Fragmente einer Welt
Die Dimensionsfahrstühle sammeln sich
von Hans Kneifel
Atlan - König von Atlantis - Nr. 486
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Fragmente einer Welt
Die Dimensionsfahrstühle sammeln sich
von Hans Kneifel
Atlan - König von Atlantis - Nr. 486
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In das Geschehen in der Schwarzen Galaxis ist Bewegung gekommen. Schwerwiegende Dinge haben sich bereits vollzogen – weitere Ereignisse von großer Bedeutung bahnen sich an. Es begann damit, daß Duuhl Larx, der verrückte Neffe, mit zwei gefange nen Magiern an Bord des Organschiffs HERGIEN durch die Schwarze Ga laxis raste und Unheil unter seinen Kollegen stiftete. Es hatte damit zu tun, daß die große Plejade zum Zentrum der Schwar zen Galaxis gebracht wurde und nicht zuletzt auch damit, daß Atlan, der Arkonide, und Razamon, der Berserker, in ihrem Wirken gegen das Böse nicht aufsteckten. Inzwischen hat die große Plejade den Lebensring um Ritiquian aufgelöst. Der Dunkle Oheim mußte seine bisher schlimmste Niederlage einstecken, und die Neffen, die Statthalter des Dunklen Oheims, sterben aus. Ob damit das Schicksal der dunklen Mächte in der Schwarzen Galaxis endgültig besiegelt ist, bleibt abzuwarten. Der Dunkle Oheim trifft jedenfalls einschneidende Maßnahmen, indem er die Dimensionsfahrstühle in seine Nähe beruft. Sie bilden die FRAGMENTE EINER WELT …
Die Hautpersonen des Romans:
Atlan - Der König von Pthor kehrt zurück.
Kennon-Axton - Der Terraner erklärt einen Widerspruch.
Razamon und Koy, der Trommler - Atlans Begleiter bei neuen
Expeditionen.
Sator Synk und Bördo - Atlans Empfangskomitee.
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1.
Die GOL'DHOR hatte den Wölbmantel Pthors durchstoßen und näherte sich schnell und lautlos dem Zentrum des Weltenfragments. Vertraute Ge ländeformationen tauchten auf. Die Uferstadt Panyxan verschwand, als hinter der Straße der Mächtigen die Ebene Kalmlech auftauchte. Kaum wurde hinter dem Regenfluß die Senke der Verlorenen Seelen sichtbar, schwenkte vor der schroffen Kulis se des Taambergs der goldene Insektenkörper des Raumschiffs in die Richtung auf Donkmoon ab. Atlan meinte, noch einen Blick auf Heimdalls Behausung zu erhaschen, aber da sah er bereits am östlichen Horizont die Pyramiden der FESTUNG. Die Insassen des Goldenen Raumschiffs standen noch viel zu sehr unter dem Eindruck der Schreckensbilder, die sie außerhalb von Pthor hatten se hen müssen. Sie nahmen, während sie auf den Augenfenstern, die als Bild schirme dienten, die Oberfläche von Pthor vorbeihuschen sahen, nur am Rand ihres Bewußtseins die Kursänderung der GOL'DHOR wahr. Jetzt schoben sich deutlich die Pyramiden der FESTUNG ins Blickfeld. Razamon konnte seinen Blick nicht von den Schirmen, beziehungsweise Augenfenstern, losreißen und meinte finster: »Eben waren es nur sieben Weltenfragmente. Sie versammelten sich und schoben sich aneinander. Bald werden es zweifellos mehr sein!« Das Schiff setzte behutsam zur Landung an. »Der Dunkle Oheim wartet und lauert!« gab Atlan zurück. »Die Ereig nisse treiben dem nächsten Höhepunkt entgegen.« »Der Oheim liegt um die Sonne!« pflichtete Koy der Trommler bei. Die Dimensionsfahrstühle versammelten sich, von geheimnisvollen Be fehlen zu einem Ziel dirigiert. War es der Dunkle Oheim, der die Befehle gegeben hatte? Mit größter Wahrscheinlichkeit. Und aus sämtlichen Rich tungen, aus allen Zeiten und den verschiedensten Dimensionen kamen die Fragmente und versammelten sich. Die Bedeutung dieser Aktion ließ ver schiedene Möglichkeiten zu, aber eines war sicher: Es würden sich mehr und mehr Dimensionsfahrstühle hier versammeln und – vielleicht – einen Planeten bilden, ein sphärisches Mosaik aus jenen einzigartigen Brocken, von denen jeder seine eigene Mischkultur oder die Mischung vieler kleiner Kulturen trug. Gräßliche Aussichten bahnten sich hier an. Die GOL'DHOR glitt tiefer herunter, und jetzt konnten die Insassen durch die Wände des Schiffes auch kleinere Einzelheiten auf dem Boden dieser Welt entdecken. Atlan deutete darauf und sagte: »Überall kann ich Pthorer sehen. Sie scheinen aus einem tiefen Schlaf zu erwachen!«
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Razamon stieß einen wütenden Fluch aus und entgegnete: »Du weißt, was hier in den letzten Tagen vorgefallen ist, Freund At lan?« Sie hatten inzwischen sowohl getrennt als auch Seite an Seite eine der artig gewaltige Anzahl gefährlicher Abenteuer erlebt, daß zwischen ihnen nur noch kurze Stichworte zur Verständigung genügten. Atlan nickte, und seine Antwort klang bitter. »Pthor befand sich auf dem Weg zum Dunklen Oheim«, sagte er. »Und die Bewohner jenes Weltenfragmentes, dessen ›König‹ ich angeblich bin, sind auf die bevorstehende Säuberung vorbereitet worden. Es wird schlimm enden, Razamon.« Die Magier und Kolphyr betrachteten das Schauspiel schweigend und mit höchst unterschiedlichen Empfindungen. Das Raumschiff setzte zur Landung an. Die GOL'DHOR wählte einen freien Platz vor der Großen Pyramide der FESTUNG. Atlan hatte sich auf Dorkh mit Hilfe der jungen Magierin in die Träume der Schläfer versenken können. Eine Welt schwarzer Abgründe und kaum vorstellbarer Greuel hatte sich vor ihm aufgetan. Er wußte am besten, wel ches Schicksal seinem Königreich und dessen Bewohnern bevorstand. Auch alle lebenden Wesen auf Pthor waren vom Dunklen Oheim dazu ausersehen worden, ihre Lebensenergie abzugeben. Das Schiff landete und öffnete die Schleuse. Einer der Magier wandte sich an den Arkoniden und sagte halblaut: »Wir bleiben noch eine Weile an Bord, Atlan.« Atlan blickte nach draußen und sah, daß auch in der unmittelbaren Um gebung der FESTUNG die Pthorer umherumtaumelten und vollkommen desorientiert schienen. »Aus welchem Grund?« wollte der Trommler wissen. »Wir müssen zuerst zur Barriere von Oth fliegen. Dort ist unsere Anwe senheit oder unsere Hilfe sicher vonnöten. Wir kommen so schnell wie möglich zurück!« »Oder bringt wenigstens die GOL'DHOR hierher zurück«, forderte Raz amon sie auf. Sie versprachen es. »Ich werde versuchen, meiner Aufgabe auch weiterhin gerecht zu wer den«, versicherte das Raumschiff. Die Schleuse öffnete sich. Atlan, Razamon, Koy der Trommler und Kolphyr verließen das Schiff. Als ihre Füße den Boden Pthors berührten, ergriff die Pthorer und den Ar koniden ein seltsames Gefühl. Atlan und Razamon blickten sich schweigend, aber voll konzentrierter Wachsamkeit in dem ehemaligen Park der FESTUNG um. Alles war, ab
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gesehen von einigen torkelnden Gestalten, verwaist und zum großen Teil verwüstet und verdorrt. »Und was können wir hier und jetzt tun?« fragte Atlan laut. Er stellte diese Frage weitaus mehr sich selbst als den anderen. Er hatte weder einen festen Plan noch ein präzises Ziel. »Erst einmal müssen wir versuchen, uns einen Überblick zu verschaf fen. Sicher haben auf Pthor während unserer Abwesenheit viele entschei dende Entwicklungen angefangen«, meinte Razamon. »Das erscheint mir als sicher!« brummte der Arkonide. »Und dort sehe ich bereits drei unserer Freunde. Sie werden uns berichten, was hier pas siert ist.« Lautlos erhob sich in ihrem Rücken das Goldene Raumschiff und schwenkte, nachdem es an Höhe gewonnen hatte, nach Westen. »Atlan!« schrie einer der drei, die zwischen trockenen Büschen und knorrigen Baumwurzeln auftauchten und über den breiten, von Unrat und Abfällen, dürren Ästen und Haufen aus Blättern bedeckten Weg auf den Landeplatz der GOL'DHOR zurannten. Es war Sator Synk, der Orxeyaner, der mit dem Ausdruck grenzenloser Erleichterung sich von der Dreier gruppe löste und auf Atlan zurannte. »Endlich! Atlan und Razamon! Und die anderen Freunde aus Tagen heldenhaften Kampfes!« schrie er begeistert. Hinter ihm folgten Bördo und Kennon-Axton, der Atlan auf den ersten Blick seltsam verändert vorkam. Die Begrüßung verlief heftig, aber kurz. Dann deutete Synk auf die Py ramide und erklärte: »Wir werden uns anderweitig aufhalten müssen. Hier herrscht weitest gehend gähnende Leere.« »Ihr drei seid bereits ganz wach?« erkundigte sich Koy und zupfte ver legen an dem Bart, der das runzlige, braune Gesicht teilte. »Mag sein«, gab Bördo zur Antwort, »daß wir etwas früher erwachten als die anderen. Oder wir sind ganz einfach aus anderem Holz geschnitzt. Nicht so kraftlos und unentschlossen wie Vater und … die anderen.« Sator Synk deutete auf Bördo und brummte: »Er hat sich noch immer nicht beruhigt. Was gibt es Neues in der Schwarzen Galaxis, König Atlan?« Atlan stieß ein kurzes, grimmiges Lachen aus und versuchte, in einigen Sätzen zu schildern, was sie bisher erlebt hatten. Natürlich mißlang dieses Vorhaben, weil die drei ununterbrochen Zwischenfragen stellten und auch Razamon andere, interessante Einzelheiten berichtete. Nur Kennon stand da, hörte gespannt zu und schwieg. Sein Verhalten war leicht zu erklären – durch den Rücktausch der Bewußtseine war er aus dem Zentrum aller Ge schehnisse auf Dorkh herausgerissen und nach Pthor zurückversetzt wor
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den. Er stellte nur eine Frage: »Lebt der Körper noch, in dem ich mich aufhielt, Atlan?« »Grizzard ist tot«, beschied ihn Razamon. »Leider war es alles andere als ein friedliches Ende. Er gab uns noch eine Reihe sehr harter Nüsse zu knacken – vorher.« »Ich bin betroffen und erschüttert«, entgegnete Kennon und senkte den Kopf. »Jedenfalls«, schloß Atlan und blickte die drei Wartenden der Reihe nach an, »versammeln sich außerhalb des Wölbmantels andere Welten fragmente. Bald wird etwas geschehen. Ich rechne zuerst mit schweren Erdbeben, denn die Dimensionsfahrstühle werden gegeneinanderkrachen und sich aneinander reiben und stoßen.« »Das paßt zu dem, was wir erlebten!« sagte Synk. »Schlagen wir unser neues Hauptquartier in einem der vielen Nebengebäude im ehemaligen Park auf. Die Pyramiden sind unbrauchbar geworden.« »Was habt ihr erlebt?« fragte Razamon knapp und machte eine fragende Geste. Kennon deutete nach links. Dort sahen sie zwischen den Resten des ehemaligen Parks, der einst seinesgleichen an Schönheit gesucht hatte, ei ne Mauer und darin mehrere Portale und Fenster. Das Gebäude, vormals durch eine Vielzahl tödlicher Fallen gesichert, machte einen ebenso leeren Eindruck wie alles andere ringsum. »Dorthin?« »Ja. Es ist, alles in allem, nicht ungemütlich«, brummte Bördo. »Berichtet endlich«, sagte Razamon in gereiztem Tonfall, »was inzwi schen auf Pthor geschehen ist. Falls es sich im Lauf einiger Stunden be richten läßt.« »Also …«, fing Sator Synk an, »also, es begann, als ich und der Kleine hier«, er meinte zweifellos Bördo, »von rätselhaften Fremden in roten Ro ben betäubt und verschleppt wurden.« Er gab eine blumenreiche und teilweise ausschweifende Schilderung dessen ab, was sich zwischen betäubten Magiern, in unterirdischen Hallen, teilweise verschütteten Gängen und Korridoren und endlich zusammen mit dem veränderten »Kennon« in den Hallen und Sälen voller abenteuerlicher Klumpen entstehender Lebewesen abgespielt hatte. Bis zu diesem Punkt der Erzählung schwiegen Atlan und Razamon, dann erkannte der Arkoni de, daß der Körper Kennon-Axtons um rund eine Handbreit größer gewor den war. Aber auch die Gliedmaßen waren verändert und erschienen un proportioniert. Tiere und Pflanzen, tentakelbewehrte Wesen, andere Hallen, schließlich das Erkennen der Metamorphose dieser Lebewesen, und am Ende die Ge wißheit, daß hier die Horden der Nacht gezüchtet wurden – das ging klar
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aus dem Bericht Sator Synks hervor. Inzwischen hatten sich die sieben Wesen dem Gebäude genähert. Sie er kannten eine der bunkerartigen, aber innen sehr gut ausgestatteten Kon struktion wieder, die an vielen Stellen des FESTUNGs-Parks vor Urzeiten errichtet worden waren. Ein Fußtritt Razamons, des Berserkers, sprengte die Hauptpforte auf. »Und wie ging es weiter?« wollte Koy wissen. »Mich interessiert, logischerweise, die Bedeutung dessen, was ihr erlebt habt, auf die Welteninsel Pthor bezogen«, sagte Atlan. Sie erfuhren in den nächsten Minuten, daß sich in der Ebene Kalmlech ein farbenschillernder Krater aufgetan hatte, der nichts anderes war als der Ausgang eines Antigravschachts. »Es war eines der großen Rätsel meiner Heimat!« sagte Sator Synk mit Nachdruck. Kolphyr und Bördo drangen entschlossen und schnell in das Bauwerk ein und untersuchten es auf seine Brauchbarkeit. »Ich höre!« erinnerte ihn Atlan. Je mehr er erfuhr, desto gegenständlicher wurden seine Befürchtungen und Ängste. Der Grufthüter und dessen Ende, der Weg zur »Quelle des Lebens«, der Kampf des Sigurd-Sohnes Bördo, die falsche Yuugh-Katze, die Erlebnisse Kennons in jener Plasmamasse, die Atlan an das Zentral plasma der Hundertsonnenwelt erinnerten … die einzelnen Abenteuer summierten sich zu einer Sicht der Probleme, die Schlimmes und Schlimmstes erwarten ließ. Die Vollstrecker – die »neuen Technos« – die Versicherung, daß der Dunkle Oheim nun die Regie über die folgenden Aktionen übernehmen würde – die sogenannte Reinigung und das Erstarken der Horden der Nacht … Kennon berichtete, was er erlebt und erfahren hatte. »Und dann, nachdem ihr die Odinssöhne gefunden hattet«, fragte Atlan und erinnerte sich wieder an das erschreckende Ende Thalias, seiner Freundin, in all diesen schlimmen Tagen, »versank alles in tiefen Schlaf?« »Genau so war es«, murmelte Sator Synk. Atlan war nicht mehr sicher, ob die Schwarze Galaxis wirklich auf dem Weg in die Freiheit war. Nachdem sie die Insel der Lotsen verlassen hat ten, hatten die letzten Beobachtungen die Insassen des Goldenen Raum schiffs ernüchtert: der Ring um die große gelbe Sonne, also der Dunkle Oheim, und die verschiedenen Weltenfragmente, die sich zusammenfan den, hatten jeden optimistischen Gedanken gegenstandslos werden lassen. Die Magier Resethe und Pyghor hatten genügend Zeit gehabt, den Kör per von Axton-Kennon zu verändern. Aber Atlan erkannte, daß nicht jeder Teil des Körpers gleichermaßen reagiert hatte. Die Oberarme und Ober schenkel wirkten viel zu dünn, aber der Körper war gewachsen. Irgendwie meinte der Arkonide, ohne es zu sagen, daß Kennon auch ein runderes Ge
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sicht bekommen hätte, daß sich der Haarwuchs veränderte, und daß die Anlagen dafür, daß dieser Mann dereinst stattlich und breitschultrig wer den könnte, immerhin vorhanden waren. Atlan lehnte sich an den breiten Rahmen der halb zertrümmerten Tür und hob die Schultern. »So sehr ich erleichtert bin, wieder auf Pthor zu sein, aber ich sehe nicht, wo wir zu handeln ansetzen könnten.« Bördo schrie aus dem Innern des Hauses hervor: »Wir gehen am besten los und zeigen es den Vollstreckern! Vielleicht rafft sich auch mein Vater auf.« »Ob das allerdings die richtige Aktion zur richtigen Zeit ist, bezweifle ich«, knurrte der Berserker. »Ich rate zur Besonnenheit!« sagte Atlan. »Wir brauchen noch mehr In formationen. Ich bin sicher, daß wir uns rechtzeitig um die sogenannten Vollstrecker und ihre Gefangenen kümmern werden.« Genau in dem Augenblick, als Bördo und Kolphyr wieder aus dem In nern des Gebäudes auftauchten, näherten sich drei andere Gestalten dem Ort, an dem im Gegensatz zu allen anderen Punkten des ausgestorbenen Parkes Stimmen zu hören waren. »Aha!« bemerkte Razamon. »Verstärkung. Die waffenklirrenden Söhne Odins!« Balduur, Heimdall und Sigurd kamen unter den dürren Zweigen hervor. Sie wirkten halb verlegen, halb entschlossen und begrüßten mit einer ge wissen Würde jeden der Anwesenden. Atlan deutete auf Sator Synk und meinte: »Ich glaube, ihr müßt für die Söhne Odins wiederholen, was ihr erlebt habt. Ich werde mich inzwischen mit Razamon und Kennon zurückziehen, ein wenig ausruhen und beratschlagen, was zu tun ist. Vielleicht finden wir einen Weg, wenigstens einige der Schwierigkeiten auszuschalten.« Das Ziel der nächsten Aktionen schien zumindest den meisten von ih nen klar zu sein. Es waren die sogenannten Vollstrecker. Atlan packte Razamon am Oberarm und zog ihn mit sich. Kennon-Ax ton folgte ihnen schweigend. Sie fanden einen Raum, der ihnen wohnlich genug erschien, um darin zu bleiben. Binnen kurzer Zeit hatten sie es ge schafft, sich einigermaßen zu arrangieren. Atlan warf sich in einen Sessel, nachdem er die Stofffläche gereinigt hatte. Er streckte die Beine aus und sagte: »Razamon! Kaum daß wir gelandet sind, versammeln sich bereits Kämpfer um uns. Ich meine, die Odinssöhne und die anderen sollten aus schwärmen und nachsehen, an welchen Stellen von Pthor sich neue Gefah ren auftun.«
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»Und wie erfahren wir«, meldete sich Razamon, dessen Finger seine Wade umfaßt hielten und den Muskel massierten, »was außerhalb des Wölbmantels vor sich geht?« »Allgemeine Ratlosigkeit!« flüsterte Kennon-Axton und heftete seine Augen auf Atlan. Der Arkonide war seine einzige und wirkliche Bezugs person auf dieser merkwürdigen und gefahrenerfüllten Welt. »Richtig!« pflichtete ihm der Arkonide bei. »Ich rechne damit, daß wir auch weiterhin die GOL'DHOR zur Verfügung haben.« »Falls die Magier sich an die getroffene Vereinbarung halten!« warf der Berserker ein. »Damit ist zu rechnen!« Über Pthor herrschte im Augenblick die echte Helligkeit eines nur leicht nebligen Tages. Die Sonne, um die sich mehr und mehr Dimensionsfahr stühle versammeln würden, leuchtete durch die Wölbmäntel. Atlan spürte, jetzt noch mehr, dieselbe Unruhe wie bei der Annäherung an Pthor. Er wußte nicht, wohin er seine nächsten Schritte richten sollte. Zwar war er nach wie vor, zumindest nominell, der »König von PthorAtlantis«, aber dies war ein Titel ohne jeden Wert. Sein sogenanntes Kö nigreich bestand aus einem Dimensionsfahrstuhl, dessen Bewohner ver mutlich dazu verdammt waren, ihre Seelen zu opfern. Und seine Streitmacht belief sich auf eine Handvoll Männer, die ebenso verwirrt und desorientiert waren wie er selbst. Koy kam hereingestürzt und rief: »Die GOL'DHOR landet vor dem Haus. Die Magier steigen gerade aus der Schleuse. Es gibt Neuigkeiten!« Der ehemalige Jäger der FESTUNG brannte darauf, irgendwelche Akti vitäten zu entfalten. Unruhig blickte Atlan den Magiern entgegen, nach dem sie den Bunker wieder verlassen hatten. Copasallior meinte niedergeschlagen: »Schon bei der Annäherung an die Barriere von Oth haben wir gemerkt, daß alle unsere Freunde verschwunden sind.« »Ich sage dir, wo sie sich befinden«, erklärte Bördo. »In der Unterwelt. Irgendwo in einem Gewölbe unterhalb der Ebene Kalmlech.« Koratzo schüttelte Balduurs Hand und ließ sich berichten, was Bördo, Kennon und Synk erlebt und in welchem Zustand sie die Magier aufgefun den hatten. Opkul, Ajyhna und Taldzane schienen entschlossen zu sein, ih ren Kameraden zu helfen, ebenso wie Koratzo. Aber Copasallior meinte: »Ich sehe keine unmittelbare Gefahr für die anderen Magier. Warten wir noch eine Weile. Ich bin dafür, verschiedene Gruppen zu bilden und aus zuschwärmen. Wir wissen, wo wir die Vollstrecker und deren Opfer fin den können.«
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»Einverstanden!« sagte Atlan. »Kolphyr und Bördo! Nehmt mit, wer immer mit euch kommen will. Geht zum Krater und verbergt euch. Geht kein Risiko ein. Und laßt uns wichtige Mitteilungen zukommen, wenn es nötig ist.« »Genau das werden wir tun«, entschloß sich Bördo und warf seinem Vater einen bitteren Blick zu. »Los, Freunde. Sehen wir nach, ob wir in dem Bunker etwas Brauchbares für uns finden.« Atlan wandte sich an die Magier und sagte: »Ich danke, daß ihr die GOL'DHOR hierhergebracht habt. Wir werden das Schiff dringend brauchen. Wir müssen wissen, was außerhalb des Wölbmantels vor sich geht. Ich denke, daß wir schon bald zu einem neuen Erkundungsflug starten.« »Wohin sollten wir sonst?« fragte Copasallior leise zurück. Für Atlan hatte sich ein Kreis geschlossen, der auf Pthor angefangen hatte und hier wieder endete. Aber auch Pthor und die anderen Welten fragmente waren Teile eines gigantischen Geschehens, das jetzt und hier seinen Anfang nahm. »Wann brechen wir auf?« fragte Razamon. Aus dem Innern des Bauwerks, von dem die kleine Gruppe Besitz er griffen hatte, kam eine helle Stimme: »Hier gibt es Essen und etwas zu trinken. Kommt und holt euch etwas. Spähen und kämpfen mit leerem Magen ist unmöglich.« Razamon grinste schwach und murmelte: »Er hat recht. Die GOL'DHOR fliegt uns nicht davon.«
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2.
Langsam hob sich das Goldene Raumschiff wie ein Insekt über das ver wüstete Areal der FESTUNG. Durch transparente Wände und auf den Au genfenster-Bildschirmen war die Leblosigkeit des Bezirks zu erkennen. »Hinaus durch den Wölbmantel, in den freien Weltraum und dorthin, von wo aus wir die ankommenden Dimensionsfahrstühle gut sehen kön nen. Kein Risiko eingehen.« Das Schiff antwortete: »Verstanden.« Der akustische Befehl wurde ohne Zeitverlust ausgeführt. Die GOL'DHOR glitt höher und höher. Das Schiff hatte sein Aussehen in ge wisser Weise normalisiert und leuchtete nicht stärker als vor dem Start in die Schwarze Galaxis. Die Schale des Wölbmantels näherte sich, das Schiff glitt lautlos hindurch und setzte auch seine Geschwindigkeit nicht herauf, als die geänderten Lichtverhältnisse des Weltraums durch die Wände zu sehen waren. Die gelbe Sonne hing unbeweglich im Weltraum. Die Manifestation des Dunklen Oheims lag als schwarzer Ring um die Sonne. In einer weiten Kurve zog das Schiff hoch und schlug dann einen Kreis über Pthor und den anderen Fragmenten ein. Im grellen Sonnenlicht, auf der sonnenabgewandten Seite in weltraumtiefes Schwarz getaucht, schwebten die Dimensionsfahrstühle nebeneinander. Razamon deutete an bestimmte Stellen und sagte zu Atlan: »Sieh genau hin, mein Freund. Neun oder zehn Fragmente sind bereits aneinandergewachsen. Jedenfalls nenne ich es so.« Trotz der unterschiedlichen Formen und Größen und der darüberliegen den Wölbmäntel hatten sich die kosmischen Trümmer zu einer Formation zusammengefunden, dirigiert von unbekannten Kräften. »Ein Vorgang von dramatischer Größe!« staunte Koy der Trommler. »Und es werden immer mehr.« Aus drei verschiedenen Richtungen trieben mit geringem Tempo ein keilförmiger Brocken, ein annähernd rundes Stück und ein ungefähr zie gelartig aussehender Dimensionsfahrstuhl auf den Verbund der übrigen Teile zu. »Sie fügen sich ohne viel Rücksicht auf ihre Formen und Kanten zu sammen«, erklärte Copasallior. »Und sie bilden etwas, das aussieht wie ein Stück einer Kugelschale.« »Tatsächlich!« stellte Atlan fest. Deutlich war eine sphärische Krümmung der Oberflächen zu sehen. Be reits diese wenigen Fahrstühle boten den Anblick, als würde sich ein hoh
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ler Planet zwangsläufig bilden müssen. Ruhig zog das Goldene Raumschiff seinen Kreis. Schweigend beobachteten die Insassen, wie die Weltenfragmente sich zu drehen und zu trudeln begannen. Licht und Schatten spielten auf den Einzelheiten der felsigen Formationen. Die senkrechten Abrisse am unte ren Rand der Wölbmäntel schoben sich ins Licht der Sonne. Das erste Fragment driftete heran, seine Drehung kam zur Ruhe, und mit einem schwachen Ruck, der sowohl diesen Neuankömmling erschütterte wie auch seine beiden Nachbarn, schob sich die riesige Felsmasse zwischen zwei mächtige Flanken hinein. »Ein Hohlplanet wird entstehen«, sagte Razamon düster. »Wenn das, was wir sehen, ein maßstäblicher Ausschnitt ist, dann werden noch unzäh lige andere Weltenfragmente hier versammelt werden.« Die Wölbmäntel verhinderten, indem sie eine federnde und bremsende Wirkung ausübten, schwere und schwerste Erschütterungen. Trotzdem schien es keinen Plan zu geben. Das riesige Mosaik aus unterschiedlich großen Trümmerstücken wurde anscheinend willkürlich zusammengesetzt. Staunend und fassungslos starrten die Pthorer und Atlan auf die lautlo sen Vorgänge schräg unterhalb des Raumschiffs. Ein zweiter Dimensionsfahrstuhl schwebte heran, drehte sich und wurde in eine viel zu enge Lücke hineingesteuert. An den Rändern der Fragmente rissen gewaltige Felsbrocken ab und trieben, sich langsam überschlagend, inmitten von Geröllschauern davon. Wieder gingen Erschütterungen durch die aufeinanderprallenden Mas sen. Trotzdem schienen bisher alle wirklich gefährlichen Kollisionen durch die Wölbmäntel verhindert worden zu sein. »Meinst du, Atlan, daß aus all diesen Brocken ein echter Planet entste hen wird?« fragte Koy nach einer Weile. »Das glaube ich nicht«, erwiderte Atlan nachdenklich. »Ich bin über zeugt, daß die Weltenfragmente auch nicht die Teile eines auseinanderge rissenen Planeten sind.« »Sie passen so schlecht zusammen«, murmelte ein Magier. »So ist es. Was wir hier erleben, ist eine zufällige Zusammenfügung. Ich bin ratlos«, warf Razamon ein. »Die Bruchstücke haben niemals zu sammengehört. Was plant der Dunkle Oheim?« »Und wie lange dauert es, bis alle Fragmente eingetroffen sind?« meinte Koy. »Länger als nur einige Tage. Ich kann ungefähr zwei Dutzend Fragmen te zählen«, antwortete Atlan. »Was hier geplant wird, hat sicher nicht sehr viel mit der vielgewünschten Freiheit für die Schwarze Galaxis zu tun.« »Werden wir es erfahren?«
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»Zweifellos. Vielleicht ist es für uns alle dann zu spät.« Das Schiff beschrieb unerschütterlich seine Kreise. Wieder blitzte es ab seits der Sonne auf, und ein neuer Dimensionsfahrstuhl erschien im Welt raum. Er kam mit schneller Fahrt direkt auf den Rand des Schalenbruch stücks zugerast und bremste mit gewaltiger Verzögerung ab. Lautlos fügte sich das Fragment ein, auch hier wurden die Stellen, an denen sich die Trümmerstücke berührten, wie von gigantischen Hobeln abgerissen und abgeschürft. Razamon schaltete sich ein und schlug Atlan auf die Schulter. »Wir können hier tagelang kreisen und zusehen, wie sich ein Bruch stück nach dem anderen einfügt. Nichts wird sich im Lauf der nächsten Zeit hier ändern. Also … zurück ins gemütliche, grüne Pthor. Wir können uns dort immerhin dem Versuch widmen, so etwas wie Ordnung zu schaf fen.« Der Trommler stieß ein kurzes Gelächter aus und erwiderte: »Ordnung? Auf einem Weltenfragment, dessen letzte Tage angebrochen sind? Ich habe keine Hoffnung mehr.« »Trotzdem!« ordnete Atlan an. »Zurück nach Pthor. Zur FESTUNG!« Einige Stunden später saßen Atlan und Lebo Axton auf der weißen Um randung eines längst versiegten Brunnens. Über ihnen zitterten die dürren Blätter eines riesigen Baumes in einem kaum wahrnehmbaren Wind. Atlan hatte Kennon-Axton hierher gebeten und eröffnete das Gespräch. Es war auch für ihn nicht ohne Reiz, eine grundsätzliche Frage zu klären. »Sinclair Marout Kennon«, sagte er halblaut. »Du weißt, daß es dich auf Pthor genaugenommen nicht geben dürfte.« Bringe ihn nicht allzusehr in Verlegenheit, flüsterte der Extrasinn. »Daran ist etwas Wahres«, antwortete Kennon schwach. »Aber deine Frage – ich ahne, worauf du hinaus willst – wird nicht leicht zu beantwor ten sein. Ich bin im Jahr zweitausendachthundertvierundvierzig in die Traummaschine Ischtars auf Meggion gestiegen.« »Und ich folgte Razamon im Jahr zweitausendsechshundertachtundvier zig nach Pthor oder Atlantis. Das ist ein Unterschied von rund zweihun dert Jahren«, sagte der Arkonide. »Der Dimensionsfahrstuhl reiste kreuz und quer durch Zeiten und Ent fernungen«, beharrte Kennon. »Niemand hat je gewußt, wann oder wo der Planet Loors existierte. Dort ist Pthor gestrandet, damals gelangte mein Bewußtsein nach Pthor.« Atlan hatte nicht den geringsten Zweifel darüber, daß Kennon wirklich Kennon war, derjenige Mann, der sich Lebo Axton genannt hatte, und der viele Erinnerungen mit Atlan aus dem altarkonidischen Imperium teilte. »Die Traummaschinen werden etwa zweihundert Jahre nach deinem Pthor-Abenteuer gefunden werden!« sagte Kennon plötzlich.
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»Und deine Anwesenheit hier?« »Ist so zu erklären, daß Pthor durch Dimensionskorridore in unbekannte Fernen vorgestoßen ist. Möglicherweise befindet sich Pthor sogar in einem anderen Raum-Zeit-Kontinuum.« Du mußt dich damit abfinden, daß aus geträumten Abenteuern Wirk lichkeit werden kann, mischte sich der Logiksektor in Atlans Gedanken. »Das heißt, du könntest mir sagen, wann ich wieder zur Erde zurück kam? In der Rechnung der Erdenjahre?« »Ich kann nicht viel aussagen«, wich Kennon aus. »Natürlich kenne ich einige herausragende Vorkommnisse und die betreffenden Jahreszahlen dazu. Du warst, nachdem Pthor-Atlantis von der Erde verschwand, etwa zwei Jahre lang verschollen. Dann bist du plötzlich wieder aufgetaucht.« »Und … was habe ich berichtet?« fragte Atlan erregt. Kennon lachte zu rückhaltend und erwiderte ehrlich: »So gut wie nichts.« »Ich habe etwas verschwiegen?« »Nein. Du konntest dich an fast gar nichts erinnern, was während dieser etwa siebenhundert Tage geschehen war. Man versuchte angeblich auf alle möglichen Arten, dein Gedächtnis aufzumuntern, aber es kam dabei wirk lich nichts heraus.« »Ich verstehe. Offensichtlich speichert mein Gedächtnis noch viele an dere Erinnerungen, die noch nicht geweckt sind«, sinnierte Atlan. »Und was hast du vor? Oder genauer: wie stellt sich die Kette der Abenteuer aus der Sicht dessen dar, der eines fernen Tages in den Traummaschinen des Planeten Meggion gefunden wird?« Die Antwort überraschte Atlan. »Sollte ich die Möglichkeit haben, hier auf Pthor zu bleiben, dann gehe ich nicht nach Terra zurück oder an einen anderen Ort jener Zeit im Uni versum. Endlich habe ich die Möglichkeit, einen brauchbaren Körper zu bekommen. Du hast die Veränderungen gesehen?« Schweigend nickte Atlan. »Mit diesem Körper, falls er tatsächlich irgendwann einmal vollendet ist, habe ich die besten Aussichten, mein Leben so zu führen, wie ich es erträumt habe. Kannst du mich verstehen?« Wieder nickte Atlan und entgegnete halblaut: »Ich verstehe dich. Aber auch in dieser Sache ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.« »Ich habe nur angedeutet, was ich vorhabe. Wie es dann ausgeht, weiß niemand. Nur eines ist sicher.« »Ich weiß. Ich überlebe das Abenteuer Pthor!« sagte Atlan fest. »Genau das meine ich.« »Sind noch andere Fragen?«
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»Nicht für mich«, antwortete Kennon. »Aber für dich, König ohne Land und Heer, türmen sich die Probleme. Im Moment herrscht Leere. Nichts geschieht. Aber das kann sich, wie wir wissen, in rasender Schnelligkeit ändern.« Atlan blickte hinüber zu der gelandeten GOL'DHOR. Neben dem glän zenden Schiff standen ein paar Magier und die Odinssöhne. Das Raum schiff war für sie alle die einzige Möglichkeit, die Kontrolle über die Vor gänge nicht ganz zu verlieren. Atlan entschloß sich, einen weiteren Erkun digungsflug zu unternehmen; hoch über den Wölbmantel hinaus und über die sphärisch gekrümmte Ebene der zusammenprallenden Weltenfragmen te. Koy der Trommler, Kennon und Atlan, Razamon und Heimdall waren an Bord der GOL'DHOR, als sie zu ihrem nächsten Aufklärungsflug startete. Zweieinhalb Tage lang hatten die Angehörigen der kleinen Gruppe ver sucht, mit ihren stark eingeschränkten Möglichkeiten ein klares Bild der Lage auf Pthor zu erhalten. Kolphyr und Bördo hatten sich nicht gemeldet, und der Versuch, in der Pyramide ein funktionierendes Nachrichtengerät zu finden, war sinnlos gewesen. »Es müssen hundert oder mehr Dimensionsfahrstühle sein!« staunte Heimdall und stemmte seine Hände gegen die Wand des Schiffes. Unter ihnen lagen die Weltenfragmente. Die Wölbmäntel, die ein seltsa mes Muster bildeten, verschmolzen an den Rändern miteinander, und an den Stellen, wo sie sich berührten, breitete sich ein schwaches Glimmen aus. Jetzt war die Form deutlich zu sehen: ein Stück Kalotte, an den Rän dern zackig und unregelmäßig wie das Bruchstück einer gigantischen Eier schale oder einer Hohlkugel. »Und es werden Tausende werden. Darauf kannst du dich verlassen!« sagte Atlan hart. Die GOL'DHOR schwebte jetzt auf der Stelle. Sie war senkrecht von Pthor aufgestiegen und befand sich in einer Entfernung von der Oberflä che des Fragments, die der vierfachen Höhe des Wölbmantel-Zenits ent sprach. Razamon rechnete laut. »Vor etwa fünf Tagen fügten sich die ersten Dimensionsfahrstühle zu sammen. Jetzt sehen wir mehr als ein Zehntel der Kugel als Ansammlung der kosmischen Trümmer. In dreißig Tagen etwa wird der Hohlplanet fer tig sein.« »Das könnte zutreffen«, sagte Kennon laut. »Keine üble Rechnung. Ich bin, mehr oder weniger, derselben Ansicht.« Gerade schoben sich an verschiedenen Punkten des Zusammensetz spiels mindestens ein halbes Dutzend neu angekommener Dimensionsfahr stühle an den Rändern heran und versuchten, die idealste Form der Zusam
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menfügung zu finden. Nur Pthor, genau unter dem Schiff, war mit der Li nie der Küste der Stille noch nicht mit anderen Dimensionsfahrstühlen ver bunden. An den anderen Stellen – der Eisküste, der Dunklen Region und der Bucht der Zwillinge – stießen bereits andere Weltenfragmente gegen die schroffen Felswände unterhalb der Naht, die Wölbmantel und Landschaft sende miteinander bildeten. »Bald wird auch dieser Platz besetzt sein!« murmelte Heimdall. »Aber zwischen einzelnen Brocken klaffen riesige Locher.« »Auch eines der Rätsel dieser FragmentVersammlung«, meinte der Ar konide versonnen. Immer wieder glitt sein Blick hinüber zur Sonne. Ihr grelles Licht lag zwar voll auf den runden, ineinandergreifenden Wolken der Wölbmäntel, wurde aber durch die Wände der GOL'DHOR stark gefil tert. Dadurch war der Ring des Dunklen Oheims noch schärfer und deutli cher zu sehen. Er strahlte Gefahr aus, und darüber hinaus ging von dem Ring eine Aura des Bösen aus, die zumindest Atlan und Razamon wie ein schleichender psychologischer Schock traf. Tatsächlich befanden sich Lücken unterschiedlicher Größe in der scheinbar fest miteinander verbundenen Masse der unterschiedlich großen Brocken. Da das harte Sonnenlicht auf die energetischen Schirmfelder prallte und jede Rundung perfekt herausmodellierte, waren die tiefschwar zen Löcher mehr als deutlich zu sehen. Als habe das magische Schiff Heimdalls Gedanken erraten, machte es einen sanften Satz und stieg in ei ner Bewegung von vollendeter Eleganz in einer Spirale weiter aufwärts, noch höher über die bucklige Oberfläche der Kugelkalotte. Und im gleichen Augenblick geschah es. Plötzlich erhob sich direkt vor dem Schiff eine riesige Masse. Eine Bergflanke, die sich rechts und links in die Unendlichkeit auszudehnen schien, tauchte auf und näherte sich in rasender Schnelligkeit. »Achtung! Kollisionsgefahr!« meldete sich das Goldene Raumschiff und handelte absolut selbständig und mit fast computerhafter Schnellig keit. Die GOL'DHOR wurde von einer Sekunde zur anderen schneller. Sie wich nach hinten aus, weg von der breiten Felsenkante des neuen Frag ments. Die zerklüftete Masse, aus Fels in verschiedener Farbe bestehend, raste am Raumschiff entlang. Das Schiff raste seinerseits wie ein winziger Käfer dicht vor dieser konvexen Fläche aufwärts, wurde schneller und wich weiter nach rückwärts aus – aber die Geschwindigkeit des Dimensi onsfahrstuhls war so groß, daß der Zusammenprall unausweichlich war. Schweigend und voller Schreck starrten die Insassen auf das drohende
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Schauspiel und spannten ihre Muskeln. Sie machten sich für den krachen den, vernichtenden Zusammenstoß bereit. »Zu spät!« rief Heimdall und stieß einen fürchterlichen Fluch aus. Die Felswand war zum Greifen nah. Jetzt kam der Schlag, dann das gräßliche Geräusch berstenden Metalls … nein! Die GOL'DHOR erreicht die obere Kante des Weltenfragments. Nur um wenige Meter entkam das Schiff dem schmetternden Schlag und tauchte mit einem leichten, kratzenden Geräusch in den Wölbmantel des fremden Fragments ein. Unter dem Schiff raste die Landschaft der Randzone vor bei, aber auch jetzt handelte das Raumschiff wieder zuverlässig und präzi se. Die GOL'DHOR flog ein Ausweichmanöver, wich einem kleinen Berg aus, der unter ihr auftauchte und schraubte sich dann wieder durch den Wölbmantel nach draußen, zurück in den Weltraum. Der neue Dimensi onsfahrstuhl drosselte in genau diesen Augenblicken seine Geschwindig keit und schwebte unterhalb des Schiffes weiter. Die Insassen atmeten auf. Sie sahen, noch im Bann des Bewußtseins, dem Tod um Haaresbreite entgangen zu sein, daß der Weltenbrocken sich drehte, eine Art Eintauchmanöver beschrieb und mit viel zu schnellem Tempo genau die freie Seite Pthors ansteuerte. Koy stieß hervor: »Das Ding rammt Pthor in mehrere Teile auseinander!« »Bisher sind die anderen auch nicht zermalmt worden«, gab Atlan zu rück. »Auf alle Fälle gibt es ein Beben.« »Ein stattliches Beben!« versicherte Heimdall. Das neue Weltenfragment war mehr oder weniger trapezförmig. Es schob sich an die Flanke von Pthor heran und wurde langsamer. An genau vier Stellen berührten sich die Dimensionsfahrstühle. Raza mon zählte auf. »Es gibt dort irgendwelche festen Landbrücken. Eine muß sich in der Nähe der Stadt Moondrag gebildet haben, die andere nördlich der Feste Grool.« »Und die beiden anderen im Gebiet des Blutdschungels«, fügte Koy hinzu. Atlan nickte und wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn. Er rief aus: »Das ist zugleich der letzte Dimensionsfahrstuhl um Pthor herum und auch der erste, der zusammen mit Pthor Landbrücken gebildet hat. So könnte ein Zeichen aussehen – wir sollten uns diesen Teil von Pthor und auch den anderen Weltenbrocken aus der Nähe ansehen. GOL'DHOR! Bringe uns an die Schnittkante der beiden Fragmente!« »Schon ist der Kurs geändert!« meldete sich das magische Raumschiff. Da alles, was von einem Dimensionsfahrstuhl stammte, sich beim Pas
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sieren eines anderen Wölbmantels weder auflöste noch zerstört wurde, da auch intelligente Wesen ihr Gedächtnis nicht verloren, war dieser erste Er kundungsflug ein geringes Risiko. Aber Atlans Extrasinn flüsterte trotz dem: Seid vorsichtig.
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3.
Die Küste der Stille tauchte kurz auf, als das Goldene Raumschiff sich gleichermaßen dem Wölbmantel Pthors und auch dem Mantel des frem den, namenlosen Weitenfragments näherte. »Wieder ein neues Stück in der Kugelschale!« stellte Koy der Trommler fest. »Wieder ein anderer Dimensionsfahrstuhl. Vielleicht erhalten wir dort Hilfe für Pthor … irgendeine Form von Unterstützung.« »Das erwarte ich auf keinen Fall«, widersprach der Arkonide mit Ent schiedenheit. »Schlage dir diese Hoffnung möglichst schnell aus dem Kopf.« Weder die Beben auf Pthor noch die Folgen der Erschütterungen waren vom Raumschiff aus zu bemerken gewesen. Die GOL'DHOR durchstieß den »eigenen« Wölbmantel, flog einige Herzschläge lang durch das schwarze All – an dieser Stelle warf der Energieschirm um Pthor einen nachtdunklen Schatten – und tauchte an der höchsten Stelle durch den Wölbmantel des fremden Kleinkontinents. Zuerst erschienen die Bilder der vier Landbrücken auf den vergrößern den Bildschirmen. Es waren praktisch nur Felsmassen und Geröllschichten, die sich auf beiden Seiten eng miteinander verbunden hatten. Diese vier Übergänge, sozusagen unnatürlich entstandene Brücken, waren nicht sonderlich breit. Die mächtigste von ihnen, in der Nähe von Grool, war keine fünfhundert Meter breit. »Hervorragende Bilder!« lobte Kennon. Das Schiff glitt dicht unter dem höchsten Punkt des Wölbmantels dahin und auf das Zentrum des namenlosen Fragments zu. Tief unter der GOL'DHOR erstreckte sich ein Land, das schon auf den ersten Blick er kennen ließ, daß es sich grundlegend von Pthor unterschied. »Ich werde wahnsinnig!« stöhnte Atlan auf. »Das ist ein recht merkwür dig zivilisierter Dimensionsfahrstuhl.« Riesige Felder und versteppte Waldflächen erstreckten sich unter ihnen. Die meisten Flächen waren rasterförmig angelegt und schienen von schmalen Straßen durchzogen zu sein, die aus dieser Höhe weiß und ziem lich leer wirkten. »Und einige Städte, die einen ebenso trostlosen Eindruck machen!« meinte Razamon. »Der Einfallsreichtum des Oheims ist wirklich riesen groß. Wir haben interessante Nachbarn bekommen, König von Atlantis!« »Das ist zu befürchten!« knurrte der Arkonide. Mehr und mehr Bilder und Vergrößerungen erschienen, und eine Art Gesamtpanorama bekamen die Insassen, wenn sie durch Teile des Schiffs
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bodens blickten, der sich ihretwegen stellenweise transparent gestaltet hat te. Die Oberfläche des winzigen Planeten war weitestgehend in solche Ra ster aufgeteilt, wie sie bereits als erster Eindruck zu sehen gewesen waren. Es gab fabrikähnliche Ballungen von Hallen und Bauwerken, die aus riesi gen Schloten schwarze, braune und graue Rauchwolken in die trübe Luft entließen. Einige Flüsse, die sich stark mäandernd durch diese verdorbene Landschaft zogen, zeigten schillernde Farben, nur nicht die eines gesunden Wassers. Das Schiff meldete sich. »Es gibt zehn große Städte. Ihr innerer Aufbau ist ebenso rasterförmig wie derjenige der Felder.« Inzwischen entdeckten sie Maschinen und Menschenkolonnen; winzige Ansammlungen von ameisenhafter Bewegung. Sie bestellten die Felder oder ernteten sie ab. Riesige Ladungen von Holz wurden aus den Wald vierecken in die Richtung der Fabriken abtransportiert. Es war irgendwie eine grimmige Parodie auf einen Industrieplaneten im letzten Stadium sei ner Existenz. Und wenn Atlan genau auf die Bildschirme blickte, dann konnte er sehen, daß sich auch die winzigen Wesen einer mehr als militäri schen Ordnung befleißigten. »Es entsteht ein eigenartiger Eindruck, Atlan«, meinte Razamon war nend, und das zustimmende Nicken der anderen bewies, daß sie exakt die selben Empfindungen hatten. »Die Wesen dieses Fragments scheinen in einem einzigen, gigantischen Heer organisiert zu sein.« Die Bilder der Städte waren ein zusätzliches Indiz für die Richtigkeit dieser Überlegungen. Hochbauten standen in Reih und Glied, kasernenar tige Riesenbauwerke, zwischen denen sich die Straßen kreuzten. »Und zwar mit Technos als Offizieren. Ich schließe jede Wette ab«, fügte Kennon hinzu. »Meine ganz besonderen Freunde, diese Technos und die Vollstrecker, wie ihr wißt.« Immerhin, sagten sie sich, gab es selbst zwischen zwei so deutlich un terschiedenen Systemen eine Gemeinsamkeit, nämlich das Vorhandensein von künstlich erzeugten Wesen, den Technos. Aber selbst dafür fehlten noch die letzten Bestätigungen. Das Schiff lieferte unaufgefordert weitere Bilder von bestechender Brillanz. »Noch etwas!« rief Heimdall plötzlich. »Ja?« »Die gesamte Oberfläche ist in Vierecke eingeteilt. Ich sehe keinen ein zigen freien Fleck, auf dem Wesen wie die ›Horden der Nacht‹ leben könnten. Ich bin sicher, es fällt auch euch auf.« »Tatsächlich!« Die GOL'DHOR beschrieb entlang der äußersten Grenzen des Wölb
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mantels langsam einen Kreis. Mehr und mehr Bestätigungen für die ersten Wahrnehmungen und die Schlüsse daraus erschienen: mehr rechteckige Felder, mehr verschmutzte Flüsse, mehr Städte von derselben grauen Trostlosigkeit. Und noch mehr Bewegungen! »Sie kommen aus allen Richtungen, Atlan!« rief Kennon alarmiert. »Und fügen sich zu Heeren zusammen!« setzte Koy hinzu. »Eine gigan tische Vernichtungsmaschinerie formiert sich und wird sicherlich in die Richtung der Landbrücken marschieren.« Die Schlußfolgerung für diese Beobachtungen lag auf der Hand. Wenn es hier keine Horden der Nacht gab, dann übernahmen die Wesen dieses Fragments deren Rolle. Nur würde diesmal nicht ein fremder Planet das Opfer einer Invasion werden, sondern Pthor. Einzig und allein nur Pthor, das durch vier Landbrücken mit diesem Dimensionsfahrstuhl ver bunden war. »Wahrscheinlich habt ihr recht«, sagte Atlan nach kurzem Nachdenken, ohne die Blicke von den wechselnden Bildern zu lösen. »Ein neuer Schrecken nähert sich unserem verwüsteten Königreich.« Irgendwie ähnelten die Vorgänge, aus großer Höhe betrachtet, dem Ausschwärmen von Ameisenzügen. Aus den Fabriken und von den Fel dern, aus den Hochbauten der Städte und aus den schütteren Waldungen kamen einzelne Punkte gekrochen und gewandert. Sie formierten sich zu kleinen Karawanen, die ihrerseits in breitere Stra ßen einmündeten. Von Kreuzung zu Kreuzung wurde aus einem dünnen Rinnsal ein breiterer Bach, und schließlich näherten sich die einzelnen Ströme den Bauten, die an den Kreuzungspunkten der Straßen standen. Die GOL'DHOR zeigte Teile der Bewaffnung. Staunend erkannten die Schiffsinsassen, daß man Lafetten mit langen Gitterrohren aus den Scheunen oder Kasernen zerrte. Andere Wesen wie der schleppten auf niedrigen, vielrädrigen Wagen Dinge mit sich, die nichts anderes als Bomben sein konnten. Nicht nur die Technos – und jetzt, nachdem einige Bilder auf den Schirmen gezeigt worden waren, be stand nicht mehr der geringste Zweifel darüber, daß es sich tatsächlich um Technos handelte! – waren mit Schießgeräten bewaffnet, die allesamt star ke Ähnlichkeit mit einigermaßen modernen irdischen Waffen hatten. »Das ist eine Bewaffnung, wie ich sie mir gewünscht hätte, damals, als die Floßleute ihre Invasion begannen!« rief Koy der Trommler. »Sator Synk sollte das sehen!« »Sator wird diesem Problem vermutlich eher gegenüberstehen, als du denkst«, versicherte Razamon grimmig. Zweifellos drohte eine Invasion. Aber Atlan empfand sie eher ärgerlich als besonders gefährlich. Den In vasoren würde sich auf Pthor nichts und niemand entgegenstellen. Es gab
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keine Organisation mehr. Und es gab auch fast nichts mehr, womit man sich verteidigen konnte. Millionen einzelner Wesen würden sich über Pthor ergießen – aber was gab es dort noch zu holen? Viel lieber würde sich der Arkonide darum kümmern, was der Dunkle Oheim mit dem riesigen Aufgebot der Dimensionsfahrstühle bezweckte, was der Zusammenschluß zu einem Pseudo-Hohl-Planeten zu bedeuten hatte, und darum, daß seine Hoffnung in Erfüllung gehen könnte. Die Hoffnung nämlich, daß die vielen Weltenfragmente der Kontrolle des Dunklen Oheims entglitten sein könnten und sich tatsächlich anschickten, die Schwarze Galaxis zu verlassen. Das ist eine absolut trügerische Hoffnung, Arkonide, schalt ihn der Lo giksektor. Razamon fragte, mitten in Atlans wirre Überlegungen hinein: »Sollen wir hier warten, bis der Aufmarsch beendet ist?« Atlan hatte bisher das Abbild eines der Fragmentbewohner angestarrt. Sie waren den Technos nicht unähnlich; kleine, gedrungene Wesen, deren Köpfe ein wenig ameisenhaft wirkten, ohne Fühler zwar, aber mit großen Facettenaugen und harten, horngepanzerten Gliedmaßen. Sie bewegten sich schnell und mit der Hektik überdrehter Maschinen. »Nein«, entschied Atlan. »Wir kehren nach Pthor zurück und warnen die anderen. Pthor und seine ahnungslosen Bewohner müssen sich immer hin vor einigen Millionen so gut bewaffneter Wesen vorsehen. Sie haben jede Menge mörderischer Werkzeuge. Und sie sind unverkennbar kriege risch.« »Zurück nach Pthor also?« fragte Kennon. »Ja. Bringe uns zurück nach Pthor, GOL'DHOR, und zwar zum Ver steck von Kolphyr und Bördo.« »Wir sind bereits unterwegs«, erwiderte das Goldene Raumschiff und verließ in einem scharfen Schwenk seine Position. Das Schiff steuerte wie der die Gegend von Moondrag an. Einige Minuten vergingen. Das Schiff legte schnell und fast geräuschlos seinen Weg zurück, ging tiefer herunter und steuerte die Ebene Kalmlech an. Und schon wieder bot sich den Männern ein neuer, überraschender Anblick. Mit mühsam erzwungener Ruhe sagte Razamon: »Es hat sich tatsächlich einiges geändert, Freunde. Die Beben des Zu sammenstoßes waren doch ein Signal!« »Die Ungeheuer in der Ebene sind wieder erwacht!« stellte der Arkoni de fest. »Es ist so, wie du sagst!« »Und auch die Vollstrecker kriechen aus ihren Verstecken!« rief Ken non aufgeregt aus. Er hatte die verschiedenen Stadien der Entwicklung in den Höhlen von
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Pthor mitansehen können; wie aus ganz normalen Wesen die Bestien ent standen, die den Namen Horden der Nacht führten. Und zwischen den Un geheuern tauchten auf der Ebene die rotgekleideten Vollstrecker auf, mit denen sich Bördo, Kennon und Synk herumgeschlagen hatten. »Sie übernehmen die Kontrolle über die Horden der Nacht«, murmelte Heimdall niedergeschlagen und sah auf die gewaltigen Mengen der Unge heuer, die sich sammelten. Alle Meldungen hatten besagt, daß die Ungeheuer länger im tiefen Schlaf der Erstarrung verharrt hatten als alle anderen Bewohner Pthors. Jetzt mußte Atlan bedauern, daß er diesem Umstand zu wenig Wichtigkeit beigemessen hatte. »Verdammt!« sagte er. »Aber … das sieht nach einem Kampf aus. Die Horden der Nacht von Pthor gegen die ameisenhaften Riesenheere des na menlosen Weltenfragments. Das könnte die Rettung vor der Invasion sein!« Die Vollstrecker, kenntlich durch ihre auffallende rote Kleidung, waren mit langen Stäben bewaffnet. Kein Laut drang in die Zelle des Raum schiffs hinein, aber jede Einzelheit des Geschehens war deutlich zu sehen. Die Vollstrecker hatten die vollkommene Beherrschung der Bestien er reicht, indem sie mit den Stäben offensichtlich schmerzhafte Schläge ener getischer Art austeilten. Die Rotten der Ungeheuer wirbelten Sand und Staub auf und setzten sich reihenweise in Bewegung. Einige Vollstrecker ritten auf den Rücken der Tiere, die ein immer schnelleres Tempo ent wickelten und sich schließlich in vier Hauptstränge spalteten. Die Spitzen der langen Züge, die immer größer, breiter und mächtiger wurden, deuteten in die Richtung der vier Landbrücken. »Sie sind verblüffend zielstrebig! Woher wissen sie, daß eine Invasion droht?« fragte sich Razamon laut. »Möglicherweise waren die Beben für sie das Signal, ihrerseits eine In vasion zu beginnen«, versuchte Atlan zu erklären. »Nichts ist unmöglich!« stimmte Kennon zu. Einige Stunden lang krei ste die GOL'DHOR über der Ebene und dem Streifen der Küste der Stille. Immer mehr Ungeheuer erschienen, und auch die Menge der Rotgeklei deten wurde größer. Gerade dadurch, daß weder Atlan noch ein anderer eingegriffen und die Horden belästigt hatte, oder gar versucht hatte, sie auszuschalten, schien eine regelrechte Gegenwehr erst möglich geworden zu sein. Ein wenige Glück gehört zu jeder Unternehmung, ließ sich der Logik sektor spöttisch hören. »Sie sind tatsächlich von rasender Schnelligkeit«, meinte der Arkonide, der zum erstenmal einem solchen Aufbruch beiwohnte. Die breiten Staub wolken wirbelten hinter den Bestien in die Luft.
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»Du kannst dir vorstellen, welchen Schrecken Pthor verbreitete, nach dem es sich auf einem Planeten festgesetzt hatte? Der erste Schock war das Erscheinen, und der zweite der Überfall durch gewaltige Mengen die ser Bestien? Ahnst du, was seinerzeit der arme Grizzard empfunden haben mochte?« »Ich kann es mir vorstellen«, gab Atlan zu. Das Raumschiff legte seinen Kurs so, daß es sich ständig etwa über dem Zentrum eines der vier langen Züge befand. Die Vollstrecker dirigierten die halb willenlos scheinenden, halb von wahnsinniger Wut angetriebenen Bestien auf einer unsichtbaren Straße genau auf den Punkt zu, an dem sich die beiden Weltenfragmente verbunden hatten. »Vier Züge, vier Landbrücken, vier breite Heersäulen, die in das Land des Feindes eindringen«, rätselte Kennon. »Ob die ameisenartigen Invaso ren ebenso schnell sind und sich bereits formiert haben?« »Ich denke, wir können es abwarten«, beschwichtigte ihn der Arkonide. Stunden später waren die gefährdeten Stellen erreicht. Die Spitze eines gewaltigen Zuges, verhüllt durch Staubwolken, erschi en an den breiten Geröllflächen. Inzwischen waren die Bestien ein wenig langsamer geworden. Aber ihre Wut hatte sich nicht gelegt. Jede ihrer Be wegungen drückte Aufregung aus und den Wunsch, zu zerreißen, zu zer stören und zu töten. Wieder traten die Vollstrecker in Tätigkeit. Sie dirigierten die nachfolgenden Tiere nach vorn. Bald bewegte sich ei ne breite Front auf die schmale Verbindung zu. Rechts und links schienen nur wenige Handbreit Platz zu sein, denn losgetretene Steine rutschten la winenartig in die Tiefe jenseits des Wölbmantels. Die Geschwindigkeit der ersten Reihen war jetzt viel geringer. Die nachfolgenden Bestien drängten nach, und bald hatte sich auf dieser Land brücke eine breite, undurchdringliche Masse von aufgeregten Leibern ge bildet. Zwischen den Bestien liefen die Vollstrecker hin und her und schwenk ten ihre lanzenförmigen Waffen. »Wie konnten die Horden der Nacht auf die drohende Gefahr so schnell reagieren und so zielstrebig die vier Stellen herausfinden, an denen die In vasion droht?« fragte Atlan in die erwartungsvolle Stille hinein. »Freue dich lieber darüber«, riet ihm Razamon bissig, »daß diese Besti en uns einen blutigen Kampf ersparen werden.« »Ich freue mich zwar über keinen Kampf dieser Größenordnung«, schränkte der Arkonide ein, »aber inzwischen muß ich annehmen, daß die Vollstrecker telepathisch begabt sind.« »Das ist nicht auszuschließen!« gab Kennon zu. »Es steht nicht im Wi derspruch zu meinen Beobachtungen und Schlußfolgerungen in den Höh
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len unterhalb des schillernden Kraters.« »Hört zu streiten auf«, rief Heimdall. »Die Soldaten kommen!« Die beiden Wölbmäntel stießen etwa auf der Mitte der breiten Land brücke aneinander und verschmolzen dort unter leichtem Glimmen. Aus der grauen Schicht, die wie Pulver aussah, schoben sich die Soldaten des gegnerischen Heeres hervor. Sie waren nicht schnell, aber sie bewegten sich ebenso zielbewußt und angriffslustig wie die Monstren noch vor kurz er Zeit. Zwischen ihnen rollten die Geschütze, und zahllose Läufe von großka librigen Waffen ragten in die Luft. Beide Kampfparteien handelten, als sie den Gegner sahen, schnell. Die Soldaten gruppierten sich um die Geschütze und kamen mit den Bomben und den Geschossen in hellen Scharen näher. Die langen Gitterrohre schwenkten hin und her und kippten nach unten. Dann löste sich der erste Schuß. Er traf mitten in einen gewaltigen Haufen von losstürmenden Monstren. Zerfetzte Bestien wurden nach allen Seiten geschleudert. Ein Krater ent stand, eine Säule aus Sand und Geröll fauchte schräg in die Luft. Dann waren die ersten Bestien nach vorn gestürmt und erreichten die Soldaten. Technos rannten aufgeregt hin und her. Einige Waffen wurden abgefeuert, aber schon nach wenigen Sekunden zeigte sich, daß das feindliche Heer sich in voller Auflösung befand. Die Fremden hatten vor den Horden der Nacht nackte Angst. Die Bestien wa ren unschlagbar. Sie griffen ohne Zögern an, und die Soldaten zogen sich in wilder Flucht zurück. In einem Chaos aus Schüssen und wenigen Tref fern, hochwirbelnden Steinen und Sandwolken, den kraftvollen Bewegun gen der wütenden Bestien und einem zweiten Schuß aus dem großen Ge schütz endete der Kampf, noch ehe er an dieser Stelle richtig angefangen hatte. Der Angriff wurde abgebrochen. Die Fremden verschwanden hinter dem Wölbmantel und ließen Tote, Verletzte und weggeworfene Ausrüstungsgegenstände zurück. Die rotgekleideten Vollstrecker hatten nicht einen Augenblick lang die Übersicht verloren. Wieder organisierten sie ihre Bestien neu. Ein breiter Streifen der wild aussehenden Monstren blieb quer über die Landbrücke ausgestreckt. Eini ge Vollstrecker wanderten zwischen den Horden der Nacht hin und her. Sie taten es mit einer Langsamkeit und Selbstsicherheit, die jeden der we nigen Beobachter seltsam stimmte. Entweder waren sie ebenso unbeeinflußbar von Gefühlen wie ein Ro botbürger, oder sie waren von unvorstellbarem Mut und ebensolcher Härte besessen.
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Der Rest der Horden wandte sich um und trabte gehorsam, wenn auch in weitaus langsamerer Geschwindigkeit ins Zentrum der Ebene Kalmlech zurück. Wieder machte aufgewirbelter Sand das Geschehen undeutlich, aber nicht undeutlich genug. Die Schiffsinsassen sahen, worauf es ankam. Atlan murmelte: »Es kann durchaus sein, daß die Vollstrecker irgendwelche telepathi schen Techniken anwenden. Sie sind einerseits so weit voneinander ent fernt, daß sie gar nicht sehen können, was der Nebenmann tut. Trotzdem handeln sie genauso, als ob sie hundertprozentig wüßten, was zu tun sei.« Kennon antwortete: »Mehr als das, was ich gesagt habe, kann ich nicht erklären. Ich denke, daß wir mehr erfahren, wenn wir einen solchen Vollstrecker in unsere Ge walt bekommen und ausfragen.« »Ich werde einen von ihnen fangen!« versprach Koy. Das Raumschiff hatte mit einiger Verzögerung, die wohl dem realen Geschehen und dem zeitlichen Ablauf an den anderen drei Landbrücken entsprach, Bilder der Kämpfe geliefert. Die Art des Angriffs und die wütende Verteidigung wiederholten sich dreimal. Zum Schluß blieben auch bei den anderen drei Landbrücken je ein breiter Streifen besetzt. Dort lagerten die Bestien und warteten in müh sam gezähmter Wut auf einen neuen Angriff, kontrolliert von den Voll streckern mit ihren stabförmigen Waffen. Die übrigen Ungeheuer aber marschierten langsam in die Ebene zurück. Ihre Wut war aber noch längst nicht verraucht. Das Raumschiff stieg vom Schauplatz der Kämpfe hoch und blieb unbeweglich über der Wüste ste hen. »Zurück zur FESTUNG!« sagte Heimdall. »Wir müssen diesem seltsa men Effekt auf den Grund gehen.« Die GOL'DHOR überwand in kurzer Zeit die vergleichsweise geringe Entfernung und landete wieder am gleichen Platz vor dem bunkerartigen Gebäude im Schatten der großen Pyramide der FESTUNG. Zwar hatte jeder von ihnen von Kennon erfahren, auf welche Weise die Vollstrecker entstanden waren. Aber über ihre eigentlichen Kräfte hatte auch Kennon nichts aussagen können. Er wußte es selbst nicht. Aber als sich die Gruppe in dem kleinen Saal zusammenfand, hatten die zurückgebliebenen Magier eine neue Nachricht für sie. Sie konnte alarmierend sein und sehr viel bedeuten. Aber ebenso moch te das Gegenteil der Fall sein. Die Technos von Pthor schickten sich an, spurlos zu verschwinden!
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4.
Seit der ersten Landung der GOL'DHOR hatte sich im Gebiet rund um die Reste der FESTUNG nicht sehr viel geändert. Einige Pthorer der unter schiedlichsten Arten waren aufgetaucht und hatten voller Erleichterung gehört, daß nicht nur Razamon und ihr König aufgetaucht waren, sondern daß sich auch die ersten Spuren einer Art handlungsbereiter Verwaltung zeigten. Aus verschiedenen Teilen Pthors waren auf diese Weise auch In formationen eingetroffen; einige davon unglaubwürdig, andere so vage, daß damit nichts anzufangen war, andere aber schienen die Situation rich tig zu kennzeichnen. Eine Reihe kurzer, aber intensiver Erschütterungen hatte nicht nur die kleine Gruppe nahe der FESTUNG alarmiert, sondern auch die Bewohner anderer Teile erschreckt. »Und dann«, sagte Balduur aufgeregt, »verschwanden nacheinander alle Technos, die sich inzwischen hier versammelt hatten. Ich habe keine Ah nung, wo sie sich verstecken.« »Vielleicht ruft auch sie eine innere Stimme an einen bestimmten Treff punkt zusammen?« Sicher hat dieses Verschwinden etwas zu bedeuten, sagte der Logiksek tor. Die Meldung wurde bestätigt. Irgendwie hatte man aus Zbahn und Zbohr die Nachricht erhalten, daß sich die Technos auch dort seltsam ver hielten. Noch verzichtete Atlan darauf, mit dem Raumschiff dorthin zu fliegen und nachzusehen, ob die Meldung stimmte. »Wenn ich meine Vegla noch hätte …«, sagte Koy der Trommler nach denklich. »Ich könnte dir schnell und sicher die Wahrheit über die Tech nos berichten. Aber die Entfernung selbst nach Zbohr ist zu groß.« Atlan hob die Schultern, musterte den muskelbepackten Körper des Trommlers und sagte schließlich: »Nimm einige Männer mit und sieh nach, Koy. Das Schiff wird euch nahe der Stadt absetzen. Wenn es stimmt, daß sich die Techno-Städte in großer Geschwindigkeit leeren, können wir diesen Einsatz rechtfertigen. Einverstanden?« In der gesamten Umgebung der FESTUNG war nicht ein einziger Zugor; sie hatten das Gelände und jeden größeren Raum, in den man hatte eindringen können, nach diesen Flugscheiben abgesucht. »Einverstanden«, sagte Koy, und schlagartig erwachte sein Jägerin stinkt. »Wer kommt mit mir? Vielleicht einer der Söhne Odins?« Nach kurzem Zögern schwang Heimdall seine Khylda und knurrte wort karg:
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»Ich komme mit und fange einen Techno!« Auch zwei Piraten vom Fluß Xamyhr, die selbst nicht genau wußten, was sie hierher verschlagen hatte, meldeten sich. Sie hatten sich mit aller lei Gegenständen ausgestattet, die sie in den Räumen des Bunkers gefun den hatten. »Gut. Cartal und Premst. Noch jemand. Zu fünft würden wir unschlag bar sein.« Der Gordy Dancron hob den Arm und sagte höflich-reserviert: »Wenn es der Sache dient, stelle sogar ich mich zur Verfügung.« »Einverstanden. Der Auftrag lautet also«, wandte sich Koy an den Ar koniden, »möglichst viel herauszufinden und die Spuren der Technos auf zunehmen. Wenn wir einen Techno fangen, der uns etwas verraten kann, schleppen wir ihn hierher. In Ordnung?« Atlan begleitete die fünf Pthorer zum Goldenen Raumschiff und erwi derte: »In Ordnung. Wir vertrauen darauf, daß ihr schnell herausfindet, was für Pthor und die Entwicklung der nächsten Zeit wichtig ist.« Koy bewegte seine Broins und versicherte: »Darauf kannst du dich verlassen. Wir müssen nur den Zeitpunkt und den Platz ausmachen, an dem uns die GOL'DHOR wieder abholt.« »Das läßt sich an Bord des Goldenen Schiffes besorgen«, schloß Atlan. Die Männer kletterten in die Schleuse, und kurz darauf hob das Schiff ab und verschwand in südöstlicher Richtung. Atlan kehrte zu dem Unterschlupf zurück, warf sich in einen Sessel und verschränkte die Arme im Nacken. Er versuchte nachzudenken und die bisher erlebten Vorfälle in ein Schema einzugliedern. Er ging von den kleineren, unwichtigen Dingen aus und addierte sie, aber es ergab sich kein auch nur annähernd klares Bild. Und die großen Entwicklungen, von denen er einige Bruchstücke kannte – sie waren absolut undurchsichtig. Fast war Atlan dankbar darüber, daß es auf Pthor in diesen Tagen helles Sonnenlicht gab und die Dunkelheit der Nacht. Jetzt wurde es dunkler und dunkler. Das Raumschiff landete wieder und blieb mit geöffneter Schleuse stehen. Koy der Trommler hatte seine Jagd begonnen. Einst hatten rund achttausend Technos die Stadt Zbohr und die Siedlung Groonhain bevölkert. Jetzt, im Dunkel der Nacht, sah selbst der Palast – die Ideenschmiede – verlassen aus. Die Techno-Jäger saßen und lagen auf einer kleinen Anhöhe im Norden von Zbohr. Von hier aus hatten sie in dem vagen Licht unter dem Wölbmantel eine den Umständen entsprechen de gute Sicht. Cartal hob seinen Kopf über den kantigen Felsbrocken und sagte zu Koy:
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»Ich hatte Angst, daß die Landung des Schiffes beobachtet worden wä re. Aber sie lassen sich nicht stören. Dort, hinter den Bäumen – die ersten in dieser Nacht.« Der Trommler blickte in die angegebene Richtung. Vor kurzer Zeit war die Dunkelheit angebrochen, und im Tageslicht hatte sich weder im Zen trum der Stadt noch im Außenbezirk etwas gerührt. Jetzt kam eine Gruppe von Lebewesen zwischen den Bäumen hervor und entfernte sich mit ener gischen Schritten in nordwestlicher Richtung. »Du hast recht, Pirat!« brummte Koy. »Warten wir ab, wohin sie wirk lich gehen.« »Es sind mehrere Gruppen!« stellte der Gordy nach einiger Zeit fest. Die fünf Jäger waren gut versteckt. Aber auch wenn sie sich deutlicher ge zeigt hätten, wäre wohl kein Techno auf sie aufmerksam geworden. Zwar warfen diese Pthorer ununterbrochen wachsame Blicke nach allen Seiten, aber sie schienen sich auf ihre unmittelbare Umgebung zu konzentrieren. »Und noch eine dritte Prozession von Technos. Warum, bei Odin, ver lassen sie ihre Stadt?« knurrte Heimdall und schüttelte den Kopf. »Genau das wollen wir herausfinden«, antwortete Koy. Jede der bisher drei Gruppen war rund hundert Mann stark. Die Tech nos gingen hintereinander oder höchstens in Paaren nebeneinander und verließen die Stadt auf mehreren Wegen. Am Rand Zbohrs endeten diese Wege, und das steppenhafte, weglose Land im Nordwesten, auf die Ebene Kalmlech zu, schloß sich an. Koy kannte hier unzählige Senken und Plät ze, Feuerstellen und Brunnen, unsichtbare Pfade und Verstecke für einen einzelnen oder für große Gruppen. Noch war nicht abzusehen, wie weit die Technos gehen würden. »Sie scheinen frisch und ausgeruht zu sein«, stellte Premst fest. »Mehr als das!« sagte Koy. »Ausgesprochen unternehmungslustig scheinen sie. Nun, wir werden es bald sehen. Noch gibt es genügend Ein wohner in der Stadt.« Ein vierter und ein fünfter Zug kamen an anderen Stellen aus dem Randbereich der verlassenen Stadt. Die ersten der Flüchtenden waren be reits in der Dunkelheit verschwunden. Sobald die Technos einen bestimm ten Punkt, etwa zweitausend große Schritte von der Stadtgrenze entfernt, erreicht hatten, verschmolzen die langgezogenen Gruppen miteinander und verloren sich. Einige Stunden später ließ Koy die Trinkflasche umherreichen und ord nete an, während er den Verschluß zukorkte: »Wir haben gesehen, daß offensichtlich alle Technos die Stadt verlas sen. Jetzt werden wir feststellen, wohin sie verschwinden. Ich bin der ehe malige Jäger der FESTUNGs-Herren. Ich kenne das Gebiet, also bleibt hinter mir und achtet darauf, keinen Lärm zu machen.«
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»Verstanden!« Koy sprach diese Warnung aus, obwohl er zu ahnen begann, daß sie überflüssig war. Mehr und mehr Technos machten den Eindruck, als ha ben sie sich einem fremden Willen unterworfen. Koy stand aus der Deckung auf, winkte seinen Jägern und tastete sich schnell und lautlos über die Steine des Hügels hinunter in die Steppe. Ge schickt umging der gedrungene Mann mit dem silbergrauen Haarpelz und dem auffallenden Doppelkopf-Bildnis auf dem hellblauen Überwurf jedes Hindernis und erreichte als erster die Steppe. Etwa hundertfünfzig Meter links von Koy und seinem Gefolge zeichneten sich die Silhouetten der vie len Technos ab. Das Geräusch, das die fünf Jäger verursachten, als sie ge bückt neben der scheinbar endlos langen Schlange der Technos entlang huschten, wurde von den Schritten der vielen Hunderte leicht übertönt. Im stachligen Gras und zwischen den sandigen, leeren Wüstenflächen, zwischen den wahllos verstreuten Steinbrocken tauchten Büsche auf, die kleinen Halbkugeln glichen. Koy hielt an und drehte sich um. »Wir sind bisher nicht bemerkt worden«, sagte er in flüsterndem Ton. »Und hinter der Hügellinie dort beginnt die Halbwüste. Dort gibt es noch weniger Deckung.« »Du meinst diese winzigen Hügel?« fragte Heimdall und zeigte auf ei nige unbedeutende Erhebungen in rund zwei Kilometern Entfernung. »Genau! Bis dorthin können wir ohne Schwierigkeiten folgen. Und wenn ich es recht betrachte, hat die Spitze unseres Auswandererzugs diese Linie bereits längst passiert.« »Also – weiter?« fragte Premst trocken. »So ist es. Hinter mir her!« Wieder liefen und sprangen sie in langen Sätzen neben dem Zug her. Sie achteten darauf, weder laute Geräusche zu verursachen noch die Deckungsmöglichkeiten allzu sehr zu verlassen. Etwa kurz vor Mitternacht erreichten sie einen winzigen Einschnitt zwi schen zwei ebensolchen Hügeln. Während die Kuppen der Erhebungen gänzlich kahl waren, wucherte in dem Spalt hohes, stachliges Unkraut, zwischen dessen Stengeln und Ranken eckige Steine lagen. Hundert Meter weiter links, auf einem weniger mühsamen Weg, tappten die Technos über einen Hügel und drangen in die Steppe ein, noch immer genau auf das fer ne Zentrum der Ebene Kalmlech zielend. Koy und seine Jäger bahnten sich langsam einen Weg durch das Ge strüpp und über die Felsbrocken. Dann lag im ungewissen Licht eine weite, ebene Fläche vor ihnen. Der Horizont war weit entfernt. An einigen Stellen schien sich im Wölbmantel ein mattes Glühen auszubreiten. Es gab der Nacht eine Spur von Hellig
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keit, die etwa einer klaren Nacht im Glanz großer, dicht stehender Sterne entsprach. »Und jetzt?« fragte Heimdall knurrend und drehte seine Waffe, als sie seiner Meinung nach zu hell funkelte. »Warten. Wie die Spitze des TechnoZuges!« antwortete Koy. »Schaut dorthin!« Schätzungsweise zwei, drei Kilometer entfernt, aber noch immer deut lich zu sehen, hatten die Technos angehalten. Sie standen in losen Grup pen wartend da. Niemand von ihnen sprach. Diejenigen, die hinter den er sten Ankömmlingen die Stadt verlassen hatten, wanderten auseinander und stellten sich ebenfalls in kleineren oder größeren Gruppierungen auf. »Nicht nur wir warten«, brummte der Gordy. »Auch diese Technos su chen dort etwas Bestimmtes.« Koy stieß ein kurzes Lachen aus und sagte mit seiner sonoren, ruhigen Stimme: »Vielleicht erfahren wir es.« Dann überlegte er, schließlich packte er Heimdall am Arm und schlug vor: »Wir beide versuchen es, ja? Zwar sehen wir wirklich nicht wie Tech nos aus, aber nachts sind alle Kanten rund. Wir schließen uns dem Zug an und warten zwischen den Gruppen, und dann sehen wir weiter.« »Und wir?« fragte der Gordy Dancron nicht ohne beleidigte Arroganz. »Ihr kommt uns zur Hilfe und schlagt uns heraus, wenn wir in Not sind. Oder ihr folgt uns, wenn ich auf mehreren Fingern drei schrille Pfiffe aus stoße. Begriffen?« »Begriffen. Wir sind nicht aus dem Blutdschungel!« gab der Gordy zu rück. »Fein. Also los!« Sie richteten sich auf, nachdem sie weit genug von ihrem Versteck ent fernt waren. Dann gingen sie im gleichen Schrittmaß und hoch aufgerich tet zuerst parallel zu den schweigenden Technos, dann aber näherten sie sich dem Zug mehr und mehr. Heimdall überragte nicht nur die Masse der Technos um einen Kopf, sondern auch den gedrungenen Trommler um mehrere Köpfe. Als sie die lockere Reihe erreicht hatten, hörten sie auf, sich darüber zu wundern, daß man sie nicht als Störenfriede oder gar Feinde identifizierte. Als sich Koy herumdrehte und einem Techno in das starre Gesicht blickte, glaubte er, den Grund hierfür zu erkennen. Der Techno schien in sich gekehrt zu sein. Er registrierte nicht mehr alle Einzelheiten seiner Umgebung mit der gleichen Schärfe wie sonst. Nach Mitternacht etwa erreichten sie die Stelle, an der schätzungsweise ein halbes Tausend Technos versammelt waren.
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Sie stellten sich zu einer Gruppe, drehten aber dem Mittelpunkt der schweigenden Versammlung die Rücken zu und blickten hinaus in die Steppe. Plötzlich stieß Heimdall seinen Nachbarn an. »Dort drüben, ein Mann mit rotem Gewand. Ist es ein Vollstrecker?« »Ja.« Noch während Koy versuchte, die hagere Gestalt im dunklen Gewand genau zu sehen, ertönte aus Nordosten eine merkwürdige Geräuschflut. Zuerst klang es wie leiser Trommelschlag, der aus großer Ferne herüber schallte. Dann gab es zischende und fauchende Laute, und aus dem Trom meln wurde das Geräusch schwerer Pfoten, Tatzen und Pranken, die auf den Steppenboden schlugen. Keuchende und gurgelnde Atemzüge waren zu hören, als sich riesengroße Schatten näher und näher heranschoben. »Bestien! Aus den Horden der Nacht!« flüsterte Koy. »Tatsächlich! Und ich sehe immer mehr Vollstrecker!« gab der Odins sohn zurück. Sie konnten sich auf ihre scharfen Augen verlassen. Wie aus dem Boden aufgetaucht, standen mindestens ein Dutzend Vollstrecker zwischen den Gruppen der regungslosen Technos. Allerdings: der Nachschub aus der Stadt hatte aufgehört. Es kamen kei ne Nachzügler mehr, keine willenlosen Flüchtlinge. Etwa vier Dutzend große, vielbeinige Bestien, Monstren mit breiten Rücken und riesigen Rachen, kamen fauchend und polternd aus der Step pe. Von Vollstreckern, die hinter ihren Ohren saßen und die langen Waf fenstäbe schnell und geschickt handhabten, waren sie in rasendem Lauf hierher dirigiert worden. Breite Schaumbahnen tropften von den zucken den Lefzen. Der Schweiß der Tiere stank durchdringend. Ihre Atemzüge glichen fauchenden und zischenden Blasebälgen. Mächtige Muskelstränge zitterten vor Anstrengung. Prankenhiebe warfen breite Sandfontänen peit schend nach allen Richtungen. Von den Rücken der Monstren waren scharfe, schnelle Befehle zu hö ren. »Technos! Hierher!« »Klettert auf die Tiere!« »Dort hinauf! Schneller! Du dort, hilf den anderen!« Einige Vollstrecker schwangen sich geschickt von den Rücken der rie senhaften Monstren herunter. Koy sah im Fell, in der lederartigen oder aus Knochenpanzern bestehenden Haut der Nachtbestien breite Wunden, die Spuren von Feuereinwirkungen und eine Unmenge schlecht verheilter Narben. Er schloß daraus, daß zumindest ein Teil dieser Monstren in Kämpfe – untereinander oder gegen die ameisenhaften Soldaten – ver wickelt worden war. Rasch leerte sich der Boden dieses Stückes Steppe. Heimdall und Koy hatten sich, als die ersten Technos mit Schwierigkei
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ten auf die Rücken der Tiere zu klettern anfingen, zurückgezogen. Sie wanderten, so unauffällig wie möglich, zwischen den Gruppen zurück und auf das Versteck der anderen drei Jäger zu. Lautlos entfernten sie sich aus dem Mittelpunkt des Geschehens. Einige hochwirbelnde Staubwolken und der Dampf, der aus den Rachen einiger drachenartiger Monstren kam, hal fen ihnen, nicht entdeckt zu werden. Hinter der ersten Deckungsmöglichkeit kauerten sie sich zu Boden und verschmolzen mit Löchern und Steinen. »Die Vollstrecker holen mit Hilfe der Horden der Nacht die Technos zu sich. Oder sie bringen die Technos im Schutz der Dunkelheit an einen an deren Ort.« »Das bedeutet«, folgerte Heimdall mürrisch, »daß sie etwas verbergen. Nicht gesehen werden wollen.« »Richtig. Niemand soll herausfinden, was mit den Technos geschieht.« »Das bedeutet«, sagte der Sohn Odins, »daß wir es herausfinden soll ten.« »Endlich jemand«, flüsterte Koy zufrieden, »der meine Sprache spricht.« Zwei Drittel der Bestien, jede mit mehreren Technos auf dem Rücken, einige von ihnen mit Technos und Vollstreckern, stoben in demselben schnellen Tempo davon, in dem sie gekommen waren. Um die restlichen Monstren hatten sich dichte Kreise von Technos gebildet. Ununterbrochen trieben die Vollstrecker die Technos dazu, über die Panzerplatten, die Muskeln und die bebenden Flanken der Tiere zu klet tern. Oben, auf den breiten Rücken angelangt, klammerten sich die Tech nos an allem fest, was ihre Finger greifen konnten. »Wir brauchen gar nicht zu versuchen«, meinte Koy nach einiger Zeit, »den Monstren zu folgen. Sie sind für uns zu schnell. Das könnte höch stens das Raumschiff schaffen.« Wieder drehten sich schnaubend und prustend einige Bestien herum, trabten an und rannten dann der fernen Ebene Kalmlech entgegen. Die Menge der wartenden Technos verringerte sich schnell. »Die Technos verschwinden!« sagte Heimdall warnend. »Es gibt noch genügend in der Stadt«, gab Koy zurück. »Dort fangen wir den einen oder anderen ohne sonderliche Mühe.« »Und die Vollstrecker?« »Die sind wohl nur hier und auch nur in der Nacht zu fassen. Aber … gegen zehn dieser Bestien und einen Haufen Technos, die sich alle als wil lige Werkzeuge der Vollstrecker verwenden lassen – keine Chance, Sohn Odins!« »Was tun wir also?« »Wir lauern ihnen auf und benutzen die erste und aussichtsreichste
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Möglichkeit, um, fünf gegen einen, einen Vollstrecker zu packen. Das Schiff holt uns in den späten Morgenstunden ab.« Auch die letzten Ungeheuer, die Rücken voller Technos, verließen den zertrampelten Schauplatz. Die Vollstrecker kletterten auf die Rücken der Tiere. Eine gewaltige Wolke eines scharfen und ätzenden Gestanks blieb zurück und verpestete die dunkle Umgebung. Langsam standen Koy und Heimdall auf und dehnten ihre Muskeln. Plötzlich zuckte der Trommler zusammen. Er zischte: »Dort! Ein einzelner Vollstrecker!« Sie erkannten ihn deutlich an dem charakteristischen Stab, den er wie eine Waffe über der Schulter trug. Langsam schritt die Gestalt in die Rich tung, in der die Monstren davongerannt waren. Zweifellos eine Art Posten zwischen Kalmlech und der Stadt, der verhindern sollte, daß jemand etwas über das Schicksal der Technos erfuhr. Das Jagdfieber griff wieder nach Koy und beherrschte augenblicklich alle seine Gedanken und Empfindungen. Er ließ sich zu Boden fallen, riß Heimdall ebenfalls um und pfiff aus der sicheren Deckung heraus dreimal. Cartal, Premst und Dancron verstanden. Sie hatten den Vollstrecker ebenfalls gesehen und kamen jetzt in großen Sprüngen aus dem Schutz der Büsche und Felsen. Einer schwang ein lan ges Seil, der andere eine Art Wurfkugel, der dritte trug, stumpfe Lanzen und eine Steinschleuder. Koy löste seinen Schlingriemen vom Gürtel, und Heimdall hob seine Khylda auf. Aus verschiedenen Richtungen stürzten sie auf den Vollstrecker zu. Der Mann war zusammengezuckt, als die grellen Pfiffe ertönt waren. Dann beruhigte er sich wieder, nahm das rohrähnliche Gerät von der Schulter, sah sich um und ging weiter. Als er ein Dutzend Schritte gemacht hatte, war er bereits fast eingekreist worden. Jetzt merkte er, daß er es nicht mehr mit willenlosen Technos zu tun hatte. Er wirbelte herum, senkte die Waffe in Angriffsstellung und schrie in klarem Pthora: »Was wollt ihr? Ich bin der Posten. Zurück in eure Löcher, Gesindel!« Als Antwort ertönte aus verschiedenen Richtungen ein kurzes, grimmi ges, aber mehrstimmiges Gelächter. Die Fußtritte näherten sich schneller. Eine Wurfkugel zischte durch die Luft und traf das vordere Ende der lan gen Waffe. Koy schrie über den Lärm des ausbrechenden Kampfes hin weg: »Vorsicht! Wir brauchen ihn lebend und möglichst unversehrt.«
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Koy der Trommler, der trotz des Kampfes versuchte, einen kühlen Kopf zu behalten und keinen Fehler zu begehen, sagte sich, daß dieser einzelne Vollstrecker kein Zufall sein konnte, kein Wächter, der sich gerade jetzt ausgerechnet hier aufhielt. Andere wie er waren zweifellos unterwegs. Sie schirmten wohl den Mittelpunkt der Ebene Kalmlech vor Neugierigen ab, die aus dem Gebiet der FESTUNG kommen mochten, aus Zbahn oder Donkmoon oder Zbohr. Also geschah etwas mit den Technos, das von großer Wichtigkeit war. Premst wirbelte das lange Fangseil in Schlingen über seinen Kopf und schleuderte das Ende immer wieder nach dem Vollstrecker. Der Mann wich schnell aus, wehrte sich mit kurzen Ausfällen seiner lanzenartigen Waffe, aber er flüchtete nicht. Nach wenigen Augenblicken war er tatsächlich umstellt. Von allen Sei ten erfolgten die ersten, noch vorsichtigen Angriffe. Aber dann riß Heim dall seine Waffe hoch und drang knurrend auf den Rotgekleideten ein. Die Wurfkugel schmetterte gegen das Knie des Vollstreckers, der einen kurzen Schmerzenslaut ausstieß und sich zu Boden fallen ließ. Aber noch ehe die Khylda traf und die Lanzenwaffe zerstören konnte, rollte der Vollstrecker zur Seite, wich aus, kam wieder auf die Beine und rammte Heimdall die stumpfe Spitze der Waffe gegen die Brust. Heimdall stieß einen Fluch aus und blieb stehen, als sei er in eine Mauer gerannt. Jetzt wickelte sich das Seil um den Oberkörper des Vollstreckers. Premst warf sich herum und zog fest am anderen Ende. Im gleichen Au genblick schmetterte Heimdall dem Rotgekleideten die Waffe aus beiden Händen. Dancron ergriff sie noch in der Luft und spurtete davon. Koy war versucht, seine Broins einzusetzen. Aber er wendete den Schlingriemen an. Eine dünne, fast unzerreißbare Schnur wirbelte wie eine Peitsche durch die Luft, legte sich in schnellen Spiralen um die Knöchel und fesselte die Gelenke des Rotgekleideten an einander. Auch Koy riß an dem Ende des Riemens, und hilflos stürzte der Vollstrecker nieder … »Überwältigt«, sagte der Pirat und stellte einen Fuß auf den Brustkorb des Mannes. »Wir haben ihn.« »Wenn er wirklich telepathisch veranlagt ist«, murmelte Koy und fes selte ihr Opfer schnell und sachkundig, wobei sich der Rotgekleidete wie ein Rasender wehrte, »hätte er uns früher kommen sehen müssen.« »Also ist er nichts anderes als ein Schnüffler und Spion!« meinte Dan cron. »Dieser Neu-Pthorer.« Der Vollstrecker öffnete seinen Mund und stieß ein paar Worte hervor.
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»Ihr werdet einer furchtbaren Bestrafung nicht entgehen«, schwor er. Koy erwiderte sarkastisch: »Aber du wirst uns nicht bestrafen. Legt ihm noch eine Fessel an.« Sie fesselten ihn so, daß er sich kaum rühren konnte. Dann warf ihn Heimdall über seine Schulter und schleppte ihn ohne Mühe davon, auf das erste Versteck nahe der Stadt zu. »Ihr habt eine Menge Posten aufgestellt, nicht wahr?« fragte Koy den Gefangenen. Der Gefangene schwieg. Dancron grinste und fragte: »Sprichst du mit uns, wenn wir dir etwas zu trinken geben?« Auch er bekam keine Antwort. »Früher«, knurrte der Trommler, »das waren noch Zeiten! Keine guten Zeiten, aber immerhin solche, in denen man sich auf verschiedene Dinge verlassen konnte. Noch niemals hat ein Techno oder ein Bewohner der Unterwelt Koy, dem Trommler, eine Antwort verweigert.« Der Gefangene, der über Heimdalls Rücken hing wie ein länglicher Sack, schien von diesem entrüsteten Ausruf nicht die geringste Notiz zu nehmen. Trotzdem oder gerade deswegen war nicht nur Koy sicher, daß der Vollstrecker weitaus mehr wußte, als sie dachten. Vermutlich würden sie in dieser Nacht und hier in der Steppe aus ihm keine vernünftige Ant wort herausschütteln können. Aber sicher sprach er, wenn er Atlan und Razamon – und den Magiern! – gegenüberstand. »Und jetzt«, schlug Heimdall auf seine gewohnte mürrische Art vor, »gehen wir in die Stadt und holen für Atlan noch einen Techno. Was der eine uns nicht sagen will, offenbart vielleicht der andere.« »Ich bin auf der Seite deines Vorschlags«, antwortete ihm der Trommler sofort. »Vorausgesetzt, wir finden noch einen Techno in dieser dunklen, ausgestorbenen Stadt.« »Das ist sehr wahrscheinlich.« Sie liefen auf ihren eigenen Spuren zurück und brachten den Gefange nen, der keinerlei Regung zeigte, in ihr Versteck. Cartal, der ehemalige Pi rat des Regenflusses, kauerte sich neben dem Vollstrecker auf den staubi gen Boden und lehnte die breiten Schultern gegen den Felsen. Er hielt Wa che, und seiner Entschlossenheit war zu entnehmen, daß er dem Gefange nen keine Chance einräumen würde, sich zu befreien oder befreien zu las sen. Koy und Heimdall führten Premst und Dancron ein paar Schritte weiter abseits, und der Trommler sagte: »Noch ist Zeit. Wollen wir uns wirklich nach Zbohr hineinwagen und suchen? Es kann sein, daß wir uns unverhofft einer Übermacht gegenüber sehen.« Heimdall antwortete kurz:
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»Obwohl Flucht unehrenhaft und meiner nicht würdig ist, flüchten wir in diesem Fall lieber.« »Ein weiser Entschluß, von einem furchtlosen Recken ausgesprochen«, bestätigte der Gordy. »Ich bin dabei.« »Gehen wir, solange es noch dunkel ist.« Premst, Dancron, Heimdall und Koy nahmen einige große Schlucke aus der Trinkflasche, aßen einige Brocken und machten sich auf den Weg. Zu vor waren die Fesseln des gefangenen Vollstreckers kontrolliert worden. Der Rotgekleidete verhielt sich weiterhin wie ein Wesen mit einem stäh lernen Willen, der durch äußere Einwirkung nicht zu brechen war. Nach einem kurzen Gewaltmarsch drangen die vier Jäger in die Außen bezirke von Zbohr ein. »Tiefste, unnatürliche Ruhe!« kommentierte Koy. Sie verteilten sich und suchten in den kleinen, bungalowähnlichen Häu sern der Siedlung. Einst hatten sich hier die Technos von der Arbeit des Erfindens und Entwickelns neuer Techniken erholt. Jetzt gab es nicht ein einziges Licht. Türen und Fenster waren geschlossen, aber nicht verriegelt. Noch in diesen Stunden einer für sie möglicherweise gefährlichen Ent wicklung änderten die Kunstwesen ihre Eigenheiten nicht. Auf einem kleinen Platz, auf dem sich sechs schmale Straßen kreuzten, trafen die Jäger wieder zusammen. »Ich habe mindestens zwanzig Behausungen kontrolliert«, rief Premst unterdrückt. »Keine Spur von Leben mehr.« »Dasselbe bei mir«, sagte Heimdall. »Sie scheinen tatsächlich alle aus geflogen zu sein.« Eine unglaubliche Ruhe lag über Groonhain. Das Fehlen jeglicher Be leuchtung trug dazu bei, einen fast unheimlichen Eindruck zu schaffen. Aber als Bewohner Pthors waren die Jäger an solche Stimmungen ge wohnt. Sie empfanden keinerlei Furcht oder Beklemmung; nur die Enttäu schung, daß sie es versäumt hatten, einen Techno festzuhalten, traf sie hart. »Ich halte das für ausgeschlossen«, stellte Koy ärgerlich fest. »Es wird sich doch in ganz Zbohr noch ein Techno finden lassen! Vielleicht ein kranker oder einer, der sich den Fuß gebrochen hat. Oder einer, der den Aufruf der Vollstrecker überhört hat.« »Die Suche würde einige Tage dauern. Außerdem brauchen wir keinen Knecht, wenn wir seinen Meister gefangen haben!« widersprach der Gordy. »Wir suchen trotzdem weiter!« entschied Koy. Wieder rannten sie auseinander und durchsuchten ein anderes Gebiet. Auf ihrem Weg näherten sie sich mehr und mehr der eigentlichen Stadt, die ebenso verlassen und tot zu sein schien. Nicht einmal Tiere sahen sie
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auf ihrem schnellen Zickzackweg durch die Straßen und entlang der Haus wände. Koy der Trommler blieb vor dem riesigen Gebäude stehen, stemmte sei ne muskelbepackten Hände in die Seiten und stieß einen altpthorischen Fluch aus. Dann sagte er so laut, daß das Geräusch seiner Stimme zwi schen den Wänden widerhallte: »Bei den Knochen der Yuugh-Katze! Die Stadt ist tatsächlich verlassen. Vollkommen leer.« Das geisterhafte Echo rief die anderen Jäger zusammen. »Es waren also die letzten Technos von Zbohr, die wir gesehen haben. Wenn wir gewußt hätten …« Heimdall stieß die Khylda klirrend auf das Straßenpflaster. Auch dieses Geräusch hätte jeden Schlafenden geweckt und dazu getrieben, nachzuse hen. »Geben wir es auf«, schlug er vor. »Es ist sicher das Vernünftigste. In wenigen Stunden ist die GOL'DHOR am Treffpunkt«, resignierte Koy. Er registrierte, daß ihn sein alter, stets zuverlässig funktionierender Jä gerinstinkt halb im Stich gelassen hatte. Die sichere Beute vor der Nase, hatte er sich von einer – scheinbar? – wichtigeren Beobachtung ablenken und von seinem Plan abbringen lassen. Die Erregung der Jagd flaute inner halb weniger Minuten ab und machte einer Mischung aus kalter Wut und Resignation Platz. »Gehen wir zurück«, sagte er kurz. Schweigend machten sie sich auf den Weg. Beim ersten Licht des Tages erreichten sie die Stelle, an der Cartal neben dem gefangenen Vollstrecker kauerte und keinen Blick von ihm ließ. Einige Stunden später weckte Heimdall, der die nächste Wache übernommen hatte, die Jäger. Einen Steinwurf weit neben dem Versteck landete geräuschlos das Gol dene Raumschiff und fuhr die Schleuse auf. Razamon band den Gefangenen an einem schweren Sessel im Saal des Ge bäudes fest. Tageslicht strömte durch langgezogene Fenster unter der fla chen Decke herein. Einige der Pflanzen, die das Dach überwucherten, öff neten kleine, verschrumpelte Blüten. »Du bist in der FESTUNG«, eröffnete Razamon dem Gefangenen. »Neben mir steht Atlan, der König von Atlantis. Wie ist dein Name?« Der Gefangene hatte das Angebot, etwas zu essen und einen Becher dünnen Wein zu trinken, mit einem kurzen Kopfschütteln abgelehnt. Nach und nach versammelten sich alle Pthorer, die es in diesem Abschnitt der FESTUNG gab, innerhalb und außerhalb des Saales. »Kein Name«, war die deutliche, aber kurze Antwort. »Waren die Technos schon nicht gerade mit überschäumenden Gefüh
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len ausgestattet«, bemerkte Kennon, »so scheint der Vollstrecker noch sturer und kälter zu sein.« »Ein lebender Roboter!« gab Atlan zu. Der Berserker baute sich mit verschränkten Armen vor dem Gefangenen auf. Er wirkte drohend und gewalttätig. »Ich frage dich, warum ihr die Technos mit den Horden der Nacht weg bringt. Und wohin!« Die Nachrichten, die von Koy und seinen Jägern mitgebracht worden waren, hatten Bestürzung und weitere Besorgnis hervorgerufen. Eine ge heimnisvolle Entwicklung bahnte sich an. Allein achttausend Technos aus einer Stadt waren verschwunden, davongeschleppt seit einigen Nächten in Gruppen von fünfhundert und mehr Personen. Keine Antwort. Nur die stechenden Augen des Mannes, dessen Kleidung verschmutzt und zerrissen war, blickten aufmerksam jeden der Wartenden an. »Ihr habt die Horden der Nacht gegen die Invasoren des anderen Di mensionsfahrstuhls getrieben und die Fremden zurückgeschlagen. Woher hattet ihr die Informationen?« fragte Razamon weiter. Der namenlose Vollstrecker rührte sich nicht und gab keine Antwort. Man vermochte nicht einmal seine einfachsten Empfindungen zu deuten – es schien keine zu geben. Atlan und Razamon stellten immer wieder Fragen. Der Vollstrecker schwieg beharrlich. Manchmal schien es, als nähme er die Bedrohung um ihn herum gar nicht wahr, als gäbe es die Pthorer nicht, und als ihn Razamon grob an der Schulter packte und schüttelte, schwankte er zwar, aber reagierte auch nicht anders als bisher. Er blieb stumm und starr. Atlan drehte sich um und winkte Koratzo. »Wir sind am Ende unserer Kunst«, sagte er betroffen. »Vielleicht ge lingt es dir, Stimmenmagier, wenigstens einen Teil seiner Gedanken hör bar zu machen.« Mit seinen auffallend blauen Augen blickte Koratzo erst Atlan, dann den Gefangenen lange an. Der große Magier aus der Tronx-Schlucht schob seinen schlanken Körper durch die Menge und meinte: »Ich kann es versuchen. Aber der Gefangene scheint nicht in Begriffen zu denken, die mir leicht zugänglich sind.« »Versuche es trotzdem. Es ist wichtig, Antworten auf all die gestellten Fragen zu bekommen!« bat Razamon. Der Magier setzte sich, während sich das aufgeregte Murmeln rundher um legte, dem Gefangenen gegenüber auf einen Tisch. Seine Augen bohr ten sich in das Gesicht des Namenlosen. Atlan wußte, daß Koratzo es schaffte, mit Hilfe wissenschaftlicher Gesetze einer anderen Erscheinungs
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ebene Gedanken in Schallschwingungen und also in Worte zu verwandeln oder umzusetzen. Das Schwierigste war hierbei, die Gedanken erst einmal festzuhalten und zu entziffern. Und bei diesem gefühllosen Mann in roter Robe dürfte es besonders schwierig werden. Warte es ab. Und erschrick nicht über die Wahrheit, mahnte der Logik sektor. Nach einiger Zeit schienen sich in der Luft Worte zu bilden wie unsicht bare Wolken oder Blasen. Einzelne Wortfetzen wurden hörbar. Auch der letzte Rest Unterhaltung verstummte. Die Versammelten hiel ten den Atem an, damit ihnen nichts entgehe. »… kann nicht anders … ich habe einen Auftrag … alles andere ist … nicht wirklich … alles andere gibt es nicht … nur eines: … BEWACHE DIE EBENE KALMLECH!…« Diese vier Worte wurden sehr laut und deutlich hörbar gemacht. Sie ex plodierten förmlich in der Stille. »… ich habe jeden anderen Pthorer zu töten … der versuchen sollte … die Wachen zu umgehen … … niemand darf den Technos nachspüren … … wo bin ich …?« Atlan und Razamon beobachteten den Gefangenen besonders konzen triert, während sie den Sinn der Worte aufnahmen. Was bisher gesagt wor den war, was der Magier hörbar gemacht hatte, war nichts anderes als die Bestätigung auf Gerüchte, Vermutungen und verschiedene Beobachtungen gewesen. »… nichts darf bemerkt werden … muß jeden töten, der zusieht, wie die Technos weggebracht … wenn die Dunkelheit endet … muß ich zurück reiten … zur Senke der Verlorenen Seelen … dort halte ich Wache … … wo bin ich jetzt …?« Dem Magier war es erst teilweise gelungen, die undurchdringliche Sperre zu durchstoßen, die den Verstand des Vollstreckers umgab. Das dürre, sehnige Wesen war noch immer ohne echten Kontakt mit der ge genwärtigen Wirklichkeit. Es schien ununterbrochen an seinen Auftrag zu denken. In einer Pause sagte Razamon leise zu Atlan: »Was er denkt, beziehungsweise welche Befehle ihm eingepflanzt wor den sind – dies gilt mit Sicherheit auch für alle übrigen Vollstrecker.« »Dieser Gedanke hat sich bei mir seit Koys Bericht eingenistet und fest gesetzt«, antwortete ihm Atlan. »Aber … still!« Wieder erfüllten geisterhaftes Flüstern und dumpfes Murmeln, beides aber in klar verständlichem Pthora, den Raum.
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»… ich erkenne … … bis jetzt habe ich alles, was geschah, nicht verstanden … ich bin hier … weit entfernt von der Senke … um mich herum: Fremde … ich bin ge fangen. GEFANGEN! … ich kann meinen Auftrag nicht mehr ausführen … gefesselt … voller Pthorer … sie hören, was ich denke … mein Auftrag ist bekannt … ich ha be versagt …« Die hörbar gemachten Gedankenfetzen wurden lauter, drängender, die einzelnen Worte überschlugen sich. »Er ist voller Panik«, sagte jemand mit keuchender Stimme. In das letzte Wort drängte sich ein neuer, noch lauterer und aufgeregte rer Gedankenstrom herein. Offensichtlich erkannte der Gefangene die Wirklichkeit jetzt vollkommen. »… ich denke selbständig … und ich habe versagt … ich kann mich nicht mehr befreien … die Wirklichkeit ist ganz anders als mein Auftrag … ich verdiene nicht mehr länger zu existieren … … der Befehl lautet …« Etwas schien innerhalb des mageren Körpers auszusetzen. Der Gefange ne bäumte sich kurz auf, sein Gedankenstrom riß ab, und er starb.
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6.
Die Gruppe von Pthorern, die den toten Vollstrecker im ehemaligen Park der FESTUNG begraben hatten, kam zurück. Jeder von ihnen war tief in Gedanken versunken. Tausende und aber Tausende Technos, einst die wil ligen Geschöpfe der Herrscher über Pthor, gehorchten nun einem anderen Befehl, und die Vollstrecker waren die höheren Dienstgrade in dieser Gei sterarmee. »Immerhin wissen wir jetzt«, sagte Atlan nachdenklich, »an welchen Stellen wir mit weiteren Nachforschungen ansetzen müssen.« »In der Ebene Kalmlech und noch mehr in der Senke der Verlorenen Seelen«, gab Razamon zurück. »Aber wir sollten keine Pthorer mehr der Gefahr aussetzen, im Kampf mit den Schnüfflern und Vollstreckern zu un terliegen.« »Wir haben das Raumschiff!« »Richtig. Wir gehen damit ein weitaus geringeres Risiko ein. Sehen wir also in der Senke der Verlorenen Seelen nach.« Nicht nur Atlan und Razamon waren sich darüber einig, daß Pthor selbst keine Chance mehr hatte, sich aus der Gewalt des Dunklen Oheims zu befreien. Sämtliche Lenk- und Steuermöglichkeiten des Weltenfrag ments waren lahmgelegt. Der Dimensionsfahrstuhl gehorchte keinem die ser Manöver-Versuche mehr, denn La'Mghor existierte nicht mehr, und an die sogenannte Seele konnte niemand mehr vorstoßen. Darüber hinaus: Was sich auf Pthor abzuzeichnen begann, würde vermutlich auch für al le anderen Dimensionsfahrstühle gelten, die jetzt in dem Hohlplaneten zu sammengefaßt wurden. Kennon kam an Atlans Seite und meinte: »Wann starten wir?« Koy antwortete an Atlans Stelle: »So bald wie möglich. Es war also doch ein günstiger Zufall, daß wir einen Vollstrecker fingen statt eines Technos. Keiner der willenlosen Technos hätte gewußt, was er tat.« »Nachher ist man immer klüger«, brummte Razamon. »Habt ihr ge merkt, wie der Vollstrecker starb? Als sei er ausgeschaltet worden wie ei ne Maschine!« »In seinem Verhalten war er einer Maschine auch ähnlicher als einem lebenden Wesen«, gab Koratzo zurück. »Und vergeßt nicht, Kolphyr und Bördo abzuholen.« »Ganz sicher nicht.« Der schillernde Krater in der Ebene Kalmlech würde vermutlich in der Zwischenzeit andere Überraschungen ausgespien haben. Sator Synk lehnte
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an der Wand des Schiffes und winkte, als die anderen näherkamen. Pthor war zweifellos im Aufbruch begriffen. Aber in welche Richtung die überraschenden und drohenden Verände rungen zielten, war noch nicht klar. Atlan mutmaßte, daß am Ende aller Abenteuer eine weitaus größere, tödliche Überraschung stehen würde, als er selbst es sich in den kühnsten Gedanken vorzustellen vermochte. Wieder startete die GOL'DHOR. Ihr erster Flug führte sie zu der Stelle, an der sich Bördo und Kolphyr versteckt halten sollten. Aber der Berserker fand sie nicht. Er entdeckte aber, in eine Steinplatte eingeritzt, eine Botschaft. Wir schlagen uns zur FESTUNG durch. Sucht uns nicht. Wir haben in teressante Beobachtungen gemacht. Keine Sorge um uns! »Auch gut«, knurrte Razamon und begann den Mut des Jungen zu be wundern. »Hoffentlich sehen wir uns wohlbehalten wieder.« Er rannte zum Raumschiff zurück. Die GOL'DHOR überflog Steppen und Wüsten, näherte sich dem Re genfluß und ließ das Massiv um den Taamberg rechts liegen. Nördlich der Uferwälder des Regenflusses breitete sich, unübersehbar, die Senke aus. Das Raumschiff gab erste Informationen: »Beachtet die Szene. Ich registriere Bewegung und heftige Tätigkeit.« So hoch, daß sie schwer entdeckt werden konnten, aber so nahe wie möglich überflogen sie mehrmals langsam die Senke der Verlorenen See len. Ununterbrochen zeigten sich neue Bilder. »Es arbeiten tatsächlich Technos hier!« stellte Atlan fest. Obwohl sie damit hatten rechnen müssen, waren sie alle von der riesigen Anzahl und von der planmäßigen, zielgerichteten Hast überrascht, mit der die Technos hier schufteten. Koy sagte knurrend: »Die Technos, die wir gesehen haben, konnten aus der Stadt nichts mit genommen haben. Keine Werkzeuge, keine Waffen, höchstens ein wenig Proviant. Und hier arbeiten sie, wie Techniker ausgestattet.« Atlan lachte sarkastisch. »Ich habe einmal gedacht, ich würde alle Höhlen, Stollen und Hallen oder was es sonst noch tief unter der Oberfläche Pthors gibt, ziemlich gut kennen. In Wirklichkeit habe ich mich nur in einem Bruchteil von ihnen aufge halten. Der Beweis dafür breitet sich vor uns aus.« Mehr als dreitausend Gebäude, einst die »Glaspaläste« genannt, zwan zig Meter hoch, hatten sich in dem Gebiet der künstlich bewässerten Sen ke befunden. Jetzt gähnten an vielen Stellen leere Stellen, sechzig mal zwanzig Meter groß. Auf den Wegen und zwischen den Lagerhallen und Ersatzteildepots herrschte ein reges Treiben. Der Stamm der Technos dieses Gebiets war, als Pthor-Atlantis auf der
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Erde landete, rund zwölftausend Mitglieder stark. »Sie reißen die Glaspaläste ein!« staunte Razamon. Es war fraglich, ob es sich bei den arbeitenden Technos nur um diese handelte, die hier gelebt hatten, oder ob aus Zbahn und Zbohr und anderen Siedlungen noch Verstärkung herbeigeholt worden war. Jedenfalls wurde planvoll und schnell gearbeitet. Die riesigen Metall-Glasmas se-Konstruktionen wurden in ihre Einzelteile zerlegt und abtransportiert. »Und was bedeuten die neuen Anlagen?« meinte Koy und blickte ab wechselnd auf die Einzelbilder der Schirme und durch das durchsichtige Material in die Tiefe. An den leeren Stellen errichteten gewaltige Scharen Technos andere, seltsam aussehende Bauten. »Sie sind noch längst nicht fertig!« »Bei diesem Arbeitstempo werden die Technos aber nicht lange brau chen, um sie fertigzustellen«, wandte Sator Synk ein. »Ich habe eine bestimmte Idee, aber ich wage nicht, sie laut auszuspre chen«, erklärte der König von Atlantis, den im gegenwärtigen Zeitpunkt keinerlei herrscherliche Gefühle plagten. »Sprich aus, was du meinst«, forderte Razamon ihn schroff auf. »Anlagen für einen bestimmten Zweck sind nicht an bestimmte Formen gebunden. Sie können dasselbe produzieren, selbst wenn sie stark ver schieden sind. Und sie können eine Vielfalt verschiedener Dinge herstel len und dennoch einheitlich wirken. Ich werde trotzdem den Verdacht nicht los, daß ich eine solche Anordnung schon einmal gesehen habe.« »Wo?« »Auf dem ›Stern der Läuterung‹ war es«, antwortete Atlan und dachte schaudernd an seine Erlebnisse dort. »Nur waren die Anlagen viel giganti scher. Die Maschinen und die ausgedehnten Hallen und was weiß ich er zeugten Organmasse. Aus dieser Masse werden die Hüllen und Teile der Innenausstattung der Organraumschiffe hergestellt. Ihr wißt, was das für Pthor bedeutet?« »Wenn du recht haben solltest, Atlan, dann ist es wohl das Schlimmste, das uns passieren könnte«, murmelte Sator Synk. Razamons Schlußfolgerungen, die genau Atlans Überzeugung entspra chen, enthüllten für die anderen Pthorer erst das volle Ausmaß dessen, wo von sie gerade eine Winzigkeit erfahren hatten. »Der Dunkle Oheim, so sehe ich es, wird versuchen, mit den vielen Di mensionsfahrstühlen in einem kleineren Maßstab das zu unternehmen, was er bisher mit den gewaltigen Möglichkeiten der Schwarzen Galaxis getan hat. Versteht ihr nicht? Das, was früher auf einem bestimmten Planeten geschah, wird auf ei nem der Dimensionsfahrstühle vorbereitet und durchgeführt. Die Pthorer
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haben eine kleinere Sklaverei in eine größere eintauschen müssen.« Wieder fielen die Wände von zwei Glaspalästen. Abermals rollten Materialtransporte herbei, und aus großen und kleinen Fertigteilen errichtet, türmten sich bald neue Mauern und Dächer hoch. »Gibt der Dunkle Oheim die Schwarze Galaxis wirklich auf?« fragte sich Atlan laut. »So scheint es. Aber die Tätigkeit in der Senke der Verlorenen Seelen ist nicht der einzige Beweis.« Atlan und Razamon blickten sich starr an. Sie besaßen wohl die meiste Erfahrung dessen, was sich wirklich zwischen den Sonnen der Schwarzen Galaxis abgespielt hatte. Razamon warf abschwächend ein: »Nun ist es so, daß eine Idee, wenn sie sich einmal eingenistet hat, in gewisser Weise bestimmend bleibt. Das würde in unserem Fall hier bedeu ten, daß wir davon ausgehen, daß in der Senke tatsächlich irgendwo Or ganschiffe produziert werden. Es können aber auch ganz andere Dinge hergestellt werden. Habe ich recht, Atlan?« »Du hast völlig recht. Aber wenn sich der Dunkle Oheim tatsächlich auf eine längere Reise begeben sollte, braucht er, wie alle Reisenden, Proviant und Unterhaltung. Für den Proviant, denke ich, haben die Dimensionsfahr stühle und deren Bewohner zu sorgen.« Atlan lehnte sich gegen die transparente Wand des Schottes und senkte den Kopf. Es war hoffnungslos. Resigniere nicht, sagte der Logiksektor. Es gibt immer einen Ausweg. Du weißt es besser! Das Gefühl der absoluten Sinnlosigkeit eines Kampfes gegen den Dunklen Oheim erfüllte Atlan. Mit sehr viel Glück und dank einiger Zufälle war es ihnen gelungen, dem Oheim eine Niederlage zu bereiten. Aber dieses Ungeheuer fing au genblicklich wieder an, die gewohnten Praktiken in kleinerem Maßstab aufleben zu lassen. Es war sicher, daß die Dimensionsfahrstühle die glei che Rolle übernehmen mußten wie vorher die Stationen und Planeten der Schwarzen Galaxis. Atlan sagte heiser: »Der Dunkle Oheim verläßt die Schwarze Galaxis. Er wartet nur noch darauf, daß der Hohlplanet vollständig ist. Dann geht er auf die Reise und hat uns alle als Instrumente dafür, daß er an einem anderen Ort seinen Willen ebenso nachdrücklich und gnadenlos durchsetzen kann.« »Was können wir dagegen tun?« »Ich fürchte«, gab Atlan ernst zurück, »daß wir nichts oder nur ver schwindend wenig dagegen tun können.« Sieh dich außerhalb des Wölbmantels um. Vielleicht ergibt sich so eine
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Möglichkeit! empfahl der Logiksektor. Atlan sagte zur GOL'DHOR: »Bringe uns zurück zur FESTUNG.« Das Raumschiff zog einen letzten Kreis über der Senke, und alle Beob achtungen, die die Insassen machen konnten, unterstrichen die Befürch tungen dieser Handvoll Pthorer. Keiner von ihnen war gewillt, sich mit diesem Schicksal abzufinden, aber ebenso wenig sahen sie die geringste Chance, etwas dagegen zu unternehmen. Hoffnungslose Resignation brei tete sich aus, als das Raumschiff lautlos zurückschwebte und sanft landete. Kennon eröffnete das Gespräch. Er hatte seit der Rückkehr vom Erkun dungsflug beharrlich geschwiegen und nachgedacht. Auch er sah keinen echten Ausweg, aber er hatte eine Idee. »Der Dunkle Oheim verfolgt sicherlich einen Plan, der unzählige Ein zelheiten beinhaltet?« »Mit Sicherheit!« bestätigte Razamon. »Tausende und aber Tausende von Winzigkeiten müssen planmäßig ineinandergreifen.« »Was geschieht, wenn einzelne Teile, größere Teile, sich nicht so ver halten?« Atlan breitete die Arme aus und schüttelte den Kopf. »Ich ahne, worauf du hinauswillst. Aber Pthor ist inzwischen jeder Ein flußnahme durch uns entzogen. Der Steuermann in der FESTUNG ist für uns wertlos geworden, und niemand kann ihm mehr helfen. Die ›Seele‹ ist blockiert, niemand kann zu ihr vorstoßen, und daß La'Mghor nicht mehr existiert, weiß jeder. Wir können Pthor nicht um einen Fingerbreit bewe gen. Pthor bewegt sich, wie es der Dunkle Oheim will!« Kennon fuhr sich durch sein dichter gewordenes, kräftiges Haar und sagte verzweifelt: »Was uns bei Pthor nicht gelingt, könnte uns vielleicht bei einem ande ren Dimensionsfahrstuhl gelingen!« »Auswahl ist wahrhaftig viel vorhanden!« stimmte Razamon zu. »Unser Freund hat recht. Versuchen wir es an anderer Stelle! Schließlich haben wir dieses herrliche magische Raumschiff. Aber – die Zeit drängt!« »So ist es. Wir wissen nicht, wann der Dunkle Oheim seinen Flug antre ten wird!« Atlan stand auf, und binnen weniger Minuten hatten sie eine kleine Mannschaft zusammengestellt. Er und Razamon, Kennon und Koy der Trommler mußten genügen. Der Rest sollte versuchen, hier am Rand des innersten Bezirks der FESTUNG eine Widerstandszelle zu organisieren. Die vier versprachen, so bald wie möglich zurückzukommen. Wieder durchstieß die GOL'DHOR den Wölbmantel Pthors und drang in den Weltraum vor.
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Das Bild des Hohlplaneten hatte sich dramatisch verändert. Unverändert lag der schwarze Ring um die gelb strahlende Sonne. Aus dem kalottenförmigen Stück des Planeten, wie er sich in den ersten Tagen den Blicken präsentiert hatte, war eine riesige Fläche geworden, stark kon vex gekrümmt, mit einer Oberfläche aus unzähligen buckelförmigen Wölbmänteln. Einigermaßen deutlich war zu sehen, daß die Dimensions fahrstühle alle nur denkbaren Formen hatten, und daß ihre Größe ebenso unterschiedlich war wie ihre Oberflächenbeschaffenheit. Das Goldene Raumschiff stieß senkrecht von Pthor aus in den Raum vor. Aus der Fläche wurde mehr und mehr eine verblüffend exakte Kugel. Als das Schiff weit genug entfernt war, und als die Insassen endlich ihre Blicke von dieser mächtigen Konstruktion losreißen konnten, sagte Raza mon fast anerkennend: »Die Kugel ist, soweit wir sehen können, fast vollendet. Aber es klaffen noch viele größere und kleinere Lücken darin.« »Fehlende Weltenfragmente!« »Richtig. Ein Loch ist hundertfünfzig Kilometer groß, das andere dop pelt so groß, und die Gegend um Pthor hat sich erstaunlich dicht gefüllt.« Es gab Dimensionsfahrstühle, die doppelt so groß wie Pthor waren. Sie sahen es deutlich an den Grenzen der Wölbmäntel. Aber auch zahlreiche kleinere Bruchstücke hatten sich in die Schale des Hohlplaneten eingefügt. Als die GOL'DHOR genau über der Trennlinie von Sonnenlicht und Welt raumschwärze zu einem Rundflug ansetzte, breitete sich das Bild eines falschen Planeten in bestürzender Größe aus. Zwar herrschten an der Oberfläche des seltsamen Gebildes Dämmerung, Tag und Nacht, aber die Verhältnisse unter den Wölbmänteln waren an ders. Obwohl Pthor beispielsweise hier im grellen, direkten Sonnenlicht lag, hatte beim Start der GOL'DHOR Morgendämmerung geherrscht. Der Hohlplanet schien eine mathematisch vollkommene Kugel zu sein. Die Dicke der Kruste war, im Verhältnis zum Gesamtvolumen gesehen, lächerlich gering. Es waren andere Kräfte als die der Schwerkraft und der Massenanziehung, die dieses Kunstgebilde zusammenhielten. Die blasenartige »Wolkendecke« der Wölbmäntel aber klaffte an vielen Stellen. Unregelmäßige Löcher verwandelten viele Stellen in ein bizarres Filigranmuster. In spaltenartigen Öffnungen steckten an einigen Stellen quer zur Laufrichtung des unregelmäßigen Loches riesige Dimensions fahrstühle. Sie wirkten, als würden sie jeden Moment in das abgrundtiefe Loch stürzen, von dem das Innere des Hohlplaneten ausgefüllt war. »Es fehlen immerhin noch eine ganze Menge Dimensionsfahrstühle«, meinte Kennon, als das magische Schiff zwei Drittel der Umkreisung be endet hatte. »Noch ist der Dunkle Oheim nicht reisefertig.« Wieder blickten sie durch ein unregelmäßig geformtes Loch mit zacki
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gen Rändern ins Innere des Planeten. Mächtige Sonnenstrahlen flammten wie Scheinwerfer durch die Löcher auf der anderen Seite. Die Strahlen bündel schienen sich zu bewegen, wurden schwächer – und wieder war aus der Unendlichkeit ein Dimensionsfahrstuhl aufgetaucht und wurde an einen freien Platz in der Kugelschale dirigiert. Das Licht wurde schwächer und erlosch. Eine Lücke war geschlossen. »Als Machtmittel sind die Weltenfragmente viel zu wichtig«, pflichtete Atlan seinem Gefährten bei, »er wird freiwillig nicht eines zurücklassen. Davon bin auch ich überzeugt. Aber eine andere Überlegung sagt mir, daß im Lauf der Jahrmillionen garantiert viele Dimensionsfahrstühle verloren gegangen sind oder zerstört wurden. Kennt der Oheim ihre Anzahl?« Darauf gab es verständlicherweise keine Antwort. »Wir müssen jedenfalls damit rechnen«, schaltete sich Koy ein, »daß die Reise beginnt, wenn der letzte Fahrstuhl eingetroffen ist. Das kann in der nächsten Sekunde geschehen, aber auch erst in einigen Tagen.« Immerhin hatte der Hohlplanet zu seiner bisherigen Größe rund fünf zehn Tage Zeit gebraucht. »GOL'DHOR! Wir suchen ein Weltenfragment, das so aussieht, als könnten wir es beeinflussen. Entscheidend ist, daß wir bei unserem Vor stoß keine besonders großen Schwierigkeiten haben. Die Zeit drängt. Flie ge zurück in die Richtung Pthors und fange mit der Suche an.« Augenblicklich änderte das Goldene Raumschiff seinen Kurs und jagte dicht über den Scheitelpunkten der Wölbmäntel zurück an die Stelle, an der Pthor zwischen seinen neuen Nachbarn festgekeilt war. Der Plan der vier Männer war aus der Verzweiflung geboren. Sie wollten versuchen, den Dunklen Oheim aufzuhalten. Ihre einzige Möglichkeit dazu war, einen Dimensionsfahrstuhl zu zwingen, sich den Befehlen des Oheims zu widersetzen. Die GOL'DHOR tauchte, nachdem sie Pthor überflogen hatte, in einen Wölbmantel ein. Der Energieschirm gehörte zu einem langgestreckten Weltenfragment, das wie ein Faustkeil geformt war, etwa zweihundert Ki lometer lang und fünfzig an der breitesten Stelle. »Auch hier herrscht heller Tag oder früher Morgen«, sagte Kennon, als sie sich innerhalb des Bereichs befanden, den der Wölbmantel umhüllte. »Auf den ersten Blick eine schöne Landschaft, dort unten.« Sie hatten genau so lange Zeit, etwas zu unternehmen, bis der letzte Di mensionsfahrstuhl sich in eine der Lücken hineingeschoben hatte. Wann das war, ahnten sie nicht einmal. Selbst eine vorsichtige Schätzung war reiner Unsinn, und so stürzten sie sich mit dem Mut der Verzweiflung in ein neues Abenteuer.
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7.
Eine Gebirgskette spaltete diese Welteninsel in zwei Teile. Die schroffen, eisbedeckten Spitzen durchschnitten, von weniger kluftenreichen Bergen an beiden Seiten gesäumt, den Dimensionsfahrstuhl der Länge nach. Den niedrigeren Bergen waren grüne, waldbedeckte Hügel vorgelagert. Zahllo se Flüsse, von den kleinen Gletschern gespeist, wanden sich den breiten Seiten des Dimensionsfahrstuhls entgegen, endeten in kleinen Seen oder verloren sich in den dichten Wäldern der Randzonen. Das Weltenfragment war durch die Gegensätze von Eis und Fels, Wäldern, Seen und Sonnen licht tatsächlich ein erfreulicher Anblick. Koy stellte nüchtern fest: »Offensichtlich unbewohnt. Jedenfalls konnte ich bisher noch keine Städte oder größere Siedlungen sehen.« Die GOL'DHOR flog über die Linie, die von der Grenze der höheren Hügel zu dem bewaldeten Vorland gebildet wurde. Vorsichtig ging das Schiff tiefer herunter, und die leistungsfähigen An lagen suchten den Boden ab. Vergrößerte Bilder erschienen auf den Sicht flächen. Zwischen den dichtstehenden Bäumen gab es immer wieder klei nere, kreisrunde Lichtungen. Im Zentrum einer jeden Lichtung ragten braune, blattlose Gewächse auf, deren Enden sich weit über den Wald er hoben. Auf den ersten Blick mußten die vier Abenteurer diese Dinge für abgestorbene Baumriesen halten. »Einen solchen Baum habe ich mein Leben lang niemals gesehen«, murmelte Atlan verblüfft, in den Anblick der schwarzen Kugeln versun ken, die wie riesige Perlen an den weit ausladenden Ästen aufgereiht wa ren. »Näher heran, GOL'DHOR!« ordnete der Berserker an. Seine Augen funkelten unternehmungslustig. Sollte dieser Dimensionsfahrstuhl tatsächlich unbewohnt sein, und bis jetzt wirkte er ausgestorben, dann konnten sie schon beim ersten Versuch etwas unternehmen. Das Goldene Raumschiff ging abermals tiefer, verrin gerte die Geschwindigkeit noch mehr und schlug eine Kreisbahn über dem nächsten Baum dieser Art ein. Plötzlich wurde alles deutlicher, und in die Szene kam Bewegung. »Würden die Fahrstühle nicht diesen verbrecherischen Zweck haben«, sagte Kennon wütend, »dann wäre ein jeder von ihnen Anschauungsmate rial für Tausende wißbegieriger Forscher.« »Verblüffend! Ausgesprochen fremdartig!« kommentierte Koy. Der Baum, der kein Baum war, erreichte eine Höhe von mehr als hun dert Metern. Er bestand vermutlich tatsächlich aus Holz, aber was aus der
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größeren Entfernung wie Rinde ausgesehen hatte, entpuppte sich jetzt als matt glänzende Maserung. Sowohl der Stamm als auch jeder der vielfach verzweigten Äste trug jene Kugeln. Ihre Oberfläche bestand aus winzigen Schuppen. Viele kleine und große Löcher unterbrachen die geschlossene Form. Und aus fast jeder Öffnung sahen die Köpfe und Oberkörper von fremdartigen Wesen hervor. Sie beobachteten das golden schimmernde Objekt, das um diesen Wohnbaum kreiste. Schließlich stürzte sich ein einzelner Körper aus der größten Öffnung der obersten Kugel hervor, entfaltete blitzschnell vier große, durchscheinende Flügel und summte davon wie eine Libelle. »Flugwesen!« Atlan vergaß für einige Sekunden alle seine Probleme und beobachtete fasziniert, wie ein riesiger Schwarm der seltsamen Wesen wild flatternd seine Behausungen verließ und um den Baum herumzuschwirren begann. Die Wesen waren rund zwei Meter groß, ihre Flügel waren nicht viel kür zer, und der Körper ähnelte einer vielfarbigen Mischung aus Vogelkopf, menschlich anmutenden Gliedmaßen, einem wespenartigen Körper, und einige andere Charakteristiken erinnerten an Flugsaurier, Schlangen und Schmetterlinge. Nur die gekreuzten Bänder über Schultern, Rücken und Brust, die voller handlanger Pfeile starrten, und der Umstand, daß jedes dieser Wesen eine harpunenähnliche Waffe trug, deutete darauf hin, daß es keine schillern den, schönen und ungefährlichen Flugwesen waren. »Warten wir ab, wie sie sich verhalten. Sie scheinen recht kriegerisch zu sein«, meinte der Berserker. »Einverstanden.« Die GOL'DHOR hielt an und blieb im vollen Sonnenlicht schräg über der Spitze des Wohnbaums stehen. »Es sind nicht weniger als ein halbes Tausend!« stellte Kennon nach ei ner Weile fest. Aufmerksam beobachteten sie die Reaktionen der Flugwe sen. Zunächst wirbelten sie in wirren Spiralen und abenteuerlichen Kurven aufwärts und abwärts und verließen die nähere Umgebung des Baumes nicht. Ein Blick abwärts zeigte dem Arkoniden, daß die Lichtung rund um die Wurzeln des Baumes von einer dichten, meterhohen Schicht von Knochen und Gebeinen bedeckt war. Unzählige kleine und größere Tiere waren ver zehrt und ihre Skelette wohl aus den Wohnkugeln geworfen worden. Mü helos konnte er sich den Gestank vorstellen, der von der Lichtung aufstieg. In diesem Moment schienen die fröhlichen Farben und die eleganten Bewegungen der Flugwesen eine gänzlich andere, drohende Bedeutung zu erhalten. »Seht dorthin!« machte Atlan seine Freunde auf seine Beobachtung auf
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merksam. Es schien, als würden die Flugwesen sich Mut machen müssen. Oder brauchten sie eine bestimmte Zeit, um ihre Flügel richtig gebrauchen zu können? Einer von ihnen, vielleicht jener, der durch seinen Flug das erste Zeichen gegeben hatte, schoß aus dem wirren Schwarm hervor, schraubte sich in die Höhe und jagte in blitzschnellen Zickzackmanövern auf die er sten Baumgipfel des Waldes zu. Andere folgten ihm, und binnen kurzer Zeit hatte sich ein langgezogener Keil gebildet, der jetzt in eine spiralige Flugbahn ging. Eine Wolke aus schwirrenden Flügeln und bunten Leibern fegte über die Bäume dahin. Die Arme der Flugwesen bewegten sich. Die Finger rissen Pfeile aus den Schlaufen der Gurte und luden sie in die Mündungen der Harpunen. Die Waffen wurden in Angriffshaltung gebracht, und wieder gab der ein zelne Flieger an der Spitze das Zeichen. Es war das Zeichen zum Angriff auf die GOL'DHOR. »Keine Angst. Wir sind sicher hinter den Schiffswänden«, sagte Raza mon mit einem kurzen Lachen. Während sie warteten, verging wertvolle Zeit; weitere Dimensionsfahrstühle kamen, wurden eingegliedert, und die Frist bis zum Abflug des Hohlplaneten wurde geringer. Der Schwarm näherte sich in rasend schnellem Flug dem Goldenen Raumschiff. Der Angriff wirkte bedrohlich. Der erste Flieger kam heran, feuerte seine Harpune auf die Flanke des Schiffes ab, das er zweifellos als Bedrohung ansah. Der Pfeil fauchte heran, eine Dampfwolke quoll aus dem Rohr und wurde von der durcheinandergewirbelten Luft weggerissen. Dann waren die anderen Flugwesen heran. Sie kamen in Keilform, schossen die Harpunen ab und rasten fächerför mig in alle Richtungen davon, bevor sie gegen die GOL'DHOR prallten. Der ununterbrochene Schauer der Pfeile prasselte unschädlich gegen die Außenhülle. Die vier Insassen blickten in aufgerissene Vogelschnäbel, in wutverzerrte Gesichter mit großen Raubvogelaugen, sie sahen die un glaublich flinken Finger, die noch während des Ausweichmanövers die Harpunen wieder neu luden. Hinter dem Schiff formierte sich der Schwarm erneut. Atlan winkte ab und rief durch das Prasseln und Knacken: »Was auf Pthor die Horden der Nacht sind, was auf dem namenlosen Weltenfragment die Ameisen-Soldaten waren, das scheinen hier die Flug wesen zu sein. Wir brauchen erst gar nicht zu versuchen, mit ihnen zu ver handeln. Wir fliegen weiter – oder hat einer von euch einen anderen Vor schlag?« »Selbst wenn wir uns mit ihnen anfreunden«, knurrte Koy, »werden sie nicht den Dunklen Oheim angreifen.«
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»Also – weiter?« »Ja. Suchen wir nach der ›Seele‹ dieses Fragments.« »Und an welcher Stelle?« »Das weiß nur der Dunkle Oheim.« Die GOL'DHOR reagierte augenblicklich und völlig logisch. Sie wich der nächsten Angriffswelle aus, glitt aus dem Bereich der knochenübersä ten Lichtung hinaus und schraubte sich in die Höhe. Sie flog einfach da von. Ein Teil des Schwarms verfolgte sie, machte aber kehrt, als er etwa die Stelle erreichte, die der halben Distanz zwischen zwei Wohnbäumen entsprach. »Also hütet sich ein Stamm, in den Einflußbereich des anderen einzu fliegen«, stellte der Arkonide fest. »Eine interessante Feststellung, die uns absolut nichts nützt.« In großen Schleifen, immer wieder die eisgepanzerten Berggipfel über querend, glitt das Raumschiff weiter. Zahllose andere Wohnbäume, deutlich erkennbar an den hellen Kno chenflächen unter den Ästen, tauchten auf und verschwanden wieder hin ter dem Schiff. Schließlich zeigte sich weit voraus ein Tafelberg. »Dort gibt es größere Gebäude!« meinte Razamon. »Unser neues Ziel!« Das Hochplateau ragte gelb und braun, mit fast senkrecht abfallenden Wänden, zwischen den Hügeln und den Bergspitzen auf. Die Oberfläche, flach und waagrecht wie eine Marmorplatte, war in einem geometrischen Muster mit Kanälen und Seen, mit kantigen Gebäuden in unterschiedlicher Höhe und mit quadratischen Grünflächen bebaut worden – diese Bezeich nung traf die Anordnung sehr genau. Alles war künstlich und berechnet, nichts der Natur überlassen. Atlan wurde an ein überdimensionales Schachspiel erinnert, als die schmucklosen Bauwerke größer und deutli cher erkennbar wurden. »Dies scheint die FESTUNG oder das SCHLOSS dieser Welteninsel zu sein«, meinte Razamon. »Und es sind nicht die geringsten Spuren des Ver falls zu sehen.« Die Beobachtungen der nächsten Minuten gaben ihm recht. Nicht viel kleiner als hundert Quadratkilometer, erstreckte sich das Pla teau in das grüne Land hinein. Die Oberfläche, sämtliche Mauern und Ge bäude, die Ränder der Seen und Kanäle und die Brücken über die Wasser läufe waren alle aus demselben Stein. Im Gegensatz zu dem bisher gesehe nen Teil des Weltenfragments waren hier Wesen mit planmäßiger Arbeit befaßt. Diese Ansammlung von Gebäuden jedenfalls war nicht durch einen un durchdringlichen Schutzschirm verborgen wie ehemals die pthorische FE STUNG. Das Raumschiff lieferte eine Vergrößerung.
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Es waren Technos, die über die Brücken liefen, die auf den Feldern ar beiteten und an allen Stellen der Gebäude zu sehen waren. »Sie sind straff organisiert«, stellte Kennon fest. »Und das bedeutet, daß sie präzise Befehle erhalten.« »Was wiederum voraussetzt, daß die Herren dieses Dimensionsfahr stuhls nicht nur noch am Leben sind, sondern sich voller Gesundheit er freuen. Kein geeigneter Platz für uns, Freunde!« mahnte Razamon. Er hat recht, schaltete sich der Logiksektor ein. Sie werden Befehle ge ben, jeden Eindringling zu vernichten oder zurückzuschlagen. Das Raumschiff verdoppelte plötzlich seine Geschwindigkeit und schwebte in voller Fahrt auf das Plateau zu. Ein unhörbarer Befehl veranlaßte alle Technos, die im Gegensatz zu de nen auf Pthor feuerrote Lederrüstungen trugen, ihre Arbeiten einzustellen. Blitzschnell rannten sie hin und her und versammelten sich an Eingängen, Schotten und Portalen. Sie verschwanden wie hinweggewischt. In Dächern und an glatten Wänden von mindestens zwei Dutzend Gebäuden öffneten sich langsam riesige Portale. Dahinter wurden Maschinen sichtbar, die starke Ähnlichkeit mit Geschützen oder Projektoren hatten. Diesmal rea gierte das magische Schiff, ohne daß jemand einen Befehl gegeben hätte. »Achtung!« schrie Atlan, aber es wäre bereits zu spät gewesen. Das Schiff wurde schneller, ging gleichzeitig in einen spiraligen Flug über und kurvte schräg von dem Plateau weg. Aus mehreren Projektoren zuckten dünne, schwarze Strahlen hervor, kreuzten sich und verfehlten das Schiff nur ganz knapp. Die GOL'DHOR schüttelte sich und jagte, immer schneller und schneller, auf die nächste erreichbare Stelle des Wölbmantels zu. Ein paar weitere Strahlschüsse, die ihr nachgeschickt wurden, zeigten weniger Wirkung und lagen auch weiter entfernt. Das Schiff schoß durch den Mantel und tauchte kurz darauf wieder in das winzige Universum ei nes anderen Weltenfragments ein. Atlan sagte: »Die Suche geht weiter. Wir haben soeben einen voll funktionierenden Fahrstuhl verlassen, auf dem, im Sinn des Oheims, alles in bester Ordnung ist.« »Hier hätten wir tatsächlich nicht die geringste Chance gehabt!« ant wortete Kennon und heftete seine Augen auf die Bilder der Landoberflä che. »Die Flugwesen hätten uns mit ihren Pfeilen gespickt, kaum daß wir die Schleuse verlassen hätten.« »Ich stelle mir ununterbrochen vor, wie es sich auf die zivilisierten Pla neten einer anderen Sterneninsel auswirkt, wenn auch nur ein Bruchteil der hier versammelten Dimensionsfahrstühle auftaucht und jene Welten überfällt. Der konzentrierte Terror!« wandte Kennon ein. »Die besten Ver
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teidigungseinrichtungen sind dagegen hilflos.« »Wir wollen verhindern, daß dies je geschieht«, sagte Razamon. »Aber es ist der Dunkle Oheim, auf den wir zielen müssen. Die Fahrstühle selbst, wenn die Befehle nicht gegeben und durchgesetzt werden, sind das kleine re Übel. Nun, vielleicht haben wir bei einer der nächsten Welten mehr Glück.« Atlan schloß grimmig: »Wir haben es verdammt nötig!« Der Zu fall hatte sie auf eine Welt geführt, die keinem der bisher gesehenen Di mensionsfahrstühle auch nur im entferntesten glich. Es war ein Miniatur planet voller Vulkane, voller Sturm, Rauch und aufgewühlter Wellen von riesigen Wasserflächen. Auch dieses namenlose Weltenfragment sah leblos und verlassen aus. Und sehr alt, ungewöhnlich grau und trostlos. Gab es hier so etwas wie eine »Seele«, einen Steuermann?
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8.
Es war ein kleiner, annähernd rund geformter Dimensionsfahrstuhl, deren Ränder höher aufragten als das Innere seiner Oberfläche. Die erste, schnel le Zählung ergab ein Siebengestirn von Vulkanen; überaus schlanke Spitz kegel, aus denen mehrfarbiger Rauch quoll und sich, den unergründlichen Gesetzen einer Luftströmung folgend, entlang des inneren Wölbmantels zu einem flachen Ring mischte. Die Farben wurden verquirlt und untereinan der gemischt und ergaben schließlich ein fahles Graubraun. Unter den fla chen, scheibenförmigen Wolkenausläufern blitzten immer wieder große Wasserflächen auf, deren Oberfläche schaumgekrönte Wellen zeigte. »Ein Versuch ist so vielversprechend oder so wenig versprechend wie der andere.« Atlan sprach seine Gedanken laut aus. »Also versuchen wir auch hier eine Lösung unserer Probleme zu finden.« »Ob wir sie finden, ist zweifelhaft«, sagte Razamon. »Aber wir müssen es unbedingt versuchen. Kostbare Zeit ist inzwischen verlorengegangen.« Durch dichte Schichten von vulkanischem Rauch senkte sich die GOL'DHOR tiefer auf die Oberfläche des Weltenfragments herab. Die Landschaft, die im Wechsel von Sonnenlicht und Schatten lag, strahlte eine trostlose Öde aus. Trotzdem war dies ein Dimensionsfahr stuhl, und die vier Männer konnten davon ausgehen, daß er letzten Endes dieselben Einrichtungen beherbergte – oder zumindest besessen hatte –, wie sie allen anderen bisher bekannten Welteninseln gemeinsam waren. »Es gibt keine Möglichkeit«, erinnerte Kennon, »die wirklich kostbare Zeit besser oder schneller zu nützen. Es hat keinen Sinn, darüber zu la mentieren. Sollte sich der Hohlplanet wirklich in Bewegung setzen, so fliegen wir mit ihm mit, gleichgültig wann und wohin.« »Du hast recht«, brummte versöhnlich der Trommler. Die GOL'DHOR schwebte, ohne von dem heftigen Wind geschüttelt zu werden, dicht über die Oberfläche des ersten Sees. Unter ihr überschlugen sich die Wellen. Der Sturm riß die Schaumkronen weg und verwirbelte das Gemisch aus Wasser und Wasserdampf. Hin und wieder fiel fast senk recht, mit großer Wucht, ein Brocken einer glühenden Masse aus den Wol ken und erzeugte an der Stelle, wo er ins Wasser schlug, eine Dampfwolke und eine hochspritzende Fontäne. »Das Wasser ist voller Tiere – und, seht, dort drüben, sie sind ziemlich groß. Keine Fische!« rief Razamon plötzlich und deutete auf die Ein schlagstelle des letzten Lavabrockens. Fünf oder mehr Wasserbewohner, mit schwarzer Schuppenhaut und Drachenköpfen, bewegten sich schnell und mit peitschenden Bewegungen durch das Wasser. Sie tauchten nur zu einem Drittel aus den Wellen und
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schienen dem Brocken nachzuschwimmen. Wasserwesen, die vulkanischen Auswurf fressen? wunderte sich der Ex trasinn. Die Wesen, etwa so groß und massig wie ein irdischer Elefant, sahen das Raumschiff aus großen, aufmerksam wirkenden Augen an, während sie schwammen. Ab und zu schlug ein Reptilienschwanz in die Höhe und peitschte wieder zurück auf das Wasser. Dann tauchte derjenige Wasserbe wohner, der dem Bruchstück am nächsten war, senkrecht nach unten und kam wieder hoch, einen zackigen, glänzenden und blasig vergrößerten Brocken Lava in den Fängen. Eine Pranke hob sich aus dem Wasser, und sieben lange Finger schie nen den anderen Tieren zuzuwinken. Sie hörten sofort zu rudern auf, warfen sich auf den Rücken und wink ten zur GOL'DHOR hinaus. »Das sind keine Tiere!« sagte Atlan überrascht. »Sie scheinen intelli gent zu sein. Suchen wir weiter … eine Möglichkeit oder einen Platz, mit ihnen zusammenzutreffen.« Sie beobachteten durch den Boden dieses Schiffsraums, wie sich an die ser Stelle mehr und mehr der Wasserwegen zusammenfanden. Ein erster Hoffnungsschimmer durchfuhr den Arkoniden. »Sie scheinen uns nicht feindlich gegenüberzustehen«, meinte er halb laut. »Und sie deuten in diese Richtung.« Tatsächlich zeigten viele Pranken, die aussahen, als ob die Wesen damit Arbeiten höherer Qualifikation würden ausführen können, in ein und die selbe Richtung. Ein paar der schwarzschuppigen Riesen schwammen nach rechts weg. Das Raumschiff folgte ihnen, während immer wieder Wolken fetzen das Bild verdüsterten und wenig später von breiten Bahnen feurigen Sonnenlichts abgelöst wurden. Eine Masse von schätzungsweise hundert dieser Wesen folgte winkend und schwanzschlagend dem fremden Raumschiff. Etwa fünf Kilometer weit ging es über offenes Wasser von unterschiedlicher Tiefe. Dann schob sich eine breite, flache Landzunge heran, die zwei Seen voneinander trenn te. Als die nächste Wolke vorüberzog und den Blick wieder freigab, zeigte sich ein verblüffender Ausblick. Auf der Landzunge standen einige Gruppen der sechsbeinigen Riesen wesen. Sie boten den Eindruck, als würden sie sich zu einer Unterhaltung getroffen haben. Einige von ihnen hatten Lavabrocken in den Klauen und benutzten das schwarze Material dazu, sowohl sich selbst als auch dem Nachbarn die Schuppen zu säubern oder zu glätten. Als die Wesen, die der GOL'DHOR gefolgt waren, prustend und sich schüttelnd das Wasser verließen, wurden sie mit einer Vielfalt von Gesten
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und Bewegungen empfangen, die ebenfalls alles andere als tierisch wirk ten. Razamon ordnete an: »Vorsichtige Annäherung an eine der Gruppen. Bleibe aber, mit geöff neter Schleuse, fluchtbereit. Ist die Luft dort draußen für uns atembar?« »Ihr könnt beruhigt dieses Gasgemisch einatmen. Es riecht nur nicht be sonders gut«, entgegnete das magische Raumschiff. »Tröstlich. Ich wünschte, alle unsere Probleme wären so klein«, sagte Koy, halb im Selbstgespräch. Zehn Meter über den Schaumkronen driftete die GOL'DHOR auf die Landzunge zu. Sofort wandten sich der ungewöhnlichen Erscheinung alle Köpfe zu. Obwohl die Wesen wie kleine, gepanzerte Saurier mit kantigen Schädeln und dicken Muskelbündeln unter der feuchten Schuppenhaut aussahen, wirkten sie gutmütig und sogar eine Spur verspielt. Aber auch die Flugwesen hatten heiter und elegant ausgesehen; Atlan beschloß, kein Risiko einzugehen. Er stieg in die Schleuse, die Türen fuhren auf. Die Luft war kühl und feucht und schmeckte nach Rauch und ein wenig schweflig. Mit beiden Armen stützte sich Atlan ab, während sich das Raumschiff drehte, und fünf Meter abwärts glitt und auf die erste Gruppe der Riesen wesen zuschwebte. Etwa zehn Schritt vor dem ersten Augenpaar hielt es an. Atlan entsann sich der Erfahrung, daß auf allen ihm bekannten Dimen sionsfahrstühlen sein Pthora zumindest teilweise verstanden wurde, beugte sich aus der Schleuse und rief: »Könnt ihr mich verstehen?« Das schwarze Wesen machte ein paar zögernde Schritte und antwortete zu seiner großen Überraschung mit einer überraschend klaren Stimme: »Ich verstehe dich gut, Fremder.« Atlan taumelte; die Stimme des Riesen entsprach haargenau seinem Aussehen. Sie war laut und deutlich und abgrundtief, tiefer und hallender als der tiefste Baß. Sie versetzte gleichsam alle Körperzellen in langwelli ge Schwingungen. Trotzdem war der Arkonide erleichtert. Er fragte zu rück und wußte, als er hinter sich Bewegung spürte, daß sich die Freunde in die Schleuse drängten. »Wir kommen hierher, weil wir etwas suchen. Betrachtet ihr uns als Feinde oder als Freunde?« »Das hängt davon ab«, war die Antwort. Etwa siebzig der Wasserintelligenzen kamen näher heran und stellten sich in einem Halbkreis auf. »Wovon hängt es ab?« »Ob ihr Vertreter des Dunklen Oheims seid oder nicht. Letzteres ziehen wir vor.«
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Atlan lächelte breit; er war erleichtert. Aber stimmte diese Aussage auch? War es eine neue Falle? »Ich kann euch beruhigen«, sagte er. »Wir versuchen, dem Dunklen Oheim einen Streich zu spielen.« »Dann habt ihr neue Verbündete gefunden. Ihr seid mächtig, kampfer probt und habt ein riesiges Heer?« war die nächste Auskunft. Atlan versi cherte mehr oder weniger wahrheitsgetreu: »Wir sind kampferprobt, aber nur wenige Kämpfer. Leider haben wir kein Heer. Und mächtig sind wir erst dann, wenn wir über die Mittel des Oheims verfügen.« »Ich verstehe. Du mußt wissen, daß wir untereinander mit einem be stimmten Organ in Verbindung stehen. Es genügt, wenn du mit einem von uns sprichst. Dies ist unsere Heimat; wir leben hier schon so lange, daß wir uns nicht mehr an das Vorher erinnern können.« Atlan wartete ein wenig, und dann riskierte er es, die entscheidende Fra ge zu stellen. »Wir suchen die Seele dieses Weltenfragments. Dies ist ein Wesen, das eure Heimat steuert. Wie nennt ihr euch?« »Wir sind die Taarvns. Das Land aus Wasser und Rauch nennen wir Thrank. Früher einmal kannten wir einen Turm, in dem jemand hauste, der über Thrank bestimmte. Es ist lange her.« »Und was ist eure Aufgabe?« »Wir leben und vermehren uns. Und wenn der SCHREI kommt, verges sen wir alles für ungewisse Zeit. Nachher vermissen wir viele unserer Freunde.« Horden der Nacht, aber die intelligente Version, schrillte der Logiksek tor. Der Arkonide fragte weiter: »Kann es sein, daß ihr, nachdem der SCHREI ertönt ist, Thrank verlas sen müßt, um zu kämpfen oder andere Aufgaben zu erfüllen?« »Das ist wahrscheinlich, obwohl uns jede Erinnerung genommen wird. Aber viele von uns kommen mit tiefen Wunden und verstümmelt zurück und suchen Heilung in den warmen, fischreichen Seen und im heilenden Schlamm der Feuerberge.« Neben Atlan knurrte Razamon: »Wir sind offensichtlich einen Schritt weitergekommen. Frage weiter! Frage sie, wo der Turm steht!« »Sofort«, antwortete Atlan, hob seine Stimme und rief: »Ihr werdet vom Dunklen Oheim ebenso ausgenutzt wie alle anderen. Wißt ihr, daß sich alle Dimensionsfahrstühle hier versammeln und eine riesige hohle Welt bilden? Wißt ihr, daß der Oheim diese Sterneninsel ver lassen wird?« Er berichtete in kurzen Zügen, was die Entwicklung der letzten Zeit be
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deutete. Die Riesenwesen, miteinander verbunden durch eine spezielle Form der Telepathie oder durch eine andere außergewöhnliche Fähigkeit, hörten regungslos und schweigend zu. An ihren gewaltigen, kraftstrotzen den Körpern zuckte kein Muskel. Schließlich sagte der Sprecher: »Was hier gesprochen wird, hören alle Taarvns. Es sind Tausende und aber Tausende. Niemand kennt die Zahl. Wir sind, alle zusammen, also ei ne Schreckenswaffe des Oheims. Wir danken dir, daß du uns die Wahrheit berichtet hast. Es ist doch die Wahrheit? Oder nicht?« Dies konnte Atlan bekräftigen. »Es ist die reine Wahrheit. Wenn es auch lange dauern würde, euch alle Einzelheiten zu erzählen. Sagt uns, wo wir den Turm finden können.« »In der Mitte der Insel.« »Welcher Insel? Es dürfte ihrer viele geben?« »Die Insel im Mittelpunkt unserer Welt. Dort, wo die anderen leben, die Zweibeiner, die euch ähnlich sehen. Wir treffen manchmal einen von ih nen. Aber wir sind weder Freunde noch Feinde.« »Technos also«, folgerte Kennon. »Atlan! Unsere Zeit wird immer kür zer.« »Vielleicht sind wir dem Erfolg näher als je zuvor«, versuchte Atlan mit vorsichtigem Optimismus. »Es ist durchaus möglich.« Wieder wandte er sich an die schwarzschuppigen Riesen. »Wir fliegen jetzt zu diesem Turm. Wenn wir eure Hilfe gegen den Oheim brauchen sollten – würdet ihr uns helfen?« »Gegen die Zweibeiner, die Landbewohner?« »Nötigenfalls auch gegen diese Wesen, die sich Technos nennen«, be stätigte Atlan. »Wir werden sehen. Fliegt zur Insel. Wir werden euch beobachten. Im mer wird einer von uns in der Nähe sein. Also erfahren wir alle, was ge schieht. Ihr wollt Thrank aus dem Hohlkugelgebilde lösen?« »Vielleicht gelingt es uns.« »Versucht euer Glück. Ihr müßt in eurer Heimat große Kämpfer sein, weil ihr ein solches Abenteuer wagt.« »Wenn es nur so wäre«, meinte Atlan und winkte, während er und seine Begleiter sich aus der Schleuse zurückzogen. Die äußere Schleusentür schloß sich, die Bordversorgung saugte die raucherfüllte Luft ab. Langsam suchte sich das Schiff seinen Weg und flog durch die Schatten der Wolken und durch die blendende Helligkeit der Sonnenstrahlen. Es waren die Strahlen jener Sonne, um die der schwarze Ring lag, be reit, eine neuartige Teufelei zu starten. Schon längst hätten sie sich alle abgewöhnen müssen, sich zu wundern oder Verblüffung zu zeigen. Aber selbst jetzt, vorwärtsgepeitscht von der
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Zeitnot und der Ungewißheit, entdeckten sie ständig Neues, Überraschen des und Bizarres. Auch dieser Weltensplitter, seine Natur und seine Be wohner gehörten dazu. Windzerrissene und etwas stillere Wasserflächen wechselten mit klei nen Inseln und Landzungen ab. An den Ufern der Wasserflächen breitete sich niedriger, aber üppig wuchernder Dschungel aus. Große Insekten bil deten funkelnde Schwärme und schienen sich im vulkanischen Rauch wohl zu fühlen. Im flachen Wasser tummelten sich große Schulen von sil berbäuchigen Fischen, die sich in nichts von denen des Regenflusses un terschieden. Bisher waren alle Inseln leer gewesen – leer, das bedeutete ohne Bauwerke oder Ruinen. Unbeirrbar steuerte das Goldene Raumschiff das Zentrum des Dimensionsfahrstuhls an. »Thrank ist sicherlich ein kleiner, aber nicht unwichtiger Bestandteil des OheimImperiums«, meinte Kennon. »Sicher nicht unwichtig, denn ein paar Tausend von unseren schwarzen Freunden können auf jeder Welt Schrecken und Terror verbreiten. Und als Organmasse für die neuen Schiffe bringen sie eine gewaltige Menge Roh material mit sich – wenn des Oheims Plan aufgehen sollte«, fügte Raza mon hinzu. »Interessante Burschen, nicht wahr?« »Allerdings. Aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt ebenso bedeutungslos wie alles andere.« Atlan unterbrach sich und deutete zuerst auf die Bildschirme, dann auf die Insel, die sich außerhalb des Schiffes unter den Sonnenstrahlen zeigte. »Das könnte unser Ziel sein!« sagte er. Die Insel war ein schön gerundeter Hügel, der an der Uferlinie von gi gantischen Steinen gesäumt war. Das Gestein, einst wohl Lava, war ver wittert und zeigte alle Farben und phantastische Formen. Brücken und Traversen, andere Steine, die wie erstarrte Lebewesen aussahen, wieder andere, die wie dicke Totemsäulen wirkten, und eine Kette von Formen, die an kühn modellierte Behausungen rätselhafter Wesen denken ließ. Aus dem dichten Bewuchs der Inselkuppe erhob sich der Turm. Es konnte keinen Zweifel darüber geben, daß es sich um dieses Bauwerk han delte. Es ähnelte ein wenig einer FESTUNGspyramide, obwohl es sich um einen konkav geschwungenen Spitzkegel handelte. Seine Höhe betrug mehr als hundert Meter, und seine Spitze war flach abgeschnitten, als habe ein Vulkan für dieses Gebäude Modell gestanden. »Einen ersten Beobachtungskreis um den Turm, und dann sehen wir weiter«, schlug Razamon vor. »Ich kann weder große Mengen von Tech nos noch schwere Verteidigungseinrichtungen erkennen.« »Abwarten«, empfahl der Trommler. Einmal umkreiste das Raumschiff den Turm. Er war aus großen Stücken Lavagestein aufgerichtet worden. Jeder der riesigen Quader wies eine an
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dere Farbe oder eine auffällige Maserung auf. Die Wände des Turmes fun kelten in allen denkbaren Farben und Mustern. Aber bereits die ersten prü fenden Blicke zeigten, daß in den Fugen tiefe Löcher waren, daß sich Pflanzen angesiedelt hatten, daß die einst glatte Oberfläche rauh und ver krustet war. Der Zerfall hatte längst eingesetzt, und augenscheinlich war nichts getan worden, um ihn aufzuhalten. Dann lieferte das Schiff die ersten Bilder der Technos. Auch hier zeigte sich wieder, daß diese Kunstwesen einer gemeinsamen Idee und einem identischen Herstellungsverfahren unterworfen waren. Sie sahen aus wie alle anderen Technos. Ihre ledernen, uniformartigen Rüstun gen waren hier allerdings schwarz und weiß gemustert, was ihnen ein un verdient lebhaftes Aussehen verlieh: Die Wesen blickten sichtlich gelang weilt der GOL'DHOR entgegen. Die meisten von ihnen hielten sich auf der Plattform des Turmes auf, wo sie saßen, lagen und standen und sich grellfarbige Dinge vor die Gesichter hielten. Nach einigen Sekunden sagte Atlan irritiert: »Die Sachen in ihren Fingern sind Blüten! Ich bin sicher, daß ich mich nicht irre.« »Blüten?« schnappte Koy. »Technos und Blüten?« Er mußte erkennen, daß es tatsächlich so war. Eine neue Überraschung – aber diesmal wohl keine gefährliche. Viele Technos wanderten auf schmalen Pfaden zwischen dem Funda ment des Turmes und dem Dschungelrand hin und her. Sie trugen Körbe voller Früchte, lange Blütenkränze und irgendwelche Stücke einer bam busartigen Pflanze zum Turm. Nicht einer von ihnen war bewaffnet. Keiner gebrauchte ein Instrument, ein Gerät oder ein Werkzeug. Aber es waren unverkennbar dieselben Geschöpfe, die den Meistern der FE STUNG oder, in diesem Fall, den Herren des TURMs gehorchten und ih nen dienten. »Ich lande an einem der Eingänge«, entschied das magische Raum schiff. »Es ist sicher kein Risiko«, sagte Atlan und verdrängte die Gedanken an eine Falle. Sanft setzte die GOL'DHOR zwischen dem dunkelgrün wuchernden Dschungelrand und einem kantigen, aus riesigen Blöcken bestehenden Eingang auf. Die Schleuse öffnete sich. Atlan stieg aus, von Verwunderung erfüllt. Ein Techno rannte auf ihn zu, überreichte ihm eine stark duftende Blüte und sprudelte hervor: »Wir sind nur wenige. Wir sind nicht bewaffnet. Wir sind völlig nutzlos und maßlos gelangweilt. Du siehst, es lohnt sich nicht, uns zu bestrafen.« Atlan bemerkte aus dem Augenwinkel eine flüchtige Bewegung und er
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kannte den Schädel eines Taarvn, der durch das dichte Blattwerk äugte und erstarrte, als er Atlans Reaktion bemerkte. »Wir sind nicht hier, um euch zu bestrafen«, erklärte Atlan und wedelte verlegen mit der farbenprächtigen Riesenblüte, deren Geruch sogar den Schwefel und den Rauch in der Luft verdrängte. »Wir suchen die Seele dieses Dimensionsfahrstuhls. Wir haben mit ihr eine interessante Unterhal tung zu führen.« »Wie aufregend«, meinte der Techno affektiert. »Kommt alle her! Die Fremden wollen mit der ›Seele‹ sprechen. Ich weiß, was ihr meint. Ihr wollt Schaltungen vornehmen lassen, wollt uns etwas Aufregung bringen. Da solltet ihr aber besser mit dem Feuerhauch sprechen.« Atlan schüttelte verwirrt den Kopf. Koy, Razamon und Kennon betrach teten die heraneilenden Technos ebenso unsicher und verwirrt wie die Technos die Fremden und das Raumschiff. »Feuerhauch?« knurrte Razamon. Er verstand diese Welt nicht mehr. Bisher hatte das Bild, das sie sich al le von den Technos gemacht hatten, sich mit der Wirklichkeit gedeckt. Hier stießen sie auf Kunstwesen, die seit langer Zeit Einflüssen ausgesetzt gewesen sein mußten, die sie gänzlich verändert hatten. Diese Entwick lung war sicherlich schleichend langsam vor sich gegangen, und sie ent sprach natürlich dem Zustand des Turmes und der Insel. Diese Technos sind degeneriert! erklärte der Logiksektor behutsam. »Wer oder was ist Feuerhauch?« fragte Atlan. »Das ist der nächtliche Musikant. Der ganze Turm ist voll von seiner langweiligen Musik.« »Ich bin sicher, daß ich euch mißverstehe«, sagte Kennon hart. »Wovon redet ihr, Technos?« »Wir reden«, half dem ersten Sprecher ein anderer aus, der als äußeres Zeichen einen Blütenstengel im Haar trug, »von den Gasmassen, die aus den Tiefen der Gewölbe des Turmes hoch gedrückt werden und allerlei tri ste Blasmelodien vollbringen. Wir hören sie seit einem halben Jahrhun dert, und sie können uns nicht mehr mitreißen. Früher lagen wir nächte lang wach und lauschten auf diese zauberischen Klänge. Im Lauf der Zeit jedoch verliert jeder Zauber an Wirkung. Sagt mir, ist es nicht unvorstell bar trostlos und langweilig auf Thrank?« »Das ist es!« echoten die etwa zweihundert Technos, die sich inzwi schen hier versammelt hatten. »Feuerhauch oder Seele, einerlei«, gab Koy zurück. »Wir müssen mit einem der beiden sprechen.« Ein dritter Techno warf Koy eine gelbe Frucht zu, die dieser auffing und voller Argwohn betrachtete. »Das ist schwer möglich.«
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»Warum?« »Weil, beispielsweise, Feuerhauch nicht zuhört, sondern nur orgelt und bläst, nur heult und faucht.« »Aha. Und die Seele?« »Ich denke, sie ist inzwischen verschmort.« Atlan stieß ein sarkastisches Gelächter aus, als er meinte, den Grund für diese Äußerung erkannt zu haben. Die Technos wirkten nicht im minde sten so, als würden sie sich über das Unwissen und das mangelnde Ver ständnis der Fremden lustig machen. Ihre starren Gesichter waren eher traurig und ernst. Sie konnten und kannten es nicht anders. Langsam schob sich das schwarze Wesen zwischen den Zweigen hervor und kam mit zö gernden Schritten, bisher noch unbemerkt von den Technos, unaufhaltsam näher wie eine Lavawoge. »Verschmort. Die Seele. Was hat Feueratem damit zu tun?« wollte Raz amon wissen und sah gedankenlos zu, wie Koy in die Frucht biß und dann anerkennend das runzlige, braune Gesicht verzog. Saft tropfte aus einem silbrigen Oberlippenbart. »Viel!« »Ich habe, verdammt, nicht gefragt, wieviel er damit zu tun hat, sondern was!« explodierte der Berserker. Sofort umringten ihn ein Dutzend Tech nos und schenkten ihm Blüten und farbige, weiche Früchte. Razamon stieß einen nach dem anderen weg und schämte sich sofort, als er die ausbre chende Trauer in ihren Augen erkannte. Sie waren wie Kinder. »Also: noch einmal«, begann Atlan, der sich am ersten wieder gefaßt hatte. »Was machte Feueratem mit der Seele?« »Die Seele lebte einst in den Tiefen des Turmes. Sie steuerte Thrank si cher und zuverlässig. Ihre Manöver waren richtiggehend fachmännisch und trugen uns auch sehr viel Lob der Herren des TURMes ein.« »Und … weiter!« drängte der Arkonide. »Dann wurde einer der TURM-Herren von einem Lavabrocken erschla gen und in den Rand eines Ufersteins eingebacken«, berichtete ein anderer Techno. Seine Kameraden, die ununterbrochen ihre Nasen in die Staubge fäße und Blütenkelche tauchten, nickten bestätigend mit den Köpfen. »Ein anderer ertrank, als er mit seinem persönlichen Taarvn baden ging. Und der dritte wurde von fressenden Ranken hier im Wald erdrosselt. Welch eine Kette unglücklicher Umstände! Niemand kam, um sie zu er setzen. Und die Seele wurde traurig. Die Trauer dauerte sehr lange.« Atlan und Razamon versuchten, hinter dem Wortgeklingel der Technos die Wahrheit und die Fakten zu erkennen. Aber sie hatten bisher auch nur herausfinden können, daß in gleicher Weise wie bei den Herren der FE STUNG auch die Herren des TURMES das Schicksal dieses Weltenfrag ments bestimmt hatten, und daß mit deren Tod ganz andere Umstände ein
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getreten waren. »Wie lange ist das her?« wollte Kennon wissen. »Viele Jahre. Keiner von uns kann sich mehr daran erinnern. Es kamen auch aus dem Schlund keine neuen, jungen Technos mehr zu uns. Wir sind alt, verbraucht und ungemein gelangweilt. Wir dachten schon daran, kol lektiv den Ertrinkungstod zu wählen, aber dies wäre auch nur eine kurzzei tige Abwechslung gewesen«, sagte ein anderer Techno mit todernstem Ge sicht. Der einzelne Taarvn kam heran und stellte sich neben Atlan und Raza mon auf. Die Technos nahmen nur kurz von ihm Notiz und wandten sich wieder den Fremden zu. Nicht viel klüger als vor einigen Sekunden nahm der Arkonide wieder seine Fragen auf. »Also gut. Die Herren waren tot. Niemand kam an ihrer Stelle. Was tat die Seele?« »Sie öffnete die Röhren.« »Welche Röhren, und warum?« »Sie war von den Herren abhängig. Sie besaß einen Selbstzerstörungs mechanismus. Sie leitete Gase in ihre Behausung. Daran berauschte sie sich. Und unsere Heimat begann unkontrollierte Flüge durchzuführen.« »Ich glaube, ich fange an, zu verstehen«, rief Kennon dazwischen. »Wir befinden uns auf einem Vulkanplaneten. Ich wollte sagen, auf einem Wel tenfragment, dessen Inneres heiß und zähflüssig ist. Die Vulkane! Die Seele öffnete einen Zugang zu einem Gebiet voller Lava und gifti ger Gase.« Beleidigt über diese schroffe Umformung der Wahrheit aus der viel an genehmeren poetischen Betrachtungsweise sagten mehrere Technos ab wechselnd und teilweise in einem grotesken Chor: »So kann man das auch sehen.« »Ihr seid Fremde ohne den Hang zur stillen, in sich gekehrten Betrach tung.« »Ihr seid nicht weise, das ist es.« Razamon brummte, halb zwischen hemmungslosem Lachen und ausbre chender Wut schwankend: »So ist es. Fahre fort, Bruder des schillernden Wortes. Was passierte mit der Seele, nachdem der Dimensionsfahrstuhl Purzelbäume schlug?« Die Technos drängten sich vor, damit jeder von ihnen etwas zu dieser denkwürdigen Unterhaltung beitragen konnte. »Die Seele berauschte sich mehr und mehr an dem Gesang und den Ga sen. Und eines Tages gab es keine Gase mehr. Dann kam die Hitze.« »Du meinst, ein Lavastrom sickerte durch das System und verbrannte sie?« »Das ist es, was wir euch schon vor einiger Zeit deutlich erklärt haben«,
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lautete die Antwort. Sie klang, als ob der Sprecher tiefstens beleidigt wor den wäre. Aber er faßte sich rasch und belohnte seine fremden Zuhörer da durch, daß er in seinen Korb griff und Früchte an alle austeilte. Razamon warf die ihm zugeteilte Frucht dem schwarzen Riesen zu und fragte ihn: »Was hältst du von dieser Erzählung?« »Wir wissen, daß sie richtig ist«, grollte die Super-Baßstimme des am phibischen Kämpfers. »Ich sagte schon, daß wir mit diesen Zweibeinern nichts zu schaffen haben. Sie sind nicht einmal unterhaltsam. Nur langwei lig. Ich sehe schon, daß euch von ihnen keine Gefahr droht. Ich bleibe aber trotzdem hier.« Die Technos machten wegwerfende Bewegungen, ließen sich aber nicht beeindrucken. Offensichtlich waren mehrere Tonnen schwere, schwarze und muskelstarrende Riesen dieser Art auf Thrank eine tägliche Selbstver ständlichkeit. »Die Seele ist also verbrannt? Unwiderruflich?« wollte Atlan wissen. »Ja, und nur ihre Asche wurde vom Feueratem durch die Schlote und Kavernen geblasen. Auch die Seele wurde nicht mehr ersetzt. Unser klei nes Reich wurde arbeitslos, es gab keine Aufgabe mehr, und die große Langeweile schlich sich ein. Nur dieser Feueratem faucht und gurgelt durch den Turm.« »Können wir sehen, wo sich die Seele aufgehalten hat?« »Wenn ihr euch durch meterdicke Lavamassen graben könnt – wir zei gen euch den Weg und helfen euch. Das wäre eine echte Abwechslung.« »Können wir in den Turm?« »Gern. Kommt mit. Dort gibt es auch mehr Früchte und einen leicht be rauschenden Trunk, den wir aus den Blüten und aus Waldwasser destillie ren.« Kennon bildete sich ein, das Zähneknirschen Razamons aus drei Metern Abstand hören zu können. Trotzdem folgten sie alle, auch der Taarvn, den Technos durch den krie gerisch wirkenden Eingang. Die Zeit hatte hier nicht nur genagt, sondern tiefe Wunden hinterlassen. Von allen Dingen und Entwicklungen schien jeweils das krasse Gegenteil eingetreten zu sein. Die Technos, die trotz al ler Blüten und der seltsamen Sicht, ihr Dasein zu bewältigen, voller inner lichem Leid schienen, voll Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit, brachten Atlan und seine Freunde bis zu einem tiefen Schacht im Unterbau des Tur mes. Hier führten Treppen abwärts. Sonnenlicht wurde von einer Vielzahl polierter Metallscheiben kreuz und quer als Lichtquelle im Keller des Turmes reflektiert. Nach etwa sieb zig Metern war in erschreckender Deutlichkeit zu sehen, daß hochquellen de, damals fast wie Wasser flüssige Lava alle Schächte und Korridore aus
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gefüllt hatte. Ihre Oberfläche schillerte und funkelte, und aus wenigen Spalten drang ein dünnes Fauchen, vermischt mit pestilenzähnlichem Schwefelgeruch, in die Höhe. Atlan brauchte keinerlei Phantasie, um zu wissen, daß der Druck unter der Oberfläche das Gas durch die Spalten preßte, und daß die ser Vorgang zu verschiedenen Geräuschen führte. Und wenn die Gase auch noch heiß und stinkend waren, verdienten sie den Namen Feueratem wirklich. Atlan hob verzweifelt die Schultern und sagte zu Razamon: »Verschenkte Zeit!« Razamon starrte die ratlosen Technos an und zuckte ebenso mit den Schultern. Er empfand dasselbe wie Atlan. Er nahm einem Techno eine Frucht aus der Hand und biß wütend hin ein. Dann entspannten sich seine scharfen Gesichtszüge ein wenig. Ken non schlug ihm tröstend auf den Rücken und rief: »Machen wir uns wieder auf die Suche. Das drittemal klappt es be stimmt. Wir können nicht ununterbrochen Glück haben.« »Du sprichst zu ihm wie ein Techno«, brummte Koy. »Schneller, Freun de! Willst du mit uns kommen, Bruder Taarvn?« Der Riese blickte ihn aus verblüffend menschlich wirkenden Augen an und schüttelte seinen mächtigen Drachenschädel. »Nein. Danke für die Aufforderung. Ich bleibe bei meinem Volk, auch wenn uns allen ein Schicksal von besonderer Gräßlichkeit droht. Aber die Gedanken von Tausenden Taarvns sind ununterbrochen bei euch und wer den mit euch gegen den Dunklen Oheim kämpfen.« »Eine aufregende Vorstellung!« sagte ein Techno. Ohne an Abschied zu denken, rannten die Männer von Pthor zu der wartenden GOL'DHOR und enterten die Schleuse. Das neue Ziel wurde angegeben, und das Goldene Raumschiff verschwand durch den Vulkanrauch und die Sonnenstrahlen im Firmament über dieser kleinen, an Überraschungen reichen Welt. Wieder waren einige Stunden verschenkt worden. Der Logiksektor war nicht dieser Auffassung. Er flüsterte in Atlans Ge danken hinein: Wer weiß, wofür die Informationen gut sein können, die ihr hier bekamt. Pessimismus verdirbt die klare Sicht der Probleme. Atlan schluckte einen Fluch hinunter und sagte: »Optimismus auch, und noch viel mehr!« Razamon knurrte: »Was hast du gemurmelt? Ich habe nichts verstanden.« Atlan winkte ab. Er sah ein, daß sie selbst zusammen mit diesem fabel haften Raumschiff gegen den Dunklen Oheim weniger als vier Ameisen waren. Der einzige Vorteil dieses Vergleichs oder dieser Größenordnung
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mochte darin liegen, daß der Oheim vier einzelne, winzige Ameisen nicht wahrzunehmen vermochte. Das Goldene Raumschiff durchstieß den Wölbmantel, schien zu zögern und zu rechnen, schien sich für eine andere Welt zu entscheiden, und dann flog die GOL'DHOR zielstrebig auf ein mittelgroßes Fragment zu, das sich in einiger Entfernung am Rand eines winzigen Loches angesiedelt hatte.
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Der Wölbmantel um dieses Fragment ließ erkennen, daß dieses Mosaik steinchen des Hohlplaneten annähernd quadratisch war. Ungefähr zehn Minuten hatte das Schiff gebraucht, um hierher zu gelangen. Warum sich die GOL'DHOR ausgerechnet für diesen Dimensionsfahrstuhl entschieden hatte, blieb den vier Abenteurern verborgen, aber sie wußten, daß die Chancen gleich schlecht verteilt waren. Zum drittenmal an diesem Tag durchstießen sie einen Wölbmantel von außen. Noch immer hatte sich die Form des schwarzen Ringes um das einzelne Gestirn nicht verändert. Das bedeutete, daß noch nicht alle Dimensionsfahrstühle erschienen und in das Gefüge der Hohlwelt eingesetzt worden waren. Und den Männern gab es die Hoffnung, daß doch noch Zeit bleiben würde, das verzweifelte Vorhaben in die Tat umzusetzen. Wieviel Zeit? Jedenfalls weniger, als sie gehabt hatten, bevor sie Pthor verließen. Und nun sahen sie unter sich das ödeste Stück Oberfläche, das sie jemals er wartet hatten. Schroffe Gebirge bedeckten einen großen Teil des Landes. Die Berge hatten die großen, schartigen Hänge in eine gemeinsame Richtung. Sie kippten von links nach rechts, aus der Sicht des Einflugkur ses des Schiffes. Ein Großteil des Landes wirkte deswegen wie eine schar tige, uralte Feile mit spitzen, rostigen Zähnen. Die Täler waren tief, gelb und wüstenhaft. Nirgendwo eine Spur safti gen Grüns wie bei den vorhergegangenen Einflügen. Im Innern des Wel tenfragments entdeckte das Schiff einen flachen, großen See mit schmutzi gem Wasser, aus dem abgestorbene Pflanzen hervorragten. »Selbst hier ist Leben«, sagte Kennon und zeigte auf einige Fischerdör fer – oder auf Ansammlungen von Hütten auf Pfählen, die in ihm diese Assoziation auslösten. »Wir sind am Ende der Welt, im Maßstab unseres Gegners.« Es waren tatsächlich die Behausungen von Fischern. Als die GOL'DHOR darüber hinwegfegte, sahen die Insassen nur lange Boote, die auf einen schmutzigen Strand gezogen worden waren. Aus eini gen Hütten stieg dünner Rauch auf. Man sah kein einziges lebendes We sen. Nur Spuren im Ufersand, die zu den Hütten führten. »Und meine Ahnung sagt mir«, erklärte Razamon plötzlich, »daß wir am richtigen Platz sind.« Der See grenzte an einen Tafelberg. Er war nicht sehr hoch, und seine Form war auch nicht scharf ausgeprägt. Die einst steilen Hänge hatten sich
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in flache Schutthalden verwandelt. Aber das Gebilde, das sich in der Mitte der Erhöhung ausbreitete und in dünne Nebelwolken hineinragte, war nicht derart verfallen. »Eine Burg!« sagte Atlan. »Eine Zwingburg mit kantigen Türmen.« Sie waren von eigentümlicher Farbe. Schmutzig braun und rot. Im Nä herkommen sahen sie, daß es sich um dicke, abblätternde Rostschichten handelte. Eine stählerne Burg stand dort. Eine riesige Burg aus Eisen oder einem verwandten Metall. Atlan lehnte sich zurück, betrachtete das wuchtige Bauwerk und die kümmerlichen Hütten, die sich in dessen Schatten ausbreiteten. Dann sagte er: »Wieder ein Weltenfragment, das uralt ist und so wirkt, als sei die Herr schaft des Oheims vorbei. Aber auch hier werden wir uns umsehen, gleichgültig, welches Ergebnis wir mitnehmen.« »Glaube mir! Wir sind am richtigen Platz!« wiederholte der Berserker. »Mein Gefühl …« »… kann dich ebenso im Stich lassen wie mich«, schnappte Kennon. »Aber aus dieser rostigen Burg wird niemand auf uns feuern.« Das Raumschiff schien ebenso sicher zu sein wie Razamon. Es ging tiefer, flog eine weite Kurve und schlug dann eine Spirale ein, um den In sassen Zeit zur Beobachtung zu lassen. Dann landete es zwischen den Hüt ten am Fuß eines Turmes, in dem ein riesiges stählernes Tor klaffte. Es trug noch die Spuren einer bunten Bemalung, und die Nieten und Schrau ben, von denen die Wände zusammengehalten wurden, sahen aus, als wür den sie jeden Moment wie Geschosse zu Boden krachen. »Eine Sauerstoffwelt wie die meisten Dimensionsfahrstühle«, versicher te das Schiff und öffnete die Schleuse. Die Gestalten, die aus den Hütten kamen und gleichgültig näherschlen derten, waren erwartungsgemäß Technos. Obwohl ihre Lederrüstungen grün waren, wirkten sie ebenso alt und verrostet wie die Burg. Atlan und Razamon blieben rechts und links der Schleuse stehen und sahen den Ankömmlingen entgegen. Die Technos waren ohne Waffen. Razamon flüsterte Atlan zu: »Die Burg, die Hütten und das Kriegsvolk … alles ist kümmerlich.« »Vielleicht haben sie hochfahrende Gedanken oder sind besonders hilfs bereit«, versuchte der Arkonide schwach zu scherzen. Ein Techno kam näher, hob in einer matten Geste die Hand und sagte mit rauher Stimme, aber deutlich und klar auch für Atlan zu verstehen: »Ihr seid willkommen im Land Thar, bei den Technos der Burg STAHLANKER. Wir begrüßen in euch die Abgesandten unseres obersten
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Waffenherrn, des Dunklen Oheims.« »Danke«, gab der Berserker zurück. »Wir haben einen besonderen Auf trag zu erfüllen. Deswegen brauchen wir den Rat und die Kenntnisse der klügsten und ältesten aus eurer Mitte. Der Dank des Oheims wird euch auszeichnen.« Gleichgültig entgegnete der Techno: »Ich werde euch Sichtwahrer schicken. Er ist weit herumgekommen und weiß Geschichten zu erzählen. Er kennt auch die Legende der Brüder der Finsternis, die einst in diesem Palast herrschten.« »Wir sind also doch an der richtigen Stelle«, sagte Razamon ein drittes mal. Atlan blickte ihn vollkommen ratlos an und fragte: »Woher willst du das wissen, Razamon?« »Weil wir hier weder mit Angreifern noch mit Technos zu tun haben, die sich selbst vergessen haben. Ich habe Erfahrung in vielen Kämpfen, und jeder Blick sagt mir, daß wir hier als Herren und Befehlsgeber auftre ten können. Als Boten des Oheims … und vielleicht gelingt es uns, ihn entscheidend zu treffen.« Koy und Kennon kamen heraus, atmeten die trockene Luft ein und war fen mißtrauische Blicke auf die wuchtigen Schrauben und Nieten. Eine Rostplatte, halb so groß wie ein Taarvn, löste sich von der Seite des Tur mes, krachte zu Boden und erzeugte eine Wolke, vor der die Technos hu stend davonsprangen. Atlan schloß betäubt die Augen und wußte, daß Razamon definitiv un recht hatte. Auch hier würde man die »Seele« des Weltenfragments vergeblich su chen. Oder, wenn man sie gefunden hatte, war sie so alt, daß sie den Be fehl nicht einmal verstehen würde. Die Niederlage, sagte sich Atlan, ist schon jetzt unausweichlich. Sein Logiksektor schien ihm recht zu geben, denn er schwieg beharrlich.
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Weiter geht es in Atlan Band 487 von König von Atlantis mit: Der Start des Hohlplaneten von Hans Kneifel
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