichen Sinne weiter, sondern er ist eine Aufforderung zu handeln. Also nicht jedes R e d e n ist A u f w e i s e n derart, daß das A u f w e i s e n von etwas die e i g e n t l i c h e
§ 10. Wahrheit als
Satzwahrheit
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der R e d e wäre. A u f w e i s e n d ist nur derjenige λόγος, bei d e m so etwas v o r k o m m t w i e das Wahr- oder Falschsein. In d e r j e n i g e n Rede, die w a h r oder falsch ist, d.h. in der Aussage, im Satz, liegt so etwas w i e eine Synthesis, ein Zusammensetzen. So sagt Aristoteles an späterer Stelle: Wahrheit oder Falschheit gibt es n u r i m Umkreis der Synthesis, d.h. der Verbindung, des Z u s a m m e n s e t z e n s v o n Subjekt u n d Prädikat. D i e s e Synthesis n e n n t er auch συμπλοκή, d.h. die Verflechtung, das Z u s a m m e n flechten von zwei Vorstellungen bzw. zwei Begriffen. D a m i t die 'Auswirkung dieser Auffassung v o n Wahrheit als S a t z w a h r h e i t u n d v o m Satz als Verbindung von Vorstellungen deutlich wird, sei auf e i n e D e f i n i t i o n der Wahrheit verwiesen, die Leibniz g e g e b e n hat: »Semper igitur praedicatum seu consequens inest subjecto seu antecedenti«, i m m e r also ist das Prädikat oder das nachfolgende Wort i m Subjekt, d.h. i m vora u s g e h e n d e n , erstgesprochenen Wort drin (inest); »et in hoc ipso consistit natura veritatis in universum«, u n d darin besteht die N a t u r der Wahrheit i m allgemeinen, überhaupt, die »natura veritatis in u n i v e r s u m seu connexio inter terminos enuntiationis, aut e t i a m Aristoteles observavit«. 1 Leibniz n e n n t also die W a h r h e i t des Satzes hier connectio, das ist einfach die lateinische Ubersetzung von σύνθεσις. D i e Wahrheit ist connectio von zwei Begriffen oder Ausdrücken. D i e Wahrheit gehört zur enuntiatio, zur Auslage. Schließlich sei auf e i n e n Beleg aus Kant, Logikvorlesung 8 17, verwiesen: »Ein Urteil ist die Vorstellung der E i n h e i t des Bewußtseins verschiedener Vorstellungen oder die Vorstellung des Verhältnisses derselben, sofern sie e i n e n Begriff ausmachen.« 2 Kant sagt auch ganz kurz: Ich denke = ich urteile = ich verbinde, n ä m l i c h Prädikat und Subjekt. I m Verbinden ist also nach der a l l g e m e i n e n Auffassung der Ort der Wahrheit.
Tendenz
1 Opuscules et fragments inédits d e Leibniz, ed. Louis Couturat. Paris 1903, P "518/9 Primae veritates. Phil. VIII,'6. I m m a n u e l Kants gesammelte Schriften. Hrsg. von der Königlich preußis
Die Frage nach dem fVesen der
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Wissenschaft
Was ergibt sich nun aus dieser Kennzeichnung der Wahrheit als Satzwahrheit für die B e s t i m m u n g des Wesens der Wissenschaft? W e n n Wissenschaft als Erkenntnis auf Wahrheit abzielt, die Wahrheit aber i m Satz liegt, dann ist die Wissenschaft als ein Z u s a m m e n h a n g von Erkenntnissen ein Z u s a m m e n h a n g von w a h r e n Sätzen; dieser Z u s a m m e n h a n g ist dadurch bestimmt, daß die Sätze nicht einfach nebeneinander gereiht sind, sondern sich gegenseitig begründen. D e r Z u s a m m e n h a n g der Sätze ist ein Begründungszusammenhang. Z u m Wesen der Wissenschaft gehört also, w i e auch Husserl sagt, die Einheit des Begründungszusammenhangs 5 wahrer Sätze. Das ist die D e f i n i t i o n der Wissenschaft, w i e sie heute in Wissenschaftslehre und Erkenntnistheorie üblich ist. Hieraus e n t n e h m e n wir ein Doppeltes: 1. eine bestimmte Auffassung der Wahrheit als Satzwahrheit, 2. aber zugleich die Auffassung der Wissenschaft v o n d e m her, was sich gewisserm a ß e n als ihr Resultat niederschlägt. D i e Wissenschaft schlägt sich gewissermaßen nieder in Sätzen, u n d dieser Niederschlag der Forschung wird konkret in den gedruckten Abhandlungen u n d Büchern. So hat H e r m a n n Cohen, Begründer der Marburger Schule, die ausgezeichnet ist durch eine b e s t i m m t e Auffassung der kantischen Philosophie, der kantischen Kritik im besonderen als einer Wissenschafts- u n d Erkenntnistheorie, in der Tat gesagt, »das Faktum der Wissenschaft liegt vor in den gedruckten Büchern.« 4 Unausgesprochen ist das der herrschende Horizont für die Frage nach d e m Wesen der Wissenschaft. Aber es ist gerade die Frage, ob dieses H i n s e h e n auf das Resultat der Wissenschaft primär ihr Wesen trifft. D a s Resultat ist i m m e r dasjenige, das sich von der Herstel5
Vgl. Edmund Husserl, Logische Untersuchungen. Erster Band. 3. unveränderte Aufl., Halle a.d.S. 1922. § 6, S. 15. 4 Anm. d. Hrsg.: Vermutlich zuspitzende Formulierung von Heidegger. Vgl. Hermann Cohen, Ethik des reinen Willens (System der Philosophie, Zweiter Teil). Berlin: Cassirer 1904, S. 62 f. Vgl. ferner Hermann Cohen, Kommentar zu Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft. Leipzig: Meiner 1907, S. 53.
§ 10. Wahrheit als
Satzwahrheit
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lung u n d Verfertigung gewissermaßen ablöst, ist das Werk, das sich von der Bewerkstelligung freimacht. D i e s e kann nicht ohne w e i t e r e s u n d i m Ganzen aus d e m Werk erkannt werden. Das R e s u l t a t i s t gleichsam der L e i c h n a m , der, w i e H e g e l sagte, die 5 T e n d e n z [das L e b e n ] hinter sich gelassen hat. W i r w o l l e n aber n i c h t den Leichnam, nicht das, was von H a n d zu H a n d weiterg e g e b e n wird u n d schon erstarrt ist, sondern das Unmittelbare des W i r k e n s selbst, so allerdings, daß wir aus d e m Wesen des w i s s e n s c h a f t l i c h e n Wirkens und Werkeschaffens verstehen, in w e l c h e m Sinne und in welcher Weise das Resultat zur Wissenschaft gehört. W i r w o l l e n das Wesen der Wissenschaft als Wahrheitsfindung u n d - b e s t i m m u n g verstehen, so zwar, daß a m Ende dieses Verständnis erst Aufschluß gibt, in welcher Weise die R e s u l t a t e u n d Sätze sich zur Wissenschaft verhalten, d.h. die Wissenschaft in i h r e m Wesen nicht als Resultat, nicht als Werk, sondern i m Vollzug des Wirkens begreifen. Wenn aber d i e Wissenschaft Wahrheitsfindung u n d -bestimm u n g sein soll, dann wird in eins damit fraglich, ob der zugrundegelegte Begriff der Wahrheit als Satzwahrheit hinreicht, u m Aufschluß über das Wesen der wissenschaftlichen W a h r h e i t zu gebèn. Vielleicht liegt sogar in der K e n n z e i c h n u n g der W a h r h e i t als Satzwahrheit und in der B e s t i m m u n g der Wissenschaft von i h r e m Resultat her ein und derselbe Grundirrt u m . W i r m ü s s e n uns durch eine radikalere Fassung des Wesens der W a h r h e i t in den Stand setzen, auch das W e s e n der Wissenschaft von A n f a n g an ursprünglicher zu sehen. Wir m ü s s e n dahin k o m m e n , daß wir von A n f a n g an vermeiden, Wissenschaft als Satzzusammenhang zu n e h m e n .
G.W.F. Hegel, Phänomenologie des Geistes. Jubiläumsausgabe. In revidiertem Text herausgegeben und mit einer Einleitung versehen von Georg I-asson. Leipzig 1911, S. 5 (Vorrede).
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Die Frage nach dem fVesen der
Wissenschaft
a) D e r traditionelle Wahrheitsbegriff W i r fragen daher jetzt ganz allgemein: W i e steht es m i t dem Wahrheitsbegriff, der die h e u t i g e u n d frühere B e s t i m m u n g des Wesens der Wahrheit m a ß g e b e n d leitet? D i e Antwort wird lauten: D e r traditionelle Wahrheitsbegriff trifft nicht das ursprüngliche Wesen der Wahrheit. D a m i t erhebt sich aber die Frage: W i e ist dann Wahrheit ursprünglicher zu bestimmen, u n d zwar so, daß daraus verständlich wird, w a r u m es dazu k o m m t , Wahrheit g e w ö h n l i c h als Satzwahrheit zu fassen? Wir w e r d e n diese herrschende Auffassung bei i h r e m großen Alter u n d ihrer w e i t r e i c h e n d e n B e d e u t u n g nicht einfach beiseiteschieben, sondern wir m ü s s e n aus der positiven Klärung des Wesens der Wahrheit zugleich den Grund für diese herrschende Auffassung f i n d e n u n d damit die Einsicht in das relative Recht dieser Auffassung g e w i n n e n . W i r haben also ein Doppeltes zu zeigen: Erstens, daß Wahrheit, die traditionell als Eigenschaft des Urteils, als adaequatio intellectus et rei, gefaßt wird, in etwas anderem gründet, d.h. was m a n i m Urteil als Wahrheit faßt, ist zwar eine echte Bes t i m m u n g , aber die innere Möglichkeit der Wahrheit liegt in e i n e m Ursprünglicheren, u n d dieses Ursprüngliche gilt es zweitens näher zu kennzeichnen. D a s sind scheinbar einfache Überlegungen, in d e n e n freilich etwas ganz Wesentliches zur Sprache kommt. Angesichts solch scheinbar trivialer Überlegungen sieht es so aus, zumal w e n n m a n sie öfters schon durchgesprochen hat, als könnte m a n einen solchen Z u s a m m e n h a n g zwischen abgeleiteter u n d ursprünglicher Wahrheit einfach ein für alle Mal wissen. Es ist charakteristisch, daß m a n all diese W e s e n s z u s a m m e n h ä n g e nie so wissen kann, w i e m a n irgendeine Kenntnis hat, sondern daß ich sie mir i m m e r wieder a n e i g n e n m u ß u n d bei jeder N e u a n e i g n u n g sich mir ein neuer Abgrund zeigt. Das Wesen des Einfachen und Selbstverständlichen ist es, daß es der eigentliche Ort für die Abgründigkeit der Welt ist. U n d dieser Abgrund öffnet sich nur,
§ 10. Wahrheit als Satzwahrheit wenn
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wir philosophieren, aber nicht, w e n n w i r glauben, der-
gleichen schon zu wissen. b) Wahrheit als Charakter eines Satzes: Verbindung v o n Subjekt u n d Prädikat Die T h e s e d e r traditionellen Logik u n d Erkenntnislehre i m weitesten S i n n e lautet: Wahrheit ist eine Eigenschaft der Aussage. Wir wollen u n s diese T h e s e zunächst an e i n e m Beispiel erläutern, das wir allen weiteren Überlegungen dann zugrundelegen. W a h r h e i t als Charakter eines Satzes ist in der einfachsten Form eine V e r b i n d u n g v o n Subjekt u n d Prädikat, S — p. In dieser Verbindung soll der Ort für das sein, was wir Wahrheit eines Satzes n e n n e n . N e h m e n wir ein einfaches Beispiel:»Diese Kreide ist weiß.« In dieser Aussage wird die B e s t i m m u n g »weiß«, das Prädikat, d e m Subjekt »Kreide« z u g e s p r o c h e n / D i e Griechen, b e s o n d e r s Aristoteles ( D e interpret. 5,17a 8; 6,17a 25), h a b e n f ü r dieses Zusprechen die Bezeichnung κατάφασις. Dieser Ausdruck heißt: »von oben herunter auf etwas zu«, bedeutet also gewissermassen von oben herunter auf die Kreide zu sagen, sie sei weiß, i h r die B e s t i m m u n g , dieses Prädikat zuzusprechen. Sage ich von d e m s e l b e n Gegenstand: D i e s e Kreide ist nicht blau, so w i r d ihr das »blau« abgesprochen. D i e s e Form der Aussage n e n n e n die Griechen άπόφασις, das heißt, ich spreche einer Sache etwas ab, von ihr w e g . D i e s e Scheidung ist dann später, im Ausgang der Antike u n d zu A n f a n g des Mittelalters, in die lateinische Terminologie übergegangen, u n d seitdem heißt κατάφασις affirmatio, oder w i e Boethius noch sagt: adfirmatio 6 ; und άπόφασις heißt negatio. In der traditionellen Logik bedeuten diese Ausdrücke also ein bejahendes bzw. verneinendes ü r t e i l ( v e r u m — falsum). Beide Formen, die κατάφασις w i e die «ποψασις k ö n n e n n u n jeweils entweder wahr oder falsch sein, Vgl Boethius, D e interpretatione. Patrologia Latina, ed. J.-P. Migne. Bd. M. Paris 1891, S. 364 A.
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Die Frage nach dem fVesen der
Wissenschaft
d.h. es gibt bejahende wahre oder falsche Urteile und ebenso verneinende wahre oder falsche Urteile. Das bejahende Urteil als das wahre ist: » D i e Kreide ist weiß.« D a s bejahende als falsches ist: D i e Kreide ist blau. D a s verneinende Urteil als wahres ist: D i e Kreide ist nicht blau. Das verneinende als falsches: D i e Kreide ist nicht weiß. So kreuzt sich die eigentümliche B e s t i m m u n g des N e g a t i v e n u n d Positiven, wobei in der Formel des negativen Urteils eine e i g e n t ü m l i c h e Doppelung liegt, was wir i m D e u t s c h e n nicht z u m Ausdruck bringen, da wir nur einmal die Negation setzen, während wir in der positiven Aussage »die Kreide ist w e i ß « kein entsprechendes Wort haben, das der Negation entspricht; wir m ü ß t e n eigentlich sagen, die Kreide ist ja weiß. D o c h interessiert ein anderer Z u s a m m e n h a n g , nämlich der Charakter der Wahrheit in der Aussage und ihr Ort. Wenn wir n u n der Einfachheit halber b e i m positiven, d.h. b e i m bejahenden wahren Urteil » D i e s e Kreide ist w e i ß « bleiben, dann besteht die Wahrheit dieses Satzes i m Z u k o m m e n des Prädikats zum Subjekt oder in der Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t dieser beiden Vorstell u n g e n »weiß« u n d »Kreide«, so daß die Wahrheit eine Angeleg e n h e i t dieses Verhältnisses des Prädikats z u m Subjekt ist. D a s Urteil, das wir als Beispiel zugrundelegen, läßt sich so darstellen: veritativ
Prädikation weiß
$ 10. ' Wahrheit als
Satzwahrheit
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R i c h t u n g u n d horizontale Richtung der B e z i e h u n g e n daß sie ganz verschiedener Art sind u n d daß ihr Z u s a m m e n h a n g nicht so ist, daß sie in einer indifferenten Bez i e h u n g s k e t t e aneinandergeschlossen sind (»Satz« - Objekt). Aber was entscheidet d e n n darüber, daß dieses p »weiß« d e m S »Kreide« zukommt? Woher n i m m t die vertikale Pfeilrichtung in d e m S c h e m a i h r Recht? Wo liegt der Grund dafür, daß »weiß« und »Kreide« zusammengehören, daß diese Verbindung eine gehörige, rechtmäßige ist? In der Vorstellung einer Kreide liegt doch n i c h t notwendig, daß sie w e i ß sei; sie könnte auch rot oder blau sein. D i e Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t von S u n d p besteht nur deshalb, weil sie als solche schon »hörig« ist, gleichsam Untertan e i n e m a n d e r e n , u n d zwar der w e i ß e n Kreide, über die wir aussagen. So e r g i b t sich, daß der Satz » D i e s e Kreide ist w e i ß « zunächst eine B e z i e h u n g v o n S zu p darstellt. D i e s e ganze B e z i e h u n g des Satzes s t e h t aber noch e i n m a l in einer Beziehung zu dem, was uns schon vorliegt, n ä m l i c h zur w e i ß e n Kreide, und nur i m Blick auf dieses Vorliegende k ö n n e n wir die Aussage vollziehen.
Vertikale s o l l e n
a n d e u t e n ,
W i r s e h e n also, daß i m Satz e i n e verhängnisvolle Zweideutigkeit liegt: e i n m a l die formale B e z i e h u n g des p z u m S, und d a n n die Beziehung dieser ganzen S-p-Verbindung zu d e m Worüber der Aussage. D i e Beziehung des Prädikats zum Subjekt n e n n e n wir die prädikative B e z i e h u n g i m Satz; sie n i m m t ihre R e c h t m ä ß i g k e i t her aus e i n e m Bezug auf das, worüber ausgesagt wird. So h a b e n w i r e i n Doppeltes: e i n m a l das Prädizieren des Prädikats v o m Subjekt, sodann das Aussagen dieser ganzen Prädikation über das Vorliegende, die w e i ß e Kreide. W i r m ü s s e n also das Subjekt der Prädikation v o m Gegenstand der Aussage u n t e r s c h e i d e n . Aussagegegenstand u n d Prädikationssubjekt sind zwei wesentlich verschiedene D i n g e . Jedes Prädikat hat ein Subjekt, und dieses Prädikat wird v o m Subjekt ausgesagt. Aber jede P r ä d i k a t i o n , d.h. das Ganze der Subjekt-Prädikatbeziehung nicht e t w a jedes Prädikat — hat e i n e n Gegenstand, über den usgesagt wird. Dabei ist zu beachten, daß diese B e z i e h u n g der ganzen Prädikation auf die Kreide nicht die einzige ist, denn d
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Die Frage nach dem fVesen der
Wissenschaft
über das, was hier Gegenstand der Aussage ist, kann ich auch e i n e andere Aussage m a c h e n , beispielsweise: »Dieser materielle Körper ist leicht«. M i t der üblichen Theorie des Satzes und der Aussage kann m a n z. B. Sätze w i e »es regnet« oder »es blitzt«, also sogenannte impersonale Sätze, oder »dieser Mensch existiert«, d.h. Existenzialaussagen, in keiner Weise interpretieren. Diese einfache Satzdefinition ist, w e n n m a n i m ganzen die Probleme des Satzes u n d der Wahrheit übersieht, fragwürdig. I m Verlauf der Entw i c k l u n g der neuzeitlichen Logik, vor a l l e m bei Leibniz, wird diese B e z i e h u n g des Prädikats z u m Subjekt, diese connexio, genauer gefaßt als determinatio, so daß das Prädikat die Grundfunktion des B e s t i m m e n s hat. Es b e s t i m m t das Subjekt, und entsprechend d e m Unterschied von positivem u n d negativem Urteil wird auch e i n e positive u n d negative determinatio unterschieden. Dieser Unterschied ist insofern wesentlich, als er zwei Begriffe i n sich birgt, die für die neuzeitliche, vor allem die kantische u n d spätere Metaphysik v o n besonderer Bedeutung sind, nämlich den Begriff der Realität und der Negation. Baumgarten bestimmt, was er unter determinatio u n d determinare versteht: Quae determinando ponuntur in aliquo, (notae et praedicata) sunt determinationes, altera positiva, et affirmativa, quae si vere sit, est realitas, altera determinatio negativa, quae si vere sit, est negatio. 7 »Das, was in der Weise des Bestimmens in etwas gesetzt wird, nämlich die M e r k m a l e u n d die Prädikate, sind die B e s t i m m u n g e n . D i e eine Art der B e s t i m m u n g e n ist positiv, und diese positive, z u s t i m m e n d e B e s t i m m u n g des Subjekts durch das Prädikat heißt, w e n n sie eine wahre positive B e s t i m m u n g ist, Realität.« D i e s e n Begriff der Realität als ein positives wahres P r ä d i k a t m u ß m a n v o n vornherein festhalten, u m überhaupt die Fragestellung der »Kritik der reinen Vernunft« zu verstehen. Der 7
Alexander Gottlieb Baumgarten, Metaphysica. Zweite Ausgabe Halle 1743. § 3 6 , S. 11.
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C e g e n b e g r i f f zu Realität ist die Negation, w ä h r e n d wir h e u t e in der E r k e n n t n i s t h e o r i e «Realität in e i n e m ganz anderen Sinne e b r a u c h e n w i e Kant u n d die alte Metaphysik. Übrigens geht dieser Begriff der realitas schon auf die Scholastik, vor a l l e m die S p ä t s c h o l a s t i k , auf Suarez zurück; realitas bedeutet nichts anderes als e s s e n t i a , Wesen, Sachhaltiges, Positives, e i n e m Etwas z u g e s p r o c h e n e s Wesen. M i t Rücksicht auf spätere w i c h t i g e Ü b e r l e g u n g e n erwähne ich, daß dieser Begriff der Realität m i t dem Satz, der determinatio, und zwar d e m positiven Satz in Z u s a m m e n h a n g gehört. Wenn m a n also sagt: D i e Wahrheit hat ihren Ort in der Aussage bzw. i m Satz, dann ist diese T h e s e zunächst zweideutig. Man weiß n i c h t , w o n u n die Wahrheit sitzt, i n der prädikativen Beziehung oder in der B e z i e h u n g der Prädikation auf das, worüber ausgesagt wird. N u n hörten w i r schon, daß offenbar die Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t v o n p zu S als prädikative B e z i e h u n g in ihrer G e h ö r i g k e i t sich gewissermaßen normiert auf d e m W e g dieses Bezuges zu dem, worüber ausgesagt wird. D i e s e prädikative B e z i e h u n g ist dann eine gehörige, w e n n sie sich d e m Vorliegenden, der Sache, »res«, worüber sie prädiziert u n d aussagt, a n m i ß t , angleicht. A n g l e i c h u n g heißt lateinisch adaequatio, u n d »adaequatio intellectus ad r e m « ist die alte scholastische Definition f ü r vérités. W i r n e n n e n daher die B e z i e h u n g der l'rädikation z u m Worüber der Aussage veritative Beziehung, ohne d a m i t schon zu sagen, daß diese abgeleitete B e z i e h u n g das Wesen der Wahrheit ausmache. Die Wahrheit liegt also nicht in der B e z i e h u n g des Prädikats zum Subjekt, sondern in der B e z i e h u n g der ganzen prädikativen Beziehung zu dem, worüber ausgesagt wird, z u m Aussagegegenstand. W i r k ö n n e n i m Satz die prädikative B e z i e h u n g von derjenigen scheiden, die die adaequatio und damit die Veritas betrifft, u n d die wir deshalb veritative B e z i e h u n g des Satzes "ennen. Das Eigentümliche ist, daß die prädikative B e z i e h u n g in gewisser Weise u n a b h ä n g i g ist v o n d e m Sachgehalt dessen, was
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Die Frage nach dem fVesen der
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ich aussage. Diese B e z i e h u n g besteht auch, ob ich sage »di e Kreide ist w e i ß « oder »dieses materielle D i n g ist leicht«. Die prädikative B e z i e h u n g hat also eine gewisse Unabhängigkeit von dem, was jeweils über e i n e n Gegenstand ausgesagt wird u n d dieses v o m Sachgehalt Freie, dieses durch das Material des Aussagegegenstandes nicht B e s t i m m t e n e n n t m a n das Formale Weil nun diese Beziehung A u s k u n f t über den Sachgehalt dessen gibt, was der Gegenstand ist, n e n n t m a n sie auch die materiale Wahrheit i m Unterschied zu der formalen Wahrheit. Aber man kann die prädikative Beziehung nur unter derjenigen Voraussetzung formale Wahrheit nennen, daß die Wahrheit, w i e in der traditionellen Logik, primär überhaupt der Prädikation, der Aussage, d e m Urteil zukommt. D i e s e »formale Wahrheit« bezeichnen wir aber besser als »Richtigkeit«, u m den Irrtum abzuwehren, als sei die Wahrheit doch primär in der Prädikation zu Hause. Insofern sich das Prädikat auf das Subjekt richtet, untersteht dieses Sichrichten des Prädikats auf das Subjekt, ganz u n a b h ä n g i g v o n der m ö g l i c h e n Wahrheit oder Unwahrheit, bes t i m m t e n R e g e l n , und zwar den R e g e l n der sogenannten form a l e n Logik. W i e wir i m Satz prädikative u n d veritative Beziehung scheiden, so m u ß m a n die R e g e l n der Richtigkeit im Satz, die sagen, was sein m u ß , daß sich überhaupt ein p auf ein S beziehen kann, und die Forderungen u n d N o r m e n der Wahrheit der Aussage voneinander scheiden. Diese Überlegungen haben n u n zunächst das Eine ergeben, daß die Aussage in sich schon eine Mannigfaltigkeit von Bezieh u n g e n birgt, und daß d e m n a c h die Z u w e i s u n g der Wahrheit als Charakter der Aussage schwankend u n d unsicher ist. Wie k o m m t es n u n dazu, daß die Wahrheit primär d e m Satz zugesprochen w i r d , u n d w a r u m ist diese Z u w e i s u n g d e r Wahrheit als Charakter des Satzes so selbstverständlich? I n w i e f e r n entspringt gerade aus dieser Z u w e i s u n g der Wahrheit z u m Satz die Verwirrung, in der sich heute noch alle Erkenntnistheorie und Logik bewegt, eine Verwirrung, die d u r c h keine n e u e r f u n d e n e Theorie zu entwirren ist, sondern lediglich dadurch, daß man
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uf den U r s p r u n g u n d die Quelle der Fehlinterpretation zurückg e h t .
° Warum ist es natürlich, v o m Satz auszugehen, w e n n m a n die F g e n a c h d e m Wesen der Wahrheit stellt? D a ß Wahrheit in i r g e n d e i n e m Sinne m i t Erkenntnis, m i t D e n k e n z u s a m m e n h ä n g t , i s t s c h o n früh deutlich. U m das Wesen der Wahrheit zu e r f a s s e n , w i r d m a n versuchen, in der Erkenntnis, in deren Begriff s c h o n Wahrheit liegt, — denn eine falsche Erkenntnis ist e b e n k e i n e Erkenntnis — das W a h r h e i t s m o m e n t u n d damit die W a h r h e i t s s t r u k t u r zu finden. r
a
c) Ansatz des Wahrheitsproblems in der Antike Die F r ü h z e i t des Philosophierens in ihrer ursprünglichen u n d frischen Sinnlichkeit strebt danach, die Frage nach der Wahrheit, die der Erkenntnis zugehört, in derjenigen Gestalt z u m G e g e n s t a n d zu machen, die unmittelbar sinnlich für jedermann zugänglich ist — u n d das ist das ausgesprochene Wort. D a s hörbare u n d geschriebene Wort ist es also, das unmittelbar die Wahrheit u n d die Erkenntnis präsentiert. D a b e i ist noch zu beachten, daß die Griechen, w i e alle südlichen Völker, viel stärker in der öffentlichen Sprache u n d R e d e leben, als wir es g e w o h n t sind. D e n k e n heißt für sie eigentlich öffentlich diskutieren. Weder das Buch noch gar die Zeitung spielten eine Rolle. Das Denken als Auseinandersetzen, als Entscheiden über Wahrheit und Falschheit, ist öffentliches Gespräch. D a h e r ist die gesprochene Rede, der'ausgesprochene Satz gewissermaßen die Wirklichkeit der Wahrheit, das Handgreifliche, in d e m sich die Wahrheit präsentiert; sie ist i m λόγος wirklich. Dieser Ansatz des Wahrheitsproblems findet sich ganz deutlich in der vorplatonischen Philosophie, bei Piaton, auch noch bei Aristoteles. Weil die Frage nach d e m Wesen der Wahrheit und der Erkenntnis i m gesprochenen Wort ansetzt, d.h. i m λόγος, deshalb ist die Erkenntnis des Wesens der Wahrheit die Erkenntnis des Logos, d.h. Logik. M a n wird also den spezifischen
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Die Frage nach dem fVesen der Wissenschaft
Ansatz und die Grenze der antiken u n d damit der abendländischen Logik überhaupt nur verstehen, w e n n m a n von dieser Sachlage ausgeht, daß Wahrheit u n d Erkenntnis sich primär im gesprochenen Wort präsentieren. D e s h a l b steht die antike Logik bei Piaton u n d bei Aristoteles i n e i n e m ganz engen, bis heute freilich noch k a u m aufgehellten inneren Z u s a m m e n h a n g mit derjenigen Wissenschaft u n d Erkenntnis, die sich i m besonderen m i t der öffentlichen R e d e beschäftigt, nämlich m i t der Rhetorik. So sind alle Grundprobleme der platonischen Logik zugleich Probleme der Rhetorik. Wahrheit also präsentiert sich i m gesprochenen Satz. Der gesprochene Satz hat aber zunächst die Gestalt einer Abfolge von Wörtern. D e s h a l b legt Piaton das nacheinander Ausgesprochene — τά έφεξής λεγόμενα (Platon, Sophistes, 261 d) — der Wesensbes t i m m u n g der Wahrheit zugrunde. In der Untersuchung dieses nacheinander Ausgesprochenen, d.h. der Wortfolge des Satzes m u ß also die Wahrheit ans Licht k o m m e n . N u n sieht Piaton dies ist eine seiner aufregendsten Entdeckungen, die für uns scheinbar e i n e Selbstverständlichkeit ist —, daß die nacheinander gesprochenen Worte nicht einfach nur isolierte Worte sind, bei d e n e n w i r i m D u r c h l a u f e n von e i n e m z u m nächsten hüpfen, sondern daß hier eine e i g e n t ü m l i c h e Einheit besteht, obwohl wir vergebens nach e i n e m Band suchen, das die Wortlaute miteinander verknüpft. So entsteht für Piaton das Problem, w i e die Wörter, diese φωνή, i n sich i n dieser m e r k w ü r d i g e n u n d noch dunklen inneren G e m e i n s c h a f t u n d E i n h e i t stehen, d.h. das Problem der inneren G e m e i n s c h a f t u n d E i n h e i t (κοινωνία) der Mannigfaltigkeit der Wörter i m Satz. Für Piaton besteht die e i g e n t ü m l i c h e Einheit dieser Wörterfolge darin, daß die Wörter nicht bloße Laute sind, nicht bloße Verlautbarung, sondern Zeichen, die etwas bedeuten; also nicht nur φωνή, sondern λόγος δηλοϋν. D e r Satz ist eine Bedeutungseinheit, nach Piaton oder Aristoteles ist er ein Zeic h e n von etwas, σημεΐον. D e r Satz, der λόγος , bedeutet nicht nur etwas, sondern er m e i n t in s e i n e m Bedeuten auch etwas, wor-
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über er aussagt, die w e i ß e Kreide, also das D i n g selbst, πράγμα, oder wie wir a u c h sagen können, das Objekt. D e r Satz steht also a u f G r u n d seiner Bedeutungseinheit, die etwas bedeutet, zul e i c h i n Beziehung z u m D i n g , das er m e i n t , oder w i e Piaton diesen Z u s a m m e n h a n g als fundamentale Erkenntnis z u m ers t e n m a l a u s d r ü c k t , dieser λόγος ist λόγος τινός δηλώμα, Rede, A u s s a g e . Diese Aussage ist Aussage über etwas, und zwar w e s e n t l i c h , n i c h t nur gelegentlich. Was u n d worüber ausgesagt wird, ist dagegen veränderlich. I m R e d e n also liegt ein reicher B e z i e h u n g s z u s a m m e n h a n g , d e n wir noch gar nicht erschöpft haben. D e n n diese Einheit des Bedeutens, die Einheit des Gedachten ist b e s t i m m t durch das D e n k e n des Ermöglichenden. Das D e n k e n selbst w i e d e r weist als Tätigkeit, Zustand (πάθημα) zurück auf die tätige Seele. So ergibt sich eine wachsende Anstückung v o n B e z i e h u n g an Beziehung, und zwar i m Ausgang v o m Wortlaut des Urteils als Ansatzstelle. D a ß u n d i n w i e f e r n sie eine »natürliche« ist, hörten wir. I m Grunde wird auch heute noch für eine erste Bestimm u n g diese Beziehungsfolge sich darbieten. W e n n alle Bezieh u n g s g l i e d e r vollständig u n d durchgängig aneinandergereiht sind, d a n n stellt sich d a m i t auch mittelbarerweise, vermittelt durch die dazwischen liegenden, eine B e z i e h u n g zwischen den beiden äußersten E n d e n her: Subjekt-Objekt-Beziehung. Das entspricht auch der· a l l g e m e i n e n Sachlage, daß wir, die Subjekte, in gewisser· Weise in B e z i e h u n g s t e h e n zu Objekten, άντικείμενα (Aristoteles), Gegenüber, Nachbarn. Nur daß eben, w e n n wir diesen Z u s a m m e n h a n g näher ins A u g e fassen u n d ihn b e s t i m m e n wollen, e i n e R e i h e v o n v e r m i t t e l n d e n B e z i e h u n g e n sich dazwischen schieben. W i r h a b e n also vor uns eine M e h r h e i t von a n e i n a n d e r g e f ü g t e n Beziehungen, die alle zwischen Bez i e h u n g s g l i e d e r n laufen, die i n irgendeiner Weise vorhanden sind.
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Die Frage nach dem Wesen der Wissenschaft
ψυχή
Denken
Seele Subjekt
νοεΐν πάθημα
ϊ
Bedeutungseinheit σημεΐον
V
λόγος Satz, Wörterfolge φωνή
V
πράγμα Ding Objekt
V I
Subj ekt-Obj ekt-Beziehung Aber etwas Merkwürdiges zeigt sich doch sofort. Sind denn die Beziehungen, die wir von der Ansatzstelle fortlaufend nach beiden Seiten anfügten, zufällig und willkürlich? Ist es so, daß wir auch die angefügten Beziehungen gleichsam wieder abschneiden und alles bis auf die Ansatzstelle beschneiden können? Haben wir denn i m letzten Falle noch wirklich den Satz, von d e m wir im Grunde ausgegangen sind? Oder haben wir, streng genommen, ein Gemenge von Lauten? Sind wir denn vom bloßen Wortlaut, von den bloßen Wörterbildern ausgegangen, »ei«, e i und dergleichen gezeichneten Gebilden, oder nicht vielmehr v o m Satz, sofern wir ihn verstehen? In der Tat. Wenn wir vom ausgesprochenen Satz ausgehen, dann nicht zunächst und allein vom Wortlaut; ja, w e n n wir einen Satz aussprechen hören, wie den genannten, sind wir spontan mit unserem Gehör auf das gerichtet, zu vernehmen, was der Redende sagt, gleichsam beiläufig auf Wortlaute, ja, es bedarf einer besonderen Abstraktion und Umstellung, u m lediglich akustisch das Wortlautgefüge zu hören, und es bleibt sogar sehr schwierig, es rein als solches zu hören. Wir gehen also faktisch nicht einmal vom Wortlaut aus; ein ausgesprochener Satz ist mehr; nur deshalb, weil die Einheit des Satzes schon verstanden war, konnte sich auch für Piaton die Frage aufdrängen, woher denn die Wörterfolge diese Einheit nehme. Mit anderen Worten: D i e Mehrheit von Beziehungen läßt sich gar nicht auf den Satzwortlaut beschneiden, so daß dieser dann noch der Satz wäre, den wir i m Grunde vor uns haben.
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Vnders g e w e n d e t : D e r Satz = die Ansatzstelle steht schon i m Z u s a m m e n h a n g dieser Beziehungen; sie sind ihr nicht angeklebt, s o n d e r n machen, das m i t aus, was der l e b e n d i g gesprochene Satz ist. Dieser bedeutet etwas, und in s e i n e m Bedeuten ist er auf ein Objekt bezogen, u n d in s e i n e m Ausgesprochenwerden u n d Verstandenwerden gehört er e i n e m Subjekt zu; all das gehört z u s a m m e n u n d liegt d e m Satzwortlaut zugrunde. Diese Beziehungsmannigfaltigkeit ist ein Ganzes, das nicht erst m der Z u s a m m e n s c h i e b u n g der Stücke entsteht, sondern etwas, auf dessen Grunde allein die Teile Sinn und Funktion haben. Der Wort laut ist solcher nur als Wortlaut, u n d Wort ist kein Geräusch, sondern 1 etwas Bedeutungsmäßiges, Verstehbares. Wortlaut, das sprachlich phonetische Satzgebilde hat nur Halt und Sinn in diesem Beziehungsganzen, darin es steht u n d v o n d e m der Satz u m g r i f f e n wird. Dieses Ganze ist das Primäre u n d Ursprünglichere, u n d nur auf s e i n e m Hintergrunde lassen sich die Teile als solche u n d i n ihren B e z i e h u n g e n fassen. Ist durch diesen umfassènden Problemhorizont v o n A n f a n g an nicht gewährleistet, das Wesen der Wahrheit zu treffen? U n d doch ist er bei a l l e m R e i c h t u m m i t e i n e m G r u n d m a n g e l behaftet, der es bedingt, daß die Frage nach d e m Wesen der Wahrheit nicht mehr v o n der Stelle kommt. Aber n u n zeigt sich, daß seit der Antike in d e n H a u p t z ü g e n zwar alle Teile u n d der Z u s a m m e n h a n g dieser B e z i e h u n g e n bekannt u n d m a n n i g f a c h erörtert sind, daß aber gerade das u m g r e i f e n d e , oder besser durchgreifende u n d organisierende d u r c h w a l t e n d e Ganze hinsichtlich seiner Ganzheit u n b e s t i m m t geblieben ist. Ja,(nicht e i n m a l die Frage nach d e m ursprünglichen G a n z e n , v o n d e m alle Teile ihr Wesen beziehen, ist als Problem grundsätzlich u n d eindeutig gestellt. Dieses Ganze aber, in d e m sich der wahre Satz findet, m u ß offenbar auch die Wahrheit m i t b e s t i m m e n . Weil m a n sich nur i m m e r innerhalb des g e n a n n t e n Zusamm e n h a n g s von B e z i e h u n g e n des Satzes bewegt, o h n e nach d e m ursprünglichen, sie als solche erst e r m ö g l i c h e n d e n Ganzen zu
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Die Frage nach dem fVesen der
Wissenschaft
fragen, deshalb werden wir das W e s e n der d e m Satz zugehörig e n Wahrheit nicht ursprünglich fassen können. D i e Frage nach d e m Wesen der Wahrheit m u ß uns aber hier m i t Rücksicht auf die Klärung des Wesens der Wissenschaft beschäftigen.
§ 11. Zum Problem der Subjekt-Objekt-Beziehung. Prädikative und veritative Beziehung M i t w e l c h e m Recht k ö n n e n wir behaupten, dieses Ganze der g e n a n n t e n B e z i e h u n g e n sei in seiner Ganzheit nicht bestimmt, ja nicht e i n m a l z u m Problem gemacht? Dieses Ganze v o n Bez i e h u n g e n ist doch g e w o n n e n , w e n n m a n auf die U m s c h l i e ß u n g aller B e z i e h u n g e n sieht, die zwischen den beiden E n d e n liegen, w e n n m a n die beiden E n d e n dieses Beziehungsganzen, also Seele u n d D i n g , oder, w i e m a n heute sagt, Subjekt und Objekt verknüpft. In der Subjekt-Objekt-Beziehung liegt dann die spezifische Ganzheit dieses Ganzen. Was ist seit B e g i n n der Neuzeit u n d besonders heute häufiger diskutiert u n d als Problem behandelt worden als die SubjektObjekt-Beziehung? D i e s e B e z i e h u n g ist es doch, aus der die beiden Hauptstandpunkte der Philosophie, Realismus und Idealism u s sowie deren Spielarten u n d Vermittlungen, erwachsen. Gewiß, dies ist alles unbestreitbar. Nur ist gerade die Frage, ob durch das Z u s a m m e n n e h m e n der beiden E n d e n wirklich das Ganze u m g r i f f e n ist, ob dessen Ganzheit sich v o n den beiden E n d e n und ihrer Verknüpfung her fassen läßt. Das ist aber unm ö g l i c h — schon einzig deshalb, w e i l ja gerade diese beiden Enden, so w i e sie als E n d e n z u s a m m e n g e k n ü p f t werden, auf d e m Boden eines Ansatzes entstehen, der bisher vergessen hat, zuvor das begründende Ganze in den Blick zu n e h m e n . D i e beiden Enden, Subjekt u n d Objekt, selbst Resultat eines ungeklärten und u n a n g e m e s s e n e n Ansatzes, k ö n n e n nicht dadurch, daß sie n u n — in welcher Weise i m m e r — verkoppelt werden, die zuvor u n b e s t i m m t e Ganzheit zurückgewinnen u n d bestimmen.
§ 11. Problem der Subjekt-Objekt-Beziehung
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Wir m ü s s e n v i e l m e h r u m g e k e h r t sagen: Gerade das viel diskutierte Problem der Subjekt-Objekt-Beziehung m i t all seinen Spielarten ist das Anzeichen dafür, daß m a n über den alten Ansatz der Antike nicht h i n a u s g e k o m m e n ist u n d das zentrale Problem noch nicht gefaßt hat. Dieses Problem kann nur gestellt werden, w e n n m a n begriffen hat, daß die Frage der Subjekt-Objekt-Beziehung und erst recht alle »Erkenntnistheorie« auf d e m Problem der Wahrheit ruht u n d nicht — w i e die übliche M e i n u n g lautet — umgekehrt. Man kann zwar i m m e r neue Theorien erfinden zur Lösung des Subjekt-Objekt-Problems. Aber diese E r f i n d u n g e n haben nur das z w e i f e l h a f t e Verdienst, daß sie die Verwirrung steigern und i m m e r erneute B e l e g e dafür liefern, daß das entscheidende Problem offenbar nicht auf der H a n d liegt. Es besteht aber in nichts anderem als in der Aufrollung der Frage nach d e m Wesen der Wahrheit, d. h. aber zugleich in der Frage nach den Voraussetzungen u n d d e m ursprünglichen Problem für die Wesensbes t i m m u n g der Wahrheit. D i e angeblich »neue Problemlage der Erkenntnistheorie« m a g recht interessant sein, u n d m a n kann seinen Leser m i t allerlei darüber unterhalten, nur sagt m a n i h m gar nichts über die L a g e des Problems, w e n n m a n dabei verschweigt, was in dieser Problematik über das Wesen der Wahrheit ausgemacht ist. D a ß dieses Problem der Wahrheit aber nicht gestellt werden kann i n ausschließlicher und primärer Orientierung a m Satz, gilt es jetzt positiv zu sehen. Es ist deutlich geworden: D e r Satz hat Sinn u n d H a l t nur in e i n e m durchgreifenden Ganzen. D e s s e n Ganzheit m u ß zuvor bestimmt werden. W e n n i m Satz so etwas w i e Wahrheit vorkommt, dann m u ß auch diese sich aus d i e s e m Ganzen bestimm e n , ja noch mehr: vielleicht ist es gerade das Wesen der Wahrheit, was diese gesuchte Ganzheit w e s e n h a f t m i t b e s t i m m t . W i r s e h e n jetzt: 1. Es ist n a h e l i e g e n d u n d fast zwangsläufig, bei der Frage nach der Wahrheit der Erkenntnis diese in ihrer nächstzugänglichen Form, d e m ausgesprochenen Satz, zu
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Die Frage nach dem fVesen der
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suchen und von diesem Ansatz aus die weiteren Fragen zu entwickeln. W i r sahen ferner: 2. daß der λόγος in m e h r f a c h e n B e z i e h u n g e n steht. Wir sahen aber 3. zugleich: daß bei aller Selbstverständlichkeit dieses Ausgangs, oder gerade deshalb, eine Grund- u n d Vorfrage ungestellt bleibt, die Frage nach d e m Ganzen, in d e m der gekennzeichnete Z u s a m m e n h a n g von Bez i e h u n g e n n o t w e n d i g steht, die Frage nach dem, wodurch jenes Ganze von B e z i e h u n g e n überhaupt innerlich m ö g l i c h wird. Aber w i e sollen wir dieses Ganze n u n b e s t i m m e n oder überhaupt in den Blick bringen? W i r versuchen es zunächst in A n l e h n u n g an das Beispiel: » D i e s e Kreide ist weiß«. I m Grunde h a b e n wir schon m i t der Analyse des Satzes als Prädikation u n d Aussage e i n e n ersten Schritt in diese R i c h t u n g getan. Wir sahen sofort, der Begriff des Satzes als Prädikatsbeziehung des Prädikats auf das Subjekt u n d als Aussagebeziehung der ganzen prädikativen Beziehung auf das, worüber ausgesagt wird, ist zweideutig; diese Zweideutigkeit sagt nämlich: D i e Struktur des Satzes ist eine reichere u n d weist in e i n Strukturganzes zurück, das erst das begründet, was wir zunächst ins A u g e gefaßt haben. Weil die Satzstruktur reicher ist, ist der Ansatz bei diesem Gebilde vieldeutig. Zunächst fiel uns das Merkwürdige auf: die Verschiedenartigkeit der prädikativen u n d veritativen Beziehung. D e r Satz ist als Prädikation zugleich Aussage über . . ., oder besser: Der Satz ist Aussage über Objekte in der Weise, daß dieses Aussagen über . . . selbst prädikative Struktur hat. D i e Aussage ist als solche Aussage über das Objekt; in der Aussage selbst liegt eine Bezieh u n g auf das Objekt. W i r n a n n t e n sie die veritative, lediglich u m anzudeuten, daß in dieser B e z i e h u n g zum Objekt die Wahrheit z u m Vorschein k o m m t . D a s W e s e n der Wahrheit wird sich nur b e s t i m m e n lassen, w e n n wir diese Beziehung z u m Objekt schärfer untersuchen und fragen: 1. Worin besteht diese Bezieh u n g der Aussage zum Objekt? 2. K o m m t diese Beziehung z u m Objekt der Aussage als Aussage zu? Konstituiert sich diese Bez i e h u n g zum Objekt in der Aussage als solcher, oder m a c h t die
§ 11. Problem der Subjekt-Objekt-Beziehung
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Aussage nur v o n dieser B e z i e h u n g z u m Objekt Gebrauch? D i e s e beiden Fragen h ä n g e n aufs engste zusammen, u n d m i t der ersten beantwortet sich die zweite. Zur ersten Frage: W e n n wir das Wesen einer B e z i e h u n g bes t i m m e n wollen, dann ergibt sich als Nächstes, daß wir überhaupt e i n m a l erst festlegen, w o z w i s c h e n die B e z i e h u n g besteht. Eine B e z i e h u n g (Relation) hat ihre Beziehungsglieder (Relata); das eine Beziehungsglied der Aussage ist das Objekt, das andere das aussagende Subjekt. Jeder von uns ist ein Subjekt, das sich auf diese Kreide bezieht i m Vollzug der Aussage, i m Nach- und Mitvollzug. Aber m i t dieser trivialen Feststellung, die B e z i e h u n g sei die Subjekt-Objekt-Beziehung, ist w e n i g zur Charakterisierung der Beziehung der Aussage z u m Objekt g e w o n n e n - i m Gegenteil, sie ist der T i t e l für eine Kette von Problemen u n d fragwürdigen Thesen. D o c h h a b e n wir uns nicht durch die Herausstellung der Mannigfaltigkeit v o n Beziehungen, die zwischen Subjekt u n d Objekt bestehen, instand gesetzt, n u n doch diese B e z i e h u n g näher zu bestimmen? Zeigt nicht dieses Beziehungsganze, w i e i m Einzelnen die a l l g e m e i n e Subjekt-Objekt-Beziehung vermittelt ist? Sie ist eine durch D e n k e n , Bedeutungseinheit, Wortlaut usw. vermittelte, so daß wir, je als seelische Subjekte, uns zunächst auf Vorstellungen, von diesen auf Bedeutungen, von diesen auf das Objekt beziehen und also auf d i e s e m W e g e von uns, von unserem Bewußtsein, hinaus g e l a n g e n zum Objekt. G e w i ß m a g es noch eine besondere Aufgabe sein, diese v e r m i t t e l n d e n Beziehungen i m einzelnen näher zu untersuchen u n d zu erklären, aber grundsätzlich ist doch klar, w i e wir die Subjekt-ObjektBeziehung u n d damit die veritative B e z i e h u n g u n d damit Wahrheit aufzuklären haben. Aber andererseits wissen wir doch, daß der Ansatz der Bes t i m m u n g des Wesens der Wahrheit b e i m ausgesprochenen Satz ein zwar natürlicher, aber doch äußerlicher u n d fragwürdiger ist, so daß von dieser Fragwürdigkeit des Ansatzes auch all das
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Die Frage nach dem fVesen der
Wissenschaft
mitbetroffen wird, was sich d i e s e m Ansatz zufolge ergibt: die ganze Mannigfaltigkeit der B e z i e h u n g e n zwischen Subjekt u n d Objekt. — Allein auf diese Fragwürdigkeit des Ansatzes k ö n n e n wir uns jetzt nicht berufen, w o wir positiv zeigen sollen, w a r u m er fragwürdig ist. N u n ist aber doch dieser B e z i e h u n g s z u s a m m e n h a n g (aussagendes Subjekt, Vorstellung, Bedeutung, Objekt) so einleuchtend, er hat sich so natürlich ergeben, daß m a n i m m e r wieder auf i h n zurückkommt. U n d doch, was so einleuchtet, ist bloßer Schein! D i e in der lebendig vollzogenen Aussage l i e g e n d e Beziehung auf das Objekt hat durchaus nicht den Charakter, w i e ihn die Theorie von d i e s e m B e z i e h u n g s z u s a m m e n h a n g darlegt. I m Aussagen » D i e se Kreide ist w e i ß « durchlaufen wir, die Aussagenden, nicht jenen Beziehungszusammenhang; wir richten uns nicht zuerst auf eine oder zwei Vorstellungen, die wir dann verbinden, u m durch diese Vorstellungsverbindung hindurch uns schließlich auf die w e i ß e Kreide zu beziehen, sondern u m g e k e h r t u n d ganz anders: Vor d e m Aussagen des Satzes sind wir unmittelbar schon auf das D i n g selbst, auf die w e i ß e Kreide bezogen, und zwar nicht so, daß wir nur eine »Vorstellung« in unserer Seele von ihr hätten, sondern — aussagend — halten wir uns schon bei der Kreide auf. Wir sind schon bei der Kreide, bei ihr selbst als d i e s e m vorhandenen Ding; aussagend m e i n e n wir i m vorhinein und direkt sie selbst. Wir, die Subjekte, beziehen uns direkt auf dieses Seiende (Kreide) selbst; wir sind bei ihr. Unsere, des Subjekts, B e z i e h u n g z u m Objekt ist e i n unmittelbares »Sein bei« der Kreide. Zunächst u n d natürlicherweise findet sich gerade gar nichts v o n j e n e m verwickelten und problematischen Beziehungszusammenhang. Wir k o m m e n nicht erst auf d e m W e g e über die Aussage u n d den B e z i e h u n g s z u s a m m e n h a n g , in d e m sie angeblich hängt, zur Kreide, sondern umgekehrt, nur insofern wir schon bei der Kreide sind, uns bei ihr aufhalten, kann sie m ö g l i c h e s Objekt der Aussage werden. Nur das, w o b e i wir schon sind, k ö n n e n wir zu
§
11. Problem der Subjekt-Objekt-Beziehung
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e i n e m m ö g l i c h e n Worüber der Aussage machen. D i e Aussage ist gar nicht die Art und Weise des Zugangs zu dieser Kreide. N u r weil wir schon vor d e m Aussagen bei der Kreide sind u n d nicht erst durch das Aussagen als solches zu ihr gelangen, deshalb u n d deshalb allein kann die Aussage als prädizierende sich angleichen an das, was und w i e das ist, worüber die Aussage ergehen soll. W i r sahen: D i e B e z i e h u n g der Aussage als Aussage zu den Objekten sei g e m ä ß der alten D e f i n i t i o n der Wahrheit die adaequatio intellectus ad rem, die A n g l e i c h u n g des denkenden Aussagens an die Sache. D i e s e A n g l e i c h u n g der Prädikation an das Objekt, adaequatio, worin m a n traditionell die Wahrheit sieht, setzt aber zu ihrer inneren Möglichkeit voraus, daß wir vorgängig schon bei d e m Seienden uns aufhalten, worüber eine i h m sich angleichende Aussage vollzogen w e r d e n soll. D a m i t ist auch schon unsere zweite Frage entschieden: Konstituiert sich die Subjekt-Objekt-Beziehung in der Aussage, oder macht diese v o n jener nur Gebrauch? W i r sehen, das letzte ist der Fall. Das Aussagen über . . . b e w e g t sich schon innerhalb und gleichsam auf der B a h n unseres Aufenthaltes bei der Kreide.
DRITTES KAPITEL
Wahrheit und Sein. Vom ursprünglichen Wesen der Wahrheit als Unverborgenheit
S 12. Das ursprüngliche
Wesen der
Wahrheit
So hat sich bezüglich unserer ersten Hauptfrage — inwiefern ist der traditionelle Wahrheitsbegriff nicht ursprünglich, sondern weist auf etwas zurück? - ergeben: D i e traditionelle Auffassung der Wahrheit setzt deren Ort in den Satz. Diese Ortsbestimmung aber ist zweideutig, sofern der Satz zugleich Prädikation und Aussage ist. Wenn überhaupt zum Satz gehörig, kann die Wahrheit nur in der Aussagebeziehung liegen. Diese Aussagebeziehung, die Beziehung zum Worüber, gründet jedoch selbst in d e m notwendig zugrundeliegenden Aufenthalt bei Seiendem, innerhalb welchen Aufenthaltes allein ein Worüber zugänglich und durch die prädikative Aussage bestimmbar ist. Wenn schon mit einem gewissen Recht dem Satz als Aussage die Wahrheit zugesprochen wird, so gründet die Wahrheit in etwas Ursprünglicherem, was nicht Aussagecharakter hat. Diesem ursprünglicheren Anderen gilt es jetzt nachzugehen, u m so zum ursprünglicheren Wesen der Wahrheit vorzudringen. Damit stehen wir bei der zweiten Hauptfrage, wie dieses ursprüngliche Wesen der Wahrheit selbst zu fassen sei. Was sich uns zunächst ergab, war: D i e Aussage über die Kreide erwächst innerhalb eines Aufenthaltes bei . . ., eines Seins bei . . . Diese Art zu sein kommt uns, den Aussagenden, zu. Dieses direkte unmittelbare Sein bei der Kreide selbst haben wir nicht durch irgend eine Theorie über die Aussage oder über das Verhältnis von Subjekt und Objekt erdacht-, sondern es zeigte sich diese
S 12. Das ursprüngliche
Wesen der Wahrheit
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dann, als wir gerade alle Theorie beiseite l i e ß e n u n d d e m nachgingen, was i m natürlichen Aussagen liegt. Wir haben d e m nachgefragt, worauf die Aussage über die Kreide n a c h ihrer e i g e n e n , in der Aussage l e b e n d i g e n M e i n u n g abzielt. Nichts von Bewußtsein, Seele, ob nur Vorstellungen, Bilder von Dingen, sondern nur wir selbst, so w i e wir uns kennen, sind auf die Kreide selbst bezogen, unser Sein bei . . . Vorhandenem i m weitesten Sinne. D a s ist freilich wieder eine recht triviale Feststellung. D e r g l e i c h e n hat m a n doch längst gewußt: άντικείμενα. In der Tat, dergleichen wurde i m m e r schon gesehen. D i e Schwierigkeit liegt nicht darin, daß m a n dieses Sichbeziehen auf Objekte übersehen hätte, daß es g e f e h l t hätte, sondern daß m a n es ob seiner Trivialität allzu leicht n a h m — etwa i n der üblichen Argumentation, durch die sich auch der Realismus einschüchtern läßt u n d damit auf grundsätzliche Irrwege gerät — u n d daß m a n allzu s c h n e l l w e i t e r g i n g u n d nach Erklärungen suchte. Was m a n in gewisser Weise feststellte — das Sein bei . . . — k a m gar nicht zu s e i n e m Recht und wurde durch T h e o r i e n zugedeckt. Beziehung lediglich
D i e Schwierigkeit u n d das Entscheidende liegt hier u n d in allen entsprechenden trivialen Feststellungen dieser Art darin, das, was da festgestellt ist, nun auch festzuhalten, derart, daß sich aus dem, was sich zunächst zeigt u n d w i e es sich zeigt, die Probleme erst ergeben. M a n glaubt, diese Trivialität dadurch zu beseitigen u n d zu einer Erkenntnis zu erheben, daß m a n auf die Frage, w i e die Seele sich auf die D i n g e beziehen könne, sich in allerhand T h e o r i e n stürzt, in der Weise, daß m a n — u m eine Analogie zu gebrauchen — ein durchgearbeitetes u n d i n sich vielleicht wertvolles System einer Therapie entwickelt, ohne daß m a n die D i a g n o s e gestellt hat. M i t e i n e m u n g e h e u r e n Aufw a n d von scharfsinnigen Theorien u n d A r g u m e n t e n wird diese Beziehung zu erklären gesucht, o h n e daß m a n zuerst d e n Tatbestand gesichert hat, der z u m Problem w e r d e n soll. M a n b e m ü h t sich also u m Probleme, die gar nicht existieren, und sieht nicht diejenigen, die sich ergeben, w e n n m a n die Trivialität nicht beseitigt, sondern sie ausschöpft.
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Wahrheit und Sein
D a ß n u n diese T h e o r i e n u n d die f o r m a l l o g i s c h e A r g u m e n t a t i o n i m m e r d e n V o r r a n g g e w i n n e n ü b e r das, w a s u n m i t t e l b a r a u f z u n e h m e n u n d zu f a s s e n ist, l i e g t d a r a n , d a ß alle philosop h i s c h e n T h e o r i e n in d e m M o m e n t , i n d e m sie sich a u s b i l d e n , in einen weiteren Z u s a m m e n h a n g m i t anderen Theorien hine i n g e r a t e n u n d d a d u r c h das S y s t e m i m s c h l e c h t e n S i n n e sich verfestigt. Dazu k o m m t , daß durch unheilvollen Einfluß u n d schlechte N a c h a h m u n g der Wissenschaften merkwürdigerweise die P h i l o s o p h i e das B e s t r e b e n h a t , n u r d a s j e n i g e als E i n s i c h t g e l t e n zu lassen, w a s auf i r g e n d e i n e m a r g u m e n t a t i v e n W e g e r a t i o n a l b e w i e s e n ist, so d a ß m a n d i e I n s t a n z e i n e r u n m i t t e l b a r e n A n s c h a u u n g i n i h r e r U n m i t t e l b a r k e i t n i c h t m e h r sieht. Es gilt, die A n s t r e n g u n g d a r a u f zu k o n z e n t r i e r e n , das, was sich zeigt, das P h ä n o m e n , w i r k l i c h fest- u n d d u r c h z u h a l t e n , je e i n f a c h e r , u m so n a c h h a l t i g e r ; n u r so e n t w i c k e l t das P h ä n o m e n die ganze Schärfe der darin verborgenen Probleme. D e n n ebenso w e s e n t l i c h w i e die A n s t r e n g u n g des e r s t e n F e s t n e h m e n s des P h ä n o m e n s ist die E i n s i c h t , d a ß d a m i t n i c h t s c h o n die L ö s u n g e i n e s P r o b l e m s g e w o n n e n ist, ja n i c h t e i n m a l s e i n e S t e l l u n g u n d A u s a r b e i t u n g . So v e r h ä n g n i s v o l l w i e die U n t e r s c h ä t z u n g e i n e r s o l c h e n e r s t e n F e s t s t e l l u n g u n d F e s t n a h m e ist a u c h d i e Ü b e r s c h ä t z u n g e i n e r b l o ß e n B e s c h r e i b u n g . G e r a d e diese u n h e i l v o l l e M e i n u n g m a c h t sich i n n e r h a l b d e r P h ä n o m e n o l o g i e g e l t e n d , w o m a n z w a r auf die u n m i t t e l b a r e A u f w e i s u n g d e r D i n g e d r ä n g t , i n d e m m a n m e i n t , w e n n m a n n u r alles b e s c h r i e b e n h a t , w i e d i e D i n g e sind, sei edles g u t . A b e r d a m i t ist n i c h t s g e w o n n e n , n u r d e r I r r t u m v o r b e r e i t e t , als sei P h i l o s o p h i e B o t a n i k . a) R ü c k g a n g h i n t e r d i e S u b j e k t - O b j e k t - B e z i e h u n g : das S e i n bei . . . W e n n w i r b e t o n e n : D e m A u s s a g e n l i e g t schon e i n Sein b e i . . . z u g r u n d e , d a n n e r h e b t sich die F r a g e , w i e ist dieses Sein b e i . . . h i n s i c h t l i c h s e i n e r i n n e r e n M ö g l i c h k e i t a u f z u k l ä r e n . Sein b e i . . ., A u f e n t h a l t bei . . . k e n n z e i c h n e t z u n ä c h s t e i n e A r t u n d
S 12. Das ursprüngliche
Wesen der
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VVeise, 'gemäß d e r w i r , die M e n s c h e n , sind. D a s S e i e n d e , das jeder von u n s selbst ist, als M e n s c h , n e n n e n w i r das m e n s c h l i c h e Dasein oder k u r z D a s e i n . E i n e n G r u n d c h a r a k t e r d e r A r t u n d Weise, w i e das D a s e i n ist, n e n n e n w i r Existenz. 1 D a s e i n existiert, u n d n u r es. N u r d e r M e n s c h h a t Existenz. E x i s t e n z ist a u c h h i e r noch z w e i d e u t i g : 1. Seinsweise ü b e r h a u p t f ü r D a s e i n , 2. u n d dieses, w e i l d i e i n v e r s c h i e d e n e n H i n s i c h t e n f ü h r e n d e n i c h t die einzige ist, s o n d e r n m i t a n d e r e n zugleich. Das h e i ß t n i c h t , d a ß a n d e r e s S e i e n d e s n i c h t w i r k l i c h w ä r e , sondern n u r , die Weise zu sein ist b e i a n d e r e m S e i e n d e n e i n e von G r u n d aus a n d e r e . T i e r e u n d P f l a n z e n l e b e n ; m a t e r i e l l e D i n g e , » N a t u r « in e i n e m g a n z b e s t i m m t e n S i n n e , sind v o r h a n den, G e b r a u c h s d i n g e z u h a n d e n . T e r m i n o l o g i s c h e r g i b t sich das Paradoxe, d a ß d e r M e n s c h n i c h t l e b t , s o n d e r n existiert, w o b e i sich f r e i l i c h b e i g e n a u e r e r I n t e r p r e t a t i o n d e r E x i s t e n z zeigt, d a ß der M e n s c h z w a r n i c h t » a u c h n o c h « lebt, s o n d e r n d a ß das, w a s die Seinsart des T i e r e s u n d d e r P f l a n z e a u s m a c h t , als L e b e n i n n e r h a l b d e r E x i s t e n z des M e n s c h e n , s o f e r n er e i n e n L e i b h a t , einen ganz anderen u n d eigenen Sinn b e k o m m t . I m Unterschied von d e r S e i n s a r t d e r D i n g e , w i e e t w a S t e i n e oder Geröll, h a b e n n u n D i n g e w i e Kreide, S c h w a m m , T a f e l , T ü r , F e n s t e r noch e i n e g a n z a n d e r e A r t zu sein, d i e w i r als das Z u h a n d e n s e i n derselben b e z e i c h n e n . F e r n e r gibt es d e r g l e i c h e n w i e R a u m u n d Zahl, die a u c h n i c h t n i c h t s sind, u n d sofern sie e t w a s sind, sind sie; v o n i h n e n s a g e n w i r , d a ß sie b e s t e h e n ; sie h a b e n B e s t a n d . So k ô n n é n w i r m i t R ü c k s i c h t auf diese v e r s c h i e d e n e n A r t e n des Seins des S e i e n d e n s c h e i d e n : das E x i s t i e r e n d e : d i e M e n s c h e n ; das L e b e n d e : P f l a n z e n , T i e r e ; das V o r h a n d e n e : die m a t e r i e l l e n Dinge; das Z u h a n d e n e : d i e G e b r a u c h s d i n g e i m w e i t e s t e n S i n n e ; 1 Deus — essentia — existentia. — Z u m Wesen Gottes gehört existentia (Wirklichkeit); er ist seinem Wesen nach dasjenige, was nicht nicht sein k a n n . Sein Wesen: ens realissimum. W ü r d e Gott nicht wirklich sein, so fehlte i h m etwas; da i h m nichts f e h l e n kann, m u ß er existieren. Ontologischer Gottesbeweis, d.h. der Beweis der Wirklichkeit aus der Seinsverfassung, dem Wesen. Kritik bei Thomas, Kant, Schelling.
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Wahrheit und Sein
das B e s t e h e n d e : Z a h l u n d R a u m . N a c h diesen G r u n d a r t e n des Seins k ö n n e n w i r B e r e i c h e k e n n z e i c h n e n , o b w o h l d e r A s p e k t v o n B e r e i c h e n n i c h t w e s e n t l i c h u n d p r i m ä r ist. D a s E x i s t i e r e n de, das L e b e n d e , das V o r h a n d e n e , das Z u h a n d e n e sind n i c h t n e b e n e i n a n d e r g e s c h o b e n e Bereiche, s o n d e r n n u r m e t h o d i s c h e A u f f a s s u n g s b e g r i f f e . V o l l k o m m e n v e r s c h i e d e n v o n dieser A u f f a s s u n g von N a t u r ist » N a t u r « i m S i n n e v o n K o s m o s oder als G e g e n b e g r i f f zu Kunst; dieses P r o b l e m h a t e i n e ganz a n d e r e Stelle. b) D a s S e i n bei . . . als E x i s t e n z b e s t i m m u n g des D a s e i n s D i e B e a n t w o r t u n g d e r F r a g e , w a s das W e s e n d e r W a h r h e i t sei, h ä n g t d a v o n ab, w i e w e i t es u n s g e l i n g t , das D a s e i n selbst, d . h . u n s selbst i n u n s e r e r Existenz, so u r s p r ü n g l i c h a u f z u k l ä r e n , d a ß w i r aus d e m W e s e n u n s e r e r e i g e n e n E x i s t e n z s e h e n , i n w i e f e r n zu i h r w e s e n s m ä ß i g so e t w a s w i e W a h r h e i t g e h ö r t . S e i n bei . . . ist e i n e A r t zu sein, d i e d e m z u k o m m t , w a s existiert, das e b e n diese spezifische G r u n d a r t zu sein h a t , w e l c h e G r u n d a r t zu s e i n sich, w e n n a u c h n u r i n e i n e r H i n s i c h t , i n d i e s e m Sein b e i . . . d o k u m e n t i e r t . W e n n dieses e i n M o d u s d e r E x i s t e n z des D a s e i n s ist, d a n n m u ß d i e i n n e r e M ö g l i c h k e i t dieses E x i s t e n z m o d u s sich a u f k l ä r e n u n d n u r d a d u r c h a u f k l ä r e n lassen, d a ß w i r die E x i s t e n z des D a s e i n s , d . h . das D a s e i n als solches h i n r e i c h e n d b e g r e i f e n . D a s D a s e i n ist a b e r n i c h t s a n d e res, als w a s w i r b i s h e r » S u b j e k t « n a n n t e n , S u b j e k t , das zu Objekten in der besagten Beziehung steht. H a b e n w i r n u n l e d i g l i c h e i n a n d e r e s W o r t f ü r dasselbe Seiend e gesetzt, D a s e i n s t a t t S u b j e k t , o d e r was ist g e w o n n e n ? W i r sehen, daß wir nicht einfach mit der Subjekt-Objekt-Beziehung o p e r i e r e n k ö n n e n , s o l a n g e n i c h t k l a r ist, was h i e r >Subjekt< besagt. D i e s e r f a h r e n w i r a b e r n u r , w e n n w i r die S u b j e k t i v i t ä t des S u b j e k t s z u m P r o b l e m m a c h e n , d. h . f r a g e n , w a s das D a s e i n als S e i e n d e s in s e i n e r u r s p r ü n g l i c h e n V e r f a s s u n g b e s t i m m t , w a s dieses S e i e n d e als solches ist, dieses S e i e n d e , v o n d e m w i r b e r e i t s
S 12. Das ursprüngliche
Wesen der Wahrheit
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h a b e n , es e x i s t i e r t so, d a ß es in s e i n e r E x i s t e n z sich bei a n d e r e m S e i e n d e n a u f h ä l t . W i r m ü s s e n dieses S e i n b e i . . . als E x i s t e n z b e s t i m m u n g f e s t h a l t e n u n d f r a g e n : W i e m u ß die Existenz v o n D a s e i n ü b e r h a u p t b e s t i m m t w e r d e n , d a ß i n d e r u r s p r ü n g l i c h e n V e r f a s s u n g dieses S e i e n d e n die i n n e r e M ö g l i c h keit e i n e s s o l c h e n Seins bei . . . a n s L i c h t k o m m t ? W i r k ö n n e n und dürfen nicht irgendeinen Begriff v o m Subjekt voraussetzen u n d d a r a u s die Aussage u n d die S u b j e k t - O b j e k t - B e z i e h u n g erklären, s o n d e r n u m g e k e h r t : Was w i r z u n ä c h s t als P h ä n o m e n f e s t g e n o m m e n h a b e n , das m ü s s e n w i r als e i n e B e s t i m m u n g des D a s e i n s f e s t h a l t e n u n d g e m ä ß dieser B e s t i m m u n g , d i e s e m Sein bei . . ., n u n das D a s e i n selbst, die S u b j e k t i v i t ä t des S u b j e k t s , bestimmen. festgestellt
Aber diese A u f h e l l u n g des Seins b e i . . ., d . h . dieser R ü c k g a n g auf das D a s e i n , g e s c h i e h t i n d e r l e i t e n d e n Absicht, das u r s p r ü n g l i c h e W e s e n d e r W a h r h e i t zu f i n d e n u n d u m d a r a u s das Wesen d e r W i s s e n s c h a f t als e i n e r A r t v o n W a h r h e i t zu versteh e n . Bei d e r E r ö r t e r u n g d e r Krisis d e r W i s s e n s c h a f t e r g a b sich, daß u n g e k l ä r t ist, w e l c h e S t e l l u n g d i e W i s s e n s c h a f t i n d e r Existenz des M e n s c h e n , d. h . i m D a s e i n selbst, h a t . D i e F r a g e n a c h der W i s s e n s c h a f t bzw. W a h r h e i t f ü h r t u n s z u r ü c k auf d i e eigent ü m l i c h e F r a g e n a c h u n s selbst. D a s ist a b e r z u n ä c h s t n u r e i n e v o r g r e i f e n d e u n d a l l g e m e i n e K e n n z e i c h n u n g des H o r i z o n t s , in d e n w i r n u n h i n e i n f r a g e n u n d d e r m i t d e m z u n e h m e n d bes t i m m t e r e n F r a g e n sich m e h r u n d m e h r a u f k l ä r t . D a m i t w i r a b e r d i e s e n H o r i z o n t f ü r die n ä h e r e A u f k l ä r u n g des Seins b e i . . . k o n k r e t i n g e w i s s e n H a u p t s t r u k t u r e n s e h e n , müssen wir den Ausgang unseres Fragens nach der inneren M ö g l i c h k e i t des Seins b e i . . . als E x i s t e n z m o d u s n o c h k o n k r e t e r b e s t i m m e n . A b e r was l ä ß t sich d a r ü b e r n o c h m e h r sagen? K e h r e n w i r z u r ü c k zu u n s e r e r Aussage » D i e s e K r e i d e ist weiß«. Dieses A u s s a g e n ü b e r . . . ist vollzogen u n d n u r vollziehb a r auf d e m G r u n d e dessen, d a ß w i r u n s s c h o n a u f h a l t e n bei d e r Kreide. W e n n w i r diese Aussage ü b e r die K r e i d e v o l l z i e h e n u n d sie d a b e i g e w i s s e r m a ß e n ins A u g e fassen, h a l t e n w i r u n s d a b e i
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Wahrheit und Sein
n i c h t n u r bei i h r a u f , s o n d e r n a u c h bei a n d e r e n D i n g e n . Bevor w i r d i e Aussage f ä l l e n , s i n d w i r m i t d e r K r e i d e g a r n i c h t bes c h ä f t i g t . W i r r i c h t e n u n s e r A u g e n m e r k auf d i e K r e i d e erst i n d e m M o m e n t , i n d e m w i r d i e a u s g e s p r o c h e n e Aussage m i t - Und nachvollziehen. So e r g i b t sich, d a ß u n s e r A u f e n t h a l t bei d e n D i n g e n m e r k w ü r d i g e M o d i f i k a t i o n e n h a t , d a ß er n i c h t n o t w e n d i g besagt, sich d a m i t zu b e s c h ä f t i g e n . W i r h a l t e n u n s h i e r auf i m Saal, d. h . a u c h bei d e r T ü r , bei d e n L a m p e n , d e n K l e i d e r h a k e n , o h n e d a ß wir uns mit den Dingen beschäftigen. Beschäftigung mit den D i n g e n ist also n u r ein g a n z b e s t i m m t e r M o d u s i n n e r h a l b des A u f e n t h a l t e s b e i i h n e n . W e n n w i r u n s e r A u g e n m e r k a u f die D i n g e r i c h t e n , also bei d e r Aussage ü b e r die K r e i d e auf das D i n g selbst, d a n n k ö n n e n w i r a n d i e s e m D i n g die b e s t i m m t e E i g e n s c h a f t , d a ß es w e i ß ist, erfassen; i n d i e s e m A u f m e r k e n a u f das D i n g e r f a h r e n w i r zugleich, d a ß dieses D i n g , das w i r n u n erst a u s d r ü c k l i c h erfassen, s c h o n v o r h e r v o r h a n d e n w a r . Es l i e g t i m C h a r a k t e r dieses A u f m e r k e n s a u f das D i n g , d a ß das D i n g selbst u n s g e w i s s e r m a ß e n sagt: ich w a r schon da, bevor d u m i c h a u f f a ß t e s t . I n d i e s e m A u f m e r k e n a u f die D i n g e t r a g e n w i r i h n e n n i c h t s zu, w i r r e d e n i h n e n g e w i s s e r m a ß e n n i c h t s a u f , s o n d e r n sie, d i e D i n g e selbst, b e g e g n e n u n s so. D a s A u f m e r k e n a u f d i e D i n g e , s c h e i n b a r e i n e T ä t i g k e i t v o n u n s e r e r Seite,- ein s c h e i n b a r e s T u n , oder m i t K a n t zu s p r e c h e n , e i n e s c h e i n b a r e S p o n t a n e i t ä t u n s e r e r selbst, ist a b e r i h r e m e i g e n t l i c h e n W e s e n n a c h g e r a d e e i n B e g e g n e n - l a s s e n , e i n e e i g e n t ü m l i c h e Passivit ä t , e i n e e i g e n t ü m l i c h e R e c e p t i v i t ä t . Bei d i e s e m B e g e g n e n lassen g i b t es w e d e r » E i n d r u c k « v o n e i n e m A u ß e n n o c h H i n a u s g e h e n v o n u n s , also a u c h k e i n D r i n n e n ; w e d e r ist es ein K a u s a l v e r h ä l t n i s n o c h v e r k e h r t e T r a n s z e n d e n z . Dieses Begegn e n - l a s s e n ist i n gewisser Weise S p o n t a n e i t ä t , a b e r e i n e solche, die i n t e n t i o n a l doch d e n C h a r a k t e r des H i n n e h m e n s , d e r R e ceptivität hat. K a n t w u r d e d u r c h d i e S p o n t a n e i t ä t des D e n k e n s u n d ü b e r h a u p t aller T ä t i g k e i t des B e w u ß t s e i n s i m w e i t e s t e n S i n n e d a z u
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v e r l e i t e t zu s a g e n , n u r w o S p o n t a n e i t ä t ist, d a ist D e n k e n — also ein B e s t i m m e n m i t B e z u g auf die D i n g e , e i n Z u s p r e c h e n v o n b e s t i m m t e n l o g i s c h e n C h a r a k t e r e n . D a s ist e i n G r u n d i r r t u m . Wo S p o n t a n e i t ä t ist, ist n i c h t n o t w e n d i g ausgeschlossen, d a ß da n i c h t g e r a d e n o c h e i n e e i g e n t ü m l i c h e R e c e p t i v i t ä t ist. G e r a d e i m A u f m e r k e n auf etwas, das i n u n s w a c h w i r d , ist e i n Sichf r e i g e b e n f ü r d i e D i n g e , d a m i t sie sich zeigen k ö n n e n , w i e sie sind. c) D i e B e k u n d u n g des S e i e n d e n in Bewandtniszusammenhängen I n u n s e r e m — a u c h u n a u f m e r k s a m e n — A u f e n t h a l t bei d e n D i n g e n h a b e n w i r i m m e r s c h o n e i n e M a n n i g f a l t i g k e i t v o r uns: n i c h t n u r K r e i d e , s o n d e r n S c h w a m m , Tafel, K a t h e d e r , K l e i d e r haken, Mützen, Bänke, Türen. Aber g e w i n n e n w i r m i t dieser A u f z ä h l u n g das G e r i n g s t e zur A u f h e l l u n g des Seins b e i . . . u n d d e m z u f o l g e u n s e r e s V e r h a l t e n s zu d e n D i n g e n ? G e w i ß m a g i m e i n z e l n e n d i e d e r K r e i d e a n g e m e s s e n e B e s c h ä f t i g u n g , das S c h r e i b e n a u f d e r Tafel, e t w a s a n d e r e s sein als die A r t u n d Weise, w i e ich m i t e i n e r M ü t z e u m g e h e , d i e ich n u r a u f s e t z e bzw. ablege. W i r e n t n e h m e n h i e r a u s e i n e b e s t i m m t e A r t des b e n u t z e n d e n U m g a n g s m i t diesen G e b r a u c h s d i n g e n . D o c h h a b e n w i r n o c h n i c h t alles ausges c h ö p f t , w a s d a r i n liegt, d a ß n i c h t n u r diese K r e i d e , ü b e r die w i r g e r a d e a u s d r ü c k l i c h aussagen, v o r h a n d e n ist, s o n d e r n m e h r e r e a n d e r e D i n g e . Sie a b e r sind f ü r u n s v o r h a n d e n n i c h t w i e i n einem Trödlerladen, in e i n e m wirren u n d beziehungslosen Neb e n e i n a n d e r . Z w a r l i e g t die K r e i d e v i e l l e i c h t n e b e n d e m S c h w a m m u n d b e i d e n e b e n d e r T a f e l . A b e r dieses N e b e n e i n a n der ist e i n g a n z b e s t i m m t e s i n d e r N ä h e v o n e i n a n d e r . Es ist m i t b e s t i m m t d u r c h d e n S a c h g e h a l t , d u r c h das, w a s u n d w i e die D i n g e sind. D i e K r e i d e d i e n t z u m S c h r e i b e n auf d e r Tafel, der S c h w a m m z u m Auslöschen des G e s c h r i e b e n e n auf d e r Tafel. D i e s e D i n g e sind n i c h t e i n f a c h n u r m e h r e r e r ä u m l i c h n e b e n -
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e i n a n d e r l i e g e n d e , s o n d e r n sie s t e h e n i n e i n e m Z n s a m m e n h a n g , d e r D i e n l i c h k e i t zu . . . I m M e d i u m dieses Z u s a m m e n h a n g s h a b e n sie u n t e r sich spezifische B e z i e h u n g e n . D i e s e r Z u s a m m e n h a n g a b e r ist das f ü r die D i n g e F r ü h e r e , das i h n e n s c h o n Z u g r u n d e l i e g e n d e . D a ß es diese B e w a n d t n i s m i t K r e i d e , S c h w a m m , T a f e l h a t , b e s t i m m t sich i m G a n z e n d a r i n , d a ß h i e r i m Saal die G e l e g e n h e i t z u m A n s c h r e i b e n g e b r a u c h t w i r d , welches A n s c h r e i b e n dazu d i e n t , V o r g e t r a g e n e s i m Z u s a m m e n h a n g m i t d e r Vorlesung b e s t i m m t e r m i t z u t e i l e n . D u r c h diese A u f g a b e ist a b e r i m v o r h i n e i n d e r Saal i m g a n zen b e s t i m m t : e i n e G a n z h e i t v o n B e w a n d t n i s b e z ü g e n d u r c h h e r r s c h t die M a n n i g f a l t i g k e i t d e r D i n g e , die h i e r v o r h a n d e n sind, u n d d i e s c h e i n b a r s e l b s t v e r s t ä n d l i c h e u n d von u n s g a r n i c h t erst a u s d r ü c k l i c h b e a c h t e t e Art, w i e all d i e D i n g e h i e r v o r h a n d e n sind. D i e M a n n i g f a l t i g k e i t dieses S e i e n d e n , so w i e es sich u n s d i r e k t b e k u n d e t , ist n u r d e s h a l b f ü r u n s zu erfassen, weil wir u n d sofern wir i m vorhinein schon dergleichen wie H ö r s a a l v e r s t e h e n , a u f g e k l ä r t s i n d d a r ü b e r . I m L i c h t e eines b e s t i m m t e n B e w a n d t n i s z u s a m m e n h a n g s , d e r d u r c h die A u f g a b e — ö f f e n t l i c h e Vorlesung — g l e i c h s a m d i k t i e r t ist, ist u n s das v o r h a n d e n e S e i e n d e a n i h m selbst, i n d e m , w a s es e b e n h i e r ist, offenbar. Ein B e w a n d t n i s z u s a m m e n h a n g besteht nicht darin, daß fortl a u f e n d eines d u r c h a n d e r e s sich b e s t i m m t , s o n d e r n d a ß alles je auf das G a n z e a n g e w i e s e n ist, e i n e V e r w e i s u n g i n dieses zeigt u n d solcher V e r w i e s e n h e i t a n dieses G a n z e sich »selbst« verd a n k t . Jedes E i n z e l n e h a t das G a n z e i n sich a u f g e n o m m e n . D a s B e w a n d t n i s g a n z e k o m m t a b e r a u c h w i e d e r n u r so z u m Vors c h e i n ; es ist n i c h t s , weis f ü r sich, g l e i c h s a m n e b e n u n d h i n t e r d e n D i n g e n , als ein u n t e r d i e s e n a u c h V o r h a n d e n e s , s t ü n d e . W e n n wir f ü r einen Augenblick a n n ä h m e n , daß wir dergleichen wie einen Hörsaal nicht verstünden, d a n n w ü r d e n wir z w a r s e h r w o h l D i n g e s e h e n , die v o r h a n d e n sind, a b e r D i n g e , d i e w i r als solche n i c h t zu e r f a s s e n v e r m ö c h t e n i n d e m , w a s sie selbst sind. W a s sich u n s d a z e i g t , - w ü r d e sich u n s n i c h t m i n d e r
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real, n i c h t m i n d e r a u f d r i n g l i c h u n d v o r h a n d e n b e k u n d e n . I m Gegenteil, gerade sofern wir uns in diesem Z u s a m m e n h a n g n i c h t a u s k e n n e n , ist das V o r h a n d e n e f ü r u n s r ä t s e l h a f t u n d in dieser R ä t s e l h a f t i g k e i t u m s o a u f d r i n g l i c h e r u n d u n m i t t e l b a r e r wirklich. W e i l w i r u n s a b e r f a k t i s c h a u s k e n n e n , wissen w i r g a r n i c h t , d a ß w i r e i g e n t l i c h dieses e i n z e l n e D i n g i m m e r erst erfassen a u f d e m H i n t e r g r u n d dieses Verständnisses e i n e s Bew a n d t n i s g a n z e n : a n s c h r e i b e n , Vorlesung, H ö r s a a l u n d d e r g l e i chen. Jedes D i n g , m i t d e m w i r u n s h i e r b e s c h ä f t i g e n u n d das i r g e n d w i e z u m G e b r a u c h d i e n t , l ä ß t als solches dieses G a n z e d e r B e w a n d t n i s b e z ü g e , d i e d u r c h d e n H ö r s a a l b e s t i m m t sind, durchscheinen. U n v e r s e h e n s h a b e n w i r so ü b e r u n s e r S e i n bei d e n D i n g e n e i n i g e n A u f s c h l u ß e r h a l t e n , n ä m l i c h d a ß es n i c h t n o t w e n d i g ein a u s d r ü c k l i c h e s S i c h b e s c h ä f t i g e n m i t i h n e n zu sein b r a u c h t . Aber a u c h d a n n , w e n n d i e Kreide, v o n u n s u n b e n u t z t , n u r so h e r u m l i e g t , l i e g t sie als K r e i d e i n n e r h a l b des g e k e n n z e i c h n e t e n B e w a n d t n i s g a n z e n da. D a s S e i e n d e ist f ü r u n s n u r d a d u r c h offenbar, daß u n s schon ein B e w a n d t n i s z u s a m m e n h a n g enthüllt ist. So s p r e c h e n w i r v o n e i n e r O f f e n b a r k e i t des S e i e n d e n in s e i n e n Z u s a m m e n h ä n g e n . U n s e r S e i n bei . . . ist also i n erster L i n i e ein S e i n bei e i n e r M a n n i g f a l t i g k e i t v o n S e i e n d e m , das d u r c h e i n e b e s t i m m t e B e w a n d t n i s g a n z h e i t d u r c h h e r r s c h t ist. I n d i e s e m u n s e r e m S e i n bei d e r D i n g m a n n i g f a l t i g k e i t ist das S e i e n d e i m G a n z e n u n d zwar i n e i n e m S c h l a g o f f e n b a r . D e r U m k r e i s dieses S e i e n d e n v e r m a g sich d e s h a l b a n i h m selbst zu zeigen. D a s e i n z e l n e O b j e k t , das w i r ins A u g e fassen, ist g e r a d e dieses e i n z e l n e n u r i n d e m G a n z e n des Z u s a m m e n h a n g s . D i e s e O f f e n b a r k e i t v o n S e i e n d e m in solcher G a n z h e i t ist u n s so selbstv e r s t ä n d l i c h , d a ß w i r g a r n i c h t erst v o n i h r Notiz n e h m e n ; es ist n i c h t zufällig, d a ß w i r dieses G a n z e n u n s n i c h t e i g e n s b e w u ß t w e r d e n u n d es s o n a c h h a r t n ä c k i g ü b e r s e h e n b e i d e r R e f l e x i o n ü b e r O b j e k t e dieses Bezirks.
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Wahrheit und Sein d) W a h r h e i t als U n v e r b o r g e n h e i t . Verschiedene W e i s e n d e r O f f e n b a r k e i t des S e i e n d e n
D i e O f f e n b a r k e i t des S e i e n d e n a n i h m selbst jedoch w i r d u n s e i n d r i n g l i c h , w e n n w i r dieses F a k t u m n e g a t i v u m s c h r e i b e n u n d s a g e n : D i e s e s S e i e n d e , so w i e es h i e r i n d i e s e m B e w a n d t n i s z u s a m m e n h a n g a n i h m selbst v o r h a n d e n ist, ist u n s n i c h t v e r b o r g e n , w a s es d o c h sein k ö n n t e ; es ist a n i h m selbst u n v e r b o r g e n . W e i l es das ist, k ö n n e n w i r A u s s a g e n d a r ü b e r m a c h e n u n d diese a u c h n a c h p r ü f e n . D i e O f f e n b a r k e i t des S e i e n d e n ist e i n e U n verborgenheit. Unverborgenheit heißt wirklich i m Griechis c h e n άλήθεια, w a s w i r n i c h t s s a g e n d g e n u g m i t W a h r h e i t zu ü b e r s e t z e n p f l e g e n . W a h r , d . h . u n v e r b o r g e n ist das S e i e n d e selbst, w o d u r c h u n d w i e ist e i n e w e i t e r e F r a g e . Also n i c h t d e r Satz u n d n i c h t die Aussage ü b e r d a s Seiende, s o n d e r n das Seie n d e selbst ist » w a h r « . N u r w e i l das S e i e n d e selbst w a h r ist, k ö n n e n Sätze ü b e r das S e i e n d e i n e i n e m a b g e l e i t e t e n S i n n e w a h r sein. I n d e r T r a d i t i o n d e r M e t a p h y s i k i m M i t t e l a l t e r gibt es a b e r a u c h e i n e A u f f a s s u n g d e r W a h r h e i t — v e r i t a s —, w o n a c h sie d e m S e i e n d e n selbst, d e m e n s z u k o m m t . E i n e T h e s e l a u t e t : o m n e ens est v e r u m , jedes S e i e n d e ist w a h r . D i e s e r Satz h a t a b e r e i n e n g a n z a n d e r e n S i n n , n ä m l i c h d a ß jedes Seiende, s o f e r n es ist, v o n G o t t g e s c h a f f e n ist; s o f e r n es a b e r v o n G o t t g e s c h a f f e n ist, ens c r e a t u m , m u ß es von G o t t g e d a c h t sein. S o f e r n es von G o t t als d e m , d e r n i c h t irrt, v o n d e r a b s o l u t e n W a h r h e i t g e d a c h t ist, ist es als v o n G o t t G e d a c h t e s w a h r . W e i l jedes S e i e n d e g e s c h a f f e n e s ist, ist es als Seiendes e i n W a h r e s , v e r u m q u a c o g i t a t u m a D e o . D i e s e r B e g r i f f d e r W a h r h e i t des S e i e n d e n b e r u h t also a u f ganz a n d e r e n V o r a u s s e t z u n g e n als i n u n s e r e r E x p o s i t i o n d e r W a h r heit. W a h r h e i t b e s a g t also U n v e r b o r g e n h e i t ; die G r i e c h e n , diese l e i d e n s c h a f t l i c h P h i l o s o p h i e r e n d e n , h a b e n i m Begriff dessen, w a s als das Positivste u n d m i t als h ö c h s t e s G u t gilt, i m Begriff der Wahrheit, eine negative Bestimmung, ein a-privativum.
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W e n n z u m B e g r i f f d e r W a h r h e i t dieser R a u b g e h ö r t , d a n n sagt das, dafß das S e i e n d e allererst d e r V e r b o r g e n h e i t e n t r i s s e n w e r den m u ß , oder ihm, d e m Seienden, m u ß seine Verborgenheit g e n o m m e n w e r d e n . W e n n a b e r das S e i e n d e so i n d e r Verborg e n h e i t liegt, d a n n m u ß es i n e i n e solche V e r b o r g e n h e i t g e r a t e n sein, z u m a l g a n z u n d g a r n i c h t e i n s i c h t i g ist, w a r u m d e n n etwas, das ist, v e r b o r g e n sein m u ß . Was ist das a b e r f ü r e i n G e s c h e h e n , d u r c h das das S e i e n d e i n e i n e V e r b o r g e n h e i t gerät? I n w e l c h e r Weise »ist« diese V e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n , m i t d e r alles E r k e n n e n als F i n d e n d e r W a h r h e i t , als E n t d e c k e n d e r U n v e r b o r genheit kämpft? D a m i t s t e l l e n w i r F r a g e n , d i e f ü r die G r i e c h e n n o c h n i c h t a u f t a u c h t e n u n d n a c h i h n e n erst r e c h t n i c h t . D i e G r i e c h e n u n d die Folgezeit k e n n e n diese F r a g e n n i c h t , w e i l die A n t i k e trotz des Wortes άλήθεια n o c h n i c h t a u s d r ü c k l i c h sah, d a ß i m W e s e n der W a h r h e i t e t w a s N e g a t i v e s l i e g t u n d w e i l sie d e s h a l b d u r c h diese N e g a t i v i t ä t n i c h t b e u n r u h i g t w e r d e n k o n n t e n . G l e i c h s a m n u r i n d e r e r s t e n W o r t s c h ö p f u n g , i n d e r sich d i e G r i e c h e n ü b e r die W a h r h e i t a u s s p r a c h e n , blitzte diese H e l l i g k e i t ü b e r das v o n e i n e r N e g a t i o n d u r c h z o g e n e W e s e n d e r W a h r h e i t auf. D a s W o r t blieb, a b e r j e n e H e l l e , d e r es e n t s t a m m t e , w a n d e l t e sich ins Dunkel zurück u n d w u r d e fortan darin gehalten. Sofern n ä m lich W a h r h e i t sich a u s s p r i c h t , w i r d sie ö f f e n t l i c h z u g ä n g l i c h i m g e s p r o c h e n e n Satz als V e r f l e c h t u n g v o n W o r t e n u n d B e d e u t u n g e n u n d V o r s t e l l u n g e n . So ist d i e p r i m ä r e u n d e i n z i g e G e s t a l t der W a h r h e i t d i e p r ä d i k a t i v e Synthesis. W e i l diese K e n n z e i c h n u n g d e r W a h r h e i t a u c h h e u t e n o c h die s e l b s t v e r s t ä n d l i c h s t e ist, z u g l e i c h a b e r d u r c h die e h r w ü r d i g e T r a d i t i o n d e r Philosophie sanktioniert, besteht zunächst überhaupt kein Ahnen m e h r , d a ß i n d i e s e m W o r t άλιγθεια f ü r A u g e n b l i c k e e t w a s Elementares hell wurde. So m ü s s e n w i r d i e s e m U r w o r t erst w i e d e r s e i n e n u r s p r ü n g lichen, a b e r v e r l o r e n g e g a n g e n e n G e h a l t z u r ü c k g e b e n , oder besser, i h n erst e i g e n t l i c h ins L i c h t stellen. Ü b e r W a h r h e i t als U n - v e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n , als P r i v a t i o n u n d R a u b sowie
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ü b e r die Ü b e r w i n d u n g d e r V e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n u n d die B e f r e i u n g des S e i e n d e n aus s e i n e r V e r b o r g e n h e i t ist das G r u n d sätzliche n a c h z u l e s e n i n » S e i n u n d Z e i t « I, S. 212-230. H i e r w i r d z u m e r s t e n M a l d e r Versuch g e m a c h t , d i e s e n S i n n der W a h r h e i t i n s e i n e r g r u n d s ä t z l i c h e n B e d e u t u n g u n d in d e r g a n zen W e i t e , d i e d i e s e r B e g r i f f h a t , zu e r ö r t e r n . Es f e h l t n o c h v o l l k o m m e n a n e i n e r D u r c h f o r s c h u n g d e r G e s c h i c h t e des Wahrheitsbegriffes in diesem radikalen u n d ursprünglichen S i n n e , s o w o h l b e z ü g l i c h d e r G e s c h i c h t e des W a h r h e i t s b e g r i f f e s i n d e r P h i l o s o p h i e als in d e n W i s s e n s c h a f t e n , als a u c h ü b e r h a u p t i m S i n n e des W a h r h e i t s b e g r i f f s , d e r die p r a k t i s c h e W a h r h e i t , das H a n d e l n b e t r i f f t . T r o t z d e m h a b e n w i r i n n e u e r e r Z e i t e i n e U n t e r s u c h u n g dieser Art, die a u c h v o n m e i n e r F r a g e s t e l l u n g g r u n d s ä t z l i c h e r Art a u s g e h t : R u d o l f B u l t m a n n , U n t e r s u c h u n g e n z u m J o h a n n e s e v a n g e l i u m , in: Z e i t s c h r i f t f ü r die n e u t e s t a m e n t l i c h e W i s s e n s c h a f t u n d die K u n d e d e r ä l t e r e n Kirche. 1928, Bd. 27, S. 113-163. B u l t m a n n v e r ö f f e n t l i c h t h i e r Vorarbeiten f ü r den großen K o m m e n t a r , den er vorbereitet, u n d v e r s u c h t , e i n z e l n e G r u n d b e g r i f f e zu e r ö r t e r n , u n t e r a n d e r e n u n d zuerst d e n Begriff d e r άλήθεια. D i e A b h a n d l u n g ist i n zwei Hauptteile gegliedert. Zuerst wird der alttestamentliche Wahrh e i t s b e g r i f f e r ö r t e r t u n d d i e Art s e i n e r Ü b e r s e t z u n g i n d e r S e p t u a g i n t a . D a b e i k o m m e n zur S p r a c h e v e r w a n d t e B e g r i f f e v o n W a h r h e i t , Festigkeit, T r e u e , Z u v e r l ä s s i g k e i t , G e r e c h t i g k e i t u n d d e r g l e i c h e n . Alle diese B e g r i f f e , d e n e n m a n b i s h e r m i t d e m traditionellen Wahrheitsbegriff ratlos gegenüberstand, finden jetzt erste u n d a n g e m e s s e n e I n t e r p r e t a t i o n . S o d a n n ist d e r Begriff d e r W a h r h e i t i n d e r j ü d i s c h e n u n d j ü d i s c h - c h r i s t l i c h e n L i t e r a t u r b e h a n d e l t . D i e A b h a n d l u n g des z w e i t e n Teils, άλήθεια in d e r c h r i s t l i c h e n u n d h e l l e n i s t i s c h e n L i t e r a t u r , ist w i c h t i g , nicht n u r weil z u m ersten Mal versucht wird, in konkreter Unt e r s u c h u n g diese G e s c h i c h t e des W a h r h e i t s b e g r i f f s h e r a u s z u stellen, s o n d e r n w e i l B u l t m a n n m i t d e r i h m e i g e n e n G r ü n d lichkeit und Scharfsinnigkeit neues Material in unerhörter D u r c h d r i n g u n g vorlegt, so d a ß diese A b h a n d l u n g v o n w e s e n t -
S 12. Das ursprüngliche
Wesen der
Wahrheit
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licher w i s s e n s c h a f t s g e s c h i c h t l i c h e r u n d p h i l o s o p h i e g e s c h i c h t l i c h e r B e d e u t u n g ist. W i r h a l t e n diesen e l e m e n t a r e n W e s e n s c h a r a k t e r d e r W a h r heit fest u n d v e r s u c h e n f o r t a n , u n t e r W a h r h e i t so e t w a s w i e U n - v e r b o r g e n h e i t zu v e r s t e h e n , u n d wissen d a b e i , d a ß w i r i h n n o c h n i c h t r e c h t fassen, g e s c h w e i g e d e n n zu v e r s t e h e n v e r m ö gen. S p ä t e r e Ü b e r l e g u n g e n m ü s s e n u n s dazu h e l f e n . Jetzt vers u c h e n w i r , d e n e i n g e s c h l a g e n e n W e g w e i t e r zu g e h e n , d. h . die A u f h e l l u n g des Seins bei . . . ( A u f e n t h a l t ) w e i t e r z u f ü h r e n , u n d z w a r so w e i t , d a ß w i r e i n e erste h i n r e i c h e n d e E i n s i c h t i n das Wesen d e r W a h r h e i t g e w i n n e n , h i n r e i c h e n d , u m i m L i c h t e des Wesens der W a h r h e i t d i e F r a g e n a c h d e m W e s e n d e r W i s s e n s c h a f t zu b e a n t w o r t e n . 2 W i r s a h e n : i n u n s e r e m Sein bei d e n D i n g e n sind u n s diese o f f e n b a r ; u n v e r b o r g e n b e g e g n e n sie selbst u n d z w a r so, d a ß sie sichi i m G a n z e n e i n e s B e w a n d t n i s z u s a m m e n h a n g s b e k u n d e n . 5 D e r U m k r e i s d e r n u n jeweils f a k t i s c h d u r c h s c h e i n e n d e n Bew a n d t n i s z u s a m m e n h ä n g e , die P e r s p e k t i v e dessen, w a s u n s ger a d e o f f e n b a r ist, ist a b e r v e r ä n d e r l i c h u n d ä n d e r t sich s t ä n d i g : W e n n w i r K r e i d e , S c h w a m m , T a f e l u n d H ö r s a a l s a g e n , so zwing e n w i r u n s g e w i s s e r m a ß e n auf d e n U m k r e i s dieses b e s t i m m t e n R a u m e s . D e r H ö r s a a l selbst a b e r ist u n m i t t e l b a r i m U n i v e r s i t ä t s g e b ä u d e , dieses G e b ä u d e a n d i e s e m Platz d e r S t a d t , d i e S t a d t F r e i b u r g i n e i n e r b e s t i m m t e n U m g e b u n g , diese U m g e b u n g u n t e r d e m H i m m e l , bei Tag, b e i N a c h t , bei e i n e r b e s t i m m t e n W i t t e r u n g . D i e s e r g a n z e Z u s a m m e n h a n g ist u n m i t t e l b a r u n v e r 2 Nicht n u r hinreichend allgemein; d e n n allgemein ist auch die Idee der Satzwahrheit u n d gerade sie, aber eine verführerische Allgemeinheit des Unbestimmten. Das ursprüngliche Wesen, so daß alle w e s e n h a f t e n Abwandlungen und die Art der A b w a n d l u n g selbst Verrenkungen u n d Künsteleien bezüglich »praktischer Wahrheit«, die des Satzes festgehalten u n d d a n n übertragen! W a h r h e i t des Hoffens, Wünschens, Fragens u n d dergleichen ist damit nicht zu fassen. 5 Wesen der Wahrheit: Offenbarkeit von Vorhandenem bis jetzt. D u r c h g ä n gig dieselbe Offenbarkeit? Charakter von Wahrheit u n b e r ü h r t von der Seinsart des Seienden? W i e Z u s a m m e n h a n g beider?
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b o r g e n u n s g e g e n w ä r t i g , w e n n w i r s a g e n , d a ß diese K r e i d e h i e r auf d e m K a t h e d e r liegt. All diese U m k r e i s e des Z u s a m m e n h a n g s v o n S e i e n d e m h a b e n k e i n e f e s t e n G r e n z e n ; sie sind n i c h t n e b e n e i n a n d e r g e l a g e r t , s o n d e r n d i e w e i t e r e n s c h e i n e n je als G a n z e d u r c h d i e e n g e r e n d u r c h u n d i n diese h e r e i n . D a m i t ist a b e r gesagt, d a ß u n s i m m e r m a n n i g f a l t i g e s Seiendes m e h r e r l e i A r t o f f e n b a r ist. W i r alle b e w e g e n u n s in g e w i s s e n d u r c h s c h n i t t l i c h g l e i c h e n , z.T. sogar d e n s e l b e n K r e i s e n des allt ä g l i c h o f f e n b a r e n S e i e n d e n . D e m n a c h z u g e h e n , ist n i c h t u n sere jetzige A u f g a b e , w o w i r l e d i g l i c h d e r O f f e n b a r k e i t als solcher, d e r U n v e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n n a c h f r a g e n . Z w a r s c h e i n t es zu g e n ü g e n , d a ß w i r u n s d a b e i a n e i n beliebiges Beispiel h a l t e n , die O f f e n b a r k e i t d e r Kreide, d i e es e r m ö g l i c h t , d a ß diese K r e i d e G e g e n s t a n d e i n e r Aussage w i r d . Allein w i r h ö r t e n schon, d a ß n i c h t alles S e i e n d e die S e i n s a r t d e r G e b r a u c h s d i n g e h a t . W i r k l i c h ist a u c h Seiendes, das v o r h a n d e n ist (Steine), das l e b t ( P f l a n z e , T i e r ) , das existiert ( M e n s c h ) . W i r f r a g e n d e s h a l b jetzt n a c h d e r O f f e n b a r k e i t all dieses S e i e n d e n , das f r e i l i c h s e i n e r S e i n s a r t n a c h v e r s c h i e d e n sein m a g . A b e r ist diese O f f e n b a r k e i t des S e i e n d e n e i n e d u r c h g ä n g i g g l e i c h m ä ß i g e , u n b e s c h a d e t d e r j e w e i l i g e n S e i n s a r t des o f f e n b a r e n S e i e n d e n ? Es s i e h t so aus. D e n n w i r k ö n n e n l e i c h t in d e r s e l b e n f o r t l a u f e n d e n W e i s e feststellen, d a ß d a sind: Steine, Bäume, Hunde, Automobile, »Passanten« (Menschen). W i r k ö n n e n ü b e r all das, w e i l es i n g l e i c h e r Weise o f f e n b a r ist, a u c h i n g l e i c h e r Weise u n s d i r e k t u n t e r h a l t e n , w a h r e A u s s a g e n d a r über vollziehen. Diese gleichmäßige Aussagemöglichkeit ü b e r all das v o r k o m m e n d e S e i e n d e ist a u c h d e r Beleg f ü r e i n e gleichm ä ß i g e F o r m d e r O f f e n b a r k e i t , U n v e r b o r g e n h e i t , W a h r h e i t des Seienden. A b e r w i r sind n u n d o c h s c h o n m e h r f a c h m i ß t r a u i s c h g e w o r d e n g e g e n ü b e r d e m , w a s d i e Aussage b e z ü g l i c h des Wesens d e r W a h r h e i t h e r g i b t . Vielleicht ist es g e r a d e h i e r a u c h w i e d e r die G l e i c h m ä ß i g k e i t , U n t e r s c h i e d s l o s i g k e i t des A u s s a g e n s u n d R e d e n s ü b e r . . ., w a s d e n S c h e i n e r w e c k t , als sei die W a h r h e i t ü b e r
§ Iß. Seinsart und
Offenbarkeit
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das S e i e n d e g l e i c h f a l l s u n t e r s c h i e d s l o s v o m s e l b e n C h a r a k t e r , als sei die U n v e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n i n i h r e n W e i s e n n i c h t b e s t i m m t d u r c h die j e w e i l i g e S e i n s a r t des S e i e n d e n . I n d e r T a t ist es e i n S c h e i n , als sei alles u n s g e r a d e z u g ä n g liche S e i e n d e i n d e r s e l b e n Weise d e r O f f e n b a r k e i t u n v e r b o r g e n , ein S c h e i n f r e i l i c h , d e r s e i n e G r ü n d e h a t . Weil dieser S c h e i n ein sehr h a r t n ä c k i g e r ist, ja sogar z u m W e s e n u n s e r e s a l l t ä g l i c h e n D a s e i n s g e h ö r t , v e r l a n g t die A u f h e l l u n g d e r G r ü n d e u n d d e r M ö g l i c h k e i t dieses S c h e i n s w e i t g e h e n d e Ü b e r l e g u n g e n . A b e r wir s e h e n i m m e r w i e d e r , d a ß d i e Aussage u n s n i c h t n u r e i n e bestimmte Idee von Wahrheit suggeriert, sondern auch nahelegt, als sei g e w i s s e r m a ß e n all das Seiende, w o r ü b e r a u s g e s a g t w e r d e n k a n n , v o n d e r s e l b e n Art. N u n ist a b e r die O f f e n b a r k e i t ( W a h r h e i t ) des u n s a l l t ä g l i c h zugänglichen Seienden in seiner Mannigfaltigkeit keine unterschiedslos g l e i c h m ä ß i g e , s o n d e r n v e r s c h i e d e n je n a c h d e r Seinsart des b e k u n d e n d e n S e i e n d e n . G e r a d e w e i l w i r die Verschied e n h e i t des S e i e n d e n z u n ä c h s t n i c h t u n d z u m e i s t n i e b e a c h t e n , m ü s s e n w i r i h r n a c h g e h e n . D e n n das W e s e n d e r W a h r h e i t soll ja n i c h t i n d e r O r i e n t i e r u n g a n d e r Aussage u n d i h r e r I n d i f f e r e n z , an i h r e m n i v e l l i e r t e n u n d n i v e l l i e r e n d e n C h a r a k t e r b e s t i m m t werden. § 13. Seinsart und Verschiedene Seinsarten
Offenbarkeit des Seienden
W i r k ö n n e n die V e r s c h i e d e n h e i t d e r W a h r h e i t des in i h r o f f e n b a r e n S e i e n d e n n u r so v e r d e u t l i c h e n , d a ß w i r d i e v e r s c h i e d e n e n S e i n s a r t e n des S e i e n d e n n ä h e r k e n n z e i c h n e n u n d n a c h w e i s e n , w i e d u r c h diese je e i n e i g e n e r M o d u s d e r W a h r h e i t g e f o r d e r t w i r d . A b e r h i e r z u w ä r e n i c h t n u r e i n e I n t e r p r e t a t i o n d e r vers c h i e d e n e n S e i n s a r t e n ( V o r h a n d e n h e i t , L e b e n , Existenz, Bes t a n d ) n o t w e n d i g , s o n d e r n z u g l e i c h ein h i n r e i c h e n d w e i t g e f ü h r t e s Verständnis des W e s e n s d e r W a h r h e i t , u m zu s e h e n , w i e diese d u r c h j e n e A r t e n des Seins sich m o d i f i z i e r t .
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Wahrheit und Sein
U m solche B e t r a c h t u n g e n d u r c h z u f ü h r e n , f e h l t u n s jetzt n o c h n a h e z u alles. D a h e r m ü s s e n w i r u n s b e h e l f e n . E i n e r o h e u n d a u c h n i c h t alle S e i n s a r t e n b e t r e f f e n d e C h a r a k t e r i s t i k m u ß g e n ü g e n , u m d i e U n t e r s c h i e d e a l l e r e r s t i m G r o b e n n ä h e r zu b r i n g e n . Jetzt ist z u n ä c h s t das T h e m a : S e i n s a r t e n u n d i h r e Vers c h i e d e n h e i t a n d e n b e i d e n e x t r e m e n Weisen: V o r h a n d e n h e i t u n d Existenz. Z u n ä c h s t ist also das W a h r h e i t s p r o b l e m z u r ü c k zustellen (vgl. u n t e n S. 107 ff.). Seiendes, so e r g a b sich, s t e h t i m m e r i n n e r h a l b eines Z u s a m m e n h a n g s , u n d dieser Z u s a m m e n h a n g b e k u n d e t g e r a d e e t w a s v o n d e r S e i n s a r t des b e t r e f f e n d e n S e i e n d e n : B e w a n d t n i s , D i e n l i c h k e i t zu . . ., G e b r a u c h s d i n g e , solches, w a s z u h a n d e n ist. D a m i t ist gesagt, d a ß die M a n n i g f a l t i g k e i t des u n s o f f e n b a r e n S e i e n d e n n i c h t e i n bloßes g l e i c h m ä ß i g e s N e b e n e i n a n d e r v o r k o m m e n v o n S t e i n e n , P f l a n z e n , T i e r e n , M e n s c h e n ist. W e n n all dieses S e i e n d e , s o f e r n es i m R a u m ist, s c h o n n e b e n e i n a n d e r bzw. vor-, h i n t e r - , oder ü b e r e i n a n d e r v o r k o m m t , so ist dieses s c h e i n b a r g l e i c h m ä ß i g e N e b e n e i n a n d e r doch b e z ü g l i c h des einzelnen Seienden verschieden, u n d zwar nicht n u r räumlich. W i r w o l l e n v e r s u c h e n , dieses N e b e n e i n a n d e r des a l l t ä g l i c h o f f e n b a r e n m a n n i g f a l t i g e n S e i e n d e n , u n t e r d e m w i r u n s ja b e w e g e n , also dazu g e h ö r e n , e t w a s s c h ä r f e r zu s e h e n . W i r w ä h l e n h i e r z u zwei e x t r e m e W e i s e n des N e b e n e i n a n d e r s e i n s : V o r h a n d e n h e i t u n d Existenz. U n t e r d e m m a n n i g f a c h e n Seiend e n , u n t e r d e m w i r selbst v o r k o m m e n , f i n d e t sich solches, das d i e gleiche S e i n s a r t h a t w i e wir, D a s e i n , u n d solches, w a s v o n a n d e r e r Seinsart ist. D a r a u s e r g i b t sich die D i c h o t o m i e , d a ß all das Seiende, das w i r v o r f i n d e n u n d zu d e m w i r selbst g e h ö r e n , e n t w e d e r d a s e i n s m ä ß i g e s oder n i c h t d a s e i n s m ä ß i g e s S e i e n d e s ist. S e i e n d e s n u n , das u n s e r e S e i n s a r t h a t , das w i r a b e r gleichw o h l n i c h t selbst sind, s o n d e r n das je d e r A n d e r e ist, a n d e r e s D a s e i n , D a s e i n A n d e r e r ist n i c h t e i n f a c h n e b e n u n s v o r h a n d e n u n d dazwischen vielleicht noch andere Dinge, sondern anderes D a s e i n ist m i t u n s da, Mitdasein;»wir selbst sind b e s t i m m t d u r c h
§ Iß. Seinsart und
Offenbarkeit
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e m M i t s e i n m i t d e n A n d e r e n . D a s e i n u n d D a s e i n sind e i n M i t einander. A b e r sind d e n n T a f e l o d e r K r e i d e n i c h t e b e n s o zugleich w i r k lich w i e wir, s i n d sie d e n n a b g e s o n d e r t , n i c h t a u c h m i t u n s , m i t u n s zugleich d a u n d s i n d sie n i c h t alle z u s a m m e n m i t e i n a n d e r m i t u n s da u n d w i r m i t d e n D i n g e n ? S t r e n g g e n o m m e n k a n n m a n v o n i h n e n n i c h t s a g e n , d a ß sie m i t e i n a n d e r sind, o b g l e i c h w i r z u g e b e n m ü s s e n , d a ß zugleich m i t u n s e r e m D a s e i n a u c h d e r S c h w a m m u n d die K r e i d e v o r h a n d e n sind. A b e r n i e k a n n ein Seiendes, das d i e S e i n s a r t des V o r h a n d e n s e i n s h a t , m i t u n s dasein, w e i l i h m d i e S e i n s a r t des D a s e i n s n i c h t z u k o m m t . N u r w a s selbst D a s e i n ist, k a n n m i t - d a s e i n . M i t - d a - s e i n b e s a g t n i c h t n u r : zugleich a u c h seiend, n u r e b e n q u a D a s e i n , s o n d e r n d i e S e i n s a r t D a s e i n b r i n g t i n das » M i t « erst d e n e i g e n t l i c h e n S i n n . » M i t « ist zu f a s s e n als T e i l n a h m e , w o b e i F r e m d h e i t als T e i l n a h m s l o s i g k e i t n u r e i n e A b w a n d l u n g d e r T e i l n a h m e ist. D a s » M i t « h a t also e i n e n ganz b e s t i m m t e n S i n n u n d b e s a g t n i c h t e i n f a c h » z u s a m m e n « , a u c h n i c h t Z u s a m m e n s e i n v o n s o l c h e m , w a s dieselbe Seinsart h a t . » M i t « ist e i n e e i g e n e Weise des Seins. G l e i c h z e i t i g e W i r k l i c h k e i t , d . h . zugleich W i r k l i c h s e i n v o n Seiendem besagt nicht notwendig Miteinandersein. Zugleich können Kreide u n d S c h w a m m oder auch Mensch u n d Kreide w i r k l i c h sein. A b e r v o n d i e s e n b e i d e n k ö n n e n w i r n i c h t sagen, d a ß sie m i t e i n a n d e r sind, s o n d e r n m i t e i n a n d e r s i n d n u r M e n s c h u n d M e n s c h . W i r u n t e r s c h e i d e n also ganz a l l g e m e i n z u g l e i c h W i r k l i c h s e i n v o n S e i e n d e m , w a s n o c h g a r n i c h t s ü b e r d i e Art u n d Weise des Z u s a m m e n besagt, u n d z u g l e i c h W i r k l i c h s e i n v o n S e i e n d e m , das dieselbe S e i n s a r t h a t . H a t es die S e i n s a r t des Vorhandenen, dann sprechen wir von einem Zusammen-vorh a n d e n s e i n , h a t das zugleich W i r k l i c h s e i n d i e S e i n s a r t des Daseins, s p r e c h e n w i r v o n e i n e m M i t e i n a n d e r . W i r f r a g e n n u n n a c h d e m U n t e r s c h i e d des N e b e n e i n a n d e r i m S i n n e des Z u s a m m e n v o r h a n d e n s e i n s d e r D i n g e u n d d e m N e b e n e i n a n d e r als M i t e i n a n d e r s e i n v o n M e n s c h e n .
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Wahrheit und Sein a) Z u s a m m e n v o r h a n d e n s e i n — Miteinandersein
N e h m e n w i r als e i n f a c h e s Beispiel zwei Felsblöcke, die a n e i n e r G e r ö l l h a l d e liegen. W i r k ö n n e n s a g e n : sie s i n d z u s a m m e n , a b e r n i c h t m i t e i n a n d e r v o r h a n d e n . Z w e i W a n d e r e r d a g e g e n , die an d e r H a l d e v o r b e i steigen, sind m i t e i n a n d e r . D e r U n t e r s c h i e d ist e i n f a c h zu fassen: d i e zwei S t e i n e s i n d m a t e r i e l l e K ö r p e r , die zwei W a n d e r e r L e b e w e s e n u n d z w a r v e r n ü n f t i g e , die m i t H i l f e i h r e r V e r n u n f t sich g e g e n s e i t i g erfassen. D i e M e n s c h e n sind zwar a u c h n e b e n e i n a n d e r v o r h a n d e n , a b e r ü b e r d i e s h a b e n sie ein B e w u ß t s e i n von d i e s e m N e b e n e i n a n d e r , d e r e i n e e r f a ß t d e n a n d e r e n . D e m n a c h w ä r e i h r M i t e i n a n d e r s e i n n i c h t s a n d e r e s als ein b e w u ß t e s Z u s a m m e n v o r h a n d e n s e i n . D i e s e K e n n z e i c h n u n g des U n t e r s c h i e d s z w i s c h e n Z u s a m m e n v o r h a n d e n s e i n u n d M i t e i n a n d e r s e i n ist auf d e n e r s t e n Blick e i n l e u c h t e n d u n d s c h e i n t z u t r e f f e n d zu sein. Sie t r i f f t etwas, w e i l sie auf e i n e V e r s c h i e d e n h e i t d e n F i n g e r legt: D i e Felsblöcke sind n i c h t n u r b e w u ß t l o s , als h ä t t e n sie i h r B e w u ß t sein v e r l o r e n u n d k ö n n t e n d e s h a l b v o m B e w u ß t s e i n n i c h t G e b r a u c h m a c h e n , s o n d e r n sie h a b e n w e s e n s m ä ß i g k e i n solches. Es ist i h n e n , z w i s c h e n d e n e n e i n e W e c h s e l w i r k u n g besteh e n m a g , also s c h l e c h t h i n versagt, i h r N e b e n e i n a n d e r zu e i n e m g e g e n s e i t i g sich e r f a s s e n d e n zu m a c h e n . D i e b e i d e n M e n s c h e n als v e r n ü n f t i g e L e b e w e s e n k ö n n e n das. A b e r w i r d d u r c h das g e g e n s e i t i g e S i c h e r f a s s e n das N e b e n e i n a n d e r zu e i n e m M i t e i n ander? N e h m e n w i r a n , d i e b e i d e n W a n d e r e r k o m m e n alsbald u m e i n e B i e g u n g des P f a d s zu e i n e r u n e r w a r t e t e n Aussicht auf das G e b i r g e , so d a ß sie b e i d e plötzlich h i n g e r i s s e n s i n d u n d s c h w e i g e n d n e b e n e i n a n d e r s t e h e n . Es ist d a n n k e i n e S p u r von gegenseitigem Sicherfassen, jeder steht vielmehr b e n o m m e n von d e m Anblick. Sind die b e i d e n jetzt n u r n o c h n e b e n e i n a n d e r w i e die b e i d e n Felsblöcke, oder s i n d sie in d i e s e m A u g e n b l i c k g e r a d e in e i n e r Weise m i t e i n a n d e r , w i e sie es n i c h t sein k ö n n e n , w e n n sie u n e n t w e g t z u s a m m e n s c h w a t z e n o d e r g a r sich g e g e n seitig e r f a s s e n u n d auf i h r e K o m p l e x e b e s c h n ü f f e l n ?
§ Iß. Seinsart und
Offenbarkeit
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W e n n also i n j e n e m H i n g e r i s s e n s e i n v o n d e m A n b l i c k , i n d e m von e i n e m g e g e n s e i t i g e n E r f a s s e n g e w i ß k e i n e R e d e ist, gleichw o h l g e r a d e e i n u r s p r ü n g l i c h e s M i t e i n a n d e r s e i n liegt, d a n n k a n n sich dieses M i t e i n a n d e r n i c h t d u r c h e i n g e g e n s e i t i g e s E r fassen k o n s t i t u i e r e n . D a s ist d e n n a u c h so w e n i g d e r Fall, d a ß v i e l m e h r u m g e k e h r t alles g e g e n s e i t i g e S i c h e r f a s s e n v o n D a s e i n u n d D a s e i n das M i t e i n a n d e r s e i n b e i d e r s c h o n voraussetzt. G e genseitiges S i c h e r f a s s e n ist f u n d i e r t i m M i t e i n a n d e r s e i n . M i t e i n a n d e r s e i n sagt also m e h r , ja e t w a s a n d e r e s als: Z w e i M e n s c h e n k o m m e n gleichzeitig i r g e n d w o vor. B i s h e r e r g a b sich negativ: 1. D a s M i t e i n a n d e r ist n i c h t ein Z u g l e i c h - a u c h - s e i n , n u r d a ß e b e n dieses S e i n D a s e i n w ä r e . 2. D a s M i t e i n a n d e r ist auch n i c h t e i n Z u s a m m e n v o r h a n d e n s e i n so z w a r , d a ß die Vorh a n d e n e n d a b e i e i n g e g e n s e i t i g e s W i s s e n v o n sich h a b e n , k e i n Zugleich-auch-sein, n u r m i t Bewußtsein begleitet. Aber w o r i n l i e g t n u n positiv das W e s e n des M i t e i n a n d e r ? W i r h ö r t e n zuletzt, das g e g e n s e i t i g e E r f a s s e n setze das M i t e i n a n d e r sein s c h o n voraus, d . h . g e g e n s e i t i g e s E r f a s s e n ist allererst auf d e m G r u n d e des M i t e i n a n d e r s e i n s m ö g l i c h . D a s s c h e i n t e i n e n i c h t s s a g e n d e T r i v i a l i t ä t zu sein, d e n n w e n n zwei sich g e g e n seitig e r f a s s e n sollen, d a n n m ü s s e n sie a l l e r d i n g s h i e r z u j e d e r wirklich d a sein. A b e r ist das g e m e i n t , w e n n w i r s a g e n , das M i t e i n a n d e r s e i n sei d i e Voraussetzung f ü r g e g e n s e i t i g e s E r f a s sen? G a n z u n d g a r n i c h t . D i e s e Voraussetzung, d a ß f a k t i s c h zwei M e n s c h e n w i r k l i c h sein m ü s s e n , u m sich g e g e n s e i t i g w i r k l i c h als w i r k l i c h zu erfassen, b e d a r f k e i n e r E r ö r t e r u n g . W i r f r a g e n n i c h t n a c h d e m , w a s w i r k l i c h s e i n m u ß , d a m i t a n d e r e s sich v e r w i r k l i c h e , s o n d e r n w a s m ö g l i c h sein m u ß , d a m i t a n d e r e s sich e r m ö g l i c h e . D a m i t g e g e n s e i t i g e s S i c h e r f a s s e n ü b e r h a u p t als solches m ö g l i c h sei, m u ß zuvor e i n M i t e i n a n d e r s e i n m ö g l i c h sein/ N u r auf d e m G r u n d e dieser M ö g l i c h k e i t des M i t e i n a n d e r besteht die n a c h g e o r d n e t e d e r g e g e n s e i t i g e n E r f a s s u n g v o n D a sein u n d D a s e i n . N u n sahen wir schon in e i n e m anderen Z u s a m m e n h a n g , wie alles E r f a s s e n O f f e n b a r k e i t voraussetzt. D a m a l s g i n g es u m das
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Wahrheit und Sein
E r f a s s e n v o n V o r h a n d e n e m , jetzt u m das E r f a s s e n v o n D a s e i n . D a s e i n m u ß zuvor s c h o n f ü r D a s e i n o f f e n b a r sein, d a m i t geg e n s e i t i g e s E r f a s s e n m ö g l i c h w i r d . T r i f f t dieses F ü r - e i n a n d e r o f f e n b a r s e i n v o n D a s e i n u n d D a s e i n das W e s e n des M i t e i n a n d e r o d e r g e h ö r t es g a r n i c h t w e s e n t l i c h z u m M i t e i n a n d e r s e i n ? Jedenfalls müssen wir versuchen, in der Orientierung an diesem F ü r - e i n a n d e r - o f f e n b a r - s e i n das M i t e i n a n d e r zu e r ö r t e r n . W e n n das F ü r - e i n a n d e r - o f f e n b a r - s e i n sich n i c h t d e c k t m i t d e m g e g e n s e i t i g e n E r f a s s e n , d a n n f a l l e n v o n v o r n h e r e i n alle W e i s e n des E r f a s s e n s als n i c h t h i n r e i c h e n d z u r A u f k l ä r u n g des M i t e i n a n d e r aus. F ü r - e i n a n d e r - o f f e n b a r - s e i n b e s t e h t also n i c h t d a r i n , d a ß ich d e n A n d e r e n — u n d u m g e k e h r t d e r A n d e r e m i c h — in s e i n e m s o g e n a n n t e n I n n e n l e b e n k e n n e , d a ß ich w e i ß , w a s in i h m v o r g e h t , w a s er f ü r A n l a g e n , E i g e n t ü m l i c h k e i t e n u n d Grillen h a t ; es b e s t e h t d a n n a u c h e b e n s o w e n i g i m E r f a s s e n der ä u ß e r e n A u s s t a t t u n g o d e r des B e n e h m e n s . W e n n das F ü r - e i n a n d e r - o f f e n b a r - s e i n e i n e H i n w e i s u n g e n t h a l t e n soll a u f das W e s e n des M i t e i n a n d e r , d a n n w e r d e n w i r es a m E n d e d o r t ant r e f f e n , w o w i r e i n M i t e i n a n d e r f e s t s t e l l t e n , z. B. i m H i n g e n o m mensein der beiden Wanderer von d e m Anblick. H i e r waltet g e r a d e e i n g e g e n s e i t i g e s s i c h - n i c h t - E r f a s s e n u n d d o c h e i n eig e n t ü m l i c h e s M i t - d e m - A n d e r e n . D a s » M i t « d e u t e t auf Gemeinsamkeit. Das Gemeinschaftliche liegt darin, daß der eine e b e n s o h i n g e r i s s e n ist w i e d e r a n d e r e , d a ß v o n b e i d e n g e m e i n s a m das G l e i c h e gilt. So w i e d e r e i n e v e r h ä l t sich a u c h der a n d e r e . B e s t e h t also das M i t e i n a n d e r s e i n b e i d e r d a r i n , d a ß beid e sich in g l e i c h e r W e i s e v e r h a l t e n u n d v e r h a l t e n k ö n n e n ? Aber das gilt doch a u c h v o n d e n b e i d e n Felsblöcken. Was a n d e m e i n e n m ö g l i c h ist, k a n n a u c h a m a n d e r e n v o r sich g e h e n . Ja, diese D i n g e g l e i c h e n sich in d e r Art, w i e sie sind, viel m e h r als die M e n s c h e n . O b w o h l b e i d e i n g l e i c h e r W e i s e sind, s i n d sie d o c h ganz u n d g a r n i c h t m i t e i n a n d e r .
§ Iß. Seinsart und
Offenbarkeit
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b) M i t e i n a n d e r s e i n : S i c h v e r h a l t e n m e h r e r e r zu S e l b i g e m Aber bei d e n M e n s c h e n h a n d e l t es sich u m e i n gleiches Verhalt e n zu D i n g e n , w i e e t w a b e i m A n b l i c k des G e b i r g e s . M i t e i n a n der d . h . i n g l e i c h e r Weise sein, w o b e i Sein besagt: v e r h a l t e n zu. M i t e i n a n d e r s e i n h e i ß t sich i n g l e i c h e r Weise v e r h a l t e n zu . . . Gibt es ü b e r h a u p t d e r g l e i c h e n , d a ß M e n s c h e n sich i n g l e i c h e r Weise zu e t w a s v e r h a l t e n ? N e h m e n w i r u n s e r s t ä n d i g e s Beispiel: W i r alle v o l l z i e h e n jetzt — m i t e i n a n d e r — i m Blick a u f diese K r e i d e d i e Aussage: Diese 1 K r e i d e ist w e i ß . Dieses A u s s a g e n ist g e g r ü n d e t a u f u n s e r e m Sein bei d i e s e m V o r h a n d e n e n . Dieses u n s e r S e i n b e i d e r Kreide ist a b e r a u c h n u r bei Z w e i e n v o n u n s a l l e n n i e das gleiche. Von a l l e m ü b r i g e n a b g e s e h e n zeigt s c h o n a l l e i n die r ä u m l i c h e O r i e n t i e r u n g , i n d e r w i r je v e r s c h i e d e n bei d e r Kreide sind, d a ß jedes S e i n b e i . . . jedes e i n z e l n e n e i n v e r s c h i e d e n e s ist. Ja, n o c h m e h r , n i c h t n u r jetzt ist f a k t i s c h k e i n S e i n b e i . . . von u n s a l l e n das gleiche, s o n d e r n es k a n n n i e u n t e r s c h i e d s l o s das gleiche sein, f a k t i s c h n i c h t u n d w e s e n s m ä ß i g n i c h t . A b e r d e r V e r s c h i e d e n h e i t d e r r ä u m l i c h e n O r i e n t i e r u n g l ä ß t sich a b h e l fen; jedes D a s e i n k a n n d o c h z.B. a n m e i n e Stelle t r e t e n u n d die Kreide v o n h i e r aus vor sich h a b e n . G e w i ß k a n n j e d e r v o n u n s den Platz e i n e s a n d e r e n e i n n e h m e n , a b e r d o c h n i e zu g l e i c h e r Zeit. D e r Z e i t p u n k t ist n o t w e n d i g e i n v e r s c h i e d e n e r , u n d w e n n er d e r g l e i c h e ist, d a n n ist n o t w e n d i g d e r P l a t z v e r s c h i e d e n . Also g i b t es k e i n S e i n bei . . . u n d e n t s p r e c h e n d k e i n Verhalt e n zu . . ., das gleich w ä r e . H i e ß e M i t e i n a n d e r s e i n soviel wie: sich i n g l e i c h e r Weise zu e i n e m D i n g v e r h a l t e n , d a n n g ä b e es kein M i t e i n a n d e r . N u n s a g e n w i r d o c h a b e r m i t v e r s t ä n d l i c h e m S i n n , d a ß w i r alle » m i t e i n a n d e r « u n s zu d e r K r e i d e v e r h a l t e n . Gleich ist also n i c h t u n s e r V e r h a l t e n zu . . ., s o n d e r n g l e i c h ist das, wozu w i r u n s v e r h a l t e n . A b e r s e h e n w i r d e n n i n d e r T a t die gleiche Kreide? S i e h t j e m a n d auf d e r h i n t e r s t e n B a n k e i n e Kreide, d i e d e r j e n i g e n gleich ist, die ich sehe? I c h b e h a u p t e , n e i n ! Sie w e r d e n z u s t i m m e n u n d sagen: n a t ü r l i c h n i c h t ; w a s f ü r d e n
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B e t r a c h t e r d e r h i n t e r s t e n B a n k a n d e r K r e i d e v o r n ist, ist u m g e k e h r t f ü r m i c h h i n t e n . Was w i r d a s e h e n , w o z u w i r u n s v e r h a l t e n , ist also a u c h ein Verschiedenes. Aber ich sage n o c h m e h r : J e m a n d h i n t e n i m Saal s i e h t i m S e i n bei d e r v o r l i e g e n d e n Kreid e n i c h t n u r f a k t i s c h n i c h t die g l e i c h e Kreide, die ich s e h e , u n d z w a r n i c h t n u r d e s h a l b , w e i l das, was w i r d a s e h e n , f a k t i s c h U n t e r s c h i e d e zeigt, s o n d e r n w e i l d e r g l e i c h e n i m v o r l i e g e n d e n F a l l w e s e n s m ä ß i g ausgeschlossen ist. D a m i t j e m a n d h i n t e n soll e i n e g l e i c h e K r e i d e s e h e n k ö n n e n , die gleich ist der, d i e ich s e h e , m ü ß t e n z u m m i n d e s t e n zwei K r e i d e n v o r h a n d e n sein. G l e i c h h e i t setzt w e s e n s m ä ß i g M e h r h e i t voraus. W i r s e h e n also n i c h t j e d e r v o n u n s die g l e i c h e K r e i d e , s o n d e r n alle m i t e i n a n d e r dieselbe. S e l b i g k e i t u n d G l e i c h h e i t sind e t w a s Verschiedenes. W i r s t e h e n bei d e r F r a g e n a c h d e m W e s e n d e r W a h r h e i t . W a h r h e i t e r g a b sich u n s z u n ä c h s t i n d e r a l l g e m e i n e n B e s t i m m u n g als U n v e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n . Sie k o m m t also in i r g e n d e i n e r Weise, die n o c h n i c h t b e s t i m m t ist, d e m S e i e n d e n zu. D a r a u s ist zu e n t n e h m e n , d a ß v e r m u t l i c h die W a h r h e i t d u r c h das S e i e n d e selbst i n i r g e n d e i n e r Weise b e s t i m m t ist. N u n w i s s e n w i r a b e r , S e i e n d e s ist v e r s c h i e d e n n a c h s e i n e r Seinsart. D a r a u s e r w ä c h s t die F r a g e , ob n i c h t a m E n d e d a n n a u c h die W a h r h e i t w e s e n s m ä ß i g sich a b w a n d e l t je n a c h d e r S e i n s a r t dessen, v o n d e m sie U n v e r b o r g e n h e i t , E n t h ü l l t h e i t ist. So e r g i b t sich die A u f g a b e , z u n ä c h s t e i n m a l v e r s t ä n d l i c h zu m a c h e n , in welcher Weise Seiendes hinsichtlich seiner Seinsart verschieden ist, u m d a r a u s zu e n t n e h m e n , w i e sich a u f G r u n d dieser vers c h i e d e n e n A r t e n zu s e i n a u c h d i e W a h r h e i t v o m S e i e n d e n wandelt. F ü r d e n N a c h w e i s d e r V e r s c h i e d e n a r t i g k e i t des S e i e n d e n w ä h l e n w i r zwei e x t r e m e Fälle: das V o r h a n d e n s e i n d e r D i n g e u n d die E x i s t e n z des M e n s c h e n . W e n n w i r das i m S i n n e der T r a d i t i o n fassen, so h a b e n w i r d a m i t auf d e r e i n e n Seite — i m A n s c h l u ß a n D e s c a r t e s f o r m u l i e r t — die res extensa, d i e ausged e h n t e n k ö r p e r l i c h e n D i n g e , u n d a u f d e r a n d e r e n Seite die res cogitans, das d e n k e n d e D i n g , o d e r w i e H u s s e r l sagt, die R e a l i t ä t ,
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d. h. W i r k l i c h k e i t aller O b j e k t e a u f d e r e i n e n Seite, das B e w u ß t sein auf d e r a n d e r e n , e i n e S c h e i d u n g , die n a c h i h m d i e f u n d a m e n t a l s t e k a t e g o r i a l e S c h e i d u n g ü b e r h a u p t ist, e i n e S c h e i d u n g , die a u c h f ü r K a n t u n d f ü r d e n g a n z e n d e u t s c h e n I d e a l i s m u s zentral ist. W i r g e h e n auf d e n h i s t o r i s c h e n H i n t e r g r u n d dieses Unterschieds von Vorhandenem u n d Existierendem, von Dingen u n d M e n s c h e n , n i c h t w e i t e r ein, s o n d e r n s u c h e n z u n ä c h s t aus der A n a l y s e d e r P h ä n o m e n e selbst gewisse U n t e r s c h i e d e i n der Seinsart des V o r h a n d e n e n , d e r D i n g e , u n d des E x i s t i e r e n den, d e r M e n s c h e n , s i c h t b a r zu m a c h e n . Wir fragten nach d e m Nebeneinander von Vorhandenem und N e b e n e i n a n d e r v o n M e n s c h e n . L e t z t e r e s n a n n t e n w i r das M i t e i n a n ö e r s e i n . W e n n w i r jetzt d e n v o r i g e n Versuch e i n e r B e s t i m m u n g des M i t e i n a n d e r w i e d e r a u f n e h m e n , d a n n ist zu s a g e n : es liegt w e d e r d a r i n , d a ß w i r u n s i n d e r g l e i c h e n Weise zu e t w a s v e r h a l t e n , n o c h d a r i n , d a ß das, w o z u w i r u n s je v e r h a l t e n , e i n Gleiches ist. V i e l m e h r k a n n M i t e i n a n d e r jetzt a l l e n f a l l s besagen, d a ß m e h r e r e sich i n v e r s c h i e d e n e r W e i s e z u m S e l b i g e n v e r h a l t e n . V e r h a l t e n zu S e l b i g e m s c h l i e ß t n i c h t aus, s o n d e r n sogar ein, d a ß das V e r h a l t e n v e r s c h i e d e n ist. A b e r sind w i r e t w a n i c h t m i t e i n a n d e r , w e n n sich d e r e i n e zur Kreide, d e r a n d e r e zur Tafel oder z u m H e f t , n o c h ein a n d e r e r v i e l l e i c h t zu s e i n e n Skiern bei sich zu H a u s e v e r h ä l t ? Vom l e t z t e r e n w ü r d e n w i r freilich s a g e n , e r ist a b w e s e n d , o b z w a r er h i e r a u f d e r B a n k sitzt. W i r k ö n n e n u n s also zu V e r s c h i e d e n e m v e r h a l t e n u n d sind dabei d o c h m i t e i n a n d e r . Z w a r m e r k e n w i r sofort e t w a s A u f f a l lendes: A n g e n o m m e n , j e d e r v o n u n s b e s c h ä f t i g t e sich jetzt m i t etwas> a n d e r e m , m i t je e i n e m a n d e r e n G e g e n s t a n d i n d i e s e m Saal, d a n n s i n d w i r z w a r z u s a m m e n in d i e s e m Saal, a b e r doch n i c h t e i g e n t l i c h m i t e i n a n d e r ; w i r e x i s t i e r e n g l e i c h s a m alle je von e i n a n d e r w e g — es e n t s t ü n d e e i n p r i v a t i v e s U n - m i t e i n a n d e r . A b e r l i e g t das letztlich a n d e r V e r s c h i e d e n h e i t d e r O b j e k t e , m i t d e n e n w i r u n s a b g e b e n ? Setzen w i r d e n Fall, d i e g e n a n n t e n zwei W a n d e r e r k o m m e n a b e n d s auf i h r e H ü t t e ; d e r e i n e h a c k t Holz, der a n d e r e s c h ä l t K a r t o f f e l n . H i e r w e r d e n w i r o h n e Z ö g e r n
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s a g e n : D i e Z w e i s i n d m i t e i n a n d e r — u n d dies n i c h t n u r , w e i l sie i n d e r N ä h e v o n e i n a n d e r sind. Sie s i n d m i t e i n a n d e r , o b w o h l sie sich m i t V e r s c h i e d e n e m , a b e r d o c h i n A b s i c h t auf dasselbe bes c h ä f t i g e n , a u f die Z u b e r e i t u n g d e r M a h l z e i t u n d i m w e i t e r e n a u f das B e s o r g e n i h r e s A u f e n t h a l t s i n d e r H ü t t e ; in Absicht auf Selbiges g e h ö r t das z u m W e s e n v o n D a s e i n . W e n n w i r u n s e n t s p r e c h e n d v e r g e g e n w ä r t i g e n , d a ß j e d e r in d i e s e m Saal a u f ein b e l i e b i g e s u n d je a n d e r e s O b j e k t g e r i c h t e t ist, d a n n e x i s t i e r e n w i r i n gewisser Weise a u s e i n a n d e r . W e n n w i r a b e r a n n e h m e n , d a ß dieses G e r i c h t e t s e i n e i n e s j e d e n auf ein v e r s c h i e d e n e s O b j e k t i n d e r e i n e n A u f g a b e b e s t ü n d e , d e n Saal zu b e s c h r e i b e n , d a n n w ä r e d u r c h d i e S e l b i g k e i t d e r A u f g a b e das M i t e i n a n d e r e i g e n t l i c h e r als zuvor. E i n solches S i c h v e r h a l t e n m e h r e r e r zu S e l b i g e m ist e i n e Weise, i n d e r sich das M i t e i n a n d e r s e i n b e k u n d e t ; v i e l l e i c h t ist es e i n e solche, die n o t w e n d i g z u m menschlichen Miteinandersein gehört. I n d e r T a t ist also f ü r das M i t e i n a n d e r e i n e Absicht a u f Selbiges wesentlich. c) S e l b i g k e i t Es zeigte sich: D i e S e l b i g k e i t dessen, wozu w i r u n s i m M i t e i n a n d e r v e r h a l t e n , spielt f ü r dieses M i t e i n a n d e r e i n e gewisse Rolle. Welche? D a s ist d u n k e l ; ja, es ist ü b e r h a u p t n i c h t k l a r , was h i e r m i t S e l b i g k e i t g e m e i n t ist. Sie b e d a r f o f f e n s i c h t l i c h der n ä h e r e n B e s t i m m u n g , w e n n v e r s t ä n d l i c h w e r d e n soll, i n w i e fern mit Recht gefragt werden kann: In welchem Sinne verhalt e n w i r u n s zu S e l b i g e m u n d w a s h e i ß t h i e r das Selbige? F ü r S e l b i g k e i t h a t m a n d e n T e r m i n u s I d e n t i t ä t . D i e s e s c h e i n t die e i n f a c h s t e S a c h e von d e r W e l t zu sein. E t w a s ist m i t sich i d e n tisch, das k ö n n e n w i r v o n j e d e m G e g e n s t a n d sagen. T r o t z d e m r e i c h t die a n g e b l i c h e E i n s i c h t i n das, w a s I d e n t i t ä t besagt, ganz u n d gar n i c h t aus, u m u n s A u f s c h l u ß zu g e b e n ü b e r das, w a s w i r m e i n e n , w e n n w i r sagen: m e h r e r e v e r h a l t e n sich z u m Selbigen, so d a ß dieses i h r V e r h a l t e n e i n M i t e i n a n d e r s e i n ist. W i r m ü s s e n
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d a h e r k o n k r e t u n d s c h r i t t w e i s e u n s d a v o n zu ü b e r z e u g e n vers u c h e n , d a ß dieser l a n d l ä u f i g e Begriff d e r I d e n t i t ä t h i e r s c h l e c h t h i n n i c h t a u s r e i c h t , d . h . w i r m ü s s e n d i e e i n z e l n e n Beg r i f f e v o n I d e n t i t ä t a n d e m P h ä n o m e n , das w i r h i e r v e r h a n d e l n , d e m M i t e i n a n d e r s e i n als S i c h v e r h a l t e n z u m S e l b i g e n , a u f i h r e Begriffsfähigkeit erproben. Das, w o z u w i r u n s v e r h a l t e n , das, w o b e i w i r sind, ist f ü r u n s dasselbe. D a s k a n n h e i ß e n : Als das S e i e n d e ä n d e r t es sich n i c h t . Aber m u ß etwas, u m Selbiges zu sein, alle Ä n d e r u n g v o n sich weisen? G a n z u n d g a r n i c h t . Alles V e r ä n d e r l i c h e u n d sich Verä n d e r n d e ist je solches n u r , s o f e r n es, dasselbe, a n d e r s w i r d . Bliebe es n i c h t es selbst, d a n n k ö n n t e n w i r n i e sagen: Es h a t sich v e r ä n d e r t , s o n d e r n w i r m ü ß t e n s a g e n : a n s e i n e Stelle ist ein a n d e r e s g e t r e t e n . W i r h ä t t e n k e i n e V e r ä n d e r u n g dieses Seienden, s o n d e r n n u r d i e A u s w e c h s l u n g dieses S e i e n d e n d u r c h ein anderes. A b e r a u c h b e i d i e s e m V o r g a n g d e r A u s w e c h s l u n g ist das e i n e u n d das a n d e r e je m i t sich i d e n t i s c h . S e l b i g k e i t b e s a g t also n i c h t e i n f a c h U n v e r ä n d e r u n g . W i r v e r h a l t e n u n s ja a u c h zu e i n e m S e l b i g e n , w e n n w i r e i n e n W a g e n v o r b e i f a h r e n s e h e n , ein V o r h a n d e n e s also, das i n j e d e m M o m e n t s e i n e n O r t ä n d e r t . Verä n d e r u n g — z.B. e i n v o r b e i f a h r e n d e r W a g e n — s c h l i e ß t I d e n t i t ä t n i c h t aus, s o n d e r n ein. V e r ä n d e r u n g setzt i m m e r voraus, d a ß ein Bleibendes, I d e n t i s c h e s sich d u r c h h ä l t . Was h e i ß t a b e r d a n n , w i r v e r h a l t e n u n s z u m S e l b i g e n , so zwar, d a ß sich i n s o l c h e m V e r h a l t e n das M i t e i n a n d e r s e i n bek u n d e n soll. Es h e i ß t n i c h t : W i r v e r h a l t e n u n s zu etwas, w a s sich n i c h t ä n d e r t . E i n Selbiges, w o z u w i r u n s v e r h a l t e n , so d a ß dieses ein M i t e i n a n d e r s e i n b e i . . . ist, k a n n i n B e w e g u n g sein oder r u h e n , ja es k a n n a u c h s c h l e c h t h i n a u ß e r h a l b dieser M ö g l i c h k e i t e n s t e h e n w i e e t w a die Z a h l 5, d i e sich n i c h t b e w e g t , u n d zwar n i c h t d e s h a l b n i c h t , w e i l sie r u h t e . Sie k a n n n i c h t r u h e n ; r u h e n k a n n n u r , w a s sich b e w e g t . R u h e ist n u r e i n M o d u s v o n B e w e g u n g . U n s e r S e i n b e i d e r K r e i d e ist bei s o l c h e m , w a s r u h t , d. h . g r u n d s ä t z l i c h g e s p r o c h e n , w a s i n B e w e g u n g ist. D i e s e R u h e der D i n g e ist n i c h t so belanglos, w i e es s c h e i n e n m ö c h t e .
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W i r h a b e n beiläufig schon gesehen, daß wir uns zum Selbigen v e r h a l t e n , o b z w a r d a b e i j e d e r e b e n dieses S e l b e v e r s c h i e d e n s i e h t . S e l b i g k e i t s c h l i e ß t V e r ä n d e r u n g n i c h t aus u n d ü b e r h a u p t n i c h t U n t e r s c h i e d . D i e V e r s c h i e d e n h e i t d e r Anblicke, d i e diese K r e i d e f ü r j e d e n v o n u n s bietet, stört u n s n i c h t . W i e soll sie a u c h stören, w e n n a m E n d e gerade die Verschiedenheit der Anblicke m i t h i l f t , d a m i t w i r m i t e i n a n d e r d i e K r e i d e selbst w i r k l i c h s e h e n . N e h m e n w i r f ü r e i n e n A u g e n b l i c k an, w i r alle w ü r d e n die D i n g e u m uns ständig in e i n e m durchgängig gleichen Anblick sehen, hören u n d erfahren. Das gäbe eine phantastische »Welt« — o d e r a m E n d e ü b e r h a u p t k e i n e . D i e s e F i k t i o n , alle D i n g e b ö t e n sich f ü r alle i n d e r s e l b e n W e i s e dar, l i e g t in d e m k a n t i s c h e n G e d a n k e n des D i n g a n sich. D a s D i n g a n sich ist n u r g e d a c h t als G e g e n s t a n d e i n e r a b s o l u t e n E r k e n n t n i s , G o t t e s nämlich, die nicht durch irgendeine Relativität, nicht durch i r g e n d e i n e P e r s p e k t i v e d i e D i n g e sieht. Auf G r u n d dieser Ann a h m e eines D i n g e s a n sich m ü ß t e m a n k o n s e q u e n t sagen, d a ß es f ü r G o t t ü b e r h a u p t n i c h t so e t w a s w i e e i n e W e l t gibt. W i r w e r d e n diesen G e d a n k e n , d e r bei K a n t n i c h t zu E n d e g e d a c h t ist, s p ä t e r bei d e r A n a l y s e des W e l t b e g r i f f s n o c h e i n g e h e n d e r b e t r a c h t e n . Jetzt stellen w i r n u r fest, d a ß u n s d i e M a n n i g f a l t i g k e i t u n d V e r s c h i e d e n a r t i g k e i t d e r A n b l i c k e , in d e n e n sich d i e s e l b e n D i n g e f ü r u n s d a r b i e t e n , n i c h t stört, s o n d e r n d a ß diese Verschiedenartigkeit vielleicht eine wesentliche Funktion hat. W e n n w i r diese V e r s c h i e d e n a r t i g k e i t b e i m E r f a s s e n d e r D i n g e n i c h t i n R e c h n u n g setzen, s o n d e r n u n s alle g e m e i n s a m d u r c h die V e r s c h i e d e n a r t i g k e i t d e r A n b l i c k e h i n d u r c h zu d e m s e l b e n D i n g v e r h a l t e n , wozu v e r h a l t e n w i r u n s d a n n schließlich? W i r z i e h e n d o c h n i c h t die V e r s c h i e d e n h e i t d e r A n b l i c k e ab; erstens w i s s e n w i r v o n s o l c h e m A b z i e h e n nichts, z w e i t e n s v e r g l e i c h e n w i r d o c h n i c h t d i e u n s sich b i e t e n d e n A n b l i c k e m i t d e n e n a n d e r e r . Was soll a u c h d e r n a c h A b z u g aller v e r s c h i e d e n e n A n blicke v e r b l e i b e n d e R e s t b e s t a n d ? M a n k ö n n t e sagen: das ist e b e n die K r e i d e a n sich selbst. Es m a g sein, d a ß w i r i n e i n e r b e s t i m m t e n B e t r a c h t u n g s a r t d e i v N a t u r — z.B. i n d e r t h e o r e t i -
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sehen d e r P h y s i k u n d d e r C h e m i e — die K r e i d e i n dieser Weise als E x e m p e l f ü r e i n m a t e r i e l l e s D i n g n e h m e n k ö n n e n . D i e s ist a b e r d a n n g e w i ß n i c h t d i e Kreide, die w i r m i t e i n a n d e r m e i n e n ; sie g i b t sich f ü r u n s v i e l m e h r als dasselbe G e b r a u c h s d i n g z u m S c h r e i b e n . W a s sie da als m a t e r i e l l e s D i n g ist, f ä l l t f ü r u n s n i c h t ms G e w i c h t — g a n z a b g e s e h e n d a v o n , d a ß d i e s e r v e r m e i n t l i c h gleichbleibende Restbestand der materiellen Dingsubstanz vielleicht, ja h ö c h s t w a h r s c h e i n l i c h i n j e d e m Z e i t m o m e n t e t w a s a n d e r e s ist, d a ß er i n e i n e r s t ä n d i g e n V e r l a g e r u n g s e i n e r Elem e n t a r t e i l c h e n b e g r i f f e n ist. D a s Selbige ist also n i c h t diese m a t e r i e l l e S u b s t a n z i m p h y s i k a l i s c h e n Sinn. So s c h e i n t es, d a ß w i r m i t a l l e n d i e s e n F r a g e n n a c h d e r S e l b i g k e i t dieses Selbigen, wozu w i r u n s i m M i t e i n a n d e r v e r h a l t e n , i n e i n e n A b g r u n d kommen. Was b l e i b t d a n n n o c h , was S e l b i g k e i t u n d V e r h a l t e n z u m Selbigen b e s a g e n k ö n n t e ? E r f a s s e n w i r e t w a das Selbige als Selbiges i n d i e s e m g e m e i n s a m e n S e i n bei d e r Kreide? Z w a r sind w i r bei d e r s e l b e n K r e i d e , a b e r w i r e r f a s s e n sie n i c h t als dieselbe; w i r sind n i c h t auf sie i n i h r e r S e l b i g k e i t o d e r g a r auf d i e Selb i g k e i t selbst g e r i c h t e t . E r f a s s e n w i r e t w a als das G e m e i n t e d e n T a t b e s t a n d , d a ß die K r e i d e m i t sich selbst i d e n t i s c h ist? Also ist m i t d i e s e r S e l b i g k e i t a u c h n i c h t d i e I d e n t i t ä t des D i n g e s gemeint. Bisher h ö r t e n w i r s c h o n so v i e l e r l e i ü b e r diese r ä t s e l h a f t i g e Selbigkeit, d a ß alles w i r r d u r c h e i n a n d e r l ä u f t , o h n e d a ß w i r d e n g e r i n g s t e n A u f s c h l u ß ü b e r das M i t e i n a n d e r e r f a h r e n h ä t t e n . Das D u r c h e i n a n d e r ist a b e r z u n ä c h s t Absicht, u m zu zeigen, d a ß diese s c h e i n b a r s e l b s t v e r s t ä n d l i c h e n B e g r i f f e w i e S e l b i g k e i t nicht ausreichen. Scheinbar g e w a n n e n wir wieder n u r lauter negative Ergebnisse: 1. D a s Selbige m e i n t n i c h t U n v e r ä n d e r t e s u n d U n v e r ä n d e r liches, also n i c h t U n v e r ä n d e r u n g . 2. D a s Selbige m e i n t n i c h t etwas, das sich i n d e r Verschied e n h e i t d e r A n b l i c k e als g l e i c h b l e i b e n d d u r c h h ä l t , also n i c h t substanzielle B e h a r r l i c h k e i t .
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Wahrheit und Sein
3. D a s Selbige m e i n t n i c h t d i e f o r m a l e I d e n t i t ä t des Seien d e n m i t sich selbst. D a m i t h a b e n w i r d i e H a u p t b e g r i f f e von Selbigkeit erschöpft D a r i n liegt e i n H i n w e i s d a r a u f , d a ß w i r so n i c h t v o r w ä r t s komm e n , m e h r n o c h , d a ß S e l b i g k e i t h i e r e t w a s O r i g i n a l e s ist. J e v i e l f ä l t i g e r w i r d e m n a c h f r a g e n , w a s d a Selbigkeit heißen k ö n n t e i n d e m M i t e i n a n d e r s e i n bei S e l b i g e m , u m so weiter s c h e i n e n w i r u n s v o n d e m zu e n t f e r n e n , w a s w i r a u f k l ä r e n sollen. U n d d o c h e i n E r g e b n i s : Alle n e g a t i v e n R e s u l t a t e zusamm e n f a s s e n d , s e h e n wir: Bei d e r S e l b i g k e i t h a n d e l t es sich nicht u m e i n e solche, die d e m S e i e n d e n lediglich u n d p r i m ä r in Rücks i c h t auf es selbst e i g n e t . W i r g i n g e n v o n d e r F e s t s t e l l u n g aus, d a ß w i r n i c h t verschied e n e K r e i d e n s e h e n , s o n d e r n ein u n d dieselbe. Dieses u n s e r aller S e i n bei e i n u n d d e r s e l b e n K r e i d e soll ein M i t e i n a n d e r bekund e n . W i r sind bei d e r s e l b e n ; sie ist d u r c h g ä n g i g f ü r alle dieselbe u n d n i c h t n u r je e i n e gleiche, sie ist dieselbe f ü r j e d e n v o n uns. D a r a u s e r g i b t sich, d a ß w i r v o n e i n e r S e l b i g k e i t sprechen, die r e l a t i v auf u n s ist. D i e s e R e l a t i o n auf u n s g e h ö r t a m E n d e zum W e s e n dieser Selbigkeit. Ob, i n w i e f e r n u n d w a r u m zu jeder S e l b i g k e i t u n d I d e n t i t ä t e i n R e l a t i o n s c h a r a k t e r g e h ö r t , ist jetzt n i c h t zu e r ö r t e r n . D a ß d e r g l e i c h e n a u c h in d e r f o r m a l e n leeren S e l b i g k e i t v o n e t w a s m i t sich selbst vorliegt, l ä ß t sich leicht zeigen; diese I d e n t i t ä t ist e i n C h a r a k t e r d e r B e z i e h u n g von etw a s zu sich selbst. S e l b i g k e i t v o n e t w a s d r ü c k t aus: R e l a t i o n v o n e t w a s auf es selbst. D i e s ist a b e r n u r e i n e erste F a s s u n g d e r I d e n t i t ä t . Mit dieser I d e e v o n S e l b i g k e i t k o m m e n w i r n i c h t w e i t e r , ja überh a u p t n i c h t a n das P h ä n o m e n , das u n s b e u n r u h i g t . Selbigkeit ist e i n e B e z i e h u n g , d i e sich g e r a d e i h r e m S i n n n a c h auf das zur ü c k w e n d e t , w a s d a selbiges ist, e i n e R e l a t i o n , die n i c h t von d e m betreffenden Etwas wegführt, sondern gerade i m m e r nur a u f es selbst zurück. N u n a b e r zeigt sich: H i e r ist e i n Selbiges, das so b e n a n n t wird, n i c h t w e i l es m i t sich i d e n t i s c h — das ist es vielleicht auch —,
§ Iß. Seinsart und 1
Offenbarkeit
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,,.,,ι I es f ü r m e h r e r e dasselbe ist. J e t z t s c h e i n t sich d e r e s z u lösen. D i e s e B e z i e h u n g a u f m e h r e r e ist e b e n n u r die B e z i e h u n g des E r f a s s e n s . D i e s e B e z i e h u n g des E r f a s s e n s g e h ö r t cht zum Wesen d i e s e r Selbigkeit, s o n d e r n es w i r d e i n I d e n t i sches von m e h r e r e n e r f a ß t . W i r k o m m e n also doch m i t d e m g e w ö h n l i c h e n B e g r i f f d e r S e l b i g k e i t aus, n u r d ü r f e n w i r n i c h t A u s s c h l i e ß l i c h darauf reflektieren, sondern m ü ß t e n m i t beachten daß m e h r e r e e i n I d e n t i s c h e s erfassen. W i r k ö n n e n jetzt sagen, Selbigkeit k a n n s e h r w o h l e i n e B e s t i m m u n g des G e g e n stands selbst sein, a b e r dieses m i t sich selbst i d e n t i s c h e S e i e n d e s t e h t dazu n o c h in e i n e r B e z i e h u n g des E r f a ß t w e r d e n s . D i e s e Beziehung m a c h t das v o r h a n d e n e S e i e n d e e b e n d a n n n o c h relativ auf m e h r e r e a n d e r e S e i e n d e v o m C h a r a k t e r des D a s e i n s . Wir h a b e n also d e n T a t b e s t a n d : Seiendes, das m i t sich i d e n t i s c h ist und d a n n n o c h als dieses I d e n t i s c h e ein m ö g l i c h e s E r f a ß b a r e s für m e h r e r e ist. s o n d e r n
w e n
d) D a s S e l b i g e als G e m e i n s a m e s \ b e r — w e n n m e h r e r e e i n I d e n t i s c h e s e r f a s s e n , so ist das g a n z und gar n i c h t das, w a s w i r als a u f z u k l ä r e n d e s P h ä n o m e n v o r u n s haben. Das erstere g e s c h i e h t s t ä n d i g : i r g e n d j e m a n d i n B e r l i n sieht ein A u t o m o b i l , u n d e i n B a u e r i m S c h w a r z w a l d s i e h t s e i n e Kuh; es sind da m e h r e r e , die je e i n I d e n t i s c h e s e r f a s s e n , u n d doch nicht: m i t e i n a n d e r d a s s e l b e u n d doch n o c h ein M i t e i n a n der, auch hier. Sö m u ß es doch d a b e i b l e i b e n , d a ß i m M i t e i n andersein bei d e m s e l b e n die S e l b i g k e i t e i n e w e s e n h a f t e Beziehung ausdrückt, u n d z w a r e i n e solche, die n i c h t e i n f a c h a u f das Seiende selbst z u r ü c k s p r i n g t , s o n d e r n g e r a d e w e g f ü h r t zu m e h reren. Aber wie das? D a s V o r h a n d e n e , bei d e m w i r sind, ist u n s also gemeinsam, ist dasselbe f ü r m e h r e r e , so d a ß diese m e h r e r e n auf Grund dieses »dasselbe f ü r sie« e i n »wir« w e r d e n . O b das W i r freilich das R e s u l t a t e i n e r Z u s a m m e n k u n f t m e h r e r e r ist, lassen zunächst o f f e n . D o c h w a s h e i ß t : D a s V o r h a n d e n e , bei d e m
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Wahrheit und Sein
w i r u n s a u f h a l t e n , ist u n s i n d i e s e m M i t e i n a n d e r ein G e m e i n sames? Was h e i ß t h i e r G e m e i n s a m k e i t ? W i r s p r a c h e n d a v o n , d a ß e i n z e l n e n F a r b e n w i e rot, g r ü n , blau d e r C h a r a k t e r >Farbe< g e m e i n s a m sei; F a r b e ist die G a t t u n g , so w i e die A r t e n E i c h e , B u c h e , T a n n e d e n C h a r a k t e r >Baum< hab e n . I n dieser Weise ist o f f e n b a r d i e K r e i d e n i c h t s G e m e i n s a m e s m i t B e z u g auf u n s als m e h r e r e . D e n n e i n m a l ist diese Kreide ü b e r h a u p t n i c h t e i n e G a t t u n g , s o n d e r n e i n b e s t i m m t e s , hier u n d jetzt v o r h a n d e n e s e i n z e l n e s G e b r a u c h s d i n g . W e n n w i r denn o c h K r e i d e als G a t t u n g m i t B e z u g a u f v e r s c h i e d e n e E x e m p l a r e u n d A r t e n v o n K r e i d e s t ü c k e n d ä c h t e n , d a n n ist die G a t t u n g K r e i d e nichts, w a s als A r t e n u n s M e n s c h e n u n t e r sich enthielte; d e n n w i r s i n d ja k e i n e K r e i d e n , so w i e T a n n e u n d B u c h e B ä u m e sind. D a s ist allzu s e l b s t v e r s t ä n d l i c h , a b e r r ä t s e l h a f t bleibt n u n e i n m a l , w a s es h e i ß t : diese K r e i d e ist f ü r u n s etwas G e m e i n sames. W e n n w i r u n s f ü r e i n e n A u g e n b l i c k d a r a u f b e s i n n e n , w a s wir e i g e n t l i c h k l ä r e n w o l l e n , n ä m l i c h e i n e n Vorbegriff von Philosophie, so s c h e i n e n w i r m e r k w ü r d i g e W e g e e i n g e s c h l a g e n zu h a b e n . Auf d e m W e g zu e i n e r L ö s u n g der F r a g e , was denn P h i l o s o p h i e besage, s i n d w i r b e i d e m P r o b l e m a n g e k o m m e n , w i e e i n e K r e i d e f ü r u n s i n u n s e r e m M i t e i n a n d e r s e i n als etwas G e m e i n s a m e s v o r h a n d e n sein k ö n n e . D a s s c h e i n t in der, Tat z u n ä c h s t e i n g r o ß e r A b w e g . D e s h a l b ist es n o t w e n d i g , d a ß wir u n s jetzt des i n n e r e n Z u s a m m e n h a n g s u n s e r e r B e t r a c h t u n g e n b e w u ß t b l e i b e n bzw. d i e s e n Z u s a m m e n h a n g g e g e n w ä r t i g hab e n . D i e s ist n i c h t e t w a d e s h a l b e r f o r d e r l i c h , d a m i t Sie die e i n z e l n e n S c h r i t t e d e r Vorlesung l e d i g l i c h n a c h z u e r z ä h l e n verm ö c h t e n — es gibt h i e r n i c h t s z u m E i n p a u k e n . D i e Gegenwärt i g k e i t des Z u s a m m e n h a n g e s u n s e r e r B e t r a c h t u n g e n , d i e m j e d e r S t u n d e n o t w e n d i g ist, ist e b e n k e i n solcher w i e e t w a in der M a t h e m a t i k , w o w i r b e s t i m m t e Sätze aus b e s t i m m t e n Axiomen d e d u z i e r e n . D e r Z u s a m m e n h a n g d e r B e t r a c h t u n g e n ist vielm e h r w e g e n d e r B i n d u n g a n die Sache, v o n d e r s t ä n d i g gehand e l t w i r d , w i c h t i g . So w i r d sich-zeigen, d a ß w i r diesen weiten
§ Iß. Seinsart und W f
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gar n i c h t z u r ü c k g e h e n m ü s s e n , u m d a n n w i e d e r z u r P h i " hie zu k o m m e n , s o n d e r n w i r k ö n n e n j e d e n A u g e n b l i c k die
(rpbpn w e n n w i r h i n r e i c h e n d v o r b e rTe i T t e t, sind. D e s h a l b \ n t w o rwi geucii, als äußere H i l f e d e r Z u s a m m e n h a n g d e u t l i c h g e m a c h t geide in d e m Augenblick, i n d e m w i r bei e i n e r F r a g e sind, die s c h e i n b a r v o m e i g e n t l i c h e n T h e m a w e i t abliegt. Wir sind von der F r a g e n a c h d e m W e s e n d e r P h i l o s o p h i e a u s g e g a n g e n u n d s u c h e n diese in d r e i f a c h e r H i n s i c h t zu k e n n z e i c h n e n : in i h r e m V e r h ä l t n i s zu W i s s e n s c h a f t , zu W e l t a n s c h a u ung, zu Geschichte. W i r h a b e n d e n e r s t e n W e g , V e r h ä l t n i s zu W i s s e n s c h a f t , e i n g e s c h l a g e n , u m d u r c h e i n e K l ä r u n g des W e sens der W i s s e n s c h a f t zu e r f a h r e n , w a s P h i l o s o p h i e ist. D i e s e Frage nach d e m W e s e n d e r W i s s e n s c h a f t h a t u n s auf die F r a g e nach d e m Wesen der W a h r h e i t z u r ü c k g e f ü h r t . W a h r h e i t e r g a b .sich uns zunächst als S a t z w a h r h e i t ; w i r s a h e n b a l d , d a ß die Aussage ein Sein bei d e m voraussetzt, w o r ü b e r w i r a u s s a g e n , und daß in d i e s e m S e i n b e i V o r h a n d e n e m das V o r h a n d e n e selbst für uns u n v e r b o r g e n ist. U n v e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n h e i ß t i n einem v o r l ä u f i g e n B e g r i f f W a h r h e i t . W i r v e r s u c h t e n d a n n , das Wesen der W a h r h e i t d a d u r c h k e n n t l i c h zu m a c h e n , d a ß w i r zeigten, in w e l c h e r W e i s e sie i n i h r e r S t r u k t u r v i e l f ä l t i g ist, entsprechend d e m S e i e n d e n , m i t B e z u g auf w e l c h e s sie U n v e r borgenheit ist. Unser jetziges T h e m a ist die A n a l y s e d e r V e r s c h i e d e n h e i t d e r Art u n d Weise, w i e Seiendes ist, o r i e n t i e r t a n zwei B e z i r k e n des Seienden, d e m V o r h a n d e n e n u n d d e m D a s e i n . Bei dieser A n a lyse sahen wir, w i e d u r c h d i e V e r s c h i e d e n a r t i g k e i t des Seins des Seienden die W a h r h e i t ü b e r das S e i e n d e sich a b w a n d e l n m u ß . W ir ließen also g e w i s s e r m a ß e n d i e F r a g e n a c h d e m W e s e n d e r Wahrheit f ü r e i n e W e i l e a u f d e r Seite l i e g e n u n d b e s c h ä f t i g e n uns jetzt m i t d e r V e r s c h i e d e n h e i t des Seins v o n S e i e n d e m , u n d '•war h a b e n w i r e x e m p l a r i s c h d a s N e b e n e i n a n d e r s e i n v o n Vor!
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Wahrheit und Sein
f a c h e n u n d z u n ä c h s t t r i v i a l e n T a t b e s t a n d zu b e g r e i f e n , d a ß wir z u s a m m e n m i t e i n a n d e r b e i d e m s e l b e n D i n g u n s a u f h a l t e n . Wir h a b e n z u n ä c h s t g e s e h e n , d a ß d e r Versuch a u f z u k l ä r e n , w a s hier S e l b i g k e i t des S e i e n d e n , zu d e m w i r u n s v e r h a l t e n , h e i ß t , schei t e r t , s o l a n g e w i r v o n d e n ü b l i c h e n B e g r i f f e n d e r Selbigkeit und I d e n t i t ä t G e b r a u c h m a c h e n . W i r s i n d m i t e i n a n d e r b e i m Selbig e n , u n d d a b e i h e i ß t S e l b i g k e i t w e d e r U n v e r ä n d e r u n g noch d i n g l i c h e S u b s t a n z i a l i t ä t b z w . B e h a r r l i c h k e i t als Substanz, noch f o r m a l e I d e n t i t ä t e i n e s G e g e n s t a n d e s m i t sich selbst. D i e F r a g e ist, w a s h e i ß t positiv die S e l b i g k e i t eines vorhand e n e n S e i e n d e n f ü r uns? W i r s i n d zuletzt bei d e r B e s t i m m u n g a n g e l a n g t , d a ß S e l b i g k e i t h i e r z u n ä c h s t soviel w i e G e m e i n s a m k e i t besagt. D i e K r e i d e ist in e i n e m n o c h zu b e s t i m m e n d e n S i n n e f ü r u n s ein G e m e i n s a m e s . So s t e h e n w i r bei dieser speziellen F r a g e n a c h d e r G e m e i n s a m k e i t eines D i n g e s f ü r uns. I n w i e f e r n — so m ü s s e n w i r d e s h a l b e r n e u t f r a g e n — k a n n die K r e i d e in u n s e r e m S e i n bei i h r e t w a s G e m e i n s a m e s sein? Nun, e t w a so, d a ß w i r u n s i n die K r e i d e g e w i s s e r m a ß e n teilen, und das k a n n h e i ß e n , d a ß w i r sie u n t e r u n s v e r t e i l e n , d a ß w i r sie in S t ü c k e zerteilen. A b e r e i n m a l d ü r f e n w i r das g a r n i c h t , sie geh ö r t n i c h t u n s , s o n d e r n d e m Staat. Sie ist also k e i n u n s G e m e i n s a m e s u n d U n s r i g e s i n d e m S i n n e , d a ß sie u n s e r f r e i v e r f ü g b a r e r Besitz w ä r e . W i r d ü r f e n sie n i c h t z e r s t ü c k e l n u n d verteilen, wir t u n es a u c h n i c h t ; w i r lassen sie u n g e t e i l t , u n d g l e i c h w o h l teilen w i r u n s i n sie. Sich i n e t w a s t e i l e n , o h n e es d a b e i zu zerteilen in Stücke, h e i ß t : e t w a s f ü r d e n G e b r a u c h u n d i m G e b r a u c h sich g e g e n s e i t i g ü b e r l a s s e n . D i e s e K r e i d e ist u n s e t w a s Gemeinsam e s i n d e m G e b r a u c h , d e n w i r v o n i h r m a c h e n bzw. m a c h e n k ö n n e n . W i r h a b e n so b e s t i m m t , i n w e l c h e r Weise sie u n s etwas G e m e i n s a m e s ist; a b e r w a s diese G e m e i n s a m k e i t selbst besagt, w o r i n i h r W e s e n b e s t e h t u n d i n w i e f e r n d a d u r c h das M i t e i n a n d e r a u f g e k l ä r t w e r d e n soll, ist n o c h n i c h t klar.
§ Iß. Seinsart und e) T e i l h a b e r s c h a f t e i n
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Gemeinsames?
A P Frape ob die G e m e i n s a m k e i t d e r K r e i d e i m G e b r a u c h Ks ist ü i e Γ Ι & ' . . . , . . , liejenige ist, die das M i t e i n a n d e r s e i n bei . . . p r i m ä r konstituiert. Daß wir i m G e b r a u c h u n s i n die K r e i d e t e i l e n , ist d o c h n u r d um und so m ö g l i c h , d a ß d i e s e K r e i d e u n s a l l e n z u r V e r f ü g u n g s t e h t d.h. f ü r d e n m ö g l i c h e n u n d b e r e c h t i g t e n G e b r a u c h b e r e i t , uns überlassen vorliegt. G e b r a u c h v o n i h r m a c h e n , s c h l i e ß t i n daß sie h i e r z u f ü r u n s o f f e n b a r ist, d a ß w i r m i t e i n a n d e r sKh schon bei ihr-sind, d a ß sie i n u n d f ü r u n s e r S e i n bei . . . e t w a s Gemeinsames ist, a u c h w e n n dieses k e i n a u s d r ü c k l i c h e s Sichbeschäftigen ist. D a m i t w i r i m G e b r a u c h d e r K r e i d e u n s sollen in sie teilen k ö n n e n , m u ß sie u n s zuvor s c h o n i n e i n e m u r sprünglicheren S i n n e e i n G e m e i n s a m e s sein; w i r m ü s s e n sie u n s zuvor schon so t e i l e n , d a ß es u n s n o c h f r e i s t e h t , o b w i r G e b r a u c h machen von i h r oder n i c h t . W i r m ü s s e n s c h o n v o r d e m G e brauch u n d f ü r i h n alle T e i l h a b e r a n d e r K r e i d e s e i n , u m sie u n s gegenseitig i m G e b r a u c h zu ü b e r l a s s e n bzw. u m g e m e i n s a m von e i n e m G e b r a u c h d e r s e l b e n A b s t a n d zu n e h m e n . Was ist das f ü r e i n e ' T e i l h a b e , u n d n a c h w e l c h e r H i n s i c h t ist die Kreide in dieser T e i l h a b e r s c h a f t u n s ein G e m e i n s a m e s ? Z u nächst gilt es zu k l ä r e n , i n was w i r u n s d e n n t e i l e n , w e n n w i r alle dieselbe Kreide, dieses b e s t i m m t e G e b r a u c h s d i n g , v o r u n s liegen h a b e n , u n d z w a r a u c h d a n n u n d g e r a d e d a n n , w e n n w i r keinen G e b r a u c h Von i h r m a c h e n , n i c h t m i t i h r e i g e n s b e s c h ä f tigt sind, s o n d e r n sie l i e g e n lassen so, w i e sie a n i h r selbst ist. Gerade in d i e s e m u n s e r e m L i e g e n - l a s s e n d e r K r e i d e , i n d e m , was und wie sie als dieses G e b r a u c h s d i n g ist, m u ß das zu f i n d e n sein, was wir s u c h e n : n ä m l i c h das T e i l h a b e n a n d e r K r e i d e , dieses u r s p r ü n g l i c h e S i c h t e i l e n i n d i e Kreide, g e m ä ß d e m sie ein Gemeinsames ist u n d u n s e r S e i n b e i i h r e i n M i t e i n a n d e r . Enser Sein bei d e r K r e i d e ist, s a g e n wir, e i n L i e g e n l a s s e n d e r kreide so, w i e sie ist, e i n L i e g e n - l a s s e n , e b e n w e i l sie e t w a s ist l| nd so ist, d a ß es vor-liegt. D a s Vorliegen, V o r - h a n d e n s e i n ist die
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Wahrheit und Sein
Art, w i e diese K r e i d e a n i h r selbst als dieses G e b r a u c h s d i n g ist, i h r e A r t zu sein; w i r lassen sie l i e g e n , w i r lassen sie sein, so, w i e u n d w a s sie ist. U n s e r S e i n bei d e r K r e i d e ist so e t w a s w i e ein Seinlassen d e r Kreide. W i r lassen dieses S e i e n d e sein, w i r n e h m e n i h m n i c h t s u n d g e b e n i h m nichts; w i r s t o ß e n es n i c h t v o n u n s u n d z i e h e n es n i c h t a n u n s h e r a n ; w i r ü b e r l a s s e n dieses S e i e n d e i h m selbst, u n d gerade in diesem Uberlassen begegnet die Kreide in dem, w a s u n d w i e sie als diese K r e i d e ist. f) Vom Seinlassen d e r D i n g e W i r lassen die D i n g e sein, w i e sie sind, ü b e r l a s s e n sie i h n e n selbst, a u c h d a n n u n d g e r a d e d a n n , w e n n w i r u n s so i n t e n s i v w i e i m m e r b e s c h ä f t i g e n . Ja, g e r a d e i n d e m u n d f ü r d e n G e b r a u c h m u ß ich das D i n g sein lassen, w a s es ist. L i e ß e ich die K r e i d e n i c h t K r e i d e sein, w ü r d e ich sie e t w a i m M ö r s e r z e r s t a m p f e n , d a n n w ü r d e ich sie n i c h t g e b r a u c h e n . I m G e b r a u c h e n e b e n s o w i e i m N i c h t g e b r a u c h e n l i e g t dieses Seinlassen d e r D i n g e , u n d z w a r l i e g t es a l l e m g e b r a u c h e n d e n U m g a n g m i t den D i n g e n zugrunde. Aber nicht n u r im gebrauc h e n d e n V e r h a l t e n , a u c h i n g a n z a n d e r s a r t i g e m V e r h a l t e n zu ganz andersartigem Seienden, etwa i m aesthetischen Verhalten l i e g t ein g a n z b e s t i m m t e s S e i n l a s s e n eines G e m ä l d e s z.B. oder e i n e r Plastik, u n d z w a r a b g e s e h e n d a v o n , ob das b e t r e f f e n d e Kunstwerk m i r einen besonderen Eindruck m a c h t oder nicht. Dieses Seinlassen d e r D i n g e i m w e i t e s t e n S i n n e l i e g t g r u n d sätzlich n o c h vor j e d e r b e s o n d e r e n I n t e r e s s i e r t h e i t b z w . bes t i m m t e n G l e i c h g ü l t i g k e i t . Dieses u n s e r Seinlassen, u n s e r U b e r l a s s e n d e r D i n g e a n sie selbst u n d i h r S e i n ist e i n e e i g e n e G l e i c h g ü l t i g k e i t u n s e r e r s e i t s , e i n e G l e i c h g ü l t i g k e i t des D a seins, die zu s e i n e m m e t a p h y s i s c h e n W e s e n g e h ö r t . D i e s e >Gleichgültigkeit< ist n u r m ö g l i c h i n d e r Sorge. D i e L ä s s i g k e i t in d i e s e m U b e r l a s s e n ist k e i n U n t e r l a s s e n s c h l e c h t h i n . D a s Seie n d e sein lassen ist n i c h t e t w a „ n i c h t s ; w i r t u n f r e i l i c h n i c h t s
§ Iß. Seinsart und
Offenbarkeit
103
dazu, d a ß e t w a die N a t u r ist, w a s u n d w i e sie ist, w i r k ö n n e n nichts dazu t u n , u n d d o c h ist dieses Seinlassen e i n » T u n « d e r h ö c h s t e n u n d u r s p r ü n g l i c h e n A r t u n d n u r m ö g l i c h auf d e m G r u n d e u n s e r e s i n n e r s t e n Wesens d e r Existenz, d e r F r e i h e i t . Diese m e t a p h y s i s c h e G l e i c h g ü l t i g k e i t zu d e n D i n g e n w i r d u n s noch s e h r i n A n s p r u c h n e h m e n auf u n s e r e m W e g e . Z u n ä c h s t h a t sich u n s das e i n e e r g e b e n : U n s e r Sein b e i d e n D i n g e n — b l e i b e n w i r i m G e b i e t des V o r h a n d e n e n — ist i m G r u n d e seines Wesens e i n Seinlassen d e r D i n g e i n d e m g e k e n n z e i c h n e t e n Sinn. D a h e r k o m m t es, d a ß z u m Sein bei . . . a u c h n i c h t notwendig ein interessiertes Beschäftigtsein d a m i t gehört, daß u m g e k e h r t a u c h e i n interesseloses o d e r w i d e r w i l l i g e s V e r h a l t e n zu d e n D i n g e n , ja a u c h j e d e A b k e h r v o n i h n e n e i n S e i n b e i . . . ist. Es z e i g t e sich: W i r m ü s s e n zuvor s c h o n T e i l h a b e r a n d e n D i n g e n sein, u m sie u n s i m u n d f ü r d e n G e b r a u c h zu ü b e r l a s s e n ; a l l e m G e b r a u c h e n a b e r z. B. l i e g t s c h o n z u g r u n d e e i n Seinlassen der D i n g e . B e s t e h t n u n j e n e T e i l h a b e r s c h a f t a n d e n D i n g e n in d e m gek e n n z e i c h n e t e n Seinlassen des S e i e n d e n ? D a s S e i n l a s s e n v o n etwas, w i e u n d w a s es ist, schließt d o c h n i c h t s c h o n i n sich e i n gegenseitiges S i c h t e i l e n i n das Seiende? M ü s s e n w i r d a n n je zuvor S e i e n d e s i n d e m , w a s u n d w i e es ist, sein lassen, d a m i t w i r uns i n das S e i e n d e t e i l e n k ö n n e n ? O d e r l i e g t es u m g e k e h r t : M ü s s e n w i r u n s i n das S e i e n d e zuvor teilen, u m es a n i h m selbst sein lassen zu k ö n n e n ? Setzt Seinlassen T e i l h a b e r s c h a f t v o r a u s oder u m g e k e h r t T e i l h a b e r s c h a f t das Seinlassen? W a s b e s a g t h i e r voraussetzen? Z u n ä c h s t b l e i b t zu k l ä r e n , w a s T e i l h a b e b e s a g t . I n was t e i l e n w i r uns? Was ist das G e m e i n s a m e d a b e i u n d w i e ist das, w o r e i n w i r u n s t e i l e n , ein G e m e i n s a m e s ? W i r t e i l e n u n s in das V o r h a n d e n e , h e i ß t : 1. w i r z e r t e i l e n u n d v e r t e i l e n es n i c h t u n t e r u n s , s o n d e r n lassen es u n g e t e i l t ; 2. w i r ü b e r l a s s e n es u n s g e g e n s e i t i g i m G e b r a u c h , u n d a u c h im bloßen, nicht gebrauchenden Liegenlassen teilen wir uns schon d a r e i n .
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Wahrheit und Sein
Positiv: W i r t e i l e n u n s in das S e i e n d e , o h n e d a ß d a b e i m i t ihm e t w a s g e s c h i e h t , es sich ä n d e r t . W i r t e i l e n u n s in das Seiend o h n e d a ß w i r d a b e i u n s g e g e n s e i t i g etwas, w a s d e m Seienden z u k o m m t , w e i t e r - , h i n - u n d h e r g ä b e n , etwas, was des Seienden ist u n d w a s doch z u g l e i c h u n s e r ist; in solches t e i l e n w i r uns als e i n G e m e i n s a m e s , so, d a ß dieses G e m e i n s a m e das M i t e i n a n d e r sein m i t e r m ö g l i c h t . Was ist das n u n a m S e i e n d e n , w a s — w e n n w i r so sagen können — i h m i n gewisser W e i s e z u k o m m t u n d w o r e i n w i r u n s teilen k ö n n e n , o h n e d a ß d a d u r c h das S e i e n d e i m m i n d e s t e n verändert wird? E t w a s , was d e m S e i e n d e n z u k o m m t u n d was doch auch u n s zur V e r f ü g u n g sein m u ß , w e n n a n d e r s w i r u n s d a r e i n sollen t e i l e n k ö n n e n . D e m S e i e n d e n — d e r K r e i d e — k o m m e n bestimm t e E i g e n s c h a f t e n als G e b r a u c h s d i n g u n d als m a t e r i e l l e r Körper zu, es h a t e i n e b e s t i m m t e Art zu sein. A b e r g e r a d e das lassen wir sein, w a s u n d w i e es ist. U n s e r S e i n bei d e m V o r h a n d e n e n ist em Seinlassen. D a v o n n e h m e n w i r n i c h t s w e g u n d n e h m e n nichts als u n s e r W e r k a n i h m i n A n s p r u c h . A b e r d a r ü b e r v e r f ü g e n wir d o c h n i c h t , s o n d e r n — w e n n w i r so s a g e n d ü r f e n — die Kreide, solches u n d so ist e b e n sie. D o c h w i r h ö r t e n s c h o n u n d z w a r b e i d e r I n t e r p r e t a t i o n un seres Seins bei d i e s e m V o r h a n d e n e n , d a ß dieses Seiende, es, d a b e i u n v e r b o r g e n , d. h . i m u r s p r ü n g l i c h e n S i n n e w a h r §ei. Die U n v e r b o r g e n h e i t ( W a h r h e i t ) k o m m t d e m S e i e n d e n zu; es ist p r i m ä r w a h r ; erst n a c h t r ä g l i c h ist d e r Satz ü b e r es w a h r . Diese U n v e r b o r g e n h e i t ist e t w a s , w a s d i e K r e i d e in i h r e m Was und W i e n i c h t stört; sie b l e i b t , w a s sie u n d w i e sie ist, a u c h wenn n i e m a n d i m Saal sich a u f h ä l t u n d bei d i e s e m V o r h a n d e n e n ist Sie w i r d a u c h n i c h t a n d e r s d a d u r c h , d a ß sie f ü r u n s u n v e r b o r g e n ist. D u r c h u n s e r S e i n bei d e r K r e i d e w i r d sie n i c h t e t w a abge n u t z t . D i e K r e i d e ist w a h r i n u n s e r e m S e i n bei . . ., sie ist u n v e r b o r g e n . D i e W a h r h e i t ist also etwas, w a s d e r Kreide zu k o m m t u n d doch n i c h t z u m v o r h a n d e n e n B e s t a n d i h r e r Eigen schaften qua Kreide gehört. D i e s e U n v e r b o r g e n h e i t d e r - K r e i d e ist es, i n d e r die K r e i d e an
§'
14.
Teilen in die Unverborgenheit
des Seienden
105
elbst als dieses G e b r a u c h s d i n g sich zeigt, i n d e r sie sich als '-j s S e i e n d e , das sie ist, b e k u n d e t . D i e U n v e r b o r g e n h e i t ( W a h r } !t) ist es, d u r c h die h i n d u r c h w i r also g e r a d e dieses S e i e n d e als s e l b s t sein lassen, w a s u n d w i e es ist.
P S
\ u n aber s e h e n w i r ein, dieses Seinlassen d e r D i n g e s t e h t i n B e d m g u n g s z u s a m m e n h a n g m i t d e r T e i l h a b e a m Seiend e n S e i n l a s s e n g e s c h i e h t n u r so u n d k a n n n u r so g e s c h e h e n , d a ß uns dabei das, was w i r d a s e i n lassen, o f f e n b a r , d . h . w a h r ist. S e i n l a s s e n steht im Bedingungszusammenhang m i t Wahrheit. Ferner ist diese Wahrhteit ( U n v e r b o r g e n h e i t ) e t w a s » a m « Seienden, etwas, was i h m z u k o m m t , a b e r es g l e i c h w o h l n i c h t ändert. W e n n die K r e i d e als das Seiende, das sie ist, u n v e r b o r gen, o f f e n b a r w i r d , g e h t a n i h r n i c h t s vor, es t r i t t n i c h t i r g e n d em Naturprozeß in i h r e i n , u n d d o c h g e s c h i e h t e t w a s m i t i h r : Sie k o m m t in e i n e G e s c h i c h t e . > m e m
Wir f r a g e n n a c h e i n e r T e i l h a b e a m S e i e n d e n , bei d e r w i r u n s m etwas teilen, was "dem S e i e n d e n z u k o m m t , o h n e d a ß a m Seienden etwas d a b e i i n Verlust g e r ä t u n d g e ä n d e r t w i r d . W o r i n teilen wir u n s in dieser m e r k w ü r d i g e n T e i l h a b e a m S e i e n d e n ? V\ îr teilen u n s m s e i n e U n v e r b o r g e n h e i t , s e i n e W a h r h e i t . N u r sofern wir u n s m die ! U n v e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n t e i l e n , k ö n nen wir es, das Seiende, so sein lassen, w i e es sich b e k u n d e t . U n d wenn wir u n s in die U n v e r b o r g e n h e i t teilen, ist u n s e t w a s gemeinsam, was n i c h t e i n Stück d e r K r e i d e a u s m a c h t u n d also gleichsam je n u r f ü r e i n e n Besitz sein k ö n n t e . D i e U n v e r b o r genheit ist a u c h n i c h t e i n e v o r h a n d e n e E i g e n s c h a f t d e r K r e i d e , wie etwa i h r e w e i ß e F a r b e , e i n e E i g e n s c h a f t , d i e sich v o n d e r Kreide ablosen ließe.
Ä 14. Wir teilen uns in die Unverborgenheit
des
Seienden
^ ir teilen u n s u n s d i e U n v e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n . D a s G e meinsame ist die W a h r h e i t des S e i e n d e n . D i e W a h r h e i t ist das " was w i r s u c h t e n , u n d dieses Selbige ist es a u c h , w a s als
106
Wahrheit und Sein
U n v e r b o r g e n h e i t e r m ö g l i c h t , d a ß n u n das i n d e r Unverborge h e i t O f f e n b a r e sich als dieses selbst zeigt, u n d zwar allen zei t d e n e n d i e U n v e r b o r g e n h e i t g e m e i n s a m ist. W i r g i n g e n d a v o n aus: M i t e i n a n d e r s e i n b e k u n d e t sich im V e r h a l t e n m e h r e r e r z u m S e l b i g e n . S e l b i g k e i t f ü r m e h r e r e ist G e m e i n s a m k e i t , g e m e i n s a m h a b e n v o n e t w a s , Sichteilen in Un V e r b o r g e n h e i t . M i t e i n a n d e r s e i n b e i S e i e n d e m ist Sichteilen m die U n v e r b o r g e n h e i t ( W a h r h e i t ) des b e t r e f f e n d e n Seienden S i n d n u n die R ä t s e l gelöst? G a r n i c h t ! W i r h a b e n jetzt nur g e f u n d e n , o h n e es v i e l l e i c h t s c h o n g a n z d e u t l i c h zu s e h e n daß das G e m e i n s a m e , w o r e i n w i r u n s t e i l e n , d i e U n v e r b o r g e n h e i t ist. W i r s e h e n i m R o h e n , es g i b t etwas, w o r i n w i r u n s teilen, und z w a r so, d a ß d a b e i das S e i e n d e selbst einerseits u n b e r ü h r t bleibt u n d a n d e r e r s e i t s sich g e r a d e als es selbst i n d i e s e m Gemeinsa m e n für uns bekunden kann. D i e W a h r h e i t ist es, d a r e i n w i r u n s t e i l e n . D a m i t ist das W e s e n d e r W a h r h e i t als U n v e r b o r g e n h e i t a b e r n u r p r o b l e m ati scher g e w o r d e n — u n d das soll es a u c h ! W i r t e i l e n u n s in das Seiende, d . h . i n s e i n e U n v e r b o r g e n h e i t , die e b e n die des betreff e n d e n S e i e n d e n ist, i h m also z u k o m m t — wie, ist u n d bleibt z u n ä c h s t d u n k e l . Das, w o r e i n w i r u n s t e i l e n , k o m m t einerseits d e m S e i e n d e n zu u n d ist a n d e r e r s e i t s solches, w o r ü b e r wir, qua M e n s c h e n , u n t e r u n s v e r f ü g e n , als u n s e r e n Besitz. D i e F r a g e ist: W i e s t e h e n w i r d e n n zu so e t w a s w i e Unver b o r g e n h e i t eines V o r h a n d e n e n ? W i e h a b e n w i r a n dergleichen teil? T e i l h a b e a n d e r U n v e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n ist — durch d i e U n v e r b o r g e n h e i t h i n d u r c h — T e i l h a b e a m S e i e n d e n . Aber diese u n s e r e T e i l h a b e a n d e r U n v e r b o r g e n h e i t — w o h e r ist diese H a b e g e n o m m e n ? G r ü n d e t diese T e i l h a b e a n d e r W a h r h e i t (Un V e r b o r g e n h e i t ) i n e i n e r T e i l n a h m e ? U n d w i r d erst in der nähe r e n K e n n z e i c h n u n g dieses T e i l n e h m e n s a n der Wahrheit einsichtig, i n w e l c h e r Weise u n d w a r u m w i r u n s in so etwas teilen wie Wahrheit? M i t e i n a n d e r s e i n b e i . . . ist e i n S i c h t e i l e n in die U n v e r b o r g e n h e i t ( W a h r h e i t ) des V o r h a n d e n e n . D i e W a h r h e i t g e h ö r t zum
§' 14. Teilen in die Unverborgenheit n d e n e n
\orhan^ ^
des Seienden
107
u n d doch ist s i e n i c h t v o r h a n d e n e E i g e n s c h a f t a n h t s V o r h a n d e n e s . W a h r h e i t ist a b e r z u g l e i c h etD a s e i n m i t D a s e i n sich teilt, w a s also a u c h w i e d e r
nic
was· worein dem Dasein z u g e h ö r t . Die I n Verborgenheit des V o r h a n d e n e n n i m m t e i n e m e r k v u r d i g e D o p p e l s t e l l u n g ein: sie- g e h ö r t i n gewisser W e i s e z u m V o r h a n d e n e n u n d z u g l e i c h z u m D a s e i n . Was ist d e n n die W a h r h e i t d e s V o r h a n d e n e n , d a ß sie diese D o p p e l s t e l l u n g h a t u n d haben kann? An der L ö s u n g dieses P r o b l e m s w i r d es h ä n g e n , ob w i r d a s S i c h t e i l e n i n W a h r h e i t h i n r e i c h e n d a u f k l ä r e n , u m die gesuchte E i n s i c h t in das M i t e i n a n d e r s e i n , e i n e spezifische Seinsart des Daseins, zu g e w i n n e n . Bevor wir d i e s e m P r o b l e m , d. h . d e r w e i t e r d r ä n g e n d e n F r a g e nach d e m W e s e n d e r W a h r h e i t n a c h g e h e n , w o l l e n w i r u n s e r e Untersuchung f ü r e i n e n A u g e n b l i c k a n h a l t e n u n d u n s e r n e u t den G a n g u n d d e n Z u s a m m e n h a n g d e r B e t r a c h t u n g g e g e n w ä r tig machen: Aus dem' P r o b l e m des W e s e n s d e r W i s s e n s c h a f t ergab sich die F r a g e n a c h d e m W e s e n d e r W a h r h e i t , das sich zunächst als U n v e r b o r g e n h e i t v o n S e i e n d e m d a r s t e l l t e . D a es Seiendes in v e r s c h i e d e n e r S e i n s a r t g i b t , g i b t es e n t s p r e c h e n d auch A b w a n d l u n g e n v o n W a h r h e i t . Z u n ä c h s t also m ü s s e n w i r die Verschiedenheit d e r S e i n s w e i s e n des S e i e n d e n s i c h t b a r m a chen u n d das W a h r h e i t s p r o b l e m so l a n g e z u r ü c k s t e l l e n . D i e Seinsart von V o r h a n d e n e m u n d d i e v o n D a s e i n m u ß h i n s i c h t lich ihres N e b e n e i n a n d e r , Z u s a m m e n v o r h a n d e n s e i n s u n d M i t einander g e k l ä r t w e r d e n . D i e F r a g e n a c h d e m W e s e n des Vlitemanderseins, also d i e F r a g e n a c h d e r S t r u k t u r e i n e r Seinsart, der des e x i s t i e r e n d e n D a s e i n s , m u ß gestellt w e r d e n . Als Antwort e r g a b sich: M i t e i n a n d e r s e i n ist ein S i c h t e i l e n i n W a h r heit. a) M i t e i n a n d e r s e i n ist e i n S i c h t e i l e n i n W a h r h e i t w
ds
ist das f ü r ein m e r k w ü r d i g e s E r g e b n i s ? Bei d e r A n a l y s e des ^ h t e m a n d e r s e i n s h a b e n w i r dieses v o r l ä u f i g g e k e n n z e i c h n e t als
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Wahrheit und Sein
e i n Sein bei e i n e m S e l b i g e n , bei e i n e m G e m e i n s a m e n , w a s w i r g e n a u e r i n t e r p r e t i e r t h a b e n als e i n S i c h t e i l e n i n etwas. Dieses S i c h t e i l e n i n e t w a s e r g a b sich u n s z u n ä c h s t in d e r F o r m als eines sich g e g e n s e i t i g e n U b e r l a s s e n s v o n e t w a s i m G e b r a u c h e n . Es stellte sich a b e r h e r a u s , d a ß w i r s c h o n o h n e d a ß w i r v o n e t w a s G e b r a u c h m a c h e n , Seiendes, V o r h a n d e n e s , Vorliegendes i n gewisser Weise g e m e i n s a m vor u n s h a b e n , so d a ß also dieses S i c h t e i l e n i n e t w a s i m M i t e i n a n d e r s e i n bei e i n e m V o r h a n d e n e n n i c h t i m Vollzug des G e b r a u c h e n s selbst l i e g e n k a n n , s o n d e r n in e i n e r Seinsweise des D a s e i n s , d i e s c h o n vor a l l e m G e b r a u c h e n l i e g t u n d d i e das g e m e i n s a m e G e b r a u c h m a c h e n von e t w a s allererst ermöglicht. D i e F r a g e w i r d n u n : W a s ist dieses G e m e i n s a m e , i n das w i r u n s teilen? W i r sind jetzt g e z w u n g e n , dieses G e m e i n s a m e a u f zuweisen in der Betrachtungsrichtung, daß wir nicht eingestellt sind auf e i n e n G e b r a u c h , s o n d e r n auf ein V e r h a l t e n vor d e m , das w i r k e n n z e i c h n e n als e i n L i e g e n l a s s e n des S e i e n d e n in s e i n e m W e s e n , ein Seinlassen d e r D i n g e . I n d i e s e m Seinlassen d e r D i n g e l i e g t e i n e u r s p r ü n g l i c h e G l e i c h g ü l t i g k e i t des D a s e i n s , die n o c h vor a l l e m I n t e r e s s i e r t - u n d N i c h t i n t e r e s s i e r t s e i n liegt. A b e r a u c h w e n n w i r dieses Seinlassen d e r D i n g e als das C h a rakteristikum unseres Teilens in ein Gemeinsames a n n e h m e n , so e r g i b t sich i m m e r w i e d e r die F r a g e : Was ist das e i g e n t l i c h , w o r e i n w i r u n s teilen? Dieses S i c h t e i l e n in das S e i e n d e v o l l z i e h t sich i n u n s e r e m Sein bei . . ., u n d dieses Sein bei . . . k e n n z e i c h n e t e n w i r d a d u r c h , d a ß das V o r h a n d e n e u n v e r b o r g e n ist. W o r e i n w i r u n s t e i l e n , so l a u t e t e zuletzt die T h e s e , ist d i e W a h r h e i t ü b e r das Seiende, s e i n e U n v e r b o r g e n h e i t , so d a ß jetzt das P r o b l e m entsteht, genauer auszumachen, inwiefern wir uns im Miteina n d e r s e i n in die W a h r h e i t ü b e r d i e D i n g e t e i l e n , u n d w i e ein S i c h t e i l e n i n d i e W a h r h e i t , i n die U n v e r b o r g e n h e i t des V o r h a n d e n e n , m ö g l i c h ist. I m Verfolg d e r A u f g a b e , e i n e A r t zu sein zu c h a r a k t e r i s i e r e n , u n d zwar u n t e r A b s e h e n v o m W a h r h e i t s p r o b l e m , s t o ß e n w i r auf W a h r h e i t . Z u m Miteinandersein·, z u r S t r u k t u r dieses Seins, zur
§' 14. Teilen in die Unverborgenheit
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Strtiktur d e r Weise, w i e D a s e i n zu D a s e i n ist, g e h ö r t W a h r h e i t , went» a n d e r s M i t e i n a n d e r s e i n besagt: S i c h t e i l e n i n W a h r h e i t . Was h e i ß t das? Z u m »Sein« dieses S e i e n d e n , das w i r D a s e i n n e n n e n u n d das w i r selbst sind, g e h ö r t die W a h r h e i t . W a s ist d e r e n Wesen? N u r w e n n dieses k l a r w i r d , d a n n a u c h das »Sein« des D a s e i n s . U n v e r s e h e n s ist die F r a g e n a c h d e r S e i n s a r t eines Seienden zur Frage nach d e m Wesen der Wahrheit geworden. D e n n n u r w e n n k l a r w i r d , w a s das W e s e n d e r W a h r h e i t sei, w i r d das S i c h t e i l e n i n W a h r h e i t , u n d das h e i ß t das M i t e i n a n d e r s e i n a l s ' S e i n s a r t des D a s e i n s , f a ß b a r . W i r e r ö r t e r n das W e s e n d e r W a h r h e i t i n d e r Absicht, die S e i n s a r t des D a s e i n s i m U n t e r schied v o n d e r des V o r h a n d e n e n zu k e n n z e i c h n e n . Jetzt ist W a h r h e i t n o t w e n d i g zu e r ö r t e r n i n Absicht a u f e i n e K l ä r u n g e i n e r spezifischen Seinsart: d a ß w i r e b e n a u f diese W e i s e die W a h r h e i t k e n n z e i c h n e n m ü s s e n als g e h ö r i g z u m Sein des D a seins selbst. D a s ist n i c h t e i n e b e l i e b i g e T a t s a c h e , s o n d e r n es deutet schon voraus auf eine W e s e n s b e s t i m m u n g der W a h r h e i t ü b e r h a u p t : d a ß i h r O r t n i c h t d e r Satz, s o n d e r n das D a s e i n ist (oder g a r u m g e k e h r t ) . 1 H i e r a u s e n t n e h m e n w i r s c h o n e i n e g a n z f u n d a m e n t a l e Einsicht u n d eine Antwort auf die leitende Frage, w i e sich W a h r h e i t als U n v e r b o r g e n h e i t v o n S e i e n d e m z u m S e i e n d e n v e r h ä l t , ob u n d w i e sich W a h r h e i t m i t d e r S e i n s a r t des Seienden modifiziert. D i e S e i n s a r t des D a s e i n s i m U n t e r s c h i e d v o n d e r des V o r h a n d e n e n s u c h e n w i r in d e r O r i e n t i e r u n g a m M i t e i n a n d e r s e i n v o n D a s e i n u n d D a s e i n zu b e s t i m m e n . D a s M i t e i n a n d e r s e i n e r w i e s sich als e i n S i c h t e i l e n i n d i e U n v e r b o r g e n h e i t ( W a h r h e i t ) v o n 1
Anrti. d. Hg.: In der Abschrift findet sich eine handschriftliche Ergänzung von Hildegard Feick, die weder im Manuskript noch in den Nachschriften eine Entsprechung hat. Sie betrifft den genaueren Sinn des »oder gar umgekehrt« und beantwortet die darin gelegene Frage aus der späteren denkerischen Grundstellung Martin Heideggers. Mit dieser Ergänzung, die vermutlich aus der Zeit der Herstellung der Abschrift stammt, lautet die Textstelle: » . . . eine Wesensbestimmung der Wahrheit überhaupt: daß ihr Ort nicht der Satz, sondern das Dasein ist, die Lichtung (oder gar umgekehrt: daß der Wesensort des Daseins die Wahrheit als Unverborgenheit ist).«
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Wahrheit und Sein
V o r h a n d e n e m ( e i n e m ö g l i c h e Weise des M i t e i n a n d e r s e i n s bzw. n o t w e n d i g zu i h m g e h ö r i g ) , als e i n e A r t des Seins. W a h r h e i t ist d e m n a c h k o n s t i t u t i v f ü r d i e S t r u k t u r des M i t e i n a n d e r s e i n s als e i n e r w e s e n t l i c h e n S e i n s a r t des D a s e i n s . b) D i e U n v e r b o r g e n h e i t v o n V o r h a n d e n e m Wahrheit (Unverborgenheit) gehört demnach zum Dasein selbst, zu d e m , was dieses S e i e n d e u n d wie es ist, existiert. W i e g e h ö r t n u n W a h r h e i t ( U n v e r b o r g e n h e i t ) z u m D a s e i n , das w i r selbst sind? W e n n w i r diese F r a g e jetzt zu b e a n t w o r t e n s u c h e n , d a n n e r i n n e r n w i r uns, d a ß w i r v o r d e m schon d i e W a h r h e i t q u a Unverborgenheit d e m Vorhandenen zugewiesen haben, sagten w i r doch: D a s S e i e n d e selbst ist p r i m ä r w a h r u n d n i c h t d e r Satz d a r ü b e r . D i e U n v e r b o r g e n h e i t » g e h ö r t « d e m n a c h z u m Vorhand e n e n , u n d n u n soll sie als k o n s t i t u t i v f ü r das M i t e i n a n d e r s e i n des D a s e i n s zu d i e s e m g e h ö r e n . » G e h ö r t « sie d e m n a c h s o w o h l z u m V o r h a n d e n e n als a u c h z u m D a s e i n , oder l i e g t sie g a r gleichs a m »zwischen« d e m Vorhandenen u n d d e m Dasein? W i e g e h ö r t die U n v e r b o r g e n h e i t z u m v o r h a n d e n e n D i n g , g e h ö r t sie ü b e r h a u p t zu i h m ? U n d w a s h e i ß t h i e r » g e h ö r e n « ? Es e r g a b sich doch: D i e U n v e r b o r g e n h e i t d e r K r e i d e ist nichts, was a n i h r v o r h a n d e n w ä r e ; w i r k ö n n e n die U n v e r b o r g e n h e i t n i c h t als e t w a s V o r h a n d e n e s a n d e r K r e i d e feststellen, e t w a m i t d e r K r e i d e h i n - u n d h e r b e w e g e n oder sie b e i m Schreib e n a b n ü t z e n . Ja, auf G r u n d d e r U n v e r b o r g e n h e i t d e r K r e i d e e r f a s s e n w i r g e r a d e , d a ß dieses S e i e n d e n i c h t erst d a d u r c h zu d e m w i r d , w a s u n d w i e es ist, d a ß es f ü r u n s u n v e r b o r g e n ist, u n d d a ß es e n t s p r e c h e n d a u c h n i c h t a u f h ö r t , das zu sein u n d so zu sein, w a s u n d w i e es ist, d a d u r c h , d a ß es u n s v e r b o r g e n ist. W e n n w i r a n g e b e n sollen, w a s e i n e K r e i d e ü b e r h a u p t ist, d a n n k o m m t i n dieser D e f i n i t i o n g a n z g e w i ß n i c h t die U n v e r b o r g e n h e i t vor. K r e i d e ist n i c h t n o t w e n d i g u n v e r b o r g e n ; i h r W e s e n l ä ß t es zu, a u c h v e r b o r g e n zu sein; U n v e r b o r g e n h e i t ist k e i n e W e s e n s b e s t i m m u n g v o n K r e i d e als K r e i d e , a u c h n i c h t
§' 14. Teilen in die Unverborgenheit
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v o m S c h w a m m als S c h w a m m . A b e r v i e l l e i c h t ist d i e U n v e r b o r g e n h e i t e i n e W e s e n s b e s t i m m u n g des V o r h a n d e n e n , s o f e r n es v o r h a n d e n ist? Allein, n e h m e n w i r i r g e n d e i n e n S t e i n i r g e n d w o i n e i n e r Felsschlucht, die n i e e i n m e n s c h l i c h e s W e s e n b e t r i t t , d a n n k a n n doch dieses S e i e n d e v o r h a n d e n sein als das u n d so, w i e es ist, o h n e je d e r V e r b o r g e n h e i t e n t r i s s e n w e r d e n zu m ü s s e n , o h n e je u n v e r b o r g e n zu sein, ja, ü b e r h a u p t u n b e t r o f f e n v o n V e r b o r g e n heit u n d U n v e r b o r g e n h e i t . V i e l l e i c h t ist es in g e w i s s e n G r e n z e n n o t w e n d i g , d a ß V o r h a n d e n e s u n v e r b o r g e n ist, u m s e i n e S e i n s a r t zu erfassen; a b e r d a r a u s f o l g t d o c h n i c h t , d a ß das f a k t i s c h Vorh a n d e n e i n s e i n e m W a s u n d W i e n o t w e n d i g o f f e n b a r sei. U n v e r b o r g e n h e i t ist k e i n e w e s e n s m ä ß i g e B e s t i m m u n g des Vorh a n d e n e n . D e s h a l b d ü r f e n w i r n i c h t sagen: U n v e r b o r g e n h e i t (Wahrheit) »gehört« zum Vorhandenen, sondern nur: Unverborg e n h e i t ( W a h r h e i t ) k o m m t d e m V o r h a n d e n e n zu bzw. k a n n i h m z u k o m m e n . D a s V o r h a n d e n e h a t es n i c h t v o n sich aus q u a Vorhandenes. A l l e r d i n g s l i e g t h i e r n o c h ein P r o b l e m , das w i r d e r E i n f a c h heit h a l b e r b i s h e r ü b e r g a n g e n h a b e n , das ich a b e r i n e i n e r Z w i s c h e n b e m e r k u n g k u r z e r w ä h n e u n d das u n s s p ä t e r b e s c h ä f t i g e n w i r d . V i e l l e i c h t ist es a u f g e f a l l e n , d a ß plötzlich d i e N i c h t zugehörigkeit der Unverborgenheit zum Vorhandenen an einem beliebigen Stein in einer Felsschlucht irgendwo u n d nicht an der K r e i d e d e m o n s t r i e r t w u r d e . D a s w a r n o t w e n d i g , w e i l die Kreide, so w i e sie als G e b r a u c h s d i n g vor u n s liegt, s t r e n g gen o m m e n k e i n V o r h a n d e n e s ist; das h e i ß t n i c h t , d a ß sie n u r s c h e i n b a r w i r k l i c h w ä r e , s o n d e r n sie h a t als G e b r a u c h s d i n g die e i g e n e S e i n s a r t des Z u h a n d e n e n . Absichtlich h a b e n w i r diesen Unterschied zwischen Vorhandenem u n d Z u h a n d e n e m nicht in R e c h n u n g gesetzt, s o n d e r n V o r h a n d e n e s i m w e i t e r e n S i n n e gen o m m e n , die D i n g e i m U n t e r s c h i e d z u m D a s e i n . Jetzt r ä c h t sich — w i e i m m e r — die U n b e s t i m m t h e i t i n s o f e r n , als e b e n V o r h a n d e n h e i t i m s t r e n g e n S i n n e (Stein) u n d Z u h a n d e n h e i t ( K r e i d e ) v e r s c h i e d e n e A r t e n des Seins sind, d i e sich a u c h v e r s c h i e d e n zu
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ihrer Wahrheit verhalten. Am Ende k o m m t dem Zuhandenen n o t w e n d i g W a h r h e i t zu; d e m s c h l e c h t h i n V o r h a n d e n e n k a n n sie z u k o m m e n , m u ß a b e r n i c h t . Dieses n o t w e n d i g e Z u k o m m e n von U n v e r b o r g e n h e i t bei Z u h a n d e n e m u n d dieses m ö g l i c h e Z u k o m m e n v o n U n v e r b o r g e n h e i t bei V o r h a n d e n e m ist g l e i c h w o h l scharf zu u n t e r s c h e i d e n v o m Z u g e h ö r e n d e r W a h r h e i t z u m D a sein. W a h r h e i t des V o r h a n d e n e n : als m ö g l i c h e s Z u k o m m e n v o n Unverborgenheit. W a h r h e i t des Z u h a n d e n e n : N o t w e n d i g e s Z u k o m m e n v o n U n v e r b o r g e n h e i t , a) n o t w e n d i g h i n d u r c h g e g a n g e n d u r c h W a h r h e i t , b) n i c h t n o t w e n d i g als Z u h a n d e n e s f a k t i s c h i m G e b r a u c h (historische W a h r h e i t ! ) . W a h r h e i t des Daseins: Z u g e h ö r e n d e r W a h r h e i t z u m S e i n des Daseins. U n v e r b o r g e n h e i t des V o r h a n d e n e n g e h ö r t also n i c h t s o w o h l z u m V o r h a n d e n e n als a u c h z u m D a s e i n , s o n d e r n k o m m t d e m V o r h a n d e n e n lediglich, u n d z w a r n i c h t n o t w e n d i g zu » u n d « g e h ö r t f r e i l i c h z u m D a s e i n , ja, U n v e r b o r g e n h e i t k o m m t d e m V o r h a n d e n e n zu u n d k a n n i h m n u r z u k o m m e n , w e i l u n d insof e r n sie z u m D a s e i n g e h ö r t . A b e r w i e g e h ö r t die U n v e r b o r g e n h e i t des V o r h a n d e n e n z u m D a s e i n ? Z u n ä c h s t e r g a b sich: U n v e r b o r g e n h e i t des V o r h a n d e n e n ist solches, w o r e i n -fair u n s t e i l e n . A b e r ist es d e n n s c h l e c h t h i n n o t w e n d i g , d a ß wir, s o f e r n w i r als M e n s c h e n e x i s t i e r e n , als D a s e i n sind, u n s i n die U n v e r b o r g e n h e i t dieser K r e i d e teilen? O f f e n b a r n i c h t , d e n n w i r k ö n n e n doch a u c h e x i s t i e r e n , o h n e d a ß u n s die U n v e r b o r g e n h e i t dieser K r e i d e ein G e m e i n s a m e s ist. Also g e h ö r t die U n v e r borgenheit von Vorhandenem nicht wesensmäßig zum Dasein. A b e r a m E n d e ist z w a r n i c h t n o t w e n d i g , d a ß w i r u n s m i t e i n a n d e r bei dieser K r e i d e a u f h a l t e n , a b e r doch e b e n bei V o r h a n d e n e m , das d a n n f ü r u n s dasselbe ist. N i c h t die U n v e r b o r g e n h e i t e i n e r K r e i d e g e h ö r t z u m W e s e n des Daseins; a b e r v i e l l e i c h t ist U n v e r b o r g e n h e i t v o n V o r h a n d e n e m etwas, w o r e i n w i r u n s notw e n d i g t e i l e n i m f a k t i s c h e n Z u s a m m e n s e i n ? A b e r e b e n doch
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n u r in d i e s e m ! Z u m M i t e i n a n d e r s e i n , also z u m D a s e i n d e r M e n schen, g e h ö r t v i e l l e i c h t n o t w e n d i g e i n S i c h t e i l e n in U n v e r b o r genheit von Vorhandenem, sofern eben gerade Menschen m i t M e n s c h e n f a k t i s c h z u s a m m e n sind; z u m M i t e i n a n d e r s e i n v o n Dasein u n d D a s e i n g e h ö r t U n v e r b o r g e n h e i t , a b e r n i c h t z u m D a s e i n » a n u n d f ü r sich«. D e n n e i n D a s e i n b r a u c h t ja n i c h t n o t w e n d i g u n d s t ä n d i g f a k t i s c h m i t a n d e r e n Z u s a m m e n s e i n , es k a n n doch a u c h a l l e i n sein, solus! W e n n D a s e i n i r g e n d w o allein existiert, d a n n ist es d o c h f a k tisch n i c h t m i t a n d e r e n z u s a m m e n . D a s ist s o n n e n k l a r . Also b r a u c h t sich das D a s e i n n i c h t n o t w e n d i g u n d s t ä n d i g m i t a n deren in die Unverborgenheit von Vorhandenem teilen. Aber folgt h i e r a u s , d a ß die U n v e r b o r g e n h e i t v o n V o r h a n d e n e m n i c h t w e s e n s m ä ß i g z u m D a s e i n g e h ö r t ? A u c h w e n n e i n M e n s c h allein i r g e n d w o existiert, h ä l t er sich b e i V o r h a n d e n e m a u f . D a r i n liegt: V o r h a n d e n e s ist i h m o f f e n b a r . A u c h das e i n s a m e Existieren i'st ein S e i n bei d e n D i n g e n , d e r a r t , d a ß sie d a b e i je i n gewissen G r e n z e n , a b e r j e d e n f a l l s i r g e n d w i e i m m e r o f f e n b a r , d . h . u n v e r b o r g e n sind. D e m n a c h g e h ö r t U n v e r b o r g e n h e i t w e s e n s m ä ß i g z u m D a s e i n , d . h . zu j e d e m D a s e i n als solchen, w ä h r e n d das V o r h a n d e n e n i c h t n o t w e n d i g als solches u n v e r b o r gen ist. U n v e r b o r g e n h e i t k o m m t d e m V o r h a n d e n e n l e d i g l i c h zu; es k a n n so sein, b r a u c h t es n i c h t . Z u m D a s e i n g e h ö r t dagegen n o t w e n d i g U n v e r b o r g e n h e i t v o n V o r h a n d e n e m . c) D i e Z u g e h ö r i g k e i t d e r W a h r h e i t z u m D a s e i n e r k l ä r t die W a h r h e i t n i c h t als e t w a s » S u b j e k t i v i s t i s c h e s « W e n n a b e r die W a h r h e i t i m S i n n e d e r U n v e r b o r g e n h e i t des Vorhandenen zum Dasein gehört u n d nicht zum Vorhandenen, w e n n die W a h r h e i t d e m n a c h w e d e r i m V o r h a n d e n e n , n o c h »zwischen« d i e s e m u n d d e m D a s e i n , s o n d e r n a l l e i n i m D a s e i n , a u c h d a n n , w e n n dieses g a n z f ü r sich isoliert ist, liegt, w i r d d a n n die W a h r h e i t ü b e r das V o r h a n d e n e n i c h t e t w a s »Subjektives«, e i n e r e i n e A n g e l e g e n h e i t des Subjekts? U n d w e n n die W a h r h e i t
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e t w a s S u b j e k t i v e s ist, w i r d d a n n m i t d e r T h e s e d e r w e s e n h a f t e n Zugehörigkeit der Wahrheit zum Dasein nicht von vornherein alle o b j e k t i v e W a h r h e i t , W a h r h e i t a n sich, g e l e u g n e t ? W e n n w i r l e u g n e n , d a ß es e i n e W a h r h e i t a n sich gibt, u n d s a g e n , sie g e h ö r t w e s e n s g e m ä ß z u m D a s e i n , z u m S u b j e k t , d a n n ist W a h r h e i t i m m e r n u r r e l a t i v auf das j e w e i l i g e f a k t i s c h e D a s e i n , u n d aus dieser L e u g n u n g der Objektivität der Wahrheit entspringt d a n n d e r s o g e n a n n t e R e l a t i v i s m u s . Jeder R e l a t i v i s m u s a b e r ist Skept i z i s m u s u n d aller S k e p t i z i s m u s ist d e r Tod alles E r k e n n e n s u n d , w i e m a n a u c h sagt, d e r E x i s t e n z des M e n s c h e n ü b e r h a u p t . D i e s ist e i n e b e l i e b t e A r g u m e n t a t i o n , d i e fast n i e i h r e n Z w e c k verf e h l t . S c h e i n b a r völlig e i n s i c h t i g , b e r u h t sie d o c h w e n i g e r auf d e r K r a f t w i r k l i c h e r s a c h l i c h e r A r g u m e n t e als auf e i n e r A r t von E i n s c h ü c h t e r u n g d u r c h Vor- u n d A u s m a l e n d e r K o n s e q u e n z e n . W e n n W a h r h e i t z u m S u b j e k t als S u b j e k t g e h ö r t u n d n u r zu i h m , also w e n n W a h r h e i t i h r e m W e s e n n a c h i m S u b j e k t liegt, d a n n ist sie n o t w e n d i g e t w a s » S u b j e k t i v e s « . G e g e n d i e s e n Ged a n k e n ist s c h w e r l i c h e t w a s e i n z u w e n d e n , u n d es w ä r e i n d e r T a t d e r Versuch irrig zu zeigen, d a ß W a h r h e i t e t w a n i c h t z u m S u b j e k t g e h ö r t . N u r ist u n d b l e i b t die F r a g e : Was h e i ß t h i e r » S u b j e k t « , u n d was b e s a g t d e m e n t s p r e c h e n d »subjektiv«? D a r ü b e r m u ß d o c h K l a r h e i t b e s t e h e n , z u m a l w e n n m a n so w e i t g e h e n d e Konsequenzen aus d e m subjektiven Charakter der W a h r h e i t zieht. D i e A r g u m e n t a t i o n v o m s u b j e k t i v e n u n d relat i v e n C h a r a k t e r von W a h r h e i t k a n n — so ü b e r z e u g e n d sie sich a u c h v o r b r i n g t — n i c h t v e r b e r g e n , d a ß i h r e Basis e i n e g a n z b r ü c h i g e ist. E s l ä ß t sich zeigen, d a ß das V e r h ä l t n i s v o n W a h r h e i t u n d S u b j e k t , das der A r g u m e n t a t i o n z u g r u n d e liegt, g a r n i c h t h i n r e i c h e n d g e k l ä r t ist, w e i l d e r B e g r i f f des S u b j e k t s u n b e s t i m m t bleibt. E s k ö n n t e n ä m l i c h sein, d a ß g e r a d e d e s h a l b , w e i l die W a h r h e i t z u m D a s e i n g e h ö r t , die W a h r h e i t n i c h t » s u b j e k t i v « sein k a n n — » s u b j e k t i v « i n d e m S i n n e v o n s u b j e k t i v u n d S u b j e k t , der in der üblichen A r g u m e n t a t i o n vorausgesetzt wird. I m überlief e r t e n S i n n e ist das S u b j e k t e i n z u n ä c h s t in sich e i n g e k a p s e l t e s
§' 14. Teilen in die Unverborgenheit
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u n d v o n a l l e m ü b r i g e n S e i e n d e n a b g e s c h n i t t e n e s I c h , das sich r e c h t eigenbrödlerisch i n n e r h a l b seiner Kapsel b e n i m m t . W i r n e n n e n diese A u f f a s s u n g des b l o ß e n S u b j e k t s d i e s c h l e c h t e Subjektivität; s c h l e c h t d e s h a l b , w e i l sie das W e s e n des S u b j e k t s g a r nicht trifft. W i r bezeichnen terminologisch Subjekt m i t Dasein. A m E n d e ist das W e s e n d e r S u b j e k t i v i t ä t g e r a d e n i c h t e t w a s »Subjektives« i m s c h l e c h t e n S i n n e . D a s k a n n u n s das W e s e n d e r W a h r h e i t u n d i h r e w e s e n h a f t e Z u g e h ö r i g k e i t z u m D a s e i n zeigen. D e n n w e n n W a h r h e i t z u m S u b j e k t g e h ö r t , W a h r h e i t a b e r U n v e r b o r g e n h e i t v o n V o r h a n d e n e m besagt, d a n n g e h ö r t U n v e r b o r g e n h e i t v o n V o r h a n d e n e m w e s e n h a f t z u m S u b j e k t , d . h . es g e h ö r t w e s e n h a f t z u m S u b j e k t , d a ß es n i c h t i n sich e i n g e k a p s e l t ist, s o n d e r n i m m e r s c h o n bei V o r h a n d e n e m ist. N e h m e n w i r g l e i c h s a m v o m S u b j e k t z u n ä c h s t das S e i n bei e i n e m V o r h a n d e n e n w e g , d a n n h a b e n w i r gar k e i n e n B e g r i f f v o m S u b j e k t m e h r . D i e s e r Ansatz stellt g a r k e i n e n B e g r i f f v o m Ich, v o m S u b j e k t u n d v o n S u b j e k t i v i t ä t dar, s o n d e r n l e d i g l i c h em P h a n t o m u n d eine willkürliche Konstruktion eines Ich. Weil die W a h r h e i t — u n d h i e r z u n ä c h s t n u r als U n v e r b o r g e n h e i t des V o r h a n d e n e n g e n o m m e n — z u m D a s e i n , d . h . z u m S u b j e k t gehört, d e s h a l b ist das D a s e i n s e i n e m W e s e n n a c h je s c h o n bei V o r h a n d e n e m . Dieses S e i n bei V o r h a n d e n e m g e h ö r t z u m B e g r i f f des Subjekts. So e r g i b t sich: d i e T h e s e v o n d e r Z u g e h ö r i g k e i t von W a h r h e i t z u m S u b j e k t e r k l ä r t die W a h r h e i t n i c h t als e t w a s »Subjektivistisches«, s o n d e r n b e s t i m m t g e r a d e die S u b j e k t i v i t ä t m i h r e m S e i n bei u n v e r b o r g e n e m V o r h a n d e n e m . D a s W e s e n d e r W a h r h e i t q u a άλήθεια g i b t also die A n w e i s u n g z u r K l ä r u n g des Begriffs d e r S u b j e k t i v i t ä t , w ä h r e n d m a n sonst u m g e k e h r t vorgeht. M a n h a t i r g e n d e i n e n B e g r i f f v o n S u b j e k t , z u m e i s t a n Descartes o r i e n t i e r t , i m H i n t e r g r u n d , u n d s u c h t sich k l a r zu w e r d e n , w a s W a h r h e i t besagt, w i e i h r Bezug zu d i e s e m n i c h t w e i t e r b e s t i m m t e n S u b j e k t zu d e n k e n ist. Jetzt s e h e n wir: das Wesen d e r W a h r h e i t selbst z w i n g t u n s zu e i n e r g r u n d s ä t z l i c h e n Revision des b i s h e r i g e n S u b j e k t b e g r i f f e s . D i e Z u g e h ö r i g k e i t der W a h r h e i t z u m S u b j e k t i m r e c h t v e r s t a n d e n e n S i n n e m a c h t
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d i e W a h r h e i t n i c h t zu e t w a s S u b j e k t i v e m i m s c h l e c h t e n S i n n e , sondern umgekehrt. Diese Zugehörigkeit der Wahrheit zum S u b j e k t k a n n g e r a d e d i e V e r a n l a s s u n g w e r d e n , d e n B e g r i f f des S u b j e k t s allererst i n d e r r e c h t e n Weise zu b e s t i m m e n . A b e r w e n n w i r a u c h so d i e s e n n a h e l i e g e n d e n , i m A n f a n g leicht störenden Einwand, wonach die Zugehörigkeit der Wahrheit zum Dasein eine Subjektivität der W a h r h e i t i m schlechten S i n n i n sich schließt, a b g e w i e s e n h a b e n , b l e i b t doch n o c h u n geklärt, wonach wir eigentlich fragen: W i e gehört d e n n Wahrh e i t als U n v e r b o r g e n h e i t des V o r h a n d e n e n z u m D a s e i n ? W i r w o l l e n d a r ü b e r K l a r h e i t h a b e n , u m zu v e r s t e h e n , w i e D a s e i n m i t D a s e i n sich in d e r g l e i c h e n w i e W a h r h e i t t e i l e n k a n n . Dieses S i c h t e i l e n i n W a h r h e i t ist a b e r e i n K e n n z e i c h e n des M i t e i n a n derseins, das g e r a d e u n s e r T h e m a ist. W i r h a b e n schon e i n e w e s e n t l i c h e E i n s i c h t g e w o n n e n , n ä m lich d a ß d i e Z u g e h ö r i g k e i t d e r W a h r h e i t z u m D a s e i n n i c h t n o t w e n d i g e i n S i c h t e i l e n i n ist, d a ß sich e i n D a s e i n a u c h a l l e i n zu V o r h a n d e n e m v e r h a l t e n k a n n . U n v e r b o r g e n h e i t von V o r h a n d e n e m k a n n also d e m D a s e i n a l l e i n z u g e h ö r e n . Z u g e h ö r i g k e i t der W a h r h e i t z u m D a s e i n ist m ö g l i c h o h n e e i n M i t e i n a n d e r s e i n , o h n e e i n S i c h t e i l e n i n W a h r h e i t . D a s S i c h t e i l e n i n W a h r h e i t ist n i c h t k o n s t i t u t i v f ü r d i e A r t u n d Weise, w i e W a h r h e i t i m D a s e i n liegt. D a s l ä ß t sich g r u n d s ä t z l i c h a u c h so f o r m u l i e r e n : D a s M i t e i n a n d e r s e i n ist n i c h t k o n s t i t u t i v f ü r das S e i n bei V o r h a n d e n e m . D a s e i n k a n n a u c h allein sich a u f h a l t e n bei V o r h a n d e n e m . M i t h i n f ü h r t u n s e i n e C h a r a k t e r i s i e r u n g des M i t e i n a n d e r s e i n s n i c h t zu e i n e r E i n s i c h t i n d i e p r i m ä r e S e i n s a r t des Daseins. D o c h l ä ß t sich u n s e r V o r g e h e n i m m e r n o c h so r e c h t f e r t i g e n , d a ß w i r sagen: D a s M i t e i n a n d e r s e i n m a g sich erst d a r a u s ergeb e n , d a ß zwei D a s e i n u n d m e h r e r e z u s a m m e n sind; so ist es doch e b e n ein Z u s a m m e n s e i n v o n D a s e i n u n d D a s e i n u n d n i c h t ein solches v o n V o r h a n d e n e n . Also m u ß a u c h i m M i t e i n a n d e r s e i n die spezifische Seinsart des D a s e i n s z u m Vorschein k o m m e n . D a s g e n ü g t u n s ja f ü r d i e v o r l ä u f i g e A b h e b u n g e i n e r Seinsart g e g e n die a n d e r e .
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Allein* w e n n u n s jetzt a u c h n u r das M i t e i n a n d e r s e i n besonders b e s c h ä f t i g t , u n d w e n n w i r f e s t h a l t e n , d a ß es e i n S i c h t e i l e n in die W a h r h e i t ist, d a n n d ü r f e n w i r das v o r h i n g e w o n n e n e E r g e b n i s n i c h t zu l e i c h t n e h m e n , d a ß n ä m l i c h das M i t e i n a n dersein n i c h t k o n s t i t u t i v ist f ü r das Sein b e i V o r h a n d e n e m . D a r a u s e r g a b sich, d a ß die Z u g e h ö r i g k e i t v o n W a h r h e i t z u m D a s e i n n i c h t n o t w e n d i g d u r c h e i n S i c h t e i l e n i n die W a h r h e i t b e s t i m m t ist, w e i l D a s e i n f a k t i s c h a u c h allein e x i s t i e r e n k a n n . U n d h i e r i n l i e g t d o c h e i n e w e s e n t l i c h e F e s t s e t z u n g ü b e r das W e s e n d e r W a h r h e i t ü b e r h a u p t , dessen A u f k l ä r u n g w i r zustreben. d) Sein b e i V o r h a n d e n e m u n d M i t e i n a n d e r s e i n g e h ö r e n g l e i c h u r s p r ü n g l i c h z u m W e s e n des D a s e i n s Bei d e r K r i t i k des l a n d l ä u f i g e n B e g r i f f e s v o m S u b j e k t e r g a b sich, d a ß z u m D a s e i n e i n Sein bei V o r h a n d e n e m g e h ö r t . Dieses S e m bei . . . a b e r ist n i c h t n o t w e n d i g ein M i t e i n a n d e r s e i n . E i n D a s e i n k a n n a u c h , w i e w i r s c h o n w i e d e r h o l t s a g t e n u n d was u n b e s t r e i t b a r ist, a l l e i n sein. A b e r v i e l l e i c h t w u r d e n w i r d o c h zu schnell f e r t i g m i t dieser e i n l e u c h t e n d e n F e s t s t e l l u n g . W e n n j e m a n d allein ist, d a n n s i n d a n d e r e n i c h t da, d a n n g i b t es k e i n M i t e i n a n d e r s e i n . D o c h w a s h e i ß t h i e r : Alleinsein? H e i ß t das, es ist n u r e i n e r d a s t a t t m e h r e r e n ? B e d e u t e t » a l l e i n « so viel wie einzig? O f f e n b a r n i c h t . D e n n d a n n k ö n n t e e i n D a s e i n n u r d a n n allein sein, w e n n es als einziges existiert. N u n k a n n ich allein sein, a u c h w e n n a n d e r e u n d m e h r e r e m i t d a sind, ja sogar g e r a d e u n t e r e i n e r M a s s e v o n M e n s c h e n k a n n ich a l l e i n sein u n d b i n ich allein, w i e ich es sonst g a r n i c h t sein k a n n , w e n n k e i n e a n d e r e n da sind. Alleinsein ist also k e i n e s w e g s g l e i c h b e d e u t e n d m i t f a k t i schem Nichtdasein von anderen. Alleinsein besagt i m m e r : ohne a n d e r e sein. I n d i e s e m O h n e - a n d e r e ist, w e r a l l e i n existiert, notwendig u n d wesensmäßig, freilich in e i n e m bestimmten Sinne, auf d i e a n d e r e n bezogen. A l l e i n k a n n h e i ß e n : 1. verlassen
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Wahrheit und Sein
v o n a n d e r e n , 2. u n b e h e l l i g t d u r c h a n d e r e , 3. u n b e d ü r f t i g d e r a n d e r e n . D a s besagt: i m A l l e i n s e i n ist e i n O h n e e i n a n d e r s e i n ; das O h n e e i n a n d e r a b e r ist e i n spezifisches M i t e i n a n d e r s e i n . D e m n a c h ist a u c h jedes A l l e i n s e i n e i n M i t e i n a n d e r s e i n , u n d M i t e i n a n d e r s e i n ist d a n n n i c h t g l e i c h b e d e u t e n d m i t f a k t i s c h e m Auch-Dasein von anderen. D a n n b r i c h t a b e r d i e g a n z e v o r h e r i g e B e t r a c h t u n g i n sich z u s a m m e n , u n d i h r E r g e b n i s ist n i c h t i g . D a s E r g e b n i s f o r m u l i e r t e n w i r so: D a s M i t e i n a n d e r s e i n ist n i c h t k o n s t i t u t i v f ü r das Sein bei V o r h a n d e n e m , d. h . d i e A r t u n d Weise, w i e U n v e r b o r g e n h e i t v o n V o r h a n d e n e m d e m D a s e i n z u g e h ö r t , ist n i c h t n o t w e n d i g ein S i c h t e i l e n i n W a h r h e i t . Jetzt a b e r e r g i b t sich: W e n n Alleinsein q u a O h n e e i n a n d e r w e s e n h a f t e i n M i t e i n a n d e r s e i n ist, d a n n liegt a u c h in e i n e m a l l e i n i g e n S e i n b e i V o r h a n d e n e m ein M i t e i n a n d e r s e i n . D a s h e i ß t d a n n aber: D i e A r t u n d Weise, w i e U n v e r b o r g e n h e i t v o n V o r h a n d e n e m ( W a h r h e i t ) z u m D a s e i n g e h ö r t , ist notwendig u n d wesenhaft ein Sichteilen in Wahrheit. Jedes S e i n bei V o r h a n d e n e m , a u c h das alleinige, ist e i n M i t e i n a n d e r s e i n . D a s S e i n bei V o r h a n d e n e m ist d e m n a c h n i c h t e i n e isolierte M ö g l i c h k e i t , in d e r das D a s e i n existiert, u n d das M i t e i n d e r s e i n e i n e a n d e r e , s o n d e r n jedes S e i n b e i . . . ist M i t e i n a n d e r s e i n . U m g e k e h r t ist jedes M i t e i n a n d e r s e i n s e i n e m W e sen n a c h e i n Sein bei V o r h a n d e n e m . D a s l e t z t e r e ist n i c h t m i n d e r w e s e n t l i c h als das erstere. I m W e s e n des D a s e i n s h a b e n S e i n bei V o r h a n d e n e m u n d M i t e i n a n d e r s e i n k e i n e n V o r r a n g vor e i n a n d e r . B e i d e g e h ö r e n n o t w e n d i g z u m W e s e n des D a s e i n s ; sie sind gleichursprünglich. Aus d e r T h e s e , d a ß das S e i n bei . . . w i e das M i t e i n a n d e r w e s e n h a f t z u m D a s e i n g e h ö r t , ob es allein ist oder f a k t i s c h m i t a n d e r e n , s e h e n w i r , d a ß d e r B e g r i f f d e r S u b j e k t i v i t ä t oder der B e g r i f f des D a s e i n s e i n e e i g e n t ü m l i c h e F ü l l e in sich schließt u n d d a ß m a n sich h ü t e n m u ß , d e n Begriff des D a s e i n s oder des S u b j e k t s zu u n b e s t i m m t , ja zu u n t e r b e s t i m m t zu n e h m e n . Das ist d e r G r u n d m a n g e l d e r E n t w i c k l u n g des S u b j e k t b e g r i f f s seit Descartes. M i t i h m b e g i n n t e i g e n t l i c h das V e r h ä n g n i s d e r n e u -
§' 14. Teilen in die Unverborgenheit
des Seienden
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P h i l o s o p h i e , w e i l bei i h m das ego, das I c h d e r a r t v e r a r m t , d a ß es ü b e r h a u p t k e i n S u b j e k t m e h r ist. E g o s u m ist bei Descartes o h n e Sein b e i . . ., o h n e M i t e i n a n d e r s e i n . Von Descartes w u r d e d a n a c h n i c h t e i n m a l g r u n d s ä t z l i c h g e f r a g t , a u c h nicht d a n a c h , w i e dieses ego ist, w a s dieses s u m i m ego s u m g e g e n ü b e r d e m Sein, e t w a d e r res e x t e n s a , b e d e u t e t . D i e s e r Begriff des I c h ist v o n v o r n h e r e i n g e w i s s e r m a ß e n b e s c h n i t t e n . G l e i c h w o h l h a t D e s c a r t e s das Verdienst, n a c h d e m S u b j e k t gef r a g t zu h a b e n , w ä h r e n d d i e Z e i t d a v o r z w a r allerlei B e s t i m m u n g e n ü b e r das S u b j e k t , d e n M e n s c h e n , a u f g e f u n d e n h a t , die sich a b e r m e h r d a r a u f k o n z e n t r i e r e n , gewisse G r u n d v e r h a l t u n g s w e i s e n des S u b j e k t s , die s o g e n a n n t e n S e e l e n v e r m ö g e n , herauszustellen. zeitlichen
Das Sein bei V o r h a n d e n e m ist als je f a k t i s c h e s n i c h t n o t w e n dig ein f a k t i s c h e s M i t s e i n m i t f a k t i s c h a n w e s e n d e n A n d e r e n ; g l e i c h w o h l ist das S e i n bei V o r h a n d e n e m s e i n e m W e s e n n a c h em M i t e i n a n d e r s e i n . D a r a u s e r h e l l t : M i t e i n a n d e r s e i n b e s a g t nicht f a k t i s c h e s E x i s t i e r e n z u s a m m e n m i t f a k t i s c h a n w e s e n d e n A n d e r e n . D a s M i t e i n a n d e r s e i n k o m m t e i n e m D a s e i n n i c h t erst d a d u r c h zu, d a ß a n d e r e sich f a k t i s c h e i n f i n d e n , s o n d e r n jedes Dasein q u a D a s e i n ist i n s e i n e m S e i n als M i t e i n a n d e r s e i n bes t i m m t , u n d d e s h a l b u n d n u r d e s h a l b k a n n es a u c h a l l e i n sein; d.h. w e n n e b e n f a k t i s c h A n d e r e n i c h t da sind, ist das D a s e i n w e s e n s m ä ß i g n i c h t n u r n o c h eines, s o n d e r n allein. W e n n M i t e i n a n d e r ein w e s e n h a f t e s W i e des D a s e i n s ist u n d d i e s e m n i c h t n u r b e d i n g u n g s w e i s e z u k o m m t , d a n n ist jedes e i n z e l n e u n d vereinzelte D a s e i n i m m e r n o c h i n d i e s e m W i e u n d z w a r i m M o d u s des Allein. Es i s t d e r G r u n d f e h l e r des Solipsismus, d a ß er v e r g i ß t , bei d e m solus ipse w i r k l i c h e r n s t zu m a c h e n , d a ß n ä m l i c h jedes » I c h allein« als alleiniges s c h o n w e s e n t l i c h ein M i t e i n a n d e r ist. N u r weil das Ich s c h o n m i t a n d e r e n ist, k a n n es e i n e n a n d e r e n verstehen. A b e r es ist n i c h t so, d a ß d a s I c h z u n ä c h s t o h n e die a n d e r e n ein einziges w ä r e u n d d a n n a u f i r g e n d e i n e m r ä t s e l h a f ten W e g z u m M i t e i n a n d e r k ä m e .
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Wahrheit — Dasein — Mit-sein
tens; u n d er t e i l t sie n u r i n dieser Weise m i t a n d e r e n , weil U n v e r b o r g e n h e i t von V o r h a n d e n e m i h r e m W e s e n n a c h e t w a s G e m e i n s a m e s ist. D e r F i n d e r k a n n g a r n i c h t a n d e r s als sie f ü r sich b e h a l t e n o d e r m i t z u t e i l e n ; i n j e d e m F a l l e ist diese W a h r h e i t etwas, w a s n i c h t sein E i g e n t u m ist, w e n n er a u c h d e n A n s p r u c h e r h e b e n k a n n , sie zuerst g e f u n d e n zu h a b e n . F ü r sich b e h a l t e n ist e i n B e h ü t e n vor . . . Was h e i ß t das aber: E r k a n n n i c h t anders, er b e w e g t sich i n d i e s e m E n t w e d e r - o d e r ? Es h e i ß t : D i e s e W a h r h e i t ist etwas, w o r e i n er sich n o t w e n d i g m i t a n d e r e n teilt. Aber w i e ist sie e i n solches u n d w a r u m ? I n w i e f e r n ist U n v e r b o r g e n h e i t v o n V o r h a n d e n e m w e s e n h a f t e t w a s , w o r e i n sich D a s e i n m i t D a s e i n teilt? D e u t l i c h ist das e i n e , d a ß dieses S i c h t e i l e n i n solc h e W a h r h e i t n i c h t h e i ß t , d a ß n o t w e n d i g a n d e r e sie sich ausd r ü c k l i c h z u e i g n e n . A n d e r e r s e i t s besagt das F a k t u m , daß j e m a n d sie f ü r sich b e h ä l t , n i c h t schon, d a ß die W a h r h e i t zun ä c h s t in d e r T a t Alleinbesitz w ä r e . Sie k a n n d e r g l e i c h e n n i c h t sein, w e i l sie i h r e m W e s e n n a c h a n d e r e n zur V e r f ü g u n g s t e h t u n d d e m e i n z e l n e n n i e a n d e r s g e h ö r e n k a n n , als d a ß er sie b e h ü t e t . W a s h e i ß t das aber? Dieses D a s e i n m u ß sich v o r ander e n v e r s c h l i e ß e n . Was v e r s c h l i e ß t es? D i e s e U n v e r b o r g e n h e i t des b e t r e f f e n d e n V o r h a n d e n e n , d. h . d a ß es, dieses D a s e i n , sich i n d e r E n t d e c k t h e i t des V o r h a n d e n e n h ä l t ; das D a s ç i n vers c h l i e ß t sein e n t d e c k e n d e s Sein bei d i e s e m V o r h a n d e n e n . Auf w e l c h e n W e g e n u n d m i t w e l c h e n M i t t e l n das f a k t i s c h ges c h i e h t , ist jetzt n i c h t w i c h t i g . W e s e n t l i c h ist e i n a n d e r e s . D a s D a s e i n m u ß dieses sein S e i n bei d e r b e t r e f f e n d e n P f l a n z e vers c h l i e ß e n vor a n d e r e n , w e n n es m i t dieser W a h r h e i t allein b l e i b e n will. Es m u ß v e r s c h l i e ß e n , w e i l dieses Sein bei Vorhand e n e m sonst g e m e i n s a m erschlossen ist, d . h . u n v e r b o r g e n . D a s D a s e i n als solches ist in s e i n e m Sein b e i V o r h a n d e n e m u n v e r b o r g e n . Was h e i ß t das? W i r h a b e n b e r e i t s d a r a u f h i n g e w i e s e n , i n w i e f e r n das D a s e i n g e r a d e d u r c h sein Sein b e i Vorh a n d e n e m i m m e r s c h o n aus sich h e r a u s g e t r e t e n ist. M i t a n d e r e n W o r t e n : D a s D a s e i n ist ü b e r h a u p t n i c h t u n d n i e etwas, was zunächst u n d zuweilen in einer sogenannten Innensphäre
S 16. Entdecktheit
und
Offenbarkeit
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sich a u f h i e l t e . W i r k ö n n e n d a h e r s t r e n g g e n o m m e n a u c h n i c h t sagen, es sei aus sich h e r a u s g e t r e t e n . (Dieses » a u s sich h e r a u s « ist n u n a u c h n i c h t g e m e i n t m i t B e z u g auf j e n e s I n n e n , I m m a nenz.) G e n u g , das D a s e i n ist als S e i n bei V o r h a n d e n e m selbst o f f e n b a r , d . h . sein e i g e n e s O f f e n s e i n n a c h d e m V o r h a n d e n e n b r i n g t es s c h o n m i t sich, d a ß es, das so o f f e n e D a s e i n , selbst o f f e n b a r ist. D a s D a s e i n ist v o n sich aus u n d n i c h t n u r z u w e i l e n , sondern w e s e n h a f t erschlossen; es ist q u a D a s e i n u n v e r b o r g e n , auch w e n n e i n a n d e r e s D a s e i n es f a k t i s c h n i c h t e r f a ß t . So e l e m e n t a r diese Z u s a m m e n h ä n g e i n d e r W e s e n s v e r f a s sung des D a s e i n s sind, so s c h w e r sind sie d o c h i m A n f a n g e i n d e u t i g s i c h t b a r zu m a c h e n , — u n d das h a t w i e d e r u m n i c h t z u f ä l l i g G r ü n d e . D a w i r n u r erst i m A n f a n g u n s e r e r B e t r a c h tungen stehen, d.h. einen noch relativ engen Horizont der P r o b l e m a t i k h a b e n , ist das a n g e m e s s e n e V e r s t ä n d n i s d e r i n F r a ge s t e h e n d e n S t r u k t u r e n b e s o n d e r s e r s c h w e r t . S p ä t e r f r e i l i c h w e r d e n Sie sich w u n d e r n , w e s h a l b so e i n f a c h e Verhältnisse nicht gleich m i t e i n e m Schlag gefaßt werden. W i r v e r s u c h e n , d u r c h die E r ö r t e r u n g eines Beispiels n a c h z u h e l f e n . Z u v o r n o c h e i n m a l die F i x i e r u n g des P r o b l e m s u n d d e r T h e s e : U n v e r b o r g e n h e i t v o n V o r h a n d e n e m , s a g e n wir, ist i h r e m Wesen n a c h etwas, w o r e i n sich D a s e i n m i t D a s e i n teilt, m a g ein anderes D a s e i n f a k t i s c h z u g e g e n sein u n d f a k t i s c h die W a h r h e i t sich z u e i g n e n o d e r n i c h t . U n v e r b o r g e n h e i t des V o r h a n d e n e n ist w e s e n h a f t e i n G e m e i n s a m e s , solches, was z u m D a s e i n g e h ö r t , so zwar, d a ß es i h m n i c h t als e i n g e z ä u n t e r Einzelbesitz g e h ö r t ; sie g e h ö r t v i e l m e h r d e r a r t zu i h m , d a ß sie i h r e m W e s e n n a c h ger a d e w e g g e g e b e n w i r d , d. h . sie ist n i e erst E i g e n b e s i t z u n d w i r d dann weggegeben. W i e ist das m ö g l i c h , d . h . was ist diese U n v e r b o r g e n h e i t des V o r h a n d e n e n ? E n t d e c k t h e i t ; das V o r h a n d e n e g i b t sich i m Sein bei . . . als u n v e r b o r g e n e s , s o f e r n das D a s e i n v o n H a u s e aus e n t d e c k e n d ist. Als Sein bei . . . ist das D a s e i n E n t d e c k e n d - s e i n . Als das so S e i e n d e ist das D a s e i n selbst i n sich o f f e n b a r . A b e r w i e das? D a - s e i n besagt: m i t sich b r i n g e n d a l l e r e r s t d e n U m k r e i s
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Wahrheit und Sein
W e n n a b e r das D a s e i n als solches w e s e n h a f t in s e i n e m Sein als M i t e i n a n d e r b e s t i m m t ist, jedes Sein bei V o r h a n d e n e m ein M i t e i n a n d e r s e i n ist, d a n n ist a u c h die A r t u n d Weise, w i e Unv e r b o r g e n h e i t von V o r h a n d e n e m als e i n e b e s t i m m t e A r t von W a h r h e i t z u m D a s e i n g e h ö r t , i m m e r u n d n o t w e n d i g e i n Sicht e i l e n i n d i e W a h r h e i t . W a s ist a b e r d a n n die W a h r h e i t u n d wie ist sie, w e n n i h r e Z u g e h ö r i g k e i t z u m D a s e i n b e s t i m m t ist d u r c h ein Sichteilen in Wahrheit? W a h r h e i t k o m m t d e m V o r h a n d e n e n l e d i g l i c h zu, g e h ö r t n i c h t zu s e i n e m Wesen; W a h r h e i t g e h ö r t a b e r z u m W e s e n des Daseins. W i r h a b e n g e f r a g t »wie?« u n d s i n d z u n ä c h s t s c h e i n b a r n i c h t weit e r g e k o m m e n . Z w a r g e h ö r t zu d i e s e m W i e n o t w e n d i g das Mite i n a n d e r , a b e r a u c h d a m i t k o m m e n w i r n i c h t v o n d e r Stelle, s o l a n g e W a h r h e i t selbst n i c h t u r s p r ü n g l i c h e r g e f a ß t w i r d . U n v e r b o r g e n h e i t , w o r e i n sich D a s e i n t e i l t , ist e t w a s w e s e n h a f t G e m e i n sames, w a s z u m D a s e i n g e h ö r t u n d i n d i e s e m i h m Z u g e h ö r e n d o c h g e r a d e n i c h t u n d n i e sein, des E i n z e l n e n , E i g e n t u m ist. A b e r i n w i e f e r n m u ß d i e W a h r h e i t n o c h u r s p r ü n g l i c h e r gef a ß t w e r d e n ? W i r s p r a c h e n v o n d e r U n v e r b o r g e n h e i t v o n Vorh a n d e n e m . U n v e r b o r g e n h e i t g e h ö r t n i c h t z u m V o r h a n d e n e n als s o l c h e m , s o n d e r n k o m m t i h m l e d i g l i c h zu. W e r l ä ß t d i e U n v e r b o r g e n h e i t d e m V o r h a n d e n e n z u k o m m e n ? N u n , das S e i e n d e , zu dessen Sein die W a h r h e i t g e h ö r t , d a s D a s e i n . A b e r f o l g t daraus, d a ß die W a h r h e i t z u m W e s e n des D a s e i n s g e h ö r t , a u c h schon, d a ß das D a s e i n d e m V o r h a n d e n e n die W a h r h e i t z u k o m m e n läßt? W i e soll das g e s c h e h e n ? D a s D a s e i n e n t s c h e i d e t d o c h n i c h t d a r ü b e r , w a s d e m S e i e n d e n z u k o m m e n soll, s o n d e r n u m g e k e h r t , das D a s e i n r i c h t e t sich g e r a d e n a c h i h m . W i r h a b e n schon d a r a u f h i n g e w i e s e n , d a ß das D a s e i n , sofern es q u a D a s e i n existiert, sich i m m e r schon b e i V o r h a n d e n e m i m w e i t e r e n S i n n e a u f h ä l t . D a s D a s e i n ist n i c h t n u r f a k t i s c h nicht, s o n d e r n s e i n e m W e s e n n a c h n i e l e d i g l i c h e t w a s in sich Beschlossenes, E i n g e s c h r ä n k t e s i n geschlossene S c h r a n k e n , s o n d e r n es ist w e s e n h a f t o f f e n n a c h V o r h a n d e n e m . D a s k ö n n e n w i r a u c h so k e n n z e i c h n e n : D a s e i n ist s e i i f e m W e s e n n a c h e n t - d e c k e n d .
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des Seienden
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e ) D a s E n t d e c k e n d s e i n des D a s e i n s . W a h r h e i t v o n V o r h a n d e n e m u n d Z u h a n d e n e m als E n t d e c k t h e i t als solches e n t - d e c k t V o r h a n d e n e s , d . h . n i c h t , es m a c h t gelegentlich die E n t d e c k u n g , d a ß es a u c h V o r h a n d e n e s gibt, sondern als D a s e i n h a t es V o r h a n d e n e s i m m e r s c h o n e n t - d e c k t , d.h. der V e r d e c k u n g e n t n o m m e n . S o f e r n D a s e i n existiert, geschieht so e t w a s w i e E n t - d e c k u n g v o n V o r h a n d e n e m . A u c h das Dasein, das w ä h r e n d d e r g a n z e n D a u e r s e i n e r E x i s t e n z n i e e i n e s o g e n a n n t e » E n t d e c k u n g « m a c h t , ist e n t - d e c k e n d , s o f e r n es sich bei V o r h a n d e n e m a u f h ä l t . E n t d e c k u n g e n i m e n g e r e n S i n n e , z.B. e i n e r b i s h e r u n b e k a n n t e n Insel, k a n n das m e n s c h l i c h e D a sein a u c h n u r m a c h e n , w e i l es q u a D a s e i n sich s c h o n bei S e i e n d e m a u f h ä l t , also z.B. das M e e r b e f ä h r t . D a s e i n ist, ob es » E n t d e c k u n g e n « i m e n g e r e n S i n n e m a c h t oder n i c h t , s e i n e m Wesen n a c h e n t - d e c k e n d ; i h m b e g e g n e t schon i m m e r V o r h a n denes i n E n t d e c k t h e i t . W i r g e b e n also d e r U n v e r b o r g e n h e i t des V o r h a n d e n e n , d. h . d e r W a h r h e i t dieses S e i e n d e n v o n d e r Seinsart des V o r h a n d e n e n , e i n e b e s t i m m t e B e z e i c h n u n g : W a h r h e i t von V o r h a n d e n e m ist E n t d e c k t h e i t . D a m i t ist a n g e d e u t e t : N i c h t jede U n v e r b o r g e n h e i t v o n S e i e n d e m ist E n t d e c k t h e i t , s o n d e r n n u r die U n v e r b o r g e n h e i t d e s j e n i g e n S e i e n d e n , das die Seinsart des V o r h a n d e n e n o d e r Z u h a n d e n e n h a t . D i e E n t d e c k t h e i t ( U n v e r b o r g e n h e i t ) des V o r h a n d e n e n g e s c h i e h t d a d u r c h , d a ß Dasein existiert, u n d E n t d e c k t h e i t v o n V o r h a n d e n e m ist n u r , w e n n u n d s o l a n g e D a s e i n existiert, das in s e i n e r E x i s t e n z e n t d e c k e n d ist. Dasein
S o f e r n also D a s e i n existiert, ist V o r h a n d e n e s o f f e n b a r . W i r k o m m e n i m m e r w i e d e r auf diesen G r u n d b e s t a n d des W e s e n s des D a s e i n s zurück, w e i l es v o n z e n t r a l e r B e d e u t u n g ist. Vorh a n d e n e s ist m i t d e r E x i s t e n z v o n D a s e i n o f f e n b a r , das h e i ß t aber n i c h t n o t w e n d i g , d a ß es e r f a ß t ist oder gar, d a ß es als Vorhandenes b e g r i f f e n w e r d e n m ü ß t e , s o n d e r n es h e i ß t n u r : Sofern D a s e i n existiert, ist es bei u n v e r b o r g e n e m S e i e n d e n , das es n i c h t selbst ist, w i e i m m e r es v o n dieser U n v e r b o r g e n h e i t
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Wahrheit und Sein
G e b r a u c h m a c h e n m a g , d. h.: D a s e i n k o m m t n i c h t erst i m Verl a u f s e i n e r E x i s t e n z a u s e i n e r I m m a n e n z h e r ü b e r zu a n d e r e m S e i e n d e n . D a s e i n ist n i e so, d a ß es g e w i s s e r m a ß e n f ü r sich in e i n e r Kapsel lebt; es ist n i e n u r S u b j e k t i m s c h l e c h t e n Sinne.
VIERTES KAPITEL
Wahrheit — Dasein — Mit-sein
§15.
Entdeckendsein beim frühzeitlichen frühmenschlichen Dasein
und
Wenn diese T h e s e von zentraler B e d e u t u n g ist, d a n n m u ß der G r u n d b e s t a n d auch gesichert sein u n d vor a l l e m in der Tat zutreffen. W i e aber ist es m i t d e m Wesen des Daseins b e i m Kind u n d in der Frühzeit der Völker bestellt? D i e n a c h f o l g e n d e n m e t h o d i s c h e n B e m e r k u n g e n ü b e r die Rolle des f r ü h m e n s c h l i c h e n u n d f r ü h z e i t lichen Daseins sind in d e r grundsätzlich f u n d a m e n t a l - o n t o l o g i schen I n t e r p r e t a t i o n des Daseins zu verstehen, n i c h t e t w a als Anthropologie. Auch ist h i e r zu scheiden: früh-zeitlich u n d prim i t i v sind n i c h t dasselbe. Ganz irrig w ä r e es, die heroische Zeit der G r i e c h e n m i t d e m D a s e i n h e u t i g e r K a f f e r n gleichzustellen. Z u r Frage des vorgeschichtlichen, f r ü h z e i t l i c h e n oder f r ü h menschlichen Daseins ist das Grundsätzliche zu sagen: schlechthin wesensverschieden ist es nicht, w e n n anders auch diese als Menschen zu v e r s t e h e n sind; u n d das will doch a u c h u n d g e r a d e der E i n w a n d sagen: anderes menschliches Dasein. Auch h i e r geht es u m menschliches Dasein. W e n n anders »Dasein« m i t Sinn g e b r a u c h t wird, d a n n m u ß der Wesensbegriff z u g r u n d e liegen. W e n n aber die S t u f e n u n d Perioden des F r ü h s t a d i u m s des M e n s c h e n , als Kind oder in der vorgeschichtlichen Zeit, andere sind — daß i h n e n eine spezifische H e l l i g k e i t f e h l t , ist kein M a n g e l —, so e r h e b t sich die grundsätzliche m e t h o d i s c h e Frage, wie d e n n dieses a n d e r e D a s e i n zu fassen sei. Dies geschieht n u r auf privative Weise, d . h . a u s g e h e n d von einer positiven z u g r u n d e l i e g e n d e n A u f f a s s u n g des Daseins, nicht
128
Wahrheit — Dasein — Mit-sein
m ö g l i c h e r O f f e n b a r k e i t , das » D a « , i n w e l c h e s h e r e i n s t e h e n d a u c h erst V o r h a n d e n e s o f f e n b a r w i r d . D a s sich O f f e n b a r e n a b e r geschieht wesenhaft, nicht zuweilen u n d nachträglich. Dasein ist e r s c h l i e ß e n d , e n t d e c k e n d u n d so m i t sich b r i n g e n d m i t t e i lend teilnehmen. U n v e r b o r g e n h e i t g e h ö r t n i e e i n e m e i n z e l n e n als s o l c h e m . Als G e m e i n s a m e s s t e h t sie g l e i c h s a m j e d e r m a n n ö f f e n t l i c h zur Verf ü g u n g ; sie m u ß d a h e r w e s e n t l i c h v o n j e d e m D a s e i n f r e i g e g e b e n sein. U n v e r b o r g e n h e i t v o n V o r h a n d e n e m ist i h r e r s e i t s n o t w e n d i g selbst u n v e r b o r g e n . D a n u n a b e r d i e U n v e r b o r g e n h e i t des V o r h a n d e n e n selbst n i c h t s V o r h a n d e n e s ist, U n v e r b o r genheit von Vorhandenem aber Entdecktheit genannt wird, k a n n die U n v e r b o r g e n h e i t v o n U n v e r b o r g e n h e i t , s o f e r n sie selbst u n v e r b o r g e n ist, n i c h t u n d n i e e i n E n t d e c k t e s sein. W e n n a b e r die U n v e r b o r g e n h e i t des V o r h a n d e n e n z u m D a s e i n g e h ö r t , so zwar, d a ß sie selbst u n v e r b o r g e n ist, d a n n h e i ß t das: D a s D a s e i n ist, s o f e r n es als D a s e i n existiert, als solches u n v e r b o r gen. Die Unverborgenheit von Dasein aber n e n n e n wir i m U n t e r s c h i e d v o n d e r U n v e r b o r g e n h e i t des V o r h a n d e n e n , d e r Entdecktheit, die Erschlossenheit. D a s e i n als solches ist v o n sich aus erschlossen. Es w i r d n i c h t erst u n v e r b o r g e n d a d u r c h , d a ß e i n a n d e r e s D a s e i n es d e r Verb o r g e n h e i t e n t r e i ß t . S o f e r n D a s e i n existiert, h a t es sich d e r V e r b o r g e n h e i t e n t r i s s e n , bzw. es b r i n g t s e i n e U n v e r b o r g e n h e i t g l e i c h s a m m i t sich. B i s h e r w u r d e b e z ü g l i c h des D a s e i n s v o r w i e g e n d n u r das S e m bei Vorhandenem besprochen. W i r müssen versuchen, zunächst a u c h n u r i m Blick a u f u n s e r S e i n bei d e n D i n g e n zu s e h e n , i n w i e f e r n das Sein bei V o r h a n d e n e m als das, w a s es ist, n o t w e n d i g u n v e r b o r g e n ist. W i r h a l t e n jetzt g e g e n e i n a n d e r : D a s Z u s a m m e n v o r h a n d e n s e i n v o n D i n g e n u n d die A r t u n d W e i s e des Nebeneinander von Dasein u n d diesen Dingen. Eine Bank steht n e b e n e i n e m H a u s , sie k ö n n e n sogar r ä u m l i c h e n g a n e i n a n d e r g r e n z e n . D i e B a n k k a n n , w i e w i r sagen, das H a u s b e r ü h r e n ; g l e i c h w o h l ist i n d i e s e m »Neben·« das H a u s n i c h t u n d in k e i n e r
S 16. Entdecktheit
und
Offenbarkeit
131
Weise als H a u s o f f e n b a r f ü r die B a n k u n d u m g e k e h r t . W i r d ü r f e n a u c h n i c h t s a g e n , das H a u s sei f ü r die B a n k v e r b o r g e n ; diese D m g e fliegen v i e l m e h r i m V e r h ä l t n i s z u e i n a n d e r s c h l e c h t h i n außerhalb der Möglichkeit von gegenseitiger Verborgenheit u n d U n v e r b o r g e n h e i t . U m g a n z v o r s i c h t i g zu s p r e c h e n : W i r h a b e n n i c h t das m i n d e s t e K r i t e r i u m , e t w a s a n d e r e s a u c h n u r als M ö g l i c h k e i t a n z u n e h m e n . D a g e g e n ist d e r B a u e r , d e r v o r sein e m H a u s auf der Wiese steht, auch neben seinem H a u s u n d der B a n k dazu; a b e r i n d i e s e m D a n e b e n sind H a u s u n d B a n k off e n b a r , w a s n i c h t h e i ß t , d a ß der B a u e r n u n g e r a d e e i g e n s sein Haus u n d die Bank davor erfassen m ü ß t e . Das D a n e b e n s t e h e n des B a u e r n ist e i n S e i n b e i E n t d e c k t e m . U n d u m g e k e h r t : W i e steht das H a u s n e b e n d e m B a u e r n ? Es s t e h t so w i e n e b e n d e r Bank; d e n n es h a t ja n i c h t d e n B a u e r n als e t w a s U n v e r b o r g e n e s vor sich. A n d e r e r s e i t s a b e r ist d e r B a u e r a u c h n i c h t e i n V o r h a n denes. W i r k ö n n e n v o r l ä u f i g sagen: D a s H a u s ist m i t B e z u g a u f den B a u e r n i m U m k r e i s des V o r h a n d e n e n v o r h a n d e n , w a s f ü r den B a u e r n e n t d e c k t e s ist. D i e s e r U m k r e i s des E n t d e c k t e n k a n n i m e i n z e l n e n w e c h s e l n , a b e r i m m e r n i m m t das D a s e i n gleichsam e i n e n s o l c h e n U m k r e i s v o n E n t d e c k t e m m i t sich; w o i m m e r es sich a u f h ä l t , b e w e g t es sich i n e i n e m s o l c h e n U m k r e i s , u n d dieses S i c h b e w e g e n ist i m m e r e i n S e i n b e i . . .; das W o b e i k a n n m e h r oder w e n i g e r n a h e sein. D a s ist alles r e c h t s i m p e l . N e h m e n w i r jetzt a n , w i r k o m m e n aus g r o ß e r E n t f e r n u n g a u f das H a u s zu u n d w i r s e h e n d a v o r etwas s t e h e n , es n i m m t sich aus w i e ein d i c k e r P f a h l o d e r w i e etwas, w a s vor d e m H a u s i n die W i e s e e i n g e g r a b e n ist. P l ö t z l i c h k o m m t dieser P f a h l i n B e w e g u n g , u n d zwar i n d e r R i c h t u n g auf die H a u s t ü r u n d v e r s c h w i n d e t d a r i n . U n d w ä h r e n d w i r dieses sich b e w e g e n d e V o r h a n d e n e i n s e i n e r B e w e g u n g e r f a h r e n , stellt es sich u n s als M e n s c h h e r a u s . W i e k o m m e n w i r dazu, e i n in B e w e g u n g b e f i n d l i c h e s V o r h a n d e n e s , das i n e i n e m L o c h vers c h w i n d e t , als M e n s c h e n zu n e h m e n , w o w i r doch a u s d e r großen E n t f e r n u n g weder Gesicht noch H ä n d e sehen, noch ihn s p r e c h e n h ö r e n ? A b e r e r setzte sich v o n selbst i n B e w e g u n g .
128
Wahrheit — Dasein — Mit-sein
o h n e e i n e n L e i t f a d e n v o n d e r I d e e des M e n s c h e n ü b e r h a u p t . D a s , w o r a n ich messe, m u ß zuvor b e s t i m m t sein, u n d dieser M a ß s t a b ist d e m n a c h — w i e jedes F u n d a m e n t e i n e r P r i v a t i o n — n i c h t u n w e s e n t l i c h , s o n d e r n m i t b e s t i m m e n d f ü r das, w a s auf p r i v a t i v e Weise b e s t i m m t w e r d e n soll. A u f g r u n d der psychologischen, psychoanalytischen, anthropologischen u n d ethnologischen Forschung haben wir heute r e i c h e r e M ö g l i c h k e i t e n des E i n b l i c k s in b e s t i m m t e Z u s a m m e n h ä n g e des Daseins. A b e r d i e T a t s a c h e n u n d P h ä n o m e n e , die m a n aus d i e s e n F o r s c h u n g e n b e i b r i n g t , b e d ü r f e n e i n e r g r u n d sätzlichen k r i t i s c h e n R e v i s i o n , s o b a l d sie f ü r w e s e n t l i c h e A r t e n von Dasein in Anspruch g e n o m m e n werden. Diese Revision m u ß von d e r G r u n d t h e s e g e l e i t e t sein, daß, w e n n es sich b e i m k i n d l i c h e n D a s e i n s o w i e b e i m D a s e i n p r i m i t i v e r V ö l k e r u m ein m e n s c h l i c h e s D a s e i n h a n d e l t , i h m ein w e s e n h a f t geschichtlicher Charakter zugrundeliegt, auch w e n n wir diesen nicht ohne w e i t e r e s e r k e n n e n . G l e i c h w o h l l i e g e n h i e r P r o b l e m e ganz e i g e n e r Art, d e r e n P r o b l e m c h a r a k t e r w i r k e n n e n l e r n e n w e r d e n . M a n h a t m i c h s c h o n o f t g e f r a g t u n d m e i s t i m S i n n e eines E i n w a n d s , w a r u m ich b e i d e r U n t e r s u c h u n g des D a s e i n s n u r d e n Tod i n das F r a g e n e i n b e z i e h e u n d n i c h t a u c h d i e G e b u r t . I c h g e h e so vor, w e i l ich e b e n n i c h t d e r M e i n u n g b i n , d a ß die G e b u r t l e d i g l i c h das a n d e r e E n d e des D a s e i n s ist, das i n d e r s e l b e n Prob l e m s t e l l u n g b e h a n d e l t w e r d e n k ö n n t e u n d d ü r f t e w i e d e r Tod. M a n k a n n f ü r die U n t e r s u c h u n g des D a s e i n s n i c h t o h n e w e i t e r e s s t a t t des Todes n u n a u c h e i n m a l d i e G e b u r t h e r a n z i e h e n , so wie e i n B o t a n i k e r bei der U n t e r s u c h u n g e i n e r P f l a n z e statt v o n der B l ü t e a u c h e i n m a l v o m a n d e r e n E n d e , d e r Wurzel, a n f a n g e n k a n n . G e r a d e a n g e s i c h t s des F a k t u m s d e r G e b u r t , das in gewisser Weise n i c h t s c h l e c h t h i n h i n t e r u n s liegt, gilt, d a ß d a s j e n i g e , was u n s z u n ä c h s t zu sein s c h e i n t , w a s w i r zuerst w a r e n , in d e r Erk e n n t n i s das Späteste ist. Z u r G e b u r t m ü s s e n w i r n o t w e n d i g in e i n e m R ü c k l a u f g e h e n , a b e r das ist n i c h t e i n f a c h die I n v e r s i o n des Seins z u m Tode. F ü r d i e s e n R ü c k l a u f b e d a r f es n o c h e i n e r g a n z a n d e r e n A u s a r b e i t u n g der· A u s g a n g s s t e l l u n g als f ü r j e d e n
§ IS. Entdeckendsein
beim frühmenschlichen
Dasein
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a n d e r e n G r e n z g a n g i m D a s e i n . D a s s e l b e gilt e n t s p r e c h e n d f ü r die I n t e r p r e t a t i o n d e r K i n d h e i t , w e n n sie n i c h t l e d i g l i c h i r g e n d w e l c h e psychologische o d e r p ä d a g o g i s c h e A b s i c h t e n h a t . W e n n w i r u n s g a n z e l e m e n t a r d i e A r t des D a s e i n s e i n e s K i n des i m e r s t e n M o m e n t seines E r d e n d a s e i n s v e r g e g e n w ä r t i g e n , so ist es S c h r e i e n , z a p p e l n d e B e w e g u n g i n die Welt, i n d e n Raumr h i n e i n , o h n e jedes Ziel u n d d o c h g e r i c h t e t a u f . . . Ziellosigkeit ist n i c h t U n g e r i c h t e t h e i t u n d G e r i c h t e t h e i t ist n i c h t A u s r i c h t u n g a u f e i n Ziel, s o n d e r n G e r i c h t e t h e i t h e i ß t ü b e r h a u p t auf zu . . ., h i n zu . . ., w e g v o n . . . Was dieses D a s e i n z u n ä c h s t b e s t i m m t , ist R u h e , W ä r m e , N a h rung", S c h l a f - u n d D ä m m e r z u s t a n d . M a n h a t d a r a u s geschlossen, daß dieses D a s e i n zuerst g e w i s s e r m a ß e n n o c h i n sich e i n g e r o l l t u n d eingeschlossen, das S u b j e k t n o c h g ä n z l i c h i n sich e i n g e l e g t sei. S c h o n d i e s e r Ansatz ist g r u n d v e r k e h r t , s o f e r n n ä m l i c h die R e a k t i o n des K i n d e s — w e n n w i r m i t d i e s e m A u s d r u c k u n s o r i e n t i e r e n d ü r f e n — d e n C h a r a k t e r des Schocks, des Schrecks hat. Vielleicht ist d e r e r s t e Schrei s c h o n e i n g a n z b e s t i m m t e r Schock. S c h r e c k ist e i n e E m p f i n d l i c h k e i t auf S t ö r u n g , e i n e U r f o r m des I n n e h a l t e n s , e i n V e r h a l t e n des Seinlassens v o n etwas, a b e r a u c h e i n Be-stürztsein, e i n e B e t r o f f e n h e i t v o n . . ., w o b e i das W o v o n des B e t r o f f e n s e i n s n o c h v e r b o r g e n ist. D i e s e B e t r o f f e n h e i t ist a b e r s c h o n e b e n e i n e B e f i n d l i c h k e i t . D a s W e s e n des Schocks k a n n m a n n u r i m Z u s a m m e n h a n g m i t d e m P h ä n o m e n des Schrecks u n d d e r A n g s t k l a r m a c h e n . D e r Schock b e d e u t e t , d a ß das S i c h b e f i n d e n gestört ist, d a ß e i n U n b e h a g e n e i n t r i t t , das a b g e w e h r t w e r d e n soll. Es ist n i c h t so, d a ß das K i n d erst i m Verlauf d e r e r s t e n W o c h e n aus e i n e m e i n g e s c h l o s s e n e n S u b j e k t zu O b j e k t e n k o m m t , sond e r n es ist s c h o n — u n d n i c h t erst, w e n n es d e m D ä m m e r z u s t a n d e n t r i s s e n ist — h i n a u s zu . . . g e r i c h t e t ; es ist s c h o n d r a u ß e n bei . . . E i n i r g e n d S e i e n d e s ist d e m K i n d s c h o n o f f e n b a r , o b z w a r n o c h k e i n V e r h a l t e n zu d i e s e m S e i e n d e n , k e i n e Z u w e n d u n g e r f o l g t . D i e A b k e h r u n d A b w e h r u n d dieses i n sich z e n t r i e r e n d e B e d ü r f n i s n a c h R u h e , W ä r m e , Schlaf h a t e i n e n g a n z e i g e n t ü m -
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Wahrheit — Dasein — Mit-sein
l i e h e n n e g a t i v e n C h a r a k t e r . B e v o r diese P h ä n o m e n e w i e Abwehr, Abkehr, G e g e n w e h r nicht in ihrer ontologischen Struktur k l a r g e m a c h t sind, k ö n n e n w i r n i c h t a n f a n g e n , e i n e n solchen Z u s t a n d w i e d e n des K i n d e s i n s e i n e m W e s e n zu i n t e r p r e t i e r e n . D e r D ä m m e r z u s t a n d , i n d e m e i n solches f r ü h e s D a s e i n ist, besagt n i c h t , d a ß n o c h k e i n V e r h ä l t n i s z u m S e i e n d e n d a w ä r e , s o n d e r n n u r , d a ß dieses S i c h v e r h a l t e n zu . . . n o c h k e i n bes t i m m t e s Ziel h a t . D a s S e i n bei S e i e n d e m ist g e w i s s e r m a ß e n n o c h u m w ö l k t , n o c h n i c h t a u f g e h e l l t , so d a ß dieses D a s e i n n o c h keinen bestimmten Gebrauch m a c h e n kann von d e m Seienden, b e i d e m es i m m e r s c h o n s e i n e m W e s e n n a c h ist. D e m D ä m m e r z u s t a n d e n t r i s s e n zu w e r d e n , h e i ß t n i c h t , aus d e m S u b j e k t k r e i s h i n a u s g e h e n , s o n d e r n das D r a u ß e n s e i n b e i . . . e n t w ö l k t sich, w i r d h e l l u n d i n d e r H e l l e g e s c h i e h t das e r s t e S e h e n . D a s W o b e i g e h t d e m D a s e i n a u f . D i e s ist e i n A u f g e h e n des zuvor schon H a b e n s . D i e p r i m ä r e I n t e r p r e t a t i o n m u ß z u n ä c h s t d a b e i b e g i n n e n zu zeigen, w i e sich die b l o ß e A b k e h r des K i n d e s u n t e r s c h e i d e t v o n e i n e r A b w e h r . D i e A b k e h r ist e i n bloßes A u s w e i c h e n v o r . . ., a b e r i m A u s w e i c h e n ist s c h o n e i n e b e s t i m m t e A b w e h r , e i n Abw e i s e n v o n . . . I m F l i e h e n vor e t w a s ist s c h o n ein D a g e g e n , a b e r n o c h n i c h t ein aktives; v o n d e r A b k e h r u n d A b w e h r m ü s sen w i r die G e g e n w e h r u n t e r s c h e i d e n , bei d e r d i e e i g e n t l i c h e G e g e n b e w e g u n g , das E n t g e g e n s t e l l e n einsetzt. Alle diese P h ä n o m e n e d e r I n t e n t i o n a l i t ä t s i n d z u g l e i c h d e r a r t , d a ß sie in i h r e m Vollzug die erste S i t u a t i o n , i n d e r sich e i n solches D a s e i n in der anfänglich hilflosen Auslieferung an die Welt befindet, ausarbeiten.
§ 16. Entdecktheit
von Vorhandenem des Daseins
und
Offenbarkeit
Es zeigte sich: D i e E n t d e c k t h e i t , U n v e r b o r g e n h e i t ( W a h r h e i t ) v o n V o r h a n d e n e m s t e h t u n d fäHt m i t d e m E n t d e c k e n d s e i n des
S 16. Entdecktheit
und
Offenbarkeit
127
Daseins, d . h . m i t dessen Existenz. D i e W a h r h e i t g e h ö r t d e m n a c h z u m D a s e i n als e i n e m w e s e n h a f t e n t d e c k e n d e n . S o f e r n D a s e i n sich bei V o r h a n d e n e m a u f h ä l t , h ä l t es sich i n d e r E n t d e c k t h e i t des V o r h a n d e n e n . N u n e r g a b sich f r ü h e r , d i e A r t u n d Weise, w i e W a h r h e i t ( U n v e r b o r g e n h e i t des V o r h a n d e n e n ) z u m D a s e i n g e h ö r e , sei n o t w e n d i g e i n S i c h t e i l e n i n W a h r h e i t . Ist n u n i n der T a t das sich H a l t e n i n d e r E n t d e c k t h e i t v o n V o r h a n d e n e m i m S e i n bei d i e s e m e i n S i c h t e i l e n i n die W a h r h e i t ? Jedes Sein b e i V o r h a n d e n e m , a u c h das alleinige, soll e i n M i t e i n a n dersein in sich s c h l i e ß e n . Alle E n t d e c k t h e i t v o n V o r h a n d e n e m soll i h r e m W e s e n n a c h solche sein, w o r e i n sich D a s e i n m i t a n d e r e n teilt, d i e E n t d e c k t h e i t d e m n a c h solches, w a s das D a s e i n nie g l e i c h s a m f ü r sich, als e i n e n i n sich e i n g e s c h l o s s e n e n Besitz bei sich verschlossen h ä l t . Alle E n t d e c k t h e i t v o n V o r h a n d e n e m soll w e s e n h a f t s c h o n s e i n als g e t e i l t m i t . . . Sind das n i c h t r e c h t m e r k w ü r d i g e u n d w i l l k ü r l i c h e T h e s e n , d e n e n die n a c k t e n T a t s a c h e n e i n f a c h w i d e r s p r e c h e n ? D a m i t , d a ß j e m a n d e t w a s f e s t g e s t e l l t h a t , e t w a s zuvor U n b e k a n n t e s e n t d e c k t h a t , wissen es d o c h n o c h n i c h t die a n d e r e n . E r k a n n doch r u h i g d i e W a h r h e i t f ü r sich b e h a l t e n . W i e k ö n n e n w i r also angesichts dieser u n l e u g b a r e n M ö g l i c h k e i t b e h a u p t e n : W a h r h e i t ü b e r V o r h a n d e n e s ist n o t w e n d i g etwas, w o r e i n das D a s e i n m i t a n d e r e n sich teilt? Angenommen, jemand macht eine besondere Entdeckung, e i n e s e l t e n e P f l a n z e u n d d e r e n S t a n d o r t ; es k ö n n t e sein, d a ß d e r g l ü c k l i c h e F i n d e r s e i n e n F u n d zeitlebens f ü r sich b e h ä l t u n d n i e ein a n d e r e r d a v o n e r f ä h r t . D a n n ist d o c h die s e l t e n e P f l a n z e u n d i h r sonst u n b e k a n n t e r S t a n d o r t o f f e n b a r g e w o r d e n f ü r dieses einzelne D a s e i n , u n d diese U n v e r b o r g e n h e i t g e h ö r t e i n z i g dies e m D a s e i n ; d a n n k a n n e b e n d o c h U n v e r b o r g e n h e i t v o n Vorh a n d e n e m zu e i n e m D a s e i n als e i n z e l n e m g e h ö r e n . B e h ä l t d e r g l ü c k l i c h e F i n d e r d i e W a h r h e i t z e i t l e b e n s f ü r sich, so h e i ß t das doch, er b e h ü t e t sie s o r g s a m vor a n d e r e n u n d h ü t e t sich, sie a n d e r e n m i t z u t e i l e n . D a r i n v e r r ä t sich schon, d a ß er diese W a h r h e i t m i t a n d e r e n teilt, n u r i m M o d u s des V o r e n t h a l -
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Wahrheit — Dasein — Mit-sein
Doch a n g e n o m m e n , wir hätten in d e m M o m e n t den vermeintl i c h e n P f a h l n i c h t ins A u g e g e f a ß t , als er zur B e w e g u n g ansetzte, — w i r s e h e n i h n g e r a d e n o c h i n d e r B e w e g u n g auf das L o c h h i n u n d darin verschwinden. U n d w e n n wir etwas Bewegtes v e r f o l g e n , d a n n a c h t e n w i r auf s e i n e R i c h t u n g , w i r s e h e n faktisch also a u c h s c h o n z u g l e i c h d i e R i c h t u n g , das, w o r a u f z u dieses D i n g sich b e w e g t , also das L o c h , n e i n , s o n d e r n die H a u s t ü r ; v o n dieser v o n u n s i m v o r h i n e i n m i t g e s e h e n e n H a u s t ü r h e r als d e m , w o r a u f z u sich das D i n g b e w e g t , e r f a s s e n w i r , f e r n e r , w a s u n d w i e dieses S e i e n d e ist, d . h . w i r erfassen, d a ß es d e n E i n g a n g des H a u s e s b e n u t z t , i n d i e s e m G e b r a u c h m a c h e n n i c h t e i n f a c h e i n e n O r t s w e c h s e l vollzieht, s o n d e r n , w i e w i r sagen, sich b e n i m m t . G e r a d e dieses B e n e h m e n i n Bezug auf e i n Geb r a u c h s d i n g ist es, w a s w i r e r f a s s e n . Also w e d e r e i n b e w e g t e s V o r h a n d e n e s , n o c h e i n e n b l o ß e n Z w i s c h e n r a u m z w i s c h e n i h m u n d e t w a s a n d e r e m , u n d dieses a n d e r e als k e i n L o c h , n o c h a b e r all dieses n u r z u s a m m e n ist das, w a s w i r erfassen; w a s w i r i m G r u n d e erfassen, ist ein S e i n bei V o r h a n d e n e m , d . h . dieses u n s U n v e r b o r g e n e i n s e i n e r spezifis c h e n U n v e r b o r g e n h e i t f ü r j e n e s S e i n bei . . ., g l e i c h s a m , d a ß d i e T ü r f ü r jenes sich B e w e g e n d e T ü r ist — die T ü r i n i h r e r U n v e r b o r g e n h e i t , i n i h r e r E n t d e c k t h e i t f ü r j e n e s sich B e w e g e n de, dieses als e n t d e c k e n d e s Sein bei . . . I n d i e s e m e n t d e c k e n d e n S e i n b e i m H a u s b e k u n d e t sich das S e i e n d e als D a s e i n . Dieses S e i n b e i m H a u s a b e r ist f ü r j e n e s D a s e i n ( B a u e r ) selbst schon erschlossen.
§17.
Die Offenbarkeit
des Daseins
qua
Da-sein
W i r h a b e n e i n e R e i h e v o n V e r s u c h e n u n t e r n o m m e n , das M i t e i n a n d e r s e i n als Sein bei S e l b i g e m a u f z u h e l l e n . W i r s i n d d a b e i n i c h t d i r e k t ans Ziel g e l a n g t . U n d doch s i n d diese Versuche n i c h t ergebnislos, s o n d e r n j e d e s m a l e r g a b e n sich u n s E i n s i c h t e n , die f ü r die r e c h t e B e w ä l t i g u n g d e r A u f g a b e w e s e n t l i c h sind,
§17. Die Ojfenbarkeit
des Daseins qua Da-sein
135
so die, d a ß zu d e r in F r a g e s t e h e n d e n S e i n s a r t W a h r h e i t g e h ö r t , daß D a s e i n n i c h t i d e n t i s c h ist m i t S u b j e k t , d a ß d i e S u b j e k t i v i t ä t bisher i m m e r u n t e r b e s t i m m t w a r , so d a ß m a n g l a u b e n k o n n t e , solche W e s e n s b e s t ä n d e d e r S u b j e k t i v i t ä t w i e das S e i n b e i . . . u n d das M i t e i n a n d e r erst - auf G r u n d e i n e s u n z u l ä n g l i c h e n S u b j e k t b e g r i f f e s - als n a c h t r ä g l i c h e Z u g a b e n g e w i n n e n zu k ö n nen. I m G a n z e n e r g a b sich d e m n a c h e i n e m e h r f a c h e A u f l o c k e r u n g v o n P r o b l e m z u s a m m e n h ä n g e n , die w i r k ü n f t i g n i c h t so sehr e r w e i t e r n als r a d i k a l i s i e r e n m ü s s e n . F ü r u n s e r e n ä c h s t e Absicht ist n u n a u c h m i t d e m B i s h e r i g e n d i e j e n i g e V o r b e r e i t u n g g e w o n n e n , m i t d e r e n H i l f e w i r d i e positive A u f w e i s u n g d e r A r t der Z u g e h ö r i g k e i t v o n W a h r h e i t q u a U n v e r b o r g e n h e i t des Vorhandenen zum Dasein wagen können. U n s e r e T h e s e , d u r c h d i e das M i t e i n a n d e r s e i n als e i n e e i g e n t ü m l i c h e S e i n s a r t des D a s e i n s g e k e n n z e i c h n e t w e r d e n soll, lautete: U n v e r b o r g e n h e i t v o n V o r h a n d e n e m ( E n t d e c k t h e i t ) ist i h r e m W e s e n n a c h solches, w o r e i n D a s e i n m i t D a s e i n sich teilt, m a g e i n a n d e r e s D a s e i n f a k t i s c h z u g e g e n sein o d e r n i c h t , m a g das a n d e r e D a s e i n die W a h r h e i t sich a u s d r ü c k l i c h z u e i g n e n oder nichti. U n v e r b o r g e n h e i t v o n V o r h a n d e n e m ist w e s e n h a f t e i n G e m e i n s a m e s , g e h ö r t n i e e i n e m e i n z e l n e n D a s e i n als e i n z e l n e m . Die U n v e r b o r g e n h e i t s t e h t i n e i g e n t ü m l i c h e r W e i s e j e d e r m a n n zur V e r f ü g u n g . Jedes D a s e i n m u ß d e m n a c h als e n t d e c k e n d e s die E n t d e c k t h e i t des E n t d e c k t e n i m m e r a u c h s c h o n f r e i - u n d w e g g e g e b e n h a b e n . D i e U n v e r b o r g e n h e i t des V o r h a n d e n e n g e h ö r t n i c h t z u m V o r h a n d e n e n , s o n d e r n z u m D a s e i n ; a b e r sie g e h ö r t d e m D a s e i n d e r a r t , d a ß sie g l e i c h w o h l n i c h t als e i n g e h e g t e r Einzelbesitz i n i h m liegt. D i e U n v e r b o r g e n h e i t ist a u c h n i c h t etwa z u n ä c h s t E i n z e l b e s i t z u n d d a n n w e g g e g e b e n , s o n d e r n das Z u m - D a s e i n - g e h ö r e n ist e i n e W e g g a b e . W i e ist d e r g l e i c h e n m ö g l i c h u n d w a r u m ist es n o t w e n d i g so? W i r s a h e n : D a s V o r h a n d e n e g i b t sich als u n v e r b o r g e n e s i n u n s e r e m Sein bei . . ., s o f e r n dieses v o n H a u s e aus e n t d e c k e n d ist. Das D a s e i n k a n n g a r n i c h t so n e b e n u n d bei e i n e m V o r h a n d e n e n sein, w i e e i n V o r h a n d e n e s »bei« V o r h a n d e n e m ist; alles
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Wahrheit — Dasein — Mit-sein
u n d jedes D a n e b e n - s e i n ist e i n e n t d e c k e n d e s S e i n bei . . d a r i n das W o b e i i n E n t d e c k t h e i t g e h a l t e n ist. D a s »bei« i m Sein b e i . . . ist e i n w e s e n h a f t sich ö f f n e n d e s O f f e n e s f ü r . . . . D i e s e n T a t b e s t a n d h a b e n w i r n u n s c h o n m e h r f a c h vor A u g e n gestellt, wenngleich er nichts an Wunderbarkeit verliert. Aber wir h a b e n b i s l a n g i m m e r n u r auf das W o b e i g e a c h t e t u n d d a ß dieses i n u n d f ü r u n s e r S e i n b e i . . . o f f e n b a r ist. W i r h a b e n j e d o c h e t w a s n i c h t m i n d e r W e s e n t l i c h e s g e f l i s s e n t l i c h ü b e r s e h e n : Dieses u n s e r S e i n b e i . . . selbst, w i r als so s e i e n d b e i . . ., sind i n eins m i t der O f f e n b a r k e i t des V o r h a n d e n e n » a u c h « o f f e n b a r . A u c h w e n n ein D a s e i n allein- sich bei e i n e m V o r h a n d e n e n a u f h ä l t , ist sein Sein b e i . . . o f f e n b a r ; u n d z w a r a u c h d a n n , w e n n das b e t r e f f e n d e D a s e i n g a r n i c h t sich selbst e r f a ß t u n d auf sich r e f l e k t i e r t , zur ü c k · u n d u m g e w e n d e t ist, a u c h d a n n , w e n n es i m S e i n bei V o r h a n d e n e m n i c h t a n sich d e n k t . D a s S e i n bei . . . also ist off e n b a r vor a l l e r V e r g e g e n s t ä n d l i c h u n g d u r c h a n d e r e u n d fur sich selbst. D i e s ist d u r c h die A u f w e i s u n g e i n e s e l e m e n t a r e n T a t b e s t a n des, d a r i n w i r u n s als D a s e i e n d e s t ä n d i g b e w e g e n , s i c h t b a r zu m a c h e n , d e r i n e i n e m s o l c h e n G r a d e a l l t ä g l i c h u n d selbstvers t ä n d l i c h ist, d a ß er g a r n i c h t d a zu sein s c h e i n t . N e h m e n w i r u n s e r Beispiel: E i n S t e i n ist n e b e n e i n e m S t e i n v o r h a n d e n , so a u c h D a s e i n b e i D a s e i n , Sein b e i . . . n e b e n S e i n b e i . . .; ganz u n d gar nicht, sondern w e n n ein Dasein neben ein anderes D a s e i n t r i t t , so t r i t t das e i n e i n d e n R a u m d e r O f f e n b a r k e i t des a n d e r e n , g e n a u e r i h r S e i n bei . . . b e w e g t sich i n d e m s e l b e n U m k r e i s v o n O f f e n b a r k e i t . Was ist d a m i t g e m e i n t ? D a s Sein bei V o r h a n d e n e m ist n i c h t e t w a so e t w a s w i e ein F ü h l e r , d e n das D a s e i n n a c h d e n D i n g e n a u s s t r e c k t u n d d a n n w i e d e r e i n z i e h t , s o n d e r n D a s e i n h e i ß t Sein bei . . .; a b e r dieses w e s e n h a f t e S e i n bei d e n D i n g e n ist n u n a u c h w i e d e r n i c h t so etwas wie eine ständig angebrachte Röhre, in deren Innerem, d . h . e i n g e k a p s e l t , sich das S u b j e k t zu d e n D i n g e n h i n a u s schleicht, u n d so jedes D a s e i n f ü r sich, je i n s e i n e r R ö h r e , s o n d e r n dieses Sein bei . . . ist-als solches o f f e n b a r ; es ist nie
§17. Die Offenbarkeit
des Daseins qua Da-sein
135
eingeschlossen, a u c h n i c h t , w e n n D a s e i n allein ist bei e t w a s , sondern das S e i n bei . . . ist w e s e n h a f t d e r a r t , d a ß j e d e r z e i t i n es - als o f f e n b a r e s — a n d e r e s D a s e i n t r e t e n k a n n . Soll das v e r h i n dert w e r d e n , d a n n m u ß D a s e i n sich erst v e r s c h l i e ß e n , d . h . es ist zuvor schön o f f e n u n d w e s e n h a f t o f f e n , w e i l Verschlossenheit i m m e r n u r P r i v a t i o n ist. Das Sein b e i e n t d e c k t e m V o r h a n d e n e n ist als solches n i e e i n geschlossen, s o n d e r n Erschlossenes; i n eins m i t d e m z u m Vorh a n d e n e n h i n o f f e n e n Sein b e i . . . ist dieses selbst u n v e r b o r g e n , und u m g e k e h r t : n u r e i n als solches selbst o f f e n b a r e s S e i n ist Sem bei . . . Es ist, w a s es ist, n ä m l i c h Sein bei . . ., als sich erschließendes; z u m W e s e n dieses Seins g e h ö r t Sich-erschließen. D a s Sein b e i . . . ist e r s c h l i e ß e n d erschlossenes, u n d s o f e r n das Sein bei V o r h a n d e n e m w e s e n h a f t z u m D a s e i n g e h ö r t , h e i ß t das: D a s D a s e i n ist als solches erschlossenes. Was h e i ß t das aber? D a s D a s e i n ist erschlossenes n i c h t erst auf G r u n d des E r f a ß t s e i n s d u r c h ein a n d e r e s (schon d e s h a l b n i c h t , weil E r f a s s e n v o n D a s e i n h e i ß t : E r f a s s e n e i n e s S e i e n d e n , das von H a u s e aus erschlossen ist). D a s D a s e i n e r s c h l i e ß t sich selbst, also, w i r d m a n s a g e n , w e n n n i c h t f ü r a n d e r e , d a n n f ü r sich. D a n n h a b e n w i r die a l t b e k a n n t e Tatsache: D e r M e n s c h h a t Bewußtsein von Objekten u n d hat dabei auch ein Bewußtsein von sich, S e l b s t b e w u ß t s e i n . Jedes B e w u ß t s e i n ist a u c h Selbstbew u ß t s e i n . E i n Satz, d e r i m d e u t s c h e n I d e a l i s m u s bis z u m Überdruß erörtert wurde, den auch Kant zugrundelegt u n d den schon D e s c a r t e s k e n n t , l a u t e t : cogito a l i q u i d = cogito m e cogitare aliquid. W e n n g e r a d e d e r B e w u ß t s e i n s b e g r i f f v e r h i n d e r t hat, d e n r e c h t e n Begriff d e r S u b j e k t i v i t ä t zu g e w i n n e n , d a n n ist alle k r i t i s c h e Vorsicht g e b o t e n , a u c h d a n n u n d g e r a d e d a n n , wenn von Selbstbewußtsein gesprochen wird. Aber wir sahen: I m Sein- bei . . . l i e g t g a r n i c h t n o t w e n d i g ein W i s s e n u m sich selbst, e i n e R ü c k w e n d u n g auf sich; ja g e r a d e das e l e m e n t a r e u n d u n v e r f ä l s c h t e S e i n b e i . . . g e h t i n d e n D i n g e n auf u n d ist nicht d u r c h R e f l e x i o n b e s c h w e r t . G l e i c h w o h l m ü s s e n w i r sagen: Es e r s c h l i e ß t sich g e r a d e d a n n . S i c h - e r s c h l i e ß e n , das w i r
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Wahrheit — Dasein — Mit-sein
v o m Sein b e i . . . als W e s e n s b e s t i m m u n g a u s s a g e n , h e i ß t n i c h t n o t w e n d i g , sich f ü r sich z u m G e g e n s t a n d m a c h e n , n i c h t e i n m a l , sich sich selbst o f f e n b a r m a c h e n . W i r sagen: D a s e n t d e c k e n d e Sein bei V o r h a n d e n e m e r s c h l i e ß t sich. D a s b e s a g t w e d e r : » D a s D a s e i n w i r d d u r c h a n d e r e u n d f ü r a n d e r e o f f e n b a r « , n o c h h e i ß t es: » D a s D a s e i n e r f a ß t a u ß e r d e m e n t d e c k t e n V o r h a n d e n e n a u c h sich selbst«. D i e T h e s e : » D a s entd e c k e n d e S e i n bei V o r h a n d e n e m e r s c h l i e ß t sich« b e s a g t e t w a s w e i t U r s p r ü n g l i c h e r e s . Es h e i ß t : I m Sein bei . . . u n d als solches b r i n g t das D a s e i n g e r a d e allererst so e t w a s w i e e i n e n U m k r e i s v o n O f f e n b a r k e i t m i t sich. Dieses S e i e n d e , das w i r n i c h t o h n e G r u n d D a - s e i n n e n n e n , l ä ß t , s o f e r n es existiert, d. h. l ä ß t i n u n d d u r c h sein S e i n d e r g l e i c h e n w i e e i n » D a « erst sein. D a s D a s e i n ist d a s j e n i g e Seiende, das so e t w a s w i e ein » D a « ist. D a s »Da«: e i n U m k r e i s von O f f e n b a r k e i t , a u f d e n zu allererst a u c h Vorh a n d e n e s o f f e n b a r , d . h . e n t d e c k t sein k a n n . D a s » D a « ist n i c h t e i n e Stelle, e i n P l a t z i m U n t e r s c h i e d von e i n e m »dort«; D a - s e i n h e i ß t n i c h t , h i e r s t a t t dort sein, auch n i c h t h i e r u n d dort, s o n d e r n ist die M ö g l i c h k e i t , die E r m ö g l i c h u n g v o n o r i e n t i e r t e m H i e r - u n d D o r t s e i n . D a s » D a « ist u n t e r a n d e r e m d e r i n sich a u f g e b r o c h e n e u n d d a b e i d o c h n i c h t zerb r o c h e n e R a u m . D a - s e i n ist E i n b r u c h in d e n R a u m , n i c h t e t w a n u r in d e m Sinne, wie ein materielles, ausgedehntes D i n g einen R a u m e i n n i m m t , s o n d e r n so, d a ß dieser in s e i n e r R a u m - h a f t i g k e i t o f f e n b a r ist; a b e r D a - s e i n ist n i c h t n u r das. G e n a u e r : D e r so e r b r o c h e n e R a u m ist n u r e i n e w e s e n t l i c h e B e s t i m m u n g des Da, a n d e r w i r e i n e n W e s e n s b e s t a n d des S e i e n d e n , das w i r sind, p r i m ä r d e m o n s t r i e r e n . F r e i l i c h ist es k e i n Z u f a l l , d a ß viele Bed e u t u n g e n der Sprache, die gar nichts Räumliches meinen, g l e i c h w o h l R a u m b e d e u t u n g h a b e n . Es w i r d h i e r s i c h t b a r , daß d e r R a u m i n d e r M e t a p h y s i k e i n e z e n t r a l e R o l l e spielt, die f r e i l i c h n u r i n e i n e m u r s p r ü n g l i c h e n Z u s a m m e n h a n g m i t der radikal begriffenen Zeit z u m Problem gemacht werden kann. D a s W e s e n des R a u m e s e n t h ü l l t k e i n e P h y s i k u n d k e i n e Geom e t r i e ; diese b l e i b e n e w i g a u ß e r h a l b dieser P r o b l e m a t i k und
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fassen n u r , m e t a p h y s i s c h g e s p r o c h e n , e t w a s d e m R a u m G l e i c h gültiges. D e r N a t u r w i s s e n s c h a f t , d e r P h y s i k zeigt sich n u r e i n ganz e n t l e e r t e r A b l e g e r s e i n e r P r o b l e m a t i k . G a n z a n d e r s d a g e gen v e r m a g d i e K u n s t als P l a s t i k o d e r M a l e r e i g e w i s s e r m a ß e n den R a u m zu e r o b e r n . D a - s e i n ist Seiendes, das w e s e n h a f t sich e r s c h l i e ß t ; das h e i ß t : es ist Seiendes, das i n u n d m i t s e i n e m Sein erst e i n e S p h ä r e v o n O f f e n b ä r k e i t a u f b r i c h t , n i c h t n a c h t r ä g l i c h u n d z u w e i l e n , sondern s o f e r n es existiert. Es b i l d e t ( d o p p e l d e u t i g ) diese S p h ä r e von O f f e n b a r k e i t : es q u a D a - s e i n m a c h t sie aus u n d b i l d e t sie aus. M i t d e r E x i s t e n z des M e n s c h e n g e s c h i e h t dieser a u f b r e c h e n d e E i n b r u c h i n das Seiende, dergestalt, d a ß S e i e n d e s i n d e n U m k r e i s v o n O f f e n b a r k e i t als o f f e n b a r e s h e r e i n s t e h t , i n das o f f e n b a r e D a , als w e l c h e s das D a s e i n n u n a u c h sich selbst f i n d e n kann.
§ 18. Dasein
und
Mit-sein
Das Sein b e i . . . ist e r s c h l i e ß e n d erschlossenes. Es b r i n g t die S p h ä r e des D a m i t sich u n d b e w e g t sich in i h r . W e n n n u n ein anderes D a s e i n f a k t i s c h z u g e g e n ist, d a n n ist dieses n i e l e d i g l i c h auch da, s o n d e r n s e i n e m W e s e n n a c h m i t da, u n d zwar ist es n i c h t a u c h seiend, s o n d e r n m i t seiend, w e i l es D a - s e i n ist, sich i n d e n s e l b e n U m k r e i s v o n O f f e n b a r k e i t stellt. E i n S t e i n m a g n o c h so ä h n l i c h o d e r gleich m i t e i n e m a n d e r e n sein, sie s i n d d o c h n i e mit vorhanden, d.h. Vorhandenes kann überhaupt nicht mit e i n e m a n d e r e n sein. D a s e i n ist i m Z u g e g e n s e i n bei e i n e m a n dern n i c h t d e s h a l b m i t i h m , w e i l es a u c h so b e s c h a f f e n ist w i e das erste, s o n d e r n w e i l es D a s e i n ist, d. h . w e i l es, s o f e r n es ist, ein Da m i t sich b r i n g t u n d als e i n D a M i t b r i n g e n d e s n o t w e n d i g so in den U m k r e i s des a n d e r e n t r i t t , d a ß sie d i e s e n m i t sich t e i l e n . Das » M i t « ist n u r d o r t , w o e i n » D a « ist. Jedes d e r m e h r e r e n Sein bei . . . ist M i t s e i n ; n i c h t d e r e i n e u n d d e r a n d e r e ist bei V o r h a n d e n e m , s o n d e r n das E i n a n d e r ist ein M i t e i n a n d e r . D a -
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Wahrheit — Dasein — Mit-sein
s e i n u n d D a - s e i n k ö n n e n g a r n i c h t a n d e r s f a k t i s c h sein, als daß sie je das D a sind, w o b e i d e r f a k t i s c h e r ä u m l i c h e A b s t a n d der P l ä t z e des A u f e n t h a l t s völlig u n w e s e n t l i c h ist. Je das D a h e i ß t a b e r g e r a d e schon: w e g g e b e n i n d e n s e l b e n U m k r e i s v o n Offenbarkeit. A m P h ä n o m e n des Seins bei . . . w u r d e s c h o n m e h r f a c h bet o n t , d a ß D a s e i n sich n i c h t i n e i n e r I n n e n s p h ä r e h ä l t u n d d u r c h irgendwelche Manipulationen doch etwas von d e m D r a u ß e n e r f ä h r t ; D a s e i n ist v i e l m e h r als solches s c h o n d r a u ß e n b e i . . aus sich h e r a u s g e t r e t e n , besser h e r a u s t r e t e n d ; es ist q u a D a s e i n n i e a n d e r s u n d das f r e i l i c h , o h n e d a b e i sich zu verlassen; dieses H e r a u s t r e t e n zu . . . ist das D a s e i n selbst, sein Wesen. Es b r a u c h t »sich« n i c h t zu verlassen, w e i l es als H e r a u s t r e t e n es selbst ist. » H e r a u s « : d e m s c h e i n t n u n d o c h e i n » I n n e n « zu e n t s p r e c h e n . G e w i ß , d i e F r a g e ist n u r , w i e es b e s t i m m t w i r d u n d o b es so g e f a ß t w e r d e n m u ß , w i e die ü b e r l i e f e r t e L e h r e v o n d e r I m m a n e n z , d e m I n n e b l e i b e n des B e w u ß t s e i n s es t u t . D i e A r t u n d Weise, w i e das D a s e i n b e i sich ist, w i r d w e s e n t l i c h m i t b e s t i m m t d u r c h die Art, w i e es als bei sich seiendes g l e i c h w o h l w e s e n h a f t h e r a u s t r e t e n d e s ist. Wenn n u n aber Dasein u n d Dasein nie neben d e m anderen existiert, d a n n h e i ß t das: Jedes ist als w e s e n h a f t h e r a u s t r e t e n d e s a u c h s c h o n e i n g e t r e t e n i n d i e O f f e n b a r k e i t des a n d e r e n . Sie h a l t e n sich n o t w e n d i g , a u c h w e n n sie sich n i c h t u m e i n a n d e r k ü m m e r n , als D a - s e i n , das sie sind, in d e r s e l b e n S p h ä r e von O f f e n b a r k e i t ; diese q u a D a s e i n m i t sich b r i n g e n , h e i ß t : sie m i t teilen mit Seiendem seinesgleichen. I m Wesen eines Da-seins l i e g t das M i t - s e i n , a u c h d a n n , w e n n f a k t i s c h e i n a n d e r e s Seiendes g a r n i c h t existiert. D a s e i n b r i n g t schon d i e S p h ä r e m ö g l i c h e r N a c h b a r s c h a f t m i t sich; es ist v o n H a u s e aus schon N a c h b a r zu . . ., w ä h r e n d z.B. zwei S t e i n e n i c h t b e n a c h b a r t sein k ö n n e n . I m M i t - s e i n l i e g t a b e r W e g - u n d F r e i g a b e des D a — als o f f e n b a r e r A u f g e b r o c h e n h e i t , i n d e r S e i e n d e s je n a c h s e i n e r Art seinerseits sich b e k u n d e n k a n n . D e m n a c h ist die E n t d e c k t h e i t v o n V o r h a n d e n e m , d i e i m ent-
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d e c k e n d e n S e i n b e i . . . e r w ä c h s t , solches, w a s zur Erschlossenheit des D a g e h ö r t . N u r ein i n d e m b e s a g t e n S i n n sich e r s c h l i e ß e n d e s S e i e n d e s k a n n , ja m u ß e n t d e c k e n d sein. J e d e E n t d e c k t h e i t v o n V o r h a n d e n e m ist d a h e r — als z u g e h ö r i g zur Krschlossenheit eines D a s e i n s — n o t w e n d i g a u c h s c h o n w e g g e g e b e n u n d geteilt, w e i l die E r s c h l o s s e n h e i t des D a , d . h . das Da-sein n o t w e n d i g M i t - s e i n ist. E n t d e c k e n d s e i n g e h ö r t z u r E r schlossenheit u n d s o m i t z u m D a - s e i n . Weil sie i n dieser Weise z u m D a - s e i n g e h ö r t u n d w e i l zur E r s c h l o s s e n h e i t des S e i n s G e m e i n s a m e s u n d d e s h a l b A n z e i g e des M i t s e i n s g e h ö r t , g e r a d e d e s h a l b ist sie n i c h t u n d n i e e i n g e h e g t , Einzelbesitz, s o n d e r n i m sich e r s c h l i e ß e n d e n M i t - s e i n solches, w o r e i n sich jedes D a s e i n schon t e i l t m i t . . . So ist die i n n e r e M ö g l i c h k e i t des M i t e i n a n d e r s e i n s als e i n e r w e s e n h a f t e n S e i n s a r t des D a s e i n s a u f g e h e l l t . D a b e i w u r d e gesehen, wie W a h r h e i t q u a U n v e r b o r g e n h e i t des V o r h a n d e n e n f ü r e m M i t e i n a n d e r k o n s t i t u t i v ist u n d u r s p r ü n g l i c h z u m D a s e i n gehört, i n d e r Weise, d a ß E n t d e c k t h e i t i h r e r s e i t s n u r m ö g l i c h ist in d e r E r s c h l o s s e n h e i t des D a s e i n s , d . h . d e r j e n i g e n U n v e r b o r g e n h e i t , die das S e i e n d e , das w i r D a s e i n n e n n e n , m i t sich b r i n g t . W i r h a b e n das M i t e i n a n d e r s e i n als W e s e n s s t r u k t u r des D a seins s i c h t b a r g e m a c h t , u n d z w a r a u f e i n e m b e s t i m m t e n , m i t Absicht g e w ä h l t e n W e g e , d e r n o t w e n d i g e i n e E i n s e i t i g k e i t i n sich schließt, d i e a b e r g l e i c h w o h l n i c h t ins G e w i c h t f ä l l t . Auf diesem s c h e i n b a r e E i n s e i t i g k e i t m ü s s e n w i r jetzt k u r z zu s p r e c h e n k o m m e n , w e i l sich l e i c h t M i ß v e r s t ä n d n i s s e f e s t s e t z e n k ö n n e n u n d w e i l die B e s t i m m u n g des M i t e i n a n d e r als W e s e n s b e s t i m m u n g des D a s e i n s z u m Teil u n t e r s c h ä t z t , z u m Teil ü b e r s c h ä t z t wird. W i r h a b e n das M i t e i n a n d e r s e i n d e m o n s t r i e r t a n e i n e m n ä c h s t g e l e g e n e n M i t e i n a n d e r s e i n bei d e r v o r h a n d e n e n Kreide. G e w i ß w i r d Sie schon m e h r f a c h d e r E i n w a n d b e w e g t h a b e n : Das Sein bei e i n e m s e l b i g e n V o r h a n d e n e n m a g z w a r e i n e n » M o dus« des M i t e i n a n d e r s e i n s d a r s t e l l e n , i n u n s e r e m Fall a b e r d o c h ein r e c h t ä u ß e r l i c h e s u n d g l e i c h g ü l t i g e s N e b e n e i n a n d e r u n d e i n
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Wahrheit — Dasein — Mit-sein
lockeres M i t e i n a n d e r . G e w i ß , a b e r das v e r s c h l ä g t n i c h t s dageg e n , d a ß a u c h in e i n e m s o l c h e n l o c k e r e n M i t e i n a n d e r sein W e s e n s i c h t b a r w i r d bzw. ein Wesensstück. D e n n das S e i n bei e i n e m S e l b i g e n ist, s t r e n g g e n o m m e n , n i c h t e i n M o d u s des M i t e i n a n d e r s e i n s , also e i n e b e s o n d e r e A r t u n t e r v i e l e n a n d e r e n , s o n d e r n e i n W e s e n s b e s t a n d eines j e g l i c h e n M i t e i n a n d e r ; d . h . u n s e r Sein bei der K r e i d e , d e m S c h w a m m u n d d e m , w a s h i e r v o r h a n d e n ist, g e h ö r t w e s e n h a f t zu u n s e r e m M i t e i n a n d e r , das n o c h d u r c h a n d e r e s k o n s t i t u i e r t w i r d — m e i n e Vorlesung, I h r H ö r e n d e r s e l b e n ; a b e r zu d i e s e m g e h ö r t das Sein bei Vorhand e n e m , w e n n a u c h n i c h t n o t w e n d i g g e r a d e dieses; a u c h d r a u ß e n i m G e b i r g e i r g e n d w o ist das M i t e i n a n d e r ein Sein bei . . . s o l c h e m , w a s d a g e r a d e o f f e n b a r ist a m jederzeit V o r h a n d e n e n . N u n h ö r t e n w i r schon: I n d e m t r a d i t i o n e l l e n S u b j e k t b e g r i f f w i r d das S e i n bei . . . ausgelassen; es ist a u c h , w i e w i r n o c h s e h e n w e r d e n , n o c h n i c h t d a d u r c h als W e s e n s m o m e n t d e r S u b j e k t i v i t ä t g e f a ß t , w e n n m a n das S u b j e k t als i n t e n t i o n a l e s B e w u ß t s e i n n i m m t . Intentionalität gewinnt nicht ihre w a h r e u n d zentrale Auswirkung, solange »Bewußtsein« bleibt u n d nicht gerade m i t H i l f e d e r I n t e n t i o n a l i t ä t die I n t e r p r e t a t i o n des M e n s c h e n v o m B e w u ß t s e i n h e r g e s p r e n g t w i r d . W e i l n u n a b e r das S u b j e k t g l e i c h s a m b e s c h n i t t e n u m dieses S e i n b e i . . . g e d a c h t w i r d , ein R u m p f s u b j e k t , k o m m t a u c h die F r a g e n a c h d e m M i t e i n a n d e r s e i n u n d dessen W e s e n a u f e i n e v e r k e h r t e B a h n . Weil b e i d e S u b j e k t e u n t e r b e s t i m m t sind, m u ß g l e i c h s a m f ü r die Vermittl u n g b e i d e r e i n e r e i c h e r e V e r a n s t a l t u n g g e t r o f f e n w e r d e n , als d e m W e s e n n a c h n o t w e n d i g ist. D i e U n t e r b e s t i m m u n g d e r Subj e k t i v i t ä t v e r u r s a c h t e i n e U b e r b e s t i m m u n g d e r B e z i e h u n g von S u b j e k t zu S u b j e k t . D e n n jetzt h a t m a n zwei S u b j e k t e — aber z u n ä c h s t so, d a ß n o c h k e i n e K o m m u n i k a t i o n m ö g l i c h ist — u n d o r i e n t i e r t das P r o b l e m d a r a u f , w i e diese b e i d e n R u m p f s u b j e k t e zusammenkommen. D a s S u b j e k t , das m a n d a b e i sicher zu h a b e n m e i n t , ist das e i g e n e Ich, das I c h - S u b j e k t , das f r e i l i c h n i c h t als alleiniges in s e i n e m A l l e i n s e i n a n g e s e t z t w i r d ; das a n d e r e w i r d d a h e r z u m
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D u - S u b j e k t , b e i d e m g l e i c h f a l l s j e n e B e s t i m m u n g f e h l t , d . h . ein zweites Ich. N u n e r h e b t sich d i e F r a g e , w i e e i n erstes I c h zu e i n e m z w e i t e n I c h k o m m t , u n d w i e d u r c h dieses Z u s a m m e n k o m m e n z w e i e r I c h e e i n M i t e i n a n d e r e n t s t e h t . W e n n diese beiden z u s a m m e n sind, l ä ß t m a n sie b e r a t s c h l a g e n , w i e sie sich zu e i n e m g e m e i n s a m e n D i n g d r a u ß e n v e r h a l t e n k ö n n e n . D a s P r o b l e m des M i t e i n a n d e r w i r d i n s e i n e m Ansatz das P r o b l e m der s o g e n a n n t e n I c h - D u - B e z i e h u n g , u n d die Weise d e r Konstit u t i o n d e r s e l b e n b e z e i c h n e t m a n als E i n f ü h l u n g ; sie ist das Fenster, d u r c h das g l e i c h s a m e i n S u b j e k t , das sich jeweils in einem Gehäuse befindet, zum anderen hinübersteigt. Aber s o f e r n ü b e r h a u p t das M i t e i n a n d e r als P r o b l e m auf d e n N e n n e r d e r » E i n f ü h l u n g « g e b r a c h t w i r d , ist — w i e i m m e r E i n f ü h l u n g gefaßt werden m a g — die entscheidende Einsicht nicht g e w o n n e n , d a ß das M i t e i n a n d e r z u m W e s e n des D a s e i n s als solchem s c h o n g e h ö r t , so zwar, d a ß dieses D a s e i n als solches auch s c h o n S e i n bei . . . ist. D a s e i n ist M i t e i n a n d e r s e i n b e i . . . W e n n so das M i t e i n a n d e r als z u m W e s e n jedes D a s e i n s g e h ö r i g g e f a ß t w i r d , so h e i ß t das nicht, es sei k e i n P r o b l e m , i m G e g e n t e i l , w i r z e i g e n ja, w i e n u n g e r a d e n a c h d e r i n n e r e n M ö g l i c h k e i t des M i t e i n a n d e r g e f r a g t w e r d e n m u ß u n d w i e diese F r a g e aus d e r A u f h e l l u n g des D a seins als s o l c h e m i h r e A n t w o r t f i n d e t . N u r w e i l jedes D a s e i n als solches v o n H a u s e aus — wie, w u r d e in e i n e r H i n s i c h t gezeigt — e i n M i t s e i n ist, d. h . M i t e i n a n d e r , n u r d e s h a l b ist m e n s c h l i c h e G e m e i n s c h a f t u n d G e s e l l s c h a f t m ö g lich, in d e n v e r s c h i e d e n e n A b w a n d l u n g e n , S t u f e n u n d G r a d e n der E c h t h e i t u n d U n e c h t h e i t , D a u e r h a f t i g k e i t u n d F l ü c h t i g keit. O b n i c h t a b e r das S e i n bei . . . d o c h e i n e n V o r r a n g h a t ? W i e l ä ß t sich d a r a u s das M i t d a s e i n h e r a u s k l a u b e n , n ä m l i c h als Apriori des d a r i n ( i m M i t s e i n ) V e r s t a n d e n e n ? Es k a n n i m m e r n u r gezeigt w e r d e n , w i e e i n a n d e r e r als solcher ontisch e r k a n n t wird. A b e r selbst h i e r z u ist H u s s e r l s W e g u n g a n g b a r , erstens weil er n o c h i n e i n e idealistisch u n k l a r g e d a c h t e egologische
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Wahrheit — Dasein — Mit-sein
S p h ä r e g e b a n n t bleibt, u n d z w e i t e n s w e i l e r a m p u r e n D i n g u n d D a t e n e r f a s s e n o r i e n t i e r t ist s t a t t a n k o n k r e t e n E x i s t e n z b e zügen. W e n n m a n das Sein b e i . . . g a n z w e i t f a ß t , als Sein bei »And e r e m « , i n d i f f e r e n t S e i e n d e m , das w i r n i c h t sind, so ist e b e n diese I n d i f f e r e n z n i c h t d i e U n b e s t i m m t h e i t d e r L e e r e , s o n d e r n der Fülle; m a n n i m m t d a n n den i m Mitsein liegenden Entwurf s c h o n h i n e i n . D a ß M i t s e i n m i t . . . V o r r a n g h a t , b e l e g t sich aus d e m f a k t i s c h e n Verhältnis, w o n a c h g e r a d e d e r » P r i m i t i v e « das »andere«, auch Dinge, personifiziert, lebendig n i m m t .
§ 19. Leibniz'
Monadologie und die des Miteinanderseins
Interpretation
D a s P r o b l e m des M i t e i n a n d e r s e i n s ist n i c h t erst e i n e F r a g e der B e z i e h u n g v o n S u b j e k t zu S u b j e k t , s o n d e r n v o r d e m e i n Prob l e m , das zur W e s e n s b e s t i m m u n g e i n e s S u b j e k t s als s o l c h e m g e h ö r t . F a k t e n des M i t e i n a n d e r s e i n s w a r e n i m m e r b e k a n n t . S c h o n Aristoteles s p r i c h t v o m M e n s c h e n als ζφον πολιτικόν, e i n e m L e b e w e s e n , das i n G e m e i n s c h a f t sein k a n n . N u r - w e i l d e r M e n s c h e i n solches W e s e n ist, k a n n e r a u c h e i n H e r d e n t i e r sein, w i e N i e t z s c h e zu s a g e n p f l e g t . D i e s e s P r o b l e m d e r G e m e i n s c h a f t w u r d e also i m m e r s c h o n i n d e r P h i l o s o p h i e , i m besond e r e n i n d e r E t h i k a b g e h a n d e l t , a b e r als P r o b l e m d e r M e t a p h y sik des D a s e i n s w u r d e es n i c h t gestellt. N u r i n d i r e k t u n d z u m e r s t e n M a l e w i r d b e i L e i b n i z d e r geg e n s e i t i g e V e r k e h r d e r S u b j e k t e zur F r a g e i n s e i n e r » M o n a d o logie« 1 . Es g e s c h i e h t i n d i r e k t , d e n n a u c h h i e r ist das e r s t e die 1
Zu Leibniz »Monadologie« und die Interpretation des Miteinanderseins vgl. Logik-Vorlesung Sommersemester 1928, Manuskriptseiten 25-35. (Martin Heidegger, Metaphysische Anfangsgrunde der Logik im Ausgang von Leibniz Marburger Vorlesung Sommersemester 1928. Gesamtausgabe Band 26, herausgegeben von Klaus Held. Frankfurt a. M. 1978; 2., durchgesehene Aufl 1990. S. 86-122.)
§ 19. Leibniz'
Monadologie
und das Miteinandersein
143
des S u b j e k t b e g r i f f e s i m t r a d i t i o n e l l e n S i n n als a b e r f r e i l i c h in e i n e r w e s e n t l i c h e n V e r t i e f u n g u n d E r w e i t e r u n g . Z u f o l g e dieser m o n a d o l o g i s c h e n I n t e r p r e t a tion des S u b j e k t s k o m m t L e i b n i z zu e i n e r b e s t i m m t e n A u f f a s s u n g ü b e r das m ö g l i c h e C o m m e r c i u m d e r S u b j e k t e , i h r e n Verkehr u n t e r sich. D a s M i t e i n a n d e r von M e n s c h u n d M e n s c h ist ein Fall des Verkehrs v o n S u b s t a n z e n ü b e r h a u p t . Bestimmung
Rumpfsubjekt,
D i e L e i b n i z s c h e » M o n a d o l o g i e « k ö n n e n w i r n u r k u r z vorn e h m e n , u m g e g e n sie die v o r s t e h e n d e I n t e r p r e t a t i o n des Daseins u n d M i t e i n a n d e r s e i n s a b z u h e b e n u n d so das G e s a g t e d u r c h Vergleich z u s a m m e n f a s s e n d zu v e r d e u t l i c h e n . F r e i l i c h ließe sich a u c h zeigen, w i e die » M o n a d o l o g i e « g e r a d e erst d e n R e i c h t u m u n d die T i e f e d e r K o n z e p t i o n o f f e n b a r t , w e n n m a n sie n i c h t n u r v o n d e m t r a d i t i o n e l l e n S u b j e k t b e g r i f f aus zu fassen sucht, d e n L e i b n i z selbst d u r c h d i e » M o n a d o l o g i e « so w e n i g u b e r w u n d e n h a t , d a ß er i h n g e r a d e h i e r z u voraussetzt. Von d e m a b g e s e h e n , ist a b e r die L e i b n i z s c h e M o n a d e e i n e d e r k ü h n s t e n I d e e n , die ü b e r h a u p t seit P i a t o n i n d e r P h i l o s o p h i e l e b e n d i g wurden. L e i b n i z b e z e i c h n e t d i e S u b s t a n z e n als M o n a d e n — griechisch m o n a s = E i n h e i t —, als E i n h e i t e n . E i n h e i t b e d e u t e t : E i n f a c h h e i t , das U r s p r ü n g l i c h e , das G a n z e B e s t i m m e n d e , E i n z e l h e i t ; τόδε τι, Aristoteles' ούσία. εν — ôv — ούσία, vgl. M e t a p h y s i k Γ 2, 1003 b 2 3 / b 32. Jedes S e i e n d e als S e i e n d e s ist n a c h d e r a n t i k e n L e h r e bei P i a t o n u n d Aristoteles jeweils Eines; es ist d u r c h e i n e ganz spezifische E i n h e i t k o n s t i t u i e r t . N a c h L e i b n i z ist i n d i e s e r spezifischen E i n h e i t e i n e s j e d e n S e i e n d e n s e i n S e i n e i g e n t l i c h b e g r ü n d e t . M o n a s ist f ü r L e i b n i z das u r s p r ü n g l i c h E i n h e i t gebende, e i n i g e n d e E i n f a c h e u n d als e i n i g e n d e s Vereinzelndes. D e s h a l b b e z e i c h n e t er jedes f ü r sich S e i e n d e i m H i n b l i c k auf diese p r i m ä r e B e s t i m m u n g d e r E i n h e i t als M o n a d e : d i e v o r w e g und einfach einigende u n d ineins damit vereinzelnde Einheit. D a s P r o b l e m d e r M o n a d e ist also n i c h t s a n d e r e s als das wied e r a u f g e n o m m e n e Problem der Substanzialität der Substanz oder, w i e w i r a u c h s a g e n k ö n n e n , d e r S u b j e k t i v i t ä t des Subjekts;
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Wahrheit — Dasein — Mit-sein
d e n n S u b j e k t h e i ß t bei L e i b n i z , w i e i m G r u n d e a u c h n o c h bei K a n t , s u b i e c t u m , das Z u g r u n d e l i e g e n d e , ύποκείμενον, das, was v o n sich h e r ist. N a c h L e i b n i z sind alle M o n a d e n , alle — a u c h die k ö r p e r l i c h e n — S u b s t a n z e n , also d i e E l e m e n t a r t e i l c h e n eines Körpers, beseelt. D a ß die M o n a d e beseelt ist, h e i ß t : m o n a s h a t vis, D r a n g , nisus; a p p e t i t u s , r e p r a e s e n t a t i o . Von G r u n d aus ist sie e i n i g e n d , v o r w e g in E i n h e i t n e h m e n d u n d h a l t e n d , w a s sie vorstellt; j e d e M o n a d e spiegelt je das G a n z e des S e i e n d e n , a b e r j e d e v o n verschiedenem Augenpunkt her u n d verschieden nach Graden der W a c h h e i t . Es g i b t d u m p f e , d ä m m e r n d e , s c h l a f e n d e M o n a d e n , d i e das K ö r p e r l i c h e als solches k o n s t i t u i e r e n . Von diesen g i b t es e i n e S t u f e n l e i t e r bis zur Z e n t r a l m o n a d e Gott, G o t t i m S i n n e d e r c h r i s t l i c h e n T h e o l o g i e g e d a c h t . Von d a aus v e r s t e h t m a n , wesh a l b L e i b n i z j e d e M o n a d e als ein s p e c u l u m vitale, e i n e n l e b e n d i g e n Spiegel b e z e i c h n e t . D i e M o n a d e v e r s c h a f f t sich i m D r a n g selbst, i n d e m , w a s u n d w i e sie ist, jeweils d i e s e n A n b l i c k des G a n z e n , g e s e h e n aus e i n e m b e s t i m m t e n A u g e n p u n k t . S o f e r n jede M o n a d e aus e i n e m b e s t i m m t e n A u g e n p u n k t v o n sich aus das G a n z e vorstellt, ist sie i n gewisser Weise das U n i v e r s u m . D a h e r b e z e i c h n e t L e i b n i z die M o n a d e als m u n d u s c o n c e n t r a t u s . J e d e M o n a d e v e r e i n z e l t als solche sich selbst; j e d e M o n a d e ist je f ü r sich das G a n z e » b i l d e n d « . A u c h das D a s e i n , die M e n s c h e n w e r d e n als M o n a d e n g e f a ß t . Aus sich b i l d e n d b e d ü r f e n sie w e s e n h a f t n i c h t des E m p f a n g e n s , i n i h r e m W e s e n liegt k e i n e R e c e p t i v i t ä t v o n a u ß e n . M o n a d e n h a b e n k e i n e F e n s t e r , w e i l sie k e i n e b r a u c h e n ; sie b r a u c h e n k e i n e , w e i l sie alles i n sich h a b e n , s c h l e c h t h i n geschlossen sind, n i c h t o f f e n . Sie b e d ü r f e n k e i n e s K o m m e r z i u m s , k e i n e s Bezugs zu a n d e r e n , s o n d e r n i n a l l e n ist je das G a n z e u n d alle sind d u r c h das G a n z e i m S i n n e d e r h ö c h s t e n M o n a d e als e n t i a creata. » E i n f ü h l u n g « d a g e g e n gibt d e r M o n a d e F e n s t e r , ja die E i n f ü h l u n g ist g l e i c h s a m das F e n s t e r . D a g e g e n b e s a g t u n s e r e I n t e r p r e t a t i o n m i t L e i b n i z : D i e Mon a d e , das D a s e i n h a t k e i n e FensteT, w e i l sie k e i n e b r a u c h t . A b e r
§20.
Gemeinschaß
auf dem Grunde des Miteinander
145
die B e g r ü n d u n g ist v e r s c h i e d e n : D i e M e n s c h e n b r a u c h e n k e i n e , n i c h t , w e i l sie n i c h t h i n a u s zu g e h e n b r a u c h e n , s o n d e r n w e i l sie w e s e n h a f t s c h o n d r a u ß e n sind. D i e s e B e g r ü n d u n g a b e r ist I n d e x einer 1 total a n d e r e n W e s e n s b e s t i m m u n g des S u b j e k t s . Es gilt n i c h t , d e n m o n a d o l o g i s c h e n Ansatz zu e r g ä n z e n u n d d u r c h E i n f ü h l u n g zu v e r b e s s e r n , s o n d e r n zu r a d i k a l i s i e r e n .
§ 20. Gemeinschaft
auf dem Grunde
des
Miteinander
Auf d e m G r u n d e des M i t e i n a n d e r w i r d G e m e i n s c h a f t m ö g l i c h , aber n i c h t k o n s t i t u i e r t erst e i n e G e m e i n s c h a f t v o n I c h e n das M i t e i n a n d e r . » K o n s t i t u t i o n « des M i t e i n a n d e r ist z w e i d e u t i g , w i e d e r B e g r i f f d e r K o n s t i t u t i o n es l e i c h t w i r d ; a) b e s a g t er, w i e i m N e u k a n t i a n i s m u s , A u f b a u i m S i n n e des E n t s t e h e n l a s s e n s aus e i n f a c h e n , f r e i l i c h n i c h t p s y c h o l o g i s c h e n E l e m e n t e n ; d a n n w i r d er h i e r z u m m i n d e s t e n sinnlos; b) b e s a g t e r a b e r N a c h w e i s des i n sich i m m e r s c h o n g a n z e n u n d u n z e r t e i l b a r e n W e s e n s b a u es; d a n n ist er b e r e c h t i g t , a b e r f r e i l i c h i m m e t h o d i s c h e n C h a r a k t e r zu b e g r ü n d e n . D a s M i t e i n a n d e r ist n i c h t als e t w a s E l e m e n t a r e s h e r z u l e i t e n , w o h l a b e r m u ß es h i n s i c h t l i c h d e r i h m z u g e h ö r i g e n W e s e n s b e s t ä n d e , die a l l e g l e i c h u r s p r ü n g l i c h sind, a u f g e h e l l t w e r d e n . I n n e r h a l b dieses W e s e n s b e s t a n d e s , d e r zu jedem einzelnen Dasein gehört, bleibt f ü r » E i n f ü h l u n g « kein Platz. D e n n w e n n dieses W o r t ü b e r h a u p t n o c h e i n e n S i n n h a b e n soll,1 d a n n n u r auf G r u n d d e r Voraussetzung, d a ß e b e n das » I c h « z u n ä c h s t i n s e i n e r I c h s p h ä r e sein k a n n u n d d a n n v o n d a i n d e n a n d e r e n u n d dessen S p h ä r e h i n e i n m u ß . D a s » I c h « b r i c h t w e d e r erst aus sich h e r a u s (aus d e m F e n s t e r ) , w e i l es s c h o n d r a u ß e n ist, n o c h b r i c h t es i n d e n a n d e r e n h i n e i n , w e i l es sich m i t d i e s e m schon d r a u ß e n t r i f f t u n d d a g e r a d e , w i e sich zeigen l ä ß t , in e i n e m e c h t e n Sinne. D a s M i t e i n a n d e r ist also n i c h t d u r c h die I c h - D u - B e z i e h u n g u n d a u s i h r zu e r k l ä r e n , s o n d e r n u m g e k e h r t : D i e s e I c h - D u B e z i e h u n g setzt f ü r i h r e i n n e r e M ö g l i c h k e i t voraus, d a ß je schon
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Wahrheit — Dasein — Mit-sein
das D a s e i n , s o w o h l das als I c h f u n g i e r e n d e als a u c h das D u , als M i t e i n a n d e r s e i n b e s t i m m t ist, ja n o c h m e h r : Sogar die Selbste r f a s s u n g e i n e s I c h u n d d e r Begriff v o n I c h h e i t e r w ä c h s t erst auf d e m G r u n d e des M i t e i n a n d e r , a b e r n i c h t als I c h - D u - B e z i e h u n g . E s ist gleich irrig, das M i t e i n a n d e r erst v o n e i n e m I c h r u m p f aus e n t s t e h e n zu lassen, w i e zu m e i n e n , die I c h - D u - B e z i e h u n g sei d i e Basis, u m v o n i h r aus das D a s e i n als solches zu b e s t i m m e n ; s t a t t des egoistischen solipsistischen Ansatzes ein Altruism u s — so w i r d d e r F e h l e r n u r v e r d o p p e l t , u n d es g i b t e i n e n Solipsismus zu z w e i e n . E b e n s o i r r i g ist es, das M i t e i n a n d e r als alleiniges P r i n z i p a n z u s e h e n . I n s e i n e m W e s e n ist das S e i e n d e , das w i r je sind, d e r M e n s c h , e i n N e u t r u m . W i r n e n n e n dieses Seiende: das D a s e i n . A b e r z u m W e s e n dieses N e u t r u m s g e h ö r t es, d a ß es, s o f e r n es je f a k t i s c h existiert, n o t w e n d i g s e i n e N e u t r a l i t ä t g e b r o c h e n h a t , d . h . das D a s e i n ist als f a k t i s c h e s je e n t w e d e r m ä n n l i c h o d e r w e i b l i c h , es ist G e s c h l e c h t s w e s e n ; d a s s c h l i e ß t e i n ganz b e s t i m m t e s M i t u n d Z u e i n a n d e r i n sich ein. D i e G r e n z e u n d W e i t e d e r A u s w i r k u n g dieses C h a r a k t e r s ist f a k t i s c h je v e r s c h i e d e n ; es l ä ß t sich n u r zeigen, w e l c h e M ö g l i c h k e i t e n d e r m e n s c h l i c h e n E x i s t e n z nicht notwendig durch das Geschlechtsverhältnis bestimmt sind. Allein, g e r a d e dieses G e s c h l e c h t s v e r h ä l t n i s ist n u r m ö g lich, w e i l das D a s e i n i n s e i n e r m e t a p h y s i s c h e n N e u t r a l i t ä t s c h o n d u r c h das M i t e i n a n d e r b e s t i m m t ist. W ä r e n i c h t s c h o n jedes D a s e i n , das f a k t i s c h je m ä n n l i c h oder w e i b l i c h ist, s e i n e m W e s e n n a c h m i t e i n a n d e r , d a n n b l i e b e ein G e s c h l e c h t s v e r h ä l t n i s als m e n s c h l i c h e s s c h l e c h t h i n u n m ö g l i c h . Es ist d a h e r d e r g r ö b s t e W i d e r s i n n , d e r sich a u s d e n k e n läßt, w e n n m a n v e r s u c h t , das M i t e i n a n d e r als W e s e n s b e s t i m m u n g des D a s e i n s u m g e k e h r t aus d e m G e s c h l e c h t s v e r h ä l t n i s zu erklären. Ludwig Feuerbach hat in einer blinden und unzureichenden Opposition gegen den deutschen Idealismus diesen I r r t u m a u f g e b r a c h t , e i n e n I r r t u m , d e n m a n h e u t e zu e r n e u e r n v e r s u c h t , d e r a b e r n i c h t d a d u r c h zur W a h r h e i t w i r d , d a ß m a n die groben Materialismen Feuerbachs m i t Hilfe der heutigen
§ 20. Gemeinschaft
auf dem Grunde des Miteinander
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P h ä n o m e n o l o g i e s c h m a c k h a f t e r zu m a c h e n s u c h t . D i e G r u n d these d e r F e u e r b a c h s c h e n A n t h r o p o l o g i e , s e i n e r L e h r e v o m Menschen, l a u t e t : D e r M e n s c h ist, w a s er ißt. D i e s e T h e s e h a t etwas R i c h t i g e s — a b e r i m m e r , w e n n e t w a s H a l b w a h r e s zu einem universalen Prinzip erklärt wird, entsteht Verwirrung. Z u m W e s e n des M e n s c h e n g e h ö r t diese g e b r o c h e n e N e u t r a lität seines Wesens, d. h . aber, dieses W e s e n k a n n n u r p r i m ä r v o n der N e u t r a l i t ä t a u s z u m P r o b l e m g e m a c h t w e r d e n , u n d n u r m i t Bezug auf diese N e u t r a l i t ä t ist d e r B r u c h d e r N e u t r a l i t ä t selbst m ö g l i c h . I n d i e s e m P r o b l e m ist die G e s c h l e c h t l i c h k e i t n u r e i n M o m e n t u n d . z w a r n i c h t das P r i m ä r e ( G e w o r f e n h e i t ) . W e i l n u n das D a s e i n als leibliches existiert, u n t e r l i e g t d i e f a k t i s c h e E r fassung des a n d e r e n d u r c h d e n e i n e n u n d des e i n e n d u r c h d e n a n d e r e n b e s t i m m t e n B e d i n g u n g e n ; a b e r die l e i b l i c h m i t b e d i n g ten Bezüge des Erfassens von Dasein u n d Dasein konstituieren n i c h t das M i t e i n a n d e r , s o n d e r n setzen es v o r a u s u n d sind i h r e r seits d a d u r c h b e s t i m m t . U m n u n v o n A n f a n g d e u t l i c h zu m a c h e n , d a ß das M i t e i n a n der p r i m ä r w e d e r auf d e m W e g e ü b e r e i n v e r e i n z e l t e s Ich zustande k o m m t , n o c h aus d e m I c h - D u - V e r h ä l t n i s e r k l ä r t w e r den k a n n , w u r d e die A n a l y s e i m S e i n bei e i n e m V o r h a n d e n e n angesetzt. A b e r w e n n das Sein bei . . . ein W e s e n s m o m e n t des M i t e i n a n d e r ist, d a n n m u ß das S e i n bei . . . a u c h b e s t i m m e n d bleiben f ü r die v e r s c h i e d e n e n f a k t i s c h e n M ö g l i c h k e i t e n des M i t e i n a n d e r , d e r G e m e i n s c h a f t beispielsweise. W i r w i s s e n zur G e n ü g e , d a ß z.B. e c h t e u n d g r o ß e F r e u n d s c h a f t w e d e r d a d u r c h e n t s t e h t n o c h d a r i n b e s t e h t , d a ß e i n Ich u n d ein D u i n i h r e r I c h - D u - B e z i e h u n g e i n a n d e r r ü h r s e l i g a n s c h a u e n u n d sich m i t i h r e n b e l a n g l o s e n S e e l e n n ö t e n u n t e r h a l ten, s o n d e r n d a ß sie w ä c h s t u n d s t a n d h ä l t i n e i n e r e c h t e n L e i d e n s c h a f t f ü r e i n e g e m e i n s a m e Sache, w a s n i c h t ausschließt, s o n d e r n v i e l l e i c h t f o r d e r t , d a ß j e d e r je sein v e r s c h i e d e n e s W e r k h a t u n d v e r s c h i e d e n zu W e r k e g e h t . Es sei n u r a n die F r e u n d s c h a f t z w i s c h e n G o e t h e u n d Schiller e r i n n e r t . A n d e r e r s e i t s ist n i c h t e n t s c h e i d e n d , was e i n e r t r e i b t , s o n d e r n
128
Wahrheit — Dasein — Mit-sein
w i e er es t u t ; a b e r in e i n e m b e s t i m m t e n W i e k a n n er n u r e x , stieren, w e n n e r e i n Was e r g r i f f e n h a t , das d u r c h das Wi ( . d u r c h w a l t e t w e r d e n soll. I m m e r a b e r ist das S e i n bei Gemein s a m e m w e s e n t l i c h f ü r das M i t e i n a n d e r . F r e i l i c h ist d a m i t die I n t e r p r e t a t i o n des W e s e n s des Mitein a n d e r s e i n s n i c h t e r s c h ö p f t ; i n w e l c h e r R i c h t u n g sie auszuarbei t e n ist u n d u n s n o c h b e s c h ä f t i g e n w i r d , w u r d e schon deutlich D a s S e i e n d e q u a M e n s c h ist solches, das s e i n » D a « m i t sich b r i n g t , die O f f e n b a r k e i t , i n n e r h a l b d e r e n zuerst das D a s e i n aus d r ü c k l i c h zu sich selbst sich v e r h a l t e n u n d i n d e n verschiedenen W e i s e n es selbst sein k a n n . Selbst u n d I c h sind n i c h t das Gleiche Dieses Selbstsein des D a s e i n s a b e r k o m m t w i e d e r u m n i c h t erst z u s t a n d e d u r c h R e f l e x i o n auf sich, a u c h das reflexionslose Aufg e h e n bei e t w a s ist e i n Selbstsein. D a r a u s w i r d schon deutlich d a ß D a s e i n g l e i c h u r s p r ü n g l i c h i m m e r s c h o n S e i n bei . . ., Mitsein u n d Selbstsein ist. Es b l e i b t d i e F r a g e n a c h d e r Einheit dieser u n d n o c h a n d e r e r W e s e n s b e s t i m m u n g e n . F ü r u n s e r e n ä c h s t e A b s i c h t m u ß es g e n ü g e n , d u r c h die vorl ä u f i g e , a b e r i m m e r auf das G a n z e o r i e n t i e r t e I n t e r p r e t a t i o n des M i t e i n a n d e r die S e i n s a r t des Z u s a m m e n s e i n s v o n D a s e i n und u n d D a s e i n g e g e n ü b e r d e m Z u s a m m e n - V o r h a n d e n s e i n zweier D i n g e v e r d e u t l i c h t zu h a b e n , die zwei e x t r e m e A r t e n des Seins bilden. G ä n z l i c h a u s g e s c h a l t e t b l e i b t d i e F r a g e n a c h d e m Wesen des » L e b e n s « , d e r » T i e r h e i t « , des p f l a n z l i c h e n Seins. W e n n wir g a n z e h r l i c h sind, so w i s s e n w i r h e u t e n i c h t e i n m a l , w i e wir e i g e n t l i c h diese F r a g e s t e l l e n sollen, g a n z a b g e s e h e n von der Antwort.
FÜNFTES
KAPITEL
p e r Wesensbereich der W a h r h e i t u n d das Wesen der Wissenschaft
§21.
Zusammenfassung
der Interpretation
der
Wahrheit
[)er U n t e r s c h i e d d e r S e i n s a r t v o n D a s e i n u n d V o r h a n d e n e m sollte deutlich w e r d e n , u m zu zeigen, d a ß e n t s p r e c h e n d d e r V e r s c h i e d e n h e i t d e r S e i n s a r t die e n t s p r e c h e n d e W a h r h e i t ü b e r das b e t r e f f e n d e S e i e n d e v e r s c h i e d e n ist. D a s W e s e n d e r W a h r heit w u r d e e r f r a g t , u m d i e F r a g e zu b e a n t w o r t e n : Was ist Wissenschaft? N u n e r g a b sich das M e r k w ü r d i g e , d a ß sich u n s diese zweite F r a g e m i t d e r e r s t e n m i t b e a n t w o r t e t e . W i r f a n d e n bezüglich der Z u o r d n u n g v o n W a h r h e i t u n d S e i e n d e m ( v e r t r e ten durch D a s e i n u n d V o r h a n d e n e s ) e i n e R e i h e v o n w e s e n t l i chen Einsichten, die u n s zugleich e i n e n e r s t e n E i n b l i c k i n das Wesen der W a h r h e i t ü b e r h a u p t v e r s c h a f f e n . W i r fassen das B i s h e r i g e i n a c h t T h e s e n z u s a m m e n : 1 1. W a h r h e i t ist d e m V o r h a n d e n e n so z u g e o r d n e t , d a ß sie diesem Seienden z u k o m m e n k a n n , a b e r n i c h t m u ß , i n k e i n e m F a l l e aber zum W e s e n s b e s t a n d des V o r h a n d e n e n g e h ö r t . D i e U n v e r borgenheit von S e i e n d e m a b e r , das die S e i n s a r t d e r V o r h a n d e n heit hat, n e n n e n w i r E n t d e c k t h e i t . 2. W e n n V o r h a n d e n e s u n v e r b o r g e n ist, d . h . w e n n E n t d e c k t heit faktisch existiert, d a n n g e s c h i e h t es n u r so, d a ß e i n e n t d e k kendes Dasein existiert, d . h . Seiendes, zu d e s s e n Seinsverfassun g e s gehört, erschlossen, d . h . e i n D a zu sein. D a s D a s e i n ist Seiendes, das v o n sich aus u n v e r b o r g e n ist. D i e s e U n v e r b o r g e n heit des Daseins n e n n e n w i r E r s c h l o s s e n h e i t . ' r n voraus noch e i n m a l e r i n n e r n : W a h r h e i t ist Unverborgenheit, < " ι ort Seiendem, v o n w e l c h e r Seinsart dieses i m m e r sein m a g .
Offenbar-
150
Wesensbereich der Wahrheit — Wesen der
Wissenschaft
3. So e r g e b e n sich zwei G r u n d w e i s e n v o n U n v e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n , W a h r h e i t als E r s c h l o s s e n h e i t u n d als Entdeckt h e i t . Sie s i n d a u c h d e m i n i h m o f f e n b a r e n S e i e n d e n in ganz v e r s c h i e d e n e r Weise z u g e o r d n e t . 4. D i e s e V e r s c h i e d e n h e i t d e r Z u o r d n u n g v o n W a h r h e i t in B e z u g auf D a s e i n u n d V o r h a n d e n e s g e h t d a r a u f zurück, daß a u c h die W a h r h e i t des V o r h a n d e n e n , E n t d e c k t h e i t , in der Ers c h l o s s e n h e i t g r ü n d e t , die i h r e r s e i t s zur S e i n s v e r f a s s u n g des D a s e i n s g e h ö r t . E n t d e c k t h e i t v o n V o r h a n d e n e m ist n u r möglich in eins m i t , d. h . als z u g e h ö r i g zur E r s c h l o s s e n h e i t eines Daseins. 5. Weil a b e r D a - s e i n w e s e n h a f t erschlossenes ist, m u ß das Z u s a m m e n v o n D a s e i n u n d D a s e i n je ein M i t e i n a n d e r sein. D a s e i n ist q u a D a - s e i n w e s e n h a f t M i t s e i n m i t . . . Erst auf dem G r u n d e dieses M i t des je e i n z e l n e n D a s e i n s sind die verschied e n e n W e i s e n des Z u e i n a n d e r , F ü r e i n a n d e r , G e g e n - u n d Ohneeinander möglich. 6. Weil a b e r die E n t d e c k t h e i t w e s e n s m ä ß i g je erschlossene ist ( u n d n u r so sein k a n n , was sie ist), ist U n v e r b o r g e n h e i t des V o r h a n d e n e n etwas, was- das D a s e i n n o t w e n d i g i m m e r schon w e g g e g e b e n h a t . E n t d e c k t h e i t ist i n d e r O f f e n h e i t des Daseins g e t e i l t m i t . . ., a u c h o h n e d a ß e i n T e i l h a b e r f a k t i s c h zugegen ist. D u r c h d i e i n diesen sechs T h e s e n z u s a m m e n g e z o g e n e Interp r e t a t i o n d e r W a h r h e i t w e r d e n w i r i n s t a n d gesetzt, das Wesen d e r W a h r h e i t schon g r u n d s ä t z l i c h e r , w e n n g l e i c h i m m e r noch n i c h t h i n r e i c h e n d r a d i k a l u n d u n i v e r s a l zu b e s t i m m e n . Wir f o r m u l i e r e n diese B e s t i m m u n g e n i n zwei w e i t e r e n T h e s e n : 7. D a s D a s e i n ist w e s e n h a f t i n d e r W a h r h e i t . (Vgl. unten S. 2 0 4 f . ) 8. D i e W a h r h e i t existiert, d . h . i h r e S e i n s a r t ist die Existenz u n d das ist die Weise, i n d e r so e t w a s w i e D a s e i n ist. B e i d e T h e s e n g e h ö r e n a u f s i n n i g s t e z u s a m m e n , besagen aber n i c h t dasselbe. Z u n ä c h s t sind sie n u r so w e i t zu e r l ä u t e r n , als es f ü r die n ä c h s t e Absicht g e f o r d e r t ist, u m d a n n sogleich die V\·' s e n s b e s t i m m u n g d e r W i s s e n s c h a f t zu v e r s u c h e n . Ad 7. D e r Satz k a n n z u n ä c h s t b e d e u t e n : D a s D a s e i n ist l i n
§ 2i
Zusammenfassung
der Interpretation
der Wahrheit
151
der W a h r h e i t , i m Besitz d e r l e t z t e n u n d e r s t e n e n t s c h e i Besitz d nden E r k e n n t n i s s e . D o c h das ist n i c h t g e m e i n t . D i e T h e s e soll -hts d a r ü b e r s a g e n , w a s das D a s e i n a n W a h r h e i t e n f a k t i s c h besitzt sondern d a r ü b e r , d a ß die S e i n s v e r f a s s u n g des D a s e i n s der Ort des Wesens v o n W a h r h e i t ist. D i e W a h r h e i t b e d e u t e t hier nicht das e n t s c h e i d e n d e W a h r e u n d alles W a h r e z u s a m m e n , sondern soviel w i e W e s e n d e r W a h r h e i t q u a U n v e r b o r g e n h e i t . Der Satz m e i n t : D a s D a s e i n h ä l t sich als solches i n U n v e r b o r genheit von S e i e n d e m , zu w e l c h e m S e i e n d e n z u m i n d e s t Vorhandenes, Z u h a n d e n e s , a n d e r e s D a s e i n u n d das j e w e i l i g e Dasein als e i g e n e s g e h ö r t . A u f g e b r o c h e n h e i t des D a , U n v e r b o r genheit von S e i e n d e m g e h ö r t z u m W e s e n des Seins dieses Seienden. iDamit ist n o c h n i c h t gesagt, i n w e l c h e r W e i s e dieses g r u n d sätzlich m i t der E x i s t e n z v o n D a s e i n o f f e n b a r e S e i e n d e e i g e n s erfaßt oder a u c h n u r i n s e i n e r Seinsart a u s d r ü c k l i c h u n t e r s c h i e den u n d g e s c h i e d e n ist. D a h e r ist m i t d e m Satz als e i n e r Wesensaussage n i c h t s d a r ü b e r a u s g e m a c h t , w e l c h e b e s t i m m t e n Wahrheiten, in w e l c h e r Weise u n d i n w e l c h e r R e c h t f e r t i g u n g und Einsicht g e w o n n e n sind. Bei dieser G e l e g e n h e i t k ö n n e n w i r u n s k u r z d i e Z w e i d e u t i g keiten notieren, d i e i m B e g r i f f » W a h r h e i t « l i e g e n u n d o f t die Diskussionen i r r e f ü h r e n . E r s t e n s k a n n die W a h r h e i t h e i ß e n : die Wahrheit ü b e r etwas, d . h . e i n e W a h r h e i t , das W a h r e d a r ü b e r . Zweitens k a n n d i e W a h r h e i t a u c h h e i ß e n : alles, w a s es a n W a h rem gibt, das G a n z e des W a h r e n . I n dieser B e d e u t u n g ist das Wort g e n o m m e n , w e n n m a n sagt: G o t t ist die Q u e l l e aller W a h r heit. Drittens b e s a g t d i e W a h r h e i t das W e s e n des W a h r e n als Wahren. In d i e s e m d r i t t e n S i n n g e b r a u c h e n w i r das W o r t W a h r heit, w e n n w i r sagen, das D a s e i n ist s e i n e m W e s e n n a c h i n d e r Wahrheit. Der Satz k ö n n t e a b e r f e r n e r b e d e u t e n : D a s D a s e i n ist i n d e r Wahrheit u n d d e m n a c h a u ß e r h a l b des I r r t u m s . A u c h diese I n l( r ' pretation des Satzes t r i f f t n i c h t s e i n e M e i n u n g . W e d e r sagt Satz, das D a s e i n sei f a k t i s c h a u ß e r h a l b des I r r t u m s , n o c h
152
Wesensbereich der Wahrheit — Wesen der
Wissenschaft
g a r , das D a s e i n k ö n n e s e i n e m W e s e n n a c h n i c h t i r r e n . Vielmehr b r i n g t d e r Satz g e r a d e a l l e r e r s t die B e d i n g u n g d e r Möglichkeit v o n I r r t u m u n d U n - w a h r h e i t z u m A u s d r u c k . D e n n n u r ein sol ches Seiendes, das v o n H a u s e aus sich in U n v e r b o r g e n h e i t hält n u r e i n e m solchen k a n n e t w a s v e r b o r g e n b l e i b e n . A b e r V e r b o r g e n h e i t als G e g e n p h ä n o m e n zu U n v e r b o r g e n h e i t q u a W a h r h e i t ist i h r e r s e i t s n o c h n i c h t n o t w e n d i g U n - w a h r h e i t q u a I r r t u m ; g l e i c h w o h l m ü s s e n w i r e i n e n w e s e n t l i c h e n Begriff v o n U n - w a h r h e i t f e s t h a l t e n , w o n a c h U n - w a h r h e i t q u a Verborg e n h e i t so viel b e s a g t w i e N i c h t - U n v e r b o r g e n h e i t . Gegenüber d i e s e m a l l g e m e i n e n B e g r i f f v o n U n - w a h r h e i t gilt es n u n , den spezifischen i m S i n n e v o n F a l s c h h e i t , I r r t u m , L ü g e u n d Verlog e n h e i t zu b e s t i m m e n . D e n n i n d e r g e w ö h n l i c h e n B e d e u t u n g b e s a g t U n - w a h r h e i t n i c h t n u r das F e h l e n v o n U n v e r b o r g e n h e i t , d . h . V e r b o r g e n h e i t , s o n d e r n U n - w a h r h e i t ist e i n e m a n g e l h a f t e U n v e r b o r g e n h e i t , d . h . e i n e solche, d i e sich als U n v e r b o r g e n h e i t v o n e t w a s a u s g i b t u n d d a f ü r g e h a l t e n w i r d , a b e r k e i n e ist. Unw a h r h e i t i n d i e s e m e n g e r e n S i n n e t r i t t i m m e r auf m i t dem A n s p r u c h a u f W a h r h e i t als U n v e r b o r g e n h e i t , u n d d a r i n liegt ihr S c h e i n . A b e r a u c h diese U n - w a h r h e i t ist w i e d e r u m n i c h t not w e n d i g L ü g e , d . h . die U n w a h r h e i t b r a u c h t n i c h t n o t w e n d i g als solche u n d i n Absicht a u f T ä u s c h u n g u n d g e g e n besseres Wissen m i t g e t e i l t zu w e r d e n . D i e L ü g e w i e d e r u m ist n i c h t gleichbe d e u t e n d m i t Verlogenheit. A b e r g e r a d e diese M ö g l i c h k e i t des U n - w a h r - s e i n s m a c h t d e u t l i c h , w i e V e r l o g e n h e i t als ein spezifisches V e r b e r g e n n o t w e n d i g O f f e n b a r k e i t , U n v e r b o r g e n h e i t voraussetzt. D e n n d e r Verlogene v e r b i r g t ja n i c h t e i n f a c h , er e n t h ä l t n i c h t n u r d e n a n d e r e n die W a h r h e i t vor; er f ü h r t a u c h n i c h t e t w a n u r f a k t i s c h zu U n w a h r e m , s o n d e r n er legt es g e r a d e d a r a u f a n , sich als solchen zu g e b e n , d e r W a h r h e i t b r i n g t , m a c h t sich o f f e n b a r als solchen. Alle die u n t e r sich n o c h v e r s c h i e d e n e n P h ä n o m e n e von Unwie Falschheit, Irrtum, Täuschung, Lüge, V e r l o g e n h e i t sind n u r m ö g l i c h , w e i l D a s e i n ü b e r h a u p t i m Sein des D a O f f e n b a r k e i t m i t sich b r i n g t , u n d das besagt: i n d e r W a h r h e i t
Wahrheit
§ 2i Zusammenfassung
der Interpretation
der Wahrheit
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Wenn n u n a b e r d e m m e n s c h l i c h e n D a s e i n v e r s c h i e d e n e d e r E x i s t e n z z u k o m m e n , d a n n m u ß sich a u c h die \ . "und Weise, w i e das D a s e i n i n d e r W a h r h e i t ist, aus d e r weiligen Existenz m i t b e s t i m m e n . W e n n D a s e i n existiert, ist ' als solches in d e r W a h r h e i t , d e r U n v e r b o r g e n h e i t , f a k t i s c h i n u n d U n w a h r h e i t zugleich. S e i e n d e s ist i m m e r cjer W a h r h e i t schon o f f e n b a r g e w o r d e n , u n d dieses jeweils i m G a n z e n , m a g der Umkreis n o c h so e n g u n d die A r t d e r B e s t i m m u n g e n o f f e n bar noch so r o h ' u n d u n g e g l i e d e r t sein. Möglichkeiten
Ad 8. Die W a h r h e i t existiert. D i e W a h r h e i t selbst h a t d a h e r die Seinsart d e s ' D a s e i n s ; s o f e r n diese als E x i s t e n z b e s t i m m t wird m ü s s e n w i r sagen: U n v e r b o r g e n h e i t k a n n n u r sein, w a s sie ist als existierende. D o c h ist W a h r h e i t n i c h t i n d e n Sätzen, i n Sätzen, die geltëtl? W a h r e Sätze, sagt m a n seit Lotze, g e l t e n >inabhängig v o n d e m , d e r sie a n e r k e n n t . W a h r h e i t e n s i n d e t w a s an sich. Es gibt S e i e n d e s a n sich u n d W a h r h e i t e n a n sich, o d e r wo Seiendes a n sich g e l e u g n e t w i r d , g e l t e n d i e s e ( W a h r h e i t e n an sich) als Ersatz, o b z w a r d u n k e l b l e i b t , w o h e r sie d i e G e l t u n g beziehen. W a h r e Sätze g e l t e n , a b e r das sagt n i c h t , d a ß W a h r h e i t gilt. V i e l m e h r ist es u m g e k e h r t : W e i l Sätze n i c h t u r s p r ü n g l i c h wahr sind, d e s h a l b ist » G e l t u n g « a u c h n i c h t d i e u r s p r ü n g l i c h e Seinsart der W a h r h e i t , s o n d e r n W a h r h e i t gilt n i c h t b l o ß u n d nicht p r i m ä r , sie existiert. N u r w e i l W a h r h e i t q u a O f f e n b a r k e i t (Erschlossenheit) des D a s e i n s in d e r Seinsart dieses S e i e n d e n existiert, ja E x i s t e n z m i t a u s m a c h t , n u r d e s h a l b k ö n n e n a u c h Aussagen ü b e r das S e i e n d e w a h r sein, u n d n u r d e s h a l b w i e d e r um k ö n n e n w a h r e Sätze g e l t e n . Von w a h r e n S ä t z e n u n d G e l tungen an sich zu r e d e n , ist sinnlos u n d o b e r f l ä c h l i c h . W e n n kein Dasein existiert, g i b t es a u c h k e i n e W a h r h e i t , a b e r e b e n s o wenig U n w a h r h e i t . D a n n ist die a b s o l u t e N a c h t , i n der, w i e ' lege] sagt, alle K ü h e s c h w a r z sind, ja, g e n a u b e s e h e n , ist selbst fl
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Wesensbereich der Wahrheit — Wesen der
Wissenschaft
w i r d , je aus d e m D a s e i n m i t b e s t i m m t , w i r d d a n n Wahrheit n i c h t e i n e b l o ß e A n g e l e g e n h e i t des M e n s c h e n , m a g m a n nun dessen Sein q u a S u b j e k t o d e r als D a s e i n fassen? W i r d d a n n nicht d e r M e n s c h das M a ß aller D i n g e ? Ist die T h e s e » W a h r h e i t exi stiert, h a t d i e Seinsart des M e n s c h e n « n i c h t g l e i c h b e d e u t e n d m i t d e m Satze, d e n s c h o n d e r S o p h i s t P r o t a g o r a s ausgesprochen h a t u n d v o n d e m u n s P i a t o n i n s e i n e m D i a l o g T h e ä t e t (152a) b e r i c h t e t , w e n n er d o r t S o k r a t e s s a g e n läßt: φησί γάρ που πάντων χρημάτων μέτρον αν&ρωπον εΐναι, των μέν δντων ώς εστι, τών δέ μή δντων ώς ούκ εστιν. 2 »Es sagt dieser Protagoras: aller D i n g e Maß ist d e r M e n s c h , d e r S e i e n d e n , d a ß sie sind, d e r Nichtseienden d a ß sie n i c h t sind.« D e r M e n s c h als das M a ß dessen, w a s u n d w i e die D i n g e sind ist d a m i t d i e W a h r h e i t n i c h t m e n s c h l i c h e r W i l l k ü r und m e n s c h l i c h e m G e s c h m a c k p r e i s g e g e b e n ? M u ß diese v o n den G r i e c h e n g e z o g e n e K o n s e q u e n z n i c h t g e r a d e u n s e r e Interpret a t i o n d e r W a h r h e i t t r e f f e n , die w i r u n s d o c h a n der ursprüngl i c h e n B e d e u t u n g des a n t i k e n W o r t e s o r i e n t i e r e n ? Allein gerade der rechtverstandene Sinn von Wahrheit qua Unverborgenheit m a c h t diese B e d e n k e n z u n i c h t e . D e n n D a s e i n »ist« w e s e n h a f t i n d e r U n v e r b o r g e n h e i t , h e i ß t e b e n : Es k a n n g e r a d e n u r sein, s o f e r n es sich z u m S e i e n d e n v e r h ä l t , das sich i n d e r Unverborg e n h e i t b e k u n d e t . G e r a d e w e i l D a s e i n i n d e r W a h r h e i t ist, d.h. b e i u n d zu o f f e n b a r e m S e i e n d e n , w i r d allein e i n e B i n d u n g an Seiendes möglich u n d notwendig. Ü b e r d i e s e r w ä h n t e n w i r gleich bei d e r E i n f ü h r u n g dieses B e g r i f f e s v o n W a h r h e i t , d a ß die G r i e c h e n selbst n i c h t vermocht e n , die G r u n d e i n s i c h t , die sich i n d e r W o r t s c h ö p f u n g άλήθει« a u s p r ä g t , f e s t z u h a l t e n u n d in i h r e m W e s e n s g e h a l t a u s z u a r b e i t e n . V i e l m e h r ist g e r a d e d e r a n g e f ü h r t e Satz des Protagoras ein e i n d r i n g l i c h e s Beispiel d a f ü r , w i e sich bei der Interpretation der W a h r h e i t d i e O r i e n t i e r u n g a n d e n p h y s i o l o g i s c h e n u n d psycho2
P i a t o n i s O p e r a . R e c o g n o v i t b r e v i q u e a d n o t a t i o n e critica instruxit B u r n e t . Oxonii e t y p o g r a p h e o Clarentfoniano 1899 sqq. T o m u s I.
Ioannes
§ 2i Zusammenfassung
der Interpretation
der Wahrheit
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Vermögen des M e n s c h e n d a z w i s c h e n d r ä n g t e , d . h . jell: D i e G r i e c h e n v e r m o c h t e n n i c h t - trotz d e r g r o ß e n E i n s i c h t e n von P i a t o n u n d Aristoteles - das W e s e n v o n W a h r heit so w e i t zu k l ä r e n , d a ß n u n dieses g e k l ä r t e W e s e n d e r W a h r h e i t dazu f ü h r t e , g e r a d e v o n i h m aus d e n B e g r i f f des M e n d e n u n d s e i n e s W e s e n s e n t s p r e c h e n d zu b e s t i m m e n . V i e l m e h r g e r ä t u m g e k e h r t d i e I n t e r p r e t a t i o n des W e s e n s d e r W a h r h e i t , ie w i r z e i g t e n , in die B a h n einer psychologischen E r k l ä r u n g sehen
'"^ 1
nn weitesten S i n n e . Die T h e s e n » D a s e i n ist i n d e r W a h r h e i t « u n d » W a h r h e i t e x i s t i e r t « , besagen nicht eine schlechte Relativierung der W a h r h e i t auf den! M e n s c h e n , s o n d e r n u m g e k e h r t : sie s t e l l e n d e n Menschen s e i n e m «Wesen n a c h vor das S e i e n d e , d e r g e s t a l t , d a ß er allererst - als w e s e n h a f t erschlossenes S e i e n d e s — sich n a c h solchem r i c h t e n k a n n , w a s m i t d e r E r s c h l o s s e n h e i t seines D a notwendig o f f e n b a r g e w o r d e n ist. N u r w e n n D a s e i n als erschlossen e n t d e c k e n d e s sich n a c h S e i e n d e m r i c h t e n k a n n , k a n n es darüber a n g e m e s s e n aussagen. Aus dieser K l ä r u n g des u r sprünglichen W e s e n s d e r W a h r h e i t w i r d ersichtlich, w a s das ursprünglich a n d e r e ist: E r s c h l o s s e n h e i t des D a - , u n d d a ß u n d wie A u s s a g e - w a h r h e i t d a r i n g r ü n d e t . D i e Aussage ü b e r . . . w i r d ermöglicht d u r c h d a s S e i n bei V o r h a n d e n e m , e n t d e c k e n d Vorhandenes, d u r c h erschlossenes D a - s e i n als a u s s a g e n d e s . D i e wesenhafte Z u g e h ö r i g k e i t d e r W a h r h e i t q u a U n v e r b o r g e n h e i t zum Dasein v e r b ü r g t e i n e m ö g l i c h e O b j e k t i v i t ä t d e r W a h r h e i t . Freilich gibt es e i n e u n d z w a r s e h r w e s e n h a f t e R e l a t i v i t ä t d e r Wahrheit, die d i e O b j e k t i v i t ä t n i c h t g e f ä h r d e t , i m G e g e n t e i l , gerade den R e i c h t u m u n d die M a n n i g f a l t i g k e i t o b j e k t i v e r Wahrheit e r m ö g l i c h t . Nur weil das D a s e i n w e s e n h a f t i n d e r W a h r h e i t ist, k a n n es Aussagen ü b e r S e i e n d e s v o l l z i e h e n . D e r O r t d e r W a h r h e i t ist nicht der Satz, s o n d e r n u m g e k e h r t : D e r Satz h a t s e i n e n Ort, seine i n n e r e M ö g l i c h k e i t i n d e r » W a h r h e i t « q u a U n v e r b o r g e n heit des Da. N i c h t d e r Satz ist d e r O r t d e r W a h r h e i t , s o n d e r n die Wahrheit ist d e r O r t des Satzes. » O r t « ist das, w o d u r c h die i n n e r e
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Wesensbereich der Wahrheit — Wesen der
Wissenschaft
M ö g l i c h k e i t b e s t i m m t w i r d . So e r g i b t sich d i e R ü c k f ü h r u n g des t r a d i t i o n e l l e n W a h r h e i t s b e g r i f f s , d e r S a t z w a h r h e i t , auf die ur s p r ü n g l i c h e U n v e r b o r g e n h e i t des Daseins, d i e w i r kurz die Erschlossenheit nannten. D a ß d e m so ist, m u ß sich d a r a n b e w ä h r e n , ob u n d w i e es nun g e l i n g t , aus d e r g e w o n n e n e n W e s e n s b e s t i m m u n g der W a h r h e i t h e r a u s d e n B e g r i f f d e r W i s s e n s c h a f t zu u m g r e n z e n . Diese Int e r p r e t a t i o n des Wesens d e r W i s s e n s c h a f t m u ß d e r a r t sein, daß sie u n s zu e i n e m w i r k l i c h e n Verständnis dessen v e r h i l f t , was in d e r a n f a n g s g e k e n n z e i c h n e t e n Krisis d e r W i s s e n s c h a f t an ung e k l ä r t e n F r a g e n sich v e r b i r g t : Es w a r g e r a d e das mögliche V e r h ä l t n i s d e r W i s s e n s c h a f t zur E x i s t e n z des M e n s c h e n , des Einzelnen u n d der geschichtlichen Kulturgemeinschaft.
S 22. Die Bestimmung des Wesens der Wissenschaft ursprünglichen Wahrheitsbegriff
aus
dem
W i r g i n g e n aus v o n d e r h e r r s c h e n d e n D e f i n i t i o n d e r Wissens c h a f t : Sie ist e i n B e g r ü n d u n g s z u s a m m e n h a n g w a h r e r Sätze, d i e g e l t e n , e i n Z u s a m m e n h a n g v o n W a h r h e i t e n , sofern eben W a h r h e i t g l e i c h b e d e u t e n d ist m i t e i n e m w a h r e n Satz. Wissens c h a f t ist e i n e Art v o n W a h r h e i t . W i r h a b e n diese Kennzeichn u n g f e s t g e h a l t e n , a b e r so, d a ß w i r n u n f r a g e n , was W a h r h e i t selbst b e s a g e u n d ob W a h r h e i t p r i m ä r S a t z w a h r h e i t sei. Nun e r g a b sich: D a s W e s e n d e r W a h r h e i t ist U n v e r b o r g e n h e i t von S e i e n d e m , u n d diese U n v e r b o r g e n h e i t g e h ö r t zur Existenz des D a s e i n s . N u r w e i l W a h r h e i t i m u r s p r ü n g l i c h e n S i n n e Unverb o r g e n h e i t des D a s e i n s ist, k a n n sie i m a b g e l e i t e t e n S i n n e auch e i n e B e s t i m m u n g d e r A u s s a g e ü b e r das S e i e n d e w e r d e n , welche A u s s a g e n das D a s e i n i n s e i n e m S e i n bei, zu u n d m i t Seiendem vollzieht. So e r g i b t sich z u n ä c h s t i n e i n e r r e i n v o r g r e i f e n d e n Überleg u n g : W e n n W i s s e n s c h a f t ü b e r h a u p t i n i r g e n d e i n e r Weise eine A r t von W a h r h e i t ist, W a h r h e i r a l s U n v e r b o r g e n h e i t jedoch zur
§22. Bestimmung
des Wesens der Wissenschaft
157
des e x i s t i e r e n d e n D a s e i n s g e h ö r t , d a n n ist W i s s e n s c h a f t i m u r s p r ü n g l i c h e n S i n n e n o t w e n d i g solches, w a s E x i s t e n z des D a s e i n s g e h ö r t . D a s besagt: W i s s e n s c h a f t ist cht nur b e i l ä u f i g u n d n a c h t r ä g l i c h a u c h n o c h auf m e n s c h l i •hes Dasein bezogen, a u c h n i c h t n u r d u r c h das m e n s c h l i c h e D a s e i n h e r v o r g e b r a c h t , s o n d e r n sie ist als e i n e A r t v o n W a h r h e i t eine W e s e n s b e s t i m m u n g des D a s e i n s ; sie b e d e u t e t n i c h t s a n d e res als eine b e s o n d e r e A r t u n d Weise des I n - d e r - W a h r h e i t - s e i n s . Damit ist n i c h t gesagt, d a ß jedes D a s e i n als solches n o t w e n d i g W i s s e n s c h a f t t r e i b e n m ü ß t e . W i s s e n s c h a f t g e h ö r t zur E x i s t e n z des M e n s c h e n , besagt: D i e i n n e r e M ö g l i c h k e i t , n i c h t erst die faktische H e r v o r b r i n g u n g v o n W i s s e n s c h a f t g r ü n d e t i m W e s e n der W a h r h e i t als e i n e m W e s e n s b e s t a n d s t ü c k d e r Seinsverfassung des D a s e i n s . Z u m W e s e n dieser i n n e r e n M ö g l i c h k e i t gehört, daß die W i s s e n s c h a f t selbst w i e d e r e i n e f r e i e M ö g l i c h keit des D a s e i n s ist, d. h . n i c h t s c h l e c h t h i n n o t w e n d i g ; d e n n es ergab sich: I n d e r W a h r h e i t sein ist w e s e n h a f t u n d d u r c h dieses ist schon S e i e n d e s o f f e n b a r . W a h r h e i t besagt U n v e r b o r g e n h e i t des Da seins, W i s s e n s c h a f t e i n e A r t v o n W a h r h e i t . Also ist W i s senschaft e i n e A r t d e r U n v e r b o r g e n h e i t des D a s e i n s , d . h . e i n Wie der m e n s c h l i c h e n Existenz. H i e r d u r c h ist g r u n d s ä t z l i c h d e r Horizont g e w o n n e n f ü r e i n e I n t e r p r e t a t i o n d e r W i s s e n s c h a f t aus der E x i s t e n z v e r f a s s u n g des D a s e i n s oder k u r z , f ü r e i n e n existenzialen B e g r i f f d e r W i s s e n s c h a f t . D i e u n v e r s t a n d e n e T e n denz nach e i n e r s o l c h e n K l ä r u n g d e r I d e e d e r W i s s e n s c h a f t ist es aber, was die Krisis d e r W i s s e n s c h a f t i m G r u n d e h e r v o r r u f t u n d durchherrscht. Es gilt jetzt, d i e s e n e x i s t e n z i a l e n Begriff d e r W i s s e n s c h a f t auszuarbeiten, u m d u r c h die A u s a r b e i t u n g des B e g r i f f e s d e r W issenschaft i n dieser selbst a n e i n e G r e n z e zu s t o ß e n , u m k o n kret zu sehen, d a ß d i e W i s s e n s c h a f t g e r a d e , u m das zu sein, w a s S1<1 ihrem Wesen nach sein kann, schon u n d noch etwas m e h r , ''twas anderes u n d U r s p r ü n g l i c h e r e s sein m u ß . Dieses a n d e r e weist sich als P h i l o s o p h i e aus. W i r v e r g l e i c h e n also n i c h t , w i e S( 'hon betont 1 , W i s s e n s c h a f t u n d P h i l o s o p h i e als f e s t e G r ö ß e n ,
W
sensverfassung
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Wesensbereich der Wahrheit — Wesen der
Wissenschaft
s o n d e r n in d e r u n d d u r c h die W e s e n s i n t e r p r e t a t i o n der Wissen s c h a f t s t o ß e n w i r auf d i e P h i l o s o p h i e . D i e f o l g e n d e W e s e n s i n t e r p r e t a t i o n ist z w a r e i n e p r i n z i p i e ] j e ja, d e r Absicht n a c h die prinzipiellste, die ü b e r h a u p t möglich ist; das h e i ß t a b e r n i c h t , d a ß sie in aller H i n s i c h t vollständig w ä r e . W e d e r soll e i n e a l l g e m e i n e S y s t e m a t i k m ö g l i c h e r Wiss e n s c h a f t e n e n t w o r f e n w e r d e n — S y s t e m a t i k d e r Wissenschaf t e n ist n i c h t e i n e O r d n u n g d e r v o r h a n d e n e n , s o n d e r n eine freie K o n s t r u k t i o n d e r m ö g l i c h e n , d . h . d e m W e s e n n a c h notwendig e n —, n o c h a u c h k a n n es sich d a r u m h a n d e l n , alle konkreten F r a g e n , die i n d e r Krisis d e r W i s s e n s c h a f t e n sich a u f d r ä n g e n , zu e r ö r t e r n . W o h l a b e r m u ß m i t R ü c k s i c h t auf diese das Entscheid e n d e ans L i c h t k o m m e n , u n d z w a r d e s h a l b , weil m i t dem N a c h w e i s des w e s e n h a f t e n E x i s t e n z c h a r a k t e r s d e r Wissenschaft ü b e r h a u p t e i n e R e i h e v o n F r a g e n , die m a n sonst bezüglich des Verhältnisses des E i n z e l n e n zur W i s s e n s c h a f t zu stellen pflegt, sich v o n selbst e r l e d i g e n . a) W i s s e n s c h a f t e i n e A r t v o n W a h r h e i t ? W i s s e n s c h a f t ist e i n e A r t v o n W a h r h e i t . W a h r h e i t a b e r gehört w e s e n h a f t z u m D a s e i n . Dieses e x i s t i e r t i n d e r W a h r h e i t ; Wahrh e i t ist e x i s t e n t . W i s s e n s c h a f t als M ö g l i c h k e i t d e r Existenz des D a s e i n s ist e i n e M ö g l i c h k e i t des I n - d e r - W a h r h e i t - s e i n s . Wahrh e i t des D a s e i n s ist U n v e r b o r g e n h e i t , u n d zwar i n eins Erschloss e n h e i t u n d E n t d e c k t h e i t ; m i t d e r E x i s t e n z v o n D a s e i n ist S e i e n d e s o f f e n b a r , a b e r n i c h t Beliebiges, s o n d e r n V o r h a n d e n e s i m w e i t e r e n S i n n , » N a t u r « , a u c h Z u h a n d e n e s , D a s e i n u n d Mit d a s e i n , all dieses S e i e n d e a b e r i m m e r i n gewisser Weise im G a n z e n . F a k t i s c h ist dieses G a n z e i n s e i n e r G a n z h e i t v e r s c h i e d e n b e s t i m m t , o f t a u c h u n b e s t i m m t gelassen, aber auch m dieser U n b e s t i m m t h e i t g e r a d e i n c h a r a k t e r i s t i s c h e r Weise da D a s o f f e n b a r e S e i e n d e selbst n u n ist n i c h t n o t w e n d i g s c h o n u n t e r s c h i e d e n n a c h d e n v e r s c h i e d e n e n A r t e n des Seins, auch h i e r ist alles o f f e n b a r e S e i e n d e T i n b e s t i m m t , i n d i f f e r e n t unter
§ 22. Bestimmung ^ S1
des Wesens der Wissenschaft
159
\ h c r so ist alles S e i e n d e v o m G a n z e n h e r , das selbst u n -
stimmt bleibt, d u r c h s t i m m t . U n b e s t i m m t h e i t ist e i n e e i g e n e
Bestimmtheit
(Mana-Vorstellung).
Ferner k a n n das S e i e n d e jeweils g a n z v e r s c h i e d e n w e i t u n d i n verschiedenen S t u f e n d e r K l a r h e i t u n d D e u t l i c h k e i t o f f e n b a r u n ( i a l l das vor aller W i s s e n s c h a f t . D e n n s o f e r n D a s e i n existiert, ist schon S e i e n d e s i m G a n z e n o f f e n b a r . W e i l W i s s e n schaft n u r e i n e b e s t i m m t e f r e i e M ö g l i c h k e i t des D a s e i n s ist, u n d zwar eine solche, d e r e n Vollzug u n t e r b e s t i m m t e n B e d i n g u n g e n steht, erwächst W i s s e n s c h a f t i m m e r n u r u n d s c h o n a u f d e m Grunde einer m i t d e m D a s e i n s c h o n e x i s t e n t e n O f f e n b a r k e i t des Seienden. W e n n w i r d a h e r v o n v o r - w i s s e n s c h a f t l i c h e r Wahrheit s p r e c h e n , so m e i n e n w i r d a m i t n i c h t i r g e n d w e l c h e zerstreute, r o h e u n d n i c h t s t r e n g b e g r ü n d e t e K e n n t n i s s e . D a s Vor m v o r w i s s e n s c h a f t l i c h b e z e i c h n e t a u c h n i c h t e i n f a c h e i n e n geringeren G r a d v o n W a h r h e i t , als sei die w i s s e n s c h a f t l i c h e Wahrheit o h n e w e i t e r e s d i e h ö h e r e , s o n d e r n d e r T i t e l »verwissenschaftlich« b e s a g t i m L i c h t e des h e r a u s g e s t e l l t e n W a h r h e i t s begriffes, d a ß das D a s e i n s c h o n v o r d e r W i s s e n s c h a f t i n d e r Wahrheit ist. Vorwissenschaftliches D a s e i n ist d e m wissenschaftlichen n o t w e n d i g v o r g e o r d n e t , a b e r n i c h t u n t e r g e o r d n e t , im Gegenteil, es g i b t d e m w i s s e n s c h a f t l i c h e n erst d e n G r u n d . Vorwissenschaftliche W a h r h e i t d r ü c k t g e r a d e aus, d a ß W i s s e n schaft k e i n e existenzielle N o t w e n d i g k e i t ist, d a ß d u r c h die Wissenschaft d i e E x i s t e n z des M e n s c h e n w e d e r p r i m ä r n o c h einzig b e s t i m m t s e i n k ö n n t e . Vor wissenschaftliches D a s e i n ist solches, das n o c h n i c h t durch W i s s e n s c h a f t h i n d u r c h g e g a n g e n ist; w i s s e n s c h a f t l i c h e s Dasein solches, w a s d u r c h W i s s e n s c h a f t b e s t i m m t ist, w a s n i c h t heißt, daß es je selbst als einzelnes die W i s s e n s c h a f t als solche kennt oder sie g a r a u s d r ü c k l i c h b e t r e i b t . U n s e r h e u t i g e s europaisch-abendländisches D a s e i n ist e i n w i s s e n s c h a f t l i c h e s , s o f e r n die 1 n v e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n m i t d u r c h w i s s e n s c h a f t l i c h e Erkenntnisse b e s t i m m t u n d g e p r ä g t ist. A u c h das D a s e i n eines heutigen n i c h t w i s s e n s c h a f t l i c h g e b i l d e t e n M e n s c h e n ist i n die-
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Wesensbereich der Wahrheit — Wesen der
Wissenschaft
s e m S i n n e e i n w i s s e n s c h a f t l i c h e s . D e r s o g e n a n n t e Radiobastler a r b e i t e t z.B. m i t b e s t i m m t e n A p p a r a t e n zu b e s t i m m t e n Zwek k e n , o h n e d a ß er e i n e A h n u n g d a v o n h a t , w a s d a eigentlich v o r g e h t . O d e r w e n n ein a u f g e w e c k t e r B a u e r e t w a L u s t hat, das N i b e l u n g e n l i e d zu lesen, u n d m a n i h m e i n e s o g e n a n n t e gute A u s g a b e d a v o n v e r s c h a f f t , so ist die Art u n d Weise, wie er an dieses W e r k h e r a n k o m m t , e i n e w i s s e n s c h a f t l i c h e , d u r c h g e g a n g e n d u r c h p h i l o l o g i s c h e Arbeit. A u c h das h e u t i g e Verständnis des c h r i s t l i c h e n G l a u b e n s ist d u r c h e i n e v o n d e n Wissenschaften beeinflußte Theologie hindurchgegangen. b) V o r w i s s e n s c h a f t l i c h e s u n d w i s s e n s c h a f t l i c h e s D a s e i n W i s s e n s c h a f t l i c h e s D a s e i n h e i ß t d e m n a c h : D a s e i n , dessen Un V e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n m i t b e s t i m m t ist d u r c h wissen s c h a f t l i c h e E r k e n n t n i s , o h n e d a ß diese B e s t i m m t h e i t der U n v e r b o r g e n h e i t als solche e r k a n n t oder a u c h n u r b e k a n n t ist, g e s c h w e i g e d e n n v o n d e m b e t r e f f e n d e n D a s e i n selbst gewon n e n ist. Vorwissenschaftliches u n d w i s s e n s c h a f t l i c h e s Dasein d e c k t sich also g a n z u n d g a r n i c h t m i t d e m U n t e r s c h i e d von p r i m i t i v e m u n d n i c h t p r i m i t i v e m D a s e i n , g a n z a b g e s e h e n da von, d a ß dieser l e t z t g e n a n n t e U n t e r s c h i e d selbst n o c h m e h r d e u t i g ist. P r i m i t i v k a n n b e s a g e n : e i n f a c h , i m U n t e r s c h i e d von k o m p l i z i e r t ; das ist a b e r n i c h t g l e i c h b e d e u t e n d m i t niedriger u n d h ö h e r e r K u l t u r , m i t B a r b a r e i u n d B i l d u n g . P r i m i t i v e s Das e i n k a n n s e h r w o h l e i n e n h ö h e r e n R a n g u n d e i n e eigene E c h t h e i t u n d U r s p r ü n g l i c h k e i t h a b e n u n d b r a u c h t n i c h t barba risch zu sein. U m g e k e h r t k a n n n i c h t - p r i m i t i v e s , verwickeltes D a s e i n s e h r w o h l b a r b a r i s c h u n d u n e c h t dazu sein. Diese beiden selbst sich n i c h t d e c k e n d e n U n t e r s c h i e d e v o n e i n f a c h u n d ver wickelt, b a r b a r i s c h u n d g e b i l d e t d e c k e n sich a u c h n i c h t nm*1 v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e m u n d w i s s e n s c h a f t l i c h e m D a s e i n in dem b e s o n d e r e n S i n n e . W i s s e n s c h a f t l i c h e s D a s e i n ist n i c h t n o t w e n d i g schon gebildetes, es b r a u c h t a u c h n i c h t e i n v e r w i c k e l t e s zu sein. W i s s e n s c h a f t l i c h e s Daseirf ist d e m n a c h n i c h t n o t w e n d i g
§ 22. Bestimmung
des Wesens der
Wissenschaft
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Iches von h o h e m R a n g u n d s c h l i e ß t B a r b a r e i n i c h t aus. Trotz W i s s e n s c h a f t oder sogar v i e l l e i c h t g e r a d e m i t i h r e r H i l f e h a t ch h e u t e bei u n s e i n e n a m e n l o s e B a r b a r e i b r e i t g e m a c h t , die l e l l e i c h t d i e w e n i g s t e n s p ü r e n , w e i l die m e i s t e n sich i n i h r wohl f ü h l e n . M a n b r a u c h t n i c h t g e r a d e die P o s t k u t s c h e z u r ü c k z u w ü n s c h e n , u m s e h e n zu k ö n n e n , w a s die o h n e W i s s e n s c h a f t u n m ö g l i c h e Technik h e u t e an innerer Verrohung u n d Geschmacksverderbnis leistet. j
e r
Unser h e u t i g e s f a k t i s c h e s D a s e i n ist ein w i s s e n s c h a f t l i c h e s , und wir k ö n n e n diese W i s s e n s c h a f t l i c h k e i t n i c h t m e h r aus u n serem Dasein a u s s t r e i c h e n . D a s b e s a g t f r e i l i c h n i c h t , w i r seien rettungslos d e n ü b l e n F o l g e n p r e i s g e g e b e n oder es sei e i n vorwissenschaftliches D a s e i n z u r ü c k z u w ü n s c h e n . D e n n a u c h dieses birgt m sich d i e M ö g l i c h k e i t v o n B a r b a r e i u n d B i l d u n g , sofern e b e n w i s s e n s c h a f t l i c h e A u s b i l d u n g i m m e r n o c h n i c h t notwendig B i l d u n g b e s a g t . S c h o n aus diesen B e m e r k u n g e n w i r d deutlich, d a ß W i s s e n s c h a f t als solche n i c h t n o t w e n d i g s c h o n auch eine E r h ö h u n g des m e n s c h l i c h e n D a s e i n s m i t sich b r i n g t , ja daß W i s s e n s c h a f t , w e i l sie e i n e M ö g l i c h k e i t des D a s e i n s ist, notwendig so oder so sein, so oder so sich a u s w i r k e n k a n n . Das F a k t u m , d a ß u n s e r h e u t i g e s D a s e i n e i n w i s s e n s c h a f t liches ist, b e d i n g t a b e r f r e i l i c h d i e A r t u n d Weise, w i e w i r zur Erkenntnis u n d I n t e r p r e t a t i o n des v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e n D a seins gelangen. W e n n w i s s e n s c h a f t l i c h e s D a s e i n n u r m ö g l i c h ist auf d e m G r u n d e des v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e n , d a n n l i e g t dieses auch n o t w e n d i g i m m e r n o c h i m w i s s e n s c h a f t l i c h e n D a s e i n , sofern eben die W i s s e n s c h a f t als e i n e Art v o n W a h r h e i t die 1 n v e r b o r g e n h e i t des D a s e i n s zu e i n e r a n d e r s a r t i g e n w a n d e l t . Wo die g r u n d s ä t z l i c h e n G r e n z e n e i n e r solchen W a n d l u n g liegen, wird sich zeigen. F ü r d i e E r k e n n t n i s des v e r w i s s e n s c h a f t lichen Daseins a b e r m u ß d e r W e g d e r R e k o n s t r u k t i o n g e w ä h l t w erden. Was R e k o n s t r u k t i o n u n d K o n s t r u k t i o n ü b e r h a u p t h i e r besagt, ist jetzt n i c h t zu e r ö r t e r n . I n j e d e m F a l l e ist a b e r e i n e Rekonstruktion des v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e n D a s e i n s n i c h t s c h o n dadurch g e w o n n e n , d a ß B e r i c h t e ü b e r p r i m i t i v e s D a s e i n i n
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Wesensbereich der Wahrheit — Wesen der
Wissenschaft
e i n e r v e r a l l g e m e i n e r n d e n F o r m vorgestellt w e r d e n , n i c h t n U r w e i l p r i m i t i v m i t v o r w i s s e n s c h a f t l i c h sich n i c h t deckt, sondern w e i l a u c h d o r t , w o es sich d e c k e n k ö n n t e , die Berichte, schon di A r t des F r a g e n s u n d d e r s p r a c h l i c h e n W i e d e r g a b e bereits heu t i g e r I n t e r p r e t a t i o n u n t e r l i e g e n , d . h . w i s s e n s c h a f t l i c h mitbe s t i m m t sind. D i e I n t e r p r e t a t i o n des v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e n Daseins ist ü b e r h a u p t k e i n e e m p i r i s c h e F r a g e d e r P r ä h i s t o r i e , sondern eth n o l o g i s c h e B e r i c h t e u n d m y t h o l o g i s c h e Ü b e r l i e f e r u n g sprechen n u r d a n n i h r e S p r a c h e , w e n n s c h o n zuvor d i e Wesensart des D a s e i n s b e s t i m m t ist, v o n d e m sie K u n d e g e b e n . D a f ü r sind sie allerdings unentbehrliche Fingerzeige. Bei d e r F r a g e n a c h d e r W e s e n s v e r f a s s u n g des vorwissen s c h a f t l i c h e n D a s e i n s m u ß f e r n e r g e s c h i e d e n w e r d e n zwischen d e r A u f f a s s u n g , die ein solches D a s e i n v o n sich selbst hat, und d e r j e n i g e n A u f f a s s u n g , die sich d u r c h e i n e r e k o n s t r u i e r e n d e I n t e r p r e t a t i o n ergibt. F ü r diese g e h ö r t j e n e m i t z u m Gegens t a n d als d i e z u m v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e n D a s e i n gehörige u n d z w a r a u s d r ü c k l i c h e S e l b s t a u s l e g u n g . F ü r u n s k a n n es sich hier n a t ü r l i c h n i c h t u m e i n e a u s f ü h r l i c h e A u f r o l l u n g dieses Problems handeln, sondern lediglich u m eine Kennzeichnung e i n i g e r H a u p t z ü g e des v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e n Daseins, das uns zur A b h e b u n g d i e n e n soll. W i r v e r s t e h e n u n t e r v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e m D a s e i n solches, dessen W a h r h e i t ( U n v e r b o r g e n h e i t ) g r u n d s ä t z l i c h n i c h t durch w i s s e n s c h a f t l i c h e E r k e n n t n i s m i t b e s t i m m t w i r d . D a m i t ist n i c h t gesagt, d a ß solches D a s e i n n i c h t ü b e r K e n n t n i s s e und E r k e n n t n i s s e v e r f ü g t e , i m G e g e n t e i l , es h a t solche ganz urs p r ü n g l i c h e r Art. E n t d e c k t ist - i n d e m S i n n e , w i e w i r den T e r m i n u s g e b r a u c h e n - das L a n d in d e r F e l d b e s t e l l u n g , das Meer in der Schiffahrt; Landbestellung wie Schiffahrt v e r m i t teln Kenntnisse der W i t t e r u n g , der Jahreszeiten, S t e r n e n k u n d e , Z e i t r e c h n u n g . G l e i c h f a l l s g e h ö r t z u m D a s e i n die H e i l k u n s t des M e n s c h e n ; alles ist i n d e r d i r e k t e n A u s e i n a n d e r s e t z u n g des Da seins m i t d e m S e i e n d e n e r w a c h s e n , a n das es sich q u a Dasein
§ 22. Bestimmung
des Wesens der Wissenschaft
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schon v e r w i e s e n s i e h t . Was so z u n ä c h s t a u f g e z ä h l t w u r d ist weder das erste n o c h das einzige; v o r d e m u n d alles d n h w a l t e n d ist das G a n z e des S e i e n d e n in e i n e r M y t h o l o g i e ffenbar die ü b e r W e l t l a u f u n d M e n s c h e n s c h i c k s a l e K u n d e bt Diese K u n d e b e s t e h t n i c h t i n g e w i s s e n K e n n t n i s s e n u n d c t pn sondern f i n d e t i h r e p r i m ä r e K o n k r e t i o n i n K u l t u s u n d Opfer Von dieser m y t h i s c h e n G r u n d a u f f a s s u n g des D a s e i n s i m Ganzen sind in d e r F r ü h z e i t a u c h alle ü b r i g e n V e r h a l t u n g s w e i sen und Arten des E n t d e c k e n s v o n S e i e n d e m w i e F e l d b e s t e l lung, S c h i f f a h r t , H e i l k u n s t , S t e r n k u n d e d u r c h h e r r s c h t . D i e s e spezifische v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e E r s c h l o s s e n h e i t des D a s e i n s ist immer auch s c h o n z u m W o r t g e k o m m e n , h a t sich i m W o r t ausgesprochen, μΐίθος, u n d s c h a f f t sich als solches a u c h s c h o n e i n e eigene Form d e r Ü b e r l i e f e r u n g , v o r aller H i s t o r i e als W i s s e n schaft von der G e s c h i c h t e . I m g l e i c h e n s t e h t das, w a s w i r K u n s t nennen, ganz i m D i e n s t e dieser D a s e i n s b e s t i m m u n g u n d -auslegung. F e r n e r ist das M i t e i n a n d e r s e i n i n S i p p e u n d S t a m m geregelt d u r c h s a k r a l e n B r a u c h ; G e b u r t , Tod u n d F o r t l e b e n f i n den ihre A u s l e g u n g a u s d e m so erschlossenen G a n z e n des Seienden. So ist im v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e n D a s e i n V o r h a n d e n e s , Z u h a n denes, M i t d a s e i n a n d e r e r , S e l b s t d a s e i n o f f e n b a r , u n d all das durchwaltet v o m S e i e n d e n i m G a n z e n u n d s e i n e n je v e r s c h i e d e n gefaßten m y t h i s c h e n M ä c h t e n (vgl. M a n a - V o r s t e l l u n g ) . D a s vorwissenschaftliche D a s e i n h a t so s e i n e spezifische W a h r h e i t . Wenn nun W i s s e n s c h a f t e i n e Art v o n W a h r h e i t ist u n d w e n n sie vorwissenschaftliche W a h r h e i t voraussetzt, so m u ß sich m i t i h r und durch sie e i n W a n d e l d e r W a h r h e i t v o l l z i e h e n . D a s W e s e n der W i s s e n s c h a f t w i r d d e m n a c h s i c h t b a r , w e n n w i r d e n U m schlag v o m v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e n D a s e i n z u m w i s s e n s c h a f t lichen ms A u g e fassen. W e n n w i r n a c h d i e s e m U m s c h l a g als llnpm Wandel der W a h r h e i t des D a s e i n s f r a g e n , d a n n f r a g e n w i r nach der E n t s t e h u n g d e r W i s s e n s c h a f t . D o c h u n t e r s u c h e n w i r n » h t , wie e i n z e l n e W i s s e n s c h a f t e n i m V e r l a u f e d e r G e s c h i c h t e ' n t s t a n d e n sind u n d sich a u s g e b i l d e t h a b e n . W i r f r a g e n a u c h
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Wesensbereich der Wahrheit — Wesen der
Wissenschaft
n i c h t historisch n a c h d e n f a k t i s c h e n V e r a n l a s s u n g e n , Motiven u n d d e n v e r s c h i e d e n e n S t a d i e n d e r f a k t i s c h e n A u s b i l d u n g einer W i s s e n s c h a f t , e b e n s o w e n i g w i e n a c h d e n U r s a c h e n des fakti s e h e n S t e h e n b l e i b e n s o d e r g a r des Verfalls e i n z e l n e r Disziplinen N a c h d e r E n t s t e h u n g d e r W i s s e n s c h a f t f r a g e n , h e i ß t f ü r uns jetzt: Was g e h ö r t zur i n n e r e n M ö g l i c h k e i t dessen, was w i r Wis s e n s c h a f t n e n n e n ? Was m u ß n o t w e n d i g g e s c h e h e n , d a m i t Wis s e n s c h a f t w e r d e n k a n n , g a n z a b g e s e h e n d a v o n , w i e sie faktisch i m e i n z e l n e n g e r a d e ist? D i e s e r U m s c h l a g v o m v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e n D a s e i n zum w i s s e n s c h a f t l i c h e n l ä ß t sich s c h e i n b a r l e i c h t b e s t i m m e n ; wir b r a u c h e n n u r A u s g a n g s - u n d E n d s t e l l u n g dieses Geschehens m i t e i n a n d e r zu v e r g l e i c h e n , d . h . w a s u n s a m n ä c h s t e n liegt, das v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e D a s e i n v o n u n s e r e m wissenschaftlichen a u s a b z u s c h ä t z e n . W e n n w i r a u c h das v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e Dasein n u r i n d e r R e k o n s t r u k t i o n g e w i n n e n , so v e r f ü g e n w i r doch ü b e r das w i s s e n s c h a f t l i c h e , s o f e r n w i r selbst in u n s e r e m faktis c h e n D a s e i n als ein solches b e s t i m m t sind. A b e r h i e r schleicht sich l e i c h t e i n e T ä u s c h u n g ein. D e n n d a m i t , d a ß u n s e r Dasem f a k t i s c h d u r c h die W i s s e n s c h a f t b e s t i m m t ist, ist ja n o c h nicht v e r b ü r g t , d a ß w i r a u c h w ü ß t e n u n d b e g r i f f e n , w a s Wissenschaft h e i ß t . Das, w a s w i r h e u t e so n e n n e n , m a g i n d e r T a t echte W i s s e n s c h a f t sein; d o c h g i b t sie n i c h t o h n e w e i t e r e s d e n Begriff d e r W i s s e n s c h a f t h e r . V i e l l e i c h t ist e i n e gewisse K e n n t n i s der W i s s e n s c h a f t e r f o r d e r l i c h , u m i h r W e s e n zu b e s t i m m e n ; aber diese K e n n t n i s r e i c h t i n k e i n e r W e i s e aus. So sind w i r b e z ü g l i c h des w i s s e n s c h a f t l i c h e n D a s e i n s i m G r u n d e n i c h t besser gestellt als h i n s i c h t l i c h des v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e n , ja, vielleicht liegt die G e f a h r d e r F e h l i n t e r p r e t a t i o n des Wesens des w i s s e n s c h a f t h c h e n D a s e i n s n o c h n ä h e r , g e r a d e w e i l w i r selbst als s o l c h e s b e s t i m m t sind. D i e G e f a h r b e s t e h t , d a ß w i r gewisse ä u ß e r e und a u f d r i n g l i c h e K e n n z e i c h e n d e r W i s s e n s c h a f t f ü r i h r Wesen hal t e n . W i r m ü s s e n das W e s e n d e r W i s s e n s c h a f t u n d des w i s s e n s c h a f t l i c h e n D a s e i n s n i c h t m i n d e r k o n s t r u i e r e n als das des v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e n Daseins*
§ 22. Bestimmung
des Wesens der Wissenschaft
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Das ist e i n e m e r k w ü r d i g e S i t u a t i o n : W a s w i r v e r g l e i c h e n lien h a b e n w i r g a r n i c h t ; f ü r die B e t r a c h t u n g dieses U m hlags vom v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e n z u m w i s s e n s c h a f t l i c h e n D a ein haben w i r w e d e r d i e A u s g a n g s - n o c h die E n d s t e l l u n g . I c h mache jetzt n u r b e i l ä u f i g a u f das g a n z E i g e n t ü m l i c h e u n s e r e r I age u n d u n s e r e s ' V o r g e h e n s a u f m e r k s a m ; w i r w o l l e n d a r ü b e r nicht weiter r e f l e k t i e r e n , s o n d e r n w i r k l i c h v o r g e h e n u n d das A u f f a l l e n d e w a g e n , d u r c h V e r g l e i c h u n g dessen, w a s w i r i m Grunde noch n i c h t h a b e n , das zu V e r g l e i c h e n d e g e w i n n e n . Bei der V e r g l e i c h u n g v o n v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e m u n d v o n w îssenschaftlichem D a s e i n liegt o f f e n s i c h t l i c h e i n s zutage: D a s vorwissenschaftliche D a s e i n b e r u h t h i n s i c h t l i c h s e i n e r W a h r heit, d h. der A r t d e r U n v e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n , w e i t g e hend auf n a i v e n I r r t ü m e r n , A b e r g l a u b e , W i l l k ü r u n d U n b e h o l fenheit. Erst die W i s s e n s c h a f t b r i n g t d i e e c h t e W a h r h e i t ü b e r das Seiende. E i n e i n f a c h e s Beispiel k a n n das k l a r m a c h e n , e t w a die Art u n d Weise, w i e d i e S o n n e e n t d e c k t ist. F ü r die G r i e c h e n der Fruhzeit w a r sie d e r G o t t Helios, d e r G o t t , d e r auf s e i n e m feurigen W a g e n d u r c h d e n H i m m e l s r a u m f ä h r t u n d i m O k e a n o s versinkt S p a t e r v e r l i e r t diese D e u t u n g a n K r a f t , d i e S o n n e w i r d eine Scheibe, die i h r e B a h n zieht. B a l d zeigt sich d i e S c h e i b e als eine feurige K u g e l , e i n Ball, d e r sich u m die E r d e b e w e g t . D a nach wird u m g e k e h r t d i e E r d e e i n e Kugel, d i e sich u m die Sonne als Z e n t r u m b e w e g t , u n d schließlich ist dieses S o n n e n system n u r eines u n t e r v i e l e n a n d e r e n . U n s e r e S o n n e w u r d e dann w e i t g e h e n d d u r c h das S o n n e n s p e k t r u m e r f o r s c h t . VVo ist n u n die W a h r h e i t ? V e r m a g g e r a d e die h e u t i g e P h y s i k und Astronomie zu b e h a u p t e n , sie e n t d e c k e d e n K o s m o s so, w i e er sei J Wo h e g t das K r i t e r i u m d a f ü r , d a ß d i e h e u t i g e A u f f a s s u n g der S o n n e n s y s t e m e die e i n z i g w a h r e sei, d a ß sie m i t h i n w a h r e r S<J| a s ' die f r ü h e r e u n d g a r die m y t h i s c h e ? A b e r s p r e c h e n w i r nicht auch n o c h v o m U n t e r g a n g d e r Sonne? Ist das n u r e i n e Hedeweise 5 S e h e n w i r sie n i c h t w i r k l i c h u n t e r g e h e n , u n d beherrscht diese U n v e r b o r g e n h e i t d e r S o n n e n i c h t u n s e r alltägll(h e s Dasein?
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Wesensbereich der Wahrheit — Wesen der
Wissenschaft
c) W i s s e n s c h a f t l i c h e W a h r h e i t M i t w e l c h e m R e c h t d e k r e t i e r e n w i r e i n f a c h , d e r M y t h o s sei A b e r g l a u b e ? W e n n a b e r k e i n R e c h t dazu b e s t e h t , gibt es dann b e z ü g l i c h des S e i e n d e n v e r s c h i e d e n e W a h r h e i t e n , u n d w i e ver h a l t e n sie sich z u e i n a n d e r ? W e n n w i r z u g e b e n bzw. grundsatz lieh v e r s t e h e n , d a ß a u c h i m M y t h o s e i n e e i g e n e W a h r h e i t liegt d a n n b e s t e h t o f f e n b a r z w i s c h e n v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e r u n d wis s e n s c h a f t l i c h e r W a h r h e i t k e i n W e s e n s u n t e r s c h i e d m e h r , son d e r n b e i d e sind n u r d e m G r a d e n a c h v e r s c h i e d e n , u n d zwar i n s o f e r n , als i n d e r W i s s e n s c h a f t m e h r K e n n t n i s s e vorliegen, das e i n z e l n e g e n a u e r b e s t i m m t u n d i n s e i n e m Z u s a m m e n h a n g bes ser b e g r ü n d e t ist. Bei w e l c h e m G r a d e f ä n g t d a n n aber die w i s s e n s c h a f t l i c h e W a h r h e i t a n u n d w o h ö r t d i e vorwissenschaft l i e h e auf? H a t n i c h t g e r a d e die W a h r h e i t des M y t h o s d e n Vorzug e i n e r e i n h e i t l i c h e n G e s c h l o s s e n h e i t , u n d b e r u h t n i c h t seine M a c h t g e r a d e m i t d a r i n , d a ß alles e i n h e i t l i c h b e g r ü n d e t ist, w ä h r e n d w i r in m a n c h e n W i s s e n s c h a f t e n v o r l a u t e r Tatsachen d i e W i r k l i c h k e i t des S e i e n d e n n i c h t m e h r sehen? So ist d i e w i s s e n s c h a f t l i c h e W a h r h e i t w e d e r die einzige noch d i e h ö c h s t e . A u c h k a n n das W e s e n dieser W a h r h e i t n i c h t darin l i e g e n , d a ß i n i h r e i n e m ö g l i c h s t g r o ß e M a s s e von Tatsachen o f f e n b a r w i r d u n d d a ß d i e B e s t i m m u n g d e r s e l b e n e i n e n hohe r e n G r a d v o n G e n a u i g k e i t bei sich f ü h r t . D u r c h solche Verglei c h e k o m m e n w i r n i c h t z u m W e s e n d e r W i s s e n s c h a f t u n d zur K e n n z e i c h n u n g des W e s e n s des w i s s e n s c h a f t l i c h e n Daseins; wir s e h e n h ö c h s t e n s , d a ß i h m gar n i c h t o h n e w e i t e r e s die Auszeich n u n g z u k o m m t , d i e m a n i h m auf d e m B o d e n eines gewissen Aufklärertums beimessen möchte. A b e r w i e sollen w i r a n d e r s i n das W e s e n d e r W i s s e n s c h a f t und des w i s s e n s c h a f t l i c h e n D a s e i n s L i c h t b r i n g e n ? W i s s e n s c h a f t ist e i n e Art v o n W a h r h e i t ; diese g e h ö r t z u m D a s e i n . Sofern dieses existiert, ist es i n d e r W a h r h e i t . W e n n w i r diese I d e e der Wahr h e i t f e s t h a l t e n , W i s s e n s c h a f t also als e i n e Art des In-der W a h r h e i t - s e i n s n e h m e n , s t o ß e n w i r sofort auf etwas B e k a n n t e s
y 23. Wissenschaft
als Grundhaltung
der Existenz
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W s s e n s c h a f t ist eben eine besondere Einstellung. W i r wissen it der \ n t i k e , d a ß d i e W i s s e n s c h a f t e i n e s o g e n a n n t e t h e o r e t s f } i e E i n s t e l l u n g ist — t h e o r e t i s c h i m U n t e r s c h i e d zu p r a k t i s c h . T h e o r i e u n d Praxis b e s a g e n : Bloßes D e n k e n u n d S p e k u l i e r e n a u f d e r e i n e n Seite — D u r c h f ü h r u n g u n d A n w e n d u n g des G e dachten u n d E r k a n n t e n a u f d e r a n d e r e n . \ \ i s s e n s c h a f t ist a b e r n i c h t n u r e i n e b l o ß e V e r h a l t u n g s w e i s e , sondern eine m ö g l i c h e G r u n d h a l t u n g d e r m e n s c h l i c h e n E x i stenz em βίος, θεωρητικός βίος. Weil v o n h i e r a u s n i c h t n u r die Idee der a b e n d l ä n d i s c h e n W i s s e n s c h a f t , s o n d e r n a u c h d i e d e r Philosophie w e s e n t l i c h b e s t i m m t ist, m ü s s e n w i r g e n a u e r erörtern, was die A n t i k e h i e r u n t e r v e r s t a n d — f r e i l i c h h i e r n u r das Allerwesentlichste f ü r u n s e r e b e s o n d e r e Absicht. E i n e u m f a s sendere E r ö r t e r u n g h ä t t e e i n e R e i h e i n sich z u s a m m e n h ä n g e n der Fragen zu b e a n t w o r t e n .
§' 2)
Wi V senschaft als mögliche Grundhaltung der menschlichen Existenz. Βίος ΰεωρητικός — vita contemplativa
In der Blutezeit d e r a n t i k e n K u l t u r stellt die t h e o r e t i s c h e H a l tung das höchste L e b e n s i d e a l dar, das sich d a n n a u f das W e r d e n der ganzen a b e n d l ä n d i s c h e n W i s s e n s c h a f t a u s w i r k t e ; d a h e r ist, solange diese existiert, dieser βίος » l e b e n d i g « . D i e s e s L e b e n s ideal d r ä n g t e i m m e r w i e d e r zu e i n e r E r n e u e r u n g — n u r ist die t r a g e »wie 3 « u n d ob es h i n r e i c h e n d i n t e r p r e t i e r t w u r d e . Wenn unser h e u t i g e r W i s s e n s c h a f t l e r b e w u ß t e i n a n d e r e r georden ist, w e n n e r sich v o m U r s p r u n g e n t f e r n t h a t , w e n n w i r auch gar n i c h t m e h r v o r b e r e i t e t sind zur I n t e r p r e t a t i o n d e r W i k e , d a n n m u ß es d e n g r ö ß t e n B e d e n k e n b e g e g n e n , w e n n V( r s u ( h t wird, dieses L e b e n s i d e a l i n e i n e m s o g e n a n n t e n N e u humanismus w i e d e r zu e r n e u e r n . Es b l e i b t e i n e k r a f t l o s e A n gelegenheit von G e l e h r t e n , die sich v i e l l e i c h t u m e i n e Zeitschrift scharen ( » A n t i k e « ) , a b e r es r e i c h t n i c h t i n die W u r z e l n f'utiger Existenz; i m G e g e n t e i l , m a n w i l l d e r A b g r ü n d i g k e i t w
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Wesensbereich der Wahrheit — Wesen der
Wissenschaft
des h e u t i g e n D a s e i n s aus d e m W e g e g e h e n , s t a t t die f r e i e n R U f e zu h ö r e n o d e r erst das G e h ö r d a f ü r zu b i l d e n . D e r βίος ·θ·εωρητικός als P r o b l e m e r f o r d e r t m e h r e r e Fragen· ] W i e e n t s t a n d diese D a s e i n s g r u n d h a l t u n g ? 2. W i e vollzog sicf, d i e S e l b s t a u s l e g u n g dieses βίος? 3. W e l c h e A u f f a s s u n g von Le b e n , D a s e i n , E x i s t e n z l i e g t d e r E n t s t e h u n g u n d Auslegung z u g r u n d e ? 4. W i e w i r d dieser βίος g e g e n a n d e r e abgegrenzt, und w e l c h e R a n g s t e l l u n g h a t er u n t e r d e n ü b r i g e n ? 5. Welches sind d i e b e s o n d e r e n m e t a p h y s i s c h e n V o r a u s s e t z u n g e n f ü r die Auffass u n g dieses βίος als des h ö c h s t e n ? I m F o l g e n d e n k a n n a u s d e n f ü n f F r a g e n n u r die H a u p t s a c h e g e k l ä r t w e r d e n . Z u v o r sind e i n i g e u n u m g ä n g l i c h e Worterläut e r u n g e n n ö t i g , die s c h o n F i n g e r z e i g e g e b e n f ü r das Sachver s t ä n d n i s . θεωρητικός βίος, v i t a c o n t e m p l a t i v a ist die betrachten d e G r u n d h a l t u n g des Daseins. Βίος h e i ß t » L e b e n « , d a h e r das W o r t »Biologie«; v o n ζωή l e i t e t sich »Zoologie« ab. D e r Mensch ist das ζφον λόγον εχον, d a s a n i m a l r a t i o n a l e . Βιος u n d ζωή nenn e n b e i d e das L e b e n , a b e r o f t h a t βίος e i n e b e t o n t e Bedeutung: B i o g r a p h i e , L e b e n s g e s c h i c h t e , » L e b e n « n i c h t i m biologischzoologischen Sinne, s o n d e r n q u a » D a s e i n « , Existenz. Βίος Ίησοΰ, das » L e b e n Jesu« ist e i n e E r z ä h l u n g , D a r s t e l l u n g der Geschieh t e seines L e b e n s . I n u n s e r e m F a l l e g e h t es n i c h t u m die E r z ä h l u n g d e r L e b e n s g e s c h i c h t e u n d n i c h t u m diese selbst als f a k t i s c h e m i t all i h r e n V o r k o m m n i s s e n u n d U m s t ä n d e n , sond e r n u m d i e G r u n d r i c h t u n g e i n e s Daseins, s o f e r n es d u r c h eine w e s e n t l i c h e H a l t u n g , die es sich selbst g e b e n k a n n , sich bes t i m m t , u m e i n e m ö g l i c h e G r u n d h a l t u n g m e n s c h l i c h e r Exi stenz. K o n s t i t u t i v f ü r d i e s e n βίος ist die προαιρεσις, A n t i c i p a t i o n , d i e f r e i e V o r w e g n a h m e e i n e r b e s t i m m t e n M ö g l i c h k e i t des Daseins. Z u m D a s e i n g e h ö r e n m e h r e r e βίοι u n d die M ö g l i c h k e i t der Wahl zwischen verschiedenen Grundrichtungen. Θεωρητικός, θεωρός, θεωρία v e r w e i s t e t y m o l o g i s c h auf Φέα und / ό ρ (όράω). Z u n ä c h s t m e i n t θεωρός d e n Z u s c h a u e r bei etwas, w a s e i n e n A n b l i c k b i e t e t , z.B. d e n F e s t b e s u c h e r der Olymp 1 s e h e n Spiele; θεωρεΐν ist a n s c h a u e n , b e t r a c h t e n , i m An-blick
y 23. Wissenschaft
als Grundhaltung
der
Existenz
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,fgehen, i m ü b e r w ä l t i g e n d e n A n b l i c k v e r w e i l e n , d a h e r i n s b e θεωρήσαι τον ούρανόν καί τήν περί τόν δλον κόσμον τάξιν. 1 ß e i Herodot (I 29) m e i n t t h e o r i a das B e t r a c h t e n d e r Welt, ßei Piaton ist θεωρεΐν das S c h a u e n u n d B e t r a c h t e n d e r s i n n lichen u n d ü b e r s i n n l i c h e n Welt. D e r Begriff d e r p l a t o n i s c h e n Idee ist aus dieser G r u n d h a l t u n g d e r t h e o r i a , des θεωρεΐν, h e r a u s g e w a c h s e n . θ ε ο ρ η τ ι κ ό ς w i r d n o c h n i c h t v o n P i a t o n geb r a u c h t , erst v o n Aristoteles als das so sich v e r h a l t e n k ö n n e n , dieses B e t r a c h t e n als M ö g l i c h k e i t . Βίος Φεωρητικός ist also e i n e n e u e G r u n d h a l t u n g des m e n s c h lichen Daseins als v e r w e i l e n d e s B e t r a c h t e n des G a n z e n d e r Welt. Aristoteles g i b t θεωρία d e n S i n n des » t h e o r e t i s c h e n « ( i m griechischen S i n n e ) Verhaltens. D a s W o r t θεωρητικός ist s e i n e Prägung. E r s i e h t i n d e r θεωρία d i e e i g e n t l i c h e L e b e n s b e w e g t heit, den r e i n s t e n S i n n d e r ένέργεια, d. h . die »erste« B e w e g u n g als solche, χό θεΐον. D a s W o r a u f ist das άεί. Es ist c h a r a k t e r i s t i s c h f ü r die E t y m o l o g i e d e r a n t i k e n P h i l o logen nach Aristoteles 2 , d a ß sie θεός u n d ϋεωρία a u f das B e t r a c h ten der g ö t t l i c h e n D i n g e , a u f das Ü b e r w ä l t i g e n d e , a u f G o t t , θεός, bezogen h a b e n . D e r aristotelische G o t t e s b e g r i f f selbst w i r d bald nach Aristoteles r e l i g i ö s - e t h i s c h u m g e d e u t e t bzw. e r g i b t dafür die k a t e g o r i a l e S t r u k t u r h e r . D i e E n t w i c k l u n g v o n Φεωρία m der a n t i o c h e n i s c h e n s k e p t i s c h e n S c h u l e f ü h r t d a n n d a z u , d a ß »theoretisch« jetzt n i c h t n u r g e g e n » p r a k t i s c h « u n t e r s c h i e d e n wird, sondern g e g e n g l a u b e n s m ä ß i g e D e u t u n g , d . h . v e r s t a n d e n als »aus bloßer V e r n u n f t « . So ist die E t y m o l o g i e , d i e A l e x a n d r o s Aphrodisias gibt, v e r s t ä n d l i c h u n d e i n w i c h t i g e s D o k u m e n t d e r Bedeutungsgeschichte des aristotelischen G o t t e s b e g r i f f e s w i e des Sinns von θεωρία: t o γάρ θεωρεΐν / καί άπ' αύτοϋ τοΰ όνόματος ^ήλον / ώς έ'στι περι τήν των θείων οψιν τε καί γνωσιν· / σημαίνει γάρ τό o n d e r e
H e r m a n n Diels, D i e Fragmente der Vorsokratiker. Griechisch und "•utsch. Erster Band, 4. Aufl., Berlin 1922. S. 382. Vgl. ferner die Berichte über "Mxdgoras (Eeben und Lehre). A.a.O., S. 375 ff. Alexandros Aphrodisias, In Aristot. analytica priora I, ed. Wallies, pag. 3,
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όράν τά θεΐα. 5 I n d e r A n t i o c h e n i s c h e n E x e g e t e n s c h u l e (die selbst p h i l o s o p h i s c h w i e d e r u n t e r r e i n a r i s t o t e l i s c h e m E i n f l u ß stand) ist θεωρία gleich Ιστορία; Ιστορία: K u n d e v o m S e i e n d e n , nicht im b e s o n d e r e n S i n n e des » G e s c h i c h t l i c h e n « , a u c h Naturereignisse E r d b e b e n u n d d e r g l e i c h e n z ä h l e n dazu. •ö-εωρία gleich ίστορία ist w i s s e n s c h a f t l i c h e T a t s a c h e n f o r s c h u n g i m G e g e n s a t z zu άλληγορια als h e i l s g e s c h i c h t l i c h - m y s t i s c h e Int e r p r e t a t i o n , O r i g e n e s . Typologie σκιά τών μελλόντιον opp. σώμα (das W i r k l i c h e ) 4 . D i e l a t e i n i s c h e Ü b e r s e t z u n g v o n θεΐα ist v i t a contemplativa· t e m p l u m , τέμνειν, τέμενος ( t e m p u s ) ist d e r a b g e g r e n z t e Bezirk als S t a n d o r t des A u g u r , z u g l e i c h das H i m m e l s g e w ö l b e , a n d e m er die Bezirke a u s g r e n z t e u n d die G ö t t e r z e i c h e n b e s t i m m t e . Cont e m p l a r i h e i ß t : » d e n h e i l i g e n Bezirk auf d e r E r d e u n d a m H i m m e l m i t d e m Blick u m f a s s e n « . S p ä t e r ist d e r H i m m e l n i c h t das L e t z t e , s o n d e r n Gott; d a r u m h e i ß t es n u n : B e t r a c h t e n u n d Ans c h a u e n Gottes, V e r s e n k u n g i n das L i c h t d e r G o t t h e i t . Contemp l a r i w i r d zu e i n e m spezifisch religiösen u n d theologischen A u s d r u c k ; v i t a c o m t e m p l a t i v a u n d v i t a activa b e z e i c h n e n religiöse V e r h a l t u n g e n . T h o m a s v o n A q u i n : C o n t e m p l a t i o a l i q u a n d o c a p i t u r stricte p r o actu i n t e l l e c t u s d i v i n a m e d i t a n t i s e t sie c o n t e m p l a t i o est s a p i e n t i a e actus, alio m o d o c o m m u n i t e r p r o o m n i actu, quo quis a n e g o t i i s e x t e r i o r i b u s s e q u e s t r a t u s soli d e o vacat, quod quidem c o n t i n g i t dupliciter, vel i n q u a n t u m h o m o D e u m l o q u e n t e m in
5
A.a.O., Prooem., pag. 3, 19. Vgl. H. Kihn, Über #εωρία und άλληγορία nach den verlorenen hermeneu tischen Schriften der Antiochier. Theolog. Quartalsschrift LXII (1880), S 531-558); vgl. H. Kihn: Theodorus Magnesia und Innitius Afr. als E x e g e t e n 1880. Instituta regularia divinae legis (Bdtg.-f.M.A.) Literatur: Paul Boesch, »Φεωρός«. Untersuchungen zur Epangelie griechi scher Feste. Diss. Berlin 1908. Franz Boll, Vita contemplativa. (Sitzungsber. <1 Heidelb. Akademie der Wissenschaften, Phil. hist. Klasse, Jg. 1920, Abh. 8, bes. S. 23 ff.) — Georg Curtius bringt in seinen »Grundzügen der griechischen Etymologie« (4. Aufl., Leipzig 1873, 253) (tu/ mit dem dorischen θαμ™ βαέομαι, θεάομαι »Staunen« in Verbindung. 4
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der
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scriptiiris a u d i t , q u o d f i t p e r l e c t i o n e m , vel i n q u a n t u m D e o l o q u i t u r , quod f i t p e r o r a t i o n e m . 5 Die Betrachtung· w i r d e i n m a l i m s t r e n g e n S i n n e g e f a ß t f ü r d e n j e n i g e n A k t des I n t e l l e k t s , der, d i v i n a m e d i t a n t i s , das G ö t t liche bedenkt, w e n n m a n so s a g e n will. So ist die c o n t e m p l a t i o der eigentliche a c t u s d e r W e i s h e i t , d e r s a p i e n t i a . I n e i n e m weiteren Sinne a b e r . w i r d c o n t e m p l a t i o f ü r d e n j e n i g e n A k t g e n o m men, in d e m e i n e r ; f r e i g e w o r d e n v o n d e n ä u ß e r e n G e s c h ä f t e n , sich frei gibt, s e i n e Z e i t , f ü r G o t t allein. I m e n g e r e n w i e i m weiteren S i n n e b e s a g t c o n t e m p l a r i b e t r a c h t e n , M e d i t a t i o n d e r göttlichen D i n g e . D i e l e t z t e r e B e d e u t u n g v o n c o n t e m p l a r i k a n n wiederum e i n e z w e i f a c h e sein, L e s u n g d e r S c h r i f t u n d G e b e t . Vom Begriff ider c o n t e m p l a t i o u n t e r s c h i e d sich s c h o n i m M i t telalter d e r j e n i g e B e g r i f f , d e r i n d e r N e u z e i t zur B e z e i c h n u n g des T h e o r e t i s c h e n g e b r a u c h t w i r d , n ä m l i c h d e r B e g r i f f d e r speculatio, speculari. W e n n i m d e u t s c h e n I d e a l i s m u s F i c h t e , Schelling, Hegel v o n d e r S p e k u l a t i o n s p r e c h e n , m e i n e n sie n i c h t s anderes als das t h e o r e t i s c h e E r k e n n e n . D e r U n t e r s c h i e d zwischen c o n t e m p l a t i o u n d speculatio b e s t e h t d a r i n , d a ß i n d e r contemplatio als e i n e r religiösen H a l t u n g G o t t d i r e k t b e t r a c h t e t wird, w ä h r e n d d i e s p e c u l a t i o d a d u r c h a u s g e z e i c h n e t ist, d a ß sie divina in c r e a t u r i s inspicit, d . h . das G ö t t l i c h e b e t r a c h t e t , s o w e i t es sich im G e s c h a f f e n e n b e k u n d e t , q u a s i in speculo, g l e i c h s a m wie in e i n e m Spiegel, als sei das G e s c h a f f e n e e i n S p i e g e l Gottes. Hier b e k o m m t speculari, das auf das l a t e i n i s c h e species, A n b l i c k - lauter B e g r i f f e aus d e r S p h ä r e des S e h e n s — z u r ü c k g e h t , obwohl noch auf g ö t t l i c h e D i n g e o r i e n t i e r t , d i e T e n d e n z zu d e m jenigen E r k e n n e n , das d e r M e n s c h v o n sich a u s vollzieht, das also nicht p r i m ä r d u r c h d e n G l a u b e n b e s t i m m t ist. S p e k u l a t i o n heißt d a n n das f r e i e N a c h s i n n e n ü b e r d i e D i n g e . S p e k u l a t i v w ird später, so a u c h b e i K a n t , e i n f a c h zur B e z e i c h n u n g f ü r das I homas von Aquin, Scriptum super libros sententiarum magistri Petri •ombardi episcopi Parisiensis (1253-1255). 4. sent., dist. 15, quaest. 4, art. 1,
solu
t'° 2, dd primum.
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T h e o r e t i s c h e : s p e k u l a t i v e M e t a p h y s i k i m U n t e r s c h i e d zur p ra j. tischen Metaphysik. M a n m u ß diese G r u n d b e d e u t u n g e n des W o r t e s »theoretisch« u n d d e n Z u s a m m e n h a n g , i n d e m es e r w a c h s e n ist, vor Augen h a b e n , e i n m a l u m zu v e r s t e h e n , i n w e l c h e r R i c h t u n g sich die I n t e r p r e t a t i o n d e r W i s s e n s c h a f t m i t H i l f e d e r sogenannten t h e o r e t i s c h e n H a l t u n g b e w e g t , s o d a n n a b e r , u m a u c h deutlich m a c h e n zu k ö n n e n , i n w i e f e r n i n dieser I n t e r p r e t a t i o n d e r Wiss e n s c h a f t e i n e G r e n z e liegt, u n d das h e i ß t , u m einsichtig zU m a c h e n , d a ß w i r e n t s c h e i d e n d e S c h r i t t e t u n m ü s s e n , u m geg e n ü b e r d e r seit d e r A n t i k e ü b l i c h e n u n d s c h l e c h t h i n selbstvers t ä n d l i c h g e w o r d e n e n A u s l e g u n g d e r W i s s e n s c h a f t a u f ein u r s p r ü n g l i c h e r e s W e s e n s v e r s t ä n d n i s zu s t o ß e n . Z u n ä c h s t gilt es zu v e r d e u t l i c h e n , w a s βίος Ό-εωρητικός im U n t e r s c h i e d zu a n d e r e n m ö g l i c h e n βίοι besagt. Aristoteles k o m m t a u f die βίοι gleich zu B e g i n n der Nikom a c h i s c h e n E t h i k A 3 zu s p r e c h e n , u n d z w a r i n e i n e m charak t e r i s t i s c h e n Z u s a m m e n h a n g . Es ist die A u f g a b e , das G a n z e zu u m g r e n z e n , w a s die E x i s t e n z des M e n s c h e n als solche u r s p r ü n g lieh u n d e i g e n t l i c h b e s t i m m t , τό άγαΰ-όν, εύδαιμονία, ζωή βΐ8 πράξις, n i c h t ποίησις. πράξις ist das W i r k e n , das zu E n d e k o m m t i m W i r k e n d e n selbst; d e r M e n s c h ist Z w e c k s e i n e r selbst. Aber w a s ist n u n i m M e n s c h e n u n d M e n s c h s e i n das άκρόχατον άγαθόν, das W o r u m w i l l e n , u m d i e G r u n d m ö g l i c h k e i t des Menschseins s e i n e m W e s e n g e m ä ß zu e r g r e i f e n u n d zu v e r w i r k l i c h e n ? Auf w e l c h e m W e g e ist dieses άγαθόν zu f i n d e n ? D e r βίος ·&εα>ρητικός w i r d n i c h t i m Z u s a m m e n h a n g m i t einer K l ä r u n g des W e s e n s d e r W i s s e n s c h a f t a u s e i n a n d e r g e l e g t , sond e r n in d e r F r a g e n a c h d e m άνθρώπινον άγαθόν; d o c h w i r d jenes a u c h i n d e r » M e t a p h y s i k « A 1 u n d 2 e r f r a g t , τό γάρ άγαθόν καί τήν εύδαιμονίαν ούκ άλόγως έοίκασιν, έκ τών βίων ύπλαμβάνειν . . . (Nik. E t h . A 3, 1095 b 14 sq.) 6 . D a s d e n βίοι z u g r u n d e Liegende, sie 6 Aristotelis Ethica Nicomachea. Recognovit Franciscus Susemihl. Lapsiae in aedibus B.G. Teubneri 1882.
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g s t i m m e n d e ist zu e r f a s s e n . H i e r z u sind die βίοι g e e i g n e t , die jj s o n d e r s aus d e n ü b r i g e n h e r v o r r a g e n , τρεΐς γάρ είσι μάλιστα οί οούχοντες, δ τε νΰν είρημένος [άπολαυστικός] καί ό πολιτικός καί τρίτοξ ''' θεωρητικός (1095 b 17-19). Von diesen τέλη gilt δι' αΰτά γάρ
άγαπδται ( 1 0 9 6 a 8 sq.).
οίκεΐόν t t καΐ δυσαφαίρετον είναι μαντευόμεθα ( 1 0 9 5 b s q ) W e n n w i r das h ö c h s t e G u t s u c h e n , so a h n e n u n d m u t m a ß e n wir schon, d a ß es e t w a s sei, was i n u n s selbst q u a M e n s c h e n zu H a u s e ist u n d n u r s c h w e r zu e n t r e i ß e n . E s ist d e m n a c h ein Besitz, d e r i n d e r E x i s t e n z als solcher liegt. Vgl. Nik. Ethik A 6: t ô άριστον: 1. ζωή, 2. πράξις τις, 3. καί τό ευ, das ()_•/<(ϋάν, das d u r c h e i n f a c h e s V e r n e h m e n b e s t i m m t ist, i n d e m sich die h ö c h s t e M ö g l i c h k e i t v e r w i r k l i c h t , τέλος ist das, w o r i n etwas sich v o l l e n d e t , a b e r g e r a d e i n d e r V o l l e n d u n g erst w i r k lich wird, n i c h t e t w a a u f h ö r t , εύπραξία, αύταρκές ist e i n H a n deln u n d E x i s t i e r e n , das b e i sich selbst zu E n d e k o m m t , d . h . vollendet ist, g e r a d e w e n n es s c h l e c h t h i n h a n d e l t . D a r i n l i e g t der Unterschied z w i s c h e n ποίησις als h e r s t e l l e n d e m T u n u n d πράξις als e x i s t e n t i e l l e m H a n d e l n . B e i m H e r s t e l l e n v o n e t w a s ist das Werk f ü r - s i c h abgelöst u n d i n sich v o r h a n d e n . D a h e r kann im e r s t g e n a n n t e n βίος das άγαθόν n i c h t l i e g e n ; i n d i e s e m sind die M e n s c h e n — g l e i c h d e m V i e h — d e m G e n u ß ausgeliefert; zwar ist a u c h das » n u r G e n i e ß e n « e t w a s u m s e i n e r selbst willen, aber es ist n u r m ö g l i c h i m sich A u s l i e f e r n a n d i e G e legenheiten u n d O b j e k t e des m ö g l i c h e n Genusses, u n b e s t ä n d i g und bestandlos. Τ ά γ α ϋ ό ν δέ
Der zweite βίος s u c h t das άγαθόν i m ö f f e n t l i c h e n A n s e h e n , μή, jedoch δοκεϊ . . . έν τοΐς τιμωσι μάλλον ειναι ή έν τ φ τιμωμένψ (1095 b 24 sq.). W a s d a g e s u c h t w i r d , s t e h t m e h r bei d e m , d e r Ansehen v e r l e i h t , als d e m , d e r es g e w i n n t , d . h . d e r l e t z t e ist angewiesen auf d i e ö f f e n t l i c h e M e i n u n g , ist v e r s t e c k t e r w e i s e ( <-r ' Sklave d e r s e l b e n . D a a u c h h i e r das D a s e i n n i c h t die volle ^genständigkeit s e i n e r selbst h a t , k a n n das άγαθόν h i e r n i c h t u 'f? e n, d e n n d i e M ö g l i c h k e i t dazu ist n i c h t g e g e b e n . B e i d e βίοι ' ""greifen n i c h t das άγαθόν άκρότατον. τρίτος δ' έστίν ό θεωρητικός,
τι
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ύπέρ οΰ τήν έπίσκεψιν έν τοΐς έπομένοις ποιησόμεθα (1096 a 4 Vgl. Nik. E t h i k Z 13 u n d K 7 sqq.
§ 24. Die ursprüngliche Zusammengehörigkeit und Praxis im ύεωρεϊν als Offenbarmachen
von Theorie des Seienden
D i e t h e o r e t i s c h e G r u n d h a l t u n g ist d i e h ö c h s t e . W a r u m ? I n der N i k o m a c h i s c h e n E t h i k h e i ß t es, K 6 ( 1 1 7 6 b 1 sqq.): [εύδαψονία 1 είς ένέργειάν τινα θετέον . . . [1. καθ' αύτάς, 2. δι' ετερα,] καθ' αύτάς δ' εΐσίν αΐρεταί άφ' ων μηδέν έπιζητεΐται παρά τήν ένέργειαν. Κ 7: ενδαιμονία κατ' άρετήν ενέργεια, εϋλογον κατά τήν κρατίστην (1177a 12 sq.). κρατίστη τε γάρ αΰτη έστίν ή ένέργεια . . . [θεωρηχική] . . . ό νοΰς τών έν ήμΐν . . . περί α ό νοϋς (1177a 19 sqq.). θεΐον ό νοϋς πρός τόν άνά-ρωπον ( 1 1 7 7 b 30). D i e t h e o r e t i s c h e G r u n d h a l t u n g ist d i e j e n i g e πράξις, i n d e r d e r M e n s c h e i g e n t l i c h M e n s c h sein k a n n . Es ist w o h l zu b e a c h t e n , d a ß •θ-εωρία n i c h t n u r ü b e r h a u p t e i n e πράξις, s o n d e r n d i e e i g e n t l i c h s t e ist. Aristoteles m a g gespürt h a b e n , d a ß auf d e n ersten Blick hier etwas Unvereinbares liegt, die θεωρία als αριχττος βίος u n d dieser πρακτικός. I n der M e t a p h y s i k A 1 u n d 2 entwickelt Aristoteles ausführlich, w i e die theoretische H a l t u n g sich dadurch ausbildet, d a ß m e h r u n d m e h r v o m »praktischen« N u t z e n u n d Gebrauchen abgesehen w i r d u n d sie einzig dcirauf zielt, das Seiende an ihm selbst zu betrachten, μή πρός χρήσιν. W i e soll d a n n θεωρία noch praktisch sein? Sie m u ß das doch sein, w e n n αριστος βίος o πρακτικός? D a r a u f a n t w o r t e t Aristoteles ganz eindeutig in der Politik H (VII) 3, 1325b 16: άλλά τόν πρακτικόν ούκ άναγκαιον εΐναι πρός ετέρους, καθάπερ οϊνονταί τινες, ούδέ τάς διανοίας ειναι μόνας ταυτας πρακτικάς, τάς τών άποβαινόντων χάριν γινομένας εκ τοϋ πράττειν. άλλα πολϋ μάλλον τάς αΰτοτελεΐς καί τάς αύτών ενεκεν θεωρίας καί δι«νοηοΕΙζ ή γάρ εύπραξία τέλος, ωοτε καί πράξίς τις.1 »Aber es ist auch n i c h t
1 Aristotelis Politica. Nova impressio, ed. Franciscus Susemihl. Bibliothe' a Teubneriana, Lipsiae 1894.
y 24. Zusammengehörigkeit
von Theorie und Praxis
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twendig, daß d e r H a n d e l n d e h a n d e l t i m Verhältnis zu anderen, p einige m e i n e n ; a u c h ist es n i c h t so, d a ß d i e j e n i g e n Überleben allein h a n d e l n d e w ä r e n , die geschehen in Absicht d a r a u f , •as aus einer H a n d l u n g herausspringt, sondern viel e h e r n o c h ist dasjenige H a n d e l n praktisch, das in sich selbst die eigene Vollendung darstellt, iUnd diejenigen B e t r a c h t u n g e n , die u m i h r e r s e l b s t willen vollzogen w e r d e n . D e n n das τέλος des M e n s c h e n ist die εύπραξία.« ^ \ \ u s dieser Stella e n t n e h m e n wir, d a ß das Wesen des H a n d e l n s n i c h t darin besteht, d a ß es auf a n d e r e bezogen ist; n i c h t n u r dasjenige D e n k e n ist »praktisch«, das abzielt a u f u n d vollzogen ist in Absicht a u f seinen h e r a u s s p r i n g e n d e n p r a k t i s c h e n Erfolg, die Herstellung von etwas, s o n d e r n πολύ μάλλον, i n e i n e m viel höheren G r a d e »praktisch«, d . h . h a n d e l n d ist d a s j e n i g e Betrachten und B e s t i m m e n , das αύτοτελής αύτών ενεκεν ist, in sich selbst die Vollendung f i n d e n d u n d u m seiner selbst w i l l e n vollzogen. Die Vollendung liegt i m h ö c h s t m ö g l i c h e n g u t e n H a n d e l n , d . h . im Wie, u n d d e s h a l b m u ß , d a m i t dieses W i e m ö g l i c h w e r d e , ein entsprechendes W a s d e r m ö g l i c h e n H a n d l u n g d a sein. Daraus wird klar: πρακτικός u n d πράξις, praktisch u n d Praxis, heißen nicht, i n d e r A n w e n d u n g u n d V e r w e n d u n g v o n e t w a s tätig sein, sondern· h a n d e l n d u n d H a n d l u n g . D a s P r a k t i s c h e ist nicht das Werk, d e r E r f o l g der H a n d l u n g , s o n d e r n diese selbst. Wir dürfen das »Praktische« i m h e u t i g e n S i n n e g e r a d e n i c h t mitdenken bei πράξις. E i g e n t l i c h e s H a n d e l n ist g e r a d e jenes, w a s nicht erst d u r c h die m ö g l i c h e V e r w e n d u n g u n d d e n s o g e n a n n t e n praktischen W e r t s e i n e n S i n n b e k o m m t , s o n d e r n d i e j e n i g e Bewegtheit verwirklicht, die i m H a n d e l n liegt - B e - w e r k s t e l l i g u n g dadurch, daß sie q u a ένέργεια selbst τέλος ist. So wird einsichtig, d a ß jedenfalls das d e n k e n d e B e t r a c h t e n ein I landein ist. A b e r w a r u m soll die θεωρία g e r a d e d e r höchste βίος, die εύπραξία s c h l e c h t h i n sein? I n w i e f e r n ist n u n das θεωρεΐν, die theoretische H a l t u n g die höchste πράξις, das e i g e n t l i c h e H a n deln? Zunächst k ö n n t e m a n sagen, jedes B e t r a c h t e n ist doch etrachten von' etwas, v o n S e i e n d e m . Also ist a u c h dieses H a n -
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Wesensbereich der Wahrheit — Wesen der
Wissenschctft
d e i n a n g e w i e s e n auf solches, w o r a u f es sich bezieht. W i r h ö r t e n f e r n e r , das άγαθ-όν άκρότατον solle b l e i b e n d sein; a b e r das Seiende w e c h s e l t doch, e n t s t e h t u n d v e r g e h t u n d bietet n i c h t o h n e weiteres b l e i b e n d e n Besitz. W i e m ü ß t e Aristoteles h i e r a u f antworten? G e w i ß , das θεωρεΐν b e z i e h t sich auf τά δντα; aber i m e i g e n t l i c h e n S i n n e seiend ist n u r , w a s n i e n i c h t , d. h . was i m m e r s e i e n d ist, άεί öv. N u r sofern sich d i e r e i n e B e t r a c h t u n g auf das I m m e r s e i e n d e richtet, g i b t sie sich als d i e s e m Verweilen b e i m B l e i b e n d e n selbst d e n C h a r a k t e r d e r Beständigkeit. A b e r freilich ist n u r in v e r s t ä r k t e m M a ß e gezeigt, d a ß die θεωρία als πράξις auf ετερον, auf a n d e r e s a n g e w i e s e n ist. I n w i e f e r n k a n n sie d a n n αύτοτελής sein u n d auf G r u n d dieses C h a r a k t e r s erst ein οίκεΐον άγαθόν άνθρώπου? I n w i e f e r n ist die θεωρία e i n e πράξις αύτοτελής, auf das S e i e n d e g e r i c h t e t u n d doch τέλος i m D a s e i n , in sich die Vollendung, w o sie doch g e r a d e auf das Seiende gerichtet ist, v o n sich, d e r H a n d l u n g weg? G e r a d e das W e s e n der H a n d l u n g , d a m i t sie selbst als τέλος sein k a n n , b r a u c h t zwar d a b e i n i c h t e r f a ß t zu sein. D i e G e g e n s t ä n d e s i n d aber doch ετερον. W e l c h e n C h a r a k t e r h a t d a n n das θεωρεϊν? Aristoteles zeigt in d e r N i k o m a c h i s c h e n E t h i k Z g a n z klar, es b e s t e h t i m άληθεύειν, i m O f f e n b a r m a c h e n des S e i e n d e n ; i n dieser πράξις w i r d nicht Seiendes bearbeitet, s o n d e r n die U n v e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n e r h a n d e l t , d . h . das H a n d e l n ist ein z u m G e s c h e h e n - b r i n g e n der U n v e r b o r g e n h e i t , der W a h r h e i t . D i e s e aber ist e i n e Wesensbes t i m m u n g des D a s e i n s — n a c h u n s e r e r I n t e r p r e t a t i o n , n i c h t der t r a d i t i o n e l l e n — als e x i s t i e r e n d e m h a n d e l n d e m D a s e i n u n d Inder-Walirheit-sein. θεωρεΐν ist in d e r Tat ein solches H a n d e l n , das als o f f e n b a r m a c h e n d e s n u r O f f e n b a r k e i t g e s c h e h e n läßt, die, selbst z u m D a s e i n gehörig, dieses zu d e m bringt, was es sein kann, sofern es q u a existierendes i n d e r W a h r h e i t ist, e i n e Wesensmögl i c h k e i t des Daseins. W e n n dieses G e s c h e h e n selbst sich als » E n d e « u n d Vollendung f a ß t , d a n n geschieht g e r a d e O f f e n b a r keit des Seienden. G e w i ß ist das θεωρεΐν auf das S e i e n d e gerichtet; g e w i ß ist so dieses H a n d e l n auf e t w a s gerichtet, was es n i c h t selbst ist, aber
§24. Zusammengehörigkeit
von Theorie und Praxis
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das θεωρεΐν h a t n i c h t z u m Ziel, das S e i e n d e g l e i c h s a m herzustellen bzw. i n i r g e n d e i n e m S i n n zu gestalten, zu b e a r b e i t e n , s o n d e r n W i e die B e z e i c h n u n g sagt, es lediglich zu b e t r a c h t e n . Es k o m m t nur auf die E r k e n n t n i s des S e i e n d e n als solchen an, d. h . a u f die Offenbarkeit des Seienden, die i n d e r n u r b e t r a c h t e n d e n Erkenntnis erwächst. Jetzt w i r d d e u t l i c h , w i e e n t s c h e i d e n d die rechte H e r a u s a r b e i t u n g des W a h r h e i t s b e g r i f f e s ist; jetzt erst w i r d έώρακεν, όρά verständlich: g e r a d e das Seiende, so w i e es ist, sein zu lassen, d . h . aber i h m die U n v e r b o r g e n h e i t zu g e w ä h r e n , als betrachtendes D a s e i n sich in solcher O f f e n b a r k e i t zu h a l t e n . Das .Seiende in seiner U n v e r b o r g e n h e i t , τό öv άληθές ist es, w o r u m w i l l e n das θεωρεΐν h a n d e l t . D a h e r sagen die G r i e c h e n sehr oft, w e n n sie d a v o n sprechen, d a ß die b e t r a c h t e n d e E r k e n n t n i s das Seiende erforsche, sie erforsche die W a h r h e i t , d . h . a b e r griechisch! das S e i e n d e i n seiner U n v e r b o r g e n h e i t . D i e W a h r h e i t i n diesem S i n n e ist das τέλος, das, w o r i n sich dieses H a n d e l n als das I n - d e r - W a h r h e i t - s e i n vollendet, άγαθόν, ου ενεκα, w o r u m w i l l e n g e h a n d e l t w i r d , ist U n v e r b o r g e n h e i t , diese aber Wesensbestimm u n g des D a s e i n s selbst. W a r u m n u n d e r βίος θεωρητικός f ü r die G r i e c h e n (Piaton, Aristoteles) der h ö c h s t e w u r d e u n d ob e r das s c h l e c h t h i n ist u n d in w e l c h e m Sinne, k ö n n e n w i r i m e i n z e l n e n n i c h t erörtern. F ü r u n s bleibt als w e s e n t l i c h e s R e s u l t a t , d a ß ·&εωρεϊν i m W e s e n s z u s a m m e n h a n g m i t πράξις (Existenz, D a s e i n ) u n d W a h r h e i t , U n v e r b o r g e n h e i t steht, u n d zwar E r k e n n t n i s des öv als άει öv, des I m m e r s e i e n d e n . E i n e Z w e i d e u t i g k e i t b e s t e h t noch: a) n i c h t n u r ein b e s t i m m t e s G e b i e t v o n S e i e n d e m , das diese Seinsart h a t — grundsätzliche U n k l a r h e i t ü b e r Ontologie als a l l g e m e i n e O n t i k —, sondern b) das Sein jedes S e i e n d e n als »Wesen«, das I m m e r w ä h r e n d e a n j e d e m S e i e n d e n , was i m m e r schon a n g e t r o f f e n w i r d a n ihm. Doch das h a b e n w i r schon a u s e i n a n d e r g e l e g t i m A n s c h l u ß a n die t r a d i t i o n e l l e D e f i n i t i o n der W i s s e n s c h a f t , i n d e m w i r d e n traditionellen W a h r h e i t s b e g r i f f r a d i k a l e r f a ß t e n u n d s a h e n : W i s s e n schaft ist e i n e A r t von W a h r h e i t , e i n e Weise des I n - d e r - W a h r h e i t -
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Wesensbereich der Wahrheit — Wesen der
Wissenschctft
seins. Aber g e r a d e das E i g e n a r t i g e dieser Art u n d Weise ist es, was w i r suchen. G i b t die K e n n z e i c h n u n g derselben als »theoretisch« h i n r e i c h e n d Aufschluß? T h e o r e t i s c h heißt: b e t r a c h t e n d e s Verhalten — a b e r n i c h t jedes B e t r a c h t e n u n d B e s c h a u e n v o n e t w a s n e n n e n w i r schon Wissenschaft. (Beschauliches D a s e i n ist k e i n e W i s s e n s c h a f t . ) Selbst w e n n w i r B e t r a c h t u n g i n e i n e m a u s g e z e i c h n e t e n S i n n e als Schau u n d V e r s e n k u n g n e h m e n , als Verhalten des Mystikers, so sagen w i r schon m i t der letzten B e z e i c h n u n g , d a ß g e r a d e diese contemplatio von d e r W i s s e n s c h a f t r e c h t w e i t e n t f e r n t , ja grundsätzlich geschieden ist, w e n n a n d e r s W i s s e n s c h a f t sogar d e r F e i n d aller M y s t i k bleibt. Aber selbst w e n n m a n das t h e o r e t i s c h e Verhalten in e i n e m n i c h t m y s t i s c h e n S i n n e f a ß t u n d »theoretisch« als bloßes Betracht e n d e r D i n g e i n t e r p r e t i e r t , t r i f f t es n i c h t das wissenschaftliche Verhalten. D e n n a u c h in d e n W i s s e n s c h a f t e n g i b t es »praktische« t e c h n i s c h e H a n t i e r u n g — alle e x p e r i m e n t e l l e F o r s c h u n g ist Beleg, a b e r a u c h philologisch-historische Arbeit e t w a bei H a n d s c h r i f t e n e d i t i o n e n oder archäologischen G r a b u n g e n . Solche T ä t i g k e i t e n g e h ö r e n zu d e n g e n a n n t e n W i s s e n s c h a f t e n ; es sind nicht ä u ß e r e V o r k e h r u n g e n , s o n d e r n die G e g e n s t ä n d e d e r b e t r e f f e n d e n W i s s e n s c h a f t f o r d e r n solches. So zeigt sich e r n e u t : D i e W i s s e n s c h a f t , die m a n theoretische E i n s t e l l u n g n e n n t , ist erstens p r a k t i s c h als H a n d l u n g , zweitens praktisch i m S i n n e d e r t e c h n i s c h e n B e w e r k s t e l l i g u n g u n d H a n t i e r u n g . D i e B e z e i c h n u n g »theoretisch« v e r d e c k t g e r a d e diesen d o p p e l t e n H a n d l u n g s c h a r a k t e r d e r W i s s e n s c h a f t . Aber die Bez e i c h n u n g k a n n g l e i c h w o h l n i c h t zufällig sein. Sie zeigt ein W e s e n s m o m e n t der W i s s e n s c h a f t an, o h n e es i n s e i n e m K e r n zu fassen. D e n n dieser ist n i c h t g e f a ß t , a u c h w e n n w i r »theoretisch« als » n u r b e t r a c h t e n d « , u n d zwar u n t e r M i t e i n s c h l u ß des praktis c h e n C h a r a k t e r s , i n t e r p r e t i e r e n , ja selbst d a n n nicht, w e n n wir das » n u r b e t r a c h t e n « a u s l e g e n als » u m der E r k e n n t n i s willen«, » u m der W a h r h e i t willen«. A m E n d e k o m m e n w i r d e m »theoretischen« Verhalten u n d s e i n e m W e s e n n u r d a d u r c h n a h e , daß
§25. Konstruktion
des Wesens der Wissenschaft
179
wir n a c h d e r πράξις, d e m spezifischen H a n d l u n g s c h a r a k t e r der E r k e n n t n i s u m der W a h r h e i t w i l l e n f r a g e n .
§25.
Konstruktion
des Wesens
der
Wissenschaft
a) In-der-Wahrheit-sein u m der W a h r h e i t willen Alles V e r h a l t e n des D a s e i n s — so w i s s e n w i r s c h o n — ist als solches ein I n - d e r - W a h r h e i t - s e i n . A b e r n i c h t jedes I n - d e r - W a h r h e i t sein ist e i g e n s s c h o n e i n solches u m w i l l e n d e r W a h r h e i t . Sich i n der O f f e n b a r k e i t v o n S e i e n d e m h a l t e n u n d zu d i e s e m sich verh a l t e n , b e s a g t n i c h t n o t w e n d i g , diese O f f e n b a r k e i t e i g e n s als solche k e n n e n o d e r g a r sich u m diese p r i m ä r b e m ü h e n . U m w i l len d e r W a h r h e i t e r k e n n e n ist d e m n a c h ein g a n z spezifisches Sich-in-der-Unverborgenheit-halten — umwillen einer Unverb o r g e n h e i t des S e i e n d e n selbst. D a m i t s t o ß e n w i r a u f das z e n t r a l e P r o b l e m e i n e r W e s e n s i n t e r p r e t a t i o n d e r W i s s e n s c h a f t . Es m u ß g e f r a g t w e r d e n : W o r i n liegt das A u s z e i c h n e n d e d e r j e n i g e n E x i s t e n z a r t des D a s e i n s , in der so e t w a s w i e das I n - d e r - W a h r h e i t - s e i n u m d e r W a h r h e i t willen g e s c h i e h t ? Was b e s a g t dieses? W i r k ö n n e n dieses P r o b l e m auch auf e i n e F o r m e l b r i n g e n , die s i c h t b a r m a c h t , d a ß d u r c h die O r i e n t i e r u n g a m » T h e o r e t i s c h e n « u n d s e i n e m W o r t s i n n das P r o b l e m n i c h t e r r e i c h t w i r d . D a n n ist zu f r a g e n : W e l c h e s ist die u r s p r ü n g l i c h e H a n d l u n g , U r h a n d l u n g des D a s e i n s , i n d e r so etwas w i e d i e s c h e i n b a r p r a x i s f r e i e , n u r b e t r a c h t e n d e E i n s t e l lung der Wissenschaft möglich wird? In der ersten Formel k o m m t n u n a u c h die F r a g e n a c h e i n e m e x i s t e n z i a l e n B e g r i f f d e r W i s s e n s c h a f t z u m d e u t l i c h e n A u s d r u c k . W i r v e r s u c h e n jetzt die K o n s t r u k t i o n des W e s e n s d e r W i s s e n s c h a f t . W i s s e n s c h a f t besagt: I n d e r U n v e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n sein u m d e r U n v e r b o r g e n h e i t w i l l e n . W i r g e h e n v o n d e r l e t z t e n B e s t i m m u n g aus: u m d e r W a h r h e i t w i l l e n h e i ß t u m d e r U n v e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n w i l l e n . D e m e x i s t i e r e n d e n D a s e i n
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Wesensbereich der Wahrheit — Wesen der Wissenschctft
l i e g t d a r a n , d a ß das S e i e n d e u n v e r b o r g e n ist u n d es sich z u m S e i e n d e n i n dessen U n v e r b o r g e n h e i t v e r h ä l t . Es g e h t u m die W a h r h e i t , d . h . n i c h t p r i m ä r u m e i n e n g e l t e n d e n Satz, s o n d e r n u m die U n v e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n selbst. Es gilt, das Seie n d e sein zu lassen, w a s u n d w i e es ist. D o c h h a b e n w i r dieses Seinlassen des Seienden n i c h t a u c h schon bei der K e n n z e i c h n u n g unseres A u f e n t h a l t s bei d e n D i n g e n u m u n s h e r u m angetroffen? D a b e i k a n n dieses Verhalten zu d e n Ding e n n i c h t ein wissenschaftliches g e n a n n t w e r d e n . G e w i ß liegt in a l l e m Verhalten zu S e i e n d e m ein gewisses Seinlassen desselben; jetzt aber g e h t es eigens u m die U n v e r b o r g e n h e i t des Seienden, d . h . d a r u m , d a ß das Seiende an i h m selbst sich o f f e n b a r t u n d daß dieses O f f e n b a r w e r d e n geschieht. D a s Seinlassen des Seienden liegt jetzt n i c h t n u r i m Verhalten des Daseins, sondern das Dasein als existierendes verlegt sich g e r a d e in dieses Seinlassen des Seienden. Das Dasein vollzieht eine b e s t i m m t e existenzielle G r u n d b e w e g u n g , i n der es sich eigens als A u f g a b e vor-gibt, das Seiende a n i h m selbst zu s e i n e m R e c h t u n d zu Wort k o m m e n zu lassen. Z w a r ist das Seiende a u c h o h n e u n d vor d e r Wissenschaft schon offenbar, ja dasjenige Seinlassen des Seienden, das diç Wissenschaft auszeichnen soll, m u ß sogar, als ein ganz eigenartiges, schon i m m e r von der O f f e n b a r k e i t des Seienden G e b r a u c h m a c h e n . D e n n n u r so k a n n es dieses, das Seiende n ä m l i c h , a n i h m selbst sein lassen. Vor d e m spezifisch wissenschaftlichen Seinlassen u n d f ü r dieses m u ß Seiendes schon o f f e n b a r sein. Wissenschaft m u ß Seiendes v o r f i n d e n k ö n n e n . Es g e h ö r t zu ihr, daß sie Seiendes i m m e r schon, u n d zwar als i r g e n d w i e O f f e n b a r e s vorliegen hat. W i r nenn e n dieses vorliegende u n d d a h e r von der Wissenschaft i m m e r schon vorfindliche Seiende das Positum. Allein, w e n n d o c h schon das Seiende, u n d zwar als o f f e n b a r e s vorliegt, wozu d a n n n o c h W i s s e n s c h a f t ? D o c h w e n n W i s s e n s c h a f t m ö g l i c h ist, d a n n m u ß bei aller O f f e n b a r k e i t v o n S e i e n d e m , in d e r sich das D a s e i n i m m e r schon h ä l t , n o c h e i n e spezifische Verb o r g e n h e i t des S e i e n d e n existieren, die n u r W i s s e n s c h a f t als solche ü b e r w i n d e t .
§25. Konstruktion
des Wesens der Wissenschaft
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N e h m e n w i r ein e l e m e n t a r e s Beispiel: I n d e r L a n d b e s t e l l u n g unter vielem anderen auch offenbar, daß der Ackerboden beim P f l ü g e n e i n e n W i d e r s t a n d b i e t e t u n d d a ß d e m e n t s p r e c h e n d die P f l u g s c h a r e i n e b e s t i m m t e H ä r t e u n d Festigkeit h a b e n m u ß . Dieser Z u s a m m e n h a n g v o n A c k e r b o d e n u n d P f l u g s c h a r a b e r w i r d als solcher g a r n i c h t w e i t e r b e a c h t e t oder g a r b e t r a c h t e t ; er ist n u r b e k a n n t i n n e r h a l b e i n e r b e s t i m m t e n N u t z n i e ß u n g u n d B e a r b e i t u n g des Bodens, d e r Erde. Dasselbe Verhältnis v o n D r u c k und G e g e n d r u c k k a n n b e i m H a u s b a u b e g e g n e n , w o e i n e e n t sprechende Festigkeit des F u n d a m e n t s g e f o r d e r t w i r d , ebenso beim B r ü c k e n b a u d e r P f e i l e r u n d so n o c h i n v i e l e n a n d e r e n Z u s a m m e n h ä n g e n des g e b r a u c h e n d e n u n d h e r s t e l l e n d e n U m g a n ges m i t d e n D i n g e n . ward
So bildet sich f ü r d e n U m g a n g m i t d e n D i n g e n ein gewisses S i c h a u s k e n n e n i n i h n e n : I n d e r R e g e l ist es m i t d e n D i n g e n so u n d so bestellt. Diese R e g e l h a f t i g k e i t gibt sich a b e r w e n i g e r als ein C h a r a k t e r d e r D i n g e selbst, d e n n als L e i t f a d e n des Verhaltens i h n e n g e g e n ü b e r . Z w a r s i n d die D i n g e i n gewisser Weise o f f e n bar, g l e i c h w o h l b r a u c h e n sie d a b e i n i c h t das völlig h e r z u g e b e n , was sie a n i h n e n selbst sind. D e n n es b e s t e h t die M ö g l i c h k e i t , die genannten Beziehungen von Druck u n d Gegendruck ohne Rücksicht darauf ins A u g e zu fassen, d a ß i h n e n in d e r V e r w e n d u n g R e c h n u n g g e t r a g e n w i r d . Diese B e z i e h u n g e n k ö n n e n sich als solche h e r a u s s t e l l e n , die j e d e m m a t e r i e l l e n D i n g , j e d e r Masse z u k o m m e n , u n d z w a r so, d a ß sie d a b e i u n t e r e i n e m a l l g e m e i n e n Gesetz d e r S c h w e r k r a f t s t e h e n . Was. ist d a n n g e s c h e h e n , w e n n sich das Seiende, die m a t e r i e l l e n Dinge, d e r a r t herausstellen? Was m u ß g e s c h e h e n sein, d a m i t die D i n g e sich d e r a r t o f f e n b a r e n k ö n n e n ? G e n ü g t es zu sagen: D i e praktische t e c h n i s c h e E r f a h r u n g w u r d e e r w e i t e r t ü b e r d e n engeren Gesichtskreis h i n a u s , d e n L a n d b e s t e l l u n g , H a u s - u n d B r ü k k e n b a u bieten? D o c h w a s h e i ß t d a e r w e i t e r n , d a ß e t w a a n anderen Plätzen u n d Gegenständen auch entsprechende Pflugscharen u n d F u n d a m e n t e hergestellt w e r d e n m ü s s e n , d a ß alle M e n s c h e n dieser R e g e l R e c h n u n g zu t r a g e n h a b e n ? Aber h i e r ist
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Wesensbereich der Wahrheit — Wesen der
Wissenschctft
ja n u r der A n w e n d u n g s b e z i r k d e r R e g e l e r w e i t e r t u n d d a b e i doch k e i n e R e d e v o n Masse, D i c h t e oder S c h w e r k r a f t . E i n e bloße Erw e i t e r u n g d e r p r a k t i s c h - t e c h n i s c h e n E r f a h r u n g h i l f t also nicht. H i e r ist ja g a r n i c h t m e h r von e i n e r R e g e l f ü r das Verhalten in d e r t e c h n i s c h e n A u s e i n a n d e r s e t z u n g die R e d e . D e m n a c h h a n d e l t es sich n i c h t u m eine E r w e i t e r u n g des A n w e n d u n g s b e z i r k s der Regel. W e n n ü b e r h a u p t h i e r e i n e E r w e i t e r u n g p r i m ä r e i n e Rolle spielt, d a n n doch o f f e n b a r in d e m Sinne, d a ß gesagt wird: Diese B e z i e h u n g e n sind n i c h t n u r d a v o r h a n d e n , w o B o d e n u n d Gestein u n s bei d e r p r a k t i s c h e n B e a r b e i t u n g zu s c h a f f e n m a c h e n , sondern a u c h dort, w o w i r gar n i c h t h i n g e l a n g e n m i t u n s e r e n G e s c h ä f t e n , u n d w o h i n w i r a u c h gar n i c h t h i n z u g e l a n g e n b r a u c h e n . Jetzt g e h t es n i c h t m e h r bloß u m e i n e E r w e i t e r u n g des A n w e n d u n g s bezirks der V e r h a l t u n g s r e g e l n — d e n n a u c h v o n d e n D i n g e n , die g a r n i c h t von solcher V e r h a l t u n g b e t r o f f e n w e r d e n k ö n n e n u n d b r a u c h e n , ist h i e r die R e d e —, s o n d e r n der g a n z e Bezirk, v o n d e m jetzt gesprochen w i r d , zeigt sich i n e i n e m a n d e r e n L i c h t ; das G e b i e t d e r n ä c h s t e n p r a k t i s c h - t e c h n i s c h e n B e a r b e i t u n g ist jetzt n u r n o c h ein k l e i n e r Ausschnitt eines u m f a s s e n d e r e n . Es d ä m m e r t jetzt d i e Einsicht, d a ß die p r a k t i s c h e n M a ß n a h m e n deshalb g e t r o f f e n w e r d e n , w e i l a m E n d e alle m a t e r i e l l e n D i n g e solche Eigenschaften haben. Bei d e r jetzigen E r w e i t e r u n g h a n d e l t es sich so w e n i g u m eine solche der p r a k t i s c h e n V e r h a l t u n g s m a ß r e g e l n , d a ß g e r a d e v o m p r a k t i s c h - t e c h n i s c h e n Verhalten a b g e s e h e n u n d n u r d a r a u f h i n g e s e h e n w i r d , wie e b e n die D i n g e a n i h n e n selbst sind. Mit a n d e r e n Worten: D i e v e r m e i n t l i c h e E r w e i t e r u n g der t e c h n i s c h e n E r f a h r u n g ist i m G r u n d e e i n e völlige V e r w a n d l u n g d e r G r u n d s t e l l u n g z u m Seienden. D o c h w a s b e d e u t e t dieses n u r H i n s e h e n a u f die m a t e r i e l l e n D i n g e u n d A b s t a n d n e h m e n von e i n e r praktisch-technischen B e a r b e i t u n g ?
S 25. Konstruktion
des Wesens der Wissenschaft
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b) D i e U r h a n d l u n g . D a s Seinlassen des S e i e n d e n Besagt dieses » N u r « , d a ß w i r u n s n i c h t m e h r m i t d e n D i n g e n zu s c h a f f e n m a c h e n u n d u n s des p r a k t i s c h e n U m g a n g s e n t h a l t e n ? Allein d a d u r c h , d a ß w i r m i t e i n e r H a n t i e r u n g l e d i g l i c h aussetzen, o f f e n b a r t sich das Seiende, m i t d e m w i r u m g e h e n , n i c h t schon i n d e r g e k e n n z e i c h n e t e n W e i s e a n i h m selbst. I m G e g e n teil, das N i c h t s t u n als Aussetzen i n e i n e r B e s c h ä f t i g u n g o f f e n bart vielleicht die D i n g e g e r a d e u m so e i n d r i n g l i c h e r i n d e r Hinsicht, n a c h d e r sie e r l e d i g t sein w o l l e n , d . h . als solche G e genstände, die eine Bearbeitung fordern. D a s » n u r H i n s e h e n « a u f die D i n g e a n i h n e n selbst ist k e i n e s wegs m i t d e m b l o ß e n N i c h t s t u n i d e n t i s c h . D a s » N u r « m e i n t ü b e r h a u p t n i c h t ein W e n i g e r u n d e i n e E i n s c h r ä n k u n g , e t w a s Negatives, s o n d e r n e t w a s e m i n e n t Positives. N u r h i n s e h e n auf h e i ß t einzig sich d a r a u f v e r l e g e n , d a ß sich d i e D i n g e a n i h n e n selbst d a r b i e t e n . D a m i t k o m m t z u m A u s d r u c k , d a ß die D i n g e d e r g l e i c h e n g a r n i c h t v o n selbst t u n , a u c h w e n n sie n o c h so h a n d fest a n sich v o r h a n d e n sind. Es m u ß i h n e n g l e i c h s a m die G e l e g e n h e i t v e r s c h a f f t w e r d e n , d a ß sie sich als das S e i e n d e , das sie sind, o f f e n b a r e n . Dieses ist die U r h a n d l u n g . D a s b e t r a c h t e n d e Verweilen bei d e n D i n g e n ist k e i n M ü ß i g g a n g ; w o h l a b e r b e d a r f es der M u ß e , u m e i n e A k t i v i t ä t i m h ö c h s t e n S i n n e zu e n t w i c k e l n . Was soll das a b e r h e i ß e n , d a ß w i r d e n D i n g e n zur O f f e n b a r keit v e r h e l f e n m ü s s e n ? W e n n das S e i e n d e sich a n i h m selbst zeigen soll, d a n n d ü r f e n w i r u n s n i c h t d a r a n zu s c h a f f e n m a chen; w i r d ü r f e n a m S e i e n d e n n i c h t s ä n d e r n , s o n d e r n w i r sollen g e r a d e z u r ü c k t r e t e n , d a m i t es, das Seiende, v o n i h m selbst h e r sich o f f e n b a r e n k a n n . G e r a d e jetzt k o m m t es e i n z i g d a r a u f an, daß w i r das S e i e n d e so lassen, w i e es ist, u n d es so n e h m e n , w i e es sich gibt. E i n e A k t i v i t ä t l i e g t also i m w i s s e n s c h a f t l i c h e n H a n d e l n , die den C h a r a k t e r des Z u r ü c k t r e t e n s vor d e m S e i e n d e n h a t . D i e s e m e r k w ü r d i g e A k t i v i t ä t des Z u r ü c k t r e t e n s b e g i n n t u n s h e u t e f r e m d zu w e r d e n , w e i l w i r i m m e r m e h r d e r M e i n u n g w e r d e n ,
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Wesensbereich der Wahrheit — Wesen der
Wissenschctft
» H a n d e l n « u n d » A k t i v i t ä t « sei l e d i g l i c h o d e r v o r w i e g e n d da w o B e t r i e b g e m a c h t w i r d , das G e s c h ä f t g e h t , G e w a l t sich d u r c h setzt, u n d w e i l w i r v e r l e r n e n , d a ß d i e E h r f u r c h t vor d e n D i n g e n e i n e w e i t h ö h e r e K r a f t d e r Z u w e n d u n g v e r l a n g t als alles Überrennen u n d Nivellieren. So b e d a r f a m E n d e g e r a d e dieses Seinlassen des S e i e n d e n , bei d e m es e i n z i g u m die U n v e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n g e h t , einer b e s o n d e r e n » A n s t r e n g u n g « , w e n n a n d e r s n i c h t schon das bloße »Aussetzen« ( N i c h t s t u n ) das S e i e n d e a n i h m selbst o f f e n b a r w e r d e n l ä ß t . D a s b l o ß b e t r a c h t e n d e V e r w e i l e n ist also k e i n quietistisches V e r h a l t e n . D o c h w a s h e i ß t das, d a ß w i r das S e i e n d e in e i n e m a u s g e z e i c h n e t e n S i n n als das sein lassen sollen, w a s es ist? W i r k ö n n e n es d o c h n i c h t v e r n i c h t e n , u n d w e n n das n i c h t m ö g lich ist, d a n n h a t a u c h das Sein-lassen k e i n e n Sinn. D a ß das S e i e n d e ist, w a s u n d w i e es ist, h a t es ja n i c h t d u r c h u n s e r e G n a d e . Es l i e g t schon vor, ist e i n p o s i t u m , u n d w i r k ö n n e n es n u r v o r f i n d e n . Was h e i ß t d a n n n o c h : sein lassen? Es ist dieselbe F r a g e , die w i r s c h o n o b e n stellten, als wir f r a g t e n : Was m u ß g e s c h e h e n , d a m i t die D i n g e in d e r g e k e n n z e i c h n e t e n n e u e n Weise o f f e n b a r w e r d e n sollen? D i e D i n g e z e i g t e n sich n i c h t m e h r als Acker, F u n d a m e n t u n d B r ü c k e n p f e i l e r , s o n d e r n als m a t e r i e l l e K ö r p e r , M a s s e n p u n k t e , die in b e s t i m m t e n B e z i e h u n g e n s t e h e n . D a s S e i e n d e zeigt sich in e i n e m a n d e r e n L i c h t ; das h e i ß t , w a s das S e i e n d e ist, ist jetzt a n d e r s b e s t i m m t ; es ist n i c h t m e h r Acker, F u n d a m e n t , Pfeiler, s o n d e r n » e i n f a c h « m a t e r i e l l e s D i n g . Dieses W a s a b e r e n t h ä l t in sich e i n e R e i h e v o n B e s t i m m t h e i t e n : m a t e r i e l l e s , b e w e g l i c h e s D i n g , b e w e g t i m S i n n e d e r V e r ä n d e r u n g des O r t e s i n d e r Zeit. I n eins m i t dieser a n d e r e n B e s t i m m u n g des Wasseins g e h t auch e i n e a n d e r e F a s s u n g des W i e : es ist n i c h t m e h r z u h a n d e n f ü r die p r a k t i s c h - t e c h n i s c h e B e a r b e i t u n g , s o n d e r n — a u ß e r h a l b dieser e i n f a c h n u r v o r h a n d e n e r m a t e r i e l l e r K ö r p e r , das S e i e n d e qua N a t u r . D a s Wassein u n d W i e s e i n d e r D i n g e ist a n d e r s b e s t i m m t ; i n s e i n e r Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t b e z e i c h n e n w i r es k u r z als das S e i n des j e w e i l i g e n S e i e n d e n .
§26.
Der Wandel des Seinsverständnisses im wissenschaftlichen Entwurf. Die neue Bestimmung des Seienden als Natur In welcher Weise vollzieht sich aber diese andersartige Bestimm u n g des Seienden? W i r sahen schon, m i t i h r g e h t eine m e r k würdige E r w e i t e r u n g des Bezirks z u s a m m e n , der nicht m e h r auf die n ä c h s t e n G e b r a u c h s d i n g e e i n g e s c h r ä n k t ist; sondern Widerstand, D r u c k , G e w i c h t , Schwere w e r d e n von allen m a t e riellen D i n g e n ausgesagt. Erwächst n u n die n e u e B e s t i m m u n g des Seienden als N a t u r durch die E r w e i t e r u n g des Bezirks, oder ist u m g e k e h r t die Erweiterung des Bezirks eine n o t w e n d i g e Folge der n e u e n Bestimm u n g des Seienden? O f f e n b a r gilt das letztere. Bloße E r w e i t e r u n g des E r f a h r u n g s b e z i r k s f ü h r t stets n u r zu G e b r a u c h s d i n g e n ; aber in der besonderen B e s t i m m u n g qua N a t u r geschieht doch etwas anderes. Noch so viele G e b r a u c h s d i n g e v e r g l e i c h e n d käm e n wir nie auf »Natur«, es sei denn, daß w i r die D i n g e i m vorhinein schon so n e h m e n . W i e vollzieht sich a b e r d a n n diese neue B e s t i m m u n g des Seienden, w e n n sie n i c h t erst aus der E r w e i t e r u n g erwächst, sondern i h r sogar v o r a u f g e h t ? Sie k a n n ihr doch nicht so v o r a u f g e h e n , d a ß erst alles Seiende q u a Naturdinge v e r g l i c h e n wird; d e n n dieses Vergleichen setzt ja schon die n e u e B e s t i m m u n g voraus. N u r in d i e s e m L i c h t w ä r e ein solches Vergleichen möglich, w e n n es ü b e r h a u p t m ö g l i c h wäre. W e n n w i r deutlich zu m a c h e n versuchen, w i e diese N e u b e s t i m m u n g des Seienden vorausgeht, m ü s s e n wir zuvor noch schärfer sehen, was da geschieht. Es ist eine B e s t i m m u n g des Seienden q u a N a t u r . W i r b r i n g e n nicht neues Seiendes hinzu, wir w e n d e n u n s nicht a n d e r e n D i n g e n zu, sondern die schon offenbaren selbst w e r d e n n e u b e s t i m m t , u n d zwar hinsichtlich ihres Was- u n d Wie-seins, hinsichtlich des Seins. D a s vorliegende Seiende w i r d nicht m e h r als z u h a n d e n e s G e b r a u c h s d i n g (Kreide), n i c h t m e h r als G e g e n s t a n d der t e c h n i s c h e n Bearbeit u n g u n d P f l e g e g e n o m m e n , sondern als v o r h a n d e n e r m a t e r i e l -
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Wesensbereich der Wahrheit — Wesen der Wissenschctft
1er K ö r p e r . Was das S e i e n d e ist u n d w i e es ist, das Was- u n d W i e - s e i n des S e i e n d e n , seine S e i n s v e r f a s s u n g , das S e i n w i r d a n d e r s b e s t i m m t , u n d z w a r so, d a ß n u n m e h r erst das S e i e n d e als das V o r h a n d e n e a n i h m selbst b e f r a g b a r w i r d n a c h d e m , was u n d w i e es i m b e s o n d e r e n u n d e i n z e l n e n u n d u n t e r b e s t i m m t e n t a t s ä c h l i c h e n B e d i n g u n g e n ist. N o c h e i n m a l : N i c h t ein a n d e r e s S e i e n d e s w i r d beigezogen u n d e n t d e c k t , s o n d e r n das S e i n des schon o f f e n b a r e n S e i e n d e n w i r d i m v o r h i n e i n a n d e r s g e s e h e n , g e n o m m e n u n d b e s t i m m t , so zwar, d a ß diese B e s t i m m u n g des Seins d e r E r f a h r u n g des Seienden voraufgeht. Dies können wir an einem lehrreichen Beispiel i l l u s t r i e r e n , n ä m l i c h a n d e r E n t s t e h u n g der m a t h e m a t i s c h e n P h y s i k in d e r N e u z e i t , so w i e sie d u r c h Galilei b e g r ü n d e t w i r d . W i r n e h m e n dieses Beispiel jedoch n i c h t als b e g r ü n d e n d e I n s t a n z f ü r u n s e r e I n t e r p r e t a t i o n des W e s e n s d e r W i s s e n s c h a f t , s o n d e r n n u r als Beleg i h r e r f a k t i s c h e n E n t s t e h u n g . M a n n e n n t die m o d e r n e P h y s i k m a t h e m a t i s c h e P h y s i k u n d s i e h t ein b e s o n d e r e s M e r k m a l g e g e n ü b e r d e r m i t t e l a l t e r l i c h e n d a r i n , d a ß sie i n d u k t i v v o r g e h t . Sie b e o b a c h t e t die T a t s a c h e n , so w i e sie sind, w ä h r e n d die m i t t e l a l t e r l i c h e S p e k u l a t i o n aus bloß e n a l l g e m e i n e n B e g r i f f e n sich e i n e E r k e n n t n i s d e r N a t u r zu v e r s c h a f f e n suchte. N u n h a t a b e r s c h o n in d e r A n t i k e e i n e Nat u r w i s s e n s c h a f t b e s t a n d e n , d i e T a t s a c h e n b e o b a c h t e t h a t , ebenso i m M i t t e l a l t e r . Also t r i f f t d e r i n d u k t i v e C h a r a k t e r n i c h t das W e s e n d e r n e u e r e n P h y s i k . F e r n e r sagt m a n , die m o d e r n e Nat u r w i s s e n s c h a f t a r b e i t e i m U n t e r s c h i e d zur a l t e n m i t d e m E x p e r i m e n t . W ä h r e n d d i e a l t e N a t u r w i s s e n s c h a f t auf zufällige Beobachtungen angewiesen war, wird im Experiment die Natur g e w i s s e r m a ß e n g e z w u n g e n , auf b e s t i m m t e F r a g e n A n t w o r t zu g e b e n . A b e r w i r wissen, d a ß a u c h s c h o n d i e a n t i k e N a t u r w i s senschaft m i t d e m E x p e r i m e n t gearbeitet h a t u n d doch nicht d e n C h a r a k t e r h a t t e , d e n die P h y s i k d u r c h Galilei e r l a n g t e . Drittens besteht der Unterschied darin, daß die heutige Physik m a t h e m a t i s c h ist, w ä h r e n d d i e m i t t e l a l t e r l i c h e N a t u r e r k e n n t nis v o n M a t h e m a t i k i n d i e s e m S i n n e k e i n e n G e b r a u c h m a c h e n
S
26. Seinsverständnis
im wissenschaftlichen
Entwurf
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k o n n t e , s c h o n d e s h a l b n i c h t , w e i l die E n t w i c k l u n g d e r m o d e r nen M a t h e m a t i k m i t d e r E n t s t e h u n g der m a t h e m a t i s c h e n P h y sik m eins g e h t . » M a t h e m a t i s c h « h e i ß t h i e r n i c h t i n erster L i n i e , d a ß die Mathematik r e c h n e t u n d z a h l e n m ä ß i g g e n a u e R e s u l t a t e gew i n n t ; das ist n u r e i n e Folge. M a t h e m a t i k ist e i n W e g u n d Mittel, die so a n g e s e t z t e N a t u r zu fassen, das S e i n d e r N a t u r z u m Ausdruck zu b r i n g e n . D i e s e ist a n g e s e t z t als b e s t i m m t u n d bes t i m m b a r d u r c h Q u a n t i t ä t e n . Q u a n t u m — extensio, R a u m , Zeit, B e w e g u n g , K r a f t . D i e m o d e r n e P h y s i k ist m a t h e m a t i s c h , w e i l m gewisser Weise das A p r i o r i b e s t i m m t ist. Jedes E x p e r i m e n t (zusammen m i t d e n d a r i n b e n u t z t e n M e ß i n s t r u m e n t e n ) w i r d angesetzt u n d g e d e u t e t i m L i c h t e e i n e r v o r g ä n g i g e n B e s t i m m u n g des Seins des S e i e n d e n . Es ist d i e e p o c h a l e E i n s i c h t Galileis g e w e s e n zu e r k e n n e n , daß, w e n n ich auf d e m W e g e des E x p e r i m e n t s die N a t u r b e f r a gen will, w a s u n d w i e sie ist, ich zuvor s c h o n e i n e n Begriff h a b e n m u ß , w a s ich u n t e r » N a t u r « v e r s t e h e , d a ß a l l e r Tats a c h e n f o r s c h u n g , a l l e m E x p e r i m e n t e i n e U m g r e n z u n g dessen vorangehen m u ß , was u n t e r N a t u r verstanden wird. Aber Galilei h a t diese F r a g e n i c h t r e i n p l a t o n i s c h gestellt, s o n d e r n e i n e n Begriff d e r N a t u r f i x i e r t , w o n a c h diese g e f a ß t w i r d als e i n Z u s a m m e n h a n g b e w e g t e r Körper, v o n S e i e n d e m , dessen G r u n d c h a r a k t e r i n d e r r ä u m l i c h e n u n d zeitlichen A u s d e h n u n g liegt, wobei B e w e g u n g n i c h t s a n d e r e s ist als V e r ä n d e r u n g des O r t e s in der Zeit. D u r c h diese G r u n d b e s t i m m u n g d e r N a t u r w i r d die M a n n i g f a l t i g k e i t des S e i e n d e n u n m i t t e l b a r h o m o g e n g e m a c h t , d. h. g l e i c h a r t i g i n d e m S i n n , d a ß die N a t u r s o w o h l h i n s i c h t l i c h ihres R a u m - als a u c h Z e i t - C h a r a k t e r s e i n h e i t l i c h q u a n t i t a t i v m a t h e m a t i s c h b e s t i m m t ist. Aber a u c h d a m i t t r e f f e n w i r n i c h t das e i g e n t l i c h e W e s e n d e r Grundlegung der m a t h e m a t i s c h e n Physik. Diese Leistung Galileis · w a r d e s h a l b e i n e G r u n d l e g u n g d e r P h y s i k , w e i l das M a t h e m a t i s c h e , die q u a n t i t a t i v e B e s t i m m b a r k e i t n i c h t s a n d e res ist als e i n e W e s e n s b e s t i m m u n g des K ö r p e r s als e i n e s ausge-
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Wesensbereich der Wahrheit — Wesen der
Wissenschctft
c) D i e P o s i t i v i t ä t d e r W i s s e n s c h a f t . Der vorgängige, ungegenständliche, feldabsteckende Entwurf der Seinsverfassung N u n a b e r ist w i c h t i g zu s e h e n , d a ß m i t d i e s e m E n t w u r f n i c h t n u r i m v o r a u s das S e i n des S e i e n d e n a n d e r s b e s t i m m t w i r d , s o n d e r n d a ß i n u n d m i t d i e s e m E n t w u r f des Seins ein F e l d des S e i e n d e n u m g r e n z t , a b g e s t e c k t w i r d . D e n n es ist d a m i t i m vorh i n e i n e n t s c h i e d e n , w a s i n das F e l d N a t u r g e h ö r t , a u c h o h n e d a ß f a k t i s c h zuvor dieses g a n z e F e l d d u r c h m e s s e n w ü r d e o d e r a u c h nur bekannt wäre. Der vorgängige ungegenständliche Entwurf d e r S e i n s v e r f a s s u n g ist e i n F e l d - a b s t e c k e n d e r E n t w u r f . D o c h dieser E n t w u r f ist n i c h t e i n ä u ß e r l i c h e s Z i e h e n e i n e r G r e n z l i n i e , s o n d e r n E n t w u r f d e r Seins Verfassung des S e i e n d e n . D a s b e d e u t e t : Was d i e s e r E n t w u r f i m v o r h i n e i n ü b e r das Seie n d e » N a t u r « a u s m a c h t , diese B e s t i m m u n g e n k o m m e n i n jeder konkreten Erkenntnis eines b e s t i m m t e n Naturvorgangs zum Vorschein, u n d zwar d e r a r t , d a ß alle p h y s i k a l i s c h e n B e g r i f f e u n d Sätze u n a u s g e s p r o c h e n a u f diese B e s t i m m u n g e n z u r ü c k g r e i f e n . D a s besagt: D i e p h y s i k a l i s c h e n E r k e n n t n i s s e f i n d e n d o r t i h r e l e t z t e bzw. e r s t e B e g r ü n d u n g , j e d e r spezielle p h y s i k a l i s c h e Beweis gründet in der festgelegten Seinsverfassung. D e r vorgäng i g e u n g e g e n s t ä n d l i c h e f e l d a b s t e c k e n d e E n t w u r f d e r Seinsverf a s s u n g ist d a h e r e i n G r u n d g e b e n d e r , b e g r ü n d e n d e r . G r u n d b e g r i f f e s i n d d i e j e n i g e n V o r s t e l l u n g e n , d i e i n i h r e m verfass u n g s m ä ß i g e n Z u s a m m e n h a n g a l l e r E r k e n n t n i s des S e i e n d e n den G r u n d geben. So e r g i b t sich i m G a n z e n : D e r v o r g ä n g i g - u n g e g e n s t ä n d l i c h e , a b e r doch f e l d a b s t e c k e n d - b e g r ü n d e n d e E n t w u r f d e r Seinsverf a s s u n g l ä ß t das S e i e n d e , dessen S e i n er b e s t i m m t , d u r c h dieses g e k e n n z e i c h n e t e B e s t i m m e n a l l e r e r s t z u m Vorschein k o m m e n . Auf d e m H i n t e r g r u n d des i m E n t w u r f e n t w o r f e n e n Seins bek o m m t das so b e s t i m m t e S e i e n d e erst R e l i e f . I n u n d m i t d i e s e m E n t w u r f des Seins w i r d das b e t r e f f e n d e S e i e n d e erst als e i n f ü r die k o n k r e t e B e t r a c h t u n g v o r f i n d l i c h e s u n d d . h . v o r l i e g e n d e s
S
26. Seinsverständnis
im wissenschaftlichen
Entwurf
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o f f e n b a r . D e r E n t w u r f d r ä n g t das S e i e n d e erst ins L i c h t , o h n e a m S e i e n d e n e t w a s zu ä n d e r n . D a s S e i e n d e w i r d o f f e n b a r als vorliegendes, das p o s i t u m . N u r w e n n das S e i e n d e in dieser Weise als v o r l i e g e n d e s o f f e n b a r w i r d , ist es a n i h m selbst e r k e n n b a r . Die E r k e n n t n i s des S e i e n d e n a n i h m selbst — so k e n n z e i c h n e t e n wir die w i s s e n s c h a f t l i c h e E r k e n n t n i s . Sie ist d e m n a c h E r k e n n t nis des S e i e n d e n als p o s i t u m oder positive E r k e n n t n i s . D a s Wesen d e r w i s s e n s c h a f t l i c h e n E r k e n n t n i s als positiver E r k e n n t nis b e s t e h t n u n i n d e m , w a s d i e i n n e r e M ö g l i c h k e i t dieses »positiven« C h a r a k t e r s a u s m a c h t , dieses o f f e n b a r e n Vorliegens an i h m selbst. D i e i n n e r e M ö g l i c h k e i t dieses p o s i t i v e n C h a r a k ters d e r W i s s e n s c h a f t n e n n e n w i r die Positivität. D a s W e s e n d e r W i s s e n s c h a f t l i e g t i n d e r Positivität. D i e s e a b e r i h r e r s e i t s besteht i n d e m , w a s e b e n das Vorliegen des S e i e n d e n a n i h m selbst e r m ö g l i c h t . D a s ist d e r g e k e n n z e i c h n e t e E n t w u r f d e r Seinsverf a s s u n g des S e i e n d e n . Bei d e r e r s t e n A b h e b u n g des w i s s e n s c h a f t l i c h e n V e r h a l t e n s g e g e n ü b e r d e m v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e n s a g t e n wir: D i e W i s s e n s c h a f t e n t d e c k t n i c h t ü b e r h a u p t erst Seiendes, d e r g e s t a l t , d a ß vor d e m n i c h t s o f f e n b a r w ä r e u n d das D a s e i n erst auf G r u n d d e r W i s s e n s c h a f t zu S e i e n d e m sich v e r h i e l t e , s o n d e r n alles wissens c h a f t l i c h e V e r h a l t e n siedelt sich a n auf d e m G r u n d e eines schon e x i s t e n t e n V e r h a l t e n s zu S e i e n d e m . S e i e n d e s m u ß s c h o n i r g e n d w i e o f f e n b a r v o r l i e g e n , so zwar, d a ß W i s s e n s c h a f t das Seiende g e r a d e als vorliegendes, p o s i t u m , das es a n i h m selbst ist, o f f e n b a r m a c h t . W i e ist es m ö g l i c h , d a ß S e i e n d e s a n i h m selbst als o f f e n b a r e s vorliegt? W o r i n g r ü n d e t die M ö g l i c h k e i t d e r Positivität des Positum? D e r E n t w u r f d e r S e i n s v e r f a s s u n g ist n i c h t n u r ein v o r g ä n g i g e r , u n g e g e n s t ä n d l i c h e r , f e l d a b s t e c k e n d e r , s o n d e r n er ist zugleich b e g r ü n d e n d e r E n t w u r f . E r m a c h t d i e i n n e r e M ö g lichkeit — M ö g l i c h k e i t = W e s e n — d e r E r k e n n t n i s v o n S e i e n d e m als v o r l i e g e n d e m aus. W i s s e n s c h a f t a b e r ist positive E r k e n n t n i s . Also ist d e r b e s a g t e E n t w u r f das W e s e n der Positivität d e r W i s senschaft.
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Wesensbereich der Wahrheit — Wesen der
Wissenschctft
d e h n t e n , sich b e w e g e n d e n S e i e n d e n . D i e m a t h e m a t i s c h e P h y sik ist d e s w e g e n e i n e e c h t e W i s s e n s c h a f t g e w o r d e n , w e i l sie d u r c h d e n C h a r a k t e r des M a t h e m a t i s c h e n i m v o r a u s die Seinsv e r f a s s u n g dessen b e s t i m m t , w a s zu e i n e m N a t u r d i n g gehört. D e r m a t h e m a t i s c h e C h a r a k t e r d e r P h y s i k l e g t allen i h r e n exp e r i m e n t e l l e n U n t e r s u c h u n g e n e i n e n g e k l ä r t e n B e g r i f f der S e i n s v e r f a s s u n g des S e i e n d e n , das h i e r b e a r b e i t e t w i r d , n ä m l i c h d e r N a t u r z u g r u n d e . Von h i e r aus v e r s t e h e n w i r d e n Satz Kants: J e d e b e s o n d e r e N a t u r l e h r e ist n u r soweit W i s s e n s c h a f t , als sie M a t h e m a t i k e n t h ä l t . D a s h e i ß t : e i n e W i s s e n s c h a f t ist n u r insow e i t W i s s e n s c h a f t , als es i h r g e l i n g t , die W e s e n s v e r f a s s u n g des S e i e n d e n , das sie z u m T h e m a h a t , v o r g ä n g i g zu u m g r e n z e n . Das ist d e r e i g e n t l i c h m a t h e m a t i s c h e C h a r a k t e r d e r P h y s i k . W e n n m a n d e n Satz K a n t s r a d i k a l v e r s t e h t - n i c h t so, als m ü ß t e n a l l e W i s s e n s c h a f t e n sich d i e m a t h e m a t i s c h e M e t h o d e z u l e g e n —, d a n n besagt er: j e d e W i s s e n s c h a f t m u ß d a r a u f sehen, d a ß das Seiende, das sie z u m G e g e n s t a n d m a c h t , zuvor s c h o n in s e i n e m W e s e n h i n r e i c h e n d b e s t i m m t ist, d a m i t j e d e k o n k r e t e F r a g e e i n e n L e i t f a d e n d a f ü r h a t , w a s in dieser W i s s e n s c h a f t G e g e n s t a n d ist. So e r g i b t sich a m Beispiel d e r m a t h e m a t i s c h e n P h y s i k , d a ß erst auf G r u n d des so v e r s t a n d e n e n m a t h e m a t i s c h e n C h a r a k t e r s e t w a s w i e ein E x p e r i m e n t m ö g l i c h ist. D e n n E x p e r i m e n t ist n i c h t e i n e b e l i e b i g e B e o b a c h t u n g i r g e n d e i n e s Vorgangs, s o n d e r n H e r s t e l l u n g e i n e s N a t u r - V o r g a n g s u n t e r solc h e n B e d i n g u n g e n , d i e m i t H i l f e g e e i g n e t e r I n s t r u m e n t e gem e s s e n w e r d e n k ö n n e n . D a s W e s e n t l i c h e des E x p e r i m e n t s ist n i c h t die B e o b a c h t u n g , s o n d e r n d i e I n t e r p r e t a t i o n des Beobacht e t e n , dessen, w a s h i e r vor sich g e h t . E i n e solche A u s l e g u n g setzt voraus, d a ß d e r Vorgang, d e n ich b e o b a c h t e , s c h o n i m v o r h i n e i n als N a t u r v o r g a n g b e g r i f f e n ist. D a s gilt n i c h t n u r f ü r d i e physikalischen E x p e r i m e n t e , s o n d e r n schon f ü r jedes I n s t r u m e n t , das ich i n d e r P h y s i k v e r w e n d e . M e s s u n g h e i ß t K o n s t a t i e r u n g v o n K o i n z i d e n z e n . N e h m e n w i r z. B. die U h r . W i r s e h e n täglich a u f die U h r u n d stellen die Z e i t fest. Soll d a s Z u s a m m e n f a l l e n , die K o i n z i d e n z d e r S t e l l u n g e i n e s S t ä b c h e n s m i t e i n e m be-
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26. Seinsverständnis
im wissenschaftlichen
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S t r i c h auf d e m Z i f f e r b l a t t ein M e s s e n d e r Z e i t D i e s e s M e s s e n d e r Z e i t ist u n s so s e l b s t v e r s t ä n d l i c h g e w o r d e n , d a ß w i r g a r n i c h t m e r k e n , w e l c h e W e l t v o n Vorauss e t z u n g e n d a r i n liegt, w e n n w i r a u f die U h r s e h e n . Dieses G e b r a u c h e n d e r U h r ist n u r d a n n e i n e Z e i t m e s s u n g , w e n n ich d i e s e s D i n g als U h r n e h m e , d. h. o r i e n t i e r t a u f die Z e i t m e s s u n g , auf die S o n n e . So ist ein I n s t r u m e n t , das d e r M e s s u n g d i e n t , n u r zu g e b r a u c h e n , w e n n d e m G e b r a u c h d e s s e l b e n ein V e r s t e h e n von N a t u r z u g r u n d e liegt.
stimmten
bedeuten?
Was d u r c h diese E r ö r t e r u n g d e u t l i c h g e m a c h t w e r d e n soll, ist dies, d a ß d i e B e s t i m m u n g des S e i e n d e n als N a t u r j e d e r k o n k r e t e n B e o b a c h t u n g v o r a u s g e h t . I c h k a n n die D i n g e n u r als N a t u r d i n g e v e r g l e i c h e n , w e n n ich i m v o r h i n e i n s c h o n w e i ß , w a s zu e i n e m N a t u r d i n g g e h ö r t . So zeigt sich, d a ß dieser W a n d e l d e r B e s t i m m u n g des S e i e n d e n sich o f f e n b a r v o l l z i e h t als ein W a n del d e r B e s t i m m u n g d e r S e i n s v e r f a s s u n g des S e i e n d e n , ein W a n d e l d e r B e s t i m m u n g dessen, w a s S e i e n d e s ist u n d w i e es ist. Beides z u s a m m e n b e z e i c h n e n w i r als das S e i n des S e i e n d e n . I m U n t e r s c h i e d zu d e n G e b r a u c h s d i n g e n zeigt sich plötzlich e i n universaler Bereich von materiellen Dingen, g e n a n n t physische N a t u r . D i e s e r U m s c h l a g b e r u h t also auf e i n e m W a n d e l d e r Bes t i m m u n g des Seins des S e i e n d e n , u n d zwar e i n e m W a n d e l der B e s t i m m u n g des Seins, d e r j e d e r k o n k r e t e n E r f a h r u n g dieses Seienden, N a t u r , v o r a u s g e h t . Bislang s p r a c h e n w i r i m m e r v o n d e r U n v e r b o r g e n h e i t des Seienden, d a ß w i r u n s zu S e i e n d e m v e r h a l t e n u n d d a ß das Seiende 1 a m E n d e a u c h G e g e n s t a n d d e r W i s s e n s c h a f t w e r d e n k ö n n e . Jetzt plötzlich ist n i c h t v o m S e i e n d e n die R e d e , s o n d e r n vom 1 Sein d e s s e l b e n u n d d a v o n , d a ß das Fassen u n d B e s t i m m e n der S e i n s v e r f a s s u n g des S e i e n d e n das l e t z t e r e z u g ä n g l i c h m a c h e f ü r w i s s e n s c h a f t l i c h e E r k e n n t n i s . W e i t e r h e i ß t es, d a ß diese n e u e B e s t i m m u n g d e r S e i n s v e r f a s s u n g des S e i e n d e n d e r k o n k r e t e n w i s s e n s c h a f t l i c h e n E r f o r s c h u n g des S e i e n d e n v o r a u f gmge.
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Wesensbereich der Wahrheit — Wesen der
Wissenschctft
a) D i e V o r g ä n g i g k e i t des Verstehens v o n Sein vor j e d e m B e g r e i f e n Was h e i ß t h i e r : d e r g l e i c h e n w i e S e i n erfassen? u n d gar: S e i n i m v o r h i n e i n erfassen? W i e soll dies g e r a d e die E r f a s s u n g u n d d. h. das O f f e n b a r m a c h e n des S e i e n d e n e r m ö g l i c h e n ? Z u n ä c h s t e r s c h e i n t es als e i n e f r e m d a r t i g e Z u m u t u n g , das S e i n des S e i e n d e n zu e r f a s s e n . S e i e n d e s — g e w i ß , das k e n n e n w i r ; w i r v e r h a l t e n u n s ja j e d e r z e i t zu S e i e n d e m m a n n i g f a c h e r Art. Seiendes k ö n n e n w i r d a h e r a u c h l e i c h t u n d sicher vorweis e n u n d so b e l e g e n , w a s w i r m i t S e i e n d e m m e i n e n . Seiendes, das sind Häuser, Menschen, Bäume, Sonne, Erde, können wir uns vorstellig m a c h e n , a b e r das S e i n — was sollen w i r u n s d a b e i d e n k e n ? D a s Sein u n t e r s c h e i d e t sich o f f e n b a r v o m S e i e n d e n u n d ist selbst n i c h t s Seiendes; d e n n sonst m ü ß t e n w i r es ja a u c h als e i n S e i e n d e s b e z e i c h n e n . »Sein« — w e n n w i r g a n z e h r l i c h sind u n d uns nichts vormachen, d a n n müssen wir gestehen, daß w i r u n s d a r u n t e r n i c h t s d e n k e n k ö n n e n . S e i n — das n i m m t sich i n d e r Tat aus w i e das N i c h t s , w e n n es doch n i c h t ein S e i e n d e s s e i n soll. D a s N i c h t s e i e n d e ist das Nichts. D a s Sein w ä r e d a n n das Nichts. K e i n G e r i n g e r e r als H e g e l sagt i n s e i n e r » W i s s e n s c h a f t d e r L o g i k « , s e i n e r M e t a p h y s i k : S e i n u n d N i c h t s ist dasselbe. 1 J e d e n f a l l s ist u n b e s t r e i t b a r , d a ß w i r , w e n n w i r u n s g a n z u n d g a r n i c h t s v o r m a c h e n , g e s t e h e n m ü s s e n : b e i m Versuch, dergleic h e n w i e S e i n zu fassen, stossen w i r ins L e e r e . Also g i b t es d e r g l e i c h e n n i c h t . D a s w ä r e e i n v o r e i l i g e r S c h l u ß . V i e l l e i c h t ist es n u r so, d a ß wir jetzt n i c h t i m s t a n d e sind, d e r g l e i c h e n w i e Sein zu fassen. A l l e i n — v e r s t e h e n w i r d e n n n i c h t d e r g l e i c h e n w i e Sein? W e n n ich f r a g e : Was ist das? so a n t w o r t e t j e d e r u n m i t t e l bar: D a s ist e i n e Kreide. D a r a u s w i r d klar: Sie h a b e n d i e F r a g e v e r s t a n d e n . Es w u r d e n a c h d e m g e f r a g t , w a s dieses D i n g ist, 1 Vgl. G.W.F. Hegel, Wissenschaft der Logik. Erster Teil: Die objective Logik. Nürnberg 1812. S. 75 (Erstes B«ch, I. Kap., C. Werden, Anm. 2).
S 26. Seinsverständnis
im wissenschaftlichen
Entwurf
191
n a c h d e m Was-sein. W i r v e r s t e h e n , w e n n ich sage: H e u t e ist Freitag. D a s B u c h »ist« g e k o m m e n . W i r v e r s t e h e n dieses »ist« u n d ebenso s e i n e A b w a n d l u n g e n w a r , w i r d sein, ist g e w e s e n . Merkwürdiger Tatbestand: W i r sind einerseits außerstande, das Sein zu erfassen, u n d v e r s t e h e n es a n d e r e r s e i t s g l e i c h w o h l . W i r v e r s t e h e n es n i c h t e t w a n u r , w e n n w i r »ist« s a g e n u n d h ö r e n , s o n d e r n in a l l e m R e d e n , R u f e n , B i t t e n , F r a g e n . W e n n wir d e n R u f » F e u e r « ! h ö r e n , so h e i ß t das, F e u e r ist a u s g e b r o c h e n , a b e r das n i c h t n u r i m S i n n e e i n e r K o n s t a t i e r u n g , e t w a w i e » h i e r ist es w a r m « , s o n d e r n der R u f ist z u g l e i c h ein A u s d r u c k des Schreckens, i n S c h r e c k e n - s e i n s ι u n d e i n e A u f f o r d e r u n g : b r i n g t E u c h i n S i c h e r h e i t bzw. k o m m t zu H i l f e , u n d das besagt: Verhaltet E u c h so u n d so, d. h . seid i n E u r e m m o m e n t a n e n Sein so u n d so. W i r v e r s t e h e n d e m n a c h i m H ö r e n dieses R u f e n s : D a s Sein ,νοη F e u e r u n d e i n Seinsollen u n s e r e r selbst, u n d w i r vers t e h e n V o r h a n d e n s e i n u n d D a - s e i n . A b e r w i r v e r s t e h e n es a u c h , w e n n w i r u n s n i c h t a u s s p r e c h e n u n d u n s s c h w e i g e n d zu Seiend e m v e r h a l t e n . W i r m ü s s e n u n s diese m e r k w ü r d i g e S i t u a t i o n ganz k l a r m a c h e n : W i r e r k l ä r e n es i n e i n e m A t e m f ü r e i n e hoffnungslose Z u m u t u n g , dergleichen wie Sein i m Unterschied von S e i e n d e m zu e r f a s s e n , u n d d o c h v e r s t e h e n w i r es. V e r s t e h e n des Seins v o n S e i e n d e m b e s a g t d e m n a c h n i c h t s c h o n E r f a s s e n dieses Seins u n d b e s a g t s c h o n g a r n i c h t B e g r e i f e n des so e r f a ß t e n Seins. D o c h bei d e r e r s t e n K e n n z e i c h n u n g d e r a n d e r s a r t i g e n Bes t i m m u n g des S e i e n d e n als N a t u r — i m U n t e r s c h i e d v o n d e n Gebrauchsdingen — w u r d e nicht n u r darauf hingewiesen, daß die S e i n s v e r f a s s u n g des S e i e n d e n a n d e r s b e s t i m m t w u r d e , sond e r n a u c h , d a ß dieses B e s t i m m e n des Seins d e r k o n k r e t e n E r f a h r u n g des S e i e n d e n v o r a u f g i n g e . W i r v e r s t e h e n also n i c h t n u r d e r g l e i c h e n w i e Sein, s o n d e r n dieses V e r s t e h e n v o n Sein ( S e i n s v e r s t ä n d n i s ) ist d e r a r t , d a ß es d e r E r f a h r u n g v o m Seienden v o r a u f g e h t . W i r s a g e n : D a s S e i n s v e r s t ä n d n i s ist g e g e n ü b e r der E r f a h r u n g v o n S e i e n d e m v o r - g ä n g i g . Es g e h t so voraus, d a ß wir g l e i c h s a m erst i n d e r H e l l e , die d a d u r c h e r w ä c h s t , d a ß das
SECHSTES KAPITEL
Zum Unterschied von Wissenschaft und Philosophie
§27. Der Entwurf der Seinsverfassung des Seienden als innere Ermöglichung der Positivität, d. h. des Wesens der Wissenschaft Vorontologisches und ontologisches Seinsverständnis Z w a r g e l a n g u n s jetzt eine E r h e l l u n g des Wesens der Wissenschaft: Sie ist positive E r k e n n t n i s u n d h a t d e n C h a r a k t e r der Positivität. Aber sind w i r n u n n i c h t m i t dieser Wesenserhellung der W i s s e n s c h a f t als positiver E r k e n n t n i s völlig von unserer l e i t e n d e n Fragestellung a b g e k o m m e n ? D i e l e i t e n d e Frage war doch (vgl. oben S. 179 f.): Worin liegt das Auszeichnende derjen i g e n Existenzart des Daseins, i n der so etwas wie das Ind e r · Wahrheit-sein u m der W a h r h e i t willen geschieht? D i e Frage ging n a c h e i n e m existenzialen Begriff der Wissenschaft. H i e r z u setzten wir m i t einer E r ö r t e r u n g dessen ein, was besagt: u m der W a h r h e i t willen, d. i. u m der U n v e r b o r g e n h e i t des Seie n d e n willen, u m w i l l e n dessen, d a ß Seiendes an i h m selbst o f f e n b a r sei. W i r s a h e n f r ü h e r allgemein: Das geschieht m e i n e m Seinlassen des Seienden. B e i m wissenschaftlichen Verh a l t e n als d e m I n - d e r - W a h r h e i t - s e i n u m der W a h r h e i t willen m u ß es sich dabei u m ein ganz spezifisches Seinlassen des Seie n d e n h a n d e l n . W i r h a b e n die Frage auch so f o r m u l i e r t : Welches ist die U r h a n d l u n g des Daseins (πράξις), i n der so etwas wie die theoretische E i n s t e l l u n g m ö g l i c h wird? Was ist das ursprüngliche Wesen des T h e o r e t i s c h e n ? Statt n u n die A n t w o r t darauf zu geben, was dieses spezifische Seinlassen des Seienden als wissenschaftliche E r k e n n t n i s sei, sind wir zur Charakteristik der wissenschaftlichen E r k e n n t n i s als einer positiven gelangt. Soll d a m i t e t w a das g e f u n d e n sein,
S 27. Entwurf
der
Seinsverfassung
199
was w i r s u c h e n , die U r h a n d l u n g des Daseins, d i e t h e o r e t i s c h e E i n s t e l l u n g e r m ö g l i c h t ? Soll das W e s e n des T h e o r e t i s c h e n d a m i t g e k l ä r t sein, d a ß w i r jetzt sagen: T h e o r e t i s c h e E i n s t e l l u n g ist positive E r k e n n t n i s , d . h . E r k e n n t n i s des S e i e n d e n a n i h m selbst, O f f e n b a r m a c h e n u m der O f f e n b a r k e i t w i l l e n ? I n d e r Tat. D e n n w i r s a g e n ja n i c h t e i n f a c h : W i s s e n s c h a f t l i c h e E r k e n n t n i s als t h e o r e t i s c h e ist positive, s o n d e r n w i r h a b e n h e r ausgestellt, w a s zur P o s i t i v i t ä t g e h ö r t , d . h . w i r h a b e n das g e f u n den, was d i e Positivität als solche e r m ö g l i c h t . Es ist d e r v o r g ä n g i ge, u n g e g e n s t ä n d l i c h e , f e l d a b s t e c k e n d e , b e g r ü n d e n d e E n t w u r f der S e i n s v e r f a s s u n g des S e i e n d e n . D i e s e r g e k e n n z e i c h n e t e E n t w u r f ist als E n t w e r f e n des Seins des S e i e n d e n n i c h t s a n d e r e s als das Seinlassen des S e i e n d e n , d e m w i r n a c h f r a g t e n . Dieses E n t w e r f e n als Seuilassen des S e i e n d e n ist die g e s u c h t e U r h a n d l u n g des Daseins, i n d e r t h e o r e t i s c h e E i n s t e l l u n g , d . h . O f f e n b a r m a c h e n des S e i e n d e n u m w i l l e n s e i n e r U n v e r b o r g e n h e i t a l l e i n e r m ö g l i c h t w i r d . I m E n t w u r f , d e r d i e Positivität e r m ö g l i c h t , liegt die u r s p r ü n g l i c h e πράξις, d e r u r s p r ü n g l i c h p r a k t i s c h e C h a r a k t e r des T h e o r e t i s c h e n . M e h r n o c h : D e r E n t w u r f d e r S e i n s v e r f a s s u n g des S e i e n d e n als i n n e r e E r m ö g l i c h u n g d e r Positivität, d . h . des Wesens der W i s s e n s c h a f t , ist n i c h t s a n d e r e s als das u r s p r ü n g l i c h g e f a ß t e W e s e n des T h e o r e t i s c h e n . D a s A u s z e i c h n e n d e d e r j e n i g e n Existenzart, i n d e r das I n - d e r - W a h r h e i t - s e i n u m w i l l e n d e r W a h r heit g e s c h i e h t , d . h . d e r W i s s e n s c h a f t , l i e g t i n dieser U r h a n d l u n g , die w i r als d e n E n t w u r f der S e i n s v e r f a s s u n g k e n n z e i c h n e t e n . D o c h w i r d m a n sagen: G e w i ß , dieser E n t w u r f e r m ö g l i c h t die Positivität, das W e s e n d e r W i s s e n s c h a f t ; a b e r w a s ist dieser E n t wurf selbst? M i t w e l c h e m R e c h t n e n n e n w i r i h n e i n e U r h a n d l u n g des D a s e i n s , das A u s z e i c h n e n d e e i n e r E x i s t e n z a r t ? Was ist dieser E n t w u r f d e r S e i n s v e r f a s s u n g selbst, d a ß e r so e t w a s w i e das I n - d e r - W a h r h e i t - s e i n u m d e r W a h r h e i t w i l l e n e r m ö g l i c h t ? Er m u ß d a n n d o c h i n e i n e r i n n e r e n B e z i e h u n g z u m W e s e n d e r Wahrheit stehen. I n welcher Beziehung steht dieser E n t w u r f der S e i n s v e r f a s s u n g zu d e m , w a s w i r als Wesen d e r W a h r h e i t k e n nen l e r n t e n ?
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Wesensbereich der Wahrheit — Wesen der
Wissenschctft
vorgängige Seinsverständnis uns ein Licht vorhält, Seiendes anz u t r e f f e n v e r m ö g e n . W i r v e r s t e h e n Sein u n d v e r s t e h e n es vorgängig. W e n n das a b e r z u t r i f f t , d a n n ist das S e i n s v e r s t ä n d n i s n i c h t erst d a n n da, w e n n w i r N a t u r w i s s e n s c h a f t oder sonst e i n e Wiss e n s c h a f t t r e i b e n , s o n d e r n j e d e r z e i t u n d ü b e r a l l , w o w i r u n s zu S e i e n d e m v e r h a l t e n , w o S e i e n d e s o f f e n b a r ist, d e m n a c h a u c h s c h o n i m v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e n D a s e i n , e b e n s o i m wissens c h a f t l i c h e n D a s e i n , o h n e d a ß dieses eigens s c h o n W i s s e n s c h a f t treibt. I n u n s e r e m alltäglichen u n d belanglosesten, äußerlichs t e n U m g a n g m i t d e n D i n g e n l i e g t schon u n d m u ß l i e g e n ein v o r g ä n g i g e s S e i n s v e r s t ä n d n i s . W e n n w i r z.B. e i n e w e i t e r gar n i c h t b e a c h t e t e H a n d l u n g v o l l z i e h e n w i e das Ö f f n e n e i n e r T ü r , w a s w i r t ä g l i c h m e h r m a l s t u n , l i e g t d a r i n das A n f a s s e n der K l i n k e . V e r s t ä n d e n w i r n i c h t i m v o r h i n e i n , w a s ein G e b r a u c h s ding — Werkzeug, Fahrzeug, Schreibzeug, Meßzeug, Feuerzeug, d. h . ü b e r h a u p t Z e u g — besagt, d a n n w ä r e n w i r n i c h t i m s t a n d e , v o n d e r K l i n k e als solcher G e b r a u c h zu m a c h e n . Aber: e i n g e s c h i c k t e r A f f e o d e r H u n d v e r m a g ebenso, d i e T ü r zu ö f f n e n u n d aus- u n d e i n z u g e h e n . G e w i ß , d i e F r a g e ist n u r , ob er, w e n n er d a e t w a s b e t a s t e t u n d d r ü c k t , e i n e K l i n k e a n f a ß t u n d ob er d e r g l e i c h e n w i e e i n e T ü r ö f f n e t . W i r r e d e n so d a h e r , als vollziehe d e r H u n d dasselbe w i e w i r ; a b e r es ist n i c h t das m i n d e s t e K r i t e r i u m d a f ü r v o r h a n d e n , d a ß d e r H u n d i n d e r Tat e i n e K l i n k e g e b r a u c h t , ja n o c h m e h r , es ist n i c h t das m i n d e s t e Krit e r i u m d a f ü r d a zu sagen, e r v e r h ä l t sich zu S e i e n d e m , o b z w a r er sich auf solches bezieht, w a s w i r als ein S e i e n d e s k e n n e n . W i r v e r m ö c h t e n ein D i n g , das w i r m i t R e c h t Messer n e n n e n , n i e als Messer, als D i n g z u m S c h n e i d e n , zu e r k e n n e n u n d k ö n n t e n es n i e g e b r a u c h e n , w e n n w i r n i c h t d e r g l e i c h e n v e r s t ä n d e n wie: ein D i n g , u m zu . . ., e i n Z e u g z u m S c h n e i d e n . W i r l e r n e n n i c h t , w a s e i n Z e u g ist, d a d u r c h d a ß w i r Messer, Schreibzeug, N ä h z e u g b e n u t z e n , s o n d e r n u m g e k e h r t , w i r k ö n n e n dergleic h e n S e i e n d e s n u r v o r f i n d e n , w e i l w i r u n d s o f e r n w i r so etwas w i e Z e u g v e r s t e h e n . D i e s v e r s t e h e n w i r i m v o r h i n e i n , w i r brin-
S
26. Seinsverständnis
im wissenschaftlichen
Entwurf
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gen solches V e r s t e h e n s c h o n m i t , u n d n u r d e s h a l b k ö n n e n w i r l e r n e n , m i t d e r a r t i g e m Z e u g u m z u g e h e n . W i r v e r s t e h e n vorg ä n g i g d e r g l e i c h e n w i e Z e u g u n d Z u h a n d e n s e i n , u n d d o c h sind wir w e i t e n t f e r n t , s a g e n zu k ö n n e n , was Z e u g als solches bed e u t e t , als w a s es zu b e g r e i f e n sei. Verständnis v o n Sein ist n o c h n i c h t B e g r e i f e n des Seins. I m V e r h a l t e n z u m S e i e n d e n , w e l c h e r Art i m m e r , b e w e g e n w i r u n s in e i n e m v o r g ä n g i g e n , u n d zwar vorbegrifflichen Seinsverständnis. Weil w i r u n s a u c h s c h o n i m n i c h t w i s s e n s c h a f t l i c h e n Verhalt e n zu S e i e n d e m in e i n e m v o r g ä n g i g e n V e r s t ä n d n i s des Seins dieses S e i e n d e n b e w e g e n , d e s h a l b m e r k e n w i r g e w i s s e r m a ß e n zunächst u n d l a n g e h i n g a r n i c h t , w a s d a i m G r u n d e v o r sich g e h t , w e n n w i r , s t a t t G e b r a u c h s d i n g e zu g e b r a u c h e n , m a t e r i e l l e Körper auf i h r e B e w e g u n g s z u s a m m e n h ä n g e u n d G e s e t z e e r f o r schen. W i r m e r k e n n i c h t , d a ß sich e i n W a n d e l des v o r g ä n g i g e n Seinsverständnisses vollzogen h a t . E s s i e h t v i e l m e h r so aus, als sei e b e n das S e i e n d e a n d e r s g e w o r d e n . Ja, selbst d i e j e n i g e n Forscher, die e i n e W i s s e n s c h a f t e r s t m a l s b e g r ü n d e n u n d i n G a n g b r i n g e n , d i e also g l e i c h s a m e r s t m a l s diesen W a n d e l des v o r g ä n gigen S e i n s v e r s t ä n d n i s s e s v o l l z i e h e n — w ä h r e n d die a n d e r e n i h n n u r m i t - u n d n a c h v o l l z i e h e n —, selbst diese h a b e n k e i n W i s s e n v o n d e m , w a s sich da i m G r u n d e r e i g n e t ; j e d e n f a l l s b r a u c h e n sie n i c h t n o t w e n d i g e i n solches zu h a b e n . b) W a n d e l d e s Seinsverständnisses·, e i n Beispiel aus d e r P h y s i k D e r W a n d e l des S e i n s v e r s t ä n d n i s s e s stellt sich i h n e n v i e l m e h r in d e r j e n i g e n F o r m dar, d i e a l l e w i s s e n s c h a f t l i c h e n Vorstellungen h a b e n , als U m g r e n z u n g / v o n B e g r i f f e n ; n u r sind es jetzt die a l l g e m e i n s t e n G r u n d b e g r i f f e u n d V o r s t e l l u n g e n , die b e s t i m m t w e r d e n : Masse, K r a f t , G e s c h w i n d i g k e i t , B e w e g u n g , Ort, Zeit; i m H i n b l i c k auf das F e l d d e r b e t r e f f e n d e n W i s s e n s c h a f t g e b e n sie h i n r e i c h e n d e C h a r a k t e r i s t i k d e r s e l b e n . A b e r es b l e i b t d u n kel, w a s diese B e g r i f f e i m G r u n d e m e i n e n ; sie f i g u r i e r e n e b e n als die a l l g e m e i n s t e n B e g r i f f e b e z ü g l i c h des S e i e n d e n ( N a t u r
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Wesensbereich der Wahrheit — Wesen der
Wissenschctft
z.B.). D e m , w a s in d i e s e n B e g r i f f e n g e m e i n t ist, w i r d selbst n i c h t w e i t e r n a c h g e f r a g t ; in d e n D e f i n i t i o n e n k o m m e n diese G r u n d b e g r i f f e vor, a b e r d i e D e f i n i t i o n selbst g i b t n u r R a h m e n u n d R e g e l f ü r die E r f o r s c h u n g des b e t r e f f e n d e n S e i e n d e n . W e n n w i r e i n e a l l g e m e i n e B e s t i m m u n g a u s der P h y s i k vorn e h m e n : s = c · t (Weg gleich G e s c h w i n d i g k e i t m a l Zeit), so ist das e i n e b e s t i m m t e U m g r e n z u n g dessen, w a s i n der P h y s i k als W e g v e r s t a n d e n w i r d . Auf die F r a g e : w a s ist e i n Weg? w i r d n i c h t i r g e n d e i n e Ü b e r l e g u n g ü b e r die M ö g l i c h k e i t des D u r c h m e s s e n s e i n e s R a u m e s angestellt, s o n d e r n d e r W e g w i r d h i n s i c h t l i c h sein e r r ä u m l i c h - q u a n t i t a t i v e n E r s t r e c k u n g d e f i n i e r t , w e i l von v o r n h e r e i n d e r Körper, d e r e i n e n W e g d u r c h l ä u f t , als q u a n t i t a t i v b e s t i m m b a r e s D i n g g e f a ß t ist, das d e n O r t v e r ä n d e r t . U m g e k e h r t k ö n n e n w i r c d u r c h d e n Q u o t i e n t e n s/t b e s t i m m e n . W e n n w i r t = 1 setzen, h a b e n w i r d e n B e g r i f f d e r G e s c h w i n d i g k e i t . Schon d a ß w i r die D e f i n i t i o n d e r Zeit d u r c h e i n e n Q u o t i e n t e n bzw. ein P r o d u k t a u s d r ü c k e n , zeigt, d a ß v o n v o r n h e r e i n d e r N a t u r v o r g a n g als h o m o g e n e E i n h e i t b e w e g t e r m a t e r i e l l e r D i n g e g e f a ß t ist. W e n n d e r P h y s i k e r ü b e r s e i n e D e f i n i t i o n , d i e f ü r s e i n e p h y sikalische F r a g e s t e l l u n g n o t w e n d i g ist, h i n a u s g e h t , d a n n ist a u c h die w e i t e r d r i n g e n d e B e s t i m m u n g dessen, w a s e r d e f i n i e r t , von d e m B l i c k p u n k t aus b e s t i m m t , d e r h i e r d u r c h d i e m a t h e m a t i s c h e P h y s i k g e g e b e n ist. D a s ist bei N e w t o n in s e i n e n P r i n c i p i a (1714), S. 7 u n d 5 zu s e h e n : T e m p o r a et s p a t i a s u n t sui i p s o r u m et r e r u m o m n i u m q u a s i loca. I n t e m p o r e q u o a d o r d i n e m successionis, in spatio q u o d o r d i n e m situs l o c a n t u r u n i v e r s a . D e i l l o r u m essentia est, u t sint loca, et loca p r i m a r i a m o v e r i a b s u r d u m e s t . . . T e m p u s , s p a t i u m , locus et m o t u s s u n t o m n i b u s n o t i s s i m a . T e m p u s absolu t u m , v e r u m e t m a t h e m a t i c u m , i n se et n a t u r a sua sine r e l a t i o n e a d e x t e r n u m quodvis, a e q u a b i l i t e r f l u i t , a l i o q u e n o m i n e dicitur duratio. 2 » D i e Z e i t e n u n d die R ä u m e sind g l e i c h s a m d i e Platzh a l t e r i h r e r selbst u n d aller D i n g e , i n der Z e i t w e r d e n alle D i n g e 2 Isaac Newton, Philosophiae naturalis principia mathematica. Amsterdam 1714.
S 26. Seinsverständnis
im wissenschaftlichen
Entwurf
191
u n t e r g e b r a c h t i m H i n b l i c k auf die O r d n u n g des N a c h e i n a n d e r , l t n R a u m d a g e g e n i m Blick auf die O r d n u n g d e r g e g e n s t ä n d l i chen L a g e . « D a r a u s e r g i b t sich, d a ß R a u m w i e Zeit als das g e n o m m e n w e r d e n , w o r i n n e n d i e G e g e n s t ä n d e als b e w e g t e g e o r d n e t w e r den, u n d z w a r so, d a ß sie m a t h e m a t i s c h b e s t i m m b a r sind. D i e s w i r k t n o c h i n d e r k a n t i s c h e n T h e s e n a c h : Zeit u n d R a u m sind das W o r i n n e n d e r O r d n u n g . N e w t o n f ü g t a l l e r d i n g s n o c h bei, es g e h ö r t z u m W e s e n v o n R a u m u n d Z e i t , d a ß sie loca, Ö r t e r , g e w i s s e r m a ß e n P l a t z h a l t e r sind, a b e r solche Plätze, M e d i e n , die selbst n i c h t m e h r i n e i n e m a n d e r e n sind, s o n d e r n sie sind das M e d i u m f ü r sich selbst. W e i l sie d i e loca p r i m a r i a , die l e t z t e n u n d ä u ß e r s t e n M e d i e n sind, k ö n n e n sie selbst n i c h t m e h r b e w e g t w e r d e n , o b z w a r g e r a d e die Zeit d u r c h d e n g l e i c h m ä ß i g e n F l u ß des N a c h e i n a n d e r g e k e n n zeichnet ist. N e w t o n sagt: t e m p u s a e q u a b i l i t e r f l u i t , d i e Zeit f l i e ß t g l e i c h m ä ß i g . E r l e i t e t die B e s t i m m u n g dieser G r u n d b e g r i f f e w i e t e m p u s , s p a t i u m , locus d a m i t ein, d a ß e r sagt, das sind solche G e g e n s t ä n d e , die a l l e n a m b e k a n n t e s t e n sind; sie w e r d e n von i h m n u r soweit d e f i n i e r t , als sie i m R a h m e n des G r u n d a n satzes e i n e r N a t u r als e i n e s B e w e g u n g s z u s a m m e n h a n g e s ausgewählter Dinge in Frage k o m m e n . D e r g l e i c h e n w i r d n u r so w e i t u n d i n d e r F o r m e r ö r t e r t , d a ß vorWeg a u s g e m a c h t ist f ü r j e d e k o n k r e t e n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e Frage, w a s d a u n t e r N a t u r u n d N a t u r v o r g a n g v e r s t a n d e n w i r d . Das W e s e n v o n N a t u r w i r d i n gewisser v o r g ä n g i g e r Weise u m grenzt; a b e r diese S e i n s v e r f a s s u n g des S e i e n d e n ( N a t u r ) ist n i c h t e i g e n s G e g e n s t a n d eines F r a g e n s . A b e r w i e w i r d d e n n von der Z e i t u n d d e m R a u m G e b r a u c h g e m a c h t ? I m W a n d e l des Seinsverständnisses, i m U b e r g a n g v o m E r f a s s e n d e r G e b r a u c h s d m g e z u m E r f a s s e n v o n N a t u r , v o l l z i e h t sich e i n v o r g ä n g i g e r E n t w u r f d e r S e i n s v e r f a s s u n g , a b e r so, d a ß d i e S e i n s v e r f a s s u n g n i c h t G e g e n s t a n d w i r d , also ein u n g e g e n s t ä n d l i c h e r E n t w u r f der Seiinsverfassung.
200
Zum Unterschied von IVissenschaft und
Philosophie
So s t e h e n w i r bei e i n e r n e u e n z e n t r a l e n F r a g e . K a u m , d a ß wir d i e A n t w o r t g e w o n n e n h a b e n a u f die F r a g e n a c h d e m existenzialen W e s e n d e r W i s s e n s c h a f t , ist diese A n t w o r t selbst eine Frage geworden. Was ist m i t d i e s e m E n t w u r f , d e r die Positivität d e r Wissens c h a f t , d . h . i h r Wesen, e r m ö g l i c h t , u n d s e i n e m V e r h ä l t n i s zur W a h r h e i t ? W i r s a h e n : I n all u n s e r e m D a s e i n v e r s t e h e n w i r derg l e i c h e n w i e »ist«, » w a r « , » w i r d sein«, ü b e r h a u p t »Sein«, aber b e g r e i f e n es n i c h t , so w e n i g , d a ß w i r n i c h t e i n m a l i m s t a n d e sind, das i n gewisser W e i s e v e r s t a n d e n e Sein selbst zu fassen. Dieses Verständnis v o n S e i n e r m ö g l i c h t a b e r e b e n doch, d a ß wir ü b e r h a u p t S e i e n d e s als S e i e n d e s e r f a s s e n k ö n n e n . D a s Seinsvers t ä n d n i s v e r s t e h t das S e i n des S e i e n d e n , d . h . es h a t i m m e r schon u n d i m v o r h i n e i n das S e i e n d e als Seiendes, h i n s i c h t l i c h seines Seins » a n g e s p r o c h e n . « . E t w a s als e t w a s a n s p r e c h e n , n e n n e n d i e G r i e c h e n λέγειν, λόγος; d a b e i ist n i c h t n o t w e n d i g a n V e r l a u t b a r u n g , » ä u ß e r e s G e s p r ä c h « g e d a c h t , a n εξω g e g e n ü b e r εσω λόγος; s o n d e r n λόγος w i r d a u c h als λεγόμενον g e n o m m e n . D i e s e r A u s d r u c k λόγος h a t dieselbe D o p p e l d e u t i g k e i t w i e u n s e r e e n t s p r e c h e n d e n B e g r i f f e . U n t e r » S p r u c h « v e r s t e h e n w i r e i n m a l das G e s p r o c h e n e , zweit e n s das S p r e c h e n selbst. D a s » A n s p r e c h e n « des S e i e n d e n als S e i e n d e n , d e r A n s p r u c h des S e i e n d e n , des öv h i n s i c h t l i c h seines Seins l ä ß t sich b e z e i c h n e n als λόγος des öv, λόγος τοΰ δντος onto-logos, o n t o l o g i a n e u z e i t l i c h e r P r ä g u n g . Verständnis des Seins ist ontologisches Verständnis. E r k e n n t n i s des S e i e n d e n , öv, a n i h m selbst ist o n t i s c h e E r k e n n t n i s . » A n s p r e c h e n v o n e t w a s als e t w a s « b e s a g t n i c h t schon, das so A n g e s p r o c h e n e i n s e i n e m W e s e n b e g r e i f e n ; e t w a s als Seiendes h i n s i c h t l i c h seines Seins v e r s t e h e n , h e i ß t n i c h t schon, das Wesen v o n S e i n erfassen. W i r g e b r a u c h e n f r e i l i c h d e n A u s d r u c k »ontologisch« — » O n t o l o g i e « f ü r das t h e m a t i s c h e E r f a s s e n u n d B e g r e i f e n des Seins selbst. Ja, i m G r u n d e ist bis h e u t e , u n d g e r a d e h e u t e , d e r S p r a c h g e b r a u c h u n b e s t i m m t u n d vieldeutig; ontologisch w i r d o f t g e b r a u c h t r f ü r ontisch - u n d dieses w i e d e r m
S 27. Entwurf
der
Seinsverfassung
201
d e m S i n n e , d a ß m a n das S e i e n d e a n sich g e l t e n l ä ß t u n d n i c h t ! deal istisch v e r f l ü c h t i g t . O n t o l o g i s c h e T e n d e n z i n d e r h e u t i g e n Philosophie h e i ß t d a n n : T e n d e n z z u m R e a l i s m u s . A b e r diese ontologische T e n d e n z ist d a d u r c h a u s g e z e i c h n e t , d a ß sie das Problem d e r O n t o l o g i e g e r a d e n i c h t stellt, n i c h t e i n m a l versteht. A n d e r s n o c h : Onto-logie, Rio-logie; j e n e w i e diese gilt als positive W i s s e n s c h a f t , n u r j e n e v o n allem S e i e n d e n i m allgem e i n e n . Von d a aus g e s e h e n ist das S e i n s v e r s t ä n d n i s , das all unser V e r h a l t e n zu S e i e n d e m e r h e l l t u n d leitet, noch kein ontologisches, kein S e i n s b e g r e i f e n . W i r n e n n e n d a h e r das noch nicht b e g r e i f e n d e u n d z u m Begriff g e k o m m e n e S e i n s v e r s t ä n d nis das v o r o n t o l o g i s c h e . Diese scheinbar n u r terminologische Erörterung wollen wir z u s a m m e n f a s s e n d f e s t l e g e n : E r k e n n t n i s v o n S e i e n d e m , öv, ist ontische E r k e n n t n i s . W i s s e n s c h a f t l i c h e E r k e n n t n i s , p o s i t i v e E r k e n n t n i s des V o r l i e g e n d e n , ist e i n e b e s t i m m t e A r t v o n o n t i s c h e r Erkenntnis. D e n n auch in der technischen H a n t i e r u n g m i t den D i n g e n , i m U m g a n g m i t i h n e n l i e g t e i n E r k e n n e n , das w i r als U m s i c h t u n d S i c h a u s k e n n e n b e z e i c h n e n ; a l l g e m e i n ist jedes Verhalten zu S e i e n d e m , öv, ontisches V e r h a l t e n . D i e s e m l i e g t aber als L i c h t g e b e n d u n d f ü h r e n d e i n S e i n s v e r s t ä n d n i s z u g r u n de, das n i c h t s c h o n » B e g r e i f e n « des Seins ist — v o r - o n t o l o g i s c h e s Seinsverständnis. D i e s e s k a n n sich a u s b i l d e n zu e i n e m ausd r ü c k l i c h e n E r f a s s e n u n d B e g r e i f e n des Seins selbst: zu ontologischem Verständnis. D i e s e H a u p t u n t e r s c h i e d e s i n d f e s t z u h a l ten. A m E n d e g i b t es h i e r n o c h Z w i s c h e n s t u f e n , u n d e i n e solche ist g e r a d e der E n t w u r f d e r S e i n s v e r f a s s u n g , s o f e r n e r z. B. v o m N a t u r f o r s c h e r vollzogen, das F e l d N a t u r u m g r e n z t . D e n n i n diesem E n t w u r f s p r i c h t w e d e r n u r e i n v o r o n t o l o g i s c h e s Seinsverständnis, n o c h a b e r s c h o n e i n a u s d r ü c k l i c h e s E r f a s s e n u n d B e g r e i f e n des Seins selbst; er ist e i n e i g e n t ü m l i c h e s Z w i s c h e n m i t Bezug a u f v o r o n t o l o g i s c h e s u n d ontologisches Verständnis, eine A r t des a u s d r ü c k l i c h e n Seinsverständnisses, w a s n i c h t einsehließt, d a ß es a u c h s c h o n als solches e r k a n n t u n d v e r s t a n d e n
202
Zum Unterschied von IVissenschaft und
Philosophie
sein m ü ß t e . A b e r m i t d i e s e n F e s t s e t z u n g e n ist m e h r g e w o n n e n als e i n e T e r m i n o l o g i e ; w i r h a b e n e i n P r o b l e m so v e r s c h ä r f t , daß es n i c h t l ä n g e r m e h r ü b e r s e h e n w e r d e n k a n n . W i r h a b e n zuletzt g e f r a g t : I n w e l c h e r B e z i e h u n g s t e h t der E n t w u r f d e r S e i n s v e r f a s s u n g zu d e m , was w i r als W e s e n der W a h r h e i t h e r a u s s t e l l t e n ? D i e s e B e z i e h u n g m u ß r e c h t e n g sein, w e n n g e r a d e dieser E n t w u r f das I n - d e r - W a h r h e i t - s e i n u m der W a h r h e i t w i l l e n e r m ö g l i c h t . E n t w u r f d e r S e i n s v e r f a s s u n g ist a l l g e m e i n e i n v o r o n t o l o g i s c h e s S e i n s v e r s t ä n d n i s . S e i n w i r d vers t a n d e n , w e n n g l e i c h n i c h t e i g e n s e r f a ß t . N u n wissen w i r , daß a u c h S e i e n d e s f ü r u n s o f f e n b a r s e i n k a n n , o h n e d a ß w i r eigens d a r a u f g e r i c h t e t sind u n d es erfassen; ja, w e i t h i n ist S e i e n d e s in dieser Weise o f f e n b a r . U n v e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n b e s t e h t n i c h t i m E r f a ß t w e r d e n des S e i e n d e n ; dieses E r f a ß t w e r d e n ist n u r auf d e m G r u n d j e n e r m ö g l i c h ; j e n e k a n n b e s t e h e n o h n e dieses. N u n s a g e n wir: V e r s t ä n d n i s des Seins, n i c h t E r k e n n t n i s des S e i e n d e n , h a t d e n C h a r a k t e r des E n t w u r f s . D a s Auszeichn e n d e des E n t w e r f e n s l i e g t d a r i n , d a ß sich das D a s e i n d a m i t e t w a s zu v e r s t e h e n g i b t w i e Sein, B e w e g u n g , Ort, Zeit. Was es sich i m E n t w u r f zu v e r s t e h e n g i b t , ist d a b e i nichts e i g e n s Geg e n s t a n d e i n e r d a r a u f e i n g e s t e l l t e n E r f a s s u n g ; d e r P h y s i k e r z. B. s p e k u l i e r t n i c h t ü b e r die Z e i t als solche u n d i h r W e s e n , aber z u g l e i c h a r b e i t e t er d o c h m i t d e r Zeit, w e i l sie i n j e d e m seiner Sätze steckt; er a r b e i t e t m i t i h r , sie ist i n gewisser Weise, u n d zwar notwendig, gegeben u n d doch nicht Gegenstand. W e n n d a h e r i m E n t w u r f d e r S e i n s v e r f a s s u n g d e r g l e i c h e n wie S e i n v e r s t a n d e n u n d g e g e b e n , o b z w a r n i c h t a u c h b e g r i f f e n ist, d a n n liegt in diesem Verstandenwerden u n d Gegebenwerden des Seins e i n e gewisse U n v e r b o r g e n h e i t des Seins selbst. I m S e i n s v e r s t ä n d n i s ist das Sein selbst u n v e r b o r g e n , d. h . das Seinsv e r s t ä n d n i s ist w a h r u n d h a t s e i n e W a h r h e i t . W i r b e z e i c h n e t e n n u n die U n v e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n als O f f e n b a r k e i t , u n d z w a r u n t e r s c h i e d e n w i r O f f e n b a r k e i t des S e i e n d e n q u a Dasein, E r s c h l o s s e n h e i t , u n d O f f e n b a r k e i t des V o r h a n d e n e n , E n t d e c k t h e i t . U n v e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n , W a h r h e i t des δν, k ö n n e n
§' 28. Ontische und ontologische
Wahrheit
203
wir d a h e r a l l g e m e i n o n t i s c h e W a h r h e i t n e n n e n . U n v e r b o r g e n heit des Seins h e i ß t d a n n e n t s p r e c h e n d o n t o l o g i s c h e oder vorontologische W a h r h e i t .
§28.
Ontische
und ontologische Wahrheit Wahrheit Transzendenz des Daseins
und
Es e r g i b t sich also f o l g e n d e U n t e r s c h e i d u n g : 1. W a h r h e i t des Seins: U n v e r b o r g e n h e i t q u a E n t h ü l l t h e i t ; vorontologische, o n t o l o g i s c h e W a h r h e i t . 2. W a h r h e i t des S e i e n d e n : U n v e r b o r g e n h e i t q u a O f f e n b a r keit; o n t i s c h e W a h r h e i t . a) O f f e n b a r k e i t q u a E r s c h l o s s e n h e i t : U n v e r b o r g e n h e i t des Daseins. b) O f f e n b a r k e i t q u a E n t d e c k t h e i t : U n v e r b o r g e n h e i t des Vorhandenen, Zuhandenen. W e n n n u n das I n - d e r - W a h r h e i t - s e i n u m d e r W a h r h e i t w i l l e n , d.h. o n t i s c h e positive W a h r h e i t d e r W i s s e n s c h a f t n u r m ö g l i c h ist m u n d d u r c h d e n E n t w u r f d e r S e i n s v e r f a s s u n g , dieser vorg a n g i g e E n t w u r f a b e r e i n e Art v o n S e i n s v e r s t ä n d n i s ist, dieses als Verstehen v o n Sein d e r g l e i c h e n w i e Sein e n t h ü l l t , also w a h r ist, so g r ü n d e t das spezifische I n - d e r - W a h r h e i t - s e i n als W i s s e n schaft, diese o n t i s c h e W a h r h e i t , i n d e r o n t o l o g i s c h e n W a h r h e i t . N u n ist a b e r die w i s s e n s c h a f t l i c h e W a h r h e i t n u r eine A r t u n d M ö g l i c h k e i t des O f f e n b a r m a c h e n s des S e i e n d e n , u n d das D a sein v e r h ä l t sich zu S e i e n d e m w e i t h i n , o h n e W i s s e n s c h a f t als solche zu v o l l z i e h e n . Alles u n d jedes V e r h a l t e n zu S e i e n d e m , jede o n t i s c h e W a h r h e i t jeglicher A r t ist n u r m ö g l i c h a u f d e m G r u n d e d e r o n t o l o g i s c h e n W a h r h e i t . F e r n e r e r g a b sich u n s , d a ß es z u m W e s e n des m e n s c h l i c h e n D a s e i n s g e h ö r t , in d e r W a h r heit zu sein, d . h . als erschlossenes S e i e n d e s sich zu o f f e n b a r e m S e i e n d e n zu v e r h a l t e n ; ja, w i r v e r s u c h t e n a n H a n d dieser K e n n z e i c h n u n g d e r W a h r h e i t e i n e erste U m g r e n z u n g des auszeichn e n d e n W e s e n s des D a s e i n s selbst — i m U n t e r s c h i e d z u m
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Zum Unterschied von IVissenschaft und
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Vorhandenen. Diesem k a n n Wahrheit zukommen, d e m Dasein a b e r m u ß sie z u g e h ö r e n , d . h . sie g e h ö r t z u m W e s e n s e i n e r Seinsv e r f a s s u n g . W i e , w u r d e n i c h t gesagt. D i e s e W a h r h e i t , in der D a s e i n sich w e s e n h a f t h ä l t , stellt sich jetzt als o n t i s c h e W a h r h e i t h e r a u s , d. h . a b e r als solche, d i e ihrerseits zu i h r e r e i g e n e n Möglichkeit eine ursprüngliche Wahrheit fordert: die Unverb o r g e n h e i t v o n Sein i m S e i n s v e r s t ä n d n i s . D e m n a c h liegt i m W e s e n des D a s e i n s e i n n o c h u r s p r ü n g l i c h e r e s I n - d e r W a h r h e i t - s e i n bzw. u m g e k e h r t : D a s W e s e n des D a s e i n s selbst m u ß i m H i n b l i c k a u f diese u r s p r ü n g l i c h e W a h r h e i t des S e i n s v e r s t ä n d n i s s e s n o c h r a d i k a l e r g e f a ß t w e r d e n , so r a d i k a l , d a ß w i r s a g e n k ö n n e n : D e r M e n s c h ist d a s j e n i g e Seie n d e , zu dessen W e s e n , d . h . S e i n s v e r f a s s u n g es u r s p r ü n g l i c h g e h ö r t , d e r g l e i c h e n w i e S e i n zu v e r s t e h e n . E x i s t e n z ist von G r u n d a u s n u r m ö g l i c h in u n d d u r c h S e i n s v e r s t ä n d n i s . D e n n n u r dieses e r m ö g l i c h t , d a ß D a s e i n sich zu S e i e n d e m v e r h ä l t u n d i m V e r h a l t e n zu S e i e n d e m , das es selbst n i c h t ist, sich zu sich selbst als S e i e n d e m v e r h ä l t . A n g e s i c h t s d e r jetzt g e w o n n e n e n E i n s i c h t e n b e d a r f es e i n e r k u r z e n E r i n n e r u n g a n das f r ü h e r E r ö r t e r t e . W i r g i n g e n aus von e i n e r K e n n z e i c h n u n g d e r W i s s e n s c h a f t , w o n a c h sie sei e i n »Beg r ü n d u n g s z u s a m m e n h a n g w a h r e r Sätze«. D a s e r f o r d e r t e die A n a l y s e d e r S a t z - A u s s a g e w a h r h e i t . Sie e r g a b : D e r .Satz ist n i c h t d e r u r s p r ü n g l i c h e O r t d e r W a h r h e i t , s o n d e r n diese g e h ö r t wes e n h a f t z u m D a s e i n u n d ist u m g e k e h r t d e r O r t ( i n n e r e Mögl i c h k e i t ) f ü r Sätze. D i e g e w o n n e n e n E i n s i c h t e n w u r d e n in a c h t T h e s e n zusamm e n g e f a ß t . D i e a c h t e T h e s e l a u t e t e : W a h r h e i t existiert. N u n m e h r e r g a b sich: D i e W a h r h e i t ist n i c h t n u r n i c h t p r i m ä r Aussagewahrheit, sondern auch die Interpretation der Wahrheit als U n v e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n t r i f f t n o c h n i c h t i h r urs p r ü n g l i c h e s Wesen. So k o m m e n w i r zu e i n e r n e u n t e n T h e s e (vgl. o b e n S. 149 f., T h e s e n 1-8): 9. W a h r h e i t jedoch, als U n v e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n gen o m m e n , existiert n u r , w e n n - d a s e x i s t i e r e n d e D a s e i n derglei-
§'
28. Ontische und ontologische Wahrheit
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chen w i e S e i n v e r s t e h t , d. h . w e n n z u m W e s e n d e r E x i s t e n z des Daseins E n t h ü l l e n v o n Sein, ontologische W a h r h e i t , g e h ö r t . (Vgl. u n t e n S. 209, T h e s e 10.) U r s p r ü n g l i c h e r als die o n t i s c h e W a h r h e i t ist die ontologische; diese ist die E r m ö g l i c h u n g j e n e r . A b e r diese o n t o l o g i s c h e W a h r heit — E n t w u r f v o n S e i n — h a b e n w i r i n d e r A b h e b u n g g e g e n die ontische n u r r o h g e k e n n z e i c h n e t . Was die o n t o l o g i s c h e W a h r heit selbst sei, ist n i c h t g e k l ä r t . D i e A n t w o r t a u f die F r a g e n a c h d e m u r s p r ü n g l i c h e n W e s e n d e r W a h r h e i t , sie sei die ontologische, w i r d selbst w i e d e r zur F r a g e , w e n n a n d e r s e i n e w e i t e r d r i n g e n d e A u f h e l l u n g dessen m ö g l i c h ist. So e r g i b t sich: D i e F r a g e n a c h d e m W e s e n d e r W a h r h e i t t r e i b t zu i m m e r u r s p r ü n g l i c h e r e n I n t e r p r e t a t i o n e n , u n d z w a r so, d a ß d a m i t , w e i l e b e n W a h r h e i t zur S e i n s v e r f a s s u n g des D a s e i n s gehört, e i n e j e w e i l i g r a d i k a l e r e I n t e r p r e t a t i o n des D a s e i n s i n eins z u s a m m e n g e h t . Was h e i ß t : V e r s t e h e n v o n Sein, sich zu vers t e h e n g e b e n d e r g l e i c h e n w i e Sein des S e i e n d e n i m E n t w u r f ? Was h e i ß t u n d w i e ist d e r g l e i c h e n E n t w e r f e n m ö g l i c h ? D a b e i e r i n n e r n w i r u n s e r n e u t a n das m e h r f a c h g e k e n n z e i c h n e t e G r u n d f a k t u m des m e n s c h l i c h e n Daseins: W i r v e r s t e h e n d e r g l e i c h e n w i e Sein u n d b e g r e i f e n es n i c h t . S e i n ist e n t h ü l l t u n d doch v e r b o r g e n . D e r Versuch a u f z u h e l l e n , w a s Sein besagt, wie es zu b e g r e i f e n ist u n d w i e d e r E n t w u r f v o n . S e i n d e r g l e i chen w i e S e i n zu v e r s t e h e n gibt, w a s S e i n s v e r s t ä n d n i s h e i ß t , — die A u f h e l l u n g alles dessen, w a s so das W e s e n m e n s c h l i c h e r Existenz b e s t i m m t , f ü h r t v o n n e u e m in A b g r ü n d e . W i r m ü s s e n die U r h a n d l u n g des Seinlassens v o n S e i e n d e m ihrerseits i n i h r e m W e s e n zu f a s s e n v e r s u c h e n , d. h . n a c h i h r e r eigensten i n n e r e n M ö g l i c h k e i t f r a g e n , u n s d a b e i E i n s i c h t verschaffen, w a s d a in s o l c h e m E n t w e r f e n von S e i n g e s c h i e h t . Z u diesem Z w e c k w o l l e n w i r v o r l ä u f i g n u r erst v o n f e r n in diesen A b g r u n d h i n e i n l e u c h t e n , u m das e i n e zu v e r s t e h e n , d a ß es h i e r noch P r o b l e m e gibt u n d diese d i e z e n t r a l s t e n sind. S e i n s v e r s t ä n d n i s ist e i n S i c h - z u - v e r s t e h e n - g e b e n - v o n - S e i n , dieses als E n t w u r f . D a r i n liegt e r s t e n s ein C h a r a k t e r des H a n -
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d e l n s u n d z w e i t e n s d o c h zugleich e i n H a n d e l n , das sich etwas g i b t , sich e t w a s zu v e r s t e h e n g i b t , h i n n i m m t u n d d. h . sich d a r a n h ä l t . H a n d e l n , T u n h e i ß t h i e r a b e r n i c h t ontisch h e r s t e l l e n , s o n d e r n ü b e r s t e i g e n d zeigen. Dieses E n t w e r f e n v o n Sein h a b e n w i r u n s n ä h e r g e b r a c h t d u r c h e i n e K e n n z e i c h n u n g des W a n d e l s v o r w i s s e n s c h a f t l i c h - o n t i s c h e r W a h r h e i t zu w i s s e n s c h a f t l i c h ontischer, d . h . positiver. W i r s a g t e n , die Positivität d e r Wissens c h a f t w e r d e e r m ö g l i c h t d u r c h dieses spezifische Seinlassen; ein solches Seinlassen l i e g t a b e r in j e d e m V e r h a l t e n zu S e i e n d e m . E i n E n t w u r f ist n i c h t erst bei d e r A u s b i l d u n g v o n W i s s e n s c h a f t Voraussetzung, s o n d e r n j e d e r z e i t u n d ü b e r a l l , w o u n d w e n n Dasein zu S e i e n d e m sich v e r h ä l t . D a s g e s c h i e h t a b e r i m D a s e i n n i c h t g e l e g e n t l i c h u n d z u w e i l e n , s o n d e r n w e s e n h a f t u n d ständig, s o f e r n D a s e i n f a k t i s c h existiert. D a r i n liegt: D a s D a s e i n ist als solches e n t w e r f e n d . D i e s e r E n t w u r f — e r g a b sich f e r n e r — ist v o r g ä n g i g e r . D a s e i n m u ß sich s c h o n d e r g l e i c h e n w i e Sein zu v e r s t e h e n g e g e b e n h a b e n , u m sich zu S e i e n d e m v e r h a l t e n zu können. D e r E n t w u r f ist in gewisser Weise f r ü h e r , er g e h t voraus, u n d das S e i e n d e o f f e n b a r t sich u n s d e r a r t , d a ß w i r — v e r h ü l l t e r w e i s e — v o n d e m s c h o n v e r s t a n d e n e n S e i n h e r erst a u f solches stoßen, w a s w i r n u n erst, e b e n i m L i c h t e des Seinsverständnisses, als S e i e n d e s b e g e g n e n lassen. Aus d e m v o r w e g v e r s t a n d e n e n Sein k o m m e n w i r allererst a u f S e i e n d e s zurück, g e n a u e r : S o f e r n wir u n s s t ä n d i g s c h o n zu S e i e n d e m v e r h a l t e n , sind w i r i m m e r schon in u n d aus e i n e m v o r g ä n g i g e n S e i n s e n t w u r f auf S e i e n d e s zurückgekommen. I m v o r g ä n g i g e n E n t w u r f v o n Sein ü b e r s t e i g e n w i r zuvor s c h o n i m m e r das S e i e n d e . N u r a u f g r u n d dieser E r h ö h u n g , eines s o l c h e n Überstiege w i r d S e i e n d e s als S e i e n d e s o f f e n b a r . Sofern a b e r d e r S e i n s e n t w u r f z u m W e s e n des D a s e i n s g e h ö r t , m u ß auch s c h o n i m m e r dieser Ü b e r s t i e g des S e i e n d e n g e s c h e h e n s e i n u n d i m G r u n d des D a s e i n s g e s c h e h e n . W i r b e z e i c h n e n dieses v o r g ä n g i g e Ü b e r s t e i g e n v o n Seiend e m m i t d e m F r e m d w o r t t r a n s c e n d e r e u n d n e n n e n d e n Über-
§' 28. Ontische und ontologische
Wahrheit
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stieg die Transzendenz. D a s D a s e i n als solches ist t r a n s z e n d i e — t r a n s z e n d e n t . D a s G r u n d w e s e n d e r S e i n s v e r f a s s u n g des Seienden, das w i r je selbst sind, ist d e r Ü b e r s t i e g v o n S e i e n d e m . Mit d i e s e m Ü b e r s t i e g , d e r T r a n s z e n d e n z , l i e g t i m D a s e i n als solchem e i n e u r e i g e n e E r h ö h u n g s e i n e r selbst. N u r w e i l i n d e r Existenz des D a s e i n s w e s e n h a f t diese E r h ö h u n g liegt, k a n n das e x i s t i e r e n d e D a s e i n f a l l e n , u n d d . h . i n s e i n e r Weise zu sein d u r c h d a s b e s t i m m t sein, w a s w i r (»Sein u n d Z e i t « ) das Verfallen n e n n e n . W e n n n u n die o n t o l o g i s c h e W a h r h e i t i m e i g e n t l i c h e n S i n n e als v o r g ä n g i g e r E n t w u r f v o n Sein i h r e r s e i t s n u r m ö g l i c h ist auf d e m G r u n d e des Überstiegs, d. h . d e r T r a n s z e n d e n z des Daseins, dann gründet die ontologische W a h r h e i t in der Transzendenz, d. h. sie ist t r a n s z e n d e n t a l . H i e r u n t e r v e r s t e h e n w i r e r s t e n s alles, was zur T r a n s z e n d e n z als solcher g e h ö r t ; z w e i t e n s n e n n e n w i r t r a n s z e n d e n t a l all das, w a s seiner i n n e r e n M ö g l i c h k e i t n a c h auf Transzendenz z u r ü c k w e i s t . Was t r a n s z e n d e n t a l besagt, ist n u r zu erörtern, w e n n das W e s e n d e r T r a n s z e n d e n z b e s t i m m t ist. Bei K a n t g e s c h i e h t das i n g e w i s s e m S i n n e b e i l ä u f i g u n d o h n e Klarheit ü b e r die V o r a u s s e t z u n g e n u n d E r f o r d e r n i s s e e i n e r zur e i c h e n d e n A u f h e l l u n g des W e s e n s d e r T r a n s z e n d e n z . » T r a n szendent« h e i ß t f ü r K a n t : » ü b e r f l i e g e n d « . Es w i r d g e b r a u c h t von B e g r i f f e n (Vorstellungen), die d i e M ö g l i c h k e i t d e r E r f a h r u n g , d e r o n t i s c h e n E r k e n n t n i s , ü b e r s t e i g e n , u n d zwar zu U n r e c h t ü b e r s c h r e i t e n , d i e e t w a s ü b e r das S e i e n d e a n sich a u s m a c h e n , o h n e d a ß es i n e i n e r e n t s p r e c h e n d e n A n s c h a u u n g g e g e b e n w ä r e ( w o b e i » a n sich« h i e r h e i ß t : r e l a t i v auf G o t t ) . » T r a n s z e n d e n t a l « d a g e g e n ist e i n e A r t v o n E r k e n n t n i s , i n d e r es »Begriffe« gibt, die sich n i c h t a u f G e g e n s t ä n d e — a n sich — beziehen, s o n d e r n auf d i e M ö g l i c h k e i t d e r o n t i s c h e n E r k e n n t nis, auf die M ö g l i c h k e i t d e r s y n t h e t i s c h e n E r k e n n t n i s s e a priori, einer w e s e n h a f t zur o n t i s c h e n E r k e n n t n i s a r t g e h ö r e n d e n E r k e n n t n i s ; h i e r g e h t es also u m die i n i h r e S c h r a n k e n g e w i e s e n e E r k e n n t n i s des S e i e n d e n bzw. d e r e n E r m ö g l i c h u n g , u n d das h e i ß t e b e n positiv: E i n s c h r ä n k u n g .
r e n d
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T r a n s z e n d e n t a l e E r k e n n t n i s ist o n t o l o g i s c h e E r k e n n t n i s . D a s ist f r e i l i c h n o c h z w e i d e u t i g ; es k a n n m e i n e n 1. vorontologisches S e i n s v e r s t ä n d n i s als k o n s t i t u t i v f ü r d i e o n t i s c h e E r k e n n t n i s , 2. a u s d r ü c k l i c h e I n t e r p r e t a t i o n dieses v o r o n t o l o g i s c h e n Seinsvers t ä n d n i s s e s als solche o n t o l o g i s c h e E r k e n n t n i s i m s t r e n g e n Sinne. W a r u m a b e r ist ontologisch gleich t r a n s z e n d e n t a l ? Weil O n tologie m i t T r a n s z e n d e n z z u s a m m e n g e h t . I n w i e f e r n ? »Transz e n d e n t a l « w i r d bei K a n t o f t n o c h m e h r e i n s c h r ä n k e n d geb r a u c h t ; es m e i n t a u c h das u n r e c h t m ä ß i g e U b e r f l i e g e n . Bei K a n t ist es m e h r ein k r i t i s c h - n e g a t i v e r Begriff g e g e n ü b e r t h e o l o g i s c h - d o g m a t i s c h e r M e t a p h y s i k . W i r v e r s t e h e n i h n positiv, aus d e m W e s e n d e r T r a n s z e n d e n z selbst, die K a n t n i c h t e i g e n s zum Problem gemacht hat. T r a n s z e n d e n z ist die E r m ö g l i c h u n g d e r j e n i g e n E r k e n n t n i s , die n i c h t zu U n r e c h t die E r f a h r u n g ü b e r f l i e g t , n i c h t » t r a n s z e n d e n t « , s o n d e r n E r f a h r u n g selbst ist. D a s T r a n s z e n d e n t a l e g i b t d i e o b z w a r e i n s c h r ä n k e n d e , a b e r h i e r d u r c h z u g l e i c h positive W e s e n s d e f i n i t i o n d e r n i c h t t r a n s z e n d e n t e n , d. h . d e r als solchen möglichen ontischen Erkenntnis. G e g e n ü b e r d e m t r a d i t i o n e l l e n B e g r i f f v o n T r a n s z e n d e n z ist f o l g e n d e s a n z u m e r k e n : 1. E r ist n i c h t u r s p r ü n g l i c h , s o n d e r n b e r u h t a u f u n g e k l ä r t e n V o r b e s t i m m u n g e n , » S u b j e k t « (vgl. o b e n u n d z u m G a n z e n S.S. 1927); 2. a u ß e r d e m b l e i b t e r n o c h i n der E n g e u n d B e s c h r ä n k u n g a u f das E r k e n n e n , u n d dieses w i e d e r w i r d als t h e o r e t i s c h e s u n d dieses n o c h e i n m a l als E r f o r s c h e n g e f a ß t . T r a n s z e n d e n z h e i ß t h i e r : H i n a u s s t e i g e n aus d e m S u b j e k t u n d h i n ü b e r zu e i n e m O b j e k t . D a s T r a n s z e n d e n t e ist das O b j e k t , das W o r a u f h i n h i n a u s , das W o r a u f d e r B e z i e h u n g . F ü r u n s h e i ß t T r a n s z e n d e n z n i c h t h i n a u s zu e i n e m O b j e k t ; das S u b j e k t ist schon d r a u ß e n , u n d es ist n u r d r a u ß e n bei Seie n d e m , s o f e r n es selbst erschlossen ist. D a s S e i e n d e , das es selbst ist, u n d a n d e r e s S e i e n d e s ist i m v o r a u s schon ü b e r s t i e g e n . T r a n s z e n d e n t i m r e c h t e n S i n n e des T r a n s z e n d i e r e n d e n ist das D a sein, u n d n u r w e i l es i m G r u n d e - s e i n e s W e s e n s t r a n s z e n d i e r t ,
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k a n n zunächst Seiendes qua Vorhandenes u n d Seiendes qua Dasein n i c h t u n t e r s c h i e d e n sein. M y t h i s c h e I d e n t i f i z i e r u n g setzt g e r a d e T r a n s z e n d e n z voraus. Nebenbei bemerkt: H i e r wird ein grundsätzlicher, ursprüng l i c h e r e r u n d a u s d r ü c k l i c h e r e r B e g r i f f des T r a n s z e n d e n t a l e n e n t w i c k e l t als bei K a n t . K a n t h a t z w a r z u m e r s t e n m a l , w e n n gleich n u r in e i n e m r e c h t e n g e n G e s i c h t s k r e i s u n d n i c h t u r s p r ü n g l i c h g e n u g , das T r a n s z e n d e n t a l e g e s e h e n . A b e r g e r a d e w e i l er die T r a n s z e n d e n z n i c h t z e n t r a l eigens b e s t i m m t e u n d z u m P r o b l e m m a c h t e , k a n n sein B e g r i f f des T r a n s z e n d e n t a l e n nicht genügen. Von v o r n h e r e i n ist p r i n z i p i e l l zu sagen, d a ß das P r o b l e m d e r T r a n s z e n d e n z u n d des T r a n s z e n d e n t a l e n m i t I d e a l i s m u s u n d R e a l i s m u s g a r n i c h t s zu t u n h a t , s o n d e r n viel u r s p r ü n g l i c h e r ist als die D i m e n s i o n , i n d e r dieser U n t e r s c h i e d a u f t r i t t , so sehr, d a ß er erst a u f d e m G r u n d e d e r r e c h t v e r s t a n d e n e n T r a n s z e n denz entscheidbar wird. Ebenso w e n i g hat Transzendenz p r i m ä r e t w a s zu t u n m i t E r k e n n t n i s u n d E r k e n n t n i s t h e o r i e . W i r k o m m e n so zu e i n e r 10. T h e s e b e z ü g l i c h des W e s e n s d e r W a h r h e i t , n a c h d e m in d e n T h e s e n 1 - 8 ( o b e n S. 149-156) d e r Ü b e r g a n g v o n der Aussagewahrheit zur ursprünglichen echten ontischen W a h r h e i t d a r g e l e g t , i n d e r 9. die ontische W a h r h e i t a u f die ontologische z u r ü c k g e f ü h r t w u r d e ( o b e n S. 205). 10. D i e o n t o l o g i s c h e W a h r h e i t ( U n v e r b o r g e n h e i t v o n Sein) ist i h r e r s e i t s n u r m ö g l i c h , w e n n das D a s e i n s e i n e m W e s e n n a c h Seiendes zu ü b e r s t e i g e n v e r m a g , d . h . als f a k t i s c h e x i s t i e r e n d e s das S e i e n d e i m m e r s c h o n ü b e r s t i e g e n h a t . O n t o l o g i s c h e W a h r h e i t g r ü n d e t i n d e r T r a n s z e n d e n z des Daseins; sie ist t r a n s z e n d e n t a l . D i e T r a n s z e n d e n z des D a s e i n s a b e r e r s c h ö p f t sich u m g e k e h r t n i c h t i n d e r o n t o l o g i s c h e n W a h r h e i t . (Vgl. T h e s e 11, u n t e n S. 210.) D e r o n t o l o g i s c h e n W a h r h e i t l i e g t w i e d e r u m die T r a n s z e n d e n z als W e s e n s v e r f a s s u n g des D a s e i n s z u g r u n d e . Auf G r u n d der T r a n s z e n d e n z allein w i r d das m ö g l i c h , w a s w i r f r ü h e r d e n E i n b r u c h des D a s e i n s als e x i s t i e r e n d e n in das S e i e n d e n a n n t e n .
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N u r w e i l das D a s e i n i m G r u n d e seines W e s e n s t r a n s z e n d e n t ist, d e s h a l b ist ontologische W a h r h e i t » u n d « o n t i s c h e W a h r h e i t m ö g l i c h . W i r s a g e n m i t A b s i c h t ontologisch und ontisch. D e n n es ist n i c h t so, d a ß h i e r n u r e i n e R e i h e v o n B e d i n g u n g e n neb e n e i n a n d e r a u f g e r o l l t w ü r d e , ontisch auf ontologisch u n d d i e s e auf T r a n s z e n d e n z . S o n d e r n v o r - o n t o l o g i s c h e W a h r h e i t , d. h . entw e r f e n d e s V e r s t e h e n des Seins ist als solches e i n V e r s t e h e n des Seins v o n S e i e n d e m , m a g dieses S e i e n d e f a k t i s c h t a t s ä c h l i c h e x i s t i e r e n o d e r v o r h a n d e n sein oder n i c h t . U m g e k e h r t ist Erf a h r u n g v o n S e i e n d e m , o n t i s c h e W a h r h e i t , solche n u r in e i n e m V e r s t e h e n v o n Sein. O n t o l o g i s c h e W a h r h e i t u n d o n t i s c h e W a h r h e i t s t e h e n in einem ursprünglichen Zusammenhang — entsprechend dem U n t e r s c h i e d v o n Sein u n d S e i e n d e m . D a s s i n d n i c h t zwei Reiche, die e i n f a c h d u r c h » u n d « n e b e n e i n a n d e r gesetzt sind, sond e r n die spezifische E i n h e i t u n d d e r U n t e r s c h i e d b e i d e r i n der Z u s a m m e n g e h ö r i g k e i t ist das P r o b l e m . Sie selbst, die in d i e s e m U n t e r s c h i e d U n t e r s c h i e d e n e n , k ö n n e n in i h r e m W e s e n n u r beg r i f f e n w e r d e n aus d e m , w a s dieses U n t e r s c h e i d e n als solches e r m ö g l i c h t . M i t a n d e r e n W o r t e n : D i e T r a n s z e n d e n z ist n i c h t n u r d i e i n n e r e M ö g l i c h k e i t f ü r die o n t o l o g i s c h e W a h r h e i t u n d ind i r e k t d a n n a u c h f ü r die ontische, s o n d e r n g e r a d e die Beding u n g d e r M ö g l i c h k e i t f ü r dieses » u n d a u c h « , f ü r d e r e n Z u s a m m e n h a n g , ja, f ü r d i e M ö g l i c h k e i t des U n t e r s c h e i d e n s von S e i n u n d S e i e n d e m , auf G r u n d dessen w i r ü b e r h a u p t v o n Ontologie sprechen können. Diesen Unterschied bezeichnen wir als » o n t o l o g i s c h e D i f f e r e n z « , »ontologisch« i m d a r g e l e g t e n Sinn e (vgl. o b e n S. 2 0 0 f f . ) . So e r g i b t sich die w e i t e r e G r u n d t h e s e : 11. D i e T r a n s z e n d e n z des D a s e i n s ist die B e d i n g u n g d e r Möglichkeit der ontologischen Differenz, dafür, daß Unterschied v o n Sein u n d S e i e n d e m ü b e r h a u p t a u f b r e c h e n k a n n , d a ß es d i e s e n U n t e r s c h i e d g e b e n k a n n . A b e r a u c h h i e r i n e r s c h ö p f t sich n i c h t das W e s e n d e r T r a n s z e n d e n z . So u n b e s t i m m t dieses f ü r u n s jetzt n o c h sein m a g , das e i n e u n d einzige, d e m w i r z u n ä c h s t z u s t r e b t e n , m u ß d e u t l i c h gewor-
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d e n sein: W i r f r a g t e n , w a s ist das W e s e n d e r W i s s e n s c h a f t , u n d i n w i e f e r n h a t sie e i n e G r e n z e ? N u n m e h r w i r d d e u t l i c h , d a ß die Wissenschaft n i c h t e t w a s ist, w a s es e b e n u n t e r v i e l e m a n d e r e n , w o m i t m a n sich b e s c h ä f t i g e n k a n n , a u c h gibt, s o n d e r n d a ß sie, u m zu sein, w a s sie ist, i h r e W u r z e l n i m u r s p r ü n g l i c h e n W e s e n des D a s e i n s selbst, in d e r T r a n s z e n d e n z , g e s c h l a g e n h a b e n m u ß . Jetzt w i r d s c h o n konkreter v e r s t ä n d l i c h , w a s w i r f r ü h e r als vorg r e i f e n d e D e f i n i t i o n d e r W i s s e n s c h a f t a n z e i g t e n : Sie ist e i n e Möglichkeit d e r E x i s t e n z des D a s e i n s . W e n n sie e i n e e c h t e M ö g lichkeit ist, m u ß die W i s s e n s c h a f t sich aber a u c h n o t w e n d i g b e g r e n z e n , w e n n a n d e r s j e d e M ö g l i c h k e i t ihre G r e n z e i n sich selbst trägt, ja, d i e B e g r e n z u n g ihrer selbst m i t b r i n g t . D i e F r a g e n a c h - d e m W e s e n d e r W i s s e n s c h a f t w u r d e ja f ü r u n s n u r d e s h a l b b r e n n e n d , u m aus i h r e m W e s e n zu e r s e h e n , i n w e l c h e r Weise die W i s s e n s c h a f t sich selbst b e g r e n z t . O f f e n b a r h a n d e l t es sich n i c h t u m e i n e B e g r e n z u n g d e r a r t , daß die W i s s e n s c h a f t g l e i c h s a m l e d i g l i c h a n e t w a s a n d e r e s stößt, d a v o n sie d u r c h e i n e n Z a u n g e s c h i e d e n ist, n i c h t u m e i n e U m z ä u n u n g , die i h r g l e i c h g ü l t i g sein k a n n , s o n d e r n u m e i n e B e g r e n z u n g , d i e g e r a d e als solche i h r das e i g e n e W e s e n v e r l e i h t . W i s s e n s c h a f t m u ß sich selbst n o t w e n d i g d i e G r e n z e n e h m e n u n d e i n e B e g r e n z u n g g e b e n . D i e G r e n z e l i e g t i n i h r selbst als das a n d e r e , das sie ist u n d dessen sie g e r a d e als W i s s e n s c h a f t n i c h t m e h r m ä c h t i g ist. Dieses a n d e r e a b e r g i b t d e r W i s s e n s c h a f t die K r a f t i h r e s Wesens, so zwar, d a ß dieses a n d e r e r e i c h e r ist u n d n o c h a n d e r e s v e r m a g , als g e r a d e n u r d i e M ö g l i c h k e i t d e r W i s s e n s c h a f t zu t r a g e n . D i e spezifisch w i s s e n s c h a f t l i c h e Z u w e n d u n g z u m S e i e n d e n an sich selbst i m W o l l e n s e i n e r W a h r h e i t g e s c h i e h t i m g e k e n n z e i c h n e t e n E n t w u r f ; n u r i n d i e s e m w i r d das S e i e n d e als Vorlieg e n d e s o f f e n b a r . N u r w e n n es so o f f e n b a r vorliegt, k a n n es z u m G e g e n s t a n d e i n e s B e f r a g e n s g e m a c h t w e r d e n . N u r w e n n es F r a g e g e g e n s t a n d g e w o r d e n ist, k a n n es T h e m a m ö g l i c h e r U n t e r suchung werden. Untersuchung verlangt Themastellung, Them a t i s i e r u n g , diese v e r l a n g t zuvor V e r g e g e n s t ä n d l i c h u n g , diese
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zuvor ein o f f e n b a r e s Vorliegendes, u n d dieses ist n u r m ö g l i c h i m E n t w u r f . Dieses E n t w e r f e n aber, das so alle L e i d e n s c h a f t der w i s s e n s c h a f t l i c h e n Z u w e n d u n g zur S a c h e t r ä g t , g r ü n d e t i n der T r a n s z e n d e n z als d e r G r u n d v e r f a s s u n g des D a s e i n s . W i s s e n s c h a f t m a c h t das S e i e n d e z u m G e g e n s t a n d u n d / k a n n das n u r d u r c h d e n o n t o l o g i s c h e n E n t w u r f , das T r a n s z e n d i e r e n , i n d e m sich das D a s e i n z u m »Sein« ( W e l t u . a.) » v e r h ä l t « . D a s T r a n s z e n d i e r e n ist das a n d e r e , dessen d i e W i s s e n s c h a f t als solche n i c h t m ä c h t i g ist u n d dessen sie g e r a d e b e d a r f , u m zu sein, was sie sein k a n n . D a s T r a n s z e n d i e r e n vollzieht d i e B e g r e n z u n g der W i s s e n s c h a f t , u n d b r i n g t sie d a d u r c h g e r a d e zu sich selbst. D i e W i s s e n s c h a f t g e h t n u r a u f S e i e n d e s als i h r e n G e g e n s t a n d , u n d z w a r k a n n sie das auf G r u n d des o n t o l o g i s c h e n E n t w u r f s . W i r h ö r t e n a b e r , d a ß dieser a u c h s c h o n i m m e r e i n Feld a b s t e c k t u n d d a m i t eo ipso j e d e W i s s e n s c h a f t je auf ein G e b i e t f e s t l e g t u n d e i n s c h r ä n k t . Jede W i s s e n s c h a f t m u ß sich a u f G r u n d dessen, was i h r das W e s e n g i b t ( E n t w u r f ) , a u f e i n G e b i e t b e s c h r ä n k e n . D i e W i s s e n s c h a f t ist w e s e n h a f t E i n z e l w i s s e n s c h a f t , d. h . es l i e g t i m W e s e n d e r W i s s e n s c h a f t als o n t o l o g i s c h e r positiver E r k e n n t n i s , d a ß es k e i n e s o g e n a n n t e a l l g e m e i n e W i s s e n s c h a f t g e b e n k a n n . D e r A u s d r u c k »EinzelWissenschaft« ist d a h e r s c h o n e i n e Tautologie u n d m i ß v e r s t ä n d l i c h , w e i l er d e n G e d a n k e n e i n e r Allgemeinwissenschaft nahelegt. So vollzieht d e r ontologische E n t w u r f e i n e d o p p e l t e , i n sich e i n h e i t l i c h e B e g r e n z u n g : 1. W i s s e n s c h a f t ist E r k e n n t n i s von S e i e n d e m u n d n i c h t solche des Seins; 2. als W i s s e n s c h a f t von S e i e n d e m ist sie je solche e i n e s b e s t i m m t e n G e b i e t s u n d nie v o m Seienden i m Ganzen. Diese Begrenzung geschieht i m Trans z e n d i e r e n , u n d sie g e s c h i e h t n o t w e n d i g , w e n n W i s s e n s c h a f t e x i s t e n t , w i r k l i c h w e r d e n soll. G e r a d e d a d u r c h , d a ß die W i s s e n s c h a f t sich a u f g i b t , das S e i e n d e a n i h m selbst o f f e n b a r zu m a c h e n , m u ß sie d e n o n t o l o g i s c h e n E n t w u r f v o l l z i e h e n , d. h . i m W e s e n zu s o l c h e m sich v e r h a l t e n , w a s i h r selbst m i t i h r e n M i t t e l n n i c h t m e h r z u g ä n g l i c h , i m G r u n d e also v e r b o r g e n ist. So m u ß die W i s s e n s c h a f t n o t w e n d i g sich h i n e i n w a g e n i n e i n e n
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28. Ontische und ontologische Wahrheit
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U m k r e i s des V e r b o r g e n e n , d e r sie s t ä n d i g u m g i b t . D a s I n - d e r W a h r h e i t - s e i n d e r W i s s e n s c h a f t ist g e r a d e e i n U m s t e l l t s e i n v o n Verborgenheit. Selbst diese V e r b o r g e n h e i t des Seins ist f ü r j e d e W i s s e n s c h a f t je n u r e i n e b e s c h r ä n k t e . D i e W i s s e n s c h a f t ist d e r art u n d n o t w e n d i g b e g r e n z t , d a ß sie n i c h t e i n m a l d i e G r e n z v e r b o r g e n h e i t u m sich h a t , d i e m i t d e r W i r k l i c h k e i t v o n W i s s e n s c h a f t sich g e r a d e einstellt. So zeigt sich zugleich, was f r ü h e r n u r v o r l ä u f i g a n g e z e i g t w u r d e , d a ß m i t d e r U n v e r b o r g e n h e i t je n o t w e n d i g V e r b o r g e n heit z u s a m m e n g e h t . W a s d e r W i s s e n s c h a f t d i e H e l l e g i b t , i m S i n n e d e r O f f e n b a r k e i t v o n S e i e n d e m , versetzt sie z u g l e i c h ins D u n k e l — i m S i n n e d e r V e r b o r g e n h e i t des Seins. D i e r e l a t i v e H e l l e w i s s e n s c h a f t l i c h e r E r k e n n t n i s des S e i e n d e n ist u m d r ä n g t v o m D u n k e l des Seinsverständnisses. D e n n a u c h i m ontologischen E n t w u r f , d e r g e s c h i e h t bei d e r G r ü n d u n g u n d A u s b i l d u n g u n d ü b e r h a u p t i n d e r G e s c h i c h t e d e r W i s s e n s c h a f t , ist z w a r Sein v e r s t a n d e n u n d i n gewisser Weise u m - g r e n z t , a b e r n i c h t e r f a ß t , d. h. n i c h t e i g e n s als S e i n b e g r i f f e n . D a s V e r s t e h e n v o n S e i n a b e r g e s c h i e h t i m T r a n s z e n d i e r e n . W e n n dieses Verständnis des Seins sich z u m B e s t i m m e n u n d g a r B e g r e i f e n des Seins als s o l c h e n ausbilden k a n n , d a n n m ü s s e n i m T r a n s z e n d i e r e n selbst vers c h i e d e n e M ö g l i c h k e i t e n liegen, g e m ä ß d e n e n es u n a u s d r ü c k lich oder a u s d r ü c k l i c h g e s c h i e h t . W e n n das T r a n s z e n d i e r e n ausdrücklich u n d e i g e n s vollzogen w i r d , d a n n h e i ß t das zun ä c h s t u n d u n t e r a n d e r e m : E s w i r d g e f r a g t , w a s dieses i m S e i n s e n t w u r f e n t w o r f e n e S e i n selbst b e s a g e u n d w i e d e r g l e i c h e n V e r s t ä n d n i s m ö g l i c h w e r d e . W e n n n u n die T r a n s z e n d e n z das G r u n d w e s e n des m e n s c h l i c h e n D a s e i n s ü b e r h a u p t ausm a c h t , so g e s c h i e h t i m a u s d r ü c k l i c h e n T r a n s z e n d i e r e n n i c h t s G e r i n g e r e s als das, d a ß das w e s e n h a f t t r a n s z e n d i e r e n d e D a s e i n im ausdrücklichen Geschehenlassen der Transzendenz wesentlich w i r d . Dieses W e s e n t l i c h w e r d e n des D a s e i n s i m a u s d r ü c k l i c h e n T r a n s z e n d i e r e n , das a u s d r ü c k l i c h e F r a g e n n a c h d e m Sein als solchen, ist n i c h t s a n d e r e s als das P h i l o s o p h i e r e n .
214
Zum Unterschied von IVissenschaft und
Philosophie
§ 29. Philosophieren als Transzendieren gehört des menschlichen Daseins
zum
Wesen
12. T r a n s z e n d i e r e n ist P h i l o s o p h i e r e n , g e s c h e h e es u n a u s d r ü c k lich v e r b o r g e n , o d e r w e r d e es a u s d r ü c k l i c h e r g r i f f e n . W i r zeigten, das W e s e n des T h e o r e t i s c h e n l i e g e i m Seinlassen des S e i e n d e n a n i h m selbst u n d n a n n t e n dieses Seinlassen e i n e U r - h a n d l u n g des D a s e i n s . N u n w i r d klar, m i t w e l c h e m R e i c h t u m das Seinlassen i m o n t o l o g i s c h e n E n t w u r f , i m T r a n s z e n d i e r e n g e s c h i e h t ; dieses a b e r ist das G r u n d g e s c h e h e n d e r E x i s t e n z selbst. Dieses Seinlassen des S e i e n d e n n a n n t e n w i r f r ü h e r die m e t a p h y s i s c h e G l e i c h g ü l t i g k e i t , e i n e e i g e n t ü m l i c h e Gelassenh e i t , in d e r das S e i e n d e a n i h m selbst zu W o r t k o m m t . D i e s e G e l a s s e n h e i t a b e r m u ß e i n e m u r s p r ü n g l i c h e n H a n d e l n ents p r i n g e n , sie ist n i c h t s a n d e r e s . H a n d e l n aber ist Freisein. D a m i t d i e e i g e n t l i c h e V e r b i n d l i c h k e i t m ö g l i c h w e r d e , die v o n d e m an sich o f f e n b a r e n S e i e n d e n a u s g e h t u n d die spezifische Sachlichk e i t f o r d e r t , m u ß ein o n t o l o g i s c h e r E n t w u r f ( T r a n s z e n d i e r e n ) g e s c h e h e n , d. h . e i n e f r e i e H a n d l u n g . N u r w o F r e i h e i t ist, w i r d B i n d u n g u n d N o t w e n d i g k e i t m ö g l i c h . So ist das a u s d r ü c k l i c h e T r a n s z e n d i e r e n e i n e U r h a n d l u n g d e r F r e i h e i t des Daseins, ja, das G e s c h e h e n des F r e i h e i t s r a u m e s des D a s e i n s selbst, d. h . aber das E x i s t i e r e n i m G r u n d e u n d aus d e m G r u n d e des Daseins. D a s a u s d r ü c k l i c h e T r a n s z e n d i e r e n a b e r ist als F r a g e n n a c h d e m S e i n als s o l c h e m d a s P h i l o s o p h i e r e n . So w i r d k l a r , w a s wir in der ersten Stunde n u r behaupteten: Das menschliche Dasein als solches p h i l o s o p h i e r t ; e x i s t i e r e n h e i ß t p h i l o s o p h i e r e n . Das D a s e i n p h i l o s o p h i e r t , w e i l es t r a n s z e n d i e r t . I m T r a n s z e n d i e r e n l i e g t V e r s t e h e n v o n Sein. S e i n s v e r s t ä n d n i s a b e r , so h ö r t e n wir, g e h ö r t z u m D a s e i n , u n d z w a r z u n ä c h s t u n d z u m e i s t so, d a ß es z w a r Sein v e r s t e h t , a b e r n i c h t b e g r e i f t . D a s D a s e i n k ö n n t e n i c h t e x i s t i e r e n als das, was u n d w i e es ist, w ü r d e es n i c h t i m G r u n d e seines Wesens i m m e r s c h o n d e r g l e i c h e n w i e Sein e n t h ü l l t haben u n d verstehen. W e s e n u n d K e r n des M e n s c h e n l i e g t a b e r v o n alters h e r in
§29. Philosophieren
als Transzendieren
215
d e m , w a s w i r »Seele« n e n n e n . D a h e r sagt P i a t o n ( P h a i d r o s 249 e 4-6): πάσα μέν άν&ρώπου ψυχή φύσει τεθέαται τά οντα, ή ουκ άν ήλθεν είς τόδε τό ζωον. 1 »Jedes D a s e i n h a t schon i m G r u n d e seines Wesens das S e i e n d e e r b l i c k t , d . h . w a s a m S e i e n d e n das Sein a u s m a c h t , o d e r es h ä t t e n i c h t in dieses f a k t i s c h e D a s e i n k o m m e n k ö n n e n , « ( o h n e dieses Blicken auf das Sein). N i c h t s a n d e r e s a b e r als dieses U r f a k t u m des D a s e i n s w i r d jedoch i m a u s d r ü c k l i c h e n T r a n s z e n d i e r e n , d . h . P h i l o s o p h i e r e n , z u m P r o b l e m . D a m i t zeigt sich: D i e P h i l o s o p h i e b r a u c h t g a r n i c h t erst sich i r g e n d e i n e n G e g e n s t a n d zu e r d e n k e n u n d w e i t u m zta s u c h e n ; das D a s e i n selbst i n s e i n e m W e s e n — als t r a n s z e n d i e r e n d e s — t r ä g t i n sich die m ö g l i c h e F r a g e n a c h d e m Sein u n d dessen S i n n . A u c h h i e r h a t P i a t o n das W e s e n t l i c h e g e s e h e n : Ό δέ γε φιλόσοφος, rrj τοϋ δντος άεί διά λογισμων προσκείμενος ίδέα, διά τό λαμπρόν αυ της χώρας ούδαμως εύπετής όφθηναι, τά γάρ τής τών πολλων ψυχής ομματα καρτερεϊν πρός τό θεΐον άφορώντα άδύνατα (Soph. 254 a 8 - b l ) 2 » D e r P h i l o s o p h h a t sich g a n z d a r e i n v e r l e g t , s t ä n d i g in d e n Blick zu b r i n g e n das S e i e n d e (als S e i e n d e s — das Sein), i n d e m er es i m D u r c h s p r e c h e n auf d e n B e g r i f f b r i n g t . E r h ä l t sich i n d e r H e l l e des Seinsverständnisses, u n d w e i l er sich an e i n e m s o l c h e n h e l l e n O r t a u f h ä l t , ist e r s c h w e r zu s e h e n . D e n n das A u g e d e r Seele bei d e r M e n g e , d e r e n V e r s t e h e n , ist a u ß e r s t a n d e , a u s z u h a l t e n i m H i n b l i c k e n auf das G ö t t l i c h e , was ü b e r das S e i e n d e h i n a u s l i e g t . « W i r e n t n e h m e n h i e r a u s , d a ß P h i l o s o p h i e r e n z u m W e s e n des m e n s c h l i c h e n D a s e i n s g e h ö r t , d a ß a b e r g l e i c h w o h l die M e n g e sich n i c h t h e r a u s zu lösen v e r m a g aus d e n Fesseln dessen, w a s g e r a d e i m U m l a u f ist, dessen, w o r ü b e r m a n s p r i c h t , u n d dessen, was m a n g e s e h e n h a b e n m u ß . D a s P h i l o s o p h i e r e n ist n u r das Vorrecht d e r e r , die b e r e i t sind zu v e r s t e h e n , d a ß das W e s e n t l i c h e in d e r E i n f a c h h e i t u n d U r s p r ü n g l i c h k e i t des e i g e n e n D a s e i n s m e t a p h y s i s c h r u h t u n d auf B e f r e i u n g w a r t e t . 1 2
Piatonis Opera (ed. Burnet), Tomus I. A.a.O.
216
Zum Unterschied von IVissenschaft und
Philosophie
D e n s e l b e n G e d a n k e n P i a t o n s , d a ß d e r P h i l o s o p h άεί προσκείμενος rfj τοϋ οντος Ιδεα, h a t Aristoteles i n s e i n e r n ü c h ternen, aber u m nichts weniger radikalen Art ausgesprochen ( M e t . Z 1, 1028 b 2 sq.): καί δή καΐ τό πάλαι τε καί νΰν καί άεί ζητούμενον και άεί άπορούμενον, τί τό öv, τοΰτό εστι, τίς ή ούσία. 5 » U n d so ist d a s j e n i g e , w a s v o n alters h e r u n d jetzt u n d in alle k ü n f t i g e n Z e i t e n h i n e i n g e s u c h t ist, u n d d a s j e n i g e , wobei das S u c h e n u n d F r a g e n i m m e r w i e d e r s c h e i t e r t , n i c h t s a n d e r e s als d i e F r a g e , w a s ist das Sein.« H i e r t r i t t d i e w i c h t i g e E i n s i c h t zu Tage, d a ß dieses F r a g e n , w a s das S e i n sei, i m m e r w i e d e r i n L a g e n f ü h r t , aus d e n e n es k e i n e n A u s w e g zu g e b e n s c h e i n t . M i t a n d e r e n W o r t e n : D i e G r u n d f r a g e des P h i l o s o p h i e r e n s »Was ist das S e i n selbst?« ist die F r a g e , die i m m e r w i e d e r F r a g e w e r d e n will u n d m u ß . W i r hab e n m e i s t e i n e irrige Vorstellung v o n d e r g r i e c h i s c h e n Philosop h i e , v o n P i a t o n u n d Aristoteles i m b e s o n d e r e n , als seien h i e r r u n d e u n d geschlossene S y s t e m e g e s c h a f f e n w o r d e n , die k ü n f t i g e n Z e i t e n als d o g m a t i s c h e r L e h r g e h a l t ü b e r l i e f e r t w e r d e n . D o c h f i n d e t sich nichts, w a s d a r a u f d e u t e t , d a ß sie der M e i n u n g g e w e s e n w ä r e n , n u n m e h r f ü r alle k o m m e n d e n G e s c h l e c h t e r das W e s e n t l i c h e e r l e d i g t zu h a b e n . W a s P i a t o n u n d Aristoteles die i n n e r e G r ö ß e v e r l e i h t , ist dieses sich selbst ü b e r l e g e n e , freie Ü b e r l a s s e n d e r s e l b e n G r u n d a u f g a b e a n die N a c h k o m m e n d e n . ( H e u t e , w o S c h e i n p h i l o s o p h i e u n d M e t a p h y s i k auf a l l e n Gassen a u s g e r u f e n w i r d , gilt e s m e h r d e n n je, d i e G r u n d f r a g e des P h i l o s o p h i e r e n s zur F r a g e w e r d e n zu lassen, d. h . die F r a g e n a c h d e m Sein erst w i e d e r als solche a u s z u b i l d e n . W i r m ü s s e n jetzt b e g r e i f e n , d a ß schon u n d g e r a d e dieses A u s b i l d e n dieser F r a g e das P h i l o s o p h i e r e n selbst ist.) A u s d r ü c k l i c h T r a n s z e n d i e r e n als P h i l o s o p h i e r e n ist sich wied e r h o l e n d e s F r a g e n n a c h d e m S e i n des S e i e n d e n ; das Sein als solches b e f r a g e n , h e i ß t , es zu b e g r e i f e n s u c h e n . P h i l o s o p h i e r e n 5 Aristotelis Metaphysica. Recognovit W. Christ. Lipsiae in aedibus B. G. Teubneri 1886.
S 30. Der unterschiedliche
Fragebereich
217
f r a g t n a c h d e m B e g r i f f dessen, w a s w i r i m m e r s c h o n v e r s t e h e n . Von da w i r d s i c h t b a r , d a ß g e r a d e d a s P h i l o s o p h i e r e n u m l a g e r t ist von d e n E i n f l ü s t e r u n g e n s e i n e r h a r t n ä c k i g s t e n W i d e r s a c h e rin, d e r v e r m e i n t l i c h e n S e l b s t v e r s t ä n d l i c h k e i t d e r D i n g e . P h i l o s o p h i e r e n h e i ß t das Sein als solches zu b e g r e i f e n s u c h e n , das S e i n s v e r s t ä n d n i s i n s e i n e r i n n e r e n M ö g l i c h k e i t a u s b i l d e n u n d auf s e i n e n G r u n d b r i n g e n , Verständnis a u s b i l d e n , V e r s t e h e n als E n t w e r f e n , d e n E n t w u r f a u s d r ü c k l i c h v o l l z i e h e n , u n d das besagt: 1 d i e s e n E n t w u r f selbst in s e i n e r i n n e r e n M ö g l i c h k e i t bes t i m m e n , so d a ß e r v o l l z i e h b a r w i r d als b e g r e i f e n d e s E n t w e r f e n , als A u s b i l d u n g des v o r o n t o l o g i s c h e n S e i n s v e r s t ä n d n i s s e s z u m ontologischen, d e r g e s t a l t , d a ß v o n d i e s e m a u s jenes erst L i c h t bekommt. P h i l o s o p h i e r e n h e i ß t das Sein als solches zu b e g r e i f e n s u c h e n u n d d i e O n t o l o g i e als P r o b l e m g r u n d s ä t z l i c h b e g r ü n d e n . D o c h wir sagen n i c h t e i n f a c h : P h i l o s o p h i e ist O n t o l o g i e , u n d s a g e n das vor a l l e m n i c h t i n d e m S i n n e , d a ß i r g e n d e i n t r a d i e r t e r Begriff v o n O n t o l o g i e ü b e r n o m m e n u n d d e m W e s e n d e r P h i l o s o phie a u f g e r e d e t w i r d . P h i l o s o p h i e ist O n t o l o g i e , b e s a g t h ö c h stens: Sie ist i n i h r e m W e s e n ein P r o b l e m , das d e m e n t q u i l l t , w a s das G r u n d w e s e n d e r E x i s t e n z des D a s e i n s a u s m a c h t ; P h i l o s o phie ist ontologisch, b e s a g t d a n n : G e l i n g t es, das zu b e g r e i f e n , d a n n m u ß sich v o n d a u n d v o n d a p r i m ä r u n d allein d i e volle i n n e r e R i c h t u n g des W e s e n s des P h i l o s o p h i e r e n s e n t h ü l l e n lassen.
§ 30. Der unterschiedliche und
Fragebereich Wissenschaß.
von
Philosophie
D a m i t ist gesagt: M i t d e r j e t z i g e n K e n n z e i c h n u n g des P h i l o s o p h i e r e n s als F r a g e n n a c h d e m Begriff des Seins h a b e n w i r das Wesen des P h i l o s o p h i e r e n s k e i n e s w e g s e r s c h ö p f t , n i c h t i n sein e m K e r n g e f a ß t ; dieser e i n e W e g zur v o r l ä u f i g e n C h a r a k t e r i stik des P h i l o s o p h i e r e n s ist zwar m e t h o d i s c h d e r u n u m g ä n g l i c h
218
Zum Unterschied von IVissenschaft und
Philosophie
erste, a b e r m i t B e d a c h t h a b e n w i r d r e i W e g e angesetzt. Das D u r c h m e s s e n d e r b e i d e n a n d e r e n k a n n u n s erst i n eins m i t d e m jetzt d u r c h l a u f e n e n ins Z i e l b r i n g e n . E t w a s W e s e n t l i c h e s a b e r ist a n s L i c h t g e k o m m e n : Philosop h i e r e n ist als A u s b i l d u n g des S e i n s v e r s t ä n d n i s s e s T r a n s z e n d i e r e n , d . h . G e s c h e h e n - l a s s e n dessen, w a s E x i s t e n z i m G r u n d e e r m ö g l i c h t . P h i l o s o p h i e r e n ist e i n E x i s t i e r e n aus d e m Wesensg r u n d e des D a s e i n s . P h i l o s o p h i e r e n h e i ß t : W e s e n t l i c h w e r d e n in d e r T r a n s z e n d e n z . D e n n n u r die T r a n s z e n d e n z e r m ö g l i c h t u.a. d e n E n t w u r f des Seins. D i e s e r b e d a r f d a h e r w e s e n h a f t d e r T r a n s z e n d e n z als H o r i z o n t des E n t w e r f e n s . D i e F r a g e n a c h d e m Sein b e d a r f des t r a n s z e n d e n t a l e n H o r i z o n t e s . ( D a s f o r d e r t a b e r , d i e T r a n s z e n d e n z i n i h r e m W e s e n zu e n t h ü l l e n . T r a n s z e n d e n z ist das G r u n d w e s e n des D a s e i n s selbst, des S e i e n d e n , das w i r selbst sind. D e m n a c h b e d a r f es e i n e r E n t h ü l l u n g d e r S e i n s v e r f a s s u n g des D a s e i n s u n d des W e s e n s der Existenz. N u n l ä ß t sich zeigen: D i e u r s p r ü n g l i c h e Seinsverfass u n g des D a s e i n s u n d d . h . z u g l e i c h d e r G r u n d d e r i n n e r e n M ö g l i c h k e i t d e r T r a n s z e n d e n z ist d i e Z e i t l i c h k e i t . Also m u ß die Z e i t d e n t r a n s z e n d e n t a l e n H o r i z o n t b e s t i m m e n f ü r die G r u n d f r a g e des P h i l o s o p h i e r e n s , die F r a g e n a c h d e m Sein. D i e F u n d a m e n t a l f r a g e d e r P h i l o s o p h i e ist d i e n a c h Sein u n d Zeit. D a h e r ist d e r erste Teil d e r so b e t i t e l t e n U n t e r s u c h u n g ü b e r s c h r i e b e n : » D i e I n t e r p r e t a t i o n des D a s e i n s a u f die Z e i t l i c h k e i t u n d die E x p l i k a t i o n d e r Z e i t als des t r a n s z e n d e n t a l e n H o r i z o n t e s d e r F r a g e n a c h d e m Sein.«) 1 I m R o h e n m i n d e s t e n s m u ß jetzt e i n s i c h t i g g e w o r d e n sein, i n w i e f e r n d i e e n t s c h e i d e n d e T h e s e , d i e in d e r e r s t e n S t u n d e dieser Vorlesung a u s g e s p r o c h e n w u r d e , z u r e c h t b e s t e h t : W i r haben nicht u n d nie den Standort außerhalb der Philosophie, s o n d e r n e x i s t i e r e n s c h o n i m m e r , w e i l w e s e n h a f t , i n ihr, sofern
1
Anm. d. Hg.: Dieser Absatz findet in den Nachschriften keine Entsprechung. Auch die eckigen Klammern im Manuskript deuten darauf hin, daß Heidegger diesen Absatz nicht vorgetragen hat.
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Fragebereich
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w i r e b e n als M e n s c h e n t r a n s z e n d i e r e n . E i n l e i t u n g i n d i e P h i losophie ist d a h e r n i c h t H i n e i n f ü h r e n i n ein G e b i e t a u ß e r h a l b der ü b r i g e n , s o n d e r n E i n l e i t e n , i n G a n g b r i n g e n des Philosop h i e r e n s . D a s b e s a g t jetzt: a u s d r ü c k l i c h e s G e s c h e h e n l a s s e n d e r Transzendenz, B e r e i t u n g u n d B i n d u n g dessen, w a s u n s e r W i s s e n t r ä g t , M i t f r a g e n n a c h d e m W e s e n des Seins. A b e r dieses b i s h e r i g e E i n l e i t e n ist n u r e i n erster A n l a u f — i m D u r c h g a n g d u r c h e i n e E r h e l l u n g des W e s e n s d e r W i s s e n s c h a f t . Jetzt m u ß a u c h d e u t l i c h g e w o r d e n sein, i n w i e f e r n d e r Begriff e i n e r w i s s e n s c h a f t l i c h e n P h i l o s o p h i e e i n U n b e g r i f f ist, gleich d e m G e d a n k e n eines » r u n d l i c h e n Kreises«. W i s s e n s c h a f t ist positive E r k e n n t n i s , d . h . 1. a u f S e i e n d e s g e r i c h t e t , 2. i n eins d a m i t n o t w e n d i g je a u f e i n e n Bezirk des S e i e n d e n . P h i l o s o p h i e a b e r ist beides g e r a d e n i c h t , 1. n i c h t auf Seiendes, s o n d e r n auf das Sein gerichtet, 2. n i c h t auf e i n e n Bezirk, a u c h n i c h t auf alle z u s a m m e n , s o n d e r n w e n n a u f Seiendes, d a n n v o n d e r F r a g e n a c h d e m Sein h e r , a u f das S e i e n d e i m G a n z e n . E i n e W i s s e n s c h a f t v o m S e i e n d e n i m G a n z e n a b e r ist w e s e n h a f t u n m ö g l i c h . W a r u m ? Das' w i r d s p ä t e r k l a r , a u f d e m z w e i t e n Weg. D o c h P h i l o s o p h i e r e n u n t e r s c h e i d e t sich n i c h t e i n f a c h n u r von d e r W i s s e n s c h a f t , s o n d e r n m e h r noch: W a s das W e s e n d e r W i s s e n s c h a f t e r m ö g l i c h t , n ä m l i c h d i e Positivität, das l i e g t i n e i n e m T r a n s z e n d i e r e n , u n d dieses als solches ist P h i l o s o p h i e r e n . I m T r a n s z e n d i e r e n h a t d i e P h i l o s o p h i e u r s p r ü n g l i c h u n d ausd r ü c k l i c h das, w a s d e r W i s s e n s c h a f t n u r i n e i n e r H i n s i c h t z u k o m m t , u n d z w a r so, d a ß sie dessen, was i h r W e s e n t r ä g t , selbst n i c h t m ä c h t i g ist. W e n n a n d e r s das W e s e n d e r W i s s e n s c h a f t als d e r Positivität i m T r a n s z e n d i e r e n liegt, d a n n ist P h i l o s o p h i e r e n als T r a n s z e n d i e r e n w i s s e n s c h a f t l i c h e r , als je e i n e W i s s e n s c h a f t n u r sein k a n n . So ist das B e i w o r t » w i s s e n s c h a f t l i c h « zu P h i l o s o p h i e n i c h t n u r ü b e r f l ü s s i g — das k ö n n t e n o c h h i n g e h e n —, s o n d e r n ein M i ß v e r s t ä n d n i s , u n d z w a r e i n solches, das e i n e r g r u n d s ä t z l i c h e n U n k l a r h e i t ü b e r das W e s e n d e r W i s s e n s c h a f t u n d erst r e c h t das Wesen der Philosophie entspringt.
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Zum Unterschied von IVissenschaft und
Philosophie
P h i l o s o p h i e ist T r a n s z e n d i e r e n , d . h . P h i l o s o p h i e r e n . W i e w e i t Sie das v e r s t a n d e n h a b e n , k a n n sich d a r a n b e w ä h r e n , d a ß Sie v e r s u c h e n , aus d e r d u r c h g e f ü h r t e n I n t e r p r e t a t i o n des, Wesens d e r W i s s e n s c h a f t zu e r k e n n e n , i n w i e f e r n die d r e i f a c h e Krisis d e r W i s s e n s c h a f t e i n e n o t w e n d i g e ist u n d d a ß sie "sich g e r a d e i m P h i l o s o p h i e r e n dieser Krisis i m e c h t e n S i n n e verschärft, d.h. eine wesentliche wird, die deshalb auch nicht zum Gegenstand journalistischer Erörterungen gemacht werden darf. F r e i l i c h — je e r n s t l i c h e r w i r u n s u m das P h i l o s o p h i e r e n bem ü h e n , umso deutlicher wird, daß das Philosophieren, obwohl es i m W e s e n des D a s e i n s g e s c h i e h t , ja g e r a d e , w e i l es d a u n d n u r da geschieht, einer eigenen Befreiung u n d F ü h r u n g bedarf, e i n e r B e f r e i u n g , bei d e r das D a s e i n g e g e n sich G e w a l t b r a u c h e n m u ß . Alle G e w a l t a b e r b i r g t i n sich d e n S c h m e r z . U n d das, was i m P h i l o s o p h i e r e n v e r s t a n d e n [?] u n d b e g r i f f e n w i r d , d a r ü b e r l ä ß t sich n i c h t r e d e n w i e ü b e r alles ü b r i g e , n ä m l i c h das, was a m S e i e n d e n zu l e r n e n u n d e r l e r n e n ist. P i a t o n w u ß t e u m all das, w a s die P h i l o s o p h i e als Z u w e n d u n g des Blickes z u m Sein selbst in sich t r ä g t , u n d e r h a t das o f t , vor a l l e m i m P h a i d o n , P h a i d r o s , S y m p o s i o n , i n d e r P o l i t e i a u n d i m 7. Brief m e h r f a c h dargestellt. P h a i d r o s (247 b): D e r A u f s c h w u n g d e r Seele z u m E r b l i c k e n des Seins b r i n g t πόνος τε καί άγών, B e s c h w e r d e u n d K a m p f der Seele 2 ; P h a i d o n (79 d, 81 a): πλάνος, I r r f a h r t d e r Seele 3 . I m 7. Brief (341 c), d e n er i m A l t e r g e s c h r i e b e n h a t , h e i ß t es: ρετόν γάρ ούδαμως έστιν ώς αλλα μαθήματα, άλλ' έκ πολλής συνουσίας γιγνομένης περΐ τό πράγμα αύτό καΐ τοϋ συζην έξαιφνης, οΐον άπό πυρός πηδήσαντος έξαφθ-έν φώς, έν Trj ψυχη γενόμενον αύτό έαυτό ήδη τρέφει. 4 » S a g b a r , d . h . b e s p r e c h b a r w i e das a n d e r e , das w i r l e r n e n k ö n n e n , ist d a s j e n i g e , w a s die P h i l o s o p h i e f r a g t , n i c h t , s o n d e r n
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Piatonis Opera (ed. Burnet) Tomus II. A.a.O., Tomus I. A.a.O., Tomus V.
§31. Seinsverständnis
und. ontologische Differenz
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es ist e t w a s , w a s g e s c h i e h t u n d g e s c h e h e n ist i n d e r Seele, u n d zwar a u f g r u n d u n d d u r c h ein e c h t e s Z u s a m m e n s e i n , M i t e i n a n dersein bei d e r S a c h e selbst, w a s aus d i e s e m M i t e i n a n d e r s i c h - b e m ü h e n u m d i e S a c h e e r w ä c h s t . « W e n n dieses M i t e i n a n der-sich-bemühen u m die Sache geschieht, d a n n geschieht auch das P h i l o s o p h i e r e n , »plötzlich, so w i e v o n e i n e m F e u e r d e r F u n ke v o n e i n e m z u m a n d e r n ü b e r s p r i n g t , sodaß d e r ü b e r s p r i n g e n de F u n k e die H e l l e b r i n g t u n d das L i c h t , i n n e r h a l b dessen das Sein s i c h t b a r w i r d « .
§ 31. Eine Zusammenfassung des Vorstehenden. Seihsverständnis als Uifaktum des Daseins: die Möglichkeit der ontologischen Differenz. Die ontologische Differenz und der Unterschied von Philosophie und Wissenschaft In d e n b i s h e r i g e n S t u n d e n dieser Vorlesung v e r s u c h t e n w i r zun ä c h s t e i n e a l l g e m e i n e C h a r a k t e r i s t i k dessen, w a s das h e i ß t : E i n l e i t u n g i n d i e P h i l o s o p h i e ; es h e i ß t : E i n l e i t e n , i n G a n g b r i n gen des P h i l o s o p h i e r e n s . D a b e i b e s t i m m t e n w i r dieses selbst v o r g r e i f e n d als e i n f r e i e s H a n d e l n aus d e m G r u n d e des D a s e i n s . S o f e r n u n s e r D a s e i n h i e r u n d jetzt, da w i r e i n solches E i n l e i t e n des P h i l o s o p h i e r e n s vollziehen, u n t e r a n d e r e m b e s t i m m t ist d u r c h die W i s s e n s c h a f t , galt es, d u r c h e i n e E r ö r t e r u n g des Verhältnisses v o n W i s s e n s c h a f t u n d P h i l o s o p h i e die l e t z t e r e zu v e r d e u t l i c h e n . D i e s e F r a g e w u r d e u m so d r ä n g e n d e r , als es vielf a c h e s B e s t r e b e n ist, die P h i l o s o p h i e »als W i s s e n s c h a f t « zu b e g r ü n d e n , e i n e w i s s e n s c h a f t l i c h e P h i l o s o p h i e als I d e a l a n z u setzen. W i r behaupteten zunächst demgegenüber: Die Idee einer w i s s e n s c h a f t l i c h e n P h i l o s o p h i e ist so w i d e r s i n n i g w i e d e r G e d a n k e e i n e s r u n d l i c h e n Kreises. D a m i t sollte z u m A u s d r u c k k o m m e n : D i e P h i l o s o p h i e ist i h r e m W e s e n n a c h , n i c h t n u r e i n e m G r a d e n a c h , w i s s e n s c h a f t l i c h e r als j e d e m ö g l i c h e W i s senschaft, u n d z w a r d a d u r c h , d a ß sie so e t w a s w i e W i s s e n s c h a f t
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Zum Unterschied von IVissenschaft und
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ü b e r h a u p t erst e r m ö g l i c h t . Was a b e r d e r W i s s e n s c h a f t die M ö g l i c h k e i t i h r e r selbst g i b t — u n d n i c h t n u r i h r — ist e t w a s H ö h e r e s u n d Ursprünglicheres. Deshalb k a n n Philosophie nicht v o n d e m h e r w e s e n s m ä ß i g b e s t i m m t w e r d e n , w a s i h r g e r a d e d e n Ursprung verdankt. E s w a r d a h e r das Ziel d e r E r ö r t e r u n g des Verhältnisses von W i s s e n s c h a f t u n d P h i l o s o p h i e , a u f z u z e i g e n aus d e m i n n e r e n W e s e n d e r W i s s e n s c h a f t selbst, d a ß i n i h r e i n e n o t w e n d i g e G r e n z e liegt, e i n e G r e n z e aber, d u r c h die die W i s s e n s c h a f t ger a d e in i h r e m W e s e n b e g r e n z t , d . h . e r m ö g l i c h t w i r d ; e i n e B e g r e n z u n g f e r n e r , die sich vollzieht in d e m , w a s w i r d a n n als Philosophie angesprochen haben. Es galt d a h e r z u n ä c h s t , u m i m W e s e n d e r W i s s e n s c h a f t die n o t w e n d i g e G r e n z e zu s e h e n , dieses W e s e n selbst zu b e s t i m m e n , ausgehend v o m traditionellen Wissenschaftsbegriff: Begründ u n g s z u s a m m e n h a n g w a h r e r Sätze. D a s f ü h r t e zur E r ö r t e r u n g des W e s e n s d e r W a h r h e i t . S a t z w a h r h e i t ist ein a b g e l e i t e t e s P h ä n o m e n g e g e n ü b e r d e r u r s p r ü n g l i c h e n W a h r h e i t i m S i n n e der U n v e r b o r g e n h e i t v o n S e i e n d e m , d i e z u m W e s e n des D a s e i n s selbst g e h ö r t . U b e r die I d e e d e r W a h r h e i t als O f f e n b a r k e i t v o n S e i e n d e m i n d e m d o p p e l t e n S i n n e des E n t d e c k t s e i n s v o n Vorh a n d e n e m u n d d e r E r s c h l o s s e n h e i t des D a s e i n s w u r d e n w i r h i n a u s - u n d z u r ü c k g e f ü h r t zu e i n e r u r s p r ü n g l i c h e r e n W a h r h e i t , d e r U n v e r b o r g e n h e i t des Seins. D a s e i n ist i m m e r s c h o n u n d n o t w e n d i g i n dieser u r s p ü n g l i c h s t e n W a h r h e i t ; das w u r d e dem o n s t r i e r t a m S e i n s v e r s t ä n d n i s . S e i n s v e r s t ä n d n i s als G r u n d v e r f a s s u n g des D a s e i n s ist e b e n s o s e l b s t v e r s t ä n d l i c h w i e r ä t s e l h a f t . A b e r v o n h i e r aus zeigt sich u n s W e s e n u n d Genesis d e r W i s s e n s c h a f t e n als E r k e n n t n i s v o n S e i e n d e m , u n d zwar je eines schon offenbaren Vorliegenden u n d notwendig gebietsmäßig u m g r e n z t e n . Positivität g r ü n d e t i m v o r g ä n g i g e n , u n g e g e n ständlichen, feldabsteckenden E n t w u r f der Seinsverfassung. E i n e b e s t i m m t e w i s s e n s c h a f t l i c h e U n t e r s u c h u n g b e w e g t sich i n n e r h a l b eines b e s t i m m t e n Problems, einer b e s t i m m t e n Frage a n das, w a s z u m T h e m a g e m a c h t w i r d . T h e m a t i s i e r u n g , T h e -
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m a s t e l l u n g setzt G e g e b e n h e i t e i n e s G e g e n s t a n d e s voraus. E i n G e g e n s t a n d ist m i r a b e r als G e g e n s t a n d n u r g e g e b e n i m A k t d e r V e r g e g e n s t ä n d l i c h u n g . E t w a s v e r g e g e n s t ä n d l i c h e n k a n n ich n u r , w e n n dieses E t w a s m i r zuvor s c h o n als O f f e n b a r e s vorliegt; o f f e n b a r e s v o r l i e g e n d e s S e i e n d e s k a n n a b e r als S e i e n d e s n u r o f f e n b a r v o r l i e g e n , w e n n zuvor s c h o n dieses S e i e n d e i n s e i n e m Seih, auf s e i n S e i n h i n v e r s t a n d e n , d. h. e n t w o r f e n ist. So s e h e n wir(eine ganz b e s t i m m t e Stufenfolge i n n e r h a l b der Struktur der W i s s e n s c h a f t . D a s z e n t r a l e P h ä n o m e n ist dieser E n t w u r f d e r Seinsverfassung. D a s e n t s c h e i d e n d e P h ä n o m e n , a u f das w i r d a m i t g e s t o ß e n sind, ist das U r f a k t u m i m W e s e n des D a s e i n s selbst, d a ß w i r so e t w a s w i e S e i n v e r s t e h e n , oder s c h ä r f e r gesagt, d a ß w i r d e n U n t e r s c h i e d v o n S e i e n d e m u n d S e i n des S e i e n d e n v o l l z i e h e n . S e i n s v e r s t ä n d n i s ist n i c h t s a n d e r e s als die M ö g l i c h k e i t des Vollzugs dieses U n t e r s c h e i d e n s v o n S e i e n d e m u n d S e i n oder k u r z gesagt die M ö g l i c h k e i t d e r o n t o l o g i s c h e n D i f f e r e n z . W i r z e i g t e n schließlich, die M ö g l i c h k e i t e i n e s s o l c h e n U n t e r scheidens v o n S e i e n d e m u n d S e i n b e r u h t auf d e m , w a s w i r als Transzendenz bezeichnen. Wenn anders Dasein in der ursprüngl i c h s t e n W a h r h e i t sich h ä l t , m u ß es als solches t r a n s z e n d i e r e n ; n u r als solches k a n n es sich ü b e r h a u p t zu S e i e n d e m v e r h a l t e n u n d n u r d e s h a l b v o n S e i e n d e m als a n d e r e m sich selbst als Seie n d e s u n t e r s c h e i d e n u n d es selbst als S e i e n d e s sein, e x i s t i e r e n . Selbstsein q u a E x i s t e n z ist n u r a u f d e m G r u n d e d e r T r a n s z e n denz m ö g l i c h . H i e r e r ö f f n e t sich e i n e n e u e u n d f u n d a m e n t a l e M ö g l i c h k e i t des F r a g e n s : T r a n s z e n d i e r e n als S e i n s v e r s t e h e n u n d S e i n s b e g r e i f e n . D i e s e s T r a n s z e n d i e r e n als a u s d r ü c k l i c h e s ist n i c h t s a n d e r e s als P h i l o s o p h i e r e n . So l a u t e t e die 12. T h e s e : T r a n s z e n d i e r e n ist P h i l o s o p h i e r e n . T r a n s z e n d e n z ist a b e r Wes e n s v e r f a s s u n g des D a s e i n s ; a u s d r ü c k l i c h e s T r a n s z e n d i e r e n q u a P h i l o s o p h i e r e n ist W e s e n t l i c h w e r d e n des D a s e i n s in s e i n e r Existenz-. I n a l l e m W e s e n t l i c h e n a b e r — das ist s e i n e A u s z e i c h n u n g — gibt es k e i n e n F o r t s c h r i t t u n d d e m n a c h a u c h k e i n e E n t w e r t u n g .
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Zum Unterschied von IVissenschaft und
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Wirkliches Philosophieren k a n n seinem Wesen nach nie überh o l t w e r d e n , s o n d e r n m u ß selbst i m m e r n e u w i e d e r h o l t w e r d e n . Wo u n d w a n n w i r k l i c h e s P h i l o s o p h i e r e n g e s c h i e h t , k o m m t es v o n selbst d i r e k t i n das G e s p r ä c h m i t d e r g e s c h i c h t l i c h e n Verg a n g e n h e i t d e r P h i l o s o p h i e u n d s i e h t d a n n , d a ß es i n der P h i l o s o p h i e k e i n e N e u i g k e i t , d a h e r a b e r a u c h n i c h t s Veraltetes g e b e n k a n n ; es s t e h t jenseits v o n Alt u n d N e u . Es g a l t d a h e r , k u r z aus d e m e n t s c h e i d e n d e n A n f a n g d e r P h i l o s o p h i e , P i a t o n u n d Aristoteles, zu v e r d e u t l i c h e n , d a ß die F r a g e n a c h d e m Beg r i f f des Seins die z e n t r a l e d e r P h i l o s o p h i e ist — τί τό öv — u n d d a ß es z u m W e s e n des D a s e i n s (Seele) g e h ö r t , Sein zu v e r s t e h e n — ή ψυχή τεθέαται τά οντα, — u n d d a ß n u r d e s h a l b f a k t i s c h e E x i s t e n z des D a s e i n s m ö g l i c h ist. A l l e r d i n g s w i r d die G e s c h i c h t e n u r z u m R e d e n g e b r a c h t , w e n n m a n n i c h t n a c h r e d e t , d . h . sich d o g m a t i s c h auf e i n e f r ü h e r e P h i l o s o p h i e e i n f a c h b e r u f t , sei es Aristoteles oder K a n t ; die G e s c h i c h t e g i b t n u r das W e s e n t l i c h e w i e d e r , w e n n sie d u r c h l e b e n d i g e s P h i l o s o p h i e r e n selbst z u m M i t p h i losophieren gebracht wird. D u r c h die E r ö r t e r u n g des Verhältnisses von W i s s e n s c h a f t u n d P h i l o s o p h i e ist diese n o c h n i c h t a u s d r ü c k l i c h i m G a n z e n bes t i m m t , s o n d e r n n u r s o w e i t sie zur W i s s e n s c h a f t i n B e z i e h u n g gesetzt w u r d e . D i e s e h a t e i n e d o p p e l t e G r e n z e : E r s t e n s ist die W i s s e n s c h a f t E r k e n n t n i s des S e i e n d e n u n d n i c h t des Seins, z w e i t e n s ist d i e E r k e n n t n i s v o n S e i e n d e m i m m e r u n d n o t w e n d i g als ein a b g e s t e c k t e s G e b i e t u n d n i c h t das S e i e n d e i m G a n z e n . W e d e r das Sein als solches n o c h das S e i e n d e i m G a n z e n als solches, n o c h d e r i n n e r e Z u s a m m e n h a n g z w i s c h e n S e i n u n d S e i e n d e m ist je e i n e r W i s s e n s c h a f t o d e r i h n e n a l l e n z u s a m m e n z u g ä n g l i c h , a b e r n i c h t n u r e i n f a c h u n z u g ä n g l i c h , s o n d e r n so, d a ß a u f d e m G r u n d e dieser U n z u g ä n g l i c h k e i t u n d i n d e m so begrenzten Umkreis Wissenschaft allein forschen kann. Eine A l l g e m e i n w i s s e n s c h a f t ist e i n U n b e g r i f f . Bei dieser B e g r e n z u n g d e r W i s s e n s c h a f t w i r d vor a l l e m d e r W i d e r s i n n o f f e n b a r , der P h i l o s o p h i e das B e i w o r t » w i s s e n s c h a f t l i c h « i n i r g e n d e i n e m Sinne zuzuweisen.
§31. Seinsverständnis und. ontologische Differenz
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M i t dieser I n t e r p r e t a t i o n des W e s e n s d e r W i s s e n s c h a f t h a b e n w i r v i e l l e i c h t d e n K e r n g e t r o f f e n , a b e r d a m i t ist die I n t e r p r e t a t i o n n i c h t v o l l s t ä n d i g . F r ü h e r h a b e n w i r s c h o n gezeigt, d a ß d e r C h a r a k t e r des » T h e o r e t i s c h e n « n i c h t n u r u n b e s t i m m t ist, s o n d e r n ü b e r h a u p t n i c h t a u s r e i c h t zur v o l l e n W e s e n s b e s t i m m u n g der W i s s e n s c h a f t , v o r a l l e m d a n n n i c h t , w e n n w i r f r a g e n : Was g e h ö r t w e s e n t l i c h dazu, d a ß W i s s e n s c h a f t f a k t i s c h sich verwirklicht? E n t s c h e i d e n d ist e i n m a l d e r E n t w u r f d e r S e i n s v e r f a s s u n g ; a b e r S e i n s v e r s t ä n d n i s ist i m m e r Verständnis des Seins v o n Seie n d e m . I n u n d bei d i e s e m E n t w u r f m u ß a u c h s c h o n e i n Verh ä l t n i s z u m S e i e n d e m b e s t e h e n , u n d zwar e i n eigenes, das g e k e n n z e i c h n e t ist d u r c h die T e n d e n z der B e a r b e i t u n g , B e h e r r s c h u n g u n d L e n k u n g des S e i e n d e n , τέχνη ist n i c h t n u r V o r f o r m der έπιστήμη, s o n d e r n g e h t w e s e n t l i c h i n sie ein; B e h e r r s c h u n g , Lenkung u n d Nutzbarmachung der Erkenntnis wird nicht nur in d e r T e c h n i k i m e n g e n S i n n e , s o n d e r n i n a l l e r b e r u f l i c h e n Praxis e r s t r e b t . W i s s e n s c h a f t zielt i m m e r auf » L e i s t u n g « , P h i losophie auf » B i l d u n g « i n d e m g r u n d s ä t z l i c h e n S i n n d e r platon i s c h e n παιδεία. I n d e r W i s s e n s c h a f t , die i m m e r u n a b g e s c h l o s sen ist, g i b t es d a h e r n o t w e n d i g F o r t s c h r i t t u n d E n t w i c k l u n g , R e s u l t a t e , d . h . solches, w a s v e r a l t e t , w ä h r e n d i n d e r P h i l o s o p h i e k e i n e R e s u l t a t e v e r b u c h t w e r d e n k ö n n e n u n d sie d a h e r a u c h nicht veralten kann. A b e r g e r a d e d u r c h diese s c h a r f e A b g r e n z u n g d e r W i s s e n schaft gegenüber der Philosophie wird der notwendige Zusamm e n h a n g der Wissenschaft mit der Philosophie offenkundig. E i n e f r u c h t b a r e w e c h s e l s e i t i g e B e s t i m m u n g a b e r ist n u r da sichergestellt, w o d e r w e s e n h a f t e U n t e r s c h i e d bis i n die Existenz des w i s s e n s c h a f t l i c h e n F o r s c h e r s u n d des P h i l o s o p h e n sich erstreckt u n d d o r t e r g r i f f e n w i r d . P h i l o s o p h i e i m p r o d u k t i v e n S i n n e des P h i l o s o p h i e r e n s ist ganz a n d e r s in d e r i n n e r s t e n u n d g a n z e n E x i s t e n z des P h i l o s o p h e n v e r w u r z e l t als die wissens c h a f t l i c h e U n t e r s u c h u n g i m Forscher. G r u n d s ä t z l i c h ist wiss e n s c h a f t l i c h e A r b e i t des e i n e n i m m e r v e r t r e t b a r d u r c h e i n e n
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Zum Unterschied von IVissenschaft und
Philosophie
a n d e r e n ; w i s s e n s c h a f t l i c h e E n t d e c k u n g e n des e i n e n h ä t t e a u c h d e r a n d e r e m a c h e n k ö n n e n . N i e so i n d e r P h i l o s o p h i e ; j e d e r ist i n sich g a n z u n d e i n m a l i g . D a h e r w i r d das P h i l o s o p h i e r e n n u r l e b e n d i g u n d w i r k s a m , w e n n es v o n a n d e r e n w i e d e r u m u r s p r ü n g l i c h u n d s e l b s t ä n d i g g e w e c k t u n d in d i e s e m S i n n e wied e r h o l t w i r d . D i e w i e d e r h o l e n d e E r n e u e r u n g a b e r ist, w e n n sie e c h t ist, n i c h t u n d n i e e i n e b l o ß e D u b l e t t e . D a h e r ist a u c h das V e r h ä l t n i s des S c h ü l e r s z u m w i s s e n s c h a f t l i c h e n F o r s c h e r ein w e s e n t l i c h a n d e r e s als das des M i t p h i l o s o p h i e r e n d e n z u m P h i l o s o p h e n . J e n e s auf dieses ü b e r t r a g e n w o l l e n , b e d e u t e t ein V e r k e n n e n des Wesens des P h i l o s o p h i e r e n s v o n G r u n d aus. D i e T e n d e n z zu solcher Ü b e r t r a g u n g a b e r liegt d a d u r c h bei u n s g e r a d e v o r a l l e m s t ä n d i g n a h e , w e i l P h i l o s o p h u n d F o r s c h e r a n d e r U n i v e r s i t ä t ä u ß e r l i c h in d e r s e l b e n soziolog i s c h e n G e s t a l t u n d in g l e i c h e m R a h m e n sich b e w e g e n u n d w e i l die soziale u n d a m t l i c h e S t e l l u n g d e r P r o f e s s o r e n d e r P h i losophie noch nicht verbürgt, daß der, der über Philosophie e r z ä h l t , ein P h i l o s o p h ist. A b e r m i t d e m G e s a g t e n w u r d e schon e i n w e n i g zu viel ü b e r P h i l o s o p h e n g e r e d e t , d o c h ein H i n w e i s ist n i c h t zu u m g e h e n . M a x S c h e l e r vor a l l e m h a t -in s e i n e r A r b e i t » P r o b l e m e e i n e r Soziologie des Wissens« 1 d i e s e m Prob l e m seine A u f m e r k s a m k e i t geschenkt. W i c h t i g e r a b e r ist, das P h i l o s o p h i e r e n selbst i n G a n g zu bring e n , ebenso w i e i n die j e w e i l i g e b e s t i m m t e W i s s e n s c h a f t konk r e t h i n e i n z u w a c h s e n ; d e n n n u r d a n n w e r d e n diese U n t e r s c h i e de recht erfahren und nachhaltig wirksam. Z u B e g i n n dieser Vorlesung, i n d e r e r s t e n S t u n d e (vgl. o b e n S. 5) s a g t e n w i r : W i r wissen jetzt n u r , u n d z w a r m e h r i m S i n n e einer Behauptung: Das Philosophieren gehört zum menschlic h e n D a s e i n , i n d i e s e m als s o l c h e m g e s c h i e h t es. D a s e i n , sofern es existiert, p h i l o s o p h i e r t , w e n n g l e i c h n u r u n a u s d r ü c k l i c h u n d 1 M a x Scheler: Probleme einer Soziologie des Wissens. In: Versuche zu einer Soziologie des Wissens, hrsg. von Max Scheler. M ü n c h e n 1924. Überarbeitete Fassung m Max Scheler: Die Wissensformen u n d die Gesellschaft. Leipzig 1926.
§31. Seinsverständnis und. ontologische Differenz
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m e i s t u n e i g e n t l i c h . D a s D a s e i n e x i s t i e r t a b e r n i e so i m allgem e i n e n , s o n d e r n als k o n k r e t e s e x i s t i e r t es in e i n e r b e s t i m m t e n L a g e u n d v e r s c h a f f t sich selbst je n a c h d e m w e s e n t l i c h e u n d unwesentliche Situationen. W i r müssen daher, w e n n wir i m P h i l o s o p h i e r e n d e n B e g r i f f d e r P h i l o s o p h i e e n t w i c k e l n , aus d e n P e r s p e k t i v e n u n s e r e r j e t z i g e n S i t u a t i o n h e r a u s f r a g e n , i m Blick auf d i e b e s t i m m e n d e n M ä c h t e u n s e r e s j e t z i g e n D a s e i n s i n sein e r Z u g e h ö r i g k e i t zur U n i v e r s i t ä t . D i e E i n l e i t u n g soll das P h i l o s o p h i e r e n i n u n s f r e i w e r d e n lassen, jetzt i n u n s , s o f e r n u n s e r D a s e i n d u r c h d i e b e i d e n M ä c h t e W i s s e n s c h a f t u n d F ü h r e r s c h a f t b e s t i m m t ist. W i r sind d e n ersten W e g d u r c h die W i s s e n s c h a f t g e g a n g e n , u n d w i r s a h e n : Philosophieren- als T r a n s z e n d i e r e n g e s c h i e h t n i c h t als e i n e beliebige V e r h a l t u n g u n t e r a n d e r e n , s o n d e r n i m G r u n d e des Daseins als solchen. Was zu A n f a n g e i n e B e h a u p t u n g w a r , ist jetzt E i n s i c h t gew o r d e n , f r e i l i c h e i n e E i n s i c h t , d e r das volle W e s e n d e r P h i l o sophie n o c h verschlossen b l e i b t — a l l e r d i n g s n i c h t so, als h ä t t e n wir e i n S t ü c k des B e g r i f f e s , d e m a n d e r e S t ü c k e sich a n f ü g e n ließen. D e s h a l b h a b e n w i r von v o r n h e r e i n zwei w e i t e r e W e g e angesetzt, die u n s dazu v e r h e l f e n sollen, d e n v o l l e n B e g r i f f d e r P h i l o s o p h i e a u s d r ü c k l i c h z u m V e r s t ä n d n i s zu b r i n g e n : die E r ö r t e r u n g des Verhältnisses v o n P h i l o s o p h i e u n d W e l t a n s c h a u u n g u n d des Verhältnisses v o n P h i l o s o p h i e u n d G e s c h i c h t e . W e n n » W e l t a n s c h a u u n g « e t w a s t o t a l a n d e r e s ist als W i s s e n schaft, d a n n w i r d a u c h d e r zweite W e g e i n e n a n d e r e n C h a r a k t e r h a b e n . G l e i c h w o h l k ö n n e n u n d m ü s s e n u n s E i n s i c h t e n , die w i r auf d e m e r s t e n W e g g e w a n n e n , d e n z w e i t e n e r l e u c h t e n u n d erleichtern.
ZWEITER PHILOSOPHIE UND
ABSCHNITT WELTANSCHAUUNG
ERSTES KAPITEL
Weltanschauung und Weltbegriff
§ 32. Was ist
Weltanschauung?
D i e E n t s p r e c h u n g z u m ersten Weg besteht auch f ü r d e n zweiten darin, daß w i r w i e d e r u m nicht Philosophie u n d Weltanschauu n g als feste G r ö ß e n n e b e n e i n a n d e r h a l t e n u n d vergleichen, sondern i m D u r c h g a n g d u r c h die Frage: »Was ist Weltanschauung?« das Verhältnis zu i h r b e s t i m m e n . Auf d e m ersten Weg, der K e n n z e i c h n u n g der Philosophie i m D u r c h g a n g d u r c h die Frage: »Was ist Wissenschaft?« e r g a b sich: Philosophie ist die Grenze des Wesens der Wissenschaft; diese v e r d a n k t jener die i n n e r e Möglichkeit. Philosophie liegt wes e n s m ä ß i g jeder Wissenschaft zugrunde, aber Philosophie g e h t darin nicht auf. N i c h t so ist das Verhältnis von W e l t a n s c h a u u n g u n d Philosophie. W i r k ö n n e n nicht o h n e weiteres sagen: Z u r i n n e r e n Möglichkeit von W e l t a n s c h a u u n g gehört n o t w e n d i g u n d ausdrücklich Philosophie, e h e r u m g e k e h r t : I n d e r i n n e r e n Möglichkeit von Philosophie liegt schon W e l t a n s c h a u u n g , u n d d e m z u f o l g e ist auch abgeleiteterweise Wissenschaft i m m e r n u r a u f g r u n d einer b e s t i m m t e n W e l t a n s c h a u u n g möglich. Doch alle derartig zugespitzten Antithesen u n d h a n d l i c h e n F o r m e l n sind verderblich, w e r d e n leicht zu I r r t ü m e r n u n d geben Veranlassung zu M i ß g r i f f e n . Jetzt sollte n u r a n g e d e u t e t w e r d e n ,
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Weltanschauung
und
Weltbegriff
d a ß d e r zweite W e g d u r c h a u s n i c h t p a r a l l e l g e h t m i t d e m ersten, w e d e r n a c h G e h a l t n o c h n a c h B e h a n d l u n g s a r t des P r o b l e m s . Äuß e r l i c h h a b e n sie n u r die G e m e i n s a m k e i t , d a ß w i r a u c h h i e r z u n ä c h s t f r a g e n m ü s s e n : W a s ist W e l t a n s c h a u u n g ? Schon w e n n w i r die F r a g e n u r o b e n h i n stellen, m e r k e n wir: Das, w o n a c h da g e f r a g t w i r d , W e l t a n s c h a u u n g , ist e i n s e h r viel breiteres, vielgestaltigeres, u n i v e r s a l e r e s , a b e r a u c h i n s e i n e n G r e n z e n w i e d e r v e r s c h w i m m e n d e r e s P h ä n o m e n als d i e W i s s e n s c h a f t . a ) D a s W o r t >Weltanschauung< S c h o n die B e z e i c h n u n g » W e l t a n s c h a u u n g « ist d u n k e l u n d l e i c h t i r r e l e i t e n d . D a z u k o m m t , d a ß das W o r t selbst e i n e spezifisch d e u t s c h e P r ä g u n g des a u s g e h e n d e n 18. J a h r h u n d e r t s ist. Es h a t in anderen Sprachen u n d in f r ü h e r e n Zeiten keine Entsprec h u n g , w a s f r e i l i c h n i c h t h e i ß t , d a ß das, w a s d a m i t g e m e i n t ist, n i c h t a u c h a u ß e r h a l b des d e u t s c h e n S p r a c h g e b i e t s u n d i n f r ü h e r e r Zeit, vor d e r P r ä g u n g , w i r k l i c h g e w e s e n w ä r e . D e n n d a ß die n ä c h s t e W o r t b e d e u t u n g n i c h t o h n e w e i t e r e s schon d e n eig e n t l i c h g e m e i n t e n S i n n h e r g i b t , zeigt die erste V e r w e n d u n g des Wortes, die n o c h n i c h t d i e B e d e u t u n g k e n n t , die es h e u t e hat. Soweit wir sehen, taucht das Wort z u m erstenmal in Kants K r i t i k d e r U r t e i l s k r a f t a u f , u n d z w a r als A n s c h a u u n g u n d Bet r a c h t u n g d e r s i n n l i c h g e g e b e n e n W e l t , des m u n d u s sensibilis, also s c h l i c h t e A u f f a s s u n g d e r N a t u r i m w e i t e s t e n Sinne. I n dieser B e d e u t u n g g e b r a u c h e n das W o r t G o e t h e u n d A l e x a n d e r von H u m b o l d t . D i e s e r G e b r a u c h des W o r t e s i m S i n n e v o n B e t r a c h t u n g d e r N a t u r s t i r b t b a l d ab, u n d z w a r u n t e r d e m E i n f l u ß e i n e r B e d e u t u n g des Wortes, d i e es d u r c h d i e R o m a n t i k e r h ä l t . Das w i r d s i c h t b a r aus e i n e m G e b r a u c h des A u s d r u c k s W e l t a n s c h a u u n g bei S c h e l l i n g i m » E n t w u r f e i n e s Systems d e r N a t u r p h i l o sophie«, 1799: » D i e I n t e l l i g e n z [d. h . d e r Geist] ist auf d o p p e l t e Art, e n t w e d e r b l i n d u n d b e w u ß t l o s , oder f r e i u n d m i t B e w u ß t s e y n p r o d u k t i v ; b e w u ß t l o s p r o d u k t i v i n der W e l t a n s c h a u u n g ,
§ 32. Was ist
Weltanschauung?
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m i t B e w u ß t s e y n i n d e m E r s c h a f f e n e i n e r i d e e l l e n Welt.« 1 H i e r ist also W e l t a n s c h a u u n g n i c h t d e m s i n n l i c h e n B e t r a c h t e n der N a t u r z u g e w i e s e n , s o n d e r n sie ist e i n e H a n d l u n g d e r Intelligenz, w e n n g l e i c h d e r b e w u ß t l o s e n , a b e r d o c h e i n e p r o d u k t i v e H a n d l u n g , d. h . e i n p r o d u k t i v e s B i l d e n eines W e l t b i l d e s . Schell i n g s p r i c h t sogar v o n e i n e m S c h e m a t i s m u s d e r W e l t a n s c h a u ung, von einer schematischen F o r m f ü r verschiedene mögliche W e l t a n s c h a u u n g e n , d. h . W e i s e n des p r o d u k t i v e n A u f f a s s e n s u n d D e u t e n s des G a n z e n des S e i e n d e n . D a b e i ist diese p r o d u k t i v e B i l d u n g eines W e l t b i l d e s n i c h t e t w a n u r e i n t h e o r e t i s c h e r Akt. H e g e l s p r i c h t i n s e i n e r P h ä n o m o n o l o g i e des G e i s t e s e i n i g e Jahre s p ä t e r v o n e i n e r m o r a l i s c h e n W e l t a n s c h a u u n g . So s e h e n wir, daß d e r T i t e l W e l t a n s c h a u u n g n i c h t s m e h r g e m e i n h a t m i t der B e d e u t u n g des W o r t e s b e i K a n t . G ö r r e s g e b r a u c h t die W e n d u n g »politische W e l t a n s c h a u u n g « . D e r H i s t o r i k e r R a n k e s p r i c h t von e i n e r religiösen u n d c h r i s t l i c h e n W e l t a n s c h a u u n g . Bald ist d a n n auch die Rede von demokratischer, pessimistischer oder mittela l t e r l i c h e r W e l t a n s c h a u u n g . B i s m a r c k sagt: »Es g i b t d o c h w u n d e r l i c h e W e l t a n s c h a u u n g e n bei s e h r k l u g e n L e u t e n . « I n dieser R e d e w e i s e s e h e n w i r s c h o n d e n h e u t i g e n G e b r a u c h i n d e r weiten, a b e r a u c h d u n k l e n u n d z u n ä c h s t s c h w e r f a ß b a r e n Bedeut u n g "des W o r t e s W e l t a n s c h a u u n g . Es w i r d d i e A u f g a b e sein, u n s z u n ä c h s t d u r c h d i e s e n vers c h w i m m e n d e n u n d v i e l d e u t i g e n Begriff h i n d u r c h z u t a s t e n zu d e m , was w i r u n b e s t i m m t , doch m i t e i n e r g e w i s s e n S i c h e r h e i t meinen, w e n n wir von Weltanschauung heute sprechen. Zwar wissen w i r alle, was w i r m e i n e n , w e n n w i r e t w a b e s t i m m t e Aussalgen v o n a n d e r e n als A u s d r u c k i h r e r W e l t a n s c h a u u n g erk e n n e n , als Ü b e r z e u g u n g e n , die sich n i c h t m e h r o b j e k t i v wiss e n s c h a f t l i c h d i s k u t i e r e n u n d b e w e i s e n lassen. W i r m e r k e n 1
F.W.J. Schelling, Einleitung zu dem E n t w u r f eines Systems der Natur philosphie (1799). Friedrich W i l h e l m Joseph von Schellings sämmtliche Werke. Herausgegeben von Karl Friedrich August Schelling (1856-1861). Erste Vbteilung, D r i t t e r Band. J. G. Cotta'scher Verlag, Stuttgart u n d Augsburg 1858, S 271.
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Weltanschauung
und
Weltbegriff
a u c h m i t m e h r oder m i n d e r s i c h e r e m Takt, w o w i r v o n wissens c h a f t l i c h e n E r ö r t e r u n g e n zu w e l t a n s c h a u l i c h e n T h e s e n ü b e r gehen u n d umgekehrt. W i r sind überdies heute nicht nur überaus tolerant gegenüber der Vielfältigkeit von Weltanschauungen, sondern auch aufgeschlossen u n d feinhörig f ü r deren V e r s c h i e d e n a r t i g k e i t in K u n s t , R e l i g i o n , P h i l o s o p h i e , Politik. Ja, w i r m a c h e n u n s schon e i n e n b e s o n d e r e n g e i s t i g e n G e n u ß d a r aus, solche U n t e r s c h i e d e a u f z u s p ü r e n , zu b e o b a c h t e n , u n d w i r n e i g e n dazu, es u n s als b e s o n d e r e s Verdienst a n z u r e c h n e n , w e n n w i r e i n e e n t s p r e c h e n d e D u l d s a m k e i t a u f b r i n g e n u n d alles u n d jedes g e l t e n lassen. Alles G e l t e n - l a s s e n u n d alles V e r s t e h e n gilt sogar als b e s o n d e r e s Z e i c h e n e i n e r v e r m e i n t l i c h e n Ü b e r l e g e n h e i t u n d F r e i h e i t , w o es i m G r u n d e n u r e i n e v e r s t e c k t e F e i g h e i t u n d O h n m a c h t ist, d e r M a n g e l a n M u t zur W a h r h a f t i g k e i t , die als m e n s c h l i c h e s W o l l e n i m m e r u n d n o t w e n d i g » e i n s e i t i g « ist u n d d e n K a m p f f o r d e r t , d e r h e u t e s c h o n b e i n a h e als u n a n s t ä n d i g gilt. D a r i n zeigt sich die r u i n i e r e n d e W i r k u n g Nietzsches bzw. seiner k l e i n e n N a c h b e t e r , die das, w a s i h m M i t t e l der K r i t i k w a r , z u m Selbstzweck m a c h e n . Ü b e r d i e s ist c h a r a k t e r i s t i s c h : A u s d r ü c k l i c h e s A u f m e r k e n auf W e l t a n s c h a u u n g , Begriff d e r s e l b e n , E r ö r t e r u n g e n d a r ü b e r , Bem ü h u n g d a r u m tauchen i m m e r da u n d d a n n auf, wo u n d w a n n e i n e e i n h e i t l i c h geschlossene u n d a l l e i n h e r r s c h e n d e — u n d e b e n als solche d a n n g a r n i c h t m e r k l i c h e — W e l t a n s c h a u u n g v e r l o r e n g e h t , z e r b r o c h e n ist. O b e i n e e i n h e i t l i c h e u n d d u r c h g ä n g i g h e r r s c h e n d e W e l t a n s c h a u u n g w i r k l i c h e i n I d e a l ist, l ä ß t sich n i c h t o h n e w e i t e r e s s a g e n . T a t s a c h e ist, d a ß i m m e r m i t d e m Z e r b r e c h e n e i n e r e i n h e i t l i c h e n W e l t a n s c h a u u n g u n d K u l t u r das Problem der Weltanschauung lebendig wird. A b e r t r o t z d e m , ja g e r a d e d e s h a l b , w e i l alles sich u n s i n seiner w e l t a n s c h a u l i c h e n F ä r b u n g a u f d r ä n g t u n d w i r in solchen Auff a s s u n g e n u n s b e w e g e n , a u t o m a t i s c h f r a g e n , w a s f ü r e i n e Welta n s c h a u u n g steckt d a h i n t e r , w i r d d i e V e r l e g e n h e i t b e s o n d e r s g r o ß , w e n n w i r s a g e n sollen, w a s d e n n n u n W e l t a n s c h a u u n g sei. D e r G r u n d dieser Verlegenheit^ d e r m a n m e i s t s e h r p r o m p t
§ 32. Was ist
Weltanschauung?
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a u s w e i c h t , l i e g t z u n ä c h s t i n d e r U n s i c h e r h e i t des H o r i z o n t e s , aus d e m h e r a u s w i r u m g r e n z e n , w a s W e l t a n s c h a u u n g sei. D a ß dieser H o r i z o n t d e r B e s t i m m b a r k e i t des W e s e n s d e r W e l t a n s c h a u u n g s c h w a n k e n d ist, h a t m e h r f a c h e G r ü n d e , d e n e n w i r i m einzelnen hier nicht nachgehen. Das F a k t u m besteht. Bei d e r F r a g e n a c h d e m W e s e n d e r - W i s s e n s c h a f t ist d e r Bes t i m m u n g s h o r i z o n t v o n A n f a n g a n e i n d e u t i g e r : W i s s e n s c h a f t ist eine Art von Erkenntnis — aber Weltanschauung? Z w a r scheinen w i r 'zu v e r s t e h e n , w a s »Welt« h e i ß t u n d w a s » A n s c h a u u n g « besagt. A b e r es zeigt sich a u c h sofort, d a ß w i r m i t W e l t a n s c h a u u n g n i c h t m e i n e n e i n A n s c h a u e n , B e t r a c h t e n als B e o b a c h t e n , w e d e r ein v o r w i s s e n s c h a f t l i c h e s n o c h ein w i s s e n s c h a f t l i c h e s Bet r a c h t e n — θεωρία; S c h a u e n m e i n t a u c h n i c h t aesthetisches, k ü n s t l e r i s c h e s B e t r a c h t e n , dies so w e n i g , d a ß w i r e b e n d e m K ü n s t l e r selbst je e i n e W e l t a n s c h a u u n g z u s p r e c h e n , d i e i n u n d aus s e i n e m W e r k spricht. A n s c h a u u n g ist a u c h n i c h t i r g e n d ein besonders g e h e i m n i s v o l l e r Akt v o n I n t u i t i o n , e i n b e s o n d e r e s Veriilögen, D i n g e zu s e h e n , die a n d e r e n v e r b o r g e n sind. W e l t a n s c h a u u n g ist k e i n b l o ß e s B e t r a c h t e n d e r D i n g e , e b e n s o w e n i g e i n e S u m m e v o n W i s s e n ü b e r sie; W e l t a n s c h a u u n g ist i m m e r S t e l l u n g n a h m e , u n d z w a r solche, i n d e r w i r u n s aus e i g e n e r Ü b e r z e u g u n g h a l t e n , sei es aus e i g e n e r u n d e i g e n s g e b i l d e t e r , sei es aus solcher, die w i r lediglich m i t - u n d n a c h m a c h e n , i n die wir h i n e i n g e r a t e n sind. M e h r n o c h : D i e s e Ü b e r z e u g u n g ist n i c h t e t w a s , w a s w i r lediglich » h a b e n « , w o v o n w i r g e l e g e n t l i c h G e b r a u c h m a c h e n , die w i r a n b r i n g e n , so w i e e i n e g e w o n n e n e E i n s i c h t , e i n e n b e w i e s e n e n Satz, s o n d e r n d i e W e l t a n s c h a u u n g ist die b e w e g e n d e G r u n d k r a f t unseres H a n d e l n s u n d ganzen Daseins, auch d a n n u n d g e r a d e d a n n , w e n n w i r u n s n i c h t a u s d r ü c k l i c h a u f sie ber u f e n u n d i m a u s d r ü c k l i c h e n b e w u ß t e n R ü c k g a n g auf sie e i n e Entscheidung treffen. » A n s c h a u u n g « h a t h i e r e h e r d i e B e d e u t u n g v o n »Ansicht«, w e n n w i r sagen: Ich b i n d e r u n d d e r Ansicht, w o b e i w i r u n s auf e t w a s b e r u f e n , w o v o n w i r g e w i ß ü b e r z e u g t sind, w a s w i r d e m
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Weltbegriff
a n d e r e n a b e r n i c h t in e i n e r t h e o r e t i s c h e n A r g u m e n t a t i o n einf a c h b e w e i s e n u n d a u f d r ä n g e n k ö n n e n , e i n e Ansicht, die^nicht a u f b e l i e b i g e e i n z e l n e D i n g e g e h t , s o n d e r n a u f das G a n z e des Seienden. D a s k o m m t i m A u s d r u c k » W e l t « z u m Vorschein. A l l e r d i n g s ist a u c h dieses Wort v i e l d e u t i g , u n d v o r w i e g e n d m e i n t es a u c h h e u t e n o c h das G a n z e des S e i e n d e n i m S i n n e des Kosmos, der Natur. Allerdings sprechen wir auch von Weltgeschichte u n d m e i n e n d a m i t die G e s c h i c h t e i m G a n z e n , U n i v e r s a l g e s c h i c h t e , a b e r d o c h m i t A u s s c h e i d u n g des N a t u r a b l a u f s als solchen. D a ß W e l t a n s c h a u u n g s e h r l e i c h t u n d o f t d i e e n g e r e B e d e u t u n g von n a t u r w i s s e n s c h a f t l i c h e m W e l t b i l d n a h e l e g t , b e k u n d e t sich darin, d a ß w i r g e r n e r g ä n z e n d sagen: W e l t - u n d L e b e n s a n s c h a u u n g . D a m i t zeigt sich, d a ß die c h a r a k t e r i s i e r t e A n s c h a u u n g a u c h , ja sogar zentral, das » L e b e n « , d . h . das D a s e i n b e t r i f f t . W e l t a n s c h a u u n g b e t r i f f t d a h e r das n i c h t d a s e i n s m ä ß i g e Seie n d e ( N a t u r i n p r a k t i s c h e r H i n s i c h t u.s.f.) u n d das D a s e i n , a b e r n i c h t n u r b e i d e Bezirke n e b e n e i n a n d e r u n d z u s a m m e n g e n o m m e n , s o n d e r n i n i h r e r w e c h s e l s e i t i g e n B e z i e h u n g . Bei der A n s c h a u u n g des S e i e n d e n i m G a n z e n s t e h t i m Z e n t r u m die » L e b e n s a n s c h a u u n g « , so zwar, d a ß d i e L e b e n s a n s c h a u u n g zug l e i c h die w i r k e n d e u n d r i c h t u n g g e b e n d e K r a f t des D a s e i n s selbst ist. Aus dieser v o r l ä u f i g e n K e n n z e i c h n u n g dessen, was w i r m i t W e l t a n s c h a u u n g m e i n e n , e r s e h e n w i r , d a ß dieses P h ä n o m e n n i c h t e i n f a c h ist u n d d a ß w i r z u n ä c h s t n o c h w e i t e n t f e r n t sind von einer klaren u n d scharfen begrifflichen U m g r e n z u n g seiner S t r u k t u r . D i e s e selbst w e r d e n w i r a b e r a u c h n u r erst d a n n gew i n n e n , w e n n f e s t g e l e g t ist, w o n a c h w i r b e r e i t s f r a g t e n , n a c h d e m H o r i z o n t d e r B e s t i m m b a r k e i t v o n so e t w a s w i e W e l t a n s c h a u u n g . W o h i n g e h ö r t d e r g l e i c h e n ? Als » A n s c h a u u n g « ist sie e i n e V e r h a l t u n g — oder besser — e i n e H a l t u n g des Daseins, u n d z w a r e i n e solche, d i e das D a s e i n v o n G r u n d aus t r ä g t u n d bes t i m m t , in d e r Weise, d a ß das D a s e i n i n dieser H a l t u n g sich z u m G a n z e n des S e i e n d e n gestellt s i e h t u n d w e i ß . D i e A u f h e l l u n g
§ 32. Was ist
Weltanschauung?
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u n d begriffliche B e s t i m m u n g der Wesensstruktur u n d Funktion von' so e t w a s w i e W e l t a n s c h a u u n g w i r d also. n u r d a n n h i n r e i c h e n d gelingen, w e n n wir einen entsprechend ursprünglichen E i n b l i c k i n d i e W e s e n s v e r f a s s u n g des D a s e i n s h a b e n . b) I n t e r p r e t a t i o n e n v o n W e l t a n s c h a u u n g : D i l t h e y — Jaspers — Scheler So e r g i b t sich h i e r e i n e e n t s p r e c h e n d e S a c h l a g e w i e a u f d e m ersten Weg; d i e F r a g e n a c h d e m W e s e n d e r W i s s e n s c h a f t f ü h r t e z u r r F r a g e n a c h d e m W e s e n d e r W a h r h e i t , diese a b e r ist e i n e G r u n d v e r f a s s u n g des D a s e i n s selbst. D a s k o n n t e a b e r n u r dadurch sichtbar werden, daß wir uns von d e m überlieferten Begriff des S u b j e k t s u n d d e r S u b j e k t i v i t ä t f r e i m a c h t e n , d . h . d u r c h e i n e r a d i k a l e r e I n t e r p r e t a t i o n d e r S e i n s v e r f a s s u n g des Daseins. D e m n a c h ist zu v e r m u t e n , d a ß das n o c h viel u n d u r c h sichtigere u n d d a b e i d o c h z e n t r a l e r e P h ä n o m e n , das w i r »Welta n s c h a u u n g « n e n n e n u n d das i n die S e i n s v e r f a s s u n g des D a s e i n s z u r ü c k w e i s t , erst r e c h t e i n e ontologische I n t e r p r e t a t i o n des D a s e i n s n o t w e n d i g m a c h t . D e r M a n g e l e i n e r s o l c h e n O n tologie des D a s e i n s v e r s c h u l d e t es d e n n a u c h , d a ß das P h ä n o m e n d e r W e l t a n s c h a u u n g n o c h so w e i t g e h e n d u n b e s t i m m t ist, d a ß die F r a g e des Verhältnisses v o n W e l t a n s c h a u u n g u n d P h i losophie n o c h g a n z i m a r g e n liegt. A b e r w e n n es e i n z u m W e s e n d e r P h i l o s o p h i e g e h ö r i g e s P r o b l e m ist, d a n n ist es so a l t w i e diese selbst; das ist l e i c h t zu zeigen aus P i a t o n s »Politeia« z.B., B u c h V-VII. D i e F r a g e l i e g t i m a r g e n trotz w i c h t i g e r A n l ä u f e zu e i n e r W e s e n s i n t e r p r e t a t i o n d e r W e l t a n s c h a u u n g , die i n n e u e ster Zeit i n erster L i n i e v o n D i l t h e y , s o d a n n v o n Jaspers u n d Scheler u n t e r n o m m e n w u r d e n . So sagt Dilthey: » I n j e d e m M o m e n t u n s e r e s D a s e i n s b e s t e h t ein V e r h ä l t n i s u n s e r e s E i g e n l e b e n s zur Welt, die u n s als e i n anschauliches Ganzes umgibt. W i r f ü h l e n uns, den Lebenswert des e i n z e l n e n M o m e n t e s u n d die W i r k u n g s w e r t e d e r D i n g e auf uns, dies a b e r i m V e r h ä l t n i s zur g e g e n s t ä n d l i c h e n Welt. I m Fort-
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s c h r e i t e n d e r R e f l e x i o n e r h ä l t sich d i e V e r b i n d u n g v o n E r f a h r u n g ü b e r das L e b e n u n d E n t w i c k l u n g des Weltbildes.« 2 D i e s e Interpretation der Wirklichkeit v o m I n n e n l e b e n her n e n n t Dilt h e y die W e l t a n s c h a u u n g e n . » I n d e r S t r u k t u r d e r W e l t a n s c h a u u n g ist i m m e r e i n e i n n e r e B e z i e h u n g d e r L e b e n s e r f a h r u n g z u m W e l t b i l d e e n t h a l t e n , e i n e B e z i e h u n g , aus d e r stets e i n L e b e n s ideal abgeleitet werden kann.«3 N a c h dieser K e n n z e i c h n u n g h a b e n w i r also e i n D r e i f a c h e s in der Struktur der Weltanschauung: Lebenserfahrung, Weltbild u n d , aus d e r B e z i e h u n g b e i d e r e n t s p r i n g e n d , L e b e n s i d e a l . »Son a c h ist die S t r u k t u r d e r W e l t a n s c h a u u n g e i n Z u s a m m e n h a n g , i n w e l c h e m B e s t a n d t e i l e v o n v e r s c h i e d e n e r P r o v e n i e n z u n d vers c h i e d e n e m C h a r a k t e r v e r e i n i g t sind.« 4 D i l t h e y n i m m t d a b e i die W o r t b e d e u t u n g v o n W e l t a n s c h a u u n g n o c h i m S i n n e von B e t r a c h t e n des V o r h a n d e n e n i m w e i t e s t e n S i n n e , » W e l t e r k e n n t nis«, t h e o r e t i s c h e H a l t u n g , — d e n n n u r d a n n h a t es S i n n , d e n G e b r a u c h des T i t e l s f ü r das g e k e n n z e i c h n e t e v e r w i c k e l t e P h ä n o m e n n o c h a u s d r ü c k l i c h zu r e c h t f e r t i g e n : » D i e A n w e n d u n g des N a m e n s W e l t a n s c h a u u n g auf e i n geistiges G e b i l d e , das W e l t e r k e n n t n i s , Ideale, R e g e l g e b u n g u n d o b e r s t e Z w e c k s e t z u n g e i n s c h l i e ß t , r e c h t f e r t i g t sich d a d u r c h , d a ß n i e i n i h r die I n t e n t i o n zu b e s t i m m t e n H a n d l u n g e n gesetzt ist, sie s o n a c h n i e b e s t i m m t e s p r a k t i s c h e s V e r h a l t e n e i n s c h l i e ß t . « 5 D i l t h e y w i l l sag e n : W e l t a n s c h a u u n g ist n i e d i r e k t p r a k t i s c h ; d e s h a l b k a n n sie als e i n e A r t t h e o r e t i s c h e r H a l t u n g b e n a n n t w e r d e n . D o c h das ist eine reichlich künstliche B e g r ü n d u n g u n d eine Verkennung der eigentlichen u n d zentralen Bedeutung von »Welt«. Dilthey hält sich a n die ä u ß e r l i c h s t e B e d e u t u n g des Wortes. D i l t h e y u n t e r s c h e i d e t drei G r u n d f o r m e n d e r W e l t a n s c h a u u n g : die religiöse, die k ü n s t l e r i s c h e u n d die p h i l o s o p h i s c h e . D i e 2 Wilhelm Dilthey, Das Wesen der Philosophie. In: Kultur der Gegenwart I, 4; 1907. S. 37 f. (Gesammelte Schriften V, S. 379 f.). 5 A.a.O., S. 38 (S. 380). 4 Ebd. 5 Ebd.
§ 32. Was ist
Weltanschauung?
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l e t z t e r e n e n n t er M e t a p h y s i k 6 u n d u n t e r s c h e i d e t d r e i T y p e n philosophischer Weltanschauung: Erstens den Materialismus u n d d e n auf d i e N a t u r e r k e n n t n i s g e g r ü n d e t e n Positivismus, zweitens den objektiven Idealismus, drittens den Idealismus der F r e i h e i t . Auf e i n e n ä h e r e A n a l y s e d e r W e l t a n s c h a u u n g b e i Dilthey können wir hier nicht weiter eingehen. I n einer umfassenderen u n d philosophisch anders orientiert e n Weise h a t d a n n Karl Jaspers das P r o b l e m d e r W e l t a n s c h a u u n g i n s e i n e r »Psychologie d e r W e l t a n s c h a u u n g e n « (1919; 3. A u f l . 1925) b e h a n d e l t . D i e s e s W e r k z e i c h n e t sich vor a l l e m geg e n ü b e r d e r D i l t h e y ' s c h e n A r b e i t d u r c h d e n R e i c h t u m u n d die F ü l l e m ö g l i c h e r W e l t a n s c h a u u n g e n , die E i n d r i n g l i c h k e i t d e r I n t e r p r e t a t i o n u n d die B r e i t e d e r D a r s t e l l u n g aus. A b e r i n d e r W e s e n s b e s t i m m u n g d e r W e l t a n s c h a u u n g ist Jaspers a n D i l t h e y orientiert. Drei M o m e n t e w e r d e n untersucht: Einstellung, W e l t b i l d u n d L e b e n des Geistes; e n t s p r e c h e n d ist d i e G l i e d e r u n g des W e r k e s . A u c h h i e r a u f ist n i c h t w e i t e r e i n z u g e h e n . Z u l e t z t h a t d a n n , v o r a l l e m n a c h d e r soziologischen Seite, Max Scheler W e s e n t l i c h e s zur A u f h e l l u n g des W e s e n s d e r W e l t anschauung beigetragen. W i r f r a g e n v i e l m e h r i n der R i c h t u n g , n a c h d e r die g r u n d sätzlichen P r o b l e m e l i e g e n , die vor a l l e m d e r E r ö r t e r u n g bed ü r f e n . Was ist W e l t a n s c h a u u n g — n i c h t diese oder j e n e b e s t i m m t e W e l t a n s c h a u u n g u n d die M ö g l i c h k e i t i h r e r Abw a n d l u n g , s o n d e r n w a s ist das W e s e n u n d die i n n e r e M ö g l i c h keit von so e t w a s w i e W e l t a n s c h a u u n g ü b e r h a u p t ? W i r f r a g e n , n i c h t u m n u r e i n e n a l l g e m e i n e n L e i t b e g r i f f zu h a b e n f ü r das Studium der konkret u n d faktisch möglichen Weltanschauungen; s o n d e r n w i r d r ä n g e n m i t dieser W e s e n s f r a g e i n e i n e n e u e z e n t r a l e D i m e n s i o n des P r o b l e m s . Es g e h t u n s n i c h t u m die »Psychologisierung« d e r W e l t (Jaspers), e b e n s o w e n i g u m die
6 Nur auf Grund dieser wiederum äußerlichen Auffassung des Wesens von Metaphysik kann Dilthey zu semer Skepsis bezüglich deren Möglichkeit kommen.
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Weltbegriff
S t r u k t u r des » S e e l e n l e b e n s « ( D i l t h e y ) , a u c h n i c h t u m d i e F r a g e d e r Psychologie oder d e r A n t h r o p o l o g i e , w a s d e r M e n s c h sei, sondern u m die Frage nach d e m Dasein. S c h o n bei d e m v e r h ä l t n i s m ä ß i g b e s t i m m t e n P h ä n o m e n » W i s s e n s c h a f t « s c h i e n es g e b o t e n , f ü r die W e s e n s i n t e r p r e t a t i o n als A u s g a n g u n d L e i t f a d e n e i n e v o r g e g e b e n e A u f f a s s u n g zug r u n d e z u l e g e n , u m sie d a n n f r e i l i c h n a c h h e r als ä u ß e r l i c h u n d a b g e l e i t e t zu e r k e n n e n . E i n e r g e w i s s e n H a n d h a b e b e d ü r f e n w i r a b e r n o c h viel m e h r bei e i n e m so l e i c h t v e r f l i e ß e n d e n u n d s c h w e r f a ß b a r e n G e b i l d e w i e W e l t a n s c h a u u n g . H i e r g i b t es nicht einmal eine gewissermaßen vulgäre bestimmte Meinung d a r ü b e r . D a h e r ist es g e b o t e n , e i n e b e s t i m m t e r e A u f f a s s u n g v o n Weltanschauung zugrundezulegen. Bei d e m f o l g e n d e n Versuch e i n e r r a d i k a l e r e n W e s e n s b e s t i m m u n g d e r W e l t a n s c h a u u n g als solcher h a l t e n w i r als L e i t f a d e n D i l t h e y s C h a r a k t e r i s t i k fest: » I n d e r S t r u k t u r d e r W e l t a n s c h a u u n g ist i m m e r e i n e i n n e r e B e z i e h u n g d e r L e b e n s e r f a h r u n g z u m W e l t b i l d e e n t h a l t e n , e i n e B e z i e h u n g , aus d e r stets e i n L e b e n s ideal abgeleitet werden kann.«7 Drei Grundbestandteile werden g e n a n n t , v e r s c h i e d e n e r H e r k u n f t u n d verschiedene 1 « C h a r a k ters, a b e r d o c h i n e i n e m Z u s a m m e n h a n g s t e h e n d , i n e i n e r » i n n e r e n B e z i e h u n g « ; das L e b e n s i d e a l ist aus d e n b e i d e n e r s t e n ableitbar. H i e r e r h e b e n sich f o l g e n d e s i e b e n F r a g e n : 1. S i n d diese G r u n d b e s t a n d t e i l e i n sich h i n r e i c h e n d u r sprünglich bestimmt? 2. S i n d sie v e r s c h i e d e n e r H e r k u n f t oder nicht? 3. W i e ist i h r Z u s a m m e n h a n g m ö g l i c h ? 4. S i n d sie z u s a m m e n g e r a t e n , o d e r e r w a c h s e n sie n o t w e n d i g e i n e r u r s p r ü n g l i c h e r e n S t r u k t u r , d i e e i n e solche des D a s e i n s selbst ist? 5. W e l c h e s ist diese U r s t r u k t u r des Daseins, i n d e r sich die innere Möglichkeit von Weltanschauung begründet? 7
Dilthey, Das Wesen der Philosophie. A.a.O., S. 38 (S. 380).
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6-. W i e m u ß das D a s e i n g r u n d s ä t z l i c h in d e n Blick g e n o m m e n w e r d e n , u m diese U r s t r u k t u r s i c h t b a r zu m a c h e n ? 7. W i e v e r h ä l t sich diese u r s p r ü n g l i c h e S t r u k t u r des D a s e i n s zum' P h i l o s o p h i e r e n , v o n d e m w i r jetzt wissen, d a ß es als a u s d r ü c k l i c h e s T r a n s z e n d i e r e n i n d e r T r a n s z e n d e n z als d e r G r u n d v e r f a s s u n g des D a s e i n s geschieht? (Vgl. A n t w o r t u n t e n S. 5 + 6 f . )
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U m i n d i e s e n F r a g e n m e t h o d i s c h sicher v o r w ä r t s zu k o m m e n , setzen w i r e i n m i t e i n e r r a d i k a l e n E r ö r t e r u n g dessen, w a s d e r Ausdruck » W e l t « m e i n t , u n d stellen das P r o b l e m e i n e r u r s p r ü n g l i c h e n W e s e n s i n t e r p r e t a t i o n des P h ä n o m e n s W e l t , u m e i n e n z u r e i c h e n d e n W e l t - b e g r i f f zu g e w i n n e n . D e n n die U n g e k l ä r t h e i t des W e s e n s d e r W e l t a n s c h a u u n g b e i D i l t h e y , Jaspers u n d S c h e l e r h a t i h r e n G r u n d i n d e r U n b e s t i m m t h e i t des W e l t begriffes. 1 Was h e i ß t Welt? Was w u r d e f r ü h e r s c h o n v e r s t a n d e n u n t e r d e m T i t e l κόσμος, m u n d u s ? D i e h i s t o r i s c h e B e t r a c h t u n g i n »Vom W e s e n des G r u n d e s « 2 e r g i b t a l l g e m e i n : D i e A u s d r ü c k e κόσμος, m u n d u s , W e l t h a b e n e i n e d o p p e l t e B e d e u t u n g : e i n e v u l g ä r e , das S e i e n d e q u a N a t u r , u n d e i n e p h i l o s o p h i s c h e , die f r e i l i c h n i c h t a u s d r ü c k l i c h b e g r i f f -
1
Fortsetzung der systematischen Erörterung unten S. 346 f. Vgl. Martin Heidegger, Vom Wesen des Grandes. Beitrag zur Festschrift fur Edmund Husserl zum 70. Geburtstag: Ergänzungsband zum Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung. Halle 1929, S. 71-100. Zugleich erschienen als Sonderdruck bei Max Niemeyer, Halle (Saale). (Seit der 3 Auflage 1949 bei Vittorio Klostermann, Frankfurt a.M. Ferner aufgenommen in: Martin Heidegger, Wegmarken. Frankfurt a.M. 1967.) Vgl. auch Martin Heidegger, Metaphysische Anfangsgründe der Logik im Ausgang von Leibniz. Marburger Vorlesung Sommersemester 1928. (Gesamtausgabe Band 26, herausgegeben von Klaus Held. Frankfurt a.M. 1978.) Vgl. ferner im folgenden über Kants Weltbegriff, unten S. 248 ff. 2
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lieh g e f a ß t ist. W e l t ist k e i n r e g i o n a l e r T i t e l , m e i n t n i c h t dieses oder jenes Seiende, s o n d e r n das W i e des S e i e n d e n i m G a n z e n ; a b e r i n dieser B e d e u t u n g ist » W e l t « o f t so auf das D a s e i n bezogen, d a ß dieses selbst d i r e k t als W e l t b e z e i c h n e t w i r d . W e l t ist also das W i e des S e i e n d e n i m G a n z e n u n d d o c h bezogen auf D a s e i n , das d o c h n u r e i n S e i e n d e s u n t e r a n d e r e n ist. W i e ist W e l t zu D a s e i n bezogen, u n d u m g e k e h r t : W i e v e r h ä l t sich D a sein zu Welt, u n d w a s b e s a g t d e n n n u n Welt? T h e s e : W i r b e h a u p t e n : das D a s e i n v e r h ä l t sich n i c h t geleg e n t l i c h , d a n n u n d w a n n zur Welt, s o n d e r n d e r W e l t b e z u g g e h ö r t z u m W e s e n von D a s e i n als s o l c h e m , z u m E x i s t i e r e n als S e i n q u a D a s e i n ; » D a s e i n « h e i ß t i m G r u n d e n i c h t s a n d e r e s als I n - d e r - W e l t - s e i n ; dieses ist als G r u n d v e r f a s s u n g d e m D a s e i n zuzusprechen. Alles liegt d a r a n , w i e w i r u n d w i e w e i t w i r das W e s e n von W e l t d a b e i r e c h t v e r s t e h e n . D i e g e n a u e r e E r ö r t e r u n g des I n d e r - W e l t - s e i n s , das w i r d e m D a s e i n als s o l c h e m z u s p r e c h e n , m u ß u n s das P r o b l e m des W e l t b e g r i f f e s v e r s c h ä r f e n . I n - d e r W e l t - s e i n ist d i e S t r u k t u r d e r T r a n s z e n d e n z , des Uberstiegs. D a s U b e r s t e i g e n d e ist das D a s e i n ; w a s ü b e r s t i e g e n w i r d , ist das S e i e n d e i m G a n z e n ; w o r a u f z u d e r Ü b e r s t i e g e r f o l g t , ist die Welt. D a s » W o r a u f z u « ist a b e r k e i n Seiendes. Ü b e r h a u p t ist es n i c h t d e r g l e i c h e n , wozu sich das D a s e i n , s t r e n g g e n o m m e n , verhalten k ö n n t e — u n d doch sprechen wir v o m Weltbezug. W i e u n d w a s ist d a Welt? a) D e r W e l t b e g r i f f i n d e r a n t i k e n P h i l o s o p h i e und im frühen Christentum Schon in den entscheidenden Anfängen der antiken Philosophie zeigt sich e t w a s Wesentliches. 5 Κόσμος m e i n t n i c h t so s e h r das a n d r ä n g e n d e u n d u m f a n g e n d e S e i e n d e selbst, a u c h n i c h t dieses 5 Karl Reinhardt, Parmemdes und die Geschichte der griechischen Philosophie. Bonn 1916. S. 17+f. und S. 216 Anra.
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alles z u s a m m e n g e n o m m e n , s o n d e r n b e d e u t e t » Z u s t a n d « , d . h . das W i e , i n d e m das S e i e n d e , u n d zwar i m G a n z e n ist. Κόσμος ουτος b e z e i c h n e t d a h e r n i c h t d i e s e n B e z i r k v o n S e i e n d e m i n A b g r e n z u n g g e g e n e i n e n a n d e r e n , s o n d e r n diese » W e l t « des S e i e n d e n i m U n t e r s c h i e d zu e i n e r a n d e r e n » W e l t « d e s s e l b e n Seienden. 4 D i e W e l t liegt j e d e r m ö g l i c h e n Z e r s t ü c k u n g des Seie n d e n schon z u g r u n d e ; diese v e r n i c h t e t n i c h t die Welt; w a s έν τ φ ένΐ κόσμψ 5 ist, h a t sich n i c h t i n e i n e n Bezirk erst z u s a m m e n g e schoben, s o n d e r n ist d u r c h d i e W e l t i m G a n z e n d u r c h g ä n g i g v o r b e s t i m m t . S c h l i e ß l i c h zeigt sich bei H e r a k l i t 6 e i n w e i t e r e r W e s e n s c h a r a k t e r des κόσμος: ό Ήράκλειτός φησι τοΐς έγρηγορόσιν ενα καΐ κοινόν κόσμον ειναι, τών δέ κοιμωμένων εκαστον είς ι'διον άποστρέφεσΦαι. » D e n W a c h e n g e h ö r t e i n e u n d g e m e i n s a m e Welt, j e d e r S c h l a f e n d e d a g e g e n w e n d e t sich s e i n e r e i g e n e n W e l t zu.« H i e r t r i t t W e l t i n B e z u g zu G r u n d w e i s e n , i n d e n e n das m e n s c h l i c h e D a s e i n existiert. I m W a c h e n zeigt sich das S e i e n d e m 1 einer durchgängigen Einstimmigkeit, die durchschnittlich j e d e r m a n n z u g ä n g l i c h ist. I m Schlaf ist die W e l t des S e i e n d e n e i n e ausschließlich auf das j e w e i l i g e D a s e i n v e r e i n z e l t e . Aus diesen k n a p p e n A n d e u t u n g e n w i r d s c h o n e i n M e h r f a c h e s sichtbar: 1. W e l t b e s a g t m e h r e i n W i e des Seins des S e i e n d e n als dieses selbst. 2. Dieses W i e b e s t i m m t das S e i e n d e je i m G a n z e n . 3. D i e s e B e s t i m m u n g ist i n gewisser Weise i m m e r v o r g ä n g i g . 4. Dieses v o r g ä n g i g i m G a n z e n das S e i e n d e i n s e i n e m W i e Bes t i m m e n d e ist r e l a t i v auf G r u n d w e i s e n d e r E x i s t e n z des m e n s c h l i c h e n Daseins. W e l t g e h ö r t d e m D a s e i n i r g e n d w i e zu, o b z w a r sie alles S e i e n d e i n G a n z h e i t u m g r e i f t . So g e w i ß sich dies a l l e r d i n g s n o c h w e n i g a u s d r ü c k l i c h e u n d m e h r a u f d ä m m e r n d e Verständnis des m i t κόσμος G e m e i n t e n in d i e g e n a n n t e n B e d e u t u n g e n z u s a m m e n d r ä n g e n l ä ß t , so u n b e * Vgl. Hermann Diels, D i e Fragmente der Vorsokratiker. Griechisch und Deutsch. 4. Aufl. Berlin 1922. Erster Band, S. 151, Parmemdes, Frgm. 2; S 187 ff., Melissos Frgm. 7. 5 A.a.O., S. 402 f., Anaxagoras, Frgm. 8. 6 A.a.O., S. 95, Heraklit, Frgm. 89.
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s t r e i t b a r f u n g i e r t das W o r t d o c h z u g l e i c h i m m e r als N e n n u n g des i n s o l c h e m W i e e r f a h r e n e n S e i e n d e n selbst (wie z. B. » F l u ß « das f l i e ß e n d e Wasser selbst n e n n t , a b e r a u c h das F l i e ß e n als solches b e d e u t e n k a n n ) , e i n U n t e r s c h i e d , d e r h i n t e r d e m m ö g l i c h e n W a n d e l des B e d e u t e n s , V o r d r ä n g e n s u n d Z u r ü c k b l e i b e n s d e r e x i s t e n z i a l e n B e d e u t u n g vor d e r a n d e r e n auf e i n e ontologisch f u n d a m e n t a l e D i f f e r e n z , d i e v o n S e i n u n d S e i e n d e m überhaupt, zurückweist. E s ist a b e r k e i n Z u f a l l , d a ß i m Z u s a m m e n h a n g m i t d e m n e u e n o n t i s c h e n E x i s t e n z v e r s t ä n d n i s , das i m C h r i s t e n t u m d u r c h b r a c h , die B e z i e h u n g v o n κόσμος u n d m e n s c h l i c h e r Existenz, u n d d a m i t d e r W e l t b e g r i f f ü b e r h a u p t sich v e r s c h ä r f t e u n d v e r d e u t l i c h t e . D i e B e z i e h u n g w i r d so u r s p r ü n g l i c h e r f a h r e n , d a ß κόσμος n u n m e h r als T i t e l f ü r e i n e b e s t i m m t e G r u n d a r t m e n s c h l i c h e r E x i s t e n z ü b e r h a u p t i n G e b r a u c h k o m m t . Κόσμος ουτος m e i n t b e i P a u l u s (vgl. I. K o r i n t h e r u n d G a l a t e r ) n i c h t n u r u n d n i c h t p r i m ä r d e n Z u s t a n d des K o s m i s c h e n , s o n d e r n d e n Z u s t a n d u n d d i e L a g e des M e n s c h e n , die A r t s e i n e r S t e l l u n g z u m Kosmos, s e i n e r S c h ä t z u n g d e r G ü t e r . Κόσμος ist das M e n s c h s e i n i n e i n e r g o t t a b g e k e h r t e n G e s i n n u n g , d . h . e i n e bes t i m m t e G r u n d s t e l l u n g des M e n s c h e n zu a l l e m S e i e n d e n u n d d a m i t zu sich selbst (vgl. ή σοφία τοϋ κόσμου). Κόσμος ουτος m e i n t das menschliche Dasein in einer b e s t i m m t e n geschichtlichen Existenz, u n t e r s c h i e d e n g e g e n e i n e a n d e r e s c h o n a n g e b r o c h e n e (αίών ό μέλλων), d e m k ü n f t i g e n Z u s t a n d des M e n s c h e n in der Seligkeit. U n g e w ö h n l i c h h ä u f i g — vor a l l e m i m V e r h ä l t n i s zu d e n Syno p t i k e r n — u n d zugleich i n e i n e m g a n z z e n t r a l e n S i n n e geb r a u c h t das J o h a n n e s e v a n g e l i u m d e n B e g r i f f κόσμος. W e l t b e z e i c h n e t die g o t t e n t f e r n t e G r u n d g e s t a l t des m e n s c h l i c h e n D a s e i n s , d e n C h a r a k t e r des M e n s c h s e i n s s c h l e c h t h i n . D e m z u f o l g e ist d a n n W e l t a u c h e i n r e g i o n a l e r T i t e l f ü r alle M e n s c h e n z u s a m m e n ohne Unterschied zwischen Weisen u n d Törichten, G e r e c h t e n u n d S ü n d e r n , J u d e n u n d H e i d e n . D i e z e n t r a l e Bed e u t u n g dieses völlig a n t h r o p o l o g i s c h e n W e l t b e g r i f f e s k o m m t
§33.
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Welt?
243
d a r i n z u m A u s d r u c k , d a ß er als G e g e n b e g r i f f zur G o t t e s s o h n s c h a f t Jesu f u n g i e r t , die i h r e r s e i t s als L e b e n (ζωή), W a h r h e i t («λήΰ-εια), L i c h t (φώς) b e g r i f f e n w i r d . D i e s e r K o s m o s b e g r i f f ist, wie w i r aus n e u e n F o r s c h u n g e n wissen, n i c h t spezifisch n e u t e s t a m e n t l i c h , j o h a n n e i s c h o d e r hellenistisch, s o n d e r n er r e i c h t viel w e i t e r h i n e i n i n d e n m a n i c h ä i s c h - m a n d ä i s c h e n K u l t u r kreis: Diese i m N e u e n Testament a n h e b e n d e Bedeutungsprägung von κόσμος zeigt sich d a n n u n v e r k e n n b a r z.B. bei A u g u s t i n u s und T h o m a s von Aquin. »Mundus« bedeutet nach Augustinus e i n m a l das G a n z e des G e s c h a f f e n e n , also soviel w i e ens creat u m ; aber ebenso oft steht m u n d u s f ü r m u n d i habitatores, u n d zwar i n d e m b e s t i m m t e n e x i s t e n z i e l l e n S i n n d e r dilectores m u n d i , i m p i i , carnales. M u n d u s non d i c u n t e r iusti, q u i a licet c a r n e i n eo h a b i t a n t , c o r d e c u m D e o sunt. 7 A u g u s t i n u s w i r d d i e s e n W e l t b e g r i f f , der d a n n die a b e n d l ä n dische G e i s t e s g e s c h i c h t e m i t b e s t i m m t e , e b e n s o s e h r aus P a u l u s w i e aus d e m J o h a n n e s e v a n g e l i u m g e s c h ö p f t h a b e n . D a f ü r m a g f o l g e n d e Stelle a u s d e m T r a c t a t u s i n I o a n n i s E v a n g e l i u m e i n e n Beleg g e b e n . A u g u s t i n u s g i b t zu Joh. (Prolog) 1,10 έ ν τ ψ κ ό σ μ φ ήν, καί ό κόσμος δι' αύτοΰ έγένετο, καί ό κόσμος αύτόν ούκ εγνω e i n e A u s l e g u n g v o n m u n d u s , bei d e r er d e n z w e i m a l i g e n G e b r a u c h von m u n d u s i n » m u n d u s p e r i p s u m f a c t u s est« u n d » m u n d u s e u m n o n c o g n o v i t « als e i n e n z w e i f a c h e n n a c h w e i s t . I n d e r ersten B e d e u t u n g b e s a g t m u n d u s soviel w i e ens c r e a t u m . I n d e r z w e i t e n m e i n t m u n d u s das h a b i t a r e corde i n m u n d o als a m a r e m u n d u m , w a s sich d e c k t m i t n o n cognoscere D e u m . I m Z u s a m m e n h a n g l a u t e t die Stelle: Q u i d est, m u n d u s f a c t u s est p e r i s p u m ? C o e l u m , t e r r a , m a r e e t o m n i a q u a e i n eis s u n t , m u n d u s dicitur. I t e r u m alia s i g n i f i c a t i o n e , dilectores m u n d i m u n d u s dicitur. M u n d u s p e r i p s u m f a c t u s est, e t m u n d u s e u m n o n cognovit. N u m e n i m coeli n o n c o g n o v e r u n t C r e a t o r e m s u u m , a u t 7
IV
Augustinus, Opera omnia, accurante J.P. Migne, Paris 1845-1849 Tomus
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angeli non cognoverunt Creatorem suum, aut non cognoverunt C r e a t o r e m s u u m sidera, q u e m c o n f i t e n t u r d a e m o n i a ? O m n i a u n d i q u e t e s t i m o n i a p e r h i b u e r u n t . Sed q u i n o n c o g n o v e r u n t ? Q u i a m a n d o m u n d u m dicti s u n t m u n d u s . A m a n d o e n i m h a b i t a m u s corde: a m a n d o a u t e m , h o c a p p e l l a r i m e r u e r u n t q u o d ille, u b i h a b i t a b a n t . Q u o m o d o d i c i m u s , m a l a est illa d o m u s , aut, b o n a est illa d o m u s , n o n i n illa q u a m d i c i m u s m a l a m , p a r i e t e s a c c u s a m u s , a u t i n illa, q u a m d i c i m u s b o n a m , p a r i e t e s l a u d a m u s , sed m a l a m d o m u m : i n h a b i t a n t e s m a l o s , et b o n a m d o m u m : inh a b i t a n t e s bonos. Sic et m u n d u m , q u i i n h a b i t a n t a m a n d o m u n d u m . Q u i sunt? Q u i d i l i g u n t m u n d u m , ipsi e n i m corde h a b i t a n t i n m u n d o . N a m q u i n o n d i l i g u n t m u n d u m , c a r n e v e r s a n t u r in m u n d o , sed corde i n h a b i t a n t c o e l u m . 8 » W e l t « b e d e u t e t d e m n a c h : das S e i e n d e i m G a n z e n u n d zwar als das e n t s c h e i d e n d e W i e , g e m ä ß d e m sich m e n s c h l i c h e s D a s e i n z u m S e i e n d e n stellt u n d h ä l t . E b e n s o g e b r a u c h t T h o m a s v o n A q u i n m u n d u s e i n m a l als g l e i c h b e d e u t e n d m i t u n i v e r s u m , u n i v e r s i t a s c r e a t u r a r u m , d a n n a b e r a u c h i n d e r B e d e u t u n g von saeculum (weltliche Gesinnung), quod m u n d i n o m i n e amatores m u n d i s i g n i f i c a n t u r . M u n d a n u s (saecularis) ist d e r G e g e n b e g r i f f zu spiritualis. b) D e r W e l t b e g r i f f in d e r S c h u l m e t a p h y s i k O h n e E i n g e h e n auf d e n W e l t b e g r i f f bei L e i b n i z sei die B e s t i m m u n g d e r W e l t i n d e r S c h u l m e t a p h y s i k e r w ä h n t , die u n m i t t e l bar f ü r Kant von Bedeutung wurde. D i e zwei p h i l o s o p h i s c h e n Z e i t g e n o s s e n K a n t s , die v o n besond e r e m E i n f l u s s auf s e i n e p h i l o s o p h i s c h e P r o b l e m s t e l l u n g w a r e n , s i n d B a u m g a r t e n u n d Crusius. B e i d e h a b e n e i n e M e t a p h y sik v e r f a ß t , W e r k e , die K a n t z e i t l e b e n s h e r a n g e z o g e n , s e i n e n Vorlesungen zugrundegelegt u n d m e h r f a c h k o m m e n t i e r t hat. 8
Augustinus, Tractatus in Ioannis Evangelium. A.a.O., Tomus III, Tract. II, cap. 1, n. 11.
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C h a r a k t e r i s t i s c h ist, w i e i n der S c h u l m e t a p h y s i k d e r W e l t b e griff i n s e i n e r B e d e u t u n g w i e d e r g a n z n e i g t i n d i e R i c h t u n g des v u l g ä r e n B e g r i f f e s i m S i n n e des G a n z e n des g e s c h a f f e n e n Seie n d e n . Von d a aus v e r s t e h e n w i r d e n T i t e l d e r D i s z i p l i n e n , w i e sie d i e K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t b e s t i m m e n . D i e M e t a p h y s i k g l i e d e r t sich i m Verlauf d e r s c h u l m ä ß i g e n A u s b i l d u n g i m 16., 17. u n d 18. J a h r h u n d e r t i n e i n e m e t a p h y s i c a generalis u n d e i n e m e t a p h y s i c a specialis. D i e M e t a p h y s i k als solche h a t das S e i e n d e als solches u n d i m G a n z e n z u m T h e m a . Die metaphysica generalis fragt nach dem, was ü b e r h a u p t zum S e i e n d e n g e h ö r t . Sie stellt a l l g e m e i n die F r a g e n a c h d e m Sein des S e i e n d e n . Sie ist O n t o l o g i e . I n d e r k a n t i s c h e n F o r t b i l d u n g bzw. i n d e r r a d i k a l e r e n F r a g e s t e l l u n g n a c h d e r M ö g l i c h k e i t d e r M e t a p h y s i k i n d e r K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t w i r d die O n t o l o gie zu T r a n s z e n d e n t a l p h i l o s o p h i e . D i e m e t a p h y s i c a specialis handelt nicht vom Seienden überhaupt, sondern vom Seienden im b e s o n d e r e n , d. h . v o n d e n H a u p t g e b i e t e n des S e i e n d e n selbst, u n d als solche H a u p t g e b i e t e w e r d e n d r e i u n t e r s c h i e d e n : N a t u r , M e n s c h u n d G o t t . D e m e n t s p r e c h e n d gibt es d r e i D i s z i p l i n e n : Die Kosmologie, die v o n d e r N a t u r h a n d e l t , f a ß t d e n K o s m o s i n e n g e r e r B e d e u t u n g d e r N a t u r , des S e i e n d e n , das z w a r d e n M e n schen als g e s c h a f f e n e s W e s e n a u c h e i n s c h l i e ß t , a b e r g l e i c h w o h l nicht den Menschen in seiner Menschheit zum T h e m a macht. D e r M e n s c h ist T h e m a d e r Psychologie, s o f e r n s e i n e G r u n d b e s t i m m u n g i n d e r Seele g e s e h e n w i r d , oder a u c h d e r P n e u m a t o logiej D i e d r i t t e D i s z i p l i n ist die T h e o l o g i e , i n d e r v o n G o t t , Mensch u n d Natur — aber nicht i m Sinne einer empirischen W i s s e n s c h a f t — g e h a n d e l t w i r d . D i e s e N a t u r p h i l o s o p h i e ist n i c h t N a t u r w i s s e n s c h a f t , d i e Psychologie ist n i c h t h e u t i g e Psychologie, die T h e o l o g i e ist n i c h t O f f e n b a r u n g s t h e o l o g i e , s o n d e r n diese drei G r u n d g e b i e t e d e r m e t a p h y s i c a specialis w e r d e n h i n sichtlich i h r e s W e s e n s b e s t i m m t . D e r Begriff » W e s e n « w i r d in dieser Zeit r a t i o g e n a n n t . D a h e r ist diese K o s m o l o g i e e i n e cosmologia r a t i o n a l i s , e n t s p r e c h e n d d i e Psychologie e i n e psychologia rationalis, die T h e o l o g i e e i n e t h e o l o g i a rationalis. Sie ist
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k e i n e T h e o l o g i e d e r S c h r i f t , die d i e O f f e n b a r u n g als E r k e n n t n i s q u e l l e h a t , s o n d e r n e i n e E r k e n n t n i s G o t t e s aus b l o ß e r Vernunft. W i r s e h e n , d a ß diese S c h u l m e t a p h y s i k d e m G r u n d p r o b l e m der Kritik der reinen Vernunft zugrundeliegt u n d daß o h n e den A u f r i ß dieser M e t a p h y s i k d i e K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t n i c h t zu v e r s t e h e n ist. D i e s e r A u f r i ß e n t h ä l t i n sich i n d e r speziellen M e t a p h y s i k d i e K o s m o l o g i e oder, w i e Crusius d e u t s c h sagt, die W e l t l e h r e . D a r a u s ist zu e n t n e h m e n , d a ß d e r W e l t b e g r i f f g e g e n ü b e r der existenziellen B e d e u t u n g bei Augustinus u n d T h o m a s e i n e V e r e n g u n g e r f a h r e n h a t . So d e f i n i e r t Baumgarten in seiner M e t a p h y s i k d e n Begriff m u n d u s so: M u n d u s — d a f ü r setzt er a u c h u n i v e r s u m oder πάν — est series ( m u l t i t u d o , t o t u m ) actua l i u m f i n i t o r u m , q u a e n o n est p a r s alterius. 9 W e l t ist h i e r das All, das G a n z e o d e r d i e Summe der e n d l i c h e n D i n g e , die G e s a m t h e i t , die n i c h t m e h r Teil eines a n d e r e n ist. D i e s e r D e f i n i t i o n e n t n e h m e n w i r ein D o p p e l t e s : 1. W e l t ist d e r T i t e l f ü r das e n d liche, d . h . g e s c h a f f e n e S e i e n d e i m S i n n e des ens c r e a t u m . 2. W e l t ist ein solcher Bereich, d e r selbst n i c h t m e h r Teil eines a n d e r e n ist. I n d e r e n t s p r e c h e n d e n Weise, n u r e i n g e h e n d e r u n d philosop h i s c h s e l b s t ä n d i g e r e n t w i c k e l t Christian August Crusius d e n B e g r i f f d e r W e l t in s e i n e r M e t a p h y s i k : » E i n e W e l t h e i ß t e i n e solche r e a l e V e r k n ü p f u n g e n d l i c h e r D i n g e , w e l c h e n i c h t selbst w i e d e r u m ein Teil v o n e i n e r a n d e r n ist, zu w e l c h e r sie v e r m i t t e l s t e i n e r r e a l e n V e r k n ü p f u n g gehörte.« 1 0 S o f e r n es sich bei der W e l t u m die e n d l i c h e n D i n g e h a n d e l t , ist a u c h dieser W e l t b e g r i f f o r i e n t i e r t a m G e g e n b e g r i f f G o t t . D i e W e l t ist n u n aber auch unterschieden von einem »einzelnen Geschöpf«, nicht m i n d e r v o n » m e h r e r e n z u g l e i c h s e i e n d e n G e s c h ö p f e n « , sofern 9 Alexander Gottlieb Baumgarten, Metaphysica (1739). Zweite A u s g a b e Halle 1743. § 354, S. 87. 10 Christian August Crusius, Entwurf der notwendigen Vernunftwahrheiten, inwiefern sie den zufälligen entgegengesetzet werden [d.h. Entwurf aller rationalen Wahrheiten]. Leipzig 1745,"§ 350, S. 657.
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sie »in gar k e i n e r V e r k n ü p f u n g s t e h e n « . W e l t ist e b e n s o w e n i g ein Z u s a m m e n h a n g v o n m e h r e r e n zugleich s e i e n d e n e n d l i c h e n D i n g e n , die z w a r in V e r k n ü p f u n g s t e h e n , a b e r g l e i c h w o h l Teil e i n e r h ö h e r e n V e r k n ü p f u n g sind. W e l t ist e i n e r e a l e V e r k n ü p f u n g e n d l i c h e r D i n g e so, d a ß die V e r k n ü p f u n g s e i n h e i t n i c h t m e h r Teil e i n e s a n d e r e n ist. Es ist n u n c h a r a k t e r i s t i s c h f ü r d i e A u f f a s s u n g d e r W e l t bei Crusius, w i e er das P r o b l e m e i n e r W e l t l e h r e b e s t i m m t : das W e sen d e r W e l t i n d i e s e m S i n n k a n n n u r a u f g e k l ä r t w e r d e n a u f G r u n d von S ä t z e n aus d e r a l l g e m e i n e n M e t a p h y s i k , d. h . aus d e r Ontologie. S o f e r n es sich n ä m l i c h bei d e r W e l t u m s e i e n d e D i n ge h a n d e l t , m u ß dieser G e s a m t h e i t d e r w i r k l i c h s e i e n d e n D i n g e als G r u n d b e s t i m m u n g all das z u k o m m e n , w a s j e d e m S e i e n d e n z u k o m m t . M a n k a n n w e s e n t l i c h e M o m e n t e dessen, w a s zu e i n e r Welt g e h ö r t , d e d u k t i v g e w i n n e n aus b e s t i m m t e n S ä t z e n d e r a l l g e m e i n e n M e t a p h y s i k . S o f e r n a b e r die W e l t e i n e V e r k n ü p f u n g e n d l i c h e r , d . h . v o n G o t t g e s c h a f f e n e r D i n g e ist, k a n n weiteres ausgemacht w e r d e n in Orientierung an der rationalen T h e o l o g i e , s o f e r n m a n aus d e m B e g r i f f G o t t e s d e d u k t i v e r ö r t e r n kann', w a s zu e i n e m S e i e n d e n g e h ö r t , sofern es d u r c h G o t t ges c h a f f e n w i r d . So h a b e n w i r h i e r k l a r u n d d e u t l i c h d e n T y p u s der r a t i o n a l e n T h e o l o g i e , die K a n t e i n e r g r u n d s ä t z l i c h e n K r i t i k u n t e r w i r f t . D i e W e l t l e h r e ist n u r m ö g l i c h , s o f e r n sie g e g r ü n d e t ist auf die a l l g e m e i n e L e h r e v o m W e s e n des S e i e n d e n , die O n tologie, u n d d a n n auf d i e n a t ü r l i c h e T h e o l o g i e . W e l t ist d e r r e g i o n a l e T i t e l f ü r die h ö c h s t e V e r k n ü p f u n g s e i n h e i t d e r A l l h e i t des g e s c h a f f e n e n S e i e n d e n . W i r wollen in der nächsten Stunde in Kürze deutlich machen, wie K a n t d i e s e n t r a d i t i o n e l l e n W e l t b e g r i f f , d e n die Schulmetaphysik in der Kosmologie entwickelt, zugrundelegt, aber zugleich w e s e n t l i c h w e i t e r g e h t , u n d w i e a n d e r e r s e i t s bei K a n t auf e i n e m e r k w ü r d i g e A r t u n d Weise d e r W e l t b e g r i f f z u m Vorschein k o m m t , w i e i h n A u g u s t i n u s als e x i s t e n z i e l l e n e x p o n i e r t hat, f r e i l i c h o h n e spezifisch c h r i s t l i c h e B e s t i m m u n g des M e n schen. W i r w e r d e n z u g l e i c h s e h e n , w i e bei K a n t diese b e i d e n
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W e l t b e g r i f f e n e b e n e i n a n d e r s t e h e n , o h n e d a ß die F r a g e n a c h d e r u r s p r ü n g l i c h e n E i n h e i t b e i d e r gestellt w ä r e . I m A n s c h l u ß a n die h i s t o r i s c h e O r i e n t i e r u n g w o l l e n w i r d a n n v e r s u c h e n , positiv d i e G r u n d s t r u k t u r d e r W e l t zu e n t w i c k e l n .
§34.
Kants
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S i n n u n d G e h a l t des W e l t b e g r i f f e s i n d e r S c h u l m e t a p h y s i k ist aus d e r S t e l l u n g d e r » W e l t l e h r e « ( K o s m o l o g i e ) i m R a h m e n der Disziplinen der traditionellen Metaphysik abzulesen. Zur K e n n z e i c h n u n g des P r o b l e m s d e r W e l t l e h r e ist also w e i t e r ausz u h o l e n : P r o b l e m d e r M e t a p h y s i k ü b e r h a u p t . I n n e r h a l b dieser M e t a p h y s i k b e w e g t sich z u n ä c h s t u n d l a n g e h i n das Philosop h i e r e n K a n t s , u n d zwar m i t i n d e r A b s i c h t (vgl. Brief a n J o h a n n H e i n r i c h L a m b e r t v o m 2 . 9 . 1 7 7 0 1 ) , i n diese m e t a p h y s i s c h e n Erk e n n t n i s s e , vor a l l e m i n die h ö c h s t e n u n d w e s e n t l i c h s t e n , S i c h e r h e i t u n d E i n m ü t i g k e i t d e r Z u s t i m m u n g zu b r i n g e n . Verg l e i c h e die T i t e l d e r v o r k r i t i s c h e n S c h r i f t e n : » P r i n c i p i o r u m p r i m o r u m c o g n i t i o n i s m e t a p h y s i c a e n o v a dilucidatio.« 1755 ( H a b i l i t a t i o n s s c h r i f t ) » D e r e i n z i g m ö g l i c h e B e w e i s g r u n d zu e i n e r D e m o n s t r a t i o n des D a s e i n s Gottes.« 1763 »Versuch, d e n Begriff d e r n e g a t i v e n G r ö ß e n i n die Weltweish e i t e i n z u f ü h r e n . « 1763 » U n t e r s u c h u n g ü b e r d i e D e u t l i c h k e i t der G r u n d s ä t z e d e r nat ü r l i c h e n T h e o l o g i e u n d d e r M o r a l . « 1764 A b e r g e r a d e bei d i e s e n B e m ü h u n g e n u m die M e t a p h y s i k w i r d i h m diese m e h r u n d m e h r f r a g w ü r d i g , d . h . K a n t e r k l ä r t die M e t a p h y s i k n i c h t e i n f a c h f ü r u n m ö g l i c h , er v e r h ä l t sich n i c h t als S k e p t i k e r zu i h r , s o n d e r n e r f r a g t n a c h i h r e m Wesen. D i e k o n k r e t e F r a g e n a c h d e m W e s e n d e r M e t a p h y s i k stellen, 1 Immanuel Kants Werke, hrsg. von Ernst Cassirer. Band IX, Erster Teil: Briefe von und an Kant 1749-1789. Berlin 1918, S. 73 ff.
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h e i ß t aber, z u n ä c h s t ins K l a r e k o m m e n ü b e r d e n C h a r a k t e r dessen, w a s sich zu s e i n e r Z e i t als M e t a p h y s i k a n b i e t e t u n d in H e r r s c h a f t ist. D e n R a h m e n b a u der traditionellen Metaphysik h a b e n wir bereits g e k e n n z e i c h n e t , a u c h s c h o n i h r V e r f a h r e n , z.B. bei C r u sius, g e s e h e n . D o c h m u ß ü b e r d e n C h a r a k t e r dieser M e t a p h y s i k zuvor n o c h e t w a s W e s e n t l i c h e s g e s a g t w e r d e n . D i e I d e e derselb e n ist b e s t i m m t d u r c h die a n t i k e P h i l o s o p h i e , v o r a l l e m d u r c h P l a t d n u n d Aristoteles. W i r k ö n n e n sagen: M e t a p h y s i k ist E r k e n n t n i s des S e i e n d e n als solchen (ôvf) öv) i m G a n z e n (καθόλου). Auf G r a n d d e r E i n s i c h t e n , die w i r auf u n s e r e m e r s t e n W e g g e w a n n e n , k ö n n e n w i r diese t r a d i t i o n e l l e I d e e d e r M e t a p h y s i k noch v e r d e u t l i c h e n . E r k e n n t n i s v o n S e i e n d e m , u n d z w a r t h e o retische E r k e n n t n i s v o n S e i e n d e m , das ist W i s s e n s c h a f t . Aristoteles n e n n t sie d a h e r a u c h έπιστήμη. A b e r sie ist W i s s e n s c h a f t v o m S e i e n d e n als solchen i m G a n z e n , a l l g e m e i n e W i s s e n s c h a f t von S e i e n d e m . N u n h a b e n w i r s c h o n g e s e h e n — aus d e m W e s e n der W i s s e n s c h a f t —, d a ß e i n e solche a l l g e m e i n e W i s s e n s c h a f t w i d e r s i n n i g , i n sich u n m ö g l i c h ist. A b e r d a r a u s f o l g t n i c h t , d a ß die M e t a p h y s i k u n m ö g l i c h ist, s o n d e r n d a ß i h r B e g r i f f e i n Prob l e m ist, d a ß e b e n g e f r a g t w e r d e n m u ß , was diese E r k e n n t n i s des S e i e n d e n als s o l c h e n i m G a n z e n besage, w e l c h e P r o b l e m a t i k hier* vorliege, w i e sie ü b e r h a u p t m ö g l i c h u n d als solche n o t w e n dig ist. So w e i t h a t K a n t f r e i l i c h das P r o b l e m d e r M e t a p h y s i k nicht getrieben, wohl aber entscheidend dafür vorgearbeitet. K a n t n i m m t die ü b e r l i e f e r t e I d e e d e r M e t a p h y s i k v i e l m e h r z u n ä c h s t z u s t i m m e n d auf u n d f r a g t n u r a u s d r ü c k l i c h n a c h i h r e m Wesen, d. h . i h r e r i n n e r e n M ö g l i c h k e i t . M e t a p h y s i c a specialis ist die e i g e n t l i c h e M e t a p h y s i k , die M e t a p h y s i k i m E n d zweck; i h r v o r g e o r d n e t ist die O n t o l o g i e als Vorhof, P r o p ä d e u t i k . Er m u ß d e m n a c h z u n ä c h s t f r a g e n n a c h d e m W e s e n , d e r i n n e r e n Möglichkeit der Grunddisziplin d e r Metaphysik, d.h. der Ontologie, u n d aus d e r W e s e n s b e s t i m m u n g dieser e r w ä c h s t d a n n die V o r z e i c h n u n g d e r M ö g l i c h k e i t d e r M e t a p h y s i c a specialis. Diese D o p p e l f r a g e n a c h d e m W e s e n d e r M e t a p h y s i k , d e r M e -
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t a p h y s i c a g e n e r a l i s u n d d e r M e t a p h y s i c a specialis, ist g e s t e l l t u n d b e a n t w o r t e t i n d e r »Kritik d e r r e i n e n V e r n u n f t « , u n d zwar i n d e r » E l e m e n t a r l e h r e « . D i e s e z e r f ä l l t i n t r a n s z e n d e n t a l e Aest h e t i k u n d t r a n s z e n d e n t a l e L o g i k , d i e letzte i n A n a l y t i k u n d Dialektik. Die transzendentale Aesthetik u n d transzendentale A n a l y t i k sind die n e u e u n d erste e i g e n t l i c h e B e s t i m m u n g der M e t a p h y s i c a g e n e r a l i s (Ontologie), d i e t r a n s z e n d e n t a l e D i a l e k t i k d i e d e r M e t a p h y s i c a specialis. D i e » K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t « ist e i n e G r u n d l e g u n g der M e t a p h y s i k . Sie ist w e d e r d e r e n Z e r t r ü m m e r u n g n o c h — w a s der N e u k a n t i a n i s m u s sagt — e i n e E r k e n n t n i s t h e o r i e d e r m a t h e m a t i s c h e n N a t u r w i s s e n s c h a f t e n , s o n d e r n , w i e K a n t selbst sagt in e i n e m Brief bei Ü b e r s e n d u n g des e b e n e r s c h i e n e n e n W e r k e s an s e i n e n F r e u n d M a r c u s H e r z 1781 : die K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t ist d i e M e t a p h y s i k von d e r M e t a p h y s i k . Es ist das P r o b l e m , das, s e i t d e m Aristoteles d i e A b h a n d l u n g e n n i e d e r g e s c h r i e b e n h a t , d i e w i r als M e t a p h y s i k Γ u n d E k e n n e n , n i c h t m e h r v o n der Stelle g e k o m m e n ist, ja, w a s n o c h v e r h ä n g n i s v o l l e r w a r , ü b e r h a u p t n i c h t m e h r als P r o b l e m l e b e n d i g w a r u n d d i e S c h ä r f e einer wirklichen Frage hatte. Zwar w u r d e n einzelne metaphysische F r a g e n w i e d e r h o l t gestellt, z.B. bei L e i b n i z die F r a g e n a c h d e r Substanz, ja, sogar s c h o n d i e n a c h e i n e r n e u e n G r u n d l e g u n g d e r p r i m a p h i l o s o p h i a bei D e s c a r t e s — u n d doch f i n d e t sich die F r a g e n a c h d e r M e t a p h y s i k als solcher, i h r e m W e s e n , U r s p r u n g u n d i h r e r N o t w e n d i g k e i t erst bei K a n t . J e d e e c h t e W i e d e r a u f n a h m e s o l c h e r G r u n d p r o b l e m e ist e i n e r a d i k a l i s i e r e n d e V e r w a n d l u n g dessen, w a s zur E r ö r t e r u n g steht; i n u n d d u r c h die k a n t i s c h e ( u n d jede) G r u n d l e g u n g d e r M e t a p h y s i k v e r w a n d e l t sich d e r e n W e s e n . D a s b e s a g t a b e r f ü r u n s e r e besondere Frage: Das Problem der Metaphysica generalis und z u g l e i c h das d e r M e t a p h y s i c a specialis, d e r Kosmologie, verw a n d e l t sich u n d d a m i t das P r o b l e m des W e l t b e g r i f f e s . N a c h d e m , w a s ü b e r die » K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t « a n g e d e u t e t w u r d e , h e i ß t das: das P r o b l e m des W e l t b e g r i f f s w i r d allererst gestellt.
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Bevor w i r v e r s u c h e n , i n Kürze das P r o b l e m des W e l t b e g r i f f s aus d e r F r a g e s t e l l u n g d e r »Kritik d e r r e i n e n V e r n u n f t « zu e n t wickeln, b e d a r f es e i n e r H i n w e i s u n g auf die A b h a n d l u n g K a n t s , die d e n Ü b e r g a n g d a r s t e l l t z w i s c h e n d e r v o r k r i t i s c h e n P e r i o d e seines D e n k e n s u n d d e m E r s c h e i n e n d e r » K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t « . Es ist die A b h a n d l u n g v o n 1770: » D e m u n d i sensibilis a t q u e i n t e l l i g i b i l i s f o r m a e t principiis.« M i t dieser S c h r i f t h a t sich K a n t als o r d e n t l i c h e r Professor d e r L o g i k u n d M e t a physik an der Universität Königsberg eingeführt. W i e schon der T i t e l anzeigt, k o m m t d e r B e g r i f f » m u n d u s « z u r E r ö r t e r u n g . I m ersten A b s c h n i t t , Sectio I, b e h a n d e l t K a n t d e n W e l t b e g r i f f i m a l l g e m e i n e n : D e n o t i o n e m u n d i g e n e r a t i m . Vergleiche insbes o n d e r e § 2: » M o m e n t a , i n m u n d i d e f i n i t i o n e a t t e n d e n d a , h a e c s u n t : 1. m a t e r i a , 2. f o r m a , 5. universitas.« 2 Ad 1. U n t e r m a t e r i a ist n a c h d e m g e f r a g t , w o r a u s e i n e W e l t besteht. K a n t a n t w o r t e t : » M a t e r i a (in sensu t r a n s c e n d e n t a l i ) h.e. partes, q u a e h i c s u m u n t u r esse s u b s t a n t i a e . « 5 W e l t b e s t e h t aus f ü r sich b e s t e h e n d e n , s e i e n d e n D i n g e n . D e r P l u r a l ist zu b e a c h t e n . » V e r u m vis vocis m u n d i , q u a t e n u s u s u v u l g a r i celebr a t u r , u l t r o n o b i s occurrit. N e m o e n i m a c c i d e n t i a , t a n q u a m partes, accenset m u n d o , sed, t a n q u a m d e t e r m i n a t i o n e s , statui. H i n c m u n d u s sic dictus egoisticus, q u i a b s o l v i t u r u n i c a s u b s t a n tia simplici, c u m suis a c c i d e n t i b u s , p a r u m a p p o s i t e v o c a t u r m u n d u s , nisi f o r t e i m a g i n a r i u s . « 4 I n w e n i g a n g e b r a c h t e r Weise w i r d sie » W e l t « g e n a n n t ; ein e i n z i g e x i s t i e r e n d e s W e s e n ist k e i n e Welt. Ad 2. W e l c h e s ist die F o r m dessen, w a s w i r m u n d u s n e n n e n , d . h . w i e ist die M e h r h e i t v o n S u b s t a n z e n als solche b e s t i m m t ? F o r m a m u n d i »consistit i n s u b s t a n t i a r u m c o o r d i n a t i o n e , n o n s u b o r d i n a t i o n e . C o o r d i n a t a e n i m se i n v i c e m r e s p i c i u n t u t c o m p l e m e n t a a d t o t u m , s u b o r d i n a t a u t c a u s a t u m et causa, s. g e n e 2 A.a.O., Band II. Vorkritische Schriften, hrsg. von Artur Buchenau. Berlin 1912. S. +02 ff. 5 A.a.O., S. 405. 4 Ebd.
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r a t i m u t p r i n c i p i u m e t p r i n c i p i a t u m . « 5 C o o r d i n a t i o ist e i n n e x u s realis, d . h . a u s d e m W e s e n s g e h a l t d e r S u b s t a n z e n sich b e s t i m m e n d , n i c h t e i n u n u m ideale, e i n e g e d a c h t e E i n h e i t , i n q u o d m e n s m u l t i t u d i n e m cogit, i n d e r l e d i g l i c h e i n D e n k e n die D i n ge zusammenzwingt. Daher: »Nexus autem, f o r m a m m u n d i e s s e n t i a l e m constituens, s p e c t a t u r u t p r i n i c i p i u m i n f l u x u u m possibilium substantiarum m u n d u m constituentium.«6 Nexus ist c o m m e r c i u m . D i e F o r m d e r W e l t ist d e r n e x u s realis als c o m m e r c i u m der substantiae. Ad 3. Universitas: H i e r ist die F r a g e n a c h d e r E i n h e i t der B e s t i m m t h e i t ( f o r m a + m a t e r i a ) d e r Welt. D i e F r a g e n a c h d e m C h a r a k t e r dieses d r i t t e n W e s e n s m o m e n t s i m W e l t b e g r i f f ist, w i e K a n t b e t o n t , das Kreuz des P h i l o s o p h e n , u n d h i e r ist d e n n a u c h die Stelle, w o die P r o b l e m a t i k des W e l t b e g r i f f e s i n d e r »Kritik d e r r e i n e n V e r n u n f t « einsetzt. Z u n ä c h s t b e s t i m m t K a n t d i e E i n h e i t d e r B e s t i m m t h e i t d e r m e h r e r e n S u b s t a n z e n : »Universit a s . . est o m n i t u d o c o m p a r t i u m absoluta,« a b s o l u t e , u n b e d i n g t e A l l h e i t dessen, w a s je u n t e r sich g e g e n s e i t i g C h a r a k t e r des Teiles h a t . E r n e n n t — vgl. »Kritik d e r r e i n e n V e r n u n f t « A 324, B 380ff. — das M o m e n t u n i v e r s i t a s k u r z t o t a l i t a s a b s o l u t a . D i e s e r B e g r i f f d e r a b s o l u t e n T o t a l i t ä t ist w o h l zu d e n k e n , a b e r n i c h t zu g e b e n . Was f ü r ein B e g r i f f ist d e r B e g r i f f d e r Welt, d. h. w a s ist W e l t ü b e r h a u p t i h r e m i n n e r s t e n W e s e n n a c h ? D a m i t ist schon das P r o b l e m d e r »Kritik d e r r e i n e n V e r n u n f t « v o r w e g g e n o m m e n , u n d es w i r d sich zeigen, d a ß K a n t auf d e m W e g e e i n e r K r i t i k des W e l t b e g r i f f s z u m i n d e s t i n die R i c h t u n g e i n e s radik a l e r e n Verständnisses des W e l t p h ä n o m e n s vorstößt. a) K a n t s W e l t b e g r i f f i n d e r » K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t « D e r Begriff d e r W e l t w i r d i n d e r P h i l o s o p h i e des 17. u n d 18. J a h r h u n d e r t s i n d e r C o s m o l o g i a r a t i o n a l i s als D i s z i p l i n d e r Me5 6
A.a.O., S. 406. Ebd.
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t a p h y s i c a specialis b e h a n d e l t . D i e s e r so a n g e s e t z t e W e l t b e g r i f f w i r d bereits i n d e r D i s s e r t a t i o n v o n 1770 p r o b l e m a t i s c h , u n d zwar h i n s i c h t l i c h des M o m e n t s d e r u n i v e r s i t a s s o w o h l als a u c h in eins d a m i t d e r f o r m a . H i e r w i r d m u n d u s g e f a ß t als » t o t u m , quod n o n est pars«, u n d zwar » q u a t e r m i n u s syntheseos« 7 ; G e g e n b e g r i f f ist s i m p l e x als T e r m i n u s d e r Analysis. W a s ist d a s f ü r e i n e B e s t i m m u n g ? Was f ü r e i n B e g r i f f ist ü b e r h a u p t d e r Begriff d e r Welt? Z u diesen F r a g e n w a n d e l t u n d v e r t i e f t sich das P r o b l e m d a d u r c h , d a ß i n d e r » K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t « die M e t a p h y s i k als solche z u m P r o b l e m w i r d — i m S i n n e e i n e r n e u e n G r u n d l e g u n g . U m ins K l a r e zu k o m m e n , müssen wir uns fünf Fragen vorlegen: 1. Was ist M e t a p y h s i k ü b e r h a u p t ? 2. I n w e l c h e r R i c h t u n g m u ß i h r W e s e n a u f g e h e l l t w e r d e n ? 3: I n w i e f e r n ist die W e s e n s b e s t i m m u n g d e r M e t a p h y s i k e i n e Kritik d e r r e i n e n V e r n u n f t ? 4i W e l c h e s ist d e r Ansatz u n d A u f r i ß d e r G r u n d l e g u n g d e r Metaphysik? 5. W e l c h e s sind d i e H a u p t t h e s e n u n d S c h r i t t e dieser G r u n d legung? E s ist e i n W a g n i s , i n e i n i g e n S t u n d e n e i n e I n t e r p r e t a t i o n d e r »Kritik d e r r e i n e n V e r n u n f t « zu g e b e n . N o t w e n d i g b l e i b t vieles im Rohen u n d wird dadurch leicht mißverständlich. Andererseits ist es u n u m g ä n g l i c h , sich e i n e n D u r c h b l i c k u n d e i n e n E i n b l i c k i n das G e s t o ß e n - w e r d e n a u f das Z e n t r u m des W e r k e s zu v e r s c h a f f e n , u n b e s c h a d e t v o n L ü c k e n u n d d e r U n b e s t i m m t heit der E r ö r t e r u n g des E i n z e l n e n . D i e s e A u f g a b e stellt sich f ü r u n s i n d e r n ä c h s t e n Absicht, d e n W e l t b e g r i f f zu k l ä r e n ; a b e r in eins d a m i t e r g i b t sich e i n Vorblick auf e i n P r o b l e m des d r i t t e n Weges, zugleich r ü c k b l i c k e n d auf de« ersten Weg. Ad 1. Was ist M e t a p h y s i k ü b e r h a u p t ? D e n a l l g e m e i n e n Begriff h a b e n w i r b e r e i t s fixiert: E r k e n n t n i s des S e i e n d e n als 7
Vgl. a.a.O., S. 403.
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s o l c h e n i m G a n z e n , E r k e n n t n i s des S e i e n d e n i m a l l g e m e i n e n , d . h . i n B e g r i f f e n , u n d das b e s a g t zugleich: aus B e g r i f f e n u n d l e d i g l i c h aus B e g r i f f e n . D i e s e r C h a r a k t e r d e r M e t a p h y s i k h a t sich i n d e r n e u z e i t l i c h e n P h i l o s o p h i e seit D e s c a r t e s d a d u r c h v e r s c h ä r f t , d a ß diese a l l g e m e i n e r a t i o n a l e E r k e n n t n i s des Seienden i m Ganzen der mathematischen Erkenntnis angeglichen w i r d , d i e völlig e r f a h r u n g s f r e i aus e i n i g e n G r u n d s ä t z e n , d . h . A x i o m e n , das G a n z e i h r e r E r k e n n t n i s s e d e d u k t i v e n t w i c k e l t . D i e g r ö ß t e A n s t r e n g u n g i n Absicht a u f e i n e solche r a t i o n a l e M e t a p y h s i k v o l l z i e h t sich bei L e i b n i z , so w e i t , d a ß er v e r s u c h t , a u c h T a t s a c h e n w a h r h e i t e n , v e r i t a t e s facti, a u f V e r n u n f t w a h r h e i t e n , v e r i t a t e s rationis, z u r ü c k z u f ü h r e n , i n d i e s e n zu b e g r ü n d e n . F r e i l i c h h a t L e i b n i z n u r e i n z e l n e Beiträge, Ansätze u n d H i n w e i s e g e g e b e n ; es g e l a n g i h m k e i n G e s a m t e n t w u r f i n Abs i c h t auf das G a n z e d e r M e t a p h y s i k . D i e s e A u f g a b e h a b e n s e i n e Schüler — Wolff, B a u m g a r t e n , Crusius — ü b e r n o m m e n , i n d e m sie d i e R e s u l t a t e d e r L e i b n i z ' s c h e n P h i l o s o p h i e i n d e n R a h m e n der Schulphilosophie einbauten. Kant weist auf den Widerstreit d e r M e i n u n g e n , die U n s i c h e r h e i t d e r E r g e b n i s s e h i n . A d 2. I n w e l c h e r R i c h t u n g g e h t d i e A u f h e l l u n g ? Sie zielt auf d i e M ö g l i c h k e i t d e r E r k e n n t n i s des S e i e n d e n i m a l l g e m e i n e n . E i g e n t l i c h e M e t a p h y s i k ist das Ziel, » M e t a p h y s i k u n d E n d zweck«. D i e F r a g e ist: W o h e r n i m m t diese M e t a p h y s i k i h r e A u s w e i s u n g u n d B e w ä h r u n g , w o d o c h einerseits die E r f a h r u n g i m m e r n u r e i n e i n z e l n e s S e i e n d e s zu G e s i c h t b e k o m m t u n d a n d e r e r s e i t s d i e r e i n e n B e g r i f f e n i c h t o h n e w e i t e r e s a u f das S e i e n d e b e z o g e n sind? Es h a n d e l t sich also bei d e r F r a g e n a c h d e r M ö g l i c h k e i t d e r M e t a p h y s i k als E r k e n n t n i s v o n S e i e n d e m als solchen i m G a n z e n u m die F r a g e n a c h d e m W e s e n e i n e r E r k e n n t n i s v o n S e i e n d e m , u m die M ö g l i c h k e i t u n d das W e s e n d e r M e t a p h y s i k , das P r o b l e m d e r M ö g l i c h k e i t v o n E r k e n n t n i s des S e i e n d e n ü b e r h a u p t . Was h e i ß t das, u n d w a s g e h ö r t dazu? G i b t es d e r g l e i c h e n ? Ja, sagt K a n t . W i r h a b e n das Beispiel d e r w i s s e n s c h a f t l i c h e n E r k e n n t n i s d e r N a t u r in d e r m a t h e m a t i s c h e n P h y s i k von Galilei
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u n d N e w t o n . K a n t s F r a g e ist g r u n d s ä t z l i c h g e r i c h t e t a u f d i e E r k e n n t n i s v o n S e i e n d e m . D a s C h a r a k t e r i s t i s c h e dieser E r k e n n t n i s von S e i e n d e m i m S i n n e d e r m a t h e m a t i s c h e n P h y s i k liegt d a r i n , d a ß a l l e n N a t u r f o r s c h e r n , d. h . a l l e n d e n e n , die diese E r k e n n t n i s w e s e n t l i c h v o n d e r Stelle b r a c h t e n , e i n L i c h t a u f g i n g . E s g i n g i h n e n , a u f , d a ß die N a t u r n u r d a n n e r k a n n t w e r d e n k ö n n e , gen a u e r die N a t u r n u r d a n n b e f r a g t w e r d e n k ö n n e i m E x p e r i m e n t , w e n n zuvor e i n P l a n v o n i h r selbst e n t w o r f e n ist. D e r E r k e n n t n i s von S e i e n d e m m u ß also e i n e e i g e n t ü m l i c h e E r k e n n t n i s vor aller E r f a h r u n g v o r a u s g e h e n , i n der a u s g e m a c h t w i r d , w a s zu e i n e r N a t u r ü b e r h a u p t g e h ö r t . E i n e solche E r k e n n t n i s , die vor aller E r f a h r u n g des S e i e n d e n g e r a d e die S e i n s v e r f a s s u n g des S e i e n d e n b e s t i m m t , n e n n t K a n t e i n e E r k e n n t n i s a priori, d i e f r ü h e r ist in d e m S i n n , d a ß sie v o r h e r g e h t in d e r O r d n u n g d e r B e g r ü n d u n g der empirischen E r f a h r u n g . Diese m e r k w ü r d i g e Erkenntnis, der e n g r u n d s ä t z l i c h e B e d e u t u n g d e r N a t u r f o r s c h e r k e n n t , ist e i n e apriorische; sie b e s t i m m t , WEIS ZU e i n e r N a t u r g e h ö r t . Sie bes t i m m t das W e s e n d e r N a t u r , i h r e S a c h h e i t o d e r R e a l i t ä t . Realität heißt für Kant nicht, wie wir den Terminus h e u t e gebrauchen, W i r k l i c h k e i t , E x i s t e n z des S e i e n d e n , s o n d e r n R e a l i t ä t g e b r a u c h t er i m S i n n e d e r Scholastik als das, w a s e i n e res, e i n e S a c h e in i h r e m W a s g e h a l t b e s t i m m t . R e a l i t ä t ist also g l e i c h b e d e u t e n d m i t essentia. D e r g a n z e N e u k a n t i a n i s m u s h a t d i e s e n Begriff vollk o m m e n v e r k a n n t u n d w u r d e d a h e r z u m Teil zu w i d e r s i n n i g e n Fragestellungen getrieben. E s h a n d e l t sich i n d e r E r k e n n t n i s v o n S e i e n d e m u m e i n e vorg ä n g i g e , a p r i o r i s c h e E r k e n n t n i s des Wesens des b e t r e f f e n d e n S e i e n d e n , d e r Sache, u m e i n e a p r i o r i s c h e s a c h h a l t i g e E r k e n n t nis, e i n e solche E r k e n n t n i s , die m i r A u f s c h l u ß g i b t ü b e r das, was zu e i n e r S a c h e g e h ö r t ; e i n e E r k e n n t n i s , die das W i s s e n e r w e i t e r t , nennt Kant synthetische. Einer Erkenntnis von Seiendem m u ß also e i n e s a c h h a l t i g e E r k e n n t n i s d e r S e i n s v e r f a s s u n g d e r s e l b e n v o r a u s g e h e n , e i n e s y n t h e t i s c h e E r k e n n t n i s u n d , s o f e r n sie vora u s g e h e n d = a priori ist, e i n e s y n t h e t i s c h e E r k e n n t n i s a priori. S y n t h e t i s c h e E r k e n n t n i s a p r i o r i ist m ö g l i c h e E r k e n n t n i s von
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stand einer absoluten Erkenntnis. Der Unterschied von beiden b e z i e h t sich auf d e n U n t e r s c h i e d d e r m ö g l i c h e n G e g e n s t a n d s w e r d u n g des b e t r e f f e n d e n S e i e n d e n f ü r G o t t o d e r ein e n d l i c h e s W e s e n . Es g i b t n i c h t zwei S c h i c h t e n des S e i e n d e n , s o n d e r n dasselbe S e i e n d e ist als G e g e n s t a n d d e r e n d l i c h e n E r k e n n t n i s E r s c h e i n u n g u n d als G e g e n s t a n d d e r a b s o l u t e n E r k e n n t n i s das D i n g a n sich. ß) D i e D u r c h f ü h r u n g W i r w o l l e n n u n die S c h r i t t e d e r D u r c h f ü h r u n g dieser G r u n d l e g u n g v i e r f a c h g l i e d e r n . Es h a n d e l t sich u m das W e s e n der reinen Erkenntnis. I n d e r 1. S t u f e m u ß K a n t d i e E l e m e n t e e i n e r r e i n e n E r k e n n t nis b e h a n d e l n . Auf d e r 2. S t u f e f r a g t e r n a c h d e m i n n e r e n Z u s a m m e n h a n g o d e r n a c h d e r i n n e r e n E i n h e i t dieser E l e m e n t e e i n e r r e i n e n E r k e n n t n i s . Es ist die F r a g e n a c h d e m W e s e n dieser E r k e n n t n i s selbst. Auf d e r 3. S t u f e w i r d g e f r a g t n a c h d e m G r u n d dieses W e s e n s oder der inneren Möglichkeit einer ontologischen Erkenntnis. Auf e i n e r 4. S t u f e e n t w i c k e l t K a n t diese o n t o l o g i s c h e n Erk e n n t n i s s e selbst in i h r e r S y s t e m a t i k , o d e r w i e er sagt, die t r a n s z e n d e n t a l e n , d . h . die o n t o l o g i s c h e n G r u n d s ä t z e . Bis zu dieser Stelle r e i c h t die positive G r u n d l e g u n g d e r Kritik d e r r e i n e n V e r n u n f t , die, t r a d i t i o n e l l g e s p r o c h e n , e i n e G r u n d l e g u n g d e r m e t a p h y s i c a g e n e r a l i s ist. D a r a n s c h l i e ß t sich d a n n die k r i t i s c h e G r u n d l e g u n g d e r m e t a p h y s i c a specialis, die es n i c h t m e h r m i t d e r t r a n s z e n d e n t a l e n W a h r h e i t zu t u n h a t , sond e r n m i t d e m t r a n s z e n d e n t a l e n S c h e i n , m i t d e r U n w a h r h e i t , die n o t w e n d i g m i t dieser t r a n s z e n d e n t a l e n W a h r h e i t v e r k n ü p f t ist. W i r k o m m e n zur 1. S t u f e : D i e E l e m e n t e d e r r e i n e n E r k e n n t nis. S c h o n aus diesen e r s t e n S c h r i t t e n des P r o b l e m s s e h e n Sie, w a r u m e i n e a l l g e m e i n e C h a r a k t e r i s t i k v o r a u s g e s c h i c k t ist. W e n n w i r b e i d e n drei T h e s e n v o n E r k e n n e n s p r e c h e n , ist noch n i c h t die R e d e d a v o n , ob es e r f a h r u n g s m ä ß i g e s oder e r f a h -
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r u n g s f r e i e s E r k e n n e n ist. Jetzt a b e r ist das P r o b l e m e i n reines, d. h. e i n e r f a h r u n g s f r e i e s E r k e n n e n ; g e n a u e r die E l e m e n t e e i n e r solchen r e i n e n E r k e n n t n i s . W i r w i s s e n aus d e r G r u n d t h e s e , d a ß 7u e i n e r E r k e n n t n i s A n s c h a u u n g u n d D e n k e n g e h ö r e n . W i r sagten, A n s c h a u u n g h a t d e n C h a r a k t e r d e r R e z e p t i v i t ä t , Ans c h a u u n g ist i m m e r e i n sich G e b e n lassen v o n etwas. D e s h a l b sagt K a n t f ü r die A n s c h a u u n g a u c h R e z e p t i v i t ä t , s o f e r n es sich u m e n d l i c h e A n s c h a u u n g h a n d e l t . D e n k e n ist n i c h t e i n sich G e b e n lassen dessen, w a s sich zeigt, s o n d e r n ist e i n B e s t i m m e n des sich G e b e n d e n , das s p o n t a n f r e i a u s d e m h a n d e l n d e n Subjekt k o m m t . D a h e r w i r d das D e n k e n als f r e i e H a n d l u n g Spontaneität genannt. Diese beiden Elemente der Erkenntnis n e n n t Kant a u c h die zwei S t ä m m e d e r E r k e n n t n i s , d i e aus e i n e r gemeinsamen, aber uns u n b e k a n n t e n Wurzel heraus wachsen. K a n t weist b e s o n d e r s a m S c h l u ß d e r E i n l e i t u n g d e r K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t auf d i e u n b e k a n n t e W u r z e l d e r b e i d e n h i n . E r b e z e i c h n e t diese b e i d e n V e r m ö g e n als zwei G r u n d q u e l l e n u n s e r e s ' G e m ü t s , w o b e i G e m ü t f ü r m e n s i m S i n n e v o n Descartes, L e i b n i z u n d A u g u s t i n u s g e b r a u c h t w i r d . N u n ist das P r o b l e m nicht irgendein E r k e n n e n , sondern die ontologische Erkenntnis, d . h . ein apriorisches, e i n r e i n e s E r k e n n e n . D a s h e i ß t also, Prob l e m ist die r e i n e A n s c h a u u n g u n d das r e i n e D e n k e n , g e n a u e r , g e m ä ß d e m e r s t e n Satz d e r K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t ist das E r k e n n e n e i n A n s c h a u e n , das sich d u r c h das D e n k e n b e s t i m m t . Das d e n k e n d e B e s t i m m e n s t e h t i m D i e n s t e des A n s c h a u e n s . E r k e n n e n ist i m m e r d e n k e n d e s A n s c h a u e n . D i e 2. S t u f e f r a g t n a c h d e r E i n h e i t oder d e m W e s e n e i n e r r e i n e n E r k e n n t n i s , also n a c h d e r M ö g l i c h k e i t e i n e r r e i n e n Ans c h a u u n g . A n s c h a u u n g , griechisch αϊσθησις, ist G e g e n s t a n d der Ästhetik. Es h a n d e l t sich u m e i n e a priori m ö g l i c h e A n s c h a u ung, d . h . also u m e i n e t r a n s z e n d e n t a l e U n t e r s u c h u n g d e r A n s c h a u u n g . D a h e r ist die H e r a u s s t e l l u n g e i n e r r e i n e n A n s c h a u ung der Gegenstand einer transzendentalen Ästhetik. Entsprec h e n d ist d i e H e r a u s a r b e i t u n g des r e i n e n D e n k e n s G e g e n s t a n d der t r a n s z e n d e n t a l e n A n a l y t i k .
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S e i e n d e m . D i e F r a g e n a c h d e r M ö g l i c h k e i t d e r o n t i s c h e n Erk e n n t n i s w i r d so zur F r a g e n a c h d e r M ö g l i c h k e i t d e r s y n t h e t i s c h e n E r k e n n t n i s a priori, d . h . d e r ontologischen. W i e ist E r k e n n t n i s v o n Sein m ö g l i c h ? D a s P r o b l e m d e r M ö g l i c h k e i t der M e t a p h y s i k w i r d z u m P r o b l e m d e r M ö g l i c h k e i t d e r Ontologie, d . h . d e r M e t a p h y s i c a g e n e r a l i s . I n d e r B e m ü h u n g u m die G r u n d l e g u n g d e r e i g e n t l i c h e n M e t a p h y s i k ( m e t a p h y s i c a specialis) w i r d K a n t d u r c h das P r o b l e m selbst auf d i e m e t a p h y s i c a g e n e r a l i s z u r ü c k g e w o r f e n , u n d diese w i r d e r s t m a l s seit Aristoteles P r o b l e m . D a s G r u n d p r o b l e m d e r » K r i t i k d e r r e i n e n Vern u n f t « ist die O n t o l o g i e als solche; g a n z u n d g a r n i c h t ist sie e i n e E r k e n n t n i s t h e o r i e oder g a r e i n e T h e o r i e d e r N a t u r w i s s e n s c h a f t , w i e d e r N e u k a n t i a n i s m u s v o r g e b e n will. W e n n es ü b e r h a u p t u m e i n e T h e o r i e d e r E r k e n n t n i s g e h t , d a n n u m e i n e solche der o n t o l o g i s c h e n E r k e n n t n i s ; a b e r a u c h diese F a s s u n g ist schief u n d wegführend vom zentralen Problem. Ad 3. I n w i e f e r n ist d i e W e s e n s b e s t i m m u n g d e r M e t a p h y s i k e i n e K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t ? V e r n u n f t ist das H ö c h s t e i m M e n s c h e n , das V e r m ö g e n , a p r i o r i zu e r k e n n e n ; a b e r das W e s e n dieser E r k e n n t n i s ist zu u m g r e n z e n ; i n dieser U m g r e n z u n g erfolgt eine Begrenzung gegenüber A n m a ß u n g e n u n d Grenzübers c h r e i t u n g e n ; d a f ü r ist d i e t r a d i t i o n e l l e M e t a p h y s i k e i n Beispiel. Kritik ist also e i n e W e s e n s u m g r e n z u n g , d a m i t zugleich e i n e B e g r e n z u n g , E i n s c h r ä n k u n g ; d a h e r ist sie zugleich polem i s c h g e r i c h t e t u n d v o n d a m i t b e s t i m m t . Es ist e i n e K r i t i k der e n d l i c h e n m e n s c h l i c h e n r e i n e n V e r n u n f t . D a s » G e s c h ä f t dieser K r i t i k « ist, »das b i s h e r i g e V e r f a h r e n d e r M e t a p h y s i k u m z u ä n d e r n « . K a n t n e n n t die K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t a u c h e i n e n » T r a k t a t v o n d e r M e t h o d e « , d . h . a b e r , sie » v e r z e i c h n e t gleichw o h l d e n g a n z e n U m r i ß . . . als a u c h d e n g a n z e n i n n e r e n G l i e d e r b a u derselben«. 8 M e t h o d e m e i n t h i e r n i c h t T e c h n i k ,
8 Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft. Nach der ersten und zweiten Original-Ausgabe neu herausgegeben von Raymund Schmidt. Leipzig 1926. Vorrede, B XXII f.
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s o n d e r n die F r a g e n a c h d e r m ö g l i c h e n v o l l s t ä n d i g e n B e s t i m m u n g e i n e s G e g e n s t a n d e s , die g r u n d s ä t z l i c h e F r a g e n a c h dies e m selbst. Ad 4. W e l c h e s ist der Ansatz und A u f r i ß der G r u n d l e g u n g der Metaphysik? G e f r a g t wird nach der M ö g l i c h k e i t reiner E r kenntnis, der E r k e n n t n i s überhaupt, nach A n s c h a u u n g und Begriff und der E i n h e i t beider, u n d zwar reiner A n s c h a u u n g und reiner B e g r i f f e . D a s ist eine transzendentale F r a g e . W e n n w i r das I n h a l t s v e r z e i c h n i s d e r » K r i t i k d e r r e i n e n Vern u n f t « u n s a n s e h e n , d a n n zeigt sich die G r u n d e i n t e i l u n g i n Elementarlehre und Methodenlehre. Die Elementarlehre entwickelt die E l e m e n t e , d i e G r u n d m o m e n t e . W i r k ö n n e n u n s a u f diesen Teil b e s c h r ä n k e n . D i e E l e m e n t a r l e h r e , u n d z w a r die t r a n s z e n d e n t a l e E l e m e n t a r l e h r e — t r a n s z e n d e n t a l ist h i e r w e sentlich — h a t zwei Teile. D e r erste Teil ist die t r a n s z e n d e n t a l e Ästhetik, d e r z w e i t e d i e t r a n s z e n d e n t a l e L o g i k . W i e es zu dieser Scheidung k o m m t , w e r d e n wir noch sehen. D i e transzendentale L o g i k g l i e d e r t sich w i e d e r u m i n zwei A b t e i l u n g e n , d e r e n erste die t r a n s z e n d e n t a l e A n a l y t i k ist. D i e zweite A b t e i l u n g ist die transzendentale Dialektik. W e n n w i r das S c h e m a d e r K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t so n e h m e n , ist o h n e w e i t e r e s n i c h t zu s e h e n , w i e dieses W e r k m i t d e m P r o b l e m d e r t r a d i t i o n e l l e n M e t a p h y s i k in Z u s a m m e n h a n g steh e n soll. W e n n w i r a b e r v o n v o r n h e r e i n das W e r k n i c h t n a c h d e r ä u ß e r e n D i s p o s i t i o n v e r s t e h e n , s o n d e r n u m g e k e h r t die Disposition, w i e sie vorliegt, aus d e m G r u n d p r o b l e m des W e r k e s h e r a u s , d a n n w i r d o h n e w e i t e r e s d e u t l i c h , u m w a s es sich h i e r h a n d e l t . Was n ä m l i c h K a n t in d e r t r a n s z e n d e n t a l e n Ä s t h e t i k , die i n gewisser Weise n o c h auf d i e t r a d i t i o n e l l e n P r o b l e m e h i n weist, u n d i n d e r t r a n s z e n d e n t a l e n A n a l y t i k b e h a n d e l t , dieses G a n z e ist n i c h t s a n d e r e s als die G r u n d l e g u n g d e r m e t a p h y s i c a generalis, u n d w a s e r i n d e r t r a n s z e n d e n t a l e n D i a l e k t i k b e h a n delt, ist die G r u n d l e g u n g u n d K r i t i k d e r m e t a p h y s i c a specialis. D a ß g e r a d e h i e r d e r S c h n i t t h i n d u r c h g e h t , ist b e s o n d e r s m e r k w ü r d i g f ü r d i e k a n t i s c h e F r a g e s t e l l u n g selbst u n d ist m i t e i n
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M o m e n t , d a ß sie v o n u n s e i n e r w e s e n t l i c h e n K r i t i k u n t e r w o r f e n werden m u ß . Das hängt mit d e m Einfluß der traditionellen L o g i k auf K a n t s W e r k z u s a m m e n . D i e s e T e i l u n g d e r t r a d i t i o n e l l e n M e t a p y h s i k spiegelt sich i m A u f r i ß d e r t r a n s z e n d e n t a l e n Elementarlehre wider. b) E x k u r s : K a n t s G r u n d l e g u n g d e r M e t a p h y s i k Ad 5. W e l c h e s sind die H a u p t t h e s e n u n d die S c h r i t t e dieser G r u n d l e g u n g ? W i r u n t e r s c h e i d e n die H a u p t t h e s e n u n d die Durchführung. a) Die Hauptthesen Es ist c h a r a k t e r i s t i s c h f ü r alle p h i l o s o p h i s c h e n U n t e r s u c h u n g e n , d a ß sie m i t s c h e i n b a r e i n f a c h e n u n d e l e m e n t a r e n Sätzen b e g i n n e n , d a ß a b e r h i n t e r d i e s e n S ä t z e n e i n e g a n z e W e l t v o n Vorauss e t z u n g e n lebt; f ü r d e n L a i e n u n d f ü r d e n L i t e r a t e n i n d e r P h i l o s o p h i e s i e h t das so aus, als w ä r e n das u n b e w i e s e n e Vorauss e t z u n g e n . W a s w i r jetzt e r ö r t e r n , s i n d die E i n s i c h t e n , d i e K a n t v o n v o r n h e r e i n d e r D i s k u s s i o n des P r o b l e m s d e r M e t a p h y s i k z u g r u n d e l e g t , d i e er g a r n i c h t t h e m a t i s c h e r ö r t e r t , von d e n e n er a b e r e i n e sichere E i n s i c h t h a t . D a s h e i ß t , das, w a s K a n t n i c h t a u s f ü h r l i c h ausspricht, u n d das, w a s d i e P h i l o s o p h i e n i c h t sagt, ist i m m e r das W e s e n t l i c h e . W i r k ö n n e n diese G r u n d t h e s e n auf d r e i b r i n g e n : 1. T h e s e , w a s E r k e n n t n i s ü b e r h a u p t sei, 2. P r o b l e m ist die E n d l i c h k e i t d e r E r k e n n t n i s des M e n s c h e n , 3. G e g e n s t a n d solcher E r k e n n t n i s ist das E r k e n n b a r e selbst als E r s c h e i n u n g , n i c h t als D i n g a n sich. 1. Was zur E r k e n n t n i s ü b e r h a u p t g e h ö r t , d a r ü b e r g i b t d e r e r s t e Satz d e r K r i t i k A u f s c h l u ß : »Auf w e l c h e A r t u n d d u r c h w e l c h e M i t t e l sich a u c h i m m e r e i n e E r k e n n t n i s auf G e g e n s t ä n d e b e z i e h e n m a g , so ist d o c h d i e j e n i g e , w o d u r c h sie sich a u f d i e s e l b e n u n m i t t e l b a r b e z i e h t , u n d w o r a u f alles D e n k e n als M i t t e l a b z w e c k t , die A n s c h a u u n g « . (A 19, B 33) D i e s e m Satz
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e n t n e h m e n w i r e i n D o p p e l t e s : erstens, d a ß das W e s e n d e r E r k e n n t n i s in d e r A n s c h a u u n g liegt. D i e s e r erste Satz d e r K r i t i k s p r i c h t r a d i k a l g e g e n die A u f f a s s u n g des N e u k a n t i a n i s m u s . M a n k a n n sagen, d a ß d e r G r u n d m a n g e l des N e u k a n t i a n i s m u s d a r i n b e s t e h t , d a ß er d e n e r s t e n Satz d e r K r i t i k n i c h t g e l e s e n h a t . I n der M a r b u r g e r S c h u l e ist ü b e r t r i e b e n w o r d e n , d a ß das W e s e n d e r E r k e n n t n i s n a c h K a n t das D e n k e n ist. E r sagt a u s d r ü c k l i c h : D a s W e s e n d e r E r k e n n t n i s ist A n s c h a u u n g , u n d alles D e n k e n zweckt a b als M i t t e l a u f die A n s c h a u u n g . Auf d i e s e n e r s t e n Satz ist die g a n z e K r i t i k a u f g e baut!. > A n s c h a u u n g h e i ß t griechisch αΐσ·θησις. Ä s t h e t i k h e i ß t die L e h r e v o n d e r αϊσθησις. D a s D e n k e n ist n a c h d e r T r a d i t i o n G e g e n s t a n d d e r L o g i k . W e n n die E r k e n n t n i s aus A n s c h a u u n g u n d D e n k e n b e s t e h t , d a n n ist die Ä s t h e t i k d i e L e h r e v o n d e r Ans c h a u u n g u n d d i e L o g i k d i e L e h r e v o m D e n k e n . D a h e r ist die F o l g e r u n g d e r M a r b u r g e r , die t r a n s z e n d e n t a l e Ä s t h e t i k a u s d e r Kritik d e r r e i n e n V e r n u n f t h i n a u s z u i n t e r p r e t i e r e n . N i c h t n u r f ü r d e n A u f r i ß des W e r k e s , s o n d e r n f ü r das g a n z e P r o b l e m ist also "das E n t s c h e i d e n d e , d a ß m a n d e n a l l g e m e i n e n E r k e n n t n i s begriff v o n e i n e m i m D e n k e n sich e r l ä u t e r n d e n u n d sich auseinanderlegenden Anschauen festhält, d.h. jede W a h r h e i t des D e n k e n s ist n o t w e n d i g a n g e w i e s e n auf d i e A u s w e i s u n g u n d B e w ä h r u n g i n d e r A n s c h a u u n g . W i r w e r d e n s e h e n , d a ß dies die z e n t r a l e F r a g e d e r K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t ist, w o es sich u m das P r o b l e m d e r o n t o l o g i s c h e n E r k e n n t n i s h a n d e l t . D i e 2. T h e s e b e t r i f f t d i e E n d l i c h k e i t d e r E r k e n n t n i s . Es ist wesentlich, daß nicht von irgendeiner Vernunft gehandelt wird - e i n e U n b e s t i m m t h e i t , die h e u t e w e i t h i n h e r r s c h t —, w ä h r e n d K a n t d e u t l i c h i m n a c h f o l g e n d e n Satze sagt: » D i e s e f i n d e t n u r statt, s o f e r n u n s d e r G e g e n s t a n d g e g e b e n w i r d . Dieses a b e r ist wiederum, uns Menschen wenigstens, n u r dadurch möglich, d a ß er das G e m ü t auf gewisse W e i s e affiziere.« (Ebd.) D i e E i n f ü g u n g » u n s M e n s c h e n w e n i g s t e n s « s t a m m t aus der zweiten A u f l a g e . Was h e i ß t das n u n , d a ß i n d e r K r i t i k d e r r e i n e n
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D i e E i n s i c h t i n das W e s e n d e r r e i n e n A n s c h a u u n g ist e i n e der f u n d a m e n t a l s t e n E n t d e c k u n g e n , d i e K a n t f ü r sich in A n s p r u c h n e h m e n d a r f . A n s c h a u u n g h e i ß t S i c h g e b e n l a s s e n v o n e t w a s , so d a ß d a s j e n i g e , w a s sich gibt, a n i h m selbst a n s c h a u b a r w i r d ; A n s c h a u u n g des E m p f a n g e n e n = R e z e p t i o n . D i e R e z e p t i o n ist a n g e w i e s e n auf die A f f e k t i o n , d . h . d a r a u f , d a ß d a s j e n i g e , was ich a n s c h a u e n soll, sich bei m i r v o n sich selbst h e r m e l d e t . H i e r h a n d e l t es sich u m das P r o b l e m e i n e r r e i n e n A n s c h a u u n g , d . h . e i n e r A n s c h a u u n g a priori, oder, w i e e r sagt, o h n e u n d vor aller E r f a h r u n g . E i n e A n s c h a u u n g o h n e R e z e p t i v i t ä t ist das P r o b l e m , das K a n t n i c h t i n aller S c h ä r f e h e r a u s g e s t e l l t h a t , e i n e A n s c h a u u n g , die als solche r e z e p t i v ist, w e i l sie ja m e n s c h l i c h e A n s c h a u u n g ist, g l e i c h w o h l a p r i o r i , d . h . aus d e m S u b j e k t e n t s p r i n g e n d , aus s e i n e r S p o n t a n e i t ä t , n i c h t d a r a u f a n g e w i e s e n , d a ß das Ans c h a u b a r e v o n sich h e r sich m e l d e t . D i e I d e e d e r r e i n e n Ans c h a u u n g h a t e i n e n D o p p e l c h a r a k t e r . I n i h r l i e g t die I d e e eines V e r m ö g e n s vor, i n d e m d e r M e n s c h i n gewisser Weise p r o d u k t i v ist, s o f e r n er n i c h t auf e i n sich selbst G e b e n d e s a n g e w i e s e n ist, s o n d e r n a u f etwas, was e r sich selbst vorgibt, u m , e s a n z u s c h a u e n . Es b e s t e h t also e i n e A n a l o g i e z u r S c h ö p f u n g s a n s c h a u u n g des intuitus originarius. W e l c h e s ist n u n d i e r e i n e A n s c h a u u n g ? D i e b e i d e n r e i n e n A n s c h a u u n g e n , die z u m e n d l i c h e n W e s e n g e h ö r e n , sind R a u m u n d Zeit. D a s ist z u n ä c h s t ü b e r r a s c h e n d , s o f e r n m a n n i c h t r e c h t e i n s i e h t , i n w i e f e r n d e r R a u m o d e r g a r die Z e i t e i n e A n s c h a u u n g s e i n sollen. I c h e n t w i c k l e n u r k u r z e i n e C h a r a k t e r i s t i k d e r I d e e d e r r e i n e n A n s c h a u u n g a n d e r Z e i t , w e i l n a c h K a n t die Z e i t e i n e u m f a s s e n d e r e A n s c h a u u n g ist als d e r R a u m ; d a b e i g e h e ich in der Interpretation über Kant hinaus. D i e Z e i t selbst spielt e i n e z e n t r a l e R o l l e i n d e r K r i t i k der r e i n e n V e r n u n f t . Sie ist f ü r K a n t das r e i n e N a c h e i n a n d e r , die r e i n e Sukzession als solche, die jetzt, v o r h e r u n d n a c h h e r in i h r e m e i g e n t ü m l i c h e n Flusse e t w a s ist, w a s w i r n i c h t u n t e r d e n D i n g e n v o r f i n d e n . Es ist a b e r g l e i c h w o h l e i n solches, w o d u r c h alles, was w i r von d e n Dingen· e r f a h r e n , b e s t i m m t ist; jedes
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Anschaubare, alles w a s sich i n d e r R e z e p t i v i t ä t gibt, ist bes t i m m t als jetzt, d a m a l s oder d a n n g e g e b e n . I n e i n e r Z e i t b e s t i m m u n g ist alles E r f a h r b a r e g e g e b e n . D i e Zeit, das r e i n e N a c h e i n a n d e r , ist e i n e F o r m d e r G e g e b e n h e i t , w o r a u f w i r i m vorhinein i m m e r schon hinblicken, w e n n wir Gegenstände, Dinge erfahren, ohne daß wir ein ausdrückliches Bewußtsein d a v o n h ä t t e n , o h n e d a ß w i r das N a c h e i n a n d e r z u m G e g e n s t a n d e i n e r B e t r a c h t u n g m a c h e n . W i r s i n d u n g e g e n s t ä n d l i c h a u f das r e i n e N a c h e i n a n d e r i m v o r h i n e i n g e r i c h t e t . Vor aller E r f a h r u n g u n d n i c h t a u f G r u n d d e r E r f a h r u n g , d. h . a priori, s c h a u e n w i r die Z e i t an, bzw. die Z e i t selbst ist n u r u n d g i b t sich n u r als das r e i n e N a c h e i n a n d e r i n u n d f ü r dieses A n s c h a u e n . D e s h a l b ist die Z e i t e i n e r e i n e A n s c h a u u n g i n d o p p e l t e r B e d e u t u n g : e i n a priori A n g e s c h a u t e s u n d zugleich e i n solches, w a s g e w i s s e r m a ß e n n u r i m A n s c h a u e n selbst ist. So h a b e n w i r d i e Zeit als r e i n e A n s c h a u u n g , die die r e i n e A n s c h a u u n g R a u m i n gewisser Weise umgreift. D i e e n t s p r e c h e n d e B e t r a c h t u n g r i c h t e t sich auf das r e i n e D e n k e n . D e n k e n ist f ü r K a n t g e m ä ß d e r T r a d i t i o n soviel w i e Urteilen. Ich d e n k e = ich u r t e i l e . I c h u r t e i l e h e i ß t : ich v e r b i n d e ein S u b j e k t m i t e i n e m P r ä d i k a t . I c h d e n k e ist also soviel w i e ich v e r b i n d e ; die D e n k h a n d l u n g h a t d e n C h a r a k t e r d e r Synthesis. N u n h a n d e l t es sich f ü r K a n t u m das r e i n e D e n k e n , d . h . u m ein solches D e n k e n , das vor aller E r f a h r u n g g l e i c h w o h l e t w a s d e n k t , n i c h t e i n f a c h F o r m des D e n k e n s ist, s o n d e r n als D e n k e n d e m , w a s i m D e n k e n b e s t i m m b a r ist, d e r A n s c h a u u n g , e i n e B e s t i m m u n g v o n sich a u s zuweist. D i e F r a g e ist also: L i e g t in dieser H a n d l u n g des M e n s c h e n , die w i r D e n k e n n e n n e n , i n d e r M ö g l i c h k e i t des U r t e i l e n s , zugleich e i n e Q u e l l e i n h a l t l i c h e r E r k e n n t n i s ? W e n n ich f o r m a l a = h v e r b i n d e , so l i e g t n a c h K a n t i n d i e s e m V e r b i n d e n s c h o n e i n e g a n z b e s t i m m t e E r k e n n t n i s , i n s o f e r n jedes V e r b i n d e n von e t w a » m i t e t w a s a n g e w i e s e n ist a u f e i n e E i n h e i t , i m H i n b l i c k worauf v e r b u n d e n wird. N u n findet Kant in der traditionellen U r t e i l s t a f e l F o r m e n d e r H i n b l i c k n a h m e . I n j e d e r dieser Urteils-
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V e r n u n f t die e n d l i c h e E r k e n n t n i s oder die m e n s c h l i c h e Erk e n n t n i s als solche G e g e n s t a n d ist? W e n n Kant von der endlichen u n d der menschlichen Erkenntnis spricht, so ist i m H i n t e r g r u n d d e r U n t e r s c h i e d g e g e n ü b e r d e r u n e n d l i c h e n o d e r a b s o l u t e n E r k e n n t n i s . Als solche gilt die E r k e n n t n i s Gottes, d e r i m S i n n e d e r c h r i s t l i c h e n G o t t e s a u f f a s s u n g g e d a c h t ist, w o n a c h er p r i m ä r d e r S c h ö p f e r ist. D i e E r k e n n t n i s G o t t e s ist n a c h d e r t r a d i t i o n e l l e n A u f f a s s u n g , die K a n t z u m Z w e c k e d e r E r l ä u t e r u n g d e r e n d l i c h e n E r k e n n t n i s n o c h vers c h ä r f t e , i n t u i t i v e E r k e n n t n i s o d e r r e i n e A n s c h a u u n g , oder » n u r « A n s c h a u u n g . S c h o n in d e r Scholastik, bei T h o m a s z.B., h e r r s c h t K l a r h e i t d a r ü b e r , f r e i l i c h aus e i n e m v i e l l e i c h t n i c h t s t i c h h a l t i g e n G r u n d , d a ß G o t t n i c h t d e n k e n k a n n , d e n n alles D e n k e n ist d e r I n d e x d e r E n d l i c h k e i t . E r b e g r ü n d e t das so: I m D e n k e n w i r d g e u r t e i l t , h i e r setze ich e i n P r ä d i k a t zu e i n e m S u b j e k t . I c h d u r c h l a u f e also d u r c h B e s t i m m u n g e n b e s t i m m t e S c h r i t t e , d . h . das D e n k e n ist n o t w e n d i g als P r ä d i k a t i o n successive, b r a u c h t Zeit. G o t t ist a b e r n i c h t in d e r Zeit. D a s N i c h t d e n k e n k ö n n e n ist also k e i n M a n g e l . G o t t e s E r k e n n t n i s ist r e i n e A n s c h a u u n g , d . h . er e r k e n n t das S e i e n d e i m G a n z e n i n e i n e m A u g e n b l i c k — » t o t u m simul« was v o r d e m w a r u n d k ü n f t i g k o m m e n w i r d . D i e s e absol u t e A n s c h a u u n g ist zugleich d i e A n s c h a u u n g , in d e r das Seiende, s o w o h l das f a k t i s c h w i r k l i c h e , als a u c h das m ö g l i c h e , i n s e i n e m W e s e n v o n v o r n h e r e i n e r k a n n t ist. G o t t e r k e n n t alles S e i e n d e in s e i n e m W e s e n , w e i l er ja d e r S c h ö p f e r ist, w e i l er selbst das Seie n d e h e r s t e l l t . S e i n e A n s c h a u u n g ist e i n e solche, die, s o f e r n sie vollzogen w i r d , g e w i s s e r m a ß e n d e m , w a s a n g e s c h a u t w i r d , das Sein verleiht. Zu seinem Wesen gehört eine Anschauung, durch die d i e D i n g e allererst w e r d e n ; sie w e r d e n f ü r G o t t n i c h t , f ü r G o t t s i n d sie i m m e r , sie w e r d e n i n d e r Zeit. D i e s e A n s c h a u u n g , die d e m A n s c h a u b a r e n d e n U r s p r u n g seines Seins gibt, n e n n t K a n t intuit u s o r i g i n a r i u s , die als A n s c h a u u n g d e m A n s c h a u b a r e n zu s e i n e m U r s p r u n g v e r h i l f t . E i n solches E r k e n n e n als absolutes A n s c h a u e n ist s c h l e c h t h i n u n a b h ä n g i g v o m a n g e s c h a u t e n Was. D e n n dieses e n t s p r i n g t aus d e m A n s c h a u e n selbst.
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G e g e n ü b e r dieser a b s o l u t e n A n s c h a u u n g , d i e G o t t b e s t i m m t , ist die A n s c h a u u n g alles e n d l i c h e n Wesens ein I n t u i t u s d e r i v a tus, d . h . e i n e A n s c h a u u n g , d i e als A n s c h a u u n g a b h ä n g i g ist v o n etwas; als e n d l i c h e A n s c h a u u n g , d i e n i c h t i m m e r s c h o n ist, ist sie a n g e w i e s e n d a r a u f , d a ß e b e n dieses S e i e n d e v o n sich h e r v o r h a n d e n ist u n d d a ß d e r e n d l i c h e n A n s c h a u u n g das A n s c h a u bare g e g e b e n w e r d e n m u ß , w e i l sie selbst es n i c h t s c h a f f t . D a h e r sagt d e r z w e i t e Satz: » D i e s e f i n d e t n u r statt, s o f e r n u n s d e r G e g e n s t a n d g e g e b e n w i r d « . Folglich ist ein W e s e n , das e n d l i c h ist, das e n d l i c h e A n s c h a u u n g besitzt, s e i n e m W e s e n n a c h so b e s t i m m t , d a ß i h m e t w a s g e g e b e n w e r d e n k a n n , d a ß es e m p f ä n g l i c h ist f ü r etwas. Es m u ß E m p f ä n g l i c h k e i t — R e z e p t i v i t ä t — h a b e n . D i e s e E m p f ä n g l i c h k e i t f ü r e t w a s als R e z e p t i v i t ä t bezeichnet K a n t a u c h als S i n n l i c h k e i t . E r ist es, d e r d e n B e g r i f f d e r S i n n l i c h k e i t z u m e r s t e n M a l g e r a d e aus d i e s e m G e g e n s a t z zwischen a b s o l u t e r u n d e n d l i c h e r E r k e n n t n i s b e s t i m m t e . E i n e e n d l i c h e A n s c h a u u n g ist i h r e m W e s e n n a c h d u r c h E m p f ä n g lichkeit c h a r a k t e r i s i e r t . D a s , w a s d a g e g e b e n w e r d e n soll, m u ß von sich aus g e w i s s e r m a ß e n sich m e l d e n , oder, w i e K a n t sagt, das S e i e n d e m u ß das e m p f ä n g l i c h e S u b j e k t a f f i z i e r e n . Aus d e m Wesen d e r R e z e p t i v i t ä t folgt, d a ß sie b e s t i m m t ist d u r c h A f f e k tion. D a s e m p f ä n g l i c h e W e s e n m u ß also so s t r u k t u r i e r t sein, d a ß es a f f i z i e r b a r ist. D i e O r g a n e u n d S t r u k t u r e n d e r A f f e k t i o n bez e i c h n e n w i r als S i n n e . D e r M e n s c h h a t , w i e w i r h e u t e g l a u b e n , f ü n f S i n n e . D a ß d e r M e n s c h g e r a d e A u g e n u n d O h r e n h a t , ist absolut zufällig. A b s o l u t n o t w e n d i g f ü r das e n d l i c h e W e s e n ist, daß es R e z e p t i v i t ä t h a t u n d m ö g l i c h e O r g a n e . D a h e r ist d e r Begriff der S i n n l i c h k e i t n i c h t aus d e n S i n n e s o r g a n e n zu b e s t i m m e n . S i n n e s o r g a n e h a b e n w i r n u r , w e i l u n s e r W e s e n e n d l i c h ist. Diesen S a c h v e r h a l t h a t K a n t z u m e r s t e n m a l d e u t l i c h g e s e h e n . M a n k a n n n i c h t sagen, d a ß das bis h e u t e in s e i n e r T r a g w e i t e e i n g e s e h e n w ä r e . E n d l i c h e A n s c h a u u n g ist also n o t w e n d i g als S i n n l i c h k e i t b e s t i m m t , w o b e i die A r t d e r A f f e k t i o n e i n e s e k u n d ä r e F r a g e ist. W i r wissen, d a ß er sagt: E r k e n n t n i s ist b e s t i m m t d u r c h A n -
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s c h a u e n u n d D e n k e n . E n d l i c h e s E r k e n n e n ist n i c h t n u r Ans c h a u e n als S i n n l i c h k e i t , s o n d e r n ist a u c h a n g e w i e s e n auf das D e n k e n . D a s D e n k e n selbst ist e t w a s E n d l i c h e s , u n d z w a r aus e i n e m w e s e n t l i c h t i e f e r e n G r u n d als d e m , d e n T h o m a s von A q u i n a n f ü h r t , d a ß n ä m l i c h das D e n k e n d u r c h die Sukzession c h a r a k t e r i s i e r t ist, d a ß das D e n k e n , a b e r a u c h d i e A n s c h a u u n g i n d e r Sukzession v e r l ä u f t . V i e l m e h r b e s t e h t die i n n e r e E n d l i c h k e i t des D e n k e n s i m F o l g e n d e n : Alles D e n k e n ist U r t e i l e n o d e r B e s t i m m e n v o n e t w a s als e t w a s . W e n n ich i m D e n k e n e t w a s b e s t i m m e , so k a n n ich das zu B e s t i m m e n d e , d . h . d e n G e g e n s t a n d , n i c h t so b e s t i m m e n , d a ß ich l e d i g l i c h i h n als solc h e n a n s t a r r e , s o n d e r n ich m u ß i h n b e s t i m m e n i m H i n b l i c k auf e t w a s . W e n n ich sage, dieses D i n g ist rot, so s c h ö p f e ich diesen C h a r a k t e r , d a ß es rot ist, aus d e m a n s c h a u l i c h g e g e b e n e n D i n g selbst. A b e r ich v e r s t e h e diese E r k e n n t n i s n u r , w e n n ich weiß, w a s F a r b e ist, o h n e d a ß ich d e n B e g r i f f d e r F a r b e h a b e , d . h . w e n n ich i n d e r A n s c h a u u n g d e n Satz expliziere, so n e h m e ich d e n H i n b l i c k a u f die F a r b e , e t w a s als etwas. Alles d e n k e n d e B e s t i m m e n als B e s t i m m e n v o n e t w a s als e t w a s m \ j ß n o t w e n d i g d e n H i n b l i c k n e h m e n a u f etwas, m i t Bezug w o r a u f d e r vorlieg e n d e G e g e n s t a n d b e s t i m m b a r w i r d . D a s D e n k e n ist n i c h t Anschauung, sondern m u ß den U m w e g über den Hinblick mac h e n , aus d e m h e r es b e s t i m m t ist. D a s D e n k e n als P r ä d i z i e r u n g ist n a c h K a n t n i c h t u n m i t t e l b a r , s o n d e r n m i t t e l b a r . Es ist sein e m W e s e n n a c h u m w e g i g . So e r g i b t sich e i n e d o p p e l t e E n d lichkeit in der Erkenntnis, nicht n u r Endlichkeit der Anschauu n g u n d E n d l i c h k e i t des D e n k e n s als solche, s o n d e r n , w a s in e i n s d a m i t ist, e i n e A n g e w i e s e n h e i t a u f e i n a n d e r . 5. T h e s e : Was ist das E r k e n n b a r e selbst, s o f e r n es d u r c h endl i c h e E r k e n n t n i s e r k e n n b a r ist, u n d w a s ist das E r k e n n b a r e der e n d l i c h e n E r k e n n t n i s i m U n t e r s c h i e d z u m E r k e n n b a r e n der g ö t t l i c h e n E r k e n n t n i s ? W i r h a b e n einerseits d i e e n d l i c h e Erk e n n t n i s , a n d e r e r s e i t s die a b s o l u t e E r k e n n t n i s . D e r G e g e n s t a n d der endlichen Erkenntnis wird von Kant Erscheinung g e n a n n t . D e n G e g e n s t a n d d e r a b s o l u t e n » E r k e n n t n i s n e n n t er D i n g an
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Dieses V e r h ä l t n i s d r ü c k t sich d a r i n aus, d a ß das D i n g n i c h t r e l a t i v auf ein e n d l i c h e s W e s e n ist, s o n d e r n das D i n g a n sich ist r e l a t i v auf das Absolute. D e r G e g e n s t a n d d e r e n d l i c h e n E r k e n n t n i s ist E r s c h e i n u n g . U m d i e s e n Begriff w u r d e a b e r e i n e g r o ß e V e r w i r r u n g a n g e s t i f t e t , z u m a l da sich d i e P s y c h o l o g i e dieses D i n g e s a n sich b e m ä c h t i g t e . K a n t n e n n t d e n G e g e n s t a n d d e r e n d l i c h e n E r k e n n t n i s desh a l b E r s c h e i n u n g , w e i l das S e i e n d e f ü r ein e n d l i c h e s W e s e n n u r d a d u r c h z u g ä n g l i c h ist, d a ß es sich zeigt. D e r G e g e n s t a n d d e r e n d l i c h e n E r k e n n t n i s ist E r s c h e i n u n g , h e i ß t , e r ist das sich Zeig e n d e , d . h . e i n solches, das n o t w e n d i g sich z e i g e n m u ß . D a r i n ist beschlossen, d a ß das e n d l i c h e W e s e n das S e i e n d e s o w e i t erk e n n e n k a n n , als das S e i e n d e sich zeigen k a n n , u n d w i e es sich f ü r dieses b e s t i m m t e W e s e n M e n s c h zeigen k a n n . A b e r n u n ist f ü r das Verständnis des g a n z e n P r o b l e m s die F r a g e des Verhältnisses v o n E r s c h e i n u n g u n d D i n g a n sich w i c h t i g , u n d d a m i t b e g i n n t erst d i e K o n f u s i o n . D a s D i n g a n sich u n d d i e E r s c h e i n u n g d ü r f e n n u r v e r s t a n d e n w e r d e n i n B e z o g e n h e i t a u f die e n d l i c h e u n d a b s o l u t e E r k e n n t n i s . W e n n m a n das h e r a u s streicht, ist es h o f f n u n g s l o s , e t w a s zu v e r s t e h e n . D i e P r o b e d a f ü r liegt d a r i n , A u f s c h l u ß zu g e b e n , w e l c h e s V e r h a l t e n sich b e i d e n zuordnet. M a n s p r i c h t g e w ö h n l i c h v o n E r s c h e i n u n g e n w i e Himmelserscheinungen, P h a n t o m e n , Kometen. H i n t e r den Ers c h e i n u n g e n l i e g t e i g e n t l i c h das D i n g a n sich. D a ß w i r n i c h t d a h i n t e r k o m m e n , das h a t K a n t g e l e u g n e t . I n d e r T a t l i e g t dieser U n t e r s c h i e d n i c h t so g a n z zu Tage. A b e r die e n t s c h e i d e n d e E i n sicht l i e g t n u n d a r i n : E r s c h e i n u n g ist das sich z e i g e n d e S e i e n d e selbst, also n i c h t etwas, w a s a u f t a u c h t , s o n d e r n das S e i e n d e selbst. K a n t sagt: diese K r e i d e ist e i n e E r s c h e i n u n g , e t w a s f ü r sich selbst V o r h a n d e n e s . K a n t ist es n i e e i n g e f a l l e n , d a ß die Kreide n i c h t w i r k l i c h w ä r e , s o n d e r n e i n e E i n b i l d u n g des Subjekts. D i e s e K r e i d e ist e t w a s V o r h a n d e n e s , das sich zeigt, ein E r s c h e i n e n d e s , e i n e E r s c h e i n u n g . D a s D i n g a n sich n u n ist n i c h t etwas, w a s h i n t e r d e r K r e i d e ist, s o n d e r n das D i n g a n sich ist diese selbe Kreide, die w i r s e h e n , n u r jetzt g e d a c h t als G e g e n sich.
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f o r m e n m u ß jeweils e i n e e n t s p r e c h e n d e H i n b l i c k n a h m e auf e i n e e n t s p r e c h e n d e E i n h e i t sein. I m Satz >a = b< liegt ein H i n blick auf e i n e E i n h e i t , d. h . auf e i n f ü r sich subsistierendes D i n g , e i n e Substanz, D e n B e g r i f f e i n e r s o l c h e n E i n h e i t n e n n t K a n t K a t e g o r i e . D a s r e i n e D e n k e n r e p r ä s e n t i e r t sich also i n d e n Kat e g o r i e n , g e n a u e r g e s p r o c h e n : Ich d e n k e e i n e K a t e g o r i e , d . h . ich b e w e g e m i c h i n e i n e r F o r m des V e r b i n d e n s , bei d e m ich n o t w e n d i g auf eine Einheit hinblicken m u ß , die m i r einen Leitf a d e n g i b t f ü r die Art des E i n i g e n s . K a n t f o r m u l i e r t das a n e i n e r v e r s t e c k t e n Stelle n a c h t r ä g l i c h , w o es n i c h t T h e m a ist: » D i e t r a n s z e n d e n t a l e A n a l y t i k g a b u n s e i n Beispiel, w i e die b l o ß e logische F o r m u n s e r e r E r k e n n t n i s d e n U r s p r u n g v o n r e i n e n B e g r i f f e n a p r i o r i e n t h a l t e n k ö n n e , w e l c h e vor aller E r f a h r u n g G e g e n s t ä n d e vorstellen, o d e r v i e l m e h r die s y n t h e t i s c h e E i n h e i t a n z e i g e n , w e l c h e a l l e i n e i n e e m p i r i s c h e E r k e n n t n i s von G e g e n s t ä n d e n m ö g l i c h m a c h t . « (A 321, B 377). D e n n u m e m p i r i s c h e G e g e n s t ä n d e zu e r k e n n e n , m u ß ich n i c h t n u r e m p i r i s c h ans c h a u e n , s o n d e r n sie als D i n g e m i t E i g e n s c h a f t e n d e n k e n . D a s G r u n d p r o b l e m d e r K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t ist a b e r n u n die Einheit einer reinen Anschauung m i t einem reinen D e n k e n , d . h . e i n e r m ö g l i c h e n a p r i o r i s c h e n E i n i g u n g v o n Zeit u n d Kategorie. K a n t e r ö r t e r t auf d e r 2. S t u f e das W e s e n e i n e r s o l c h e n i n n e r e n M ö g l i c h k e i t v o n r e i n e r A n s c h a u u n g u n d Kategorie. D i e S y n t h e s i s a priori u n d die E i n h e i t e i n e r r e i n e n R e z e p t i v i t ä t m i t e i n e r r e i n e n S p o n t a n e i t ä t m u ß m ö g l i c h sein. R e i n e A n s c h a u u n g u n d r e i n e s D e n k e n m ü s s e n sich e i n i g e n . Jedes der beiden m u ß zum andern eine innere Verwandtschaft haben. R e i n e A n s c h a u u n g als R e z e p t i v i t ä t m u ß in gewisser Weise d e n C h a r a k t e r des D e n k e n s h a b e n , sie m u ß s p o n t a n sein. U m g e k e h r t , w e n n das r e i n e D e n k e n m i t d e r A n s c h a u u n g sich e i n i g e n soll, m u ß das r e i n e D e n k e n n i c h t n u r s p o n t a n sein, s o n d e r n e i n e V e r w a n d t s c h a f t m i t d e r A n s c h a u u n g h a b e n , d . h . r e z e p t i v sein. W e n n also b e i d e V e r m ö g e n zu sich e i n e V e r w a n d t s c h a f t h a b e n u n d e i n e E i n i g u n g m ö g l i c h sein soll, d a n n m u ß es ein Zwi-
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s c h e n g e b i l d e g e b e n , das d e n C h a r a k t e r d e r s p o n t a n e n R e z e p t i v i t ä t u n d z u g l e i c h d e n d e r r e z e p t i v e n S p o n t a n e i t ä t h a t . D i e s ist n a c h K a n t d i e t r a n s z e n d e n t a l e E i n b i l d u n g s k r a f t . Sie ist das merkwürdige Vermögen einer spontanen Rezeptivität u n d einer r e z e p t i v e n S p o n t a n e i t ä t ; u n d das W e s e n d e r o n t o l o g i s c h e n E r kenntnis liegt in der transzendentalen Einbildungskraft. W i e w e i t diese I n t e r p r e t a t i o n sich v o n d e r b i s h e r i g e n e n t f e r n t , k ö n n e n Sie d a r a u s e r s e h e n , d a ß dieses V e r m ö g e n v o m Neukantianismus konsequent herausinterpretiert wurde, weil m a n d a r i n e i n e n R e s t v o n Psychologie sah. M a n h a t i n d e r M a r b u r g e r S c h u l e das P r o b l e m so a u f g e r o l l t , d a ß m a n alles aus d e m ' r e i n e n D e n k e n entwickelte; Windelband u n d Rickert haben d i e Einheit beider — Anschauung und D e n k e n — ohne E i n b i l d u n g s k r a f t g e s u c h t . W i r m ü s s e n a b e r zeigen, d a ß i n d e r Tat die t r a n s z e n d e n t a l e E i n b i l d u n g s k r a f t d i e s e n C h a r a k t e r h a t , u n d ' d a ß d a h e r die Z e i t auf die t r a n s z e n d e n t a l e E i n b i l d u n g s k r a f t z u r ü c k g e h t e b e n s o w i e die Kategorie. Das, w o n a c h w i r zu A n f a n g g e f r a g t h a b e n , die u n b e k a n n t e Wurzel, w i e e r sagt, ist die t r a n s z e n d e n t a l e E i n b i l d u n g s k r a f t selbst. Es ist c h a r a k t e r i stisch, d a ß K a n t vor d e r t r a n s z e n d e n t a l e n E i n b i l d u n g s k r a f t e i n e m e t a p h y s i s c h e A n g s t b e k a m u n d sie aus s e i n e m W e r k auszumerzen versuchte. Soviel ist k l a r , d a ß K a n t i m Z e n t r u m seines e i g e n e n P r o b l e m s u n t e r d e m T i t e l der transzendentalen Einbildungskraft auf ein P h ä n o m e n stößt, das — w a s e r a u c h m e r k t e — d e m , w a s d e r T r a d i t i o n u n d s e i n e r e i g e n e n Ü b e r z e u g u n g g e m ä ß als G r u n d p h ä n o m e n des m e n s c h l i c h e n D a s e i n s a n z u s e t z e n ist, v o l l k o m m e n ! z u w i d e r l ä u f t . S o b a l d m a n d i e E i n b i l d u n g s k r a f t als z e n t r a les V e r m ö g e n e i n f ü h r t , stürzt d i e g a n z e b i s h e r i g e I d e e d e r P h i l o s o p h i e — d e s h a l b das A u s w e i c h e n Kants. F ü r u n s ist es n u n w i c h t i g zu s e h e n , w i e diese t r a n s z e n d e n t a l e E i n b i l d u n g s k r a f t aussieht. D i e E i n b i l d u n g s k r a f t ü b e r h a u p t ist g e m ä ß d e r t r a d i t i o n e l l e n A n t h r o p o l o g i e ein V e r m ö g e n , das i n n e r h a l b d e r a l l g e m e i n e n K l a s s i f i z i e r u n g in d i e S i n n l i c h k e i t g e h ö r t , als V e r m ö g e n d e r
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S i n n l i c h k e i t n o c h u n t e r g e o r d n e t ist. G l e i c h w o h l b e k o m m t u n t e r d e m Z w a n g des z e n t r a l e n P r o b l e m s d e r K r i t i k der r e i n e n V e r n u n f t die E i n b i l d u n g s k r a f t e i n e F u n k t i o n , d i e i h r n a c h K a n t s systematischen Gesichtspunkten nicht z u k o m m e n dürfte. Kant h ä l t sich a n die t r a d i t i o n e l l e Psychologie. E r n i m m t w ö r t l i c h die B e s t i m m u n g a u f , w i e sie b e i Wolff sich f i n d e t u n d auf d e n a r i s t o t e l i s c h e n Begriff d e r φαντασία z u r ü c k g e h t (Kants A n t h r o p o l o g i e § 28): » D i e E i n b i l d u n g s k r a f t ( f a c u l t a s i m a g i n a n d i ) , als e i n V e r m ö g e n d e r A n s c h a u u n g , a u c h o h n e G e g e n w a r t des Geg e n s t a n d e s ist e n t w e d e r p r o d u k t i v , d.i. ein V e r m ö g e n d e r u r s p r ü n g l i c h e n D a r s t e l l u n g des l e t z t e r e n , e x h i b i t i o o r i g i n a r i a , w e l c h e also vor d e r E r f a h r u n g v o r h e r g e h t . « 9 D i e E i n b i l d u n g s k r a f t ist ein V e r m ö g e n des A n s c h a u e n s , d. h. e i n V e r m ö g e n , das e t w a s zu g e b e n v e r m a g , u n d z w a r g i b t die E i n b i l d u n g s k r a f t u n s e i n e n A n b l i c k v o n etwas, o h n e d a ß d a s j e n i g e , w a s w i r a n b l i k k e n , selbst g e g e n w ä r t i g a n w e s e n d w ä r e . D a s ist die a l l g e m e i n e u n d treffende Definition der Einbildungskraft. A u f g r u n d dieses V e r m ö g e n s w i r d d e r M e n s c h g e w i s s e r m a ß e n w i e G o t t , d. h . i n d i e s e m V e r m ö g e n h a t er die M ö g l i c h k e i t , sich selbst e t w a s A n s c h a u b a r e s zu g e b e n , r e i n v o n sich h e r , f r e i l i c h so, d a ß das, w a s da als A n b l i c k g e g e b e n w i r d , selbst n i c h t e i n s e i e n d e r G e g e n s t a n d ist, so w i e bei G o t t die D i n g e n i c h t n u r als a n s c h a u b a r e sind, s o n d e r n i n i h r e m D i n g s e i n w i r k l i c h w e r d e n . D a s ist d e r w e s e n t l i c h e U n t e r s c h i e d z w i s c h e n d e r e x h i b i t i o originaria u n d d e m intuitus originarius. W i r müssen daher unseren guten deutschen Ausdruck »Einbildung« in doppeltem Sinn v e r s t e h e n , g e m ä ß e i n e r d o p p e l t e n B e d e u t u n g des A u s d r u c k e s » b i l d e n « : b i l d e n h e i ß t e r s t e n s h e r s t e l l e n , zweitens, w i r k ö n n e n u n s e i n Bild, e i n e n A n b l i c k v o n e t w a s v e r s c h a f f e n ; Bild h i e r n i c h t i m S i n n e eines Abbildes. E i n b i l d e n h e i ß t sich e i n Bild d e r a r t v e r s c h a f f e n , d a ß d i e s e r A n b l i c k v o n u n s selbst g e b i l d e t w i r d . Dieses B i l d e n ist also e i n e gewisse Art des G e s t a l t e n s der 9 Kant, W W (Cassirer). Band VIII, Berlin 1923. Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Hrsg. von Otto Schondörffer. § 28, S. 54.
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Synthesis. D a h e r n e n n t K a n t a u c h die t r a n s z e n d e n t a l e E i n b i l d u n g s k r a f t i n l a t e i n i s c h e r T e r m i n o l o g i e s y n t h e s i s speciosa. Species h e i ß t Bild, d. h . die G e s t a l t u n g , die u n s e i n Bild v e r s c h a f f t , o h n e d a ß das, w a s w i r a n b l i c k e n , a n w e s e n d w ä r e . I n d e u t s c h e r A u s d r u c k s w e i s e b e z e i c h n e t er diese s y n t h e s i s speciosa als f i g ü r liche Synthesis. D a s ist die a l l g e m e i n e C h a r a k t e r i s t i k d e r t r a n s z e n d e n t a l e n E i n b i l d u n g s k r a f t , die e r z u g r u n d e l e g t bei d e r H e r a u s a r b e i t u n g des Wesens d e r B e z i e h u n g v o n e i n e m r e i n e n D e n k e n auf e i n e r e i n e A n s c h a u u n g . D a m i t k o m m e n w i r zur 3. S t u f e : G r u n d d e r i n n e r e n M ö g lichkeit d e r E r k e n n t n i s . Bei d i e s e m P r o b l e m k a n n es sich u m n i c h t s a n d e r e s h a n d e l n als u m d i e Frage: W i e soll r e i n e s D e n ken, d. h . die r e i n e n V e r s t a n d e s b e g r i f f e , auf r e i n e A n s c h a u u n g bezogen w e r d e n ? Sich a u f e i n e A n s c h a u u n g b e z i e h e n bzw. als Bestimmung einer reinen Anschauung fungieren, heißt nichts a n d e r e s als i n r e i n e r A n s c h a u u n g sich d a r s t e l l e n . D a s P r o b l e m e i n e r m ö g l i c h e n B e z i e h u n g der K a t e g o r i e n a u f die r e i n e Ans c h a u u n g , g e n a n n t Z e i t , ist das P r o b l e m d e r m ö g l i c h e n aprior i s c h e n D a r s t e l l b a r k e i t d e r K a t e g o r i e n in d e r Zeit. W i e k ö n n e n r e i n e V e r s t a n d e s b e g r i f f e , d . h . K a t e g o r i e n , a p r i o r i i n d e r Zeit a n g e s c h a u t w e r d e n , oder w i e k a n n d i e Z e i t das r e i n e Bild d e r K a t e g o r i e n sein? D a s ist d i e F o r m e l , auf d i e das P r o b l e m d e r s y n t h e t i s c h e n E r k e n n t n i s a p r i o r i g e b r a c h t w i r d . D i e s e s Prob l e m löst K a n t i m S c h e m a t i s m u s - K a p i t e l , i n e i n e m A b s c h n i t t von z e h n S e i t e n . D a s V e r f a h r e n u n s e r e s G e m ü t e s , i n d e m sich so e t w a s w i e d i e a n s c h a u l i c h e D a r s t e l l u n g d e r K a t e g o r i e n i n der Zeit vollzieht, ist d e r S c h e m a t i s m u s . S c h e m a = Bild = A n b l i c k . S c h e m a t i s m u s ist das V e r m ö g e n , d e n r e i n e n B e g r i f f e n e i n Bild zu v e r s c h a f f e n , sie i n e i n r e i n e s Bild zu b r i n g e n . M i t a n d e r e n Worten: Der innerste G r u n d der Möglichkeit der synthetischen E r k e n n t n i s a p r i o r i ist d i e t r a n s z e n d e n t a l e E i n b i l d u n g s k r a f t als Schematismus. K a n t n e n n t die Z e i t e i n e r e i n e A n s c h a u u n g . Als A n s c h a u u n g ist sie R e z e p t i v i t ä t , sie g i b t , l ä ß t e m p f a n g e n . Sie ist e i n e r e i n e A n s c h a u u n g , d . h . e i n e a p r i o r i s c h e R e z e p t i v i t ä t oder e i n e spon-
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t a n e R e z e p t i v i t ä t , d . h . e i n f r e i e s S i c h s e l b s t g e b e n ; die r e i n e A n s c h a u u n g n ä m l i c h g i b t sich selbst die Z e i t als r e i n e Sukzession f r e i . W e n n m a n sich d i e s e n Z u s a m m e n h a n g p h ä n o m e n o logisch a u s e i n a n d e r l e g t , so e r g i b t sich o h n e w e i t e r e s , d a ß das S i c h g e b e n des Jetzt, S o e b e n , Sogleich n u r m ö g l i c h ist, w e n n diese r e i n e A n s c h a u u n g e i n f r e i e s G e s t a l t e n n a c h allen drei G r u n d d i m e n s i o n e n d e r Z e i t ist. F ü r diese f r e i e G e s t a l t u n g k o m m t allein die t r a n s z e n d e n t a l e E i n b i l d u n g s k r a f t i n F r a g e . E i n e w e i t e r d r i n g e n d e I n t e r p r e t a t i o n m u ß zeigen, d a ß das, w a s K a n t in d e r Ä s t h e t i k als r e i n e A n s c h a u u n g e n t w i c k e l t , i m G r u n d e die t r a n s z e n d e n t a l e E i n b i l d u n g s k r a f t ist. U m g e k e h r t ist das r e i n e D e n k e n z u n ä c h s t c h a r a k t e r i s i e r t als S p o n t a n e i t ä t , a b e r als solche, die i n d e r W e i s e des E i n i g e n s z u g l e i c h auf die leit e n d e I d e e v o n E i n h e i t h i n b l i c k e n m u ß . I m D e n k e n als Spontaneität liegt notwendig ein Charakter von Rezeptivität im S i n n e e i n e r a p r i o r i s c h e n R e z e p t i v i t ä t . N u n ist d e r Z u s a m m e n h a n g des r e i n e n D e n k e n s m i t d e r E i n b i l d u n g s k r a f t das D u n k e l s t e bei K a n t . N u r g a n z w e n i g e s s t e h t i n d e r 1. A u f l a g e d a r ü b e r . Alles a b e r b l e i b t i m R o h e n u n d ist n i c h t als eigenes P r o b l e m gestellt: W i e k a n n m a n d i e V e r w u r z e l u n g v o n r e i n e r A n s c h a u u n g u n d D e n k e n i n d e r E i n b i l d u n g s k r a f t zeigen? D a r aus e r g i b t sich d i e K o n s e q u e n z , d i e Jacobi gezogen h a t . Zeit u n d D e n k e n w e r d e n z u r ü c k g e f ü h r t a u f d i e E i n b i l d u n g s k r a f t , also ist d i e Z e i t e t w a s E i n g e b i l d e t e s . D i e F r a g e ist h i e r a b e r , w a s diese E i n b i l d u n g s k r a f t selbst sei, ob diese selbst e t w a s E i n g e b i l d e t e s ist o d e r o b w i r sie n i c h t d i e U r w i r k l i c h k e i t des M e n s c h s e i n s nennen müssen. D i e s e I n t e r p r e t a t i o n K a n t s b e k o m m t erst i h r e n S i n n u n d i h r R e c h t , w e n n s y s t e m a t i s c h gezeigt ist, d a ß das, w o r a u f K a n t stößt, d i e Z e i t selbst ist, f r e i l i c h i n e i n e m S i n n e , w i e er f ü r K a n t n i c h t m e h r z u g ä n g l i c h w a r . Dieses F u n g i e r e n d e r t r a n s z e n d e n t a l e n E i n b i l d u n g s k r a f t ist also das, w o d u r c h d e n K a t e g o r i e n e i n e r e i n e A n s c h a u u n g v e r s c h a f f t w i r d . S o f e r n n u n die r e i n e A n s c h a u u n g Z e i t die B e s t i m m u n g ist, die v o n v o r n h e r e i n j e d e n G e g e n s t a n d d e r E r f a h r u n g b e s t i m m t , ist m i t d e r m ö g l i c h e n
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d e r r e i n e n V e r s t a n d e s b e g r i f f e a u f d i e Z e i t die B e z i e h b a r k e i t d e r K a t e g o r i e n auf d i e G e g e n s t ä n d e selbst gewährleistet. S o e r g i b t sich die e i g e n t l i c h e F r a g e d e r t r a n s z e n d e n t a l e n D e d u k t i o n : W i e k ö n n e n a p r i o r i s c h e B e g r i f f e des Verstandes objekt i v e R e a l i t ä t h a b e n , d . h . w i e k ö n n e n sie z u m S a c h g e h a l t e i n e s Objekts a priori gehören? Dieser Schematismus m u ß von Kant j e d e n f a l l s so w e i t a u s e i n a n d e r g e l e g t w e r d e n , d a ß er zu z e i g e n versucht, w i e f ü r j e d e K a t e g o r i e die Z e i t in b e s t i m m t e r H i n s i c h t das S c h e m a , d . h . die m ö g l i c h e D a r s t e l l b a r k e i t a u s m a c h t . I m S c h e m a t i s m u s - K a p i t e l A 141, B 181 f. sagt er: » D i e s e r S c h e m a t i s m u s u n s e r e s Verstandes, i n A n s e h u n g der E r s c h e i n u n g e n u n d i h r e r b l o ß e n F o r m , ist e i n e v e r b o r g e n e K u n s t i n d e n T i e f e n d e r m e n s c h l i c h e n Seele, d e r e n w a h r e H a n d g r i f f e w i r d e r N a t u r schwerlich j e m a l s a b r a t e n u n d sie u n v e r d e c k t vor A u g e n l e g e n werden.« Beziehbarkeit
So k a n n m a n s p r e c h e n , w e n n m a n w i e K a n t die Basis der F r a g e s t e l l u n g e n v o n v o r n h e r e i n auf die Psychologie l e g t , was die K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t n i c h t w e i t e r d i s k u t i e r t . S i e h t m a n aber das P r o b l e m e i n e r G r u n d l e g u n g der M e t a p h y s i k w e s e n t lich r a d i k a l e r , d a n n ist d i e F r a g e , ob m a n d i e t r a n s z e n d e n t a l e E i n b i l d u n g s k r a f t l e d i g l i c h als v e r b o r g e n e K u n s t d e r Seele a n s p r e c h e n darf oder ob sie n i c h t g e r a d e das ist, m i t H i l f e dessen w i r d e n B e g r i f f e i n e r Seele g e w i n n e n . I m e i n z e l n e n k a n n ich auf dieses P r o b l e m n i c h t e i n g e h e n . 4. S t u f e . U n m i t t e l b a r a n diese g r u n d s ä t z l i c h e E r ö r t e r u n g der Möglichkeit der synthetischen Erkenntnis a priori u n d ihres G r u n d e s s c h l i e ß t K a n t e i n e s y s t e m a t i s c h e D a r s t e l l u n g dieser synthetischen Erkenntnisse a priori, d.h. der synthetischen G r u n d s ä t z e des Verstandes a n . E r g l i e d e r t diese G r u n d s ä t z e a m L e i t f a d e n d e r K a t e g o r i e n t a f e l i n 4 Klassen: 1. A x i o m e d e r A n s c h a u u n g 2. A n t i z i p a t i o n e n d e r W a h r n e h m u n g 3. A n a l o g i e n d e r E r f a h r u n g 4. P o s t u l a t e des e m p i r i s c h e n D e n k e n s ü b e r h a u p t .
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W a s f ü r u n s a n dieser V i e r t e i l u n g w i c h t i g ist, ist die Scheid u n g dieser Grundsätze in m a t h e m a t i s c h e u n d dynamische G r u n d s ä t z e . D i e m a t h e m a t i s c h e n G r u n d s ä t z e g e h e n auf die Ans c h a u u n g , d i e d y n a m i s c h e n auf das D a s e i n . K a n t b e m e r k t a u s d r ü c k l i c h : » M a n w i r d a b e r w o h l b e m e r k e n : d a ß ich h i e r e b e n s o w e n i g d i e G r u n d s ä t z e d e r M a t h e m a t i k i n e i n e m Falle, als d i e G r u n d s ä t z e d e r a l l g e m e i n e n ( p h y s i s c h e n ) D y n a m i k i m a n d e r n , s o n d e r n n u r die des r e i n e n Verstandes i m Verhältnis auf d e n i n n e r e n S i n n ( o h n e U n t e r s c h i e d d e r d a r i n g e g e b e n e n Vors t e l l u n g e n ) vor A u g e n h a b e , d a d u r c h d e n n j e n e i n s g e s a m t i h r e M ö g l i c h k e i t b e k o m m e n . I c h b e n e n n e sie also m e h r in B e t r a c h t d e r A n w e n d u n g , als u m i h r e s I n h a l t s w i l l e n . « (A 162, B 2 0 1 f.) E r w i l l sagen: D i e T a f e l d e r G r u n d s ä t z e u m g r e i f t die ontologis c h e n E r k e n n t n i s s e , d . h . d i e E r k e n n t n i s s e , die ü b e r h a u p t bes t i m m e n , was z u m ontologischen Wesen der N a t u r gehört. N u n w i s s e n w i r a b e r , d a ß ein Seiendes, z.B. die N a t u r e i n m a l d u r c h das W e s e n = Wassein = e s s e n t i a b e s t i m m t ist u n d z u m a n d e r n d u r c h die b e s t i m m t e Art des W i e s e i n s = e x i s t e n t i a , i n d e r k a n t i s c h e n T e r m i n o l o g i e d u r c h das D a s e i n . E n t s p r e c h e n d dieser D o p p e l u n g i n essentia u n d e x i s t e n t i a m u ß a u c h das S y s t e m der ontologischen Grundsätze in mathematische u n d dynamische Grundsätze gegliedert werden. D i e s e A u s d r ü c k e m a t h e m a t i s c h u n d d y n a m i s c h b e d e u t e n ontologisch soviel w i e essential u n d e x i s t e n t i a l i m S i n n e von L e i b n i z . I c h e r w ä h n e diese T e i l u n g deshalb, w e i l aus i h r e r n e u t h e r a u s t r i t t , i n w i e f e r n die T a f e l d e r G r u n d s ä t z e n i c h t s a n d e r e s ist als das G a n z e d e r o n t o l o g i s c h e n E r k e n n t n i s s e d e r N a t u r oder die Möglichkeit einer Natur überhaupt. W i e aber die Natur von K a n t g e d a c h t ist i n K o r r e l a t i o n d e r E r k e n n t n i s , d i e e r E r f a h r u n g n e n n t , so ist d i e H e r a u s a r b e i t u n g d e r E r k e n n t n i s e i n e r N a t u r ü b e r h a u p t z u g l e i c h die U m g r e n z u n g des W e s e n s d e r E r f a h r u n g . Mit dieser Herausstellung der Möglichkeit der E r f a h r u n g u n d d e r M ö g l i c h k e i t d e r N a t u r ist z u n ä c h s t d e r positive Teil der K r i t i k als G r u n d l e g u n g d e r m e t a p h y s i c a g e n e r a l i s abgeschlossen.
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G l e i c h w o h l stellt dieses P h ä n o m e n d e r M ö g l i c h k e i t d e r E r f a h r u n g i n zwei R i c h t u n g e n ein e i g e n t ü m l i c h e s n e u e s P r o b l e m , das w i r n i c h t so s e h r n e g a t i v w i e K a n t , s o n d e r n positiv f o r m u lieren. Z u r E r f a h r u n g , d . h . zur e n d l i c h e n E r k e n n t n i s g e h ö r t , d a ß das, was e r k a n n t w i r d , u n s a f f i z i e r t . Z u m W e s e n d e r E r f a h r u n g i m S i n n e d e r A f f e k t i o n u n d R e z e p t i v i t ä t g e h ö r t die Z u f ä l l i g k e i t . J e d e E r f a h r u n g ist zufällig, d . h . a n g e w i e s e n auf das E i n t r e t e n des b e s t i m m t e n F a k t u m s , d a ß w i r in e i n e r bestimmten Lage von b e s t i m m t e n D i n g e n affiziert werden. Da ri n ist beschlossen, d a ß die E i n h e i t d e r E r f a h r u n g i m m e r v o m jew e i l i g e n e m p i r i s c h e n B e s t ä n d e dessen a b h ä n g i g ist, w a s g e r a d e z u g ä n g l i c h g e w o r d e n ist. D i e s e e m p i r i s c h e E i n h e i t d e r E r f a h r u n g jedoch ist selbst als E i n h e i t n u r d e n k b a r , w e n n sie bes t i m m t ist d u r c h e i n e h ö h e r e . G e r a d e d i e M ö g l i c h k e i t d e r E r f a h r u n g als E i n h e i t e i n e r b e s t i m m t e n E r k e n n t n i s s c h l i e ß t i n sich'die F r a g e , m i t Bezug w o r a u f d i e M ö g l i c h k e i t d e r E r f a h r u n g e t w a s Z u f ä l l i g e s , E i n g e s c h r ä n k t e s sei, u m g e k e h r t , w e l c h e s die h ö h e r e E i n h e i t ist, i n n e r h a l b d e r e n j e d e e m p i r i s c h e E i n h e i t d e r E r f a h r u n g sich b e w e g t . Es gibt k e i n e a p r i o r i s c h - o n t i s c h e E r k e n n t n i s , s o n d e r n n u r ontologische, u n d diese u n t e r b e s t i m m t e n B e d i n g u n g e n , bzw. die r e c h t m ä ß i g e u n d e c h t e , a p r i o r i auf das S e i e n d e b e z o g e n e E r k e n n t n i s ist d i e ontologische. A b e r ist diese s c h o n völlig bestimmt? Transzendentale Wahrheit und transzendentaler Schéin ( U n w a h r h e i t ) : E t w a s , was sich a u s g i b t als o n t i s c h - a p r i o rische E r k e n n t n i s u n d k e i n e ist. c) E x k u r s : K a n t s D i a l e k t i k U m d e n Sitz des Scheins u n d d e n t r a n s z e n d e n t a l e n S c h e i n ü b e r h a u p t e r ö r t e r n zu k ö n n e n , b e d a r f es n i c h t n u r d e r v o r a u s g e g a n g e n e n A n a l y t i k , s o n d e r n i m S c h e i n selbst l i e g t e t w a s Positives, das sich a u s g i b t als . . . u n d was n i c h t i d e n t i s c h ist m i t d e n s y n t h e t i s c h e n E r k e n n t n i s s e n a priori, s o n d e r n d i e s e n selbst als B e d i n g u n g e n z u g r u n d e liegt.
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D i e e i g e n t l i c h e z e n t r a l e o n t o l o g i s c h e P r o b l e m a t i k r e i c h t bis ins t r a n s z e n d e n t a l e Ideal, d . h . e n t s p r i n g t v o n d a h e r , d . h . aus d e m W e s e n d e r e n d l i c h e n m e n s c h l i c h e n V e r n u n f t », . . . dieses g ö t t l i c h e n M e n s c h e n in u n s . . .« (A 569, B 597). Es gilt, d i e g a n z e Basis f ü r die g a n z e M e t a p h y s i k ans L i c h t zu b r i n g e n u n d diese in i h r e r i n n e r e n G a n z h e i t u n d B e w e g t h e i t zu s e h e n . D a r a u f ist die F u n d a m e n t a l o n t o l o g i e a n g e l e g t , a b e r zun ä c h s t n u r m i t R ü c k s i c h t auf d i e A n a l y t i k ( n i c h t auf E r k e n n t nistheorie) exponiert. Das Ergebnis der »Kritik der reinen V e r n u n f t « bis zur t r a n s z e n d e n t a l e n D i a l e k t i k ist: Es g i b t k e i n e a l l g e m e i n e E r k e n n t n i s des S e i e n d e n a priori, k e i n e apriorischontische, s o n d e r n n u r e i n e a p r i o r i s c h e E r k e n n t n i s als ontologische. D a s W e s e n v o n » g e n e r a l i s « i n d e r M e t a p h y s i c a g e n e r a l i s u n d d a m i t d e r M e t a p h y s i k selbst w i r d u r s p r ü n g l i c h e r b e s t i m m t . D a m i t b e s t i m m t sich z u m e r s t e n M a l d e r B e g r i f f d e r ontologis c h e n E r k e n n t n i s , w e n n g l e i c h g e s a g t w e r d e n m u ß , d a ß K a n t das P r o b l e m n i c h t i n der g a n z e n W e i t e des Seinsverständnisses angesetzt h a t . I n j e d e m Fall ist jetzt d i e M ö g l i c h k e i t e i n e r g r u n d sätzlichen Auswirkung auf die ganze Idee der Metaphysik gegeben. K a n t h a t jetzt f ü r seine Z w e c k e e i n e n L e i t f a d e n i n d e r H a n d , daran er ermessen kann, welche Art von Erkenntnis diejenige ist, d i e i n d e r M e t a p h y s i c a specialis b e a n s p r u c h t w i r d , n ä m l i c h e i n e a p r i o r i s c h - o n t i s c h e ü b e r Seele, W e l t , G o t t . Allein, es h a n d e l t sich n i c h t d a r u m , diese n u n e i n f a c h als u n m ö g l i c h zur ü c k z u w e i s e n , s o n d e r n e b e n s o s e h r , positiv das R e c h t m ä ß i g e dieser E r k e n n t n i s a b s i c h t a u f z u z e i g e n i m H i n b l i c k auf die Nat u r des M e n s c h e n , zu d e r dieses F r a g e n g e h ö r t . E s gilt n i c h t n u r d e n S c h e i n dieser a p r i o r i s c h - o n t i s c h e n E r k e n n t n i s zu e r k e n n e n , s o n d e r n w i r m ü s s e n u n s k l a r w e r d e n : W o S c h e i n ist — S c h e i n als n o t w e n d i g e n a t ü r l i c h e I l l u s i o n —, d a ist a u c h W a h r heit. So w i c h t i g n u n f ü r K a n t die n e g a t i v e Z u r ü c k w e i s u n g der A n m a ß u n g d e r b e s o n d e r e n E r k e n n t n i s bleibt, so m ü s s e n sich i h m doch z u g l e i c h positive E i n s i c h t e n e r g e b e n , d i e o f f e n b a r m i t
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d e m zuvor b e h a n d e l t e n P r o b l e m d e r m e t a p h y s i s c h e n E r k e n n t nis i n Z u s a m m e n h a n g s t e h e n . Ja, n o c h m e h r : Es e r g i b t sich, d a ß das, w a s K a n t a u f d e m G r u n d e d e r t r a n s z e n d e n t a l e n A n a l y t i k s c h e i n b a r n u r als kritische A n w e n d u n g e r ö r t e r t , seinerseits erst d i e w a h r e n F u n d a m e n t e e r ö f f n e t f ü r das, w o v o n er a u s g e g a n g e n w a r . So zeigt sich auch bei K a n t , w i e alle p h i l o s o p h i s c h e G r u n d l e g u n g n i c h t einfach g e r a d l i n i g a u f ein i r g e n d w o v o r h a n d e n e s F u n d a m e n t z u s t e u e r t u n d sich d o r t ansiedelt, s o n d e r n sich g e r a d e s t ä n d i g den B o d e n u n t e r d e n F ü ß e n w e g g r ä b t u n d i m m e r m e h r a m R a n d e eines A b g r u n d s sich b e w e g t . Was n u n a b e r das z e n t r a l e i n n e r e Verständnis d e r P r o b l e m a t i k der G r u n d l e g u n g d e r M e t a p h y s i c a specialis, u n d v o r a l l e m i h r e s Z u s a m m e n h a n g s m i t d e r M e t a p h y s i c a generalis, e r s c h w e r t , ja geradezu v e r b a u t , ist d i e A r c h i t e k t o n i k , die K a n t s e i n e m W e r k g e g e b e n h a t u n d die k e i n e s w e g s n u r S a c h e e i n e r ä u ß e r l i c h e n Disposition ist. W i r h a b e n b e r e i t s h i n g e w i e s e n a u f d e n R a h menbaü: transzendentale Aesthetik, transzendentale Logik u n d darauf, daß der Schnitt zwischen Metaphysica generalis u n d specialis i n d e r L o g i k selbst liegt, d a ß m i t h i n diese e i n e n g a n z besonderen Vorrang i m G e s a m t p r o b l e m der »Kritik der reinen Vernunft« hat. F ü r diesen V o r r a n g d e r L o g i k i n d e r » K r i t i k d e r r e i n e n Vern u n f t « — u n d a u c h sonst b e i K a n t — s e i e n u n t e r e i n e r R e i h e v o n a n d e r e n G r ü n d e n v o r a l l e m zwei g e n a n n t : 1. L o g i k ist die a l l g e m e i n s t e E r k e n n t n i s des D e n k e n s , d e r ratio, d e r V e r n u n f t ; sie v e r s c h a f f t d e m n a c h d e n w e i t e s t e n E i n blick in die S t r u k t u r d e r V e r n u n f t . 2. L o g i k gilt, als d i e s e E r k e n n t n i s d e r ratio, selbst als d i e r a t i o n a l s t e u n d d a m i t s t r e n g s t e E r k e n n t n i s ; sie ist d e m g e m ä ß die sicherste a l l g e m e i n s t e E r k e n n t n i s d e r V e r n u n f t . Aus diesen zwei G r ü n d e n , die f a s t zu e i n e r S e l b s t v e r s t ä n d lichkeit g e w o r d e n sind, l e g t sie sich o h n e w e i t e r e s als d e r geeignete Leitfaden n a h e f ü r eine Kritik der reinen Vernunft. Dazu: E r k e n n e n ist U r t e i l e n , d e n k e n d e s B e s t i m m e n .
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D e n k e n ist das O b e r s t e u n d L e t z t e u n d E i g e n t l i c h e . ( D a m i t a b e r ist a u c h k e i n A u s k o m m e n : P s y c h o l o g i s c h e A n t h r o p o l o g i e , sogar E i n b i l d u n g s k r a f t ) . D i e A u s a r b e i t u n g u n d S i c h e r u n g des Feldes, d a r i n K a n t sich b e w e g t , w i r d diesen t r a d i t i o n e l l e n D i s z i p l i n e n i n die H a n d geg e b e n . N u n ist es a n sich s c h o n e i n f r a g w ü r d i g e s U n t e r f a n g e n , bei e i n e r G r u n d l e g u n g d e r M e t a p h y s i k die L o g i k als L e i t f a d e n zu ü b e r n e h m e n , a u c h d a n n , w e n n sie auf S c h r i t t u n d T r i t t ad hoc korrigiert werden m u ß u n d wird. Diese Fragwürdigkeit s t e i g e r t sich a b e r n o c h w e s e n t l i c h , w e n n w i r b e d e n k e n , d a ß g e r a d e die L o g i k in d e r G e s t a l t , w i e sie K a n t vorlag, auf völlig u n g e k l ä r t e n m e t a p h y s i s c h e n V o r a u s s e t z u n g e n r u h t , die m i t d e m g e s c h i c h t l i c h e n U r s p r u n g d i e s e r L o g i k a u s der a n t i k e n M e t a p h y s i k z u s a m m e n h ä n g e n . D i e s e V o r a u s s e t z u n g e n d e r Logik, ja i h r Begriff selbst, w u r d e n n o c h n i e z u m P r o b l e m gemacht, u n d nie wurden die grundsätzlichen Probleme erwogen, d a ß u n d w i e d i e L o g i k als solche i n d e r M e t a p h y s i k g r ü n d e t , d . h . i m m e r n u r z u m S c h e i n sich g l e i c h s a m r e i n aus sich selbst e n t w i c k e l n l ä ß t . Ü b e r dieses F a k t u m darf u n s n i c h t h i n w e g t ä u s c h e n , d a ß K a n t s e i n e r L o g i k e i n e s e h r d u r c h s i c h t i g e schulmäßige Form gegeben hat. M i t diesem ungeklärten u n d u n b e f r a g t e n Vorrang der Logik selbst in d e r P r o b l e m s t e l l u n g d e r » K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t « h ä n g t es n u n z u s a m m e n , d a ß g e r a d e d e r Ü b e r g a n g zur G r u n d l e g u n g d e r M e t a p h y s i c a specialis g e w a l t s a m u n d k ü n s t l i c h b l e i b e n m u ß , so s e h r i m e i n z e l n e n d a r i n W e s e n t l i c h e s i n aller K l a r h e i t e n t w i c k e l t ist. D a s gilt i n s b e s o n d e r e v o n d e r A r t der E i n f ü h r u n g d e r »Idee«. M i t d e r L e h r e von d e n G r u n d s ä t z e n s c h e i n t d i e e i g e n t l i c h e Aufgabe: wie sind synthetische Erkenntnisse a priori möglich? gelöst. D e n n es ist n i c h t n u r das W e s e n dieser ü b e r h a u p t g e k l ä r t u n d d e r G r u n d d e r i n n e r e n M ö g l i c h k e i t a u f g e h e l l t , s o n d e r n sie sind selbst h e r a u s g e s t e l l t i n i h r e r G e s a m t h e i t als d i e j e n i g e n E r k e n n t n i s s e , die die M ö g l i c h k e i t v o n E r f a h r u n g a u s m a c h e n . Sie e n t h a l t e n das, was zur S e i n s v e r f a s s u n g des S e i e n d e n g e h ö r t ,
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das d e m e n d l i c h e n W e s e n M e n s c h z u g ä n g l i c h ist. K a n t n e n n t die m ö g l i c h e E r k e n n t n i s des z u g ä n g l i c h e n S e i e n d e n E r f a h r u n g ; » E r f a h r u n g « ist d o p p e l d e u t i g : G e m e i n t ist das E r f a h r e n u n d a u c h das E r f a h r e n e selbst. d) K a n t s Begriff d e r >Idee< U n t e r d e n Vorstellungen, A n s c h a u u n g e n u n d Begriffen, die zu dieser· Möglichkeit der E r f a h r u n g gehören, k o m m t der Begriff der Welt n i c h t vor. »Welt« ist w e d e r r e i n e A n s c h a u u n g , noch r e i n e r Begriff (notio), noch Kategorie als die in d e r r e i n e n Zeit darstellbare Notion. Gleichwohl ist der Begriff »Welt« k e i n beliebiger, sondern e i n e n o t w e n d i g e Vorstellung eigener Art, eine Idee. W i r m ü s s e n d a h e r jetzt f r a g e n : 1. Was v e r s t e h t K a n t u n t e r Idee? 2. W i e e r g i b t sich f ü r K a n t die N o t w e n d i g k e i t v o n Ideen? 3. Was b e d e u t e t es f ü r die Fassung des Weltbegriffs, w e n n e r als e i n e I d e e b e s t i m m t wird? 4. W e l c h e g r u n d s ä t z l i c h e n P r o b l e m e e r w a c h s e n aus dieser Fassung des W e l t p h ä n o m e n s ? Ad 1. u n d 2. E r f a h r u n g bzw. das in der E r f a h r u n g sich g e b e n d e Seiende ist n o t w e n d i g i m v o r h i n e i n d u r c h die t r a n s z e n d e n t a l e n G r u n d s ä t z e b e s t i m m t . Bei all dieser B e s t i m m t h e i t ist d o c h alle E r f a h r u n g i h r e m Wesen n a c h unvollständig, w e i l zu i h r e m Wesen gehört, d a ß Seiendes von sich aus b e g e g n e t , g e g e b e n w e r d e n m u ß u n d die M ö g l i c h k e i t des G e g e b e n w e r d e n s v o n bislang n i c h t E r f a h r e n e m , die N o t w e n d i g k e i t e i n e r jeweils e i n z e l n e n f a k t i schen G e b u n g z u m W e s e n v o n E r f a h r u n g g e h ö r t . G e g e b e n w e r den — ein G e s c h e h e n u n d Vorgang zugleich, C o m m e r c i u m beider, faktisch. O b z w a r die E r f a h r u n g selbst als E m p f a n g e n ontologisch b e s t i m m t ist, b l e i b t sie doch u n v o l l s t ä n d i g u n d zufällig. D i e E i n heit des G e g e b e n e n ist i m m e r n u r e i n e empirische, aus d e m , was sich g e r a d e gibt, sich b e s t i m m e n d e ; diese » b e d i n g t « e m p i r i s c h e E i n h e i t k a n n a b e r e b e n jederzeit i n u n d d u r c h das G e g e b e n e vorgestellt w e r d e n .
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D i e E r k e n n t n i s u n d Synthesis d e r G e g e n s t ä n d e m ö g l i c h e r Erf a h r u n g ist »jederzeit b e d i n g t « (A 308, B 365). Z w a r liegt i m Begriff des B e d i n g t e n analytisch d e r d e r B e d i n g u n g . Aber d a m i t ist n o c h n i c h t gesagt, d a ß w e n n das B e d i n g t e g e g e b e n sei, auch die B e d i n g u n g — dazu »die ganze R e i h e e i n a n d e r u n t e r g e o r d n e t e r B e d i n g u n g e n , die m i t h i n selbst u n b e d i n g t ist« (A 307 f., B 364) g e g e b e n sei. E i n Satz, d e r so etwas aussagt, ist ein s y n t h e t i s c h e r Satz, u n d zwar r e i n aus der I d e e d e r V e r n u n f t als V e r m ö g e n des Schließens u n d d e r Prinzipien. E i n e solche E r k e n n t n i s a b e r — synthetisch u n d aus r e i n e r V e r n u n f t — n e n n t K a n t Prinzip schlechthin. » I d e e n « n u n » e n t h a l t e n e i n e gewisse Vollständigkeit, zu w e l c h e r k e i n e m ö g l i c h e e m p i r i s c h e E r k e n n t n i s zulangt, u n d die V e r n u n f t h a t d a b e i n u r e i n e systematische E i n h e i t i m Sinne, w e l c h e r sie die e m p i r i s c h m ö g l i c h e E i n h e i t zu n ä h e r n sucht, o h n e sie jemals völlig zu e r r e i c h e n « (A 567/8, B 595/6). »Ich v e r s t e h e a b e r u n t e r e i n e m S y s t e m e die E i n h e i t d e r m a n n i g f a l t i g e n E r k e n n t n i s s e u n t e r e i n e r Idee. Diese ist d e r V e r n u n f t b e g r i f f v o n d e r F o r m eines G a n z e n , sofern d u r c h d e n s e l b e n d e r U m f a n g d e s , M a n n i g f a l t i g e n s o w o h l als die Stelle der Teile u n t e r e i n a n d e r a priori b e s t i m m t w i r d . « (A 832, B 860) D i e I d e e stellt ein Ganzes, die G a n z h e i t eines G a n z e n vor, das als solches n i e empirisch zu d u r c h m e s s e n u n d zu g e w i n n e n ist. Die I d e e ü b e r s p r i n g t also i m v o r h i n e i n jedes m ö g l i c h e empirische Ganze; die i n d e r I d e e vorgestellte G a n z h e i t (Totalität) ist solche n i c h t in n u r einer b e s t i m m t e n Hinsicht, sondern in jeder Hinsicht, i n aller Absicht, d.h. absolut. »Absolut« g e b r a u c h t K a n t n a c h ausdrücklicher E r l ä u t e r u n g des Begriffs (A 324 f., B 380 f.) in der B e d e u t u n g von »in jeder Beziehung«, »schlechthin«. Idee ist die vorgängige Vorstellung e i n e r absoluten Totalität. (Vgl. in Kants Dissertation das von »Welt« Gesagte; siehe oben S. 251 f.) N u n ist e n t s c h e i d e n d zu v e r s t e h e n , w o r a u f sich e i n e solche I d e e bezieht. » D a s absolute G a n z e aller E r s c h e i n u n g e n ist n u r e i n e Idee, d e n n d a w i r d e r g l e i c h e n n i e m a l s i m Bilde e n t w e r f e n k ö n n e n , so bleibt es ein P r o b l e m o h n e alle A u f l ö s u n g « (A 328,
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B 384). D i e in der Vorstellung e i n e r absoluten Totalität l i e g e n d e E i n h e i t bezieht sich also n i e auf das jeweils a n s c h a u l i c h G e g e b e n e als solches; freilich s t e h t dieses i m m e r schon i n e i n e r E i n h e i t der j e w e i l i g e n E r f a h r u n g , u n d diese E i n h e i t ist b e s t i m m t d u r c h die G r u n d s ä t z e des Verstandes. W e n n sonach die I d e e e i n e n o c h h ö h e r e , aber a n s c h a u l i c h n i c h t darstellbare E i n h e i t b r i n g t , so k a n n sich diese n u r auf d i e E i n h e i t des Verstandes, d . h . d e r Synthesis desselben beziehen. Verstand ist das V e r m ö g e n des Ich verbinde; ich d e n k e = i c h v e r b i n d e = ich urteile. D i e I d e e h a t d e m n a c h die F u n k t i o n , d e m Verstand »die R i c h t u n g auf e i n e gewisse E i n h e i t vorzuschreiben, von d e r der Verstand k e i n e n Begriff h a t , u n d die darauf h i n a u s g e h t , alle Vers t a n d e s h a n d l u n g e n , i n A n s e h u n g eines j e d e n G e g e n s t a n d e s , in e m absolutes Ganzes z u s a m m e n z u f a s s e n « (A 326/7, B 383). So w i e ' d e r Verstand das M a n n i g f a l t i g e d e r A n s c h a u u n g u n t e r Beg r i f f e u n d d a d u r c h jenes in V e r k n ü p f u n g b r i n g t , so b r i n g t die I d e e d i e M a n n i g f a l t i g k e i t d e r R e g e l n des Verstandes u n d d a m i t diesen » m i t sich selbst in d u r c h g ä n g i g e n Z u s a m m e n h a n g « (A 305, B 362). I d e e n sind d a h e r n i e u n m i t t e l b a r auf A n s c h a u u n g bezögen, s o n d e r n i m m e r auf d e n Verstand u n d das, was er als Vermögen d e r Begriffe, d e r Synthesis einigt, auf Verstandeseinheit (A 307, B 363). D a s ist w e s e n t l i c h f ü r die w e i t e r e Bestimm u n g , die K a n t d e r I d e e gibt. Diese I d e e n aber - als Vorstellungen einer a b s o l u t e n T o t a l i t ä t »sind n i c h t w i l l k ü r l i c h erdichtet, s o n d e r n d u r c h d i e N a t u r d e r V e r n u n f t selbst a u f g e g e b e n , u n d b e z i e h e n sich d a h e r n o t w e n d i gerweise auf d e n g a n z e n Verstandesgebrauch« (A 327, B 384). Sie sind (A 329, B 385): ». . . keinesweges f ü r ü b e r f l ü s s i g u n d n i c h t i g a n z u s e h e n . . .« D i e I d e e n sind n o t w e n d i g e Begriffe, u n d zwar der V e r n u n f t . Sie g e h ö r e n zur N a t u r derselben. (Vgl. S. 284, Stufenleiter.) Welches ist das W e s e n der Vernunft? K a n t sagt: » W i r erkläreten, i m e r s t e r e n Teile u n s e r e r t r a n s z e n d e n t a l e n Logik, d e n Verstand d u r c h das V e r m ö g e n d e r R e g e l n ; hier u n t e r s c h i e d e n w i r die V e r n u n f t v o n d e m s e l b e n d a d u r c h , d a ß w i r sie das V e r m ö g e n der
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Weltanschauung und, W e l t b e g r i f f
Prinzipien n e n n e n w o l l e n « (A 299, B 356). D i e B e s t i m m u n g von Verstand u n d V e r n u n f t i n d e r »Kritik der r e i n e n V e r n u n f t « ist s c h w a n k e n d . U n d was h e i ß t »Prinzip«? D e r A u s d r u c k ist n a c h K a n t »zweideutig« (A 300; B ib.). » E i n jeder a l l g e m e i n e r Satz, er m a g a u c h sogar aus E r f a h r u n g ( d u r c h I n d u k t i o n ) h e r g e n o m m e n sein, k a n n z u m Obersatz i n e i n e m Vernunftschlusse d i e n e n ; er ist d a r u m aber n i c h t selbst e i n P r i n c i p i u m « (A 300, B 356). Vergleiche: Alle M e n s c h e n sind sterblich; A. ist ein Mensch; A. ist sterblich. Jeder V e r n u n f t s c h l u ß ist »eine F o r m der A b l e i t u n g e i n e r E r k e n n t n i s aus e i n e m Princip«; (A 300, B 357). D e r allgem e i n e Satz f u n g i e r t als Prinzip, w o r a u s geschlossen w i r d , d . h . in d e m Obersatz des Schlusses, Princip, ist festgelegt bzw. gesucht »die allg e m e i n e B e d i n g u n g ihres Urteils (des Schlußsatzes) . . .« (A 307, B 364). D i e Absicht d e r V e r n u n f t i n diesen Schlüssen g e h t also d a h i n : ». . . zu d e m b e d i n g t e n E r k e n n t n i s s e des Verstandes das U n b e d i n g t e zu f i n d e n , w o m i t die E i n h e i t desselben vollendet w i r d « (ebd.). D e r S c h l u ß als Weise des D e n k e n s wird so als e i n e f o r m a l e G r u n d t e n d e n z z u m U n b e d i n g t e n g e n o m m e n . Also n i c h t jeder a l l g e m e i n e Satz ist s c h l e c h t h i n u n d eigentlich Prinzip. Selbst die G r u n d s ä t z e des r e i n e n Verstandes sind n i c h t eigentlich Prinzip i e n , s o n d e r n f u n g i e r e n n u r als solche, z.B. d e r Satz d e r Kausalität: » D a ß alles, was geschieht, e i n e Ursache h a b e , k a n n g a r n i c h t aus d e m B e g r i f f e dessen, was ü b e r h a u p t geschieht, geschlossen w e r d e n « (A 301, B 357). Diese Sätze, obzwar a priori, sind i m m e r auf r e i n e A n s c h a u u n g bezogen. » S c h l e c h t h i n Prinzipien« sind » s y n t h e t i s c h e E r k e n n t n i s s e aus B e g r i f f e n « (A 301, B 358). Diese B e g r i f f e m ü s s e n also a priori das U n b e d i n g t e e n t h a l t e n , dasjenige, in d e m sich die je b e d i n g t e E i n h e i t d e r Verstandeserkenntnis s c h l e c h t h i n vollendet; diese B e g r i f f e d e r a b s o l u t e n Totalität aber sind die I d e e n . So ist d e n n die I d e e als r e i n e r V e r n u n f t b e g r i f f »kein a n d e r e r als d e r von d e r Totalität d e r B e d i n g u n g e n zu e i n e m g e g e b e n e n B e d i n g t e n . D a n u n das U n b e d i n g t e allein die Totalität d e r Bed i n g u n g e n m ö g l i c h m a c h t , u n d u m g e k e h r t die Totalität der
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Bedingungen jederzeit selbst u n b e d i n g t ist, so k a n n ein r e i n e r Vernunftbegriff ü b e r h a u p t d u r c h d e n Begriff des U n b e d i n g t e n , sofern er e i n e n G r u n d d e r Synthesis des B e d i n g t e n e n t h ä l t , erklärt w e r d e n « (A 322, B 379). » M a n sieht leicht, d a ß die r e i n e Vernunft n i c h t s anderes zur Absicht h a b e , als die absolute Totalität der Synthesis auf d e r Seite der B e d i n g u n g e n . . ., u n d d a ß sie m i t der absoluten Vollständigkeit v o n Seiten des B e d i n g t e n nichts zu s c h a f f e n h a b e . D e n n n u r allein j e n e r bedarf sie, u m die ganze R e i h e der B e d i n g u n g e n vorauszusetzen u n d sie d a d u r c h d e m Verstände a priori zu g e b e n « (A 336, B 393). » W e n n sie [die Vern u n f t b e g r i f f e , die I d e e n ] das U n b e d i n g t e e n t h a l t e n , so b e t r e f f e n sie etwas, w o r u n t e r alle E r f a h r u n g gehört, welches selbst a b e r n i e m a l s ein G e g e n s t a n d der E r f a h r u n g ist: etwas, w o r a u f die V e r n u n f t in i h r e n Schlüssen aus d e r E r f a h r u n g f ü h r t , u n d w o n a c h sie d e n G r a d i h r e s e m p i r i s c h e n G e b r a u c h s schätzet u n d abmisset, n i e m a l s aber ein G l i e d d e r e m p i r i s c h e n Synthesis a u s m a c h t « (A 311, B 367/8). K a n t n e n n t d a h e r die I d e e n , w e i l sie d e n V e r n u n f t s c h l ü s s e n als solchen e n t s p r e c h e n d e B e g r i f f e sind, »geschlossene B e g r i f f e « i m U n t e r s c h i e d v o n d e n r e i n e n Verstandesbegriffen, die »bloß reflektierte« sind; sie e n t h a l t e n »nichts weiter, als die E i n h e i t der R e f l e x i o n ü b e r die E r s c h e i n u n g e n , i n s o f e r n sie n o t w e n d i g zu e i n e m m ö g l i c h e n e m p i r i s c h e n B e w u ß t s e i n g e h ö r e n sollen« (A 310, B 367). » I d e e n « sind »geschlossene Begriffe, d e r e n Geg e n s t a n d e m p i r i s c h g a r n i c h t g e g e b e n w e r d e n k a n n . . .« (A 333, B 390). I d e e n — n o c h u r s p r ü n g l i c h e r u n d r e i n e r e n t s p r i n g e n d aus V e r n u n f t — d o k u m e n t i e r e n selbst die V e r n u n f t u r s p r ü n g l i c h e r . W i r fassen diese a l l g e m e i n e C h a r a k t e r i s t i k des k a n t i s c h e n Begriffes der I d e e in f ü n f P u n k t e n z u s a m m e n . 1. Idee ist e i n e »Vorstellungsart« (A 319f., B 376f.). Sie u n tersteht also d e r a l l g e m e i n e n G a t t u n g »Vorstellung ü b e r h a u p t « (repraesentatio). D e r A r t c h a r a k t e r d e r I d e e als Vorstellungsart, die spezifische Weise des Vorstellens (ίδεΐν), w i r d aus f o l g e n d e r »Stufenleiter« sichtbar, die K a n t a.a.O. kurz darstellt.
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Weltanschauung und, W e l t b e g r i f f Vorstellung
überhaupt
(repraesentatio)
Vorstellung mit Bewußtsein, »perceptio«, ( » W a h r n e h m u n g « ) ; W i s s e n u m das Vorstellen, u n d d . h . das Vorgestellte als solches; Vorstellung e i g e n s g e h a b t — als sich b e z i e h e n d a u f . . .
Empfindung (sensatio) b e z i e h t sich l e d i g l i c h auf das S u b j e k t als M o d i f i k a t i o n seines Z u s t a n d e s (stellt S u b j e k t z u s t a n d vor), » i n n e r e W a h r n e h m u n g « (B
Anschauung (intuitus) repraesentatio singularis, u n m i t t e l b a r u n d einzeln
empirische Begriffe vermittelst Vergleichung
Ursprung im reinen Bild d e r S i n n l i c h k e i t (Kategorie)
Erkenntnis (cognitio) objektive Perception, stellt G e g e n s t ä n d e vor
Begriff
(conceptus) repraes. p e r not. c o m m . , mittelbar und allgemein
reine Begriffe a priori, a u c h d e m I n h a l t n a c h i m Verstand
U r s p r u n g lediglich i m Verstände: Notio
Idee »Begriff aus N o t i o n e n , d e r die Möglichkeit der E r f a h r u n g ü b e r s t e i g t . . .« (A 3 2 0 / B 377), Vernunftbegriff
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2. I d e e i m H i n b l i c k a u f das i n i h r als Vorstellen Vorgestellte: s c h l e c h t h i n n i g e G a n z h e i t , u n d z w a r d e r S y n t h e s i s des Verstandes, s y n t h e t i s c h e B e g r i f f e . 3. Als V e r n u n f t b e g r i f f ist sie e i n »geschlossener«, a p r i o r i z u m V e r n u n f t s c h l u ß als s o l c h e m g e h ö r i g e r B e g r i f f , d e r als synt h e t i s c h e r die T o t a l i t ä t d e r B e d i n g u n g e n d e r S y n t h e s i s , d . h . e b e n das U n b e d i n g t e g i b t . 4. D i e s e r s y n t h e t i s c h e V e r n u n f t b e g r i f f ist als P r i n z i p schlechthin a priori u n d d a h e r richtungvorschreibend u n d gleichwohl grundsätzlich anschaulich unerfüllbar. 5: D i e R e a l i t ä t dieses B e g r i f f s ist k e i n e o b j e k t i v e , d . h . k e i n e e m p i r i s c h e , s o n d e r n e i n e t r a n s z e n d e n t a l e , die a p r i o r i s c h e Bedingung der Möglichkeit der apriorischen Gegenstandsbezog e n h e i t ( S y n t h e s i s ) b e t r e f f e n d e r Begriff. 1 0 » R e a l i t ä t [ S a c h h e i t ] ist i m r e i n e n V e r s t a n d e s b e g r i f f e das, was e i n e r E m p f i n d u n g ü b e r h a u p t k o r r e s p o n d i e r t ; d a s j e n i g e also, d e s s e n B e g r i f f a n sich selbst e i n S e i n (in d e r Z e i t ) anzeigt. N e g a t i o n , d e s s e n B e g r i f f ein N i c h t s e i n (in d e r Z e i t ) vorstellt« (A 143, B 182); » t r a n s z e n d e n tale Materie«. K a n t s B e g r i f f d e r I d e e b e s a g t also: das apriorische, R i c h t u n g v o r s c h r e i b e n d e , a n s c h a u l i c h n i c h t e r f ü l l b a r e , d e r Verstandessynthesis als solcher E i n h e i t g e b e n d e , b e g r i f f l i c h e Vorstellen d e r a b s o l u t e n T o t a l i t ä t als e i n e s G r u n d e s d e r S y n t h e s i s des B e d i n g ten,! d . h . b e g r i f f l i c h e s , t r a n s z e n d e n t a l reales Vorstellen 1 1 des Un-bedingten. 10 Realitas = determinatio (praedicativa) positiva vera. Realsein nach Kant (A 583, B 611 Anmerkung) heißt, etwas zum Objekt machen, etwas, worunter etwas Aussagbares gegeben. Davon ist zu scheiden: »hypostasieren«, »personifizieren«. Realität: empirische (objektive und subjektive) Realität (A 37, B 53), »innere Erfahrung«; Realität: absolute, schlechthin den Dingen zukommend als Bedingung bzw. Eigenschaft; Realität: transzendentale (A 36, B 53): »bloß subjektive«. 11 Vorstellen: Vergegenwärtigung (Darstellen — im neueren weiten Sinne etwas durch ein anderes) des Zusammengesetzten, Mannigfaltigen im Einfachen, Einen; vgl. Leibniz: V. Brief an Clarke n. 85. Principes de la nature et de la grâce, n. 2. Konzentrierendes Darstellen ist die Grundkraft des Vorstellens. Ki nheit einfach bezüglich der Objekte a) unmittelbar, b) mittelbar — und
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Ad 3. (Vgl. o b e n S. 279). Was b e d e u t e t es f ü r die F a s s u n g des W e l t b e g r i f f e s , w e n n er als e i n e I d e e b e s t i m m t w i r d ? D i e s e F r a g e e r f o r d e r t zuvor e i n e k u r z e E r ö r t e r u n g d a r ü b e r , i n w i e f e r n sich f ü r Kant ü b e r h a u p t eine Mannigfaltigkeit von Ideen ergibt und i n w i e f e r n » W e l t « e i n e u n t e r d i e s e n ist. D i e I d e e n s i n d als r e i n e geschlossene B e g r i f f e i h r e m allgem e i n s t e n W e s e n n a c h V o r s t e l l u n g e n , u n d z w a r cognitiones. V o r s t e l l u n g e n als solche h a b e n » B e z i e h u n g e n « m i t B e w u ß t s e i n , »sie b e z i e h e n sich auf . . .«; das W o r a u f d e r B e z i e h u n g stellt sich i n V o r s t e l l u n g e n selbst d a r . K a n t sagt d e m e n t s p r e c h e n d (A 333/ 4, B 390/1): » N u n ist das A l l g e m e i n e aller B e z i e h u n g , die u n s e r e V o r s t e l l u n g e n h a b e n k ö n n e n , 1. die B e z i e h u n g a u f s S u b j e k t , 2. die B e z i e h u n g auf O b j e k t e , u n d z w a r e n t w e d e r erstlich als Ers c h e i n u n g e n , oder als G e g e n s t ä n d e des D e n k e n s ü b e r h a u p t . W e n n m a n diese U n t e r e i n t e i l u n g m i t d e r o b e r e n v e r b i n d e t , so ist alles V e r h ä l t n i s d e r V o r s t e l l u n g e n , d a v o n w i r u n s e n t w e d e r e i n e n B e g r i f f , oder I d e e m a c h e n k ö n n e n , d r e i f a c h : 1. das Verh ä l t n i s z u m S u b j e k t , 2. z u m M a n n i g f a l t i g e n des O b j e k t s i n der E r s c h e i n u n g , 3. zu a l l e n D i n g e n ü b e r h a u p t . « D a s A l l g e m e i n e aller B e z i e h u n g , d . h . das, w o r a u f sie sich ü b e r h a u p t b e z i e h e n k a n n , ist d r e i f a c h : a b e r die H i n s i c h t e n dieser D r e i h e i t sind s c h o n v e r s c h i e d e n ; a) S u b j e k t oder O b j e k t : H i n s i c h t n a c h d e m Was, W o r a u f ; b) O b j e k t q u a E r s c h e i n u n g oder q u a D i n g a n sich: H i n s i c h t n a c h d e r M ö g l i c h k e i t des endl i c h e n bzw. u n e n d l i c h e n Vorstellens, das p r o d u k t i v e s c h l e c h t h i n u n d das » r e p r o d u k t i v e « . D r e i G e b i e t e m ö g l i c h e r Synthesis, die G e b i e t e m ö g l i c h e r T o t a l i t ä t . E n t s p r e c h e n d ist das b e g r i f f l i c h e , dabei ist dieser Begriff, kaum ideiert, gleich objektiv genommen, gleichsam objektiv: d.h. unbestimmt. D i e ontologische [.. .]* dieses Konzentrierendseins in eins mit Darstellendseins — ohne die ganz eigene Problematik der Transzendenz zu sehen. Perceptw — eine repraesentatio mit Bewußtsein, ein konzentrierendes Darstellen: für sich, ein solches, das sich beziehen bzw. auf sich konzentrieren kann. Das Darstellen ist nicht nur ein gewußtes, sondern als solches »mit Bewußtsein«, ein wissendes Gewahrwerden, »Wahrnehmung«. * Anm. d. Hg.: Em Wort fehlt im Manuskript, vermutlich: Grundkraft.
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i d e i e r e n d e Vorstellen d r e i f a c h u n d es gibt d r e i Klassen v o n I d e e n . D i e e r s t e Klasse d e r I d e e g e h t auf die u n b e d i n g t e E i n h e i t des d e n k e n d e n S u b j e k t s , die zweite auf die u n b e d i n g t e E i n h e i t der R e i h e d e r B e d i n g u n g e n d e r E r s c h e i n u n g e n , die d r i t t e auf die a b s o l u t e E i n h e i t d e r B e d i n g u n g aller G e g e n s t ä n d e des D e n kens überhaupt. Diese Dreiheit wird n u r aufgezählt, nicht m e h r b e g r i f f e n aus T r a n s z e n d e n z , vgl. das G r ü n d e n . »Das d e n k e n d e S u b j e k t ist d e r G e g e n s t a n d d e r Psychologie, der I n b e g r i f f aller E r s c h e i n u n g e n (die W e l t ) d e r G e g e n s t a n d der K o s m o l o g i e [ens c r e a t u m , E n d l i c h k e i t , » t r a n s z e n d e n t a l e W e l t w i s s e n s c h a f t « ] , u n d das D i n g , w e l c h e s die oberste B e d i n gung der Möglichkeit von allem, was gedacht werden kann, e n t h ä l t (das W e s e n aller W e s e n ) , d e r G e g e n s t a n d d e r T h e o l o gie« (A 334, B 391). M i t h i n w e r d e n die d r e i D i s z i p l i n e n d e r M e t a p h y s i c a specialis aus d e r r e i n e n V e r n u n f t selbst e n t w i c k e l t . »Also gibt die r e i n e V e r n u n f t die I d e e zu e i n e r t r a n s z e n d e n t a l e n S e e l e n l e h r e (psychologia rationalis), zu e i n e r t r a n s z e n d e n t a l e n W e l t w i s s e n s c h a f t (cosmologia rationalis), e n d l i c h a u c h zu e i n e r transzendentalen Gotteserkenntnis (theologia transcendentalis) an d i e H a n d . « (A 3 3 4 / 5 , B 3 9 1 / 2 ) » D e r b l o ß e E n t w u r f sogar < . .« ist g a r n i c h t s aus d e m Verstand D e d u z i e r b a r e s , »sond e r n ist l e d i g l i c h e i n r e i n e s u n d e c h t e s P r o d u k t , o d e r P r o b l e m der r e i n e n V e r n u n f t « (A 335, B 392). R e i n e V e r n u n f t = d i e a priori s y n t h e t i s c h e V e r n u n f t . D a m i t h a b e n die B e g r i f f e W e l t u n d K o s m o l o g i e i h r e system a t i s c h e R e c h t f e r t i g u n g e r h a l t e n ; zugleich a b e r ist d e r t r a d i t i o n e l l e B e g r i f f der M e t a p h y s i c a specialis a u f g e n o m m e n u n d doch v e r w a n d e l t . (Vgl. » K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t « , A n m e r k u n g in B zu S. 395.) Von d e n I d e e n ist » k e i n e o b j e k t i v e D e d u k t i o n m ö g l i c h « (vgl. A 336, B 393), d. h. W e s e n s e r h e l l u n g e r g i b t sich aus d e m W e s e n der B e z i e h u n g auf O b j e k t e ü b e r h a u p t u n d w a s dazu g e h ö r t . Ideen haben grundsätzlich unter den Objekten keinen kongrue n t e n G e g e n s t a n d ; es g i b t k e i n O b j e k t f ü r sie; w i d e r d e n B e g r i f f des Objekts. W i e b e i d e , s u b j e k t i v e u n d o b j e k t i v e D e d u k t i o n
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z u s a m m e n g e h ö r e n — T r a n s z e n d e n z , u n d z w a r ontisch-ontologisch. T r a n s z e n d e n z ist e b e n z u g l e i c h u n d als solche U r s p r u n g der ontologischen Differenz. W e n n a u c h k e i n e o b j e k t i v e D e d u k t i o n m ö g l i c h ist, so » k o n n t e n w i r « w o h l » a b e r e i n e s u b j e k t i v e A n l e i t u n g (Akad.-Ausg.: A b l e i t u n g ) d e r s e l b e n aus d e r N a t u r u n s e r e r V e r n u n f t [zweideut i g m i t Bezug auf G e g e n s t ä n d e u n d a u f F u n k t i o n des Schließ e n s ] [vgl. A X V I I ] u n t e r n e h m e n . . .« (A 336, B 393). D e d u k t i o n d e r drei Klassen aus d e r » F u n k t i o n d e r V e r n u n f t bei i h r e n Schlüssen«, k a t e g o r i s c h , h y p o t h e t i s c h , d i s j u n k t i v (A 3 2 1 / 2 , B 378). e ) W e l t als I d e e d e r T o t a l i t ä t d e r E r s c h e i n u n g e n : Korrelat der endlichen menschlichen Erkenntnis W e l t w i r d bei K a n t e i n m a l g e f a ß t als: » I n b e g r i f f aller Erschein u n g e n « (A 419, B 447), s o d a n n als » I n b e g r i f f aller G e g e n s t ä n d e m ö g l i c h e r E r f a h r u n g « (Was h e i ß t : sich i m D e n k e n orientieren? 1786), das h e i ß t jetzt: d i e a p r i o r i a l l g e m e i n e Vorstellung d e r a b s o l u t e n T o t a l i t ä t des S e i e n d e n , s o f e r n es e i n e m e n d l i c h e n W e s e n z u g ä n g l i c h ist. »Es w e r d e n h i e r also E r s c h e i n u n g e n als g e g e b e n b e t r a c h t e t . . . « ( A 4 1 6 , B 443). E r s c h e i n u n g e n sind k o n s t i t u i e r t d u r c h ontologische E r k e n n t n i s — G r u n d s ä t z e — Synthesis. » I c h n e n n e alle t r a n s z e n d e n t a l e n I d e e n , s o f e r n sie die a b s o l u t e T o t a l i t ä t in d e r S y n t h e s i s d e r E r s c h e i n u n g e n b e t r e f f e n , W e l t b e g r i f f e , . . .« (A 4 0 7 / 8 , B 434). 1 2 W e l t b e g r i f f als I d e e ist n i c h t a u f e i n O b j e k t a n sich, s o n d e r n a u f E r s c h e i n u n g e n , d. h. a u f E i n h e i t d e r B e d i n g u n g e n d e r Synt h e s i s bezogen, u n d z w a r b e t r i f f t diese I d e e n u r »die aufsteig e n d e R e i h e d e r B e d i n g u n g e n « (A 4 0 9 / 1 0 , B 436). D i e s e I d e e n als B e g r i f f e v o n d e r W e l t — Kosmos. D i e s e n n e n n e n w i r a u c h
12 Begriff von der Welt - empirische Synthesis, Endlichkeit der Reception, Erfahrung. Begriffe von der Welt = Ideen, die die Weltlehre, Kosmologie, zum Thema haben — kosmologische Ideen.
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» N ä t u r « . D a h e r b e d a r f es e i n e r E r l ä u t e r u n g des U n t e r s c h i e d e s v o n ' W e l t u n d N a t u r (A 4 1 8 / 9 , B 4 4 6 / 7 ) . W e n n K a n t a u c h v o n W e l t b e g r i f f e n i n e n g e r e r u n d w e i t e r e r B e d e u t u n g s p r i c h t , so sind g l e i c h w o h l alle k o s m o l o g i s c h e n I d e e n W e l t b e g r i f f e . W e l t b e g r i f f e sind g e g e n ü b e r K a t e g o r i e n z w a r t r a n s z e n d e n t a l , g e g e n ü b e r d e n E r s c h e i n u n g e n i n s g e s a m t t r a n s z e n d e n t , d . h . relativ, t r a n s z e n d e n t ; sie s i n d z u g l e i c h t r a n s z e n d e n t u n d t r a n s z e n d e n t a l ; i h r e R e a l i t ä t ist t r a n s z e n d e n t a l , w e i l sie r e l a t i v t r a n s z e n d e n t s i n d zu E r s c h e i n u n g e n , g l e i c h w o h l d e r e n E i n h e i t als G a n z h e i t b e s t i m m e n . E s ist e i n e s u b j e k t i v e R e a l i t ä t , a b e r d o c h kosmologisch auf die S i n n e n w e l t bezogen; i m W e l t b e g r i f f ist die empirisch unbedingte Totalität der Erscheinungen (Objekte) gedacht, a b e r n o c h n i c h t das U n b e d i n g t e s c h l e c h t h i n . D i e u n b e d i n g t e T o t a l i t ä t q u a W e l t , das k o m m t h i e r z u m A u s d r u c k , h a t doch n o c h d e n w e s e n h a f t e n Bezug zu E r s c h e i n u n g e n , d . h . z u m S e i e n d e n , s o f e r n es e i n e m e n d l i c h e n W e s e n z u g ä n g l i c h ist. Obzwar I d e e , ist sie d o c h n o c h d u r c h i h r e n B e z u g zur e n d l i c h e n E r k e n n t n i s b e d i n g t . W e l t ist die I d e e d e r T o t a l i t ä t des S e i e n d e n , s o f e r n es d e m e n d l i c h e n E r k e n n e n z u g ä n g l i c h ist, sie ü b e r s t e i g t E r s c h e i n u n g e n u n d ist d o c h g e r a d e auf sie b e z o g e n . E n t s c h e i d e n d f ü r d e n W e l t b e g r i f f ist d e r w e s e n h a f t e Bezug zur E n d l i c h k e i t des n i c h t s c h ö p f e r i s c h e n W e s e n s ( M e n s c h ) . H i e r m i t k o m m t n u r z u m ontologisch g e k l ä r t e r e n A u s d r u c k , w a s der t r a d i t i o n e l l e W e l t b e g r i f f i m m e r s c h o n a n z e i g t d a m i t , d a ß er das ens c r e a t u m m e i n t . A b e r b e i K a n t s t e h t dieses g l e i c h s a m n i c h t a n sich — die e x i s t i e r e n d e n e n d l i c h e n D i n g e —, s o n d e r n i n seiner G e g e n s t ä n d l i c h k e i t g e r a d e a u c h f ü r K r e a t ü r l i c h e s . W e l t ist d i e T o t a l i t ä t d e r E r s c h e i n u n g e n , e i n e noch b e d i n g t e u n b e d i n g t e T o t a l i t ä t . W e l t ist die I d e e d e r G a n z h e i t des G e s c h a f f e n e n m d e r m ö g l i c h e n P e r s p e k t i v e eines seinerseits a u c h g e s c h a f f e n e n e r k e n n e n d e n Wesens. D a b e i k o m m t z u g l e i c h z u m Vorschein, d a ß die W e l t als I d e e dieser Totalität selbst d e r e n d l i c h e n V e r n u n f t i h r e n U r s p r u n g v e r d a n k t — ein D o p p e l g e s i c h t : T o t a l i t ä t der E r s c h e i n u n g e n , des S e i e n d e n selbst, u n d g l e i c h w o h l zur N a t u r des e n d l i c h e n S u b j e k t s g e h ö r i g . I m C o m m e r c i u m d e r
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e n d l i c h e n S u b s t a n z e n e x i s t i e r e n solche, die d i e a n d e r e n s i n n l i c h - v e r n ü n f t i g vorstellen, d . h . als E r s c h e i n u n g e n in d e r Totalität einer Welt erkennen. M i t d e r Vorstellung » W e l t « als I d e e ist z w a r e i n e u n b e d i n g t e Totalität gedacht m i t Rücksicht auf Erscheinungen, aber eben m i t R ü c k s i c h t auf diese, n i c h t die u n b e d i n g t e T o t a l i t ä t des Seie n d e n , s o f e r n es a u c h G e g e n s t a n d e i n e r u n b e d i n g t e n E r k e n n t nis, d . h . d e r s c h ö p f e r i s c h e n A n s c h a u u n g G o t t e s ist, i n t u i t u s o r i g i n a r i u s . Welt: d e r T i t e l f ü r e n d l i c h e m e n s c h l i c h e E r k e n n t nis, die Art des E r k e n n e n s , die C h a r a k t e r i s t i k des E r k e n n b a r e n — g e g e n ü b e r i h r : Ideal. f) I d e e u n d I d e a l . D i e v o l l e B e s t i m m t h e i t des W e l t b e g r i f f s als t r a n s z e n d e n t a l e s I d e a l W e n n w i r so d i e u n b e d i n g t e G a n z h e i t des S e i e n d e n a n sich setzten, d a n n ü b e r s t i e g e n w i r n i c h t n u r — w i e i m W e l t b e g r i f f — die empirische Einheit der Erscheinungen, wir verabsolutierten n i c h t n u r v o r w e g die G e g e n s t ä n d l i c h k e i t d e r , E r s c h e i n u n g e n , s o n d e r n w i r t r ä t e n ü b e r h a u p t aus d e r E r s c h e i n u n g u n d i h r e m B e z u g z u m S e i e n d e n h e r a u s u n d v e r s e t z t e n u n s g a n z i n die Vorstellung des s c h ö p f e r i s c h e n W e s e n s selbst i n s e i n e r schöpferischen Einheit u n d Ganzheit m i t d e m von i h m Erkannten. Mit d i e s e m Vorstellen des e i g e n t l i c h U n b e d i n g t e n a b e r ü b e r s t e i g e n w i r völlig die E n d l i c h k e i t , u n d »so w e r d e n d i e I d e e n t r a n s z e n d e n t « (A 565, B 593) s c h l e c h t h i n ; w i r ü b e r s t e i g e n n i c h t n u r i n n e r h a l b d e r e n d l i c h e n E r k e n n t n i s das in i h r G e g e b e n e als solches, s o n d e r n t r e t e n aus d e r e n d l i c h e n E r k e n n t n i s ü b e r h a u p t h e r a u s , » a u ß e r aller m ö g l i c h e n E r f a h r u n g « , a u c h n i c h t m e h r E r s c h e i n u n g e n b e t r e f f e n d , o b z w a r ü b e r s t e i g e n d w i e Welt. »Sob a l d w i r a b e r das U n b e d i n g t e ( u m das es doch e i g e n t l i c h zu t u n ist) i n d e m j e n i g e n setzen, w a s g a n z a u ß e r h a l b d e r S i n n e n w e l t , m i t h i n a u ß e r aller m ö g l i c h e n E r f a h r u n g ist, so w e r d e n die I d e e n t r a n s z e n d e n t . « (ebd.) W i r ü b e r s t e i g e n n i c h t n u r G e g e n s t ä n d e d e r e n d l i c h e n E r k e n n t n i s , - s o n d e r n diese als solche in eins
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m i t i h r e m B e z u g zu S e i e n d e m ; positiv: W i r setzen n i c h t n u r Seiendes a n sich, s o n d e r n n o t w e n d i g i n eins d a m i t die Vorstellung einer absoluten Erkenntnis. Hieraus erwächst eine Idee g a n z e i g e n e r Art, die K a n t das I d e a l n e n n t u n d i n f o l g e n d e r Weise g e g e n K a t e g o r i e n u n d I d e e n i m w e i t e r e n S i n n e a b g r e n z t . Kategorien haben objektive Realität, d.h. ihre Sachhaltigkeit l ä ß t sich, u n d z w a r a p r i o r i in d e n O b j e k t e n ( d e r a p r i o r i s c h e n A n s c h a u u n g Z e i t ) i n c o n c r e t o d a r s t e l l e n , d . h . aus d e m , w o r a u f diese B e g r i f f e i h r e m v o l l e n G e b r a u c h n a c h b e z o g e n sind; f r e i lich als r e i n e V e r s t a n d e s b e g r i f f e g e n o m m e n , isoliert-logisch, s i n d ' a u c h sie s c h o n n i c h t m e h r in c o n c r e t o d a r s t e l l b a r , a b e r d o c h als a p r i o r i e r s c h e i n u n g s b e z o g e n (A 567, B 595). » I d e e n a b e r sind n o c h w e i t e r v o n d e r o b j e k t i v e n R e a l i t ä t e n t f e r n t , als Kategorien; d e n n es k a n n k e i n e E r s c h e i n u n g g e f u n d e n w e r d e n , a n der sie sich i n c o n c r e t o v o r s t e l l e n l i e ß e n . « (ebd.) » A b e r n o c h weiter, als d i e I d e e , s c h e i n t d a s j e n i g e v o n d e r o b j e k t i v e n R e a lität e n t f e r n t zu sein, w a s ich das I d e a l n e n n e , u n d w o r u n t e r ich die Idee, n i c h t b l o ß i n concreto, s o n d e r n i n i n d i v i d u o , d. i. als e i n einzelnes, d u r c h die I d e e allein b e s t i m m b a r e s , oder g a r bes t i m m t e s D i n g , v e r s t e h e « (A 568, B 596). I d e a l : das Vorgestellte selbst, »das D i n g « a b s o l u t vor-gestellt als e i n z e l n e s b e s t i m m t e s , dasjenige, w a s d e m v o l l e n G e h a l t d e r I d e e e n t s p r i c h t , i n G e d a n k e n als s e i e n d , u n d z w a r e i n z e l n e s vorgestellt. Das I d e a l ist d a n n a) I d e e i n concreto, d . h . d e r Vorstellungsg e h a l t d e r I d e e ist als das S e i e n d e selbst s c h l e c h t h i n vorgestellt, d a r i n sie sich d a r s t e l l e n m u ß t e , b) dieses S e i e n d e als einzelnes, allein d u r c h d i e I d e e b e s t i m m t e s D i n g : das K o r r e l a t e i n e r absoluten A n s c h a u u n g — U r - b i l d ; das s e i e n d e u n b e d i n g t e G a n z e , das G a n z e des a n sich S e i e n d e n i n s e i n e r s e i e n d e n G a n z h e i t . F o r m a l e r G e g e n s t a n d des I d e a l s ist d a h e r n i c h t s a n d e r e s als der int'uitus o r i g i n a r i u s als s e i e n d e r i n s e i e n d e r E i n h e i t m i t d e m m i h m A n g e s c h a u t e n . — D e r C h a r a k t e r der I d e e g e s p r e n g t , k e i n b e g r i f f , d e r i m m e r » A l l g e m e i n h e i t « ; f o r m a l d a r g e b r a c h t als r e p r a e s e n t a t i o singularis. K a n t b e m e r k t n u n s c h o n bei d e r K e n n z e i c h n u n g des W e l t -
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b e g r i f f e s (A 4 0 7 / 8 , B 4 3 4 / 5 ) , d a ß dieser auf d i e S y n t h e s i s der B e d i n g u n g e n d e r E r s c h e i n u n g e n g e h t , »da h i n g e g e n die absol u t e Totalität, i n d e r S y n t h e s i s d e r B e d i n g u n g e n aller m ö g l i c h e n D i n g e überhaupt, ein Ideal der reinen Vernunft veranlassen w i r d , w e l c h e s v o n d e m W e l t b e g r i f f e g ä n z l i c h u n t e r s c h i e d e n ist, ob es gleich d a r a u f in B e z i e h u n g s t e h t « (ebd.). W i r s e h e n d e m n a c h , h i e r ist n o c h e i n e g ä n z l i c h a n d e r e u n d h ö h e r e I d e e als W e l t b e g r i f f u n d g l e i c h w o h l dieser d a r a u f b e z o g e n . M i t h i n erh a l t e n w i r erst von der I d e e als I d e a l d i e volle B e s t i m m t h e i t u n d d e n s y s t e m a t i s c h e n O r t des W e l t b e g r i f f e s . D i e I d e e u n d g a r das I d e a l h a b e n g e g e n ü b e r der K a t e g o r i e i m m e r w e n i g e r o b j e k t i v e R e a l i t ä t u n d w a c h s e n d m e h r subjekt i v e R e a l i t ä t , s o f e r n h i e r ü b e r h a u p t von G r a d a b s t u f u n g e n gesprochen werden kann. Das Ideal h a t rein subjektive Realität h e i ß t a b e r zugleich: I n i h m b e k u n d e t sich das i n n e r s t e W e s e n des S u b j e k t e s d e r r e i n e n e n d l i c h e n m e n s c h l i c h e n V e r n u n f t . Bei d e r K a n t i n t e r p r e t a t i o n ist g r u n d s ä t z l i c h zu b e a c h t e n , d a ß diej e n i g e n I d e e n des Vorstellens d e r V e r n u n f t , d i e m e h r u n d m e h r a u f o b j e k t i v e R e a l i t ä t v e r z i c h t e n m ü s s e n , w a c h s e n d entscheid e n d w e r d e n f ü r die G r u n d s t r u k t u r d e r e n d l i c h e n V e r n u n f t . K a n t m u ß d e r g l e i c h e n n a c h A b s c h l u ß des W e r k e s g e a h n t h a b e n , d a ß n u n g e r a d e aus d e r Wurzel, d e r er, sie f r e i l e g e n d , z u s t r e b e n m u ß , i n u r s p r ü n g l i c h e r A u s a r b e i t u n g das G a n z e positiv e n t w i k k e l t w e r d e n m ü ß t e (vgl. A X V I I ) . D a h e r ist es k e i n Z u f a l l , d a ß K a n t bei d e r A u s e i n a n d e r l e g u n g des B e g r i f f e s eines I d e a l s ü b e r h a u p t auf d i e » M e n s c h h e i t « zu s p r e c h e n k o m m t , das W e s e n des M e n s c h e n . » W i r m ü s s e n ges t e h e n , « sagt K a n t , » d a ß d i e m e n s c h l i c h e V e r n u n f t n i c h t allein I d e e n , s o n d e r n a u c h I d e a l e e n t h a l t e . . .« (A 569, B 597); sie h a b e zwar n i c h t »schöpferische«, a b e r p r a k t i s c h e K r a f t , d . h . b e z o g e n auf u n d k o n s t i t u t i v f ü r d i e e n d l i c h e E x i s t e n z des f r e i h a n d e l n d e n Wesens; sie l i e g e n » d e r M ö g l i c h k e i t d e r Vollkomm e n h e i t gewisser H a n d l u n g e n z u m G r u n d e « (ebd.). T u g e n d , m e n s c h l i c h e W e i s h e i t z.B. sind I d e e n . »Aber d e r Weise (des Stoikers) ist e i n Ideal, d.i. ein M e n s c h , d e r b l o ß i n G e d a n k e n
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existiert, d e r a b e r m i t d e r I d e e d e r W e i s h e i t völlig k o n g r u i e r t « , d . h . als I n d i v i d u u m z u g l e i c h u n d g e r a d e d i e K o n k r e t i o n d e r Idee. »So w i e die I d e e d i e R e g e l g i b t , so d i e n t das I d e a l i n s o l c h e m F a l l e z u m U r b i l d d e r d u r c h g ä n g i g e n B e s t i m m u n g des Nachbildes, u n d wir h a b e n kein anderes R i c h t m a ß unserer H a n d l u n g e n als das V e r h a l t e n dieses g ö t t l i c h e n M e n s c h e n i n uns, w o m i t w i r u n s v e r g l e i c h e n , b e u r t e i l e n u n d d a d u r c h u n s bessern, o b g l e i c h w i r es n i e m a l s e r r e i c h e n k ö n n e n . « (ebd.) D i e apriorische Vorstellung e i n e s solchen D i n g e s ist das I d e a l . O b z w a r I d e a l e k e i n e » o b j e k t i v e R e a l i t ä t (Existenz)« h a b e n , so sind es doch n i c h t H i r n g e s p i n s t e , s o n d e r n » e i n u n e n t b e h r l i c h e s R i c h t m a ß d e r V e r n u n f t « (ebd.). U r - b i l d , K o r r e l a t v o n A n s c h a u ung. Z u m Menschenwesen gehört die »Idee der vollkommenen M e n s c h h e i t « als I d e a l , des g ö t t l i c h e n M e n s c h e n i n u n s . I m I d e a l liegt d i e d u r c h g ä n g i g e B e s t i m m u n g alles dessen, w a s zur I d e e g e h ö r t . D u r c h g ä n g i g k e i t , volle K o n k r e t i o n ( H e g e l ) . I n A n l e h n u n g a n diese C h a r a k t e r i s t i k d e r Z u g e h ö r i g k e i t des Ideals z u m W e s e n des M e n s c h e n , u n d z w a r als e i n e s h a n d e l n d e n p r a k t i s c h e n Wesens, k o n s t r u i e r t n u n K a n t das t r a n s z e n d e n t a l e I d e a l i n s p e k u l a t i v e r , t h e o r e t i s c h e r Absicht. D i e s e A n f ü h r u n g der M e n s c h h e i t u n d i h r e s Ideals, als i h r z u g e h ö r i g , b e d e u t e t eine gewisse s u b j e k t i v e D e d u k t i o n des Ideals; f r e i l i c h w i r d d e r innere Z u s a m m e n h a n g zwischen diesem Ideal u n d d e m transzendentalen Ideal nicht sichtbar, weil nicht klar entwickelt w i r d , d a ß d a r i n die I d e e e i n e s a b s o l u t e n E r k e n n e n s u n d B e z u g auf u n b e d i n g t e M ö g l i c h k e i t k o n s t r u i e r t ist. I d e a l : U n b e d i n g t h e i t des M e n s c h e n i m G a n z e n . D a s t r a n s z e n d e n t a l e I d e a l in s p e k u l a t i v e r , t h e o r e t i s c h e r Absicht m a c h t d i e d r i t t e Klasse d e r I d e e n aus. D i e drei Klassen entsprechen den drei überlieferten Disziplinen der Metaphysik, d . h . diese d r i t t e Klasse d e r r a t i o n a l e n T h e o l o g i e . D i e K o n s t r u k tion des t r a n s z e n d e n t a l e n I d e a l s ist d a h e r n i c h t s a n d e r e s als e i n e I n t e r p r e t a t i o n des G o t t e s b e g r i f f s d e r c h r i s t l i c h e n T h e o l o g i e i n Absicht a u f d i e M ö g l i c h k e i t d e r E r k e n n t n i s d e r D i n g e a n sich i n i h r e r Totalität.
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D e r H i n w e i s d a r a u f k a n n n i c h t b e s a g e n , d a ß auf G r u n d dieses Z u s a m m e n h a n g s das P r o b l e m v o n v o r n h e r e i n aus d e r p h i l o s o p h i s c h e n E r ö r t e r u n g h e r a u s f ä l l t , s o n d e r n i m G e g e n t e i l ist d a m i t a n g e z e i g t , d a ß d e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t dieser I d e e zugrunde gelegt wurde eine grundsätzliche Klärung der Grundp r o b l e m e d e r a n t i k e n P h i l o s o p h i e u n d d e r F o r m i h r e r Auswirk u n g i n d e r m i t t e l a l t e r l i c h e n Scholastik. A b e r das gilt n i c h t n u r f ü r K a n t , s o n d e r n n o c h w e i t u m f ä n g l i c h e r f ü r d e n g a n z e n deutschen Idealismus. I m E r k e n n e n G o t t e s als des A b s o l u t e n ist n i c h t n u r das w i r k l i c h V o r h a n d e n e , G e s c h a f f e n e e r k a n n t , s o n d e r n die Allheit dessen, w a s m ö g l i c h ist, w a s das W e s e n d e r m ö g l i c h e n D i n g e a u s m a c h t , d i e A l l h e i t d e r R e a l i t ä t , o m n i t u d o realitatis. D i e s e m I n b e g r i f f aller m ö g l i c h e n P r ä d i k a t e ist jedes D i n g u n t e r g e o r d n e t . D a h e r s t e h t jedes D i n g » s e i n e r M ö g l i c h k e i t n a c h . . . u n t e r d e m Grundsatz der durchgängigen Bestimmung, nach welchem i h m v o n a l l e n m ö g l i c h e n P r ä d i k a t e n d e r D i n g e , s o f e r n sie m i t i h r e m G e g e n t e i l v e r g l i c h e n w e r d e n , eines z u k o m m e n m u ß « (A 5 7 1 / 2 , B 5 9 9 / 6 0 0 ) . I n d i e s e m I d e a l ist a u c h R a t i o n a l i s m u s , n u r ontologischer. »Es v e r s t e h t sich v o n selbst, d a ß d i e V e r n u n f t zu dieser i h r e r Absicht, n ä m l i c h sich l e d i g l i c h d i e n o t w e n d i g e d u r c h g ä n g i g e B e s t i m m u n g d e r D i n g e vorzustellen, n i c h t die E x i s t e n z e i n e s solchen Wesens, das d e m I d e a l e g e m ä ß ist, sond e r n n u r d i e I d e e d e s s e l b e n voraussetze, u m v o n e i n e r u n b e dingten Totalität der durchgängigen B e s t i m m u n g die bedingte, d.i. d i e des E i n g e s c h r ä n k t e n a b z u l e i t e n . D a s I d e a l ist i h r also das U r b i l d ( p r o t o t y p o n ) aller D i n g e , w e l c h e i n s g e s a m t , als m a n g e l h a f t e K o p i e n (ectypa), d e n Stoff zu i h r e r M ö g l i c h k e i t d a h e r n e h m e n , u n d , i n d e m sie d e m s e l b e n m e h r o d e r w e n i g e r n a h e k o m m e n , d e n n o c h j e d e r z e i t u n e n d l i c h w e i t d a r a n f e h l e n , es zu e r r e i c h e n « (A 577/8, B 6 0 5 / 6 ) . » D a h e r w i r d d e r b l o ß i n der V e r n u n f t b e f i n d l i c h e G e g e n s t a n d i h r e s I d e a l s [ i n t u i t u s originarius, i n t e l l e c t u s a r c h e t y p u s ] a u c h das U r w e s e n (ens originariu m ) , s o f e r n es k e i n e s ü b e r sich h a t , das h ö c h s t e W e s e n (ens s u m m u m ) , u n d , s o f e r n alles, als b e d i n g t , u n t e r i h m s t e h t , das
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Weseii aller W e s e n (ens e n t i u m ) g e n a n n t . Alles dieses a b e r bed e u t e t n i c h t das o b j e k t i v e V e r h ä l t n i s eines w i r k l i c h e n G e g e n standes zu a n d e r e n D i n g e n , s o n d e r n d e r I d e e zu B e g r i f f e n , u n d läßt u n s w e g e n d e r E x i s t e n z eines W e s e n s v o n so a u s n e h m e n d e m Vorzüge i n völliger U n w i s s e n h e i t « (A 5 7 8 / 9 , B 6 0 6 / 7 ) . Es e r g i b t sich s o m i t , d a ß die W e l t — als I d e e d e r T o t a l i t ä t d e r E r s c h e i n u n g e n — n o c h e i n g e b a u t w i r d i n die h ö h e r e des t r a n s z e n d e n t a l e n Ideals. N i c h t i m S i n n e e i n e r o n t i s c h e n A b h ä n g i g keit d e r e n d l i c h e n D i n g e als g e s c h a f f e n e r v o m e x i s t i e r e n d e n Schöpfer, s o n d e r n in d e r Weise, d a ß d i e T o t a l i t ä t d e r B e d i n g u n gen der m ö g l i c h e n G a n z h e i t d e r E r f a h r u n g sich als e i n e m ö g liche E i n s c h r ä n k u n g d e r a b s o l u t e n T o t a l i t ä t d e r m ö g l i c h e n D i n g e u n d i h r e s W e s e n s ü b e r h a u p t erweist. S o f e r n g e f r a g t w i r d ontologisch n a c h der M ö g l i c h k e i t des S e i e n d e n q u a N a t u r , zugleich f ü r e n d l i c h e W e s e n , m u ß diese M ö g l i c h k e i t s f r a g e , als bezogen a u f d i e Z u f ä l l i g k e i t d e r E r f a h r u n g als solcher, e i n e w e i t e r g r e i f e n d e h e r v o r l o c k e n n a c h d e m a b s o l u t e n U m k r e i s des M ö g l i c h e n , i n n e r h a l b dessen das F a k t u m d e r E r f a h r u n g als solcher m ö g l i c h ist. » D e n n das Ideal, w o v o n w i r r e d e n , ist auf e i n e r natürlichen u n d nicht bloß willkürlichen Idee gegründet« (A 581, B 609). » N a c h e i n e r n a t ü r l i c h e n I l l u s i o n s e h e n w i r n u n das f ü r e i n e n G r u n d s a t z an, d e r v o n a l l e n D i n g e n ü b e r h a u p t gelten m ü s s e , w e l c h e r e i g e n t l i c h n u r von d e n e n gilt, die als G e g e n s t ä n d e u n s e r e r S i n n e g e g e b e n w e r d e n « (A 582, B 610). Gemäß· dieser n a t ü r l i c h e n Illusion h a l t e n w i r das e m p i r i s c h e P r i n z i p d e r M ö g l i c h k e i t , das auf E r s c h e i n u n g e n sich b e z i e h t , f ü r ein t r a n s z e n d e n t a l e s P r i n z i p d e r M ö g l i c h k e i t d e r D i n g e ü b e r haupt. D a m i t ist d i e S t e l l u n g des W e l t b e g r i f f e s i n d e r » K r i t i k d e r reinen Vernunft« nach allen Seiten gekennzeichnet. Gerade durch die K e n n z e i c h n u n g d e r ü b e r g r e i f e n d e n I d e e des t r a n s z e n d e n t a l e n I d e a l s ist n o c h v e r d e u t l i c h t w o r d e n , d a ß W e l t die Totalität des S e i e n d e n a u s d r ü c k t , w o z u d e r M e n s c h als e n d l i c h e s Wesen sich v e r h ä l t , so zwar, d a ß er selber in sie g e h ö r t . W e l t u n d M ö g l i c h k e i t (S e i n u n d M ö g l i c h k e i t ) .
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W i r k o m m e n d a m i t z u r 4. F r a g e : W e l c h e g r u n d s ä t z l i c h e n P r o b l e m e e r w a c h s e n aus dieser F a s s u n g des W e l t b e g r i f f e s i n der » K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t « ? U m diese zu s e h e n , gilt es, n o c h e i n m a l k u r z d i e E i g e n t ü m l i c h k e i t des W e l t p h ä n o m e n s zu vers c h ä r f e n . W e l t ist e i n e B e s t i m m u n g des S e i e n d e n , w o b e i wir s a g e n m ü s s e n , d a ß dieses S e i n i n d i f f e r e n t g e d a c h t ist, u n d geh ö r t g l e i c h w o h l n i c h t z u m o n t i s c h e n B e s t a n d desselben, gleichs a m als Stück u n d d a r a n v o r h a n d e n e r E i g e n s c h a f t , w i e e t w a H ä r t e , S c h w e r e . W e l t g e h ö r t da z u m V o r h a n d e n e n u n d ist doch k e i n V o r h a n d e n e s . A n d e r e r s e i t s ist W e l t z u g l e i c h b e z o g e n auf d e n M e n s c h e n , n i c h t n u r , s o f e r n W e l t — als I d e e — der m e n s c h l i c h e n V e r n u n f t e n t s p r i n g t , s o n d e r n w e s e n h a f t zu i h r g e h ö r t als I d e e d e r G a n z h e i t des v o n e n d l i c h e n W e s e n e r k e n n b a r e n Seienden. H i e r a u s e r g e b e n sich e i n e R e i h e v o n F r a g e n : 1. W i e k a n n W e l t das V o r h a n d e n e ontologisch b e s t i m m e n , o h n e V o r h a n d e n e s zu sein? 2. W i e k a n n sie als solche B e s t i m m u n g d e m W e s e n des menschlichen Daseins zugehören? 3. W i e m u ß dieses D a s e i n selbst sein, d a ß es, z u m S e i e n d e n sich v e r h a l t e n d , d a b e i auf so e t w a s w i e W e l t b e z o g e n ist? 4. Ist b e i K a n t d e r Z u s a m m e n h a n g z w i s c h e n r e i n e r , ideenbildender Vernunft u n d reiner Anschauung — reine Sinnlichkeit v o n R a u m u n d Zeit — ü b e r h a u p t i n i r g e n d e i n e r Weise g e k l ä r t o d e r a u c h n u r z u m P r o b l e m g e m a c h t , u m zeigen zu k ö n n e n , d a ß u n d w i e d i e N a t u r d e r m e n s c h l i c h e n V e r n u n f t in i h r e m e m p i r i s c h e n V e r h a l t e n z u m S e i e n d e n n o t w e n d i g w e l t b e z o g e n sein k a n n ? Ist das W e s e n d e r M e n s c h h e i t h i n r e i c h e n d u r s p r ü n g l i c h a u f g e h e l l t u n d b e g r ü n d e t , u m die N a t u r des M e n s c h e n als Urs p r u n g s q u e l l e dieser I d e e n b i l d u n g a n z u s e t z e n ? 5. W e n n so W e l t die T o t a l i t ä t des m e n s c h l i c h e r k e n n b a r e n S e i e n d e n n o t w e n d i g b e s t i m m e n soll u n d w e n n dieses S e i e n d e a b e r n i c h t n u r d e n C h a r a k t e r d e r N a t u r d i n g e h a t , s o n d e r n zu d i e s e m S e i e n d e n die G e s c h i c h t e u n d d a m i t d e r M e n s c h selbst g e h ö r t , ist d a n n d e r k a n t i s c h e ' W e l t b e g r i f f , v o n d e r U n g e k l ä r t -
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heit s e i n e r V e r w u r z e l u n g i m D a s e i n ganz a b g e s e h e n , n i c h t g r u n d s ä t z l i c h zu eng? 6. W i e ist e i n e E r w e i t e r u n g m ö g l i c h ? W i e k a n n u n d m u ß das P r o b l e m des W e l t b e g r i f f e s aus e i n e r r a d i k a l e n D i m e n s i o n d e r m e t a p h y s i s c h e n F r a g e s t e l l u n g e n t w i c k e l t w e r d e n , so zwar, d a ß m i t d e r r a d i k a l e n u n d a u s d r ü c k l i c h e n B e g r ü n d u n g seines Urs p r u n g s a u c h d i e z u r e i c h e n d e W e i t e des P h ä n o m e n s g e w o n n e n wird? G e r a d e w e i l die A r c h i t e k t o n i k u n d P r o b l e m f ü h r u n g d e r »Kritik d e r r e i n e n V e r n u n f t « das P r o b l e m des W e l t b e g r i f f e s in e i n e n s c h e i n b a r e i n d e u t i g e n Z u s a m m e n h a n g e i n o r d n e t , ist es n o t w e n d i g , a u f das P r o b l e m a t i s c h e h i n z u w e i s e n . D i e g e s t e l l t e n F r a g e n sollen jedoch jetzt n i c h t i m e i n z e l n e n u n d m i t b e s o n d e r e m Bezug a u f K a n t b e a n t w o r t e t w e r d e n , s o n d e r n w i r vers u c h e n jetzt, n a c h dieser h i s t o r i s c h e n O r i e n t i e r u n g ü b e r die G e s c h i c h t e des W e l t b e g r i f f e s , e i n e K l ä r u n g des P r o b l e m s i m Z u s a m m e n h a n g unserer leitenden Frage nach d e m Wesen der W e l t a n s c h a u u n g u n d des Verhältnisses der P h i l o s o p h i e zu i h r . Allein, die C h a r a k t e r i s t i k des k a n t i s c h e n W e l t b e g r i f f e s w ä r e u n v o l l s t ä n d i g u n d einseitig, w e n n w i r n i c h t n o c h a u f e i n e a n dere V e r w e n d u n g des A u s d r u c k s » W e l t « h i n w i e s e n . g) D i e e x i s t e n z i e l l e B e d e u t u n g des W e l t b e g r i f f s W e n n "wir d e n k a n t i s c h e n W e l t b e g r i f f , r ü c k b l i c k e n d i n d i e Geschichte, v e r g l e i c h e n m i t d e m B e g r i f f » m u n d u s « , so zeigt sich zunächst, d a ß K a n t , i n A n l e h u n g a n die t r a d i t i o n e l l e M e t a p h y sik, d e n W e l t b e g r i f f f a ß t i m S i n n d e r e r s t e n B e d e u t u n g v o n m u n d u s = u n i v e r s u m creaturarum, Allheit der existierenden e n d l i c h e n D i n g e , die spezifisch k o s m o l o g i s c h e B e d e u t u n g des W e l t b e g r i f f e s , n u r e b e n in d e r w e s e n t l i c h e n U m b i l d u n g d u r c h die t r a n s z e n d e n t a l e F r a g e s t e l l u n g . Es e r g a b sich aber, d a ß v o m N e u e n T e s t a m e n t h e r bis A u g u stinus u n d T h o m a s u n d a n d e r e n e i n e zweite B e d e u t u n g v o n m u n d u s sich ausbildet, w o n a c h W e l t besagt: die M e n s c h e n , u n d
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z w a r i n e i n e r e i g e n t ü m l i c h e n S t e l l u n g zur W e l t i m ersten S i n n e , a m a t o r e s m u n d i , W e l t - k i n d e r . H i e r h a b e n w i r d i e existenzielle B e d e u t u n g des W e l t b e g r i f f s . W e l t b e d e u t e t jetzt: die M e n s c h e n u n t e r e i n a n d e r i n i h r e m V e r h ä l t n i s z u e i n a n d e r . W e l t l i c h bez e i c h n e t das G e h a b e des M e n s c h e n , u n d z w a r s c h l e i f t sich a l l m ä h l i c h die spezifisch christlich b e s t i m m t e B e d e u t u n g des w e l t l i c h e n L e b e n s ab. W i r s p r e c h e n v o n w e l t m ä n n i s c h e m A u f t r e t e n ; d e r A u s d r u c k » m o n d a i n e « k e n n z e i c h n e t e i n e g a n z bes t i m m t e E x i s t e n z f o r m des M e n s c h e n . D i e s e existenzielle B e d e u t u n g des W e l t b e g r i f f e s k o m m t n u n a u c h bei K a n t z u m D u r c h b r u c h , o h n e d a ß f r e i l i c h das P r o b l e m des Z u s a m m e n h a n g s b e i d e r b e g r i f f e n u n d d a m i t das e i n e r rad i k a l e r e n B e g r ü n d u n g des P h ä n o m e n s l e b e n d i g w ü r d e . ». . . a b e r d e r w i c h t i g s t e G e g e n s t a n d i n d e r s e l b e n [der Welt], a u f d e n er j e n e [alle K u l t u r d e r M e n s c h e n ] v e r w e n d e n k a n n , ist d e r M e n s c h : w e i l er sein e i g e n e r l e t z t e r Z w e c k ist. — I h n also, s e i n e r Spezies n a c h , als m i t V e r n u n f t b e g a b t e s E r d w e s e n zu e r k e n n e n , v e r d i e n t besonders, W e l t k e n n t n i s g e n a n n t zu w e r d e n ; ob er gleich n u r e i n e n Teil d e r E r d g e s e h ö p f e a u s m a c h t « ( A n t h r o p o l o g i e , Vorrede 1. Absatz). 1 5 W e l t k e n n t n i s ist h i e r also K e n n t n i s des M e n s c h e n h i n s i c h t l i c h dessen, w i e er in d e r W e l t s t e h t u n d sich v e r h ä l t . W e l t k e n n t n i s n e n n t K a n t d a h e r d i r e k t Anthropologie, u n d zwar pragmatische; i m Unterschied von der p h y s i o l o g i s c h e n b e t r a c h t e t sie d e n M e n s c h e n ». . . auf das, was er, als f r e i h a n d e l n d e s W e s e n , aus sich selber m a c h t , o d e r m a c h e n k a n n u n d soll« (ebd.). » D a s i n n e r e P r i n c i p i u m d e r Welt a b e r ist die F r e i h e i t . D i e B e s t i m m u n g des M e n s c h e n ist also, s e i n e g r ö ß t e V o l l k o m m e n h e i t d u r c h s e i n e F r e i h e i t zu e r l a n gen.« 1 4 Welt s t e h t f ü r h a b i t a t o r m u n d i , f ü r d e n M e n s c h e n hinsichtlich seiner Existenz. Anthropologie, L e h r e v o m Mens c h e n = p r a g m a t i s c h e W e l t k e n n t n i s . D a m i t w i r d i n d e r zuge-
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Kant, W W (Cassirer). Band VIII, S. 1. Eine Vorlesung Kants über Ethik. Hrsg. von Paul Menzer, Berlin 1924, S. 317. 14
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spitztesten F o r m z u m A u s d r u c k g e b r a c h t : W e l t b e d e u t e t g e r a d e die M e n s c h e n . M e n s c h e n k u n d e = W e l t k e n n t n i s . D e r W e l t k e n n t n i s w i r d e n t g e g e n g e s t e l l t die S c h u l e , das s c h u l m ä ß i g g e l e r n t e W i s s e n . D i e S c h u l e » m a c h t geschickt. I h r H a u p t a u g e n m e r k ist, a n d r e a n M e n g e des W i s s e n s zu ü b e r t r e f fen. Solch e i n e n G e l e h r t e n n e n n t m a n e i n e n Scholastiker. E r k a n n s e i n e G e l e h r s a m k e i t h ö c h s t e n s als S c h u l m a n n m i t N u t z e n a n b r i n g e n . D e r d u r c h S c h u l e g e l e h r t w i r d , ist passiv«. 1 5 S c h u l wissen ist t e c h n i s c h g e l e r n t e r Stoff, n i c h t n u r o h n e l e b e n d i g e p r a k t i s c h e A b z w e c k u n g , s o n d e r n es sind K e n n t n i s s e , die i h r e m Wesen n a c h n i c h t a b z i e l e n auf das, was f ü r d i e E x i s t e n z des Daseins w e s e n t l i c h ist. W e l t k e n n t n i s ist aus d e r L e b e n s e r f a h r u n g g e s c h ö p f t e u n d w i e d e r u m a u f das D a s e i n g e r i c h t e t e . » E i n e solche A n t h r o p o l o gie, als W e l t k e n n t n i s , w e l c h e a u f die S c h u l e f o l g e n m u ß , b e t r a c h t e t , w i r d e i g e n t l i c h a l s d a n n n o c h n i c h t p r a g m a t i s c h gen a n n t , w e n n sie ein a u s g e b r e i t e t e s E r k e n n t n i s d e r S a c h e n i n d e r Welt, z.B. d e r T i e r e , P f l a n z e n u n d M i n e r a l i e n i n v e r s c h i e d e n e n L ä n d e r n u n d K l i m a t e n , s o n d e r n w e n n sie E r k e n n t n i s des M e n schen als W e l t b ü r g e r s e n t h ä l t « ( A n t h r o p o l o g i e i n p r a g m a t i scher H i n s i c h t , Vorrede). 1 6 » N o c h s i n d die A u s d r ü c k e : d i e W e l t k e n n e n u n d d i e W e l t h a b e n in i h r e r B e d e u t u n g z i e m l i c h w e i t a u s e i n a n d e r ; i n d e m d e r e i n e n u r das Spiel v e r s t e h t , d e m er zugesehen hat, der andere aber mitgespielt hat. — Die sogenannte g r o ß e W e l t a b e r , d e n S t a n d d e r V o r n e h m e n , zu b e u r t e i l e n , b e f i n d e t sich d e r A n t h r o p o l o g e i n e i n e m s e h r u n g ü n s t i g e n S t a n d p u n k t ; w e i l diese sich u n t e r e i n a n d e r zu n a h e , v o n a n d e r e n a b e r zu w e i t b e f i n d e n « . 1 7 Was K a n t m i t »Welt«, » W e l t k e n n e n « u n d » W e l t h a b e n « m e i n t u n d d a ß er » W e l t « i m e x i s t e n z i e l l e n S i n n e v e r s t e h t , w i r d besonders d e u t l i c h aus d e r N a c h s c h r i f t e i n e r A n t h r o p o l o g i e v o r 15 Kant, Anthropologievorlesung. Hrsg. von Arnold Kowalewski. München/ Leipzig 1924. S. 71. 16 Kant, W W (Cassirer). Band VIII, S. 6. 17 A.a.O., S. 7.
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l e s u n g K a n t s (1792), die sich u n t e r d e n K o l l e g h e f t e n des G r a f e n H e i n r i c h zu D o h n a - W u n d l a k e n fand. 1 8 W e l t k e n n t n i s : »Sie m a c h t gescheit u n d k l u g , s e i n e G e s c h i c k l i c h k e i t a n d e n M a n n zu b r i n g e n . E i n M a n n v o n W e l t ist M i t s p i e l e r i m g r o ß e n Spiel des L e b e n s . « (A.a.O., S. 71) W e l t = das g r o ß e Spiel des L e b e n s , = L e b e n s e r f a h r u n g , das m e n s c h l i c h e D a s e i n als solches. Weltk e n n t n i s = M e n s c h e n k u n d e . F r ü h e r h a b i t a t o r e s m u n d i , jetzt M i t s p i e l e r . » D e r g r ö ß t e Teil d e r M e n s c h e n b i l d e t sich d u r c h S c h u l e zur W e l t u n d w i r d d u r c h d i e W e l t f ü r d i e W e l t gebildet. Beides v e r m e n g t , 1. S c h u l k e n n t n i s s e u n d 2. B i l d u n g d u r c h d e n U m g a n g , t u t a m b e s t e n . « » W e l t m a n n h e i ß t , die Verhältnisse zu anderen Menschen u n d wie's i m menschlichen Leben zugeht, wissen.« » W e l t h a b e n , h e i ß t M a x i m e n h a b e n u n d g r o ß e M u s t e r n a c h a h m e n . « » M a n k a n n viel W e l t h a b e n u n d d o c h I g n o r a n t sein. W e l t b e r u h t auf F o r m a l i e n . « » D a s W o r t K l u g h e i t w i r d in z w e i f a c h e m S i n n g e n o m m e n , e i n m a l k a n n es d e n N a m e n Weltk l u g h e i t , i m z w e i t e n d e n d e r P r i v a t k l u g h e i t f ü h r e n . D i e e r s t e ist d i e G e s c h i c k l i c h k e i t e i n e s M e n s c h e n , auf a n d e r e E i n f l u ß zu h a b e n , u m sie zu s e i n e n A b s i c h t e n zu gebrauchen«. 1 9 Welt: das M i t e i n a n d e r s e i n . F e r n e r : » P r a g m a t i s c h ist e i n e G e s c h i c h t e abg e f a ß t , w e n n sie k l u g m a c h t , d. i. d i e W e l t b e l e h r t , w i e sie i h r e n Vorteil besser, oder w e n i g s t e n s e b e n so gut, als die Vorwelt, bes o r g e n k ö n n e « (ebd.). » W e l t « u n d »Vorwelt« b e s a g e n h i e r g a n z k l a r : die M e n s c h e n selbst i n i h r e m M i t e i n a n d e r s e i n u n d n i c h t e t w a d e r Kosmos oder d i e N a t u r . W e l t : der T i t e l f ü r das m e n s c h l i c h e D a s e i n , u n d zwar i n R ü c k s i c h t d a r a u f , w i e es i n i h m z u g e h t , das Spiel des M i t e i n a n d e r d e r M e n s c h e n i n i h r e m Verhältnis z u m Seienden. Welt: Titel f ü r Menschen, u n d gerade n i c h t als G l i e d des Kosmos, N a t u r d i n g , s o n d e r n in s e i n e n ges c h i c h t l i c h e n E x i s t e n z b e z ü g e n . D e r W e l t b e g r i f f ist h i e r viel e i n d e u t i g e r i n R i c h t u n g auf das m e n s c h l i c h e D a s e i n g e f a ß t .
18
Vgl. Anm. 15. A.a.O., S. 71 f. Immanuel Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Herausgegeben von Karl Vorländer. 6. Aufl., Leipzig 1925. S. 42, Anmerkung. 19
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D i e s e B e d e u t u n g v o n » W e l t « ist g e m e i n t , w e n n die Philosophie »Weltweisheit« g e n a n n t wird u n d w e n n Kant insbesondere die P h i l o s o p h i e i m G a n z e n i n d o p p e l t e r H i n s i c h t c h a r a k t e r i siert: d i e P h i l o s o p h i e n a c h d e m S c h u l b e g r i f f u n d die Philosop h i e n a c h d e m W e l t b e g r i f f . Es ist w i e d e r die U n t e r s c h e i d u n g des i E r k e n n e n s , die u n s s c h o n i n d e r E i n l e i t u n g zur A n t h r o p o logie b e g e g n e t e . D i e s e C h a r a k t e r i s t i k f i n d e t sich in e i n e m a u s g e z e i c h n e t e n S c h l u ß a b s c h n i t t d e r » K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t « , w o K a n t sich ü b e r die P h i l o s o p h i e i m G a n z e n g r u n d s ä t z l i c h ä u ß e r t . E r sagt h i e r (A 839 f., B 867 f.): » D e r M a t h e m a t i k e r , d e r N a t u r k ü n d i ger, d e r L o g i k e r sind, so v o r t r e f f l i c h die e r s t e r e n a u c h ü b e r haupt i m Vernunfterkenntnisse, die zweiten besonders i m philosophischen Erkenntnisse Fortgang h a b e n m ö g e n , doch n u r V e r n u n f t k ü n s t l e r . Es g i b t n o c h e i n e n L e h r e r i m I d e a l , d e r alle diese ansetzt, sie als W e r k z e u g e n u t z t , u m d i e w e s e n t l i c h e n Z w e c k e d e r m e n s c h l i c h e n V e r n u n f t zu b e f ö r d e r n . D i e s e n allein m ü ß t e n w i r d e n P h i l o s o p h e n n e n n e n ; aber, d a e r selbst doch n i r g e n d , die I d e e a b e r s e i n e r G e s e t z g e b u n g a l l e n t h a l b e n i n jed e r M e n s c h e n v e r n u n f t a n g e t r o f f e n w i r d , so w o l l e n w i r u n s lediglich a n d e r l e t z t e r e n h a l t e n , u n d n ä h e r b e s t i m m e n , was Philosophie, nach diesem Weltbegriffe, f ü r systematische Einh e i t aus d e m S t a n d p u n k t e d e r Z w e c k e v o r s c h r e i b e . « W i r h a b e n h i e r z u n ä c h s t d e n U n t e r s c h i e d z w i s c h e n »Vern u n f t k ü n s t l e r « u n d d e m » L e h r e r i m Ideal«, d . h . i n d e m , was d e n g ö t t l i c h e n M e n s c h e n in u n s a u s m a c h t , i n d e m , w a s f ü r j e d e n M e n s c h e n als e x i s t i e r e n d e n , h a n d e l n d e n w e s e n t l i c h ist. D i e P h i l o s o p h i e i n d i e s e m S i n n e , d . h . die es a b s i e h t a u f das m e n s c h l i c h e D a s e i n als solches, ist die n a c h d e m W e l t b e g r i f f , d. h . W e l t b e s a g t a u c h h i e r w i e d e r : das m e n s c h l i c h e D a s e i n i m W e s e n t l i c h e n s e i n e r E x i s t e n z . K a n t g i b t i n s e i n e r A n m e r k u n g zu dieser Stelle ü b e r d i e s n o c h e i n e a u s d r ü c k l i c h e E r l ä u t e r u n g : » W e l t b e g r i f f h e i ß t h i e r d e r j e n i g e , d e r das b e t r i f f t , w a s jederm a n n n o t w e n d i g interessiert; m i t h i n b e s t i m m e ich die Absicht e i n e r W i s s e n s c h a f t n a c h S c h u l b e g r i f f e n , w e n n sie n u r als e i n e
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v o n d e n G e s c h i c k l i c h k e i t e n zu g e w i s s e n b e l i e b i g e n Z w e c k e n a n g e s e h e n w i r d . « (B 8 6 7 / 8 A n m . ) Vgl. dazu: E i n l e i t u n g zur Logikvorlesung, Abschnitt III. O b diese S c h e i d u n g b e z ü g l i c h d e r B e g r i f f e d e r P h i l o s o p h i e ü b e r h a u p t g e m a c h t w e r d e n k a n n u n d ob die L o g i k n u r Sache des V e r n u n f t k ü n s t l e r s sei, soll h i e r n o c h n i c h t e r ö r t e r t w e r d e n . W i r s e h e n n u r e r n e u t die B e d e u t u n g des W e l t b e g r i f f s h e r a u s t r e t e n , die i m spezifisch t r a n s z e n d e n t a l e n d e r » K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t « v o r g e b i l d e t ist, selbst a b e r o f f e n b a r e i n e A u s w i r k u n g d e r e x i s t e n z i a l e n B e d e u t u n g v o n m u n d u s , m o n d e darstellt. D i e s e existenzielle B e d e u t u n g des W o r t e s » W e l t « ist g e m e i n t in u n s e r e m A u s d r u c k » W e l t a n s c h a u u n g « , w e n n g l e i c h sich a u c h die k o s m o l o g i s c h e B e d e u t u n g m i t e i n d r ä n g t , u n d zwar n i c h t zufällig, sondern deshalb, weil auch die N a t u r u n d Welt vom e x i s t e n z i a l e n B e g r i f f u m f a ß t w i r d . D e n n dieser ist n i c h t der e n g e r e , s o n d e r n d e r w e i t e r e , viel u r s p r ü n g l i c h e r e . D o c h w i r w o l l e n das W e s e n d e r W e l t a n s c h a u u n g n i c h t d a d u r c h b e s t i m m e n , d a ß w i r d i e B e d e u t u n g s g e s c h i c h t e des A u s d r u c k s »Welt« v e r f o l g e n , s o n d e r n diese sollte u n s n u r e i n e k o n k r e t e H i n w e i s u n g d a r a u f g e b e n , d a ß d e r W e l t b e g r i f f selbst p r o b l e m a tisch ist. Es gilt jetzt, das z e n t r a l e P r o b l e m zu g e w i n n e n u n d damit den Boden für eine Wesensklärung von Weltanschauung überhaupt. D e r jetzt h e r a u s g e t r e t e n e p r o b l e m a t i s c h e C h a r a k t e r des W e l t b e g r i f f s l ä ß t sich d u r c h f o l g e n d e P u n k t e f e s t h a l t e n : 1. D e r W e l t b e g r i f f ist ü b e r h a u p t p r o b l e m a t i s c h , s o f e r n er z w i s c h e n zwei B e d e u t u n g e n h i n u n d h e r s c h w a n k t , die a n d e r e r s e i t s n i c h t völlig b e z i e h u n g s l o s sind. 2. Dieses S c h w a n k e n h a t , n ä h e r b e s e h e n , d a r i n s e i n e n G r u n d , d a ß u n g e k l ä r t ist, w i e das, w a s d a u n t e r W e l t v e r s t a n d e n w i r d , sich z u m D a s e i n v e r h ä l t . 3. E i n m a l ist W e l t d i e B e s t i m m u n g des G a n z e n des S e i e n d e n u n d i n dieser H i n s i c h t z w a r a u c h a u f d e n M e n s c h e n , a b e r n i c h t i n b e s o n d e r e r W e i s e auf das D a s e i n bezogen; jedes S e i e n d e geh ö r t zur Welt, T i e r e , P f l a n z e n , S t e i n e .
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4. G l e i c h w o h l ist diese W e l t i n s o f e r n i n b e t o n t e m S i n n e a u f D a s e i n bezogen, als sie e i n e I d e e s e i n soll, v o n d e r g e s a g t w i r d , sie e n t s p r i n g e d e r N a t u r d e r m e n s c h l i c h e n V e r n u n f t . 5. Ü b e r d i e s a b e r v e r s c h ä r f t sich die F r a g e n a c h d e r b e s o n d e r e n B e z i e h u n g v o n W e l t u n d D a s e i n n i c h t n u r i m H i n b l i c k auf den U r s p r u n g des W e l t b e g r i f f e s aus d e r m e n s c h l i c h e n N a t u r , s o n d e r n in R ü c k s i c h t d a r a u f , d a ß n u n doch g e r a d e das M e n s c h sein u n d sein Spiel u n d T r e i b e n als W e l t g e f a ß t w i r d . Es w ä r e f r e i l i c h ein v e r f e h l t e r W e g u n d n u r ein A u s w e g , w e n n w i r diese S c h w i e r i g k e i t e n d a d u r c h b e s e i t i g e n w o l l t e n , daß w i r z w i s c h e n d e n v e r s c h i e d e n e n B e d e u t u n g e n v o n W e l t u n d d e n v e r s c h i e d e n e n B e z i e h u n g e n v o n W e l t u n d D a s e i n dialektisch v e r m i t t e l n w o l l t e n . D e n n d a d u r c h b l e i b t die U n k l a r h e i t ü b e r diese B e z ü g e d o c h b e s t e h e n , u n d solche D i a l e k t i k ist i m m e r n u r — w e n n es h o c h k o m m t — e i n i n S y s t e m b r i n g e n d e r U n g e k l ä r t h e i t e n , d . h . e i n g e w a l t s a m e s Beseitigen d e r P r o b l e m e mit d e m Anschein einer u m f o r m e n d e n und straffen begrifflichen B e w ä l t i g u n g . V i e l m e h r m ü s s e n w i r d e r S c h w i e r i g k e i t , die sich i m W e l t b e g r i f f a u f t u t , ins G e s i c h t s e h e n u n d sie g a n z u n b e s c h ö n i g t u n d u n a b g e s c h w ä c h t u n s v o r h a l t e n , i n d e m w i r sie auf d i e n a c k t e F r a g e b r i n g e n : W e l c h e s ist d e n n ü b e r h a u p t das Verhältnis v o n D a s e i n u n d Welt? Es liegt, w i e sich z e i g e n soll, i m W e s e n d e r Sache, d e r w i r n a c h f r a g e n , d a ß das P r o b l e m des W e l t b e g r i f f e s ü b e r h a u p t n i c h t o h n e d i e F r a g e n a c h d e m D a s e i n s b e z u g zu e r ö r t e r n ist. M i t d e r F r a g e n a c h d e m W e s e n d e r W e l t r ü h r e n w i r a n ein P h ä n o m e n , das b e s o n d e r s v i e l s c h i c h t i g ist. Vor a l l e m a b e r sind f u r das Verständnis des P r o b l e m s w e s e n t l i c h e V o r a u s s e t z u n g e n g e f o r d e r t , u n d zwar n i c h t so s e h r solche d e r t e c h n i s c h e n Beh e r r s c h u n g d e r M e t h o d e d e r I n t e r p r e t a t i o n , s o n d e r n spezifisch m e n s c h l i c h e V o r a u s s e t z u n g e n i m S i n n e des H i n e i n b l i c k e n k ö n n e n s i n das D a s e i n , u n d je s c h ä r f e r d e r A n t r i e b des E i n l e i t e n s der P h i l o s o p h i e n u n w i r d , je m e h r er z u n i m m t , u m s o d r i n g licher w i r d es, diese V o r a u s s e t z u n g e n zu w e c k e n . D a h e r k o m m t es in f o l g e n d e r E r ö r t e r u n g f ü r Sie n i c h t d a r a u f a n , d a ß Sie das
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G a n z e d e r I n t e r p r e t a t i o n i n j e d e m S c h r i t t b e h e r r s c h e n u n d in e i n d e u t i g e r b e g r i f f l i c h e r E r k e n n t n i s sich z u z u e i g n e n v e r m ö g e n , als d a r a u f , d a ß Sie m e r k e n , w o r a u f ü b e r h a u p t abgezielt wird.
ZWEITES KAPITEL
Weltanschauung und In-der-Welt-sein
S 35. Dasein
als
In-der-Welt-sein
W i r r e d e n von der N a t u r des M e n s c h e n u n d i h r e r B e z i e h u n g zur Welt, o h n e d a ß entschieden ist, ob w i r diese N a t u r des M e n s c h e n schon so w e i t b e s t i m m t h a b e n , d a ß w i r nach i h r e r B e z i e h u n g zur Welt ü b e r h a u p t f r a g e n k ö n n e n . L i e g t es so, d a ß w i r auf der e i n e n Seite h a b e n als Bezugspunkt das Dasein u n d auf d e r anderen das, was w i r Welt n e n n e n ? L i e g t es so, d a ß dieses Dasein gelegentlich auch ein Verhältnis zur Welt e i n n i m m t , oder h a t das Dasein ein ständiges Verhältnis zur Welt? W a r u m das u n d wie? N u n ergibt sich das M e r k w ü r d i g e , d a ß wir, solange die F r a g e n a c h d e m Verhältnis des Daseins aüf der einen, zur Welt auf der a n d e r e n Seite so gestellt wird, u n s n u r selbst v e r r a t e n als solche, die noch gar k e i n e n Begriff von d e m h a b e n , was sie z u m angeblich festen F u ß - u n d A u s g a n g s p u n k t i h r e r Frage m a c h e n . D e n n das D a s e i n h a t n i c h t gleichsam e i n e n a n es a u c h noch angesetzten Bezug zur Welt, sondern der Weltbezug ist ein Wesenszug des Daseins selbst, ja seine auszeichnende Wesensverfassung. Dasein h e i ß t nichts anderes als In-der-Welt-sein. W e n n wir Dasein sagen u n d n i c h t n u r ein Wort aussprechen, sondern verstehen, was wir m e i n e n , d a n n m e i n e n w i r schon In-derWelt-sein, u n d es ist sinnlos zu f r a g e n , ob u n d wie das Dasein, das als solches In-der-Welt-sein ist, ein Verhältnis zur Welt habe. Aber u m so dringlicher w i r d d a n n zu f r a g e n , was In-der-Weltsein heißt. Dasein besagt In-der-Welt-sein. Schon das F a k t u m , d a ß in der l a n g e n Geschichte des Weltbegriffs gerade dieser Bezug von
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Weltanschauung
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In-der-Welt-sein
D a s e i n u n d W e l t u n g e k l ä r t g e b l i e b e n ist, ja n i c h t e i n m a l z u m P r o b l e m g e w o r d e n ist, m u ß u n s s a g e n , d a ß die Z u s a m m e n h ä n ge, u m die es sich h a n d e l t , n i c h t o h n e w e i t e r e s s i c h t b a r w e r d e n , d a ß sie v e r m u t l i c h zu j e n e n g e h ö r e n , die in sich ebenso e i n f a c h , a b e r a u c h f ü r d e n g e m e i n e n Verstand v e r b o r g e n , m i ß d e u t e t u n d v e r s t e l l t sind. D i e H a u p t s c h w i e r i g k e i t f ü r das Verständnis l i e g t d e s h a l b d a r i n , diese V e r b i e g u n g e n u n d M i ß d e u t u n g e n zu d u r c h s c h a u e n u n d so sie zu d u r c h b r e c h e n , u m d e n Blick ins E i n f a c h e f r e i zu b e k o m m e n . W i e ü b e r a l l in d e r P h i l o s o p h i e g e h t es a u c h h i e r n i c h t d a r u m , u n b e k a n n t e s L a n d zu e n t d e c k e n , s o n d e r n das l ä n g s t u n d a l l z u b e k a n n t e v o m S c h e i n u n d d e r U m n e b e l u n g zu befreien. D a s e i n h e i ß t I n - d e r - W e l t - s e i n , u n d dieses soll das D a s e i n a u s z e i c h n e n als seine i h m e i g e n e W e s e n s s t r u k t u r . H i e r g e g e n e r h e b e n sich n u n ganz u n m i t t e l b a r w i c h t i g e B e d e n k e n , d i e w i r k u r z e r ö r t e r n . Was m i t I n - d e r - W e l t - s e i n g e m e i n t ist, m u ß sich dabei verdeutlichen.1 D i e T h e s e ist e i n e W e s e n s a u s s a g e u n d m e i n t e t w a s g a n z Elem e n t a r e s , das f r e i l i c h g e r a d e d e s h a l b die H ä r t e u n d S c h ä r f e des Problems a n n e h m e n m u ß . Woran wir gleichsam mit d e m Hinw e i s auf das I n - d e r - W e l t - s e i n r ü h r e n , ist n i c h t s w e n i g e r als die S t r u k t u r d e r T r a n s z e n d e n z , auf d i e w i r b e r e i t s auf d e m e r s t e n W e g g e s t o ß e n sind. W i r s a g t e n dort: D a s D a s e i n ü b e r s t e i g t Seie n d e s , so zwar, d a ß es erst i n d i e s e m Ü b e r s t i e g zu S e i e n d e m sich v e r h a l t e n , also a u c h erst so zu sich als S e i e n d e m sich v e r h a l t e n , d . h . es selbst, ein Selbst sein k a n n . D a s D a s e i n t r a n s z e n d i e r t , ü b e r s t e i g t S e i e n d e s a b e r n i c h t g e l e g e n t l i c h , s o n d e r n als D a s e i n , u n d es ü b e r s t e i g t Seiendes, n i c h t dieses u n d jenes, m i t A u s w a h l , s o n d e r n i m G a n z e n . N u r w e i l es S e i e n d e s i m G a n z e n ü b e r s t e i g t , k a n n es sich m i t A u s w a h l i n n e r h a l b des S e i e n d e n zu d i e s e m o d e r j e n e m v e r h a l t e n ; d a b e i ist i m w e s e n t l i c h e n d i e s e A u s w a h l m i t d e r f a k t i s c h e n E x i s t e n z jedes D a s e i n s s c h o n e n t s c h i e d e n . 1
Vgl. Martin Heidegger, Vom Wesen des Grundes. II. Kapitel. (Zu den bibliographischen Angaben siehe oben S. 239, Anm. 2.)
§35. Dasein als
In-der-Welt-sein
307
I n n e r h a l b dieses e n t s c h i e d e n e n Kreises ist f r e i l i c h d a n n e i n Spielraum der Freiheit. Was b e d e u t e t dieses » i m G a n z e n « , das zur T r a n s z e n d e n z gehört? Es ist das, w o r a u f z u d e r U b e r s t i e g des S e i e n d e n sich vollzieht, das, w o r a u f z u T r a n s z e n d e n z t r a n s z e n d i e r t , u n d d e m g e m ä ß das, v o n w o h e r das D a s e i n i m V e r h a l t e n zu S e i e n d e m a u f dieses z u r ü c k k o m m t . Dieses, w o r a u f z u das w e s e n h a f t t r a n s z e n d i e r e n d e D a s e i n t r a n s z e n d i e r t , n e n n e n w i r Welt. I m Ü b e r s t i e g aber· steigt das D a s e i n n i c h t aus sich h e r a u s i n d e r Weise, d a ß es sich selbst g l e i c h s a m h i n t e r sich l ä ß t , s o n d e r n es b l e i b t n i c h t n u r es selbst, s o n d e r n w i r d es g e r a d e erst. D a s W o r a u f z u des Ü b e r stiege ist das, w o r i n das D a s e i n als solches sich h ä l t . T r a n s z e n dieren heißt In-der-Welt-sein. A m E n d e des e r s t e n W e g e s e r g a b sich uns: S e i n s v e r s t ä n d n i s ist T r a n s z e n d i e r e n ; n u n m e h r s a g e n wir: T r a n s z e n d i e r e n h e i ß t In-der-Welt-sein. W i r betonten aber f r ü h e r ausdrücklich, daß m i t d e m S e i n s v e r s t ä n d n i s das W e s e n der T r a n s z e n d e n z n i c h t e r s c h ö p f t sei. D a s k ö n n e n w i r jetzt a u c h so a u s d r ü c k e n : Z u m I n - d e r - W e l t - s e i n g e h ö r t S e i n s v e r s t ä n d n i s ; dieses d e c k t sich a b e r n i c h t m i t j e n e m , s o n d e r n ist n u r e i n W e s e n s m o m e n t des I n der-Welt-seins. D a r i n liegt: D a s Sein, seine m ö g l i c h e M a n n i g f a l t i g k e i t , das w i r i m S e i n s v e r s t e h e n , ob a u s d r ü c k l i c h oder n i c h t , v e r s t e h e n , d e c k t sich k e i n e s w e g s m i t d e m , w a s d e r T i t e l »Welt« besagt, w e n n g l e i c h das S e i n u n d alles, w a s dieser Ausd r u c k m e i n t , z u m G e h a l t des W e l t b e g r i f f e s g e h ö r t . I n - d e r Welt-sein ist p r i m ä r m i t b e s t i m m t d u r c h S e i n s v e r s t ä n d n i s ; a b e r dieses- Sein als I n - d e r - W e l t - s e i n ist n i c h t n u r e i n v o r g ä n g i g e s Verstehen des Seins. Dieses V e r s t e h e n h a t e i n e n e i g e n e n C h a rakter, kein theoretisches Kennen u n d Wissen. W i r k ö n n e n nun, o b w o h l Sein u n d Welt bzw. S e i n s v e r s t ä n d nis u n d I n - d e r - W e l t - s e i n sich n i c h t d e c k e n , d o c h v o m Seinsverständnis her, e i n e m notwendigen Ingredienz der Transzendenz, uns e i n e n W e g b a h n e n z u r w e i t e r e n A u f h e l l u n g dessen, w a s i m T i t e l » I n - d e r - W e l t - s e i n « »Welt« e i g e n t l i c h b e s a g t . G e n a u e r g e s p r o c h e n : D u r c h diese C h a r a k t e r i s t i k des Seins-
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Weltanschauung
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In-der-Welt-sein
Verständnisses i n R ü c k s i c h t a u f das W e l t p h ä n o m e n e r f ä h r t n i c h t n u r dieses e i n e B e s t i m m u n g , s o n d e r n u m g e k e h r t w i r d das S e i n s v e r s t ä n d n i s als G a n z e s d e u t l i c h e r i n s e i n e r Z u g e h ö r i g k e i t zur T r a n s z e n d e n z . A b e r t r o t z d e m e r s c h ö p f t sich T r a n s z e n d e n z nicht i m Seinsverständnis. W i r w o l l e n d a b e i v o n K a n t s k o s m o l o g i s c h e m W e l t b e g r i f f ausg e h e n . E r b e t r i f f t die T o t a l i t ä t des V o r h a n d e n e n , d e r N a t u r i m w e i t e s t e n S i n n e . D a b e i ist die T o t a l i t ä t d e r S e i n s v e r f a s s u n g der N a t u r das K o r r e l a t e n d l i c h e r , u n d zwar t h e o r e t i s c h - w i s s e n schaftlicher E r f a h r u n g oder weitergehend mathematisch-physikalischer E r k e n n t n i s . D a ß i n diese R i c h t u n g e i n e r V e r e n g u n g des W e l t b e g r i f f s auf die T o t a l i t ä t d e r N a t u r das k a n t i s c h e F r a g e n g e h t , zeigt sich d a r i n , d a ß er e i n e n e n g e r e n v o n e i n e m w e i t e r e n W e l t b e g r i f f u n t e r s c h e i d e t . D e r e n g e r e b e d e u t e t das m a t h e m a t i sche G a n z e des G r o ß e n u n d K l e i n e n i n d e r Welt, also die d o p p e l t gerichtete Unendlichkeit zum unendlich Großen und unendlich K l e i n e n , d . h . e i n e spezifisch m a t h e m a t i s c h e , d . h . q u a n t i t a t i v e Idee. D e r existenzielle W e l t b e g r i f f K a n t s ist f r e i l i c h p h i l o s o p h i s c h in keiner Weise ausgearbeitet u n d z u m Problem gemacht, aber er w e i s t in die R i c h t u n g e i n e s P r o b l e m s , s o f e r n e b e n das G a n z e dessen, w a s K a n t das Spiel des L e b e n s n e n n t , i n s e i n e r Seinsv e r f a s s u n g o f f e n b a r t o t a l a n d e r e n C h a r a k t e r h a t als dies Seiende Natur — aber damit nicht genug. Das faktische geschichtliche D a s e i n d e r M e n s c h e n u n t e r - u n d m i t e i n a n d e r ist ja, w i e w i r f r ü h e r s a h e n , i m m e r u n d n o t w e n d i g n i c h t n u r ein S e i n bei V o r h a n d e n e m , s o n d e r n a u c h bei G e b r a u c h s d i n g e n . M i t a n d e r e n W o r t e n : S o f e r n das D a s e i n g l e i c h u r s p r ü n g l i c h s e i n e m W e s e n n a c h M i t s e i n m i t A n d e r e n ist i m S e i n bei V o r h a n d e n e m u n d all das als Selbstsein, ist das G a n z e d e r S e i n s v e r f a s s u n g dieses so offenbaren Seienden i m Ganzen grundsätzlich reicher und u r s p r ü n g l i c h e r als das, w a s i n K a n t s k o s m o l o g i s c h e m W e l t b e griff g e d a c h t ist u n d i m a n t h r o p o l o g i s c h e n z u m m i n d e s t e n a n g e z e i g t ist. W e n n w i r d e m n a c h h i n r e i c h e n d u r s p r ü n g l i c h w e i t das n e h -
S 36. Welt als »Spiel des Lebens«
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m e n , w a s i m D a s e i n a n S e i n i m m e r schon v e r s t a n d e n , o b z w a r n i c h t b e g r i f f e n ist, u n d w e n n w i r das G a n z e dieses v e r s t a n d e n e n Seins als W e l t b e z e i c h n e n , sind w i r d a m i t s c h o n g r u n d s ä t z l i c h über den kantischen Weltbegriff hinausgegangen, u n d zwar n i c h t n u r i m S i n n e e i n e r b l o ß e n E r w e i t e r u n g u n d Vervollständ i g u n g d e r S e i n s g e b i e t e . W e l t ist das G a n z e d e r Seinsverfassung, n i c h t n u r d e r N a t u r u n d des g e s c h i c h t l i c h e n M i t e i n a n d e r und des e i g e n e n Selbstseins u n d d e r G e b r a u c h s d i n g e , s o n d e r n die spezifische G a n z h e i t d e r S e i n s m a n n i g f a l t i g k e i t , die i m M i t sein m i t A n d e r e n , Sein b e i . . . u n d Selbstsein e i n h e i t l i c h vers t a n d e n ist. A b e r P r o b l e m ist g e r a d e die G a n z h e i t e i n e s s o l c h e n auf das D a s e i n w e s e n h a f t o r i e n t i e r t e n G a n z e n ; sie ist n i c h t gewonnen dadurch, daß wir etwa neben Kants Ontologie der N a t u r i m w e i t e s t e n S i n n e e i n e solche des g e s c h i c h t l i c h e n D a seins, d e r G e b r a u c h s d i n g e o d e r d e r S u b j e k t i v i t ä t setzen; m i t all d e m ist das w e s e n t l i c h e P r o b l e m s c h o n h o f f n u n g s l o s v e r l o r e n . Was b e s t i m m t w e r d e n m u ß , ist die spezifische G a n z h e i t des g a n z e n Seins, das je i m D a s e i n v e r s t a n d e n ist, d i e i n n e r e O r g a n i s a t i o n dieser S e i n s g a n z h e i t , die w i r n i c h t v o n t h e o r e t i s c h a u s g e b i l d e t e n O n t o l o g i e n h e r als e i n e A u f s c h i c h t u n g u n d ein Nebeneinander von Regionen fassen dürfen.2
§ 36. Welt als »Spiel des
Lebens«
W i r Seihen: K a n t spricht, w e n n er d e n e x i s t e n z i e l l e n W e l t b e g r i f f e r l ä u t e r n , bzw. m e h r v o r p h i l o s o p h i s c h ü b e r h a u p t s e i n e B e d e u t u n g k e n n z e i c h n e n will, v o m »Spiel des L e b e n s « . E r f o l g t d a d e m S p r a c h g e b r a u c h , i n d e m jederzeit, w e n n w i r n u r e i n O h r d a f ü r h a b e n , P h i l o s o p h i e beschlossen liegt, g l e i c h s a m n o c h geb u n d e n e P h i l o s o p h i e . W i e sollte es a u c h a n d e r s sein, w e n n P h i l o s o p h i e r e n z u m W e s e n des D a s e i n s g e h ö r t u n d i n d e r Spra2
Die spezifische Ganzheit dieser metaphysischen apriorischen Spielregeln, die je ein faktisches Spiel des Lebens möglich machen.
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c h e D a s e i n sich a u s s p r i c h t — a u c h w e n n ü b e r Alltägliches. D e r A u s d r u c k »Spiel des L e b e n s « ist g e w i ß d a r a u s e r w a c h s e n , d a ß das g e s c h i c h t l i c h e M i t e i n a n d e r s e i n d e r M e n s c h e n d ë n Anblick einer b u n t e n Mannigfaltigkeit u n d Wandelbarkeit, Zufälligk e i t , bietet. A b e r all das, dieses S i c h t b a r e k a n n ja n u r e b e n der W i d e r s c h e i n sein des W e s e n s des D a s e i n s , das sich d a f a k t i s c h g e s c h i c h t l i c h abspielt. M i t a n d e r e n W o r t e n : Es m u ß i m W e s e n des D a s e i n s e i n S p i e l c h a r a k t e r l i e g e n , w e n n es diesen Anblick soll b i e t e n k ö n n e n . W i r m ü s s e n n u n i n d e r T a t m i t R ü c k s i c h t auf die F r a g e n a c h d e r G a n z h e i t des G a n z e n dessen, w a s w i r W e l t n e n n e n , sagen: D i e G a n z h e i t des je i m D a s e i n i m m e r schon v e r s t a n d e n e n Seins, i n s b e s o n d e r e d e r C h a r a k t e r dieses Verstehens u n d die O r g a n i s a t i o n des V e r s t a n d e n e n , das I n - d e r - W e l t - s e i n ü b e r h a u p t , - die W e l t h a t d e n C h a r a k t e r des Spiels. A u s v e r s c h i e d e n e n G r ü n d e n g e b e ich diese z u n ä c h s t e t w a s g e w a g t e C h a r a k t e r i s t i k , m u ß aber a u f e i n e e i n g e h e n d e W e s e n s i n t e r p r e t a t i o n dessen, w a s w i r Spiel nennen, verzichten. Einige charakterisierende Hinweise mögen genügen. W i r s p r e c h e n v o m K a r t e n s p i e l , Gesellschaftsspiel, L a u t e n spiel, v o m M i e n e n s p i e l , v o m S p i e l e n i m S i n n e v o n » e i n e Rolle spielen«. W i r s a g e n v o n e i n e m M e n s c h e n , d a ß er ein spielerisches W e s e n h a b e . W i r s p r e c h e n v o n e i n e m b l o ß e n Spiel, das d a n n d e n C h a r a k t e r des Scheins, des U n e c h t e n , des »als ob« hat. D i e s e I n t e r p r e t a t i o n d e s Spiels f ü h r t dazu, d a ß w i r a u c h das S p i e l e n d e r K i n d e r , das i n s e i n e m S i n n e e c h t ist, i n e i n e m positivistischen S i n n n e h m e n , d . h . w i r s e h e n es i m H o r i z o n t einer sogenannten ernsthaften Beschäftigung der Erwachsenen. D i e F r a g e n , ob e c h t o d e r u n e c h t , »in W i r k l i c h k e i t « oder n u r »als ob«, t r e f f e n U n t e r s c h i e d e d e r f a k t i s c h e n F u n k t i o n u n d Auswirk u n g des Spielens, a b e r n i c h t dieses selbst. Vor a l l e m das Spiel d e r K i n d e r ist n i c h t v o n d a h e r zu v e r s t e h e n . A n d e r e r s e i t s darf m a n a u c h n i c h t m e i n e n , i m Spiel l ä g e e t w a s spezifisch Kindliches. W e n n es ein Vorrecht des K i n d e s ist zu spielen, so b e d e u t e t das z u n ä c h s t n u r , d a ß das Spiel i r g e n d w i e z u m M e n -
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sehen g e h ö r t . V i e l l e i c h t ist das K i n d n u r K i n d , w e i l es i n e i n e m m e t a p h y s i s c h e n S i n n e e t w a s ist, w a s w i r E r w a c h s e n e n ü b e r haupt nicht m e h r begreifen. Freilich s p r e c h e n w i r a u c h v o n e i n e m Spiel d e r T i e r e u n d n e h m e n das z u m Beleg, d a ß das Spiel e t w a s d e m biologischen D a s e i n Z u g e h ö r i g e s sei, d e m K i n d z u k o m m e , d e m E r w a c h s e n e n a b e r f e h l e . D i e s e A r g u m e n t a t i o n b e r u h t auf e i n e m v e r k e h r t e n Schluß, s o f e r n sie voraussetzt, d a ß das, w a s w i r S p i e l e n d e r T i e r e n e n n e n , i d e n t i s c h m i t d e m sei, w a s w i r Spielen des K i n d e s n e n n e n . A n d e r e r s e i t s w e n n es m ö g l i c h w ä r e , ein S p i e l e n des T i e r e s a u f z u w e i s e n , so w ä r e das n u r d e r Beweis d a f ü r , d a ß Spiel e i n w e i t e r e s P h ä n o m e n ist u n d d a ß es s e i n e G r ü n d e h a b e n m u ß , w e n n die s o g e n a n n t e n E r w a c h s e n e n n i c h t m e h r s p i e l e n i m Sinne d e r Spiele d e r K i n d e r , g l e i c h w o h l a b e r sich e i n e n E r s a t z s c h a f f e n . D a s b i s h e r G e s a g t e sei n u r e i n H i n w e i s a u f d i e ontischen Bezirke, i n d e n e n w i r g e m e i n h i n von Spiel s p r e c h e n . a) D a s I n - d e r - W e l t - s e i n als u r s p r ü n g l i c h e s Spiel der Transzendenz D a ß w i r v o m »Spiel des L e b e n s « s p r e c h e n , ist n i c h t n u r e i n e R e d e w e n d u n g ; a n d e r e r s e i t s m ü s s e n w i r u n s d a v o r h ü t e n , einfach i n das b l o ß e W o r t e t w a s h i n e i n zu d e u t e n . E s gilt v i e l m e h r , dessen S e i n zu k l ä r e n , d a b e i die s a c h l i c h e n P h ä n o m e n e selbst zu fassen, d a r a u f w i r s t o ß e n , u n d sie g l e i c h s a m m i t d e m z u s a m m e n h a l t e n , w a s w i r m i t »Welt« m e i n e n . Spiel b e s a g t e i n m a l das Spielen i n d e r Weise, d a ß w i r d a m i t das Vollziehen des Spiels m e i n e n ; z w e i t e n s d a s Spiel als das G a n z e e i n e r R e g e l u n g , g e m ä ß d e m ein S p i e l e n sich vollzieht. Aber das Spiel als S p i e l e n ist e b e n n i c h t n u r das B e f o l g e n v o n Spielregeln, e i n V e r h a l t e n d a n a c h . D a m i t t r e f f e n w i r das W e s e n des Spiels n i c h t . I m Spiel g e h ö r e n S p i e l r e g e l u n d Spieler n i c h t n u r u n m i t t e l b a r z u s a m m e n , s o n d e r n i m Spiel l i e g t m e h r : Es ist von v o r n h e r e i n e t w a s U r s p r ü n g l i c h e r e s . W i r s a g e n roh: e i n e gewisse F r e u d e a m Spiel; a b e r n i c h t n u r a n i h m , s o n d e r n i m
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S p i e l e n selbst. Spielen ist s e i n e m G r u n d c h a r a k t e r n a c h ein InS t i m m u n g - s e i n , G e s t i m m t s e i n ; ja, sogar u m g e k e h r t gilt: zu jed e r S t i m m u n g g e h ö r t Spiel i n e i n e m g a n z w e i t e n S i n n e . N i c h t n u r i m S p i e l e n liegt F r e u d e , s o n d e r n in aller F r e u d e — u n d n i c h t n u r i n i h r —, in j e d e r S t i m m u n g l i e g t so e t w a s w i e e i n Spiel. D e n n »die Spiele« sind je n u r b e s t i m m t e f a k t i s c h e M ö g l i c h k e i t e n u n d A u s f o r m u n g e n des Spielens. W i r s p i e l e n n i c h t , w e i l es Spiele gibt, s o n d e r n u m g e k e h r t : Es g i b t Spiele, w e i l w i r spielen, u n d zwar i n e i n e m w e i t e n S i n n e des Spielens, das sich n i c h t notwendig in e i n e m Sichbeschäftigen m i t Spielen äußert. D a s S p i e l e n ist d e m n a c h 1. k e i n e m e c h a n i s c h e A b f o l g e von V o r g ä n g e n , s o n d e r n e i n freies, d . h . i m m e r r e g e l g e b u n d e n e s Ges c h e h e n . 2. D a b e i ist i n d i e s e m G e s c h e h e n n i c h t w e s e n t l i c h das H a n d e l n u n d T u n , s o n d e r n das E n t s c h e i d e n d e a m S p i e l e n ist g e r a d e d e r spezifische Z u s t a n d s c h a r a k t e r , das e i g e n t ü m l i c h e S i c h - d a b e i - b e f i n d e n . 3. W e i l so n i c h t das V e r h a l t e n das W e s e n t l i c h e i m S p i e l e n ist, d e s h a l b ist a u c h die R e g e l u n g v o n a n d e r e m C h a r a k t e r , n ä m l i c h : D i e R e g e l n b i l d e n sich erst i m Spielen. D i e B i n d u n g ist e i n e f r e i e in e i n e m g a n z b e s o n d e r e n S i n n e . Das S p i e l e n spielt sich, u n d z w a r j e d e s m a l erst a u f ein Spiel ein, das sich d a n n ablösen k a n n als R e g e l s y s t e m . I n d i e s e m Sicheinspiel e n a u f . . . e n t s t e h t erst das Spiel, m u ß a b e r n i c h t sich ausform e n zu R e g e l s y s t e m , V o r - s c h r i f t e n . D a r i n l i e g t a b e r 4. D i e S p i e l r e g e l ist k e i n e feste, i r g e n d w o h e r b e z o g e n e N o r m , s o n d e r n ist w a n d e l b a r i m S p i e l e n u n d d u r c h das Spielen. Dieses s c h a f f t sich selbst j e d e s m a l g l e i c h s a m d e n R a u m , i n n e r h a l b dessen es sich b i l d e n u n d d . h . z u g l e i c h u m b i l d e n k a n n . I n d i e s e m u r s p r ü n g l i c h e n , w e i t e n u n d schließlich in e i n e m m e t a p h y s i s c h e n S i n n ist d e r A u s d r u c k »Spiel« zu n e h m e n , w e n n w i r jetzt sagen: » W e l t « ist d e r T i t e l f ü r das Spiel, das die T r a n s z e n d e n z spielt. D a s I n - d e r - W e l t - s e i n ist dieses u r s p r ü n g l i c h e S p i e l e n des Spiels, auf das e i n jedes f a k t i s c h e D a s e i n sich e i n s p i e l e n m u ß , u m sich a b s p i e l e n zu k ö n n e n , d e r a r t , d a ß i h m f a k t i s c h so oder so m i t g e s p i e l t w i r d in d e r D a u e r s e i n e r Existenz.
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Es ist n u n w e s e n t l i c h , d a ß d e r g e m e i n e V e r s t a n d g l e i c h s a m nichts d a v o n m e r k t , v o n d i e s e m u r s p r ü n g l i c h e n Spiel d e r T r a n szendenz, u n d er g e r ä t d e s h a l b sofort in E n t s e t z e n , w e n n i h m das A n s i n n e n gestellt w i r d , auf e i n Spiel gesetzt zu sein —, w o doch alles s e i n e f e s t e n R e g e l n u n d N o r m e n h a t , s e i n e b e h ä b i g e Sicherheit. D a s m e n s c h l i c h e D a s e i n e i n e m Spiel a u s l i e f e r n ? D e n M e n s c h e n auf das Spiel des D a s e i n s setzen? I n d e r Tat! Aber w i r d ü r f e n n i c h t vergessen: Spiel w i r d e r s t e n s i n e i n e m ganz w e i t e n S i n n e g e n o m m e n , u n d solches Spiel ist alles a n d e r e als »spielerisch«, bloßes Spiel g e g e n ü b e r d e r W i r k l i c h k e i t — diesen U n t e r s c h i e d g i b t es g a r n i c h t i n der T r a n s z e n d e n z . Vor a l l e m a b e r ist als Spiel n i c h t c h a r a k t e r i s i e r t das j e w e i l i g e f a k tische V e r h a l t e n , s o n d e r n das, w a s es e r m ö g l i c h t . D a m i t ist gesagt, d a ß dieses Spiel z u n ä c h s t g e r a d e v e r b o r g e n ist. Z w e i t e n s wird' Spiel g e n o m m e n als i n sich ü b e r s t e i g e n d ü b e r s p r u n g e n , v o r g ä n g i g erschlossen. E i n Spiel ist n i c h t e i n S i c h a b s p i e l e n i n e i n e m S u b j e k t , sond e r n u m g e k e h r t . I n d i e s e m Spiel d e r T r a n s z e n d e n z ist s c h o n jedes Seiende, dazu w i r u n s v e r h a l t e n , u m s p i e l t , u n d alles Verh a l t e n auf dieses Spiel eingespielt. Aber g e r a d e d a n n , w e n n die T r a n s z e n d e n z e i n Spiel sein soll, g e r ä t doch alles ins W a n k e n . W i r s a g t e n f r ü h e r : Z u r T r a n s z e n denz g e h ö r t Seins Verständnis. 1 D a s Sein, das d a v e r s t a n d e n w i r d ,
1 D i e Frage nach d e m Begriff des Seins und all dem, was darin beschlossen liegt, ist der Übergang des selbstverständlichen Seinsverstehens zum radikalen Begreifenwollen. Was ist das Verstehen des Seins? Wohin sollen wir uns versetzen, u m den Ausgang für die Frage zu nehmen? Nun, wir brauchen uns gar nicht erst darein zu versetzen, wir b e w e g e n uns schon i m m e r darin, wir, das Seiende, das wir je sind, das wir Mensch n e n n e n und davon wir bestimmte Vorstellungen und Begriffe haben, sogar Anthropologie. Seinsverständnis ist etwas, was an Menschen vorkommt, eine Eigenschaft, Eigentümlichkeit; also ist Seinsverständnis eine Eigenschaft des Menschen, in das Wesen des Menschen m i t einbezogen. Daraus folgt aber hier, daß doch eben, w e n n anders diese Semsfrage Grandfrage der Metaphysik ist, der Mensch zum Zentrum der Problematik wird. Gibt es eine radikalere Recht-
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ist z u m Teil m i n d e s t e n s o f f e n b a r g e w o r d e n i n d e m , w a s P i a t o n als I d e e n e r k a n n t e , u n d v o n d e n e n w i s s e n w i r doch, d a ß sie ü b e r d e m W e c h s e l u n d W a n d e l d e r Z e i t s i n d — ewig-, das S y s t e m der K a t e g o r i e n , a u c h w e n n w i r es n o c h n i c h t v o l l s t ä n d i g k e n n e n , ist e b e n g e r a d e das An-sich s c h l e c h t h i n . Solche A r g u m e n t e k l i n g e n z u n ä c h s t s e h r ü b e r z e u g e n d , u n d d o c h sind sie m e h r zur B e r u h i g u n g des g e m e i n e n M e n s c h e n v e r s t a n d e s g e s p r o c h e n als aus d e r F r a g e n a c h d e m , w a s da P r o b l e m w e r d e n soll. G e r a d e das sollen w i r s e h e n l e r n e n , daß, w a s w i r S e i n s v e r s t ä n d n i s n e n n e n , n i c h t die H a r m l o s i g k e i t e i n e r A n a l y s e v o n K a t e g o r i e n h a t , die m a n m i t d e r Z e i t v o l l s t ä n d i g z u s a m m e n b e k o m m t w i e e i n e M ü n z s a m m l u n g , d a ß das Vers t ä n d n i s des Seins u n d dieses selbst sich v i e l m e h r b i l d e t m i t der Bildung der Welt. I n - d e r - W e l t - s e i n als T r a n s z e n d e n z , als t r a n s z e n d e n t a l e s Spiel ist i m m e r W e l t b i l d u n g . F ü r d e n r e c h t k n a p p e n H o r i z o n t des 1 g e m e i n e n Verstandes e r s c h e i n t g e r a d e das K a t e g o r i a l e , w e n n er es ü b e r h a u p t k e n n t , s t a b i l bzw. — w a s n u r die K e h r s e i t e dieser Art v o n E i n s i c h t ist — w e n n dieses F e s t e in F l u ß g e r ä t , w e i ß e r n u r n o c h eins: sich ü b e r d e n R e l a t i v i s m u s zu b e k l a g e n .
fertigung des philosophischen Faktums der Anthropologie als die, daß sie, wie jetzt doch gezeigt, den Boden bereitstellt für den Ausgang und die Ausbildung der Seinsfrage? Doch gemach — ist das Semsverständnis nur eine Eigenschaft, die wir als eine vielleicht bisher zu wenig beachtete Bestimmung des Wesens des Menschen diesem einfach [.. .]* oder ist das, was wir im Seinsverständnis ins Licht zu stellen versuchten, das Ursprünglichste im Wesen des Menschen, so daß umgekehrt von hier aus allererst die radikale Frage nach dem Wesen des Menschen in Gang kommt, daß gerade die Anthropologie ausgeschaltet bleiben muß? Aber — wozu ausschalten? Es folgt jetzt aus dieser Problematik höchstens, daß die Anthropologie aus der zentralen Orientierung an der Seinsfrage neu begründet werden muß. Also die Idee der philosophischen Anthropologie als Zentrum bleibt und ist so gerade allererst begründet. * [Zwei Wörter unleserlich.]
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b) T r a n s z e n d e n z q u a S e i n s v e r s t ä n d n i s als Spiel W i r g e b r a u c h e n »Spiel« i n e i n e m u r s p r ü n g l i c h e n u n d z u g l e i c h w e i t e n Sinne. W i r f a s s e n die T r a n s z e n d e n z als Spiel, die T r a n s zendenz selbst z u n ä c h s t h i n s i c h t l i c h des M o m e n t e s des Seinsverständnisses, m i t h i n h a t a u c h dieses S p i e l c h a r a k t e r . W e n n w i r v o m I n - d e r - W e l t - s e i n als S p i e l e n s p r e c h e n , d a n n ist h i e r n i c h t g e m e i n t , e i n Spiel s p i e l e n i m v u l g ä r e n S i n n e , n u r ü b e r t r a g e n u n d .gleichsam v e r g r ö ß e r t auf das g a n z e D a s e i n , oder g a r aber: m i t d e m S e i e n d e n spielen, a b e r a u c h n i c h t s p i e l e n m i t d e m Sein; s o n d e r n : das Sein spielen, e r s p i e l e n ; i n d i e s e m Spiele erbilden. V i e l m e h r gilt es, das spezifische G e s c h e h e n u n d s e i n e B e w e g t h e i t zu fassen, d i e w i r m i t S p i e l e n ü b e r h a u p t m e i n e n . D i e I n t e r p r e t a t i o n dessen, w a s W e l t besagt, i n s e i n e m W e senszug zu fassen, v e r l a n g t , d a ß w i r das P h ä n o m e n W e l t in i n n e r e n Z u s a m m e n h a n g m i t d e m D a s e i n selbst b r i n g e n u n d eine G r u n d v e r f a s s u n g des D a s e i n s i n d e n Blick b r i n g e n , d i e w i r v o r g r e i f e n d das I n - d e r - W e l t - s e i n n e n n e n . D i e s e G r u n d v e r f a s s u n g des D a s e i n s ist a b e r gleichzeitig die G r u n d s t r u k t u r d e r Transzendenz, w i e w i r e r k e n n e n sollen. T r a n s z e n d e n z h a t sich u n s n ä h e r g e b r a c h t auf d e m W e g e d e r K l ä r u n g des Seinsverständnisses, d . h . des G r u n d f a k t u m s , d a ß wir i m V e r h a l t e n z u m S e i e n d e n ü b e r das S e i e n d e s c h o n h i n w e g g e s t i e g e n sind u n d n u r i n s o f e r n es als S e i e n d e s v e r s t e h e n k ö n n e n . Dieses S e i n s v e r s t ä n d n i s k e n n z e i c h n e n w i r als T r a n szendenz, m i t d e r E i n s c h r ä n k u n g , d a ß die T r a n s z e n d e n z d u r c h das S e i n s v e r s t ä n d n i s n i c h t e r s c h ö p f e n d b e s t i m m t ist. G l e i c h w o h l soll jetzt das S e i n s v e r s t ä n d n i s u n s z u m L e i t f a d e n d i e n e n , das I n - d e r - W e l t - s e i n u n d d a m i t das P h ä n o m e n d e r W e l t a n s c h a u u n g zu i n t e r p r e t i e r e n u n d als ein w e s e n t l i c h e s M o m e n t der P h i l o s o p h i e selbst zu b e g r e i f e n . U m dies zu b e w e r k s t e l l i g e n , ist n o t w e n d i g , m e h r als b i s h e r von d e r b i s h e r i g e n F r a g e s t e l l u n g d e r G e s c h i c h t e d e r M e t a p h y sik u n d P h i l o s o p h i e ü b e r h a u p t a b z u w e i c h e n , u n d u m d i e s e n Schritt v e r s t ä n d l i c h zu m a c h e n , h a b e ich v o r g r e i f e n d e i n m e r k -
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w ü r d i g e s P h ä n o m e n zu v e r d e u t l i c h e n v e r s u c h t , das auf d e n e r s t e n Blick w e n i g g e e i g n e t e r s c h e i n t , das G r u n d p h ä n o m e n des D a s e i n s , die T r a n s z e n d e n z , zu k e n n z e i c h n e n : das I n - d e r - W e l t sein oder die W e l t als Spiel. D i e s e r A u s d r u c k ist, w i e s c h o n die E r w ä h n u n g des k a n t i s c h e n S p r a c h g e b r a u c h e s anzeigt, n i c h t willkürlich. D a ß w i r das L e b e n , das I n - d e r - W e l t - s e i n , d i e W e l t selbst als Spiel b e t r a c h t e n , h a t s e i n e G r ü n d e . Es k o m m t d a r a u f a n , ü b e r den vulgären Ausdruck u n d seine B e d e u t u n g hinauszukommen, n i c h t in d e r Weise, d a ß w i r u n s e i n e n Begriff des Spiels zurechtl e g e n u n d d a n n auf das D a s e i n a n w e n d e n , in d e m Sinne, d a ß das D a s e i n e i n v e r g r ö ß e r t e s Spiel w ä r e , i m U n t e r s c h i e d v o n gew ö h n l i c h e n S p i e l z e u g e n . V i e l m e h r soll u n s d a s P h ä n o m e n des Spiels die A n w e i s u n g g e b e n auf d i e E i n h e i t l i c h k e i t e i n e s Ges c h e h e n s , das d i e T r a n s z e n d e n z i m G r u n d e b e s t i m m t . W i r n e h m e n n o c h m a l s in vier P u n k t e n die G r u n d c h a r a k t e r e dessen z u s a m m e n , w a s w i r als Spiel h e r a u s s t e l l e n w o l l e n , u n d z w a r jetzt, u m die E i n h e i t l i c h k e i t u n d B e w e g t h e i t des P h ä n o m e n s zu b e t o n e n . 1. S p i e l e n ist ein f r e i e s B i l d e n , das je s e i n e e i g e n e E i n s t i m m i g k e i t h a t , s o f e r n es sich sie i m S p i e l e n bildet. 2. S p i e l e n ist d a m i t , o b z w a r f r e i e s Bilden, g e r a d e d i e Bind u n g , a b e r n i c h t ein abgelöstes G e b i l d e , s o n d e r n das b i l d e n d e S i c h b i n d e n a n u n d in das s p i e l e n d e B i l d e n selbst. 3. Spielen ist d a h e r n i e e i n V e r h a l t e n zu e i n e m G e g e n s t a n d , ü b e r h a u p t k e i n bloßes V e r h a l t e n zu . . ., s o n d e r n das S p i e l e n des Spiels u n d Spiel des Spielens z u m a l e i n u r s p r ü n g l i c h i n sich unzertrennliches Geschehen. 4. S p i e l e n i n d i e s e m S i n n e n e n n e n w i r das I n - d e r - W e l t - S e m , d i e T r a n s z e n d e n z , die w i r z u n ä c h s t i m m e r k e n n z e i c h n e t e n als U b e r s t i e g ü b e r das S e i e n d e . D a s I n - d e r - W e l t - s e i n h a t i m m e r s c h o n zuvor das S e i e n d e ü b e r s p i e l t u n d u m s p i e l t ; in d i e s e m S p i e l e n b i l d e t es allererst d e n R a u m , sogar i m w i r k l i c h e n Sinne, i n n e r h a l b dessen w i r S e i e n d e s a n t r e f f e n .
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c) D i e K o r r e l a t i o n v o n S e i n u n d D e n k e n . I h r e V e r e n g u n g i n d e r »logischen« A u s l e g u n g des Seinsverständnisses W e n n w i r n u n , i n d e n G r e n z e n d e r b i s h e r i g e n E r ö r t e r u n g bleibend, die T r a n s z e n d e n z q u a S eins Verständnis als Spiel fassen, s t o ß e n w i r g e r a d e h i e r auf die g r ö ß t e n S c h w i e r i g k e i t e n . Seinsv e r s t ä n d n i s ist w e s e n h a f t z u m Spiel d e r T r a n s z e n d e n z g e h ö r i g , also selbst e i n Spiel. 2 E r i n n e r n w i r k u r z d a r a n , d a ß bei P i a t o n e r s t m a l s a u s d r ü c k l i c h das S e i n s v e r s t ä n d n i s als P r o b l e m h e r a u s t r a t u n d d a ß es s e i n e Lösung in d e m fand, was m a n gewöhnlich Ideenlehre nennt. I d e e ist das, w a s a m S e i e n d e n als es selbst g e s i c h t e t w i r d , w a s a m S e i e n d e n das S e i e n d e ist, das Wassein d e r D i n g e oder i h r W e s e n . H i e r zeigt sich, d a ß die I d e e u n d i h r e B e s t i m m u n g in K o r r e l a t i o n z u m λόγος gesetzt w e r d e n . Freilich w ä r e es zu w e i t g e g a n g e n , w o l l t e n w i r s a g e n , sie sei d e r U r s p r u n g s c h l e c h t h i n ; g l e i c h w o h l ist dieser Schritt, d e n d i e P h i l o s o p h i e h i e r vollzog, v o n e n t s c h e i d e n d e r B e d e u t u n g g e w o r d e n . E r p r ä g t sich, k u r z gesagt, i n d e r n a c h k o m m e n d e n G e s c h i c h t e d e r P h i l o s o p h i e d a r i n aus, d a ß das »Sein« K o r r e l a t des λόγος, d e r ratio, V e r n u n f t w i r d . D i e g r a n d i o s e s t e A u s g e s t a l t u n g f a n d diese K o r r e l a t i o n i n H e gels »Logik«, die n i c h t s a n d e r e s d a r s t e l l e n soll als das a b s o l u t e Selbstwissen d e r V e r n u n f t u m sich selbst; d e m I n h a l t n a c h ist, u n d zwar m i t k l a r e m B e w u ß t s e i n , dieses W e r k M e t a p h y s i k , tot a l e E r k e n n t n i s des Seins; a b e r n i c h t o h n e G r u n d n e n n t H e g e l sie »Logik«, u m a u s z u d r ü c k e n , d a ß das G a n z e des Seins (Substanzialität) i n w e i t e s t e m S i n n e z e n t r i e r t in d e r V e r n u n f t (Subjektivität) ist. D a s W e s e n des Seins l i e g t also i m S u b j e k t . Sein 2 Semsverstandms als Spiel; von hier aus ist Transzendenz, In-der-Weltsein, Welt, Weltanschauung zu begreifen. Hierzu ist notwendig, deutlicher als bisher zu erklaren »Semsverstandms« — die Art, wie es bisher gefaßt wurde, um daran zu ermessen, was unser Versuch beansprucht. Jetzt nicht mehr mithören das Herabsetzende, Spiel, »nur«, »bloß«, umgekehrt ansehen, Macht im ^piel, aber beides beiseite lassen.
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In-der-Welt-sein
u n d d e r g a n z e R e i c h t u m dessen, w a s diese I d e e i n sich schließt, ist D e n k e n . B e d e n k e n w i r , d a ß i n H e g e l s » L o g i k « alle w e s e n t lichen Motive der abendländischen Metaphysik in einer großen I d e e k o n z e n t r i e r t sind, d a ß S e i n s v e r s t ä n d n i s , v e r n ü n f t i g e s D e n k e n i n der G e s e t z l i c h k e i t d e r s e l b e n , u n d z w a r i n d e r f r ü h e n F o r m d e r D i a l e k t i k u n t e r s t e l l t ist, d a n n will es m e r k w ü r d i g erscheinen, das Seinsverständnis auf den schwankenden Boden e i n e s Spiels zu b r i n g e n . G l e i c h w o h l ist n o t w e n d i g , aus e i n e m w e s e n t l i c h e n G r u n d e i n dieser R i c h t u n g zu f r a g e n , u n d z w a r w e i l i n d e r b i s h e r i g e n Metaphysik eine wesentliche Verengung und Veräußerlichung des S e i n s p r o b l e m s liegt. 3 D i e s e r G r u n d w i r d u n s d e u t l i c h , u n d er e r h ä l t s e i n e W i r k u n g s k r a f t , w e n n w i r u n s die F r a g e v o r l e g e n : W i e k o m m t es g e r a d e zu dieser K o r r e l a t i o n v o n S e i n u n d D e n k e n , S e i n u n d V e r n u n f t ? M a n k ö n n t e d a r a u f h i n w e i s e n , d a ß die antike Philosophie m i t einer These beginnt, die nichts anderes z u m A u s d r u c k zu b r i n g e n scheint-als diese K o r r e l a t i o n v o n Sein u n d D e n k e n . P a r m e n i d e s : » D e n n e i n u n d dasselbe ist D e n k e n u n d S e i n « (Diels, F r a g m e n t 5), b e i d e g e h ö r e n z u s a m m e n . Aber dieser H i n w e i s g e n ü g t s c h o n d e s h a l b n i c h t , w e i l νοεΐν n i c h t o h n e w e i t e r e s m i t K a n t s oder H e g e l s V e r n u n f t b e g r i f f sich g l e i c h s e t z e n l ä ß t ; vor a l l e m a b e r , w e i l diese e i n d e u t i g e O r i e n t i e r u n g des S e i n s p r o b l e m s auf d e n λόγος erst s p ä t e r einsetzte, u n d zwar aus zwei H a u p t m o t i v e n . W e n n n a c h d e m Sein g e s u c h t w i r d , g l e i c h s a m n a c h d e r g r e i f b a r s t e n F o r m desselben, d a n n d r ä n g t es sich auf i n d e r S p r a c h e , u n d z w a r i m »ist«, d e r Kopula; es ist g e w i s s e r m a ß e n b e h e i m a t e t i m Satz — λόγος. D i e s e G e s t a l t des Seins w i r d u m so u n b e d e n k l i c h e r a u f g e g r i f f e n , als sie zug l e i c h m i t b e k u n d e t das W a h r s e i n i m U n t e r s c h i e d v o m Schein. 4 5 Sein, Vernunft, ratio; alle nicht spezifisch theoretischen rationalen Verhaltungen: irrational; mit diesem Unterschied wurde alles bestritten und freilich auch, wie mit jeder Dichotomie, bestreitbar. * a ist b hat nicht nur die Bedeutung, daß b dem a als Prädikat z u k o m m t , sondern auch: a ist in der Tat und Wahrheit b. a ist b besagt zweitens das Wahrsein des b-seins von a.
S 36. Welt als »Spiel des Lebens«
319
Auf G r u n d dieses e l e m e n t a r e n T a t b e s t a n d e s , d e m w i r h i e r n i c h t w e i t e r n a c h f r a g e n k ö n n e n , k o m m t d e r Satz, λόγος, zu e i n e r a u s g e z e i c h n e t e n F u n k t i o n i m P r o b l e m d e s Seins, bzw. die Disziplin, d i e d e n λόγος z u m T h e m a h a t : die R o l l e d e r L o g i k in der M e t a p h y s i k . N e b e n b e i b e m e r k t : D a b e i ist n i c h t zu b e s t r e i t e n , d a ß h i e r e i n Z u s a m m e n h a n g b e s t e h t ; F r a g e b l e i b t n u r , ob e i n u r s p r ü n g l i c h e r u n d d e r u r s p r ü n g l i c h s t e f ü r die F r a g e n a c h d e m Sein. Z u b e s t r e i t e n ist, d a ß d e r Satz a u s l e g e n d , f u n d i e r e n d ist. A b e r w a s n u n erst d i e H e r r s c h a f t des λόγος u n d d e r L o g i k i n der M e t a p h y s i k b e f e s t i g t e , ist e t w a s a n d e r e s u n d s e h r s c h w e r zu s e h e n , vor a l l e m in s e i n e r M ö g l i c h k e i t zu b e g r ü n d e n u n d d e m e n t s p r e c h e n d zu ü b e r w i n d e n . Alles a u s d r ü c k l i c h e F r a g e n n a c h d e m Sein ist ein Ü b e r g a n g v o m v u l g ä r e n S e i n s v e r s t ä n d n i s zu e i n e m B e g r e i f e n ; alles Beg r e i f e n , w i e d e r N a m e sagt, b e g r i f f l i c h e s B e s t i m m e n . D a s B e g r e i f e n des Seins ist r a t i o n a l e , logische D e t e r m i n a t i o n ( z u m a l E r f a h r u n g ausgeschlossen ist). N u n zeigt sich das M e r k w ü r d i g e : Was als die W e i s e des B e s t i m m e n s des Seins u n d s e i n e r S t r u k t u r e n f u n g i e r t , die b e g r i f f l i c h e , r a t i o n a l e logische E r k e n n t n i s , w i r d zugleich zu d e m j e n i g e n B e z u g u m g e d e u t e t , d e r u r s p r ü n g lich u n d a l l e i n e i n e n Z u g a n g z u m S e i n e r ö f f n e t . D i e Weise des b e g r i f f l i c h e n B e s t i m m e n s des Seins w i r d zur G r u n d a r t des Vers t e h e n s v o n S e i n ü b e r h a u p t . S e i n s v e r s t ä n d n i s ist, w e n n m a n es ü b e r h a u p t als solches k e n n t , logisches E r f a s s e n . U n d so erst r ü c k t das S e i n s p r o b l e m völlig in d e n B a n n k r e i s v o n L o g i k u n d V e r n u n f t ; es k o m m t n o c h h i n z u , d a ß diese h ö c h s t e P r o b l e m a t i k des Seins als s t r e n g s t e g e s u c h t w i r d u n d d e r R a t i o n a l i t ä t d e r M a t h e m a t i k a n g e g l i c h e n w i r d . N i c h t g a n z zu U n r e c h t h a t m a n das S e i n s p r o b l e m bei P i a t o n » L o g i k des Seins« g e n a n n t . W i e s c h w e r es ist, aus d i e s e m Kreis sich zu b e f r e i e n , das w u r de g e l e g e n t l i c h d e r I n t e r p r e t a t i o n d e r » K r i t i k d e r r e i n e n Vern u n f t « bzw. K a n t s S t e l l u n g zur t r a n s z e n d e n t a l e n E i n b i l d u n g s k r a f t k u r z a n g e d e u t e t ; d a ß er vor i h r z u r ü c k w e i c h t , h a t s e i n e n G r u n d i n d e r s e l b s t v e r s t ä n d l i c h e n Ü b e r m a c h t des V e r n u n f t b e -
331
Weltanschauung
und
In-der-Welt-sein
ist n i c h t das h a r m l o s e S u b j e k t , als w e l c h e s es i n der P h i l o s o p h i e a n g e s e t z t w i r d , das g l e i c h s a m i m m e r i n V e r l e g e n h e i t k o m m t , w e n n i h m z u g e m u t e t w i r d , als e x i s t i e r e n d e s a u c h n u r g e d a c h t zu w e r d e n . D a s G a n z e , aus d e m h e r sich das D a s e i n v e r s t e h t , die Welt, ist k e i n f r e i s c h w e b e n d e s S y s t e m o n t o l o g i s c h e r Sätze, s o n d e r n das S i c h v e r s t e h e n h e i ß t , u m w i l l e n s e i n e r selbst e x i s t i e r e n , u n d dieses ist in sich Ausgesetztsein d e m S e i e n d e n . D i e Welt g i b t das D a s e i n preis, setzt es d e r N o t w e n d i g k e i t d e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t d e m S e i e n d e n aus, das es n i c h t ist, u n d m i t i h m selbst. D a s D a s e i n ist p r e i s g e g e b e n a n das Seiende, n i c h t erst d a d u r c h , d a ß solches v o r h a n d e n ist, s o n d e r n P r e i s g e g e b e n h e i t ist e i n e i n n e r e B e s t i m m u n g des I n - d e r - W e l t - s e i n s als solchen. Z w a r e r g i b t sich d u r c h diese I n t e r p r e t a t i o n d e r T r a n s z e n d e n z 1. d a ß das D a s e i n als solches je s c h o n m i t u n d bei S e i e n d e m ist, 2. d a ß dieses Sein bei . . . u n d M i t s e i n n i c h t e i n i n d i f f e r e n t e s G e g e n ü b e r s t e h e n h a b e n v o n O b j e k t e n ist, s o n d e r n Preisgegeb e n s e i n . A b e r der C h a r a k t e r d e r T r a n s z e n d e n z , d e n w i r als » P r e i s g a b e « a n z e i g e n , ist d o c h n o c h n i c h t h i n r e i c h e n d g e f a ß t . D e n n a u c h jetzt s i e h t es n o c h so aus, als sei das D a s e i n g l e i c h s a m ein über d e m Seienden schwebendes Subjekt, wenngleich dem preisgegeben. b) P r e i s g e g e b e n h e i t als G e w o r f e n h e i t D a s D a s e i n ist n i c h t u n d w e s e n h a f t n i e v o m S e i e n d e n isoliert u n d d a b e i n u r » a n « es p r e i s g e g e b e n , s o n d e r n als D a s e i n befind e t es sich i n m i t t e n des S e i e n d e n . D a s b e s a g t w i e d e r u m n i c h t , es k o m m t u n t e r a n d e r e m S e i e n d e n a u c h vor, s o n d e r n das » i n m i t t e n « besagt: D a s D a s e i n ist v o m S e i e n d e n , d e m es p r e i s g e b e n ist, d u r c h w a l t e t . D a s D a s e i n ist K ö r p e r u n d L e i b u n d L e b e n ; es h a t N a t u r n i c h t n u r u n d erst als G e g e n s t a n d d e r B e t r a c h t u n g , sond e r n es ist N a t u r ; a b e r e b e n n i c h t so, d a ß es e i n K o n g l o m e r a t von M a t e r i e , L e i b u n d Seele darstellt; es ist N a t u r q u a t r a n s z e n d i e r e n d e s Seiendes, D a s e i n , v o n i h r d u r c h w a l t e t u n d d u r c h s t i m m t .
S
37. Konkreteres
Verständnis der Transzendenz
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Je i n d e r Weise eines G e s t i m m t s e i n s b e f i n d e t sich das D a s e i n i n m i t t e n des es d u r c h w a l t e n d e n S e i e n d e n . Es geht hier u m einen grundsätzlich weiteren und ursprüngl i c h e r e n N a t u r b e g r i f f : n a t u r a , nasci, v o n sich h e r , dessen das D a s e i n als f r e i e s Selbst n i c h t m ä c h t i g ist. D a s D a s e i n ist n i c h t erst auf G r u n d dessen, d a ß es sich e i n f a l l e n l ä ß t , i n e i n e Bez i e h u n g zur N a t u r zu t r e t e n , s o n d e r n vor a l l e m f r e i e n V e r h a l t e n zur N a t u r i n m i t t e n d e r s e l b e n . Es b e f i n d e t sich je s c h o n i n i h r . D i e s e r B e f i n d l i c h k e i t i n m i t t e n d i e s e r D u r c h w a l t u n g v o n Seiend e m ist das D a s e i n als solches n i c h t m ä c h t i g . W i r s a g e n d a h e r : D a s D a s e i n ist i n das S e i e n d e g e w o r f e n . Z u m I n - d e r - W e l t - s e i n g e h ö r t die G e w o r f e n h e i t . D e r I n d e x dieses G r u n d c h a r a k t e r s d e r T r a n s z e n d e n z ist das, w a s w i r als S t i m m u n g k e n n e n ; w i r s i n d je so o d e r so g e s t i m m t , a u c h d a n n u n d g e r a d e d a n n , w e n n w i r u n s n i c h t in e x t r e m e n A u s s c h l ä g e n e i n e r g e h o b e n e n oder g e d r ü c k ten S t i m m u n g halten, sondern in jener merkwürdig, meist gerade nicht beachteten, aber i m G r u n d e u n h e i m l i c h e n Stimm u n g des s c h e i n b a r ü b e r h a u p t N i c h t g e s t i m m t s e i n s . Erst in d e r G e w o r f e n h e i t b e s t i m m t sich das e i g e n t l i c h e W e sen d e r P r e i s g a b e . D e n n diese b e t r i f f t n i c h t n u r , w i e es z u n ä c h s t s c h e i n e n k ö n n t e , das V e r h a l t e n des D a s e i n s z u m S e i e n d e n — g a n z a b g e s e h e n d a v o n , d a ß i m B e g r i f f des V e r h a l t e n s z u m Seie n d e n n i c h t z u m A u s d r u c k k o m m t , d a ß das sich V e r h a l t e n d e w e s e n h a f t je s c h o n i n m i t t e n des S e i e n d e n , v o n d i e s e m d u r c h w a l t e t ist. Alles V e r h a l t e n z u m S e i e n d e n e r w ä c h s t v i e l m e h r i m m e r e i n e m S c h o n - p r e i s g e g e b e n - s e i n a n dieses i m S i n n e der G e w o r f e n h e i t ; n i c h t i n n e r h a l b u n d g e l e g e n t l i c h eines Verhalt e n s z u m S e i e n d e n ist es a n dieses p r e i s g e g e b e n , s o n d e r n alles Verhalten als Weise des D a s e i n s g e s c h i e h t in d e r G e w o r f e n h e i t . Alles V e r h a l t e n ist w e s e n h a f t b e f i n d l i c h e s bzw. z u m Seinsverständnis, das jedes V e r h a l t e n z u m S e i e n d e n e r h e l l t u n d f ü h r t , g e h ö r t ein G e s t i m m t s e i n . G r u n d s ä t z l i c h g e s p r o c h e n : D e r Ü b e r stieg ü b e r das S e i e n d e g e s c h i e h t i n u n d aus e i n e m S i c h b e f i n d e n i n m i t t e n des S e i e n d e n . Z u r T r a n s z e n d e n z , d e m I n - d e r - W e l t sein, g e h ö r t G e w o r f e n h e i t .
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Weltanschauung
und
In-der-Welt-sein
g r i f f e s , n i c h t n u r i n d e r b e s o n d e r e n F o r m des A u f k l ä r u n g s z e i t alters. D i e H a r t n ä c k i g k e i t dieses P r o b l e m a n s a t z e s zeigt sich vor all e m a b e r d a r i n , daß, w e n n m a n s c h o n diese H e r r s c h a f t der V e r n u n f t in d e r V e r n u n f t s t ü r z e n will, d e m R a t i o n a l i s m u s es h ö c h s t e n s r e i c h t zu e i n e m I r r a t i o n a l i s m u s , d. h . zu e i n e r Position, d i e m i t d e r e r s t e n das F u n d a m e n t teilt. I r - r a t i o n a l i s m u s : dieser l e b t n u r von j e n e m , ist i n a l l e m , w a s b e g r i f f l i c h e I n t e r p r e t a t i o n d e r B e s t i m m u n g a u s m a c h t , bei j e n e m zu Gast. G e w o n n e n ist gar nichts, n u r g r ö ß e r e r V o r r a n g u n d m e h r Schein; d e n n es s i e h t n u r so aus, als sei m a n n u n m e h r d e m , w a s die R a t i o n a l i t ä t n i c h t zu fassen b e k o m m t , gerecht geworden. Andererseits hat der Ration a l i s m u s e r n e u t d e n Vorteil, f ü r sich d i e K l a r h e i t des B e g r i f f e s in A n s p r u c h zu n e h m e n g e g e n ü b e r d e m D u n s t k r e i s dessen, was m a n » L e b e n s p h i l o s o p h i e « n e n n t . So w i r d a u c h die s p o n t a n e R e a k t i o n g e g e n d e n Versuch, das S e i n s p r o b l e m u n d d i e T r a n s z e n d e n z ü b e r h a u p t i n ein Spiel zu g r ü n d e n , die sein, d a ß m a n d a r i n e i n e n I r r a t i o n a l i s m u s s i e h t bzw. b e f ü r c h t e t . D a m i t w ä r e f r e i l i c h eine b e q u e m e Etikette gefunden, aber m e h r auch nicht. D o c h w i r d m a n sagen: W a r u m d e n n die M e t a p h y s i k n i c h t in d e r s i c h e r e n u n d b e s t i m m t e n H u t d e r L o g i k belassen? Wozu d e n n d e r K a m p f g e g e n d e n R a t i o n a l i s m u s , w o e r doch d e r Ges c h i c h t e d e r M e t a p h y s i k so g r o ß e A n t r i e b e g e g e b e n hat? Allein, es g e h t ja n i c h t u m d e n K a m p f g e g e n d e n R a t i o n a lismus, sowenig wie u m eine Parteigängerschaft m i t d e m Irrationalismus, sondern allein u m die E r m ö g l i c h u n g einer radikal e r e n I n t e r p r e t a t i o n d e r T r a n s z e n d e n z , des Seinsverständnisses, a n g e s i c h t s dessen, d a ß d e r λόγος n u r a u s l e g e n d e u n d b e s t i m m e n d e F u n k t i o n h a t , w a s n i c h t h e i ß t , d a ß e r i m P r o b l e m des Seins ü b e r h a u p t k e i n e R o l l e h ä t t e . Es gilt zu s e h e n , d a ß S e i n s v e r s t ä n d n i s vor a l l e m logischen A u s s a g e n u n d B e s t i m m e n l i e g t u n d a u c h dieses erst e r m ö g l i c h t . W i r m ü s s e n f r a g e n , w a s das ist, w a s w i r m i t S e i n s v e r s t ä n d n i s meinen. Zwar wurde schon mancherlei und Wichtiges darüber g e s a g t (vgl. I. Weg: E n t w ü r f e der· S e i n s v e r f a s s u n g , G r u n d b e g r i f -
S 36. Welt als »Spiel des Lebens«
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fe). A u c h w u r d e s c h o n d a r a u f h i n g e w i e s e n , d a ß S e i n s v e r s t ä n d nis o f f e n b a r e i n U r f a k t u m des D a s e i n s ist, d a ß es n u r auf d i e s e m G r a n d e zu S e i e n d e m sich v e r h a l t e n k a n n . U n d doch will dieses n i c h t g e n ü g e n , a u c h n i c h t , w e n n w i r u n s d a r a n m a c h e n , Seinsb e s t i m m u n g e n w i r k l i c h a u f z u z e i g e n . D a s ist s c h o n i n historischen E r i n n e r u n g e n möglich: Ideenlehre. Aber gerade hier ein F i n g e r z e i g : Z w a r ist es v e r h ä l t n i s m ä ß i g leicht, w e n n e i n m a l gezeigt, das Wassein v o n e t w a s zu d e n k e n als das, v o n d e m h e r sich jedes e i n z e l n e D i e s e s d a b e s t i m m t . D i e s e e r s t m a l i g e g r o ß e Einsicht, die w i r n i e a b s c h w ä c h e n d ü r f e n d a d u r c h , d a ß sie u n s allzu b e k a n n t zu w e r d e n d r o h t , d r ä n g t a u c h s c h o n das P r o b l e m in Sackgassen. D i e E i n s i c h t w a r zu f a s z i n i e r e n d , u m u r s p r ü n g lich w e i t e r zu d r ä n g e n : χωρισμός, μέΌΐξις, οντως öv. D e r Ü b e r s c h r i t t w u r d e in d e r e l e m e n t a r e n E i n f a c h h e i t des e r s t e n S e h e n s vollzogen, o h n e sich des A u s g a n g s h i n r e i c h e n d zu v e r s i c h e r n . S o f e r n k ü n f t i g das R e s u l t a t das B e h e r r s c h e n d e bleibt, w u r d e n u r b e i l ä u f i g u n d m e i s t g a r n i c h t d e r S c h r i t t n o c h einmal zurück gewagt, u m ihn in größerer Helle u n d Weite e r n e u t zu v o l l z i e h e n . M a n f o l g t e d e m i m S e i n s v e r s t ä n d n i s lieg e n d e n Ü b e r s t i e g ü b e r das Seiende, o h n e d i e M ö g l i c h k e i t zu h a b e n , dieses S e i e n d e zuvor so w e i t u n d u n v e r d e c k t b e r e i t z u h a l t e n , d a ß d e r Ü b e r s c h r i t t m i t B e z u g a u f es i n d e r g a n z e n W e i t e und' M a n n i g f a l t i g k e i t vollzogen w e r d e n k o n n t e . I m Verfolg des Überstiege u n d f a s z i n i e r t von d e r Sicht auf das S e i n ( I d e e n ) w u r d e das S e i e n d e sogar h e r a b g e d r ü c k t z u m b l o ß e n S p r u n g brett, das μή ôv. ( W e n n g l e i c h a u c h h i e r e i n e W e n d u n g bei P i a t o n , k a m sie n i c h t zur A u s w i r k u n g . ) D a s S e i n s v e r s t ä n d n i s w u r d e aus e i n e m b e s t i m m t e n u n d i f f e r e n z i e r t e n Ansatz u n d i n b e s t i m m t e r R i c h t u n g i n d e n Begriff g e d r ä n g t , u n d o h n e d a ß es selbst h i n r e i c h e n d a u f g e h e l l t w a r , als das, was d a i m G a n z e n b e g r i f f e n w e r d e n sollte, o h n e d a ß vor a l l e m d e r j e n i g e B o d e n g e s i c h e r t w a r , i n d e m es als solches gew a c h s e n . D a h e r k a m ü b e r e i n e b l o ß e O r t s a n g a b e (ψυχή) u n d die besagte logische C h a r a k t e r i s t i k n i c h t s h e r a u s . Sokrates ist f r e i lich n i c h t d e r » E r f i n d e r « des B e g r i f f e s u n d d e r D e f i n i t i o n .
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Weltanschauung
und
In-der-Welt-sein
Es b l e i b t s e i t d e m e t w a s u n b e f r a g t u n d u n g e k l ä r t , w a s Ausg a n g u n d R a u m f ü r alle F r a g e n n a c h d e m S e i n darstellt: die C h a r a k t e r i s t i k des S e i n s v e r s t ä n d n i s s e s g e r a d e i n s e i n e r G e s t a l t u n d F u n k t i o n vor aller l o g i s c h - o n t o l o g i s c h e n B e u r t e i l u n g , in d i e s e r v o r o n t o l o g i s c h e n G e s t a l t i n d e r g a n z e n w e s e n h a f t e n Weit e u n d Vielschichtigkeit. Dieses ist a b e r n u r zu g e w i n n e n , w e n n das S e i n s v e r s t ä n d n i s als G a n z e s voll u n d a u s d r ü c k l i c h i n d e n j e n i g e n Z u s a m m e n h a n g gestellt w e r d e n k a n n , d e m es wesensm ä ß i g zugehört: Transzendenz — In-der-Welt-sein. Es b e s t e h t a b e r d e s h a l b , w e i l w i r dieses P r o b l e m i n s e i n e r g a n z e n S c h ä r f e s e h e n , k e i n e Veranlassung, ü b e r l e g e n zu t u n ; d e n n das ist d e m W e s e n d e r S a c h e n a c h n u r m ö g l i c h a u f d e m Wege einer grundsätzlichen Revision u n d radikalen Wiederhol u n g des e r s t e n A n b r u c h e s . W i r b l e i b e n d a h e r n o t w e n d i g d e n Vorläufern verpflichtet. U m n u n dieses u n m i t t e l b a r e G a n z e des Seinsverständnisses zu s e h e n , ist es z u n ä c h s t n o t w e n d i g , das D a s e i n n a c h d e n schon m e h r f a c h g e n a n n t e n G r u n d s t r u k t u r e n i m Blick zu h a b e n — das V o r h a n d e n e , M i t d a s e i n d e r A n d e r e n , Selbstsein — u n d dieses in d e r k o n k r e t e n E i n h e i t des g e s c h i c h t l i c h e n D a s e i n s m i t d e m g a n zen R e i c h t u m d e r w e s e n t l i c h e n M ö g l i c h k e i t e n . Vor a l l e m aber gilt es i m f a k t i s c h e n D a s e i n , i m S e i n s v e r s t ä n d n i s desselben, die V i e l f ä l t i g k e i t des Seins dieses S e i e n d e n zu v e r s t e h e n , w o b e i das S e i n s v e r s t ä n d n i s a b e r n i c h t von e i n e r R e g i o n i n die a n d e r e h i n aus· u n d übertritt, sondern gleichsam unmittelbar hin u n d her s c h w i n g t i m V e r s t e h e n v o n N a t u r u n d G e s c h i c h t e z u m Beispiel. S c h o n das » u n d « ist h i e r i r r e f ü h r e n d : das Schicksal eines M e n s c h e n u n d e i n e s Volkes w i r d u n m i t t e l b a r v e r s t a n d e n , e b e n s o wie e i n W e t t e r u m s c h l a g , i r g e n d e i n N a t u r u m s c h w u n g oder das Web e n u n d R e g e n u n s e r e s e i g e n e n l e i b l i c h e n Daseins, das Schicksal i n e i n e r N a t u r k a t a s t r o p h e ; s t a t t dessen k e n n e n w i r m ö g l i c h e Geb i e t e je a u s g e s o n d e r t : N a t u r w i s s e n s c h a f t , G e s c h i c h t s w i s s e n s c h a f t , Ontologie; u n d d o c h w i l l sich g e r a d e das E i g e n t ü m l i c h e so n i c h t e i n s t e l l e n . Dieses H i n - u n d H e r s c h w i n g e n i n d e r Vielstimm i g k e i t des S e i n s g a n z e n ist es, w a s d e m S e i n s v e r s t ä n d n i s z e n t r a l
S
37. Konkreteres
Verständnis der Transzendenz 336
w e s e n t l i c h ist u n d w a s v o n A n f a n g a n u n d v o n G r a n d aus i n das P r o b l e m d e r S e i n s f r a g e zu stellen ist. U m das so v o n G r a n d aus zu fassen, m u ß das P h ä n o m e n der T r a n s z e n d e n z a n s L i c h t g e b r a c h t u n d in s e i n e r v o l l e n S t r u k t u r g e f a ß t w e r d e n . D a s ist zu e r m ö g l i c h e n d u r c h d i e I n t e r p r e t a t i o n der T r a n s z e n d e n z als Spiel. D a s h e i ß t aber: W i r ü b e r t r a g e n n i c h t e i n f a c h e i n e n B e g r i f f v o n Spiel auf das T r a n s z e n d i e r e n u n d auf das S e i n s v e r s t ä n d n i s i m b e s o n d e r e n , s o n d e r n a m L e i t f a d e n dieses P h ä n o m e n s u n d s e i n e r f r e i e n V o r z e i c h n u n g versuc h e n w i r , i m Blick a u f d i e T r a n s z e n d e n z u n d v o n dieser h e r , sie zu fassen, u n d zwar s o w o h l voller als a u c h u r s p r ü n g l i c h e r . D a r i n l i e g t d a n n : D i e T r a n s z e n d e n z als Spiel ist k e i n e E i g e n s c h a f t u n d a u c h n i c h t n u r e i n e G r u n d e i g e n s c h a f t des M e n schenwesens, s o n d e r n d e r M e n s c h ist auf das Spiel des D a s e i n s gesetzt — v o r n e h m l i c h j e t z t zwar B e h a u p t u n g —, auf das Spiel des 'SeinsVerständnisses. D a s h e i ß t : S e i n s v e r s t ä n d n i s ist k e i n e i n d i f f e r e n t e , o b z w a r v i e l l e i c h t u n i v e r s a l e E i g e n s c h a f t des D a seins, T r a n s z e n d e n z k e i n e h a r m l o s e S t r u k t u r , d i e m a n b e a c h t e n k a n n o d e r n i c h t . D a s gilt es jetzt zu zeigen. D a m i t w i r d d e r S p i e l c h a r a k t e r d e r W e l t v e r d e u t l i c h t , d a d u r c h e r h ä l t das I n d e r - W e l t - s e i n s e i n e e i g e n e S c h ä r f e als G r u n d b e s t i m m u n g d e r Existenz, u n d d a m i t g e w i n n e n w i r die D i m e n s i o n , i n d i e das Wesen dessen, w a s w i r W e l t a n s c h a u u n g n e n n e n , e i n g e b a u t w e r den muß.
§37.
Gewinnung
eines konkreteren der Transzendenz
Verständnisses
a ) S e l b s t h e i t ( U m w i l l e n - s e i n e r ) als S e i n s b e s t i m m u n g des D a s e i n s . D i e P r e i s g e g e b e n h e i t als i n n e r e B e s t i m m u n g des I n - d e r - W e l t - s e i n s W e l t a n s c h a u u n g ist e i n n o t w e n d i g e s I n g r e d i e n z des I n - d e r Welt -seins, d e r T r a n s z e n d e n z . U r s p r ü n g l i c h e i n i g m i t d e m
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Weltanschauung
und
In-der-Welt-sein
N u r w e i l das D a s e i n w e s e n h a f t v o m S e i e n d e n , i n m i t t e n dessen es sich b e f i n d e t , d u r c h w a l t e t ist, das D a s e i n a b e r als b e f i n d l i c h g e s t i m m t e s sich i m m e r a u c h so oder so f r e i z u m S e i e n d e n v e r h ä l t , e r g e b e n sich i n n e r h a l b d e r G e w o r f e n h e i t des D a s e i n s G r u n d m ö g l i c h k e i t e n , g e m ä ß d e n e n sich das D a s e i n g e h o b e n u n d g e t r a g e n w i s s e n k a n n , a n d e r e r s e i t s b e d r ü c k t u n d b e l a s t e t sein k a n n ; b e i d e G r u n d a r t e n des S i c h b e f i n d e n s setzen i n g l e i c h e r W e i s e die G e w o r f e n h e i t voraus. D a s S i c h b e f i n d e n ist g e n o m m e n als solches, dessen das D a s e i n n i c h t m ä c h t i g , das es n i c h t b e w ä l t i g t u n d das als w e s e n h a f t e L a s t s e i n e r selbst b l e i b t , d e r e n es sich, s o l a n g e es existiert, n i c h t e n t l e d i g e n k a n n , d i e es n u r vergessen k a n n , u m sie d a m i t u m so d e u t l i c h e r zu b e s t ä t i g e n . G e w o r f e n h e i t k a n n n u n w e s e n s m ä ß i g n u r e i n e m s o l c h e n Seie n d e n z u k o m m e n , dessen Sein b e s t i m m t ist d u r c h das U m w i l l e n s e i n e r selbst; g e w o r f e n k a n n n u r sein, w a s i n sich e i n Selbst ist. I n d e r v o r i g e n S t u n d e w u r d e d e r i n n e r e Z u s a m m e n h a n g der b e i d e n W e g e zur P h i l o s o p h i e , d e r W e g d u r c h W i s s e n s c h a f t u n d d e r W e g d u r c h W e l t a n s c h a u u n g a l l g e m e i n g e k e n n z e i c h n e t ; sie l a u f e n z u s a m m e n i n d e r T h e s e : P h i l o s o p h i e r e n ist a u s d r ü c k liches T r a n s z e n d i e r e n . D i e V e r s t ä n d i g u n g d a r ü b e r e r f o r d e r t die I n t e r p r e t a t i o n der T r a n s z e n d e n z , ü b e r das S e i n s v e r s t ä n d n i s h i n a u s . Bezüglich dieser A u f g a b e h a l t e n w i r jetzt a n e i n e r w i c h t i g e n Stelle, w i c h t i g i n sich, i n B e z i e h u n g zu m ö g l i c h e n M i ß v e r s t ä n d nissen, vor a l l e m a b e r m i t R ü c k s i c h t auf die T r a d i t i o n , sofern n o t w e n d i g w i r d , die H e r r s c h a f t d e r L o g i k in d e r M e t a p h y s i k zu überwinden, wobei »Logik« der Titel f ü r die Vernunftwissens c h a f t als s o l c h e ist. W i r lassen d a b e i o f f e n , ob d i e b i s h e r i g e L o g i k in d e n S i n n dessen v o r g e d r u n g e n ist, w a s sie i m G r u n d e s u c h t . W i r b e s t i m m e n n o c h n i c h t i h r V e r h ä l t n i s zur M e t a p h y sik. Ü b e r w i n d u n g d e r H e r r s c h a f t d e r L o g i k b e d e u t e t n i c h t Vert e i d i g u n g des I r r a t i o n a l i s m u s , a u c h n i c h t die B e j a h u n g der L e b e n s p h i l o s o p h i e . W e n n w i r historisch o r i e n t i e r e n , w ä r e e h e r
S 37. Konkreteres
Verständnis der
Transzendenz
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zU. s a g e n : D i e M o t i v e , d i e sich i n d e r a b e n d l ä n d i s c h e n P h i l o s o p h i e zur B e s t i m m u n g des Wesens d e r P h i l o s o p h i e v o r d r ä n g t e n , sind i n d e r g a n z e n W e i t e u n d G l e i c h u r s p r ü n g l i c h k e i t e i n h e i t lich zu b e g r e i f e n , d . h . n i c h t eklektisch, s o n d e r n aus d e r E x p o sition d e r G r u n d p r o b l e m e selbst, d e r T r a n s z e n d e n z zu e n t w i k keln. W e s e n t l i c h ist die E i n s i c h t : T r a n s z e n d e n z als G r u n d v e r f a s s u n g des D a s e i n s t e i l t m i t d i e s e m dessen Sein, b e s t i m m t es m i t u n d w i r d seinerseits d a d u r c h m i t b e s t i m m t . I n dieser H i n s i c h t h a l t e n w i r e i n d r e i f a c h e s fest: 1. D a s D a sein u m w i l l e n seiner, sein S e i n k ö n n e n ist vor es selbst gestellt; so w i e K ö r p e r w e s e n h a f t a u s g e d e h n t sind, so ist das D a s e i n i n s e i n e m D a s e i n - s e i n v o r sich selbst gestellt. 2. D a s D a s e i n als u m w i l l e n s e i n e r ist aus sich h e r a u s g e t r e t e n , ausgesetzt d e m Seie n d e n , p r e i s g e g e b e n . 5. P r e i s g e g e b e n i n m i t t e n des S e i e n d e n , von i h m durchwaltet sein heißt Geworfenheit. c) F a k t i z i t ä t u n d G e w o r f e n h e i t . N i c h t i g k e i t u n d E n d l i c h k e i t des D a s e i n s . Zerstreuung u n d Vereinzelung D i e F r a g e , o b jedes Selbst als solches n o t w e n d i g e i n g e w o r f e n e s sein m ü s s e o d e r n i c h t , lassen w i r o f f e n . M a n b r a u c h t d i e F r a g e n u r zu stellen, u m zu s e h e n , d a ß i n j e d e m F a l l e d u r c h die G e w o r f e n h e i t d i e j e w e i l i g e E x i s t e n z eines D a s e i n s h i n s i c h t l i c h i h r e r F a k t i z i t ä t a u s g e d r ü c k t w i r d . D a s w i l l s a g e n : 1. K e i n D a sein k o m m t a u f G r u n d seines e i g e n e n Beschlusses u n d E n t schlusses zur Existenz; 2. k e i n D a s e i n k a n n , w e n n es existiert, je sich e i n s i c h t i g m a c h e n , d a ß es n o t w e n d i g e x i s t i e r e n m u ß , also n i c h t n i c h t e x i s t i e r e n k ö n n t e . V i e l m e h r k a n n jedes D a s e i n a u c h n i c h t sein. D a s ist z w a r n i c h t das D a s e i n a u s s a g e n , minder ausdrücklich d e r n , d a ß es n i c h t
e i n f a c h e i n o b j e k t i v e r Satz, d e n w i r ü b e r s o n d e r n jedes D a s e i n v e r s t e h t m e h r oder u n d in v e r s c h i e d e n e n F o r m e n u n d Biln u r ü b e r h a u p t a u c h n i c h t sein k ö n n t e ,
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und
In-der-Welt-sein
S e i n s p r o b l e m ist das W e l t p r o b l e m , u n d erst S e i n s p r o b l e m u n d W e l t p r o b l e m in i h r e r E i n h e i t b e s t i m m e n d e n e c h t e n B e g r i f f der M e t a p h y s i k . Von h i e r aus m u ß sich d a n n zeigen, w i e m i t d e m W e s e n d e r M e t a p h y s i k i n e i n e r e i g e n t ü m l i c h e n Weise die Welta n s c h a u u n g v e r k n ü p f t ist. D a s S e i n s v e r s t ä n d n i s ist n i c h t s , w a s gleichzeitig i m D a s e i n u n t e r v i e l e m a n d e r e n a u c h v o r k o m m t , s o n d e r n das Seinsvers t ä n d n i s bzw. das I n - d e r - W e l t - s e i n m a c h t es g e r a d e , d a ß dieses S e i e n d e , D a s e i n , s c h l e c h t h i n n i c h t g l e i c h g ü l t i g g e g e n es selbst s e i n k a n n , s o n d e r n Seiendes, zu dessen G r u n d v e r f a s s u n g Seinsv e r s t ä n d n i s g e h ö r t , e x i s t i e r t g e r a d e aus d e m V e r s t e h e n des Seins u n d d i e s e m als V e r s t a n d e n e n h e r ; Seiendes, das a u f das Spiel des Seinsverständnisses gesetzt ist, ist — das sagt i m G r u n d e dasselbe — sich selbst ü b e r a n t w o r t e t , bzw. es ist u m w i l l e n seiner selbst, d . h . es existiert. N u r w e i l das D a s e i n s e i n e m W e s e n n a c h die S e i n s v e r f a s s u n g a u s m a c h t , g e m ä ß d e r das als D a s e i n k o n s t i t u i e r t e S e i e n d e u m w i l l e n s e i n e r selbst ist, k a n n d e r jeweils f a k t i s c h e M e n s c h Z w e c k s e i n e r selbst sein, w i e K a n t sagt.- Dieses » U m w i l l e n s e i n e r « k o n s t i t u i e r t das Selbst als solches. D i e S e l b s t h e i t als S e i n s b e s t i m m u n g des D a s e i n s b e s t e h t n i c h t u n d n i e p r i m ä r n u r i n e i n e m B e w u ß t s e i n dieses S e i e n d e n v o n i h m selbst, s o n d e r n das S e l b s t b e w u ß t s e i n q u a R e f l e x i o n ist i m m e r n u r e i n e Folge d e r Selbstheit, g e n a u e r : I n d e m U m w i l l e n - s e i n e r ist das Seiende, das w i r D a s e i n n e n n e n , d e r g e s t a l t e n t h ü l l t , d a ß es i m m e r vor s e i n eigenstes S e i n k ö n n e n gestellt ist u n d vor i h m sich entscheid e n m u ß , w a s sein e i g e n s t e s S e i n k a n n b e z ü g l i c h d e r S e i n s m ö g l i c h k e i t e n , d i e w e s e n h a f t zu i h m g e h ö r e n : M i t s e i n m i t A n d e r e n , S e i n bei V o r h a n d e n e m , Selbstsein. Vor sich selbst u n d d i e volle S e l b s t h e i t g e b r a c h t h e i ß t aber n i c h t : i n d i v i d u a l i s t i s c h - e g o i s t i s c h a u f sich selbst zurückgezog e n . A b g e s e h e n d a v o n , d a ß » M i t s e i n « das w e s e n h a f t b e t o n t , ist diese A u s l e g u n g die g r ö b s t e V e r k e n n u n g des P r o b l e m s . D a s e i n m u ß w e s e n h a f t es selbst s e i n k ö n n e n u n d i m e i g e n t l i c h e n es selbst sein, w e n n es sich g e t r a g e n u n d g e f ü h r t wissen will d u r c h
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37. Konkreteres
Verständnis der Transzendenz 340
ein a n d e r e s , w e n n es sich soll ö f f n e n k ö n n e n f ü r M i t d a s e i n d e r A n d e r e n , w e n n es sich soll e i n s e t z e n f ü r A n d e r e . W e n n f r e i l i c h a m ü b e r l i e f e r t e n S u b j e k t - u n d I c h b e g r i f f festg e h a l t e n w i r d , d a n n ist die S e l b s t b e z i e h u n g egoistisch. D i e G r a d e u n d S t u f e n des W i s s e n s d a r u m u n d die F o r m e n dieses Gestelltseins v o r sich selbst sind d a b e i r e c h t m a n n i g f a l t i g . W e n n w i r also sagen: Z u m D a s e i n g e h ö r t w e s e n h a f t Seinsv e r s t ä n d n i s , u n d i n d i e s e m S e i n s v e r s t ä n d n i s ist i n e i n e m z u m a l v e r s t a n d e n das Sein des D a s e i n s u n d das Sein des n i c h t d a s e i n s m ä ß i g e n S e i e n d e n , so zeigt sich jetzt: Dieses S e i n s v e r s t ä n d n i s ist keine harmlose Kenntnis von Kategorien u n d Beschauen von I d e e n , v i e l m e h r liegt i m S e i n s v e r s t ä n d n i s g e r a d e d i e volle S c h ä r f e des G e s t e l l t s e i n s des D a s e i n s v o r sich selbst, so zwar, d a ß dieses Vor-sich-selbst-gestellte als solches zu a n d e r e m S e i e n d e n , das es n i c h t ist, sich v e r h ä l t . D a s D a s e i n ist jenes Seiende, d e m es w e s e n h a f t a n h e i m geg e b e n ist, so zu sein, w i e es sein k a n n . D a s Sein s e i n e r selbst ist Vorgabe u n d A u f g a b e , w e i l e b e n z u m D a s e i n S e i n s v e r s t ä n d n i s g e h ö r t , w o r i n liegt, d a ß das Sein s e i n e r selbst i h m v o r g e s t e l l t ist als das, w i e u n d w a s es zu sein h a t . D a s Sein ist f ü r dieses S e i e n d e eigens A u f g a b e u n d M ö g l i c h k e i t , u n d zwar w e s e n h a f t ; es k a n n sich i h r , s o f e r n es existiert, n i c h t e n t z i e h e n , s o n d e r n m u ß , je so u n d «o, m i t i h r zu e i n e m E n d e k o m m e n . D e r S e l b s t m o r d ist n u r eine e x t r e m e F o r m , i n d e m die w e s e n h a f t e E x i s t e n z a u f g a b e des Daseins z u m A u s t r a g k o m m e n k a n n . S e i n s v e r s t ä n d n i s als W e s e n s m o m e n t d e r T r a n s z e n d e n z des Daseins, d . h . d e r G r u n d v e r f a s s u n g dieses S e i e n d e n h a t s c h o n von G r u n d aus i n das S e i n dieses S e i e n d e n d e n C h a r a k t e r geb r a c h t , m i t B e z u g auf w e l c h e n w i r sagen: D a s D a s e i n ist a u f s Spiel .gesetzt. Es b l e i b t w o h l zu b e a c h t e n : Dieses U m w i l l e n s e i n e r selbst, dieses: es g e h t u m es selbst, diese S c h ä r f e des K a m p f e s ist n i c h t erst e i n e F o l g e e r s c h e i n u n g , d i e sich i n s o f e r n ergibt, als das D a s e i n , s o f e r n es existiert, f a k t i s c h u n t e r a n d e r e m S e i e n d e n v o r k o m m t , s o n d e r n i m W e s e n des E x i s t i e r e n s , d . h . des Seins des D a s e i n s , l i e g t d i e S c h ä r f e des U m w i l l e n - s e i n e r .
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Weltanschauung
und
In-der-Welt-sein
N u r d e s h a l b , w e i l das D a s e i n e i n solches S e i e n d e s ist, d e m es i n s e i n e m S e i n u m dieses selbst g e h t , ist es a n das S e i e n d e p r e i s g e g e b e n , u n d z w a r w e s e n s n o t w e n d i g . D e n n w i r h ö r t e n , das D a s e i n ist erschlossenes; Seiendes, das es n i c h t ist, ist i h m off e n b a r ; a b e r jetzt zeigt sich: n i c h t i m S i n n e e i n e r b l o ß e n K e n n t n i s , s o n d e r n , w e i l das D a s e i n w e s e n h a f t aus sich h e r a u s g e t r e t e n ist, ist es d e m S e i e n d e n u n d dessen Ü b e r m a c h t preisgegeben, u n d zwar nicht n u r der Übermacht etwa der Naturg e w a l t e n , s o n d e r n a u c h d e n M ä c h t e n u n d G e w a l t e n , d i e das D a s e i n als S e i e n d e s i n sich selbst b i r g t . D i e T r a n s z e n d e n z als Ü b e r s t i e g ü b e r das S e i e n d e i m Seinsv e r s t ä n d n i s h a t d a m i t die I n d i f f e r e n z völlig v e r l o r e n , d i e m a n i h r v e r s u c h t ist z u z u s c h r e i b e n , w e n n m a n das P r o b l e m des Seinsverständnisses i m R a h m e n der traditionellen Ontologie e n t w i c k e l t . D a s Sein des S e i e n d e n v o r g ä n g i g v e r s t e h e n , das S e i e n d e ü b e r s t e i g e n d auf es z u r ü c k k o m m e n , ist n i c h t das h a r m lose H e r a b s e h e n auf d i e Z u f ä l l i g k e i t e n des f a k t i s c h S e i e n d e n v o n d e r u n g e f ä h r d e t e n H ö h e e i n e s a p r i o r i s c h e n Wesenswissens, s o n d e r n : T r a n s z e n d i e r e n das S e i e n d e , d . h . I n - d e r - W e l t - s e m h e i ß t , a n das S e i e n d e p r e i s g e g e b e n sein. N u r d i e i m U m w i l l e n s e i n e r selbst g e g r ü n d e t e P r e i s g e g e b e n h e i t des D a s e i n s a n das S e i e n d e , a u c h a n es selbst, e r m ö g l i c h t e i n e A u s e i n a n d e r s e t z u n g u n d e i n e V e r h a l t u n g z u m S e i e n d e n . N u r solcher a u s e i n a n d e r s e t z e n d e n V e r h a l t u n g e n t s p r i n g t die M ö g l i c h k e i t des je faktis c h e n U n t e r l i e g e n s o d e r a b e r Siegens, die M ö g l i c h k e i t e n des U n g e f ä h r d e t s e i n s , d e r B e r u h i g u n g u n d S i c h e r h e i t , des W o h l e r g e h e n s u n d d e r H e r r s c h a f t ü b e r das S e i e n d e . D a ß f a k t i s c h ein D a s e i n in d i e s e m S i n n existiert, also faktisch existenziell v o n e i n e r solchen P r e i s g e g e b e n h e i t n i c h t s w e i ß , ist k e i n Beweis d a g e g e n , s c h o n d e s h a l b n i c h t , w e i l das j e w e i l i g e faktische Existieren, ob in Glück oder Unglück, nichts d a r ü b e r e n t s c h e i d e n k a n n , w a s das m e t a p h y s i s c h e W e s e n des D a s e i n s a u s m a c h t . Dieses m u ß d o r t g e s u c h t w e r d e n , v o n w o aus g e r a d e die Möglichkeit von Glück wie von Unglück verständlich w i r d . D a h e r ist es e i n o b e r f l ä c h l i c h e s u n d grobes M i ß v e r s t ä n d n i s ,
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Verständnis der
Transzendenz
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wenn m a n meint, dadurch, daß d e m Dasein eine Preisgegebenh e i t a n das S e i e n d e z u g e s p r o c h e n sei, w e r d e e i n e m P e s s i m i s m u s das W o r t g e r e d e t . Es gilt d e m g e g e n ü b e r g e r a d e erst zu l e r n e n , d a ß P e s s i m i s m u s u n d O p t i m i s m u s als je f a k t i s c h e S t e l l u n g n a h m e n z u m f a k t i s c h e n D a s e i n selbst s c h o n D a s e i n voraussetzen, u n d z w a r solches, das sich i n d e r e i n e n oder a n d e r e n Weise v e r s t e h e n k a n n . D e r P e s s i m i s m u s b e s t ä t i g t lediglich die w e s e n h a f t e P r e i s g e g e b e n h e i t des D a s e i n s , u n d zwar i n s e i n e r Weise, d a ß es i h r n a c h g i b t . D e r O p t i m i s m u s a b e r z e u g t n i c h t w e n i g e r f ü r sie, s o f e r n er a n sie n i c h t g l a u b t . Sie w i r d a b e r d u r c h d e n Pessimism u s w e d e r erst b e w i e s e n , n o c h d u r c h d e n O p t i m i s m u s w i d e r legt. Von diesen B e s t i m m u n g e n h e r m u ß b e g r i f f e n w e r d e n , d a ß ich das Sein des D a s e i n s als Sorge b e z e i c h n e t h a b e . D a s h a t n i c h t s zu t u n m i t S c h o p e n h a u e r o d e r c h r i s t l i c h e r Askese u n d Erbsündenlehre, auch nicht damit, daß m a n m i t d e m Begriff >Sorge< auf T o d u n d G e w i s s e n g e s t o ß e n w i r d , d i e alle f ü r h e u tige O h r e n h a r t klingen. — M a n h a t von diesen D i n g e n wenig v e r s t a n d e n , w e n n m a n g e g e n sie f ü r die h e i t e r e W e l t a n s c h a u u n g G o e t h e s p l ä d i e r t u n d die a l l g e m e i n e B i e d e r k e i t u n d N e t t i g k e i t des D a s e i n s g e w a h r t wissen will u n d g a r n o c h weise B e l e h r u n g e n erteilt, d a ß es i m L e b e n a u c h so e t w a s w i e L i e b e gibt. W e r w o l l t e das l e u g n e n ? A b e r ich b e z w e i f l e , ob, w a s die philosophischen Biedermänner versteckterweise glauben u n d was! m a n d a so L i e b e n e n n t , das m e t a p h y s i s c h e W e s e n des G e n a n n t e n t r i f f t . A m E n d e sind die k l e i n e n G e f ü h l e , die m a n da u n t e r d i e s e m N a m e n b e i b r i n g t , d o c h r e c h t w e i t e n t f e r n t . Es w a r e doch zu f r a g e n , ob j e d e g r o ß e L i e b e , die a l l e i n e t w a s v o m Wesen b e k u n d e t , n i c h t i m G r u n d e e i n K a m p f ist, n i c h t e t w a n u r u n d zuerst e i n K a m p f u m d e n A n d e r e n , s o n d e r n e i n K a m p f f u r i h n , u n d ob sie n i c h t w ä c h s t i n d e m G r a d e , als die Sentimentalität u n d Behaglichkeit der Gefühle abnimmt. Doch genug! U m das E n t s c h e i d e n d e w i e d e r i n K ü r z e zu s a g e n : D a s D a s e i n
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In-der-Welt-sein
s o n d e r n s t ä n d i g n i c h t m e h r e x i s t i e r e n k a n n . S o f e r n das Versteh e n z u m W e s e n des E x i s t i e r e n s g e h ö r t , h e i ß t das: D a s D a s e i n e x i s t i e r t s t ä n d i g e n t l a n g d i e s e m R a n d e des N i c h t . D a s besagt: I n d e m Vor-sich-selbst-gestellt-sein h i n s i c h t l i c h d e r e i g e n e n M ö g l i c h k e i t e n zeigt sich a u c h i m m e r das N i c h t s e i n k ö n n e n . Dieses N i c h t ist k e i n e s w e g s etwas, w a s a u ß e r h a l b des D a s e i n s l i e g t u n d i h m n u r a u f g e r e d e t w i r d , s o n d e r n dieser N i c h t - c h a r a k t e r g e h ö r t z u m W e s e n seines Seins. E s h a t d i e s e n N i c h t - c h a r a k t e r , ist d u r c h dieses N i c h t b e s t i m m t , » n i c h t i g « ; a b e r n i c h t i g h e i ß t h i e r n i c h t »nichts«, s o n d e r n u m g e k e h r t : D i e s e N i c h t i g k e i t , die d u r c h das G e s a g t e l ä n g s t n i c h t e r s c h ö p f e n d g e f a ß t ist, m a c h t das Positivste aus, w a s zur T r a n s z e n d e n z des D a s e i n s g e h ö r e n k a n n ; ja, g e r a d e i n dieser u r s p r ü n g l i c h e n B e s t i m m u n g g e h e n das U m w i l l e n u n d die G e w o r f e n h e i t i n eins z u s a m m e n . W i r m ü s s e n sie a b e r n a c h e i n i g e n R i c h t u n g e n k e n n z e i c h n e n , o h n e das P r o b l e m als G a n zes zu stellen. D i e H e r a u s s t e l l u n g dieser i n d e r W e s e n s v e r f a s s u n g des D a seins selbst l i e g e n d e n N i c h t i g k e i t b e d e u t e t k e i n e s w e g s ein w e r t e n d e s f ü r » n i c h t i g « i m S i n n e v o n b e l a n g l o s oder g a r nichtsw ü r d i g E r k l ä r e n dieses S e i e n d e n , s o n d e r n es h a n d e l t sich daru m , die S c h ä r f e , die i m D a s e i n liegt, ans L i c h t zu b r i n g e n u n d zu b e g r e i f e n , d a ß das, w a s w i r » E n d l i c h k e i t « des D a s e i n s n e n n e n , n i c h t s ist, w a s d i e s e m S e i e n d e n n u r ä u ß e r l i c h a n k l e b t u n d erst d a d u r c h e n t s t e h t , d a ß es m i t a n d e r e m , w a s es n i c h t ist, v e r g l i c h e n w i r d . A l l z u l a n g e ist d i e M e t a p h y s i k g e n a r r t w o r d e n v o m Positiven, das auf G r u n d seines s c h e i n b a r e n Vorrangs vor d e m N e g a t i v e n sich als das A b s o l u t e u n d U r s p r ü n g l i c h e gebärdete. D e m g e m ä ß ist u n s e r e t r a d i t i o n e l l e L o g i k , O n t o l o g i e u n d Kategorienlehre gebaut, u n d ihre Begriffe tragen nicht weit g e n u g , u m das zu t r e f f e n , w a s w i r u n t e r d e m T i t e l » N i c h t i g k e i t « m e i n e n . D i e K e n n z e i c h n u n g d e r » E n d l i c h k e i t « d u r c h das Ges c h a f f e n s e i n ist n u r e i n e b e s t i m m t e F o r m d e r E r k l ä r u n g der » E n d l i c h k e i t « , u n d z w a r e i n e solche, die auf d e m G l a u b e n ber u h t ; sie ist a b e r k e i n e K l ä r u n g des m e t a p h y s i s c h e n W e s e n s der E n d l i c h k e i t als solcher.
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Verständnis der Transzendenz
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D e r N i c h t - c h a r a k t e r ist also g e r a d e die e i g e n t l i c h e K r a f t d e r E x i s t e n z des D a s e i n s ; u n d zwar l i e g t die N i c h t i g k e i t des D a s e i n s k e i n e s w e g s n u r in s e i n e r G e w o r f e n h e i t , die w i r k u r z so a u s d r ü k k e n k ö n n e n : D a s e i n ist o h n m ä c h t i g d e m g e g e n ü b e r , d a ß es ü b e r h a u p t e x i s t i e r t u n d n i c h t n i c h t existiert. D i e N i c h t i g k e i t l i e g t s c h o n dort, w o w i r sie a m w e n i g s t e n v e r m u t e n . F r ü h e r w u r d e gezeigt: G l e i c h u r s p r ü n g l i c h ist das D a sein Sein bei . . ., M i t s e i n m i t . . . u n d Selbstsein. Es ist i n dieser Weise i m m e r e i n i g u n d z u m a l . B i s h e r w u r d e n u r G e w i c h t g e l e g t auf die G l e i c h u r s p r ü n g l i c h k e i t dieser V e r f a s s u n g s m o m e n t e geg e n ü b e r d e m t r a d i t i o n e l l e n S u b j e k t b e g r i f f . A b e r die n ä h e r e C h a r a k t e r i s t i k dieser G l e i c h u r s p r ü n g l i c h k e i t w u r d e n i c h t gegeb e n . V e r s u c h e n w i r e i n e solche, d a n n zeigt sich z u n ä c h s t dies, d a ß das D a s e i n , w i e w i r sagen, i n die M a n n i g f a l t i g k e i t dieser B e z ü g e z e r - s t r e u t ist. D i e s e Z e r s t r e u u n g a b e r ist k e i n e s w e g s e i n e A u f l ö s u n g des D a s e i n s in a u s e i n a n d e r f a l l e n d e Teile, sond e r n g e r a d e u m g e k e h r t : I n dieser Z e r - s t r e u u n g h a t es u n d g e w i n n t es s e i n e i h m e i g e n e u r s p r ü n g l i c h e g a n z e E i n h e i t . W i r sprechen daher in erster Linie nicht von einer Zerstreuung in diese Bezüge, s o n d e r n v o n e i n e r u r s p r ü n g l i c h e n S t r e u u n g . D i e se S t r e u u n g erst ist die B e d i n g u n g d e r M ö g l i c h k e i t f ü r e i n e Z e r - s t r e u u n g i n d e m S i n n e , d a ß das D a s e i n jeweils v o r w i e g e n d in e i n e n dieser B e z ü g e sich v e r l e g e n k a n n , a b e r das i m m e r auf Kosten des E x i s t i e r e n s i n d e n a n d e r e n . D a s D a s e i n k a n n sich v o r w i e g e n d i m M i t e i n a n d e r s e i n a u f h a l t e n , es k a n n v o r w i e g e n d in d e r B e s c h ä f t i g u n g m i t S a c h e n a u f g e h e n , es k a n n v o r w i e g e n d sich v e r l i e r e n i n e i n e r Selbstr e f l e x i o n . S o f e r n das D a s e i n w e s e n s m ä ß i g e i n h e i t l i c h i m G a n zen dieser S t r e u u n g sich h ä l t , m u ß es sich je so oder so e n t s c h e i d e n , d. h . es k a n n sich n i e n u r f ü r e i n e n Bezug e n t s c h e i d e n , es sei d e n n d u r c h K o m p r o m i ß , d u r c h e i n e n Ausgleich. I n d i e s e m »nie n u r das e i n e « b e k u n d e t sich w i e d e r die N i c h t i g k e i t m d e r W e s e n s v e r f a s s u n g des D a s e i n s selbst. Es ist zu b e a c h t e n , d a ß das D a s e i n n i c h t erst i n e i n z e l n e n f a k t i s c h e n L a g e n zu d e m , was w i r » K o m p r o m i ß « n e n n e n , g e z w u n g e n w i r d , s o n d e r n w e -
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In-der-Welt-sein
s e n s m ä ß i g u n d d u r c h g ä n g i g . W e r d a h e r in f a k t i s c h e n , k o n k r e ten Entscheidungen kompromißlos, entschieden in einer Richt u n g w ä h l t u n d h a n d e l t , b e w e g t sich m e t a p h y s i s c h g e s e h e n d o c h g e r a d e i n d e r N i c h t i g k e i t d e r S t r e u u n g , s o f e r n er die H ä r t e u n d L i e b l o s i g k e i t seines V o r g e h e n s i n Kauf n e h m e n , d . h . irgendwie damit fertig werden m u ß . I n der inneren Notwendigkeit einer ständigen Ausgleichung dieser S t r e u u n g — m a g sie f a k t i s c h g e l i n g e n oder n i c h t —bekund e t sich d e m n a c h a u c h d i e N i c h t i g k e i t des v e r s t e h e n d e n H a n delns. Diese erhält aber n u n noch dadurch ihre besondere S c h ä r f e , als j e d e r dieser B e z ü g e d u r c h die G e w o r f e n h e i t bes t i m m t ist, d. h . das M i t s e i n m i t A n d e r e n ist e i n g e s c h r ä n k t auf e i n e n b e s t i m m t e n U m k r e i s , das S e i n bei V o r h a n d e n e m ist eing e s c h r ä n k t auf e i n e b e s t i m m t e Z u g ä n g l i c h k e i t , Art, N ä h e u n d W e i t e d e r O f f e n b a r k e i t des S e i e n d e n , d e r B e z u g zu sich selbst ist e i n g e s c h r ä n k t auf b e s t i m m t e M ö g l i c h k e i t e n des S i c h v e r s t e h e n s u n d d e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t sich selbst. Jedes D a s e i n m u ß sich als g e w o r f e n e s auf e i n e b e s t i m m t e S i t u a t i o n v e r e i n z e l n . D i e s e Vereinzelung, b e d e u t e t a b e r n i c h t e t w a I s o l i e r u n g , s o n d e r n sie b r i n g t je das D a s e i n i m G a n z e n s e i n e r B e z ü g e i n m i t t e n des S e i e n d e n . W i e das P r o b l e m d e r Vere i n z e l u n g des D a s e i n s m i t d e m z u s a m m e n h ä n g t , » w a s m a n g e w ö h n l i c h das P r i n z i p d e r I n d i v i d u a t i o n n e n n t , k a n n ich h i e r n i c h t e r ö r t e r n , e b e n s o w e n i g die R a u m - u n d Zeit-»stelle«, h i e r r e i n O r d n u n g s s c h e m a , das d e m S e i e n d e n z u g e h ö r t , a b e r doch ä u ß e r l i c h ist. H i e r d a g e g e n g e h t es u m I n d i v i d u a t i o n aus d e m S e i e n d e n selbst: Z e i t l i c h k e i t . F ü r u n s ist wichtig, d a ß in d e r V e r e i n z e l u n g n o t w e n d i g e i n e E i n s c h r ä n k u n g der W a h r h e i t des D a s e i n s l i e g t . D i e O f f e n b a r k e i t des S e i e n d e n ist in sich z u g l e i c h V e r b o r g e n h e i t , U n - w a h r heit i m wesentlichen Sinne, u n d zwar nicht etwa nur in einem q u a n t i t a t i v e n S i n n e , d a ß w i r n i c h t alles w i s s e n u n d k e n n e n u n d u n s e r e M i t t e l u n d W e g e b e s c h r ä n k t sind. D i e S c h r a n k e k o m m t n i c h t so s e h r v o n a u ß e n , v o n d e r F ü l l e des S e i e n d e n . D i e Unw a h r h e i t ist n i c h t so s e h r d i e der-bloßen V e r b o r g e n h e i t , s o n d e r n
S
37. Konkreteres
Verständnis der Transzendenz
335
die U n w a h r h e i t , die w i r e i g e n t l i c h so n e n n e n - S c h e i n , T ä u s c h u n g , B e n o m m e n h e i t , B l i n d h e i t . N i c h t die q u a n t i t a t i v e E i n s c h r ä n k u n g des W i ß b a r e n ist es, s o n d e r n d i e q u a l i t a t i v e E i n s c h r ä n k u n g b e z ü g l i c h dessen, w a s f a k t i s c h z u g ä n g l i c h ist. D i e s e i m D a s e i n selbst g e s c h e h e n d e U n w a h r h e i t u n d d a m i t N i c h t i g k e i t l ä ß t sich l e i c h t d e m o n s t r i e r e n . M i t Absicht w ä h l e ich e i n Beispiel, das u n s g e w i ß n i c h t i n V e r d a c h t b r i n g t , a l t m o dische D i n g e zu e r z ä h l e n , das a b e r vor a l l e m i n e i n e r e x t r e m e n Form den Sachverhalt demonstriert. D i e A p p a r a t u r des R a d i o s h a t die G r e n z e n des d i r e k t E r f a h r baren, W i ß b a r e n in einer ungewöhnlichen Weise von u n s weg verlegt, ja i n gewisser H i n s i c h t ü b e r h a u p t beseitigt. D i e M ö g lichkeit d e r W a h r h e i t ist gesteigert, die C h a n c e n des N i c h t erfahrens sind wesentlich verringert. W i e stellt sich n u n so e i n R a d i o b e s i t z e r zu d i e s e n M ö g l i c h k e i ten? M a n w i r d s a g e n , a u c h h i e r m u ß er a u s w ä h l e n ; er m u ß sich a u f e i n P r o g r a m m u n d je e i n e N u m m e r d e s s e l b e n b e s c h r ä n k e n ; er k a n n n i c h t alles h ö r e n , a u c h w e n n er d e n g a n z e n T a g d e m A p p a r a t w i d m e t . I n d e r Tat zeigt sich h i e r d i e N o t w e n d i g k e i t einer Einschränkung, die Notwendigkeit der U n - w a h r h e i t i m S i n n e d e r V e r b o r g e n h e i t des n i c h t A u f n e h m b a r e n . Allein das ist n i c h t das E n t s c h e i d e n d e ; w i r s e h e n v i e l m e h r , d a ß viele — die Z a h l ist h i e r g ä n z l i c h b e l a n g l o s — ü b e r h a u p t n i c h t i r g e n d e i n e M ö g lichkeit des H ö r e n s w ä h l e n , s o n d e r n es d a r a u f a b s e h e n , v o n e i n e r Welle auf die a n d e r e zu s p r i n g e n . D e r R a d i o b e s i t z e r , d e m die u n g e h e u r e M ö g l i c h k e i t v o n E r f a h r b a r e m g e g e b e n ist, m a c h t sich z u m S k l a v e n seines A p p a r a t s . E r verstellt sich d e n Z u g a n g zu d e n D i n g e n in e i n e r Weise, w i e das d e r N i c h t b e s i t z e r g a r n i c h t k a n n . E r b r i n g t e i n e U n w a h r h e i t u n d e i n e n S c h e i n in das D a s e i n , wie'er n i c h t l e i c h t g r ö ß e r g e d a c h t w e r d e n k a n n . Ja, er b r i n g t sich m gewisser W e i s e ü b e r h a u p t u m das Verständnis v o n W a h r h e i t u n d U n w a h r h e i t . D a s ist a b e r e i n G e s c h e h n i s , das W e s e n t l i c h e s anzeigt, n ä m l i c h d e n A u f s t a n d d e r U n w a h r h e i t u n d des Scheins aus d e m u n d i m D a s e i n selbst. I m G r o ß e n zeigt sich dasselbe, z. B. m d e m F a k t u m , d a ß die W i s s e n s c h a f t e n h e u t e zu e i n e m groß-
336
Weltanschauung
und
In-der-Welt-sein
s t ä d t i s c h e n G e w e r b e g e w o r d e n sind, die M e n s c h e n Angestellte d e r W i s s e n s c h a f t , a b e r n i c h t m e h r die W i s s e n s c h a f t e i n e Exis t e n z m ö g l i c h k e i t des D a s e i n s . N o c h ein Letztes: G e r a d e die A u g e n b l i c k e des Daseins, in d e n e n w i r i m G a n z e n u n d w e s e n t l i c h zu e x i s t i e r e n v e r m ö g e n , s i n d n i c h t n u r selten, s o n d e r n s i n d g l e i c h s a m w i e e i n e s c h m a l e Spitze, auf d e r w i r u n s n u r f l ü c h t i g h a l t e n . A u c h w e n n sie d u r c h d i e e c h t e E r i n n e r u n g i h r e W i r k u n g s k r a f t f ü r das D a s e i n b e h a l t e n , so b e k u n d e n sie d a m i t n u r u m so s c h ä r f e r , d a ß die Existenz z u m e i s t i n dieser Weise n i c h t ist, o b z w a r sie g e r a d e geschieht. So h a b e ich v o n v e r s c h i e d e n e n S e i t e n h e r H i n w e i s e g e g e b e n d a f ü r , d a ß d i e E n d l i c h k e i t des D a s e i n s n i c h t in e i n e r Bes c h r ä n k t h e i t v o n E i g e n s c h a f t e n b e r u h t , s o n d e r n in der A r t u n d Weise, w i e das D a s e i n existiert. D i e s e N i c h t i g k e i t i m W e s e n des D a s e i n s b e k u n d e t also, d a ß das D a s e i n s t ä n d i g ein W ä g e n u n d W a g e n , F a l l e n u n d S t e i g e n , N e h m e n u n d G e b e n ist — all das n i c h t als R e s u l t a t u n d P r o d u k t des Z u s a m m e n s t o ß e s v o n Seiend e m m i t S e i e n d e m , s o n d e r n als S e i n s a r t des D a s e i n s selbst, d. h. als Spiel, auf das d e r M e n s c h gesetzt isfe Dieses Spiel ist das W e s e n t l i c h e dessen, was w i r W e l t n e n n e n , die als W e l t n u r weit e t i m u n d als I n - d e r - W e l t - s e i n . Es w ä r e irrig, diese N i c h t i g k e i t des D a s e i n s als e t w a s N e g a t i v e s zu n e h m e n , als die N a c h t s e i t e des D a s e i n s u n d i h r die H e i t e r k e i t des Positiven, E r h e b e n d e n e n t g e g e n z u s t e l l e n . D e n n alles, was w i r so n e n n e n , ist der N i c h t i g k e i t n i c h t e n t g e g e n g e setzt, s o n d e r n a u f sie gesetzt, d. h . die g e k e n n z e i c h n e t e N i c h t i g k e i t des D a s e i n s ist d e r u r s p r ü n g l i c h e G r u n d d e r M ö g l i c h k e i t f ü r das i m v u l g ä r e n S i n n e Positive u n d N e g a t i v e des Daseins. E r s t i m H i n b l i c k auf die u r s p r ü n g l i c h e N i c h t i g k e i t des D a s e i n s e r h ä l t alles s o g e n a n n t e Positive s e i n e K r a f t u n d E i n z i g k e i t , a b e r n i c h t e t w a d a d u r c h , d a ß w i r d e r N i c h t i g k e i t des D a s e i n s ausw e i c h e n u n d die A u g e n s c h l i e ß e n vor d e m Spiel, auf das wir gesetzt sind. D e n n so b r i n g e n w i r u n s u m die M ö g l i c h k e i t , u n s selbst e t w a s z u z u m u t e n . D e r E i n z e l n e ist i m m e r n u r das, w a s er sich z u m u t e t u n d z u m u t e n k a n n .
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Verständnis der
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d) D i e H a l t - l o s i g k e i t des I n - d e r - W e l t - s e i n s D a s I n - d e r - W e l t - s e i n des Daseins, s e i n e T r a n s z e n d e n z , b e k u n d e t sich u n s als H a l t - l o s i g k e i t . Es m u ß je sein Sein d u r c h e i n W ä h l e n i m w e s e n t l i c h e n S i n n e h i n d u r c h f ü h r e n u n d so oder so H a l t g e b e n . (Ich v e r m e i d e absichtlich, h i e r v o n F r e i h e i t zu sprechen.) D a s w i l l sagen: D a s Seiende, das u m w i l l e n s e i n e r selbst ist, ist dieses i n d e r g e k e n n z e i c h n e t e n N i c h t i g k e i t . D i e s e e n t h ä l t m sich die A n w e i s u n g a u f H a l t , d i e N o t w e n d i g k e i t d e r E n t s c h e i d u n g . W e n n w i r d e m D a s e i n diese H a l t l o s i g k e i t zusprec h e n , so ist das k e i n e f a k t i s c h e Aussage in d e m S i n n e , d a ß k e i n D a s e i n je e i n e n H a l t g e w i n n e n k ö n n e , s o n d e r n es ist e i n e W e sensaussage, die g e r a d e i n sich schließt, d a ß jedes f a k t i s c h e D a s e i n , s o f e r n es existiert, je s c h o n so oder so e i n e n H a l t gewonnen haben muß. A u f s Spiel gesetzt sein, d . h . I n - d e r - W e l t - s e i n , ist i n sich selbst H a l t - l o s i g k e i t , d . h . das E x i s t i e r e n des D a s e i n s m u ß sich H a l t b e s c h a f f e n . S c h ä r f e r gesagt: D a s I n - d e r - W e l t - s e i n ist k e i n e d e m D a s e i n a n g e k l e b t e E i g e n s c h a f t , s o n d e r n die S e i n s v e r f a s s u n g , d i e i h r e m W e s e n n a c h v e r l a n g t , d a ß das D a s e i n i n i h r sich h ä l t . I n d a s W i e , i n d e m das D a s e i n existiert, ist es je so o d e r so g e b r a c h t , g e r a t e n , v o n i h m selbst, d u r c h A n d e r e , d u r c h U m s t ä n d e u n d Z u f ä l l i g k e i t e n . A u c h das, w a s n i c h t e i g e n e r a u s d r ü c k l i c h e r E n t s c h e i d u n g e r w ä c h s t , w i e das m e i s t e i m D a s e i n , m u ß so oder so r ü c k g r e i f e n d a n g e e i g n e t w e r d e n , w e n n a u c h n u r i m M o d u s des S i c h a b f i n d e n s m i t , S i c h d r ü c k e n s u m etwas; selbst solches, w a s a n u n s g a r n i c h t d e r F r e i h e i t i m e n g e r e n S i n n e u n t e r s t e h t , e i n e K r a n k h e i t oder b e s t i m m t e V e r a n l a g u n g , ist n i e e t w a s e i n f a c h V o r h a n d e n e s , s o n d e r n solches, das so oder so i n das W i e des D a s e i n s a u f g e n o m m e n o d e r v e r w o r f e n w o r d e n ist. D u r c h u n d d u r c h ist das I n - d e r - W e l t - s e i n solches, w o r i n w i r u n s halten. D a s S i c h h a l t e n i m I n - d e r - W e l t - s e i n ist das, w a s w i r m i t W e l t a n s c h a u u n g m e i n e n . H i e r a u s ist u n m i t t e l b a r zu e n t n e h m e n , d a ß f a k t i s c h die W e l t a n s c h a u u n g sich je n a c h d e r Weise bildet,
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Weltanschauung
und
In-der-Welt-sein
w i e die H a l t l o s i g k e i t des D a s e i n s , das I n - d e r - W e l t - s e i n selbst als solches f ü r das j e w e i l i g e D a s e i n o f f e n b a r ist.
§ 38. Der Strukturcharakter
der
Transzendenz
a) R ü c k b l i c k auf d e n g e w o n n e n e n S t r u k t u r c h a r a k t e r des I n - d e r - W e l t - s e i n s U n s e r e B e t r a c h t u n g e n d i e n e n d e r G e w i n n u n g eines k o n k r e t e r e n Verständnisses d e r T r a n s z e n d e n z . D a b e i v e r f o l g e n w i r e i n e d o p p e l t e A b z w e c k u n g : 1. e i n e v o l l e r e u n d r e i c h e r e K e n n z e i c h n u n g d e r T r a n s z e n d e n z , h i n a u s g e h e n d ü b e r das z u n ä c h s t m e h r t r a d i t i o n e l l c h a r a k t e r i s i e r t e S e i n s v e r s t ä n d n i s ; 2. a b e r e i n e C h a r a k t e r i s t i k des S t r u k t u r c h a r a k t e r s d e r T r a n s z e n d e n z als solcher. S o f e r n diese a b e r die G r u n d v e r f a s s u n g des D a s e i n s ist, gilt, was v o n i h r g e s a g t w i r d , v o n a l l e n D a s e i n s s t r u k t u r e n , d . h . v o n all e m , w a s i n e i n e r M e t a p h y s i k des D a s e i n s v o n d i e s e m a u s g e s a g t wird. N e g a t i v m u ß ü b e r die o n t o l o g i s c h e V e r f a s s u n g des D a s e i n s g e s a g t w e r d e n : Sie ist k e i n R a h m e n b a u , d e r d e m D a s e i n e i n f a c h z u k o m m t als E i g e n s c h a f t , d e m z u f o l g e erst sich d a n n d i e A r t u n d W e i s e des Seins des D a s e i n s e r g i b t , s o n d e r n diese S t r u k t u r e n s i n d a n d e r Weise, w i e d a s D a s e i n existiert, w e s e n h a f t beteiligt. D a m i t ist gesagt, d e r U n t e r s c h i e d ist n i c h t d e r a r t , d a ß das D a sein lediglich v o n d e r V e r f a s s u n g s e i n e r selbst w ü ß t e , das ü b r i g e S e i e n d e a b e r n i c h t , d a ß es ein S e i e n d e s ist, das sich selbst m i t B e w u ß t s e i n i n s e i n e m S e i n b e g l e i t e t , s o n d e r n alle w e s e n t l i c h e V e r f a s s u n g des D a s e i n s r a g t i n die O f f e n b a r k e i t des D a s e i n s d e r a r t h i n e i n , d a ß sie von i h m jeweils e i n e S t e l l u n g n a h m e erf o r d e r t . W a s das W i e des D a s e i n s b e s t i m m t , ist w e s e n h a f t d i f f e r e n t ; i h m m u ß es so oder so n o t w e n d i g e n t s p r e c h e n . Auch die G l e i c h g ü l t i g k e i t , I n d i f f e r e n z , ist n u r e i n W e g u n t e r a n d e r e n , m i t d e m , w a s E n t s c h e i d u n g — n i c h t b e l i e b i g e — f o r d e r t , f e r t i g zu werden.
S 38. Der Strukturcharakter
der Transzendenz
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I n R i c h t u n g a u f diese K e n n z e i c h n u n g d e r T r a n s z e n d e n z h a b e n w i r v e r s u c h t , das P h ä n o m e n d e r G e w o r f e n h e i t u n d das d e r N i c h t i g k e i t zu k e n n z e i c h n e n . W i r w i e s e n auf die W e s e n s b e s t i m m u n g , die zur F a k t i z i t ä t des D a s e i n s g e h ö r t , d a ß das D a s e i n seine Existenz e i n e m eigenen Entschluß oder Beschluß nicht v e r d a n k t u n d n i e v e r d a n k e n k a n n u n d d a ß die M a n n i g f a l t i g k e i t d e r w e s e n h a f t e n B e z ü g e des D a s e i n s n i c h t e t w a s N e u t r a l e s ist, s o n d e r n d a ß i n dieser S t r e u u n g e i n e i n n e r e B e s c h r ä n k u n g des D a s e i n s liegt. F e r n e r z e i g t e n w i r , d a ß das D a s e i n f a k t i s c h i m m e r b e s t i m m t ist d u r c h e i n e Vereinzelung, d. h . die M a n n i g f a l t i g k e i t dieser B e z ü g e ist i m m e r f a k t i s c h e i n e k o n k r e t e , a u f d e n b e s t i m m t e n U m k r e i s des D a s e i n s e i n g e s c h r ä n k t . D a d u r c h k o m m t e i n e w e s e n h a f t e U n w a h r h e i t i n das D a s e i n : e r s t e n s in q u a n t i t a t i v e m S i n n e , s o f e r n das D a s e i n s o u n d s o v i e l ü b e r h a u p t n i c h t e r f ä h r t , u n d z w e i t e n s vor a l l e m die q u a l i t a t i v e U n w a h r h e i t . Von dieser K e n n z e i c h n u n g d e r N i c h t i g k e i t sind w i r ü b e r g e g a n g e n zu e i n e r C h a r a k t e r i s t i k dessen, w a s w i r die H a l t l o s i g keit des D a s e i n s n e n n e n , u m v o n d a aus d i e Z u g e h ö r i g k e i t d e r W e l t a n s c h a u u n g z u m I n - d e r - W e l t - s e i n zu b e g r e i f e n . E r i n n e r n w i r u n s , w a s w i r zuletzt als C h a r a k t e r i s t i k u m d e r G e w o r f e n h e i t e r w ä h n t e n , u m die N i c h t i g k e i t des D a s e i n s sichtb a r zu m a c h e n : k e i n D a s e i n e x i s t i e r t auf G r u n d e i g e n e n Beschlusses u n d Entschlusses. W i r sind f r e i l i c h d u r c h j a h r h u n d e r t e l a n g e H e r r s c h a f t d e r Psychologie, L o g i k u n d E r k e n n t n i s t h e o r i e i n e i n e m solchen A u s m a ß b l i n d g e m a c h t , d a ß es u n s s c h w e r fällt, d e r a r t i g e Sätze w i e d e n g e n a n n t e n a u c h n u r g l e i c h u r s p r ü n g l i c h zu n e h m e n w i e e t w a d e n Satz: E i n e m S u b j e k t sind u n m i t t e l b a r S i n n e s d a t e n g e g e b e n . W i r h a l t e n d e n l e t z t e n Satz f ü r e v i d e n t u n d w o h l g e e i g n e t z u m A u s g a n g f ü r w e i t e r e B e t r a c h t u n g e n ü b e r .die S u b j e k t e u n d s e h e n i m e r s t e n Satz lediglich m e t a p h y s i s c h e M e i n u n g e n , die s c h o n allzuviele V o r a u s s e t z u n g e n e n t h a l t e n u n d d a h e r r e i c h l i c h a n s p r u c h s v o l l k l i n g e n , w e n n m a n sie in F u n d a mentalbetrachtungen vorbringt. E s w ä r e irrig, w o l l t e n w i r solches B e f r e m d e n l e u g n e n , a b e r
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Weltanschauung
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In-der-Welt-sein
e b e n s o o b e r f l ä c h l i c h , es als G e g e n i n s t a n z a n z u e r k e n n e n , sond e r n w i r m ü s s e n u n s f r a g e n : W o h e r k o m m t dieses B e f r e m d e n ? D a ß dieses B e f r e m d e n b e s t e h t , ist g e r a d e e i n Z e u g e f ü r d e n Satz, d e r e t w a s ü b e r das W e s e n d e r F a k t i z i t ä t des D a s e i n s aussagt. D a s B e f r e m d e n b e s t e h t , u n d das h e i ß t , w i r d e n k e n gar n i c h t d a r a n , es f ä l l t u n s n i c h t bei, d e m R e c h n u n g zu t r a g e n ; es ist a u c h f r a g l i c h , ob w i r u n d w i e w i r das sollen, d. h. w i r h a b e n u n s s c h o n d a r a u f eingestellt, v o n dieser O h n m a c h t u n s e r e r H e r k u n f t u n s a b z u w e n d e n u n d u n s g a n z g l e i c h s a m in R i c h t u n g u n s e r e s D a s e i n s n a c h v o r n u n d i n d i e G e g e n w a r t zu v e r l e g e n . D a s D a s e i n h a t g l e i c h s a m i n d e r R i c h t u n g r ü c k w ä r t s auf s e i n e H e r k u n f t n i c h t s zu s u c h e n . W o h l v e r s t a n d e n : N i c h t d a r u m h a n d e l t es sich, was w i r n a c h t r ä g l i c h ü b e r u n s e r e H e r k u n f t o b j e k t i v g e s c h i c h t l i c h i n E r f a h r u n g b r i n g e n k ö n n e n — das k a n n höchstens noch bestärken, daß wir unseres eigenen Daseins o h n m ä c h t i g s i n d , — s o n d e r n ob das D a s e i n , d e m es u m sein S e i n k ö n n e n g e h t , das F a k t u m seines Seins v o n sich aus auf e i g e n e n B e s c h l u ß b e g r ü n d e n k a n n . Dies, d a ß es das n i c h t k a n n , ist n i c h t n i c h t s u n d belanglos, s o n d e r n w e s e n t l i c h f ü r das Fakt u m des D a s e i n s . Dies, d a ß es i n R i c h t u n g s e i n e r H e r k u n f t m i t e i g e n e m Bes c h l u ß n i c h t s zu s u c h e n h a t , gibt d e m D a s e i n e i n e n w e s e n t l i c h e n Abstoß v o n der D u n k e l h e i t s e i n e r H e r k u n f t i n die r e l a t i v e H e l l e seines S e i n k ö n n e n s . D a s e i n existiert i m m e r i n d e r w e s e n haften Auseinandersetzung mit der Dunkelheit u n d Ohnmacht seiner H e r k u n f t , w e n n auch n u r in der vorherrschenden Form d e r G e w o h n h e i t e i n e r t i e f e n V e r g e ß l i c h k e i t a n g e s i c h t s dieser W e s e n s b e s t i m m u n g s e i n e r F a k t i z i t ä t . D i e s e Vergessenheit k o m m t ans L i c h t in der B e f r e m d u n g solchen Sätzen g e g e n ü b e r u n d i n d e r M e i n u n g , sie setzten zuviel voraus. A b e r ob m a n das v e r g e s s e n d e V e r h a l t e n z u m M a ß s t a b d e r U r s p r ü n g l i c h k e i t der E r f a s s u n g s e i n e r selbst m a c h e n darf? D i e s ist a n e i n e m Beispiel zu d e m o n s t r i e r e n : E i n S t e i n ist a u c h n i c h t v o r h a n d e n a u f g r u n d e i g e n e n Beschlusses. A b e r h i e r ist das N i c h t i n a n d e r e m S i n n zu v e r s t e h e n . D e r S t e i n ist n i c h t e t w a o h n m ä c h t i g b e z ü g l i c h seiner
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38. Der Strukturcharakter
der Transzendenz
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H e r k u n f t , w e i l er ü b e r h a u p t n i c h t o h n m ä c h t i g sein k a n n . E r k a n n es n i c h t sein, w e i l e r ü b e r h a u p t k e i n e M ä c h t i g k e i t o d e r F r e i h e i t — E n d l i c h k e i t i n sich t r ä g t . D a m i t e t w a s o h n m ä c h t i g soll sein k ö n n e n b e z ü g l i c h s e i n e r selbst, m u ß es f r e i sein. D a r a u s e r g i b t sich, d a ß diese O h n m ä c h t i g k e i t u n d N i c h t i g k e i t des D a seins ein Vorzug ist, d e n das D a s e i n v o r d e m S t e i n h a t . D e r S t e i n isttauch n i c h t i n d i f f e r e n t g e g e n s e i n Sein, w e i l e r d i e M ö g l i c h keit d e r D i f f e r e n z so w e n i g h a t w i e die d e r I n d i f f e r e n z . D e r S t e i n k a n n d a h e r , a b g e s e h e n d a v o n , d a ß er d u r c h diese O h n m a c h t s e i n e r T a t s ä c h l i c h k e i t ü b e r h a u p t n i c h t b e s t i m m t ist, d o c h diese a u c h n i c h t vergessen, w e i l V e r g e s s e n k ö n n e n n u r m ö g l i c h ist, w o ein B e h a l t e n b e s t e h t — Z e i t l i c h k e i t . D a d u r c h e r h ä l t alles i m D a s e i n , w a s zu i h m g e h ö r t , a b e r f a k t i s c h z u m e i s t n i c h t d a ist, h i n s i c h t l i c h seines N i c h t d a s e i n s e i n e w e s e n h a f t e S c h ä r f e , w e i l dieses N i c h t d a s e i n sich i m m e r b e s t i m m t a u s d e r Seinsart des D a s e i n s , d . h . zu dieser g e h ö r t . Es b e d a r f s e h r e i n d r i n g l i c h e r u n d i m m e r w i e d e r a u f das G a n ze g e r i c h t e t e r B e s i n n u n g , u m diese e l e m e n t a r e n Z u s a m m e n h ä n g e zu s e h e n u n d d i e M e i n u n g zu b e s e i t i g e n , als seien Aussagen ü b e r s i n n l i c h e D a t e n u r s p r ü n g l i c h e r als solche Sätze, w o es doch g e r a d e u m g e k e h r t liegt. Es ist ein aus d e r W i s s e n s c h a f t in d i e P h i l o s o p h i e e i n g e s c h l e p p t e s Vorurteil, das, w a s e i n f a c h i m S i n n e d e r w i s s e n s c h a f t l i c h e n Z e r l e g u n g sei, sei a u c h das W e s e n t l i c h e u n d U r s p r ü n g l i c h e in p h i l o s o p h i s c h e r H i n sicht. b) W e l t a n s c h a u u n g als S i c h h a l t e n i m I n - d e r - W e l t - s e i n Dieses S i c h h a l t e n g e h ö r t n o t w e n d i g zur T r a n s z e n d e n z , w e i l sie w e s e n h a f t d u r c h H a l t - l o s i g k e i t b e s t i m m t ist. T r a n s z e n d e n z — F r e i h e i t ! W i r h a b e n v e r s u c h t , die H a l t - l o s i g k e i t v o n d e r N i c h t i g k e i t h e r zu fassen, u n d h a b e n d a b e i b e t o n t , diese n i c h t n e g a t i v zu s e h e n . H a l t - l o s i g k e i t n a h m e n w i r n i c h t i n d e r vulg ä r e n B e d e u t u n g v o n » h a l t l o s e r M e n s c h « , s o n d e r n als Wesenss t r u k t u r des D a s e i n s , u n d zwar d e r T r a n s z e n d e n z . A u c h der, d e r
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H a l t u n g h a t , h a t sie n u r u n d k a n n sie n u r h a b e n , n i c h t w e i l er f a k t i s c h , s o n d e r n w e s e n s m ä ß i g m e t a p h y s i s c h h a l t - l o s ist, angew i e s e n d a r a u f u n d f r e i d a f ü r , sich H a l t u n g zu g e b e n . D a s b e s a g t a b e r : D a s v o m S e i e n d e n selbst d u r c h w a l t e t e U b e r s t e i g e n des S e i e n d e n , u n d zwar in d e r E i n h e i t d e r S t r e u u n g , ist halt-los; es l i e g t i n der T r a n s z e n d e n z e i n e A n g e w i e s e n h e i t auf H a l t , doch n i c h t i m S i n n e e i n e r o b j e k t i v e n E i g e n s c h a f t , s o n d e r n das Sein des D a s e i n s i n s e i n e m G e s c h e h e n ist in sich e i n S i c h h i n e i n h a l t e n i n M ö g l i c h k e i t e n , i n d e n e n es je f a k t i s c h H a l t soll n e h m e n k ö n n e n . H a l t l o s i g k e i t i n d e r S t r e u u n g ist i n sich V o r h a l t e n von H a l t m ö g l i c h k e i t e n . I n d e n G r u n d r i c h t u n g e n d e r S t r e u u n g des D a s e i n s l i e g e n g l e i c h s a m v o r a u s g e w o r f e n e Blicke auf M ö g l i c h k e i t e n des Seins. D i e T r a n s z e n d e n z des D a s e i n s ist n i c h t s a n d e res als dieser v o r a u s g e w o r f e n e Blick des D a s e i n s i m G a n z e n , s o f e r n e b e n das D a s e i n i m G a n z e n je e i n S e i n k ö n n e n ist u n d vor dieses gestellt bleibt. H a l t - l o s i g k e i t ist n i c h t e i n e b l o ß e L e e r e , s o n d e r n das F e h l e n ist, w e i l es k o n s t i t u t i v ist f ü r das Seiende, dessen Sein S e i n k ö n n e n h e i ß t , A n w e i s u n g a u f M ö g l i c h k e i t e n d e r E r f ü l l u n g ; ob sie f a k t i s c h g e n ü g e n oder n i c h t , ist e i n e n a c h g e o r d n e t e F r a g e . I n d i e s e m F e h l e n l i e g t das N o c h - n i c h t m i t der g a n z e n S c h ä r f e e i n e r A n w e i s u n g a u f die je n o t w e n d i g e W a h l . W i r zeigten f r ü h e r : D a s e i n ist Erschlossensein, d.i. die Bezüge in d e r E i n h e i t d e r S t r e u u n g h a b e n d e n C h a r a k t e r des O f f e n b a r m a c h e n s . D a s e i n h ä l t sich i n d e r E i n h e i t d e r S t r e u u n g i m m e r in e i n e r O f f e n b a r k e i t . D a s I n - d e r - W e l t - s e i n ist i m m e r I n - d e r W a h r h e i t - s e i n . D a r i n k o m m t z u m A u s d r u c k , d a ß W a h r h e i t wes e n h a f t z u m Begriff d e r W e l t g e h ö r t . H a l t - l o s i g k e i t , die i n der T r a n s z e n d e n z liegt, ist d e m n a c h i m m e r A n w e i s u n g auf Mögl i c h k e i t e n des S i c h h a l t e n s i n d e r W a h r h e i t . Aus d e m , w a s n u n ü b e r die G e w o r f e n h e i t g e s a g t w u r d e , e r g i b t sich, d a ß a u c h die f r ü h e r e C h a r a k t e r i s t i k des I n - d e r - W a h r h e i t - s e i n s n u r e i n e vorl ä u f i g e sein k o n n t e . D a s I n - d e r - W a h r h e i t - s e i n als O f f e n b a r m a c h e n ist n i c h t e i n f a c h e i n i n d i f f e r e n t e s A u f d e c k e n v o n Seiend e m u n d B e t r a c h t e n desselben, s o n d e r n alles O f f e n b ä r m a c h e n des S e i e n d e n ist in sich e i n D u r c h w a l t e t s e i n v o m S e i e n d e n .
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38. Der Strukturcharakter
der Transzendenz
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Alles O f f e n b a r m a c h e n ist d a h e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t d e m S e i e n d e n , s o w o h l i n B e z u g auf das V o r h a n d e n e — B e h e r r s c h e n — als a u c h in B e z u g auf das M i t d a s e i n — H a n d e l n — u n d Selbstsein — E n t s c h l o s s e n h e i t zu sich selbst. W e i l n u n a b e r d i e I n t e r p r e t a t i o n des Seins des S e i e n d e n , e b e n s o w i e die des Z u g a n g s z u m S e i e n d e n o r i e n t i e r t ist a m λόγος u n d dieser w i e d e r als d e r n u r a u f w e i s e n d e , e r h ä l t die B e t r a c h t u n g u n d A n s c h a u u n g des Seienden den schlechthinnigen Vorrang unter den Bezügen zum S e i e n d e n — W i s s e n s c h a f t n u r logisch, e n t s p r e c h e n d das P r a k t i sche als N i c h t t h e o r e t i s c h e s .
DRITTES KAPITEL
Das Problem der Weltanschauung
§39.
Grundfragen der
des prinzipiellen Weltanschauung
Problems
a) W e l t a n s c h a u u n g als faktisch e r g r i f f e n e s In-der-Welt-sein G e r a d e die Auseinandersetzung m a c h t ja das Seiende an i h m selbst zugänglich u n d n i c h t die bloße B e t r a c h t u n g . Diese ist e i n e n a c h t r ä g l i c h e F o r m m ö g l i c h e r A n e i g n u n g der Wahrheit, aber nicht das Wesentliche des O f f e n b a r m a c h e n s . Das ist i m G r u n d e auch die eigentliche B e d e u t u n g , die d e m T e r m i n u s » A n s c h a u u n g « i n n e w o h n t . Es ist gar keine Selbstverständlichkeit, daß der abendländische E r k e n n t n i s b e g r i f f gerade a n der I d e e der Anschauung, αϊσθησις, ίδεΐν, νοεΐν, orientiert ist u n d daß K a n t die I d e e der E r k e n n t n i s als i n t u i t u s ansetzt. »Anschauen« von etwas will das u n m i t t e l b a r e H a b e n von etwas i m Ganzen ausdrücken; solches H a b e n als erstrebtes I d e a l schließt in sich die O r i e n t i e r u n g an e i n e m N i c h t h a b e n , Nichtbesitzen. Welta n s c h a u u n g h e i ß t i m G r u n d e Welt-haben, sie besitzen, d. i. sich h a l t e n i m In-der-Welt-sein, was die Halt-losigkeit e n t b e h r t , worauf sie a b e r gerade A n w e i s u n g gibt, dies i n Besitz zu bringen. I m Ausdruck » W e l t - a n s c h a u u n g « gilt es die zugeeignete Z u g e h ö r i g k e i t des In-der-Welt-seins z u m Dasein herauszuhören. W e l t - a n s c h a u u n g als W e l t - h a b e n ist das faktisch je so oder so e r g r i f f e n e In-der-Welt-sein. W i r d ü r f e n d a h e r , streng genomm e n , nicht sagen: D a s D a s e i n h a t eine W e l t a n s c h a u u n g , sond e r n es ist W e l t - a n s c h a u u n g , u n d zwar n o t w e n d i g . Sofern aber das D a s e i n ausdrücklich sich u m das In-der-Weltsein b e m ü h e n k a n n u n d muß,- u n d sofern solcher B e m ü h u n g
§ 39. Grundfragen
des prinzipiellen
Problems
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b e s t i m m t e E r k e n n t n i s s e , S t e l l u n g n a h m e n , G e w o h n h e i t e n , Ans p r ü c h e , F o r d e r u n g e n e n t w a c h s e n , diese w i e d e r u m o b j e k t i v m i t t e i l b a r u n d d a r s t e l l b a r sind, u n d s o f e r n dieses V e r ö f f e n t l i c h t e das z u n ä c h s t F a ß b a r e ist, e r w ä c h s t d e r S c h e i n , als sei die W e l t a n s c h a u u n g etwas, w a s o b j e k t i v v o r h a n d e n ist — G e b i l d e , die es sich z u l e g e n k a n n —, w a s i n B ü c h e r n s t e h t o d e r w a s m a n aus Vortragszirkeln d e r S c h u l e d e r W e i s h e i t i n D a r m s t a d t bezieht, was d a n n das D a s e i n h a b e n oder n i c h t h a b e n k a n n . Auf G r u n d dieser A u f f a s s u n g , d a ß W e l t a n s c h a u u n g e i n öff e n t l i c h g e w o r d e n e s G e b i l d e ist, das f r e i l i c h s e i n e e i g e n e N o t wendigkeit u n d relatives Recht hat, entsteht eine weitere V e r k e n n u n g des W e s e n s d e r W e l t a n s c h a u u n g , d i e sich a u s d r ü c k t m der Rede von der »natürlichen Weltanschauung«. M a n m e i n t d a m i t e i n solches S i c h h a l t e n i m I n - d e r - W e l t - s e i n , das j e d e m D a s e i n n a t ü r l i c h u n d f ü r jedes gleich ist. W e n n a b e r jedes D a sein als f a k t i s c h e x i s t i e r e n d e s sich n o t w e n d i g v e r e i n z e l t i n e i n e S i t u a t i o n , so l i e g t d a r i n , d a ß es so e t w a s w i e e i n e n a t ü r l i c h e W e l t a n s c h a u u n g f a k t i s c h n i c h t gibt. Jede W e l t a n s c h a u u n g ist w i e jedes I n - d e r - W e l t - s e i n i n sich selbst, ob es d a r u m w e i ß oder n i c h t , geschichtlich. Es g i b t n i c h t e i n e s o g e n a n n t e n a t ü r l i c h e u n d d a n n n o c h e i n e d a r a u f g e p f r o p f t e , erst g e b i l d e t e W e l t a n s c h a u u n g , s o w e n i g e i n D a s e i n e x i s t i e r e n k a n n , das n i c h t je D a s e i n e i n e s Selbst w ä r e u n d d a m i t n o t w e n d i g i n d i e I c h - D u Verhältnisse z e r s t r e u t e . D i e L e u g n u n g e i n e r n a t ü r l i c h e n Welta n s c h a u u n g b e s a g t n u n f r e i l i c h n i c h t , es existiert n i c h t so e t w a s wie eine gemeinsame Weltanschauung, etwa von Gruppen, S t ä m m e n , S i p p e n , N a t i o n e n , V ö l k e r n ; in a n d e r e r R i c h t u n g g i b t es e i n e g e m e i n s a m e W e l t b e s t i m m t e r S t ä n d e , K a s t e n , B e r u f e . Aber diese G e m e i n s a m k e i t selbst ist d e r F o r m n a c h e b e n s o w i e h i n s i c h t l i c h des G e h a l t e s e i n e g e s c h i c h t l i c h e . D i e A u s b i l d u n g v o n W e l t a n s c h a u u n g e n ist z u n ä c h s t u n d auf l a n g e h i n e i n e S a c h e d e r W i s s e n s c h a f t u n d d e r G e l e h r t e n . W o es solche G e b i l d e gibt, sind es z u m e i s t n u r e r d a c h t e , » W e l t b i l d e r « , m d e n e n das j e w e i l i g e W i s s e n u m das S e i e n d e z u s a m m e n g e t r a g e n u n d m i t h e i l s a m e n p r a k t i s c h e n R a t s c h l ä g e n v e r s e h e n ist.
346
Das Problem der
Weltanschauung
D i e A r t u n d Weise, w i e sich n u n f a k t i s c h W e l t a n s c h a u u n g e n b i l d e n , u n t e r l i e g t b e s t i m m t e n W e s e n s g e s e t z e n . P r o b l e m ist: 1. Welches ist jeweils d e r M o d u s , g e m ä ß d e m d e m D a s e i n die H a l t l o s i g k e i t des I n - d e r - W e l t - s e i n s o f f e n b a r ist?' a) I n welc h e r v o r h e r r s c h e n d e n R i c h t u n g i n n e r h a l b des G a n z e n d e r S t r e u u n g ? b) I n w e l c h e m G r a d e d e r U r s p r ü n g l i c h k e i t des I n der-Welt-seins? c) I n w e l c h e r Weise d e r D e u t u n g u n d Ausleg u n g die O f f e n b a r k e i t d e r H a l t - l o s i g k e i t g e s c h i e h t . 2. W e l c h e s ist d e r j e w e i l i g e C h a r a k t e r des H a l t e s , d e r als möglicher in der Offenbarkeit der Haltlosigkeit vorgezeichnet wird? 3. W e l c h e s ist die e c h t e F o r m d e r G e w i n n u n g dieses H a l t e s , seiner Bewahrung und Überlieferung? 4. W e l c h e s sind die i m j e w e i l i g e n H a l t selbst a n g e l e g t e n u n d i h m z u g e h ö r i g e n F o r m e n d e r E n t a r t u n g u n d des Ersatzes? 5. I n w i e f e r n l i e g t i n d e r E n t a r t u n g eines H a l t e s z u g l e i c h die A n w e i s u n g a u f die M ö g l i c h k e i t e i n e s n e u e n ? Dieses s i n d G r u n d f r a g e n des p r i n z i p i e l l e n P r o b l e m s d e r Weltanschauung, denen vorausgeht die Wesensklärung von W e l t a n s c h a u u n g ü b e r h a u p t u n d d e r N a c h w e i s des U r s p r u n g s desselben i m In-der-Welt-sein, in der Transzendenz. D i e g a n z e E r ö r t e r u n g ü b e r Welt, I n - d e r - W e l t - s e i n , W e l t a n s c h a u u n g d i e n t e dazu, u n s e i n e n B o d e n zu v e r s c h a f f e n f ü r die F r a g e des Verhältnisses v o n W e l t a n s c h a u u n g u n d P h i l o s o p h i e . Genauer: W i r wollen im D u r c h g a n g durch eine Wesensklärung d e r W e l t a n s c h a u u n g , die das v o r l i e g e n d e B i l d u n g s b e w u ß t s e i n i m m e r l e i c h t m i t d e r P h i l o s o p h i e z u s a m m e n b r i n g t , das W e s e n des P h i l o s o p h i e r e n s e i n d r i n g l i c h e r a u f h e l l e n . b) D e r W e l t a n s c h a u u n g s b e g r i f f bei D i l t h e y B e v o r w i r d i e s e n l e t z t e n S c h r i t t v e r s u c h e n , w o l l e n w i r auf d e n f r ü h e r (s. o b e n S. 238 f.) z u m L e i t f a d e n g e n o m m e n e n W e l t a n s c h a u u n g s b e g r i f f D i l t h e y s z u r ü c k k o m m e n u n d d a b e i die sieb e n F r a g e n k u r z b e a n t w o r t e n , die w i r d a m a l s m i t R ü c k s i c h t
§
39. Grundfragen
des prinzipiellen
Problems
347
auf D i l t h e y s B e s t i m m u n g des W e s e n s d e r W e l t a n s c h a u u n g stellten. D i e B e a n t w o r t u n g dieser F r a g e n w i r d u n s u n m i t t e l b a r h i n f ü h r e n z u m l e i t e n d e n P r o b l e m . Z u g l e i c h w e r d e n w i r in dieser z u s a m m e n f a s s e n d e n E r ö r t e r u n g n o c h e i n m a l das G e s a m t p r o b l e m d e r W e s e n s i n t e r p r e t a t i o n dessen, w a s W e l t a n s c h a u u n g g e n a n n t w i r d , u n s vor A u g e n f ü h r e n u n d z u g l e i c h e r m e s s e n die W i c h t i g k e i t d e r E r ö r t e r u n g des e r s t e n W e g e s f ü r d e n z w e i t e n , d. h . i m b e s o n d e r e n d i e g r u n d s ä t z l i c h e B e d e u t u n g d e r Ü b e r w i n d u n g des p s y c h o l o g i s c h e n u n d e r k e n n t n i s t h e o r e t i schen Subjektbegriffes i m Sinne einer Wesensinterpretation des Daseins. D i l t h e y sagt: » I n d e r S t r u k t u r d e r W e l t a n s c h a u u n g ist i m m e r eine innere Beziehung der Lebenserfahrung zum Weltbilde enth a l t e n , e i n e B e z i e h u n g , aus d e r stets e i n L e b e n s i d e a l a b g e l e i t e t werden kann.«1 Weltbild, Lebenserfahrung, Lebensideal u n d W i r k l i c h k e i t , W e r t , W i l l e n s b e s t i m m u n g sind n a c h D i l t h e y Bestandteile der Weltanschauung »verschiedener Provenienz« u n d v e r s c h i e d e n e n C h a r a k t e r s . D i e s e A u f f a s s u n g ist e n t s c h e i d e n d f ü r D i l t h e y s S t e l l u n g n a h m e zur M ö g l i c h k e i t e i n e r p h i l o sophischen Weltanschauung, was er m i t »Metaphysik« identifiziert, u n d f ü r s e i n e n B e g r i f f d e r P h i l o s o p h i e . A n h a n d d e r s i e b e n F r a g e n ist jetzt zu e r ö r t e r n : 1. Sind diese G r u n d b e s t a n d t e i l e h i n r e i c h e n d u r s p r ü n g l i c h bestimmt? »Weltbild« heißt f ü r Dilthey der objektive Kausalz u s a m m e n h a n g des V o r h a n d e n e n , so w i e e r i n d e r N a t u r w i s s e n schaft i m weiteren Sinne herausgestellt wird. »Lebenserfahr u n g « b e z e i c h n e t D i l t h e y a u c h als » L e b e n s w ü r d i g u n g « oder Erleben von Bedeutung u n d Sinn, »Lebensideal«: Prinzipien des H a n d e l n s . D i e s s i n d d i e drei Bezirke des S e i e n d e n . A b e r m e i n t D i l t h e y , e i n e W e l t a n s c h a u u n g b e s t e h e aus d e r o b j e k t i v v o r h a n d e n e n N a t u r , aus e r l e b e n d e n seelischen Subj e k t e n u n d aus P r i n z i p i e n , sie sei g l e i c h s a m ein i r g e n d w i e 1
Wilhelm Dilthey, Das Wesen der Philosophie. In: D i e Kultur der Gegenwart I, 4, 1907. S. 38. (Gesammelte Schriften V, S. 380).
348
Das Problem der
Weltanschauung
o b j e k t i v e s G e m i s c h dieser drei? E r m e i n t m i t » W e l t b i l d « vielm e h r die k a u s a l e r k a n n t e N a t u r , das E r k a n n t e i m E r k e n n e n ; d e r seelische E r l e b n i s z u s a m m e n h a n g als g e l e b t e r u n d die P r i n z i p i e n als das H a n d e l n B i n d e n d e . G e w i ß , das m e i n t er; a b e r er m e i n t a u c h das erste. M i t a n d e r e n W o r t e n : Es l i e g t h i e r e i n e w e s e n t l i c h e U n b e s t i m m t h e i t in d e r K e n n z e i c h n u n g d e r Bes t a n d - t e i l e als solcher vor: e i n m a l o b j e k t i v v o r h a n d e n e ontische Bezirke (objektiv), z u g l e i c h a b e r i m H i n b l i c k d a r a u f , d a ß sie e r k a n n t , g e f ü h l t u n d g e w o l l t sind (subjektiv); b a l d das e i n e , » b a l d das a n d e r e « , b a l d b e i d e in dieser B e z o g e n h e i t ( O b j e k t S u b j e k t - B e z i e h u n g ) , w o b e i diese erst r e c h t u n b e s t i m m t b l e i b t . D i e G r u n d b e s t a n d t e i l e s i n d also n i c h t h i n r e i c h e n d u r s p r ü n g lich b e s t i m m t , s o n d e r n v o n a u ß e n , v u l g ä r , in w e c h s e l n d e n u n d s c h i l l e r n d e n B e z ü g e n , b a l d o b j e k t i v , b a l d s u b j e k t i v , b a l d Obj e k t - S u b j e k t - B e z o g e n h e i t selbst. A b e r n u r i m H i n b l i c k d a r a u f , d a ß die drei B e s t a n d t e i l e g l e i c h s a m d r e i o n t i s c h e Bezirke m e i n e n , v e r m a g D i l t h e y zu s a g e n , sie s e i e n » v e r s c h i e d e n e r Provenienz«. Sein
Wert
Wollen
oberste Denkbestimmung
das W i r k l i c h e (Welt)
Leben
Prinzipien
objektiv
Erkenntnis
Gefühl
Wille
subjektiv
Weltbild
Lebenserfahrung
Handeln
subjektivobjektiv
A b e r i n dieser O r d n u n g ist D i l t h e y selbst s c h w a n k e n d . 2. Sind sie als B e s t a n d t e i l e d e r W e l t a n s c h a u u n g v e r s c h i e d e n e r H e r k u n f t oder nicht? N i m m t m a n sie o b j e k t i v , d a n n i n d e r Tat; N a t u r ist e t w a s f ü r sich, e b e n s o seelisches L e b e n u n d gel-
§ 39. Grundfragen
des prinzipiellen
Problems
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t e n d e P r i n z i p i e n . K e i n Bezirk ist auf e i n e n a n d e r e n z u r ü c k f ü h r bar. M e i n e n die B e s t a n d t e i l e d a g e g e n als solche die W e l t a n s c h a u u n g u n d diese als B e s t i m m u n g des S e e l e n l e b e n s , d. h . die d r e i B e s t a n d t e i l e als e r k e n n e n d e s , w e r t e n d e s u n d w o l l e n d e s V e r h a l t e n , d a n n ist g a r n i c h t e i n z u s e h e n , w i e h i e r v o n verschied e n e r P r o v e n i e n z d e r B e s t a n d t e i l e g e s p r o c h e n w e r d e n soll; g e r a d e u m g e k e h r t : Sie h a b e n diesselbe P r o v e n i e n z aus d e m G a n z e n des S e e l e n l e b e n s . D i l t h e y selbst sagt, e n t g e g e n d e r T h e se v o n d e r v e r s c h i e d e n e n P r o v e n i e n z : » D e r G r u n d u n t e r s c h i e d zwischen diesen Bestandteilen g e h t zurück in die Differenzier u n g des S e e l e n l e b e n s , w e l c h e als dessen S t r u k t u r b e z e i c h n e t w o r d e n ist.« 2 So ist n i c h t n u r d i e K e n n z e i c h n u n g d e r B e s t a n d t e i l e selbst u n b e s t i m m t , s o n d e r n a u c h die B e s t i m m u n g i h r e r H e r k u n f t ; diese m u ß s c h w a n k e n d sein, w e i l d i e B e s t a n d t e i l e selbst v i e l f ä l t i g b e l a s t e t sind. D a m i t v e r s c h l i n g t sich n u n e i n e weitere Schwierigkeit. 3. D i e F r a g e des m ö g l i c h e n Z u s a m m e n h a n g s d e r B e s t a n d teile. D a n a c h f r a g t D i l t h e y i m G r u n d e g a r n i c h t m e h r ; er b l e i b t bei der Dreigliederung der Vermögen Erkennen, Gefühl, Wille s t e h e n ; f r e i l i c h ist er, u n d g e r a d e er, n i c h t d e r M e i n u n g , d a ß diese drei n u r n e b e n e i n a n d e r v o r k o m m e n ; er b e m ü h t sich ger a d e d a r u m , d i e E i n h e i t d e r s e l b e n Eins L i c h t zu b r i n g e n , a b e r d o c h so, d a ß er je auf die f a k t i s c h e V e r k e t t u n g aller d r e i h i n w e i s t — es g i b t n i e ein V e r m ö g e n o h n e d i e b e i d e n a n d e r e n —, a b e r das E n t s c h e i d e n d e , die M ö g l i c h k e i t dieses Z u s a m m e n h a n g s , d . h . d i e G r u n d s t r u k t u r des D a s e i n s selbst, aus d e r solche B e s t a n d t e i l e zu e n t n e h m e n sind, ist n i c h t z u m P r o b l e m g e m a c h t . D a h e r bleibt 4. u n b e s t i m m t , ob sie n u r z u s a m m e n g e r a t e n sind o d e r ob sich h i e r e i n e u r s p r ü n g l i c h e , w e s e n s n o t w e n d i g e E i n h e i t i m D a sein selbst b e k u n d e t . D i l t h e y sagt: » I h r e [der B e s t a n d t e i l e ] p s y c h i s c h e R e l a t i o n ist f ü r u n s i m E r l e b n i s da; sie g e h ö r t u n t e r d i e l e t z t e n e r r e i c h b a r e n T a t s a c h e n des B e w u ß t s e i n s . D a s Sub2
Ebd.
350
Das Problem der
Weltanschauung
j e k t v e r h ä l t sich i n dieser v e r s c h i e d e n e n Weise zu d e n G e g e n s t ä n d e n , h i n t e r diese T a t s a c h e k a n n n i c h t zu e i n e m G r u n d derselben zurückgegangen werden.«3 Aus diesen S ä t z e n w i r d d i e G r u n d p o s i t i o n D i l t h e y s klar. W i r h e b e n n u r einiges h e r a u s m i t Bezug a u f die W e s e n s k l ä r u n g d e r W e l t a n s c h a u u n g : D i e B e s t a n d t e i l e w e r d e n jetzt d i r e k t als psyc h i s c h e u n d i n psychischer R e l a t i o n g e f a ß t ; e r n e n n t sie zugleich » T a t s a c h e n des B e w u ß t s e i n s « , h i n t e r die zu e i n e m G r u n d n i c h t z u r ü c k zu g e h e n ist. H i e r w i r d d e u t l i c h , d a ß D i l t h e y trotz aller w e s e n t l i c h e n R e v i s i o n d e r Psychologie i m S i n n e d e r n a turalistischen Elementarpsychologie doch in der Wesensbestimm u n g des » L e b e n s « ( D a s e i n s ) n i c h t ü b e r die Psychologie als solche h i n a u s g e k o m m e n ist. D a s P r o b l e m des D a s e i n s ist ein solches d e r Psychologie, d. h . es b l e i b t d e r Ansatz e i n e s o n t i s c h e n Z u s a m m e n h a n g s , p s y c h i s c h e V o r k o m m n i s s e , T a t s a c h e n des Bew u ß t s e i n s . Es w i r d w e d e r g e f r a g t , w e l c h e s die S e i n s a r t dieses P s y c h i s c h e n sei, n o c h gar, ob das Psychische i n dieser B e s t i m m u n g a u s r e i c h e , das W e s e n des D a s e i n s a u c h n u r z u m P r o b l e m zu m a c h e n u n d s o m i t erst d i e Basis f ü r die W e s e n s b e s t i m m u n g d e r W e l t a n s c h a u u n g zu g e w i n n e n . D a s e i n , v o n d e r Psychologie h e r g e s e h e n u n d auf d e m B o d e n d e r Psychologie, w i r d d a n n Erkenntnisproblem, Wissenschaftstheorie und Kultur. Dilthey b l e i b t in e i n e m P o s i t i v i s m u s h ö h e r e r F o r m s t e c k e n u n d v e r s t e h t n i c h t die B e d i n g u n g e n , d e n e n er g e n ü g e n m u ß , u m ü b e r h a u p t das, w a s er f r a g t , als w i r k l i c h e s P r o b l e m zu stellen. D e n n g e r a d e a u c h s e i n e w i c h t i g e E r k e n n t n i s , d i e G e s c h i c h t l i c h k e i t des L e b e n s , b l e i b t i m G r u n d e u n v e r s t a n d e n , w e i l n i c h t ontologischm e t a p h y s i s c h b e g r i f f e n . D a h e r ist die G e s c h i c h t e des D a s e i n s als solche n i c h t g e s e h e n , s o n d e r n » K u l t u r « u.s.f. ist e i n Ausd r u c k , O b j e k t i v a t i o n d e r P s y c h o l o g i s i e r u n g des L e b e n s , e i n e Aesthetik der Geschichtlichkeit u n d Kultur. A b e r m a n b r i n g t sich u m die M ö g l i c h k e i t jedes s a c h l i c h e n Verständnisses u n d w i r k l i c h e r P r o b l e m e , w e n n m a n sich, sobald 3
A a.O., S. 61 (Ges. Schriften V, S. +05).
§ 39. Grundfragen
des prinzipiellen
Problems
351
v o n G e s c h i c h t l i c h k e i t d i e R e d e ist, d e n N a m e n D i l t h e y e i n f a l l e n l ä ß t u n d d a n n m e i n t , d a m i t sei das P r o b l e m gelöst. Es ist e i n e U n a r t d e r s o g e n a n n t e n P h i l o s o p h i e g e l e h r t e n , die e i n Prob l e m n u r so w e i t zu t r e f f e n v e r m ö g e n , als sie d a f ü r e i n e A n z a h l v o n A u t o r e n n a m e n u n d B u c h t i t e l n a n f ü h r e n k ö n n e n . D a s Prob l e m d e r G e s c h i c h t l i c h k e i t , das D i l t h e y b e h a n d e l t h a t , ist n u n n i c h t zu s e h e n ; e b e n s o w e n i g d a s P r o b l e m d e r Z e i t , das B e r g s o n b e h a n d e l t h a t , das P r o b l e m d e r W e s e n s s c h a u u n g , das H u s s e r l e r k a n n t h a t , u n d a u c h das P r o b l e m d e r E x i s t e n z ist d u r c h ü b l i c h e K e n n z e i c h n u n g n o t w e n d i g so n i c h t zu s e h e n . D i e s e m a r k t s c h r e i e r i s c h e Art, die U n b i l d u n g zu b e f ö r d e r n , ist m i t s c h u l d a n d e r trostlosen L a g e d e r P h i l o s o p h i e . D i l t h e y s T h e s e w i r d o f f e n k u n d i g i n d e m z w e i t e n Satze, w o er sagt, h i n t e r d i e T a t s a c h e n des B e w u ß t s e i n s k ö n n e n i c h t zu e i n e m w e i t e r e n G r u n d z u r ü c k g e g a n g e n w e r d e n . G e m e i n t ist n a t ü r l i c h : zu e i n e r S u b s t a n z , zu e i n e m n o c h z u g r u n d e l i e g e n d e n S e i e n d e n , aus d e m das S e i e n d e d e r p s y c h o l o g i s c h e n M a n n i g f a l t i g k e i t e r k l ä r t w e r d e n sollte, d . h . D i l t h e y k e n n t n u r o n t i s c h e K e n n t n i s d e r T a t s a c h e n , w o b e i f r a g l i c h ist, w a s »letzte« Tats a c h e n h e i ß e n soll. D i l t h e y s i e h t erstens n i c h t , d a ß g e r a d e f ü r s e i n P r o b l e m d e r S t r u k t u r b e s t i m m u n g d e r P s y c h o l o g i e d i e ontologische E r k e n n t nis schon v o r a u s g e s e t z t u n d vollzogen w i r d , u n d z w e i t e n s a b e r , d a ß die F r a g e n a c h d e m G r u n d d e r M ö g l i c h k e i t d e r E i n h e i t der g e n a n n t e n »Tatsachen« nicht schon eine ontische Erklärungsf r a g e zu sein b r a u c h t , s o n d e r n e i n e o n t o l o g i s c h e W e s e n s f r a g e . E r b e w e g t sich h i e r i n d e r R i c h t u n g Kants, d e r in dieser H i n sicht e b e n s o w e n i g k l a r g e s e h e n h a t . W e n n K a n t i n s e i n e n Paralogismen m i t R e c h t die Unmöglichkeit einer ontisch-ration a l e n M e t a p h y s i k des S e e l e n l e b e n s a u f w e i s t , so ist d a m i t n i c h t s e n t s c h i e d e n g e g e n d i e M ö g l i c h k e i t e i n e r O n t o l o g i e des Seel i s c h e n bzw. des M e n s c h e n , so w e n i g , d a ß sie g e r a d e als notw e n d i g e r w i e s e n ist — u n d K a n t m u ß s t ä n d i g d a v o n G e b r a u c h m a c h e n . Z w i s c h e n bzw. vor d e r E r s c h e i n u n g des S e e l i s c h e n als Erscheinung u n d einer dogmatischen theoretischen Metaphysik
352
Das Problem der
Weltanschauung
des S u b j e k t s u n d S u b j e k t b e g r i f f s ist e b e n m ö g l i c h u n d n o t w e n d i g e i n e O n t o l o g i e des Seelischen. M a n k a n n z u g e b e n , f ü r die f a k t i s c h e D u r c h f ü h r u n g des k a n t i s c h e n P r o b l e m s d e r » K r i t i k d e r r e i n e n V e r n u n f t « ist sie n i c h t e r f o r d e r l i c h ; a b e r d a r a u s f o l g t n i c h t , d a ß g r u n d s ä t z l i c h die M ö g l i c h k e i t e i n e r m e t a p h y s i s c h e n B e t r a c h t u n g des Seelischen ausgeschlossen sei. W ä r e K a n t zu d i e s e n F u n d a m e n t a l f r a g e n v o r g e d r u n g e n u n d h ä t t e sie als eigene Probleme erkannt, dann wäre der deutsche Idealismus in der faktischen F o r m unmöglich geworden. Zur ontologischen Wesensfrage k a n n nicht n u r zurückgef r a g t w e r d e n , s o n d e r n ist i m m e r a u c h s c h o n z u r ü c k g e f r a g t , ob ausdrücklich oder nicht. D e n n daß Dilthey notwendig von e i n e m solchen G r u n d e G e b r a u c h m a c h e n m u ß , o b z w a r e r i h n n i c h t s i e h t u n d m i ß d e u t e t , das zeigt sich g e r a d e a n der Vield e u t i g k e i t , in d e r er s o w o h l die B e g r i f f e d e r e i n z e l n e n B e s t a n d t e i l e d e r W e l t a n s c h a u u n g als a u c h d e n B e g r i f f dieser selbst gebraucht. Die Vieldeutigkeit der Bestandteile: Weltbild, Lebenswürdigung, Lebensideal; Wirklichkeit, Wert, Zweck; Erkennen, Gef ü h l , Wollen, sowie die V i e l d e u t i g k e i t des B e g r i f f e s W e l t a n s c h a u u n g : das A n g e s c h a u t e , die A n s c h a u u n g e n , das A n s c h a u e n des A n g e s c h a u t e n , ist k e i n e zufällige. G e r a d e w e i l D i l t h e y leb e n d i g auf das Verständnis d e r S t r u k t u r d e r W e l t a n s c h a u u n g d r i n g t , m u ß er G e b r a u c h m a c h e n v o n dieser V i e l d e u t i g k e i t , f r e i l i c h o h n e d a ß es i h m g e l i n g t , d i e B e d e u t u n g s r i c h t u n g e n f e s t z u l e g e n oder g a r die N o t w e n d i g k e i t d e r V i e l d e u t i g k e i t zu z e i g e n u n d zu b e g r ü n d e n . D a ß a b e r D i l t h e y sich i n d e r Vield e u t i g k e i t b e w e g t , ist d e r B e w e i s d a f ü r , d a ß er v o n e i n e r — als solche n i c h t e r k a n n t e n — U r s t r u k t u r des D a s e i n s G e b r a u c h m a c h t , u n d z w a r d e s h a l b , w e i l er d a v o n G e b r a u c h m a c h e n m u ß , w e n n anders die Weltanschauung z u m menschlichen Dasein gehört. 5. D i e s e U r s t r u k t u r ist die T r a n s z e n d e n z als I n - d e r - W e l t - s e i n ; das D a s e i n ist als solches t r a n s z e n d i e r e n d ; es h a t das Seiende, u n d z w a r i n der d r e i f a c h e n R i c h t u n g -der S t r e u u n g je schon ü b e r -
§
39. Grundfragen
des prinzipiellen
Problems
353
s p r a n g e n , d. h . es v e r h ä l t sich n i c h t n u r ü b e r h a u p t als erschlossenes z u m S e i e n d e n i m G a n z e n , s o n d e r n d a r i n liegt: Es h ä l t sich i m S e i n s v e r s t ä n d n i s , u n d dieses ist sogar B e d i n g u n g d e r M ö g l i c h k e i t des g e n a n n t e n Verhaltens. E s ist n i c h t e i n psychisches S u b j e k t i n e i n e m I n n e r e n des B e w u ß t s e i n s ( e t w a s S u b j e k t i v e s ) u n d h a t a u c h B e z i e h u n g zu O b j e k t e n . S u b j e k t i v u n d o b j e k t i v sind d i e B e s t a n d - t e i l e , w e i l sie als V e r h a l t u n g e n des D a s e i n s auf d e m G r u n d e d e r T r a n s z e n d e n z desselben sich h a l t e n , u n d z w a r l i e g t v o r a l l e m d i e s e m o n t i s c h e n V e r h a l t e n , was D i l t h e y ü b e r h a u p t n i c h t sieht, s c h o n O n t o l o g i s c h e s z u g r u n d e . Die Möglichkeit u n d Notwendigkeit von Weltanschauung, d. h. i h r W e s e n b e g r ü n d e t sich in d e r T r a n s z e n d e n z des D a s e i n s , u n d m a n k a n n n i c h t n u r , s o n d e r n m u ß h i n t e r d i e T a t s a c h e n des Bewußtseins zurückfragen, sofern eine Tatsache ü b e r h a u p t n i c h t s h e r g i b t in d e r R i c h t u n g d e r E r k e n n t n i s , die D i l t h e y selbst a n s t r e b t , w e n n er die S t r u k t u r d e r W e l t a u s d e m S e e l e n l e b e n v e r s t e h e n will. A b e r selbst das g e n ü g t n i c h t , d a ß m a n g e g e n D i l t h e y lediglich i m U n t e r s c h i e d zu e i n e r positivistischen p s y c h o l o g i s c h e n B e s c h r e i b u n g a u f die o n t o l o g i s c h e W e s e n s k l ä r u n g h i n w e i s t , s o n d e r n es b e d a r f d e r g r u n d s ä t z l i c h e n Ü b e r l e g u n g , d i e w i r in d e r sechsten F r a g e z u m A u s d r u c k b r a c h t e n : 6. W i e m u ß das D a s e i n g r u n d s ä t z l i c h i n d e n Blick g e n o m m e n w e r d e n , u m d i e U r s t r u k t u r s i c h t b a r zu m a c h e n ? D a r a u f w u r d e b e r e i t s A n t w o r t g e g e b e n d u r c h d i e volle W e s e n s i n t e r p r e t a t i o n d e r T r a n s z e n d e n z , w o b e i es galt, d i e i m S e i n des D a s e i n s lieg e n d e S c h ä r f e , die N i c h t i g k e i t u n d H a l t l o s i g k e i t h e r a u s z u s t e l len; n e g a t i v : d i e S e i n s v e r f a s s u n g h a t w e d e r o n t i s c h e B e s t a n d t e i l e u n d letzte T a t s a c h e n , n o c h a b e r a u c h n u r e i n e h a r m l o s e i n d i f f e r e n t e o n t o l o g i s c h e S t r u k t u r , s o n d e r n die V e r f a s s u n g des D a s e i n s ist a m Sein d e s h a l b w e s e n h a f t m i t b e t e i l i g t . D i e Verfass u n g ist k e i n R a h m e n , s o n d e r n die A r t u n d Weise, w i e das Sein des D a s e i n s sich zeitigt. A b s c h l i e ß e n d k ö n n e n w i r g e g e n ü b e r D i l t h e y , dessen Vorstoß zur W e s e n s k l ä r u n g d e r W e l t n i c h t i n s e i n e r B e d e u t u n g ge-
354
Das Problem der
Weltanschauung
s c h m ä l e r t w e r d e n darf, s a g e n : W e l t a n s c h a u u n g ist k e i n aus h e t e r o g e n e n B e s t a n d t e i l e n z u s a m m e n g e b a u t e s psychisches G e b i l d e i n e i n e m i n sich a b g e k a p s e l t e n S u b j e k t als T a t s a c h e i m B e w u ß t s e i n , s o n d e r n ist e i n u r s p r ü n g l i c h einiges, o b z w a r n i c h t e i n f a c h e s t r a n s z e n d e n t a l e s G r u n d p h ä n o m e n , d . h . zur T r a n s z e n d e n z des D a s e i n s g e h ö r i g u n d in d e r Weise dieses das Sein des Daseins bestimmend.
§ 40. Wie verhält
sich Weltanschauung
zum
Philosophieren?
a) D i e v u l g ä r e F o r m des P r o b l e m s : K a n n u n d soll die P h i l o s o p h i e e i n e w i s s e n s c h a f t l i c h e Weltanschauung ausbilden? D a m i t s t e h e n w i r vor d e r 7. F r a g e , a u f d e r e n B e a n t w o r t u n g alles abzielt: W i e v e r h ä l t sich diese u r s p r ü n g l i c h e S t r u k t u r des D a seins, W e l t a n s c h a u u n g als S i c h h a l t e n i m I n - d e r - W e l t - s e i n , z u m P h i l o s o p h i e r e n , v o n d e m w i r s c h o n a n g e z e i g t h a b e n , d a ß es in d e r T r a n s z e n d e n z als d e r G r u n d v e r f a s s u n g des D a s e i n s geschieht? Die T h e s e lautet: P h i l o s o p h i e r e n ist a u s d r ü c k l i c h e s T r a n s z e n d i e r e n . W a s d a s h e i ß t , m u ß sich jetzt k o n k r e t e r d a d u r c h b e s t i m m e n lassen, d a ß w i r a u f k l ä r e n , w i e sich P h i l o s o p h i e r e n zur W e l t a n s c h a u u n g v e r h ä l t , die j a d o c h e i n e W e s e n s b e s t i m m u n g des I n - d e r - W e l t seins, d e r T r a n s z e n d e n z , a u s m a c h t . M a n k ö n n t e sagen: T r a n s z e n d i e r e n h e i ß t I n - d e r - W e l t - s e i n . Z u m I n - d e r - W e l t - s e i n a b e r g e h ö r t jeweils e i n b e s t i m m t e r M o d u s des S i c h - h a l t e n s in i h m , also k u r z g e s a g t e i n e W e l t a n s c h a u u n g . A u s d r ü c k l i c h e s T r a n s z e n d i e r e n ist d e m n a c h e i n a u s d r ü c k l i c h e s S i c h h a l t e n i m I n - d e r - W e l t - s e i n o d e r ein ausdrückliches Ausbilden einer Weltanschauung. W e n n Transzend i e r e n h e i ß t : I n - d e r - W e l t - s e i n u n d dieses je ist S i c h h a l t e n in s o l c h e m , W e l t a n s c h a u u n g , d a n n ist a u s d r ü c k l i c h e s T r a n s z e n dieren, d.h. Philosophieren ein ausdrückliches Ausbilden von
S 40. Weltanschauung
und Philosophieren
355
W e l t a n s c h a u u n g . D a n u n doch - n a c h d e r g e w ö h n l i c h e n u n d i m m e r w i e d e r d u r c h b r e c h e n d e n M e i n u n g - P h i l o s o p h i e wiss e n s c h a f t l i c h e E r k e n n t n i s ist, u n d z w a r die h ö c h s t e u n d erste, w i s s e n s c h a f t l i c h e E r k e n n t n i s a b e r auf A l l g e m e i n g ü l t i g k e i t , l e t z t e S i c h e r h e i t u n d a p o d i k t i s c h e R e c h t f e r t i g u n g des E r k e n n e n s abzielt, so m u ß P h i l o s o p h i e r e n sein das w i s s e n s c h a f t l i c h e Ausbilden einer allgemeingültigen Weltanschauung. Demgem ä ß spricht a u c h D i l t h e y v o n d e r p h i l o s o p h i s c h e n W e l t a n s c h a u u n g als d e m » U n t e r n e h m e n , d i e W e l t a n s c h a u u n g zur A l l g e m e i n g ü l t i g k e i t zu e r h e b e n « 1 , u n d er b e z e i c h n e t dieses U n t e r n e h m e n z u g l e i c h als das W e s e n d e r M e t a p h y s i k . D a s ist in d e r Tat die h e r r s c h e n d e M e i n u n g , n u r d a ß D i l t h e y d i e f a k tische E r f ü l l u n g dieser Aufgabe f ü r u n m ö g l i c h hält, u n d zwar weil die Metaphysik den Anforderungen der Wissenschaft nicht genügen kann.2 D i e v u l g ä r e F o r m des P r o b l e m s » W e l t a n s c h a u u n g u n d P h i losophie« ist d e m n a c h : K a n n u n d soll die P h i l o s o p h i e e i n e w i s s e n s c h a f t l i c h e W e l t a n s c h a u u n g a u s b i l d e n o d e r nicht? A b e r w i r w o l l e n u n s n i c h t a n dieses P r o b l e m h a l t e n , allein s c h o n d e s h a l b n i c h t , w e i l es e i n e s c h i e f e F r a g e ist u n d das g a r n i c h t t r i f f t , was e i g e n t l i c h g e k l ä r t s e i n will. Vielleicht soll w e d e r die Philosophie eine wissenschaftliche Weltanschauung ausbilden n o c h k a n n sie das; a b e r a m E n d e s t e h t sie g l e i c h w o h l , ja g e r a d e d e s h a l b , w e i l sie w e d e r soll noch' k a n n , i n e i n e m u r e i g e n e n V e r h ä l t n i s zur W e l t a n s c h a u u n g . W i r b e h a l t e n das v u l g ä r e Prob l e m i m Auge, z u m a l es v e r k o p p e l t ist m i t d e r F r a g e P h i l o s o p h i e u n d W i s s e n s c h a f t ; a b e r w i r e n t w i c k e l n jetzt die A n t w o r t a u f die F r a g e des Verhältnisses v o n W e l t a n s c h a u u n g u n d P h i l o s o p h i e s y s t e m a t i s c h aus d e r g e n a u e r e n I n t e r p r e t a t i o n v o n Weltanschauung u n d Transzendenz. P h i l o s o p h i e r e n ist a u s d r ü c k l i c h e s T r a n s z e n d i e r e n . Z u A n f a n g d e r Vorlesung w u r d e gesagt, d a ß das D a s e i n als solches p h i l o 1 2
A.a.O., S. 55 (V, S. 399). Vgl. a.a.O., S. 60 (V, S. 404).
356
Das Problem der
Weltanschauung
s o p h i e r t , s o f e r n es existiert. I m Verlauf des e r s t e n W e g e s s a h e n wir: D a s W e s e n d e r E x i s t e n z ist T r a n s z e n d e n z . G l e i c h w o h l ist a u s d r ü c k l i c h e s T r a n s z e n d i e r e n e i n e f r e i e M ö g l i c h k e i t des D a seins, n i c h t n u r z u m D a s e i n g e h ö r i g , s o n d e r n h i n s i c h t l i c h s e i n e r Ausdrücklichkeit gerade i h m frei entspringend. D a m i t ein Zus a m m e n h a n g zwischen d e m Wesen der Weltanschauung u n d d e m W e s e n des P h i l o s o p h i e r e n s s i c h t b a r w i r d , m ü s s e n w i r zun ä c h s t k u r z e i n g e h e n auf e i n e n G r u n d u n t e r s c h i e d i n d e n M ö g lichkeiten von Weltanschauung. b) Z u r G e s c h i c h t l i c h k e i t v o n W e l t a n s c h a u u n g e n W i r h a b e n s c h o n d a r a u f h i n g e w i e s e n , d a ß d i e B i l d u n g d e r Weltanschauung b e s t i m m t wird durch die Art der Offenbarkeit der H a l t - l o s i g k e i t des I n - d e r - W e l t - s e i n s , d . h . d u r c h d i e Art, w i e dieses selbst e r f a h r e n u n d d i e H a l t l o s i g k e i t a u s g e l e g t w i r d . D i e se O f f e n b a r k e i t d e r H a l t l o s i g k e i t ist k e i n t h e o r e t i s c h e s W i s s e n , s o n d e r n e b e n s c h o n e i n M o d u s des sich H a l t e n s i n i h r . M i t d e r G e w o r f e n h e i t des D a s e i n s ist z u n ä c h s t , w e n n a u c h n i c h t e n d gültig u n d in allem, ein bestimmtes Sichhalten im In-derW e l t - s e i n e n t s c h i e d e n . F e r n e r w u r d e b e t o n t , d a ß das I n - d e r W e l t - s e i n selbst sich i n s e i n e r A r t i m m e r aus d e m D a s e i n selbst bestimmt. Die Grundmöglichkeiten von Weltanschauung haben n u n e n t s p r e c h e n d i h r e m je e i g e n e n W e s e n u n t e r sich a u c h e i n e bes t i m m t e Wesensgesetzlichkeit hinsichtlich ihres Geschehens u n d i h r e r Folge. Z w a r k a n n m a n sich i n e i n e r f r e i g e b i l d e t e n Statistik u n d Typologie v o n W e l t a n s c h a u u n g e n H a u p t t y p e n derselben nach irgendeinem Schema zusammenordnen. Meist g e s c h i e h t das so. D a s e i n z i g e P r i n z i p ist zunächst, d a ß m a n die M a n n i g f a l t i g k e i t v o n W e l t a n s c h a u u n g e n logisch o r d n e n will, u m sich z u r e c h t zu f i n d e n . D a b e i w i r d a b e r g e r a d e e i n e s vergessen, w a s d e r W e l t a n s c h a u u n g w e s e n t l i c h ist, i h r geschichtlic h e r C h a r a k t e r , d a ß sie i m G e s c h e h e n des D a s e i n s v e r w u r z e l t ist u n d es zugleich b e s t i m m t . N i c h t - s i n d aus e i n e m f o r m a l e n Be-
§ 41. Zwei Grundmöglichkeiten
der Weltanschauung
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griff M ö g l i c h k e i t e n zu d e d u z i e r e n , s o n d e r n a u s d e r E i n s i c h t , d a ß D a s e i n , s o f e r n es existiert, je s c h o n i n e i n e r W e l t ist, e r g e b e n sich g e s c h i c h t l i c h e S t u f e n , d i e sich a u s d e r w e s e n t l i c h e n G e s c h i c h t l i c h k e i t des D a s e i n s b e s t i m m e n . W e n n d e r g e s c h i c h t l i c h e C h a r a k t e r zu i h r e m W e s e n g e h ö r t , d a n n m u ß a u c h die I n t e r p r e t a t i o n d e r G r u n d m ö g l i c h k e i t e n d e r Weltanschauung diesem, d.h. den Wesenszusammenhängen der Abfolge u n d Durchdringungsgesetze R e c h n u n g tragen.3
S 41. Zwei
Grundmöglichkeiten
der
Weltanschauung
a) W e l t a n s c h a u u n g i m M y t h o s : B e r g u n g als H a l t i m ü b e r m ä c h t i g e n S e i e n d e n selbst F ü r u n s e r e Z w e c k e m u ß es g e n ü g e n , zwei G r u n d m ö g l i c h k e i t e n d e r W e l t a n s c h a u u n g aus d e m W e s e n des D a s e i n s selbst u n d s e i n e m G e s c h e h e n a u f z u h e l l e n . B e i d e sind g l e i c h w o h l f a k t i s c h n i e zu t r e n n e n ; i n d e r e i n e n w i r k t d i e a n d e r e n a c h , die a n d e r e n i m m t die e i n e s c h o n i m m e r v o r w e g . W i r sagen: Z u m I n - d e r - W e l t - s e i n g e h ö r e n d i e W e s e n s c h a r a k t e r e des U m w i l l e n s e i n e r s e l b s t u n d die G e w o r f e n h e i t . Je w e n i g e r das D a s e i n z u n ä c h s t d u r c h »Wissen«, L e h r e n , T e c h n i k , O r g a n i s a t i o n d u r c h s e t z t ist, u m so u n m i t t e l b a r e r ist das D u r c h w a l t e t s e i n v o m S e i e n d e n , i m V e r h a l t e n zu i h m , u m so u r s p r ü n g l i c h e r das A u s g e l i e f e r t s e i n a n das S e i e n d e , u n d das i m m e r i m G a n z e n d e r S t r e u u n g des Daseins; das h e i ß t a b e r : D a s S e i e n d e o f f e n b a r t sich z u n ä c h s t a u s s c h l i e ß l i c h i n s e i n e r Ü b e r m a c h t , u n d zwar durchgängig. Das D a s e i n geht darin auf, b e n o m m e n v o m G a n z e n , n i c h t n u r v o n d e n D i n g e n . A u c h die e i g e n e Seele, das e i g e n e Selbst ist g e w i s s e r m a ß e n e i n e f r e m d e M a c h t , e i n D ä -
3 Wir berühren hier schon Probleme, die uns auf dem dritten Wege begegnen. Ohne daß wir darauf eingehen können, muß daran erinnert werden. Anm. d. Hg.: Der dritte Weg (Philosophie und Geschichte) wurde nicht ausgeführt.
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Das Problem der
Weltanschauung
m o n , d e r sich des e i n z e l n e n a n n i m m t oder i h n b e d r o h t . D i e Vorstellung v o n Seele u n d G e i s t ist n i c h t e r w a c h s e n d u r c h A n w e n d u n g des S u b s t a n z b e g r i f f e s a u f i n n e r e seelische W e s e n , s o n d e r n aus d i e s e m D u r c h w a l t e t s e i n v o m S e i e n d e n u n d Ausgesetztsein s e i n e r Ü b e r m a c h t . I n d i e s e m D u r c h h e r r s c h t s e i n v o n d e r Ü b e r m ä c h t i g k e i t des S e i e n d e n ist b e g r ü n d e t , d a ß d e m D a sein, das als solches sich n i c h t e r k e n n t , es selbst sich als e t w a s Fremdes bekundet. Das Seiende i m Ganzen hat den Charakter der Übermächtigkeit. D a s Sein alles S e i e n d e n w i r d in d i e s e m S i n n e v e r s t a n d e n , das I n - d e r - W e l t - s e i n als dieses A u s g e l i e f e r t s e i n a n d i e Ü b e r m a c h t des S e i e n d e n , m i t d e n G r u n d w e i s e n des G e t r a g e n s e i n s v o n i h m u n d B e d r o h t s e i n s d u r c h es. Alle B e z ü g e des D a s e i n s u n d alles S e i e n d e , dazu es sich v e r h ä l t , w e r d e n a u s d i e s e m Verständnis des Seins als Ü b e r m ä c h t i g k e i t g e d e u t e t : R a u m , Z e i t , Z a h l , Kausalität, das M i t e i n a n d e r s e i n u n d das S e i e n d e i m G a n z e n i n s e i n e r H e r k u n f t und seinem Geschehen. M a n hat neuerdings diesen Z u s a m m e n h ä n g e n e i n e größere A u f m e r k s a m k e i t z u g e w e n d e t i n U n t e r s u c h u n g e n , die sich auf die E r k e n n t n i s des M y t h o s u n d des m y t h i s c h e n D a s e i n s erstrekk e n . Cassirer h a t v e r s u c h t , das m y t h i s c h e D a s e i n , Oder w i e er sagt, das m y t h i s c h e D e n k e n , zu i n t e r p r e t i e r e n . 1 E r ist d a b e i vor a l l e m e i n g e g a n g e n auf e i n e I n t e r p r e t a t i o n dessen, was w i r h e u te an ethnologischen Kenntnissen von den primitiven Völkern h a b e n . I n a l l e n M y t h o l o g i e n b e d e u t e t S e i n n i c h t s a n d e r e s als Ü b e r m a c h t , M ä c h t i g k e i t . I n d i e s e m S i n n e m ü s s e n d i é verschiedenen Wörter der Primitiven gefaßt werden: Mana, Wakanda, O r e n d a , M a n i t u . Cassirer h a t a u s g e d e h n t e s M a t e r i a l d e r E t h n o l o g i e b e n u t z t , a b e r d a b e i d o c h zu s e h r diese Bezirke, u n d g a r n i c h t die g r o ß e u n d r e i c h e r e M y t h o l o g i e e t w a d e r G r i e c h e n . D e r M y t h o s k e n n z e i c h n e t e i n e G r u n d m ö g l i c h k e i t des I n der-Welt-seins; das h e i ß t aber: Z u i h m g e h ö r t ein g a n z be1 Vgl. Ernst Cassirer, Philosophie der symbolischen Formen. 2. Teil: Das mythische Denken. Berlin 1925. Vgl. DLZ 1928, Heft 21.
§ 41. Zwei Grundmöglichkeiten
der Weltanschauung
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s t i m m tes, o b z w a r a b w a n d e l b a r e s S i c h h a l t e n i m I n - d e r - W e l t sein, e i n e g a n z b e s t i m m t e W e l t a n s c h a u u n g . S o f e r n diese u n s g l e i c h s a m a u f e i n e H a l t - l o s i g k e i t a n t w o r t e t , ist d i e w e s e n t l i c h e F r a g e : W i e ist d e m m y t h i s c h e n D a s e i n ü b e r h a u p t d i e H a l t losigkeit des D a s e i n s o f f e n b a r ? D a r a u f ist zu a n t w o r t e n : i n d e r W e i s e d e r U n g e b o r g e n h e i t . Weil d a s m y t h i s c h e D a s e i n a n die U b e r m ä c h t i g k e i t des S e i e n d e n a u s g e l i e f e r t ist, ist es i n s o l c h e m Ausgesetztsein z u g l e i c h i m m e r v o m S e i e n d e n b e n o m m e n . Ausgesetztsein ist w e s e n t l i c h f ü r das E x i s t e n z v e r s t ä n d n i s . D a s D a sein h a t d a h e r die T e n d e n z , i m S e i e n d e n selbst a u f z u g e h e n . D e n n a u c h das e i g e n e Selbst ist n o c h n i c h t als solches v e r s t a n d e n , s o n d e r n e i n e r M a c h t ü b e r a n t w o r t e t , die dieselbe ist, die das G a n z e des S e i e n d e n d u r c h h e r r s c h t . D a s Sein ist u n a r t i k u l i e r t , a b e r in dieser U n b e s t i m m t h e i t ist d a s S e i e n d e u m so m ä c h t i g e r u n d einheitlich durchdringender. »Pantheismus« u n d dergleic h e n sind alles s c h l e c h t e N a m e n u n d B e g r i f f e , t h e o l o g i s c h , a b e r n i c h t ontologisch m e t a p h y s i s c h e r h e l l e n d . D i e s e s B e n o m m e n sein a b e r d a r f n i c h t e t w a als e i n S c h l a f z u s t a n d o d e r e i n e T r u n k e n h e i t g e n o m m e n w e r d e n , s o n d e r n in d e r s p e z i f i s c h e n W a c h h e i t des A u s g e l i e f e r t s e i n s a n d a s Ü b e r m ä c h t i g e b e k u n d e t sich dieses i m m e r z u g l e i c h als b e d r o h e n d . D a s D a s e i n ist v o n d e r Ü b e r m a c h t u m g e t r i e b e n . D i e H a l t - l o s i g k e i t ist Schutzlosigk e i t i m A u s g e l i e f e r t s e i n , u n d das S i c h h a l t e n i n s o l c h e m I n d e r - W e l t - s e i n ist ein S i c h h a l t e n i n d e r U n g e b o r g e n h e i t , d . h . ein S i c h b e r g e n , sich Schutz, K r a f t u n d M a c h t v e r s c h a f f e n . D a h e r k o m m t die z e n t r a l e B e d e u t u n g d e r M a g i e u n d des Z a u b e r s u n d d i e e n t s p r e c h e n d e n F o r m e n d e r O p f e r u n d K u l t e , d e r Vegetationsriten. D i e H a l t l o s i g k e i t des I n - d e r - W e l t - s e i n s ist o f f e n b a r als U n g e b o r g e n h e i t des D a s e i n s . D e r C h a r a k t e r des H a l t e s , d e r sich d e m g e m ä ß f ü r das S i c h h a l t e n in dieser H a l t l o s i g k e i t a u s b i l d e t , istfdie G e b o r g e n h e i t , die B e r g u n g i m S e i e n d e n i m G a n z e n , v o n d ë m das D a s e i n d u r c h w a l t e t ist u n d wozu es sich v e r h ä l t . D i e e r s t e G r u n d m ö g l i c h k e i t d e r W e l t a n s c h a u u n g ist d e m n a c h dadurch gekennzeichnet, daß der Halt den Charakter der Bergung
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Das Problem der
Weltanschauung
i m S e i e n d e n h a t . D a m i t ist n u n s c h o n e i n e F ü l l e v o n W e s e n s z u s a m m e n h ä n g e n gegeben: Der Halt wird gefunden i m überm ä c h t i g e n S e i e n d e n selbst; es ist das H a l t u n d G e b o r g e n h e i t G e b e n d e . D a s S i c h h a l t e n als H a l t n e h m e n ist d e m n a c h ein s c h u t z b e d ü r f t i g e s Sichstellen u n t e r d i e Ü b e r m a c h t des Seiend e n ; d a b e i g e h t d e r S c h r e c k e n vor d i e s e m S e i e n d e n i n e i n s m i t der Besänftigung, Verehrung, d e m Dienst u n d d e m Verhältnis zu i h m — O p f e r —, zugleich zeigt sich d i e T e n d e n z , s e i n e r d o c h i r g e n d w i e H e r r zu w e r d e n d u r c h Z a u b e r , G e b e t u n d d e r g l e i chen. D a s S i c h h a l t e n i m I n - d e r - W e l t - s e i n als solche B e r g u n g zeit i g t d e m n a c h e i n e n g a n z e n U m k r e i s v o n B e t ä t i g u n g e n , die g a n z bestimmten Regelungen in Ritus u n d Kultus unterstehen. Der R i t u s selbst s c h l ä g t sich n i e d e r i n V o r s c h r i f t e n , S a t z u n g e n , L e h r e n , d i e in h e i l i g e n B ü c h e r n n i e d e r g e l e g t s i n d o d e r i n m ü n d licher geheimer Tradition weitergegeben werden. Die Bergung des Daseins, u n d was zu i h r g e h ö r t , w i r d selbst e i n e g l e i c h s a m o b j e k t i v v o r h a n d e n e M a c h t , Sitte u n d B r a u c h , u n d zwar k o m m t das g a n z e D a s e i n i n s e i n e m G e s c h e h e n i n d i e B o t m ä ß i g k e i t d i e s e r B e r g u n g . D i e s e g e s c h i e h t m i t i h r e m D a s e i n . D a s zeigt sich v o r a l l e m i n d e r O r d n u n g u n d F u n k t i o n v o n T a g u n d N a c h t , von den Jahreszeiten u n d Festen, in den Riten bezüglich Geb u r t , H e i r a t , Tod, K r a n k h e i t , K r i e g , Jagd, F e l d b e s t e l l u n g , S c h i f f a h r t . D a s H a l t - g e w i n n e n b e s a g t d e m n a c h das S i c h e i n f ü g e n i n diese O r d n u n g e n u n d S a t z u n g e n , M i t t u n i n d i e s e n magischen Handlungen, Gebrauchmachen und Durchherrschtsein von ihren W i r k u n g e n . D u r c h die verschiedenartige Charakteristik der Transzend e n z h a b e n w i r g e s e h e n , d a ß das Seiende, das w i r D a s e i n n e n n e n , a n g e s i c h t s des G a n z e n des S e i e n d e n o f f e n b a r w i r d . D a s D a s e i n ist dieser e i g e n t ü m l i c h e O r t f ü r d i e G a n z h e i t des S e i e n d e n , die w i r a u c h das U n b e d i n g t e n e n n e n k ö n n e n . M i t a n d e r e n W o r t e n : D a s D a s e i n h a t i n sich selbst in s e i n e r Existenz i m m e r e i n e b e s t i m m t e I d e e des G ö t t l i c h e n , u n d sei es a u c h n u r des G ö t z e n . W e n n w i r - s a g e n , das D a s e i n ist s e i n e m
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W e s e n n a c h d i e s e r e i g e n t ü m l i c h e O r t des U n b e d i n g t e n , so ist d a m i t n i c h t gesagt, d a ß das D a s e i n als dieser O r t des U n b e d i n g t e n das U n b e d i n g t e selbst ist. M a n k a n n diese Z u s a m m e n h ä n g e n u r k l a r s e h e n u n d sich vor p s y c h o l o g i s c h e n M i ß v e r s t ä n d n i s s e n h ü t e n , w e n n m a n aus d e r G r u n d v e r f a s s u n g des Daseins, d e r T r a n s z e n d e n z spricht. S o f e r n w i r v o m D a s e i n als O r t des U n b e d i n g t e n h a n d e l n , das m a n als das G ö t t l i c h e b e z e i c h n e t , l i e g t es n a h e , diese Z u s a m m e n h ä n g e , a u c h d e n U r s p r u n g d e r R e l i g i o n , sogar das m y t h i s c h e D a s e i n , v o n bes t i m m t e n Erkenntnissen über Gott, von theologischen Theor i e n aus zu i n t e r p r e t i e r e n . So ist a u c h S c h e l l i n g , e i n e r d e r w e n i g e n P h i l o s o p h e n , d e r sich e i n e g r o ß e u r s p r ü n g l i c h e E i n s i c h t i n das m y t h i s c h e D a s e i n erarbeitet hat, der G e f a h r nicht entgangen, die Interpretation allzu s e h r a n t h e o l o g i s c h e n G r u n d b e g r i f f e n zu o r i e n t i e r e n . S c h e l l i n g h a t i n g e w i s s e m S i n n e r e c h t , w e n n er sagt, d a ß i m A n f a n g des m y t h i s c h e n D a s e i n s e i n M o n o t h e i s m u s s t e h t , d e r e i n e G ö t t e r v i e l h e i t n i c h t ausschließt, s o n d e r n sie g e r a d e h e r v o r b r i n g t . Aus dieser G ö t t e r v i e l h e i t e n t s t e h t d u r c h e i n e n Prozeß des Verfalls d a n n erst V i e l g ö t t e r e i u n d i n n e r h a l b dieser d e r M o n o t h e i s m u s i m t h e i s t i s c h e n S i n n e . A b e r diese P r o b l e m e m ü s s e n aus d e r S p h ä r e d e r T h e i s m e n u n d d e r t h e o l o g i s c h e n Orientierung herausgenommen werden, u m den metaphysis c h e n C h a r a k t e r dieser Z u s a m m e n h ä n g e zu e r f a s s e n . Es h a n d e l t sich h i e r u m ein G e s c h e h e n des D a s e i n s selbst, u n d z w a r solches, das in j e d e m D a s e i n m i t - u n d n a c h g e s c h i e h t , a u c h w e n n die bestimmten Formen der geschichtlichen Ausprägung wirkungslos oder g a r u n b e k a n n t g e w o r d e n sind. I n dieser G r u n d f o r m d e s I n - d e r - W e l t - s e i n s u n d s e i n e r W e l t a n s c h a u u n g ist d e r W u r z e l b o d e n zu s e h e n , i n d e m d e r U r s p r u n g der M y t h e n faktischer Religionen geschieht, worauf hier nicht e i n z u g e h e n ist. N u r das m u ß a n g e m e r k t w e r d e n : Es k a n n sich h i e r — bei dieser G r u n d f o r m d e r W e l t a n s c h a u u n g u n d bei j e d e r — n a c h all d e m , was w i r p r i n z i p i e l l ü b e r das D a s e i n s a g t e n , n i c h t u m s o g e n a n n t e psychologische V o r k o m m n i s s e h a n d e l n ; es w ä r e
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Das Problem der
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ein M i ß v e r s t ä n d n i s , w o l l t e m a n in d e m G e s a g t e n e i n e psychologische E r k l ä r u n g des M y t h o s d e r R e l i g i o n e n sehenW o r a u f es u n s h i e r allein a n k o m m t , ist, d e n W e s e n s c h a r a k t e r des H a l t e s als B e r g u n g bzw. die A r t d e r H a l t l o s i g k e i t als U n g e b o r g e n h e i t zu s e h e n . S o f e r n das I n - d e r - W e l t s e i n v o n dieser U n g e b o r g e n h e i t d u r c h h e r r s c h t b l e i b t , das I n - d e r - W e l t - s e i n a b e r eo ipso e i n I n - d e r - W a h r h e i t - s e i n ist, h a t h i e r a u c h die W a h r h e i t e i n e n spezifischen C h a r a k t e r . W e s e n t l i c h f ü r diese A r t d e r W a h r h e i t ist d e r U n t e r s c h i e d des H e i l i g e n , S a k r a l e n g e g e n ü b e r d e m P r o f a n e n . Alles O f f e n b a r w e r d e n v o n S e i e n d e m e n t s p r i n g t n i c h t e i n e m e i g e n e n E n t d e c k e n u n d F o r s c h e n , u n d es w i r d a u c h n i c h t z u g e e i g n e t als W i s s e n u n d K e n n t n i s , s o n d e r n umgekehrt: Das offenbare Neue birgt Schrecken u n d Gefahr u n d d i e N o t w e n d i g k e i t des Schutzes, d e r S i c h e r u n g des Verhaltens. D a s m y t h i s c h e D a s e i n h a t k e i n e W i s s e n s c h a f t , n i c h t w e i l die M e n s c h e n zu d u m m dazu w ä r e n , s o n d e r n w e i l die dazu g e h ö r i g e Weise des I n - d e r - W e l t - s e i n s i m m y t h i s c h e n D a s e i n g a r n i c h t m ö g l i c h ist. D i e U n v e r b o r g e n h e i t des S e i e n d e n ist i m s p e z i f i s c h e n S i n n e o r i e n t i e r t auf e i n e U n g e b o r g e n h e i t i n i h m bzw. i n d e r Sorge d e r Bergung. Solange m a n diesen W e s e n s z u s a m m e n h a n g zwischen U n g e b o r g e n h e i t u n d U n v e r b o r g e n h e i t i m spezifisch m y t h i schen In-der-Welt-sein nicht klar übersieht, wird m a n nicht e i n e n z u r e i c h e n d e n L e i t f a d e n h a b e n , die spezifische W a h r h e i t des M y t h o s zu i n t e r p r e t i e r e n . M a n k o m m t d a n n n o t w e n d i g in d i e L a g e , die W a h r h e i t des m y t h i s c h e n D a s e i n s e n t w e d e r als A b e r g l a u b e zu e r k l ä r e n o d e r a b e r als b l o ß e n A u s d r u c k e i n e r b e s t i m m t e n Bewußtseinshaltung, d.h. auch i m G r u n d e subjektivistisch zu v e r s t e h e n . D e r G e f a h r dieser I n t e r p r e t a t i o n ist a u c h Cassirer i n s e i n e r D a r s t e l l u n g des m y t h i s c h e n D e n k e n s n i c h t e n t g a n g e n . O b z w a r e r die S c h e l l i n g s c h e E r k e n n t n i s von der Eigenständigkeit der mythischen Wahrheit zustimmend a u f n i m m t , h a t s e i n spezifisch k a n t i s c h e r S t a n d p u n k t i h n g e h i n d e r t , diese P r o b l e m e zu s e h e n .
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der Weltanschauung
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b) E n t a r t u n g d e r B e r g u n g : z u m Betrieb gewordene Weltanschauung D i e C h a r a k t e r i s t i k dieser e i n e n G r u n d m ö g l i c h k e i t v o n W e l t a n schauung, deren Halt den Charakter der Bergung im Seienden h a t , dazu das D a s e i n sich v e r h ä l t , sollte vor a l l e m dazu d i e n e n , u n s g l e i c h s a m e i n e n H i n t e r g r u n d zu s c h a f f e n , g e g e n d e n w i r eine andere Grundmöglichkeit von Weltanschauung abheben. N a c h d e m e b e n E r ö r t e r t e n m u ß sich a u c h diese d a d u r c h bes t i m m e n lassen, d a ß w i r w i e d e r f r a g e n n a c h e i n e r a n d e r e n möglichen Art der Offenbarkeit u n d d e m n a c h Auslegung der H a l t - l o s i g k e i t . W i r s a g t e n a b e r bereits: die M ö g l i c h k e i t e n t a u chen nicht nebeneinander auf, sondern haben wesensgeschichtl i c h e Z u s a m m e n h ä n g e , bei d e n e n jeweils d i e F o r m e n d e r E n t a r t u n g u n d des E r s a t z e s d e r W e l t a n s c h a u u n g i n i h r e r e i g e n t ü m l i c h e n p r o d u k t i v v e r a n l a s s e n d e n F u n k t i o n sich zeigen. O h n e d a ß w i r diese W e s e n s g e s c h i c h t e jetzt i m e i n z e l n e n k o n s t r u i e r e n u n d e t w a s ü b e r f a k t i s c h e W e l t a n s c h a u u n g e n i m echt e n S i n n e u n d R e l i g i o n e n aussagen, l ä ß t sich das e i n e v e r s t ä n d lich m a c h e n : W e n n sich e i n e W e l t a n s c h a u u n g als B e r g u n g a u s b i l d e t , d a n n l i e g t es i n i h r e m e i g e n s t e n S i n n e , das G a n z e d e r Wege und Mittel z u m Heil in einer bestimmten und verbindlichen Gestalt auszubilden u n d in jede einzelne Verhaltungsw e i s e des k o n k r e t e n D a s e i n s h i n e i n z u b i l d e n , u m es d u r c h g ä n g i g zu d u r c h h e r r s c h e n u n d e b e n d a m i t zu s i c h e r n . Diese i m eigensten Sinn der Bergung notwendige objektive V e r f e s t i g u n g u n d H e r r s c h a f t , das ö f f e n t l i c h e A n g e b o t u n d die ü b e r l i e f e r t e Z u g ä n g l i c h k e i t d e r M i t t e l t r ä g t n u n i n sich selbst den Keim der Entartung. W i r sehen dabei ab von den Machtu n d H e r r s c h a f t s g e l ü s t e n u n d d e r G e w i n n s u c h t bei d e n j e n i g e n , die e i n e solche H e i l s o r g a n i s a t i o n v e r w a l t e n ; d i e A u s w i r k u n g solcher I n s t i n k t e ist h i e r w i e i n a n d e r e n B e z i r k e n m e n s c h l i c h e r E x i s t e n z u n v e r m e i d l i c h ; sie k a n n i n sich a b e r n i c h t s c h o n das G a n z e der H e i l s i d e e , H e i l s m i t t e l u n d - w e g e g e f ä h r d e n u n d ers c h ü t t e r n . W o h l a b e r s i n d es diese M i t t e l u n d W e g e selbst in
364
Das Problem der
Weltanschauung
i h r e r Z u g ä n g l i c h k e i t u n d i n i h r e r N u t z u n g , die sich g l e i c h s a m vor das s c h i e b e n , w o z u sie selbst d i e n e n . D e n n i h r e H e r r s c h a f t u n d i h r G e b r a u c h gibt i h n e n Ö f f e n t l i c h k e i t , d . h . aber, sie präs e n t i e r e n sich als Seiendes, w i e das a n d e r e , d a r a u f sie bezogen sind, u n d s o f e r n sie das » N ä c h s t e « sind, gilt i h n e n das Interesse. Sie w e r d e n Selbstzweck, i h r e P f l e g e u n d i h r G e b r a u c h n i m m t alles i n A n s p r u c h . W e s e n t l i c h w i r d j e t z t n i c h t m e h r , ob d e r Zauber wirkt u n d seine W i r k u n g e r f a h r e n u n d geglaubt wird, s o n d e r n d a ß er d e r Vorschrift g e m ä ß d u r c h g e f ü h r t w i r d u n d sein Gebrauch in Anspruch g e n o m m e n wird. Die Bergung verliert i h r e e i g e n t l i c h e F u n k t i o n des H a l t e n s u n d H a l t g e b e n s ; sie w i r d Betrieb. Was b e s a g t das f ü r d i e b e t r e f f e n d e W e l t a n s c h a u u n g ? D a s S i c h h a l t e n i m I n - d e r - W e l t - s e i n w i r d n u n m e h r zu e i n e m bes t i m m t e n G e s t a l t e n desselben; es ist n i c h t m e h r e n t s c h e i d e n d die G e b o r g e n h e i t des D a s e i n s , s o n d e r n d a ß d i e B e r g u n g f u n k t i o n i e r t , in A n s e h e n u n d M a c h t bleibt. M i t dieser V e r f e s t i g u n g der Organisation der Bergung geht z u s a m m e n eine Wirkungslosigkeit d e r G e b o r g e n h e i t . D i e Un-gebor-genheit s c h w i n d e t , aber nicht auf G r u n d einer Bergung, sondern m i t der E n t a r t u n g dieser, d . h . b e i d e sind v e r ä n d e r t , s i n d s c h e i n b a r w e d e r H a l t losigkeit n o c h H a l t b e d ü r f t i g k e i t , w e i l w e d e r U n g e b o r g e n h e i t n o c h B e r g u n g . A b e r g e r a d e diese I n d i f f e r e n z , d . h . e i n e i n n e r e L e e r e des D a s e i n s , ist e b e n die u n h e i m l i c h e S i t u a t i o n , i n der sich e i n U m s c h l a g v o r b e r e i t e t . D a s ist das E i g e n t ü m l i c h e , d a ß m i t d e r H e r r s c h a f t des B e t r i e b s die U n g e b o r g e n h e i t des D a s e i n s s c h w i n d e t u n d das D a s e i n sich selbst verliert. E i n e n e u e u n d g a n z a n d e r e H a l t - l o s i g k e i t m e l d e t sich, die zwar meist u n d langehin noch niedergehalten wird dadurch, daß die veräußerlichte u n d zum Betrieb gewordene Weltans c h a u u n g sich zu e r n e u e r n , a u f z u b e s s e r n , a n B e d ü r f n i s s e anzug l e i c h e n s u c h t u n d so M i s c h b i l d u n g e n zeitigt, d i e f r e i l i c h d e n i n n e r e n Z e r f a l l n u r b e s c h l e u n i g e n . D i e H e r r s c h a f t des Betriebs m a c h t e i n e n e u e H a l t - l o s i g k e i t o f f e n b a r , u n d das h e i ß t , sie gibt widerwillen Anweisung auf bislang nicht offenbare Möglich-
§ 41. Zwei Grundmöglichkeiten
der Weltanschauung
376
k e i t e n des H a l t - n e h m e n s . D i e I n d i f f e r e n z d e r H a l t l o s i g k e i t u n d des H a l t e s , d i e H e r r s c h a f t des B e t r i e b s m a c h t o f f e n k u n d i g , d a ß die Mittel u n d Wege der Bergung versagen, w e n n die Ungeborg e n h e i t als solche n i c h t m e h r selbst i m D a s e i n d a ist, s o n d e r n gleichsam zugedeckt durch den Betrieb. Das Nichtmehrdasein der U n g e b o r g e n h e i t des D a s e i n s b e s a g t aber, d a ß es sich selbst v e r l o r e n h a t . Es d ä m m e r t d i e E r k e n n t n i s , d a ß s c h o n in j e n e m A u s g e l i e f e r t s e i n a n die Ü b e r m a c h t des S e i e n d e n u n d i n j e n e m s o g e n a n n t e n H a l t g e w i n n e n , d . h . i n d e r U n g e b o r g e n h e i t als B e r g u n g z e i t i g e n d , e i n u r s p r ü n g l i c h e s S e i n des D a s e i n s u m w i l l e n s e i n e r selbst lag, das i h m f r e i l i c h g l e i c h s a m , u n d z w a r i n e i n e r e c h t e n Weise, a b g e n o m m e n w a r d u r c h d i e u r s p r ü n g l i c h gezeitigte B e r g u n g . N u n m e h r ist das D a s e i n z w a r a u c h a u s g e l i e f e r t , a b e r a n d e n Betrieb, u n d so, d a ß die U n g e b o r g e n h e i t s c h e i n b a r g e s c h w u n d e n ist. D a s A u s g e l i e f e r t s e i n a n d e n B e t r i e b h e i ß t a b e r , d a ß das D a s e i n ü b e r h a u p t n i c h t m e h r e i g e n t l i c h sich i n sich selbst h ä l t , d . h . d a ß es sich v o r d e m schon, w e n n g l e i c h d u n k e l , sich i n sich selbst g e h a l t e n u n d trotz a l l e m auf sich selbst g e s t e l l t h a t t e . M i t d e m Schwinden der Ungeborgenheit u n d m i t der Veräußerlifchung d e r B e r g u n g z u m B e t r i e b stellt sich n o t w e n d i g das ein, w a s w i r als L e e r e des D a s e i n s b e z e i c h n e n , als V e r l o r e n h e i t , Siche n t g l e i t e n — das D a s e i n selbst w i r d O p f e r des Betriebs: Ü b e r a l l , w o B e t r i e b das W e s e n t l i c h e ist, ist v e r s t e c k t e r w e i s e e i n e L e e r e des D a s e i n s da, die e b e n d u r c h die G e s c h ä f t i g k e i t des B e t r i e b s s t ä n d i g beseitigt w e r d e n soll. A b e r d i e F r a g e ist w i e d e r , w i e k o m m t es h i e r ü b e r h a u p t z u m O f f e n b a r w e r d e n des sich i n sich selbst H a l t e n s ? Es k o m m t d u r c h d e n B e t r i e b selbst; er b e k u n d e t als G e s c h ä f t i g k e i t e i n e gewisse f r e i e M ö g l i c h k e i t des D a s e i n s , i n s e i n e m V e r h a l t e n (sich auf sich selbst zu stellen), u n d dieses w e c k t zugleich d i e E r i n n e r u n g a n die M ö g l i c h k e i t des i n sich selbst sich H a l t e n s . So o f f e n b a r t d e r B e t r i e b d a s F e h l e n des e i g e n t l i c h e n Esselbst-seins des D a s e i n s , w a s w i r b e z e i c h n e n als H a l t u n g , u n d z w a r i n d o p p e l t e r Weise: 1. O f f e n b a r w e r d e n des S i c h - e n t g l e i -
366
Das Problem der
Weltanschauung
t e n s , L e e r e des Daseins, sich i n sich selbst H a l t e n . 2. I n eins d a m i t : V e r w e i s u n g auf e i g e n e T ä t i g k e i t s m ö g l i c h k e i t — b e t o n t e V e r h a l t u n g . I m O f f e n b a r w e r d e n des N i c h t m e h r d a s e i n s d e r H a l t u n g l i e g t die A n w e i s u n g a u f die M ö g l i c h k e i t e i n e r u r s p r ü n g l i c h e n A n e i g n u n g d e r s e l b e n . M i t a n d e r e n W o r t e n : Aus d e r O f f e n b a r k e i t d e r H a l t - l o s i g k e i t als H a l t u n g s l o s i g k e i t e n t s p r i n g t e i n e n e u e M ö g l i c h k e i t des H a l t n e h m e n s , d . h . des S i c h h a l t e n s i m I n - d e r - W e l t - s e i n . H a l t ist jetzt o f f e n b a r als H a l t u n g .
§ 42. Die andere Weltanschauung
Grundmöglichkeit: als Haltung
a) W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g u n d d i e aus i h r e n t s p r i n g e n d e Auseinandersetzung mit d e m Seienden D a m i t s t e h e n w i r bei d e r z w e i t e n , auf die erste w e s e n t l i c h bezogene u n d i m m e r bezogen bleibende Grundmöglichkeit der W e l t a n s c h a u u n g . H a l t als B e r g u n g h a t d e n H a l t p r i m ä r i n d e m , w o r a n sie sich h ä l t , i m S e i e n d e n , d a r i n sie g e b o r g e n ist; H a l t als H a l t u n g h a t d e n H a l t p r i m ä r i m S i c h h a l t e n selbst. D a s D a s e i n selbst — als solches - l ä ß t d e n H a l t g e s c h e h e n u n d sein; a b e r n u n ist n i c h t e t w a das D a s e i n das Seiende, w o r a n es sich h ä l t , o b z w a r i n d i e s e r R i c h t u n g die H a u p t m ö g l i c h k e i t d e r E n t a r t u n g der W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g liegt. Auf die H a l t l o s i g k e i t als u r s p r ü n g l i c h e U n g e b o r g e n h e i t ist d e r e r s t e H a l t als B e r g u n g bezogen. D e r e n n o t w e n d i g e Ausbild u n g e n t a r t e t z u m Betrieb, d e r seinerseits — z u n ä c h s t i n der Weise des S c h e i n s ( G e s c h ä f t i g k e i t ) u n d des M a n g e l s - die M ö g l i c h k e i t d e r H a l t u n g o f f e n b a r m a c h t u n d i n eins d a m i t e i n e n e u e H a l t - l o s i g k e i t . D i e s e ist d e r B e t r i e b selbst; b e z e i c h n e n d ist, d a ß h i e r die H a l t l o s i g k e i t positiv a u s g e d r ü c k t ist. D e n n je m e h r sich das D a s e i n i n s e i n e m G e s c h e h e n v o n d e m Eigentlichen e n t f e r n t u n d d i e » W a h r h e i t « i n i h r e m W i e sich w a n d e l t , u m so w e s e n t l i c h e r u n d » f r e i e r « w i r d d e r S c h e i n . » B e t r i e b « stellt sich
§ 42. Weltanschauung
als
Haltung
367
d a r als S c h e i n d e r h ö c h s t e n W i r k l i c h k e i t , als H a n d e l n , »es ges c h i e h t etwas«. S o f e r n d i e d e r H a l t u n g e n t s p r e c h e n d e H a l t l o s i g k e i t i m B e t r i e b liegt, dieser a b e r i n sich a l s M o d u s d e r B e r g u n g f u n g i e r t , b l e i b t d i e H a l t u n g in w e s e n s m ä ß i g e m Z u s a m m e n h a n g m i t der B e r g u n g selbst u n d d a m i t d e r H a l t l o s i g k e i t als U n - g e b o r g e n h e i t . I n d i e s e r W e s e n s l e g i e r u n g v o n H a l t u n g u n d B e r g u n g l i e g t d e r W e s e n s g r u n d f ü r die N o t w e n d i g k e i t d e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g u n d des K a m p f e s z w i s c h e n b e i d e n . B e r g u n g u n d H a l t u n g sind zwei G r u n d w e i s e n d e r W e l t a n s c h a u u n g , d . h . des I n - d e r - W e l t - s e i n s , d e r j e w e i l i g e n Faktizit ä t d e r T r a n s z e n d e n z . Sie sind w e s e n t l i c h a u f e i n a n d e r b e z o g e n . D u r c h e i n e A b h e b u n g d e r e i n e n M ö g l i c h k e i t g e g e n die a n d e r e k ö n n e n sich b e i d e v e r d e u t l i c h e n , w a s f ü r u n s v o r a l l e m bezüglich d e r z w e i t e n M ö g l i c h k e i t w i c h t i g ist. Von v o r n h e r e i n ist n i c h t zu vergessen: Als W e l t a n s c h a u u n g e n b e t r e f f e n B e r g u n g u n d H a l t u n g i m m e r das G a n z e des D a s e i n s in d e r E i n h e i t s e i n e r S t r e u u n g . D a s ist u m so w i c h t i g e r , als g e r a d e in d e n b e i d e n G r u n d w e i s e n d e r T r a n s z e n d e n z sich je e i n e V e r l a g e r u n g des G e w i c h t s d e r T r a n s z e n d e n z vollzieht·, o h n e d a ß diese d a b e i g l e i c h s a m a u s e i n a n d e r f ä l l t . V e r l a g e r u n g des G e w i c h t s ist e i n e i n n e r e M ö g l i c h k e i t dieser i m S p i e l c h a r a k t e r d e r T r a n s z e n d e n z . W i r k ö n n e n dies n u r s c h e m a t i s c h k e n n z e i c h nen, m i t allen Vorbehalten einer solchen Charakteristik. Bei d e r B e r g u n g l i e g t das G e w i c h t des D a s e i n s i m D u r c h w a l t e t s e i n v o m S e i e n d e n , so zwar, d a ß d i e W a h r h e i t des D a s e i n s p r i m ä r d u r c h d i e U n g e b o r g e n h e i t b e s t i m m t ist. D a s D a s e i n ist g e w i s s e r m a ß e n i n das G a n z e des S e i e n d e n h i n e i n g e n o m m e n , a b e r g l e i c h w o h l n i c h t v e r l o r e n , s o n d e r n von i h m g e t r a g e n . Bei d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g d a g e g e n liegt das G e w i c h t des D a s e i n s i m V e r h a l t e n als S i c h v e r h a l t e n u n d selbst h a n d e l n . D a s U m w i l l e n - s e i n e r , das a u c h i m m y t h i s c h e n D a s e i n n i c h t e t w a f e h l t — sonst w ä r e B e r g u n g o h n e S e i n —, b r i n g t das D a s e i n zu i h m selbst. D a s U m w i l l e n - s e i n e r k o m m t jetzt e i g e n s in d a s S i c h h a l t e n . D a s b e s a g t aber: D a s D a s e i n h a t sich selbst in s e i n e r G e w o r f e n h e i t u n d s e i n e n f a k t i s c h e n M ö g l i c h k e i t e n er-
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Das Problem der
Weltanschauung
g r i f f e n . I m D u r c h w a l t e t s e i n v o n S e i e n d e m h ä l t es sich selbst h i n e i n i n M ö g l i c h k e i t e n s e i n e r selbst, d i e es sich selbst Vorhält. H a l t u n g als die zweite G r u n d a r t d e r W e l t a n s c h a u u n g d r ü c k t aus das W e s e n t l i c h e des H a l t e n s i m D a s e i n . D a s d u r c h H a l t u n g b e s t i m m t e D a s e i n ist e i n S i c h h i n e i n h a l t e n i n v o r g e h a l t e n e Möglichkeiten seiner Verhaltungen. D i e s e F o r m u l i e r u n g ist a b s i c h t l i c h g e w ä h l t , u m zu zeigen, w i e diese z w e i t e G r u n d a r t des D a s e i n s d u r c h u n d d u r c h v o m h a n d e l n d e n Existieren i m Auf-sich-selbst-gestelltsein der Existenz b e s t i m m t ist, w a s a b e r n i c h t b e s a g t , d a ß die G e w o r f e n h e i t des D a s e i n s v e r s c h w i n d e t — sie k a n n es g a r n i c h t —, s o n d e r n in d e r H a l t u n g m i t v e r w a l t e t w i r d . I n solcher H a l t u n g g e w i n n t das e i g e n e V e r h a l t e n des D a s e i n s e i n e n Vorrang, es l e g t sich a b e r in das V e r h a l t e n z u m S e i e n d e n , das b i s l a n g d e n C h a r a k t e r der M ä c h t i g k e i t n i c h t e i n g e b ü ß t h a t , o b z w a r s c h o n d i e spezifisch m y t h i s c h e M o d i f i z i e r u n g , M ä c h t i g k e i t als H e i l i g k e i t , ges c h w u n d e n ist. A u s d r ü c k l i c h e s V e r h a l t e n zu Ü b e r m ä c h t e n w i r d a b e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g des D a s e i n s i n n e r h a l b s e i n e r m i t i h n e n i n a l l e n w e s e n t l i c h e n B e z ü g e n . D a s D a s e i n i n dieser G r u n d weise der H a l t u n g wird Auseinandersetzung m i t d e m Seienden, u n d z w a r n a c h a l l e n w e s e n t l i c h e n B e z u g s r i c h t u n g e n d e r Streuu n g des D a s e i n s . D a s G a n z e des S e i e n d e n , das i n d e r B e r g u n g o f f e n b a r w a r — i n i h r e r W e i s e — ist n i c h t v e r s c h w u n d e n , w o h l a b e r h a t sich d e r C h a r a k t e r d e r W a h r h e i t g e w a n d e l t . ( N i c h t n u r anderes offenbar, sondern erstmals entdeckt, u n d zwar woraufhin?) D a s s c h o n o f f e n b a r e S e i e n d e zeigt sich jetzt i n d e m u n d f ü r das h a l t u n g s b e s t i m m t e , d . h . sich a u s e i n a n d e r s e t z e n d e D a s e i n als das, w a s b e w ä l t i g t , b e h e r r s c h t , g e l e n k t w e r d e n soll. D a s a b e r v e r l a n g t i n sich w e s e n s n o t w e n d i g e i n S i c h a u s k e n n e n i n d e m S e i e n d e n b e z ü g l i c h dessen, w a s u n d w i e es a n i h m selbst ist, a b g e s e h e n d a v o n , o b es G e b o r g e n h e i t b i e t e t o d e r versagt. D a s S i c h a u s k e n n e n i m S e i e n d e n m u ß dieses d a r a u f h i n a n i h m selbst o f f e n b a r m a c h e n , d a m i t a n i h m die L e n k b a r k e i t , L e i t b a r k e i t , B e h e r r s c h b a r k e i t m ö g l i c h w i r d . L e n k b a r k e i t setzt a b e r voraus,
§ 42. Weltanschauung
als Haltung
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d a ß w i r i m v o r h i n e i n v e r s t e h e n u n d v o r a u s s e h e n w i e das Seie n d e g l e i c h s a m sich b e n i m m t , d . h . w i r m ü s s e n i m v o r h i n e i n e i n e n E i n b l i c k h a b e n i n d i e O r d n u n g d e r A b f o l g e d e r Vorgänge. D i e Verfassung des S e i e n d e n in dieser H i n s i c h t b e z e i c h n e n w i r als Gesetzlichkeit. S o f e r n a b e r die G e s e t z e e r k a n n t w e r d e n sollen, h e i ß t das, das S e i e n d e m u ß a n i h m selbst e n t d e c k t w e r d e n . E r k e n n t n i s d e r Gesetze e r w ä c h s t aus u n d ist g e t r a g e n v o m I n d e r - W e l t -sein als sich a u s e i n a n d e r s e t z e n d e H a l t u n g . D i e I d e e d e r G e s e t z l i c h k e i t u n d e n t s p r e c h e n d die B e s t i m m u n g der g e s e t z l i c h e n Z u s a m m e n h ä n g e selbst k a n n s e h r r o h sein, k a n n sich a u s b i l d e n . E n t s c h e i d e n d b l e i b t z u n ä c h s t , d a ß m i t d e m W a n d e l des C h a r a k t e r s d e r W a h r h e i t , d e r m i t d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g sich i m v o r h i n e i n schon e i n s t e l l t — e r ist n i c h t erst spätes R e s u l t a t - , sich die G r u n d s t e l l u n g z u m S e i e n d e n w a n d e l t . R i c h t i g e r g e s p r o c h e n : M i t d e r H a l t u n g k o m m t das D a s e i n allererst zu e i n e r G r u n d s t e l l u n g z u m S e i e n d e n d e r g e stalt, d a ß jetzt erst das S e i e n d e a n i h m selbst o f f e n b a r ist. Jetzt erst, w o das U m w i l l e n - s e i n e r e i g e n s i n das S i c h h a l t e n k o m m t , d. h . das S i c h h a l t e n i m I n - d e r - W e l t - s e i n , w a s z u g l e i c h h e i ß t i m I n - d e r - W a h r h e i t - s e i n ; j e t z t erst g i b t es so e t w a s w i e das U m w i l l e n des I n - d e r - W a h r h e i t - s e i n s , U m w i l l e n d e r W a h r h e i t . N u r in feinem solchen D a s e i n , das v o n G r u n d aus b e s t i m m t ist d u r c h d i e e i g e n s g e w ä h l t e H a l t u n g s e i n e r selbst, i n d e m A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t d e m S e i e n d e n w e s e n t l i c h ist, k a n n es so e t w a s geben wie Forschung u n d Wissenschaft. O f f e n b a r m a c h e n des S e i e n d e n o d e r d e r S a c h e n selbst ist e i n C h a r a k t e r w i s s e n s c h a f t l i c h e r E r k e n n t n i s , a b e r w e d e r d e r einzige, n o c h d e r u r s p r ü n g l i c h s t e , w o h l a b e r d e r j e n i g e , d e r zuerst i n d i e A u g e n s p r i n g t u n d v o n d e m m a n z w e c k m ä ß i g bei d e r C h a r a k t e r i s t i k a u s g e h t . Es ist a b e r e i n I r r t u m , d a r i n a l l e i n das W e s e n solcher E r k e n n t n i s zu s e h e n . E r k e n n t n i s des S e i e n d e n a n sich s o w o h l w i e d e r G e s e t z e h a t e i n e t i e f e r e B e g r ü n d u n g , i n d e r T r a n s z e n d e n z . D i e M e i n u n g , die E r k e n n t n i s des S e i e n d e n a n sich, n u r w e i l es e b e n das An-sich sei, sei das W e s e n d e r W i s s e n s c h a f t , ist e i n e n a c h t r ä g l i c h e E r f i n d u n g d e r G e l e h r t e n , die
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Das Problem der
Weltanschauung
a u f diese Weise i h r e m H a n d w e r k n o c h e i n e B e d e u t u n g v e r s c h a f f e n w o l l e n , n u n der K l e i n k r a m zu g r o ß g e w o r d e n ist. W e n n w i r f r ü h e r s a g t e n , w i s s e n s c h a f t l i c h e E r k e n n t n i s ist positive E r k e n n t n i s u m w i l l e n d e r W a h r h e i t , des I n - d e r - W a h r h e i t seins, so w i r d jetzt d e u t l i c h : I n - d e r - W a h r h e i t - s e i n g e h ö r t z u m I n - d e r - W e l t - s e i n , ist d a h e r n o t w e n d i g je d u r c h W e l t a n s c h a u u n g b e s t i m m t , u n d z w a r d u r c h H a l t u n g ; n u r i n dieser ist W i s s e n schaft möglich. Das mythische Dasein hat u n d kennt nicht dergleichen wie W i s s e n s c h a f t , n i c h t w e i l die M e n s c h e n dieses D a s e i n s h i e r f ü r zu u n b e h o l f e n oder g a r zu d u m m w ä r e n , s o n d e r n w e i l W i s s e n schaft überhaupt in solchem Dasein wesensmäßig keinen Sinn h a t . Es ist d e s h a l b e i n e r d e r g r ö ß t e n m e t h o d i s c h e n I r r t ü m e r , die die b i s h e r i g e I n t e r p r e t a t i o n m y t h i s c h e n D a s e i n s d u r c h h e r r s c h t — so die f r a n z ö s i s c h e Soziologen- u n d E t h n o l o g e n s c h u l e —, d a ß m a n das m y t h i s c h e D e n k e n i n i r g e n d e i n e m S i n n als V o r f o r m des e u r o p ä i s c h - n e u z e i t l i c h e n w i s s e n s c h a f t l i c h e n D e n k e n s , u n d zwar der Naturwissenschaft, ansieht u n d von diesem Leitfaden aus i n t e r p r e t i e r t . A b e r a u c h Cassirer ist ü b e r d i e s e n g r u n d s ä t z lichen I r r t u m nicht Herr geworden. b) W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g u n d d e r W a n d e l d e r W a h r h e i t als solcher M i t d e r A u s b i l d u n g der W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g ist w e s e n s n o t w e n d i g e i n W a n d e l d e r W a h r h e i t als solcher m i t g e s c h e h e n . D a ß es d a n n i n e i n z e l n e n B e z i r k e n a n d e r e W a h r h e i t e n gibt, d i e m i t d e n e n des M y t h o s n i c h t z u s a m m e n g e b r a c h t w e r d e n k ö n n e n , ist n u r e i n e Folge, a b e r n i c h t d e r G r u n d des w e s e n t l i c h e n W a n d e l s d e r W a h r h e i t selbst. Alles O f f e n b a r m a c h e n ist jetzt p r i m ä r e i n e r e g e l n d e u n d H e r r s c h a f t s u c h e n d e Auseinandersetzung mit d e m Seienden. Das betrifft aber nicht etwa n u r den Wandel der Wahrheit der W i s s e n s c h a f t . A u c h die K u n s t löst sich a b von i h r e r spezifisch m y t h i s c h e n o d e r religiösen F u n k t i o n , u n d die R e l i g i o n b e k o m m t
S 42. Weltanschauung
als
Haltung
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e i n e n w e s e n t l i c h a n d e r e n C h a r a k t e r : z u m e r s t e n m a l b i l d e t sich e i n e T h e o l o g i e aus. W a s jetzt T h e o l o g i e ist, ist i m m y t h i s c h e n D a s e i n , was m a n T h e o g o n i e n e n n e n k a n n : e i n o b j e k t i v e r P r o z e ß d e r G o t t w e r d u n g selbst, i n n e r h a l b d e r e n d e r P r i e s t e r s t e h t . D i e ser ist n i c h t n u r F u n k t i o n ä r e i n e r H e i l s a n s t a l t . M i t dieser W a n d l u n g d e r v e r s c h i e d e n e n G e b i e t e des Seiend e n w a n d e l t sich die W a h r h e i t i m e i n z e l n e n , u n d jetzt erst entsteht eine Technik i m eigentlichen Sinne, u n d eine n e u e Gliederung u n d O r d n u n g der Gesellschaft. Aber der Wandel der W a h r h e i t ist n i c h t e t w a e i n e Folge des W a n d e l s d e r g e s e l l s c h a f t l i c h e n Verhältnisse. D a s ist e i n t i e f g e h e n d e r I r r t u m , sei er i m S i n n e eines g r o b e n M a r x i s m u s oder e i n e r m o d e r n e n K u l t u r s o ziologie. I n all d e m zeigt sich n u r , d a ß die T r a n s z e n d e n z a l l e n w e s e n t l i c h e n G r u n d m ö g l i c h k e i t e n des D a s e i n s z u g r u n d e l i e g t u n d daß der Wandel der W a h r h e i t b e s t i m m t e neue Möglichkeit e n u n d einen Wandel der Existenzformen vorzeichnet. D i e m i t d e r W e l t a n s c h a u u n g a l s H a l t u n g e n t s p r i n g e n d e Ause i n a n d e r s e t z u n g m i t d e m S e i e n d e n ( W a n d e l des I n - d e r - W e l t seins) b e t r i f f t i m m e r das G a n z é d e r S t r e u u n g des D a s e i n s , also a u c h d i e Weise, w i e das D a s e i n es selbst ist u n d e i g e n s sich zu sich selbst v e r h ä l t . »Seele« u n d »Geist« als I n d i c e s f ü r das Selbst w e r d e n jetzt n i c h t m e h r e r f a h r e n in- d e r U n g e b o r g e n h e i t , Berg u n g , i n n e r h a l b d e r Ü b e r m ä c h t i g k e i t des S e i e n d e n , s o n d e r n das S e i e n d e , das D a s e i n selbst ist ebenso-in d e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g b e g r i f f e n , e r g r i f f e n . I n d e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g des D a s e i n s m i t d e m S e i e n d e n i m G a n z e n , i m O f f e n b a r w e r d e n dieses S e i e n d e n a n i h m löst sich zugleich d a s D a s e i n — v o r d e m a u f g e f u n d e n i m S e i e n d e n u n d b e n o m m e n v o n d i e s e m — aus d i e s e m ab. Es w i r d selbst e t w a s L e n k b a r e s , u n d z w a r , w i e sich zeigt, i n e i n e m ausg e z e i c h n e t e n S i n n e ; es w i r d o f f e n b a r , d a ß das D a s e i n dieses S e i e n d e selbst ist. H i e r m i t sind < die ' M ö g l i c h k e i t e n d e r W a h l s e i n e r selbst i m E n t s c h l u ß z u sieh selbst u n d d e m e n t s p r e c h e n den Handeln gegeben. Es gibt in d e r a n t i k e n A u f f a s s u n g u n d A u s l e g u n g des D a s e i n s ein Wort, das, w e n n es r e c h t v e r s t a n d e n w i r d , a m u r s p r ü n g l i c h -
I
372
Das Problem der
Weltanschauung
sten ausdrückt, was wir m i t Weltanschauung meinen: εύδαιμονία. Δαιμονία ist das S i c h b e f i n d e n i m S e i e n d e n i m G a n zen, s e i n e r Ü b e r m ä c h t i g k e i t ( D ä m o n i e ) , εΰ ist das i n d e r r e c h t e n Weise S i c h b e f i n d e n u n d - h a l t e n in d e r Ü b e r m ä c h t i g k e i t des S e i e n d e n . I n d e r Z e i t , als P i a t o n u n d Aristoteles p h i l o s o p h i e r t e n — u n d f r ü h e r s c h o n v o r b e r e i t e t — w i r d die εύδαιμονία g e s u c h t in d e r πράξις, i m f r e i e n H a n d e l n , das sich selbst das Ziel gibt, προαίρεσις. D a s W o r t , r e c h t v e r s t a n d e n , b e w a h r t n o c h die E r i n n e r u n g a n diesen Übergang v o m mythischen Dasein u n d seiner Bergung zur H a l t u n g . I n dieser G r u n d w e i s e des D a s e i n s b l e i b t a u c h dieses — das g e h ö r t z u m W e s e n — i n m i t t e n des S e i e n d e n , o b z w a r jetzt das D a s e i n als solches i n e i n e r b e s o n d e r e n W e i s e aus d e m S e i e n d e n h e r a u s g e h o b e n ist. Dieses H e r a u s g e h o b e n w e r d e n ist aber keine Isolierung i m ontischen Sinn, eine Abschnürung, s o n d e r n dieses H e r a u s g e h o b e n w e r d e n u n d a n d e n T a g K o m m e n i n eins m i t d e r G e n e s i s d e r H a l t u n g b e d e u t e t n u r e i n e n verw a n d e l t e n M o d u s des Seins des D a s e i n s . Dieses H i n a u s k o m m e n ist es, w a s w i r a u c h m i t A u s d r ü c k l i c h k e i t des D a s e i n s bezeichn e n , d i e sich als e i n e n e u e E i n d r i n g l i c h k e i t des D a s e i n s i n i h m selbst u n d s e i n e r E x i s t e n z b e k u n d e t . D i e s e E i n d r i n g l i c h k e i t der A u s e i n a n d e r s e t z u n g ist e i n e solche d e r ( e k s t a t i s c h e n ) S t r e u u n g des D a s e i n s . G l e i c h w o h l ist w i c h t i g , d a ß w i r w i e b e i d e r ersten G r u n d a r t der W e l t a n s c h a u u n g als B e r g u n g a u c h bei d e r z w e i t e n G r u n d m ö g l i c h k e i t v o n W e l t a n s c h a u u n g die w e s e n s m ä ß i g zugehörigen Formen der Entartung uns vergegenwärtigen. c) F o r m e n d e r E n t a r t u n g d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g I n d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g v e r l e g t sich das G e w i c h t d e r T r a n s z e n d e n z v o m D u r c h w a l t e t s e i n i n das U m w i l l e n . D a s S e l b s t s e i n k ö n n e n w i r d w e s e n t l i c h , u n d d a m i t r ü c k t das Seiende selbst, d e r M e n s c h , der i n d e r Weise des D a s e i n s ist, ins Zent r u m , u n d z w a r n a c h drei v e r s c h i e d e n e n H i n s i c h t e n , d e n e n drei F o r m e n der E n t a r t u n g der Haltung, entsprechen.
§ 42. Weltanschauung
als Haltung
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1. D i e H a l t u n g g i b t d e m D a s e i n e i n e n g e w i s s e n Vorzug i m S e i e n d e n . D e r M e n s c h selbst w i r d w i c h t i g ; alles w i r d auf d e n M e n s c h e n b e z o g e n m n d aus s e i n e m S i n n e n u n d T r a c h t e n erk l ä r t . D e r M e n s c h selbst w i r d d a m i t e i n b e t o n t e r G e g e n s t a n d d e r E r ö r t e r u n g u n d B e s i n n u n g . H a l t u n g als W e s e n t l i c h w e r d e n des e i g e n e n S e i n k ö n n e n s w i r d jetzt g e n o m m e n als sich m i t sich selbst b e s c h ä f t i g e n . D e r B e t r i e b w i r d jetzt g l e i c h s a m u m g e l e i t e t auf d e n M e n s c h e n . I m G e f o l g e der A u s b i l d u n g d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g zeigt sich i m m e r d e r A n t h r o p o l o g i s m u s , die B e t u l i c h k e i t d e m M e n s c h e n g e g e n ü b e r als Psychologie, c h a r a k t e r o l o g i s c h e Analyse. M i t w e l c h e n M i t t e l n das f a k t i s c h je g e s c h i e h t , ist g l e i c h g ü l t i g . D i e m o d e r n e Psychologie, w o sie — wie meist — ihre enggezogenen Grenzen überschreitet, unterscheidet sich i n n i c h t s v o n d e r a n t i k e n Sophistik, n u r d a ß d i e l e t z t e r e n o c h e i n g a n z a n d e r e s geistiges N i v e a u h a t t e . 2. I n der H a l t u n g ist das sich v e r h a l t e n d e H a n d e l n w e s e n t lich. D a s W i e des H a n d e l n s h a t e i n e n g e w i s s e n V o r r a n g vor d e m Was des T u n s u n d d e m , w o m i t w i r b e s c h ä f t i g t sind. H i e r i n l i e g t die M ö g l i c h k e i t , d a ß das W i e d e r H a l t u n g sich ü b e r s t e i g e r t a u f Kosten eines k o n k r e t e n u n d e i g e n t l i c h w i r k e n d e n H a n d e l n s , u n d z w a r k a n n sich das W i e des H a n d e l n s so ü b e r s t e i g e r n , d a ß es selbst G e g e n s t a n d e i n e r e i g e n a r t i g e n P f l e g e u n d G e s t a l t u n g wird. W e s e n t l i c h w i r d jetzt d i e H a l t u n g als Geste; w a s g e p f l e g t w i r d , ist die G e b ä r d e , die m e i s t aus d e m w i r k l i c h e n H a n d e l n sich z u r ü c k z i e h t u n d , i h r e r I n t e n t i o n e n t s p r e c h e n d , d e r K u n s t u n d i h r e m G e s t a l t e n e i n e n Vorzug gibt, d . h . sich zur D a r s t e l lung ihrer Gebärde einen entsprechenden Inhalt aussucht, der d a n n als m a ß g e b e n d f ü r alles, als s a k r o s a n k t e r k l ä r t w i r d . Es k o m m t n o t w e n d i g zu e i n e r f r e i l i c h n u r l i t e r a r i s c h e n u n d aesthetischen Erneuerung von Kulten u n d Mythen; in Z u s a m m e n hang damit geht die Heroisierung bestimmter Menschen. G e g e n ü b e r der ersten F o r m der Entartung, d e m Anthropologismus, d e r auf G r u n d s e i n e r w a h l l o s e n Z e r g l i e d e r u n g des M e n s c h e n u n d A n h ä u f u n g v o n K e n n t n i s s e n ü b e r i h n l e i c h t zur B a r b a r e i f ü h r t , l i e g t in d e r z w e i t e n F o r m , die i m m e r m i t e i n e r
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Das Problem der
Weltanschauung
a u s g e s p r o c h e n e n P f l e g e d e r L i t e r a t u r z u s a m m e n g e h t , e i n e ausg e s p r o c h e n e T e n d e n z g e g e n alle B a r b a r i s m e n , e i n S i n n f ü r N i v e a u u n d H a l t u n g i n d e m spezifisch a e s t h e t i s c h e n S i n n des G e s c h m a c k s . A u c h diese F o r m zeigt sich i n d e n v e r s c h i e d e n s t e n Formen; gegenüber d e m psychologischen Anthropologismus k ö n n e n w i r sie als e i n e n a e s t h e t i s c h e n H u m a n i s m u s b e z e i c h n e n . 3. I n d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g h a t das f r e i e W ä h l e n , die E n t s c h e i d u n g e i n e gewisse l e i t e n d e Rolle. D a r i n liegt, d a ß d e r W ä h l e n d e a u f sich selbst als I n s t a n z z u r ü c k k o m m t . G e g e n ü b e r d e n ä u ß e r e n U m s t ä n d e n , G e l e g e n h e i t e n u n d L a g e n des D a s e i n s b e a n s p r u c h t die B e s i n n u n g e i n e n g e w i s s e n Vorzug. D i e I n n e r l i c h k e i t e r f ä h r t e i n e P f l e g e , n i c h t in p s y c h o l o g i s c h e r E r örterung, nicht in aesthetischer Gestaltung, sondern i m Ernst der G e s i n n u n g u n d d e r B e k ü m m e r u n g u m sich selbst. D i e E x i s t e n z des e i n z e l n e n I c h ist n i c h t n u r d e r O r t d e r E n t s c h e i d u n g e n , s o n d e r n es selbst das E n t s c h e i d e n d e . D i e s e F o r m d e r H a l t u n g v e r b i n d e t sich leicht, ja e r w ä c h s t i m m e r w i e d e r i m e n g s t e n B u n d e m i t e i n e r b e s t i m m t e n R e l i g i o n , z. B. d e r c h r i s t l i c h e n R e ligiosität. A u c h h i e r zeigt sich das H e r e i n s p i e l e n d e r e r s t e n G r u n d f o r m der Weltanschauung; zwar werden die Heilsmittel u n d - w e g e — G n a d e n v e r m i t t l u n g , S a k r a m e n t e — n i c h t geb r a u c h t , a b e r es bleibt, ja v e r s t ä r k t sich die B e k ü m m e r u n g u m das S e e l e n h e i l . H i e r ist k e i n A n t h r o p o l o g i s m u s , a u c h k e i n H u m a n i s m u s , a b e r doch s t e h t d e r M e n s c h i m Z e n t r u m h i n s i c h t l i c h des H e i l s s e i n e r Existenz. D e r A u s d r u c k » E x i s t e n z i a l i s m u s « beg i n n t h e u t e ü b l i c h zu w e r d e n . M e i s t ist dieser E x i s t e n z i a l i s m u s religiös b e t o n t ; er ist i m E n t s c h e i d e n d e n g e f ö r d e r t d u r c h e i n e b e s t i m m t e F o r m der E r n e u e r u n g Kierkegaardscher Gedanken. W i r h a b e n also drei F o r m e n d e r E n t a r t u n g d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g : B e t u l i c h k e i t , G e b ä r d e u n d I n n e r l i c h k e i t — Subjektivismus in verschiedenen Abwandlungen. Diese drei F o r m e n der E n t a r t u n g d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g g e h e n f a k t i s c h i m m e r m i t , k ö n n e n sich d a b e i v e r m i s c h e n u n d d a m i t die U n e c h t h e i t u n d R a t l o s i g k e i t n o c h s t e i g e r n . I n e i n e r solchen S i t u a t i o n b e f i n d e n w i r u n s h e u t e . - D a r a u f ist h i e r n i c h t w e i t e r
§ 42. Weltanschauung
als
Haltung
375
e i n z u g e h e n . — Sofern, n u n aus g a n z a n d e r e n M o t i v e n [. . .]* aus d e m G r u n d p r o b l e m cfer P h i l o s o p h i e u n d i h r e s W i s s e n s h e r a u s das D a s e i n e i n e a u s g e z e i c h n e t e F u n k t i o n e r h ä l t u n d diese k o n k r e t d a r g e s t e l l t w u r d e , w i r d sie z w a n g s l ä u f i g — i n e i n e dieser Formen umgesetzt — in einer Schublade untergebracht und dann unschädlich. F ü r u n s ist w i c h t i g : I n d i e s e n e n t a r t e t e n F o r m e n d e r H a l t u n g b e k u n d e t sich jeweils e i n gewisser Vorrang des D a s e i n s ; das w e i s t d a r a u f h i n , d a ß z u m W e s e n dieser W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g e i n W e s e n t l i c h w e r d e n des Selbst g e h ö r t . A l l e i n das E i n f a c h e ist k l a r zu s e h e n , daß, w e n n das Selbst w e s e n t l i c h w i r d , es z u n ä c h s t g a r n i c h t w i c h t i g ist, w e l c h e B e t u l i c h k e i t d e m M e n s c h e n g e g e n ü b e r in S z e n e gesetzt, w e l c h e G e b ä r d e i h m a n g e d i c h t e t [?] u n d w e l c h e E x i s t e n z f ü r i h n e r d a c h t w i r d , s o n d e r n w e s e n t l i c h ist o f f e n b a r das Sein des Selbst u n d d i e M ö g l i c h k e i t , dieses g e s c h e h e n zu lassen. I n all diesen F o r m e n d e r H a l t u n g ist das m e n s c h l i c h e L e b e n i m G r u n d e v e r s t a n d e n als ein G è s c h â f t , das e n t w e d e r d u r c h psychologische Betulichkeit oder neuhumanistische Gebärde o d e r a b e r d u r c h die w i d e r s i n n i g e Z a p p e l e i e i n e s s o g e n a n n t e n e x i s t e n z i e l l e n D e n k e n s i n G a n g g e h a l t e n w e r d e n soll. W a s f ü r den vorliegenden Z u s a m m e n h a n g einer allgemeinen Charakteristik d e r H a l t u n g w i c h t i g bleibt, ist, zu s e h e n , d a ß z u m W e s e n d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g g e h ö r t , d a ß das D a s e i n ausd r ü c k l i c h w i r d , » a u s d r ü c k l i c h « n i c h t p r i m ä r i n d e m S i n n , d a ß es beachtet, beobachtet u n d besonders bekannt werde, sondern A u s d r ü c k l i c h k e i t als e i n C h a r a k t e r seines Seins. D a s S e i n des D a s e i n s b e k o m m t f ü r es e i n e S c h ä r f e . Wo m y t h i s c h e s D a s e i n n u r n o c h i n d e r s c h w a c h e n E r i n n e r u n g u n d Ü b e r m a l u n g d e r H a l t u n g , a u s d r ü c k l i c h a b e r n i c h t die E x i s t e n z des M e n s c h e n b e s t i m m t , d a gilt das L e b e n des M e n s c h e n n u r soweit, als es jeweils in sich D a s e i n a u f b r i n g t . D i e G r u n d v e r f a s s u n g des D a s e i n s l i e g t a b e r i n d e r T r a n s z e n * [Ein Wort unleserlich.]
376
Das Problem der
Weltanschauung
denz. I n d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g w i r d das „In-derW e l t - s e i n als solches w e s e n t l i c h e r . D a s D a s e i n e r g r e i f t selbst s e i n e M ö g l i c h k e i t e n des V e r h a l t e n s z u m S e i e n d e n i m G a n z e n . Das Transzendieren wird ausdrücklich. I n der Weltanschauung als H a l t u n g ist e i n a u s d r ü c k l i c h e s T r a n s z e n d i e r e n , d . h . a b e r nach f r ü h e r e m : Philosophieren. Mit d e m Geschehen u n d der A u s b i l d u n g d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g g e s c h i e h t das P h i l o s o p h i e r e n . Also ist P h i l o s o p h i e r e n das A u s b i l d e n d e r Welta n s c h a u u n g als H a l t u n g , H a l t u n g d i e p h i l o s o p h i s c h e W e l t anschauung.
§43.
Zum
inneren Verhältnis als Haltung und
von Weltanschauung Philosophie
a) Z u r P r o b l e m a t i k dieses Verhältnisses U n s e r P r o b l e m ist das V e r h ä l t n i s v o n W e l t a n s c h a u u n g u n d P h i losophie, g e n a u e r die B e s t i m m u n g d i e s e r d u r c h j e n e . I m Ans c h l u ß a n e i n e a l l g e m e i n e K l ä r u n g des Wesens, das sich als z u m I n - d e r - W e l t - s e i n g e h ö r i g h e r a u s s t e l l t e , g i n g e n w i r dazu ü b e r , zwei G r u n d f o r m e n d e r W e l t a n s c h a u u n g h e r a u s z u a r b e i t e n : Berg u n g u n d H a l t u n g . Als E i g e n t ü m l i c h k e i t d e r l e t z t e r e n b e k u n d e t e sich ein V o r r a n g des Daseins. D i e s e r V o r r a n g ist z u n ä c h s t g e g e b e n auf G r u n d der A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t d e m S e i e n d e n , die z u m W e s e n d e r H a l t u n g g e h ö r t . Bei d e r K e n n z e i c h n u n g dieser A u s e i n a n d e r s e t z u n g h a b e ich d a r a u f h i n g e w i e s e n , d a ß alles E r k e n n n e n in s e i n e r G r u n d t e n d e n z auf e i n B e h e r r s c h e n , e i n H e r r w e r d e n ü b e r abzielt, u n d d a ß d a m i t die N o t w e n d i g k e i t d e r D u r c h f o r s c h u n g des S e i e n d e n a u f s e i n e G e s e t z l i c h k e i t geg e b e n ist. A b e r das h a t m i t P r a g m a t i s m u s n i c h t s zu t u n , d e r W a h r s e i n gleichsetzt d e m N u t z e f f e k t . N i c h t dieser, s o n d e r n das S e i e n d e selbst i n s e i n e m W a s u n d W i e e n t s c h e i d e t ü b e r die W a h r h e i t d e r E r k e n n t n i s . A b e r das S e i e n d e k a n n das n u r , w e n n es d a r a u f h i n b e f r a g t w i r d , u n d dieses F r a g e n , zur R e d e stellen
S 43. Haltung
und
Philosophie
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des S e i e n d e n ist e i n S i c h a u s e i n a n d e r s e t z e n m i t i h m . E i n bloßes B e g a f f e n v e r m a g n i e zu e n t d e c k e n . D i e E i g e n t ü m l i c h k e i t d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g u n d d a s M e r k w ü r d i g e , d a ß in i h r das D a s e i n e i n e n V o r r a n g e r h ä l t , sollte sich f ü r u n s g e r a d e d a r i n zeigen, d a ß sie d r e i F o r m e n d e r E n t a r t u n g ausbildet. Die G r u n d f o r m der E n t a r t u n g liegt in der H a l t u n g selbst, s o f e r n das D a s e i n i n i h r a u s d r ü c k l i c h w i r d . W e n n w i r das Positive dessen, w a s i n d e n F o r m e n d e r E n t a r t u n g h e r a u s k o m m t , zu f a s s e n s u c h e n , so ist es d a s j e n i g e M o m e n t , das w e s e n s m ä ß i g z u r H a l t u n g g e h ö r t , u n d das w i r b e z e i c h n e n als die S a m m l u n g des D a s e i n s . W i r wissen, d a ß z u m D a s e i n n o t w e n d i g g e h ö r t die d r e i f a c h e S t r e u u n g i n d i e B e z ü g e z u m S e i e n d e n , d e n O b j e k t e n , z u m M i t d a s e i n a n d e r e r u n d zu sich selbst, u n d d a ß das D a s e i n die T e n d e n z h a t , i n e i n e n dieser B e z ü g e sich zu v e r l i e r e n , i n i h m a u f z u g e h e n , i h n zu v e r a b s o l u t i e r e n . D a s W e s e n t l i c h e d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g b e s t e h t n i c h t n u r d a r i n , das G a n z e des D a s e i n s n a c h d i e s e n d r e i R i c h t u n g e n zu g e w i n n e n , s o n d e r n sie i n e i n e r S a m m l u n g zu h a l t e n . H a l t u n g ist d a h e r i n sich S a m m l u n g d e r S t r e u u n g i n d i e U r s p r ü n g l i c h k e i t des D a - s e i n s i m M e n s c h e n . S a m m l u n g ist d e r u r s p r ü n g l i c h e C h a r a k t e r , d e r in d e n g e n a n n t e n F o r m e n d e r E n t a r t u n g aus d e r A r t schlägt. Es g e h t u m S a m m l u n g s t a t t S u b j e k t i v i s m u s u n d I n d i v i d u a lismus; allein d i e F o r m d e r E n t a r t u n g ist n i c h t b e i l ä u f i g , s o n d e r n z u m W e s e n des D a s e i n s selbst g e h ö r i g , h i e r i n H a l t u n g w i e d o r t i m m y t h i s c h e n D a s e i n . Auf d i e v e r s c h i e d e n e n a n d e r e n M o d i f i k a t i o n e n d e r E n t a r t u n g g e h e ich n i c h t ein, b e s o n d e r s n i c h t auf d e n I n d i v i d u a l i s m u s i n a l l e n s e i n e n S c h a t t i e r u n g e n u n d n i c h t auf das, w a s m a n als A u f k l ä r u n g , besser A u f k l ä r e r e i b e z e i c h n e t , so d a ß m a n d e n e i g e n e n Verstand z u m R i c h t m a ß u n d H e r r n ü b e r alles m a c h t . K a n t : » H a b e M u t h , D i c h D e i n e s e i g e n e n Verstandes zu b e d i e n e n « . 1
1 Immanuel Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklarung? Immanuel Kants gesammelte Schriften. Hrsg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Band VIII, Berlin 1920. S. 35.
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Das Problem der
Weltanschauung
H a l t u n g ist sich a u s e i n a n d e r s e t z e n d e S a m m l u n g des M e n s c h e n auf das D a - s e i n . D a r i n liegt n i c h t lediglich e i n Sichbeh a u p t e n u n d D u r c h s e t z e n , n u r sich S i c h e r n g e g e n . . ., s o n d e r n H a l t u n g als D a s e i n ist i n sich F r e i m a c h e n d e r M ö g l i c h k e i t e n , bedeutet »Wachstum«, aber nicht »Fortschritt«. H a l t u n g als p h i l o s o p h i s c h e W e l t a n s c h a u u n g ist n o c h e i n e s e h r v i e l d e u t i g e C h a r a k t e r i s t i k , u n d v o r a l l e m voreilig, ä u ß e r lich. Z w a r ist soviel d e u t l i c h : D i e H a l t u n g , s o f e r n in i h r die Transzendenz ausdrücklicher wird, steht in e i n e m besonderen Z u s a m m e n h a n g m i t P h i l o s o p h i e r e n , w e n n dieses a u s d r ü c k l i ches T r a n s z e n d i e r e n ist. N o c h a b e r ist das i n n e r e V e r h ä l t n i s v o n W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g u n d P h i l o s o p h i e r e n v ö l l i g p r o b l e m a t i s c h . W i r m ü s s e n u n s h ü t e n , h i e r e i n e allzu l e i c h t e L ö s u n g f i n d e n zu w o l l e n . W i r w o l l e n v e r s u c h e n , das P r o b l e m zu v e r d e u t l i c h e n d u r c h e i n e A n a l o g i e m i t d e r F r a g e des e r s t e n Weges. D o r t w a r Prob l e m : Ist die W i s s e n s c h a f t d i e j e n i g e I d e e , d e r die P h i l o s o p h i e d i e n s t b a r g e m a c h t w e r d e n m u ß , P h i l o s o p h i e als s t r e n g e W i s s e n s c h a f t , oder ist P h i l o s o p h i e g a n z u n d g a r n i c h t W i s s e n s c h a f t , obzwar gerade deshalb der G r u n d der Möglichkeit der Wissens c h a f t ? Es e r g a b sich: D i e I d e e e i n e r w i s s e n s c h a f t l i c h e n P h i l o s o p h i e ist w i e d e r G e d a n k e eines r u n d l i c h e n Kreises. W i e s t e h t es n u n e n t s p r e c h e n d b e z ü g l i c h des Verhältnisses v o n W e l t a n s c h a u u n g u n d P h i l o s o p h i e ? Ist W e l t a n s c h a u u n g d a s j e n i g e , was d e r P h i l o s o p h i e als M a ß s t a b d i e n e n soll? Ist P h i l o s o p h i e e i n e W e l t a n s c h a u u n g , oder h a t u m g e k e h r t diese W e l t a n s c h a u u n g zur Voraussetzung d i e P h i l o s o p h i e ? W i r h a b e n , w i e a u s d r ü c k l i c h b e t o n t w u r d e , jetzt g e f r a g t n a c h e i n e r A n a l o g i e m i t d e m e r s t e n W e g , d. h . W e l t a n s c h a u u n g m i t W i s s e n s c h a f t i n E n t s p r e c h u n g gesetzt. Allein, s c h o n das ist u n m ö g l i c h , d e n n W e l t a n s c h a u u n g ist e t w a s w e s e n t l i c h U r s p r ü n g licheres u n d z u m D a s e i n g e h ö r i g , d a g e g e n die W i s s e n s c h a f t n i c h t . So w i r d f r a g l i c h , ob w i r a u c h h i e r , auf d e m z w e i t e n W e g e , das P r o b l e m e i n f a c h auf dieses E n t w e d e r - O d e r b r i n g e n d ü r f e n , oder ob d a d u r c h das E i g e n t ü m l i c h e - d e s jetzigen P r o b l e m s n i c h t
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43. Haltung
und Philosophie
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g e r a d e z w i s c h e n d u r c h f ä l l t u n d n i c h t zu g r e i f e n ist. D a s ist i n d e r Tat d e r Fall. D a z u k o m m t n o c h e i n anderes. Es t r a t schon m e h r oder m i n d e r d e u t l i c h heraus, d a ß P h i l o s o p h i e r e n als ausdrückliches Transzend i e r e n e i n e n b e s o n d e r e n Bezug zu der e i n e n G r u n d f o r m der W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g h a t , m i t h i n zu e i n e r b e s t i m m t e n Möglichkeit, w a s freilich n i c h t aus-, sondern einschließt, d a ß a u c h e i n w e s e n t l i c h e r Bezug zur W e l t a n s c h a u u n g als B e r g u n g vorliegt. Aber schon d a d u r c h ist die a l l g e m e i n e F r a g e n a c h d e m Verhältnis v o n P h i l o s o p h i e u n d W e l t a n s c h a u u n g verwickelter. A l l g e m e i n ist n u r zu sagen: P h i l o s o p h i e u n d W e l t a n s c h a u u n g b e t r e f f e n b e i d e die Transzendenz, das In-der-Welt-sein; a b e r wie, das ist die F r a g e . b ) P h i l o s o p h i e ist W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g in einem ausgezeichneten Sinne W i r wollen zunächst in einer Richtung die Antwort vorwegnehm e n , i n d e m w i r sagen: W e l t a n s c h a u u n g , u n d z w a r als H a l t u n g , ist »Voraussetzung« d e r P h i l o s o p h i e . D o c h was h e i ß t h i e r »Voraussetzung«? I n - d e r - W e l t - s e i n als H a l t u n g m u ß g e s c h e h e n , w e n n P h i l o s o p h i e r e n soll sein k ö n n e n . M i t d e m G e s c h e h e n d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g ist a u c h schon das P h i l o s o p h i e r e n e r w a c h t . P h i l o s o p h i e ist schon, v o n G r u n d aus, W e l t a n s c h a u u n g , u n d zwar n o t w e n d i g i n d e r W e i s e d e r H a l t u n g , w a s e i n e n b e s t i m m t e n B e z u g zur B e r g u n g e i n s c h l i e ß t . P h i l o s o p h i e »ist« W e l t a n s c h a u u n g . W e i l P h i l o s o p h i e w e s e n s n o t w e n d i g in dieser n o c h zu b e s t i m m e n d e n W e i s e W e l t a n s c h a u u n g ist, d e s h a l b k a n n es n i c h t A u f g a b e u n d Ziel d e r P h i l o s o p h i e sein, e i n e W e l t a n s c h a u u n g a u s z u b i l d e n u n d dieses so b e f e s t i g t e G e b ä u d e als e i n e W o h n u n g f ü r j e d e r m a n n a u s z u g e b e n u n d zu b e a n s p r u c h e n . P h i l o s o p h i e ist W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g u n d das in einem ausgezeichneten Sinne. Die Griechen h a b e n f ü r H a l t u n g d e n A u s d r u c k ήθος — g e r a d e d e s h a l b ist sie a b e r n i c h t V e r k ü n digung einer Ethik. Doch w e n n Philosophie weder Wissen-
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Das Problem der
Weltanschauung
schaft noch Ausbildung einer Weltanschauung noch Verkündig u n g e i n e r E t h i k ist, w a s leistet sie d a n n , w a s t u t sie? P h i l o s o p h i e p h i l o s o p h i e r t . D a s sagt n u r : Sie k a n n u n d m u ß aus sich selbst b e g r i f f e n w e r d e n ; n u r i m P h i l o s o p h i e r e n w i r d P h i losophie verstanden. P h i l o s o p h i e ist e i g e n e n Wesens, w a s n i c h t a u s s c h l i e ß t zu sag e n , sie ist W e l t a n s c h a u u n g q u a H a l t u n g . (Vgl. u n t e n S. 386) D e n n diese Aussage gibt k e i n e D e f i n i t i o n in d e m Sinn, als sei » W e l t a n s c h a u u n g « die a l l g e m e i n e o b e r s t e G a t t u n g s b e s t i m m u n g f ü r die P h i l o s o p h i e , als w o l l t e n w i r jetzt d i e a l l g e m e i n e G a t t u n g s b e s t i m m u n g »Wissenschaft« ersetzen durch »Weltans c h a u u n g « , so w i e in d e r g e w ö h n l i c h e n M e i n u n g W i s s e n s c h a f t die G a t t u n g s i d e e darstellt. W i r s a g e n n i c h t : P h i l o s p h i e ist e i n e F o r m v o n W e l t a n s c h a u u n g u n t e r a n d e r e n . Dieses »ist« h a t h i e r seine eigene Bedeutung. I n w e l c h e m S i n n u n d in w e l c h e r Weise ist d e n n e i n e P h i l o s o p h i e W e l t a n s c h a u u n g , u n d z w a r als H a l t u n g ? D i e A n t w o r t k a n n n i c h t allzu s c h w e r sein, m ö c h t e m a n e r w i d e r n , vor a l l e m sind w i r d o c h n i c h t so ratlos ausgesichts der- F r a g e , was P h i l o s o p h i e leistet; d e n n w i r h a b e n i h r d o c h auf d e m e r s t e n W e g z u g e w i e s e n die S e i n s f r a g e , das S e i n s p r o b l e m , d i e H e r a u s a r b e i t u n g d e r S e i n s m ö g l i c h k e i t e n u n d d e r S e i n s v e r f a s s u n g d e r vers c h i e d e n e n Bezirke des S e i e n d e n . D a s ist doch A u f g a b e g e n u g . So w ä r e jetzt n u r d i e Frage: W i e v e r h ä l t sich die P h i l o s o p h i e als F r a g e n a c h d e m Sein dazu, d a ß sie W e l t a n s c h a u u n g ist? L ä ß t sich a m E n d e n i c h t die A r t u n d Weise, w i e P h i l o s o p h i e Welta n s c h a u u n g ist, d a r a u s e n t n e h m e n , d a ß sie u n d w i e sie das S e i n s p r o b l e m stellt? Allein, so d ü r f e n w i r n i c h t v o r g e h e n , d. h. w i r d ü r f e n n i c h t aus d e m E r g e b n i s des e r s t e n W e g e s das R e s u l t a t des z w e i t e n a b l e i t e n , s o n d e r n d e r z w e i t e W e g soll f ü r sich z u m P h i l o s o p h i e r e n b r i n g e n , u n d das h e i ß t f r e i l i c h , m i t d e m e r s t e n z u s a m m e n l a u f e n . W i r k ö n n e n u n d m ü s s e n u n s z w a r a m e r s t e n o r i e n t i e r e n (vgl. T r a n szendenz u n d Seinsproblem), aber nicht i m Sinne einer Ableitung d e r » E r g e b n i s s e « . W i r d ü r f e n also n i c h t f r a g e n : W i e l ä ß t sich aus
S 43. Haltung
und
Philosophie
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d e m C h a r a k t e r d e r P r o b l e m a t i k des S e i n s p r o b l e m s e r s c h l i e ß e n d i e A r t u n d Weise, w i e P h i l o s o p h i e W e l t a n s c h a u u n g ist, s o n d e r n w i r m ü s s e n z u n ä c h s t u m g e k e h r t v o r g e h e n u n d f r a g e n : L ä ß t sich aus d e m W e s e n d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g d e u t l i c h m a chen, inwiefern m i t ihr notwendig das geschieht, was wir Philos o p h i e r e n n a n n t e n ? L ä ß t sich aus d e m W e s e n d e r H a l t u n g a u f h e l l e n , d a ß i n i h r u n d w i e i n i h r das S e i n s p r o b l e m n o t w e n d i g w a c h wird? I n w i e f e r n l i e g t i n d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g , u n d w e s e n s n o t w e n d i g n u r i n i h r , d i e f r e i e M ö g l i c h k e i t d e r ausd r ü c k l i c h e n A u s a r b e i t u n g des S e i n s p r o b l e m s , d . h . die M ö g l i c h k e i t des a u s d r ü c k l i c h e n P h i l o s o p h i e r e n s ? I n d e r B e r g u n g v e r l e g t sich das D a s e i n i n das G a n z e des Seie n d e n u n d f i n d e t in i h m s e i n e G e b o r g e n h e i t . D a s S e i e n d e i m G a n z e n ist das H a l t e n d e u n d d e r H a l t . I n d e r H a l t u n g d a g e g e n ist d e r H a l t n i c h t i m G a n z e n des S e i e n d e n , s o n d e r n i m D a s e i n , dieses f r e i l i c h als gestreutes, a l l e i n n i c h t e t w a i n E n t s p r e c h u n g zur Berg u n g , als w ä r e H a l t u n g e i n e Art v o n B e r g u n g , n u r e b e n jetzt i n sich selbst. D i e H a l t g e w i n n u n g h a t i n d e r H a l t u n g ü b e r h a u p t n i c h t d e n C h a r a k t e r d e r B e r g u n g . D e r H a l t w i r d n i c h t in u n d a n e i n e m S e i e n d e n u n d sei es d a s D a s e i n g e n o m m e n , s o n d e r n die H a l t u n g ist d a d u r c h a u s g e z e i c h n e t , d a ß h i e r das d e n H a l t Verleih e n d e e i n e n a n d e r e n C h a r a k t e r h a t : D e r H a l t g e s c h i e h t i m Sein des Daseins. D a s G e s c h e h e n des S i c h h a l t e n s i m I n - d e r - W e l t - s e i n ist n i c h t ein H a l t n e h m e n f ü r das D a s e i n in e i n e m a n d e r e n . Weil jetzt das G e s c h e h e n des S i c h h a l t e n s als I n - d e r - W e l t - s e i n w e s e n t l i c h ist, k o m m t d i e A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t d e m Seiend e n ins Spiel. D a s V e r h a l t e n z u m S e i e n d e n a n i h m selbst w i r d e n t s c h e i d e n d , die Ü b e r w i n d u n g d e r Ü b e r m ä c h t i g k e i t des Seie n d e n d e r a r t , d a ß d a b e i dieses S e i e n d e a n i h m selbst v o m D a s e i n h e r in dessen H e r r s c h a f t g e n o m m e n w e r d e n soll. A u c h w e n n es sich n o c h g a r n i c h t u m e i g e n s a u s g e b i l d e t e u n d g a r als solche b e g r i f f e n e W i s s e n s c h a f t h a n d e l t , so ist das V e r h a l t e n z u m S e i e n d e n als V e r h a l t e n zu . . . d a r a u f aus, o f f e n b a r zu m a c h e n , w a s u n d w i e das S e i e n d e ist. N i c h t u m e i n e S u m m e v o n W i s s e n s w e r t e m l e d i g l i c h zu r e g i s t r i e r e n u n d zu s a m m e l n g e h t es,
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Das Problem der
Weltanschauung
s o n d e r n diese W a h r h e i t ist u n m i t t e l b a r e s M o m e n t des f a k t i s c h e n S i c h h a l t e n s i n m i t t e n des S e i e n d e n . I n i h r v o l l z i e h t sich m i t das I n - d e r - W e l t - s e i n . Dieses S i c h a u s k e n n e n w o l l e n in d e m , was je u n d w i e das S e i e n d e ist, b e g i n n t n i c h t i r g e n d w o i n e i n e r z u f ä l l i g e n k l e i n e n E c k e des w e i t e n Bereichs des o f f e n b a r e n S e i e n d e n , s o n d e r n setzt gleichzeitig in a l l e n G e b i e t e n ein, die f ü r das D a s e i n w e s e n t l i c h sind, d . h . i m G a n z e n d e r B e z ü g e s e i n e r S t r e u u n g . J e d e besond e r e u n d e i n z e l g e r i c h t e t e N a c h f o r s c h u n g e r w ä c h s t aus d e m G a n z e n u n d i m G a n z e n . D a r i n l i e g t a b e r , das G a n z e des Seiend e n selbst ist es zugleich, das i n d e m , w a s es ist u n d w i e es ist, v e r s t a n d e n sein will.
§ 44. In der Weltanschauung als Haltung bricht das Seinsproblem auf D i e H a l t u n g , die i m m e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t d e m S e i e n d e n i m G a n z e n ist, m u ß i n solcher A u s e i n a n d e r s e t z u n g des G a n z e n des S e i e n d e n a n i h m selbst i r g e n d H e r r w e r d e n . D a s S e i e n d e i m G a n z e n a n i h m selbst w i r d z u r F r a g e i n d e m , w a s es sei. M i t dieser F r a g e n a c h d e m S e i e n d e n als S e i e n d e n b r i c h t a u s d r ü c k lich das S e i n s p r o b l e m auf. I n d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g , d . h . i n d e r A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t d e m S e i e n d e n , l i e g t notw e n d i g ein W a c h w e r d e n des S e i n s p r o b l e m s , d . h . dessen, w a s wir Philosophieren nannten. H i e r b e i ist es n u n w i c h t i g , g e r a d e i m H i n b l i c k auf diesen U r s p r u n g des S e i n s p r o b l e m s aus d e m U r s p r u n g d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g , die u r s p r ü n g l i c h e G e s t a l t des Seinsprobl e m s i n s e i n e r g a n z e n U r s p r ü n g l i c h k e i t , W e i t e u n d G r ö ß e zu b e w a h r e n u n d nicht durch eine spätere einseitige u n d abgefall e n e F o r m d e r A u s b i l d u n g v o n v o r n h e r e i n zu z e r b r e c h e n . Es gilt h i e r e i n a l l g e m e i n e s Wesensgesetz d e r Genesis, d a ß das u r s p r ü n g l i c h A n f ä n g l i c h e n i c h t , w i e die positivistische W i s s e n s c h a f t v o r g i b t , das E i n f a c h e , N i e d r i g e u n d A r m e ist, s o n d e r n das
§ 44. Weltanschauung
als Haltung
und das Seinsproblem
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Verwickelte, H ö c h s t e u n d R e i c h s t e , u n d d a ß a l l e G e n e s i s je n u r e i n e b e s t i m m t g e r i c h t e t e A u s f o r m u n g ist, die a u f K o s t e n i h r e r B e s t i m m t h e i t n i e w i e d e r die G r ö ß e des U r s p r u n g s z u r ü c k g e w i n n t . D a s besagt, d a ß g e r a d e a m A n f a n g u n d g e w i s s e r m a ß e n bei d e r G e b u r t d e r P h i l o s o p h i e d i e w e s e n h a f t e F ü l l e des Prob l e m s g e s u c h t w e r d e n m u ß . So a u c h h i e r b e i m S e i n s p r o b l e m . W e n n das S e i n s p r o b l e m n o t w e n d i g e r w a c h t m i t d e m G e s c h e h e n d e r H a l t u n g , d. h . m i t d e r G e n e s i s dieser z w e i t e n F o r m d e r W e l t a n s c h a u u n g aus d e r e r s t e n , d e r B e r g u n g , u n d w e n n diese n i c h t e i n f a c h a b g e s t o ß e n w i r d , s o n d e r n als g e w e s e n e M ö g l i c h k e i t i h r e spezifische K r a f t b e h ä l t , d a n n ist klar, d a ß n u n a u c h die erste k o n k r e t e F o r m des S e i n s p r o b l e m s b e s t i m m t sein m u ß d u r c h die G e n e s i s d e r sich a u s e i n a n d e r s e t z e n d e n H a l t u n g a u s d e r B e r g u n g . Auf d e n U r s p r u n g d e r P h i l o s o p h i e a u s d e m M y t h o s — u m n i c h t s a n d e r e s h a n d e l t es sich — ist m a n i m m e r s c h o n a u f m e r k s a m g e w o r d e n , vor a l l e m s c h o n d i e G r i e c h e n selbst; a b e r das h e i ß t n u r , d a ß alles P h i l o s o p h i e r e n selbst, g e m ä ß s e i n e r e i g e n e n M ö g l i c h k e i t , sich dieses w e s e n h a f t e n U r s p r u n g s i m m e r w i e d e r v e r s i c h e r n , d . h . v o n d a s i c h . i h r s e l b s t i h r volles W e s e n g e b e n m u ß . D a ß das n u n i m m e r g e s c h a h u n d g e s c h i e h t , w e n n von d e m Ursprung der Philosophie aus d e m Mythos gehandelt wird, k a n n nicht gesagt werden, a) D a s E r w a c h e n des S e i n s p r o b l e m s aus d e r W e l t a n s c h a u u n g i m M y t h o s , als B e r g u n g W i r wissen v o n d e n ä l t e s t e n a n t i k e n P h i l o s o p h e n W e n i g e s u n d n u r B r u c h s t ü c k h a f t e s , a b e r g e n u g , u m W e s e n t l i c h e s zu e r k e n n e n . W e n n sie n a c h d e m S e i e n d e n i m G a n z e n f r a g e n u n d g l e i c h s a m z u m e r s t e n m a l d e n A r m a u f h e b e n g e g e n das S e i e n d e u n d seine n o c h n a c h d ä m m e r n d e U b e r m ä c h t i g k e i t , u m es a n i h m selbst zu g e w i n n e n , d a n n s t e h e n sie m i t solchen F r a g e n g l e i c h s a m selbst n o c h g a n z i n m i t t e n dies S e i e n d e n u n d f r a g e n n a c h i h m , i n d e m sie s e i n e n U r - a n f a n g e r k u n d e n . D e n n das Ü b e r m ä c h t i g e als G a n z e s ist es, w a s sie s c h l e c h t h i n i m m e r
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Das Problem der
Weltanschauung
s c h o n a n t r e f f e n . Dieses » I m m e r - s c h o n « k a n n f ü r sie n u r h e i ß e n : mächtig u n d geschehend von Urzeiten her, von einem unerg r ü n d l i c h e n Alter. W e n n sie d e m S e i e n d e n a n i h m selbst n a c h f r a g e n , m u ß i h r e F r a g e g e h e n n a c h d e m U r a n f a n g des S e i e n d e n , s e i n e r U r g e s c h i c h t e , n a c h d e r άρχή. I n d e r F r a g e n a c h d e m U r a n f a n g des G e s c h e h e n s des S e i e n d e n ist d i e r e i n e M y t h o l o g i e s c h o n verlassen, s o f e r n e i n e a u s e i n a n d e r s e t z e n d e F r a g e l e b e n d i g g e w o r d e n ist. D i e M y t h o l o g i e ist n o c h da, s o f e r n die B a h n dieses F r a g e n s n o c h v o m m y t h i s c h e n D a s e i n vorgezeichnet wird. Die Antwort wird gegeben in irgendeiner Theogonie oder K o s m o g o n i e . Allein, w i r s e h e n schon, d i e A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t d e m S e i e n d e n b e s c h r ä n k t sich w e d e r auf e i n e k l e i n e Ecke, n o c h ist sie n u r solche, w i e w i r sie e b e n k e n n z e i c h n e t e n . D i e A u s e i n a n d e r s e t z u n g b e h e r r s c h t das D a s e i n d u r c h u n d d u r c h , d. h. g e r a d e i n s e i n e n n ä c h s t e n V e r r i c h t u n g e n u n d M ö g l i c h k e i t e n , in d e r B e h e r r s c h u n g d e r N a t u r , b e i d e r S c h i f f a h r t , F e l d b e s t e l l u n g oder b e i m S t ä d t e b a u . I n solcher a u s e i n a n d e r s e t z e n d e n V e r h a l t u n g z u m S e i e n d e n o f f e n b a r t sich dieses i n e i n e r - n e u e n Weise. Geg e n ü b e r d e m , w a s v o r d e m sich d u r c h M a g i e u n d Z a u b e r einstellte, o h n e d a ß d e r M e n s c h w u ß t e u n d wissen w o l l t e wie, b e g e g n e t jetzt Seiendes, das i n f r e i e r H e r s t e l l u n g , B e s c h a f f u n g u n d B e a r b e i t u n g g e r a d e zu d e m S e i e n d e n w i r d , als welches es benötigt war. I m freien Herstellen i m weitesten Sinne offenbart sich m e h r oder m i n d e r klar, b e g r i f f l i c h fast n o c h u n b e s t i m m t , d a ß S e i e n d e s solches ist, w a s h e r - g e s t e l l t ist u n d h e r - g e s t e l l t zur V e r f ü g u n g s t e h t , v o r - h a n d e n ist. B e z i e h u n g s w e i s e u m g e k e h r t : D a s G a n z e des S e i e n d e n , das da i n s e i n e r Ü b e r m a c h t sich bek u n d e t , ist V o r h a n d e n e s u n d als solches i r g e n d w i e H e r g e s t e l l tes. W e n n d e m n a c h i n n e r h a l b dieser a u s e i n a n d e r s e t z e n d e n herstellenden H a l t u n g zum Seienden ausdrücklich nach diesem i m G a n z e n a n i h m selbst g e f r a g t w i r d , so ist es i m - v o r h i n e i n v e r s t a n d e n als V o r h a n d e n e s i m G a n z e n , H e r g e s t e l l t e s , i r g e n d w i e H e r g e k o m m e n e s . W e n n also d i e a l l g e m e i n e F r a g e w a c h w i r d , w a s das S e i e n d e sei u n d w i e es sei, d a n n k o m m t diese
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44. Weltanschauung
als Haltung
und das Seinsproblem
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F r a g e in die B a h n e n : W o r a u s ist es h e r g e s t e l l t , w o r a u s b e s t e h t es, w e l c h e s sind d i e U r b e s t a n d t e i l e u n d w o d u r c h ist es e n t s t a n d e n ? D i e F r a g e n a c h d e m , w a s das S e i e n d e sei, h a t n o t w e n d i g w i e d e r die R i c h t u n g auf e i n W o h e r , άρχή, a b e r άρχή jetzt n i c h t i m S i n n e v o n m y t h i s c h e m U r a n f a n g , s o n d e r n v o m W o r a u s des B e s t e h e n s , U r s t o f f , u n d d e m W o d u r c h , U r k r a f t - dieses f r e i l i c h n i c h t i n e i n e m t h e o r e t i s c h e n M a t e r i a l i s m u s u n d C h e m i s m u s des 19. Jahrhunderts genommen. D i e zweite F o r m des F r a g e n s n a c h d e m S e i e n d e n i m G a n z e n , n a c h d e r άρχή i n d e r z w e i t e n B e d e u t u n g , b l e i b t u n m i t t e l b a r v e r s c h l u n g e n m i t d e r e r s t e n . N u r w e i l dieser Z u s a m m e n h a n g b e s t e h t , d . h . w e i l a u c h die s c h e i n b a r r e i n aus d e m a u s e i n a n d e r setzenden Verhalten entspringende Fragerichtung noch m i t der e r s t e n v e r w a c h s e n b l e i b t , diese a b e r als m y t h i s c h e i h r altes R e c h t u n d G e w a l t h a t , d e s h a l b k a n n d i e z w e i t e erst sich a n - u n d durchsetzen. So vollzieht sich m i t d e r A u s b i l d u n g der W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g , w e i l sie A u s e i n a n d e r s e t z u n g ist, e i n A n r e n n e n g e g e n das S e i e n d e i m G a n z e n , e i n A n r e n n e n i n d e r n u n n i c h t m e h r w e i c h e n d e n F r a g e , w a s das S e i e n d e u n d w i e es sei. W e i l dieses F r a g e n z u m D a s e i n als s o l c h e m g e h ö r t , das D a s e i n in d e r H a l t u n g a b e r i n e i n e m a u s d r ü c k l i c h e n S i n n e sich zu sich selbst v e r h ä l t , w i r d dieses F r a g e n selbst m i t in die a l l g e m e i n e F r a g e n a c h d e m S e i e n d e n e i n g e s t e l l t . A n d e r s gesagt: W e i l es e i g e n s g e h t u m die O f f e n b a r k e i t dessen, w a s das S e i e n d e ist, d i e Off e n b a r k e i t des S e i e n d e n i m G a n z e n a n i h m selbst, w i r d diese O f f e n b a r k e i t selbst i n d e n U m k r e i s des F r a g e n s g e d r ä n g t , u n d z w a r g a r n i c h t zuerst i m S i n n e e i n e r f o r m a l e n R e f l e x i o n auf die M e t h o d e der Frage nach d e m Seienden, sondern in der fast noch m y t h i s c h e n F o r m , d a ß d i e W a h r h e i t als G ö t t i n die W e g e des F r a g e n s zur E n t s c h e i d u n g v o r g i b t u n d d e n r e c h t e n f ü h r t — so bei P a r m e n i d e s . D i e f r a g e n d e A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t d e m Seiend e n i m G a n z e n ist fest a u f i h r e n e i g e n e n W e g gestellt u n d v e r l a u f e n d i n m i t t e n dieses S e i e n d e n . Allein, m i t d e m O f f e n b a r w e r d e n des W e g e s u n d des S t a n d o r t e s des F r a g e n s e r h e l l t sich
386
Das Problem der
Weltanschauung
zugleich d e u t l i c h e r das, w o n a c h i m S i n n e d e r F r a g e n a c h d e r άρχή g e f r a g t ist, w a s d e n n a m S e i e n d e n als S e i e n d e n g e s u c h t w i r d , w e n n g e f r a g t w i r d n a c h d e m , w a s das S e i e n d e v o n altersh e r w a r u n d w o d u r c h es m ö g l i c h w u r d e . D a s S e i e n d e w a r i m m e r s c h o n als S e i e n d e s d u r c h Sein b e s t i m m t , i n n e r l i c h m ö g lich d u r c h Sein. N u r l a n g s a m , s c h w e r u n d in s t ä n d i g e n R ü c k f ä l l e n g e w i n n t diese A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t d e m S e i e n d e n i m G a n z e n e i n e r e l a t i v e K l a r h e i t ü b e r sich selbst, d . h . ü b e r das, w o n a c h die F r a g e s t e h t , WEIS das Sein des S e i e n d e n selbst sei, ü b e r das S u c h e n P i a t o n s , das S e i n s p r o b l e m , δντως ôv. b) G e s c h i c h t l i c h e F o r m e n d e r A u s b i l d u n g v o n P h i l o s o p h i e aus d e r W e l t a n s c h a u u n g als B e r g u n g u n d H a l t u n g N u n k e h r e n w i r a n d e n A u s g a n g u n s e r e r F r a g e zurück. Was h e i ß t : P h i l o s o p h i e ist W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g ? Es h e i ß t : P h i l o s o p h i e g r ü n d e t in i h r e r i n n e r e n M ö g l i c h k e i t i n solcher Weltanschauung. Nicht aber u m g e k e h r t : Die H a l t u n g erschöpft sich n i c h t d a r i n , P h i l o s o p h i e r e n zu sein, i m G e g e n t e i l , sie ist das zumeist gar nicht u n d wenn, d a n n eine eigentümliche Modifik a t i o n . (Vgl. u n t e n , G r u n d - h a l t u n g . ) M i t d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g g e s c h i e h t P h i l o s o p h i e r e n . W i r s u c h t e n das zu zeig e n d u r c h d e n N a c h w e i s , d a ß m i t d e m G e s c h e h e n d e r Auseina n d e r s e t z u n g n o t w e n d i g das S e i n s p r o b l e m e r w a c h t . D a s b e s a g t a b e r zugleich: Dieses S e i n s p r o b l e m als solches ist selbst n u r i n n e r l i c h m ö g l i c h i n e i n e m D a s e i n , dessen I n - d e r - W e l t - s e i n prim ä r d u r c h H a l t u n g b e s t i m m t ist. A n d e r s gesagt: Es g i b t k e i n s o g e n a n n t e s p h i l o s o p h i s c h e s P r o b l e m a n sich, n a c h d e m jeder Beliebige beliebig greifen kann. (Wenn dergleichen scheinbar g e s c h i e h t , so ist n o c h n i c h t v e r b ü r g t , d a ß w e r i m R a h m e n u n d i n d e r n o t w e n d i g e n T e c h n i k solchen F r a g e n s sich e r g e h t , » P h i losophie t r e i b t « , i m S i n n e des F r a g e n s p h i l o s o p h i e r t . ) E i n e e x t r e m e A u f f a s s u n g des B e s t a n d e s v o n P r o b l e m e n a n sicfh f i n d e t sich h e u t e bei Nicolai H a r t m a n n . D a s S e i n s p r o b l e m h a t d i e i n n e r e -Möglichkeit s e i n e r selbst
§
44. Weltanschauung
als Haltung
und das Seinsproblem
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als P r o b l e m i m D a s e i n als H a l t u n g . D a ß das n i c h t v e r s t a n d e n w i r d bzw. daß, w e n n a u f d e r g l e i c h e n h i n g e w i e s e n w i r d , m a n m e i n t , das sei p s y c h o l o g i s c h e E r k l ä r u n g d e r P r o b l e m e a n sich u n d d a m i t v e r b a l w i s s e n s c h a f t l i c h e [?] Verwässerung, ist n i c h t zufällig. Es h a t s e i n e n G r u n d d a r i n , d a ß die P r o b l e m a t i k d e r P h i l o s o p h i e n i c h t aus i h r e m u r s p r ü n g l i c h e n G r u n d e v e r s t a n den wird, sondern i m R a h m e n u n d in der Orientierung an den t e c h n i s c h e n M i t t e l n i h r e r A u s b i l d u n g . A r c h i t e k t o n i k d e r Disziplinen. In der Auseinandersetzung m i t d e m Seienden erwächst notw e n d i g das O f f e n b a r m a c h e n u n d B e s t i m m e n d e s S e i e n d e n a n i h m selbst, das B e s t i m m e n des S e i e n d e n als d a s u n d das; es e r w ä c h s t das b e g r i f f l i c h e E r k e n n e n . D a m i t a b e r e r h ä l t die schon geschehende Sprache ein neues Gewicht in der R i c h t u n g einer Differenzierung ihres Bedeutungsbestandes. Das Sprachg a n z e selbst f u n g i e r t als g l e i c h s a m o b j e k t i v g e s c h e h e n d e r N i e d e r s c h l a g d e r W a h r h e i t des S e i e n d e n . S p r a c h e , Wort, B e d e u t u n g , S i n n , G e m e i n t e s , S e i e n d e s s e l b s t s i n d i n gewisser W e i s e e i n u n d dasselbe, v e r t a u s c h b a r . D e r λόγος ist d e r R e p r ä s e n t a n t des S e i e n d e n selbst. D i e G r u n d f o r m d e r Sprach«, das W o r t u n d die S a t z b i l d u n g , N o m i n a u n d Aussagesätze w e r d e n z u m L e i t f a d e n d e r B e s t i m m u n g des S e i e n d e n als s o l c h e m , z u m L e i t f a d e n des v o r h i n c h a r a k t e r i s i e r t e n S e i n s p r o b l e m s . D a b e i ist f e s t z u h a l t e n , d a ß das S e i n s p r o b l e m n o c h g a n z e i n g e s e n k t ist in die A u f g a b e d e r e r k e n n e n d e n A u s e i n a n d e r s e t z u n g mit d e m Seienden im Ganzen, nicht abgehoben gegen Wissens c h a f t e n , s o n d e r n u m g e k e h r t : D i e s e e n t s t e h e n n u n allererst; sie sind e i n e F o l g e dieser H a l t u n g als A u s e i n a n d e r s e t z u n g . D i e s e r i c h t e t sich auf d i e n ä c h s t e n u n d g r o ß e n Bezirke des S e i e n d e n : N a t u r , H i m m e l , R a u m , Z a h l , M e n s c h selbst ( M e d i z i n ) , ja, sie g e w i n n t n u n erst Bezirke. So g e s c h i e h t m i t d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g n o t w e n d i g Auseinandersetzung m i t d e m Seienden i m Ganzen, Philosop h i e r e n . Dieses a b e r l ä ß t n o t w e n d i g e i n D o p p e l t e s e n t s p r i n g e n : 1. g e s o n d e r t g e r i c h t e t e Versuche d e r B e h e r r r s c h u n g u n d B e s t i m -
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Das Problem der
Weltanschauung
m u n g des S e i e n d e n n a c h e i n z e l n e n B e z i r k e n , p o s i t i v e s E r k e n n e n , W i s s e n s c h a f t . 2. a l l g e m e i n e B e s i n n u n g auf das Seiende als solches, so zwar, d a ß d a b e i d e r Logos i n d e n V o r d e r g r u n d als Milieu u n d Leitfaden der Problematik tritt. I m G e f o l g e d e r P h i l o s o p h i e b i l d e n sich aus W i s s e n s c h a f t e n u n d L o g i k ; diese h a b e n a b e r in sich g e r a d e d i e T e n d e n z , als R i e h t - u n d W e r k z e u g zu d i e n e n , d . h . d i e A u s e i n a n d e r s e t z u n g des E r k e n n e n s m i t d e m S e i e n d e n » t e c h n i s c h « zu m a c h e n . H i e r zeigt sich n u n dasselbe Gesetz w i e i n d e r e r s t e n G r u n d f o r m d e r Weltanschauung, i m mythischen Dasein. Dort veröffentlicht sich d i e B e r g u n g i n d e n B e t r i e b der H e i l s m i t t e l u n d - w e g e ; h i e r v e r ö f f e n t l i c h t sich, u n d z w a r n o t w e n d i g , das P h i l o s o p h i e r e n i n diese F o r m e n d e r e r k e n n e n d e n A u s e i n a n d e r s e t z u n g . D i e s e sind z w a r n o t w e n d i g b e i aller k o n k r e t e n E r f o r s c h u n g des S e i e n d e n ; a b e r n i c h t n o t w e n d i g ist, d a ß diese v e r ö f f e n t l i c h t e n F o r m e n als solche n u n u m g e k e h r t d a s j e n i g e p r i m ä r b e s t i m m e n , in dessen G e f o l g s c h a f t sie a l l e i n m ö g l i c h u n d n o t w e n d i g sind. D u r c h L o gik u n d W i s s e n s c h a f t w i r d jetzt die i n n e r e F o r m d e r Philosop h i e n i c h t n u r selbst v e r ä u ß e r l i c h t , s o n d e r n v o n sich selbst f e r n g e h a l t e n . A b e r dieses g e s c h i e h t n i c h t zufällig, als E i g e n t ü m l i c h k e i t d e r P h i l o s o p h i e oder d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g , s o n d e r n a u c h bei d e r B e r g u n g ; also s i n d z u m D a s e i n als s o l c h e m g e h ö r i g Verfallen, v e r s c h i e d e n e A b w a n d l u n g e n , — a b e r W e s e n s b e s t i m m u n g des D a s e i n s (Sorge). Alle g r o ß e n A n s t r e n g u n g e n d e r a b e n d l ä n d l i s c h e n Philosop h i e g e l t e n d e m B e m ü h e n , dieser M a c h t d e r L o g i k 1 selbst H e r r zu w e r d e n ; a b e r das g e s c h i e h t so, d a ß sie selbst g e w i s s e r m a ß e n ins H a u s g e n o m m e n u n d i h r alle H e r r s c h a f t ü b e r t r a g e n w i r d — H e g e l . N u r ein g a n z sporadischer Versuch f i n d e t sich bei K a n t , v o n i h m selbst v e r l e u g n e t u n d a u c h n u r zu s e h e n , w e n n m a n d e r k a n t i s c h e n P r o b l e m a t i k v o n r a d i k a l e r e r F r a g e s t e l l u n g aus so
1 Logik: ratio — Descartes Mathematik und Sorge der Gewißheit - von hier das cogito. Bewußtsein — Vernunft des Apriori — zwei Motive für Idee der Vernunftwissenschaft als Philosophie.
§ 44. Weltanschauung
als Haltung
und das Seinsproblem
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w e i t als m ö g l i c h e n t g e g e n k o m m t , w a s P r i n z i p d e r I n t e r p r e t a tion sein m u ß . Was a b e r e n t s c h e i d e n d ist i n d i e s e n Ü b e r l e g u n g e n : Es gilt d i e E i g e n t ü m l i c h k e i t , P r o b l e m a t i k u n d G r e n z e dessen zu s e h e n , w a s ich die aristotelische S i t u a t i o n n e n n e , d . h . d i e F o r m des a n t i k e n P h i l o s o p h i e r e n s a u f dieser H ö h e n l a g e . D a s Seinsprobl e m als F r a g e n a c h d e m S e i e n d e n i m G a n z e n , dieses a b e r zugleich als F r a g e n a c h d e m S e i e n d e n als s o l c h e m , diese Prob l e m a t i k ist d i e j e n i g e d e r e r s t e n P h i l o s o p h i e , d . h . d e s P h i l o s o p h i e r e n s in e r s t e r L i n i e , d . h . d e r u r s p r ü n g l i c h e n u n d g a n z e n erkennenden Auseinandersetzung m i t d e m Seienden. Hier ents c h e i d e t sich das Schicksal d e r a b e n d l ä n d i s c h e n P h i l o s o p h i e , sie w i r d zur M e t a p h y s i k , w i e w i r sie d a n n bei K a n t a n t r e f f e n . F ü r d e r e n G e s c h i c h t e w e s e n t l i c h ist das E i n d r i n g e n des C h r i s t e n t u m s i n die P h i l o s o p h i e b z w . d e r e n D i e n s t f ü r jenes. (Seele, Welt, Gott, B e r g u n g ) . D i e s e F o r m d e r B e r g u n g b e s t i m m t d i e i n n e r e G e s t a l t des m e t a p h y s i s c h e n P r o b l e m s , d e r F r a g e n a c h d e m S e i e n d e n i m G a n z e n . D i e P r o b l e m e sind i n diese S y s t e m a t i k e i n g e z w ä n g t ; sie l e b e n n u r n o c h so weit, als i h n e n dieser R a h m e n R a u m l ä ß t , u n d sie w e r d e n i m m e r n u r aus d i e s e m h e r a u s gestellt; endlose A b w a n d l u n g e n , P r o g r a m m e , e n t w u r zelt. 2 A u c h die k o n k r e t e g e s c h i c h t l i c h e G e s t a l t d e r G e s c h i c h t e d e r a b e n d l ä n d i s c h e n P h i l o s o p h i e ist so das D o k u m e n t d a f ü r , d a ß P h i l o s o p h i e r e n , w e n n w i r es v o m S e i n s p r o b l e m h e r v e r s t e h e n , s e i n e r M ö g l i c h k e i t n a c h g r ü n d e t i m D a s e i n , dessen I n - d e r W e l t - s e i n p r i m ä r d u r c h H a l t u n g b e s t i m m t ist. W i r d r ü c k e n das so aus, d a ß w i r sagen: P h i l o s o p h i e r e n ist W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g . H a b e n w i r d a m i t jetzt die volle A n t w o r t a u f die F r a g e , die u n s auf d e m z w e i t e n W e g leitete? Ist das V e r h ä l t n i s v o n W e l t a n s c h a u u n g u n d P h i l o s o p h i e d u r c h g ä n g i g klargestellt? Allein, e r i n n e r n w i r u n s w o h l ; d e n n w i r w o l l t e n ja n i c h t f r a g e n 2
Freilich auch hier ist noch Anweisung auf ursprüngliche Problematik. Gliederung der Metaphysik; aber aus dieser selbst nicht zu entnehmen.
390
Das Problem der
Weltanschauung
n a c h d e m V e r h ä l t n i s zweier a n sich v o r g e g e b e n e r G r ö ß e n , sond e r n — d u r c h die W e s e n s k l ä r u n g d e r W e l t a n s c h a u u n g h i n d u r c h — das P h i l o s o p h i e r e n k o n k r e t e r e i n l e i t e n u n d d . h . ein V e r s t e h e n desselben i m G a n z e n gewinnen. Auf d e m e r s t e n W e g e r g a b sich uns: P h i l o s o p h i e r e n ist Stellen, Ausbilden u n d Bewältigung der Seinsfrage; wir h a b e n gleichsam e r f a h r e n , w a s i n d e r P h i l o s o p h i e a b g e h a n d e l t w i r d . Jetzt h ö r e n wir: P h i l o s o p h i e r e n ist W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g , d. h . dieses A b h a n d e l n ist n u r m ö g l i c h a u f d e m G r u n d e d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g . W i r h ö r e n n i c h t s d a r ü b e r , v o n was g e h a n d e l t w i r d , s o n d e r n w i e dieses H a n d e l n i n s e i n e m Vollzug m ö g l i c h ist, w a s es in sich zu s e i n e m Vollzug voraussetzt, oder, w e n n w i r es ganz f o r m a l i s t i s c h fassen, d ü r f t e m a n sagen: Auf d e m e r s t e n W e g f a n d e n w i r d e n » I n h a l t « d e r P h i l o s o p h i e , das S e i n s p r o b l e m , jetzt die F o r m , W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g . W i r m a c h t e n also n i c h t H a l t bei d e r C h a r a k t e r i s i e r u n g d e r P h i l o s o p h i e als S t e l l e n d e r Seinsfrage. W i r gaben ihr eine reichere Bestimmung. Allein, d a v o n zu s c h w e i g e n , d a ß solche F o r m e l n i m m e r d e m Verdacht einer voreiligen Gewaltsamkeit unterliegen, wir d ü r f e n n i c h t vergessen, d a ß w i r s a g t e n , die W e g e sollten je f ü r sich z u m Ganzen der Philosophie f ü h r e n ; m i t h i n m u ß auch der zweite W e g u n s i n h a l t l i c h s a g e n , w a s in d e r P h i l o s o p h i e g e s c h i e h t . Vor a l l e m a b e r h a b e n w i r schon a m E n d e des e r s t e n W e g e s vorgreif e n d gesagt: P h i l o s o p h i e r e n ist a u s d r ü c k l i c h e s T r a n s z e n d i e r e n . Was das sagt, sollte g e r a d e d e r z w e i t e W e g a u f h e l l e n . I n w i e f e r n verschafft uns der zweite Weg einen ursprünglic h e n E i n b l i c k in diese R i c h t u n g ? S c h o n d a ß w i r b e i d e r I n t e r p r e t a t i o n des W e l t p h ä n o m e n s n o t w e n d i g d a r a u f s t i e ß e n , die C h a r a k t e r i s i e r u n g d e r T r a n s z e n d e n z , w i e sie die a u s s c h l i e ß l i c h e Orientierung a m Seinsproblem nahelegt, grundsätzlich urs p r ü n g l i c h e r zu fassen, d e u t e t d a r a u f h i n , d a ß das S e i n s p r o b l e m n i c h t das G a n z e d e r P r o b l e m a t i k d e r P h i l o s o p h i e e r s c h ö p f t , oder besser gesagt, d a ß w i r das G a n z e , das i n i h m selbst liegt, n o c h n i c h t i n s e i n e m v o l l e n B e s t ä n d e aus i h m e n t r o l l t h a b e n .
VIERTES KAPITEL
Der Zusammenhang von Philosophie und Weltanschauung
§ 45. Seinsproblem
und
Weltproblem
D e r zweite Weg, A u f h e l l u n g des Philosophierens i m D u r c h g a n g d u r c h eine Wesensklärung von W e l t a n s c h a u u n g , gibt u n s selbst eine inhaltliche B e s t i m m u n g d e r Philosophie. W i r stießen dabei auf das P h ä n o m e n der Welt u n d m a c h t e n es freilich n u r so w e i t z u m P r o b l e m , als das gefordert w a r durch die nächste Aufgabe. Aber schon das Wenige, das e r ö r t e r t w e r d e n k o n n t e — Spiel, G e w o r f e n h e i t , Z u s a m m e n h a n g m i t Seinsproblem —, m u ß t e darauf hinweisen, d a ß h i e r e i n e eigene u n d weite Prob l e m a t i k vorliegt, die m i t d e m 'Seinsproblem sich nicht deckt, aber nicht o h n e i n n e r e n Z u s a m m e n h a n g m i t i h m ist. Das Seinsp r o b l e m — in seiner U r s p r ü n g l i c h k e i t g e n o m m e n — entrollt sich n o t w e n d i g zu d e m , was w i r das W e l t p r o b l e m n e n n e n . Auf d e m ersten W e g w a r es n i c h t möglich u n d nicht direkt Aufgabe, das Seinsproblem auseinanderzulegen. N u r einige H a u p t f r a g e n w u r d e n gekennzeichnet. Auch bezüglich des Weltp r o b l e m s k a n n das jetzt n u r so geschehen. Zwar h a b e n w i r ü b e r das Problem der Welt schon einiges e r f a h r e n i m Z u s a m m e n h a n g m i t der Charakteristik des Wesens der Welt als Spiel, aber w i r wollen es jetzt von e i n e m Z u s a m m e n h a n g h e r sichtbar m a chen, der zugleich a n d e u t e n soll, w i e sich das Seinsproblem selbst z u m W e l t p r o b l e m entrollt u n d m i t diesem ein Ganzes ist.
392
Zusammenhang
von Philosophie und
Weltanschauung
a) D i e S e i n s f r a g e als F r a g e n a c h d e m G r u n d u n d das W e l t p r o b l e m Bei d e r K e n n z e i c h n u n g d e r S e i n s f r a g e s t i e ß e n w i r a u f das Prob l e m des U n t e r s c h i e d s v o n S e i e n d e m u n d S e i n ü b e r h a u p t ( o n t o l o g i s c h e D i f f e r e n z ) . W i r s a g t e n : D e r U n t e r s c h i e d ges c h i e h t u n d b r i c h t auf i m U n t e r s c h e i d e n , u n d dieses ist das T r a n s z e n d i e r e n selbst. I n dieser G e s t a l t l i e ß e n w i r das s P r o b l e m auf sich b e r u h e n , o b z w a r n u n e i n e g a n z w e s e n t l i c h e F r a g e h i n ter i h m steht. Besonderes Gewicht legten wir darauf, daß i m V e r h a l t e n z u m S e i e n d e n i m v o r h i n e i n S e i n v e r s t a n d e n ist. »Sein« ist a b e r selbst n i c h t s Seiendes, o b w o h l w i r n i c h t u m h i n k ö n n e n , sogar b e i dieser Aussage zu sagen: S e i n »ist« n i c h t s Seiendes. W i r d e u t e t e n a u c h schon an: W e n n S e i n n i c h t s Seie n d e s ist, ist es d a n n a m E n d e das Nichts? I n gewisser Weise ja, w e n n »Nichts« n i c h t das n i h i l a b s o l u t u m , das s c h l e c h t h i n n i g e N i c h t s besagt, s o n d e r n soviel h e i ß t w i e N i c h t - S e i e n d e s . W e n n das S e i e n d e zwar ist, a b e r n i c h t d a s Sein, w a s »ist« d a n n m i t ihm? W i e k a n n m a n d a n n nach i h m fragen, ü b e r h a u p t Sein z u m P r o b l e m m a c h e n ? So stellt das S e i n als solches u n s e i n e g a n z e i g e n t ü m l i c h e F r a g e , d i e m i t d e n K e r n des S e i n s p r o b l e m s a u s m a c h t , a b e r so, d a ß sich dieses d a b e i z u m W e l t p r o b l e m e n t rollt. D i e F r a g e , w i e es u m das Sein als solches bestellt sei, h a t n u n d a r i n i h r e b e s o n d e r e S c h ä r f e , d a ß i n dieser F r a g e zugleich a u c h u n d zuvor g e f r a g t w e r d e n m u ß , w i e h i e r ü b e r h a u p t n o c h g e f r a g t w e r d e n k ö n n e . H i e r zeigt sich: W e n n w i r d e m Sein selbst nachfragen, f r a g e n wir nach d e m G r u n d . D e m Sein nachfragen h e i ß t » g r ü n d e n « . D a s P r o b l e m des G r u n d e s ist i n d e r t r a d i t i o n e l l e n P h i l o s o p h i e n u r als Satz v o m G r u n d e b e k a n n t , dessen z w e i d e u t i g e S t e l l u n g i n n e r h a l b d e r L o g i k u n d M e t a p h y s i k bek a n n t ist. H i e r a b e r h a n d e l t es sich u m das W e s e n des G r u n d e s , u m d i e F r a g e , w i e so e t w a s w i e G r u n d m i t d e r T r a n s z e n d e n z z u s a m m e n h ä n g t u n d i n w i e f e r n das I n - d e r - W e l t - s e i n als solches auf G r ü n d e b e z o g e n ist. Es gilt d a h e r , z u n ä c h s t a u s e i n a n d e r z u l e g e n das W e s e n des
S 45. Seinsproblem
und Weltproblem
393
G r u n d e s ü b e r h a u p t u n d d i e u r s p r ü n g l i c h e n W e i s e n des G r ü n dens. D a m i t a b e r s t o ß e n w i r e r n e u t a u f das P r o b l e m d e r Welt, u n d es m u ß sich zeigen, i n w e l c h e n w e s e n h a f t e n F o r m e n des I n - d e r - W e l t - s e i n s die T r a n s z e n d e n z e i n G r ü n d e n ist. D a m i t a b e r wird gewonnen der Ursprung f ü r die Möglichkeit der Frage ü b e r h a u p t , d i e M ö g l i c h k e i t des W a r u m ? D a s W a r u m ist a b e r n i c h t e i n e f r e i s c h w e b e n d e F o r m des F r a g e n s ü b e r h a u p t , sond e r n m i t z u m W e s e n d e r T r a n s z e n d e n z , des I n - d e r - W e l t - s e i n s g e h ö r i g . W e n n d e r G r u n d u n d die F r a g e n a c h d e m W a r u m a b e r z u m W e s e n d e r T r a n s z e n d e n z g e h ö r t , d a n n l i e g t es i m T r a n s z e n d i e r e n selbst, n a c h d e m W a r u m zu f r a g e n . D a s T r a n s z e n d i e r e n ist a b e r i m m e r , s o f e r n es d u r c h die H a l t u n g b e s t i m m t ist, e i n e A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t d e m S e i e n d e n i m G a n z e n . So ist die ursprüngliche F o r m der Frage nach d e m W a r u m i m Verständnis v o n Sein (des Nichts): W a r u m ist ü b e r h a u p t S e i e n d e s u n d n i c h t nichts? W e n n a b e r S e i e n d e s ist u n d das g e s a g t w i r d , d a n n ist d a m i t S e i e n d e s o f f e n b a r . W a s m u ß aber sein, d a ß S e i e n d e s o f f e n b a r w e r d e n k a n n ? Es m u ß das N i c h t s g e b e n . Was m u ß sein, d a ß es das N i c h t s gibt? D i e W e l t oder d i e T r a n s z e n d e n z . M i t d e m Prob l e m des G r u n d e s ist v e r w a c h s e n dieses P r o b l e m des Nichts, das sich d a n n k o n z e n t r i e r t a u f die F r a g e , w a s das h e i ß t , d a ß ü b e r h a u p t so e t w a s g e s c h i e h t w i e d e r E i n b r u c h des Daseins, d e r T r a n s z e n d e n z i n das S e i e n d e , d e r g e s t a l t , d a ß jetzt erst S e i e n d e s a n i h m selbst o f f e n b a r w e r d e n k a n n u n d es je als G a n z e s ist. I n eins m i t dieser F r a g e n a c h d e m S e i e n d e n u n d s e i n e m G r u n d stellt sich die F r a g e n a c h d e n G r u n d m ä c h t e n des Seienden, nach d e m Walten der N a t u r i m Geschehen der Geschichte. H i e r h a n d e l t es sich n i c h t je u m die R e g i o n N a t u r u n d die R e g i o n G e s c h i c h t e i m spezifisch o n t o l o g i s c h e n S i n n e , s o n d e r n u m das Sein d e r N a t u r i m G e s c h e h e n d e r G e s c h i c h t e , u m d e n i n n e r e n Z u s a m m e n h a n g d e r G r u n d m ä c h t e des Seins selbst. W i e ist so e t w a s w i e N a t u r i m G a n z e n des S e i e n d e n , das z u g l e i c h g e s c h i c h t l i c h ist? Was h e i ß t es, d a ß i m S e i e n d e n d e r g l e i c h e n w i e Z e i t sich zeitigt u n d R a u m sich a u s b r e i t e t ? All diese F r a g e n , das
394
Zusammenhang
von Philosophie und
Weltanschauung
P r o b l e m des G r u n d e s u n d d . h . d e r F r e i h e i t , das P r o b l e m des Nichts, des E i n b r u c h s d e r T r a n s z e n d e n z i n das S e i e n d e , das S e i e n d e i m G a n z e n n a c h s e i n e n w e s e n t l i c h e n , je das G a n z e durch w a l t e n d e n M ä c h t e n (nicht Regionen), konzentrieren sich i n d e m , w a s w i r das W e l t p r o b l e m n e n n e n . I n d e r O r d n u n g des Ansatzes u n d d e r D u r c h f ü h r u n g der Prob l e m a t i k l ä ß t sich das W e l t p r o b l e m n u r s t e l l e n in d e r Weise, d a ß es d a z u g e b r a c h t w i r d , sich aus d e m S e i n s p r o b l e m zu e n t r o l l e n . D a s h e i ß t aber: D a s S e i n s p r o b l e m b e d a r f z w a r e i n e r k o n k r e t e n B e g r ü n d u n g u n d A u s a r b e i t u n g s e i n e r M ö g l i c h k e i t ; das W e l t problem kann aber nicht einfach daran angestückt werden, s o n d e r n i n d e r F u n d a m e n t a l b e t r a c h t u n g des S e i n s p r o b l e m s m u ß sich s c h o n d e r H o r i z o n t b i l d e n , i n d e n h i n e i n das W e l t p r o b l e m sich soll e n t r o l l e n k ö n n e n . D i e P r o b l e m e , d i e sich i m W e l t p r o b l e m k o n z e n t r i e r e n , s i n d alle, e b e n s o w i e das Seinsprobl e m , i n gewisser Weise b e k a n n t u n d i n i r g e n d e i n e r v e r b o g e n e n , m i ß g e s t a l t e t e n F o r m schon a u f g e t a u c h t , w o p h i l o s o p h i e r t w i r d . G l e i c h w o h l m u ß gesagt w e r d e n , d a ß w i r bis jetzt b e z ü g l i c h des W e l t p r o b l e m s n o c h völlig i m D u n k e l n t a p p e n , n i c h t e t w a n u r i m H i n b l i c k a u f die A n t w o r t e n , s o n d e r n vor a l l e m h i n s i c h t lich d e r s p e z i f i s c h e n S t r u k t u r d e r P r o b l e m a t i k , d i e es f o r d e r t . D a s gilt f r e i l i c h a u c h v o m S e i n s p r o b l e m , w e n n g l e i c h d i e Trad i t i o n h i e r m e h r A n w e i s u n g e n u n d E r i n n e r u n g e n gibt. D a ß das S e i n s p r o b l e m g e s c h i c h t l i c h b e k a n n t e r ist, ist z u g l e i c h ein A n zeichen d a f ü r , d a ß es d e m W e l t p r o b l e m v o r a n g e h t , so zwar, d a ß dieses i m m e r s c h o n m i t da ist. D a s W e l t p r o b l e m seinerseits l ä ß t sich, e i n m a l e n t r o l l t , n i c h t isolieren, s o n d e r n es b o h r t sich n u n seinerseits w i e d e r r ü c k l ä u f i g g l e i c h s a m e i n i n die K o n s t r u k t i o n des S e i n s p r o b l e m s . S e i n s p r o b l e m e n t r o l l t sich z u m W e l t p r o b l e m , W e l t p r o b l e m b o h r t sich z u r ü c k i n das S e i n s p r o b l e m , — das sagt, b e i d e m a c h e n die i n sich e i n h e i t l i c h e P r o b l e m a t i k d e r P h i l o s o p h i e aus.
§45. Seinsproblem
und Weltproblem
395
b) I m Seins- u n d W e l t p r o b l e m b r i n g t sich die T r a n s z e n d e n z zur b e g r i f f l i c h e n A u s a r b e i t u n g Was d a als e i n h e i t l i c h e P r o b l e m a t i k des Seins- u n d W e l t p r o b l e m s a u f b r i c h t , ist das P r o b l e m d e r T r a n s z e n d e n z . D e r z w e i t e W e g f ü h r t d e m n a c h g l e i c h f a l l s zu e i n e m k o n k r e t e n i n h a l t l i c h e n Verständnis d e r P r o b l e m a t i k d e r P h i l o s o p h i e selbst u n d b e t r i f f t n i c h t n u r in e r s t e r L i n i e das f o r m a l e Verhältnis v o n P h i l o s o p h i e u n d W e l t a n s c h a u u n g . D a s w a h r e Verständnis d e r P h i l o s o p h i e a b e r m a c h t n u n a u c h d e u t l i c h e r , w a s es besagt: P h i l o s o p h i e r e n ist a u s d r ü c k l i c h e s T r a n s z e n d i e r e n . I m Seins- u n d W e l t p r o b l e m b r i n g t sich die T r a n s z e n d e n z zur b e g r i f f l i c h e n A u s a r b e i t u n g . A b e r das b e s a g t n u n n i c h t : I m P h i l o s o p h i e r e n w i r d d i e T r a n s z e n d e n z eigens T h e m a , so w i e e i n e W i s s e n s c h a f t e i n b e s t i m m tes v o r l i e g e n d e s G e b i e t , e t w a d i e P f l a n z e n , z u m G e g e n s t a n d d e r E r f o r s c h u n g m a c h t . W i r s a g e n n i c h t ; P h i l o s o p h i e r e n ist E r f o r s c h u n g d e r T r a n s z e n d e n z , s o n d e r n : P h i l o s o p h i e r e n ist a u s d r ü c k liches T r a n s z e n d i e r e n . D i e A u s a r b e i t u n g des Seins- u n d W e l t p r o b l e m s b e s c h r e i b t n i c h t d i e T r a n s z e n d e n z als i r g e n d e t w a s V o r h a n d e n e s ; sie b e s c h r e i b t n i c h t , w e i l sie n i c h t b e s c h r e i b e n k a n n u n d k a n n es n i c h t , w e i l T r a n s z e n d e n z sich n i c h t beschreib e n l ä ß t , s o f e r n die T r a n s z e n d e n z n i c h t s ist, w a s v o r l i e g e n k ö n n t e w i e ein G e g e n s t a n d d e r W i s s e n s c h a f t . D i e b e g r i f f l i c h e A u s a r b e i t u n g d e r T r a n s z e n d e n z ist e i n v e r s t e h e n d e s A u s b i l d e n des T r a n s z e n d i e r e n s selbst, ist i n sich Vollzug des T r a n s z e n d i e r e n s , u n d z w a r e i n solcher u r e i g e n e r Art. D e n n T r a n s z e n d e n z g e s c h i e h t i n j e d e m D a s e i n als s o l c h e m . H i e r a b e r h a n d e l t es sich u m ein G e s c h e h e n l a s s e n d e r T r a n s z e n d e n z aus u n d i n i h r e m G r u n d e . Sie soll »sich zeigen«, n i c h t w i e e i n v o r h a n d e n e s b e s c h r e i b b a r e s G e m ä l d e , s o n d e r n die T r a n s z e n d e n z z u m P h ä n o m e n , z u m Sichzeigen b r i n g e n , h e i ß t , sie sich allererst i m G r u n d e i h r e s W e s e n s b i l d e n lassen. D a s ist der e i g e n t l i c h e p h i l o s o p h i s c h - t r a n s z e n d e n t a l e B e g r i f f des P h ä n o m e n s . Es ist e i n e O b e r f l ä c h l i c h k e i t , w e n n m a n m i t Bezug auf die E r ö r t e r u n g e n in »Sein u n d Z e i t « u n d das d o r t
407
Zusammenhang
von Philosophie
und
Weltanschauung
ü b e r das P h ä n o m e n D a r g e l e g t e sagt, das P h ä n o m e n sei i m G r u n d e a u c h w i e d i e S a c h e n u n d die D i n g e . Es ist d e s h a l b e i n e O b e r f l ä c h l i c h k e i t , w e i l d e r P a r a g r a p h , d e r d o r t d e n Begriff des P h ä n o m e n s u n d der Phänomenologie entwickelt, ausdrücklich ü b e r s c h r i e b e n ist: D e r » V o r b e g r i f f « d e r P h ä n o m e n o l o g i e , u n d w e i l s p ä t e r e i n e g r o ß e A b h a n d l u n g ü b e r V e r s t e h e n als G r u n d b e s t i m m u n g d e r T r a n s z e n d e n z folgt. D e r i n n e r e G e h a l t in der z e n t r a l e n B e d e u t u n g des V e r s t e h e n s als E n t w u r f l i e g t d a r i n , d a ß das u r s p r ü n g l i c h e V e r s t e h e n d e r T r a n s z e n d e n z als E n t w e r f e n den Charakter der Konstruktion hat. Mit anderen Worten, Phil o s o p h i e r e n ist s e i n e m i n n e r e n W e s e n n a c h K o n s t r u k t i o n . P h i l o s o p h i e r e n ist dieses b e g r e i f e n d e , d u r c h Seins- u n d Weltp r o b l e m a n g e z e i g t e G e s c h e h e n l a s s e n d e r T r a n s z e n d e n z aus i h r e m G r u n d e ; P h i l o s o p h i e r e n ist a u s d r ü c k l i c h e s T r a n s z e n d i e r e n . N u n e r g a b sich, d a ß das S e i n s p r o b l e m selbst n u r m ö g l i c h ist auf d e m G r u n d e d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g ; d e n n n u r ein I n - d e r - W e l t - s e i n , das v o n G r u n d aus sich b e s t i m m t als Auseina n d e r s e t z u n g m i t d e m S e i e n d e n i m G a n z e n , k a n n u n d m u ß die S e i n s f r a g e stellen. Z u g l e i c h s a h e n wir: D a s S e i n s p r o b l e m entrollt sich z u m W e l t p r o b l e m . D a r a n w i r d n u n erst r e c h t o f f e n k u n d i g , d a ß solche P r o b l e m a t i k d e r W e l t selbst n u r d a m ö g l i c h ist, w o das I n - d e r - W e l t - s e i n als solches, das D a s e i n selbst, sich selbst i n d i e A u s e i n a n d e r s e t z u n g m i t e i n b e z i e h t , d. h . i n s e i n e m Sein ausdrücklich wird. P h i l o s o p h i e r e n als E i n h e i t d e r P r o b l e m a t i k v o n Sein u n d Welt, als a u s d r ü c k l i c h e s T r a n s z e n d i e r e n , g e s c h i e h t n u r auf d e m G r u n d e d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g . P h i l o s o p h i e r e n ist W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g . A b e r w i r m ü s s e n n a c h d e m jetzt G e w o n n e n e n noch wesentlich m e h r sagen: Das Philosophieren als a u s d r ü c k l i c h e s T r a n s z e n d i e r e n ist e i n G e s c h e h e n l a s s e n der T r a n s z e n d e n z des D a s e i n s aus i h r e m G r u n d e , d . h . i m Philosophieren geschieht die ursprünglichste mögliche Haltung.
S 46. Philosophie als Grund-haltung. Geschehenlassen der Transzendenz aus ihrem
Grunde
Philosophieren ist nicht eine W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g u n t e r a n d e r e n , sondern sie ist die G r u n d - h a l t u n g schlechthin. Erst i m ausdrücklichen Geschehenlassen der Transzendenz, i m A u f b r e c h e n der i n n e r e n Weite u n d U r s p r ü n g l i c h k e i t derselben ö f f n e n sich die k o n k r e t e n M ö g l i c h k e i t e n der H a l t u n g . Diese k o n k r e t e n Möglichkeiten aber b e s t i m m e n sich nicht auf d e m Wege der Philosophie, sondern aus d e m jeweiligen Dasein selbst. G e r a d e weil aber P h i l o s o p h i e r e n als ausdrückliches Transzendieren G r u n d - h a l t u n g ist, ist es n i c h t i h r Wesen u n d ihre Aufgabe, eine b e s t i m m t e H a l t u n g auszubilden, u m sie als m a ß g e b e n d zu verk ü n d e n oder gar v e r m e i n t l i c h in die a n d e r e n h i n e i n z u p f l a n z e n . Je r e i n e r sie sich selbst versteht, je r e i n e r ihr n u r liegt a m Geschehenlassen der T r a n s z e n d e n z aus i h r e m G r u n d e , u m so reiner u n d u n m i t t e l b a r e r g e n ü g t sie d e m , was sie m i t Rücksicht auf faktische W e l t a n s c h a u u n g s b i l d u n g allein sein k a n n , f ü r die je faktisch existierenden M e n s c h e n Veranlassung zu sein f ü r das A u f b r e c h e n der M ö g l i c h k e i t e n einer H a l t u n g in i h n e n . Je u r sprünglicher die Philosophie philosophiert, also ein G e s c h e h e n lassen der Transzendenz ist, u m so f r e i e r u n d u n v e r b i n d l i c h e r ist sie Mitgeschehenlassen je einer H a l t u n g i m D a s e i n des a n d e ren. D e n n das philosophisch« Dasein ist s e i n e m Wesen n a c h Mitsein m i t a n d e r e n . Je u n v e r b i n d l i c h e r aber in sich die G r u n d h a l t u n g ist, u m so e r w e c k e n d e r k a n n i h r G e s c h e h e n sein. D a r a u s wird das Verhältnis von Philosophie u n d W e l t a n s c h a u u n g erst vollends deutlich: Philosophie ist G r u n d - h a l t u n g h e i ß t 1. n u r in der W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g ist Philosophieren möglich; 2. das Philosophieren selbst bildet in der g e k e n n zeichneten Weise »die Voraussetzungen« d e r M ö g l i c h k e i t e n der k o n k r e t e n W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g aus; 3. es ist selbst aber w e d e r ein e x e m p l a r i s c h e r t h e m a t i s c h e r A u f b a u einer W e l t a n schauung, noch gar die V e r k ü n d i g u n g einer solchen, sondern Geschehenlassen der Transzendenz aus i h r e m G r u n d e . Philoso-
398
Zusammenhang
von Philosophie
und
Weltanschauung
p h i e r e n h e i ß t g e r a d e A u s b i l d e n d e r j e n i g e n T r a n s z e n d e n z des Daseins, die w i r F r e i h e i t n e n n e n , i n d e r alles W e s e n t l i c h e auf F r e i h e i t gestellt ist. D a s W e s e n d e r P h i l o s o p h i e b e s t e h t d a r i n , d a ß sie d e n E i n b r u c h s s p i e l r a u m a u s b i l d e t f ü r das k o n k r e t e geschichtliche, d u r c h H a l t u n g b e s t i m m t e D a s e i n ; d a m i t ist sie a b e r i n e i n e m u r s p r ü n g l i c h e n u n d g e n a u e n S i n n e z u k ü n f t i g . So wie der Mythos f ü r die Philosophie eine wesentliche Erinner u n g ist, so ist die Z u k u n f t i h r e e i g e n t l i c h e K r a f t , alle G e g e n w a r t a b e r n u r die Spitze des A u g e n b l i c k s , d e r seine M a c h t u n d s e i n e n R e i c h t u m aus z u k ü n f t i g e r E r i n n e r u n g n i m m t . Es ist wes e n t l i c h , d a ß die G e g e n w a r t a l l e i n f ü r sich g e g e n sich b l i n d ist u n d d a h e r m e i n t , sie allein sei das W i r k l i c h e , w o sie es g e r a d e n i c h t ist. Das Verhältnis von Philosophie u n d Weltanschauung war z w a r allseitig zu k l ä r e n , a b e r es ist viel zu r e i c h u n d verwickelt, als d a ß es a u f e i n e e i n f a c h e , g l a t t e F o r m e l zu b r i n g e n w ä r e . I n j e d e m F a l l e k o m m e n d i e v u l g ä r e n V o r s t e l l u n g e n dieses Verhältnisses u n d die aus solchen V o r s t e l l u n g e n e r w a c h s e n d e n F r a g e n u n d W ü n s c h e n i c h t i n die S p h ä r e des W e s e n t l i c h e n . E i n s w i r d a b e r k l a r , d a ß die P h i l o s o p h i e ein b e t o n t e s Verh ä l t n i s zur W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g h a t . A b e r d a r a u s erwächst n u n eine neue Schwierigkeit, w e n n wir bedenken, daß w i r f r ü h e r , zu B e g i n n d e r Vorlesung, s a g t e n : D a s D a s e i n als solches p h i l o s o p h i e r t ; P h i l o s o p h i e r e n g e h ö r t z u m D a s e i n , sofern es existiert. N u n s a g e n w i r aber: P h i l o s o p h i e r e n ist n u r m ö g l i c h auf d e m G r u n d e d e r W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g , also n u r in einer G r u n d f o r m der Weltanschauung, m i t h i n nicht in dem D a s e i n , dessen I n - d e r - W e l t - s e i n p r i m ä r als B e r g u n g b e s t i m m t ist. Bevor w i r auf u n s e r e E i n g a n g s t h e s e z u m S c h l u ß e i n g e h e n , m u ß k u r z auf das V e r h ä l t n i s d e r P h i l o s o p h i e als G r u n d h a l t u n g z u m D a s e i n als B e r g u n g h i n g e w i e s e n w e r d e n . S c h o n die I n t e r p r e t a t i o n dieser b e i d e n G r u n d m ö g l i c h k e i t e n zeigte, d a ß H a l t u n g aus B e r g u n g e n t s t e h t , i n e i n e m w e s e n s g e s c h i c h t l i c h e n Z u s a m m e n h a n g m i t i h r s t e h t u n d i m m e r bleibt. D a s besagt:
§46. Philosophie
als
Grund-haltung
399
E i n e r s e i t s ist d i e B e r g u n g , das m y t h i s c h e D a s e i n als das vorphilosophische i m strengen Sinne, wesensnotwendig bleibende E r i n n e r u n g d e r P h i l o s o p h i e als G r u n d h a l t u n g ; g e r a d e w e i l diese i n sich e t w a s a n d e r e s ist a u f G r u n d e i n e r G e s c h i c h t e , b l e i b t die P h i l o s o p h i e a u f d e n M y t h o s z u r ü c k b e z o g e n . Was das h e i ß t i m e i n z e l n e n , ist h i e r n i c h t zu e r ö r t e r n . A n d e r e r s e i t s a b e r ist die P h i l o s o p h i e als G r u n d h a l t u n g n o t w e n d i g f ü r j e d e W e l t a n s c h a u u n g als B e r g u n g e i n Ärgernis. M a n darf dieses V e r h ä l t n i s w e d e r v e r s c h l e i e r n n o c h a b s c h w ä c h e n ; v e r s u c h t m a n es, d a n n v e r s t e h t maxi w e d e r sich selbst als i n d e r B e r g u n g e x i s t i e r e n d , n o c h v e r s t e h t mein die P h i l o s o p h i e . N u r w e n n d i e P h i l o s o p h i e als G r u n d h a l t u n g f ü r die W e l t a n s c h a u u n g als B e r g u n g z u m w i r k l i c h e n Ä r g e r n i s u n d S t e i n des Anstoßes w i r d , n u r d a n n k o m m t d i e P h i l o s o p h i e in d i e L a g e , i n d e r u n v e r b i n d l i c h e n , f r e i e n W e i s e d e r V e r a n l a s s u n g selbst d e r Berg u n g e i n e n D i e n s t zu e r w e i s e n , u n d sei es n u r d e n , d a ß sie sich dessen e r i n n e r t , auf e i n e m w e s e n h a f t A n d e r e n d e n H a l t zu h a b e n als j e d e H a l t u n g . W i e s t e h t - e s n u n a b e r a n g e s i c h t s d e r g e n a u e r e n K l ä r u n g des W e s e n s des P h i l o s o p h i e r e n s u m d i e E i n g a n g s t h e s e , d a ß z u m D a s e i n als s o l c h e m P h i l o s o p h i e r e n g e h ö r t ? M ü s s e n w i r diese T h e s e jetzt n i c h t z u r ü c k n e h m e n , w e n n a n d e r s P h i l o s o p h i e r e n n u r als H a l t u n g m ö g l i c h ist? I n d e r Tat, w i r m ü s s e n die T h e s e z u r ü c k n e h m e t ! ; sie w u r d e a u s g e s p r o c h e n , d a m i t w i r sie a u s d r ü c k l i c h j e t z t z u r ü c k n e h m e n k ö n n e n . D e n n i n diesem ausdrücklichen Z u r ü c k n e h m e n sehen wir etwas Wesentliches: d a ß d e r P h i l o s o p h i e r e n d e sich a u s d r ü c k l i c h i n d i e d u r c h H a l t u n g b e s t i m m t e E x i s t e n z w e i s e v e r l e g e n m u ß , d a ß das P h i l o s o p h i e r e n n i c h t n u r so i m a l l g e m e i n e n i r g e n d w o u n b e s t i m m t oder a n sich passiert. W e n n w i r a m A n f a n g so d a h i n s a g t e n , P h i l o s o p h i e r e n g e h ö r t z u m D a s e i n , so h a b e n w i r d a b e i Vergessen, d a ß w i r i m G r u n d e u n s e r d u r c h H a l t u n g j e d e n f a l l s mitbestimmtes Dasein meinten. W i r sagen: Z u m W e s e n des P h i l o s o p h i e r e n s g e h ö r t d e r ausd r ü c k l i c h e E i n s p r a n g in d i e W e l t a n s c h a u u n g als H a l t u n g u n d n u r so die M ö g l i c h k e i t des G e s c h e h e n l a s s e n s d e r T r a n s z e n d e n z
400
Zusammenhang
von Philosophie
und
Weltanschauung
aus d e m G r u n d e . D i e s e r E i n s p r a n g des P h i l o s o p h i e r e n s in die T r a n s z e n d e n z aus d e m G r u n d e ist a b e r n o t w e n d i g d e r E i n s p r a n g i n die e i g e n e G e s c h i c h t l i c h k e i t . Je g e s c h i c h t l i c h e r u n d u r s p r ü n g l i c h e r das p h i l o s o p h i e r e n d e D a s e i n s e i n e k o n k r e t e T r a n s z e n d e n z g e w i n n t , u m s o w e s e n t l i c h e r w i r d es. D a s ist es a n d e r P h i l o s o p h i e , w a s d e r v u l g ä r e Verstand — u n d w e n n er gar noch Philosophie zur Wissenschaft degradiert — a m wenigsten begreift, daß m i t der Ausbildung der höchsten u n d allgemeinsten Probleme wie Sein u n d Welt n o t w e n d i g z u s a m m e n g e h e n soll d e r E i n s p r a n g i n d i e k o n k r e t e g e s c h i c h t l i c h e L a g e . I n eins a b e r g e h t d e r E i n s p r a n g i n d i e L e i d e n s c h a f t des Begriffes, d e r Konstruktion^ d e r T r a n s z e n d e n z , U r s p r ü n g l i c h k e i t u n d S t r e n g e d e r E r k e n n t n i s , w i e sie W i s s e n s c h a f t n i e h a b e n kann. F ü r die Wissenschaft der Philosophie kämpfen, heißt n i c h t n u r sich selbst als v e r m e i n t l i c h e n P h i l o s o p h e n m i ß v e r s t e h e n , s o n d e r n die P h i l o s o p h i e selbst d e g r a d i e r e n , d a m i t a b e r das D a s e i n selbst u m e i n e s e i n e r h ö c h s t e n M ö g l i c h k e i t e n b e r a u b e n u n d a n d e r e n Stelle ein H i r n g e s p i n s t setzen. D a ß w i r diesen W e s e n s c h a r a k t e r d e r P h i l o s o p h i e so w e n i g b e g r e i f e n , h ä n g t n i c h t n u r d a r a n , d a ß d i e P r o b l e m a t i k v o n Sein u n d W e l t n i c h t h i n r e i c h e n d g e k l ä r t ist, s o n d e r n d a ß w i r n i c h t s e h e n , d a ß es sich h i e r bei dieser F r a g e g a n z u n d g a r n i c h t u m eine private u n d persönliche Angelegenheit der Philosophen h a n d e l t , s o n d e r n u m n i c h t s G e r i n g e r e s als u m das P r o b l e m der Wahrheit der Philosophie. Es ist a b e r e i n l e u c h t e n d , d a ß dieses P r o b l e m erst k o n k r e t e r w a c h s e n k a n n aus d e m Seins- u n d W e l t p r o b l e m i n i h r e r E i n h e i t . Dieses P r o b l e m d e r W a h r h e i t a b e r ist das W a h r h e i t s p r o b l e m i m G a n z e n , d . h . die F r a g e d e r W e s e n s z u g e h ö r i g k e i t von W a h r h e i t zur T r a n s z e n d e n z . ( E r s t auf d e m G r a n d e dieses u r s p r ü n g l i c h e n W a h r h e i t s p r o b l e m s stellt sich die F r a g e n a c h w i s s e n s c h a f t l i c h e r W a h r h e i t u n d w i r d e i n e p h i l o s o p h i s c h e Auslegung der Wissenschaft möglich). D a s W a h r h e i t s p r o b l e m in dieser u r s p r ü n g l i c h e n W e i t e sollte u n s auf d e m d r i t t e n W e g e e r w a c h s e n . Was g e m e i n h i n als L o g i k
S" 46. Philosophie
als
Grund-haltung
401
b e h a n d e l t w i r d , h a t h i e r s e i n e Stelle, a u c h die m y t h i s c h e W a h r h e i t als G ö t t i n (vgl. o b e n S. 385). Es w ä r e zu zeigen, d a ß jedes dieser P r o b l e m e , das S e i n s p r o b l e m , das W e l t p r o b l e m u n d das W a h r h e i t s p r o b l e m , das G a n z e d e r P h i l o s o p h i e a u s m a c h t u n d d a ß es ein i n n e r e r V e r d e r b d e r P h i l o s o p h i e ist, w e n n m a n sie a n fest ausgeformten überlieferten Disziplinen orientiert u n d aus diesen die P r o b l e m e sich v o r g e b e n l ä ß t , statt die i n n e r e N o t w e n d i g k e i t d e r A r c h i t e k t o n i k d e r P h i l o s o p h i e aus d e m i n n e r e n G e h a l t i h r e r G r u n d p r o b l e m a t i k zu g e w i n n e n . D i e b e i d e n W e g e , die w i r g e g a n g e n sind, sollten u n s d a z u v e r h e l f e n , das W e s e n d e r P h i l o s o p h i e a u f z u h e l l e n , u n d z w a r m i t R ü c k s i c h t auf die zwei M ä c h t e , die u n s e r D a s e i n a n d e r U n i v e r s i t ä t b e s t i m m e n , ob w i r es w o l l e n o d e r n i c h t , W i s s e n s c h a f t u n d F ü h r e r s c h a f t bzw. W e l t a n s c h a u u n g . W i s s e n s c h a f t ist n u r m ö g l i c h als P h i l o s o p h i e ; diese a b e r als ausdrückliches Transzendieren — G r u n d h a l t u n g — gibt die urs p r ü n g l i c h e M ö g l i c h k e i t d e r Veranlassung, das je e i g e n e I n d e r - W e l t - s e i n n a c h s e i n e m H a l t u n d s e i n e r H a l t u n g zu b e f r a g e n . P h i l o s o p h i e r e n als G e s c h e h e n l a s s e n d e r T r a n s z e n d e n z ist d i e B e f r e i u n g des Daseins. B e f r e i t w i r d die F r e i h e i t desselben, u n d F r e i h e i t ist n u r in d e r B e f r e i u n g . I m G e s c h e h e n l a s s e n d e r T r a n s z e n d e n z als P h i l o s o p h i e r e n l i e g t die u r s p r ü n g l i c h e G e l a s s e n h e i t des Daseins (vgl. o b e n : Seinlassen), das V e r t r a u e n des M e n s c h e n z u m D a - s e i n i n i h m u n d zu dessen M ö g l i c h k e i t e n . H i e r a u s allein e r w ä c h s t d i e e c h t e K r a f t d e r Z u w e n d u n g z u m S e i e n d e n , d i e alle H a l t u n g als Auseinandersetzung mit d e m Seienden innerlich fordert. Mit d e m P h i l o s o p h i e r e n b e g i n n t d i e W a n d e r u n g auf d e n H ö h e n des Höhenzuges der Großen. U n d w e n n wir uns zuweilen wundern, d a ß diese n i c h t u n d n i c h t m e h r w i r k e n , d a n n v e r g e s s e n w i r d a b e i , d a ß G r o ß e s n u r auf G r o ß e s w i r k t . W e n n w i r das a b e r v e r s t e h e n , d a n n e r i n n e r n w i r u n s d a r a n , d a ß es u n w e s e n t l i c h ist, ob w i r ü b e r Z e i t g e n o s s e n o d e r a n d e r e obsiegen o d e r n i c h t , sond e r n d a ß w i r u n s selbst i n n e r e G r ö ß e v e r s c h a f f e n m ü s s e n d a d u r c h , d a ß w i r u n s e r e e i g e n e n G r i l l e n besiegen.
NACHWORT DER HERAUSGEBER D i e h i e r erstmals v e r ö f f e n t l i c h t e Vorlesung » E i n l e i t u n g in die Philosophie« hielt M a r t i n H e i d e g g e r vierstündig i m W i n t e r semester 1928/29 an der Universität Freiburg. D i e Edition ist aus drei Vorlagen entstanden: einer Photokopie des h a n d s c h r i f t l i c h e n M a n u s k r i p t s von H e i d e g g e r , einer i m großen zuverlässigen — S c h r e i b m a s c h i n e n a b s c h r i f t von F r a u H i l d e g a r d Feick u n d einer, von H e i d e g g e r autorisierten, Vorlesungsnachschrift von S i m o n Moser. I n w e n i g e n Zweifelsfällen k o n n t e die — allerdings nicht vollständige — h a n d s c h r i f t liche M i t s c h r i f t von E u g e n F i n k herangezogen w e r d e n . D a s M a n u s k r i p t der » E i n l e i t u n g in die Philosophie« u m f a ß t 106 Quartblätter, die i m Q u e r f o r m a t beschrieben sind. L i n k s steht der d u r c h l a u f e n d e Text, rechts stehen Zusätze, Einschübe, Verweise, die z u m Teil v e r m u t l i c h n a c h A b h a l t u n g der Vorles u n g geschrieben w o r d e n sind. Zwischen d e n n u m e r i e r t e n Seiten f i n d e n sich zahlreiche Blätter, die E r g ä n z u n g e n , Z u s a m m e n f a s s u n g e n oder R e k a p i t u l a t i o n e n e n t h a l t e n . E i n Beilagenh e f t m i t Notizzetteln ergänzt die U n t e r l a g e n f ü r die Edition. A u f g a b e der H e r a u s g e b e r w a r es, aus den d i v e r g i e r e n d e n Vorlagen u n t e r E i n b e z i e h u n g der separaten Notizen e i n e n einheitlichen Text zu erstellen. W ä h r e n d das M a n u s k r i p t v o n H e i d e g g e r in k n a p p e m , k o n z e n t r i e r t e m Stil a b g e f a ß t ist u n d ü b e r Passagen h i n n u r aus Stichworten besteht, ist die Vorlesungsnachschrift a u s f ü h r l i c h e r u n d reichhaltiger. Aus ihr g e h t hervor, wie H e i d e g g e r sich u m E r l ä u t e r u n g seines D e n k e n s b e m ü h t hat. So ließ es sich nicht ganz v e r m e i d e n , daß der Text dieser Ausgabe verschiedene S t i l m o m e n t e aufweist, je n a c h d e m ob er die u r s p r ü n g l i c h e Heideggersche D i k t i o n des M a n u s k r i p t s zur G r u n d l a g e h a t oder aber d e n weiter a u s h o l e n d e n m ü n d l i c h e n Vortrag, wie er in der N a c h s c h r i f t e r h a l t e n ist. Auf sie w u r d e
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Nachwort
der
Herausgeber
d a n n zurückgegriffen, w e n n das M a n u s k r i p t n u r aus Stichwort e n besteht, oder w e n n dort G e d a n k e n entwickelt werden, die nicht i m M a n u s k r i p t e n t h a l t e n sind. H e i d e g g e r h a t t e die » E i n l e i t u n g i n die Philosophie« in drei Abschnitte — »Stadien« bzw. »Wege« — gegliedert: Philosophie u n d Wissenschaft, Philosophie u n d W e l t a n s c h a u u n g , Philosop h i e u n d Geschichte. D e r zweite Abschnitt g e w a n n an U m f a n g d u r c h eine e i n g e h e n d e E r ö r t e r u n g des Weltbegriffs von Kant, von der aber m e h r als zwanzig Seiten n i c h t v o r g e t r a g e n w u r d e n . D e r dritte Abschnitt k a m nicht zur A u s f ü h r u n g . G e m ä ß H e i d e g g e r s Leitsätzen f ü r die Edition seiner Vorles u n g e n w u r d e eine detaillierte G l i e d e r u n g des Textes vorgen o m m e n , die sich i m Inhaltsverzeichnis spiegelt. Abgesehen von der oben e r w ä h n t e n A u f t e i l u n g der Vorlesung s t a m m e n die Ü b e r s c h r i f t e n von den H e r a u s g e b e r n . D i e Zeichensetzung w u r de d e n derzeit g e l t e n d e n R e g e l n angepaßt. D i e Zitate sowie L i t e r a t u r a n g a b e n w u r d e n verifiziert bzw. vervollständigt. M e i n herzlicher D a n k gilt H e r r n D r . H e r m a n n H e i d e g g e r , H e r r n Professor Dr. F r i e d r i c h - W i l h e l m von H e r r m a n n u n d vor a l l e m H e r r n Dr. H a r t m u t T i e t j e n f ü r bereitwillige U n t e r s t ü t z u n g u n d Beratung. Besonders d a n k e ich den M i t a r b e i t e r n des S t u d i u m g e n e r a l e der Universität M a i n z f ü r i h r e a u s d a u e r n d e H i l f e . F e r n e r sei H e r r n cand. phil. Peter von Ruckteschell f ü r sorgsame K o r r e k t u r a r b e i t g e d a n k t . Mainz, i m Juli 1996
I n a Saame-Speidel