Dietger Mathias
Medizinische Aspekte zur Ernährung und Bewegung im Überblick
Fit von 1 bis Hundert
Dr. med. habil. Dr. rer. nat. Dietger Mathias Augasse 7 A 69207 Sandhausen
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5135 – 5 4 3 2 1 0
V
Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
Cholesterin und Arteriosklerose . . . . . . . . . . . . . . . 20 Cholesterin und die Alzheimer-Krankheit . . . . . . 21
Ernährungi
Der Wasserhaushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
„Wer nichts weiß, muss alles glauben“ . . . . . . . . . 4
Mineralstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
„Wissen ist Macht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Spurenelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
„Studien“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
Vitamine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
Unser Organismus – eine riesige chemische Fabrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Das Vitamin-D3-Hormon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Sekundäre Pflanzenstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
Die Energieträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Ballaststoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Die Energiegewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Chemie in pflanzlichen Lebensmitteln . . . . . . . . . 29 Die Energiegewinnung bei Nahrungsmangel . . 10 Energieverbrauch I – Grundumsatz . . . . . . . . . . . . 11 Energieverbrauch II – Leistungsumsatz . . . . . . . . 12 Die Steuerung des Energieumsatzes im Gehirn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Die Steuerung des Energieumsatzes durch Körperhormone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
Gesundheitsgefahren durch Erhitzen der Nahrung – Benzpyren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Gesundheitsgefahren durch Erhitzen der Nahrung – Nitrosamine und Acrylamid . . . . . . . . 31 Übergewicht I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Übergewicht II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Messgrößen für das Gewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
Die Steuerung des Energieumsatzes – das Belohnungssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Allgemeine Ernährungsempfehlungen für gesunde Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Fettgewebe als Syntheseort von Hormonen, Wachstumsfaktoren und Botenstoffen . . . . . . . . . 35 Warum Übergewicht zum Typ-2-Diabetes führen kann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Ungesättigte Fettsäuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Übergewicht und Sterberisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Strukturänderungen der ungesättigten Fettsäuren – die trans-Fettsäuren . . . . . . . . . . . . . . 18
Beabsichtigte Gewichtsabnahmen . . . . . . . . . . . . 38
Cholesterin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Fehlernährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
VI
Inhaltsverzeichnis
Bewegungi
Leistungsstoffwechsel und die Insulinwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
No Sports? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 Die überragende Stellung der Ausdauer . . . . . . . 43 Ausdauersport und das Herz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Geschwindigkeit der Energiefreisetzung I: Aerobe Muskelausdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 Geschwindigkeit der Energiefreisetzung II: Anaerobe Muskelausdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Ausdauersport und das Gehirn . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Ausdauersport und die großen Gefäße . . . . . . . . 46
Der Mythos von der anstrengungslosen Fettverbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
Ausdauersport und die Kapillaren . . . . . . . . . . . . . 47
Krafttraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
Ausdauersport und die Lunge . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
Mögliche Muskelbelastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
Ausdauersport und das Fettgewebe . . . . . . . . . . . 49
Steigerung der Kraftausdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
Sport und das Knochengerüst . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Muskuläre Ungleichgewichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Die ständige Knochenerneuerung . . . . . . . . . . . . . 51
Das Kraftverlustsyndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
Osteoporose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
Beweglichkeitsübungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
Ausdauersport und Immunität . . . . . . . . . . . . . . . . 53
Gleichgewichtstraining . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
Gemäßigter Ausdauersport und unspezifische Immunabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
Sport und Luftverschmutzungen – Feinstäube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
Leistungssport und unspezifische Immunabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
Sport und Luftverschmutzungen – Ozon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
Sport und Optimierung der Immunabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
Tabak oder Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
Die Immunologie des Überlastungssyndroms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
Sportmedizinische Vorsorgeuntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
Ausdauersport und Tumorimmunologie . . . . . . . 58 Ausdauersport als Rehabilitationsmaßnahme bei Krebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
Anhangi Kurzes medizinisches Fremdwortregister . . . . . . 79
Leistungsstoffwechsel und die Adrenalinwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
VII
Das Breitenwachstum als Folge von Fehlentwicklungen schon in der Kindheit – ein Vorwort Abwechslungsreiche Ernährung, viel Bewegung und Nichtrauchen sind die entscheidenden Faktoren für eine gesunde Lebensweise. Die Aufklärung darüber muss möglichst früh beginnen, denn was Kinder lernen, nehmen sie mit ins Erwachsenenalter. Leider bleibt der notwendige Lernprozess zu oft aus, so sind Fehlentwicklungen schon in der Kindheit vorprogrammiert.
stehend. Vier von fünf 15-Jährigen sind nicht mehr in der Lage, zwei oder mehrere Schritte rückwärts zu balancieren, neun von zehn können nicht mehr eine Minute lang auf einem Bein stehen. Das ist problematisch, denn die Grundlagen für die Lust und Fähigkeit, sich körperlich aktiv bewegen zu wollen und zu können, werden schon in der frühen Kindheit geschaffen.
Fast 22 Millionen Kinder und Jugendliche in der Europäischen Union sind übergewichtig, allein in Deutschland sind es nach den Ergebnissen der vom Robert Koch-Institut durchgeführten KIGGS-Studie rund 2 Millionen der 3- bis 17-Jährigen. Etwa 800.000 von ihnen sind bereits fettleibig. Jährlich erkranken mehr als 200 der dicken Jugendlichen in Deutschland an Altersdiabetes. Zwei große, kürzlich erschienene internationale Studien mit 5 bzw. 8 Millionen Personenjahren zeigen, dass dicke Kinder und Jugendliche in den folgenden 35 Jahren ihres Lebens viel häufiger an Diabetes, koronaren Herzerkrankungen und Krebs sterben als ihre normalgewichtigen Altersgenossen.
Bei Kindern bis zum Alter von 6 Jahren gibt es bezüglich der Bewegungskompetenz meist noch keine Einschränkungen. Die Probleme beginnen etwa im Alter von 10 Jahren und sind dann deutlich sichtbar bei den 15-Jährigen. Deshalb sollte mit einer Bewegungsschulung am besten schon im Vorschulalter begonnen werden. Empfehlenswert wäre mindestens eine Stunde Intensivsport pro Tag. Neben der Intensität spielt auch die Vielfalt der Bewegungsübungen eine wichtige Rolle.
Kinder und Jugendliche, die sich viel bewegen, haben übrigens meist auch bessere Schulnoten als die sportlich Trägen in ihrer Gruppe. Und sie treiben mehrheitlich als Erwachsene noch Sport und können Die betroffenen Kinder und Jugendlichen verbringen dann lange von den vielen positiven Gesundheitsim Schnitt 23 Stunden pro Tag liegend, sitzend oder effekten ihrer körperlichen Aktivitäten profitieren.
1
Einführung
Die nationale Verzehrstudie der Bundesregierung vom Januar 2008 belegt, dass 66% der Männer und 51% der Frauen übergewichtig sind. Etwa ein Sechstel der Kinder sind es ebenfalls. Weil sich körperliche Aktivitäten und eine bewusste Ernährung positiv auf das Wohlbefinden und die Gesundheit auswirken, ist die Förderung der Eigeninitiative und Eigenverantwortung für eine vernünftige Lebensführung wichtig. Eben dazu hatte sich die Bundesregierung schon 2007 entschlossen. Sie startete den Aktionsplan „Gesunde Ernährung und Bewegung – Schlüssel für mehr Lebensqualität“, in den Medien meist zu „Fit statt fett“ verkürzt. Mit ihm sollen die Menschen ermuntert werden, sich eine gesunde Lebensweise anzueignen. Für die Betroffenen ist es dann immer hilfreich, wenn sie zu dieser Thematik möglichst umfassendes Wissen erlangen. Wenn nämlich prä-
Quelle: dpa
zises Wissen die Gedanken formt, sinkt die Gefahr, dass unausgewogene Ernährung und Bewegungsarmut den Körper formen. Und je umfangreicher ihr Wissen wird, umso leichter fällt ihnen die Umstellung ihrer Lebensart und umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass dies dann auch mit einem dauerhaften Erfolg verbunden ist. Hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang das von der Bundesregierung im Jahr 2006 gestartete Projekt „Kinderleicht“ und die Anstrengungen der „Plattform Ernährung und Bewegung“. Beide setzen sich intensiv für einen gesundheitsfördernden Lebensstil bereits bei Kindern ein, da sich ihnen noch unvoreingenommen und leicht die Grundlagen für eine gesunde Lebensweise einprägen.
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„Wer nichts weiß, muss alles glauben“ Albert Einstein (1879–1955)
Das Wissen über Grundprinzipien der Ernährung ist immer von hohem Nutzen. Um davon aber auch Einfach genial!! auf Dauer zu profitieren, müssen die hier mit tiefen Emotionen verbundenen Gewohnheiten mitbedacht werden. Denn Essen ist mehr als nur Nahrungsaufnahme, es ist Erinnerung, Ritual, Unterhaltung, oft Belohnung – und manchmal auch Qual. Gelingt es aber, erworbenes Wissen in die Bahnen der Vernunft zu lenken, hat das meist auch die gewünschten nachhaltigen Auswirkungen auf die Gesundheit. werden unsere sich ändernde Altersstruktur und der ständige Fortschritt in allen Medizinbereichen Immerhin wird allein ein Drittel aller Krebsfälle das Gesundheitssystem immer weiter verteuern. auf falsche Ernährung zurückgeführt. Und die kör- In der Bundesrepublik verursachen schon die Beperlichen Schädigungen durch Übergewicht und handlungen nur ernährungsbedingter Krankheiten Fettleibigkeit sind enorm. So sind gesunde Men- Kosten von jährlich über 70 Milliarden Euro. Und schen nicht nur glücklicher, für die Einzelnen hat weil sich der schnell steigende medizinische Fortfundiertes Wissen zu Fragen der Gesundheit zusätz- schritt nicht mehr ausschließlich aus festgezurrten lich auch einen starken wirtschaftlichen Stellenwert. Krankenkassenbeiträgen bezahlen lassen wird, Denn einmal schützt das Wissen vor oft teuren, aber ist Prävention für alle auch immer eine sinnvolle nutzlosen Pseudomedizinangeboten. Zum anderen finanzielle Investition in die Zukunft.
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„Wissen ist Macht“ Francis Bacon (1561–1626)
Ein interessantes Beispiel dafür, wie unsere Ernährung zumindest teilweise von den Genen gesteuert wird, bieten die Glucosinolate. Bei manchen Menschen behindern diese sekundären Pflanzenstoffe, die u. a. in Kresse, Rettich oder Senf vorkommen, stark die Bildung der Schilddrüsenhormone. Einige dieser betroffenen Personen besitzen jedoch eine besondere Variante von Geschmacksrezeptoren auf der Zunge, die ihnen Gemüse mit Glucosinolaten als ausgesprochen bitter erscheinen lassen (Sandell u. Breslin 2006). Diese Menschen meiden deshalb solche Gemüsesorten und schützen sich so vor deren für sie gesundheitsschädlichen Nebenwirkung. Was uns schmeckt und bekommt, bestimmen also oft auch die Gene. Deshalb sollte jeder für sich selbst herausfinden, welche Nahrungsmittel Eine Revolution in der Ernährung gibt es nicht, ihm unter gesundheitlichen Gesichtspunkten gut was immer Superdiäten oder selbst ernannte Exper- tun. ten versprechen. Spannend wird die Zukunft, wenn sich die Nutrigenomik, ein noch junger Forschungs- Übrigens: Die Verballhornung der Aussage des in zweig, voll etabliert hat. Ihr Ziel ist herauszufin- London geborenen Philosophen lautet bekanntden, wie bestimmte Nahrungsbestandteile die Gen- lich „Nichtwissen macht nichts“. Auf Francis Baregulation beeinflussen. Offenbar greifen Nähr- con angewandt, wäre dieser Spruch recht makaber, stoffe evolutionsbedingt in die Genaktivitäten und denn Bacon soll 1626 an den Folgen seines Exdamit in die an sie gekoppelten Proteinbiosynthesen periments gestorben sein. Er testete die Haltbarein. Die veränderten Eiweißsynthesen des Indi- keit eines geschlachteten Huhnes und hatte es zu viduums wiederum wirken auf seinen Stoffwech- diesem Zweck, wohl zu lange, mit Schnee ausgesel in Leber, Darm oder Muskel zurück, machen stopft! vielleicht krank oder sorgen umgekehrt für eine robuste Gesundheit. Zu Fragen der Ernährung gibt es in den Publikumsmedien fast immer einfache Antworten und immer scheinen es absolute Wahrheiten zu sein. Tatsächlich müssen wir uns jedoch zurzeit noch mit den bekannten Langzeiterfahrungen begnügen. Das ist kein Grund zur Resignation, unser jetziger Kenntnisstand ist bereits enorm. Und er ist allemal umfangreich genug, um gegen die Fluten unsinniger und meist kostenträchtiger Heilsbotschaften immun zu machen.
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„Studien“
Auch der größte behauptete Unsinn wird häufig damit begründet, es gäbe hierzu eine Studie. Allein für das Gebiet „Ernährung“ erscheinen aber in der medizinischen Fachliteratur weltweit pro Jahr ungefähr 9000 Artikel, das ist stündlich etwa eine Studie. Der Hinweis auf eine solche ist deshalb zunächst nicht sehr aussagekräftig. Immer interessant sind dagegen Publikationen angesehener Arbeitsgruppen an renommierten Universitäten oder Instituten. Hier sind besonders die großen, internationalen Interventions- und Beobachtungsstudien mit tausenden Freiwilligen und einem Zeitaufwand von vielen Jahren hervorzuheben. Ihre Ergebnisse sind sehr verlässlich und Grundlage der Ausführungen in den folgenden Kapiteln.
⊡ Tabelle 1. Beispiele für wichtige prospektive Langzeitstudien
Zu den wissenschaftlich hochwertigen Arbeiten gehört u. a. die Framingham-Studie: Als am 12. April 1945 Franklin D. Roosevelt unerwartet an einem Schlaganfall starb, war das der Auslöser für die weltweit am längsten laufende, noch aktuelle Herz-Kreislauf-Studie, für die der Ort Framingham mit seinen 28.000 Einwohnern im Einzugsgebiet von Boston ausgewählt wurde. Deren Bewohner werden als perfektes Abbild des amerikanischen Bevölkerungsquerschnitts angesehen.
Läuft seit
Probandenzahl
Black Women‘s Health Study
1995
59.000
Cancer Prevention Study I, II
1960, 1982
ca. 1,2 Mio.
EPIC-Studie
1992
521.000
Framingham-Studie
1948
14.400 (z. Zt.)
Interheart Study
1997
30.000
NIH-AARP Diet and Health Study
1995
567.000
Nurses Health Study I
1976
122.000
Nurses Health Study II
1989
116.000
Procam-Studie
1978
30.000
Women`s Health Initiative
1993
161.800
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Unser Organismus – eine riesige chemische Fabrik
Die heutigen Zivilisationskrankheiten haben ihren Ursprung häufig schon in der veränderten Lebenswelt der Jugendlichen. Verlust der Straßenkindheit durch den vermehrten Autoverkehr, Verschwinden sonstiger freier Bewegungsräume und die enorme Anziehungskraft der elektronischen Medien sind hierfür wichtige Ursachen. Nährstoffdefizite durch Verkennung der Bedeutung einer optimierten Mischkost und die ausgeprägte Präferenz für Fast Food verschlechtern den Gesundheitsstatus der Menschen weiter. Dabei ist unser Organismus eine riesige komplexe und komplizierte chemische Fabrik. So besteht beispielsweise der gegenwärtig bekannte menschliche Genkatalog aus ca. 28.000 Genen, die aktuelle Schätzung für die Zahl der tatsächlich vorhandenen Gene liegt bei 32.000. Nach der alten Regel „ein Gen für ein Protein“ wären das 32.000 Proteine, die unser Körper ständig produziert. Wir wissen heute jedoch, dass es für mindestens 35% der menschlichen Gene mehrere „Lesarten“ gibt. Das wiederum bedeutet, dass das Genom des Menschen etwa fünfmal mehr Proteine codieren kann als es nach der alten Regel möglich wäre. Unter den so geschätzten weit mehr als 100.000 Proteinen befinden sich zwar etliche Strukturproteine mit langer Halbwertzeit, aber es gibt eben auch viele Substanzen wie Enzymeiweiße, Botenstoffe des Immunsystems oder die bis zu 10.000 Antikörper pro Sekunde produzierenden Plasmazellen, die täglich neu gebildet werden.
Modellhafte Darstellung der Grundstruktur von Genen
Und das sind nur einige einprägsame Beispiele für tausende andere chemische Reaktionen, für die mit der Nahrung ständig Ersatzstoffe nachgeliefert werden müssen.
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Ernährung
I
Die Energieträger
Der wünschenswerte Nahrungsanteil der Energieträger beträgt jeweils: ▬ Kohlenhydrate: etwa 55–60% ▬ Fette: etwa 30% 1/3 gesättigte Fettsäuren 1/3 einfach ungesättigte Fettsäuren (Ölsäure) 1/3 mehrfach ungesättigte Fettsäuren (u. a. Linolsäure, Linolensäure) ▬ Eiweiße: etwa 10% (~0,8 bis 1 g/kg Körpergewicht) Essentielle, vom Organismus nicht synthetisierbare Aminosäuren sind: Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan und Valin. Das Verhältnis der Aminosäuren in den aufgenommenen Proteinen sollte der Zusammensetzung der körpereigenen Eiweiße möglichst weitgehend entsprechen, d. h. die biologische Wertigkeit der Proteine sollte hoch sein. Das gilt für die meisten tierischen Eiweiße, besonders für Milch, Eier, Fisch und Fleisch. Pflanzliche Eiweiße enthalten dagegen einzelne Aminosäuren in zu geringer Menge. Biologische Wertigkeit einiger Proteine [%]: ▬ Milch 100 ▬ Ei 95 ▬ Rindfleisch 80 ▬ Kartoffel 71
Erbsen Weizen ▬ Mais ▬ ▬
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Primäres Ziel jeder Nahrungsaufnahme ist zunächst die Energieversorgung der Zellen und der Gewebe, wobei sich Fette, Kohlenhydrate und Eiweiße in großem Umfang gegenseitig vertreten können. Die Energiespeicherung in Form von Kohlenhydraten ist auf 400–450 g begrenzt, etwa 350 g in der Muskulatur und 80 g in der Leber. Proteine sind als Energielieferanten normalerweise unbedeutend. Sie spielen hierfür nur bei Nahrungsverknappung eine Rolle, weil einige Aminosäuren in Glucose umgewandelt werden können. Ein Zuviel an Energie aus der Nahrung wird im Fettgewebe gespeichert. Bei Fett sind für diesen Speicherprozess nur 3% der aufgenommenen Kalorien notwendig. Kohlenhydrate müssen dagegen erst in Fett umgewandelt werden, was immerhin schon einmal rund 25% der zugeführten Kalorien verbraucht.
Nach den Grundgesetzen der Physik sind alle drei Kalorienlieferanten, im Übermaß verzehrt, für das Breitenwachstum verantwortlich. Weil aber Fett einen mehr als doppelt so hohen Energieanteil hat wie Kohlenhydrate oder Proteine, ist für das Einhalten oder das Erreichen des Wunschgewichts die Beschränkung der Fettzufuhr besonders effektiv.
9 Ernährung
Die Energiegewinnung
In den Zellen beginnt die Energiegewinnung mit einem Kreisprozess, dem Citratzyklus, für dessen Funktion der Baustein Pyruvat aus dem Abbau der Kohlenhydrate notwendig ist. Wird das Pyruvat knapp, weil beispielsweise die sehr begrenzten Kohlenhydratspeicher durch starke körperliche Belastungen entleert sind, können Fette (und Proteine) nur noch sehr eingeschränkt verstoffwechselt werden (s. S. 10).
Citratzyklus und Atmungskette
Fette verbrennen also in der Flamme der Kohlenhydrate.
Im Citratzyklus werden bereits 10% der Energie freigesetzt. Die Hauptmenge mit etwa 90% wird anschließend in der mit dem Citratzyklus eng gekoppelten Atmungskette gewonnen (s. S. 47).
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Die Energiegewinnung bei Nahrungsmangel
Obwohl Glucose ständig verbraucht wird, bleibt der Blutzuckerspiegel bei begrenzter Nahrungskarenz, z. B. nachts, dank der Glukagonwirkung konstant. Drei Viertel der unter diesen Bedingungen von der Leber abgegebenen Glucose stammen aus Glykogen und der Rest aus einer Neusynthese. Geht der Zustand der vorübergehenden Nahrungskarenz in Fasten über, verstärken sich die Anpassungsprozesse des Stoffwechsels. Das ist auch notwendig, denn die Glykogenreserven der Leber reichen in Ruhe nur für knapp 24 Stunden. Danach beginnt der Blutglucosespiegel doch langsam auf etwa 2/3 des Normalbereiches zu sinken, darf aber nicht unter 40 mg/100 ml abfallen, weil dann das Gehirn seine Funktion einstellen würde. Auch die roten Blutkörperchen und das Nebennierenmark sind auf Glucose als Brennstoff angewiesen. Fettsäuren können nicht in Glucose umgewandelt werden. Als Alternative kommen Aminosäuren für die Synthese von Glucose in Frage. Dann aber muss vermehrt Muskeleiweiß geopfert werden. Für den Organismus kann das nur eine Notlösung sein, zumal für die Synthese von 1 g Glucose immerhin 2 g Eiweiß notwendig sind und ein länger anhaltender Proteinabbau erhebliche organische Schäden anrichten würde. Infolgedessen verlaufen in Fastenzeiten in Bezug auf die Energienutzung alle Anpassungsmechanismen von den Kohlenhy-
draten weg und hin zu den Fetten und Ketonkörpern. Letztere sind Aceton, Acetessigsäure und 3-Hydroxybuttersäure. Nach etwa drei Hungertagen entstehen sie in der Leber aus dem Fettabbau und können als leicht transportable Energieäquivalente der Fettsäuren verstanden werden. Bei Bedarf und nach einer kurzen Anpassungsphase können diese sogar vom Gehirn aufgenommen und als Hauptenergiequelle verwertet werden. Acetessigsäure und Hydroxybuttersäure tragen zu einer Erhöhung der Wasserstoffionenkonzentration im Blut bei. Das wiederum veranlasst nun auch die Nieren zur Glucosebildung, überwiegend aus der Aminosäure Glutamin.
Während einer längeren Fastenperiode produzieren Leber und Niere schließlich zusammen 80 g Glucose pro Tag, jedes Organ ist daran etwa zur Hälfte beteiligt.
Diese Syntheserate liegt erheblich unter der, die mit 160 g während der nächtlichen Nahrungskarenz abläuft. Aber wegen der Fähigkeit des Gehirns, von der Glucoseverbrennung auf Ketonkörperverwertung umzuschalten, wird das Körpereiweiß jetzt weitgehend geschont.
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Energieverbrauch I – Grundumsatz
Selbst in völliger Ruhe benötigt der Organismus zur Aufrechterhaltung von minimalen körperlichen Aktivitäten und der Körpertemperatur sowie für die verschiedenen Zellfunktionen eine Mindestmenge an Energie (Schmidt u. Lang 2007). Dieser Grundumsatz macht unter Alltagsbelastungen etwa zwei Drittel des Gesamtenergieverbrauchs aus. Fast 80% davon verteilen sich allein auf ▬ Gehirn (18%) ▬ Herz (9%), ▬ Skelettmuskeln (26%) und ▬ Leber (26%) Der Grundumsatz ist keine konstante Größe, er korreliert eng mit der fettfreien Körpermasse (= Gesamtgewicht minus Gewicht des Fettgewebes). Diese so genannte Magermasse macht bei einem normalen Body-Mass-Index (s. S. 34) etwa 75% (Frauen) bzw. 80% (Männer) des Körpergewichts aus. Zehn Prozent Gewichtszunahme erhöhen dann beispielsweise den Grundumsatz um ca. 3 Kilokalorien pro Kilogramm Magermasse und pro Tag. Um den gleichen Betrag verringert sich der Energieumsatz aber auch bei einer zehnprozentigen Gewichtsabnahme. Darum sind mittelfristig Gewichtsverluste durch Diäten bei körperlicher Inaktivität meist nur von 5–15% des Ausgangsgewichts möglich. Mit steigendem Lebensalter verlangsamen sich die Stoffwechselprozesse und die Muskelkraft wird
schwächer, deshalb haben ältere Menschen einen geringeren Grundumsatz als jüngere (s. S. 65). Die bis zu 20% größere Muskelmasse der Männer gegenüber Frauen bewirkt einen höheren Grundumsatz von ca. 5%. Im Schlaf sinkt der Grundumsatz um 7–10%, bei längerem Fasten um 20–40%. Stress, Schwitzen, Fieber und Aufenthalt in Tieftemperaturgebieten erhöhen, Depressionen und die Anpassung an tropische Temperaturen senken ihn. Gesteuert werden die Einflussgrößen auf den Grundumsatz hauptsächlich durch die Schilddrüsenhormone. Sie kurbeln den Sauerstoffverbrauch an und bewirken eine vermehrte Thermogenese. Bei Diäten werden dagegen regulativ aktive Schilddrüsenhormone in verminderter Konzentration ausgeschüttet. Über eine damit verbundene Einschränkung der Wärmeproduktion wird der Grundumsatz gedrosselt. Dieser physiologisch sinnvolle Anpassungsmechanismus ermöglichte in früheren Notzeiten eine Verlängerung der Überlebenszeit, erschwert aber den Gewichtsverlust disziplinierter Diätkandidaten.
Der durchschnittliche Grundumsatz einer 25-jährigen Frau beläuft sich pro Kilogramm Körpergewicht und Stunde auf 1,0 kcal (4 kJ), bei einem 25-jährigen Mann sind es 1,1 kcal (4,4 kJ).
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Energieverbrauch II – Leistungsumsatz
Zum Grundumsatz kommt für jede weitere Leistung, die ein Mensch vollbringt, sei es Muskeltätigkeit oder konzentrierte Gehirnarbeit, der Leistungsumsatz hinzu. Bei leichter Arbeit sind dies pro Kilogramm und Stunde 0,5–1 kcal, bei mittelschwerer Arbeit 1–2 kcal, bei schwerer Arbeit und Leistungssport 2–12 kcal und bei Schwerstarbeit deutlich mehr als 12 kcal. Im Alltagsleben finden diese Bewertungen ihren Niederschlag in den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. In ihnen wird die tägliche Kalorienzufuhr in Abhängigkeit von der Muskelarbeit angegeben. So betragen diese Richtwerte bei Personen mit einem normalen Body-Mass-Index und einer mittleren körperlichen Aktivität 2300 kcal pro Tag für Frauen und entsprechend 2900 kcal für Männer, jeweils für das Alter zwischen 25 und 50 Jahren. Als Vergleichsgrößen für mittlere körperliche Aktivitäten gelten die Arbeiten von Hausfrauen, Kellnern oder Handwerkern. Wird in der Freizeit auch noch regelmäßig Sport betrieben, erhöht sich der
⊡ Tabelle 2. Richtwerte für die tägliche Energiezufuhr mit einem normalen BMI und mittleren körperlichen Aktivitäten Grundumsatz plus Leistungsumsatz Männlich
Weiblich
Alter
kcal
kJ
kcal
kJ
15–18 Jahre 19–24 Jahre 25–50 Jahre 51–65 Jahre ≥ 65 Jahre
3100 3000 2900 2500 2300
12.400 12.000 11.600 10.000 9.200
2500 2400 2300 2000 1800
10.000 9.600 9.200 8.000 7.200
Kalorienverbrauch. Der Mehrverbrauch nimmt hierbei oft beträchtliche Ausmaße an, wie Daten von Profisportlern zeigen. Bei ihnen kann schon einmal die Zeit zum begrenzenden Faktor werden, wenn es darum geht, die notwendig großen Nahrungsmittelberge verzehren zu müssen, zumal sich gewaltige Anstrengungen meist für die nachfolgenden 1 bis 2 Stunden appetitmindernd auswirken.
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Die Steuerung des Energieumsatzes im Gehirn
Die Regulation des Energieumsatzes durch Hunger und Sättigung wird im Gehirn gesteuert. Der Hypothalamus, ein Teil des Zwischenhirns, spielt bei diesem überaus komplexen Vorgang die dominierende Rolle (Görtzen u. Veh 2007). Die Hormone Neuropeptid Y (NPY) und Agouti-related protein (AGRP) stimulieren den Appetit und drosseln den Energieverbrauch im Grundumsatz. Gegenspieler von NPY und AGRP sind das α-Melanozytenstimulierende Hormon (α-MSH) sowie das Cocaineand amphetamine-regulated transscript (CART). Beide dämpfen den Appetit und erhöhen den Energieverbrauch. NPY/AGRP wirken also auf den Appetit wie ein Gaspedal und α-MSH/CART wie eine Bremse. Diese Systeme hemmen sich zunächst gegenseitig. Als Regulativ dafür dient ein normaler Glucosespiegel. Sinkende Glucosekonzentrationen bei fehlender Nahrungsaufnahme heben aber die hemmende Wirkung der α-MSH/CART-Zellgruppe auf. Das in seiner Funktion jetzt überwiegende NPY/ AGRP-System stimuliert die Bildung der Orexine A und B, die im lateralen Hypothalamus Hungergefühle auslösen. Zusätzlich aktivieren diese die Wachfunktion des Gehirns, denn schließlich muss man munter sein, um Nahrung zu sich nehmen zu wollen oder, wie in früheren Zeiten unabdingbar,
Regulation von Appetit und Energieverbrauch (rot ↓: Verminderung, hellgrün ↑: Erhöhung, POMC: Proopiomelanocortin)
um auf Nahrungssuche gehen zu können. Nach Sättigung verdrängen die jetzt in höherer Konzentration vorhandenen Glucosemoleküle die Orexine von ihren Rezeptoren. Der Appetit lässt nach, der Mensch wird müde und kann besser einschlafen.
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Die Steuerung des Energieumsatzes durch Körperhormone
Auch wichtige Körperhormone wirken regulierend auf das hypothalamische Steuerungssystem und stehen mit ihm in enger Wechselwirkung. Eine ganz entscheidende Rolle spielt hierbei das Ende 1994 entdeckte Leptin, das in den Fettzellen in Abhängigkeit der dort stattfindenden Fettaufnahme gebildet wird. In höherer Konzentration aktiviert das aus 167 Aminosäuren bestehende Molekül den appetitzügelnden α-MSH/CART-Strang und in niedriger Konzentration regt es die appetitstimulierenden Hormone NPY und AGRP an. Leptin ist so in der Lage, über die Höhe seiner Spiegel die hypothalamischen Esszentren aus- oder anzuschalten. Im Gegensatz zur Glucose ist Leptin dabei eher für die längerfristige Energiebilanz über Wochen zuständig.
Leptin bremst den Appetit
Ghrelin ist ein anderes wichtiges Körperhormon, das an der Steuerung der Nahrungsaufnahme beteiligt ist. Es wird im Magen und im Zwölffingerdarm gebildet und stimuliert als Appetitauslöser die Nahrungsaufnahme. Dieser Reiz erlischt, wenn der Magen gefüllt ist. Die Dehnung der Magenwand nach dem Essen ist auch das Signal für ein weiteres Hormon, für das Cholezystokinin. Es wird im Dünndarm gebildet und hemmt die Appetit auslösenden Hormone NPY und AGRP (s. S. 38). Im Dickdarm wird nach dem Essen in Abhängigkeit von der Kalorienzufuhr das Peptid YY3-36 sezerniert. Es blockiert ebenfalls das NPY/AGRPSystem und damit den Drang zur Nahrungsaufnahme.
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Die Steuerung des Energieumsatzes – das Belohnungssystem
Die meisten Menschen definieren Ernährung ziemlich archaisch nur über die Verben essen, trinken und genießen. Begriffe wie Esskultur, Kochkünste, Köstlichkeiten, schmausen oder schlemmen zeugen von dem hohen gesellschaftlichen Rang, der mit dem Nachgeben des Nahrungstriebs verbunden ist. In der Tat erhöht gutes Essen die Lebensfreude und trägt über die Aufhellung der Psyche zur Gesundheit bei. So ist das Essverhalten auch stark durch nahestehende Personen beeinflussbar. Nach einer Langzeitauswertung der Framingham-Studie, in der die sozialen Netzwerke von 12.067 Menschen in den Jahren 1971 bis 2003 untersucht wurden, lag die Wahrscheinlichkeit für eine Person, übergewichtig zu werden, bei 57%, wenn der Freund bzw. die Freundin im gleichen Zeitraum ebenfalls ein Zuviel an Gewicht erwarb. Bei Geschwistern betrug diese Wahrscheinlichkeit 40% und bei Ehepartnern 37%. Diese Effekte übertrugen sich nicht auf andere Menschen in der direkten Nachbarschaft (Christakis u. Fowler 2007).
Verantwortlich für die psychischen Auswirkungen der Nahrungsaufnahme sind vor allem endogene Cannabinoide, die über den speziellen Endocannabinoid-Rezeptor CB-1 die hypothalamischen Appetitregelkreise modulieren. Die Endocannabinoide sind Teil eines Belohnungssystems in unserem Gehirn, was ihre Ausschüttung gerade durch wohlschmeckende Nahrungsmittel oder nach einer Nüchternphase verständlich macht. Unter normalen Bedingungen ist dieser Prozess so ausgerichtet, dass das Energiegleichgewicht erhalten bleibt. Eine häufige übermäßige Nahrungsaufnahme setzt jedoch dauerhafte Überregulierungen des EndocannabinoidSystems in Gang, mit den Folgen eines stets anhaltenden Appetits, einer ständig vermehrten Zunahme von Nahrung und parallel dazu mit einem weiteren Anstieg der Konzentration von endogenen Cannabinoiden. Durch medikamentöse Blockade des Rezeptors CB-1 beispielsweise mit Rimonabant (= Acomplia®) ließ sich dieser negative Kreislauf durchbrechen (Scheen et al. 2006). Wegen seiner starken psychischen Nebenwirkungen musste das Medikament aber im Herbst 2008 wieder vom Markt genommen werden.
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Allgemeine Ernährungsempfehlungen für gesunde Menschen
Zu den Grundsätzen der Ernährung für gesunde Menschen gehören: ▬ eine ausgewogene, vielseitige und fettarme Mischkost ▬ als Fett möglichst pflanzliche Öle verwenden ▬ wenig Fleisch, eher Fisch und wenn Fleisch, dann eher weißes als rotes ▬ täglich halbkiloweiser Verzehr von Obst und Gemüse ▬ reichlicher Konsum von Getreideprodukten ▬ Hülsenfrüchte und Nüsse nicht verachten ▬ sparsame Zuckerverwendung und ausreichend trinken
Je höher Produkte in der Nahrungsmittelpyramide aufgeführt sind, umso seltener sollten sie verzehrt werden.
Die hier aufgeführten grundsätzlichen Empfehlungen sind nicht neu (Sofi et al. 2008; Norat et al. 2005). Sie wurden so ähnlich schon von unseren Ahnen formuliert und sie unterscheiden sich nur geringfügig von der heute sehr populären mediterranen Kost. Letztere legt noch mehr Wert auf Fischmahlzeiten, ersetzt weitgehend gesättigte Fettsäuren durch Olivenöl und erlaubt moderaten Weinkonsum zu den Mahlzeiten (Trichopoulou et al. 2005; Mitrou
Nahrungsmittelpyramide
et al. 2007; Iqbal et al. 2008). Bei der individuellen Auswahl der Nahrungsmittel ist es sicherlich sehr hilfreich, wenn man sich stets um das Verständnis ihrer biologischen Wirkungen bemüht.
„Lass die Nahrung Deine Medizin und Medizin nicht Deine Nahrung sein“ (Hippokrates).
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Ungesättigte Fettsäuren
Fettsäuren sind langkettige Kohlenwasserstoffverbindungen. Ist bei ihnen die maximale Zahl der Wasserstoffatome nicht vorhanden, spricht man von ungesättigten Fettsäuren. Fehlen zum Beispiel der in Tier- oder Pflanzenfetten häufig vorkommenden und 18 Kohlenstoffatome enthaltenden Stearinsäure 2 Wasserstoffatome, dann liegt eine Doppelbindung vor und die resultierende Säure ist die Ölsäure. Die sich von ihr ableitenden Linolsäure und Linolensäure haben zwei bzw. drei Doppelbindungen. Stearinsäure: CH3–(CH2)16–COOH Ölsäure: CH3–(CH2)7–CH=CH–(CH2)7–COOH Linolsäure: CH3–(CH2)4–CH=CH–CH2–CH=CH–(CH2)7– COOH Linolensäure: CH 3–CH 2–CH=CH–CH 2–CH=CH–CH 2– CH=CH–(CH2)7–COOH
säure (20 Kohlenstoffatome, 5 Doppelbindungen) und Docosahexaensäure (22 Kohlenstoffatome, 6 Doppelbindungen) bilden. Sie sind in fetten Meeresfischen enthalten und erhöhen deutlich die Reizschwelle für elektrische Impulse. Herzfrequenz sowie Blutdruck sinken und das Risiko für ventrikuläre Arrhythmien mit den oft an sie geknüpften tödlichen Komplikationen ist verringert. Darüber hinaus stabilisieren diese Fettsäuren arteriosklerotische Plaques und schützen auf diese Weise ebenfalls vor koronaren Herzkrankheiten (Brouwer et al. 2006; Yokoyama et al. 2007). Die verschiedenen ungesättigten Fettsäuren sind Ausgangssubstanzen für die Produktion von Prostaglandinen (Gewebshormone) mit Wirkungen sowohl auf die Gefäßweite als auch auf Entzündungsprozesse. Sie dienen ferner der Bildung von Leukotrienen, die entzündungsfördernd und schmerzsteigernd wirken. Schließlich spielen sie eine wichtige Rolle bei der Thromboxansynthese in den Thrombozyten. Thromboxan fördert die Zusammenballung der Gerinnungsplättchen und damit die Blutstillung bei Verletzungen, aber ungünstigenfalls auch Thrombosen. Gegenspieler von Thromboxan ist das im Endothel gebildete Prostacyclin (s. S. 46).
Die beiden mehrfach ungesättigten Säuren müssen mit der Nahrung aufgenommen werden, sie sind so genannte essentielle Fettsäuren. Linolsäure kommt in Getreide, Sojabohnen und pflanzlichen Ölen vor. Linolensäure findet sich in grünem Blattgemüse und ebenfalls in pflanzlichen Ölen. Aus Für die optimale Synthese dieser Botenstoffe sollte ihnen kann der menschliche Organismus in begrenz- das Verhältnis von Linolsäure zu Linolensäure in tem Umfang die noch längerkettigen Eicosapentaen- unserer Nahrung etwa 5 zu 1 betragen.
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Strukturänderungen der ungesättigten Fettsäuren – die trans-Fettsäuren
Nicht alle Fette sind für hohe Brattemperaturen von 130–180 °C geeignet. Wasser im Fett, wie beispielsweise in der Butter, verdampft bei 100 °C und beginnt dann zu spritzen. Begleitstoffe aus dem Fruchtfleisch kalt gepresster Öle können sich beim Erhitzen über 150 °C verändern und einen unangenehmen Geruch oder Geschmack entwickeln. Speiseöle mit einem hohen Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren verlieren beim Braten durch Reaktionen mit Sauerstoff ihre wertvollen Eigenschaften. Die Oxidationsgeschwindigkeit nimmt dabei mit der Anzahl der Doppelbindungen deutlich zu. Gute Bratfette enthalten also wenig Wasser, sind frei von Geruchs- und Geschmacksstoffen und haben einen hohen Rauchpunkt. Beispiele hierfür sind Butterschmalz, Palmfett oder raffiniertes Rapsöl. Bei hohen Brattemperaturen können für Sekundenbruchteile die Doppelbindungen aufgehen und dadurch in geringem Umfang Umlagerungen von den natürlichen cis- zu den gesundheitsschädlichen trans-Fettsäuren stattfinden. Weil die trans-Fettsäuren sowohl die Spiegel von LDL-Cholesterin
org. Rest
org. Rest
C=C
H
org. Rest C=C
H cis
H
org. Rest
H
trans
cis-trans-Isomerie
steigern als auch die des HDL-Cholesterins senken und damit das Arterioskleroserisiko erhöhen, sollte ihre Aufnahme begrenzt werden (Mozaffarian et al. 2006). Maximal 1% der Nahrungsenergie, das sind etwa 2–3 g pro Tag, gelten als unbedenklich, ein Wert, der bei maßvollem Konsum von Chips und Pommes frites leicht einzuhalten ist. Aufgrund der fermentativen Prozesse im Wiederkäuermagen enthält auch Milch sehr geringe Mengen trans-Fettsäuren.
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Cholesterin
Cholesterin ist Vorstufe für die Bildung von Vitamin D3 in der Haut, von Gallensäuren und Steroidhormonen in der Leber und ähnlich wie die Fettsäuren ein wesentlicher Bestandteil von Zellmembranen. Es wird zu etwa 2/3 in fast allen Zellen gebildet und zu einem Drittel mit der Nahrung zugeführt. Genetische Faktoren spielen bei der Regulation des Cholesterinspiegels die entscheidende Rolle. Ausgangssubstanz für die zelleigene Synthese ist das Essigsäuremolekül aus dem Fettabbau. Je mehr gesättigte Fettsäuren mit der Nahrung angeboten werden, umso mehr aktivierte Essigsäure steht für eine dann erhöhte Cholesterinbiosynthese zur Verfügung. Darüber hinaus gehen hohe Triglyzeridspiegel auch mit entsprechend großen Mengen an Transportproteinen, wie z. B. VLD-Lipoproteinen, einher. Haben diese Eiweiße aber nach Ablösung der Triglyzeride im
Gewebe ihre Funktion erfüllt, können sie Cholesterin vom „guten“ HDL-Transporter übernehmen und sich im weiteren Verlauf in „schlechtes“ LDLCholesterin umwandeln. So tragen über diesen Mechanismus hohe Triglyceridspiegel dazu bei, dass die Konzentrationen des schädigenden LDL-Cholesterins zu Lasten des schützenden HDL-Cholesterins zunehmen. Anders als gesättigte Fettsäuren bewirken ungesättigte Fettsäuren eine Senkung der Cholesterinkonzentration, weil sie Bildung und Aktivität der HDL-Rezeptoren fördern. Diese Rezeptoren befinden sich auf den Oberflächen von Leberzellen und auch auf Zellen solcher Organe, die Steroidhormone bilden. Damit beeinflussen ungesättigte Fettsäuren positiv den Cholesterintransport aus dem peripheren Gefäßsystem weg an zentrale Zielorte.
Cholesterin als Grundsubstanz wichtiger bioaktiver Verbindungen
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Cholesterin und Arteriosklerose
Die Innenauskleidung der Gefäße, das Endothel, ist eine komplizierte Schaltstation, die Gefäßtonus, die Konzentrierung von Entzündungszellen oder Gerinnungsabläufe moduliert und dabei Signale aus der Blutzirkulation verwendet. Eine der Ursachen für Fehlfunktionen des Endothels und damit für ein gesteigertes Arterioskleroserisiko sind hohe LDL-Cholesterinspiegel. Denn der Versuch der Makrophagen, LDL-Cholesterin durch oxidative Verdauungsprozesse aus dem Bereich der Gefäßläsionen zu entfernen, geht mit einer permanenten Freisetzung sehr reaktiver Sauerstoffverbindungen einher. Und diese energiereichen Radikale inaktivieren das vom Endothel gebildete, für die normale Gefäßfunktion bedeutende Stickstoffmonoxid (s. S. 46).
Gefäßverengung bei Arteriosklerose
Differenziert man die LDL-Moleküle zusätzlich nach ihrer Größe, so sind es eher die kleinen Partikel, die besonders risikoreich sind. Die Moleküle der HDL-Fraktion als reverse Cholesterinfähren zur Leber entfernen dagegen schädliches Cholesterin aus der Zirkulation und signalisieren folglich einen relativen Schutz vor dieser degenerativen Gefäßerkrankung. Zur Beurteilung des Cholesterinstoffwechsels ist das Verhältnis von LDL- zu HDLCholesterin bzw. das von deren Transportproteinen Apolipoprotein B-100 zu Apolipoprotein A-1 aussagekräftiger als der Wert des Gesamtcholesterins allein. Die Ermittlung dieser Quotienten, die kleiner als 3 bzw. 4 sein sollten, ist bei unbedenklichen Gesamtcholesterinwerten von unter 200 mg/dl nicht notwendig.
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Cholesterin und die Alzheimer-Krankheit
Hohe Cholesterinspiegel fördern nicht nur eine Arteriosklerose, sie können auch die Entstehung der Alzheimer-Krankheit begünstigen. Diese ist weltweit die am häufigsten vorkommende Form von Demenz, mehr als 15 Millionen Menschen sind betroffen. Neben modifizierten Tau-Proteinen in den neurofibrillären Bündeln sind es besonders die Ablagerungen des 42 Aminosäuren langen β-Amyloid-Peptids A-Beta-42, die ursächlich für die Erkrankung sind und die vor allem im Limbischen System, Hippokampus und Neokortex vorkommen. Dabei entsteht das A-Beta-42-Peptid durch Spaltung eines membrangebundenen Amyloid-Vorläuferproteins in Gegenwart des Enzyms γ-Sekretase. Cholesterin aktiviert die γ-Sekretase, hohe Cholesterinspiegel bedeuten deshalb hohe Enzymaktivitäten und folglich ein Ansteigen der Gefahr von vermehrter Amyloidplaquebildung (Blennow et al. 2006; Grimm et al. 2005).
tid, das A-Beta-40, frei. Dieser Baustein spielt in der Pathogenese insofern eine positive Rolle, als er die Cholesterinbiosynthese drosselt und damit indirekt auch über eine Aktivitätsminderung der γ-Sekretase die Konzentration des neurotoxischen A-Beta-42 senkt. Bei normalen Cholesterinkonzentrationen sind beide Regelkreise im Gleichgewicht.
Für hohe Cholesterinspiegel reicht die schützende Funktion der Cholesterinsenkung durch A-Beta-40 oft nicht mehr aus, es überwiegt die schädigende Eigenschaft von A-Beta-42. Das umso mehr, als auch A-Beta-42 die γ-Sekretase aktiviert und dadurch die weitere Spaltung des Präamyloids fördert. Dies gelingt dem A-Beta-42 indirekt, indem es die Bildung von Sphingomyelin durch Nervenzellen des Gehirns vermindert. Sphingomyelin seinerseits ist nämlich in der Lage, die γ-Sekretase zu hemmen. Es kann jedoch nur dann die PräamyloidspalDie Spaltung des Vorläuferproteins setzt zusätz- tung in Grenzen halten, wenn es in ausreichender lich auch ein um 2 Aminosäuren kürzeres Pep- Konzentration vorliegt.
Amyloid-Plaque-Bildung
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Der Wasserhaushalt
Der Mensch besteht im Durchschnitt zu 60% aus Wasser. Er verliert über die Haut, aber auch über Nieren, Darm und Atemluft täglich 1,5–2,5 Liter Wasser, bei Aktivitäten in warmer Umgebung oder bei Fieber bzw. Diarrhö ein Vielfaches davon. Die Verluste werden durch Aufnahme von Wasser aus der festen Nahrung (500–700 ml pro Tag) bzw. dem Stoffwechsel (200–300 ml pro Tag) und durch Getränke ausgeglichen. Die Trinkmengen unter Alltagsbedingungen sollten dabei etwa 35 ml pro Kilogramm Körpergewicht betragen, bei Personen, die älter als 65 Jahre sind, 30 ml. Harntreibende Flüssigkeiten wie Kaffee oder Tee werden mitgezählt. Zwar hemmt das in diesen Getränken enthaltene Koffein in den Tubuli der Nieren die Natrium- und Wasserresorption. Bei regelmäßigem Koffeingenuss tritt aber schnell ein Gewöhnungsprozess ein und Kaffee oder Tee beeinflussen den Flüssigkeitshaushalt dann doch entsprechend der zugeführten Wassermenge. Wenn auch das Durstgefühl und insbesondere das älterer Menschen oft unzuverlässig ist, sind die häufigen Empfehlungen zum täglichen Vieltrinken von Wasser fragwürdig. Nach den Daten einer umfangreichen Literaturrecherche an der renommierten Universität Pennsylvania existieren keine klinischen Studien, die solche Empfehlungen rechtfertigen (Negoianu u. Goldfarb 2008). Positive Wirkungen auf Appetit, Gewicht, Haut, die Nierenfunktion oder auf andere Organe sind wissenschaftlich bisher nicht belegt.
Bercerra (1560), Anatomia del corpo humano. (Mit freundlicher Genehmigung Andreas Verlag, Salzburg)
Ganz unstrittig ist allerdings, dass sehr geringe Flüssigkeitsaufnahmen von unter 800–1000 ml pro Tag mit einer eingeschränkten Konzentrierungsmöglichkeit der Nieren einhergehen. Die Harnstoffspiegel sind dann erhöht und trüben das Bewusstsein. Parallel dazu ansteigende Kaliumkonzentrationen können Herzrhythmusstörungen auslösen und gar zum Tode führen.
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Mineralstoffe
Im Gegensatz zu den Energie liefernden Hauptnahrungsmitteln werden die Mineralstoffe im Organismus weder produziert noch abgebaut. Sie werden über verschiedene Mechanismen ausgeschieden und müssen regelmäßig mit der Nahrung zugeführt werden. Natrium, Kalium, Chlorid und Phosphat sind überreichlich in unseren Lebensmitteln vorhanden. Der Tagesbedarf für Natriumchlorid liegt bei 2–3 g, tatsächlich nehmen wir regelmäßig ein Vielfaches von diesem Speisesalz auf. Die notwendigen ca. 2 g Kalium finden sich u. a. in Bananen oder Orangen und die 2,5 g Phosphat in Milch, Fleisch, Fisch und Gemüse. Probleme gibt es eher mit der ausreichenden Aufnahme von Calcium und Magnesium. Calcium kommt in Milchprodukten, Gemüse und in bestimmten Mineralwässern vor. Es ist wichtig für den Knochenstoffwechsel, für Erregungsübertragungen in den Synapsen und für die Auslösung von Muskelkontraktionen (Tang et al. 2007). Calcium ist ferner ein Kofaktor in der Blutgerin-
nung und schützt möglicherweise vor Dickdarmkrebs. Magnesium ist ein notwendiger Aktivator vieler Enzyme. Es senkt die Gefäßspannung und die Muskelkontraktion. Hohe Magnesiumaufnahmen gehen mit einem verringerten Risiko für Typ-2Diabetes einher (Schulze et al. 2007; Ma et al. 2006). Sein Mangel kann zu Muskelkrämpfen, Herzrhythmusstörungen und Blutdruckerhöhungen führen. Nur etwa ein Prozent des Magnesiumbestandes findet sich im Blutplasma. 60% sind im Knochen und 35% im Muskelgewebe gebunden, der Rest verteilt sich auf die Leber und andere Körperflüssigkeiten. Hauptlieferanten für Magnesium sind Vollkornprodukte, Nüsse sowie die meisten Obstund Gemüsesorten.
Wünschenswert ist die tägliche Zufuhr von 1000–1200 mg Calcium sowie 300–400 mg Magnesium.
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Spurenelemente
Mineralstoffe mit einem Tagesbedarf von unter 100 mg werden als Spurenelemente bezeichnet. Zu ihnen gehört beispielsweise Eisen. Es nimmt für den Sauerstofftransport eine zentrale Stellung im Hämoglobinmolekül ein. Männer haben etwa 50 mg Eisen pro kg Körpergewicht, Frauen ca. 40 mg. Eisenquellen sind Fleisch, Fisch, Hülsenfrüchte.
⊡ Tabelle 3. Täglicher Bedarf an Spurenelementen Spurenelemente
Tagesbedarf
Eisen
10 bis 15 mg
Zink
10 bis 15 mg
Kobalt, Kupfer, Molybdän
0,3 bis 4,0 mg
Mangan
5,0 mg
Fluor
1,5 bis 4,0 mg
Chrom
200 μg
Zink ist mit 2–4 g im menschlichen Organismus Selen 20 bis 100 μg vorhanden und kommt in verschiedenen GeweJod 150 bis 200 μg ben vor. Es ist Bestandteil einiger Enzyme, zum Beispiel der Laktatdehydrogenase. Zinkmangel bewirkt Wundheilungsstörungen, Hauterkrankungen, Haarausfall oder Einschränkungen der Eine sehr vielseitige Bedeutung für die GesundImmunabwehr. Zinkquellen sind Fleisch, Milch, heit hat Selen. Es ist entscheidender Bestandteil Meeresfrüchte und Weizenkeime. der Wirkgruppen von ca. 35 verschiedenen Selenproteinen. Selen ist wichtig für die spezifische ImChrom ist an der Insulinwirkung beteiligt und munabwehr, für eine normale SchilddrüsenfunkKobalt an der Bildung von Vitamin B12. Kupfer tion und zeigt einen Schutzeffekt gegenüber karist für die Synthesen von Kollagen und den Hor- diovaskulären Erkrankungen. Auch ein Selenmanmonen Adrenalin bzw. Noradrenalin wichtig, gel ist selten. Selen findet sich in Getreide, MeeresMangan spielt eine Rolle im Knochenaufbau so- früchten und Innereien. wie beim Gerinnungsablauf und Molybdän hat seine Aufgabe im Harnsäure- und Alkoholstoff- Jod gehört zur funktionellen Gruppe der Schildwechsel. Mangelerscheinungen sind für diese drüsenhormone T3 und T4. Speisesalz und Meefünf Elemente selten. Sie kommen in Vollkorn- resfrüchte sind bedeutende Jodlieferanten. Fluor produkten, Nüssen, Milch, Hefe und Pilzen vor. ist gut für die Zahnbildung und für das Knochengewebe. Eidotter, Milch und Meeresfrüchte enthalten reichlich Fluor.
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Vitamine
Der Tagesbedarf an Vitaminen ist abhängig von körperlicher Belastung, Lebensalter, Nahrungszusammensetzung, Schwangerschaft oder Krankheiten. Fettlösliche Vitamine können im Körper gespeichert werden. Eine Besonderheit stellt hier das Vitamin D insofern dar, als es eher den Charakter eines Hormons hat. Vitamin K kommt in den 3 Formen K1, K2 und K3 vor. Für unseren Stoffwechsel von Bedeutung sind nur die Varianten K1 und K2. Ein Vitaminmangel ist heute bei der Überversorgung mit Lebensmitteln selten. Der Nutzen trotzdem durchgeführter Vitaminsubstitutionen ist umfangreich untersucht (De Wals et al. 2007; Durga et al. 2007; Eichholzer et al. 2006; Wang et al. 2007; Neuhouser et al. 2009). Er gilt für gesunde Personen nur für die Folsäure und für das Vitamin-D3Hormon als gesichert.
⊡ Tabelle 4. Täglicher Bedarf an Vitaminen Vitamine
Tagesbedarf
Wasserlösliche B1
1,0 bis 1,3 mg
B2
20 bis 25 mg
B6
2,0 mg
B12
3,0 μg
C
100 mg
Folsäure
400 μg
H
30 bis 60 μg
Fettlösliche A
0,8 bis 1,0 mg
D
20 μg
E
12 bis 15 mg
K
60 bis 80 μg
Teilnehmern und Studienzeiten von vielen Jahren eher negative Ergebnisse (Bjelakovic et al. Die Gabe von 400 μg Folsäure vor und in den 2007; Gaziano et al. 2009). So ist das Todesrisiko in ersten 12 Wochen während einer SchwangerKollektiven mit bestimmten Vitaminergänzungen schaft senkt deutlich das Risiko für einen leicht erhöht, beispielsweise bei Einnahme einer Neuralrohrdefekt. Kombination der Vitamine A, C und E, aber auch bei isolierter Vitamin-E-Zufuhr. Hohe VitaminA-Gaben können die Knochendichte vermindern Für die zusätzliche Aufnahme anderer Vitamine und damit das Frakturrisiko steigern (Penniston zeigen große Studien mit jeweils über 100.000 u. Tanumihardjo 2006).
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Das Vitamin-D3-Hormon
Die meisten Gewebe tragen Rezeptoren für das Vitamin-D3-Hormon und sind damit empfänglich für seine vielseitigen Steuerungssignale (Holick 2007; Jackson et al. 2006). Die Hauptaufgabe des Hormons liegt im Knochenstoffwechsel (s. S. 50) und in der Optimierung der Muskelkoordination. Daneben spielt es eine wichtige Rolle bei der Verminderung des Risikos für viele chronische Erkrankungen. Weil aktives 1,25-DihydroxyVitamin-D3 an spezielle Zellkernrezeptoren koppelt, werden sowohl erhöhte Zellteilungsraten gebremst als auch die Zelldifferenzierung gefördert. So sind das Auftreten von Morbus Hodgkin und die Bildung von Tumoren der Brust, der Nieren, des Ovars, der Prostata sowie des Darms bei ausreichenden Vitamin-D-Spiegeln vermindert (Gorham et al. 2007; Giovannucci et al. 2006). Darüber hinaus optimiert es im Immunsystem die Funktion von Monozyten und Makrophagen und senkt offenbar auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Dobnig et al. 2008; Wang et al. 2008; Giovannucci et al. 2008). Die Empfehlungen für die tägliche Vitamin-D3Aufnahme liegen heute bei 20 μg = 800 IE. Nur viel fetter Seefisch und viele Milchprodukte in der Nahrung sowie 30-minütige Sonnenbestrahlungen von Kopf und Unterarmen im Sommerhalbjahr von April bis September garantieren ausreichende Spiegel. Mit zunehmender Bräunung nimmt aber die Vitamin-D-Synthese ab, ebenso bilden ältere Menschen weniger davon als jüngere. Und je höher die Luftverschmutzung ist, umso geringer ist
Bildung von aktivem Vitamin-D3-Hormon
der notwendige UV-B-Anteil (280–315 nm) des Sonnenlichts. Die Hürde für eine ausreichende Vitamin-D-Versorgung ist hoch, ein nicht diagnostizierter Mangel daher häufig. Basisgröße für den Vitamin-DStatus ist das 25-Hydroxy-Vitamin-D3, wünschenswert sind Serumspiegel von 30–70 μg/l. In Europa und den USA weist jedoch nur etwa die Hälfte der älteren Menschen solche Werte auf. Seltener kommen Vitamin-D-Intoxikationen vor. Sie sind möglich durch eine längerfristige hochdosierte Einnahme des Vitamins und führen zum Anstieg der Calciumkonzentration im Blut mit Verkalkungen von Sehnen, Bändern, Gelenken, Gefäßen und inneren Organen.
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Sekundäre Pflanzenstoffe
Unsere Nahrungs- und Genussstoffe bestehen neben den bekannten Hauptkomponenten häufig noch aus vielen weiteren bioaktiven Stoffen. Ihre Anzahl wird auf 60.000 bis 100.000 Einzelsubstanzen geschätzt, von denen wir rund 10.000 regelmäßig zu uns nehmen. Die Phytochemikalien in den einzelnen Obst- und Gemüsesorten entstanden in den langen Zeiträumen der Evolution, um Pflanzen vor UV-Strahlungen, Schädlingen und Fehlregulierungen zu schützen. Sie kommen in den Pflanzen nur in kleinen Mengen vor, bestimmen aber entscheidend deren Farbe, Geruch und Geschmack.
Die sekundären Pflanzenstoffe machen bei einer gemischten Kost etwa 1,5 g unserer täglichen Nahrung aus.
Sie sind vorwiegend in Schalen und Kernen lokalisiert, sind meist temperaturstabil und durch Koch- oder Garvorgänge besser aufschließbar. Seit jeher haben Menschen regelmäßig ein breites Spektrum von solchen bioaktiven Pflanzenstoffen aufgenommen und dabei ihr Essverhalten optimiert. So mindern z. B. Flavanole arteriosklerotische Prozesse durch Einschränkung der Beweglichkeit der glatten Muskelzellen. Katechine blockieren die Bildung des Gefäß verengenden Endothelins. Das Epigallocatechingallat im Tee
⊡ Tabelle 5. Sekundäre Pflanzenstoffe Stoffgruppe
Hauptwirkungen
Carotinoide
1, 3, 6, 8
Glucosinolate
1, 2, 6
Monoterpene
1, 2
Phytosterine
1, 6
Protease-Inhibitoren
1, 3
Saponine
1, 2, 6, 7, 8
Sulfide
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8
Flavonoide
1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8
Phenolsäuren
1, 2, 3
Phytoöstrogene
1, 3
1 = antitumorös, 2 = antibiotisch, 3 = antioxidativ, 4 = gerinnungshemmend, 5 = blutdruckregulierend, 6 = cholesterinsenkend, 7 = entzündungshemmend, 8 = immunstimulierend
oder Kakao senkt den Blutdruck und hemmt die Thrombozytenfunktion. Apigenin in Petersilie begrenzt im Reagenzglasversuch die Wanderung von Darmkrebszellen. Naringenin in der Grapefruit verändert die Bioverfügbarkeit von Medikamenten. Trotz schnell wachsender Kenntnisse über die diversen Pflanzenstoffe, die offenbar nur in komplexen Mischungen ihre positiven Wirkungen entfalten, lassen sie sich bisher noch nicht gezielt bei bestimmten Krankheiten einsetzen.
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Ballaststoffe
Nahrungsmittel mit einem hohen Faseranteil sind unentbehrlich für eine normale Darmtätigkeit. Durch Wasseraufnahme quellen Ballaststoffe auf und bewirken eine Anregung der Darmmotorik. Die Kontaktzeit von Schadstoffen mit der Darmwand ist dadurch verkürzt (Park et al. 2005). Die Ballaststoffe binden außerdem Cholesterin und Gallensäuren und beeinflussen positiv unsere Bakterienflora im Darm.
Zellulose, Pektine, Lignin und andere Strukturbestandteile finden sich nur in pflanzlichen Lebensmitteln.
Ein bekannter Effekt der Ballaststoffe wurde durch die EPIC-Studie mit den Daten aus 1,94 Millionen Personenjahren bestätigt (Bingham et al. 2003). Danach ist das Risiko für ein Kolonkarzinom um 40% niedriger bei einem täglichen Verzehr von 34 g Ballaststoffen im Vergleich zur Aufnahme von nur 13 g. Es war dabei unwichtig, ob die Fasern aus Obst, Gemüse oder Getreide stammten. Eine große USA-Studie aus dem Jahr 2007 mit knapp 500.000 Probanden zeigte dagegen nur für Liebhaber von Müsli und Vollkornprodukten diesen Effekt (Schatzkin et al. 2007). Der reichliche Verzehr von Obst und Gemüse blieb hier ohne Wirkung.
Ballaststoffe sind nicht verstoffwechselbar. Ihr Anteil in der Nahrung sollte pro Tag etwa 30 g betragen.
Das Verspeisen von viel Obst und Gemüse verringert nach Daten einer Metaanalyse mit 257.551 Personen ferner das Herzinfarktrisiko (He et al. 2006). Und eine ballaststoffreiche Ernährung speziell mit Vollkornprodukten beugt auch dem Typ-2Diabetes vor. Das ergab eine weitere Auswertung der EPIC-Studie mit Daten von 26.067 Teilnehmern und einer Beobachtungszeit von 1994 bis 2005 (Schulze et al. 2007). 17 Gramm Ballaststoffe aus Vollkorn verringerten das Diabetesrisiko um ein Drittel gegenüber dem täglichen Verzehr von nur 7 g. Zu einem ähnlich positiven Ergebnis kommen Bostoner Wissenschaftler, die über 8 Jahre die Essgewohnheiten von 59.000 schwarzen US-Amerikanerinnen analysierten (Krishnan et al. 2007). Sie bezogen sich dabei auf die Daten der Black Women‘s Health Study.
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Chemie in pflanzlichen Lebensmitteln
Aus unserer heutigen industriellen Landwirtschaft sind Pflanzenschutzmittel nicht mehr wegzudenken. Allein in Deutschland werden davon jährlich 30.000 Tonnen eingesetzt. Hier sind 250 Wirkstoffe in ca. 1900 Präparaten zugelassen, auf europäischer Ebene sind es fast 800 Wirkstoffe in rund 20.000 Präparaten. Am häufigsten werden Herbizide (51%) bzw. Fungizide (34%) verwendet. Der breite Einsatz von Spritzmitteln führt von Jahr zu Jahr zu immer größeren Schadstoffbelastungen von Böden und Grundwasser. Weil nach Schätzungen der WHO in den Entwicklungsländern weltweit jährlich etwa 30.000 Menschen durch das Aussprühen von Chemikalien sterben, sind deren akute Wirkungen auf den Organismus inzwischen gut untersucht. Bei den chronischen Wirkungen der Pflanzenschutzmittel auf die Verbraucher bestehen jedoch noch große Wissensdefizite. Diskutiert wird ein Anstieg der Raten von Krebs und Allergie sowie andere Störungen des Immunsystems. Pestizide können die menschliche Fruchtbarkeit beeinträchtigen und sind für die Entwicklung von Ungeborenen ein Risiko. Bei Landwirten scheinen speziell Insektizide über Störungen des Nervensystems vermehrt zu Demenzerkrankungen im Alter zu führen. Die größten Ge-
⊡ Tabelle 6. Einteilung von Pflanzenschutzmitteln nach ihren Zielorganismen Pflanzenschutzmittel
Gerichtet gegen
Fungizide
Pilze
Herbizide
Pflanzen (Unkraut)
Insektizide
Insekten
Molluskizide
Schnecken
Nematizide
Fadenwürmer
fahren für die Menschen gehen von Fungiziden und Insektiziden aus. Durch gründliches Waschen unter fließendem Wasser lässt sich ein Teil der Schadstoffrückstände vom Obst und Gemüse entfernen, besser ist jedoch das Schälen der jeweiligen Produkte. Pflanzliche Lebensmittel sollten gekauft werden, wenn sie in Deutschland Saison haben. Die Pestizidbelastung ist dann am geringsten. Pflanzenstoffe aus dem Ausland sind meist mehr mit Chemikalien belastet.
In Lebensmitteln sollte ein Pestizidgrenzwert von 10 μg/kg nicht überschritten werden.
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Gesundheitsgefahren durch Erhitzen der Nahrung – Benzpyren
Unsere Standardnahrung kann durch vielfältige Prozesse mit Schadstoffen belastet sein. PflanzenBenzol schutzmittel, Aflatoxin aus Schimmelpilzen, Solanin in den grünen Stellen von Tomaten oder BSE sind dafür einige in der Öffentlichkeit immer wieder Benzpyren Besorgnis auslösende Beispiele. Offenbar weniger im Rampenlicht der Diskussionen über gesundheitsbewusste Ernährung stehen Gifte, die sich durch unsere Art der Zubereitung von Mahlzeiten bilden können, beim Erhitzen bestimmter Nahrungs- sind ein seitlich angeordneter Grill und das Einmittel etwa. wickeln der zu grillenden Speisen in Aluminiumfolie wichtige Schutzmaßnahmen. Lange bekannt sind in diesem Zusammenhang die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK). Ein typischer Vertreter dieser SubstanzDunkelgeräuchertes sollte sicherheitshalber immer weggeschnitten werden. klasse ist das Benzpyren, eine Verbindung, die sich vom stark giftigen Benzol ableitet und ein hohes krebsauslösendes Potential besitzt. Benzpyren entsteht bei vielen unvollständigen Verbrennungs- Beabsichtigt man, zum gegrillten Fleisch scharf vorgängen. Wenn sich solche Verbindungen beim geröstetes Toastbrot oder Brot mit sehr dunkler Räuchern oder besonders beim Grillen über nicht Rinde zu verzehren, dann lauert darin eine weitere durchgeglühte Holzkohle entwickeln, können sie Gesundheitsgefahr. Sie liegt im Monochlorprosich auf dem Grillgut niederschlagen und dort an- pandiol (3-MCPD), einer kanzerogenen Substanz, reichern. Abschmelzendes und in die Glut trop- die aus Kochsalz und dem bei großer Hitze aus fendes Fett erhöht die Bildung von PAK. Deshalb Fett abgespaltenem Glycerin entsteht.
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Gesundheitsgefahren durch Erhitzen der Nahrung – Nitrosamine und Acrylamid
Bei Verzehr von speziell rotem Fleisch bedrohen zusätzlich die in ihm enthaltenen Nitrosamine die Gesundheit. Sie steigern, wie schon lange bekannt, das Risiko für Dickdarmkrebs. Eine große USAStudie aus dem Jahr 2007 mit knapp 500.000 Teilnehmern im Alter von 50–71 Jahren bestätigt dies noch einmal. Sie zeigt aber darüber hinaus, dass regelmäßiges Verspeisen von rotem Fleisch auch das Risiko für Krebs der Speiseröhre, Lunge und Leber signifikant erhöht. Selbst seine Verarbeitungsprodukte wie beispielsweise Wurst oder Hamburger haben noch kanzerogene Eigenschaften und fördern die Entwicklung sowohl von Lungen- als auch Dickdarmkrebs (Cross et al. 2007; Sinha et al. 2009).
O CH2 = CH – C NH2
Acrylamid
ckerhaltigen Nahrungsmitteln mit der Aminosäure Asparagin. Diese findet sich in den begleitenden Nahrungsproteinen. Allerdings verzehrt der Mensch seit Jahrtausenden erhitzte Nahrung und so lange schon ist Acrylamid in unseren Lebensmitteln allgegenwärtig. Es ist anzunehmen, dass wir längst eine Toleranz für das normalerweise nur in Mikrogrammmengen aufgenommene Säureamid entwickelt haben. Dennoch besteht Unsicherheit und der Aufklärungsbedarf ist groß. Die Empfehlungen zur Verringerung eines tatsächlichen oder vermeintlichen Risikos beziehen sich zurzeit nur auf die anR1 gewendeten Temperaturen. So sollten beim Backen N–N=O Nitrosamine 190 °C (mit Umluft 170 °C) und beim Frittieren R2 175 °C nicht überschritten werden. Vergolden der entsprechenden Lebensmittel bei möglichst kurzen Heftige Spekulationen verbinden sich mit der Frage, Back- und Frittierzeiten hat den absoluten Vorrang ob das lange schon als Nervengift bekannte Acryl- gegenüber ihrer Bräunung. amid Krebs verursachen kann. Im Tierversuch ist das mit hohen Dosen dieser Substanz möglich, es bleibt jedoch offen, wie Menschen reagieren. Mit Acrylamid besonders belastet sind Pommes frites, Kartoffelchips oder BratAcrylamid und sein ebenfalls sehr schädliches, oxikartoffeln. diertes Stoffwechselprodukt Glycidamid entstehen beim Erhitzen von wasserarmen, stärke- oder zu-
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Übergewicht I
Millionen von Jahren unserer Evolution zeichneten sich durch limitierte Nahrungsressourcen aus. Nahrungsmangel war deshalb stets viel gefährlicher als Nahrungsüberfluss und die optimale Verwertung der Nahrung immer ein Überlebensvorteil. So gesehen sind die XXXL-Menschen von heute die Elite der Evolution, eine Auszeichnung, auf die wohl die meisten von ihnen gern verzichten würden. In Deutschland sind ca. 60% der Menschen übergewichtig. Sogar schon Quelle: dpa ein Sechstel aller Kinder und Jugendlichen sind zu dick mit der tragischen Folge, dass 4 von 5 der übergewichtigen 10- bis 13-Jährigen auch als Erwachsene zu schwer sein werden (Müller et al. 2006). Sie können bereits im Jugendalter an Typ2-Diabetes erkranken und tragen ein deutlich erhöhtes Risiko u. a. für die Entwicklung von koronaren Herzkrankheiten, Schlaganfall oder Darmkrebs bereits im mittleren Erwachsenenalter (Baker et al. 2007; Bjorge et al. 2008).
Für Übergewichtigkeit sind in nicht unerheblichem Maße auch genetische Faktoren mitverantwortlich. Ihr Anteil wird dabei auf 50–70% geschätzt. In den meisten Fällen ist es nicht ein einziges Gen, das Übergewicht fördern kann, vielmehr ist es das Zusammenspiel verschiedener Genstrukturen, die eine Gewichtsvermehrung erleichtern. Aber: Unser genetisches Potential ist seit vielen Jahrhunderten gleich geblieben, die Zahl der fettleibigen Personen hat sich jedoch in den letzten 25 Jahren verdoppelt! Es sind also, von seltenen krankhaften Mutationen abgesehen, primär nicht die Gene, die dick machen. Es ist der Nahrungsüberschuss, der dem Körper zugeführt wird und den dieser dann entsprechend seiner Genanlagen mehr oder weniger effektiv als zusätzliches Gewicht speichert. Das ist nach den physikalischen Grundgesetzen unvermeidlich, denn die von uns zu viel aufgenommene Energie muss ja irgendwo bleiben (s. S. 64).
Die Energiesumme ist in einem abgeschlossenen System konstant (Robert Mayer, 1841)
Überschüssige Energie wird immer als Fett eingelagert, weil hierfür das Verhältnis von Energiemenge zu Volumen am günstigsten ist.
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Übergewicht II
Der Überlebensvorteil, große Fettreserven im Körper anlegen zu können, wandelt sich in unserer heutigen Gesellschaft mit ihren fast unbegrenzten Nahrungsressourcen in sein Gegenteil (Mello et al. 2006). Übergewicht und Adipositas sind Ursachen sehr ernster Gesundheitsprobleme. Ihre klinischen Bilder sind vielgestaltig.Krebs, Bluthochdruck, Diabetes mellitus sowie erhöhte Blutfettwerte und in deren Gefolge ein häufigeres Auftreten arteriosklerotischer Komplikationen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sind Beispiele (Jee et al. 2006). Hierbei können Gewichtsvermehrungen bereits im Normalbereich des Body-Mass-Index krank machen. So zeigen die Daten von fast 90.000 Frauen aus der Nurses Health Study in Boston, dass schon bei Gewichtsanstiegen zwischen 20 und 24,9 kg/m2 die Häufigkeit koronarer Herzkrankheiten (KHK) um 50% zunimmt (Li et al. 2006). Steigt das Gewicht weiter und wird zum Übergewicht bzw. zur Fettleibigkeit, dann erhöht sich auch das KHK-Risiko noch weiter. Nach einer großen Metaanalyse aus dem Jahr 2007 (die Ergebnisse vergleichbarer Untersuchungen werden zusammengeführt, um ihre Aussagekraft zu erhöhen) mit den Daten von 302.296 Personen in Europa und den USA und Beobachtungszeiten zwischen 6 und 35 Jahren steigt das Risiko um weitere 17%, wenn der BMI zwischen 25 und 29,9 liegt und um 45% bei einem BMI über 30. Diese Angaben wurden bereits um die Risiken erhöhter Blutdrücke und Cholesterinwerte bereinigt (Bogers et al. 2007).
Quelle: dpa
Die Daten der zitierten Nurses Health Study ergeben zusätzlich auch ein deutlich erhöhtes Diabetes-Risiko bereits bei Gewichtsanstiegen innerhalb des BMI-Bereichs von 20 bis 24,9. Aus den Ergebnissen der EPIC-Studie wie-derum geht hervor, dass für die Erkrankung an Typ-2-Diabetes auch das Alter, in dem jemand an Gewicht zulegt, eine wichtige Rolle spielt. Danach weisen diejenigen, die zwischen ihrem 25. bis 40. Lebensjahr dicker werden, ein höheres Krankheitsrisiko auf als Menschen, die erst später übergewichtig werden. Frauen sind von diesem Effekt mehr betroffen als Männer.
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Messgrößen für das Gewicht
Standardgröße ist der Body-Mass-Index. Er errechnet sich aus Körpergewicht in Kilogramm dividiert durch Körpergröße in Meter zum Quadrat. Von den 25- bis 34-jährigen Frauen haben 70% einen normalen BMI, bei den gleichaltrigen Männern sind es 45%. 30 Jahre später haben nur noch jede(r) 4. Frau oder Mann ein normales Gewicht. Ein sich ausbildendes Übergewicht wird aber nicht nur durch den BMI charakterisiert. Von großer Bedeutung ist auch die Verteilung des überschüssigen Fettgewebes. Das gesundheitliche Risiko ist nämlich bei Ansammlung der Fettpolster in den Baucheingeweiden deutlich höher als bei ihrer Verteilung im Unterhautgewebe von Hüfte und Oberschenkel (s. S. 35 und 49). Der Grund für diese unterschiedlichen Auswirkungen liegt in den größeren Stoffwechselaktivitäten der in den Bauchorganen lokalisierten Fettzellen. Besonders reichlich mit Oberflächenrezeptoren für Stresshormone beladen, setzen sie u. a. mehr Fettsäuren frei und begünstigen so die Entwicklung vieler schwerer und chronischer Erkrankungen. Bezüglich Herzinfarkt und Schlaganfall ist deshalb ein weiter Bauchumfang ein größeres Risiko als ein hoher BMI (Pilz u. März 2007). Für den Schlaganfall gilt diese Aussage aber nach einer finnischen Langzeitstudie mit fast 50.000 Personen
⊡ Tabelle 7. Stadieneinteilung des Körpergewichts nach den Richtlinien der WHO Untergewicht
< 18,5
Normalgewicht
18,5–24,9
Übergewicht
25–29,9
Adipositas – Grad I – Grad II – Grad III
30–34,9 35–40,0 > 40
nur für Männer (Hu et al. 2007). Eine US-Studie mit 6583 Amerikanern und einer Beobachtungszeit von mehr als 30 Jahren zeigt ferner, dass Personen, die im Alter zwischen 40 und 45 Jahren viel Bauchfett besitzen, ein gesteigertes Risiko haben, in höherem Alter auch eine Demenz zu entwickeln (Whitmer et al. 2008). Ein einfaches Maß für das Fettverteilungsmuster stellt der Quotient von Taillen- und Hüftumfang dar. Danach ist es gesundheitlich bedenklich, wenn dieser Quotient bei Frauen über 0,85 und bei Männern über 1,00 liegt. Noch schneller lässt sich die abdominale Adipositas durch alleinige Messung des Bauchumfangs bestimmen. Das Krankheitsrisiko steigt bei einem Umfang von mehr als 80 cm bei Frauen und 94 cm bei Männern und ist deutlich erhöht bei Umfängen von mehr als 88 bzw. 102 cm.
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Fettgewebe als Syntheseort von Hormonen, Wachstumsfaktoren und Botenstoffen
Übergewicht bewirkt eine Vergrößerung der Fettzellen. Ob sich im Erwachsenenalter dann auch noch ihre Anzahl erhöht, ist zurzeit umstritten. Besonders problematisch ist ein Zuviel an Bauchfettgewebe. Neben der hier erleichterten Freisetzung von Fettsäuren sind es die unterschiedlichsten Zelltypen, die in diesem Fettgewebe vorkommen und die ihrerseits dutzende Hormone, Zytokine und andere Botenstoffe bilden mit weitreichenden systemischen Folgen. Wichtige vom Fettgewebe gebildete bioaktive Stoffe sind unter anderem: ▬ Adiponectin ▬ Angiotensin I und II ▬ Cholesterinester-Transfer-Protein ▬ Fetuin-A ▬ Insulin-like growth factor-1 ▬ Interleukin 1, 6 und 8 ▬ Leptin ▬ Östradiol ▬ Plasminogenaktivator-Inhibitor 1 ▬ Prostacyclin ▬ Resistin ▬ Retinol-Bindungsprotein 4 ▬ Stickstoffmonoxid ▬ Tumornekrosefaktor α ▬ Vaspin ▬ Visfatin Beispiel Angiotensin: Seine vermehrte Bildung im Fettgewebe ist eine der Ursachen dafür, dass ca. 50% der Übergewichtigen einen hohen Blutdruck
haben. Oder Östradiol: Übergewichtige Frauen entwickeln eher als normalgewichtige Brust- und Gebärmutterkrebs (s. S. 58). Sie sind aber weniger osteoporosegefährdet (s. S. 52). Zu den wichtigsten, in zahlreichen großen internationalen Studien immer wieder bestätigten gesundheitlichen Risiken durch Übergewicht gehören darüber hinaus (Jacobson et al. 2006; Hu et al. 2004; Ahn et al. 2007; Schienkiewitz et al. 2006; Yusuf et al. 2005; Reeves et al. 2007; World Cancer Research Fund 2007; Renehan et al. 2008): ▬ Diabetes mellitus ▬ Herzinfarkt ▬ Schlaganfall ▬ Vergrößerung des linken Vorhofs ▬ Vermehrung der linksventrikulären Muskelmasse ▬ Venenleiden ▬ Nierenschäden ▬ Gallensteinbildung ▬ degenerative Gelenkerkrankungen ▬ Schlafapnoesyndrom ▬ Gicht ▬ erhöhtes Operationsrisiko ▬ Leukämie ▬ Multiples Myelom ▬ Non-Hodgkin Lymphom ▬ Malignes Melanom sowie ▬ weitere Tumorbildungen der Schilddrüse, Speiseröhre, Gallenwege, Bauchspeicheldrüse, Leber, Nieren, Eierstöcke, Prostata sowie des Darms
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Warum Übergewicht zum Typ-2-Diabetes führen kann
Bezüglich des Typ-2-Diabetes lässt sich die Schädlichkeit von Übergewicht mit den Erfahrungen der großen Beobachtungsstudien, aber auch durch die bisherigen Kenntnisse der zugrunde liegenden molekularen Mechanismen erklären. So erzeugen der in den überschüssigen Fettablagerungen gebildete Tumornekrosefaktor α und das Peptidhormon Resistin in den Muskelzellen eine Insulinresistenz, indem sie die Insulinrezeptoren auf den Zelloberflächen blockieren. Daraus resultiert das Krankheitsbild des Typ-2-Diabetes. Die Insulinresistenz kann noch durch das speziell von verfetteten Lebern abgegebene Fetuin-A erheblich verstärkt werden.
stimuliert die insulinunabhängige Glucoseverbrennung in den Muskelzellen und hemmt die Glucosefreisetzung in der Leber. Interleukin 6, bei chronischen Entzündungen und Übergewicht auch vermehrt im Fettgewebe gebildet, ist insofern ein Risikofaktor, als es die Bildung von schützendem Adiponectin hemmt sowie außerdem die Glucosebildung in der Leber anregt und so einen zusätzlichen Insulinverbrauch initiiert.
Bereits eine 10-prozentige Gewichtsreduktion verbessert die Insulinempfindlichkeit deutlich, weil die Störung der regelhaften Ausprägung der InEinen gewissen Schutz vor Typ-2-Diabetes bietet sulinrezeptoren auf den Muskelzellen durch andagegen Adiponectin (Fasshauser et al. 2004). Es dauernde Muskelarbeit schnell reversibel ist.
Molekularer Mechanismus der Entwicklung eines Typ-2-Diabetes
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Übergewicht und Sterberisiko
Nach einer Studie des National Institute of Health in den USA mit 527.265 Personen im Alter von 50–71 Jahren und einer Beobachtungszeit von 10 Jahren sind Übergewicht, erst recht aber Fettleibigkeit mit einem erhöhten Sterberisiko verknüpft (Adams et al. 2006). Die Eigenständigkeit speziell von Adipositas als diesbezüglichen Risikofaktor zeigte sich in einer 20-jährigen Studie mit Daten von über 15.000 Menschen zwischen 45 und 64 Jahren (Murphy et al. 2006). In ihr wurden, bezogen auf jeweils 100 adipöse Männer und verglichen mit gleichaltrigen normalgewichtigen Männern, neun zusätzliche Todesfälle durch Herz-KreislaufVersagen registriert. 36 Männer mussten wegen Komplikationen ihrer kardiovaskulären Erkrankung in einer Klinik behandelt werden. Bei adipösen Frauen betrugen diese Zahlen 7 und 28. Das geringste gewichtsabhängige Sterberisiko haben nach den Daten der EPIC-Studie mit 359.387 Teilnehmern und einem Durchschnittsalter von 51,5 Jahren Frauen mit einem BMI von 24,3 und Männer mit einem BMI von 25,3 (Pischon et al. 2008). In besonderer Weise bestätigt eine schwedische, prospektive Interventionsstudie den Zusammenhang zwischen Gewichtsabbau und Senkung der Sterblichkeit (Sjöström et al. 2007). Mit Maßnahmen der bariatrischen Chirurgie wurden bei 2010 Menschen mit krankhafter Adipositas der Magen verkleinert oder der Darm verkürzt und dieses Kollektiv mit einem nichtoperierten Kollektiv aus 2037 adipösen Personen verglichen. Lediglich die chirurgisch versorgten Patienten wiesen in dieser Studie wäh-
Quelle: dpa
rend einer durchschnittlichen Beobachtungszeit von knapp 11 Jahren einen deutlichen Gewichtsverlust auf und nur in ihrer Gruppe war auch die Sterblichkeitsrate klar vermindert. Etwas anders als in der oben zitierten Arbeit sieht das Sterberisiko übergewichtiger Menschen in einer weiteren USA-Studie aus (Flegal et al. 2007). Hier zeigen die Daten von 2,3 Millionen Erwachsenen ab einem Alter von 25 Jahren, dass Übergewichtige mit einem BMI zwischen 25 und 29,9 zwar häufiger als Normalgewichtige an Krebs oder kardiovaskulären Erkrankungen sterben, ihre Gesamtsterblichkeit aber wegen niedrigerer Todesfallzahlen aufgrund anderer Erkrankungen geringer ist als die der Normalgewichtigen. Diese statistische Datenlage spiegelt eine Korrelation wider. Sie steht nicht für Kausalität. Denn Übergewicht macht nicht gesund und verhilft nicht zu längerem Leben. Es ist hier nur ein sichtbarer Indikator für den allgemein besseren Gesundheitsstatus des statistisch erfassten Kollektivs der Übergewichtigen (Sui et al. 2007).
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Beabsichtigte Gewichtsabnahmen
Gewichtsreduktionen müssen langsam und kontinuierlich erfolgen. Denn unser Körper weiß nichts von der absichtlichen Diät. Er reagiert auf die Nahrungsverknappung wie auf eine Hungersnot und senkt erst einmal spontan den Energiebedarf für die Grundfunktionen der Organe. Schnelle Gewichtsverluste halten in aller Regel nur kurz an und führen fast immer zu gesundheitsschädigenden Gewichtsschwankungen (JojoEffekt). Um Enttäuschungen zu vermeiden, sollte als erreichbares Ziel eine Gewichtsabnahme von höchstens 5 kg in jeweils 150 Tagen geplant werden. Schon geringe Gewichtsverluste bringen gesundheitliche Vorteile, weil das risikoträchtige Bauchfett immer zuerst und überproportional abgebaut wird. Eine einfache und oft erfolgreiche Empfehlung für Abnehmwillige ist das bewusste Genießen der Speisen durch bedächtiges Essen. Es dauert nämlich ca. 30 min, bis die Schaltkreise vom Magen (Ghrelin) und Dünndarm (Cholezystokinin) zum Hypothalamus Sättigung signalisieren (s. S. 14). Und ein fettarmes Gericht macht bei gleicher Menge genau so satt wie ein fettreiches. Solche Überlegungen sind wichtig, denn ersetzt man beispielsweise täglich lediglich 5 g der empfohlenen Kohlenhydrataufnahme durch 5 g Fett, dann führt das bei sonst gleicher Nährstoffmenge bereits zu einem Gewichtsanstieg von gut einem Kilogramm
pro Jahr. Für jeden Menschen mit Gewichtsproblemen ist es deshalb empfehlenswert, die tägliche Fettaufnahme zu begrenzen. Grundsätzlich sollte dieser Nährstoffanteil nicht mehr als 30% der Gesamtkalorienaufnahme ausmachen und zu je 1/3 aus gesättigten, einfach ungesättigten und mehrfach ungesättigten Fettsäuren bestehen (s. S. 8 und 17).
Rigide Verhaltenskontrollen oder strikte Verbote sind bei Diäten wenig hilfreich. Sie bewirken eher weitere Störungen des Essverhaltens.
Problematisch kann das Fasten werden. Wenn es über viele Tage oder gar Wochen geht, muss es immer unter ärztlicher Kontrolle geschehen. Besonders zu beachten ist bei Nulldiät der Eiweißverlust zu Beginn der Nahrungskarenz. Er beträgt in der ersten Woche etwa 500 g. Weil Proteine nicht gespeichert werden, sondern in verschiedenen Formen die unterschiedlichsten Funktionen haben, sind diese Verluste sehr ernst zu nehmen. Schnell spürbare Auswirkungen des Eiweißabbaus können eine Minderung der Leistungsfähigkeit durch Verringerung von Muskelmasse sein oder eine erhöhte Infektanfälligkeit, weil immunologisch schützende Antikörper verloren gehen.
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Fehlernährung
Statistisch betrachtet verspeisen Deutsche tagtäglich 130–150 g Fett, aber nur ein Anteil von etwa 30% des Kalorienbedarfs ist auf Dauer gesundheitlich vertretbar. Eine solche Begrenzung einzuhalten fällt jedoch schwer. Denn in vielen Lebensmitteln oder im Kantinenessen ist der Fettgehalt häufig nicht deklariert. Und eine Menge Fett ist dort versteckt, wo man es gar nicht vermutet, allein bis zu 8% im Vollkornbrot. Wir essen aber nicht nur zu viel Fett, wir verspeisen überwiegend tierisches Fett und mit den darin enthaltenen gesättigten Fettsäuren das falsche Fett. 10 g Fett (gesättigte Fettsäuren) sind enthalten in: ▬ 2/3 Croissant ▬ 2 Joghurt-Riegel á 25 g ▬ 16 Kartoffelchips ▬ 20 g gerösteten Erdnüssen ▬ 20 g Schokolade ▬ 32 g Schlagsahne ▬ 4 Tassen Melange
Ein zu hoher Fettverzehr kann zu Übergewicht führen. Mit den sich daran meist anschließenden Diäten ist leider oft das Problem der Fehlernährung verbunden.
drosseln. Unter dem Gesichtspunkt lediglich der Gewichtsabnahme scheint das zunächst auch eine durchaus Erfolg versprechende Strategie zu sein. Denn die meisten Menschen essen ohne gleichzeitigen Konsum von Kohlenhydraten ungern große Fettmengen, senken also auf diese Weise recht verlässlich ihre Energieaufnahme. Es kommt zu schnellen Anfangserfolgen, denen auch die Atkins-Diät ihre Popularität verdankte. Eine Metaanalyse von allen zwischen 1966 und 2003 publizierten Studien zu diesem Thema zeigt jedoch, dass der Gewichtsverlust durch eine Diät von einem Jahr und länger nur von der Dauer und der Kalorienbeschränkung abhängt (Nordmann et al. 2006).
Unabhängig davon sind fettreiche Diäten wegen der ungezügelten Aufnahme von gesättigten Fettsäuren und der damit verbundenen erhöhten Cholesterinbiosynthese immer bedenklich.
Kohlenhydrate sind dagegen als Träger von Mineralstoffen, Spurenelementen, von ungesättigten Fettsäuren, bioaktiven Pflanzenstoffen, den meisten Vitaminen und Ballaststoffen für eine ausgewogene Ernährung unentbehrlich (Halton et al. So werden beispielsweise immer wieder Diäten 2006; Hauner 2005). Programme zur Gewichtspropagiert, die einen Fettverzehr ohne Begren- reduktion sollten deshalb immer gut eingebettet zung erlauben und dafür die Kohlenhydratzufuhr sein in eine vernünftige Ernährungsumstellung.
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No Sports?
Unter dem Gesundheitsaspekt wird Bewegung oft nur als Mittel zur Gewichtsreduktion gesehen. In der Tat ist eine dauerhafte Gewichtsabnahme in den allermeisten Fällen auch nur in Verbindung mit körperlichen Aktivitäten möglich.
Bewegung ist aber für eine Vielzahl anderer Körperfunktionen ebenfalls enorm wichtig.
Sport verbessert sowohl den Gesundheitsstatus als auch das subjektive Gesundheitsempfinden. Gesundheitsorientierte körperliche Aktivitäten reduzieren die Zahl der Krankenhausaufenthalte, die Häufigkeit von Arztbesuchen, krankheitsbedingte Fehltage am Arbeitsplatz und den Verbrauch von Medikamenten.
Möglicherweise bremst Freizeitsport sogar den Alterungsprozess der Gene.
Diesen Hinweis gibt eine Studie an 2401 Zwillingen im Alter von 18–81 Jahren, in der die Länge der Telomere untersucht wurde (Cherkas et al. 2008). Telomere sind lange DNA-Sequenzen am
Ende der Chromosomen ohne jede Bauanweisung für den Organismus. Sie schützen aber die Genstränge bei ihrer Verdopplung vor Fehlern. Die Länge der Telomere speziell in Leukozyten und das Ausmaß ihrer natürlichen Verkürzung mit jeder Zellteilung sind Indikatoren für das biologische Alter der Menschen. Bei gleichem kalendarischem Alter waren nun die Telomere bei den Probanden, die wöchentlich gut 3 Stunden Sport trieben, im Schnitt um 200 Nukleotide länger als bei den unsportlichen Zwillingen. Weil die Länge der Telomere in den weißen Blutkörperchen durchschnittlich um 21 Nukleotide pro Jahr abnimmt, würden diese 200 Nukleotide bedeuten, dass körperlich aktive Menschen biologisch etwa 10 Jahre jünger sind als ihre inaktiven Zeitgenossen. Dieser positive Effekt blieb auch bestehen, wenn Begleitfaktoren wie Rauchen oder der BMI berücksichtigt wurden.
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Die überragende Stellung der Ausdauer
Die aerobe dynamische Langzeitausdauer mit gleichmäßigem Wechselspiel von Kontraktion und Entspannung der arbeitenden Muskulatur ist fast immer Grundlage für den sportlichen Erfolg, egal ob Spitzensportler um Medaillen kämpfen oder sich Breitensportler zum Vergnügen und Mehrung ihrer Fitness mühen. Es ist heute sehr populär, sich beachtenswerten Ausdauerleistungen zu unterziehen, ob beim Laufen, Wandern, Walking, Rad fahren, Rudern, Schwimmen, Inline-Skating, Bergwandern, Skilaufen oder Tanzen. Als Anhalt für geeignete Belastungsgrenzen können Lebensstil, Gesundheitsstatus, soziales Umfeld und die von der Europäischen Atherosklerosegesellschaft örtliche Gegebenheiten sind die wesentlichen Fak- vorgeschlagenen Pulsfrequenzen für „Sportenttoren, die bei der Wahl der Sportart entscheiden. wöhnte“ dienen: Die vielen Möglichkeiten der Betätigung bieten ▬ 20–29 Jahre: 115–145, die Chance, dass alle Spaß beim Sport empfinden ▬ 30–39 Jahre: 110–140 können. ▬ 40–49 Jahre: 105–130 ▬ 50–59 Jahre: 100–125 Bewegungsarmen Menschen fällt die Aufnahme ▬ 60–69 Jahre: 95–115 sportlicher Aktivitäten allerdings meist nicht leicht. Der Umgang mit dem eigenen Körper ist fremd Nur wenn ein guter Trainingszustand erreicht ist, geworden, oft mutet man ihm gleich zu viel zu, der sollte die Häufigkeit der Ausdauerübungen und Bewegungsapparat verkündet Schmerzen, es kommt danach ihr Umfang weiter gesteigert werden. zu Verletzungen, schnell erlahmt das Interesse. Empfehlenswert ist daher bei dieser doch tief greifenden Lebensumstellung immer ein Beginn mit moderaten Öli-Regel: zunächst öfter, dann auch länger und erst später intensiver trainieren. Gleichkörperlichen Aktivitäten. Notwendig sind indivizeitige Steigerungen von Trainingsumfang duelle Vorgehensweisen, die Alter, Geschlecht, Erund Intensität sind ausnahmsweise nur bei fahrung, Talent, Gewicht, Psyche und den allgemeisehr gut trainierten Sportlern sinnvoll. nen Gesundheitszustand berücksichtigen. Höchste Priorität hat die Regelmäßigkeit.
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Ausdauersport und das Herz
Körperliche Aktivitäten haben wichtige positive Effekte auf das Herz. Der Herzmuskel kann sich je nach Trainingsleistung von ca. 300 g bis auf 500 g vergrößern, das Kammervolumen von 600 ml bis auf 1300 ml erweitern, die Kammerwände erfahren eine Verstärkung bis zu 20% und das Schlagvolumen erhöht sich von 60 bis auf 110 ml. Diese Ökonomisierung der Herzarbeit führt in der Summe zur Blutdrucksenkung und zur Abnahme der Herzfrequenz.
LDL-Cholesterin niedriger als 3 mmol/l (= 116 mg/100 ml) ▬ Vermeiden von Übergewicht und Diabetes ▬
Im Jahr 2007 zeigte eine große, 20-jährige Kohortenstudie mit 11.043 Männern im Alter von über 35 Jahren, die auf dem Kardiologenkongress in Wien vorgestellt wurde, dass unabhängig von sonstigen kardiovaskulären Risikofaktoren ein schneller Pulsschlag in Ruhe die vorzeitige Sterberate erhöht. Ab einer Ruhefrequenz von 68 Schlägen pro Minute nimmt diese kontinuierlich zu und ist altersbezogen bei einer Ruhefrequenz von 80 Schlägen pro Minute um 75% höher als bei Menschen mit einer Ruhefrequenz von 60 Schlägen und weniger. Nach Mitteilung der Europäischen Gesellschaft für 2009 ergaben die Auswertungen der Women‘s Health Kardiologie verursachen folgende fünf Risikofak- Initiative mit Beteiligung von 129.135 postmenotoren 74% aller schweren Herzkrankheiten (2007): pausalen Frauen, dass der Zusammenhang zwischen ▬ Rauchen hohem Ruhepuls und hohem Infarktrisiko auch bei ▬ Diabetes Frauen besteht (Hsia et al. 2009). ▬ Bluthochdruck ▬ hohes LDL-Cholesterin Sportler haben in Ruhe meist einen niedrigeren ▬ niedriges HDL-Cholesterin Puls. So waren dann auch in einer US-amerikanischen Studie bei 15.660 Senioren die Sterberaten Die Gesellschaft empfiehlt deshalb die Formel 0-3- von körperlich sehr fitten Männern in etwa hal5-140-5-3-0, d. h.: biert gegenüber den Raten der leistungsschwachen ▬ keine Zigaretten Probanden (Kokkinos et al. 2008). Eine Metaana▬ täglich 3 Kilometer zu Fuß gehen oder 30 Minu- lyse aus 18 prospektiven Studien mit 459.833 Perten moderates Training sonen bestätigt am Beispiel von 3-stündigem Wal▬ 5 Portionen Obst oder Gemüse pro Tag king pro Woche noch einmal die Erkenntnis, dass ▬ Blutdruck unter 140 mmHg (systolisch) der risikosenkende Effekt von Sport in Bezug auf ▬ Gesamtcholesterin weniger als 5 mmol/l Herz-Kreislauf-Erkrankungen für Frauen und Män(= 190 mg/100 ml) ner in gleicher Weise gilt (Hamer u. Chida 2008).
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Ausdauersport und das Gehirn
Schon bei moderaten körperlichen Aktivitäten ist der Großhirnrinde und im limbischen System gedie Gehirndurchblutung um etwa 30% gesteigert. bildet (Boecker et al. 2008). Beide Areale spielen eine Schlüsselrolle bei der Verarbeitung von GefühAnstrengende Belastungen sind der stärkste Reiz für len und bei der Unterdrückung von Schmerzen. den Erhalt der rund 100 Milliarden Nervenzellen und So tragen körperliche Aktivitäten zu einem erhebfür den Ausbau ihrer Funklichen psychologischen Benetionsfähigkeit durch Knüpfit bei, der auf Wohlbefinden, fen immer neuer, vielfältiger erhöhtem Selbstwertgefühl, Synapsen. Dabei kann bei ErAbbau aufgestauter Aggreswachsenen jede einzelne Nersionen, Distanzierung von venzelle bis zu 10.000 solcher überbewerteten Problemen, Kontaktstellen zu anderen Abschwächung negativer Nervenzellen haben. Durch Stimmungslagen und einer sportliche Betätigungen werallgemeinen Stressresistenz den Denkprozesse erleichtert, beruht. die Intelligenz sowie Lernund Gedächtnisleistungen werden optimiert. Speziell bei älteren Menschen senken körperliche Anstrengungen deutlich auch die Demenzrate (LarDer verbesserte Hirnstoffwechsel führt zur ver- son et al. 2006; Abbott et al. 2004; Weuve et al. 2004). mehrten Produktion hunderter chemischer Sub- Das ist wichtig, denn eine Therapie der Demenzstanzen, darunter Nervenwachstumsstoffe und krankheit ist bislang nicht verfügbar. diverse Botenstoffe wie Dopamin, Serotonin oder Noradrenalin. Besonders interessant ist hier die bis Wer sich aber zeitlebens viel bewegt und sich mit zum Vierfachen gesteigerte Ausschüttung körper- reichlich Obst, Gemüse, Fisch und wenig rotem eigener Opioide. Als Endorphine bezeichnet, wer- Fleisch gesund ernährt, kann das Demenzrisiko nach den sie vorwiegend im Bereich des Frontallappens den derzeitigen Studiendaten in etwa halbieren.
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Ausdauersport und die großen Gefäße
Regelmäßige körperliche Belastungen gehen in den Venen und Arterien mit einer Erhöhung des Blutvolumens einher. Die Fließeigenschaft des Blutes nimmt zu, weil Gerinnungsfaktoren wie das Fibrinogen unter diesen Bedingungen sinken und der Gehalt an Gewebeplasminogenaktivator steigt. Der Sauerstofftransport und die Wärmeregulation sind verbessert. Auch die Innenauskleidung der Gefäße, das Endothel, spielt bei der Verbesserung der Gefäßfunktionen durch regelmäßige Ausdaueraktivitäten eine wichtige Rolle. Es produziert dann u. a. mehr Stickstoffmonoxid und Prostacyclin (s. S. 17). Beide Stoffe bewirken eine Weitstellung der Gefäße und damit eine Blutdrucksenkung. Das Prostacyclin setzt außerdem die Aktivität der Gerinnungsplättchen herab und vermindert so zusätzlich die Thrombosegefahr. Und schließlich wandern weniger Entzündungszellen in die Gefäßwand ein, was mit einer weiteren Senkung des Arterioskleroserisikos verbunden ist.
nuierliches „Endotheltraining“ dazu bei, das Entstehen einer koronaren Herzkrankheit (KHK) zu verhindern oder das Fortschreiten einer eventuell vorhandenen Erkrankung zu verlangsamen. Dass davon selbst übergewichtige Personen profitieren, zeigt die Auswertung der Women‘s Health Study mit 38.987 Frauen und einer mittleren Beobachtungszeit von 10,9 Jahren (Weinstein et al. 2008). Danach war das mit einem erhöhten Body-MassIndex assoziierte KHK-Risiko durch regelmäßige körperliche Aktivitäten deutlich vermindert, ließ sich allerdings nicht komplett auf das Risikoprofil Normalgewichtiger absenken. Die naheliegende Als Ursache für die Aktivitätssteigerung des Endo- Konsequenz ist deshalb: thels unter Belastung wird der erhöhte Blutstrom angesehen, der die auf die Endothelbarriere einwirkenden Scherkräfte vergrößert. Neben dem positiven Wenn schon übergewichtig, dann sich wenigstens viel bewegen ! Einfluss von Ausdauertraining auf Stoffwechsel, Übergewicht und Blutdruck trägt also auch konti-
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Ausdauersport und die Kapillaren
Wichtige positive Effekte sind: ▬ Kapillarneubildungen ▬ Öffnung von Ruhekapillaren ▬ Ausbildung von Umgehungskreisläufen ▬ Erhalt der Elastizität ▬ Erweiterung des Querschnitts Eine Neubildung von Kapillaren findet speziell in der arbeitenden Muskulatur statt. Das verbessert die oxidative Kapazität, zumal es gleichzeitig auch zu einer Volumenvermehrung der Mitochondrien kommt. Mitochondrien sind die Kraftwerke der Zellen, in denen die Energiegewinnung über den Citratzyklus und die Atmungskette abläuft (s. S. 9). Der Zellstoffwechsel wird effektiver, indem der Sauerstoffverbrauch für gleiche Leistungen abnimmt.
Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Mitochondriums
kapillaren sowie zur Ausbildung von Umgehungskreisläufen („Durchblutung der letzten Wiesen“). Blutvolumina werden effizienter verteilt und das Sauerstoffangebot dadurch besser ausgenutzt. Die Gefäße bleiben elastischer. Bei einem mehr als fünfstündigen Training pro Woche kommt es zur Erweiterung des Gefäßquerschnitts mit einem beDer höhere Blutdruck während einer körperli- trächtlich gesteigerten lokalen Blutfluss und einer chen Anstrengung bewirkt also eine Zunahme der Blutdrucksenkung systolisch/diastolisch von etwa Kapillardichte und führt zur Öffnung von Ruhe- 7/6 mmHg, in Einzelfällen bis 20/11 mmHg.
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Ausdauersport und die Lunge
Der gesunde Erwachsene atmet unter Ruhebedingungen pro Minute zwischen 10- und 14-mal. Das dabei pro Atmung inhalierte Luftvolumen, das Atemzugvolumen, beträgt ca. 500–1000 ml. Für das Atemzugvolumen gilt als Faustregel: Körpergewicht in kg × 10–15.
zeitig rund 270 ml Kohlendioxid abgegeben. Zwei Prozent des aufgenommenen Sauerstoffs werden in Ruhe allein für die Kontraktionsarbeit der Atemmuskeln benötigt, bei schwerer körperlicher Belastung kann sich dieser Wert verzehnfachen.
Wichtige positive Effekte von Sport sind: Atemfrequenz und Atemzugvolumen sind alters- ▬ Senkung der Atemfrequenz und größenabhängig. Das Produkt aus beiden ist ▬ Vergrößerung der Gasaustauschfläche das Atemzeitvolumen. Es zeigt die Höhe des pro ▬ Ökonomisierung der Ventilation Minute stattfindenden Luftwechsels an und beträgt unDie Atmung profitiert also durch Sport von einer spargefähr 7–14 Liter, kann jedoch sameren Ventilation wegen bei starken körperlichen Aksinkender Atemfrequenzen tivitäten bis auf 80 und bei extremen Belastungen bis auf und Vergrößerung der Gasaus120 Liter steigen. Auf 7 Liter tauschfläche. Die AtmungsLuft käme ein Sauerstoffanabläufe werden optimiert. Bei teil von ungefähr 1,5 Liter. Patienten mit Asthma bronDavon entnimmt die Lunge chiale wird durch diese Anca. 300 ml. Bei einem für gepassung die Schwelle zur Ausmischte Kost geltenden respilösung eines anstrengungsratorischen Quotienten von 0,89 werden gleich- induzierten Anfalls heraufgesetzt.
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Ausdauersport und das Fettgewebe
Wichtige positive Effekte sind: ▬ Abbau von überflüssigem Fettgewebe mit deutlich positiven Auswirkungen auf den Stoffwechsel und das Herz-Kreislauf-System ▬ Senkung der Rate chronischer Erkrankungen ▬ allgemeine Reduktion des Körpergewichts und damit neben dem psychischen Wohlbefinden auch Entlastung der Gelenke Weniger eindeutig verändern sich die CholesDie Triglyzeridspiegel sinken durch regelmäßige terinwerte. Die Spiegel des LDL-Cholesterins Bewegungsübungen. Dabei sind beim Abbau sinken leicht, die des HDL-Cholesterins steigen von Fettgewebe in erster Linie die Fettpolster am etwas. Bauch betroffen. Das ist positiv, weil das Fettgewebe hier besonders gesundheitsschädlich ist (s. S. 34 und 35). Durch Ausdauersport nehmen die LDLUnd dieser den Bauchumfang reduzierende und die Gesundheit fördernde Erfolg von mehr Bewegung bringt auch unter dem ästhetischen Gesichtspunkt eine Verbesserung, denn das Selbstwertgefühl wird gestärkt.
Partikel in ihrer Größe zu, was das Arterioskleroserisiko etwas vermindert, weil die kleinen LDL-Partikel besonders risikoreich sind.
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Sport und das Knochengerüst
Wichtige positive Effekte von Kraft- und Ausdauersport auf Knochen und Gelenke sind: ▬ Zunahme der Knochenmasse ▬ Steigerung des Knorpelstoffwechsels ▬ Querschnittsvergrößerung der Fibrillen in bindegewebigen Strukturen Zum Stützgewebe des Menschen gehören 208 Knochen, die etwa 10% des Körpergewichts ausmachen. Die häufigsten Zellen im Knochen sind die Osteozyten. Hierbei handelt es sich um ehemalige Osteoblasten, die nach Erfüllung ihrer Knochen aufbauenden Tätigkeit dauerhaft in die Knochenstruktur integriert werden. Die langlebigen Osteozyten senden Signale darüber aus, wo und wie viel Knochen durch Osteoklasten und Osteoblasten erneuert werden muss.
Knochenstoffwechsel
Die Summe aller auf den Knochen einwirkenden Kräfte bestimmt das Maß der Zellaktivitäten in den Knochen (Kornak et al. 2003). Deshalb lässt Einer großen Muskelmasse entspricht meist auch eine große Knochenmasse. sich dann auch durch geeignete Trainingsreize ein messbarer Gewinn an Knochenmasse erzielen (s. S. 65). Es reagieren aber nur die Skelettabschnitte, auf die sich die durch Muskelkontraktionen aus- Ein Zugewinn an Knochenmasse von bis zu 1% pro gelösten Kräfte übertragen. Die Belastungsreize Jahr ist möglich, das ist etwa identisch mit ihrer müssen die üblichen Alltagsaktivitäten deutlich natürlichen Abnahme vom 35. Lebensjahr an. übersteigen.
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Die ständige Knochenerneuerung
Der Knochen ist ein hoch stoffwechselaktives Gewebe. Die in ihm ablaufenden biochemischen Prozesse zielen alle auf die Aufrechterhaltung einer ausreichenden organischen Grundsubstanz und deren normaler Mineralisierung. Das Knochengrundgerüst besteht zu 90% aus dem Protein Kollagen, daneben noch aus Osteocalcin und mehreren anderen Eiweißen. Die Mineralisierung erfolgt vorwiegend durch Einlagerung von Calciumsalzen, die dem Knochen seine Stabilität geben.
Schema des Knochenumbaus
Die eng miteinander gekoppelten Vorgänge des Ab- und Aufbaus erfolgen in kleinsten Umbaueinheiten. Davon sind 1,5 Millionen ständig und in unterschiedlichen Phasen am Skelett aktiv. In 90 bis 100 Tagen sind die Reparaturmechanismen komplettiert. Pro Jahr erneuern sich 25% des trabekulären Knochenanteils z. B. in den Wirbelkörpern, aber nur 3% der äußeren Schale von Röhrenknochen. Übersteigt der Abbau den Knochenaufbau über längere Zeit, kommt es zum Krankheitsbild der Osteoporose.
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Osteoporose
Osteoporose zeichnet sich durch eine niedrige Knochenmasse und Störung der Mikroarchitektur aus (Sambrook u. Cooper 2006; Seeman u. Delmas 2006). Von ihr sind in Deutschland etwa 5–7 Millionen Menschen betroffen, Frauen 4-mal so oft wie Männer. Durch die verminderte Knochenstärke kommt es schon bei leichten Unfällen zu Knochenbrüchen. Bei einem Substanzverlust von 40% betrifft das jede zweite Person. Fast alle Frakturen sind möglich. Jährlich erleiden ungefähr 130.000 Menschen eine proximale Femurfraktur, an der gut 30% von ihnen innerhalb eines Jahres sterben und weitere 30% dauerhaft invalide werden. Die maximale Knochenmassedichte im Leben erreicht der Mensch nach Abschluss von Pubertät und Wachstum. Die Knochenmasse ist besonders hoch nach einer Calcium- und Vitamin-D3-reichen Ernährung, häufiger Sonnenbestrahlung und viel Bewegung.
Das Risiko, an einer Osteoporose zu erkranken, nimmt mit steigendem Lebensalter deutlich zu (Tang et al. 2007). Weitere Risikofaktoren sind die Zugehörigkeit zur kaukasischen oder asiatischen Rasse, calciumarme Kost, hohe Protein- bzw. Phosphatzufuhr, faserreiche Ernährung, Nikotinbzw. Alkoholmissbrauch, Bewegungsmangel oder Medikamente wie Glukokortikoide, Laxanzien, Antiepileptika und Schilddrüsenhormone. Homocystein beeinträchtigt die stabilisierende Verknüpfung der Kollagenfibrillen im Knochengerüst mittels kurzkettiger Querverbindungen (Gjesdal et al. 2006; Herrmann et al. 2005; Meurs et al. 2004).
Liegt eine Osteoporose vor, dann gehen hohe Homocysteinwerte mit einer gesteigerten Frakturrate einher.
Links: normale Struktur, rechts: Osteoporose
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Ausdauersport und Immunität
Wichtige positive Effekte sind: ▬ Aktivierung von Natürlichen Killerzellen, Granulozyten, Makrophagen und Akute-PhaseProteinen ( = unspezifische Immunabwehr) ▬ verbesserte Phagozytosefähigkeit der Immunzellen ▬ Entwicklung einer Toleranz gegenüber oxidativem Stress Natürliche Killerzellen sind große Lymphozyten, die vor allem virusinfizierte Zellen, Tumorzellen, allerdings auch transplantiertes Fremdgewebe attackieren und vernichten. Die zytotoxische Kapa- Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme: Makrophage zität beruht wie bei T-Lymphozyten auf Perforin vernichtet Bakterien (© Manfred & Christina Kage/OKAPIA) und Granzyme. Bei Erkrankungen erfolgt ein Anstieg der Zellzahl innerhalb von 24 Stunden. Die Erhöhung hält 1–3 Tage an und nach 5–7 Tagen Akute-Phase-Proteine (APP) wirken als Musterhat sich ihre Zahl wieder normalisiert. erkennungsrezeptoren. Sie binden an Molekülstrukturen der Infektionserreger und machen sie Granulozyten sind am schnellsten einsatzbereit. so z. B. für Phagozyten kenntlich. Das C-reaktive Sie bauen Antigene direkt mit ihrem Peroxidase- Protein ist ein solches APP. Es kann beim Sport system ab. Bei bakteriellen Infektionen kann die belastungsabhängig bis zum Mehrfachen der Norm Granulozytenzahl auf das 2- bis 6fache anstei- erhöht sein (Lakka et al. 2005). gen. Die Entwicklung einer Toleranz gegenüber oxidaMakrophagen als so genannte Fresszellen koppeln tivem Stress ist möglich, weil die Aktivitäten spemit ihren Toll-like-Rezeptoren an Infektionserre- ziell solcher Enzyme gesteigert werden, die reduzieger, verdauen sie und stehen so als antigenprä- rend wirken. Bei Ausdauersportlern werden gerinsentierende Zellen den Lymphozyten zur Verfü- gere Mengen an reaktiven Sauerstoffverbindungen gemessen als bei Nichtsportlern. gung.
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Gemäßigter Ausdauersport und unspezifische Immunabwehr
Unter diesen Bedingungen kommt es in den ersten etwa 20 Minuten zum Anstieg von natürlichen Killerzellen und einem geringeren Monozytenanstieg. Die NK-Zellen werden nicht in größerer Zahl gebildet, sondern erfahren eine vermehrte Ablösung von den inneren Gefäßwänden. Etwa 90 Minuten nach Belastungsende durchschreitet ihre Zahl das Ausgangsniveau nach unten und bleibt für wenige Stunden auf etwas niedrigerem Level. Die Granulozytenzahl nimmt dagegen erst nach einer guten Stunde zu, ihre Vermehrung hält dafür aber ca. 24 Stunden an.
Die positiven Effekte der unspezifischen Immunabwehr sind besonders im Alter wichtig, weil sie den altersabhängigen Abfall der spezifisch wirkenden T-Lymphozyten ausgleichen.
Maßvolles Ausdauertraining ist ein guter Immunstimulator.
Zellzahländerungen bei gemäßigtem Ausdauertraining
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Leistungssport und unspezifische Immunabwehr
Bei anstrengenden Ausdauerübungen steigt die Ausschüttung von Cortisol um das 2- bis 3fache an. Die natürlichen Killerzellen werden dadurch bis zum Neunfachen des Ausgangswertes angehoben und stürzen nach Belastungsende für mehrere Stunden auf etwa 50% des Ursprungswertes ab. Zusätzlich ist ihre zytotoxische Aktivität eingeschränkt.
Anders verhalten sich die Granulozyten. Ihre Zahl kann auf das Dreifache ihres Ausgangswertes steigen. Sie werden dabei durch Cortisolwirkung aus dem Knochenmark freigesetzt. Zwar bilden sie unter diesen Bedingungen 30–50% weniger reaktive Sauerstoffverbindungen (RSV), durch ihre gestiegene Zahl ist aber ihre Bakterien tötende Gesamtkapazität erhöht.
Exzessiver Sport verursacht gewissermaßen ein „open window“ der Immunabwehr, in dem Infektionserreger einen erleichterten Zugang zum Organismus finden.
Zellzahländerungen bei intensivem Ausdauertraining
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Sport und Optimierung der Immunabwehr
Moderat betriebenes Ausdauertraining im aeroben Negative Veränderungen in der Immunabwehr durch Bereich fördert die Leistungs- und Regenerations- gelegentlich übertriebene körperliche Akutbelasbereitschaft der Immunabwehr. tungen sind bei Einhaltung ausreichender Erholungszeiten reversibel. Deren Dauer sollte jedoch nicht Die Infektraten sind vermindert und die Symptom- unterschätzt werden, nach schweren Belastungen schwere herabgesetzt. Zwischen Ausdauertraining sind für eine vollständige Regeneration 3–4 Tage und Immunschutz besteht eine J-förmige Beziehung. anzusetzen. Das niedrigste Infektionsrisiko haben gemäßigt trainierende Breitensportler. Inaktivität, mehr aber Die Regenerationsfähigkeit ist dabei umso besser noch Hochleistungssport steigern das Infektions- ausgeprägt, je stärker die aerobe Ausdauerfähigkeit risiko. Für ältere Sportler ist ein Wochenpensum von trainiert ist. 3–5 Stunden, verteilt auf 4–5 Trainingseinheiten, ideal. Jüngere Menschen passen sich immunver- Ohne genügend lange Erholungszeiten kommt es träglich deutlich höheren aeroben Belastungen an. zur Erschöpfung des Immunsystems.
Die Sportdosis bestimmt den Immunschutz
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Die Immunologie des Überlastungssyndroms
Vom Überlastungssyndrom sind üblicherweise meist unerfahrene Athleten mit einem hohen Ehrgeizpotential betroffen. Zunächst fällt den Betroffenen ihre rapide nachlassende körperliche Leistungsfähigkeit auf. Dann folgen gesundheitliche Beeinträchtigungen, die erhebliche Ausmaße annehmen können. Wie jede körperliche Belastung beginnt das Übertrainingssyndrom mit einer von den Interleukinen 1 und 6 sowie dem Tumornekrosefaktor α vermittelten Entzündungsreaktion zur Reparatur von Mikrorupturen in Muskulatur und Bindegewebe. Dieser Vorgang braucht Zeit, sie wird vom Sportler aber nicht zur Verfügung gestellt.
Der eigentlich lokale Prozess geht allmählich in einen systemischen über. Dabei macht Interleukin-1 im limbischen System müde und gelegentlich Depressionen. Beide genannten Interleukine bewirken in den Gonaden Hormonsenkungen mit der Folge von Zyklusstörungen und Libidoverlust. Ferner veranlassen sie in den Nebennieren eine gesteigerte Cortisolbildung. Cortisol fördert die Glucosebildung aus Glutamin, diese Aminosäure fehlt dann für spezielle Funktionen im Immunsystem. Außerdem hemmt Cortisol Interleukin 2 und beeinflusst dadurch negativ die zelluläre Immunabwehr.
Biochemische Prozesse bei Überlastung (↑ Erhöhung, ↓ Verminderung)
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Ausdauersport und Tumorimmunologie
Große epidemiologische Studien über lange Beobachtungsperioden und mit vielen Teilnehmern sind notwendig, um tumorpräventive Wirkungen durch Sport zu erfassen. Solche Studien sind aber selten. Immerhin machen die physiologischen Grundlagen einen positiven Einfluss von Ausdauertraining auf die Tumorverhütung wahrscheinlich. Die vermehrte Mobilisierung von Natürlichen Killerzellen unter gemäßigten körperlichen Belastungen mit einer höheren zytotoxischen Gesamtkapazität deutet in diese Richtung, ebenfalls die unter diesen Bedingungen verbesserte Phagozytosefähigkeit der Granulozyten.
In unserem Körper entarten ständig Zellen. Das Immunsystem kann das normalerweise unter Kontrolle halten.
Erste Ergebnisse im Sinne einer geringeren Erkrankungshäufigkeit sind 1997 in einer großen, prospektiven Studie mit mehr als 25.000 norwegischen Probandinnen am Beispiel von Brustkrebs beschrieben worden. Das dort beobachtete verminderte Tumorrisiko von intensiv Sport treibenden Frauen wurde 2007 durch die „California Teachers Study“ mit über 110.000 Teilnehmerinnen bestätigt (Dallal et al. 2007). Den stärksten Schutz bietet dabei offenbar Training im Lebensalter von 12 bis 23 Jahren (Maruti et al. 2008; Leitzmann et al. 2008). Neben Östradiol spielt hier sicherlich auch das Insulin eine wichtige Rolle. Von diesem Hormon weiß man,
dass es das Wachstum verschiedener Tumorzellen beschleunigen kann, z. B. auch das von Brustkrebszellen. Da mit Übergewicht oft Insulinresistenzen und in deren Folge erhöhte Insulinspiegel einhergehen (s. S. 36), könnten diese für die höhere Rate an Brustkrebserkrankungen bei adipösen Frauen zumindest mitverantwortlich sein. Die beobachtete geringere Häufigkeit dieses Tumors bei sportlichen Frauen ließe sich dann unter anderem auf eine Gewichtsabnahme und Senkung der Insulinkonzentration zurückführen. Einen generellen Schutz vor bösartigen Tumoren durch Stärkung der Ausdauerfähigkeit wird es allerdings nicht geben können, zu zahlreich sind Noxen, Entstehungsmechanismen und nicht zuletzt die individuellen genetischen Veranlagungen. Und eventuelle protektive Wirkungen werden nur bei sehr langfristigen, regelmäßigen Ausdaueraktivitäten ins Gewicht fallen.
Unberührt vom möglicherweise direkten Einfluss regelmäßiger Ausdaueraktivitäten auf Tumorvermeidung bleibt aber der erhebliche indirekte Tumorschutz.
Er kann bedingt sein durch eine Senkung des Körperfettanteils (s. S. 35), verbesserte Ernährung, Aufgabe des Rauchens oder durch die bewegungsabhängige Anregung der Darmmobilität, resultierend in einer kürzeren Kontaktzeit kanzerogener Stuhlbestandteile mit der Darmwand (Meyerhardt et al. 2006).
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Ausdauersport als Rehabilitationsmaßnahme bei Krebs
Sowohl die Tumorerkrankungen selbst als auch die notwendigen Chemotherapien oder Bestrahlungen führen bei der Mehrzahl der Patienten zu einer erheblichen körperlichen Leistungseinbuße und zu permanenter Müdigkeit. Harmlose alltägliche Verrichtungen werden zu quälenden Belastungen, ein Zustand, der Monate manchmal sogar Jahre anhalten kann. Die rasche Erschöpfbarkeit verleitet regelmäßig zur Schonung. Körperliches Training beginnt, wenn überhaupt, meist erst viele Wochen nach Abschluss der Therapie. Damit geht wertvolle Zeit der Rehabilitation verloren.
Denn Ausruhen bedeutet Bewegungsmangel mit Muskelabbau und einer weiteren Abnahme der Leistungsfähigkeit.
Die normalen Alltagsaktivitäten werden immer anstrengender und der Erholungsbedarf entsprechend größer. Untersuchungen zeigen jedoch, dass schon unmittelbar nach Ende der Tumorbehandlung ein kontrollierter Wiedereinstieg in
ein sportliches Belastungsprogramm sinnvoll sein kann. Nicht nur die allgemeinen positiven Wirkungen von Ausdauertraining auf Körper und Geist kommen so den Krebspatienten früher zugute, sie profitieren auch besonders von einem für ihre Heilung wichtigen schnelleren Wiedererstarken des Immunsystems. Geeignet für die Rehabilitation ist ein vorsichtig dosiertes Ausdauertraining mit Einsatz großer Muskelgruppen. Das Training sollte dabei so aufgebaut werden, dass die Intensität etwa 70% der maximalen Belastbarkeit erreicht. Optimal ist ein Beginn mit drei halbstündigen Trainingseinheiten pro Woche, bei denen Unterbrechungen durch viele Pausen erlaubt sind. Nach vier bis sechs Wochen können Umfang und Intensität moderat gesteigert werden. Bewährt hat sich schnelles Gehen, besonders auch deshalb, weil Jogging noch als zu anstrengend empfunden wird und Rad fahren wegen des ausgeprägten Abbaus gerade der Oberschenkelmuskulatur zum Anfang ungeeignet ist. Langsame Spaziergänge bewirken keine Zunahme der Leistungsfähigkeit.
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Leistungsstoffwechsel und die Adrenalinwirkung
Am Anfang körperlicher Belastungen erreichen Signale sowohl von den Schaltzentralen im Gehirn, speziell im Hypothalamus, als auch von den beanspruchten Muskeln das hormonelle System und setzen dessen Aktivierung in Gang. Das bedeutet in der Hypophyse Ausschüttung von ACTH (Adrenokortikotropes Hormon), STH (Wachstumshormon) sowie ADH (Antidiuretisches Hormon) oder im Nebennierenmark über Aktivierung des Sympathikus Sekretion der Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin. Diese Signalstoffe wirken entweder direkt oder regeln die Freisetzung nachgeordneter Hormone. Die Stärke der hormonellen Antwort auf die Belastungsreize ist individuell verschieden. Sie hängt vom Gesundheitszustand, der Ernährung, bei Frauen von der Phase im Menstruationszyklus und nicht zuletzt vom Trainingszustand ab. Unter kurzdauerndem Training kommt es bei gleich bleibenden Belastungsreizen eher zu einer Abschwächung hormoneller Reaktionen. Dauerbelastungen können dagegen zu Intensivierungen einiger Hormonaktivitäten führen.
Ein Beispiel für eine solche Intensivierung bietet das Adrenalin. Es wird bei Trainierten unter maximalen Belastungsintensitäten verstärkt freigesetzt. Adrenalin unterdrückt die Insulinsekretion, fördert die Glukagonsynthese und hält damit den Blutglucosespiegel auch für den Zeitraum der Belastung ausreichend hoch. Die Fettverbrennung im Muskel wird belastungskonform gesteigert, weil durch die fettspaltende Wirkung des Adrenalins – unterstützt durch Glukagon und den Glukokortikoiden – hohe Plasmakonzentrationen an Fettsäuren zur Verfügung gestellt werden. Die positive Wirkung von Adrenalin auf den Leistungsstoffwechsel wird ergänzt durch seine zentral stimulierenden Eigenschaften und seine Fähigkeit, die Kontraktilität von Herz- und Skelettmuskulatur zu verbessern. Besonders Letzteres hat neben dem Effekt auf die aktuelle sportliche Leistung noch eine längerfristige Bedeutung. Mit zunehmendem Alter nimmt nämlich die Häufigkeit überschießender Adrenalinstöße ab. Deshalb bedeutet Ausdauertraining wegen der dabei immer wieder provozierten Ausschüttung von Adrenalin auch einen relativen Schutz der Muskulatur vor einer vorzeitigen Vergreisung.
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Leistungsstoffwechsel und die Insulinwirkung
Während die Adrenalinausschüttungen belastungsabhängig verschieden hoch ausfallen, bleiben die Insulinspiegel beim Sport zunächst im Normalbereich und sinken bei länger andauernden Aktivitäten ab. Da jedoch leistungsbedingt der Glucosedurchsatz erheblich angehoben ist, kommen trainierte Menschen für den Verbrauch einer bestimmten Glucosemenge offenbar mit weniger Insulin aus. Das liegt einmal daran, dass durch regelmäßige körperliche Anstrengungen Insulin wegen einer dann verbesserten Ansprechrate der in den Muskelzellen lokalisierten Insulinrezeptoren eine höhere Effektivität besitzt. Und zum anderen werden unter Belastung für die Einschleusung von Glucose in die Zellen hormonunabhängige Transportmechanismen begünstigt.
Die Verwertung der intramuskulären Glucosevorräte kann dann schon durch die Muskelkontraktionen selbst erfolgen.
Nur die Mobilisierung der extramuskulären Glucosedepots zugunsten der Muskulatur unterliegt unter diesen Bedingungen noch ganz der Kontrolle des Insulins (s. aber S. 60). Der Umstand, dass es bei sportlichen Leistungen eher zu verminderten Insulinausschüttungen kommt, ist auf den ersten Blick ein erstaunliches Phänomen. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich dies aber wieder als ein sinnvoller Anpassungsmechanismus der Natur, hier an den Leistungsstoffwechsel. Denn würden während körperlicher Tätigkeiten die Insulinsekretionen hoch sein, könnte die notwendige Eigensynthese von Glucose in der Leber nicht in Gang kommen und die Belastung müsste frühzeitig abgebrochen werden. Käme dann noch der allein schon durch den Belastungsreiz ausgelöste, insulinunabhängige Einstrom von Glucose in die Muskelzelle hinzu, entstünde eine dauerhafte Gefahr der Unterzuckerung mit schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
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Geschwindigkeit der Energiefreisetzung I: Aerobe Muskelausdauer
Je nach Intensität und Dauer der Kontraktionsarbeit Jede aerobe Ausdauerleistung beginnt aber mit einer Sauerstoffschuld, weil das der Muskulatur werden unterschiedliche QualiHerz-Kreislauf-System und der Stoffwechsel tätsansprüche an die Energieversorgung gestellt. auf den Übergang von Ruhe zur Bewegung Sofort und ohne Sauerstoffbedarf stehen zunächst mit erhöhter Anspannung reagieren. die im Muskel gespeicherten, aber leider nur geringen Phosphatkonzentrationen zur Verfügung. Ihre Bedeutung besteht darin, dass sie, gewissermaßen aus dem Stand, große Leistungen ermög- Diese Umstellungsphase beträgt 2–4 Minuten, lichen. das Sauerstoffdefizit wird am Ende der Belastung durch Mehraufnahme von Sauerstoff wieder ausDie eigentlichen Energielieferanten sind die Koh- geglichen. Bei Belastungen unter einer Stunde und lenhydrate und Fette, weniger die Eiweiße. Da der mit geringen bis mittleren Intensitäten, bei denen Kohlenhydratabbau wesentlich schneller aktivier- das Herz-Kreislauf-System etwa die Hälfte seiner bar ist als die Verstoffwechselung der Fette, läuft er maximalen Leistungsfähigkeit erbringen muss, stets im Vordergrund ab und wird parallel durch erfolgt die Energiefreisetzung etwa zu gleichen Teidie zunächst sparsamere Energiegewinnung aus len aus Kohlenhydraten und Fetten. Dabei beginnt den Fetten ergänzt. Sind die Vorräte an Kohlen- die merkliche Aktivierung des Fettstoffwechsels je hydraten erschöpft, ist Muskelarbeit wegen der lang- nach Trainingszustand mit einer Verzögerung von samen Glucose-Neusynthese in der Leber nur noch 15 bis 30 Minuten. sehr eingeschränkt möglich, obwohl riesige Energiereserven in den Fettdepots lagern. Der Metabolismus von Kohlenhydraten und Fetten unter genügender Zufuhr von Sauerstoff ist ein aerober Prozess.
Werden Ausdauerleistungen mittlerer Intensität über eine Stunde hinaus durchgehalten, steigt der Anteil der Fettverbrennung in der beanspruchten Muskulatur auf 60–70% bei gleichmäßiger Entleerung der Glykogendepots.
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Geschwindigkeit der Energiefreisetzung II: Anaerobe Muskelausdauer
Wächst die Intensität der Belastung, so erhöht sich die Energiegewinnung aus dem Kohlenhydratstoffwechsel nicht gleichmäßig, sondern steigt überproportional mit der Intensitätszunahme. Der Anteil der Fettverbrennung nimmt entsprechend ab. Sehr hohe Intensitäten sind schließlich nur noch durch Kohlenhydratabbau aufrechtzuerhalten. Dabei spielt die Geschwindigkeit der Energiebereitstellung die entscheidende Rolle. Zwar findet in einem Belastungsbereich von 50 bis 80% der maximalen Sauerstoffaufnahme die Sauerstoffanflutung in den Zellen noch schnell genug statt, damit die Kohlenhydrate vollständig zu Kohlendioxid und Wasser verbrannt werden können, also noch unter aeroben Bedingungen. Doch weitere Steigerungen der Belastungsintensitäten über 80% erhöhen den Glucosedurchsatz bis zum Zehnfachen, erfordern also sehr schnelle energetische Flussraten. Für diesen enorm hohen Glucoseabbau im aktiven Muskel reicht die pro Zeiteinheit transportierte Sauerstoffmenge nicht mehr aus, es erfolgt ein unvollständiger Abbau der Kohlenhydrate lediglich bis zur Milchsäure. Da in diesem Fall kein Sauerstoff verbraucht wird, spricht man von anaerober Energiefreisetzung. Sie ist sehr unökonomisch, da bei ihr nur 5,5% der Energiemenge frei wird, die bei kompletter Verbrennung
unter aeroben Verhältnissen gewonnen werden könnte. Hochintensive Leistungen unter anaerober Energiegewinnung sind etwa 80 Sekunden lang möglich. Hinzu kommen noch etwa 5 Sekunden, die aus den geringen ATP-Reserven gespeist werden, sowie ca. 20 Sekunden durch Ausschöpfung der Kreatinphosphat-Speicher. Panikartige Überlebensaktivitäten oder entsprechende sportliche Belastungen sind also nur knapp 2 Minuten durchzuhalten, obwohl die Energievorräte unter diesen speziellen Bedingungen 5 Minuten reichen müssten. Die Verknappung der Zeit hängt mit einem Schutzmechanismus für die Muskulatur zusammen. Sie würde möglicherweise bei andauernder hoher Belastung Schaden nehmen. Damit dies vermieden wird, hat die Übersäuerung durch Anhäufung von Milchsäure eine stark Leistung begrenzende Wirkung. Dem so ausgelösten Zwang, die Belastung deutlich einzuschränken oder gar abzubrechen, folgt je nach Trainingszustand mehr oder weniger schnell eine Erholungsphase.
Meist ist das Laktat nach 30 bis 60 Minuten wieder beseitigt. Orte seines Abbaus sind Leber, Herz und Skelettmuskeln.
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Der Mythos von der anstrengungslosen Fettverbrennung
Sich ausgesprochen langsam bewegen, um möglichst viel Fett abzubauen, ist eine häufig praktizierte Übung in Fitnessstudios. Aber ein solches Fettverbrennungstraining macht physiologisch keinen Sinn, weil der Kohlenhydratabbau zeitlich immer der Verstoffwechselung der Fette vorangeht. Für die geringere energetische Flussrate von Fettsäuren ist deren energetisches Äquivalent verantwortlich. Bezogen auf einen Liter Sauerstoff beträgt nämlich die Energieausbeute der Fette trotz ihres mehr als doppelt so hohen Energiegehalts nur 4,7 kcal, die der Kohlenhydrate aber 5,1 kcal. Dieser bei gleichem Sauerstoffverbrauch knapp 10% höhere Energiegewinn aus Kohlenhydraten und deren schnellerer Abbauweg begründen die Vorrangstellung der Kohlenhydrate am Energieumsatz. Dabei ist der Energiestoffwechsel äußerst komplex. An ihm beteiligt sind energiereiche Phosphate wie ATP und Kreatinphosphat, Glucose im Blut, Glykogenspeicher in Muskulatur und Leber, freie Fettsäuren, Triglyzeride im Fettgewebe und untergeordnet auch Aminosäuren aus den Eiweißen. Gerade wenig trainierte Personen verwerten aber wegen der energetischen Vorzüge des Kohlenhydratabbaus überwiegend nur ihre Glykogenreserven in der Muskulatur. Erst durch intensiveres Training wird der Stoffwechsel so verbessert, dass der Organismus verstärkt auch seine Fettreserven mobilisieren kann (s. S. 62). Optimal dafür sind körperliche Aktivitäten mit 70% der maximal möglichen Leistungen.
Wirkungen des Energieumsatzes auf das Gewicht
Speziell unter dem Gesichtspunkt der Gewichtsabnahme gilt jedoch ohnehin nur der von Robert Mayer schon 1841 formulierte Energieerhaltungssatz (s. S. 32). So erreicht man Gewichtsabnahmen bei gleicher Energiezufuhr lediglich durch Erhöhung des Energieumsatzes.
Je anstrengender sportliche Leistungen sind, umso negativer fällt die Energiebilanz aus und umso höher ist der Gewichtsverlust durch Fettabbau.
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Krafttraining
Ausdauer, mehr aber noch Kraftsport führen zu Muskelwachstum und Kraftzuwachs. Krafttraining ▬ stabilisiert Knochen und Gelenke ▬ verringert das Osteoporoserisiko ▬ steigert den Grundumsatz mit der Folge von Gewichtsabnahme und Optimierung des Stoffwechsels Die Muskelmasse eines Menschen erreicht ungefähr mit dem 20. Lebensjahr ihr individuelles Maximum. Sie macht dann bei Frauen etwa 35% Der Abbau von Muskulatur bewirkt eine ungünstige Verschiebung des Kraft-Lastdes Körpergewichts aus, bei Männern sind es 40 bis Verhältnisses. 45%. Bei körperlicher Inaktivität nimmt die Muskelmasse bis zum 55. Lebensjahr langsam und danach im beschleunigten Maße ab, wobei in der Regel mehr die unteren Extremitäten betroffen sind. Die Entlastung von Gelenken, Bändern und Sehnen durch starke Muskeln ist nicht mehr gegeben. Das Missverhältnis von Belastung und Belastbarkeit Der Gesamtverlust an Muskulatur kann bis erhöht die Gefahr von Stürzen und Verletzungen, zum Alter von 75 Jahren 25–35% betragen. Einschränkungen in den Alltagsaktivitäten werden so zur Regel. Aber durch regelmäßiges Training lässt sich die Kraft der jungen Jahre größtenteils In dieser Zeitspanne würde also ein 70 kg schwerer erhalten. Und die Muskulatur ist unabhängig vom Mann ohne Training etwa 10 kg seiner ursprüng- Geschlecht bis ins hohe Alter trainierbar. lichen Muskelmasse von 30 kg verlieren, eine gleich schwere Frau 8 kg von ehemals 25 kg.
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Mögliche Muskelbelastungen
Die meisten Muskeln sind funktionell als Paar angelegt. Wenn ein Muskel beispielsweise eine Beugung durchführt (Agonist), dann kann diese durch seinen Gegenspieler (Antagonist) in Form der Streckung wieder rückgängig gemacht werden. Dabei hängt die vom betreffenden Nerv-MuskelSystem ausgeübte Kraft von Anzahl, Querschnitt und Struktur der einzelnen Muskelfasern ab. Auch die optimale Koordination der jeweils zusammenwirkenden Muskeln und die effiziente Energiebereitstellung spielen eine wichtige Rolle. Die Beanspruchung der Muskeln kann in sehr unterschiedlicher Weise erfolgen. So steht bei dynamischen Kraftentfaltungen die Verkürzung der Muskeln innerhalb eines Bewegungsablaufs im Vordergrund, die als konzentrische Kontraktion (= Zusammenziehen der Muskelfasern in einem gemeinsamen Mittelpunkt) bezeichnet wird. Ist der Muskel aufgrund der Krafteinwirkung gegen einen Widerstand verlängert, z.B. als Bremskraft
beim Bergablaufen oder beim Abfangen des Körpers nach dem Stoßen eines Gewichts, spricht man von exzentrischer Arbeit (= Dehnung der Fasern aus einem gemeinsamen Mittelpunkt wieder heraus). Richtet sich die willkürliche Kontraktion gegen einen unüberwindlichen Widerstand, handelt es sich um statische Kraftübungen. Bei dieser isometrischen Muskelanspannung bleibt die Muskellänge unverändert. Die exzentrische Maximalkraft eines Muskels ist stets größer als seine dynamische Maximalkraft und je nach Trainingszustand 5–40% größer als seine statische Kraft. Im Sport haben wir es am häufigsten mit dynamischen Kraftwirkungen zu tun. Beim Laufen beispielsweise und in vielen anderen Sportarten ist der Bewegungsablauf durch einen rhythmischen Wechsel von konzentrischer Kontraktion und exzentrischer Bremskraft gekennzeichnet. Die Kontraktionsgeschwindigkeit bestimmt die Leistung der entsprechenden Muskeln.
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Steigerung der Kraftausdauer
Ein ausgewogenes Muskeltraining sollte 3- bis 4-mal pro Woche erfolgen und sich an Belastungen orientieren, die im Sport und Alltag verlangt werden. Von den einzelnen Übungen werden jeweils drei bis fünf Serien bestritten. Wenn man an aufeinander folgenden Tagen trainiert, ist es vernünftig, mit anderen Muskelgruppen als am Vortag zu arbeiten. Es ist sehr wichtig, die Belastungen bezüglich Umfang und Intensität nur moderat zu erhöhen. Die Krafteinsätze werden in gleichmäßigem Tempo langsam durchgeführt bis sich eine deutliche Ermüdung im Muskel einstellt. Ruckartige schnelle Bewegungen können zu Verletzungen führen und sind deshalb zu vermeiden. Auch aus Gründen einer optimalen Kraftsteigerung Trainingsdauer und Kraftzuwachs sind langsame Bewegungsphasen angezeigt. Sowohl das Gewicht heben als auch es senken sollte jeweils 3 bis 4 Sekunden dauern mit einer 2 Sekun- Verbesserung der neuromuskulären Koordination. den langen Pause dazwischen. Zur Schonung der Das Muskelwachstum setzt nach 4 bis 6 Wochen Wirbelsäule ist auf Vermeidung von Rundrücken ein und ist mit einem Kraftgewinn gekoppelt. oder Hohlkreuzhaltung zu achten. Beim Anheben der Gewichte wird ausgeatmet, beim Absenken eingeatmet und bei isometrischen Belastungen Je langsamer der Kraftzuwachs erworben wird, umso langsamer geht er bei einer hechelnd geatmet. Pressatmung ist in jedem Fall Trainingspause auch wieder verloren. schlecht. Die Pausen zwischen den Serien betragen 1–2 Minuten. Erste Trainingserfolge zeigen sich schon nach etwa Zum Krafterhalt reicht meist ein Training einmal 3 Wochen und beruhen hauptsächlich auf einer pro Woche aus.
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Bewegung
Muskuläre Ungleichgewichte
II
Die Muskeln werden entwicklungsgeschichtlich in phasische, tonische und gemischte Muskeln unterteilt. Rein phasische Muskeln übernahmen ursprünglich die Bewegungsarbeit und neigen zur Abschwächung. Die tonischen Muskeln hatten nur Haltearbeit zu leisten und neigen zur Verkürzung. Die gemischte Form findet sich heute in der menschlichen Skelettmuskulatur.
Trainingsreize, beides oft durch Verletzungen mitverursacht, führen leicht zu muskulären Dysbalancen.
Wenngleich es für den gesunden Körper immer sinnvoll ist, möglichst viele Muskeln zu kräftigen und zu dehnen, sind bei muskulären Ungleichgewichten die Besonderheiten der unterschiedlichen Faserarten zu berücksichtigen. Die zur AbschwäJe nach Überwiegen der Faserart werden die Mus- chung neigenden phasischen Muskeln sollten dann keln dabei eher als phasisch oder tonisch eingeord- gekräftigt werden, während für die tonische Musnet. Alltägliche Fehlbelastungen und einseitige kulatur die Dehnung im Vordergrund steht.
⊡ Tabelle 8. Reaktion wichtiger Muskeln bei Fehlbelastungen im Sport Eher zur Abschwächung neigend (phasische Muskeln)
Eher zur Verkürzung neigend (tonische Muskeln)
1
Rautenmuskeln (Rhomboidei)
10 Schulterblattheber (Levator scapulae)
2
Querer und aufsteigender Anteil des Kapuzenmuskels (Trapezius)
11 Absteigender Anteil des Kapuzenmuskels (Trapezius)
3
Unterarmstrecker (Triceps brachii)
12 Großer Brustmuskel (Pectoralis major)
4
Mittlerer Anteil des Rückenstreckers (Latissimus dorsi)
13 Unterarmbeuger (Biceps brachii)
5
Gerader Bauchmuskel (Rectus abdominis)
14 Oberer und unterer Anteil des Rückenstreckers (Latissimus dorsi)
6
Gesäßmuskeln (Gluteus maximus, medius, minimus)
15 Hüftbeuger (Iliopsoas)
7
Äußerer und innerer Anteil des Unterschenkelstreckers (Vastus lateralis A und Vastus medialis B)
16 Schlanker Muskel (Gracilis)
8
Vorderer Schienbeinmuskel (Tibialis anterior)
18 Oberschenkelanzieher (Adductor brevis, longus, magnus)
9
Lange Wadenbeinmuskeln (Peronei)
19 Beinspreizer (Piriformis)
17 Gerader Anteil des Unterschenkelstreckers (Rectus femoris)
20 Rückwärtige Oberschenkelmuskeln (Semimembranosis A, Semitendinosis B, Biceps femoris C) 21 Wadenmuskeln (Gastrocnemius A und Soleus B)
69 Bewegung
Das Kraftverlustsyndrom
Muskelabbau durch körperliche Inaktivitäten macht nicht nur schlapp und möglicherweise krank, sondern auch dick. Dazu folgende Beispielrechnung: Der Anteil der Muskelmasse am Körpergewicht soll bei einem jungen Menschen ungefähr 40% betragen. Das wären bei einem 75 kg schweren Menschen etwa 30 kg. Diese sind allein für einen täglichen Energieverbrauch im Grundumsatz von ca. 450 kcal verantwortlich (2700 kcal Gesamtenergieumsatz, davon zwei Drittel = 1800 kcal Grundumsatz, von diesen wiederum ein Viertel Muskulatur bedingt). Dementsprechend verbrennt ein antrainiertes Kilogramm Muskeln allein schon in Ruhe täglich etwa 15 kcal, das entspricht pro Jahr dem Gewicht von 600 Gramm Fettgewebe. In dieser Angabe ist die Tatsache berücksichtigt, dass im Fettgewebe etwa 10% Wasser gebunden sind. Umgekehrt lässt jedes Kilogramm entschwundener Muskelmasse jährlich eine nicht unerhebliche Menge Fett unberührt in den Fettpolstern, die sich deshalb mit zunehmendem Alter immer mehr ausdehnen. In 10 Jahren sind das immerhin rund 6 kg Gewichtszunahme bei sonst gleichen Lebensverhältnissen.
Je mehr Muskelmasse für sportliche Aktivitäten mobilisiert werden kann, umso größer ist der Energieverbrauch und umso mehr Fettgewebe wird abgeschmolzen.
Auswirkungen des Kraftverlustsyndroms
Deshalb profitiert auch der Leistungsumsatz vom Muskelaufbau. So müssen jüngere Sportler meist kürzer als ältere trainieren, um die gleiche Menge an Gewicht zu verlieren, denn sie sind in der Regel mit mehr Muskelmasse ausgestattet.
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Bewegung
Beweglichkeitsübungen
Die Beweglichkeit wird durch die beiden Komponenten Gelenkigkeit und Dehnfähigkeit bestimmt. Für erstere ist die individuelle Ausprägung der Gelenke verantwortlich und für die Dehnfähigkeit sind es die Muskeln und Sehnen.
gen. Bei dem heute vorzugsweise durchgeführten statischen Stretching werden die entsprechenden Muskeln so weit wie möglich gedehnt und diese Position über 20 bis 60 Sekunden gehalten. Das früher übliche dynamische Stretching hat seine Bedeutung verloren, weil die durch wippende DehnEin regelmäßiges Flexibilitätstraining des Erwach- übungen ausgelösten Schutzreflexe dessen Effeksenen zielt hauptsächlich auf den Erhalt der Beweg- tivität stark begrenzen. Frisch verletzte Muskeln lichkeit und weniger auf ihre Verbesserung. Das dürfen nicht gedehnt werden. führt im Alter zu einer verminderten Sturzneigung und dadurch bei einer vorhandenen Osteoporose zu weniger Knochenbrüchen. In jedem Alter kommt dem BeweglichkeitsNach körperlichen Anstrengungen dienen sorgfältige Dehnübungen dazu, die ermüdeten, verkürzten Muskeln wieder auf Normallänge zu brin-
training eine bedeutende Schutzfunktion vor akuten Verletzungen und chronischen Überlastungsschäden zu.
Schon Hippokrates hob die Bedeutung der Gymnastik für die Erhaltung der Gesundheit hervor. (Mit freundlicher Genehmigung Andreas Verlag Salzburg)
71 Bewegung
Gleichgewichtstraining
Das Älterwerden ist meist gekennzeichnet durch einen Gewinn an Übergewicht und einen Verlust an Gleichgewicht. Balance-Übungen haben deshalb in jedem Lebensalter einen hohen Stellenwert. Schon ständig praktizierte Beweglichkeit fördert ganz nebenbei auch das Koordinationsvermögen und erweitert die Vielfalt autonomer Bewegungsmuster. Unfälle aus Gründen von Ungeschicklichkeit können eher vermieden oder besser abgefangen werden. Wie wichtig eine optimale Gleichgewichtsschulung ist, zeigen die diversen Sportarten.
Ein gut abgestimmtes Zusammenwirken der verschiedenen Muskelgruppen mit dem Zentralnervensystem bedeutet für den Organismus neben der Optimierung des Bewegungsablaufes auch einen reduzierten Sauerstoffund Energiebedarf.
Die Beinamputation; Holzschnitt von J. Wetchlin (1540). (Mit freundlicher Genehmigung Andreas Verlag, Salzburg)
Für älter werdende Menschen empfiehlt sich eine einfache, aber effiziente Gleichgewichtsübung. Sie das An- und Ausziehen von Strümpfen und Schuhen besteht im täglichen Üben des Einbeinstandes durch im Stehen, ohne sich anzulehnen.
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Bewegung
Sport und Luftverschmutzungen – Feinstäube
Hauptverursacher von Luftverunreinigungen außerhalb von Gebäuden sind einige Industriekomplexe, der Straßenverkehr, Heizkraftwerke oder Müllverbrennungsanlagen. In den Gebäuden sind es oft Holzverfeuerungen in technisch veralteten Kaminöfen. Stäube mit einer Partikelgröße unter 10 μm (PM 10) werden von der Lunge aufgenommen, was sich zu einer durchschnittlichen Resorption von 5 bis 7 Gramm pro Jahr addieren kann. Zum Vergleich: ein menschliches Haar hat einen Durchmesser von 40 bis 100 μm. Sehr tückisch verhalten sich die 1 bis Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme: Blick in die Lunge mit aufgeschnittenen Alveolen 2,5 Mikrometer (PM 2,5) kleinen Teilchen, die bis und angesammelten roten Blutkörperchen (Mit in die Alveolen vordringen. Dort werden sie zwar freundlicher Genehmigung Photo- u. Presseabgebaut, diese Ausscheidungsprozesse können agentur GmbH FOCUS, Hamburg aber mehrere Monate dauern. In der Zwischenzeit führen die Feinstäube zu einer vermehrten Ausschüttung von entzündungsfördernden Boten- Gefährdet ist auch das Nervensystem mit Störungen stoffen und bewirken so chronische Veränderun- der Hirnfunktionen insbesondere bei Kindern und gen der Atemwege, die ungünstigenfalls in Asthma alten Menschen. oder gar in Lungenkrebs übergehen (Pope et al. 2009; Dominici et al. 2006; Gillissen et al. 2005; Jerett et al. 2005; Miller et al. 2007; Mills et al. Eine bestimmte Konzentration, unterhalb der Feinstäube unschädlich sind, scheint nicht zu 2007). existieren.
Ultrafeine Teilchen mit einem Durchmesser von weniger als einem Mikrometer durchdringen die Wand der Lungenbläschen und gelangen in die Blutbahn. Sie können Herzrhythmusstörungen verursachen und durch eine gesteigerte Thrombozytenfunktion zu Thrombosen führen, mit einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall.
Der in der EU-Richtlinie definierte 24-h-Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, der im Jahr nicht öfter als 35-mal überschritten werden darf, ist ein Kompromiss aus medizinisch Sinnvollem und technisch Machbarem.
73 Bewegung
Sport und Luftverschmutzungen – Ozon
Verantwortlich für erhöhte Konzentrationen von bodennahem Ozon ist die zunehmende Verkehrsdichte, denn für die Ozonbildung sind Stickstoffoxide erforderlich, die bis zu 70% aus den Verbrennungsprozessen in den Kraftfahrzeugen stammen. Schwächt sich abends die Sonneneinstrahlung ab, zerfallen die Ozonmoleküle in einer Rückreaktion schnell wieder, vorausgesetzt auch hier stehen Stickoxide aus den Autoabgasen als Reaktionspartner zur Verfügung. Gewöhnlich erreichen die Ozonkonzentrationen in Ballungsgebieten im Sommer unbedenkliche Werte von etwa 30 μg pro m3 Luft. Selbst kurzzeitige Ozonkonzentrationen bis 200 μg/m3 bedeuten für die Mehrheit der Bevölkerung noch keine Gefährdung der Gesundheit. Regelmäßig hohe Werte im Gebirge und Höchstwerte von über 10.000 μg/m3 auf Langstreckenflügen hätten sonst generell erhebliche Negativwirkungen. Die Empfindlichkeit auf Ozon unterliegt allerdings starken individuellen Schwankungen. Manche Menschen reagieren schon bei Werten unter 200 μg/m3, auch wenn sie denen nur wenige Stunden ausgesetzt sind. Klinische Symptome sind dann Kopfschmerzen, Husten, Atembeschwerden, Müdigkeit oder unter Belastung eine schnelle und flache Atmung. Bei höheren Werten und längeren Einwirkzeiten werden auch Einschränkung der zellulären Immunabwehr oder Abnahme der Elastizität der Lunge beobachtet. Zusätzlich zerstört Ozon teilweise das Ciliargewebe, was zur Anhäufung von
Aufbau der Erdatmosphäre
Fremdstoffen in der Lunge führt. Nach den Daten einer groß angelegten amerikanischen Studie haben Menschen, die dauerhaft in Gegenden mit erhöhten Ozonkonzentrationen leben, ein dreifach höheres Risiko, an den Folgen von Atemwegserkrankungen zu sterben (Jerett et al. 2009).
Sportliche Aktivitäten sollten an heißen Sommertagen nicht in die ozonträchtigen Stunden von 11 bis 18 Uhr gelegt werden.
Durch Luftverwehungen kann Ozon relativ schnell in sonst belastungsfreie Zonen gelangen. Wenn aber in solchen verkehrsarmen Erholungsgebieten die Stickoxide als katalytische Faktoren für die Zerstörung von Ozon fehlen, bleibt es dort sogar nach Sonnenuntergang in seinen hohen, evtl. schädlichen Konzentrationen längere Zeit bestehen.
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Bewegung
Tabak oder Gesundheit
Sport wird nicht in verrauchten Hinterzimmern getrieben. Aber gerade am Tabakrauch lässt sich besonders gut darstellen, wie sehr die Menschen unter dem Gesundheitsaspekt immer auf reine Luft angewiesen sind (Teo et al. 2006; Strandberg et al. 2008; Alsever et al. 2009). Denn Tabakqualm ist an vielen Orten die bedeutsamste Noxe der Innenraumluft. Er besteht aus dem Nebenstromrauch der glimmenden Zigarette und dem von Rauchern ausgeatmeten Hauptstromrauch. Diese Luftverschmutzungen enthalten mehr als 4500 Inhaltsstoffe, von denen allein über 70 als potentiell krebsauslösend gelten. Zu ihnen gehören unter anderen Arsenverbindungen, Benzol, Benzpyren, Nitrosamine oder das radioaktive Polonium 210. Schon kleinste Belastungen mit diesen Kanzerogenen können zu einer Tumorentwicklung führen. Sogar Gegenstände mit abgelagerten Tabak-Feinstaubpartikeln stellen eine kontinuierliche Schadstoffquelle dar, sodass selbst kalter Tabakrauch die Gesundheit gefährdet. Zusammenfassende Metaanalysen aller internationalen Studien aus den vergangenen Jahren belegen eindeutig die Verknüpfung von Rauchen mit dem gehäuften Auftreten von ▬ koronaren Herzkrankheiten ▬ Arteriosklerose ▬ chronischen Atemwegserkrankungen ▬ Typ-2-Diabetes ▬ Zahnwurzelentzündungen ▬ Magengeschwüren ▬ Osteoporose ▬ krankhafter Erweiterung der Bauchschlagader
Lungenflügel: links Raucher, rechts Nichtraucher
Grauem Star ▬ Makuladegeneration ▬ rheumatoider Arthritis ▬ akuter myeloischer Leukämie und ▬ Krebs der Lunge, der Mundhöhle, des Kehlkopfs, des Magens, der Speiseröhre, der Bauchspeicheldrüse, der Nieren, der Blase, des Uterus sowie des Darms ▬
Und nicht nur Raucher tragen alle diese Risiken, an deren Folgen weltweit jährlich 5,4 Millionen Menschen sterben, sondern Passivraucher am Bronchialkarzinom und an koronaren Herzkrankheiten ebenfalls. Immerhin zeigt eine Studie im respektablen Britisch Medical Journal, dass unter den 44,5 Millionen Erwachsenen in Großbritannien Passivrauchen für 31 Tote pro Tag verantwortlich ist (Jamrozik 2005). Und in Deutschland versterben an den Folgen des Passivrauchens nach einem Report des Krebsforschungszentrums in Heidelberg jährlich mehr als 3300 Nichtraucher (Pötschke-Langer et al. 2005).
Bewegung
75 Bewegung
Sportmedizinische Vorsorgeuntersuchungen
Sie sind dringend angeraten ▬ ab dem 35. Lebensjahr, wenn eine längere Inaktivitätsphase vorausging ▬ bei augenscheinlich gesunden Personen mit einem oder mehreren Risikofaktoren ▬ nach überstandenen ernsthaften Erkrankungen Niemand kommt auf die Idee, bei schweren akuten oder chronischen Erkrankungen gleich welcher Genese, Sport zu treiben. Am ehesten verführen vielleicht fieberhafte Infekte zur Unvernunft, besonders dann, wenn übertriebener Ehrgeiz oder unbedingtes Erreichenwollen bedeutender sportlicher Ziele im Leistungssport die Triebfeder sind.
Fieber gehört jedoch zu den absoluten Kontraindikationen.
Notwendige Einschränkungen ergeben sich häufig bei Vorliegen von leichteren chronischen Erkrankungen oder angeborenen organischen Schäden. Sind solche gesundheitlichen Störungen bekannt, muss mit dem behandelnden Arzt beraten werden, ob sportliche Belastungen möglich sind. Eventuell unter Hinzuziehung eines Sportmediziners sollte dann ein individuelles, den körperlichen Gegebenheiten angepasstes Trainingsprogramm entwickelt
Behandlung einer Rückgratverrenkung, Miniatur im Kommentar des Apollonius von Kiton. (Mit freundlicher Genehmigung Andreas Verlag, Salzburg)
werden. Das ist für die Patienten meist von sehr hohem Nutzen, wie die Bewegungstherapien in kompetent angeleiteten Rehabilitationssportgruppen bei Herz-Kreislauf- oder Tumorerkrankungen bzw. Erkrankungen des Bewegungsapparates zeigen.
II
Anhang
79 Anhang
Kurzes medizinisches Fremdwortregister Quelle: „Pschyrembel Klinisches Wörterbuch“, Verlag Walter de Gruyter GmbH, 261. Auflage, 2007
Adipositas:
Fettsucht
Fibrinogen:
Faktor I des Blutgerinnungssystems
Äquivalent:
Gegenwert, gleichwertiger Ersatz
Genese:
Entstehung, Entwicklung
aerob:
auf das Vorhandensein von Sauerstoff angewiesen
Genom:
Gesamtheit der Gene eines Individuums
Alveole:
Lungenbläschen
Glukagon:
Amphetamin:
Phenylaminopropan (Weckamin)
Hormon, das den Blutzuckerspiegel steigert
anabol:
aufbauend
Glukokortikoide:
anaerob:
ohne Verbrauch von Sauerstoff
Gruppe von in der Nebennierenrinde gebildeten Hormonen
Antagonismus:
entgegengesetzte Wirkung
Glykogen:
tierische Stärke
Arteriosklerose:
Arterienwandverhärtung
Gonaden:
Keimdrüsen
Arthrose:
degenerative Gelenkerkrankung
Hämoglobin:
roter Blutfarbstoff
Asthma:
erschwertes Atmen
hepatisch:
die Leber betreffend
Bariatrie:
medizinische Behandlung des Übergewichts und der Adipositas
Hippocampus:
BSE
Bovine spongiforme Enzephalopathie („Rinderwahn“)
Struktur im Seitenventrikel des Gehirns mit zentraler Funktion innerhalb des limbischen Systems, u. a. Sitz des Riechzentrums
Hypophyse:
haselkerngroße Hirnanhangdrüse
degenerativ:
entartet, abgenutzt
Hypothalamus:
Teil des Zwischenhirns
Demenz:
Verlust erworbener intellektueller Fähigkeiten
Hypothyreose:
Unterfunktion der Schilddrüse
Depression:
Schwermut
immun:
unempfindlich, gefeit, unempfänglich
Diabetes mellitus:
Zuckerkrankheit
Insuffizienz:
ungenügende Funktion
Intervention:
Eingreifen, Vermittlung
Diarrhö:
dünnflüssiger, reichlicher Stuhl
isometrisch:
bei konstanter Länge
Dysbalance:
Ungleichgewicht
kanzerogen:
krebsauslösend
endogen:
im Körper entstanden
Kapillaren:
Haargefäße
Endothel:
einschichtiges Plattenepithel (Deckgewebe), das die Herzräume und die Blut- und Lymphgefäße auskleidet
Kardiomyopathie:
Erkrankung des Herzmuskels
kardiovaskulär:
Herz und Gefäße betreffend
Karenz:
Entbehrung, Verzicht
Enzyme:
Eiweiße mit Funktion von Biokatalysatoren
Katecholamine:
exzentrisch:
außerhalb des Mittelpunktes liegend
Gruppenbezeichnung für Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin und deren chemischen Ableitungen
III
80
Anhang
kausal:
die Ursache betreffend
Osteoporose:
Verminderung von Knochengewebe ohne Veränderung der Gesamtform
Ovar:
Eierstock
Pestizide:
chemische Schädlingsbekämpfungsmittel
Phagozytose:
Fähigkeit biologischer Strukturen zur Zusammenziehung
die aktive Aufnahme unbelebter oder belebter Partikel in das Innere einer Zelle
phasisch:
in Phasen ablaufend
Kontraktion:
Sichzusammenziehen
Physiologie:
Konvektion:
Mitführung, z.B. von Gasen
Wissenschaft von den normalen Lebensvorgängen
konzentrisch:
um den gemeinsamen Mittelpunkt
Plaque:
beetförmige Gewebsveränderung
koronar:
kranzförmig
Plasma:
koronare Herzkrankheit:
Sammelbegriff für Krankheitsbilder, deren Ursache in einer Verhärtung der Koronararterien liegt
flüssiger Anteil des ungerinnbar gemachten Blutes
Prävention:
vorbeugende Maßnahme
Proband:
Versuchsperson
Korrelation:
Wechselbeziehung
Rehabilitation:
Maßnamen zur Wiedereingliederung
Kortikalis:
Rinde
respiratorisch:
die Atmung betreffend
Läsion:
Schädigung, Verletzung, Störung
reversibel:
umkehrbar
Laxanzien:
Abführmittel
Rezeptor:
Libido:
Begierde
Reiz aufnehmende Struktur in oder auf der Zelle
Makrophagen:
Blut- bzw. Gewebszellen mit der Fähigkeit, Fremdpartikel aufzunehmen und zu verdauen
Serum:
flüssiger Anteil des geronnenen Blutes
Synapse:
Kontaktstelle zwischen Nervenzellen Krankheitsbild mit stets den etwa gleichen Krankheitszeichen
Kilokalorie (kcal): Energieeinheit, 1 kcal = 4,15 kJoule (kJ). Umrechnungen im vorliegenden Text mit dem abgerundeten Faktor 4
III
Kollagen:
Gerüsteiweißkörper (z. B. Knorpel, Knochen)
Kontraindikation: Gegenanzeige Kontraktilität:
Metabolismus:
Umwandlung, Stoffwechsel
Metastasierung:
Absiedelung von Tochtergeschwülsten
Syndrom:
Mitochondrium:
Struktur innerhalb der Zelle, in der der Hauptteil der Energie gewonnen wird
Tachyarrhythmie: schnelle Form des gestörten Herzrhythmus
Monozyt:
größte weiße Blutzelle
Thermogenese:
Wärmeerzeugung
Mortalität:
Sterblichkeit
Thorax:
Brustkorb
Mutation:
Veränderung des genetischen Materials
thrombotisch:
die Blutpfropfbildung betreffend
tonisch:
kontinuierliche Muskelkontraktion
Neocortex:
stammesgeschichtlich jüngster Teil der Großhirnrinde
Ventilation:
Gastransport zwischen Außenwelt und Lunge bzw. umgekehrt
Nitrosamine:
Sammelbezeichnung für Amine mit der Gruppierung >N – NO
Ventrikel:
kleiner Bauch, z. B. Herzkammern
Vorhofflimmern:
Noxen:
Schadstoffe
Herzrhythmusstörung mit ungeordneter Vorhoftätigkeit
Östrogene:
Follikelhormone
Zytokine:
orthostatisch:
die aufrechte Körperhaltung betreffend
interzelluläre Mediatoren, die zur Aktivierung von Zellen beitragen
zytotoxisch:
zellschädigend
81 Anhang
Literatur
Die Vortragsreihe orientiert sich am Buch „Professionelle Prävention“ (s. letzte Seite). Dessen Inhalt wurde hier jedoch durch viele neue Beiträge aus der internationalen Fachliteratur ergänzt und aktualisiert: Abbott R et al. Walking and dementia in physically capable elderly men. JAMA 2004; 292: 1447–1453 Adams K, Schatzkin A, Harris T et al. Overweight, obesity, and mortality in a large prospective cohort of persons 50 to 71 years old. N Engl J Med 2006; 355: 763–778 Ahn J, Schatzkin A, Lacey J et al. Adiposity, adult weight change, and postmenopausal breast cancer risk. Arch Intern Med 2007; 167: 2091–2102 Alsever R, Thomas W, Nevin-Woods C et al. Reduced hospitalizations for acute myocardial infarction after implementation of a smoke-free ordinance. City of Pueblo, Colorado, 2002–2006 MMWR 2009; 57: 1373–1377 Baker J, Olsen L, Sörensen T. Childhood body-mass index and the risk of coronary heart disease in adulthood. N Engl J Med 2007; 357: 2329–2337 Bingham S, Day N, Luben R et al. Dietary fibre in food and protection against colorectal cancer in the European Prospective Investigation into Cancer and Nutrion (EPIC). An observational study. Lancet 2003; 361: 1496–1501 Bjelakovic G, Nikolova D, Gluud L et al. Mortality in randomized trials of antioxidant supplements for primary and secondary prevention. JAMA 2007; 297: 842–857 Bjorge T, Engeland A, Tverdal A et al. Body mass index in adolescence in relation to cause-specific mortality: A follow-up of 230 000 Norwegian adolescents. Am J Epidemiol 2008; 168: 30–37 Blennow K, de Leon M, Zetterberg H. Alzheimer’s disease. Lancet 2006; 368: 387–403 Boecker H, Sprenger T, Spilker ME et al. The runner`s high: opioidergic mechanisms in the human brain. Cerebral Cortex 2008; 18: 2523–2531
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