Tatsachen 307
Ruud Brouver
Flammen über Texel
ISBN: 3-327-00447-1 1.Auflage © Militärverlag der Deutschen Demokratis...
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Tatsachen 307
Ruud Brouver
Flammen über Texel
ISBN: 3-327-00447-1 1.Auflage © Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik (VEB) - Berlin, 1987 Printed in the German Democratic Republic Lektor: Dr. Gertraud Golme Umschlaggestaltung: Karl Fischer Kartenzeichnung: Udo Krause
Der Sommer des Jahres 1964 zeigt sich auf Texel, Hollands größter Westfriescher Insel, früher als sonst. Strahlende Sonne, blauer Himmel und ein leichter Seewind lassen die Urlaubszeit ahnen. Im Westen lokken die urwüchsigen, romantischen Dünen entlang der Nordseeküste Jahr für Jahr Tausende an. Nur im Frühsommer, wenn die 25 Kilometer lange und 10 Kilometer breite Insel noch nicht von Touristen übervö lkert ist, sind in Strandnähe die wilden Kaninchen zu beobachten, wie sie im Dickicht aus Knüppelholz, Sanddorn und Brombeeren hin und her huschen. Einige Wochen später, wenn sich die Trampelpfade der Badelustigen kreuz und quer über die Heide, durch Dünen und Büsche ziehen, scheint hier die Tierwelt ausgestorben. Dann entschädigt nur die Aussicht ins Land, auf die bizarren Kiefern, schlanken Birken und ve reinzelten Gehöfte. In den Poldern weiden schwarzbunte Friesenkühe, und die unter alten Bäumen verborgenen Bauernhäuser laden zum Urlaub fernab vom Großstadtlärm ein. Sieben Dörfer zählt die Insel, das größte - Den Burg - ist zugleich das administrative Zentrum. Hier haben Bürgermeisterei, Post, Krankenhaus und die Polizei ihren Sitz. Die Einwohner, in der Mehrzahl Bauern und Fischer, sind aus Tradition religiös gebunden und dem Althergebrachten wortkarg verbunden. Obwohl die Saison noch nicht begonnen hat, drängeln sich im Hafen außerhalb des Dorfes Oude Schild die ersten Sonnenhungrigen von Bord der »Dr. Wagemaker«, dem Fährschiff aus Den Helder. Hektisch suchen sie nach Fahrmöglichkeiteh in den Norden nach Cocksdorp mit seinem Leuchtturm, zum Zeltplatz De Koog im Westen oder nur zu einem der Anwesen in der Umgebung. Frau Boon-Verberg bereitet die Zimmer vor. Nicht mehr lange, und ihre ersten Feriengäste in diesem Jahr werden kommen. Klopfen an der Haustür unterbricht die Bäuerin bei der Arbeit. »Truus, ein Einschreibebrief für dich!« Die Geste, mit der der Postbote den Brief übergeben will, mißlingt, als die Frau sich schnell noch die Hände an der Schürze abwischt. »Hier mußt du unterschreiben!« Jetzt, als er die Quittung auf den Küchentisch legt, bemerkt er die Veränderung, die mit Truus vor sich gegangen ist. Überrascht steht sie
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vor ihm, läßt den Brief langsam sinken und unterschreibt mechanisch die Quittung. Nur mit einem Kopfschütteln lehnt sie die angebotene Hilfe ab. Ein Brief aus der Sowjetunion, aus Tbilissi, nach so langer Zeit, an die nur der Ehrenfriedhof auf dem Hooge-Berg noch erinnert. Und nun aus heiterem Himmel eine Einladung zu einem Treffen mit den Überlebenden des 822. Georgischen Partisanenbataillons. Während sich die Frau langsam an den Küchentisch setzt, wird vor ihren Augen die Vergangenheit wieder lebendig. Sie sieht sich als Zwanzigjährige. Der faschistische Bürgermeister hatte sie als Sekretärin und Dolmetscherin verpflichtet. Dadurch war sie viel auf der Insel herumgekommen, hatte so manches gesehen und gehört. Erinnerungen werden in Truus lebendig, längst Verdrängtes wieder gegenwärtig ...
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Fremde Der eisige Nordost, der seit Wochen Holland erstarren ließ, hat sich über Nacht ein wenig gelegt. In aller Herrgottsfrühe haben sich am 6. Februar 1945 trotz der Kälte die Gäste des Inselkommandanten Major Breitner in der deutschen Hafenwache eingefunden. Offiziere der Wehrmacht, SS, holländische Faschisten und auch die junge Sekretärin des Bürgermeisters verfolgen, wie die »Dr. Wagemaker« an der letzten Tonne vorbei langsam mit der Flut in den Hafen einläuft. Kaum daß das Schiff festgemacht hat, gehen die Passagiere - feldmarschmäßig ausgerüstete Soldaten - von Bord. Noch während sich die Einheit auf dem streng abgeschirmten Hafenplatz ausrichtet, verläßt Major Breitner, seinen Gästen voran, das Wachgebäude. Bemüht, auf dem glatten, unebenen Pflaster nicht auszurutschen, tritt er vor die Front und erwartet die Meldung. Die erfolgt sofort. Die Hacken zusammenschlagend, den Arm zum Gruß hochgerissen, schnarrt der diensthabende Offizier: »Das 822. Georgische Infanteriebataillon zum Appell angetreten!« Unnahbar und mürrisch dankt der Major, läßt rühren und wirft sich in Positur. Er spricht von Wunderwaffen, vom schicksalhaften Endkampf und von den Opfern, die jeder zu bringen habe: Die Hände im Koppel verhakt, breitbeinig, den schweren Schädel nach vorn geneigt, kommt Breitner endlich zum Schluß. Nochmals erhebt er drohend seine Stimme: »Hier, Tausende Kilometer von eurer Heimat entfernt, werdet ihr keine Gelegenheit haben, zu den Feinden Großdeutschlands überzulaufen. Laßt es euch gesagt sein: Auf Verräter und Kommunisten wartet der Strick! Eine Kugel ist mir zu schade!« Mit einem durchdringenden Blick, ohne sich um die aufkommende Unruhe unter seinen Gästen zu kümmern, beendet der Major den Appell anläßlich der Verlegung des 822. Georgischen Infanteriebataillons nach Texel. Während sich die Soldaten auf den Marsch in die Unterkunft vorbereiten, beginnt für die Gäste Breitners der angenehmere Teil des Tages, ein kleines Kameradschaftsessen in der Residenz des Inselkom5
mandanten. PKWs der Fahrbereitschaft Den Burg rollen vor, eilfertig werden Türen aufgerissen. An der Straße von Oude Schild nach Den Burg versucht frierend Dr. Veenig, sein vorsorglich präpariertes Fahrrad zu reparieren. Wie immer, wenn er sich ärgert, murmelt und flucht der Arzt leise vor sich hin. Es war nicht das erste Mal, daß Keld er, der Leiter der örtlichen Widerstandsgruppe, zu ihm mit einem Auftrag in die Sprechstunde kam. Gestern hatte er ihm mit leiser Stimme befohlen, Stärke und Disziplin der zu erwartenden Einheit abzuschätzen. »Das Fährschiff ist nun schon vor mindestens drei Stunden eingelaufen, und ich stehe hier herum!« Vor sich hin knurrend, schaut der Arzt die Straße hoch und runter. »Kelder, du Bürokrat, wenn nicht bald was passiert, kannst du morgen dein blaues Wunder erleben. Ich kann doch nicht den ganzen Tag hier rumstehen, ohne aufzufallen!« Der Arzt zieht nervös seine Taschenuhr heraus und vergleicht die Zeit. Da endlich kommt das Bataillon anmarschiert, kräftige, stämmige Männer mit umgehängtem Karabiner in tadellosem Gleichschritt. »Na also, wieder ein Kosakenbataillon«, murmelt der Arzt, als er die Bezeichnung »Georgien« auf dem rechten Ärmel der Wehrmachtuniformen entziffert. Arme Hunde, denkt der Arzt. Kurz vor dem Verhungern aus deutschen Kriegsgefangenenlagern zusammengetrieben und zum Dienst in die Wehrmacht gepreßt. Man kann es sich kaum vorstellen: Zehntausehde sind in den Gefangenenlagern umgekommen, und die Deutschen, nicht nur die Faschisten, haben zugesehen. »Keine Sentimentalitäten«, ruft er sich selbst zurecht, »wer von denen, glaubst du, würde nicht auf dich schießen?« Was der ältere Herr, der am Straßenrand mit klammen Fingern an seinem Fahrrad baut, sieht, ist das 822. Georgische Infanteriebataillon. Wie er glaubt, eine Kolonne von Opfern, Feiglingen, Vaterlandsverrätern, Entwurzelten und überzeugten Faschisten. Was er nicht sieht, nicht sehen kann, sind die Genossen des 822. Georgischen Partisanenbataillons, die in der verhaßten Uniform der Landesverräter an ihm vorbeiziehen -zum Äußersten entschlossen. Die Geschichte des Bataillons reicht bis zum Sommer 1942 zurück,
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als plötzlich in den faschistischen Gefangenenlagern spezielle Kommandos auftauchten und unter den gefangenen Soldaten der Roten Armee die Georgier aussonderten, um sie zum Dienst in deutscher Uniform zu pressen. Obwohl selbst der Erschießung nur durch Zufall entkommen, waren es die Kommunisten, die in dieser Situation, völlig auf sich gestellt, ihre Mitgefangenen wiederaufrichteten. Sie schlichteten den Streit um den letzten Kanten Brot. Sie isolierten mögliche Verräter, hielten Schwätzer abseits, testeten Verschlossene und zogen Schwankende vorsichtig he ran. Im Ausbildungslager Radom bestand die junge Parteigruppe gleich nach ihrer Gründung die erste Bewährungsprobe. Nichts, weder doppelter Sold, Sondervergünstigungen, Zusatzrationen an Schnaps und Zigaretten noch Abschußprämien, nichts wirkte, als für die Partisanenjagdkommandos geworben wurde. Nur einige wenige - Haltlose und Kriminelle - folgten den Werbern. Dafür fehlten eines Morgens 18 Mann; eine ganze Barackenbelegung war geschlossen mit ihren Waffen in die Wälder zu den polnischen Partisanen gegangen. Nach der Ausbildung in Radom kam der Atlantikwall in Frankreich. Dort, im Lager Dax in der Nähe von Bordeaux, begann die Parteileitung, das Bataillon systematisch auf den Kampf gegen die Faschisten vorzubereiten. Über jeden mußte Klarheit gewonnen werden. Der bevorstehende Kampf duldete keine Halbheiten. Von Frankreich aus wurden sie nach Holland verlegt. In Zandvoort, der ersten Station auf niederländischem Boden, hatten die georgischen Genossen Kontakt zur Widerstandsbewegung in der Stadt Haarlem aufgenommen. Gemeinsam mit holländischen Kommunisten wurde eine illegale Zeitung in georgischer Sprache herausgegeben. Auf Bitte der Parteileitung ließen die Holländer nahezu 50 Georgier im Gewirr der Großstädte untertauchen, um sie vor der Gestapo in Sicherheit zu bringen. Die Haarlemer Gruppe des »Raad Van Verzet« (Widerstandsrat) erhielt heimlich aus den Lagern des 822. Georgischen Infanteriebataillons Waffen, Munition, Medikamente und Lebensmittel. Die holländ ischen Widerstandskämpfer ihrerseits erschlossen den Georgiern den Funkweg nach Großbritannien.
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Im Sommer 1944 übermittelte London Signale, die das Zusammenwirken der Georgier mit den britischen Sturmtruppen bei der Anlandung in Zandvoort und dem Vorstoß auf Amsterdam koordinieren sollten. Daraufhin wurde auf Beschluß der Parteileitung das 822. Georgische Partisanenbataillon gebildet. Aber auch die andere mögliche Kampfform, der geschlossene Übertritt des Bataillons zu den Alliierten, wurde mit der holländischen Widerstandsbewegung vorbereitet. Jetzt, im Februar 1945, wurde das Bataillon unerwartet nach Texel verlegt. Alle Verbindungen zerrissen, die Hoffnung auf baldige Befreiung ist zunichte geworden ... An der Spitze marschiert der 40jährige Zugführer Leutnant Loladse an dem Arzt vorbei. Sjalwa Loladse, Kommunist, Geschwaderkommandeur, Hauptmann der Roten Armee, 1941 bei den Kämpfen in der Ukraine abgeschossen. Er ist der geheime Kommandeur des Partisane nbataillons. Das Bein leicht nachziehend, folgt Soldat Artimidse, der Sekretär der illegalen Parteigruppe und Kommissar des Bataillons. Seiner klugen und umsichtigen Arbeit ist es zu verdanken, daß mit den apathischen, dem Hungertod nahen Kriegsgefangenen eine kampfentschlossene Parteigruppe aufgebaut werden konnte. Nicht weit von ihm der Obergefreite Darzemedlidse, ebenfalls Mitglied der KPdSU, einer der aktivsten beim Aufbau der illegalen Gruppe. In Zandvoort liefen über ihn die Verbindungen zur örtlichen Widerstandsgruppe, zur Haarlemer Gruppe des Raad Van Verzet. Im Grau der Vorbeiziehenden gehen Genossen, die monatelang unter ständiger Lebensgefahr die vorgesehene Stelle der englischen Seela ndung und die Marschstraßen in Richtung Amsterdam aufklärten, die jeden Bunker mit seinem Schußsektor, jedes Minenfeld mit seinen Gassen, jede Stacheldrahtsperre und die wichtigsten Orientierungspunkte in eine erbeutete Generalstabskarte der Küste um Zandvoort einzeichneten. Unter ihnen der Unteroffizier Silosani mit seiner Gruppe. Sie waren es, die nachts unter den Augen der faschistischen Wachsoldaten in die am Tage angelegten Minenfelder Gassen schlugen. Aber in der gleichen Uniform marschieren auch überzeugte Faschi-
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sten, »Volksdeutsche« aus Schlesien und Siebenbürgen, ziehen auch Feinde der Sowjetunion, weißgardistische Kosakenoffiziere, Verräter und miese Zuträger vorbei.
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Gefährliches Gespräch Am Tisch, unmittelbar neben dem Fenster, wird schweigend gewartet, bis die Ordonnanz abgeräumt und den Aschenbecher gebracht hat. Der hübschen Truus, der Bürgermeisterssekretärin, kommt die Pause gelegen. Bisher hat ihr Chef sie wie ein kostbares Stück seiner Sammlung jedem gezeigt, aber niemandem erlaubt, ihr zu nahe zu kommen. Heute, kaum war das Essen vorbei, entschuldigte er sich und mischte sich unter die Gruppe um Major Breitner. Zum ersten Mal ließ er sie allein. Sollte sie in Ungnade gefallen sein? Mißtrauen? Wohl eher ein einfacher Kuhhandel. Der Hauptsturmführer neben ihr wird ihm zu verstehen gegeben haben, daß er schon viel zu lange an diesem Tisch klebe. Als Bürge rmeister habe er allen Gästen gegenüber Verpflichtungen. Schade, schließlich braucht sie Angaben über die Georgier. Ob ihr Tischherr Näheres weiß? Ein teuflisch-gefährliches Spiel, wenn sie direkt fragen muß. Geht es schief, kann ihr keiner helfen, und das so kurz vor Kriegsende! »Sagen Sie, Hauptsturmführer«, sie himmelt ihn an, »sagen Sie bitte, der Herr Kommandant sprach vorhin beim Appell doch von Kommunisten, oder habe ich ihn da falsch verstanden?« »Aber mein Fräulein«, galant bietet er ihr eine Zigarette an, reicht Feuer, »Sie brauchen sich doch deshalb nicht zu beunruhigen. Schließlich sind wir doch da! Noch ein Glas Wein?« Er wartet ihre Zustimmung erst gar nicht ab, sondern winkt eine Ordonnanz heran. »Major Breitner hatte durchaus recht, als er mit dem Strick drohte. Ein bißchen ungeschickt, er hätte die Deutschen vorher wegtreten lassen sollen. Den Georgiern, es sind ja eigentlich Kriegsgefangene, muß man tagtäglich Dampf machen, sonst spuren sie nicht!« Eigentümliche Person. Er kann sich nicht erinnern, jemals mit einem Mädel solche Gespräche geführt zu haben. Bei ähnlichen Gelegenheiten hatten seine Damen immer ganz andere Interessen. »Nun sagen Sie mir 10
bloß noch, warum Sie das alles wissen wollen. Es ist doch auf keinen Fall ein Thema für eine so reizvolle junge Dame!« Es soll locker klingen, seine Augen aber bleiben kalt und mißtrauisch. »Nach dem Sieg will ich Geschichte oder Rassenlehre studieren!« Sie sieht ihn schwärmerisch an. »Da werde ich mich natürlich besonders dieser großen Zeit, in der wir leben, widmen. Daher meine Neugier. Sollte ich Dienstgeheimnisse berühren, bitte ich schon im voraus um Entschuldigung!« Himmel, so eine naive Gans, so etwas kann es nur auf dieser Insel geben. Sein Mißtrauen schwindet in dem Maße, wie sein Überlegenheitsgefühl wächst. »Wissen Sie«, er nimmt den Faden wieder auf, »das Bataillon besteht zu zwei Dritteln aus Georgiern, die anderen sind Deutsche. Diese, wie auch die Offiziere des Bataillonsstabes, sind speziell ausgesucht wo rden, Mitgliedschaft in der NSDAP und Ostfronterfahrung waren Vorbedingung! Die anderen Offiziere sind eine Truppe für sich. Söhne russischer Emigranten wie Oberleutnant Indscha oder direkte Feinde der Roten, manchmal auch Kriminelle. Jedenfalls Ausschuß, auf keinen Fall mit uns Deutschen gleichzusetzen, wenn sie es auch liebend gerne sehen würden.« Die Naivität des Mädels, der Wein und das prickelnde Gefühl des Tanzes auf dem Vulkan, alles trägt dazu bei, daß der Hauptsturmführer heute besonders gesprächig ist. »Sie hätten die Georgier sehen müssen, als wir sie aus unseren Kriegsgefangenenlagern kurz vor dem Verrecken herausholten. Wracks, konnten schon nicht mehr sprechen und fraßen ihren eigenen Dreck. Völlig apathisch, waren eigentlich schon tot. In einem Sonderlager haben wir ihnen erst mal wieder zu fressen gegeben, haben sie gewaschen und gesund gepflegt. Als die Bande wieder bei Kräften war, da kamen wir.« Der SS-Mann prüft, wie seine Schilderung wirkt. Die Kleine läßt sich kein Wort entgehen, ist ja richtig Feuer und Flamme. Erstaunlich, aber keinesfalls unübel! »Jeder einzelne mußte 10 Schritt vortreten und die Frage beantworten, ob er an der Seite der Wehrmacht, als Soldat der Georgischen Legion
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bereit sei, gegen die Rote Armee zu kämpfen. Aber keine Erklärungen, nur ein klares Ja oder Nein. Obwohl die ersten, die ablehnten, sofort erschossen wurden, gab es noch genügend, die nicht wollten.« Hastig greift er zum Glas. »Aus denen, sie sich für uns entschieden hatten, wurden bei Radom in Polen Soldaten gemacht. Vorgesehen war, sie nach der Ausbildung gegen Partisanen einzusetzen. Aber das entfiel, als eines Morgens 18 Mann mit ihren Waffen in die Wälder zu den Polen getürmt waren. Anstatt den Rest einfach zu erschießen, mußten wir uns weiter mit der Bande abquälen. Sie wurden nach Westen, zum Bau des Atlantikwalles, verlegt. Schließlich waren sie noch immer zuverlässiger als die örtlichen Zwangsarbeiter. Außerdem waren sie ausgebildete Soldaten.« Als er wieder zum Glas greifen will, drückt die Sekretärin seine Hand fest. »Hauptsturmführer, bitte erzählen Sie weiter. Das haben Sie doch alles selbst erlebt, nicht wahr?« »Denken Sie vielleicht, ich bin ein Etappenhengst?« Weinschwere Entrüstung liegt in seiner Stimme. »Nein, nein«, großmütig wehrt er die Unterschätzung ab, »immer vorneweg, immer mit dabei, schon von Anfang an!« »Dann sind Sie ja wie ein Taufpate, kann man das im Deutschen sagen?« Sie sieht ihn fragend an. Jedenfalls wenn er weitertrinkt, wird er wohl kaum ausplaudern können, warum die Georgier nach Texel verlegt wurden, aber gerade das will sie erfahren. »So kann man es durchaus sehen!« Etwas sauertöpfisch setzt er seine Erzählung fort. »Es sind keine schlechten Soldaten, aber irgendwie unzuverlässig, kein germanisches Blut, Asiaten. In Zandvoort müssen sie Feindkontakt gehabt haben. Bloß beweisen konnten wir es nie; unser V-Mann - war beim Minenverlegen in die Luft geflogen. Na, jedenfalls haben wir die Bande einfach geschnappt und über Nacht nach Texel verlegt. Verlassen Sie sich darauf, noch irgendein kleiner Vorfall, und unsere Geduld ist zu Ende. Wir werden jeden an einen Laternenpfahl, die ganze Straße von Oude Schild nach Den Burg, aufhängen!« Bevor der Hauptsturmführer weiterreden kann, tritt eine Ordonnanz an
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den Tisch und meldet: »Im Arbeitszimmer des Herrn Major ist ein Telefongespräch für Sie angekommen.« Der SS-Mann steht auf, entschuldigt sich bei seiner Tischdame, und betont aufrecht schlängelt er sich durch die Tischreihen. Erschöpft tritt Truus aus dem Haus, nickt dem Posten zu, atmet die frische Seeluft tief ein und geht ein paar Schritte in den anbrechenden Winterabend, bevor sie wieder in den Saal zurückkehren muß.
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Enttäuschung Kelder, offiziell Gehilfe im Bürgermeisteramt, illegal Leiter der örtlichen Sektion der BS - der Binnenlandse Strijtkrachte (Innere Streitkräfte) -, hat sich in den Aktenkeller zurückgezogen. Er muß nachdenken. Seit im Herbst die Offensive der Westalliierten steckengeblieben ist, hat sich die Lage in Holland rapide verschlechtert. Die Großstädte liegen in Agonie; kein Strom, keine Lebensmittel, kein Heizmaterial. Nachdem die deutschen Besatzer Lebensmitteltransporte verboten haben, sterben die Menschen zu Tausenden. Dazu Tag und Nacht Razzien auf Männer zwischen 16 und 50. Mehr als hunderttausend sind schon nach Deutschland zur Zwangsarbeit weggeführt worden. Geiselerschießungen auf offener Straße, Partisanenjagdkommandos auf dem Lande. Zehntausende versorgt die Widerstandsbewegung im Untergrund, und alle brauchen Lebensmittel, Papiere, Medikamente. Kelder schüttelt sich, allein der Gedanke ist schon Alptraum genug. Aber wie soll er sich verhalten? Vielleicht mit der Waffe in der Hand durch Texel schleichen und auf die Deutschen schießen? Das Einwo hnermeldeamt in die Luft sprengen oder die Telefonkabel der Kommandantur zerschneiden? Natürlich, der Raad Van Verzet hat sich wie die anderen landesweit operierenden Widerstandsgruppen im September 1944 unter einem einheitlichen Oberkommando zu den Binnenlandse Strijtkrachte zusammengeschlossen. Der Eintritt der Bürge rmeistersekretärin unterbricht seine Gedanken. Noch in der Tür beginnt sie ihm mitzuteilen, was sie über das georgische Bataillon in Erfahrung gebracht hat. »Schon gut, schon gut«, Kelder unterbricht sie, »nur das Wichtigste, keine Deutungen, präzise, wenn ich bitten darf!« Ohne Zwischenfragen zu stellen, wartet Kelder, bis sie geendet hat. »Wie, meinst du, sollen wir uns verhalten?« Kelder will Truus' Ansichten herausfordern. »Sollte der Hauptsturmführer die Wahrheit gesagt haben, müßten wir mit den Russen Verbindung aufnehmen«, antwortet sie ohne Zögern. 14
»Ich würde sogar vorschlagen, daß wir die initiative ergreifen! Sie werden unsere Hilfe brauchen und können uns vielleicht auch irgendwie unterstützen!« Sie sieht Kelder, der aufgestanden ist und zwischen den Regalen hin und her läuft, fragend an. Kelder lächelt dünn vor sich hin. Die Georgier sind also nicht nur ein paar Feiglinge, die sich zu Kriegsende ein Alibi verschaffen wollen. Das sind Kommunisten, und seit sie in Holland sind, haben sie offenbar mit den hiesigen Umstürzlern zusammengearbeitet. »Mein liebes Kind, du mußt noch viel lernen«, versucht er die Jüngere zu beschwichtigen, als er ihre heftige Reaktion sieht. »Wie stellst du dir eigentlich Holland vor, wenn nach der Befreiung die Kommunisten die Macht übernähmen? Ein kommunistischer Bürgermeister auf Texel alles würde zusammenbrechen, unsere ganze Ordnung wäre dahin. Ich jedenfalls lehne eine Zusammenarbeit mit den Russen ab.« »Aber das sind doch Menschen, die unsere Hilfe brauchen, die wir vor den Faschisten schützen müssen. Der SS-Mann meinte es ernst, als er vom Aufhängen sprach!« Kelders Äußerungen haben die Zwanzigjährige tief erschüttert. Bisher war sie davon überzeugt, daß im Kampf gegen die Besatzer weder Weltanschauung noch Religion zählten, daß es nur ein Für oder Gegen die Faschisten gebe. Kelder irrt sich, muß sich irren. So können nicht alle denken. Langsam geht sie zur Tür. Mit diesen Tönen muß sie erst fertig werden.
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Die Entscheidung Die Tage auf Texel beginnen für die Georgier, wie sie in Zandvoort endeten. Mit stundenlanger Gefechtsausbildung werden sie nach allen Regeln geschliffen. Die Faschisten wollen sie auf diese Art zu willfährigen Werkzeugen machen. In ihrer knapp bemessenen Freizeit oder bei anderen sich bietenden Anlässen versuchen die Genossen des Bataillons, Verbindung zur Widerstandsbewegung auf Texel zu knüpfen. Vergebens. Die Widerstandsbewegung hüllt sich in Schweigen, gibt sich nicht zu erkennen. Wo immer die Georgier ansetzen, mit der Bevölkerung ins Gespräch zu kommen, stoßen sie auf eine Mauer voller Mißtrauen und Ablehnung. »Sjalwa«, wendet sich Artimidse besorgt an Loladse, »so geht es nicht weiter. Was wir auch anstellen, wir finden keinen Kontakt zur BS. Uns bleibt nur der Weg über Haarlem. Vielleicht können wir dort eine Kontaktadresse und Parole erfahren!« »Du mit deinen Kontakten«, Loladse ist ungehalten. »Wozu sich noch in letzter Minute der Gefahr aussetzen, daß die Gestapo eindringen kann? Wozu Kontakte zu einer Gruppe, die keiner von uns bisher bemerkt hat? Wenn die Alliierten wieder in die Offensive gehen, werden wir sowieso aufs Festland verlegt und dort gegen die Engländer eingesetzt.« »Hör auf, Kommandeur, du weißt genau wie ich, daß der Kontakt zur Bevölkerung lebenswichtig ist. Wir brauchen ihn, und zwar schnell!« Der Kommissar will die kostbare Zeit nicht mit Grundsatzdiskussionen vertun. »Am besten, wir schicken jemanden zu unserem Nachkommando im Beverwijk; die letzten Kilometer bis Haarlem wird er sich schon durchschlagen. Den Marschbefehl und die anderen Papiere besorge ich. Du müßtest dich kurzfristig um Stempel und Unterschrift kümmern!« Die Vorbereitungen sind schnell getroffen. Bald kann sich ein georgischer Genosse auf den Weg nach Haarlem begeben, um die abgerissenen Verbindungen wieder zu knüpfen. Der Hinweg ist abenteuerlicher, 16
als ihm lieb ist. Unverhoffte Kontrollen,der Kettenhunde und britische Jagdbomber, die aus dem Nichts auftauchen und auf alles schießen, was nach Wehrmacht aussieht. Zudem noch die Holländer. Schon seit Den Helder interessieren sich Widerstandskämpfer für den einzelnen Soldaten, der in voller Montur und bewaffnet durch die Dörfer marschiert. Ein präziser Stich, ein kurzer Schlag, und es gäbe einen Feind weniger und eine Waffe mehr ... Nur die Furcht vor Repressalien läßt sie zögern. Erst kürzlich hat die Gestapo mehrere Widerstandsgruppen aufgerollt. Es gibt also kaum einen ungünstigeren Moment, um nach Kontaktadressen auf Texel zu fragen. Trotzdem, schon zwei Tage später kann der Kurier Adresse und Parole auswendig lernen. Bald darauf bekommt eines Abends, kurz vor der Sperrstunde, der Blumenzwiebelzüchter Keijser in der Nähe von De Koog georgischen Besuch ... Danach verbessert sich das Verhältnis der Inselbevölkerung zu den Georgiern spürbar. Besonders der Arzt Dr. Veenig, trotz seiner brummigen Art, und die Bürgermeisterssekretärin flößen ihnen Vertrauen ein. In ihrer Nähe fühlen sich die Fremden weniger verlassen. Dennoch gibt es grundsätzliche Unterschiede zu der Widerstandsbewegung in Haarlem. Hier auf Texel sind die Binnenlandse Strijtkrachte stark konservativ ausgerichtet. Kommandant Kelder hält nach wie vor Abstand, läßt sich über Dritte informieren. Im stillen rechnet er fest damit, daß diese Fremden ebenso problemlos wie ihre Vorgänger - armenische Kriegsgefangene - von der Insel verschwinden werden. Ende März 1945 atmet Holland auf: BBC London hat die Wiederaufnahme der im September 1944 unterbrochenen Offensive bekanntgegeben. Britische und US-amerikanische Truppen forcieren die Flüsse und stoßen nach Osten und Norden vor. Im östlichen Teil Hollands beginnt das 1. Kanadische Armeekorps mit seiner Offensive zur Befreiung Ho llands. Der Krieg im Westen ist in seine Endphase getreten. Auf Texel verdichten sich die Gerüchte, daß ein Einsatz von Teilen des 822. Georgischen Infanteriebataillons gegen die angreifenden Kanadier bevorsteht. Schon bald ist es ein offenes Geheimnis - 300 bis 400 Mann sollen an die Front geworfen werden. Als am 4. April Arbeits-
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kommandos des Bataillons unverhofft Waffen und Munition im Hafen entladen müssen, ruft Genosse Artimidse das Parteiaktiv zusammen. In einem abgelegenen Holzhaus, dem Heimatmuseum der Insel, findet die Beratung über die neue Lage statt. Gespannte Aufmerksamkeit umgibt den ehemaligen Deutschlehrer. Ohne Kommentar erteilt er als erstem Konstantin Darzemedlidse das Wort. »Zur Frontlage.« Darzemedlidse ist aufgestanden und vorgetreten. »Die Rote Armee steht an der Oder, siebzig Kilometer von Berlin entfernt. Im Westen haben die Alliierten Ende März ihre Offensive wiederaufgenommen und den Rhein forciert. Während die Briten und Amerikaner nach Deutschland vorstoßen, vernichten die Kanadier die Wehrmacht in Holland!« Darzemedlidse wendet sich der großen Karte zu, die in friedlichen Zeiten dem Besucher des Museums über die Geographie der Niederlande informierte. »Zur Zeit finden«, der Zeigestock, ein altes Holzlineal, tippt auf die östlichen Provinzen, »die Hauptkämpfe hier statt. Die Kanadier stoßen nach dem Norden zur Küste des Wattenmeeres vor, um so den Deutschen den Rückzug aus der >Festung Holland< zu verlegen. Es ist zu erwarten, daß sie in einigen Tagen nach Westen abdrehen und die Grebbe-Linie, das Tor zu den westlichen Landesteilen, angreifen!« Das Lineal zeigt auf ein hügeliges Gelände im zentralen Teil des La ndes. »Dann wird auch die Landung bei Zandvoort mit dem Vorstoß auf Amsterdam erfolgen.« Darzemedlidse schweigt, überlegt, ob er etwas vergessen hat, und nickt dem Parteisekretär zu. »Genossen, nun zum eigentlichen Thema.« Artimidse sieht sich um. »Wir müssen unser weiteres Vorgehen präzisieren. Jedem von euch wird die Hektik im Stab aufgefallen sein. Unser Einsatz steht eindeutig bevor! Der Termin ist auch bekannt, da die >Dr. Wagemaker< auf Befehl Breitners am 6. April um 7.00 Uhr abfahrbereit im Hafen liegen soll. Jedoch, Genossen, alle Anzeichen sprechen dafür, daß nur ein Teil von uns, etwa 300 Mann, zum Einsatz kommen. Die anderen sollen auf Texel als Geiseln der Faschisten verbleiben. Laufen unsere Genossen an der Front wie geplant zu den Alliierten über, wird der Rest hier ermo r-
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det. Ich sehe daher keinen anderen Weg, als euch den bewaffneten Aufstand vorzuschlagen: die Insel im Handstreich erobern und sie bis zur Befreiung verteidigen!« Die Anwesenden sind erregt. Endlich ist es soweit, endlich kann der Kampf gegen den verhaßten Feind beginnen. Endlich wieder als Mensch atmen, und sei es nur in den letzten Stunden des Lebens. Rache für das Gefangenenlager, für die sadistischen Quälereien. Rache für die namenlosen Kameraden, die diesen Tag nicht mehr erleben können ... Alle Genossen, manche hitzig, andere bedächtig, sprechen sich für den Aufstand aus. Es gibt gar keine andere Möglichkeit. Keiner will sein Leben auf Kosten des anderen retten. Atemlose Stille herrscht im Raum, als sich Genosse Loladse, der Kommandeur, zu Wort meldet. »Zur Situation auf Texel«, die Stimme des Berufsoffiziers ist sachlich, emotionslos. »Gegenwärtig befinden sich auf der Insel fünfhundert deutsche Soldaten. Sie sind konzentriert in Den Burg, im Süden der Insel um den Wasserflugzeughafen De Mok, im Hafen Oude Schild und in Texla. Kriegsmarine hält die Bunkeranlage der Nord- und der Südbatterie, die Wehrmacht den Bunkerkomplex am Cocksdorper Leuchtturm ständig besetzt. Alle diese Bunkeranlagen sind in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt worden. Nachrichtenverbindungen mit dem Festland bestehen vom Postamt in Den Burg. Im Fernsprechnetz der Kommandantur existieren Verbindungen zu allen wichtigen Objekten der Insel. Es ist zu vermuten, daß außer in Texla auch die Nord- und die Südbatterie über Funkgeräte ve rfügen. Uns sind auf der Insel dreißig holländische Faschisten bekannt; sie besitzen jedoch keine Waffen. Die hiesige Widerstandsbewegung ist nicht zu einem Kampf bereit. Deshalb können wir nicht mit organisierter Hilfe rechnen. Unterstützung erwarte ich dagegen von den Briten. Unsere Zusammenarbeit mit ihnen war, soweit ich das beurteilen kann, in Zandvoort gut. Nicht umsonst haben sie uns die Signale übermittelt.« Loladse kommt nunmehr zum Aufstandsplan. »Alle Vorbereitungen laufen unter der Bezeichnung >Tag der Geburt<. Aufstandsbeginn ist um 01.00 Uhr am 6. April, mit dem Glockenschlag der Groote Kerk. Vorher ist jede Aktivität strengstens untersagt.
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Folgende Aufgaben sind mit Aufstandsbeginn zu lösen: Eroberung des Gefechtsstandes Texla, Einnahme von Den Burg und Vernichtung der deutschen Garnison, Eroberung des Hafens und des Flugplatzes Vlijt. Erstürmung der Nord- und der Südbatterien, Unterbrechung der Telefonverbindung mit dem Festland und Säuberung der Insel von Faschisten. Der Aufstand ist auch vor den Holländern geheimzuhalten. Kelder wird zu gegebener Zeit von mir persönlich informiert!« Loladses Ton wird verbindlicher, eindringlicher; er spricht jeden der Genossen an: »Unser Vorhaben ist sehr kompliziert; eine versäumte Gelegenheit wird niemals wiederkommen. Die Faschisten werden, sobald sie können, starke Kräfte gegen uns in Marsch setzen. Wollen wir siegen, brauchen wir eiserne Disziplin. Zeit zum Diskutieren wird nicht mehr sein. Befehle sind bedingungslos zu befolgen. Vergeßt das niemals in den nächsten Tagen!« Bevor Parteisekretär Artimidse die schicksalsschwere Beratung beendet, appelliert er nochmals an die Genossen: »Denkt stets daran, für die Holländer sind wir ein Teil der Roten Armee. So, wie wir kämpfen, so wird die Rote Armee eingeschätzt! Bedenkt auch, daß die Holländer unsere Verbündeten sind. Schont ihr Leben und Gut. Tod den Faschisten!« Der 5. April ist auf beiden Seiten erfüllt von Vorbereitungen. Major Breitner und sein Stab haben die Planung abgeschlossen, dem Einsatz der Georgier steht nichts mehr im Wege. Dem Kommandeur Loladse rinnt unterdessen die Zeit wie Sand durch die Finger. Aufstandsvorbereitungen. In weniger als 24 Stunden wird sich das Bataillon, will es Erfolg haben, wie ein Mann erheben müssen. Einweisung aller Kämpfer in ihre Aufgaben, und das bei doppelter Geheimhaltung! Geheimhaltung gegenüber den Faschisten und gegenüber den Schwätzern und Verrätern in den eigenen Reihen. Die Zeit ist kurz, zu kurz. Bis tief in die Nacht ziehen sich die Vorbereitungen hin. Dann schlägt die Glocke der Groote Kerk. Weithin über die Insel wird die erste Stunde des 6. April 1945 eingeläutet.
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»Tag der Geburt« Lautlos hasten Schatten, jede Deckung nutzend, auf die deutschen Unterkünfte zu. Jäh wird die Stille der Nacht zerrissen. Gewehrschüsse fallen, Handgranaten detonieren, Maschinengewehre feuern. Zischend steigen Leuchtkugeln in den dunklen Himmel auf. Menschen schreien. Das 822. Georgische Partisanenbataillon hat sich gegen die Faschisten erhoben. Als die Nacht weicht, haben die Aufständischen den größten Teil der Insel in ihrer Hand. Doch die Nord- und die Südbatterie konnten nicht im Handstreich genommen werden. Die frühzeitig alarmierte Besatzung, unbekannte, brandneue Minenfelder an den Zugängen und une rwartet heftiges Artilleriefeuer verhinderten den Erfolg des Überraschungsangriffes. Der Vorstoß der Aufständischen zur Südspitze der Insel bleibt im Feuer der Garnison De Mok stecken. In Den Burg halten sich die Faschisten in den Häusern rund um die Fahrbereitschaft. Nur Major Breitner, der Bataillonskommandeur, ist verschwunden. Der Kommandant der BS, Kelder, kann sich, als er frühmorgens nach Texla zum Gefechtsstand des Bataillons gebeten wird, nicht mehr abseits halten. Jetzt muß auch er Farbe bekennen. Sjalwa Loladse info rmiert ihn über die Lage und setzt ihn als Bürgermeister ein. Er bittet Kelder, große britische oder niederländische Fahnen, die sichtbar für Flugzeuge sind, vorbereiten zu lassen. Außerdem soll er die Aufständ ischen mit 100 holländische n Kämpfern unterstützen und dafür sorgen, daß Faschisten und Verräter verhaftet werden. Während der neuernannte Bürgermeister sich in seinem Amt versucht, finden sich die Holländer allmählich in Texla ein. Auf einem improvisierten Meeting erläutert Kommandeur Loladse die Ziele des Aufstandes. Er schließt mit den Worten: »Es gibt keinen Weg zurück. Es lebe Holland, es lebe die Sowjetunion!« Nach einer kurzen Pause ertönt ein Kommando. In Sichtweite der Südbatterie wird nach fast fünf Jahren Okkupation wieder die nieder21
länd ische Fahne über Texel aufgezogen! Einen Moment stehen die Holländer, beeindruckt von der Größe des Augenblicks, stumm da. Dann bricht es aus ihnen -heraus: »Es lebe die Königin, es lebe die Freiheit, es leben unsere georgischen Kameraden!« Obwohl die Südbatterie sofort das Feuer eröffnet, bittet die Mehrzahl der Holländer um Waffen und unterstellt sich dem georgischen Kommando. In Den Burg verliert Bürgermeister Kelder bald die Übersicht. Die Zahl der verhafteten Faschisten in den Abstellkammern und im Keller erhöht sich unaufhörlich. Die Opfer unter der Zivilbevölkerung durch die Kämpfe um die Fahrbereitschaft und den sporadischen Artilleriebeschuß der Umgebung steigen von Minute zu Minute. Alle Augenblicke erscheint jemand und will Weisunge n haben oder stellt Forderungen. An diesem Morgen ist Dr. Veenig überall zu finden. In Texla versorgt er die Verwundeten des Feuerüberfalls der Südbatterie. In den Häusern um die Fahrbereitschaft sucht er nach Verletzten und leistet Erste Hilfe. Gemeinsam mit seinem Kraftfahrer transportiert er die dringendsten Fälle quer durch die Feuerlinie ins Hilfskrankenhaus. Als Truus mit einer Gruppe Frauen im Krankenhaus erscheint, um irgendwie zu helfen, steht der Arzt schon im OP, spritzt, schient, entfernt Granatsplitter und amputiert.
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Der Gegenschlag »Herr Kommandant, wichtige Meldung!« Mit unguten Gefühlen weckt der Diensthabende den Festungskommandanten von Den Helder und übergibt ihm einen dechiffrierten Funkspruch der Südbatterie. »Aufstand der Georgier auf Texel. Angriff auf Batterie nur unter Anstrengung aller Kräfte abgewehrt!« Der Kapitän zur See glaubt seinen Augen nicht trauen zu können. »Sofort Alarm für die operative Reserve, Empfang zusätzlicher Munition, Granatwerfer und Flammenwerfer zur Verstärkung. Vorbereitung zur Anlandung auf Texel. Einsatz auf meinen Befehl! So, nun den Oberkommandierenden der Wehrmacht in den Niederlanden, aber flott!« Um 04.15 Uhr klingelt das Telefon Generaloberst von Blaskowitz aus den Schlaf. Nach der Meldung will er noch präzisierende Angaben. Wo stehen die Georgier genau? Was ist mit der Nordbatterie, was ist mit dem Bunkerkomplex bei Cocksdorp? Wo steckt Breitner? Wenn auch seine Fragen nicht beantwortet werden können, der Generaloberst gibt sich keinen Illusionen hin. »Hören Sie, Kapitän, dieser Aufstand darf auf keinen Fall in Holland bekannt werden. Die Wirkung auf Bevölkerung und Wehrmacht ist nicht absehbar. Totale Nachrichtensperre! Sofortiger Einsatz aller Reserven. Keine Sentimentalitäten. Harte und bedingungs lose Unterdrükkung des Aufstandes. Kehren Sie mit einem eisernen Besen die Insel durch!« Frühmorgens sieht von Blaskowitz klarer. Gegen 7.00 Uhr schrillen in den Truppenteilen der »Hermann-Göring«-Division zwischen Den Helder und Ijmuiden die Alarmglocken. Nicht kriegsmüde Landser, sondern die Reste seiner Elite werden eingesetzt. 3500 Fallschirmjäger sollen mit Artillerie, Flammenwerfern und Panzern die knapp 800 Aufständischen auf der Insel vernichten. Kaum einer dieser Soldaten, schon in der Hitlerjugend bis zur psychischen Schädigung verhetzt, glaubt an das nahe Kriegsende. Dem Fa23
schismus erlegen, bedauern sie nur, daß sie zu spät geboren sind, bedauern sie, daß die Tage von Rotterdam und Kreta endgültig vorbei sind, daß für sie keine Fallschirme mehr ge näht und keine Flugzeuge mehr starten werden. Nun werden sie beweisen, was es heißt, sich als Hitle rjunge freiwillig zu den Fallschirmjägern gemeldet zu haben. Der Abend hatte es in sich. Wohlig streckt sich Major Breitner unter der wärmenden Decke aus. Plötzlich vernimmt er Gewehrschüsse, das Detonieren von Handgranaten, Gefechtslärm. Die Briten sind gelandet! Licht aus, Uniform an, schnell weg! Im Hause seiner Geliebten hatte Breitner Schutz vor dem ersten Ansturm der Aufständischen gesucht. Nun hofft er, in der Dunkelheit ihren Suchtrupps zu entgehen. Es gelingt ihm, das Lazarett zu erreichen. Der Bataillonsarzt klärt ihn über die Ereignisse der letzten Stunden auf. Gemeinsam mit einigen Sanitätern flüchten sie nach Den Helder. Unterwegs finden sie einen Fischerkahn und rudern damit ihrem Ziel entgegen. Erschöpft und triefend vor Nässe, will Breitner dem Festungskommandanten Meldung machen. Der winkt nur verächtlich ab. »Feigheit Major, Feigheit und Unfähigkeit. Sie brauchen sich nicht erst beim Generaloberst zu melden. Sorgen Sie dafür, daß die Bande kapituliert, sonst...!« Und so geht Breitner mit der ersten Landungswelle der Kriegsmarine im Süden Texels wieder an Land. Blaß vor Erregung, verfolgt er die Fahrt der zwei Parlamentäre nach Den Burg. Nur wenn es diesen beiden Georgiern, die wahllos aus dem Nachkommando in Beverwijk herausgegriffen wurden, gelingt, ihre Landsleute zur bedingungslosen Kapitulation zu überreden, nur dann rechnet sich Breitner noch eine Chance aus. Kein Schuß fällt, ohne Schwierigkeiten erreichen sie den Ortsrand von Den Burg. Die Parlamentäre legen ihre Fahrräder am Wegesrand ab und warten auf die Aufständischen, damit sie ihnen die noch in Den Helder geschriebene Kapitulationsaufforderung übergeben können. Endlich Bewegung am Ortsrand. Breitner greift zum Feldstecher. Aus der Deckung des ersten Hauses treten vier Georgier hervor und verha n-
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deln mit den Abgesandten der Wehrmacht, gestikulieren. Na also ... Breitner malt sich schon aus, wie er verfahren wird, nachdem die Waffen niedergelegt wurden und die Russen sich ergeben haben. Aber da - die Gesichtszüge des Majors verzerren sich vor Wut und Angst. Demonstrativ zerreißen die Parlamentäre das Papier, werfen die Fahnen mit einer heftigen Bewegung weg und schließen sich den Aufständ ischen an. In Breitners Umgebung herrscht eisiges Schweigen. Er kann wegtreten, ein toter Mann! Keiner auf Texel gibt sich irgendwelchen trügerischen Hoffnungen hin. Die Faschisten rüsten zum Gegenschlag. Wider Erwarten setzen sie jedoch früher als angenommen stärkere Kräfte ein. In dieser Situation kann nur die Royal Air Force helfen. Ohne Aufforderung geben Holländer und Georgier, die sich in der Tür zum Funkschap drängeln, Loladse den Weg frei. Ein Blick genügt, und der Kommandeur kennt das Ergebnis der stundenlangen Arbeit des georgischen Rundfunkmechanikers. Das beim Kampf beschädigte Funkgerät ist nicht einsetzbar! Auch der zur Unterstützung herangeholte holländische Marinefunker muß nach bangen dreißig Minuten aufgeben. Schrott, unbrauchbar! Resigniert sehen sich die Aufständischen an. Was nun, wie soll London informiert werden? Aber noch ist nicht aller Tage Abend, der Marinefunker - ein pensionierter Offizier der Handelsflotte - hat einen Vorschlag: »Wissen Sie, Herr Kommandeur, in Cocksdorp, in der Nähe der Nordbatterie, ist das Rettungsboot >Joan Hodson< stationiert. Obwohl es seit vier Jahren nicht mehr eingesetzt werden durfte, hat der Besitzer es immer gepflegt und fahrbereit gehalten. Lassen Sie die Schienen der Schlippanlage aus dem Schwemmsand ausgraben und fahren Sie nach England, um dort über den Aufstand zu informieren.« »Wie bitte?« Loladse glaubt, nicht richtig verstanden zu haben. »Mit einem Rettungsboot nach England? Wie weit ist denn das?« Auch Artimidse ist skeptisch. Für die an das Hochgebirge gewöhnten Männer ist das Meer etwas Unheimliches.
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»Na ja.« Dem Holländer entgeht die Verwirrung der beiden nicht. »Na ja, es werden schon so an die 250 Kilometer sein. Wenn die See sich hält, sind Sie ungefähr in 24 Stunden in England!« »Und wenn sie sich nicht hält, was dann?« Die umstehenden Holländer, alle mit der Nordsee vertraut, wissen, wieviel Mut dazu gehört, eine solche Fahrt im Frühjahr zu beginnen und unbeschadet in England anzukommen. Aber sollten sie das den Georgiern erzählen, jetzt, wo jede Minute zählt? »250 Kilometer Nordsee sind immer ein Risiko. Plötzliche Frühjahrsstürme, tagelanger Nebel und jetzt im Krieg noch die Schnellboote, die Treibminen. Alles ist möglich! Aber was soll's, es muß eben gewagt werden! Das ist die einzige Chance.« Loladses und Kelders Einverständnis vorausgesetzt, will der Funker noch heute mit dem Besitzer sprechen. Schließlich einigt man sich. Die Holländer stellen die Besatzung und den Kommandanten des Rettungsbootes, vier Georgier werden mitfahren. Gegen 16 Uhr haben die Faschisten ausreichend Kräfte und Material angelandet, so daß sie zum Gegenangriff auf Den Burg übergehen können. Zwanzig Minuten feuert die Artillerie. Nord- und Südbatterie, Festungsartillerie aus Den Helder, Infanteriebegleitgeschütze. Mehr als 1800 Granaten aller Kaliber schlagen in dem Dorf ein. Danach gehen Marinesoldaten und die Fallschirmjäger zum Sturmangriff vor. Haus um Haus werden durchkämmt. Gefangene Georgier werden sofort an Ort und Stelle getötet, verdächtige Holländer für das Standgericht in De Mok zusammengetrieben. Schrittweise muß sich das 822. Georgische Partisanenbataillon aus Oude Schild, Den Burg, Texla zurückziehen. Während die Angriffe der »Hermann-Göring«-Division westlich und nördlich Den Burg abgeschlagen werden, errichten im wiedereroberten Teil der Insel die Okkupanten die alte Ordnung. Den Einwohnern wird befohlen, die Georgier auszuliefern. Wer den Aufständischen Hilfe erweist, wird erschossen, sein Haus niedergebrannt. Die faschistische Bestie tobt sich aus. Im Krankenhaus wird das holländische Pflegepersonal mit Gewehrkolben traktiert, die verwundeten Georgier noch auf ihrem Lager erschossen. Sechs 26
Georgier noch auf ihrem Lager erschossen. Sechs schwerverletzte Aufständische werden von SS hinter die Mülltonnen des Hilfskrankenha uses gezerrt und dort umgebracht. Und immer wieder fahren LKWs mit Holländern nach De Mok, zur Todesfabrik ... Im Verlaufe des 7. April löst sich Loladses Bataillon in Gerritsland von der Division >Hermann Göring<, zieht sich auf den Bunkerriegel südlich von De Koog zurück. Damit entgeht das Bataillon der drohe nden Einkreisung. Die Aufständischen erweisen sich als hervorragende Kämpfer. Jeder Angriff wird ohne nennenswerte eigene Verluste abgeschlagen. Die faschistischen Fallschirmjäger geraten in Hinterhalte, laufen in Minenfelder oder erstürmen Scheinstellungen. Weder der Einsatz von Artillerie noch von Flammenwerfern kann die steigenden Verluste ausgleichen. Die Georgier nutzen geschickt das Gelände und zwingen den Faschisten ihre Kampftaktik auf. Ebenso behaupten sie sich in den Poldergebieten nördlich Den Burgs. Unsichtbar für den Angreifer, warten sie eingegraben im Deich oder im Schilf stumm und verbissen auf ihren Schuß. Immer wieder gehen Freiwillige der Division »Hermann Göring« vor und versuchen die Georgier niederzuwerfen. Immer wieder müssen sie sich unter starken Verlusten zurückziehen. Geführt von acht Offizieren, greifen drei Kompanien Fallschirmjäger, nahezu ein ganzes Bataillon, mit Artillerieunterstützung an. 7 Offiziere und 135 Soldaten bleiben tödlich getroffen liegen. Da erheben sich die Aufständischen zum Gegenangriff. Schon ist die faschistische Artilleriestellung zum Schweigen gebracht, De Waal wieder zurückerobert, greifen die Aufständischen in Richtung Den Burg an. Voller Hast räumt die Wehrmacht den südlichen Polder und flieht Hals über Kopf erneut aus Den Burg. Unfähig, die Aufständischen zu vernichten, gehen die Faschisten zur Taktik der verbrannten Erde über. Systematisch wird jedes sich bietende Ziel im Polder, ob Bauernhaus, ob Stall oder Scheune, mit Artilleriefeuer zerstört. Vergeltung für die Hilfe, die die Holländer ihren sowjetischen Kameraden gewährt haben.
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Die »Joan Hodson« Nur manchmal, wenn der geschundene Rücken zu sehr schmerzt, läßt sich ein Fluch nicht unterdrücken, ansonsten ist bloß das Klappern der Spaten, wenn sie auf die Schienen stoßen, zu hören. Aber das meilenweit in dieser Nacht, wie die verbissen grabenden Holländer meinen. Bis Mitternacht muß das Rettungsboot zu Wasser sein, später hat die Ebbe alle Ausfahrten aus dem Wattenmeer verschlossen, und die aufkommende Flut drückt das Wasser mit gewaltiger Kraft landwärts. Endlich, nach Stunden, sind die Schienen frei und der Kommandant holt seine Besatzung zum Bootsschuppen. »Jetzt die Räder und Lager der Lore dick einfetten. Du nimmst die Bremsklötze.« Der Schipper bestimmt einen der Umstehenden. »Dahinten, neben dem Faß, liegt Werg und Fett, her damit. Ich hole den Kompaß.« Schnell ist er mit dem kleinen Flüssigkeitskompaß, sein ganzer Stolz, zurück. Wahrscheinlich das einzige Navigationsinstrument auf Texel überhaupt, nachdem die Faschisten vor vier Jahren alles beschlagnahmten. »So, ihr Landratten, nun hört genau zu.« Der Schipper gibt seine Anweisungen. »Das Boot muß mit Gefühl ins Wasser gelassen werden. Schlägt es auf, bricht es! Deshalb drei Mann hinten, die anderen vorn zum Bremsen. Kommt die Lore in Fahrt, dann versucht bloß nicht, das Ding aufzuhalten. Es würde euch wie Flöhe zerquetschen! Hebe ich meinen Arm, sofort die Bremsklötze vor! Klar?« Er öffnet die Tür und späht in die Nacht - nichts zu sehen, noch zu hören. Vorsichtig werden die großen Blechtüren aufgeschoben, quie tschend setzt sich die Lore mit dem Boot in Bewegung. Als das Rettungsboot endlich aufgetankt im Wattenmeer schwimmt, hat die Ebbe ihren tiefsten Stand ereicht. Trotzdem, die Fahrt beginnt sofort. Zögern würde den Verlust von kostbaren vierundzwanzig Stunden bedeuten. Lange kreuzt die »Joan Hodsen« zwischen Vlieland und Texel. Sandbänke und Untiefen haben alle Fahrtrinnen versperrt. Alle 28
außer einer, und die führt unmittelbar in Sichtweite der Posten an der Nordbatterie vorbei. Stumm sieht der Kommandant des Rettungsbootes seine zusammengewürfelte Mannschaft an, und jeder kann seinen Blick deuten. Noch ist es Zeit, wer aussteigen will, soll gehen. Eine Ausrede wird sich schon finden. Aber jeder hält seinen Blick aus, alle schütteln den Kopf. Keiner flüchtet vor der selbst übernommenen Verantwortung. Der Kommandant dirigiert die Mannschaft mehr mit Gesten als mit Worten: Jacke aus, Ruder und Karabiner umwickeln, nicht über Wasser ziehen. Staken! Vorsichtig, um Geräusche zu vermeiden, erreichen die Männer unterhalb der Nordbatterie das offene Meer. Als die total Erschöpften endlich den Motor anwerfen, sind sie weit außer Sicht des Gegners. Nach der Erschöpfung kommt die Kälte und für die Georgier die Seekrankheit. Das Wetter hält sich, einer sternklaren Nacht folgt ein strahlender Frühjahrsmorgen. Spätabends am 9. April 1945 sind die Sperren vor der britischen Küste erreicht. Der Anker fällt. Voller Spannung warten alle im Boot, ob ihre Signalraketen bemerkt wurden. Motorengeräusch aus Nordwest. Minuten später befindet sich ein viermotoriger Seeaufklärer im Anflug. Bevor der Pilot mit Leuchtbomben den Weg zur Küste markiert, sucht er lange die See um das Rettungsboot ab. Wahrscheinlich vermutet er eine Teufelei der Faschisten. Stunden später werden die Holländer durch britische Soldaten der Küstenwache südlich von Yarmeuth wie Brüder begrüßt. Die Georgier in ihrer Wehrmachtuniform dagegen werden äußerst reserviert betrachtet. Erst als der Bootsführer vom Aufstand berichtet, schafft er die notwendige Klarheit. Sorry, das konnte man nicht wissen. Also Aufstand gegen die Faschisten, unsere Hochachtung! Natürlich wird die Royal Air Force helfen; nicht umsonst hatte Churchill London als »Hauptstadt des Widerstandes« bezeichnet. Am nächsten Morgen ist ein Mitarbeiter des britischen Geheimdienstes eingetroffen. Zerschlagen und müde erklärt ihm die Bootsbesatzung die Lage auf Texel. Er möge bitte veranlassen, daß die faschistische Nord- und Südbatterie sowie die Transportschiffe im Wattenmeer bom-
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bardiert werden. Eile tue Not, es gehe um jede Stunde. Der Geheimdienstmann entschuldigt sich. Er könne keine Entsche idung fällen, werde aber sofort London informieren. Nachdem er den Hörer wieder aufgelegt hat, beruhigt er die Umstehenden. Morgen früh würde alles geklärt, jetzt solle man sich ausruhen. Gleich nach dem Frühstück würden sie nach London fahren. Die zehn Minuten Aufenthalt auf dem Bahnhof Munderley, nutzen alle, um sich die Beine ein wenig zu vertreten. Alle steigen aus und gehen ein paar Schritte. Damit ist für sie die gemeinsame Fahrt beendet. Ungeachtet aller Proteste, drängen stämmige Militärpolizisten die Georgier gewaltsam vom Zug ab und hindern sie an der Weiterfahrt nach London.
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Hoffen auf London Zur gleichen Zeit, als die Georgier auf dem Bahnhof Munderley voll trüber Ahnung den Schlußlichtern des Zuges nachblicken, findet in den Dünen nördlich um De Koog eine Lagebesprechung des Bataillons statt. Kommandeur Loladse entwickelt seinen Kompaniechefs die neue Kampftaktik des Bataillons. Vorausgesetzt, daß die »Joan Hodsen« England erreicht habe, rechne er damit, daß die ersten britischen Bomber in wenigen Stunden über Texel erscheinen. Es sei daher angebracht, die Stellungen um De Koog zu räumen und in dem nördlichen Polder um den Flugplatz Vlijt eine stabile Verteidigung aufzubauen. Damit würde die holländische Bevölkerung weitgehend geschont und die Briten könnten sowohl die deutschen Stellungen bombardieren als auch Versorgungsgüter direkt abwerfen. In den Dünen um den Sluvter müsse eine bewegliche Verteidigung organisiert werden ... Kaum hat das Partisanenbataillon seine Stellung um den Flugplatz bezogen, greifen die Faschisten mit Artillerie und Panzern an. Obwohl Angriff auf Angriff erfolgt, die Aufständischen können sich halten. Die Artillerie beschießt leere Bunker, und die Panzer werden Beute der georgischen Panzerbekämpfungstrupps. Wenn die faschistische Infanterie sich zum Sturmangriff erhebt, greifen die Genossen von den Dünen her ein. Gegen Abend sind die Versuche der »Hermann-Göring«-Division, die Verteidigung auf der Linie Vlijt-Cocksdorp zu durchbrechen, gescheitert. Auf Vlijt können die Aufständischen zeitweilig aufatmen. Die vier Georgier, die mit dem Boot in England landeten, sind inzwischen in einem Kriegsgefangenenlager eingeliefert worden. Wie Schwerverbrecher sind sie von der Außenwelt völlig isoliert, dem Vergessen preisgegeben. Niemand interessiert sich für sie, kein Dolmetscher, kein Geheimdienstler läßt sich blicken. Nur das Essen, das die Wachsoldaten durch das Gitter schieben, bringt 31
eine kleine Abwechslung. Immer wenn die Gefangenen ihnen etwas erklären wollen, stoßen sie auf völliges Unverständnis. Heute hat es sich ein Wachsoldat vor ihrem Gitter bequem gemacht. Er betrachtet die vier wie Tiere im Zoo. Unvermittelt stößt er hervor: »Verräter, Mörder, Banditen ... Aufhängen sollte man euch ... Totschlagen!« Russische Worte, ohne Zweifel, die der Wachsoldat ihnen haßerfüllt ins Gesicht schleudert. Voller Verachtung wartet er nun auf die Antwort, auf das Gewinsel der ertappten Vaterlandsverräter. Er, der polnische Emigrant, kennt das. Immer wieder betonen solche Gefangenen, daß sie nur Opfer der Ereignisse geworden wären, daß sie nur auf Befehl gehandelt hätten. Doch diesmal kommt es ganz anders. Die Gefangenen reden von einem Aufstand, wollen Unterstützung. Der Pole staunt, so etwas hat es noch nie gegeben. Aufstand auf Texel? Nie gehört! Georgier in Wehrmachtuniform, auch wenn der Pleitegeier fehlt - große Schweinerei! Sie sollen keine Märchen erzählen. Ob sie auch in Lodz dabei waren, als seine Familie ermordet wurde? Was wollen sie, Bombenangriffe auf Texel? Was geht es ihn an? Und wenn sie doch die Wahrheit sagen? Nochmals hört er ihre Erklärung an. Widerspricht, läßt wiederholen, was ihm nicht geheuer vorkommt. So erfährt er nach und nach die Geschichte des Bataillons. Obwohl er noch Bedenken hat, ist er doch im Grunde seines Herzens überzeugt worden. Beim Weggehen will er nichts versprechen, aber es gäbe da einen Weg ... Am nächsten Morgen, gleich nach dem Wecken, werden die vier zum Lagerkommandanten geführt. In seinem Arbeitszimmer erwartet sie ein sowjetischer Oberst, Vertreter der Militärmission. Erschrecken, Schlucken, weiche Knie, zaghaft die Meldung: »Genosse Oberst, gestatten Sie ...« Die Meldung in deutscher Uniform kostet trotz Zandvoort und Texel viel Kraft. Sachliche Fragen, präzise Antworten, für Gefühle fehlt die Zeit. Natürlich gestattet der Engländer, als der Oberst zum Telefon greift. Nur einen Anfruf. Nicht mal eine Stunde später stehen die Georgier dem Leiter der so-
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wjetischen Militärmission, Generalmajor Rakow, gegenüber und können ihm von den Ereignissen auf Texel berichten. Der fronterfahrene General kennt die Bedeutung des Faktors Zeit. Unverzüglich wird er bei den britischen Verbündeten vorstellig. Ohne eine Miene zu verziehen, hört ein britischer Oberst Rakows Bitte an, den Aufständischen zu Hilfe zu eilen. »Ja«, bestätigt er, »der Aufstand ist uns aus verworrenen Meldungen der holländischen Widerstandsbewegung bekannt.« Rakow könne sich beruhigen, zur Zeit werde auf höchster Ebene über die Unterstützung beraten. Als sich der Leiter der sowjetischen Militärmission verabschiedet, ist ihm ein Stein vom Herzen gefallen. Gestützt auf ihre Überlegenheit an Menschen und Material, bereiten die Faschisten den zweiten Schlag vor. Nachdem die Hauptkräfte des Bataillons bei Vlijt gebunden sind, soll der Angriff quer durch den Eie rlander Polder in Richtung der Nordbatterie die Entscheid ung bringen. Durch einen Zufall erfährt die einstige Bürgermeistersekretärin die Absicht der Faschisten. Aufmerksam geworden, kann sie dann auch den Aufmarsch beobachten: Unbemerkt von den Aufständischen, werden am Noorderdijk 800 faschistische Soldaten konzentriert! Durch den Schlick des Wattenmeeres, über Nebenwege, immer auf der Hut vor faschistischen Streifen, umgeht sie das Kampfgebiet und kann - total erschöpft - Artimidse in letzter Minute warnen. Die Morgensonne im Rücken, stürmen die Faschisten über den Deich, überwinden den Entwässerungskanal. Dort brechen sie im Feuer der eilig herangeführten Verteidiger zusammen. Doch ständig werden neue Truppen auf Texel gelandet. Am 16. April müssen die Aufständischen allem Heldenmut zum trotz - den Flugplatz Vlijt aufgeben. Bevor sie sich auf die Dünen zurückziehen, verabschieden sich die Georgier von ihren holländischen Waffengefährten. Den letzten Teil des bitteren Weges werden sie allein gehen. Während sich die Kolonnen durch die Minenfelder nach Norden schlängeln, entbrennt im Polder ein gnadenloser Kampf. Tag und Nacht toben die Gefechte mit äußerster Härte, wechseln Ruinen und Ziegelhaufen mehrmals den Besitzer. Nach einer Woche sind
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auch hier die Aufständischen zum Bunkerkomplex am Leuchtturm von Cocksdorp zurückgedrängt worden. Sechs Tage nach ihrer Landung in England geht auch für die Holländer die Zeit der Verhöre vorbei. An allem war der britische Geheimdienst interessiert, natürlich auch an dem Aufstand auf Texel. Noch am Abend werden sie im Zentrum Londons den holländischen Exilbehö rden übergeben und sind frei. Die Männer nehmen ihren Auftrag ernst. Sie werden nicht müde, die Verbündeten um Hilfe für Texel zu bitten. Aber man vertröstet sie. Mehrfach ist auch General Rakow bei den britischen Stellen vorstellig geworden. Bisher ebenfalls ohne Erfolg. Heute, am 17. April 1945, teilt ihm der Oberst offiziell mit, daß die Regierung es außerordentlich bedauere, aber sich außerstande sehe, den Aufständischen zu helfen. Wie vor den Kopf geschlagen, steht der Leiter der sowjetischen Militärmission da. Eine Flugstunde von hier entfernt verbluten Holländer und Soldaten der Roten Armee, aber die allmächtige Royal Air Force könne nicht helfen? Für wie naiv hält dieser Oberst ihn eigentlich? An wen soll er sich noch wenden, jetzt, da jede Minute zählt? Brüsk lehnt der Generalmajor die angebotene Zigarette ab und verläßt ohne Gruß den Raum. Niederschmetternd die eigene Ohnmacht! Rakow ist ratlos. Er muß die Genossen ihrem Schicksal überlassen. Am Freitag, dem 20. April, haben die Faschisten die Nordspitze der Insel vollständig besetzt. Infanterie, unterstützt von Panzern, Artillerie und Flammenwerfern, bildet eine mehrfache Sperrkette. Keiner der Eingeschlossenen soll ihnen entkommen können! Mittags beginnt der Beschuß, Geschütze der Nordbatterie, 19 Begleitgeschütze, Panzer im direkten Richten, Granatwerfer und eine Vie rlingsflak feuern, bis die Rohre glühen. Der Bunkerkomplex unterhalb des Cocksdorper Leuchtturms, umgeben von Minenfeldern und Stacheldrahtsperren, wird zum Schauplatz des letzten Gefechts der Aufständischen. »Tja, Brüderchen, so trifft man sich wieder. Setz dich, Genosse Silosani, setz dich.« Der verletzte Kompaniechef deutet auf eine Munitions-
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kiste neben der Pritsche. »Im Polder müßt ihr ganz schön was ausgeha lten haben, oder? Ach, spar dir die Erklärungen, hier im Bunkerkomplex ist so und so Ende der Vorstellung. Spätestens morgen fällt der Vo rhang. Hätten wir Artillerie, wenigstens genügend Munition. Jedenfalls wird uns später niemand nachsagen können, daß wir als Feiglinge oder Verräter gefallen sind. Wir haben unsere Pflicht vor der Heimat erfüllt.« Mühevoll unterdrückt er den beginnenden Hustenanfall. »Spar dir den Trost. Ich weiß, daß es mit mir zu Ende geht.« Der Mann deutet mit seinem Kinn auf die durchbluteten Verbände um Brust und Bauch. »Nichts mehr zu machen!« »Traust du dich noch mal, wie in Zandvoort, durch die Minenfelder zu kriechen?« Silosani nickt nur. »Das ist gut.« Ein Hustenanfall schüttelt den tödlich Verletzten. »Gib mir was zu trinken, na los!« Silosani zögert, Bauchschuß, den Körper voller Granatsplitter - und dann trinken? Wenigstens betupft er ihm mit einem feuchten Lappen die Lippen. »Such dir«, der Kompaniechef ist kaum noch zu hören, »die Stärksten aus und versuch einen Ausbruch ...« Das Röcheln beim Luftholen geht Silosani durch Mark und Bein. »Versprecht ..., niemals um Gnade ...« Die Stimme versagt; der Kompaniechef verstirbt in den Armen Silosanis. Unbemerkt gelingt es Unteroffizier Silosani in der Nacht zum Sonnabend, mit 36 seiner Genossen die gegnerischen Sperrketten zu überwinden. Sie werden bis zum letzten Atemzug das Vertrauen ihrer zurückbleibenden Genossen rechtfertigen. Der Leuchtturm ist zerschossen, der Beton der Bunker zu Staub ze rschlagen, der Stacheldraht ze rrissen. Die Minenfelder sind um und um gepflügt. Noch im Dämmerlicht beginnen die Faschisten mit dem Sturmangriff. Flammenwerfer eröffnen, Minenräumpanzer und die Infanterie folgen. Erst mittags ist das 822. Georgische Partisanenbataillon der erdrükkenden Übermacht des Gegners erlegen.
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Menschenjagd Der faschistische Kommandant der Insel flucht. Die Siegesmeldung ist verfrüht gesendet worden. Bisher hat die Wehrmacht mehr als 600 Tote und fast 800 Verletzte, wovon 200 kaum durchkommen dürften. Aus einer Strafaktion gegen ein paar Aufständische ist bitterer militärischer Ernst geworden, aus einem erhofften Spaziergang ein hartes Gefecht. Nahezu 50 Holländer wurden standrechtlich erschossen. Zwei deutsche Soldaten hatten gemeinsame Sache mit den Aufständ ischen gemacht. Aber beide, sowohl Gilda als auch Hütter, wurden gefangengenommen und aufgehängt. Tonnen von Granaten wurden auf diese Bunker abgefeuert, aber man kann trotzdem nur 59 Gefangene und ein Dutzend Tote melden. Das Gros der Aufständischen und ihr Kommandeur Loladse sind entkommen. Die Insel muß durchkämmt werden. Die Georgier sind erbarmungslos zu jagen und zu vernichten. Loladse ist tot oder lebendig herbeizuscha ffen. Besser lebend, damit ein Exempel statuiert werden kann, von dem man auf der Insel noch nach Jahren sprechen soll. Kurz entschlossen greift der Kommandant zur Karte und erarbeitet seinen Plan für die nächsten Tage. Die Gefangenen, keiner unverletzt, werden unterdessen in einer Orgie von Kolbenschlägen und Fußtritten auf einer Wiese unterhalb des Leuchtturms zusammengetrieben. Was dann folgt, ist für die Besatzer schon Routine; Sachen vom Leib, Spaten aufnehmen, ein Massengrab ausheben; zu zehnt Aufstellung am Grubenrand und Todesschuß aus unmittelbarer Nähe. Die nächsten zehn, im Laufschritt ...! Feuer! Erst als die Abendsonne blutrot hinter den Dünen im Meer versinkt und die Kondensstreifen der britischen Bomber hoch am Himmel rosa leuchten, erst da schweigen die Salven des Mordkommandos. Von den 59 Gefangenen lebt kein einziger mehr. Am nächsten Morgen beginnt bei strahlendem Sonnenschein die Menschenjagd. In vier Tagen soll die Insel durchkämmt sein. Nachts ist an 36
Ort und Stelle zu lagern; die Treiberkette darf auf keinen Fall zerreißen! Alle Verdächtigen sind niederzumachen! Häuser, Scheunen und Stallungen sind, sobald Georgier darin entdeckt werden, niederzubrennen. Die Besitzer sind zu erschießen. Gefangene werden nicht gemacht. Quer durch die Insel, vom Wattenmeer bis zur Nordsee, setzen sich 2000 deutsche Soldaten - alle drei Meter einer - in Bewegung. Hinter der Kette folgen auf den Wegen Panzer und Artillerie, weiter zurück LKWs. Scheunen, Häuser, Schuppen und Strohschober gehen in Flammen auf. Auf alles, was sich außerhalb der Dörfer bewegt, wird erbarmungslos geschossen. Wehe den Georgiern, die nicht entkommen können! Wer an Ort und Stelle erschossen wird, kann noch in den letzten Sekunden seines Lebens von Glück sprechen. Andere werden mit Gewehrkolben erschlagen, mit Spaten zerhackt, zu Tode geschleift, von Hand erdrosselt, mit ausgestochenen Augen lebendig verscharrt... Noch fühlen die Faschisten sich stark, noch sind sie im Siegesrausch über die 59 von Cocksdorp. Aber schon hämmert ein Maschinengewehr auf die Treiberkette ein. Dreißig Faschisten stürmen - aber keiner kommt auf Handgranatenweite an die zwei Georgier heran. Erst Fla mmenwerfer klären, wobei sie Freund und Feind versengen, die Lage. Ende April brennt die Sonne in den Dünen schon stark. Der alles durchdringende Sand macht jeden Schritt zur Qual. Kein Windhauch, nirgends Schatten. Matt und durstig folgen die Häscher den Fußspuren im weichen Sand. Weit und breit keine Georgier zu sehen. Nur Durst, eine kleine Pause, etwas trinken und dann, dann explodieren ringsum Minen und zerreißen die Faschisten. Die Hexenjagd ist vorbei, Angst steigt in den Soldaten der »HermannGöring«-Division auf. Nackte Angst vor den allgegenwärtigen, unheimlichen Partisanen. Nach allen Seiten sichernd, geht ein Zug Faschisten vor. Zögernd. Wer kann wissen, was die nächsten Stunden bringen? Noch drei, noch zwei, noch einen Schritt ... Jetzt haben sie die günstigste Schußentfe rnung für zwei georgische Scharfschützen erreicht. Weites, freies Feld, alles einsehbar, nirgendwo Deckung - keiner der Fallschirmjäger entkommt. Die Scharfschützen ziehen sich aufrecht und ohne Eile über den
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Deich zurück. Mit Artillerie wird in den Dünen eine Gruppe von Georgiern gejagt. Alle bis auf Konstantin Darzemedlidse entkommen. Zwei lange Tage und eine kalte Nacht liegt er unter den Augen seiner Henker reglos in einem Minenfeld. Nach zwei Tagen ziehen die Faschisten weiter, erst jetzt kann auch er sich retten. In De Koog nehmen ihn Holländer auf, verstecken ihn und pflegen ihn liebevoll gesund. Nackt werden 13 Georgier am Rande des selbstgegrabenen Massengrabes aufge stellt. Die Schaulustigen treten zurück, das Exekutionskommando lädt durch und wartet auf den Feuerbefehl. Ein Schrei. Nach allen Seiten stürzen die Georgier davon. Die Faschisten schießen und treffen, aber drei Mann erreichen die schützenden Dünen. Mit ho lländischer Hilfe überleben sie. Durch Verrat wird den Faschisten bekannt, daß sich im Haus Plassendaal neun Aufständische versteckt halten. Das Haus wird umstellt, ein Flammenwerfer daraufgehalten. Auf alles, was flüchtet, gefeuert. Auf diese Weise werden vier Georgier bei dem Versuch, den Flammen zu entkommen, getötet. Drei weitere werden später gefangengenommen und am Feldrain ermordet. Dann wird es ruhig im Haus Plassendaal. Aus dem nahen Weidengestrüpp will sich ein Holländer den rauche nden Trümmern nähern. Nochmals Schüsse! Zwei Menschen brechen im nahen Kornfeld zusammen. Ohne sich um ihre Opfer zu kümmern, ziehen die Henker ins Quartier zurück; ihre Aufgabe ist erfüllt: Die neun Aufständischen sind liquidiert worden. In der Dunkelheit, schon während der strengen Sperrstunde, schleicht sich der Holländer erneut zur Ruine und sucht die Opfer. Lange muß er suchen, aber dann bestätigen sich seine Befürchtungen. Der Kommandeur des 822. Georgischen Partisanenbataillons, Hauptmann Loladse, ist gefallen. Noch in derselben Nacht wird er notdürftig beigesetzt, damit seine sterblichen Überreste nicht den Faschisten in die Hände fallen. Einen Tag nach Loladses Tod, am 25. April, erscheinen in den Dö rfern neue Plakate. Der Kampfkommandant appelliert an das ehemals gute Verhältnis zwischen Deutschen und Holländern. Es könnte wieder-
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hergestellt werden, die Holländer brauchten nur der Besatzungsmacht entgegenzukommen. Was im Klartext heißt, sie sollen verraten, denunzieren, melden, angeben, informieren, die letzten »Russen« ausliefern ... Ungerührt lesen die Inselbewohner diese Bankrotterklärung. Standrechtliche Erschießung, brennende Höfe, Lockungen der Besatzer nichts wirkt. Die Leute helfen jetzt den Georgiern, wo und wie sie nur können. Überall werden die Aufständ ischen versteckt. Im Hühnerhof, in einer Erdhöhle, im Garten, unter dem Fußboden des Wohnzimmers, auf dem Dachboden oder im Schilf. Nicht nur einmal zieht Dr. Veenig brubbelnd zu seinen georgischen Patienten in die Dünen oder auch nur ins Nachbarhaus. In manchen Familien nehmen die Partisanen sonntags am Mittagessen in der guten Stube teil. Während der Hof vor plötzlichen Durchsuchungen gesichert wird, warten die Gäste aus der fernen Sowjetunion still und bescheiden, bis der Hausherr das Tischgebet gesprochen hat. 17 Tage lang bäckt eine Bäuerin Brot für 22 Georgier und bringt es ihnen in die Dünen. Unermüdlich ist auch Truus. Anders als Kelder, der sich versteckt hält, scheut sie keine Mühe, keinen Weg, Verwundete zu versorgen, Verborgenen Essen und Kleidung in ihre Verstecke zu bringen. Die Solidarität der Bevölkerung ist zu einer Alltäglichkeit auf Texel geworden. Weder Verbote noch Drohungen, noch Verrat oder Feigheit einzelner Holländer können das ändern.
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Die Kapitulation In den ersten Maitagen ist Berlin befreit. Unaufhaltsam stößt die Rote Armee zur Elbe vor. Truppenteile der 1. Ukrainischen Front eilen dem aufständischen Prag zu Hilfe. In Holland ist nur noch der Westteil des Landes in der Hand der Faschisten. Im holländischen Wageningen unterschreibt am 4. Mai 1945 Generaloberst von Blaskowitz die Kapitulation der Wehrmacht in den Niederlanden. Am 9. Mai atmet Den Helder auf. Holland ist von den deutschen Okkupanten gesäubert. Nur Texel nicht; für Texel scheinen die Uhren angehalten worden zu sein. Vorsichtig, denn noch befinden sich ja die Besatzer auf der Insel, werden am Morgen des 5. Mai erneut niederländische und britische Fahnen entrollt. Die Dörfer, vor kurzem noch Kampfgebiet, verwandeln sich in ein Meer von Fahnen. Rot-Weiß-Blau - die niederländische Nationa lfahne, Orange - die Fahne des Königshauses Oranje, der britische Union Jack entfalten sich im Seewind. Spruchbänder mit Willkommensgrüßen in holländischer und englischer Sprache überspannen die Dorfstraße. Doch vergebens wartet die Inselbevölkerung darauf, den Befreiern zujubeln zu können. Kein Kanadier aus dem so nahen Den Helder läßt sich sehen. Keine alliierte Truppe marschiert durch die Ehrenpforten. Statt dessen ziehen die Mordkommandos der Division »Hermann Göring« durch die Insel, jagen und morden, als gäbe es keine Kapitulation.
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In Freiheit Mit schäumenden Bugwellen laufen am 20. Mai zwei flache englische Sturmboote in weitem Bogen aus dem Hafen von Den Helder. Das spiegelglatte Wattenmeer verlockt die beiden Offiziere aus dem Kommando der kanadischen Armee in Alkmaar zu einer Wettfahrt. Von Fort Harssens bis zur Tonne 23 geht das Kopf-an-Kopf-Rennen, dann dreht der Sieger nach Westen ab. Er grüßt seinen Kameraden, Lieutnant-Colonel Tweedsmuir, in der Pose eines Flottenchefs und läuft in den Wasserflugzeughafen ein. In De Mok wird er bereits erwartet. Der Kampfkommandant der »Hermann-Göring«-Division hat alles zur Übergabe vorbereitet. Die Handfeuerwaffen sind in gutem Zustand gelagert, die schwere Technik steht zur Abnahme da. Die Angehörigen des Mordkommandos erwarten ihren Abtransport aufs Festland. Elegant und leichtfüßig springt Tweedsmuir in Oude Schild an Land. Erstaunt über die vielen Fahnen, wartet er, daß jemand sich sehen läßt. Dazu braucht er nicht lange. Erst kommen einzelne, dann kommen immer mehr Holländer angerannt und umringen den kanadischen Offizier, schütteln ihm die Hände, befühlen seinen Kampfanzug, rufen aufgeregt durcheinander und sind völlig aus dem Häuschen. Langsam steigt in Tweedsmuir der Verdacht auf, daß er der erste offizielle Vertreter der Alliierten ist, der nach der Kapitulation die Insel betritt. Lange schon sind Zigaretten und Schokolade verteilt, und noch immer strömen die Menschen in den Hafen. Oh, verdammt! Sein Bootsführer macht ihn auf Gestalten in deutscher Uniform aufmerksam, die mit der Waffe in der Hand zwischen den ve rfallenen Lagerschuppen auftauchen und sich durch die jubelnden Ho lländer drängeln. Worte in einer unbekannten Sprache, Hände greifen nach ihm und seinem Bootsführer, und schon wirbeln beide durch die Luft. Georgier, die sich in und um Oude Schild versteckt hatten, begrüßen die Alliierten auf ihre Art. Das Eintreffen von Artimidse und Gongladse, dem Nachfolger von Hauptmann Loladse, befreit Tweedsmuir aus seiner mißlichen Lage. 41
Grußerweisung; der georgische Dolmetscher übersetzt die Vorstellung ins Englische: »Als Kommandeur des 822. Georgischen Partisanenbataillons begrüße ich Sie auf Texel!« Lieutenant-Colonel Tweedsmuir, verantwortlich für die Rückführung der Georgier, stellt sich ebenfalls vor. Händeschütteln, alles im Rahmen des Protokolls. Gongladses nächste Frage kommt sofort zum Kern: »Garantieren Sie ab sofort unsere Sicherheit, oder verbleiben weiterhin bewaffnete faschistische Truppen auf Texel?« Gespannt warten die Umstehenden auf die Antwort. Sollte die Menschenjagd endgültig vorbei sein? Können die Georgier wieder als Menschen leben? Brauchen sie nicht mehr bei jedem Geräusch die Waffe hochzureißen? Die Antwort des Kanadiers wird es zeigen. Tweedsmuir spricht, um dem Dolmetscher Zeit zum Übersetzen zu geben, betont langsam und deutlich: »Ich bin vom kanadischen Oberkommando beauftragt worden, Ihnen Ihre völlige Sicherheit zu garantieren. Die Deutschen werden entwaffnet und noch heute aufs Festland überführt. Wir schlagen Ihnen vor, Ihre Kämpfer an einigen Stellen auf der Insel zu konzentrieren, und erwarten, daß Sie sich gegenüber der Bevölkerung loyal verhalten. Die kanadische Armee übernimmt sowohl Ihre medizinische Betreuung als auch Ihre Versorgung.« Mit wachsender Erregung verfolgen die Georgier die Worte des Offiziers. Sie haben es geschafft, sie können aus ihren Verstecken heraus! Auch für sie ist Frieden! Einen Moment paßt Tweedsmuir nicht auf, und schon wirbelt er erneut durch die Luft. Wieder auf die Beine gestellt, wird er umarmt und geküßt. Auch sein Begleiter entgeht der überschäumenden Freude der Georgier nicht. Eine Frage muß noch gestellt werden. Artimidse könnte anders seinen Genossen nicht mehr in die Augen sehen: »Warum kommt ihr so spät, warum konnte die faschistische Division noch 15 Tage nach der Kapitulation auf uns Jagd machen? Wo blieben die englischen Flugzeuge, als wir sie um Hilfe baten?« Was soll Tweedsmuir auf diese Frage, die er seit Alkmaar fürchtet, antworten? Was soll der kanadische Offizier seinen Verbündeten antworten, ohne sein Gesicht zu verlieren? Soll er erklären, daß gegen
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Kriegsende die Konservativen all ihre Macht gegen die fortschrittlichen Kräfte warfen? Soll er bekanntgeben, daß die Bomber schon bereitstanden, doch ihr Start in letzter Minute von ganz oben verboten wurde? Lieber nur eine Teilwahrheit. Deshalb erwiderte er: »Die Deutschen drohten, das Wasser als Waffe in Holland einzusetzen. Siebzig Prozent des Gebietes wären überschwemmt worden. Sechs Millionen Holländer im noch besetzten Gebiet wären dem Hungertod ausgeliefert gewesen. Unsere Hände waren einfach gebunden!« Der Dolmetscher übersetzt jedes Wort präzise. Doch jeder, der dem Lieutenant-Colonel ins offene Gesicht sieht, begreift, was Tweedsmuir selbst von seiner Antwort hält. Das Bataillon formiert sich wieder. Aus den Häusern der Holländer, aus Höhlen und Dünen, aus verlassenen Bunkern kommen die Georgier ans Licht. Die ganze Insel wird durchstreift. Groß ist die Freude, wenn ein Genosse gefunden wird, grenzenlos aber auch die ohnmächtige Wut, als man die Leichen der letzten 15 Tage entdeckt - 50 Genossen noch nach der Kapitulation! Aus allen Teilen der Insel werden die Leichen der Gefallenen zum Hooge-Berg übergeführt. Am 27. Mai findet unter starker Anteilnahme der Bevölkerung die Beisetzung von Hauptmann Loladse und 187 seiner Genossen statt. Tausende Kilometer von ihrer Heimat entfernt, entsteht hier südlich von Den Burg ein kleiner sowjetischer Soldatenfriedhof. Reihengräber, Holzobelisk mit Stern, Hammer und Sichel. Vor der Front das Grab des Kommandeurs des 822. Georgischen Partisanenbataillons Hauptmann Loladse. Hunderte haben sich am 17. Juni 1945 im Hafen versammelt. LKWs fahren heran, russische Kommandos ertönen, das 822. Georgische Partisanenbataillon sitzt zum letzten Appell auf holländischem Boden ab. In Wehrmachtuniform ohne Adler, umgefärbten Uniformteilen oder in Zivilkleidung, aber bewaffnet treten die Genossen unter einer roten Fahne an. Alle sind sich der Bedeutung dieses Augenblickes bewußt. Aus dem Augenwinkel blicken die abseits stehenden kanadischen Offiziere ihren Chef Lieutenant-Colonel Tweedsmuir an. Wird er vortreten und die Waffen fordern?
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Tweedsmuir, der Antifaschist, bleibt stehen und erfüllt den ausdrücklichen Befehl, die Georgier noch auf Texel zu entwaffnen, nicht - ein kleines Zeichen seiner persönlichen Hochachtung. Stolz, als Sieger mit der Waffe in der Hand, verlassen die 202 Überlebenden die Insel und gehen an Bord der »Dr. Wagemaker«. Die Flut kommt, das Fährschiff wird zum Auslaufen klargemacht. Auf dem Bootsdeck tritt Leutnant Gongladse an die Reling. Im Hafen verstummen die Gespräche. Mühevoll nach Worten suchend, bedankt er sich bei den Holländern. In deutscher Sprache bittet er um Verzeihung für das Leid, das der Kampf über die Insel gebracht habe. Auch Kommissar Artimidse ergreift das Wort: »Jetzt, da wir in die Sowjetunion, in unsere Heimat zurückkehren, wissen wir, daß unser Kampf nicht umsonst war. Am 6. April zählten wir 800 Mann. 575 unserer Genossen sind im gemeinsamen Kampf hier auf Texel gefallen. Eure Solidarität, eure Unterstützung hat vielen von uns das Leben gerettet. Wir werden die 117 Einwohner von Texel, die im Kampf ihr Leben ließen, niemals vergessen. Wir werden immer an Texel und seine selbstlosen Bewohner denken!« Die Ausfahrt der »Dr. Wagemaker« aus dem Hafen, langsam an der letzten Tonne vorbei, wird zum Triumph. Noch auf hoher See werden die Waffen an die Kanadier übergeben. Aber die brennende Frage der letzten Woche hat noch keiner beantwo rtet. Weshalb wurden sie auf Texel, dessen Küste nun langsam zurückbleibt, von den Verbündeten so schmählich im Stich gelassen? Lange überlegt Frau Boon-Verberg, bis sie sich doch entschließt, nach dem tausendjährigen Tbilissi zu fahren. Ihr Aufenthalt in Georgien ist ein Feuerwerk der Gastfreundlichkeit, der Begeisterung und Ehrungen. Jeder will sie bewirten, jeder will sie seiner Familie vorstellen. Chinkali, Despari, Saziwi - der Gaumen erfaßt all die Genüsse der georgischen Küche nicht mehr! Temperamentvolle Tänze und Reiterkämpfe zu Ehren des Gastes. Am Lagerfeuer Wein aus ziselierten Trinkhörnern ... Frau Boon-Verberg glaubt sich in eine fremde Welt versetzt. Alle bedanken sich, alle haben Fragen. Immer wieder muß die Holländerin die
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Tapferkeit des Vaters, des Sohnes oder des Enkels bestätigen. Am Abschiedstage treffen sich aus allen Teilen des Landes mehr als 130 Kampfgefährten des 822. Georgischen Partisanenbataillons: der Arzt aus Suchumi, Dr. Schubitiadse - einer der 36, die in der Nacht zum 22. April die faschistischen Sperrketten am Leuchtturm durchbrachen; Baraab Lomidse, Schuldirektor in Tbilissi; Karlo Rasmadse, einer der drei, die nackt dem faschistischen Erschießungskommando entkommen konnten, und viele andere. Zusammen mit dem Gast gedenken sie der letzten Kriegswochen auf Texel, gedenken sie des Kampfes gegen den gemeinsamen Feind.
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